Logos: Festschrift Für Luise Abramowski Zum 8. Juli 1993 [Reprint 2015 ed.] 3110139855, 9783110139853

Die Reihe Beihefte zur Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft (BZNW) ist eine der renommiertesten internatio

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Logos: Festschrift Für Luise Abramowski Zum 8. Juli 1993 [Reprint 2015 ed.]
 3110139855, 9783110139853

Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Von Ägypten nach Israel. Zur hermeneutischen Methode heiliger Schriften
Epiphanes’ "Schrift Περὶ διχαιοσύνης" (= Clemens Alexandrinus, Str. 111,6,1 - 9,3)
Selbstdefinition durch Rituale im hellenistisch-christlichen Kleinasien. Zu den Abgrenzungen zwischen Kybelemysterien, Taurobolien, Montanismus und Bischofskirche
Der antivalentinianische Charakter der Theologie des Noët von Smyrna
Hippolyts Schrift Contra Noetum: ein Pseudo-Hippolyt
Sabellius und Sabellianismus als historisches Problem
Marcel Richard on Malchion and Paul of Samosata
Damnosa haereditas: Pamphilus’ Apology and the Reputation of Origen
Lukian von Antiochien in der Geschichte des Arianischen Streites
Die wunderliche Mär von zwei Logoi. Clemens Alexandrinus, Frgm. 23 - Zeugnis eines Arius ante Arium oder des arianischen Streits selbst?
Zur strittigen Frage arianischer Glaubenserklärung auf dem Konzil von Nicaea (325)
Eusebian and other Sources in Vita Constantini I
(Ps.-) Athanasius, Ad Afros Examined
Beobachtungen zur Verfasserfrage der pseudoathanasianischen "Expositio fidei"
Kaiser Julian und der θεòς λόγος der Christen
Märtyrerüberlieferungen aus der gotischen Kirche des vierten Jahrhunderts
Theology and Economy in Gregory the Theologian
Evagrios Pontikos und die Theologie der Wüste
Das nizänische Consubstantialis bei Augustinus von Hippo
Le dyophysisme christologique de Cyrille d'Alexandrie
Unterschiedliches Konzilsverständnis der Cyrillianer und der Orientalen beim Konzil von Ephesus 431
Der gewonnene christologische Konsens zwischen orthodoxen Kirchen im Licht der Kirchenvätertradition
Christ "The Hostage": A Theme in the East Syriac liturgical Tradition and its Origins
Teachings about God and Christ in the Liber Graduum
Ein Beitrag zum armenischen, syrischen und griechischen Sprachgebrauch bei den Aussagen über die Inkarnation in den frühen Symbolzitaten
Das armenische "Buch der Briefe". Seine Bedeutung als quellenkundliche Sammlung für die christologischen Streitigkeiten in Armenien im 6./7. Jh
Theodore of Tarsus and Monotheletism
Das Mittelalter in evangelischer Kirchengeschichte: ein Vorschlag
Christlich-figurale Deutungen der Aeneis im Ovide moralisé
Lactanz im Kulturkampf (1873-1875)
Augustin als Vater der Ökumene. Zu einem Grundsatz des Dokuments: Lehrverurteilungen–kirchentrennend?
Bibliographie Luise Abramowski
Bibliographie Rudolf Abramowski
Autorenregister

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Logos Festschrift für Luise Abramowski

w DE

G

Beihefte zur Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft und die Kunde der älteren Kirche

Herausgegeben von Erich Gräßer

Band 67

Walter de Gruyter · Berlin · New York 1993

Logos Festschrift für Luise Abramowski zum 8. Juli 1993

herausgegeben von

Hanns Christof Brennecke Ernst Ludwig Grasmück Christoph Markschies

Walter de Gruyter · Berlin · New York 1993

® Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.

Die Deutsche Bibliothek —

CIP-Einheitsaufnahme

Logos : Festschrift für Luise Abramowski zum 8. Juli 1993 / hrsg. von Hanns Christof Brennecke ... — Berlin ; New York : de Gruyter, 1993 (Beihefte zur Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft und die Kunde der älteren Kirche ; Bd. 67) ISBN 3-11-013985-5 NE: Brennecke, Hanns Christof [Hrsg.]; Abramowski, Luise: Festschrift; Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft und die Kunde der älteren Kirche / Beihefte

ISSN 0171-6441 © Copyright 1993 by Walter de Gruyter & Co., D-10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Druck: Gerike GmbH, Berlin Buchbinderische Verarbeitung: Lüderitz & Bauer, Berlin

Vorwort

Keineswegs zufällig sind in diesem Band einunddreißig verschiedene Beiträge aus der Patristik und den angrenzenden Gebieten der klassischen Philologie, der Christlichen Orientalistik und der Mediävistik unter dem einen Stichwort 'Logos' versammelt - gibt doch dieser griechische Begriff sowohl ein durchgängiges Thema der hier vertretenen Jubiläumsgaben wie auch des Werkes der Jubilarin an: Die folgenden Aufsätze, die Kolleginnen und Kollegen, Schülerinnen und Schüler, Freundinnen und Freunde der Tübinger Kirchenhistorikerin Luise Abramowski zum 65. Geburtstag widmen,1 wurden lediglich in chronologischer Reihenfolge geordnet. Sie beziehen sich aber in den allermeisten Fällen, sei es implizit, sei es explizit, auf jenes Stichwort. Eine erste große Gruppe behandelt entweder das aus dem hellenisierten Judentum übernommene Erbe der Logostheologie2 oder das überaus einflußreiche monarchianische Gegenmodell in seinen verschiedenen Spielarten. Dadurch wird sichtbar, welche dogmengeschichtlichen Wirkungen dieses Gegenüber nicht nur im zweiten und dritten (Hübner, Bienert, Stead), sondern selbst noch im vierten (Brennecke, Frickel, Markschies, Seibt), ja selbst im neunzehnten Jahrhundert (Heck) zeitigte. Eine

1 Dabei konnte in diesem Rahmen leider nur eine Auswahl von Geburtstagsgaben aus jenem Kreis publiziert werden, zu dem vor allem auch die Tübinger Fakultätskollegen mit ihren ebenfalls Luise Abramowski dedizierten Beiträgen zahlen: Oswald Bayer, Glauben und Schauen [im Druck]; Martin Hengel, Die Septuaginta als "christliche Schriftsammlung" und das Problem ihres Kanons, in: Verbindliches Zeugnis I: Kanon - Schrift - Tradition (Dialog der Kirchen 7), Freiburg/Göttingen 1992, 34-127; Ulrich Köpf, Die Passion Christi in der lateinischen religiösen und theologischen Literatur des Spätmittelalters, in: Die Passion Christi in Literatur und bildender Kunst, hg. v. W. Haug und B. Wachinger, Fortuna Vitrea 11, Tübingen 1993 [im Druck]·, Joachim Mehlhausen, Spekulative Christologie. Ferdinand Christian Baur im Gespräch mit David Friedrich Strauß und Julius Schaller, in: Historisch-kritische Geschichtsbetrachtung. Ferdinand Christian Baur und seine Schüler, hg. v. U. Köpf, Sigmaringen 1994 [im Druck]; Siegfried Raeder, Matthias Flacius Illyricus als Bibelausleger [im Druck]; sowie Peter Stuhlmacher, Jesaja S3 in den Evangelien und der Apostelgeschichte, in: Der leidende Gottesknecht, hg. von B. Janowski und P. Stuhlmacher, FAT, Tübingen 1994 [im Druck], 2 L. .Abramowski, Der Logos in der altchristlichen Theologie, in: C. Colpe, L. Honnefelder, M. Lutz-Bachmann (Hg.), Spätantike und Christentum. Beiträge zur Religions- und Geistesgeschichte der griechisch-römischen Kultur und Zivilisation der Kaiserzeit, Berlin 1992, 189-201, hier 200.

VI

Vorwort

zweite große Gruppe bemüht sich um jene Konzeption, die schließlich nach längerer Vorgeschichte in der zweiten Hälfte des vierten Jahrhunderts die Intentionen beider Modelle aufhob und synthetisierte, um die Dreihypostasentheologie, ihre literarischen Bezeugungen und ihr nahestehende Theologen (Williams, Kannengießer, Osbom, Rubenson - in gewissem Sinne auch Studer). Eine dritte große Gruppe schließlich zeichnet nach, wie die Lehre vom fleischgewordenen Logos in der Spätantike terminologisch (δια λόγους) ausgestaltet wurde (De Halleux, Brock, Winkler, Chadwick). Das Bekenntnis zum Logos (λόγον διδόναι) im Martyrium thematisieren schließlich zwei Beiträge (Brennecke, Schäferdiek). Gerahmt werden diese Beiträge zur Dogmenhistorie von Logos und Logostheologie durch je zwei Untersuchungen zur Vor- und Nebengeschichte (Böhlig, Lohr) sowie zur Nachgeschichte (Mühlenberg, Schindler) patristischer Theologie. Ob sich auch das Œuvre der Jubilarin, dessen Reichtum die beigegebene Bibliographie dokumentiert3 und dessen Titel die engen Grenzen einer reinen Kirchengeschichte oder christlichen Orientalistik oft gesprengt haben," unter das nämliche Leitwort "Logos" stellen läßt, wird am besten die Autorin selbst beantworten. Aber selbst wenn in über hundert Arbeiten vor allem theologische Begriffe und Bekenntnisse in ihren jeweiligen Kontexten analysiert werden,5 die anderwärts schon wieder für antiquiert gehaltene Methode der Literarkritik gelegentlich nicht verschmäht ist und auch nicht jede Autorenangabe gleich für bare Münze gehalten wird - daß der Christologie und insbesondere der Auseinandersetzung um Logos- und Dreihypostasentheologie darin ein zentraler Stellenwert zukommt, wird kein aufmerksamer Leser bestreiten. Es ist kaum notwendig hier hervorzuheben, wie Luise Abramowski durch ihr Insistieren auf dem historischen und theologischen Recht oft zu schnell abgetaner Ansichten eine unverwechselbare und charakteristische Stelle in der kirchenhistorischen

3

Siehe unten, 619-632. Für die alttestamentliche Wissenschaft vgl. aus der Bibliographie die Nr. 1; für die neutestamentliche die Nr. 71 (a) und 98; als Beispiele aus dem Gebiet der Praktischen Theologie sind zu nennen die Nrn. 12, 51, 61 und 67; aus der Mediävistik Nr. 31 und aus der Kunstgeschichte die Nrn. 91/92. 5 Entsprechend auch der Titel des Sammelbandes von 1992: "Formula and Context". 4

Vorwort

VII

Forschung einnimmt. Wenn z.B. gegenwärtig die partícula veri subordinatianischer Logostheologie oder der antiochenischen Exegese und Christologie verstärkt wahrgenommen und diese nicht einfach nur in der siegreichen Optik ihrer jeweiligen Gegner weitertradiert werden, ist dies sicher auch ihr Verdienst. Dabei muß der kritische Impuls solcher Untersuchungen keineswegs allein in die wissenschaftliche Tradition gestellt werden, die sich mit Namen wie Eduard Schwartz oder Cuthbert Hamilton Turner verbindet - über die Schrift keine andere

Autorität,

auch

nicht

die

vermeintlich

unerschütterlicher

Forschungsmeinungen zu stellen, ist zugleich auch die Grundmaxime, der sich jede evangelische Kirchengeschichte verpflichtet weiß. Wer wollte schließlich bestreiten, daß beispielsweise der Anspruch vornizänischer Logostheologie, auch Schriftauslegung darzustellen, im Rahmen einer so verstandenen theologischen Disziplin zumindest eine objektive Prüfung (und nicht nur eine Repetition häresiologischer Kategorialisierungen) verdient hat. Die Verbindung von strengem methodischem Anspruch und theologischem Interesse ist ein charakterisierendes Merkmal ihres Lebens: Für die Berufswahl spielte die theologische Ausrichtung ihres Elternhauses eine entscheidende Rolle. Neben der Mutter, Dr. Gertrud Abramowski, die selbst Theologie studiert und über ein kirchenhistorisches Thema promoviert hatte, blieb der Vater, der Alttestamentler und Orientalist Dr. Rudolf Abramowski, das große wissenschaftliche und menschliche Vorbild.6 Luise Abramowski begann das theologische Studium an der Kirchlichen Hochschule Berlin; denn die Mutter hatte nach dem frühen und erschütternden Tod des Vaters und nach der Flucht aus der ostpreußischen Heimat mit den sechs Kindern in Potsdam Zuflucht gefunden. Drei Semester später wechselte sie an die Evangelisch-Theologische Fakultät der Universität Bonn, besonders um dort Martin Noth, einen Freund des Vaters, zu hören.7 In Bonn erfuhr sie in theologischer Hinsicht besondere Förderung und Prägung durch Ernst Bizer. Er

6

Vgl. dazu auch die Bibliographie Rudolf Abramowski, unten S. 633-640. Die Anregung, sie in diese Festschrift aufzunehmen, hat die Jubilarin begrüßt; sie selbst hat dem Schriftenverzeichnis des Vaters ein Vorwort vorangestellt. 7 Vgl. das Vorwort in M. Noth, Geschichte Israels, Göttingen 1950 (= 101986) 5.

vili

Vorwort

ließ ihr freie Hand in der Wahl ihrer wissenschaftlichen Themen. Bizers unprätentiöse Art und sein menschlicher Großmut sind ihr immer Vorbild geblieben. Wenn wir nun nach fast vier Jahren Planung Luise Abramowski diese Seiten überreichen

können,

so

ist dies

nur

möglich

geworden

dank

des

Entgegenkommens des Herausgebers der Reihe, Prof. Dr. Erich Gräßer, und des Verlages, insbesondere von Herrn Dr. Hasko von Bassi, vor allem aber durch die engagierte Mitarbeit der Autorinnen und Autoren. Ohne die unermüdliche technische Arbeit, die die Damen Heidi Erlwein, Andrea Depner und Stephanie Ott sowie die Herren Götz Häuser, Arne Manzeschke und Jörg Ulrich am Lehrstuhl für Ältere Kirchengeschichte in Erlangen leisteten, hätte die Druckvorlage nicht an diesem Ort erstellt werden können.8 Zu bedanken haben wir uns für die technische Hilfe auch bei den Mitarbeitern des Lehrstuhls für Kirchengeschichte und Patrologie in Bamberg; für das Bild der Jubilarin bei Herrn Walter Speri. Schüler und Freunde - von letzteren seien hier vor allem Elisabeth Bizer und Alois Grillmeier S J . genannt - wünschen Luise Abramowski gute Gesundheit und eine von äußeren Lasten unbeschwerte Zeit ersprießlicher Forschung. Erlangen, Bamberg und Tübingen, am 8. Juli 1993

Hanns Christof Brennecke

8

Ernst Ludwig Grasmück

Christoph Markschies

Die Abkürzungen folgen den Konventionen der TftE, des PGL (Hg. Lampe), des Greek English Lexicon (Hg. Liddell/Scott/Jones) und des Dictionnaire latin-français des auteurs chrétiennes (Hg. Blaise). Die armenische Transliteration im Aufsatz von A. Schmidt und G. Winkler entspricht der der REArm.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort Inhaltsverzeichnis

V XI

Alexander Böhlig, Tübingen Von Ägypten nach Israel. Zur hermeneutischen Methode heiliger Schriften

1

Winrich A. Lohr, Bonn Epiphanes' Schrift "Περί δικαιοσύνης" (= Clemens Alexandrinus, Str. ΙΠ,ό,Ι - 9,3)

12

Carsten Colpe, Berlin Selbstdefinition durch Rituale im hellenistisch-christlichen Kleinasien. Zu den Abgrenzungen zwischen Kybelemysterien, Taurobolien, Montanismus und Bischofskirche

30

Reinhard M. Hübner, München Der antivalentinianische Charakter der Theologie des Noët von Smyrna

57

Josef Frickel, Salzburg Hippolyts Schrift Contra Noetum: ein Pseudo-Hippolyt

87

Wolfgang A. Bienert, Marburg Sabellius und Sabellianismus als historisches Problem

124

Christopher Stead, Cambrigde Marcel Richard on Malchion and Paul of Samosata

140

Rowan Williams, Oxford Damnosa haereditas: Pamphilus' Apology and the Reputation of Origen

151

Hanns Christof Brennecke, Erlangen Lukian von Antiochien in der Geschichte des Arianischen Streites . .

170

XII

Inhaltsverzeichnis

Christoph Markschies, Tübingen "Die wunderliche Mär von zwei Logoi". Clemens Alexandrinus, Frgm. 23 - Zeugnis eines Artus ante Arium oder des arianischen Streits selbst? Martin Tetz, Bochum

193 *

Zur strittigen Frage arianischer Glaubenserklärung auf dem Konzil von Nicaea (325)

220

Stuart G. Hall, London Eusebian and other Sources in Vita Constantini I

239

Charles Kannengiesser, Paris (Ps.-) Athanasius, Ad Afros Examined

264

Klaus Seibt, Stuttgart Beobachtungen zur Verfasserfrage der pseudoathanasianischen "Expositio fidei"

281

Ernst Ludwig Grasmück, Bamberg Kaiser Julian und der &εός λόγος der Christen

297

Knut Schäferdiek, Bonn Märtyreriiberlieferungen aus der gotischen Kirche des vierten Jahrhunderts

328

Eric Osborn, Melbourne Theology and Economy in Gregory the Theologian

361

Samuel Rubenson, Lund Evagrios Pontikos und die Theologie der Wüste

384

Basil Studer, Rom Das nizänische Consubstantialis bei Augustinus von Hippo

402

André de Halleux, Louvain Le dyophysisme christologique de Cyrille d'Alexandrie

411

Hermann-J. Vogt, Tübingen Unterschiedliches Konzilsverständnis der Cyrillianer und der Orientalen beim Konzil von Ephesus 431

429

Inhaltsverzeichnis

XIII

Adolf Martin Ritter, Heidelberg Der gewonnene christologische Konsens zwischen orthodoxen Kirchen im Licht der Kirchenvätertradition

452

Sebastian P. Brock, Oxford Christ "The Hostage": A Theme in the East Syriac liturgical Tradition and its Origins

472

Lionel Wickham, Cambridge Teachings about God and Christ in the liber Graduum

486

Gabriele Winkler, Tübingen Ein Beitrag zum armenischen, syrischen und griechischen Sprachgebrauch bei den Aussagen über die Inkarnation in den frühen Symbolzitaten

499

Andrea Schmidt, Frankfurt Das armenische "Buch der Briefe". Seine Bedeutung als quellenkundliche Sammlung für die christologischen Streitigkeiten in Armenien im 6./7. Jh

511

Henry Chadwick, Cambridge Theodore of Tarsus and Monotheletism

534

Ekkehard Mühlenberg, Göttingen Das Mittelalter in evangelischer Kirchengeschichte: ein Vorschlag . .

545

Antonie Wlosok, Mainz Christlich-figurale Deutungen der Aeneis im Ovide moralisé

554

Eberhard Heck, Tübingen Lactanz im Kulturkampf (1873-1875)

589

Alfred Schindler, Zürich Augustin als Vater der Ökumene. Zu einem Grundsatz des Dokuments: Lehrverurteilungen-kirchentrennend?

607

Bibliographie Luise Abramowski

619

Bibliographie Rudolf Abramowski

633

Autorenregister

641

Alexander Böhlig

Von Ägypten nach Israel Zur hermeneutischen Methode heiliger Schriften

I. Die Völker, die ihre Sprache schriftlich erfassen konnten, geben uns einen viel tieferen Einblick in ihre Natur und Entwicklung. Dies gilt vor allem, wenn sie und ihre Dokumente weit ins Altertum zurückzuverfolgen sind. Nicht nur die Sprache selber - auch diese bildet ein faszinierendes Arbeitsgebiet -, sondern auch die Überlieferung kultureller, politischer und sozialer Entwicklungen fesselt unser Augenmerk. Besonders wichtig erscheint mir aber der Zustand der religiösen Tradition. Ob es nun rituelle Überlieferungen, mythische Götteraussagen oder sogar theologische Systematisierungen sind, für sie gilt es zu erforschen, ob in ihnen altes Gut unverändert weitertradiert wird oder ob hier Veränderungen vorgenommen werden, in denen sich geschichtliche Einflüsse widerspiegeln. Eine Sprache wie das Ägyptisch-Koptische weist einen Bestand von über viertausend Jahren auf; der entscheidende Bruch liegt hier in der Abspaltung des Koptischen, das in eine ganz neue Umwelt, die des Christentums, eintritt.1 Dennoch lebt das Ägyptische der hieroglyphischen Schrift bis ins 5. Jh. n. Chr. fort. 2 Man sollte annehmen, daß die ägyptischen Priester der Spätzeit und der griechisch-römischen Epoche die alten Dokumente nicht mehr lesen konnten, waren doch in der Zeit nach dem Alten Reich und mit der Entstehung des Neuägyptischen am Ende des Neuen Reiches bedeutende grammatische Veränderungen vor sich gegangen.3 Doch scheint die alte Tradition auch für die spätere Zeit noch verständlich gewesen zu sein. Sonst wäre es nicht denkbar, daß die Inschrift des Schabaka-Steins (um 800) ein späteres archaisierendes

' Vgl. W . Schenkel, Einführung in die altägyptische Sprachwissenschaft, Darmstadt 1990. Tafel der Stufen d e r Sprachentwicklung nach B.H. Stricker bei W. Schenkel, Tübinger Einführung in die klassisch-ägyptische Sprache und Schrift, Tübingen 1991, 19. 2 Die letzte datierte Inschrift stammt aus dem Isistempel in Philä vom 24. August 394 (Lexikon der Ägyptologie IV, 1023). Der letzte demotische datierte Text ist von 452 (Lex. d. Ägypt. V, 728). 3 Vgl. W . Schenkel (wie Anm. 1) 7-13.

2

Alexander Böhlig

Denkmal wäre. 4 Vielmehr sind kommentarartige Bemerkungen Hinweise auf die Deutung. Beachtlich ist auch das Vorkommen verschiedener Deutungen zu einem Gegenstand.

II. Auch die Schriften des Alten Testaments sind in einem langen Prozeß entstanden, so daß auch in ihm grammatische Veränderungen zu beobachten sind. So ist das Verbalsystem ursprünglich nach dem Aspekt gegliedert und erst in später Zeit zum reinen Tempussystem geworden,5 was zu Fehlern durch die Übersetzung in der Septuaginta geführt hat. 6 Ebenso bemerkenswert ist die Kommentierung der späteren Zeit, die der Fund von Qumran uns eröffnet. Auch hier geht es um eigenwillige Deutung.

III. Wenn man bedenkt, daß das Judentum in Ägypten gerade unter den Persern und den Ptolemäera eine beträchtliche Rolle gespielt hat, ganz besonders aber in Alexandria mit der Septuaginta-Übersetzung eine in der Tiefe und in der Breite wirkende Tat vollbracht hat, ist es kaum denkbar, daß seine intellektuellen Vertreter an so großen Werken religiöser Tradition, wie sie die altägyptische Überlieferung darbot, vorübergingen, ohne sie zu beachten. Gerade in der ptolemäischen Zeit hat man ungeheure Mühe auf neue Tempel verwendet und diese Arbeit in der römischen Zeit fortgesetzt. Man mühte sich um eine ausführliche Zusammenfassung mythischer Aussagen und wollte wohl eine Theologie schaffen. Es ist kaum anzunehmen, daß die Verfasser dessen, was in Kult und Schrift von ihnen dargestellt wurde, ihr Werk

4

Vgl. A. Erman, Ein Denkmal raemphitischer Theologie, SBA 43 (1909) 916ff. K. Sethe, Dramatische Texte zu altägyptischen Mysterienspielen I. Das Denkmal memphitischer Theologie, der Schabaka-Stein des Britischen Museums (UGAÄ, Bd. X,l), Leipzig 1928. H. Junker, Die Götterlehre von Memphis (Schabaka-Inschrift), ABA 23 (1940). H. Junker, Die politische Lehre von Memphis, ABA 6 (1941). In allen diesen Bearbeitungen wird der Text als sehr altes Ägyptisch angesehen. Erst F. Junge hat gezeigt, daß der Text in Wirklichkeit archaisierend ist: Zur Fehldatierung des sog. Denkmals memphitischer Theologie, MDIK 29 (1973) 195-204. 5 Vgl. R. Meyer, Hebräische Grammatik III, Berlin 1972, 55ff. 6 Z.B. Ps 33,13f.

Von Ägypten nach Israel. Zur hermeneutischen Methode heiliger Schriften

3

als eine Geheimwissenschaft betrachteten und niemandem Einblick in die von ihnen dargebotenen und auch im Ritus noch aktuellen Inhalte gegeben hätten. Wir wissen vom Einfluß der ägyptischen Weisheitsliteratur auf die biblische.7 Der Einfluß reicht über das Judentum bis ins Christentum und in die Gnosis. Auch in der Lehre von der Schöpfung durch das Wort kann man ägyptisches Denken erkennen,

zumal

es

sich

bei

der

ägyptischen

wie

bei

der

biblischen

Schöpfungsvorstellung nicht um eine Schöpfung aus dem Nichts handelt. 8 Ferner entspricht die Rede des Re-Harachte an Horns von Edfu: 9 "Du bist meine Sohn, Erhabener, der aus mir hervorgekommen ist, mögest du die Feinde schwächen zu jeder Zeit" der Rede des Herrn im Alten Testament. Hier spricht Jahve vom König in Zion: 10 "Mein Sohn bist du, ich habe dich heute gezeugt. Bitte, so gebe ich dir die Völker zum Erbe, die Enden der Erde zum Eigentum. Du magst sie zerschlagen mit eisernem Stabe, magst sie zerschmeißen wie Töpfergeschirr". In späten Texten kann man auch eine Vorform für die Deutung des Namens Israel sehen, wie sie sich bei Philon von Alexandria und auch in einem gnostischen Text findet: "Der Mann, der Gott sieht"." Denn m.E. kann man die Grundlage für eine solche Deutung in ägyptischer Namensbildung ausmachen. So heißt von den Horussöhnen bei einer Aufzählung von sieben Geistern einer "der seinen Vater schaut"12. Auch von Horns selbst sagt man, daß sein Name ist: "Er-sieht-auf-ihre-Majestät (Hathor), wobei-seinGesicht-nach Süden-gerichtet-ist"13. Edfu gibt man den Namen "die Horns gesehen hat"14. Auch die Vorstellung von sj "Erkenntnis" und hw "Wort" scheint zumindest über ihr griechisches Verständnis in die jüdische Literatur eingedrungen zu sein. 15

7

Vgl. H. Brunner, Altägyptische Weisheit. Lehren für das Leben, Zürich München 1988, 88-90. Vgl. M. Görg, Mythos, Glaube und Geschichte. Die Bilder des christlichen Credo und ihre Wurzeln im alten Ägypten, Düsseldorf 1992, 37f.75ff.88ff. 9 Edfu VI 115,10; vgl. H. Sternberg, Mythische Motive und Mythenbildung in den ägyptischen Tempeln und Papyri der griechisch-römischen Zeit (GOF IV, 14), Wiesbaden 1985, 23. 10 Ps 2,7f. " Philon Alex., Index nom. s.v. Nag Hammadi II, 105,23-25. 12 Totenbuch, Spruch 17,20, Z. 162, übersetzt von E. Hornung (E. Hornung, Das Totenbuch der Ägypter, Zürich/München 1979). " Edfu VI 115,11; Sternberg (wie Anm. 9) 23. 14 Edfu VI 111,4. 15 Vgl. den Zusatz zu Sir 17,4. 8

4

Alexander Böhlig

IV. Da sowohl Juden wie Ägypter heilige Schriften besaßen, die sie immer wieder zu interpretieren hatten, und, wie eben gezeigt, durchaus Verbindungen vorhanden waren, sollte man auch einmal die Frage stellen, ob nicht etwa auch für die Methode der Bibelexegese der Juden Anregungen aus Ägypten anzunehmen sind. Der Fund hebräischer

Texte

in Qumran hat nämlich

eine beträchtliche

Anzahl

von

Kommentierungen zu Propheten geliefert. Ihre Eigenart ist die, daß auf die Zeile des zu erklärenden Textes ein peser folgt. Dieses Wort begegnet auch im Danielbuch in einem aramäischen Abschnitt, hier in der Form pisrä.16 Wahrscheinlich geht dies auf akkadisches pisru zurück und gehört zu den ins Aramäische aufgenommenen Lehnwörtern. 17 Das Wort ist auch ins Hebräische weitergewandert. 18 Sein Inhalt ist "Deutung".

Das wird

Übersetzung bestätigt.

19

von σύγκρισις

bzw.

σύγκριμα

in der

griechischen

Die Kommentierung bezieht sich jeweils auf die Gegenwart

des Interpreten; denn damit ist der Voraussagecharakter der Prophetie erfüllt. Darüber hinaus wird der Blick auf das Eschaton gerichtet. So bleibt der apokalyptische Charakter gewahrt, wie er im Danielbuch mit der "Deutung" piSrä verbunden ist. M. Hengel20 hat bei seiner Bearbeitung der Apokalyptik der Chasidim die sehr schöne Beobachtung gemacht, daß der antigriechischen Deutung in der sog. Demotischen Chronik21 eine ebenfalls politische Tendenz entspricht, und darauf hingewiesen, daß wie in hebräischen Stücken zunächst der Text des zu besprechenden Verses, dann aber die neue Deutung gegeben wird. Es folgt der Wortlaut der Deutung. Im Gegensatz zu Hengel möchte ich zunächst nicht auf den Inhalt, sondern auf den formalen Charakter eingehen. Die Deutung, die auf das Textstück folgt, ist vom vorhergehenden Satz abgesetzt. Es handelt sich ja um ein Orakel. Vielleicht ist hier von Anfang an einem dunklen Text ein Kommentar

16 Vgl. Dan 2,4-7.9.16.24-26.30.36.45; 4,3f.6.15f.21; 5,7f. 12.15-17.26; 7,16. Auch das Verbum peSar begegnet in Pe. Dan 5,16, Pa. Dan 5 , 1 2 . 17 Vgl. M . Wagner, Die lexikalischen und grammatikalischen Aramaismen im alttestamentlichen Hebräisch, Beihefte zur Z A W 96 (1966) 96. " In der Biblia Hebraica findet es sich in dieser Bedeutung schon Koh. 8,1. " Vgl. T h W A T VI, 810-816 (Fabry/Dahmen). 20 Judentum und Hellenismus, Tübingen ' 1 9 8 8 , 319-381, besonders 330ff.337ff. 21 Vgl. W . Spiegelberg, Die sogenannte Demotische Chronik des Pap. 2 ) 5 der Bibliothèque Nationale zu Paris, Leipzig 1914.

Von Ägypten nach Israel. Zur hermeneutischen Methode heiliger Schriften

5

beigegeben worden. Die Deutung wird meist mit dd "das heißt" eingeführt (über 40mal). Das entspricht dem koptischen x e , das ein Partizip sein könnte. 22 Daneben kommen zur Einleitung noch vor: iwf dd23 "er sagt" - Subjekt ist dann der erklärte Text, oder es handelt sich um eine Wendung wie in φησί "es heißt" -; hr dd=w 2 4 "man sagt", "man meint", eine Form, die dem koptischen Aorist ω λ = i.ir=f dd

25

entspricht;

"er (oder es) besagt" - hier wird die sog. emphatische Form gebraucht.

Die Person des Verbums bezieht sich entweder auf den zu interpretierenden Text oder seinen Verfasser. Für das letztere könnte die 2. Person in V 6 sprechen. An

verschiedenen

Stellen

wird

zurückgegriffen: i.ir=f dd n'm=s

26

n eingeleitet); iw ir=f dd n'm = s angefügt); i.ir=f dd n'm=w i . i r = w dd n'm=s

29

die

zu

kommentierende

Aussage

"er meint damit" (das Objekt Nektanebos ist mit 27

28

auf

"er meint damit" (das Objekt wird mit n

"er meint damit" (das Objekt ist mit r angefügt);

"man (plur.) meint damit" (das Objekt wird mit n angefügt).

Mehrfach wird die zu behandelnde Stelle auch durch substantivierten Relativsatz herausgehoben: ρ nt iw = f dd n ' m = f dd30 "das, was er meint, (ist) daß ..." oder ρ nt i r = k dd n ' m = f dd31 "das, was du meinst, (ist) daß ,.." 32 . An gewissen Stellen wird im Vers auch eine doppelte Erklärung gegeben. Dann wird u.U. vor der zweiten keine Lücke gelassen, so "der Vierte, er ist nicht gewesen" 33 . Zunächst wird der gemeinte Herrscher identifiziert, danach erklärt, was sein

Nichtsein

bedeutet.

Solche

Zweiteilung

liegt

zusammengehörigen aufeinander folgenden Aussagen vor.

34

bei

scheinbar

nicht

Nicht immer wird also

der gesamte Vers zusammen kommentiert; man kann auch auf Worterklärung übergehen.

22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32

33 34

Vgl. W . Erichsen, Demotisches Glossar, Kopenhagen 1954. II 5. II 24. IV 1. V 3 V 6. V 19. VI 4 . VI 14 V 1.9 .17. V 6. S. o. IV 7 . 1 1 . Vgl. IV 16.

6

Alexander Böhlig

V. Hatte die Kommentierung, wie sie in der Demotischen Chronik vorliegt, ebenso wie die der Propheten-pesänm eine politische Tendenz, so gilt es, in der davor liegenden ägyptischen Literatur nach entsprechenden Parallelen zu suchen, die über eine solche Tendenz hinausgehen. Besonders eindrucksvoll erscheint dabei die Kommentierung im Totenbuch. Hier findet sich diese Methode in dem sehr verbreiteten 17. Spruch.35 Im 18. Spruch folgt auf jeden Abschnitt im Anschluß an die Vorstellung vom Tribunal eine erklärende Strophe. Spruch 17 weist dagegen typische Glossierung auf. Ich kann hierfür auf Ergebnisse der besten Kennerin von Totenbuch 17 U. Rössler-Köhler zurückgreifen. 36 Eine Glossierung setzt schon früh ein. Denn, wenn auch in der 17. Dynastie, also am Ende der Hyksoszeit, z.B. der Sarg der Königin Mentuhotep das Totenbuch bezeugt, so ist auch unter früheren Sargtexten schon Material vorhanden, das im Totenbuch auftaucht. Das Corpus der Sargtexte ist ein bedeutendes Mittel zur Textherstellung des Totenbuches. E. Hornung weist allerdings darauf hin, daß man nicht Änderungen vorschnell als Fehler ansehen muß: "Die Schreiber des Neuen Reiches haben ganz bewußt die alten Vorlagen vielfach modernisiert und ihnen eine aktuellere Form gegeben, sie abgewandelt und mit neuen Deutungen versehen, so daß wir mit der Annahme von 'Fehlern' und 'verderbten Stellen' sehr zurückhaltend sein sollten". 37 Man sieht daraus, daß die ägyptische Religion gerade, was den Totenkult anlangt, eine lebendige Geschichte hat. Die umfangreichste Sammlung der alten Zeit sind die Pyramidentexte, ihnen folgt die Fülle der Sargtexte und dann das Totenbuch; später entstehen noch die Unterweltsbücher, wenn auch in der Spätzeit noch die Totenbücher tradiert und variiert werden. Alle diese Texte sind voll von mythologischen Anspielungen. Das 17. Kapitel des Totenbuches ist zusätzlich mit Glossen versehen.

35

Vgl. U. Rössler-Köhler, Kapitel 17 des ägyptischen Totenbuches (GOF IV,10), Wiesbaden 1979: Rekonstruktion des Archetypus, 157-166. Vgl. auch E. Hornung (wie Anm. 12). 36 Frau Rössler-Köhler hat mir freundlicherweise das Manuskript ihres noch ungedruckten Aufsatzes "Text oder Kommentar. Zur Frage von Textkommentaren im vorgriechischen Ägypten" zur Verfügung gestellt. 37 E. Hornung (wie Anm. 12) 16.

Von Ägypten nach Israel. Zur hermeneutischen Methode heiliger Schriften

7

Auch in medizinischen Texten begegnen Glossen. Sie sollen zur Verbesserung des Verständnisses dienen, indem sie Wörter näher erklären oder durch Hinweise anregen: "Er sagt", "es wird gesagt", "das ist"; oder es wird auf weitere schriftliche medizinische Quellen, z.B. auf das Buch von der Wundbehandlung oder vom Verbinden, aufmerksam gemacht.38 Mit solchen Glossen wird also Text- und Sachkritik geübt. Auch in den Totentexten stellen die Glossen keine Gesprächswiedergabe dar, sondern sind echte Kommentare. Im Gegensatz zu W. Schenkel39, der meint, die Texte in den dem Totenbuch vorausgehenden Sargtexten könnten nicht nach der Menge der Glossen datiert werden, glaubt U. Rössler-Köhler, eine zeitliche Abfolge für diese Vorgänger von Kapitel 17 des Totenbuchs erweisen zu können. Man hat ebenfalls die Ätiologien in Tempelinschriften als Kommentare ansehen wollen. 40 In ihnen geht es aber nicht um eine Erläuterung des Textes. Ich möchte darin eher Anmerkungen erkennen. Insbesondere dient hier der Text ja zum Verständnis einer bereits geläufigen Bezeichnung. Zu beachten ist die Einführung des Glossenabschnitts im Totenbuch 17 durch pw tr rf sw (sj) "was bedeutet das". Außer dieser Glossenüberschrift kommt bei Anführung einer weiteren Deutung die Einführung durch kj dd "andere Lesart" vor. Diese Gliederung entspricht ganz der jüdischen Methode. Die Gesamtglosse beginnt dort mit peser oder pisrö "Deutung", "seine Deutung". Kj dd ist gleich dem rabbinischen däbär 'ahër "andere Deutung". Wenn zu einem Text mehrere Erklärungen gebracht werden, lautet die Einführung jeder folgenden Erklärung däbär 'ahër. 41 Die Kommentierung mit einem peser ist in Qumran sehr beliebt. Man bringt damit zum Ausdruck, worauf sich das interpretierte Wort bezieht: "die Deutung des Wortes bezieht sich auf" oder "seine Deutung bezieht sich auf". Oder es wird

38

Vgl. H Grapow, Von den medizinischen Texten (Grundriß der Medizin der Alten Ägypter II), Berlin 1955, 42-44. l l l f . U. Rössler-Köhler hat in ihrem Artikel (wie Anm. 36) auch den medizinischen Glossen eine gesonderte Behandlung gewidmet. 39 Vgl. W . Schenkel, Zur Redaktions- und Überlieferungsgeschichte des Spruchs 335 A der Sargtexte (GOF IV,3), Wiesbaden 1975, 37-79, speziell 55-57. 40 Vgl. W . Schenkel, Kultmythos und Märtyrerlegende. Zur Kontinuität des ägyptischen Denkens (GOF IV,5), Wiesbaden 1977, z.B. 29.30. 41 Vgl. W . Bacher, Die exegetische Terminologie der jüdischen Traditionsliteratur I, Leipzig 1905, 18.

8

Alexander Böhl ig

gesagt: "die Deutung des Wortes (bzw. seine Deutung) besteht darin, daß ...". Aber man kann auf "seine Deutung" auch den Inhalt direkt folgen lassen. 42 Mitunter wird dem zu erklärenden Text auch ein Hinweis vorangestellt: "und wenn es heißt (folgt Zitat), so ist seine Deutung ...". K. Elliger sieht darin eine Wiederaufnahmeformel, mit der Vorausgehendes weitergeführt werden soll.43 Mitunter wird auch auf einen schon besprochenen Text zurückgegriffen und dieser aufs neue gebracht. Elliger bezeichnet dies als Rückverweisformel. 44

VI. Das in der jüdischen Kommentierung so häufige pëser wird insbesondere zur Deutung von Träumen gebraucht, so in Daniel. 45 Aber auch schon in der Josephsgeschichte wird die Traumdeutung in den Vordergrund gerückt. 46 Joseph, der in Ägypten im Gefängnis sich befindet, wird den ebenfalls im Gefängnis einsitzenden höheren Beamten des Pharao,

dem Obermundschenk

und

dem

Oberbäcker, zur Bedienung gegeben. Beide haben einen Traum und klagen darüber, daß sie keinen Deuter haben; sie können sich im Gefängnis ja nicht von fachlich versierten Traumdeutern beraten lassen, die auch schriftliche Sammlungen zur Verfügung haben. Joseph weist sie darauf hin, daß die Deutung von Gott kommt, und gibt den beiden ihre Deutung, dem einen zum Guten, dem andern zum Bösen. Solche Unterscheidungen von Gut und Böse in Träumen werden auch in dem von A.H. Gardiner edierten Traumbuch gemacht. 47 Als zwei Jahre später der Pharao selbst Träume hat, erinnert sich der Obermundschenk an Joseph und macht den

42

Vgl. T h W A T VI, 814. Vgl. K. Elliger, Studien zum Habakuk-Kommentar vom Toten Meer, Tübingen 1953, 124. Vgl. z.B. Rückgriff von VII 3 auf VI 15-16; IX 2-3 auf VIII 15. 44 Elliger (wie A n m . 43) 124f. Z.B. III 6.13-14; V 6. 45 Der Traum Nebukadnezars und die Deutung in Kap. 2.4.7. In Kap. 5 wird geheimnisvolle Schrift an der Wand gedeutet. 46 Vgl. Gen 40f. 47 Vgl. Hieratic Papyri in the British Museum, Third Series, London 1935, Vol. I Text, 9-23 (Pap. Beatty Nr. III); Vol. II Plates, PI 5-8a. 12-12a. Der altägyptische Terminus für Traumdeuter ist auch im Koptischen noch erhalten geblieben, in der bohairischen Übersetzung der Josephsgeschichte: Für LXX 215 εξηγητής steht 4 1 , 8 . 2 4 cpxNU) sb' (n) pr- 'nh "Gelehrter des Lebenshauses" (W. Westendorf, Koptisches Handwörterbuch, Heidelberg 1965-77, 193). Vgl. auch Nag Hammadi VI 6 1 , 2 0 in einer hermetischen Schrift: 26nc2xi ncj.2 npxNuj "Schriften (Buchstaben) von Lehrern des Lebenshauses" (sh pr 'nh); vgl. J.-P. Mahé, Hermès en Haute-Egyte I, Quebec 1978, 83.124f. 43

Von Ägypten nach Israel. Zur hermeneutischen Methode heiliger Schriften

9

Pharao auf ihn als Traumdeuter aufmerksam. Dieser deutet die Träume und zeigt ihren Inhalt als einen Wink auf. Das in diesem Bericht für "deuten" gebrauchte Verb pätar48 und das für "Deutung" verwendete Substantiv pittärön49 entsprechen inhaltlich dem hebr./aram. pasar bzw. peser. Sehr problematisch ist es, ob man diese Wörter etymologisch verbinden kann. Die Traditionen stammen aus verschiedenen Epochen, die mit psr aus der Spätzeit, wahrscheinlich der hellenistischen, die mit ptr aus älterem Erzählungsgut wohl des Jahvisten. Es könnte hier eine Erzählung vorliegen, die zunächst in mündlicher Überlieferung kursierte. Wenn das spätere peser auf akk. pisru ebenso wie das Verb päsar auf akk. pasäru50 zurückgeht, das über das Aramäische ins Hebräische eingedrungen ist, fragt man sich wohl, ob das Wort pittärön und der Stamm ptr, der in einem Text so ägyptischen Milieus vorkommt, eine Verbindung zum Ägyptischen haben könnte. Hier gilt es aber, größte Vorsicht walten zu lassen. Zunächst sind die Stämme psr und ptr scharf zu trennen. Denn psr wird sowohl im Aramäischen als auch im Hebräischen gebraucht, ptr nur im Hebräischen des Alten Testaments. Die Stellen in der Josephsgeschichte geben im Targum Onkelos den Stamm ptr durch Formen von psr wieder. In späterer aramäischer Literatur wird psar für "(Traum) deuten", "(Rätsel) lösen" verwendet,51 ptr in späterem Hebräisch und im Jüdisch-Aramäischen.52

Wenn man die beiden Stämme

miteinander

verbinden will, müßte man auf eine frühsemitische Wurzel ptr zurückgehen, die im Akkadischen zu psr würde. Berücksichtigt man aber, daß arab. fasara "deuten", tafsïr "Deutung" die Entsprechung des akkadischen Wortes ist, so ist das nicht möglich. Darum muß man die beiden Stämme trennen. Für die Josephsgeschichte und ihren ägyptischen Hintergrund kann insofern auf Traditionen zurückgegriffen werden, als ja durchaus Beziehungen zwischen Ägypten und Palästina bestanden. Die Pufferstellung, die Israel zwischen der Großmacht des

48

Vgl. Vgl. 50 Vgl. Leiden 51 Vgl. 2 vol., 52 Vgl.

49

Gen 40,8.16.22; 4 1 , 8 . 1 2 f . l 5 . Gen 4 0 , 5 . 8 . 1 2 . 1 8 ; 41,11. L. Koehler - W . Baumgartner, Hebräisches und aramäisches Lexikon zum Alten Testament, 3 1967-1990, s.v. Hebr. peser kommt im Alten Testament Koh 8,1 vor. M . Jastrow, Dictionary of Talmud Babli, Yerushalmi, Midrashic Literature and Targumim, N e w York 1950, s.v. M . Jastrow (wie A n m . 51), s.v.

10

Alexander Böhlig

Ostens und Ägypten einnahm, ermöglicht es uns, auch für diese Zeit Einflüsse aus Ägypten anzunehmen. Bei dem singulären Vorkommen von pätar im Hebräischen könnte die Frage gestellt werden, ob das Wort vielleicht ein ägyptisches Lehnwort ist. Das ist allerdings sehr problematisch; es muß deshalb bei einem etwaigen Versuch größte Zurückhaltung geübt werden. Kann das ägyptische Verb ptr "sehen" (Syn. von m " , von dem die Bedeutung "einen Traum sehen"53 vorkommt), "erblicken", "kennenlernen"54 mit pätar in Verbindung gebracht werden? Das Wort kann in der Aussprache mit dem Ausdruck "was bedeutet (es)?" verwechselt werden. 55 Ist hier vielleicht der Charakter des Fragesatzes verlorengegangen und einfach ein Ausdruck für "Bedeutung" Übriggeblieben? Das Fragepronomen pw ist ja verhältnismäßig selten. Problematisch erscheint mir, daß beide Ausdrücke ihr r in j verwandelt haben. Man müßte also mit einer sehr frühen Übernahme rechnen oder rein vom Schriftbild ausgehen. Dann hätte man Ausdrücke für "Traumdeuten" sowohl aus dem Akkadischen wie aus dem Ägyptischen vor sich. Für Letzteres spricht die Beschränktheit des Vorkommens auf die Josephserzählung.

VII. Deutlich ist die Übereinstimmung von Kommentierungen in ägyptischer und jüdischer Literatur. M. Hengel hat mit Recht auf den politischen Charakter solcher Interpretation hingewiesen.

56

sowohl

in

der

Demotischen

Chronik

als

auch

bei

Daniel

Doch auch die aus Qumran stammenden Bibelkommentare, z.B.

Habakuk, Jesaja, Nahum,

haben mit ihren pesärlm die Absicht,

eine im

Prophetenwort liegende Aussage für die Gegenwart und ihre Situation zu geben. Dabei wird diese als Endzeit angesehen. Das Wort der Propheten wie des Psalters wird erst wirklich lebendig für die Zeit des Deuters. Gerade darum ist es Prophetenwort und als solches wahres Wort. Es gilt gerade deshalb für die Zeit des Kommentators. Eine andersartige Deutung ist nicht möglich. Darum ist hier kein däbär 'ahër als Fortsetzung von ägypt. kj dd vorhanden. Mit Recht hat G.

53 54 55 56

Vgl. A. Erman - H. Grapow, Wörterbuch der ägyptischen Sprache, Berlin 4 1982, II 8. Vgl. A. Erman - H. Grapow (wie Anm. 53) I 564. Nach Auskunft von U. Rössler-Köhler. Vgl. M . Hengel, (wie Anm. 20).

Von Ägypten nach Israel. Zur hermeneutischen Methode heiliger Schriften

11

Stemberger57 auf den Unterschied in der Interpretation zwischen Qumran und den Rabbinen hingewiesen und gezeigt, daß bei letzteren die Propheten als Gegenstände des Midrasch zurücktreten. Ist der Absolutheitsanspruch der Propheten vom Exegeten in Qumran übernommen, so wird von den Rabbinen das Gesetz und die Megillot (d.i. Klagelieder, Hoheslied, Ruth, Esther, Kohelet) zwar auch auf die Gegenwart bezogen,

aber ihre Interpretation erfolgt nach wissenschaftlicher

Methode. Der Interpret erhebt nicht den Anspruch, mit seiner Erklärung die einzig mögliche Deutung zu bieten. Er bringt vielmehr zur Erklärung des Textes, nachdem dieser zitiert ist, die Meinungen verschiedener namentlich oder anonym angeführter Lehrer. Das tritt in der eigentlichen Kommentierung des Midrasch aber schon in den Prooimien hervor, was sowohl für halachische wie haggadische Midraschim gilt. In beiden

Fällen

werden

u.U.

kleinste

Teile

eines

Verses

gedeutet.

Als

Deutungsgrundlage wird in einem solchen Verfahren, das logisch vorgehen will, natürlich zunächst die Bibel genommen. Zu seiner Unterstützung zieht der Kommentator aber auch andere Interpreten aus dem Kreis der Rabbinen heran. Manchmal sagt er: "eine andere Auslegung" und zitiert diese. 58 Das entspricht der Methode von Totenbuch 17, wo nach der Beantwortung der Frage "Was bedeutet es" u.U. eine zweite oder dritte Antwort mit der Einleitung "eine andere Meinung (wörtl. Aussage)" hinzugefügt wird, oder der medizinischen Schriften, die ja auch u.U. auf Quellen verweisen. Es scheint also doch so, daß eine Linie über Kulturbeziehungen von Ägypten zum Judentum hingeführt hat. Das geschah in einer Form, in der das Judentum solche Tradition gerade für seine jeweiligen Zwecke fruchtbar machen konnte.

57 58

Midrasch. Vom Umgang der Rabbinen mit der Bibel, München 1989, 23.27. Eindrucksvolle Beispiele bietet die Anthologie von G . Stemberger (wie Anm. 57) 5 6 . 5 7 . 6 2 . 1 0 1 .

Winrich Α. Lohr

Epiphanes' Schrift "Περί δικαιοσύνης" (= Clemens Alexandrinus, Str. 111,6,1 - 9,3)

Bei der Erforschung der - im unspezifischen Sinne des Wortes -"gnostischen" Sekten des 2. Jahrhunderts stand die Gruppe der sogennanten "Karpokratianer" bislang nicht im Mittelpunkt des Forschungsinteresses. Es gibt u.W. keine gründliche Monographie zu diesem Thema;1 die vorhandenen Notizen aus den Quellen sind zwar bekannt, aber bei weitem noch nicht so gründlich ausgewertet worden, daß wir mit einiger Sicherheit den theologischen Standort der Karpokratianer bestimmen könnten. Die nachstehenden Ausführungen wollen insofern einen Anfang machen, als sie die von Clemens von Alexandrien mitgeteilten Fragmente der Schrift "Über die Gerechtigkeit" des Karpokratessohnes Epiphanes einer näheren Betrachtung unterziehen.

1 Die Dissertation von H. Liboron, Die karpokratianische Gnosis. Untersuchungen zur Geschichte und Anschauungswelt eines spätgnostischen Systems, Leipzig 1938, hat ihre Verdienste, jedoch will und kann sie nicht den Anspruch einlösen, eine gründliche monographische Behandlung des Themas zu liefern. Weitere Literatur: Fuldner, De carpocratianis, Leipzig 1824 (nicht eingesehen); G. Volkmar, Über die Häretiker Epiphanes und Adrianus: Monatsschrift des wissenschaftlichen Vereins in Zürich I (1856) 276-282 (nicht eingesehen); A. Hilgenfeld, Die Ketzergeschichte des Urchristentums. Urkundlich dargestellt, Leipzig 1884 (Nachdr. Hildesheim 1966), 397-408; G. Bareille, Art.: Carpocrate: DThC 2,2 (1923) 1800-1803; E. de Faye, Gnostiques et Gnosticisme, Paris 1925, 413-419; H. Leisegang, Die Gnosis, Stuttgart s 1985,257-270; G. Bardy, Art.: Carpocrate, Carpocratiens: D H G E 11 (1949) 1118-1119; E. Peterson, Art.: Carpocrate e Carpocraziani: EC 3 (1949) 939f. (nicht eingesehen); H. Kraft, Gab es einen Gnostiker Karpokrates?, ThZ 8 (1952) 434443; G. Kretschmar, Art.: Karpokrates: RGG 3 3 (1959/1986) 1159; F. Bolgiani, La polemica di d e m e n t e Alessandrino contro gli Gnostici libertini nel III libro degli "Stromati": Studi in onore di Alberto Pincherle (SMSR 38,1-2), Rom 1967, 95f. (Lit.!); M. Smith, Clement of Alexandria and a Secret Gospel of Mark, Cambridge/Mass. 1973, 266-278 (sehr informativ); S. Pétrement, Le Dieu séparé. Les origines du gnosticisme, Paris 1984, 475-479.

Es würde sich lohnen, das ganze karpokratische Dossier erneut vorzunehmen und gründlich zu analysieren; unser Aufsatz kann nur einen Anfang bieten.

Epiphaiies' Schrift "Περί δικαιοσύνης"

13

I. Clemens von Alexandrien schreibt Str. 111,6, Iff.2: "Dieser (d.h. Epiphanes/W.A.L.) sagt nun in der Schrift 'Über die Gerechtigkeit', 'daß die Gerechtigkeit Gottes eine gewisse Gemeinschaft (κοινωνία) verbunden mit Gleichheit (ϊσότης) ist. In gleichmäßiger Weise (ίσος) nämlich nach allen Seiten ausgespannt umfängt der Himmel die ganze Erde im Kreis, und die Nacht zeigt alle Sterne gleichermaßen (έπ' ίσης), und die Ursache des Tages und den Vater des Lichtes, die Sonne, hat Gott gleichmäßig (ίσος) von oben auf die Erde für alle, die sehen können, ausgegossen; gemeinsam (κοινή) aber sehen alle, weil er keinen Unterschied macht zwischen dem Reichen und dem Armen, dem Volk und dem Herrscher, den Vernünftigen und den Unvernünftigen, Frauen und Männern, Freien und Sklaven. Aber auch bei den vernunftlosen Tieren verschafft sich keines einen Vorteil, sondern indem er sie (d.h. die Sonne) als Gemeingut (κοινός) gleichermaßen (έπ' ίσης) von oben her über die Lebewesen ausgießt - und zwar die Guten und die Bösen - bestätigt er die Gerechtigkeit, weil keiner mehr haben kann und dem Nächsten etwas wegnehmen kann, damit er selbst doppelt so viel Licht wie jener habe. Die Sonne läßt gemeinsame (κοινός) Nahrung für alle Tiere wachsen, und so wird die gemeinsame Gerechtigkeit (ή δικαιοσύνη ή κοινή) allen gleichermaßen (έπ' ίσης) zuteil, und in dieser Hinsicht entsteht die Gattung der Rinder ebenso wie auch die einzelnen Rinder und die Gattung der Schweine wie auch die einzelnen Schweine und die Gattung der Schafe wie auch die einzelnen Schafe und alles Übrige. Denn als Gerechtigkeit (δικαιοσύνη) offenbart sich bei ihnen die

Gemeinsamkeit

Gemeinsamkeit

(κοινότης).

Weiterhin

aber

wird

alles

nach

der

(κοινότης) gleichermaßen - je nach Art - ausgestreut,

gemeinsame (κοινός) Nahrung sprießt auf für alle Weidetiere und zwar gleichermaßen (έπ' ίσης) für alle und durch keinerlei Gesetz geregelt, indem sie durch die Großzügigkeit des Gebenden und Befehlenden in Übereinstimmung mit der Gerechtigkeit (δικαιοσύνη) für alle vorhanden ist.

2

Zur Übersetzung vgl. BKV (2. Reihe) Bd. 17 (O. Stählin), 260-263; H. Leisegang, Die Gnosis, Stuttgart s 1985, 258-261; M. Simonetti, Testi gnostici cristiani, Bari 1970, 79-81.

14

Winrich Α. Lohr

Aber auch das zur Geburt Gehörige hat kein geschriebenes Gesetz - es wäre denn gefälscht - sie säen und zeugen gleichermaßen (έπ' ίσης), indem sie die Gemeinschaft (κοινωνία) von der Gerechtigkeit (δικαιοσύνη) eingepflanzt haben. Gemeinsam (κοινή) gab der Schöpfer und Allvater allen gleichermaßen (έπ' ίσης) ein Auge zum Schauen, indem er dies vermöge seiner Gerechtigkeit bestimmte (νομο&ετήσας), wobei er nicht die Frau vom Mann, nicht das Vernünftige vom Unvernünftigen und überhaupt kein Wesen vom anderen unterschied. In Gleichheit (ίσότης) und auch Gemeinsamkeit (κοινότης) verteilte er die Fähigkeit 2mm Schauen, wobei er sie (die Fähigkeit zum Schauen) allen in gleicher Weise mit einem Befehl schenkte. 'Die Gesetze aber', sagt er, 'lehrten, da sie die Unwissenheit der Menschen nicht bestrafen konnten, den Gesetzesbruch. Der den Einzelbesitz favorisierende Charakter der Gesetze (ή ... ΐδιότης των νόμων) zerschnitt nämlich die Gemeinsamkeit des göttlichen Gesetzes und zersetzt sie.' Indem er das sagt, begreift er nicht das Wort des Apostels, der sagt: 'Durch das Gesetz erkannte ich die Sünde.' (Rom 7,7). Er sagt nämlich, daß das Mein und das Dein durch die Gesetze nebenhereingekommen (παρεισελ&είν) sei, indem sie nämlich nun nicht mehr in Gemeinsamkeit (εις κοινότητα) das Gemeinsame 3 genossen, sei es nun Land oder Besitz oder auch die Ehe. Gemeinsam (κοινή) schuf er für alle die Weinstöcke, die weder einen Spatzen noch einen Dieb zurückweisen und so auch das Getreide und die anderen Früchte. Aber die Gemeinsamkeit (κοινωνία) wurde übertreten, und was eigentlich zur Gleichheit (ίσότης) gehörte, brachte den Dieb von Vieh und Früchten hervor. Gemeinsam (κοινή) nun schuf Gott alles für den Menschen, und gemeinsam (κοινή) führte er die Frau mit dem Mann zusammen, und alle Tiere in gleicher Weise zusammenfügend offenbarte er die Gerechtigkeit als Gemeinsamkeit verbunden mit der Gleichheit (κοινωνία μετ' ίσότητος).

3

Unsere Übersetzung versucht die Lesart des Codex Laurentianus V 3 "κοινά τε γαρ" zu bewahren.

Epiphanes' Schrift "Περί δικαιοσύνης"

Die

aber,

die

geboren

wurden,

haben

so

die

15

zusammenführende

Gemeinsamkeit (κοινωνία), d.h. ihren Ursprung, verleugnet und sagen: 'Wer eine heimgeführt hat, soll sie besitzen - obwohl alle an ihr teilhaben könnten, wie die übrigen Lebewesen beweisen.' Indem er dieses wörtlich gesagt hat, fügt er in gleicher Weise mit diesen Worten hinzu: 'Bei den männlichen Lebewesen hat Gott die Begierde kräftig (ευτονος)4 und heftiger geschaffen zur Fortdauer der Gattungen, welche weder Gesetz noch Sitten noch irgendetwas sonst aus der Welt schaffen kann, denn sie ist eine Anordnung (δόγμα) Gottes.'" (Stählin/Früchtel/Treu 11,197,28 - 199,139) "Und auch Epiphanes, der in seinem bekannten Buch, ich meine in der Schrift 'Über die Gerechtigkeit', wörtlich so fortfährt: 'Deshalb muß man dieses Wort: 'Du sollst nicht begehren' so auffassen, als habe der Gesetzgeber (νομοθέτης) etwas Lächerliches gesagt, um dann noch lächerlicher hinzuzusetzen: Svas dem Nächsten gehört'. Derselbe nämlich, der die Begierde gab, die das, was zur Zeugung gehört, zusammenhält5, befiehlt sie hinwegzunehmen, obwohl er sie keinem Lebewesen genommen hat. Und das 'die Frau des Nächsten' sprach er als etwas noch Lächerlicheres, weil er damit zwangsweise das Gemeinsame (κοινωνία) zum eigentümlichen Besitz (ιδιότης) macht.'" (Stählin/Früchtel/Treu 11,199,29 - 200,4)

II. Clemens zitiert und kommentiert in dem übersetzten Abschnitt Fragmente aus der Schrift "Über die Gerechtigkeit" (Περί δικαιοσύνης) des Epiphanes. Nach den Angaben des Clemens war Epiphanes der Sohn der Karpokrates und der Alexandria; sein Vater stammte aus Alexandrien, seine Mutter aus Kephallenia. Laut Clemens starb Epiphanes jung, mit 17 Jahren; nach seinem Tode sei er in Same auf Kephallenia in einem Tempel als Vergöttlichter verehrt worden.6

4

Eine stoische Reminiszenz? Vgl. SVF IV (Index), s.v. H. Leisegang (wie Anm. 1) 260 übersetzt u.E. sinngemäß: "... damit diese die zur Zeugung bestimmten Wesen beieinander halte". 6 Vgl. Clemens Alexandrinus, Str. 111,5,1-2 (Stählin/Früchtel/Treu II,197,16ff.). Wir verzichten darauf, an dieser Stelle auf die Diskussion über die Historizität dieser Aussagen einzugeheo. 5

16

Winrich Α. Lohr

Epiphanes habe eine enzyklopädische Bildung genossen, sei in den Schriften Piatos bewandert und Anführer der "monadischen" Gnosis gewesen.7 Nach dem häresiologischen Schema, das Clemens anscheinend von Irenaus von Lyon übernommen hat, sind die Karpokratianer als gnostische Libertinisten einzuordnen und zu bekämpfen.8 Für Clemens scheinen die Karpokratianer und ihre

Lehren

geradezu

den

Kern

des

zeitgenössischen

Libertinismus

auszumachen.' Diese Einschätzung der Bedeutung der Karpokratianer und besonders

des

Epiphanes

würde

auch

erklären,

warum

Clemens

die

Epiphanesschrift derart ausführlich zitiert: Es handelt sich um das längste Zitat aus einer gnostischen Originalschrift in den "Stromateis". Wenn man die weiteren, sich auf die libertinistische Gnosis beziehenden Notizen in Str. III durchmustert, so fällt auf, daß sich - von Clemens gewiß nicht absichtslos vorgeführte - Parallelen zu den Epiphanesfragmenten ergeben: So zitiert Clemens das Fragment einer apokryphen Schrift, die offenbar die Entstehung von Syzygien schildert; das Fragment beginnt mit den Worten: "εν ήν τ α πάντα - έπεί δέ εδοξεν αύτοΰ τή ένότητι μή είναι μόνη ,.."10 Hier sollte sich der Leser gewiß daran erinnern, daß Clemens in Str. 111,5,3 den Epiphanes als Anführer der "monadischen" Gnosis bezeichnet hatte. Weiterhin berichtet er über die Anhänger des Prodikos", die sich selbst offenbar als 'Gnostiker' bezeichneten, daß sie sich als "natürliche" (φύσει) Söhne des ersten Gottes betrachteten; sie seien Herren des Sabbat und königliche Kinder (βασίλειοι παίδες) und ihr Ausspruch war offenbar: 7

Vgl. Clemens Alexandrinus, Str. III, 5,3 (Stählin/Früchtel/Treu II, 197,25-28). Was könnte mit der "monadischen" Gnosis gemeint sein? Vielleicht eine theologische Richtung, die Gott in pythagoräisierender Weise als "Monas" bezeichnete und so seine Einfachheit und Einheit akzentuierte? Vgl. z.B. auch Hippolyt v. Rom, Haer. IV,43,4f. und Philo, All. 11,3; Corpus Hermeticum (im folgenden: C.H.) IV,10-11; vgl. dazu A.J. Festugière, La révélation d'Hermès Trismégiste II: Le Dieu cosmique, Paris 1986, 536. 8 Vgl. Irenaus ν. Lyon, Haer. 1,28,2. Vgl auch F. Bolgiani (wie Anm. 1), 86-136. Zur Klassifizierung des Clemens, vgl. Str. III,40,lf., wo der Libertinismus durch die Phrase "άδιαφορως ζην" (vgl. dazu Irenäus v. Lyon, Haer. 1,24,5 [Basilides]; 25,4; 25,5 [Karpokratianer] u.a.) charakterisiert wird. A. Le Boulluec, La notion d'hérésie dans la littérature grecque (ΙΓ - ΙΙΓ siècles), Paris 1985, 131, hat versucht, die Herkunft des bei Irenäus auftauchenden Clichés von der ketzerischen (z.B. karpokratianischen) "Indifferenz" zu rekonstruieren. Er verweist auf Apk 2,14-15, wo den Nikolaiten ein derartiger Vorwurf gemacht wird. 9 Vgl. F. Bolgiani (wie Anm. 1) 108 und passim. 10 Vgl. Clemens Alexandrinus, Str. 111,29,2 (Stählin/Früchtel/Treu II,209,21f.). 11 Clemens Alexandrinus, Str. III,30,Iff. (Stählin/Früchtel/Treu II,209,29ff.).

Epiphanes' Schrift "Περί δικαιοσύνης"

17

"βασιλεΐ δέ ... νόμος άγραφος".12 Diese Formulierung sollte den Leser wohl daran erinnern, daß in der Epiphanesschrift ausdrücklich in Abrede gestellt wird, daß das Gesetz des Werdens geschrieben ist (Str. 111,7,1); gleichwohl handelt es sich um ein - so muß man wohl schließen - ungeschriebenes, göttliches Dekret (Str. 111,8,3). Schließlich stellt Clemens die Lehre der sogenannten "Antitakten" (offenbar eine häresiologische Fremdbezeichnung) vor; wiederum notiert er - wie bei den "Prodikianern" - die Behauptung einer "natürlichen" Gottessohnschaft; die Pointe der Lehre der Antitakten scheint darin zu bestehen, bewußt den Geboten des alttestamentlichen Gottes, etwa konkret dem: "Du sollst nicht die Ehe brechen!" entgegen zu handeln. 13 Auch diese Passage konnte den Leser an die Epiphanesfragmente erinnern, wo ja ebenfalls die Gebote des alttestamentlichen Gesetzgebers pointiert negativ gewertet werden. In seiner Kritik an den Karpokratianern hebt Clemens besonders die Weibergemeinschaft hervor (Str. 111,5,1); in seiner zwischen die Fragmente eingeschalteten Widerlegung versucht Clemens, die Übereinstimmung zwischen Altem und Neuem Testament, zwischen jüdischem Gesetz und Jesu Lehre im Hinblick auf die Gebote darzulegen (Str. 111,8,4 - 9,2). Anschließend kommt Clemens wieder auf den sexuellen Libertinismus zu sprechen; es mangelt ihm aber hier offenbar an Material, denn seine Vorwürfe wirken

recht clichéhaft. Auch das Zitat des

Historikers Xanthos

zum

Libertinismus der Magier macht eigentlich nur den Mangel offenbar (Str. 111,10,1 - 11,2). Die Gütergemeinschaft der Karpokratianer versucht Clemens an einer weiteren Stelle (Str. 111,54, Iff.) zu widerlegen. Zur häresiologischen Präsentation des Clemens läßt sich also resümierend bemerken, daß Clemens die Epiphanesfragmente als eine Art ausführliches häresiologisches Plakat voranstellt, um so auf die wichtigsten Züge der libertinistischen

Häresie

hinzuweisen:

Die

Forderung

nach

Güter-

und

Weibergemeinschaft sowie die Ablehnung des alttestamentlichen Gottes und

12 13

Stählin/Früchtel/Treu 11,210,1. Vgl. Clemens Alexandrinus, Str. III,34,3ff. (Stählin/Früchtel/Treu 11,211,16ff.).

18

Winrich Α. Lohr

seines Gesetzes. Gleichzeitig kann man aber aus den Widerlegungsversuchen des Clemens sowohl gegenüber Epiphanes als auch gegenüber den "Antitakten" schließen, daß er bei seinen Gegnern die Anerkennung der Autorität Jesu und den Anspruch, wahrhaftige Christen zu sein, voraussetzt.14

III. Clemens teilt uns aus der Schrift "Über die Gerechtigkeit" des Epiphanes vier Fragmente (197,28 - 198,29; 198,32 - 199,9; 199,10-13; 199,31 - 200,4) mit. Inwieweit Text zwischen den Stücken ausgefallen ist, läßt sich nicht mehr mit Sicherheit eruieren. In 198,30-32 scheint Clemens ein ausgefallenes Stück in oratio obliqua zu paraphrasieren. Zwischen dem zweiten und dem dritten Stück bzw. dem dritten und dem vierten Stück kann auf keinen Fall sehr viel Text ausgefallen sein. Die erhaltenen Fragmente weisen einen durchaus überlegt konstruierten Gedankengang auf, der sich folgendermaßen gliedern läßt: 1. 197,28 - 198,1: Definition der Gerechtigkeit Gottes als "Gemeinsamkeit zusammen mit Gleichheit". 2. 198,1-26:

Schilderung

dieser

Gerechtigkeit

als

kosmisch-naturhaftes

Phänomen: a) 198,1-2: Erde - Himmel. b) 198,3: Nacht - Sterne. c) 198,4: Tag - Sonnenlicht. d) 198,5-7: Das Sonnenlicht ergießt sich in gleicher Weise über alle Menschen, die sehen können. e) 198,7-11: Das Sonnenlicht ergießt sich in gleicher Weise über alle Tiere. f) 198,11-16: Die Sonne läßt Nahrung in gleicher Weise für alle Tiere wachsen; so entstehen die Gattungen, welche die einzelnen Tiere in Gemeinsamkeit (Gerechtigkeit) zusammenschließen. g) 198,16-19: Alle Tiere bekommen je nach ihrer Gattung in gleicher Weise durch die Freigiebigkeit Gottes ihre Nahrung.

14

Das geht u.E. z.B. aus seiner Polemik Str. 111,8,3 - 9,1 hervor.

Epiphanes' Schrift "Περί δικαιοσύνης"

19

h) 198,19-22: Auch das Gesetz des Werdens führt alle gleichermaßen zusammen. i) 198,22-26: Gott gab allen gleichermaßen die Fähigkeit zu schauen. Mit 2i) lenkt Epiphanes den Gedankengang wieder zu 2d) - 2e) zurück; die Schilderung der kosmisch-natürlichen Manifestation der Gerechtigkeit Gottes hat einen Kreis beschritten. 3. 198,26 - 199,13: Schilderung der Intervention der Gesetze. a) 198,26-32: Die Gesetze führen zur Gesetzesübertretung, indem sie das früher Gemeinsame zum Eigentum machen. b) 198,32 - 199,4: Erste Konkretisierung von 3a) in Bezug auf Früchte und Vieh. c) 199,4-9: Zweite Konkretisierung von 3a) in Bezug auf die Ehe.15 d) 199,9-13: Erläuterung zu 3c). e) 199,31 - 200,4: Darlegung, daß der Gesetzgebergott Widersprüchliches und Unmögliches befahl.16

IV. Bei der Erforschung des intellektuellen Hintergrundes der Epiphanes-Fragmente wurde die Forschung bislang durch die häresiologische Präsentation des Clemens beeinflußt. So konzentrierte man sich auf das Thema der Güter- und Weibergemeinschaft und versuchte, von dort her den geistigen Stammbaum des Epiphanes herzuleiten. Zum einen meinte man - dem Hinweis von Clemens auf die platonische Bildung des Epiphanes folgend17 - hier den Einfluß von Plato, R. 457cd-471 erkennen zu können.

15

Vgl. Stählin/Früchtel/Treu 11,198,32: "κοινή γαρ άπασιν έποίησε ..." mit 199,4 "κοινή τοίνυν ó 9εος ...". 16 Man beachte die Klimax "ώς γελοίον ... προς το γελοιότερον ... έτι γελοιότερον" (Stählin/Früchtel/Treu 11,199,31 - 200,4). Epiphanes denkt im Hinblick auf die Frauen nicht gerade emanzipatorisch, offenbar ist für ihn in der Phrase "των τοΰ πλησίον" (freies Zitat von Ex 20,17) die Frau mitgemeint. 17 Clemens Alexandrinus, Str. 111,5,3 (Stählin/Früchtel/Treu II,197,25f.); Str. 111,10,2 (Stählin/Früchtel/Treu 11,200,16f.; vgl. dazu D. Wyrwa, Die christliche Piatonaneignung in den Stromateis des Clemens von Alexandrien (AKG 53), Berlin 1983, 199f.

20

Winrich Α. Lohr

Doch ist, wie bereits A. Le Boulluec energisch einwandte18 - der Unterschied zwischen der platonischen Anschauung und der hier vertretenen beträchtlich": Bei Plato ist für den Wächterstand die Weibergemeinschaft vorgesehen, um den Staat zu enger organischer Gemeinschaft zusammenzuschmieden und eine eugenischen Kriterien folgende Fortpflanzung sicherzustellen. Die platonische Weibergemeinschaft steht also unter völliger staatlicher Kontrolle; ihr leitender Gesichtspunkt ist nicht ein natürliches, ungeschriebenes Gesetz, sondern die ausgeklügelte Staatsräson. Die Sorge Piatos besteht nicht darin, daß die das Eigentum schützenden Gesetze der Menschen ihre Übertretung hervorrufen, sondern daß Privateigentum und Ehe zu Differenzen und Streit führen und so die Geschlossenheit des Staates · besonders auch nach außen - beeinträchtigen.20 Man hat weiterhin gemeint, die von Epiphanes vertretene Güter- und Weibergemeinschaft verrate kynischen Einfluß.21 Für den Sokratesschüler Antisthenes ist nun zwar belegt22, daß er auch für den Weisen die Ehe mit einer schönen Frau zwecks Nachkommenschaft für ratsam hielt, doch Diogenes lehrte offenbar Güter- und Weibergemeinschaft. Allerdings hatte die Lehre des Diogenes einen provokant-elitären Akzent, welcher den Epiphanesfragmenten durchaus abgeht: Diogenes hielt alles für das Eigentum der Weisen, da alles den Göttern gehöre, der Weise aber der Freund der Götter sei. 3 Die Pointe der kynischen Verachtung von Eigentum, Ehe, Gesetz, Sitte und heimatlicher Polis scheint die demonstrative Manifestation der Unabhängigkeit und Bedürfnislosigkeit des wahrhaft Weisen zu sein; im Grunde sind alle diese Dinge für den Weisen Adiaphora. Diese Anschauung aber ist dem Epiphanes fremd. Schließlich könnte man auch stoischen Einfluß vermuten.24 Offenbar verkündete Zeno - vermutlich von den Kynikern inspiriert - für seinen Idealstaat 18

Vgl. A. Le Boulluec (wie Anm. 8) 300. Vgl. auch H. Liboron (wie Anm. 1) 29 Anm. 1. 20 Vgl. dazu die knappen Bemerkungen bei A.E. Taylor, Plato, London 1963, 277-278. 21 Vgl. K. Beyschlag, Simon Magus und die christliche Gnosis (WUNT 16), Tübingen 1974, 198 (Anm. 128). Vgl. auch Irenaus v. Lyon, Haer. 11,14,5. 22 Vgl. Diogenes Laertius VI,11. Vgl. dazu E. Zeller, Die Philosophie der Griechen in ihrer geschichtlichen Entwicklung, Bd. 11,1, Leipzig s 1922 (Nachdr. Hildesheim 1990), 321ff. a Vgl. Diogenes Laertius VI,72f. 24 So offenbar H. Liboron (wie Anm. 1) 29 Anm. 1. 19

Epiphanes' Schrift "Περί δικαιοσύνης"

21

die Abschaffung von Tempeln, Gerichtshöfen und Gymnasien sowie der Geldwährung; es solle Weibergemeinschaft herrschen (so werde Ehebruch und Eifersucht vermieden) und Männer und Frauen die gleiche Kleidung tragen.25 Doch auch in diesem Fall besteht die Übereinstimmung lediglich in der bloßen Idee der Weibergemeinschaft. Der doktrinäre Kontext ist in der Stoa ein ganz verschiedener: Dort wird von der Verwandtschaft aller Menschen, ja aller lebenden Wesen ausgegangen, denn alle durchwaltet das göttliche Pneuma. Mit seiner Geistigkeit partizipiert der Mensch als rationales Wesen an dem göttlichen Pneuma. Insofern steht er in Übereinstimmung mit dem die Welt bestimmenden Naturgesetz, die einzelnen Gesetze sind insofern gut und nützlich, als sie mit diesem geistigen Naturgesetz übereinstimmen. - Wiederum ist der Unterschied zu den Auffassungen des Epiphanes recht deutlich.

V. Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, daß mit dem bloßen Hinweis auf

das Ideal

der

Weiber-

und

Gütergemeinschaft

bei

verschiedenen

philosophischen Schulen noch recht wenig über den intellektuellen Hintergrund unseres Fragments ausgesagt ist.26 Wir müssen also noch genauer hinschauen. Als

erstes

Aperçu

fällt

die

platonische

Gottesbezeichnung

(Stählin/Früchtel/Treu 11,198,22-23) "ό ποιητής τε και πατήρ πάντων" ins Auge, die sich u.a. auch bei Philo von Alexandrien und im Mittelplatonismus findet.27

25

Vgl. Diogenes Laertius VII,33;131 (Chrysipp nahm die Forderung anscheinend auf). H. Liboron (siehe vorige Anm.) macht auch noch auf Epiktet, Diss. 11,4,8-10 aufmerksam. 26 A. Le Boulluec (wie Anm. 8) 300 vermutet ägyptische Quellen und kündigt eine diesbezügliche Untersuchung von L. Motte an (Anm. 88). Wir haben diese Untersuchung nicht finden können; die Suche nach ägyptischen Quellen überlassen wir auf diesem Gebiet kompetenteren Gelehrten wenn man nicht die "Hermetica" als "ägyptische Quellen" charakterisieren will. 27 Vgl. Plato, Ti. 28 c3; vgl. Philo, Op. 7; Post. 175; Conf. 144; 170 u.a. - Eine Liste der Philostellen mit Anspruch auf Vollständigkeit findet sich bei D.T. Runia, Philo of Alexandria and the Timaeus of Plato (Philosophia Antiqua), Leiden 1986, 108. Runia, 109, schreibt: "... the most interesting aspect is that the phrase appears to have for Philo the connotation of a public recognition of God's creatorship of the cosmos, presumably because it comes from such an authoritative source." Vgl. weiterhin Plutarch, Plat. Quaest. 11/1000 e ff. (vgl. die Diskussion bei Runia, 109f.). Numenius, Fragment Nr. 12; 13; 21 (Des Places) bezeichnet den ersten Gott als Vater, den zweiten als Schöpfer. Vgl. auch Ptolemäus, Ad Floram (Epiphanius, Haer. 33,3,2).

22

Winrich Α. Lohr

Betrachten wir dann den gedanklichen Duktus der Fragmente näher, so bietet die an die Spitze gestellte Definition der Gerechtigkeit Gottes einen markanten Ausgangspunkt: "... δικαιοσύνην του &εοϋ κοινωνίαν τινά είναι μετ' ίσότητος."28 Daß sich die politisch-soziale Gerechtigkeit über die ίσότης, die Gleichheit, definiert, findet sich schon bei Euripides oder auch Plato®; besonders betont wird aber die Verknüpfung der Begriffe δικαιοσύνη und ίσότης bezeichnenderweise bei Philo von Alexandrien. Für Philo ist die Gerechtigkeit und die mit ihr verbundene Gleichheit ein geradezu kosmisches Phänomen. In De opificio mundi meditiert er anläßlich des Berichtes von der Schöpfung des Himmels am 4. Schöpfungstag über die Eigenschaften der Zahl 4. Philo schreibt (Op. 51): "In Ergänzung zu diesem müssen wir darauf achten, daß als erste der Zahlen die Zahl 4 eine Quadratzahl ist, bestehend aus gleichen, mit einander multiplizierten Faktoren, und daß sie als solche ein Maß der Gerechtigkeit (δικαιοσύνη) und Gleichheit (ίσότης) darstellt..." Daß die ίσότης bei Philo eine Art kosmologisches Prinzip darstellt, wird auch aus dem langen Traktat Her. 141-200 deutlich, in dem als Exegese zu Gen 15,10 recht detailliert beschrieben wird, wie der "logos tomeus" die Welt schafft, indem er die ungeformte Materie auf verschiedene Weise in gleiche (ίσος) Teile zerlegt.30 Und SpecLeg. IV,231 schreibt Philo im Kontext eines veritablen Panegyricus auf die δικαιοσύνη:

28

Stählin/Früchtel/Treu 11,198,1. Die Stichworte dieser Definition bzw. ihre Derivate ziehen sich wie ein Refrain durch das gesamte Fragment. - Vgl. Aristoteles, MM 1,1/1182 a 11. Vgl. dazu F.H. Colson (LCL Philo VIII) 437; E. Zeller (wie Anm. 22) Bd. 1,1,568. s Vgl. Stählin: ThWNT III (1950) 343-356; K. Thraede, Art.: Gleichheit: RAC 11 (1979) 122-164. 30 Vgl. dazu jetzt R. Radice, Platonismo e creazionismo in Filone di Alessandria, Mailand 1989, 67100. Radice meint, daß Philo sich bei seinen Ausführungen auf eine stoisch beeinflußte, jüdischalexandrinische Tradition stützt.

Epiphanes' Schrift "Περί δικαιοσύνης"

23

"Denn, wie die Spezialisten auf dem Gebiete der Naturphilosophie uns überliefert haben, ist die Gleichheit (ίσότης) die Mutter der Gerechtigkeit (μήτηρ δικαιοσύνης)."31 Epiphanes stimmt mit Philo darin überein, daß die sich als ίσότης manifestierende δικαιοσύνη ein kosmisches Phänomen ist. Laut Epiphanes läßt es sich u.a. an dem gleichmäßig die Erde umspannenden Himmel und bestirnten Nachthimmel verifizieren.32 Auch die Hochschätzung des Gesichtssinnes, die wir bei der Gliederung der Epiphanesfragmente feststellen konnten (s.o.), findet bei Philo Parallelen.33 Das Auge ist das vorzügliche Sinnesorgan des Menschen, weil er damit die Wohlgeordnetheit und Erhabenheit des Kosmos staunend wahrnehmen kann. Ein weiteres Thema, das in unseren Fragmenten eine Rolle spielt, ist der Gegensatz

zwischen

dem

geschriebenen

Gesetz

des

alttestamentlichen

Gesetzgebers und dem ungeschriebenen, göttlichen Gesetz der Natur.34 Hier ist wiederum die Position Philos interessant, der auf der einen Seite die mosaische Torah mit dem λόγος und dem ungeschriebenen Gesetz der Natur identifizieren kann, auf der anderen Seite aber durchaus auch die hellenistische Präferenz für das allgemeine, ungeschriebene Gesetz durchblicken läßt.35

31

Wer sind die hier angesprochenen οί τ ά φύσεως άκριβοδντες? F.H. Colson (LCL Philo Vili) 151.437 denkt an die Pythagoräer. Man beachte auch den Kontext der Stelle, wo die ίσότης als ήλιος νοητός (!) bezeichnet wird und wo anschließend das Walten der ίσότης in der Natur evoziert wird. Vgl. auch Philo, Plant. 122; Her. 163; LegGai. 85; Quod omnis probus liber 84; VitCont. 17; Clemens Alexandrinus, Str. V,30,4; VI,47,4; vgl. dazu E.R. Goodenough, By light, light. The Mystic Gospel of Hellenistic Judaism, New Haven 1935 (Nachdr. Amsterdam 1969) 64ff. Zum Reichtum der Natur, vgl. nur Philo, Virt. 6; Praem. 99. 32 Vgl. auch die theologisch-allegorische Etymologie des Namens Isis bei Porphyrius, De culto simulacrorum, bei Eusebius v. Cäsaräa, P.E. 111,11,49: "Της δε ούρανίας γης και της χ&ονίας την δύναμιν ΤΙσιν προσεΐπον δια τήν ισότητα, αφ' ής το δίκαιον." (Mras [GCS] 143/Des Places [SC 228], 228,6f.). Vgl. auch T. Hopfner, Fontes Historiae Religionis III, Bonn 1923, 470. 33 Vgl. A J . Festugjère (wie Anm. 7), 555-558 mit Verweis auf Op. 53-54; Abr. 156-164; SpecLeg. 111,185-191. 34 Vgl. dazu die noch nicht ersetzte Monographie von R. Hirzel, ΑΓΡΑΦΟΣ ΝΟΜΟΣ, Leipzig 1900 (Nachdr. HUdesheim 1977). 35 Zur stoischen Identifikation von νόμος und δρ&ος λόγος, vgl. Diogenes Laertius VII,88; VII,128; S VF I, 162f. Vgl. Philo, Op. 20; 143; Quod omnis probus liber 46; Abr. 5-7; 16; 60; 61 (Beobachtung des ungeschriebenen, mit der Torah identischen Gesetzes durch die Patriarchen); VitMos. 11,12; 14; 51; 52. Skepsis gegenüber dem geschriebenen Gesetz einzelner Städte, Jos 29-32. Vgl. aber auch Quaest. in Ex. 11,42. Vgl. zum Thema E.R. Goodenough (s. vorherige Anm.) 48ff.; R. Barraclough, Philo's Politics: Aufstieg und Niedergang der Römischen Welt II (Principal) Bd. 21,1 (Religion), Berlin/New York 1984, 506ff. - Leider konnte ich nicht einsehen: I. Heinemann,

24

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Erwähnung verdient in diesem Zusammenhang auch die z.B. von M. Limbeck analysierte jüdische Tradition, derzufolge Torah und Schöpfungsordnung in einem engen Zusammenhang gesehen wurden.34 Epiphanes setzte dann das, was bei Philo und in bestimmten jüdischen Traditionen zusammengesehen, ja identifiziert wurde, polemisch gegeneinander: Er stellte das ungeschriebene, allgemeine Gesetz der Schöpfung Gottes gegen die geschriebene Torah. Verdeckt die polemische Frontstellung vielleicht eine geistige Abhängigkeit? Für Philo ist freilich - in Übereinstimmung mit der Stoa - das allgemeine Gesetz etwas Geistiges und damit auch der höheren, rationalen Natur des Menschen Verwandtes. Dieser Akzent fehlt bei Epiphanes. Er spielt stattdessen das ungeschriebene δόγμα Gottes, das die Kreaturen zu Zeugung und Geburt veranlaßt, gegen das vom alttestamentlichen Gott gegebene Gebot des "Du sollst nicht begehren" aus. Epiphanes bezeichnet es als lächerlich, daß derjenige Gott, der die Begierde einstiftete, sie verbot. Die Anschauung, daß der oberste Gott allen Kreaturen den Drang zur Fortpflanzung und damit zum Fortbestand der Arten einstiftete, ist besonders im Corpus Hermeticum37, aber in ähnlicher Weise auch bei Philo38 anzutreffen.

Die Lehre vom ungeschriebenen Gesetz im jüdischen Schrifttum, H U C A 4 (1927) 149-171; A. Myre, La Loi dans l'ordre cosmique selon Philon d'Alexandrie: Science et Esprit XXIV. 36 Vgl. dazu (abgesehen z.B. von der Priesterschrift im Pentateuch) Jub Iff.; TestNaph 2,l-3a.8 -3,3; 8,7-10; vgl. dazu M. Limbeck, Die Ordnung des Heils. Untersuchungen zum Gesetzesverständnis des Frühjudentums, Düsseldorf 1971; O. Betz, Der Paraklet, Leiden/Köln 1963, 47ff. Vgl. auch die Identifikation von kosmischer Weisheit und Torah bei Jesus Sirach, vgl. Sir 1,9; 24; vgl. dazu M. Hengel, Judentum und Hellenismus, 21973, 288ff.; M. Lohr, Bildung aus dem Glauben. Beiträge zum Verständnis der Lehrreden des Buches Jesus Sirach, Diss, theol., Bonn 1975, 69ff. Die Belege ließen sich vermehren (z.B. um rabbinische Stellen), wir beschränken uns auf einen Verweis auf die Ausführungen M. Hengeis, 309ff. zum "ontologischen" Torahverständnis sowie H. Gese, Das Gesetz, in: ders., Zur biblischen Theologie. Alttestamentliche Vorträge, Tübingen 1983, 55-84, bes. 68ff. 37

Vgl. C.H. 11,17; Asclepius 21; V,9; vgl. dazu J.-P. Mahé: Nag Hammadi Studies 7 (1975) 123-145; bes. 130f. 38 Für das Motiv der Erhaltung der Arten durch Zeugung (Epiphanes: Clemens Alexandrinus Str. 111,8,3) vgl. Philo, SpecLeg. 111,36; Quaest. in Gn. 111,48; Op. 13f.; 44; vgl. Plato, Smp. 207 c ff.; Aristoteles, G A II, 1 (731 b 31 - 732 a 1); De An. 11,4 (415 b 3-7); Cicero, Nat. D. II,128f.; Asclepius 21; vgl. dazu I. Heinemann, Philos griechische und jüdische Bildung. Kulturvergleichende Untersuchungen zu Philos Darstellung der jüdischen Gesetze, Breslau 1932, 262ff.; H A . Wolfson, Philo. Foundations of Religious Philosophy in Judaism, Christianity and Islam I, Cambridge/Mass. 3 1962, 342. - Enkratitischer Protest gegen diese "Anordnung Gottes" wird besonders laut

Epiphanes' Schrift 'Περί δικαιοσύνης"

25

Aber im Unterschied zum Asclepius-Dialog des Corpus Hermeticum und im Anschluß an die jüdisch-christliche Tradition redet Epiphanes in diesem Zusammenhang nicht von einem mannweiblichen Gott; er bezeichnet Gott mit einer platonisierenden Phrase (s.o.) als den ποιητής und den πατήρ πάντων." Der Gedanke des Epiphanes, die schlechten, mit dem ungeschriebenen Gesetz des Weltschöpfers nicht übereinstimmenden Gesetze riefen ihre eigene Übertretung selbst hervor, stellt möglicherweise eine eigenwillige Rezeption paulinischer Theologie dar. Es ist freilich in Str. 111,7,2 nicht sicher, ob Clemens in der Vorlage des Epiphanes Anhaltspunkte dafür fand, ihm eine verfehlte Auslegung von Rom 7,7 vorzuwerfen. In Str. 111,7,3 paraphrasiert Clemens Epiphanes; falls Clemens das δια των νόμων παρεισελ^εϊν aus seiner Vorlage wörtlich übernommen hat, könnte hier eine Anspielung des Epiphanes auf Rom 5,20 vorliegen.

VI. Unsere vorstehenden Beobachtungen haben plausibel gemacht, daß die Pointe der Fragmente vielleicht nicht so sehr die Propagierung der Weiber- und Gütergemeinschaft ist, sondern eine bestimmte theologische Frontstellung. Nun fällt ja überhaupt auf, daß in den Fragmenten die Evozierung des ursprünglichen Zustandes der Güter- und Weibergemeinschaft merkwürdig blaß und theoretisch bleibt: Es wird nicht einmal klar, ob Epiphanes wirklich im Sinne bestimmter antiker Kulturtheorien ein ursprüngliches "Goldenes Zeitalter", in dem Güter- und Weibergemeinschaft herrschte, ins Auge faß te.40 Alles Konkrete fehlt, und so taugen die Fragmente auch nicht dazu, einen vorgestellten Urzustand als eine zu realisierende Utopie zu propagieren. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang, daß der Abfall vom Idealzustand auf die Einzelgesetze zurückgeführt wird, ohne

vernehmbar im "Testimonium Veritatis" aus Nag Hammadi, vgl. NHC IX,3,30,lff.; vgl. dazu K. Koschorke, Die Polemik der Gnostiker gegen das kirchliche Christentum (Nag Hammadi Studies XII), Leiden 1978, HOff. 39 Stählin/Früchtel/Treu 11,198,22-23. 40 Vgl. dazu das lesenswerte Werk von R. Poehlmann, Geschichte des antiken Kommunismus und Sozialismus, Bd. 1-2, München 1893-1901; M. Wacht, Art.: Gütergemeinschaft: RAC 13 (1986) 1-59 (Lit.!).

26

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daß Epiphanes die Gelegenheit nutzt, moralisierend etwa die Habgier oder Eigensucht

der

Argumentation

Menschen begnügt

dafür

sich

verantwortlich

damit,

z.B.

zu

machen."'

diejenigen,

welche

Seine die

Weibergemeinschaft ablehnen, eines Selbstwiderspruches zu überführen: Diese leugnen das göttliche Gesetz des Werdens, dem sie selbst ihr Dasein verdanken (Str. ΠΙ,8,1-2).42 Das Argument, das die Weibergemeinschaft ganz unter dem Aspekt der Fortpflanzung sieht, klingt nicht so, als solle hier eine neue, libertinistische Moral begründet werden. So fehlt auch bezeichnenderweise eine kräftige protreptische Empfehlung der Weiber- und Gütergemeinschaft.43 Der Hinweis auf eine natürliche Güter- und Weibergemeinschaft dient in den Epiphanesfragmenten vielmehr einem pointiert theologischen Argumentationsziel: Wird zunächst allgemein davon gesprochen, daß die Gesetze (Plural!) unwirksam waren und so lediglich die Übertretung lehrten (Str. III,7,2f.), so wird im letzten Fragment die theologische Spitze des Gedankengangs deutlich: Es ist das Gebot des alttestamentlichen Gesetzgebers (νομοθέτης), das als absurd und lächerlich (γελοίος) erwiesen werden soll.44 Das theologische Argumentationsziel erklärt auch, warum Epiphanes nicht wie etwa die Stoiker - auf eine gemeinsame (durch das göttliche Pneuma

41

Aus der Fülle der Belege für eine derartiges Moralisieren vgl. nur Vergil, Aeneis VIII,327; Seneca, ep. 90,3f. (vgl. M. Wacht, [siehe vorige Aiun.) 9f.). - Es wird in den Fragmenten zunächst nicht deutlich, ob die in Str. 111,7,2 genannten Gesetze wirklich Menschenwerk sind. Doch Str. 111,8,2 scheint diese Interpretation nahezulegen. Die Argumentation zielt aber auf den alttestamentlichen Gesetzgeber (Str. 111,9,3). 42 Der von Epiphanes gegen die menschlichen Gesetzgeber vorgebrachte Vorwurf des Selbstwiderspruches soll den Leser auf den Aufweis eines analogen Widerspruches beim alttestamentlichen Gesetzgeber (Str. 111,9,3) vorbereiten. 43 Wir müssen uns hier versagen, auf die weitere Diskussion in der Alten Kirche über die Gütergemeinschaft einzugehen; reiches Material dazu bietet der RAC-Artikel von M. Wacht (wie Anm. 40). Notiert seien hier lediglich noch zwei Belege: Pseudoklementinen, Ree. 10,5,Iff. (RehmPaschke [GCS] 327,Iff. / reagiert vielleicht u.a. auf unsere Fragmente); Pelagius (?), De divitiis (PLS I,1380ff. / Man beachte den Verweis auf die natürliche Ordnung!). 44 So auch A. Le Boulluec (wie Anm. 8) 300. - Zur Auslegung von Ex 20,17 / Dtn 5,19 vgl. nur Philo, Decal. 142ff.; Jos. 144; SpecLeg. IV,78-135. Vgl dazu H. Lichtenberger, Studien zur paulinischen Anthropologie in Römer 7, HabSchr. Tübingen 1985, 271ff. Epiphanes bezieht sich offenbar polemisch auf die in (stoisch beeinflußten) jüdisch-hellenistischen sowie christlichen Traditionen ausgeprägte Auffassung, daß das 9. und das 10. Gebot eine zentrale Stellung im alttestamentlichen Gesetz einnehmen, da sie mit dem Verbot der Begierde die Sünde an der Wurzel packen. Vgl. aus der Fülle der Literatur nur K. Berger, Die Gesetzesauslegung Jesu. Teil I: Markus und die Parallelen, Neukirchen-Vluyn 1972, 343ff. (mit zahlreichen Belegen!).

Epiphanes' Schrift "Περί δικαιοσύνης"

27

vermittelte) rationale Menschennatur abhebt oder in kynischer Manier die menschliche Bedürfnislosigkeit preist, sondern pointiert die vom Schöpfer eingestiftete Begierde gegen das Gebot "Du sollst nicht begehren" stellt. Der Kontrast zwischen dem Gesetzgebergott und der Schöpfung sollte möglichst scharf herausgearbeitet werden. Zu diesem Zweck löst er die etwa bei Philo zu beobachtende Identifikation von Torah und Schöpfungsordnung und spielt nunmehr beide gegeneinander aus. Für Epiphanes verkündigt das Christentum die in der Natur beobachtbare ursprüngliche Gerechtigkeit, Güte und Weisheit Gottes, die von der Gesetzgebung des alttestamentlichen Gottes in lächerlicher Weise verfälscht wurde.

VII. Versuchen wir, diese theologische Konzeption in den theologiegeschichtlichen Rahmen des 2. Jahrhunderts einzuordnen, so ergibt sich folgendes: Zum einen scheint die Argumentation des Epiphanes nicht nur auf eine Degradierung des alttestamentlichen Gottes, sondern geradezu auf seine Leugnung hinauszulaufen. Epiphanes bezeichnet diesen Gott als absurd; er spießt pointiert den Widerspruch zwischen Schöpfungshandeln und Gebot auf. Er vertritt also anscheinend eine noch radikalere Position als diejenige der Antitakten, die den alttestamentlichen Gott als Kreatur des obersten Gottes bezeichnen und aus seinem Abfall und Neid das Böse in der Welt und die schlechten Gebote erklären.45 Epiphanes' Argumentation läuft eher darauf hinaus, daß ein Widerspruch zwischen Schöpfergott und Gesetzgebergott zu absurd ist, als daß er noch heilsgeschichtlich oder mythisch erklärt und eingeordnet werden könnte. Weiterhin scheint Epiphanes' Position recht nahe derjenigen der "Prodikianer" zu sein: Auch bei ihnen notiert Clemens die Auffassung, daß das Christentum

45

Vgl. Clemens Alexandrinus, Str. 111,34,3-4 (Stählin/Früchtel/Treu II,211,16ff.).

28

Winrich Α. Lohr

den αγραφος νόμος verkünde; sie spielen dieses ungeschriebene Gesetz gegen die konkreten Torahbestimmungen aus.16 Die Art der theologischen Argumentation des Epiphanes erinnert schließlich in der Art der sarkastischen Polemik durchaus an Marcion; nur ist auch hier gegenüber dem Theologen vom Schwarzen Meer eine Steigerung festzustellen: Ist der alttestamentliche Gott bei Marcion gerecht, aber kleinlich, zuweilen auch grausam und beschränkt, so ist der alttestamentliche Gott bei Epiphanes eine Absurdität.47 Andererseits hält Epiphanes nun gegenüber Marcion bestimmt daran fest, daß gerade die Gerechtigkeit eine vorzügliche Eigenschaft des obersten Gottes ist48; auch hält er diesen Gott anscheinend für den Schöpfer, Erhalter und Ernährer der Welt: D.h. sein Protest gegen den alttestamentlichen Gott speist sich offenbar nicht aus weltflüchtiger Erlösungssehnsucht oder einer dualistischen Grundanschauung. Epiphanes bejaht emphatisch die Schöpfung und ihre die Gerechtigkeit sinnenfällig verkörpernde Ordnung - und lehnt gleichwohl das Gesetz ab. Eine derartige Differenzierung deutet sich möglicherweise auch anderswo an: Der Marcionschüler Apelles unterschied (wenn man Tertullian glauben darf) vielleicht zwischen dem Schöpfergott und dem Gesetzgebergott - wobei allerdings beide nicht mit dem obersten Gott identisch waren.49

46

Vgl. Clemens Alexandrinus, Str. 111,30,1 (Stählin/Früchtel/Treu II,209,29ff.). Die von Clemens, Str. VII,41,1 notierte Ablehnung des Gebetes durch die "Prodikianer" setzt möglicherweise die Meinung voraus, daß das als Bitte verstandene Gebet der natürlichen Beziehung des wahren Gläubigen zu Gott unwürdig ist; Gott kommuniziert mit uns durch seine natürliche Güte und Freigiebigkeit. Stimmt diese Hypothese, so hätten die "Prodikianer" durchaus eine ernstzunehmende theologische Frage aufgeworfen. 47 Vgl. die Zusammenstellung aus den Antithesen des Marcion bei A. v. Harnack, Markion. Das Evangelium vom fremden Gott, Leipzig, '1924 (Nachdr. Darmstadt 1985), 256-313. 48 Hier trifft er sich durchaus mit Basilides, vgl. Clemens Alexandrinus, Str. IV,81,Iff. - Man fragt sich, wie Epiphanes die Theodizeefrage beantwortet hätte! 49 Tertullian, Praescr. 34,4 (CChr.SL l,215,8f.). Allerdings ist diese Passage nur ein Beleg für die genannte Auffassung, wenn man der Interpunktion Harnacks folgt, vgl. A. v. Harnack (wie Anm. 46) 406 Anm. 1.

Epiphanes' Schrift "Περί δικαιοσύνης"

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VIII. Mit diesen wenigen Bemerkungen sollten nur Anhaltspunkte für eine künftige Einordnung des Epiphanes in das theologische Spektrum des 2. Jahrhunderts benannt werden. Das 2. Jahrhundert könnte man als eine Art Labor der altkirchlichen

christlichen

Theologie

betrachten:

Hier

wurden

radikale

theologischen Konsequenzen gezogen und kühne, oft überspannte Konzeptionen durchdacht; zuweilen wohl auch im praktischen Lebensvollzug ausprobiert. Inwiefern der Libertinismus des Epiphanes wirklich gelebt wurde, bleibt aber doch recht zweifelhaft. Viel wahrscheinlicher ist, daß die Äußerungen dieses jungen Theologen richtig verstanden werden, wenn man sie als eine weitere Variante des auch sonst im 2. Jahrhundert bezeugten radikalen theologischen Protestes gegen das AT und sein Gottesbild liest. Gewiß kann man historisch feststellen, daß das theologische Votum des Epiphanes durch heilsgeschichtliche Konzeptionen wie diejenige des Irenaus von Lyon überwunden wurden. In gewisser Weise bezeugt ja die Tatsache der Existenz einer christlichen Bibel die theologiegeschichtliche Antiquiertheit des Epiphanes. Man kann zurecht gegen ihn einwenden, daß er das alttestamentliche Gottesbild in verzerrter Form rezipiert hat und daß er den Intentionen biblischer Aussagen nicht mit der nötigen exegetischen Geduld und Subtilität nachgegangen ist. Daß sein Protest und der mancher seiner theologischen Zeitgenossen gleichwohl auch aus heutiger Sicht nicht einfach als theologiegeschichtliche Kuriosität abzutun ist, sondern fortbestehende Probleme anzeigt, kann wohl mancher heutige Theologe bestätigen, der versucht hat, mit theologischen Laien die Bibel zu lesen.

Carsten Colpe

Selbstdefînition durch Rituale im hellenistisch-christlichen Kleinasien Zu Abgrenzungen zwischen Kybelemysterien, Taurobolien, Montanismus und Bischofskirche

A. Erweiterung bisheriger Fragestellungen 1.1 Unterscheidung von außen = Fremddefinition Wenn man die Religions- und die Kirchengeschichte Kleinasiens in ihrer gegenseitigen Verflechtung untersucht, steht man sogleich vor der Notwendigkeit, zwischen einer

ganzen

Reihe selbständiger

Formen

des Heiden-

und

Christentums sowie von Mischformen zwischen beiden zu unterscheiden. Denn in "Kleinasien...hatte der Hellenismus eine Art der Ausbildung gewonnen, die ihn dem Christentum besonders zugänglich machte...Hier herrschte auf dem religiösen Gebiet eine ebenso große Zerklüftung wie auf dem provinziellen und nationalen...(S)oweit es Kultur gab...., war es e i n e , die hellenische...Mit diesem Hellenismus ist das Christentum wie in keinem anderen Lande zusammengeschmolzen. Ein wirklicher Ubergang ist erfolgt...auf allen Gebieten: die christliche Theologie, der Kultus, die Mythologie und die Heiligenlegende zeigen das...(D)as Heidentum ...verschwindet, um, diesem Verschwinden proportional, in der Kirche wieder aufzutauchen...Fast alle großen Entwicklungen der christlichen Religion haben in Asien begonnen,und alle heißen Kämpfe sind hier vornehmlich ausgefochten worden: der Kampf der Wander- mit der lokalen Organisation, der gnostische Kampf, die christologische Kontroverse, die montanistische, die nur hier eine volkstümliche gewesen ist, usw. Hier ist der metropolitane und synodale Ausbau der Kirche begründet worden.."1

Die Zerklüftungen und die Zusammenschmelzungen konstatiert im folgenden der Meister dieser unüberholten Darstellung selbst. Im Verhältnis zu seinem Gegenstand sind es Fremddefinitionen.

1 A. von Harnack, Die Mission und Ausbreitung des Christentums in den ersten drei Jahrhunderten, "Leipzig 1924 (ND 1965), Bd. 2, 732-735. Harnack hält sich in einzelnen Fällen schon an Selbstdefinitionen.

Selbstdefinition durch Rituale im hellenistisch-christlichen Kleinasien

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I.2. Unterscheidung von innen = Selbstdefinition Man erkennt aber noch mehr, wenn man auch auf Selbstdefinitionen achtet.2 Sie werden überraschend oft vorgenommen, und die Fremddefinition kann ihre Analyse hier auf die Frage einschränken, ob die Selbstdefinition explizit oder implizit erfolgt. Gelingt eine solche Feststellung, dann sagt die Selbstdefinition nicht nur über Unterscheidungen, sondern auch über zwei Weisen realer Auseinandersetzungen etwas aus. Davon werden mehr Fälle erkennbar, als im Zuge anders orientierter Untersuchungen begegnen, wenn man einmal alle Selbstdefinitionen, die möglich sind, zusammenstellt und dann fragt, welch eine historische Wirklichkeit jeweils dahinter stehen könnte. Bei dem hier gewählten Ausschnitt geht es um bestimmte kultisch-soziale Größen,

Gemeinschaften,

Bewegungen,

die

in vielfachen

Beziehungen

zueinander gestanden haben. Darin sind bisher gewisse Gruppen und Vorgänge mehr als nötig vereinerleit worden. Die vermehrte Kenntnis, mit der zu rechnen ist, besteht in detaillierter Differenzierung, zu der die Selbstdefinitionen anleiten. Eine gegenseitige Abgrenzung, die unter besonderen Umständen nur in der Stadt Rom stattgefunden hat, ist prinzipiell auch unter römischer Administration in der Provinz Asia denkbar und kann hier unter Kleinasien mitbehandelt werden.

II.l. Aus-Einander-Setzung > Spaltung Bei der ersten Weise der Auseinandersetzung setzt eine Größe eine andere aus sich heraus. Soziologisch gesehen, ist das eine Spaltung. Die Selbstdefinition kann eine Voraussetzung dafür oder eine Folge davon sein. Auf heidnischer wie auf christlicher Seite ist je eine wichtige Spaltung zu beachten. Auf der heidnischen Seite stellt sich bis zum 4. Jahrhundert n. Chr.3 als übergreifende Größe vor allem die phrygische Religion dar, zu der u.a. Attiskult, Kybele- oder Kybele-Attis-Mysterien, Mater-Magna-Kult, -Verehrung, -Mysterien

2 Programmatisch eingeführt von E.P. Sanders/A.I. Baumgarten/A. Mendelson/B.F. Meyer (Hg.), Jewish and Christian Self-Definition, 3 Bde, Philadelphia 1980, 1981, 1982. Es hält sich allerdings nur etwa die Hälfte der Beiträge an die gestellte Aufgabe. 3 Frühzeit: K. Bittel, Grundzüge der Vor- und Frühgeschichte Kleinasiens, Tübingen 21950. Die Stellung der phrygischen Sprache wird miterörtert von A. Kammenhuber, Hethitisch, Palaisch, Luwisch und Hieroglyphenluwisch, in: Altkleinasiatische Sprachen (HO 1. Abt. Bd. 2,1./2. Abschn. Liefg.2), Leiden 1969, 119-357, dort 335-349; mehr im Gesamtregister s.v. Phrygisch.

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Carsten Colpe

gehören/ Hier pflegt man, wenn überhaupt, nur arbiträre Unterscheidungen zu treffen, die mit den Eigenschaften oder den Namen der betreffenden Götter ausgedrückt werden. Aber die wichtigste Unterscheidung ist die, ob ein Kult einen Mysterienritus hat oder nicht, bzw. ob die Verehrung eines Gottes innerhalb oder außerhalb eines solchen Mysterienkultes vorkommt, und diese Unterscheidung wird sehr oft vernachlässigt. Ein Mysterienkult muß ein wirkliches Mysterium enthalten, d.h. er muß seine Riten und Lehren, die oft die Form eines Mythos hatten, geheimhalten. Er muß dieses Mysterium als ein erlösendes qualifizieren. Dies erfordert, daß solche Menschen, die an ihm teilnehmen wollen, sich gewisser Einweihungsprozeduren unterziehen, die den Weg des Menschen zur Erlösung symbolisieren. Ein Mysterienkult muß die Erfahrung der Wiedergeburt vermitteln. Er muß schließlich des Menschen Geschick homolog zu dem eines Gottes gestalten, nämlich des Gottes, in dessen Kult die betreffende Person eingeweiht wird. Arkandisziplin,

Initiation,

Wiedergeburt

und

Homologie

zwischen

menschlichem und göttlichem Geschick sind die vier Kriterien, die man zur Feststellung eines Mysterienkultes benötigt. Jedes von ihnen kann einzeln auch woanders vorkommen und konstituiert dann keinen Mysterienkult. Nur wo alle vier zusammenkommen, kann eine Integration zu dem essentiellen Kern stattfinden, der die Eigenart eines Mysterienkultes ausmacht. Dafür steht leider kein univoker Terminus zur Verfügung, und deshalb kommt man nicht umhin, sich an den Sprachgebrauch der antiken Quellen zu halten.5

4

Aufs äußerste ist auszuwählen aus M J . Vermaseren, Coprus Cultus Cybelae Attidisque (CCCA) = E P R O 50, 4 Teilbände (von 7 vorgesehenen), Leiden 1977 - 1982; und aus dem Forschungsbericht von G. Thomas, Magna Mater and Attis: ANRW II, 17,3, Berlin/New York 1984, 1500-1535. 5 Als Abkürzung für eine nichtmysterienhafte Form wurde manchmal auch die Bezeichnung "Taurobolien" anstelle von "Magna-Mater-Kult" gewählt, weil das Taurobolium tatsächlich vor und neben dem Mutterkult, und das heißt erst recht: vor und neben einer Verbindung mit Mysterien, bezeugt ist. Man kann es hinnehmen, daß dann solche nichtmysterienhafte Kulte, in denen ein Stier geschlachtet wird, unter die zweite Bezeichnung gestellt werden. Vgl. auch A. Momigliano, Cybele: EncRel 4, 1987, 185 ff.; dort 186: " The ritual of the taurobolium came to be associated with this cult at least from the second century C.E. and was frequently performed as an explicit homage to the emperor...In the fourth century the cult of Cybele and Attis attracted the emperor Julian ... It is, however, noteworthy that the association of the taurobolium with homage to the emperor disappeared in the same century."

Selbstdefinition durch Rituale im hellenistisch-christlichen Kleinasien

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Eine genaue Beobachtung, welch eine Aus-Einander-Setzung auf Spaltung hinausläuft, wird auf eine besondere Ausprägung der nicht-mysterienhaften Seite führen, den domestizierten oder zivilisierten Attiskult. Auf der christlichen Seite ist es die Spaltung zwischen Montanismus und verfaßter Kirche, bei der noch nicht zu erkennen ist, daß sie sich einmal auf den Weg

zum

Katholizismus

begeben

wird.

Sie

ist

nicht

nur

inner-

kirchengeschichtlich wichtig, sondern auch darüber hinaus, weil der Ursprung einiger montanistischer Eigenheiten im Mater-Magna-Kult diskutiert worden ist.

II.2. (Ausein-)Ander-Setzung < Getrenntheit Bei der zweiten Weise der Auseinandesetzung sind die beiden Größen, die miteinander zu tun haben, von vorherein voneinander getrennt. Indem sie sich auseinandersetzen, bestätigen und stabilisieren sie dieses Verhältnis. Soziologisch gesehen, hat sich hier eine wechselseitig bestehende Getrenntheit in der Setzung und damit Definition des Gegenübers als etwas Anderem neu manifestiert. In diesem Fall ist die Selbstdefinition nur eine Folge des Vorganges. Auch hier sind zwei wichtige Getrenntheiten zu beachten, aber nur eine ist innerhalb eines - des heidnischen - Bereiches vorgegeben, die andere ist durch die Mission zwischen Christentum und Heidentum insgesamt entstanden. Auf der heidnischen Seite bestanden die Kybele-Attis-Mysterien immer neben einer Verehrung der Muttergöttin, die keine Mysterienform hatte.6 Man nennt diese Göttin gern "Große Mutter", in Übersetzung ihrer Bezeichnung in lateinischen Quellen, welch letztere man dann von der Übersetzung her als "Magna Mater" wiedergibt, obwohl es immer "Mater Magna" (oder "Mater Deum") heißt. Die letztere Bezeichnung sollte der lateinische Name der Kybele bleiben, den die Römer ihr gaben, als sie sie übernahmen. "Große Mutter"/ "Magna Mater" hingegen die wissenschaftssprachliche Allgemeinbezeichnung für die altmediterrane, wohl schon neolithische Muttergöttin (aus der an einer

6

Überlick: E.O. James, The Cult of the Mother-Goddess. An Archeological and Documentary Study, New York/London 1959,28f. (neolithischer Kult in Anatolien), 84-92 (hethitische Göttinnen, Yazilikaya-Reliefs, Sonnengöttin von Arinna, Telepinu-Mythos), 161-164 (The Idaean Mother of Phrygia), 164-174 (The Magna Mater in the Graeco-Roman World), 192-201 (The Mater Ecclesia in Phrygia).

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Carsten Colpe

bestimmten Stelle allerdings die Kybele hervorgegangen ist, weshalb auf sie, wenn es um ihre allgemeine Charakteristik geht, auch die Bezeichnung "Große Mutter" bzw. "Magna Mater" angewandt werden kann.7 Wenn man die (Ausein-)Ander-Setzung, das ist so viel wie Anders-Setzung, konsequent beachten will, auch ohne daß sie sich als Getrenntheit zu erkennen gibt, dann hängt es von der Akzentuierung beider, der mysterienhaften und der nichtmysterienhaften Seiten ab, ob man von Attis-, Kybele-, Kybele-Attis-, MaterMagna (= römisch für Kybele)-, Große-Mutter (= unsere wissenschaftliche Bezeichnung)-Kult bzw. -Verehrung oder von Mysterien spricht. Aber es muß klar sein, daß mit der nichtmysterienhaften Seite hier nicht der abgespaltene Attiskult, sondern ein voraufgehender sehr archaischer metroakischer Kult gemeint ist. Die besondere kleinasiatische Hypostase oder Repräsentation der Muttergöttin schloß nicht alle Züge ein, die diese sehr komplexe Gestalt in der Bronzezeit des Indus- und des Oxustales, des Zweistromlandes, Syriens, Ägyptens, Kretas, Griechenlandes und Maltas, in Ephesus an der kleinasiatischen West- oder in El Garcel an der hispanischen Südostküste zeigte. Die mit der Verehrung gegebene Anerkennung des Mutterprinzips setzte auch nicht unbedingt die Verbindung der Göttin mit einem jungen Consors voraus, wie Attis für Kybele einer war. Die Unterscheidung zwischen Heiden- und Christentum im Ganzen führt auf die

III.l. Selbstdefinition durch Doktrinen Diese

ist

immer

explizit. Man

braucht

sie

nur

abzulesen.

Explizite

Selbstdefinitionen sind im Judentum und im Christentum immer, in heidnischer Theologie manchmal normativ gemeint. Bei bestimmten Gelegenheiten kann ein Theologe oder ein Liturgiker auch einmal einen Ritus oder eine Zeremonie

7 Giulia Sfameni Gasparro, Soteriologia e aspetti mistici nel culto di Cibele e Attis, Palermo 1979, gibt eine vorzüglich dokumentierte Darstellung der verschiedenen Kultformen. Für die allgemeine Große-Mutter-Verehrung sagt sie "culto metroaco", übernimmt also wohl das griechische μητρψακός, das der alexandrinische Grammatiker Hephaiston (2. Jh. n. Chr.) anstelle von μητρφος gebildet hat. Ob man deutsch, wenn man es kurz machen will, auch einmal "metroakisch" sagen darf?

Selbstdefinition durch Rituale im hellenistisch-christlichen Kleinasien

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explizieren, d.h. erklären. Das setzt aber einen besonderen Sachverhalt voraus, nämlich die

III.2. Selbstdefinition durch Rituale Diese liegt im alltäglichen Leben näher. Schon die Weihung oder Setzung einer Inschrift ist ein ritueller Akt, erst recht das Ereignis, auf das sie sich bezieht, zumeist eine Bestattung." Die rituelle Selbstdefinition geschieht grundsätzlich implizit, und deshalb muß erst die Wissenschaft sie ermitteln. Dabei können die verschiedensten Abgrezungsmodalitäten herauskommen: stillschweigende und propagierte, sanfte und rigide, defensive und aggressive. Sie sollen im folgenden alle durch das neutrale Wort versus "gegen...hin", "in Richtung auf..." gedeckt werden, da es auf Genaueres nicht mehr ankommt. Das ist unser Thema. Zuvor aber noch zwei Worte; zunächst eines über die

IV. 1. Feststellung der abgrenzbaren Größen Durch die Unterscheidung der Große-Mutter-Verehrung und des Attiskultes von den Kybelemysterien vermehrt sich die Zahl der im Titel genannten Größen, deren Selbstabgrenzungen gegeneinander ermittelt werden sollen, auf sechs. Als zwei christliche Größen brauchen nur die eine ohne Ordnung oder Verfassung und die andere mit einer solchen voneinander unterschieden zu werden; da am "metropolitanen" wie am "synodalen Ausbau der Kirche" Bischöfe beteiligt waren, wenn auch in verschiedener Weise als Repräsentanten apostolischer Verkündigung oder als Aufseher über die Einhaltung von Kirchenordnungen, wird der zusammenfassende Ausdruck "Bischofskirche" gebraucht. Welche Größen sich gegen welche abgegrenzt haben, läßt sich durch das einfachste kombinatorische Verfahren feststellen. Es fehlt dann noch die

IV.2. Vervollständigung der denkbaren Kombinationen Die sicherste Methode, auf einer Ebene, wo sich Abgrenzungen abgespielt haben, keine zu analysierende Kombination zu übersehen, ist das geometrische

8

Wichtigste neuere Auswahl heidnischer und christlicher Inschriften Th. Drew-Bear, Nouvelles Inscriptions de Phrygie, Zutphen 1978.

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Carsten Colpe

Verfahren mit Koordinaten. Man setzt dabei voraus, daß sich jede Seite gegen jede abgegrenzt haben kann. Man darf mit allen Möglichkeiten rechnen, weil auch Fehlanzeigen, die unter ihnen sein können, etwas aussagen. Da man alle Kombinationen bekommt, die sich ergeben, wenn man zu jeder Größe jeweils nur eine andere analysiert, genügen zwei Koordinatenachsen. Auf ihnen kann man die sechs Größen eintragem. A versus Β und Β versus A (usw.) dürfen als zwei verschiedene Möglichkeiten stehenbleiben, da ja die Selbstdefinition der einen Seite gegen die andere nicht dieselbe ist wie die Selbstdefinition dieser gegen jene. Aber von den 6 mal 6 = 36 Kombinationen entfallen natürlich die sechs A versus Β, Β versus Β usw. Es verbleiben dann theoretisch 30 Kombinationen.

B. Einschränkung der realen Möglichkeiten Es ist indessen in sechzehn Fällen teils wegen Doppelung überflüssig und teils mangels historischen Anhaltes sinnlos, eine solche Kombination vorzunehmen. Es handelt sich um

1.1. Vier Fälle vom Attiskult aus Der zivilisierte Attiskult brauchte sich gegen die Große-Mutter-Verehrung nicht abzugrenzen, da hier ein Grund wie gegenüber der Kybele-Verehrung, nämlich das Mysterienritual (C.I.l), entfiel. Zum Montanismus und zum Taurobolium (C. 1.2) gab es keine nachbarschaftlichen Berührungen; da außerdem die Praktizierung des Tauroboliums nicht an die Kybelemysterien gebunden war (C.I.3), hätte eine etwaige Bindung desselben an den Attiskult im Zeichen der freien Ablösbarkeit auch von diesem gestanden und keine weitere Begründung erfordert. Im Verhältnis zur Bischofskirche stand weder in Kleinasien noch in Rom je ein Abgrenzungsproblem zur Debatte.

1.2. Zwei Fälle von den Kybelemysterien aus Kybelemysterien und Große-Mutter-Verehrung brauchten sich nicht gegeneinander zu definieren; denn ob die Göttin einen oder keinen Namen hatte, war für ihre Identität ganz ohne Belang, und daß ihr Kultus nach Mysterien- oder nach

Selbstdefinition durch Rituale im hellenistisch-christlichen Kleinasien

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einem anderen Ritual geordnet sein konnte, machte für die Devotion im Prinzip keinen Unterschied. Das Taurobolium konnte mit den

Kybelemysterien

verbunden werden, zeigte also gerade die Vereinbarkeit und nicht das Abgrenzungsbedürfnis beider. ILI. Vier Fälle von der Große-Mutter-Verehrung aus Für das Verhältnis zum Attiskult gilt das Umgekehrte wie oben unter B.I.l, zu den Kybelemysterien dasselbe wie eben zu B.I.2. Analog wie dort muß es sich auch zwischen den Taurobolien und der Große-Mutter-Verehrung verhalten haben. Die Stellung zur Bischofskirche ist in derjenigen der Kybelemysterien zu dieser (C.II.3, C.IV.l) mit enthalten.

II.2. Zwei Fälle von Montanismus aus Für den Montanismus einerseits, den zivilisierten Attiskult und das Taurobolium andererseits ist das Entsprechende der Fall wie unter B.I.l.

III.l. Vier Fälle vom Taurobolium aus Da bezeugt ist, daß Taurobolium und Kybelemysterien von vornherein nicht aneinander gebunden waren (C.II.l), kommt es nicht in Frage, daß eine etwa getrennte Ausführung beider Rituale eine grundsätzliche Nichtzusammengehörigkeit zum Ausdruck bringen sollte. Dasselbe gilt dann für das aus den Kybelemysterien Herausgesetzte, nämlich den Attiskult und die Große-MutterVerehrung. Taurobolium und Montanismus hatten keinen Grund, sich rituell gegeneinander abzugrenzen; denn es genügte vollauf, daß sich die eine Gemeinschaft als eine christliche verstand und die andere nicht. Somit verbleiben

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Carsten Colpe C. V i e r z e h n historische Abgrenzungsfälle

1.1. Attis-Kult versus Kybele-Mysterien D i e D i s k u s s i o n aller Zeugnisse führte schon ihren ersten

bahnbrechenden

Erforscher 9 z u d e m Schluß, daß in allen vorkaiserzeitlichen B e r i c h t e n "der ö f f e n t l i c h e orgiastische Kult noch völlig mit d e n 'Mysterien' identisch zu sein" s c h e i n e . "Die deutliche Scheidung zwischen den b e i d e n Begriffen findet sich erst i n d e n Nachrichten, die sich auf die Kaiserzeit beziehen". W e n d e t m a n diese B e o b a c h t u n g e n a n sowohl auf die erste

Einführung

"phrygischer Religion" in der Stadt R o m , d.h. die offizielle Zulassung der Mater M a g n a Idea mit Einschluß der Ludi M e g a l e n s e s i.J. 204 v.Chr. 10 , als auch auf d i e z w e i t e Einführung, d.h. die Einfügung des März-Festes in d e n römischen K a l e n d e r unter Kaiser Claudius, 11 dann stellt sich heraus, daß auf das erste Ereignis m e h r Kriterien für einen wirklichen Mysterienkult z u t r e f f e n als für das zweite. D e r Kult nach 204 v.Chr. wurde im G e h e i m e n in e i n e m T e m p e l auf d e m Palatin gehalten, und seine Ordnung wurde als e i n e scientia peregrina

et

externa

betrachtet. D a sie auf phrygische Priester beschränkt b l i e b e n und e s römischen

9

H. Hepding, Attis, seine Mythen und sein Kult, R G W 1, Gießen 1903, 182. Livius 29, 10,4-14,6: 'Die Bürgerschaft...hatte die Sibyllinischen Bücher eingesehen und in ihnen den folgenden Spruch gefunden: 'Wenn einmal ein fremdstämmiger Feind in das italische Land einfalle, könne dieser aus Italien vertrieben werden, wenn man die Idäische Göttermutter von Pessinus nach Rom bringe.'...Noch hatte das römische Volk in Asien keine verbündeten Gemeinden. Jedoch dachte man daran,...daß man jetzt bereits mit dem König Attalus wegen des gemeinsamen Krieges gegen Philipp ein freundschaftliches Verhältnis angebahnt hatte...Und so beschlossen sie, (fünf) Gesandte zu ihm...zu schicken. Für diese wurden fünf Dreiruderer bestimmt...Die Gesandten...stiegen nach Delphi hinauf und wandten sich an das OrakeL.Es soll ihnen die Antwort gegeben worden sein, durch die Vermittlung des Königs Attalus werden sie das erlangen, worum sie bitten...Sie kamen nach Pergamum zu dem König. Dieser empfing die Gesandten freundlich und geleitete sie nach Pessinus in Phrygien. Dort übergab er ihnen den heiligen Stein, von dem die Einwohner sagten, er sei die Göttermutter, und forderte sie auf, diesen nach Rom zu verbringen...P. Cornelius wurde aufgefordert, mit allen Matronen nach Ostia der Göttin entgegenzuziehen..Als das Schiff sich der Tibermündung näherte, fuhr er, wie befohlen, auf einem Schiff auf das Meer hinaus, übernahm die Göttin von ihren Priestern und brachte sie an Land. Die vornehmsten Frauen der Bürgerschaft...übernahmen sie...Die Matronen trugen, einander ablösend, die Göttin in denTempel der Victoria auf dem Palatin am 12. April, der zu einem Festtag geworden ist...Eine zahlreiche Volksmenge brachte der Göttin Geschenke auf das Palatium, und ein Lectisternium sowie Spiele wurden abgehalten, die Megalesische genannt wurden"; übers, von W. Sontheimer, Stuttgart 1973. 10

11 CIL I2, 312. Der Kalender wurde noch später von einem Chronographen den Fasti des Jahres 354 n.Chr. eingefügt, dessen Haupthandschrift nach dem Verfertiger der Titelblatt-Kalligraphie Philocalus benannt ist. Mehr siehe unter C.IV.2., S. 52.

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Bürgern verboten war, an ihnen teilzunehmen, dürfen auch Initiationsriten vorausgesetzt werden. Und da die Gemeinde hauptsächlich aus Fremden bestand und öffentlich nicht geachtet war, ist es wahrscheinlich, daß auch die konsequenteste Methode, ein Attis zu werden, nämlich die Selbstkastration, geübt wurde. Welche Gedanken der Wiedergeburt damit zusammenhingen, ist unbekannt. Aber die Fakten reichen aus, um von einem Mysterienkult im eigentlichen Sinn zu sprechen. Das Hauptfest im Frühling hingegen, wie der philokalische Kalender es bezeugt, war ein öffentliches. Nur solche Männer, die dem Kollegium der Galli beitreten wollten, entmannten sich, die anderen- und sie müssen die Mehrheit der Kultteilnehmer gewesen sein - formten ihre Gefühle, indem sie Kybeles Trauer über den toten Attis am 23. und 24. März nachahmten (sanguis). Die lavatio des Standbildes der Kybele im Fluß Almo nahe der Porta Capena war das Ende einer frommen, durchaus nicht orgiastischen Prozession. Ein taurobolium wurde während der zwei Wochen vom 15. März (canna intrat) bis zum 28. März (initium Caiani) nicht veranstaltet. Versuchsweise kann man nun die Einführung des letzteren Festes als eine Fortsetzung und Ausgestaltung von Riten interpretieren, welche römische Offizianten und sodalitates schon zusätzlich zu den zentralen Riten der älteren Mysterien ausgeübt hatten. Nun wurde es auch römischen Bürgern gestattet, Prister der Mater Magna und des Attis zu werden, und sie wurden alle zu den öffentlichen Riten zugelassen. Es kann nicht zufällig gewesen sein, daß ineins damit, trotz mancher Einzelheiten,

die römischen

Beobachtern weiterhin fremd und

seltsam

vorkommen mußten, der Kult im ganzen offensichtlich domestiziert wurde. Metaphorisch gesprochen: der essentielle Kern eines Mysteriums war entfernt worden. Der Kult wurde damit als öffentliche Trauer für den toten Attis, nicht als

geheime

Gleichgestaltung

mit

ihm

ausgeführt.

Nimmt

man

die

uneingeschränkte Zulassung römischer Bürger hinzu, dann kann man dies als den Versuch der römischen Administration ansehen, die Mysterien den römischen Umständen und Traditionen anzupassen. Mehr noch: Weil die Teilnehmer am Fest selbst Römer waren oder sein konnten, müssen sie gewünscht haben, auch

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Carsten Colpe

als römische cultores in diesem Festzyklus zu stehen. Wenn diese Annahme richtig ist, dann kann die Domestizierung und "Ent-Mysterisierung" das Interesse gewisser Römer anzeigen, ihren Attisglauben in einem besonderen Kult neben, wenn nicht gar im Gegensatz zu den Mysterien auszuüben.

1.2. Große-Mutter-Kult versus Montanismus Die einzige Möglichkeit, zu diesem Punkt etwas auszumachen, besteht darin, gewisse Auseinandersetzungen aus Fakten zu erschließen, die der sog. Eumeneischen Formel zugrundeliegen. Folgendermaßen werden sie von ihrem Untersucher zusammengefaßt12: O n the territory of Eumeneia (in which I include the upland plain to the west of the city in which Ramsay placed Pepuza) I find 28 examples from the Eumeneian formula. Of these 8 are dated in various years from A.D. 249 to 273. The simplest form of the formula, εσται αΰτφ προς τόν $εόν, appears in IS examples. Of these 3 are guaranteed as Christian... In 11 instances the violator has his reckoning προς τον ζώντα 9tóv; of these 11, 4 are guaranteed as Christian... In the 2 remaining instances of the formula the reckoning is 'with Jesus Christ' ... and 'with the great name of God'... From my list of 28, in which the strict form of the Eumeneian formula ist used, I have separated off 6 third-century Christian inscriptions of Eumeneia which contain formulae such as 'he shall be accused in the sight of God to all eternity" or because the are mutilated." "There are stray examples at Vasada, Caesareia in Cappadocia, Sardis and Cyzicus; even in Thrace and in Rome."

Calder nennt diese "charakteristische" phrygische Formel "kryptochristlich" und fügt hinzu: T h e term...should be understood to mean not that the Christians conceales themselves under pagan formulae of inoffensive or neutral type, but that they themselves devised formulae of a type which offended neither their own conscience nor the prejudices of their own pagan neighbours." "It is admitted that at Eumeneia and Apameia the Christians began about the middle of the third century to use a formula (whether borrowed as it stood from the pagans or modified from a formula in pagan use) by which they placed their graves under the protection of their own God."

Auch andere Autoren13 sind zu dem Ergebnis gekommen, daß in diesen Inschriften einheimische Traditionen aufgenommen und weiterentwickelt, daß vielleicht sogar heidnische lydische und phrygische Formeln übernommen wurden. Wenn das richtig ist, dann muß es einen Grund gegeben haben, den

12 W. Calder, The Eumeneian Formula, in: Anatolian Studies presented to W.H. Buckler, Manchester 1939, 15-26, dort 21f.24f.26f. 16. 13 W. Schepelern, Der Montanismus und die phrygischen Kulte, Tübingen 1929, 88; M. Waelkens, Ateliérs lapidaires en Phrygie, in: Studia Histórica Gandensia 224, Gent 1979, 126f.

Selbstdefinition durch Rituale im hellenistisch-christlichen Kleinasien

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Frieden heidnischer Gräber in einer Gegend zu sichern, die weit war und nicht ausschließlich der Kybele-Leto geweiht gewesen sein kann. So ist es z.B. möglich, daß in Temenothyrai (heute: Ucak) eine eigene Form des Mutterkultes zu Hause war." Hypothetisch schreiben wir die Region einer Großen Muttergöttin zu. Doch da es auch beim Heiligtum der Leto und des Apollon größere Gräberfelder gab, kann die Gottheit, unter deren Schutz die Gräber gestellt wurden, und von der eine Reaktion gegen deren etwaige Schändung erwartet wurde, auch eine männliche vom Typ des Apollon Lairbenos (nicht ebenderselbe!) gewesen sein. Die Drohungen gegen Grabschänder waren natürlich an jedermann gerichtet. Doch konnte wahrscheinlich gemacht werden, daß es Montanisten waren, die zuerst die Formel in ihrer radikalisierten Ausprägung übernommen haben,15 sogar in dem angenommenen geographischen Zentrum dieser Verbreitung. Sollte dann irgendein Sinn in ihrer Subversivität liegen - das wäre ein anderes Charakteristikum als "krypto-christlich" -, dann ist es möglich, daß die Formel vorher direkt gegen Montanisten gerichtet war, um einen einheimischen Kult intakt zu halten.

1.3. Taurobolium versus Bischofskirche Eine neuere Monographie hat hier manches klarer sehen gelehrt.16 Es scheint nun sicher zu sein, daß das Taurobolium nicht von Anfang an ein integrierender Bestandteil der Kybele-Attis-Mysterien war. Vielleicht erst in der Kaiserzeit konnte es mit diesen ebenso wie mit dem Mithrasmysterien verbunden werden. Doch ist es keineswegs zwingend, daß es der Mysteriencharakter war, der die Integration oder Hinzufügung eines Tauroboliums möglich und ausführbar machte. Tatsächlich lassen sich die Inschriften besser verstehen, wenn man sie als Zeugnisse für eine bloße Verehrung von Attis und/oder Kybele liest:

14 Freundlicher Hinweis von A. Strobel, dem ich noch manch andere klärende Bemerkung zum Manuskript verdanke. 15 A. Strobel, Das heilige Land der Montanisten, R G W 37, Berlin 1980, 58-64 (grundlegend). " R. Duthoy, The Taurobolitum, EPRO 10, Leiden 1969.

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Carsten Colpe Potentissimis Diis Matri Deum Magnae Ideae et Atti crioboliuum caerno perceptum per Fl. Antonium maximum...17 Matri Deum Magnae Ideae et Attidi Menotyranno Magnae Ideae et Attidis Minoturani et aram IUI idus consulibus dedicabat."

Menotyranno (Name)...taurobolium Eustochium sacerdotem Phrygem Sancto...tauroboliatus Matris Deum Martias Gratiano V et Merobaude

Allgemein wird von der Dedikation eben des Altares gesprochen, auf dem die Inschrift eingemeißelt ist, vgl. Taurobolio Matris Deum Magnae Ideae quod factum est ex imperio Matris Deum pro salute Imperatori Caes. T. Aeli. Hadriani Antonini...liberorumque eius et status coloniae Lugudun. L. Aemilius Carpus...vires excepit et a vaticano transtulit, aram et bucranium suo inpedio consacravit"

Die Inschriften sagen nicht, in welchem kultischen Status der Dedikator sich wußte, oder welche Wiedergeburtserfahrung ihm das Taurobolium vermittelt hatte; es muß nicht unbedingt in der Form durchgeführt worden sein, in der Prudentius es beschreibt. Es gibt - man ist versucht zu sagen: unglücklicherweise - eine Ausnahme: Dis Magnis Matri Deum et Attidi Sextilius Agesilaus Aedcsius. (Titel), cognoscens pater patrum Dei Solis Invicti Mithrae Hierofanta Hecatarum Dei Liberi archibucolus taurobolio criobolioque in aeternum renatus aram sacravit...20

Das in aetemum renatus ist zahllose Male mit dem Pattern der sog. sterbenden und auferstehenden Göter verbunden worden. Deshalb wurde es als Zeugnis für die Auferstehung eines Initianden mit seinem Gott zitiert, in diesem Falle mit Attis. Aber was auch immer diese Wendung bedeutet, es ist nicht nur Attis, sondern auch Mithras betroffen, und die Inschrift spricht von keiner mystischen Vereinigung mit einem von beiden. Die Kraft des Stierblutes wirkt aus sich selbst. Die Wirkung, die ewige Wiedergeburt, kann eine materielle und spirituelle Reinigung, eine Versöhnung, eine moralische und spirituelle Verlebendigung, eine Erneuerung des Lebens gewesen sein. Dies kommt synkretistischen Ideen des vierten Jahrhunderts nahe, in dem die Inschrift gesetzt wurde. Zu diesem aber hat de facto das Christentum am meisten beigetragen, ja es hat das Wesentlich dieser Idee reiner bewahrt als die anderen Religionen.

17

CIL VI,508; Duthoy nr. 21. CIL VI,511; Duthoy nr. 24. Es bestehen auch mithräische Verbindungen. " Cil XIII,1751; Duthoy nr. 126. 20 CIL VI,510; Duthoy nr. 23; datiert auf den 13. August 376 n.Chr. 18

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43

Die Inschrift ist überdies die einzige, die eine solche Idee bezeugt, sogar in einer, wenn auch nicht sehr stabilen Verbindung mit der Verehrung von Attis und Kybele. Nimmt man dies mit anderen Beobachtungen zu heidnischen "Auferstehungs'-Zeugnissen in christlicher Zeit zusammen, dann ist es höchst diskutabel, daß der Dedikator dieser Inschrift, oder sein Priester, zeitgenössische einschließlich christlicher Ideen von Lebenserneuerung, Reinigung und Sühne in einen Ritus aufgenommen hat, der bis dahin noch nicht so verstanden worden war. Dasselbe kann natürlich auch schon früher geschehen sein, doch auch dann wohl

nur

in

christlicher

Nachbarschaft.

Dies

wäre

dann

eher

eine

einvernehmende als eine wetteifernde Haltung gegenüber einer christlichen Hauptsache.

II. 1. Kybelemysterien versus Attiskult Schon früher ist es eine "logische Inkonsequenz" genannt worden,21 daß der Kreis der Verehrer eines Gottes (etwa des Attis) durchaus nicht mit einer Mysteriengemeinschaft zusammenfallen müsse, obwohl es der wesentliche Anspruch der Mysterien war, daß Erlösung nur in ihrer Mitte gefunden werden könne. Aber offensichtlich haben sich Gläubige nicht gebunden gefühlt, logische Regeln zu befolgen und ein Nebeneinander von einem Verehrerkreis und einem Mysterienkult zu vermeiden. Während unter 1.1 angenommen wurde, daß die römischen Verehrer des Attis eine gewisse Begrenzung zwischen sich und den unzivilisierten Mysterien vornehmen wollten, geht es jetzt darum, daß eben diese Mysterien die ganze Zeit bis zu ihrer Abschaffung (und dem Entzug der Mittel nicht nur für sie, sondern auch für die zivilisierte Form) im Jahre 415 n.Chr. weiter praktiziert wurden. Der Grund dafür kann gewesen sein, daß nun auch die Fremden in Rom unter sich bleiben wollten. Leider lassen sich die Angehörigen niederer Bevölkerungsschichten und die Sklaven, besonders die von phrygischer oder anderer orientalischer Abkunft, die die meisten und die hauptsächlichen Anhänger der Kybele und des Attis gestellt haben sollen, nicht genauer der einen oder der

21

Von E . Anrieh, Das antike Mysterienwesen in seinem Einfluß auf das Christentum, Göttingen 1894, 56.

44

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anderen Praxis zuweisen. Aber es ist sehr wahrscheinlich, daß sie eher zum Mysterien- als zum domestizierten Typ gehörten. Dies ist noch wahrscheinlicher in den Provinzen, in denen römische Offiziere, Soldaten und Beamte eine weit geringere Rolle spielte als in der Hauptstadt.22 Die offizielle Duldung und Berechtigung des Mysterientyps dieser Religion erleichterte die Kontrolle ihrer Anhänger, und diese hatten ihrerseits den Vorteil,

nicht

zuviel

mit

den Beaufsichtigern

aus

der

Administration

kommunizieren zu müssen (von denen einige auch hier an einem zivilisierten Attiskult teil-genommen haben mögen). Ein klares Zeugnis über die institutionelle Trennung beider Kulttypen gibt in seiner berühmten "Rede an die Göttermutter" der Kaiser Julianus Apostata, der in die Mysterien eingeweiht war, ohne sich zum Gallus verschnitten zu haben: "Nach dem (uns vorliegenden) Bericht wird genau zu jener Zeit der (heilige) Baum gefällt. Gleich darauf finden nach ihrer (korrekten) Reihenfolge die übrigen (Zeremonien) statt. Einige von ihnen werden nach den mystischen und geheimen Vorschriften (der Mysterien) zelebriert, andere hingegen nach solchen, die jedermann erzählt werden können." 0

Diese Aussage läßt sich plausibel dahingehend ergänzen, daß erst recht von der Mysterienseite aus das Nebeneinander der beiden Kultpraktiken bewußt aufrecht erhalten worden sein muß.

II.2. Kybelemysterien versus Montanismus Schon die Untersuchung24 der Inschriften in der Umgebung des Tempels bei Dionysopolis am südlichen Mäanderufer, der dem Apollon Lairbenos und der Mater Leto geweiht war, hat gezeigt, daß zwei Theokrasien vorliegen. Lairbenos - und viele Varianten dieses Namens - als eine lokale Repräsentation konnte mit Apollon verschmelzen, weil auch hinter ihm eine Gottheit des Attistyps stand, und Leto war der griechische Name einer kybele-ähnlichen Göttin, die ohnehin

22

Beispielhafte Untersuchung: M J. Vermaseren, Der Kult der Kybele und des Attis im römischen Germanien, Publikationen des Limesmuseums, Aalen 1979. 23 Oratio 5,169A. Die Fällung des Baumes ist der Ritus des arbor intrat am 22. März. In 168C wird ein Trompetenritual erwähnt, das im philokalischen Kalender (CI 1) nicht vorkommt (23. März), in 168D wie dort der Kastrationstag Sanguem (24. März), der jedoch nicht als solcher zelebriert, sondern wie der Baumfällungstag ein Trauertag gewesen sein dürfte, und die Hilaria (25. März), aber nicht die Requelio (26. März). 24 Von W. Schepelern (wie Anm. 13) 92-105. Mehr siehe unter C.III.2.

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45

Mater war. Dies und alle andern bekannten Fakten machen es sicher, daß hier wirkliche Mysterien stattgefunden haben. Die Inschriften, die zu ihnen gehören, bilden geographisch, chronologisch und sprachlich ein geschlossenes Corpus. Nach ihrem Inhalt werden sie "phrygische Sühneinschriften" genannt. Sie sind von Personen geweiht, die gegen die Gottheiten des Tempels speziell in kultischer und ritueller Hinsicht gefehlt hatten. Die Setzung dieser Inschriften stellt schon als solche den Akt des Bekenntnisses dieser Verfehlungen dar. Einige Inschriften sprechen von einer Strafe, zu der die Gottheit den Stifter verdammt, oder von irgendeinem Urteil, das dieser als göttliche Strafe deutet. Einige warnen Leser, sich einer ähnlichen Strafe auszusetzen, unter Hinweis auf das abschreckende Beispiel, das die Inschrift verewigt. Was konnten das für Menschen sein, gegen die ein Kult seine Integrität durch solche Sühnemittel aufrechterhalten wollte? Potentiell konnte es natürlich jeder sein. Aber wir sind im Land der Montanisten, und es ist zu erwägen, ob es sich besonders um solche gehandelt hat. Das ist nicht so gemeint, daß die Inschriften von Montanisten gesetzt wurden, die sich etwa zu Lairbenos/Leto zurückbekehrten, sondern in dem Sinne, daß das auffällige allgemeine Beharren auf dem Nachweis, dem Eingeständnis und der Sühne der Verfehlung, das hier zum Ausdruck kommt, in seiner Intention hauptsächlich gegen die virtuelle Gefahr einer montanistischen Sezession gerichtet war. Die Schwäche dieses Schlusses kommt gleich nach der, mit der die unter C.I.2 vorgetragene Folgerung behaftet ist. Das gilt besonders deshalb, weil sexuelle Übertretung - eine der Sünden, von denen die Inschriften sprechen - sicherlich das Geringste war, was man Montanisten zum Vorwurf machen konnte. Doch etwas stärker macht diesen Schluß die Tatsache, daß nahezu alle Inschriften in einer Gegend gefunden wurden, die kleiner ist als die des eumeneischen Typs, nämlich vom Simau-See nach Süden über Maionia zum Hermostal und von dort nach Osten über das Phryxtal bis zum oberen Mäander. Dies war die zentrale Region in der ältsten Geschichte des Montanismus. Und datieren lassen sich diese Inschriften - mit den genauen Angaben, die sich hauptsächlich in denen von Maionia finden - ins zweite und dritte Jahrhundert!

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II.3. Kybelemysterien versus Bischofskirche Die Kybele-Attis-Geschichten enthalten eine Einweihungs-, aber keinen Todund- Auferstehungs-Mythus. Einige Fassungen setzen nicht einmal des Tod des Attis voraus; andere erzählen, daß Attis starb und tot blieb. So neigt die Forschung mehr und mehr zu der Meinung, daß die einzige Ausnahme, ...ut satis iratae mulieri facient, aut ut paenitenti solarium quaererent, quem paulo ante sepelierant revixisse iactarunt, et cum mulieris animus ex inpatientia nimii amoris arderet, mortuo adolescenti tempia fecerunt,25

auf eine euhemeristisch weiterentwickelte Deutung des Aufkeimens der Saat zurückgeht.26 Dasselbe gilt für das noch spätere Zeugnis des Damaskios (6. Jahrh.!),27 nach dem Attis an dem hilaría genannten Fest (25. März) den Hades verläßt. Also wird man "die Heiteren" als einen Tag interpretieren dürfen, der einer rituellen Freudenbezeugung über das Wiederleben des Attis gewidmet war; sie läßt sich am ehesten auch nach dem philokalischen Kalender als Konkurrenz zur christlichen Auferstehungsfeier interpretieren - aber eben erst nach diesem. Im ersten und zweiten Jahrhundert galt dieser Freudentag wahrscheinlich noch nicht dem Attis, sondern der Göttermutter. III.l. Montanismus versus Kybelemysterien Es ist derzeit noch nicht möglich, diese Kombination von der folgenden klar zu unterscheiden, und vielleicht gehört sie mit zu denen, die mangels historischen Anhalts sinnlos bleiben: ob der Montanismus sich von einer Große-MutterVerehrung des nicht-mysterienhaften oder des mysterienhaften Typs abgrenzte, ist für sein Wesen ohne Bedeutung, und wenn es das doch wäre, könnte man es

25 Firmicus Maternus, De errore profanarum religionum 3,1: "...und um dem erzürnten Weibe genug zu tun oder um der Reuigen Trost zu schaffen, haben sie erfunden, der, den sie kurz vorher begraben hatten, sei wieder zum Leben erwacht, und da das Herz des Weibes von der Unbeherrschtheit allzu großer Liebe glühte, so haben sie dem toten Jüngling Tempel errichtet"; übers. K. Ziegler, München 1953. 26 Zur Sache ausführlich und gründlich G. Wagner, Das religionsgeschichtliche Problem von Römer 6,1-11, Zürich 1962, 219-269, bes. 231-241; zur Interpretation ebenso klärend K. Hoheisel, Das Urteil über die nichtchristlichen Religionen im Traktat "De errore profanarum religionum" des Julius Firmicus Maternus, Diss.phil. Bonn 1972; dort 149-165 zu den "Öffentlichen Feiern der ... thrakisch-phrygischen Religionen". 27 Vita Isidori, bei Hepding (wie Anm. 9) 74. Hepdings Schluß von der Parusie des Dionysos, die er S. 166 nach einer ohne Beleg aufgestellten These von E. Rohde, Psyche II2, 9 auf die Wiederkehr des Attis aus dem Totenreich macht, ist Phantasie.

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aus den Quellen nicht beweisen. Tatsächlich ließen sich die Argumente für die erstere Abgrenzung auch hier verwenden. Es gibt jedoch einige bemerkenswerte Hinweise, daß der Montanismus nicht seine ganze Geschichte hindurch dieselben heidnischen Widerpartner hatte, bzw. daß sich auch die heidnischen Kulte im Zuge der wechselseitigen Auseinandersetzungen änderten. Eine mögliche Evidenz, die aus den phrygischen Sühneinschriften unter C.II.2 abgeleitet werden könnte, und die aus dem unter C.III.2 zu bringenden Material noch klarer hervorgeht, bezieht sich auf die früheste Periode der montanistischen Geschichte. Doch es scheint, daß an der Feststellung von Schepelern,28 der spätere Montanismus sei im Kultus von seinem phrygischen Widerpartner beeinflußt worden, doch ein wenig Richtiges dran ist, obwohl seine Annahme von der absoluten Unabhängigkeit beider Religionen in ihren Ursprüngen falsch ist. Der spätere Einfluß könnte ein Anzeichen

für den montanistischen

Versuch sein, solche Elemente

zu

übernehmen, die anderen Falles potentielle Konvertiten bei den Mysterien gehalten hätten. Dazu gehört allerdings nicht der Kyrios-Titel, der in den christlichen Aussagen ebenso selbstverständlich verwendet wird wie in den Sühneinschriften Phrygiens, Lydiens und Mysiens. Aber Pneumatologie, Mantik, Gruppenmoral und Fastenbräuche könnten verbindende Glieder sein.

III.2. Montanismus versus Große-Mutter-Verehrung Die Frage, ob Montanismus und der Kult der Muttergöttin sich irgendwann durch Einführung unterschiedlicher Riten gegeneinander abgegrenzt haben, muß von der Tatsache ausgehen, daß die Anfänge des Montanismus eng mit Angelegenheiten des Heiligtums und des Kultus der Leto-Kybele und des Apollon Lairbenos verknüpft sind.® Das Synbomon auf einem Plateau westlich von Bekilli und südlich von Medele (Motella oder Metellopolis) auf der linken Seite des Büyük Menderes (Maiandros) ist nicht mehr als 20 km entfernt vom zentralen Ausgangspunkt der montanistischen Bewegung im Grenzgebiet

28

Vgl. Schepelern (wie Anm. 13) 122-130; weitere Diskussion bei Strobel (wie Anm. 13) 222-230. * W.M. Ramsay, The Cities and Bishoprics of Phrygia, Bd. 1, Oxford 1895 (ND New York 1976), 130-133, zum Synbomon dort 149 Anm. 1.

48

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zwischen Mysien und Phrygien.30 Wir wissen von einem Prieser Apollonios, der in Atyochorion lebte,31 welches vielleicht das heutige Ortaköy etwa 4 km südlich des alten Kultplatzes oder ein anderes Dorf in der Nähe des Heilgtums ist. Man kann daraus schließen, daß an diesem Ort zahlreiche Prieser und auch Hierodulen lebten. Das Areal war wahrscheinlich die Lebensmitte einer organisierten Körperschaft, die das Territorium darum herum in Beschlag genommen hatte, denn sie wurde von einer erblichen Priesterdynastie geleitet.32 Die bloße Tatsache, daß hier so etwas wie ein kleiner Staat errichtet worden war, kann, wenn nicht für eine bewußte Selbstdefinition, so mindestens doch für eine Stabilität stehen, die die Selbstdefinition eines Renegaten provozieren konnte. Ein solcher Renegat war Montanus, der zum Christentum konvertierte. Die Beschreibung, die Eusebius von den Ekstasen, dem Enthusiasmus und der Xenophonia gibt, in der dieser christliche Neopistos zu sprechen begann, erweist den Hintergrund dieser Phänomene als phrygisch. Didymus, der den Montanus einen gewesenen Idolenpriester nennt,33 und Hieronymus, nach welchem er ein abscissus und ein semivir gewesen sei, machen es nahezu sicher, daß er einst ein kastrierter Gallus war. Es ist nun durchaus möglich, daß er ursprünglich an eben dem Heiligtum des Apollon Lairbenos und der Kybele-Leto Dienst getan hat, und es wäre sogar sehr wahrscheinlich, falls Strobels Schlußfolgerungen zutreffen.34 Ardabau, wo Montanus nach Eusebius zuerst auftrat, könnte irgendwie mit jenem Platz verbunden werden. In jedem Falle begann Montanus nach seiner Konversion in dieser Gegend35 zu predigen, und das "maßlose Verlangen der Seele", in welchem er es tat, bedeutet, daß er nun ein anderer sein wollte, als er bis dahin gewesen war.

30

Eusebius, H.E. 5,16,6f. Vgl. Ramsay (wie Anm. 29) 146 Anm. 34 und 35. 32 Z.B. eine Abfolge Menophilos - Apollonios - Apollonios: Ramsay (wie Anm. 29) 154 Anm. 56 und 146 Anm. 35. 33 Siehe Anm. 36, Hieronymus, ep. 41 ad Marcellam. 34 Vgl. Strobel (wie Anm. 15) 37. 35 Bedeckt von den Inschriften, die jetzt gesammelt sind in Monumenta Asiae Minoris Antiqua IV. Monuments and Documents from Eastern Asia and Western Galatia, hg. von W.H. Buckler, W.M. Calder und W.K.C. Guthrie, Washington 1933, 95-115 Anm. 265-308. 31

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Es gab einen richtigen Wettstreit zwischen den beiden Kulten. Das läßt sich vielleicht sogar statistisch demonstrieren. Von den 31 Inschriften MAMA IV no 269-299, die sich auf den Kult des Heiligtums bei Ortaköy beziehen, gehören 2 ins 1. Jahrh. n. Chr., 1 ins 1. oder 2. Jahrh., 8 ins 2. Jahrh., 6 ins 2. oder 3. Jahrh., 6 in die erste Hälfte des 3. Jahrh.s, 8 lassen sich nicht datieren. Das bedeutet, daß das heidnische Heiligtum zwischen 160 und 250 seine Blütezeit hatte und seine Bedeutung abrupt in der 2. Hälfte des 3. Jahrhunderts verlor. Das war höchst-wahrscheinlich durch den eruptiven Ausbruch der montanistischen Bewegung verursacht. Die Emissionen der Münzen des Apollon Lairbenos aus Hierapolis und Dionysopolis weisen auf einen ähnlichen Tatbestand.

III.3. Montanismus versus Bischofskirche Die Beziehungen zwischen dem Montanismus und der ihr Rechtgläubigkeitsmonopol durchsetzenden Kirche Kleinasiens können nicht auf die Frage zugespitzt werden, ob Montanisten sich gegen die Kirche definiert haben. Denn sie wollten ja selbst als Christen gelten, wie schon aus Montanus' Anspruch folgt, der Vater, der Sohn und der Paraklet zu sein36 und das Bestreben, bessere und ursprünglichere Christen zu sein als die anderen, konnte nicht in eine explizite, mit der dieser anderen konkurrierende Selbstdefinition münden. Es ist unser historisches Urteil, nicht das der Montanisten, das uns in den montanistischen Ekstasen mehr als den urchristlichen Enthusiasmus sehen und ihre Ursprünge in einer Entwicklung finden läßt, die neben derjenigen herläuft, die von eben jenem Enthusiasmus bis zu seiner Besänftigung in der verfaßten Kirche führt. Implizit lassen sich jedoch zwei Anhaltspunkte auffinden, die als Anzeichen dafür dienen können, daß die Montanisten ihre Identität eben dort fanden. Der eine besagt, daß die neue Prophetie meinte, mit größerem Recht als dem einer apostolischen Autorität die Erfüllung des vom Johannesevangelium gegebenen Versprechens genannt werden zu dürfen, daß ein Paraklet kommen werde. Der andere besagt, daß dieselbe Prophetie sich anstrengte, die Heiligen der letzten

36

Berichtet von Didymus, D e trinitate 3,41,3.

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Tage in Pepuza statt in Jerusalem zu sammeln, und sich damit der Gründung fester christlicher Gemeinden in Kleinasien entgegenstellte. Der westliche Montanismus, wie Tertullian ihn vertrat, fand seine Identität in einer dreifachen Verwerfung der Bischofskirche. Er stand für die Autorität der neuen Prophetie auch in ethischen Angelegenheiten, die nur in der Anerkennung des neutestamentlichen Kanons ihre Grenze fand. "Hac lege fidei manente cetera iam disciplinae et conversationis admittunt novitatem correctionis...Sic et iustitia (nam idem Deus iustitiae et creaturae) primo fuit in rudimentis, natura Deum metuens; dehinc per legem et prophetas promovit in infantiam; dehinc per evangelium efferbuit in iuventutem, nunc per Paracletum componitur in maturitatem...Hunc qui receperunt, veritatem consuetudini anteponunt. Hunc qui audierunt usque, nunc prophetantem, virgin es contegunt." 37

Konsequenterweise bezichtigte der westliche Montanismus die anderen Christen der Aufweichung der strengen urchristlichen Moral, verbot die zweite Ehe, machte die Fastenvorschriften härter, drängte auf Bekenntnis des Glaubens im Leben und, beim Erleiden von Verfolgungen, sogar im Tode, und verweigerte die Wiederaufnahme schwerer Sünder in die Gemeinde. "Sed quod non prohibetur, ultro permissum est.' Immo prohibetur quod non ultro est permissum." 38

Schließlich opponierte der westliche - in Übereinstimmung mit dem östlichen Montanismus gegen das Privileg der Bischöfe, von Sünden zu absolvieren, und damit opponierte er dem sich herausbildenden hierarchischen Charakter der Kirche ganz grundsätzlich. "Atque ita exinde etiam numerus omnis qui in hanc fidem conspiraverint ecclesia ab auctore et consecratore censetur. Et ideo ecclesia quidem delieta donabit, sed ecclesia spiritus per spiritalem hominem, non ecclesia numerus episcoporum. Domini enim, non famuli est ius et abritrium; Dei ipsius, non sacerdotis."39 "Nonne et laici sacerdotes sumus? Scriptum est: Regnum quoque nos et sacerdotes deo et patri suo fecit. Differentiam inter ordinem et plebem constituit ecclesiae auetoritas et honor per ordinis consessus sanctificatos deo. Ubi ecclesiastici ordinis non est consessus, et offers et tinguis et scerdos es tibi solus; scilicet ubi tres, ecclesia est, licet laici."40

Bessere Selbstdefinitionen einer montanistischen anstelle einer katholischen, einer priesterlosen anstelle einer Bischofskirche sind wohl nie gegeben worden.

37 38 39 40

Tertullian, Tertullian, Tertullian, Tertullian,

De De De De

virginibus velandis 1,4.7. corona 2,4. pudicitia 21,17. exhortatione castitatis 7,3.

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IV. 1. Bischofskirche versus Montanismus Der Ausbruch der montanistischen Bewegung wird von den meisten Forschern auf kurz vor 160 n. Chr. datiert; die erste Periode erfolgreicher Mission und Ausbreitung dauerte bis zum Tode der Prophetin Maximilla, um das Jahr 179. Dieses Ereignis, das eine Krise in der Bewegung zur Folge hatte, bezeichnet gleichzeitig einen Zeitpunkt, nach welchem die Kirche mit einer intensiven Polemik begann, sowohl mittels einzelner Personen als auch mittels Durchsetzung von Synodalbeschlüssen. Für beides ist eine reiche Dokumentation erhalten geblieben. Wir kennen Äußerungen und Aktivitäten eines anti-montanistischen Anonymus, dem Bischof Zotikos von Ortrus zur Seite stand; dasselbe seitens der Bischöfe Sotas von Anchialos, Zotikos von Kumane, Julianus von Apamea, Soter von Rom, Claudis Apollinaris von Hierapolis, Eleutherus von Rom. Wir können "Briefe an die Brüder in Asien und Phrygien" lesen und Bücher des Rhetors Miltiades, von Serapion von Antiochien, von Melito von Sardes, von Gaius, von Apollonios und von Praxeas, dem Kontrahenten Tertullians, lesen oder rekonstruieren. All dies ist oft diskutiert, manches seit der Pionierleistung auf diesem Gebiet41 neu ediert worden. Daraus ist ein langer Katalog von tendenziell katholischen Selbstdefinitionen zu gewinnen. Sie sind zu ergänzen durch die Erklärungen von Synoden, die gegen die Montanisten abgehalten wurden.42 Die

anti-montanistischen

Polemiken

außerhalb von Kleinasien

lassen

manchmal einen Ton des Bedauerns über den Verlust eines gemeinsamen pneumatischen Erbes durchklingen. In Kleinasien selbst wurde die Rüge der Blasphemie gegen den Herrn, die in ähnlichen Fällen oft geäußert worden war, zuweilen ausdrücklich auf die Apostel und die heilige Kirche ausgedehnt. Der anti-montanistische Anonymus stellt fest, "der Apostel" (d.h. Paulus, wohl in l. Kor. 1,7 oder Eph. 4, 11-13) versichere, das Charisma der Prophetie werde in der Kirche bis zur endgültigen Parusie lebendig bleiben.43 Von dieser Kontinuität

41

P. de Labriolle, Les Sources de l'Histoire du Montanisme, Paris 1913. Gesammelt von J A . Fischer, Die antimontanistischen Synoden des 2./3. Jahrhunderts, AHC 6, 1974. 43 Eusebius, H.E. 5,17,4. 42

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überzeugt, werden Pneuma und Kirche wie selbstverständlich von den Glaubensbekenntnissen an den "Heiligen Geist" in den diesen betreffenden Artikeln der östlichen Taufsymbole identifiziert. Wo solche Symbole nicht nur auf dem Papier, sondern auch praktisch gültig waren, konnte man als notae ecclesiae verae eine bessere Moral als die skandalöse der Montanisten reklamieren. Im rituellen Handeln aber, dem in dieser Hinsicht wichtigsten Teil der kirchlichen Praxis, konnte man vom Taufritual den Exorzismus abtrennen. In dem Maße, wie er zu einem selbständigen Akt gemacht wurde, diente er der deutlichen Abgrenzung derjenigen Gemeinschaft, die die Geister der anderen aus ihren Mitgliedern austreiben wollte.

IV.2 und 3. Bischofskirche versus Attisklut und Kybelemysterien Unter den wegen Doppelung auszuscheidenden Fällen darf man mit allem Vorbehalt einen als Ausnahme anerkennen: die Abgrenzung zwischen zivilisiertem Attiskult und Kybele(-Attis-)Mysterien (C.I.l und II.l) bedeuten auch zweierlei Abgrenzung seitens der Kirche. Die eine ist die Umkehrung des unter C.II.3 besprochenen Falles, die andere ist aus dem christlichen Umgang mit dem philokalischen Kalender, und das heißt: mit dem von diesem bezeugten zivilisierten Attiskult zu erschließen.44 Die christlichen Kompilatoren des Kalenders und Papst Damasus I. (366-384) haben eine Festordnung, die zur Zeit des Kaisers Claudius noch eine innerheidnische Spaltung darstellt, in die Fasti ab urbe condita bis zum Jahre 354 übernommen und sie neben dem Verzeichnis der Ostertage, der Todestage der Päpste und einiger weiterer Feste stehengelassen. Dadurch wurde dieses heidnische Dokument zu einem Bildungsgut in einem Nachschlagewerk, das Christen als ihren eigenen Festkalender benutzten. Statt daß man auf die Übernahme des kleinen heidnischen Stückes einfach verzichtet hätte, was sehr leicht möglich gewesen wäre, hatte man es nun als Erweis offener Distanz zur christlichen Festordnung dauernd vor Augen.

44

Vgl. W. Sontheimer, "Chronograph vom J. 354", "Philocalus", in: Der Kleine Pauly, Bd. 1 und 4, Stuttgart 1964 und München 1972, Sp. 1165 und 757. Den Literaturangaben ist hinzuzufügen H. Stern, Le Calendrier de 354. Études sur son texte et ses illustrations, Paris 1953.

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Was nun die Umkehrung des Verhältnisses der Kybelemysterien zur Bischofskirche anlangt, so ist zunächst festzustellen, daß die von Firmicus Maternus zitierte45 berühmte, für die Erlösungszusage der Mysterien generationenlang unisono als klassisch angeführte Formel "Ihr Mysten, seid getrost: Erlöst ist Gott! Denn uns wird nach den Leiden die Erlösung" von modernen Autoren gern dem Taurobolium (siehe C.IV.5) und dessen Zelebration in Kybele's Adyton zugeordnet worden ist. Das ist nicht korrekt. Der Gott, der gemeint ist, dürfte eher Osiris als Attis sein. Deshalb ist das, was Firmicus Maternus dazu kommentiert, hier leider nicht zu verwenden. Doch was er gegen das revixisse iactarunt (siehe C.II.3) zu sagen hat, gehört zu Attis, aber nicht dem des zivilisierten Kultes, sondern dem Consors der Kybele in ihren Mysterien, und zwar weil das ganze Kap. 3 klar von den Phryges qui Pessinunta incolunt handelt und es kurz danach heißt Attin vero hoc ipsum volunt esse quod ex fructibus nascitur. Firmicus argmentiert hier nicht christologisch, wie man es erwarten könnte. Er wünscht vielmehr, Erdreich und Samen das sein zu lassen, was sie sind: Teile der Natur, und nicht Körperteile von Göttern. Er will auch den Ackerbau sein lassen, was er ist: die Arbeit des Bauern und nicht die Allegorie einer königlichen oder göttlichen Liebesgeschichte. Firmicus ist daran interessiert und wie ein moderner Säkularisierungstheologe auch in der Lage, die Schöpfung zu entsakralisieren. Umso besser wird er dann in Kap. 28 seines Werkes seine Christologie entfalten können. Es gibt außerdem Anspielungen oder Bestreitungen christlicher Autoren im Hinblick auf Zermonien, die zu Mysterien gehören müssen, weil mit ihnen eine Initation verbunden ist. Die Brandstigmatisation wird von Prudentius46 mit derselben Antipathie wie das Taurobolium beschrieben, ähnlich die Nadelstigmatisation von Epiphanius.47 Wenn Votivgaben oder sakrale Mahlzeiten beschrieben werden, dann geschieht das in Form einer Kontrastierung mit der Eucharistie: alles, was mit Blut zu tun hat - das allerdings wird vom Taurobolium

45

De errore profanarum religionum 22,1. Die folgenden Zitate dort 3,1. Zum sog. Attis-Symbol siehe Hoheisel (wie Anm. 26) 206-214. 44 Peristephanon 10,1076-1085. 47 Panar. 48,14; von ihm den Kindern des Montanus zugeschrieben, was zweifelhaft ist.

54

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meist nicht klar unterschieden - bekommt seinen Kontrast im baptismalen Eintauchen und Übergießen, die Brandstigmatisation bekommt ihn in der Ölsalbung, die nach der Taufe vorgenommen werden kann. Darin liegt eine implizite Selbstdefinition.48

IV.4. und 5. Bischofskirche versus Große-Mutter-Verehrung und Taurobolium Die Berichte von Christen über die verschiedenen Formen der phrygischen Religion erbringen als solche nichts zum Abgrenzungsthema. Klare Selbstdefinitionen sind nur von eindeutig und explizit christlichen Inschriften sowie von Christen zu erwarten, die Apologeten sind. Unter den Inschriften kommen hier diejenigen in Frage, die die merkwürdige Formel Christianoi, Christianoîs (oder Christianôi) enthalten, 4 ' z.B. "Aurelia Dom na für ihren Gatten Meies und für sich, (noch) am Leben; und ihre Kinder" (es folgen zehn Namen) "für ihren Vater und ihre Mutter, (die noch) am Leben (ist), Christen für Christen."

Die Inschriften stammen überwiegend aus dem nordphrygischen Tembristal, in der Zeit von 248/249 bis kurz nach 300, und wurden von ihren ersten Entdeckern für monastisch gehalten. Die lange und intensiv geführte Debatte, in der es um zahlreiche andere Einzelheiten als um die Abgrenzungsfrage ging, hat zu dem Ergebnis geführt, daß sie eher allgemein christlich sind und einen Bekennerwillen ausdrücken, für den ein Grund bestanden haben muß. Mehr, als daß die Dedikatoren sich damit bewußt von Nichtchristen abgrenzen wollten für Epitaphe, um die es sich bei den meisten Inschriften handelt, besonders

48

Die Interpretation weiterer Zeugnisse hängt von der Lösung der Schwierigkeiten ab (siehe unter C.III.2), was in den kontrastierten Riten montanistisch und was heidnisch ist. Es ist außerdem möglich, daß der Kanon I von Nicaea ("... Wenn aber einer, obwohl er gesund ist, sich selbst entmannt, geziemt es sich für diesen, insofern er zum Klerus gerechnet wird, daß er sein Amt niederlegt...Wie aber dies offensichtlich von denen gesagt ist, welche diese Sache absichtlich tun und sich erdreisten, sich selbst zu entmanne, so läßt der Kanon, wenn sie von Barbaren oder von ihren Herren zu Eunuchen gemacht worden sind, solche, sofern sie im übrigen würdig erscheinen, in den Klerus zu.") die Bewerbung ehemaliger Gallen um ein kirchliches Priesteramt im Auge hat. Es bestehen allerdings noch mehrere andere Möglichkeiten, die alle diskutiert werden von A. Low, Der religiöse und (religions-)historische Hintergrund des Kanons I von Nicäa (= Hausarbeit für die 1. Evang.-theologische Dienstprüfung zum Examen im SS 1989 bei Frau Prof. Abramowski). 49 Früher besprochen von Schepelern (wie Anm. 13) 80-82; gesammelt ediert und kommentiert von E. Gibson, The "Christians for Christians" Inscriptions of Phrygia, Harvard Theological Studies 32, Missoula 1978; das Beispiel dort 19-21, Nr. 8; danach besprochen von Strobel (wie Anm. 15), 104112.

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55

wichtig -, kann man nicht sagen. Die letzteren müssen ganz allgemein in den metroakischen Bereich gehört haben; jede konkretere Vermutung wäre Spekulation. Unter den Apologeten ist wiederum Firmicus Maternus der produktivste. Eine vielzitierte Aussage von ihm, die er nach einer Anführung von Joh. 1,29 macht, ist vom genannten Taurobolium aus mit mehreren Mysterien und Riten in Verbindung gebracht worden, aber sie dürfte sich am ehesten nur auf dieses beziehen. Sie lautet: Pro salute hominum agni istius venerandus sanguis effunditur, ut sanctos suos filius dei profusione pretiosi sanguinis redimat, ut qui Christi sanguine liberantur, maiestate prius immortalis sanguinis consecrentur. Neminem apud idola profusus sanguis invenit, et ne cruos pecodum miseros homines aut decipiat aut perdat...Polluit sanguis iste, non redemit, et per varios casus hominem peremit in morte. Miseri sunt qui profusione sacrilegi sanguinis cruentantur. Tauribolium istud vel criobolium scelerate te sanguinis labe perfundit.50

Diese Worte sprechen für sich selbst. Für die Entgegensetzung "Für das Heil der Menschen wird das verehrungswürdige Blut dieses Lammes vergossen...Niemand hat das vor den Götzenbildern vergossene Blut erlöst" kann eine ähnliche Haltung vorausgesetzt werden wie für das anonyme Camen contra paganos von 394 n. Chr. und für das berühmte Peristephanon (bes. 10, 1006-1050): beide stimmen mit der Apologetik darin überein, daß sie gleich weit wie diese von Sympathie für den Gegenstand entfernt sind, über den sie schreiben.

Schluß Im Unterschied zu den Beziehungen von Große-Mutter-Verehrung (C.III. 1) und Kybele-Mysterien (C.III.2) zum montanistischen Christentum, wo es einerlei war, ob der Mysterientyp beteiligt war oder nicht, ist dieser Unterschied für die Konfrontationen der beiden heidnischen Größen mit dem katholisch werdenden Christentum, der Bischofskirche, höchst wichtig. Denn ein konstitutiver Teil des Mysterientyps war der Kultmythos, und zwar weil zwischen ihm und dem jeweiligen Kultritual eine konstante wechselseitige symbolische Referenz impliziert, wenn auch nicht immer ausgeführt war. Mit einem Mythos

50

De errore profanarum rcligionum 27,8; zu den naturmythologischen Allegorien und der Bewertung des heidnischen Kultes als Naturvergötterung siehe Hoheisel (wie Anm. 26) 293296.316-322.

Carsten Colpe

56

umzugehen, der auf Ähnlichkeit mit der Geschichte des präexistenten Christus und des irdischen Jesus angelegt war, hatte jedoch für einen Apologeten eine andere Bedeutung, als sich mit der bloßen Verehrung oder dem Kult eines heidnischen Gottes auseinanderzusetzen. Deshalb wurde alles, was auch nur den Anschein hat, zu einem Mythos expliziert werden zu können, aus der Betrachtung

ausgeschlossen,

selbst wenn es vom

religionsgeschichtlichen

Standpunkt aus nicht feststeht, daß es wirklich zum Mysterienzyp gehörte. Ohnehin sind die Apologeten dafür dubiose Zeugen, weil sie nur zu gern fremde Mythen und Riten so modellieren, daß sie homologe Antithesen zu christlichen Doktrinen und Liturgien werden. Erst wenn auch die ersteren im Verhältnis zueinander so analysiert worden sind, wie es hier mit den letzteren versucht wurde, ist ein gewisser neuer Erkenntnisstand erreicht.51

Sp. Vryonis jr., The Decline of Medieval Hellenism in Asia Minor and the Process of Islamization from the Eleventh through the Fifteenth Century, Berkeley 1971, schildert, wie es weitergegangen ist. Es finden sich verstreut auch viele Bemerkungen über die hellenistischchristliche Zeit bis zum 4. Jh., in denen manches, z.B. die Sprachen- und Völkersituation, •ativistischer gewertet wird als in diesem Beitrag.

51

Reinhard M. Hübner

Der antivalentinianische Charakter der Theologie des Noët von Smyrna

Hippolyts Kampf mit der römischen Schule der Noëtianer wäre kaum sein heftigster antihäretischer Streit geworden, wenn der "Urheber" der Häresie, Noët von Smyrna,1 nicht eine aktuelle, die Fragen der Zeit beantwortende und deswegen erfolgreiche Theologie hervorgebracht hätte. Daß diese Aktualität in der Auseinandersetzung mit der für die Großkirche inzwischen lebensbedrohenden Gnosis lag, habe ich kürzlich behauptet.2 Hier soll nun im einzelnen aufgezeigt werden, daß die Theologie des Noët, soweit sie aus den von Hippolyt in der Refutado omnium haeresium mitgeteilten Stücken erschlossen werden kann, und insbesondere die Form seiner in paradoxen Antithesen gefaßten Glaubensregel wesentlich durch die Polemik gegen eine gnostische Schule bestimmt sind. Es besteht die Hoffnung, daß auf diese Weise eine festere Basis gewonnen werden kann, von der aus es gelingt, verschiedene monarchianische Christologien des zweiten Jahrhunderts und vor allem die der Ignatianen theologiegeschichtlich und zeitlich besser einzuordnen. Doch soll diese weitergehende Aufgabe erst später in Angriff genommen werden. Zunächst seien aus dem genannten Beitrag ein paar für die folgende Untersuchung nicht unwichtige Ergebnisse festgehalten. Was Hippolyt im 9. und 10. Buch der Refutado über die Lehren Noëts und seiner römischen Schule berichtet, entstammt wahrscheinlich wenigstens teilweise und ziemlich wortgetreu einer Paschahomilie Noëts, die starke formale und inhaltliche Verwandtschaft mit der des Melito von Sardes aufweist. Aus dem ersten Teil des Referats Hippolyts (Ref. IX,10,9-10) läßt sich, wenn man das

1

Vgl. Hippol., Ref. IX,6. Die antignostische Glaubensregel des Noët von Smyrna (Hippolyt, Refutatio IX,10,9-12 und X.27,1-2) bei Ignatius, Irenaeus und Tertullian: MThZ 40 (1989) 279-311, hier 305 Anm. 87. 2

Reinhard M. Hübner

58

übrige u n d d e n parallelen Bericht in R e f . X,27 vergleicht, der knappe Aufriß e i n e r antithetisch g e b a u t e n Glaubensregel gewinnen. D e n Widerhall dieser A n t i t h e s e n kann m a n in mehreren T e x t e n d e s z w e i t e n Jahrhunderts, z.B. in d e n a p o k r y p h e n Petrusakten, bei Melito, 3 Irenaeus und Tertullian deutlich hören. Für P e r s o n und Z e i t des N o ë t hat sich aus d e n A n a l y s e n ergeben, daß er wahrscheinlich einer der Nachfolger d e s Polykarp von Smyrna war 4 und auf j e d e n Fall v o r der Abfassung der antignostischen Schrift d e s Irenaeus, die wohl vor 180 erfolgte, seine geschichtlich s o wirksamen Texte verfaßt h a b e n muß. D e r erste Teil des Berichts Hippolyts über die noëtianische L e h r e lautet folgendermaßen: "Ein und derselbe Gott sei aller Dinge Schöpfer und Vater. Als es ihm gefiel, sei er den Gerechten der alten Zeit erschienen (πεφηνέναι), obwohl er unsichtbar (άόρατον) ist; wenn er nämlich nicht gesehen wird, ist er unsichtbar (άόρατον), {wenn er aber gesehen wird, ist er sichtbar (όρατόν))5; er ist unfaßbar (άχώρητος), wenn er nicht gefaßt werden will; faßbar (χωρητός) aber, wenn er gefaßt wird; so ist er im selben Sinne ungreifbar und greifbar (ακράτητος χα; κρατητός), unerzeugt (und gezeugt) (άγεννητος (και γεννητός)6), unsterblich und sterblich (αθάνατος και θνητός)."7 Hippolyt referiert hier nicht vollständig, s o n d e r n bringt nur ein Exzerpt dessen, w a s i h m wichtig scheint. A u s dem parallelen, aber unabhängig g e s c h r i e b e n e n

3

Dazu siehe ausführlicher den Beitrag: Melito von Sardes und Noët von Smyrna, in: Oecumenica et Patristica. FS W. Schneemelcher, hg. von D. Papandreou, WA. Bienert, K. Schäferdiek, Chambésr-Genf 1989, 219-240. 4 Das Todesdatum Polykarps ist immer noch umstritten. Die Mehrzahl der Forscher bevorzugt das Jahr ca. 167, vgl. D. van Damme, Polycarpe de Smyrne: DSp 12 (1986) 1902-1908, hier 1904. B. Dehandschutter, der in seiner großen Studie "Martyrium Polycarpi", Leuven 1979, 191-219, das Jahr ca. 156 verteidigt hatte, bleibt auch in seinem jüngsten Beitrag bei diesem Datum (Polycarp's Epistle to the Philippians. An Early Example of "Reception", in: The New Testament in Early Christianity, hg. von J.-M. Sevrin, Leuven 1989, 275-291, hier 277 Anm. 11). Rechnet man von der Biographie des Irenaeus her, der den Polycarp (doch wohl kurz vor dessen Tod) noch im Knabenalter, d.h. mit 12—15 Jahren, gesehen hat (Euseb., H.E. V,20,4-8), dann kommt eigentlich nur 155/156 als Todesjahr in Frage. Irenaeus wäre sonst gerade 22—25 Jahre alt gewesen, als er 177 Bischof von Lyon wurde. 5 Diese Ergänzung ergibt sich zuverlässig aus dem parallelen Bericht Ref. X,27,2 (283,6f. Wendland). 6 Für die Ergänzung und die - bekanntlich schwankende - Schreibweise siehe Ref. X,27,2 (283,7f. Wendland). 7 Hippol., Ref. IX,10,9f. (244,12-17 Wendland). Hier wird weiterhin die Edition P. Wendlands zitiert, die von M. Marcovich (= PTS 25, Berlin 1986) verglichen; zur Rechtfertigung siehe die Bemerkungen in dem in Anm. 2 genannten Aufsatz S. 280 Anm. 7. Ebd. S. 301f. eine hypothetische Rekonstruktion der Glaubensregel Noëts.

Der antivalentinianische Charakter der Theologie des Noët von Smyrna

59

Exzerpt in Ref. X,27 ist erkennbar, daß Noët vor dem Sterben das Leiden erwähnt hat: "er sei leidensunfähig (owtaiHj) und unsterblich, solange er nicht leide und auch nicht sterbe; sobald er aber an das Leiden herangetreten sei, leide und sterbe er".8 Zwei Dinge machen diesen Text zu einer durchaus besonderen und nicht gleich auf Anhieb erkennbaren Glaubensregel: einmal die literarische Form, nämlich die - abgesehen vom ersten Satz

- durchgehend antithetische

Konstruktion, sodann die Aussagen der thetischen Seite, nämlich die Sequenz der negativen Gottesprädikate. Obwohl die jetzige Textgestalt auf

den

referierenden Hippolyt zurückgeht, muß beides, sowohl die Antithetik wie die Reihe der Gottesprädikate, weitgehend ursprünglich sein; das lehrt der Vergleich mit dem parallelen Bericht in Ref. X,27, aber auch mit den Parallelen bei Melito, in den Actus Petri, bei Irenaeus und Tertullian, die alle unmittelbar oder mittelbar von Noëts Glaubensregel abhängig sind.9 Beides muß auch durch die besondere historische Situation, in der Noët sich befand, bedingt worden sein. Es gibt durchaus zeitgenössische Glaubensregeln, in denen man die grundsätzlich gleichen Aussagen finden kann wie bei Noët: den einzigen Schöpfergott, die Theophanien vor den Patriarchen und Propheten des Alten Bundes, die Geburt aus der Jungfrau, das Leiden und den Tod des Sohnes. Aber

diese

Glaubensregeln sind - abgesehen natürlich von den oben genannten, letztlich von Noët beeinflußten - auch nicht ansatzweise antithetisch gebaut.10 Es

gibt

auch

zahlreiche

zeitgenössische

Kataloge

philosophischer

Gottesprädikate, die aber, soweit sie nicht letztlich auf Noët zurückgehen, nach meiner Kenntnis weder diese besondere Abfolge der einzelnen Aussagen aufweisen, noch 8

in Antithese

zu bestimmten,

in

einer

Glaubensregel

Hippol., Ref. X,27,2 (283,8-10 Wendland). Vgl. den in Anm. 2 genannten Aufsatz S. 296-306 zu der im Grundbestand konstanten Reihe der Gottesprädikate bei Melito, Frgm. 13, und ActPetr 20, sowie zu den antithetischen Glaubensregeln bei Tertullian, Apol. 17, und Iren., haer. 111,16,6. 10 Vgl. z.B. Melito, De pascha 104 (58-60 Hall); desgleichen die in der Epistula Apostolorum 3 (14) enthaltene Glaubensregel, die, wie die Stichworte: "gekreuzigt in den Tagen des Pontius Pilatus, gestorben und begraben, von den Toten auferstanden" zeigen, in 9-10 (20-21), allerdings sehr stark umrankt von erzählendem Stoff, fortgeführt wird (bei W. Schneemelcher [Hg.], ΝΤΑρο5 I, 1987, 207f. und 209f.). Zu einem antithetischen Stück aus dem Traktat Melchizedek (NHC IX,1) 5,1-11, siehe unten S. 28f. 9

60

Reinhard M. Hübner

zusammengefaßten "Heilstatsachen" stehen." Beide Eigenheiten der noëtianischen regula fidei verweisen also deutlich auf ganz spezielle Bedingungen ihrer Entstehung. Daß die verschiedenen Glaubensregeln, die wir bei den Autoren des zweiten Jahrhunderts finden, sehr häufig antignostischen Charakter haben, ist schon seit langem erkannt und inzwischen so regelmäßig hervorgehoben worden, daß man, bei allen Differenzierungen im einzelnen, von einer sententia communis sprechen kann.12 Sie wird von H. v. Campenhausen in sehr entschiedene Worte gefaßt, die hier zitiert seien, weil einige seiner Thesen und Vermutungen durch die folgende Untersuchung bestätigt werden können: "'Regula' bedeutet in den Texten des zweiten und dritten Jahrhunderts nicht dasselbe wie in der späteren Zeit, nämlich kein festes 'Symbol' und keine 'Credo—Formel', sondern eine bestimmte sachliche Zusammenfassung der christlichen Lehrwahrheit und in diesem Sinne des 'Glaubens'. Die Richtschnur ist in der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts, vielleicht in Kleinasien, entstanden und sollte die sichere Abwehr der gnostischen Irrlehren ermöglichen. Sie schützte den im Sinne dieser Zeit ursprünglichen Gehalt des katholischen Gottes- und Christusglaubens und diente gegen alle Verführungsabsichten und Verfälschungen der Ketzer als 'Richtschnur' der Wahrheit. Ihr Schwerpunkt lag im 'zweiten Artikel', der - wie es schon Ignatius getan hatte - die wesentlichen Daten der Christus-Geschichte in antidoketischer Absicht zusammenstellt. Aber auch der kürzere 'erste Artikel',

11

Vgl. z.B. Aristides, Apol. l,4f.; Athenagoras, Legatio 10,1; Theophil. Antioch., Ad Autolycum l,3f.; in gnostischen Schriften: TractTrip (NHC 1,5) 51,20-56,30; AJ (NHC 11,1) 2,26-^,2; Eug (NHC 111,3) 71,14-73,2. 12 Für die alte Forschung vgl. u.a. A. Harnack, Lehrbuch der Dogmengeschichte I, Tübingen "1909, 354-367; F. Kattenbusch, Das Apostolische Symbol II, Leipzig 1900, 82-94. 326f.; J. Kunze, Glaubensregel, Heilige Schrift und Taufbekenntnis, Leipzig 1899, 74f. 313-442: "Die Herausbildung der Glaubensregel in dem Kampfe mit Gnostizismus und Marcionitismus". Diese Forscher sahen in den von Irenaeus und Tertullian formulierten Glaubensregeln ein antignostisch interpretiertes Taufbekenntnis (dessen Existenz schon für die Zeit um 150 sie voraussetzten, eine Annahme, die durch die weitere Forschung als unhaltbar erwiesen wurde). Auf die antihäretische, bes. antignostische Ausrichtung (nicht unbedingt Entstehung) der Glaubensregeln weisen unter den neueren Forschern u.a. hin: B. Hägglund, Die Bedeutung der "regula fidei" als Grundlage theologischer Aussagen: StTh 12 (1958) 1-44 (38); R.P.C. Hanson, Tradition in the Early Church, London 1962, 66 (mit Vorsicht). 92; C. Andresen, Die Kirchen der alten Christenheit, Stuttgart 1971, 147-149; K. Beyschlag, Grundriß der Dogmengeschichte I: Gott und Welt, Darmstadt 1982, 87f. 152-156; L.W. Countryman, Tertullian and the Regula Fidei: SCent. 2 (1982) 208-227, hier 223-226.

Der antivalentinianische Charakter der Theologie des Noët von Smyrna

das Bekenntnis akzentuiert.

13

zu

Gott

dem

allmächtigen

Schöpfer, ist

61

antignostisch

Die Erwähnung des heiligen Geistes kann folgen, aber auch

fehlen, da sein Inhalt zunächst kaum umstritten ist. Die Richtschnur ist also zweioder dreigliedrig aufgebaut. So erscheint sie - je nach Anlaß und Absicht - in kürzerer oder breiterer Gestalt, aber stets in polemischer Abgrenzung bei Irenaus, dann bei Tertullian, Orígenes, Novatian und anderen Autoren des zweiten oder dritten Jahrhunderts. Mit der Taufe hat die Richtschnur zunächst gar nichts zu tun; sie ist, wie der Name besagt, von Haus aus vielmehr eine dogmatische Norm zur Sicherung der christlichen Wahrheit gegen die Irrlehre."14 Im vorliegenden Fall der noëtianischen Glaubensregel ist es möglich, den Finger auf eine Textstelle zu legen, an der sich die antignostische Ausrichtung unmittelbar aufweisen läßt. Um die Gnostiker zu ermitteln, gegen welche sich Noët theologisch zur Wehr gesetzt hat, empfiehlt es sich, unter jenen zu suchen, die ihm zeitlich und vielleicht auch geographisch nahe waren, denn seine paradoxen Antithesen lassen auf eine aktuelle Auseinandersetzung schließen. Es kommen also zunächst die von Noëts Zeitgenossen Irenaeus beschriebenen Valentinianer in Betracht, und hier wird man in der Tat sehr bald fündig. Ausgegangen sei von bereits angestellten Beobachtungen. Sie betreffen den Aussageinhalt einzelner Gottesprädikate und deren Abfolge insgesamt. Es fällt auf, daß die Reihe der Gottesprädikate an allen drei Stellen, an denen Hippolyt sie mitteilt, immer mit αόρατος beginnt, άγέννητος in der Mitte hat und mit αθάνατος schließt; Ref. X,26 bietet überhaupt nur diese drei Adjektive.15 Diese konsequente

Abweichung

von

den

sonst

üblichen,

mehr

systematisch

angeordneten Reihen, in denen das grundlegende Prädikat άγέννητος am Anfang oder wenigstens unter den ersten Prädikaten steht,16 muß einen bestimmten Grund haben. Er wird in der Art der Aussagen des gnostischen Gegners liegen, auf den Noët, wie angenommen, hier antwortet. Das gleiche ist

13 Hier verweist H. v. Campenhausen mit Zustimmung auf die Darlegungen von D. L. Holland, Παντοκράτωρ in New Testament and Creed: StEv 6 (1973) 256-266. 14 Η. v. Campenhausen, Das Bekenntnis Eusebs von Caesarea (Nicaea 325): ZNW 67 (1976) 123139, hier 131f. 15 Die noëtianischen Reihen stehen bei Hippol., Ref. IX,10,9-10; X,26 und X,27,1-2. 16 Siehe einige Belege in dem Anm. 2 erwähnten Aufsatz S. 301 Anm. 66.

62

Reinhard M. Hübner

für das ungewöhnliche Gottesprädidkat άκράτητος zu vermuten. Das Wort kommt bei Hippolyt nur im Bericht über Noët vor (Ref. IX,10,10); es begegnet nicht im Neuen Testament, nach Ausweis der Clavis Patrum Apostolicorum von H. Kraft auch nicht bei den Apostolischen Vätern und ist auch im Index Apologeticus von EJ. Goodspeed nicht zu finden. Im Patristic Greek Lexicon von G.W.H. Lampe wird unsere Stelle unter der Bedeutung "invincible" angeführt; A. von Harnack übersetzt "unüberwindlich".17 Beides kann das Wort selbstverständlich heißen; im vorliegenden Zusammenhang scheinen diese Übersetzungen aber eher unpassend zu sein. Auf die treffende Deutung führt eine Stelle in haer. 111,16,6, wo Irenaeus die gnostische Christologie beschreibt und seine eigene unter Benutzung der Antithesen Noëts dagegen stellt: "Obwohl alle, die wir zuvor erwähnt haben, mit der Zunge einen einzigen Jesus Christus bekennen, machen sie sich selbst lächerlich, weil sie anderes denken und anderes reden. Denn ihre Fabeln verkünden auf verschiedene Weise, wie wir gezeigt haben, daß es ein anderer ist, der gelitten habe und geboren worden sei, und dieser sei Jesus, ein anderer aber der, welcher auf ihn herabstieg und auch wieder heraufstieg, und dieser sei Christus; und der eine von ihnen rühre vom Demiurgen her oder sei der aus der Ökonomie oder der, welcher von Joseph abstamme; ihn erklären sie auch für leidensfähig (passibilem); der andere aber von ihnen sei von den unsichtbaren und unnennbaren (Orten) herabgestiegen; und dieser sei unsichtbar und ungreifbar und leidensunfähig, behaupten sie (alterum uero eorum ab inuisibilibus et inenarrabilibus descendisse, quem et inuisibilem et incomprehensibilem et impassibilem esse confirmant). Darin irren sie von der Wahrheit ab, daß ihre Meinung von dem, der wahrhaft Gott ist, entfernt ist; sie wissen nicht, daß dessen Wort, der Eingeborene, der immer dem menschlichen Geschlecht gegenwärtig ist, der sich mit seinem Gebilde gemäß dem Wohlgefallen des Vaters geeint und gemischt hat und Fleisch geworden ist, - daß dieser Jesus Christus unser Herr ist, der auch für uns gelitten hat und unseretwegen auferstanden ist und wieder kommen wird in der Herrlichkeit des Vaters, um alles Fleisch aufzuerwecken und sein Heil zu erweisen und das Gesetz des gerechten Gerichts auf alle auszudehnen, die von ihm gemacht worden sind. Es ist also ein einziger Gott Vater, wie wir gezeigt haben, und ein einziger Christus Jesus, unser Herr, der durch die ganze Ökonomie hindurchging und alles in sich zusammenfaßte. Unter allen aber ist auch der Mensch, das Gebilde Gottes; er hat also auch den Menschen in sich zusammengefaßt, indem er, der Unsichtbare, sichtbar wurde, der Ungreifbare greifbar, der Leidensunfähige leidensfähig, und das Wort Mensch (inuisibilis uisibilis factus, et incomprehensibilis factus comprehensibilis et impassibilis passibilis, et Verbum homo)."18

Die Antithesen der am Ende zitierten Glaubensregel, mit der Irenaeus komprimiert auf die Zusammenfassung der gnostischen Christologie antwortet,

17 18

A. Harnack, Lehrbuch der Dogmengeschichte I, Tübingen 41909, 745. Irenaeus, haer. III,16,6 (310,189-314,217 Rousseau/Doutreleau).

Der antivalentinianische Charakter der Theologie des Noët von Smyrna

63

sind, wie schon früher dargelegt," in der Reihenfolge und im Wortlaut unmittelbar oder mittelbar aus Noëts Glaubensregel übernommen. Es ist deutlich, daß sie genau die Worte korrigierend aufgreifen, mit denen kurz zuvor der

gnostische

Erlöser

als

inuisibilis,

incomprehensibilis,

impassibilis

gekennzeichnet worden war. Der griechische Text dieser Stelle ist leider nicht erhalten; aber es ist nicht daran zu zweifeln, daß der lateinische Übersetzer die Korrespondenz erkannt und die nämlichen griechischen mit den nämlichen lateinischen Wörtern wiedergegeben hat. Nach dem Lexique comparé von Β. Reynders ακράτητος.

setzt 20

der

Lateiner

incomprehensibilis

für ακατάληπτος

und

Aus dem Kontext des Wortes im Irenaeuszitat und dem Vergleich

mit anderen Stellen ergibt sich, daß incomprehensibilis hier für ακράτητος steht und 'ungreifbar' bedeutet. Das soll im folgenden gezeigt werden. Dieser Kontext bietet uns den "Sitz im Leben" der Antithesen Noëts, denn es ist sehr unwahrscheinlich, daß erst Irenaeus ihn geschaffen hat; vielmehr hat er ihn zusammen mit den Antithesen übernommen (dafür werden sogleich noch Gründe angeführt werden können). Bezeichnet ist hier der Abstieg und spätere Wiederaufstieg des Erlösers Christus ab inuisibilibus et inenarrabilibus, das heißt aus dem Pleroma, welches mit eben diesen Worten zu Beginn des irenäischen Berichts über das System der Ptolemäer beschrieben wird: Λέγουσιν γάρ τινα είναι έν άοράτοις καί άκατονομάστοις (in inuisibilibus et inenarrabilibus) ύψώμασι τέλειον Αιώνα προόντα.21 Bei diesem durchaus räumlich vorgestellten Abstieg muß der Erlöser, um zum erlösungsbedürftigen Menschen auf dieser Erde zu gelangen, auch die sieben Planetensphären durchqueren, die von den ihm feindlich gesonnenen Engeln des (psychischen) Demiurgen beherrscht werden. Um von ihnen nicht erkannt und festgehalten zu werden, verbirgt er sich (nach einigen Texten durch Verwandlung seiner Gestalt), so daß er unsichtbar an ihnen vorüberkommt. Zur Erfüllung seiner Sendung benötigt er einen sichtbaren, greifbaren und leidensfähigen Leib,

19

Vgl. S. 305-309 in dem oben Anm. 2 zitierten Aufsatz. B. Reynders, Lexique comparé du texte grec et des versions latines, arménienne et syriaque de l'«Adversus haereses» de Saint Irénée. II: Index des mots latins = CSCO 142, Louvain 1954, 155. 21 Iren., haer. 1,1,1 (28 Rousseau-Doutreleau). 20

64

Reinhard M. Hübner

der auf spezielle Weise verfertigt wird und mit dem er sich bekleidet. Dieser Leib wird von den kosmischen Mächten ergriffen und dem Tode überliefert, während der pneumatische Erlöser unsichtbar, ungreifbar und ohne zu leiden denselben Weg, den er herabgekommen ist, wieder ins Pleroma hinaufsteigt. Auf diese Stelle des gnostischen Mythos, an der die Zusammensetzung des auf die Erde herabgekommenen Erlösers beschrieben wird, nimmt Irenaeus in dem oben zitierten Text Bezug. Die folgenden Textbelege machen das deutlich. Wir haben ausführliche Schilderungen des verborgenen Abstiegs des Erlösers aus dem Pleroma in verschiedenen, teils frühen, teils späteren gnostischen Schriften, vor allem auch aus der Bibliothek von Nag Hammadi.22 Irenaeus selbst bringt einige Nachrichten darüber in seinen Notizen über Gnostiker, die er als Vorläufer der Valentinianer bezeichnet.* In den Berichten über die valentinianischen Systeme der Ptolemäer und des Marcus Magus geht er (leider) auf den descensus Christi durch die Sphären der Archonten nicht näher ein.24 Das wird daran liegen, daß er wie viele andere kirchliche Autoren seiner Zeit diese oder ähnliche Vorstellungen mit den Gnostikern teilte, zu polemischer

22

Siehe K. Rudolph, Die Gnosis. Wesen und Geschichte einer spätantiken Religion, Göttingen 1990, 153-158; Rudolph zitiert Beispiele aus dem Anhang der längeren Fassung des Apokryphon des Johannes (NHC 11,1) 30,11-31,26 und der Dreigestaltigen Protennoia (NHC XIII,1) 36,4—49,27. Vgl. dazu die Zweite Abhandlung des großen Seth (NHC VII,2) 56,21—57,6; den Brief des Petrus an Philippus (NHC VIII,2) 136,16-137,4; Pistis Sophia c. 7,12 (7,26-30 Schmidt/Schenke, GCS). 23 Vgl. Iren., haer. 1,23,3 (316-318 Rousseau/Doutreleau) über Simon Magus; ebd. 1,24,4 über die Lehre des Basilides; hier finden sich innerhalb der Beschreibung des Wiederaufstiegs die Äquivalente für ακράτητος και αόρατος: Ouoniam enim Virtus incorporalis erat et Nus innati Patris (seil. Christus), transfiguratum quemadmodum uellet, et sic ascendisse ad eum qui miserat eum, deridentem eos (seil. Principes), cum teneri non posset et inuisibUis esset omnibus. (328,74-78 Rousseau/Doutreleau); vgl. die Aussagen über den Aufstieg der Erlösten 1,24,6 (330,104-110 R./D.): Eum igitur qui haec didicerit et Angelos omnes cognouerit et causas eorum, inuisibüem et incomprehensibilem Angelis et Potestatibus uniuersis fieri, quemadmodum et Calacau ( = seil. Salvator) fuisse. Et sicut Filium incognitum omnibus esse, sie et ipsos a nemine oportere cognosci, sed cum sciant ipsi omnes et per omnes transeant ipsos omnibus inuisibiles et incognitos esse. Im Bericht über die Ophiten wird der Abstieg durch die sieben Himmel erwähnt (haer. 1,30,12: 380,223-225 R./D.): Descendisse autem eum per Septem cáelos, adsimilatum filiis eorum dicunt, et sensim eos euacuasse uirtutem. 3

24

Irenaeus erwähnt jedoch 1,5,2 (80,500-507 Rousseau/Doutreleau) die ptolemäische Lehre über die Herstellung der sieben mit ihren Engeln identischen Himmel, der Hebdomas, durch den Demiurgen und berichtet, daß nach Marcus der "in der Ähnlichkeit des Bildes" (seil, des vergänglichen Menschen; vgl. Rom 1,23) erschienene Erlöser niedergestiegen und in der Hebdomas ergriffen (festgehalten) wurde: τον καταβάντα και κρατη&έντα έν τη Έβδομάδι (haer. 1,14,6: 224 R./D.).

Der antivalentinianische Charakter der Theologie des Noët von Smyrna

65

Darlegung und Auseinandersetzung also keinen Anlaß hatte." Sein Interesse gilt ja nicht den Umständen des Abstiegs, sondern der von den Gnostikern prinzipiell bestrittenen Identität des herabkommenden Erlösers mit dem hier auf Erden Erschienenen, Greifbaren und Leidensfähigen. Daß die Ungreifbarkeit des Erlösers während des descensus eine Rolle spielt, das Wort incomprehensibilis also hier seinen Sitz im Leben hat, läßt sich wegen der fehlenden ausführlichen Schilderungen bei den Valentinianern nicht direkt belegen. Es ergibt sich aber unzweifelhaft aus dem Zusammenhang des oben zitierten irenaeischen Berichts und aus dessen terminologischer Korrespondenz mit den Angaben über den Zweck der Verfertigung des Leibes für den Erlöser sowie über

den

Wiederaufstieg sowohl des Erlösers als auch der erlösten Pneumatiker; denn dieser Aufstieg ist das Spiegelbild des Abstiegs. Der aus dem Pleroma Herniedergestiegene wird von den Gnostikern als inuisibilis et incomprehensibilis et impassibilis bezeichnet, sagt Irenaeus im oben zitierten Text aus haer. III, 16,ó;26 er ist dies also selbstverständlich auch während des Abstiegs. Die gleiche Wortsequenz und das positive Äquivalent zu ihr begegnen auch dort, wo Irenaeus die ptolemäischen Vorstellungen über den Leib des Erlösers und dessen Tod mitteilt: In haer. 1,7,2 berichtet er, daß nach einigen Ptolemäern "unser Herr" aus viererlei Substanzen zusammengesetzt gewesen sei: aus der pneumatischen von der Achamoth, aus der psychischen vom Demiurgen, aus einer aus der 25

Irenaeus kennt einen unsichtbaren Abstieg und sichtbaren Aufstieg des Wortes Gottes. Die Herrscher der sieben Himmel, die Engel, sind bei ihm im Unterschied zur Gnosis natürlich gute Wesen, vgl. Demonstratio 9 und 84; dazu G. Kretschmar, Studien zur frühchristlichen Trinitätstheologie, Tübingen 1956, 46-53. Demonstr. 84 sagt Irenaeus zur Auslegung des Ps 24,7: "»Erhebt, ihr Fürsten, euere Pforten; ja erhöht euch, ihr uralten Pforten, daß der König der Herrlichkeit einziehe.« Denn die uralten Pforten sind die Himmel. Weil aber das Wort in einer für die Geschöpfe unsichtbaren Weise herabgestiegen ist, so ist ihnen davon nichts kund geworden. Nun war das Wort Fleisch geworden, und sichtbar stieg es hinauf. Und als die Mächte ihn sahen, haben die unteren Engel denen, die auf der Feste waren, zugerufen: »Erhebt eure Pforten...«" (Übers. K. Ter-Mekerttschian und E. Ter-Minassiantz, TU 31,1 1907, S. 44). Damit verwandt sind die anschaulichen Schilderungen des descensus (und ascensus) in der Ascensio Iesaiae 10,7-31; 11,22-33, bei W. Schneemelcher (Hg.), NTApo5 II, 1989, 559-561, und in der Epistula Apostolorum 13 (24), NTApo 5 1,1987,212. Siehe hierzu und zu weiteren einschlägigen Texten J. Barbel, Christos Angelos. Die Anschauung von Christus als Bote und Engel in der gelehrten und volkstümlichen Literatur des Altertums, Bonn 1941, 297-311; J. Daniélou, Théologie du Judéo-christianisme, Paris 1958, 228-237. 26 Haer. 111,16,6 (310,198-312,201 Rousseau/Doutreleau).

66

Reinhard M. Hübner

"Ökonomie" stammenden Substanz, "die mit unsäglicher Kunst verfertigt worden sei", und aus dem vom Pleroma kommenden Soter selbst. "Und dieser", heißt es dann, "sei leidensunfähig geblieben, denn er habe nicht leiden können, weil er ungreifbar und unsichtbar sei". Den griechischen Text hat uns hier Epiphanius aufbewahrt: K a i τούτον μέν άπαθ-ή διαμεμενηκέναι - où γαρ ένεδέχετο πα9·είν αύτόν, άκράτητον και άόρατον υπάρχοντα.27 Der Lateiner übersetzt mit impassibilis, incomprehensibilis et inuisibilis, was genau in umgekehrter Reihenfolge den in haer. 111,16,6 genannten Begriffen entspricht. Das positive Pendant zu den negativen Begriffen bringt, wenn auch nicht ganz vollständig, ein sachlich verwandter Text aus den Excerpta ex Theodoto des Clemens von Alexandrien. In Nr. 59, einem Paragraphen aus jenem Block, der mit der irenaeischen Darstellung der Ptolemäer parallel geht und in dem ebenfalls die Zusammensetzung des absteigenden Erlösers erläutert wird, heißt es: Der, welcher in der Welt ankam, mußte einen wahrnehmbaren Leib annehmen, damit er zu sehen und zu greifen wäre und (in der Welt) wandeln (leben) könnte: εφ' ψτε όφθηναι, κράτη SH¡ vat, πολιτεύσασ&αι.28 Der Hinweis auf die Leidensfähigkeit fehlt hier, aber die kennzeichnende Reihenfolge läßt keinen Zweifel an Stellenwert und Bedeutung des Wortes κράτη9-ήναι aufkommen. Wieder vollständig und wie in Excerpta 59 ins Positive gewendet begegnet die Reihe an einer weiteren Stelle, an der sich Irenaeus ähnlich wie in haer. 1,7,2 über die Bestandteile des ptolemäischen Erlösers äußert: Der Soter habe zuletzt einen Leib aus psychischer Substanz umgelegt, welcher mit unsagbarer Kunst so angefertigt worden sei, daß er "sichtbar und greifbar und leidensfähig wurde"

27

Das griechische Zitat haer. 1,7,2 (105,708-710 Rousseau/Doutreleau); der lateinische Text ebd. 104,32-34. 28 Clemens Alex., Exc. ex Theod. 59,3 (178 F. Sagnard, SC 23bis); zum Verhältnis der Excerpta 4365 und dem Bericht über die Ptolemäer bei Irenaeus siehe die Einleitung zur Edition von F. Sagnard S.28f. Hier mag ein Text Tertullians erwähnt werden, der die gleiche Terminologie vorauszusetzen scheint. D e carne Christi 24,3 (916,18-24 Kroymann, CChr.SL 2) verteidigt er (wie Irenaeus) gegen die Valentinianer die Einzigkeit Christi: Sicut et definiens ipsum quoque Christum unum (vgl. 1 Kor 8,6) multiformis Christi argumentatores quatit, qui alium faciunt Christum alium Iesum, alium dilapsum de mediis turbis alium detentum (...) alium passum alium resuscitatum.

Der antivalentinianische Charakter der Theologie des Noët von Smyrna

67

( π ρ ο ς τ ό κ α ι όρατόν xa.i ψηλαφητόν κ α ί π α ^ η τ ό ν γ ε ν έ σ θ α ι ) . ® D a s ψηλαφητός

(palpabilis)

an

der

Stelle

des

zu

erwartenden

Wort

κρατητός

(comprehensibilis) ist wahrscheinlich im Hinblick auf d e n n e u t e s t a m e n t l i c h e n Sprachgebrauch gewählt 30 - o b v o n Irenaeus o d e r d e n P t o l e m ä e r n , mag o f f e n bleiben 3 1 - u n d zeigt in j e d e m Fall, in w e l c h e m Sinne

incomprehensibilis

( α κ ρ ά τ η τ ο ς ) zu verstehen ist. Wie

der

Erlöser

für

die

Himmelsmächte

"unsichtbar

h e r a b g e s t i e g e n ist, e b e n s o ist er auch w i e d e r ins P l e r o m a

und

ungreifbar"

hinaufgestiegen;

Irenaeus faßt diese gnostische Lehre zu Beginn des christologischen T e i l s s e i n e s dritten B u c h e s s o z u s a m m e n : "Es gibt welche, die sagen, Jesus sei das Gefäß für Christus gewesen; Christus sei von oben als Taube auf ihn herabgestiegen und, nachdem er den unnennbaren Vater verkündet habe, ungreifbar und unsichtbar (incomprehensibiliter et inuisibiliter) ins Pleroma eingetreten; denn nicht nur nicht von den Menschen, sondern nicht einmal von den Mächten und Kräften im Himmel sei er ergriffen (apprehensum) worden."32 D i e originalen griechischen W o r t e sind für d e n d e m Eintritt d e s Erlösers in das Pleroma

nachgebildeten

Eintritt

der

Pneumatiker

erhalten.

Über

diesen

p t o l e m ä i s c h e n Mythos berichtet Irenaeus im ersten Buch (1,7,1): "Wenn aller Same (seil, die Pneumatiker) die Vollkommenheit erreicht habe, dann verlasse die Achamoth, ihre Mutter, den Ort der Mitte und trete in das Pleroma ein und empfange den Soter, der aus allen (seil. Äonen) hervorgegangen ist, als ihren Bräutigam, so daß eine Vermählung des Soter und der Sophia-Achamoth erfolgt. Und dies sei 'der Bräutigam' und die 'Braut' (vgl. Joh 3,29), das Brautgemach aber sei das ganze Pleroma. Die Pneumatiker aber, nachdem sie sich der Seelen entkleidet, rationale Geister geworden und ungreifbar und unsichtbar (άκρατητως καί άοράτως) ins Pleroma eingetreten seien, würden den Engeln des Soter als Bräute gegeben."33

29

Haer. 1,6,1 (92,604f. Rousseau/Doutreleau); der griechische Text des Irenaeus ist bei Epiphanius erhalten; der lateinische Übersetzer hat an dieser Stelle: ut et uisibile et palpabile et passibile fieret. Irenaeus wiederholt die Aussage der Ptolemäer 1,9,3 (145,1037f. R./D.): προς τό όρατόν γενέσ&αι καί ψηλαφητόν (ut uisibile et palpabile fieret). Der ptolemäischen Reihe entspricht ziemlich genau IgnPol 3,2: τον ύπέρ καιρόν προσδοκά, τον αχρονον, τον άόρατον, τόν δι' ήμάς όρατόν, τον άψηλάφητον, τον άπα&η, τον δι' ημάς πα&ητόν. 30 Vgl. Lk 24,39: ψηλαφήσατέ με καί ϊϊετε, οτι πνεύμα σάρκα καί όστέα οΰκ εχει. ljoh 1,1: S έ&εασάμε&α καί αϊ χείρες ήμών έψηλάφησαν. 31 Irenaeus zeigt in diesem Zusammenhang eine Vorliebe für ψηλαφάν (palpare), vgl. haer. 111,24,2 (476,4 Rousseau/Doutreleau); IV,6,6 (448,96f. R./D.); IV,7,2 (458,27f. R./D.); IV,24,2 (702,36f. R./D.); vgl. Demonstr. 6. 32 Haer. 111,16,1 (286,1-7 Rousseau/Doutreleau). 33 Haer. 1,7,1 (100,675-102,684 Rousseau/Doutreleau).

68

Reinhard M. Hübner

Die beiden Worte άκράτητος und άόρατος oder ihre lateinischen Entsprechungen incomprehensibilis und inuisibilis kehren in ähnlichem Zusammenhang, wie etwa auch in der Eschatologie der Markosier, konstant wieder, so daß an ihrer Zugehörigkeit zum originalen valentinianischen Mythos nicht zu zweifeln ist.34 Unsichtbar und ungreifbar ist das Pneumatische, weil es anders als das Materielle keine fest umschriebene Gestalt hat.35 Daß beim Aufstieg der Terminus άπα&ής nicht mehr auftaucht, ist nur selbstverständlich; er wäre in diesem Zusammenhang ohne Sinn.

Die hier in so großer Anzahl beigebrachten Belege für die Sequenz der Begriffe "unsichtbar", "ungreifbar", "leidensunfähig" aus valentinianischen Texten zeigen, daß Noët mit seiner Glaubensregel auf den gnostischen Mythos vom verborgenen Abstieg

des

Erlösers

antwortet.

Der

Begriff

αόρατος

steht

in

dieser

Glaubensregel deswegen an der Spitze, weil er das erste Prädikat des Pieromas ist, aus dem der Abstieg erfolgt, und vor allem, weil er das vorzüglichste Prädikat des ersten Äons oder des Urvaters oder des "Gottes des Alls" darstellt. Gleich in den ersten Sätzen, mit denen Irenaeus seine Darstellung des ptolemäischen Pleromas beginnt, finden sich drei der Gottesprädikate der Glaubensregel des Noët: "Sie sagen, es existiere in unsichtbaren (άοράτοις) und unnennbaren Höhen ein vollkommener Äon, der vor (allem) ist. Diesen nennen sie auch Urprinzip und Urvater und Abgrund (Bythos). E r sei aber unfaßbar und unsichtbar und ewig und unerzeugt (άχώρητον και άόρατον, άίδιόν τ ε και άγέννητον) ,.."36

Auffällig beim Vergleich dieser doch sehr wenigen Sätze des Referats über das ptolemäische Pleroma einerseits mit der eingangs zitierten, ebenfalls sehr kurzen

Siehe haer. 1,13,6 (202,104f. Rousseau/Doutreleau) über die Wirkung des Sakraments der "Apolytrosis" der Markosier: Δ ι α γαρ την άπολύτρωσιν άκρατήτους και άοράτους γίνεσ&αι τφ κριτή. Ebd. 1,21,1 (295,855-857 R.-D.): Τήν δέ τ η ς άπολυτρωσεως αυτών παρά&οσιν συμβέβηκεν άόρατον εΓναι και α κ α τ ά λ η π τ ο ι , ατε των άκρατήτων και αοράτων μητέρα ϋπάρχουσαν. Ebd. 1,21,5 (304,87-92 R.-D.): Alii sunt qui mortuos redimunt ad finem defunctionis, mittentes eorum capitibus oleum et aquam (...), ut incomprehensibiles et inuisibiles Principibus et Potestatibus Fiant, et ut superascendat super inuisibilia interior ipsorum homo, (...)." Vgl. auch die oben in Anm. 23 zitierten Texte und das Philippusevangelium (NHC 11,3) 77 und 106. 35 Vgl. z.B. die Gleichsetzung der "spiritalia" mit jenen "quae sunt sine figuratione et incomprehensibilia" in haer. 11,7,6 (76 Rousseau/Doutreleau). 34 Haer. 1,1,1 (28,74-78 Rousseau/Doutreleau). 34

Der antivalentinianische Charakter der Theologie des Noët von Smyrna

69

Glaubensregel des Noët (Hippol., Ref. IX,10,9f.) andererseits ist nicht nur die Zahl der übereinstimmenden Gottesprädikate, sondern auch die bezeichnende Reihenfolge: αόρατος und άχώρητος stehen vor άγέννητος. Das

Wort αόρατος

ist das an erster Stelle stehende

Adjektiv

des

pneumatischen Pieromas bei den Ptolemäern ebenso wie beim Valentinianer Marcus.37 Es ist bei diesen Gnostikern die typische Aussage über den ersten Äon. Es eröffnet sogleich die zweite Reihe der ptolemäischen Gottesprädikate, die Irenaeus mitteilt: Daß der Urvater für die übrigen Äonen (mit Ausnahme des Monogenes oder Nous) "unsichtbar" bleibt und "mit Blicken nicht erfaßt werden kann",38 kennzeichnet ihn so sehr, daß er mit dem Begriff αόρατος allein bezeichnet werden kann.39 Von den vier von Irenaeus an erster Stelle mitgeteilten und oben zitierten Eigenschaften

des

ptolemäischen

Urvaters

stehen

drei

auch

in

Noëts

4

Glaubensregel, à ίδιος fehl t. " Die zweite Reihe der Gottesprädikate in haer. 1,2,1 enthält die Begriffe αόρατος καί ακατάληπτος, αμέτρητος,41 αναρχός τε και αχώρητος καί où καταληπτός ίδείν.42 Wenn man αναρχος als Äquivalent für αγέννητος auffaßt, so sind αμέτρητος und ακατάληπτος neu. αμέτρητος hat in dem von Hippolyt überlieferten Exzerpt aus Noët keine Entsprechung, wohl

37

Siehe z.B. noch haer. 1,1,3 (33,121—34,122 Rousseau/Doutreleau): τοΰτό τό άόρατον καί πνευματικόν κ α τ ' αυτούς Πλήρωμα. Wie die Ptolemäer spricht der Gnostiker Marcus von "den unsichtbaren und unnennbaren Orten": haer. 1,13,1; 1,14,1; vgl. 1,17,1 (267,620 R./D.); 1,18,1 (276,703 R./D.); 1,18,3 (281,745f. R./D.). Vgl. weiter II,praef.l (22,14 R./D.): ... inuisibilis apud eos Pleromatis ...; 111,11,1 (140,17 R./D.): quae sunt inuisibilia et innominabilia; 111,11,4 (150,100 R./D.), und viele andere Stellen mehr. 38 Vgl. haer. 1,2,1 (36,142-37,148 Rousseau/Doutreleau). 39 Vgl. haer. 1,5,1 (78,489f. Rousseau/Doutreleau): τοϋ αοράτου Πατρός. Für Marcus vgl. z.B. haer. 1,14,1 (207,144f. R./D.): α ύ τ ό ς (seil, ό Λόγος) τοϋ αοράτου μορφή φανείς. Ebenso 1,15,5 (248,463 R./D.); vgl. 1,14,5 (223,268 R./D.); 1,19,If. Auch im (valentinianischen) Evangelium Veritatis (NHC 1,3) 20,19f. heißt es, daß "der Vater des Alls unsichtbar" ist; vgl. ebd. 38,16-19; 39,5f.; ähnlich AJ (NHC 11,1) 2,26-32; in der im Berolinus Gnost. erhaltenen Version des AJ ist "der Unsichtbare" die stehende Bezeichnung für den "Vater des Alls", vgl. z.B. S. 22, 23, 27, 28, 29 usw. (Till). 40 Ein Äquivalent zu ά ί δ ι ο ς kann man in dem άχρονος erblicken, das innerhalb der Antithesen bei IgnPol 3,2 steht (zitiert oben Anm. 29); άχρονος ist ebenso wie ά ί δ ι ο ς Prädikat der Ogdoas bei den Markosiern (vgl. Iren., haer. 1,17,2). Ignatius hat als einziger der Apostolischen Väter auch das Wort άίδιος, und zwar an zwei Stellen (IgnMagn 8,2 und IgnEph 19,3), die beide den valentinianischen Mythos voraussetzen. 41 Wörtlich: τό μεγε&ος τό άμετρητον αυτού (seil, τοϋ Πατρός). 42 Haer. 1,2,1 (36,142-37,148 Rousseau/Doutreleau).

Reinhard M. Hübner

70

a b e r in d e m berühmten, e i n e r H o m i l i e e n t s t a m m e n d e n Fragment 13 d e s Melito, der hier, w i e a n anderer Stelle gezeigt, v o n den A n t i t h e s e n d e s N o ë t abhängt.· 13 D a s Wort k o m m t in d e n einschlägigen Indices und Wörterbüchern z u m N e u e n T e s t a m e n t , d e n A p o s t o l i s c h e n Vätern und A p o l o g e t e n nicht vor, spielt aber in g n o s t i s c h e n T e x t e n e i n e große R o l l e , s o daß m a n sicher auf seine Herkunft s c h l i e ß e n kann, w e n n es in Texten großkirchlicher A u t o r e n begegnet.·" Statt Α κ α τ ά λ η π τ ο ς

f ä n d e m a n hier gerne das in N o ë t s

Glaubensregel

s t e h e n d e ά κ ρ ά τ η τ ο ς ; das würde d e n N a c h w e i s für die T h e s e vereinfachen. B e i d e Wörter k ö n n e n ursprünglich "ungreifbar" i m wörtlichen Sinn b e d e u t e n , w i e m a n hier n o c h an der W e n d u n g ου κ α τ α λ η π τ ό ς ίδείν ("für den Gesichtssinn nicht faßbar") erkennt. D e r Lateiner kann deshalb auch b e i d e Wörter mit d e m s e l b e n incomprehensibilis wiedergeben. 4 5 H i e r b e d e u t e t es aber "unbegreifbar" eher im übertragenen, geistigen Sinn; das z e i g e n die w e i t e r e n Stellen, a n d e n e n das Wort als Beschreibung der Verhältnisse im P l e r o m a auftritt. 44 E s wird also auch ursprünglich zu d e n d e n Urvater charakterisierenden Adjektiven gehört haben; 47 α κ ρ ά τ η τ ο ς , solch übertragener Bedeutung nicht ( o d e r nur mit M ü h e ) fähig, wäre

43

Melito, Frgm. 13, in der griechischen Rückübersetzung von M. Richard, bei S.G. Hall, Melito of Sardis, On Pascha and Fragments, Oxford 1979, 80 Anm. 50: ö αόρατος όραται ..., ό ακράτητος κρατείται ..., ό αμέτρητος μετρείται ..., ó ά π α τ η ς πάσχει ..., ό αθάνατος $νήσκει ...; vgl. den oben Anm. 3 zitierten Aufsatz: "Melito von Sardes und Noët von Smyrna", 225-227. 44 Bei Aristides, Apol. 1,5 (nur noch armenisch erhalten) könnte ursprünglich αμέτρητος gestanden haben, doch scheint αόριστος wahrscheinlicher zu sein. Für vorirenaeische gnostische Texte vgl. z.B. die längere Version des AJ (NHC 11,1) 3,10-12; die kürzere Version im Berolinensis Gnosticus 23,19f. (87 Till); 25,13f. (91 Till): "Die unermeßliche Größe", wie im eben (Anm. 41) zitierten Text der Ptolemäer, ebenso im EV (NHC 111,3) 72,21. Tertullian, Adv. Valent. 7,3 zählt immensus unter den Prädikaten des ersten Äons auf. Weitere gnostische Belege: TractTrip (NHC 1,5) 54,22; vgl. 56,13f.; lApcJac (NHC V,3) 26,llf.; 2LogSeth (NHC VII,2) 68,16f.; EpPt (NHC VIII,2) 139,26f. Im "Unbekannten altgnost. Werk" begegnet das Wort sehr häufig, vgl. den Index in der Edition von C. Schmidt/H.-M. Schenke, GCS, Berlin 1981. Auffallend ist die positive Aufnahme des Begriffs bei antignostischen Autoren des 2. Jhs. In der monarchianischen Homilie Ps-Hippol., In s. pascha 3,2 und 51,10 (121,13 und 179,9 Nautin, SC 27) ist es wie bei Melito, Frgm. 13, Christus- ( = Gottes-)prädikat. Irenaeus zitiert Melito wahrscheinlich haer. IV,4,2 (420,33-35 Rousseau/Doutreleau); vgl. IV,19,2; IV,20,1. Im Brief der Märtyrer von Lyon, bei Eusebius, H.E. V,1,32.45 ist vom "unermeßlichen Erbarmen Jesu" die Rede. Tertullian hat den Begriff innerhalb einer letztlich von Noët abhängigen Glaubensregel im Apolog. 17,2. 45 Vgl. oben bei Anm. 20. 44 Vgl. haer. 1,2,2 (40,172 Rousseau/Doutreleau); 1,2,5 (45,216; 46,219 R./D.). 47 Das zeigt auch der bei Johannes Damascenus aufbewahrte griechische Text von haer. IV,20,5 (640,4-7 Rousseau): και δια τοΰτο ö αχώρητος και ακατάληπτος και αόρατος όρωμενον εαυτόν και καταλαμβανόμενον και χωρούμενον (...) παρέσχεν.

Der antivalentinianische Charakter der Theologie des Noët von Smyrna

71

in diesem Zusammenhang unpassend, es hat seinen angemessenen Platz bei der Schilderung des "verborgenen Abstiegs" und Wiederaufstiegs des Erlösers und der Erlösten.

Welches ist das Ergebnis dieses Puzzles? Die These lautet: Noët antwortet unmittelbar auf den im ptolemäischen Pleroma explizierten Gottesbegriff und auf den Mythos vom descensus incognitus des Erlösers zugleich. Deswegen besteht seine (von Hippolyt sicher nicht vollständig überlieferte) Glaubensregel aus einer Sequenz philosophischer Gottesprädikate, die aus der ptolemäischen Darstellung des ersten Äons des Pieromas stammen und deren Spuren man auch noch bei Melito, Irenaeus, Tertullian (und Ignatius) ausmachen kann. Diese Gottesprädikate sind aber so ausgewählt, daß er ihnen antithetisch, die gnostische Auffassung korrigierend, einen Begriff entgegenstellen kann, mit dem er ein Geschehen oder Faktum der Heilsökonomie des Erlösers im Alten und Neuen Bund erfaßt. Deswegen ersetzt er ακατάληπτος durch ακράτητος und schafft sich damit die Möglichkeit, (mit seiner Antithese κρατητός) die im Mythos vom verborgenen

Abstieg enthaltene gnostische

Christologie zu treffen: der

gnostischen Aufspaltung der Erlösergestalt in den Nichtleidensfähigen aus dem Pleroma und den Leidensfähigen aus der Ökonomie wird in schroffer Paradoxie die Identität des Ungreifbaren mit dem auf Erden Ergriffenen entgegengestellt. Noch bei einem seiner späteren Interpreten, bei dem römischen Bischof Kallist, ist Noëts antignostisches Vokabular erhalten, auch wenn Kallist, um dem Vorwurf des Patripassianismus zu entgehen, die einzige Person des Erlösers dem Namen nach in "Fleisch" und "Geist" aufteilt. Hippolyt berichtet über die Lehre des römischen Bischofs: "Diesen Logos nennt er den einzigen Gott und sagt, daß er Fleisch geworden sei. Und er will, daß der, welcher dem Fleische nach gesehen und ergriffen wird (τον μεν κατά σάρκα όρώμενον και κρατοΰμενον), Sohn sei, der (ihm) Einwohnende aber Vater".48

Nur mit diesen beiden - für sich genommen mindestens überraschend anmutenden - Vokabeln "gesehen und ergriffen" kennzeichnet Kallist an dieser Stelle den fleischgewordenen göttlichen Logos. Daß sie hier stehen und in dieser 48

Hippol., Ref. X,27,4 (283,19-284,1 Wendland).

72

Reinhard M. Hübner

Reihenfolge stehen, zeigt, wie nachhaltig Noëts Glaubensregel in seiner römischen Schule gewirkt hat.49 Noët reagiert aber nicht nur auf die gnostische Aufspaltung der Erlösergestalt und den descensus incognitus, sondern, indem er die Prädikate des ersten Gottes der Ptolemäer aufgreift (ihre Geltung also anerkennt) und ihnen in der Antithese, jeweils in einem Begriff komprimiert, die Fakten der alt- und neutestamentlichen Heilsgeschichte gegenüberstellt, zugleich auf die Trennung des wahren Gottes und des Erlösers durch die Ptolemäer: Der unsichtbare, unfaßbare, unerzeugte, leidensunfähige Gott, von dem die Ptolemäer reden, ist derselbe, der hier auf Erden sichtbar und faßbar geworden ist, der geboren wurde und gelitten hat. Deswegen beginnt er seine Glaubensregel nach dem Bekenntnis zum einzigen Schöpfergott mit der Aussage, daß der Unsichtbare erschienen ist. Sichtbar geworden oder erschienen ist der Unsichtbare zuerst "den Gerechten der alten Zeit", erklärt Noët.50 Damit sind die Erscheinungen Gottes vor den Gerechten, insbesondere den Patriarchen des Alten Bundes gemeint, die Gottesvisionen der Propheten aber wohl eingeschlossen. Gewöhnlich werden (auch im Anschluß an Mt 13,17) Gerechte und Propheten oder auch Gerechte, Patriarchen und Propheten nebeneinander erwähnt.51 Aber da die Patriarchen

49

Einen Widerhall der noëtianischen Antithese αχώρητος - χωρητός findet man in dem jüngeren Bericht des Hippolyt über die Häresie des Kallist Ref. IX,12,18 (249,2f. Wendland): τ ό μεν γαρ βλεπόμενον, 'όπερ εστίν αν&ρωπος, τοϋτο είναι τον υίόν, τό δε έν τ φ υίψ χωρη&εν πνεύμα τοΰτο είναι τον π α τ έ ρ α . Auch hier ist die ursprüngliche Reihenfolge "gesehen", "gefaßt" erhalten geblieben. 50 Hippol., Ref. IX,10,9 (244,13 Wendland). 51 Vgl. z.B. Iren., haer. IV,11,1: Quoniam autem non solum prophetae sed et justi multi, praescientes per Spiritum adventum ejus, oraverunt in illud tempus venire in quo facie ad faciem viderent Dominum suum (etc.); ebd. IV, 27,2: ... qui adventum ejus praenuntiaverunt et dispositionibus ejus servierunt justi et prophetae et patriarchae (etc.); Demonstratio 56 (119 Froidevaux): "... qui ont craint Dieu et sont morts dans la justice et ont eu en euxmêmes l'Esprit de Dieu, comme les patriarches et les prophètes et les justes." TractTrip (NHC 1,5) 111,8f.: "the righteous ones and the prophets"; ebd. lll,34f.: "the just ones and the prophets"; übersetzt von H. W. Attridge und D. Mueller, in: The Nag Hammadi Library in English, ed. by J. M. Robinson, 2 1984, 85f.

Der antivalentinianische Charakter der Theologie des Noët von Smyrna

73

als gerecht und auch als Propheten gelten, können mit dem Wort δίκαιοι einfachhin die Propheten bezeichnet werden.52 Irenaeus zitiert

mehrere Schriftverse, mit denen die Markosier

die

Unsichtbarkeit und Unbekanntheit des Urvaters beweisen wollten. Darunter befindet sich auch Ex 33,20: "Niemand wird Gott sehen und leben", das sie auf den ersten Äon beziehen. "Sie behaupten fälschlich" fährt er fort, "daß der Schöpfer (ποιητής, seil, der mangelhafte Demiurg) von den Propheten gesehen worden sei, das Wort aber: 'Niemand wird Gott sehen und leben' sei über die unsichtbare und allen unbekannte Größe gesprochen, so behaupten sie." Irenaeus dagegen bezieht Ex 33,20 auf den Vater und Schöpfer aller Dinge, der für ihn mit dem "unsichtbaren Gott" identisch ist.33 Die Aufgabe, dies gegen die valentinianischen Gnostiker zu zeigen, hatte er schon nach seinem Bericht über die Ptolemäer so formuliert: "... und zu verstehen, warum Gott, obwohl er unsichtbar ist, nicht in einer einzigen Gestalt den Propheten erschienen ist, sondern den einen so, den anderen anders".* Man wird also annehmen dürfen, daß die Aussage Noëts, der einzige Gott, "der Schöpfer und Vater aller Dinge, sei, als es ihm gefiel, den Gerechten der alten Zeit erschienen, obwohl er unsichtbar ist", direkt antignostischen Charakter hat und speziell gegen Vertreter einer valentinianischen Schule gerichtet ist. Man wird das umso mehr schließen dürfen, als die von Irenaeus im vierten Buch seiner Widerlegung vorgetragene Lösung, mit der er auf die Schriftbeweise der Markosier

antwortet,

sich, wie

schon

früher dargelegt,

terminologisch eng mit Noëts Theologie berührt.

52

55

sachlich

und

Tertullians Diskussion der

Neben den irenaeischen Stellen in der vorangehenden Anmerkung vgl. u.a. Clemens Alex., Excerpta ex Theodoto 18,1: Der Erlöser erschien "Abraham und den übrigen Gerechten"; Iren., haer. V,l,2: "Wir haben zuvor gesagt, daß Abraham und die übrigen Propheten ihn (seil, den Logos) prophetisch sahen, indem sie das Zukünftige durch Visionen prophezeiten"; ganz ähnlich: Demonstratio 44; ebd. 45 über Jakob als Seher; vgl. haer. IV,21,3 (682,63 Rousseau): propheta fiebat Jacob. Die Propheten als "Gerechte": Justin, Dialogus 7,1; Hippol., Ref. X,33,10f. Die Gleichsetzung ergibt sich auch aus dem Vergleich zwischen IgnPhld 9,1 und Ps 117,20 (LXX). 53 Haer. I,19,lf. (285-287 Rousseau/Doutreleau). 54 Haer. 1,10,3 (163,1164-1166 Rousseau/Doutreleau): και δια τί αόρατος ών έφάνη τοις προφήτ α ι ς 6 &εός oùx έν μιςί ΐδέs>)

wird iTujpJ"ùuiguiL / marmnac'aw (syr.: ^j^^JkJ, später ¡ m ^ f\ was mit dem σαρκωθέντα korrespondiert, und aus Jmpq. bqbL / mard elew (syr.: J« » ; J o o > ) wird

tí ujpqujßuiL-

/ mardac'aw

(syr.:

» »¡-»k f).

das das

ένανθρωπήσαντα

wiedergibt.

(b) Das wn. ¡TuipS^ /ar marmin ("er nahm einen Leib an") [syr.: j ^ a ^ a u ; vgl. griech.: σάρκα άναλαβόντα] Die Wendung "er nahm einen Leib an" ist ebenso sehr alt. Damit sind einige antiochenische Formulierungen und das in Syrien geläufige

J^a

- i m . zu

vergleichen. In dem in den Constitutiones Apostolorum zitierten Credo heißt es: καϊ σάρκα άναλαβόντα, 22 dazu ist die Sardicensische Formel heranzuziehen: ... ό άνθρωπος, öv άνέλαβεν έκ Μαρίας ... und die Formel der Synode von Antiochien

" Ebd., 46 (§ 80). Vgl. H.A. Carean (Hg.), Ewsebiosi Kesarac'woy Patmut'iwn ekelec'woy yeleal yasorwoyn i hay i hingerord dani parzabaneal nor t'argmanut'eamb i yoyn bnagrën, Venedig 1877, 530. 21 Vgl. L. Leloir, Saint Éphrem. Commentaire de l'Évangile Concordant. Version arménienne, CSCO 137 Ar. 1, Löwen 1953, 1. 22 Vgl. Α. Hahn, BSGR, 140. 20

504

Gabriele Winkler

(341): και σάρκα έκ της άγίας παρθένου άνειληφότα ... 23 Diese Ausdrucksweise findet sich z.B. in folgenden armenischen Zeugen: in der Lehre des heiligen Grigor § 368: mn_ qJ'mpJ'/ií, ¡, i¡n¡-uit / ar zmarmin i kusê ("er nahm den Leib an von einer Jungfrau"), in § 379 np m«. •jifuipJ'/.l/ ... / or ar zmarmin ... ("der den Leib annahm"), und in § 387: bL um U.umnLuiitnpi¡.(ih iTuipJfr'b /i l(neu£ / ew ar Astuacordin marmin i kusê ("und der Gottessohn nahm einen Leib an von einer Jungfrau"), 24 sowie in dem an Agat'angelos angehängten Credo: um. ifui^lf^lil jl IpiLul^U / ar marmin i kusen ("er nahm einen Leib an von der Jungfrau"). 25 Außer diesem Geschichtswerk, in das auch die Lehre des heiligen Grigor integriert wurde, sind noch die Geschichte des Elise und Lazar P'arpec'i zu nennen. In Elise finden Wir! ...

... tun, ^ιΓικ^ιιΓ^ιΙ/ί/ ... noyilpCS ... 31"

zmarminn ("so nahm er auf gleiche Weise den Leib an"), und anderer Stelle: np bu ζ tun. fc uriLpp Ipi lu^Íj

qiftupiffi'b

iTbpnj

/ or ekn ew ear i surb kusen

zmarmin meroy bnut'eans ("der kam und von der heiligen Jungfrau den Leib unserer Natur annahm"). 26 Bei Lazar ist folgende Form bezeugt: "und indem du alles Leid auf dich nahmst in deinem Leib, den du von der heiligen Jungfrau ... annahmst (qnρ fr unLpp

...

Ijiu u^'h uin-hp

/ zor i surb ... kusen arer) ...", 27 In dem wahrscheinlich

aus dem Jahre 435/436 stammenden Credo, das sich in dem sogenannten Brief des Sahak findet,28 ist "indem er Seele und Leib annahm" (um¿u J[ ¿m.íi£ bL Juipiï[Λ / areal sunj ew marmin) belegt.29

(c) Das Suipq.fcrjfcu/ mard elew ("er wurde Mensch") [syr. : J» i;

joo)]

Auch hierfür lassen sich eine Reihe von frühen Zeugen anfuhren: so z.B. die Lehre des heiligen Grigor § 377 mit! bi- b-^Sujpfiui tfujpq. b^bt. / ew esmarit mard elew ("und er wurde wahrlich Mensch"), und in § 382: 1iui

blfii bqbi. tfujpq.

/ na ekn elew

mard ("er kam, wurde Mensch"). Am Ende des Geschichtswerks des Agat'angelos

23

Ebd., 183.189. Vgl. Agat'angelos, 184 (§ 368), 190 (§ 379), 193 (§ 387). Ebd., 473 (XII). 26 Vgl. Elise, 39 (Z. 8), 87 (Z. 4). 27 Vgl. Lazar P'arpec'i, kritische Ausgabe v o n G . Ter-Mkrtc'ean/S. Malxasean, Lazaray P'arpec'woy Patmut'iwn Hayoc' ew t'ult'af Vahan Mamikonean, Tiflis 1904, 61 (Z. 39-40). 2 " Vgl. G. Winkler, Obscure Chapter (wie Anm. 5) 136-141.172. 29 Vgl. Girk' T ' l t ' o c ' , 10.

24

25

Aussagen über Inkarnation in den frühen Symboltexten

findet sich ein Credo, in dem CS heißt! bt. br^bL tíUJ^

505

IpuLmuphui^ / ew elew mard

30

katareal ("und er wurde ein vollkommener Mensch") . Bei Elise finden wir: bL b^bi. ιPuipij. Λ ¿ij'iiipm^ii / ew elew mard esmartiw ("und er wurde wahrhaft Mensch"). 3 1 In die Buzandaran aufgenommen,

Patmut'iwnk' darunter

ein

(P'awstos) wurden mehrere Glaubensbekenntnisse Credo,

das

dem

Patriarchen

Nersës

(t

373)

zugeschrieben wird, in dem diese Formulierung im Partizip steht: bt. tTutpq. brjbuj[ / ew mard eleal ("indem er auch Mensch wurde"). 3 2 So auch in dem Brief des Eznik, der um 435 abgefaßt worden sein dürfte: 33 ... b^bw^ i|tuu1i tfbp ιfutpr^ I ... eleal vasn mer mard ("... indem er ... für uns Mensch geworden ist"). 34 In einer dem Patriarchen Yovhannës Mandatami (478-490) zugeschriebenen Homilie heißt es wiederum: b¡. ¡Γωρη. fcijti / ew mard elew ("und er wurde Mensch"), was nochmals belegt ist: "das Wort Gottes [ist] auf Erden gekommen und Mensch geworden" (if ujpr}- bljbm^ / mard eleal). 35 Im Credo des Patriarchen Yovhannës II (557-578) finden wir folgenden Wortlaut: "... am Ende der Zeiten wurde ... das Wort Gottes ... Mensch (¡Γωρη. bqbi. / mard elew) ,..". 3 6 Auch noch im Credo, mit dem das Horologion beginnt, ist diese alte Wendung nachweisbar: fct bqbu ... ιΓαιρη. llliniu [ΐίΐ

III I

Mensch").

/ ew elew ... mard katareal ("und er wurde ... ein vollkommener

37

2. Das Aufkommen von ¡fwpifiiujgujL /marmnac'aw ("er 'verleiblichte sich'") in der ersten Hälfte des fünften Jahrhunderts [syr.: y o i ^ ^ J ; vgl. griech.: σαρκωθεντα]

30

Vgl. Agat'angelos, 189 (§ 377), 191 (§ 382), 473 (XII). Vgl. Etiäe, 39 (Z. 10). 52 Vgl. P ' a w s t o s IV,5, 90 ( = P'awstosi Buzandac'woy Patmut'iwn H a y o c ' , Venedig 1933; N . Garso'ian, The Epic Histories Attributed to P'awstos Buzand (Buzandaran P a t m u t ' i w n k ' ) . Translation and Commentary, Cambridge/Mass., 117. 33 Vgl. G . Winkler, Obscure Chapter (wie A n m . 5) 113-115. 34 Vgl. G i r k ' T ' t t ' o c ' , 1 (hier irrtümlich in den Brief des Proklus eingefügt, wie bereits dargelegt wurde; vgl. oben S. 502). 35 Vgl. G i r k ' T ' t t ' o c ' , 212f. 36 Vgl. G i r k ' T ' l t ' o c ' , 82. 37 Vgl. Z a m a g i r k ' (Jerusalemer Ausgabe von 1955) 6. 31

506

Gabriele Winkler

Im syr. Symbolum von 410 finden wir die alten Formen

JLCA und J«

^

Joo), das syrische Äquivalent zu σαρκωθέντα und ένανθρωπήσαντα. Jedoch noch in der ersten Hälfte des fünften Jahrhunderts bildeten die Syrer aus der Konstruktion 'Verb + Substantiv' ein neues Verb, nämlich y o j ^ ^ J, um das σαρκωθέντα in etwa wiederzugeben. 38 Bei den Armeniern ist diese Umgestaltung am frühesten in dem Credo im sogenannten Brief des Patriarchen Sahak nachweisbar, das, wie gesagt, mit dem Jahr 435/436 verbunden sein dürfte. Hier ist der Text mit dem Neologismus: "... der herabstieg und 'sich verleiblichte' (ifujpifuujguji. / marmnac'aw) ,..". 39 Auch im Brief des Patriarchen Babgën (um 505/506) treffen wir dieses in der ersten Hälfte des fünften Jahrhunderts aufgekommene Wort im Symbolfragment II an: "Wir bekennen den Vater und den Sohn ..., der 'sich verleiblichte' (ifmpifijuigbui^ / marmnac'eal) aus der heiligen Jungfrau ,..". 40 Und dann gehört es zum normalen Bestand des Glaubensbekenntnisses, wie das Credo des Patriarchen Yovhannês II (557-578) zeigt: "... indem er 'sich verleiblichte' (JuipiTimiguiL. / marmnac'aw) aus der heiligen Jungfrau ..." .41 Die Präsenz dieses Vokabulars in dem Credo, das in den Patmut'iwnk'

Buzandaran

dem Patriarchen Nersës (t 373) in den Mund gelegt wird, dürfte auf

eine später erfolgte Änderung des Texts zurückzuführen sein. Wahrscheinlich ist das "... in dem 'Leibwerden' ,..".

42

/ i marmnanal) aus der heiligen Jungfrau

aus einem ursprünglichen "er nahm einen Leib an" (tun. ¡ϊιηριΓ[Λ / ar

marmin) hervorgegangen. Das gleiche gilt auch von dem Symbolzitat bei der Eucharistie an einer anderen Stelle in den Buzandaran Patmut'iwnk'.

Anstelle von

"der sich aus der heiligen Jungfrau 'verleiblichte' (JuipifumguiL /marmnac'aw)

38

Vgl. A. de H alleux, La Philoxénienne du symbole (wie Anm. 1) 304-305; ders., Le symbole (wie Anm. 1) 182. 39 Vgl. Girk· T ' l t ' o c ' , 10. 40 Ebd., 50. 41 Ebd., 82. 42 Vgl. P'awstos IV,5, 91; Garsoïan, 117.

Aussagen über Inkarnation in den frühen Symboltexten

507

..,". 43 dürfte einst tun. Smpií¡>h / ar marmin ("er nahm einen Leib an") gestanden haben. Wahrscheinlich muß auch Elise in diesem Zusammenhang zitiert werden. Die bei ihm belegte Stelle mit einem ifuiptfiiuiguii. /i Stupn^uAil; / marmnac'aw i mardkanê ("er 'verleiblichte sich' aus einem Menschen") 44 ist wohl aus einem ursprünglichen qt^bgun. ιΐιηριίμύ / zgec'aw marmin ("er zog einen Leib an") entstanden, da in allen Symbolzitaten im Elise noch das alte Vokabular überwiegt. Dabei ist die Tatsache bemerkenswert, daß in der ersten Hälfte des fünften Jahrhunderts diese Umbildung nur das nicänische σαρκωθέντα betraf, jedoch weder bei den Syrern noch den Armeniern ein Versuch unternommen wurde, auch das ένανθρωπήσαντα genauer in ihren Formeln widerzuspiegeln.

3. Die Einführung des iTuipquigiuL / mardac'aw ("er 'homisierte sich'") und somit die Kombination von Sujpifuwgun. / marmnac'aw und ti* uiprj-UigujL / mardac'aw zu Beginn des sechsten Jahrhunderts [syr. : ^xiraKj und jLi^aKj; vgl. griech.: σαρκωθέντα, ένανθρωπήσαντα]

Zu Beginn des sechsten Jahrhunderts kam bei den Syrern auf,

45

j und « >; ^

was eine wörtliche Angleichung an das nicänische σαρκωθέντα

j

und

ένανθρωπήσαντα darstellt. Bei den Armeniern zeichnet sich folgendes Bild ab: Im Gegensatz zu den Syrern behielten sie das "er 'verleiblichte sich'" (iTujp¡nuigiM- / marmnac'aw) bei, und für ifmpq. fcijti. /mard elew ("er wurde Mensch") schufen sie li*tlJjif^ lUZjLUL / mardac'aw ("er 'inhomisierte sich' = ένανθρώπησε"); wann dies geschah, ist etwas problematisch. Zu den frühesten Zeugen für diese Angleichung an das griechische Vokabular zählen (1) eine im Girk' T'lt'oc' dem Patriarchen Yovhannës Mandatomi (478-490) zugeschriebene Demonstratio

(muiuignjg / apac'oyc') und (2) das Credo des

Patriarchen Babgën (um 505/506). Die Autorschaft dieser Demonstratio

ist nicht

wirklich abgesichert. Sollte jedoch Yovhannës Mandakuni, der noch vor dem Ausgang des fünften Jahrhunderts der armenischen Kirche vorstand, tatsächlich diese

43 44 45

Vgl. P'awstos V,28, 228; Garsoïan, 208. Vgl. Elise, 168 (Z. 4). Vgl. A. de Halleux, La Philoxénienne du symbole (wie Anm. 1) 310-311.

508

Gabriele Winkler

Demonstratio geschrieben haben, so muß auch noch eine spätere Interpolation dieses Textes in Erwägung gezogen werden, denn die Kombination von (J*u/¿7ti*ífuj£ujt- / marmnac'aw und iTmpr^uj^iiJL· / mardac'aw ist vielleicht erst Anfang des sechsten Jahrhunderts aufgekommen. Hier ist die für uns relevante Stelle in Mandatomi: "... indem er herabstieg (if uiptftmiguiL.

be

...,

li*utpretti

'verleiblichte er sich' und 'inhomisierte er

g UIL

/ marmnac'aw ew mardac'aw) ,..".

46

sich'

Ganz ähnlich

heißt es auch im Credo des Babgën: "... und der, indem er ... herabstieg, 'sich verleiblichte' und 'sich inhomisierte' (iTiupJhwgun. bL dmp^uiguic / marmnac'aw ew mardac'aw) ..,". 47 Später gehört diese Verbkombination dann zum festen Bestand des Symbolums wie die Glaubensbekenntnisse des Katholikos Abraham (607611/612) und Yovhannês Mayragomec'i (6.-7. Jh.), 48 aber auch das Credo im Taufordo und in der Eucharistie zeigen.49 Sicherlich ist die Präsenz dieser Verbformen im Credo des Grigor in Agat'angelos und in den Buzandaran

Patmut'iwnk'

einer späteren Interpolation des Textes

zuzurechen. Das Credo des Grigor hat an dieser Stelle folgenden Wortlaut: "... er wurde geboren im Leib von der Jungfrau, und er 'inhomisierte' und 'verleiblichte' sich (if¡jjpr¡.iuguiL bu JujpJímigwi. / mardac'aw ew marmnac'aw) wie wir ,..". 50 Auffällig ist hier auch die Inversion der Verben. In dem Credo, das die Buzandaran Patmut'iwnk' dem Patriarchen Nersës zuschreibt, heißt es: "als er aber sah, daß der Vater von den Menschen verachtet blieb, sprang, kam [und] stieg er herab, ... aus der Jungfrau, 'verleiblichte' [und] 'inhomisierte er Sich' / marmnac'aw mardac'aw) ,..".

46

{ITIU^ITÌIUJJUIL

ifuipr^uJgLiiL·

51

Vgl. Girk' T'lt'oc', 33. Vgl. bessere Lesart im Knik' Hawatoy ( = K. Ter Mkrtc'ean, Knik' Hawatoy andhanur surb ekelec'woy yuttap'ar ew s. hogekir harc'n meroc' dawanut'eanc', Ëjmiacin 1974, 141. 48 Ebd., 55. 49 Vgl. J. Catergian [ = Y. Gat'rcean], Die Liturgien bei den Armeniern. Fünfzehn Texte und Untersuchungen, hg. von J. Dashian [ = Y. Tasean], Wien 1897, 659. 50 Vgl. Agat'angelos, 46 (§ 80). 51 Vgl. P'awstos IV,5, 90; Garsoïan, 117. 47

Aussagen über Inkarnation in den frühen Symboltexten

4. Isoliertes

J LUpiJ-LUtJUJL

509

/ mardac'aw ("er 'inhomisierte sich' = ένανθρώπησε")

Äußerst selten steht das tî Uipq-UJIJUJL / mardac'aw ("er 'inhomisierte sich'") allein, d.h. ohne dem

iTlJJptfïlUltJlUL

/ marmnac'aw ("er 'verleiblichte sich'"). Bei den

wenigen Quellen, wo dieses Verb für sich steht, wie in einem Credo in den Buzandaran

Patmut'iwnk',

in einem Symbolfragment in der Lehre des heiligen

Grigor, an einer Stelle in Lazar P'arpec'i und in einer Homilie des Yovhannës Mandakuni, muß davon ausgegangen werden, daß es sich entweder um eine Veränderung des ursprünglichen Wortlauts oder um einen späteren Einschub handelt. In der Lehre des heiligen Grigor § 390 heißt es: "der um unseres Lebens willen 'sich inhomisierte' (•ìuipumgiuL. / mardac'aw) ,..", 52 was mit großer Wahrscheinlichkeit auf ein

tTtupf}, bqbp

/ mard eler ("er wurde Mensch") zurückgeht, das in dieser

Quelle und in anderen frühen Dokumenten gut bezeugt ist. Auch das Credo des Zuit' vor seinem Martyrium in den Buzandaran Patmut'iwnk'

geht vermutlich auf eine

Änderung der ursprünglichen Formulierung zurück. Hier finden wir folgenden Wortlaut: "und du kamst selbst, stiegst herab [und] 'inhomisiertest dich' {¡îuip^uigiup / mardac'ar) ...".

Wahrscheinlich stand hier ursprünglich nicht

l Î i v p r ^ L u g u j p

/

mardac'ar, sondern tfuspry bq^bp / mard eler ("du wurdest Mensch"). Um einen späteren Einschub dürfte es sich in Lazar P'arpec'i handeln, wenn es in ihm heißt: "... indem unser Erlöser ... seine Ankunft und 'Inhomisierung' {Suip^uAituin^u / mardanaloyn) von der heiligen Jungfrau ... in vielen Gestalten und in mannigfaltigen Offenbarungen vorgezeichnet hat ...", denn das Verb Jmp^uAtuii / mardanal ('sich inhomisieren') ist sonst nirgendwo in P'arpec'i belegt. Allem Anschein nach gilt dies auch für Yovhannës Mandakuni. Bei einer Homilie findet sich folgendes Symbolzitat: "Das Wort Gottes [ist] auf Erden gekommen, Mensch geworden (ιΤιαρη. bqbtuL / mard eleal - man achte auf das ursprüngliche Vokabular an dieser Stelle) und gestorben wie ein Mensch, jedoch [seinem] Wesen (£ni./3/iuA / ëut'ean) nach wird er Gott genannt, und nicht Mensch, und der Vorsehung nach [wird er] 'inhomisierter' Gott (tu < umm-tu > b· iSujpr^ui^bui^ / a < stua > c mardac'eal) [genannt] ..." .54

52 53 54

Vgl. Agat'angelos, 195 (§ 390). Vgl. P'awstos IV,57, 181; Garsoi'an, 177. Vgl. Girk' T'lt'oc', 213.

510

Gabriele Winkler

Somit kommen wir zu folgendem Ergebnis: Die ältesten armenischen Formulierungen im Zusammenhang der Inkarnation, die wir in der Lehre des heiligen Grigor, dem Credo des Grigor in Agat'angelos, in den Glaubensbekenntnissen der Märtyrer in EliSe und Lazar Ρ'arpee'i und mit Einschränkungen auch in den Buzandaran Patmut'iwnk' antreffen, spiegeln getreulich syrische Formeln wider.

Eine zweite Gruppe von Texten, darunter zählen z.B. der Brief des Eznik (um 435) und das Credo im sogenannten Brief des Sahak (um 435/436), reflektiert die christologischen Auseinandersetzungen und das Bedürfnis, den Wortlaut des Credos bei der Menschwerdung näher an das griechische Vorbild anzugleichen. Das führt zu dem neuen Vokabular SvupiFimiyuiL / marmnac'aw ("er 'verleiblichte sich'"). Die Quellen, die zur dritten Gruppe zu rechnen sind, nämlich das Credo des Babgën (um 505/506), das Symbolzitat in einer dem Yovhannës Mandakuni wohl irrtümlich zugeschriebenen Demonstratio, aber auch das Credo des Taufordos und der Eucharistie, lassen erkennen, daß bei der Auseinandersetzung mit dem Konzil von Chalcedon die Aussagen über die Inkarnation nun zu Beginn des sechsten Jahrhunderts noch enger an den griechischen Text angeglichen wurden. Das nicänische σαρκωθέντα und ένανθρωπήσαντα wird nun mit ifuiptFuuiguiL / marmnac'aw und li'm^rjlu^um / mardac'aw wiedergegeben.

Bei der Durchsicht der ältesten georgischen Troparien (Iadgari) für das Weihnachtsund Epiphaniefest in der Ausgabe von H. Metreveli u.a. (Tiflis 1980) entdeckte ich, daß auch im Georgischen noch die alte Terminologie, wie z.B. die Metapher vom "Anziehen eines Leibes, bzw. der Knechtsgestalt", "er wurde Mensch", "der von der Jungfrau einen Leib annahm" und verwandte Konstruktionen erhalten geblieben sind, was noch weiter untersucht werden sollte.

Andrea Schmidt

Das armenische "Buch der Briefe" Seine Bedeutung als quellenkundliche Sammlung für die christologischen Streitigkeiten in Armenien im 6./7. Jh.

Publizistische Sammlungen in Armenien In der christologischen Epoche publizierten die einzelnen Kirchen für ihre theologischen und politischen Zwecke Urkundensammlungen.1 Florilegien und Dokumentenkonvolute wurden Mitte des 6. Jhs. auch in der armenischen Kirche die wichtigste Waffe im Kampf gegen die theologischen Opponenten. Auf diese Weise wurde der über ein Jahrhundert währende konfessionelle Entscheidungsprozeß der armenischen Kirche in der Diskussion für oder wider das Konzil von Chalcedon äußerlich dokumentiert. Die innere Triebfeder für solche Sammlungen war aber auch das Bedürfnis der armenischen Kirche nach einem identitätsstützenden, Tradition und Gegenwart

zusammenhaltenden

Schriftenkorpus, das die armenische

Kirche

gegenüber den chalcedonischen Kirchen (Byzanz, Georgien, zeitweise Albanien, Siwnik') und den Gegnern in der eigenen Kirche als orthodox legitimieren sollte. Die erst

nach

heftigen

Auseinandersetzungen

durchgesetzte

antichalcedonische

Stellungnahme der' armenischen Kirche Mitte des 6. Jhs. mußte, um sich als orthodox behaupten zu können, durch eine nationale armenische Kirchentradition erwiesen werden. Dem diente die Verbreitung eigener Publikationen, sowie die Übersetzung älterer und aktueller Bekenntniszeugnisse, die Christus, den Logos Gottes, Gott und Mensch zugleich, zum Thema hatten. Die konfessionellen Auseinandersetzungen, bei denen es auch um jurisdiktionelle Machtansprüche der armenischen Kirche auf die von ihr missionierten Ostprovinzen ging, brachten insbesonders mit Briefsammlungen eine für die armenische Literatur neue Gattung hervor.

Sie waren

von derselben dogmatischen Zielsetzung

wie etwa die

' Vgl. A. Grillmeier, Jesus der Christus im Glauben der Kirche, Bd. H/1: Das Konzil von Chalcedon. Rezeption und Widerspruch (451-518), Freiburg u.a. 1986, 22-32.58-83.89-93.

512

Andrea Schmidt

Veröffentlichung von Florilegien bestimmt: Es galt, die bisherige

kirchliche

Überlieferung "der Väter" aus armenisch orthodoxer, d.h. aus antichalcedonischer Sicht zu werten und f ü r die weitere nationalkirchliche Entwicklung zu nutzen.

Das "Buch der Briefe" Die

früheste und

bedeutendste

aus den armenischen

Bekenntnisstreitigkeiten

erwachsene publizistische Sammlung stellt das umfangreiche "Buch der Briefe" (GT) 2 dar. Der Umfang der Sammlung reicht vom einzelnen Schriftstück bis zu größeren zusammenhängenden Korrespondenzen. In formaler Sicht beinhaltet das GT keineswegs nur die Korrespondenz der armenischen Kirche oder die Schreiben weltlicher Amtsträger. Wenngleich in der Minderzahl enthält es in wechselnder Zusammenstellung

auch

Texte

anderer

literarischer

theologische Abhandlungen, Synodalbeschlüsse,

Gattungen:

Kanones, Homilien,

Enzykliken, Florilege,

außerdem Übersetzungen aus der griechischen und syrischen theologischen Literatur. Exponate einer literarischen Musterbriefsammlung, wie sie in Byzanz weit verbreitet gewesen waren, sind im armenischen GT nicht enthalten. Die hier vereinigten Texte sind allemal aus einem aktuellen Anlaß entstanden und als offizielle Verlautbarungen zu charakterisieren.

Diese literarisch wie historisch verschiedenen

werden überwiegend mit t'ult'

Dokumente

("Brief") bezeichnet, woraus der Titel "Buch der

Briefe" für die Sammlung insgesamt abgeleitet ist. Ihr bei aller formalen Divergenz gemeinsamer inhaltlicher Schwerpunkt liegt auf der christologischen Bekenntnisdiskussion und den mit ihr verbundenen kirchenpolitischen Auseinandersetzungen. Der in der armenischen Literatur bedeutende Zweig der Epistolographie erreichte mit dem "Buch der Briefe" sein erstes Stadium in der Zeit der konfessionellen Streitigkeiten. Anders als in der Byzantinistik und Mediaevistik hat man sich jedoch über die Theorie der Form des Briefes in der armenischen Literaturgeschichte wenig Gedanken gemacht. Eine Typisierung der einzelnen Briefmuster bezüglich ihrer formalen Gestalt, des rhetorischen Stils, literarischer Genre-Konventionen usw. ist bisher nicht geleistet worden. Ebenso fehlen Kriterien für die Datierung und die

2

Armenisch Girk' T'lt'oc', im weiteren GT abgekürzt.

Das armenische "Buch der Briefe"

513

inhaltliche und philologische Einordnung der Briefe. Dabei könnten die methodischen Grundlagen, die für diese Fragen in benachbarten Fächern erstellt wurden, auch der Armenologie dienlich sein. Erst recht bestehen große Wissenslücken über die GTSammlungen der Handschriften als Ganze, ebenso sind die zusammengefaßten Korrespondenzen individueller Autoren aus dem Mittelalter ungenügend behandelt. 3 Notwendig wäre auch, die armenische Briefliteratur in Hinblick auf die griechische und persische zu analysieren. Briefe in griechischer oder parthischer Sprache wurden schon vor der armenischen Schrifterfindung (um 405) abgefaßt und waren als Urkunden geschätzt. Solche Schreiben aus den königlichen Archiven und aus anderen historiographischen Quellen nutzte u.a. der armenische Geschichtsschreiber Movsës Xorenac'i, um die historische Authentizität seiner Darstellung zu verbürgen. 4 Diese armenischen Briefdokumente trugen seit dem 5. Jh. den Oberbegriff t'ult',

und

konnten im Einzelfall unterschieden werden in gir, hrovartak, kanon (κανών), kondak (κοντάκιον), matean, namak, srjagayakan t'ult', ulerj, tomar (τόμος) 5 , ohne daß zunächst eine speziell inhaltliche oder literarische Form bezeichnet war. Auch Predigten - z.B. die dem Patriarchen Yovhannës Mandakuni zugeschriebenen Homilien (5. Jh.) - wurden häufig mit t'ult' bezeichnet. Wir behalten im weiteren für die Texte im GT die Bezeichnung "Brief" bei.

Die quellenhistorische Bedeutung des GT Wie bereits bemerkt, sind die im GT versammelten Briefe keine literarischen Episteln oder Privatbriefe. Der Anlaß ihrer Abfassung sowie ihre Archivierung stehen immer in einem aktuellen politischen und theologischen Zusammenhang. Von daher besitzen die Texte eine große historisch-konfessionelle Informationsdichte. Neben der armenischen Landesgeschichte geben sie Einblick in die Topographie der in ihren Grenzen oftmals veränderten armenischen Diözesen und Verwaltungs-

3

Z.B. die Briefsammlungen eines Grigor Magistros, Mxit'ar Gos, Nersës Snorhali, Nersês von Lambron, Grigor Ttay (11./12. Jh.). 4 Moses Khorenats'i, History of the Armenians. Transi, and Comm. by R . W . Thomson, London 2 1980,1, Kap. 28; II, Kap. 31-33 (Abgar-Jesus Korrespondenz); III, Kap. 5 . 1 5 . 1 7 . 1 9 . 2 3 . 2 9 . 4 2 . 4 8 . 5 2 . 57. 5 Hierin beziehe ich mich auf die Unterlagen von Dr. A. Bozoyan (vgl. Anm. 7).

514

Andrea Schmidt

einheiten auf byzantinischem und persischem Territorium samt ihren jeweiligen weltlichen und kirchlichen Amtsträgern. Ferner geben sie Aufschluß über die Beziehungen Armeniens zu den benachbarten Ländern Syrien, Byzanz, Georgien und Albanien und ihre Missionsgeschichte. Die Briefe beantworten liturgiehistorische Fragen und tragen zur Erhellung des Archiv- und Kanzleiwesens in Armenien bei. Literarisch sind sie ein hervorragendes Kompendium für die Entwicklung der armenischen Literatur von den frühen Anfängen bis ins hohe Mittelalter; philologisch reflektieren sie den Übergang von der klassisch-armenischen Schriftsprache zum griechisch beeinflußten Stil der hellenophilen Schule (yunaban dproc'). In erster Linie aber sind die Dokumente des GT für die Bekenntnisentwicklung der armenischen Kirche bedeutsam. Sie beziehen zwar einseitig Stellung für das "monophysitische" Bekenntnis, das erst unter großen Widerständen durchgesetzt wurde, und übergehen die literarische Produktion der armenischen chalcedonischen Opposition vollkommen, von der man nur aus der Polemik entnehmen kann, daß es ein solches Schrifttum gegeben hat.6 Doch aufgrund seines so vielschichtigen Textmaterials ist das GT neben der bislang vorrangig behandelten Historiographie eine weitere wichtige historische Quelle.

Die handschriftliche Überlieferung des GT Die Bedeutung des GT für die historische, theologische und literarische Tradition Armeniens erweist sich auch darin, daß es in vielen Sammelhandschriften erscheint. Es besitzt hier selten eine inhaltlich identische Gestalt, vielmehr liegt es in Redaktionen verschiedenen Umfanges und variierenden Inhaltes vor. Weil diese GTSammlungen das Ergebnis eines stets individuellen Auswahl- und Überlieferungsprozesses sind, bieten sie nicht die gesamte armenische Brief- oder Bekenntnisliteratur, wie sie anderweitig aus z.B. historiographischen Quellen ergänzt werden kann. Eine Liste der GT-Handschriften liegt noch nicht gedruckt vor.7 Die inhalt-

6

Die von Garitte herausgegebene, griechisch erhaltene Narratici de rebus Armeniae, C S C O 132, Louvain 1952, ist ein solches Monument armenischer chalcedonischer Literatur. 7 Eine Liste von Sammelhandschriften in Erevan, die in mehr oder minder großem Umfang das G T enthalten, hat A. Bozoyan (Erevan) erstellt. Für seine mir großzügig zur Verfügung gestellten Unterlagen möchte ich ihm danken.

Das armenische "Buch der Briefe"

515

liehen Unterschiede dieser GT-Redaktionen kann man deshalb erst nach einer umfassenden Durchsicht aller in Frage kommenden Handschriften erheben. Soviel steht jedoch fest: eine kanonisch unabänderliche Form für das GT hat es in der armenischen Überlieferung zu keiner Zeit gegeben. Gemeinsam ist den GTRedaktionen, daß die überwiegende Mehrzahl der Texte als Briefe (t'ult *) bezeichnet sind, und daß diese zu einer Sammlung vereinigten "Briefe" sich mit der christologischen Problematik auseinandersetzen. Vorrangig sind trotz der Diversität der GT-Handschriften die für die christologische Bekenntisdiskussion Armeniens im 6./7. Jh. entscheidenden Dokumente vertreten, weil sie für die antichalcedonische Stellungnahme der armenischen Kirche von höchster Bedeutung gewesen sind und daher immer wieder abgeschrieben wurden. Diese Texte bildeten einst die älteste Schicht der GT-Sammlung. Individuell wurde dann dieser GT-Archetyp von den einzelnen Kopisten nach den verfügbaren Schriften in den Skriptorien

der

Klosterbibliotheken erweitert.

Die Tifliser Edition des GT Aus der reichen Überlieferung von GT-Handschriften ist bis heute nur eine Handschrift publiziert worden. Die von Yovsep' Izmireanc' 1874 in Konstantinopel eingesetzte "literarische Kommission" 8 hatte es sich mit der Reihe "Sahak-Mesrop Matenadaran" zur Aufgabe gemacht, Denkmäler der altarmenischen Literatur zu publizieren. Als fünften Band dieser Reihe brachte sie 1901 in Tiflis das "Buch der Briefe" heraus. Die Tifliser Druckausgabe basiert auf einer der ältesten und vollständigsten GT-Handschriften. Trotz aller noch zu nennenden Mängel liegt ihr Wert darin, daß sie der umfangreichste Typ mittelalterlicher GT-Sammlungen ist mit 88 Briefdokumenten von der altkirchlichen Zeit bis in die mittelarmenische Literaturepoche (5.-13. Jh.). Damit wurde ein Quellenwerk vorgelegt, das neben

8

Das sind aus dem Konstantinopler Patriarchat die Erzpriester und Vardapeten Giwt Ataneanc', Babgën Kiwlësërean und Yovhannës Mkrean (GT, VI, VIII), bereits bekannt als Publizisten, Übersetzer und Historiker. Alaneanc' hatte den Diwan hayoc' patmut'ean (1893-1915, 13 Bde.) mit den Korrespondenzen und Erlassen der armenischen Kirche aus dem 18./19. Jh. herausgegeben (Haykakan Sovetakan Hanragitaran I, 245/3; VII, 640/3).

516

Andrea Schmidt

Bekanntem den Zugriff auf bisher wenig beachtete oder unbekannte Texte der armenischen Literatur ermöglichte. Geschrieben wurde die Handschrift 1298 von dem Priester Thomas (T'umas) aus Hromkla, der Hauptstadt des armenischen Königreichs von Kilikien und Sitz des armenischen Katholikos; in einem Kolophon9 gibt der Schreiber an, daß er die Handschrift sechs Jahre nach Eroberung der Festung durch die ägyptischen Mamelucken (1292) fertiggestellt habe; an welchem Ort, sagt er nicht. Irgendwann gelangte die Handschrift in den Besitz des armenischen Erzbischofs Grigor Balinean in Rom. Dieser vermachte um 1840 seine Bibliothek dem Gregor Illuminator-Kloster der unierten Antoniter. Der aus dem Libanon stammende Orden besaß in der Nähe des Vatikans eine Niederlassung für das Noviziat und Scholastikat.10 Streitigkeiten und das den Orden stark dezimierende Schisma in der Amtszeit des katholischarmenischen Patriarchen Anton Hassun (1809-84) führten 1871 zur Schließung des Klosters." Ein Teil der Mönche siedelte nach Istanbul über. Auf diese Weise kam die GT-Handschrift nach Orthakoy in die Bibliothek des dortigen Antoniter-Klosters. Hier entdeckte Ismireanc' die 355 Folien starke Handschrift und gab sie mit der tatkräftigen Unterstützung des Abtes, Vardapet Rafael Miwsëreanc', und seiner Mitarbeiter von der "literarischen Kommission" für den Druck heraus. Im ersten Weltkrieg wurde die Handschrift mit anderen Beständen der Ordensbibliothek in das Generalat und Patriarchatskloster von Bzommar (Libanon) ausgelagert, wo sie sich noch heute befindet. 12 Eine Kopie der Handschrift von der Hand des Mechitharistenpaters Lewon Alisan liegt im Kloster San Lazaro in Venedig.13

9

G T 537-538. Über den 1761 päpstlich approbierten armenischen Antoniterorden vgl. D H G E III (1924), 867-870; Dizionario degli Istituti di Perfezione, I (1974) 688-691. 11 Der berühmteste Eleve der Antoniter war der spätere armenische Patriarch von Konstantinopel, Malachia Ormanian (1841-1918), dessen Übertritt zur orthodoxen Mutterkirche mit dem Schisma zusammenhängt. 12 GT, VIII; M. Talion, Livre des Lettres, I" groupe: Documents concernant les relations avec les Grecs, Beyrouth 1955, 18. 13 F . C . Conybeare, Anecdota Monophysitarum, A I T 9 (1905) 719. 10

Das armenische "Buch der Briefe"

517

Impuls für die armenische Patristik Die Herausgabe des GT war von der armenischen Geschichts- und Literaturwissenschaft seit langem erwartet worden. Obgleich man von einzelnen in dem GT enthaltenen Briefen wußte, war vor der Edition nur ein Bruchteil der Überlieferung durch verstreute Einzelpublikationen verfügbar gewesen. In erster Linie betraf das die

Briefe

aus

dem

6.

Jh.,

um

deren

Herausgabe

in der

armenischen

Katholikatszeitschrift "Ararat" sich Karapet Tër-Mkrtc'ean zwischen 1896 und 1899 verdient gemacht hatte. Dieser an deutschen Hochschulen ausgebildete Theologe und spätere Bischof von Atrpatakan (Persien) hatte als theologischer Redakteur von "Ararat" für die wissenschaftliche Patristik in der armenischen Kirche bedeutende Pionierarbeit geleistet. Hoch geschätzt werden muß seine Irenäus-Edition und andere Werke in deutscher Sprache, womit dieser große Armenier auch die patristische Forschung in Deutschland vorangebracht hat.14 In manchen literaturhistorischen Fragen ein Antipode Karapets war G. Tër-Mkrtc'ean, der seit 1888 in "Ararat" und "Solakat"' Texte und Untersuchungen zur altarmenischen Literatur veröffentlichte. Andere

bekannte

Mitarbeiter

des

1919

eingestellten

Organs

waren

H.

Gyulxandanyan, G. Hovsëp'yan, A. Mxit'aryan, A. Tër-Mik'aëlyan und H. Acaryan, um nur einige Forscher mit Publikationen zur armenischen Briefliteratur zu nennen.15 Eigens hervorheben sollte man noch Karapets langjährigen Mitarbeiter E. Tër-Minasyan (Ter-Minassiantz); auch er hat für die armenisch-deutschen Wissenschaftsbeziehungen eine große Rolle gespielt. Unter seinen vielfältigen Arbeiten insbesondere zur Dogmengeschichte Armeniens

ist seine

Leipziger

Dissertation (1904) über die Beziehungen der armenischen Kirche zur syrischen Kirche16 noch heute für die kirchengeschichtliche Forschung ein unverzichtbares Instrumentarium. Erstmals hat er hier mehrere Briefe aus der Tifliser Edition ins Deutsche übersetzt und kommentiert. Nach der Drucklegung des GT erfolgten im

14 Vgl. seine Biographie und das umfangreiche Publikationsverzeichnis bei S. Stephan, Karapet eps. Ter-Mkrttschjian (1866-1915). Materialien zu einem Kapitel armenisch-deutscher wissenschaftlicher Zusammenarbeit. Unter Mitarbeit von L.Chr. Ter-Mkrttschjan redigiert und hg. von H. Goltz, Halle 1983. 15 Zur wissenschaftlichen Bedeutung von "Ararat" (1868-1919) vgl. die Einleitung von Karine Avetyan in dem von ihr erstellten Registerband der in dieser Zeitschrift erschienenen Text- und Handschrifteneditionen (Ararat handësi bnagrakan hratarakut'yunneri matenagitu'yuni, Erevan 1989). 16 Die Armenische Kirche in ihren Beziehungen zu den syrischen Kirchen, TU 11, Leipzig 1904, 4; in Armenisch ist das Buch 1908 erschienen.

518

Andrea Schmidt

selben Zeitraum auch außerhalb Armeniens Veröffentlichungen zu einzelnen Briefen. Hierzu zählt die in der Armenologie heute fast vergessene Armenischkennerin Agnes Finck, die Schwester des Berliner Sprachwissenschaftlers N. Finck, die in der Marburger Zeitschrift für armenische Philologie den Briefwechsel zwischen Photius von Konstantinopel (858-886) und dem armenischen Fürsten Asot übersetzte.17 Mit dem Problem der Echtheit der nur in Armenisch überlieferten Korrespondenz der georgischen Kirche befaßte sich I. Dzavachisvili.18 In einer Monographie zum armenisch-georgischen Kirchenschisma,19 sowie in mehreren Artikeln (1903-1913) in der Zeitschrift Handês Amsorya, setzte sich der Wiener Mechitharist N. Akinean mit der Verfasserfrage und der Chronologie der GT-Sammlung auseinander; sein Mitbruder A. Vardanean übersetzte den Brief des Patriarchen von Jerusalem an den albanischen

Katholikos

(um

577)

ins

Deutsche. 20

Für

sein

dreibändiges

Geschichtswerk über Armenien zog M. Ormanean die Briefe als historische Dokumente heran. 21 Im selben Jahr erschien N. Adone' (Adontz) wichtiger Aufsatz zur Identifizierung zweier pseudonymer christologischer Schriften. 22 H. Jordan wertete die Irenäuszitate im GT aus.23 Nach dieser ersten, durch die Drucklegung des GT angeregten Phase von Untersuchungen (1901 bis 1914) sind keine nennenswerten Publikationen zu vermerken. Erst in den fünfziger Jahren wurde dem GT wieder größeres Interesse entgegengebracht. Zu den wichtigsten Beiträgen gehört der Versuch von L. Melik'set'-Bek, einige lückenhafte Quellentexte des Tifliser GT durch andere GT-Handschriften zu vervollständigen.24

Der

nichtarmenischen

Fachwelt bekannter dürfte die Monographie von M. Talion sein über die griechisch-

17

A. Finck/E. Gjandschezian, in: Zeitschrift für armenische Philologie 2 (1904) 1-17.

" H c T o p H H u e p K O B H o r o p a 3 p b i e a MejKfly T p y 3 H e H H A p M e H H e ñ Β H a w a j i e V I I . e e i c a , H3B. Η Μ Π .

AKaneMHH HayK VI, 5 (1908), 433-446.511-536; vgl. M. Tarchniävili, Sources ArménoGéorgiennes, Muséon 60 (1947) 43-50. " Kiwrion Katholikos Vrac' (Wien 1910). 20 OrChr 9 (1912) 64-77. 21 Azgapatum, Beirut 1912/1913, Jerusalem 1927; vgl. die stark gekürzte Fassung, The Church of Armenia, Oxford 1912, London 2 1955. 22

AMnejIHH

enc.

XepCOHCKHH

( K b ΚρΗΤΗΚΒ apMHHCKOH

ΚΗΗΓΗ nOCJiaHHH,

XpHCTHaHCKHH

BocTOKb 2, St. Petersburg 1913. 23 Armenische Irenäusfragmente, TU 36, 3, Leipzig 1913. 24 Mi p'orj Girk' T'lt'oc'i t'eri maseri verakangnman uHut'yamb, Ëjmiacin 75, 6 (1960) 28-35 (ders. Aufsatz in: Sion 35 (1961) 23-27.46-49); ders., Graeco-Byzantina Β npeBHeapMHHCKOM Liber Epistolarum, BucaHTHÖcKHÖ BpeMeHHÜK 12 (1957) 263-269; ders., Eine neue Variante des armenischen Buchs der Briefe und von Johannes von Maiuma, BCCTHHK ROCYAAECTBEHHORO My3e» Tpy3HH 11 Β (1941) 41-79 (in Georg, mit russ. Resümee).

Das armenische "Buch der Briefe"

519

armenische Korrespondenz aus dem 5. Jh., in welcher die bisher zu diesem Textkomplex (Proklustomus, Akakiusbriefe) erschienene Literatur diskutiert wird 25 ; Talions französische Übersetzung wurde von V. Inglisian rezensiert. 26 In neuerer Zeit legte Z. Aleksidze die armenisch-georgische Korrespondenz, von der es keine georgische Überlieferung gibt, in einer kritischen armenischen Ausgabe Übersetzung ins Neugeorgische vor.

27

mit

Weil Exemplare des Tifliser GT in westlichen

Bibliotheken selten vorzufinden sind, kann für den Anfang L. Frivolds Nachdruck der Briefe aus dem 6. Jh. nebst Übersetzung hilfreich sein. 28 Der Überblick über die wichtigste Forschungsliteratur zum GT schließt mit zwei Aufsätzen des Venediger Mechitharisten P. Ananean zu den Pseudonymen Christologietraktaten und den armenischen Bekenntnissynoden im 6. Jh. Hierin setzt sich der Verfasser mit den bisher erlangten Erkenntnissen auseinander. 29

Probleme einer kritischen Edition und Übersetzung Der Streifzug durch die GT-Forschung zeigt, daß die Beiträge größtenteils in armenischer, georgischer und russischer Sprache erschienen sind. Das erklärt die dürftige Rezeption des GT als historisches und theologisches Quellenwerk in der nichtarmenischen Geschichtswissenschaft, Byzantinistik und Theologie. Abgesehen von den Übersetzungen bei Minassiantz und Frivold sind die Quellentexte in der Mehrheit inhaltlich unerschlossen. Besonders betrifft dies die Texte nach dem 7. Jh., wo auch die Verfasserfrage und Datierung nicht immer klar ist. Vordringlich wäre eine kommentierte Übersetzung des gesamten GT, was zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht geleistet werden kann, weil keine kritische und vollständige Edition der GT-

25

Wie Anm. 12; vgl. hierzu A. Vardanean, in: WZKM 27 (1913) 415-441 ; ders., in: HandAm 35 (1921) 1-25; V. Inglisian, Die Beziehungen des Patriarchen Proklus von Konstantinopel und des Bischofs Akakius von Melitene zu Armenien, OrChr 41 (1957) 35-50. 26 Ditolut'iwnner Girk' T'lt'oc'i franserên t'argmanut'ean Sui]", HandAm 73 (1959) 228-240. 27 Das Buch der Briefe. Kritische Edition des armenischen Textes mit georgischer Übersetzung, Einleitung und Kommentar, Tbilisi 1968 (in georg.). 28 The Incarnation. A Study of the Doctrine of the Incarnation in the Armenian Church in the 5lh and 6,h Centuries according to the Book of Letters, Oslo 1981; vgl. die Rezension von J.-P. Mahé, in: REArm 17 (1983) 676-677. 25 Patmakan hiSatakaran ma Dvini b. zolovk'i masin, Bazm 115 (1957) 111-121 und 116 (1958) 6471.117-131; ders., Girk' T'lt'oc'i k'ani mg xndrakan harc'er, Bazm 143 (1985) 238-266.

520

Andrea Schmidt

Texte vorliegt. Alle Lücken, fehlenden Seiten und inhaltlichen Unklarheiten der Handschrift wurden von den Herausgebern in die Tifliser "editio princeps" übernommen. 30

Wie

oberi ausgeführt, liegen

zudem

in den

Handschriften

unterschiedliche GT-Redaktionen mit mehr oder minder großen Abweichungen in Inhalt und Anordnung vor. Die Tifliser Ausgabe des GT vom ausgehenden 13. Jh. ist, soweit bekannt, zwar eine der umfangreichsten und am besten erhaltenen Sammlungen, repräsentiert aber dennoch nur eine bestimmte Auswahl der im Armenischen erhaltenen Briefliteratur. Den Einzelübersetzungen grundlegend voran müßte daher eine kontextuelle Zusammenschau der Briefe gehen, indem das GT als ein

zusammenhängendes

Textkorpus

analysiert

wird.

Das

oben

skizzierte

Forschungsdesiderat zur armenischen Epistolographie hat aber gezeigt, daß es dazu methodisch noch zu früh ist. Für die Forschung am GT tut sich somit ein weites Feld an speziellen Vorarbeiten auf, ehe ein Quellenwerk dieser sprachlichen und historischen Spannbreite von achthundert Jahren den verschiedenen Fachdisziplinen voll und ganz nützlich sein kann.

Inhalt des Tifliser GT Das Tifliser GT zerfällt chronologisch und inhaltlich in zwei Teile. Der erste Teil (S. 1-218) enthält 57 Briefe: die Korrespondenz der armenischen Kirche aus dem 5. bis 7. Jh. Die Sammlung wird mit einem Glaubensschreiben des Katholikos Komitas von 615 an die Syrer abgeschlossen. Der Priester Thomas hatte die Korrespondenz 1298 in Kilikien abgeschrieben. Seine Vorlage war ein Manuskript, das von der Hand des späteren Katholikos Grigor II. Vkayasêr (Martyrophilos) (1065-1105)

30 Auch der Anfang der Handschrift (Titel, Inhalt, Einleitung) fehlt; zum Zustand der Handschrift vgl. das Vorwort der Editoren (GT, VIII-XI) und die Liste der lückenhafte Texte bei Gyulxandarean (Girk' t ' l t ' o c ' i pakasnere ew nranic' durs mnac'ac' t'lt'ere, Ararat 1902, 560-569.748-53). Letzterer erkannte, daß die Redaktion des Tifliser GT noch von zwei jüngeren Handschriften aus K'pel (17. Jh.) und Ëjmiacin (1767) vertreten wird, die die Mängel der Tifliser Edition partiell ausgleichen. Dies sind die Erevaner Handschriften Nr. 2966 und Nr. 30622. Auf die Bedeutung der beiden Sammelhandschriften hatte früher schon K. Tër-Mkrtc'ean hingewiesen und Teile daraus in der Zeitschrift Ararat publiziert (zitiert nach der alten Zählung des Ëjmiaciner Kataloges als Nr. 58 und 100). Das Tifliser G T wird außerdem ergänzt durch eine armenische Handschrift von 1316 aus Tiflis, die Melik'set'-Bek (Girk' T ' l t ' o c ' [wie Anm 24] 31-34; ders., Graeco-Byzantina [wie Anm 24] 264) zum Vergleich heranzog. Andere Parallelhandschriften, die in Zukunft zur Vervollständigung in Frage kämen, hat A. Bozoyan zusammengestellt (vgl. Anm. 7).

Das armenische "Buch der Briefe"

521

stammte, der seine GT-Abschrift im Jahre 527 armenischer Zeitrechnung, d. h. 1077/78 fertiggestellt und mit seinem Geburtsnamen "Vahram, Sohn des Grigor Magistros" gezeichnet hatte.31 Dessen Kolophon hatte Thomas in seine Kopie übernommen und — wie es in den Scriptorien Brauch war — diesem ein eigenes Kolophon angeschlossen. Der erste und älteste Teil des Tifliser GT basiert somit auf einer Handschrift des Katholikos Vkayasër; er war der älteste Sohn von Grigor Magistros, jenes homme des lettres, der wegen seiner Gelehrsamkeit über die Grenzen Armeniens hinaus anerkannt war und weitreichende wissenschaftliche und politische Kontakte pflegte.32 Vkayasër, der von seinem Vater eine vorzügliche Ausbildung erhalten hatte, ging seinen wissenschaftlichen Neigungen auch als Katholikos nach: die Administration der armenischen Kirche übertrug er seinem Stellvertreter Bischof Gregor von Lori, von dem ein Schreiben an den syrischen Patriarchen ins GT aufgenommen wurde;33 er selbst unternahm von 1067-1072 ausgedehnte Reisen, von denen er griechische und syrische Werke mitbrachte und sie ins Armenische übersetzen ließ.34 Der zweite und größere Teil des Tifliser GT (S. 219-536) bildet die von Thomas erweiterte Fassung der Vkayasër-Abschrift. In einem zweiten Kolophon35 bezeugt er selbst, daß er der Abschrift weitere Dokumente hinzugefügt habe. In der Tat handelt es sich bei den zuletzt aufgenommenen Dokumenten um zeitgenössische Texte aus dem kilikischen Umfeld: sie stammen u.a. von Yovhannës Garnec'i (t um 1245), von dem armenischen Katholikos Konstantin I. (t 1267) und von dem eng mit dem Königshaus der Hethumiden verbundenen Geschichtsschreiber Vardan Arewelc'i (t 1271). Während der erste, von Vkayasër überlieferte Teil des GT die Briefe in chronologischer Ordnung bringt und insgesamt auch thematisch ein homogenes

51

"Exemplar der Schriften, das dem Herm Georg Vkayasër gehörte, bis zu dieser Stelle. Und er hat so geschrieben: Gedenket des Vahram, Sohn des Grigor Magistros, in euren Gebeten, oh ihr glücklichen Glieder aus der orthodoxen Gemeinschaft des askanasischen Geschlechts" (GT 219). 32 Vgl. M. Leroy, Grégoire Magistros et la traductions arméniennes d'auteurs grecs", AlPh 3 (1935) 274. 33 GT 335-357; vgl. dazu Ter-Minassiantz (wie Anm. 16) 101-114. 34 V. Inglisian, Die armenische Literatur, HO I, 7, Leiden 1963, 190. 35 "...in der Hoffnung auf Christus unternahm ich es, die verstreuten und verschiedenen Briefkorrespondenzen der hl. Väter aufzuschreiben, welche für den rechten Glauben des Christusbekenntnisses in unterschiedlicher Zeit herausgegeben worden waren und zur Erinnerung zurückgelassen wurden als Beistand für die Nachkommen ... mit zittriger Hand schrieb ich das Buch der gesammelten Briefe" (GT 538/11-16).

522

Gebilde

Andrea Schmidt

darstellt,

läßt der zweite von Thomas

erweiterte

Teil sowohl

die

chronologische Ordnung als auch die inhaltliche Geschlossenheit vermissen. Texte unterschiedlicher Gattung aus dem 7.-13. Jh., darunter Übersetzungen aus dem Griechischen, werden in bunter Reihenfolge zugefügt. Am Ende bleibt es auch nicht mehr bei der Gattung Brief {fuit"),

sondern Abschnitte aus den Plerophorien des

Johannes Rufiis (anonym) stehen neben einer Vision des Johannes von Garni und Auszügen aus dem theologischen Schrifttum des Vanakan Vardapet. Dagegen fehlen, hätte der Kopist wirklich eine Vervollständigung der

kontroverstheologischen

Kirchenkorrespondenz aus seiner Zeit beabsichtigt, die wichtigen Briefe eines Nersës von Lambron, der Katholikoi Grigor Tlay, Konstantin I. u. a., welche mit Leichtigkeit aus den Archiven hätten zusammengetragen werden können. Während der erste Teil der GT-Sammlung ausschließlich unter christologischen Gesichtspunkten zusammengestellt ist, wird nunmehr ein einheitliches inhaltliches Konzept aufgegeben. Hierin bestätigt sich die eingangs gemachte Beobachtung, daß ein normatives G T eine künstliche Größe der Literaturwissenschaft ist; in der Realität der Überlieferung oblagen die GT-Redaktionen der Probabilität des Kopisten. Eine Einschränkung muß gemacht werden: ein ganz bestimmter Textteil des GT, nämlich die Korrespondenz aus dem 6./7. Jh., wurde fast immer abgeschrieben. Dieses "GT im GT" bildet den theologischen Grundstock aller GT-Überlieferungen und kann gewissermaßen als die Urform aller anderen, erweiterten GT-Redaktionen bezeichnet werden.

Zur Entstehung des GT Die Herausbildung des GT als konfessionskundliche Quellensammlung hängt mit den Auseinandersetzungen um die Anerkennung von Chalcedon zusammen, welche seit der Synode von Dvin (505) in den kaukasischen Kirchen von Armenien, Georgien, Albanien (Ahiank 1 ) und Siwnik' ausgebrochen waren. Um die Mitte des 6. Jhs. entscheidet

sich

die

armenische

Kirche

offiziell

gegen

die

chalcedonische

Christologie mit allen Konsequenzen, die sich daraus für die Beziehung zu den chalcedonisch orientierten Kirchen von Albanien und Georgien ergeben. Die zwei von Anbeginn unter armenischer Jurisdiktion stehenden Ostprovinzen Albanien und

Das armenische "Buch der Briefe"

523

Siwnik' hatten um 570 Beziehung mit dem chalcedonischen Patriarchat von Jerusalem aufgenommen und waren bestrebt,

ihre kirchliche Autonomie zu

erweitern, was sich z.B. auswirkte in der Weihe des heiligen Myron, sowie in der Weihe des Bischofs von Siwnik' durch den albanischen Katholikos, statt, wie zuvor, durch

das

armenische

Oberhaupt.

Dieselben

Streitigkeiten

um

die

Weihe

chalcedonischer Bischöfe und die Verurteilung Chalcedons als "nestorianisches Konzil" führten zu dem Bruch mit der georgischen Kirche. Die Führung der antichalcedonischen Mehrheit in der armenischen Kirche lag in der Hand von Vrt'anës K'erdot 36 , der zwischen 604 und 607 locum tenens des vakanten Katholikats war. Die von ihm und über ihn erhaltene Korrespondenz im GT beweist, daß es seinem kompromißlosen Durchgreifen zu verdanken ist, wenn die armenische Kirche letztlich im Fahrwasser der antichalcedonischen Opposition verblieb. Chalcedonische Bischöfe, die sich sowohl auf byzantinischem wie persischem Territorium Armeniens befanden, mußten auf byzantinisches Herrschaftgebiet ausweichen, das Volk wurde wiedergetauft oder harten Bußleistungen unterworfen. Auch literarisch trägt der antichalcedonische Widerstand in der armenischen Kirche das Signum dieses markantesten Theologen seiner Zeit. Die armenische Übersetzung der berühmten "Widerlegung des Konzils von Chalcedon" des Timotheus Aelurus wurde von ihm angeregt.37 Ferner ließ er unter den Bischöfen ein antichalcedonisches Dossier verbreiten, in dem der Synodalbeschluß der ersten Synode von Dvin

36

(505),38

das

Henotikon39,

der

pseudonyme

Anastasius-Typos40,

und

Der Name K'erdol (vgl. ποιητής, γραμματικός) ist seit Mitte 6. Jh. in der armenischen Kirche als Ehrentitel für große Gelehrsamkeit in Gebrauch, muß aber von der Institution und dem kirchlichen Rang des Vardapeten unterschieden werden. 37 Hg. K. Ter-Mkrtc'ean/E. Ter-Minasyan, Leipzig 1908. In den Briefen aus dem ausgehenden 6. Jh. wird die "Widerlegung" viele Male als orthodoxe Bekenntnisschrift gerühmt; vgl. A. Schmidt, Die Refutatio des Timotheus Aelurus gegen das Konzil von Chalcedon. Ihre Bedeutung für die Bekenntnisentwicklung der armenischen Kirche Persiens im 6. Jh., OrChr 73 (1989) 149-163. 38 GT 4 1 ^ 7 . Der Synodalbeschluß wird deswegen von den armenischen Antichalcedoniern immerfort angeführt, weil sich hier die Armenier zusammen mit den georgischen und albanischen Bischöfen noch auf das henotische Bekenntnis einigen konnten, was dann im nachhinein als ein Bekenntis gegen Chalcedon ausgelegt wird und somit als ein Bruch der Georgier und Albaner in der einstigen Glaubensgemeinschaft. 59 GT 269-271; vgl. die Übersetzung von F.C. Conybeare, AJT 9 (1905) 735-37. Eine unvollständige Überlieferung findet sich im Florileg Knik' Hawatoy, hg. von K. Tër-Mkrc'ean, Ejmiacin 1914, 126127. Das Henotikon ist seit 505 durch syrische Vermittlung in Armenien bekannt.

524

Andrea Schmidt

wahrscheinlich auch die cyrillischen Anathematismen gegen Nestorius41 enthalten waren. 42 So schreibt ihm der armenische Bischof Movsës von C'urtaw, er habe die "Widerlegung" des Timotheus Aelurus erhalten, zudem noch andere Briefe der orthodoxen Väter gegen die Dyophysiten, nur das Henotikon und den AnastasiusTypos habe er noch nicht bekommen.43 Ein Seitenstück dieser literarischen Fehde gegen die Chalcedonier, die ihrerseits Schriften in Umlauf brachten, war das Zusammentragen armenischer Väterschriften aus dem Patriarchatsarchiv in Dvin: der Kristallisationspunkt des späteren

"Buchs der Briefe".

Diesem

dogmatischen

Rüstzeug wurden die Korrespondenzen des Vrt'anës und der in seiner Zeit amtierenden Katholikoi angefügt. Das Patriarchatsarchiv war gut organisiert. Bei der Inthronisation des Katholikos Abraham (607) konnte Vrt'anës ausführliche Inventarlisten des Kirchenschatzes vorlegen, darunter Kataloge von "Büchern verschiedener Thematik und verschiedener Herkunft, kirchliche und gelehrte Bücher".44 Obgleich Vrt'anës als Autor der ersten GT-Sammlung in den Quellen nicht eigens bezeugt ist, fällt die Entstehung in die Zeit seines kirchenpolitischen Wirkens (604 bis ca. 616). Nicht viel später benutzt nachweislich zum ersten Mal Katholikos Komitas (615-628) die Sammlung, in dessen Amtszeit Vrt'anës als Aufseher des heiligen Hrip'simë-Schreins noch lebt. Komitas übernimmt Auszüge aus dem GT in sein Florileg "Siegel des Glaubens" (Knik'

40

G T 277-278. Übersetzung von F . C . Conybeare (wie Anm. 39) 739-740; lateinisch von J. Lebon, R H E 25 (1929) 7f. Eine kürzere, wahrscheinlich ältere Rezension im Knik' Hawatoy (wie Anm. 39) 128; vgl. Ch. Moeller, Un fragment du type de l'empereur Anastase, StPatr 3 (1961) 242; A. Grillmeier (wie Anm. 1) 311.314. Der wirkliche Autor des Schriftstücks, das 595 ins Armenische übersetzt wurde, ist Severus, der es auf Anweisung des Anastasius zwischen 508 und 511 verfaßt hat.

41

G T 361-363, 396-406 (jüngere Version). Erstmalige Nennung der zwölf Anathematismen im Synodalbeschluß der ersten Synode von Dvin (GT 49). Die älteste bekannte armenische Überlieferung findet sich in der "Widerlegung" des Timotheus Aelurus (wie Anm 37) 165-167. Ferner gibt es im K n i k ' Hawatoy (wie Anm. 39) 229-241 eine weitere Überlieferung. 42 Vgl. die Zitierung dieser Zeugnisse im G T 140, 141-142 u.ö. Über die bei den Antichalcedoniern relevanten Bekenntnisschriften ausführlicher in meinem Beitrag für Band II/3 von A. Grillmeier, Jesus der Christus . . . , Die Kirchen von Jerusalem und Antiochien mit Armenien, Georgien, Persien (in Arbeit). 43 G T 140/19-22. - Akinean (wie Anm. 19) 42-43, schreibt aufgrund dieses Zitats die Autorschaft des G T Bischof Movsës zu, wobei dessen Korrespondenz mit Vrt'anës (GT 110-145, vgl. die Gliederung 3 . 1 . ) die Grundlage des G T gebildet haben soll, welche hemach durch andere Schreiben aus dem Archiv erweitert wurde. Die chronologische Ordnung der Vrt'anës-Movsës Korrespondenz würde beweisen, daß nur ein unmittelbarer Zeitgenosse die Briefe zusammengestellt haben konnte. 44

Uchtanës II, Kap. 38. Vgl. auch die Bekenntniskanones der Wahlsynode von Dvin (607), deren Archivierung ausdrücklich schriftlich beglaubigt wird (GT 150/11).

Das armenische "Buch der Briefe"

525

H a w a t o y ) und fügt der B r i e f s a m m l u n g seinerseits e i n Glaubensschreiben hinzu. D a m i t ist die Urfassung des G T A n f a n g des 7 . Jhs. unter K o m i t a s z u m A b s c h l u ß gekommen.45 V o r d e m 10. Jh. findet sich kein weiterer B e l e g m e h r über die R e z e p t i o n der G T S a m m l u n g . D e r Ü b e r l i e f e r u n g s f a d e n aus d e m 7 . Jh. reißt ab, u m erst w i e d e r m i t d e m armenischen Historiker Uchtanës ( t 9 8 7 ) a u f g e n o m m e n w e r d e n zu k ö n n e n . N a c h e i g e n e n A n g a b e n schreibt Uchtanës eine Q u e l l e n s a m m l u n g , die er als "Buch der

Briefe"

bezeichnet,

für

die

Darstellung

des

armenisch-georgischen

K i r c h e n s c h i s m a s i m z w e i t e n B u c h seines G e s c h i c h t s w e r k s aus. 4 6 B e i dieser i h m v o r l i e g e n d e n B r i e f s a m m l u n g kann er bereits auf inhaltlich voneinander a b w e i c h e n d e Fassungen

zurückgreifen,

die

er

miteinander

kombiniert. 4 7

Er

entnimmt

der

S a m m l u n g die Korrespondenzen v o n Vrt'anës, B i s c h o f M o v s ë s , M a r z p a n Smbat, d e n a r m e n i s c h e n Katholikoi M o v s ë s II. und Abraham, s o w i e d e m g e o r g i s c h e n Katholikos Kiwrion.

Ein Vergleich

mit d e m

Tifliser G T

z e i g t dabei,

daß das

von

ihm

ausgeschriebene G T in der R e i h e n f o l g e der Briefe identisch war. 4 8

45

Obgleich Komitas nirgendwo in den Quellen als Autor des GT genannt wird, schreibt Adone' (wie Anm. 22) 176f., ihm die Erstredaktion zu; vgl. Melik'set'-Bek, Mi p'orj (wie Anm 24) 29; ders., Graeco-Byzantina (wie Anm. 24) 263. Eine andere Überlegung, den ersten Sammler des GT mit einer bekannten Persönlichkeit der armenischen Kirche zu identifizieren, ist die Zuschreibung an den Katholikos Yovhannës Ojnec'i (718-729), so die Editoren des GT (ebd., V) und Ormanean (Azgapatum, 608). - M.E. trägt es nichts ein, sich bei der Frage der Verfasserschaft ad personam festzulegen. Auch die Historiographen, die das GT später als Quelle ausschreiben, kennen keinen Verfasser, sondern benutzen es als anonyme Archivaliensammlung. 46 Bishop Ukhtanes of Sebastia, History of Armenia. Part II: History of the Severance of the Georgians from the Armenians. Transi., Introd. and Comm. by Z. Arzoumanian, Fort Lauderdale 1985, Kap. 4, 24, 54, 60, 62. 47 Ebd., Kap.4, 24. Die Spur einer anderen Redaktion des GT läßt sich bei Step'annos Orbëlean ( t 1304) verfolgen, der in seinem Geschichtswerk eine Quellensammlunge erwähnt, die Katholikos Anania Mokk'ac'i ( t 965) aus eigenen Briefen und denen seiner Vorgänger zu einem Buch der Briefe, genannt "Briefe des Glaubens" zusammengestellt hatte (M. Brasset, Histoire de la Siounie par St. Orbelian, St. Petersburg 1864, Kap. 52). In Ananias Amtszeit trennten sich die Kirchen von Albanien und Siwnik' erneut von der armenischen Kirche und anerkannten das Chalcedonense. Ananias Redigierung des Buchs der Briefe dürfte mit dem Schisma in Zusammenhang stehen. Gleichfalls haben die Geschichtsschreiber Yovhannës Drasxanakerc'i ( t 929) und Movsës Dasxuranc'i ( t 1004) Briefsammlungen als Quellen ausgewertet. 48

Auf die von Uchtanës vorgenommene inhaltliche Bearbeitung der Briefe, um die Orthodoxie der Armenier gegenüber den "schismatischen" Georgiern ins helle Licht zu rücken, kann hier nicht eingegangen werden.

526

Andrea Schmidt

Gliederung des Tifliser GT Da die Frage nach der Entstehung des GT unmittelbar mit den christologischen Bekenntnisdiskussionen in den kaukasischen Kirchen zusammenhängt, ist es nützlich, im Anschluß einen zusammenfassenden Überblick über die eben skizzierte älteste Textschicht des Tifliser GT zu geben. Dies halte ich auch für wichtig im Hinblick auf eine künftig bessere Rezeption der Quellentexte in der nichtarmenischen theologischen und historischen Forschung.

Chronologische Periodisierung des ersten Teils des Tifliser-GT: G T 1-219

1. Gruppe

1.1 Armenisch-Byzantinische Korrespondenz (von 432-437)49 Akakius von Melitene an Patriarch Sahak (um 432/434)

14-15

Antwort Sahaks

16-18

Proklus von K'pel: Tomus an die Armenier (435) Antwortschreiben von Sahak und Mastoc' (436) Akakius an die armenischen Fürsten (436/7)

1-8 9-13 19-21

1.2 Pseudonyme christologische Schriften (5.-8. Jh.?)50 Eine Abhandlung über die eine Natur Christi des Movsës K'erdolahayr (Xorenac'i?)51

22-28

Die literarkritischen Probleme und die theologische Bedeutung des Proklustomus, sowie die Authentizität von Sahaks Antwortschreiben und die damit verbundenen historischen Fragen sind ausführlich diskutiert worden, vgl. die Literatur bei Grillmeier (wie Anm. 1) I, 729; G. Winkler, Die spätere Überarbeitung der armenischen Quellen zu den Ereignissen der Jahre vor bis nach dem Ephesinum, OrChr 70 (1986) 160- 170; dies., An Obscure Chapter in Armenian Church History (428439), REArm 19 (1985) 85-180. 49

Die beiden inhaltlich aufeinander bezogenen Schriften sind in den Handschriften als ein zusammengehöriger Textkomplex überliefert. Thematisch passen sie zum Inhalt des G T . Zur Diskussion aber um die Verfasserschaft, Datierung und Originalsprache (griech.?) beider Schriften, welche mit Sicherheit nicht aus dem 5. Jh., d.h. von dem Geschichtsschreiber Xorenac'i und dem Patriarchen Mandakuni stammen vgl. Talion (wie Anm. 12) 20; K . Sarkissian, The Council of Chalcedon and the Armenian Church, London 1965, 180-195; Frivold (wie Anm. 28) 22-25; und neuerdings die aufgrund sprachlicher und literarischer Analyse bemerkenswerte These (Werk des Philoxenus von Mabbug?) von Ananean, Girk' T ' l t ' o c ' (wie Anm. 29) 254ff. 50

51

Vgl. die Übersetzung bei Frivold (wie Anm. 28) 66-78 (arm. Nachdruck, ebd., 37-43).

Das armenische "Buch der Briefe"

527

E i n e A b h a n d l u n g über die eine oder z w e i N a t u r e n Christi d e s E r z b i s c h o f s Y o v h a n n ë s (Mandatami?)

29-40

2. Gruppe: der "GT-Archetyp"

Pankaukasische Synode und Annahme des Henotikons; Beziehungen zu syrischen Monophysiten; Verurteilung der Nestorianer (Chalcedonier) auf einer zweiten Synode. Der Briefwechsel spiegelt die Schwierigkeiten eines geschlossenen Vorgehens der armenischen Kirche gegen die Dyophysiten (Nestorianer, Chalcedonier) wider und die nur mühsam kontrollierten Separationstendenzen ost- und südarmenischer Diözesen. 2 . 1 K o r r e s p o n d e n z der armenischen Kirche m i t syrischen M o n o p h y s i t e n ( 5 0 5 - 5 5 7 ) 5 2 2 . 1 . 1 K a t h o l i k o s B a b g ë n ( 4 9 0 - 5 1 5 ) und die 1. S y n o d e v o n D v i n ( 5 0 5 ) Erster Brief B a b g ë n s auf der S y n o d e v o n D v i n an e i n e A b o r d n u n g syrischer M o n o p h y s i t e n unter Leitung v o n S y m e o n v o n Beth A r s a m ( 5 0 5 ) 5 3 Z w e i t e r Brief an S y m e o n ( u m 5 0 8 )

41-47

54

48-51

2 . 1 . 2 K a t h o l i k o s N e r s ë s II. ( 5 4 8 - 5 5 7 ) und d i e 2. S y n o d e v o n D v i n ( 5 5 5 ) Brief m o n o p h y s i t i s c h e r Syrer (Julianisten) unter Leitung d e s Syrers A b d ß o aus d e m Kloster Sarbat' 5 5 ( u m 5 4 8 / 5 5 2 ) " A n t w o r t s c h r e i b e n des Nersës

57

52-54 55-58

Z w e i Briefe d e s v o n N e r s ë s g e w e i h t e n B i s c h o f s A b d l s o ' (um 5 5 3 ) 5 8

52

59-61, 62-65

Vgl. E. Ter-Minassiantz (wie Anm. 16) 29-59; V. Inglisian, Chalcedon und die armenische Kirche, in: A. Grillmeier/H. Bacht, Das Konzil von Chalcedon II, Würzburg 5 1979, 361-380; Sarkissian (wie Anm. 50) 196-213. 53 Erstedition von K. Têr-Mkrtc'ean, in: Ararat 1898, 383-386; Übersetzung (partim) bei TerMinassiantz (wie Anm. 16) 152-157. 54 Erstedition von K. Tër-Mkrtc'ean, in: Ararat 1898, 471-472; Übersetzungen von Ter-Minassiantz (wie Anm 16) 152-157 (partim); Frivold (wie Anm. 28) 79-83 (arm. Nachdruck, ebd., 44-47). Ein Zusammenschnitt beider Briefe (GT 44/21-45/19; 49/5-12-50/10-25) im Knik' Hawatoy, 133-135. Zur Literarkritik des Briefes, der 572 beim armenischen Aufstand verbrannte, vgl. Ananean (wie Anm. 29) 244-248.252; Melik'set'-Bek, Graeco-Byzantina (wie Anm. 24) 265f. Die erhaltene Fassung ist eine Rückübersetzung aus dem Griechischen von 595. 55 Provinz Arzanënë (Aljnik'), Kanton Sasun, im Süden des Taurusgebirge ca. 50 km östlich von Martyroupolis (Maiferqat); vgl. Garritte (wie Anm. 6) § 62. 56 Übersetzung bei Tër-Minassiantz (wie Anm. 16) 157-161. 57 Übersetzung bei Ter-Minassiantz (wie Anm. 16) 162-164. — Das Glaubensbekenntnis und die Anathemata (ebd., 56/21-57/9) wurden in das Florileg des Komitas Knik' Hawatoy, 135-136, übernommen. 58 Übersetzung bei Ter-Minassiantz (wie Anm 16) 164-166 und Frivold (wie Anm. 28) 88-96 (arm. Nachdruck, ebd., 48-51).

528

Andrea Schmidt

59 Zwei dem Abdßo' zugeschriebene Bekenntnisfragmente.59

66-69

Wiederholter Synodalaufruf an neun armenische Bischöfe 60 aus dem Südosten Armeniens (553/54).60

70-71

Beschluß der 2. Synode von Dvin über die Vertreibung der Dyophysiten (555)61

72-75

Mahnschreiben des Nersês und der Bischöfe von Tarön und Siwnik' an die Bischöfe von Mardpetakan und Arcrunik' über die strenge Durchsetzung des Synodalbeschlusses (556/57)'.62

76-77

2.2 Korrespondenz der armenischen Kirche mit Albanien und Siwnik' (von 566-574) Diese Korrespondenz bezeugt den starken Dissenz, der zwischen den armenischen Bischöfen und den Kirchen von Albanien und Siwnik' in den christologischen Bekenntnisfragen bestand, verstärkt durch die Unterstützung, die der Patriarch von Jerusalem den chalcedonfreundlichen Bischöfen gab. Die Schreiben des armenischen Katholikos fordern u. a. die Einhaltung des Beschlusses der 2. Synode von Dvin und die Entsendung dreier Bischöfe zwecks Unterweisung in das "wahre" orthodoxe Bekenntnis.

2.2.1 Katholikos Yovhannës II. (557-574) Brief an Bischof Vrt'anês von Siwnik' und den Landesfursten Mihr Artasir (um 566)63 Brief an den albanischen Katholikos Abas (um 571)

78-80 64

81-84

59

Übersetzung bei Frivold (Anm. 28) 97-106 (arm. Nachdruck ebd., 52-55). — Die Fragmente, im GT mit "Briefe des Abdïso'" überschrieben, bestehen nur aus Anathemata und kurzen katechetischen Lehrsätzen; es fehlen Absender, Adressat und Grußformeln. Zweifelhaft ist die Verfasserschaft Abdlso's. Die Anathemata (GT 66/21-67) finden sich auch im Knik' Hawatoy, 369-370, hier aber als Teil einer längeren Widerlegung von häretischen Glaubenssätzen eines anonymen Verfassers; dieselbe Passage findet sich ebenfalls anonym in jüngeren Florilegien (vgl. Knik' Hawatoy, 366.433). Die Zuschreibung an Abdßo' bleibt weiterhin fragwürdig angesichts der Überlieferung der Fragmente unter dem Namen des Johannes Chrysostomus oder des Katholikos Abraham (f 615) oder auch als Teil eines "Bekenntnisses der Synode von Antiochien" (A.S. Anasyan, Haykakan Matenagitut'yun I, Erevan 1959, 941f.; V. Hakobyan, Kanonagirk' Hayoc' II, Erevan 1971, XLVI-XLVIII; N. Akinean/P. Têr-Polosean, Abdisoy eps. ew Nersës II. Astarakec'i, HandAm 88 [1974] 138f.). Obgleich die Verfasserschaft strittig ist, so gehören die Bekenntnisstücke stilistisch und inhaltlich in die Epoche des ausgehenden 6. /Anfang 7. Jhs. 60

Übersetzung bei Frivold (wie Anm. 28) 107-110 (arm. Nachdruck, ebd. 56-57). Übersetzung von M. van Esbroeck, Impact de l'Écriture sur le Concile de Dwin en 555, AHC 18 (1986) 311-312. 62 Übersetzung bei Frivold (wie Anm. 28) 111-113 (arm. Nachdruck, ebd., 58-59). 63 Überliefert auch in dem Geschichtswerk des Step'anos Orbelean, vgl. Brosset (wie Anm. 47) Kap. 23. 64 Überliefert auch bei Movsês Dasxuranc'i (C.J.F. Dowsett, The History of the Caucasian Albanians by Movsês Dasxurançi, London 1961, II, Kap. 7); das christologisches Bekenntnis und die Anathemata (GT 82/8-83/27) außerdem im Knik' Hawatoy, 136-139. 61

529

Das armenische "Buch der Briefe"

2.2.2 Traktat des Yovhannes über das Epiphaniefest65

85-89

Nach der Übernahme des römischen Geburtsfestes am 25. Dezember in den meisten Kirchen des Ostens im Verlauf des 6. Jhs. zog die armenische Kirche mit ihrem unbedingtem Festhalten an der "Tradition der Vorfahren" auch in dieser Frage nicht mit. Die Hinzufügung des Epiphanietraktats zu den anderen Briefen des Katholikos ist von dem Redaktor des GT eine inhaltlich sinnvolle Ergänzung, weil die Festtagsfrage ein großes Problem in den Bekenntnisdiskussionen der armenischen Kirche mit den anderen Kirchen war. Der Katholikos plädiert für die Feier von Christi Geburt und Epiphanie an ein und demselben Festtag; christologische Begründung für die Beibehaltung der traditionellen Zusammenfeier beider Festtagsinhalte: die Trennung in zwei Feste spiegele die Teilung des Logos in zwei Personen wider, dessen Fleischwerdung und dessen Offenbarung als Gottessohn in der Taufe zusammen geschaut und gefeiert werden müsse; eine Trennung dieses Festtages sei ein nestorianisches Auseinanderreißen der Gottessohnschaft Christi in zwei Naturen.

2.3 Interregnum. Die Korrespondenz des locum tenens Vrt'anes K'erdol als Auftakt des Schismas zwischen der armenischen und georgischen Kirche (um 604) Der durch Kaiser Maurikius 571 für die armenischen Westprovinzen in Awan, am Grenzfluß Azat eingesetzte chalcedonische Gegenkatholikos Johannes von Bagaran bleibt bis zu seiner persischen Gefangennahme (610) das Oberhaupt der chalcedonischen Armenier. Das Schisma und die fortlaufenden Bekenntnisstreitigkeiten erschweren nach dem Tod von Katholikos Movsës II. (574-604)" die sofortige Wahl eines Nachfolgers für den persischen Teil Armeniens. Vrt'anes K'erdol bekleidet stellvertretend das Amt des Katholikos. In dieser Eigenschaft wird er zum radikalsten Verfechter der antichalcedonischen Opposition in der armenischen Kirche. Der in byzantinischem Dienste stehende armenische General Sormën (Suren) ist der Sprecher der chalcedonischen Westarmenier, die von Vrt'anes unerbittlich verfolgt und zur Wiedertaufe gezwungen werden. Er schlägt eine Wahlsynode vor, die zur Beilegung des kirchlichen Schismas den amtierenden Johannes zum Oberhaupt aller Armenier wählen soll. V. aber fordert vor der Einberufung einer Wahlsynode die Verwerfung Chalcedons.

Brief des byzantinisch-armenischen Generals Sormën

90-92

Antwort des Vrt'anes

93-98

Brief eines Petrus an Unbekannt

67

99-107

Bußschreiben eines Privatmannes, des Sahak aus Arac, einem Ort

65

Übersetzungen von Frivold (wie Anm. 28) 114-120 (arm. Nachdruck, ebd., 60-64) und von Esbroeck (wie Anm. 61) 313-315. 66 Von ihm sind im G T keine Briefe überliefert. Uchtanês kennt allerdings einen 603 geschriebenen Briefwechsel mit dem georgischen Katholikos Kiwrion, den er jedoch nicht in seinem GT gefunden hatte, sondern in einem Archiv in Tbilisi, wo er ihn sich aus dem Georgischen übersetzen ließ, s. Uchtanês, Kap. 2-4; vgl. Aleksidze (wie Anm. 27) 123-131. 67 Interpolation? Die Bekenntnisepistel ist formal kein Brief, auch sind der Verfasser (ein Petrus) und der Empfänger (ein Bruder im Glauben) noch nicht identifiziert. Arzoumanian (wie Anm. 46) 148, Anm. 3, identifiziert ihn mit dem zeitgenössischen georgischen Bischof Petrus (vgl. G T 136), der sich den chalcedonischen Bestrebungen Kiwrions widersetzte. M . E . ist der Text stilistisch (hellenophile Wortbildungen, griech. Syntax) eine Übersetzung aus dem Griechischen, wovon das Original bislang unbekannt ist. Die Analyse des Bekenntnisses zeigt außerdem, daß der Text nach 630 entstanden sein muß, da u.a. der Glauben an die zwei Energien oder Tätigkeiten in Christus verdammt werden, wonach bei der Abfassung des Textes der Monotheletismusstreit schon ausgebrochen sein mußte. An anderer Stelle wird der Brief des Akakius von Melitene an die Armenier erwähnt; diese Äußerung über die Armenier zeigt ebenfalls, daß es sich bei dem Verfasser u m einen Nichtarmenier handeln muß. Zuletzt wird bei der Väterliste Gregor Illuminator nicht genannt, der zumindest bei den Armeniern immer in einer Reihe mit den drei griechischen Gregoren steht.

530

Andrea Schmidt

im südöstlichen Zipfel der Provinz Ayrarat, an die Bischöfe von Basean und Amatunik', an den Fürsten von Dastkaran (einen Bruder des Vrt'anës) und an Vrt'anës

108-109

Der Verfasser bekennt sich schuldig, mit Chalcedoniern in Gemeinschaft gestanden zu haben; er muí! eine hohe Geldstrafe bezahlen und das Versprechen ablegen, auch die Kontakte zur Verwandtschaft seiner Frau abzubrechen, die dem chalcedonischen Bekenntnis angehören. Das Dokument macht deutlich, welche Strafen von V. über die Chalcedonier in Persarmenien verhängt wurden. Es zeigt auch, wie tief der christologische Streit in das private Leben eingriff. Diese Art Bußschreiben, wie es das GT bewahrt hat, ist wahrscheinlich kein Einzelfall gewesen.

3. Gruppe: Das Schisma zwischen der armenischen und der georgischen Kirche und Katholikos Abraham (607-615) 68

3.1. Die Korrespondenz zwischen Vrt'anës K'erdol und dem armenischen Bischof Movsës von C'urtaw (von 605-607) M . , seit 599 von Kiwrion geweihter Bischof von C'urtaw der iberischen Provinz Gugark', fuhrt seinen Briefwechsel mit V. vom Exilkloster St. Johannes Baptist in Aragacotn aus, nicht weit von Dvin gelegen, wohin er im Winter 605 wegen des Streits mit dem georgischen Katholikos über einen von Kiwrion geweihten chalcedonischen Bischof fliehen mußte. Bitte an V., in die Auseinandersetzungen einzugreifen und an die georgischen Bischöfe Briefe zu schicken, um sie ihres chalcedonischen Irrtums zu belehren. V. rühmt Movsës in seinen Briefen als den Statthalter des orthodoxen Glaubens unter den "abtrünnigen und umstürzlerischen Georgiern", oder bezeichnet ihn als den "Eiferer und lieben Bruder des heiligen und orthodoxen Glaubens der Väter". Er schickt ihm als orthodoxes Glaubenszeugnis die "Widerlegung" des Timotheus Aelurus neben "verschiedenen anderen Schriften der seligen Lehrer, welche zurückweisen und verfluchen die Synode der Dyophysiten." Mit der Enzyklika des M. an seine Gemeinde in C'urtaw haben wir ein erstes sicheres Zeugnis fiir die Übersetzung des Chalcedonhoros ins Georgische bzw. Armenische, indem M. die hier die vier wichtigen Adverbien des Horos zitiert und christologisch interpretiert. Anhand der übrigen Korrespondenz kann man den Verlauf der Auseinandersetzungen mit Georgien um das Konzil von Chalcedon nachvollziehen. Besonders interessant ist die Argumentationsweise der armenischen Kirche hinsichtlich der Armeniern und Georgiern gemeinsamen apostolischen und konfessionellen Tradition.

Brief des Movsës an Vrt'anës69 Antwort Movsës

110-111

70

Enzyklika des Movsës an die Kirche von C'urtaw

112 71

Traktat über die Ursachen des 4. Konzils der Dyophysiten

68

113-118 72

119-127

Die Korrespondenz ist fast vollständig auch bei Uchtanës überliefert, vgl. die Übersetzung von Arzoumanian (Anm. 44). 69 Vgl. die armenisch-georgische Edition bei Aleksidze (wie Anm. 27) 1-3; Uchtanës, Kap. 11. 70 Vgl. Aleksidze (wie Anm 27) 3-4; Uchtanës, Kap. 12. 71 Vgl. Aleksidze (wie Anm. 27) 4-14; Auszug bei Uchtanës, Kap. 14 (er läßt die gesamte Explikation über das Bekenntnis der Chalcedonier weg). 72 Vgl. Aleksidze (wie A n m . 27) 15-29. Die Verfasserschaft ist strittig. Im GT wird der Text Movsës zugeschrieben, nach Akinean, Vrt'anës V r d p . ew ir erkasirut'iwnnera, HandAm 24 (1910) 40-42, ist der Verfasser Vrt'anës. Beachtenswert f ü r die Klärung der Verfasserschaft ist das Faktum, daß Uchtanës, der die Korrespondenz sonst vollständig oder wenigstens in Auszügen aufnimmt, das

Das armenische "Buch der Briefe"

531

Antwortschreiben der Bewohner von C'urtaw73

128-129 74

Enzyklika des Vrt'anes an Kirche und Volk von C'urtaw

130-131

75

132

76

133-134

Antwort der Kirche von C'urtaw 2. Brief des Movsës an Vrt'anes 77

Antwort des Vrt'anes

135 78

Vrt'anes an den georgischen Bischof Petrus

136-137

Vrt'anes an den georgischen Katholikos Kiwrion und an die georgischen Fürsten79

138-139

80

3. Brief des Movsës an Vrt'anes

140

81

Antwort des Vrt'anes

141-145

3.2. Die Wahlsynode von Dvin (607) Auf der ersten Sitzung der Synode (März 607), die zur Wahl des Katholikos von Vrt'anes und dem Marzpan Smbat einberufen worden war, wurde zuvor die Frage der chalcedonisch gewordenen Bischöfe behandelt, bevor sich die Synodalen (aus Byzantinisch- und Persarmenien) über einen Kandidaten einigen konnten. So erließ die Versammlung zunächst fünf Kanones, die die Buße und Wiederaufnahme der chalcedonischen Bischöfe und Priester behandelten. In einer zweiten von Smbat im April desselben Jahres einberufenen Sitzung wurde am Sonntag nach Ostern Abraham, Bischof von Rütunik', "treu dem orthodoxen Glauben ergeben", zum Katholikos gewählt. Der georgische Katholikos und der albanische nahmen an der Wahlversammlung nicht teil.

Fünf Kanones82

146-148 83

Bekenntnis des gemeinsamen Glaubens

149-150

Grigor K'erdot, Auseinandersetzung über die Frage der

Traktat nicht überliefert. Das Werk findet sich in den Homiliaren und Sammelhandschriften außerdem mit voneinander abweichenden Fassungen und Titeln, die verschiedenen monophysitischen Autoren zugeschrieben werden, u.a. Philoxenus, Abraham, Komitas, seltener aber V. oder M., Akinean (wie Anm 19) 39. Stilistisch und inhaltlich nicht aus einem Guß weicht das Traktat vom Duktus der übrigen Korrespondenz ab. Allem Anschein nach gehört das Traktat zu der in den Handschriften oft anonym oder unter wechselnden Autoren vorkommenden polemischen Literatur gegen Chalcedon, die besonders zu Beginn des 8. Jhs. einsetzte. 73

Vgl. Aleksidze (wie Anm. 27) 29-31; Uchtanës, Kap. 15. Vgl. Aleksidze (wie Anm. 27) 31-33; vgl. Uchtanës, Kap. 16. Vgl. Aleksidze (wie Anm. 27) 33-34; Uchtanës, Kap.17. 76 Vgl. Aleksidze (wie Anm. 27) 35-36; Uchtanës, Kap. 20. 77 Vgl. Aleksidze (wie Anm 27) 37-38; Uchtanës, Kap. 21. 78 Vgl. Aleksidze (wie Anm. 27) 38-40; Uchtanës, Kap. 23. 79 Vgl. Aleksidze (wie Anm. 27) 40-43; Uchtanës, Kap. 22. Eine Antwort Kiwrions ist nicht erhalten, was auch schon Uchtanës (Kap. 24) bemerkt. 80 Vgl. Aleksidze (wie Anm. 27) 43-44; Uchtanës, Kap. 25. 11 Vgl. Aleksidze (wie Anm. 27) 44-52; vgl. Uchtanës. Kap. 26 und 28. 82 Vgl. Aleksidze (wie Anm. 27) 53-56; vgl. Uchtanës, Kap. 30. 83 Vgl. Aleksidze (wie Anm. 27) 57-59; Uchtanës, Kap. 31-33. 74 75

532

Andrea Schmidt

liturgischen Verwendbarkeit der von Chalcedoniern errichteten bzw. "entweihten" Altäre84

153-160

3.3. Die Korrespondenz von Katholikos Abraham, dem georgischen Katholikos Kiwrion (Kyrion), Vrt'anës und Movsës von C'urtaw (von 607-609) Noch auf der Wahlsynode erzwingt Abraham erneut eine Bekenntnisschrift über die Einheit der ehemals chalcedonischen Armenier auf byzantinischem Gebiet mit den persischen Armeniern, deren Territorien aufgrund des Friedensvertrags zwischen Maurikios und Chosrow II. im Jahre 591 Persarmenien zugeschlagen worden waren. Die nach dem Tod von Movsës II. erstmals wieder vollzogene Bereitung und Segnung des hl. Myrons, sowie seine Austeilung an die versammelten Bischöfe ist mehr als ein Symbol fur die Überwindung des innerkirchlichen Schismas. Movsës von C'urtaw nahm an der Wahlsynode nicht teil; acht Monate später schreibt er anläßlich des Epiphaniefestes an den Katholikos. In seinen Briefen an Kiwrion betont Abraham die bisherige gegenseitige Wertschätzung, die gemeinsame apostolische Tradition in der Person des Gregor des Erleuchters und die Gemeinschaft in der Glaubenspraxis. Er erinnert an die gemeinsame Synode unter Bagen (505), wo nach sorgfältiger Überprüfung der chalcedonische Glaube der Byzantiner verworfen und die Übereinstimmung im Glauben schriftlich besiegelt wurde.

Bekenntnisschrift Abrahams und der Bischöfe 85 Movsës von C'urtaw an Abraham (608) Antwort des Abraham

87

1. Brief Abrahams an Kiwrion Antwort des Kiwrion

86

161-162 163

88

164-165

89

Marzpan Smbat und Vrt'anës an Kiwrion Antwort des Kiwrion

151-152

166-167 90

91

168-169 170-171

84 Formal und inhaltlich kein Brief, sondern ein gelehrtes Schreiben, das einem literarisch nicht weiter bekannten Zeitgenossen des Vrt'anës zugeschrieben wird. Der Adressat des Schreibens bleibt unbekannt. Der Traktat fällt durch den gräzisierenden Stil und durch zahlreiche griechische Lehrwörter auf; vgl. die Zusammenfassung dieses sprachlich schwer verständlichen Schreibens bei Akinian (wie Anm. 19) 153-154; auch hat es zu den aktuellen Streitigkeiten keinen direkten Bezug. Uchtanës erwähnt dieses Lehrschreiben nicht. Authentizität und Datierung des GT-Dokuments sind strittig. 85

Vgl. Aleksidze (wie Anm. 27) 59-61; Uchtanes, Kap. 37. Vgl. Aleksidze (wie A n m . 27) 61-64; Uchtanës, Kap. 41. 87 Aleksidze (wie Anm. 27) 64-66; Uchtanës, Kap. 42. 88 Vgl. Aleksidze (wie Anm. 27) 66-68; Uchtanes, Kap. 44. m Vgl. Aleksidze (wie A n m . 27) 69-72; Uchtanës, Kap. 45. 90 IM G T lückenhaft; vgl. ebenso Aleksidze (wie Anm. 27) 72-75; vgl. Uchtanës, Kap. 55 mit einer etwas kürzeren Version, ausgerechnet die Passage mit der im G T lückenhaften Stelle überliefert er nicht. Er bemerkt zudem, daß er diesen Brief nicht in seinem G T vorgefunden habe, weshalb er das Schreiben aus einem anderen GT-Exemplar kopiert habe. Ein glaubwürdiges Zeugnis dafür, daß Uchtanës seinerzeits auf mehrere, für die Korrespondenz des 7. Jh. fast identische Redaktionen des G T zurückgreifen konnte, und somit das Tifliser G T für diese erste Redaktionsphase einen Prototyp darstellt. 86

" Vgl. Aleksidze (wie A n m . 27) 76-79; Uchtanes, Kap. 56.

Das armenische "Buch der Briefe"

533

Movses von C'urtaw an Marzpan Smbat92 Antwort des Smbat

172-173

93

174-175

2. Brief des Abraham an Kiwrion Antwort des Kiwrion

94

176-177

95

178-179

3. Brief des Abraham an Kiwrion

96

180-184

Antwort des Kiwrion samt einer Darstellung der vier Konzilien Enzyklika des Abraham

98

97

185-188 189-195

Vrt'anës an den albanischen Bischof Mxit'ar von Amaras

99

196-211

4. Katholikos Komitas (615-628)

Glaubensbrief an die syrischen Christen in Persien über die Aphtharsia Christi (615) 100

212-219

Mit dem Glaubensbrief des Komitas schließt die erste Redaktion des GT ab. Katholikos Grigor Vkayasër kopierte 1077/78 diese Fassung des GT und markierte durch ein Kolophon das Ende der Sammlung. Der Umfang der von Uchtanës fast ein Jahrhundert

zuvor abgeschriebenen

Sammlung

dürfte dabei schon dem

GT

entsprochen haben, das Grigor Vkayasër kopierte.

92

Vgl. Aleksidze (wie Anm. 27) 79-82; Uchtanës, Kap. 58. Vgl. Aleksidze (wie Anm. 27) 82-84; Uchtanës, Kap. 59. 54 Vgl. Aleksidze (wie Anm. 27) 84-88; Uchtanës, Kap. 47. 95 Vgl. Aleksidze (wie Anm. 27) 88-91; Uchtanës, Kap. 48. 96 Vgl. Aleksidze (wie Anm. 27) 91-100; Uchtanës, Kap. 50. GT 180/18-183/19 findet sich auch auch im Knik' Hawatoy, 139-142. 97 Weite Teile des Briefes fehlen im GT. Vervollständigung von Gyulxandanyan, Ararat 1902, 566569; vgl. Aleksidze (wie Anm. 27) 100-111; vgl. Uchtanës, Kap. 51. 9! Vgl. Aleksidze (wie Anm. 27) 111-123; Uchtanës, Kap. 70. 99 Im GT lückenhaft und am Schluß unvollständig wegen eines fehlendes Folio der Hs; vgl. die vollständige Edition von K. Tër-Mkrtc'ean, in: Ararat 1896, 477-488; das Schreiben ist bei Uchtanës nicht überliefert, vgl. dagegen den stark gekürzten Brief bei Movsës Dasxuranc'i, II, Kap. 49, der ihn aber nicht Vrt'anës als Verfasser zuschreibt. Das Anschreiben der albanischen Bischöfe ist nicht erhalten. ,00 Im GT fehlt ein großer Teil des Anfangs, von K. Tër-Mkrtc'ean vervollständigt in: Ararat 1896, 531-536; ebenfalls vollständig bei A. Tër-Mikelean, Grigori Lusaworc'i Yacaxapatum Cark', Valarsapat 1894-1896, 300-310. Über die Veranlassung des Schreibens, vgl. Tër-Minassiantz (wie Anm. 16) 62-66. 93

Henry Chadwick

Theodore of Tarsus and Monotheletism

In two well known chapters of book IV of his history Bede records, first, the decisions of Theodore's Council at either Hatfield or Heathfield 1 , probably on 17 September 679.2 Without specifying the issues at stake, this Council affirmed its faith in the five universal Councils of Nicaea 325, Constantinople 381, Ephesus 431, Chalcedon 451, Constantinople 553, and then the Lateran Council under Pope Martin I. of 649: "We anathematize what they anathematized, and affirm what they affirmed". Theodore's Council believed that these affirmations included belief that the Holy Spirit proceeds from the Father and the Son - a remarkable belief for a Greek monk from Tarsus. Secondly, Bede records that Benedict Biscop, on returning from one of his fairly frequent pilgrimages to Rome, had brought back with him the precentor of St. Peter's, John. He was to teach the English chanting as well as reading, and would instruct them in the proper calendar of feasts. Moreover, the Precentor had a commission from the Pope (not named, - either Donus, Pope 2 Nov. 676 11 April 678, or Agatho, 27 June 678 - 10 January 681, Agatho being a bilingual Sicilian competent in both Greek and Latin). His commission was to make a careful investigation into the orthodoxy of the English churches, and to make specific report on this to Rome. The Precentor brought to England the decrees of the Lateran Council of 649, and caused a copy to be made in Benedict Biscop's monastery, to warn against the dangerous heresy that in Christ, though there are two natures, divine and human, there is but one (divine) will. The

1 Bede, H.E. IV, 17 (15) places the synod at Haethfelth, not Hatfield in Hertfordshire, but Hatfield in south Yorkshire, where the Anglo-Saxon Chronicle places the defeat of Edwin of Northumbria in 633. 2 The year 679 has been disputed. Plummer's commentary on Bede, H.E. II, 231, is for 680. He is persuasively refuted by R.L. Poole, JThS 20 (1919) 29-35. D.P. Kirb/s defence of 680, EHR 78 (1963) 517, has been answered by Susan Wood, ib. 98 (1983) 287.

Theodore of Tarsus and Monothelism

535

Hatfield bishops were found to be sound and, although Precentor John died on the way home and was buried by St. Martin at Tours, his report was conveyed to Rome, an evident source of satisfaction to Bede. If, as Plummer thought, Theodore's Council was held as late as mid September 680, the synodal report could have given no help to Pope Agatho, who was trying to present the Byzantine emperor and patriarch with a united western front for the affirmation that Christ who had two natures (as defined at Chalcedon, 451) also had two wills, though still a single person. Agatho did not rely on the sole authority of his Petrine see, though he lost no opportunity of reminding the Byzantines that while their royal city had suffered heresy in its patriarchs, Rome had never forsaken Peter's tradition. (Agatho betrayed no awareness that his predecessor Honorius in 634 had left a skeleton in the papal cupboard.) He needed evidence that he was not on his own. He wanted to demonstrate that the churches among "the Langobards, Slavs, Franks, Goths, and Britons" were one with Agatho and his synod of Italian bishops. The barbarian churches were uncorrupted by Byzantine heresy and politics. The synod held in Rome had indeed hoped that they "might have been joined by Theodore our fellow bishop and philosopher from the great island of Britannia together with others who live in those parts." But it is "a long journey to this remote oceanic region."3 It is a noteworthy fact that the Pope and the Italian synod singled out Theodore the philosopher as a figure especially likely to impress the sophisticated Greek bishops. The letter of the Pope's Italian synod shows Agatho proceeding in the same way as Leo the Great during the months preceding the Council of Chalcedon. More than two years earlier Leo had given the patriarch of Constantinople an

3

The letter from Agatho's Synod of 27 March 680 is included in the record of the fourth session of the Council of Constantinople, 680-681 (Labbe-Coleti, Concilia VII, 703-736) and as Agatho, Ep.3, PL 87, 1215-1248. Mansi, Concilia XI, 286-315; M. Geerard, CPG IV 9418. The date of the Council is from Eddius, Vita Wilfridi, 53. The signatures in the Acta of 680 include that of "Wilfrid bishop of York, legate of the venerable synod per Britanniam". At Rome in the years preceding Pope Martin's Lateran Council (649) there was a painful awareness among senior clergy that Pope Honorius was an embarrassment: Maximus Confessor, PG 91, 243C.

536

Henry Chadwick

authoritative Christological statement, his Tome, and, now that the Byzantine emperor Marcian and his formidable empress Pulcheria had called a general Council for the autumn of 451, Leo wanted to present the Greek East with an unanimous show of strength in the West. There survives his letter to his vicar in Gaul, Ravennius of Aries, directing him to hold a synod declaring its recognition of his Tome. We also learn of Leo's distress and irritation when the Gallic Council was slow to assemble and to do its homework, so that the Pope received the required document too late to put in the hands of his legates who had already set out on their journey to Constantinople.4 Leo was sensitive to the fact that while provinces of the Latin Church might fall into line on a simple instruction by the bishop of Rome, the Greek churches held his see in honour but did not think of it as exercising a general supervisory jurisdiction and (as the Acts of Chalcedon show) would approve the orthodoxy of his Tome if it was seen to express the mind of the universal church and to be in line with their understanding of orthodox tradition, but not if it were merely the utterance of an individual bishop, even of so great a see. In this way Pope Agatho needed Theodore. In the context provided by the documents in the Acts of the Council at Constantinople (7 Nov. 680 -16 Sept. 681), what the Pope looked for was support.5 And yet Bede's story is that the Precentor was carrying out a kind of inquisition to assure the Pope that the English bishops were sound. If that was also an ingredient in the affair, one might be inclined to ask if this investigation of the orthodoxy of the English could be somehow connected with adverse reports about Theodore and others being circulated in Rome by Wilfrid? Wilfrid's relations with Theodore were

4

cf. Leo, Ep.67, PL 54, 886 (= MGH Epp.III, 22); Ravennius and his Gallic synod apologise for a tardy reply (Leo, Ep.99, PL 54, 966). 5 At the time of the Lateran Council of 649, Pope Martin I. had sought the support of Amandus of Maastricht and the Austrasian bishops, who were asked to gain secular support from king Sigibert III. in the form of a delegation of bishops to Constantinople; text in ACO, 2nd series, II/l, 422; PL 87, 133-138. E. Caspar, Geschichte des Papsttums II, Tübingen 1933, 560 remarks that Martin's efforts to raise a united western front against Byzantium were ineffective. But that this was so was a consequence of imperial force. Martin succeeded in obtaining a supportive letter from Maurus bishop of Ravenna, read at the first session of the Lateran Council (ACO, 2nd series, II/l, 22-24).

Theodore of Tarsus and Monothelism

537

seldom touched with honey, and Wilfrid had gone to Rome to complain.4 If so, Theodore provided a full satisfaction to the inquisitor with an unqualified and detailed acceptance of the five general Councils and of Pope Martin's Lateran Council. It is strange, I think, that the Precentor is said to have brought the decree of Pope Martin's Council to England. Benedict Biscop may not have known much about it, but it is hard to believe that Theodore did not know the text. Greek monks played a substantial part in the proceedings of Pope Martin's Council, as the Acta of 649 show.7 They had a number of monasteries in Rome, and the Acta specifically mention a monastery of the Cilicians at Aquas Salvias" - that is, Tre Fontane close to St. Paul's without the Walls, a house still occupied by Trappists. A number of these Greek monks had been settled in Rome for many decades, but the land at Aquas Salvias had been given to the great church of St. Paul's in 604 by Pope Gregory the Great9 with no mention of any monastery on the site. So perhaps the Cilician monks, of whom Theodore was very possibly one, had not been established there for many years before Martin's Council of 649. The monastery possessed a priceless relic, the head of St. Anastasius the

6

From Bede and from Eddius Stephanus' Vita Wilfridi, it is obvious that the primary ground of complaint was Theodore's highhanded division into three of the diocese of York. Agatho's Roman Council in 679 in effect told Theodore that he was wrong to have acted without Wilfrid's consent, but also told Wilfrid that he must have three coadjutor-bishops for his vast diocese. Text and discussion of the Roman synod of 679 in W. Levison, Aus rheinischer und fränkischer Frühzeit, Düsseldorf 1948, 288-292, with important critical comments on the forged addition at the end. 7 R. Riedinger, editor in the second series of ACO of the Acts of the Lateran Council (Berlin 1984), has argued in AHC 9 (1977) 254ff. that Pope Martin's letters, other than that to Amandus of Maastricht, were composed for him by Maximus Confessor or one of the other Greek monks at Rome closely associated with him. All Martin's letters are transmitted with the conciliar Acts; Riedinger, however, edits only the Council's encyclical and the letter to Amandus. Riedinger has persuasively argued that the Latin text of the Acts is not the original authenticum but a translation from an original and essentially prior Greek text; no doubt the Latin text is contemporary with the Council. 8 During the second session of the Lateran Council Pope Martin gained the bishops' consent for the admission, with right to speak, of Greek monks long resident in Rome: John, higumen of the Lavra of St. Sabas in the Desert, Theodorus, higumen of the Lavra of Africa, Thalassius, higumen of the Armenians' monastery called "Of Renatus" (later called St. Andrew's), and George, higumen of the Cilicians' monastery "in Aquas Salvias". The monks submit a polemical statement, with 36 signatures, including six Theodores. The evidence concerning the Greek monks is admirably discussed by J.-M. Sansterre, Les moines grecs et orientaux à Rome aux époques byzantine et carolingienne, Bruxelles 1983. ' Cf. Gr. Mag., Reg. XIV, 14.

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Henry Chadwick

Persian,10 martyred in 628, evidently acquired during the two decades before 649, and no doubt especially valued if the Cilicican monks had first come to Rome as refugees from the Persian invasion of the eastern provinces. Among the Greeks and Armenians who came to Rome were strong supporters of the two-nature Christology of the Council of Chalcedon," and they may have migrated westwards because of mounting pressure from successive patriarchs of Constantinople during the 630s and 640s, ambitious to achieve reconciliation with the anti-Chalcedonian monophysites on the basis that, while Christ had two natures, he had only one "energy" or activity, one will. A leading role in opposing this ecumenism, which enjoyed startling success at first, was taken first by Sophronius, who got himself elected patriarch of Jerusalem late in 633, shortly before the Arab capture of the city in 638. Like John of Damascus in the iconoclastic controversy a century later, he could defy imperial power with impunity because he lived at a place no longer under Byzantine control. He issued a fulminating anti-monothelete Synodica, preserved in the Acts of Constantinople in 681. He died soon after the Arabs captured Jerusalem. Meanwhile, however, patriarch Sergius of Constantinople had enlisted the support not only of Cyrus patriarch of Alexandria (whose brainchild the formula was) but also of Pope Honorius of Rome and apparently the Syrian Orthodox or Jacobite patriarch of Antioch, Athanasius, who declared that on the basis of the "one energy" formula he could swallow the Chalcedonian definition.12

10 Cf. Bede, Chron. a. 540 (Chronica Minora III, ed. Mommsen, 311). Bede had a Passio of Anastasius badly translated from the Greek, which he corrected (H.E. V, 24). 11 At Tarsus there was probably a group tenaciously attached to a strongly diphysite and virtually Nestorian exegesis of the Chalcedonian definition: early in the sixth century the bishop of Tarsus was allowing the commemoration of Nestorius in the diptychs, as one of the departed saints with whom his church was in communion. This provoked sharp controversy: Severus of Antioch, Select Letters I, 24, (ed. E.W. Brooks) 84 (written 514-18). There may have been monothelete sympathisers in the West, since at the 11th session of the Council of 681 there was complaint by abbot Theophanes of Baias near Syracuse (Gr. Mag., Reg. VII, 36): Macarius of Antioch had been sending Monothelete propaganda to Rome, Sardinia and North Africa, presumably to recipients likely to sympathise with his position who had perhaps been among the monks migrating westwards under the impact of the Persian and Arab invasions. The nature of Macarius' propaganda may be deduced from his confession of faith at Constantinople in 681, and from some of the Maronite accounts of the Council, on which see S.P. Brock, OrChr 57 (1973) 63-71. 12

Cf. Theoph., AM 6021, Chron., 329 (ed. de Boor), from Anastasius Sinaita, PG 89, 1153A cf. 1844 and PG 87, 3193.

Theodore of Tarsus and Monothelism

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To Sophronius it was axiomatic that each of the two natures has its own operation or activity; to assert one activity must imply one nature. The principle was no doubt more philosophical than theological. Arab military success could point to the conclusion that rigorist Chalcedonians were quick to draw: monotheletism was not the will of heaven, and incurred celestial displeasure with consequences for the emperor and his armies. The opposite conclusion was drawn by the monotheletes (who accepted the Chalcedonian definition - they were not "monphysites" as is sometimes supposed); for them the Arab victories were the result of the activities of ultradiphysites like Maximus Confessor.13 When the emperor Heraclius found that the "one energy" formula was engendering bitter controversy, he issued an edict forbidding anyone to speak of either one or two energies, but affirming one will." It is only fair to acknowledge that the Monotheletes were sure they were not innovating. A crucial text for them was the statement in Dionysius the Areopagite speaking of a new theandric ένέργεια in Christ,15 and since all parties to the debate accepted the Areopagite corpus as the authentic work of St. Paul's convert at Athens, this text was embarrassing for the anti-Monotheletes who had to write many pages to explain it away." The agony in Gethsemane,

13 Martin's letter to Amandus of Maastricht concludes with the point that a delegation of western bishops should advise the emperor of the support Christ would give to the emperor's cause if the emperor upheld that of Christ (ACO, 2nd series, II/l, 424, 22). At the trial of Maximus Confessor the accusation was brought that he was directly responsible for the Arab conquests in Egypt, Libya, and north Africa (PG 90, 111). The trial of Maximus is included in the English translations by G.C. Berthold of Maximus' selected writings (1985). 14 The text of Heraclius' Ekthesis of 638 is cited in full in the third session of the Lateran Council of 649: ACO 2nd series, II/l, 156-162. The Typos of the emperor Constans of 648 is cited at the fourth session (ibid. 208-211); this forbade anyone to speak of either one or two energies or wills for the sake of the unity of the Church. The Lateran Council condemned both documents. On the situation which called them forth see J.L. van Dieten, Geschichte der Patriarchen von Sergios I. bis Johannes VI. (610-715), Amsterdam 1972, 47f. and 92f.; F.X. Murphy and P. Sherwood, Constantinople II et Constantinople III, Histoire des conciles oecuméniques 3, Paris 1974, 306ff. 15 Cf. Dion. Ar., Ep. 4 ad Gaium, PG 3, 1072C. The phrase was cardinal to the union between Cyrus, Chalcedonian patriarch of Alexandria, and the anti-Chalcedonian Theodosians in May 633, cited in full at the 13th session of the Council of 681. At that Council the Monothelete Macarius of Antioch, submitting his creed at the 8th session, repeatedly appealed to it. 16 At the Lateran Council of 649 Pope Martin and others vigorously denounced the Monotheletes for falsifying the Areopagite's text with the insertion of the numeral "one" (third session, ACO, 2nd series, II/l, 142, 35). This led to a formal verification of the text from the library, ibid., 140. The point was first raised in 634 by Sophronius of Jerusalem's synodica, cited in the 11th session of the

540

Henry Chadwick

"Not my will but yours", and patristic exegesis of this passage, were a difficulty for the Monotheletes to circumvent.17 Everyone was agreed that in the holy Trinity, the Father, the Son and the Holy Spirit had but one will. Why could not the same language be affirmed of the person of Christ? Many of the texts in the florilegia produced by both sides were actually concerned with the one will of the Trinity. What of the applicability of the same terms in Christology? In any event, to speak of two wills confirmed the worst anxieties of those critics of Chalcedon in the tradition not of the extremist Eutyches but of the moderate Severus of Antioch. The language sounded very Nestorian, and therefore demonstrated Chalcedon's definition to be flawed, unable to avert a divided Christ, the divine and human natures having no true union but only a juxtaposition. At the Council of Constantinople in 680-81 the patriarch Macarius of Antioch could not bring himself to stain his conscience by conceding two wills, and produced massive florilegia of patristic texts to underpin his stand. He carried with him a modest number of supporters; it may be significant that these included the archivist of the patriarch of Constantinople, responsible for fetching texts from the library for the bishops to consult and verify, and perhaps the man most likely to know whether the texts were being honestly cited or not.18 His

Council of Constantinople (681) = PL 87,3177C. Maximus Confessor expounds the Areopagite text in several places, e.g. opuse., PG 91, 84D-89A. 104A; ambig., 1057C-1060C; Pyrr., 345Cff. Similarly Anastasius Sinaita, adv. Monotheletas 8, CChr.SG 12, 125-134. The anti-monothelete florilegium, Doctrina Patrum 41, 24 (ed. Diekamp, 309), cites a letter from Severus of Antioch to John the higumen quoting the Areopagite, as a text he has "already considered at length in other writings". Maximus Confessor also offered a defensive interpretation of Pope Honorius' compromising letter to Sergius: P G 91, 237CD. He was far too dependant on Roman authority to condemn it. The text of Honorius' letter is given in the Acts of 681, 12th session. Macarius of Antioch's appeal to Honorius at the 8th session fouled the nest for any rescue of the Pope from the ecumenical Council's anathema. 17 Matt. 26,39 is frequently invoked in 649; see Riedinger's index to the Lateran Acta, 442f. 18 At the Sixth Council (681) there was dispute about the authenticity of the record of the 7th session of the Fifth Council (553) that Pope Vigilius had there affirmed one "operado". The Latin text of the Acts of 553 supports the record in the book produced for the Monothelete cause in 681; see ACO, IV/1, 1st series 187, 32 and 188, 14. The charge of deliberate corruption was brought by the Roman legates in 681, and an accusing finger was pointed at George the deacon and archivist at Constantinople who certainly sympathised with Macarius of Antioch and sedulously produced such supporting texts as Pope Honorius' correspondence with Sergius. At the 14th session in 681 Macrobius bishop of Seleucia in Isauria produced a codex of the Fifth Council "given to me by Philip commander of the emperor's bodyguard" after he had lent it to Stephen a sympathiser with Macarius; Macrobius found the 7th session text corrupted in the handwriting of George the monk with which he was familiar. The fact that the western Latin tradition of the Acts of 553 attests Vigilius' assent to "una operatio" puts a question-mark against Macrobius' claim. It is certain that

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541

role seems almost to anticipate that of poor Augustin Theiner at the first Vatican Council of 1870.

Bede records that Theodore's Council of 679 at Hatfield or Heathfield affirmed the Filioque as if that had been canonised by the six Councils. The Filioque had been diffidently suggested by Augustine of Hippo to avert the possibility of Arian ideas that the Holy Spirit does not fully share in equality of Godhead with the Father and the Son. Augustine was unaware of the existence of any creed produced by the Council at Constantinople (381), the standing of which was in effect first established by the Council of Chalcedon where the creed of Constantinople was cited after the creed of Nicaea to imply a refutation of the proposition that no addition to that creed could be made - as the bishops at Chalcedon were about to do. Even so, a long time passed before the Council of Constantinople succeeded in gaining entrance to the West's catalogue of general Councils. An even longer period elapsed before anyone became conscious of the fact that there would be a problem if the Filioque were to be inserted formally into the creed. In the fourth century there was little idea of a creed having a sacrosanct text in every detail; that notion grew during the course of the Arian controversy, and the concept of a wholly immutable text received submissively, being the utterance of bishops as inspired as the biblical writers, was fervently expounded, in an anti-Nestorian sense, by Cyril of Alexandria in the Christological controversy of the 430s. At Rome, as is well known, the Filioque was not admitted to the public liturgical confession of faith until early in the eleventh century, but in Spain by the end of the fifth century it was commonly affirmed. Pope Leo I. had put it into his letter to Turribius of Astorga." The Quicunque Vult, probably produced in southern Gaul about 500+, had no

someone was being dishonest, but it is impossible to be sure who. 19 Cf. Leo Mag., Ep. 15, 1, PL 54, 681A. Critical edition by B. Vollmann, Studien zum Priscillianismus, St. Ottilien 1965, 125. The clause "et Filio" appears in texts of the creed of Constantinople accepted at several Councils of Toledo, notably the third Council (589) when Reccared the Visigothic king declared his adherence to Catholic faith: J. Vives, Concilios Visigóticos e Hispano-Romanos, Barcelona 1963, 113f.

542

Henry Chadwick

inhibitions about it: "Spiritus sanctus a Pâtre et Filio", whereas "Filius a Patre solo est". (If the Athanasian Creed came from Lérins, it was the friendliest thing the monastery there ever said about Augustinian theology.) The Filioque as a doctrine is quietly regarded as entirely non-controversial

in

Boethius,

Cassiodorus, and Gregory the Great.® That it did not enter the liturgical confession of faith at either baptism or eucharist is evident from the seventh or eighth-century Gelasian Sacramentary, where the original Greek creed of Constantinople (381) is surprisingly given as the prime text, provided with an interlinear Latin version and a brief exposition.21 In the first half of the sixth century the Creed given at Rome to catechumens before baptism was the Apostles' creed, according to the explicit testimony of John the Deacon's letter to Senarius.22 The evidence of the Gelasianum suggests that the Greek influx into Rome in the seventh century led to an alteration in the form of confession prescribed. The Byzantine domination of Rome, 550-750, led the Church to be bilingual for the biblical lections.2 In 680 Agatho orchestrated from Rome as many manifestoes of western rejection of monotheletism as he could. At Constantinople these were included in the Acts of the Council. Mansuetus, the bishop of Milan addressed the emperor at length quoting the Milanese confession of faith." A similar statement was sent by Agatho's Italian synod.25 Neither document has the least hint of the Filioque at the point where it would be naturally expected if Rome felt strongly on the matter. Agatho was proud to invoke the authority of 20

Cf. Boethius, De trinitate I, 5,48 (ed. Rand 28); De fide catholica 25 (ed. Rand 54); Cassiodorus, Expos. Psalm, praef. 17, PL 70, 23; CChr.SL 97, 23; Gr. Mag., Horn, in Evang. 26, 2; Mor. 27, 34 "per Filium"; 5, 65 "de Patre procedens et de eo quod est Filii." 21 Cf. Sacram. Gelasianum, ed. Wilson 54; ed. Mohlberg 312f. 22 Cf. Joh. Diaconus, Ep. ad Senarium virum illustrem 4, PL 59, 402B. The letter is also edited from Vat. Regin. lat. 1709A by A. Wilmart, StT 59, 170-179. On Senarius cf. my Boethius, Oxford 1981, 27. 23 A body of evidence is gathered by A. Chavasse, Le Sacramentaire Gélasien, 1957, 108f.; this bilingualism was specially prominent at high feasts or embertide long after 750. 24 Mansuetus was proud to be writing "under the most Christian kings, Peretharit and Cunibert". Paulus Diaconus, Hist. Langob. VI,4 (MGH, 166) says that Mansuetus' letter was composed for him by Damianus, bishop of Ticinum. The text of the letter precedes the Acts of the Council of Constantinople, 680, in the conciliar editions of Labbe, Coleti, and Mansi; also in Migne, PL 87, 1261-65. 25 Agatho's letter form the synod is incorporated in the fourth session of the Acts of the Council; also PL 87, 1215-48. On the signatories see R.L. Poole, JThS 20 (1919) 36.

Theodore of Tarsus and Monothelism

543

Theodore of Tarsus, as we have seen, but did not specifically mention the dogmatic confession approved by the Council of Hatfield/Heathfield. Theodore's stand on the Filioque might have been an embarrassment if the full text had been included in Agatho's dossier for Byzantine perusal. No seventh-centuiy Pope was going to claim the authority to make an addition to an ecumenical creed. There is reason to think that the issue may have been a sensitive one. Maximus Confessor provides the earliest attestation for the existence of any touch of controversy between East and West concerning the Filioque. He records that the Monotheletes of Byzantium, evidently seeking to invalidate Pope Martin's claim to embody the immutable tradition of St. Peter and so to sit in judgement on the orthodoxy of Constantinople and the Greek East, expressly complained that the addition of the Filioque was a deviation from orthodoxy. The Monotheletes found it in the Pope's Synodica, announcing his election to the patriarchs and no doubt to the emperor, and gleefully constructed a florilegium to refute it both from Latin Fathers and from Cyril of Alexandria on St. John.26 The Acts of the Lateran Council in 649 contain no mention of the Filioque. There is not a word about it in (e.g.) the letter, cited at the first session, from Maurus of Ravenna; nor is it found in the final Encyclical. So it seems safe to assume that by the time of the Council Pope Martin was well aware of the need to forestall Byzantine accusations that the occupant of Peter's see had lapsed into heresy and shot himself in the foot so as to be disqualified as a judge of orthodoxy. If, as seems highly probable, Theodore of Tarsus was a monk present in Rome at the time of Martin's Lateran Council and perhaps an active participant and adviser, it is the more surprising that in 679 he should have been inviting his Council of English bishops to be so emphatic in asserting the Filioque. One would expect him to have learnt from Pope Martin I. and from Maximus Confessor that it was not language wisely used by western bishops if they wanted to impress their eastern colleagues, and in 679 the impressiveness of a united

26

Cf. PG 91, 136.

544

Henry Chadwick

western Church was precisely what Agatho required. One can do no more than speculate at this point, but the quarrel between Theodore and Wilfrid may have been a factor in the situation. Had Wilfrid sought to strengthen his case against Canterbury by suggesting to Pope Agatho that his philosophical Greek archbishop was not really sound about the procession of the Spirit and needed correcting on this point by apostolic authority?27 Some such hypothesis would at least help to account for an unusual and peculiar feature of the Hatfield Council. Theodore of Tarsus needed to offer a flying buttress to his Pope, to whom the support of far-flung Britain was an invaluable asset in the anti-Monothelete campaign, and his Council at Hatfield did so. But he also needed to ward off the barbs of his contentious colleague of York, and to deprive him of any power to suggest that this Greek immigrant to the west had not fully accepted the authentic and orthodox Trinitarian doctrine.

It is no doubt possible that some of the tension between Theodore and Wilfrid was caused by Theodore's inclusion of Greek in the curriculum of the school at Canterbury. T h e evidence for this curriculum receives a masterly survey from Michael Lapidge, "The Study of Greek at the school of Canterbury in the seventh century", The Sacred Nectar of the Greeks, ed. M.W. Herren (King's College, London, 1988), 169-194; "The school of Theodore and Hadrian": Anglo-Saxon England 15 (1986) 45-72. 27

Ekkehard Mühlenberg Das Mittelalter in evangelischer Kirchengeschichte: ein Vorschlag1

1. Menschliches Leben ist vielfältig. Menschliches Leben ist bunter als die Farbpalette des Historikers. Wie ja auch der Maler weiß, daß die Farbenskala der Natur reichhaltiger als sein Malkasten ist; wie ja auch der Dichter weiß, daß seine Sprache die Weite menschlicher Erfahrung nicht ausschöpft, sondern nur einfängt und dadurch ergründet. Ein evangelischer Kirchenhistoriker kann die Reformation nicht anders, denn als den einen Grund betrachten, von dem aus die Gestalt und das Selbstverständnis der mittelalterlichen Kirche kritisiert wurde. Geschah die Kritik zu Recht, so wird der Kirchenhistoriker sie nachvollziehen können. Sollte die reformatorische Kritik sich nur auf Verfall und Mißstände beziehen, dann - so dürfte der evangelische Kirchenhistoriker erwarten - wäre eine Verständigung über die Kritik damals leichter gewesen, als sie es tatsächlich war. Sollte

sich aber

die Kritik

auf

grundlegende

Überzeugungen richten, dann wäre eine Epoche der Kirche mit ihren Erfahrungen von Scheitern, Hoffnungen und Zielen zu Ende gegangen. Es besteht also ein Wechselverhältnis zwischen Reformation und mittelalterlicher Kirche; in einer evangelischen Kirchengeschichte ist die Kirche des Mittelalters so gesehen, daß die Reformation überzeugend bleibt. Ergibt sich daraus eine unannehmbare Vorgabe für den evangelischen Kirchenhistoriker? Nein, denke ich; die Vorgabe ist eine Herausforderung. Es hängt doch davon ab, ob mit der Vorgabe die grundlegenden Züge der mittelalterlichen Kirche deutlich hervortreten und - ja - ob sie, die dadurch aufscheinen, die Sache, nämlich die Kirche im Mittelalter, richtig charakterisieren. Die Vorgabe ist nicht

1 Die folgenden Ausführungen sind Überlegungen im Anschluß an das Fachgruppentreffen der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie, das am 23.3.1991 in Berlin stattfand zum Thema: Das Mittelalter in der Kirchengeschichte. Vorträge hielten Herr Arnold Angenendt (Münster) und Herr Otto Gerhard Oexle (Göttingen); Herr Bernd Hamm leitete die Diskussion ein.

Ekkehard Mühlenberg

546

mehr aber auch nicht weniger als eine Verstärkung der Beleuchtungsintensität, die Kontraste in der Vielfalt und Buntheit geschichtlicher

Erscheinungen

ermöglicht. Das akute Problem einer evangelischen Kirchengeschichte ist aber nicht allein der Gegensatz zu einer katholischen Kirchengeschichte des Mittelalters, die das Konzil von Trient und die Gegenreformation als "Vorgabe" berücksichtigt; das akute Problem scheint mir vielmehr im Verhältnis zur Profangeschichte zu bestehen. Denn wieweit die Kirche und das Christliche das mittelalterliche Leben geprägt haben, ist strittig. Hat>e schon die Konzentration auf die Geschichte als einer politischen Geschichte die Frage nach dem Christlichen im Mittelalter zurücktreten lassen und die Papstkirche vorrangig nach ihrer Diplomatie beurteilt, so drückten die sozialgeschichtlichen und mentalitätsgeschichtlichen Zugänge zur mittelalterlichen Geschichte die Kirche an den Rand der Gesellschaft und des menschlichen Lebens. Verweist man dagegen darauf, daß gerade für das Mittelalter die Unterscheidung von Profangeschichte und

Kirchengeschichte

eine unsachgemäße

Übertragung

aus

modernem

Trennungsdenken sei, so bleibt doch gegenüber jeglicher Kirchengeschichte der Anspruch der Allgemeingeschichte bestehen, alle Phänomene zu erfassen. Auch dafür, alle Phänomene erfassen zu wollen, werden Bereiche zu benennen sein, etwa Gesellschaft, Wirtschaft, Kultur und Kirche. Bei aller Offenheit des Historikers, der die Zeugnisse sammelt, betrachtet und sichtet, ist in Einzelfällen und weitgehend bei Zusammenschau eine Gewichtung der Bereiche in der genannten Reihenfolge nicht zwingend, aber auch nicht unwahrscheinlich, wie ein Blick in Gesamtdarstellungen zeigt. Ich möchte demgegenüber einen kirchengeschichtlichen Standpunkt skizzieren; er soll kurz sein wie ein Lexikonartikel, gerafft aber wie eine Vignette. Ich beanspruche, Gesichtspunkte zum Verstehen der mittelalterlichen Geschichte aufzudecken, deren allgemeine Gültigkeit nicht a priori auszuschließen ist. Denn ich betrachte die Kirchengeschichte als das Einfangen eines Lebens- und Erfahrungsbereiches, das in eigenständiger Weise Leben ergründet. Über einen Begriff des Mittelalters als historischer Epochenbezeichnung brauche ich hier nicht zu handeln. Ich verwende "Mittelalter" für den Zeitraum

Das Mittelalter in evangelischer Kirchengeschichte

547

von etwa tausend Jahren (6. - 15. Jahrhundert) und beschränke mich auf Westeuropa. Kirchengeschichtlich halte ich den Bezugrahmen des Römischen Reiches für entscheidend, so daß die Epoche der Alten Kirche im 5./6. Jahrhundert zu Ende geht, als sich die germanischen Reiche zu etablieren beginnen.

2. Zu den grundlegenden Zügen der Kirche in der mittelalterlichen Geschichte gehören erstens die Vorstellung von Autorität (auctoritas), zweitens die Dominanz des Glaubens an den Weltenherrscher und -richter Christus und drittens der Gedanke der universalen Ordnung Gottes für die Menschheit in der "christlichen Gemeinschaft" (corpus christianum). In solcher Bestimmung liegt eine Vereinfachung sowohl des geschichtlichen Verlaufs über einen Zeitraum von einem Jahrtausend (6. - 15. Jahrhundert) als auch der Gestalt der Kirche, wie sie historisch erfaßbar ist. Denn natürlich sind die grundlegenden Züge kaum abgeschlossen vorhanden und aufweisbar, und geschichtliches Leben ist immer vielfältiger und reicher als eine Vorstellung, eine Glaubensüberzeugung und ein Gedanke. Dennoch lassen sich Erfahrungen und Einsichten längerer Zeitabschnitte nur ordnen, wenn sie in ihrer Geschichtswirksamkeit formuliert werden. Die genannten drei Züge sind geschichtliche Produkte und als solche weder germanisch noch romanisch noch archaisch. Der Historiker kann Stationen ihres Werdens beschreiben und Ereignisse erzählen, in denen sie als geschichtswirksame Erfahrungen aufleuchten. Ebenfalls können die Zusammenhänge, in denen sie gerechtfertigt und begründet worden sind, dargestellt werden, sei es als Aufgaben oder als Vorgaben. Darüber hinaus wird ein evangelischer Kirchenhistoriker von der Reformation die Eigenart der Grundzüge in den geschichtlichen Erscheinungen kontrastieren, sei es in ihrem christlichen Anliegen, sei es in der Weiterführung von Tradition oder sei es in ihrer Relativität.

3. Autorität definierte sich im Mittelalter in einer doppelten Abgrenzung, nämlich in der Unterscheidung von Vernunft (ratio) und in der Unterscheidung

548

Ekkehard Mühlenberg

von Macht (postestas). In jedem Falle ist sie göttlich, und insofern sie auch geistlich ist, bleibt ihre Repräsentanz durch die Kirche unangreifbar. 3.1 Durch Augustin war die Unterscheidung zwischen auctoritas und ratio vorgegeben, und zwar in der Weise, daß durch eine allumfassende Ordnung das Glauben als das gehorsame Anerkennen des von der Kirche Überlieferten der vernünftigen Einsicht vor- und übergeordnet sei. Autorität gewann in den Völkerwanderungsstaaten eine greifbare Gestalt, als die Masse der Überlieferung in Auszügen und Zusammenfassungen gesammelt wurde. Die Theologen am Hofe Karls d. Gr. waren sich auch bewußt, daß das Schrifttum der Alten Kirche nicht von sich aus eine Einheit ist, sondern daß es eine Arbeitsaufgabe sei, die eine Wahrheit herauszustellen; es konnte die Väterautorität auch immer die Quelle von Reformen werden. Aber die Väterlehre, das Glaubenswissen, blieb nicht das einzige Wissen, sondern die Autoren der nicht-christlichen Antike zogen Interesse auf sich ("Renaissancen" im 9. Jahrhundert, im 12. Jahrhundert etc.). Spannungen und Widersprüche zwischen beiden Wissensüberlieferungen schieden sich in auctoritas und ratio, als im 11. Jahrhundert die Ausgrenzung des Geistlichen vom Weltlichen gefordert wurde. Der Versuch Anselms von Canterbury (1033-1109), die Autorität mit der Vernunft allein (sola ratione) einzuholen, blieb Episode. Aber die Widersprüchlichkeit der Autoritäten erzwang im Bereich des Rechts (Investiturstreit) eine Lösung; gleichzeitig zog man im Bereich der Theologie die Vernunft heran, um die Widersprüche zwischen den Autoritäten aufzuheben, so daß Scholastik und Kanonistik in der gleichen Erfahrung und Einsicht ihren Ursprung haben. Dann wurde das Gesamtcorpus der Schriften des Aristoteles bekannt und damit die Breite dessen, wozu die Vernunft ohne Rückgriff auf die Autoritäten fähig ist. Thomas von Aquin (1224/5 - 1274) qualifiziert das Glaubenswissen als Offenbarung, während die Vernunft von sich aus immerhin zu undeutlichen und ungewissen Annäherungen an die geoffenbarte Wahrheit gelangen könne; die Vernunft soll außerdem fähig sein, die Einwände gegen die geoffenbarte Wahrheit zu entkräften, so daß dem Wissen über Gott die Vernünftigkeit eignet. Der Skotismus und vor allem der Nominalismus Wilhelms von Ockham (gest. 1349) bestritten - übrigens mit Vernunftgründen - eine der Vernunft mögliche

Das Mittelalter in evangelischer Kirchengeschichte

549

Erkenntnis Gottes, da Offenbarung ein Willensakt Gottes sei und der menschliche Intellekt keine Einsicht in die Gründe Gottes für die geoffenbarte Heilsordnung besitzen könne; folglich ist die faktische Heilsordnung der priesterlichen Kirche samt ihrem Recht und ihren Sakramenten ein Willensakt Gottes und eine von Gott gesetzte Autorität, der sich der menschliche Wille im gehorsamen Glaubensakt zu beugen habe; sie ist willkürlich, insofern die Vernunft deren Notwendigkeit nicht begreifen kann. In der Reformation kehrte das Thema auctoritas und ratio als "Gesetz und Evangelium" wieder. Die Reformation entnahm das Evangelium allein dem Worte Gottes (sola scriptura) und stufte alle kirchlichen Setzungen als menschliche Traditionen ein; demgemäß bestimmte sie Glauben anders als Augustin. 3.2. Auctoritas im Sinne der Autorität von potestas als Macht zu unterscheiden und damit auf die Beziehung zwischen Kaisertum und Papsttum eine Differenz, die aus der Römischen Republik stammte, zu übertragen, blieb ein Versuch (Papst Gelasius 492-496). Das römische Kaisertum hatte die Trennung schon aufgehoben, und dem Papsttum gelang es nicht, seine Eigenart gegenüber dem weltlichen Herrschertum deutlich zu machen. Papst Gelasius selbst bestritt dem Kaiser auctoritas nicht grundsätzlich, verzichtete aber auch, wie alle seine Nachfolger, nie auf potestas. Das Bild von den zwei Schwertern (im 12. Jh. aufgekommen nach Luk 22,38) verdeutlicht die Verschlingung, auch wenn das priesterliche Schwert geistlich und das Herrschaftsschwert zeitlichmateriell genannt wurden. Faktisch wie auch nach seinem Selbstverständnis existierte das Papsttum kraft seines "Ansehens" (auctoritas), das es unter Berufung auf die Petrusnachfolge (Mt 16,18-19) geltend machte und das sein Eigenwesen durch die priesterliche Heilsvermittlung bestimmte. Besonderes Gewicht erhielt sein Ansehen durch den Bezug auf Rom als Synonym für Weltherrschaft (Leo I.). Die Ferne des Kaisers der Römer in Byzanz trug zur Amalgation der Romidee mit dem Bischof Roms bei, so daß er Verhandlungspartner mit den Völkerwanderungsstaaten werden konnte und dem Karolinger Pippin sogar als die geeignete Legitimationsinstanz für die Usurpation des merowingischen Königtums erschien. Den kirchlichen Besitz, das Patrimonium Petri, löste der Papst aus dem Römischen Reich und ließ ihn sich vom

550

Ekkehard Mühlenberg

Frankenkönig Pippin als eigenstaatliche Territorien schenken (Pippinische Schenkung). Aber realpolitisch wie ideell war der Bischof Roms auf das Römische Reich angewiesen, wie es die in diesem Zusammenhang auftauchende "Konstantinische Schenkung" (Constitutum Constantini) zu erzählen weiß; und die Krönung Karls d. Gr. zum Kaiser der Römer durch Papst Leo III. (800) ist sowohl ein Akt zum Schutz des Kirchenstaates als auch eine neuartige Vereinigung der Universalität von päpstlichem Amt und christlicher Herrschaft. Machten die Päpste in dem Vorgang von Kaiserkrönungen und -Salbungen immerhin deutlich, daß ihre Autorität, Würde und Macht nicht in direkter Weise eine weltliche Machtausübung sei, so wurden bei der Übertragung von herrschaftlichen

Hoheitsrechten

an

Bischöfe (ottonisch-salisches

Reichs-

kirchensystem) die priesterliche Autorität mit der weltrechtlichen in der einen Person bis zur Ununterscheidbarkeit verquickt. Außerdem blieb trotz nie aufgegebener Ansprüche des Papstes auf die Gesamtleitung der Kirche offen, ob nicht der Kaiser selbst ein rex-sacerdos sei. Das Reformpapsttum, das Gregor VII. (1073-1085) verkörperte, erreichte eine klärende Unterscheidung von spiritualia und temporalia, beanspruchte die Freiheit der Kirche von der Kontrolle durch die politischen Mächte und baute die Kirche als eine Institution eigenen, d.h. göttlichen Rechts aus. Dem göttlichen Recht des sacerdotium, dessen Gipfel im Nachfolger Petri als des Stellvertreters Christi (Innozenz III.) kaum überzeugend bestritten werden konnte, stellt das sacrum imperium der Staufer vergeblich eine nicht aus dem Priestertum abgeleitete Heiligkeit entgegen. De facto

behaupteten sich die politischen Mächte gegen das

monistische und hierokratische Selbstverständnis der Papstkirche (Avignonsisches Exil 1303-1378), defacto erhandelten sich nationale Kirchen Exemtionen von der Suprematie des Papstes, defacto auch beendete das Konzil (Konstanz 1414-1418) 1417 das Papstschisma; aber de iure blieb die Überordnung des Papstes, der das göttliche Recht bewahrt, schafft und auslegt, überzeugend (5. Laterankonzil 1512-1517).

Selbst

der

Gedanke

des

natürlichen

Rechts

konnte

die

Rechtsprärogative des göttlichen Rechts der Kirche nicht aufheben, da die Heilsvermittlung in der sakramentalen Institution, die das weltliche Recht aus sich heraus nicht erschaffen konnte, ruhte. Die Reformation kritisierte die

Das Mittelalter in evangelischer Kirchengeschichte

551

Papstkirche des Mittelalters dadurch, daß sie die Unterordnung aller Autorität unter die Autorität des Evangeliums, an der jede kirchliche Instanz zu messen und die letztlich nicht institutionell zu sichern sei ("Priestertum aller Gläubigen"), behauptete.

4. "Ich glaube an Jesus Christus,... unseren Herrn": so faßt das Apostolikum biblische

Wendungen

und

frühchristliche

Bekenntnisse

zusammen.

In

Verfolgungen trotzten Christen der politischen Macht im Bekenntnis zu ihrem einzigen Herrn Christus. Als sich jedoch Kaiser Konstantin der christlichen Kirche zuwandte und die Bischöfe des Römischen Reiches in Nicäa zum Konzil vereinigte und ihnen ein Ehrenbanquet bereitete, war Eusebius von Caesarea so überwältigt, daß er sagte: Es war fast wie das Reich Christi (VC III 15). Augustin aber dagegen identifizierte die Herrschaft Christi mit der Bußgewalt der Priester und das Reich Christi mit der sichtbaren Kirche (Civ. Dei XX 9). Das Mittelalter führt beide Vorstellungen weiter, zunächst ungebrochen vereint im Titel und Bild des Rex Christus, zögernd auch dem des Imperator Christus. Die Analogie zwischen König und König war nicht einfach ein Gleichnis, sondern bei Karl d. Gr., bei den Ottonen und Saliern zur Stellvertretung (Vicarius Christi) stilisiert, so daß das regnum Christi als Abbild des Gottesreiches vom irdischen König verwaltet, ausgeführt und ausgebaut wurde. Den Heiden, den Feinden Christi, war das Evangelium nicht nur zu predigen, sondern sie mußten eingegliedert oder vernichtet werden; der Missionsbefehl (Mt 28,18-20) wurde auf das Herrschaftsamt bezogen. Man hat auf Kontinuitäten zum sakralen Königtum der Germanen oder überhaupt archaischer Vorstellungen hingewiesen; jedoch übersehen

Schlagworte

wie

"Germanisierung"

oder

Archaisierung

des

Christentum, daß die Theologie selbst das Königtum Christi teilweise schon in der Alten Kirche und danach selbständig auf die Realisierung in der Welt ausgelegt und die augustinische civitas Dei vergessen hatte. Das Papsttum zog dann die alleinige Stellvertretung Christi an sich und vertrat, da eine zweifache Stellvertretung als nicht vorstellbar galt, in der Rechtsnachfolge des Petrus den rex und sacerdos Christus. Immerhin bewirkte die Erinnerung an den leidenden und gekreuzigten Christus (Bernhard von Clairvaux), daß der priesterliche Dienst

552

Ekkehard Mühlenberg

in Bußsakrament und Eucharistie nicht mit dem Herrschen an Christi Statt in einer Person und in einer Institution zusammenfiel, sondern trotz der dem Papstamt innewohnenden plenitudo potestatis das materielle Schwert an die Könige abzugeben sei. Es überrascht nicht, daß die radikalisierte Predigt der Franziskaner vom armen Christus wie auch die mystische Spiritualisierung der Christusherrschaft als Ketzereien verurteilt wurden (Vienne 1312). Im ganzen Mittelalter ist mit dem Gesagten der Glaube an Christus den Weltenrichter verbunden.

Auch

diese

Bestimmung

Christi

ist

eine

gegenwärtige

Herrschaftsform, die der Stellvertreter Christi und entgegen allem Konziliarismus der Papst alleine ausübt. Zwar wandelt sich das Bild vom strengen Richter Christus zu dem der Liebe (caritas); das schlug sich auch in der Auffassung der päpstlichen Vollmacht nieder. Aber die Ermäßigung der vollen Gerechtigkeit (Dispens) galt selbst als ein Ausfluß der plentitudo potestatis, die dem Papst als Stellvertreter des himmlischen "Papstes" die uneingeschränkte Jurisdiktionsgewalt vorbehielt (Joh 21,17 u. Mt. 16,19). Die Reformation bestritt, daß die Herrschaft Christi irdischen Herrschaftsformen entspreche (Unterscheidung von zwei Reichen) und daß des Menschen Beziehung zu Gott in rechtlichen Distinktionen meßbar sei; sie lehnte die päpstliche Jurisdiktion über die Gewissen als antichristlich ab ("Freiheit des Glaubens").

5. Die Christenheit ist als Leib Christi mit dem Haupt Christus eine Einheit. Für die besonderen geschichtlichen Bedingungen des abendländischen Mittelalters, unter denen die Einheit der Christenheit erfahren und begriffen wurde, ist der Begriff corpus christianum gebildet worden. Die Völker rund um das Römische Reich wurden christlich, indem die Herrscher christlich wurden. Das fränkische Reich z.B. war nach Chlodvigs Taufe ein christliches Reich, es war als Ganzes auch ecclesia. Herrscher und Untertanen verband die Treue des gemeinsamen Glaubens an den Weltenherrscher und -richter Christus. Die Aufnahme des Kaisertitels durch Karl d. Gr. und die ottonische Erneuerung des Römischen Reiches sollten der Einheit der Christenheit auch eine politische Gestalt geben, die sich unter den Staufern noch zur Sakralisierung des Reiches verdichtete, da ja das Reich einen Platz in der göttlichen Heilsordnung hatte. Die Einrichtung

Das Mittelalter in evangelischer Kirchengeschichte

553

einer christlichen Universalmonarchie, eines sacrum imperium, scheiterte nicht nur am Eigeninteresse der Nationalmonarchien, auch nicht nur an der Unzulänglichkeit der deutschen Kaiser und auch nicht nur an der Erfolglosigkeit der Kreuzzüge. Gegenkräfte zeigten sich zunächst in monastischer Reform (Cluny); sie machten geltend, daß die von Gott gegebene Ordnung als irdische Lebensform die himmlische Welt paradigmatisch nur in der Emanzipation von weltlicher und politischer Beeinflussung repräsentieren kann. Das Reformpapsttum forderte die Freiheit der Institution Kirche von der Verflechtung mit der menschlichen Gesellschaft, der augustinischen civitas terrena, was sich faktisch nur als Herrschaft verwirklichen ließ. Praktisch ergab sich ein Kompromiß in der materiellen Versorgung der Klöster, in der Investitur der Bischöfe und im kaiserlichen Schutz des Kirchenstaates, ja in der ganzen imitatio imperii durch das Papsttum. Aber die Ausgrenzung des Sakralen (Pflichtzölibat) und die Hierarchie der spiritualia (kanonisches Recht) über die temporalia (Gerechtigkeit und Kriegsdienst) gipfelte auch theologisch in der Hierokratie des Papsttums (Thomas von Aquin). Denn wie konnte bestritten werden, daß erstens das göttliche Recht höher stehe als weltliches, daß zweitens der Priester, der allein die Sakramente spendet, das göttliche Recht vertrete und daß drittens die geistliche potestas ihren sakralen Ursprung in dem einen pontifex maximus, dem Papst, hat? Man hätte die Vorstellung vom corpus christianum aufgeben müssen, aber das ergab sich nur als indirekte Konsequenz (Augsburger Religionsfriede von 1555) der reformatorischen Kritik am Institutionsbegriff der Kirche (Gemeinschaft aller Gläubigen) und an der Sonderethik sowie Eigenordnung monastischer Lebensform; denn diese Kritik betraf die Vorstellung von einer organisch gegliederten Einheit der Gesellschaft als corpus christianum.

Antonie Wlosok

Christlich-figurale Deutungen der Aeneis im Ovide moralisé (mit Illustrationen zum Abstieg in die "Hölle" aus mss. Rouen, Bibl. munie. 0.4 und Paris, Arsenal 5069)1

Zu

den

merkwürdigsten

Dokumenten

christlicher

Antikenrezeption

des

Mittelalters gehört der vermutlich in der zweiten Dekade des 14. Jahrhunderts entstandene, rund 71150 Verse umfassende Ovide moralisé, eine von einem anonymen Minoriten angefertigte, als Übersetzung ausgegebene Paraphrase der durch allerlei Einlagen angereicherten Metamorphosen Ovids, in der jeder Geschichte (fable oder conte) eine allegorische Auslegung (Exposition) folgt, die dem Leser, Hörer oder Benutzer meist mehrere christliche Verständnismöglichkeiten des paganen Textes anbietet und nicht selten in ermahnende oder belehrende Predigt übergeht.2 Der Moralisator zeigt ein starkes kirchliches Engagement und dürfte daher die Vulgarisierung und christliche Umdeutung der Metamorphosen weniger aus Liebe zu Ovid oder aus Interesse an der Verbreitung klassischer Bildung unternommen haben. Vielmehr wird er, wie andere Kleriker vor und neben ihm, darunter der Verfasser des lateinischen

1 Dieser Beitrag ist ein Teil einer umfassenden Studie zum Descensusmotiv in Text und Illustration des Ovide moralisé, die aus einem Vortrag auf einem Symposion in der W. Reimers-Stiftung im April 1991 hervorgegangen ist. Der erste und grundlegende Teil erscheint unter dem Titel "Junos Abstieg in die Unterwelt (Ovid, met. 4,416ff.) in illustrierten Handschriften des Ovide moralisé und in frühen Drucken der Metamorphosen" in den von H. Walter und G. Huber-Rebenich herausgegebenen Akten des Symposions "Die Rezeption der 'Metamorphosen' des Ovid in der Neuzeit: Der antike Mythos in Text und Bild", Berlin 1993. Der Hauptteil des einstigen Vortrags hatte die breiter rezipierte Katabasis des Orpheus zum Gegenstand; für ihn ist eine Publikation in der Zeitschrift Arcadia vorgesehen. Um aufwendige Wiederholungen zu vermeiden, muß ich hier die meisten bibliographischen Angaben und Informationen zu Text, Handschriften und den einzelnen Versionen des Ovide moralisé, aber auch viele Belege und die grundsätzlichen Bemerkungen zum Deutungsverfahren der Ovidmoralisatoren voraussetzen. 2

Ausgabe: C. de Boer, 5 Bde., Amsterdem 1915-1938, hier: Bd. 4, 1936 (Bücher X-XIII) und 5, 1938 (Bücher XIV und XV). Für die Entstehungszeit hat C. Lord als terminus post das Jahr 1309 ermittelt (Three Manuscripts of the Ovide moralisé, The Art Bulletin 57 [1975] 161-175, hier 162). 1328 begegnet das Werk bereits in einem Inventar.

Christlich-figurale Deutungen der Aeneis im Ovide moralisé

555

Ovidius moralizatus, Pierre Bersuire, erkannt haben, daß Geschmack und Erwartungen des Laienpublikums inzwischen auf Fabeln eingestellt waren, so daß die Nutzbarmachung und Nutzung des ergötzlichsten Fabelbuches der Heiden für religiös-erbauliche Zwecke als eine naheliegende und verdienstvolle Aufgabe erscheinen mochte.3 In Ovids Metamorphosen ist auch eine Aeneis enthalten, die die Kenntnis der vergilischen voraussetzt und auf dieser aufbaut. 4 Ovid hat im großen das vergilische Handlungsgerüst mit seiner zweiteiligen Struktur aus Irrfahrten und Kämpfen übernommen. Er hat aber, den Regeln der literarischen Mimesis und den veränderten künstlerischen Intentionen seines Werkes entsprechend, ganz andere Akzente gesetzt und das ganze derart umponderiert, daß die AeneisHandlung zum Rahmen geworden ist, in den Erzählungen von Metamorphosen eingelegt werden konnten.5 Besonders einschneidend und für manchen geradezu provozierend mag wirken, daß zentrale und wesentliche Partien der vergilischen Aeneis, wie die Dido-Episode und die Unterweltswanderung des Aeneas, auf wenige Verse reduziert sind und grundlegende Aspekte, vor allem der der göttlichen Führung und Erwählung, eliminiert sind. Im Unterschied zu Vergil berichtet Ovid die Ereignisse in einfacher chronologischer Folge, hat also den ordo naturalis gewählt, dem im Mittelalter der Vorrang vor dem ordo orificialis gegeben wurde. Diese Anordnung des Stoffes und der Umstand, daß der ovidische Aeneis-Zyklus trotz

den

umfangreichen Einlagen in Aeneas eine durchgehende Handlungsfigur hat, läßt Ovids Aeneis als eine einheitliche Geschichte erscheinen. Sie beginnt mit dem Aufbruch des Aeneas aus dem brennenden Troja, führt über die traditionellen

3

Vgl. H. Liebeschütz, Fulgentius metaforalis. Ein Beitrag zur Geschichte der antiken Mythologie im Mittelalter, Leipzig/Berlin 1926, 31-41; B. Smalley, English Friars and Antiquity in the Early Fourteenth Century, Oxford 1960; B. Guthmüller, Studien zur antiken Mythologie in der italienischen Renaissance, Weinheim 1986, 24f.28ff. 4 Vgl. H.-B. Guthmüller, Beobachtungen zum Aufbau der Metamorphosen Ovids, Diss. Marburg 1964, 81-134; E J . Bernbeck, Beobachtungen zur Darstellungsart in Ovids Metamorphosen, München 1967 (Zetemata 47) 117-122; S. Döpp, Virgilischer Einfluß im Werk Ovids, Diss. München 1968, 127-140; G.K. Galinsky, L'"Eneide" di Ovidio (met. XIII 623-XIV 608) ed U carattere delle Metamorfosei: Maia 28,1976,3-18; zu Einzelerklärungen die Kommentarbände von F. Börner, Heidelberg 1982 (Bd. XIII) und 1986 (Bd. XIV). 5 Guthmüller (wie Anm. 4) 81; Döpp (wie Anm. 4) 140.

556

Antonie Wlosok

Fahrtstationen im östlichen und westlichen Mittelmeer samt unfreiwilligem Umweg über Karthago zur Sibylle in Cumae und, nach Rückkehr aus der Unterwelt, über Caieta, die Begräbnisstätte der Amme des Aeneas, nach Latium, fährt fort mit dem dort entbrennenden Krieg zwischen Turnus und Aeneas, den Hilfsgesuchen beider Seiten bei Euander bzw. Diomedes, kommt zum endlichen Sieg des Aeneas, dem Untergang des Turnus und seiner Stadt Ardea und endet mit der Aufnahme des Aeneas unter die Götter. Der Verfasser des Ovide moralisé folgt in seiner Paraphrase der ovidischen Aeneis, ergänzt und erweitert sie aber im Sinne Vergils. Das gilt vor allem für die Descensus-Partie einschließlich der Offenbarungen des Anchises über die künftige Herrschaft des Aeneas; es betrifft aber auch die Ausgestaltung der Dido-Handlung. In den Expositionen wird diese vergilisch-ovidische Aeneis als Einheit behandelt und fortlaufend "moralisiert". Der Ovide moralisé birgt also was von der Rezeptionsforschung bisher kaum beachtet wurde' - nicht nur eine auf Ovid und Vergil gestellte mittelalterliche Sonderversion der Aeneis, sondern auch eine christlich-figurale Exegese der Aeneas-Geschichte, die sich von allen bisherigen allegorischen Kommentaren, die der an Schule und Universität gepflegten Tradition angehören, grundsätzlich unterscheidet. In zwei der ältesten Handschriften (Rouen, Bibliothèque municipale, ms. 0.4 und Paris, Arsenal, ms. 5069) ist die Kommentierung nicht auf Worte beschränkt. Vielmehr ist der Text reich illustriert durch textbezogene Miniaturen, die in der Regel wie Titelbilder über den mit Überschriften versehenen Großkapiteln stehen. 7 Auch Expositionen sind häufig in die Illustrierung einbezogen, innerhalb des Aeneis-Teils allerdings nur in der Rouen-Handschrift. Diese beiden umfangreichen Illustrationsfolgen zum Aeneisstoff aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, die noch vor dem zögerlichen Neueinsatz der Illustrierung der

6 Auf die Deutung der Dido-Geschichte weist kurz hin: E. Leube, Fortuna in Karthago. Die Aeneas-Dido-Mythe Vergils in den romanischen Literaturen vom 14. bis zum 16. Jahrhundert, Heidelberg 1969, 44. Die dort genannte maschinenschriftliche Thesis von L.B. Hall, The Story of Dido and Aeneas in the Middle Ages, Univ. of Oregon 1958 ist mir nicht zugänglich. 7 Im ms. Rouen 0.4 sind die Kapitelüberschriften eingangs in einem Inhaltsverzeichnis zusammengefaßt und im Text nicht wiederholt, während sie im ms. Arsenal 5069 rubriziert über den Miniaturen stehen und auch als Bildtitel fungieren können.

Christlich-figurale Deutungen der Aeneis im Ovide moralisé

557

lateinischen Aeneis liegen, scheinen der Rezeptionsforschung bisher völlig entgangen zu sein.8 Sie verdienen umso mehr Beachtung, als sie die in den Aeneis-Kapiteln der im 14. Jahrhundert weit verbreiteten Histoire ancienne eliminierte Unterweltspassage einschließen und für deren Veranschaulichung ganz selbstverständlich die christliche Höllenikonographie heranziehen. Es ist nun nicht möglich, in dem begrenzten Rahmen eines Festschriftsbeitrages diese gegen 6000 Verse umfassende "moralisierte" Aeneis in Text und Bild vorzuführen. Es muß genügen, die für Theologen vielleicht nicht uninteressanten Hauptlinien christlich-figuraler Deutung der Gestalt des Aeneas und seines Weges von Troja nach Rom zu skizzieren. Die Erörterung von Illustrationen werde ich beschränken auf das Descensus-Kapitel, das der Moralisator wieder im Sinne Vergils gewichtet und fast über Gebühr, nämlich durch einen weitschweifigen Sibyllenexkurs mit Ausblick auf das Jüngste Gericht, ausgebaut hat. Zur Erleichterung des Verständnisses und in der Hoffnung, gelehrtes Interesse an diesem Stoff zu wecken, gebe ich einen tabellarischen Überblick über Inhalt und Aufbau der ganzen Aeneis des Ovide moralisé, in dem die insgesamt 51 zugehörigen Illustrationen aus den beiden genannten Handschriften, die noch nirgends vollständig aufgelistet, geschweige denn beschrieben und erklärt sind,9 an ihrem jeweiligen Ort mit Kurztitel eingetragen sind.

8

Auch Ρ Courcelle, Lecteurs païens et lecteurs chrétiens de l'Énéide, 2. Les manuscrits illustrés de l'Énéide du Xe au XVe siècle, Paris 1984, der z.B. Illustrationszyklen zur "Aeneis" in der Histoire ancienne berücksichtigt. In der Enciclopedia Virgiliana fehlt der Ovide moralisé ebenfalls. ' In der Konkordanz der gemeinsamen Bildthemen bei C. Lord (wie Anm. 2) 175 sind zum Aeneisteil der beiden Handschriften nur je neun Illustrationen verzeichnet. Die Inhaltsbestimmungen sind zudem so allgemein, daß derart verschiedene Illustrationen wie Rouen fol. 355" und Arsenal fol. 199* (Abb. 2 und 4) unter dem Thema "Aeneas and the Cumaean Sibyl" zusammengefaßt erscheinen. Bei H. Martin, Catalogue des manuscrits de la Bibliothèque de l'Arsenal, V, Paris 1889, 35f. sind wenigstens alle Folios, die Miniaturen enthalten, aufgelistet.

558

Antonie Wlosok

I. ERSTE AENEISHÄLFTE: AENEAS UNTERWEGS (par mer nagent, il et sa gent - leitmotivisch) Ovide moralisé 13,2569-3688 und 14,302-3540 (nach Ov.met. 13,623-734 und 14,75-444) 1

1. Etappe: Von Troia bis Sizilien (Scylla und Charvbdist

1.1.1

ERZÄHLUNG: 13,2569-2628

Ovide moralisé 13. 2569-3688 (nach Ov.met. 13.623-734) Untergang Troias und Aufbruch des Aeneas mit Vater und Sohn auf den Schultern. MINIATUR (vor 13,2569:) Rouen, fol. 339va: das brennende Troia. MINIATUR (vor 13,2569:) Arsenal, fol. 189'a (Abb. 3): Aeneas trägt Vater und Sohn aus dem brennenden Troia. MINIATUR (vor 13,2605:) Rouen, fol. 339"b: Abfahrt des Aeneas (drei Schiffe auf dem Meer). 1.1.2

ERZÄHLUNG: 13,2629-2758 Aufenthalt auf Delos bei König Anius, 1. Teil: festlicher Empfang der Gäste, die alte Bekannte sind; Anius erzählt nach dem Mahl von der Verwandlung seiner Töchter in weiße Tauben.

MINIATUR (vor 13,2629:) Arsenal, fol. 189'c: Aeneas kommt im Schiff bei König Anius an. 1.2

EXPOSITION: 13,2759-2920

1.2.1

Aeneas rettet Vater und Sohn aus dem Untergang Troias (13,27592792).

MINIATUR (vor 13,2759:) Rouen, fol. 340": Sündenfall (Schlange, Adam und Eva im Paradies). 1.2.2

Delos und der Priesterkönig Anius (13,2793-2854).

1.2.3

Kinder des Anius (13,2855-2920).

1.3.1

ERZÄHLUNG: 13,2921-3026

ChristUch-figurale Deutungen der Aeneis im Ovide moralisé

559

Aufenthalt auf Delos, 2. Teil: Ende des Festmahls. Befragung des Apollo nach dem Reiseziel; Abschiedsgeschenke des Anius an Anchises, Aeneas und Iulus, mit ausführlicher Beschreibung des goldenen Kelches, den Aeneas erhält; Gegengeschenke. MINIATUR (vor 13,2921:) Rouen, fol. 341": Gastmahl. MINIATUR (vor 13,2921:) Arsenal, fol.

zwei Schiffe begegnen sich auf

dem Meer (laut Rubrum: König Anius und Anchises). 1.3.2

ERZÄHLUNG: 13,3027-3134 Abfahrt von Delos vers Lombardie: Aufzählung vieler Stationen, an denen die Troianer meistens nur vorbeifahren. Ausgestaltet ist der Aufenthalt in Buthrotos bei dem Troianer Helenus, der als Seher bestätigt, daß die Lombardei der Bestimmungsort und das zukünftige Herrschaftsgebiet sei.

1.4

EXPOSITION

(zu 1.3.1 und 2): 13,3135-3688 (überwiegend

ekklesiologisch) 1.4.1

Die Geschenke: 13,3140-3366 (Zepter: 3140-3150; Mantel: 31513169; Kelch: 3170-3366)

1.4.2

Das Bestimmungsland des Aeneas (sa premiere mere): 13,3367-3392

1.4.3

Die Irrfahrten des Schiffes (Gefahren und Bedrohungen): 13,33933410

1.4.4

"Historische" Erklärung des Tischorakels: 13,3411-3427

MINIATUR (vor 13,3411:) Arsenal, fol. 192r: zum Tischorakel - Aeneas, frontal gezeigt, unterwegs in einem Schiff vor einer großen gedeckten Tischplatte. (Die diesbezügliche Exposition ist durch ein Erzählungs-Rubrum eingeleitet: "Ci deuise comment Eneas ala / tant par mer vacant que vitaille li / failli & conuint que par besoing il men / jast le relief de sa table"). 1.4.5

Allegorische Erklärung (Fortsetzung der Thematik aus 1.4.3): 13,3428-3517

560

Antonie Wlosok

1.4.6

Helenus und seine Stadt: 13,3518-3592

1.4.7

Gefährdung des Schiffes auf seiner Fahrt durch Charybdis und Scylla: 13,3593-3688

1.4.7.1

Moraltheologisch (Charybdis als Todsünde der avarice, Scylla als luxure): 13,3593-3658

1.4.7.2

Autre entendement (Charybdis als Heidentum \gentillise], Scylla als Synagoge): 13,3659-3688

Zwischen 1. und 2. Wegetappe sind anläßlich der Erwähnung der durch Scylla und

Charybdis

drohenden

Gefahren

die

zu

einem

Erzählkomplex

zusammengefaßten Geschichten von Scylla, Polyphem, Galatea, Glaucus und Circe eingelegt (13,3689-4608. 14,1-301), die hier beiseite gelassen werden.

2

2. Etappe: Aeneas in Karthago und Pidos Tod Ovide moralisé 14.302-596 ÍOv.met. 14.75-81)

2.1

ERZÄHLUNG: 14,302(303)-526 Aeneas in Karthago.

2.1.1

Aeneas wird durch einen Seestrum nach Libyen abgetrieben und findet gastliche Aufnahme bei der Königin Dido, die ihn liebt und ihm Ehe und Krone anbietet. Aeneas hält an seinem Ziel fest und fährt nach Instandsetzung der Schiffe heimlich ab (14,302-333).

MINIATUR (vor 14,302:) Rouen, fol. 352v: Ankunft des Aeneas und Begrüßung Didos (vgl. unten S. 577). MINIATUR (vor 14,303:) Arsenal, fol. 197*: Bildthema identisch mit Rouen, fol. 352". 2.1.2

Klagemonolog der schwanger zurückgelassenen Dido (14,334-473 nach Ov.heroid. 7).

2.1.3

Didos Tod. Vergebliche Tröstungsversuche Annas; Dido tötet sich mit dem Schwert und stürzt sich in den brennenden Scheiterhaufen. Klage

Abb. 1

R o u e n , Bibl. muri., ms. 0.4, fol. 19Γ

Abb. 2

R o u e n , Bibl. m u n . , ms. 0.4, fol. 355v

Abb. 3

Abb. 4

Paris, Bibl. de l'Arsenal, ms. 5 0 6 9 , fol. 189r, a

Paris, Bibl. de l'Arsenal, ms. 5069, fol. 199 r

Abb. 5

Abb. 6

Paris, Bibl. de l'Arsenal, m s . 5 0 6 9 , fol. 199v

Paris, Bibl. de l'Arsenal, ms. 5069, fol. 203', c

Christlich-figurale Deutungen der Aeneis im Ovide moralisé

561

der Untertanen, "Nachruf (darin Weltherrschaftspläne Didos), kurze Vorgeschichte 14,474-526). 2.2

EXPOSITION: 14,527-596 (ekklesiologisch) Dido steht für dame Heresie (14,571), welche die sainte Yglise et sa gent, die zu Schiff unterwegs sind zum Hafen der wahren Erkenntnis und des Glaubens (14,541f.) und durch den "Wind der Zwietracht

und

des Zweifels" (14,547) vom

rechten

Wege

abgeraten sind, in ihren Herrschaftsbereich bringen und darin halten will. MINIATUR (vor 14,597:) Rouen, fol. 354': zwei Heilige werden mit dem Schwert getötet.

3

3. Etappe: Von Karthago bis in den Golf von Neapel Ovide moralisé 14.597-790 (nach Ov.met. 14.82-100)

3.1

ERZÄHLUNG: 14,597-654 Weiterfahrt des Aeneas über Westsizilien (Station am Eryx bei Acestes, Obsequien für den Vater) bis zu der Affeninsel Pithecusae im Golf von Neapel, auf der die von Juppiter wegen ihrer Falschheit und Bosheit in Affen verwandelten Cercopen hausen.

MINIATUR (vor 14,597:) Rouen, fol. 354": Aeneas im Schiff unterwegs. MINIATUR (vor 14,597:) Arsenal, fol. 198": Aeneas kommt im Schiff zu den "Affenmenschen". 3.2

EXPOSITION: 14,655-790 (ekklesiologisch) Lange Rekapitulation der überstandenen Häresie-Bedrohung der sainte Yglise; nächste Gefahrenstufe: die moralische Bedrohung der Kirche durch Verweltlichung (gekennzeichnet durch bestimmte Laster).

4

4. Etappe: Aeneas bei der Sibylle in Cumae: Abstieg in die Unterwelt (Enfer/Höllei Ovide moralisé 14.791-1725 (nach Ov.met. 14.101-156)

562 4.1

Antonie Wlosok

ERZÄHLUNG, erster Teil: 14,791-892 Aeneas in Cumae bei der Sibylle; Abstieg in die Unterwelt zu Anchises.

4.1.1

Weiterfahrt bis Cumae zur Sibylle. Aeneas bittet sie, ihn ins Enfer zur "Seele seines Vaters" zu führen und lebend zurückzuführen. Antwort der Sibylle (wie Ov.met. 14,108-113 in direkter Rede: 14,812-837); sie gewährt die Bitte und kündigt an, was sie Aeneas zeigen werde: die Elysischen Gefilde, wo die guten Seelen ruhen, und die "Höllenregion", in der die Sünder ihre Strafen erleiden (14,791-837).

MINIATUR (vor 14,791:) Arsenal, fol. 199' (Abb. 4): Ankunft des Aeneas bei der Sibylle (Beschreibung unten S. 580). MINIATUR (vor 14,791:) Rouen, fol. 355" (Abb. 2): Abstieg - Aeneas und die Sibylle vor dem Höllenrachen. 4.1.2

Vorbereitung des Abstiegs, Abstieg, Anblick der Strafen und der Vorväter (14,838-859 - nach Ov.met. 14,113b-117). (Im Wald der Proserpina pflückt Aeneas auf Anraten der Sibylle einen Zweig von einem goldenen Baum: 838-845; en Enfer vint, passe la porte: 846; voit les tormens ...: 849; voit ... les ancessors, namentlich König Priamus und seinen Vater: 856-859). In ms. Arsenal 5069 ist Vers 860 in einer von dem u.a. durch ms. Rouen 0.4 repräsentierten Normaltext (= Anchisses recogneii l'a) abweichenden Fassung überliefert und mit seinem Reimvers 859 durch hinzugefügtes et am Versanfang verbunden (aus metrischen Gründen folgt danach nur cogneu). Das mit Rubrum, Miniatur und großer Schmuckinitiale eingeführte neue Kapitel "Aeneas und Anchises" beginnt nicht sonderlich geschickt mit Vers 861: eí Eneas lui ensement.

4.1.3

Aeneas bei Anchises: Erkennung (860/861); Anchises gibt dem Sohn Unterweisungen und Offenbarungen über die Erlangung der

Christlich-figurale Deutungen der Aeneis im Ovide moralisé

künftigen Herrschaft und deren Bedeutung

563

(14,860/861-896;

Ov.met. 14,118f.). (Einzelheiten über den Weg zur Lombardei, die Kämpfe um die Herrschaft; Vermählung mit der Erbtochter Lavine des Königs Latinus; nach dem Sieg über Turnus sei Aeneas eine dauerhafte Herrschaft mit Erbfolge gesichert. Ausblick: bis zur Gründung und Weltherrschaft Roms). MINIATUR (vor 14,861:) Arsenal, fol. 199" (Abb. 5): Aeneas und die Sibylle bei Anchises (Beschreibung unten S. 581). 4.2

ERZÄHLUNG, zweiter Teil: 14,897-972 (nach Ov.met. 14,120-153) Gespräch zwischen Aeneas und der Sibylle auf dem Rückweg aus dem Enfer:

4.2.1

Aeneas bedankt sich bei der Sibylle, als sei sie eine Göttin (14,897912).

4.2.2

Sie erzählt darauf ihre menschliche Geschichte mit Apollo (14,913972).

4.3

EXPOSITION: 14,973-1066

4.3.1

Erster Teil (Abstieg - christologisch, s. dazu unten S. 583): 14,9731018

4.3.2

Zweiter Teil (Sibylle und Apollo - heilsgeschichtlich): 14,1019-1066 Die Sibylle bezeichnet Judee, die von Gott (Apollo) zuerst erwählt und geliebt wurde, aber seine Liebe zurückwies.

4.4

SIBYLLENEXKURS (siehe dazu De Boer, Edition Bd. 5, S. 5f.): 14,1067-1716, mit folgenden Miniaturen:

MINIATUR (vor 14,1067:) Arsenal, fol. 20σ: Die Tiburtinische Sibylle wird Kaiser Trajan in Rom vorgeführt. MINIATUR (vor 14,1067:) Rouen, fol. 357': Die Tiburtinische Sibylle spricht zu römischen Senatoren. MINIATUR (vor 14,1195:) Arsenal, fol. 200": Die Tiburtininsche Sibylle legt römischen Senatoren einen Traum aus.

564

Antonie Wlosok

MINIATUR (vor 14,1689:) Arsenal, fol. 2031): Die Sibylle verkündet römischen Senatoren Zeichen des Endgerichtes. 4.5

FORTSETZUNG DER "AENEIS": 14,1717-1725 (nach Ov.met. 14,154f.) Aeneas und die Sibylle sind aus der Hölle zurückgekehrt; Aeneas stattet den Göttern ein Dankopfer ab, verabschiedet sich von der Sibylle und fährt weiter.

MINIATUR (vor 14,1717:) Arsenal, fol. 203'c (Abb. 6): Aeneas und die Sibylle sind aus der Hölle zurückgekehrt und verabschieden sich. MINIATUR (vor 14,1717:) Rouen, fol. 360": Dankopfer des Aeneas an die Götter.

5

5. Etappe: Halt in Caieta Ovide moralisé 14.1726-3540 (nach Ov.met. 14.157-444) Bestattung der Amme des Aeneas. Erzählungen der beiden Odysseusgefährten Achaemenides und Macareus.

5.1

AENEASHANDLUNG: 14,1726-1750 (nach Ov.met. 14,157 und 441-444) Aeneas macht Halt am Ufer von Caieta, um seine gestorbene Amme Taygita zu beerdigen. Epitaph (1729ff.) mit Exposition (1739-1750).

5.2

EINBLENDUNG ODYSSEISCHER ABENTEUER: 14,1751-3540 Begegnung der beiden Odysseusgefährten Macareus, der sich nach dem Aufenthalt bei Circe von Odysseus getrennt hat und an Land geblieben ist, und Achaemenides. Sie fragen sich gegenseitig nach ihrem Schicksal. Es folgen die "odysseischen" Erzählungen.

MINIATUR (vor 14,1751:) Rouen, fol. 361': Beerdigung Caietas. MINIATUR (vor 14,1751:) Arsenal, fol. 203": Begegnung zweier "Ritter" auf Schiffen. 5.2.1

ERZÄHLUNG DES ACHAEMENIDES: Ov.met. 14,167-222)

14,1751-2100 (nach

ChristUch-figurale Deutungen der Aeneis im Ovide moralisé

5.2.1.1

565

GESCHICHTE: 14,1786-1952 Seine Gefährdung durch Polyphem und Rettung durch Aeneas.

5.2.1.2

EXPOSITION: 14,1953-2100 (moraltheologisch) Polyphem bedeutet le diable.

5.2.1.3

ZWISCHENGESPRÄCH: 14,2101-2113

MINIATUR (vor 14,2101:) Rouen, fol. 363': zwei sitzende Personen - die Erzählenden. 5.2.2

ERZÄHLUNG DES MACAREUS: 14,2114-3540 (nach Ov.met.

5.2.2.1.1

GESCHICHTE: 14,2114-2206

14,223-440) Äolus, Windschlauch, Lästrygonen. 5.2.2.1.2

EXPOSITION: 14,2207-2354 (ekklesiologisch) Teufel bedrängt Kirche.

5.2.2.2.1

GESCHICHTE: 14,2355-2562 Circe - Verwandlung der Gefährten des Odysseus.

MINIATUR (vor 14,2355:) Rouen, fol. 364v: Odysseus' Gefährten stoßen vor Circes Schloß auf wilde Tiere. MINIATUR (vor 14,2355:) Arsenal, fol. 204": Circe verwandelt Gefährten des Odysseus in Tiere. Rückverwandlung (von Macareus selbst erlebt - 14,2543ff.) MINIATUR (vor 14,2543:) Arsenal, fol. 205': Circe macht in Gegenwart des Odysseus die Verwandlung rückgängig. 5.2.2.2.2

EXPOSITION: 14,2563-2674 Circe bedeutet das Weib aus Ape. Joh. 17.

5.2.2.3.1

GESCHICHTE: 14,2675-2956 Circes Magd zeigt Macareus das Bild des Picus und erzählt die Geschichte seiner Verwandlung wegen seiner treuen Liebe zur Nymphe Canens und Ablehnung der Liebe Circes.

MINIATUR (vor 14,2675:) Rouen, fol. 366': Circes Magd führt Macareus (mit Krone dargestellt) zu dem Bild des Picus.

566

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MINIATUR (vor 14,2675:) Arsenal, fol. 205": Circe verwandelt König Picus in einen Vogel. MINIATUR (vor 14,2703:) Rouen, fol. 366": Königin Canens lockt durch ihren schönen Gesang wilde Tiere herbei. 5.2.2.3.2

EXPOSITION: 14,2957-3266 (zu Picus)

MINIATUR (vor 14,2957:) Rouen, fol. 368r: Christus lehrend. 5.2.2.4.1

GESCHICHTE: 14,3267-3316 Fortsetzung der Erzählung der Magd: Trauer der Canens, Suche nach Picus, Irren zum Tiberufer.

MINIATUR (vor 14,3267:) Rouen, fol. 369": Königin Canens sucht Picus traurig am Tiberufer. MINIATUR (vor 14,3267:) Arsenal, fol. 20T: Canens (mit Krone) sitzt trauernd auf einer Kastenbank; drei weitere Gestalten. 5.2.2.4.2

EXPOSITION: 14,3317-3452 (ekklesiologisch)

MINIATUR (vor 14,3317:) Rouen, fol. 37(T: Prediger 5.2.2.5.1

GESCHICHTE: 14,3453-3480 Abschluß des Berichtes des Macareus: seine Entscheidung, die Seefahrt abzubrechen und an Land zu bleiben.

MINIATUR (vor 14,3453:) Rouen, fol. 370v: Abfahrt des Odysseus-Schiffes. MINIATUR (vor 14,3453:) Arsenal, fol. 208"a: Bildthema identisch mit Rouen fol. 370". 5.2.2.5.2

EXPOSITION: 14,3481-3540 (soteriologisch)

6 ZWEITE AENEISHÄLFTE: ANKUNFT UND KÄMPFE IN LATIUM Ovide moralisé 14,3551-4742 (nach Ov.met. 14,445-608)

6.1.1

ERZÄHLUNG: 14,3551-3624 (nach Ov.met. 14,445-456) Aeneas fährt von Caieta weiter zur Tibermündung und kommt in das ihm zur Herrschaft und Erbschaft bestimmte Land. König Latinus gibt ihm seine Tochter Lavine in die Ehe. Turnus, ein reicher Vasall, widersetzt sich und beginnt Krieg.

Christlich-fîgurale Deutungen der Aeneis im Ovide moralisé

567

MINIATUR (vor 14,3551:) Arsenal, fol. 208": Abfahrt des Aeneas von Caieta nach Bestattung der Amme (im Hintergrund: Grabmal). MINIATUR (vor

14,3551:) Rouen, fol. 371": Ein Priester vermählt

in

Anwesenheit des Königs Latinus Aeneas und Lavinia. 6.1.2

EXPOSITION: 14,3625-3690 Ausbreitung des christlichen Glaubens nach Rom; Kampf der sainte Yglise um die Herrschaft gegen den Widerstand des Teufels und seiner Helfer, der römischen Machthaber (Christenverfolgungen).

6.2.1

ERZÄHLUNG: 14,3691-3878 (nach Ov.met. 14,457-511) Turnus schickt Boten zu Diomedes mit der Bitte um Hilfe im Kampf gegen Aeneas. Diomedes lehnt ab und entschuldigt sich in einer langen Rede vor dem Boten Venulus.

MINIATUR (vor 14,3691:) Rouen, fol. 372r: Botenszene - auf einer Kastenbank sitzt mit übergeschlagenen Beinen ein Gebieter (Rede- und Weisegestus) und übergibt einem im Reisemantel vor ihm knienden Boten einen Brief. MINIATUR (vor 14,3691:) Arsenal, fol. 209': Turnus sitzt auf einer Kastenbank und schickt (mit gebieterischer

Gebärde) zwei Boten weg.

(Rubrum: "Ci deuise si comme tumus enuoia ses messages a dyomedes...") 6.2.2

EXPOSITION: 14,3879-4044 Turnus bezeichnet den Antichrist mit seinen Intrigen

und

Täuschungsmanövern beim Kampf um die Macht über den Menschen. MINIATUR (vor 14,3879:) Rouen, fol. 373': Zwei Enthauptungen auf Weisung einer gekrönten Herrschergestalt - Verfolgung der Kirche. 6.3.1.1

ERZÄHLUNG: 14,4045-4085 (nach Ov.met. 14,512-526) Rückkehr des Boten Venulus mit der Absage des Diomedes, verknüpft mit der Geschichte von den messapischen Nymphen und dem in einen Oleaster verwandelten apulischen Hirten.

568

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MINIATUR (vor 14,4045:) Arsenal, fol. 210": Diomedes (stehend) erteilt dem vor ihm knienden Boten ablehnenden Bescheid (Textbeginn: "Einssi dyomedes sescuse vers venulus ..."). MINIATUR (vor 14,4045:) Rouen, fol. 374r: Tanz der messapischen Nymphen (vier Mädchen, die einander an den Händen halten); links ein Baum, vermutlich der verwandelte apulische Hirt. 6.3.1.2

KRIEG: 14,4086-4094

6.3.2

EXPOSmON: 14,4095-4208 Monastische Deutung der Nymphen (14,4148ff.: autre sentence).

6.4.1.1

ERZÄHLUNG: 14,4209-4307 (nach Ov.met. 14,527-565) Turnus wirft Brand in die Flotte des Aeneas; Cybele erscheint rettend mit Trompete am Himmel und verwandelt die Schiffe in Nymphen.

MINIATUR (vor 14,4209:) Rouen, fol. 375': Cybele erscheint mit einer Trompete am Himmel und rettet die durch Turnus in Brand gesetzten Schiffe des Aeneas. MINIATUR (vor 14,4209:) Arsenal, fol. 21 l r : Bildthema identisch mit Rouen, fol. 375'. 6.4.1.2

ERZÄHLUNG: 14,4308-4366 (nach Ov.met. 14,566-580) Tod des Turnus, der trotz des Wunders den Kampf gegen Aeneas fortsetzt; Zerstörung seiner Stadt Ardea. Freude der Venus über Leistung und Sieg des Aeneas; Wohlgefallen aller Götter; Juno gibt ihren Haß auf.

MINIATUR (vor 14,4308:) Rouen, fol. 375": Doppelzweikampf (Reiter mit geschlossenem Visier, Pferde mit Schabracken) - Turnus fällt. 6.4.2

EXPOSITION: 14,43674590 (überwiegend eschatologisch) Rettung der Sainte Yglise vor dem Feuer des Gerichts; Untergang der Stadt "Babylon", Freude im Himmel über den Sieg.

MINIATUR (vor 14,4367:) Rouen, fol. 376': Zwei Hinrichtungen auf Weisung einer gekrönten Herrschergestalt - Verfolgung der Kirche.

569

Christlich-figurale Deutungen der Aeneis im Ovide moralisé

6.5.1

ERZÄHLUNG: 14,4591-4670 Apotheose des Aeneas.

6.5.1.1

Venus bittet Juppiter um Gottheit für Aeneas; Zustimmung, auch von Juno (14,4591-4634 - nach Ov.met. 14,581-595)

MINIATUR (vor 14,4591:) Arsenal, fol. 212": Venus steht mit Aeneas vor dem auf

einer

Kastenbank

thronenden Juppiter

und

bittet

um

Göttlichkeit für ihren Sohn. MINIATUR (vor 14,4591:) Rouen, fol. 377": Vier in einer Reihe sitzende Götter (gekrönt): in der Mitte Juppiter und Venus, die ihm bittend die Hand auf die Brust (Herzseite) legt. 6.5.1.2

Venus begibt sich zum Fluß Numicus, der die sterbliche Substanz des Aeneas wegspült, während Venus seinen Körper balsamiert und deifiziert (14,4635-4670 - nach Ov.met. 596-608).

MINIATUR (vor 14,4635:) Arsenal, fol. 212": Venus deifiziert den im roten Kapuzenmantel auf Steinen am steilen Flußufer sitzenden Aeneas mit Ambrosia aus einer Dose. 6.5.2

EXPOSITION: 14,4671-4742 (christologisch) Ende der Zweinaturigkeit des Gottessohnes, repräsentiert durch Venus und Aeneas.

II. Die Geschichte des Aeneas beginnt mit dem Untergang Troias. Die Stadt ist in Flammen aufgegangen, die Bewohner vom Zorn der Griechen vernichtet. Und doch gibt es Hoffnung: Aeneas rettet seinen Vater und seinen Sohn, indem er sie "auf seinen Schultern" aus dem "Feuer Troias" trägt (13,2619-2622) und andere nach sich zieht. "Auf einem großen Schiff fährt er "mit seinem Volk" übers Meer davon, eine sichere und dauerhafte Bleibe suchend. Sie enthüllt sich auf der ersten Wegetappe mit Hilfe des Apollo-Orakels auf Delos und späteren Weissagungen des Priamiden Helenus als "premiere mere", als Urheimat und Ursprungsland (vgl. Ov.met. 13,678: antiqua mater, nach Vergil, Aen. 3,96), in dem sogleich die "Lombardei" erkannt wird.

570

Antonie Wlosok

Zu Schiff unterwegs zu einem fernen Zielhafen, den Gefahren des Meeres ausgesetzt und vielfältig bedroht - das ist, ganz wie in Vergils Aeneis, die Grundsituation der Aeneas-Leute.10 Sie wird im Ovide moralisé durch formelhaft wiederkehrende Reimverse vom Typ "... par mer nagent / ... Eneas bzw. il et sa gent" ständig in Erinnerung gehalten." In den frühen Illustrationen ist sie immer neu veranschaulicht (Rouen, ms. 0.4, fol. 339"b, 354"; Arsenal, ms. 5069, fol. 189'c,

192', 197", 198v, 199', 208Y).

Diese Situation der zielgerichteten Seefahrt kann allgemein anthropologisch allegorisiert werden als Weg des gottbezogenen Menschen durch das stürmische Meer dieser Welt und ist anwendbar auf das Erdenleben des inkarnierten Gottessohnes. Im Rahmen der vorliegenden Moralisation der Aeneasgeschichte wird sie jedoch meistens ekklesiologisch gedeutet auf die Lage der vielfach bedrohten Kirche in der Welt. Dabei kann der Weg des Aeneas von Troia bis Latium bzw. Rom als Préfiguration des historischen Weges der Ausbreitung des Christentums oder eben der Kirche von Ost nach West mit herrscherlicher Etablierung in der Welthauptstadt Rom verstanden werden (Abschnitt 6.1.2). Einzelne Fahrtetappen oder "Abenteuer" können auch kirchengeschichtliche Phasen oder Situationen spezieller Bedrohung, nämlich durch Synagoge, Heidentum, Häresie und innerkirchliche Verweltlichung, bezeichnen (vgl. die Abschnitte

1.4; 7.2; 2.2; 3.2)

oder

stets wiederholbare,

d.h.

typische

Bedrohungszustände der Kirche repräsentieren (vgl. aus Exposition 1.4. die Abschnitte 3, 5 und 7.1). Allegorie für die Bedrohung durch die Synagoge ist Scylla, vgl. 13,3667, durch das Heidentum Charybdis, vgl. 13,3660f.; Dido in Karthago steht für die Häresie, für die Gefahr innerkirchlicher Verweltlichung die Affeninsel. Der erste, im Anschluß an Ovid breit ausgestaltete Aufenthalt bei dem mit Anchises befreundeten König Anius auf Delos wird in der Exposition noch als Ausrüstung und Instruktion des "Kirchenschiffes" (vgl. 13,3400f.: la navie / dou

10

Vgl. dazu A. Wlosok, Der Held als Ärgernis: Vergils Aeneas, 1982: Dies., Kleine Schriften (Res humanae - res divinae, hg. E. Heck und E-A. Schmidt), Heidelberg 1990, 403-418, hier: 407ff. 11 Die wichtigsten Stellen: Ov.mor. 13,2624.2629f.3393-3410 (Expos.). 3432f.3588ff.3605ff. (Expos.); 14,303-305.527ff. (Expos.). 603ff.3505f.3565-3580.

Christlich-fîgurale Deutungen der Aeneis im Ovide moralisé

571

Sauveor, c'est sainte Yglise) verstanden (= Abschnitt 1.4.1; vgl. 1.4.6). Die Abschiedsgeschenke, vor allem der schon bei Ovid durch eingehende Ekphrasis seines Bildschmuckes ausgezeichnete Krater, jetzt ein Kelch (= coupe), und die Orakelweisung des Apollo zur "ersten Mutter", d.h. in die Urheimat zu fahren, mußten solche Auslegung geradezu empfehlen. Die Gestalt des Aeneas erscheint in den einzelnen Expositionen je nach Skopos und vorgegebenem Text als "Allegorie" der katholischen Kirche (im Sinne der institutionell zusammengefaßten Gemeinschaft der rechtgläubigen Christen) oder aber des Erlösers, und zwar hauptsächlich unter dem Aspekt des menschgewordenen Gottessohnes. Drei markante Ereignisse der AeneasGeschichte werden in dieser Weise christologisch ausgelegt: die Rettungstat des Aeneas beim Untergang Troias, der Abstieg in die Unterwelt zum verstorbenen Vater und die Apotheose nach dem Sieg über Turnus. Zusammen bilden sie Anfang, Mitte und Ende der 'Aeneis'. Ich bespreche sie der Reihe nach.

1 Die Rettung von Vater und Sohn Der Auszug des Aeneas aus Troia wird folgerichtig am Anfang der ersten Exposition (Abschnitt 1.2.1) allegorisiert. Sie beginnt unvermittelt mit dem Sündenfall, der Gotteszorn über die gesamte Menschheit gebracht und diese dem Feuer des Gerichts und der Hölle ausgeliefert habe. Par le pechié dou premier home, Qui menga la premiere pome Que Diex li avoit deffendue, Fu par tout le monde espandue L'ire divine et la sentence Qui corut, sans nulle alegance, Par tout le mont communément Et tout mist à destrivement Ou feu d'enfer, en Tardant flame, Sans espargnier home ne fame. Fors tant que li doulz Delivrerres

572

Antonie Wlosok

Et Ii piteables Sauverres De mort et d'infernal peril Délivra son pere et son fil. (13,2759-2772) Der Untergang Troias im Feuer bildet demnach die Lage der Menschheit vor dem Eingreifen des Erlösers ab. Aeneas erscheint unausgesprochen als Typus des Retters und Befreiers. Der Verfasser des Ovide moralisé läßt ihn in Abweichung vom Text Ovids (met. 13,624f.) und von der gesamten Sagentradition Vater und Sohn auf den Schultern tragen und verschweigt die Rettung der paganen Götter. 12 Der Illustrator der Arsenal-Handschrift hat den Vorgang textgetreu dargestellt (Abb. 3): Aeneas geht fort gebeugt unter der Last zweier Menschen, eines

älteren,

bärtigen

und eines jugendlichen,

die

nebeneinander

in

Huckepackstellung auf seinem Rücken aufliegen und mit den Köpfen über seine Schultern nach vorn blicken. Der so veränderte Text ist für den christlichen Moralisator theologisch ergiebiger. Unter dem Vater können, so schlägt er vor, die auf Gottes Hilfe trauenden Vorväter verstanden werden, an deren Anfang Adam steht, unter dem Sohn die rechtgläubigen Christen. Auch das Aeneasschiff weiß er in die Exegese einzubeziehen: es bezeichnet die angenommene Leiblichkeit Gottes, mit der er nach seiner menschlichen Geburt "durch diese sterbliche Welt hindurchgeht" (13,2790). Insofern ist es Signum seiner condicio humana.

2 Der Abstieg in die Hölle (en enfer) 2.1 Text und Auslegung Ovid hat gegenüber Vergil die ganze Katabasis des Aeneas samt der Begegnung mit Anchises im Elysium auf vier Verse reduziert (met. 15,116-119) und den Weg des Aeneas mit der Sibylle dazu verwendet, eine eigene erotisch gefärbte

12 Dagegen ist im Ovidius moralizatus des Petrus Berchorius der Auszug des Aeneas ganz konventionell, zudem äußerst knapp beschrieben und in der Moralisation gar nicht berücksichtigt: Aeneas fugiens et deos patriae patremque suum Anchisam secum deferens ad palatium anii regis peruenit (zitiert nach der Druckausgabe Paris 1509, hg. als "Werkmateriaal" [2] Utrecht 1962, 169). In der zugehörigen Illustration des ms. Bergamo, Bibl. Civica, Cassai. 3,4, fol. 133' stehen im Schiff des Aeneas zwei hohe Säulen, die zwei bis zum Bauch reichende Götterfiguren tragen.

573

Christlich-figurale Deutungen der Aeneis im Ovide moralisé

Erzählung mit Verwandlungseffekt anzubringen." Auf eine Beschreibung der Unterwelt hat er an dieser Stelle überhaupt verzichtet. Der Leser kennt sie schon aus dem von Ovid erfundenen Descensus der Iuno im 4. Buch (met. 4,416ff.)14 und aus erneuten Hinweisen im Rahmen der Orpheusgeschichte

(met.

10,13ff.41ff.). Der Akzent liegt jetzt auf dem beschwerlichen Aufstieg. Dieser wird zum Anlaß, die Sibylle ihre persönliche Geschichte erzählen zu lassen, die Geschichte von Apollos werbender Liebe, ihrer hartnäckigen Verweigerung und dem

kurzsichtigen

Wunsch

nach

einzubeziehen. Die Vorbereitungen

langer

Lebenszeit,

ohne

die

Jugend

zum Abstieg sind ebenfalls rigoros

vereinfacht. Als einzige Bedingung bestehen bleibt der Besitz des goldenen Zweiges; aber diesen zeigt die Sibylle dem Aeneas selbst im Wald der Proserpina am Avernus. Der Verfasser des Ovide moralisé hat sich in seiner Paraphrase an den ovidischen Aufriß gehalten und auch alle Einzelheiten berücksichtigt, selbst die abschließende Angabe, daß Aeneas nach der Rückkehr aus der Unterwelt den Göttern opfert (met. 14,155f.). Seine Darstellung ist aber mehrfach erweitert15 und ergänzt, in den erzählenden Partien hauptsächlich im Sinne Vergils. So verweist er wiederholt auf die Unterweltsstrafen oder den Strafort ( 14,83 lf.847855), d.h. die dem mythologischen Tartarus entsprechende eigentliche Hölle, und läßt Anchises dem Sohn Einzelheiten über die bevorstehende Eroberung der 'Lombardei' verkünden, Nachkommen prophezeien und die Weltherrschaft des von diesen gegründeten Rom (14,869-892 in Abschnitt 4.1.3). In der Exposition des den Abstieg betreffenden Teils (= Abschnitt 4.1) wird prompt und ohne Umschweife erklärt, daß die Bedeutung der Geschichte auf christologischer Ebene liegt:

13

Vgl. Guthmüller (wie Anm. 4) 108-111. Näheres in meiner in Anm. 1 genannten Teilstudie. 15 Der Sibyllenexkurs ist, abgesehen vom Anfang, eine Versparaphrase des von A. Kurfeß, Sibyllinische Weissagungen, München 1951, 263-279 abgedruckten älteren lateinischen Textes über die tiburtinische Sibylle, die aufgrund ihres weltweiten Ruhmes vom Kaiser nach Rom geholt wird und einen Traum auslegt, den hundert römische Senatoren in einer Nacht gehabt und darin neun Sonnen gesehen haben. Der lateinische Text endet mit Hexametern aus dem Akrostichon (Or.Sib. Vm,217ff.), die schon bei Aug.civ. 18,23 in lateinischer Übersetzung zitiert sind. Dem Herausgeber des Ovide moralisé scheint diese Quelle entgangen zu sein. 14

574

Antonie Wlosok

Par Eneas puis droitement Noter le piteuz Rambeour, Le debonaire Sauveour, Le fil Dieu, qui deigna venir Des cieulz en terre, et devenir Vrais homs, et enfer visiter, Pour ses amis d'enfer giter. (14,978-984) In der Katabasis des Aeneas darf und soll der christliche Leser eine Allegorie finden für den im zweiten Glaubensartikel verankerten Descensus ad Inferos. Wie am Ausgangspunkt der Geschichte erscheint Aeneas in unserem Text als Figura des menschgewordenen Gottessohnes. Die weiteren Allegorien ergeben sich danach geradezu von selbst. Die Sibylle steht für die alttestamentlichen Prophetien auf die Ankunft des Erlösers, d.h. die Menschwerdung Gottes (14,985-991). Der Wald der Proserpina kann diese Welt bedeuten, die voller Teufel ist (14,992-997). Der Zweig vom goldenen Baum darin wird zum 'Reis aus der Wurzel Jesse', dem Leib der Jungfrau, der für die menschliche Geburt des Gottessohnes gewählt wird (14,1000-1002). Das Ziel der Erlösung ist kontextgemäß verengt auf die Höllenfahrt zwecks Befreiung der in Finsternis gefangenen, auf Erlösung harrenden Vorväter (14,1004-1007). Geschildert wird nur die Freude Adams über die lichtbringende Erscheinung des Erlösers, "seines fleischlichen Sohnes", im Höllengefängnis: Grant joie ot en l'infernal mue Adam, qui iere en obscurté Quant vit la divine clarté Que li Sauverres amenoit, Ses charneulz filz ... (14,1008-1012) Das ist offenbar der aus dem Untergang Troias gerettete Vater Adam. Die beiden Vatergestalten Anchises und Adam sind erneut zusammengeflossen.

Christlich-figurale Deutungen der Aeneis im Ovide moralisé

575

2.2 Vorbemerkung zu den Handschriften und ihren Illustrationszyklen zur Aeneis" Die Handschrift in Rouen gilt als der älteste und verläßlichste Textzeuge des Ovide moralisé, man hat sie sogar als Urexemplar betrachtet. Ihre Entstehung wird von F. Avril in die Jahre 1315 bis 1325, das ist sehr nahe an der mutmaßlichen Abfassung des Textes selbst, datiert und in Paris lokalisiert. Der in zwei Kolumnen geschriebene Text ist durch mehr als 450 kleinere Miniaturen (durchschnittliches Format: 5 χ 6,4 bis 7 cm; Foliogröße: 39,5 χ 27 cm) illustriert, die gewöhnlich wie ein Titelbild in der Kolumne über dem Anfang des neuen Kapitels stehen, dem keine Überschrift beigegeben ist. In der etwas jüngeren Arsenal-Handschrift ist das gleiche Illustrationssystem befolgt. Der Text ist hier in drei Kolumnen angeordnet, das Folioformat ist größer (44,5 χ 32,4 cm) und auch das der Bilder (zwischen 7 bis 9 χ ca. 7,5 cm). Die Anzahl der Miniaturen betrug ursprünglich ebenfalls ca. 450, erhalten sind davon nur 302. Dem Illustrator scheint die Rouen-Handschrift vorgelegen zu haben. Jedenfalls stimmen die Handschriften in der Verteilung der Miniaturen und in der Wahl der Bildthemen sehr oft überein. Ein Teil der Bildkompositionen in der ArsenalHandschrift ist denen in der Rouen-Handschrift so ähnlich, daß sie direkt nach deren Vorbild gestaltet worden sein müssen; allerdings wurden dabei die meisten in einer für den Arsenal-Meister charakteristischen Weise abgewandelt. In dem Illustrationszyklus zur Aeneis überwiegen eher die Unterschiede. Die Zahlen der Miniaturen beider Zyklen liegen zwar dicht beieinander, aber schon die Plazierung im Text weicht öfter voneinander ab, und vor allem differieren Bildthemen und Gesamttendenz der Illustrierung erheblich.

16

Den ersten Abschnitt mit den für das Verständnis unentbehrlichen Daten zu den beiden Handschriften wiederhole ich aus meinem eingangs genannten Aufsatz über den Juno-Descensus (Anm. 1), verzichte aber auf Belege. - Für ms. Arsenal 5069 habe ich einen Mikrofilm (schwarzweiß) von vorzüglicher Qualität und Farbdiapositive der meisten Miniaturen benutzt und die Handschrift im Original eingesehen. Für ms. Rouen 0.4 standen mir Farbdiapositive nur für einen Teil der Miniaturen zur Verfügung und schwer lesbare Photoabzüge (schwarzweiß) des Rubrikenverzeichnisses und Textes der Aeneaspartie, auf denen die Miniaturen völlig unkenntlich sind. Mme Rose hat mit großer Geduld und steter Hilfsbereitschaft die fehlenden Beschreibungen telephonisch vermittelt; dafür sei ihr von Herzen gedankt.

576

Antonie Wlosok

Im ms. Rouen umfaßt der Aeneiszyklus im weiteren Sinn (das ist einschließlich der odysseischen Abenteuer, die von in die Aeneishandlung integrierten Personen erzählt werden, und des an die Exposition der cumäischen Sibylle

angeschlossenen

Sibyllenexkurses,

aber

mit

Ausnahme

des

als

Autorerzählung eingelegten Scylla-Glaucus-Komplexes) 27 Miniaturen. Auf die Aeneashandlung im engeren Sinn fallen davon 17 Illustrationen, 10 davon sind auf die erste, 7 auf die zweite Aeneishälfte bezogen, 4 gehören zu den Expositionen, sind sogenannte Allegorien und haben christliche Themen wie den Sündenfall im Paradies und vor allem Verfolgungs- oder Martyriumsszenen, für welche das gleiche, im Einzelfall jeweils etwas abgewandelte Bildschema verwendet ist (zwei einfach gekleidete kniende Gestalten, mit oder ohne Nimbus, werden von zwei verwegenen Schergen mit Schwertern enthauptet oder durchbohrt. Rechts im Bild steht auf fol. 373' und 376r eine gekrönte Herrschergestalt mit gebieterischer Gebärde). Diese Illustrationen unterstützen die

ekklesiologischen

und eschatologischen

Auslegungen

des

Karthago-

aufenthaltes und der Kämpfe in Latium gegen Turnus, der als Teufel oder Antichrist allegorisiert wird. Unter den auf Erzählungen bezogenen Illustrationen finden sich im ms. Rouen einige Szenen, die der Arsenal-Meister nicht berücksichtigt hat, z.B. die Bestattung der Amme des Aeneas (fol. 361'),17 das Dankopfer des Aeneas an die paganen Götter nach der Rückkehr aus der Unterwelt (fol. 360"), die wie ein weibliches Pendant zu Orpheus und vielleicht auch als Kontrastfigur zu Circe konzipierte lieblich singende Nymphe Canens unter den Tieren (fol. 366"), schließlich der Tanz der messapischen Nymphen (fol. 374'). Im ms. Arsenal enthält der Aeneiszyklus 24 Miniaturen (wobei die 3 Miniaturen zum Scylla-Glaucus-Komplex ebenfalls nicht mitgezählt sind); 3 davon finden sich im Sibyllenexkurs, 5 im odysseischen Teil; der Aeneis im engeren Sinn gelten somit 16 Illustrationen, von ihnen gehören 5 in die zweite Aeneishälfte. Im Gegensatz zum ms. Rouen enthält der gesamte Aeneiszyklus

17 Das Motiv begegnet vorher schon in einer historisierten Initiale zu Aen. VII in einer illustrierten Handschrift der lateinischen Aeneis aus der Zeit um 1200 (Paris, Bibl.Nat., ms. lat. 7936, fol. 48').

Christlich-figurale Deutungen der Aeneis im Ovide moralisé

577

der Arsenal-Handschrift keine Allegorien. Alle 24 Illustrationen sind erzählenden Partien zugeordnet und veranschaulichen deren Handlung im Wortsinn. Eine einzige Miniatur steht bei Expositionen (Abschnitt 1.4.4). Es ist die zu dem Tischorakel, das hier aber gerade sensu historico als tatsächliche Mangelsituation erklärt wird (13,3416), d.h. nicht allegorisch aufgefaßt ist. Auch unter den narrativen Miniaturen beider Illustrationszyklen bestehen große Unterschiede. Scheinbare Gemeinsamkeiten entschwinden bei näherem Zusehen. Sieht man von einer Reihe typischer Szenen wie Seefahrt, Ankunft per Schiff mit Begrüßung, Abfahrt, Absendung oder Empfang von Boten ab, für die es allgemein gebräuchliche Kompositionsmuster gab, so bleiben nur ganz wenige Miniaturen,

bei

denen

die

Annahme

eines

Abhängigkeitsverhältnisses

unumgänglich ist. Dazu gehört vor allem die Illustration der Rettung der Schiffe des Aeneas durch die große Göttermutter, die in beiden Miniaturen rechts oben als Retter am Himmel mit langer Trompete erscheint wie ein apokalyptischer Bote, während unten im Bild das Feuer in den in Seitenansicht dargestellten Schiffen lodert, das Turnus, der weiter links im Bild in voller Kriegsriistung gezeigt ist, gelegt hat (Rouen: fol. 375'; Ars.: fol. 21 Γ). Außer diversen Teilelementen kann man zu dem gemeinsamen Bildgut ferner eine Miniatur aus dem Sibyllenexkurs (Rouen: fol. 357'; Ars.: fol. 203Τ), seitenverkehrt) zählen, sodann

die

Darstellung

des

Untergangs

Troias

durch

Flammen

und

zusammenstürzende Türme und Gebäude (Rouen: fol. 339"a; Ars.: fol. 199'a, hier bereichert durch den abziehenden Aeneas) und vielleicht die Ankunft des Aeneas bei Dido, obwohl die Begrüßungsszene stark differiert." Die insgesamt drei Botenszenen geben eher verschiedene Varianten des Bildtyps wieder. Die Ausführung in ms. Rouen (fol. 372') steht einer entsprechenden Miniatur in einer ebenfalls Anfang des 14. Jahrhunderts in Paris angefertigten illustrierten

18

Im ms. Rouen 0.4, fol. 352v steht Aeneas, in ein langes leuchtend rotes Gewand gekleidet, bereits am Ufer und umarmt die Königin zärtlich; im Wasser liegen zwei mit Kriegern in voller Rüstung besetzte Schiffe. Die Miniatur in ms. Arsenal 5069, fol. 19Τ dagegen zeigt das ankommende Halbschiff, dessen barhäuptige Insassen keine Rüstung, sondern Reisekleidung tragen. Die beiden vorderen erheben grüßend die Hand. Die Königin steht am Ufer und erwidert mit verhaltener Gebärde den Gruß.

578

Antonie Wlosok

Handschrift des Roman d'Eneas (Paris, Bibl.Nat., ms. fr. 60, fol. 162r)" näher als einer der beiden Miniaturen der Arsenal-Handschrift (fol. 209r.210"), deren Illustrator hier wie oft eigene Wege gegangen ist. Dabei sind ihm einige, hauptsächlich vom Text angeregte

originelle

Schöpfungen gelungen, die die Aeneisillustrationen bereichern. Zu ihnen gehören die exzeptionelle, auf den Text abgestimmte Version des Auszugs aus Troia (fol. 189'a), die Deifizierung des Aeneas aus der Ambrosiabüchse der Venus (fol. 212 v

c), die merkwürdige Darstellung des Tischorakels (fol. 192'), bei der man eher

an ein Tischleindeckdich erinnert wird und, wie die folgenden Ausführungen zeigen sollen, die Illustrationen zur Descensus-Partie. In etwa der Hälfte seiner Illustrationen

bietet

der

Arsenalmaler

konventionelle

Szenen

in

Standardausführung (zwei Ankunftsszenen, zwei Begegnungen zur See, Seefahrer unterwegs, Verwandlung und Rückverwandlung der Odysseusgefährten, zwei Botenszenen, zweimal die dozierende Sibylle vor römischen Senatoren). Eine gewisse Vorliebe zeigt er für die Veranschaulichung vollzogener oder sich vollziehender

Metamorphosen,

wobei

er

viermal

ein

bestimmtes

Tiermenschenmodell verwendet. Zu seinen Präferenzen gehört auch die Descensus- und Sibyllenthematik.

2.3 Die Illustrationen Die Illustrierung der Descensus-Episode ist in beiden Handschriften völlig verschieden ausgefallen. Ein gemeinsames Bildmotiv findet sich nur im Sibyllenexkurs, ist aber an verschiedenen Stellen eingesetzt, im ms. Rouen als Titelbild über dem ganzen Einschub, der Arsenalmaler hat es seitenverkehrt für das letzte Sibyllenkapitel, die Ankündigung der Zeichen des Endgerichts, verwendet. Gezeigt ist eine elegant ihr Gewand raffende Dame, die dozierend vor einer Gruppe sitzender würdiger Männer steht.

" Weitere Ähnlichkeiten zwischen den Illustrationen der beiden Handschriften bestehen in der Darstellung der Vermählung von Aeneas und Lavinia (fr. 60, ebenfalls fol. 162' - Rouen fol. 371*) und des Aeneasschiffes nach der Abfahrt von Karthago (fr. 60, fol. 148r, in den Mittelfeldern des aus zwei Zonen mit je drei Bildfeldern bestehenden Frontispiz - Rouen fol. 354").

Christlich-figurale Deutungen der Aeneis im Ovide moralisé

579

Der Illustrator der Rouen-Handschrift hat dem Abstieg des Aeneas in die Hölle nur eine Illustration gewidmet. Sie fungiert als Titelbild für die ganze Episode (= 4.1-4.3) und entspricht der Kapitelüberschrift im Inhaltsverzeichnis auf fol. 14': Comment sebille lenchanteresse mena eneas en enfer ou il uit son pere et ses ancesseurs. Dargestellt sind Aeneas und die Sibylle (links im Bild) vor einem im Profil gezeigten aufgesperrten Höllenrachen, aus dem wie spitze Zähne rote Flammen ragen. Tiefschwarz hebt er sich bedrohlich von dem goldenen, mit Rautengitter überzogenen Hintergrund ab. Die Sibylle, in langem blaßrosa Gewand und weißem, auf die Schultern fallenden Kopftuch, weicht mit dem Oberkörper zurück, eine Gebärde, die sich in der Körperkurve des Aeneas, den sie an der Hand hält, wiederholt. Ihre linke Hand ist hochgehalten und scheint einen Abwehrgestus zu vollziehen. Aeneas trägt ein knielanges blaues Gewand über silberner Rüstung, von der Kalottenhelm, Halsberge und Beinschienen sichtbar sind. In der rechten Hand hält er sein blankes Schwert hoch, eine durch den Text nicht abgestützte Einzelheit, die vielleicht auf Einfluß des Roman d'Eneas zurückzuführen ist; dort erhält Aeneas von der Sibylle die Weisung: "In der Hölle gibt es wenig Licht; trage dein Schwert völlig blank" (2389f., übers. Schöler-Beinhauer). Illustriert ist der Moment des Abstiegs - die Füße beider Figuren stehen bereits auf dem unteren Ausläufer des Rachens. Der Akzent liegt auf der Bedrohlichkeit der Situation und der Reaktion der Betroffenen. Die

nächste

Illustration

zur

Aeneashandlung

in

dieser

Handschrift

veranschaulicht das im Text (14,1722f.) wie bei Ovid (met. 14,156) nur kurz erwähnte Opfer, das Aeneas den Göttern zum Dank dafür darbringt, daß er der Hölle entkommen ist. Dargestellt ist eine pagane Kultszene:" rechts im Bild stehen auf hohen goldenen Säulen zwei ebenfalls goldene, ziemlich plumpe

20

Die genaue Beschreibung dieser Miniatur geht auf Mme Rose, Conservateur en Chef de la Bibliothèque Municipale in Rouen zurück.

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Antonie Wlosok

Götterstatuen; die Körper sind nackt, aber nur bis zur Hälfte gezeigt. Aeneas (Mitte), in Rüstung mit blauem Mantel, bringt ihnen in Anwesenheit der Sibylle (links) kniend ein weißes Lamm dar, das er einfach in den Händen hält. Eingangs- und Abschlußminiatur der Episode fügen sich auf der Ebene der Erzählung sinnvoll zusammen. Auf ikonographischer Ebene allerdings fallen sie auseinander. Der Höllenrachen ist ein populäres christliches Bild für die dem damaligen Lesepublikum aus der Lehre der Kirche wohlvertraute Hölle.21 Es ist dem Benutzer dieses Codex in den voraufgehenden Illustrationen schon mehrfach begegnet, nicht nur in Illustrationen von Fabeln, etwa der Katabasis des Orpheus (fol. 246v. 247') oder von Iunos Gang zu den Unterweltsfurien (fol. 11 lv), sondern auch in Illustrationen zu Expositionen, und zwar moraltheologischen (z.B. fol. 228v.248r) wie heilsgeschichtlichen Inhalts. Hierbei ist auch die Höllenfahrt Christi in ihrem geradezu klassischen Bildtypus dargestellt worden (fol. 191" = Abb. 1; vgl. fol. 188"). Der Anblick des Höllenrachens in der Illustration zum Descensus des Aeneas mußte den Betrachter somit in die vom Moralisator angesteuerte Richtung lenken und für die folgende Auslegung disponieren. Ein Dankopfer an heidnische Götter ist demgegenüber zumindest inkonsequent. Es scheint, als habe der Illustrator der Arsenal-Handschrift dies empfunden und durch eine in sich stimmige Illustrationssequenz korrigiert. Diese Sequenz besteht aus drei Miniaturen (fol. 199'. 199". 203' = Abb. 4-6). Den Rahmen bilden die Ankunft bei der Sibylle und der Abschied von ihr. In der Mitte steht die Begegnung mit Anchises. Für die Ankunft per Schiff ist das Standardschema verwendet: zur Linken ein mit mehreren Männern in Rüstung besetztes Halbschiff auf Wellenlinien. Rechts steht gewöhnlich an Land die zu begrüßende oder die

Ankömmlinge

empfangende Person. Der Illustrator hat situationsgemäß die Sibylle dargestellt, läßt sie aber in Befolgung einer Angabe des Textes (Ov.mor. 14,799) ausruhend in ihrer Grotte sitzen. Die Kontaktaufnahme und das folgende Gespräch wird

21

Literaturhinweise bei E. Koch, Höllenfahrt, in: TRE 15 (1986) 455-461 und in Anm. 26 meiner Studie zum Juno-Descensus (Anm. 1).

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durch Gesten angedeutet. Das ist der Anfang, schlicht und vordergründig. Die Kapitelüberschrift sagt etwas mehr als das Bild: "Ci raconte comment Eneas et sa gent Arriuerent en un leu estrange. Et Quist yluec[.] Eneas conseil a sebille La prophete pour aler en enfer." Die mittlere Miniatur steht unter dem inhaltlich weiter zurückgreifenden Rubrum: "Ci devise comment Sebille la prophete Porta Eneas en enfer pour veoir Les tormenz denfer. Et comment Il trouua anchises son pere a qui Il parla moult longuement. Et li enseigna quii deuoit faire" und ist in die Mitteilung eingelegt, daß Anchises den Sohn und dieser den Vater erkennt (14,860/861). Dargestellt ist ein in Seitenansicht liegender, nach oben geöffneter schwarzer Höllenrachen, der am unteren Rand mit Menschenköpfen gefüllt ist, zwischen denen Flammen lodern. Die Köpfe - mit fratzenhaft verzerrten Gesichtern, dem Kennzeichen der Verdammten - bezeichnen die in Höllenpein befindlichen Sünder, verweisen somit auf "les tormenz denfer", deren Anblick die Sibylle dem Aeneas angekündigt hatte (14,831f.: Mousterrai toi l'infernal raine, / Où li pecheor son en paine; vgl. die Ausführung 14,847ff.). Hinter dieser peinvollen Höllenszenerie sieht man mehrere Halbfiguren: ganz rechts Aeneas in rotem Kapuzenmantel. Er blickt aufmerksam zur gegenüberliegenden Seite hinüber und hat eine Hand im Gruß- oder Redegestus erhoben. Ihm gegenüber, am oberen Rand des Höllenrachens, sozusagem im Vorfeld der Hölle, steht eine nackte, greisenhafte Gestalt mit würdigem patriarchalischen Haupt, Anchises, der dem Sohn in matter Bewegung die rechte Hand entgegenstreckt. Hinter Anchises sind die Köpfe weiterer Gestalten sichtbar, offenbar die 'Vorväter'. Zwischen Vater und Sohn steht, die Mitte einnehmend, die Sibylle, in violettem Untergewand,

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rotem Mantel und weißem Kopftuch. Ihr Kopf ist zu Aeneas hingewendet, während sie mit ausgestrecktem Zeigefinger nach links auf Anchises weist. Sie ist sichtlich die Vermittlerin der Begegnung von Vater und Sohn. Diese Begegnung und das aus ihr folgende Gespräch ist in der Miniatur illustriert. In der letzten Illustration dieser Szene erscheint nochmals der Höllenrachen, diesmal braun gefärbt und seitlich aufgesperrt, wie in der Descensus-Illustration des ms. Rouen, mit der auch das Kompositionsschema vergleichbar ist. Die Anlage im ms. Arsenal ist seitenverkehrt. Der Tierrachen befindet sich links, so daß die Bewegung ebenfalls nach rechts verläuft. Aeneas und die Sibylle stehen davor, aber jetzt abgewandt. Sie haben die Hölle verlassen und scheinen sich, wie Text und Rubrum nahelegen, zu verabschieden. Die Sibylle ist in der gleichen dozierenden Haltung gezeigt wie gegenüber den römischen Senatoren in den beiden voraufgehenden Miniaturen des Sibyllenexkurses (fol. 200". 203'). Wahrscheinlich wollte der Illustrator andeuten, daß sie Aeneas abschließend mit Weisungen oder Prophezeiungen versieht. Allen hier besprochenen Illustrationen zum Descensus des Aeneas ist gemeinsam, daß sie den im Text erzählten Vorgang im eigentlichen Sinn veranschaulichen wollen, daß sie sich auf die Ebene des Literalsinnes beziehen. Trotzdem kommentieren sie die Erzählung in einer Weise, die die in den Expositionen folgenden christlichen Allegoresen vorbereiten und unterstützen. Denn

die bloße Verwendung des christlich determinierten

Bildes

des

Höllenrachens bewirkt bereits eine Transposition der antiken Geschichte in die dem

betrachtenden

Leser

vertraute

christliche

Vorstellungswelt.

Die

Illustrationen fungieren somit als rezeptionssteuernde Bildkommentare.

3 Die Apotheose Die Apotheose des Aeneas - bei Ovid die höchste Stufe der Metamorphose bildet den krönenden Abschluß der ovidischen Aeneis. Sie erfolgt nach Vollendung des für die künftige Herrschaft Roms und der Iulier grundlegenden Lebenswerkes und wird motiviert mit der virtus des Aeneas. Die Initiative und Durchführung liegt wie in dem älteren literarischen Muster, der Romulus-

Christlich-figurale Deutungen der Aeneis im Ovide moralisé

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Apotheose,22 bei dem göttlichen Elternteil, der beim höchsten Gott interveniert und die Zustimmung des Götterrates einholt. Im Ovide moralisé ist die ovidische Darstellung des Vorgangs mit allen Einzelheiten übernommen und der Exposition zugrundegelegt. Der christliche Moralisator findet in der Geschichte der durch Venus bewirkten Apotheose ihres im Fluß Numicus verschwundenen Sohnes die ganze Folge der Heilsereignisse aus der letzten Phase des Lebens Jesu wieder, von Passion, Tod und Grablegung über den Abstieg in die Hölle bis zu Auferstehung und Himmelfahrt. Die wichtigsten Anhaltspunkte im Text sind natürlich die Aufnahme unter die Götter und die Reinigungs- und Belebungsprozeduren am Fluß, bei denen sterbliche und unsterbliche Substanzen getrennt werden. Andere Komponenten der Erzählung widersetzen sich eher christlicher Umdeutung. Dazu gehört die vorgegebene Mittler- und Mutterrolle der Venus. Ihre genealogische Stellung zwischen Iuppiter und Aeneas, das hieße ins Christliche übertragen als Tochter Gottvaters und Mutter des Gottessohnes, paßt ja nicht gerade in das dogmatische Konzept. Der routinierte Moralisator weiß sich zu helfen. Er setzt bei der Kindschaft der Göttin gegenüber Iuppiter, dem Vatergott, an und läßt Venus den präexistenten Gottessohn repräsentieren, der auch nach seiner Inkarnation und menschlichen Geburt als göttliche Natur weiterbesteht. Die im christologischen Dogma enthaltene Zweinaturigkeit des Erlösers wird einfach durch zwei Gestalten verkörpert: die göttliche Venus und den menschlichen Aeneas. Dieser steht also wiederum für den menschgewordenen Gottessohn, seine Geschichte präfiguriert, natürlich nur ansatzweise, dessen Erdenleben, Heilshandeln und Leiden. In dieser Rolle kann er als 'Sohn des Gottessohnes' erscheinen. Mit dieser spitzfindigen Konstruktion beginnt die Exposition: Lors que l'amoureuse pitié ... Dou fil Dieu vit son fil, Enee, C'est à dire sa char penee, En diverses paines au monde

22 Erstmals bei Ennius ann. 65f. Vahlen = 54f. Skutsch; darauf bezogen Ov.met. 14,805-828; fast. 2,481ff.

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Et vit que ja fu sor l'esponde De la foi de crestienté ... Et que tous les jors à devise Croissoit la fois de sainte Yglise ... Si pria Dieu, le poissant Pere, S'il oncques l'ama, c'or i pere, En donant à l'umanité Gloire celestre et dëité.

(14,4671-4688)

In den drei beteiligten Göttern Iuppiter, Venus und Iuno läßt sich dann leicht die göttliche Trinität erkennen: Et Diex Ii peres otroia Ce que ses chiers Fils li proia, Et Ii grans Espris ensement, I mist le sien consentement, Quar ce fu dou commun acort De tous trois, ...

(14,4689-4694)*

Bemerkenswert aus der Auslegung des Geschehens am Numicus ist schließlich die Aussage, daß mit dem Tode die bei der menschlichen Geburt angenommene 'Adamsnatur' abgelegt wird: Ce qu'il ot trait et aporté Le jor de sa nativité De corrompable humanité De la nature Adam son pere. (14,4720-4723) Damit hat sich, recht und schlecht, der Kreis geschlossen vom ausziehenden, vaterbeladenen Aeneas (alias: Gottessohn) zum heimkehrenden, der seine menschliche Bürde endgültig ablegt. Man muß dem christlichen Moralisator zugestehen, daß er der von Ovid für seine Zwecke nicht schlecht präparierten

23

Hinzuzunehmen sind die Verse aus der vorigen Exposition: Li dieu qui aus cieulz regneront, Ce est toute la Trinité Diex tribles en simple unité. (14,4582-4584)

Christlich-figurale Deutungen der Aeneis im Ovide moralisé

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Aeneis Erstaunliches abgewonnen hat. Oder ist es, bei Voraussetzung christlichfiguralen oder im engeren Sinne typologischen Denkens, gar nicht so erstaunlich? Hans von Campenhausen, den ich dankbar zu meinen theologischen Vaterfiguren zähle, hat mir gegenüber in einem" Brief vom 27.2.1984, der im Zusammenhang der mit den durch das Vergilbimillenarium

ausgelösten

Vergilgesprächen steht, seine Verwunderung geäußert, daß "die allegorischtheologischen Ausdeutungen" der

Aeneis

"ausschließlich

individualistisch

geblieben sind." Er fährt fort: "Meinem theologischen Gemüt drängte sich immer die Parallele zwischen der Irrfahrt zum ersehnten Ziel Rom und dem wandernden Gottesvolk unter Moses Führung zum Heiligen Lande auf. Aber derartiges scheint es nicht zu geben - oder wissen Sie darüber Besseres und mehr?" Damals begann ich mich gerade mit dem Ovide moralisé zu beschäftigen, aber ausschließlich unter dem Aspekt der Rezeption der Didogeschichte. Und so wußte ich noch kaum mehr.24 Die hier vorgelegten Hinweise auf die - zieht man die dem allegorischen Deutungsverfahren inhärente Sprunghaftigkeit in Betracht - mit ungewöhnlicher Konsequenz durchgehaltenen christologischen und mit diesen auf engste verbundenen ekklesiologischen Auslegungen der Geschichte des Aeneas sind somit eine späte Antwort auf jene Frage des Heidelberger Kirchenhistorikers.

Anhang In den Illustrationen der jüngeren Handschriften des Ovide moralisé tritt der Aeneiszyklus fast ganz zurück. Die im späten 14. Jh. entstandene Handschrift in Lyon, Bibl. munie., ms. 742 hat nur eine Miniatur mit dem Tod Didos (fol. 243": Dido steht, leicht zur Seite geneigt, neben lodernden Flammen und durchbohrt 24

Die päpstliche Inanspruchnahme des pater und pius Aeneas als Präfiguration des Papsttums im 17. Jh. durch Urban VIII. und Innozenz X. ("per Aeneam praesignatus fuit Pontifex Romanus") ist eher geschichtstheologischer Art und liegt auf der Linie der Selbstdarstellung von Herrschern und der Legitimation ihrer Machtansprüche. Näheres bei R. Preimesberger, Pontifex Romanus per Aeneam praesignatus. Die Galleria Pamphilj und ihre Fresken: Rom. Jb. f. Kunstgesch. 16 (1976) 221-287; vgl. ders., Pignus imperii. Ein Beitrag zu Berninis Aeneasgruppe, in: Festschrift W. Braunfels, hg. F. Piel und J. Traeger, Tübingen 1977, 315-325. - Ansätze zur Auslegung des Aeneas auf den Apostelfürsten Petrus enthält schon die 1466/67 entstandene komprimierte Prosaredaktion I des Ovide moralisé. Die Bedrohung durch Turnus-Antecrist gilt hier der "navalle de monseigneur Saínete Pierre, son principal apostre et vicaire" (14,16; hg. C. de Boer, 1954, 365).

586

Antonie Wlosok

ihren Leib mit einem Schwert). Daß der Didotod in den mss. Rouen und Arsenal fehlt, überrascht; denn er wird in Text und Exposition, mit aktualisierendem Bezug auf Ketzerverbrennungen,

hervorgehoben und ist in den früher

entstandenen Handschriften des Roman d'Eneas dargestellt (Paris, Bibl.Nat., ms. fr. 784, fol. 7V, ca. 1275 und ms. fr. 60, fol. 148', frühes 14. Jh.; vgl. Anm. 19). Auch in den im dritten Viertel des 13. Jhs. einsetzenden illustrierten Manuskripten der Histoire ancienne gehört er zum Bildrepertoire. 2 Die späten Handschriften des Ovide moralisé aus der zweiten Hälfte des 15. Jhs. enthalten kaum noch textbezogene Illustrationen, sondern Buchfrontispize, in denen die am Buchanfang stehenden Geschichten berücksichtigt sind. Beim 14. Buch ist dies zunächst die Ankunft des Glaucus bei Circe, so eindeutig in den beiden flämischen Handschriften Paris, Bibl.Nat., ms. fr. 137, fol. 206" und London, Brit.Libr., ms. Royal 17 E. IV, fol. 24 Γ und übrigens schon Rouen, ms. 0.4, fol. 35 Γ und Arsenal ms. 5069, fol. 196'. Ob mit der eine unspezifizierte Ankunft per Schiff zeigenden Miniatur im Kopenhagener ms. Thott 399, 2°, fol. 382" und dem danach gestalteten Holzschnitt in der Druckausgabe von Colard Mansion, Brügge 1484 (von A. Vérard seitenverkehrt adaptiert in La Bible des Poètes, Paris 1493) die Ankunft des Aeneas bei Dido gemeint ist, wie seit M.B. Henkel2* meist angenommen wird, muß offen bleiben. Mehrere Illustrationen zum Aeneisteil finden sich nur in dem vor 1484 angefertigten Prachtcodex fr. 137 der Bibl. Nat. Paris, der zusätzlich zu den Buchfrontispizen auch mit Titelbildern über einzelnen Großkapiteln und unregelmäßig verteilten historisierten Initialen ausgestattet ist. Der Aeneisteil im engeren Sinn enthält drei Initialbilder, von denen zwei konventionelle Ankunftsund Begrüßungsszenen zeigen: fol. 207* die Begrüßung des Aeneas durch Dido, fol. 215' durch König Latinus. Auf fol. 209" befinden sich Aeneas und die Sibylle, beide hochmodisch gekleidet, im Vorfeld des Eingangs der Unterwelt, der durch Feuerschein und dunklen Qualm angedeutet ist. Die Handschrift enthält nicht den Text des großen Ovide moralisé en vers, sondern eine stark gekürzte 25

Vgl. D. Oltrogge, Die Illustrationszyklen zur "Histoire ancienne jusqu'à César" (1250-1400), Frankfurt/M. 1989, 79.102f. 26 De Houtsneden van Mansion's Ovide moralisé, Amsterdam 1922, 38f.

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Prosaredaktion, in der die christlichen 'Allegorien' fast ganz eliminiert sind. Der Aeneisteil enthält überhaupt keine Expositionen, auch der Sibyllenexkurs ist übergangen. Vom Ovidius moralizatus des P. Berchorius gibt es nur eine Handschrift mit textintegrierten Illustrationen, die bis zum 14. Buch durchgeführt sind: Bergamo, Bibl.Civ., Cassaf. 3.4, entstanden um 1400 in Padua. Hier ist jedem Kapitel eine mehrszenige, den Inhalt anschaulich zusammenfassende Miniatur vorangestellt. Auf die 'Aeneis' beziehen sich die Illustrationen auf fol. 133r (Seefahrt nach Delos, Geschichte der Töchter des Anius), fol. 134r (drei Szenen: Apollo faßt die Hand der jungen Sibylle; gleich daneben die alte Sibylle im Gespräch mit Aeneas; die Sibylle zeigt auf eine waagerecht schwebende, mit dem Gesicht nach unten gedrehte männliche Gestalt, offenbar den Schatten des Anchises, hinter dem Aeneas steht), fol. 136r (Verwandlung der Schiffe des Aeneas in Nymphen), fol. 136v (Soldaten stecken die feste Stadt Ardea in Brand; aus ihr fliegt ein Vogel auf). Dazwischen finden sich zwei Illustrationen zu den Metamorphosen des Picus und seiner Gefährten (fol. 134".135r), während die rein odysseischen Geschichten vorgezogen sind.27 Wie die zugehörigen Fabeln münden die Illustrationen in der Regel in die Darstellung einer Verwandlung. Das Interesse gilt eindeutig den Metamorphosen. Berchorius hat die ovidische 'Aeneis' nicht als zusammenhängende Geschichte, sondern als eine Serie von Metamorphosen verarbeitet,

möglicherweise

mutationes,

wie sie in den

in Anlehnung anonymen,

an

frühere Auflistungen

später dem Lactantius

von

Placidus

zugeschriebenen Narrationes fabularum und den Allegoriae Super Ovidii Metamorphosin des Arnulf von Orléans erhalten sind. Aeneas spielt darin als Verwandlungsträger nur bei der Apotheose eine Rolle, und diese wird von Berchorius zusammen mit der des Romulus am Ende des Buches referiert, rationalistisch erklärt als Ertrinken im Fluß ohne Auffindung der Leiche und negativ moralisiert: "Applica si vis quod illi in mundo dii et magni hodie reputantur qui delictis submerguntur"28. Diese negative Moralisation ergibt sich

27

Genaue Beschreibungen aller 209 Illustrationen der Handschrift gibt A. Spiriti, Codici e incunabuli miniati della Biblioteca Civica di Bergamo, Bergamo 1989, 286-310. ffl Zitiert nach der Druckausgabe Paris 1509, hg. als "WerkmateriaaT 2, Utrecht 1962, 182.

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Antonie Wlosok

für Berchorius aus der Abstammung des Aeneas von Venus, in der er auch als Mutter des Aeneas die Verkörperung von luxuria oder lascivia sieht. Das hat er bei seiner Auslegung des Zweikampfes zwischen Diomedes und Aeneas vor Troia vorgetragen: "Per diomedem intellige viros castos: per aeneam filium veneris intellige iuvenes insolentes et luxuriosos"®. Mit dieser Deutung hält sich Berchorius zwar an die Moralisation der Göttin in seinem mythographischen Venuskapitel (De formis figurisque deorum 5), stellt sich aber nicht nur in Gegensatz zu der breiten Tradition allegorischer Vergilerklärung,30 sondern auch zu der Auffassung seines Freundes Petrarca, der in Aeneas gerade den Typus eines tugendhaften Menschen, eines carnis victor fand (Epist.Sen. 4,5).

Verzeichnis der Abbildungen 1)

Rouen, Bibl. mun, ms. 0.4, fol. 191v (ca. 6,5 χ 5,2 cm)

2)

Rouen, Bibl. mun., ms. 0.4, fol 355v (6,6 χ 5,3 cm)

3)

Paris, Bibl. de l'Arsenal, ms. 5069, fol. 189r, a (7,0 χ 7,5 cm)

4)

Paris, Bibl. de l'Arsenal, ms. 5069, fol. 199' (8,2 χ 7,7 cm)

5)

Paris, Bibl. de l'Arsenal, ms. 5069, fol. 199" (7,8 χ 8,2 cm)

6)

Paris, Bibl. de l'Arsenal, ms. 5069, fol. 203', c (7,7 χ 7,5 cm)

Veröffentlichung mit Genehmigung und nach Aufnahmen der Bibliothèque Municipale de la Ville de Rouen und der Bibliothèque de l'Arsenal, Paris

29

Wie Anm. 28, 178. Dazu A. Wlosok, Diva Creatrix: Das Zeichen der Venus (Aen. 8, 523ff.) in einer Illustration des 15. Jahrhunderts (ms. Richardson 38), in: Kotinos, Festschrift Erika Simon, Mainz 1992, 440-449, hier: 442ff. 30

Eberhard Heck

Lactam im Kulturkampf (1873-1875)

Was der verehrten Jubilarin im Folgenden dargeboten wird, sind Zufallsfunde, die indes gemeinsam haben den Bezug zu L. Caelius Firmianus qui et Lactantius', dem letzten frühchristlichen Apologeten lateinischer Sprache vor und während der 'constantinischen Wende', die er als mitleidender, in gewisser Weise, nämlich als Apologet, mithandelnder und - hierum geht es in unserem Zusammenhang - mittriumphierender 2 Christ und Zeitgenosse erlebt hat. Insofern beruhen sie nicht ganz auf Zufall, sondern schon auf gegebenenfalls gezielt zugreifender Neugier. Da ich die drei Bücher in der Abfolge ihrer Entstehungszeiten genau entgegengesetzter Reihenfolge gefunden habe - das späteste zuerst, das früheste zuletzt -, seien zuerst die 'Fundumstände' kurz geschildert: Die 1875 in der 'Bibliothek der Kirchenväter' erschienene Übersetzung ausgewählter Schriften des Lactanz von Jansen und Storf fand ich als Mitarbeiter am Münchner Thesaurus linguae Latinae (1965-1967) in dessen Bibliothek. In der Einleitung zur Epitome stieß ich auf den "ächten Mann von Blut und Eisen"4, beim Durchsehen des Bandes auf weitere Kulturkampfspuren; wahrscheinlich trug zum Interesse an Bismarckiana bei, daß meine Frau damals an ihrer Examensarbeit zu Bismarcks Sozialistengesetz saß.5 Vorerst behielt ich's im Gedächtnis, ohne weiter damit umzugehen.

1

Über ihn umfassend A. Wlosok: HLL 5 (1989) 375-404 (§ 570); vgl. dies.: TRE 20 (1990) 370-374. Dies besonders in Prooemium und Epilog der Schrift De mortibus persecutorum (1,1-8 und 52,15), dazu E. Heck, ΜΗ ΘΕΟΜΑΧΕΙΝ oder: Die Bestrafung des Gottesverächters, Bern/Frankfurt/M. 1987, 217-228. Vgl. unten S. 597 mit Anm. 40 und 41. 3 Dazu unten S. 603 mit Anm. 65-67. 4 Zitiert unten S. 604; zu "Blut und Eisen" Anm. 73. 5 In Bayern gedachte man zudem 1966 in Rundfunksendungen des Krieges von 1866, in denen, wenn ich mich recht entsinne, ebenfalls von "Blut und Eisen" die Rede war. 2

590

Eberhard Heck

Die 1873 unter dem Pseudonym "Firmianus Lactantius, Verfasser der 'Kämpfe und Siege der Kirche'" gedruckte Broschüre "Was will der Liberalismus und was will der Mainzer Katholikenverein?"6 fand ich 1968 beim Durchsehen des Katalogs der Universitätsbibliothek Tübingen unter 'Lactantius', las sie rasch und legte sie in einem Konvolut Xerokopien und, zusammen mit Jansen, in meinem Gedächtnis ab. Anlaß, beides wieder hervorzuholen, gab es erst 1986, als ich Antonie Wlosoks Arbeit am Artikel 'Lactantius' im 'Handbuch der lateinischen Literatur der Antike', dem Nachfolgewerk der Schanz-Hosius-Krüger'schen Römischen Literaturgeschichte, begleitete und mir zur bisher wenig behandelten Nachwirkung des Lactanz seine Aktualisierung im Kulturkampf wieder einfiel; die dort dann eingesetzte Fußnote7 gibt den Kenntnisstand Ende 1986 wieder. Während ich aus den zwei Fündlein einen Beitrag zu den 'Metageitnia' 8 1987 in Konstanz zu bauen begann, besuchten meine Frau und ich im September 1986 die Humanistische Bibliothek Schlettstadt im Elsaß. Die erste Karte, die mir beim Blick in den Katalog sub nomine 'Lactantius' vor die Augen kam, war "Firmianus Lactantius, Kämpfe und Siege der Kirche", Mainz 1873, offenbar das Buch, auf das das Pseudonym des obengenannten (2.) Fundes verwies. Ein hilfsbereiter Mitarbeiter der Bibliothek ließ uns das Buch sofort einsehen, und schon die Lektüre der Einleitung® zeigte, daß wir hier mitten im Kulturkampf waren, in dem ein 'Lactantius continuatus'10 als Waffe eingesetzt wurde. Über die drei Funde berichtete ich im Januar 1987 in Konstanz und im August auf dem Oxforder Patristikerkongreß, nachdem Oliver Nicholson in derselben 'section' die erste englische Aktualisierung von Lactanzens 1678 entdecktem De mortibus persecutorum vorgestellt hatte." Dank auswärtigen und Tübinger Helfern konnte ich bis dahin einiges über den Autor der Funde 2 und 3 und ihr Umfeld ermitteln; dazu kamen beim Vorbereiten dieses Aufsatzes

6

Dazu unten S. 598f. Wlosok (wie Anm. 1) 404 Anm. 34. 8 1983 von Walter Burkert, Zürich, eingeführte Bezeichnung des seit 1980 alljährlichen Symposions der Klassischen Philologen der Universitäten Basel, Bern, Freiburg/Br., Freiburg/Ue., Konstanz, Mülhausen, Straßburg, Tübingen, Zürich. 9 Zitiert unten S. 593. 10 Titel der Lactanz-Fortsetzung von Ryckewaert; s. unten S. 602. 11 Gilbert Burnets Übersetzung; dazu unten S. 601 mit Anm. 57. 7

Lactanz im Kulturkampf

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wichtige Beiträge der Teilnehmer einer Arbeitsgemeinschaft 'Lactanz im Kulturkampf (Sommersemester 1991), auch zur schon im 18. Jahrhundert einsetzenden Fortsetzung der Verfolgergeschichte des Lactanz bis in die Neuzeit.12 Allen, die mir bei der Arbeit am Folgenden geholfen haben, sei an dieser Stelle herzlich gedankt.13

I. Im Jahre 1873 erschien im Mainzer Verlag Franz Kirchheim, wo auch viele Schriften des damaligen Mainzer Bischofs Wilhelm Emmanuel Freiherr von Ketteier verlegt wurden,14 ein Buch mit dem Titel "Kämpfe und Siege der Kirche oder: Gottes Strafgerichte über die Christen- und Kirchenverfolger von König Herodes dem Großen an bis auf Kaiser Napoleon III. - Ein Trostwort an das Christenvolk von Firmianus Lactantius"15. Das Pseudonym meint, wie der Buchtitel klarmacht, Lactanz als Verfasser der bald nach 313 entstandenen, spätestens 316 abgeschlossenen Schrift 'Vom Tod der Verfolger' De mortibus persecutorum.16 Warum das Buch unter Pseudonym (und ohne bischöfliches Imprimatur)17 erschien, läßt das Erscheinungsjahr erkennen: Es war die Zeit der Auseinandersetzung Preußens und des Deutschen Reiches unter Bismarck mit der katholischen Kirche und dem politischen Katholizismus, des sogenannten

12

Dazu unten S. 600-602. Für Auskünfte danke ich den Diözesanarchiven Mainz, Limburg, Köln, Speyer, Trier, dem Bischöflichen Priesterseminar Mainz und den Verlagen Kirchheim, Mainz, und Kösel, München. Für Hinweise zu Bismarck und dem Kulturkampf danke ich meinem Tübinger Kollegen Eberhard Naujoks, für bibliothekarische Hilfe Frau Dr. Maria Giesche, Mainz, und meinen Tübinger Helferinnen Susanne Kunzmann und Stefanie Maninger; für kirchengeschichtliche Beiträge in der obengenannten Arbeitsgemeinschaft danke ich besonders Andrea Polonyi und Wolfram Winger. 14 Vgl. den im Bischöflichen Priesterseminar Mainz vorhandenen Verlags-Katalog von Franz Kirchheim in Mainz, Juli 1898, 64-67 (47 Titel) und die Nachweise bei F. Vigener, Ketteier. Ein deutsches Bischofsleben des 19. Jahrhunderts, München/Berlin 1924, 384-501 passim. 15 Diese 1. Auflage hat 504, die 2. (1874) 510 Seiten; bis S.256 beide seitengleich, dann Verschiebungen durch geänderte Gliederung (5 statt 3 'Bücher', daher schon 177 und 179 neue Überschriften); Änderungen im Text, bes. 273 = 274 (hier wie im Folgenden die Seitenzahlen von 1. und 2. Auflage durch = getrennt), 288 = 289 (Kürzung), 460f. = 465f. (zu Napoleons III. Ende; s. unten S. 5%) fallen kaum ins Gewicht. 16 Vgl. oben Anm. 2 und Wlosok (wie Anm. 1) 394-398. 17 Nach Auskunft des Mainzer Diözesanarchivs setzen die dortigen Imprimatur-Akten erst 1886 ein; das Archiv von Kirchheim ist nach Auskunft des Verlages im Zweiten Weltkrieg verbrannt; es gibt also keinerlei Akten zu dieser Publikation. 13

592

Eberhard Heck

Kulturkampfs." A u c h

andere

katholische

Autoren

veröffentlichten

unter

P s e u d o n y m . " U n s e r A u t o r tarnte sich wohl deshalb, weil er in der D i ö z e s e Trier, a l s o in der preußischen Rheinprovinz" lebte: E s war der d a m a l s in M o r b a c h im Hunsrück, später in Saarbrücken tätige, in Trier u n d Mainz 21 ausgebildete

Pfarrer Franz Becker (11.9.1840 - 10.12.1899) 22 . D a ß er

P s e u d o n y m Firmianus Lactantius nicht aus einer Augenblickslaune wählte,

sondern

damit

bewußt

und

unmittelbar

an

einen

das

heraus

römischen

frühchristlichen A u t o r anknüpfte, zeigt die Einleitung (1-12): Sie schildert die L a g e der durch Liberale, Freimaurer, Juden und i h n e n willfährige Staatsorgane bedrängten Christen (1-5), tröstet sie aber mit d e m H i n w e i s auf Christi Sieg (5f.) und der H o f f n u n g auf G o t t e s Strafgericht

(7-12).

18 Darstellungen: J.B. Kißling, Geschichte des Kulturkampfes im Deutschen Reiche I: Die Vorgeschichte, Freiburg/Br. 1911; II: Die Kulturkampfgesetzgebung 1871-1874, 1913; III: Der Kampf gegen den passiven Widerstand - Die Friedensverhandlungen, 1916 (im Auftrag des Zentralkomitees für die Generalversammlung der Katholiken Deutschlands); G. Franz, Kulturkampf. Staat und katholische Kirche in Mitteleuropa von der Säkularisation bis zum Abschluß des preußischen Kulturkampfes, München 1954, bes. 185-239; E. Schmidt-Volkmar, Der Kulturkampf in Deutschland 1871-1890, Göttingen 1962. Zur Presse im Kulturkampf H.-W. Wetzel, Presseinnenpolitik im Bismarckreich (1874-1890). Das Problem der Repression oppositioneller Zeitungen (EHS 111,57), Bern/Frankfurt/M. 1975,119-185. Zum Begriff'Kulturkampf, den Rudolf Virchow in der Sitzung des Preußischen Landtages vom 17.1.1873 prägte, Franz 9-13. Zu Ketteier im Kulturkampf Vigener (wie Anm. 14) 602-722, bes. 665ff. 19 So der Speyerer Priester Joseph Bischoff unter dem Pseudonym Conrad von Bolanden, bes. historische Romane, bei Kirchheim in Mainz (im Verlagskatalog 1898, 15f. 22 Titel, z.T. mehrbändig). Seine Wirkung war nach Kißling (wie Anm. 18) II, 3Ö9 beachtlich; Bismarck an den Botschafter in Wien am 27.1.1873 (unten Anm. 38, hier S. 32): "Einzelne befähigte Priester verließen, schwerlich ohne Genehmigung ihrer Oberen, den Kirchendienst, um als Volksschriftsteller im sozialistischen Sinne zu wirken, so der frühere Priester Bischof [sie] in Speyer, der unter dem Namen Conrad von Bolande [sie] Flugschriften aufrührerischen Inhaltes in Hunderttausenden von Exemplaren verbreitet"; die Behörden hatten Bischoff also 'enttarnt'. 20 Das Bistum Mainz dagegen gehörte seit 1816 bis auf drei preußische Orte (Vigener [wie Anm. 14] 668) zum Großherzogtum Hessen; dazu Vigener 157-164; ebd. 167-179.259-261 u.ö. zu Kettelers taktisch geschicktem Umgang mit der Regierung in Darmstadt. 21 D.h. im 1830 geschlossenen und durch die katholisch-theologische Fakultät an der Landesuniversität Gießen ersetzten, aber 1851 von Ketteier unter Duldung durch die Darmstädter Regierung (und mit der Folge des 'Eingehens' der Gießener Fakultät 1859) wiedereröffneten Mainzer Priesterseminar. Vgl. Vigener (wie Anm. 14) 139Í.167-186.280-286. 22 Daten nach freundlicher Auskunft des Bistumsarchivs Trier. Im Katalog des Verlags Kirchheim 1898, 74 erscheinen Beckers zwei Schriften nur unter dem Pseudonym Firmianus Lactantius, entschlüsselt bei D. Gla, Systematisch geordnetes Repertorium der katholisch-theologischen Literatur 1/2, Paderborn 1904, 304.507; daher wohl die Einträge des Namens Franz Becker in den von mir eingesehenen Bibliotheksexemplaren beider Schriften und den zugehörigen Bibliothekskatalogen.

Lactanz im Kulturkampf

593

Dafür wird außer Bibelstellen auch, gut lactanzisch, 3 ein heidnischer Dichter zitiert, nämlich (9f.) der "Epikureer" Horaz (Carm. 3,2,3 lf.: raro antecedentem scelestum deseruit pede poena claiido). Dann folgt (10f.): "Lactantius, der im vierten Jahrhundert zur Zeit Kaiser Constantins des Großen lebte, hat ein ganzes Buch 'De mortibus persecutorum', d.h. 'Über das Ende der Christenverfolger' geschrieben, in welchem er die furchtbaren göttlichen Strafgerichte schildert, welche Gott über die römischen Kaiser, welche während der drei ersten Jahrhunderte des Christenthums die Kirche verfolgt und die Christen gemartert haben, verhängt hat. In den folgenden Blättern beabsichtige ich, einen kleinen Auszug aus jenem Buche dem christlichen Volke vorzulegen, damit es daraus ersehen kann, wie Gott schließlich die Feinde der Kirche vernichtet, die Kirche aber in allen Drangsalen, selbst in den blutigsten Verfolgungen schützt, erhält und zum endlichen Siege führt. Weiterhin sollen dann die vorliegenden Blätter eine Ergänzung und Fortsetzung dieses kostbaren Buches des Lactantius bilden, indem sie nicht allein die Christenverfolger aus den drei ersten Jahrhunderten des Christenthums, sondern auch noch viele andere, die im Laufe des achtzehnhundertjährigen Bestehens der Kirche Hand an sie gelegt haben, namhaft machen, sowie deren Sturz und elendes Ende schildern werden - von den Tagen des ersten Christenverfolgers, des Königs Herodes des Großen an, der unter der Maske der Heuchelei dem Jesuskindlein nach dem Leben trachtete und um seinetwillen durch seine Schergen die bethlehemitischen Kinder ermorden ließ, bis auf dessen würdigen Vetter Napoleon III., der unter dem Scheine der Freundschaft den Stellvertreter Jesu Christi auf Erden, unseren Heiligen Vater Papst Pius IX., in's Verderben gestürzt, ihm die Revolution auf den Hals gehetzt, ihn seiner Länder, seiner Freiheit und Unabhängigkeit beraubt hat." Was dann auf rund 500 Seiten folgt, ist in der Tat eine - indes nicht die erste24 - Verlängerung der Verfolgerschrift des Lactanz bis zur Gegenwart, bis

23

Die Forderung, die heidnischen Gegner mit den eigenen Waffen, also Autoren, zu schlagen, Lact., Inst. 5,4,3-6; vgl. 1,5,1; Opif. 20,3; dazu E. Heck, Lactanz und die Klassiker: Ph. 132 (1988) 160-179, bes. 170f. 24 Dazu unten S. 600-602.

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Eberhard Heck

1873. Sie beginnt mit Christi Geburt und dem Kindermord von Bethlehem, wofür Herodes übel endet, und kommt in einem "ersten Buch" (13-111) über Herodes Agrippa und seinen Würmertod zu Nero und den Verfolgungen bis zur Zeit Constantins. Dabei wird Lactanz in langen Auszügen, insgesamt gut drei Viertel,25 übersetzt, auch die religionspolitischen Dokumente. Doch ist das Edikt des Galerius (Mort. pers. 34,1-5) derart gekürzt, daß es nicht mehr als erstes Dokument der Lizenzierung des Christentums durch den römischen Staat erkennbar ist.26 Dafür ist der Restitutionserlaß des Licinius von 313 (Mort. pers. 48,2-12) in bekannter Weise zum 'Mailänder Edikt' aufgewertet (104-106), also Lactanz im Sinne gängiger Kirchengeschichtsschreibung verändert. Andererseits wird eine Lücke bei Lactanz ergänzt. Er behauptet (Mort. pers. 3,4), zwischen Domitian und Decius (von 96 bis 249) habe es nur boni principes Romani imperii gegeben, die den Christen nichts getan und die Kirche hätten wachsen lassen. Becker (30) nennt diese Aussage irrig und korrigiert sie (30-43) durch Ergänzen des Lactanz um Martyrien unter Traían und Marc Aurel.27 Er benutzt auch andere Quellen, Euseb, Prudentius (46-51 zu Sixtus und Laurentius) und Märtyrerakten (31-37 Ignatius; 51-54 Cyprian), aber das Gerüst gibt Lactanz. Nur wird die Darstellung Constantins herausgelöst und en bloc (99-109) hinter den Verfolgerschicksalen gebracht, ehe dieses erste Buch mit einer Aktualisierung des Epilogs Mort. pers. 52, der Feststellung von Gottes und seiner Kirche Sieg über die Christenverfolger (109-111)28 endet.

25

Neben wörtlichen Übersetzungen ganzer Kapitel (so 15,1 - 16,2; 46,1 - 48,1), die auch (z.B. 21,5 22,5) Rückschlüsse auf den von Becker benutzten Text zulassen (Oberthürs Ausgabe 1786), gibt es viele kürzende, mehr oder weniger textnah paraphrasierende Wiedergaben; ich verzichte auf Einzelangaben und bemerke nur, daß Beckers Buch bei Jansen (unten S. 603f.) 11 unter den Vorläufern seiner, der ersten vollständigen deutschen Übersetzung zu nennen gewesen wäre. S. aber unten Anm. 74. 26 Becker 84f. gibt nur 34,5 gekürtzt, eingebaut in die nahezu vollständige Übersetzung der Kapitel 33 und 35 über Krankheit und Tod des Galerius; zu Autorschaft und Absicht des Galerius J. Vogt, Constantin der Große und sein Jahrhundert, München 21960, 151-153, danach Heck (wie Anm. 2) 208. 27 Für Traian bekommt Becker 37 nur mühsam ein Ende durch "die Hand Gottes. Von der Zeit erschöpft, mehr noch durch seine elenden Ausschweifungen als durch seine Strapazen, starb er jämmerlich.'' Für den an der Pest gestorbenen Marc Aurel bemüht Becker den Topos nicht, sondern weist (41, nach Lact., Mort. pers. 3,4-5, was er 30 kritisiert hatte; s. oben) auf das Wachsen der Kirche trotz Verfolgung hin. 28 Ähnlich bei Jansen, zitiert unten Anm. 75.

Lactanz im Kulturkampf

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Doch dann geht es in einem zweiten Buch (113-175) weiter zu Julian, einigen Kaisern im Ostreich, Heinrich IV., den Staufern® und mit einem Sprung zu Joseph II., den Becker als Kirchenfeind mitnimmt, obwohl er keinen rechten Verfolgertod erlitt - er starb (173) "aus Gram über seine mißglückten Unternehmungen" -, und (174f.) zum Ende des Kaiserreichs 1806. Alle Register zieht Becker (177-285 = 177-264)30 bei der französischen Revolution. Zuvor (187-194) malt er genüßlich Voltaires und Rousseaus Schicksal aus. Voltaires elenden Tod vergleicht er (191) unter Hinweis auf Lactanz mit dem des Maximinius Daia. Dann führt er (214-251) in einem Katalog nach dem Schema 'gottloses Treiben - übles Ende' die Revolutionsführer bis Danton und Robespierre vor. Die zehn Jahre 1789-1799 sind in Parallele gesetzt zu 303-313 (183-186; 265 = 264); Napoleon I.31 erscheint zunächst als "neuer Constantin" (185; 265 = 264; 268 = 269), wird aber zum "Diocletian" (269 = 270), zum "Kirchenverfolger" (299-373 = 301-375). Der von ihm verfolgte Papst Pius VII. wird aus allen Nöten gerettet und überlebt Napoleon, dessen Niedergang und Ende, zumal der Feldzug nach Rußland, breit dargestellt sind (373-409 = 376-412 - Überschrift "Das Gottesgericht"). Schließlich32 tritt Napoleon III., ständig mit seinem Onkel verglichen (421 = 426; 460 = 466 u.ö.)33, als Kirchenverfolger auf im Bunde mit den Führern des Risorgimento (bei Becker "Rebellion" oder "Revolution"). Am Ende des Ganzen (489-504 = 494-510) stehen Überleben und Triumph des über achtzigjährigen Papstes Pius IX. Napoleon gibt zunächst vor, den Papst und den Kirchenstaat zu schützen, liefert aber diesen, schließlich auch Rom den Piemontesern aus (453456 = 458-461), deren Machtübernahme freilich "Gottesgerichte" wie vom Schlag

29

Ihr Ende galt schon im Mittelalter als Verfolger- und Ketzerschicksal; vgl. KJ. Heinisch, Kaiser Friedrich II. in Briefen und Berichten seiner Zeit, Darmstadt 1968, 211.635Í. 30 In der 2. Auflage "drittes Buch"; in der 1. bildet alles Folgende bis zum Ende das dritte Buch; vgl. oben Anm. 15. 31 Zu ihm und Pius VII. Becker 266-409 = 265-412 (viertes Buch). 32 422-489 = 427-494 - zuvor ist die Zeit 1815-1848 behandelt; danach folgt das Schlußkapitel über Pius IX. In der 2. Auflage bildet der Teil 410-504 = 413-510 das fünfte Buch. 33 439 = 444: "An ihm, wie an seinem Onkel Napoleon I., stellte der Herr vor den Augen der Welt ein auffallendes Beispiel seiner göttlichen Macht und Strafgerechtigkeit auf; Lact., Mort. pers. 1,7 über Verfolgerschicksale als exempia schwebt hier wie öfter bei Becker vor; Strafverheißung aus der Erfahrung dieser Exempla, zumal um 1870 eingetretener, 457 = 462.

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Eberhard Heck

getroffene Militärs und Politiker (485f. = 491) begleiten. An eben dem Tag, an dem Pius IX. das Unfehlbarkeitsdogma verkündet, beginnt Napoleon den deutsch-französischen Krieg (453 = 458; 461 = 466) - weitere ominöse Synchronismen folgen -, wird nach Sedan gestürzt und muß in Gefangenschaft und Exil (1. Auflage 460-462); von seinem Tod im Januar 1873 weiß Becker erst 1874 in der 2. Auflage der "Kämpfe und Siege der Kirche" (465-467). Die Italiener wie Garibaldi (478 = 483) und Cavour (470-474 = 476-479, mit allem topischen 'Ornat') und ihr Verfolgerende - soweit nicht tödlich, in Depression und Vergessenheit - erscheinen in einem Katalog, der auch zahllose Beispiele üblen Endes von Geistlichen, Soldaten, Wirtshausbesuchern und anderen Personen enthält, die die Kirche schmähten. Dem König Vittorio Emmanuele II. wird mit der Andeutung, man wisse nicht, wie lange sein Reich Bestand haben werde, der Untergang angedroht (441 = 446; 462-465 = 468-470). Nun, das Königreich Italien bestand noch 70 Jahre, und die letzten beiden Könige Vittorio Emmanuele III. und Umberto II. haben, wenn auch im Exil, sein Ende überlebt,34 während Benito Mussolini, obwohl er die Lateranverträge zustandebrachte,55 1945 einen geradezu idealtypische'Verfolgertod' erlitt.36 Becker vergleicht oft frühere Verfolger mit späteren und umgekehrt, so Robespierre mit Nero, Decius, Diocletian und Galerius (245); Louis Philippe von Orléans, genannt Égalité, überbietet als Lüstling Herodes, Nero und Galerius (222). Napoleon I. wird, wie gesagt,37 vom Constantin zum Diocletian, Napoleon III. zum neuen Herodes (443 = 448).

34

Vittorio Emmanuele III., König 1900-1944, starb 1947 in Ägypten, Umberto II., König bis zur endgültigen Umwandlung Italiens in eine Republik 1946, starb 1983 in der Schweiz. Z u Mussolinis Rolle bei der Lösung der 'römischen Frage' durch die Lateranverträge 1929 vgl. P.C. Kent, The Pope and the Duce - The international impact of the Lateran agreements, New York 1981, 1-10. Zu beachten ist freilich, daß Mussolini persönlich antiklerikal war und dies bis etwa 1920 in Wort und Schrift bekundete (Kent 5 mit Nachweisen) und daß besonders der faschistische Anspruch auf das Monopol in der Jugenderziehung zu Konflikten mit der Kirche führte, so 1931 wegen der Azione cattolica (Kent 120 mit Anm. 5). 36 Mussolini wurde am 28.4.1945 nach der Festnahme durch Partisanen (deutsche Soldaten hatten versucht, ihn in die Schweiz zu bringen) bei Dongo am Comer See mit seiner Geliebten Clara Petacci erschossen und am Tag darauf zusammen mit ihr in Mailand, an den Beinen aufgehängt, zur Schau gestellt; Darstellung z.B. bei R.B. Lyttle, Il Duce - The rise & fall of Benito Mussolini, New York 1987, 199-2Θ5 (mit Photos). 37 Oben S. 595. 33

Lactanz im Kulturkampf

597

Es fehlt auch nicht an aktualisierenden Bemerkungen beim Schildern antiker Verfolgungen; zwei Beispiele: Zu Neros Verdächtigung der Christen als Brandstifter (26): "Ob er die Christen vielleicht auch schon Ultramontane, Päpstlinge, Vaterlandslose und Jesuiten geschimpft hat". Zu Tertullians (Apol. 40, Iff.) Abwehr des Vorwurfs, die Christen seien an allem schuld (40f.): "Käme Tertullian plötzlich aus dem Grabe und schaute das Treiben der Liberalen, Freimaurer und Reformjuden den Katholiken gegenüber in unseren Tagen an, so könnte und würde er gewiß eine ähnliche Schutzrede für die Katholiken halten.

Schreien

ja

diese

Katholikenfeinde

täglich

in

öffentlichen

Versammlungen, in großen Zeitungen und in kleinen Schmutzblättern in die Welt hinein, die Katholiken, oder vielmehr die Ultramontanen, wie sie alle treuen Katholiken stets nennen, seien an allem Unheil im Staate, im Vaterlande schuld"; die Vorwürfe werden aufgezählt, auch der, die Katholiken stünden im Bunde mit der sozialistischen Internationale, ein Argwohn, den Bismarck tatsächlich hegte.38 Bismarck wird nie namentlich genannt, aber einigemale deutlich umschrieben (z.B. 433 = 438; 460 = 465 gegenüber Napoleon III.), auch in Vergleichen - so habe Maximinus Thrax gemeint, "das beste Mittel zur Befestigung seines Thrones sei Blut und Eisen" (42)."

II. Die "Kämpfe und Siege der Kirche", die in Tendenz und Tonlage durchaus Lactanz entsprechen und in der aus früheren Verfolgerschicksalen abgeleiteten Erwartung der Strafe Gottes auch an seine Institutionen40 und

38

deren

Im Erlaß an den Botschafter in Wien, von Schweinitz, vom 27.1.1873 (Bismarck, Die gesammelten Werke, Bd. 6c, hg. v. W. Frauendienst, Berlin 1935, 31-33) führt Bismarck zur "Verbindung zwischen den sozialistischen und den ultramontanen Bestrebungen" (32), u.a. aus: "Der in Mainz gebildete 'Katholikenverein' mit seinen Wanderversammlungen verfolgt ganz offen den Zweck, die Arbeitermassen zusammenzuscharen und mit Widersetzlichkeit gegen die Staatsgewalt zu erfüllen" (33); zu diesem Verein und Beckers Werben für ihn s. unten S. 598 (Becker, Was will der Liberalismus ... 43 erwähnt die Internationale, aber nur, um durch Hinweis auf die hohe Beitragszahlermoral der Sozialisten an die Spendenbereitschaft der Katholiken, bei denen es um höhere Güter gehe, zu appellieren). S. auch das Zitat aus demselben Erlaß Bismarcks oben Anm. 19. 39 Vgl. unten S. 605 mit Anm. 73. 40 Lact., Inst. 5,23,1-5; dazu Heck (wie Anm. 2) 199-207; vgl. Inst. 5,22,23 und Heck 198.

598

Eberhard Heck

Vorläufer41 erinnern, bereiten in den zuletzt genannten Aktualisierungen und im Heranführen der Darstellung an die eigene Zeit eine ebenfalls 1873 - in zwei Auflagen42 - bei Kirchheim in Mainz erschienene 64 Seiten starke Schrift vor. Sie trägt den Titel: "Was will der Liberalismus und was will der Mainzer Katholikenverein? - Eine kurze Abendunterhaltung zur Belehrung für den Bürgers- und Bauersmann von Firmianus Lactantius, Verfasser der 'Kämpfe und Siege der Kirche'", stammt also auch von Franz Becker. Das Büchlein ist, in antiken Gattungsbegriffen, ein protreptischer Vergangenheitsdialog43, der am 14. April 1873 am Stammtisch in einem Hunsrückdorf spielt und für den 1872 in Mainz als Wanderverein gegründeten "Verein der deutschen Katholiken"44 und für die katholische Presse (42ff.) wirbt, endend (64) mit dem Beitritt aller Anwesenden zu dem Verein. Voraus geht (4-26) ein Streitgespräch45 zwischen einem die kirchliche Position vertretenden Gutsbesitzer und dem liberal eingestellten Ortsschulzen, der sich aber (26f.) zum kirchlichen Standpunkt bekehrt (das erinnert an Minucius Felix 40,1-3). In dieser Schrift, die in die politischen Auseinandersetzungen am Vorabend der sogenannten Maigesetze44 eingreift (8; 19f. - mit Verweis auf Kettelers Stellungnahme) und (45-62) auf die Selbstbehauptung der irischen Katholiken in Großbritannien als Vorbild verweist, kommt Lactanz nicht vor - der Sieg der alten Kirche nach 300 Jahren Verfolgung wird wiederholt (28; 30; 46; 51)

41

Tert., Scap. 2,11 - 3,6; Cypr., Demetr. 17; s. Heck (wie Anm. 2) 102-185. Laut Verlagskatalog 1898, 74; ich kenne nur die erste. 43 D.h. der Dialog spielt mehr oder weniger lange (eine ganze Generation oder nur ein paar Wochen) vor seiner Abfassung und ist durch eine Szenerieschilderung gerahmt, der meist ein persönliches Autorprooem vorausgeht. In die römische Literatur eingeführt hat ihn Cicero (De oratore, D e re publica - vgl. Cie., Ad Q. fr. 3,5,1-2 -, protreptisch im Hortensius), in die christliche Latinität Minucius Felix im Octavius (zwischen Tertullian und Cyprian). Vgl. Anm. 45. 44 31ff.; Statuten des Vereins 33-35 zitiert. Zu diesem Verein Kißling (wie Anm. 18) II, 309-325; Vigener (wie Anm. 14) 668-670; zu Bismarcks Verdacht, er hetze Arbeiter gegen den Staat auf, s. oben Anm. 38. 45 Es wird 22f. aufgelockert durch ein von anderen Dialogpartnern mitbestrittenes kurzes Zwischengespräch, ein kunstgerechtes 'Interloquium'; ähnlich 27f. nach der 'Conversio' des Ortsschulzen. Becker ist offensichtlich an antiken literarischen Dialogen geschult, wie auch die szenische Rahmung lf. und 64 zeigt. 44 Gesetze vom 11, 12, 13, 14.5.1873 über Vorbildung und Anstellung der Geistlichen, kirchliche Disziplinargewalt, Grenzen kirchlicher Strafen und Zuchtmittel, Kirchenaustritt (Texte bei Kißling [wie Anm. 18] II, 462-475); vgl. Schmidt-Volkmar (wie Anm. 18) 113-124. 42

Lactanz im Kulturkampf

599

pauschal erwähnt. Doch wird mit der Bezugnahme47 auf die vorangegangenen "Kämpfe und Siege der Kirche" durch Wahl desselben Pseudonyms auch hier Lactanz als Darsteller der Christenverfolgungen und ihrer für die Kirche siegreichen Beendung wiederbelebt. Allerdings: Beckers zwei Bücher hatten im Kulturkampf keine erkennbare Wirkung, und das, obwohl sie in einem bekannten Mainzer katholischen Verlag erschienen, der auch wichtige Schriften des Bischofs Ketteier verlegte.4" Weder in Vigeners großer Ketteier-Biographie, die auch auf Publikationen im Bistum Mainz eingeht49, noch in Kißlings geradezu 'offiziöser' sehr ausführlicher Darstellung des Kulturkampfes aus katholischer Sicht, die katholischer Presse und Literatur im Kulturkampf viel Raum widmet,30 erscheint Franz Becker bzw. Firmianus Lactantius, obwohl beide Bücher zwei Auflagen erlebt haben. Freilich mag die zweite der "Kämpfe und Siege der Kirche" durch den Tod Napoleons III. veranlaßt sein; wir sind hier leider auf Vermutungen angewiesen, weil das Archiv des Verlags Kirchheim im Zweiten Weltkrieg verbrannt ist und die ImprimaturAkten der Diözese Mainz erst nach dem Kulturkampf, nämlich 1886 einsetzen.51 Die kleine Broschüre war am Vorabend der Maigesetze 1873 trotz ihrer darüber hinausweisenden grundsätzlichen Ausrichtung stark von der aktuellen Lage bestimmt und konnte über den Tag hinaus gewiß nicht mehr wirken, als man das heute von Schriften in einer von einer bestimmten politischen Lage geprägten Auseinandersetzung z.B. um eine Gesetzesinitiative erwarten kann; den literarischen Dialog52 goutierten wohl nur Wenige. Das große Buch von über 500 Seiten war, wenn man das aus heutiger Sicht und mit einem gewissen, auch an der antiken christlichen Apologetik geschulten

47

Unausgesprochene Bezugnahmen gibt es insofern, als in dieser Schrift z.B. 18 in der Polemik gegen umstürzlerischen Liberalismus der Verweis auf die französische Revolution die Schilderung Kämpfe und Siege 177-264 voraussetzt. 48 S. oben S. 591 mit Anm. 14. 49 Vigener (wie Anm. 14) 317 (katholische Verlage in Mainz); 343f. ("Mainzer Journal"); 383-400 (Ketteier als Publizist); 665-707 passim (Kulturkampf in Mainz und seine publizistische Begleitung). 30 Kißling (wie Anm. 18) II, 273-309. 51 S. oben Anm. 17. 52 Vgl. oben Anm. 43 und 45, auch unten Anm. 53.

600

Eberhard Heck

Sensus dafür beurteilen darf, für eine Breitenwirkung zu dick und zu gelehrt.53 Das Christen ν ο 1 k hatte weder Zeit noch Vorbildung, solch ein Buch zu lesen, und für litterati, um mit Lactanz (Inst. 5,1,21) zu reden, also für gut belesene Gemeindepfarrer, wie Becker selber offenkundig einer war, oder für Laien mit akademischer Ausbildung, war die historische Darstellung, ohne in der Dokumentation wissenschaftlichen Ansprüchen des 19. Jahrhunderts zu genügen - was sie auch nicht vorgab -, viel zu materialreich;5' zudem konnte der zumal in Beckers Ausfällen gegen die Italiener und ihren Staat bisweilen abstoßend agitatorische Ton der Darstellung der Ereignisse seit 1848 bei besonnenen Kirchentreuen kaum auf Sympathie stoßen. Becker hat sich am Ende auch noch die bei Lactanz vorgegebene Antithese von übel geendetem Verfolger und triumphierendem Kirchenführer, die sich ihm in einer

abschließenden

Gegenüberstellung von Napoleon III. und Pius IX. angeboten hätte, dadurch verbaut, daß er dazwischen (462-489 = 467-494) den ermüdenden, stellenweise reißerisch aufgemachten Katalog von Schicksalen italienischer Kirchengegner ("Gottesgerichte") setzte; wenn man das abschließende Elogium auf Pius IX. liest, hat man die eindringliche Schilderung von Napoleons III. Sturz fast nicht mehr gegenwärtig.

III. Ehe wir von Beckers 'Lactanz-Fortsetzung' zu Jansens aktualisierender Übersetzung kommen, sei kurz auf die Geschichte der 'Lactanz-Fortsetzer' vor Becker eingegangen.55

53

Für den durchschnittlichen "Bürgers- und Bauersmann" reichlich gelehrt ist auch die kleine Schrift "Was will der Liberalismus ..."; z.B. läßt Becker 17 den katholischen Gutsbesitzer gegenüber dem liberalen Dorfschulzen allen Ernstes Plutarch zitieren, also (s. oben S. 593 mit Anm. 23) gelehrte Apologetik à la Lactanz praktizieren. 54 Allenfalls mochte sie - entsprechende Mentalität beim benutzenden Geistlichen oder Laien vorausgesetzt -, durch das Inhaltsverzeichnis gut erschlossen, als Exempla-Fundgrube für Traktätchen, Predigt oder Religionsunterricht taugen. 55 Das Folgende kann nicht mehr sein als eine erste positive Antwort auf die mir von Manfred Fuhrmann 1987 in Konstanz gestellte, von mir damals mit Nichtwissen beantwortete Frage, ob es Lactanzfortsetzungen wie die Beckers auch sonst gegeben habe. Susanne Kunzmann danke ich für ihr beharrliches Recherchieren zu Sporeno und Ryckewaert; Ausgangspunkt war Jansens Hinweis auf Ryckewaert; s. unten S. 605 und Anm. 74.

Lactanz im Kulturkampf

601

De mortibus persecutoram, in einer einzigen Handschrift 1678 entdeckt und von Étienne Baluze 1679 erstmals ediert,56 wurde fast sofort als Waffe im religionspolitischen Tageskampf eingesetzt. Schon 1687 erscheint von dem durch die Religionspolitik James' II. ins Exil getriebenen, hernach an dessen Sturz beteiligten englischen Geistlichen Dr. Gilbert Burnet in Amsterdam eine englische Übersetzung mit einer Einleitung, die zur aktuellen Religionspolitik Louis' XIV. und ihren Folgen Stellung nimmt.57 Das 18. Jahrhundert bringt die ersten 'Lactantii continuati', zunächst ohne aktuelle Bezüge, eher zur Erbauung. Der italienische, in Graz lehrende Jesuit Antonio Sporeno (1683-1750)" läßt dort 1726 ein seinen Schülern gewidmetes Buch unter folgendem Titel erscheinen:" "De gloria protectorum et interitu persecutorum ecclesiae historia ex L. C. Lactantio Firmiano Paulo Orosio presbytero aliisque antiquis scriptoribus concinnata" usw., das, nach einer Praefatio, aus drei Teilen besteht: I. (3-120) Text von De mortibus persecutorum (dieser 11-130, davor Prolegomena); II. (131-269) Fortsetzung der Darstellung aus Orosius und anderen bis zur Zeit Karls d. Gr.; III. (270-321) Tabula chronologica von 34 bis 416 (es folgen 11 Seiten Index). Zwei Jahre später läßt Sporeno einen vierten Teil unter folgendem Titel ebenfalls in Graz erscheinen:60 "De gloria protectorum et interitu persecutorum ecclesiae historia a seculo Vili ad XVI deducta" usw.; in der Darstellung wird dieser Teil als "Pars IV" gezählt. Er reicht, auf 254 Kleinoktavseiten, von Karl Martell und Pippin bis zu Ferdinand V. von Castilien und gibt einen Ausblick auf die Zeit Karls V.; wie in dem Band von 1726 der 2., so schließt also auch dieser 4. Teil mit einer Art pax ecclesiae, d.h. Sporeno hält vor der Reformation an. Die Darstellung ist durchgehend von dem Schema 'übles Verhalten gegen die Kirche bzw. den Papst - übles Ende' bestimmt. 56

Vgl. Wlosok (wie Anm. 1) 397 und zum Colbertinus J. Rougé, Remarques sur le premier folio du manuscrit du De mortibus persecutorum: REAug 30 (1984) 30-35 mit Literatur. 57 Dazu O. Nicholson, Lactantius' History of His Own Time: the first English translation of De mortibus persecutorum (1687): StPatr 23 (1989) 256-265. x Uber ihn C. von Wurzbach, Biographisches Lexikon des Kaiserthums Österreich, Bd. 35, Wien 1877, 219; C. Sommervogel, Bibliothèque de la Companie de Jésus, Bd. 7, Brüssel/Paris 21906, 1458-1460. w Vorhanden in der Staatlichen Bibliothek Passau. 60 Vorhanden in der Staatl. Provinzialbibliothek Amberg/Opf.

602

Eberhard Heck

Aktuell geprägt, nämlich von den Ereignissen unter Napoleon I., ist die nächste 'Lactanz-Fortsetzung' durch den belgischen Jesuiten Augustin-Joseph Ryckewaert ( 1 7 7 1 - 1 8 3 6 ) " , die 1833 in Gent unter folgendem Titel erscheint:62 "Opuscula selecta sanctorum patrum... ad usum cleri: Tomus tertius: Lactantius De mortibus persecutorum continuatus usque in praesens". Basis ist Sporenos Buch von 1726, den 4. Teil von 1728 kennt oder benutzt Ryckewaert nicht. Er gibt zunächst63 den Text von De mortibus persecutorum, dann ( 1 2 3 - 2 1 3 ) Sporenos Verlängerung bis Karl d. Gr. ziemlich vollständig - z.B. läßt er (205) Sporenos Bemerkung ( 1 7 2 6 , 256), Mohammed sei ex crapula ebrias et a porcìs uoratus gestorben, weg. Ryckewaerts Fortsetzung ( 2 1 3 - 2 4 1 ) , "Pars secunda, a Carolo Magno usque in praesens, nunc primum edita" eilt in nicht ganz 30 Seiten wesentlich rascher als Sporeno 300 Jahre weiter als dieser, bis zu der in Ryckewaerts Augen nach Napoleon wieder einigermaßen erreichten tranquillitas publica cum libero ac sincero religionis catholicae exercitio ( 2 4 1 ) . Ob und wieweit Becker diese 'Lactanz-Fortsetzer' gekannt und benutzt hat, läßt sich nicht ermitteln. In den heute noch erhaltenen Beständen der Bibliothek des 1851 von Ketteier wiederbelebten, von Becker besuchten Bischöflichen Priesterseminars Mainz ist keines dieser Fortsetzungswerke vorhanden, wie auch die Ausgabe von De mortibus persecutorum, die Becker nach der in seiner Übersetzung wiederzufindenden Textgestaltung benutzt haben muß,64 nämlich die von Franz Oberthür, Würzburg 1786, in den Mainzer Beständen, die ein Dutzend ältere Lactanzausgaben enthalten, fehlt. In Mainz wird man also Beckers Quellen nicht finden.

61

Über ihn A.C. de Schrevel, BNBelg 20 (1908-1910) 640-650. Vorhanden in der Bibliothek Weingarten. 63 37-119, nach Prolegomena und einer "Chronologia persecutionum", die etwa Sporenos 3. Teil (1726, 272-322) entspricht. Ryckewaerts Text ist gegenüber Sporeno in den Noten ergänzt. 64 S. oben Anm. 25. 62

Lactanz im Kulturkampf

603

IV. Aktualisierung Kemptener

von

Lactanz i m Kulturkampf

Bibliothek

Übersetzung

der

ausgewählter

Kirchenväter Schriften

des

bei

zeigt auch die Joseph

Lactanz,

Kösel

in

p e r s e c u t o r u m u n d d i e E p i t o m e der D i u i n a e institutiones

66

der

1875 in

der

erschienene® De

mortibus

v o n Peter Heinrich

J a n s e n (15.3.1835 - 21.10.1903)", damals ( 1 8 7 3 - 1 8 8 7 ) Pfarrer in Frielingsdorf in der E r z d i ö z e s e Köln, übersetzt sind. Einleitung und N o t e n n e h m e n B e z u g auf gegenwärtiges

Verfolgtsein der

katholischen

Kirche,

die

zu D e

mortibus

p e r s e c u t o r u m auch auf "Kulturkämpfer" w i e W i l h e l m Sigmund Teuffei 6 8 ( d e n Tübinger P h i l o l o g e n ) und "Neuheiden" w i e Jakob Burckhardt 69 , die das W e r k kritisiert hätten, das für Jansen (10f.) "mit historischer Treue verfaßt" und d e s s e n Verfasser Lactanz ein "Ehrenmann" ist.70

65

Unverändert neugedruckt 1895, ersetzt - und deshalb heute vergessen - 1919 in der 2. Reihe der BKV (Band 36) durch die Übersetzung aller kleinen Prosaschriften des Lactanz von A. Hard (De mortibus persecutorum, De ira dei, Epitome diuinarum institutionum) und A. Knappitsch (De opificio dei, zuerst Graz 1898, in der BKV mit Ergänzungen von C. Weyman), bisher umfassendste deutsche Übersetzung lactanzischer Schriften. 66 De ira dei ist übersetzt von Remigius Storf, Pfarrer der Diözese Augsburg; bei Storf gibt es keine Hinweise auf den Kulturkampf. 67 Für Auskünfte über ihn danke ich dem Historischen Archiv des Erzbistums Köln. Dem von dort in Kopie übersandten Totenzettel ist zu entnehmen: "Die Zeit des Kulturkampfes sah ihn kämpfen für die Rechte der Kirche in Wort und Schrift". - Der Verlag Kösel, München, hat keine Unterlagen mehr über Jansen, weil das Verlagsgebäude mitsamt Archiv im Zweiten Weltkrieg verbrannt ist. 68 Jansen 11 über Teuffei, Literaturgeschichte III, 8% (Leipzig 1872)" (also 2. Auflage, lag mir nicht vor, nur 1. Auflage 1870, 822; 3. Auflage 1875, 925; zuletzt Teuffei - Kroll - Skutsch, Geschichte der römischen Literatur, 61913, III, 198) nach Referat seiner Annahme der Autorschaft des Lactanz: "nur nennt dieser Kulturkämpfer die Schrift fanatisch [Teuffei a.O.: "Fanatischer als die unzweifelhaften" - so 1. Auflage; 3. Auflage "übrigen" - "Schriften des Lactantius"! E.H.], Will er denn als Christ und Bibelkenner nicht beherzigen, was im zweiten Psalme geschrieben steht: Sicut vas figuli confringes eos? Diese Stelle geben wir allen Schmähern des Lactantius anheim". Vgl. unten Anm. 70. β Jansen 10 nach Referat positiver Urteile über De mortibus: "Nur ein Burckhardt hatte die beispiellose Unverschämtheit, dieses Buch für einen Roman zu erklären"; gemeint J. Burckhardt, Die Zeit Constantin's des Großen, Basel 1853, 337 Anm. 2; Burckhardt 329 bezweifelt die Autorschaft des Lactanz ("dem Namen des Lactantius ... macht es eine höchst wahrscheinlich unverdiente Schande"), zieht diese Zweifel aber in der 2. Auflage 1880, 291 zurück und nennt die Schrift "für viele Einzelheiten so unentbehrlich wie eine höchst einseitige Parteischrift sein kann"; dementsprechend ist hier 299 Anm. 2 zu Mort. pers. 12 auch die Wertung "Roman" weggelassen, nicht jedoch 59 ( = 1. Auflage 68) der "Romanschreiber" zur Heeresvergrößerung unter Diocletian. 70 Verfechter und Bestreiter der Autorschaft des Lactanz haben damit oft Urteile über den Charakter des Verfassers verbunden; Negativ S. Brandt, Über die Entstehungsverhältnisse der Prosaschriften des Lactantius und des Buches De mortibus persecutorum: AAWW.PH 125 (1891) 8, hier 22-122 passim, bes. 64f. (66 gegen Jansen; vgl. 25), der dies nach Anerkennimg der Autorschaft des Lactanz (in der Rezension von R. Pichón, Lactance, Paris 1901) BPhW 23 (1903)

604

Eberhard Heck

Für Jansens eigenen Umgang mit dem wissenschaftlichen, bei ihm eben weltanschaulichen Gegner Burckhardt sei hier genannt die Anmerkung (66 Anm. 3) zum Ende des Galerius Mort. pers. 35,3, wo nach Bemerkungen zur Würmerkrankheit 71 und einem von ihr noch im 19. Jahrhundert betroffenen Scheich steht: "Burckhardt sagt 356: Wir wollen den falschen Laktantius nach Herzenslust in dem von Würmern zerfressenen Leib des Galerius wühlen lassen. Es genügt, daß Galerius bei den Heiden als 'braver Mann' und 'tüchtiger Krieger' gilt. Sehr tröstlich für einen Neuheiden". Nun, vollständig lautet der Satz bei Burckhardt: "Wir wollen den falschen72 Lactantius ... wühlen lassen und dafür constatiren, daß der gewiß rohe und gegen die Christen unmenschliche Fürst bei den Heiden 'ein braver Mann und tüchtiger Krieger' heißt". Jansen markiert die entscheidende Auslassung nicht einmal durch Punkte. Deutlichste Anspielung auf den Kulturkampf ist Jansens Charakterisierung des an der Verfolgung 303 beteiligten Gouverneurs Sossianus Hierocles (101, in der Einleitung zur Epitome): "Er ist einer von Jenen, die sich durch Revolutionen in den Rath der Mächtigen drängen und sich nützlich machen durch Talent für gewöhnliche Geschäfte; er führt stets die Worte Freiheit, Tugend, Wissenschaft, Fortschritt, Aufklärung und Menschenglück im Munde, und doch ist er der Menschheit blutiger Verfolger (ein ächter Mann von Blut und Eisen)". Diese Figur des sich unter 'falsa nomina' an die Macht drängenden Revolutionärs meint zunächst Liberale und Freimaurer als Fortsetzer der französischen Revolution, dann aber, obwohl dazu die vorausgehende Charakterisierung nicht mehr paßt, mit dem "Mann von Blut und Eisen" eindeutig Bismarck - in

1257 auch auf ihn übertrug. Dazu nur dies: Man muß die Schrift, die man vernünftigerweise Lactanz nicht absprechen kann, als literaturgeschichtliches Unicum nehmen und verstehen (vgl. meine oben Anm. 2 zitierte Arbeit und Wlosok [wie Anm. 1] 394-3%), darf sie aber in diesem Rahmen durchaus als tendenziös und (s. unten Anm. 71) stellenweise unerfreulich bezeichnen. 71 Deren Schilderung Mort. pers. 33,1-11, ein Gemisch aus Beschreibung des tatsächlichen Krankheitsverlaufs, dem 9. Kapitel des 2. Makkabäerbuches (Antiochos), das den literarischen Rahmen abgibt, und Vergilzitaten zumal aus der Rinderpest des 3. Georgicabuches darf man m.E. unabhängig von Urteilen über Lactanz und De mortibus persecutorum im Ganzen als eines der unappetitlichsten Stücke römischer Literatur bezeichnen; vgl., mutatis mutandis, Brandt (wie Anm. 70) 77.85. 72 In der 2. Auflage 316 ist wie an anderen Stellen "falschen" vor "Lactantius" weggelassen; vgl. oben Anm. 69.

Lactanz im Kulturkampf

60S

Rückgriff auf das oft und gerne mißverstehend zitierte Bismarckwort von 1862,73 das hier dazu dient, den Kulturkampf mit der Christenverfolgung von 303 in Parallele zu setzen. Damit hat auch Jansen - ob mit oder ohne Kenntnis Beckers74 - Lactanz und das, was er geschildert, im Kulturkampf wiederbelebt; auch Jansens aktualisierende Note zum Epilog von De mortibus persecutorum75 läßt sich mit dem, was Becker dazu sagt, zusammenstellen. Schauen wir von heute auf diese Wiederbelebung der Verfolgergeschichte des Lactanz in der Auseinandersetzung zwischen Staat und katholischer Kirche im 19. Jahrhundert zurück, so sei abschließend eine kritische Bemerkung erlaubt:

73

Das Wort von "Blut und Eisen" als angeblichem Prinzip Bismarck'scher Politik geht zurück auf Bismarcks Erklärung in der 94. Sitzung der Budgetkommission des (preußischen) Hauses der Abgeordneten vom 30.9.1862. Der nicht in wörtlicher Niederschrift, sondern nur indirekt (s. unten) erhaltene Satz wird in den Ausgaben der Reden Bismarcks wie folgt zitiert: "Preußen muß seine Kraft zusammenfassen und zusammenhalten auf den günstigen Augenblick, der schon einige Male verpaßt ist; Preußens Grenzen nach den Wiener Verträgen sind zu einem gesunden Staatsleben nicht günstig; nicht durch Reden und Majoritätsbeschlüsse werden die großen Fragen der Zeit entschieden - das ist der große Fehler von 1848 und 1849 gewesen -, sondern durch Eisen und Blut" (grundlegende Edition: Die politischen Reden des Fürsten Bismarck, Bd. 2, hg. v. H. Kohl, Stuttgart 1892, 19-38, hier 30; danach: Bismarck, Gesammelte Werke, Bd. 10, hg. v. W. Schüßler, Berlin 21928,140; Bismarck, Werke in Auswahl, Bd. 3, hg. v. GA. Rein u.a., Stuttgart 1965, 3). Bei Kohl (wo weitere Fassungen der Rede) ist obiger Satz wiedergegeben nach der in der Berliner Allgemeinen Zeitung am 2.10.1862 abgedruckten "Kammer-Correspondenz", über deren Unzulänglichkeiten sich Bismarck - im Lichte der Pressereaktionen (vgl. Kohl 38) - in einem Brief an König Wilhelm I. am 3.10.1862 beklagt (Rein 9). Eine von Bismarck gegebene oder autorisierte Bestätigung oder Korrektur des Satzes selbst fehlt. - Pragmatisch als "Tatsache, nicht eine prinzipielle Feststellung" deutet den Satz übrigens AJ.P. Taylor, Bismarck - Mensch und Staatsmann, München 1962 (englisch London 1955), 56f. 74 Dafür gibt es allenfalls vereinzelte Indizien; s. Anm. 75. Jansen hatte auch in einer in Bayern wo es ebenfalls einen freilich polizeilich lax praktizierten Kulturkampf gab (vgl. Schmidt-Volkmar 194-200) - erscheinenden Übersetzung Grund, Beckers zudem unter Pseudonym erschienenes Buch nicht zu nennen. Er erwähnt (12,1) und charakterisiert kurz Ryckewaerts Lactanzfortsetzung ohne Angabe der Quelle Sporeno. 75 Jansen 90 Anm. 1 zu Mort. pers. 52,3 (ubi sunt... illa ... louiorum et Herculiorum cognomina): "Ja, wo ist er, der stolze Diokletian, und der grausame Maximian Herkulius, denen in Spanien zu Lebzeiten zwei Säulen errichtet wurden mit den Inschriften ..." (folgt Paraphrase der Inschriften, die die Augusti als Beseitiger des Christentums rühmen, mit Literaturangaben, u.a. dem apologetisch geschickten, aber nur zum Teil zutreffenden Hinweis "Sogar Burckhardt nimmt sie als ächt an") ... "Also wähnen die armen Heiden, das Christenthum sei vertilgt; nein, es hat triumphirt trotz Kerker, Ketten, Schwert, Feuer und wilden Thieren, weil der allmächtige Gottessohn die Kirche auf dem Felsen gegründet, welchen die Pforten der Hölle niemals überwinden werden [vgl. dazu Becker, Kämpfe und Siege 5! E.H.], Möge die wahrheitsgetreue Schilderung des Laktantius von dem wunderbaren Triumphe der Kirche und dem jämmerlichen Untergange der Verfolger Tausende unserer heiligen Kirche im Glauben bestärken und Andersgläubige dieser von Jesus Christus durch sein Blut erlangten und seit seiner Himmelfahrt bis heute so wunderbar geschützten Braut, der heiligen katholischen Kirche, zuführen, auf daß e i n e Herde unter e i n e m [Sperrungen Jansen] Hirten sei." Damit schließt diese Fußnote und die Übersetzung von De mortibus.

606

Eberhard Heck

Lactanz beschreibt76 blutiges, bis zum Vernichtungswillen gesteigertes Vorgehen gegen Christen, ein Vorgehen, mit dem man das totalitärer Regimes des 20. Jahrhunderts, etwa der Nationalsozialisten,77 durchaus vergleichen kann. Wenn diese Darstellung im Kulturkampf wiederbelebt wurde, sollte man bedenken, daß dieser zwar für Katholiken Verfolgungstatbestände bis hin zu Haft und Ausweisung mit sich brachte,™ aber keine Menschenleben forderte. Ihn mit blutigen Christenverfolgungen zu vergleichen,7® ist daher unangemessen.80

16

Mort. pere. 14,3 - 15,5; 21,3-11; vgl. Inst. 5,11,1-17. Statt Spezialliteratur zum Kirchenkampf beider Konfessionen 1933-1945 nenne ich drei ältere Veröffentlichungen sub titulo 'Widerstand', die ich immer noch für beachtenswert halte (und mit denen ich Erinnerungen an meine - auch mit Kommilitonen verschiedenster Fachrichtungen gemeinsame - intensive Beschäftigung mit der NS-Zeit in den Jahren 1958-1961 verbinde): H. Rothfels, Die deutsche Opposition gegen Hitler, Frankfurt/M. 21958 (Fischer-Bücherei; zuerst englisch Chicago 1948, deutsch Krefeld 1949) 43-50 (46 zu den Opfern, z.B. im Konzentrationslager Dachau umgekommenen Geistlichen); G. Ritter, Carl Goerdeler und die deutsche Widerstandsbewegung, München 1964 (dtv, zuerst Stuttgart 1954), 11-124 (zu den Opfern 123); dazu die Dokumentation: 20. Juli 1944, hg. v. der Bundeszentrale für Heimatdienst, bearb. v. H. Royce, 3. Auflage, bearb. v. E. Zimmermann - H.-A. Jacobsen, Bonn 1960 (zuerst 1952), 22-28; 190-194 passim (u.a. Haftbericht Dietrich Bonhoeffers; 243-256 (letzte Aufzeichnungen Alfred Delps und anderer nach dem 20.7.1944 Hingerichteter). 78 Dazu Kißling (wie Anm. 18) II, 400-411; III, 89-135; Schmidt-Volkmar (wie Anm. 18) 132-136 (Gesetze von 1873) und 167-187 (zur Praxis; 148 zur Verhaftung des Bischofs von Posen-Gnesen, Ledóchowski am 3.2.1874; vgl. Kißling II, 400f.); vgl. ebd. 169 Anm. 84 über gute Haftbedingungen und 182 zur Langmut der Behörden. TO Becker, Kämpfe und Siege 40 in einer Anrede an die "Liberalen und Freimaurer" im Anschluß an die Aktualisierung von Tertullians Abwehr des Vorwurfs, die Christen seien an allem schuld (vgl. oben S. 597): "... es wird Euch am Ende auch noch gelingen, sie [die Katholiken] mit Hilfe der öffentlichen Gewalt aus dem Vaterlande zu verbannen, in die Gefängnisse zu werfen oder ihnen gar das Lebenslicht auszublasen". - Mit der Zeit der antiken Christenverfolgungen vergleicht Schmidt-Volkmar 169 die Stimmung in der Bevölkerung, besonders die Solidarisierung mit bedrängten Klerikern (vgl. dazu, mutatis mutandis, Tert., Apol. 50,12-15; Lact., Inst. 5,22,18-24), und bemerkt, dies sei durch publizistische Übertreibungen gesteigert worden; vgl. ebd. 164 über Bismarck als "Schlußglied der Kirchenverfolger seit Kaiphas" in der belgischen Presse zum Fall Ledóchowski (s. vor. Anm.). 80 Eine Lactanz-Aktualisierung hingegen, in der die moderne Entsprechung blutige Verfolgung einschloß, bot auf dem Oxforder Patristikerkongreß 1991 C.-T. Ariejan, Latinist in Timijoara (Temesvar), der in einer 'communication' unter dem Titel "Archetypes of deportment in Lactantius, De mortibus persecutorum" kirchenfeindliches Regime und Ende des rumänischen Diktators Niculae Ceaujescu dem lactanzischen Modell der Bestrafung des Gottesverächters zuordnete. 77

Alfred Schindler

Augustin als Vater der Ökumene Zu einem Grundsatz des Dokuments: Lehrverurteilungen-kirchentrennend?

Seit 1986 liegt das Buch vor mit dem Titel: Lehrveruteilungen-kirchentrennend? I: Rechtfertigung, Sakramente und Amt im Zeitalter der Reformation und heute, hg. von Karl Lehmann und Wolfhart Pannenberg. 1 Es enthält die Ergebnisse der Beratungen und Untersuchungen des "Ökumenischen Arbeitskreises evangelischer und katholischer Theologen", die dieser im Auftrag der "Gemeinsamen Ökumenischen Kommision" (G.Ö.K.) in den Jahren 1981 bis 1985 vorgenommen hatte. Die G.Ö.K, nahm die Abhandlung zustimmend entgegen. In ihrem Schlußbericht vom Oktober 1985 bittet sie "die Leitungen der betroffenen Kirchen, verbindlich auszusprechen, daß die Verwerfungen des 16. Jahrhunderts den heutigen Partner nicht treffen ...". Auf diese Aufforderung sind inzwischen einige Reaktionen erfolgt.2 Über Erfolg oder Mißerfolg des Vorstoßes läßt sich trotzdem noch nichts Endgültiges sagen. Es kann somit noch immer sinnvoll sein, sich mit einzelnen Aspekten des Dokuments zu befassen. Das soll hier geschehen, im Blick auf einen Grundsatz, der Augustin eine besondere Bedeutung zuweist.

1 Inzwischen in unveränderter Auflage, Freiburg i. Breisgau 1988, dazu die Bände II: Materialien zu den Lehrverurteilungen und zur Theologie der Rechtfertigung, Dialog der Kirchen, Bd. 5, 1989, Nachdruck 1990, und III: Materialien zur Lehre von den Sakramenten und vom kirchlichen Amt, Dialog der Kirchen, Bd. 6, 1990. Im folgenden wird der erste Band mit der Abkürzung "LV" zitiert, Band II mit "LV II". 2 Die Bitte der G.Ö.K.: LV, 195, wo die Fortsetzung lautet: "... insofern seine Lehre nicht von dem Irrtum bestimmt ist, den die Verwerfung abwehren wollte." Eine weitere Aufforderung kurz danach, 195, s.u. Anm. 22. Die Reaktionen von (deutschen) Gremien sind zusammengestellt in: Lehrverurteilung im Gespräch. Die ersten offiziellen Stellungnahmen aus den evangelischen Kirchen in Deutschland, Göttingen 1993, ebd. S. 13 Anm. 3-5, sind weitere, weniger "offizielle" Stellungnahmen verzeichnet. Von einzelnen Autoren liegen in Buchform vor allem vor: J. Baur, Einig in Sachen Rechtfertigung?, Tübingen 1989, dazu: U. Kühn und O.H. Pesch, Rechtfertigung im Disput, Tübingen 1991.

608

Alfred Schindler

In dem Hauptabschnitt über die Rechtfertigungslehre finden sich, nach der Darlegung der überlieferten Unterscheidungslehren, vier Grundsätze sehr unterschiedlicher Art, die die nachfolgende Untersuchtung über die kirchentrennende Bedeutung der Lehrunterschiede bestimmen sollen. Die ersten zwei Grundsätze sind gewissermaßen formaler Natur, indem sie einmal die Einbindung der Lehre ins kirchliche und Frömmigkeitsleben betonen, zum zweiten über die Anliegen sprechen, die auf beiden Seiten im Spiele waren und die gegenüber den z.T. schroffen Lehrdifferenzen eher Gemeinsamkeiten erkennen lassen, falls man sie historisch zutreffend herausarbeiten könne.3 Der dritte Grundsatz beschreibt die zwei in der Rechtfertigungslehre wichtigsten divergierenden Grundtendenzen und versucht, die übergreifenden gemeinsamen oder auch komplementären Anliegen hervorzuheben.4 Der vierte Grundsatz schließlich nennt das, was in der Überschrift dieses Aufsatzes angedeutet ist, nämlich die anzustrebende Annäherung an Augustin in Zweifelsfällen. Dieser Grundsatz wird für die "historischen" Fragen aufgestellt und auf die Interpretation der Trienter Beschlüsse bezogen, nicht ausdrücklich auf die Bekenntnisschriften. Man darf, so die Quintessenz dieses Grundsatzes, die katholischen

Aussagen

augustinisch

interpretieren,

was

ja 5

protestantischen Tendenz des 16. Jahrhunderts entspreche.

3

auch

der

Augustin als

Die ersten beide Grundsätze: LV, 45f. auf S. 45, Z . 9, wird, soweit ich sehe, zum ersten Mal der bedeutungsvolle Begriff des "Anliegens" eingeführt und dann immer wieder aufgenommen, programmatisch in der Formulierung des zweiten Grundsatzes, wo er ziemlich direkt zum Begriff der Komplementarität führt: Ist ein Anliegen auch bei der Gegenpartei deutlich gewahrt, dann können die unterschiedlichen Lehrbildungen als komplementär aufgefasst werden (LV, 46, Z. 2127). Mehr oder weniger wird vorausgesetzt, daß dies für die Leser einleuchtend sei. Eine genauere begriffliche Erklärung erfolgt, soweit ich sehe, nicht. 4 Die beschwörenden zwei Sätze, die je mit "Niemand kann diejenigen verurteilen ..." beginnen, werden in LV II, 343, als "Schlüsselsatz des ganzen Studiendokuments" bezeichnet, unter Berufung auf Wilckens. 5 Hier der vierte Grundsatz im Wortlaut: "Für die historische Interpretation des Trienter Rechtfertigungsdekretes - als für den einen Textkomplex, hinsichtlich dessen zur Frage steht, ob Verurteilungen weiterhin bestehen bleiben müssen - gilt ein vierter Grundsatz: Im Zweifel für die Auffassung, die näher bei Augustinus steht! Denn für den Kenner der Theologiegeschichte ist offenkundig, wie sehr sich die drei ersten Cánones des Rechtfertigungsdekretes ebenso wie die entsprechenden ersten vier Kapitel in der Sprache und sozusagen im Klima des Streites zwischen Augustinus und Pelagius ausdrücken. Ebenso wissen wir aber, daß die Erinnerung an den pelagianischen Streit einer der entscheidenden Anstöße zur Ausbildung der Theologie der Reformatoren war: Sie hielten, und dies nicht ohne Kronzeugen aus dem Spätmittelalter selbst, die Theologie und Frömmigkeitspraxis der spätmittelalterlichen Kirche für 'pelagianisch', was besagt, daß hier der menschlichen Natur und den menschlichen Fähigkeiten überhaupt eine

Augustin als Vater der Ökumene

609

gemeinsamer "Vater im Glauben"6 soll auch für die Wiederannäherung der konfessionellen Positionen Hilfe bieten können. Dieser Grundsatz, nennen wir ihn der Kürze halber den "augustinischen Grundsatz", soll also die Darlegungen in dem Dokument mit bestimmen. Sofern dies bedeuten sollte, daß immer wieder einmal Augustin zitiert und daß bestimmte "Zweifelsfälle" durch einen Rekurs auf Augustin entschieden werden, darf man wohl ohne Zögern sagen, daß der Grundsatz nicht eingehalten wurde. Natürlich fehlen Bezugnahmen auf den Kirchenvater oder das Adjektiv "augustinisch" nicht ganz, aber eine Schlüsselposition nimmt Augustin nicht ein, und keinesfalls reicht seine (jedenfalls äußere und quantitative) Bedeutung z.B. an diejenige des Fragens nach gemeinsamen "Anliegen" heran.7 Auch die bisher vorliegenden Reaktionen auf die Lehrverurteilungsdokumente lassen kein großes Interesse an diesem Grundsatz oder seiner Durchführung erkennen, auch wenn gelegentlich darauf oder allgemein auf Augustin Bezug genommen wird.8 Trotzdem wäre es ungerecht, die Autoren des Dokuments der Inkonsequenz zu bezichtigen und zu sagen, sie hätten den augustinischen Grundsatz wohl besser ganz fallen lassen, weil er ja nicht zu Anwendung komme. Wie sehr auch dieser Einwand im äußerlichen Sinne zutreffen mag, er wäre sachlich nicht wirklich haltbar. Denn die Interpretation von Sünde und Gnade,

'Leistungsfähigkeit' vor Gott zugesprochen war. So gesehen darf man die genannten Cánones als einen Fingerzeig des Konzils werten: Sie sollen so gelesen werden, daß die Lehre des Theologen, der im Abendland seit altersher der 'Lehrer der Gnade' (Doctor gratiae), heißt, zwar nicht Maßstab - das ist nur die Heilige Schrift -, aber doch Orientierung für die Beurteilung der reformatorischen Rechtfertigungslehre sein soll, nämlich Augustinus. Diese Gemeinsamkeit des 16. Jahrhunderts hat sich zwar in der Folgezit nicht durchgehalten. Kein Problem erledigt sich heute durch Berufung auf Augustinus, weder für die evangelische noch auch für die katholische Theoloie. Doch hilft unser Grundsatz bei der Klärung dessen, was damals gemeint war, und damit bei dem Bemühen, den Gegensatz zur reformatorischen Lehre nicht an Auslegungen festzumachen, die sich gegen diese schärfer abgrenzen, als das Konzil selbst wollte." (LV, 47,27-48,15). 6 Diese Formulierung ist von mir frei P. Manns nachgebildet bzw. seinem Sammelband, "Martin Luther. Reformator und Vater im Glauben", 1985 sowie dem Titel seines Bandes gesammelter Studien zu Luther "Vater im Glauben", Stuttgart 1988 entnommen. 7 "Augustin", "augustinisch": 37,15; 50,26; 73,16; 143,27. Seltsamerweise fehlen Bezugnahmen auf Augustin auch in LV II, 244-250, wo die im "augustinischen Grundsatz" erwähnten ersten drei Cánones von Trient behandelt sind. 8 Vgl. (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):, W.A. Bienert, "Im Zweifel näher bei Augustin"? - Zum patristischen Hintergrund der Theologie Luthers, in: Oecumenica et Patristica, FS W. Schneemelcher, Chambésy 1989, 281-294; J. Baur (wie Anm. 2) 6.27.33ff.42.65; Göttinger Gutachten (s.u. Anm. 13) 37f.

610

A l f r e d Schindler

die das Dokument anbietet oder tendenziell verfolgt, weist gewisse Eigenheiten auf, die man inhaltlich als augustinisch bezeichnen könnte. Es sind vor allem zwei Aspekte, die hier hervorgehoben zu werden verdienen: einmal die Betonung der menschlichen Unfreiheit hinsichtlich des Guten oder der Gottesliebe. Auch wo das Tridentinum einen gewissen Spielraum menschlicher Freiheit andeutet, muß gelten: entweder handelt es sich um "eine Freiheit nicht gegenüber Gott und auf Gott hin, sondern gegenüber den Dingen dieser Welt", "... oder es ist schon eine Freiheit aus dem Anruf und der Macht der Gnade", d.h. eine von Gott

allererst zur Wirklichkeit

gebrachte

Freiheit.' Der

Vorwurf, der

traditionellerweise von protestantischer Seite erhoben wurde, das tridentinische Rechtfertigungsdekret sei krypto-semipelagianisch, ist durch diese und ähnliche Interpretationen ziemlich deutlich verunmöglicht. Andererseits versucht das Dokument, den traditionell scharfen Gegensatz zwischen imputativer und sanativer Rechtfertigung abzuschwächen oder wenigstens die beiden "Anliegen" einander anzunähern. Auch dies kann einen gewissen augustinischen Einfluß spiegeln. Augustin kennt tatsächlich kaum eine imputative Rechtfertigung und verwendet die Wortgruppe imputare-deputare-reputare meist negativ (als nichtZurechnung der Sünde).10 Deshalb ist iustificatio bei ihm tatsächlich weitgehend ein Gerechtmachen, wenn auch nicht eine Art "Prozeß", wie ihn das Tridentinum schildert." Die heilende Kraft der Gnade oder des Hl. Geistes, die den Willen das Gute wollen läßt, bewirkt deshalb bei Augustin, daß der Gegensatz von Gesetz und Evangelium als Gegensatz von unerfüllbarer Forderung Gottes und Erfüllung derselben erscheint." In gewisser Weise wird also das augustinische Erbe dazu benutzt, sowohl den Protestanten mit ihrem "sola gratia" als auch den Katholiken mit der inhärierenden Gerechtigkeit entgegenzukommen. Das "simul

9

LV, 49, Z . 11-14. A . Schindler, Imputative Rechtfertigung bei Augustin?, in: Signum Pietatis. Festgabe für O.P. M a y e r O.SA, z u m 60. Geburtstag, hg. v. A . Zumkeller, W ü r z b u r g 1989, 409-423. 11 D a ß es sich im T r i d e n t i n u m u m eine "gegliederten Prozess" handelt, wird nirgends bestritten, vgl. L V , 54, Z . 9f.; dazu K ü h n / P e s c h (wie A n m . 2) 5 3 mit Verweis (außer auf Baur) a u c h auf die B e d e n k e n des Göttinger G u t a c h t e n s (s.u. A n m . 13). 12 Augustin, D e spir. et litt. 19,32: "illa (seil, lex) enim sine adiuvante spiritu proeul dubio est littera occidens; cum vero adest vivificans spiritus, hoc ipsum intus conscriptum facit diligi, quod foris scriptum lex faciebat timeri." Hier steht natürlich überhaupt nicht das Begriffspaar G e s e t z / E v a n g e l i u m im Mittelpunkt, sondern B u c h s t a b e / G e i s t . 10

Augustin als Vater der Ökumene

611

iustus et peccator" sowie die zwar beschränkte, aber doch "echte" Wahlfreiheit treten dagegen deutlich zurück. Es wundert deshalb nicht, daß in der Kritik von evangelischer Seite die eine dieser Grundtendenzen, d.h. vor allem die Abschwächung des "extra nos" der göttlichen Gerechtigkeit, auf Widerspruch gestoßen ist.'3 Die andere Grundtendenz, die dem autonomen menschlichen Wollen keinen Spielraum läßt, natürlich nicht, sofern nicht vermutet wird, die erste würde indirekt die zweite Grundtendenz wieder aufheben, d.h. das augustinische Grundmodell mit seiner Verdiensttheorie im Effekt doch auf eine Leistungsfähigkeit des Menschen vor Gott hinauslaufen.14 Nur: all dies geschah bzw. geschieht ohne oder fast ohne ausdrückliche Bezugnahme auf Augustin.'5 Diese Beobachtung kann aber nicht einfach so bestehen bleiben. Denn im deutschen Sprachbereich, also in katholischer wie protestantischer Theologie, hat sich in den letzten Jahrzehnten eine Entwicklung - neben anderen - ereignet, die genau dem hier intendierten Konsens entspricht: Man hat sich im Verständnis der Rechtfertigung über die Konfessionsgrenzen hinweg so weit angenähert, daß das Gemeinsame gegenüber dem Unterscheidenden überwiegt," und zu diesem Gemeinsamen gehört auch eine Öffnung für eine Augustin-Interpretation, die seine Schärfe im Streit gegen den Pelagianismus nicht abschwächt, wie es bei vielen katholischen Theologen früher üblich war, aber auch die historische Distanz ihm gegenüber sowie seine Entwicklung von einem milden Synergismus zum strengen Prädestinationismus voll in Rechnung stellt. Dazu gehört auch die Erkenntnis, daß seine Äußerungen nur schwer in den Rahmen der Kontroversen des 16. Jahrhunderts einzuordnen sind. Dieser "weiter entfernte", aber doch bejahte Augustin fügt sich der neueren Rechtfertigungsdebatte insofern gut ein, als auch sie eine von den Lehren der Bekenntnisschriften und des Tridentinums

13

So etwa in dem Göttinger Gutachten, "Überholte Verurteilungen?", hg. v. D. Lange, Göttingen 1991. 14 Ebd., 48 (wo auch auf "simul iustus et peccator" angespielt wird), und die folgenden Seiten über das Verdienst. 15 An der eben genannten Stelle des Göttinger Gutachtens wird implizit gegen eine Verdienstauffassung polemisiert, die sich in LV, 73 explizit auf Augustin beruft, LV, 73, Z. 16; dazu Göttinger Gutachten (wie Anm. 13) 51. 16 Vgl. den Schlußsatz in LV, 196 (aus dem Schlußbericht der G.Ö.K.): "Was uns miteinander verbindet, ist stärker als das, was uns noch trennt."

612

Alfred Schindler

"weiter entfernte" Position einnimmt und durch neue Kategorien sich in die Lage versetzt sieht, auf neu verstandene alte, z.B. augustinische, Kategorien vermehrt zurückzugreifen. So wie der gemeinsame Rückgriff auf die Hl. Schrift in der neueren, in beiden Konfessionsfamilien nahezu gleichen Exegese auch neue Gemeinsamkeiten hervortreten läßt, so oder ähnlich zeigen sich auch neue Gemeinsamkeiten bei Rückgriff auf jenen Kirchenvater, den im 16. Jahrhundet alle Parteien für sich reklamierten.17 Mit all dem Gesagten ist aber der augustinische Grundsatz, von dem wir ausgegangen sind, nicht wirklich getroffen, weder positiv noch negativ. Er will ja das Tridentinum gemäß seinen eigenen Intentionen historisch von Augustin her verstehen. Daß dies bei der Durchführung im Dokument über die Lehrverurteilungen wie auch in den Begleitbänden praktisch nicht geschieht, ist kein Zufall, denn der "Augustinismus" des Tridentinums ist gar nicht leicht zu fassen. Die cánones, die als Beleg angeführt werden, sind zwar wohl augustinisch inspiriert, aber sie wiederholen vor allem die Entscheidungen der Konzilien von Karthago und Orange und stellen sich so in die lehramtliche, nicht primär in die Kirchenväter-Tradition. Zudem sind es nur wenige - wenn auch der Reihenfolge nach die ersten, aus Gründen des Alters dieser Lehrentscheidungen -, und die folgenden cánones sowie das Lehrdekret nehmen vor allem auf die Kontroversen des 16. Jahrhunderts Bezug.18 Hinzu tritt die Tatsache, daß auf dem Konzil selbst nicht eigentlich Augustin, sondern die Theologen des Augustiner-Ordens und einige Sympathisanten in der Auseinandersetzung mit Thomisten und Skotisten standen, die zwar fast alle sich auf Augustin glaubten berufen zu können, aber dies nicht zum Gegenstand der Debatten machten. 1 ' Vereinfacht ausgedrückt: Das "Konzil als solches" wollte nicht Augustin "dogmatisieren", sondern die biblische und katholische Wahrheit 17 Die neu aufgebrochene Gemeinsamkeit bei der biblischen Exegese erwähnt auch LV, 44, und in LV, 43 steht programmatisch der Satz: "Je mehr wir auf Jesus Christus zugehen, um so näher kommen wir einander." Natürlich wird dieser Satz nicht analog auf Augustin übertragen, aber eine strukturelle Verwandtschaft beim neuen Rückgriff auf das Alte ist doch erkennbar. 18 Vgl. Kühn/Pesch (wie Anm. 2) 48f. zum Thema Trient gegen Orange?" mit Literatur. Im übrigen ist natürlich immer das alte Standardwerk von H. Jedin, Geschichte des Konzils von Trient, vor allem Band II, Freiburg 1957, zu vergleichen. " Noch immer nützlich: E. Stakemeier, Der Kampf um Augustin auf dem Tridentinum, Paderborn 1937.

Augustin als Vater der Ökumene

613

gegen die lutherische Häresie definieren, mit oder notfalls ohne Augustin. Zudem unterlag bekanntlich der von Seripando als dem General der Augustiner vertretene "Augustin" auf dem Konzil in wesentlichen Punkten: in der Lehre von der sündhaften Konkupiszenz und in der Lehre von der doppelten Gerechtigkeit, die von Seripando bei für augustinisch gehalten wurden, was man heute sicher nicht mehr so eindeutig würde behaupten können." Es mutet deshalb etwas seltsam an, wenn die augustinische Deutung als Entscheidungshilfe

in

Zweifelsfällen mit den Absichten des Konzils praktisch identifiziert wird. Das Konzil hat in einigen Punkten gegen oder wenigstens offensichtlich nicht für Augustin Partei genommen. Man hat sich zwar gegenüber den spätmittelalterlichen Theologenschulen und ihrer Terminologie deutlich zurückgehalten, aber nicht etwa stattdessen "viel Augustin" in die Formulirungen aufgenommen. Gerade damit wollte man aber auch den Theologenschulen ihren legitimen Spielraum lassen, also auch einen Seripando oder - um nur einen prominenten Augustinisten unter den Scholastikern zu nennen - einen Gregor von Rimini. Nicht minder aber sollten auch die Thomisten und Skotisten weiterhin in ihrem Stil lehren können, vorausgesetzt, sie hielten sich an die dogmatischen Richtlinien von Trient. Das Trienter Rechtfertigungsdekret und die cánones - wie auch die Erbsündenlehre der 5. Session - schließen eine augustinsche Deutung also nicht aus, können aber mit ebensolchem Recht auch relativ unaugustinisch gelesen werden. Dieser Grundtendenz ist das römische Lehramt in der Folgezeit auch weiter gefolgt, indem im Auxilien-Streit wie vor allem im Streit um Bajus und Jansenius eine Deutung der Gnadenlehre im Sinne eines strengen, spätaugustinischen Antipelagianismus abgelehnt wurde, zugleich mit einer von manchen Seiten verlangten, gleichsam unfehlbaren Geltung des Kirchenvaters in der Kirche.21

20

Wenn auch mit sozusagen umgekehrtem Vorzeichen kann man noch immer die Arbeit von J. Henninger S.V.D. benutzen: S. Augustinus et doctrina de duplici justitia. Inquisitio historico-critica in opinionem Hernymi Serpandi (1493-1563) de justificatione ejusque habitudinem ad doctrinam S. Augustini, Mödling bei Wien 1935. Zu diesem Buch und seinen Schwächen: H. Jedin, Girolamo Seripando. Sein Leben und Denken im Glaubenskampf des 16. Jahrhunderts, Band I, Würzburg 1937, 374f. 21 Auch dies einer "Irrtümer" von Cornelius Jansen, vgl. E. Portalié, Art. "Augustin (saint)", in: DThC, bes. 2466f.

614

Alfred Schindler

Eine augustinische Deutung des Tridentinums ist also ähnlich wie eine augustinische Deutung lutherischer oder reformierter Bekenntnisschriften eine zwar legitime, aber doch nur eine Möglichkeit unter mehreren. Man kann auch katholisch lehren und man kann auch evangelisch lehren, ohne auf Augustin Rücksicht zu nehmen. Vergleicht man die legitimen Interpretationsmöglichkeiten in den Dokumenten der Konfessionen mit Kreisen, so kann man sagen: Es gibt gleichsam eine Überschneidung der beiden Kreise der jeweils zulässigen Interpretationen bei der augustinischen Variante. Das besagt aber, daß eine kirchenamtliche Festlegung auf eine derartige Interpretation einen weiteren Schritt in der Bekenntnis- bzw. Dogmenbildung bedeuten würde. Und daß dies bisher nicht erfolgt ist und wohl auch in Zukunft nicht erfolgen wird, überrascht niemanden.22 Vorausgesetzt, diese Charakterisierung als "Kann-Übereinstimmung" trifft im Grundsatz zu, so ist zu fragen, ob sie - wenn sie für einen förmlichen deklarierten Konsens nicht ausreicht - für die Aufhebung der kirchentrennenden Wirkung der Lehrveruteilungen des 16. Jahrhunderts ausreicht. Die Frage wäre unbedingt zu bejahen, wenn innerhalb der betreffenden Kirchen, Kirchengemeinschaften, Kirchenbünde und Konfessions-Verbindungen über ein solches Verfahren Klarheit oder gar Einigkeit bestünde. Dies ist aber nicht der Fall und dürfte auch in absehbarer Zukunft nicht der Fall sein. Selbst das römische Lehramt dürfte in absehbarer Zeit keine verbindliche Äußerung in dieser Sache von sich geben.23 Es wird vorerst dabei bleiben, daß einerseits zwar vorab im 19. Jahrhundert zu den "alten" Abgrenzungen neue hinzugetreten sind, andererseits

22

Daß sich dieses Problem vor allem mit der zweiten Bitte an die Kirchenleitungen in LV, 195 aufdrängt ("Die Kirchen, ihre Lehrer der Theologie und Pfarrer sollen die evangelischen Bekenntnisschriften und die lehramtlichen Aussagen der römisch-katholischen Kirche im Lichte der hier formulierten Erkenntnisse auslegen"), wurde mehrfach kritisiert. Vgl. etwa Lehrverurteilungen im Gespräch (wie Anm. 2) 51f.55.157f. Wie üblich bei Baur völlig verzerrt: "Geheilt könnte dieser Bruch nur so werden, daß die heutige römisch-katholische Christenheit die reformatorische Erfahrung nachvollzieht, sich dann aber auch klar vom tridentinischen Nein verabschiedet" (wie Anm. 2) 271. 25 Was derzeit vorliegt, ist eine Pressemitteilung der Deutschen Bischofkonferenz, die Anfang März 1993 herausgegeben wurde. Danach existiert ein internes Gutachten des Päpstlichen Rates für die Förderung der Einheit der Christen, worin zu LV Stellung genommen wird. Gemäß der Pressemeldung soll darin stehen, daß der Einheitsrat dem Ergebnis der Studie im Blick auf die Rechtfertigungslehre zustimme. Weiter wörtlich: "Trotz noch ausständiger (ausstehender?) Klärungen einzelner Fragen sei diese Thematik 'nicht mehr kirchentrennend'."

Augustin als Vater der Ökumene

615

aber die ökumenische Situation insgesamt sich so weit verändert hat, daß eine Anerkennung der Kirchen als Kirchen untereinander - wenn auch mit verschiedenen, z.T. erheblichen Einschränkungen - fast schon zur Selbstverständlichkeit

geworden

ist. Damit

ist "automatisch"

gegeben,

daß

die

Verdammungen in den älteren Lehrdokumenten auf Abgrenzungen reduziert oder gar als "versöhnte Verschiedenheit" eingestuft worden sind. Natürlich gilt dies alles nicht für jene Gruppierungen innerhalb unserer Kirchen, die sich auf traditionalistische

oder fundamentalistische

Weise überhaupt

hinter

die

zwischenkonfessionelle Öffnung der Nachkriegszeit zurückgezogen haben oder dies mindestens für erstrebenswert halten. - Somit gilt: Eine förmliche Erklärung über die Gegenstandslosigkeit jener alten Lehrverurteilungen ist kaum möglich. Einerseits ist damit zu viel verlangt - dogmatisch und kirchenrechtlich -, andererseits ist damit nur Selbstverständliches verlangt, auch wenn dieses Selbstverständliche eher unklar bleibt. Darüber hinaus ist jedoch zu bedenken, daß das Modell der exzentrischen Kreise, mit dessen Hilfe der augustinische Grundsatz oben interpretiert wurde, auf weitere Hindernisse stößt, die mit den eben erwähnten Problemen wenig oder nichts zu tun haben: 1. Es ist kein Geheimnis, daß die augustinische Tradition in den protestantischen Kirchen seit der Aufklärung und im Katholizismus seit unserem Jahrhundert unter die Kritik des (christlichen) aufgeklärten Bewußtseins fällt. Gerade in Sachen Erbsünde ist ja die "Last des augustinischen Erbes" überdeutlich empfunden und kritisiert worden, und ob die Rechtfertigungslehre in ihrer klassischen Form nicht "ausgedient" habe, ist eine Frage, die nicht nur Außenseiter stellen. Eine auf das augustinische Erbe abgestützt Annäherung ist also von vornherein einer Kritik ausgesetzt, die in Zukunft nicht schwächer, sondern stärker zu werden droht.24

24

Die Rede von der "Last des augustinischen Erbes" geht auf D. Ritsehl zurück, zuerst in der Barth-Frstschrift zum 80. Geburtstag, Parrhesia, Zürich 1966, 470-490, dann erweitert abgedruckt in D. Ritsehl, Konzepte. Gesammelte Aufsätze, Band I: Patristische Studien, Bern 1976, 102-122. Eine sehr kluge und vorsichtige Distanzierung von Augustins Gnadentheologie bedeutete das Pelagi us-Buch von G. Greshake, Gnade als konkrete Freiheit, Mainz 1972. Zur Zeit fällt auf dem deutschsprachigen Büchermarkt vor allem K. Flasch in die Augen, nicht nur mit seinem "Augustin. Einführung in sein Denken", Stuttgart 1980, sondern noch mehr mit seiner "Logik des Schreckens",

616

Alfred Schindler

2. In den Lehrverurteilungsdokumenten ist und bleibt unklar, ob die reformierten Kirchen und deren Bekenntnisschriften einbezogen worden sind bzw. als einbezogen gelten können. Nun ist es freilich richtig, daß man in Trient in erster Linie die lutherische Position im Auge hatte und die wichtigste Auseinandersetzung über die Rechtfertigungslehre diejenige zwischen römischem Lehramt und lutherischer Theologie sein mußte. Auch spielt die für die traditionelle reformierte Lehre wichtige Frage der Prädestination - oder gar der Föderaltheologie - schon in Trient und wieder in den Lehrverurteilungsdokumenten praktisch keine, eventuell eine negative Rolle. So oder so bleibt hinsichtlich der Aufhebung der Verurteilungen damit ein weiterer Faktor der Unklarheit bestehen. Man kann seitens des Protestantismus nicht una voce sprechen, was allerdings hinsichtlich der Sakraments- und Amtstheologie nicht erstaunt, bei der Gnadenlehre aber immerhin möglich gewesen wäre.25 3. Ein weiteres, schwer einschätzbares Problem stellt die Tatsache dar, daß die Orthodoxie bekanntlich ein problematisches Verhältnis zu Augustin hat. Neben Versuchen, die in ihm die Wurzel fast aller okzidentalen Übel sehen und weit über das "filioque" hinaus es am liebsten hätten, wenn die Kirchen des Westens sich von ihm förmlich distanzierten. Doch auch abgesehen von solchen Einzelstimmen

und

atypischen Äußerungen

dürfte feststehen, daß

eine

Annäherung der westlichen Konfessionen im Zeichen Augustins die Gespräche mit der Orthodoxie erschweren würde.26 4. Schließlich sei noch auf ein bereits angesprochenes, aber in etwas anderer Perspektive nochmals erwähnenswertes Problem hingewiesen: Augustin hat seit

excerpta classica 8, Mainz 1990, wo die entscheidende Schrift Augustins, in der zum ersten Mal die "strenge" Gandenlehre vertreten wird, deutsch und lateinisch mit Kommentar angeboten wird (Ad Simplicianum de diversis quaestionibus). 25 Weshalb die reformierte Seite schon in der personellen Zusammensetzung der Kommissionen (LV, 171-174) und dann der Sache nach so schwach vertreten war, kann man aus den publizierten Materialien nicht entnehmen. Erwähnt seien immerhin die Beiträge von Eßer, Goeters und Lehmann in LV II. Dennoch ist es typisch, daß es in dem Votum des (ehemaligen DDR-) Facharbeitskreises Faith and Order- und Catholica-Fragen heißt: "Der Ökumenische Arbeitskreis wollte auch die reformierte Seite berücksichtigen und führt wiederholt den Heidelberger Katechismus an ...", Lehrverurteilungen im Gespräch, (wie Anm. 2) 172. Noch deutlicher weisen die Bemerkungen Peschs in senem "Werkstattbericht" (LV II, 277.281) in eine ähnliche Richtung ("kam nicht zustande", "Ausfall effizienter Mitarbeit"). 26

Das eben erwähnte Votum weist zu Recht auf dieses Problem hin, Lehrverurteilungen im Gespräch (wie Anm. 2) 189f. Eine ähnliche Tendenz verfolgt Ritsehl (wie Anm. 24).

Augustin als Vater der Ökumene

617

dem hohen Mittelalter und bis mindestens im 17. Jahrhundert nicht nur verbindend, sondern mindestens so sehr trennend gewirkt, und zwar innerhalb der einzelnen Konfessionen, am krassesten im späteren 16. und im 17. Jahrhundert: Synergismus im Luthertum, Arminianismus und Amyraldismus bei den Reformierten und natürlich im jansenistischen Streit in der katholischen Kirche. Daß trotzdem immer auch die Nicht-Prädestinatianer Augustin für sich beanspruchten und vieles Augustinische in der allgemein-theologischen und in der Frömmigkeitstradition über die Partei- und Konfessionsgrenzen hinweg gemeinsam blieb, ändert an der Tatsache dieser Spaltungen nichts, und zwar im Bereich

der

augustinischen

Gnadenlehre

mit

ihren

Implikationen.

Gemeinsamkeiten zwischen Jansenisten und orthodox Reformierten z.B. wurden zwar wahrgenommen, aber nicht für eine konfessionelle Annäherung fruchtbar gemacht." Die Anfänge des Ökumenismus, wenn man den Begriff überhaupt verwenden darf, standen meist nicht im Zeichen Augustins.28 Darum wird man wohl oder übel sagen müssen: Eine ökumenische Verständigung kann sich nichts von Augustin vorgeben lassen, sondern muß sich über Augustin genauso erst einmal verständigen wie über andere Fragen, die als Streitfragen unser konfessionelles Erbe belasten,

auch wenn

im Fall Augustins das "die

Konfessionen Trennende" gegenüber den "in den Konfessionen Trennenden" zurücktritt. So wenig die formale Berufung auf die Hl. Schift die konfessionelle Differenzen sachlich schon überwindet, so wenig tut es die Berufung auf Augustin. Welchen Wert haben die Lehrverurteilungsdokumente denn überhaupt? Nimmt man sie zu dem von ihnen selbst beanspruchten Stellenwert, so haben sie zweifellos sie bereits bestehende Entwicklung auf gegenseitige Anerkennung der

27

Vgl. etwa das Werk des reformierten Orthodoxen Melchior Leydecker (1642-1721), De historia Jansenismi libri VI, quibus d Cornelii Jansenii vita et morte, nec non de ipsius et sequacium dogmatibus ..., Utrecht 1695. 28 Ich denke hier an die Irenik des 16. und 17. Jahrhunderts. Zwar wurde die Maxime "in necessariis unitas, in dubiis libertas, in omnibus Caritas" auch Augustin zugeschrieben, stammt aber so wenig von ihm wie von Luther, dem sie auch zugeschrieben wurde, sondern von dem Protestanten Rupert Meldenius aus einer Schrift von ca. 1626. Vgl. J. Leder, A propos d'une maxime citée par le pape Jean XXIII, RSR 49 (1961) 549-560; ders., Note complémentaire sur la maxime: in necessariis unitas, in non necessariis libertas, in omnibus caritas, RSR 52 (1964) 432438.

618

Alfred Schindler

Kirchen an einem wichtigen Punkt gefördert und werden es wohl auch in Zukunft tun. Wenn

die Anathemata

des

16. Jahrhunderts

nur

noch

Feststellungen von Differenzen sind, die - wenn sie auch z.T. noch Kirchen trennen - doch das gemeinsame Bekenntnis zu Jesus Christus nicht hindern und den gemeinsamen Dienst in der Welt nicht blockieren, dann ist auf dem langen Weg zur Einheit wieder ein kleiner Schritt getan.® Nimmt man sie freilich als positive Konsenserklärungen, dann mutet man ihnen zu viel zu, und eine kirchenamtliche Anerkennung muß ihnen verweigert werden. Was bleibt von der Berufung auf Augustin im "vierten Grundsatz"? Geht man vom Modell der exzentrischen Kreise aus, so kann man diesen Grundsatz sogar ausweiten und sagen: Das "Augustingespräch der Gegenwart" verbindet Theologen, aber auch Historiker und Philologen verschiedenster Herkunft, auch konfessioneller Herkunft untereinander. Zwar ist das Gemeinsame mehr die Faszination durch den großen Denker und Kirchenmann von Hippo Regius als die lehrmäßige Übereinstimmung durch Vermittlung seiner Lehre. Dennoch übt die Augustinforschung eine Art Brückenfunktion auch im ökumenischen Bereich aus. Diese ist aber mehr atmosphärischer Art. Es ist wie bei einer gemeinsamen Liebhaberei von sonst verschiedenartigen Leuten.30 Dagegen dürfte die Tendenz der augustinischen Interpretation des Tridentinums, wie sie der augustinische Grundsatz empfiehlt, wenig bringen - und hat erwartungsgemäß im ganzen auch in den Lehrverurteilungsdokumenten und den Stellungnahmen dazu - mindestens bisher - wenig gebracht. So läßt sich historisch und dogmatisch kein größerer Konsens

erreichen,

auch

kein

negativer,

im

Sinne

des

Nicht-mehr-

Kirchentrennenden, wei es das Lehrvenirteilungsdokument postuliert.

29

Die Formulierung "Augustingespräch der Gegenwart" entstammt den zwei Sammelbänden, die C. Andresen in der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft herausgab (1962 und 1981) und die das konfessionelle und wissenschaftliche Gemisch der ap Augustin Interessierten der 50er, 60er, 70er Jahre schön zeigt. 30 Ein ähnlicher Kreis von Liebhabern verschiedenster konfessioneller und wissenschaftlicher Herkunft ist auch das Herausgebergremium des Augustinus Lexikons, an dem ich selbst beteiligt bin (Basel 1986ff.).

Bibliographie Luise Abramowski bearbeitet von Christoph Markschies1

1952 (1)

Rezension von: H J . Kraus, Die Königsherrschaft Gottes im Alten Testament. Untersuchungen zu den Liedern von Jahwes Thronbesteigung, BHTh 13 (Tübingen 1951), in: VF 1949/1950 (München 1952) 185-188.

1955 (2)

Das Konzil von Chalkedon in der Homilie des Narses über die drei nestorianischen Lehrer, in: ZKG 66 (Stuttgart 1954/55) 140-143.

(3)

Rezension von: E. Honigmann, Patristic Studies, StT 173 (Città del Vaticano 1953), in: ZKG 66 (Stuttgart 1954/55) 309-313.

1956 (4)

Untersuchungen zum literarischen Nachlaß des Nestorius, Diss.Theol. (masch.), Bonn 1956, 187 S. [BPatr I, 657].

(5)

Der Streit um Diodor und Theodor zwischen den beiden ephesinischen Konzilien, in: ZKG 67 (Stuttgart 1955/56) 252-287 [BPatr I, 539; englisch in Nr. 97, I],

(6)

Die Zitate in der Schrift "In defensione trium capitulorum" des römischen Diakons Pelagius, in: VigChr 10 (1956) 160-193 [BPatr I, 682],

(7)

Rezension von: R. Hespel, Le florilège CyrilLen réfuté par Sévère d'Antioche. Étude et édition critique, BMus 37 (Louvain 1955), in: ThLZ 81 (1956) 731-733.

1 Die verwendeten Abkürzungen entsprechen dem Verzeichnis der TRE, zusammengestellt von S. Schwertner (Berlin/New York 1976). Die in eckigen Klammern beigefügten Angaben bieten die Ordnungszahlen der "Bibliographia Patristica", herausgegeben von W. Schneemelcher (Berlin 1959ff.).

620

Bibliographie Luise Abramowski

1957 (8)

Rezension von: P. Kawerau, Die jakobitische Kirche im Zeitalter der syrischen Renaissance. Idee und Wirklichkeit, BBA 3 (Berlin 1955), in: ZKG 68 (Stuttgart 1957) 184.

(9)

Reste von Theodorets Apologie für Diodor und Theodor bei Facundus, in: StP 1. Papers presented to the Second International Conference on Patristic Studies held at Christ Church, Oxford 1955, ed. by K. Aland and F.L. Cross, TU 63 (Berlin 1957) 61-69 [BPatr II, 778],

(10) Zum Brief des Andreas von Samosata an Rabbuia von Edessa, in: OrChr 41 (1957) 51-64 [BPatr II, 340]. (11) Rezension von: W. de Vries, Der Kirchenbegriff der von Rom getrennten Syrer, OrChrA 145 (Rom 1955), in: JThS.NS 8 (Oxford 1957) 174f.

1958 (12) Anzeige von: B. Smallman, The Background of Passion Music. J.S. Bach and his Predecessors, London 1957, in: ZKG 69 (Stuttgart 1958) 185. (13) Rezension von: F. Dölger, Der griechische Barlaam-Roman. Ein Werk des heiligen Johannes von Damaskus, SPB 1 (Ettal 1953); B. Studer, Die theologische Arbeitsweise des Johannes von Damaskus, SPB 2 (Ettal 1956); P. Joannou, Christliche Metaphysik in Byzanz I. Die Illuminationslehre des Michael Psellos und Joannes Italos, SPB 3 (Ettal 1956); H. Joannes Italos, Quaestiones quodlibetales . Άπορίαι και λύσεις. Editio princeps von P. Joannou, SPB 4 (Ettal 1956), in: ZKG 69 (Stuttgart 1958) 145-149. (14) Ein unbekanntes

Zitat aus Contra Eunomium

des Theodor

von

Mopsuestia, in: Muséon 71 (Louvian 1958) 97-104 [BPatr III, 815]. (15) Art. Dorothée d'Antioche, DHGE XIV (Paris 1960 [zunächst Fase. 80, Paris 1958]) 685f. [BPatr III, 554], (16) Art. Diodore de Tarse, DHGE XIV (Paris 1960 [zunächst Fase. 80, Paris 1958]) 496-504 [BPatr III, 537],

Bibliographie Luise Abramowski

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1959 (17) Rezension von: Matthäus-Kommentare aus der griechischen Kirche, aus Katenenhandschriften gesammelt und herausgegeben von J. Reuss, TU 61 (Berlin 1957) [= BPatr II, 1078], in: ZKG 70 (Stuttgart 1959) 148-151.

1960 3

(18) Art. Nestorius, RGG IV (Tübingen 1960) 1405f. (19) Anzeige von: E. Corsini, La questione areopagitica. Contributi alla cronologia dello Pseudo-Dionigi (AAST 2.C1. 93 [1958/59], 128-227 [ = BPatr IV, 602]), in: ZKG 71 (Stuttgart 1960) 179. (20) Rezension von: A. Vööbus, Literary Critical and Historical Studies in Ephrem the Syrian, PETSE 10 (Stockholm 1958) [= BPatr IV, 631], in: ZKG 71 (Stuttgart 1960) 338f.

1961 (21) Rezension von: K. Rozemond, La Christologie de saint Jean Damascène, SPB 8 (Ettal 1959) [= BPatr IV, 762], in: ZKG 72 (Stuttgart 1961) 155-157. (22) Zur Theologie Theodors von Mopsuestia, in: ZKG 72 (Stuttgart 1961) 263293 [BPatr VI, 755; englisch in Nr. 97, II]. (23) Rezension von: A.J. Festugière, Antioche païenne et chrétienne. Libanius, Chrysostome et les moines de Syrie. Avec un commentaire archéologique sur l'Antiochikos par R. Martin, BEFAR 194 (Paris 1959) [= BPatr IV, 738], in: ZKG 72 (Stuttgart 1961) 377f.

1962 (24) Untersuchungen zum Liber Heraclidis des Nestorius, Habilitationsschrift (masch.), Bonn 1962. (25) Rezension von: J. Golega, Der homerische Psalter. Studien über die dem Apolinarios von Laodikeia zugeschriebene Psalmenparaphrase, SPB 6 (Ettal 1960) [= BPatr V, 301], in: ZKG 72 (Stuttgart 1961) 381-383.

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(26) Rezension von: Α. Schall, Studien über griechische Fremdwörter im Syrischen, Darmstadt 1960 [= Diss.Phil., Tübingen 1948], in: ZDPV 78 (Wiesbaden 1962) 111. (27) Art. Nestorius, LThK VII (Freiburg 1962) 888f. (28) Rezension von: E. Klostermann, H. Berthold, Neue Homilien des Makarius/Symeon I. aus Typus III, TU 72 (Berlin 1961) [= BPatr VI, 660], in: ZKG 73 (Stuttgart 1962) 368f. (29) Rezension von: E. Honigmann, Trois mémoires posthumes d'histoire et de géographie de l'orient chrétien, préparés pour l'impression par P. Devos, SHG 35 (Bruxelles 1961) [= BPatr VII, 51], in: ZKG 73 (Stuttgart 1962) 364-367. (30) Notiz über Aufsätze von U. Riedinger [i.e.: Pseudo-Dionysios Areopagites, Pseudo-Kaisarios und die Akoimeten, ByZ 1959, 276-296 (= BPatr IV, 605); Neue Hypotyposen-Fragmente bei Pseudo-Caesarius und Isidor von Pelusium, ZNW 51 (1960) 154-196 (= BPatr V, 457); Die EpiphaniosParaphrase des Pseudo-Kaisarios, Miscellanea Critica (griechischer Teil), hg. v. der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Leipzig 1964, 218-239 ( = BPatr IX, 738); Petros der Walker von Antiocheia als Verfasser der pseudo-dionysischen Schriften, SJP V/VI (FS A. Auer), 1961/62, 135156 ( = BPatr VII, 758)], in: ZKG 73 (Stuttgart 1962) 417f.

1963 (31) Rezension von: H. de Lubac, Exégèse médiévale. Les quatre sens de l'Écriture, 2 Bde. in drei Teilen, Theol(P) 41/42 , Paris 1959/60 [= BPatr IV, 1250; VI, 1032], in: JThS.NS 14 (Oxford 1963) 207-210. (32) Untersuchungen zum Liber Heraclidis des Nestorius, CSCO 242.Sub 22 (Louvain 1963) 232 S. [BPatr IX, 988; enthält Teile von (4) und (24)].

1964 (33) Rezension von: L. Grane, Contra Gabrielem. Luthers Auseinandersetzung mit Gabriel Biel in der Disputatio contra Scholasticam Theologiam 1517, AThD 4 (Gylendahl [Ârhus] 1961), in: ZKG 75 (Stuttgart 1964) 395-399.

Bibliographie Luise Abramowski

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1965 (34) Rezension von: U. Wickert, Studien zu den Pauluskommentaren Theodors von Mopsuestia, als Beitrag zum Verständnis der

antiochenischen

Theologie, BZNW 27 (Berlin 1962) [= BPatr VII, 793], in: ZKG 76 (Stuttgart 1965) 159-161. (35) Art. Theodotos, Bischfof] v[on] Ankyra, LThK X (Freiburg 1965) 51. (36) Rezension von: W. Wolska, La Topographie Chrétienne de Cosmas Indicopleustès. Théologie et science au VIe siècle, BByz.E 3 (Paris 1962) ,[ = BPatr VII, 563], in: ZKG 76 (Stuttgart 1965) 164f. (37) La prétendue condamnation de Diodor de Tarse en 499, R H E 60 (Louvain 1965) 64f. [BPatr X, 654],

1966 (38) Art. Eunomios, RAC VI (Stuttgart 1966) 936-947 [dazu vgl. H.Chr. Brennecke, Stellenkonkordanz zum Artikel "Eunomios", JbAC 18 (1975) 202-205], (39) Ps.-Nestorius und Philoxenus von Mabbug, in: ZKG 77 (Stuttgart 1966) 122-125 [BPatr XI, 1871]. (40) Rezension von: A. de Halleux, Philoxène de Mabbog. Sa vie, ses écrits, sa théologie, DGMFT 3.Ser. 8 (Louvain 1963) [= BPatr VIII, 729], in: R H E 60 (Louvain 1965) 859-866.

1967 (41) Rezension von: The Turin Fragments of Tyconius' Commentary on Revelation, ed. by the late F. Lo Bue and prepared for the Press by G.G. Willis, TaS.NS 7 (Cambridge 1963) [= BPatr VIII, 784], in: ThLZ 92 (Leipzig 1967) 121f. (42) Rezension von: A. Gesché, La christologie du "Commentaire sur les Psaumes" découvert à Toura, DGMFT 3.Ser. 7 (Gembloux 1962) [= BPatr VII, 1011], in: ZKG 77 (Stuttgart 1966) 150f. (43) [zusammen mit A.E. Goodman] Lk 23,46 ποφατί9·εμαι in a rare Syriac rendering, NTS 13 (Cambridge 1967), 290f.

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(44) Rezension von: F. Dvornik, Byzance et la primauté romaine, UnSa 49 (Paris 1964) [= BPatr IX, 1064, 113], in: ZKG 77 (Stuttgart 1966) 374f. (45) Rezension von F. Halkin, Inédits byzantins d'Ochrida. Candie et Moscou, SHG 38 (Bruxelles 1963) [= BPatr VIII, 159], in: ZKG 77 (Stuttgart 1966) 375f. (46) Die Lehre von Gesetz und Evangelium bei Johann Pupper von Goch im Rahmen seines nominalistischen Augustinismus, in: ZThK 64 (Tübingen 1967) 83-98 (auch in Nr. 52).

1968

(47) Peripatetisches bei späten Antiochenern, in: ZKG 79 (Stuttgart 1968) 358362 [BPatr XII/XIII, 643]. (48) Rezension von: R.A. Morris, Manhood and Christ. A Study in the Christology of Theodor of Mopsuestia, Oxford 1963 [ = BPatr VIII, 781], in: ZKG 79 (Stuttgart 1968), 244f.

1969

(49) Rezension von: Gregor von Nazianz, Die fünf theologischen Reden. Text, Übersetzung, Einführung und Kommentar von J. Barbel, Test. 3, Düsseldorf 1963 [= BPatr VIII, 572], in: ThLZ 94 (Leipzig 1969) 35 lf. (50) Johann Gerson, De conciliis evangelicis et statu perfectionis, in: Studien zur Geschichte und Theologie der Reformation, FS für E. Bizer, hg. v. L. Abramowski und G. Goeters, Neukirchen/Vluyn 1969, 63-78. (51) Auslegung des Monatsspruches für September 1970, in: "Der Herr ist unser Herrscher", Stuttgart 1969, 92-100. (52) (= 46) Die Lehre von Gesetz und Evangelium bei Johann Pupper von Goch im Rahmen seines nominalistischen Augustinismus, MM 6 (Berlin 1969) 49-64.

Bibliographie Luise Abramowski

625

1970 (53) [zusammen mit A. van Roey] Das Florileg mit den Gregor-Scholien aus Vatic. Borg. syr. 82, in: OLP 1 (Louvain 1970) 131-180 [BPatr XIV/XV, 1172], (54) Rezension von Γ.Σ. Μπέμπης, Συμβολαί εις τήν περί του Νεστορίου ερευναν (έζ έπόψεως όρ9·οδόξου). Διατριβή επί διδακτορίφ. Ά9·ήναι 1964 [= BPatr IX, 1964, 989], in: ByZ 63 (München 1970) 338-340.

1972 (55) [zusammen mit A.E. Goodman] A Nestorian Collection of Christological Texts, Cambridge University Library MS, Oriental 1319 edited and translated by L.A. and A.E.G., Vol. I Syriac Text, Vol. II Introduction, translation and indexes, UCOP 18/19, Cambridge University Press, Cambridge 1972, 223 S./144 S. [BPatr XVI/XVII, 1613],

1974 (56) Art.: Devotio Moderna, Encyclopedia Britannica, Vol. IV (London 1974) 50. (57) Die Christologie Babais des Großen, in: Symposium Syriacum 1972, célébré dans les jours 26-31 octobre 1972 à l'Institut pontifical de Rome, Rapports et communications, OrChrA 197 (Rom 1974) [BPatr XVIII/XIX, 145] 219-245.

1975 (58) Babai der Große: Christologische Probleme und ihre Lösungen, in: OCP 41 (Rom 1975) 289-343 [BPatr XX/XXI, 1297; Fortsetzung von Nr. 57], (59) Die Synode von Antiochien 324/25 und ihr Symbol, in: ZKG 86 (Stuttgart 1975) 356-367 [BPatr XX/XXI, 2648; englisch in Nr. 97, III],

1976 (60) Notizen zur "Hypostase der Archonten" (ed. Bullard), in: ZNW 67 (Berlin 1976) 280-285 [BPatr XX/XXI, 2877],

626

Bibliographie Luise Abramowski

(61) Predigt über Rom 3,19.20, in: Paulinische Predigt. Gottesgerechtigkeit: der Menschen Freiheit. 14 Predigten in der Stiftskirche Tübingen, hg. v. d. Evangelischen Studentengemeinde Tübingen, Stuttgart 1976, 29-32. (62) Das Bekenntnis des Gregor Thaumaturgus bei Gregor von Nyssa und das Problem seiner Echtheit, in: ZKG 87 (Stuttgart 1976) 145-166 [BPatr XX/XXI, 1701; englisch in Nr. 97, VII] (63) διαδοχή und όρ&ός λόγος bei Hegesipp, in: ZKG 87 (Stuttgart 1976) 321327 [BPatr XXII/XXIII, 1660; englisch in Nr. 97, VI].

1977 (64) Tertullian: Sacramento Ampliat(i)o, Fides Integra, Metus Integer, in: VigChr 31 (Leiden 1977) 191-195 [BPatr XXII/XXIII, 2226; auch in Nr. 97, IV]. (65) Irenaeus, Adv.Haer. III 3,2: Ecclesia Romana and Omnis Ecclesia; and ibid. 3,3: Anacletus of Rome, in: JThS 28 (Oxford 1977) 101-104 [BPatr XXII/XXIII, 1861; auch in Nr. 97, V], (66) Rezension von: L.I. Scipioni, Nestorio e il concilio di Efeso. Storia, dogma, critica, SPMed 1, PUCSC (Mailand 1974) [= BPatr XVIII/XIX, 1716], in: ThRv 73 (1977) 110-112. (67) Predigt über Lk 6, 20-26, in: Lukaspredigt. Hoffnung für die Armen. 16 Predigten

in

der

Stiftskirche Tübingen,

hg. v. d.

Evangelischen

Studentengemeinde Tübingen, Stuttgart 1977, 107-110. (68) Postscriptum von Luise Abramowski [zu: Hanns Christof Brennecke, Danaiden und Dirken. Zu 1 Cl 6,2, ZKG 88 (Stuttgart 1977) 302-308 = BPatr XXII/XXIII, 1393], in: ZKG 88 (Stuttgart 1977) 308.

1978 (69) Die Schrift Gregors des Lehrers "Ad Theopompum" und Philoxenus von Mabbug, in: ZKG 89 (Stuttgart 1978) 273-290 [BPatr XXII/XXIII, 1644; englisch in NR. 97, VIII],

627

Bibliographie Luise Abramowski

1979 (70) Trinitarische und christologische Hypostasenformeln, in: ThPh 54 (Freiburg - Basel - Wien 1979) 38-49 [BPatr XXIV/XXV, 1248; auch in Nr. 97, IX],

1981 (71) Drei christologische Untersuchungen, BZNW 45 (Berlin

- New York

1981) 109 S. [BPatr XXVI/XXVII, 150; enthält: Phil 2,6 ούχ άφπαγμόν ήγήσατο τό είναι ίσα &εψ und Oracula chaldaica 3 (des Places) ό πατήρ ηρπασσεν έαυτόν, 1-17; Ein gnostischer Logostheologe. Umfang und Redaktor des gnostischen Sonderguts in Hippolyts "Widerlegung aller Häresien", 18-62 = BPatr XXVI/XXVII, 2109; συνάφεια und άσύγχυτος ενωσις als Bezeichnung für trinitarische und christologische Einheit, 63-109 = BPatr XXVIII, 467],

1982 (72) Rezension von: P.T.R. Gray, The Defense of Chalcedon in the East 451553, SHCT 20 (Leiden 1979) [BPatr XXIV/XXV, 2442], in: ThLZ 107 (Leipzig 1982) 210f. (73) Dionys von Rom (t 268) und Dionys von Alexandrien (t 264/5) in den arianischen Streitigkeiten des 4Jahrhunderts, in: ZKG 93 (Stuttgart 1982) 240-272 [BPatr XXVI/XXVII, 3204; englisch in Nr. 97, XI]. (74) Response by Luise Abramowski, Professor of Church History of Tübingen, in: Holy

Scripture

and

Hellenistic

Hermeneutics

in

Alexandrian

Christology: The Arian Crisis. The Center for Hermeneutical Studies in Hellenistic and Modern Culture, Protocol of the Forty-First Colloquy: 6 December 1981,1. Lawrence, Ed., Berkeley/California 1982, 48-50 (zu: Ch. Kannengiesser: Alexandrian

Holy

Scripture

Christology:

XXVI/XXVII, 3239].

The

and Arian

Hellenistic Crisis,

ebd.,

Hermeneutics 1-40

=

in

BPatr

628

Bibliographie Luise Abramowski

1983 (75) Die Anakephalaiosis zum Panarion des Epiphanius in der Handschrift Brit. Mus. add. 12156, in: Muséon 96 (Louvain 1983) 217-230 [BPatr XXIX, 1642], (76) Ein nestorianischer Traktat bei Leontius von Jerusalem, 3. Symposium Syriacum 1980. Les contacts du monde syriaque avec les autres cultures (Goslar 7-11 septembre 1980), éd. par R. Lavenant, OrChrA 221 (Rom 1983) [BPatr XXIX, 2114; auch in Nr. 97, X], (77) Anzeige von: Koptisch-Gnostische Schriften, l.Bd.: Die Pistis Sophia. Die beiden Bücher des Jeû, unbekanntes altgnostisches Werk, hg. v. C. Schmidt, 4., um das Vorwort erw. Aufl. hg. v. H.-M. Schenke [mit den Nachträgen der 2. Aufl. von W.C. Till, 1954], GCS (Berlin 1981), in: ZKG 94 (Stuttgart 1983) U l f . (78) Nag Hammadi 8,1 "Zostrianus", das Anonymum Brucianum, Plotin Enn. 2,9 (33), in: Piatonismus und Christentum, FS für H. Dörrie, hg. v. H.-D. Blume und F. Mann, JbAC Ergbd. 10, Münster 1983, 1-10 [BPatr XXVIII, 2423; auch in Nr. 97, XII]. (79) Marius Victorinus, Porphyrius und die römischen Gnostiker, in: ZNW 74 (Berlin 1983) 108-128 [BPatr XXVIII, 1620; auch in Nr. 97, XIV], (80) Die "Erinnerungen der Apostel" bei Justin, in: Das Evangelium und die Evangelien.

Vorträge

vom

Tübinger

Symposium

1982, hg. v. P.

Stuhlmacher, WUNT 28, Tübingen 1983, 341-351 [BPatr XXVIII, 1620; auch in Nr. 97, XIV],

1984 (81) Sprache und Abfassungszeit der Oden Salomos, in: OrChr 68 (Wiesbaden 1984) 80-90 [BPatr XXIX, 712; auch in Nr. 97, XV], (82) Die Entstehung der dreigliedrigen Taufformel - ein Versuch. Mit einem Exkurs: Jesus der Naziräer, in: ZThK 81 (Tübingen 1984) 417-446 [BPatr XXIX, 2603],

Bibliographie Luise Abramowski

629

1985 (83) Ein Text des Johannes Chrysostomus über die Auferstehung in den Belegsammlungen des Timotheus Älurus, in: After Chalcedon. Studies in Theology and Church History, offered to Prof. A. van Roey for his Seventieth Birthday, ed. by C. Laga, J.A. Munitiz, L. van Rompay, OLoA 18, Louvain 1985, 1-10.

1986 (84) Notiz über: R. Roques, L'univers dionysien. Structure hiérarchique du monde selon le Pseudo-Denys, Coll. Patrimoine-Christianisme, Paris 1983 [= BPatr XXVIII, 1272], in: ZKG 97 (Stuttgart 1986) 161. (85) Bemerkungen zur "Theologia deutsch" und zum "Buch von geistlicher Armut", in: ZKG 97 (Stuttgart 1986) 85-104.

1987 (86) Zur geplanten Ausgabe von Brit. Mus. add. 12156, in: Texte und Textkritik. Eine Aufsatzsammlung, in Zusammenarbeit mit J. Irmscher, F. Paschke, K. Treu hg. v. J. Dummer, TU 133, Berlin 1987, 23-28. (87) Rezension von: H.J.W. Drijvers, East of Antioch. Studies in Early Syriac Christianity, Collected Studies Series 198 (London 1984), in: JThS 38 (Oxford 1987) 218f. (88) Vertritt die syrische Fassung die ursprüngliche Gestalt der Vita Antonii? Eine Auseinandersetzung mit der These Draguets, in: Mélanges Α. Guillaumont, Contributions à l'Étude des Christianismes Orientaux, avec une bibliographie du dédicataire, Cahiers d'Orientalisme 20, Genève 1988, 47-56. (89) Rezension von: F.R. Gahbauer, Das anthropologische Modell. Ein Beitrag zur Christologie der frühen Kirche bis Chalkedon, OC 35 (Würzburg 1984) [= BPatr XXIX, 2953], in: JbAC 30 (Münster 1987) 191-193. (90) Die Notiz über die begardischen Vollkommenheitsgrade, in: ZKG 98 (Stuttgart 1987) 87f.

630

Bibliographie Luise Abramowski

(91) Der Bamberger Reiter. Vom Endzeitkaiser zum heiligen König Stephan von Ungarn, in: ZKG 98 (Stuttgart 1987) 206-229. (92) Der Bamberger Reiter [Zusammenfassung von Nr. 91], in: Sitzungsberichte der Kunstgeschichtlichen Gesellschaft zu Berlin, NF 34/35 (Berlin 1987) 24f.

1988 (93) Female Figures in the Gnostic Sondergut in Hippolytus' Refutatio, in: Images of the Feminine in Gnosticism, K.L. King, ed., Studies in Antiquity and Christianity, Philadelphia 1988, 136-152.

1991 (94) (= 80) The 'Mémoires of the Apostles' in Justin, in: P. Stuhlmacher (Ed.), The Gospel and the Gospels, Grand Rapids - Michigan 1991, 323-335 [unkorrigierte Übersetzung von J. Vriend]. (95) Die dritte Arianerrede des Athanasius. Eusebianer und Arianer und das westliche Serdicense, in: ZKG 102 (Stuttgart 1991) 387-413. (96) Dadisho Qatraya and his Commentary on the Book of the Abbas Isaiah, in: The Harp, A Review of Syriac and Oriental Studies, Vol. IV, Kottayam, Kerala, 1991, 67-83 [hg. v. St. Ephrem Ecumenical Research Institute, Kottayam, India].

1992 (97) Formula and Context. Studies in Early Christian Thought. Collectes Studies Series, CS 365, Variorum London 1992, 318 S. (enthält: I. The Controverses over Diodore and Theodore in the Interim between the two Councils of Ephesus [engl. Übers, v. Nr. 5]; II. The Theology of Theodore of Mopsuestia [engl. Übers, von Nr. 2]; III. The Synod of Antioch 324/25 and its Creed [engl. Übers, v. Nr. 59]; IV. Tertullian [Nr. 64]; V. Irenaeus, Adv. Haer. Ill 3,2 [Nr. 65]; VI. ΔΙΑΔΟΧΗ and ΌΡΘΟΣ ΛΟΓΟΣ in Hegesippus [engl. Übers, v. Nr. 63]; VII: Gregory Thaumaturgus' Confession of Faith

Bibliographie Luise Abramowski

631

in Gregory of Nyssa and the Problem of its Genuineness [engl. Übers, ν. Nr. 62]; Vili. Gregory the Teacher's "Ad Theopompum" and Philoxenus of Mabbug [engl. Übers, v. Nr. 69]; IX. Trinitarische und christologische Hypostasenformeln [Nr. 70]; X. Ein nestorianischer Traktat bei Leontius von Jerusalem [Nr. 76]; XI. Dionysius of Rome (d.268) and Dionysius of Alexandria (d. 264/5) in the Arian Controversies of the Fourth Century [engl. Übers, v. Nr. 73]; XII. Nag Hammadi 8,1 "Zostrianus" (...) [Nr. 78]; XIII. Marius Victorinus, Porphyrius und die römischen Gnostiker [Nr. 79]; XIV. Die "Erinnerungen der Apostel" bei Justin [Nr. 80]; XV. Sprache und Abfassungszeit der Oden Salomos [Nr. 81]; XVI. Die Entstehung der dreigliedrigen Taufformel [Nr. 82]; englische Übersetzungen von LR.

Wickham;

Index von Ch. Markschies). (98) Der Logos in der altkirchlichen Theologie, in: 'Spätantike und Christentum', Beitäge zur Religions- und Geistesgeschichte der griechischrömischen Kultur und Zivilisation der Kaiserzeit, hg. v. C. Colpe, L. Honnefelder, M. Lutz-Bachmann, Berlin 1992, 189-201. (99) Was hat das Nicaeno-Constantinopolitanum (C) mit dem Konzil von Konstantinopel 381 zu tun? ThPh 67 (Freiburg - Basel - Wien 1992) 481-513.

1993 (—) On the Fragments of Theodore of Mopsuestia in Brit. Libr. add. 12156 and the Christological Fragments in Double Tradition, in: The Harp, Kottayam, Kerala, 1993 [im Druck). (--)

Rezension von: A. de Halleux, Patrologie et Œcuménisme. Recueil d'études, BEThL 93 (Louvain 1990), in: RThL 24 (Louvain 1993) [im Druck],

(--)

Rezension von: On the person of Christ. The christology of emperor Justinian. Translated and introduced by K.P. Wesche (Crestwood/New York 1991), in: ThRv 89 (Münster 1993) [im Druck],

(--)

Die Reste der syrischen Übersetzung von Theodor von Mopsuestia, De incarnatione, in add. 14669, in: FS S.P. Brock [im Druck],

632

Bibliographie Luise Abramowski

Herausgeberschaften

1969 (1)

Studien zur Geschichte und Theologie der Reformation, Festschrift für Ernst Bizer, hg. v. L. Abramowski und G. Goeters, Neukirchen/Vluyn 1969, 314 S.

Bibliographie Rudolf Abramowski

Die folgende Bibliographie meines Vaters Rudolf Abramowski ist vor mehreren Jahren auf meine Bitte durch H.C. Brennecke zusammengestellt worden. Ich danke dem Bibliographen für seine Mühe und den Herausgebern dieses Bandes für die Möglichkeit der Veröffentlichung. Lic.theol. Rudolf Abramowski, geb. 15. Mai 1900, gest. Anfang März 1945 auf der Deportation aus Ostpreußen zur Zwangsarbeit in den Ural, war mit der gleichen Leidenschaft Pfarrer wie wissenschaftlich arbeitender Theologe. Die Bibliographie spiegelt beides und wenigstens teilweise auch die Biographie mit der anregenden Zeit in Riga (1929-1939). Im Vorwort zu meinen "Untersuchungen zum Liber Heraclidis des Nestorius" habe ich geschildert, wie ich zu diesem Dissertationsthema kam. Mein Vater hatte es aufgegeben, weil er aus finanziellen Gründen Erich Seeberg nicht von Königsberg

nach

Berlin

folgen

konnte;

stattdessen

schrieb

er

eine

Lizentiatenarbeit über Tritojesaja. Während seines Studiums hatte er die orientalischen Sprachen gepflegt, und in Riga war er (neben seinem Pfarramt an der deutschen reformierten Kirche) seit den frühen dreißiger Jahren Dozent am Herder-Institut für Altes Testament und Orientalistik. Sein Interesse an der antiochenischen Theologie und der syrischen Kirchengeschichte behielt er immer bei, und auf diesem Gebiet decken sich unsere Arbeitsfelder. Wenn R. Abramowski den Krieg überlebt hätte, wäre ihm ein Ruf an eine Hochschule oder theologische Fakultät sicher gewesen. Als ich mich im Herbst 1946 an der Kirchlichen Hochschule in Berlin-Zehlendorf immatrikulierte, war Martin Fischers erste Frage: "Und wo ist ihr Vater?". Damals wußten wir es selber nicht, der erste Heimkehrer mit der Todesnachricht kam 1947 zurück. Es bleibt die Erinnerung an eine starke Persönlichkeit, die nicht etwa das Produkt später Verklärung ist - dazu wurde die Stärke von der Heranwachsenden viel zu sehr als Druck empfunden, während die attraktiven Seiten, von den Freunden vielfältig bezeugt, immer bewußt waren. Luise Abramowski

634

Bibliographie Rudolf Abramowski

Bibliographie Rudolf Abramowski (1900-1945) zusammengestellt von Hanns Christof Brennecke

1925 (1)

Zum literarischen Problem des Tritojesaja, in: ThStk 96/97 (1925) 90-143.

1928 2

(2)

Art.: Ebed Jesu, RGG II, 1.

(3)

Art.: Elisäus, RGG 2 II, 16.

(4)

Art.: Ephräm Syrus, RGG 2 II, 196f.

(5)

Art.: Georg der Araberbischof, RGG 2 II, 1027f.

(6)

Zur 'Tragödie" des Nestorius, in: ZKG 47 (1928) 305-324.

1929 2

(7)

Art.: Jakob Baradäus, RGG III, 11.

(8)

Art.: Jakob v. Edessa, RGG2 III, 12.

(9)

Art.: Jakob v. Nisibis, RGG2 III, 13.

(10) Art.: Jakob v. Sarug, RGG 2 III, 13. (11) Art.: Ibas v. Edessa, RGG 2 III, 43. (12) Art.: Johannes v. Epesus, RGG 2 III, 324. (13) Art.: Irenaus v. Tyrus, RGG2 III, 388. (14) Art.: Isaak v. Ninive, RGG 2 III, 399f. (15) Art.: Lucían ν. Antiochien, RGG 2 III, 1734. (16) Art.: Marcellus v. Ancyra, RGG 2 III, 1990f. (17) Art.: Meletius v. Antiochien, RGG 2 III, 2084. (18) Art.: Meletius v. Lykopolis, RGG 2 III, 2084.

Bibliographie Rudolf Abraraowski

635

1930 2

Art.: Narses, RGG IV, 416. Art.: Nestorius, RGG2 IV, 493f. Art.: Nisibis, RGG2 IV, 573f. Art.: Pamphilus, RGG2 IV, 879. Art.: Paulinus v. Antiochia, RGG2 IV, 1016. Art.: Paulus v. Kallinikos, RGG2 IV, 1045f. Art.: Philoxenus, RGG2 IV, 1236. Art.: Photin, RGG2 IV, 1239. Art.: Praxeas, RGG2 IV, 1404f. Art.: Rabula, RGG2 IV, 1676. Das Symbol des Amphilochius, in: ZNW 29 (1930) 129-35. 1931 2

Art.: Sabellius, RGG V, 9. Art.: Seleucia - Ktesiphon, RGG2 V, 415. Art.: Severus v. Antiochien, RGG2 V, 451. Art.: Stephanus bar Sudaile, RGG2 V, 790. Art.: Syrien, RGG2 V, 966-68. Art.: Syrische Literatur, RGG2 V, 968-70. Art.: Theodor v. Mopsuestia, RGG2 V, 1108f. Art.: Theophilus v. Alexandria, RGG2 V, 1133. Art.: Titus v. Bostra, RGG2 V, 1188. Untersuchungen zu Diodor von Tarsus, in: ZNW 30 (1931) 234-62. Thesen, in: Baltischer Almanach 3 (1931) 75-79.

1933 (41) Chronik

der

deutsch-reformierten

Presbyterium, Göttingen 1933.

Gemeinde

in

Riga,

hg.

vom

636

Bibliographie Rudolf Abramowski

1934 (42) Neue Schriften Theodors von Mopsuestia (f 428), in: ZNW 33 (1934) 6684 (43) Zukunft der deutschen Fürsorge, in: Jahrbuch des baltischen Deutschtums, Riga 1934, 40-43.

1935 (44) Auslegung von Jesaias Kap. 8, in: Pastoraltheologie 31 (1935) 61-68. (45) Einiges im Alten Testament, in: Akad. bait. Monatshefte, Riga 1935, 32430.

1936 (46) Der Christus der Salomonoden, in: ZNW 35 (1936) 44-69. (47) Vom Ältestenamt in den Gemeinden, in: Akad. bait. Monatshefte, Riga 1936, 67-75. (48) Diskussionsbeitrag auf dem Congrès international du théologie calviniste in Genf: De élection éternelle de Dieu, Actes du Congrès international de théologie calviniste. Genève, 15-18 Juin 1936, 58; 61.

1937 (49) Vom Streit um das Alte Testament, in: ThR N.F. IX (1937) 65-93.

1938 (50) Das Buch des betenden Volkes. Der Psalmen 1. Teil. Für Freunde und Verächter der Bibel ausgelegt (Die Botschaft des Alten Testaments, Erläuterungen alttest. Schriften, Bd. 14) Stuttgart 1938. (51) Schicksal der Ostkirche I, in: ThR N.F. X (1938) 99-132. (52) Eine spätsyrische Überlieferung des Buches Ruth, in: Abh. der HerderGesellschaft und des Herder Instituts zu Riga VI, 3.H., 7-19, Riga 1938 (F.S. Alexander von Bulmerincq). (53) In piam memoriam Alexander von Bulmerincq. Gedenkschrift zum 5. Juni 1938, dem siebzigsten Geburtstage des am 29. März Entschlafenen,

Bibliographie Rudolf Abramowski

637

dargebracht von einem Kreise von Freunden und Kollegen, in: Abhandlung der Herder-Gesellschaft und des Herder Instituts zu Riga VI, 3.H.: Vorwort und Nachwort 231. (54) Rezension von: P. Krüger, Das syrisch-monophysitische Mönchtum im TurAb(h)din von seinen Anfängen bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts. Inaugural-Dissertation Münster i.-W. 1937, in: OLZ 41 (1938) 36-38.

1939 (55) Das Buch des betenden Gottesknechtes. Der Psalmen 2. Teil (Die Botschaft des Alten Testaments, Erläuterungen altt. Schriften, Bd. 15) Stuttgart 1939. (56) Zu W. Frankenbergs Clemensausgabe, in: ThBl 19 = 49 (1939) 147-51. (57) Rezension von: D.G. Simon, Islam und Bolschewismus (Das Evangelium im Osten, Schriftenreihe im Auftrage des Missionsbundes "Licht im Osten", hg. v. Dr. Joachim Müller, H. 4) Wernigerode 1937, in: ThLZ 64 (1939) 6. (58) Rezension von: H.S. Nyberg, Die Religionen des alten Iran. Deutsch von H.H. Schaeder (Mitt. der Vorderasiatisch-Ägyptischen Gesellschaft, 43. Bd.) Leipzig 1938, in: ThLZ 64 (1939) 125-27. (59) Rezension von: C. Clemen, Lukians Schrift über die Syrische Göttin, übersetzt und erläutert (Der alte Orient Bd. 37, H. 3/4) Leipzig 1938, in: ThLZ 64 (1939) 283. (60) Rezension von: A. Weiser, Die Psalmen übersetzt und erklärt. 1. Teil, 2. verm. Auflage (Neues Göttinger Bibelwerk, I. Das Alte Testament Deutsch, 7. Bd., 1. Teil) Göttingen 1939, in: ThLZ 64 (1939) 366f.

1940 (61) Dionysius von Teilmahre. Jakobitischer Patriarch von 818-845. Zur Geschichte der Kirche unter dem Islam (Abh. für die Kunde des Morgenlandes, XXV/2) Leipzig 1940. (62) Das Herder Institut in Riga, in: ThBI 19 (1940) 76. (63) Der Messias Kyrios und der Christus Jesus, Abh. der Herder-Gesellschaft und des Herder Instituts zu Riga, 3.H., 9-26, Riga 1940.

638

Bibliographie Rudolf Abramowski

(64) Arbeit der Bibel an uns und anderen, Posener Kirchenblatt 18 (1949) 35560. (65) Rezension von: M. Black, Rituale Melchitarum. A Christian Palestinian Euchologion ed. and transi. (Bonner Orient. Studien, Heft 22) Stuttgart 1938, in: OLZ 43 (1940) 368-70.

1941 (66) Das Letzte Werk von Eduard Schwartz, in: ThbL 20 (1941) 61. (67) Bibelübersetzung und Kirchenbildung, in: ThbL 20 (1941) 26. (68) Die verheißene Ruhe. Eine biblische Studie, in: Pastoraltheologie 37 (1941) 46-51. (69) Rezension von: W. de Vries, Sakramententheologie bei den syrischen Monophysiten (OChA 125) Rom 1940, in: ThLZ 66 (1941) 202-04. (70) Rezension von: G. Olinder: The letters of Jacob of Sarug. Comments on an Edition I (Lunds Universitets Arskrift N.F. Avd. 1, Bd. 34, Nr. 8) Lund/Leipzig 1939, in: OLZ 44 (1941) 299-300.

1942 (71) Rechtfertigung Gottes, in: Deutsche Theologie 1942, 73-84. (72) Rezension von: C. van den Eynde, La Version Syriaque du commentaire de Grégoire de Nysse sur le Cantique des Cantiques. Ses origines, ses témoins, son influence (Bibliothèque du Muséon Vol. 10) Louvain 1939, in: ThLZ 67 (1942) 152-54. (73) Rezension von: W. de Vries, Der "Nestorianismus" Theodors von Mopsuestia in seiner Sakramentenlehre (OChP VII, 1-2 p. 91-148) Rom 1941, in: ThLZ 67 (1942) 317f.

1943 (74) Verfall der christlichen Kirchen unter dem Islam, in: E M Z I V (1943) 9-19. (75) Rezension von: G. Olinder, A Letter of Philoxenus of Mabbug sent to a novice (Göteborgs Högskolas Arsskrift XLVII [1941] 21) Göteborg 1941, in: OLZ 46 (1943) 455-571.

Bibliographie Rudolf Abramowski

639

1944 (76) Rezension von: J. van der Ploeg, Oud - Syrisk Monniksleven. Leiden 1942, in: OLZ 47 (1944) 107-108.

1949 (77) Der theologische Nachlaß des Diodor von Tarsus (postum), in: ZNW 42 (1949) 19-69.

Rezensionen der Werke R. Abramowskis

Chronik der deutsch-reformierten Gemeinde in Riga, hg. vom Presbyterium: - Göttingen 1933, ZKG 53 (1934) 624 = W. Gruehn.

Das Buch des betenden Volkes. Der Psalmen 1. Teil, Stuttgart 1938: - ThLZ 65 (1940) 81f. = H.W. Hertzberg. - Posener Kirchenblatt. Evangelische Monatszeitschrift in Polen 16 (1937/38) 433 = A. Rhode. - Missionsblatt der Brüdergemeinde 102 (1938) Nr. 7-8 Umschl. III. - Theologie der Gegenwart (Leipzig) 32 (1939) 98. - Die Volkskirche. Göttinger Zeitung 11 (1938) 45 = Frank. - Luthertum (= Neue kirchl. Zeitschrift 49) 1 (1938) 678 = A. Paust. - Theol. Literaturblatt 59 (1938) 401 = Bonnet. - Baltische Monatshefte. Riga 1938, 713. - Kirchliche Zeitschrift (Chicago) 62 (1938) 429. - Theol. month. Concordia (St. Louis Mo.) 9 (1937/38) 79 = J.T. Müller. - Sächs. Kirchenblatt N.F. 3 (1939) 30 = Kessler. - Ev. Missionsmagazin (Basel) 83 (1939) H. 2 Umschl. = E. Schick. - Monatshefte der deutschen Freunde. "Der Quäker" 16 (1939) 160 = E. Fuchs. - Deutsches Pfarrerblatt (Essen) 42 (1938) 368 = Füß. - Die freie Volkskirche (Leipzig) 29 (1941) 42. - Dienst am Leben (Berlin) 9 (1938) 262.

640

Bibliographie Rudolf Abramowski

Das Buch des betenden Gottesknechts. Der Psalmen 2. Teil, Stuttgart 1939: - Kirchl. Zeitschrift (Chicago) 63 (1939) 546. - Wort und Werk (Bremen) 1 (1940) 1 H. III. - Dienst am Leben (Berlin) 11 (1940) 12 = Miethke. - CW 55 (1941) 66 = Buder (Psalmen Teil 1/2). Dionysius von Tellmahre. Jakobitischer Patriarch von 818-45, Leipzig 1940: - OChP 7 (1940/41) 321 = W. de Vries. - ThBl 20 (1941) 248 = L. Rost. - Theol. Literaturblatt 62 (1940) 189 = Hashagen. - Deutsche Lit. Zeit. (1941) 1210-12 = R. Strothmann. - OLZ 45 (1942) 307-09 = C. Brockelmann. - ThLZ 67 (1942) 96-98 = A. Rücker. - ByzZ 40 (1940) 521f. - ZDPV 65 (1942) 228 = A. Alt.

Autorenregister (antike und moderne Autoren)

Abramowski

92, 97, 127, 129,

Ammonas

393, 397, 399

138, 140, 170, 201, 204, 204,

Ananean 519, 526

215, 218, 223, 229, 264, 282,

Anastasius Sinaita 539

294, 295, 310, 317, 319, 402,

Anatolius von Konstantinopel 455

460, 461, 466, 486

Anasyan 528

Achelis 105, 109, 112, 119, 340, 341

Andreas von Samosata

444, 445

Andreotti 300

Adam 174

Andresen 60, 134, 618

Adler 172

Anrieh 43

Adone' 518

Antisthenes 20

Adriaen 329

Antonius der Große 393-400, 474

Agatho von Rom 535, 542

Apelles 28

Akinean 518,524,530,532

Aphou von Pemdje 388

Aland, B. 208

Aphrahat

Aleksidze 519,539-533

Apollinarius von Hierapolis 83

Alès, de 179

Apollinarius von Laodicea

Alexander von Alexandrien

106,

Alexander von Aphrodisias

117, 118-121, 125, 320 Apollonius 51

144

Amann 458

Aristides 60, 70 Aristoteles 22, 24, 198, 206, 424,

Ambrosius von Mailand 220, 221, 235-237, 410

317, 321, 324

425 Anus

Amelotti/Zingale 201 Ammianus Marcellinus

76, 99,

100, 107, 109, 111-113, 115,

152, 160, 162, 178, 179, 180, 183, 202, 209

473,479-482

130, 131, 152, 163, 176, 177, 186, 209, 274

297-300,

Arkinean/Casey 499 Arkinean/Ter-Polosean 528

642

Autorenregister

Arnim 208

Bacher 7

Arnulf von Orléans 587

Bacht 384,386,428,458

Artemas 152, 162

Balthasar, von 384

Arzoumanian 525, 530

Baluze 601

Asmus 303

Bar Bahlul 474

Aspasius 144, 145

Barbel 65

Assemani 475, 476

Bardy 12, 140, 141, 153, 175, 176, 205, 206, 218

Asterius 204-206 Athanasius von Antiochien 538

Bareille 12

Athanasius von Alexandrien

Barnes 141, 172, 178, 225

95,

100, 106, 107, 111, 115, 117,

Baronius 269

126-129, 139, 160, 203-206,

Barraclough 23

209, 218, 220, 222, 226, 233,

Basilius von Caesarea 136, 139,

264-268, 271-274, 278, 280-

266, 330, 332, 337, 342, 346,

282, 294, 296, 390, 421

353, 392,

(Ps.)Athanasius

112, 114, 117,

Basilides 28, 199

119, 189, 190

Basilius von Ancyra 284

Athenagoras 60, 115, 209

Basilius von Seleucia 460

Atto 473

Batiffol 93, 94, 97

Attridge 72

Bauer 136, 194, 230

Aubenque 210

Baumgarten 31

Aubert 428

Baumgartner 9

Aubineau 267

Baur 83, 84, 614

Augustinus von Hippo

126, 167,

Baur, J. 607

329, 351, 402, 404-406, 408-

Baus 223

410, 551, 610

Beck 337, 475, 481

Aurelius Victor 250 Auxentius von Durostorum 328 Avetyan 517 Avril 575

Becker

592, 594-600, 602, 605,

606

Beda Venerabiiis 534, 536, 538, 541

Aymard 473

Bedjan 472, 473, 475-477

Babai 482

Berchorius 587

Autorenregister

643

Berger 26

Boor, de 347, 538

Bernardi 320

B0rresen 168

Bernbeck 555

Borries, von 297, 298, 322

Berthold 539

Bouffartigue 298

Beskow 394

Boularand 174

Betz 24

Boulluec 16, 20, 21, 26

Beyschlag 20, 60, 133, 174, 180,

Bousset 196

402, 457, 461, 462, 464 Bidez

182, 183, 297, 301, 322,

328, 329

Bozoyan 513, 514 Brandt 603, 604 Braun 297

Bidez/Hansen 128

Braun/Richer 298

Bidez/Winkelmann 172, 182-184

Braund 473, 474

Bienert

Brennecke

129, 133, 134, 139, 153,

218, 609 Bihlmeyer 332

128, 141, 170, 184,

188, 202, 204, 297, 300, 316, 333

Bischoff 592

Bright 329

Bismarck 592, 597, 605

Brock 472,477,500

Bittel 31

Brockmeier 227

Bizer 211

Brook 538

Blanc 74,77

Brooks 538

Blockley 347

Brosset 525, 528

Blum 444

Brox 136, 310, 319

Blume 193

Brunner 3

Boehmer 331

Budge 476

Boehmer/Romundt 331

Bunge 385, 390-392, 396-398

Boer, de 554, 563

Bunsen 88

Boethius 542

Burckhardt 603, 604

Böhlig 1, 488

Burkert 590

Bolanden, von 592

Burnet 590, 601

Bolgiani 12, 16

Butterworth 80, 83, 87, 88, 94, 95

Börner 555

Calder 40

Bonwetsch 105, 115, 130

Camelot 458

644

/ Conybeare 516, 523

Camerarius 221 Campenhausen, von

60, 61, 85,

188, 221, 454, 585

Constantius 272, 301 Countryman 60

Canivet 337

Courcelle 310, 557

Capelle 89

Courtonne 330, 392

Carean 503

Crabbe 431-434, 436, 438, 439

Casey 213,214,281,287

Cramer 499

Caspar 536

Croneck, von 221

Cassiodorus 213, 280, 542

Crouzel 169

Catergian 499, 508

Curti 90

Cavalcanti 74-76

Cyprian von Karthago 594

Cavaliere 406

Cyrill von Alexandrien

95, 107,

Chabot 475

110, 112, 116, 297, 303, 320,

Chadwick 141, 225, 265, 267, 387,

411, 412-427, 429-432, 437,

534, 542

447, 460, 461, 489, 543

Chavasse 542

Cyrill von Jemsalem 328

Chitty 389,390

Cyrus von Edessa 476, 478

Christophorson 221

Daly 151

Cicero 24, 598

Damaskius 46

Claude 342

Damasus I. 52,267,278

Clemens von Rom 199

Daniélou 65

Clemens von Alexandrien 12, 13,

Darmo 472

15-19, 23-25, 27, 28, 66, 73,

Dashian 508

80, 81, 147, 194, 195, 198-

Dassmann 130

200, 202, 206, 208-214

Dasxuranc'i 528

Clover 473 Colgrave 337

Dechow 151, 152, 386, 387, 389, 395

Colpe 84, 215

Decker 134, 135

Colson 22, 23

Dehandschutter 58

Coman 346

Delarue 161

Conduché 319

Delehaye 172, 330, 332,337, 339,

Connolly 500

340, 341, 343, 352

Autorenregister

645

Devreesse 93-96

DZavachiävili 518

Didymus von Alexandrien 48, 49,

Ebbinghaus

164, 418

341, 349, 353-355,

359

Diekamp 204, 539

Eddius Stephanus 535, 537

Diels 197

Ehrenström 452

Dietz 184

Ehrhard 214

Dinsen 217,229,235,402

Eichenseer 410

Dio Cassius 474

El-Khouri 264,473

Diogenes Laertius 20, 21, 23, 144,

Eiert 458

146, 147

Elliger 8

(Ps.)Dionysius Areopagita 539

Enßlin 298-300

Dionysius Thrax 206

Ephraem Syrus

Dionysius von Alexandrien

129,

152, 153, 159, 160, 162

297, 473, 475,

477, 479-482 Epiktet 21

Dionysius von Rom 129, 138

Epiphanes 12, 13, 15-20, 23-29

Dioskur von Alexandrien 454

Epiphanius von Salamis

21, 53,

Dombart 329

66, 67, 117, 121, 122, 151,

Döpp 555

152, 179, 180, 204, 206, 208,

Dörrie 190, 198, 210, 215

284, 329, 351, 355, 386, 389

Dörries 321, 327, 393

Erichsen 5

Dossetti 403

Erman 2, 10

Downey 300

Eßer 616

Dowsett 528

Ettlinger 88, 97, 101, 117

Dräseke 88,214

Euripides 22

Drew-Bear 35

Eusebius von Caesarea 23, 48, 51,

Drioton 388 Duckworth/Osborn

58, 70, 76, 117, 119, 121, 194, 195,

211, 214, 216, 217

126, 127, 129, 131, 136, 140, 141,

143-151, 166,

157,

159,

167,

171,

Dummer 284

161-164,

Durand, de 418, 423, 428

172, 181, 184, 185, 200,

Duthoy 41, 42

203,

220-229,

Dvornik 327

242,

243,

231-240,

245-247,

249,

646

J 250,

252-258,

260-262,

Freudenberger 172

274, 282, 301, 321, 323,

Frickel 88, 89, 91, 113, 121, 132

327, 343, 551, 594

Frivold 499,519,526,527

Eusebius von Nikomedien

128,

Froidevaux 72

152, 163, 176, 221, 222, 223,

Früchtel 138,201

235

Fuldner 12

Eustathius von Antiochien

153,

Galinsky 555

220-225, 227, 229-237, 282,

Gallay 214

286

Gardiner 8

Evagrius Ponticus 384, 391, 392, 395-401

Garitte 514,527 Garsoian 505

Fabricáis 87

Gassmann 452

Fascher 211

Geerard 286,535

Faye, de 12

Geffcken 297,300,325

Feder 128

Gelasius I. 88, 108, 109, 114

Feige 125-127, 129

Gennadius 139

Fernández 352

Georgius von Laodicea 284

Festugière 16, 23, 428

Georgius Syncellus 199

Filastrius 125, 136

Gese 24

Finck/Gjandschezian 518

Gibson 54

Firmicus Matemus 46, 53, 55

Girardet 128

Fischer 51

Giversen 85

Fitz 344

Gla 592

Flasch 615

Goeters 616

Florovsky 388

Goltz 517

Fluss 336

Goodenough 23

Follieri 330

Goodspeed 62, 209, 215

Fontaine 299

Görg 3

Foussard 310

Görgemanns 201

Franz 592

Görgemanns/Karpp

Frauendienst 597 Frend 141

209 Gould 389

201, 202,

Autorenregister

647

Halleux, de

Granfield 194 Grapow 7, 10

452, 459-461, 470,

499, 500, 506, 507

Grasmück 297

Hallonsten 394

Gray 459,467

Hansen 126,282,286,329

Gregg 171, 193

Hanson 60, 141, 171, 175, 180,

Grégoire 260

193, 201, 204, 224, 233, 402,

Gregor der Große 537, 538, 542

410

Gregor von Nazianz

285, 297,

300, 382, 383 Gregor von Nyssa 117, 124, 204,

Hardy 300 Harnack, von 28, 30, 60, 62, 95, 125, 127, 132, 133, 136, 172,

296

174, 180, 188, 195, 2003,

Greshake 615

204, 209, 214, 217, 458, 466

Gribomont 387, 499

Hartl 603

Griggs 386

Hayduck 198

Grillet/Guinot 320

Heather 347

Grillmeier

Heck 570, 589, 593, 594, 597, 603

141, 180, 200, 201,

204, 211, 214, 217, 310, 319,

Heikel 76,239,246,248

320, 423, 428, 458, 465, 467,

Heinemann 23, 24

511

Heinisch 595

Giyson 266, 328

Heisenberg 93

Guillaumont

Helm 329

384, 385, 387-391,

399

Hengel 4, 10, 24

Gülzow 133

Henkel 586

Guthmüller 555, 573

Henninger 613

Gyulxandanyan 533

Henry 194, 197, 201, 207, 209

Gyulxandarean 520

Hepding 38

Hagedorn 132

Hephaistio Grammaticus 34

Hägglund 60

Heraclius Imp. 539

Hahn 202, 204, 221, 500, 503

Herakleon 77

Hakobyan 528

Hering 196, 198

Hall 59,70,78,243

Hermann 197

Hall, L.B. 556

Hermant 221

648

Autorenregister

Hermas 494

Huber-Rebenich 554

Herren 544

Hübner 57-59, 61, 63, 70, 74, 75,

Herrmann 236, 237

82, 91, 92, 107, 113, 118-120,

Heussi 386

124, 125, 127, 133, 320

Heylen 126

Humphreys 473

Hidal 394

Hussey 329

Hieronymus

48, 143, 144, 146,

147, 151, 153, 155, 158, 164,

Ignatius von Antiochien 73, 115, 594

165, 166, 167, 184, 185, 189,

Ignotas 214

329

Inglisian 519,521,527

Hilarius von Poitiers

128, 165,

67, 69,

Irenaeus von Lyon 16, 20, 29, 62,

188, 267

64-70, 72, 73, 75, 76, 78, 79,

Hilgenfeld 12

81, 83, 144, 145, 210, 214,

Himmelmann 128

215

Hippolyt von Rom 16, 57, 58, 61,

Izmireanc' 502

62, 69, 71-75, 78-80, 105,

Jacob von Serugh M7>, 477, 482

112-115, 128, 132-135, 137,

Jacobsen 606

138, 144, 197, 209

Jamblichus 314, 315

(Ps.)Hippolyt 70, 78, 80, 83, 123

James 33

Hirzel 23

Jansen 589, 590, 594, 600, 603,

Hoffmann 475

604, 605

Hoheisel 46, 53, 55

Jastrow 9

Holl 117, 122, 180, 204, 284, 329

Jedin 223, 612, 613

Holl/Dummer 208

Joannou 346

Holland 61

Johannes Cassianus 388, 390

Hollander 77

Johannes Chrysostomus 320, 324,

Honnefelder 215, 322 Honorius von Rom 539 Hopfner 23

480 (Ps.)Johannes Chrysostomus 108, 109, 118

Horaz 593

Johannes Diaconus 542

Hornung 3, 6

Johannes Philoponus 198

Hoss 281,285,287,292

Autorenregister

Johannes von Antiochien

347,

412, 413, 430, 433

649

Klein 184, 297, 300 Kleinknecht 205

Johannes von Damaskus 70

Klejna 394

Jones 224, 232

Kline 395

Jonge, de 76, 77

Klostermann

Jordan 518

119-122, 126, 131,

147, 206, 282, 286

Josephus 474

Klostermann/Hansen 203

Julian Imp. 44, 297, 299-303, 305,

Klostermann/Nautin 206

306-318, 321-327, 386

Kmosko 487,488,493,496

Julius Africanus 114, 145

Knappitsch 603

(Ps.)Julius von Rom 99

Knauber 194-196,201

Junge 2

Knopf 330

Jungmann 194

Knöpfler 330

Junker 2

Koch 580

Junod 151, 160, 161, 167

Koehler 9

Justin 73, 86, 115, 117, 215, 310

Koetschau 201, 209

Justinian Imp. 157, 201, 202

Kohl 605

Juvenal von Jemsalem 446

Kolb 298

Kajava 474

Konstantin der Große

Kalb 329

301, 255-

258

Kallist von Rom 71, 78, 133, 134

Koschorke 24

Kammenhuber 31

Kösel 603

Kannengiesser 264

Kraft 12, 62, 224, 229, 232, 321

Kattenbusch 60

Kretschmar 12, 65, 221

Kelly 141, 188, 387

Kroll 603

Kent 299,596

Kroymann 66, 82, 203

Ketteier 591,598,599

Kroymann/Evans 215

Khella 453,458

Krüger 330

Khorenats'i 513

Kuhn 124

Kirby 534

Kühn/Pesch 607, 610, 612

Kirsten 345

Kunze 60

Kißling 592,598,599,606

Kurfeß 573

650

Autorenregister

Labbe/Coleti 535

liboron 12, 20, 21

Labriolle, de 51

Lichtenberger 26

Lacombrade 311, 325

Licinius 594

Lactantius Placidus 587

Liébaert 174,418,428,465

Lagarde, de 87

Liebeschütz 555

Laktanz

Lies 151

241, 249, 589-595, 597,

598, 600, 601, 602, 603, 605, 606 (Ps.)Laktanz 590, 591, 592, 593, 598

Lietzmann

76, 94, 97, 99, 100,

107, 109, 111-113, 115, 117, 118, 119-121, 230, 320, 428 Lilla 197,211,217

Lampe 62, 131, 480

Limbeck 24

Lange 611

Lippold 128

Lapidge 544

Upsius 78, 88, 89

Lawlor 140, 146

Livius 38

Lawrence 193

Loewe 337, 348, 353, 354, 357,

Lebon 423,428,523

359

Lecler 617

Lohr 12, 24, 188, 202, 204

Leclercq 297

Loi 90

Lee 473, 474

Loofs 141, 178, 188

Leeb 185

Loose 170

Lehmann 607, 616

Lord 554,557

Leisegang 12, 13, 15, 317

Lorenz 141, 174, 193, 202, 211,

Leloir 503 Leo der Große 453, 455, 456, 536, 541

213, 218, 221, 227 Low 54 Lucà 94,97

Leontius von Byzanz 109, 118

Lukian von Antiochien 184

Leontius von Jerusalem 118

Lutz-Bachmann 215

Leroy 521

Lyttle 596

Leroy-Molinghen 337

Macomber 477, 478

Leube 556

Mahé 8,24,519

Levison 537

Mai 96, 107, 110, 112

Leydecker 617

Makarius der Große 393

Autorenregister

651

Makrobius von Seleucia 540

Melik'set'-Bek 518,520

Malley 303,320

Melilo von Sardes 51, 59, 70, 78,

Mandouze 269

389

Mango 475

Meloni 90

Manion 344

Mendelson 31

Mann 193

Mercati 93, 94

Manns 609

Methodius von Olympus 130, 152,

Mansfeld 197

153, 169

Mansi 266

Metreveli 510

Mansion 330, 348, 353

Metzger 190

Mansuetas 542

Meyer, B.F. 31

Marc Aurel 208

Meyer, R. 2

Marcion 28

Michl 199

Marcovich 58, 80, 132, 197

Migne 283

Marcus 137

Miliar 474

Marcus Magus 64, 69

Miltiades 51

Marius Victorinos 177, 179

Mingana 476-478

Markeil von Ankyra 119,120,122,

Mitteis 300

206, 281, 282, 286, 288, 289,

Moeller 523

290, 295

Mohlberg 542

Markschies 194, 197

Möhler 196

Martin 267,557

Mohrmann 435

Martin I.

Moignet 265

536, 537, 539

Martzelos 460, 465, 467, 468

Momigliano 32

Matthews 473, 474

Mommsen 182, 239, 538

Mau 311, 313, 315, 316, 325, 326

Montfaucon, de 222, 283, 296

Mauristes 428

Moore Cross/Talmon 190

Maurus von Ravenna 536

Moreschini 197

Maximus Confessor 535, 539

Moretti 474

May 453

Morin 350

McLeod 476

Mortley 196,215

Meldenius 617

Mossay 214

652

Autorenregister

Mosshammer 199

Oehler 206

Motte 21

Oltrogge 586

Mueller 72, 117

Opitz 76, 127-131, 138, 152, 170,

Mühl 214 Mühlenberg

176, 177, 178, 202, 205, 209, 96, 121, 453, 465,

545

218, 221, 227, 264, 265, 282 Orígenes 74, 77, 130, 138, 142,

Müller 233,272,292,454

144, 145-147, 151-156, 158,

Murphy 385,391,539

159, 160, 162-164, 166, 168,

Mynors 213, 337

201, 202, 204, 206, 208, 209,

Myre 23

279, 310, 385, 394, 400

Narsai 473,475-478,482

Ormanean 518

Nasturel 334,335

Orosius 347

Nativitate, de 475

Osborn 195, 196, 361

Nau 98, 172

Oulton 140, 146

Nautin 75, 78, 80, 87-91, 93, 94,

Pade 196

97, 101, 105, 113-117, 119, 120, 121-123, 151, 152, 159, 161, 194, 337

Palladius von Helenopolis

388,

389, 390, 392 Pamphilus von Caesarea 151, 152,

Neander 224

154, 156, 158, 159-163, 166-

Nestorius 411, 432, 433

168, 203

Neumann 303,319,320

Pannenberg 221, 466, 607

Newman 264

Papandreou 133, 453

Nicholson 590, 601

Parmenides 198

Nock 317

Parmentier 224, 331

Noët von Smyrna

57-59, 61-63,

Parmentier/Scheidweiler 202

68, 69, 72, 74, 76, 78, 79, 80-

Paschke 132

82, 122

Pasquali 214

Nordberg 281, 283

Paulus Diaconus 542

Norris 141

Paulus von Samosata

Novation 129

161, 162

Numenius 21

Pearson 85

Oberthür 594, 602

Peel 85

152, 153,

Autorenregister

653

Peeters 501

Poole 534, 542

Pépin 210

Porphyrius 23

Perler 83

Portalié 613

Pesch 616

Praxeas 51

Peterson 12, 136

Preimesberger 585

Petit 325

Preuschen 202

Petrarca 588

Prokop 184

Pétrement 12, 199

Pruche 332

Petrus Berchorius 572

Prudentius 42, 53

Petrus von Alexandrien

106, 153,

159, 160

Ptolemaeus Gnosticus 21 Puech 358

Pfeilschifter 330-333, 339

Pusey 418,428

Philo von Alexandrien

Quentin 337

3, 16, 21-

24, 26, 27, 205

Quintilian 206

Philonenko 194

Raabe 474

Philostorgius 174, 182, 184, 186,

Radermacher 206

187, 188, 328, 356

Radice 22

Philoxenus 482 Photius von Konstantinopel

Raeder 297 122,

Rahlfs 190

151, 152, 159, 194, 197, 199-

Rahner 384

202, 206, 208, 212

Ramsay 47, 48

Pichón 603

Rand 542

Pietras 127

Rehfeldt 343

Pietri 265, 266

Reichert 337, 348, 352-355, 357,

Plato 16, 19, 21, 22

359

Plotin 210

Rein 605

Plummer 534,535

Reischl 328

Plutarch 21, 144-147, 198

Rettberg 124

Podskalsky 269

Revillout 388

Poehlmann 25

Reymond 151

Pohlenz 214

Reynders 63, 78, 79

Pollard 174, 180

654

>

Richard 70, 78, 89-91, 101, 106, 115, 117, 118, 121, 123, 141,

Rubenson

384, 386, 387, 389,

390, 392-397

142, 143, 144, 146-148, 150,

Rubin 346

265, 266

Rucker 97

Ricken 193

Rudolph 64

Riedinger 194, 537, 540

Ruether 168

Riedmatten, de 89, 111, 140, 141,

Rufinus

155, 157, 159, 164-168, 182,

153, 178 Ritsehl, D. 615, 616 Ritter, A.M.

143, 146, 147, 151, 153,

86, 139, 171, 175,

202, 209, 392, 393 Ruhbach 330

193, 203, 210, 225, 230, 310,

Runia 21

311, 319, 320, 452

Ryckewaert 590, 602, 605

Ritter, G. 606

Ryssel 214

Roberts 389

Sagnard 66, 80, 81, 209, 213, 217

Robertson 264-266, 268, 273, 275

Sample 141

Robinson 72, 80, 85

Sanders 31

Rochefort 311

Sansterre 537

Roethe 128

Sarkissian 526, 527

Rohde 46

Sauget 337

Roos 473

Schäferdiek

Rordorf 86

133, 176, 328, 331,

341, 345, 346, 348, 349

Rosen 316

Schall 473

Rossi 388

Schanz/Hosius/Krüger 590

Rössler-Köhler 6, 7

Schatkin 320

Rothfels 606

Scheidweiler 224, 281, 282, 284,

Rougé 601

286, 331

Rousseau 70, 73, 386, 387

Schenkel 1, 7

Rousseau/Doutreleau 62-70, 73,

Schepelern 40, 44, 47, 54

75, 76, 78, 79

Scherer 138

Routh 86, 121

Schindler 405, 607, 610, 618

Royce 606

Schmidt, A. 523 Schmidt, M. 480

Autorenregister

Simonetti

Schmidt, E.A. 570

13, 90, 127, 128, 144,

142, 143, 146, 150, 193, 402,

Schmidt/Schenke 64 Schmidt-Volkmar 592, 598, 605, 606 Schneemelcher

655

404 Sirmond 221, 229

59, 65, 86, 128,

Skarsaune 86, 232, 402, 403 Skutsch 583, 603

170, 332 Schöler-Beinhauer 579

Smalley 555

Schölten 84, 132, 387

Smith 12, 482

Schrevel 602

Sokrates 149, 184, 220, 221, 237,

Schulze 199

297, 300, 329, 340, 347, 351,

Schüßler 605

352, 355, 357, 358, 388, 389,

Schwarcz 344

392, 395

Schwartz 87, 88, 93-101, 109, 111,

Solin 474

114, 118, 128, 175, 182, 200,

Sommervogel 601

201, 223, 224, 230, 239, 249,

Sontheimer 38, 52

266, 267, 281, 285-287, 343,

Sophronius von Jerusalem 539

346, 427, 431, 433

Sozomenus

176, 188, 18,

221,

Seeberg, E. 223

237, 266, 297, 300, 302, 329-

Seeck 172,297,298,322

331, 333, 341, 347, 351, 352,

Seibt

355, 356, 358, 359, 388, 389

125, 127, 206, 215, 217, 281, 286, 289, 296, 327

Spanneut 190, 225, 233

Seider 229

Speyer 218, 230

Seilers 222,465

Spiegelberg 4

Seneca 26

Spiriti 587

Serapion von Antiochien

51

Stählin 13, 22, 194, 197, 198, 200,

Sethe 2 Severus von Antiochien

538, 539

Sextus Empiricus 144, 145, 208 Sfameni Gasparro 34 Sherwood 539 Siegert 209 Sieveking 196

Sporeno 601, 602

207, 209, 212, 213, 217 Stählin/Früchtel/Treu 15, 16, 17, 19, 21, 22, 25, 25, 27, 28 Stakemeier 612

656

Stead

Autorenregister

140, 193, 203, 222-224, 226, 227, 228, 231, 235, 236, 466

Stegmann 112 Stein 297,298,322 Stemberger 11

Tër-MkrtC'ean 65, 501, 508, 520, 523, 527, 533 Tèr-Mkrtò'ean/Malxasean 504 Tër-Mkrtô'ean/Tër-Minasean 523 Tertullian 28, 50, 66, 70, 73, 82,

Stephan 517

130, 137, 198, 203, 208, 214,

Stern 52

215, 597, 606

Sternberg 3

Tetz 125, 131, 220, 281, 286, 295

Stewart 488, 489

Teuffei 603

Storf 589, 603

Theiler 198

Straub 318,321,323,340

Theodor von Tarsus 534

Strecker 194

Theodoret von Cyrrhus

Strobel 41, 47, 48, 54

88, 97,

101, 102, 103, 112-117, 136,

Strzelczyk 334, 337

190, 199, 202, 220-222, 224,

Stücklen 264

225, 226, 227, 229-231, 233,

Studer 402,403,406,410

234, 235, 266, 269, 275, 280,

Stuiber 324

297, 331, 337, 347, 353, 412,

Stülcken 282, 284

413

Stutz 328

Theodot von Ancyra 418, 421

Symeon Metaphrastes 183

Theognost 204, 209

Talion 502,516,518,526

Theophilus von Alexandrien

Tarchniävili 518

386, 388

Tedian 115

Theophilus von Antiochien

Taylor 20, 605

Thomas 32

Teixidor 474

Thompson

Teodorsson 473

60

328, 334, 335, 337,

345

Tër-Mikelean 533

Thomson 513

Tër-Minasean 502

Thraede 22

= Ter-Minassiantz 65, 521, 527,

Thunberg 384

533

215,

Till 69 Tillemont, de 221, 339

Autorenregister

657

Timotheus Aelurus 98,107,118

Vryonis 56

Torres 87, 88

Wacht 25,26

Τον 190

Waelkens 40

Turner 139

Wagner 4, 46

Uchtanës 525, 524, 529-533

Walch 220

Vaggione 193

Walker 261

Vahlen 583

Wallace-Hadrill 182

Valesius 221, 222

Walter 554

Van Damme 58

Waszink 198

Van der Meer 435

Wendland 58, 59, 71, 72, 74, 80,

Van Dieten 539

81, 105, 114, 132-135, 197,

Van Esbroeck 528, 529

215

Van Rompay 499, 500

Werner 82

Vardanean 502,518,519

Wessel 384

Vaschalde 482

Westendorf 8

Vérard 586

Wetzel 592

Vergil 26, 604

Weyer 129

Vermaseren 32, 44

Weyman 603

Vigener 591, 592, 598, 599

Whittaker 197

Vigilius von Rom 540

Wickham 486

Virchow 592

Wilamowitz 248

Visonà 83

Wilckens 608

Viteau 297,325

Wiles 232

Vives 541

Wiles/Gregg 204

Vivian 153

Williams 141, 151, 154, 160, 165,

Vööbus 499

170, 175, 176, 178, 179, 186,

Vogt, H.-J. 264,429

193, 216, 386

Vogt, J. 594

Wilmart 393,542

Voisin 107, 118

Wilson 542

Volkmar 12, 88, 89

Winkelmann

Vollmann 541 Vossius 87

239, 240, 245-248,

252, 258, 260, 262, 328, 458

Autorenregister

658

Winkler 499, 501, 502, 504, 505, 526

Xanthos 17 Zahn, von 106, 124, 125, 209, 213

Wirth 319

Zandee 85

Wlosok

Zanetti 393

554, 570, 588-591, 601,

603 Wolfram 328, 334-337, 343-345, 348, 354, 356

Zangemeister 347 Zeiller 344,345 Zeller 20,22

Wolfson 24

Zephyrin von Rom 133

Wood 534

Zgusta 337

Wright 475

Ziegler 46

Wurzbach 601

Zimmermann 606

Wyrwa 19, 198

Zosimus 250

Luise Abramowski

Drei christologische Untersuchungen Groß-Oktav. X , 109 Seiten. 1981. Ganzleinen ISBN 3-11-008500-3 (Beihefte zur Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft, Band 45) Aus dem Inhalt:

Phil. 2,6 οΰχ άρτταγμόν ήγήσατο τό είναι ίσα θεώ und Oracula chaldaica 3 (des Places) ό ττατήρ ήρπασσεν έαυτόν — Ein gnostischer Logostheologe. Umfang und Redaktor des gnostischen Sonderguts in Hippolyts „Widerlegung aller Häresien" — συνάφεια und άσύγχυτος ενωσις als Bezeichnungen für trinitarische und christologische Einheit

Hanns Christof Brennecke

Hilarius von Poitiers und die Bischofsopposition gegen Konstantius II. Untersuchungen zur dritten Phase des arianischen Streits (337—361) Groß-Oktav. XVIII, 400 Seiten. 1984. Ganzleinen ISBN 3-11-009703-6 (Patristische Texte und Studien, Band 26) Untersuchung über die kirchenpolitische Rolle des Bischofs Hilarius von Poitiers (f 368) im arianischen Streit unter der Regierung Kaiser Konstantius II.

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Studienausgabe Teil I Bände 1 (Aaron) — 17 (Katechismuspredigt) und Registerband In Gemeinschaft mit Horst Robert Balz, James K. Cameron, Wilfried Härle, Stuart G. Hall, Brian L. Hebblethwaite, Richard Hentschke, Wolfgang Janke, Hans-Joachim Klimkeit, Joachim Mehlhausen, Knut Schäferdiek, Henning Schröer, Gottfried Seebaß, Clemens Thoma herausgegeben von Gerhard Müller 20,5 χ 13,5 cm. 17 Bände, 1 Index-Band. Etwa 800 Seiten je Band. Kartoniert D M 1 2 0 0 , - ISBN 3-11-013898-0 (de Gruyter Studienbuch) Die TRE-Studienausgabe Teil I umfaßt die Bände 1 bis 17 der THEOLOG I S C H E N R E A L E N Z Y K L O P Ä D I E . Erschlossen wird die Studienausgabe durch einen entsprechenden Registerband, der auch Erwähnungen der Stichworte nachweist, die alphabetisch nach den Lemmata „Aaron" bis „Katechismuspredigt" angesiedelt sind (z. B. Zwingli). Die TRE-Studienausgabe Teil I ist damit schon jetzt ein vollwertiges Arbeitsmittel für jeden Theologen. Um weitesten Kreisen die T R E zugänglich zu machen, wird die Studienausgabe zu einem wirklich günstigen Preis angeboten: D M 1 200,— für 17 Bände plus Register.* Das sind über 13 000 Seiten solidester wissenschaftlich-theologischer Forschung. Selbstverständlich wird die TRE-Studienausgabe zu einem späteren Zeitpunkt eine entsprechende Fortsetzung finden. In etwa sieben bis acht Jahren wird es von seiten des Verlages ein analoges Angebot geben. * Die Bände der Studienausgabe entsprechen im Grundsatz denen der Originalausgabe, bei allerdings verkleinertem Satzspiegel. Außerdem mußte aus Kostengründen auf Tafeln und Faltkarten verzichtet werden.

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