Lichtquanten: Die Geschichte des komplexen Konzepts und mentalen Modells von Photonen [Erweiterte 2. Auflage] 3662669323, 9783662669327, 9783662669334

Dieses Buch beschäftigt sich mit der Entstehungsgeschichte des komplexen Konzeptes von Photonen aus wissenschaftshistori

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Lichtquanten: Die Geschichte des komplexen Konzepts und mentalen Modells von Photonen [Erweiterte 2. Auflage]
 3662669323, 9783662669327, 9783662669334

Table of contents :
Vorwort
Vorwort zur erweiterten zweiten Auflage
Danksagungen
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Einführung
1.1 Methodisches zu dieser Studie
1.2 Terminologische Abgrenzung von Begriff, Konzept und mentalem Modell
1.3 Konzeptentstehung als schichtweise semantische Anreicherung
2 Der Einstieg: Plancks und Einsteins Wege zur Quantisierung
2.1 Planck und die Energiequantisierung 1900
2.2 Einsteins Gedankenführung bis zum Aufsatz von 1905
2.3 Einstein und Planck: Ein Vergleich
2.4 Plancks zweite Quantentheorie 1909–13
2.5 Die Vielfalt der Begrifflichkeit in statu nascendi
2.6 Der langsame Aufstieg des Terminus ‚Photon‘
3 Zwölf Bedeutungsschichten von Lichtquanten
3.1 Teilchenmodelle des Lichtes
3.2 Ausbreitung mit endlicher, aber sehr hoher Geschwindigkeit sowie Gleichheit der Lichtgeschwindigkeit für alle Farben
3.3 Emission und Absorption von Licht durch Materie
3.4 Strahlungsdruck von Licht auf Materie
3.5 Energietransport durch Licht
3.6 Energie-Frequenz-Proportionalität im Photoeffekt
3.7 Strenge Energiequantisierung: E=hν
3.8 Welle-Teilchen-Dualismus: Erste Andeutung und Vertiefungen
3.9 Spontane und induzierte Emission: 1916–17
3.10 Lichtquanten tragen Eigendrehimpuls (Spin)
3.10.1 Eigendrehimpuls als vierte Quantenzahl der Bohr- Sommerfeldschen Atomtheorie: Spin avant la lettre
3.10.2 Erste experimentelle Indizien
3.10.3 Raumquantisierung im Stern-Gerlach-Experiment
3.10.4 Spin als vierte Quantenzahl
3.11 Ununterscheidbarkeit der Lichtquanten – der Ursprung der Bose-Einstein-Statistik
3.12 Photonen als virtuelle Austauschteilchen der QED
4 Verschiedene mentale Modelle früher Akteure (bis 1926)
4.1 Newtons Vorstellungen zu „globuli of light“
4.2 Einsteins mentales Modell von Lichtquanten 1909
4.3 Einsteins eigene Zweifel am Konzept der Lichtquanten 1910–1915
4.4 Johannes Starks mentales Modell von Lichtquanten
4.5 J.J. Thomsons mentales Modell harter Röntgenstrahlung
4.6 W.H. Braggs Paar-Teilchen-Modell von γ-Strahlung
4.7 Energiepakete bei Planck, Debye und Sommerfeld
4.8 Edgar Meyer und Walther Gerlach über Verzögerungszeiten
4.9 Debye, v. Laue und Schrödinger über Wellenpakete
4.10 G. N. Lewis' mentales Modell von Photonen 1926
5 Frühe Rezeption des Konzepts von Lichtquanten
5.1 Anfängliche Skepsis
5.2 Der Compton-Effekt als Wegscheide 1922/23
5.3 Die BKS-Theorie 1924 und Experimente von Bothe & Geiger zu deren Widerlegung
5.4 Führungsfelder bei De Broglie, Slater und Born 1924–27
5.5 Diracs Quantisierung des Strahlungsfeldes 1927
5.6 Semiklassische Theorien
5.7 Ernst Blochs Materialismusproblem 1936/37
6 Der Reflex dieser Entwicklungen
6.1 ... in Lehrbüchern und im naturwissenschaftlichen Unterricht
6.2 ... in den Feynman Lectures on Physics
7 Alternative Theorien der Begriffsentwicklung
7.1 Begriffsgeschichte als Ergebnis denkgeschichtlicher Entwicklung (Fleck)
7.2 Metamorphose oder Entfaltung von Begriffen
7.3 Arianna Borrellis Materialität von Konzepten
7.4 ‚Lichtquantum‘ als ‚conceptual blending‘
7.5 Historische Ontologie und angewandte Metaphysik
7.6 Biographie wissenschaftlicher Objekte (Daston und Arabatzis)
7.7 Mentale Modelle als Erklärungsansatz
8 Experimente zur Quantenmechanik des Photons seit 1945
8.1 „Photonenklumpen“: Hanbury Brown und Twiss (HBT) 1955–57
8.2 Einzelne Photonen und halbdurchlässiger Spiegel: Campbell 1909, Clauser 1973 und Grangier, Aspect & Roger 1986
8.3 Ein-Photon-Interferenzexperimente: Von Taylor 1909 bis Grangier, Aspect & Roger 1986
8.4 Verschränkte Photonen: Alain Aspect u.a. 1980ff.
8.5 Wheelers delayed choice: Welchen Weg nehmen Photonen?
8.6 Photon-Bunching und Hong-Ou-Mandel-Dip 1987
8.7 Photonen-Antibunching in der Resonanzfluoreszenz
8.8 Photon-Erzeugung und -Vernichtung in einer Kavität
8.9 Quantenverschränkung und Quantenteleportation
8.10 Hochenergetische Photon-Photon-Streuung
9 Wie muss unser heutiges mentales Modell des Photons aussehen?
9.1 Welle, Teilchen oder Feld?
9.2 Kein naiver Realismus – Instrumentalistische Interpretation
9.3 ,Reale` vs. ,virtuelle` Photonen
9.4 Vermeidung unberechtigter Lokalitäts-Zuschreibungen
9.5 Abschiednahme von der Individuierbarkeit
9.6 Das Photon: „mysterious quantum Cheshire cat“ oder „elusive beast“?
10 Zusammenfassung/Abstract
Bibliographie
Literatur
Namens- und Stichwortverzeichnis

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Klaus Hentschel

Lichtquanten Die Geschichte des komplexen Konzepts und mentalen Modells von Photonen Erweiterte 2. Auflage

Lichtquanten

Klaus Hentschel

Lichtquanten Die Geschichte des komplexen Konzepts und mentalen Modells von Photonen Erweiterte 2. Auflage

Prof. Dr. Klaus Hentschel   Leiter der Abteilung für Geschichte der Naturwissenschaften und Technik Historisches Institut, Universität Stuttgart Stuttgart, Deutschland

ISBN 978-3-662-66932-7 ISBN 978-3-662-66933-4  (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-662-66933-4 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2017, 2023 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Planung/Lektorat: Caroline Strunz Springer Spektrum ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer-Verlag GmbH, DE und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany

Vorwort

‚Lichtquanten‘ bzw. ‚Photonen‘‚1 abgeleitet vom griechischen Wort ϕως (‚phos‘) für Licht, gehören zu den omnipräsenten Wissensgegenständen heutiger Naturwissenschaft und Technik. In naturwissenschaftlichen und technischen, aber auch künstlerischen sowie populären Medien findet man diese Termini tagtäglich – ‚Lichtquanten‘ bzw. ‚Photonen‘ sind in aller Munde.2 Anwendungen wie der Laser und darauf beruhende Geräte wie CD-/DVD-Spieler oder Barcode-Scanner bestimmen den Alltag von uns allen. Zentren für ‚Photonik‘‚3 in denen Naturwissenschaftler, Ingenieurwissenschaftler, Materialforscher und Techniker zusammen immer neue Anwendungen der Quantenoptik konzipieren und realisieren, florieren allerorten. Wie aktuell dieses Thema immer noch ist zeigt sich nicht zuletzt an der erst 2022 erfolgten Verleihung des Physik-Nobelpreises an die Quantenoptiker Clauser, Aspect und Zeilinger, auf deren Arbeiten ich in Kap. 8 auch eingehe. Der häufige Einsatz von ‚Photonen‘ in Forschung, Produktion und die allfällige Nennung eines solchen Konzepts impliziert aber keineswegs, dass 1

Der Ausdruck ‚Lichtquant‘ findet sich erstmals in Einstein (1905a) S. 144; zur Begriffsgeschichte von ‚Photon‘, das zumeist auf G. N. Lewis zurückgeführt wird, der es 1926 in einem „Letter to the editor [of Nature]: The conservation of photons“ einführte, obgleich es zuvor bereits in mehreren anderen sehphysiologischen und biochemischen Kontexten (allerdings stets ohne Wirkung) benutzt worden war, von denen Lewis aller Wahrscheinlichkeit nach nichts wusste, siehe Helge Kragh (2014a, b) sowie hier Abschn. 2.3, 3.7 und 4.10. 2 Siehe Abschn. 3.1 für einige quantitative Nachweise dazu. 3 Zur Wortgeschichte von ‚Photonik‘ vgl. Swift (1982), Sternberg (1992) S. 16 ff. und Krasnodebski (2018).

V

VI      Vorwort

überall Klarheit darüber herrscht, was diese ‚Photonen‘ eigentlich sind. Die mentalen Modelle verschiedener Nutzergruppen dieses Konzeptes könnten unterschiedlicher nicht sein. Dass diese sich untereinander halbwegs zu verstehen scheinen, liegt daran, dass Fragen wie die, was man sich unter diesem Konzept vorstellt, im Arbeitsalltag tunlichst gar nicht erst gestellt werden. Die Geschichte des Konzepts von Photonen wird meist mit dem kurzen Hinweis abgetan, dass Einstein es 1905 als erster vorgeschlagen hat und dass es dann einen rasanten Aufstieg bis zur heutigen Allgegenwart erlebte. Auch hier mischen sich Halbwahrheiten mit einer stattlichen Anzahl historischer Mythen, die hier richtiggestellt werden sollen. Es wird sich zeigen, dass die Geschichte eines solch komplexen Konzepts wie dem von Lichtquanten viele verschiedene Schichten hat, von denen etliche bis weit vor 1905 zurückreichen, während andere auch erst sehr viel später im 20. Jahrhundert ergänzend dazu treten. Insgesamt werden in diesem Buch zwölf verschiedene semantische Schichten herausgearbeitet und analysiert, die man zusammen sehen muss, um die Bedeutung des Konzepts ‚Lichtquanten‘ und die historischen Verwendungen von Ausdrücken wie „Lichtenergiequanten“, „Elementarquanten“, „Energieprojektile“, „Lichtkorpuskeln“ bzw. einfach nur ‚Quanten‘ schon bei Einstein angemessen verstehen zu können.4 Eine der ältesten dieser Schichten, die Vorstellung einer Teilchenartigkeit des Lichts, hat sogar historische Ursprünge in der Antike. Freilich werden wir im weiteren Verlauf sehen, dass die genaue Ausformung jener Vorstellung im Laufe der Geschichte mehrfach radikale Umformungen erfahren hat. Heute wissen wir, dass die naive Vorstellung eines punktförmigen Teilchens im Falle der Lichtquanten alles andere als angemessen ist, da es experimentelle Situationen gibt, in denen jene Lichtquanten eine erhebliche Ausdehnung zu haben scheinen. Um Phänomene wie die Interferenz erklären zu können, war Anfang des 19. Jahrhunderts von Thomas Young und Augustin Fresnel das zum Newtonianischen Teilchenmodell des Lichts konkurrierende Wellenmodell des Lichts aufgestellt worden. Der heutigen Ontologie des Lichts zufolge kann Licht je nach experimenteller Situation als Teilchen oder auch als Welle erscheinen (WelleTeilchen-Dualismus). Auch hier hat Einstein – wie wir in Abschn. 3.8 sehen werden – mit wenig bekannten Arbeiten aus den Jahren um 1909 übrigens wieder entscheidende Beiträge geliefert, aber neben ihm werden

4 Für genaue Nachweise und Häufigkeitszählungen dieser sechs annähernden Synonyme im Werk von Albert Einstein siehe Tab. 2.1.

Vorwort     VII

wir eine Vielzahl weiterer Akteure kennenlernen, die weitere Facetten beitrugen. Wir werden sehen, dass es ausgerechnet Experimentatoren wie der später für seine antisemitischen Entgleisungen bekannt gewordene Johannes Stark waren, die zu den frühesten Anhängern von Einsteins Thesen zählten – Thesen, die anfangs so umstritten waren, dass Einstein sie selbst nur unter dem schützenden Mäntelchen einer „heuristischen Hypothese“ vorzutragen wagte. Umgekehrt waren es ausgerechnet Einsteins größte Gönner und Förderer (wie etwa Max Planck oder Hendrik Antoon Lorentz), die anfangs zu den hartnäckigsten Gegnern dieser Thesen zählten.5 Ausgerechnet der amerikanische Experimentalphysiker Robert Millikan, eigentlich überhaupt kein Freund der Einsteinschen Modellbildung, der sogar ausdrücklich angetreten war, Einsteins in seinen Augen haltlose Spekulationen experimentell zu widerlegen, bestätigte 1916 die Voraussage Einsteins zur strengen Proportionalität von Energie und Frequenz (siehe hier Abschn. 3.6). Wir werden sehen, dass die breite Front gegen Einsteins Lichtquanten erst ab 1923 langsam zu bröckeln begann, als die Ergebnisse von A. H. Comptons Streuexperimenten von Röntgenstrahlen an Elektronen bekannt wurden, die diese Modellvorstellung einer nahezu punktförmigen Wechselwirkung quasi-teilchenartiger Röntgenstrahlen empirisch bestätigten. Somit war ein innovatives Konzept wie das der Einsteinschen Lichtquanten anfangs für die Zeitgenossen weit weniger einleuchtend und selbstverständlich, als wir heute erwarten würden. Geschichte ist eben weit weniger gradlinig, als der straffende Rückblick sie erscheinen lässt. Ebenso dauerte es auch 45 Jahre von Einsteins berühmter Arbeit aus dem Jahr 1915 über spontane und induzierte Emission von Lichtquanten bis zur Entwicklung des darauf beruhenden Lasers.6 Eine ganz entscheidende Etappe in der fortwährenden Vertiefung des Verständnisses von Lichtquanten war die Arbeit des polnischen Physikers Ladislas Natanson, mit der er bereits 1911 auf die Notwendigkeit einer radikalen statistischen Reinterpretation der Planckschen Befunde hinwies und damit eine der wichtigsten Kernaussagen der Quantenstatistiken um über ein Jahrzehnt vorwegnahm, nämlich die der Ununterscheidbarkeit der Quanten.7 Aber bis aus 5

Zum Vorstehenden siehe die Abschn. 4.3–4.7. Siehe dazu hier Abschn. 4.9 und ergänzend Lemmerich (1987), Bromberg (1991). 7 Natanson zeigte, dass nur dann, wenn man Ununterscheidbarkeit voraussetzt, nach Einsetzen in die Entropieformel S = k ln (W) und zweifache Ableitung Plancks Formel für die mittlere Energie E eines Resonators resultiert, während für unterscheidbare Lichtquanten die Boltzmannsche Verteilung herauskäme. Vergleiche dazu Abschn. 3.10 sowie ergänzend Kastler (1983), Monaldi (2009), die Beiträge von Borelli, Saunders sowie Huggett & Imbo in Greenberger, Hentschel & Weinert (Hrsg.) 2009 S. 299 ff., 311 ff., 611 ff. und dortige Literaturhinweise. 6

VIII      Vorwort

diesen ersten Lichtblicken einiger hellsichtiger Pioniere die heute sogenannte Bose-Einstein-Statistik entstand, verging nochmals mehr als ein Jahrzehnt.8 Selbst als ein völlig unbekannter indischer Physiker namens Satyendra Nath Bose (1894–1974) sich 1924 mit der Bitte an Einstein wandte, die Veröffentlichung eines Aufsatzes von ihm in der Zeitschrift für Physik zu veranlassen, brauchte Einstein einige Zeit und mehrere Anläufe, um zu erkennen, was in Boses Aufsatz neben dessen eleganter neuer Ableitung der Planckschen Strahlungsdichte („nur unter der Voraussetzung, dass die kleinste Elementarzelle im Phasenraum das Volumen h3 hat“) sonst noch alles an tiefsinnigen statistischen Implikationen enthalten war.9 Er leitete den Aufsatz dann an die Herausgeber der Zeitschrift weiter, zusammen mit dem folgenden Kommentar, der dann auch mit abgedruckt wurde: „Boses Ableitung der Planckschen Formel bedeutet meiner Meinung nach einen wichtigen Fortschritt.“10 Daraus entwickelte sich nach dem Aufkommen des Konzepts eines inneren Eigendrehimpulses (Spin) die Quantenstatistik für die nach Bose benannten Bosonen, also aller Teilchen mit ganzzahligem Spin, zu denen auch Einsteins Lichtquanten zählen. Die nächste wichtige Etappe in der Geschichte des Konzepts wurde mit der Herausbildung der sogenannten Quantenelektrodynamik (QED) erreicht, in der neben realen Photonen nun auch ‚virtuelle‘ Photonen auftauchen, die als masselose Austauschteilchen der elektromagnetischen Wechselwirkung interpretiert werden, welche zwischen den wechselwirkenden Ladungen wie Tischtennisbälle hin- und herwechseln. Das spannende an diesen letzten Schichten der Quantenstatistiken, der QED ebenso wie an den später noch folgenden Einsichten der Quantenmechanik zur Verschränkung der Zustände korrelierter Photonen-Paare ist, dass in dieser letzten Phase viele der vormaligen Grundeigenschaften jener Lichtquanten, insbesondere ihre Teilchenartigkeit, ihre Lokalisierbarkeit und ihre Individuierbarkeit verschwinden. Die sich so allmählich vollziehende semantische Anreicherung oder Akkretion von Bedeutungsschichten, die in diesem Buch anhand des Beispiels der Lichtquanten bis ins Einzelne analysiert wird, ist kein e­inseitig

8 Siehe Delbrück (1980), Bergia (1987) und Stachel (2000); Darrigol (1991) S. 239 kommentierte diese tragikomische Geschichte der Quantenstatistiken wie folgt: „erroneous or opportunistic transposition of [combinatorial] formulas resulted in what we now call the Bose-Einstein statistics“. 9 Zitat aus dem Brief von S. Bose an A. Einstein, der den Aufsatzentwurf begleitete, datiert 4. Juni 1924, abgedruckt in den Collected Papers of Albert Einstein, nachfolgend abgekürzt CPAE, Bd. 14 und faksimiliert in https://en.wikipedia.org/wiki/Satyendra_Nath_Bose (Zugriff zuletzt am 17.3.2016). 10 Siehe Einstein in einer „Anmerkung des Übersetzers“ am Ende von Bose (1924) S. 181.

Vorwort     IX

kumulativer, sondern ein nichtlinearer Prozess, bei dem einzelne Schichten sich auch umbilden oder gar wieder ganz verloren gehen können. Die Geschichte von Begriff und mentalem Modell der Lichtquanten bzw. Photonen ist paradigmatisch für die Komplexität, aber auch für die intellektuelle Spannung solcher Vorgänge der Entstehung und Entfaltung wissenschaftlicher Konzepte. Viele publizierte Kommentare zu einzelnen Episoden dieses historischen Geschehens zumal in physikalischen Lehrbüchern (vgl. hierzu Kap. 6) sind hingegen deutlich unterkomplex, z . T. sträflich vereinfachend, begradigend oder gar pseudo-historisch verbiegend. Daher sollte es auch nicht erstaunen, dass für die gründliche Analyse dieser Prozesse ein ganzes Buch notwendig war: „many of the portrayals of the photoelectric effect suffer from inclusion of quasi-history and a partially wrong portrayal of the concepts themselves. […] The situation vis-à-vis the concept of the photon is much more complex than can be portrayed in a short summary […], and a thorough discussion of the various aspects would surely require a large volume.“11 Das hier vorliegende Buch setzt sich genau dieses Ziel und sollte für eine Vielzahl von Lesergruppen von Interesse sein: selbstverständlich allen voran für meine eigene Fachcommunity von Wissenschaftshistorikern, aber auch weit darüber hinaus für Physiker, Astronomen, Chemiker, Biologen u. a. naturwissenschaftliche oder technische Fachdisziplinen, in denen Photonen heute eine Rolle spielen, letztendlich aber auch für interessierte Laien mit physikalischen und mathematischen Grundkenntnissen etwa auf Abiturniveau, die wissen wollen, was es mit diesem merkwürdigen Lichtquantenkonzept denn nun auf sich hat und wie es entstanden ist. Ich habe mich sehr bemüht, in dieser „QuantenArchäologie“12 auch komplizierteste Sachverhalte, Experimente, Theorien und Modellvorstellungen in allgemeinverständlicher Form mit sowenig Formeln wie möglich darzulegen. Meine Hoffnung ist, dass darüber hinaus auch Kognitionswissenschaftler, Linguisten sowie Begriffs- und Ideenhistoriker mit diesem Buch in methodischer Hinsicht etwas anfangen können, denn es versucht, auch in diese Richtungen Brücken zu bauen.

11 Klassen (2011) S. 5, 6. Zur Kritik an ‚Quasi-Historie‘ siehe z.B. Holton (1973), Whitaker (1979), Simonsohn (1979), (1981), Jones (1991), Kragh (1992), Franklin (2016), Norton (1916), Passon & Grebe-Ellis (2016) u. dort jeweils zit. weitere Texte. 12 Dieser witzige Ausdruck stammt von Horne, Zeilinger et al. (1990) S. 361.

Vorwort zur erweiterten zweiten Auflage

Rezensenten der 2017 publizierten ersten Auflage dieses Buches sowie der 2018 erschienenen bereits leicht erweiterten englischen Übersetzung bescheinigten dieser Monographie, tatsächlich einige jener angestrebten Brücken zwischen den mittlerweile so weit voneinander entfernten Feldern geschlagen zu haben. So schreibt etwa Alexander S. Blum: This book will serve the double purpose of helping [veteran physicists and physics teachers] avoid the many conceptual pitfalls involved, and of convincing them of the utility of history for the understanding of science. As for professional historians, they, too, would be well advised to read this book and take it as an inspiration for how the history of science can re-open a dialogue with the sciences by actually being useful to scientists, while – or rather, by – upholding the high standards of history of science as an independent and professionalized academic discipline.13

Auch in privaten Zuschriften von etlichen Lesern kam viel Lob über die historische Breite gerade des ersten Teils des Buches, und über den Platz, den ich auch Nicht-Standard-Modellen des Lichts im vorliegenden Werk gab. So sehr einen dieses Lob auch freut, so sehr waren doch andere, kritischere Punkte, die von einzelnen Rezensenten angesprochen wurden, für

13 Blum (2019) S. 456; weitere Rezensionen wurden verfasst von Oliver Passon (2018), Matthias Körber (2019), Karl-Eberhard Hellwig (2021), John Heilbron (2019), Olival Freire (2020) oder Eugene Hecht (2020).

XI

XII      Vorwort zur erweiterten zweiten Auflage

mich Ansporn, diesen Monita nachzugehen und das Buch noch weiter zu verbessern. Am leichtesten ging dies beim Ausmerzen der Druckfehler, die sich trotz gründlichem Korrekturlesen durch mich und meine Frau in die erste Auflage eingeschlichen hatten: Diese waren von uns schon recht schnell in eine Errata-Liste übertragen worden, die vom Verlag dann auf der zum Buch dazugehörigen website downloadbar eingestellt worden ist, wofür ich dem Verlag herzlich danke. Alle diese Punkte sind nunmehr korrigiert. Auch noch recht einfach waren kurze inhaltliche Ergänzungen, die mir entweder im Laufe der weiteren Arbeit am Thema selbst aufgefallen waren oder die mir von fachkundigen Lesern mitgeteilt wurden, so etwa der Hinweis auf die beiden Aufsätze des indischen Nobelpreisträgers Chandrasekhar Venkata Raman (1888–1970) und seines damaligen Mitarbeiters Suri Bhagavantam (1909–1989), die ersten direkten experimentellen Nachweise des Spins von Photonen in den Jahren 1931–32 betreffend, den mir dankenswerterweise Dr. Rajinder Singh in Oldenburg gegeben hat. Einer Anregung von Oliver Passon verdanke ich die im 9. Kapitel hinzugefügten Hinweise auf Arbeiten von Theodore Dudell Newton und Eugene Paul Wigner (1949) und anderen zum Nicht-Vorhandensein eines Ortsoperators und zur quantenfeldtheoretisch erzwungenen Licht-Lokalität von Photonen, wodurch der bisherige Abschn. 9.3 (nunmehr neu Abschn. 9.4) deutlich verbessert wurde. Diese Liste liesse sich noch weiter verlängern, worauf hier aber verzichtet werden soll. Am wichtigsten sind jedoch meine zum Teil umfangreichen inhaltlichen Ergänzungen zu so interessanten Physikern wie Paul Dirac, John Slater, Richard Feynman oder Edwin T. Jaynes, oder mit Ernst Blochs philosophischen Überlegungen zu Lichtquanten und Materie aus der Perspektive des dialektischen Materialismus. Besonders wichtig war mir die Schliessung der von mehreren Rezensionen kritisierten historischen und systematischen Lücken in der Behandlung der QED. Deswegen habe ich eigens neue Abschnitte über Diracs ‚zweite Quantisierung‘ über Feynmans teilchenhafte Auffassung von Photonen und die Deutung der FeynmanDiagramme sowie über die Feynman-Lectures in Physics als eines auch für die Diffusion der modernen Physik äusserst einflußreichen Textes eingefügt, was in Kap. 6 die bisherige Analyse sonstiger Lehrbücher auch hervorragend ergänzt.

Vorwort zur erweiterten zweiten Auflage     XIII

Dass John Clauser, Alain Aspect und Anton Zeilinger vor kurzem der Nobelpreis für Physik zuerkannt wurde14 zeigt, wie aktuell das Thema der Photonen und ihrer quantentheoretischen Deutung auch weiterhin ist. Einige neue Reviewartikel von und über diese drei Nobelpreisträger habe ich in diese erweiterte zweite Auflage ebenfalls eingearbeitet. Auch auf der Metaebene der Reflexion und allgemeinen Modellierung von Begriffsbildung habe ich in dem bislang sehr kurzen 7. Kapitel ganze sechs weitere Abschnitte eingefügt, die meinen eigenen Zugang zur Begriffsentstehung über mentale Modelle kontrastieren mit den Ansätzen anderer Wissenschaftsforscher (wie Ludwik Fleck), Wissenschaftshistoriker (wie Arianna Borrelli oder John Roche), Erziehungswissenschaftler (Werner Kutschmann) und Philosophen (Ian Hacking oder Wolfgang Neuser), die sich spezieller mit naturwissenschaftlicher Begriffsbildung beschäftigt haben. Insgesamt entstanden 15 völlig neue Unterabschnitte in 6 verschiedenen Kapiteln des Buches, dessen Gehalt insgesamt ebenso wie der des umfangreichen Literaturverzeichnisses um etwa ein Drittel zugenommen hat. In dieses Literaturverzeichnis wurden mehr als 300 Texte neu aufgenommen, die allesamt auch an mindestens einer Stelle im Haupttext zitiert oder referenziert worden sind. Auch daran sieht man mein Bemühen um Einbeziehung wenigstens der dringlichsten Aspekte ganz vollständig wird man bei einem derartigen Thema aber nie werden können. Ich hoffe, dass auch diese zweite Auflage wieder viele interessierte Leser/ innen finden wird. Kommentare, Korrekturen und Kritik sind auch weiterhin sehr willkommen. Um den Leser/innen der ersten Auflage die Suche nach den vollständig neuen Passagen zu erleichtern, seien diese fünfzehn vollkommen neuen Abschnitte hier abschließend nach Nummern aufgelistet: 4.8. Edgar Meyer und Walther Gerlach über vermeintliche Verzögerungszeiten im Photoeffekt 5.4. Führungsfelder bei De Broglie, Slater und Born 1924–27 5.5. Diracs Quantisierung des Strahlungsfeldes 1927 5.6. Semiklassische Theorien (insb. von Richard Jaynes) 5.7. Ernst Blochs Materialismusproblem 1936/37 6.2. Der Reflex von Quantenfeldtheorien in den Feynman Lectures on Physics 7.1. Begriffsgeschichte als Ergebnis denkgeschichtlicher Entwicklung (Fleck)) 7.2. Metamorphose (Kutschmann) bzw. Entfaltung (Neuser) von Begriffen 14 Siehe z.B. Dalibard & Gigan (2022), Schumm & Weinfurter (2022) sowie unzähligePresseartikel vom Oktober 2022. Zu ihren Experimenten siehe hier Kap. 8.

XIV      Vorwort zur erweiterten zweiten Auflage

7 .3. Arianna Borrellis Thesen zur Materialität von Konzepten 7.5. Historische Ontologie und angewandte Metaphysik (Hacking) 7.6. Biographie wissenschaftlicher Objekte (Daston und Arabatzis) 7.7. Mentale Modelle als Erklärungsansatz 8.8. Haroches Photon-Erzeugung und Vernichtung in einer Kavität 9.1. Welle, Teilchen oder Feld? 9.3. ‚Reale‘ vs. ‚virtuelle‘ Photonen Man sieht daraus, dass insbesondere das 5., 7. und 9. Kapitel massiv erweitert wurden. Wie schon in der ersten Auflage so habe ich auch in den Ergänzungen zur zweiten Auflage sehr von vorliegenden Spezialstudien zu einzelnen Aspekten profitiert. Als kleines Beispiel dafür sei hier nur die seit etwa einem Jahrzehnt geradezu tobende Debatte um den Status und die Deutung der sogenannten virtuellen Teilchen angeführt, die im letzten neuen Abschn. 9.3 aufgerollt wird und an der sich u. a. Mario Bunge, Michael Redhead, Robert Weingard, Michael Stöckler, Tobias Fox, Letitia Meynell, Brigitte Falkenburg, Mario Bacelar-Valente, Adrian Wüthrich sowie Markus Ehberger beteiligt haben.15 Gleiches gilt beispielsweise für Diskussionen über semiklassische Deutungen oder die angemessene Interpretation von Feynman-Diagrammen. Kap. 8 wurde durch einen neuen Kasten 6 zur Erzeugung verschränkter Photonenpaare und zahlreiche Verweise auf neuere Arbeiten zur Verletzung der Bellschen Ungleichungen ergänzt. Da ich in diesem Vorwort nicht für jedes der hier neu berücksichtigten Themen lange Listen der daran beteiligten Primär- und Sekundärautoren erstellen kann, die in Fußnoten an den entsprechenden Stellen natürlich alle genannt sind, sei allen Inputgebern an dieser Stelle pauschal noch einmal herzlich gedankt. Klaus Hentschel

15

Für Literaturhinweise siehe hier Abschn. 9.3.

Danksagungen

Auch wenn dieses Buch die erste historiographisch integrative Gesamtdarstellung der Geschichte des Photons ist, so gibt es doch eine Reihe ganz ausgezeichneter Texte zu speziellen Aspekten einzelner Kapitel oder Abschnitte, von denen ich während der über ein Jahrzehnt währenden Arbeit an diesem Buch sehr profitieren konnte. Viele davon werden in den Fußnoten angeführt, aber besonders hervorheben möchte ich hier (in angenähert chronologischer Reihenfolge): • Russell McCormmach 1968/1969, Simon Schaffer 1979 und Jean Eisenstaedt 1996, 2005, 2012 zur Newtonianischen Emissionstheorie • John Heilbron, Alan Needell und Dieter Hoffmann über Max Planck • Hans Kangro 1970 über Experimente zur Strahlungsdichte • Martin Klein 1964 und Thomas S. Kuhn 1978 zu Plancks und Wiens, Einsteins und Ehrenfests schrittweiser Theorieformierung • Samuel Goudsmit 1971, Dirac 1974/1975 und Sin-Itiro Tomonaga 1974/97 als Augenzeugen der Frühgeschichte des Spin und des Spin-Statistik-Theorems • Roger Stuewer 1975 sowie Allan Franklin 2013, 2016 über die Millikan’sche Messung von h, den Compton-Effekt und andere Experimente zum Lichtquantum im Rahmen der alten Quantentheorie • Bruce Wheaton 1983 über frühe Experimente und Theorien zum WelleTeilchen-Dualismus • Silvan Schweber 1994 zur Geschichte der Quantenelektrodynamik • Alexei Kojevnikov 2002 über Theorien und Experimente zu Schwankungen XV

XVI      Danksagungen

• Lisa Bromberg 1991, 2006 sowie Jeff Hecht 2005 zur Geschichte des Lasers sowie zum Umfeld der Quantenoptik insbesondere in den USA • Roger Stuewer 1998, 2014, Steven George Brush 2007, Helge Kragh sowie Allan Franklin 2013, 2016 zur Kritik an der Pseudogeschichtsschreibung einzelner Akteure wie Millikan und Compton, deren weitverbreitete und bis heute vielgelesene Darstellungen ihrer eigenen Rolle in der Geschichte nicht viel mehr als strategische Selbst-Situierungen und „potted history“ waren • Gerhard Simonsohn, Stephen Klassen, Oliver Passon u. a. für kritische Analysen der einschlägigen Schul- und Lehrbuchliteratur • Harry Paul 1985, 1986, Marlan Scully 1997, Raymond Chiao 2008 oder Anton Zeilinger 2005 u. a. über neueste Experimente zur Nichtlokalität und zu verschränkten Photonen • Indiarana da Silva und Olival Freire jr. 2013 über Experimente von Hanbury Brown und Twiss sowie John F. Clauser, und • Kärin Nickelsen 2013, 2016 über Kontroversen zur Quantenausbeute bei der Photosynthese • Ian Hacking 2002, Theodore Arabatzis 2003, 2006 und Aaron Wright 2014 über historische Ontologie • Christian Forstner 2007–2020 und Olival Freire 2015–2022 über „quantum dissidents“ • zahlreiche ausgezeichnete Überblicksartikel in dem von Olival Freire u. a. (2022) herausgegebenen Oxford Handbook of the History of Quantum Interpretations, in dem auch ich einen Beitrag über mentale Modelle von Lichtquanten beizusteuern die Ehre hatte Methodische Anregungen zur Begriffsgeschichte und zur Herausarbeitung mentaler Modelle werden in Kap. 1 und 7 ausführlich besprochen. So hoch die Detailauflösung und mikrohistorische Präzision der vorerwähnten Studien meiner hochgeschätzten Kollegen aus der Wissenschaftsgeschichte bzw. die Sachkenntnis der letzterwähnten Kernphysiker und Quantenoptiker auch sein mag: sie alle erfassen jeweils nur kleine Ausschnitte der hier in ihrem Gesamtverlauf, also auf einer mesoskopischen Zeitskala in den Blick genommenen Abfolge von Experimenten und der damit intrikat verzahnten Begriffs- und Theoriebildungsansätze.16 Keine der vorliegenden physik-, begriffs- und ideenhistorischen Studien hat den langen

16 Weitaus mehr über das Wechselspiel von wiss. Instrumentenbau, Experimentierpraxis und Theoriebildung findet man in Galison (1987) sowie in Hentschel (1998).

Danksagungen     XVII

Atem, eine sich über mehrere Jahrhunderte hinweg verdichtende Entwicklung in den Blick zu nehmen, und dabei zugleich auch noch Fragestellungen der Kognitionswissenschaften aufzunehmen. Genau dies wird hier aber angestrebt. Das einhundertste Jubiläum von Einsteins annus mirabilis 1905 gab mir 2005 Gelegenheit zu ersten Vorträgen über diese Thematik auf der großen Physikertagung in Berlin sowie auf einer internationalen Konferenz über Einstein und Bose in Dhaka, organisiert von der Bangladesh Academy of Sciences; dann auch zu ersten Publikationen über Einsteins Zugang zum Lichtquantum.17 Eine schriftliche Fassung eines öffentlichen Abendvortrages im Rahmen eines Symposiums in Heidelberg Ende Mai 2014 über „Begriffsbildung – Begriffsgeschichte. Entstehung und Entwicklung wissenschaftlicher Konzepte“ erschien in den Berichten zur Wissenschaftsgeschichte 2015. Diese fünf Aufsätze waren allesamt Probebohrungen in das unübersichtliche Bergmassiv des Themas und bilden den Kern der hier vorliegenden Monographie, die nun nicht nur einzelne, sondern ausnahmslos jeden dieser zwölf semantischen Stränge in Kap. 3 wieder aufnimmt, vertieft und in einer Integration von Wissenschaftsgeschichte, Begriffs- und Ideengeschichte mit Fragestellungen aus den Kognititionspsychologie und Linguistik zusammenführt. Die Physiker und Physikhistoriker Dr. Peter Kasten (Göttingen) und Dr. Dr. Bernd Kröger (Tübingen) waren so freundlich, dieses Buches vor seiner Erstpublikation kritisch zu lesen. Für viele nützliche Hinweise und Korrekturen danke ich diesen beiden ehemaligen Hörern meiner Vorlesungen in Göttingen bzw. Stuttgart, ferner den Hörer/innen meiner Vorträge zum Thema (in Dhaka, Bangladesh 2005, und Berlin 2005, Stuttgart 2009, Heidelberg 2014, Dresden 2016, Ulm 2018, Jena 2019, Bonn 2021, München 2021 und Bern 2022). Meinen Studierenden und Kollegen in Göttingen, Bern und Stuttgart danke ich für anregende Diskussionen sowie den anonymen Gutachtern und den Mitarbeiter/innen des Springer-Spektrum Verlages, insonderheit Frau Dr. Lisa Edelhäuser sowie Frau Stella Schmoll (beide Heidelberg) sowie dem Lektor Dr. Matthias Delbrück (Dossenheim), für die engagierte Betreuung dieses Buchprojektes. Bei der zweiten Auflage übernahm das Team um Ramkumar Padmanaban und

17 Siehe Klaus Hentschel (2005), (2005/2007), (2007b), (2009a), (2015); spez. zur Schicht 10 (Ununterscheidbarkeit von Photonen) siehe ferner Hentschel & Waniek (2011).

XVIII      Danksagungen

Caroline Strunz die Umsetzung des Satzes, den ich Springer diesmal direkt in XML-erweitertem LaTeX-code geliefert habe. In die hier vorliegende erweiterte zweite Auflage dieses Buches habe ich auch Anregungen der vielen interessierten Leser und Rezensenten des Buches mit aufgenommen, darunter Alexander S. Blum, Olivier Darrigol, Olival Freire Jr., Lothar Fritsche, Karl-Eberhard Hellwig, Matthias Körber, Oliver Passon und Rajinder Singh. Vielen Dank für das Feedback. Für die Genehmigung zum Abdruck der Abbildungen danke ich der American Physical Society und der Cambridge University Library sowie der Nobel Foundation in Stockholm, Schweden und den Nokia-Bell Labs Archives, den Verlagen AIP Publishing LLC, Cambridge University Press, Princeton University Press, Taylor & Francis in London sowie dem Springer-Verlag, Heidelberg und Springer Nature in London; ferner Prof. Dr. Ferenc Krausz vom Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching bei München sowie den Kollegen Olivier Darrigol (CNRS, Paris) und Rainer Reuter (Oldenburg) von der SEOS Lerneinheit.

Inhaltsverzeichnis

1 Einführung 1 1.1 Methodisches zu dieser Studie 3 1.2 Terminologische Abgrenzung von Begriff, Konzept und mentalem Modell 7 1.3 Konzeptentstehung als schichtweise semantische Anreicherung 9 2

Der Einstieg: Plancks und Einsteins Wege zur Quantisierung 13 2.1 Planck und die Energiequantisierung 1900 15 2.2 Einsteins Gedankenführung bis zum Aufsatz von 1905 22 2.3 Einstein und Planck: Ein Vergleich 27 2.4 Plancks zweite Quantentheorie 1909–13 30 2.5 Die Vielfalt der Begrifflichkeit in statu nascendi 32 2.6 Der langsame Aufstieg des Terminus ‚Photon‘ 35

3

Zwölf Bedeutungsschichten von Lichtquanten 49 3.1 Teilchenmodelle des Lichtes 51 3.2 Ausbreitung mit endlicher, aber sehr hoher Geschwindigkeit sowie Gleichheit der Lichtgeschwindigkeit für alle Farben 57 3.3 Emission und Absorption von Licht durch Materie 61 3.4 Strahlungsdruck von Licht auf Materie 65 3.5 Energietransport durch Licht 68 3.6 Energie-Frequenz-Proportionalität im Photoeffekt 72

XIX

XX      Inhaltsverzeichnis

3.7 3.8

Strenge Energiequantisierung: E = hv 80 Welle-Teilchen-Dualismus: Erste Andeutung und Vertiefungen 82 3.9 Spontane und induzierte Emission: 1916–17 88 3.10 Lichtquanten tragen Eigendrehimpuls (Spin) 95 3.11 Ununterscheidbarkeit der Lichtquanten – der Ursprung der Bose-Einstein-Statistik 102 3.12 Photonen als virtuelle Austauschteilchen der QED 107

4

Verschiedene mentale Modelle früher Akteure (bis 1926) 117 4.1 Newtons Vorstellungen zu „globuli of light“ 117 4.2 Einsteins mentales Modell von Lichtquanten 1909 121 4.3 Einsteins eigene Zweifel am Konzept der Lichtquanten 1910–1915 125 4.4 Johannes Starks mentales Modell von Lichtquanten 128 4.5 J.J. Thomsons mentales Modell harter Röntgenstrahlung 136 4.6 W.H. Braggs Paar-Teilchen-Modell von γ -Strahlung 139 4.7 Energiepakete bei Planck, Debye und Sommerfeld 143 4.8 Edgar Meyer und Walther Gerlach über Verzögerungszeiten 147 4.9 Debye, v. Laue und Schrödinger über Wellenpakete 150 4.10 G. N. Lewis’ mentales Modell von Photonen 1926 154

5

Frühe Rezeption des Konzepts von Lichtquanten 157 5.1 Anfängliche Skepsis 157 5.2 Der Compton-Effekt als Wegscheide 1922/23 159 5.3 Die BKS-Theorie 1924 und Experimente von Bothe & Geiger zu deren Widerlegung 163 5.4 Führungsfelder bei De Broglie, Slater und Born 1924–27 169 5.5 Diracs Quantisierung des Strahlungsfeldes 1927 177 5.6 Semiklassische Theorien 184 5.7 Ernst Blochs Materialismusproblem 1936/37 192

6

Der Reflex dieser Entwicklungen 195 6.1 ... in Lehrbüchern und im naturwissenschaftlichen Unterricht 195 6.2 ... in den Feynman Lectures on Physics 202

7

Alternative Theorien der Begriffsentwicklung 209 7.1 Begriffsgeschichte als Ergebnis denkgeschichtlicher Entwicklung (Fleck) 210 7.2 Metamorphose oder Entfaltung von Begriffen 215

Inhaltsverzeichnis     XXI

7.3 7.4 7.5 7.6 7.7

Arianna Borrellis Materialität von Konzepten 222 ‚Lichtquantum‘ als ‚conceptual blending‘ 227 Historische Ontologie und angewandte Metaphysik 231 Biographie wissenschaftlicher Objekte (Daston und Arabatzis) 236 Mentale Modelle als Erklärungsansatz 242

8

Experimente zur Quantenmechanik des Photons seit 1945 249 8.1 „Photonenklumpen“: Hanbury Brown und Twiss (HBT) 1955–57 250 8.2 Einzelne Photonen und halbdurchlässiger Spiegel: Campbell 1909, Clauser 1973 und Grangier, Aspect & Roger 1986 255 8.3 Ein-Photon-Interferenzexperimente: Von Taylor 1909 bis Grangier, Aspect & Roger 1986 257 8.4 Verschränkte Photonen: Alain Aspect u. a. 1980 ff. 260 8.5 Wheelers delayed choice: Welchen Weg nehmen Photonen? 266 8.6 Photon-Bunching und Hong-Ou-Mandel-Dip 1987 270 8.7 Photonen-Antibunching in der Resonanzfluoreszenz 274 8.8 Photon-Erzeugung und -Vernichtung in einer Kavität 276 8.9 Quantenverschränkung und Quantenteleportation 279 8.10 Hochenergetische Photon-Photon-Streuung 281

9

Wie muss unser heutiges mentales Modell des Photons aussehen? 285 9.1 Welle, Teilchen oder Feld? 286 9.2 Kein naiver Realismus – Instrumentalistische Interpretation 291 9.3 ,Reale‘ vs. ,virtuelle‘ Photonen 294 9.4 Vermeidung unberechtigter Lokalitäts-Zuschreibungen 298 9.5 Abschiednahme von der Individuierbarkeit 301 9.6 Das Photon: „mysterious quantum Cheshire cat“ oder „elusive beast“? 306

10 Zusammenfassung/Abstract 319 Bibliographie 319 Literatur 323 Namens- und Stichwortverzeichnis 381

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1.1 Abb. 2.1

Abb. 2.2 Abb. 2.3 Abb. 2.4 Abb. 3.1 Abb. 3.2 Abb. 3.3

Forschungsstränge auf dem Weg zur Lichtquantenhypothese 10 In Einsteins annus mirabilis 1905 und den Nachfolgejahren 1906–16 seiner damaligen Arbeiten in den Annalen der Physik (hier abgekürzt AdP) erschienene Arbeiten, wiederabgedruckt in den Collected Papers of Albert Einstein (hier abgekürzt CPAE) Nummern nach http://users.physik.fu-berlin.de/ kleinert/papers/ einstein-in-adp-papers.htm 23 Verortung verschiedener historiographischer Deutungen des Beitrags von Max Planck im Jahr 1900 28 Gebrauch des Terminus ‚photon‘ in englischsprachiger Fachliteratur 1926–1980 45 Gebrauch der Termini ‚photon‘ und ‚light quantum‘ in englischsprachiger Fachliteratur 1926–2000 47 Schematischer Aufbau von Fizeaus Mitführungsexperiment 1851 59 Experimentalaufbau von Bennet (1792) zur Messung des Strahlungsdrucks auf eine frei aufgehängte Nadel in einem teilevakuierten Glasgefäß 67 Bartolis Gedankenexperiment 1876 zur Herleitung des Lichtdrucks aus dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik: A und D sind ideal-schwarze Körper im Gleichgewicht mit dem Hohlraum. Die Temperatur von D (Raum CD) sei höher als die von A (Raum AB). Durch geschicktes Verschieben der Membran B von A Richtung D könnte arbeitsfrei Wärme vom kälteren zum wärmeren Körper geführt werden, wenn diesem Verschieben nicht eine Gegenkraft, der Strahlungsdruck, entgegenwirken würde. Der Strahlungsdruck ist also zwingend notwendig, XXIII

XXIV      Abbildungsverzeichnis

Abb. 3.4 Abb. 3.5 Abb. 3.6 Abb. 3.7 Abb. 3.8 Abb. 3.9 Abb. 3.10 Abb. 3.11 Abb. 3.12 Abb. 3.13 Abb. 3.14 Abb. 4.1 Abb. 4.2 Abb. 4.3 Abb. 5.1 Abb. 5.2 Abb. 5.3 Abb. 5.4 Abb. 7.1 Abb. 7.2 Abb. 7.3 Abb. 8.1 Abb. 8.2 Abb. 8.3 Abb. 8.4 Abb. 8.5 Abb. 8.6

damit kein Widerspruch zum zweiten Hauptsatz der Thermodynamik entsteht. Aus Carazza & Kragh (19898) S. 188 mit Genehmigung von Taylor & Francis ©1989 67 Zwei Demonstrationsexperimente mit Crookes’schen Röhren 70 Die Kathodenstrahlröhre von Lenard (1902) 74 Das experimentelle Ergebnis von Millikan (1916) 78 Einsteins Gedankenexperiment von 1909 zu Fluktuationen im submikroskopischen Strahlungsfeld 83 Schematische Darstellung von Absorption sowie von spontaner und induzierter Emission 90 Schematische Darstellung des Laserprinzips 93 Aufteilung von drei Energiequanten auf zwei Resonatoren 104 Kontrast von Boltzmann- und Planck-Statistik 107 Drei Möglichkeiten elementarer Wechselwirkung eines einzelnen Elektrons mit elektromagnetischer Strahlung nach Feynman 110 Coulomb-Wechselwirkung zweier Elektronen vermittels eines virtuellen Photons nach Feynman (1949) 111 Einige Feynman-Diagramme zur Berechnung des magnetischen Moments eines Elektrons bis zur sechsten Ordnung Störungstheorie 113 Newtons „Lichtglobulus“ 1664/65 in Questiones quaedam Philosophiae (1661–1664) 119 Absorption bzw. Emission eines Photons im mentalen Modell von J.J. Thomson 137 Ein Wellenpaket nach Schrödinger 1926 153 Schematischer Aufbau und Messergebnisse von Compton 1922 161 Compton 1925 über „Light Bullets“ 164 Versuchsaufbau zur Koinzidenzmessung von Bothe & Geiger (1924/25) 167 Resonanzfluoreszenz bzw. spontane Emission semiklassisch betrachtet 191 Lichtquanten als Ergebnis einfachen conceptual blendings 229 Zwei hintereinandergeschaltete konzeptuelle Überlagerungen 229 Ein sog. megablend zweier konzeptueller Überlagerungen 230 Stellare Intensitäts-Interferometrie am Sirius 251 Vergleich von Bunching, Zufallsverteilung und Antibunching von Photonen-Zählraten 254 Allmählicher Aufbau des Interferenzmusters aus Einzelpunkten bei sehr niedriger Lichtintensität im Taylor-Experiment (1909) 258 Zur Grundidee des Gedankenexperiments von Einstein, Podolsky & Rosen (1935) in der Spin-Variante 260 Mach-Zehnder-Interferometer 268 Photon-Bunching 271

Abbildungsverzeichnis     XXV

Abb. 8.7

Setup und Koinzidenz-Zählraten von Hong, Ou & Mandel (1987) 272 Abb. 8.8 Vier Möglichkeiten der Reflexion bzw. Transmission zweier Photonen am halbdurchlässigen Spiegel 273 Abb. 8.9 Aufbau, Messergebnisse und Vergleich zur theoretischen Berechnung aus der QED von Dagenais & Mandel (1978) 275 Abb. 8.10 Messanordnung und Ergebnisse von Serge Haroche und Mitarbeitern (2012) 278 Abb. 8.11 Feynman-Diagramme zur Wechselwirkung zweier Photonen über sogenannte Schleifen-Diagramme mit Fermionen 282 Abb. 9.1 Ultrakurzer grüner Laserpuls von einem neodym-gedopten Gaslaser (1966) sowie ein im Juli 2012 von Felix Frank u. a. 2012 am Imperial College in London erzeugter Attosekundenblitz 304

Tabellenverzeichnis

Tab. 2.1 Tab. 2.2 Tab. 3.1 Tab. 5.1

Tab. 6.1 Tab. 6.2

Einsteins eigene Termini zwischen 1905 und 1924 32 Verwendungshäufigkeiten von ‚light quantum‘ bzw. ‚photon‘ 1926–1955 45 Analogien zwischen Newtonianischer Emissionstheorie und Einsteinscher Gravitationstheorie 55 Gegenüberstellung von Anhängern und Gegnern einer diskontinuierlichen Modellierung von Licht u. a. elektromagnetischer Strahlung vor Bekanntwerden der Experimente von Compton 1923 158 Statistische Auswertung von 103 Physik-Lehrbüchern auf korrekte Wiedergabe von sechs historischen Episoden 198 Statistische Auswertung von 38 Physik-Praktikumsanleitungen auf korrekte Wiedergabe von vier historischen Episoden 200

XXVII

1 Einführung

Warum kann es auch für heutige Leser nützlich, ja sogar wichtig sein, sich mit der komplexen Geschichte eines Konzepts wie dem Photon auseinanderzusetzen, statt sich nur auf die Gegenwart und Zukunft zu konzentrieren? Weil heute eben jene dichte Überlagerung all dieser zwölf älteren Bedeutungsschichten vorliegt, die in einem solchen Konzept gleichsam zusammengewachsen sind.1 Für ein tieferes Verständnis dessen, was wir meinen, wenn wir von Lichtquanten reden, ist diese Auseinandersetzung mit deren Geschichte und den sich darin zeigenden kognitiven Hürden, vor denen selbst einige der brillantesten Physiker standen, höchst instruktiv. Einstein jedenfalls kam zeitlebens mit seiner eigenen Begriffsschöpfung nicht völlig zu Rande. 1917 verkündete er: „Den Rest meines Lebens werde ich darüber nachdenken, was Licht ist! “ Und noch 1951 schrieb er an einen lebenslangen Freund und Vertrauten: „Die ganzen 50 Jahre bewusster Grübelei haben mich der Antwort der Frage ‚Was sind Lichtquanten‘ nicht näher gebracht. Heute glaubt zwar jeder Lump, er wisse es, aber er täuscht sich.“ 2 Und auch Willis Lamb, wie Einstein ein für seine einschlägigen Arbeiten zur Quantenoptik mit dem Nobelpreis ausgezeichneter theoretischer Physiker, verkündete noch 1995: „there is no such thing as a photon. Only a comedy of errors and historical accidents led to its popularity among physicists and optical scientists. I admit that the word is short and convenient. Its use is also habit forming.“ 3 Man nehme diese auffälligen und 1 Siehe im Abschn. 1.3 für eine Ausbuchstabierung jener hier nur metaphorisch angedeuteten Modellierung dieses Prozesses, der bei Ivor Grattan Guiness als „convolution“ bezeichnet wurde und von Reinhart Koselleck in geologischen Bildern beschrieben wurde. 2 Einstein in einem Brief an seinen ehemaligen Kollegen im Berner Patentamt Michele Besso, 12. Dez. 1951, in: Speziali (Hg.) 1972, S. 453. 3 Lamb (1995) S. 77; analog Jones (1994); vgl. Sulcs (2003) S. 367 ff. zur „Lamb-Jones opinion“.

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2023 K. Hentschel, Lichtquanten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-66933-4_1

1

2

K. Hentschel

sehr tiefgehenden Schwierigkeiten, mit denen einige der größten Geister der Physikgeschichte kämpften, also nicht leichtfertig oder gar aus purer Gewohnheit auf die leichte Schulter. An diesen profunden Auseinandersetzungen und z. T. geradezu leidenschaftlich geführten intellektuellen Debatten teilzuhaben, zählt einerseits zu den Höhepunkten der Physikgeschichte, andererseits eröffnet es auch tiefe Einblicke in das Funktionieren unseres Begriffsapparats, in die Genese neuer Begriffe und neuer mentaler Modelle.4 Umrahmt von diesen historischen und kognitionspsychologischen Fragestellungen erschließt die vorliegende Monographie an einem aufregenden Beispiel Neuland. Der hier herausgegriffene Fall ist darum so besonders gut geeignet für unser Vorhaben, weil die Phase der Konzept- und Begriffsentstehung hier nicht innerhalb weniger Monate oder Jahre zum Abschluss gekommen ist, sondern sich über viele Jahrzehnte, ja – was einige Schichten betrifft – sogar Jahrhunderte, hingezogen hat, so dass wir komplexe, ansonsten häufig sehr schnell hintereinander ablaufende Phasen hier wie in Zeitlupe auseinandergezogen vorfinden und darum besser als sonst analysieren können. Ich sehe in dieser Hinsicht Parallelen zu älteren ideenhistorischen Monographien wie etwa von Max Jammer (1915– 2010) über das Konzept der Masse und das des Raumes, von Jammer, Werner Kutschmann (*1948) oder Wolfgang Neuser (*1950) zum Kraftbegriff.5 In Bezug auf Teilchen gab es verschiedenste Ansätze zur Erfassung der Geschichte des Konzepts von Atomen und Norwood Russell Hansons (1924– 1967) Pionierstudie zur Geschichte des Positrons.6 Neuere Monographien erfassen in ähnlicher Komplexität als „historische Ontologien“ die Geschichte des Elektrons7 oder des Vakuums.8 Theodore Arabatzis ging 2006 noch einen Schritt weiter, indem er seine Studie als Quasi-Biographie einer wissenschaftlichen Entität bezeichnete – ein Schritt, zu dem ich mich ausdrücklich nicht entschließen konnte, da ich die Biographie-Metapher in Bezug auf unbelebte Objekte für irreführend halte (vgl. dazu mehr in Kap. 10). Während für einige andere Grundbegriffe der modernen Physik wie den der Masse, der Kraft, des Feldes oder auch für speziellere Entitäten wie die des Elektrons ideenhistorisch fundierte Untersuchungen bereits vorliegen, ist dies hier das erste Buch, das die Geschichte des Lichtquants bzw. Photons aus dieser kombinierten historischen

4 Allgemeinere Betrachtungen über mentale Modelle finden sich in Gentner & Stevens (Hg.) 1983 sowie in Seel (1991) sowie hier in Abschn. 7.4. 5 Jammer (1957), Kutschmann (CR1426), Neuser (1995/2017) – zu letzteren hier Abschn. 7.2. 6 Siehe Hanson (1963). 7 Siehe Davis & Isobel Falconer (1997), Dahl (1997); für weitere Perspektiven zum 1896 entdeckten Elektron: Buchwald & Warwick (Hg.) 2001, Arabatzis (2006, 2021). 8 Siehe Grant (1981) für die Zeit vom ausgehenden Mittelalter bis in die Frühe Neuzeit hinein bzw. Wright (2014) zum modernen Konzept des Vakuums 1927–1981.

1 Einführung

3

und kognitiven Perspektive beleuchtet.9 Natürlich sollte man dieses Buch nicht für eine allgemeine Geschichte der Optik insgesamt halten, von denen es auf jedem Niveau bereits sehr viele gibt, auf die hier lediglich verwiesen wird.10 Über die Ontologie von Lichtstrahlen auch in Abgrenzung zu Wärmestrahlen und Strahlen anderer Wellenlängen des elektromagnetischen Spektrums sowie anderer Art (z. B. Teilchenstrahlen wie α- oder β-Strahlung) habe ich selbst 2007 eine umfangreiche Monographie publiziert, die aber 1925 abbricht und insofern einen Großteil der späteren Ansätze zur Deutung quantisierten Lichts gar nicht mehr erfaßt.11

1.1

Methodisches zu dieser Studie

Begriffsgeschichte fragt allgemein nach der historisch wandelbaren Bedeutung bestimmter Termini.12 Wegen den häufigen Ergänzungen und Veränderungen, denen alle natürlichen Sprachen unterworfen sind, bestand in allen Nationalsprachen seit der Ablösung des Lateins als lingua franca seit der frühen Neuzeit hohes Interesse daran. Nachschlagewerke wie Grimms Wörterbuch, dem Oxford English Dictionary u. a. Lexika für die Hauptsprachen sind bis heute ein opportunes Mittel, um sich schnell ein Bild über die Erstverwendung und die Bedeutungsschattierungen aller gebräuchlichen Worte der jeweiligen Idiome zu machen. Daneben erschienen seit 1900 speziellere Nachschlagewerke, die für einzelne Sachgebiete wie insbesondere die Philosophie und die Geschichtswissenschaft zentrale Termini nicht nur sachlich möglichst scharf definierten, sondern gezielt die Etymologie jener Begriffe herausarbeiteten. Pionier dieser Richtung war Rudolf Eislers Wörterbuch der philosophischen Begriffe (1909), gefolgt von dem seit 1955 erscheinenden Archiv für Begriffsgeschichte, das von dem Medizinhistoriker Erich Rothacker gegründet worden war, um die zwischenzeitlich bereits als veraltet empfundene 4. Auflage von Rudolf Eislers Wörterbuch (1927–30) zu ergänzen und Bausteine zu einem his9 Bücher

wie das von Zajonc (1993) bleiben auf einem allzu populären Niveau, während Broschüren wie die von Fred Bortz (2004) in der „Library of subatomic particles“ nur einen enttäuschend kurzen und in dieser Verkürzung eben auch an vielen Stellen geradezu beklagenswert falschen, mit unwahren Mythen durchsetzten Einstieg bieten. Der beste Überblick aus der Feder eines Quantenoptikers ist Paul (1985). 10 Unter den populär gehaltenen Werken finde ich das Buch von Park (1997) über „Fire in the Eye“ am gelungensten, während unter den ambitionierteren Abhandlungen diejenigen von Mach (1921), Weinmann (1980), Darrigol (2012) und Smith (2014) empfehlenswert sind, bei Darrigol mit den in Hentschel (2012/14) formulierten Einschränkungen, während Mach, Smith u. a. Klassiker dieses Feldes nur bis zur frühen Neuzeit bzw. zum 19. Jh. kommen. Eine Quellensammlung bieten Roditschew & Frankfurt (Hg.) 1977. 11 Siehe Hentschel (2007aa) u. dort genannte weiterführende Quellen. 12 Für gute historiographische Überblicke siehe Meier (1971), Richter (1987).

4

K. Hentschel

torischenWörterbuch der Philosophie zu sammeln. Unter Leitung des Historikers Joachim Ritter erschien dieses Historische Wörterbuch der Philosophie dann ab 1971, ebenso ab 1979 Otto Brunners, Werner Conzes und Reinhart Kosellecks Geschichtliche Grundbegriffe: Historisches Wörterbuch zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland. Ab 1980 folgte dann noch die vierbändige Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie von Jürgen Mittelstraß und Mitarbeitern (abgeschlossen 1996). Doch alle diese Nachschlagewerke beschränkten sich auf Begriffe der Geistes- und Gesellschaftswissenschaften und enthalten nur wenige naturwissenschaftliche Grundbegriffe, und diese wenigen wiederum eher unter philologischer, philosophischer bzw. allgemeinhistorischer Perspektive. Eine theoretische Vertiefung der Ansätze von Koselleck, Canguilhem und Blumenberg findet man in einem 2002 erschienenen Sammelband über Begriffsgeschichte, Diskursgeschichte, Metapherngeschichte, die in meinen Augen bislang tiefgehendste Auseinandersetzung mit den allgemeinen Problemen der „historischen Semantik in den historischen Kulturwissenschaften“ und „temporalen Strukturen begriffsgeschichtlichen Wandels“,13 aber ohne jeden Bezug zur Naturwissenschaft. Von Koselleck inspiriert erschienen ferner 2008 und 2009 zwei Sammelbände zur Begriffsgeschichte der Naturwissenschaften, in denen es wiederum eher um die „historische und kulturelle Dimension“ von Begriffen in Wechselwirkung mit dem allgemeinen Diskurs der Zeit sowie um „terminologische Umbrüche im Entstehungsprozess der modernen Wissenschaften“ insbesondere in der von Koselleck sogenannten „Sattelzeit 1750–1850“ geht. Leider lassen die dort versammelten Aufsätze in ihrer Detailschärfe zu wünschen übrig und wollen auch eher als Beiträge zur Theoriediskussion verstanden werden.14 Am ehesten in die Richtung der älteren begriffs- und ideenhistorischen Lexika gehend ist der um physikalische Klärung von Definitionen physikalischer Konzepte bemühte Oxforder Physiker und Physikhistoriker John Roche, der schon seit längerer Zeit an einer Monographie Re-articulating Physics: Refreshing Scientific Naturalism arbeitet, die allerdings noch nicht erschienen ist und von der ich via http://www.academia. edu nur eine Vorfassung herunterladen konnte, in der sich scharfsinnige Bemerkungen zu Grundbegriffen der Mechanik und des Elektromagnetismus finden, aber nichts über quantentheoretische Begriffe. Der vielleicht wichtigste methodologische Einwand gegen jene Form von etymologisch-lexikalischer Begriffsgeschichte ist der der künstlichen Atomisierung einzelner Begriffe, die sprachlich ja stets in einem netzwerkartigen Verbund mit vielen anderen stehen, die man eigentlich gleichzeitig auch definieren sowie in deren Herkunft 13 Siehe

Bödeker (Hg.) (2002) S. 7 ff. und 29 ff.; vgl. ferner das kritische Kompendium zur Begriffsgeschichte von Müller & Schmieder (2016) mit Kurzreferaten von ca. 100 theoretischen Ansätzen. 14 Siehe Müller & Schmieder (Hg.) (2008, 2016) und Eggers & Rothe (Hg.) (2009) S. 8 zur Frage, wie bindend jene Kosellecksche zeitliche Fixierung auf die Sattelzeit ist.

1 Einführung

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und Wandlung abklären müßte, um ein vollständigeres Bild zu bekommen. Der Neuzeithistoriker und Romanist Rolf Reichardt (*1940) versuchte diesem Einwand durch Erweiterung der Einzelwortanalyse auf ganze Wortfelder und Begriffsgefüge zu begegnen, woraus dann eine komplexe sozialhistorische Diskurssemantik resultiert, die uns – umgesetzt auf unsere Fallstudie – wieder viel zu weit weg vom Thema dieses Buches führen würde. Ideengeschichte ist eine interdisziplinäre Bündelung von Philosophie, Literatur- und Kunstgeschichte, der Geschichte der Natur- und Sozialwissenschaften sowie der Religionen und des politischen Denkens.15 Philosophiehistorische Vorgänger waren u. a. Arbeiten des Kulturphilosophen Ernst Cassirer (1874–1945) über das Erkenntnisproblem in der Philosophie und Wissenschaft der neueren Zeit (4 Bände, 1906–1957) und des Philosophiehistorikers Edwin Burtt (1894–1989), der 1924/25 in seinem Klassiker Metaphysical Foundations of Modern Physical Science den theologischen Motiven hinter Newtons Physik nachspürte. Ein weiterer kanonischer Text war Arthur Lovejoys The Great Chain of Being (1936), in dem auch die methodischen Eckpfeiler gesetzt wurden, die das Feld seither bestimmten: 1. Herauspräparieren von sog. ‚unit ideas‘, d. h. von elementaren „types of categories, thoughts concerning particular aspects of common experience, implicit or explicit presuppositions, sacred formulas and catchwords, specific philosophical theorems, or the larger hypotheses, generalizations or methodological assumptions of various sciences.“ (Lovejoy (1936) S. 533) 2. Aufspüren und Verfolgen dieser ‚unit ideas‘und ihrer Konstellationen in allen Wissensbereichen einer Zeit, gekoppelt mit einer Suche nach Querbezügen zwischen Wissenschaft, Philosophie und Religion sowie nach Einflüssen von einem Kulturbereich auf andere, 3. Überschreitung nationaler und sprachlicher Grenzen ebenso wie zeitlicher Perioden durch diachrone Analysen über Jahrhunderte, 4. Fokussierung auf weitverbreitete und einflussreiche Ideen, deren Trägergruppen möglichst breite Teile der „educated class, though it may be a whole generation, or many generations“ waren (Lovejoy (1936) S. 19), 5. Interesse am Entstehen neuer Ideen, ebenso wie an der Ablösung, Fusion und Diffusion von Ideen (Lovejoy (1936) S. 20). Beispiele für solche ‚unit ideas‘ sind die großen Leitideen von Naturgesetzen, von Fortschritt oder von Bürgerrechten, oder eben im Falle von Lovejoy die Idee einer großen Kette der Naturwesen, die für die Stufenleiter-Klassifikationen 15 Über

einschlägige Arbeiten siehe Mandelbaum (1965), Kelley (1990), (1990), Grafton (2006).

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der Naturgeschichte bis tief ins 18. Jahrhundert hinein ausschlaggebend war. Man könnte die Idee von Lichtquanten bzw. Photonen als eine naturwissenschaftliche ‚unit idea‘ im Sinne Lovejoys auffassen. Würde man im Rahmen unserer Fallstudie nach solchen unit-ideas suchen, so kämen wohl allgemeine Teilchen- und Wellenmodelle von Materie und Strahlung in Betracht, beide zu übergreifend unspezifisch, um bei der Ausdifferenzierung der verschiedenen mentalen Modelle unserer Akteure hilfreich zu sein. Mit den Arbeiten von Arthur Oncken Lovejoy (1873–1962) in Baltimore und Alexandre Koyré (1892–1964) in Harvard und Paris sowie dem Erscheinen einer einschlägigen Zeitschrift, dem Journal of the History of Ideas (seit 1940 herausgegeben von Lovejoy zusammen mit Philip Wiener (1905–1992), der ab 1933 auch das erste Lexikon herausgab, den Dictionary of the History of Ideas) formulierte die Ideengeschichte seit den späten 1930er Jahren frei schwebend zwischen und über den herkömmlichen Disziplinengrenzen einen Anspruch auf breite Erfassung geschichtlicher Tendenzen, Motive, Kräfte, Haltungen und Stimmungen.16 Ein schon früh geäusserter Kritikpunkt an dieser Ideengeschichte war der Vorwurf einer Tendenz zur „Gipfelwanderung mit selektiven Höhenkammzitaten“ (Reichardt) – von den herausragendsten Äusserungen des einen großen Denkers zu denen des nachfolgenden, selbst wenn dazwischen im Einzelfall oft viele Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte lagen. Im Kontrast zu dieser Whig-Historiographie großer Geister werden in diesem Buch auch Äusserungen unbekannterer Naturforscher einbezogen, wodurch sich unser Bild nicht nur komplettiert, sondern auch die geistigen Entwicklungsschritte deutlich werden, die von einer zur nachfolgenden Interpretation von Lichtquanten geführt haben. Nur so läßt sich die Genese und Weiterentwicklung komplexer Konzepte in ihrem Wechselspiel mit mentalen Modellen überhaupt verstehen. Neben der Ideengeschichte gibt es seit etwa 1960 auch noch die sogenannte ‚intellectual history‘ als eine Fusion von Ideengeschichte, Sozialgeschichte der Ideen und Kulturgeschichte. Deren Vordenker wie etwa Anthony Grafton beanspruchen eine Erweiterung des Gegenstandes der Ideengeschichte durch Hinzunahme aller textlichen und kulturellen Produkte des menschlichen Denkens. Während die klassische Ideengeschichte immer nur die Spitzen der Eisberge betrachtete, sollten in der intellectual history auch zeitgenössisch schwächer rezipierter Gruppen und Individuen Berücksichtigung finden, ebenso wie die sozialen und intellektuellen Bedingungen des Aufkommens, Verharrens und Verlusts von Ideen.17 16 Über Lovejoy, das JHI und den zeitgenössischen Kontext der frühen Ideengeschichte, der z. B. auch noch Ernst Cassirer zuzurechnen ist, siehe Müller & Schmieder (2016) S. 84–99, 843–851. 17 Siehe erneut Grafton (2006), ferner Greene (1957), Mandelbaum (1965), Kelley (1990), (2002) sowie z. B. Horst (1998) zum Naturbegriff.

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Da Begriffs- und Ideenhistoriker/innen typischerweise aus den Philologien, der Philosophie oder der allgemeinen Geschichtswissenschaft kommen, erklärt sich deren Bevorzugung allgemeiner kultureller Leitbegriffe wie z. B. Frieden, Gerechtigkeit, Einheit oder Polarität, Widerstand bzw. Revolution; im Umkehrschluss bedeutet dies, dass viele naturwissenschaftliche Begriffe bislang keine zufriedenstellende historische Analyse erfahren haben – dies gilt auch für das hier zu analysierende Konzept von Lichtquanten und das gesamte damit verbundene Wortfeld von Begriffen wie ‚Elementarquanten‘, ‚Energieprojektile‘, ‚Lichtkorpuskeln‘, ‚bullets of light‘, ‚Photonen‘ usw. (siehe Abschn. 2.5 für eine Übersicht und Einzelnachweise). Freilich könnte und müsste man das, was hier im Folgenden zur Analyse der allmählichen Herausbildung und des mehrfachen Bedeutungswandels von ‚Lichtquanten‘unternommen wird, auch für viele andere, mit diesem Konzept in mehr oder weniger engem semantischen Zusammenhang stehende Konzepte wie z. B. ‚Partikel‘, ‚Teilchen‘, ‚Masse‘ oder ‚Geschwindigkeit‘ machen, die ähnlich vielgestaltige Wandlungen erfuhren. Bisherige Ansätze in diese Richtung sind meist nur Ideengeschichte oder nur etymologische Begriffsgeschichte,18 während hier eine kombinierte Geschichte von physikalischen Begriffen, Konzepten und mentalen Modellen geschrieben werden soll, die philologische, kognitionspsychologische und wissenschaftshistorische Zugänge miteinander verbindet. Leitmotiv dabei sind hier mentale Modelle – ein methodischer Ansatz, der in Abschn. 7.7 näher diskutiert werden wird.

1.2

Terminologische Abgrenzung von Begriff, Konzept und mentalem Modell

Der Ansatz dieses Buches beinhaltet eine auf den ersten Blick verwirrende Vielfalt: Warum diese Doppelung von ‚Konzept‘ und ‚Begriff‘? Und reichen diese beiden Termini zusammen aus, um unser Feld wirklich zufriedenstellend abzustecken? Daher hier vorab der Versuch einer Klärung und Abgrenzung. Unter ‚Begriff‘ (engl. term) wird im Folgenden eine konkrete, sprachlich fixierte Bezeichnung für einen abgegrenzten Phänomenbereich, Gegenstand oder Prozess verstanden.19 Im Unterschied dazu verstehe ich hier unter ‚Konzept‘ (engl. concept ) eine klar umrissene Vorstellung, die aber sprachlich unter Umständen mit sehr unterschiedlichen Begriffen belegt sein kann. Konzepte sind 18 Siehe Hanson (1963), Jammer (1961/74), (1974) als Klassiker der Ideengeschichte der Physik bzw. Walker & Slack (1970), Caso (1980), Müller & Schmieder (Hg.) 2008 und Kragh (2014a-b) zur Etymologie und Begriffsgeschichte. Für eine detailliertere Übersicht der wichtigsten Ansätze zur Modellierung der Begriffsentwicklung siehe hier Kap. 7. 19 Zur Begriffsgeschichte siehe die im vorigen Unterabschnitt aufgeführte Literatur.

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gelegentlich auch gedanklich verbunden mit Prototypen dessen, was mit diesem Konzept gemeint ist, aber nicht zwingend auch mit Theorien, in die sie eingebettet sind.20 Ein ‚mentales Modell‘ (engl. mental model ) schließlich ist die Repräsentation eines Untersuchungsobjekts, z. B. eines Gegenstandes oder Prozesses im Bewusstsein. Im Unterschied zu Konzepten schließen mentale Modelle auch nähere Vorstellungen über dessen Eigenschaften, Funktionieren bzw. Handhabungsschemata, kausale Verschränkungen und zeitliche Abläufe mit ein.21 Am Beispiel: Der Begriff ‚Dampfmaschine‘ bezeichnet das Konzept einer Maschine, die mit Dampfdruck Arbeit leistet, während ein mentales Modell von ihr ein genaueres geistiges Bild davon entwirft, was im Inneren dieser Maschine vor sich geht, damit sie laufen kann. Den Begriff kennen heute noch praktisch alle, auch ein grobes Konzept jener Dampfmaschine werden die meisten haben, aber ein mentales Modell von ihr nur diejenigen, die sich mit ihnen durch Schulunterricht, technische Ausbildung oder technikhistorisches Interesse näher auseinandergesetzt haben. Umgekehrt hatten die ersten, die wie Heron von Alexandrien, Dennis Papin oder Thomas Newcomen solche Maschinen bauten, noch gar keinen passenden Begriff für ihr Untersuchungsobjekt. Es erweist sich also als nützlich, ja sogar als unabdinglich, diese drei Ebenen voneinander terminologisch sauber zu trennen. Tatsächlich benötigen wir nicht nur für jenes triviales Beispiel jene Trias von Termini; wir brauchen sie auch, um die Genese des komplexen Konzepts ‚Lichtquanten‘ zufriedenstellend in den Griff zu bekommen. Reine Wort- oder Begriffs-Geschichte reicht nicht: wir brauchen das volle Arsenal der historischen Analyse von Begriffen, Ideen und mentalen Modellen im Paket. Ein offensichtlicher Grund dafür ist der, dass die Begriffsentwicklung der wissenschaftlichen Hypothesenbildung hinterherhinkt. Ausgeformte und im Gebrauch stabilisierte wissenschaftliche Begriffe wie z. B. ‚Lichtquant‘ oder ‚Photon‘ tauchen erst in einem relativ späten Stadium der Entwicklung auf; lange vorher zeichnen sich bereits konzeptionelle Arbeit und tastende Versuche der Begriffsfindung sowie der Hypothesen- und Modellbildung ab, die von uns unbedingt mit erfasst werden müssen. Um zu verstehen, was hinter der Oberfläche irgendwann neu erscheinender Begriffe in den Köpfen derer vorgeht, die diese einführen, ist auch ein Rekonstruieren der mentalen Modelle notwendig, die sich mit diesen Begriffen und Konzepten verbinden und sie hervorbringen.22 ‚Konzepte‘ erfahren haben, siehe Margolis & Lawrence (2014) und dort angeführte Lit. 21 Genaueres zur Definition und weiterführende Literaturhinweise hier in Abschn. 7.7. 22 Zur Genese mentaler Modelle siehe Gentner & Stevens (Hg.) 1983, Collins & Gentner (1987) sowie Seel (1991). 20 Über die extrem große Interpretationsvielfalt, die

1 Einführung

1.3

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Konzeptentstehung als schichtweise semantische Anreicherung

Begriffsbildung und Konzeptentstehung sind in meinen Augen komplexe, ‚nicht-lineare‘Anreicherungsprozesse von vielen, nach und nach dazukommenden Bedeutungsschichten, die verschieden weit in die Geschichte zurückgehen und sich auch verschieden lange sowie in sich gelegentlich ebenfalls wandelnder Gewichtung im Gesamtpaket wiederfinden. Alte Schichten, die bis auf die frühe Neuzeit zurückgeführt werden können, stehen neben neuen, quantentheoretischen Schichten, die erst nach 1900 überhaupt formulierbar geworden sind. In dieser „Ungleichzeitigkeit des Gleichzeitigen“ (so ein bonmot von Ernst Bloch) ebenso wie in der Rede von sich überlagernden Zeitschichten hat mein Ansatz zweifellos Ähnlichkeit mit der historisch-semantischen Begriffsgeschichte von Reinhart Koselleck (1923–2006). Aber während der Bielefelder Historiker Parallelen zur Geologie eigentlich nur in einleitenden Passagen anklingen lässt und ausschließlich metaphorisch einsetzt,23 aber seinen Lesern an keiner Stelle Strukturdiagramme der Zusammenführung, Überlagerung und Schichtung verschiedener semantischer Ebenen bietet, versuche ich aus der Metapher eine Analogie zu machen und schematische Graphen jener Überlagerungs- und Verdichtungsprozesse zu zeichnen, aus denen das Muster jener Prozesse klar ablesbar ist. Geschichte ist keine Abfolge von ‚Punktereignissen‘, sondern eher ein Gewebe von Entwicklungslinien: einerseits von Forschungssträngen (vgl. Abb. 1.1), andererseits aber auch von semantischen Schichten, die sich in komplexen Akkretionsprozessen immer weitere Schichten anlagern. Analog zur geologischen Überlagerung werden die alten Schichten dabei gelegentlich bis zur Unkenntlichkeit komprimiert, umgebogen oder gefaltet. In diesen nicht-linearen Prozessen entstehen aus einmal geformten Begriffen, Konzepten und mentalen Modellen immer neue Bedeutungen. Während geologische Metaphern von schichtenweiser Überlagerung bzw. Akkretion zunächst ein streng kumulatives Bild der Wissensentwicklung suggerieren, sei hier die Betonung auf ‚nicht-linear‘gelegt, und zwar in mehrfacher Hinsicht: (i) Der Prozess ist keinesfalls gleichmäßig oder stetig – im Gegenteil gibt es Phasen starker Veränderung und stabile Plateaus. 23 So

etwa in Koselleck (2000) S. 9 sowie in seiner Umschlagsgestaltung seines Hardcover-Einbandes, nicht jedoch im Haupttext, der (typisch für Allgemein-Historiker) eine Bleiwüste ohne jeden Visualisierungsversuch ist. Analoges gilt für Koselleck (2010) und für Brunner, Conze & Koselleck’s Historisches Wörterbuch von 1979.

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Abb. 1.1 Forschungsstränge auf dem Weg zur Lichtquantenhypothese. Dieses Diagramm kann und soll nicht mehr sein als eine schematische und stark vereinfachte Darstellung der komplexen Überlagerung und zunehmenden Verbindung mehrerer vormals unabhängiger Forschungsstränge. Gerade in den Zeiten, in denen dies mehrere Stränge gleichzeitig betrifft wie hier um 1905 und 1925, entstehen nicht-lineare, geradezu ‚turbulente‘Phasen. Auflösung der Abkürzungen: Ke: Kepler, Ne: Newton, Leb: Lebedew, NiHu: Nichols & Hull, Le: Lenard, Th: J.J. Thomson, Pl: Planck, Ei: Einstein, Eh: Ehrenfest, Na: Natanson, Br: Louis de Broglie, He: Heisenberg und Sch: Schrödinger; Qu steht für Quanten. Vom Autor modifiziert aus Hund (1984) S. 20

(ii) Es handelt sich auch um keine bloße Akkumulation, kein kumulatives Wachstum, sondern um einen Prozess komplexer kognitiver Wechselwirkungen alter und neuer Bedeutungs-Schichten, zwischen denen es auch Bedeutungs-Verschiebungen und -Brüche geben kann (wofür wir im Folgenden auch noch ein Beispiel, nämlich die vermeintliche Punktförmigkeit der Lichtquanten, diskutieren werden). (iii) Es kommt dabei auch zu Wiederaufnahmen klassischer, auf Newton selbst bzw. Newtonianer zurückgehende Modellvorstellungen.24 Zutreffender als die geologische Metapher der semantischen Überlagerung ist vielleicht die von Ivor Grattan-Guiness (*1941) geprägte Rede von ‚convolutions‘ (Konvolutionen als Bedeutungsfaltungen), eigentlich als Antwort auf die nicht-enden-wollende Debatte um Evolution vs. Revolution gedacht, aber auch auf die Begriffs- und Konzeptentstehung passend.25 Wie sehr das Begriffsgefüge der klassischen Physik Anfang des 20. Jahrhunderts durch die entstehende Quantentheorie und die sich daran anschliessende Quantenmechanik, die Quantenelektrodynamik und Quantenfeldtheorien in Unord24 So etwa auch in Einstein (1924) im Berliner Tageblatt

über Comptons Experimente 1922/23: „Newtons Korpuskulartheorie des Lichtes wird wieder lebendig“ oder bei Sommerfeld (1919 c) S. 59: „Ein Strahl, in dem Energie und Impuls punktförmig lokalisiert sind, unterscheidet sich sachlich nicht mehr von einem korpuskularen Strahl; wir haben Newtons Korpuskeln wiederbelebt.“ 25 Siehe Grattan-Guiness (1990).

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nung geraten war, zeigt die ironische Rede einflußreicher Akteure von „Termzoologie“ und „Zeeman-Salat“ bzw. von einer vermeintlichen „Balkanisierung der Physik“.26 Wir werden in diesem Buch Schritt für Schritt die verschiedenen semantischen Schichten, die sich im Konzept des ‚Lichtquants‘ bzw. ‚Photons‘ nach und nach überlagern, analysieren und dem faszinierenden historischen Prozess der Entstehung eines komplexen mentalen Modells nachgehen. Dass ein Großteil der in Kap. 3 beschriebenen Begriffsentwicklungen in der aufregenden Periode einer Grundlagenkrise in der Physik stattfand, die durch die Relativitäts- und Quantentheorie, Quantenmechanik und Quantenelektrodynamik markiert wird, ist sicherlich kein Zufall, denn selbstverständlich werden gerade in solchen hochdynamischen Entwicklungsphasen auch neue Begriffe geschaffen.27 Das Auftauchen des neuen Konzepts von Lichtquanten 1905 (in dem Einstein gleich mehrere revolutionäre Arbeiten publizierte, und des Ausdrucks Photon 1926 (im Jahr der Ausformulierung der Quantenmechanik) passen also ausgezeichnet ins historische Muster.

26 So etwa die mathematischen Physiker Arnold Sommerfeld (1868–1951) bzw. Eugene P. Wigner (1902– 1995) – vgl. dazu Zeh (2013) S. 6. 27 Auf diesen musterhaften Zusammenhang weisen beispielsweise Müller & Schmieder (2016) S. 512 ff. hin. Nicht nur unsere Physiker-Akteure, sondern auch die Pioniere der Begriffs- und Ideengeschichte (etwa Mach, Duhem, Cassirer, Bachelard, Fleck und Zilsel) waren in diese Krisendiskussionen eingebunden.

2 Der Einstieg: Plancks und Einsteins Wege zur Quantisierung

Als der junge Max Planck1 (1858–1947), Sprössling einer Kieler Theologenund Gelehrtenfamilie, sich 1874 in München nach einem Studienfach umsah, riet ihm der mathematische Physiker Philipp von Joly (1809–74) von einem Studium der Physik ab, da seiner Meinung nach die theoretische Physik keine weitreichenden Perspektiven mehr biete und die Experimentalphysik nur noch unbedeutende Nachkommastellen von Naturkonstanten messen werde.2 Glücklicherweise hörte Planck nicht auf diesen Rat und nahm an der Münchener Ludwig-Maximilians-Universität ein Studium der Mathematik und Naturwissenschaften auf. 1877 wechselte er nach Berlin an die Friedrich-WilhelmUniversität, um dort bei Gustav Robert Kirchhoff (1824–1887) und Hermann von Helmholtz Vorlesungen in theoretischer Physik zu hören, auf die sich Planck als einer der ersten Physiker, die nicht mehr auch Experimentalphysik betrieben, spezialisierte. Seine Dissertation verfasste Planck 1879 „Über den zweiten Hauptsatz der mechanischen Wärmetheorie“.3 Schon ein Jahr später legte Planck seine Habilitationsschrift über „Gleichgewichtszustände isotroper Körper in verschiedenen Temperaturen“ vor. Auch in den Folgejahren beschäftigte er sich zunächst weiter mit Themen der Thermodynamik, der statistischen Mechanik, wie Ludwig Boltzmann sie in Wien betrieb,4 und 1 Planck

wurde in Kiel geboren, zog dann aber mit seiner Familie 1867 nach München um, wo er zur Schule ging und dann auch zu studieren begann. Zu Plancks vita und Werk siehe z. B. Heilbron (1986), Hentschel & Tobies (Hg.) 1999/2003, Hoffmann (Hg.) 2010. 2 Für Stimmungsbilder in der Physikerschaft um 1900: Badash (1972), Brush (1987) und Sibum (2008); zur Stimmung unter älteren Physikern um 1920: McCormmach (1990). 3 Vgl. Hentschel & Tobies (Hg.) 2. Aufl. 2003, S. 254 ff. für die wohlmeinenden, aber wenig begeisterten Gutachten. 4 Vgl. dazu Badino in Joas et al. (Hg.) 2008, Badino (2009), (2015) Abschn. 3.2 und 4.5 sowie dort genannte weiterführende Literatur. © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2023 K. Hentschel, Lichtquanten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-66933-4_2

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mit anderen Themen der Physikalischen Chemie. Von dem Wiener Pionier der Gastheorie, Ludwig Boltzmann, übernahm Planck mathematische Techniken der statistischen Gasmechanik und das große Interesse an einer physikalischen Deutung des Entropiekonzepts, das Rudolf Clausius (1822–1888) 1865 eingeführt hatte, um ein Maß für die Unordnung eines Systems zu erhalten. Während der erste Hauptsatz der Thermodynamik der Erhaltungssatz der Energie ist, nahm der zweite Hauptsatz der Thermodynamik bei Clausius die einfache Form an, dass die Entropie eines abgeschlossenen Systems einem Maximum zustrebe, also statistisch gesehen stets größer wird und nie von sich aus abnimmt.5 In diesen beiden ausnahmslos geltenden und völlig allgemein formulierbaren Fundamentalsätzen der Thermodynamik sah Planck zeitlebens sein Theorieideal, das er mit seinen Arbeiten aus der Thermodynamik auch in alle anderen Teilgebiete der Physik hineinzutragen versuchte, mit denen er sich beschäftigte. Erste Lehrerfahrungen sammelte Planck ab 1880 als frisch habilitierter Privatdozent in München, dann ab 1885 als Extraordinarius in Kiel, und ab 1889 als Nachfolger seines ehemaligen akademischen Lehrers Gustav Robert Kirchhoff in Berlin. Plancks Argumentationsstil blieb zeitlebens der von Kirchhoff,6 dem ersten Professor für theoretische Physik an der Universität Berlin: in starkem Kontrast zu den in anschaulichen Modellen denkenden britischen Physikern vermieden Kirchhoff und Planck detaillierte Materiemodelle, sondern arbeiteten mit möglichst allgemeinen, modellunabhängigen Annahmen. Plancks Wirkungsquantum h, aber auch Plancks Resonatoren‘ – eben nicht ’ konkrete Atome oder Moleküle, sondern allgemein schwingungsfähige Systeme – sowie sein stark idealisierter Schwarzer Körper‘ , sind alles Beispiele für ’ diesen abstrakt-allgemein bleibenden Stil der Konzeptualisierung, der später auch für Einstein charakteristisch war.7 Als Planck sich 1899 dazu entschloss, neben die Boltzmann-Konstante k noch eine weitere Naturkonstante h mit der Einheit Wirkung zu stellen, begründete er diesen Schritt – seinem allgemeinen Stil treu bleibend – wie folgt: „Mit Zuhülfenahme der beiden Constanten k und h ist die Möglichkeit gegeben, Einheiten für Länge, Masse, Zeit und Temperatur aufzustellen, welche, unabhängig von speciellen Körpern oder Substanzen, ihre Bedeutung für alle Zeiten und alle, auch außerirdische und außermenschliche Culturen notwendig behalten und welche daher als natür’ 5 Zum Theorienkontext

siehe z. B. Brush (1970, 1976) sowie dort diskutierte Primärquellen. Kirchhoffs Stil siehe den Beitrag von Hentschel in Hentschel & Zhu (Hg.) 2016. 7 Diese Abstraktheit wurde Planck gelegentlich auch angekreidet, so z. B. von Niels Bohr in einem Vortrag vor der dänischen Physikalischen Gesellschaft am 20. Dez. 1913: „no one has ever seen a Planck’s resonator, nor indeed even measured its frequency of oscillation; we can observe only the period of oscillation of the radiation which is emitted“ (in Engl. Übers. von 1922, zit. nach Kragh (2014c) S. 16). Eine Visualisierungshilfe (freilich nicht im Planckschen Sinne!) bietet Giuliani (2011) S. 118. 6 Zu

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liche Maßeinheiten‘ bezeichnet werden können.“.8 Der von Planck damals für h angeführte Zahlenwert von 6,88510−27 erg s lag übrigens nur 4 % über dem heutigen Wert.9 Plancks lebenslange Suche nach dem Absoluten, Invarianten, war übrigens auch der Grund für sein frühes Interesse an der Relativitätstheorie Einsteins, die er wegen Invarianz der Lichtgeschwindigkeit c und des Quadrats von Vierervektoren eher als eine Absoluttheorie begriff und nach Kräften förderte.10

2.1

Planck und die Energiequantisierung 1900

Mit Plancks Wechsel nach Berlin ergaben sich ihn sehr bald auch Kontakte zu der in Berlin-Charlottenburg ansässigen Physikalisch-Technischen Reichsanstalt (im Folgenden abgekürzt als PTR), in der Kirchhoff vor seinem plötzlichen Ableben 1887 Gründungsdirektor gewesen war. Diese PTR hatte zum einen praxisorientierte Aufgaben im Bereich des Mess- und Eichwesens zu erfüllen, zum anderen war es aber auch eine der größten und bestausgestattetsten Forschungsinstitutionen für Präzisionsexperimente in allen Teilgebieten der Physik.11 Dazu zählten insbesondere auch hochgenaue Messungen der Temperatur sowie der Intensität von Wärmestrahlung und der von Lampen verschiedenen Typs abgestrahlten Lichtintensität. Auf der praktischen Seite interessierten sich die Hersteller und Nutzer von konkurrierenden Gas- und Elektro-Lampen dafür, wie viel der diesen Lampen zugeführten chemischen oder elektrischen Energie jeweils in sichtbares Licht überführt wurde und wie diese Energie im emittierten Gesamtspektrum verteilt war bzw. wie viel dieser Energie als Wärmeabstrahlung in Bereichen, die dem menschlichen Auge unzugänglich sind, verpufften. Andererseits berührten diese anwendungsorientierten Kontexte auch theoretische Fragestellungen, die durch Kirchhoffs Schüler und Nachfolger in Berlin bearbeitet wurden. Gustav Robert Kirchhoff hatte sich seit 1860 in sehr allgemeiner Form mit Lichtausstrahlung und Reabsorption durch Materie befasst und zeigen können, dass die Emissions- und Absorp8 Planck (1897/99) Teil V, S. 479–480, vorgetragen in der Sitzung der Preußischen Akademie der Wissen-

schaften vom 18. Mai 1899. in früheren Arbeiten trägt das spätere Wirkungsquantum noch die Bezeichnung b, ab 1900 dann h, numerisch angesetzt zu 6,5510−27 erg s – ich habe die Nomenklatur hier der besseren Lesbarkeit halber durchgehend vereinheitlicht zu h. 10 Letztlich geht es auch auf Planck und seinen Schüler Max von Laue zurück, dass Einstein ab 1914 in Berlin eine äußerst komfortable Position als Direktor eines eigens für ihn gegründeten und bis 1937 nur auf dem Papier bestehenden Kaiser-Wilhelm-Instituts für Physik ernannt wurde. Siehe dazu Kirsten & Treder (Hg.) 1979. 11 Zur Geschichte der PTR und dort angestellter Messungen siehe Cahan (1989), Kangro (1970) u. Hoffmann in Büttner et al. (2000) sowie dort jew. genannte Primärlit. 9 Achtung:

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tionskoeffizienten E und A stets gleich groß sind, was z. B. erklärte, dass jedes leuchtende Gas, das bestimmte Spektrallinien aussendet, auch eintreffende Strahlung genau dieser Wellenlänge zu absorbieren vermag. Darum stimmte die Lage der hellen Emissionslinien und der dunklen Fraunhofer-Linien so genau überein, und nur deshalb konnte man aus der Lage der letzteren im Sonnenspektrum auf das Vorhandensein all der Elemente in der Sonnenatmosphäre schliessen, die sich in terrestrischen Spektren an genau gleicher Stelle als helle Linien fanden.12 Etwaige Material- oder Formabhängigkeiten schloss Kirchhoff mit einer weiteren für seinen Stil so typischen Idealisierung aus: er beschränkte seine Betrachtungen auf ideale schwarze Körper‘ die er wie folgt ’ beschrieb: Wenn ein [Hohl]Raum von Körpern gleicher Temperatur umschlossen ist, und durch diese Körper keine Strahlen hindurchdringen können, so ist ein jedes Strahlenbündel im Innern des Raumes seiner Qualität und Intensität nach gerade so beschaffen, als ob es von einem vollkommen schwarzen Körper derselben Temperatur herkäme, ist also unabhängig von der Beschaffenheit und Gestalt der Körper und nur durch Temperatur bedingt. Die Richtigkeit dieser Behauptung sieht man ein, wenn man erwägt, dass ein Strahlenbündel, welches dieselbe Gestalt und die entgegengesetzte Richtung, als das gewählte hat, bei den unendlich vielen Reflexionen, die es nach einander in den gedachten Körpern erleidet, vollständig absorbirt wird. In dem Innern eines undurchsichtigen, glühenden Körpers von gewisser Temperatur findet hiernach auch immer dieselbe Helligkeit statt, welches auch im Uebrigen die Beschaffenheit desselben seyn möge.13

Mit dieser Idealisierung verband sich zum einen die Garantie der Materialunabhängigkeit der Strahlungsenergiedichte ρ(ν, T ), zum anderen aber auch die Möglichkeit, den Temperaturbegriff nun auch von den Wänden dieses Hohlraums auf die Strahlung in dessen Umfeld zu übertragen, da ja thermisches Gleichgewicht zwischen Materie und Strahlung betrachtet wurde. Es wurde sinnvoll, von der Temperatur bzw. der Entropie von Strahlung zu reden. Mit dieser nunmehr per constructionem garantierten Materialunabhängigkeit und der aus dem Kirchhoff ’schen Satz folgenden Gleichheit des Emissionsvermögens E und des Absorptionsvermögens A an jeder Stelle des Spektrums war aber noch nichts darüber ausgesagt, wie die funktionale Abhängigkeit der Strahlungsenergiedichte ρ(ν, T ) von der Temperatur T des leuchtenden Körpers und der Frequenz ν war. Die Bestimmung dieser funktionalen Abhängigkeiten 12 Über diese Grundlagen derTheorie und Praxis der Spektroskopie siehe Kirchhoff (1860) sowie Hentschel

(2002) und dort zit. weitere Primärquellen. Über kleinste Abweichungen in der Lage dieser Spektrallinien, die durch Relativbewegung von Lichtquelle oder Empfänger sowie durch die Gravitationsrotverschiebung herrühren, siehe Hentschel (1998) u. dort genannte Primärliteratur. 13 Kirchhoff (1860) S. 300, Orthogr. orig.

2 Der Einstieg: Plancks und Einsteins Wege zur Quantisierung

17

im thermodynamischen Gleichgewicht erklärte Kirchhoff zu einem vordringlichen Ziel der theoretischen Physik. Experimentell wurden solche schwarzen ’ Körper‘ kurz vor 1900 an der PTR in guter Annäherung an das thermodynamische Ideal perfekter Absorptionseigenschaften durch an den Innenwänden mit Platinstaub beschichtete Hohlkörper realisiert.14 Auch Kirchhoffs Nachfolger Planck nahm sich dieser Fragestellung an, als ihn in Berlin Experimentalphysiker an der PTR damit konfrontierten. Über die Gesamtmenge der von einem leuchtenden Körper der Temperatur T abgegebenen Strahlungsmenge hatte Josef Stefan (1835–93) in Wien bereits 1879 zeigen können, dass diese mit der vierten Potenz von T ansteigt – man muss also einen Eisenbarren relativ stark erwärmen, bevor er erst langsam und fast nur im tiefroten Spektralbereich zu glühen anfängt, während ein hocherhitzter Eisenbarren dann weiß glüht, d. h. ein zu höheren Frequenzen verschobenes und insgesamt viel intensiveres Energiespektrum abgibt. Plancks Kollege Wilhelm Wien (1864–1928) hatte 1893/94 aus elektrodynamischen und thermodynamischen Prämissen heraus das nach ihm benannte Verschiebungsgesetz abgeleitet, demzufolge die spektrale Energiedichte ρ(ν, T ) in guter Näherung zur dritten Potenz der Frequenz ν proportional ist und im Übrigen nur noch von einer dimensionslosen Funktion f (ν, T ) abhängen könne: ρ(ν, T ) = αν 3 f (ν/T ). Das von Kirchhoff bereits eine Generation früher formulierte Problem hatte sich nun also auf die Frage reduziert, welche Form diese dimensionslose Funktion f (ν, T ) für die idealisierten schwarzen Körper‘ im Strahlungsgleichge’ wicht hat. Einstein charakterisierte die Situation im historischen Rückblick in seiner spöttisch-ironischen Art: Es wäre erhebend, wenn wir die Gehirnsubstanz auf eine Waage legen könnten, die von den theoretischen Physikern auf dem Altar dieser universellen Funktion f hingeopfert wurde; und es ist diesen grausamen Opfers kein Ende abzusehen! Noch mehr: auch die klassische Mechanik fiel ihr zum Opfer, und es ist nicht abzusehen, ob Maxwells Gleichungen der Elektrodynamik die Krisis überdauern werden, welche diese Funktion f mit sich gebracht hat.15

14 Siehe

Lummer & Pringsheim (1897), (1899), (1900) sowie Kangro (1970) S. 149 ff., Hoffmann & Lemmerich (2000) und Hoffmann in Büttner et al. (2000). 15 Einstein (1913) S. 1078 bzw. CPAE 4: 562.

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Wilhelm Wien, der damals Ko-Herausgeber der Annalen der Physik war, hatte schon 1896 als einer der ersten einen konkreten Vorschlag dafür gemacht, welche Form diese Funktion f (ν, T ) haben könnte:16 ρ(ν, T ) = αν 3 ebν/T . Einige Jahre glaubte Planck an die Richtigkeit dieser Wienschen Formel und versuchte selbst mehrfach, diese Formel aus elektrodynamischen und thermodynamischen Fundamentalsätzen abzuleiten, aber es gelang ihm nicht.17 1900 erfuhr Planck von Berliner Experimentatoren, dass diese Formel nur für große ν in guter bis sehr guter Übereinstimmung mit deren Experimenten war, während sie für kleine ν offenkundig völlig versagte. Am niederenergetischen Ende des Spektrums, also an dessem roten Ende und umso mehr im infraroten Spektralbereich, gab es hingegen eine andere Formel, die dort ausgezeichnet passte und von Lord Rayleigh und William Jeans in England aus Maxwells Elektrodynamik und der statistischen Mechanik abgeleitet worden war:18 ρ(ν, T ) =

8πν 2 kB T. c3

Als Planck am 7. Oktober 1900 durch einen Privatbesuch von Heinrich Rubens bei ihm zuhause in Berlin-Grunewald von diesem Konflikt zweier Fitformeln hörte, die nur für jeweils einen Randbereich der spektralen Energiedichte gut passten, überlegte er sich binnen weniger Stunden eine Interpolationsformel, die für niedrige Frequenzen ν in den Rayleigh-Jeans-Limes, für hohe ν in den Wienschen Limes überging und im Mittelbereich zwischen diesen nahtlos interpolierte:19 ρ(ν, T ) =

hν 8πν 2 . 3 hν/k BT − 1 c e

In dieser Formel ist kB die Boltzmann-Konstante der statistischen Mechanik und h das von Planck 1899 bereits in die Diskussion eingeführte und später nach ihm benannte Plancksche Wirkungsquantum. Weitere Präzisionsmessungen an der PTR, und zwar von Rubens und Kurlbaum im langwelligen sowie 16 Siehe

Wien (1896). Wiens b entspricht h/k in heutiger Nomenklatur. diese Arbeiten von Planck 1897–99 siehe Kangro (1970) S. 93 ff., Kuhn (1978) S. 114 ff. sowie Gearhart in Hoffmann (Hg.) 2010 und dort jeweils zit. Primärtexte. 18 Siehe Kangro (1970) S. 189 ff., Kuhn (1978) S. 144 ff., Giulini (2011) sowie Chiao & Garrison (2008) S. 5–8. 19 Siehe Planck (1900a), (1943) sowie Kangro (1970) zum Vergleich mit damaligen Experimenten. 17 Über

2 Der Einstieg: Plancks und Einsteins Wege zur Quantisierung

19

von Lummer und Pringsheim im kurzwelligen Bereich zeigten, dass diese Interpolationsformel sich empirisch überraschend gut bewährte.20 Nach all dem, was wir über Planck und seine Theorieideale bereits gehört haben, ist klar, dass sich Planck mit dieser Situation so nicht zufrieden geben konnte. Theoretische Physik musste in seinen Augen mehr leisten als die blosse Zurverfügungstellung empirisch brauchbarer und glücklich geratener Fitformeln. Daher suchte Planck intensiv nach einer Möglichkeit, diese Formel aus allgemeineren Überlegungen auf eine befriedigende und schlüssige Weise abzuleiten. Im Dezember 1900 gelang ihm das schließlich,21 allerdings mit einem hohen Preis: Er benutzt die von ihm und seinem Assistenten Zermelo heftig kritisierte statistische Methode von Boltzmann zur Berechnung von Entropie S aus der Zahl makroskopisch ununterscheidbarer mikroskopischer Komple’ xionen‘ K, d. h. von Verteilungen der insgesamt verfügbaren Energie auf die einzelnen Resonatoren. Derjenige Makrozustand ist am wahrscheinlichsten, dem am meisten (makroskopisch ununterscheidbare) Komplexionen K als Mikrozustände entsprechen. Um diese Methode anwenden zu können, musste er die Energie – eine in der klassischen Physik stets kontinuierliche Größe – in endliche Energiepakete aufteilen, um mit diesen in Boltzmann’scher Manier Kombinatorik treiben zu können. Anders als Boltzmann 1877 konnte Planck aber die Größe dieser Energiepakete  am Ende seiner Rechnung nicht mehr gegen null gehen lassen. Damit blieb diese Energie also in endliche Pakete zerlegt und in diesem Sinne quantisiert‘ . Wie groß die Notlage gewesen sein ’ muss, in der Planck sich befand, um diesen formalen Schritt der Energiequantisierung zu gehen, zeigt die folgende Quelle aus dem Jahr 1931 aus Plancks eigener Feder in einem Brief an den amerikanischen Experimentalphysiker Robert Williams Wood (1868–1958): Kurz zusammengefasst kann ich die ganze Tat als einen Akt der Verzweiflung bezeichnen. Denn von Natur bin ich friedlich und bedenklichen Abenteuern abgeneigt. Aber ich hatte mich nun schon seit 6 Jahren (von 1894 an) mit dem Problem des Gleichgewichts zwischen Strahlung und Materie herumgeschlagen, ohne einen Erfolg zu erzielen; ich wußte, daß dies Problem von fundamentaler Bedeutung für die Physik ist, ich kannte die Formel, welche die Energieverteilung im normalen Spektrum wiedergibt; eine theoretische Deutung musste daher um jeden Preis gefunden werden, und wäre er noch so hoch. Die klassische Physik reichte nicht aus, das war mir klar. Denn nach ihr muß die Energie im Lauf 20 Zu den experimentellen Arbeiten über Schwarzkörperstrahlung um 1900 siehe Lummer & Pringsheim (1897–1900), Kurlbaum & Lummer (1898), (1901), Rubens (1896), (1917), Rubens & Kurlbaum (1900), (1901); ferner Kangro (1970), (1970/71) und die dort genannte Primärliteratur. 21 Zum folgenden: Planck (1900b) sowie z. B. Kuhn (1978), Badino (2009), (2015) Kap. 4, Darrigol (1992), Gearhart (2002) und Duncan (2012) S. 8–14 zur Ableitung dieser Formel über die Strahlungsentropie und ihre Ableitungen nach der Temperatur.

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der Zeit aus der Materie vollständig in die Strahlung übergehen. Damit sie das nicht tut, braucht man eine neue Constante [das Planck’sche Wirkungsquantum h], welche dafür sorgt, daß die Energie nicht auseinanderfällt. […] so findet man, daß das Abwandern der Energie in die Strahlung durch die Annahme verhindert werden kann, daß die Energie von vorneherein gezwungen ist, in gewissen Quanten beieinander zu bleiben. Das war eine rein formale Annahme, und ich dachte mir eigentlich nicht viel dabei, sondern eben nur das, daß ich unter allen Umständen, koste es, was es wolle, ein positives Resultat herbeiführen müßte.22

Der große Zeitabstand zwischen dieser retrospektiven Aussage und den Entwicklungen um 1900 wirft hier zunächst die quellenkritische Frage nach der Zuverlässigkeit dieser Aussage auf, aber ich denke, dass Erinnerungen an eine derartige ihn offenbar geistig quälende Zwangssituation nicht verblassen und weise dieser Aussage daher hohe Plausibilität zu, zumal sie mit dem, was wir über Plancks Gedankenwelt und Persönlichkeit sonst noch wissen, auch ausgezeichnet zusammenpasst. Warum sollte der stets so nüchtern argumentierende und schreibende Planck im historischen Rückblick eine Situation hier so aufbauschen, wenn sie ihm damals nicht in der Tat so dramatisch erschien. So etwas vergisst sich auch nicht. In einem späteren Vortrag hat Einstein das Planck’sche Vorgehen, mit dem Planck „den Physikern einen großen Floh ins Ohr gesetzt [habe], der zwar anfangs nur klein war, so daß viele von ihm keine Notiz nahmen“, so charakterisiert: Planck fand, daß man, um das Problem der Strahlung zu lösen, eine neue physikalische Größe einführen müßte, um zu einer vernünftigen Formel für die Strahlung zu kommen: es ist dies die berühmte Größe h. Diese Rechnungsgröße hat aber in der Natur eine sehr reale Bedeutung, in dem Sinne, daß Strahlung nur in Quanten von der Größe hν entsteht oder verschwindet. Wenn nun eine Glocke anschlägt, so ertönt sie stark, wenn man stark anschlägt, und schwächer, je schwächer man anschlägt; sie nimmt eine größere oder kleinere Energiemenge auf. Bei den Strahlungsvorgängen ist dies nicht in dem gleichen Maße der Fall, sondern man kann einem leuchtenden Gebilde nicht beliebig wenig Energie zuführen, niemals unterhalb eines Quants und immer nur ganze Vielfache dieses Quants werden von einem leuchtfähigen Gebilde aufgenommen. oder wieder abgegeben.23

Plancks Herleitung 1900 war innerlich zwiespältig, ja schizophren: Im Ansatz für die Energiedichte ρ des Feldes als Funktion der Frequenz benutzte 22 Planck an Robert Williams Wood, 7. Okt. 1931, zit. nach Hermann (1969/71a) S. 31 bzw. (1969/71b) S. 23. 23 Einstein (1927) S. 546.

2 Der Einstieg: Plancks und Einsteins Wege zur Quantisierung

21

er eine aus der klassischen Elektrodynamik folgende Formel: u ν = 8πν 2 /c3 , d. h., die Schwingungsmoden des Strahlungsfeldes wurden als streng kontinuierlich vorausgesetzt. Bei der kombinatorischen Berechnung der Anzahl K der Komplexionen‘ , also der Mikrozustände, die einem gegebenen Makro’ zustand fester Energie und Temperatur entsprechen, setzte er dem Vorbild von Boltzmann (1877) folgend K = (N + P − v)!/N !P! Die Energieaufnahme und -abgabe durch die Resonatoren wurde in diesem Schritt also als diskontinuierlich vorausgesetzt. Um die Zahl dieser Komplexionen überhaupt kombinatorisch berechnen zu können, war die Endlichkeit der auf die Resonatoren zu verteilenden Energieportionen zwingend notwendig, aber es blieb laut Planck eine „nur formale Annahme“, auch wenn der spätere Grenzübergang h → 0 anders als bei Boltzmann 1877 nicht mehr möglich war. Wie wenig konsequent Planck in seinem Denken und in seinen Formulierungen über diese Quantisierung war, zeigt sich nicht zuletzt in der folgenden Bemerkung von ihm über die Aufteilung der Gesamtenergie E in kleinste Energiepakete  im Aufsatz vom Dezember 1900, in der Darrigol u. a. das i-Tüpfelchen ihres Beweises dafür sehen, dass Planck 1900 nicht bereits die Quantentheorie entdeckt hatte: „Durch Division von E durch  erhalten wir die Anzahl P der Energieelemente, welche unter die N Resonatoren zu verteilen sind. Wenn der so berechnete Quotient keine ganze Zahl ist, so nehme man für P eine in der Nähe gelegene ganze Zahl.“ 24 Dieser Satz wird im überarbeiteten Abdruck von Plancks Aufsatz in den Annalen der Physik im Januar 1901 gestrichen! Hatten deren Herausgeber Planck und Wien bereits die Inkonsistenz zur Forderung strenger Quantisierung entdeckt? Wir wissen es nicht. Während Kritiker der Standard-Historiographie wie Kuhn oder Darrigol davon auszugehen scheinen, dass die Entwicklung einer so radikal neuen Theorie von einem auf den anderen Tag vor sich geht, sehe ich die Genese der Quantentheorie eher als einen stufenweisen Prozess an, und Planck war Ende 1900 eben erst dabei, eine dieser hohen Stufen zu erklimmen. Dass vollständige Klarheit über einen so radikalen Schritt wie den der Quantisierung erst im Nachhinein, im Abstand von mehr als fünf bis zehn Jahren vorliegt, ist nicht wirklich überraschend. In einem späteren Vortrag hat Einstein es vor Mitgliedern der mathematisch-physikalischen Arbeitsgemeinschaft an der Universität Berlin wie folgt auf den Punkt gebracht: „Vor 27 Jahren hat dann Planck durch seine Theorie der Strahlung, […], den Physikern einen großen Floh ins Ohr gesetzt, der zwar anfangs nur klein war, so daß viele von ihm keine Notiz nahmen.“ 25 Was Einstein hier wieder geschickt verschweigt, ist, dass auch Planck selbst 24 Planck

(1900b) S. 240.

25 Einstein (1927) S. 546 (Referat eines Vortrags von Einstein), aber diese Passage ist am Auslassungszeichen

ausdrücklich markiert mit „wie Einstein sich ausdrückt“, somit ein fast wörtliches Zitat.

22

K. Hentschel

die Konsequenzen seiner eigenen Annahme anfangs nicht voll überblickt hatte und geradezu vor sich selbst erschrak, nachdem er es tat.26

2.2

Einsteins Gedankenführung bis zum Aufsatz von 1905

Wie wir im Vorigen gesehen hatten, war die Quantenhypothese Plancks „gewissermaßen eine Frühgeburt. Wesentliche Eigenschaften der Natur, mit denen die Größe h verknüpft werden konnte, waren noch wenig erforscht oder wenig geordnet. Während Plancks Strahlungsformel als empirisch gültig rasch akzeptiert wurde, ging man auf seine Theorie zunächst nicht ein.“ 27 Der erste, der sich nicht nur mit Plancks Interpolationsformel, sondern auch mit Plancks Ableitung vom Dezember 1900 und den dahinter stehenden theoretischen Annahmen näher auseinandersetzte, war Albert Einstein (1879–1955), zu diesem Zeitpunkt ein noch unbekannter Prüfbeamter am Berner Patentamt.28 Einstein hatte zwar nie bei Kirchhoff, Planck, Clausius oder Boltzmann studiert, aber die Schriften und Aufsätze dieser vier Theoretiker genauestens gelesen und im Kontext der Akademie Olympia‘ mit Studienfreunden auch intensiv dis’ kutiert.29 Von seiner intensiven Auseinandersetzung mit der Thermodynamik und statistischen Mechanik zeugen auch seine ersten Aufsätze, die der gerade erst angestellte Patentexperte dritter Klasse den Annalen der Physik einreichte, die damals von Max Planck und Wilhelm Wien herausgegeben wurden, die auch die Gutachter dieser Aufsätze von Einstein gewesen sein dürften.30 Nach diesen Erstlingswerken erschienen dann im Jahr 1905, das zu Einsteins annus mirabilis werden sollte, sowie im Nachfolgejahr zwölf Arbeiten, die den Lauf der Physik entscheidend ändern sollten. Gleich die erste davon war der „die Erzeugung und Verwandlung des Lichtes betreffende“ Paukenschlag, mit dem wir uns hier gleich noch näher beschäftigen werden, aber auch die anderen Aufsätze waren hochbedeutsam – zudem standen sie nicht nur aufgrund der zeitlichen Nähe ihrer Publikation, sondern auch inhaltlich miteinander in Verbindung (vgl. Abb. 2.1). 26 Siehe dazu erneut den oben zitierten Brief von Planck an Robert W. Wood (zit. u. a. bei Hermann (1969/71a) S. 31). 27 Hund (1984) S. 29. 28 Zu Einsteins Werk und vita siehe z. B. Schilpp (Hg.) 1959, Pais (1982), Kirsten & Treder (1979), Home & Whitaker (2007), Janssen & Lehner (Hg.) 2014 u. dort zit. weiterführende Lit. 29 Siehe Solovine (1956), Speziali (1972), Pyenson (1985) und Howard & Stachel (Hrsg.) 2000 für das intellektuelle Umfeld des jungen Einstein sowie Norton (2016) zu seinen Heuristiken. 30 Diese Gutachten sind leider nicht erhalten, aber alle Aufsätze Einsteins aus dieser Zeit liegen mittlerweile mehrfach kommentiert und annotiert vor: Siehe die Collected Papers of Albert Einstein, im Folgenden abgekürzt CPAE, inzwischen 20 Bände.

2 Der Einstieg: Plancks und Einsteins Wege zur Quantisierung

23

Abb. 2.1 In Einsteins annus mirabilis 1905 und den Nachfolgejahren 1906–16 seiner damaligen Arbeiten in den Annalen der Physik (hier abgekürzt AdP) erschienene Arbeiten, wiederabgedruckt in den Collected Papers of Albert Einstein (hier abgekürzt CPAE) Nummern nach http://users.physik.fu-berlin.de/~kleinert/papers/einstein-in-adp-papers.htm

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Was genau war das „sehr Revolutionäre“ seiner Abhandlung vom März 1905? Vordergründig: die Einführung von Lichtquanten. Die Quantisierung wurde ausdrücklich nicht (wie bei Planck) beschränkt auf die Resonatoren oder die Wechselwirkung zwischen Materie und Feld, sondern auch für die Energie des elektromagnetischen Feldes selbst gefordert: „bei Ausbreitung eines von einem Punkte ausgehenden Lichtstrahls [ist] die Energie nicht kontinuierlich auf größer und größer werdende Räume verteilt, sondern es besteht dieselbe aus einer endlichen Zahl von in Raumpunkten lokalisierten Energiequanten, welche sich bewegen, ohne sich zu teilen und nur als Ganzes absorbiert und erzeugt werden können.“ 31 Warum war dieser Gedanke so revolutionär‘ , obwohl die Idee einer Teil’ chenartigkeit des Lichts sehr viel älter war (vgl. Abschn. 3.1)? Das Neue war die Quantisierung der Energie dieser Teilchen: diese war mit der klassischen Kontinuumsmechanik und der Elektrodynamik Maxwells schlechthin unvereinbar. Einstein hatte erkannt, dass „nicht nur die Molekularmechanik, sondern auch die Maxwell-Lorentz’sche Elektrodynamik mit der Strahlungsformel nicht in Einklang gebracht werden kann.“ 32 Selbstredend war sein Gegenüber von dieser These alles andere als überzeugt (vgl. Abschn. 4.3 für Lorentz’ eigenes mentales Modell). Einstein wusste, dass sein Vorschlag gewagt war und er Vorsicht walten lassen musste. Daher das konjunktivische an seiner Formulierung vom März 1905. Er sagte keineswegs: Es gibt Lichtquanten der Energie E = h · ν, sondern formuliert viel tentativer, es läge nahe, monochromatische Strahlung der Frequenz ν im Wien-Limes so aufzufassen, als ob sie aus voneinander unabhängigen Energiequanten bestünde. Die Wechselwirkung Materie–Feld bestünde dann konsequentermaßen in der Emission und Absorption solcher quantisierter Energiepakete: ein Gedanke, der sich 1913 in Bohrs Atommodell wiederfindet. Ein anschauliches Modell, so wie später bei Bohr, wird für diese Annahme bei Einstein 1905 jedoch nicht gegeben. Aber wie argumentierte Einstein denn nun 1905 für die Existenz, oder wenigstens die Plausibilität der Annahme solcher Lichtenergiequanten? Mit einer der für Einstein so typischen zweispurigen Ableitungen (vgl. Kasten 1), in denen er ein und das gleiche System zunächst mit zwei verschiedenen theoretischen Instrumentarien analysiert, so weit er kommt, und dann in einem zweiten Schritt die Gleichheit der auf beiden Wegen ermittelten Ausdrücke für 31 So Einsteins Definition der Lichtquanten 1905, S. 133; vgl. z. B. Pais (1982) S. 373 oder Fölsing (1993),

für den dieser Satz Einsteins sogar der „revolutionärste“ in der gesamten Physik des 20. Jahrhunderts ist. Siehe ferner Rigden (2005) S. 18 für fünf allg. Kriterien, die einen naturwissenschaftlichen Aufsatz revo’ lutionär‘ werden lassen: (i) allumfassend („a big idea“), (ii) provokativ bzw. gegenwärtigen Auffassungen widersprechend, (iii) zunächst fast einmütig abgelehnt, (iv) dann zögerlich akzeptiert, und (v) zuletzt breit akzeptiert. 32 So Einstein vier Jahre später an H.A. Lorentz, 30. März 1909, CPAE 5, Nr. 146, S. 166.

2 Der Einstieg: Plancks und Einsteins Wege zur Quantisierung

25

die gleichen physikalischen Größen fordert, die vorliegen muss, wenn beide miteinander konsistent sein sollen. Gegeben seien n dieser Lichtquanten oder allgemeiner teilchenartig lokalisierten Systeme in einem Volumen V 0 . Dann lässt sich fragen, wie wahrscheinlich es ist, dass alle diese n punktförmigen Systeme nicht nur im Ausgangsvolumen V 0 , sondern auch in einem kleineren Teilvolumen V liegen. Je kleiner V gegenüber V 0 ist, desto unwahrscheinlicher wird dies sein. Antworten auf diese Frage lassen sich einerseits aus der allgemeinen Wahrscheinlichkeitstheorie (im Kasten 1 links) und andererseits aus der Wien-Planckschen Strahlungstheorie (Kasten 1 rechts) berechnen. Da beide miteinander kompatibel sein sollen, müssen diese beiden Ausdrücke gleich sein, was nur möglich ist, wenn E = h · ν ist, w. z. b. w. Kasten 1: Einsteins Vergleich von Boltzmann-Gas und Strahlung im Wien-Limes Die Wahrscheinlichkeit W dafür, dass sich in einem zufällig herausgegriffenen Moment alle n in einem gegebenen Volumen V 0 unabhängig voneinander beweglichen Punkte zufällig im gleichen, kleineren Volumen V befinden, und die daraus resultierende Entropie des Systems, werden auf zwei verschiedenen Wegen berechnet: in der linken Spalte nach der kinetischen Gastheorie in Analogie zu einem idealen Boltzmann-Gas, und in der rechten Spalte nach Planckscher Strahlungstheorie im Wien-Limes.

Boltzmann-Gas R S − S 0 = N n W = VV0

· ln(W )

Wien-Limes ∞ S = V · 0 φ(u, v)dv

u Wien = αν 3 · e−(βν)/T S(V, T )−S(V 0 , T ), 1/T = dφ/du  n    N E/Rβν  R V R = N ln V0 (∗) = N ln VV0 (∗∗) (∗), (∗∗) ⇒ n =

NE Nβν

= E/(kβν) = E/(h · ν),

Dabei setzen die letzten Gleichungen die Substitution von R/N = k und β = h/k voraus. Aus dem Vergleich beider Ausdrücke, die nur dann übereinstimmen können, wenn E = h · ν leitet Einstein seine Lichtquantenhypothese ab, derzufolge „monochromatische Strahlung von geringer Dichte (innerhalb des Gültigkeitsbereiches der Wienschen Strahlungsformel) sich [. . .] so verhält, wie wenn sie aus n voneinander unabhängigen Energiequanten von der Größe [= h · ν] bestünde.“

Was war mit diesem „heuristischen Gesichtspunkt“ gewonnen? Der erste Schritt des langen Weges bestand darin, vom neuen Gesichtspunkt aus mehrere experimentelle Effekte vorauszusagen bzw. bekannte, aber bislang unverstandene empirische Befunde zu erklären. Einstein thematisierte 1905 folgendes: 1. Die Stokes’sche Regel zur Photolumineszenz (1852): Die Frequenz der Re-Emission ist immer kleiner als die Frequenz des Anregers. Diese zuvor

26

K. Hentschel

unverständliche Regel folgt für Einstein einfach aus der Energieerhaltung E = h · ν. 2. Photoelektrischer Effekt (erstmals 1888 von Hallwachs beobachtet, 1902 von Lenard gezielt experimentell untersucht – für Details siehe hier Abschn. 3.6): UV-Strahlung, die im Vakuum auf eine Kathode trifft, löst die Emission von Kathodenstrahlen aus. Während Lenard die Energie der freigesetzten Strahlung auf eine dieser Teilchen schon vor der Emission innewohnende Energie zurückführt, stammt diese nach Einstein aus den absorbierten UV-Lichtquanten, abzüglich der Austrittsarbeit WA . Damit wird verständlich, dass E = h · ν − WA und nicht proportional zum Amplitudenquadrat, wie dies laut klassischer Theorie zu erwarten gewesen wäre. 3. Kurzwellige Grenze der Röntgenbremsstrahlung ν < E max : Auch dies folgte aus der Energieerhaltung, derzufolge die beim plötzlichen Abbremsen geladener Teilchen maximal freigesetzte Energie in Form von Röntgenstrahlung der Frequenz ν nicht größer sein kann als die Maximalenergie der abgebremsten Teilchen. 4. Spektraldichte der Schwarzkörperstrahlung: Einstein ging auf Plancks Überlegungen zur Schwarzkörperstrahlung ein und wies die Kompatibilität seiner Lichtquantenhypothese mit der Planckschen Formel für die Energiedichte der Schwarzkörperstrahlung von 1900 nach, die experimentell ja bereits gut bestätigt war, aber nun theoretisch tiefer unterfüttert wurde.33 Der Zusammenklang dieser allesamt empirisch bestätigten Voraussagen bzw. schlüssigen neuen Erklärungen bekannter Effekte, die bislang nur mit Mühe oder gar nicht verständlich gewesen waren, ergab eine „consilience of inductions“ im Sinne des englischen Wissenschaftstheoretikers William Whewell (1794–1866), eines der für alle Naturforscher stärksten Indizien für die Richtigkeit einer Hypothese. In den Folgejahren bis 1909 schrieb Einstein weitere Aufsätze zur Strahlungstheorie sowie zum Problem spezifischer Wärme, was hier nur gestreift werden kann. Bei tiefen Temperaturen gab es eine zunehmende Diskrepanz zur Dulong-Petitschen Regel einer konstanten spezifischen Wärme pro Grammäquivalent und Freiheitsgrad eines Stoffes. Einstein konnte dies mit seinem Modell zwanglos aus dem Tieftemperatur-Limes der Planckschen Energieverteilung ableiten, der für sehr kleine Temperaturen sehr starke Abnahme der spezifischen Wärme mit fallender Temperatur erwarten lässt.34 Die Daten zur 33 Siehe

die oben in Anm. 20 zitierte Literatur zu Experimenten, sowie Dorling (1971), Norton (2008), Darrigol (2014) zu Einsteins theoretischer Tieferlegung. 34 Einstein (1907a) bzw. CPAE 2, S. 378–391, Einstein (1911/12) sowie Debye (1911), Pais (1979), Gearhart (2010) sowie Gearhart in Greenberger, Hentschel & Weinert (Hg.) 2009, S. 719–721.

2 Der Einstieg: Plancks und Einsteins Wege zur Quantisierung

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spezifischen Wärme stammten übrigens unter anderem von Einsteins Doktorvater Heinrich Friedrich Weber (1843–1912). Die Lichtquantenhypothese erwies sich als keine nur für einen Zweck nützliche Eintagsfliege, sondern als ein in vielen Gebieten der Physik fruchtbares Konzept, das sich zunehmend breiter bewährte.

2.3

Einstein und Planck: Ein Vergleich

Während Einstein sich nicht scheute, seine Idee eines Lichtquants zumindest in vertraulichen Briefen an gleichaltrige Freunde als „revolutionär“ zu bezeichnen, agierte der 21 Jahre ältere Max Planck sehr viel vorsichtiger. Er webte sein Theorienetz vorwiegend mit dem Ziel der Stabilisierung, der Ausbesserung und allenfalls minimalen Modifikation. Ihm ging es um eine Art Schadensbe’ grenzung‘ für die klassische Physik, an der er, soweit es irgend ging, festhalten wollte, wie folgende Zitate belegen: Ich suche die Bedeutung des elementaren Wirkungsquantums (Lichtquants) nicht im Vakuum, sondern an den Stellen der Absorption und Emission, und nehme an, daß die Vorgänge im Vakuum durch die Maxwellschen Gleichungen genau dargestellt werden. Wenigstens sehe ich noch keinen zwingenden Grund, von dieser Annahme, die mir einstweilen die einfachste scheint …abzugehen.35 Es scheint mir, daß gegenüber der neuen Einsteinschen Korpuskulartheorie des Lichtes die größte Vorsicht geboten ist …Die Theorie des Lichtes würde nicht um Jahrzehnte, sondern um Jahrhunderte zurückgeworfen, bis in die Zeit, da Christian Huygens seinen Kampf gegen die übermächtige Newtonsche Emissionstheorie wagte …Und alle diese Errungenschaften, die zu den stolzesten Erfolgen der Physik, ja der Naturforschung überhaupt gehören, sollen preisgegeben werden um einiger noch recht anfechtbarer Betrachtungen willen? Da bedarf es denn doch noch schwereren Geschützes, um das nachgerade sehr stark fundierte Gebäude der elektromagnetischen Lichttheorie ins Wanken zu bringen.36

Planck versuchte also, jedweden offenen Bruch mit den Grundfesten der klassischen Physik zu vermeiden. Dass ausgerechnet er im Jahr 1900 mit einem zunächst harmlosen Interpolationsvorschlag zur Deutung der an der PTR gemessenen spektralen Strahlungsenergieverteilung der Auslöser einer so weittragenden Entwicklung wurde, schien ihm nachgerade peinlich. Konsequentermaßen versuchte Planck in den Folgejahren, insbesondere auch in seiner sog. zweiten Quantentheorie zwischen 1907 und 1911, alles, um die aufgerissene 35 Planck 36 Planck

an Einstein, 6. Juli 1907 (Phys. Abh. II, 292 ff.). (1910a) S. 763 f. bzw. (1910b) S. 242 f.

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K. Hentschel

Abb. 2.2 Verortung verschiedener historiographischer Deutungen des Beitrags von Max Planck im Jahr 1900. Ganz links einige Vertreter der Standardthese, Max Planck habe 1900 den Bruch zur Quantentheorie vollzogen, ganz rechts Vertreter der Gegenthese, derzufolge Planck 1900 noch ganz im Sinne der klassischen Theorien von Mechanik und Elektrodynamik gehandelt habe, und in der Mitte einige Zwischenpositionen, die von unvollständigem Übergang oder unentschiedenen Schwanken Plancks zwischen diesen Extremen ausgehen. Aus Darrigol (2000/01) S. 6 mit freundl. Genehmigung zum Wiederabdruck

Bruchlinie nachträglich wieder zu kitten.37 John Heilbron hat 1986 Planck sehr passend als „konservativen Revolutionär“ bezeichnet – man könnte auch sagen: Revolutionär wider Willen, denn diese Rolle des Entdeckers der Energiequantisierung, die ihm die spätere Historiographie vielfach zuschrieb,38 war von ihm weder angestrebt noch erwünscht. Ich ordne mich selbst historiographisch auch in diese Mittelgruppe der Abb. 2.2 ein. Planck war in meinen Augen eine Figur des Übergangs, die zwar noch ganz in den Kontexten der altbewährten Theorien dachte und argumentierte, aber unfreiwillig dennoch auf neues Terrain gestoßen war, das er nur ansatzweise durchschaute und vor dessen konsequentem Explorieren er auch zurückschreckte – aber er hatte es betreten. Aber für welche Lesart von Plancks Schriften um 1900 man sich auch entscheiden mag: Einstein suchte (im Kontrast zum zögerlichen Planck) offensiv gerade die Bruchstellen, legt den Finger auf die brennenden Wunden, und sah darin den Anlass zur Suche nach grundlegend Neuem. Offenbar war die nicht erhaltene Erstfassung seines Aufsatzes auch viel aggressiver mit direkter Kritik an Plancks halbherziger Position zur Energiequantisierung durchsetzt, aber Einsteins enger Freund und Kollege am Berner Patentamt, Michele Besso (1873–1955), scheint ihn damals gerade noch rechtzeitig davon überzeugt zu haben, in der Tonlage herunterzufahren und seine Thesen zum Lichtquantum 37 Siehe

dazu Abschn. 4.7. Diese zweite Quantentheorie ist nicht zu verwechseln mit der in Abschn. 3.12 später ebenfalls zu besprechenden zweiten Quantisierung‘ in der QED. ’ 38 Auch wenn dies unter Experten bis heute umstritten ist: siehe dazu Heilbron (1986) sowie Darrigol und Gearhart in Büttner et al.(Hg.) 2000.

2 Der Einstieg: Plancks und Einsteins Wege zur Quantisierung

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nur sehr viel vorsichtiger vorzutragen. In einem späteren Brief von Besso ließ dieser die alten Zeiten Revue passieren und kam neben dem vielen, das er Einstein verdanke, dann auch auf seine Gegengaben zu sprechen: „Meinerseits war ich in den Jahren 1904 und ’05 Dein Publikum; habe ich bei der Fassung Deiner Mitteilungen zum Quantenproblem Dich um einen Teil Deines Ruhms gebracht, Dir dafür in Planck einen Freund verschafft“.39 Nicht von ungefähr zielt der Titel von Einsteins Abhandlung in der publizierten Fassung auffällig bescheiden formuliert nur mehr auf einen „heuristischen Gesichtspunkt“,40 womit er auf eine weitere Bedeutung dieses facettenreichen Begriffs anspielt: Er soll Horizonte eröffnen und zukünftiger Forschung den Weg zu neuen und tieferen Erkenntnissen freimachen. Immer wieder war Einstein auf der Suche nach Argumenten, die Planck und andere Skeptiker davon überzeugen können, dass es nicht nur die ResonatorenEmission und Absorption ist, die quantisiert werden muss, sondern allgemein die Energie, auch die des Strahlungsfeldes selbst. So versuchte Einstein es 1906 mit einer allgemeinen statistischen Ableitung der mittleren Energie (von Resonatoren, aber auch von beliebigen schwingenden Systemen) ohne Rekurs auf Strahlungsmessungen! Die These Einsteins war, daß Plancks Ableitung der spektralen Energiedichte „implicite bereits von der …Lichtquantenhypothese Gebrauch macht.“ 41 Statt also eifrig die Priorität in der Entdeckung‘ des Lichtquantums für ’ sich zu beanspruchen, wie es kleinere Geister wohl getan hätten, fährt Einstein 1906 die entgegengesetzte Strategie und schreibt dem um eine Generation älteren Max Planck die Rolle zu, jenes „hypothetische Element […] in die Physik eingeführt zu haben.“ Angesichts des Widerstandes, den Planck selbst in diesen Jahren nach 1905 gegen diese radikale Interpretation des Lichtquantums durch Einstein gezeigt hat, war diese Wendung mehr als ungewöhnlich. Sie dürfte Planck viel Kopfzerbrechen bereitet haben, denn dieser wollte jene Rolle partout nicht einnehmen, sondern tat in den Folgejahren alles, um eine andere konservativere Deutung dessen, was er 1900 getan hatte, zu finden.

39 M.

Besso an A. Einstein, 17. Jan. 1928, in Speziali (Hg.) 1972, S. 237–238. Einstein (1905) S. 132, datiert Bern, 17. März 1905 und erschien im Heft vom 9. Juni 1905 der Annalen der Physik, zu dieser Zeit herausgegeben von Wilhelm Wien und Max Planck, also genau den beiden theoretischen Physikern, an deren Werk Einstein direkt anknüpft. 41 Einstein (1906b) S. 199 bzw. CPAE 2, S. 350. Davisson (1937) S. 388 formulierte es so: Einstein „outplancked Planck in not only accepting quantization, but in conceiving of light quanta as actual small packets or particles of energy transferable to single electrons in toto“ (Hervorhebung orig.). 40 So

30

2.4

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Plancks zweite Quantentheorie 1909–13

In den Jahren 1909–1913 arbeitete Planck an seiner sogenannten zweiten ’ Quantentheorie‘ , in der die Quantisierung der Energie nicht wie bei Einstein als eine Quantisierung der Energie in elektromagnetischen Feldern interpretiert wurde, sondern nur als ein Epiphänomen, das durch die Begrenztheit von Schwingungsmoden der Resonatoren herbeigeführt wurde, welche die elektromagnetische Energie emittieren. Die Quantisierung der Energie war für Planck nur eine Folge dieser gewissermaßen per Konstruktion der Resonatoren paketierten Abgabe von Energie, während die vermittelnden Felder an und für sich jede beliebige Energie haben könnten. Mathematisch ausgedrückt gingen Planck (und später auch Debye und Sommerfeld) somit von einer Quantisierung des Phasenraums aus: erst wenn ein Mindestpaket der Größe h – des Planckschen Wirkungsquantums – geschnürt war, konnte dieses Paket durch den Emitter ausgesendet werden, während er die Strahlung selbst und auch die spätere Re-Absorption elektromagnetischer Wellen durch einen Absorber als kontinuierlich auffasste.42 Nicht nur Planck selber, sondern auch etliche seiner Physiker-Kollegen im In- und Ausland waren solch einem Umdeutungsversuch gegenüber aufgeschlossen und versuchten sich ihrerseits in Varianten einer solchen entschärften zweiten Quantentheorie‘ .43 Der in der heutigen ’ Ukraine geborene und seit 1933 in den USA arbeitende Physiker George Gamow (1904–68) fand später eine besonders witzige Analogie, um anschaulich zu machen, dass Planck die Quantisierung nicht auf das Strahlungsfeld selbst bezog: „Radiation is [for Planck] like butter, which can be bought or returned to the grocery store only in quarter-pound packages, although the butter as such can exist in any desired amount.“ 44 Einstein hingegen blieb von Plancks Argumenten und Rettungsversuchen der klassischen Elektrodynamik völlig unbeeindruckt. An den jungen Nachwuchsphysiker Jakob Laub (1884–1962), für den Einstein so etwas wie ein Mentor war, schrieb er am 17. Mai 1909: Ich beschäftige mich unablässig mit der Frage der Konstitution der Strahlung und bin bezüglich dieser Frage in einer weitläufigen Korrespondenz mit H.A. Lorentz und Planck. Ersterer ist ein erstaunlich tiefsinniger und zugleich liebenswerter Mann. Planck ist auch sehr angenehm in der Korrespondenz. Nur hat er den Fehler, sich in fremde Gedankengänge nur schwer hineinzufinden. 42 Über die sog. zweite Quantentheorie Plancks siehe Planck (1910), (1911), (1912), (1913), sowie Needell

(1980) und Gearhart in Hoffmann (Hg.) 2010, S. 116 und hier S. 155 z. B. Debye & Sommerfeld (1913) sowie Millikan (1913) S. 123; vgl. dazu hier Abschn. (4.7). 44 Gamow (1966), auch zit. in Weinberg (1977) S. 20; vgl. ferner Paul (1985) S. 57 und hier S. 86 für einen anderen eingängigen Vergleich mit kontinuierlicher Suppe und diskreten Löffelportionen. 43 So

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So ist es erklärlich, dass er mir auf meine letzte Strahlungsarbeit ganz verkehrte Einwände macht. Gegen meine Kritik aber hat er nichts angeführt. […] Diese Quantenfrage ist so ungemein wichtig und schwer, dass sich alle darum bemühen sollten.45

Mag diese Umdeutung der Energiequantisierung aus heutiger Perspektive auch wie ein krampfhafter Versuch aussehen, am Alten festzuhalten und sich gegen das radikal Neue der Einsteinschen Interpretation zu sträuben – ein interessanter Nebeneffekt dieser zweiten Quantentheorie Plancks war der Umstand, dass seine Phasenraumbetrachtung zu neuen Mittelwerten der Energien führte. Die kleinste mittlere Energie einer Phasenraumzelle von Strahlung der Frequenz ν ergab sich in Plancks Theorie nicht mehr zu null (wie bei Einstein 1905), sondern zu 1/2hν.46 Somit sagte Planck eine nicht-verschwindende Nullpunktsenergie voraus – eine wie wir heute wissen, richtige Voraussage auf der Basis einer völlig falschen Ausgangshypothese.47 Der Preis dafür war hoch, denn rein mathematisch betrachtet divergierte nunmehr das Frequenzintegral der Summe aller Nullpunktsenergien.48 Öffentlich vermied Einstein aber direkte Kritik an Planck. Vielleicht auch auf Anraten von Besso verfiel er gelegentlich sogar eher ins Gegenteil eines etwas zu überschwenglichen Lobes, bei dem Verständnis für die zögerliche Haltung des um eine Generation älteren Mentors in Bezug auf die Lichtquantenhypothese durchschimmerte: [Plancks] Ableitung war von beispielloser Kühnheit, fand aber glänzende [experimentelle] Bestätigung […]. Unbefriedigend blieb es aber, daß die elektromagnetisch-mechanische Betrachtung […] mit der Grundidee der Quantentheorie nicht vereinbar ist, und es ist nicht verwunderlich, wenn Planck selbst und alle Theoretiker, die sich mit der Materie befassen, unaufhörlich bemüht sind, die Theorie so umzugestalten, daß sie auf widerspruchsfreien Voraussetzungen beruht.49

Wie wir in Abschn. 4.3 sehen werden, sollte es mindestens bis zu Einsteins Tod nicht dazu kommen, daß eine solche völlig widerspruchsfreie Deutung der Lichtquanten gefunden wurde – es ist sogar fraglich, ob wir dies heute erreicht haben, aber mehr dazu später. 45 A.

Einstein an J. Laub, 17. Mai 1909, CPAE 5, S. 187. dazu z. B. Planck (1911) sowie Einstein & Stern (1913); zur Nullpunktsenergie vgl. ferner Whitaker (1985) S. 266 mit einer Ableitung durch Reihenentwicklung von Plancks spektraler Energiedichte, sowie Kragh (2014c). 47 Heute wird die Nullpunktsenergie mit der Heisenbergschen Unschärferelation Δp · Δq ≥  begründet, die erst 1927 von Werner Heisenberg formuliert wurde. 48 Siehe dazu Planck (1958) Bd. 2, S. 249 sowie Giulini (2011) S. 131. 49 Einstein (1916a) S. 318. 46 Siehe

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Tab. 2.1 Einsteins eigene Termini zwischen 1905 und 1924 auf der Basis meiner Zählung in Einstein (1905) sowie Einstein (1924) „Lichtquanten“

ab Einstein (1905) in Einstein (1905) 6 x

„Energiequanten“ „Lichtenergiequanten“ „Elementarquanten“ „Energieprojektile“ „Lichtkorpuskeln bzw. Quanten“

ab Planck (1900) ’’ ’’ in Einstein (1924) in Einstein (1924)

2.5

in Einstein (1905) 17 x in Einstein (1905) 4 x in Einstein (1905) 2 x (Berliner Tageblatt) 3 x 1x

Die Vielfalt der Begrifflichkeit in statu nascendi

Beginnen wir mit einer abzählenden Auflistung der verschiedenen sprachlichen Umschreibungen, die Einstein zwischen 1905 und 1925 für sein neues Konzept von Lichtquanten‘ gewählt hat. In Tab. 2.1 findet sich eine erstaun’ liche Vielfalt von Ausdrücken, mit denen er seinen Untersuchungsgegenstand bezeichnete: 1927 sprach er in einem populär angelegten Vortrag davon, dass einige Experimente dafür sprächen, „daß das Licht projektilartigen Charakter hat, also korpuskular ist“.50 Angesichts dieser breiten Fülle von Synonymen ist es eher erstaunlich, dass Albert Einstein – soweit ich sehe – zeitlebens niemals den Ausdruck Photon‘ benutzt hat, obwohl er seit 1933 am Princetoner Institute ’ for Advanced Study in einem anglophonen Kontext gearbeitet hat. Ich habe aber auch keine Aussagen von ihm gefunden, dass er den Terminus Photon‘ ’ – warum auch immer – ausdrücklich ablehne. Von Zeitgenossen Einsteins wären aus dieser frühen Periode für das gleiche semantische Feld noch folgende Wortschöpfungen zu ergänzen: Der polnische Physiker Mieczyslaw Wolfke (1883–1947), der 1913 bei Einstein an der Züricher Universität habilitiert worden war, sprach 1913 von „Lichtatomen“,51 was terminologisch zunächst eine Wiederaufnahme der Newtonschen Teilchenvorstellung suggeriert, die bei Wolfke aber gar nicht gemeint ist. Gleiches gilt auch für spätere Wiederaufnahmen dieses Kompositums in der angelsäch-

50 Einstein

(1927) S. 546. Freilich sagte er damals auch, dass andere Eigenschaften wie die Interferenzfähigkeit des Lichts, durch die „Quantenauffassung nicht erklärt werden“. Siehe Abschn. 3.8 zum WelleTeilchen-Dualismus, insbesondere Sommerfeld (1919c) S. 59: „Ein Strahl, in dem Energie und Impuls punktförmig lokalisiert sind, unterscheidet sich sachlich nicht mehr von einem korpuskularen Strahl; wir haben Newtons Korpuskuln wiederbelebt.“ 51 Siehe Wolfke (1913) S. 1123; vgl. auch die Erwiderung darauf von G. Krutkow (1914).

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sischen Variante atoms of light‘ .52 In Frankreich sprachen Louis de Broglie ’ 1922 und Fred Wolfers 1926 von „atomes de lumière“. Gilbert N. Lewis fügte dem noch die Variante „particle of light“, und Lewis sowie W. Band die Variante „light corpuscles“ hinzu.53 Weitere Varianten schließen auch Formulierungen wie die von Daniel Frost Comstock (1883–1970) ein, der schon 1917 metaphorisch von „bullets of energy, one might say“ sprach, um „separate units [of radiant energy] in space“ zu beschreiben.54 Arthur Holly Compton nahm diesen Ausdruck light bul’ lets‘ 1925 dann auf.55 In seiner Theorie der physikalischen Prozesse bei der Belichtung photographischer Emulsionen sprach Ludwik Silberstein (1872– 1948) von „discrete parcels of light energy of very concentrated monochromatic light“, die die Körner des photosensiblen Silbersalzes wie „light darts“ treffen,56 und auch Robert A. Millikan verwendete 1935 in einem Lehrbuch jene anschauliche Umschreibung als „photon, or light-dart, theory of radiation“,57 die dann auch von dem britischen Physiker Edward Neville da Costa Andrade (1887–1971) in einem mehrfach wiederaufgelegten Buch übernommen wurde.58 Zu den eher exotischen Ausreißern gehört ferner noch Arthur Lleywelyn Hughes’ Ausdrucksweise 1914, „that light was molecular in structure, each molecule‘ or unit containing an amount of energy hν which could not be ’ subdivided“ 59 – er übersah dabei wohl, dass Moleküle ja gerade keine unteilbaren Grundeinheiten sind, sondern sich – im Unterschied zu den Lichtquanta‘ ’ – in Atome aufspalten lassen.60 Gleichwohl fand auch dieser Ausdruck seine Anhänger, so etwa Wolfke, der aber mit dieser Metapher Ernst zu machen versuchte und über reale Verbindungen einzelner Lichtquanten nachdachte, um damit Fluktuationen in der räumlichen Konzentration von Strahlung zu erklären. Auch Louis de Broglie sprach 1922–24 in Bezug auf Komplexe der 52 So z. B. bei L.T. Troland 1917, bei Ornstein und Zernike 1920, und noch 1926 bei C.D. Ellis, als er in der Londoner Royal Institution drei Vorlesungen über „The atom of light and the atom of electricity“ hielt. 53 Siehe Ellis (1926) [mit veränderter Überschrift]; ferner Lewis (1926a) S. 22, (1926b) S. 236 und darauf Bezug nehmend Band (1927) sowie Louis de Broglie (1922) S. 422 und Wolfers (1926) S. 276, ferner hier Abschn. 2.6 zu Wolfers bzw. Lewis. 54 Siehe Comstock & Troland (1917) §10, S. 46 – der Teil I dieses Lehrbuches, aus dem dieses Zitat stammt, wurde von Comstock verfasst. Im gleichen Absatz übersetzte Comstock übrigens den Ausdruck „Licht Quanta“ [sic], den er fälschlicherweise Planck und nicht Einstein zuschrieb, als „Light Quantities“. 55 Siehe Compton (1925) S. 246: „light bullets“: „light as consisting of streams of little particles“. 56 Silberstein (1922) S. 257, 959 sowie G.P. Thomson (1923) S. 115. 57 Siehe Millikan (1935b) S. 259. 58 Siehe Andrade (1930/36b) S. 128 sowie Andrade (1957), online im Auszug unter http://www.uefap. com/reading/exercises/ess3/andrade.htm. 59 Hughes (1914) S. 5. 60 Möglicherweise war es eine Anspielung auf William H. Braggs damalige Spekulationen über γ -Strahlung als neutrales bipolares Teilchen: siehe dazu hier Abschn. 4.6.

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Energie nhν (mit n = 2, 3, 4 . . .) gelegentlich von „photo-molecules“ bzw. „photo-multiplets“.61 Unter Bezugnahme auf den Welle-Teilchen-Dualismus kamen später dann noch Begriffe wie wavicles‘ (von Eddington vorgeschlagen) ’ oder als particle waves‘ , die sowohl zugleich wavy‘ wie auch lumpy‘ seien ’ ’ ’ (Feynman – vgl. dazu hier Abschn. 6.2) hinzu. Insgesamt zeigt diese erstaunliche Vielfalt benutzter Begriffe die große Unsicherheit in der Interpretation von Lichtquanten. Angesichts dieses Begriffswirrwars schimpfte der PhysikNobelpreisträger Eugene Paul Wigner (1902–1885) über die „Balkanization of physics“, während Max Tegmark (*1967) über „many words instead of many worlds“ klagte.62 Betrachten wir als nächstes einige mit obigen Begriffen geformte Aussagen Albert Einsteins über Lichtquanten‘ aus seinem Aufsatz in den Annalen ’ der Physik von 1905:63 Er redet gleich zu Anfang von der heuristischen „Annahme, dass die Energie des Lichtes diskontinuierlich im Raume verteilt sei“ (S. 133) bzw. davon, dass „nach der hier ins Auge zu fassenden Annahme [Licht] aus einer endlichen Zahl von in Raumpunkten lokalisierten Energiequanten [besteht], welche sich bewegen ohne sich zu teilen und nur als Ganze absorbiert und erzeugt werden können“ (S. 133). „Monochromatische Strahlung [. . .] verhält sich […] so, wie wenn sie aus unabhängigen Energiequanten […] bestünde“ (S. 143). Auffällig an diesen Sätzen ist die vorsichtig-tastende Einführung seines Konzepts im Konjunktiv unter Betonung des hypothetischen, ja vorläufigen Charakters jener Annahme‘ . Inhaltlich (ebenso wie in ’ der Begriffsstatistik, s. o.) überwiegt seine Rede von diskreten Energiequanten. Hinter seinen konkret verwendeten Begriffen stehen ein anfänglich noch sehr vages Konzept sowie ein noch ebenso diffuses mentales Modell von räumlich lokalisierten Energiequanten bzw. von Lichtteilchen als Trägern von scharf definierten (insofern quantisierten‘ ) Energiepaketen.64 ’ Einstein wusste, wie gewagt und riskant diese Annahme war, nicht nur die abstrakte Größe Energie, sondern auch das konkret wahrnehmbare Licht, das scheinbar so ausgezeichnet von der klassischen Kontinuums-Elektrodynamik

61 Siehe Wolfke

(1921) bzw. de Broglie (1922, 1924/25); vgl. ferner Kojevnikov (2002) S. 200 und Varró (2006) S. R21 für einige weitere allesamt gescheiterte Versuche in diese Richtung. 62 Beide Zitate aus Zeh (2013b) S. 33, der wiederum eine ganz eigene Perspektive auf die „strange (hi)story of particles and waves“ entfaltet. Zum Welle-Teilchen-Dualismus siehe hier Abschn. 3.8 und 9.1. 63 Alle nachfolgenden Zitate sind aus Einstein (1905), datiert Bern, 17. März 1905 und erschienen im Heft vom 9. Juni 1905 der Annalen der Physik, annotiert und kommentiert wieder abgedruckt u. a. auch in den Collected Papers of Albert Einstein (nachfolgend abgekürzt CPAE), Bd. 2, hier aber stets zitiert nach der Originalpaginierung von 1905. 64 Zu der ebenfalls keineswegs plötzlich 1900 erfolgenden Einführung der Idee einer Quantisierung und den anfänglichen Unsicherheiten mit diesem Konzept siehe u. a. Kuhn (1978), Darrigol (2000), und Gearhart (2002).

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beschrieben wurde, zu quantisieren: An seinen engen Freund Conrad Habicht65 (1876–1958) schrieb Einstein im Mai 1905: Was machen Sie denn, Sie eingefrorener Walfisch, Sie geräuchertes, getrocknetes eingebüchstes Stück Seele, oder was ich sonst noch, gefüllt mit 70 % Zorn und 30 % Mitleid, Ihnen an den Kopf werfen möchte! […]. Ich verspreche Ihnen vier Arbeiten, von denen ich die erste in Bälde schicken könnte […]. Sie handelt über die Strahlung und die energetischen Eigenschaften des Lichtes und ist sehr revolutionär.66

Dementsprechend behutsam tastend auch der Titel dieses hier angekündigten Aufsatzes „Über einen die Erzeugung und Verwandlung des Lichtes betreffenden heuristischen Gesichtspunkt“: „heuristisch“– damals wie heute eine schillernde Vokabel mit Konnotationen, die von problemlösungsorientiert‘ , ’ für Suche nach Neuem fruchtbar‘ , über tentativ‘ bis hin zu unbeweisbar‘ ’ ’ ’ und unsicher‘ reichen.67 Im festen Kern der vielen Bedeutungsnuancen jenes ’ Ausdrucks steht die Implikation eines noch sehr unklaren epistemischen Status des Vorgeschlagenen: Einstein signalisiert eine vorsichtig tastende Suche nach einem tragfähigen Konzept, das den photoelektrischen Effekt und eine ganze Reihe weiterer Phänomene der Wechselwirkung von Licht und Materie erklären konnte (s. u.), daher diese Betonung des Heuristischen‘ , nicht abge’ schlossenen, noch nicht belastbaren, nur probeweise prüfend vorgebrachten.

2.6

Der langsame Aufstieg des Terminus Photon‘ ’

Die Vielfalt von Begriffen, mit denen ein noch unscharfes, sich gerade erst herausbildendes Konzept zu fassen versucht wird, ist typisch für die Frühphase der Konzeptentstehung. Sprachlich war 1905 bis 1925 noch vieles im Fluss.68 Beachtenswert ist, dass der heute überwiegend verwendete Begriff Pho’ ton‘ bei Einstein selbst zeitlebens noch gar nicht auftaucht. Hingegen finden 65 Habicht war Mitglied in der informellen Runde, scherzhaft auch „Akademie Olypmpia“ genannt, in der Einstein, Habicht und Besso grundlegende Texte über Mechanik und Elektrodynamik von Ernst Mach, Hermann von Helmholtz, Heinrich Hertz, Ludwig Boltzmann u.v. a. führenden Physiker-Philosophen der Zeit lasen und diskutierten. Zu Einsteins damaligen Kontexten und Kontakten siehe Ann M. Hentschel & Grasshoff (2005). 66 Einstein an Habicht, Bern, 18. oder 25. Mai 1905, publ. in CPAE Bd. 5 (1993) S. 31 f. 67 Webster’s Dictionary: „providing aid and direction in the solution of a problem but otherwise unjustified or incapable of justification“; Oxford English Dictionary (nachfolgend abgekürzt OED), Bd. 7 (2. Aufl. 1989), S. 193: „heuristic, serving to find out or discover“ mit ältestem Nachweis von 1821 in einem Brief von Samuel Taylor Coleridge (1772–1834). 68 Zur Fluidität von Konzepten in der Phase ihres Entstehens siehe programmatisch Hofstadter (1995).

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sich zwischen 1917 und 1926 gleich vier andere Kontexte, in denen offenbar unabhängig voneinander der Terminus Photon‘ eingeführt wurde: zwei ’ davon sinnesphysiologisch, einer photochemisch und der letzte und bekannteste schließlich physikochemisch. In seinen Aufsätzen von 2014 betont Helge Kragh, der erstmals auf diese älteren Fundstellen hinwies, die Unterschiede zum „Einsteinian context“,69 wodurch diese früheren Verwendungen zu exotischen, aber irrelevanten Vorkommnissen werden. Im folgenden werde ich vor allem die versteckten Verbindungen herausarbeiten. Wie wir gleich sehen werden, standen alle vier Verwendungszusammenhänge mit den Arbeiten von Einstein zumindest indirekt in Zusammenhang und die vier heute weitgehend vergessenen Protagonisten wussten auch von seinem Aufsatz von 1905 und den sich daran anschließenden Diskussionen. Zuerst findet sich dieser Terminus in einem Aufsatz des amerikanischen Biophysikers und Sinnesphysiologen Leonard Thompson Troland (1889– 1932).70 Im Auftrag der National LampWorks of General Electric Company hatte der Experimentator Troland psychophysikalisch untersucht, wie die menschliche Pupille und das menschliche Auge auf visuelle Stimuli reagieren. Als Maßeinheit für die photometrische Intensität, mit der bestimmte messbare Reaktionen hervorgerufen werden, hatte er die Einheit photon‘ vorgeschla’ gen: The writer has expressed his intensity measures throughout in terms of a unit involving the pupillary area, and has proposed that this unit, called the photon, be adopted as the standard means of specifying the photometric intensity of visual stimulation conditions. […] A photon is that intensity of illumination upon the retina of the eye which accompanies the direct fixation, with adequate accommodation, or a stimulus of a small area, the photometric brightness of which […is] one candle per square meter, when the area of the externally effective pupil […] is one square millimeter. The physiological intensity of a visual stimulus is its intensity expressed in photons. The photon is a unit of illumination, and hence has an absolute value in meter-candles. The numerical value of the photon, in meter candles […] will obviously be subject to some variation from individual to individual.71

69 Kragh

(2014b) S. 263: „when it [the term photon‘ , KH] was originally introduced, it was with a ’ different meaning. It can be traced back to 1916, when it was proposed as a unit for the illumination of the retina, and ten years later the name was revived in still another non-Einsteinian context.“ 70 Über Troland, der neben Physik und Psychologie auch Biochemie studiert hatte, 1915 an der Harvard University über visuelle Adaptation promoviert worden war, und 1922–24 Präsident der Optical Society of America war, siehe Kragh (2014b) S. 271 f. 71Troland (1917) S. 1, 5 und 32 (Hervorhebungen orig.).

2 Der Einstieg: Plancks und Einsteins Wege zur Quantisierung

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Im gleichen Jahr veröffentlichte er gemeinsam mit dem am MIT in Cambridge, Mass., arbeitenden Physiker Daniel Frost Comstock (1883–1970) zusammen ein Lehrbuch über The Nature of Matter and Electricity. An Outline of Modern Views. Darin rezipiert er – für amerikanische Verhältnisse bemerkenswert früh – die bislang vorwiegend in Europa geführten Diskussionen um die Interpretationen der Quantentheorien von Planck und Einstein inklusive der „modern doctrine of light quanta“.72 Troland, der diesen Abschnitt des Lehrbuches verfasst hatte, kannte also Einsteins Thesen zu Lichtquanten, wenn nicht direkt, so doch mindestens indirekt über Berichte, Vorträge und Review-Artikel in angelsächsischen Organen.73 1922 kam Troland in einem Übersichtsartikel für den National Research Council auf seine frühere Begriffsschöpfung zurück, die allerdings außer von ihm selbst von kaum einen seiner Kollegen jemals verwendet worden zu sein scheint, so dass sie nach 1922 in Vergessenheit geriet. Auch der zweite Entstehungskontext für den Ausdruck Photon‘ kommt aus ’ dem sinnesphysiologischen Kontext, und wieder gibt es eine klare Bezugnahme auf die Quantentheorie. Der irische Physiker und Geologe John Joly (1857– 1933) entwickelte ab 1920 eine Quantentheorie des Sehvorgangs, in der er die Sehreizung mit der in das Auge eingehenden Energiezufuhr korrelieren wollte, analog zur Quantisierung des photoelektrischen Effektes durch Albert Einstein 1905. Joly stellte sich den Sehvorgang also so vor, dass Lichtquanten in das Auge eintreffen, wo sie sinnesphysiologische Reize in der Netzhaut auslösen, welche wiederum über visuelle Fasern („visual fibres“) und Sehnerven ins Gehirn weitergeleitet werden und dort Sehempfindungen auslösen. Das photon‘ war für Joly „the unit of light stimulus or sensation“:74 ’ The unit light stimulus discharged by a single visual fibre […] must not be confused with the quantum which plays the part merely of the finger on the trigger. This minute quantity of energy discharged into the cerebral cortex evokes our unit of luminous sensation. […] I propose to designate it a photon, using the English plural, photons. Symbolically, the letter φ will be assigned to it. […] Each sensation is an accomplishment of a particular form of energy stimulus, i. e., of two, three, or of four photons simultaneously discharged.75

Insofern war die Verwendung des Terminus bei Joly noch klar auf der sinnesphysiologischen Seite verortet, aber es gab für ihn einen eineindeutigen 72 Comstock & Troland (1917) S. 182–189. Der Ko-Autor Comstock hatte nach seiner Promotion 1906–

07 kurze Zeit bei J.J. Thomson in Cambridge gearbeitet und war Anhänger einer Emissionstheorie des Lichtes. 73 So z. B. Millikans Plenarvortrag von 1913 vor der American Association for the Advancement of Science. 74 Joly (1921) S. 26. 75 Joly (1921) S. 29.

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Zusammenhang zwischen sinnesphysiologischer Reaktion (Sehreiz) und physikalischem Input (bzw. Trigger), der diesen Sehreiz hervorruft, nämlich der (laut Einstein) quantisierten Energie, die in das Auge eintrifft. Nur weil letztere quantisiert war, d. h. nur in endlichen Paketen von durch das Plancksche Wirkungsquantum h festgelegter Größe vorlag, waren auch die Photonen im Sinne von Joly als von diesem Energiestrom im Auge ausgelöster Reizentladungen abzählbare Einheiten von φ. Fraglos ist das noch nicht die heutige Verwendung von Photon‘ , die eben gerade diese eingehenden Energiepakete ’ der elektromagnetischen Strahlung bezeichnet und nicht die physiologische Reizreaktion; aber abgesehen von dieser Verortung im sinnesphysiologischen Bereich haben wir hier eine klare „quantum theory of vision“ vor uns, die Joly auch noch auf die Interpretation des Farbsehens auszuweiten versuchte. Weil nach E = hν Energiegehalt E und Frequenz ν einander streng proportional sind, setzte er für blaues Licht 4φ an, während demgegenüber rotes Licht nur 2φ habe. Eine Inkonsistenz mit E = hν zeigte sich bei Joly erst, als er das dazwischenstehende gelbe Licht nicht etwa als 3φ ansetzte, sondern als 2φ + 3φ, um daraus die Komplementarität von blau und gelb im weissen Licht abzuleiten, das er als Summe aus blauem und gelbem Licht deutete: (2φ + 3φ) +4φ= 9φ. Daraus würde dann folgen, dass wenn man aus weißem Licht mit 9φ das blau wegnähme, genau das gelbe Licht von 2φ + 3φ übrigbliebe (und umgekehrt), aber die strenge Proportionalität von E und ν war durchbrochen. Auch diese zweite, durchaus originelle Verwendung des Ausdrucks Photon‘ blieb weitge’ hend unbeachtet und geriet nach 1921 ebenso schnell wieder in Vergessenheit wie die von Troland. Mit dem dritten Vorschlag zur Einführung eines Terminus Photon‘ durch ’ den französischen Biochemiker und Physiologen René Wurmser (1890–1993) wechseln wir jetzt von der Sinnesphysiologie in die Photochemie.76 Das war genau der Bereich, auf den Einsteins Folgeaufsätze der Jahre 1907, 1909 und 1912 sich bezogen hatten und in denen Einstein selbst nach experimenteller Evidenz für seine Lichtquantenhypothese Ausschau gehalten hatte. Es war genau dieser René Wurmser gewesen, der zusammen mit Victor Henri 1913 als dessen Mitarbeiter am Laboratoire de Physiologie Générale de la Faculté des Sciences de Paris die Einsteinsche Voraussage verifiziert hatte, dass für das Auslösen einer photochemischen Reaktion minimal nur genau ein Einsteinsches Lichtquantum nötig ist.77 Insofern liegt auch in diesem dritten Einführungskontext eine klare Querbeziehung zu Einsteinschen Kontexten vor. In den 76 Über Wurmser, der 1921 mit „Recherches sur l’assimilation chlorophylienne“ promoviert worden war, später Präsident der Société française de chimie und Gründungsmitglied der Société française de biochimie et de biologie moléculaire wurde, siehe http://cths.fr/an/prosopo.php?id=112958 und dort genannte weiterführende Quellen. 77 Siehe dazu Henri & Wurmser (1913).

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1920er Jahren arbeitete Wurmser über Photosynthese: er vermutete in den Blättern einen Energietransfer von der einfallenden Strahlung auf das Chlorophyll aufgrund von molekularer Resonanz. Um den Vorgang quantitativ zu erklären, müsse man annehmen, so Wurmser 1924: „Cela pourrait, à la rigeur, se comprendre en admettant que l’activation d’une molécule […] exige l’absorption d’un nombre entier de photons.“ 78 Das ist nun in der Tat ein klarer Gebrauch des Terminus Photon‘ in genau dem Sinne, in dem auch wir heute ’ noch davon reden. Es ist zwar richtig, dass dies bei Wurmser ein Einzelfall blieb und dass er auch später nicht auf seiner Priorität beharrte, selbst 1987 nicht, als er in sehr hohem Alter auf seinen alten Aufsatz zurückkam, aber immerhin schrieb er als 97-Jähriger, dass sein alter Aufsatz von 1925 die ein oder andere Betrachtung beinhalte, die „auch aus heutigem Gesichtspunkte noch von Interesse sei“.79 Es mag ihm selbst im Rückblick aus dem Jahr 1987 nicht klar gewesen sein, dass er mit diesem Aufsatz von 1925 der erste war, der den Terminus Photon‘ ganz im noch heute gängigen Sinne verwendete – ’ dies auch im Kontrast zu den nächsten beiden, hier noch zu besprechenden Verwendungsweisen dieses Ausdrucks. Der französische Experimentalphysiker Frithiof (genannt Fred) Wolfers80 war noch 1923 einer der größten Gegner der Lichtquantenhypothese gewesen. Selbst nach der Publikation von Comptons Streuexperimenten, die viele seiner Kollegen zum Wechsel ihrer Überzeugungen bewogen hatten, war Wolfers zunächst stur geblieben und hatte in einem Aufsatz zusammen mit Friedel die Comptonsche Interpretation seines Experiments angezweifelt und statt dessen eine Deutung im Sinne der BKS-Theorie erwogen.81 Auch eigene Experimente interpretierte er zunächst in diesem Sinne.82 Nachdem dieser Deutungsversuch jedoch durch die experimentelle Widerlegung der BKS-Theorie zunichte gemacht worden war, lesen wir in einem Aufsatz, den Wolfers am 26. Juli 1926 der Pariser Académie des Sciences für deren Comptes Rendus einreichte, die folgende Passage:

78 Wurmser (1925a) S. 60 (Hervorhebung orig.). Dieser Aufsatz war im Sept. 1924 eingereicht worden, erschien aber erst 1925. Analog auch Wurmser (1925b) S. 375: „cette activité particulière des radiations vertes pouvait être expliquée en admettant que l’activation d’une molécule […] exige l’absorption d’un nombre entier, mais variable, de photons.“ 79 Wurmser (1987) S. 92: „This paper of 1925 contains some considerations which remain of interest from a modern point of view“ – wie wahr! 80 Zu Wolfers liegt nur sehr wenig biographische Information vor, insbesondere auch keine gesicherten Geburts- und Todesjahre. 1920–40 arbeitete er an der Universität von Algiers, später wurde er Prof. der Physik in Paris. Möglicherweise starb er 1969 in Kalifornien, USA. 81 Siehe Friedel & Wolfers (1924) sowie Wolfers (1924) bzw. Bohr, Kramers & Slater (1924) und hier S. 169 ff. zum Compton-Experiment sowie S. 172 zur BKS-Theorie. 82 Siehe Wolfers (1924) und Wolfers (1925a) S. 366.

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Appelant photons les projectiles qui sont supposés transporter l’énergie rayonnant tout en possédant un caractère de périodicité de fréquence ν (atomes de lumière), je suppose que les photons peuvent être repoussés par les atomes matériels lorsqu’ ils passent par leur voisinage immédiat, tout au moins dans le cas des atomes orientés qui forment la surface de séparation de deux milieux. On peut imaginer que cette répulsion se fait grâce à une sorte de résonance entre les photons et des résonateurs qui soit juste assez éloignée de la trajectoire pour qu’il n’y ait pas absorption. […] La déviation des trajectoires des photons serait de l’ordre de quelques minutes d’arc.83

Wir erkennen in den Ausdrücken projectiles‘ und atomes de lumière‘ sofort ’ ’ einen Anklang an die alte Newtonianische Projektiltheorie des Lichts (siehe Abschn. 4.1) mit ihrer naiven Konnotation der Teilchenhaftigkeit von Lichtquanten, die Energie transportieren und von Atomen abgestoßen‘ werden, ’ zugegebenermaßen nicht ganz so naiv wie das Abprallen der Tischtennisbälle von glatten Oberflächen konzeptualisiert, sondern eher im Sinne der auch bei Wurmser unterstellten molekularen Resonanz zwischen der einfallenden Strahlung und den Atomen an der lichtstreuenden Oberfläche. Wolfers kam auf seine Wortprägung von 1926 nur einmal, zwei Jahre später, in einem Aufsatz zurück. – Abgesehen von einer einzigen Bezugnahme auf Wolfers durch Louis de Broglie konnten weder Henry Small noch Helge Kragh irgendwelche späteren Zitate der Aufsätze von Wolfers nachweisen,84 so dass auch dessen Wortschöpfungsinitiative zunächst verhallte. Doch schon wenige Monate später erfolgte ein weiterer Anlauf. Dieser fünfte und letzte Einführungskontext des Terminus Photon‘ war es, ’ der wie wir jetzt sehen werden, unverdientermaßen die größte Berühmtheit erlangte und sich dann auch terminologisch durchsetzte. Unverdient deshalb, weil der Ausdruck 1926 von dem US-amerikanischen Physikochemiker Gilbert N. Lewis – im Unterschied etwa zum dritten Kontext bei Wurmser 1925 (s. o.) – konzeptuell eben gerade nicht in dem heute gebräuchlichen Sinn eingeführt wurde. Lewis belegte diesen Ausdruck noch mit Bedeutungsinhalten, die gerade nicht dem heutigen Verständnis von Photonen‘ entsprechen: z. B. ’ unterstellte er seinen light corpuscles‘ die Erhaltung der Photonenzahl, wäh’ rend diese nach heutigem Verständnis gerade keine Erhaltungsgröße ist, da Photonen in Lichterzeugungsprozessen ja generiert, und in Lichtabsorptions-

83 Wolfers

(1926) S. 276 (Hervorhebung orig.) und S. 277. Small (1981) Bd. 1, Sp. 1892 sowie Kragh (2014b) S. 274 und das Web of Science, einem Konsortium wissenschaftlicher Online-Zitations- und Literaturdatenbanken, ursprünglich eingeführt vom Institute for Scientific Information (ISI), 1992 von Thomson Reuters sowie 2016 von Clarivate Analytics übernommen. 84 Siehe

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prozessen auch wieder vernichtet werden.85 Insofern ist G.N. Lewis definitiv nicht der Vater des heutigen Photonkonzeptes, auch wenn er einer der ersten war, die diesen Begriff in physiko-chemischem86 und nicht in sinnesphysiologischem, photochemischem oder biophysikalischem Kontext benutzten. Dies zeigt einmal mehr, wie wichtig es ist, zwischen Begriff, Konzept und mentalem Modell zu unterscheiden (vgl. dazu Abschn. 1.2). Gilbert Newton Lewis (1875–1946) hatte Chemie an der Universität von Nebraska und (ab 1893) an der Harvard University studiert, wo er 1899 promoviert wurde.87 Nach Postdoc-Aufenthalten bei den Physikochemikern Wilhelm Ostwald in Leipzig und Walther Nernst in Göttingen ging er in die USA zurück und wurde 1905 Professor am Massachusetts Institute of Technology (MIT), 1913 dann an der University of California in Berkeley. In seiner Zeit am MIT war Lewis der erste amerikanische Naturwissenschaftler, der sich intensiv mit der speziellen Relativitätstheorie Einsteins auseinandersetzte; in Kalifornien verlagerte sich sein Arbeitsschwerpunkt als Lehrstuhlinhaber für Physikalische Chemie in Richtung Thermodynamik, einer physikalischen Theorie der chemischen Bindung sowie der Struktur von Atomen und Molekülen. In den frühen 1920er Jahren arbeitete man noch mit der Bohr-Sommerfeldschen Quantentheorie.88 Danach bestand die fundamentale Wechselwirkung von Strahlung und Atomen in der Emission und Absorption von Energie in Form elektromagnetischer Wellen. Die Quantisierung jener Energiepakete, die zwischen den Atomen ausgetauscht wurden, rührte nach Bohr und Sommerfeld von den energetisch scharf definierten zulässigen Bahnen her, auf denen sich negativ geladene Elektronen um den positiv geladenen Atomkern drehten. Quantensprünge der Elektronen von einer solchen zulässigen Bahn auf eine andere definierten spektral scharfe (helle) Emissionslinien, wenn das energetische Niveau der Ausgangsbahn höher war als das der Endbahn, im umgekehrten Falle (dunkle) Absorptionslinien.89 Dabei trat folgende Paradoxie auf, wenn man diesen Emissions- und nachfolgenden Absorptionsvorgang quasi-klassisch als zeitliche Abfolge vorstellte. Woher soll das von einer Bahn auf die andere springende‘ Elektron beim Absprung bereits wissen, wo es später landen wird? ’ Diese Information muss es aber haben, um diesen Absprung mit der Emission der energetisch passenden Spektrallinie koppeln zu können. Eigentlich steht 85 Siehe

Lewis (1926c) über diese angebliche „conservation of photons“, die er ein halbes Jahr vorher in der gleichen Zeitschrift noch als light corpuscles‘ tituliert hatte und mit naiven quasi-Newtonianischen ’ Teilchenvorstellungen verbunden hatte: siehe Lewis (1926a). 86 Zu den Forschungskontexten und Fragestellungen, die G.N. Lewis verfolgte, als er 1926 dieses Konzept einführte, siehe Stuewer (1975) und dort genannte weiterführende Texte. 87 Zu Lewis’ Biographie siehe Hildebrand (1947/58), Stuewer (1975b) und Lewis (1998). 88 Siehe z. B. Nisio (1973), Pais (1991) Kap. 10, Kragh (2012), Eckert (2014), hier Abschn. (3.10) u. dortige Primärlit. 89 Siehe z. B. Hentschel (2009b).

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diese Energiedifferenz zwischen oberem und unteren Energieniveau erst fest, wenn der Vorgang abgeschlossen ist, aber dann ist es für die Emission der diesem Vorgang zugeordneten Spektrallinie bereits zu spät. Noch offensichtlicher wurde dieses Problem, wenn das emittierende und das re-absorbierende Atom nicht nahe beieinander, sondern kilometerweit, ja vielleicht sogar Lichtjahre voneinander entfernt im Kosmos auseinanderlagen. Nicht nur G.N. Lewis, sondern auch etliche andere Physiker hatten dieses Paradoxon schon vorher bemerkt, aber bisher kein großes Aufhebens davon gemacht. So schrieb z. B. Ernest Rutherford (1871–1937) in Manchester in einem Brief an Niels Bohr (1885–1962) am 20. März 1913: „How does an electron decide what frequency it is going to vibrate at when it passes from one stationary state to the other? It seems to me that you would have to assume that the electron knows beforehand where it is going to stop.“ 90 G.N. Lewis hingegen nahm diese Schwierigkeit zum Anlass, über den Themenkomplex insgesamt vertieft nachzudenken. Für ihn bestand eine weitgehende Symmetrie zwischen Emission und Absorption. Beide gehörten für ihn so eng zusammen, dass er sie unter Transmission zusammenfaßte und nach einer konsequent zeitsymmetrischen Beschreibung dieses Austauschprozesses suchte: „It is as absurd to think of light emitted by one atom regardless of the existence of a receiving atom as it would be to think of an atom absorbing light without the existence of light being absorbed.“ 91 Lewis’ theoretische Neufassung jenes Energieaustausches zwischen zwei Atomen beinhaltete also das folgende völlig neue mentale Modell dieses Transmissionsvorgangs: We therefore say that a corpuscle of energy travels with the velocity c from atom to atom, and that there is a field (a retarded‘ field is ascribed to the emitting ’ atom, an advanced‘ field if ascribed to the receiving atom) which determines ’ the probability of the exchange. The invention of the corpuscle of light and these fields permit us to express the process of radiation in conformity with our ordinary spatial ideas and with the laws of conservation. […] if the theory that I propose is correct, it should later be possible to express the probability of an energy transfer merely as the degree of fit‘ between the emitting and absorbing ’ atoms in their points of virtual contact.92

Mit dem letztgenannten Punkt nahm Lewis einen der Grundgedanken der späteren Arbeiten von John A. Wheeler und Richard P. Feynman zur Absorbertheorie im Kontext der damals gerade entstehenden QED und der späteren 90 Wiedergegeben aus Niels Bohr: Collected Works, Bd. 2, S. 584 in Hentschel (2009b), S. 599; vgl. ferner Stark (1920), (1930) S. 688 f. und Sommerfeld (1920) S. 420. 91 Lewis (1926a) S. 24. Unterstützung erhielt Lewis von Tolman & Smith (1926); vgl. ferner Stuewer (1975b) für weitere Details von Lewis’ Suche nach einer streng zeitsymmetrischen Beschreibung. 92 Lewis (1926b) S. 238.

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„transactional interpretation of quantum mechanics“ vorweg, die ab 1986 von John G. Cramer (*1934) entwickelt wurde.93 Gemäß diesen Vorstellungen funktioniert ein Strahlungsvorgang also nicht einfach so, dass zunächst ein Emissionsvorgang gewissermaßen ins Blaue hinein erfolgt, dem sich an einem späteren Zeitpunkt dann ein Absorptionsvorgang anschließt, sondern die Wahrscheinlichkeitsamplitude für die Emission, die vom emittierenden Atom ausgeht und diejenige, die vom absorbierenden Atom ausgeht, treffen in der raumzeitlichen Mitte zwischen beiden zusammen und ergänzen sich wegen Phasendifferenz und zeitlicher Umkehrung der letzteren zu einem sich zur Wahrscheinlichkeit 1 ergänzenden Umschlag von Potenzialität in Aktualität. Aus dem nur denkbaren, virtuellen Prozess ist dann ein tatsächlicher Übergang mit Energie- und Impulsübertrag geworden.94 Ausserhalb der raumzeitlichen Transaktionszone zwischen Emitter und Absorber interferieren die von beiden in Vergangenheit und Zukunft hinein emittiertierten elektromagnetischen Wellen wegen des Phasenunterschieds beider destruktiv, so dass zeitlich vor der Emission des Emitters und nach derjenigen des Absorbers keine Spur übrig bleibt. Für unseren Kontext entscheidend ist, dass Lewis sich in einem Nachfolgeaufsatz, der am 29. Oktober 1926 in der vielgelesenen Zeitschrift Nature erschien, dazu entschloss, für dieses corpuscle of energy‘ , dieses die Wechsel’ wirkung zwischen Emitter und Absorber vermittelnde Austauschteilchen, eine neue Bezeichnung einzuführen, deren Wahl aus mehreren Möglichkeiten er ausführlich begründete: It would seem inappropriate to speak of one of these hypothetical entities as a particle of light, a light quantum, or a light quant, if we are to assume that it spends only a minute fraction of its existence as a carrier of radiant energy, while the rest of the time it remains as an important structural element within the atom. It would also cause confusion to call it merely a quantum, for […] it will be necessary to distinguish between the number of these entities present in the atom and the so-called quantum number. I therefore take the liberty of proposing for this hypothetical new atom, which is not light but plays an essential part in every process of radiation, the name photon.95

Aber jede Metaphorik bringt immer auch Ballast mit sich, so auch die von G.N. Lewis. Die Rede von einem hypothetischen neuen Atom‘ brachte quasi’ automatisch die Konnotation unzerstörbar‘ mit sich. Und genau das passierte ’ auch bei Lewis – er verband mit diesem neuen Konzept das Postulat der Un93 Siehe

Wheeler & Richard (1945), (1949) bzw. Kastner (2012), Cramer (2015) und dort genannte weiterführende Literatur. Zu Wheeler siehe ferner Abschn. 8.5, zu Feynman hier Abschn. 6.2. 94 Für eine anschauliche Erläuterung jener Vorstellung siehe Paul (1985) S. 70–86. 95 Lewis (1926c) S. 875 (Hervorhebung orig.).

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veränderlichkeit: seine Photonen konnten weder erzeugt noch zerstört werden – sie wurden lediglich wie Tischtennisbälle immer wieder von Emitter zu Absorber ausgetauscht, blieben dabei aber unverändert. Genau dieses Postulat markiert eine schroffe Differenz zwischen Lewis’ Photonen und der heutigen Auffassung von Photonen als masselosen Austauschteilchen der QED (Abschn. 3.12). Daher ist es irreführend, Gilbert N. Lewis als denjenigen zu bezeichnen, der Einsteins Lichtquantenvorstellung mit dem Terminus Pho’ ton‘ belegt habe, wie in der über dieses Thema verfassten Literatur oft zu lesen. Und es ist auch keineswegs so, dass mit der Veröffentlichung von Lewis (1926c) gleich alle Physiker diesen Terminus übernommen hätten. Während der nächsten 40 Jahre wurde dieser Aufsatz nur zweimal zitiert.96 Der dänische Physikhistoriker Helge Kragh (*1944), der sich dieser etymologischen Spurensuche des Terminus Photon‘ angenommen hat, wies 2014 ’ nach, dass die Prädominanz des neuen Ausdrucks Photon‘ sich keineswegs ’ sofort einstellte, nachdem er 1927 in den Titel der Verhandlungen der fünften Solvay-Konferenz in Brüssel übernommen wurde,97 während die Aufrufe und vorbereitenden Dokumente zu dieser Tagung davon noch gänzlich frei gewesen waren.98 Interessanterweise fühlte sich einer der Teilnehmer damals dazu aufgerufen, explizit zu begründen, warum er jenen Neologismus dem alteingefahrenen light quantum‘ vorziehe. Der frischgebackene Nobelpreisträger der ’ Physik Arthur Holly Compton (1892–1962) schrieb: In referring to this unit of radiation I shall use the name photon‘ suggested ’ recently by G.N. Lewis. This word avoids any implication regarding the nature of the unit, as contained for example in the name needle ray‘ . As compared with ’ the term radiation quantum‘ or light quantum‘ , this name has the advantages ’ ’ of brevity and of avoiding any implied dependence upon the much more general quantum mechanics, or upon the quantum theory of atomic structure.99

In den Jahren 1926–35 finden wir in der angelsächsischen Literatur die beiden Ausdrücke noch etwa gleich häufig – die sich anschließenden Jahre des Zweiten Weltkriegs sind wegen verschiedenster verzerrender Effekte statistisch ohnehin wenig aussagekräftig, aber nach 1945 hat der Ausdruck photon‘ gegenüber ’ 96 Und

zwar 1927, allerdings nur von ihm selbst in Nachfolgeaufsätzen! Siehe Small (1981) Bd. 1, Sp. 1032–1036 und das Web of Science. Weitere Details zur schwachen Rezeption von Lewis in Kragh (2014b) S. 276. 97 Siehe Électrons et Photons/Electrons and Photons (1927/28), sowie Bacciagaluppi & Valentini (Hg.) 2009 (inkl. Dokumentation und engl. Übersetzung jener Proceedings). 98 Kragh (2014b) S. 276 schreibt: „Most likely the name entered the title of the proceedings only during the last phase of preparation, reflecting that several of the speakers and discussants used photons‘ rather than ’ light quanta‘ in their reports. Among them were Lorentz, Louis de Broglie, Paul Dirac, Léon Brillouin, ’ Paul Ehrenfest, and Arthur Compton.“ 99 Compton (1928a) S. 57, zit. nach der engl. Übers. Compton (1928b) S. 157.

2 Der Einstieg: Plancks und Einsteins Wege zur Quantisierung

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Tab. 2.2 Die Verwendungshäufigkeiten von light quantum‘ bzw. photon‘ 1926–1955, ’ ’ nach Kragh (2014b) S. 276 und dem Web of Science, aber aus methodischen Gründen nur basierend auf original englischsprachigen Artikeln 1926–1935 1936–1945 1946–1955 Light quantum/light quanta 20 Photon 19

0 29

5 243

light quantum‘ im angloamerikanischen Kontext mit einem überwältigen’ den Verhältnis von 243 : 5 obsiegt. Eine Einbeziehung anderssprachiger, auch deutscher Artikel in Tab. 2.2 oder in dem nachfolgenden statistischen Plot (Abb. 2.3) hätte zu einer Verzerrung geführt, da alle Titel für das Web of Science ins Englische übersetzt werden, und dabei häufig modernisierend photon‘ für ’ light quantum‘ benutzt wurde. ’ Somit verfestigte sich im Englischen die Verwendung von photon‘ ab 1945. ’ Heute findet der Begriff im angelsächsischen Sprachraum praktisch ausschließlich Verwendung, während im Deutschen gelegentlich, aber eher selten weiter von Lichtquanten gesprochen wird, da das angelsächsische Kunstwort pho’ ton‘ , in sprachlicher Analogie zu electron‘ , als Neologismus unverändert ins ’ 100 Deutsche übernommen wurde.

Abb. 2.3 Gebrauch des Terminus photon‘ in englischsprachiger Fachliteratur 1926– ’ 1980, ermittelt von Kragh (2014b) S. 277, basierend auf insg. 7325 englischsprachigen c Artikeln im Web of Science. (Reproduced by permission of IOP Publishing, 2014, EDP Sciences and Springer Verlag Berlin Heidelberg) 100 Über

derartige Neologismen entlehnt aus anderen Sprachen siehe Caso (1980) S. 107, nach ihm die zweithäufigste Form wissenschaftlicher Wortprägung nach semantischer Erweiterung.

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Erst im Jahr 1960, korreliert mit der Entwicklung von Lasern, steigt die Zahl der wissenschaftlichen Verwendungen des Terminus Photon‘ über die ’ Zahl 50 pro Jahr, 1964 über 100, 1967 über 200, und 1977 über 500 pro Jahr an. Auch für die Verwendung des Ausdrucks Photon‘ im populärwissenschaft’ lichen Kontext scheint weniger G.N. Lewis als vielmehr A.H. Compton verantwortlich gewesen zu sein. In seinem vielbeachteten Nobelpreisvortrag vom 12. Dezember 1927 z. B. sprach er von X-rays als „light corpuscles, quanta, or, as we may call them, photons.“ 101 Auch in einem populärwissenschaftlichen Artikel für den Scientific American schrieb er im Februar 1929, dass die von ihm für die Untersuchung des Compton-Effekts verwendeten hochenergetischen Röntgenstrahlen aus Photonen bestünden, wobei er diesen Ausdruck in Anführungszeichen setzte und damit einerseits dessen Neuheit anzeigte, durch die fehlende Quellenangabe aber zugleich suggerierte, dass es seine eigene Wortschöpfung war. Jene „photons“ waren für ihn immerhin einer der drei fundamentalen Bausteine des Universums: „Having carried the analysis of the universe as far as we are able, there thus remains the proton, the electron, and the photon – these three. And, one is tempted to add, the greatest of these is the photon, for it is the life of the atom.“ 102 Eine google-Suche nach dem nicht weiter eingeschränkten Stichwort pho’ ton‘ am 6. März 2016 ergab 31.800.000 Treffer und eine analoge Suche in google scholar führt auf immer noch 2.580.000 Nachweise in wissenschaftlichen Artikeln – Beiträge, die ihrerseits mehr als 7000 mal zitiert wurden. Die entsprechenden Zahlen für eine google- bzw. google scholar -Suche nach dem Stichwort light quantum‘ führt auf lediglich 102.000 google- bzw. 11.900 goo’ gle scholar -hits;103 somit dominiert der neuere Ausdruck photon‘ gegenüber ’ light quantum‘ allgemeinsprachlich im Verhältnis von über 300 : 1, in der ’ wissenschaftlichen Fachliteratur noch immer 200 : 1. Die deutsche Variante Lichtquant‘ kommt abgeschlagen auf gerade mal 20.000 google- bzw. 2690 ’ google scholar -Hits, von denen die meisten obendrein auf ältere Literatur zwischen 1927 und 1960 verweisen. Andere Komposita wie z. B. der zeitweise von Robert A. Millian verwendete Ausdruck „light quant“ kommen auf nur noch 2350 google- bzw. 282 google scholar -Hits, von denen überdies viele auch noch irrtümlich zustandekamen.104 Bis heute ist die Konjunktur des Begriffs photon‘ und daraus abgeleiteter Komposita wie z. B. des seit den 1960er Jah’ 101 Compton

(1927b) S. 84. (1929a) S. 236. Den Hinweis auf diesen Text verdanke ich Kragh (2014b) S. 277 f., der dort auch der Karriere des Terminus Photon‘ in der angelsächsischen Lehrbuchliteratur weiter nachgeht, ’ welche die nachfolgende Generation von Naturwissenschaftlern mit diesem Ausdruck vertraut machte. 103 Vorsicht: die naive Suche nach light quantum (ohne Anführungszeichen), die auf 2.060.000 Treffer führt, beinhaltet durch andere Worte getrennte Vorkommnisse. 104 U.a. aufgrund der durch Googles Suchalgorithmus auch mit Anführungszeichen nicht unterdrückbaren Zusammenziehung von Satzenden u. anfängen, Satzzeichen etc. 102 Compton





Abb. 2.4 Gebrauch der Termini photon‘ (oben) und light quantum‘ (unten) in englischsprachiger Fachliteratur 1926–2000, ermittelt von ’ ’ Klaus Hentschel am 7. März 2016 mithilfe von google n-gram viewer unter Beschränkung auf englischsprachige Quellen. Zum Vergleich und auch als eine Art Eichung der absoluten Häufigkeit von Texten über Optik allgemein ferner die analoge Kurve (mitte) für den Gebrauch des Wortes optics‘ seit 1800, die sich um 1955 mit dem Photon‘ -Gebrauch kreuzt

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ren mit dem Laser verbundende Kunstwort Photonik‘ (mit 14.500.000 google ’ bzw. 1.730.000 google scholar -Treffern) ungebrochen.105 Mithilfe von google n-gram viewer (https://books.google.com/ngrams) habe ich ermittelt, wie sich die relative Häufigkeit der drei Termini photon‘ , light ’ ’ quantum‘ und optics‘ in englischsprachiger Fachliteratur in den Jahren 1926 ’ bis 2000 entwickelte (vgl. Abb. 2.4), wobei der letzte der drei Ausdrücke nur für Kontrollzwecke mitgeplottet wurde, um einen groben Indikator für eventuelles Wachstum oder Abflachen der Optik-Literatur allgemein zu erhalten. Diese Methode liefert nur für englischsprachige Literatur brauchbare Resultate. Aufgrund relativ kleiner Trefferzahlen ist der Graph für das Stichwort light ’ quantum‘ nur sehr beschränkt belastbar – er hat sein sehr flaches Maximum im Jahr 1951 und geht spätestens ab den 1970er Jahren wieder auf das nahezu verschwindende Niveau zurück, aus dem er sich in den 1920er Jahren langsam entwickelt hatte. Im Unterschied dazu hat die Kurve für das Stichwort pho’ ton‘ (bei case-insensitiver Suche) einen auch relativ zum leichten Ansteigen der Optik insgesamt stark überproportionalen Anstieg, der bereits 1926 einsetzt und eine nahezu konstante Steigerungsrate hat, die bis zum Maximum der Häufigkeit106 im Jahr 1991 führt, immerhin fast doppelt so hoch wie die relative Häufigkeit des Allerwelts-Ausdrucks optics‘ in jenem Jahr. Bis zum ’ Jahr 2005 sinkt der Wert dann um etwa ein Drittel.107

105 Zur

Geschichte dieses Kunstwortes, das im Englischen seit 1964 vereinzelt und seit Mitte der 1980er Jahre immer häufiger verwendet wurde, siehe Swift (1982), Sternberg (1992) S. 16 ff. und Krasnodebski (2018). 106 Annähernd 0,0007 % relativ zum Gesamtvokabular des in den n-gram viewer eingehenden samples von google gescannter Texte. 107 Dieses Absinken bis auf 0,0005 % kann bereits ein Artefakt der für die letzten Jahre nicht mehr so breiten Datenbasis des n-gram viewers sein, in den alle von google gescannten Bücher eingehen, denn Neuerscheinungen werden von den Verlagen oft etliche Jahre nicht bereitgestellt. Daher ist die Voreinstellung des n-gram-viewers auch so, dass nur Texte bis zum Jahr 2000 berücksichtigt werden; spätere Jahre sollten nicht ausgewählt werden.

3 Zwölf Bedeutungsschichten von Lichtquanten

Ausgehend von meinen Thesen über semantische Anreicherung (Akkretion) bzw. Bedeutungs-Faltung ( convolution‘ ) wird jetzt die Geschichte des Kon’ zepts der Lichtquanten behandelt, und zwar in diesem Buch nicht mehr beschränkt auf den Sachstand der sogenannten älteren Quantentheorie in den Jahren 1900–1924, sondern hier inklusive der Entwicklung der Quantenmechanik ab 1925 und der sich daran anschließenden Quantenelektrodynamik und Quantenfeldtheorie (1930 ff.). Wir werden hier also den gesamten historischen Verlauf von der Entstehung des Konzepts von Lichtquanten in den ersten zwei Jahrzehnten zum späteren Wandel und Ausbau in den Blick nehmen. Zugrunde liegen dafür insbesondere Publikationen von Einstein der Jahre 1905–1949 und seiner wenigen Mitstreiter in einer damals noch sehr überschaubaren scientific community von Spezialisten für Strahlungstheorie und zugehörige Experimente (Planck, Ehrenfest, Lorentz, Lenard, Stark, Hughes, Millikan, Comstock, Compton, Debye, Raman). Basierend auf sorgfältiger Lektüre aller einschlägigen Texte jener Periode frage ich danach, welche semantische Schichten von Lichtquantum‘ in diesen Texten aufschimmern. Es ’ zeigen sich zwölf miteinander z. T. in Resonanz, z. T. in latentem Gegensatz stehende Bedeutungsschichten: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

Teilchenartigkeit, räumlich stark lokalisiert Ausbreitung mit endlicher, aber sehr hoher Geschwindigkeit Emission und Absorption von Licht durch Materie Strahlungsdruck: Licht überträgt Impuls p Energietransmission: Licht überträgt Energie E Die Energie E des Lichts ist korreliert mit dessen Frequenz ν : E ∼ ν Energie E jedes Lichtquants ist quantisiert: E = h · ν

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2023 K. Hentschel, Lichtquanten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-66933-4_3

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8. 9. 10. 11a. 11b. 12.

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Welle-Teilchen-Dualismus Spontane Emission und Absorption Lichtquanten tragen einen Eigendrehimpuls (Spin) Ununterscheidbarkeit von Quanten mit gleicher Energie und Spin Die Statistik der Lichtquanten ist die Bose-Einstein-Statistik Photonen als virtuelle Austauschteilchen der Quantenelektrodynamik.

Nachfolgend werde ich jede dieser zwölf Schichten zunächst einzeln historisch herauspräparieren und danach zeigen, wie erst ihre zeitlich gestaffelte Überlagerung die tatsächliche historische Begriffsgenese abzubilden vermag.1 Die Korngröße, in der wir jene historischen Bilder zeichnen, wird dabei meist eine mittlere sein, – man könnte hier also mit Daniel Little und Aaron Wright von mesoskopischer Geschichtsschreibung reden.2 Denn wir müssen zum einen vermeiden, uns bei der Betrachtung einzelner Akteure zu sehr in die idiosynkratischen Einzelheiten und speziellen sozialen oder institutionellen Randbedingungen zu verlieren und dabei die vergleichende Perspektive aus den Augen zu verlieren, was eine der Schwächen der Mikrohistorie ist. Zum anderen dürfen wir aber auch nicht nur vogelperspektivisch bei den großen Linien stehen bleiben, in denen sich die Naturforschung der letzten 300 Jahre entwickelt hat, wie dies die makrohistorisch angelegten Lehrbücher tun, die die Wissenschaftsgeschichte von Plato bis Nato nachzeichnen, dabei aber gar nicht auf diejenige Ebene von mentalen Modellen herunterkommen, um die es in diesem Buch ja gerade gehen soll. Da wir uns hier nicht für die tagesaktuell schwankenden Befindlichkeiten oder die spielerisch erwogenen Vorstellungen interessieren, die dann gleich wieder fallengelassen wurden, sondern mehr für diejenigen wirkungsträchtigen Modellvorstellungen, die von unseren historischen Akteuren stabil über viele Jahre, ja Jahrzehnte hinweg verfolgt wurden, sind es weniger deren Tagebuch- oder Laborbucheinträge, Briefe oder Interviews, die uns interessieren, sondern die aus ihren ausführlichen Publikationen ablesbaren mentalen Modelle, die uns beschäftigen werden. Dennoch bleibt jener historische Extraktionsprozess, in dem aus tief ins Detail gehenden Veröffentlichungen die darin zugrundeliegenden, aber keineswegs immer offen explizierten mentalen Modelle herausgezogen werden, schwierig und anspruchsvoll, was vielleicht auch erklärt, warum so viele davor zurückscheuten. Besonders bei denjenigen Akteuren, die (wie beispielsweise Isaac Newton oder Paul Dirac) aus den unterschiedlichsten Gründen dazu tendierten, eben nicht 1 Für

frühere Ansätze in diese Richtung, in denen jeweils nur einzelne Schichten herausgegriffen werden konnten, siehe meine Aufsätze Hentschel (2005), (2005/07), (2007b), (2015) sowie Hentschel & Waniek (2011) spez. zur quantenstatistischen Schicht (11a) der Ununterscheidbarkeit. 2 So etwa Wright (2014) S. 22 f. unter Bezugnahme auf den Geschichtsphilosophen Daniel Little (2010) S. 93.

3 Zwölf Bedeutungsschichten von Lichtquanten

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über ihre mentalen Modelle zu reden, sondern in ihren Publikationen nur die mit deren Hilfe erarbeiteten Ergebnisse wiedergaben, werden uns dazu zwingen, ab und an doch auf die Ebene unpublizierter Dokumente zu rekurrieren, um das Vorhandensein jener mentalen Modelle nachzuweisen.3

3.1

Teilchenmodelle des Lichtes

Teilchenmodelle des Lichts im weitesten Sinne finden wir bereits bei antiken Atomisten,4 aber das erste ausgefeiltere Modell dieser Art entwickelte Sir Isaac Newton (1642–1727). In seinen frühen Aufsätzen in den Philosophical Transactions der Royal Society ab 1672 war er bedacht darauf, seine zugrundeliegende korpuskulare Modellvorstellung zum Licht nicht durchscheinen zu lassen, aber sowohl in den Principia von 1687 wie auch in den queries seiner Opticks von 1704 finden sich klare Andeutungen dieses Projektilmodells. In seinen Mathematischen Prinzipien der Naturlehre leitet er beispielsweise die Lichtbrechung aus der stärkeren Anziehung der Lichtpartikel zum dichteren Medium ab,5 und im Query 29 seiner Opticks (ergänzt in der 2. Auflage von 1706) fragt er: Are not the Rays of Light very small Bodies emitted from shining Substances? For such Bodies will pass through uniform Mediums in right Lines without bending into the Shadow, which is the Nature of the Rays of Light. They will also be capable of several Properties, and be able to conserve their Properties unchanged in passing through several Mediums, which is another condition of the Rays of Light.6

Newtons „Projektilmodell“ des Lichts ist in diesem Stadium übrigens – anders als später bei seinen dogmatischen Epigonen – nur als Frage („query“) formuliert, nicht als These; mit seiner Annahme der Existenz von „minimally small bodies“ nutzte er nur eine mathematische Analogie aus, die zwischen der Fortbewegung solcher kleinster Lichtteilchen und kleiner materieller Körper bestehe, ohne positive Aussagen darüber machen zu müssen, „whether 3 In diesem Kapitel beispielsweise in Abb. 4.1 aus dem zu Lebzeiten Newtons unpubliziert gebliebenen Cambridger notebook Questiones quaedam Philosophiae, MS Add. 3996, fol. 104v, eine Abbildung, die sich so in keiner einzigen Publikation Newtons wiederfindet, aber sein damaliges mentales Modell hervorragend illustriert. Für allgemeine Betrachtungen zu mentalen Modellen vgl. hier Abschn. 7.7. 4 Zur Geschichte des Teilchenkonzepts allgemein siehe Falkenburg (1993, 2002), Harlander, Martinez & Schiemann (2023). Über antiken Atomismus siehe Jürss (1973), Stückelberger (1979). Zu frühneuzeitlichen Diskussionen zur Punktförmigkeit vgl. Baldin (2018). 5 Newton (1687) Abschn. XIV, §141 ff. Mehr dazu gleich im Haupttext. 6 Isaac Newton: Opticks (1704), hrsg. v. I.B. Cohen, New York: Dover 1952, S. 370; für eine Transkription der handschriftlichen Entwurfsfassung dieser queries vgl. http://www.enlighteningscience.sussex.ac.uk/ view/texts/normalized/NATP00055.

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they are bodies or not“.7 Teilchenartigkeit also nur als vorsichtig geäußerte Erwägung, bestenfalls als eine Art Modellannahme, nicht aber als Dogma, zu dem dieses Projektilmodell in den Händen von Newtons Epigonen in den nächsten drei Generationen von Naturforschung allerdings rasch wurde. Seine durch Prismenexperimente gewonnene Einsicht in die Zusammengesetztheit weißen Lichts aus farbigen Bestandteilen sollte keinesfalls durch spekulativere Modellannahmen belastet werden. Deshalb beschränkte er sich in seinen weiteren Aufsätzen auf die gewissermaßen phänomenologische Theorie des weißen Lichts als aus farbigem zusammengesetzt: schon dies war damals kontrovers genug.8 Wie die Wissenschaftshistoriker Geoffrey Cantor, Simon Schaffer und Jean Eisenstaedt gezeigt haben, entwickelte sich aus dieser Newtonschen Hypothesen zur teilchenhaften Lichtausbreitung im Laufe des 18. Jahrhunderts eine regelrechte Newtonianische Teilchentheorie des Lichts, die auch Emissions’ theorie des Lichts‘ genannt wird, weil ihre Kernannahme darin besteht, dass Licht in Form sehr kleiner und sehr schneller Teilchen ausgesendet wird. Dieses mentale Modell des Lichts nimmt an, dass die Emissionsgeschwindigkeit der Lichtteilchen mit derjenigen der Emitter zu- und abnehmen kann, je nachdem, welche Relativgeschwindigkeit diese emittierenden Systeme zum Beobachter haben. Die von diesem gemessene Geschwindigkeit war also aus Sicht jener Emissionstheoretiker‘ die Summe aus Relativgeschwindigkeit des Emitters vE ’ relativ zum Beobachter und der Eigengeschwindigkeit des Teilchens vT . Wenn sich die Lichtquelle vom Beobachter weg- bzw. zum Beobachter hinbewegte, war es natürlich anzunehmen, dass die jeweils gemessene Lichtgeschwindigkeit dementsprechend ab- bzw. zunimmt, so zumindest verlangte es die seit Galilei in die Mechanik eingeführte Additionsregel der Geschwindigkeiten. Explizite Überlegungen und Rechnungen dazu finden sich insbesondere in einem der Royal Society of London eingereichten Manuskript des ersten Professors für praktische Astronomie an der University of Edinburgh, Thomas Blair (1748–1828), von 1786.9

7 Newton

(1687c) S. 626.

8 Über die zeitgenössischen Kontroversen zu Newtons Theorie des Lichts siehe Schaffer (1989) und Shapiro

(1996); zu den von Newton nicht öffentlich ausgesprochenen Hintergrundannahmen und mentalen Modellen siehe hier Abschn. 4.1 u. dort zit. Texte. 9 Blair (1786); kommuniziert von Alexander Aubert, vorgetragen auf der Sitzung der Royal Society vom 6. April 1786 und dort verwahrt unter der Archiv-Sign. L. & P. VIII, 182, ausführlich zitiert und kommentiert in Eisenstaedt (2005), (2012) S. 32 ff.

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it appears more probable, that when light is emitted by a body in motion, the velocity of the particles projected in the direction of the motion will exceed the velocity of those, which are projected in an opposite direction, the difference being equal to twice the velocity of the moving body. And the same thing ought to take place when bodies reflect light.10

Wegen der Abhängigkeit des Brechungswinkels von der Geschwindigkeit des einfallenden Lichts gemäß den Formeln für das Brechungsgesetz, formuliert im Newtonianischen Teilchenmodell-Paradigma, müsste – so schloss Blair 1786 weiter – dieser Brechungswinkel für Licht, das von zwei relativ zum Beobachter unterschiedlich bewegten Lichtquellen kommt, sich auch ein ganz klein wenig voneinander unterscheiden. Blair schlug vor, diese Voraussage an einem von ihm vorgeschlagenen hochdispersiven Instrument, bestehend aus 20 auf einem Vollkreis hintereinandergeschalteten Prismen, experimentell zu testen. Das scheiterte freilich experimentell schon daran, dass ein solches MultiprismenSpektroskop avant la lettre eine viel zu hohe Gesamtabsorption des einfallenden Lichtes gezeigt hätte, so daß dieser Vorschlag von Blair ein Gedankenexperiment blieb. Erst um 1800 nahmen sich John Robison (1739–1805), William Herschel (1738–1822) und François Arago (1786–1853) der experimentellen Prüfung derartiger Voraussagen an, ohne die vorhergesagte Abhängigkeit der Lichtgeschwindigkeit vom Emitter nachweisen zu können.11 Der Pariser Physikhistoriker Jean Eisenstaedt interpretierte diesen hypothetischen Einfluss der Eigenbewegung des Lichtemitters auf die Lichtgeschwindigkeit als ein teilchentheoretisches Analogon zu dem heute im Wellenmodell abgeleiteten Doppler-Effekt, freilich nicht formuliert in der nur für das Wellenmodell des Lichts natürlichen Bezugsgröße Frequenz bzw. Wellenlänge, sondern in der im Teilchenmodell des Lichts analogen Bezugsgröße relative Geschwindigkeit. Dass diese Voraussage nur von wenigen überhaupt wahrgenommen wurde und von diesen wenigen dann nach kurzer Prüfung auch rasch wieder ad acta gelegt wurde, lag daran, dass die seit 1728 durch Bradley bekannte optische Aberration, also die systematische scheinbare Verschiebung von Sternörtern aufgrund der Eigenbewegung der Erde um die Sonne, die für alle Sterne und zu allen Zeiten einen konstanten Wert hatte,12 schon damals

10 Blair

(1786) S. 9, vgl. Eisenstaedt (2005) S. 356. Robison (1790), Arago (1853), publiziert erst 1853, aber zurückgehend auf bereits 1806–10 angestellte Messungen – vgl. zu diesem damals noch emissionstheoretischen Kontext der Messungen von Arago, der später zu den wichtigsten Befürwortern der Undulationstheorie des Lichts wurde: Eisenstaedt (2005) S. 350 f., 370 ff. 12 Siehe Bradley (1728), Melvill (1754), (1756), (1784), Wilson (1782) sowie ferner Eisenstaedt (1996) S. 144 ff., (2005) S. 348 ff. 11 Siehe

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gegen eine Abhängigkeit der Lichtgeschwindigkeit von der Relativbewegung zwischen Sender und Empfänger des Lichtes sprach. Vermutlich wurde Blairs Manuskript genau wegen dieser den experimentellen Daten bereits diametral widersprechenden Voraussage nie gedruckt. Neben dieser einen Analogie sieht Eisenstaedt in Texten von Thomas Blair und Zeitgenossen auch noch weitere optische Analogien zu Teilchen-Effekten, die teilweise erst sehr viel später in ganz anderen theoretischen Kontexten (insb. der speziellen und allgemeinen Relativitätstheorie Albert Einsteins) abgeleitet wurden.13 Ebenso wie Blair war auch John Michell (1724–1793) Anhänger der Newtonschen Emissionstheorie des Lichts, die das Licht quasi-ballistisch als Strom sehr kleiner Teilchen modelliert. Genau wie auch eine horizontal abgeschossene Kanonenkugel durch die Masse der Erde nach unten abgelenkt wird, genauso würde – so unterstellten Blair, Michell und andere Newtonianer der Zeit – auch Licht zu optisch dichteren Medien gravitativ hingezogen. Weil in der Newtonschen Grundgleichung zwischen der Masse m des bewegten Teilchens und seiner Beschleunigung a aufgrund der zur Gravitationskonstante G proportionalen GravitationskraftFG die Masse m auf beiden Seiten des Gleichheitszeichens auftritt, kürzt diese sich weg und die resultierenden Beschleunigungen sind von dieser für Lichtteilchen unbekannten Masse m völlig unabhängig und nur noch proportional zur sehr viel größeren Masse M des anziehenden Objektes (Tab. 3.1): m · a = FG = G

m·M M ⇒ a = G 2. 2 r r

Darum konnten die Newtonianer auch mit auf Lichtteilchen einwirkenden Gravitationskräften rechnen, ohne auch nur den Hauch einer Ahnung zu haben, wie groß deren Masse denn nun sei. Am weitesten gehen diese Überlegungen bei John Michell, der Rektor einer Schule in Thornhill, Yorkshire, war und seit 1767 verschiedene Aufsätze über spekulative Konsequenzen der Newtonschen Gravitationstheorie publizierte. Seit 1772 beschäftigte er sich speziell mit dem Einfluss der Gravitationskraft auf das Licht. Er fragte sich, was passieren würde, wenn die Masse der Erde um ein Vielfaches größer wäre: nach obiger Formel würde mit wachsendem M die Gravitationskraft auf die

13 Siehe

Michell (1784), Blair (1786), Eisenstaedt (1996), (2005), (2007) und (2012), McCormmach (2012) sowie dort jeweils genannte bzw. edierte Primärquellen.

3 Zwölf Bedeutungsschichten von Lichtquanten

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Tab. 3.1 Analogien zwischen Newtonianischer Emissionstheorie und Einsteinscher Gravitationstheorie, zusammengestellt von K. Hentschel nach Eisenstaedt (2012) Physikalischer Effekt Mitführungseffekte

Effektive Geschwindigkeitsänderung durch Relativbewegung

Newtonsche Emissionstheorie

Einsteins Gravitationstheorie

Blairs Michelson-Experiment: Gedankenexperiment: Suche nach Geschwindig- Suche nach Ätherwind keitsabhängigkeit im hochdispersiven Prismenexperiment Blair-Michell-Effekt: Effektive Geschwindigkeitsänderung durch Relativbewegung

Doppler-Fizeau-Effekt: Dopplerverschiebung durch Relativbewegung

Gravitation

Reduktion der Gravitationsrotverschiebung Lichtgeschwindigkeit (Einstein 1907b) durch Gravitationsfeld des Emitters (Michell 1784)

Anziehung von Licht durch Massen

Newtonsche Lichtablenkung

Einsteinsche Lichtablenkung (Faktor 2 größer als bei Michell)

Schwere Materie, die Licht so stark anzieht, dass sie nicht mehr entkommen kann

dunkle Materie (Michell 1784)

Black hole (Chandrasekhar, Hawking u. a.)

Lichtteilchen immer weiter zunehmen. Diese müssten also beim Verlassen eines solchen schweren Emitters einen mit wachsender Masse M immer größer werdende Gegenbeschleunigung überwinden, würden also eine immer geringere Restgeschwindigkeit behalten. Irgendwann wäre der Punkt erreicht, bei dem Lichtteilchen die Oberfläche eines solchen sehr schweren Himmelskörpers gar nicht mehr verlassen könnten, sondern durch die Gravitationskraft nach ihrer Emission in dieses Objekt zurückgezogen würden. Die Grenze, ab derer eine derartige totale Lichtverschluckung passiert, berechnete Michell zum 497-fachen des Sonnenradius: If the semi-diameter of a sphere of the same density with the sun were to exceed that of the sun in the proportion of 500 to 1, a body falling from an infinite height towards it, would have acquired at its surface a greater velocity than that of light, and consequently supposing light to be attracted by the same force in

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proportion to its vis inertiae with other bodies, all light emitted from such a body would be made to return towards it, by its own proper gravity.14

Freilich hätte ein solcher Stern 122 Mio. Sonnenmassen und einen Radius von 340 Mio. km. Heute sprechen wir nicht mehr von „unobservable, dark bodies“, sondern von einem sehr viel kompakteren Schwarzen Loch (eng. black hole), aber qualitativ sind Voraussagen ähnlich denen der allgemeinen Relativitätstheorie Albert Einsteins bereits in diesem Newtonianischen Kontext über 100 Jahre früher gemacht worden. Obwohl die Wurzeln der ersten Bedeutungsschicht einer Teilchenartigkeit des Lichts bis zu den antiken Atomisten zurückreichen, habe ich mich hier auf ein Zurückgehen bis hin zu Isaac Newton (1643–1727) beschränkt, gerechtfertigt u. a. auch dadurch, dass Einstein Newtons Texte über Optik und Licht definitiv kannte, schätzte und mehrfach kommentierte.15 In unserem Betrachtungszeitraum äußerte sich Einstein mindestens dreimal ausdrücklich so, dass Kontinuitäten zwischen seiner Lichtquantentheorie und Newtons Projektilmodell des Lichts erkennbar werden. Im August 1913 schrieb er an den Astronomen Erwin Finlay Freundlich (1885–1964) – damals Assistent an der Berliner Sternwarte –, dass die Idee einer Krümmung der Trajektorie des Lichts zur Zeit der Emissionstheorie des Lichts eine ganz natürliche gewesen sei.16 Im Berliner Tageblatt schrieb Einstein 1924 über Comptons Streuexperimente von 1922/1923: „Newtons Korpuskulartheorie des Lichtes wird wieder lebendig“ und in einem Brief an Erwin Magnus vom 22. November 1924 lesen wir: „Die Theorie der Lichtquanten hat Berührungspunkte mit der alten Newtonschen Korpuskular-Theorie.“ 17 Arnold Sommerfeld kam 1924 zu dem Ergebnis: „wir haben Newtons Korpuskeln wiederbelebt“ und Arthur H. Compton untertitelte 1925 eine Einsteinsche Portraitphotographie mit folgenden Worten: „Professor Albert Einstein. He revived the old Newtonian idea of light corpuscles in the form of quanta.“ 18 Die enge Verbindung zwischen Newtons und Einsteins mentalem Modell ist also nicht etwa eine überbordende Historiker-Phantasie oder eine Auswirkung der unter Wissenschaftshistorikern weit verbreiteten Vorläuferitis‘ , sondern ein kognitiver Zusammenhang, ’ der vom zentralen Akteur unserer Geschichte selbst klar gesehen wurde. Die 14 Michell (1784) S. 42; vgl. zu diesem Newtonianischen Äquivalent eines

Schwarzen Lochs‘ , das 1796 mit ’ anderem Zahlenwert auch in Pierre Simon de Laplaces Exposition du Système du Monde wieder auftaucht, ferner McCormmach (1968/1969), Schaffer (1979) und Eisenstaedt (2005) S. 350 f., (2007) S. 742 und dort jeweils genannte weiterführende Literatur. 15 Am bekanntesten dürfte sein Vorwort zum Dover-Reprint von Newtons Opticks durch I.B. Cohen 1952 geworden sein. 16 Über Freundlich und seine Beziehung zu Einstein siehe Hentschel (1992). 17 Einstein (1924) sowie CPAE, Princeton, Bd. 14 (2015), S. 366. 18 Sommerfeld (1919c) S. vii–viii, 57–59 bzw. Compton (1925) S. 246.

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Ähnlichkeiten im Denken von Newton und Einstein bezüglich dieser ersten semantischen Schicht der Teilchenartigkeit des Lichts springen in der Tat ins Auge, wenn man z. B. die bereits oben zitierte Query 29 der Newtonschen Opticks (ergänzt in der 2. Auflage von 1706) liest.

3.2

Ausbreitung mit endlicher, aber sehr hoher Geschwindigkeit sowie Gleichheit der Lichtgeschwindigkeit für alle Farben

Die Endlichkeit der Lichtgeschwindigkeit c war bekanntlich schon vor Newton durch Ole Rømer anhand der Beobachtung von Zeitverzögerungen des Durchgangs von Jupitermonden festgestellt worden, auch wenn Rømer anders als vielfach behauptet, keinen konkreten Zahlenwert dafür angegeben hatte. Erste numerische Abschätzungen erfolgten dann durch Huygens, Cassini, Halley u. a. Astronomen.19 Dass die Lichtgeschwindigkeit für verschieden farbiges Licht exakt gleich groß ist, schien Newton keineswegs evident. Im Gegenteil schien seine obige Ableitung des Brechungsgesetzes, bei der der Sinus der Brechungswinkel ja zu der jeweiligen Geschwindigkeit der Lichtteilchen umgekehrt proportional angesetzt worden war, darauf hinzudeuten, dass die Stärke der Lichtbrechung mit der Geschwindigkeit korreliert war. Nun hatte Newton selbst in seiner New theory of light and colors 1672 gezeigt, dass Komponenten des Lichts mit unterschiedlicher Farbe verschiedene Brechungswinkel aufweisen. Daher lag die Annahme nahe, dass verschiedenfarbige Komponenten des Lichts sich mit verschiedener Geschwindigkeit durch ein und das gleiche Medium ausbreiteten. Da die rote Komponente des Spektrums die am wenigsten brechbare war, müsste sie seiner Theorie nach eigentlich die am schnellsten bewegte sein; umgekehrt wären dann die Lichtteilchen am anderen, blau-violetten Ende des Spektrums die relativ langsamsten. 1691 fragte Newton deswegen den Astronomer Royal, John Flamsteed (1646–1719), ob bei der Beobachtung von Jupitermonden kurz nach deren Durchgang hinter dem Planet nicht vielleicht erst die rote und danach erst die blaue Komponente ihres Lichts beim irdischen Beobachter ankommt. Doch Flamsteeds negatives Ergebnis brachte Newton von der Hypothese, dass rotes Licht schneller als blaues sei, wieder ab.20 Statt dessen vermutete er nun, dass die je nach Farbe unterschiedlich starke Lichtbrechung entweder von einer verschiedenen Größe oder 19 Siehe zum vorstehenden u. a. Huygens (1678/1690) S. 463–466, der in heutige Maße umgerechnet auf 232.000 km/s kam, Lauginie (2013) für Referenzen zu Primärtexten, sowie Wroblewski (1985) für eine kritische Sichtung publizierter Arbeiten zum Rømer-Verfahren. 20 Siehe dazu Turnbull et al. (Hg.) 1959–77, Bd. 3, S. 202 sowie Shapiro (1993) S. 218, Eisenstaedt (1996), (2012) S. 30.

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einer verschieden großen Masse der Lichtteilchen herrühre.21 Die Konstanz und Frequenzunabhängigkeit der Ausbreitungsgeschwindigkeit c im Vakuum wurde später nicht nur für alle spektralen Komponenten des Lichts, sondern auch für andere Transversalwellen bestätigt (etwa Wärmestrahlung, ultraviolettes Licht, Röntgenstrahlung, γ -Strahlen, Radiowellen usw.), die von Maxwells Theorie allesamt als Formen elektromagnetischer Strahlung gedeutet werden, die sich nur in ihrer Wellenlänge bzw. Frequenz voneinander unterscheiden.22 Erst im 19. Jahrhundert war die experimentelle Technik soweit fortgeschritten, dass die Lichtgeschwindigkeit mit raffinierten Instrumenten wie etwa schnell rotierenden Spiegelsystemen oder Interferometern auch in terrestrischen Experimenten gemessen werden konnte. Von diesen Präzisionsmessungen in ruhenden Medien unabhängig war die Frage, wie sich diese Lichtgeschwindigkeit ändert, wenn der Emitter des Lichts oder das Medium, in dem das Licht sich ausbreitet, seinerseits relativ zum Beobachter in Bewegung ist. Das Superpositionsprinzip der klassischen Mechanik ebenso wie hydrodynamische Modelle der Lichtausbreitung in Fluiden ließen eigentlich erwarten, dass sich die Lichtgeschwindigkeit cn in einem Medium mit dem Brechungsindex n dann auch entsprechend verändert. Bei der Bestimmung der Lichtgeschwindigkeit c in fließendem Wasser der Geschwindigkeit w (vgl. Abb. 3.1) entdeckte Hippolyte Fizeau (1819–1896) Mitte des 19. Jahrhunderts, dass sich diese nicht durch vektorielle Addition der Lichtgeschwindigkeit im ruhenden Wasser (c/n) und der Geschwindigkeit w des Mediums mit Brechungsindex n ergibt, sondern dass nur eine geringfügigere Veränderung um den Faktor (1 − 1/n 2 ) eintrat. Er interpretierte dies als nur teilweise, sog. partielle Mitführung des Lichtäthers durch das bewegte Wasser, die quantitativ genau dem entsprach, was sein Landsmann Augustin Fresnel (1788–1827) schon 1818 zu c = c0 /n − w(1 − 1/n 2 ) quantifiziert hatte.23 Auch Einstein erwog, bevor er sich zum Postulat der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit im Vakuum durchrang, eine Abhängigkeit von der Bewegung des Emitters, wie Projektiltheorien des Lichts es nahelegten. Wir wissen das aus seinen späteren autobiographischen Aufzeichnungen sowie aus Einsteins Kommentaren zu den zeitgenössischen Arbeiten von Walther Ritz (1878–1909),

21 Über diese Episode siehe Bechler (1973), (1974), Hall (1993) S. 164–166, Eisenstaedt (1996) S. 124 ff.

u. dort jeweils genannte Primärquellen, insbesondere Newtons Korrespondenz mit Flamsteed u. Gregory. 22 Zu diesen diversen Erweiterungen des elektromagnetischen Spektrums und den ontologischen Debatten

darüber siehe Hentschel (2007a) und dort genannte Primärliteratur. Für spätere Präzisionsmessungen von c siehe Roditschew & Frankfurt (Hg.) 1977, S. 333 ff. 23 Siehe Fresnel (1818), Fizeau (1851/1853), (1859/1860), Mascart (1889/1894) Bd. 3, S. 91–144 sowie Jan Frercks (2004) und weitere dort genannte, z. T. unpublizierte Primärquellen über „Das Verhältnis von Publikation zu Theorie und Experiment in Fizeaus Forschungsprogramm zur Äthermitführung“.

3 Zwölf Bedeutungsschichten von Lichtquanten

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Abb. 3.1 Schematischer Aufbau von Fizeaus Mitführungsexperiment 1851, aus Mascart (1889/94) Bd. 3 (1893), S. 101. Von der Lichtquelle S ganz rechts ausgehende Lichtstrahlen werden in zwei Teilbündel zerlegt, von denen eines in der Reihenfolge Schlitz O1 , Röhre A1 , Spiegel n l , Röhre A2 , Schlitz O2 läuft, der andere in der umgekehrten Reihenfolge. Sobald das Wasser in den Röhren nicht mehr in Ruhe (relativ zu Lichtquelle) ist, sondern sich wie die Pfeile andeuten mit der Geschwindigkeit von 1 m/s bewegt wird, finden in S Interferenzverschiebungen statt, die von Fizeau experimentell nachgewiesen wurden

der genau solche Emissionstheorien weiter durchspielte.24 Einsteins Postulat einer Konstanz der Lichtgeschwindigkeit in allen Inertialsystemen, das seiner speziellen Relativitätstheorie von 1905 neben dem Relativitätsprinzip der Bewegung als zweites Axiom zugrunde liegt, war die Konsequenz aus dem Scheitern dieser theoretischen Überlegungen zu Emissionstheorien.25 Wir sehen hier eine weitere untergründige Verbindung zwischen Einsteins Aufsätzen im annus mirabilis 1905 (vgl. hierzu Abb. 2.1). Der Fresnelsche Mitführungskoeffizient, der in der klassischen Elektrodynamik nur aus recht künstlichen Annahmen über eine partielle Mitführung des Lichtäthers erklärt‘ werden konnte (s. o.), war in Einsteins Elektrody’ ’ namik bewegter Körper‘ eine fast triviale Konsequenz seines relativistischen Additionstheorems der Geschwindigkeiten, das an die Stelle der klassischen Additionsregel trat (vgl. Kasten 2). Die Relativitätstheorie wurde von Einstein jedoch modellunabhängig formuliert, so dass sie sowohl mit Teilchen- wie auch mit Wellenmodellen des Lichts vereinbar blieb. Kasten 2: Klassische vs. relativistische Geschwindigkeitsaddition Nach klassischer Auffassung addieren sich die Geschwindigkeiten eines bewegten Objektes und seines Beobachters vektoriell. Beobachtet dieser beispielsweise Licht, das sich mit der Geschwindigkeit c0 vom Emitter wegbewegt, so würde die Geschwindigkeit dieses Lichts aus seiner Perspektive c0 ± v betragen, je nachdem, ob er sich selbst gegen oder in Richtung des Lichts bewegt. Ebenso würde eine Bewegung des Lichtäthers als hypothetischem Ausbreitungsmedium des Lichts

24 Siehe dazu Ritz (1908a, b) und (1911), Ritz & Einstein (1909), Fritzius (1990), Norton (2004), (2016)

S. 260, Martinez (2004) sowie Pont (Hg.) 2012. 25 In diesem Sinne auch Norton (2004). Bemerkenswerterweise gibt es Parallelen zu dieser unabweislichen

Konsequenz aus mangelnder empirischer Evidenz für irgendeine Art von Abhängigkeit der Lichtgeschwindigkeit von der Geschwindigkeit des Emitters auch im NewtonianischenTeilchenmodell. So folgerte bereits Robert Blair (1786) S. 25 aus Experimenten: „it is at least possible for any thing we know to the contrary, that light may be emitted with the same velocity from shining bodies, whether they be at rest or in motion“.

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diese Lichtgeschwindigkeit verändern. Die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum ist in diesen klassischen Emissionstheorien des Lichts also keine Konstante, sondern vom Bewegungszustand des Beobachters relativ zum Lichtäther abhängig. Misst man die Lichtgeschwindigkeit in bewegten Medien, so wird diese Voraussage experimentell prüfbar. Fizeau hatte 1851 gezeigt, dass nur eine geringfügigere Veränderung um den Faktor (1 − 1/n 2 ) eintritt und dies als nur teilweise, sog. partielle Mitführung des Lichtäthers durch das bewegte Wasser interpretiert. In der speziellen Relativitätstheorie folgt eine viel einfachere Erklärung dieses Fresnelschen Koeffizienten aus der relativistischen Geschwindigkeitsaddition, hier in der Form, die Max von Laue 1907 vorlegte und 1911 noch ausführlicher begründete. Ist die Fließgeschwindigkeit des Wassers v1 = w, und die Ausbreitungsgeschwindigkeit v2 = c/n des Lichtes im wässrigen Medium mit dem Brechungsindex n, so folgt durch Einsetzen von v1 = w und v2 = c/n in die Formel für die relativistische Geschwindigkeitsaddition vrelat = (v1 + v2 )/[1 + v1 · v2 /c2 ] vrelat = (w + (c/n))/[1 + w · (c/n)/c2 ] = (w + (c/n))/[1 + w · (1/n)/c]  (c/n + w) · [1 − w/(nc) + 1/2 · (w 2 /(nc)2 )] ± . . .)  c/n + w · (1 − 1/n 2 ).

Der letzte Ausdruck w · (1 − 1/n 2 ) enthält als Faktor genau den Fresnelschen Mitführungskoeffizienten, demgemäß der Äther nur um den Anteil (1 − 1/n 2 ) der Fließgeschwindigkeit des Mediums mitgeführt wird (formuliert auf der Basis der klassischen Vorstellung, dass das Medium den Lichtäther gewissermaßen partiell mitreißen würde). In der Einsteinschen Re-Interpretation dieser Formel entfällt diese mechanistische Deutung, aber der formale Ausdruck wird unverändert in die neue Theorie übernommen.

Zugegeben, ich habe keine analoge Skizze Einsteins, die Ihnen eine ähnlich ausgeprägte Veranschaulichung eines Lichtquants zeigen würde wie Abb. 4.1 zu Newton. Doch heißt dies nicht, dass Einsteins Modellbildung weniger raffiniert war: sie war nur etwas abstrakter. Aber auch bei ihm standen Überlegungen zur Teilchenartigkeit des Lichts in engem Zusammenhang mit deren Ausbreitungsgeschwindigkeit. Die Umgebung‘ , der Äther Newtons, wird bei ’ Einstein zum umgebenden Strahlungsfeld der anderen Lichtteilchen (dazu später mehr) und die Konstanz der Ausbreitungsgeschwindigkeit war bekanntlich eines der Axiome seiner nur drei Monate nach seinem Aufsatz über Lichtquanten ebenfalls bei den Annalen der Physik eingereichten Arbeit Zur Elektrody’ namik bewegter Körper‘ (eingegangen am 30. Juni 1905). Wir sehen hier eine weitere untergründige Verbindung zwischen den drei berühmten Aufsätzen von 1905 (vgl. dazu hier Abb. 2.1). Experimentelle Untersuchungen haben gezeigt, dass die Geschwindigkeit der Ausbreitung des Lichts und elektromagnetischer Wellen auch in ganz anderen Frequenzbereichen des mehr als 22 Zehnerpotenzen überspannenden experimentell zugänglichen Spektrums von Radiowellen bis hin zu hochfrequenter Höhenstrahlung bis auf eine derzeitige

3 Zwölf Bedeutungsschichten von Lichtquanten

61

experimentelle relative Fehlergrenze von rund 10−20 exakt die gleiche ist, woraus sich dann auch entsprechend rigide obere Grenzen für die Photonenmasse m γ von m γ ≤ 3 · 10−46 g ergeben.26

3.3

Emission und Absorption von Licht durch Materie

Die dritte Bedeutungsschicht lässt sich ebenfalls bis in die Antike zurückverfolgen und sie wäre mindestens bis zu Einsteins berühmten Arbeiten über induzierte Emission 1916 und 1917 und von dort aus dann bis in die QED hinein fortzusetzen (siehe dazu die weiter unten in diesem Kapitel folgenden Schichten 8 bzw. 11). Wir beginnen wiederum bei Isaac Newton. In Query 5 der Opticks schreibt Newton 1704: „Do not Bodies and Light act mutually upon one another; that is to say, Bodies upon Light in emitting, reflecting, refracting and inflecting it, and Light upon Bodies for heating them, putting their parts into a vibrating motion wherein heat consists?“ 27 Nur am Rande sei bemerkt, dass jenes Newtonsche Korpuskularmodell des Lichts großen Einfluss auf die sogenannte Chemie des Lichtes im 17. und 18. Jahrhundert sowie auf die konzeptuelle Interpretation der Entdeckung etlicher neuer Strahlungssorten im 19. und frühen 20. Jahrhundert gehabt hat.28 Bei und kurz nach der Entdeckung von infrarotem bzw. ultraviolettem Licht um 1800, sowie von αund β-Strahlen bzw. von γ - und X-Strahlen kurz vor 1900 bestand jeweils erhebliche Unsicherheit darüber, ob diese neu-entdeckten Strahlen Wellen oder Teilchen darstellen, wobei der Newtonianismus ein Präjudiz in Richtung der Teilcheninterpretation setzte.29 Besonders heftige Kontroversen rankten sich um die Interpretation von X-Strahlen – so hatte Wilhelm Conrad Röntgen (1845–1923) die bald nach ihm benannten Strahlen ursprünglich bezeichnet – ab 1895 und um die energetisch noch stärkeren γ -Strahlen (1900).30 So interpretierte z. B. Joseph John Thomson (1856–1940) in Cambridge die Röntgenstrahlung als teilchenartig wegen ihrer extrem gerichteten und punktuellen Wirkung (sog. Nadelstrahlung), bei der die Intensität nicht wie 1/r 2 abgeschwächt wird, sondern über grössere Abstände r hinweg nahezu gleich bleibt. Auch die Ionisation von Gasen tritt nur vereinzelt, sozusagen punktuell 26 Für

einen Review-Artikel mit Literaturangaben dazu siehe Tu et al. (2005) S. 91–94. Newton: Opticks (1704) S. 339. 28 Siehe dazu Hentschel (2007a), Shapiro (2009) Kap. 9 sowie Principe (2008), nur online verfügbar unter http://methodos.revues.org/1223. 29 Siehe dazu Hentschel (2007a) und dort jeweils genannte Primärquellen. 30 Siehe dazu Stuewer (1971), Wheaton (1983) und dort genannte Primärquellen, ferner Abschn. 4.5 zu J.J. Thomsons mentalem Modell. 27 Isaac

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auf, was auf kleine Wechselwirkungsbereiche hindeutet, nicht auf großflächig verteilte Wirkungszonen, wie es die Wellenfronten des konkurrierenden Wellenmodells dieser Strahlung wären. Ferner zeigte sich auch, dass die Energie dieser Strahlung völlig unabhängig von ihrer Intensität ist. Für viele Zeitgenossen sprachen diese Fakten eine klare Sprache gegen das Undulationsmodell: „These facts seem to be completely inexplicable on any sort of a spreading wave theory […] the emitted energy keeps together as an entity, or quantum, which may be transformed back and forth between a β-ray and an X- or γ -ray.“ 31 Darum sprach der Nobelpreisträger Robert A. Millikan noch 1950 in seiner Autobiographie von der „semi-corpuscular or photon theory of light“.32 Messungen der Ausbreitungsgeschwindigkeit von Röntgenstrahlen waren experimentell sehr schwierig und deren Ergebnisse blieben lange sehr umstritten.33 Die Geschwindigkeit der Ausbreitung von Röntgenstrahlen blieb daher unbekannt, bis es 1905 Erich Marx (1874–1956) gelang, experimentell zu zeigen, dass sie der Lichtgeschwindigkeit nach zumindest größenordnungsmäßig gleich war. Erst zehn Jahre nach der Entdeckung der Röntgenstrahlen gelang im Jahr 1906 Charles Glover Barkla (1877–1944) der Nachweis ihrer Polarisierbarkeit.34 Weitere sechs Jahre vergingen, bis Max von Laue (1879–1960), Walter Friedrich (1883–1968) und Paul Knipping (1883–1935) in München sowie William Henry Bragg (1862–1942) und dessen Sohn William Lawrence Bragg (1890–1971) in England den Nachweis der Interferenz dieser Röntgenstrahlen durch Reflexion an benachbarten Kristallebenen in Festkörpern erbrachten.35 Nachdem 1913 sowohl klare Evidenz für die Polarisierbarkeit von Röntgenstrahlen wie auch für deren Interferenzfähigkeit vorlagen, war die heutige Interpretation der Röntgenstrahlung als hochfrequente Form elektromagnetischer Wellen unstrittig geworden. „The identity in nature of X-rays and light could no longer be doubted.“ 36 Trotzdem promovierte in Paris noch 1920 Fernand Holweck (1890–1941) mit einer experimentellen Arbeit, in der es um den experimentellen Nachweis der Familienähnlichkeit von Licht und 31 Millikan

(1913) S. 128. (1950) Kap. 9, S. 101 f. 33 Siehe etwa Blondlot (1903) sowie Marx (1905) für eine Kritik dieser Geschwindigkeitsmessungen als methodisch unsauber. 34 Siehe dazu Marx (1905) bzw. Barkla (1905), (1906); ferner J.J. Thomson (1911) S. 695f., Wheaton (1983) S. 44 ff. 35 Siehe z. B. Tutton (1912) S. 307, der dieses Experiment als „crucial test“ für die Deutung der Röntgenstrahlen als elektromagnetische Wellen bezeichnete, und die Nobelpreisreden von Laue (1920) sowie W.L. Bragg (1915) über Röntgenbeugung durch Kristalle, auch online unter nobelprize.org/physics/laureates/1914 bzw. /…1915. Über die anfangs erfolglosen Versuche zur Messung des Brechungsindexes und der Wellenlänge von Röntgenstrahlen: Compton (1924) S. 174 ff. 36 So im historischen Rückblick Compton (1927a) S. 179; vgl. ferner Wheaton (1983) S. 199 ff. u. dort gen. Texte v. Max v. Laue u. a. 32 Millikan

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Röntgenstrahlen ging.37 Den Schlußstein setzte dann der amerikanische Experimentalphysiker Arthur Holly Compton mit seinem Nachweis, dass sich die Röntgenstrahlung auch in Streuprozessen genau wie die von Einstein postulierten Lichtquanten, also als Teilchen, verhält: „It is clear that the X-rays thus scattered proceed in direct quanta of radiant energy; in other words, that they act as photon particles.“ 38 Auf diese Debatten des vorigen Jahrzehnts anspielend überschrieb Compton seinen Nobelpreis-Vortrag 1927 programmatisch X-rays as a branch of optics‘ und begann dessen zweiten Absatz mit ’ der Aussage: „It has not always been recognized that X-rays is a branch of optics.“ 39 Erneut zeigt sich hier, wie schon die Akteure selbst, nicht erst Wissenschaftshistoriker 100 Jahre später, die langen historischen Linien sahen, an denen entlang sich Konzepte entwickelten. Durch Fusion dieser spätestens seit der frühen Neuzeit allvertrauten dritten Bedeutungsschicht mit der erst nach 1905 klar hinzutretenden siebten Schicht einer Quantisierung jenes Energieaustausches lebte diese Schicht durch das Aufkommen des Bohrschen Atommodells ab 1913 plötzlich wieder auf und entfaltete sich. Die quantenhafte Emission und Absorption von Strahlung, wie sie Einsteins Lichtquantenhypothese zugrunde lag, wurde erst mit dem sehr erfolgreichen Bohrschen Atommodell von 1913 einer größeren Zahl von Forschern bekannt. Der Übergang der Elektronen zwischen Orbitalen erfolgt laut Bohr durch Emission bzw. Absorption von Lichtquanten (sogenannte Quantensprünge). In einigen Spezialgebieten konnte die Lichtquantenhypothese aber auch schon vorher Absorptionsprozesse besser verstehen helfen. So bildete sie die Grundlage für das photochemische Äquivalentgesetz, demzufolge die Absorption des Lichts nur in ganzen Quanten erfolgen kann, wenn es eine chemische Reaktion auslöst. Als Johannes Stark 1912 Priorität in der „Anwendung des Planckschen Elementargesetzes auf photochemische Prozesse“ reklamierte, widersprach ihm Einstein mit dem Hinweis darauf, dass „es sich bei dem photochemischen Äquivalentgesetz um eine ganz selbstverständliche Folgerung der Quantenhypothese handelt“, wie er sie seit 1905 entwickelt hatte.40 Da letztere aber immer noch heftig umstritten war und kaum Anhänger gefunden hatte, legte Einstein 1912 eine rein „Thermodynamische Begründung des photochemischen Äquivalentgesetzes“ vor und wies seinen Kritiker dadurch 37 Siehe

die später als Buch herausgekommene erweiterte Fassung: Holweck (1927) sowie ergänzend: Beaudouin (2005) S. 85 f., 149, 155 über die Vita dieses 1941 aufgrund seines politischen Widerstands von den deutschen Besatzern zu Tode gefolterten Holweck. Betreuerin der Dissertation war niemand geringeres als Marie Curie. 38 Zitat aus dem retrospektiven Artikel von Compton (1961) S. 820; vgl. Compton (1927), Stuewer (1975a), (1998), Silva & Freire (2011) zu Comptons Lernkurve bezüglich des Lichtquantums. 39 Compton (1927a) S. 174 bzw. Stuewer (1975), Wheaton (1983) S. 94 ff. 40 Siehe dazu experimentell Stark (1908) sowie Einstein (1912a, b), Starks (1912a, b) Angriff und Einsteins (1912c) Replik, ferner hier Abschn. 4.4).

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in die Schranken, indem er darauf hinwies, dass in seiner neuen Arbeit ja gerade gezeigt werden sollte, dass man zur Ableitung jenes Äquivalentgesetzes nicht der Quantenhypothese bedarf, sondern dass dasselbe „aus gewissen einfachen Annahmen über den photochemischen Prozess auf thermodynamischem Wege gefolgert werden kann.“ 41 Damit war das photochemische Äquivalentgesetz auf jeden Fall gesichert und von der noch mit Unsicherheit behafteten Modellbildung unabhängig. Der von Einstein selbst nicht benutzte Terminus Quantenausbeute‘ be’ zeichnet das Verhältnis der Anzahl photochemisch veränderter Moleküle zur Zahl absorbierter Lichtquanten. Nach Einsteins Modell der Lichtabsorption sollte diese Quantenausbeute stets gleich 1 sein, was in den Jahren 1921 bis 1927 von John Eggert (1891–1973) und Walter Noddack (1893–1960) an der Spaltung von Silberbromid in Silber und Bromatome auch bestätigt wurde: Jedes absorbierte Lichtquant bewirkt dort in der Tat genau eine chemische Reaktion. Für viele andere Reaktionen stellte man jedoch Quantenausbeuten sehr viel größer als 1 fest, was zu dem Schluss führte, dass auf die photochemische Primärreaktion andere Sekundärreaktionen folgen müssen, die die Wirkung eines Lichtquants in einer Kettenreaktion gleichsam vervielfachen. Die 1911 von Max Bodenstein (1871–1942) und 1918 von Walther Nernst (1864–1941) vermuteten Reaktionsmechanismen – die von Einstein zwar nicht vorausgesagt waren, aber letztlich dennoch mit seinen Vorstellungen zur Quantenausbeute vereinbar sind – wurden 1922 von Carl Weigert (1845–1904) und seinem Doktoranden Hermann Richard Kellermann (1890–?) nachgewiesen.42 Auch für die biologische Photosynthese wurden zwischen 1923 und 1955 Ausbeuten zwischen 4 und 12 absorbierten Photonen pro erzeugtem Molekül Sauerstoff diskutiert.43 Nicht zuletzt passten zu Einsteins Modellierung des photoelektrischen Effektes auch die damals bereits von Millikan experimentell abgeschätzten sehr kurzen Zeitintervalle zwischen dem Eintreffen der elektromagnetischen Strahlung auf den polierten Metalloberflächen und dem dadurch induzierten Austreten von Photoelektronen. Ernest O. Lawrence und Jesse Beams konnten dieses Zeitintervall mithilfe von elektro-optischen Kerr-Zellen bereits 1928 auf kleiner als 3 · 10−9 s eingrenzen, Forrester u. a. kamen 1955 auf 10−10 s.44 Heute wissen wir, dass dieses Zeitintervall für Strahlung der Frequenz ν = 1015 Hz in der Größenordnung von Femtosekunden (also 10−15 s und z. T. noch dar41 Siehe

Einstein (1912c) S. 888, Hervorhebung im Original. auf Primärlit. z. B. in Plotnikow (1920), Bodenstein (1942), Meidinger (1934). 43 Zu der Kontroverse zwischen Otto H. Warburg (1883–1970) und Ralph Emerson (1903–1959), James Franck (1882–1964) sowie Hans Gaffron (1902–1979) siehe Nickelsen (2013), (2016). 44 Siehe Lawrence & Beams (1928) S. 484–485: „atoms emit quanta of radiant energy practically instantly […] non-existence of a [time] lag in the photoelectric effect“, Forrester et al. (1955) S. 1691. 42 Hinweise

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65

unter) liegt, was alternative Modellierungen dieses physikalischen Prozesses in Richtung allmählicher Anreicherung mit und nachfolgender explosionsartiger Freisetzung von Energie, wie sie z. B. auch Lenards Triggermodell zugrundelag, kategorisch ausschließt.45

3.4

Strahlungsdruck von Licht auf Materie

Auch die vierte semantische Schicht des Strahlungsdrucks tritt spekulativ bereits in der frühen Neuzeit im Kontext von Kometenbeobachtungen auf, so etwa bei Johannes Kepler (1571–1630), der über die Wechselwirkung des Sonnenlichts mit den an der Sonne vorbeifliegenden Kometen 1608 folgendes schrieb: Die Sonnenstraalen durchgehen das corpus des Cometens und nemen augenblicklich etwas von dessen Materi mit sich ihren Weg hinaus, von der Sonnen entan, daher, halt ich, komme der Schwantz des Cometens, der sich allwegen von der Sonnen entan streckt.46

Newton hingegen stellte sich vor, dass die Sonnenstrahlen zu einer Erwärmung der Dämpfe im Schweif des Kometen führen, die sich dann, wie Rauch im Kamin, von der Quelle der Hitze wegbewegen.47 Frühe experimentelle Versuche zur Verifikation eines solchen Strahlungsdruckes durch Lichtteilchen im Rahmen der Newtonianischen Projektiltheorie des Lichts im 18. Jahrhundert trafen alle auf damals unüberwindliche experimentelle Schwierigkeiten. Gleich mehrere Naturforscher des 18. Jahrhunderts scheiterten daran, dass noch keine ausreichend guten Vakua und keine störungsfreien Aufhängungen verfügbar waren.48 Dennoch hatten sie zeitweise geglaubt, den aus dem Projektilmodell so anschaulich, gewissermaßen unwillkürlich folgenden Strahlungsdruck experimentell nachgewiesen zu haben. Einer der ersten war Wilhelm Homberg (1652–1715), der 1708 mit einem einen Meter großen Tschirnhausschen Brennspiegel fasrigen Asbest im Fokus dieses Instruments von einer Seite auf die andere zu drehen vermochte, was er als Evidenz dafür ansah, 45 Dass diese Kurzzeitigkeit jedoch auch keinen Beweis der Unteilbarkeit des Photons darstellt, betont Roychoudhuri (2006) S. 3, (2009) S. 3. 46 Kepler (1608c) S. 60. 47 Siehe dazu Newtons Principia (1687b) bzw. (1687d), Buch 3, Prop. 41 (S. 528 der Motte-Cajori-Ausg. bzw. in dt. Übers. in der Wolfers-Ausgabe, Berlin 1872), Fortsetzung des § 59 über Kometen, insbesondere S. 485, 491 u. 493 f. über Kepler. 48 Siehe die folgenden beiden Fußnoten; vgl. ferner Worrall (1982) S. 141 für Hinweise auf analoge Experimente von Nicolas Hartsoeker (1696) und de Mairan (1747) sowie deren Wiedergabe durch Peter van Musschenbroeks Cours de physique experimentale et mathématique 1769.

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„que les rayons de soleil eussent la force de presser et de pousser, même quand ils sont reünis par le Miroir ardent.“ 49 Das freie Ende einer Feder, das von der geballten Sonnenstrahlung eines Brennglases mit etwa 30 cm Durchmesser getroffen wurde, geriet in merkliche Schwingungen, so als ob es mit einem Stock angeschlagen worden sei. Dass die enorme Hitzewirkung im Fokus dieser Brennspiegel und -gläser im Verbund mit der Verdampfung von Materie und den dadurch ausgelösten Strömungen zu Störeffekten führen könnten, wurde den Experimentatoren schon Mitte des 18. Jahrhunderts klar: Die erste Beobachtung einer frei schwingenden Nadel im teilevakuierten Glasgefäß (siehe Abb. 3.2) machte 1792 der Reverend Abraham Bennet (1749–1799), aber sein Ergebnis war ernüchternd: „I could not perceive any motion distinguishable from the effects of heat“. Deshalb vermutete er dann auch gleich einen grundsätzlichen Defekt des Projektilmodells von Licht: „Perhaps sensible heat and light may not be caused by the influx or rectilineal projections of fine particles: but by the vibrations made in the universally diffused caloric or matter of heat, or fluid of light.“ 50 Auch das Crookessche Radiometer wurde lange Zeit in diesem Kontext als Lichtmühle‘ interpretiert, obwohl Arthur Schusters Aufsatz von 1876 ge’ zeigt hatte, dass dessen Grund eigentlich nur die thermische Wirkung auf die Restgase im teilevakuierten Gefäß war.51 Schon bevor kurz nach 1900 durch Präzisionsmessungen erwiesen werden konnte, dass Lichtstrahlen, die auf eine in einem teilevakuierten Gefäß aufgehängte Fläche treffen, einen „Lichtdruck“ auf die Fläche ausüben, lieferte der italienische Physiker Adolfo Bartoli (1851–1896) in folgendem Gedankenexperiment ein elegantes thermodynamisches Argument dafür, warum dieser Lichtdruck vorliegen musste. Aus dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik, angewendet auf einen Kreisprozess mit Wärmestrahlung, zeigte Bartolis Gedankenexperiment 1876, dass dieser zweite Hauptsatz einen Strahlungsdruck zwingend voraussetzt (siehe Abb. 3.3 und Kasten 3).

49 Siehe

Homberg (1708) (leider nur Fontenelles Abstract des Vortrags dokumentierend) und Bennet (1792), insbesondere Exp. X, S. 87 f., sowie ergänzend Principe (2008). 50 Siehe Bennet (1792) S. 87 f. (Zitate) bzw. Tafel II (hier Abb. 3.2) ohne Angabe des Restdrucks. Über Bennet siehe Elliott (1999) zu Fragestellungen und Forschungskontexten jener beiden frühneuzeitlichen Experimentatoren. 51 Zu der Diskussion über Crookes’ Radiometer siehe Woodruff (1966), Dörfel & Müller (2003), jeweils mit Hinweisen auf die vielfältige Primärlit. Über diese Episode siehe ferner die weiterführende Literatur zit. in Worrall (1982) S. 147 ff.

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Abb. 3.2 Experimentalaufbau von Bennet zur Messung des Strahlungsdrucks auf eine frei aufgehängte Nadel in einem teilevakuierten Glasgefäß. Aus Bennet (1792) Tafel II

Abb. 3.3 Bartolis Gedankenexperiment 1876 zur Herleitung des Lichtdrucks aus dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik: A und D sind ideal-schwarze Körper im Gleichgewicht mit dem Hohlraum. Die Temperatur von D (Raum CD) sei höher als die von A (Raum AB). Durch geschicktes Verschieben der Membran B von A Richtung D könnte arbeitsfrei Wärme vom kälteren zum wärmeren Körper geführt werden, wenn diesem Verschieben nicht eine Gegenkraft, der Strahlungsdruck, entgegenwirken würde. Der Strahlungsdruck ist also zwingend notwendig, damit kein Widerspruch zum zweiten Hauptsatz der Thermodynamik entsteht. Aus Carazza & Kragh (1989) S. 188 mit Genehc migung von Taylor & Francis 1989

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Kasten 3: Lichtdruck und zweiter Hauptsatz der Thermodynamik Man betrachte einen evakuierten Hohlraum (Abb. 3.3), an dessen Enden sich ideal-schwarze Körper A und D befinden. In einem geringen Abstand befinde sich über A und D eine Membran B bzw. C. Die Temperatur von D sei höher als die von A. Das System befindet sich in einem Gleichgewichtszustand: d. h. die Strahlung im Hohlraum CD hat die gleiche Temperatur wie D, und analog habe die Strahlung im Hohlraum AB die Temperatur A. Durch geschicktes zyklisches Manipulieren der Membranen B und C wie in Abb. 3.3 angedeutet (d. h. Herausziehen von C in III, nachfolgendes Verschieben der Membran B in Richtung D in IV und Wiedereinführen von C an der früheren Stelle von B in IV bzw. II) könnte arbeitsfrei Wärme vom kälteren zum wärmeren Körper geführt werden. Doch dies ist nach dem zweiten Hauptsatz der Wärmetheorie strikt verboten. Offenbar muss diesem Verschieben der Membran B von oben nach unten eine Kraft entgegenwirken, nämlich der Strahlungsdruck, gegen den bei diesem Verschieben Arbeit geleistet wird. Die Existenz des Strahlungsdrucks ist also schon nach dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik zwingend erforderlich (siehe Bartoli (1884) und Carazza & Kragh (1989)).

Ein erfolgreicher experimenteller Nachweis des Strahlungsdruckes im Labor folgte erst Anfang des 20. Jahrhunderts. Pjotr Nikolajevitsch Lebedew (1866– 1912) gelang 1901 an der Lomonossow-Universität in Moskau der erste experimentelle Nachweis des Strahlungsdrucks, allerdings noch mit hohem systematischen Fehler (größer als 10 %); Ernest Fox Nichols (1869–1924) und Gordon Ferrie Hull (1870–1956) gelang 1903 am Dartmouth College in den USA ein verbesserter experimenteller Nachweis mit einer Fehlerbreite von nur noch rund 1 %.52

3.5

Energietransport durch Licht

Theoretischer Vergleichsstandard bei diesen ballistischen Präzisionsmessungen Anfang des 20. Jahrhunderts waren Voraussagen der Größe dieses Lichtdrucks durch James Clerk Maxwell (1831–1879) und John Henry Poynting (1852– 1914) basierend auf Maxwells Theorie elektromagnetischer Strahlung.53 Die Energiedichte des elektromagnetischen Feldes ergibt sich aus den MaxwellGleichungen für die elektrischen und magnetischen Felder E bzw. B proportional zu: E 2 + B 2 . Der sogenannte Poynting-Vektor S = E × B erfasst nach Größe und Richtung den Fluss elektromagnetischer Energie und wurde von 52 Siehe Lebedew (1901), Nichols & Hull (1901) sowie (1903a) und b. Für eine spätere Literaturübersicht

semiklassischer Theorien zu mechanischen Wirkungen elektromagnetischer Strahlung siehe Stenholm (1986). 53 Siehe hierzu Maxwell (1873c) § 792–793, Poynting (1884) sowie ergänzend Poincaré (1900), wo auch der Rückstoß eines Licht emittierenden oder reflektierenden Systems berechnet wird.

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dem englischen Physiker erstmals 1884 berechnet. Weil der Poynting-Vektor mathematisch betrachtet proportional zum Vektorprodukt aus elektrischem und magnetischem Feld ist, folgt die strenge Orthogonalität der Energie- und Impulsübertragung zu beiden Trägerfeldern: „It follows at once that the energy flows perpendicularly to the lines of electric force, and so along the equipotential surfaces where these exist. It also flows perpendicularly to the lines of magnetic force, and so along the magnetic equipotential surfaces where these exist. If both sets of surfaces exist their lines of intersection are the lines of flow of energy.“ 54 Die physikalische Interpretation dieses Energieflusses, mit dem immer auch ein Impulsfluss verbunden ist, der dann zum Strahlungsdruck führt, war jedoch weit weniger eindeutig, so dass es um diesen Aspekt der elektromagnetischen Theorie unter Physikern intensive Debatten gab. Wer oder was transportierte im Falle elektromagnetischer Felder deren Energie und Impuls senkrecht zu deren eigener Schwingungsrichtung? Wie sollte man sich dies im Stile anschaulicher britischer Modellbildung des ausgehenden 19. Jahrhunderts vorstellen? War dieser Fall wirklich analog zu einem Teilchenstrom, wie er z. B. im Falle der Kathodenstrahlung in Crookes’schen Röhren beobachtet wurde und zu bekannten Schauexperimenten geführt hatte, mit denen die Teilchenhaftigkeit jener Kathodenstrahlen schlagend demonstriert werden konnte (vgl. Abb. 3.4 rechts). Der niederländische theoretische Physiker Hendrik Antoon Lorentz (1853– 1928) z. B. grenzte beide Fälle, also Energie- und Impulstransport durch Teilchen bzw. durch elektromagnetische Wellen, klar gegeneinander ab, als er 1909 in The Theory of Electrons schrieb: The flow of energy can, in my opinion, never have quite the same distinct meaning as a flow of material particles. […] It might even be questioned whether, in electromagnetic phenomena, the transfer of energy really takes place in the way indicated by Poynting’s law, whether, for example, the heat developed in the wire of an incandescent lamp is really due to energy which it receives from the surrounding medium, as the theorem teaches us, and not to a flow of energy along the wire itself. In fact, all depends upon the hypotheses which we make concerning the internal forces in the system, and it may very well be that a change in these hypotheses would materially alter our ideas about the path along which the energy is carried from one part of the system to another. It must be observed however that there is no longer room for any doubt, so soon as we admit that the phenomena going on in some part of the ether are entirely determined by the electric and magnetic force existing in that part. Therefore, if all depends on 54 Siehe

Poynting (1884) S. 345 sowie ergänzend die sehr informativen Websites http://www.mathpages. com/home/kmath677/kmath677.htm und https://en.wikipedia.org/wiki/Poynting’s_theorem.

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Abb. 3.4 Zwei Demonstrationsexperimente mit Crookes’schen Röhren. Links bildet sich der Schatten eines Malteserkreuzes auf der der Kathode gegenüberliegenden Innenwand der Röhre ab, was die Geradlinigkeit der Kathodenstrahlen zeigt. Rechts wird ein Rädchen durch die Kathodenstrahlen von links nach rechts transportiert, was Energieund Impulsübertragung von den Kathodenstrahlen auf das Rad beweist und seit den 1870er Jahren bereits als Indiz für deren Teilchenartigkeit gewertet wurde. Beide Abbildungen aus Wikimedia

the electric and magnetic force, there must also be one near the surface of a wire carrying a current, because here, as well as in a beam of light, the two forces exist at the same time and are perpendicular to each other.55

Einstein war über diese neuesten experimentellen Arbeiten gut unterrichtet. In einem Aufsatz von 1909 erwähnte er den „erst in neuerer Zeit experimentell konstatierte(n) Lichtdruck, welcher in der Theorie der Strahlung eine so wichtige Rolle spielt.“ 56 Im gleichen Jahr diskutierte er auch die aus diesem Impulsaustausch zwischen Licht und Materie resultierenden Schwankungserscheinungen an frei aufgehängten Spiegeln, auf die ich in Abschn. 3.8 im Zusammenhang mit dem Welle-Teilchen-Dualismus zurückkommen werde. Aber es gab noch eine viel elementarere Konsequenz, die Einstein seit 1905 bereits sah, obgleich sie auch ein wenig paradox war. Einerseits bedeuteten Licht und andere Formen elektromagnetischer Wellen einen Transport von Energie, 55 Lorentz (1909c)

§ 18, S. 25–26; dieses Zitat ist auch in der zweiten Auflage von 1915 unverändert enthalten. Wir werden später sehen (in Abschn. 4.3), dass Lorentz in dieser Zeit auch zu den scharfsinnigsten Kritikern des Lichtquantenkonzepts zählte. 56 Einstein (1909a), Zitat S. 817 f.

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wie schon Poynting wusste (s. o.) und wie es auch die neuesten Experimente zum Strahlungsdruck wieder bestätigt hatten. Andererseits hatte Einstein in einer seiner anderen klassischen Arbeiten des annus mirabilis 1905, verstärkt und deutlicher herausgearbeitet noch in zwei Nachfolgearbeiten 1906 und 1907, aber gezeigt, dass Energie und Masse einander äquivalent waren vermöge der berühmten Formel E = mc2 , die er 1905 nur für Energiezunahme und eine dazu streng proportionale Massenzunahme bewiesen hatte, später aber auch auf Energie-Masse-Äquivalenz an sich erweiterte. An seinen Jugendfreund Conrad Habicht schrieb er: Eine Konsequenz der elektrodynamischen Arbeit [gemeint ist hier sein Aufsatz zur speziellen Relativitätstheorie] ist mir noch in den Sinn gekommen. Das Relativitätsprinzip im Zusammenhang mit den Maxwellschen Grundgleichungen verlangt nämlich, daß die Masse direkt für die im Körper enthaltene Energie ist; das Licht überträgt Masse. Eine merkliche Abnahme der Masse müßte beim Radium erfolgen. Die Überlegung ist lustig und bestechend, aber ob der Herrgott nicht darüber lacht und mich an der Nase herumgeführt hat, das kann ich nicht wissen.57

Einstein hatte sich mit seiner Vermutung einer Energie-Masse-Äquivalenz nicht geirrt, und trotzdem blieb sehr lange unklar, wie es zu interpretieren war, dass Licht Masse „überträgt“. Hieß das, dass die dem Licht zugeordneten Lichtquanten selbst eine nichtverschwindende Ruhemasse haben? Das wurde anfänglich zwar immer wieder mal vermutet,58 aber wie sich später herausstellen sollte, ist dies eben nicht der Fall: Photonen sind streng masselose Quanten des elektromagnetischen Feldes. Genau deswegen haben sie auch – anders als die massebehafteten virtuellen Austauschteilchen – keine endliche Zerfallszeit τ aufgrund der Heisenbergschen Unschärferelation E · τ ≥ . Präzisionsexperimente zwischen 1992 und 2004 bestätigten diese Masselosigkeit bis auf Limits kleiner als 10−16 eV, darunter ein Laborexperiment von Roderic Lakes von 1998, in dem nach anomalen Kräften in einer Cavendishwaage gesucht wurde und die Photonmasse auf kleiner als 7 · 10−17 eV begrenzen konnte. Studien an galaktischen Magnetfeldern führen auf noch niedrigere, aber nicht unumstrittene Limits von 3 · 10−27 eV, und das aktuell akzeptierte Limit laut Particle Data Group Summary (Stand 2020) ist m ≤ 1 · 10−18 eV ∼ 10−27

57 A. Einstein an C. Habicht, undatiert, verfasst zwischen 30. Juni u. 22. Sept. 1909, CPAE 5, Dok. 28, S. 33. 58 So z. B. von Louis de Broglie (1922) S. 438, (1923) S. 508, der die Masse des Lichtquantums als < 10−50 g ansetzte.

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Protonmasse, basierend auf einer Analyse der Magnetohydrodynamik des Sonnenwindes.59 Dennoch kann der im elektromagnetischen Feld enthaltenen Energie E eine Masse m zugeordnet werden, so dass Licht in Experimenten wie den oben beschriebenen zum Strahlungsdruck auch Impuls auf materielle Teilchen übertragen kann. Dass ein masseloses‘ Lichtquant in Stoßprozessen wie ’ dem Compton-Effekt dennoch Impuls wie ein materielles Teilchen überträgt, erschien vielen Zeitgenossen als ein Widerspruch in sich selbst, aber streng mathematisch folgte aus dem Formalismus der speziellen Relativitätstheorie für den quadrierten Vierervektor ( p, mc2 ) von Impuls p und Ruhemasse mc2 für Lichtquanten wegen verschwindender Ruhemasse m = 0 weiter: E 2 = ( pc)2 + (mc2 )2 = ( pc)2 + 0 ⇒ E = pc. In diesem sogenannten ultrarelativistischen Limes herrscht somit strenge Proportionalität von Energie und Impuls p = E/c = hν/c. Wir werden ihr z. B. bei der Ableitung der Formeln für den Compton-Effekt wiederbegegnen, wo sich diese ultrarelativistische Dynamik auch experimentell ausgezeichnet bewährt. Wie Max Planck und Louis de Broglie gezeigt haben, war auch der Strahlungsdruck von Licht und anderen elektromagnetischen Wellen quantitativ nur dann mit den immer präziser werdenden Messungen in Übereinstimmung zu bringen, wenn man dem Einsteinschen Ansatz p = hν/c folgte, während Newtonsche Dynamik oder semiklassische elektrodynamische Ansätze nur auf die Hälfte des gemessenen Wertes führten.60

3.6

Energie-Frequenz-Proportionalität im Photoeffekt

Der Entdecker der später nach ihm benannten Wellen, Heinrich Hertz (1857– 1894) hatte 1887 in seinem Labor beobachtet, dass von den Radiowellen übertragene Funken kleiner wurden, wenn er vor die Funkenstrecke des Empfängers eine Glasscheibe hielt, aber wieder ihr ursprüngliches Ausmaß annahmen, wenn er das Glas durch ein UV-durchlässiges dünnwandiges Kristallglas ersetzte. Wilhelm Hallwachs (1859–1922) untersuchte dieses physikalische Phänomen in Leipzig im Folgejahr weiter.61 Hallwachs nahm ein Stück reines Zink 59 Für

neuere Studien zur verschwindenden Ruhemasse der Photonen siehe Okun (2008), Tu, Luo & Gillies (2005), https://math.ucr.edu/home//baez/physics/ParticleAndNuclear/photon_mass.html und https://pdg.lbl.gov/2022/listings/rpp2022-list-photon.pdf sowie dort jew. genannte Arbeiten. 60 Siehe dazu Planck (1913) sowie de Broglie (1949) S. 346. 61 Siehe Hertz (1887) sowie zum Folgenden Hallwachs (1888)–(1889), Wiederkehr (2006).

3 Zwölf Bedeutungsschichten von Lichtquanten

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und schloss dieses an ein Elektrometer an, mit dem der Grad der elektrischen Ladung dieser Zinkscheibe angezeigt werden konnte. Wenn diese Zinkscheibe elektrisch negativ geladen war, entlud sie sich bei Lichteinstrahlung, und zwar um so stärker, je mehr ultraviolette Strahlung dem einstrahlenden Licht beigemischt war. Wenn die UV-Komponente durch UV-absorbierende Medien entfernt wurde, ging der Effekt sehr viel langsamer vonstatten, ebenso auch, wenn die Zinkplatte positiv statt negativ vorgeladen war. Insofern hatte erst Hallwachs 1888 – und nicht schon Hertz 1887 – gezeigt, dass die Bestrahlung der Kathode von speziellen teilevakuierten Röhren, sogenannten Kathodenstrahlröhren, durch ultraviolette Strahlung zur Aussendung von Kathodenstrahlen in diesen Röhren führte. Hallwachs sprach noch von Lichtelektrizität‘ , aber ’ bald bürgerte sich die Bezeichnung photoelektrischer Effekt‘ dafür ein.62 ’ Hertz’ anderer zeitweiliger Assistent, der Experimentalphysiker Philipp Lenard (1862–1947), hatte in seiner Fassung des photoelektrischen Experiments eine spezielle evakuierte Röhre mit einem für UV-Strahlung durchlässigen Aluminiumfenster B konstruiert, die es erlaubte, den von der elektromagnetischen Bestrahlung L an der Kathode U ausgelösten Strom von Kathodenstrahlen durch ein elektrisch negativ vorgespanntes Gitter E zu modulieren (vgl. Abb. 3.5).63 Je nach Wahl der Vorspannung zwischen Kathode U und Gitter E werden die Elektronen auf ihrem Weg von der Kathode zur Anode α durchgelassen oder umgelenkt. Durch Variieren der Vorspannung bestimmte er die Zahl der Elektronen als Funktion ihrer Energie. Das Messergebnis von Lenard war, dass das Grenzpotenzial  des Photostroms, jenseits dessen gar keine Kathodenstrahlen das mit der Spannung U negativ vorgespannte Gitter mehr passieren können, abhängig ist von der „Lichtart“ und Basissubstanz des Lichtbogens,64 jedoch unabhängig von dessen Intensität.65 Der photoelektrische Effekt war somit abhängig von der Art der elektromagnetischen Einstrahlung, nicht jedoch von ihrer Intensität. Aus der Perspektive der klassischen Physik, laut derer gerade jene Intensität mit der Energie korreliert sein sollte, war dies zunächst unverständlich. Lenard fand einen Ausweg in Form der sogenannten Triggerhypothese, derzufolge die einstrahlende UV-Strahlung nur eine Art Auslöser für 62 Siehe Hallwachs (1916), vgl. ferner Lenard (1906b), Schweidler (1904, 1915), Hughes (1914) für frühe

Literaturübersichten, Bonzel & Kleint (1995), S. 109–120 sowie den hier folgenden Haupttext. experimentelle Details siehe Lenard (1894)–(1906) sowie Abb. 3.5; Einstein hat Lenard damals als Experimentalphysiker sehr geschätzt: siehe den Brief von Einstein an Jakob Laub, 17. Mai 1909, CPAE Bd. 5, S. 187. Seit Ende des 1. Weltkriegs wurde Lenard ein antisemitischer Nationalsozialist: siehe Hentschel (Hg.) 1996, Schönbeck (2000) sowie Hagmann & Füssl (2012). 64 Lenard (1902) S. 167 f. Wie wir heute wissen, war die Stärke des Lichtbogens proportional zu ν, aber Lenard erkannte dies damals nicht! 65 Siehe Lenard (1900), (1902) S. 150, 163–166, (1906) S. 123 sowie z. B. Niedderer (1982) S. 41f., Katzir (2006) S. 451 ff. 63 Für

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Abb. 3.5 Die Kathodenstrahlröhre von Lenard 1902 mit dem für UV-Strahlung durchlässigem Aluminiumfenster B, der Kathode U und der Anode α sowie einem negativ vorgespannten Gitter E, das eine Regulierung des von der UV-Strahlung ausgelösten Photostroms erlaubt. Aus dem Nobelpreisvortrag von Philipp Lenard (1906b) S. 122, c 1905 Nobel Foundation

die Freisetzung der Kathodenstrahlen (im heutigen Verständnis: Elektronen) war: Es bleibt danach die Annahme complizierter Bewegungsbedingungen der inneren Teile des Körpers übrig, ausserdem aber auch die bis auf weiteres näher scheinende Vorstellung, dass die Anfangsgeschwindigkeiten der ausgestrahlten Quanten überhaupt nicht der Lichtenergie entstammen, sondern innerhalb der Atome schon vor der Belichtung vorhandenen heutigen Bewegungen, sodass die Resonanzbewegungen nur eine auslösende Rolle spielen.66

Hier tritt in diesem Kontext des Photoeffekts erstmals der Ausdruck Quanten‘ ’ auf, der hier aber noch unspezifisch für Energiemengen‘ steht und dem bei ’ Lenard zu diesem Zeitpunkt kein mentales Modell hinterlegt ist. Besonders zwischen 1900 und 1910 erschienen zahlreiche Artikel zum Photoeffekt, der damals einen Forschungsschwerpunkt der Experimentalphysiker bildete.67 Vier Monate bevor Einstein im März 1905 seinen Aufsatz über Lichtquanten bei den Annalen der Physik einreichte, erschien im ersten Band des von Johannes Stark herausgegebenen Jahrbuchs der Radioaktivität und Elektronik ein Übersichtsartikel von Egon Ritter von Schweidler (1873–1948) über „die 66 Lenard

(1902) S. 170; vgl. auch Lenard (1906), (1918) sowie (1944) S. 267, ferner Hughes (1914b) S. 48 und Stuewer (2014) S. 144. 67 Bis 1902 lagen bereits über 160 Aufsätze über den photoelektrischen Effekt vor; vgl. die chronologische Bibliographie in Lenard (1906b) S. 131–134.

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lichtelektrischen Erscheinungen“.68 Der österreichische Experimentalphysiker arbeitete damals im zweiten Physikalischen Institut der Wiener Universität als Assistent bei Franz Serafin Exner (1849–1926).69 Nach seiner Literatursichtung weist v. Schweidler gegen Ende darauf hin, dass genauere Messungen des Zusammenhangs zwischen Zahl bzw. Anfangsgeschwindigkeit der Elektronen und der Lichtwellenlänge bei jeweils monochromatischem Licht fehlen, die für eine Theorie des photoelektrischen Effektes unabdinglich wären. Doch die Experimentatoren lieferten in den folgenden Jahren für einen sehr engen Frequenzbereich ganz unterschiedliche Ergebnisse: E proportional zu ν 2 oder zu ν 2/3 , zu ν oder gar zu log(ν). An diesen Arbeiten waren Lenard und Stark gar nicht beteiligt.70 Fünf Jahre später erschien wieder eine Übersicht über „Die neueren Forschungen [zur] Emission negativer Elektronen“, diesmal von dem zu dieser Zeit an der Universität Breslau habilitierten Experimentalphysiker Rudolf Ladenburg (1882–1952).71 Auch Ladenburg referierte noch einander widersprechende, uneinheitliche experimentelle Ergebnisse und fordert abschließend, wünschenswert sei eine exakte Untersuchung der Abhängigkeit der Elektronengeschwindigkeit von der Frequenz der wirkenden Strahlung ausgedehnt auf einen möglichst großen Frequenzbereich, auch auf verschiedene Substanzen. Nur Millikan und Ladenburg arbeiteten nach dieser Maßgabe. Viele (z. B. Stark) verloren sich weitschweifig in Nebeneffekten und formulierten verschwommene Hypothesen weitab von Beobachtungen.72 In Millikans Labor an der University of Chicago behauptete der Doktorand James Remus Wright (1883–1937) sogar, seine Experimente würden zeigen: „with certainty […] the maximum photoelectron energy does not vary approximately linearly with the frequency“, während Owen W. Richardson und sein Student Karl T. Compton an der Princeton University 1912 zu dem Ergebnis kamen, alle früheren Experimente seien „very contradictory“. Auch nach dem Wechsel von Richardson an das King’s College in London ergaben sich dort weiterhin uneindeutige Ergebnisse. In Berlin konnten Robert Wichard Pohl und sein Mitarbeiter Peter Pringsheim experimentell nicht zwischen linearer und quadratischer Abhängigkeit entscheiden, da der von ihnen untersuchte Frequenzbereich zu 68 Siehe

v. Schweidler (1904). Mit Elektronik‘ im Titel der neuen Zeitschrift war damals keineswegs das ’ gemeint, was wir heute unter Elektronik‘ verstehen, sondern alles, was mit den erst 1897 entdeckten ’ Elektronen zu tun hatte. 69 Über Schweidler siehe Karlik & Seidl (2005) sowie Seidl (2010), zu Schweidlers Interaktion mit Exner und seinem Kreis siehe Karlik & Schmid (1982), insb. S. 111–114; zum breiteren Kontext der österreichischen Radioaktivitätsforschung vgl. ferner Fengler (2014). 70 Kunz (1909), (1911) und Cornelius (1913) S. 26 plädierten für ν 2 , während Karl T. Compton (1913) diese Ergebnisse als inkonsistent kritisierte und für E ∼ ν votierte. Für Literaturhinweise siehe Schweidler (1915), Hughes (1914), Millikan (1914). 71 Siehe Ladenburg (1909). Da Ladenburg 1933 ebenso wie Einstein in die USA emigrierte, entwickelten sich danach intensive Kontakte zwischen beiden, die sich damals bereits kannten. 72 Über Starks mentales Modell zu Lichtquanten siehe Abschn. 4.4.

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klein war.73 Deswegen klärt sich die experimentelle Situation erst Mitte der 1920er Jahre insbesondere durch die Erweiterung des Frequenzbereichs bis zur Röntgenstrahlung durch Charles Drummond Ellis (1895–1980).74 Wie wohltuend sind im Gegensatz zu dieser allgemeinen Ratlosigkeit Einsteins klare Argumentation und sein feines Gespür für die Reichweite, aber auch die Grenzen der Aussagekraft einzelner Experimente. Hätte sich Einstein 1905 auf die vorliegende Literatur zum photoelektrischen Effekt sowie zum Strahlungsdruck verlassen, so wäre ihm die lineare Korrelation zwischen der Energie des Lichts und seiner Frequenz entgangen. Denn sowohl Lebedew wie auch Nichols und Hull gingen kurz nach 1900 noch von der klassischen Elektrodynamik aus, in welcher die Energie U des Lichts proportional zur Intensität I ist: U ∼ I ∼ B 2 + E 2 . So schreibt Lebedew ausdrücklich: „Diese Druckkräfte des Lichtes sind der auffallenden Energiemenge direct proportional und unabhängig von der Farbe des Lichts“. Nichols und Hull meinten, dieses Ergebnis zwei Jahre später (1903) bestätigen zu können, da auch ihre Messungen des Lichtdrucks unabhängig vom Filter (Luft, Glas und Wasser) zunächst eine frequenzunabhängige Energie proportional zur Intensität des Lichts nahelegten. Dass Einstein 1905 nicht auf die falsche Fährte geriet, verdankte er seinem außerordentlichen Gespür für die Tragfähigkeit experimenteller Resultate. Statt nur auf diesen einen Sektor zu setzen, hatte er die verschiedensten Bereiche experimenteller und theoretischer Naturforschung im Blick, deren Ergebnisse er auf neuartige Weise miteinander verband. Statt sich an diesem einen Strang weiterzuhangeln, knüpfte Einstein aus diesem und anderen ein rasch dichter werdendes Netz, mit dem er sich gegen unvermeidliche Fehler oder drohende Sackgassen in jedem einzelnen dieser Bereiche absicherte. In diesen Kontext gehört auch die beachtenswerte Aussage, mit der Einstein das seiner Relativitätstheorie scheinbar entgegenstehende Resultat von Walter Kaufmann zur Massenzunahme bewegter Elektronen mit der Geschwindigkeit abgekanzelt hatte, das eher für die Theorien von Abraham und Bucherer zu sprechen schien: „Jenen Theorien kommt aber nach meiner Meinung eine ziemlich geringe Wahrscheinlichkeit zu, weil ihre die Masse des bewegten Elektrons betreffenden Grundannahmen nicht nahe gelegt werden durch theoretische Systeme, welche größere Komplexe von Erscheinungen umfassen.“ 75 Die gleiche quasi-holistische Bewertung ganzer Experimentalkom73 Siehe

Richardson & Compton (1912) S. 575 bzw. Richardson (1914), Richardson & Rogers (1915) sowie Pohl & Pringsheim (1913); zu Richardsons gescheiterter Theorie ferner Katzir (2006). 74 Siehe z. B. Millikan (1913) S. 129–131 sowie die Review-Artikel von Hughes (1914), Marx (1916) S. 578 in Ergänzung von Hallwachs (1916) S. 284–299, 335–353, 500–507, 530–735, Louis de Broglie (1921/1923), und Ellis (1926); ferner Franklin (2013), Stuewer (2014) S. 150–153 sowie die dort jeweils genannte Primärlit. 75 Einstein (1907b) S. 439 sowie z. B. Holton (1984) S. 122 f. Zu Einsteins holistischer Bewertung von Experimenten siehe Hentschel (1992b).

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plexe, nicht einzelner Ergebnisse oder auch nur einzelner Forschungsfelder, finden wir auch bei Einsteins Überlegungen zum Lichtquantum. Einstein verfolgte die Diskussionen um die Experimente zum photoelektrischen Effekt und deren Deutung mit großem Interesse. Er entschloss sich 1905 nach reiflicher Überlegung zu einer ganz andersartigen Modellierung des gleichen Experiments, denn Man sieht nach unseren [gewöhnlichen elektromagnetischen] Vorstellungen nicht ein, warum Strahlung höherer Frequenz Elementarprozesse von größerer Energie zu erzeugen vermag als solche niedrigerer Frequenz. Wir begreifen weder die spezifische Wirksamkeit der Frequenz, noch den Mangel an spezifischer Wirksamkeit der Intensität.76

Somit stand er vor einem zweifachen Versagen der klassischen Theorien, da diese kontrafaktisch erstens genau jene Proportionalität zur Intensität vorausgesetzt hatten, die experimentell auch für Variationen jener Intensität im Verhältnis 1 : 1000 nicht nachzuweisen war, und zweitens diese „spezifische Wirksamkeit der Frequenz“ der Strahlung gerade nicht zu erklären vermochten. Den Ausschlag für Einsteins Abwendung von den klassischen Erklärungsansätzen bildete dabei der Umstand, dass mit seiner neuartigen Erklärung nicht nur dieses eine Experiment, sondern zugleich auch eine Vielzahl weiterer Experimente auf einen Schlag erklärt werden konnte:77 Für Einstein war der photoelektrische Effekt Ausdruck einer energetischen Umsetzung – die einfallende Strahlung gab Energie an die Teilchen im Inneren der Kathode ab. War diese Energie größer als eine materialabhängige Konstante, die sog. Austrittsarbeit WA , so konnten einige der Teilchen von der Kathode entweichen und in die hochevakuierte Röhre eintreten. Somit kam Einstein zur Voraussage einer Frequenzabhängigkeit des photoelektrischen Effekts: „Ist die abgeleitete Formel richtig, so muss [das Grenzpotenzial] , als Funktion der Frequenz ν des erregenden Lichtes in kartesischen Koordinaten dargestellt, eine Gerade sein, deren Neigung von der Natur der untersuchten Substanz unabhängig ist.“ 78 Lenard hatte aufgrund seines andersartigen Triggermodells gar nicht nach dieser Frequenzabhängigkeit gesucht, sondern nur (zu ungenau bleibend) ei76 Einstein (1911/12a) S. 430 in seinem Beitrag für die Solvay-Konferenz in Brüssel, publ. 1912, ins Deutsche übersetzt u. zit. in Debye & Sommerfeld (1913) S. 924. 77 Das dahinterstehende Muster ist das einer „consilience of inductions“, mit der sich Einsteins Hypothese gegenüber der von Lenard durch größere und natürlichere Erklärungsbreite auszeichnete, wissenschaftstheoretisch erstmals herausgearbeitet von William Whewell (1794–1866); vgl. z. B. Thagard (2012) S. 88 ff. 78 Einstein (1905a) S. 146. Hier wird das Symbol des Originals durch  ersetzt. Für Hughes & DuBridge (1932) S. 7 sowie Wright (1937) S. 65 wurde diese Gleichung E kin = hv − WA sogar zur „most important single equation in the whole quantum theory.“

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Abb. 3.6 Das experimentelle Ergebnis von Millikan 1916: Die Konstante h, die in der Millikanschen Auftragung die Steigung der Ausgleichsgeraden bestimmt, die alle seine Messdaten mit einer Genauigkeit von plus/minus 0,5 % erfasst, betrug 6, 58 · 10−27 erg s bzw. (in moderne Einheiten umgerechnet) 6, 616 · 10−34 Js, in sehr guter Übereinstim auch zum heutigen Wert des Planckschen Wirkungsquantums h = 6, 62607 · 10−34 Js. Aus c Millikan (1916b) S. 377 mit freundl. Genehmigung der American Physical Society, 1916

ne diffuse Abhängigkeit des Grenzpotenzials von der Lichtsorte konstatiert.79 Eine klare experimentelle Bestätigung dieser Voraussage Einsteins erfolgte erst zehn Jahre später (1915, publiziert 1916) durch Robert Millikan (1868–1953), der durch besondere Vorkehrungen verhindert hatte, dass seine frisch präparierten Metalloberflächen während der Messung bereits wieder oxidierten, was die Messungen vieler seiner Kollegen verfälscht hatte.80 In seine eigenen Röhren baute er darum geradezu einen „machine shop in vacuo“ ein, der ein frisches Abschleifen der Oberflächen der untersuchten Alkalimetalle im Inneren der evakuierten Röhre erlaubte; störende Photoemission von gestreutem kurzwelligen Licht wurde durch geeignete Filter verhindert, und auch der Wellenlängenbereich innerhalb dessen der lineare Zusammenhang von Frequenz der einfallenden Strahlung und Grenzpotenzial geprüft werden konnte, wurde auf das Vierfache früherer Messungen erweitert (vgl. Abb. 3.6).81 Dabei ist 79 Siehe

Lenard (1902) S. 166–168; immerhin war ihm bereits die klassisch betrachtet überraschende Unabhängigkeit dieses Grenzpotenzials von der Intensität der einfallenden Strahlung aufgefallen. 80 Für mehr über die instrumentellen Details der Millikanschen Messungen siehe Hughes (1914) S. 37, Millikan (1916b) und (1924) sowie Franklin (2013) S. 577–587, (2016) S. 4–21. 81 Wie insbesondere Franklin (2013) S. 574–577, (2016) S. 9–11 aufzeigt, hatte Ladenburg (1909) bei 57 µm gemessen, Comptons Mitarbeiter Kadesch (1914) bei 170 µm, während Millikans Messungen an Natrium Untersuchungen zwischen 240 und 680 µm erlaubten; gleichzeitig war die Fehlerbreite der

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nicht zu vergessen, dass Millikan ausdrücklich angetreten war, diese Einsteinsche Voraussage zu widerlegen: „I spent ten years of my life testing that 1905 equation of Einstein’s and, contrary to all my expectations, I was compelled in 1915 to assert its unambiguous verification in spite of its unreasonableness since it seemed to violate everything we knew about the interference of light.“ 82 Es ist also nicht so, dass Experimentatoren nur das bestätigen, was sie erwarten. Ausgerechnet Millikan mußte 1916 gegen seine ursprüngliche Intention konzedieren, dass der von Einstein vorausgesagte, streng lineare Zusammenhang zwischen Energie E kin und Frequenz ν in der Formel E kin = hν − WA mit materialabhängiger Austrittsarbeit WA und Planckscher Konstante h sich experimentell präzise bestätigt hatte. Bei all denen, die im Experiment den Ausschlag dafür sahen, ob man sich einer neuen Hypothese bedienen solle oder nicht, war dieses experimentelle Resultat des nicht gerade als Einstein-Freund bekannten amerikanischen Kollegen ein klares Indiz dafür, dass man die heuristischen Überlegungen Einsteins ernster zu nehmen hatte als bislang gedacht.83 Auch für das Nobelpreiskommittee war es diese experimentell eindeutige und völlig unstrittige Bestätigung einer klaren Voraussage Einsteins, die den Ausschlag dafür gab, ihm für seine lichtquantentheoretische Arbeit von 1905 den Nobelpreis des Jahres 1921 zuzusprechen und nicht etwa für die damals noch sehr viel weniger gut bestätigte Relativitätstheorie oder andere Leistungen des vielseitigen Theoretikers.84 Freilich war diese zunehmende Zustimmung zur Einsteinschen Formel für den photoelektrischen Effekt noch keineswegs gleichbedeutend mit einer Zustimmung zu der dahinterstehenden heuristischen Modellvorstellung von Lichtquanten. Millikan klagte noch 1917: „Einstein’s theory of localized light-quanta […] is as yet woefully incomplete and hazy. Almost all we can say now is that we seem to be driven by newly discovered relations in the field of radiation to the hypothetical use of a fascinating conception which we cannot as yet reconcile at all with well-established wave-phenomena.“ 85 In der Begründung für die Verleihung des Nobelpreises an Einstein hieß es 1921 wohlüberlegt: „for his services to Theoretical Physics, and especially for his gemessenen Grenzpotenziale zwischen 265 und 577 µm nur noch 0,1 V und damit dreimal besser als die früherer Messungen. 82 So Robert Millikan (1949) S. 344 und analog dann auch in seiner Autobiographie von 1950; zu seinen damaligen, für ihn selbst überraschenden Messergebnissen siehe Millikan (1916) S. 18; vgl. Holton (2000), Stuewer (1998), Franklin (2013), (2016) u. Abschn. 5.5 dieses Buches zur Rezeption. 83 In diesem noch vorsichtig verhaltenen Sinne äußerten sich beispielsweise Hughes (1914) S. 5 f., 39–41 u. Kap. III sowie Comstock & Troland (1917) S. 184–185 (diese Passagen in dem Lehrbuch der beiden stammen von Troland). 84 Siehe Pais (1982) Kap. 30 sowie Elzinga (2006). Für Studien zur Politik des Nobelpreiskommittees vgl. Friedman (2001). 85 Millikan (1917) S. 260.

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discovery of the law of the photoelectric effect“; von der dahinter stehenden Einsteinschen Theorie der Lichtquanten war ausdrücklich nicht die Rede.86 Und als Einstein 1931 das California Institute of Technology besuchte, bedachte Millikan ihn in seiner Dinner-Ansprache mit vergifteten Lob: „The extraordinary penetration and boldness which Einstein showed in 1905 in accepting a new group of experimental facts and following them in what seemed to him to be their inevitable consequences, whether they were reasonable or not as gauged by the conceptions prevalent at the time, has never been more strikingly demonstrated.“ 87

3.7

Strenge Energiequantisierung: E = hν

Aufgrund ganz anders gelagerter theoretisch-statistischer Überlegungen konnte Einstein im Aufsatz von 1905 die im vorigen bereits formulierte Proportionalität von Energie und Frequenz zu einer exakten Gleichung mit einer Proportionalitätskonstanten h weiterentwickeln [E = hν − WA ]. Diese Konstante h, das Plancksche Wirkungsquantum, konnte er aufgrund eines geradezu virtuosen Vergleichs statistischer und thermodynamischer Überlegungen sogar theoretisch vorausberechnen.88 Kasten 4: Max Planck und die Quantentheorie Planck ging bei seinen Überlegungen um 1900 von einem idealen Schwarzen ’ Körper‘ aus, d. h. einem Körper, der alle Strahlen absorbiert und mit dem umgebenden Strahlungsfeld in Gleichgewicht steht. Seine Herleitung der Formel für die Energiedichte u als Funktion der Frequenz ν, die empirisch ausgezeichnet zu den damaligen Präzisionsmessungen an der PTR passte, war innerlich zwiespältig: Im Ansatz für die Energiedichte u des Feldes als Funktion der Frequenz ν und der mittleren Energie des einzelnen Resonators U benutzte er die aus der klassischen Elektrodynamik folgende Formel u = 8π(ν 2 /c3 ) · U , das heißt, die Schwingungsmoden des Strahlungsfeldes wurden als kontinuierlich vorausgesetzt. Bei der kombinatorischen Berechnung der Anzahl K der „Komplexionen“, also der Zahl der Mikrozustände, die einem gegebenen Makrozustand fester Energie und Temperatur entsprechen, setzte er zunächst weiter Boltzmann (1877) folgend K = (N + P − 1)!/N !P!, worin N die Zahl der Resonatoren, und P die Zahl der Energieportionen sind, das heißt ganze, aber sehr große Zahlen, und N! definiert ist als N · (N − 1) · (N − 2) · . . . . · 3 · 2 · 1. Die Energieaufnahme und -abgabe durch die N Resonatoren (also z. B. schwingenden Atomen oder Molekülen, die an dem Wärmeübertrag vom schwarzen Körper zum umgebenden Strahlungsfeld betei-

86 Siehe http://www.nobelprize.org/nobel_prizes/physics/laureates/1921/ sowie ergänzend Franklin (2013) S. 588 ff., (2016) S. 16–19. 87 Millikan in Millikan et al. (1931) S. 378. 88 Zu diesen raffinierten, aber höchst anspruchsvollen Theorie-Teilen des Lichtquanten-Aufsatzes von Einstein 1905, siehe Dorling (1971), John Stachel’s editorial headnote „Einstein’s early work on the quantum hypothesis“, in CPAE Bd. 2 (1989), 134–148 sowie Hentschel (2005).

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ligt sind) wurde in diesem Schritt also als diskontinuierlich vorausgesetzt. Um diese Komplexionen überhaupt kombinatorisch berechnen zu können, war die Endlichkeit der auf die N Resonatoren zu verteilenden P Energieportionen zwingend notwendig, aber es blieb laut Planck eine „nur formale Annahme“, auch wenn der spätere Grenzübergang h → 0 für das Plancksche Wirkungsquantum anders als bei Boltzmann 1877 unmöglich war.

Bei Max Planck (1858–1947), dem „Revolutionär wider Willen“, wie man ihn treffend genannt hat, war die Quantisierung der Energie lediglich ein Notbehelf, erzwungenermaßen eingeführt, nur um die Umverteilung der Energie im Strahlungsfeld auf immer kleinere Energiepakete zu verhindern. Von ihm selbst wurde dies sehr lange als bloßer Sekundäreffekt gedeutet, resultierend aus einer von ihm vermuteten, mysteriösen Eigenschaft der umgebenden Materie, nur bestimmte, eben quantisierte Schwingungsmoden zuzulassen. Mit anderen Worten: die Wände des schwarzen Körpers, von Planck nach dem Vorbild von Kirchhoff idealisiert als mit dem von ihnen eingeschlossenen Strahlungsfeld im thermischen Gleichgewicht stehende Resonatoren‘ , seien aus noch nicht ’ verstandenen Gründen nur in der Lage, in endlichen Paketen Energie aufnehmen oder abgeben zu können.89 Man hat diese Plancksche Vorstellung vom Zustandekommen jener Energieerhaltung in anschaulichen Bildern zu fassen versucht: wir können Butter in Geschäften nur in Form von Halbpfundpaketen kaufen, obwohl die Butter an und für sich in jeder beliebigen anderen Menge hergestellt und verteilt werden könnte. Suppe nehmen wir aus rein praktischen Gründen nur in kleinsten Dosen eines Löffels zu uns, obwohl auch diese Suppe an und für sich keine körnige oder quantisierte Struktur habe.90 In beiden Fällen erscheint uns etwas als diskret, aber die Gründe dafür liegen (für Planck und andere Anhänger dieses semiklassischen Weltbilds) nicht in der Struktur des Objekts selbst, sondern nur an der Wechselwirkung dieses Objektes mit der umgebenden Materie. Von dieser noch halbherzigen Auffassung der Energiequantisierung à la Planck war es also noch ein weiter Schritt zu einer echten Quantisierung des Strahlungsfelds selbst. Bei Einstein 1905 noch vorsichtig als „heuristischer Gesichtspunkt“ tituliert, bricht sich die Einsicht in die Realität der Lichtquanten‘ (so Einstein 1905) bzw. von „Lichtatomen“ (so ’ Wolfke (1913), S. 1123) light corpuscles‘ oder photons‘ (so Gilbert Lewis ’ ’ (1926a) und Band (1927) bzw. Lewis (1926b)) erst in einem schrittweisen Prozess allmählich eine alles andere als geradlinige Bahn. In einem Lehrbuch über The Nature of Matter and Electricity kritisierte Daniel F. Comstock 1917 beispielsweise Max Planck (anstelle des eigentlich dafür verantwortlichen Albert 89 Vgl.

dazu z. B. Darrigol (1988), (2001), Gearhart (2002), Badino (2015), S. 58 ff., 99 ff. Gamow (1966), zit. in Weinberg (1977) S. 20 bzw. Paul (1985) S. 57.

90 Siehe

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Einstein!) dafür, von dem Emissionsvorgang dieser bullets‘ kein dem Abschie’ ßen von Kugeln durch einen Revolver analoges anschauliches Bild anbieten zu können oder zu wollen: „In Planck’s theory, however, it is more as if the electron emitted bullets of radiation. Just how this occurs he does not attempt to say.“ 91 Sein Ko-Autor L.T. Troland sprach im zweiten Teil des Lehrbuchs 1917 von light atoms‘ als „quantities of radiation [as] integral multiples of ’ the units in question […], radiated from bodies […] in sudden outbursts“.92

3.8

Welle-Teilchen-Dualismus: Erste Andeutung und Vertiefungen

Nach dem Hinweis auf die Ionisierung von Gasen durch UV-Strahlung (Einstein 1905, experimentell bestätigt durch Stark 1908), das Absinken der spezifischen Wärme bei tiefen Temperaturen (Einstein 1906, 1907a) und auf der einfachen Erklärung des photochemischen Äquivalentgesetzes fand Einstein (1909) noch ein weiteres experimentell zugängliches Gebiet, in dem sich Quantenphänomene zeigen, und zwar Schwankungserscheinungen (a) in ihrer räumlichen Verteilung und (b) im Strahlungsdruck. Auch wenn diese Schwankungen normalerweise viel zu klein sind, um direkt wahrgenommen zu werden, gibt es doch Systeme, bei denen sich diese Fluktuationen durch Aufschaukeln statistisch signifikanter Ausreißer verstärken und dadurch makroskopisch sichtbar werden. Paradebeispiel für ein solches System ist ein 1909 in Einsteins Salzburger Vortrag als Gedankenexperiment analysierter Spiegel im Vakuum.93 Kasten 5 Energieschwankungen und Impulsschwankungen Im folgenden Gedankenexperiment schloss Einstein aus statistischen Fluktuationen des submikroskopischen Strahlungsfeldes auf makroskopisch beobachtbare Schwankungserscheinungen: Er betrachtete einen zwischen zwei Strahlungsfeldern V1 und V2 reibungsfrei beweglichen Spiegel der Fläche f. Wenn Energieschwankungen in beiden Teilvolumina V1 , V2 auftreten, so werden auch ungleich viele und verschieden starke Stöße auf den Spiegel an der Trennfläche ausgeübt und dieser führt eine Zitterbewegung aus. Diese Zitterbewegung des Spiegels

91 Comstock

& Troland (1917), § 10 in Teil I, S. 47.

92 Ibid., S. 183 in § 54 von Teil II). Über Trolands Erstverwendung des Ausdrucks

photon‘ siehe hier S. 36 ’ (in Abschn.2.6) sowie Kragh (2014b, c). 93 Siehe Einstein (1909a) sowie die Diskussionen ibid. 224 f., 323 f., 817–825: Über die Entwicklung unserer Anschauungen über das Wesen und die Konstitution der Strahlung. Vgl. ferner Klein (1964), Kojevnikov (2002), Irons (2004) und Varró (2006). Zu Kasten 5 siehe Einstein (1906a), vgl. A. Hentschel (2005) S. 26, Rynasiewicz & Renn (2006), Duncan (2012) S. 14–17 und hier Abb. 2.1 zu diesen Querbezügen im Oeuvre Albert Einsteins um 1905.

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83

ist analog zur Brown’schen Molekularbewegung, die er in seiner dritten weltberühmten Arbeit von Ende 1905 erklärt hatte (Einstein 1906).

Diese Überlegung zeigte somit erneut, dass das Strahlungsfeld nicht nur Energie, sondern auch Impuls elektromagnetischer Wellen auf den Spiegel übertrug, was die Vorstellung von einem Strahlungsdruck (Bedeutungsschicht 4) verstärkte. Der Sommerfeld-Schüler Peter Debye (1884–1966) legte 1911 noch mit einem einfachen Gedankenexperiment zum Rückstoss einer Hohlkugel nach, die aus einer kleinen Öffnung Strahlung nur in eine Richtung abgibt. Auch er folgerte: „wir können also tatsächlich nicht anders, wie das Feld an sich als Träger seines eigenen Impulses zu betrachten.“ 94 Durch Schwankungen des Strahlungsdrucks in der linken und rechten Hälfte des Raumes (vgl. Abb. 3.7 sowie Kasten 5), gerät der Spiegel bezüglich seiner Lage an der Trennfläche beider Teilvolumina ins Zittern. Auch wenn der Erwartungswert für die Geschwindigkeit des Spiegels zu jedem Zeitpunkt gleich null ist, da Ausschläge nach links und rechts wegen der vorausgesetzten Isotropie des Raumes gleich wahrscheinlich sind, verschwinden die Erwartungswerte für das Quadrat seiner Geschwindigkeit v 2 und damit auch für die Bewegungsenergie m 2 2 v nicht, sind also ungleich null (vgl. Kasten 5). Für die Strahlungsdruckänderungen  des Spiegels der Fläche f im Zeitintervall τ aufgrund von zufälligen Schwankungen des Strahlungsfeldes der Energiedichte ρ gilt: 2 =

f τ · dν c3 ρ 2 ]. [h · ν · ρ + c 8πν 2

Abb. 3.7 Einsteins Gedankenexperiment von 1909 zu Fluktuationen im submikroskopischen Strahlungsfeld. Wenn Energieschwankungen in beiden Teilvolumina V1 , V2 auftreten, so werden auch ungleich viele und ungleich starke Stöße auf den zwischen beiden Volumina reibungsfrei beweglichen Spiegel ausgeübt, so dass dieser Zitterbewegung ausführt

94 Siehe

Debye (1911) S. 157.

84

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Analog folgt für die Schwankung der Energie, E, aufgrund von unabhängiger Bewegung bzw. Interferenz „wenig ausgedehnter Komplexe von der Energie h · ν“ im Volumen V: (E)2 = V · dν[h · ν · ρ +

c2 ρ 2 ]. 8πν 2

Beide Ausdrücke in eckigen Klammern auf der rechten Seite sind von gleicher Form. Immer handelte es sich um eine Summe zweier Terme, deren erster auf eine Ansammlung an teilchenähnlichen Lichtquanten der Energie hν zurückgeführt werden konnte, während der zweite Term unter der Voraussetzung von Interferenz zwischen Wellen der Frequenz ν abgeleitet werden konnte. Dadurch wurde Einstein auf eine merkwürdige Dualität wellenartiger und teilchenartiger Aspekte des Strahlungsfeldes geführt. Der zweite dieser Terme in den eckigen Klammern rechts geht auf die Maxwellsche Kontinuumstheorie elektromagnetischer Strahlung zurück, der andere hingegen ist nur verständlich, wenn Lichtquanten als voneinander unabhängige Teilchen interpretiert werden.95 Nur in der Summe beider Terme ergab sich das richtige, vollständige Ergebnis. Was schloss Einstein 1909 hieraus? Außer den räumlichen Ungleichmäßigkeiten in der Verteilung der Bewegungsgröße der Strahlung, die aus der Undulationstheorie hervorgehen, sind noch andere Ungleichmäßigkeiten in der räumlichen Verteilung der Bewegungsgröße vorhanden, welche bei geringer Energiedichte der Strahlung die erstgenannten Ungleichmäßigkeiten an Einfluß weit überragen. […] die beiden Struktureigenschaften (Undulationsstruktur und Quantenstruktur), welche gemäß der Planckschen Formel beide der Strahlung zukommen sollen, [sind] nicht als miteinander unvereinbar anzusehen96 .

Das war die bis dato weitsichtigste Vorwegnahme des später sogenannten Welle-Teilchen-Dualismus. Im Rückblick erscheint es heutigen Lesern dieser Zeilen Einsteins aus dem Jahr 1909 erstaunlich, ja unverständlich, wieso es noch weit über ein Jahrzehnt dauerte, bis die Physiker sich zu einer klareren Einsicht in die Doppelnatur des Lichts durchringen konnte, das in sich Wellen- und Teilchenaspekte vereint. Aber dieser Gedanke, dass Wellen- und Teilchenmodell des Lichts keinen schroffen, unversöhnlichen Gegensatz darstellen, sondern eher zwei Seiten einer Medaille, komplementäre Aspekte der Wirklichkeit oder Yin und Yang eines geschlossenen Kreises, war zu radikal, um gleich bei seinem ersten Aufscheinen erkannt zu werden. In den frühen 95 Siehe

erneut Einstein (1909a, b) sowie Klein (1964), Irons (2004), Varró (2006). (1909b) S. 499–500 bzw. CPAE 2 (1989) S. 581–582; vgl. auch Einstein (1927) S. 546 zur angestrebten Synthese beider mentaler Modelle, sowie Kojevnikov (2002).

96 Einstein

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1920er Jahren waren die Physiker eher genervt und irritiert von den nicht aufzulösenden Widersprüchen beider Zugänge, wie diese sarkastische Äußerung von William Henry Bragg verdeutlicht: On Mondays, Wednesdays and Fridays, we use the wave theory; on Tuesdays, Thursdays and Saturdays we think in streams of flying quanta or corpuscles. That is after all a very proper attitude to take. We cannot state the whole truth since we have only partial statements, each covering a portion of the field. When we want to work in any one portion of the field or other, we must take out the right map. Some day we shall piece all the maps together.97

Den nächsten großen Schritt in Richtung einer solchen integrativen Klärung des Welle-Teilchen-Dualismus unternahm Louis de Broglie (1892–1987).98 De Broglie entstammte einer Familie des französischen Hochadels, wurde aber von seinem älteren Bruder, dem Experimentalphysiker Herzog Maurice de Broglie (1875–1960) schon früh für die Naturwissenschaften begeistert und studierte ab 1911 wie dieser Mathematik und Physik in Paris. Im Ersten Weltkrieg musste er dieses Studium zunächst unterbrechen und arbeitete danach dann einige Zeit experimentell im Privatlaboratorium seines Bruders, wo er sich insbesondere intensiv mit experimentellen Tests der Einsteinschen Gleichung E = hν beschäftigte und einen großen Review-Artikel dazu für die Solvay-Konferenz im April 1921 verfasste.99 1924 schloss de Broglie sein Studium mit seiner Dissertation Recherches sur la Théorie des Quanta ab. Ausgangspunkt seiner Überlegungen war die von Einstein 1906 postulierte Äquivalenz von Masse m und Energie E. Aus den Einsteinschen Formeln E = mc2 und E = hν folgerte de Broglie weiter, dass konsequentermaßen jeder Masse m auch eine Frequenz ν = mc2 / h entsprechen müsse. Somit sei jedem Teilchen eine Frequenz und entsprechend dann auch eine Wellenlänge λ = h/ p zugeordnet, wobei p = mv der Impuls eines Teilchens der Masse m und Geschwindigkeit v ist, und die Wellenlänge λ mit der Frequenz ν und der Lichtgeschwindigkeit c wie λ = c/ν verknüpft ist. 1922 war es für de Broglie noch keineswegs klar, dass die Ruhemasse der Lichtquanten im Unterschied zu der von Elementarteilchen wie dem Elektron exakt null ist. Im Gegenteil rechnete er in einem Aufsatz für das Journal de Physique et Le Radium damit dass die „atomes de lumière (supposés de même masse très faible) [soient] comme animés de vitesses variables avec leur énergie (fréquence), mais touts

97 W.H.

Bragg (1921/1922a) S. 11. De Broglies einschlägigen Arbeiten 1924–1927 und zu seinem gedanklichen Weg hin zum WelleTeilchen-Dualismus siehe Kubli (1971), Darrigol (1986), (1993), Sievers (1998). 99 Siehe de Broglie (1921/1923). 98 Zu

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extrêmemen voisines de c“.100 Damit stand er in geradezu verblüffender Parallele zu Isaac Newton, von dem wir in Abschn. 3.2 gesehen hatten, dass er 250 Jahre zuvor in seiner Projektiltheorie des Lichtes ganz ähnliche Abhängigkeiten der Lichtgeschwindigkeit von der von ihm unterstellten Massen seiner Lichtglobuli erwogen hatte, dann aber auch wieder verwarf als er sah, dass es empirisch keinerlei Evidenz für einen Unterschied der Lichtgeschwindigkeit in verschiedenen Bereichen des Lichtspektrums gibt.101 1927 konnten die kühnen Voraussagen de Broglies durch Clinton J. Davisson (1881–1958) und Lester H. Germer (1896–1971) an Elektronen experimentell verifiziert werden,102 deren zugeordnete Materiewellen miteinander in Interferenz brachten – ein eindeutiges Merkmal wellenartiger Entitäten! Einstein war über Louis de Broglies Publikationen hellauf begeistert, schon lange bevor diese einem erfolgreichen experimentellen Test zugeführt werden konnten. An den Betreuer von de Broglies Dissertation, seinen französischen Physiker-Kollegen Paul Langevin (1872–1946), schrieb er bereits Ende 1924: „Er [de Broglie] hat einen Zipfel des grossen Schleiers gelüftet.“ 103 Und auch in seinen damaligen Veröffentlichungen fand er lobende Worte für De Broglie,104 der nun auch von anderer Seite mehrfach ausgezeichnet wurde: 1926 und 1927 vom Institut de France, 1929 mit der begehrten Medaille Henri Poincaré der Pariser Académie des Sciences sowie dem Nobelpreis für Physik.105 In einem Vortrag vor der Mathematisch-Physikalischen Arbeitsgemeinschaft an der Universität Berlin am 23. Februar 1927 schilderte Albert Einstein die sich aus den bis dato vorliegenden theoretischen und experimentellen Arbeiten ergebende komplizierte, ja geradezu verfahrene Situation als ein ständiges Hin und Her zwischen wellenartigen und teilchenartig-korpuskularen Eigenschaften des Lichtes, das die „Denkkräfte der Physiker“ (inklusive seiner eigenen) allerdings bislang noch heillos überfordere: Die Fragestellung prinzipieller Natur, die wir nun auf dem Gebiete der Lichterscheinungen haben, gipfelt darin, entweder zu zeigen, daß die Korpuskulartheorie das wahre Wesen des Lichtes erfaßt, oder, daß die Undulationstheorie richtig und das quantenhafte nur scheinbar ist, oder endlich, daß beide Auffassungen dem wahren Wesen des Lichts entsprechen und das Licht sowohl Quanteneigenschaften als undulatorische Eigenschaften hat. Man suchte um eine Synthese Broglie (1922) S. 438 und (1923) S. 508, wo er die Masse des Lichtquantums als < 10−50 g ansetzte. 101 Siehe dazu die hier in Anm. 17–20 von Kap. 3 genannten Quellen. 102 Siehe dazu Davisson & Germer (1927), Davisson (1937) sowie Russo (1981), Darrigol (1986). 103 A. Einstein an P. Langevin, 16. Dez. 1924, abgedruckt in CPAE 14 (2015) S. 608. 104 So etwa in Einstein (1924/1925b) sowie Einstein (1927). 105 Über de Broglies spätere Entwicklung und seine erfolglose Suche nach Führungswellentheorien (pilot wave theories) siehe Bohm & Hiley (1985). 100 De

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dieser beiden Eigenschaften zu finden, was bisher mathematisch noch nicht gelungen ist.106

Während Interferenzphänomene des Lichtes auf größere räumliche Ausdehnung und zeitliche Streckung des Transmissionsvorgangs schließen ließen, suggerierten Nadelstrahlung, Photoeffekt und Compton-Streuung „etwas Plötzliches, Projektilartiges“. Aber wie ließen sich diese beiden einander diametral entgegenstehenden Modellvorstellungen zusammendenken? „Was die Natur von uns fordert, ist nicht Quantentheorie oder Wellentheorie, sondern die Natur fordert von uns eine Synthese beider Auffassungen, die bis jetzt allerdings noch über die Denkkräfte der Physiker hinausgegangen ist.“ 107 Aber genau in diesem Jahr 1927, in dem Einstein diese eher resignativen Zeilen schrieb, traten sowohl Werner Heisenberg wie auch sein Mentor Niels Bohr, miteinander um die Vorherrschaft der Interpretation der neuen Quantenmechanik ringend, mit Thesen an die Öffentlichkeit, die neues Licht auf den Welle-Teilchen-Dualismus warfen. Heisenberg publizierte seine Unschärferelation, die erklärte, warum wir nur jeweils eine von zwei Meßgrößen in Variablenpaaren wie Ort und Impuls bzw. Energie und Zeit gleichzeitig scharf messen können; Bohr seine Komplementaritätsthese, derzufolge diese Unschärferelation nur Ausdruck einer noch viel tiefer liegenden Unvereinbarkeit zweier Fragehaltungen an die Natur zum Ausdruck bringt, die man vielleicht als analytisch-räumlich beschreibende und als kausal-energetisch erklärende Zugangsweise gegeneinander stellen könnte.108 Ab 1931 wurde diese Heisenbergsche Unschärferelation dann auch auf die relativistische Quantenmechanik sowie später auch auf die QED übertragen.109 Nachdem diese beiden zentralen Beiträge zur Interpretationsdebatte der Quantenmechanik einigermaßen verdaut waren, beantwortete Pascual Jordan (1902–1980) in einer populärwissenschaftlichen Abhandlung über die Physik und das Geheimnis des organischen Lebens 1941 die Frage, was das Licht ist, schon ganz anders:

106 Einstein

(1927) S. 546. Hierbei handelt es sich nicht um einen Originalbeitrag, sondern um einen ausführlichen Bericht über einen Vortrag Einsteins, der aber fast wörtliche Passagen enthielt. Ähnliche Aussagen finden sich ferner auch in einem damals unveröffentlicht gebliebenen Manuskript: siehe Einstein (1927b) sowie Belousek (1996) S. 450 f. 107 Ibid., S. 546; vgl. ferner Abschn. 4.2, zu Einsteins mentalem Modell des Lichtquants. 108 Zum Kampf um die Deutungshoheit der später sog. Kopenhagener Interpretation der Quantenmechanik siehe u. a. Bohr (1927/1928), (1933), Heisenberg (1927), (1930), Halpern & Thirring (1928/29), Weizsäcker (1931), (1941), Born (1969), Jammer (1974), Wheeler & Zurek (1983), Beller (1999), Howard (2004), Zeh (2012), Friebe et al. (2015) Kap. 2 u. dort zit. weiterführende Lit. 109 Siehe Landau & Peierls (1930), Bohr & Rosenfeld (1933) bzw. Widom & Clark (1982).

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Was ist das Licht? Wellenvorgang oder Teilchenstrahl? aber allmählich sind wir zu der Einsicht gekommen, daß das Wort ist‘ hier einfach nicht paßt, daß ’ man vielmehr fragen muss, was aus Strahlung werden kann, je nach der Art der Beobachtungs-Auseinandersetzung mit dem Objekt. Werden kann aber beides daraus. […] In Wahrheit ist das Licht weder Welle noch Korpuskel, sondern ein Drittes‘ , das sich der gedanklichen Nachbildung in einer anschaulichen ’ Vorstellung entzieht und nur in abstrakt-mathematischen Begriffen beschreibbar 110 ist.

Das frühere Entweder-oder von Welle oder Teilchen ist hier aufgehoben durch eine neue Kategorie des noch nicht festgelegten, des werdenden Objekts aus dem sowohl eine Welle als auch ein Teilchen werden kann, je nach experimentellem Versuchsaufbau. Werner Heisenberg hat das in späteren Schriften durch eine Reanimierung des alten Aristotelischen Gegensatzes von Aktualität und Potenzialität noch tiefer zu begründen versucht.111 Auch wenn dieser WelleTeilchen-Dualismus spätestens seit der Mitte der 1920er Jahre offizieller Teil der Standard-Interpretation der Quantenmechanik durch Kopenhagener, Göttinger und Münchener Physiker geworden ist, so ist es doch fair zu sagen, dass sich bis heute nur wenige mit dieser Aufweichung einer strengen Dichotomie wirklich abgefunden haben: zu tief sind die Kategorien von Teilchen einerseits und Welle andererseits als Kontrastklassen in unsere Intuition eingegraben, mit der wir Objekte klassifizieren und über sie sprechen. Insbesondere hat Einstein selbst diese sogenannte Kopenhagener Interpretation der Quantenmechanik‘ ’ und des Welle-Teilchen-Dualismus zeitlebens als unbefriedigend empfunden: „This interpretation, which is looked upon as essentially final by almost all contemporary physicists, appears to me as only a temporary way out.“ 112

3.9

Spontane und induzierte Emission: 1916–17

1916 ging Einstein noch einen Schritt weiter in Richtung „quantentheoretische Betrachtungen über die Wechselwirkung von Materie und Strahlung“. Ganz im Stile der Berliner Theoretiker Kirchhoff und Planck wollte Einstein konkrete Materiemodelle vermeiden und seine Überlegungen möglichst allgemein halten, „ohne spezialisierende Voraussetzung über die mit der Strahlung in Wechselwirkung stehenden Gebilde“. In einem ersten Schritt modellierte 110 Jordan

(1941) S. 29 und 38; vgl. dazu auch Bromberg (1976) S. 181 ff. sowie das Jordan-Symposium (2000) und hier Abschn. 5.5. 111 Siehe dazu z. B. Heisenberg (1959) Kap. X. 112 Einstein (1949) S. 51; analoge Aussagen Einsteins finden sich auch in Einstein & Infeld (1938a) S. 278. Für einen Versuch, den Welle-Teilchen-Dualismus durch schnell ablaufende Dekohärenzvorgänge zu überwinden, siehe Zeh (2012) S. 99, (2013).

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Einstein die Materie in den Wänden schwarzer Körper in Planckscher Manier als monochromatische Resonatoren‘ , die elektromagnetische Feldenergie ’ aufnehmen und abgeben können, in einem zweiten dann quantentheoretisch als Moleküle‘ , die statistisch zwischen einer endlichen Zahl quantisierter Zu’ stände hin und her wechseln.113 Betrachten wir zunächst kurz die erstgenannte elektrodynamische Modellierung. Die Energie E eines mit genau einer Frequenz schwingenden Gebildes kann sich im Laufe einer Zeit τ , die deutlich länger als die Schwingungsdauer jener Resonatoren sein muss, in zweifacher Weise ändern: einerseits kann diese Energie durch Ausstrahlung von Energie in Form von Strahlung abnehmen. Für diese spontane Emission von Strahlung setzte Einstein in Analogie zur Rutherfordschen Formel für den radioaktiven Zerfall an:114 1 E = −AEτ. Wenn den Resonatoren nur diese spontane Emission möglich wäre, so würde ihre Energie als Funktion der Zeit exponentiell abnehmen, da ihr Energieverlust immer genau proportional zur noch vorhandenen Restenergie wäre. Aber es gibt auch den entgegenwirkenden Prozess der Absorption von Energie aus dem umgebenden Strahlungsfeld. „Diese zweite Änderung wächst mit wachsender Strahlungsdichte ρ und hat einen vom Zufall‘ abhängigen Wert und ’ ein vom Zufall‘ abhängiges Vorzeichen“,115 ist also mal positiv und mal nega’ tiv. Als Mittelwert erhält man mit einer Kombination von elektromagnetischen und statistischen Überlegungen den Ansatz: 2 E = Bρτ. Dabei ist ρ die Strahlungsdichte. Die mittlere Energie E¯ der Planckschen Resonatoren muss im Gleichgewicht von der Zeitdauer τ unabhängig sein, so dass der Mittelwert nach der Zeit τ gleich dem ursprünglichen Mittelwert ¯ woraus ganz in Planckscher Manier weiter sein muss: E + 1 E + 2 E = E, folgt: B E¯ = · ρ. A 113 Siehe

Einstein (1916a), eingegangen am 17. Juli 1916, bzw. CPAE 6 (1996), Dok. 34, Zitate S. 318– 319 und 319–320. 114 Rutherford hatte 1900 postuliert, dass die radioaktive Zerfallsrate dN /dt = −λN streng proportional zur Zahl der noch nicht zerfallenen radioaktiven Atome ist, was zu exponentieller Abnahme führt. 115 Einstein (1916a) S. 319; zur Interpretation des Terminus Zufall‘ in diesem Kontext s. u. ’

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Abb. 3.8 Schematische Darstellung von Absorption sowie von spontaner und induzierter Emission. Letztere nimmt proportional zur Dichte des Strahlungsfelds zu, weshalb sich einmal in Gang gekommene Emissionsprozesse immer weiter verstärken. Abb. modifiziert aus http://www.seos-project.eu/modules/laser-rs/images/two-level-system-de.png (22.1.17), abgedruckt mit freundl. Genehmigung durch Dr. Rainer Reuter (Oldenburg)

In einer zweiten, quantentheoretischen Ableitung der Planck’schen Energiedichte für Hohlraumstrahlung führte Einstein Koeffizienten für die Übergangswahrscheinlichkeiten von Gasatomen ein (vgl. zum Folgenden auch Abb. 3.8), die mit umgebender Strahlung im thermischen Gleichgewicht stehen sollen und aus dem Zustand Z n mit der Energie n in den Zustand Z m mit der Energie m durch Transmission von Strahlung der Frequenz νnm = ( m − n )/ h übergehen können, wobei je nach Vorzeichen dieses Terms Emission oder Absorption vorliegt. Im Gleichgewichtsfalle müssen statistisch betrachtet gleich viele Moleküle aus dem Zustand Z n in den Zustand Z m übergehen wie umgekehrt. Den Fall der spontanen Emission von Energie der Frequenz νnm setzte Einstein als proportional zur Zahl Nm der im Ausgangszustand Z m vorliegenden Moleküle an und beschrieb die statistische (nicht stochastische) Wahrscheinlichkeit für diesen Zerfall mit dem Koeffizienten Anm , woraus sich die Zahl der Übergänge m → n pro Zeiteinheit zu Anm Nm ergibt. Umgekehrt ist die Absorption der Frequenz νnm und des dadurch ausgelösten Übergangs aus dem Zustand n in den höherenergetischen Zustand m vom Zustand mit höherer in den mit niedrigerer Energie möglich, und zwar mit der Wahrscheinlichkeit Bmn Nm ρ. Im Unterschied zur spontanen Emission entspricht dieser letzte Fall einer durch das umgebende Strahlungsfeld „induzierten Emission“.116 Für alle Übergänge zusammengenommen erhielt Einstein im thermischen Gleichgewicht die Gesamtbilanz: Anm Nm + Bmn Nm ρ = Bnm Nn ρ. 116 Diese Wortprägung stammt von van Vleck (1924); Einstein & Ehrenfest (1923) sprachen von

Einstrahlung‘ , Fabrikant 1939 von negativer Absorption‘ (siehe dazu Lukishova 2010). ’

negativer



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Um aus diesem Ansatz zusammen mit der Boltzmannschen Formel für die Wahrscheinlichkeit des Zustands Z n als Funktion seiner Energie n die Plancksche Formel für die mittlere Energiedichte des Strahlungsfelds reproduzieren zu können, musste Einstein neben einem Koeffizienten Anm für die spontane Emission zwingend noch zwei weitere für die sogenannte induzierte Emission einführen, die im Unterschied zu ersterer proportional zur Dichte des Strahlungsfeldes sind, was der damaligen Intuition widersprach. Aber unter dieser Voraussetzung ergaben sich zahlreiche Querbeziehungen zu damaligen Wissensbausteinen: • die Kontinuität zu Plancks Überlegungen im Kontext der klassischen Mechanik und Elektrodynamik schien gesichert, • der Ansatz für die spontane Emission stand mathematisch in strenger Analogie zum experimentell wohlbestätigten Rutherfordschen radioaktiven Zerfallsgesetz dN /dt = −λN , • das photochemische Äquivalentgesetz folgte auch in diesem Formalismus wieder problemlos; • auch die Bohr’sche Frequenzbedingung m − n = hν für die Übergänge zwischen den Energieniveaus m und n war automatisch erfüllt und der Anschluss der Strahlungstheorie an Bohrs erfolgreiches Atommodell gewährleistet. Wegen dieses harmonischen Zusammenklangs vieler voneinander unabhängiger Forschungsstränge (eine erneute consilience of inductions‘ – vgl. dazu ’ Abschn. 2.3) war sich Einstein 1916 auch so sicher, dass „die Einfachheit der Hypothesen, die Allgemeinheit, mit der sich die Betrachtung zwanglos durchführen läßt, sowie ihr natürlicher Anschluß an den Grenzfall des linearen Planckschen Oszillators […] es mir als sehr wahrscheinlich erscheinen [lassen], daß dies die Grundlinien der zukünftigen theoretischen Darstellung sein werden.“ 117 Damit sollte Einstein Recht behalten – vielleicht mehr, als ihm später lieb war, denn methodisch orientierte sich insbesondere der junge Werner Heisenberg in seiner Matrixmechanik an dieser Einsteinschen Modellierung quantentheoretischer Zusammenhänge durch Übergangswahrscheinlichkeiten zwischen einer endlichen Zahl quantisierter Anfangs- und Endzustände in Form von Matrixkoeffizienten.118 Paul A. M. Dirac (1902–84) zeigte 1927 dann auf, dass auch in Quantentheorien des Feldes spontane sowie induzierte Emission 117 Einstein 118 Siehe

(1916a) S. 322. Heisenberg (1925) sowie Mehra & Rechenberg (1982) Bd. 3, Darrigol (1992) part B.

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ihren Platz behalten.119 Einstein hingegen hat die Heisenbergsche Matrizenmechanik, die Diracsche Operatorenalgebra ebenso wie andere Varianten der späteren Quantenmechanik und die damit verbundenen stochastischen Interpretationen bekanntlich stets abgelehnt.120 Aber hatte Einstein nicht selbst in seinem Aufsatz von 1916 mehrfach von Zufall‘ gesprochen? Die „scare quo’ tes“, die Einstein im obigen Zitat um die beiden Vorkommnisse des Wortes Zufall‘ setzte, sind bemerkenswert. Damit wollte er wohl andeuten, dass es ’ sich hier für ihn keineswegs bereits um vollständig indeterminierte Zufallsereignisse, also um stochastische Prozesse handelte wie es beispielsweise der radioaktive Zerfall zu sein schien, der ihm als mathematisches Vorbild diente, sondern dass es in diesem Fall lediglich statistische Effekte im Sinne der klassischen statistischen Mechanik von Boltzmann und anderen Physikern des 19. Jahrhunderts waren, die daraus resultierten, dass der Beobachter die obwaltenden Zustände nicht kannte. Gleichwohl war sich Einstein jetzt sicher, dass er auf dem richtigen Wege war und ihm „die Aufstellung einer quantenhaften Theorie der Strahlung fast unvermeidlich erscheine“, während für ihn die größte verbliebene Schwäche darin lag, „daß sie uns dem Anschluß an die Undulationstheorie nicht näher bringt.“ 121 Dieser zweite Aufsatz von Einstein über „Quantentheorie der Strahlung“ in der Physikalischen Zeitschrift ist sogar der zwischen 1920 und 1929 am zweithäufigsten überhaupt zitierte physikalische Aufsatz.122 Mit der Entwicklung des Lasers erlebten auch die beiden Aufsätze von Einstein aus den Jahren 1916 und 1917 zur Theorie der induzierten Emission eine überwältigende Renaissance. Bis zum Stichdatum 18. März 2016 sind in google scholar für Einstein (1916a, b) 364 bzw. 118 und für Einstein (1917) 1815 Zitationen nachweisbar.123 Die gesamte heutige Lasertechnologie basiert auf dieser durch vorhandene Strahlung im Laserresonator induzierten‘ Emission weiterer Lichtquanten ’ (vgl. Abb. 3.9).124 Um den Effekt millionenfach zu verstärken, werden beide Enden dieses Resonanzbereiches mit Spiegeln versehen, so dass alle Licht119 Siehe

Dirac (1927), (1930c) Kap. X, S. 232–239 sowie z. B. Heitler (1936b), Duncan (2012) S. 35. Pais (1982) Kap. 25, Wheeler & Zurek (Hg.) 1983, Home & Whitaker (2007) S. 28 ff., 83 ff. 121 Einstein (1917) S. 127 f. 122 Siehe dazu Small (1986) S. 144–145, demzufolge Einstein (1917) von 1920 bis 1929 in den 20 international führenden Physikzeitschriften insg. 76-mal zitiert wurde (nur Compton (1923) brachte es auf noch mehr, nämlich 78 Zitationen); basierend auf dem von Small (1981) vorgelegten Physics Citation Index 1920–1929 (mit dem die vorliegende Lücke geschlossen wurde, die im Web of Science durch die dortige Beschränkung der Recherchemöglichkeit nach Zitationen nur ab 1945 besteht) werden Zitationen ab 1945 aufgeführt, zu Smalls Zeit um 1980 sogar erst ab 1955. 120 Siehe

123 https://scholar.google.de/scholar?cites=6861658168745659959&as_sdt=2005&sciodt=0,5&hl=de,

google.de/scholar?cites=12548366261550285506&as_sdt=2005&sciodt=0,5&hl=de, cites=8985365509834917851&as_sdt=2005&sciodt=0,5&hl=de. 124 Das

https://scholar. https://scholar.google.de/scholar?

Akronym Laser‘ steht für light amplification through stimulated emission of light und wurde Ende ’ der 1950er Jahre von Gordon Gould (1920–2005) eingeführt. Zur Geschichte des Lasers, deren experi-

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Abb. 3.9 Schematische Darstellung des Laserprinzips. Durch vielfache Reflexion der zwischen zwei Spiegeln hin- und herlaufenden Strahlung werden immer mehr induzierte Emissionen im Lasermedium hervorgerufen. Dadurch entsteht kaskadenartige Verstärkung eines kohärenten Lichtstrahls, der nach Ausleitung aus dem Resonanzbereich (hier rechts mittels eines halbdurchlässigen Spiegels) zur Emission kohärenter sowie annähernd monochromatischer Strahlung führen. Dieses Schema aus http://abyss.uoregon. edu/~js/images/laser_pump.gif (17.3.2016) nutzt die Darstellbarkeit des Lichts als Welle und die Analogie zu stehenden Wellen

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quanten immer wieder in diesen Bereich zurückgespiegelt werden und bei jedem Durchlauf des Lasermediums weitere induzierte Emissionen hervorrufen. Das führt zu einer kaskadenartigen Verstärkung dieser kohärenten Strahlung, die dann entweder durch eine minimale Restdurchlässigkeit der Spiegel oder mithilfe von schaltbaren Spiegeln (Q-switches) stoßweise aus dem Resonanzbereich entlassen wird und als energiereicher, kohärent schwingender und nahezu monochromatischer Laserstrahl austritt. Die Idee einer solchen Resonanzverstärkung von Licht durch stehende Wellen hatte bereits 1951 der Russe Valentin Aleksandrovich Fabrikant (1907–1991), der damit 1939 in Moskau promoviert wurde und am 18. Juni 1951 ein russisches Patent (Nr. 123209) dafür anmeldete.125 Technische Machbarkeit ergab sich erst 1960 im Kontext der durch den Zweiten Weltkrieg intensivierten Radar- und Mikrowellenforschung.126 In einer Folgearbeit noch im gleichen Jahr 1916 wies Einstein erneut explizit darauf hin, dass den Lichtquanten außer einer Energie hν auch ein Impuls hν/c zuzuordnen ist und dass die atomaren Emissions- und Absorptionsprozesse von Lichtquanten gerichtete Vorgänge sind. Die Bedeutungsschichten 1 bis 8 hatten sich um 1916 in Einsteins Denken bereits verfestigt, auch wenn er zu dieser Zeit noch (fast) der einzige war, der die Existenz von Lichtquanten wirklich ernst nahm (s. u.). Die weiteren Konsequenzen dieses statistischen Ansatzes werden letztendlich in die von Einstein dann nicht mehr mitgetragene stochastische Quantenmechanik führen. Schon 1916 erkannte Einstein in einem wenig bekannten Folgeaufsatz für die Physikalische Gesellschaft in Zürich die Schwächen einer eigentlich zunächst fast unvermeidlich scheinen[den ...] eigentlich quantenhaften Theorie der Strahlung [...]. Die Schwäche der Theorie liegt einerseits darin, dass sie uns dem Anschluss an die Undulationstheorie nicht näher bringt, andererseits darin, dass sie Zeit und Richtung der Elementarprozesse dem Zufall‘ überlässt; trotzdem hege ’ ich das volle Vertrauen in die Zuverlässigkeit des eingeschlagenen Weges.127

„Der Herrgott würfelt nicht“ blieb bekanntlich Einsteins Maxime bis zum Ende seines Lebens,128 aber die theoretische Alternative, die Zeit und Richtung der atomaren Elementarprozesse vorauszusagen gestatten würde, hat nicht nur menteller Teil schon mit der Entwicklung des Masers 1954 beginnt, der analog, aber mit Mikrowellen funktioniert, vgl. u. a. Bromberg (1991), Lemmerich (1987), Bertolotti (1999). 125 Siehe dazu u. a. Lukishova (2010) und dort in engl. Übers. zitierte russische Primärquellen. 126 Siehe dazu insbesondere Bromberg (1991), (2006). 127 Einstein (1916b) bzw. CPAE 6 (1996), Dok. 38, 381–398, Zitat S. 61/396. 128 Aus der umfangreichen Literatur zu Einsteins Kritik an der Kopenhagener Deutung der Quantenmechanik seien besonders empfohlen Max Born (Hg.) 1969 insb. S. 118 ff. sowie Wheeler & Zurek (Hg.) 1983 mit Reprint aller einschlägiger Aufsätze der Bohr-Einstein-Debatte.

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Einstein, sondern auch kein anderer gefunden. Es ist Teil der besonderen Tragik dieses Denkers, so entscheidend zu einer Entwicklung beigetragen zu haben, die er am Ende grundsätzlich ablehnen mußte.

3.10 Lichtquanten tragen Eigendrehimpuls (Spin) Die zehnte Schicht im komplexen semantischen Geflechts des Lichtquantenkonzepts ist dessen Spin. Die Geschichte dieses Konzeptes ist besonders verworren, da es aus heutiger Sicht eigentlich genuin quantenmechanisch ist, obwohl es noch im Kontext der alten semiklassischen Quantentheorie entstanden ist.129

3.10.1 Eigendrehimpuls als vierte Quantenzahl der Bohr- Sommerfeldschen Atomtheorie: Spin avant la lettre Seit 1913 hatten der dänische Theoretiker Niels Bohr (1885–1962) in Kopenhagen und sein Münchener Kollege, der mathematische PhysikerArnold Sommerfeld (1868–1951) das sogenannte Bohr-Sommerfeld-Modell des Atoms entwickelt.130 Dieses Atommodell basierte auf der Grundannahme, dass die negativ geladenen Elektronen um den positiv geladenen Atomkern auf fest definierten Bahnen herumkreisten, analog den Planetenbahnen um die Sonne, nur dass die gegen die Fliehkräfte stabilisierende Zentripetalkraft in diesem Fall die elektrische und nicht die Gravitationskraft war. Die klassische Elektrodynamik sagte für einen solchen Fall kreisförmig bewegter, also beschleunigter Elektronen eine Abstrahlung von Energie voraus, so dass diese Elektronenbahnen nicht stabil gewesen wären, aber der noch junge Niels Bohr postulierte frech und frei, dass diese Aussage der klassischen Elektrodynamik im Innern der Atome keine Gültigkeit mehr habe. Aus spektroskopischen Gesetzmäßigkeiten wie z. B. der Balmer-Formel für die Spektralserie des Wasserstoffs konnte Bohr ableiten, dass die Energieniveaus kein Kontinuum bildeten, sondern streng quantisiert waren. In erster Näherung ergaben sich diese quantisierten Energiestufen zu E n = E 0 /n 2 , wobei n die sogenannte Hauptquantenzahl war, eine ganze Zahl größer oder gleich 1. Spektrallinien der Atome wurden 129 Zur

Geschichte des Spin siehe insbesondere Goudsmit (1965), (1971), Dirac (1974/1975), Jammer (1961/74), Tomonaga (1974), Milner (2013) sowie Hentschel (2009b, d) u. dort jeweils ref. Primärtexte. 130 Zu dessen Geschichte siehe Jammer (1961/74), Nisio (1973), Kragh (2012), Eckert (2014), hier S. 42 u. dort jeweils genannte Primärquellen. Zu Niels Bohrs Einstellung gegenüber Lichtquanten siehe Stachel (2009).

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interpretiert als Folge von Übergängen der Elektronen zwischen diesen Energieniveaus, wobei Emission vorlag, wenn die Ausgangsenergie höher war als die Endenergie dieser Quantensprünge der Elektronen, und Absorption im umgekehrten Fall.131 Neben den streng kreisförmigen Bahnen ergaben sich im Bohr-Sommerfeldschen Atommodell auch elliptische Bahnen. Da sich die auf derartigen Ellipsen umlaufenden Elektronen im Atom-nächsten Punkt der Ellipse mit höherer Geschwindigkeit bewegten und relativistische Korrekturen zur geschwindigkeitsabhängigen Masse hier anders als in der klassischen Gravitationstheorie nicht vernachlässigbar waren, musste eine sogenannte Nebenquantenzahl l eingeführt werden, die das Ausmaß der Exzentrizität der Elektronenbahn beschrieb und relativistisch berechenbare Korrekturterme für die Energieniveaus lieferte, die in den damals schon sehr genau vermessenen Spektren ebenfalls nachweisbar waren. Ein weiterer Erfolg stellte sich ein, als Bohr und Sommerfeld 1915/1916 zeigen konnten, dass auch die Aufspaltung dieser Spektrallinien in elektrischen und magnetischen Feldern, der sogenannte Zeeman- bzw. Stark-Effekt, in ihrem Modell einbezogen werden konnte, wenn man annahm, dass diese kreisförmigen bzw. elliptischen Bahnen relativ zu den Feldern in bestimmten Winkeln geneigt waren – zu der energetischen Quantisierung kam jetzt also auch eine Raumquantisierung, da in ihrem Modell keineswegs jede Neigung physikalisch erlaubt‘ war, sondern ’ nur solche, die durch eine dritte magnetische‘ Quantenzahl m beschrieben ’ wurde. Diese durfte wie n und l ebenfalls nur ganzzahlige Werte annehmen, allerdings hier alle ganzen Zahlen (inklusive der Null) zwischen −l und + l, woraus sich Zeeman-Multipletts von (2l + 1) Spektrallinien ergaben. Dies stimmte bestens mit dem Befund des sogenannten normalen Zeeman-Effekts überein, demzufolge sich die meisten Spektrallinien in drei, fünf, sieben oder neun Komponenten aufspalteten. Daher wurde mit diesen drei Quantenzahlen und einigen Regeln für zulässige und unzulässige Übergänge zwischen jenen Energieniveaus zwischen 1916 und 1921 ein Großteil der spektroskopischen Befunde der Atomphysik in z. T. überraschend guter Übereinstimmung von Experiment und Theorie erklärt.132 Was die Wechselwirkung von Atomen mit elektromagnetischer Strahlung anging, die von diesem Atomen emittiert und absorbiert werden konnte (vgl. hier Abschn. 3.3), so gingen Sommerfeld und sein ehemaliger Schüler Wojciech [latinisiert Adalbert] Rubinowicz (1889– 1974) davon aus, dass dabei Impuls und Drehimpuls streng erhalten bleiben. Da sich die Drehimpulse der Atome in diesen spektroskopischen Übergängen nachweislich änderten, musste dann also neben Impuls auch Drehimpuls von der emittierten Strahlung aufgenommen bzw. von der absorbierten Strah131 Zur 132 Für

problematischen Interpretation dieser Quantensprünge siehe Abschn. 2.6. Details siehe z. B. Hentschel (2008), (2009e) u. dort jeweils genannte Primärtexte.

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lung aufgenommen worden sein: „Wenn bei der Konfigurationsänderung des Atoms sich sein Impuls oder Impulsmoment [Drehimpuls] ändert, so sollen sich diese völlig und ungeschwächt wiederfinden in dem Impuls und dem Impulsmomente der Strahlung.“ 133 Allerdings fanden Miguel A. Catalán (1894–1957) und andere Experimentatoren seit dem Ende der 1910er Jahre auch immer mehr Beispiele für den sogenannten anomalen Zeeman-Effekt‘ , bei dem die Aufspaltung nicht in eine ’ ungerade, sondern in eine gerade Zahl von Teilkomponenten erfolgte, zudem oft mit merkwürdig unterschiedlichen Intensitätsverteilungen zwischen diesen beobachtbaren Komponenten. Besonders häufig waren sogenannte DublettAufspaltungen mit nur zwei Komponenten. Gemäß der Formel für die Multiplizität 2m + 1 müsste m hier also halbzahlig, und nicht ganzzahlig sein. Tatsächlich experimentierte Alfred Landé (1888–1976) seit den frühen 1920er Jahren mit der Annahme halbzahliger Quantenzahlen, um die Dublettstrukturen der Alkalimetalle u. a. spektrale Feinheiten der „Termzoologie“ and „Zeemanbotanik“ zu erklären.134

3.10.2 Erste experimentelle Indizien Der erste, der eine intrinsische, aber quantisierte Drehbewegung von elektrisch negativ geladenen Elektronen annahm, um damit ihr magnetisches Moment sowie spiralförmige Trajektorien von Elektronen in Nebelkammeraufnahmen zu erklären, war 1921 Arthur Holly Compton an der Washington University in St. Louis.135 Um die Streuung von Elektronen durch polarisierte Röntgenstrahlung zu erklären, unternahm der Experimentalphysiker Frank W. Bubb (1892–1961) im Labor von Compton 1924 Experimente, die den Austrittswinkel der Elektronen als Funktion der einfallenden Röntgenstrahlen und ihrer Polarisationsrichtung bestimmten. Sein Ergebnis war genau so, wie es die klassische Theorie nahelegte, derzufolge die Oszillationsebene der elektromagnetischen Wellen immer auch die sein sollte, in der die geladenen Teilchen der Materie von der Strahlung in Schwingungen versetzt werden. Zu der naiven Deutung der Röntgenstrahlung als „bullets of energy“, die die Teilchen genau in ihrer eigenen Bewegungsrichtung aus der Materie herausschleudern, 133 Zitat aus Sommerfeld (1919a) S. 381;

vgl. Rubinowicz (1918) sowie ferner Borrelli (2009) S. 330 und (2017) S. 20. 134 Siehe dazu insbesondere die zweite Auflage von Sommerfelds Lehrbuch (1919b), ferner Forman (1968), Tomonaga (1974/97) Vorl. 1 u. dort jeweils genannte Primärquellen. Sommerfeld sprach selbstironisch von „Zahlenmystik“ und sein Kollege Carl Runge nicht weniger ironisch vom „Hexen-Einmaleins der Quantenphysik“. 135 Siehe Compton (1921) S. 155: „the electron itself, spinning like a tiny gyroscope, is probably the ultimate magnetic particle“, sowie hier S. 169 zu Comptons Arbeiten zur Compton-Streuung.

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passte Bubbs Befund gar nicht, weshalb er seine Experimente damals als Indiz gegen die Quantentheorie interpretierte. „The results are in accord with the classical theory. To explain them in the quantum theory we must assume that the quantum is a vector bundle of energy, for it explodes, so to speak, at right angles to its direction of motion.“ 136 Aus späterer Perspektive zeigen sich hier freilich erste Indizien für das, was später Spin genannt wurde: die statistisch bevorzugte Emissionsrichtung der Elektronen stand genau senkrecht auf der Polarisationsebene.

3.10.3 Raumquantisierung im Stern-Gerlach-Experiment Im gleichen Jahr 1921 schlug Otto Stern (1888–1969) in Frankfurt vor, die von Bohr und Sommerfeld postulierte Raumquantisierung experimentell zu testen. 1922 publizierten Otto Stern und Walther Gerlach die Ergebnisse ihrer Experimente mit Atomstrahlen hocherhitzter Silberatome, welche durch ein inhomogenes Magnetfeld geleitet wurden und dadurch gut erkennbar in genau zwei voneinander separierte Komponenten aufspalteten.137 Dies widersprach der Multiplizitätsregel des Bohr-Sommerfeldschen Atommodells, derzufolge Quantisierungen immer in ungeradzahligen Vielfachen (2m + 1) ganzer Zahlen n auftraten. Eine Multiplizität von 2 wäre nur erklärbar, wenn man n = 1/2 ansetzen würde, also halbzahlige Quantenzahlen einführt, bis dahin ein absolutes no-go. Ein gewisser Werner Heisenberg (1901–1976), zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal promovierter Student von Sommerfeld in München, spekulierte 1922, dass diese halbzahlige Quantenzahl eine Art Mittelwert aus zwei eigentlich ganzzahligen Quantenzahlen sei, die zur Hälfte dem Atomrumpf und zur anderen Hälfte der Elektronenschale dieser Atome zugeordnet werden könne. Ein anderer ebenso junger Student von Sommerfeld, Wolfgang Pauli (1900–58), kam zu einer noch verwegeneren Deutung dieser halbzahligen Quantenzahl als einer „mechanisch unbeschreibbaren Zweideutigkeit“ des äußeren Leuchtelektrons. Im Januar 1925 führte Pauli zur mathematischen Beschreibung dieser Zweideutigkeit eine neue Quantenzahl, damals zunächst mit dem Buchstaben μ belegt, mit μ = ±1/2 ein und postulierte, dass bei physikalisch zulässigen Übergängen die gleichfalls neue Auswahlregel μ = 0 oder ±1 gelten müsse. Somit wurde jedes Elektronen nun durch einen Satz von vier Quantenzahlen n, l, m und μ (manchmal auch n, l, j and s genannt)

136 Bubb

(1924) S. 127 sowie z. B. Simonsohn (1981) S. 262 für ein Polardiagramm der Intensität und Richtung des elektrischen Feldes bei der Photoionisation. 137 Zu Otto Sterns Leben u. Werk siehe Schmidt-Böcking & Reich (2011); zum Stern-Gerlach-Experiment von 1921/22 siehe Weinert (1995) u. dort jew. genannte weiterführende Texte.

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beschrieben. Der Aufbau der Elektronenhüllen von Atomen im Grundzustand erfolgte nach Pauli so, dass nach und nach alle Energieniveaus besetzt werden, beginnend bei den energetisch günstigsten (mit n = 1). Die Zahl der Elektronen pro Schale und viele, z. T. auch subtile spektroskopische Feinheiten ließen sich ausgezeichnet abbilden, wenn man weiter forderte, dass in jedem Atom kein Elektron in allen vier Quantenzahlen mit denen eines anderen Elektrons übereinstimmen dürfe.138 Mit diesem Paulischen Ausschlussprinzip ergaben sich dann auf natürliche Weise die aus der Atomphysik wohlbekannten Elektronenbesetzungszahlen 2, 8, 18, 32 im Periodensystem der Elemente – ein Riesenerfolg für die beiden blutjungen Nachwuchsphysiker, der allerdings erkauft war mit einer erneuten radikalen, ja geradezu frechen Außerkraftsetzung der klassischen Physik, die laut Pauli diese „mechanisch unbeschreibbare Zweideutigkeit“ grundsätzlich nicht erfassen könne. Darum dürfe man diese Quantenzahl eben nicht mechanisch interpretieren. Heisenberg und Pauli standen zu diesem Zeitpunkt direkt an der Schwelle zwischen der alten Quantentheorie und der von beiden wenige Monate später dann mit entwickelten Quantenmechanik, jedoch sie hatten diese Schwelle damals noch nicht überschritten. Sie sahen aber bereits, dass die semiklassischen Annahmen von Bohr und Sommerfeld wie z. B. die Vorstellung definierter Elektronenbahnen in der neuen Physik zurückgenommen werden mussten. Speziell Wolfgang Pauli, der als Patenkind von Ernst Mach (1838–1916) in Wien im Geiste des Positivismus aufgezogen worden war, fiel es nicht schwer, diese Modellvorstellung von Elektronenbahnen als „metaphysisch“ aus der Physik zu verbannen.139

3.10.4 Spin als vierte Quantenzahl Mitten in dieser Krisenstimmung des Jahreswechsels 1924/1925 schlug Ralph de Kronig (1904–1995) in einem Brief an Wolfgang Pauli vor, diese neue vierte Quantenzahl als Ausdruck eines vierten Freiheitsgrades des Elektrons zu interpretieren, nämlich einer Drehung um seine eigene Achse. Pauli wies diesen Deutungsversuch postwendend mit drei Argumenten schroff zurück: 1. ein Faktor 2 fehle in de Kronigs Rechnung, ohne den eine Diskrepanz zwischen der beobachteten Dublett-Aufspaltung der Alkalispektrallinien und den Rechnungen bliebe, 2. das aus den Rechnungen de Kronigs folgende magnetische Moment des Atomkerns sei zu klein, und 138 Siehe Pauli (1925), Meyenn (Hg.) 1979, Bd. 1, (1980/1981) sowie van der Waerden (1960) und Tomonaga (1974/97) Vorl. 2, Serwer (1977), Heilbron (1983). 139 Über diese Prägung Paulis im Geiste des Mach’schen Phänomenalismus siehe Popper (1935) S. 168 f.

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3. der dieser Quantenzahl s zugeordnete innere Drehimpuls und damit die Rotationsgeschwindigkeit des Elektrons um die eigene Achse sei so groß, dass es der speziellen Relativitätstheorie von Einstein widerspräche, derzufolge sich kein materielles Objekt mit Überlichtgeschwindigkeit bewegen darf.140 Ohne Kenntnis dieses Ideenaustauschs erwogen zwei junge Postdocs von Paul Ehrenfest (1880–1933) in Leiden, George Eugene Uhlenbeck (1900– 1988) und Samuel Abraham Goudsmit (1902–1978) eine ganz ähnliche Deutung der Dublettaufspaltungen des anomalen Zeeman-Effektes durch die Annahme, dass jedes Elektron ein magnetisches Moment M mit sich trage, dass aus einer Eigendrehung (sehr bald dann Spin s genannt) resultiere: 2 S, wobei die neue Quantenzahl s nur ±1 sein könne. Quantitativ M = s · 2mc sei dieses magnetische Moment zweimal so groß wie ein naives semiklassisches Modell einer Punktladung e, das Bohrsche Magneton e/2mc, es erwarten ließ, aber unter dieser Annahme ließ sich dann auch verstehen, warum die mit dem Spin koppelnden magnetischen Momente der restlichen Elektronenhülle J und des anomalen Moments M zu den anomalen Zeeman-Effekten führen konnten. Die erste erhaltene Reaktion auf diese noch unveröffentlichten Überlegungen war ein Brief von Hendrik A. Lorentz (1853–1928) vom 19. Oktober 1925, in dem dieser ganz analog zu Paulis Einwänden gegen die Überlegungen von de Kronig (s. o.) darauf hinwies, dass die Umdrehungsgeschwindigkeit v eines solchen Elektrons wegen μ = me vr ungefähr das Zehnfache der Lichtgeschwindigkeit sein müsse, was der Relativitätstheorie Einsteins widerspreche. Aber der Mentor von Uhlenbeck und Goudsmit, Paul Ehrenfest, hatte seine beiden jungen Mitarbeiter schon zur Publikation dieser Überlegungen in der weniger streng aussiebenden semipopulären Zeitschrift Die Naturwissenschaften ermuntert, wo ihr Beitrag zwei Tage vor Lorentz’ Brief eingereicht worden war und am 20. Nov. 1925 dann erschien.141 Das darin benannte, aber noch offene Problem mit dem fehlenden Faktor 2 klärte sich wenig später durch die Arbeit von Lewellyn Hilleth Thomas (1903–1992), der Anfang 1926 zeigen konnte, dass dieser Faktor 2 sich aus einer bei Goudsmit und Uhlenbeck noch fehlenden Lorentztransformation aus dem Bezugssystem des Elektrons in das

140 Zum

Vorstehenden siehe Pauli an de Kronig, 9. Okt. 1925 in Meyenn (Hg.) 1979 S. 242–249. Unter den Physikern der Zeit kursierte später der mir von Friedrich Hund am 15. Dez. 1994 in einem Interview überlieferte Spruch: „De Kronig hätt’ den Spin entdeckt, hätt Pauli ihn nicht abgeschreckt“ – siehe Hentschel & Tobies (Hg.) 1996. 141 Laut Goudsmit & Uhlenbeck (1926), (1976) sowie Goudsmit (1971) hat Ehrenfest gesagt: „You are both young enough to afford a stupidity like that.“

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Beobachtersystem folgte.142 Zu diesem Zeitpunkt waren die alte‘ Quanten’ theorie und das Bohr-Sommerfeldsche Atommodell bereits von der neuen‘ ’ Quantenmechanik abgelöst worden. In deren Kontext ergaben sich Aussagen über den Spin von Elementarteilchen und Zusammenhänge zwischen Spin und Statistik dann aus tiefergehenden Annahmen über Symmetrien, aber die so gut bewährte spektroskopische Phänomenologie konnte in die Quantenmechanik fast unverändert übernommen werden, und auch viele der Formeln für spektrale Aufspaltungen und Verschiebungen ließen sich im neuen Rahmenwerk nahezu unverändert reproduzieren. Das Spin-Konzept war somit durch Heisenberg, Schrödinger, Fermi und Dirac vertieft worden, hielt sich aber auch in den neuen konzeptuellen Rahmenwerken der Quantenmechanik und der darauf aufbauenden Quantenfeldtheorie und insbesondere der Quantenelektrodynamik.143 Die Annahme, dass nicht nur Elektronen u. a. materielle Elementarteilchen, sondern auch Lichtquanten bzw. Photonen einen intrinischen Spin haben, war durch spektroskopische Evidenz indirekt bereits gut abgesichert. Ein direkter experimenteller Nachweis, dass der Spin des Photons mit dessen Drehimpuls in engstem Zusammenhang steht, gelang erst 1931 Chandrasekhara Venkata Raman (1888–1970) und seinem Mitarbeiter Suri Bhagavantam (1909– 1989) durch Messung der Intensität und Polarisationsrichtung von RamanStrahlung144 sowie dann 1936 Richard A. Beth (1906–1999) am Palmer Physical Laboratory der Princeton University durch die Messung der Drehbewegung eines an einem 25 cm langen Quarzfaden aufgehängten Quarzplättchens nach der Wechselwirkung mit zirkular polarisiertem Licht. Die Dicke dieses doppelbrechenden Plättchens wurde so gewählt, dass zwischen dem ordentlichen und dem außerordentlichen Strahl ein Gangunterschied von genau einer halben Wellenlänge bestand, so dass jedes Photon den Drehimpuls  auf das Plättchen übertrug, was in der Summe vieler solcher Drehimpulsänderungen dann mit einer Torsionsmessung nachgewiesen werden konnte.145

142 Für

eine klare Herleitung dieses Faktors siehe insb. Tomonaga (1974/97) Kap. 2 u. 11. Landau & Lifschitz (1979) S. 191–240, Dirac (1974/1975), Tomonaga (1997) Kap. 3–12 u. Milner (2013); zum Spin-Statistik-Theorem sowie zur QED: Abschn. 3.11. 144 Siehe Raman & Bhagavantam (1931, 1932) und Bhagavantam (1932). Den Hinweis darauf verdanke ich Rajinder Singh. 145 Siehe Beth (1936), dort insbesondere Anm. 1, S. 115 u. Anm. 11, S. 121 für Hinweise, dass Einstein persönlich an diesem Experiment und den theoretischen Rechnungen dazu Anteil nahm. 143 Siehe

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3.11 Ununterscheidbarkeit der Lichtquanten – der Ursprung der Bose-Einstein-Statistik Im Prinzip könnte man klassische Teilchen aufgrund ihrer (zumindest prinzipiellen) Unterscheidbarkeit durchnummerieren oder mit anderen, jedes einzelne Teilchen identifizierenden Markierungen versehen. Dass dies in der Quantenwelt eben nicht mehr so ist, weil hier die Ununterscheidbarkeit von Quantenteilchen jedweder individueller Identifizierungs- oder Markierungsabsicht einen Strich durch die Rechnung macht, wurde erst im 20. Jahrhundert durch die Verbindung von statistischer Mechanik und früher Quantentheorie klar.146 Der erste, der dies erkannt hat, war der Krakauer Physiker Ladislas Natanson (1864–1937).147 1911 wies er in einem Artikel über die statistische Theorie der Strahlung darauf hin, dass Plancks Energieverteilung von Schwarzkörperstrahlung nur resultiert, wenn in der Wahrscheinlichkeitsberechnung die Energiehalter‘ , al’ so z. B. die Atome des schwarzen Körpers als noch identifizierbar‘ , also etwa ’ nummerierbar betrachtet werden, die „Energieeinheiten“ (Quanten) hingegen als unterschiedslos gleich, und damit als nicht identifizierbar.148 Ausgehend von dieser Einsicht hätte Natanson selbst oder einer seiner aufmerksamen Leser bereits 1912 die später nach Bose und Einstein benannte Statistik dieser ununterscheidbaren Teilchen entwickeln können.149 Denn Plancks Strahlungsformel war nur dann ableitbar, wenn man diese völlige Ununterscheidbarkeit der Energiequanten voraussetzt, ansonsten ergibt sich die Boltzmann’sche Verteilung. Natanson bewies dies, indem er die kombinatorische Frage stellte, auf wie viele verschiedene Weisen P Energiequanten ε auf N „Energiehalter (receptacles of energy)“ verteilt werden können, wobei diese Energiehalter analog den Planckschen Resonatoren‘ materielle Systeme (nicht notwendig ’ Teilchen) sein sollten, die diese Energiequanten zu absorbieren bzw. zu emittieren vermögen. Insofern setzte Natanson wie schon Planck 1900 voraus, dass „die Energie nicht unbegrenzt teilbar ist, sondern aus einem Aggregat diskreter Elemente oder Einheiten zusammengesetzt ist“.150 Klarer als Planck, Einstein und andere Physiker bis dato erkannte Natanson aber, dass diese Ununterscheidbarkeit der Energiequanten zentral war: „Die Elemente oder Einheiten 146 Siehe

u. a. Fraser (2008), French (2015) sowie Lyre in Friebe et al. (2015) S. 89–112. ´ Natanson siehe u. a. Weyssenhoff (1937), Sredniawa (1997), (2007) sowie Hentschel & Waniek (2011) u. dort jeweils genannte Primärquellen. 148 Natanson (1911); vgl. Darrigol (1988), insbesondere S. 243 ff. Kastler (1983) insb. S. 616 ff., kritisch dazu Stachel (2002) S. 438 f., ferner Bergia (1987). 149 Vgl. dazu Delbrück (1980), Kastler 1983, Monaldi 2009, Borelli, Saunders sowie Huggett & Imbo in Greenberger, Hentschel & Weinert (Hg.) 2009, S. 299 ff., 311 ff., 611 ff. u. dort zit. Lit. 150 Natanson (1911) S. 660. 147 Über

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der Energie betrachten wir aber als unterschiedslos gleich. Würden wir jede einzelne von ihnen für sich wahrnehmen können, so würden sich damit die Bedingungen des Falles von Grund auf ändern. Hierauf muss in allererster Linie aufmerksam gemacht werden“.151 Auch andere Physiker fingen nun an, sich dieser statistischen Strahlungstheorie zuzuwenden, von der Natanson gleich zu Beginn seines Aufsatzes von 1911 klarsichtig gesagt hatte, sie müsse „zu den tiefgründigsten Entdeckungen auf dem Gebiete der Molekularphysik gerechnet werden“.152 Der Russe Yuri Krutkov (1890–1952) und der Pole Mieczyslaw Wolfke (1883–1947) stritten 1914/1915 heftig darum, inwiefern die Einsteinsche Annahme von Lichtquanten, die Wolfke Lichtato’ me‘ nannte, deren Unabhängigkeit‘ voraussetzte, wobei beide unter diesem ’ wenig geeigneten Begriff leider ganz verschiedene Dinge meinten: der eine Identität, der andere hingegen räumliche Trennbarkeit.153 Weitere Klarheit in die Diskussion brachte dann 1915 ein kurzer Aufsatz von Paul Ehrenfest (1880–1933) und dem Entdecker der Supraleitung Heike Kamerlingh Onnes (1853–1926) in den Annalen der Physik, in dem eine elegante und anschauliche „Ableitung der kombinatorischen Formel [gegeben wurde], welche der Planckschen Strahlungstheorie zugrunde liegt.“ 154 Die beiden damals in Leiden tätigen Physiker repräsentierten die P Energiequanten durch P (ununterscheidbare) Punkte und konkrete Energieverteilungen jener P Quanten auf N Natansonsche Energieträger (bzw. Plancksche Resonatoren) durch eine symbolische Zeichenkette, die neben diesen P Energiequanten auch N − 1 Trennungsstriche zwischen den Energieträgern beinhaltete. Die Zeichenkette: · · || · · · ·| · | · · · bedeutete z. B. eine Verteilung, bei der insgesamt 10 Energiequanten auf 5 Energieträger verteilt werden, und zwar so, dass ein Resonator 2, einer 0, einer 4, einer 1 und einer 3 Energiequanten aufgenommen hat. Das Plancksche Energieverteilungsproblem wurde auf diese Weise zu einer rein kombinatorischen Aufgabe der Berechnung der Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen bestimmter Kombinationen der beiden Zeichentypen Punkt und Strich (P mal Punkt) und (N − 1)-mal Strich. Die Antwort auf dieses einfache kombinatorische Problem ist, dass es (P + N − 1)! Permutationen dieser (P + N − 1) Zeichen gibt, wobei Doppelzählung von nicht-unterscheidbaren Kombinationen noch dadurch korrigiert werden muss, dass dieser Ausdruck durch die Permutationen P ! aller Punkte und (N − 1)! aller Trennstriche | geteilt wird. Die Überlegungen von Natanson lassen sich in einem einfachen Rechenbeispiel veranschaulichen (Abb. 3.10). 151 Ibid.,

S. 660. S. 659. 153 Vgl. z. B. Mehra & Rechenberg (1982) Bd. 1, S. 559 f., Navarro & Perez (2004) S. 130 ff. 154 Ehrenfest & Kamerlingh Onnes (1915) S. 1021. 152 Ibid.,

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Abb. 3.10 Aufteilung von drei Energiequanten auf zwei Resonatoren

In den Worten von Ehrenfest und Kamerlingh Onnes „Je (N − 1)!P ! von diesen Anordnungsweisen geben dasselbe Verteilungssymbol und lassen jeden Resonator auf seiner Energiestufe liegen“.155 Somit ergab sich für die Zahl W der nicht-unterscheidbaren Fälle einer Kombination von P Energieelementen und N Energieträgern: W = (N + P − 1)!/[P!(N − 1)!] Aus diesem Ausdruck ergibt sich dann in wenigen Schritten – wie schon von Max Planck 1900 vorgeführt und bis heute in jedem Lehrbuch der Quantentheorie nachzulesen – sofort die Plancksche Energieverteilung. Diese vereinfachte, auf das Wesentlichste reduzierte Ableitung der Planckschen Formel für die mittlere Energiedichte des Strahlungsfeldes war weit mehr als bloß ein geschickter didaktischer Kunstgriff, auch wenn er sich deshalb bis heute in einigen Lehrbüchern der Quantenmechanik wiederfindet.156 Natanson, Ehrenfest und Kamerlingh Onnes hatten sehr scharf den grundlegenden Unterschied zwischen der Planckschen und der Einsteinschen Ableitung er155 Ehrenfest 156 Siehe

& Kamerlingh Onnes (1915) S. 1022. z. B. Landau & Lifschitz (1979) Bd. III, Hund (1984) S. 30 f.

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kannt: „Bei Einstein handelt es sich wirklich um P gleichartige voneinander losgelöste Quanten […] bei Planck hingegen nicht wirklich um P voneinander losgelöste Quanta; ihre Einführung ist cum grano salis zu nehmen; als genau ebenso formeller Kunstgriff wie unsere Permutation der Zeichen […]. Wahres Objekt der Zählung bleibt die Anzahl aller voneinander verschiedenen Verteilungen von N Resonatoren über die Energiestufen 0, ε, 2ε, 3ε, …bei vorgegebener Totalenergie Pε.“ 157 Planck hatte seinen Fokus auf die klassischidealisierten, insofern auch unproblematisch unterscheidbaren Resonatoren in den materiellen Wänden des schwarzen Körpers gelegt und war auf die Energiequantisierung nur gestoßen, weil ihm der 1877 von Ludwig Boltzmann (1844–1906) vollzogene Grenzübergang ε → 0 anders als in Boltzmanns klassischer Statistik verwehrt blieb.158 Natanson hatte die sich bereits bei Einstein 1905 andeutende Wende hin zu einer Untersuchung des Strahlungsfeldes selbst konsequent weitergedacht und stieß dabei als erster auf die für die statistische Ableitung eigentlich zentrale Kernannahme der Ununterscheidbarkeit, oder wie er es formulierte, darauf, „daß bei dem Prozeß der Wahrscheinlichkeitsberechnung die Energiehalter als identifizierbare behandelt werden können, und daß die Energieeinheiten, die in jeder Hinsicht vollkommen gleich sind, nicht als identifizierbar behandelt werden können. Da unser Verfahren in letzter Linie auf dieser Annahme beruht, so erscheint es naturgemäß, es ohne weiteres als die Grundlage der Theorie anzusprechen. Anscheinend hat man dem Umstande nicht die genügende Bedeutung beigelegt, daß wir tatsächlich keine andere Möglichkeit haben, die Berechtigung des Planckschen Verfahrens zur Wahrscheinlichkeitsberechnung nachzuweisen.“ 159 Auch hier kam Natanson mit seinen prophetischen Worten deutlich zu früh: Einsteins provokative Überlegungen von 1905 wurden mindestens bis zur experimentellen Bestätigung des Compton-Effekts 1921/1922 äußerst kontrovers diskutiert.160 Es dauerte noch bis Mitte der 1920er Jahre, bis es auch Albert Einstein dämmerte, dass der Planckschen Energieverteilung eigentlich eine völlig neuartige Statistik zugrunde liegt. Angeregt zu dieser Einsicht wurde er nicht durch den Aufsatz von Natanson, obwohl er mit diesem auch korrespondierte, sondern durch die Arbeit eines ihm bislang völlig unbekannten bengalischen Physikers Satyendranath Bose (1894–1974), die 1924 dann zusammen mit einem eigenen Kommentar in den Sitzungsberichten der Preussischen Akademie der Wissenschaften erschien.161 Bose hatte den Phasenraum jedes Lichtquants in Zellen mit dem Volumen h 3 unterteilt und ähnlich wie schon Natanson aus der Zahl 157 Ehrenfest

& Kamerlingh Onnes (1915) S. 1023, Hervorhebung orig. z. B. Darrigol (1988/91), (1992), (2001) sowie Gearhart (2002). 159 Natanson (1911) S. 662. 160 Siehe dazu z. B. Stuewer (1975a) sowie Brush (2007). 161 Siehe Bose (1924) sowie z. B. Einstein (1924/1925b) S. 4 f. 158 Vgl.

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möglicher Verteilungen der Lichtquanten auf diese Zellen die Entropie und Strahlungsdichte errechnet. Es dauerte noch sieben weitere Jahrzehnte, bis es ab 1995 gelang, die von Einstein damals bloß ganz kurz angedeuteten „merkwürdigen“ Eigenschaften jener „entarteter Quantengase“ experimentell in Form sogenannter Bose-Einstein-Kondensate experimentell zu untersuchen.162 Eigentlich müsste die heute nach Bose und Einstein benannte Quantenstatistik also besser Planck-Natanson-Bose-Einstein-Statistik heißen, aber sei’s drum: Hier bestätigt sich aufs Neue der sogenannte erste Hauptsatz der Wissen’ schaftsgeschichte‘ – dass nämlich (fast) kein wissenschaftliches Resultat nach dem Namen seines tatsächlichen Entdeckers benannt ist. Wie unser kleines Rechenbeispiel in Abb. 3.11 zeigt, führen die beiden Fälle der Boltzmann- und der Planck-Natanson-Bose-Einstein-Statistik auf unterschiedliche Ergebnisse: Bei unterscheidbaren Teilchen ist ihre Verteilung über N Zellen (N − 1)! mal wahrscheinlicher als ihre Konzentration in genau einer Zelle, im Falle ununterscheidbarer Teilchen hingegen N -mal wahrscheinlicher als ihre gleichmäßige Verteilung auf alle Zellen. Verkürzt gesagt: Unterscheidbare Teilchen tendieren zu gleichförmiger Energieverteilung, ununterscheidbare zum Clustern oder Kondensieren‘ im Zustand niedrigster Energie. Beim Photonengas und an’ deren Elementarteilchen, die der Bose-Einstein-Statistik unterliegen, ist genau diese Bose-Einstein-Kondensation mit heutigen Mitteln auch experimentell zu beobachten.163 Allerdings ist dies für Photonen im Unterschied zu massebehafteten Bosonen besonders schwierig, da die Photonenzahl keine Erhaltungsgröße ist und Photonen daher bei niedrigen Temperaturen dazu tendieren, in den Wänden der Kavitäten zu verschwinden anstatt den energetischen Grundzustand zu besetzen. Da dieses Verhalten von unserer im Umgang mit klassischen Teilchen entstandener physikalischer Intuition so radikal abweicht, ist es nicht verwunderlich, dass es gut zwanzig Jahre gedauert hat, bis die volle Tragweite dieser neuartigen Statistik erkannt wurde. Nachdem der Groschen gefallen war, sprach Einstein 1925 bezüglich der merkwürdigen Eigenschaft des Clusterns oder Bunching von Lichtquanten oder anderen ununterscheidbaren Teilchen gleicher Statistik treffend von einem „Paradoxon“, von „Entartung“ dieses Quantengases‘ und von Teilchen „ganz rätselhafter Art“.164 Eine radi’ kal neue „Quantentheorie des idealen Gases“ erschien ihm „berechtigt, wenn man von der Überzeugung ausgeht, daß ein Lichtquant (abgesehen von seiner Polarisationseigenschaft) sich von einem einatomigen Molekül im Wesentlichen nur dadurch unterscheide, dass die Ruhemasse des Quants verschwindend 162 Siehe z. B. Ketterle (2007) für massive Bosonen, Anglin (2010) und Klaers et al. (2010) für Photonen,

ferner Greenberger, Hentschel & Weinert (Hg.) 2007, S. 299 ff. und dortige Literatur. dazu z. B. Ketterle (1997), Anglin (2010), Klaers et al. (2010) und die Website-Empfehlungen am Ende dieses Buches. 164 Einstein (1924/25a) S. 266, 267 u. (1924/25b) S. 3, 18. 163 Siehe

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Abb. 3.11 Kontrast von Boltzmann- und Planck-Statistik. Erstere folgt aus der prinzipiellen Unterscheidbarkeit der ihr unterworfenen klassischen‘ Teilchen, letztere aus der ’ grundsätzlichen Ununterscheidbarkeit von Quanten

klein ist.“ Damit war eine neue Brücke zwischen Gas- und Quantentheorie geschlagen und Boses Statistik der Lichtquanten konnte später auf alle Elementarteilchen mit ganzzahligem Spin übertragen werden. Umgekehrt zeigte sich dann auch, dass diejenigen Teilchen, die (wie z. B. Elektronen) halbzahligen Spin haben, der 1926 entdeckten Fermi-Dirac-Statistik genügen, die sich von der Bose-Einstein-Statistik darin grundlegend unterscheidet, dass für die Fermionen zusätzlich noch das Pauli-Prinzip gilt, demzufolge nie zwei identische Fermionen exakt denselben Quantenzustand einnehmen, d. h. nie in allen Quantenzahlen übereinstimmen dürfen. Dieses Paulische Ausschließungsprinzip verhindert, dass Fermionen wie Bosonen im niedrigsten Quantenzustand kondensieren‘ und bewirkt z. B., dass sich die Z Elektronen eines Atoms auf ’ die Z niedrigsten Elektronenzustände verteilen.165

3.12 Photonen als virtuelle Austauschteilchen der QED Die Quantenelektrodynamik (QED) ist eine aus der Verbindung von Relativitätstheorie und Quantenmechanik entstandene166 und heute experimentell hochgenau bestätigte Theorie von Punktladungen wie Elektronen oder Positronen sowie ihrer Wechselwirkung mit Photonen. Die QED-Berechnung des magnetischen Moments des Elektrons stimmt z. B. auf elf Dezimalstellen 165 Zur

weiteren Geschichte der Quantenstatistiken bis hin zum allgemeinen Beweis des Spin-StatistikTheorems durch Wolfgang Pauli und seinen Assistenten Markus Fierz in den Jahren 1939/40 siehe Meyenn (Hg.) Bd. II sowie Dok. 30 in Schwinger (Hg.) 1958, ferner Landau & Lifschitz (1979) S. 218–240, Tomonaga (1974/97) Vorl. 8, Miller (1994), Blum (2014) u. dort jeweils zit. Primärquellen. 166 Zur Frühgeschichte der QED bis ca. 1953 siehe Schwinger (1983), Weisskopf (1983), Schweber (1994) u. dort gen. Primärquellen, von denen viele Aufsätze in Schwinger (Hg.) 1958 bzw. Miller (Hg.) 1994 gesammelt vorliegen.

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mit dem experimentell bestimmten Wert überein, was diese Theorie zu einer der bestbestätigten physikalischen Theorien überhaupt macht.167 Das Elektron wird in der QED als Spinorfeld mit Ladung −e, das Photon als zugehöriges Eichfeld interpretiert. Die wichtigsten Eigenschaften und Randbedingungen ihrer Wechselwirkung werden aus Forderungen wie Eichinvarianz und Invarianz gegenüber Lorentztransformationen hergeleitet.168 Die Entwicklung begann, als Max Born, Werner Heisenberg und Pascual Jordan 1926 versuchten, die brandneuen quantenmechanischen Methoden der Matrizenmechanik nicht nur auf die materiellen Atome und deren Energieniveaus, sondern auch auf das sie umgebende Strahlungsfeld anzuwenden, um mit diesem Ansatz Resultate der älteren Quantentheorie zu reproduzieren, wie z. B. Einsteins Ableitung von 1909 der Schwankungen im elektromagnetischen Feld, die zum Zittern frei aufgehängter Spiegel führen.169 Paul Dirac (1902– 1984) formulierte 1927–1930 eine erste geschlossene Theorie der Emission und Absorption von elektromagnetischer Strahlung durch elektrisch geladene Teilchen, aus der u. a. folgte, dass es neben dem negativ geladenen Elektron noch ein gleich schweres, aber positiv geladenes Positron geben müsste, das wenig später dann auch in Nebelkammeraufnahmen experimentell nachgewiesen werden konnte.170 Im Unterschied zu älteren semiklassischen Theorien findet in der auf diesen Pionierarbeiten aufbauenden und sich seit den späten 1940er Jahren dann stürmisch entwickelnden QED nicht nur eine Quantisierung der Energie von Materie statt (klassische elektromagnetische Welle, aber quantisierte Materie, sog. „erste Quantisierung“) sondern auch des elektromagnetischen Feldes selbst: daher auch der Ausdruck „zweite Quantisierung“.171 Neben den realen‘ Photonen, die von Materie in Form elektromagnetischer ’ Wellen emittiert bzw. absorbiert werden, gibt es in der QED auch sogenannte virtuelle‘ Photonen als kurzlebige Austauschteilchen der elektromagnetischen ’ Wechselwirkung. Man darf sich das in einer groben Analogie etwa so vorstellen wie den raschen Austausch eines Tischtennisballes (Photon) zwischen zwei Spielern (geladene Teilchen), deren Aktionen nur durch diese ausgetausch167 Siehe dazu Schwinger (Hg.) 1958, Dok. 10–12 sowie Feynman (1985) Kap. 3, S. 115 ff., ferner Duncan

(2012) Kap. 10 und Han (2014). systematische Ableitungen von Ergebnissen der QED siehe Heitler (1936), Feynman (1961) sowie Jauch & Rohrlich (1955), die nur von diesen abstrakten Prämissen ausgehen; eine anschaulichere Einführung auf elementarem Niveau bietet Feynman (1985). 169 Siehe Born, Heisenberg & Jordan (1926) sowie Schweber (1994) S. 10 f., Duncan (2012) S. 19 ff. 170 Die Arbeiten von Dirac zwischen 1927 und 1934 stehen am Anfang der Anthologie von Schwinger (Hg.) 1958 – zu Diracs Leben und Werk vgl. ferner Kragh (1990), Schweber (1994) S. 11–32, 70 ff. u. dort genannte weiterführende Quellen sowie hier Abschn. 5.5. 171 Über die verschiedenen Auffassungen von Dirac und Jordan dazu sowie über das Oszillieren zwischen teilchen- und wellenbasierter Quantisierung in den nachfolgenden Jahrzehnten siehe Schweber (1994) S. xii–xxvii, 25 ff., 33ff., Scully & Zubairy (1997) S. 27 ff., Brown (2002), Duncan (2012) S. 42, Han (2014). 168 Für

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ten Bälle miteinander in Verbindung stehen. Doch während Tischtennisbälle ebenso wie materielle Austauschteilchen stets eine nicht-verschwindende Masse haben, hat das Photon bekanntlich keine Ruhemasse. Genau deshalb ist die elektromagnetische Wechselwirkung auch eine unendlich-reichweitige Kraft, während zum Beispiel die für den Betazerfall verantwortliche schwache Kernkraft im Innern von Atomkernen durch schwere Austauschteilchen vermittelt wird, was erklärt, dass diese nur auf kürzesten Abständen kleiner als ein Atomradius wirkt. Der Austausch von Photonen der Frequenz ν ist der QED zufolge in vielen Fällen ein bloss virtueller, auf sehr kurze Zeitintervalle t ≤ h/ν beschränkter. Dass dieses t die Heisenbergsche Unschärferelation verletzt, zeigt, dass es sich hier um einen bloss virtuellen Prozess handelt.172 Richard Feynman (1918–1988) kam 1948 auf die geniale Idee, die extrem langwierigen Berechnungen bei einem solchen Wechselwirkungsprozess in Schemata zu visualisieren, die bald nach ihm Feynman-Diagramme‘ genannt ’ wurden.173 Ein- und auslaufende durchgezogene Linien stehen in Abb. 3.12 für Elementarteilchen wie zum Beispiel Elektronen, während gewellte Linien für Photonen stehen. Die Zeitachse läuft in den folgenden Diagrammen stets von unten nach oben, so dass reelle Teilchen immer in fast senkrechter Richtung in das Diagramm eingetragen sind, während virtuelle Teilchen annähernd horizontal visualisiert sind. Für die Streuung von Licht an einem Elektron ergaben sich Feynman zufolge in niedrigster Ordnung der Störungstheorie z. B. die in Abb. 3.12 abgebildeten drei Diagramme als die drei physikalisch denkbaren Möglichkeiten der Wechselwirkung eines einzelnen Elektrons mit elektromagnetischer Strahlung: In Feynmans ursprünglicher, noch aus der Analogie zu Minkowski-Diagrammen der speziellen Relativitätstheorie herrührender Interpretation, die heute so nicht mehr vertreten wird, sind dies drei verschiedene Prozesse: Im Falle (a) absorbiert das Elektron zunächst ein Photon und entsendet später dann ein weiteres; im Falle (b) ist es umgekehrt – erst entsendet das Elektron ein (reales) Photon, später nimmt es ein anderes reales Photon durch Absorption auf und vergrössert seine Energie dadurch wieder ein wenig. Am verblüffendsten ist Feynmans separate Aufführung des Falles (c), bei dem er sich vorstellte, dass das Elektron zu einem bestimmten Zeitpunkt ein Photon emittiert, dann zurück in der Zeit zu gehen scheint und zu einem vor dieser Emission liegenden zweiten Zeitpunkt ein anderes Photon absorbiert und danach dann wieder in die Zukunft fortschreitet (vgl. Abb. 3.12). Dieser letzte Fall ist - so räsonnierte er damals weiter – nur physikalisch denkmöglich, wenn 172 Mehr

dazu bei Bunge (1970) sowie in Abschn. 9.3. Feynmans Leben und Werk siehe Mehra (1994), Schweber (1994) Kap. 8 und Brown (2005), zur Geschichte der Feynman-Diagramme: Kaiser (2005), Gross (2012), Wüthrich (2010), Wüthrich in Esfeld (Hg.) sowie Brown (Hg.) 2018.

173 Über

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Abb. 3.12 Drei Möglichkeiten einer elementaren Wechselwirkung eines einzelnen Elektrons mit elektromagnetischer Strahlung, aus Feynman (1985) S. 97, abgedruckt c mit freundl. Genehmigung von Princeton Univ. Press, 1985. Aus heutiger Perspektive sind die Fälle (b) und (c) topologisch äquivalent – in allen drei Fällen handelt es sich im Kontrast zur folgenden Abbildung um reale absorbierte bzw. emittierte Photonen

das Zeitintervall t, während der das Elektron rückläufig in der Zeit ist, kürzer ist als in der Heisenbergschen Unschärferelation E · t ≥ h/2π, in der E die Unbestimmtheit der Energie jenes Elektrons ist. Ein- und auslaufende Elektronen bzw. Photonen beschreiben in allen drei Fällen reelle Teilchen, während im zweiten und dritten Fall das Elektron zwischen den beiden Wechselwirkungen ein virtuelles ist. Für reale Teilchen gelten stets Energie- und Impulserhaltungssatz; virtuelle Teilchen hingegen sind „off-shell“, so dass an den beiden Wechselwirkungsknoten von (b) und (c) beide Erhaltungssätze kurzzeitig (im Rahmen der durch die Unschärferelation gesetzten Grenzen) verletzt sein können.174 Feynman interpretierte 1948/1949 in der Zeit zurücklaufende Teilchen als deren Antiteilchen (also als Teilchen mit umgekehrter elektrischer Ladung), so dass das zurücklaufende Elektron einem in der Zeit vorauslaufenden Positron wird und die beiden Wechselwirkungsknoten in (c) als Paarvernichtung von Elektron und Positron (mit Aussendung eines realen Photons) bzw. als Paarerzeugung von Elektron und Positron aus einem dafür Energie und Impuls liefernden Photons gedeutet werden konnten.175

174 Über

die Geschichte jenes Konzepts virtueller Teilchen und die verschiedenen Deutungen, die darin die Nicht-Einhaltung des Energie-Erhaltungssatzes spiele, siehe Ehberger (2020, 2022); den expliziten link zur Heisenbergschen Unschärferelation machten erstmals Landau & Peierls (1930). 175 Zu Feynmans ursprünglichen Interpretationen seiner Diagramme siehe z. B. Feynman (1961, 1965), Schweber (1994) S. 428 ff., Darrigol (2019) und hier Abschn. 6.2 sowie Abschn. 9.3 mit ausdrücklichen Warnungen vor dieser damaligen Fehlinterpretation als realistisch lesbarer Raum-Zeit-Diagramme.

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Abb. 3.13 Links: Coulomb-Wechselwirkung zweier Elektronen vermittels eines virtuellen Photons, nach Feynman (1949a) S. 772, abgedruckt mit freundl. Genehmigung der c American Physical Society, 1949. Rechts: Diagramme, die die elektromagnetisch vermittelte Bindung eines Elektrons an ein Proton im Atomkern sowie die Streuung von Licht am Atom illustrieren, aus Feynman (1985) S. 100, abgedruckt mit Genehmigung c von CCC Publications, 1985

Analog wird in Abb. 3.13 links die normale Coulomb-Wechselwirkung zwischen zwei Elektronen in Feynman-Diagrammen durch ein virtuelles Photon vermittelt, das fast horizontal, also virtuell innerhalb des sehr kleinen Zeitintervalls t zwischen den Punkten 5 und 6 propagiert, während sich die reellen Elektronen entlang 1–5–3 und 2–6–4 bewegen. Die Knicke an den Wechselwirkungspunkten 5 und 6 symbolisieren den durch das virtuelle Lichtquant vermittelten Energie- und Impulsaustausch. Doch bald wurde klar, dass die Linien nicht als Abbilder realer raumzeitlicher Trajektorien oder Teilchenbah’ nen‘ missverstanden werden dürfen. Während Feynman selbst in den späten 1940er Jahren seine Diagramme noch als ikonische Abbilder realer physikalischer Prozesse (miss)verstanden hat – vermeintlich ähnlich den Nebelkammeraufnahmen kernphysikalischer Streuprozesse – werden sie heute nurmehr als Hilfsmittel zur raschen Erfassung alle zu berücksichtigenden Prozesse einer gegebenen Ordnung von Störungsrechnung betrachtet.176 In Abb. 3.13 links sieht man nur ein virtuelles Lichtquantum, rechts dagegen finden sich zwischen den durchgezogenen Linien der beiden ladungstragenden Elementarteilchen gleich mehrere (acht) virtuelle Austauschteilchen, die die stabile Bindung des Elektrons an den Atomkern (hier repräsentiert durch das positiv geladene Proton) herstellen – zusätzlich sieht man in der Mitte am rechten Elektron noch ein in das Elektron zurücklaufendes Photon und in der Mitte sowie rechts eine Vakuumpolarisation, bei der aus einem Photon ganz kurzzeitig ein virtuelles Elektron-Positron-Paar entsteht, das als kreisförmige 176 Ibid.:

„just a shorthand, a heuristic aid.“ Vgl. ferner die Debatten zwischen Bunge (1970), Weingard (1982), (1988), Brown (Hg.) 2018 S. 427 f., 483, und Klevgar (2011) und hier Abschn. 9.3.

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Schleife gezeichnet wird. Dieser letztgenannte Prozess führt u. a. zu den QEDKorrekturen an der Masse der Elementarteilchen. Allgemein gesprochen stehen innere Linien dieser Diagramme für virtuelle Teilchen, ein- und auslaufende Linien für reale Teilchen. Wie gerade diese letzten Diagramme äußerst anschaulich vor Augen führen, erfordert die QED eine Erweiterung des Photonkonzepts. In manchen Fällen werden reale‘ Photonen von Materie emittiert oder absorbiert, in vielen ande’ ren Fällen jedoch müssen Photonen nur virtuell mit berücksichtigt werden, um beobachtbare Observablen wie Masse, Ladung und Wechselwirkungs- Wahrscheinlichkeiten stimmig berechnen zu können. Innerhalb der durch die Heisenbergsche Unschärferelation E · t ≥  abgesteckten Grenzen, die für typische atomphysikalische Energietransfers auf Zeitintervalle t ≤ 10−24 s führen, sind Verletzungen der Energie- und Impulserhaltung in jenen virtuellen Prozessen erlaubt solange sich diese innerhalb dieses ultrakurzen Zei’ ’ tintervals dann am Ende wieder ausgleichen. Diese virtuellen Prozesse bzw. die darin auftretenden virtuellen Teilchen sind folglich blosse Hilfsmittel der Modellierung, die eingeführt wurden, um jeden Term in der Störungstheorie bzw. jedes Feynman-Diagramm physikalisch interpretieren zu können, aber sie werden oft auch ontologisch überinterpretiert oder mißverstanden. Ihrer oberflächlichen Ähnlichkeit mit Minkowski-Diagrammen der speziellen Relativitätstheorie sowie mit Photographien der Spuren realer Streu- und Zerfallsprozesse in Blasenkammeraufnahmen zum Trotz177 dürfen Feynman-Diagramme nicht als Raum-Zeit-Diagramme realer Prozesse mißverstanden werden, da bei der Berechnung der Wahrscheinlichkeiten jener Prozesse über alle Raumund Zeitkoordinaten aller Vertices jener Linien integriert wird. Der Philosoph Hans Vaihinger (1852–1933) würde sie als Fiktionen auffassen,178 und einige Wissenschaftstheoretiker kritisierten diese Einführung grundsätzlich nicht direkt beobachtbarer und insofern virtueller‘ Teilchen: „we should either give it ’ up or abstain from assigning it a physical meaning: we should regard it instead, at best, as a computational intermediary.“ 179 Sie sind heute jedoch zweifellos alltägliches Werkzeug von Quantenfeldtheorien. Die Feynman-Diagramme in Abb. 3.12 und 3.13 (links) repräsentieren nur die physikalischen Prozesse in erster Ordnung Störungstheorie, alle weiteren Möglichkeiten von Wechselwirkung bringen eine noch höhere Zahl von Vertices mit sich, und da nach Feynman jeder Knoten (Vertex) zwischen durchge177 Auf diese häufige Ursache von Fehlinterpretationen der Feynman-Diagramme haben u. a. Harré (1988)

S. 64, David Kaiser (2000) S. 74 f., (2004) S. 362–373 und Meynell (2008) S. 45 hingewiesen. 178 Über Vaihingers Fiktionalismus in der Physik siehe Hentschel (2014a) u. dort zit. Texte. Mario Bunge

nahm 1970 diese Rede von Fiktionen wieder auf. 179 Bunge (1970) S. 508 sowie analog Shrader-Frechette (1977) S. 415, 419 f. und hier Abschn. 9.2–9.3 jeweils zit. Texte dazu, in welchem Sinne es virtuelle Teilchen gibt‘ . ’

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Abb. 3.14 Einige Feynman-Diagramme zur Berechnung des magnetischen Moments eines Elektrons bis zur sechsten Ordnung Störungstheorie, aus Feynman (1985) S. 115– c 118, abgedruckt mit freundl. Genehmigung von Princeton Univ. Press, 1985

hender und gewellter Linie einen Faktor, die Feinstrukturkonstante α 1/137, in die Abschätzung für die Wahrscheinlichkeit jenes Prozesses mit sich bringt, haben Prozesse zweiter und höherer Ordnung in der Regel nur ein geringes Gewicht, obgleich es mit Feynmans Methode natürlich sehr wohl möglich ist (und auch wieder einfacher als mit den brute force-Rechnungen Schwingers oder Tomonagas), sich über alle diese Möglichkeiten höherer Ordnung klar zu werden. Feynman-Diagramme sind letztlich einfach‘ Repräsentationen von ’ Summanden: jedes Diagramm entspricht einem Term in der damals schon von Dyson, Tomonaga und Schwinger praktizierten Störungsrechnung.180 Jedes Diagramm steht dabei symbolisch für einen der möglichen physikalischen Vorgänge, welcher wiederum einen gewissen Beitrag zum realen Geschehen liefert, auch wenn die Beiträge höherer Ordnung, also mit mehr und mehr Knoten, auch zunehmend kleinere Wahrscheinlichkeit haben. Um auch das noch zu illustrieren, zeige ich in Abb. 3.14 beispielhaft einige der Terme für die Berechnung des anomalen magnetischen Moments des Elektrons in höheren Ordnungen der Störungstheorie bis hin zur sechsten Ordnung. Um eine Vorstellung von dem rechnerischen Aufwand zu bekommen, der Physiker viele Jahre beschäftigte: es gibt alleine bezogen auf diesen einen Prozess insgesamt rund 10.000 Feynman-Diagramme mit bis zu sechs Vertices. Der aus diesen Rechnungen folgende Wert für das magnetische Moment des Elektrons war (Stand 1983): g/2 = 1,00115965246 mit einer Unsicherheit von 20 in den letzten beiden Stellen. Der experimentelle Wert zu dieser Zeit betrug g/2 = 1,00115965221 mit einer Unsicherheit von 4 in der letzten Stelle. Wie Feynman in einer seiner Vorlesungen es darstellte: Gemessen an der Entfernung von New York nach Los Angeles entspräche das nur einer Haaresbreite experimenteller Unsicherheit.181 Der CODATA-Wert von 2018 beträgt g/2 = 1,001159965218128, was zeigt, wie genau man mittlerweile messen und rechnen kann. 182 180 Schwinger

(1983) S. 343: „the Feynman diagram was bringing computation to the masses.“ Feynman (1985) S. 118 sowie ibid., S. 143 f. zu entsprechenden Rechnungen für ein Myon. 182 Laut https://www.physics.nist.gov/cgi-bin/cuu/Value?gem (14.10.2022). 181 Siehe

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Feynmans Diagramme sind überaus eingängig und erklären zusammen mit der außerordentlichen Präzision der dadurch vereinfachten Rechnungen den großen Erfolg jener ansonsten so abstrakten und hochgradig formalisierten QED-Theorie.183 Neben dem magnetischen Moment von Elementarteilchen wurde auch die sog. Lamb-shift zwischen dem 2S1/2 - und dem 2P1/2 -Niveau des Wasserstoffspektrums, die nach der Diracschen Theorie entartet sein sollten, aber nach der QED aufgrund von Vakuumfluktuationen ein ganz leicht voneinander differierendes Energieniveau aufweisen sollten, empirisch ebenso genau bestätigt.184 Die QED enthält dem Korrespondenzprinzip folgend für hohe Quantenzahlen die klassische Elektrodynamik als Grenzfall, also dann, wenn die Messwerte als kontinuierlich angesehen werden können. Starke Abweichungen von der klassischen Elektrodynamik zeigen sich jedoch bei schwachen Feldern sowie bei der Berechnung der Selbstenergie des Elektrons und Photons.185 Die dabei auftretenden Divergenzen führten die beteiligten Forscher lange Zeit in die Irre und konnten erst in den Jahren 1947–1951 im Rahmen der sogenannten Renormierung rechnerisch beseitigt werden. Das harmloseste dieser mathematischen Probleme waren die erstmals 1936 von Felix Bloch thematisierten sogenannten Infrarotdivergenzen: mit steigender Wellenlänge stieg auch die Wahrscheinlichkeit für die Emission eines wei’ chen‘ , also infraroten Photons immer mehr an, was zu einer ersten Divergenz führte.186 Gleichzeitig divergierten aber auch die Strahlungskorrekturen, wenn man über die Energie aller virtueller Photonen integrierte. Josef Maria Jauch (1914–1974) und Fritz Rohrlich (1921–2018) konnten 1954/1955 aber zeigen, dass sich diese beiden unendlichen Ausdrücke in allen Ordnungen der Störungstheorie gegenseitig exakt aufheben.187 Weniger leicht behebbar waren andere Divergenzen, die mit der elektromagnetischen Selbstwechselwirkung und der sog. Vakuumpolarisation zu tun hatten, also dem Entstehen eines Elektron-Positron-Paares aus einem hochenergetischen γ -Quant.188 Diese völlig neuartigen Effekte der QED führten zu erheblichen Korrekturen bei Masse und Ladung des Elektrons bzw. z. T. sogar stark divergierenden Ausdrücken, so dass man hier keinen anderen Notbehelf fand als den Ansatz, die beobachtbaren Massen, Ladungen usw. als Summe rechnerischer Rohmassen 183 Zum

erfolgreichen Einsatz von Feynman-Diagrammen in Lehre und Ausbildung siehe Kaiser (2005) und dort angegebene weiterführende Quellen zur Rezeption und Durchsetzung der QED. 184 Siehe dazu z. B. Kragh (1985), Darrigol (1988) S. 23–26 sowie Schweber (1994) Kap. 5 und Duncan (2012). Eine sehr eingängige semiklassische Veranschaulich dazu bieten Szameit & Scheel (2021) S. 28. 185 Zu frühen Diskussionen solcher Divergenzen vor Aufkommen der Renormierungstheorien: Schwinger (1983), Pais (1948), Weinberg (1977) S. 24 ff. u. dort gen. Primärquellen. 186 Siehe dazu insb. Darrigol (1988) S. 11–13 u. dort zit. Primärlit. 187 Siehe dazu Jauch & Rohrlich (1955/1976b) Kap. 16, S. 390 ff., Feynman (1961) S. 128 ff. 188 Für Beispiele siehe die geschlossenen Schleifen in den vorstehenden Diagrammen Abb. 3.13 und 3.14 – vgl. ferner Abb. 8.11.

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bzw. -ladungen und entsprechender Korrekturterme zu interpretieren.189 Dieses Jonglieren mit Termen, die jeder für sich genommen divergieren, in ihrer Summe aber wieder endliche Werte ergeben sollten, traf anfangs auf heftigen Widerstand vieler Physiker,190 aber der Umstand, dass sich die rechnerischen Endergebnisse experimentell dann so überaus genau bestätigten, führte schließlich doch zu hoher Akzeptanz der QED, die heute die am präzisesten bestätigte Theorie der Physik überhaupt darstellt und ein Grundpfeiler des Standardmodells der Teilchenphysik ist. Den Studierenden wurde (und wird) vielerorts die Empfehlung gegeben, sich von den Grundlagendebatten und Interpretationsproblemen fernzuhalten und einfach nur zu rechnen bzw. zu messen.191 Auch das erklärt, warum wir bis heute die Frage mit uns herumschleppen, was Photonen denn nun sind bzw. ob es sie wirklich gibt (dazu mehr in Kap. 9). Ist die QED die Synthese aller bisherigen Theorien und mentalen Modelle zum Lichtquantum, wie gelegentlich behauptet wird?192 Wir finden zwar Spuren der Bedeutungsschichten 1, 2, 5, 6 und 9, aber die Schicht 1 (Teilchenartigkeit) z. B. ist entscheidend modifiziert worden in der neuen Bedeutungsschicht des Photons als virtuelles Austausch-Teilchen. Die inneren Konsistenzprobleme im Zusammenhang mit der Notwendigkeit von Renormierungsprozeduren und die zahlreichen Angriffe auf die QED sowie die nicht abreißenden Versuche, sie durch semiklassische Ansätze zu ersetzen (vgl. dazu Abschn. 9.5 und Kap. 10), zeigen, dass das in die QED vorliegende Gemisch mentaler Modelle (Wellen- und Teilchenbilder) und mathematisch-physikalischer Zugänge ganz verschiedener Provenienz (Schwingers Formalismus bzw. Feynmans Diagramme) ein Konglomerat darstellt, von dem nur wenige glauben, dass es so unverändert überdauern wird, auch wenn es die empirisch am genauesten geprüfte Theorie der Physik darstellt und wegen ihrer experimentell ausgezeichneten Bestätigung sicher immer eine Art Niederenergielimes‘ einer noch nicht ge’ fundenen Theory of Everything (TOE) bleiben wird.193 Wie schon Niels Bohr betonte, basieren physikalische Modellierungen und Interpretationen jenseits aller Mathematik immer auf menschlicher Sprache. Diese wiederum beinhaltet fundamentale mentale Modelle (wie dasjenige von Teilchen und Wellen), die uns seit den Anfängen der Menschheit begleiten und an die unsere Intuition, 189 Siehe

Jauch & Rohrlich (1955/1976b) Kap. 9–10 sowie Suppl. 2 bzw. Feynman (1985) Kap. 3–4, Schweber (1994) S. 434 ff. zu Feynman, 564 ff. zu Dyson u. 595–605 zu Schwinger u. allgemein 190 Darunter Pioniere der QED wie Heisenberg und Dirac (1974/75) S. 9 „quite dissatisfied with it“. 191 In diesem Sinne z. B. Hanbury Brown (1991) S. 121–123 in seiner Autobiographie: „there is no satisfactory mental picture of light […] and the only way of getting the right answer was to do mathematics“, sowie Tegmark (2007) „shut up and calculate“. Für einen Protest gegen dieses „just compute“ siehe Roychoudhuri (2015) S. 169. 192 Siehe z. B. Jauch & Rohrlich (1955) S. v oder Kidd, Ardini & Anton (1989) S. 33. 193 Über die QED als methodisches Vorbild für die späteren Quantenfeldtheorien sowie der Quantenchromodynamik (QCD) siehe z. B. Han (2014) u. dort genannte weiterführende Lit.

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unsere Gedankenwelt und unsere Begrifflichkeit sich angepasst haben, die aber auf die Quantenwelt nicht mehr passen. Die wichtigsten mentalen Modelle, die sich einige der Hauptprotagonisten unserer Geschichte von Lichtquanten in den ersten Jahrzehnten machten, betrachten wir im folgenden Kapitel. Auf die spezielle Rolle von Richard Feynman in der Verbreitung und Popularisierung der QED und auf sein eigenes mentales Modell werden wir in Abschn. 6.2 zurückkommen.

4 Verschiedene mentale Modelle früher Akteure (bis 1926)

Nach dieser ausführlichen Darstellung aller zwölf Bedeutungsschichten, die in dem komplexen Konzept von Lichtquanten‘ semantisch überlagert sind, ’ möchte ich jetzt zu einer anderen Frage übergehen: Was stand hinter all diesen Überlegungen zentraler Akteure wie Newton und Einstein, aber auch von Experimentalphysikern wie Johannes Stark oder Robert Millikan, die sich in die Debatten über den Status und die Natur der Lichtquanten einmischten? Was stellten diese vier Akteure sich jeweils vor, wenn sie von Lichtquanten oder ab 1926 dann auch von Photonen sprachen?

4.1

Newtons Vorstellungen zu „globuli of light“

In Abschn. 3.1 hatten wir bereits die Grundzüge der sog. Newtonschen Projektiltheorie des Lichts kennengelernt, zumindest so weit, wie Newton bereit war, sie der Öffentlichkeit preiszugeben. Licht wurde von Newton modelliert als ein Strom sehr feiner und kleiner Teilchen, die sich im Raum unter normalen Bedingungen streng geradlinig und mit sehr hoher Geschwindigkeit ausbreiten. Nur wenn diese Teilchen auf eine Grenzfläche zwischen zwei verschieden dichte Medien treffen, findet laut Newton entweder Reflexion statt (analog zum Abprallen von Tennisbällen an glatten Oberflächen) oder Lichtbrechung (Refraktion) bzw. Lichtbeugung (Diffraktion), die er beide auch unter Rückgriff auf sein Gravitationsgesetz als Ausdruck der Anziehungskraft ungleichmäßig im Raum verteilter Massen auf die Masse tragenden Lichtteilchen interpre-

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2023 K. Hentschel, Lichtquanten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-66933-4_4

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tierte.1 Ein Rückschluss von diesen phänomenologischen Aussagen bzw. Gesetzmäßigkeiten auf das von Newton wirklich Gedachte bzw. Vorgestellte ist jedoch schwieriger, als man vielleicht glaubt. Denn Newton versteckte sich gewissermaßen vor seinen hartnäckigen Kritikern wie Robert Hooke (1635– 1703) und anderen Mitgliedern der Royal Society, die ihn an dem von ihm selbst aufgebauten empiristischen Leitbild massen. All denen, die ihn auf ein Projektilmodell des Lichts festnageln wollten (wie beispielsweise sein schärfster Opponent Robert Hooke, in dessen erster Kritik von Newtons „new theory of light and colours“ von 1672), hielt Newton gerne seine Unterscheidung zwischen gesicherten Fakten und Hypothesen entgegen: that light is a body […], it seems, is taken for my Hypothesis. ‘tis true, that from my Theory I argue the Corporeity of Light; but I do it without any absolute positiveness as the word perhaps intimates; and make it at most but a very plausible consequence of the Doctrine, and not a fundamental Supposition, nor so much as any part of it.

Der Grund für diese Vorsicht war klar: Newton wusste sehr wohl, dass er dieses Modell des Lichts aus den Beobachtungen alleine nicht zweifelsfrei begründen konnte, sondern dass andere Deutungsmöglichkeiten verblieben: But I knew, that the Properties, which I declar’d of Light, were in some measure capable of being explicated not only by that, but by many other Mechanical Hypotheses. And therefore I chose to decline them all, and to speak of Light in general terms, considering it abstractedly, as something or other propagated every way in straight lines from luminous bodies, without determining, what that Thing is.

Newton wollte nicht wie die Cartesianer ins Blaue hinein Hypothesen erfinden (hypotheses non fingo), was aber nicht ausschloss, dass er sich probeweise häufig solcher Hypothesen bediente. Natürlich hatte jemand der wie Newton öffentlich „hypotheses non fingo“ verkündigte, gewisse Schwierigkeiten zuzugeben, dass er selbst sehr wohl auch mit solchen hypotheses‘ heuristisch arbeitete, ’ auch wenn er sich in der Tat darum bemühte, sauber auseinanderzuhalten, an was er wirklich‘ glaubte und womit er nur gedanklich spielte.2 ’ So vorsichtig Newton in der Öffentlichkeit auch war, so tief lassen doch Aufzeichnungen blicken, die sich in Newtons Nachlass gefunden haben, insbesondere in seinem Notebook Questiones quædam Philosophiæ, das auf die 1 Mehr

dazu weiter unten; über mentale Modell in der Newtonischen Interpretation von Lichtreflexion siehe Moura (2020) u. dort zitierte Primärliteratur. 2 Für mehr über Newtons komplexe Methodologie siehe Harper (2011), Achinstein (2013) u. dort jeweils genannte weiterführende Texte.

4 Verschiedene mentale Modelle früher Akteure (bis 1926)

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Abb. 4.1 Newtons „Lichtglobulus“ (ca. 1664) in Questiones quaedam Philosophiae, fol. 104v, MS Add. 3996, Cambridge University Library, Cambridge, UK, wiederabgedruckt mit freundl. Genehmigung

Jahre 1664/65 datiert werden konnte. Dort sehen wir (vgl. Abb. 4.1) einen sehr klein zu denkenden „globulus of light“ (also ein Licht-Teilchen), der von einem Kegel aus „subtile matter“ (also eine Art Lichtäther) umgeben ist, „which carrys before it the better to cut the ether“. Derartige unveröffentlichte Manuskripte zeigen, dass Newton sehr wohl seinem Motto „hypotheses non fingo“ zum Trotz ausgefeilte Modellvorstellungen entwickelte, die ich unter dem Label mentale Modelle‘ subsumieren möchte, und die mit seiner Begriffsbildung ’ ebenso wie mit seinem physikalischen Denken auf das Engste verknüpft sind.3 Das kugelförmige Lichtteilchen wird hier von einer „subtile matter“ umhüllt gezeichnet. Die Bewegung des globulus of light von links nach rechts führt dazu, dass der Lichtäther dieses Teilchen gewissermaßen umströmt: rechts eine Kompressionszone mit entsprechendem Widerstand, links eine Verwirbelungszone, von der Newton annahm, dass diese rückwärtig eine Art Schub erzeuge, der das Lichtteilchen vorwärts presse: „by pressing on the back side …consequently helping it forward.“4

3 MS

Add. 3996, Cambridge University Library, Cambridge, UK, fol. 104v, online unter http://www. enlighteningscience.sussex.ac.uk/view/texts/normalized/THEM00092; vgl. ibid., fol. 98r und Herivel (1965) S. 122 für eine exakte hydrodynamische Analogie zur obigen Skizze in Form des Umströmens einer Kugel durch Wasser mit Bugwelle vorne (rechts) und Wirbel hinten (links). 4 Alle vorstehenden Zitate aus Newtons Questiones, auf 1664/65 datiert in der textkritischen Edition dieses Notizbuchs durch J.E. McGuire und Martin Tamny, Cambridge 1983, S. 384–385.

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In einem Aufsatz Newtons aus dem Jahr 1675 sowie Abschnitt XIV von Buch 1 der Principia von 1687 sehen wir ein späteres Entwicklungsstadium jener Teilchentheorie des Lichts. Dort zeigt er, wie man unter der Annahme, dass das Licht ein Strom materieller Teilchen ist, zu einer physikalischen Erklärung der Lichtbrechung kommen kann. Diese altbekannte und seit Ptolemaios auch schon experimentell untersuchte Brechung des Lichtes beim Übergang zwischen Medien verschiedener optischer Dichte bzw. unterschiedlichem Brechungsindex n wurde von Newton als Anziehung der Lichtteilchen durch das dichtere (also massereichere) Medium gedeutet. Obwohl Newton weder über die Masse noch über die Größe bzw. Geschwindigkeit dieser hypothetischen Lichtteilchen irgend etwas wusste, konnte er dennoch Aussagen über die Krümmung der Trajektorie der hypostasierten Lichtteilchen hin zum dichteren Medium treffen.5 Auch das vonThomas Harriot (1560–1621) und Willebrord van Roijen Snel (latinisiert Snellius 1580–1626) entdeckte und von René Descartes (1596– 1650) erstmals veröffentlichte Gesetz der Lichtbrechung,6 nach dem Ptolemaios und Kepler vergeblich gesucht hatten, konnte von Newton abgeleitet werden, wenn er annahm, dass die zur brechenden Oberfläche parallele Komponente vpar der Ausbreitungsgeschwindigkeit jener Lichttteilchen unverändert blieb, während sich die dazu transversale Komponente vt beim Übergang in das dichtere Medium erhöhte. Der Sinus des Einfallswinkels θein und des Ausfallswinkels θaus verhielten sich dann zueinander wie vpar /vMedium . Bei Division beider Gleichungen kürzte sich die unbekannte Geschwindigkeit vpar weg: sin(θein )/ sin(θaus ) = [vpar /vLuft ]/[vpar /vWasser ] = [vWasser /vLuft ]. Wie man sieht, stand diese Newtonsche Ableitung immer unter der Voraussetzung, dass sich die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Lichtteilchen im dichteren Medium wegen deren gravitativer Anziehung zu den zahlreicheren Teilchen jenes dichteren Mediums erhöht. Diese Annahme stand im Kontrast zu der im Wellenmodell des Lichts notwendigen Verringerung der Lichtgeschwindigkeit im optisch dichteren Medium. Eine experimentelle Entscheidung zwischen diesen beiden grundverschiedenen Vorstellungen wurde erst im 19. Jahrhundert möglich, weshalb in der frühen Neuzeit beide Modelle nebeneinander aufrechterhalten werden konnten, auch wenn das Newtonsche aufgrund von

5 Für

Details siehe Newton (1675b) S. 186 ff.; ferner Hall (1993), Sepper (1994), Shapiro (2009). Hentschel (2001) zur Entdeckung des Brechungsgesetzes durch Snel.

6 Siehe

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dessen unangefochtener Autorität im 18. Jahrhundert weit mehr Einfluss hatte als das konkurrierende Huygensche Wellenmodell.7

4.2

Einsteins mentales Modell von Lichtquanten 1909

Eine ähnliche Diskrepanz, wie wir sie soeben zwischen dem öffentlichen und dem privaten Newton gefunden haben, lässt sich auch im Falle Albert Einsteins feststellen, wenn vielleicht auch nicht ganz so tiefgehend, da Einstein in der Öffentlichkeit kein solches Zerrbild seiner eigenen Methodologie kreiert hatte wie Newton. Doch wenn in vorausgegangenen Abschnitten Äußerungen von Einstein zitiert wurden, so waren dies in der Regel zur Veröffentlichung bestimmte Aufsätze, für die Einstein – wie wir gesehen hatten –, sehr genau und geradezu strategisch überlegt hatte, was er verlautbart und was er noch zurückhält. Doch was hat er sich vorgestellt, wenn er von Lichtquanten sprach und mit ihnen Gedankenexperimente durchführte? Was wissen wir über Einsteins private, noch vertrauliche und nicht zur Veröffentlichung bestimmte mentale Modelle von Licht und Lichtquanten? Angesichts der Flut von Arbeiten über alle Aspekte des Lebens und Werkes von Albert Einstein: erschreckend wenig. Das liegt nicht zuletzt auch an der für die frühen Jahre seines Wirkens schlechten Quellenlage, noch bevor er Sekretärinnen u. a. beflissene Geister um sich hatte, die dann fast alles archivierten, was er verfasste bzw. in Händen hatte. So haben wir aus diesen frühen Jahren vor 1916 nur wenige unveröffentlichte Notizen und Entwürfe von Aufsätzen und im Vergleich zu der späteren Zeit auch deutlich weniger, allerdings z. T. sehr aussagekräftige Briefe.8 Aber das, was sich erhalten hat, darunter seine Briefe an enge Vertraute und Freunde wie Besso, Solovine, Zangger und einflussreiche Kollegen wie Lorentz, Planck oder Max von Laue, erlaubt doch den ein oder anderen Blick hinter die Kulissen. Aus Platzgründen muss ich es hier bei ganz wenigen Einblicken bewenden lassen. Eine der aussagekräftigsten Passagen aus dem Oeuvre Einsteins, eine der wenigen Stellen, an denen er nicht nur über phänomenologische Folgerungen, sondern über die dahinterstehenden verursachenden Entitäten, hier also die Lichtquanten, spricht, ist folgendes Zitat aus seinem Vortrag vor der 81. Versammlung der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte am 21. September 1909 in Salzburg: 7 Siehe dazu Cantor (1983), Eisenstaedt (2007) sowie Standardgeschichten der Optik wie etwa Park (1997)

oder Darrigol (2012) sowie hier Abschn. 3.1. Collected Papers of Albert Einstein (CPAE) geben anfangs annähernd alle erhaltenen Briefe wieder, in späteren Bänden jedoch leider zunehmen nurmehr eine selektive Auswahl.

8 Die

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Immerhin erscheint mir vor der Hand die Auffassung die natürlichste, daß das Auftreten der elektromagnetischen Felder des Lichtes ebenso an singuläre Punkte gebunden sei wie das Auftreten elektrostatischer Felder nach der Elektronentheorie. Es ist nicht ausgeschlossen, daß in einer solchen Theorie die ganze Energie des elektromagnetischen Feldes als in diesen Singularitäten lokalisiert angesehen werden könnte, ganz wie bei der alten Fernwirkungstheorie. Ich denke mir etwa jeden solchen singulären Punkt von einem Kraftfeld umgeben, das im Wesentlichen den Charakter einer ebenen Welle besitzt, und dessen Amplitude mit der Entfernung vom singulären Punkte abnimmt.9

Welchen epistemischen Status hatte dieses mentale Modell von Lichtquanten für Einstein 1909? Die vielen Konjunktive und einschränkenden Floskeln im obigen Zitat („Immerhin erscheint mir vor der Hand die Auffassung die natürlichste“; „es ist nicht ausgeschlossen“) zeigen bereits, dass Einstein nicht nur äußerst vorsichtig argumentiert, sondern wohl auch selbst noch nicht gänzlich von dem überzeugt ist, was er da sagt – er denkt gewissermaßen laut („Ich denke mir etwa“), das Publikum dabei total ignorierend. Zu dem eigenwilligen Vortragsstil Einsteins in Salzburg gibt es übrigens einen Augenzeugenbericht des Spektroskopikers und Experimentalphysikers Heinrich Kayser (1853–1940): „Auch Einstein habe ich hier gesehen und gehört. Er hielt einen grossen Vortrag, während er auf dem Podium, das die ganze Schmalseite des Saales einnahm, hin und her ging, immer vor sich auf den Boden blickend; wenn er umkehrte, geschah das so, dass er dabei den Hörern den Rücken zuwandte. Er machte durchaus den Eindruck eines Träumenden, der von seiner Umgebung nichts weiss.“10 Diese Eigentümlichkeiten sind nur partiell damit zu erklären, dass dies der erste Vortrag von Einstein auf einer großen wissenschaftlichen Tagung war, da er ja die letzten Jahre im Berner Patentamt ohne Kontakt zu Universitäten und Öffentlichkeit quasi im Stillen gearbeitet hatte. Nach kurzen Intermezzos in Zürich und Prag kam er ab 1914 in Berlin als Direktor eines nur für ihn gegründeten Kaiser-Wilhelm-Instituts für Physikalische Forschung (und erneut ab 1933 als Permanent Fellow am Institute for Advanced Study in Princeton) in eine Position, in der er nicht regelmäßig lehren musste und öffentliche Vorträge nur für Zwecke des Fundraisings hielt. Es ist ein großes Privileg für uns, an diesem Ausspinnen eines mentalen Modells aufgrund des außergewöhnlichen Augenzeugenberichts und der wörtlich pro9 Einstein (1909b), Zitat S. 499 (annotiert wiederabgedruckt in CPAE, Bd. 2, S. 563–583, Zitat S. 581). In

ähnlichem Sinn in der Diskussion zu Einstein (1909a), S. 826 bzw. CPAE 2, S. 586. Analog spricht Einstein in einem Brief an Sommerfeld vom 29. Sept. 1909 (CPAE, Bd. 5 (1993), S. 210) von einer „Anordnung der Energie des Lichts um diskrete, mit Lichtgeschwindigkeit bewegte Punkte“ (nicht: Teilchen). 10 Heinrich Kayser (1936) in seinen Erinnerungen aus meinem Leben, hrsg. v. Matthias Dörries & K. Hentschel (1996) S. 228 f., im Originaltyposkript von 1936 auf S. 250 f.

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tokollierten Vorträge und Diskussionen auf dem Naturforschertag fast schon wie virtuelle Augenzeugen teilhaben zu können. Im Kreis seiner engsten Freunde, z. B. der von Einstein selbst scherzhaft Akademie Olympia‘ genannten Zusammenkunft seiner Berner Kollegen Bes’ so und Solovine, hat er dies nach deren Erinnerungen des Öfteren und gerne getan, aber in seinen Aufsätzen und Vorträgen nur sehr selten, da diese eher dem Kirchhoffschen Stil maximaler Allgemeinheit und Unabhängigkeit von konkreten Materiemodellen folgten. In der Fortsetzung jener eben zitierten Passage von 1909 entwickelt er jenes mentale Modell sogar noch ein klein wenig weiter: Sind solche Singularitäten viele in Abständen vorhanden, die klein sind gegenüber den Abmessungen des Kraftfeldes eines singulären Punktes, so werden die Kraftfelder sich übereinanderlagern und in ihrer Gesamtheit ein undulatorisches Kraftfeld ergeben, das sich von einem undulatorischen Felde im Sinne der gegenwärtigen elektromagnetischen Lichttheorie vielleicht nur wenig unterscheidet. Dass einem derartigen Bilde, solange dasselbe nicht zu einer exakten Theorie führt, kein Wert beizumessen ist, braucht wohl nicht besonders hervorgehoben zu werden.11

So als ob er sich bei diesem lauten Denken ertappt fühlt, bricht Einstein an dieser Stelle seinen Gedankengang abrupt ab und kommt darauf – soweit ich sehe – erst in den 20er Jahren wieder zurück.12 Die epistemologische Einschränkung in dem letzten Satz stellt eine erneute Parallele zur Vorsicht dar, mit der Newton sich stets geäußert hatte (z. B. in seiner Kontroverse mit Hooke, s. o.). Ebenso vorsichtig, ja skrupulös, war Einstein auch in seiner privaten Korrespondenz mit Mentoren und engen Freunden, umso mehr natürlich in einem öffentlichen Kontext wie diesem Salzburger Vortrag eines technischen Experten am Patentamt vor Naturwissenschaftlern. Aber nicht nur Einsteins Vortrag wurde in der Physikalischen Zeitschrift abgedruckt, sondern auch die sich daran anschließende, sehr offen geführte Diskussion, an der sich u. a. Planck, Stark, Rubens und Einstein selber beteiligten. Den Anfang machte Max Planck mit einer längeren Einlassung darüber, ob es wirklich schon notwendig sei – wie Einstein es fordere – „die freie Strahlung im Vakuum, also die Lichtwellen selber, als atomistisch konstituiert anzuneh11 Einstein (1909b) S. 499–500 bzw. CPAE, Bd. 2, S. 581–582. Kojevnikov (2002) S. 188 ff. interpretiert

diese Passagen als gedankliche Verlängerung der nicht-mechanischen, nicht-korpuskularen Lorentz’schen Elektronenkonzeption, während ich hier eher eine Vorwegnahme quantisierter Feldtheorien sehe. Undu’ latorisch‘ heißt allgemein wellenförmig und meint hier: „von den Maxwell-Gleichungen beschrieben“. 12 So in Einsteins Diskussionsbemerkung zu v.Laue (1920) oder später zu Hermann Weyl, der in den 1920er Jahren ebenso wie Gustav Mie diesen Gedanken weiterverfolgte, sowie in einem unveröffentlicht gebliebenen Manuskript: siehe Einstein (1927b) sowie dazu Belousek (1996).

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men, mithin die Maxwell-Gleichungen aufzugeben“, oder – wie Planck dies zu jener Zeit gerade in seiner zweiten Quantentheorie (s. o.) zu konstruieren versuchte – diese Quantisierung nur als ein Epiphänomen der Wechselwirkung von Strahlung und Materie anzusehen: Vielleicht darf man annehmen, daß ein schwingender Resonator nicht eine stetig veränderliche Energie besitzt, sondern, daß seine Energie ein einfaches Vielfaches eines Elementarquantums ist. Ich glaube, wenn man diesen Satz benutzt, kann man zu einer befriedigenden Strahlungstheorie kommen.13

Dann folgte fast so etwas wie Plancks Abgesang auf das Ideal der klassischen Physik, wie es im ausgehenden 19. Jahrhundert besonders nachdrücklich von den britischen Physikern wie Maxwell und den sich auf ihn berufenden Maxwellianern verfolgt worden war: nämlich das Ideal einer mechanischanschaulichen Modellierbarkeit der theoretisch und experimentell erfassten Phänomene. Genau diese anschauliche Fassbarkeit geriet nach 1900 zunehmend in Bedrängnis, und 1909 war Planck nun bereit zu konzedieren, dass man dieses Ideal vielleicht endgültig aufgeben müsse: Nun ist die Frage immer: wie stellt man sich so etwas vor? Das heißt, man verlangt ein mechanisches oder elektrodynamisches Modell eines solchen Resonators. Aber in der Mechanik und in der jetztigen Elektrodynamik haben wir keine diskreten Wirkungselemente und daher können wir auch ein mechanisches oder elektrodynamisches Modell nicht herstellen. Mechanisch erscheint das also unmöglich und man wird sich daran gewöhnen müssen. Auch unsere Versuche, den Lichtäther mechanisch darzustellen, sind ja vollständig gescheitert. […] Jedenfalls meine ich, man müsste zunächst versuchen, die ganze Schwierigkeit der Quantentheorie zu verlagern in das Gebiet der Wechselwirkung zwischen der Materie und der strahlenden Energie; die Vorgänge im reinen Vakuum könnte man dann vorläufig noch mit den Maxwell-Gleichungen erklären.14

Johannes Stark widersprach diesem Planckschen Versuch der Schadensbegrenzung und Immunisierung unter Verweis auf die Richtungscharakteristik der harten Röntgenstrahlung (siehe Abschn. 4.4). Daraufhin schwang Planck die nächste Keule und führte das Phänomen der Interferenz ins Feld, die auch noch bei „kolossalen Gangunterschieden von Hunderttausenden von Wellenlängen“ funktioniere. Wenn ein Quantum mit sich interferiert, müsste es eine

13 Max

Planck im Anschluss an Einstein (1909a) S. 825 bzw. CPAE 2, S. 585. S. 825/826 bzw. CPAE 2, S. 585f. (Hervorh. orig.)

14 Ibid.,

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Ausdehnung von Hunderttausenden von Wellenlängen haben. „Das ist auch eine gewisse Schwierigkeit.“15

4.3

Einsteins eigene Zweifel am Konzept der Lichtquanten 1910–1915

1911 beteuerte Einstein dem niederländischen Theoretiker Hendrik Antoon Lorentz (1853–1928) gegenüber, „dass ich nicht der orthodoxe Lichtquantler bin, für den Sie mich halten“.16 Hintergrund dieser Bemerkungen waren Interferenz-Argumente von Lorentz, nach denen die Interferenzfähigkeit von Licht auf größere Distanzen hinweg beweisen, dass die Licht- Quanten‘ je nach ’ experimentellen Bedingungen gelegentlich räumlich auch erhebliche Ausdehnung haben konnten, was der naiven Annahme einer Punktförmigkeit zuwiderlief. Lorentz verwies in seinen Briefen und Publikationen der Zeit u. a. auf Experimente von Lummer und Gehrcke an der PTR in Berlin-Charlottenburg, denen zufolge auch noch bei Pfadunterschieden von mehr als 80 cm Interferenzen auftreten konnten.17 Deshalb könne sich Lorentz schwerlich der Meinung anschliessen, dass die Lichtquanten auch während der Fortpflanzung eine gewisse Individualität behalten, als ob man es mit punkt’ förmigen‘ oder jedenfalls in sehr kleinen Räumen konzentrierte Energiemengen zu tun hätte. Wie mir scheint kann man leicht zeigen, dass ein Lichtquantum sowohl in der Fortpflanzungsrichtung als auch senkrecht dazu eine nicht unbeträchtliche Ausdehnung haben kann, und das unter Umständen nur ein Teil eines Lichtquantums die Netzhaut erreicht und die Lichtperzeption hervorruft.18

Lorentz brachte diese schwerwiegenden Argumente übrigens keineswegs polemisch triumphierend vor, sondern geradezu bedauernd, denn er erkannte sehr wohl auch die Beweggründe, die Einstein, Johannes Stark und einige wenige andere dazu gebracht hatten, diese radikale Interpretation vorzunehmen, aber er, Lorentz, bevorzuge bis auf weiteres eine abschwächende fiktionalistische Als-ob-Umdeutung des Einsteinschen Lichtquantums als eine bloße Fiktion: 15 Ibid.,

S. 826 bzw. CPAE 2, S. 586; zu Starks Reaktion darauf siehe hier Abschn. 4.4. Einstein an H.A. Lorentz, 27. Jan. 1911, CPAE, Bd. 5 (1993) S. 276. 17 Siehe z. B. Lorentz an Einstein, 6. Mai 1909, CPAE Bd. 5, S. 170ff., Kox (Hg.) 2008 sowie Lorentz (1910a) S. 354–355 und Lorentz (1910b) S. 1249. Dass die sogenannten Kohärenzlängen, bis zu denen Wellenzüge zur Interferenz gebracht werden können, bei modernen Lichtquellen durchaus einige Meter, bei Lasern sogar Kilometer betragen können, zeigt, wie groß diese Abweichungen von der Punktförmigkeit aus heutiger Sicht sind. 18 Lorentz an Einstein, 6. Mai 1909, ibid., CPAE 5, S. 174 (Hervorh. orig.). Mit ersterem sollte er Recht behalten, mit letzterem nicht. 16 A.

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Es ist recht schade, daß die Lichtquantenhypothese auf so grosse Schwierigkeiten stösst, denn sie ist übrigens sehr schön und manche der Anwendungen, die Sie und Stark von ihr gemacht haben, sind sehr verlockend. Die gemachten Bedenken wiegen bei mir aber so schwer, dass ich mich beschränken möchte auf die Aussage: ,Wenn ein ponderabler Körper sich in einem von spiegelnden Wänden eingeschlossenen, mit Äther gefüllten Raum befindet, so geht die Verteilung der Energie zwischen dem Körper und dem Äther so vor sich, als ob jeder Freiheitsgrad des Äthers die Energie nur in Portionen von der Grösse hν aufnehmen oder abgeben könnte.‘19

Die Gegenargumente, die der hartnäckige Niederländer in vertraulichen Briefen, aber dann auch in seinen Publikationen aus dieser Zeit vorbrachte,20 hatten Gewicht bei Einstein. Für die Entwicklung der speziellen Relativitätstheorie Einsteins war Lorentz eine der wichtigsten Leitfiguren für Einstein gewesen, auch wenn er seinem intellektuellen Mentor keineswegs immer folgte. Nachdem sich beide kennengelernt hatten, entwickelte sich dann auch eine Art Freundschaft zwischen ihnen, die allerdings aufgrund der starken charakterlichen und generationellen Asymmetrie zwischen beiden etwas von einer Großvater-Enkel-Beziehung hatte.21 1910 fing Einstein an, ernsthaft an seinem Lichtquantum zu zweifeln. An Jakob Laub schrieb er: „Gegenwärtig habe ich grosse Hoffnung, das Strahlungsproblem zu lösen, und zwar ohne Lichtquanten. Ich bin riesig neugierig, wie sich die Sache macht.“22 Es stellte sich aber bald heraus, dass der Preis für diese Alternative, nämlich die Aufgabe der Energieerhaltung, dann doch zu hoch war. Ein Jahr später gestand Einstein Michele Besso, dass er sich auf eine rein instrumentalistische Verwendung der Lichtquantenhypothese zurückgezogen habe, etwa im Sinne des 1905 so übervorsichtig vorgetragenen „heuristischen Gesichtspunktes“, nur mehr als ein mathematischer Werkzeug, an dessen Existenz er selbst nicht (mehr) glaube:

19 Ibid.,

S. 176 (Hervorh. orig.). Im niederländischen Entwurf dieses Briefes (Archiv der Einstein Papers, EA 16-417) heisst es: „Deze bezwaren jammer want theorie lichtquanta wel mooi“. Zu Vaihingers Fiktionalismus und seiner Anwendung in der Physik siehe Hentschel (1990a) Abschn. 4.4. Hentschel (2014a) und dort genannte Primärquellen. 20 Siehe z. B. Lorentz (1910a) S. 354: „Das Gesagte dürfte genügen, um zu zeigen, daß von Lichtquanten, die bei der Fortbewegung in kleinen Räumen konzentriert und stets ungeteilt bleiben, keine Rede sein kann.“ 21 Schon bevor beide einander getroffen hatten, schrieb Einstein in großer Wertschätzung über Lorentz an Dritte, so etwa an Jakob Laub am 17. Mai 1909 (CPAE Bd. 5, S. 187) über „H.A. Lorentz und Planck. Ersterer ist ein erstaunlich tiefsinniger und zugleich liebenswerter Mann.“ 22 A. Einstein an J. Laub, 4. Nov. 1910, zit. in CPAE 5 (1993), Dok. 231, S. 260 f. (Hervorhebung orig.); vgl. Einstein an Laub, 27. Aug. 1910, ibid., Dok. 224, S. 254: „Mit der Frage der Konstitution des Lichtes bin ich nicht weiter gekommen. Es steckt etwas ganz prinzipielles dahinter.“

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Ob diese Quanten wirklich existieren, das frage ich nicht mehr. Ich suche sie auch nicht mehr zu konstruieren, weil ich nun weiss, dass mein Gehirn so nicht durchzudringen vermag. Aber ich suche möglichst sorgfältig die Konsequenzen ab, um über den Bereich der Anwendbarkeit dieser Vorstellung unterrichtet zu werden.23

In der Diskussion während der Solvay-Konferenz von 1911 sprach Einstein beispielsweise von einem „ungelösten Rätsel“ und bezeichnete seine eigene Lichtquantenhypothese herablassend als einen „provisorischen Versuch“, als „Hilfsvorstellung, die sich mit den experimentell gesicherten Folgerungen der Undulationstheorie nicht vereinigen zu lassen scheint.“24 Sowohl die ernst zu nehmenden Einwände von Lorentz, Planck u. a. Autoritäten der theoretischen Physik wie auch Einsteins Selbstzweifel blieben auch der scientific community in dieser Zeit nicht verborgen. Arnold Sommerfeld kontrastierte in seinem Plenarvortrag auf der 83. Versammlung der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte 1911 Einsteins bereits wohlbewährte [spezielle] Relativitätstheorie von 1905 mit seiner gleichalten, aber noch ungleich spekulativeren Theorie von Lichtquanten: Ganz anders aktuell und problematisch ist die Theorie der Energiequanten […] Hier sind die Grundbegriffe noch im Fluß und die Probleme ungezählt. […] Einstein zog aus der Planckschen Entdeckung die weitestgehenden Folgen […] ohne, wie ich glaube, seinen damaligen Standpunkt heute noch in seiner ganzen Kühnheit aufrecht zu erhalten.25

Noch etwas deutlicher wurde Robert A. Millikan, der damals noch zu den schärfsten Kritikern von Einsteins Lichtquantenhypothese zählte, Ende 1912 in seinem bereits oben erwähnten Plenarvortrag vor der American Association for the Advancement of Science in Cleveland, Ohio: Lorentz will have nothing to do with any ether-string theory, or spotted wavefront theory, or electro-magnetic corpuscle theory. Planck has unqualifiedly declared against it, and Einstein gave it up, I believe, some two years ago. […] In conclusion then we have at present no quantum theory which has thus far been shown to be self-consistent, or consistent with even the most important of the facts at hand.26 23 Einstein

an Besso, 13. Mai 1911, in Speziali (Hg.) 1972, S. 19–20 bzw. CPAE 5 (1993), S. 295. (1911/12b) S. 347, hier zit. nach der erst 1914 publ. dt. Übers. durch Arnold Eucken, bzw. in der nachfolgenden Diskussion, ibid. S. 359. 25 Sommerfeld (1911) S. 31. 26 Millikan (1913) S. 132–133; analog auch in Millikan (1916) S. 384: „Einstein himself, I believe, no longer holds to it.“ 24 Einstein

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Doch spätestens mit seiner Arbeit über induzierte Emission von 1916 hatte Einstein selbst diese Zweifel wieder überwunden.27 Sein neues Zutrauen gründete sich vor allem auf der „Einfachheit der Hypothesen, [der] Allgemeinheit, mit der sich die Betrachtung zwanglos durchführen läßt, sowie ihr[em] natürliche[n] Anschluß an den Grenzfall des linearen Planckschen Oszillators (im Sinne der klassischen Elektrodynamik)“.28 1917 schrieb er an seinen Freund Michele Besso (1873–1955) in Bezug auf den gleichen Aufsatz: „Die übersandte Quantenarbeit hat mich wieder zurückgeführt zur Ansicht von der räumlichen Quantenhaftigkeit der Strahlungsenergie. Aber ich fühle, dass der eigentliche Witz, den uns der ewige Rätselaufgeber da vorgelegt hat, absolut noch nicht begriffen ist. Ob wir die rettende Idee erleben werden?“29 1921 gestand Einstein seinem Freund Paul Ehrenfest (1880–1933), dass ihn das Nachdenken über Lichtquanten noch in den Wahnsinn treibe. Und selbst gegen Ende seines Lebens bekannte der inzwischen bis auf wenige Assistenten weitgehend isoliert in Princeton am Institute for Advanced Study forschende Einstein: „Die ganzen 50 Jahre bewusster Grübelei haben mich der Antwort der Frage Was sind Lichtquanten‘ nicht näher gebracht. Heute glaubt zwar ’ jeder Lump, er wisse es, aber er täuscht sich.“30

4.4

Johannes Starks mentales Modell von Lichtquanten

Der nächste Akteur, dessen mentales Modell wir unter die Lupe nehmen, ist eine besonders schillernde Gestalt der Physik- und Zeitgeschichte. Der Experimentalphysiker Johannes Stark (1874–1957) hatte wichtige experimentelle Arbeiten in den Gebieten Gasentladungsphysik und Spektroskopie publiziert, den Doppler-Effekt in Kanalstrahlen sowie die Aufspaltung der Spektrallinien im elektrischen Feld entdeckt (seither als Stark-Effekt bezeichnet) und erhielt 1919 für diese herausragenden Arbeiten den Nobelpreis für Physik. Er war Herausgeber einer eigenen Zeitschrift, des Jahrbuchs für Physik und Elektronik und bereits seit 1906 außerordentlicher Professor der Physik (erst in Göttingen, dann an der TH Hannover), seit 1908 ordentlicher Professor (erst an der TH Aachen, ab 1917 in Greifswald und 1920–22 in Würzburg). Die häufigen Ortswechsel verweisen jedoch auf eines seiner Probleme: Stark eckte mit äußerst aggressiv geführter Polemik und unkollegialem Verhalten allerorten schnell an 27 Mehr

zu Einstein (1916a-b) hier im Abschn. 3.9. (1916a) S. 322. 29 Albert Einstein an Michele Besso, 9. März 1917, in Speziali (Hg.) 1972, S. 103. 30 Einstein in einem Brief an Michele Besso, 12. Dez. 1951, in: Speziali (Hg.) 1972, S. 453. 28 Einstein

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und machte sich bereits dadurch viele Feinde. Nach einem heftigen Streit um den gescheiterten Habilitationsversuch seines Schülers und Mitarbeiters Ludwig Glaser verließ Stark aus Protest die Universität Würzburg, gründete mit seinem Nobelpreisgeld ein privates Labor in seinem Heimatort Ullersricht bei Weiden in der Oberpfalz und betätigte sich unternehmerisch als Porzellanfabrikant und Ziegeleibesitzer. Seine Hoffnungen, bald einen Ruf zurück an eine der Universitäten oder auf eine Leitungsstelle an der PTR zu bekommen, erfüllten sich jedoch nicht. Sein latent schon länger vorhandener Antisemitismus wurde ab 1920 immer rabiater, was seine Außenseiterstellung nur noch weiter festigte. Schon 1930 trat er in die NSDAP ein und begrüßte 1933 das Ende der Weimarer Republik. Im Mai 1933 wurde er Präsident der PTR in Berlin-Charlottenburg, und 1934 überdies Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Doch diese Leitungsfunktionen verlor Stark bereits 1936 wieder an einen SS-Mann bzw. erstere dann 1939; auch sonst gelang es ihm während der NS-Zeit nicht, die angestrebte Führerrolle im NS-Wissenschaftssystem auszufüllen. Nachdem das „Tausendjährige Reich“ 1945 vorzeitig beendet war, wurde Stark einem Spruchkammerverfahren unterworfen, in dem er in erster Instanz im Juli 1947 als Hauptschuldiger verurteilt wurde, in zweiter Instanz dann 1949 als Mitläufer mit einer Geldstrafe davonkam.31 Paradoxerweise war gerade dieser spätere Nazi in jüngeren Jahren einer der ersten und leidenschaftlichsten Verfechter der Einsteinschen Lichtquantenhypothese. In der referierten Diskussion zwischen Einstein und Planck 1909 auf der Naturforscherversammlung in Salzburg hatte sich Stark auf die Seite von Einstein geschlagen (Abschn. 4.2).32 Dadurch wurde der Experimentalphysiker zu einem der frühesten Anhänger der Einsteinschen Konzeption, derzufolge das Strahlungsfeld selbst, nicht nur dessen Wechselwirkung mit Materie, quantisiert sei. Starks bestes Indiz für diese These war das Phänomen der sog. Nadelstrahlung‘ . Harte, also hochenergetische und nach Einsteins Gleichung ’ E = h · ν also hochfrequente Röntgenstrahlung, die von einer Röntgenröhre in den umgebenden Raum abginge, könne nach Starks eigener experimenteller Erfahrung über Distanzen von 10 m und mehr „noch konzentriert zur Wirkung kommen an einem einzelnen Elektron. Ich glaube, daß diese Erscheinung doch ein Anlaß ist, die Frage ins Auge zu fassen, ob die elektromagnetische Strahlungsenergie nicht als konzentriert aufzufassen ist, auch da, wo sie losgelöst von Materie auftritt.“33 Auf das Plancksche Gegenargument (vgl. oben Abschn. 4.2), dass die Interferenzfähigkeit der elektromagnetischen Strahlung auch über große Vielfache einer Wellenlänge hinweg eine riesige Ausdehnung 31 Zu Starks Vita und zu seiner Verstrickung in das NS-System siehe u. a. Hoffmann (1982), Kleinert (1983), Hentschel (1996b) sowie Eckert in Hoffmann & Walker (Hg.) 2006. 32 Zu diesen frühen Kontakten von Stark und Einstein siehe Hermann (1969/71) sowie CPAE Bde. 1–2. 33 Johannes Stark in der Diskussion im Anschluss an Einstein (1909a) S. 826 bzw. CPAE 2, S. 586.

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der vermeintlich atomistisch kleinen Lichtquanten erzwänge, antwortete Stark mit dem Hinweis darauf, dass die bislang bekannten Experimente alle bei sehr hoher Strahlungsdichte erfolgt seien, „so daß sehr viele Quanten der gleichen Frequenz in dem Lichtbündel konzentriert waren. Mit sehr dünner Strahlung würden die Interferenzerscheinungen wohl anders sein.“ Daher sei es keineswegs erwiesen, dass einzelne Lichtquanten eine derart große Ausdehnung haben müssten.34 In einem Folgeartikel über „Röntgenstrahlen und die atomistische Konstitution der Strahlung“ spann Stark noch 1909 sein eigenes mentales Modell von Lichtquanten noch weiter aus: Aus der Annahme also, daß der Energieumsatz an den einzelnen Resonatoren dem Lichtquantengesetz folgt, läßt sich auf Grund von Resultaten der Erfahrung schließen, daß das einzelne Energiequantum elektromagnetischer Strahlung von der Frequenz ν, wenn es mit der Geschwindigkeit c = 3 · 1010 cm sec−1 im Vakuum sich bewegt, auf ein Volumen konzentriert bleibt, dessen lineare Ausdehnung von der Ordnung c/ν, also von derjenigen der Wellenlänge λ = c/ν ist. Anhäufung oszillatorischer elektromagnetischer Energie von der Frequenz ν in einem Volumen größer als λ3 heißt räumliche Zusammenlagerung einzelner Strahlungsquanten von der Größe hν; oszillatorische elektromagnetische Energie von der Frequenz ν kann experimentell nur bis zu dem Betrag des Elementarquantums hν unterteilt werden.35

Damit war Stark einer der ersten, der die Einsteinschen Lichtquanten nicht nur gelegentlich als „wirksames heuristisches Hilfsmittel“ nutzte, sondern auf die Stufe eines veritablen mentalen Modells gehoben hatte, mit dem er in den Folgejahren ständig weiterarbeitete. Dies betraf u. a. folgende Arbeitsbereiche des Experimentalphysikers, in denen sich das Lichtquantum Einsteins bewährte: • die bereits etwähnte atomistische Struktur der Röntgenstrahlung inklusive ihrer Richtungscharakteristik und Energieverteilung,36 • photochemische Prozesse der Lichtabsorption,37 • der photoelektrische Effekt, • Spektroskopie im Sichtbaren, UV, Röntgen- u. Gammastrahlenbereich,38

34 Ibid.

Daraufhin entwickelte Einstein dann seine oben in Abschn. 4.2 schon dargestellten Hypothesen zu von Vektorfeldern umgebenen Singularitäten. 35 Stark (1909a) S. 583. Der Einheitlichkeit halber habe ich in diesem Zitat Starks Konvention, die Frequenz mit n zu bezeichnen, durchgängig in ν geändert. 36 Stark (1909a, b), (1910a, b). 37 Stark (1908b), (1912a, b). 38 Stark (1909bc), (1912c).

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• den Doppler-Effekt bei Kanalstrahlen, in dem Stark „gewisse neue Erscheinungen“ fand, die für ihn „als direkte experimentelle Bestätigung der Lichtquantenhypothese gedeutet werden können“,39 • die zerstäubende Wirkung des Lichts, bei der im Unterschied zum photoelektrischen Effekt nicht nur Elektronen aus der Materie ausgelöst, sondern ganze oberflächennahe Moleküle von der auftreffenden elektromagnetischen Strahlung dissoziiert und insofern „zerstäubt“ werden,40 und schließlich allgemein • Modellierung elektromagnetischer Emissions- und Absorptionsprozesse.41 Für die ersten drei dieser Punkte hatte auch Einstein selbst bereits auf die Brauchbarkeit seiner Lichtquantenhypothese zu ihrer qualitativen und quantitativen Erklärung hingewiesen, aber während der theoretische Physiker Einstein seine Beweisführung eher deduktiv aus allgemeinen materiemodellübergreifenden Überlegungen über Energieverteilung in der Strahlung thermodynamisch und statistisch begründete, hatte Stark seinen ganz eigenen, stets experimentell-induktiven Zugang zu all diesen Themen, oft gekoppelt an sehr ins Einzelne gehende und geradezu detailverliebte Materiemodelle. Dass beide trotz dieser völlig verschiedenen Denkweise letztendlich oft zu ganz ähnlichen Ergebnissen und Schlußfolgerungen kamen, war eigentlich ein sehr gutes Zeichen und hätte zu einer produktiven Resonanz zwischen Theoretiker und Experimentator führen können. Aber Stark verspielte die sich hier abzeichnende Chance auf eine fruchtbare Wechselbeziehung schon sehr früh, gerade auch in Passagen wie der folgenden aus einem seiner Aufsätze von 1909, in dem er eigentlich die Lichtquantenhypothese gegen die damals von fast allen Zeitgenossen auf Einstein einprasselnde Kritik stark zu machen versuchte. Dafür wählte er jedoch eine Tonlage, die Einstein nicht behagen konnte, der seinerseits ja schon seit 1905 selbst auf verschiedene experimentelle Situationen hingewiesen hatte, in denen die Lichtquantenhypothese sich bewähren könnte. In den Augen Starks war nur er selbst als Experimentator derjenige, der Einsteins spekulativ-heuristischer Hypothese empirische Gültigkeit und irgendwann vielleicht auch „Wirklichkeit“ bescheinigen konnte: Die Hypothese von der atomistischen Konstitution der elektromagnetischen Strahlungsenergie erscheint zunächst zu fremdartig, scheint so sehr der altbewährten Undulationstheorie des Lichtes zu widersprechen, daß man geneigt sein kann, sie von vornherein ohne nähere Prüfung abzulehnen. Auch der schärfer 39 Stark

(1908b) S. 889 sowie Stark (1908a). letzteres siehe Stark (1908c). 41 Stark (1927), (1930). 40 Über

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Urteilende wird sie wegen ihrer weittragenden theoretischen Bedeutung mit großer Zurückhaltung aufnehmen. Solange wir uns jedoch des hypothetischen Charakters der Lichtquantenhypothese bewußt bleiben und bei der Verfolgung ihrer Konsequenzen den hypothetischen Ausgangspunkt nicht vergessen, kann sie keinen Schaden und keine Verwirrung verursachen. Ihre große theoretische Bedeutung und ihr in vielen Fällen bereits bewährtes systematisches und heuristisches Vermögen zwingt uns andererseits, ihr weiter nachzugehen; hierbei dürfte es allerdings geraten sein, den Kampf zwischen der Lichtquantenhypothese und den ihr widersprechenden alten Anschauungen möglichst früh aus der Sphäre der Spekulation und der theoretischen Diskussion auf den Boden des Experiments hinüberzuspielen.42

Zur expliziten Feststellung der „Wirklichkeit“ „des Körperchens von Lichtenergie, das sich von dem Energiefeld eines Elektrons ablösen, ohne ein Medium zu benötigen selbständig weiterlaufen und an einem begegnenden freien Elektron unter Erhöhung von dessen kinetischer Energie sich absetzen kann“, kam Stark dann erst 1950 in seiner letzten Buchpublikation, in der er den Stand der Forschung „nach fünfzig Jahren experimentellen Ringens um Erkenntnisse der physikalischen Wirklichkeit“ festzuhalten versuchte.43 Als Albert Einstein 1912 in den Annalen der Physik die Plancksche Konstante h mit der chemischen Zersetzung von Molekülen durch Lichtabsorption in Zusammenhang brachte, reagierte Stark prompt mit einem eigenen Kurzbeitrag „Über die Anwendung des Planckschen Elementargesetzes auf photochemische Prozesse“, in dem er Einsteins und seine eigenen Schlußfolgerungen gegenüberstellte. Beide waren unabhängig voneinander zu dem Ergebnis gekommen, dass „ein Gasmolekül, welches unter Absorption von Strahlung von der Frequenz ν0 zerfällt, bei seinem Zerfall (im Mittel) die Strahlungsenergie hν0 absorbiert.“ 44 Einerseits war dies eine vorsichtige Anmeldung eigener Priorität, da Starks eigene Publikationen zu dieser Thematik bis auf das Jahr 1908 zurückgingen.45 Andererseits wollte Stark auf die Komplementarität der Zugänge Einsteins und seiner selbst zu den Gesetzen der chemischen Lich42 Stark (1909a) S. 584; vgl. dazu auch den Kontrast zwischen „pragmatischer“

und „dogmatischer Arbeitsweise“ in Stark (1922) Kap. I sowie in Kap. VII von Stark (1950), wo jener hier nur vorsichtig angedeutete Methodenunterschied polemisch überspitzt wird. 43 Stark (1950) S. 22 im Abschnitt II.5 „Die Existenz von Lichtkörperchen“ bzw. im Motto S. 5. Hingegen wählte Stark ibid. auf S. 50 eine vorsichtigere Formulierung: „lediglich ein Vorschlag, der zu weiteren Beobachtungen anregen mag“, aber diese Passage entstammt dem Entwurf eines in sein letztes Buch eingearbeiteten Aufsatzes, mit dem Stark (vergeblich) „dogmatische Gegner“ zu überzeugen versucht hatte; sie hat also eher strategischen Charakter, aber zeigt doch, wie Stark – was den ontologischen Status der „Lichtwirbel“ (s. u.) betraf – bis zuletzt lavierte. 44 Einstein (1912a) S. 837 f. sowie zit. in Stark (1912a) S. 468. 45 Siehe Stark (1908b) S. 889: „Es entspricht der fundamentalen Bedeutung eines so allgemeinen Prinzips, wie es die Lichtquantenhypothese ist, dass sie sowohl neue Erscheinungen voraussagen läßt als auch die Bedeutung bis jetzt nur wenig beachteter Vorgänge erkennen läßt. […] im zweiten Teil der vorliegenden

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tabsorption hinweisen: „Die Verknüpfung der Dissoziationsarbeit (V) für die einzelne absorbierende Valenzstelle mit dem absorbierten Lichtquantum ist bei mir die grundlegende Voraussetzung, bei Hrn. Einstein eine Konsequenz seiner Theorie des photochemischen Gleichgewichtes auf Grund der Annahme der Gültigkeit des Wienschen Verteilungsgesetzes.“ 46 Damit hatte er zwar völlig Recht, aber seine Hoffnung, daß Einstein ihm nun uneingeschränkt zustimmen würde, trog. Stark hatte übersehen, dass Einstein selbst schon 1905 und dann ausführlicher 1907 in einer Übersichtsarbeit auf genau jene photochemische Gesetze als Konsequenz seiner Lichtquantenhypothese hingewiesen hatte. Dementsprechend reagierte Einstein auf jenen Kurzbeitrag Starks pikiert: J. Stark hat zu einer kürzlich von mir publizierten Arbeit eine Bemerkung verfaßt zum Zwecke der Verteidigung seines geistigen Eigentums. Auf die aufgeworfene Frage der Priorität gehe ich nicht ein, weil sie kaum jemanden interessieren dürfte, zumal es sich bei dem photochemischen Äquivalentgesetz um eine ganz selbstverständliche Folgerung der Quantenhypothese handelt. Ich sehe aber aus Starks Bemerkung, daß ich das Ziel meiner Arbeit nicht genügend klar hervorgehoben habe. Es sollte gezeigt werden, daß man zur Ableitung jenes Äquivalentgesetzes nicht der Quantenhypothese bedarf, sondern daß dasselbe aus gewissen einfachen Annahmen über den photochemischen Prozess auf thermodynamischem Wege gefolgert werden kann.47

Statt nun einzulenken und die Sache auf sich beruhen zu lassen, gab Stark ein weiteres Beispiel seines aufbrausenden Temperaments, für das er in Physikerkreisen mit dem Spitznamen Giovanni Fortissimo‘ belegt wurde. In einer ’ „Antwort an Einstein“ reinterpretierte er seine vorherige Notiz als bloßen Hinweis auf die Verschiedenheit der Wege, auf denen beide zu ähnlichen Resultaten gekommen seien, widersprach aber gleich im Anschluss daran Einsteins Anspruch auf eine rein thermodynamische Ableitung, die auf zwei Annahmen gründe, „die nicht thermodynamisch sind und samt den an sie geknüpften Erörterungen auch nicht einfacher sind als die von mir gegebene Anwendung des Planckschen Elementargesetzes.“ 48 Die Chance für eine Allianz zwischen Experimentator und Theoretiker war nunmehr endgültig vertan, obgleich es genau diese beiden Physiker waren, die zum damaligen Zeitpunkt besser als alle anderen die weitreichenden Implikationen der Lichtquantenhypothese überMitteilung wird zum ersten Male eine Anwendung dieser [Lichtquanten]hypothese auf die Photochemie versucht, welche drei fundamentale photochemische Gesetze liefert.“ 46 Stark (1912a) S. 468; analog auch Stark (1909a) S. 583: „Auf Grund der Anwendung der Lichtquantenhypothese auf die Erfahrungen über die Röntgenstrahlen komme ich auf anderem Wege als Einstein, der vielleicht kürzer und einfacher ist, zu derselben Folgerung wie Einstein.“ 47 Einstein (1912c) S. 888; weitere Details dazu auch in Stark (1908b). 48 Stark (1912b) S. 496.

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blickten. Aufgrund seiner schwierigen Charaktereigenschaften, seines aufbrausenden Temperaments und seiner Unbeherrschtheit hatte sich Stark rasch viele Feinde in der scientific community gemacht. Während Albert Einstein Stark seit 1910 eher belächelte, entwickelte sich zwischen Stark und Sommerfeld eine Art Todfeindschaft, die das ganze Leben über anhielt.49 Aber auch eher neutrale Beobachter wie z. B. der Japaner Hantaro Nagaoka, der Johannes Stark Ende 1910 in Aachen besucht hatte, berichtete über diesen an Ernest Rutherford in Manchester wenig Gutes: „Stark is propounding his Lichtquantentheorie; there is some doubt whether he will succeed in explaining the interference phenomena, or not. The Germans say, that he is full of phantasies, which may be partly true“.50 Leider verstärkte sich Starks Tendenz zur schroffen Ablehnung aktueller Tendenzen in der Physik seiner Zeit sowie zum selbstverliebten Ausbau verschrobener eigener Materiemodelle in späteren Jahren noch weiter. 1922 erschien Starks Monographie Die gegenwärtige Krisis in der Deutschen Physik, in der er das zunehmende Ungleichgewicht zwischen theoretischer und experimenteller Physik, die Propaganda der Einsteinianer und die Sensationslust des Publikums schwadronierte.51 1927 publizierte Stark seinen monographischen Gegenentwurf zur Bohr-Sommerfeldschen Quantentheorie, in dem er eine „Axialität der Lichtemission und Atomstruktur“ postulierte, derzufolge nicht nur die materiellen „Quantenwirbel“, also Elektronen und Atomkerne, sondern auch das Lichtquantum – von Stark jetzt neudeutsch in „Lichtwirbel“ umbenannt, eine axiale Struktur besitzen solle. Diese Lichtwirbel besässen eine Drehachse, „um welche sein elektromagnetisches Feld in rotatorischer Form angeordnet ist“; aus dem Winkel zwischen innerer Drehachse und Bewegungsrichtung ergäbe sich dann auch der Polarisationszustand dieses Lichtwirbels.52 Auch die Emissions- bzw. Absorptionsvorgänge von Strahlung in Materie erfuhren von Stark nunmehr eine anschauliche Neudeutung ganz im Stile der von ihm propagierten „Deutschen Physik“ (ohne Fremdworte, intuitiv und rein qualitativ, ohne Mathematik): Der Lichtwirbel kommt durch Ablösung eines Teiles der elektromagnetischen Energie eines Quantenwirbels (Elektrons) zustande, und im umgekehrten 49 Siehe

dazu Hermann (1968). Nagaoka an E. Rutherford, 22. Febr. 1911, zit. nach Stuewer (2014) S. 147. 51 Siehe Stark (1922) sowie die vernichtende Kritik daran in der Rezension durch Max von Laue (1923a) S. 30: „Alles in allem wünschten wir, dieses Buch wäre ungeschrieben geblieben, und zwar im Interesse der Wissenschaft im allgemeinen, der deutschen Wissenschaft im besonderen, und nicht zuletzt im Interesse des Verfassers.“ 52 Siehe Stark (1927) S. 29 sowie Kleinert (2002) zu weiterführenden Quellen und Analysen dazu. In einem Folgeartikel in den Annalen der Physik verriet Stark (1930) S. 687, dass dieser Begriff „aus dem Newtonschen Gedanken des Lichtkörperchens […] entwickelt worden ist.“ 50 H.

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Vorgang kann ein Lichtwirbel wieder mit einem Quantenwirbel zu einem einheitlichen elektromagnetischen Körper verschmelzen.53

Die Ätherwelle der klassischen Elektrodynamik war für Stark eine bloße Fiktion, hingegen „die körperliche Selbständigkeit der Lichtenergie Wirklichkeit.“ 54 Jeder Licht-Emissionsvorgang sei gerichtet und die Energie des Lichts bis zur Absorption in Raumgebieten mit der Kantenlänge der Wellenlänge λ = c/ν des Lichts konzentriert, bleibe also „in der Form eines Körperchens beisammen“.55 Weil diese Lichtkörperchen keine elektrische Ladung übertragen, mussten alle elektrischen Kraftlinien um diese Teilchen in sich zurücklaufen, so dass es zwingend war, sich diese als „wirbelartig gestaltete Lichtteilchen“ vorzustellen56 – die Lage dieser Wirbelebene relativ zur Ausbreitungsrichtung bestimmte dann auch die Polarisation des Lichts. Allerdings sollten diese Lichtwirbel in inhomogenen elektrischen Feldern zu einer geringfügigen Ablenkung des Lichts von der geradlinigen Ausbreitungsrichtung führen, was nur Johannes Stark selbst gegen Ende seines Lebens noch beobachtet zu haben glaubte, während sich niemals irgendeine unabhängige Bestätigung dieses von ihm vorhergesagten Effektes fand.57 Mit seinem seit 1930 offen zutage tretenden Einsatz für die Nationalsozialisten verspielte sich Stark dann auch die letzten Sympathien, die dem experimentell hochbegabten Physiker einstmals aus der Physikerschaft entgegengebracht worden waren. Die von Stark und seinem Bundesgenossen Philipp Lenard ins Leben gerufene Bewegung der „Deutschen Physik“ blieb auch während der NS-Zeit ein kleines Grüppchen von zwei bis drei Dutzend dogmatisch verbohrten Gegnern der modernen Physik (insbesondere von Relativitätstheorie und Quantenmechanik), die nach kurzer Aufschwungphase in den ersten Jahren des Regimes ab 1935 ebenso schnell wieder an Einfluss verloren und nach dem Ende des „Dritten Reiches“ als aktive Parteimitglieder und

53 Stark (1927) S. 33. Man kann diese Licht- und Quantenwirbel als Starks anschauliche Reinterpretation

des Spins von Photonen und Elektronen deuten, der bei Emissions- und Absorptionsvorgängen erhalten bleibt. Bezeichnenderweise haben sich Starks Mitarbeiter Robert Döpel und Rudolf von Hirsch von diesem Manuskript distanziert und es abgelehnt, als Mitverfasser genannt zu werden: siehe v. Hirsch & Döpel (1928) sowie Kleinert (2002) S. 217. 54 Stark (1950) S. 61 ff. 55 Stark (1950) S. 22; analog auch ibid., S. 31 und S. 62 f. 56 Ibid., S. 40. In diesen Passagen erinnert Starks anschauliches Denken an Michael Faraday. 57 Ibid., S. 41–50, dort ein unpubl. achtseitiges Manuskript über „Experimentelle Untersuchungen über die Natur des Lichtes“ reproduzierend, das Stark nirgendwo zur Veröffentlichung untergebracht hatte. Auch sein Behelfslabor im Eppenstatter Bauernhof seines Sohnes war zu diesem Zeitpunkt als Flüchtlingsunterkunft beschlagnahmt worden, nachdem Stark aus seinem eigenen Haus in Traunstein bereits 1947 vom Militärgouverneur Thom ausgewiesen worden war (ibid., S. 61).

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NS-Propagandisten von der restlichen Physikerschaft komplett ausgegrenzt wurden.58

4.5

J.J. Thomsons mentales Modell harter Röntgenstrahlung

Noch bevor Einstein 1905 seinen „heuristischen Gesichtspunkt“ in den Annalen der Physik bekanntmachte, hatte Joseph John Thomson (1856–1940) bereits damit begonnen, eine Art atomistischer Theorie der Strahlung zu entwerfen. In seinen Silliman Lectures als Gastdozent an der Yale University 1903 über „Electricity and Matter“, schon ein Jahr später auch ins Deutsche übersetzt, liegt die früheste Form dieser Hypothese vor, die J.J. Thomson dann noch etliche Jahre weiter beschäftigte. Auf diese historische Priorität wies insbesondere der amerikanische Experimentalphysiker Robert A. Millikan hin, der die Einsteinsche Lichtquantenhypothese 1916 auch nur für eine „very particular form of the ether-string theory“ hielt.59 J.J. Thomson zog die Vorstellung teilchenartig lokalisierter Lichtquanten heran, um Auffälligkeiten in der Ausbreitung der Ende 1895 entdeckten Röntgenstrahlen zu erklären: (i) die extrem gerichtete Wirkung dieser harten Nadel‘ -Strahlung von großer ’ Durchdringungskraft und nahezu punktformiger Wirkung auch noch im Abstand von 50 oder 100 m von ihrem Ursprung, und (ii) den Umstand, dass deren Intensität nicht wie 1/r 2 abnahm, sondern auch über größere Abstände r hinweg nahezu gleich blieb, wenn man von der gelegentlichen Ionisation eines direkt getroffenen Gasmoleküls absah.60 J.J. Thomson stellte sich vor, dass elektromagnetische Energie sich im Äther entlang Faradayscher Kraftlinien ausbreitete, die für ihn mehr waren als nur mathematische Gedankenkonstrukte. Der elektromagnetische Äther hatte vor dem geistigen Auge von J.J. Thomson eine geradezu faserige Struktur. Alle elektromagnetischen Phänomene wurden von ihm auf Lage- oder Formänderungen von Faraday-Röhren‘ (Faraday tubes) zurückgeführt, die ihren Ausgangs’ 58 Zur

Gruppierung der ,Deutschen Physik’ und ihrem schwachen Einfluss siehe z. B. Hentschel (1996) S. lxx-lxxvii, (2005) S. 90–95, Eckert in Hoffmann & Walker (Hg.) 2006 sowie Schneider (2015) u. dort jeweils genannte weiterführende Quellen, auch zur Abstempelung von Lenard und Stark als Sündenböcken einer sich ansonsten reinwaschenden Physik-Community. 59 Siehe Millikan (1913) S. 130, (1916b) S. 383 (Zitat). 60 Zu diesen experimentellen Befunden siehe z. B. Thomson (1903/04), (1908a), Barkla (1906)–(1910), W.H. Bragg (1907)–(1912/13), Sommerfeld (1911b), Millikan (1913) S. 128 und dort jeweils zit. weiterführende Primärtexte.

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und Endpunkt an elektrischen Ladungen hatten, aber selbst trotz Dehn- und Stauchbarkeit unzerstörbar waren: From our point of view, this method of looking at electrical phenomena may be regarded as forming a kind of molecular theory of Electricity, the Faraday tubes taking the place of the molecules in the Kinetic Theory of Gases: the object of the method being to explain the phenomena of the electric field as due to the motion of these tubes, just as it is the object of the Kinetic Theory of Gases to explain the properties of a gas as due to the motion of its molecules. The tubes also resemble the molecules of a gas in another respect, as we regard them as incapable of destruction […] This view of the Electromagnetic Theory of Light has some of the characteristics of Newtonian Emission theory; it is not, however, open to the objections to which that theory was liable, as the things emitted are Faraday tubes, having definite positions at right angles to the direction of propagation of the light. With such a structure the light can be polarized, while this could not happen if the things emitted were small symmetrical particles as in the Newtonian Theory.61

In späteren Vorträgen und Aufsätzen malte J.J. Thomson – dann auch unterstützt durch seinen Sohn George Paget Thomson (1892–1975) – sein an sogenannte Wirbelatome erinnerndes mentales Modell der Emission von Licht noch weiter aus, mit dem er in auch der Tradition Hertzscher Visualisierung der Aussendung elektromagnetischer Wellen stand.62 Lichtquanten entsprachen darin in sich geschlossenen Faraday-Röhren, die sich während dem Emissionsprozess von einem als Linie EP visualisierten Teilchen ablösten (vgl. Abb. 4.2):

Abb. 4.2 Absorption bzw. Emission eines Photons im mentalen Modell von J.J. Thomson, das Photonen als geschlossene Vortexringe imaginiert: Die Abbildung beschreibt in der Abfolge 5–8 die Absorption eines Photons, in umgekehrter Reihenfolge eine Emission durch einen Dipol EP negativer und positiver elektrischer Ladung – zur Erläuterung vgl. den umstehenden Haupttext. Aus J.J. Thomson (1924) S. 738

61Thomson

(1893) S. 4 u. 43. Zu J.J. Thomsons Licht- u. Äthermodell: McCormmach (1967), Navarro (2005), Bordoni (2009), (2011/12) u. dort genannte weitere Quellen. 62 Über vortex atoms‘ siehe J.J. Thomson (1893), (1925) sowie Epple (1999). ’

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J.J. Thomson sprach in diesem Zusammenhang sogar ausdrücklich von einem „mentalen Bild“, das er mit seiner „suggestions to the structure of light“ verband: I have for a long time used a mental picture, based on the idea of tubes of electric force, [...]. On this view the mutual potential energy of an electron E and a positive charge P is located in the tube of force stretching between E and P. If the electron falls from E to E’, this potential energy is diminished by the energy in the portion EE’ of this tube of force; for the energy in this portion to get free and travel out as light, the piece EE’ of the tube must get into a state where it can travel freely with the velocity of light and not be associated with a charge of electricity whether positive or negative. We may picture the energy as getting free in the following way: during the approach of E to P the tube EP may first be thrown into a loop (as in fig. 8); the two sides of the loop near E’ approach each other as in fig. 7; the closed part of the loop gets detached and goes off as a closed ring (fig. 6) which rapidly becomes circular (fig. 5) and travels with the velocity of light in a direction at right angles to its plane, like a circular vortex ring. The energy in the ring, which is due to the fall from E to E’, remains constant as long as the ring is unbroken. The emission of this ring is taken to represent the emission of radiation, and the energy of the light is concentrated in this ring.63

Nur wenige waren bereit, J.J. Thomson in diesen sehr ausgefeilten, aber eben auch hyperspeziellen und darum leicht zu falsifizierenden Modellvorstellungen zu folgen. Auch vehemente Kritiker der Einsteinschen Lichtquantenhypothese wie z. B. der Amerikaner Robert A. Millikan, blieben skeptisch. In seinem Übersichtsvortrag über atomic theories of radiation‘ kanzelte er J.J. Thomsons ’ mentales Modell geradezu ab, allerdings ohne den Stab über komplexeren Modellierungen des Äthers endgültig zu brechen: It may be difficult, not to say repugnant, to some of us to attempt to visualize the universe as an infinite cobweb spun by a spider-like creator out of threads that never become tangled or broken, however swiftly electrical charges may be flying about or however violently we enmeshed human flies may buzz, but such is the hypothesis […]. That we shall ever return to a corpuscular theory of radiation I hold to be quite unthinkable. […] But I see no a priori reason for denying the possibility of assigning such a structure to the ether as will permit of a localization

63 J.J. Thomson (1924) S. 738; vgl. analog J.J. Thomson (1925) S. 24–28 sowie in erstaunlicher Ähnlichkeit

des mentalen Modells mehr als 30 Jahre später im Kontext der Geometrodynamik dann John Archibald Wheeler (wiedergegeben in Wright (2012) S. 173).

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of radiant energy in space, or of its emission in exact multiples of something, if necessary, without violating the laws of interference.64

Weil aus Millikans Perspektive Einsteins Lichtquanten eine in die gleiche Richtung gehende Modellierung darstellten (womit er die Unterschiede zwischen Einsteins und J.J. Thomsons mentalem Modell allerdings grob unterschätzte!), sprach er noch jahrzehntelang weiterhin von der „Thomson-Planck-Einstein conception of localized radiant energy (i.e., the corpuscular or photon conception of light)“.65 Spekulationen über die Teilchenartigkeit bestimmter Formen der elektromagnetischen Strahlung sind also älter als Einsteins heuristischer ’ Gesichtspunkt‘ von 1905 und diese prä-Einsteinschen Modellvorstellungen hielten sich auch bis weit in die 1920er Jahre.

4.6

W.H. Braggs Paar-Teilchen-Modell von γ -Strahlung

Die harte Röntgenstrahlung blieb nicht der einzige Streitpunkt, da sich zu diesen ab 1899 noch die von Paul Villard (1860–1934) entdeckten γ -Strahlen hinzugesellten. Aufgrund ihrer Nichtablenkbarkeit in elektrischen und magnetischen Feldern galt für Madame Curie und viele andere Experimentatoren um 1904: „γ -Strahlen sind durchdringende Strahlen, die vom Magnetfelde nicht beeinflußt werden, und den Röntgenstrahlen vergleichbar sind“.66 Doch so unumstritten die Ähnlichkeit von Röntgen- und γ -Strahlen auch war; noch war nicht klar, was die Röntgenstrahlen waren. Diese Unsicherheit übertrug sich somit auch auf die Deutung der γ -Strahlen. Noch Anfang der 1920er Jahre lieferten sich Charles Glover Barkla und William Henry Bragg (1862–1942) eine heftige Kontroverse darüber.67 Barkla vertrat die These, dass Röntgenund γ -Strahlen elektromagnetische Wellen von sehr hoher Frequenz ν (und somit nach Einsteins E = h · ν auch sehr hoher Energie) seien, während Bragg behauptete, es handele sich in beiden Fällen um einen Strom kleiner,

64 Millikan (1913) S. 130 und 133; analog auch Millikan (1916b) S. 383: „we must abandon the Thomson-

Einstein hypothesis of localized energy […] which seems at present to be wholly untenable“. 65 So z. B. Millikan (1916b) S. 383, (1917) S. 237, (1924) in seiner Nobelpreisrede, S. 61 und S. 64 (Zitat),

ferner noch 1950 in seiner Autobiographie. (1904) S. 41. 67 Zu W.H. Braggs australischem Hintergrund, seiner Ausbildung in England, Rückkehr nach Australien und Remigration nach England 1909 sowie zu seinem Werk siehe Wheaton (1983) S. 81 ff., Jenkin (2004), (2007). Über seinen Opponenten Barkla, der 1905 die Polarisierbarkeit der Röntgenstrahlung experimentell nachgewiesen hatte, siehe hier Abschn. 3.3. 66 Curie

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neutraler Teilchen, die er neutrale Paare‘ (neutral pairs) nannte.68 Zwar be’ stritt Bragg nicht, dass es „tatsächlich sehr triftige Gründe für die Annahme [gäbe], daß der Röntgen- oder γ -Strahl genau von derselben Natur ist wie das Licht.“ 69 Schließlich gab es Indizien für ihre Polarisierbarkeit, die ja gerade sein Opponent Barkla beigebracht hatte. Doch andererseits waren alle bisherigen Versuche, auch Beugung oder Interferenz an diesen hochenergetischen Strahlen nachzuweisen, gescheitert. Auch noch in anderer Hinsicht waren sie sehr viel teilchenähnlicher: „Das Fehlen von Reflexion und Brechung macht die [Röntgen- und γ -]Strahlen den α- und β-Strahlen ähnlicher als der Lichtstrahlung, und eine weitere Ähnlichkeit mit den materiellen Strahlen besteht in der Art und Weise, wie die Röntgenstrahlen von jeder Substanz, durch die sie hindurchgehen, zerstreut werden“.70 Ganz anders als elektromagnetische Wellen, die sich in kreisförmig vom Erregungszentrum ausgehenden Wellenfronten über große Raumgebiete verteilen, blieben harte Röntgen- und γ -Strahlung nahezu punktförmig und trügen die gesamte von ihnen transportierte Energie vom Emissionszentrum ausgehend bis zu dem Punkt, an dem sie in einem inelastischen Stoßprozess von anderer Materie absorbiert würden: „Die Röntgenstrahlung ist in einem ganz realen Sinne eine korpuskulare‘ Strahlung, ’ denn sie besteht aus Einheiten oder Quanten, deren jedes sich gleichmäßig in gerader Linie unverändert bewegt, bis bei irgend einer Begegnung mit einem Atom die Röntgenstrahlenenergie verschwindet und β-Strahlungsenergie ihren Platz einnimmt.“ 71 Selbst Barklas Indizien für eine Polarisierbarkeit der Röntgenstrahlung glaubte Bragg auch mit seiner Hypothese neutraler Paare erklären zu können, indem er sein Modell um die Annahme ergänzte, dass sich diese nach außen hin ladungsneutralen Paare in rascher Rotation um ihr gemeinsames Zentrum befänden und vorzugsweise mit denjenigen Atomen in Wechselwirkung träten, die sich in einer zu ihrer eigenen Rotation parallelen Rotationsbewegung befänden.72 Selbstverständlich blieben diese eigenwilligen Überlegungen nicht unwidersprochen. So wies etwa Barkla auf gravierende Probleme der Braggschen Hypothese mit der Deutung seiner Ergebnisse zu Polarisationsexperimenten hin und behauptete, diese lieferten „quite conclusive evidence in favour of 68 So erstmals in Bragg (1907) S. 440 f. Diese von Bragg gelegentlich auch als

neutrons‘ bezeichneten Teil’ chenpaare sind nicht identisch mit den heute als Neutronen‘ bezeichneten ungeladenen Kernbausteinen, ’ den Hadronen! 69 Bragg (1912/13b) S. IV; vgl. ibid., S. V: „Unter diesem Gesichtspunkte besteht kein Unterschied zwischen den Röntgen[- und γ ]-strahlen und dem Licht, außer in der Wellenlänge.“ Analog in Bragg (1907a) S. vi: „the three forms of radiation differ in degree rather than in kind.“ 70 Bragg (1912/13b) S. 131; dort auch über den ausbleibenden Nachweis der Beugung. 71 Ibid., S. 170 f. Für weiterführende Analysen und Literatur zur Braggschen Korpuskulartheorie von Röntgen- und γ -Strahlen siehe Stuewer (1971) sowie Wheaton (1983) S. 81 ff. 72 So etwa in Bragg [1907], [1908a] S. 270.

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the ether pulse theory“.73 Bragg erwiderte diesen Einwand mit eigenen Experimenten, die u. a. zeigten, dass die bei der Abbremsung von γ -Strahlen in absorbierender Materie ausgelösten sekundären Kathodenstrahlen eine klare Richtungspräferenz parallel zur einfallenden Strahlung aufwiesen, was dem Huygensschen Prinzip einer Emission kugelsymmetrischer Wellen krass widerspräche.74 Anhänger der Wellennatur von Röntgen- und γ -Strahlung hatten es nicht leicht, derartige gerichtete Nadelstrahlung‘ mathematisch im Rahmen ’ der elektromagnetischen Theorie Maxwells zu modellieren, auch wenn Braggs Argument in dieser Form falsch war, da die Kugelwelle auf das Ruhesystem des emittierenden Körpers bezogen werden muss.75 In seinem Lehrbuch über Röntgenstrahlen von 1912 weigerte sich Robert Wichard Pohl (1884–1976), die Korpuskulartheorie der Röntgenstrahlen von Bragg überhaupt zu behandeln, „da ich keine Möglichkeit sehe, auch nur die wichtigsten Eigenschaften der Strahlen mit ihrer Hilfe zu deuten.“ Und diese wichtigsten‘ Eigenschaften ’ waren natürlich genau die, die den Wellencharakter der Röntgenstrahlung als einer „Ätherstrahlung“ bewiesen, also z. B. im Magnetfeld „nicht die geringste Ablenkung“ zu erfahren.76 Wenn man sich beiden zur Debatte stehenden Modellvorstellungen verschloss, blieb noch die Möglichkeit, die γ -Strahlen als eigenständige neue Sorte von Strahlen mit Wesenseigenschaften zu interpretieren, die ein Mixtum von Teilchen- und Welleneigenschaften waren. Einige gingen sogar so weit, diese γ -Strahlen je nach ihrer Durchdringungskraft noch in weitere Typen aufzuteilen, während andere innerhalb dieser einen Klasse von γ -Strahlen eher kontinuierliche Veränderlichkeiten sahen.77 Noch zu Anfang der 1920er Jahre war die Klassifikation der γ -Strahlen somit alles andere als unumstritten. Der Experimentalphysiker Erich Regener (1881–1955) etwa begründete seine Angliederung der γ -Strahlen an die besser untersuchten Röntgenstrahlen mit einem relativ komplizierten Analogieargument: Betrachten wir jetzt die γ -Strahlen der radioaktiven Körper, so müssen wir sie in Parallele stellen mit den Röntgenstrahlen. Ihre Natur ist ebenso wie diejenige der Röntgenstrahlen nicht so sicher bekannt wie diejenige der α- und β-Strahlen. Man neigt indessen allgemein dazu, sie als unregelmäßige Wellenbewegungen des 73 Barkla

(1907) S. 662. z. B. Bragg (1908a) S. 270: „the kathode [sic] radiations from a given stratum of matter traversed by γ rays possess momentum in the original direction of motion of the rays, and this shows that the rays are material.“ 75 Zur Sommerfeld-Stark-Kontroverse über diesen Punkt siehe Hermann (1968), Wheaton (1983) S. 116 ff., 135 ff. und die dort jeweils angeführte Primärliteratur und Korrespondenz. 76 Siehe Pohl (1912) S. VI, 18. 77 Siehe zum ersteren beispielsweise Kleeman (1907) S. 638, 662; die zweite Option mündete später in der γ -Spektroskopie. 74 Siehe

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Lichtäthers, sogenannte Ätherimpulse, anzunehmen. Während aber die Röntgenstrahlen zur Aussendung kommen, wenn die Kathodenstrahlen absorbiert werden, kennt man die γ -Strahlen vorzugsweise als Begleiterscheinung bei der Aussendung der β-Strahlen durch die radioaktiven Körper. Ähnlich wie bei den Röntgenstrahlen besteht auch bei den γ -Strahlen ein Parallelismus zwischen dem Durchdringungsvermögen der Härte‘ der γ -Strahlen und der Geschwindigkeit ’ der β-Strahlen, als deren Begleiterscheinung sie auftreten.78

Für die taxonomische Behandlung von Röntgen- und γ -Strahlung als we’ sensverwandte‘ Strahlungsformen überwog Regener zufolge diese Analogie (oder wie er sich ausdrückte: dieser Parallelismus‘ ) gegenüber der Disanalogie ’ in der Durchdringungsfähigkeit beider Strahlentypen, welche für γ -Strahlen sehr viel höher war als für Röntgenstrahlen. Dieser Unterschied rechtfertigte für Regener jedoch die Einführung einer eigenen Strahlenklasse, während demgegenüber W.H. Bragg Röntgen- und γ -Strahlen immer zusammen anführte, ihren „innigen Zusammenhang“ („strong family likeness“) betonte und sich schließlich sogar dafür entschied, „unter dem Ausdruck Röntgenstrahlen auch die γ -Strahlen zu verstehen“.79 Mit einem interessanten Gedankenexperiment, das eine Form des Transmutations- oder Umwandlungsargumentes darstellt, versuchte Bragg, sein mentales Modell eines materiellen Röntgenoder γ -Strahls zu motivieren: Wir können uns das Elektron des β-Strahls mit der Fähigkeit begabt denken, genügend positive Elektrizität an sich zu heften, um seine eigene Ladung zu neutralisieren, und zwar, ohne dadurch seine Masse wirklich zu vermehren. Das ist die Umwandlung vom Elektron zum Röntgenstrahl; die umgekehrte Umwandlung erfolgt, wenn das Elektron seine positive Elektrizität wieder ablegt.80

Dieses Gedankenexperiment erklärte zwar die Ladungsneutralität des harten Röntgen- oder γ -Strahls sowie die stark asymmetrische Winkelverteilung der von diesen Strahlen ausgelösten Sekundärstrahlung,81 nicht aber seine Polarisierbarkeit, geschweige denn die (experimentell allerdings noch nicht endgültig gesicherte) Ausbreitung beider mit Lichtgeschwindigkeit. Am Ende seiner Untersuchungen über Radioaktivität plädierte Bragg dafür, sein Korpuskular78 E.

Regener, ca. 1912, S. 103: Die Strahlen der radioaktiven Substanzen‘ , Separatabdruck eines Kapi’ tels aus einem nicht ermittelbaren Buch im Regener-Nachlass, Universitätsarchiv Stuttgart; analog auch Regener (1915) S. 8: „Dem Wesen nach den Röntgenstrahlen ähnlich sind die sog. γ -Strahlen.“ Auch Egon von Schweidler (1910) versuchte erfolglos, eine experimentelle Entscheidung zu fällen. 79 Bragg (1912/13b) S. III, 132 f., 165, Bragg (1912/13a) S. vi sowie passim; analog auch Bragg (1907) S. 442, Bragg & Marsden (1908a) S. 938 u. 670: „The x-rays resemble the γ rays so closely that it is practically inconceivable that the two radiations should be essentially different.“ 80 Bragg (1912/13b) S. 236. 81 Zu diesem Punkt siehe insbesondere Bragg & Marsden (1908a) S. 670, (1908b).

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modell von Röntgen- und γ -Strahlen trotz diesen noch offenen Problemen ebenso ernst zu nehmen wie das Stokes’sche Ätherimpulsmodell: Eine Hypothese darf nicht beiseite geschoben werden, weil sie nicht für jede Tatsache eine sofortige Erklärung liefert […] In der ersten Zeit der Entdeckung der Röntgenstrahlen hatte die [Äther-]Impulstheorie dadurch einigen Erfolg, daß sie qualitative Erklärungen lieferte. Aber sicherlich hat sie seit jener Zeit sehr geringe Fortschritte gemacht, und statt zu führen, ist sie hinter dem allgemeinen Fortschritt zurückgeblieben. […Deshalb] müssen wir die extremsten Ansichten auf sämtliche Phänomene des Lichtes wie der Röntgenstrahlen anwenden, um herauszufinden, inwieweit sich jede von ihnen wirksam gestalten läßt.82

1914 schließlich gelang Rutherford und einem Mitarbeiter eine erste indirekte Bestimmung der Wellenlängen weicher γ -Strahlung von Radium B und C mittels Interferenz an einer Kristallplatte.83 Schon ein Jahr später hatte sich die Interpretation von Röntgen- und γ -Strahlung als besonders energiereicher Form elektromagnetischer Strahlung in der scientific community endgültig durchgesetzt. Aber von Zeit zu Zeit flackerte Braggs mentales Modell auch in späteren Vorschlägen zur Struktur des Lichtquants als einem „wavelet“ (so Arthur Stanley Eddington 1928), als einem Neutrinopaar (so Pascual Jordan und Ralph de Kronig 1935–37) oder gar – physikalisch sehr unplausibel – als Materie-Antimaterie-Bindungszustand (so der amerikanische Pflanzenphysiologe Bruce Wayne 2009) wieder auf. Doch diese hanebüchenen Konstruktionen konnten sich allesamt wegen offensichtlicher Probleme mit nicht aufgebbaren Randbedingungen aus der Relativitäts- und Quantenfeldtheorie niemals durchsetzen.84

4.7

Energiepakete bei Planck, Debye und Sommerfeld

Wie bereits in Abschn. 2.3 geschildert, hatte Max Planck sehr bald nach seiner erfolgreichen Interpolation zwischen den zwei Näherungsformeln für die Strahlungsdichte der Schwarzkörperstrahlung Angst vor der eigenen Courage bekommen. Seine Arbeit vom Dezember 1900 erschien ihm im Rückblick als ein „Akt der Verzweiflung“, den er – „von Natur bin ich friedlich und bedenklichen Abenteuern abgeneigt“ – nur vollzogen hatte, weil „eine theoretische 82 Bragg

(1912/13b) S. 237 f. Rutherford & Andrade (1914a) sowie ergänzend Meitner (1922) S. 382. 84 Einen guten Literaturüberblick bietet der selbst derartige Alternativmodelle entwickelnde Biologe an der Cornell University, Bruce Wayne (2009) S. 23 ff. 83 Siehe

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Deutung […] um jeden Preis gefunden werden [musste], und wäre er noch so hoch.“ 85 Während Planck selbst also auf größtmögliche Vereinbarkeit seiner Bestrebungen mit den Methoden und Ergebnissen der klassischen Physik bedacht war, legte Einstein in seinen Arbeiten seit 1905 den Finger in die Wunde und pochte auf die Unvereinbarkeit der Lichtquantenhypothese mit der klassisch-Maxwellschen Elektrodynamik. Darum bemühte sich Planck in den Folgejahren um eine gewissermaßen entschärfte Re-Interpretation seiner eigenen Schlussfolgerungen von 1900 – um eine Rettung der Phänomene‘ durch ’ Wechsel des interpretativen Rahmens. Wie legte sich Planck im Rückblick zurecht, was diese ominöse Quantisierung physikalisch eigentlich zu bedeuten hatte? Sein Brief an den amerikanischen Kollegen Wood gibt auch in dieser Hinsicht interessante Aufschlüsse. Plancks Interpolationsformel aus dem Jahr 1900 verhinderte per Konstruktion durch das Fitten an die lang- und kurzwelligen Grenzbereiche der Strahlungskurve ein Divergieren der Strahlungsdichte. Formal-mathematisch wurden dadurch die von Paul Ehrenfest so bezeichnete „Ultraviolettkatastrophe“ und eine analoge „Infrarotkatastrophe“ am anderen Ende des Spektrums unterbunden.86 Was bedeutete das aber physikalisch? Planck interpretierte es so, dass die Vorschrift, Strahlung von Oszillatoren nur in endlichen Paketen zu emittieren, deren Mindestgröße durch das Plancksche Wirkungsquantum h vorgegeben war, verhinderte, dass sich die von Atomen oder anderen schwingenden Systemen abgegebene Strahlung auf immer mehr und immer kleinere Pakete verteilte. In genau diesem Divergieren der Zahl von Strahlungspaketen, deren Einzelgröße gegen null geht, bestünde die Infrarotkatastrophe: Denn nach ihr [der klassischen Physik] muß die Energie im Lauf der Zeit aus der Materie vollständig in die Strahlung übergehen. Damit sie das nicht tut, braucht man eine neue Constante [das Planck’sche Wirkungsquantum h], welche dafür sorgt, daß die Energie nicht auseinanderfällt. […] so findet man, daß das Abwandern der Energie in die Strahlung durch die Annahme verhindert werden kann, daß die Energie von vorneherein gezwungen ist, in gewissen Quanten beieinander zu bleiben. Das war eine rein formale Annahme, und ich dachte mir eigentlich nicht viel dabei, sondern eben nur das, daß ich unter allen Umständen, koste es, was es wolle, ein positives Resultat herbeiführen müßte.87

Der tiefere Grund für die Beschränkung auf kleinstmögliche Energiepakete liegt laut Planck nicht im Strahlungsfeld, sondern in den Schwingungseigen85 Planck

an Robert Williams Wood, 7. Oktober 1931, zit. in Hermann (1969/71b) S. 23; vgl. hier S. 19 für den Kontext der Planckschen Arbeiten um 1900. 86 Siehe Ehrenfest (1911) S. 92. 87 M. Planck an R.W. Wood, 1931; vgl. Abschn. 2.1 u. 4.7 für quellenkritische Bewertungen dieses Zitats.

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schaften der Resonatoren. Die Grundidee, dass die Quantisierungsvorschrift sich nicht eigentlich auf das Strahlungsfeld selbst, sondern nur auf die jene Strahlung emittierenden materiellen Systeme bezieht, baute Planck in den Jahren 1906–1913 zur sogenannten zweiten Quantentheorie‘ aus.88 ’ Nicht nur Planck selbst, sondern auch etliche seiner Kollegen erkannten den Reiz einer solchen Re-Interpretation der Quantisierung, die sich „in ihrem Verhältnis zur Elektrodynamik insofern von der Lichtquantentheorie [unterscheidet], als sie mit der Elektrodynamik nirgends in Widerspruch tritt, vielmehr diese ergänzt bezüglich des Ablaufens solcher Prozesse, über die die Elektrodynamik von sich aus nichts weiß.“ 89 In dieser Formulierung von Plancks Münchener Theoretikerkollegen Peter Debye und Arnold Sommerfeld deutet sich bereits das andersgeartete mentale Modell an, das alle Anhänger dieser zweiten Quantentheorie‘ von jenem „Ablaufen“ des Emissionsprozesses elek’ tromagnetischer Energie auf atomarer Ebene hatten. Debye und Sommerfeld formulierten dies in einem langen Aufsatz über die „Theorie des lichtelektrischen Effektes vom Standpunkt des Wirkungsquantums“ wie folgt aus: Ein Atom häuft so lange auffallende Schwingungsenergie in der Bewegung seiner  Elektronen auf, bis die Wirkungsgröße (T − U )dt den Betrag h/2π erreicht hat. […] Ist die Wirkungsgröße h/2π erstmalig erreicht, so wird das Elektron aus dem Atomverbande frei mit der gerade erreichten kinetischen Energie T.90

Das Plancksche Wirkungsquantum h wurde hier also zu der entscheidenden Grundgröße der Quantenphysik gemacht,91 denn dieses Minimalvolumen des Phasenraums musste voll ausgefüllt sein, bevor ein schwingendes Atom jenes Mindestpaket h in Form von Strahlung der Energie E = h ·ν abgeben konnte. Solange jene Mindestpaketgröße nicht erreicht war, musste diese Schwingungsenergie im Atom angesammelt, oder wie Debye naiv-mechanistisch schreibt, „aufgehäuft“ werden. Jenes Atom wurde von Debye und Sommerfeld als ein „in sich abgeschlossenes System“ imaginiert, welches aus den umgebenden Feldern mittels eines resonierenden Elektrons Energie aufspeichern kann. Wann diese Abgeschlossenheit durchbrochen wird und aus dem Atominnern Energie nach außen abgegeben wird, bestimmt die Konstante h. Die physikalische Bedeutung von h wäre hiernach die, dass h bestimmt, wann eine quasi-elastische Bindung gesprengt oder ein Ventil am Atom geöffnet 88 Über die sog. zweite Quantentheorie Plancks siehe Planck (1910)–(1913), sowie Needell (1980), Whitaker (1985), Gearhart in Hoffmann (Hg.) 2010, S. 116, und Kragh (2014c). 89 Debye & Sommerfeld (1913) S. 875. 90 Debye & Sommerfeld (1913) S. 874 – im Original z. T. kursiv hervorgehoben. 91 In diesem Sinne auch Planck (1907), Sommerfeld (1911).

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wird. Von der eventuellen Strahlungsdämpfung abgesehen, geschieht vermöge dieser Ventilwirkung die Energieabgabe diskontinuierlich und quantenhaft.92

Die Quantisierung der Energie im Strahlungsfeld war für Planck, Debye und Sommerfeld somit nur ein Epiphänomen, das durch die merkwürdige „Ventilwirkung“ materieller schwingender Systeme zustandekam. Anders als der frühe Konvertit Stark (Abschn. 4.4) waren Planck, Debye und Sommerfeld also damals keineswegs Anhänger der Einsteinschen Interpretation von Lichtquanten, was auch Passagen wie die von Arnold Sommerfeld in einer seiner Repliken auf Stark aus dem Jahr 1909 erklärt, in denen es sein Anliegen war, „unser Vertrauen in die Gültigkeit der elektromagnetischen Theorie auch für die Elementarprozesse des elektrischen Feldes, das durch die neuesten Lichtquanten-Spekulationen zum Teil wohl erschüttert schien, wieder neu gestärkt werden.“ 93 Während die drei deutschen Theoretiker in obigen Passagen stets nur die minimale Energieabgabe beschrieben, konnte diese Energie ja bekanntlich auch größere natürlichzahlige Vielfache jener minimalen Paketgröße umfassen: E = n · h · ν, mit n = 1, 2, 3 usw. In Robert A. Millikans Ansprache auf der Jahrestagung der American Association for the Advancement of Science in Cleveland im Dezember 1912 über „atomic theories of radiation“ finden wir eine ausbuchstabierte Modellvorstellung, die auch jene größeren Energiepakete mit einbezieht und weitere Aufschlüsse auf das mentale Modell der drei deutschen Theoretiker bietet: Planck now assumes that emission alone takes place discontinuously, while the absorption process is continuous. At the instant at which a quantity of energy hν has been absorbed, an oscillator has a chance of emitting the whole of its unit, a chance which, however, it does not necessarily take. If it in this way misses fire, it has no other chance until the absorbed energy has arisen to 2hν, when it has again the chance of throwing out its 2 whole units, but nothing less. If again it misses fire, its energy rises to 3hν, 4hν etc. The ratio between the chance of not emitting when crossing a multiple of hν, and the chance of emitting, is assumed to be proportional to the intensity of the radiation which is falling upon the oscillator. This, then, is at present the most fundamental and the least revolutionary form of quantum theory, since it modifies classical theory only in the assumption of discontinuities in time, but not in space, in the emission (not in the absorption) of radiant energy.94

92 Debye

& Sommerfeld (1913) S. 923; vgl. ferner Niedderer (1982) S. 43. (1909) S. 976. 94 Millikan (1913) S. 123–124 (Hervorhebungen orig.). 93 Sommerfeld

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Auf die in diesem Zitat bereits anklingende Idee, zwischen spontaner und induzierter Emission zu unterscheiden, und letztere von der Dichte des umgebenden Strahlungsfeldes abhängig zu machen, kam Einstein in seiner berühmten Arbeit von 1916 zurück (siehe dazu Abschn. 3.9). Mit der Unterscheidung zwischen Diskontinuitäten im Raum und in der Zeit meinte Millikan, dass Plancks zweite Quantentheorie lediglich eine Art temporären Aufschub des Emissionsvorgangs postuliere, nicht aber eine räumliche Quantisierung der Energie in Form teilchenartig oder punktförmig konzentrierter Singularitäten. Insofern konnten die mentalen Modelle Einsteins bzw. der zweiten Quantentheorie Plancks unterschiedlicher nicht sein. Doch in einem Punkt stimmten alle diese deutschsprachigen Theoretiker damals überein: dem Zufall wurde eine tragende Rolle beigemessen. Bei Planck war es die nur statistisch berechenbare Zahl von Komplexionen, bei Einstein die mit Wahrscheinlichkeitskoeffizienten belegten Emissions- und Absorptionsvorgänge, und bei Planck, Sommerfeld und Debye die als Zufallsprozesse konzeptualisierten Emissionsvorgänge. Ganz explizit formulierten es Debye und Sommerfeld in ihrem Aufsatz von 1913: Ein Zufallsmoment […] muß durchaus hinzugezogen werden, will man nicht auf einen Widerspruch kommen: Wenn in allen Atomen die Elektronen zur photoelektrischen Wirkung gleichmäßig disponiert wären, so würde für alle der Akkumulationsprozeß zu gleicher Zeit beginnen, und es würde um diejenige Zeit, die dem Maximum […] entspricht, sozusagen eine lichtelektrische Katastrophe eintreten, indem ein unverhältnismäßig großer Photostrom auftreten würde. Davon ist in Wirklichkeit nicht die Rede. […] Unser Befreiungsprozeß kann erst einsetzen, wenn zufällig diese Disposition erreicht ist. Durch diesen Umstand wird der lichtelektrische Strom, wie wir annehmen, zeitlich konstant.95

4.8

Edgar Meyer und Walther Gerlach über Verzögerungszeiten

Die im vorigen Unterabschnitt geschilderten Überlegungen von Planck, Debye und Sommerfeld brachten es mit sich, dass ein bislang experimentell nur unzureichend gemessener Parameter interessant wurde: Wie lange dauerte es eigentlich, bis durch das Einstrahlen ultravioletten Lichts auf Metalloberflächen Photoelektronen aus dessen Oberfläche ausgelöst wurden? Einsteins mentalem Modell zufolge sollte dies ein praktisch instantaner Prozess sein: das einfallende Lichtquant überträgt in einem einzigen Elementarprozess seine gesamte Energie E = h · ν auf das im Festkörper gebundene Elektron, das dann mit der 95 Debye

& Sommerfeld (1913) S. 927–928.

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um die Austrittsenergie Φ reduzierten Energie E  = h · ν − Φ das Metall verlässt. Für diejenigen aber, die wie Planck an der Vorstellung festhielten, dass Licht eine elektromagnetische Welle sei, ergab sich ein anderes mentales Modell dieses Prozesses: das einfallende Licht der Frequenz ν trifft auf die Metalloberfläche; die Wechselfelder jener elektromagnetischen Welle regen dort die geladenen Teilchen, insbesondere die im Vergleich zu den Atomen um den Faktor 1800 leichteren Elektronen, zu Schwingungen an, die schließlich zur Auslösung der Photoelektronen aus der Materie führen. Jener durch Resonanz verstärkte Prozess würde eine gewisse Zeit dauern. Die Experimentalphysiker Edgar Meyer (1879–1960) und Walther Gerlach (1889–1979) nahmen sich dieser Fragestellung 1913 am Physikalischen Institut in Tübingen an96 und stellten Versuche zum photoelektrischen Effekt an ultramikroskopischen geladenen Metallteilchen an. Wegen Problemen mit der raschen Oxidation der meisten Metalle experimentierten sie vorwiegend mit Edelmetallen. Diese sehr kleinen, aber mit dem Siedentopf-Zsigmondy’schen Ultramikroskop durch seitliche Beleuchtung gerade noch beobachtbaren Metallteilchen wurden zwischen zwei Kondensatorplatten in schwebenden Zustand gebracht und dann durch Niederdrücken eines Schalters mit ultravioletter Strahlung geringer intensität bestrahlt. „Zunächst blieb dann das Teilchen vollkommen in Ruhe, bis es sich plötzlich in Bewegung setzte und zur negativen Platte des Kondensators emporstieg“, weil es durch Entweichen eines negativ geladenen Photoelektrons positiv aufgeladen war. Sofort nach Eintritt der Bewegung wurde der Schalter erneut betätigt und die dazwischen vergangene Zeit gemessen. Erste Experimente von ihnen 1913 (und zeitgleich auch von Abram Fjodorowitsch Joffé (1880–1960) in Sankt Petersburg) zeigten bereits das „auffällige Resultat, daß bei passender Beleuchtungsintensität eine meßbare Zeit ... bis zum Austritt des ersten Elektrons“ andauerte.“ Diese je nach Frequenz ν und anderen Parametern zwischen wenigen Sekunden und mehreren Minuten reichende Zeitdauer bis zum ersten Auftreten von Photoelektronen im Detektor nannten sie „Verzögerungszeit“.97 Anfangs tendierten sowohl Meyer und Gerlach in Tübingen wie auch Joffé in St. Petersburg 1913 dazu, die Verzögerungszeit als diejenige Zeit zu deuten, die ein molekularer Resonator nach der Theorie von Planck bzw. DebyeSommerfeld braucht, um in der sich aufbauenden Resonanz seines Schwingungsverhaltens zur einfallenden elektromagnetischen Welle die zur Emission eines Elektrons notwendige Energie h · ν zu absorbieren, was die Frage aufwarf, „ob die Gebilde, welche die Elektronen emittieren, Energie akkumulieren 96 Über

Edgar Meyer siehe Gerlach (1959); zu Gerlachs frühen experimentellen Arbeiten siehe Heinrich & Bachmann (1989) sowie Huber (2014). 97 Für die vorigen Zitate siehe Meyer & Gerlach (1914) S. 177 f., 181; Hervorhebung orig.

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können.“ 98 In diesem Falle läge kein quantisierter Elementarprozess mehr vor und das mentale Modell Einsteins wäre nicht stimmig. Doch gegen diese Deutung sprach, dass die Länge von Dunkelpausen zwischen ihren Messungen an ein- und demgleichen Metallteilchen keinen Einfluss auf die Verzögerungszeit hatte, dass der Größenordnung nach die kleinen Zeiten ebenso oft bei dauernder wie bei intermittierender Bestrahlung vorkommen, weshalb „wahrscheinlich die Länge der Verzögerungszeiten bei sonst konstanten Bedingungen lediglich durch den Zufall bestimmt ist“, nicht durch irgendeine Disposition der absorbierenden Materie oder durch Akkumulation von Energie auf deren Oberfläche.99 Aus ihren noch bis 1915 weitergeführten Meßreihen ergab sich am Ende folgendes „physikalische Bild, das wir uns von dem Mechanismus der Verzögerungszeit gemacht haben“: Unter dem Einflusse des ultravioletten Lichtes werden schon nach einer Zeit, die sehr vie1 kürzer als die beobachtete Verzögerungszeit sein kann, Elektronen von dem Teilchen ausgelöst und durchfliegen ihre freie Weglänge in dem umgebenden Gas. Angenommen, die Zusammenstöße der Elektronen mit den Gasmolekülen seien vollkommen unelastisch. Dann werden die Elektronen, da sie nicht die genügende Energie besitzen, um die neutralen Luftmoleküle durch Stoß ionisieren zu können, beim ersten Zusammenstoß mit einem Luftmolekül ihre Geschwindigkeit verloren haben und ein negatives Ion bilden. Auf diese Ionen wirken nun zwei verschiedene elektrische Kräfte. Einmal das Feld im Kondensator, das die Ionen zu der positiven Kondensatorplatte hinzutreiben sucht, zweitens ein Feld, das die Ionen zu dem Teilchen zurückzieht, da dieses durch den Verlust der Elektronen selbst positiv geladen ist. Nach unserer Anschauung wäre für den Fall unelastischer Zusammenstöße das Ende der Verzögerungszeit dann erreicht, wenn von den emittierten Elektronen eines zufallig eine so große freie Weglänge durchlaufen hat, daß es an einer solchen Stelle seine photoelektrische Geschwindigkeit verliert und sich zum Ion umbildet, wo das Kondensatorfeld überwiegt; denn in diesem Fall gelangt das Elektron nicht mehr zum Teilchen zurück.100

Nicht der eigentliche Emissionsprozess des Photoelektrons also, sondern deren Sekundärstreuung noch innerhalb des Metalls sei für diese mit einfachsten Hilfsmitteln beobachtete Verzögerungszeit verantwortlich. Weitere Experimente mit Metalloberflächen unter sehr hohem oder niedrigem Druck bestätigten dieses mentale Modell weiter, denn die mittlere Verzögerungszeit nahm mit dem Druck des umgebenden Gases ab, während sie unabhängig 98 Ibid.,

S. 205. S. 205, 207, 219. 100 Meyer & Gerlach (1915) S. 228 f.; fast wortidentisch auch Meyer & Gerlach (1914) S. 221 f. 99 Ibid.,

150

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vom Druck sein müsse,101 falls der photoelektrische Effekt so ablaufe wie in Einsteins Modellbildung mit Lichtquanten angenommen. Letzteres war also durch Meyers und Gerlachs Experimente noch wahrscheinlicher geworden. Vorstehendes Zitat ist ein Musterbeispiel für das, was in diesem Buch men’ tales Modell‘ genannt wird, hier dasjenige eines Elementarprozesses im Inneren eines Festkörpers, welcher bereits mit sehr weitgehenden Modellannahmen ausgemalt‘ wird, während über die Struktur des Lichts hier auffällig wenig ge’ sprochen wird. Immerhin galt es seit diesen Untersuchungen von Meyer und Gerlach als sichergestellt, dass der Elementarprozess des photoelektrischen Effekts, also „der Vorgang des Emittierens und Wiederaufnehmens sehr schnell vor sich geht“, zumindest in Zeiten sehr klein gegen die beobachteten Verzögerungszeiten und auch deutlich kleiner als von der Planck-Debye’schen elektromagnetischen Resonanztheorie angenommen.102 Eine weitere Beobachtung, die Gerlach und Meyer nur ganz am Rande ihres ersten Aufsatzes in den Annalen der Physik erwähnten, blieb damals leider ganz unbeachtet, nämlich ihre Entdeckung, „dass die Emission eines Elektrons nicht vollkommen unabhängig von der Emission der anderen Elektronen ist, wie es bei strenger Gültigkeit eines Zerfallsgesetzes sein müßte.“ 103

4.9

Debye, v. Laue und Schrödinger über Wellenpakete

Wie im vorletzten Abschnitt gehört, hatten Max Planck, Peter Debye, Arnold Sommerfeld und viele andere theoretische Physiker um 1910 noch starke Zweifel an der Lichtquantenhypothese Einsteins und wollten Licht sowie elektromagnetische Felder lieber weiter mit der klassischen Elektrodynamik beschreiben, in der es keine Energiequantisierung gibt. Doch wie modellierten diese Gegner von Lichtquanten dann Prozesse, in denen Licht in endlicher Zeit und bei starker räumlicher Begrenzung mit Materie wechselwirkt? Experimente zum photoelektrischen Effekt hatten gezeigt, dass die von elektromagnetischer Strahlung ausgelösten Photoelektronen eine Energieverteilung besitzen. Zusammen mit der sich aus jenen Experimenten ebenfalls seit 1914 abzeichnenden Proportionalität von Energie E und Frequenz ν liess das 101 Meyer

& Gerlach (1915) S. 244. & Gerlach (1914) S. 223; für eine spätere Berechnung der spontanen Lichtemission im semiklassischen Rahmen der Schrödingergleichung siehe Fritsche (2021). 103 Meyer & Gerlach (1914) S. 221. Bei sehr niedrigen Strahlungsintensitäten, sprich bei sehr kleiner Zahl beteiligter Lichtquanten, könnten Effekte der erst 1924/25 aufkommenden Quantenstatistiken eine Rolle gespielt haben, hier konkret das Paulische Ausschließungsprinzip für Fermionen, zu denen ja auch die Photoelektronen zählten, sowie bunching- und antibunching-Effekte (vgl. hier Abschn. 8.6 und 8.7) 102 Meyer

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darauf schließen, dass auch jene den Photoeffekt auslösende Strahlung nicht monochromatisch ist, sondern eine spektrale Verteilung aufweist.104 Strahlenbündel mit einer derartigen Verteilung verschiedener in ihnen auftretenden Frequenzen können mathematisch als Wellenpakete gedeutet werden. Peter Debye und der Planck-Schüler Max von Laue (1879–1960) lieferten um 1910 wichtige Beiträge zur mathematisch konsistenten Beschreibung derartiger Wellenpakete.105 Ein entlang der x -Achse und in der Zeit t propagierendes Wellenpaket ψ(x, t ) kann mathematisch als Summe ebener Wellen betrachtet werden:  C j · ei(ω j ·t−k j ·x) , ψ(x, t) = j

wobei die Amplituden C j jeder einzelnen Welle frei wählbar sind und aufsummiert die spezielle Form des Wellenpakets bestimmen. Jede beitragende Welle j hat ihre eigene Frequenz ν j bzw. Kreisfrequenz ω j = 2πν und Wellenzahl k j = ω j /v. Während monochromatische Wellen stets nur eine Geschwindigkeit v besitzen, die sogenannte Phasengeschwindigkeit vp = λ · ν = ω/k, ist die für Signalausbreitung, Energie- und Impulstransmission entscheidende Größe im Falle der Wellenpakete die sogenannte Gruppengeschwindigkeit vg . Für elektromagnetische Wellen sind vp und vg im Vakuum beide gleich der Lichtgeschwindigkeit c. Auch Strahlenbündel werden nach Debye ganz analog durch Superposition ebener Wellen konstruiert, die jede für sich genommen den ganzen Raum durchlaufen würde. Ein Kontinuum solcher Wellenzüge wird überlagert, indem die Wellennormale innerhalb eines Raumwinkelbereiches variiert wird und die Beiträge aller Frequenzen aufsummiert werden. Das Ergebnis dieser Überlagerung ist dann ein räumlich begrenztes Strahlenbündel, dessen Randbereiche außerhalb eines Doppelkegels fast vollständig durch destruktive Interferenz vernichtet sind, während sich im Zentrum jenes Strahlenbündels selbst konstruktive Interferenz zeigt. „Durch passende Verteilung der Amplituden und Phasen [kann man] die Erregung auf einen Bereich beschränken, der auch in longitudinaler Richtung verhältnismäßig klein ist. So gewinnt man die analytische Darstellung eines Energiepakets‘ von ver’ hältnismäßig kleinen Abmessungen, das mit Lichtgeschwindigkeit oder, wenn Dispersion vorhanden ist, mit der Gruppengeschwindigkeit fortwandert.“ 106 Als Erwin Schrödinger in seiner „Wellenmechanik“ 1925/26 erkannte, dass auch Materie sich durch „Materiewellen“ beschreiben lässt, die ebenso wie 104 Siehe

hier Abschn. 3.4–6 sowie z. B. Ramsauer (1914). (1909), v. Laue (1914) sowie z. B. http://de.wikipedia.org/wiki/Wellenpaket und Brandt & Dahmen (1985) S. 20 ff. zu ihrer Visualisierung. 106 Schrödinger (1926b) S. 501, bezugnehmend auf Debye (1909) und v. Laue (1914). 105 Debye

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elektromagnetische Wellen einer dann nach ihm benannten Wellengleichung genügen, orientierte er sich mathematisch so weit es ging an vorhandenen Arbeiten zur Wellenoptik. Eine Zeit lang glaubte Schrödinger, dass diese Wellen genau wie die elektromagnetischen solche im dreidimensionalen Raum seien.107 Auch für Materie „lassen sich solche Wellengruppen aufbauen, und zwar ganz nach demselben Konstruktionsprinzip, nach welchem Debye und von Laue in der gewöhnlichen Optik die Aufgabe gelöst haben, die exakte analytische Darstellung eines Strahlenkegels oder eines Strahlenbündels anzugeben.“ 108 In einem semipopulären Artikel zeichnete Schrödinger auch das Bild einer solchen räumlich und zeitlich begrenzten „Wellengruppe“, die er in seiner „Wellenmechanik“ von 1926 nicht mehr nur als Wellenpaket der kontinuierlichen Maxwellschen Feldtheorie des Elektromagnetismus, sondern nun auch als mentales Modell für Materie vorschlug. Die Ausdehnung der Wellengruppe war für ihn mit der „Dicke des Massenpunktes“ korreliert,109 der dieser Wellengruppe in seiner „Wellenmechanik“ zugeordnet wurde. Es schien zunächst so, als ob man der Ausbreitung der Wellenpakete konsistent die Bewegung eines Masseteilchens zuordnen könnte. Die Ausdehnung (in Abb. 4.3 von +10 bis −15 in x -Richtung) und Form des Wellenpakets blieb unverändert, solange keine Dispersion vorlag. Allerdings trog die Hoffnung von Schrödinger und seiner Anhänger, dass diese Materiewellen eine einfache realistische Interpretation als Wellen im dreidimensionalen Raum erfahren könnten. Die Schrödingergleichung war zwar eine Differentialgleichung zweiter Ordnung genau wie die klassische Wellengleichung, aber ihre Lösungen waren Zustandsvektoren ψ im komplexen Zustandsraum; nur die quadrierte Realwerte der Ψ -Funktion liessen sich Max Born zufolge empirisch als Aufenthaltswahrscheinlichkeiten für die jenen Wellen zugeordneten Quantenobjekte interpretieren.110 Die De Broglie-Wellenlänge war schon für atomare Massen und thermische Geschwindigkeiten kleiner als der Radius eines Wasserstoffatoms, so dass es durchaus möglich schien, Wellenpakete mit sehr scharf definiertem Maximum zu konstruieren, denen die Bewegung des quantenmechanisch zugeordneten Massenpunktes entsprach. Für den harmonischen Oszillator funktionierte diese Zuordnung zwischen Wellenpaket und oszillierendem materiellem Teilchen ausgezeichnet. In Materie hingegen ist die Phasengeschwindigkeit von Wellen im allgemeinen abhängig von der Frequenz ν j der j -ten Komponente, weshalb 107 was

sich später mit der Einführung unendlichdimensionaler Hilberträume dann als Irrtum erwies. (1926b) S. 500, dabei Debye (1909) und v. Laue (1914) zitierend. 109 Schrödinger (1926a) S. 59–60 sowie Schrödinger (1927b) zur Wellenmechanik; vgl. ferner Brandt & Dahmen (1985) Kap. 3–4. 110 Siehe Schrödinger (1926b) sowie Schrödingers Brief an Planck, 11. Juni 1926, in Przibram (Hg.) 1963, S. 14; die Wahrscheinlichkeitsinterpretation der Ψ -Funktion stammt von Max Born (1926a). 108 Schrödinger

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Abb. 4.3 Ein Wellenpaket nach Schrödinger 1926. Aus Schrödinger (1926a) S. 60, c 1926, Verlag Julius Springer, reproduziert mit freundlicher Genehmigung des Springer-Verlags

das Wellenpaket mit der Zeit immer breiter wird, gleichsam zerläuft‘ . Man ’ spricht auch von Dispersion.111 Trotz dieses Schönheitsfehlers war dieses mentale Modell von Wellenpaketen für die von Schrödinger eigentlich intendierte quantentheoretische Beschreibung von Materie eine extrem wirkmächtige Vorstellung.112 Es lag nahe, dieses mentale Modell auch auf die Deutung elektromagnetischer Strahlung zu übertragen, die dann so etwas wie eine „wellige elektromagnetische Wolke“ wäre, die eben nicht punktförmig lokalisierbar ist, sondern je nach experimenteller Präparation mehr oder weniger große räumliche Ausdehnung besitzt. Ein Vorteil, den sowohl Schrödinger selbst wie auch andere Physiker 1925/26 in Schrödingers Wellenmechanik zu erkennen glaubten, war der „stetige Übergang von der Mikro- zur Makromechanik“.113 Der grösste Vorteil seines mentalen Modells von Wellenpaketen war deren Kompatibilität mit dem Welle-Teilchen-Dualismus und der Heisenbergschen Unschärferelation. Denn je nach Wahl und Gewichtung der in die Superposition einbezogenen Frequenzen konnten die zeitliche Breite Δt und energetische Unschärfe ΔE jenes Wellenpakets angepasst werden. Die Heisenbergsche Unschärferelation, derzufolge ΔE · Δt ≥ , ist für elektromagnetische Wellen in Wellenpaketen quasi automatisch erfüllt. Je schärfer ein Wellenpaket zeitlich beschränkt ist (je kleiner die zeitliche Unschärfe Δt ist), desto größer ist dessen Energieunschärfe ΔE und umgekehrt: ist ein Wellenpaket energetisch sehr genau bestimmt, so ist seine räumliche und zeitliche Unbestimmtheit sehr groß.114 Insofern besteht hier starke Resonanz zur semantischen Schicht 8 unserer Begriffsent111 Über

diesen Punkt siehe den Briefwechsel von H.A. Lorentz an E. Schrödinger, 27. Mai 1926 sowie Schrödinger an Planck, 31. Mai 1926 bzw. an Lorentz, 6. Juni 1926, beide abgedruckt in Przibram (Hg.) 1963, insbesondere S. 9 u. 43–45 bzw. 54. 112 Über die große Wirkmächtigkeit von Schrödingers Wellenmechanik auf die Geschichte der Quantenmechanik insgesamt, siehe Rechenberg (1982 ff.) Bd. 5, Darrigol (1986), (1992) u. dort jeweils genannte weiterführende Texte. 113 So der programmatische Titel von Schrödinger (1926a). 114 Siehe z. B. Brandt & Dahmen (1985) S. 40–49.

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wicklung (Abschn. 3.8), die aus Einsteins und Louis De Broglies Überlegungen zum Welle-Teilchen-Dualismus heraus entstanden war. Nicht zuletzt deswegen ist jenes mentale Modell ein bis heute sehr häufig verwendetes, das für viele experimentelle Situationen ganz ausgezeichnete Erklärungen zu liefern vermag.

4.10 G. N. Lewis’ mentales Modell von Photonen 1926 Wir hatten bereits in Abschn. 2.6 Gelegenheit, über den amerikanischen Physikochemiker Gilbert Newton Lewis und seine Motivation für die Prägung des Neologismus Photon‘ zu reden. Hintergrund seiner Überlegungen war die Su’ che nach einer streng zeitsymmetrischen Beschreibung der Transmission elektromagnetischer Strahlung zwischen Emitter und Absorber gewesen. Es lohnt sich, auf das dahinterstehende mentale Modell jenes Transmissionsprozesses und der Träger jener Energiepakete hier nochmals kurz zurückzukommen. Das traditionelle Bild jenes Vorgangs war das einer allmählich ansetzenden Emission elektromagnetischer Wellen durch ein schwingendes elektrisch geladenes Teilchen (z. B. ein noch an ein Atomkern gebundenes Elektron), das einige hunderttausende oder Millionen solcher Schwingungen ausführt und dabei eine sich anfangs allmählich aufbauende, dann auf eine Frequenz ν stabilisierende, und schließlich wieder abklingende elektromagnetische Welle in den umgebenden Raum abgibt, in dem diese Welle irgendwann auf ein weiteres mit dieser Frequenz ν schwingungsfähiges Objekt auftrifft (z. B. ein ebensolche, ebenfalls gebundenes Elektron), dieses zu allmählich größer werdenden, dann stabilisierenden Schwingungen eben jener Frequenz anregt und dadurch von diesem zweiten schwingenden Teilchen und seinem Umfeld, dem Absorber, absorbiert wird. Dieser Vorgang brauchte eine gewisse endliche Zeit.115 Demgegenüber legten die neuen Streuexperimente von Compton 1922/23, Bothe und Geiger 1924/25 u. a. ein ganz anderes Bild der Energietransmission sehr harter Röntgen- und γ -Strahlung nahe: nämlich das mentale Modell sehr plötzlicher Stöße von nahezu punktförmig scharf definierten Teilchen bzw. Quasiteilchen wie eben jenen ominösen Einsteinschen Lichtquanten.

115 Einstein

(1927) S. 546 spricht z. B. von „Hunderttausende[n] oder Millionen von Schwingungen“, die notwendig seien, um die Welle zu erzeugen. Mit Heisenberg (1927) wurde klar, dass die mit seiner Unschärferelation zusammenhängende Relation ΔE · Δt ≥  zwischen zeitlicher Dauer Δt und der Breite des Energiespektrums ΔE sehr große Zeiten t verlangt, um die Energieunschärfe ΔE und damit auch die Frequenzunschärfe Δν hinreichend klein zu machen.

4 Verschiedene mentale Modelle früher Akteure (bis 1926)

155

Whatever view is held regarding the nature of light, it must now be admitted that the process whereby an atom loses radiant energy, and another near or distant atom receives the same energy, is characterized by a remarkable abruptness and singleness. We are reminded of the process in which a molecule loses or gains a whole atom or a whole electron, but never a fraction of one or the other. […] Had there not seemed to be insuperable objections, one might have been tempted to adopt the hypothesis that we are dealing here with a new type of atom, an identifiable entity, uncreatable and indestructible, which acts as the carrier of radiant energy and, after absorption, persists as an essential constituent of the absorbing atom until it is later sent out again, bearing a new amount of energy.116

Genau diese Quasi-Atome der Strahlung waren es, die Lewis Ende 1926 mit seinem neuen Terminus Photon‘ beschrieb, der ganz bewusst analog zum schon ’ Ende des 19. Jahrhunderts eingeführten Kunstwort Elektron‘ stand. Für Le’ wis waren Elektronen und Photonen gleichermaßen unzerstörbare, kleinste materielle Bausteine des Atoms, die in dieses normalerweise eingeschlossen sind. Durch Streuprozesse, radioaktiven Zerfall oder andere Prozesse konnten sie aber freigesetzt werden und dann dieses Atom mit hoher Geschwindigkeit verlassen – im Falle der Röntgen- und γ -Strahlung sowie emittierter optischer Spektrallinien eben mit Lichtgeschwindigkeit, im Falle schwerer Teilchen wie der Elektronen (also insbesondere β- und Kathodenstrahlen) eben mit geringerer, aber immer noch sehr hoher Geschwindigkeit. Von passenden, ähnlich gebauten, anderen Atomen konnten diese Strahlungsquanten unter günstigen Umständen in einer Art Resonanzprozess wieder eingefangen werden. Während der Transmission blieben diese Energie und Impuls transportierenden Strahlungspakete unzerstörbare Einheiten, die nur im Ganzen, als geschlossene Pakete, abgesendet und wieder aufgenommen werden können. Photonen waren für Lewis mithin versiegelte elektromagnetische Energie- und Impulspakete in Form von Quasi-Teilchen, die sich im Unterschied zu sonstigen Teilchen mit Lichtgeschwindigkeit fortbewegten und in Streuprozessen wie etwa der Compton-Streuung der ultrarelativistischen Grenzformel für Stoßprozesse genügten, die von Compton ja experimentell auch gut bestätigt worden war. Gilbert Lewis erkannte bereits in diesem kurzen Nature-Aufsatz, der am 18. Dezember 1926 erschien, dass die Vorstellung einer durchgehenden Erhaltung von Photonen und ihrer Gesamtzahl zu großen Schwierigkeiten bei der Interpretation spektroskopischer Befunde führen würde. Wenn ein Atom von einem angeregten Zustand A über zwei Zwischenstufen B und C in einen Endzustand D übergeht, würden nach seiner Vorstellung drei Photonen emittiert, bei direktem Übergang von A nach D hingegen nur eines. Damit es bei gleich116 Lewis

(1926c) S. 874; zu den Streuexperimenten von Compton sowie Bothe & Geiger siehe hier Abschn. 5.3–5.4 (S. 169ff. u. 175ff.).

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zeitiger Betrachtung vieler solcher parallel sich ereignender Übergange nicht zu Widersprüchen mit dem von ihm postulierten Gesetz‘ von der Erhaltung ’ der Photonenzahl komme, müsse man einen ständigen, untergründig sich vollziehenden Austausch sehr vieler niederenergetischer Photonen zwischen allen Atomen annehmen: The puzzle that one, and only one, photon is lost in each elementary radiation process, is far more rigorous than any existing selective principle, and forbids the majority of processes which are now supposed to occur. To account for the apparent existence of these processes, it is necessary to assume that atoms are frequently changing their photon number by their exchange of photons of very small energy, corresponding to thermal radiation in the extreme infra-red.117

Paradoxerweise war Max Planck 1900 ursprünglich einmal angetreten, genau diese zunehmende Aufsplittung elektromagnetischer Feldenergie in immer kleiner werdende Energiepakete zu unterbinden, denn Plancks Energiequantum E = h · ν setzte diesen Energiepaketen eine untere spektrale Grenze ν = E/ h. Wie auch immer, es waren womöglich genau diese eher paradoxen Implikationen von Lewis’ hypothetischem (und wie wir heute wissen, komplett irrigen) Photonenerhaltungsgesetz, die ihn dazu bewogen, von dieser Theorie selbst bald wieder abzurücken und darauf später nicht mehr zurückzukommen. Doch der von ihm geprägte, kurze und knackige Ausdruck Photon‘ sollte sich ’ trotzdem rasch durchsetzen.118

117 Lewis 118 Siehe

(1926c) S. 875. dazu Abschn. 2.6 und die dort gegebenen historischen und statistischen Nachweise.

5 Frühe Rezeption des Konzepts von Lichtquanten

5.1

Anfängliche Skepsis

Wenn selbst Einstein bis in die 1920er Jahre, ja letztlich sogar bis zum Ende seines Lebens 1955 mit seinem eigenen Konzept von Lichtquanten nicht vollends zu Rande kam, verwundert es nicht, dass auch seine Zeitgenossen nicht gleich voller Begeisterung dafür waren. Im ersten Jahrzehnt (1905–1915) überwog große Skepsis bis hin zu massiver Ablehnung. Selbst Max Planck, einer von Einsteins größten Förderern, der ihn 1913 auf eine von der Koppel-Stiftung finanzierte Forschungsprofessur und an ein lange nur auf dem Papier bestehendes, extra für ihn eingerichtetes Kaiser-Wilhelm-Institut für physikalische Forschung nach Berlin holte, schrieb 1909: Es scheint mir, daß gegenüber der neuen Einsteinschen Korpuskulartheorie des Lichtes die größte Vorsicht geboten ist […]. Die Theorie des Lichtes würde nicht um Jahrzehnte, sondern um Jahrhunderte zurückgeworfen, bis in die Zeit, da Christian Huygens seinen Kampf gegen die übermächtige Newtonsche Emissionstheorie wagte […] Und alle diese Errungenschaften, die zu den stolzesten Erfolgen der Physik, ja der Naturforschung überhaupt gehören, sollen preisgegeben werden um einiger noch recht anfechtbarer Betrachtungen willen? Da bedarf es denn doch noch schwereren Geschützes, um das nachgerade sehr stark fundierte Gebäude der elektromagnetischen Lichttheorie ins Wanken zu bringen.1

In seinem Gutachten zur Aufnahme von Einstein in die Preußische Akademie der Wissenschaften kam Planck 1913 ebenfalls nicht umhin, bezüglich der Lichtquantenhypothese warnend einzufügen, „daß er [Einstein] in seinen 1 Planck

(1910), insbesondere S. 763f., wiederabgedruckt in Planck (1958), Zitat S. 242ff.

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2023 K. Hentschel, Lichtquanten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-66933-4_5

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Tab. 5.1 Gegenüberstellung von Anhängern und Gegnern einer diskontinuierlichen Modellierung von Licht u. a. elektromagnetischer Strahlung vor Bekanntwerden der Experimente von Compton 1923, nach Brush (2007) S. 232, der ferner diejenigen, die noch vor 1923 von Gegnerschaft zu einer Anhängerschaft konvertierten, mit C.V. markierte, während umgekehrt diejenigen, die nach 1923 von Anhängern zu Gegnern mutierten, mit B.S. für backslider markiert wurden. In runden Klammern die Lebensalter zum Stichjahr 1920. Während Brush (2007) nur nach zwei Kategorien sortierte, sind hier drei Spalten aufgeführt, um Einsteinsche Lichtquanten- und post-Newtonianische Teilchenvorstellungen in der linken und mittleren Spalte zu unterscheiden Teilchenmodell

Lichtquanten

Gegner des Konzepts

William H. Bragg (58) William L. Bragg (30) Daniel F. Comstock (37) C.D. Ellis (25) Arthur L. Hughes (37) Oliver Lodge (61) D.V. Mallik (54) G.W.C. Kaye (40) C.V. Johannes Stark (46) J.J. Thomson (64) Robert W. Wood (52)

Einstein (41) Louis de Broglie (28) Maurice de Broglie (45) Norman R. Campbell (40) James A. Crowther (37) A. S. Eddington (38) B.S. Paul Ehrenfest (40) James Jeans (43) Abram Joffé (40) Arthur Haas (36) H.A. Kramers (26) B.S. Rudolf Ladenburg (38) Walther Nernst (56) Leonard T. Troland (31) Fritz Reiche (37) Erwin Schrödinger (33) B.S. Mieczyslaw Wolfke (37)

Alfred Berthoud (46) Niels Bohr (35) Leon Brillouin (31) A. H. Compton (28) C.V. Peter Debye (36) William Duane (48) Franz S. Exner (71) G.W.C. Kaye (40) C.V. Max v. Laue (40) H.A. Lorentz (67) Robert A. Millikan (52) J.W. Nicholson (39) Max Planck (62) O.W. Richardson (41) Arnold Sommerfeld (52) Siegfried Valentiner (42)

Spekulationen gelegentlich auch einmal über das Ziel hinaus geschossen haben mag, wie z. B. in seiner Hypothese der Lichtquanten, wird man ihm nicht allzusehr anrechnen dürfen.“ 2 Somit überwog selbst unter den stärksten Förderern und Mentoren Einsteins, zu denen zweifellos Planck und sein Schüler Max von Laue (1879–1960) zählten, in Bezug auf das Konzept der Lichtquanten 1913 noch starke Skepsis bis hin zu offener Ablehnung. Zu radikal erschien der Bruch mit den Grundfesten der Maxwellschen Elektrodynamik, den Einstein mit seinen Überlegungen zu einer Quantisierung der Energie des elektromagnetischen Feldes vornahm, das nun schon 50 Jahre lang als raum-zeitliches und energetisches Kontinuum modelliert worden war. Tab. 5.1 zeigt, dass bis zum Stichjahr 1923 numerisch gesehen eine Art Gleichstand zwischen ausdrücklichen Gegnern jedweder Quantisierung des Strahlungsfeldes und ausdrücklichen Anhängern der Einsteinschen Lichtquanten-Konzeption erreicht war. Einige der ältesten Fachvertreter finden sich in der 2 Siehe

Kirsten & Treder (Hg.) 1979, hier Bd. 1, S. 96 sowie CPAE 5, S. 527.

5 Frühe Rezeption des Konzepts von Lichtquanten

159

linken Spalte, die diverse Formen der Wiederaufnahme post-Newtonianischer Teilchenkonzepte hochenergetischer Strahlen beinhaltet. Umgekehrt finden sich etliche der jüngsten Fachvertreter (zehn davon noch unter 40) unter der Anhängerschaft Einsteins, so dass sich durchaus eine gewisse Evidenz für die einmal von Max Planck geäußerte zynische These ergibt, dass sich neue Theorien dadurch durchsetzen, dass die Anhänger der alten Theorie aussterben.3 Nach 1923 konvertierten nur noch ganz wenige in dieser Tabelle aufgeführte Personen zur gegenteiligen Überzeugung, am beachtenswertesten unter diesen sicherlich Arthur Holly Compton 1923 auf der Basis seiner eigenen Streuexperimente, eine Person (G.W.C. Kaye) schwankte unentschlossen zwischen beiden Positionen hin und her. Die weitaus überwiegende Zahl der Physiker war bis zu diesem Zeitpunkt allerdings noch gar nicht festgelegt, sondern verfolgte die Debatte ohne eigene Stellungnahme.

5.2

Der Compton-Effekt als Wegscheide 1922/23

Die Front der hartgesottenen Gegner in der rechten Spalte der obigen Tabelle bröckelte erst, als im Laufe des nächsten Jahrzehnts weitere experimentelle Stützen der Lichtquantenhypothese gelangen, bemerkenswerterweise vorgebracht von zwei US-amerikanischen Persönlichkeiten, die keineswegs zu den unumwundenen Anhängern der neuen Physik‘ zählten, sondern z. T. ausdrücklich ’ angetreten waren, Einsteins Lichtquantenhypothese zu widerlegen. Robert Andrews Millikan (1868–1953) bestätigte 1916 die Einsteinsche phänomenologische Formel E = hν − WA und machte damit zugleich auch Plancks Wirkungsquantum h sehr genau messbar.4 Arthur Holly Compton (1892–1962) bestätigte 1922 durch Streuung von hochenergetischen Röntgenstrahlen an Graphit die von Einstein vorhergesagte Verkleinerung der Frequenz ν von Lichtquanten bei Streuung an einem Elektron. Parallel zu Compton kam auch Peter Debye Anfang 1923 zu einer ähnlichen Herleitung.5 Der Physikhistoriker Roger Stuewer hat davor gewarnt, in diesen Experiment eine linearisierte Geschichte von Einsteins theoretischer Voraussage und nachfolgende unproblematische experimentelle Bestätigung zu sehen und darauf hingewiesen, dass dies nur im späteren Rückblick so erscheint:

3 Siehe

Planck (1948) S. 22. Millikan (1916a und b) sowie hier Abschn. 3.6–3.7. 5 Zu dieser Episode siehe Compton (1922), (1923a, b), (1927) bzw. Debye (1923); vgl. Stuewer (1975a), (1998) und dort genannte weiterführende Quellen. 4 Siehe

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Millikan and his students finally confirmed the predicted linear relationship between the frequency of the incident radiation and the maximum energy of the ejected photoelectrons. However, Millikan categorically rejected Einstein’s lightquantum hypothesis as an interpretation of his experiments – despite his own words to the contrary in his later, self-aggrandizing autobiography.[6 ] Compton in fact began his postdoctoral career in 1916 in an atmosphere of virtually universal skepticism toward Einstein’s light-quantum hypothesis. […] Then, as Compton’s own X-ray scattering experiments progressed, he rejected one interpretation after another, misread his experimental data, then read it correctly, and in general struggled on his own to the extent that Einstein’s name does not appear once in Compton’s published papers. In the end, moreover, Compton was nearly scooped in his discovery by Peter Debye, who in contrast was directly influenced by his knowledge of Einstein’s light-quantum hypothesis.7

Wie man in Abb. 5.1 links oben sieht, hatte Compton die aus einer sehr hart eingestellten wassergekühlten Hochleistungsröhre ausgestrahlten Röntgenstrahlen durch Bleiplatten, enge Spalte von nur 0,1 mm Breite und Filter zur Verbesserung der angenäherten Monochromatizität zu einem scharfen Strahl gebündelt, den er dann auf einen zylindrischen Streukörper aus Graphit lenkte. Die im Graphit nur lose gebundenen Elektronen werden durch die Nadelstrahlung‘ aus dem Atomverband geradezu herauskatapultiert und flie’ gen in statistisch breit streuende unbekannte Richtungen davon – die ebenfalls gestreute Röntgenstrahlung wird als Funktion des Streuwinkels ϑ durch weitere Bleiblenden und einen drehbar gelagerten Kalzit-Kristall in einem Zählrohr detektiert. Comptons Apparatur erlaubte die Variation des Streuwinkels ϑ von 0◦ bis zu weit über 90◦ und machte es wegen des Drehkristalls vor dem Szintillationszählrohr zugleich möglich, über die Röntgenbeugung am Kristallgitter die Wellenlänge λ der gestreuten Strahlung zu bestimmen. Wie man im rechten Teil der Abb. 5.1 erkennt, trat für wachsende Streuwinkel ϑ neben der ursprünglich von der Röntgenröhre kommenden Wellenlänge der Spektrallinie λ = 0,711 Å der K α -Linie von Molybdän8 noch die größere Wellenlänge λ auf, die mit größer werdendem Winkel ϑ immer mehr zunahm. Seine Messgenauigkeit schätzte Compton damals auf ±0,0001 Å ein, was einer Fehlerbreite von nur 1,5 ‰ entsprach. Wegen der De-Broglie-Relation λ = h/p bedeutete das, dass die Röntgenstrahlung umso mehr Energie und Impuls verlor, je größer dieser Streuwinkel war – qualitativ ähnlich wie im analogen klassischen 6 Millikan (1950) S. 101–102 Für rückhaltlose Kritik an Millikans Geschichtsklitterei siehe Holton (2000)

sowie Stuewer (1998) und (2014) S. 143: „Millikan’s philosophy of history: if the facts don’t fit your theory, change the facts.“ 7 Stuewer (1998). 8 dem Elektrodenmaterial der Röhre, das Compton von der Firma General Electric gestellt worden war: siehe Compton (1923b) S. 410 u. 413.

5 Frühe Rezeption des Konzepts von Lichtquanten

161

Abb. 5.1 Schematischer Aufbau und Messergebnisse von Compton 1922. Wie man im rechten Teil sieht, konnte Compton beobachten, dass in der Streustrahlung neben der ursprünglich von der Röntgenröhre kommenden Wellenlänge λ noch eine größere Wellenlänge λ auftrat, die mit größerem Winkel ϑ immer weiter anwuchs. Rechts aus Compton (1923b) S. 411 mit freundl. Genehmigung durch die American Physical Society, c 1923. Links oben aus http://www.leifiphysik.de/sites/default/files/medien/anord_quantenobjektp_ gru.gif (20.3.2016)

Stoß elastischer Kugeln. Allerdings war die Energie- und Impulsbilanz hier eine andere, da Röntgenstrahlen eine Form elektromagnetischer Strahlung sind, die sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreitet und der hochrelativistischen, nicht der klassischen Dynamik unterliegt. Während für klassische Teilchen mit nicht verschwindender Ruhemasse m folgt: E = [(mc2 )2 +(mv)2 c2 ]1/2 , gilt für das Licht und andere elektromagnetische Wellen (wegen ihrer verschwindenden Ruhemasse) E = pc = h/λ und analog für die gestreute Röntgenstrahlung E  = pc = h/λ . Aus Energie- und Impulserhaltungssatz folgte somit für den Fall der Compton-Streuung an Elektronen der Masse m e nach wenigen Umformungen weiter: Δλ = λ − λ = mhe c · [1 − cos(β)].9 Dieses Experiment zeigte unumstößlich, dass man harter Röntgenstrahlung Energie und Impuls zuschreiben musste und dass die Wechselwirkung 9 Für ausführliche Ableitungen dieser Formel, die heute Schulwissen darstellt und in der Form h = λ = c me c 2, 426 × 10−12 m auch als Compton-Wellenlänge bezeichnet wird, siehe z. B. Compton (1922), (1923a),

Debye (1923), sowie http://www.abi-physik.de/buch/quantenmechanik/compton-effekt/ (21.3.2016).

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dieser Strahlung mit Materie auf Wechselwirkungszonen von der Größe eines einzelnen Elektrons reduziert werden kann, in denen die Röntgen-Quanten teilchenartige Stoß- und Streuprozesse durchlaufen, die durch die hochrelativistische Dynamik mit großer Präzision beschrieben werden können.10 Insofern hatte Compton mit seinen Experimenten die Lichtquantenhypothese Einsteins ebenso bestätigt wie zugleich auch Einsteins spezielle Relativitätstheorie. Anfangs hatten Zeitgenossen wie William Duane (1872–1935) an der Harvard University noch Schwierigkeiten, Comptons Experimente zu wiederholen, aber nachdem das im März 1923 Peter Debye in Zürich und Ende 1924 auch weiteren Experimentatoren in den USA gelungen war, nahmen immer mehr Physiker die Einsteinschen Lichtquanten als eine ernsthaft in Betracht zu ziehende Hypothese wahr. Arnold Sommerfeld z. B. nahm den ComptonEffekt schon 1924 in die vierte Auflage seines Handbuchs über Atombau und Spektrallinien auf und führte über die „grundlegende Bedeutung des Comptonschen Resultats“ folgende Breitseite gegen die bisherige Deutungshoheit der Wellentheorie ins Feld: Ein Strahl, in dem Energie und Impuls punktförmig lokalisiert sind, unterscheidet sich sachlich nicht mehr von einem korpuskularen Strahl; wir haben Newtons Korpuskeln wiederbelebt. […] Wenn die Beobachtung der Röntgenstrahlen tatsächlich eine Änderung der Wellenlänge ergibt, so scheint es um die Wellentheorie geschehen! Dann kann sie auch im optisch sichtbaren Gebiete ihre bisherige Stellung kaum mehr behaupten; sie muß, außer den Erscheinungen der Erzeugung, Vernichtung und Verwandlung des Lichtes, auch die Tatsachen der Reflexion, Brechung, Dispersion und Zerstreuung an die Quantentheorie abtreten und es bleiben nur noch die Vorgänge der reinen Phasenbeziehungen, der Interferenz und Beugung, erhalten. Auf diese Weise erweitert sich der Geltungsbereich der Quantentheorie von Jahr zu Jahr, und verengt sich derjenige der Wellentheorie.11

Sowohl Millikans beide Publikationen aus dem Jahr 1916 wie auch die von Compton aus dem Jahr 1923 zählen zu den meistzitiertesten physikalischen Aufsätzen der 1920er und 1930er Jahre – das gleiche gilt für ihre vielbeachteten und mehrfach wiederabgedruckten Nobelpreisvorträge, die sie 1923 bzw. 1927 hielten. Der Aufsatz von Compton (1923a) in der Physical Review ist sogar

10 Zur hochpräzisen Gültigkeit von Energie- und Impulserhaltung beim Compton-Effekt siehe Cross & Ramsey (1950). 11 Sommerfeld (1919c) [4. Aufl. 1924] S. 57–59; vgl. Michael Eckert in http://edition-open-access.de/ studies/2/7/index.html über sechs Auflagen dieses Standard-Lehrbuchs der Quantentheorie.

5 Frühe Rezeption des Konzepts von Lichtquanten

163

der zwischen 1920 und 1929 am häufigsten zitierte Aufsatz.12 Aber häufiges zitieren reicht noch nicht als Nachweis dafür, dass an die zitierte Sache zu 100 % geglaubt wird. Es war nur klar, dass tatsächlich Energie- und Impulsübertrag vom Lichtquant zum Elektron stattfindet. Robert Millikan formulierte seinen damaligen Standpunkt so, dass noch immer viel Skepsis mitklang: After ten years of testing and changing and learning and sometimes blundering […] this work resulted, contrary to my own expectation, in the first direct experimental proof […] of the exact validity […] of the Einstein equation and the first direct photo-electric determination of Planck’s h. […] the general validity of Einstein’s equation is, I think now universally concluded, and to that extent the reality of Einstein’s light quanta may be considered as experimentally established. But the conception of localized light quanta out of which Einstein got his equation must still be regarded as far from being established.13

Compton sprach seither dann bis kurz vor seinem Tod gerne quasi-Newtonianisch von corpuscles‘ oder gar von „light bullets [which] act like projectiles ’ knocking electrons out of matter“ 14 und hatte ganz offensichtlich ein recht naives mentales Modell von „photon particles [...] as energy concentrated in a single particle acting as a unit on a single electron.“ 15

5.3

Die BKS-Theorie 1924 und Experimente von Bothe & Geiger zu deren Widerlegung

Comptons Experimente hatten auch Einfluss auf die Frage, inwiefern so eherne Grundsätze der Physik wie der Energieerhaltungssatz aus der klassischen Physik in die neue Quantentheorie und Quantenmechanik unverändert übernommen werden können. Eine besonders radikale Position nahm dabei der Däne Niels Bohr ein. Im Bohr-Sommerfeldschen Atommodell war er ja schon bereit gewesen, das Larmor-Theorem der klassischen Elektrodynamik, demzufolge kreisförmig beschleunigte Ladungen Energie abstrahlen, per fiat außer Kraft zu setzen, womit er zunächst viele Physiker empört hatte, bevor angesichts der großen empirischen Erfolge dieses Modells dann doch eine gewisse Gewöhnung an seine Ungeheuerlichkeit einsetzte. Im Januar 1924 verfasste er 12 Siehe dazu Small (1986) S. 144–145, demzufolge Compton (1923) bis 1929 in den 20 international führenden Physikzeitschriften insgesamt 78-mal zitiert wurde; basierend auf dem von Small (1981) vorgelegten Physics Citation Index 1920–29; vgl. Brown (2002) zur Nachwirkung Comptons. 13 Robert Millikan (1924) S. 61–62 und 64. 14 Zitate aus Compton (1925) S. 246 [vgl. auch den Bildausschnitt in Abb. 5.2] sowie aus Compton (1961) S. 820. 15 Compton (1961) S. 818 sowie 820.

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Abb. 5.2 A.H. Compton über „Light Bullets“, aus Scientific American, Okt. 1925 S. 246. Die Zeichnung im unteren Teil des Ausschnitts spielt an auf die Experimente von Taylor (1909) über „interference fringes with feeble light“ (vgl. hier Abschn. 8.3)

zusammen mit seinem engen Mitarbeiter Hendrik Anthony Kramers (1894– 1952) und einem amerikanischen Gast, John Clarke Slater (1900–1976), einen längeren Aufsatz über die Quantentheorie der Strahlung, der unter der Bezeichnung Bohr-Kramers-Slater Theorie (BKS-Theorie) bekannt wurde.16 Schon in der Einleitung spürt man die großen mentalen Vorbehalte, die die drei Autoren noch gegen Einsteins Lichtquantenhypothese haben. Diskontinuitäten in der Wechselwirkung zwischen Strahlung und Materie hätten zur Einführung der Lichtquantenhypothese geführt, die in ihrer extremsten Form die Wellennatur des Lichtes leugne. Doch diese Quantentheorie sei bislang völlig formal, da sie keinerlei konkrete Modellvorstellung für das zulasse, was während des Übergangs zwischen stationären Zuständen im Atom wirklich passiere. Genau das wollten die drei Autoren nun ändern, wobei sie einer Anregung von Slater folgten, der die Idee hatte, dass dieser Übergang durch ein virtuelles Führungsfeld vorbereitet werde, das gleichsam vorfühle, auf wel16 Zum nachfolgenden siehe Bohr, Kramers & Slater (1924a) S. 785 ff. sowie Mehra & Rechenberg (1982)

Bd. 1, S. 532–554, Pais (1991) S. 232–238, Kragh (2009); zu Kramers siehe Dresden (1987), zu Slater siehe Morse (1982).

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165

che zweite Bahn (bzw. welches verfügbare Energieniveau E 2 ) ein Elektron denn abspringen könne, wenn es seine eigene Bahn (mit dem Energieniveau E 1 ) verlasse, denn nur so könne gesichert werden, dass das bei dem Verlassen der ersten Bahn abgestrahlte Lichtquantum wirklich die passende Energie ΔE = E 2 − E 1 = h · ν und Frequenz ν habe.17 Dieses Lichtquantum setzten die Autoren stellenweise sogar in Anführungszeichen, um sich von der Vorstellung von „entities, each of which contains the energy hν, concentrated in a minute volume“ zu distanzieren, die zwar ihren heuristischen Wert z. B. bei der Deutung des photoelektrischen Effekts bewiesen habe, aber offensichtlich keine befriedigende Lösung des Problems der Lichtausbreitung liefere und auch die Interferenzphänomene nicht zu erklären vermöge.18 Gemäß dem von Bohr und Kramers auch bei vielen Gelegenheiten sehr erfolgreich eingesetzten sogenannten Korrespondenzprinzip der Quantentheorie musste für große Quantenzahlen ein Übergang der quantentheoretischen Aussagen in diejenigen der klassischen Mechanik und Elektrodynamik möglich sein. Dies betrifft allerdings nur den Grenzübergang für den Fall sehr vieler Übergänge und sagte noch nichts über den einzelnen Übergang zwischen zwei Energieniveaus aus. Bisher war man immer davon ausgegangen, dass die ehernen Gesetze der Mechanik, zu denen insbesondere auch das Energieerhaltungsgesetz zählte, auch für den atomaren Einzelprozess gelten, aber wer garantiere dies eigentlich? Wie nicht zuletzt die Plancksche Theorie der Schwarzkörperstrahlung und die Einsteinsche Theorie der spontanen und induzierten Emission zeigen, sei weiterer Fortschritt in der Quantentheorie nur mit einem Übergang zu probabilistischen Überlegungen möglich. Daher läge es nahe, einmal die Annahme zu machen, dass der einzelne Quantenübergang nicht von deterministischen, sondern nur von statistischen Gesetzen gesteuert werde. Dann sei es für den Einzel prozess aber keineswegs zwingend, dass in jedem Einzelfall das Energieerhaltungsgesetz in aller Strenge erfüllt sei – nur in der statistischen Summe müsse dies gewährleistet bleiben, denn nur diese sei mit makroskopischen Meßinstrumenten zu erfassen. Auch auf die sich sofort stellende Frage, wie diese statistische Aufrechterhaltung der Energie- und Impulserhaltung gewährleistet werden könne, hatten die drei Autoren eine Antwort parat: durch das von Louis de Broglie und Slater ja bereits aus anderen Gründen vermutete virtuelles Strahlungsfeld, das die jeweiligen Übergänge induziere und diese

17 Bohr,

Kramers & Slater (1924a) § 1, S. 786 sowie § 2, S. 793 und ergänzend Slater (1924). Dieses Problem mit der Kausalität in Quantensprüngen war bereits 1913 von Rutherford vorgebracht worden und im Bohr-Sommerfeldschen Atommodell bislang immer als unbeantwortbar zurückgestellt worden: siehe Hentschel (2009b) für Nachweise und weiterführende Literatur. 18 Ibid., S. 787. Damit spielten sie auf die Einwände von Lorentz an (siehe Abschn. 4.3). Auch Pascual Jordan (1924) erwog in einem seiner ersten Aufsätze verschiedene mentale Modelle jener Quantensprünge.

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Wahrscheinlichkeiten so beeinflusse, dass insgesamt „the observed statistical conservation of energy and momentum“ resultiere.19 Als Einstein von den Überlegungen Bohrs und seiner Mitarbeiter hörte, schrieb er einen seiner berühmten Briefe an Max Born (1882–1970) in Göttingen, mit dem er sich ständig über die neuesten Entwicklungen der Quantentheorie austauschte: Bohrs Meinung über die Strahlung interessiert mich sehr. Aber zu einem Verzicht auf die strenge Kausalität möchte ich mich nicht treiben lassen, bevor man sich nicht noch ganz anders dagegen gewehrt hat als bisher. Der Gedanke, daß ein einem Strahl ausgesetztes Elektron aus freiem Entschluß den Augenblick und die Richtung wählt, in der es fortspringen will, ist mir unerträglich. Wenn schon, dann möchte ich lieber Schuster oder gar Angestellter in einer Spielbank sein als Physiker. Meine Versuche, den Quanten greifbare Gestalt zu geben, sind allerdings immer wieder gescheitert, aber die Hoffnung gebe ich noch lange nicht auf. Und wenn’s gar nicht gehen will, dann bleibt doch der Trost, daß der Mißerfolg nur an mir liegt.20

„The proof of the pudding is in the eating“ sagt ein angelsächsisches Sprichwort – demzufolge war die einzige Möglichkeit, dieser sehr gewagten BKS-Theorie Plausibilität zu verschaffen, deren erfolgreiche Anwendung auf Experimente. In dem Aufsatz aus Kopenhagen waren einige prinzipiell vielleicht testbare Folgerungen der Theorie angesprochen worden, darunter insbesondere auch die Konsequenz aus einer statistisch breiteren Verteilung von Energie und Impuls der Lichtquanten: Bei Streuprozessen von Lichtquanten an Elektronen sollte es zu einer verhältnismäßig breiten Winkelverteilung der gestreuten Elektronen kommen, deutlich breiter als es das klassische Bild eines billiardkugelähnlichen Stoßprozesses mit eindeutigem Ergebnis nahelege. Hier setzten Walther Bothe (1891–1957) und Hans Geiger (1882–1945) an. Im Juni 1924 schlugen sie vor, ein verschärftes Comptonsches Streuexperiment zu machen (Abb. 5.3), bei dem nicht nur die Richtung des gestreuten Elektrons, sondern auch die Richtung der gestreuten Röntgenstrahlung exakt vermessen werde, um so die Gültigkeit oder Nicht-Gültigkeit von Energie- und Impulserhaltung im Einzelfall nachprüfen zu können.21 Das war möglich geworden, seit durch sog. Spitzenzähler (Vorläufer der späteren Geiger-Müller-Zählrohre) Koinzidenzmessungen in den Bereich des experimentell realisierbaren kamen – tatsächlich 19 Bohr, Kramers & Slater (1924a) S. 793 sowie den folgenden Unterabschnitt. Genau diese letzte Annahme

wurde später als ad hoc kritisiert. In wissenschaftstheoretischer Perspektive wurde die BKS-Theorie später sogar zum vielzitierten Musterbeispiel einer unbefriedigenden ad-hoc-Theorie. 20 A. Einstein an M. Born, 29. April 1924, zuerst veröffentlicht in Born (Hg.) 1969, S. 118f. sowie in CPAE 14, S. 371. 21 Siehe Bothe & Geiger (1924) sowie zur quantitativen Abschätzung im einzelnen: Bothe (1924).

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167

Abb. 5.3 Versuchsaufbau zur Koinzidenzmessung von Bothe und Geiger 1924/25. Der von oben durch eine kleine Lücke zwischen zwei Spitzenzählern in die Wasserstoffatmosphäre der linken Röhrenhälfte eindringende primäre Röntgenstrahl wird dort an einem Elektron gestreut. Die vor dem Spitzenzähler in Zählrohr 2 montierte dünne Platinfolie absorbiert Elektronen, lässt Photonen mit Röntgenwellenlänge jedoch durch, so dass zeitliche Koinzidenzen der Detektion eines Elektrons in Zählrohr 1 und eines Photons in Zählrohr 2 innerhalb von 10−3 s einzelnen Streuprozessen zugeordnet werden können. Gemeinfreie Abb. aus https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Koinzidenzmessung.png

war das von Bothe und Geiger dann im Rest des Jahres 1924 an der PTR in Berlin-Charlottenburg angestellte Streuexperiment das erste, das auf Koinzidenzen beider Streupartner hin ausgewertet wurde. Ihr Ergebnis, das erst im April 1925 veröffentlicht wurde, bestätigte die exakte Gültigkeit der Energieund Impulserhaltung und widerlegte somit die BKS-Theorie.22 Einstein erfuhr von diesen Messergebnissen während seiner Vortragsreise durch Südamerika. In einem Vortrag am 7. Mai 1925 in Rio de Janeiro bezeichnete er dieses Ergebnis, „wenn es sich bestätigt, [als] neues wichtiges Argument für die Realität der Lichtquanten als korpuskel-artigen Quanten.“ 23 Parallel zu Bothe und Geiger ging auch A.H. Compton 1925 den durch Röntgenstrahlung gestreuten Elektronen nach. Er positionierte seine Wechselwirkungszonen in das Innere von Wilsonschen Nebelkammern und zündete durch explodierende Wolfram-drähte sehr kurzzeitige Lichtpulse. Von den so gewonnenen fast 1300 stereoskopischen Aufnahmen zeigten immerhin 38 Spuren der Stoßpartner, die auf deren Wechselwirkungsort und ihre Impulse Rückschlüsse zuliessen. 18 davon waren als Photographie eines einzelnen Stoßprozesses zu interpretieren und zeigten, dass in all diesen Fällen Energie- und Impulserhaltung gewahrt blieben. Damit war einerseits neues Belegmaterial gegen die Hypothese von Bohr, Kramers und Slater, dass die Energieerhaltung 22 Siehe Bothe & Geiger (1925) sowie zu den Methoden ergänzend Trenn (1976), Galison (1991) S. 440 f.

Für den Wissenschaftstheoretiker Karl R. Popper (1934), (1935) §77, S. 179 wurde dieses Experiment von Bothe und Geiger zum Musterbeispiel eines experimentum crucis, das eine klare Entscheidung zwischen deterministischen und bloß stochastischen Naturgesetzen ermöglichte. 23 Siehe Einstein (1925) und Tolmasquim & Moleira (2002).

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bei subatomaren Prozessen vielleicht nur im statistischen Mittelwert erfüllt sei, andererseits zeigten diese nun auch photographisch dokumentierten Stoßprozesse, „that at least a large proportion of the scattered x-rays proceed in directed quanta of radiant energy“.24 In einem populärer gehaltenen Bericht über seine neuesten Ergebnisse für den Scientific American ließ Compton stärker durchscheinen, was damals sein eigenes mentales Modell dieser Streuexperimente war: „Recent experiments show that light rays act like projectiles in knocking electrons out of matter. […] We thus have a new picture of light as consisting of streams of little particles […] light bullets“.25 In den diesem Artikel beigegebenen Illustrationen wurde das noch untermalt durch eine Graphik (hier Abb. 5.2), in der unterhalb einer als Sinuskurve gezeichneten Welle ein aus vielen kleinen Punkten bestehendes Muster abgebildet war, bei dem die Punkte immer da, wo in der Welle ein Extrempunkt vorlag, hoch, in den Nullstellenbereichen jedoch sehr niedrig war. Comptons neues mentales Modell war das von einem feinen Strom sehr vieler, sehr kleiner quasi-Newtonianischer Teilchen, und die Erwärmung von Körpern beim Aufprallen von Licht wurde rekonzeptualisiert als analog zu einem „stream of bullets from a rapid-fire striking a target“.26 Wie wir in Abschn. 9.1–9.3 sehen werden, sollte sich diese Auffassung von Photonen als scharf lokalisierbarer, individuierbarer Teilchen als falsch und irreführend herausstellen, auch wenn sie bis heute in den Köpfen vieler Physiker herumspukt. Eine von Bragg, Compton, Sommerfeld und Millikan 1924/25 angemahnte konsistente Deutung des Lichtquantums, das ab 1926 im angelsächsischen Bereich nur noch als Photon‘ bezeichnet wurde, blieb jedoch noch lange aus und ’ ist es vielleicht sogar bis heute geblieben (für neuere Belege siehe Kap. 8–9). Paradoxerweise zeigten spätere Re-Analysen des Comptoneffekts, beginnend 1924 mit Otto Halpern über Guido Wentzel, Guido Beck, Erwin Schrödinger und Paul A.M. Dirac bis hin zu zwei Aufsätzen von Oscar Klein und Yoshio Nishina 1928/29 ganz klar auf, dass man von der Energie- und Impulsbilanz her die Röntgenstrahlstreuung durchaus auch semiklassisch berechnen konnte, also ohne irgendwelche Annahmen über eine Quantisierung des Feldes (vgl. dazu hier Abschn. 5.6). Insofern ist die Compton-Streuung – streng genommen – ebenso wie der photoelektrische Effekt gar kein unumstößlicher Beweis für die Lichtquantenhypothese, als der sie so oft bezeichnet wurde. Aber sie war trotzdem eine Wegscheide, einerseits für die Akzeptanz des Lichtquantums unter Physikern, andererseits wegen der heftigen Diskussionen über die 24 Compton

& Simon (1925) S. 289 u. 299. (1925) S. 246; vgl. ferner Silva & Freire (2011). 26 Compton (1925) S. 246. Passend dazu wurde Einsteins Portrait von ihm untertitelt: „Professor Albert Einstein. He revived the old Newtonian idea of light corpuscles in the form of quanta.“ 25 Compton

5 Frühe Rezeption des Konzepts von Lichtquanten

169

Winkelverteilung der Intensität gestreuter Strahlung auch für die Entwicklung der Quantenelektrodynamik ab 1927.

5.4

Führungsfelder bei De Broglie, Slater und Born 1924–27

Ein Ko-Autor des BKS-Papers, John Clarke Slater (1900–1976), auf den die Initiative zum Schreiben dieses Aufsatzes zurückging,27 veröffentlichte im gleichen Jahr 1924 auch einen eigenen Artikel in der Zeitschrift Nature, in dem er sein mentales Modell deutlicher aussprach: Any atom may, in fact, be supposed to communicate with other atoms all the time it is in a stationary state, by means of a virtual field of radiation, originating from oscillators having the frequencies of possible quantum transitions, and the function of which is to provide for statistical conservation of energy and momentum by determining the probabilities for quantum transitions. The part of the field originating from the given atom itself is supposed to induce a probability that that atom lose energy spontaneously, while radiation from external sources is regarded as inducing additional probabilities that it gain or lose energy, much as Einstein has suggested. The discontinuous transition finally resulting from these probabilities has no other external significance than simply to mark the transfer to a new stationary state, and the change from the continuous radiation appropriate to the old state to that of the new.28

Mit anderen Worten: das Strahlungsfeld stellte für Slater eine Art virtueller Verbindung zwischen den einzelnen, quantisiert schwingenden und mit dem Strahlungsfeld in Resonanz stehenden Atomen her. Im vorigen Abschnitt hatten wie schon gesehen, dass die hier erwähnte Annahme, die Energie- und Impulserhaltung sei bei diesen Übergängen nur im statistischen Mittel erhalten ist, falsch war, wie die Experimente von Bothe und Geiger noch im gleichen Jahr zeigen konnten. Das ist aber nur die eine Hälfte der Geschichte. Hier für uns im Hinblick auf mentale Modelle mindestens genau so interessant ist Slaters Versuch, die Kontinuumstheorie elektrodynamischer Felder und die Lichtquantentheorie miteinander zu verbinden. Im Unterschied zu Niels Bohr, der die Lichtquantenhypothese ablehnte, machte Slater also heuristisch „an attempt to combine the elements of the theories of electrodynamics and of light 27 Zu

Slater siehe Morse (1982), dort insb. S. 299f.; zur Genese und zum Kontext des BKS-Papers vgl. Slater (1973), (1975) S. 8–14, Niels Bohrs Collected Works, Bd. 5 (1984) S. 99–118, Dresden (1987) S. 159ff., Beller (1999) S. 23, 83, 259. 28 Slater (1924) S. 307f.; zur Erläuterung von Slaters Vorstellungen vor der Interaktion mit Kramers und Bohr, die diese in eine andere Richtung umlenkten, vgl. ferner Dresden (1987) S. 159-163.

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quanta by setting up a field to guide discrete quanta, which might move, for example, along the direction of Poynting’s vector“.29 Dies lief auf eine Wiederbelebung eines mentalen Modells hinaus, das Einstein bereits 1909 auf der Salzburger Tagung der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Ärzte angedeutet hatte (vgl. dazu hier Abschn. 4.2). Das ein Atom umgebende elektromagnetische Feld bestimmte durch Rückwirkung auf jenes Atom auch dessen weitere Ausbreitung sowie sein Strahlungsverhalten, wirkte somit wie eine Art Führungsfeld. Was für elektrisch geladene Atome und Elementarteilchen wie das Elektron von J.J. Thomson, H.A. Lorentz u. a. bereits in der Elektrodynamik diskutiert worden war, wurde von Slater nun auch auf Lichtquanten übertragen. Einerseits waren diese – nach dem seit Comptons Experimenten von 1923 dominierenden korpuskularen Verständnis – Licht teilchen‘ , andererseits hat’ ten sie eben auch Welleneigenschaften. Diese die Lichtquanten umgebenden kontinuierlichen elektromagnetischen Felder waren es, die in Slaters mentalem Modell die weitere Bewegung jener Lichtquanten dann entlang des PoyntingVektors dirigierten, welcher den Fluss von Energie und Impuls im Strahlungsfeld elektrodynamisch beschrieb.30 Aufgrund heftiger Einwände von Bohrs Assistent H.A. Kramers und von Bohr selbst wurde dieses mentale Modell in dem von den dreien 1924 dann gemeinsam veröffentlichten BKS-Aufsatz verwässert, was Slater rückblickend sehr bedauerte.31 Weil Bohr zu dieser Zeit noch ein entschiedener Gegner der Lichtquantenhypothese war,32 war dieser damals nur dazu bereit, ihnen höchstens statistische Bedeutung zuzusprechen – daher auch der von Bohr in das BKS-paper eingebrachte Rekurs auf die vermeintlich nurmehr statistische Gültigkeit des Energieerhaltungssatzes – eine Annahme, die sich schnell als falsch herausstellte. Wie sehr Slater mit dieser Umbiegung seiner ursprünglichen Konzeption Gewalt angetan worden war betonte Slater erst im großen historischen Abstand in einer Reihe von Interviews, Briefen und autobiographischen Texten, die sein großes Bedauern, seine Enttäuschung und aufgestaute Wut über diese Zensur 29 Ibid.,

308; vgl. auch Slater (1925c) sowie Swann (1925) S. 432ff., mit dem Slater sich auf dem Treffen der American Association for the Advancement of Science in Washington, D.C. am 30. Dez. 1924 Ideen ausgetauscht hatte. 30 Zu diesem mentalen Modell Slaters siehe insb. dessen Korrespondenz mit Niels Bohr im November 1923, abgedruckt in Niels Bohrs Collected Works, Bd. 5 (1984) S. 8–9 sowie Slater (1924, 1925b); vgl. ferner Kragh (2009) sowie weitere Lit. u. url’s unter https://en.wikipedia.org/wiki/BKS_theory. 31 Siehe Slater (1924) S. 308: „But when the idea with that interpretation was described to Dr. Kramers, he pointed out that it scarcely suggested the definite coupling between emission and absorption processes which light quanta provide, but rather indicated a much greater independence between transition processes in distant atoms than I had perceived. The subject has been discussed at length with Prof. Bohr and Dr. Kramers [...]“. In gleicher Tonlage später Slater (1973) S. 20 „the paper of Bohr, Kramers and Slater (1924a) which resulted from our discussions, came out in an unsatisfactory hybrid form“. 32 Slater (1975) S. 11: „to my consternation I found that they [Bohr & Kramers, KH] completely refused to admit the real existence of the photons.“ Zu Bohrs Haltung zu Lichtquanten: Stachel (2009).

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seiner Ideen zeigen.33 In einem Brief an seinen Kollegen Bartel Leendert van der Waerden (1903–1996), der damals eine Anthologie von Pionierarbeiten zur Geschichte der Quantenmechanik vorbereitete, schrieb Slater: As you suspected, the idea of statistical conservation of energy and momentum was put into the theory by Bohr and Kramers, quite against my better judgment. I had gone to Copenhagen with the idea that the field of the oscillators would be used to determine the behavior of the photons, which I preferred to regard as real entities, satisfying conservation as we now know that they did and I wished to introduce probability only insofar as the waves determined the probability of the photons being at a given place at a given time. Bohr and Kramers opposed this view so vigorously that I saw that the only way to keep pace and get the main part of the suggestion published was to go along with them, with the statistical idea.34

Diese gewaltsame Einbeziehung einer vermeintlich nurmehr statistischen Gültigkeit des Energie- und Impulserhaltungsssatzes durch Bohr und Kramers hatte ihren Preis. Mit der Widerlegung von letzterem geriet auch die mindestens ebenso interessante Idee Slaters von einem Führungsfeld, welches quantenhafte Teilchen dirigiert, mit in Verruf. Unabhängig von Slater hatte auch Louis de Broglie einen ähnlichen Gedanken gehabt und seit 1923 in ersten Ansätzen bis 1927 und dann erneut ab 1952 bis zu seinem Tode zu verschiedenen Gelegenheiten publiziert.35 Wir waren de Broglie bereits im dritten Kapitel bei der Diskussion des Welle-TeilchenDualismus begegnet. Er war neben Einstein einer der ersten, der erkannt hatte, dass die Energie-Massen-Äquivalenz, die Einstein 1906 als eine Konsequenz seiner Relativitätstheorie erwiesen hatte, zu tiefgreifenden Umwälzungen des physikalischen Weltbildes führen muss. Das Motiv für de Broglies eigene Beiträge war eine Suche nach einem intuitiv verständlichen und anschaulichen mentalen Modell, das diesen mysteriösen Welle-Teilchen-Dualismus verständlich werden ließ, nicht im Sinne einer einander ausschließenden Komplementarität wie Bohr und Heisenberg sie zeichneten, sondern im Sinne eines sowohl-als-auch als ontologischer Realismus von Teilchen und Welle:

33 Slater (1973) S. 20 ff., (1975) S. 8ff. sowie Dresden (1987), S. 166 über „[changes] dictated to him very

much against his wishes [...] His comments are angry, and it is evident that he harbored great resentment against Kramers and Bohr – a resentment that had not diminished in any way over all the many years.“ 34 Slater an van der Waerden, 4. Nov. 1964, zit. nach Dresden (1987) S. 167; cf. Slater (1975) S. 12ff. 35 Siehe u. a. de Broglie (1923), (1924/25), (1925), (1927)a-c, (1972), (1973) richtig hielt sowie Lochak (1992), Sievers (1998), Fargue (2017).

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When in 1923–24 I had my first ideas about Wave Mechanics, I was looking for a truly concrete physical image, valid for all particles, of the wave and particle coexistence discovered by Albert Einstein in his „theory of light quanta“. I had no doubt whatsoever about the physical reality of waves and particles.36

In Abschn. 3.8 hatten wir seinen gedanklichen Weg zur Vorstellung von Materiewellen nachvollzogen, aber die Zusammenhänge griffen auch in die andere Richtung. Ebenso wie alle Materie auch Welle war, waren umgekehrt alle Wellen zugleich auch Teilchen. Das galt konsequentermassen dann auch für Licht u. a. elektromagnetische Wellen, selbst wenn diese entweder gar keine oder eine verschwindend kleine Ruhemasse hatten.37 Die stabilen Bahnen von Elektronen um Atomkerne herum im Bohrschen Atommodell erklärte er beispielsweise als eine stehende Welle, der dem Teilchen einer Masse m und Geschwindigkeit v zugeordneten Welle der Wellenlänge λ = / p. Anders gesagt: Jedes Teilchen hatte eine innere Eigenfrequenz, war gleichsam eine tickende Uhr, die sich in konstanter Phase mit einer ebenso schnell wie dieses Teilchen laufenden Welle bewegte.38 Anfang 1927 führte er diese Überlegungen noch einen Schritt weiter und formulierte seine Theorie der „double solution“, der doppelten Lösung.39 Elementarteilchen (Elektronen wie auch Photonen) waren für de Broglie punktförmige Singularitäten, die von einer Wellenfunktion V mit einer sich mit der Geschwindigkeit v bewegenden singulären Lösung beschrieben wurden. De Broglies Teilchen hatten somit jederzeit einen scharf definierten Ort, auch wenn Experimentatoren diesen ohne Beobachtung keinesfalls immer kennen. Um diese Teilchen herum gab es für de Broglie ferner eine räumlich ausgedehnte Ψ -Welle, die – wie in der Bornschen Wahrscheinlichkeitsdeutung der Kopenhagener Interpretation‘ – nur die Aufenthalts’ wahrscheinlichkeiten jenes Teilchen war, also Ausdruck des begrenzten Wissens der Experimentatoren war. Die V -Funktion beschrieb also den scharf lokalisierten Teilchencharakter, die Ψ -Funktion den unscharfen und delokalisierten Wellencharakter des quantenmechanischen Objekts. Die Wellengleichung der Ψ -Funktion war die damals bereits breit akzeptierte Schrödinger-Gleichung; die ergänzende Gleichung, mit der die Teilchen entlang ihrer scharfen Bahn geführt werden, war die sogenannte Führungsgleichung („guidance formula“) v = p/m = −1/m· grad (φ). Anders gesagt: das Teilchen wird auf seiner 36 De

Broglie (1972b) S. 2; zu de Broglies realistischer Ontologie ferner Sievers (1998) S. 25. seinen frühen Arbeiten rechnet de Broglie (1922), (1923), (1924) mit einer verschwindend kleinen Ruhemasse der Photonen ≤ 10−50 g – siehe dazu hier Abschn. 3.6. 38 De Broglie (1924/25) §1, (1972b): „the particle had an internal vibration which was constantly in phase with that of the wave.“. 39 Siehe de Broglie (1927a-c). Ausführliche und klare Diskussion dieser de Broglieschen Theorie findet man u. a. in de Broglie (1972), Cushing (1994), Fargue (2017), Sievers (1998). 37 In

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Bahn durch das ausgedehnte Ψ -Feld von einer Quantenkraft F = −grad (Q) geführt, die der Richtung des Gradienten des Quantenpotentials Q folgt und das Teilchen somit immer in die Richtung größter Potentialdichte treibt. Die Phasengeschwindigkeit der singulären Materiefunktion V und die Gruppengeschwindigkeit der kontinuierlichen Welle Ψ waren exakt gleich (de Broglie sprach hier von Phasenharmonie), weshalb Teilchen und Welle nicht auseinanderliefen, sondern immer perfekt synchronisiert miteinander blieben.40 Insbesondere für Teilchen mit sehr hoher Energie sollte – so de Broglie weiter – seine Theorie ein ausgezeichnetes Modell darstellen, das zu erklären vermochte, wo und wie genau dieses Teilchen sich bewegt: the particle is defined as a very small region of the wave where the amplitude is very large, and it therefore seems quite natural that the internal motion rhythm of the particle should always be the same as that of the wave at the point where the particle is located. [...] For this interpretation of the guidance to be acceptable, the dimensions of the minute singular region constituting the particle ought to be very small compared to the wavelength of the V -wave. It might be considered that the whole theory has its validity limited to very short wavelengths, i.e. very high energies.41

Wenn nicht nur ein einzelnes, sondern viele dicht beieinander liegende Teilchen beschrieben wurden, liess sich die singuläre Lösung der Materiewellengleichung in eine kontinuierliche Lösung mit gleicher Phase überführen, für die sich die Materiedichte dann zu |Ψ |2 ergab, also ganz so wie in der Standardinterpretation der Quantenmechanik.42 De Broglie konnte für verschiedene einfache Anwendungsbeispiele wie z. B. das Youngsche Doppelspaltexperiment zeigen, dass eine solche doppelte Lösung existiert. Auch Max Born knüpfte 1926 „an eine Bemerkung Einsteins über das Verhältnis von Wellenfeld und Lichtquanten“ von 1909 an, derzufolge dafür, dass ein Lichtquant, der Träger von Energie und Impuls, elnen bestimmten Weg einschlägt; dem Felde selbst aber gehört keine Energie und kein Impuls zu.”43

40 Zu diesem bereits 1923–24 von De Broglie abgeleiteten Ergebnis einer „harmonie des phases“ und seiner relativistischen Ableitung siehe insb. De Broglie (1924) S. 1040, (1972) S. 2f., 9 und Fargue (2017) S. 9ff. 41 De Broglie (1972b) S. 10. 42 Siehe z. B. de Broglie (1924), (1924/25) 43 Born (1926) S. 804 – vgl. dazu Einstein (1909), Slater (1924) sowie hier Abschn. 4.2.

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Dieser für Einstein so typische und witzige Ausdruck Gespensterfeld‘ findet ’ sich nicht bereits 1909, sondern erstmals in einem Brief Einsteins an Paul Ehrenfest vom 11. Januar 1922, in dem sich Einstein fragt, „ob jenes Gespensterfeld nicht doch durch eine Wechselwirkung der Elementarprozesse ersetzt werden kann“,44 sprich: durch eine zeitlich korrelierte Abfolge von Absorption, Re-Emission und stimulierter Emission, durch welche der an sich sphärischsymmetrische Emissionsvorgang eine genau festgelegte Ausrichtung und das Lichtquantum raumzeitliche Lokalität erhalten könne. Max Born nimmt darauf erneut Ende November 1926 in einem Brief an Einstein Bezug: Er [Born] sei „physikalisch ganz zufrieden [...], da sich mein Gedanke, das Schrödingersche Wellenfeld als Gespensterfeld‘ in Deinem [Einsteins] Sinne aufzu’ fassen, immer besser bewährt. Natürlich läuft dieses Wahrscheinlichkeitsfeld nicht im gewöhnlichen Raum, sondern im Phasen- (bzw. Configurations-) Raume.“ 45 Einstein antwortete darauf vier Tage später mit der berühmt gewordenen Aussage, „die Quantenmechanik ist sehr achtung-gebietend. Aber eine innere Stimme sagt mir, dass das noch nicht der wahre Jacob ist. Die Theorie liefert viel, aber dem Geheimnis des Alten bringt sie uns kaum näher. Jedenfalls bin ich überzeugt, dass der nicht würfelt.“ Für uns wichtig ist besonders der sich daran anschließende Nachsatz, mit dem er die seines Erachtens unplausiblen Annahmen solcher Gespensterfeldtheorien geißelt: „Wellen im 3n-dimensionalen Raum, deren Geschwindigkeit durch potentielle Energie (z. B. Gummibänder) reguliert wird ...“ Er selbst plage sich damit herum, „die Bewegungsgleichungen von als Singularitäten aufgefassten materiellen Punkten aus den Differentialgleichungen der allgemeinen Relativität abzuleiten.”46 Einsteins Grundidee eines Führungsfeldes, das als Singularitäten modellierte Teilchen in ihrer Bewegung bestimmt, war somit aus dem Kontext der Quantentheorie, wo Einstein dies seit 1909 wiederholt erwogen hatte, in den Kontext seiner (erfolglos bleibenden) Suche nach Verallgemeinerungen der allgemeinen Relativitätstheorie gewandert.47 In der weiteren Diskussion wurde diese zwischen 1924 und 1926 bei de Broglie, Slater, Einstein und Born kurz wieder aufflammende Idee eines nicht-quantisierten Führungsfeldes dann viele Jahre erstmal nicht weiter verfolgt, und zwar weil

44 Siehe

CPAE Bd. 13, Dok. 13, S. 75 und xxxvii; vgl. Pais (1982) S. 442 f. Born an Albert Einstein, 30. Nov. 1926, nicht enthalten in Borns Auswahledition seines Briefwechsels mit Einstein und erstmals publ. in CPAE Bd. 15 (2019), Dok. 422, S. 647f., kommentiert in Pais (1982) S. 443. 46 Einstein an Born, 4. Dez. 1926, CPAE Bd. 15 (2019), Dok. 426, S. 654 bzw. Born (1969) S. 129 f. 47 Siehe dazu Einstein & Grommer (1927), Weyl (1918/23c), Scholz (2006) und CPAE Bd. 15: xlvi-xlviii, Do. 443 sowie dort jew. zit. Lit. 45 Max

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• (i) die zahlreichen erfolgreichen Anwendungen der Quantenmechanik die jüngeren Physiker mehr als genug beschäftigten, • (ii) Einstein das Vertrauen in die Quantenmechanik verloren hatte, wie nicht zuletzt sein damaliger Briefwechsel mit Born sowie ein 1927 verfasstes, aber unpubliziert gebliebenes Manuskript eindrucksvoll zeigen,48 und • (iii) de Broglie im Oktober 1927 bei der Vorstellung einer vereinfachten Fassung seiner pilot-wave theory auf der fünften Solvay Tagung über Électrons et Photons seine Physiker-Kollegen nicht von der Berechtigung eines solchen alternativen Zugangs zur Quantenmechanik überzeugen konnte.49 Nach der sehr kritischen Diskussion von de Broglies Vortrag durch die versammelte internationale Elite der damaligen Physik, in der beispielsweise Wolfgang Pauli de Broglies Theorie erbarmungslos als „interessant aber falsch“ abkanzelte, versuchte Einstein de Broglie auf dem Rückweg zum Bahnhof noch zu weiterer Arbeit an seiner Theorie aufzumuntern und seine Suche nach intuitiven mentalen Modellen fortzusetzen: „Continuez! C’est vous qui êtes dans la bonne voie [...] une théorie devrait pouvoir, en dehors de tout calcul, être illustré par des images si simples qu’un enfant devrait pouvoir les comprendre“.50 Doch auch Einstein kam mit seiner eigenen Suche nach relativistischen Feldgleichungen, die zugleich kompatibel mit der Quantentheorie waren, nicht weiter. Im historischen Rückblick fast 30 Jahre später schrieb er an de Broglie selbstkritisch: Ich muß nämlich erscheinen wie der Wüsten-Vogel-Strauss, der seinen Kopf dauernd in den relativistischen Sand steckt, damit er den bösen Quanten nicht ins Auge sehen muss. In Wahrheit bin ich genauso wie Sie davon überzeugt, dass man nach einer Substruktur suchen muss, welche Notwendigkeit die jetztige Quantentheorie durch kunstvolle Anwendung der statistischen Form kunstvoll verbirgt. Ich bin aber schon lange der Überzeugung, dass man diese Substruktur nicht auf konstruktivem Wege [...] aus dem bekannten empirischen Verhalten der physikalischen Dinge wird finden können.51

Die Idee von Führungsfeldern bzw. von double solutions‘ kam dann erst in den ’ 1950er Jahren erneut auf, als David Bohm 1952 seine alternative Interpretation 48 Siehe

Born (1969) sowie Belousek (1996). siehe z. B. Sievers (1998) S. 27–33, Bacciagaluppi & Valentini (2009) u. weitere dort zit. Lit. 50 Mündliche Bemerkung von Einstein gegenüber de Broglie im Okt. 1927, zit. in Lochak (1992) S. 141 u. Sievers (1998) S. 32. 51 Albert Einstein an Louis de Broglie, 8. Febr. 1954, zit. nach Sievers (1998) S. 32. Zu Einsteins Interpretation der Quantenmechanik als statistischer Ensembletheorie, die über einzelne Systeme keine Aussagen mache und darum „unvollständig“ sei, siehe ferner Einstein, Podolsky & Rosen (1935) sowie Einstein (1953). 49 Dazu

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der Quantenmechanik vorlegte, in der diese ominösen Gespensterfelder‘ als ’ nicht-lokale pilot-waves‘ wieder auftauchten.52 Auch Bohm stand mit Albert ’ Einstein in direktem Kontakt, da er wie dieser in Princeton arbeitete, aber auch Bohms Variante der pilot-wave theory wurde von Einstein und anderen abgelehnt.53 Für Pauli waren Bohms Theorie, in der „verborgene Parameter“ das quantenmechanische Geschehen im Verborgenen steuerten, schlichtweg „metaphysisch“, in Heisenbergs Augen war Bohms Theorie rein „ideologischer Überbau“ ohne physikalischen Mehrwert, Leon Rosenfeld sprach gar von der „Bohmschen Seuche“, und Einstein schrieb an Max Born unter dem direkten Eindruck seiner Diskussionen mit David Bohm in Princeton und Lektüre seines Aufsatzes 1952: „Hast Du gesehen, daß der Bohm (wie übrigens vor 25 Jahren schon de Broglie) glaubt, daß er die Quantenmechanik deterministisch umdeuten kann? Der Weg scheint mir zu billig.“ 54 Lediglich Louis de Broglie wurde durch Bohms Veröffentlichungen dazu angeregt, sich seinen alten Ideen wieder zuzuwenden und veröffentlichte dann von 1953 bis 1973 noch zahlreiche weitere Artikel und Bücher, in denen er seine double-solution-Theorie noch weiter ausbaute,55 womit er aber auch nur bei einem kleinen Kreis von Schülern und Anhängern Zuspruch fand. Trotz aller Verwandschaft zwischen De Broglies und Bohms Theorien ist es doch falsch, beide als „de BroglieBohm Theorie“ zusammenzufassen, wie dies in der Literatur oft geschieht, da beide nicht identisch sind, sondern vier wichtige Unterschiede zueinander aufweisen:56 1. de Broglies V -Welle ist eine Welle im dreidimensionalen Raum, während Bohms Ψ -Funktion (ebenso wie in der Standardinterpretation der Schrödingerschen Wellenfunktion) eine Welle im 3n-dimensionalen Konfigurationsraum ist, 2. Bohms Theorie operiert nur mit einer einzigen Welle, während de Broglie auf die double solution rekurriert, 3. insofern gibt es bei de Broglie sowohl ein quasi-punktförmiges Photon wie auch eine kontinuierliche und nicht-lokale pilot-wave, 52 Siehe

Bohm (1952), (1957), Bohm & Hiley (1982) sowie Cushing (1994) Kap. 4, 9, Fine (1996), Peat (1997), Beller (1999) S. 203–210, Forstner (2007), Freire (2022) Kap. 2, Bush (2015). 53 Siehe dazu z. B. Cushing (1994) S. 144ff., Belousek (1996) S. 456ff., Myrvold (2013) S. 9ff., Forstner (2007) S. 145ff.; zu Bohms Rezeption in der Sowjetunion siehe Cross (1991) S. 742 ff., 753. 54 Albert Einstein an Max Born, 12. Mai 1952, in Born (1969) S. 258; vgl. Einstein (1953), seinen Brief an de Broglie vom April und Mai 1953 (zit. in Sievers (1998) Anhang A.2.7), sowie Cushing (1994) S. 146 ff. und Myrvold (2013) S. 9–10 für eine ausführliche Diskussion der Argumente gegen Bohm sowie für Bohms Reaktion darauf. 55 Siehe z. B. De Broglie (1953), (1972) Cushing (1994) S. 148: „De Broglie is reconverted“, Lochak (1992), Myrvold (2013) und in Festschriften zu de Broglies runden Geburtstagen genannte Lit. 56 Zu diesen Unterschieden im einzelnen siehe z. B. Cushing (1994) S. 149 und Bush (2015) S. 49.

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4. de Broglies Theorie stand mit einigen Experimenten in Konflikt, Bohms Theorie zu dieser Zeit nicht. David Bohm grenzte sich in seiner Erstpublikation zu seiner Theorie „verborgener Parameter“ 1952 wie folgt von De Broglie ab, der damals noch nicht zu seiner pilot-wave-Theorie rekonveriert war, was unter dem Eindruck der Arbeiten Bohms dann aber geschah: De Broglie assumes that not only electrons but also light quanta are associated with particles. A consistent application of the interpretation suggested here requires, however, [...] that light quanta be described as electromagnetic wave packets. The only precisely definable quantities in such a packet are the Fourier components [...] of the vector potential and the corresponding canonically conjugate momenta [...]. Such packets have many particle-like properties, including the ability to transfer rapidly a full quantum of energy at great distances. Nevertheless, it would not be consistent to assume the existence of a photon‘ particle, ’ associated with each light quantum.57

De Broglie und Bohm unterschieden sich somit in ihrer Ausdeutung des WelleTeilchen-Dualismus. De Broglie setzte mit Teilchen an, denen er dann eine innere Frequenz bzw. Wellenlänge und ein Wellenfeld zuordnete – Bohm hingegen mit einer nicht-lokalen Wellengleichung, deren singuläre Lösungen dann auch teilchenartige Wellenpakete mit beschrieb. Dadurch vermied er die irreführende Deutung der Photonen als lokalisierbarer Teilchen (zu den Nachteilen jener naiven Teilchenmetaphorik siehe hier Kap. 9). Bohm sprach statt dessen von „quantum wholeness“, da diese eine Funktion nicht-lokal das Gesamtsystem samt allen in ihm eventuell herrschenden (EPR)-Korrelationen beschrieb. Auf die späteren Entwicklungen und experimentellen Widerlegungen von Theorien „verborgener Parameter“ und deren Auswirkungen auf das Lokalitätsproblem komme ich in den Abschn. 8.4ff. und 9.4 zurück.

5.5

Diracs Quantisierung des Strahlungsfeldes 1927

Der mathematische Physiker Paul Adrien Maurice Dirac (1902–84) formulierte 1927–1930 eine erste geschlossene Theorie der Emission und Absorption von elektromagnetischer Strahlung durch elektrisch geladene Teilchen, aus der u. a. folgte, dass es neben dem negativ geladenen Elektron noch ein gleich 57 Bohm

(1952) S. 193.

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schweres, aber positiv geladenes Positron geben müsste, das wenig später dann auch in Nebelkammeraufnahmen experimentell nachgewiesen werden konnte.58 Im Unterschied zu älteren semiklassischen Theorien findet in der auf diesen Pionierarbeiten aufbauenden und sich seit den späten 1940er Jahren dann stürmisch entwickelnden QED Diracs Theorie nicht nur eine Quantisierung der Zustände von Materie mithilfe der Schrödingergleichung oder Heisenbergscher Matrixalgebra statt (sog. erste Quantisierung‘ ), sondern auch ’ das elektromagnetische Feld selbst wird quantisiert (daher auch der Ausdruck 59 „zweite Quantisierung“). Zunächst unabhängig von Dirac, später dann in Weiterführung von dessen Ansätzen, kam auch Pascual Jordan in den Jahren 1926–27 zu einer solchen algebraisierten Transformationstheorie, in der die quantenmechanischen Methoden auch auf die Behandlung des elektromagnetischen Feldes selbst übertragen wurden, indem die Amplituden der Partialwellen des Feldes als q-Zahlen (also als Operatoren) aufgefasst wurden, zwischen denen Vertauschungsrelationen bestehen.60 Insofern sind Dirac und Jordan Pioniere der Quantenfeldtheorie.61 Den Unterschied beider hat Wolf D. Beiglböck treffend auf den Punkt gebracht: Schon seit 1926 vertritt Jordan den Standpunkt, dass die Maxwellfelder und die Materiewellenfelder die primären Konzepte sein sollten, die korpuskulare Struktur erst danach durch Quantisierung der Wellenfelder erzeugt werde. [...] Diese Idee, «von Maxwell zu Lichtquanten durch Quantisierung», kam für eine schnelle Anerkennung zu früh. Diracs Teilchenbild‘ war zunächst attraktiver.62 ’

In einem in den Proceedings of the Royal Society Anfang Februar 1927 eingereichten Aufsatz über „The Quantum Theory of the Emission and Absorption of Radiation“ monierte Dirac, dass die Quantenmechanik Heisenbergs und

58 Die Arbeiten von Dirac zwischen 1927 und 1935 stehen am Anfang der Anthologie von Schwinger (Hg.) 1958 – zu Diracs Leben und Werk siehe z. B. Kragh (1990), Schweber (1994) S. 11–32, 70ff., Wright (2014) Kap. 2 u. dort genannte weiterführende Quellen. 59 Zur Wortgeschichte siehe Duncan (2012) S. 42, 144; für Kritik an diesem Terminus siehe z. B. Bjorken & Drell (1965/67b) S. 22 ff., 75ff., Cao (1997) S. 167: „inappropriate name“. 60 Siehe Jordan (1926), (1927a-b), Jordan & Pauli (1928) sowie Jordan (1973) S. 296 über „doubt, scepticism, and criticism of several good friends“ in Reaktion darauf. Zu Jordan siehe hier Abschn. 3.8 sowie die Beiträge von Ehlers, Meyenn, Schroer und Beiglböck im Jordan-Symposium (2007). 61 Über die verschiedenen Ontologien und Herangehensweisen von Dirac und Jordan sowie über das Oszillieren zwischen teilchen- und wellenbasierter Quantisierung in den nachfolgenden Jahrzehnten siehe Bromberg (1976) S. 181ff., Schweber (1994) S. xii-xxvii, 25 ff., 33ff., Scully & Zubairy (1997) S. 27ff., Cao (1997) S. 172f., Brown (2002), Duncan (2012) S. 42, Han (2014) sowie Ehberger (2022). 62 Beiglböck im Jordan Symposium (2007) S. 151; vgl. in gleicher Stoßrichtung Darrigol (1986) S. 219: „Jordan’s attitude thus was the reverse of Dirac’s. For Dirac, empirical evidence of matter conservation excluded the light-matter analogy, for Jordan the light-matter analogy suggested the possibility of creating and destroying matter“.

5 Frühe Rezeption des Konzepts von Lichtquanten

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Schrödingers zwar schon schöne Erfolge bei der Beschreibung der diskreten Energieniveaus von Atomen aufzuweisen habe, aber bei der Beschreibung der Wechselwirkung von Strahlung und Materie noch kein zufriedenstellendes mentales Modell an die Hand gebe: hardly anything has been done up to the present on quantum electrodynamics. The questions of the correct treatment of a system in which the forces are propagated with the velocity of light instead of instantaneously, of the production of an electromagnetic field by a moving electron, and of the reaction of this field on the electron have not yet been touched.63

In seiner zweiten Quantisierung‘ nutzte Dirac die formale Analogie periodisch ’ zeitveränderlicher elektromagnetischer Felder mit einem Satz ungekoppelter harmonischer Oszillatoren. Analog zur quantenmechanischen Beschreibung der Materiezustände als Überlagerung vieler quantisierter Zustände ψn mit Energieeigenwert E n beschrieb Dirac nun auch das Strahlungsfeld als eine Art Fourierreihe quantisierter Feldenergien Er und -phasen θ. Ebenso wie Ort und Impuls von Teilchen in der Quantenmechanik zu nicht-kommutierenden dynamischen Variablen wurden, zwischen denen Unschärferelationen bestehen, galt das gleiche per constructionem nunmehr auch für Er und θr : sie waren jetzt kanonisch konjugierte Variablen, zwischen denen Vertauschungsrelationen sowie eine Unschärferelation θr Er − Er θr = i bestanden. Einerseits wirkt die Strahlung auf das Atom, andererseits aber auch das Atom zurück auf das umgebende Strahlungsfeld. Im Unterschied zur Materie, bei der die verschiedenen Energieniveaus völlig verschiedene Differenzen zueinander haben, können die Energieeigenwerte des Strahlungsfeldes sich nur in ganzzahligen Vielfachen n · ν unterscheiden. In dem durch Diracs und Jordans Transformationstheorie sowie John von Neumanns Operatoralgebra immer weiter algebraisierenden Verständnis der Quantenmechanik wurde die Aussendung eines Photons durch ein materielles System durch einen Erzeugungsoperator a † symbolisiert, der aus einem System mit bereits n vorliegenden Photonen ein System mit (n +1) Photonen machte; umgekehrt wurde die Absorption eines Photons durch einen Vernichtungsoperator a symbolisiert, der diese Photonenzahl n auf n − 1 reduzierte.64 Damit änderte sich nun auch das mentale Modell der sogenannten Quantensprünge, also der Übergange quantenmechanisch beschriebener Systeme von einem

63 Dirac (1927b) S. 243. Die Einreichung dieses Aufsatzes erfolgte über Niels Bohr, da dieser damals im Unterschied zu Schrödinger bereits Fellow der Royal Society war. Zu diesem Aufsatz, seinem Kontext und zu seiner Rezeption vgl. ferner Ehberger (2022). 64 Siehe dazu z. B. Jauch & Rohrlich (1976), Bjorken & Drell (1965/67b) S. 47f., Duncan (2012) S. 23 ff.

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Zustand zu einem anderen.65 Der Zustand eines elektromagnetischen Feldes war in dieser auf den sowjetischen Physiker Vladimir Fock (1898–1974) zurückgehenden sogenannten Fock-Darstellung des Zustandsraumes durch die Gesamtzahl der zu einer bestimmten Zeit in ihm vorliegenden Photonen und deren Energie festgelegt.66 Im Fock-Raum lassen sich auch Zustände konstruieren, in denen die Teilchenzahl nur im Mittel vorgegeben ist und um einen Mittelwert schwanken, zum Beispiel kohärente Zustände eines beamenden Lasers. Ersetzt man die nichtkommutierenden Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren der algebraischen Quantenfeldtheorie durch komplexe Zahlen, so erhält man aus den voll-quantisierten Theorien kohärenter Zuständen wie etwa dem Laser die zugeordneten semiklassischen Theorien. So wird verständlich, warum man so viele Systeme mit hinreichend großer Photonenzahl auch mit semiklassischen Methoden beschreiben konnte.67 Allerdings gab es auch Unterschiede zwischen klassischen und quantisierten Strahlungsfeldern: It should be observed that there is a difference between a light-wave and the de Broglie or Schrödinger wave associated with the light-quanta. Firstly, the lightwave is always real, while the de Broglie wave associated with a light-quantum moving in a definite direction must be taken to involve an imaginary exponential. A more important difference is that their intensities are to be interpreted in different ways. The number of light-quanta per unit volume associated with a monochromatic light-wave equals the energy per unit volume of the wave divided by the energy (hν) of a single light-quantum. On the other hand a monochromatic de Broglie wave of amplitude a (multiplied into the imaginary exponential factor) must be interpreted as representing a 2 light-quanta per unit volume for all frequencies.68

Wie schon diese Passage zeigt, war der Preis für die Quantisierung des Strahlungsfeldes, dass jetzt für dieses auch nur mehr Wahrscheinlichkeitsaussagen gemacht werden konnten wie zuvor schon für Materiewellen. Die Bornsche Deutung des Quadrats der Zustandsfunktion als Maß für die Aufenthaltswahrscheinlichkeit übertrug sich nun auch auf Lichtquanten:69 auch für diese konnte im allgemeinen kein genauer Ort, sondern nur eine Wahrscheinlichkeit dafür angegeben werden, sie in einem bestimmten Raumbereich anzutref65 Dieser

Wandel wird deutlich im Vergleich von Passagen aus Jordan (1924) S. 306 mit Jordan (1926) S. 836 f. und Jordan & Pauli (1928). 66 Zur Fock-Darstellung siehe Fock (1932), Duncan (2012) S. 47; zu Focks Rezeption der QFT in der Sowjetunion siehe Cross (1991) S. 745. 67 Siehe dazu z. B. Stenholm (1971) S. 265 oder Milonni (1976) S. 29 ff. sowie hier den folgenden abschn. 5.6. 68 Dirac (1927b) S. 247. 69 Siehe Born (1926a-b), hier den vorigen Abschnitt und weiter interpretierend dazu Cao (1997) S. 148.

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fen. Aus dieser Übertragung der Heisenbergschen Unschärferelation auf den Prozess der Lichtemission ergab sich dann auch ein zufriedenstellendes Verständnis der naturlichen Linienbreite von Spektrallinien, die ja die messbaren Spuren derartiger Quantenübergänge waren und deren photometrisch meßbares Linienprofil immer eine gewissene Breite hatte, die invers proportional zur Zeitdauer des entsprechenden Übergangs waren.70 Ein Ortsoperator für diese Photonen konnte trotz größten Bemühungen nicht gefunden werden – somit sind jene Photonen eines quantisierten elektromagnetischen Feldes im allgemeinen nicht lokalisierbar, was ja sehr gut zu deren Wellencharakter und zu Borns Wahrscheinlichkeitsinterpretation der Quantenmechanik passte.71 Mithilfe der algebraischen Techniken seiner Transformationstheorie zeigte Dirac 1927 auf, dass im Rahmen dieser sogenannten zweiten Quantisierung‘ , ’ spontane sowie induzierte Emission exakt ableitbar waren.72 Für die spontane Absorptionsrate Amn in Einsteins Bilanzgleichung für die Übergänge der Frequenz ωmn = E m − E n zwischen zwei atomaren Zuständen φm (r ) bzw. φn (r ) mit Energieniveau-Eigenwerten E m und E n leitete er ab: 3 4/3c3 , Amn = μ2mn ωmn

 wobei μmn = e [φm∗ (r )r φn (r )]d 3r ein Maass für den Überlapp der beiden Wellenfunktionen φ(r ) im gesamten Raum r war. Für die durch die spontane Emission verursachte Energieverlustrate leitete 4 /3c3 . Doch genau diese EnergieverlustraDirac ab ωmn Amn = 4μ2mn ωmn te ergab sich auch, wenn man den Energieverlust eines klassischen mit der Frequenz ν = 2πω oszillierenden Dipols berechnete, wie dies Kramers und Heisenberg durch auf dem Korrespondenzprinzip basierende Ableitungen bereits 1925 getan hatten.73 Doch die spontane und induzierte Emission stehen mit der Absorption eben in einem bereits durch Einstein 1916/17 beschriebenen statistischen Gleichgewicht. Das muss nach der Quantenmechanik dann auch für alle Zustände bzw. für alle quantisierten Energieniveaus E n gelten, also nicht nur für n = 1, 2, 3, ...., sondern auch für n = 0, mithin auch für das Vakuum. 70 Für

Details dieser Ableitung siehe Slater (1925b-c), (1975) S. 10 f. und Weisskopf & Wigner (1930). (1927bb) S. 263: „The wave point of view is thus consistent with the light-quantum point of view and gives values for the unknown interaction coefficient in the light-quantum theory.“ Mehr zur Problematik der Nicht-Lokalisierbarkeit und Nicht-Individuierbarkeit von Photonen hier in Abschn. 9.4– 9.5. 72 Siehe Dirac (1927b) §7, (1930c) Kap. X, S. 232–239 sowie z. B. Heitler (1936b), Milonni (1976) S. 1, 32ff., Duncan (2012) S. 31–37. 73 Siehe Dirac (1927b), Kramers & Heisenberg (1925) sowie Milonni (1976) S. 1, der darauf hinweist, dass genau diese Korrespondenz der Ergebnisse später semiklassische Theorien der spontanen Emission auf den Plan rief. 71 Dirac

182

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1927 hat Dirac somit erkannt, dass auch das Vakuum ein dynamisches System ist. Während bis dato stets angenommen worden war, dass das Vakuum ein vollständig feldfreier Raum sei, zeigte Dirac auf, dass Fluktuationen der Feldenergien auch im Vakuum zu einer sogenannten Nullpunktsenergie führen, die Plancks Formeln um bislang vernachlässigte Terme erweiterten. Statt E = n · h · ν müsse die Energie E von n Lichtquanten zu E = (n + 1/2) · h · ν angesetzt werden. Diese Annahme einer Nullpunktsenergie E n=0 = 1/2hν war zwingend erforderlich, weil sonst ein Widerspruch gegen die Heisenbergsche Unschärferelation vorläge. Anders gesagt: Das elektromagnetische Feld war in Diracs mentalem Modell ein System fluktuierender Feldamplituden, die Energiepakete in ganzzahligen Vielfachen von hν aufzunehmen und abzugeben vermochten, aber nie Null werden durften, da sie sonst permanent in Ruhe befindlich wären. Letzteres würde Δx = 0 entsprechen, was Heisenbergs Unschärferelation Δx · Δp ≥  widersprochen hätte. Auch zwischen der Zahl n von Lichtquanten und der Phase θ der Feldamplitude besteht eine Unschärferelation, derzufolge Δn ·Δθ ≥ 1, weshalb die Photonenzahl n nicht streng Null werden darf.74 Insofern war das Vakuum durch Dirac umgedeutet worden: aus einem statischen Zustand vollkommener Leere war nun ein dynamisch fluktuierendes System geworden. Was passiert, wenn der Photonen-Vernichtungsoperator auf einen EinPhotonen-Zustand angewendet wird? Naiv würde man zunächst erwarten, dass dann ein Null-Photonenzustand, also ein photonenfreies Vakuum mit restlos verschwindender Energie und verschwindendem Impuls resultiert. Diracs mentales Modell des Vakuums war aber ein anderes: Für Dirac gab es in diesem Vakuum einen unendlich großen See virtueller Photonen, die durch die wiederholte Ausführung des Erzeugungsoperators eines nach dem anderen real (und damit beobachtbar) werden und die durch die Anwendung des Vernichtungsoperators eines nach dem anderen auch wieder in diesen virtuellen Vorrat zurückgehen: The light-quantum has the peculiarity that it apparently ceases to exist when it is in one of its stationary states, namely, the zero state, in which its momentum, and therefore also its energy, are zero. When a light-quantum is absorbed it can be considered to jump into this zero state, and when one is emitted it can be considered to jump from the zero state to one in which it is physically in evidence, so that it appears to have been created. Since there is no limit to the number of

74 Auf

diese kurze Form bringt es Cao (1997) S. 173; eine sehr klare und anschauliche Erläuterung dazu im Phasenraum findet sich in Snoke (2003) S. 7–9.

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183

light-quanta that may be created in this way, we must suppose that there are an infinite number of light-quanta in the zero state.75

Mit diesem in der Tat „pekuliären“ Vorrat virtueller Photonen im Vakuum verbindet sich selbstverständlich auch eine unbeschränkt große Selbstenergie (die unendlich große Summe aller Energien der einzelnen Photonenzustände), aber diese Photonen waren nicht real, sondern bloss virtuell, weshalb Dirac den Kunstgriff anwandte, diese rein rechnerische Selbstenergie virtueller Photonen von der Energiebilanz aller beobachtbarer Photonen abzuziehen, wodurch dann endliche Werte resultierten. Dies war das erste Mal, dass in der entstehenden Quantenfeldtheorie trickreiche Verfahren angewandt wurden, um rechnerische Divergenzen zu vermeiden.76 Für den mathematischen Physiker Dirac waren derartige Annahmen letztlich rein formale Hilfskonstruktionen, die er nur machte, um Widersprüche in seiner Theorie zu vermeiden und die er selbst nicht weitergehend ontologisch interpretierte: „nature’s fundamental laws do not govern the world as it appears in our mental picture in any very direct way, but instead they control a substratum of which we cannot form a mental picture without introducing irrelevancies.“ 77 Während der chronisch wortkarge Dirac über seine Modellvorstellungen kaum etwas sagte, obwohl er – wie wir gerade gesehen haben – sehr wohl nicht ohne sie auskam, buchstabiert der Quantenoptiker Roy Glauber das neue mentale Modell des Vakuums anschaulich aus: forever buzzing with electromagnetic fields [which] are part of the ground state of emptiness. We can withdraw no energy at all from those fluctuating electromagnetic fields. We have to regard them nonetheless as real and present even though we are denied any way of perceiving them directly.78

Wie erst später klar wurde, änderte sich damit auch das Verständnis von Strahlungsemission. Der von Einstein noch 1916 gemachte scharfe Unterschied zwischen spontaner und induzierter Emission war unscharf geworden: spontane Emission konnte nunmehr als von der Vakuumfluktuation induziert rein75 Dirac

(1927bb) S. 260f. Eine analoge Konstruktion wandte Dirac 1929/30 übrigens auch bei seiner Betrachtung von Elektronen und ihren Antiteilchen, den Positronen an, die ebenfalls paarweise erzeugt und vernichtet werden können: vgl. dazu Bromberg (1976) S. 186ff., Kragh (1990) Kap. 6 & 8 sowie Cao (1997) S. 163f. 76 Eine in ihrer Legitimität nicht unumstrittene Technik, die später dann als Renormierung (engl. renormalization) bezeichnet wurde: siehe dazu z. B. Jauch & Rohrlich (1976) Kap. 9-10, Bjorken & Drell (1965/67a) Kap. 10, Cao (1997) Abschn. 8.3 und 10.3, Duncan (2012) Kap. 16 ff. 77 Dirac (1930) im unpaginierten Vorwort der 1. Aufl. seines Lehrbuchs über Principles of Quantum Mechanics; vgl. Bromberg (1976) S. 190. 78 Glauber (2005) S. 79.

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terpretiert werden. Auch für die Ableitung der Lamb-shift u. a. Hochpräzisionsaussagen der QED sind Vakuumfluktuationen essentiell.79

5.6

Semiklassische Theorien

Für Max Planck, seinen Schüler Max von Laue und viele Theoretiker der alten Schule‘ , aber auch für viele jüngere Theoretiker wie Niels Bohr, Gre’ gor Wentzel oder Guido Beck, war das sehr radikale mentale Modell Albert Einsteins von Lichtquanten‘ eine geistige Zumutung, der sie sich nur wi’ derwillig hingaben (siehe oben Abschn. 2.3 für Plancks langandauernde und vehemente Kritik an dem Außerkraftsetzen der Maxwellschen Elektrodynamik). Als Werner Heisenberg im Frühjahr 1925 seine Matrixmechanik fand und insbesondere nachdem Erwin Schrödinger im Sommer des gleichen Jahres seine ersten Arbeiten zur Wellenmechanik vorlegte, hofften viele, dass sich die Quantisierung des elektromagnetischen Feldes doch noch verhindern lassen könnte. Ganz besonders galt das für Max Planck, der Schrödinger sogar als seinen Nachfolger auf dem Lehrstuhl für theoretische Physik an der FriedrichWilhelms-Universität in Berlin vorschlug.80 Schrödinger beschrieb die Materie mit einer Wellenfunktion Ψ , von der er selbst eine kurze Zeitlang hoffte, sie sei eine reale Welle im dreidimensionalen Raum. Die von ihm abgeleitete Schrödingergleichung (zweiter Ordnung in Raum und Zeit) beschrieb das für Wellen typische Ausbreitungsverhalten; die Lage des Wellenbauches jener Wellenpakete konnte sehr gut dem Ort des jeweiligen Teilchens zugeordnet werden. Wenig später präzisierte Max Born es: das Integral über das Quadrat jener Wellenfunktion Ψ in einem bestimmten Raumbereich bestimmte die Wahrscheinlichkeit dafür, das von der Wellenfunktion beschriebene Teilchen in diesem Raumbereich zu finden.81 Die Energiestufen, die von jenem Wellenpaket eingenommen werden konnten, sind quantisiert, ähnlich wie stehende Wellen in einem Raum vorgegebener Dimension und die Schrödingerschen Gleichungen erlaubten für viele einfache Systeme wie z. B. für an Atomkernen gebundene Elektronen, die genaue Berechnung jener zulässigen, quantisierten Energieniveaus. Insofern beschrieb die Schrödingersche Wellenmechanik eine quantisierte Materie und erklärte zugleich auf recht anschauliche Art und Weise das Zustandekommen jener Quantisierung, womit fast alle Physiker der Zeit sehr gut leben konnten. Die elektromagnetische Strahlung bzw. die von 79 Jauch

& Rohrlich (1976) Kap. 15, Bjorken & Drell (1965/67a) Bd. 1, Kap. 4, Duncan (2012) S. 54 ff. usw. zu Eulers Theorie der Photon-Photon-Streuung nach der Diracschen Theorie siehe hier Abschn. 8.10. 80Tatsächlich wechselte Schrödinger 1927 aus Zürich als Nachfolger Plancks nach Berlin, wo er bis 1933 blieb. 81 Siehe Born (1926a).

5 Frühe Rezeption des Konzepts von Lichtquanten

185

bewegten geladenen Teilchen emittierten Lichtquanten war in jener nichtrelativistischen Fassung der Quantenmechanik aber nicht-quantisiert - dass diese nach der Emission aus Atomen auch nur in bestimmten Energiepaketen vorlag, lag lediglich an der Quantisierung jener entsprechenden Materiezustände. Derartige Theorien, in denen das elektromagnetische Feld weiterhin ein den Maxwell-Gleichungen genügendes klassisches Feld ist, die Materie jedoch die von der Quantenmechanik beschriebene quantisierte Struktur hat, werden „semiklassische Theorien“ genannt. Für den Quantenoptiker Roy J. Glauber dauerte die „true semiclassical era“ nur zwei Jahre lang, vom Aufkommen der Schrödingerschen Wellenmechanik Mitte 1925 bis zum Erscheinen von Paul M. Diracs Principles of Quantum Mechanics Mitte 1927.82 Im Widerspruch zu Glaubers Vorschlag einer strikten zeitlichen Begrenzung der Ära semiklassischer Theorien auf die Jahre 1925– 1927 ist festzuhalten, dass nicht nur Mitte der 1920er Jahre, sondern verstärkt auch wieder in den 1960er und 1970er Jahren semiklassische Theorien diverser quantenoptischer Phänomene vorgelegt wurden.83 Bis heute gibt es in seriösen physikalischen Zeitschriften und Büchern publizierte Beiträge dazu, allerdings mit dem Unterschied, das heute nur noch eine Minderheit ihrer Autoren die (falsche) These vertritt, mit diesen semiklassischen Ansätzen alle Phänomene der Quantenoptik beschreiben zu können, während in früheren Jahrzehnten etliche Akteure von der Hoffnung beseelt waren, auf diesem Wege der verhaßten zweiten Quantisierung‘ aus dem Wege gehen zu können. ’ So fragte z. B. 1965 der an der Washington University in St. Louis dozierende Edwin Thompson Jaynes (1922–1998) auf der zweiten Rochester Konferenz über Quantenoptik: „Is QED necessary? “, was er meinte, verneinen zu können.84 Konsequenterweise entwickelte Jaynes dann auch seine eigene Fassung einer „neoklassischen Strahlungstheorie“, die ohne Quantisierung des Feldes auskam.85 It then became sort of a game among these workers to see just how often QED effects can be ignored. [...] The game began to get serious, however, when iconoclast Ed Jaynes said that he was not joking, and formulated a new semi-classical theory as a serious alternative to QED.86

82 So

in seinem Nobelpreisvortrag Glauber (2005) S. 79 unter Bezugnahme auf Dirac (1927b), (1930).

83 Gute Literaturüberblicke stammen von Lamb & Scully (1969), Crisp & Jaynes (1969), Scully & Sargent

(1972), Jaynes (1973), Stenholm (1986), Mandel & Wolf (1995) Kap. 9. Jaynes (1965). Zu Jaynes siehe Clark et al. (2000), Bromberg (2006) S. 243 ff. 85 Siehe beispielsweise Jaynes (1973). 86 Clauser (2001): 90. 84 Siehe

186

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Der Experimentalphysiker John Francis Clauser (*1942) nahm sich dieser Herausforderung an und erkannte sofort, dass Jaynes‘ Variante einer semiklassischen Theorie lokal-realistische Annahmen über Photonen machte und insofern bereits mit dem frühen, damals bereits schon vorliegenden EPRKorrelationsexperimenten widerlegbar sei. Wie Clauser in einem autobiographischen Aufsatz 1982 berichtet, reagierte Jaynes schon wenige Jahre später auf der dritten Rochester Conference on Coherence and Quantum Optics mit dem Eingeständnis, dass diese EPR-Experimente seine eigene neoklassische Strahlungstheorie widerlegen. „He soon dropped any further pursuit of this theory, and in a personal letter to me, both praised my work and admitted that his own efforts now lay in ruins‘ .“ 87 ’ Heute hat sich allgemein die Einsicht durchgesetzt, dass es nur einige relativ einfache Effekte mit hinreichend großen Photonenzahlen sind, die semiklassisch zufriedenstellend beschrieben werden können, während man für andere quantenoptische Effekte das volle Arsenal der quantenelektrodynamischen Quantisierung von Materie und Feld benötigt. Auf die zuletzt angesprochene Gruppe neuerer quantenoptischer Experimente, in denen das Photonenkonzept unverzichtbar ist, komme ich in Kap. 8 zurück. Es handelt sich dabei insbesondere um Experimente an einzelnen, isolierten Photonen, an Photonen klumpen‘ (engl. photon bunching), für die die Bose-Einstein’ Statistik wichtig wird, sowie an miteinander quantenmechanisch gekoppelten Photonen (engl. entanglement). Widerspruchsfreie semiklassische Theorien wurden jedoch vorgelegt für die folgenden Effekte, an denen hinreichend viele Photonen beteiligt sind: • Allgemein der Response von Atomen auf ein elektromagnetisches Feld, • inklusive der spontanen und stimulierten Emission (Klein 1927, Crisp & Jaynes 1969, Nesbet 1971, Milonni 1976, Fritsche (2021)) • Lumineszenz & Resonanzfloureszenz (Crisp & Jaynes 1969, Franken 1969, Lam & George 1982), • Streuung von Strahlung an einem freien Elektron (Klein & Nishina 1928, 1929, Barwick 1978), • photoelektrischer Effekt (Schrödinger 1926a, Lamb & Scully 1969, Bosanac 1998) • Comptoneffekt (Halpern 1966, Wentzel 1925, Beck 1927, Schrödinger 1927aa, Strnad 1986b), • Vakuumpolarisation und Nullpunktsenergie (Literaturangaben in Mandel & Wolf 1965, Senitzky 1968, Milonni 1976, 1991), sowie schließlich auch 87 Clauser

(2001) S. 91, bezugnehmend auf den Beitrag von Jaynes in Mandel & Wolf (Hg.) 1973; zu jenen EPR-Experimenten siehe hier Abschn. 8.4.

5 Frühe Rezeption des Konzepts von Lichtquanten

187

• semi-klassische Lasertheorie (Lamb 1964, Shirley 1969, Stenholm 1971, Scully & Sargent 1972, Stenholm 1986). Das letzte Beispiel zeigt, dass z. T. nur einige Aspekte der jeweiligen Phänomene beschrieben werden können (hier: Laser in einem stabilisierten Zustand), während andere (Laser kurz vor der Schwelle zum beamen) nicht zufriedenstellend erfasst werden. Die semiklassische Deutung des Lasers modelliert das elektromagnetische Feld durch die klassischen Maxwellschen Gleichungen und das Material des Lasers (z. B. Rubin- oder neodym-dotierte Yttrium-AluminiumGranat-Kristalle) als im Festkörper gebundene und thermisch bewegte Atome, die durch die eintreffende elektromagnetische Welle elektrische Dipolmomente aufbauen, welche aufgrund ihrer oszillierenden Bewegung dann ihrerseits nichtlinear wieder elektromagnetische Strahlung aussenden.88 Insbesondere der stabile Zustand bei annähernd gleicher Absorption und Emission elektromagnetischer Strahlung durch das Lasermedium, aber auch Phänomene wie etwa Frequenzselektion, die Konkurrenz mehrerer Laser-Modi und pulsierende Besetzungszahlen verschiedener Energieniveaus können semiklassisch sehr gut beschrieben werden.89 Jon H. Shirley vom National Bureau of Standards in Boulder, Colorado, sowie der finnische theoretische Quantenoptiker Stig Torsten Stenholm (1939–2017) führen die Erfolge semiklassischer Theorien in den oben benannten Anwendungen allgemein gesprochen darauf zurück, dass das elektromagnetische Feld in solchen beamenden Lasern ebenso wie im photoelektrischen Effekt, in der Fluoreszenz usw. ausreichend hohe Intensität hat und deshalb in sehr guter Näherung klassisch betrachtet werden darf. Das altbewährte Korrespondenzprinzip der Quantentheorie erlaubt für sehr große Quantenzahlen den Übergang von der quantentheoretischen zur klassischen Beschreibungsform; der Restfehler semiklassischer Beschreibungen ist invers proportional zur Besetzungszahl n der Photonen im Feld.90 Bei vielen nebeneinanderliegenden Atomen und elektromagnetischen Feldern hoher Strahlungsdichte betrachtet die semiklassische Theorie die Wechselwirkung einzelner Atome und einzelner Wellen in künstlicher Isolation voneinander – Korrelationen zwischen verschiedenen Atomen sowie deren Interaktionen mit dem Feld werden außer acht gelassen, weshalb die semiklassische Lasertheorie bei der Erklärung der Linienbreite und Photon-Statistik von Lasern ihre Grenzen hat. 88 Zu dieser zentralen Voraussetzung semiklassischer Theorien und ihrer Implikationen u. a. über Korrelationen des Atoms mit seinem Strahlungsumfeld und zur Interpretation der Aussagen semiklassischer Theorien als statistische Aussagen über Ensembles siehe Milonni (1976) S. 39 ff. 89 Für detaillierte Ableitungen siehe z. B. Lamb (1964), Shirley (1969), Stenholm (1971), Mandel & Wolf (1995): Kap. 15, 18–19. 90 Shirley (1969), Stenholm (1971) S. 190, 264 ff.

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Sogar der Lambeffekt (gerne angeführt als Paradebeispiel eines nur durch die QED erklärbaren Effekts), wurde in guter Näherung auch semiklassisch berechnet.91 Bei diesem und einigen weiteren Beispielen können Effekte qualitativ quantenfeldtheoretisch und semiklassisch ebenso befriedigend abgeleitet werden, aber es gibt kleine, im Prinzip experimentell auch testbare Unterschiede z. B. in der Winkelverteilung, im Spektrum oder in Hyperfeinaufspaltungen, durch die quantenfeldtheoretische und semiklassische Modelle sich voneinander geringfügig unterscheiden.92 Für uns interessanter ist jedoch ein Einblick in die grundsätzliche Herangehensweise von semiklassischer Modellbildung, die hier am Beispiel der Deutung des photoelektrischen Effekts exemplifiziert werden soll. Vielfach (gerade auch in physikalischen Lehrbüchern) wird gerade jener photoelektrische Effekt als entscheidendes Experiment für den Nachweis der Richtigkeit der Einsteinschen Hypothese von der Existenz von Lichtquanten angeführt, aber wie wir sehen werden, ist gerade dieses Experiment – neben der Photolumineszenz das älteste der von Einstein 1905 angeführten Experimente – nicht geeignet für die Rolle eines experimentum crucis. Für den jungen Einstein war dieses Experiment ganz einfach zu verstehen: Die auf die erhitzte und in einem evakuierten Gefäß befindliche Kathode auftreffende elektromagnetische Strahlung gibt ihre vollständige Energie E = hv an die in den Atomen jener Kathode gebundenen Elektronen ab. Für den Austritt aus dem Atom bedarf es zunächst der Aufwendung der für jedes Atom konstanten Austrittsarbeit Φ und die Energie der aus der Kathode dann herausfliegenden Elektronen ergibt sich zu E = hv − Φ.93 Der zunächst scheinbar auf eine simple Energiebilanzgleichung reduzierte Prozess wird allerdings schwieriger zu verstehen, wenn man ihn in ein konsistentes mentales Modell zu übersetzen versucht, denn die eintreffende Strahlung ist eine räumlich ausgedehnte elektromagnetische Welle. Damit diese ihre gesamte Energie an ein nahezu punktförmiges Elektron im Inneren des Atoms abgeben kann, muss diese eintreffende Strahlung nicht als ausgedehnt, sondern als nahezu punktförmig vorgestellt werden. In der Born-Schrödingerschen Deutung der Quantenmechanik geschieht dies durch die sogenannte Reduktion des Wellenpakets, die angeblich genau während dieses Streuprozesses passiert. An dieser für die konsistente Ausdeutung der Quantenmechanik von sehr vielen benutzte Hilfsvorstellung konnten und 91 Siehe

z. B. Crisp & Jaynes (1969), Barwick (1978) S. 1917 ff. z. B. Aristov (2009) S. 172 f. über verschiedene Voraussagen zur Abstandsabhängigkeit der Temperatur des durch elektromagnetische Strahlung erzeugten Elektronengases, oder Nesbet (1971) über die Unterschiede der semiklassisch und voll-quantisiert berechneten spontanen Emissionsrate. 93 Siehe Einstein (1905) sowie z. B. Glauber (2005) S. 78, der diese Einsteinsche Erklärung des photoelektrischen Effekts zwar für „naive“ hielt, aber dennoch schrieb, dass derartige Stossprozesse von Photonen an Elektronen den gleichen Gesetzen folgen wie relativistische Stöße von Billiardkugeln. 92 Siehe

5 Frühe Rezeption des Konzepts von Lichtquanten

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wollten sich viele Physiker zeitlebens nicht gewöhnen. Für viele blieb dies eine „ad hoc procedure of instantaneous collapse of the electromagnetic field wave function and the creation of a photon at an electron (or atom or another particle) interacting with it.“ 94 In den semiklassischen Theorien der Wechselwirkung von Feld mit Materie wird das elektromagnetische Feld als externes Potential betrachtet, das gebundene Materie (im photoelektrischen Effekt die an Atome der Photokathode gebundene Elektronen) entweder zu resonanten Dipolschwingungen anregt (Resonanzfluoreszenz) oder durch hinreichend große Energiezufuhr aus dem Atomverband löst und (im photoelektrischen Effekt) freisetzt.95 Festzuhalten ist insbesondere, dass die semiklassische Beschreibung zu erklären vermag, warum die Energie der Lichtquanten größer als die Austrittsarbeit Φ sein muss, um Photoemission beobachten zu können, und dass es sofort nach Auftreffen der Strahlung eine nicht-verschwindende Wahrscheinlichkeit dafür gibt, einen Photostrom zu beobachten, während diese Wahrscheinlichkeit im semiklassischen Fall proportional zur Zeitdauer Δt zwischen dem Eintreffen der elektromagnetischen Strahlung und der Emission des Photoelektrons ist.96 Im Hinblick auf Unterschiede beider Ableitungen zu beachten ist insbesondere der letztgenannte Aspekt. Im Einsteinschen mentalen Modell des photoelektrischen Effekts und Comptoneffekts wechselwirken ein als stark lokalisiert, quasi-punktförmig modelliertes Lichtquant und ein ebenso punktförmiges Elektron in einem (im mentalen Modell) Billiardball-ähnlichen Stoßprozess, der das Elektron aus der Atomhülle wirft wie ein Bocchiaball einen anderen. Einstein selbst sprach 1927 davon, dass „nach der Quantentheorie die Strahlung etwas Plötzliches, Projektilartiges an sich“ habe und kontrastierte das Teilchen- und Wellenbild wie folgt: nach der Korpuskularvorstellung [muß] der Akt der Emission und Absorption ein Momentakt sein, der sehr klein ist gegenüber der Zeit einer Lichtschwingung, während nach der Undulationstheorie [...] die Lichtemission ein Akt ist, der lange dauert, d.h. wenn eine Spektrallinie durch ein Atom emittiert wird, so sind Hunderttausende oder Millionen von Schwingungen notwendig, um die Welle zu erzeugen.97

94 Zitat

aus Aristov (2009) S. 171; vgl. analog Bosanac (1998) S. 317. sehr klare Ableitungen der semiklassischen Erklärung des photoelektrischen Effekts und der Resonanz-Floureszenz siehe Scully & Sargent (1972) S. 40ff., Jaynes (1973) S. 38ff., Mandel & Wolf (1995) S. 441–458, Bosanac (1998) und verkürzter: Aristov (2009). 96 Die diesbezüglich Interpretation durch Mandel & Wolf (1995) S. 444 ist irreführend: „The detection probability is proportional to Δt .... so that one can speak of an instantaneous rate of photoelectric emission“ – Nein: diese Wahrscheinlichkeit steigt im semiklassischen Fall proportional zu Δt an! 97 Einstein (1927a) S. 546. 95 Für

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Die Zeitdauer zwischen dem Eintreffen des Lichtquants und der Emission des Photoelektrons ist daher in diesem naiven Teilchenmodell verschwindend klein, und genau das war es ja auch, was experimentell beobachtet wurde.98 Im Falle der semiklassischen Modellierung hingegen wechselwirkt eine elektromagnetische Welle oder ein Wellenpaket mit einem Elektron in der Atomhülle, das durch die em-Welle in so starke Schwingungen versetzt wird, dass es aus seiner gebundenen Position herausgeschleudert wird. Dieser nichtlineare Prozess, in dem die Rückwirkung des schwingenden Dipols auf das em-Feld auch beachtet werden muss, benötigt jedoch eine endliche, ja sogar beträchtliche Zeit zum Aufbau des Schwingungsverhaltens. Genau das erklärt die sich in der semiklassischen Ableitung sich einstellende Proportionalität zu Δt. Dieser Punkt wird in semiklassischen Ableitungen des photoelektrischen Effekts gerne heruntergespielt mit Formulierungen wie: „There is not necessarily a time delay between the instant the field is turned on and the ejection of photoelectrons“,99 aber das nicht-vollständige Verschwinden der Emissionswahrscheinlichkeit für sehr kleine Δt ist nicht gleichbedeutend mit einer statistisch unverzögerten Emission. Ebensolche Zeitverzögerungen gibt es in semiklassischen Theorien auch beim Aufbau der Resonanzfloureszenz sowie beim Prozess der spontanen Emission, wie zum Beispiel M.D. Crisp und Edwin Thompson Jaynes (1922–1998) oder Giles Henderson sie detailliert berechnet und auch visualisiert haben (vgl. Abb. 5.4). Wie man sieht, ergeben sich für den semiklassisch berechneten Übergang eines Wasserstoffatoms aus dem 2P- in den 1S-Zustand beträchtliche Übergangsdauern von etwa 1.5 · 10−6 sec, was in atomar-quantenmechanischen Maßstäben gesprochen eine recht große Zeitdauer ist. Experimentelle Untersuchungen ergaben schon 1950 weitaus kleinere Zeitdifferenzen von unter 5 · 10−10 sec.100 John F. Clauser beobachtete seit 1973 weitere experimentelle Abweichungen zwischen semiklassischen und quantisierten Feldtheorien des photoelektrischen Effekts u. a. Wechselwirkungen zwischen elektromagnetischer Strahlung und Materie wie etwa der Spiegelung an halbdurchlässigen Spiegeln.101 Freilich steht diesem nur für spezielle Anwendungen und Fragestellungen relevanten Verlust an experimenteller Stimmigkeit ein Gewinn an Anschaulichkeit dieses mentalen Modells entgegen, da Bothe & Geiger (1925), Compton & Simon (1925), die beide nur bis 10−3 sec genau messen konnten, sowie Hofstadter & McIntyre (1950) mit weit höherer Genauigkeit von 1, 5 · 10−8 sec. 99 So beispielsweise Scully & Sargent (1972) S. 42 und analog Franken (1969). Zur Nichtlinearität der Wechselwirkung zwischen Strahlung und Materie siehe Bullough (1973). 100 Siehe Cross & Ramsey (1950) S. 933, die auch die exakte Gültigkeit von Energie- und Impulserhaltung in der Comptonstreuung erneut bestätigten. 101 Siehe Clauser (1974) – mehr zu Clausers experimentellem setup und zu seinen Ergebnissen siehe hier in Abschn. 8.2. 98 Siehe

5 Frühe Rezeption des Konzepts von Lichtquanten

191

Abb. 5.4 Resonanzfloureszenz bzw. spontane Emission semiklassisch betrachtet. Links die Resonanzfloureszenz dreier Energieniveaus eines Atoms auf ein externes Strahlungsfeld in semiklassischer Näherung berechnet, aus Crisp & Jaynes (1969) S. 1260; in der Mitte die Zeitskala und Zeitabhängigkeit der Strahlungsintensität für den 2P → 1 S-Übergang sowie ganz rechts der semiklassisch berechnete Übergang aus einem 2PDipolzustand (links oben) in einen 1 S-Singlettzustand (ganz rechts unten). Diese zeittypisch mit einem dot-matrix-printer gedruckte Graphiken stammen aus Henderson (1980) S. 608 u. 610

er es einem erspart, über Welle-Teilchen-Dualismus und die heikle Frage der Lokalisierbarkeit von Photonen nachzudenken, weswegen es auch bis heute Anhänger solcher semiklassischer Modelle gibt, die die Hoffnung haben, „to exorcise the demons of quantum physics. [...] Ed [Jaynes, in particular] was repelled by the Copenhagen interpretation of quantum mechanics and what he viewed as an incursion of mysticism into science“.102 Selbstkritisch vermerkt der russische Physiker Aristov 2009: the phenomenon of the photoelectric effect and all its features can be explained [qualitatively, KH] without employing the procedure of wave function collapse. In conclusion we note that the above statements are qualitative, but [...] meet the goal of demonstrating the capability of classical electrodynamics described by the Maxwell equations to treat such secondary-emission effects as the photoelectric effect or fluorescence. Of course, the semiclassical description spoils the simplicity 102 Zitate

aus einem Nachruf auf Jaynes von Clark u. a. (2000).

192

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and beauty of the photoelectric effect and other quantum theories of absorption, but eliminates troubles caused by field quantization.103

5.7

Ernst Blochs Materialismusproblem 1936/37

Als Beispiel für die Klimmzüge, die überzeugte Materialisten unternehmen mussten, um sich ein in ihr Weltbild passendes mentales Modell von Lichtquanten zu bilden, will ich hier noch das Beispiel des Marxisten Ernst Bloch (1885–1977) diskutieren. Er hatte Philosophie in München (bei Theodor Lipps) und in Würzburg (bei Oswald Külpe) studiert und war dort 1907 über das Problem der modernen Erkenntnistheorie promoviert worden. Als engagierter Kriegsgegner und Anhänger Lenins (später auch Stalins!) fand er in Deutschland keine feste Stelle und musste 1933 emigrieren (zunächst in die Schweiz, dann in die Tschechoslowakei und später in die USA). Auch wenn er heute vor allem durch andere Werke wie insbesonder sein Hauptwerk Prinzip Hoffnung bekannt ist, interessierte er sich zeitlebens auch sehr für die Naturwissenschaften. Während seines Exils 1936–37 in Prag schrieb er eine umfangreiche Studie zum Materialismusproblem, die historisch von den Vorsokratikern über die Frühe Neuzeit bis hin zu „bürgerlichen Auflösungen der mechanischen Materie“ behandelte. In einem Abschnitt über die „verschwundene, formalisierte, aber auch energetisch gefaßte Materie in der gegenwärtigen Physik“ ging er auch ausführlich auf die Quantentheorie und deren neuartiges mentales Modell von Materie ein. In seiner Perspektive hatte Einstein „in einem schöpferischen Rückgriff von Huygens auf Newton, von der Wellen- auf die Korpuskulartheorie [...] eine neue Körperchenlehre“ begründet. Einstein selber, der nicht nur makrokosmisch denkt, hat 1907 [sic, gemeint ist natürlich Einstein (1905), KH] bereits die Quantenlehre aufs Licht angewandt und dem Licht dadurch eine völlig neue – Partikelnatur zurückgewonnen. [...] Diese Quanten bezeichnete Einstein als Lichtkörperchen oder Photone, die atomistische Struktur der Wirkung‘ derart zu wirklichen Energieatomen, zu un’ teilbaren Strahlungsquanten verdichtend. Die Photonen sind in der Lichtwelle, was die Elektronen in der (allgemeineren) Materiewelle, nämlich ein Körnchen alter materialistischer Ländereien im Meer der neuen Elektrodynamik.104

Wir sehen hier wieder die uns auch schon in den Abschn. 2.5 begegnende Fehlinterpretation von Photonen als einer einfachen Wiederaufnahme des al103 Aristov 104 Bloch

(2009) S. 173. (1936/37b) S. 198f.

5 Frühe Rezeption des Konzepts von Lichtquanten

193

ten Newtonianischen Projektilmodell des Lichts (ausführlich dargestellt in Abschn. 3.1), pikant auch deswegen, weil Sir Isaac Newton sich in dieser Ahnenreihe „materialistischer Ländereien“ als Trinitarier sehr unwohl gefühlt hätte. Aber die Metaphorik wurde von Bloch noch weiter getrieben. Fehlgeleitet von der sorglosen Redeweise Millikans, Comptons u. a. Experimentalphysiker von Lichtprojektilen, light darts‘ oder gar light bullets‘ wird nun auch ’ ’ für Ernst Bloch die Compton-Streuung zu einem relativistischen BilliardballExperiment, auch wenn es den „Lichtgeschossen [...] merkwürdigerweise“ an Ruhemasse fehle: Das Licht verdankt seine Masse lediglich der Geschwindigkeit seiner Bewegung [...]. Auch ist der Lichtstoff‘ – dieser mögliche Anfangsstoff der Welt ’ – ganz ungeheuerlich klein; Photonen stellen die geringst vorhandene EnergieMassengröße dar; trotzdem ist die Impulswirkung dieser Photonen erwiesen und zwar beim Austritt wie besonders beim Aufprall von Licht (Compton-Effekt). Lichtgeschosse werden beim Auftreffen auf ganze Atome mit dem gleichen Wert des Impulses reflektiert wie ein Ball von der Wand, aber auch beim Auftreffen auf locker gebundene Elektronen werden diese aus der Bahn geschleudert, wie Billiardkugeln. Die Realität der Lichtquanten (als körperhafter, mindestens körperähnlicher Partikel) ist also am Phänomen des Lichtdrucks eindeutig erwiesen. [...] Photonen wurden Leuchtraketen fürs Studium des Atombaus.105

Freilich war Ernst Bloch auch über die diesem naiven Teilchenmodell entgegenstehenden Experimente informiert, die Licht und sogar auch Materie eher als Welle erscheinen ließen, „so daß die Lichttheorie [...] einen Doppelcharakter aufweist, der sich – mutatis mutandis – der Widersprüchlichkeit der alten Äthertheorie durchaus zur Seite stellen kann. Soweit das Licht sich fortpflanzt, verhält es sich als Welle, soweit es auftrifft, als Korpuskel – freilich als unstarres, immer auf dem Sprung, sich ins Wellenfeld aufzulösen oder aus ihm zurückzukehren.“ 106 Um diesen Widerspruch dialektisch (für ihn als Marxisten: wie auch sonst) aufzulösen und der „unerwarteten, ja unheimlichen [...] Doppelnatur der physischen Materie“ gerecht zu werden, bediente sich Bloch dann der „phantastischen Annahme“ De Broglies von „Wellenkorpuskeln oder Korpuskularwellen, zum Teil experimentell bestätigt“ sowie beim eben einfallsreichen Rekurs von Arthur Stanley Eddington auf „Wellikel, die Wellen- und Körperpartikel zugleich“ seien.107 Wie die Attribute unerwartet‘ , ’ unheimlich‘ sowie phantastisch‘ zeigen, waren Bloch diese von der modernen ’ ’ 105 Bloch

(1936/37b) S. 199 f.

106 Ibid. Dies ist wohl eine Anspielung auf das Phänomen der Vakuumfluktuation und Elektron-Positron-

Paarerzeugung nach Dirac (s. o.). 107 Bloch (1936/37b) S. 205 f.

194

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Physik angebotenen Interpretationsangebote nicht recht geheur, so dass er sich auch an keiner Stelle seines Textes damit vollständig d’accord erklärt, sondern immer eine merkwürdige Distanz zum referierten behält. Gegen Ende dieses Teils setzt er es dann noch in den Kontext „bürgerlicher Krise“ und deutet die unter Physikern sich damals schon abzeichnende Tendenz des „im bloß formalistischen Bleibenden“, verbunden mit einem „elastischen Sinn für Ungewohntes“ als „Reflexe spätbürgerlicher Auflösung“: „Sehr gern mochte eine völlig kalkülhaft gewordene, inhaltsfremde Gesellschaft erfahren, daß die Materie überhaupt verschwunden sei; doch dieser Wunsch wird nicht erfüllt.“ 108 Es gab in den 1930er Jahren nicht nur im deutschen Sprachraum, sondern auch in der damaligen Sowjetunion zahlreiche Marxisten, die allerhand mentale Klimmzüge betrieben, um die Quantentheorie und Quantenmechanik aus materialistischer Perspektive zu re-interpretieren, doch die kunstvollen Formulierungen Ernst Blochs von Lichtgeschossen‘ als Leuchtraketen fürs Studium ’ des Atombaus“ sind einfach unübertrefflich, weshalb, ich hier gerade ihn hier als Beispiel herausgegriffen habe.109 Durch die Machtübernahme der Nationalsozialisten in Deutschland 1933 sowie in Österreich 1938 und die dadurch jeweils ausgelösten Entlassungen und Emigrationsströme, die auch viele Physiker, Mathematiker und Philosophen betrafen,110 wurde die Diskussion der Grundlagen von Quantenmechanik und Quantenfeldtheorie eine zeitlang unterbrochen. Aber durch die nach dem Ende des 2. Weltkriegs sich nun vor allem in den USA vollziehenden Entfaltung der QED gewann sie später dann wieder an Schwung (zu diesen Entwicklungen siehe hier Abschn. 3.12 und 6.2 sowie 9.3).

108 Bloch

(1936/37b) S. 212 f., 217; vgl. ebenda, S. 220 zu „spätbürgerlichen Faltenwürden oder Altersfalten des Begriffs“. 109 Für die Anregung dazu danke ich Erhard Scholz in Wuppertal. Zur Rezeption der Quantentheorie und Quantenmechanik in der Sowjetunion siehe Graham (1972), Cross (1991) u. dort zit. weiterführende Werke. 110 Zahlenmaterial u. Literatur ist aufgeführt in https://www.hi.uni-stuttgart.de/gnt/exil/Physik.html.

6 Der Reflex dieser Entwicklungen

6.1

... in Lehrbüchern und im naturwissenschaftlichen Unterricht

Bislang haben wir von ‚Lichtquanten‘ bzw. ‚Photonen‘ nur in fachwissenschaftlichen Kontexten der Physik und benachbarter Naturwissenschaften gesprochen, also nur von Forschungskontexten der an den Entdeckungen selbst beteiligten Forscher. Heutige Wissenschaftsgeschichte betrachtet jedoch auch Lehrund Lernkontexte, da nur durch Einbeziehung der Wissenschaftspädagogik und Bildungsgeschichte verständlich wird, wie nachfolgende Generationen von Wissenschaftlern diese Lerninhalte aufgenommen haben. Somit ist selbst dann, wenn man sich eigentlich nur für die wissenschaftsinterne Entwicklung interessiert, ein erweiterter Blick auf die Lehre wissenschaftlicher Inhalte unentbehrlich. Um so mehr, wenn man sich ev. auch dafür interessiert, wann welche Lerninhalte überhaupt in den Unterricht Eingang fanden, und wie diese Lerninhalte von den Studierenden, später sogar auch von den Schülerinnen und Schülern verstanden und aufgenommen wurden. Beispiele für die neuere Historiographie des naturwissenschaftlichen Unterrichts und der pädagogischen Vermittlung von schwierigen Lerninhalten bieten etwa die Untersuchungen von David Kaiser über den Unterricht mittels Feynman-Diagrammen nach dem Zweiten Weltkrieg, oder die Analysen von Kathryn Olesko zur Physikvermittlung im Königsberger Seminar.1 Speziell für die Quantentheorie und Quantenmechanik im Spiegel ihrer Lehrbücher haben Massimiliano Badino

1 Siehe Kaiser (2004) bzw. Olesko (1991). Historiographische Gesamtschauen findet man in Kaiser (Hrgs.)

2005 sowie Simon (2012), (2013). © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2023 K. Hentschel, Lichtquanten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-66933-4_6

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196

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und Jaume Navarro einen Sammelband mit Studien zu einem guten Dutzend der einflussreichsten Lehrbücher vorgelegt.2 Der Vergleich diverser mikrohistorischer Analysen von Episoden im Umfeld unserer Geschichte der frühen Quantentheorie, der Lichtquantenhypothese Einsteins, seiner experimentellen Voraussagen und Retrodiktionen sowie diverser experimenteller Tests jener Voraussagen einerseits mit Lehrbüchern, Praktikumsanleitungen und anderem physikdidaktischem Material andererseits hat gezeigt, dass dem Lehrmaterial eine erschreckend große Zahl von historischen Verzerrungen, Fehldarstellungen, Irrtümern und Mythen im Umlauf sind. Viele dieser Pseudogeschichten wurden bereits durch die Akteure selbst ins Leben gerufen, z. B. um eigene frühere Irrtümer zu kaschieren oder davon abzulenken, dass sich die Dinge ganz anders entwickelt hatten, als sie selbst das früher prognostiziert hätten. Andere Verzerrungen entstanden durch lässigen Umgang mit Fakten in zeitgenössischer Berichterstattung oder in Nachrufen, und wieder andere kamen erst durch das Bestreben von Lehrbuchautoren zustande, das komplexe historische Geschehen zu vereinfachen (sofern man nicht einfach Unkenntnis der Primärquellen unterstellen will, was leider bei etlichen Lehrbuchautoren auch nicht von der Hand zu weisen ist). Hier eine Auflistung der hartnäckigsten historischen Verbiegungen und Mythen: 1. Heinrich Hertz – und nicht Wilhelm Hallwachs – als Entdecker des photoelektrischen Effekts – vgl. dazu hier S. 73 zum tatsächlichen Entdeckungskontext. 2. Lenard als vermeintlicher Entdecker der Energie-Frequenz-Proportionalität im Photoeffekt – vgl. demgegenüber hier S. 75 ff. für Nachweise, dass Lenard eben nicht nach irgendeiner Frequenzabhängigkeit des Photoeffektes gesucht hat, sondern ihn ganz im Gegenteil mit seiner ‚Triggerhypothese‘ wegerklärt hat. 3. Planck als Entdecker der Energiequantisierung oder gar der Lichtquanten – vgl. dazu hier Abschn. 2.1 zur Halbherzigkeit seiner damaligen Aussagen und zu dem Schrecken vor der eigenen Courage, der ihn bald nach seinen Aufsätzen von 1900/01 befiel bzw. Abschn. 2.4 zu seiner zweiten Quantentheorie von 1909–1913, in der das Strahlungsfeld wieder als Maxwellsches Kontinuum modelliert wurde, zu seinem Widerstand gegen Einsteins Lichtquanten. 4. Einstein als Verkünder einer ontologischen Interpretation von Licht als Teilchenstrom – vgl. dazu hier Abschn. 2.2 und 2.3 für Einsteins eigene überaus vorsichtige Einführung der Lichtquantenhypothese als „heuristi2 Siehe Badino & Navarro (Hg.) 2013, auch online verfügbar unter http://edition-open-access.de/studies/

2/index.html.

6 Der Reflex dieser Entwicklungen ...

5.

6.

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8.

197

scher Gesichtspunkt“, Abschn. 4.2 für seine mentalen Modelle bzw. 4.3 für seine zeitweisen Zweifel. Ebenso irreführend ist eine Reduktion von Einsteins Aufsatz von 1905 als vermeintlich ausschließlicher Theorie des photoelektrischen Effekts – vgl. demgegenüber hier Abschn. 2.2 zu Einsteins viel weiterreichenderer Agenda, die zum einen sehr viel mehr empirische Effekte einschloss und zum anderen eher auf die Neudeutung der Planckschen Energiequantisierung als nur auf die Erklärung des photoelektrischen Effektes zielte. Millikan als selbsternannter erster Bestätiger experimenteller Voraussagen von Einstein – vgl. hier Abschn. 3.6 zu Millikans ursprünglichen Absichten einer Widerlegung der seiner Auffassung nach absurden Theorie Einsteins und zu Millikans Geschichtsklitterei.3 Compton als entscheidender ‚Konfirmatoren‘ Einsteinscher Voraussagen – vgl. hier Abschn. 5.2. zu seinen ebenfalls anfangs eher skeptischen Erwartungen sowie zu seinen großen Interpretationsproblemen mit den eigenen Daten. Photoelektrischer Effekt, Compton-Streuung u. a. frühe Experimente als vermeintlich unumstößliche Evidenz für Einsteins Lichtquanten – vgl. demgegenüber hier Abschn. 5.6 über semiklassische Deutungsmöglichkeiten dieser frühen Experimente und über die weiterhin äußerst zögerliche Haltung der scientific community, die auch nach Comptons Experimenten in der großen Mehrzahl nicht bereit war, Lichtquanten für existent zu halten, sondern sie bestenfalls ein wenig murrend als unter Umständen nützliche Fiktion in Erwägung zogen.

Neben diesen acht speziellen historischen Episoden bleibt auch noch zu fragen, ob die Physik-Lehrbücher insgesamt ein stimmiges Bild der physikalischen Forschung, z. B. des Wechselspiels von Experiment und Theoriebildung zeichnen.4 Ich spare mir hier die ausführliche Rekapitulation jeder dieser acht Episoden und jedwedes Zitat aus der Lehrbuchliteratur, da wir erstere in den vorangegangenen Kapiteln bereits in großer Ausführlichkeit kennengelernt haben und letztere dankenswerterweise bereits von einer ganzen Reihe amerikanischer und kanadischer, dänischer und venezulanischer Physikdidaktiker an 103 angelsächsischen Physik-Lehrbüchern und 38 physikalischen Praktikumsanleitungen (alle in englischer Sprache, publ. seit 1937 bis in die 2000er Jahre) 3 Siehe

ferner Holton (2000) sowie Stuewer (1998) und (2014) S. 143: „Millikan’s philosophy of history: if the facts don’t fit your theory, change the facts.“ 4 Diesen Punkt nehmen Niaz, Klassen & Metz (2010) S. 922 als ihr sechstes und letztes Bewertungskriterium noch mit auf: „Criterion C6: The historical record presented and its interpretation within a history and philosophy of science perspective“.

198

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durchgemustert wurden.5 Aber die statistischen Ergebnisse dieser kritischen Literatursichtung für zumindest diejenigen sechs meiner obigen acht Mythen, welche auch diesen Physikdidaktikern bereits aufgefallen waren, möchte ich dem Leser doch nicht vorenthalten, denn sie sprechen Bände über den mangelhaften Transport physikhistorischer Forschungsergebnisse in die physikalische Lehrbuchliteratur und damit in den Physikunterricht an fortgeschrittenen Schulen, Colleges und Universitäten Großbritanniens und der USA, wobei ich auch sehr bezweifeln möchte, dass die Ergebnisse grundlegend besser ausgefallen wären, wenn deutsche oder französische statt angelsächsischer Texte analysiert worden wären. Dennoch wäre eine solche Ausweitung der kritischen Literatursichtung und -analyse auch auf andere Sprachräume und neuere Texte wünschenswert, um zu sehen, ob dieses unerfreuliche Ergebnis für alle Länder gilt oder ob sich durch die zahlreichen gut recherchierten wissenschaftshistorischen Publikationen insbesondere seit dem Einstein-Jahr 2005 inzwischen eine Besserung abzeichnet.6 Für jeder von sechs historischen Episoden, die Stephen Klassen an der University of Winnipeg in Kanada und Kollegen als entscheidend für ein historisch und physikalisch tieferes Verständnis des photoelektrischen Effektes angesehen haben (das sind die Nummern 2 und 5–8 meiner eigenen obigen Auflistung), haben die an der Publikation beteiligten kanadischen und venezulanischen Physikdidaktiker jeweils eine ausführliche Liste von vier bis sechs Punkten erstellt, die alle erwähnt bzw. in der jeweiligen Lehrbuch-Darstellung berücksichtigt sein sollten, wenn dieser Text das Prädikat ‚exzellent‘ erhalten sollte. Wenn mehr als zwei dieser Unterpunkte erwähnt wurden, erhielt das jeweilige Lehrbuch noch das Prädikat ‚befriedigend‘ (‚satisfactory‘), wenn hingegen nur ein oder zwei Punkte beiläufig erwähnt wurden, das Prädikat ‚Erwähnung‘ (‚mention‘) und bei totaler Absenz aller Punkte das Prädikat ‚nichts‘. Nun überrascht es nicht, dass für fünf der insgesamt sechs historischen Episoden kein einziges der über 100 analysierten Lehrbücher in die Kategorie ,exzellent‘ eingestuft werden konnte – schließlich haben Lehrbücher ja auch ganz andere Aufgaben und Ziele als historische Texte. Sehr viel mehr enttäuschen die bis auf Ausnahmen fast ebenso schlechten Ergebnisse für die nächsten beiden Kategorien (siehe Tab. 6.1), bei denen im Mittel nur 12 % als ‚befriedigend‘ und 15 % überhaupt irgend eine Erwähnung eines dieser Punkte für nötig hielten. Knapp drei Viertel (73 %) kamen im Mittel auf gar 5 Zum

folgenden siehe Klassen (2008), wortidentisch mit Klassen (2011) sowie Niaz, Klassen & Metz (2010) über Physik-Lehrbücher, Klassen et al. (2012) über physikalische Praktikumsanleitungen, und darüber hinaus allgemeiner: Kragh (1992) sowie Passon & Grebe-Ellis (2016). 6 Ich fürchte nein, zumindest ergab eine allgemeiner orientierte kritische Sichtung populärer Artikel zum Einstein-Jahr 2005 im Rahmen einer von mir betreuten Bachelorarbeit von Jonas Keck (2016) keinen Anlass zur Hoffnung.

199

6 Der Reflex dieser Entwicklungen ...

Tab. 6.1 Statistische Auswertung von 103 Physik-Lehrbüchern auf korrekte Wiedergabe von sechs historischen Episoden E1 bis E6, in Klammern die Zuordnung zu meiner obigen Auflistung von acht verbreiteten Mythen um das Photon. Die keinem meiner Punkte zuordnenbare letzte Spalte (Gesamt) vor dem Mittelwert der jeweiligen Zeile in der letzten Spalte bezieht sich auf das in Anm. 4 Gesagte. Aus Niaz, Klassen & Metz (2010) S. 919 Kategorie

E1=(2)

E2=(5)

E3=(8)

E4=(7)

E5=(6)

Gesamt

Mittel

Nichts Erwähnung Befriedigend Exzellent

84 16 0 0

14 39 48 0

84 11 2 3

69 16 16 0

95 2 3 0

91 7 2 0

73 15 12 0

keine Berücksichtigung irgendeines historischen Kontextes, bis auf eine gleich noch zu schildernde Ausnahme zwischen 69 und 95 %. Für meinen achten (Klassens dritten) Punkt der obigen Auflistung fanden sich erstaunlicherweise immerhin drei angelsächsische Lehrbücher, die nach Einschätzung von Klassen et al. die langandauernde Nicht-Akzeptanz der Lichtquantenhypothese durch nahezu die gesamte Physiker-Community erfasst hatten, darunter eben gerade auch all diejenigen, die von so vielen anderen fälschlicherweise als frühe Bestätiger und Anhänger Einsteins angeführt werden, nämlich v. Laue, Planck, Bohr, Millikan usw.7 Aber das war es dann auch schon, denn in der nächsten Kategorie ‚befriedigend‘ kamen für diese Episode nur spärliche zwei weitere Lehrbücher dazu. Nicht sehr überraschend ist, dass unsere fünfte (Klassens zweite) Episode in der Physik-Lehrbuchliteratur besonders oft zumindest angesprochen und auch deutlich öfter als alle anderen ausführlicher behandelt wurde, denn Einsteins Erklärung des photoelektrischen Effektes ist nun einmal auch die Grundlage für jede studentische Laborreplikation und deren Auswertung. Die tabellarische Zusammenstellung aller Befunde in Tab. 6.1 zeigt die insgesamt höchst mangelhafte Berücksichtigung der von Physikhistorikern seit Jahrzehnten herausgearbeiteten Zusammenhänge. Auch eine Zeitreihenanalyse der Lehrbücher in 10-Jahres-Publikationsintervallen führte zu keinem erkennbaren Trend zur Verbesserung zwischen den 1950ern und den 2000er Jahren.8 Insgesamt kommen Klassen und seine zwei Ko-Autor/innen zu dem niederschmetternden Ergebnis: „most of the textbooks were largely deficient of any material on most of the criteria. […] If an overall characteristic of the 103 textbooks could be identified, it might be 7 Zwei

dieser drei Texte stammten von demselben Autor, Eugene Hecht, aus den Jahren 1998 und 2003, der andere war das vielgelesene elementare Physiklehrbuch von D. Halliday & R. Resnick aus dem Jahr 1981. 8 Niaz, Klassen & Metz (2010) S. 923 f.

200

K. Hentschel

Tab. 6.2 Statistische Auswertung von 38 Physik-Praktikumsanleitungen auf korrekte Wiedergabe von insgesamt vier historischen Episoden, die ich zum besseren Vergleich mit der vorigen Tabelle E2 bis E5 nenne, wiederum in Klammern deren Zuordnung zu meiner obigen Auflistung acht typischer Mythen um das Photon. Aus Niaz, Klassen & Metz (2010) Kategorie

E2=(5)

E3=(8)

E4=(7)

E5=(6)

Mittel

Nichts Erwähnung Befriedigend Exzellent

61 18 21 0

100 0 0 0

92 8 0 0

100 0 0 0

88 7 5 0

the sporadic nature of the inclusion of the relevant historical information“.9 Immerhin sehen sie auch kleine Lichtblicke in Form vereinzelter, treffender Beobachtungen: „Despite not approaching the photoelectric effect in an overall satisfactory manner from the point of view of our six criteria, some textbooks did offer good incidental insights.“ 10 Nicht viel besser sieht es aus, wenn wir nun die von Stephen Klassen und Barbara A. McMillan mit gleicher Methodik begutachteten physikalischen Praktikumsanleitungen in den Blick nehmen.11 2012 publizierten sie die Ergebnisse ihrer Analyse von insgesamt 38 online verfügbaren englischsprachigen Praktikums-Begleitbüchern, verfasst zwischen 2001 und 2010, die nach der gleichen Methode und mit gleichem Raster, allerdings unter Einbezug von nur vier (E2–E5) der vormals sechs historischen Episoden vorgenommen wurden (vgl. Tab. 6.2). Das Gesamtergebnis dieser Zusammenschau relativ aktueller Texte war wiederum unerfreulich: „in general, the manuals ignored the historical context and the difficulties involved in understanding the experimental data that led to alternative interpretations.“ 12 Nun mag es ja so sein, dass Physiklehrbücher und Praktikumsanleitungen zum Kontext der Kuhnschen ‚Normalwissenschaft‘ gehören, in deren Rahmen Schüler und Studenten auf möglichst einfachem und schnellem Wege anhand von Musterbeispielen wissenschaftliche Normen und Paradigmen beigebracht werden, die sie in ihrem späteren Studium und der sich daran anschließenden Berufspraxis dann anwenden sollen. Es ist vielfach behauptet worden, auch von Thomas S. Kuhn selbst, dass sich diese Anfängerwissenschaft im Gegensatz zur wissenschaftlichen Forschung durch „oversimplification and depen9 Ibid.,

S. 915–916; vgl. ibid. S. 917–920 für einen tabellarischen Einzelnachweis. S. 915; in diesem Fall etwa den folgenden Einzeiler in Weidner & Browne (1997) S. 867 zum obigen Mythos (1): „how the photoelectric effect was discovered was an irony of history.“ 11 Siehe zum folgenden Klassen et al. (2012). 12 Klassen et al. (2012) S. 739. 10 Ibid.

6 Der Reflex dieser Entwicklungen ...

201

dency on textbooks“ auszeichne, „and tends to a lack of context, imagination, and engagement.“ 13 Hingegen darf füglich angezweifelt werden, ob diese rein formel- bzw. ergebnisorientierte und enthistorisierte Form der Darlegung für fortgeschrittene Schüler, College-Studenten und universitäre Studienanfänger wirklich der beste Weg ist, um Interesse zu wecken und integratives Gesamtverständnis zu erzeugen. Sowohl von Physikdidaktikern wie auch von Physikhistorikern und Physikern ist vielfach dagegen argumentiert worden. Durch Einbeziehen historischer Abläufe, gerade auch wenn diese nicht geradlinig verlaufen sind, sondern kognitive und soziale Widerstände deutlich machen, wird der Unterrichtsgegenstand lebendiger und zugleich auch verständlicher, warum so viele zentrale Ideen erst so spät entwickelt bzw. akzeptiert wurden. Eine Figur wie Albert Einstein gewinnt nur an Faszination, wenn man sich klarmacht, dass er von 1905 bis an das Ende seines Lebens mit seinem eigenen Konzept der Lichtquanten intellektuell gekämpft hat, und auch anfängliche Schwierigkeiten bei der Replikation eines Praktikumsexperiments wie dem photoelektrischen Effekt werden Studierende weniger beunruhigen, wenn sie sehen, dass in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts selbst die größten Theoretiker und Experimentatoren mit diesem Effekt ihre Schwierigkeiten hatten. Wie wir in Abschn. 3.5–3.6 gesehen haben, dauerte es mindestens zehn Jahre (von 1906 bis 1916) bis klar war, dass Energie und Frequenz tatsächlich in dem von Einstein vorausgesagten linearen Zusammenhang stehen – heute dauert das Praktikumsexperiment dazu keine 20 min – reicht das, um dieses Ergebnis und seine Implikationen sich in den Köpfen von Anfängern setzen zu lassen? ‚Heroen‘ der Physik wie den Nobelpreisträgern Compton, Millikan und Planck fällt kein Stein aus der Krone, wenn bekannter wird, dass alle diese großen Physiker sich in dem ein oder anderen Punkt geirrt haben; im Gegenteil kommt die Öffentlichkeit über solche Episoden vielleicht auch zu einem reiferen und besseren Umgang mit Experten und wissenschaftlichen Forschungsergebnissen in all ihrer Vorläufigkeit und Historizität. Andererseits wird der ebenfalls mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnete Johannes Stark für seine völlig übertriebene Sucht nach Veranschaulichungen und vor allem für seine Verstrickungen in die nationalsozialistische Bewegung der „Deutschen Physik“ zu Recht massiv kritisiert, aber zu diesen Widersprüchen der Geschichte gehört eben auch, dass es der gleiche Johannes Stark war, der ab 1909 einer der frühesten und glühendsten Anhängern der Einsteinschen Lichtquantenhypothese war – des gleichen Einstein, den er später als „jüdischen Propagandisten“ beschimpfte. Die zahlreichen Klischees, die jene ‚Quasi-Historie‘ von Naturwissenschaft beinhaltet, sind derart falsch und irreführend, dass man werdende Physiker 13 Zitate

von T.S. Kuhn (1962) aus Klassen et al. (2010) S. 924; vgl. auch Brush (1974), Jones (1991).

202

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und letztlich auch eine breitere Öffentlichkeit eigentlich gar nicht schnell genug davon abbringen kann. Dabei spielt es fast schon keine Rolle mehr, ob Faulheit und Bequemlichkeit, sich die mittlerweile häufig digital einfach und schnell erhältlichen Primärquellen oder mindestens verlässliche wissenschaftshistorische Sekundärliteratur zu beschaffen, und zu lesen oder „a rather misguided desire for order and logic, as a convenience in teaching and learning“14 die Gründe für diese historischen Unterschlagungen und Verbiegungen darstellen. Im Endeffekt erzeugt diese Mythen-gesättigte Quasi-Historie, die man immer wieder in Vorworten und Paratexten von ansonsten arg ahistorisch vorgehenden Lehrbüchern findet, jedenfalls stark verzerrte Bilder von naturwissenschaftlicher Forschung. Komplexe Entdeckungsvorgänge werden entweder zu vermeintlich rein logischen Folgerungen aus vorangegangenen Experimenten trivialisiert oder als unerklärliche, aus dem Nichts kommende glückliche Einfälle mystifiziert. Jahrzehntelang anhaltendene Debatten um Experimente, Konzepte und Theorien werden ignoriert, in denen beide Seiten gute und bedenkenswerte Argumente vorbringen und um die Wahrheit ringen. Das intrikate Wechselspiel von wissenschaftlichem Instrumentenbau, Experimentierpraxis und damit verwobener wissenschaftlicher Theoriebildung wird künstlich linearisiert. Historische Sackgassen und Irrwege, alternative Deutungen und tiefgehende Interpretationsprobleme werden unterschlagen. Figuren wie Einstein oder Heisenberg, Compton oder Millikan, werden zu heroischen Lichtgestalten stilisiert, ihre wissenschaftlichen Gegner als dumm, einfältig oder böswillig dämonisiert. Insofern ist Klassen et al. nur zuzustimmen, wenn sie zur Schlussfolgerung kommen: „We recommend that historical presentations should be an integral part of the presentation of the photoelectric effect in textbooks. […] the history of physics is ‚inside‘ physics.“ 15

6.2

... in den Feynman Lectures on Physics

Ab 1948 entwickelten Julian Schwinger und Richard Feynman ihre jeweiligen Zugänge zur sogenannten Quantenelektrodynamik.16 Wie in Abschn. 3.12 bereits diskutiert, wurden insbesondere die von Feynman entwickelten und 14 Whitaker

(1979) S. 239 mit guten Beispielen aus der Physik-Lehrbuchliteratur. Klassen & Metz (2010) S. 924, ihrerseits Fabio Bevilaqua zitierend. Mit ganz ähnlichem Tenor ferner Holton (1973), Brush (1974), Whitaker (1979), Simonsohn (1979), (1981) und Kragh (1992) gegen ‚quasi-history ‘ oder Weinmann (1980), Niedderer (1982), Tarsitani (1983), Rahhou et al. (2015) über die konstruktive Rolle von Wissenschaftsgeschichte bei der Wissensvermittlung. 16 Zur Geschichte der in ihren Anfängen bis auf die späten 1920er Jahre zurückgehenden QED siehe z. B. Schwinger (1983), Feynman (1965), die Anthologien wichtiger Primärquellen von Schwinger (Hg.) 1958 und Miller (Hg.) 1994 sowie Schweber (1994) und hier Abschn. 3.12. 15 Niaz,

6 Der Reflex dieser Entwicklungen ...

203

nach ihm benannten Diagramme, mit denen er jeden Term der störungstheoretisch zu berücksichtigenden und zur Berechnung der Wahrscheinlichkeit eines Prozesses aufzusummierenden Interaktionsmöglichkeiten zwischen den Elementarteilchen und den Eichfeldern visualisiert wurden, zu einem durchschlagenden Darstellungsmittel, gerade auch in der Ausbildung. David Kaiser hat das rasche und äußerst weitreichende Eindringen von Feynman-Diagrammen in den physikalischen Unterricht an Colleges und Universitäten, ja sogar in semipopuläre Bücher und Vorträge detailliert belegt.17 Was uns in diesem (in der zweiten Auflage dieses Buches neu hinzugekommenen) Unterabschnitt speziell interessieren soll, ist die Frage, inwieweit in diesen Texten, Vorträgen und Vorlesungen über die QED implizit oder explizit mentale Modelle des Photons benutzt oder suggeriert wurden, die gerade wegen der erheblichen Breitenwirkung des charismatischen Richard Feynman, der weltweit geradezu einer Kultfigur der modernen Physik wurde,18 dann auch das mentale Modell mehrerer Generationen von Physikern dominierte. Der frühe Richard Feynman war – geprägt von seinem Mentor John Archibald Wheeler – ein starker Verfechter eines Teilchenbildes.19 Schon 1941 verkündete der damals gerade erst 23-jährige graduate-Student auf einem Treffen der American Philosophical Society in Cambridge, Massachusetts: „One can consider electromagnetic fields as having little physical reality, and to be merely mathematical tools useful in calculating the interaction between charges.“ 20 Ontologisch real waren für Feynman also die elektrisch geladenen Teilchen, während die Felder zwischen diesen nur „wenig physikalische Realität“ beanspruchen durften. 1945–49 versuchen beide‚ „classical electrodynamics in terms of direct interparticle action“ zu interpretieren.21 Jedes elektrisch geladene Teilchen strahlte nach dieser Wheeler-Feynman-Absorbertheorie zeitsymmetrisch aber phasenversetzt je die Hälfte des elektrischen Feldes in die Zukunft bzw. in die Vergangenheit aus. Betrachtet man die elektrische Wechselwirkung zweier geladener Teilchen, so addierten sich die beiden Amplituden des elektrischen Feldes in der Wechselwirkungszone zwischen den beiden Teilchen zu einer ganzen, während sie in den Zeiten vor und nach ihrer Wechselwir17 Siehe Kaiser (2004) über die „Dispersion of Feynman Diagrams in Postwar Physics“; vgl. ferner Wüthrich

(2010), Wüthrich in Esfeld (Hg.) 2012 sowie Gross (2012) zur Geschichte ihrer Einführung. 18 Zur Feynman-Biographie und über den schon zu seinen Lebzeiten entstehenden Feynman-Mythos siehe

Gleick (1993), Mehra (1994), Brown (2005) und Forstner (2007, 2020). 19 Über die frühe Prägung Feynmans durch Wheeler, die dann auch Ausdruck in zwei gemeinsam verfassten Aufsätzen zur sogenannten Absorbertheorie fand, siehe Wright (2014) Kap. 3–4, Blum (2017) und Furlan (2021). 20 Richard Feynman am 22. Febr. 1941 in einem unpubliziert gebliebenen Vortrag über „The reaction of the absorber as the mechanism of radioactive dampening“, Feynman-Papers, Box 6, folder 1, CALTECH, zit. nach Wright (2014) S. 117. 21 Wheeler & Feynman (1945, 1949) S. 425.

204

K. Hentschel

kung destruktiv miteinander interferierten. Dadurch kam effektiv ein Modell der elektrischen Wechselwirkung zustande, dass mit dem klassischen Modell übereinstimmte, in dem das Feld des einen geladene Teilchens auf das andere Teilchen einwirkt, was einer zeitgerichteten Einwirkung gleichkommt.22 Der Vorteil der zeitsymmetrisierten Absorbertheorie war, dass sie das Problem der Selbstwechselwirkung geladener Teilchen mit sich selbst vollständig umging, so dass hier keine unendlichen Selbstenergien und somit auch kein Bedarf für Renormierung entstand.23 Auch wenn sie an dieser noch nicht quantisierten Absorbertheorie dann nicht weiter festhielte, blieben für Feynman alle physikalischen Prozesse letztendlich Streuprozesse. Daher tendierte er auch in Bezug auf die von ihm entwickelten und nach ihm benannten Feynman-Diagramme anfangs zu einer reifizierteren Deutung jener Diagramme als Abbilder realer Streuprozesse. Die in den Diagrammen rücklaufenden Linien waren für den frühen Feynman Abbilder von Antiteilchen und die in jenen Diagrammen vorkommenden inneren Linien Indikatoren virtueller ‚Teilchen‘ im starken Sinne jenes Wortes:24 Feynman is clearly imagining the world of QED and offers us, his readers [and the people who attended his lectures, KH], representations and advice for viewing them, to help us imagine it also. [...]Feynman seems to have been thinking of photons in terms of particles rather than fields.25

In seinen späteren Texten schimmerte dieses von ihm präferierte mentale Modell von Photonen immer noch stark durch. In den sogenannten ‚Feynman Lectures on Physics‘, die Feynman seit 1961 an der Cornell University hielt, und die 1963–65 in schlichter Transkription in drei Bänden erschienen, findet sich ein kompletter Durchgang Feynmans durch alle Basisbereiche der Physik.26 Auch wenn es sich bei diesen Vorlesungen eigentlich um Anfängervorlesungen für Physik-Studierende der ersten Semester handelt, sind es meisterhafte Texte auf sehr hohem Niveau, so dass sie bis heute vielfach auch von Studierenden höherer Semester und sogar auch von bereits ausgebildeten und selbst dozierenden Physiker/innen mit großem Genuss gelesen wurden bzw. werden, 22 Derartige zeitsymmetrisierte Beschreibungen elektrodynamischer Wechselwirkung hatte zuvor schon G.N. Lewis (1926b) erwogen – vgl. dazu ferner Stuewer (1975b). 23 Zur weiteren Entwicklung, die Feynman dann auch zu den sog. Feynmanschen Pfadintegralen führte, siehe neben den in obigen Anm. zitierten Texten: Feynman (1965), Cramer (1988), Thorne (2019): 9. 24 Siehe beispielsweise Feynman (1949, 1965); vgl. ferner Kaiser (2000, 2004), Gross (2012), auch im Kontrast zu Dysons damaliger streng-instrumentalistischer Interpretation jener Diagramme als bloßer Rechenhilfsmittel – mehr dazu dann hier in Abschn. 9.3. 25 Meynell (2008) S. 52 f., bezugnehmend u. a. auf Feynman (1949, 1965, 1985). 26 Siehe Feynman (1964/66), seither vielfach neu aufgelegt und auch in zahlreiche Sprachen übersetzt, sowie online unter https://www.feynmanlectures.caltech.edu/info/.

6 Der Reflex dieser Entwicklungen ...

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nicht zuletzt auch wegen der äußerst witzigen und geistreichen Art und Weise, in der Feynman dort die Probleme der Physik vorstellt und diskutiert. Später wurden auch Ton und Filmaufzeichnungen jener Vorlesungen publiziert, die einen noch direkteren Eindruck von der charismatischen Art vermitteln, in der Feynman sein Publikum ansprach.27 Hier ein Beispiel dafür, wie Feynman den Welle-Teilchen-Dualismus einführt: ‚Quantum mechanics‘ is the description of the behavior of matter and light in all its details and, in particular, of the happenings on an atomic scale. Things on a very small scale behave like nothing that you have any direct experience about. They do not behave like waves, they do not behave like particles, [...], or like anything that you have ever seen. Newton thought that light was made up of particles, but then it was discovered that it behaves like a wave. Later, however (in the beginning of the twentieth century), it was found that light did indeed sometimes behave like a particle. Historically, the electron, for example, was thought to behave like a particle, and then it was found that in many respects it behaved like a wave. So it really behaves like neither. Now we have given up. We say: „It is like neither.“ 28 Das klang für die Studierenden natürlich erstmal frustrierend, aber das war es auch für Feynman selbst, der wenig später in der gleichen Vorlesung auch bekannte: „This is all a little discouraging.“ 29 Immer wieder wies er sein Publikum darauf hin, wie rätselhaft, „un-common-sensy“ und letztendlich absurd die Quantenmechanik sei; gerade diejenigen, die glaubten, sie verstanden zu haben, hätten in Wirklichkeit gar nichts verstanden: „If you think you understand quantum mechanics, you don’t understand quantum mechanics. [...] It is my task to convince you not to turn away because you don’t understand it. You see my physics students don’t understand it... That is because I don’t understand it. Nobody does.“ 30 Aber experimentell sei die Quantenmechanik und umso mehr die QED eben in ganz ausgezeichnetem Maße bestätigt: „Quantum mechanics maintains its perilous but still correct existence.“ 31 27 Siehe

https://www.feynmanlectures.caltech.edu/ sowie einige der im Folgenden gegebenen links.

28 Feynman (1964/66) Vol. 3, Vorl. 1, Abschn. 1), online unter https://www.feynmanlectures.caltech.edu/

III_01.html ferner seine Vorlesungen 37–38 in Bd. 1. 29 Ibid., Bd. 1, Vorl. 1, Abschn. 6. 30 Feynman (1985) S. 5 und 9; vgl. auch Feynman (1967c) S. 160 „niemand versteht die Quantenmechanik“, sowie https://www.azquotes.com/author/4774-Richard_P_Feynman/tag/quantum-mechanics für weitere Aphorismen zur Absurdität der Quantenmechanik, „which describes nature as absurd from the point of view of common sense. And yet it fully agrees with experiment. So I hope you can accept nature as She is – absurd.“ 31 Feynman (1964/66), Bd. 1, Vorl. 1, Abschn. 8 sowie Feynman (1985) S. 8 über die extrem präzisen experimentellen Bestätigungen der QED, die diese insofern sogar zum „jewel of physics – our proudest possession“ mache.

206

K. Hentschel

In folgenden Passagen geht er dann konkreter auf die Struktur des Lichts ein. Photonen werden bei ihm zum Oxymoron ‚particle waves‘ oder eben zu den ‚particles‘ in scare quotes, die den Teilchencharakter der Lichtquanten betonen, aber dennoch dezent daran erinnern, dass dies eine metaphorische Sprechweise ist: There is one lucky break, however – electrons behave just like light. The quantum behavior of atomic objects (electrons, protons, neutrons, photons, and so on) is the same for all, they are all ‚particle waves‘, or whatever you want to call them. So what we learn about the properties of electrons (which we shall use for our examples) will apply also to all ‚particles‘, including photons of light. [...] What we are observing is that light also acts like electrons, we knew that it was ‚wavy‘, but now we find that it is also ‚lumpy‘. It always arrives – or is scattered – in lumps that we call ‚photons‘. As we turn down the intensity of the light source we do not change the size of the photons, only the rate at which they are emitted. 32

Diese Unteilbarkeit von Photonen auch bei niedrigsten Intensitäten, die Feynman nicht langweilig-trocken als „indivisibility“, sondern witzig als Klumpigkeit (engl. „lumpiness“) umreisst, wird von ihm dann zu einem Hauptargument für die Teilchenartigkeit des Photons gemacht und an weiteren Beispielen wie etwa which-way- oder Interferenzexperimenten illustriert. Überdeutlich wird dieser Zugang Feynmans zu Photonen als ‚quasi-Teilchen‘ in einem späten Vortrag an der University of Auckland, den er 1979 hielt und programmatisch betitelte: „Photons as corpuscles of light“.33 In diesen Vorlesungen diskutiert Feynman zunächst ausführlich Newtons Projektilmodell des Lichts in dessen Opticks und entfaltet dann unter wiederholter Bezugnahme auf diese weit älteren mentalen Modelle einige der Grundideen der von ihm mitentwickelten QED. Newton thought that light was made up of particles – he called them ‚corpuscles‘ – and he was right (but the reasoning that he used to come to that decision was erroneous). We know that light is made of particles because we can take a very sensitive instrument that makes clicks when light shines on it [a photomultiplier], and if the light gets dimmer, the clicks remain just as loud – there are just fewer of them. Thus light is something like raindrops – each little lump of light is called a photon – and if the light is all one color, all the ‚raindrops‘ are the same size.34 32 Ibid.,

Abschn. 1-1 und 1-6.

33 Feynman’s 1979 (Robb lecture at the University of Auckland), als Video online unter www.reddit.com/

r/lectures/comments/3dswur/richard_feynman_quantum_mechanics_part_1_photons/ (1985) S. 14.

34 Feynman

6 Der Reflex dieser Entwicklungen ...

207

Nach dieser ausführlichen Bezugnahme auf Newton, dessen Terminus „corpuscle of light“ er dann ja sogar in die Überschrift seiner Vorlesungen in Auckland übernommen hatte, führt er weiter aus, dass man mit derartigen Photomultipliern eben auch Licht sehr niedriger Intensität beobachten könne, bis hin zu nur einzelnen Photonen. Doch es gebe eben keine ‚half-clicks‘: There is no splitting of light into ‚half-particles‘ that go different places. I want to emphasize that light comes in this form – particles. It is very important to know that light behaves like particles, especially for those of you who have gone to school, where you were probably told something about light behaving like waves. I’m telling you the way it does behave – like particles.35

Und damit auch niemand auf die Idee kam, es könne an den speziellen Eigenschaften jener Photomultiplier liegen, bekräftigte er dann noch: „every instrument that has been designed to be sensitive enough to detect weak light has always ended up discovering the same thing: light is made of particles.“ 36 Im Vergleich zu der neither-particle-nor-wave-Aussage, mit der dieser Unterabschnitt begonnen hatte, sind dies nunmehr erstaunlich einseitige, apodiktische Aussagen, in denen die scare quotes um den Ausdruck ‚particle‘ verschwunden sind. So ist dann auch die zweite Vorlesung der Robb-lectures in Auckland überschrieben: „photons: particles of light“.37 Diese Vorlesungen in Neuseeland 1979 wurden dann auch Grundlage seines populärwissenschaftlichen Buches: QED. Die seltsame Theorie des Lichts und der Materie, das 1985 in erster Auflage erschien und seither eine der einflussreichsten Popularisierungen der QED darstellt. In diesem ebenfalls sehr weit verbreiteten Buch begleitet Feynman die Umschreibung der Absorption eines Photons durch einen Detektor mit den Worten „We know that light is made of particles“.38 Insofern können wir abschliessend festhalten, dass Feynman gerade in seinen semipopulären Vorträgen, Vorlesungen und Büchern zu einem der einflussreichsten Protagonisten des mentalen Modells von Photonen als Teilchen wurde, auch wenn er selbst (wie gerade die ersten Auszüge aus seinen frühen Vorlesungen zeigen) eigentlich sehr wohl von dem eingeschränkten und metaphorischen Charakter jenes Teilchenbildes wusste – bei der Deutung reeller Lichtstreuung und dem Austausch (exchange) virtueller Photonen zur eichinvarianten Beschreibung der elektromagnetischen Wechselwirkung war es das

35 Ibid.,

S. 15.

36 Ibid. 37 Ibid.,

S. 36 ff. (1985) S. 14.

38 Feynman

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Teilchenbild des Photons, das Pate stand.39 Felder waren für Feynman letztendlich nur mathematische Hilfskonstrukture zu Vereinfachung der Beschreibung der direkten Wechselwirkung zwischen Teilchen. In einer seiner Feynman Lectures „on scientific imagination“ (erstmals abgehalten 1963) macht er sich lustig über hilflose Versuche der Visualisierung elektromagnetischer Felder durch „vague, shadowy, wiggling lines“ und zieht sich dann auf eine „mathematical view“ zurück, die jedem Punkt der Raum-Zeit sechs Zahlen zuordnet, die die E- und B-Feldgrößen spezifizieren und deren Zeitentwicklung durch Differentialgleichungen beschrieben wird. In seinem Nobelpreisvortrag von 1965 lesen wir dann: „there is no field at all [...] the field disappears as nothing but bookkeeping variables insisted on by the Hamiltonian method.“ 40 Eine ganz ähnlich laxe Umschreibung der Photonen als Teilchen findet sich bis heute in einer kaum mehr überschaubaren Zahl von Aufsätzen und Lehrbüchern, in denen Physiker in ihrer pragmatischen Grundhaltung Energie- und Impulsübertrag in Prozessen wie dem Comptoneffekt oder dem photoelektrischen Effekt Photonen als Teilchen zu sprechen, obwohl sie genau wissen, dass Photonen keine Ruhemasse haben: „they nevertheless call a photon a particle because, just like massive particles, it obeys the laws of conservation of energy and momentum in collision, with an electron say (Compton effect).“ 41 Schon bei Studierenden formiert sich aus dieser Beschallung mit einem hoffnungslos naiven Bild von Photonen als Projektilen, als „little pellets flying through the air“,42 ein fundamental unangemessenes mentales Modell, das viele von ihnen dann auch als ausgebildete Physiker nicht mehr abschütteln können.43

39 Für Hinweise darauf, dass diese Fixiertheit auf Teilchen schon in Feynmans Dissertation 1942 vorlag, siehe Brown (2005) S. ix, xv, 5; vgl. ferner das oben bereits wiedergegebene Zitat aus dem frühen Vortrag des graduate students von 1941. 40 Feynman (1965). 41 Pais (1991) S. 350 f. 42 Snoke (2003) S. 1, der das ebenso wie Passon (1997) und Klevgard (2011) für ein „impediment to correct learning“ hält. 43 Darauf werden wir in Kap. 9 zurückkommen.

7 Alternative Theorien der Begriffsentwicklung

Für die philologischen Fächer, aber auch für Geschichte und Philosophie, gehört Begriffsentwicklung zu den elementarsten und essentiellsten historischen Prozessen in der Tätigkeit menschlichen Geistes. Daher ist es nicht verwunderlich, wenn aus all diesen Disziplinen heraus Ansätze zum tieferen Verständnis jenes komplexen Prozesses formuliert worden sind. Aus der riesigen Zahl vorgelegter Untersuchungen greifen wir in diesem Kapitel einige wenige heraus, in denen speziell naturwissenschaftliche Konzepte die Materialbasis theoretischer Überlegungen zur Begriffsgeschichte waren. In diesen Fällen wäre am ehesten eine etwaige partielle Übertragbarkeit von Einsichten oder Strukturen auf unser Beispiel der Geschichte des Konzepts von Lichtquanten oder Photonen zu erhoffen. Darunter sind u. a. Ludwik Flecks zu Begriffsgeschichte als Ergebnis denkgeschichtlicher Entwicklung, Werner Kutschmanns und Wolfgang Neusers Überlegungen zur Metamorphose bzw. Entfaltung von Begriffen, Arianna Borrellis Ausweitung auf die materielle und instrumentelle Dimension von Begriffen und den mit ihnen formulierten Theorien, Mark Turners und Gilles Fauconniers Betrachtungen zu conceptual blending sowie Ian Hackings Thesen zu historischen Ontologien. Es wird sich jedoch herausstellen, dass – soweit ich sehe – keiner der vorgelegten Ansätze besser als der hier letztendlich praktizierte in der Lage wäre, jene Geschichte zufriedenstellend zu beschreiben. Darum wird am Ende dieses Kapitels der von mir hier benutzte Zugang über mentale Modelle historiographisch und methodisch noch näher beleuchtet, damit klar wird, aus welchen Anregungen er sich speist, wie er entstand, und worin seine Stärken und Schwächen liegen.

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2023 K. Hentschel, Lichtquanten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-66933-4_7

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7.1

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Begriffsgeschichte als Ergebnis denkgeschichtlicher Entwicklung (Fleck)

Eine der originellsten und bis heute wirkungsträchtigsten Untersuchungen der Wissenschaftsforschung stammt von dem polnischen Mikrobiologen Ludwik Fleck (1896–1961).1 In seiner 1935 erstmals im Druck erschienenen Monographie über Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache finden sich zuhauf interessante Einsichten in naturwissenschaftliche Forschungspraxis,2 aus denen in diesem ersten Unterabschnitt diejenigen herausgegriffen werden sollen, die mit Begriffsentwicklung zu tun haben. Fleck sieht Begriffsgeschichte eingebettet in die Geschichte wissenschaftlicher ‚Denkstile‘, die von relativ kleinen Gruppen miteinander gut vernetzter Mitglieder einer Forschergemeinschaft, den sogenannten ‚Denkkollektiven‘ entwickelt, ausgeformt und praktiziert werden. Daher kombiniert Flecks Zugang zu diesem Thema auch begriffs- und ideenhistorische Fragestellungen mit soziologischen und praxiologischen, wodurch er zum Pionier einer interdisziplinären Wissenschaftsforschung wurde. Im Unterschied zu Philologen hatte er als experimenteller Mikrobiologe ein Gespür für das wissenschaftliche Beobachten und Experimentieren und das dabei praktizierte Gestaltsehen, in dem untersuchte Objekte und Prozesse bereits als das gesehen werden, was sie gemäss dem in diesem Denkkollektive praktizierten Denkstil sein sollten. Durch diese wechselseitige Verstärkung von Denkstil und Denkkollektiv, aber auch zwischen visuellem Wahrnehmen und verbalen Beschreiben, werden die in jenem Denkkollektiv zugrundegelegten Begriffe und die damit formulierten Theorien zunehmend stabilisiert. Im Übergang von den eigenen Laborbeobachtungen hin zum ersten Aufsatz und dann weiter von der „Zeitschriftenwissenschaft“ hin zur „Handbuchwissenschaft“ findet eine zunehmende ‚Verhärtung‘ des Wissens statt, die schließlich in „Denkzwänge“ führt, aus denen die Forscher nicht mehr herauskommen und die sie (oft unbewusst) geradezu dazu zwingen, ihre Beobachtungen und Theorien so zu formulieren, dass diese mit ihrem Denkstil konform sind.3 Fleck weiss auch um die unterschiedlichen Methoden der wissenschaftlichen Ausbildung Bescheid, in denen durch Praktika, Proseminare, Tutorien usw. die in der Vorlesung vorgestellten Lehrinhalte praktisch eingeübt und eingeschliffen werden. Er spricht in diesem Zusammenhang auch von „Dressur“ und von den am Ende jenes Prozesses dann erfolgenden Prüfungen und 1 Über

seine vita u. sein wissenschaftliches Werk siehe die biographischen Einführungen von Lothar Schäfer u. Thomas Schnelle in Fleck (1935/1980b) bzw. von Claus Zittel in Fleck (1935/1980), Müller & Schmieder (2016) S. 538–551 sowie die dort jeweils genannte weiterführende Lit. 2 Zum folgenden siehe Fleck (1935/1980), insb. seine Kap. 2 und 4. 3 Zu diesen Übergängen siehe Fleck (1935/1980) Abschn. 4.4.

7 Alternative Theorien der Begriffsentwicklung

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von akademischen Abschlussfeiern als „Initiationsriten“, die diesen Prozess ihrer Einführung in die Wissenschaft abschliessen. Danach beherrschen die fertig Ausgebildeten ihr Metier und benutzen hinfort die Begriffe ganz so, wie der Denkstil jenes Denkkollektivs es ihnen nahelegt. Dadurch entsteht Kohärenz wissenschaftlicher Lehrmeinung, dadurch entstehen wissenschaftliche Schulen (etwa die von Lavoisier), die dann eben manche Begriffe benutzen (Sauerstoff und Kalorikum zum Beispiel) und andere (z. B. Phlogiston) rundheraus ablehnen. Ganz am Anfang der Begriffsentwicklung stehen von Fleck sogenannte Präideen, motiviert durch erste Beobachtungen und explorative Überlegungen zu deren Deutung, die allerdings noch unausgeprägt in einem „undifferenzierten Knäuel damaliger Kenntnisse“ vorliegen und weder begrifflich noch in ihrer Gestalt klar voneinander abgegrenzt sind. In seinem medizinischen Kontext sind dies etwa Vermutungen über das Entstehen von Krankheiten durch das Einatmen schlechter Dämpfe (sogenannter Miasmen) oder konkurrierend dazu die Vermutung, dass Krankheiten Ausdruck eines entstandenen Ungleichgewichts gegeneinander wirkender körpereigener Flüssigkeiten, Elemente oder Prinzipien seien. Beide Präideen führen dann in ihrer weiteren Ausformung zu konkreten Überlegungen, wie diese Krankheiten zu bekämpfen sind.4 Dadurch bildet sich ein veritabler Denkstil heraus, in dem dann auch „eine stilgemäße Bindung aller – oder vieler – Begriffe einer Epoche [besteht], die auf ihrer gegenseitigen Beeinflussung beruht.“ 5 Während diese Denkstile gerade wegen dieser starken ‚Bindung‘ der in ihnen auftretenden Begriffe aneinander und wegen dem großen sozialen Zusammenhalt der Mitglieder jener Denkkollektive untereinander zu dogmatischer Verhärtung und Ausbildung eines regelrechten „Denkzwangs“ tendieren, kommt Innovation in jenen Denkstilen durch das Eindringen neuer Ideen aus anderen Denkkollektiven zustande. Ermöglicht wird das dadurch, dass alle Personen nicht nur Mitglied jenes einen Denkkollektivs (etwa der Anhänger von Lavoisier um 1800 in Frankreich) sind, sondern zugleich auch noch Mitglieder etlicher weiterer (einige von ihnen waren zugleich Mitglieder der Akademie der Wissenschaften, andere kamen aus dem Ausland, wieder andere waren ausgebildete Pharmazeuten, usw.). Das erleichtert den Import neuer Ideen in die ansonsten eher geschlossenen Denkkollektive, wodurch „Mutationen“ und Variationen wissenschaftlicher Begriffe entstehen können. Letztendlich werden die meisten 4 Entweder

durch das Tragen von Atemmasken wie man das aus der frühneuzeitlichen Pestbekämpfung kennt, oder durch das Entfernen derjenigen Körperflüssigkeit, deren Übermass im Körper allererst zu der Krankheit geführt hat. Dass Aderlass die meisten bedauernswerten Patienten de facto eher geschwächt als gestärkt hat, tat der verbreiteten medizinischen Praxis keinen Abbruch, worin sich die unheilsamen Folgen des ‚Denkzwangs‘ zeigen, dem jene Denkkollektive unterliegen. 5 Zu vorstehendem siehe Fleck (1935/1980b) Kap. 1 und 3, Zitate von S. 3, 15 und 35.

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jener Denkkollektive zerfallen, entweder durch den Tod ihrer Mitglieder (bei nicht ausreichender Reproduktion durch Ausbildung neuer Vertreter) oder durch Degeneration ihres Denkstils (bei nicht ausreichender weiterer Adaptation an neue Fakten oder veränderte soziale Rahmenbedingungen). Denkstile wurden von dem Mikrobiologen Fleck wie organismische Einheiten betrachtet, die einer Evolution unterliegen, um Ressourcen kämpfen müssen und Selektionsprozessen unterworfen sind, weshalb viele von ihnen früher oder später auch aussterben. Begriffsgeschichte vollzieht sich also nach Fleck in folgenden Entwicklungsstadien: i) ii) iii) iv) v)

Entstehung einer Präidee Ausformung jener Präidee zu einer veritablen Theorie Nutzung der heuristischen Kraft dieser Präidee Verhärtung jener Theorie zu einem Denkstil mit regelrechtem Denkzwang Weiterentwicklung der Theorie durch Eindringen neuer Ideen aus anderen Denkkollektiven oder die vi) Ablösung der Theorie durch eine auf anderen Präideen basierende.

Doch selbst am Ende jener oft jahrhunderte überspannenden Karriere wissenschaftlicher Begriffe sind diese noch nicht vollständig verschwunden: [...] ob wir wollen oder nicht, wir können nicht von der Vergangenheit – mit allen ihren Irrtümern – loskommen. Sie lebt in übernommenen Begriffen weiter, in Problemfassungen, in schulmäßiger Lehre, im alltäglichen Leben, in der Sprache und in Institutionen. Es gibt keine generatio spontanea der Begriffe, sie sind, durch ihre Ahnen sozusagen, determiniert.6

Auf unser Fallbeispiel der Lichtquanten lässt sich Flecks Modell der Begriffsentwicklung wie folgt (in den Nummern bezugnehmend) anwenden: (i) Ein hervorragendes Beispiel für eine Präidee im Sinne von Fleck ist etwa die Vorstellung, dass es sich beim Licht um einen Strom sehr kleiner Teilchen handelt. Diesen Gedanken finden wir bereits in der griechischen und römischen Antike bei den frühen Atomisten. (ii) In ausgeprägterer Form finden wir dieses mentale Modell dann wieder in Newtons Projektiltheorie des Lichts. Antiker Atomismus ebenso wie später dann der Newtonianismus sind Denkstile, die für die Angehörigen jener Denkkollektive zu ihrer Zeit jeweils heuristisch höchst fruchtbar waren, 6 Fleck

(1935/1980) S. 31.

7 Alternative Theorien der Begriffsentwicklung

(iii)

(v)

(iv)

(vi)

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wodurch die Begriffe jener Theorien an Aussagekraft und Komplexität zunahmen. In Kap. 3 hatten wir im einzelnen gesehen, wie aus der Projektiltheorie des Lichts Aussagen über die Wechselwirkung von Licht und Materie folgten (etwa die Aufheizbarkeit von Materie durch Lichteinfall) und Vermutungen formuliert wurden (etwa über die Mitführung von Kometenschweifen durch Lichtstrahlen von der Sonne oder zur Existenz sehr schwerer Körper, denen selbst Licht nicht mehr entweichen kann).7 Am Beispiel der großen Probleme, in die Sir Isaac Newton hineinlief, als er versuchte, Phänomene wie dasjenige der Newtonschen Ringe zu lösen,8 zeigt sich die Verhärtung jenes Newtonischen Paradigmas. Die konkurrierende Wellentheorie von Huygens, die auf der gänzlich anderen Präidee des Lichts als einer Welle basierte, war 100 Jahre lang verdrängt worden, obgleich man damit jene Experimente als Interferenzeffekte weit leichter erklären konnte. Mit den Arbeiten von Thomas Young und Augustin Fresnel kam dann diese Wellentheorie des Lichts in den ersten zwei Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts zum Durchbruch.9

Insgesamt ist mir das in Flecks Historiographie entstehende Bild wissenschaftlicher Entwicklung sehr sympathisch, auch wenn einige seiner Züge für die darin beschriebenen Naturforscher zunächst eher provokativ wirken dürften, da sie ihre Ausbildungszyklen sicher eher nicht als „Initiationsriten“ bezeichnet wissen wollen. Flecks Modell vermag viele Aspekte der Wissenschaftspraxis zu erklären und zeichnet ein integratives Bild, in das ganz viele verschiedene Ebenen eingehen, so etwa die Experimentalkulturen, das wissenschaftliche Gestaltsehen, die Rolle von Institutionen und wissenschaftlichen Schulen, die Genese, Ausformung, Verhärtung und schließlich auch die Ablösung von Denkstilen, und zu guter letzt eben auch die sich in diesem Umfeld vollziehende Begriffsentwicklung. Ja, ich stimme zu: Eine der vornehmsten Aufgaben vergleichender Erkenntnistheorie wäre zu forschen, wie Auffassungen, unklare Ideen von einem Denkstil zum anderen kreisen, wie sie als spontan entstandene Präideen auftauchen, wie sie sich, dank einer Art Harmonie der Täuschung als beharrende, starre Gebilde erhalten. Erst durch

Vorfahren der ‚schwarzen Löcher‘ – vgl. dazu z. B. Eisenstaedt (1991, 2012) und dort angeführte Primärliteratur. 8 Siehe dazu Shapiro (1993) und dort genannte Primärliteratur. 9 Zum vorstehenden siehe Lehrbücher zur Geschichte der Optik wie etwa Park (1997), Darrigol (2012) oder Hentschel (2007aa). 7 Ideengeschichtliche

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solches Vergleichen und Erforschen der Zusammenhänge gewinnen wir das Verständnis für unsere Epoche.10

Das spricht mir aus dem Herzen, und ebenso zutreffend ist folgende Einsicht Flecks, die zugleich auch die Grenzen seiner vielschichtigen Historiographie aufzeigt: Es ist sehr schwer, wenn überhaupt möglich, die Geschichte eines Wissensgebietes richtig zu beschreiben. Sie besteht aus vielen sich überkreuzenden und wechselseitig sich beeinflussenden Entwicklungslinien der Gedanken, die alle erstens als stetige Linien und zweitens in ihrem jedesmaligen Zusammenhange miteinander darzustellen wären. Drittens müßte man die Hauptrichtung der Entwicklung, die eine idealisierte Durchschnittslinie ist, gleichzeitig separat zeichnen. Es ist also, als ob wir ein erregtes Gespräch, wo mehrere Personen gleichzeitig miteinander und durcheinander sprechen, und es doch einen gemeinsamen herauskristallisierenden Gedanken gab, dem natürlichen Verlaufe getreu, schriftlich wiedergeben wollen. Wir müssen die zeitliche Stetigkeit der beschriebenen Gedankenlinie immer wieder unterbrechen, um Zusammenhänge besonders darzustellen; vieles weglassen, um die idealisierte Hauptlinie zu erhalten. Ein mehr oder weniger gekünsteltes Schema tritt dann an Stelle der Darstellung lebendiger Zusammenhänge.11

Ein großer Teil dessen, was ich in Kap. 3 berichte, kann als stufenweise Weiterentwicklung jener Präidee Newtons durch Hinzunahme neuer Ideen aus anderen Denkkollektiven, also im Sinne vom obigen Punkt (v), verstanden werden – erst die letzten drei semantischen Schichten (behandelt in den Abschn. 3.10–3.12) zwangen zu einer dann immer weitergehenden Revision und schließlich sogar Rücknahme jenes naiven Teilchenmodells. Und selbst diese ist keine vollständige Verdrängung, da Konnotationen jenes Teilchenbildes auch in heutigen Texten durchaus nachweisbar sind12 – genau so, wie Fleck dies in dem vorletzten hier eingerückt wiedergegebenen Zitat schon ganz allgemein vorausgesagt hat. Allerdings ist das strukturell gesehen auch schon fast alles, was aus Flecks Modell der Wissenschaftsentwicklung für unseren Fall ableitbar ist: es bleibt unspezifisch und ohne Aussagekraft über die speziellen Prozesse der Entwicklung unseres Begriffs von Lichtquanten. Ja, dieses Konzept der Teilchenartigkeit fand Eingang in verschiedenste Denkstile: in Newtons Projektiltheorie der Opticks von 1704 ebenso wie in Einsteins heuristischem Gesichtspunkt von 1905, in Comptons naiver Deutung des Compton10 Fleck

(1935/1980b) S. 41. S. 23. 12 Sehr zum Ärgernis derjenigen Quantenfeldtheoretiker übrigens, die dieses Teilchenmodell ein für alle mal ausgemerzt sehen wollen: siehe dazu hier Abschn. 9.1. 11 Ibid.,

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Prozesses als relativistischem Streuvorgang eines Lichtteilchens an einem Elektron ebenso wie in Feynmans teilchenhafter Deutung der elektromagnetischen Wechselwirkung als Austausch von Photonen im Rahmen seiner QED. In all diesen Fällen gibt es eine „Bindung“ unseres Begriffs an andere Konzepte jener Theorien im Rahmen eines jeweils ausgeprägten Denkstils, verbunden mit Denkzwängen, denen letztlich auch die größten Geister unterworfen waren und die sie dann auch davon abhielten, aus jenem Prokrustesbett ihrer eigenen Grundannahmen noch wieder auszusteigen. Daher beispielsweise das Insistieren Einsteins auf seinen Prämissen des lokalen Realismus und der Separabilität. Das führte zum EPR-Aufsatz und wiederum mit jahrzehntelanger Verspätung zur experimentellen Widerlegung von Einsteins Intuition. Ja, die hier so ganz anders präsentierte Geschichte ließe sich auch so erzählen, wie Fleck das in seinem medizinischen Fallbeispiel tut. Dann läge das Augenmerk sehr viel mehr auf sozialen Prozessen der Denkkollektiv-Bildung und der Weitergabe einmal erworbener mentaler Modelle, auf Prozessen der Kodifizierung jener Anschauungs- und Wissensformen und auf den damit dann verbundenen Denkzwängen.

7.2

Metamorphose oder Entfaltung von Begriffen

In diesem Abschnitt greife ich aus der Fülle an Modellen und Detailuntersuchungen zu Begriffsentwicklung drei Beispiele heraus, in denen mit besonderer Ausdauer und großem Geschick jeweils ganze Cluster naturwissenschaftlicher Begriffe untersucht wurden. Dass es sich dabei um Untersuchungen eines Erziehungswissenschaftlers, eines Philosophen und einer Wissenschaftshistorikerin und Medienwissenschaftlerin handelt, zeigt die große Vielfalt der Zugänge, aber auch die unterschiedlichen Fragestellungen, unter denen Begriffsgeschichte dort jeweils betrachtet wurde. Werner Kutschmanns ‚Metamorphose‘ des Kraftbegriffs 1983 erschien die Monographie des damaligen Privatdozenten für Erziehungswissenschaften an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt am Main, Werner Kutschmann (*1948) über Newtons Kraftbegriff: Metamorphose eines wissenschaftlichen Begriffs. Darin vertritt der drei Jahre später durch seine Studie über den Naturwissenschaftler und seinen Körper. Die Rolle der ‚inneren Natur‘ in der experimentellen Naturwissenschaft der frühen Neuzeit bekannter gewordene Didaktiker die These, dass es sich bei der Geschichte des Kraftbegriffs „nicht etwa um eine der ‚Überwindung‘ des alten impulstheoretischen

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Krafbegriffs handelt, sondern eher um ein Verhältnis der Koexistenz, innerhalb dessen der [...] ‚revolutionäre‘ Kraftbegriff eine Komplementierung und Entsprechung durch vermeintlich überwundene Vorstellungen erfährt.“ 13 Sein Interesse konzentrierte sich auf die möglichen Relationen dieser Kraftbegriffe [...] – auf die Formen der Parallelität, der widerspruchslosen Koexistenz oder sogar der komplementären Entsprechung der verschiedenen Konzeptionen [...] um gegen allzu schnelle und behende Erwartungen einer ‚Begriffsentstehung aus dem Nichts‘ [...] das Bild einer begrifflichen Entwicklung zu zeichnen, die eher von Gleichzeitigkeit des ‚Gestern‘ und des ‚Morgen‘ gekennzeichnet ist. Es hat sich gezeigt, daß die Entstehung des Kraftbegriffs bei Newton nicht so sehr als ‚kometenhafter Aufstieg‘ eines ganz bestimmten Begriffes anzusehen ist, sondern eher als das Nebeneinander tradierter und vorsichtig sich davon ablösender Begriffe sich darstellt.14

Damit argumentierte Kutschmann gegen die in der älteren Wissenschaftsgeschichtsschreibung wie auch in den Naturwissenschaften selbst vorherrschende Überzeugung von wissenschaftlichen Begriffen als stabiler „Bollwerke im Strom einer zersetzenden Zeit“ und von der vermeintlich „unzerstörbaren Identität des einmal ‚eroberten‘ Wissens“. Selbst ein seit Newton in den Theorien der klassischen Physik als so unverzichtbar und unzerstörbar angesehener Baustein wie der des Kraftbegriffs muss von der „Aura des ÜberhistorischWahren und der Geschichtlichkeit Enthobenen“ befreit und historisiert werden. Kutschmann identifiziert Prozesse wie den der „Adaptation und gleichzeitigen Metamorphose des alten Impetus-Kraftbegriffs, der aus den Newtonianischen Physik dann zwar terminologisch eliminiert wird, aber trotz seiner begrifflichen „Verbannung“ untergründig dann doch Eingang findet, so dass es zu einer „insgeheimen Assimilation des alten Wissens“ kommt. Insofern trägt Newtons mathematische Naturphilosophie „die Ambivalenzen zwischen neuem und alten Wissen, zwischen modernen funktionalen Begriffen und überlieferten substantialen Begriffen“ noch in sich und wir mißverstehen sie, wenn wir ihre Entstehung nur einseitig als „ständige Anstrengung der Reinigung, der Verbesserung und Klärung“ begreifen. Seine begriffshistorische Studie führt uns eine „Fülle verschiedenst-farbiger Ausprägungen und Schattierungen eines Kraftbegriffs“ vor Augen,15 darunter insbesondere folgende drei

13 Kutschmann

(1983) S. 12. S. 150. 15 Ibid., vorstehende Zitate von S. 6, S. 5, S. 3 u. S. 8; zum nachfolgenden S. 20 ff. 14 Ibid.,

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1. der Begriff der internen Kraft (vis insita). 2. der Begriff einer externen impulsiven Kraft (vis motrix impressa), sowie 3. der einer externen und kontinuierlich wirksamen beschleunigenden Kraft (vis acceleratrix). Ersterer wird im Laufe der Begriffsgeschichte schrittweise aus dem Kraftbegriff ausgegliedert und in den der Massenträgheit überführt. Der zweite steht mit diskontinuierlich wirksamen Stoßwirkungen der Materie in Zusammenhang, die in Teilchentheorien der Materie das Paradigma für die Wechselwirkung von Materie abgaben und später in den Impulserhaltungssatz überführt wurden, und aus dem dritten erwuchs mit Newton dann das Konzept einer Gravitationskraft.16 Wie bewerten wir das vorstehende Modell der Begriffsentwicklung? Kutschmanns Argumentation gegen die Whig-Historiographie, derzufolge hinter jenen durch strenge Definitionen und rigide Einbettung in mathematischeTheorien gewissermassen „eingeschmolzenen“ wissenschaftlichen Begriffen (wie in seiner Fallstudie dem Newtonianischen Kraftbegriff oder hier bei uns dem von Lichtquanten bzw. Photonen), die scheinbar „dem Umkreis der Sprache überhaupt enthoben sind und transzendieren jeden etymologischen oder metaphorischen Zusammenhang “, darin ist Kutschmann ganz sicher Recht zu geben. Doch damit ist zunächst nur gesichert, dass wir so etwas wie Begriffsund Ideengeschichte brauchen, um die Genese und Komplexität heutiger Begriffe zu verstehen, und noch nicht geklärt, wie wir diese Geschichte schreiben sollten. Dass es dabei „ein Spürsinn, ein Blick für die verborgenen Spuren und Gestalten dieses verdrängten Wissens entwickelt werden“ muss,17 ist ebenso unbestritten und ich hoffe sehr, dass dermaleinst diese Studie zu denjenigen gezählt werden wird, die von dem Vorhandenseins jenes historischen Spürsinns Zeugnis geben. In welchen Stadien sich diese ‚Metamorphose‘ des Kraftbegriffs vollzieht, wird von Kutschmann Schritt für Schritt und an Quellenauszügen belegt dargestellt. Aber welches Modell der Begriffsentwicklung dabei zum Tragen kommt, bleibt hinter Metaphern wie ‚Metamorphose‘, ‚Adaptation‘ oder ‚Verbannung‘ leider doch sehr unklar. • Ist der Kraftbegriff der klassischen Mechanik das Ergebnis der „begrifflichen Vervielfältigung“ oder umgekehrt der „Konsolidierung der begrifflichen Differenzierungen“ ? 16 Für die Einzelheiten dieser komplexen Entwicklungen muss ich auf das Buch von Kutschmann (1983)so-

wie auf die von ihm aufgelisteten Studien von John Herivel, Derek T. Whiteside, Richard S. Westfall und Max Jammer (1957) verweisen. 17 Kutschmann (1983), vorstehende Zitate von S. 16 und 7.

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• Oder ist er „Endpunkt einer entmythologisierenden und entsprachlichenden Bewegung, die heute bei der Auslöschung der Differenz von ‚Zeichen‘ und ‚Bezeichnetem‘ angelangt ist“, welche erst durch die Mathematisierung der Mechanik durch Newton möglich wurde? • Ist es seine definitorische Einführung des Kraftbegriffs in ein „nacktes neutralisiertes Bezeichnungssystem, in dem Bedeutungsgehalt und -umfang, Möglichkeit der Differenzierung von zugeordneten Begriffen und die Mächtigkeit der zu subsumierenden Anwendungsfälle festgelegt waren“ ? • War es der radikale „Schnitt gegenüber mitschwingenden Bedeutungen, miterinnerter früherer Praxis“, den Newton vollzog? • Oder war es ein Aufgehen des Begriffs der ‚inneren Kraft‘ in den neuen Begriff der Masse, in die dann auch die weit älteren Begriffe inertia, impetus und resistentia integriert wurden? • War die „Unifizierung der Kraft bei Newton“ eine „Zusammenführung und In-Eins-Setzung“ zweier Kraftbegriffe (einer kontinuierlichen Beschleunigungswirkung und einer diskontinuierlichen Kraftstoßwirkung) durch Subsumption des ersteren unter letzteren?18 Ich glaube nicht, dass ‚Metamorphose‘ dasjenige trifft, was die Newtonsche Begriffsentwicklung ausmacht und ich glaube insbesondere auch nicht, dass es jene Zurückdrängung der Sprache, jene Mathematisierung war, auf die Kutschmann am Ende seiner feingeteilten Untersuchung so großen Wert legt, denn alle physikalischen Symbole, und so auch der Kraftbegriff, müssen letztendlich wieder interpretiert werden: in semantischen Zuordnungen jener Symbole zu damit bezeichneten Objekten, was dann sofort die Frage aufwirft, welchen ontologischen Status jene Objekte haben: Felder oder quantenmechanische Zustände beispielsweise, Teilchen oder eben auch Lichtquanten. Das war schon bei Newtons Kraftbegriff so, der seine Zeitgenossen sofort auf die Frage brachte, wie denn jene Gravitationskraft mechanisch zustandekäme und das ist auch bei unseren Photonen nicht anders, die immer wieder die Frage mit sich brachten: „What is a photon“?19 Wolfgang Neusers ‚Begriffsentfaltung‘ 2017 erschien die um Vorüberlegungen zu einer Theorie der Begriffsgeschichte ergänzte Untersuchung von Wolfgang Neuser (*1950) zur Entwicklung der Konzepte Kraft, Affinität und Natur von Newton bis Hegel. Neusers Idee 18 Kutschmann, (1983) Zitate von S. 107, 109, 17, 110 und 142; vgl. Kutschmanns zusammenfassende These auf S. 148 zur „Überführung in mathematische Äquivalenz“ als demjenigen Mittel, um die beunruhigende Differenz der Begriffe zu relativieren und zu einem eindeutigen Begriff vorzustossen, sowie hier Abschn. 7.4 zu Parallelen des letztgenannten Punktes mit Turners conceptual blending. 19 Siehe hier Abschn. 9.6 für Literaturangaben und eine Diskussion.

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war es, die „Dynamik der Begriffe“ in einer historisch „unter einer stabilen Rahmenstruktur eines Weltverständnisses zu untersuchen.“ Seine „Archäologie“ zentraler Begriffe jener „stabilen Phase“ erbrachte instruktive Beispiele für (i) Bedeutungsverschiebungen, (ii) Differenzierungen und (iii) Verallgemeinerungen von Begriffen „im Rahmen einer weitgehend konsenten Metaphysik in einer inneren Dynamik“.20 Auch wenn ich entschieden bestreiten würde, dass die Metaphysik in jenen Jahren zwischen 1687 und 1830 so „konsent“ war wie Neuser behauptet, so interessant sind doch seine Fallbeispiele: Zu (i) etwa die unterschiedlichen Interpretationen des Kraftbegriffs (etwa bei Newton, Leibniz, d’Alembert, Lagrange, Euler oder LeSage), und zu (ii) beispielsweise die allmähliche Ausdifferenzierung des Kraftbegriffs in interne (innere, vis insita) und externe (aufgeprägte, vis impressa). Aus ersterem wird dann die Trägheit, aus letzterem der Newtonianische Kraftbegriff, aus dem sich durch weitere Entwicklung durch Ausdifferenzierung noch der Impuls und Energiebegriff abspalten.21 Sowohl beim Kraftbegriff wie auch bei demjenigen der Energie erkennt man ferner sehr klar die (iii) Stadien zunehmender Verallgemeinerung – zuerst der Gravitation als einer nicht nur sublunaren, sondern überall im Kosmos wirksamen Kraft, dann der Erweiterung jenes Newtonianischen Kraftbegriffs auch auf andere Naturerscheinungen wie etwa Elektrizität und Magnetismus, Adhäsion und Kohäsion, usw. Ausdifferenzierungen des Begriffs und die Explikation der inneren Logizität der Begriffe können zu Bedeutungsverschiebungen führen, die in einer zeitlich distanten Betrachtung (gleichsam makroskopisch) als revolutionäre Sprünge erscheinen. Begriffsgeschichte thematisiert also die Entwicklung einzelner Begriffe über einen großen historischen Zeitraum hinweg, so dass die Begriffe sich dabei im geschichtlichen Verlauf unter der Entwicklung der Wissenschaften logisch explizieren. Dies ist möglich, weil Begriffe eine Bedeutungsvielfalt enthalten, die nur zum Teil explizit gedacht wird, zum anderen Teil aber implizit oder latent präsent ist. Innerhalb dieser Bedeutungsvielfalt können Bedeutungsverschiebungen vorgenommen werden, ohne dass der gemeinte und dahinterstehende Gegenstand zur Gänze verworfen wird oder sich ändert.22

Insofern das Newtonische Forschungsprogramm durch den gesamten von Neuser betrachteten Zeitrahmen von 1687 bis 1830 hindurch als wissenschaftliches Methodenideal galt, dessen Begriffe und Paradigmen das Verständnis von 20 Alle vorstehenden Zitate aus Neuser (1995/2017) S. VII-VIII; vgl. ibid., S. 28 zur „Archäologie der Begriffe“ als einer Wissenschaftsgeschichtsschreibung, die diesen Veränderungen von Begriffen nachgeht. 21 Die über eine Generation lang tobende Debatte um die Interpretation von vis viva beispielsweise ist ein hervorragendes Beispiel für die tragischen Folgen nicht-erfolgter Begriffsdifferenzierung zwischen kinetischer Energie und Impuls. 22 Ibid., S. 21.

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Natur prägte, muss dieses Forschungsprogramm – so Neuser weiter – „mit einer beachtlichen Flexibilität in der Deutung seiner Grundbegriffe ausgelegt“ gewesen sein. Die Grundbegriffe der Newtonschen Physik waren somit „jederzeit Modifikationen unterworfen und unterliegen in jeder Interpretation einer modifizierten Deutung. Bedeutungsverschiebungen in den Begriffen der naturwissenschaftlichen Theorien machen nachgerade die Entwicklung der Naturwissenschaften der Neuzeit aus.“ 23 Zwar würde ich sowohl bestreiten, dass jene Modifikationen ‚jederzeit‘ auftreten wie auch, dass sich die Geschichte der Naturwissenschaften auf solche Bedeutungsverschiebungen von Begriffen reduzieren lässt, selbst wenn naturwissenschaftliche Gesetzmässigkeiten „in Begriffen geronnene [...] Ausschnitte aus einem Ganzen des Denkens“ sein mögen – schließlich gibt es doch auch noch Experimente, soziale Strukturen, Institutionen u.v. a. mehr. Aber halten wir fest, dass jene permanenten Bedeutungsverschiebungen für Neuser konstitutiv für Wissenschaftsentwicklung überhaupt sind. Genau in solcher Umorganisation von Begriffsstrukturen von Weltbildern bestehe wissenschaftlicher Fortschritt.24 Für Neuser ergeben sich jene Bedeutungsverschiebungen aus einer „inneren Logik“, derzufolge begrifflich Eingegrenztes und Ausgeschlossenes, „Grenzbestimmung und der eingegrenzte Bedeutungsgehalt aufeinander abgestimmt“ seien. Die Pointe in seiner Deutung jener schon oft analysierten Entwicklung des Kraftbegriffs ist die These, dass es sich dabei um ein „dialektisches Schema der Begriffsentfaltung“ handele.25 Je schärfer die Grenzbestimmung des Begriffs ist, um so bedeutungsleerer wird der Begriff. Die Allgemeingültigkeit seiner Operabilität wird eingeschränkt. Der Begriff muss aber die Tendenz zur Verallgemeinerung haben, um mit immer weniger Grenzbestimmungen behaftet zu sein. Gleichzeitig gibt es die Gegentendenz der Präzisierung des Begriffs, um die Eindeutigkeit seiner Aussagbarkeit zu garantieren und eine genaue Anwendung zu erreichen. In diesem Wechselspiel finden Bedeutungsumschläge im Begriff statt. Dies alles macht die immanente Logik der Ausdifferenzierung von Begriffen aus. [...] Insbesondere die Grenzbestimmungen der Begriffe sind dabei für die Dynamik der Theorien verantwortlich. An diesen Grenzen entstehen mit der Ausdifferenzierung einzelner Begriffe Erklärungsdefizite, die durch neue Begriffe oder Erweiterungen anderer Begriffe an diesen Stellen gedeckt werden müssen.26

23 Ibid.,

S. 1f. Neuser spricht auch vom „permanenten Werden“. S. 4f., 26 ff. 25 Ibid., S. VII bzw. hegelianisch ausgefaltet auf den S. 5ff., 22 f., 26 ff. 26 Ibid., S. 27. 24 Ibid.,

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Eine weitere Komplikation in der Begriffsentwicklung ergibt sich daraus, dass für deren Bedeutungsgehalt keineswegs nur die expliziten Definitionen und die darin benannten Merkmale eingehen, sondern zusätzlich auch noch „Konnotationen oder latente, nicht ausgesprochene, oft nur schwer aussprechbare Bedeutungsgehalte der Begriffe, die – würden sie ausgesprochen – den Begriff modifizieren und einer Bedeutungsverschiebung unterziehen würden. [...] Die Festlegungen dieser Grenzen des Begriffs sind fließend.“ 27 Ich würde diesen zuletzt gemachten Aussagen zustimmen und die Vermutung anschliessen, dass sich unter jenen von Neuser angesprochenen ‚Konnotationen‘ durchaus auch mentale Modelle finden, die bei all denen, die einen Begriff wie den der Kraft benutzen, eben unbewußt mitschwingen. Weil dies für die einen dann Kontaktwechselwirkungen unmittelbar aneinander angrenzender kleiner Teilchen, für andere Gravitationsfelder, potentiale, nicht-euklidische Raumkrümmungen oder der feldtheoretische Austausch von Gravitonen sein mögen, macht es dann eben auch Sinn, von verschiedenen Bedeutungen von Kraft zu sprechen, je nachdem, welches mentale Modell unterlegt ist. Nur macht Neuser jene untergründige Ebene mentaler Modellierung eben gerade nicht explizit. Damit genug über jene moderne Variante einer quasi-hegelianischen Geschichtsschreibung, die in der Begriffsentwicklung eine „dialektische Explikation der inneren Logik der Begriffe“ sieht und in deren Geschichte „das Medium zum Verständnis einer gesetzmässigen Entwicklung der Wissenschaften.“ 28 Nicht nur die historisch widerlegbaren Thesen von der Permanenz jener Bedeutungsverschiebungen, sondern auch diejenige von der vermeintlichen Gesetzesartigkeit einer „immanenten Logik der Begriffe“ folgenden Richtung jener Entwicklungen sind für einen Wissenschaftshistoriker inakzeptabel. Ebenso störend ist letztendlich die Inhaltsleere jener Programmatik, mit der alles und nichts gerechtfertigt und dialektisch verbrämt begründet werden könnte und die Blindheit gegenüber der für uns so wichtigen Ebene mentaler Modelle. Hegelianische Begriffslogik ist also gewiss nicht der Schlüssel, mit dem wir die dynamisch in historisch angebbaren Phasen schrittweise sich vollziehenden semantischen Akkretionen erfassen können. Die meisten der 12 Schichten, die wie in Kap. 3 nach und nach semantisch superponierten, hatten ihren Ursprung keineswegs in einer inneren Logik der Begriffe, sondern in experimentellen Befunden, die die Naturforscher geradezu dazu zwangen (oft nur widerwillig und gegen ihre Intuition), dem Licht bzw. den Lichtquanten immer weitere Eigenschaften zuzusprechen (etwa die Polarisation, den Spin, die Mitführung von Energie oder deren Quantisierung). Dass es 27 Ibid.,

S. 98. S. 28. Neuser nimmt hier neben Hegel auch auf Wilhelm Ostwald Bezug, der in seinen Pionierarbeiten (1887 bzw. 1909) in der „beständigen Verallgemeinerung und Vertiefung der Probleme“ (naiv positivistisch) einen „gesetzesmässigen Gang der Wissenschaften“ sah (ibid., S. 9).

28 Ibid.,

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K. Hentschel

keineswegs innere Logik, sondern empirisch-physikalisch erzwungene Bedeutungsverschiebungen waren, sieht man auch daran, dass jeder dieser Schritte heftig umstritten war, also alles andere als begriffslogisch zwingend.

7.3

Arianna Borrellis Materialität von Konzepten

Die Einsicht, dass es für das Studium der Geschichte wissenschaftlicher Begriffe und Konzepte nicht ausreicht, nur Sprach- und Theoriegeschichte zu betreiben, sondern dass auch wissenschaftliche Praxis inklusive der Experimente, Instrumente sowie der Gebrauchs- und Lehrkontexte mit in den Blick genommen werden müssen, ist schon alt. Wir finden sie beispielsweise schon bei Ludwik Fleck, mit dem wir dieses Kapitel begonnen hatten, sowie bei dessen Zeitgenossen Gaston Bachelard (1884–1962), der von wissenschaftlichen Instrumenten als materialisierten Theorien sprach; ferner auch bei der Chemiehistorikerin und -philosophin Hélène Metzger (1889–1944) und dem Chemiephilosophen und Instrumentenhistoriker Davis Baird (*1954). Ich werde mich aber in der Diskussion dieses Ansatz auf eine zeitgenössische Autorin beschränken, Arianna Borrelli, die als Physikerin ausgebildet wurde, dann in die Wissenschaftsgeschichte ging und ihre Dissertation über spätantike und mittelalterliche Astrolabien schrieb und heute als historisch arbeitende Wissenschaftsforscherin sehr vielseitig tätig ist. Im gleichen Jahr 2017, in dem auch die erste Auflage dieses Buches erschien, reichte Arianna Borrelli an der TU Berlin ihre kumulative Habilitationsschrift über „Formulating phenomena: Concept formation and the materiality of theory in the early modern and modern period“ ein. Darin sind neun zwischen 2005 und 2015 von ihr publizierte Aufsätze von ihr kommentiert wiederabgedruckt zu finden, die allesamt die Entstehung von Begriffen im Bereich der physikalisch-mathematischen Wissenschaften betreffen, darunter der der Temperatur und der Lichtbrechung, der mechanischer Kraft sowie des Drehimpulses, aber auch die Geschichte spektroskopischer Auswahlregeln sowie der Suche nach kristallographischen Symmetrieeigenschaften oder nach Symmetriebrechung, quantenmechanische Notationen wie die Diracsche braket-Zustandsschreibweise sowie Erzählstrategien wie die zur Massenerzeugung in der Teilchenphysik.29 Einfache Begriffs- oder Ideengeschichte als “histories

29 Siehe

Borrelli (2017), insb. ihr die Einzelstudien kommentierendes erstes Kapitel.

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of concepts as disembodied constructs“ lehnt Borrelli rundheraus ab.30 Sie erforscht „Prozesse der Entstehung und Transformation von Konzepten als Zugang für die Erforschung von Dynamiken der Wissensgenerierung in unterschiedlichen Kontexten“. So ist für sie beispielsweise der Begriff der Kraft jahrhundertelang eine „trading zone, in which philosophy, mathematics and experiment met. [...] early modern notions of force [...] could be defined by philosophical-theological statements, experiments, mathematical concepts and, finally, by measurement procedures.“ 31 Zur Geschichte der von ihr untersuchten Begriffe zählt Borrelli konsequenterweise auch deren „verschiedene mediale Darstellungen (Worte, Formeln, Bilder, Diagramme und mehr).“ So will sie „Begriffe und mediale Strategien [...] in ihren historischen Entwicklungen und gegenseitigen Verflechtungen zurück in die Zeit“ verfolgen. Die zentrale These all dieser Fallstudien ist „die Annahme, dass theoretische, physikalisch-mathematische Begriffe keine körperlosen abstrakten Konstrukte sind, die unabhängig von ihren ästhetisch wahrnehmbaren Repräsentationen untersucht werden können: Auch theoretische Begriffe weisen konstitutiv eine materielle und performative Dimension auf, die in jeder historischen und philosophischen Studie einbezogen werden muss und als fruchtbarer Leitfaden für wissenschaftshistorische Untersuchungen dienen kann.“ 32 Diese Verkörperung von Konzepten („entanglement of materiality and abstraction“) führt zu einer Performativität aller Repräsentationsformen („performativity of representational strategies“), die für sie beispielsweise beim Konzept der spontanen Symmetriebrechung dazugehören. Man könne die Geschichte jener heute für das Standardmodell der starken und elektroschwachen Wechselwirkung so wichtigen spontanen Symmetriebrechung nicht als Geschichte des entkörperlichten („disembodied“) Konstrukts schreiben: „[it] has to be expressed and perceived by means of some aesthetic experience, such as writing down formulas on a blackboard or looking at a colour-coded diagram. This material, performative dimension is an integral part of the concept as communicated to a specific audience and determines its use in practice.“ 33 Selbstverständlich werden derartige Konzepte erst durch die wissenschaftliche Praxis lebendig, die dann eben auch das Visualisieren in Farbtafeln und das An-die-Tafel-schreiben beinhalten – aber gehört letzteres wirklich noch zur Konzeptgeschichte und nicht vielmehr zur Geschichte von dessen Einsatz und Wirksamkeit? Genau deswegen habe ich dem 6. Kapitel dieses Buches, in dem es um die Wirk30 Zu

dieser Kritik siehe Borrelli (2017) S. 22ff.; für ihre lesenswerte historiographische Übersicht dieses Literaturstrangs siehe ihren Abschn. 1.2. 31 Borrelli (2007) (unpaginierte S. 1). 32 Vorstehende Zitate entstammen der unpaginierten Zusammenfassung der Habilschrift Borrelli (2017); vgl. ebenda Abschn. 1.4 und 1.6. zur Materialität von Theorie und ihren Begriffen. 33 Borrelli (2017) S. 5.

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samkeit mentaler Modelle von Photonen im wissenschaftlichen Unterricht, in Vorträgen, Vorlesungen und Lehrbüchern geht, die Überschrift „Reflex dieser Entwicklungen“ gegeben. Aus Borrellis breit kontextualisierendem Ansatz resultiert eine in vielen Fallstudien unscharf bleibende Darstellung, in der alle historischen Entwicklungsphasen jeweils nur kurz charakterisiert werden und viele Nebenaspekte der Geschichte in den Vordergrund rücken, die meinem Dafürhalten mit der eigentlichen Konzept-Entstehung nur noch sehr indirekt zu tun haben.34 Ausführlicher wurde sie bei ihrer Analyse des physikalischen Konzepts vom Drehimpuls, der aus meiner Sicht gelungensten ihrer Fallstudien: I have endeavoured to show how the notion of angular momentum emerged from the convergence of a number of factors: the development of the mechanical analysis of rotational motion by French mathematicians; the reinterpretation and expansion of these results in new physical-geometrical terms; some specific natural philosophical ideas of motion and its causes and, finally, the construction, use and discussion of various mechanical instruments representing the properties of rotational motion. Some crucial steps in this process were taken in Britain, where both geometrical formalism and mechanical models were more present in the academic milieu than in other European countries and enjoyed a higher epistemological status. In the context of Victorian natural philosophy the notion of angular momentum could emerge and thrive because it was supported by different but complementary representations of nature and its regularities.35

In der Frühen Neuzeit wird (noch ohne jenen Terminus) in Keplers zweitem Gesetz von der Gleichheit der vom Fahrstrahl in gleichen Zeiten überstrichener Flächen gesprochen, Euler behandelt Vorformen der Drehimpulserhaltung in seiner Analyse der Rotation fester Körper, Poinsot spricht dann erstmals von der „conservation des forces et moments“, Maxwell experimentiert mit Kreiseln, William Thomson verallgemeinert seine Einsichten zu Aussagen über ‚momentum of momenta‘, Klein und Sommerfeld dann um 1900 zu ihrer Kreiseltheorie und Niels Bohr, Otto Stern und Walther Gerlach leisten den Import jenes mechanischen Konzepts in die Quantentheorie. Das zeigt eindrücklich, wie verschieden jenes Konzept des Drehimpulses in jeder dieser Phasen verstanden und verwendet wurde. Obgleich die Theorien, Methoden, Visualisierungen und experimentelle Umsetzungen sowie die Hintergrundvorstellungen in jedem dieser Fälle gänzlich andere sind, betrachten wir jene 34 Borrelli

(2007) selbst spricht beispielsweise in ihrer Studie zum Kraftbegriff von einem „very brief, episodic sketch“ (unpaginierte S. 1) und auch ihre Geschichte des Higgsteilchens bleibt bei allem Augenmerk auf die Erzählstrategien zum ‚Gottesteilchen‘ sehr informell. 35 Borrelli (2017) S. 16.

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Geschichte dennoch als diejenige dieses einen Konzepts des Drehmoments: „despite those differences, that concept today maintains a strong identity as the same physical quantity.“ 36 Genau das gleiche haben wir auch in unserer Geschichte des Konzepts von Lichtquanten beobachtet: auch hier haben wir eine sehr große Heterogenität der Interpretationen und gehen dennoch davon aus, dass alle über das Gleiche reden. Auch bei uns ist jenes Konzept eingebettet in völlig verschiedene graphische Repräsentationen, mathematisch-statistische Formeln, physikalische Theorien und mentale Modelle, was uns aber nicht daran hindert, diese alle auf die eine Entität des Lichtquantums zu beziehen. Bei einigen Fallbeispielen Borrellis (wie etwa bei Diracs bra-ket-Notation) handelt es sich eindeutig um paper-tools,37 die in meinen Augen nicht zu verwechseln sind mit dem Konzept quantenmechanischer Zustandsvektoren, sondern diese samt der durch Produktbildung von bra und ket dann entstehenden Zustandswahrscheinlichkeiten nur in prägnanter Form versinnbildlichen, also eine geschickte Repräsentationsform bilden. In anderen Fällen jedoch (so etwa beim Begriff der mechanischen Kraft oder des Drehimpulses) gehen tatsächlich bildhafte oder sensomotorische Impulse in die begriffsbildende Arbeit ein. Dabei kommen dann aus meiner Sicht auch mentale Modelle mit ins Spiel – leider ein Konzept, das Arianna Borrelli (2017) nur bei ihrer Besprechung der Arbeiten von Nancy Nersessian und mir kurz erwähnt, obgleich es so nahegelegen hätte, dies zu tun. Beim bereits erwähnten Beispiel des Drehimpulses etwa kommen materielle und instrumentelle Zugänge z. B. bei Taits Visualisierung der Erhaltung von Drehmomenten in den von ihm im Hörsaal erzeugten Rauchringen zum Tragen, bei Maxwell in Kreiselexperimenten und bei William Thomson dann in seinen Wirbelmodellen des Elektromagnetismus und der Atome zum Tragen. Auf jeden Fall stimme ich mit Borrelli überein, dass es zwischen der Begriffsund Ideenentwicklung einerseits und der Entstehung mentaler Modelle andererseits enge Querverbindungen und sogar „Verflechtungen“ gibt, die es wert sind, historisch untersucht zu werden. Sie und ich haben das nur mit jeweils ganz unterschiedlichen Instrumentarien getan. Borrelli fokussiert letztendlich auf die Rolle des menschlichen Körpers, des verkörperten Wissens und die performative Dimension von Begriffen und Theorien, worin ihr gedanklicher Weg übrigens ganz in die Nähe desjenigen von Werner Kutschmann führt.38 Nicht nur in theoretischen Kontexten, in die wir Konzepte normalerweise so36 Ibid.,

S. 1; zu dieser Herausforderung vgl. ibid., S. 17 ff. Borrelli (2017) S. 27 und 46 f. über das von Ursula Klein 2003 entwickelte Konzept von ‚paper tools‘: einer pragmatisch-operationalen Vereinfachung durch die Umsetzung komplexer Arbeitsprozesse in die einfache Manipulation von Symbolen auf dem Papier. 38 Dessen Untersuchungen zum Newtonschen Kraftbegriff wir in Abschn. 7.2 geschildert hatten und der danach ein zweites Buch über den Naturwissenschaftler und sein Körper schrieb. 37 Siehe

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fort verorten würden, sondern durchaus auch in experimentellen Kontexten spielen Konzepte eine große Rolle: „they can shape and be shaped by what scientists do in the laboratory independently of what theories may or may not be present in the context.“ 39 Konzepte sind für sie nicht Behälter, die nach und nach mit Sinn und Bedeutung gefüllt werden, sondern sie konstituieren sich erst durch ihren Gebrauch.40 Für Borrelli entstehen wissenschaftliche Konzepte in ständigem Wechselspiel zwischen verschiedenen Repräsentationsformen, damit erfassten mathematischen Strukturen und (natur)philosophischen Ideen und darauf basierenden wissenschaftlichen Instrumenten, in die diese Konzepte gewissermassen materialisiert eingebaut sind.41 Dem würde ich nicht widersprechen, aber der Blick auf letzteres führt weitab von den hier dargestellten semantischen Zusammenhängen und eher in den pragmatischen Bereich der Wirkung und medialen Umsetzung. In meinem Zugang geht es stärker um das tentativ-visualisierende Durchdenken physikalischer Prozesse in inneren Bildern in den frühen Stadien wissenschaftlicher Forschung, was erst später dann (vielleicht) seinen Ausdruck in Zeichnungen, Diagrammen, Filmen oder in sprachlichen Umschreibungen jener Prozesse findet.42 Umgekehrt mag das erfolgreiche Spalten eines Kristalls in mehrere Bruchstücke mit ähnlichen Symmetrieeigenschaften der Anlass dafür sein, dass Haüy u. a. Kristallographen um 1800 auf die Idee kamen, Symmetrieklassen in die Kristallographie einzuführen, aber die konzeptuelle Innovation besteht in letzterem und nicht in ersterem. Das gespaltene Kristall mag meinethalben als eine „material representation of new knowledge“ betrachtet werden, zumal dieses Kristallspalten in den kommenden Generationen dann zum fast schon ritualisierten Bestandteil der Ausbildung wurde. Aber es ist falsch zu sagen: „and as such be itself a conceptual innovation“ und es ist auch falsch zu behaupten, dass „material phenomena and concepts are co-generated“.43 Anstelle von Experimentalpraxen und tatsächlich vollzogenen Bewegungen geht es in meinem Zugang eher um mentale Modelle, also die innere Vorstellungswelt, die aus der Perspektive von Borrelli vermutlich so etwas wie geistige Vorübung zu der späteren Handlungspraxis darstellt. Insofern verfolgen Borrelli und ich verschiedene 39 Borrelli

(2017) S. 11. S. 13ff.; im Hintergrund stehen dabei Überlegungen von Vasso Kindi und Friedrich Steinle in Feest & Steinle (2012) zu „scientific concepts and investigative practice“; weitere Stützung findet sie auch bei Müller & Schmieder (2008) S. XIX sowie 239 ff. 41 so etwa die Ptolemäische Projektionstheorie in das Astrolabium, dessen Geschichte Borrelli in einer eigenen Monographie ausführlich dargestellt hat. Die Interpretation wiss. Instrumente als einer „materialisierten Theorie“ stammt von Gaston Bachelard (1884–1962). 42 Mehr zu meinem eigenen Verständnis mentaler Modelle hier in Abschn. 7.5. Wissenschaftshistorische Beispiele für die explorative Suche nach Konzepten in der wissenschaftlichen Praxis liefern die Untersuchungen von David Gooding (1990) und Friedrich Steinle (2005) zu Michael Faradays frühen Experimenten zur Elektrodynamik. 43 Borrelli (2017) S. 58 und 29 bzw. Kap. 4. 40 Ibid.,

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Fragestellungen, stehen aber in unseren Ergebnissen sowie in der Kritik vieler anderer Ansätze einander teilweise nahe.44 Auch mit ihrer Arbeitsdefinition von „concepts as clusters of (not necessarily mutually coherent) representations which a community, or even a small number of actors, regards as representing the same thing“,45 kann ich gut leben – auch das ‚Lichtquantum‘ bzw. ‚Photon‘ ist ein solches Cluster untereinander nicht vollständig kompatibler Vorstellungen (ich würde sagen: mentaler Modelle), bei dem alle historischen Akteure (fälschlicherweise) davon ausgingen, dass sie vom Gleichen redeten. Nur erlaubt mein Ansatz durch das Modell der Akkretion semantischer Schichten ein besseres Verständnis ihrer Familienähnlichkeiten und Bezüge untereinander, während Borrelli letztlich in einem undurchsichtigen „mangle of practice“ endet.46

7.4

‚Lichtquantum‘

als ‚conceptual blending‘

Bislang haben wir in all diesen Zugängen eine Art Rückwärtsbetrachtung praktiziert, in der sich Begriffsentwicklung retrodiktiv als Arbeit an Begriffen in Richtung auf die heute dann vorliegenden darstellt. Der Vorteil dieser Betrachtungsform ist eine klare Bezugnahme auf denjenigen Begriff, dessen Entwicklung einen interessiert; es gibt ein klares Auswahlkriterium, welcher Aspekt für die Entstehung und semantische Anreicherung dieses später dann voll ausgebildeten Konzepts jeweils relevant ist. Wir können aber auch eine diachrone Vorwärtsbetrachtung praktizieren. Mark Turners Interpretationsansatz zur Begriffsentwicklung, das conceptual blending,47 kommt im Prinzip ohne Bezugnahme auf spätere Entwicklungsstadien aus und fragt danach, wann welche Konzepte wie miteinander verbunden werden. Der Vorteil dieser Betrachtungsform ist eine größere Offenheit; der Nachteil, dass kein klares Auswahlkriterium mehr vorliegt.48 Die Grundidee von Mark Turners conceptual blending ist eine Art konzeptueller Überblen-

44 Das zeigt sich u. a. daran, dass meine Analyse der Geschichte des Konzepts von Lichtquanten in Borrellis methodologisch-historiographischem Einführungskapitel ihrer Habilitationsschrift gut wegkommt: siehe Borrelli (2007 S. 24) in Bezug auf Hentschel (2015). 45 Borrelli (2017) S. 8, 52 ff. 46 Eine Anspielung auf Andrew Pickerings Buchtitel von 1995, der darin in einem mit Borrelli verwandten Ansatz u. a. die Genese von Konzepten wie Quaternionen oder Quarks, aber auch von den zu ihrem Nachweis entwickelten Detektoren und Techniken schreibt. 47 Siehe zum folgenden Turner (2006) sowie Fauconnier & Turner (2002). 48 De facto werden jedoch auch hier erst im historischen Rückblick diejenigen Stränge identifiziert, die zu einer gegebenen Zeit überblendet werden.

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dung oder Verschmelzung zweier vormals völlig getrennter semantischer Basisbereiche.49 Betrachten wir zunächst ein einfaches Beispiel, um diese Grundidee zu verstehen: Das konzeptuelle Überblenden der Vorstellung eines dunklen Loches mit der bekannten Begleiterscheinung eines quasi-automatischen Hineinfallens von Objekten, kombiniert mit dem Konzept einer mathematischen Singularität wie etwa der Gravitationskraft FG eines Massenpunkts. Diese Gravitationskraft FG ∼ m/r 2 im Abstand r um einen räumlich-singulären Massenpunkt der Masse m, ein für alle endlichen Abstände r wohldefinierte Ausdruck, divergiert bei r → 0. Zusammengeführt in einem Prozess des conceptual blendings ergibt sich in der Überblendung beider das neue und radikale Konzept eines ,Schwarzen Loches‘ mit unüberwindlicher Anziehungskraft, in das alle umgebenden massebehafteten Körper früher oder später hineintrudeln. Soweit also die grundlegende Idee von Mark Turner (*1954) und Gilles Fauconnier (*1944) zu conceptual blending, illustriert an diesem speziellen Beispiel. Freilich gäbe es auch ganz andere, deutlich ältere Modelle zur begrifflichen Deutung dessen, was in diesem Beispiel der auf John Archibald Wheeler zurückgehenden Wortschöpfung von ‚black holes‘ passiert: When compared to the previous nomenclature – ‚frozen star‘, ‚collapsed star‘– it is clear that the ‚hole‘ redirects the focus on that peculiar geometry of spacetime itself, from which not even light can escape, and then ‚black‘, with all its concreteness, simply nails this aspect. Commenting on this, one may invoke ‚conceptual blending‘ and other scholastic notions that are of course welcome, but we are here in front of a nice and concrete example of something that has been around for thousands of years – what Horace in his Ars Poetica called callida iunctura, a cunning juxtaposition of common words that interact to convey aptly and powerfully a new meaning. That is something quite important: as Wheeler once put it quoting Mark Twain: „the difference between the right word and the nearly right word is the difference between lightning and lightning-bug“.50

Angewendet auf unseren Fall könnten wir auch das Konzept von Lichtquanten als ein conceptual blending, also eine begriffliche Überlagerung bzw. konzeptuelle Zusammenführung von Newtons „globuli of light“ und unverzichtbaren Teilen der Quantentheorie interpretieren. Ein einzelner Überblendungsvorgang wie in Abb. 7.1 ist allerdings als Modell viel zu grob, da sowohl historisch wie auch semantisch etliche konzeptuelle ‚Unifizierung‘ und ‚Verschmelzung‘ spricht Kutschmann (1983) S. 142, der ganz unabhängig von Turner und Fauconnier an einem Punkt seiner Studie zum Kraftbegriff zu einem ganz ähnlichen Gedanken kam. 50 Furlan (2021): 15 (Hervorh. orig.), zitierend Wheeler (1978b) S. 9; zu Wheeler, der für seine ingeniösen Wortschöpfungen berühmt war, siehe hier Abschn. 8.5 und Thorne (2019) S. 13ff. 49 Von

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229

Abb. 7.1 Lichtquanten als Ergebnis einfachen conceptual blendings. Mein Diagramm illustriert schematisch die Idee einer Überlagerung semantischer Schichten aus zwei völlig unterschiedlichen Basisbereichen, wodurch ein neues Konzept entsteht

Abb. 7.2 Zwei hintereinandergeschaltete konzeptuelle Überlagerungen: 1. blend: Einsteins ‚Lichtenergiequantum‘ (1905); 2. blend: Einsteins ‚Lichtquantum‘ mit Schwankungen und Welle-Teilchen-Dualismus (1909); 3. blend: QED der 1930er Jahre. Diese Abb. wurde einem anderen Beispiel in Fauconnier & Turner (2002) S. 158 entnommen und entsprechend modifiziert

Integrationen hintereinandergestaffelt werden müssen, um zu komplexen Konzepten wie ‚Lichtquanten‘ zu gelangen. Daher spricht man besser von iterierten Schritten des conceptual blendings, etwa Einsteins ‚Lichtenergiequantum‘ von 1905 als ein erster Schritt und dann Lichtquantum und Welle-TeilchenDualismus ab 1909 als ‚zweiter Blend‘ (siehe Abb. 7.2). Wem das noch immer zu grob ist, der möge erwägen (Abb. 7.3), ob ein sog. megablend zweier Überblendungen (blends), hier der ersten mit Einsteins ‚Lichtenergiequantum‘ (1905) und des zweiten mit Einsteins Schwankungsanalyse (1909), also Lichtquantum und Welle-Teilchen-Dualismus, zusammengenommen einen besseren Fit an die historische Entwicklung bieten.

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Abb. 7.3 Ein sog. megablend zweier konzeptueller Überlagerungen – wiederum stark vereinfacht und schematisiert adaptiert aus Fauconnier & Turner (2002) S. 159

Die Quantenelektrodynamik (QED) erscheint in dieser Turnerschen Perspektive als das Resultat eines solchen conceptual blending zweiter Stufe. Die Quantisierung des elektromagnetischen Feldes wird in der QED erreicht durch eine Art Virtualisierung des Photons, das nunmehr als masseloses Austauschteilchen der elektromagnetischen Wechselwirkung re-interpretiert wird, weswegen diese Wechselwirkung im Unterschied z. B. zur schwachen Wechselwirkung, die von massiven Austauschteilchen getragen wird, auch prinzipiell unendliche Reichweite hat, wenn auch mit der Entfernung r wie 1/r 2 abnehmend. Die berühmten Feynman-Diagramme, von denen wir in Abschn. 3.12 einige wenige Beispiele kennengelernt haben, visualisieren diese Austauschbeziehungen und erlauben gleichzeitig, die verschiedenen Ordnungen der Wechselwirkungsvorgänge zu klassifizieren sowie die Größenordnung der Wechselwirkungsenergien abzuschätzen.51 Jeder einzelne dieser Austauschprozesse ist in der QED jedoch ein rein virtueller – eine bloße Denkmöglichkeit sozusagen, die durch die Feynman-Diagramme bequem inventarisiert und aufsummiert werden können. 52 51 Jeder

Knoten, an dem ein Photon an ein elektrisch geladenes Teilchen ankoppelt, geht mit dem Faktor der Feinstrukturkonstante α  1/137 in die Berechnung ein, so dass Prozesse höherer Ordnung individuell weniger Gewicht haben, allerdings durch die kombinatorisch rasch zunehmende Zahl solcher Streuprozesse höherer Ordnung auch keinesfalls zu unterschätzen sind, sondern sich zu nicht zu vernachlässigenden Beträgen aufsummieren können (das sog. Renormierungsproblem der QED). 52 Vgl. zu späteren Entwicklungen Kidd, Ardini & Anton (1989) sowie hier Abschn. 3.12 zur QED und Kap. 8 zu neueren Experimenten.

7 Alternative Theorien der Begriffsentwicklung

7.5

231

Historische Ontologie und angewandte Metaphysik

Mit dem Terminus ‚Ontologie‘ bezeichnet man in der Philosophie seit der Frühen Neuzeit, kanonisch dann seit dem Erscheinen der Philosophia prima, sive Ontologia von Christian Wolff (1679–1754), denjenigen Teilbereich der Metaphysik, der sich mit dem Seienden im allgemeinen beschäftigt, also mit Aussagen darüber, was es gibt (was real existiert) und was nicht. Traditionell verband sich damit stets die Vorstellung, dass jener Bereich des Seienden, also all das, was im Universum existiert, unveränderlich ist, auch wenn es darüber, was man nun philosophisch angemessen in jenen Bereich dazuzählen soll und was nicht, immer schon heftigen Streit gab.53 So hielt beispielsweise Platon nur die Ideen für wahrhaft existent, während er in den uns umgebenden Dingen nur einen vagen und imperfekten Abglanz jenes ewigen Reiches der vollkommenen Ideen sah, wohingegen Aristoteles und sein Schüler Theophrast sich detailliert um die genaue Beschreibung und Klassifikation von Lebewesen bemühten, die sie für sehr real hielten. Im Mittelalter gab es den sogenannten Universalienstreit zwischen Nominalisten und Realisten darüber, ob es Allgemeinbegriffe wirklich gibt, oder ob es bloss menschliche Konstruktionen sind. Für die Nominalisten sind Begriffe wie beispielsweise das Licht nicht eigene Wesenheiten, sondern nur gedanklich konstruierte Wortgebilde, ausgedacht zur Erfassung der eigentlichen, real-existierenden Einzeldinge, z. B. der über mir den Raum erhellenden Lampe oder der am Himmel scheinenden Sonne. Allgemeinbegriffe wie Licht sind für Nominalisten von Menschen gemacht und können demnach jederzeit auch wieder geändert werden. Letztlich setzen sich diese tiefgreifenden ontologischen Debatten bis in die Grundlagendiskussionen um die Interpretation der Quantenmechanik hinein fort. Damit wird diese metaphysische Diskussion auch für uns relevant, denn es stellen sich (hier in Kap. 9 eingehend diskutierte) Fragen wie: existieren beispielsweise virtuelle Photonen oder sind dies nur bequeme Hilfsmittel zur Beschreibung von Streuprozessen zwischen geladenen Teilchen bzw. zwischen Materie und Licht? Verschiedene philosophische Positionen unterscheiden sich in ihren Antworten auf jene Fragen nach der Existenz oder Nicht-Existenz, aber allen gemeinsam war die Tendenz, das, was sie jeweils für real oder nicht-real hielten, für alle Zeit so festzuschreiben. Wenn (nach Platon) nur Ideen ‚wirklich‘ existieren, dann ist und bleibt das so für alle Zeit. Ontologie war in diesem Sinne statisch – eine Suche nach den fundamentalen Entitäten schlechthin. Im 19. 53 Zur

Begriffs- und Ideengeschichte der Ontologie siehe u. a. Kremer & Wolf (1984) sowie unzählige Lehrbücher der Metaphysik.

232

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und 20. Jahrhundert löste sich dieses Vertrauen in die ontologische Stabilität nach und nach auf: Während noch Pierre Duhem (1861–1916) eine vom Mittelalter bis in die Neuzeit hineinreichende Kontinuität der Grundanschauungen zu konstruieren versucht hatte, ging beispielsweise Gaston Bachelard (1884–1962) bereits von tiefgreifenden kognitiven Brüchen (coupures épistemologiques) aus, die nach Michel Foucault (1926–84) radikal verschiedene Episteme voneinander abgrenzten. Nach Thomas S. Kuhn (1922–96) leben beispielsweise die Anhänger von Aristoteles und Galilei in verschiedenen, miteinander inkommensurablen Welten, weshalb auch wir es heute so schwer haben, in die Aristotelische Gedankenwelt einzutauchen und seine Aussagen so zu verstehen, wie er sie gemeint hat. Kuhn untersuchte seit den 1980er Jahren schwerpunktmässig wissenschaftliche Taxonomien, also denjenigen Klassifikationssystemen, nach denen wir Dinge, Tiere, Pflanzen und letztlich alles unter der Sonne in begriffliche Schubladen pressen. In jenem Wandel von Taxonomien, also in tiefen ontologischen Brüchen zwischen verschiedenen Systemen der Weltbeschreibung, sah der späte Kuhn den eigentlichen Kern der von ihm seit 1962 postulierten ‚wissenschaftlichen Revolutionen‘. Unter dem Einfluss all dieser Vordenker zog der kanadische Wissenschaftsphilosoph und -historiker Ian Hacking (*1936) daraus die Folgerung, Ontologie konsequent zu historisieren. In seiner ‚historischen Ontologie‘ vertritt er einen ‚dynamischen Nominalismus‘ und befasst sich mit der Frage, „wie unsere Verfahren des Benennens mit den bekannten Dingen interagieren. Genausogut könnte ich mich aber auch als einen dialektischen Realisten bezeichnen, dem es um die Wechselwirkungen zwischen dem Seienden (sowie dem Entstehenden) und unseren Begriffen vom Seienden geht.“ 54 Der von Wissenschaftshistorikern ja immer schon beobachtete und beschriebene Wandel von Grundannahmen darüber, woraus die Welt besteht und in welche Basisobjekte man sie zerlegen und aufteilen kann, wird bei Hacking zum Regelfall historischer Entwicklung in langreichweitiger Perspektive: „Die Entwicklungsprozesse beim Eintritt ins Sein sind historischer Art“ und seine vielschichtige „historische Ontologie werdender Existenzen“ umfasst u. a. Dinge, Klassifikationen, Ideen, Gruppen und Einzelpersonen sowie Institutionen.55 Jeder Denkrahmen, jeder „style of reasoning“ ist verbundenen mit typischen, in ihm vorkommenden ontologischen Debatten über neue Objekttypen.56

54 Hacking (2002b) S. 9; zu Hackings Weiterführung von Kuhn siehe beispielsweise seinen Kommentar in Kuhn (1962d), zu seiner Canguilhem- und Foucault-Rezeption siehe Hacking (2002b) S. 10 ff., 89 ff. 55 Hacking (2002b) S. 12 sowie weiterführend beispielsweise Arabatzis (2003, 2011). 56 Zu jenen „styles of reasoning“(Denk-, Argumentations- und Handlungsstilen im Kontrast zu Flecks ‚Denkstilen‘) siehe z. B. Hacking (1992) S. 11; für eine Analyse derartiger ontologischer Argumentationen zu Licht- und Wärmestrahlen siehe Hentschel (2007a).

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233

In dieser ökumenischen Vielfalt liegt freilich auch eine Schwäche des Hackingschen Ansatzes, der sowohl in dem nach jener historischen Ontologie überschriebenen Sammelband wie auch in vielen seiner Aufsätze und Vorträge leider sehr sprunghaft von einem Thema zum nächsten übergeht und auf keines davon richtig fixiert. Damit verbinden sich dann (allzu) große Erwartungen. Anschlußfähiger an meine Fragestellung sind die bescheideneren methodischen Implikationen seines Ansatzes: In ihrer kühnsten Form würde die historische Ontologie zeigen, wie gegenwärtige Probleme verstanden, ausagiert und gelöst werden sollten, auch wenn dadurch neue Probleme erzeugt werden. In ihrer bescheidensten Form ist sie Begriffsanalyse, Analyse unserer Begriffe, aber nicht in jener Zeitlosigkeit unterstellenden Form, die man mir, als ich zu studieren begann, in der besten Tradition der philosophischen Analyse beigebracht hat. Der Grund ist, dass die Begriffe an historischen Orten existieren. Die logischen Beziehungen zwischen ihnen wurden im Laufe der Zeit hergestellt, und wer ihre zeitlichen Dimensionen nicht im Auge behält, kann sie nicht richtig wahrnehmen.57

An Begriffen wie Wahrscheinlichkeit, Zufall oder Experiment hat Hacking dies in seinen besten Arbeiten auch exemplifiziert.58 In seiner Monographie über Representing and Intervening von 1980 beispielsweise kommt er zu dem Ergebnis, das Existenzaussagen wie etwa die über nicht direkt sichtbar machbare Elementarteilchen wie z. B. Elektronen pragmatisch an deren experimentelle Manipulierbarkeit geknüpft werden sollten: „So far as I’m concerned, if you can spray them, then they are real. [...] Experimenting on an entity does not commit you to believing that it exists. Only manipulating an entity, in order to experiment on something else, need do that“.59 Einbeziehbarkeit in experimentelle Handlungsstränge, Manipulierbarkeit wird für ihn also zu einem der pragmatischen Entscheidungskriterien für die Zuschreibung von Realität – unter dem Kriterium sind Elektronen und Photonen zum Beispiel im Photoeffekt ganz sicher real existierend und selbst virtuelle Paarbildung wäre unter der Maßgabe, dass man nur mit ihrer Einbeziehung zur Erklärung von LambShift u. a. Präzisionsexperimenten der QED kommt, nach Hacking definitiv existent. Diese zeitübergreifende Existenz- oder Realitätsaussage schließt aber überhaupt nicht aus, dass dieses Untersuchungsobjekt nicht konzeptuell und experimentell historisiert werden muss, denn sowohl die Vorstellungen davon, was Lichtquanten sind wie auch unsere empirischen Manipulationsmöglich57 Hacking

(2002b) S. 35.

58 Eine kurze würdigende Übersicht seines Werkes im Kontext der Vergabe des Balzan-Preises an Hacking

2014 findet man hier: https://www.balzan.org/en/prizewinners/ian-hacking/bio-bibliography/ 59 Hacking (1983) S. 23, 263; vgl. hier ferner Abschn. 9.3

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keiten im Umgang mit Photonen sind in rascher Entwicklung befindlich. Davon, was heutige Lasertechnik so alles möglich macht, hätten Newton oder Einstein nicht einmal träumen können. Am Beispiel der Vorstellungen, die man sich zwischen 1927 und 1981 vom Vakuum machte, hat der kanadische Wissenschaftshistoriker Aaron Sidney Wright historische Ontologie auf eine Entität fokussiert praktiziert. Seine Dissertation entstand 2014 an der University of Toronto unter Betreuung Ian Hackings. Für Wright ist diese Geschichte historische Ontologie ganz in dessem Sinne, denn im Laufe des 20. Jahrhunderts änderten sich nicht nur spezielle Aussagen, sondern ganz grundlegende ontologische Annahmen über das Vakuum, je nachdem ob man das Vakuum als vollständig leeren Raum, als mit Äther oder mit virtuellen Elektron-Positron-Paaren der QED-Paarerzeugung gefüllt vorstellt.60 Während Naturwissenschaftler, aber auch Wissenschaftshistoriker in ihrem Diskurs routinemässig davon ausgehen, dass Ontologien eine nur sehr langsam veränderliche Schicht wissenschaftlicher Grundüberzeugungen darstellen, die über Jahrhunderte hinweg stabil bleiben, beobachtete Wright in seiner nur gut 50 Jahre behandelnden Fallstudie einen sehr regen Wechsel nicht nur von Epistemologien, sondern eben auch von Ontologien, was ihn zu folgender These führte: [...] ontological change is an engine of science. [...] ontological change is part of the movement and progress of science. If this is the case, then we should not expect a stable ontology to emerge from physical science. [...] We should not expect a stable ontology to emerge from a constantly shifting human endeavour.61

Diese These klingt sehr plausibel, und sie ließe sich historisch an diesem Beispiel auch noch weit früher zurückverfolgen, wie Edward Grant dies in seiner Monographie zur Geschichte der Vorstellungen vom leeren Raum seit dem Mittelalter bis in die Frühe Neuzeit hinein getan hat, letztlich bis zurück in die Antike, in der die frühen Atomisten wie Leukipp, Demokrit und Lukrez bereits einen leeren Raum postulierten, während Aristoteles ihn ebenso vehement ablehnte.62 Genau das gleiche liesse sich auch für das hier behandelte Konzept von Lichtquanten sagen, deren Ontologie wir in der elementarsten semantischen Schicht, die wir betrachtet haben, der der Teilchenartigkeit des Lichts, ebenfalls bis zu den griechischen und römischen Atomisten zurückverfolgen könnten. 60 Zum

folgenden vgl. Wright (2014) S. 12ff., bezugnehmend auf Hacking (2002). (2014) S. 18f.; besonders überzeugend durchgeführt wurde das von ihm dann am Beispiel von „Wheeler’s ontological progression“ vom Aufbau der Welt aus ruhemasselosen Feldern über Geonen und Quantenschaum hin zur Prägeometrie (ibid., S. 149ff.). 62 Siehe Grant (1981) und dort angeführte Primär- und Sekundärliteratur. 61 Wright

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Auch im Rahmen unserer Fallstudie, die gut 300 Jahrhunderte von Kepler und Newton bis ins späte 20. Jahrhundert hinein abdeckt, finden wir einen regen Wechsel der Ontologien, in die mentale Modelle von Lichtquanten eingebettet waren. Leider ist das aber auch schon fast alles, was man auf dieser Stufe der Beschreibung über jenen Prozess der vielfachen Veränderung ontologischer Grundlagen der Wissenschaft sagen kann: ein Heraklitsches „Alles ist im Fluss“. Es ist symptomatisch, dass Aaron S. Wright am Ende seiner umfangreichen historischen Ontologie des Vakuums vor allem auf seinen Befund einer ständigen Veränderung rekurriert und feststellt: „clearly the vacuum was picked up, modified, transformed, and passed on between the different historical actors at play. What is needed is a way to think of difference as primary. To think difference before identity.“ 63 Das stimmt zwar ‚irgendwie‘ und kann im gleichen diffusen Sinn so auch von Lichtquanten gesagt werden; aber zugleich auch nicht, denn jene ideenhistorische Flußgeschwindigkeit (um die Metapher Heraklits aufzugreifen) ist starken Schwankungen unterworfen: In manchen Zeiten passiert vieles in sehr kurzer Zeit (in unserer Fallstudie etwa in den Jahren 1900–1905, um 1925, kurz nach 1945 usw.), in anderen wiederum haben wir einen ziemlich zähen Fluss und große Trägheit (so etwa in der Periode des Newtonianismus im 18. Jahrhundert, als das Newtonsche Projektilmodell des Lichts sozusagen ‚festgeschrieben‘ war). Die Weitergabe des Konzepts von Energiequanten von Planck zu Einstein und dann weiter z. B. zu Millikan und Compton und noch später dann zu Feynman und Wheeler war eben keine einfache Staffelübergabe und auch keine Übertragung eines mentalen Modells, sondern jeweils eher eine Neuschöpfung oder Rekonfiguration. Die historische Ontologie Hackings bietet keinerlei Möglichkeit, keinerlei Werkzeug, in diesem Fluss historische Strukturen oder Prozesse zu identifizieren, also herauszuarbeiten, warum wann welche Änderungen einsetzten und warum diese manchmal sehr grundlegend sind, oft aber auch nicht. Insofern bleibt jene Beschreibung grobkörnig, wenn Sie so wollen zu makroskopisch, um unsere eher mesoskopischen Bedeutungsschichten in den Blick zu bekommen. Ian Hacking blieb eben ein Philosoph, kein Historiker der Wissenschaften, der eher jene Makroprozesse im Blick hatte und durch die ebenso makrohistorisch-vergleichend angelegte Wissenschaftsgeschichte Thomas Kuhns und Alistair Crombies überhaupt erst angeregt worden war, sich mit historischer Ontologie zu beschäftigen. Ein anderes, ebenso grundsätzliches Problem mit dem Ansatz von Ian Hacking ist der ontologisch prekäre Status mentaler Modelle, die eben nicht immer schon für bare Münze genommen werden wollen. Einstein sagte ganz 63 Wright (2014) S. 372. Ob man deshalb gleich auf den postmodernen Autor Gilles Deleuze zurückgreifen

muss, wie Wright das dann tut, wage ich zu bezweifeln.

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bewußt nicht: Das Lichtquant ist ein Teilchen der Energie E = h · ν und des Impulses E = h · ν/c, sondern lediglich: es verhält sich in manchen Experimente wie etwa dem photoelektrischen Effekt so als ob es das ist (siehe hier Abschn. 2.3 und 4.2. Daher wäre es auch falsch zu behaupten, dass Einstein in den Jahren kurz nach 1905 sicher gewesen wäre, dass es sich bei Lichtquanten um Teilchen handele. Deswegen liegt – streng genommen – kein ontologischer Wandel vor, lediglich eine produktive Verunsicherung oder ein neuer ‚Möglichkeitsraum‘ (um mit Fritz Krafft zu sprechen). Auch Jahrzehnte später, als mit Feynman u. a. ‚virtuelle‘ Photonen neben die ‚realen‘ Photonen treten, bleibt es (letztlich bis heute) höchst umstritten, ob jene ‚virtuellen Lichtquanten‘ existieren wie ‚anständige‘ ontologische Entitäten dies tun, oder ob es sich dabei nicht nur um Hilfskonstrukte zur bequemen Berechnung von Streuprozessen handelt (mehr dazu in Abschn. 9.3). Um mentale Modelle und deren Wandel zu beschreiben erscheint mir ‚historische Ontologie‘ im Sinne Hackings somit in mehreren Hinsichten (in der Abstraktionsebene ebenso wie in metaphysischer Perspektive) zu hoch gegriffen. Ferner werden wir im folgenden Abschnitt sehen, dass sie sich auch narrativ nicht als Grundmuster einer Geschichte wissenschaftlicher Objekte eignet.

7.6

Biographie wissenschaftlicher Objekte (Daston und Arabatzis)

Angeregt von Thomas S. Kuhn und Ian Hacking praktizierten u. a. die langjährige Direktorin des Berliner Max Planck Instituts für Wissenschaftsgeschichte, Loraine Daston (*1951), und der griechische Wissenschaftshistoriker und -philosoph Theodore Arabatzis (*1965) einen „biographical approach to theoretical entities“. Daston gab im Jahr 2000 einen Sammelband heraus, in dem Biographies of Scientific Objects beschrieben werden, darunter so verschiedene Untersuchungsgegenstände wie das Konzept des Massenschwerpunkts der Erde oder dasjenige des Äthers, Vorstellungen vom eigenen Ich, von Werten, Kultur und von Gesellschaft, aber auch Atome, Präternaturalia, Monster, Cytoplasma oder Träume.64 Im Unterschied zu Ian Hacking spricht Daston lieber von „historischer Metaphysik“, richtet aber genau wie Hacking das Augenmerk auf den Wandel in den ontologischen Grundannahmen von Naturforschung. Daston zufolge sind „scientific objects [...] simultaneously real and historical“, und zwar historisch in dem Sinn, dass die Rede von ihnen irgendwann aufkommt, sich dann wissenschaftshistorisch entwickelt und irgendwann auch 64 Siehe

Daston (Hg.) 2000 sowie die ausgezeichnete Buchbesprechung von Arabatzis (2003).

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wieder verschwindet.65 Das gilt Daston und ihren Ko-Autoren zufolge nicht nur für relativ handfeste wissenschaftliche Objektklassen, sondern gerade eben auch für abstraktere Konzepte wie beispielsweise denjenigen von Kultur oder Gesellschaft. concepts can be scientific objects, i.e., they can be the focus of scientific analysis. So when new concepts emerge in an attempt to describe and explain various novel or already established phenomena, a new scientific object comes into being. [...] new theories can be constructed as problem-solving tools [...] As long as they remain fruitful investigative tools, they remain alive and well. They pass away when they lose their fertility66 .

Man sieht hier schon, wie unscharf der Unterschied ist, den die Autor/innen des Bandes zwischen der Historizität der untersuchten wissenschaftlichen Objekte und der zu ihrer Beschreibung verwendeten Konzepte machen, zwischen der Attributierung von Existenz und der Existenz selbst. Ist Ramses II nicht an Pocken verstorben, weil es zu seiner Zeit das medizinische Konzept von Pocken noch nicht gab? Mindestens einer der Autoren des Bandes, Bruno Latour (1947–2022), vertritt in der Tat genau diese Überzeugung und auch HansJörg Rheinberger verweist auf die Erzeugung bestimmter Laborobjekte, die erst durch die Laborarbeit erzeugt werden – man denke beispielsweise an hyperschwere Elemente im Darmstädter Schwerionenbeschleuniger.67 Hier würde ich der Kritik von Arabatzis an den Auswüchsen jenes Ansatzes zustimmen: „The birth of new representations of hidden entities does not mean that those entities themselves come into being.“ 68 Aber da ist sie schon wieder, jene Metapher von der ‚Geburt‘. Zwischen ‚Phänomene erzeugen‘, ‚ins Leben‘ rufen und der Metapher von der Geburt wissenschaftlicher Objekte oder Konzepte liegt nur ein schmaler Grad, den viele der Autor/innen des Bandes überschreiten – ebenso nahe liegt bei inzwischen nicht mehr benutzten (metaphorisch: ‚ausgestorbenen‘) Objektklassen wie etwa den bis in die Frühe Neuzeit für sehr real gehaltenen Monstern die Metapher des ‚Todes‘ jener Konzepte am Ende jener Periode. Auch in Arabatzis’ 2006 erschienener Geschichte der Elektronen findet sich die Metapher von der ‚Geburt‘ von Elektronen im Kontext der 1896 von J.J. Thomson und Emil Wiechert angestellten Experimente und der sich daran anschliessenden und 65 Lorraine

Daston in der Einführung zu Daston (Hg.) 2000 S. 3. (2003) in seiner Essay-Review von Daston (Hg.) 2000. 67 Siehe die Beiträge von Latour und Rheinberger in Daston (Hg.) 2000 S. 247–293. 68 Arabatzis (2003) S. 435; vgl. ebenda, S. 441: „The ontology of the sciences may have been in flux, but this fact can be accommodated within a more traditional metaphysical picture, where entities do not pop in and out of existence“. 66 Arabatzis

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letztlich bis heute fortsetzenden ‚Biographie‘ dieses Konzepts. Arabatzis zufolge ist diese Geschichte ein Musterbeispiel dafür, wie man die Geschichte wissenschaftlicher Objekte schreiben müsse. Ihm zufolge werden Konzepte zu einem benennbaren Zeitpunkt entdeckt (‚geboren‘), entfalten sich dann in einer Art konzeptueller ‚Biographie‘ in jugendlicher Frische, erfreuen sich eine zeitlang bester und allgemeinster Beliebtheit, durchleben dabei auch Krankheits- und Krisenphasen und gehen schließlich früher oder später in einem Prozess langsamer Erosion ihrem Niedergang entgegen, der meist eher einem diffusen „fading away“ als einem plötzlichen Tod gleichkommt.69 Scientific objects are the entities, processes, and phenomena individuated, represented, investigated and used as tools in scientific practice. They have beginnings in time, when boundaries are carved around them; they are endowed with properties, which enable them to perform their epistemic functions; they have blind spots, for which they become subject to theorizing and experimental investigation; they are often laden with values and emotional significance; and they sometimes pass away, for a multitude of reasons. Because of these characteristics, they lend themselves to biographical narratives.70

Als Erzählstrategie ist das zweifellos eine sehr eingängige Form der Geschichtsschreibung, die auch in seinem Fall viel Beachtung erfuhr. Aber ist es auch die dem Gegenstand angemessene? Was sind die Markenzeichen einer solchen Biographie wissenschaftlicher Objekte? First, biographies are associated with beginnings (births) and often endings (deaths). Thus, a biographical approach reminds us that scientific objects are historical entities, which emerge and often pass away. Second, scientific objects have an emotional dimension. For one thing, their ‚discoverers‘ often think of them as their offspring. [...] For another, scientists often develop an emotional attachment to the objects that they study, an attachment that is associated with particular values and becomes evident when those objects are under threat of becoming extinct.71

Der Quasi-Biograph eines wissenschaftlichen Gegenstands wird also dessen ‚Zeugung‘, sprich die zu dessen Entstehung notwendigen Entwicklungsstränge und deren Verbindungen kurz vor dessen Aufkommen beleuchten, woraus 69 Arabatzis

(2006, 2011); vgl. kritisch zu dieser biographischen Metaphorik: Borrelli (2017) S. 17–20, Ehberger (2020) S. 276 f. sowie der hier folgende Haupttext. 70 Arabatzis (2021) S. 196. 71 Ibid. (übrigens ein Artikel, in dem Arabatzis seine Methode auf eine zweite wiss. Entität anwendet, den elektromagnetischen Äther); weitere Beispiele findet man in Daston (Hg.) (2000), Forstner & Walker (Hg.) (2020).

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sich auch ergibt, wer dessen ‚Vater‘ und ‚Mutter‘ sind, dann den Zeitpunkt der ‚Geburt‘ seines Untersuchungsobjekts so genau wie möglich festzulegen versuchen,72 danach die prägenden Faktoren in dessen früher Entwicklung untersuchen, vielleicht auch so etwas wie dessen „character formation“. Mit dem zunehmendem Aufkommen von Anwendungsproblemen in der wissenschaftlichen Praxis wird eine Krise einsetzen, die schließlich zur Abnutzung und zum Außergebrauchkommen jenes Untersuchungsobjekts bzw. des mit ihm verbundenen Konzeptes führen, was irgendwann zu dessen ‚langsamem Tod‘ führt.73 Probieren wir Arabatzis’ Ansatz an unserem eigenen Untersuchungsobjekt, dem Konzept von Lichtquanten, einmal kurz aus. Dann müssen wir in einem ersten Schritt bei dessen Vor- und Frühgeschichte beginnen und uns auf die Suche nach dessen ‚Zeugung‘ und ‚Geburt‘ machen: schon da wird es schwierig, da die ideenhistorischen Wurzeln unseres Konzepts und mentalen Modells uns weit in die Geschichte zurückführen. Wir haben in Kap. 3 gesehen, dass es in Bezug auf das Konzept und mentale Modell von Photonen keinen klaren Geburtszeitpunkt gibt, sondern viele z. T. sehr weit in die Geschichte bis in die Antike zurückreichende Präideen (im Sinne von Ludwik Fleck). Schon bei den antiken Atomisten, und dann wieder bei Newton und dessen Schülern, wird Licht eine Teilchenartigkeit zugesprochen. Sind das dann die Vorväter? Daraus entsteht bereits sehr früh eine erste semantische Schicht eines mentalen Modells von Lichtteilchen. In nunmehr quantisierter Form wird dieses Konzept sehr lange (vom frühen Einstein bis zu den naiv-realistischen amerikanischen Experimentalphysikern Compton und Millikan) weiterverfolgt, obgleich diese naiven Teilchen-Annahmen aus den in Kap. 9 geschilderten guten Gründen im heutigen mentalen Modell von Photonen entfernt wurde. In dem weiteren Ausbau jenes Projektilmodells des Lichtes könnte man die sich an die Geburt anschliessende Jugendphase des Wachstums sehen, und in der naheliegenden Anwendung auf die gravitative Anziehung des Lichts samt der Voraussage einer Lichtablenkung durch schwere Massen vielleicht auch so etwas wie ‚Charakterbildung‘. Mit der Krise dieses Newtonischen Projektilmodells und der Durchsetzung der Wellentheorie des Lichtes im frühen 19. Jahrhundert wären wir dann mitten in einer tiefen Krise unseres biographischen Subjekts angekommen, das dann durch Einsteins Lichtquanten 1905 gegen große WiArabatzis (2003) S. 434 f. präzisiert er diese metaphorische Rede von der ‚Geburt‘ dahingehend, dass nicht die verborgene Entität selbst, wohl aber deren neue Repräsentation in Form eines menschenerschaffenen Konzepts ‚geboren‘ wird; somit gibt es Photonen bereits seit dem Urknall, ein Konzept von ihnen aber erst seit Einstein (1905). 73 Arabatzis (2021) S. 205 über die „zombie zone“ des Streits darüber, ob ein Konzept schon tot oder noch lebendig ist, dessen „protracted death, slow erosion of confidence [...] and a long period of being ‚sick‘ before its ultimate demise“. 72 In

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derstände kaum mehr lebend aus dem bereits geschaufelten Grab befreit und wiedererweckt wird. Es wäre aber falsch, einfach dieses Jahr 1905 als Geburtszeitpunkt anzusetzen, da wir ja (in Abschn. 2.2) gesehen hatten, wie vorsichtig Einstein seinen „heuristischen Gesichtspunkt“ als eine bloße Denkmöglichkeit eingeführt hatte und wie lange nicht nur seine Zeitgenossen, sondern auch er selbst unsicher waren, welchen Seinsstatus diese zunächst eher fiktionalen Lichtquanten haben („so als ob“). Wann also war diese ‚schwierige Geburt‘ der Lichtquanten abgeschlossen? 1911 1916 1924 1926 1945

mit Ehrenfests und Natansons statistischer Theorie der Strahlung? mit Einsteins Aufsätzen über Strahlungs-Emission und -Absorption? mit der Entwicklung der Bose-Einstein-Statistik? mit der Einführung des Terminus ‚Photon‘ durch Lewis? oder mit dem Aufkommen der ausformulierten QED?

Es gibt nicht diesen einen Geburtszeitpunkt für ein Konzept wie ‚Lichtquanten‘. Schon daran zeigt sich die Unbrauchbarkeit jenes biographischen Zugangs, der auf der Ebene eingängiger, aber historisch unpassender Metaphern komplexe historische Entwicklungen auf konkrete Zeitpunkte festzulegen versucht. Und genau so falsch wäre es, obige Entwicklungsphasen einfach alle der jugendlichen bzw. dann ins Erwachsenenalter hineinreichenden Wachstumsphase zuzurechnen. In Abschn. 2.5 hatten wir gesehen, wie stark Gilbert N. Lewis in seinen Annahmen darüber, was jene ‚Photonen‘ ausmacht, von dem abwich, was vor ihm Einstein und nach ihm dann die QED angenommen haben. Arabatzis kennt solche Widerständigkeit wissenschaftlicher Objekte gegenüber einer linearisierenden Erwartungshaltung durchaus und spricht in diesem Zusammenhang dann von Beispielen der Inkohärenz in ihrer Repräsentation oder von ihrer „Widerspenstigkeit“.74 Aber es ist mehr als das. Wir hatten gesehen, dass von Lewis’ mentalem Modell von Photonen nichts mehr übrig blieb als der Terminus ‚Photon‘. Bei krampfhaftem Aufrechterhalten jener biographischen Metaphorik müssten wir an diesem Punkt eher von einem jener seltenen Fälle ausgehen, bei dem sich so etwas wie eine schizophrene ‚Persönlichkeitsspaltung‘ zeigt, weil zwei Varianten (bei uns zwei Bedeutungsschattierungen) sich so weit voneinander entfernt haben, dass es unmöglich wird, die biographische Illusion der ‚Einheit‘ jenes biographischen Subjekts aufrecht zu erhalten. Auch bei der Entwicklung der QED und dem durch sie beschriebenen Austausch virtueller Photonen würde sich dieser Verdacht aufs neue einstellen. Auch den Tod jenes Konzepts von Lichtquanten oder Photonen haben wir bis heute auch nicht erlebt, auch wenn zuzugeben ist, dass etliche historischen Akteure 74 Arabatzis

(2021) S. 203: „instances of incoherence in their representation“ bzw. „recalcitrance“.

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241

(von Bohr und Slater bis zu Jaynes und Lamb) ihm das schon oft gewünscht haben – Photonen erfreuen sich ebenso wie die von Arabatzis beschriebenen Elektronen im Gegenteil bester Gesundheit. Wenn so oft so große Wechsel der Semantik stattgefunden haben wie in unserem Beispiel stellt sich historiographisch die Frage, ob wirklich noch von ein und demselben Konzept gesprochen werden sollte, dessen Geschichte da geschrieben wird. Genau dieses Wunsches um konzeptuelle Einheit wegen hatte ja Arabatzis seine Geschichte ‚des‘ Elektrons als eine Biographie geschrieben, die jene Einheit evoziert, ja sogar zwingend voraussetzt.75 Aber müssen wir das tun? Ist der Globulus von Licht, das Lichtteilchen in Newtons Projektiltheorie wirklich noch das gleiche Konzept wie dasjenige von Photonen in der QED? Ganz sicher nicht. Was meine Geschichte erzählt, ist der schrittweise Wandel der Bedeutung durch stufenweise semantische Akkretion, wobei in jedem Schritt zum nächsten, die Kontinuität des Konzepts kognitiv und auch kommunikativ gesichert ist. Durch diese stufenweise voranschreitende Verwandschaftskette von einer Entwicklungsstufe zur nächsten ergibt sich zumindest im Rückblick auch eine Kontinuität der konzeptuellen Entwicklung, die im direkten Vergleich weiter voneinander entfernt liegender Entwicklungsstufen alles andere als offensichtlich ist.76 Die inzwischen recht beliebte Metapher der ‚Biographie eines Objekts‘ legt auch eine zu große Kontinuität nahe und geht über Brüche und Rücknahme einzelner Schichten nonchalant hinweg. Die himmelweiten Unterschiede zwischen Newtons ‚Globus of light‘, Einsteins ‚Lichtquant‘, Lewis’ ‚Photon‘ und dem heutigen Photonenkonzept der Quantenfeldtheorie führten Oliver Passon ja sogar zu der an mich gestellten Frage, ob das Lichtquant bei Einstein überhaupt noch das gleiche ist wie dasjenige der modernen Quantenfeldtheorie und ob man nicht besser eine neue Bezeichnung dafür einführen solle, so wie auch Lavoisier das alte Konzept des Phlogistons durch dasjenige des Sauerstoffs ausgetauscht habe.77 In ähnliche Richtung geht die Warnung des Nobelpreisträgers der Physik Willis Lamb in seinem provokativen Artikel ‚Antiphoton‘.78 Arabatzis mag zwar Recht damit haben, wenn er behauptet: „a biographical approach elucidates the physicists’ intuition that they were grappling with the single same entity despite their inability to form a consistent picture of its 75 Arabatzis

(2021) S. 196: „If we are to write its biography we need to know in what sense it remains the

‚same‘, that is, a ‚unified object of enquiry‘ to use MacIntyre’s apt phrase“.

76 Dieser „chains of meaning-approach“ geht zurück auf Bartels (1994); vgl. ferner Müller & Schmieder (Hg.) (2016) S. 553 f., (2008) S. 223–239 „zur Konstruktion semantischer Kontinuität in der wissenschaftlichen Begriffsbildung.“ 77 Siehe hier auf S. 309 das Zitat aus seiner email vom 2. Sept. 2016 sowie Wright (2014) S. 23 für eine ganz analoge Kritik an Arabatzis aus der Perspektive seiner Fallstudie zum Vakuum. 78 Lamb (1995).

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constitution.“ 79 Aber gerade diese „biographische Illusion“, die gelegentlich dann sogar zu einer emotionalen Trauerstimmung führt, wenn lange benutzte und tiefverwurzelte (von der scientific community ‚geliebte‘) Konzepte wie beispielsweise dasjenige des Äthers über Bord gehen, sollte von Wissenschaftshistorikern zugunsten größerer Distanz zum untersuchten Objekt oder Begriff eher vermieden werden. Die wichtige Lektion der ‚historischen Ontologie‘, derzufolge auch wissenschaftliche Objekte und Begriffe eine Geschichte haben, muss dabei keineswegs gleich mit aufgegeben werden – im Gegenteil – nur hat jene eben nicht die Form einer Biographie.

7.7

Mentale Modelle als Erklärungsansatz

Dieses Kapitel abschliessend schulde ich meinen Leser/innen noch einige allgemeinere Reflexionen über denjenigen Ansatz, der diesem Buch der Geschichte des Konzepts von Lichtquanten zugrundeliegt, demzufolge hinter dem Gebrauch von Termini wie Lichtquant oder Photon bei vielen Akteuren ein oft nicht ausgesprochenes mentales Modell am wirken ist. Mentale Modelle sind so etwas wie geistige Krücken zur Bewältigung schwieriger Situationen sowie zur Lösung komplexer Probleme. Das klingt zunächst eher abwertend-negativ. Tatsächlich hat ein Rezensent der ersten Auflage dieses Buches mental models dann gleich auch in die Ecke von Irrenhaus und geistiger Minderbemittlung, also von „mental asylum“ gesteckt.80 Aber das ist ein grundlegendes Mißverständnis, denn wir alle benutzen mentale Modelle, auch wenn wir uns dessen oft gar nicht bewusst sind. Und mehr als das: wir profitieren auch davon, da sie uns ein besseres, vertieftes Verständnis von Objekten und Prozessen ermöglichen. Darum haben auch gerade die kreativsten Köpfe unter den Naturwissenschaftlern intensiv mit ihnen gearbeitet, diese weiterentwickelt oder sogar nach ganz neuen mentalen Modellen gesucht, um sich selbst und anderen Unverständliches nachvollziehbar zu machen und ein ‚Bild‘, eine innere Anschauung davon zu gewinnen. Wie mißverständlich die verbreitete Metapher von mentalen Modellen als geistigen Krücken ist, zeigt beispielsweise der theoretische Physiker und Wissenschaftshistoriker Stefano Furlan am Beispiel von John Archibald Wheeler (1911–2008), der für seinen sehr visuellen Denkstil bekannt war: 79 Arabatzis

(2021) S. 206; Argumente dafür finden sich u. a. auch in Arabatzis (2006), Daston (Hg.) (2000) und Forstner & Walker (Hg.) (2020). 80 Hecht (2020) S. 252: „Thus, the unfortunate term ‚mental model‘ which seems to show up a thousand times throughout the book, is apparently professional jargon, albeit off-putting given the contemporary informal meaning of the word ‚mental‘ (crazy, insane, wacky, etc.).“

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243

I believe it is misleading [...] to consider a mental picture as some sort of crutch for those who do not feel at ease in the realms of abstraction, or as a mere idiosyncratic epiphenomenon. Rather than regarding it as some kind of inferior act of cognition, we are dealing with something that is gradually prepared at higher levels: it should perhaps be considered as a sort of analogical calculus in which one does not merely play, cum grano salis, with more or less inadequate pictures while looking for inspiration, but, after black-boxing some aspects, actually manipulates and shapes those pictures, thanks to the technical and punctual information they encode in the mind of the visual thinker. We could speak of a coarse-graining without the loss of the relevant details: a highly effective way of handling complexity, at least when it works.81

In diesem ganzen Buch soll diese positiv-heuristische Rolle mentaler Modelle herausgestellt und an dem Fallbeispiel der Lichtquanten illustriert werden, ohne dabei zu verschweigen, dass einige unserer historischen Akteure (beispielsweise Newton, Millikan, Compton oder auch Feynman) durch ihre idiosynkratischen und viel zu naiven mentalen Modelle auch auf falsche Fährten geleitet wurden und aus ihrer Fixierung auf die Teilchenartigkeit des Lichts nicht mehr herauskamen. Meine eigene, noch bewusst breite und neutral gehaltene Arbeitsdefinition mentaler Modelle ist die der Repräsentation eines Untersuchungsobjekts, Gegenstandes oder Prozesses im Bewußtsein, was insbesondere Vorstellungen über dessen Funktionieren, Eigenschaften etc. einschließt. Mentale Modelle beinhalten somit Hilfsvorstellungen zur raschen und effizienten Modellierung komplexer Objekte oder Prozesse. Das war auch die instrumentalistische Intuition des britischen Kognitionspsychologen Kenneth Craik (1914–1945), der den Begriff der mentalen Modelle 1943 erstmals benutzt hat: Thus there are instances of symbolisation in nature; we use such instances as an aid to thinking; [...] If the organism carries a ‚small-scale model‘ of external reality and of its own possible actions within its head, it is able to try out various alternatives, conclude which is the best of them, react to future situations before they arise, utilise the knowledge of past events in dealing with the present and future, and in every way to react in a much fuller, safer, and more competent manner to the emergencies which face it. Most of the greatest advances of modern technology have been instruments which extended the scope of our sense-organs, our brains or our limbs. [...] Is it not possible, therefore, that our brains themselves utilise comparable mechanisms to achieve the same ends and that these mechanisms can

81 Furlan

(2021) S. 12f.; zu Wheelers visuellem Denken vgl. Wheeler & Ford (1998), Wright (2014) Kap. 4, Hentschel (2014b).

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parallel phenomena in the external world as a calculating machine can parallel the development of strains in a bridge?82

In unserem Fall erfaßt dies beispielsweise sehr gut die naive Deutung des Comptoneffekts als einem Stoßprozess zwischen einem einfliegenden Photon und einem getroffenen Elektron, deren Energie- und Impulsbilanz dann mit der relativistischen Elektrodynamik berechnet werden, woraus sich klare Voraussagen für die winkelabhängige Energie des gestreuten Photons und Elektrons ergeben (für Details siehe hier Abschn. 5.2). Mentale Modelle sind niederstufiger als physikalische Theorien, eher auf der Stufe von Heuristiken oder Analogien, mit denen man anfangs vielleicht sogar nur explorativ spielt (daher der merkwürdig zurückhaltende Titel von Einsteins Aufsatz von 1905 über den „heuristischen Gesichtspunkt“). Daraufhin befragt, welches mentale Modell sie gerade benutzen, werden Akteure oft keine Antwort geben können oder länger darüber nachdenken müssen, denn sie werden oft nur implizit oder gar unbewußt eingesetzt. Mit anderen Worten: aus mentalen Modellen können mitunter Theorien werden (so etwa 1905 Einsteins Theorie des Photoeffekts), sie sind es aber noch nicht. Zugleich gehen sie aber tiefer als rein konventionelle, symbolische Kurzbezeichnungen, weil sie Antworten auf warum-Fragen zu geben versuchen, prozessuales Denken nahelegen und wie u. a. Paolo Palmieri gezeigt hat auch eine große Rolle bei der Stabilisierung von Vertrauen in die Richtigkeit des eigenen Verständnisses eines Objektes oder Prozesses geben.83 Seriösere Definitionsversuche als unsere obige Arbeitsdefinition umfassen u. a. folgende:84 • „a mental image of the world that contains selected concepts and relationships“ (Forrester 1971) • „an implicit causal map“ (Sherman 1994) • „a core network of familiar facts“ (Morecroft 1994) • „kognitive Approximationen an Phänomene der wahrnehmbaren oder vermittelten Welt“ (Seel 1991) • Unterscheidbarkeit in Perzeptionsmodelle (imagery) und kognitive Modelle („Wissensmodell“) (Stachowiak 1973) • „a representation of some domain or situation that supports understanding meaning“ (Gentner 2002) 82 Craik

(1943) S. 60f. Palmieri (2003) S. 260 über ihre „decisive role in the processes underlying belief fixation.“ 84 Siehe Rock (2013) und Gentner (2002) für detaillierte und kommentierte Zusammenstellungen samt Quellenangaben. 83 Siehe

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• a set of „implicit and explicit understandings, ideas, memories and experiences“ (Kim 2004) • „a concentrated, personally constructed, internal conception of external phenomena (historical, existing or projected), or experience, that affects how a person [thinks and] acts“ (Rock 2013). Alle obigen Definitionsversuche erfassen wichtige Aspekte mentaler Modelle, so etwa ihre Referentialität und Relationalität, den Versuch, mit ihnen nicht nur zu beschreiben, sondern kausale Strukturen und insbesondere auch zeitlich ablaufende Prozesse abzubilden, ihren häufig nur impliziten Gebrauch und ihre große Bedeutung für unser Verständnis, warum eine Person angesichts einer bestimmten Problemstellung so und nicht anders gedacht und gehandelt hat. Es sind kognitive Artefakte, „Erfindungen des Verstandes, die uns helfen, unser bereichsspezifisches Wissen so zu organisieren, dass Erscheinungen der Welt einen Sinn bekommen und subjektiv plausibel werden“.85 Derartige mentale Modelle werden von jeder Person selbst intern in einem länger andauernden Lernprozess erst aufgebaut, auch wenn schulischer Unterricht oder persönliche Einweisung durch Mentoren sicher eine große Rolle bei deren Erzeugung und Stabilisierung spielen. Auch wenn wir alle auf ähnliche Weise Radfahren, mag doch das mentale Modell, was wir uns davon machen, ein jeweils sehr idiosynkratisch gefärbtes sein; gleiches gilt wohl auch für die mentalen Modelle, die sich unsere 100+ Akteure in dieser historischen Studie von Lichtquanten gemacht haben. Gerade wegen ihres oft nur unbewußten Einsatzes sind mentale Modelle historisch nur schwer rekonstruierbar und erfordern ein ‚zwischen den Zeilen lesen‘, was auch erklärt, warum sie so lange von der Wissenschaftsgeschichte so stiefmütterlich behandelt wurden. Wegen dem frühen Tod von Craik in einem tragischen Fahrradunfall vor dem St. Johns College in Cambridge geriet sein 1943 publiziertes Buch zunächst für viele Jahre in Vergessenheit, bis in den 1980er Jahren von zwei Feldern aus auf mentale Modelle zurückgegriffen wurde, und zwar aus der Linguistik und der Kognitionspsychologie. Der Kognitionspsychologe und Sprachphilosoph Philip Nicholas Johnson-Laird (*1936) betrachtete 1983 mentale Modelle im ausdrücklichen Kontrast zu Bildern, also sprachbezogen und abstrakt: für ihn waren es sprachlich ausgeprägte Gedächnisstützen, „working memory constructs that support logical reasoning“. Im Unterschied zu unserer Verwendung des Konzepts von mentalen Modellen sind es bei ihm somit vorwiegend temporäre, nur kurzzeitig wirksame Konstrukte.86 Dedre Gentner (*1944) und ihre Mitarbeiter hingegen interpretierten mentale Modelle 85 Seel

(1991) S. 2 unter Bezugnahme auf Wartofsky. Johnson-Laird (1983, 2006 und 2010).

86 Siehe

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K. Hentschel

zeitgleich im Kontrast zu Schemata als bildbezogene, kognitiv tief verwurzelte und lange wirksame Vorstellungen: „mental models characterize the knowledge and processes that support understanding and reasoning“.87 Von mir wird der zweite, kognitionspsychologische Zugang favorisiert und praktiziert. Für den Wissenschaftshistoriker ist die Suche nach mentalen Modellen zielführender als die von Linguisten favorisierte nach Schemata, Scripts oder Frames, weil mentale Modelle direkt auf die Denkprozesse der Akteure zielen, nicht nur sprachlichen Ausdruck, sondern non-verbale Denkprozesse („visuelles Denken“) lange vor dessen Versprachlichung einbeziehend, und untergründig weit längerfristigwirksamalsnurkurzfristigakutementaleHilfskonstrukte.Verschiedene mentale Modelle stehen genau so wie verschiedene Hypothesen oderTheorien miteinander in Konkurrenz (um Aufmerksamkeit, um Angemessenheit, um Richtigkeit). Im Unterschied zu konkurrierenden Theorien, die einander ausschließen, werden konkurrierende mentale Modelle aber in den ersten explorativen Phasen des Forschungsprozesses von ein und dem gleichen Akteur häufig parallel zueinander eingesetzt, nicht als verbindliche Annahmen, sondern eher probeweise, heuristisch oder sogar spielerisch.88 Man sieht dies beispielsweise in Galileis frühen Überlegungen in der Mechanik oder in Faradays ersten Laborbucheintragungen zu seinen Experimenten, die dann zur Entwicklung des Konzepts elektrischer und magnetischer Felder geführt haben.89 Mentale Modelle sind anfangs oft nur grobe, der schnellen Orientierung dienende Repräsentationen von sehr wenigen für wesentlich gehaltenen Teilen eines Objekts, Prozesses oder Ereignisses. Gerade durch die Weglassung vieler anderer Komponenten, durch die Reduktion auf nur wenige räumliche, zeitliche und/oder kausale Relationen erlauben sie einen schnellen, aber vereinfachten Zugang, der denjenigen, die ihn einsetzen, einen evolutionären Vorteil gegenüber ihre Konkurrenten verschafft. Aber im Laufe der Forschungspraxis stabilisieren sich dann einige dieser Probeballons und werden zu immer tiefer verwurzelten Annahmen über die Konstitution unserer Welt. Die damit verbundenen mentalen Modelle (etwa die Modellierung von Materie als aus kleinen unteilbaren Teilchen bestehend oder die damit konkurrierende Modellierung von Materie als Kontinuum) werden für die entsprechenden Trägergruppen (die Atomisten bzw. die Vertreter von Kontinuumsmodellen der Materie) zu nicht mehr hintergehbaren, selbstverständlich gewordenen Grundannahmen, derer man sich kaum mehr bewußt ist und die zahlreiche 87 Zahlreiche

Fallbeispiele für mentale Modelle finden sich in Gentner & Stevens (Hg.) 1983, Collins & Gentner (1987) sowie in Seel (1991). 88 Sogenannte „pastiche models“ (Collins & Gentner 1987) bzw. „knowledge in parts“ (diSessa 1982). Weitere historische Beispiele dafür bieten Galilei, Kepler oder Descartes. 89 Für Fallstudien zu Galileis bzw. Faradays frühen mentalen Modellen siehe Palmieri (2003) bzw. Gooding (1990), der von ‚construals‘ spricht, Nersessian (1990), Steinle (2005).

7 Alternative Theorien der Begriffsentwicklung

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Krisen und Brüche der weiteren Wissenschaftsentwicklung dann sehr robust oft unbeschadet überstehen. Auch diese oft sträflich vereinfachenden oder irreführenden Annahmen (in unserem Fallbeispiel etwa die der Teilchenartigkeit des Lichts), sind auch wieder von hoher Relevanz für den Wissenschaftshistoriker, denn auch historische Akteure wie Newton oder Einstein wurden gerade durch solche fest verdrahteten mentalen Modelle mehrfach getäuscht. Wenn wir verstehen wollen, wie derart brilliante Denker sich dennoch so sehr irren konnten, müssen wir deren mentale Modelle kennen, die heuristisch hilfreich sein können, manchmal aber eben freies Denken eher behindern, weil sie es einengen und kanalisieren. Mentale Modelle einzusetzen ist wie geistige Simulation, so als ob man mit dem ‚geistigen Auge‘ ein Modell ‚durchspielt‘, dabei den eigenen Erfahrungsschatz mit vergleichbaren Objekten analogiebildend nutzend, Entwicklungslinien extrapolierend und Prozesserfahrungen übertragend. Wie funktioniert diese Maschine — eine Frage, die beispielsweise Einstein als Prüfer 3. Klasse am Berner Patentamt sich sicher oft gestellt hat: Was passiert, wenn ich an diesem Zahnrad drehe? Oder an jenem? Welche weiteren Prozesse werden dadurch ausgelöst? Und so weiter in einer langen Kette kausalen Weiterspinnens von Folgerungen, Schritt für Schritt in einem nicht besonders schnell gehenden (und fehleranfälligen) Prozess iterativen Weiterfolgens („like a movie in the head“). Am Ende dieses anschaulichen Durchdenkens steht keine Theorie jener Maschine, aber Intuition: „ein Gefühl für das Funktionieren einer Maschine oder eines Prozesses“. Genau das ist das Ziel physikalischen Verständnisses und genau das unterscheidet auch Experten von Laien oder noch-Lernenden: die Intuition für eine Klasse physikalischer Prozesse und das damit verbundene bessere und tiefere Verstehen.90 Insofern sind Einsicht, Expertise und intuitives Verstehen sehr eng mit der Ausbildung guter mentaler Modelle verbunden. Darum ist dieses Thema so wichtig und darum müssen wir diesen Zugang auch als Wissenschaftshistoriker/innen ausreizen, um die von uns untersuchten Akteure besser zu verstehen.91 Damit komme ich zu meiner dieses Kapitel abschließenden These: Die Identifikation, Herausarbeitung und Optimierung sowie der bewusste Umgang mit mentalen Modellen sind nützlich für Wissenschaftshistoriker, aber auch für Naturwissenschaftler und Techniker, Lehrer und Journalisten, die gedankliche Grundvoraussetzungen von Naturwissenschaft und Technik verstehen und an andere weitergeben wollen. 90 Für hochinteressante Fallstudien über den Unterschied in der physikalischen Intuition von Laien und Experten siehe beispielsweise McCloskey et al. (1981, 1983), diSessa (1982), Gentner (1983) S. 99–129, Collins & Gentner (1987), Feigenberg et al. (2002). 91 Beispiele historischer Analysen auf der Basis mentaler Modelle findet man z. B. in Nersessian (1992, 2007), Palmieri (2003), Thagard (2012) Kap. 4, Renn (2000).

8 Experimente zur Quantenmechanik des Photons seit 1945

Viele der bislang besprochenen Experimente, die historisch gesehen zweifellos zur Stützung der Einsteinschen Lichtquantenhypothese beitrugen, sind – streng genommen – keine zwingenden ‚Beweise‘ für die radikale Einsteinsche Interpretation des Lichtquantums, auch wenn viele seiner Zeitgenossen dies vielleicht geglaubt haben mögen. So konnte z. B. vom photoelektrischen Effekt, aber auch vom Compton- und Raman-Effekt, vom photochemischen Äquivalentgesetz und vielen anderen zentralen Bausteinen der damaligen ‚Beweis‘-Kette gezeigt werden, dass alle diese älteren Experimente auch semiklassisch erklärt werden können.1 In diesen ‚semiklassischen‘ Theorien nimmt man an, dass nur die schwingenden materiellen Systeme Restriktionen in ihrem Schwingungsverhalten unterworfen sind und deshalb diskrete Energieniveaus aufweisen, während das sie umgebende Strahlungsfeld mit klassischer Maxwellscher Elektrodynamik beschrieben werden kann. Insofern zwingen diese ‚alten‘ Experimente der Quantentheorie (zwischen 1900 und 1924) sowie der sich anschließenden Phase der frühen Quantenmechanik (ab 1925) nur zu einer Quantisierung der Materie, aber gerade nicht zur Quantisierung des elektromagnetischen Feldes. Auch wenn die ab 1927 langsam entstehende Quantenelektrodynamik konzeptuell eigentlich genau diesen nächsten Schritt einer „zweiten Quantisierung“ nicht nur der Materie, sondern auch des Strahlungsfeldes selbst unternahm (siehe Abschn. 3.12), gab es doch bis 1945 kein einziges Experiment, dass diesen radikaleren zweiten Schritt zwingend voraussetzte. Das änderte sich erst ab 1950, als immer raffiniertere Experimente mit 1 Siehe

z. B. Beck (1927), Wentzel (1927) über den photoelektrischen Effekt sowie Schrödinger (1927a) zum Compton-Effekt; ferner Lamb & Scully (1969), Crisp & Jaynes (1969), Jaynes (1973), Henderson (1980) und hier Abschn. 5.6. Über nicht mehr klassisch erklärbare Varianten dieser Experimente an EinPhoton-Zuständen oder korrelierten Photonenpaaren siehe Clauser (1974) sowie hier Abschn. 8.2 – 8.3. © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2023 K. Hentschel, Lichtquanten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-66933-4_8

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schnell reagierenden Photodetektoren und ab 1960 mit Lasern immer mehr Schlupflöcher der semiklassischen Interpretationsklimmzüge verschlossen und mit den z. T. kontraintuitiven Voraussagen der Quantenmechanik und Quantenelektrodynamik Ernst machten.2

8.1

„Photonenklumpen“: Hanbury Brown und Twiss (HBT) 1955–57

Der nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs im britischen Zentrum der Radioastronomie in Jodrell Bank bei Manchester arbeitende Robert Hanbury Brown (1916–2002) kam Mitte der 1950er Jahre auf die Idee, die in der Radioastronomie übliche Baseline-Interferometrie mit mehreren Detektoren in größeren Abständen voneinander auf die optische Astronomie auszuweiten.3 Im Unterschied zu Michelsonschen Interferometern, die ganz wesentlich auf der Phase der miteinander interferierenden Wellen basieren, konstruierten er und sein Mitarbeiter Richard Quentin Twiss (1920–2005) ein sog. Intensitäts-Interferometer (Abb. 8.1 links), mit dem das Licht des Sirius durch zwei Konkavspiegel M1 und M2 auf wenige Meter voneinander entfernte Photokathoden-Detektoren P1 und P2 geleitet und in elektrische Signale umgewandelt wurde, die dann verstärkt und analysiert wurden. Nach erfolgreichen Tests mit Lichtbogenlampen u. a. terrestrischen Lichtquellen konnte Hanbury, wie ihn seine Freunde stets nannten, in den klaren Nächten des kalten Winters von 1955/56 erfolgreich auch das Licht des Sirius als einem der hellsten Fixsterne am Firmament mit dieser Methode analysieren. Bei geeigneter Justierung und Elimination jedweder Zeitverzögerung zwischen den Signalen im linken und rechten Zweig der Apparatur konnte er für das Licht des Sirius bei Detektorabständen zwischen zwei und neun Metern eine positive und für wachsende Abstände erwartungsgemäss rasch abnehmende positive Korrelation der beiden Detektoren nachweisen (siehe die vier Messpunkte und ihre Fehlerbalken in Abb. 8.1 rechts). Dies liess sich theoretisch gut dadurch modellieren, dass man dem Sirius eine scheinbare Größe zusprach, die einem Beobachtungswinkel von 0,0068 Gradsekunden entsprach (mit einer Unsicherheit 2 Gute

Literaturübersichten dazu findet man in Paul (1985), (1986), Meystre & Walls (Hg.) 1991, Scully & Zubairy (1997), Sulcs (2003), Zeilinger et al. (2005), Chiao & Garrison (2008). 3 Zu Leben und Vita des zunächst an der Brighton Technical School zum Ingenieur ausgebildeten und erst danach am Imperial College in Physik weitergebildeten und während des Zweiten Weltkriegs an der Entwicklung des Radars arbeitenden späteren Radioastronomen siehe seine Autobiographie Hanbury Brown (1991) sowie Lovell (2002) und Davis & Lovell (2003). Zu dem in Cambridge, England, ausgebildeten Twiss, der über Kriegsarbeiten am Radar für die britische Admiralität, den Naval Service der Armed Forces sowie die Division of Radiophysics in Sydney nach Jodrell Bank gekommen war: Tango (2006).

8 Experimente zur Quantenmechanik des Photons seit 1945

251

Abb. 8.1 Stellare Intensitäts-Interferometrie am Sirius: links der experimentelle Aufbau, rechts der Korrelationskoeffizient in Abhängigkeit vom wachsenden Abstand. (Aus Hanbury-Brown & Twiss (1956b) S. 1046 bzw. 1047)

von nur 0,0005 Gradsekunden).4 Diese scheinbare Größe des Sirius war in größenordnungsmässiger Übereinstimmung mit den aus astrophysikalischen Modellierungen eines solchen Sterns der Spektralklasse A1 und Oberflächentemperatur von etwas über 10.000 ◦ C folgenden Abschätzungen. Kontrollmessungen zeigten, dass bei Bestrahlung mit zwei verschiedenen Lichtquellen keine solche Korrelationen nachweisbar waren – auch kosmische Strahlung oder andere Fehlerquellen konnten ausgeschlossen werden. Doch dieser Befund einer klaren positiven Korrelation (für Abstände von etwa zwei Metern +0,85, also relativ nah dem maximalen Korrelationskoeffizienten von +1) stieß zunächst auf erheblichen Widerstand der scientific community. Wie Hanbury Brown selbst schreibt: The most common objection to our work was that the time of arrival of one photon at a detector cannot conceivably be correlated with that of another because individual photons are emitted at random times and must therefore arrive at random times. If our system was really going to work, we would have to imagine photons hanging about waiting for each other in space!5

Da Photonen sich jedoch bekanntlich mit Lichtgeschwindigkeit im Raum ausbreiten, blieb eine solche ‚Erklärung‘ ausgeschlossen. Wie ließ sich dieses scheinbare paradoxe Ergebnis, dass zwei Photonen einer so weit entfernten Lichtquelle noch so stark miteinander korreliert waren, aber sonst erklären? Da damals alle Interpretationen von einer sehr niedrigen Lichtintensität des Signals ausgingen, die Hanbury Brown und Twiss selbst dahingehend abgeschätzt hatten, dass zu jedem Zeitpunkt im Mittel nur ein einziges Photon in 4 Siehe

Hanbury Brown & Twiss (1956a) zur Apparatur und (1956b) zu den Messergebnissen am Sirius.

5 Hanbury Brown (1991) S. 121. Zur Rezeption von HBT siehe Bromberg (2010), Silva & Freire (2013),

Szameit & Scheel (2021).

252

K. Hentschel

ihrem Interferometer vorhanden war, sah es für viele zunächst danach aus, als ob sich dieses eine Photon in der Apparatur gleichsam halbiert habe und je eine Hälfte in jeden der beiden Detektorarme gegangen sei – ein angesichts der Unteilbarkeit einzelner Photonen ebenso absurder Befund. Daher traf ihr Messergebnis anfangs auf großen Widerstand, der die quantentheoretisch eher unbeleckten Experimentatoren völlig unvorbereitet traf. Erschwerend kam noch hinzu, dass mindestens zwei andere Teams von Experimentatoren, zum einen Eric Brannen und sein Doktorand Harry I.S. Ferguson von der University of Western Ontario in Kanada, zum anderen Lajos Jánossy (1912–1978) und seine Mitarbeiter am zentralen physikalischen Forschungsinstitut in Budapest, in ähnlich gearteten Experimenten mit Photonen keinerlei Korrelationen feststellen konnten. Brannen und Ferguson fanden z. B. Mitte 1956 nur 0,01 % Korrelation in ihren kohärenten Lichtquellen, aber Peter Fellgett sowie Hanbury Brown und Twiss demonstrierten 1957, dass die Empfindlichkeit der Detektoren der beiden anderen Teams mit Null-Ergebnissen schlicht nicht hoch genug war.6 Edward M. Purcell (1912–1997) konnte Ende 1956 zeigen, dass der Befund von Hanbury Brown und Twiss keineswegs physikalisch unzulässig war, sondern umgekehrt aufgrund statistisch zu erwartender Fluktuationen in der Lichtintensität (bzw. im Teilchenbild gesprochen: aufgrund von Schwankungen in der Photonenemission) durchaus zu erwarten war. Schon wenn man nur einen einzelnen Emitter und nur einen einzelnen Detektor betrachte, ergäbe sich eine „tendency for the counts to ‚clump‘. From the quantum point of view this is not surprising. It is typical of fluctuations in a system of bosons. [...] this extra fluctuation in the single-channel rate necessarily implies the cross-correlation found by Brown and Twiss.“7 In den Augen von Purcell, immerhin ein an der Harvard University tätiger Nobelpreisträger der Physik, sprach diese Korrelation stark für die aus der Bose-Einstein-Statistik folgende Quanteneigenschaft des „clumping of the photons“. Für Purcell u. a. theoretisch geschulte Quantenoptiker war das HBT-Experiment, interpretiert „from a particle point of view, a characteristic quantum effect“, der eben nicht mit dem klassisch-naiven Bild von Photonen als unabhängigen und unteilbaren Teilchen angegangen werden dürfe, welches derartige Korrelationen nicht zu erklären vermochte.8 Am einfachsten versteht man den Kern der quantenop6 Brannen & Ferguson (1956) S. 482 sowie Jánossy & Náray (1957) bzw. Fellgett (1957) S. 956, Hanbury

Brown & Twiss (1957) S. 1448 und abschliessend Fellgett et al. (1959); zu Methoden u. Kontexten beider Teams vgl. Bromberg (2010) S. 11 f., Silva & Freire (2013) S. 468–471. 7 Purcell (1956) S. 1449. Wie Silva & Freire (2013) S. 472–474 zeigen, war der Umstand, dass sich Purcell auf die Seite von HBT stellte, entscheidend für die Akzeptanz von deren Resultaten. 8 Ibid., S. 1450. Von Paul (1985) S. 142 bzw. (1995) S. 171 wurde dies eingedeutscht als „Photonenklumpen“ bzw. als Tendenz zur „Anhäufelung“.

8 Experimente zur Quantenmechanik des Photons seit 1945

253

tischen Herleitung des später eher „photon bunching“ genannten Effektes,9 also der Tendenz von Photonen, zusammenzuclustern, wenn man die klassische und die quantenmechanische Ableitung der Messung der Lichtintensität zweier Lichtquellen a und b durch zwei Detektoren A und B gegenüberstellt. Angenommen, dass sowohl A wie auch B das Licht von a und b empfangen können und ferner angenommen, dass beide Emitter gleich intensiv mit Amplitude T abstrahlen und beide Detektoren gleich empfindlich sind. Dann ergibt sich klassisch das Gesamtergebnis als Summe der vier Detektions-Möglichkeiten a-A, a-B, b-A und b-B zu I = 4T 2 . Quantenmechanisch müssen die Wahrscheinlichkeitsamplituden für diese vier verschiedenen Prozesse erst summiert 2 +T 2 +(T ±T )2 . und dann quadriert werden, woraus sich ergibt: I = TaA aB bA bB Dabei gilt in dem Interferenzterm für Bosonen das Plus-Zeichen und für Fermionen das Minus-Zeichen, so dass bei gleichen Tij = T weiter folgt: I = 6 für Bosonen bzw. I = 2 für Fermionen: Bosonen zeigen eine Tendenz zum Bunching, Fermionen zum Anti-bunching (Abb. 8.2).10 Spätestens mit der Verleihung der Albert Michelson-Medaille des altehrwürdigen Franklin Institute in Philadelphia an Hanbury Brown und Twiss 1982 war der HBT-Effekt des photon clumping oder photon bunching wie es zu dieser Zeit bereits mehrheitlich genannt wurde, allgemein anerkannt. Ein wichtiger Effekt dieser Debatten um den HBT-Effekt in den späten 1950er Jahren war jedoch die erhöhte Aufmerksamkeit des gesamten scientific community für Fragen der Quantenoptik (wie z. B. den Unterschied von kohärenter und inkohärenter Strahlung) und die vieldeutigen Interpretationen, die Photonen in diesem Kontext erfuhren. Während die frühesten Erklärungsversuche des HBT-Effekts noch auf semiklassischen Ansätzen basierten,11 arbeitete der US-amerikanische Pionier der Quantenoptik Roy Jay Glauber (*1925) vom Lyman Laboratory der Harvard University eine vollständige Quantentheorie der optischen Kohärenz aus und insistierte: „There is ultimately no substitute for the quantum theory in describing quanta.“12 Auch Richard M. Sillitto (1923–2005) vom Department of Natural Philosophy der University of Edinburgh stimmte dem 1960 zu: „It is one of the interesting features of [the HBT] result that it cannot be understood 9 Siehe

Loudon (1973b) [2. Aufl. 1983] Kap. 3, S. 111 ff. sowie Scully & Zubairy (1997) S. 110–136 zur detaillierten Theorie des HBT-Experiments; die folgende vereinfachte Darstellung basiert auf Sillitto (1957) bzw. ausführlicher in Fano (1961) und Paul (1986). 10 Der experimentelle Nachweis des Antibunching von Fermionen erfolgte erst seit Ende der 1990er Jahre durch Henny et al. (1999), Kiesel et al. (2002), Spence (2002) u. a. 11 So etwa Purcell (1956) auf Methoden der Mikrowellen-Störungstheorie oder Kahn (1958), Fellgett et al. (1959) sowie Mandel & Wolf (1961) auf Basis einer Modellierung von Licht als „Gaussian beam“, der „shot-gun noise“, also klassisch-stochastischen Fluktuationen unterliegt. 12 Glauber (1963a) S. 85 sowie (1963b) S. 2529: „largely outside the grasp of classical theory“ und (1963c) S. 2788 „an intrinsically quantum mechanical structure and not derivable from classical arguments.“ Über Glauber, der 2005 für diese Arbeiten den Nobelpreis der Physik erhielt, siehe Glauber (2005), Bromberg (2010).

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K. Hentschel

Abb. 8.2 Vergleich von Bunching (a), Zufallsverteilung (b) und Antibunching (c) von Photonen-Zählraten bezogen auf eine Korrelationszeit τ c (ganz oben graphisch visualisiert). Beim Antibunching sind zeitlich sehr nahe Ereignisse unterdrückt, die beim Bunching besonders häufig vorkommen. (Aus Scully & Zubairy (1997) S. 136 mit freundl. c Genehmigung durch Cambridge Univ. Press, 1997)

in terms of the crude – too crude! – model of a beam of light as a stream of discrete, indivisible, corpuscular photons“, aber im Unterschied zu Glauber kam er zu einer völlig anderen Schlussfolgerung, was den weiteren Gebrauch des Photon-Konzeptes insgesamt anging: „we should be very hesitant about accepting arguments which rely on the ‚corpuscular photon‘ model – at any rate beyond the point where the photons are required to do more than obey the laws of conservations of energy and momentum. In fact, I think that if we abolished the word ‚photon‘ from our vocabulary for ten years, we should find that we could get on perfectly well without it.“13 Freilich hörte niemand auf diesen Vorschlag für ein zehnjähriges Moratorium; im Gegenteil verstärkte sich der Gebrauch dieser Vokabel mit dem Aufkommen von Lasern ab 1960 massiv. 1962 konnten erstmals auch Lichtstrahlen zweier unabhängig voneinander operierender Laser miteinander zur Interferenz gebracht werden, was sich u. a. in sog. ‚quantum beats‘ äußert, einem schwebungsartigen An- und Abschwellen der Intensität mit einer Taktung in der Differenz beider Laser-

13 Sillitto

(1960) S. 131 bzw. 134; analog argumentiert später auch Cohen-Tannoudji (1983) S. 198.

8 Experimente zur Quantenmechanik des Photons seit 1945

255

frequenzen.14 Gerade in derartigen Laser-Interferenzexperimenten zeigen sich auch nicht-klassische Effekte, für deren Deutung das volle Instrumentarium der QED samt Welle-Teilchen-Dualismus, Renormierung usw. herangezogen werden muss.15 Damit war nun auch ganz eindeutig das vielzitierte Diktum von Paul Dirac widerlegt, demzufolge jedes Photon nur mit sich selbst interferiert und Interferenz zwischen zwei verschiedenen Photonen niemals vorkomme,16 übrigens eine der wenigen Aussagen, bei denen Dirac sich geirrt hat.

8.2

Einzelne Photonen und halbdurchlässiger Spiegel: Campbell 1909, Clauser 1973 und Grangier, Aspect & Roger 1986

Was passiert beim Auftreffen von Licht auf einen halbdurchlässigen Spiegel? Nach der klassischen Theorie des Lichts ist die Wahrscheinlichkeit dafür, an einem Ort Licht vorzufinden, direkt proportional zum Quadrat der Lichtintensität an dem betreffenden Ort. Die Wellentheorie des Lichts erlaubt sehr genaue Voraussagen der räumlichen Ausbreitung und zeitlichen Entwicklung dieser Lichtintensität und bewährt sich z. B. für Beugungs- und Interferenzexperimente ganz ausgezeichnet. Aber was passiert, wenn wir die Lichtintensität immer weiter nach unten fahren? Nach klassischer Theorie wird noch immer genau 50 % der Gesamtintensität auf beide Teilstrahlen verteilt. Fahren wir die Intensität so weit herunter, dass in der Gleichung E = n · h · ν nicht mehr n  1, sondern n  1 gilt, dann kommt die Quantentheorie der Strahlung zu einer anderen Voraussage als die klassische Theorie: letztere wird prognostizieren, dass ein Paar hochempfindlicher Detektoren, das in beide möglichen Strahlengänge hinter dem halbdurchlässigen Spiegel gestellt wird, gelegentlich eben auch gleichzeitig anschlagen wird, während die strenge Quantisierung fordern muss, dass eine solche Koinzidenz niemals auftreten darf, wenn nur ein Lichtquant auf den Spiegel getroffen ist, denn dieses Lichtquantum ist unteilbar und es kann nur in eine der beiden Richtungen propagieren. Welche davon kann nur probabilistisch berechnet werden, aber es können in der quasi-korpuskularen Interpretation des Lichts definitiv nicht beide Richtun14 Siehe

dazu Javan et al. (1962), Magyar & Mandel (1963), Pfleegor & Mandel (1967), Paul (1985) S. 111 ff., (1986), Louradour et al. (1993), Wallace (1994) sowie Kuhn & Strnad (1995) S. 173 f. 15 Siehe z. B. Ghosh & Mandel (1987), Mandel (1986) und Mandel & Wolf (1961) für Literaturübersichten; vgl. ferner Wallace (1994) vs. Louradour et al. (1993) zur Interpretation dieses Befundes. 16 Siehe Dirac (1930c) Abschn. I.3: „Each photon interferes only with itself. Interference between two different photons never occurs“; vgl. ferner Paul (1986) S. 209 u. 230, Chiao & Garrison (2008a) S. 315, Bromberg (2010) S. 8 f., Zeh (2013b) S. 19 zur Nachwirkung dieses Diktums.

256

K. Hentschel

gen gleichzeitig sein. Eine Lichtwelle ist teilbar, ein einzelnes Photon eben nicht. Die erste Idee zu einem solchen Experiment hatte bereits 1909 der englische Physiker und Wissenschaftstheoretiker Norman Robert Campbell (1880–1949), damals Fellow am Trinity College in Cambridge und zugleich Forschungsassistent von J.J. Thomson am Cambridger Cavendish Laboratory. Campbell wollte zwischen Plancks Quantentheorie der Strahlung in ihrer radikaleren Interpretation von Johannes Stark 1908 einerseits und der klassischen Kontinuums-Elektrodynamik andererseits entscheiden, aber er scheiterte an den experimentellen Schwierigkeiten, Zustände mit sehr niedrigen Lichtquantenzahlen herzustellen.17 Motiviert von Erwin Schrödingers Zweifel an der Unverzichtbarkeit der QED testete 1954 der ungarische Physiker Lajos Jánossy (1912–1978) mit Mitarbeitern in Budapest experimentell, ob sich bei gleichzeitiger Messung von Photonen vor und hinter dem Spiegel anomale Koinzidenzen zwischen transmittiertem und reflektiertem Licht zeigten. Sie fanden keine und kamen zu dem Schluß‚ dass die Quantenmechanik richtig sei und Photonen bei diesem Meßaufbau sich wie unteilbare Teilchen verhalten, die entweder im Ganzen reflektiert oder transmittiert werden.18 Leider benutzten sie eine kontinuierliche Lichtquelle und überschätzten die Nachweisgenauigkeit ihrer Detektoren bei weitem: statt der von ihnen angenommenen 10 % Empfindlichkeit hatten sie de facto eher eine in der Größenordnung von 0,1 %. Erstmals erfolgreich an durch sehr geringe Lichtintensität vereinzelten („tagged“) Photonen realisiert wurde das Reflexions- bzw. TransmissionsExperiment am halbdurchlässigen Spiegel 1973 von John Francis Clauser (*1942) am Lawrence Berkeley Laboratory der University of California. 1985 wiederholten Quantenoptiker in Orsay bei Paris dieses Experiment unter noch weiter verschärften Bedingungen.19 Jedes Mal bestätigten sich die Voraussagen der Quantenmechanik zur Antikorrelation der Photonen in den beiden Detektoren, während die Voraussagen der (semi-)klassischen Theorien statistisch signifikant verletzt wurden: „The results, to a high degree of statistical accuracy, contradict the predictions by any classical or semiclassical theory in which the probability of photoemission is proportional to the classical intensity. […] So far no [experiment] has uncovered any departure from the quantumelectrodynamic predictions, but severe departures from [semiclassical] predic17 Siehe

Campbell (1909), eines der wenigen publizierten, explizit gescheiterten Experimente.

18 Siehe Adám, Jánossy & Varga (1956) sowie zum folgenden Clauser (1974) und Clauser (2001) S. 92–94

über „Splitting photons?“ Grangier, Aspect & Roger (1986); zum Versuchsaufbau der letzteren hier Abschn. 8.3 und 8.4; ferner Meystre & Walls (Hg.) 1991, section V, Sulcs (2003) S. 371–374, Zeilinger (2005b) S. 275 ff., Zeilinger et al. (2005) S. 230–232. Über John Clauser siehe Whitaker (2012) S. 149 ff. und Freire et al. (2013).

19 Siehe

8 Experimente zur Quantenmechanik des Photons seit 1945

257

tions have been found. The classical (unquantized) Maxwell equations thus appear to have only limited validity.“20

8.3

Ein-Photon-Interferenzexperimente: Von Taylor 1909 bis Grangier, Aspect & Roger 1986

Im Bereich extrem geringer Lichtintensitäten liegt auch die nächste Gruppe von Interferenzexperimenten, streng genommen sogar die älteste der in diesem Kapitel zu besprechenden Versuche. Der erste, der auf die Idee kam, die aus der Fresnelschen Wellentheorie des Lichts folgende Voraussage eines Interferenzmusters experimentell bei sehr niedriger Lichtintensität zu testen, war bereits 1908 der am Cavendish Laboratory in Cambridge arbeitende englische Physiker Geoffrey Ingram Taylor (1886–1975). Er wollte aber keineswegs Einsteins Quantentheorie von 1905 testen, sondern vielmehr J.J. Thomsons quasi-korpuskulare Modellvorstellung, nach der die Energieverteilung entlang der Wellenfront ungleichmäßig erfolgen sollte. Daher bat Thomson Taylor zu untersuchen, ob sich bei minimalen Lichtintensitäten nicht Änderungen oder zumindest auffällige Fluktuationen der Interferenzmuster zeigen.21 In Taylors Pionierexperiment wurde das Licht einer Gasflamme durch rußgeschwärzte Platten abgeschwächt und dann ganz dicht an einer Nadelspitze vorbeigeführt. Das von dieser gebeugte Licht wurde auf langzeitbelichteten Fotoplatten festgehalten, wobei die Belichtungszeit zwischen wenigen Minuten und circa drei Monaten variierte. Bei den kürzesten Belichtungszeiten zeigten die Fotoplatten ein körniges Muster, was auf einige wenige, statistisch nahezu völlig gleichverteilte punktförmige Absorptionsvorgänge hinwies und insofern eine eher korpuskulare als räumlich gleichmäßig verschmierte Struktur des Lichts nahelegte. Bei längeren Belichtungszeiten bildete sich jedoch das gleiche Interferenzmuster heraus wie bei kurzer Belichtungszeit und hoher Lichtintensität: „in no case was there any diminution in the sharpness of the pattern.“22 Dieses Interferenzmuster selbst war in Lage und Breite der Interferenzstreifen genau das von der Wellentheorie des Lichts vorausgesagte, aber wie Abb. 8.3 zeigt, war dieses Interferenzmuster immer durch Überlagerung einer Vielzahl einzelner Punkte, die nur in ihrer Verteilung die Wellentheorie stützten, als einzelne Punkte jedoch dem Teilchenmodell des Lichtes folgten.

20 Clauser

(1974) S. 853 u. 856. hier Abschn. 4.5 zu J.J. Thomsons mentalem Modell. Über Taylor vgl. ferner Batchelor (1996) sowie Sillitto (1960) S. 129. 22 Siehe Taylor (1909) S. 119. 21 Vgl.

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Abb. 8.3 Allmählicher Aufbau des Interferenzmusters aus Einzelpunkten bei sehr niedriger Lichtintensität im Taylor-Experiment (in der zeitlichen Abfolge b-c-d-e). Abb. nach Taylor (1909), hier erzeugt in einem analogen Experiment von Tonomura & Belsazar (2012) mit Materiewellen von Elektronen. Gemeinfreie Abb. aus de.wikipedia.org/wiki/Datei:Double-slit_experiment_results_Tanamura_four.jpg (Zugriff 04.02.2017)

Insofern schienen in diesem Pionierexperiment bereits Wellen- und Teilchenaspekte des Lichts gemeinsam aufzutreten, nicht nur in der komplementären Entweder-oder-Form, in der wir den Welle-Teilchen-Dualismus in Abschn. 3.8 bereits kennengelernt hatten. Später zeigte sich jedoch, dass für dieses Originalexperiment von Taylor 1909 ebenso wie für Wiederholungen dieser Experimente 1927 und 1957 die Lichtintensität noch nicht weit genug heruntergefahren worden war, um semiklassische Deutungen restlos auszuschließen.23 Rodney Loudon zeigte in seinem Lehrbuch der Quantum Theory of Light, dass für sogenanntes chaotisches Licht mit Photonzahlen n  1 klassische Fluktuationen von Quantenfluktuationen zweiter Ordnung nicht zu trennen waren.24 Doch neuere Varianten dieses Experiments durch den 2022 ebenfalls Nobelpreis-gekürten französischen Quantenoptiker Alain Aspect (*1947) sowie seine beiden Doktoranden

23 Für einen Literaturüberblick mit kritischer Sichtung aller älteren Experimente zu vermeintlichen EinPhoton-Interferenzen, zu denen insbesondere Dempster & Batho (1927) sowie Jánossy & Náray (1957) zählen, siehe Sillitto (1960) sowie Pipkin (1978) u. dort zit. weitere Quellen. 24 Siehe Loudon (1973b) [2. Aufl. 1983] Kap. 3, S. 82–111.

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Philippe Grangier (*1957) und Gérard Roger25 am Institut d’Optique Théorique et Appliquée, Laboratoire associé au Centre National de la recherche scientifique in Orsay bei Paris zeigen, dass sich das Interferenzmuster (diesmal mit Interferenz am Doppelspalt, nicht an Nadelspitzen) in der Tat aus einzelnen Punkten zusammensetzt, die in ihrer Verteilung die Wellentheorie, jeder einzeln aber das Teilchenmodell des Lichtes stützen. Die Quantenmechanik sagt voraus, dass dieses Interferenzmuster sofort zusammenbricht, wenn durch eine Modifikation der Apparatur messbar wird, durch welchen der beiden Spalte das einzelne Photon gegangen ist, und genau das zeigte sich auch im Experiment. Dass es sich hier wirklich um einzelne Photonen handelte, und nicht um sehr niedrige ganze Zahlen größer als 1 wie bei Taylor 1909, wurde von Aspect und Mitarbeitern dadurch bewiesen, dass die mittlere Zählrate von nur noch zwei Photonen pro Sekunde einem mittleren räumlichen Photonenabstand von über 100.000 km entsprach, so dass die Wechselwirkung mehrerer Photonen miteinander praktisch ausgeschlossen war. Insofern lag hier ganz eindeutig ein Ein-Photon-Interferenzexperiment vor, mit dem je nach experimentellem Aufbau sowohl Teilchen- wie auch Welleneigenschaften des Lichts im sub-Poissonian regime von Ein-Photon-Zuständen gezeigt werden konnten: Two triggered experiments have thus been performed, using the same source and the same triggering scheme by the detectors. They illustrate the wave-particleduality of light. Indeed, if we want to use classical concepts, or pictures, to interpret these experiments, we must use a particle picture for the first one (,the photons are not split on a beam splitter‘) since we violate an inequality holding for any classical wave model. On the contrary, we are compelled to use a wave-picture (,the electromagnetic field is coherently split on a beam splitter‘) to interpret the second (interference) experiment. Of course, the two complementary descriptions correspond to mutually exclusive experimental set-ups.26

Mit dem weiteren Fortschritt der Experimentiertechnik im 21. Jahrhundert sind Experimente an einzelnen Photonen leichter möglich geworden, aber es bleibt Vorsicht angebracht, da echte Ein-Photon-Experimente nach wie vor hohen experimentellen Aufwand erfordern.27

25 Siehe

Grangier, Roger & Aspect (1986). Zu Alain Aspect u. seinen Mitarbeitern vgl. Whitaker (2012) S. 191 ff. sowie https://fr.wikipedia.org/wiki/Alain_Aspect. 26 Grangier et al. (1986) S. 178 f.; vgl. ferner Zeilinger (2005) S. 230–232 zur Implikation dieses Experiments. 27 Große Teile der Sammelbände von Roychoudhuri et al. (Hg.) 2003, 2006, 2008, 2009 und 2015 umfassen Kritik an vermeintlichen Ein-Photon-Experimenten.

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Abb. 8.4 Zur Grundidee des Gedankenexperiments von Einstein, Podolsky & Rosen (1935) in der Spin-Variante. Ausgehend von einer Lichtquelle S mit bekanntem Spin verlassen zwei korrelierte Elementarteilchen (bei Einstein Elektronen, hier im Folgenden Photonen) 1 und 2 in entgegengesetzter Richtung die Quelle und treffen auf die Detektoren a und b, die die Photonenspins durch Bestimmung der Polarisationsrichtung der zugehörigen Lichtwelle messen. (Abb. aus Aspect, Grangier & Roger (1982a) S. 91 c mit freundl. Genehmigung durch die American Physical Society, 1982)

8.4

Verschränkte Photonen: Alain Aspect u. a. 1980 ff.

Seit dem Aufkommen der von Heisenberg, Schrödinger, Dirac und Wiener in vier verschiedenen Varianten entwickelten Quantenmechanik und der von Born, Bohr, Heisenberg, v.Weizsäcker u. a. dafür vorgeschlagenen Interpretation, die später mit dem Namen ,Kopenhagener Deutung‘ belegt wurde, war Einstein zu einem der schärfsten Kritiker dieses neuen Theorierahmens geworden. Auf der Solvay-Konferenz von 1927 und in zahlreichen weiteren Kontexten entwickelte er unermüdlich immer neue Einwände, oft elegant gekleidet in ausgeklügelte Gedankenexperimente, die er den Anhängern des neuen Paradigmas vortrug und die dann ebenso intelligent von diesen analysiert und eins fürs andere als entweder mit ihren Prämissen nicht verträglich oder als unrealisierbar zurückgewiesen wurden.28 Eines der raffiniertesten und folgenreichsten dieser Gedankenexperimente war das auf Einsteins Grundidee zurückgehende, aber von Boris Podolsky (1896–1966) ausformulierte und von diesen beiden zusammen 1935 mit Nathan Rosen (1909–95) publizierte Einstein-PodolskyRosen-Gedankenexperiment (abgekürzt EPR, vgl. Abb. 8.4). Da der Spin29 als quantenmechanisches Äquivalent des Eigendrehimpulses vonTeilchen eine Erhaltungsgröße ist, kann bei bekannten Ausgangs- und Endzustand der Strahlungsquelle S auf die Spins der beiden ausgesandten Elementarteilchen geschlossen werden. Beide Spins waren miteinander verschränkt. Dieser Ausdruck ‚verschränkt‘ (engl. entangled ) wurde 1935 von Erwin Schrö28 Siehe

Born (1926a), Heisenberg (1927), (1930), (1959) bzw. Einstein, Podolsky & Rosen (1935), Einstein (1949), Wheeler & Zurek (Hg.) 1983, Home & Whitaker (2007), Whitaker (2012) S. 61 ff., Kiefer (ed.) 2015 u. dort zitierte weiterführende Texte. 29 Vgl. Abschn. 3.10 zur Geschichte der Entdeckung des Spin.

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dinger eingeführt, für den jene Verschränkung übrigens „the characteristic trait of quantum mechanics, the one that enforces its entire departure from classical lines of thought.“ 30 Einstein, Podolsky und Rosen dachten 1935 eigentlich an die gleichzeitige Messung von Ort und Impuls zweier verschränkter Elektronen (Fermionen mit Spin ±1/2), aber das Gedankenexperiment funktioniert genau so für die Messung der Spin-Ausrichtung von Photonen (also von Bosonen mit Spin ±1), für die das Folgende weiter ausformuliert wird, weil dadurch der Anschluss an die späteren Realexperimente erleichtert wird.31 Wenn z. B. die Lichtquelle vor der Emission beider Photonen in einem Zustand mit Gesamtspin S = 0 war, dann müssen die Spins der beiden Photonen einander entgegengesetzt ausgerichtet sein. Misst man an Detektor a, dass der Spin des ersten Photons +1 ist, so folgt automatisch (und ohne erneute Messung), dass am Detektor b der Spin des zweiten Photons –1 sein muss (und umgekehrt). Diese Voraussage gilt in allen Raumrichtungen, in denen die Detektoren a und b messen können (weshalb sie in der Abb. 8.4 auch mit Vektorpfeilen versehen wurden). Nach der Quantenmechanik gilt aber, dass der Spin eines Systems immer nur in einer Raumrichtung scharf bestimmt werden kann. Kennt man z. B. den Spin in x -Richtung, dann sind die Spins in y- und z -Richtung notwendigerweise unbestimmt, usw. Nun folgerten Einstein, Podolsky und Rosen in ihrem Gedankenexperiment von 1935 aber weiter, dass die Korrelation von 1 und 2, die ja einem Singulett-Zustand entstammen, diese quantenmechanische Limitierung elegant zu umgehen gestattet: misst man mit Detektor a an Photon 1 den Spin in x -Richtung, so kann der von Photon 2 in dieser Achse bereits ohne Messung sicher prognostiziert werden, so dass ich am Detektor b zur gleichen Zeit wie die Messung bei a am Photon 2 den Spin zusätzlich in einer anderen Raumrichtung bestimmen kann. Damit würde man dann insgesamt mehr wissen als nach der orthodoxen Quantenmechanik zulässig wäre. Somit sei diese orthodoxe Quantenmechanik in der Interpretation, die Bohr, Heisenberg u. a. ihr gaben,32 zumindest „unvollständig“.33 Daher dann 30 Siehe

Schrödinger (1935a) S. 555 sowie (1935b); vgl. Horne et al. (1990) S. 357–360 zur Begriffsgeschichte. 31 Diese Übertragung von Geschwindigkeit und Ort von Elektronen auf den Spin von Photonen stammt von David Bohm, weshalb das EPR-Gedankenexperiment manchmal auch Einstein-Podolsky-RosenBohm-Experiment genannt wird. Zur Ideen- und Textgeschichte des EPR-Arguments sowie zu seiner frühen Rezeption siehe die Hinweise von Claus Kiefer im kommentierten Wiederabdruck von Einstein, Podolsky & Rosen (1935c); Siehe ferner Näger & Stöckler in Friebe et al. (2015) Kap. 4, sowie Beller (1999) Kap. 7, Pais (1982) Kap. 25, und Brukner & Zeilinger (1997) zu den Grenzen dieser Übertragung. 32 Und die man später ‚Kopenhagener Deutung der Quantenmechanik‘ genannt hat – zu dieser Namensgebung und dem damit verbundenen Herunterspielen der Differenzen zwischen der Bohrschen, Heisenbergschen und von Weizsäckerischen Interpretation, siehe Beller (1999) Kap. 8 und 9, Howard (2004) sowie hier die in Anm. 108 v. Abschn. 3.8 genannten weiterführenden Quellen. 33 Dieses EPR-Argument setzt neben der Realität aller Messbaren Größen zu aller Zeit implizit auch die Lokalität und Separabilität beider Teilchen voraus: siehe dazu hier Abschn. 9.3.

262

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auch der Titel der Abhandlung der drei Autoren: „Can quantum mechanical description be considered complete?“: eine Frage, die die drei Autoren – und mit ihnen bald auch etliche weitere Kritiker – vehement verneinten. Mehrere Jahrzehnte blieb diese Überlegung von Einstein, Podolsky und Rosen nicht mehr als ein raffiniertes Gedankenexperiment. Aber mit den Fortschritten der Quantenoptik und Messtechnik ergab sich seit den 1960er Jahren die Möglichkeit immer besserer Realisierungen dieses Experiments an verschränkten Paaren von massebehafteten Elementarteilchen sowie 1967 erstmals auch an verschränkten Photonenpaaren durch Carl A. Kocher und Eugene D. Commins an der University of California in Berkeley, Kalifornien, die eine Zerfallskaskade in Kalzium-Gas nutzten.34 Eine verbesserte Messung lieferten 1972 Stuart Jay Freedman (1944–2012) und John Francis Clauser (*1942) am Lawrence Berkeley National Laboratory, die die emittierenden Kalziumatome noch mit Lichtbogenlampen anregten und über 200 h lang messen mußten, dann aber bereits eine Standardabweichung von 5σ erreichten.35 Erst vor kurzem erhielt Clauser für diese experimentellen Pionierarbeiten zu EPRKorrelationen den Nobelpreis für Physik.36 Doch in den 1970er Jahren waren die meisten seiner Kollegen von diesen Experimenten alles andere als überzeugt und nur die Unterstützung durch Charles H. Townes ermöglichte damals die Durchführung in Berkeley.37 Wie oben am Gedankenexperiment geschildert, führen semiklassischeTheorien, die den beiden verschränkten Photonen eine voneinander unabhängige lokale Realität zuschreiben (vgl. Abschn. 9.3), also davon ausgehen, dass deren Zustände unabhängig voneinander im Prinzip beliebig scharf bestimmt werden können, zu völlig anderen Voraussagen als die Quantenmechanik. Der Unterschied wird in den sogenannten Bellschen Ungleichungen erfasst, die John Stewart Bell (1928–1990) für genau solche Typen von Korrelationsexperimenten 1964 ableitete.38 Überraschender Weise führten die Experimente 34 Siehe

Kocher & Commins (1967) sowie Clauser (2001) S. 79 zu den Schwachstellen dieses Pionierexperiments (u. a. falsch gewählte Polarisationsrichtungen und viel zu geringe Polarisatoreneffizienz). 35 Siehe Clauser et al. (1969) und Freedman & Clauser (1972), 4 Jahre später experimentell bestätigt durch Fry & Thompson (1976); vgl. Freire (2006), Freire et al. (2013) und Kaiser (2005) S. 345 ff. 36 Siehe z. B. Dalibard & Gigan (2022) S. 24, Schumm & Weinfurter (2022) sowie die unter https://www. nobelprize.org/prizes/physics/2022/clauser/lecture/ nachlesbare Kurzbiographie und Nobelpreisrede von Clauser. 37 Siehe die autobiographischen Passagen in Clauser (2001) S. 81 ff., sein Interview mit Joan Bromberg im Mai 2002, online verfügbar unter https://www.aip.org/history-programs/niels-bohr-library/oralhistories/25096 zum damaligen „mistrust“ gegenüber vermeintlicher „junk science“, sowie Freire (2022) zum Kontext. 38 Auf die formale Ableitung dieser Bellschen Ungleichungen und die Wiedergabe experimenteller Details wird hier verzichtet. Siehe jedoch z. B. Clauser & Shimony (1978), Paul (1985) S. 164 ff., Ellis & Amati (Hg.) 2000, Clauser (2001), Whitaker (2012) S. 87–282, Zeh (2012) S. 14–17 und dort jeweils genannte weiterführende Literatur. Über Bell siehe ferner Freire (2015) Kap. 7 f.

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von Alain Aspect und seinen Mitarbeitern in Orsay 1982 an verschränkten Photonen aus nicht-linearen Laseranregungen einer atomaren Kaskade (siehe Kasten 6, Unterpunkt 2) zu einer bis auf 1 % genauen Übereinstimmung mit den Voraussagen der Quantenmechanik und zu einer klaren Verletzung der aus alternativen Theorien folgenden Bellschen Ungleichungen. Kasten 6: Quellen für verschränkte Photonenpaare Historisch gab es drei verschiedene Möglichkeiten, sie im Labor zu generieren: 1. Aus dem Zerfall von Positronium (einem Positron-Elektron-Paar) Seit 1932 war die Existenz eines nur kurzzeitig stabilen Elektron-PositronPaares vorausgesagt worden, das dann erstmals 1951 von Martin Deutsch (1917–2002) am Massachusetts Institute of Technology auch experimentell nachgewiesen werden konnte. Dieses Elektron-Positron-Paar zerstrahlt in sehr kurzer Zeit in Photonen: im Grundzustand von Para-Positronium (Spin 0) innerhalb von 10−10 s in ein Photonenpaar, bzw. innerhalb von 1,4 · 10−7 s bei Ortho-Positronium (Spin 1), das in drei Photonen zerfällt. Im ersteren Fall haben die beiden Zerfallsphotonen genau entgegengesetzte Richtung und entgegengesetzten Spin; auch ihre Energie und ihr Impuls sind miteinander korreliert – sie sind quantenmechanisch miteinander verschränkt. Derartige Korrelationen wurden dann seit 1950 auch verschiedentlich beobachtet (erstmals von Wu und Shaknow 1950) und als früheste Möglichkeit zur experimentellen Realisierung von EPR-Experimenten auch vereinzelt eingesetzt. Der Nachteil dieser Photonenquelle ist die Notwendigkeit umständlicher kernphysikalischer Erzeugung durch radioaktive Zerfälle und die geringe Nachweiseffizienz. 2. Aus Photon-Kaskaden angeregter Atome In dieser Methode werden Atome in einem Atomstrahl in ein höheres Energiepotential angehoben, entweder durch optisches Pumpen, also durch Bestrahlung mit Licht passender Frequenz, oder durch Elektronenbombardement. Von diesem metastabilen Energieniveau aus fallen die angeregten Atome dann sehr schnell hintereinander in extrem kurzzeitigen Prozessen auf zwei tieferliegende Energieniveaus zurück, so dass zwei miteinander zeitlich und in ihren Spineigenschaften korrelierte Photonen genau bekannter Frequenz entstehen. Diese Methode war zwischen 1950 und 1980 die wichtigste Form der Erzeugung verschränkter Photon-Paare – sie wurde beispielsweise in den Pionierexperimenten von Freedman und Clauser (1972) sowie von Fry und Thompson (1976) eingesetzt. Während bei ersteren 1972 nur circa 7 % der angeregten Atome in der gewünschten Kaskade abstrahlten und auch nur Koinzidenzraten von etwa einem Zerfall pro 10 s erreicht werden konnten, erreichte Alain Aspect et al. 1981 mit raffinierteren Formen der Anregung eine nahezu einhundertprozentige Wahrscheinlichkeit des gewünschten Zerfalls und eine gesteigerte Koinzidenzrate von ca. 240/s. 3. Aus parametrischer Fluoreszenz (spontaneous parametric down-conversion SPDC) In dieser seit 1987 entwickelten Methode, die sich dann schnell zum heutigen Standard entwickelte, werden Photonen aus einem intensiven Laserstrahl durch einen nicht-linearen Kristall in zwei Photonen geteilt, die unter verschiedenen Winkeln aus dem Kristall austreten. Aufgrund von Erhal-

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tungssätzen sind die beiden austretenden Photonen miteinander in Bezug auf Energie, Impuls und Polarisation verschränkt. Der Vorteil dieser Methode liegt auf der Hand: Die Paarerzeugung ist direkt an den sehr leicht kontrollierbaren Laserstrahl gebunden und die Richtung der in zwei verschiedenen Lichtkegeln austretenden Photonen ist genau bekannt, was die Nachweiswahrscheinlichkeit der verschränkten Photonen sehr stark erhöht. Dadurch wurden die Kosten gesenkt und die Fehlerabweichungen für die Nachweise der Verletzung der Bellschen Ungleichungen massiv auf über 100 Standardabweichungen innerhalb von nurmehr 5 min Meßdauer erhöht (Kwiat, Zeilinger et al. 1995). (Weiterführende Literaturhinweise zu allen drei verschränkten PhotonenpaarQuellen findet man in Horne et al. (1990) sowie in dem Beitrag von Climério Paulo da Silva Neto in Freire et al. (Hg.) 2022, S. 589–595)

Der wichtigste experimentelle „loophole“ jener frühen EPR-Experimente blieb lange die begrenzte Effizienz der Polarisations-Detektoren: John Clauser zufolge wurde in den frühen 1980er Jahren von einer Millionen Photonenpaare nur eines detektiert, was von den idealisierten Annahmen der EPRGedankenexperimente natürlich meilenweit entfernt war. Mit heutigen supraleitenden transition edge sensors ist eine Visibilität von 97 % erzielbar, während avalanche photo-diodes zwar nur eine Effizienz von rund 50 % besitzen, dafür aber sehr kurze Reaktionszeiten in Bruchteilen von Picosekunden.39 Aber trotz der beschränkten Empfindlichkeit früher Detektoren war anzunehmen, dass die im Detektionsprozess zufällig ausgewählten Photonenpaare die EPRKorrelationen zeigen sollten, wenn Einsteins Kritik an der Quantenmechanik berechtigt wäre. Genau so unplausibel war es anzunehmen, dass die beiden damals räumlich allerdings noch nicht sehr weit voneinander Detektoren miteinander vor der Messung ‚kommunizierten‘, um bei der Messung dann die ‚richtigen‘ Ergebnisse zu produzieren.40 Auch die in den 1980er Jahren noch offenen Rückzugsmöglichkeiten aufgrund hypostasierte „verborgene Parameter“, die versteckte Wechselwirkungen zwischen beiden Messungen vermitteln könnten, wurden in den Folgejahren eliminiert. Durch hochintensive und ausgezeichnet polarisations-verschränkte Photonenpaare aus nicht-linearer parametrischer Fluoreszenz,41 weitere Verbesserung der hochempfindlichen Detektoren, sowie durch erhebliche Vergrößerung der räumlichen Abstände zwischen den beiden Detektoren konnten die Messungen von Alain Aspect und anderen 39 Siehe

z. B. Gallicchio et al. (2014) 110.405, S. 3 u. dort angegebene weiterführende Lit. beispielsweise Clauser (2001) S. 85–87 zum „detector-efficiency loophole“ und zur „noenhancement assumption“; zum schrittweisen Ausschliessen des „setting-independence loophole“ siehe ferner Kaiser (2005). 41 Zu diesen verschränkten Photon-Paaren aus parametric down-conversion, die die Detektionswahrscheinlichkeit deutlich erhöhten, siehe u. a. Kwiat, Zeilinger et al. (1995), Zeilinger (2017) S. 6 ff. 40 Siehe

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weiter verbessert werden. 1982 betrug der Abstand der beiden Detektoren nur 12 m, 1998 immerhin schon 400 und im 21. Jahrhundert mitunter satellitenvermittelt auch viele Hundert Kilometer. Heute gelten alle Alternativdeutungen und alle loopholes als experimentell ausgeschlossen.42 Experimentell noch schlagkräftiger waren spätere Messungen mit Detektoren, die die Raumrichtung, entlang derer die Spins der beiden verschränkten Photonen jeweils gemessen wurde, so oft rasch und zufallsgesteuert „in flight“ wechselten, dass eine wechselseitige Beeinflussung der Meßvorgänge an beiden Enden praktisch ausgeschlossen war.43 An Schlagfertigkeit kaum noch zu übertreffen sind 2014 vorschlagene und 2017 bzw. 2018 realisierte Messungen an verschränkten Photonen, bei denen deren im Labor gemessene Polarisationsrichtungen durch das Licht von zwei unabhängig voneinander teleskopisch beobachteten Sternen unserer Milchstrasse bzw. von Quasaren mit großer Rotverschiebung an entgegengesetzten Enden des Universums bestimmt wurde. Deren emittiertes Licht war 7 bzw. 12 Mrd. Jahre zu uns unterwegs, bevor es im Labor durch elektrooptische Modulatoren die Detektionsrichtung bestimmte. Während die konspirative Verabredung der beiden verschränkten Photonen in früheren Laborexperimenten einige Millisekunden vor der Messung hätte stattfinden müssen, wurde diese Zeitspanne durch Signale von Sternen der Milchstrasse auf 600 Jahre und durch die von Quasaren am Rande unseres Universums um 20 Grössenordnungen auf 7,8 Mrd. Jahre zuückverlegt, wodurch kausale Wechselwirkungen nunmehr definitiv ausgeschlossen sind.44 In den späten 1980er und frühen 1990er Jahren gelang durch Messung an verschränkten Photonen auch die Bestätigung der Verletzung der Bellschen Ungleichungen für nichtdiskrete, sondern kontinuierliche Variablen, wie Einstein, Podolsky und Rosen sie ursprünglich betrachtet hatten.45 Diese somit nunmehr zweifelsfrei nachgewiesenen EPR-Korrelationen beweisen, dass derart „verschränkte“ Photonen nicht als zwei verschiedene, voneinander raumartig getrennte Objekte betrachtet werden können, denen schon vor einer Messung individuelle lokale Eigenschaften zugesprochen werden können, sondern dass es sich bei derartigen Photonenpaaren um ein vor der 42 Für gute Review-Artikel der zahlreichen Bestätigungen, die dieses Experiment mit korrelierten Photonen in aller Welt erfuhr, siehe Clauser (2001) S. 79 ff., Aspect (1999, 2015), Aspect in Darrigol et al. (eds.) 2016, Freire (2006, 2022), Shadbolt et al. (2014), Zeilinger (2017), Schumm & Weinfurter (2022) u. dort genannte Primärlit. 43 Siehe Aspect (1982a), Aspect et al. (1981, 1982b) [noch mit periodischem Switch der Raumrichtungen], Weihs et al. (1997) [mit zufallsgesteuertem Switch und 97 % Visibilität] sowie für spätere Rückblicke: Aspect (1999), (2015), Aspect in Darrigol et al. (2016) sowie Freire (2022). 44 Siehe Gallicchio, Friedman & Kaiser (2014), Handsteiner et al. (2017), Rauch (2018), Zeilinger (2017) S. 24 f. und Kaiser (2005) S. 358 ff. 45 Siehe dazu insb. die Arbeiten von Zhe-Yu Jeff Ou und Mitarbeitern (1988, 1992) am Caltech, die später dann auch von ihm u. a. auch auf große Zahlen korrelierter Photonen ausgeweitet wurden.

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K. Hentschel

Messung nicht-separables Objekt handelt. Der lokale Realismus, also die von Einstein unterstellte Separabilitäts- und Lokalitätsannahme, derzufolge beide Photonen bereits unmittelbar nach ihrer Erzeugung feste (wenn auch den Experimentatoren vor der Messung noch unbekannte) Eigenschaften wie etwa definitive Spinausrichtungen mit sich tragen, bricht bei derartig miteinander ‚verschränkten‘ Quantenobjekten also zusammen. Dennoch lässt sich mit derartig verschränkten EPR-Paaren keine Signalübertragung mit Überlichtgeschwindigkeit realisieren, so dass mindestens diese Intuition Einsteins erhalten bleibt (mehr dazu hier in Abschn. 8.9 und 9.4). Zusammen mit den gleich näher zu besprechenden delayed-choice-Experimenten verstärkte sich die immer weiter verdichtende Indizienkette gegen das Vorliegen ,verborgener Parameter‘. Alain Aspect erhielt für diese Arbeiten zu verschränkten Photonen und EPR-Korrelationen die Bohr-Medaille der UNESCO, ferner 2010 zusammen mit John F. Clauser (s. o.) und Anton Zeilinger (s. u.) den Wolf-Preis und 2022 den Nobelpreis für Physik.46

8.5

Wheelers delayed choice: Welchen Weg nehmen Photonen?

Ein beliebtes Ausweichmanöver bei der Interpretation von Welle-TeilchenDualismus sowie Photon-Korrelations- und Anti-Korrelationsexperimenten der 1960er und 1970er Jahre war stets der Hinweis darauf, dass es prinzipiell möglich war anzunehmen, dass – anthropomorph formuliert – das Licht ‚Wind davon bekommt‘, welche seiner Eigenschaften im Detektor zur Messung anstehen und sich darum noch rechtzeitig im voraus darauf ‚einstellen‘ könne, ob es im Detektor eher die Wellen- oder eher die Teilcheneigenschaften zeigen solle. Auch wenn die physikalischen Mechanismen, nach denen eine derartige Rückkopplung des Meßinstruments auf dessen Untersuchungsgegenstand dabei im Dunklen blieben (obskure Führungsfelder oder bösartige Verschwörung gegen die arglosen Experimentatoren?), so waren diese „Konspirationstheorien“ doch ein Dorn im Auge der Experimentatoren, die derartige Argumentationslücken (engl. loopholes) gerne ausgeschlossen hätten.47 Ein brillianter Vorschlag für eine zumindest denkbare Umsetzung eines solchen experimentellen Tests jener Theorien kam 1978 von John Archibald Wheeler (1911–2008), der sich nach grundlegenden Arbeiten zur sog. Geome46 Siehe https://www.nobelprize.org/prizes/physics/2022/ sowie z. B. Dalibard & Gigan (2022), Schumm

& Weinfurter (2022), Freire (2022) und zahlreiche Presseartikel. Ausdruck ‚conspiracy theories‘ stammt von Peter J. Lewis (2006); vgl. u. a. Zajonc (1993), O’Brien (2010).

47 Der

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trodynamik ab den 1960er Jahren verstärkt den Grundlagendiskussionen um die Interpretation der Quantenmechanik zuzuwenden begann und auch hier fundamentale Beiträge lieferte.48 Unter Rückgriff auf ältere Überlegungen von Carl Friedrich von Weizsäcker (1912–2007) schlug Wheeler 1978 vor, die Entscheidung darüber, ob man am Ende Teilchen- oder Welleneigenschaften von Photonen messen wolle, so lange hinauszuzögern, bis der eigentliche Wechselwirkungsprozess im Inneren des Analysators sich bereits vollzogen habe und die Detektoren erst danach auf ihre Messgrößen hin festzulegen.49 Wegen der ungeheuer großen Geschwindigkeit des Lichts blieb dieser Vorschlag jedoch etwa ein Jahrzehnt lang ein bloßes Gedankenexperiment. Doch erst seit Mitte der 1980er Jahre wagten sich einige Forschergruppen an seine experimentelle Realisierung, zuerst zwei deutsche Teams, dann ein US-amerikanisches sowie schließlich dann ein französisches.50 Da letzteres die bei weitem überzeugendste Umsetzung des Wheelerschen Gedankenexperimentes bot, weil es als erstes jedwede kausale Wechselwirkung zwischen dem Eintritt der Photonen in die Apparatur und der per Zufallsgenerator erfolgten Einstellung der Detektoren ausschloss, beschränke ich mich hier auf die Darstellung dieses Experiments aus dem Jahr 2007.51 Philippe Grangier und Alain Aspect am Laboratoire Charles Fabry de l’Institut d’Optique der École Polytechnique in Palaiseau sowie Vincent Jacques und eine größere Zahl weiterer Experimentatoren am Laboratoire de Photonique Quantique et Moléculaire der École Normale Supérieure in Paris realisierten 2007 Wheelers Delayed-Choice-Experiment durch eine uhrwerkgetriggerte Ein-Photon-Lichtquelle, basierend auf einem isolierten Stickstoff-FehlstellenZentrum eines Diamant-Nanokristalls. Dessen Ein-Photon-Pulse wurden auf ein Mach-Zehnder-Interferometer geleitet (vgl. Abb. 8.5). Ein auf 50 % Transmission eingestellter Strahlteiler führte das eingehende Licht in zwei 48 m lange Arme, was einer Flugzeit im Inneren des Instruments von 148 ns entspricht. Danach traf das Licht aus beiden Armen auf einen per Zufallsgenerator einund ausschaltbaren zweiten Strahlteiler (Analysator), hinter dem orthogonal zueinander in Verlängerung der Interferometerarme je ein Detektor A bzw. B aufgestellt waren. Betrachten wir diese Apparatur zunächst im Kontrollmessungsmodus noch ohne den zweiten Strahlteiler rechts oben vor den beiden Detektoren. Während laut klassischer Welleninterpretation des Lichts bereits 48 Siehe Wheeler (1978) sowie Wheeler & Zurek (1983). Zu Wheeler siehe u. a. Wheeler & Ford (1998), Wright (2014) Kap. 4, Furlan (2021) und Thorne (2019), ferner Hentschel (2014a) S. 108 ff. zur Geometrodynamik als geometrisch-anschaulicher Umformulierung der Allgemeinen Relativitätstheorie u. dort jeweils genannte weiterführende Texte. 49 Siehe v.Weizsäcker (1931) S. 128, (1941) sowie Wheeler (1978). 50 Das Pionierexperiment zu delayed-choice war das von Wickes et al. (1983) an der University of Maryland. Sehr gute Literaturübersichten bieten Ma et al. (2016), Shadbolt et al.(2014) S. 279 f. 51 Siehe Hellmut et al. (1987), Baldzuhn (1989), Jacques et al. (2007), (2008).

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Abb. 8.5

K. Hentschel

Mach-Zehnder-Interferometer von Jacques et al. 2007

am ersten halbdurchlässigen Spiegel eine je 50-prozentige Aufteilung des einfallenden Lichts auf die beiden Zweige erfolgt, was zu einer Gleichverteilung des Lichts auch in den beiden Detektoren führen sollte, sagt die Einsteinsche Photonentheorie (im Teilchenbild) eine perfekte Antikorrelation voraus, denn das per Konstruktion einzelne in die Apparatur eintretende Photon kann sich nicht teilen und muss sich demzufolge bereits beim ersten Strahlteiler für einen der beiden Arme des Interferometers ,entscheiden‘. Demzufolge darf (bei Weglassung des Analysators) stets nur einer der beiden Detektoren ansprechen und der Korrelationskoeffizient α sollte verschwinden. Experimentell war α zwar nicht exakt Null, aber nur 0,15 ± 0,01, was zeigte, dass die Experimentatoren in der Tat nahe am streng-quantisierten Ein-Photon-Regime arbeiteten. Nun brachten sie den Analysator in den Strahlengang, einen elektrooptisch modulierten Strahlteiler, der nur unmittelbar vor der jeweiligen Messung mit zufallsgesteuerten Signalen angesteuert wurde, die festlegten, ob eine Wellen- oder eine Teilchenmessung erfolgte. Immer dann, wenn der Analysator per Zufallsgenerator ausgestellt war, zeigten die Detektoren exakt die gleichen Intensitätsund Koinzidenzraten wie in der vorigen Kontrollmessung, während immer dann, wenn der Analysator auf partielle Reflexion eingestellt war, die aus der

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Wellentheorie zu erwartenden Interferenzmuster auftraten. Der erstgenannte Fall war damit gleichbedeutend, dass das Photon nur einen der beiden Wege genommen hatte, der letztgenannte konnte nur dadurch verständlich werden, dass das Photon irgendwie in beiden Armen des Interferometers präsent gewesen sein muss, um Interferenz erzeugen zu können. Beides zugleich kann ‚eigentlich‘ nicht sein, aber mysteriöserweise zeigte sich immer genau das zur Beobachtungssituation passende Muster. Dieser Befund gilt bis heute, auch wenn es Sacha Kocsis, Boris Braverman, Aephraim Steinberg u. a. 2011 in Toronto gelang, durch raffinierte schwache Messungen von Photonenimpulsen für hinreichend große statistische Ensembles deren durchschnittlichen Weg durch ein Youngschen Doppelspaltversuch zu rekonstruieren, ohne das Interferenzmuster zu zerstören.52 Für einzelne Photonen ist dies eben nicht möglich. Damit waren die Konspirationstheorien, die eine Rückkopplung der vom Experimentator eingestellten Beobachtungssituation auf das Messergebnis postuliert hatten, endgültig widerlegt. Hingegen war Niels Bohr bestätigt, der schon 1949 in einem Sammelband für Einstein völlig zu Recht prognostiziert hatte: it obviously can make no difference as regards observable effects obtainable by a definite experimental arrangement, whether our plans of constructing or handling the instruments are fixed beforehand or whether we prefer to postpone the completion of our planning until a later moment when the particle is already on its way from one instrument to another.53

John Archibald Wheeler selbst spitzte den Widerspruch zwischen diesem experimentellen Befund und unserer naiven Intuition, derzufolge jedes Objekt sich immer entweder als Teilchen oder als Welle verhält, noch zu: DelayedChoice-Experimente legen eine weitere Schicht der „schizophrenic quantum world“ frei, „showing another quantum feature of the world that defies classical descriptions: not only can a photon be in two places at once, but experimenters can choose, after the fact, whether the photon was in both places or just one. […] In short, the experimental verdict is: the weirdness of the quantum world is real, whether we like it or not.“54 Und nicht nur die Frage, ob ein Photon in einem Experiment als Teilchen oder als Welle agiert, sondern auch die Frage, wo es sich zwischen Emission und Absorption befindet und inwieweit es lokalisierbar ist, hängen von der experimentellen Konstellation ab, in der man es beobachtet: 52 Kocsis

et al. (2011); vgl. dazu auch Shadbolt et al. (2014) S. 279 f. (1949) S. 230, auch zit. am Ende von Jacques et al. (2008) S. 4. 54 Wheeler in Tegmark & Wheeler (2001) S. 76. 53 Bohr

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Die Welt ist so gebaut, dass sie uns die Möglichkeit verwehrt, in irgendeinem wohldefinierten Sinn davon zu sprechen, „was das Photon“ auf seinem Weg vom Ausgangspunkt zum Registrierpunkt „macht“. Kein elementares Quantenphänomen ist ein Phänomen, bevor es ein registriertes Phänomen ist, das durch einen irreversiblen Akt der Verstärkung zu einem Abschluss gebracht wurde.55

Übrigens legte Wheeler (im Unterschied zu Eugene Paul Wigner) Wert darauf, dass es keineswegs immer ein Experimentator bzw. ein menschliches Bewußtsein sein muss, das diesen Meßvorgang registriert, denn auch durch das Klicken eines Detektors oder andere materielle Prozesse im Detektor wird jener Kollaps von bloßer Wahrscheinlichkeit zu Sicherheit vollzogen.56

8.6

Photon-Bunching und Hong-Ou-Mandel-Dip 1987

Seit den ersten Photon-Korrelationsexperimenten war vielfach beobachtet worden, dass bei sehr niedrigen Intensitäten Korrelationen zweier Photonen der gleichen Quelle statistisch keineswegs völlig gleichverteilt auftraten (siehe Abschn. 8.1 zum HBT-Effekt). Bei Zeitintervallen kleiner oder gleich der Kohärenzzeit τ = λ/c war die Wahrscheinlichkeit, zwei oder drei Pulse gleichzeitig zu zählen, höher als nach der statistischen Poisson-Verteilung zu erwarten gewesen wäre. Dieses Phänomen nannte Purcell (1956) unter Verweis auf das Experiment von Hanbury Brown und Twiss zunächst ‚clumping‘, später dann jedoch meist ‚bunching of light‘ oder ‚photon bunching‘.57 Der Verdacht lag nahe, dass dies mit der Bose-Einstein-Statistik zusammenhängt, aus der sich die Tendenz der Photonen, gehäuft aufzutreten, ableiten lässt. Der in Deutschland geborene, vor den Nationalsozialisten nach England geflohene und ab 1964 in den USA an der Rochester University forschende Pionier der Quantenoptik Leonard Mandel (1927–2001) und seine Mitarbeiter gingen diesem Phänomen in Experimenten seit den 1960er Jahren gezielt nach. Sie bestrahlten einen hochempfindlichen Photomultiplier mit sehr schwacher Strahlung von 5461Å einer Niederdruck-Quecksilberdampflampe. Dann fuhren sie die abgestrahlte Lichtintensität immer weiter herunter, was durch die proportional dazu abnehmende Zählrate des Photomultipliers gut überprüft werden konnte. Sank diese Zählrate unter eine mittlere Abfolge zwischen zwei 55 Wheeler

(1987/90b) S. 140 f. (Übersetzung durch Brigitte Falkenburg). zu dieser Kontroverse zwischen Wheeler und Wigner deren Beiträge in Wheeler & Zurek (1983) sowie Freire (2015) Kap. 4. 57 Siehe Purcell (1956) S. 1450 bzw. Silva & Freire (2013) S. 474 f. zur späteren Durchsetzung des Terminus ‚bunching‘, der bereits von Twiss favorisiert worden war. 56 Siehe

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Abb. 8.6 Photon-Bunching. Links: Ansteigen der Zählraten von Photonkoinzidenzen für eine Hg198 -Dampflampe bei Unterschreiten der Kohärenzzeit τ von ca. 3 ns; im Kontrast dazu rechts kein Anstieg bei einer Wolframlampe mit kleinerem τ . (Aus Morgan & c Mandel (1966a) S. 1013 mit Genehmigung durch die American Physical Society, 1966)

Registrierungen von zwei oder drei Nanosekunden, was der Größenordnung der Kohärenzzeit τ dieser Strahlung entsprach, so stieg die Zählrate registrierter Photonkoinzidenzen plötzlich deutlich an. Im Unterschied dazu war bei einer Wolframlampe erwartungsgemäß kein solcher Anstieg zu sehen, da deren Kohärenzzeit sehr viel kleiner war (Abb. 8.6). Ebenfalls auf dem Durchgang von Photonen durch einen halbdurchlässigen Spiegel basiert ein unter Experten auch unter dem Acronym HOM berühmt gewordenes Experiment von Leonard Mandel mit seinen beiden Doktoranden Chung-Ki Hong und Zhe-Yu Jeff Ou aus dem Jahr 1987.58 Die drei in Rochester, New York, arbeitenden Quantenoptiker nutzten korrelierte Photonenpaare, die aus einem mit dem schwachem, aber kohärenten Strahl eines ArgonIonen-Lasers bestrahlten Kristall von Kalium-Dihydrogen-Phosphat kamen. Diese beiden Photonen trafen auf Umlenkspiegel M1 und M2 und wurden dann auf einen halbdurchlässigen Spiegel BS gelenkt (in Abb. 8.7 links vom Zentrum). Je nachdem, ob die Photonen reflektiert oder transmittiert wurden, liefen sie im oberen oder unteren Pfad weiter und trafen nach Infrarotfiltern IF schließlich auf die Detektoren D1 und D2, deren Output mit schneller Elektronik ausgewertet wurde. Dieser Output, eine Zählrate von gemessenen Photon-Photon-Koinzidenzen in den Detektoren D1 und D2, wurde nun in Abhängigkeit vom Gangunterschied zwischen oberem und unterem Pfad untersucht. Dieser Gangunterschied entstand zwischen dem oberen und unteren 58 Zum

Folgenden siehe Hong, Ou & Mandel (1987), Ou & Mandel (1988) sowie Santori (2002) für eine Replikation unter verschärften Bedingungen. Ou wurde 1990 über Quantenoptik an der Univ. of Rochester promoviert, wo er heute Professor ist: siehe http://physics.iupui.edu/people/zhe-yu-jeff-ou-0; Hong wurde 1988 in Rochester promoviert und ist heute Prof. an der Pohang Univ. of Science and Technology in Südkorea. Über Mandel siehe Bromberg (2010) S. 6–8.

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Abb. 8.7 Oben: Setup von Hong, Ou & Mandel (1987) wobei der halbdurchlässige Spiegel BS leicht nach oben und unten verschoben werden konnte, was zur Änderung der darunter dargestellten Koinzidenzzählrate als Funktion dieser Spiegelposition mit dem HOM-Dip führte (vgl. Haupttext). (Beides aus Hong, Ou & Mandel (1987) S. 2044 c bzw. 2046 mit Genehmigung durch die American Physical Society, 1987)

Pfad einfach durch Verschiebung des halbdurchlässigen Spiegels um kleine Distanzen ±c δτ innerhalb der Kohärenzlänge der erzeugten Lichtpulse. Verblüffender Weise zeigte sich dabei eine starke Abnahme dieser Koinzidenzzählrate, wenn dieser Gangunterschied besonders klein war; im Minimum sank die Zählrate von über 80 Koinzidenzen pro Minute auf nur noch 10 ab. Wie war dieses Ergebnis zu erklären? Offenbar gab es eine starke Antikorrelation bei nahezu verschwindendem Gangunterschied. Wenn mehrere Photonen mit genau gleichen Eigenschaften (Wellenlänge, Spin) nahezu gleichzeitig von verschiedenen Seiten auf einen halbdurchlässigen Spiegel trafen, war die

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Abb. 8.8 Fallunterscheidung von vier Möglichkeiten der Reflexion bzw. Transmission zweier Photonen am halbdurchlässigen Spiegel: die Fälle 2 und 3 interferieren destruktiv miteinander, so dass nur die Fälle 1 und 4 übrig bleiben – im ersten Fall gehen beide den oberen Pfad, im letzten Fall beide den unteren. Dies führt zu der starken von HOM beobachteten Antikorrelation zweier in allen sonstigen Eigenschaften übereinstimmender Photonen bei verschwindendem Gangunterschied. Gemeinfreies Schema aus wikimedia

Wahrscheinlichkeit für deren Reflexion oder Transmission nicht mehr statistisch unkorreliert, sondern entweder flogen beide in die untere oder beide in die obere Richtung weiter. Daher waren Ereignisse, bei denen an beiden Detektoren je ein Photon gemessen wurde, stark unterdrückt: „In the right circumstances, two photons can meet and ‚coalesce‘ […;] provided that the photons are in the same, single mode, […] quantum mechanics predicts that a bunching, or coalescence effect occurs.“59 Auch hier haben wir wieder ein Beispiel für die merkwürdige Eigenschaft von Photonen, zusammenzuclustern, was sich quantenmechanisch recht einfach aus der destruktiven Interferenz der beiden Fälle 2 und 3 in Abb. 8.8 ergibt, in denen die beiden in verschiedene Richtungen austreten, denn der Durchgang beider (Fall 2) und die Reflexion beider (Fall 3) unterscheiden sich um genau eine halbe Phase. Dem 1987 noch offenen interpretativen Ausweg, dass der gemeinsame Ursprung der beiden Photonen in einer gemeinsamen Quelle diese merkwürdige Korrelation am halbdurchlässigen Spiegel erklären könne, wurde 2002 durch ein verschärftes Experiment von Charles Santori und Mitarbeitern ein Riegel vorgeschoben, denn in seinem Setup entstammten die beiden miteinander am Spiegel zur Interferenz gebrachten Photonen nicht mehr nur derselben Quelle, sondern mehreren, gleichartigen Halbleiter-Quanten-Dots.60 Somit zeigt sich unabweislich, dass zustandsgleiche Photonen bei hinreichend starker Annäherung aneinander (der Überlapp der Wellenpakete betrug bei Santori et al. bis zu 80 %) ununterscheidbar werden, so dass die Bose-Einstein-Statistik mit all ihren kontraintuitiven Implikationen greift.

59 Grangier

(2002) S. 577; vgl. ferner Sulcs (2003) S. 380 ff., Szameit & Scheel (2021) S. 28 f. Santori (2002); vgl. Grangier (2002), Zeilinger et al. (2005) S. 232 zur Implikation dieses Experiments. Santori forschte später als state scientist in den Hewlett-Packard Laboratories, Palo Alto: http:// shiftleft.com/mirrors/www.hpl.hp.com/research/qsr/people/Charles_Santori/.

60 Siehe

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8.7

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Photonen-Antibunching in der Resonanzfluoreszenz

Komplementär zu den im Vorigen besprochenen Photon-Bunching-Experimenten stehen Experimente der gleichen Arbeitsgruppe von Leonard Mandel und Mitarbeitern in Rochester zum sogenannten Antibunching. Während klassische Lichtquellen eine Vielzahl an Atomen enthalten, die unabhängig voneinander Photonen emittieren, weisen nicht-klassische Lichtquellen zeitliche Lücken auf, bis nach einer Anregung und Emission ein weiteres Photon ausgesandt werden kann. Mit einem in der Frequenz abstimmbaren Farbstofflaser gelang es Mandels Gruppe, einzelne Natrium-Atome eines Atomstrahls im ResonanzfluoreszenzModus durch orthogonal auf diesen Atomstrahl geleitetes Laserlicht anzuregen, dessen Frequenz ganz nahe an der Resonanzfrequenz der Na-Atome für den Übergang in einen bestimmten angeregten Zustand lag.61 Durch Einstellung der Atomstrahlparameter auf eine verhältnismäßig große Breite von 100 µm, was bei einer mittleren Geschwindigkeit von 104 m/s einer atomaren Flussdichte von etwa 1010 bis 1011 Atomen pro Quadratzentimeter und Sekunde entspricht, hatten sie Bedingungen geschaffen, bei denen im zeitlichen Mittel immer nur höchstens ein Atom pro 100 ns-Zeitintervall für eine Einzelmessung in den angeregten Zustand gehoben wurde. Selbstverständlich ging dieses Atom nach sehr kurzer Zeit aus diesem angeregten Zustand wieder in den Grundzustand über, wobei es dann ein Photon aussandte, dessen Frequenz sich aus der Energiedifferenz beider Zustände exakt vorausberechnen ließ. Was Mandel, H. Jeffrey Kimble und Mario Dagenais nun mithilfe eines halbdurchlässigen Spiegels (in der Mitte von Abb. 8.9 oben) maßen, war die Häufigkeit der Erzeugung von nicht nur einem, sondern von zwei Photonen, die dann auf die Photodetektoren links oben und in der Mitte unterhalb des halbdurchlässigen Spiegels trafen und durch die nachgeschaltete Elektronik als ein Ansteigen dieser Koinzidenzzahl n registriert wurden. Wie die Graphik in Abb. 8.9 unten zeigt, war die Zahl n dieser Koinzidenzen für eine verschwindende Zeitdifferenz τ um den Faktor 3 niedriger als bei Zeitverzögerungen von 25 Nanosekunden. Dass diese Koinzidenzrate für τ = 0 s nicht ganz auf Null absank, lag nur an dem auch durch thermische Kühlung nicht ganz unterdrückbaren Rauschen der Detektoren, die bei 15 % Quantenausbeute immer noch eine Dunkelzählrate von etwa 100/s hatten. Dieses Ergebnis wurde von Mandel und Mitarbeitern wie folgt interpretiert:

61 Kimble,

Dagenais & Mandel (1977), Dagenais & Mandel (1978), Paul (1985) S. 92 f., 159 f.

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Abb. 8.9 Oben der Aufbau, unten Messergebnisse mit Fehlerbalken und Vergleich zur theoretischen Berechnung nach QED (durchgezogene Linie) von Dagenais & Mandel c (1978) S. 2218 u. 2222 mit Genehmigung durch die American Physical Society, 1978

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We have demonstrated that the fluorescent photons exhibit antibunching in time in all cases, which may be regarded as a reflection of the fact that the atom makes a quantum jump to the ground state in the process of emission and is unable to radiate again immediately afterwards. No classical electromagnetic field is able to exhibit this behavior. […] It was found that […] fewer events were observed at τ = 0 than were to be expected from random atomic emission alone, and that the emissions were anticorrelated […] in agreement with […] quantum electrodynamics, and in contradiction with any semiclassical emission theory. This provides good evidence that the atom makes a quantum jump to the ground state at the instant of photon emission.62

Antibunching an einzelnen Photonen, die jeweils nur durch einen von zwei Detektoren registriert werden, die zueinander raumartig, also ohne die Möglichkeit kausaler Wechselwirkung zwischen beiden aufgestellt waren, beobachteten erstmals Thiago Guerreiro und Mitarbeiter in Genf und Zürich. Damit war eines der von Albert Einstein 1927 auf der fünften Solvay-Tagung angestellten Gedankenexperimente experimentell realisiert.63 Damit liegt hier ein weiterer Fall von „Photonen in Reinkultur“ (Harri Paul) vor, bei dem die semiklassischen Theorien des Lichtes versagten und nur noch die QED die richtigen Voraussagen für einzelne quantenhafte Absorptions- und Emissionsprozesse (,Quantensprünge‘) und für die Reduktion der Wellenfunktion nach einer Messung macht.

8.8

Photon-Erzeugung und -Vernichtung in einer Kavität

Schon in der berühmten Bohr-Einstein-Debatte auf der Solvay-Tagung von 1927 hatte Einstein mit mehreren Gedankenexperimenten die Heisenbergsche Unschärferelation zu widerlegen versucht.64 Eines davon betraf einen sogenannten Photonkasten, also einen lichtdicht verschlossenen Behälter mit perfekten Spiegeln an den Wänden, in dem ein Photon für eine beliebig lange Zeit eingeschlossen werden kann. Zu einem von dem Experimentator frei und beliebig genau festlegbaren Zeitpunkt t wird ein Loch in der Wand geöffnet und das Photon verläßt mit der Geschwindigkeit c und Frequenz ν den Kasten. Der Photonkasten ist aber an einer hochempfindlichen Waage aufgehängt und genau in dem Moment, in dem das Photon aus dem Kasten austritt verringert sich dann auch das Gewicht dieses Kastens, denn die Energie E des 62 Dagenais

& Mandel (1978) S. 2225. Guerreiro et al. (2012). 64 Siehe dazu Bohr (1949), Wheeler & Zurek (1983), Pais (1991) sowie Aspect (2015). 63 Siehe

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Photons ist mit dessen Masse m via h · ν = E = mc2 verknüpft. Damit glaube Einstein die Heisenbergsche Unschärferelation zwischen Energie und Zeit umgehen zu können, derzufolge ΔE · Δt ≥ . Jahrzehntelang blieb dies nur ein reizvolles, aber unrealisierbares Gedankenexperiment. Der technologische Fortschritt machte es später aber möglich, ein ganz ähnliches Experiment in die Tat umzusetzen.65 Normalerweise bedeutet die Beobachtung eines Photons zugleich auch seine Vernichtung, denn für eine Beobachtung – sei es mit der menschlichen Netzhaut oder mit einem Photodetektor – ist eine Absorption dieses Photos durch die leichtempfindliche Oberfläche erforderlich, wodurch das Photon vernichtet wird. Durch eine clevere Messanordnung sind im Rahmen der sogenannten Kavitäts-Quantenelektrodynamik (CQED) mittlerweile aber Registrierungen der Entstehung und des Vergehens von Photonen im Inneren von Hohlräumen möglich geworden.66 Für derartige quantum non-demolition Experimente wurde 2012 der Nobelpreis für Physik an Serge Haroche (∗1944) vergeben.67 Haroche nutzt einen für Licht transparenten, sehr ausgedünnten Atomstrahl von Rubidium-Atomen in einem hochangeregten, sog. Rydberg-Zustand, dessen Elektronenschalen bis zu tausendfach höhere Ausdehnung haben als die normaler Atome, und dessen Halbwertszeit in der Größenordnung von 30 Millisekunden liegt. Dieser im Ofen O der Abb. 8.10 erzeugte Atomstrahl wird durch einen Hohlraum mit hochpräzise hergestellten und ultragekühlten Niob-Spiegeln C geleitet, in dem Mikrowellen zwischen den Spiegeln C über eine Zehntelsekunde lang hin- und her reflektiert werden, so dass sie zwischen ihrer Erzeugung und Vernichtung zwischen den nur 2,7 cm voneinander abstehenden Spiegeln eine Strecke zurücklegen, die in etwa dem Erdumfang entspricht. Wegen der auf weniger als eine Wellenlänge genau sphärischen Spiegeln ist die quantisierte elektromagnetische Strahlung zwischen den beiden Spiegeln, die den Hohlraum an zwei Seiten begrenzen, in ausgezeichneter Näherung monochromatisch quantisiert. Die Eigenfrequenz jener Mikrowellen von 51,1 GHz ist jedoch so beschaffen, dass diese Photonen von den senkrecht durch ihr Strahlungsfeld hindurchfliegenden Rydberg-Atomen nicht absorbiert werden können, sondern lediglich deren Energieniveau kurzzeitig ganz leicht anheben, was durch die in der Abb. 8.10 links unten eingezeichnete Änderung des Eigenzustands angedeutet werden soll. Diese etwaigen Zustands65 Zu diesem „modern equivalent of the Einstein-Bohr photon box“ siehe Haroche in Darrigol et al. (eds.) 2016 S. 106 ff. 66 Zur CQED siehe Haroche & Kleppner (1989), Kuhn & Strnad (1995) Abschn. 5.9, Haroche & Raimond (2006), Gleyzes, Haroche et al. (2007), Chiao & Garrison (2008) Kap. 12, Haroche (2012), Haroche in Darrigol et al. (eds.) 2016, u. dort Zitiertes. 67 Über den in Marokko geborenen Serge Haroche, der an der École Normale Supérieure bei Claude CohenTannoudji in Paris studierte, 1967 promoviert wurde, seither in Paris lehrt und forscht sowie seit 2001 professeur am Collège de France ist, siehe seine 2012 für die Nobelpreisverleihung verfasste Autobiographie.

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Abb. 8.10 Oben die Messanordnung und unten die Ergebnisse von Serge Haroche und Mitarbeitern (vgl. Haupttext). Aus Haroche (2012) S. 79 u. 81.

änderungen, die nur erfolgen, wenn ein Photon vorhanden ist, werden durch ein Fabry-Perot Interferometer R1 und R2 an den beiden Seiten des Hohlraums laufend gemessen. Wegen der mit 500 m/s niedrigen Geschwindigkeit der Rydbergatome tritt für jedes dieser Atome somit eine vielmalige Wechselwirkung mit den mit Lichtgeschwindigkeit hin- und her reflektierten Mikrowellen ein, was die Statistik dieser Messungen von Photonzuständen erheblich verbessert. In Abb. 8.10 unten sehen wir die von dieser Messanordnung erhaltenen Rohsignale, die mit senkrechten Strichen angedeutet sind, welche nach oben hin gezogen sind, wenn die Wahrscheinlichkeit des Vorliegens eines Photons ≥ 0,5 ist bzw. nach unten gezogen, wenn die Wahrscheinlichkeit ≤ 0,5 ist. Eine raffinierte mehrstufige Auswertungskette reduziert diese statistisch streuenden Rohsignale,68 so dass – wie in der Abb. 8.10 an der Stufenverteilung darunter zu sehen ist – am Ende die klare Aussage resultiert, dass zwischen den Zeiten 1,05 und 1,55 ein Photon vorlag, davor und danach jedoch nicht, so dass wir erschliessen können, dass zum Zeitpunkt 1,05 ein Photon erzeugt wurde, das zum Zeitpunkt 1,55 dann durch natürliche Absorption von einem der Spiegel wieder vernichtet wurde. Während seiner Lebenszeit von etwa 0,5 s wechselwirkte es mit dem Atomstrahl etwa einhundert mal, und zwar ohne Vernichtung dieses Photons durch diese Messung, weswegen man hier von einem 68 Siehe

dazu Gleyzes, Haroche et al. (2007) und Sayrin et al. (2012).

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279

quantum non-demolition Experiment spricht.69 Es besteht die Hoffnung, dass diese Experimentiertechnik in Zukunft für die Präparation nicht-klassischer Zustände und für deren Schutz vor Dekohärenz genutzt werden kann, weshalb der Nobelpreis für diese Experimente, in denen gewissermassen das Schicksal eines einzelnen Photons von dessen ‚Geburt‘ bis zum ‚natürlichen‘, nicht durch den Beobachter herbeigeführten ‚Tod‘ beobachtet werden konnte, auch sehr verdient war.70

8.9

Quantenverschränkung und Quantenteleportation

In den Abschn. 8.4 und 8.5 haben wir bereits einige der paradox anmutenden Konsequenzen der Experimente mit Lichtquanten in zustandskorrelierten, verschränkten Zuständen (engl. entangled photons) kennengelernt, die von Einstein selbst als „spukhafte Fernwirkung“ abgelehnt worden waren.71 Darüber alleine ließen sich leicht ganze Bücher füllen.72 Ich habe aus der Vielzahl verblüffender Verschränkungsexperimente nur noch eine weitere, dritte Gruppe von Experimenten ausgewählt, die sogenannte Quantenteleportation. Diese verspricht, über kurz oder lang vielfältige Anwendungen sowohl in der abhörsicheren Kommunikation wie auch im sog. Quantencomputing. Bereits 1982 konnten William Kent Wootters (*1961) und Wojciech Hubert Zurek (*1951) zeigen, dass ein einzelner Quantenzustand nicht kopiert bzw. geklont werden kann, ohne dass der zu kopierende Ausgangszustand dabei verändert wird. Da jeder Abhörvorgang ein solches Kopieren von Information beinhaltet, war damit die Grundlage der Quantenkryptographie gelegt.73 Doch wie kann die Information über das Vorliegen eines Quantenzustands abhörsicher von einem Ort zu einem anderen, im Prinzip beliebig weit entfernten anderen Ort weitergeleitet werden? Die Antwort darauf ist die sogenannte Quantenteleportation, die von Wootters und Kollegen 1993 theoretisch vorgeschlagen und von dem damals noch in Innsbruck, ab 2000 in Wien arbeitenden Quantenphysiker Anton Zeilinger (*1945) und Mitarbeitern 1997 erstmals durch quantenoptische Experimente mit korrelierten Photonen nachgewiesen wur-

69 Vgl. dazu Grangier et al. (1998), Nogues (1999), Haroche (2012) und Haroche in Darrigol et al. (2016). 70 Siehe

Haroche (2012) für seine auch wissenschaftshistorische Aspekte berührende Nobelpreisrede. z. B. den Brief Einsteins an Max Born vom 3. März 1947 in Born (Hg.) 1969. 72 Siehe etwa Espagnat (1971), Wheeler & Zurek (Hg.) 1983, Zeilinger (2003), (2005), Home & Whitaker (2007), Chiao & Garrison (2008) Kap. 6, S. 19–20 sowie Whitaker (2012) für gute Beispiele dafür. 73 Siehe Wootters & Zurek (1982). 71 Siehe

280

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de.74 Wir betrachten hier im Folgenden nur eine der neueren Realisierungen dieses Gedankenexperiments, bei der 2012 über eine Entfernung von 143 km Quanteninformation über den Spinzustand eines Photons von der Kanareninsel La Palma auf die Nachbarinsel Teneriffa übertragen wurde.75 Grundvoraussetzung für diese Quantenteleportation, bei der übrigens anders als in der Science-Fiction keinerlei Materie, sondern lediglich Information transportiert wird, ist das Vorhandensein zweier Kanäle, über die Sender und Empfänger miteinander in Verbindung stehen: ein klassischer Informationskanal wie etwa eine Telefon- oder Telegraphenleitung und ein Quantenkanal, gelegentlich auch EPR-Kanal genannt. Am Ort des Senders (meist Alice genannt) wird in einem Barium-Borat-Kristall ein verschränktes Photonenpaar im antisymmetrischen Gesamtzustand erzeugt, in welchem die beiden Photonen zueinander orthogonale Polarisationszustände haben (bzw. entgegengesetzte Spins). Dabei ist nicht bekannt, welches Photon sich in welchem Zustand befindet. Das erste dieser Photonen wird mit Lichtgeschwindigkeit entlang des Quantenkanals zum Empfänger (nennen wir ihn Bob) weitergeleitet, das andere verbleibt bei Alice und wird dort mit einem dritten Photon zur kontrollierten Interferenz gebracht. Der Quantenzustand dieses dritten Photons ist die Information, die von Alice an Bob übertragen werden soll. Aus der Wechselwirkung des zweiten und dritten Photons kann Alice den Quantenzustand des zweiten Photons, und daraus wiederum wegen der Verschränkung der ersten beiden Photonen auch den Zustand des ersten Photons errechnen. Dieser Zustand wird Bob dann auf dem zweiten, klassischen Kanal mitgeteilt. Somit kann Bob, ohne an dem zweiten Photon selbst Messungen vornehmen zu müssen, aus dieser Nachricht den Zustand des bei ihm angekommenen Photons in Erfahrung bringen und mit nicht-zustandszerstörenden Operationen den Ausgangszustand des dritten Photons beim Sender zuverlässig reproduzieren. Das erste Photon wird damit am Ort des Empfängers zu einer exakten Kopie des dritten, informationstragenden Photons.76 Wenn ein Spion versuchen würde, während der Transmission das verschränkte Lichtteilchen abzufangen, ginge die Verschränkung verloren und die Datenübertragung wäre gestört, weil für die Quantenteleportation dem Sender weder die zu übertragende Information noch der Ort des Empfängers bekannt sein müssen (solange nur die zweikanalige Verbindung steht). Da diese ihrerseits aber nicht in festen Leitungen

74 Siehe

Bennett et al. (1993) bzw. Zeilinger et al. (1997/98), ferner Boschi et al. (1998) und Zeilinger (2005b). Zum biographischen und institutionellen Kontext von Zeilinger siehe Zeilinger (2017) sowie Del Santo & Schwarzhans (2022). 75 Zum Folgenden siehe ausführlicher Zeilinger et al. (2012a,b) sowie Zeilinger (2017) S. 9–13, 22 f. 76 Statistisch erreichten Zeilinger und Mitarbeiter in diesem Pionierexperiment um die 80 % Zuverlässigkeit, deutlich über dem aus der Informationstheorie folgenden klassischen Limit von 66 %.

8 Experimente zur Quantenmechanik des Photons seit 1945

281

bestehen muss, sondern auch im freien Raum liegen kann77 und weil der Empfänger seinerseits nicht sofort Information ablesen muss, sondern diese auch theoretisch unbegrenzt für spätere Ablesung speichern kann, erwartet man sich von der Quantenteleportation zukünftig vielfältige Anwendungen in der abhörfrei verschlüsselten Informations- und Computertechnik. Anton Zeilinger erhielt 2022 für diese Arbeiten zur Quantenteleportation den Nobelpreis für Physik.78

8.10 Hochenergetische Photon-Photon-Streuung Aus der klassischen Elektrodynamik von James Clerk Maxwell und den nach ihm benannten Gleichungen der von elektrischen Ladungen sowie Magneten ausgelösten elektromagnetischer Felder folgte, dass zwei sich durchkreuzende Lichtwellen ohne jede Wechselwirkung miteinander bleiben. Viele Experimente der klassischen Optik konnten diese Aussage bestätigen, die als Ausdruck des merkwürdigen Verhaltens von Licht in Lochblenden bzw. -kameras bereits von Ibn al-Haitham im Mittelalter immer wieder beobachtet worden war. Auch in der Quantentheorie Plancks und Einsteins, im Bohr-Sommerfeldschen Atommodell sowie in der frühen Quantenmechanik ab 1925 behielt diese Aussage noch weiter ihre Richtigkeit. 1936 wiesen Werner Heisenberg und sein Assistent Hans Euler (1909–1941) aber darauf hin, dass in der Diracschen Theorie eine Streuung von Photonen an Photonen möglich war, auch wenn die für derartige Streuereignisse zu erwartenden relativen Häufigkeiten (die Physiker sprechen hier von Wirkungsquerschnitten σ ) mit σ ∼ α 4  3 · 10−9 doch sehr gering waren – viel zu klein, um sie mit damaligen Experimenten messen zu können.79 1948 kam auch Richard Feynman im Zuge seiner fast spielerischen Entwicklung der dann nach ihm benannten Feynman-Diagramme auf die Möglichkeit einer Photon-Photon-Streuung. In einem Vortrag auf der Sommerschule der University of Michigan, dass die „possibilities of pair production and an[ni]hillation lead to scattering of light“.80 Darunter zeichnete

77 Im

Falle von Zeilinger et al. (2012a) waren es Lichtsignale zwischen dem Jacobus Kapteyn-Teleskop auf La Palma und der Optical Ground Station der European Space Agency auf Teneriffa. Im Juni 2017 gelang in China auch ein satellitengestützter Signalaustausch über 1200 km: siehe Yin et al. (2017) sowie Popkin (2017). 78 Siehe https://www.nobelprize.org/prizes/physics/2022/ sowie Schumm & Weinfurter (2022). Der andere Teil dieses Nobelpreises ging an seine Kollegen John F. Clauser und Alain Aspect (siehe oben Abschn. 8.4) zu deren Messungen von EPR-Korrelationen. 79 Euler (1936), bezugnehmend auf Dirac (1930) – vgl. dazu hier Abschn. 5.5.

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Feynman ein bubble-Diagramm mit zwei ein- und zwei auslaufenden Photonen, an deren beiden Kreuzungspunkten die Endlinien der sich durch die Photon-Photon-Streuung dort bildenden virtuellen Elektron-Positron-Paares standen, die die Verbindung zwischen Ausgangs- und Endpunkt der Streuung bildeten. Erste indirekte Evidenz für eine derartige Photon-Photon-Streuung ergab sich aus den hochpräzisen Messungen der anomalen magnetischen Momente von Elektron und Myon, in die Feynman-Diagramme wie die in Abb. 8.11 mit Photon-Photon-Wechselwirkungen als Korrekturterme vierter und höherer Ordnung maßgeblich mit eingehen. Die Wechselwirkungsquerschnitte für diese Photon-Photon-Streuung wachsen mit der elektrischen Ladung Z der beteiligten Stoßpartner wie Z 2 an. Deshalb ist ein Schwerionenbeschleuniger wie der LHC am CERN bei Genf, in dem elektrisch positiv und negativ geladene Blei-Ionen (Z = 92) fast auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt und dann in von Detektoren umgebenen Wechselwirkungszonen frontal aufeinander gelenkt werden, ein ideales Instrument zur experimentellen Überprüfung dieser aus der QED folgenden Voraussage, mit dem die Photon-Photon-Wechselwirkung nun direkt nachgewiesen werden kann. Abb. 8.11 zeigt rechts schematisch den Verlauf der sich in winzigsten Bruchteilen von Sekunden abspielenden Wechselwirkung der beiden Blei-Ionen, die mit entgegengesetzten Geschwindigkeiten in sehr kleinem Abstand aneinander vorbeifliegen und während der Wechselwirkung über Photonen Energie miteinander austauschen. Die beiden Blei-Ionen ver-

Abb. 8.11 Links drei Feynman-Diagramme zur Wechselwirkung zweier Photonen über sogenannte Schleifen-Diagramme mit Fermionen wie z. B. Elektron-Positron-Paaren, die diese Wechselwirkung vermitteln. Da in diesen Diagrammen vier Kreuzungspunkte geschweifter Photon- und gerader Fermion-Linien auftreten, sind diese Prozesse mindestens von vierter Ordnung in der Feinstrukturkonstante α  1/137 und somit sehr selten. Mittig die schematische Wiedergabe der am CERN beobachteten hochenergetischen Streuprozesse von Blei-Ionen über Photonenpaare. Aus ATLAS-collaboration (2017) S. 2

80 Zitat aus dem Manuskript des Vortrags von 1948, Feynman-Papers, Box 15, folder 6 (CALTECH), Orthographie orig., zit. nach Wright (2014) S. 121, der auch die zugehörige Abb. wiedergibt.

8 Experimente zur Quantenmechanik des Photons seit 1945

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schwinden im Ein- und Austrittskanal des Detektors unnachgewiesen, aber die Richtungen und Energien der beteiligten Photonen und sonstiger Teilchen, die bei der hochenergetischen Wechselwirkung entstehen, können von den Detektoren bestimmt werden. Im Februar 2017, während der letzten Arbeiten an dem hier vorliegenden Buch, erschien ein Preprint der ATLASKollaboration am CERN, für den aus einer Unzahl von Beobachtungen aus dem Jahr 2015 durch clevere Vorauswahl grundsätzlich infrage kommender Ereignisse 13 Stoßprozesse zwischen zwei Blei-Ionen mit einer Gesamtenergie von jeweils 5,02 TeV herausgefiltert worden sind. Nach Auffassung der Experimentatoren sind diese 13 gute Beispiele für Photon-Photon-Wechselwirkung, weil im Detektor nur zwei Photonen erschienen, die zusammen praktisch die gesamte Energie der Wechselwirkung trugen, aber offenbar vor ihrem Nachweis miteinander wechselgewirkt haben müssen.81 Wenn sich diese Ergebnisse bestätigen sollten, wäre das der erste direkte experimentelle Nachweis einer hochenergetischen Photon-Photon-Streuung neben den vielen bereits vorliegenden indirekten Hinweisen für solche Prozesse in Elektron-Photonbzw. massiver Boson-Photon-Wechselwirkungen, wenn diese in höherer Ordnung Störungstheorie durchgerechnet bzw. hochpräzise vermessen werden. Die statistische Signifikanz der neuen Befunde ist hoch und die ermittelten Wechselwirkungsquerschnitte sind mit den aus dem Standardmodell der Elementarteilchentheorie folgenden Werten kompatibel.82 Insofern bleibt die QED im Verbund mit dem Standardmodell der starken und elektroschwachen Wechselwirkungen die experimentell bestbestätigte Theorie der modernen Physik, was aber an der noch offenen und hochumstrittenen Interpretation ihrer Grundlagen und ontologischen Bausteine, den Elementar ‚teilchen‘, zu denen eben auch die Photonen zählen, nichts ändert.

81 Siehe ATLAS-cooperation (2017) – der zu erwartende statistische Hintergrund durch andere Prozesse betrug nur 2,6 ± 0,7 Ereignisse. Siehe auch Gies et al. (2018) für Planungen zu laserinduzierter PhotonPhoton-Streuung, und Schmieden (2023) für den Stand der Ergebnisse Ende 2022. 82 Die Ergebnisse sind bereits auf 4,4 Standardabweichungen signifikant.

9 Wie muss unser heutiges mentales Modell des Photons aussehen?

Was tragen jetzt all diese neueren und hochgradig verblüffenden Experimente zum Verständnis des Photons bei? Sind wir heute weiter als Einstein mit seiner ernüchternden Bilanz am Lebensende, dass ihn all die vielen Jahre konzentrierten Nachdenkens keinen Schritt weiter gebracht haben zu einem tieferen Verständnis der Photonen?1 Ich denke, dass wir aufgrund der neuen Experimente sehr wohl weitergekommen sind: wir wissen heute, dass die Voraussagen der Quantentheorie in der radikalsten aller Lesarten ernst genommen werden müssen: semiklassische Rettungsversuche, wie sie Planck, Louis de Broglie, Schrödinger und Dutzende anderer Physiker unternommen hatten, sind allesamt gescheitert. Anton Zeilinger, der zusammen mit seinem Wiener und Innsbrucker Team selbst viele bahnbrechende Experimente angestellt hat und auch als Autor mehrerer populärer Bücher über die neue Quantenwelt hervorgetreten ist, stellt fest: „semiclassical radiation theories are a dead end. […] semiclassical ideas cannot account for all experimental observations.“ 2 Dagegen spräche unter anderem, dass es keine Mindestzeit gebe, die im photoelektrischen Effekt für das Auslösen von Elektronen aus der Metalloberfläche benötigt würde, was einen teilchenartigen und praktisch instantanen Übertrag von Energie aus der Strahlung auf die Materie nahelege. Auch die vielen Quantenkorrelationsexperimente im EPR-Stil, die mittlerweile sowohl mit korrelierten Photonenpaaren wie auch mit Materiewellen gemacht wurden, ließen sich nicht durch klassische lokal-realistische Theorien erklären.3

1 Siehe

die auf Kap. 1 zitierte Aussage Einsteins im Brief an Michele Besso, 12. Dez. 1951. et al. (2005) S. 231. 3 Ibid.; vgl. z. B. Paul (1985), (1986), Scully & Zubairy (1997), Chiao & Garrison (2008). 2 Zeilinger

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2023 K. Hentschel, Lichtquanten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-66933-4_9

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Gehen wir jeden dieser Punkte abschließend noch einmal durch und beginnen bei der schon seit der Antike gestellten Frage: Was ist Licht?

9.1

Welle, Teilchen oder Feld?

In ontologischen Debatten über die fundamentalen Bausteine der Welt sind Lichtquanten bis heute hart umkämpftes Terrain:4 (i) in der klassischen Elektrodynamik ist Licht eine elektromagnetische Welle. Eine Quantisierung dieser Theorie würde dann zunächst nur bedeuten, dass die Frequenz dieser Welle eben nicht mehr kontinuierlich variiert, sondern dass nur bestimmte Frequenzen ν dieses Lichts existieren, die mit der Energie E des Systems gemäss E = h · ν korreliert sind. Wir hatten gesehen, dass dies die Auffassung war, die z. B. Max Planck lange vertreten hat, auf den die Quantentheorie maßgeblich zurückgeht. (ii) Der frühe Einstein (im annus mirabilis von 1905) oder auch amerikanische Experimentalphysiker wie etwa der Nobelpreisträger Arthur Holly Compton (in den 1920er Jahren) sahen in Photonen real-existierende Teilchen. In Verlängerung und Überhöhung unserer ältesten semantischen Schicht quasi-Newtonianischer Teilchenartigkeit (Abschn. 3.1) wurden daraus in mentalen Teilchenmodellen mehr oder weniger scharf von ihrer Umgebung abgegrenzte Lichtpartikel, die mit Materie wechselwirken, genau so wie Billiardkugeln untereinander und mit Tischflächen. Man erinnere sich beispielsweise an die in Abschn. 2.5 wiedergegebene metaphorische Rede Comptons über „light bullets“ oder „light darts“. (iii) Einige frühe Vertreter der Quantenelektrodynamik wie etwa Richard Feynman oder sein Mentor John Archibald Wheeler versuchten sich Mitte der 1940er Jahre in einer Deutung der „classical electrodynamics in terms of direct interparticle action“.5 Die elektrische Wechselwirkung zweier geladener Teilchen wurde in jener Wheeler-Feynman-Absorbertheorie als konstruktive Interferenz zweier von beiden Teilchen zugleich in Vergangenheit und Zukunft ausgestrahlten Felder betrachtet, während diese außerhalb der Wechselwirkungszone destruktiv miteinander interferierten, so dass sie faktisch dann nur überall dort existierten, wo sie auch nach klassischer Theorie zu erwarten waren. Durch diese zeitliche Symmetrisierung vermieden Wheeler und Feynman das Problem der divergierenden Selbstenergie 4 Einstiege

und Literaturübersichten bieten u. a. Redhead (1982/83), Cao (1997), Lewis (2016). Ein mögliches Ende der Teilchenära prognostizieren Harlander, Martinez & Schiemann (2023). 5 Wheeler & Feynman (1945, 1949) S. 425 sowie hier Abschn. 6.2.

9 Wie muss unser heutiges mentales Modell des Photons aussehen?

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geladener Teilchen, weshalb in dieser Theorie auch keine Renormierung nötig war.6 Richard Feynmans nachhaltige Präferenz für Teilchenmodelle – mit Verweis auf deren „lumpiness“ und unter Reduktion von Feldern auf blosse „book-keeping variables“ steht noch ganz in dieser Traditionslinie.7 (iv) In modernen Quantenfeldtheorien hingegen werden gemeinhin genau diese Felder als die eigentlichen Fundamentalgrößen betrachtet, während die Teilchen nurmehr als quantisierte Anregungen jener Felder betrachtet werden: The fundamental ingredients of nature that appear in the underlying equations are fields: the familiar electromagnetic field, and some twenty or so other fields. The so-called elementary particles, like photons and quarks and electrons, are ‚quanta‘ of the fields-bundles of the fields’ energy and momentum. [...] The fundamental equations of the Standard Model deal not with particles and fields, but with fields of force alone; particles are just bundles of field energy.8

Viele Vertreter des sogenannten Standardmodells der starken und elektroschwachen Wechselwirkung wie etwa Stephen Weinberg (1933–2021) betrachten Teilchen somit als letztendlich auf Felder reduzierbar, als eine Art façon de parler zur schnellen und bequemen Erfassung jener Bündel von Feldenergie. Mit anderen Worten: in diesem mentalen Modell der Quantenfeldtheorie sind Teilchen „epiphenomena arising from fields.“ 9 Der langjährige Direktor des CERN, also eines der weltweit größten Beschleunigers der Elementarteilchenphysik, Victor Weisskopf (1908–2002), ergänzt: The days of fixed particle numbers are over. Particles must be considered as the quanta of a field, just as photons are the quanta of the electromagnetic field. Such quanta are created or destroyed. The theory of the interaction of charged particles with the radiation field has become a field theory, a theory in which two (or more) quantized fields interact: the matter field(s) and the radiation field.10

Nur aus pragmatischen Gründen bediene man sich auch weiterhin noch dieser Hilfsvorstellung von Teilchen: „particle talk – although strictly fictional – can 6 Zur

weiteren Entwicklung, die Feynman dann auch zu den sog. Feynmanschen Pfadintegralen führte, siehe ferner Feynman (1965), Cramer (1988), Thorne (2019) S. 9. 7 Für eine detailliertere Analyse jener teilchenlastigen Interpretation Feynmans siehe hier Abschn. 6.2. 8 Weinberg (2001) S. 59 f., 109; vgl. analog Weinberg (1987): 78 f., Readhead (1982/83) S. 76 ff. sowie dazu kritisch Jaeger (2021). 9 Hobson (1986) S. 311. 10 Victor Weisskopf in Brown & Hoddeson (Hg.) 1983: 66 f.

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still be useful.“ 11 Wir erinnern uns daran, dass auch Einstein (nach anfänglicher Modellierung im Sinne von (ii)) schon im Jahr 1909 ein solches Modell von Lichtquanten als Singularitäten der Energieverteilung im Feld erwogen hatte (siehe dazu hier Abschn. 4.2). Diese letztlich ontologischen Debatten über die fundamentalen Bausteine der Natur waren keineswegs auf die Frühzeit der Quantentheorie beschränkt, sondern sind bis heute nicht ausgeklungen. In einem Artikel von 1972 für das Rochester Meeting on Coherence and Quantum Optics, der eigentlich als engagierte Verteidigung semiklassischer Deutungen von Strahlungsphänomenen gemeint war, überspitzte Edwin Thompson Jaynes (1922–1998) seine Polemik gegen die Kopenhagener Interpretation und gab dabei zugleich einen Blick frei auf sein eigenes naiv-realistisches mentales Modell (und das vieler anderer Gegner der Kopenhagener Deutung): „the Copenhagen theory slips here into mysticism. […] it ends up having to deny the existence […] of any ‚objective reality‘ on the microscopic level. […] I think that most physicists, even though they may profess faithful belief in the Copenhagen interpretation, still share with me a disreputable, materialistic prejudice that stones and trees cannot be either more – or less – real than the atoms of which they are composed.“ 12 Dieses naive mentale Modell von Photonen als Teilchen, als ‚Lichtatom‘ oder ‚Lichtenergiekörnchen‘ war zwar historisch ungeheuer wirkmächtig13 und mag auch heute noch in vielen Köpfen herumspuken, aber es ist nichtsdestotrotz grob irreführend. Real sind nicht die Photonen, sondern die von uns beobachteten Prozesse und Ereignisse, die wir so modellieren, als ob es teilchenartige Photonen gäbe, weil sich dieses uns vertraute mentale Modell in einigen, aber keineswegs allen experimentellen Situationen bewährt. Damit wären wir fast schon zurück bei der vorsichtigen Formulierung von Einstein (1905) über das Lichtquantum als „heuristischem Gesichtspunkt“. Für den kanadischen Physiker Harvey L. Armstrong (*1919) war nach längerem Nachdenken klar: „it is plain what photons really are and are not. They are not particles like baseballs or shot; and photon theory is not a return to Newton’s corpuscular theory of light. The photons are more like coefficients in

11 Halvorson

& Clifton (2002) S. 3; zu den dabei meist unwillkürlich gemachten Annahmen solcher

‚Teilchenmetaphysik‘ siehe Falkenburg (1993, 1995/2007), Ubben (2020) S. 127 ff. 12 Jaynes

(1973) S. 48–50; zur Vita dieses an der Washington University lehrenden Anhängers semiklassischer Theorien siehe Clark et al. (2000); zu semiklassischen Theorien des Lichts und zu Jaynes siehe hier Abschn. 5.6; zum Kontext US-amerikanischer QED-Kritiker vgl. Bromberg (2006) S. 243–245. 13 Zur Geschichte des Teilchenkonzepts sowie zu den epistemischen Unterschieden zwischen klassischen Teilchen und Feldquanten siehe Falkenburg (1993, 1995/2007 Kap. 6) sowie Falkenburg in Esfeld (Hg.) 2012 S. 158–184. Über die teilchennahen Termini, mit denen man Lichtquanten bezeichnet hat, siehe hier Abschn. 2.5.

9 Wie muss unser heutiges mentales Modell des Photons aussehen?

289

a Fourier’s series – or increments to the coefficients.“ 14 Das war freilich so zugespitzt, dass sich gegen diese Aussage auch sofort Widerspruch erhob. Für den indischen Hochenergiephysiker Sardar Singh,15 stieß diese Auffassung schon dort an ihre Grenzen, wo sich in Experimenten (wie den hier in Abschn. 8.1– 8.7 diskutierten) Indizien für einzelne Photonen zeigten, prononciert etwa in den Ein-Photon-Interferenzexperimenten. Darin agieren Photonen als mehr denn bloß mathematisch-formale Koeffizienten einer Reihenentwicklung. In einem Gedankenexperiment spielt Singh durch, wie die Entwicklung der Physik und mit ihr verbunden auch die Entstehung und Interpretation des PhotonKonzeptes hätte ablaufen können: It might be informative to note that imposition of local gauge symmetry would lead to quantum electrodynamics even if Maxwell’s equations and all information about electromagnetic fields were not known. Gauge invariance implies that a charged particle like the electron cannot exist by itself. There must be a massless vector particle with which it interacts. This massless spin 1 particle may, then, be identified with the photon. Maxwell’s equations, too, follow from the local gauge invariance in quantum mechanics. I would say, if historically things had followed this path, the photons would not have been that strange.16

In dieser Symmetrie-bezogenen Perspektive ist das Photon also der für die lokale Eichinvarianz aus Symmetriegründen benötigte masselose Spin-1-Partner ihrerseits massebehafteter elektrischer Ladungen von Spin 1/2-Teilchen wie Elektronen, Positronen oder Myonen etc. Die mit den Maxwell-Gleichungen und der daraus ableitbaren Wellentheorie des Lichts verbundenen Welleneigenschaften wären dem sowohl systematisch wie in seinem kontrafaktischen Gedankenexperiment auch historisch nachgeordnet. Eine andere historische Abfolge hätte den Welle-Teilchen-Dualismus entscheidend entschärft. Aber auch in diesem Interpretationsrahmen eines Elementarteilchenphysikers werden Photonen in ihrer Rolle als Austauschteilchen nicht als reelle Teilchen betrachtet, sondern als zur Befriedigung allgemeiner Symmetrieprinzipien postulierte virtuelle Teilchen (mehr zu diesem Unterschied und dessen ontologischer Interpretation hier in Abschn. 9.3). Ein neues Niveau erreichten diese ontologischen Debatten in den 2000er Jahren in Diskussionen zwischen Quantenfeldtheoretikern, Physik-Didakti14 Armstrong

(1983) S. 104. Laut http://www.atomicheritage.org/profile/h-l-armstrong arbeitete H.L. Armstrong als „Manhattan Project Veteran“ für die Tennessee Eastman Corporation an der Y-12 Plant von Oak Ridge, Tennessee. 15 Emeritierter Professor of Physics, Univ. Rajasthan, Jaipur, Indien; vgl. https://scholar.google.co.in/ citations?user=P4p2LbAAAAAJ&hl=en. 16 Singh (1984) S. 11; ähnliche kontrafaktische Varianten werden auch in Hund (1984) und in Pessoa (2000) durchgespielt.

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kern, Wissenschaftstheoretikern und -historikern über den Status von Teilchen in Quantenfeldtheorien. Hans Halvorson und Roy Clifton zum Beispiel fragten 2002: „No place for particles in relativistic quantum theories?“ worauf unter anderem Doreen Fraser und Gregg Jaeger die Antwort gaben, dass die von Quantenfeldtheoretikern immer wieder ins Feld geführte Reduzierbarkeit von Teilchen auf Felder zwar für wechselwirkungsfreie Teilchen gälte, nicht aber für Teilchen mit Wechselwirkung, weil diese nicht einfach als Anregung eines freien Feldes beschrieben werden können.17 Gregg Jaeger schlägt vor, von der „Supervenienz“ der durch Restmasse, Spin und Ladung definierten Teilchen von Feldern zu sprechen: [...] although elementary particles clearly do depend on fields, quantum particles are not quanta as standardly defined nor fully reducible to them when interacting but rather property bundles that are not defined via the annihilation and creation operators [...] The relation between particles (defined as a unified collection of properties according with space-time symmetry constraints) and fields is one of non-reductive dependence of the former on properties of the latter (specifically associated with the causal propagation of disturbances).18

Diesen Unterpunkt zusammengefasst: Photonen sind ein menschengemachtes, theoretisches Konstrukt. Anders als klassische, massebehaftete Teilchen sind Photonen form- und masselos und sie sind – anders als klassische Teilchen – im allgemeinen auch nicht scharf lokalisierbar. Die Zahl der Photonen unterliegt ferner auch keinem Erhaltungsgesetz – unsere an Erbsen, Billiardkugeln und anderen Objekten der materiellen Welt geschulte Intuition beißt sich an diesen Quantenobjekten wortwörtlich die Zähne aus. Zugegeben, in der Quantenfeldtheorie gilt auch für massive Teilchen kein Erhaltungssatz, man denke an Paarerzeugung und -vernichtung. Aber dennoch gibt es für massebehaftete Elektronen und Positronen zusammengenommen noch Erhaltungsgrößen: die Leptonenzahl sowie die elektrische Ladung, analog bei Quarks die Farbladung usw. Ferner bleiben Grundgrößen wie Spin und Ladung erhalten. Die Photonen spielen diesbezüglich wegen ihrer verschwindenden Ruhemasse und Ladung eine Sonderrolle, aber auch sie tragen ‚unveränderlichen‘ Spin und sind dauerhaft ladungsfrei, denn bei temporärer (virtueller) Paarerzeugung entstehen Elektronen und Positronen gleichzeitig, so dass die Gesamtladung weiterhin Null bleibt. Insoweit kommt auch der Wissenschaftsphilosoph Mi17 Zum folgenden siehe Malament (1996), Halvorson & Clifton (2002, Bain (2000, 2011), Fraser (2008),

Lupher (2010), Zeh (1993, 2013), Kuhlmann (2012 Kap. 5), Hobson (1986), Passon, Grebe-Ellis & Zuegge (2019), Jaeger (2021)). 18 Jaeger (2021) S. 12.

9 Wie muss unser heutiges mentales Modell des Photons aussehen?

291

chael Redhead zu der vorsichtigen Aussage: „The photon is, as we have seen, not quite a typical particle, in view of its zero rest-mass, but insofar as it carries energy and momentum we would be inclined to regard it as substantial.“ 19

9.2

Kein naiver Realismus – Instrumentalistische Interpretation

An welcher Stellschraube sollten wir in unserem Verständnis von Photonen drehen? Nach Auffassung von Aspect, Wheeler, Zeh, Zeilinger u.v. a. müssen wir die lokal-realistische Interpretation aufgeben, an die wir von makroskopischen Teilchen her gewohnt sind und wie sie die griechischen Atomisten, Newton, ab 1900 erneut die Quantenpioniere unwillkürlich auch dem Licht zuschreiben, das aus Quanten, ‚corpuscles‘, ‚atoms‘ oder gar ‚molecules of light‘ bestehe: The general conceptual problem is that we tend to reify – to take too realistically – concepts like wave and particle. Indeed if we consider the quantum state representing the wave simply as a calculational tool, problems do not arise. In this case, we should not talk about a wave propagating through the double-slit setup or the Mach-Zehnder interferometer; the quantum state is simply a tool to calculate probability. Probabilities of the photon being somewhere? No, we should be even more cautious and only talk about the probabilities of a photon detector firing if it is placed somewhere. One might be tempted, as was Einstein, to consider the photon as being localized at some place with us not knowing that place. But, whenever we talk about a particle, or more specifically a photon, we should only mean that which ‚the click in the detector‘ refers to.20

Die hier vorgeschlagene Lesart, auch als operationalistische oder instrumentalistische Interpretation der Quantenmechanik bekannt, vermeidet jede ,Reifizierung‘, also wörtlich übersetzt die Verdinglichung, die in Konzepten wie dem des Lichtquantums bereits angelegt ist und sich durch die Umbenennung in ‚Photon‘ (sprachlich analog zu Elektron, Proton, Neutron u. a. Elementarteilchen21 ) ab 1926 noch verstärkte. Schon dieser erste Schritt bedeutet freilich ein Abgehen von liebgewonnenen Gewohnheiten, die wir im Alltagsleben als Verdinglichung und in der Naturphilosophie als Reifizierung von Entitäten bezeichnen. Hier die fast schon schockierte Reaktion eines altge19 Redhead (1982/83) S. 79. Für einen Steckbrief der experimentell meßbaren Photoneneigenschaften siehe https://pdg.lbl.gov/2022/listings/rpp2022-list-photon.pdf . 20 Zeilinger (2005) S. 233; in ähnliche Richtung gehen Thesen von Zeh (1993), (2012). 21 Siehe Walker & Slack (1970) zu der bewussten sprachlichen Analogie dieser Neologismen.

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dienten Physikdozentens auf die Diskussion über die Deutung von Photonen in d em primär für Physiklehrer und -dozenten an wissenschaftlichen Hochschulen bestimmten American Journal of Physics: Like most professors, I have long explained to my students that the basic observed facts about the photoelectric effect […] unambiguously imply that the electromagnetic field is quantized, that its energy comes in ‚lumps‘, in short that photons exist. Although most textbooks still do it that way and many if not most of us still teach it that way, I have recently become belatedly aware that the situation is really much more murky.22

Die spezielle Sorge dieses Kollegen bezog sich nur auf die mögliche semiklassische Deutbarkeit des photoelektrischen Effekts, aber seine daran gewonnene Einsicht gilt sehr viel allgemeiner. Freilich ist das Adjektiv ‚murky‘, also ‚trüb‘ im Sinne von ‚undurchschaubar‘, ein eher polemisch-ablehnendes Attribut – vielleicht wäre es besser, neutral zu formulieren und festzustellen, dass die Situation einfach anders ist als der gesunde Menschenverstand und unsere Alltagsgewohnheiten es nahelegen. Das Photon ist nicht mehr als eine menschengemachte Modellannahme, mit der wir uns in unserer Lebenswelt ebenso wie im physikalischen Labor zu orientieren versuchen und die stets so an diese Umwelt und unser Wissen von ihr angepasst werden muss, dass diese Orientierung konsistent und pragmatisch erfolgreich gelingt. Die (nach Einstein) „heuristische“ Annahme von ladungsfreien und masselosen Photonen bewährt sich seit 1905 in zahlreichen experimentellen und theoretischen Kontexten – sie hat also explanatorischen und prediktiven Nutzen. Insofern sind Photonen pragmatisch gesehen genau so ‚real‘ wie zahlreiche andere Elementarteilchen. Auf diese vereinfachte Formel bringt es Gregg Jaeger, der im übrigen reale (emittierte oder absorbierte) Photonen für genau so ‚real‘ hält wie virtuelle, da beide gleichermassen zur Berechnung und zum Verständnis beobachteter Prozesse (wie etwa der Elektronen-Positronen-Paarbildung) benötigt werden: „virtual particles are as real as others.“ 23 Doch ist mit der unbestrittenen Nützlichkeit des Konzepts von Photonen für physikalische Erklärungen und Voraussagen auch schon deren Realität bewiesen? Ich bin nicht dieser Auffassung und plädiere sehr dafür, Pragmatik und Ontologie auseinanderzuhalten. Pragmatisch beinhaltet die Nutzung des Konzepts von Photonen folgende drei Aspekte:

22 Stanley 23 Jaeger

(1996) S. 839; analog auch Klassen (2008) S. 5. (2019) S. 14.

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(i) Objektindividuierung (im Sinne einer klaren Abgrenzung von Photonen gegen andere Elementarteilchen durch markante Eigenschaften wie Masselosigkeit und Spin 1, der auf Bose-Einstein-Statistik führt), (ii) Objektrepräsentation durch allgemein akzeptierte Termini (Lichtquant bzw. Photon), Symbole (γ bzw. geschweifte Linien in Feynman-Diagrammen) und Modelle, sowie (iii) beobachtbare Eigenschaften und Wirkungen bzw. experimentell überprüfbare Manipulationsmöglichkeiten.24 Für Ian Hacking ist insbesondere das dritte Merkmal wissenschaftlicher Objekte ein starkes Indiz für deren ‚Realität‘: „If you can spray them, then they are real“.25 Für Theo Arabatzis hingegen ist die Realität wissenschaftlicher Objekte dann gegeben, wenn auf allen drei vorgenannten Ebenen eine historisch stabile Identität vorliegt: also zeitlich stabile Eigenschaften, die durch immer genauere Untersuchungen immer noch weiter präzisiert, aber nicht total umgeworfen werden, übereinstimmende Bezeichnungen des Objekts, über die trotz aller Verschiedenheit der mentalen Modelle, mit denen diese Begriffe und theoretischen Modelle unterlegt sind, Einigkeit herrscht, und experimentell immer größere Sicherheit im Umgang und in der Manipulation dieses Untersuchungsobjekts. Alle drei Vorbedingungen für die Realität von Photonen in diesem Sinne sind gegeben: An dem Verschwinden der Ruhemasse von Photonen besteht weiterhin keinerlei Zweifel – experimentelle Grenzen für deren Ruhemasse liegen weit unterhalb empirisch fassbarer Größenordnungen, wodurch sich Photonen bereits von allen anderen Elementarteilchen unterscheiden.26 Auch an ihrem ganzzahligen Spin, der zu all den Eigenschaften führt die sich mit der Bose-Einstein-Statistik verbinden, besteht kein Zweifel; die heutige Photonik tut ein übriges, uns Photonen in den zahllosen Anwendungen der Lasertechnik und Quantenoptik als ein geradezu alltägliches Konzept erscheinen zu lassen, so unterschiedlich die sich damit verbindenden mentalen Modelle auch sein mögen. In diesem Sinne sind Photonen also ebenso real wie Elektronen u. a. massebehaftete Elementar ‚teilchen‘. Was zu Schwierigkeiten führt ist lediglich die aus unserer Alltagserfahrung mit makroskopischen Objekten herrührende Angewohnheit eines ‚kontextfreien Realismus‘, demzufolge alle meßbaren Eigenschaften von Objekten bereits vor deren Messung feststehen, auch wenn wir einige davon erst durch diese Messung ermitteln. EPR- oder Welcher-Weg-

24 Diese Trias

von Merkmalen benennt Arabatzis (2011) S. 378. (1983) S. 23 f., 263; vgl. hier ferner Abschn. 7.5. 26 Einen Steckbrief aller experimentell meßbaren Eigenschaften des Photons findet man unter https://pdg. lbl.gov/2022/listings/rpp2022-list-photon.pdf . 25 Hacking

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Experimente zeigen, dass dem eben nicht so ist, sondern dass es erst der jeweils gewählte Versuchsaufbau ist, der einige dieser Eigenschaften bestimmt.27

9.3

,Reale‘ vs. ,virtuelle‘ Photonen

Die ontologische Frage nach der Existenz von Photonen wird umso virulenter, wenn wir nicht nur die schon seit alters her betrachteten Emissions- und Absorptionsprozesse von Licht durch Materie betrachten, bei denen unzweifelhaft ‚reales‘ Licht von ‚realer‘ Materie ausgesendet bzw. empfangen wird, sondern auch die in der QED und in Quantenfeldtheorien betrachteten ‚virtuellen‘ Austauschprozesse mit ‚virtuellen‘ Photonen.28 Mit dem Attribut ‚virtuell‘ wurden seit den 1920er Jahren Teilchen oder Prozesse belegt, die grundsätzlich nicht beobachtbar sind (wie eben jene virtuellen Photonen als hypostasierten Austauschteilchen der elektromagnetischen Wechselwirkung) bzw. solche Teilchen, bei denen aufgrund nur sehr kurzzeitig stattfindender virtueller Prozesse die Energie- und Massenerhaltung nicht erfüllt ist, was z. B. für virtuelle Photonen bedeutet, dass diese im Unterschied zu realen Photonen kurzzeitig eine scheinbare Masse m haben können, also „off-shell“ sind.29 Schon 1988 fragte der in London und Cambridge lehrende Naturphilosoph Michael Redhead (1929–2020) in einem vielbeachteten Aufsatz über die philosophischen Grundlagen der Quantenfeldtheorien: „What is the status of so-called virtual particles? “ 30 Unter Physikern und Philosophen gibt es bis heute anhaltende Debatten über den ontologischen Status dieser virtueller Teilchen.31 Für den argentinischen Physiker und Philosophen Mario Bunge (1919– 2020) rühren die seiner Meinung nach grundfalschen Thesen zur Realität virtueller Teilchen und virtueller Prozesse insgesamt von einer falsch verstandenen Interpretation der Heisenbergschen Unschärferelation ΔE ·Δt ≥  her (vgl. dazu hier Abschn. 3.12). Das Δt darin stehe zum Beispiel für die Zeitdauer, während derer ein Wellenpaket auf einen scharf lokalisierten Detektor auftrifft, woraus (nach Heisenberg) dann die verbleibende Energieunschärfe 27 Über

die Nicht-Aufrechterhaltbarkeit eines „non-contextual realism“ siehe Shadbolt et al. (2014) und hier die in Kap. 8 beschriebenen Experimente. 28 Zur Begriffs- und Konzeptgeschichte ‚virtueller‘ Teilchen siehe insb. die Untersuchungen von Markus Ehberger (2020, 2022) samt den dort zit. Primärtexten. 29 Siehe dazu z. B. Bjorken & Drell (1965/67a), Jauch & Rohrlich (1976), Redhead (1982/83) S. 86 f., Bacelar Valente (2011) S. 43. 30 Redhead (1988), Zitat S. 9. 31 Zu diesen naturphilosophischen Debatten siehe u. a. Bunge (1970), Jauch (1976), Weinberg (1977) S. 24, Hendrick & Murphy (1981) S. 458 ff., Weingard (1982, 1988), Stöckler (1987), Cao (1997), Fox (2008), Meynell (2008), Falkenburg in Esfeld (Hg.) (2012), Bacelar Valente (2011), Passon (2014), Blum & Joas (2016) u. dort jew. genannte weiterführende Lit.

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ΔE resultiert. Dieses Δt umzuinterpretieren als diejenige Zeitdauer, während derer man Photonen nicht beobachtet, sei nicht im Sinne Heisenbergs und implantiere in die Quantenphysik ein naiv-realistisches mentales Modell von Photonen, die – solange man sie nicht beobachtet – tatsächlich beliebig grosse Energien und Impulse besässen, welche dem Energie- und Impulserhaltungssatz widersprächen. Aber das anzunehmen sei unzulässig. If a term in a perturbation expansion, or a Feynman diagram, violates a wellcorroborated physical principle (like conservation or ‚causality‘), then we should either give it up or abstain from assigning it a physical meaning: we should regard it instead, at best, as a computational intermediary.32

Für Bunge sind somit Feynman-Diagramme und die in ihnen enthaltenen virtuellen Photonen nur kontrafaktische Hilfsannahmen („fictions“), für Berechnungszwecke nützliche Zwischenannahmen („computational intermediaries“) bzw. komplexe Rechnungen unterstützende Bilder („supplementary images“):33 Virtual processes and virtual quanta [...] are fictions and as such have no rightful place in a physical theory. [...] Quantum theories should be interpreted in such a way that they do not involve virtual process and virtual quanta.34

Bunges Plädoyer, sie genau wegen dieses zweifelhaften ontologischen Status als Fiktionen aus der Physik zukünftig zu verbannen, wurde jedoch nicht befolgt. Für den Oxforder Philosophen Rom Harré (1927–2019) ist schon die Rede von virtuellen Teilchen wie auch die von deren Emission oder Absorption sowie von deren Beteiligung an virtuellen Prozessen, von ihrem ‚Austausch‘ sowie dem dadurch übertragenen Impuls bzw. ‚Rückstoss‘ eine unzulässige Ausweitung von Formulierungen, die wir in der klassischen Physik in Bezug auf ‚reale‘ makroskopische Teilchen mit großem Erfolg praktizieren, aber nicht naiv auf die Quantenphysik übertragen sollten. Er spricht in diesem Zusammenhang von „affordance talk“ ‚ vor dem er eindrücklich warnt. Insonderheit gelte das für die unreflektierte Rede von Teilchen: „the ‚particle‘ aspect of that talk coming from the exigencies of the way [in which] experiments are done in high-energy physics. It is realist epistemologically, but it does not license any loose thoughts about there being really little bits of energy-stuff exchanged

32 Bunge

(1970) S. 508. Bunge (1970), Zitat S. 508 bzw. kritisch kommentierend Fox (2008) S. 38, 46. 34 Bunge (1970) S. 508. 33 Siehe

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in an electron-muon interaction.“ 35 Die Rede von Emission und Absorption virtueller Photonen, von ihrer Ausbreitung und Lebensdauer, von virtueller Paarerzeugung oder gar von virtuellen Photonenwolken um elektrische geladene Teilchen sind allesamt metaphorisch und gerade darum so hochgradig irreführend. Virtuelle Photonen sind eben nicht real-existierende Austauschteilchen, die wie kleine Billiardbälle zwischen miteinander wechselwirkenden realen Elementarteilchen hin- und herfliegen. Wir können es uns eben nicht leisten, unser intuitives Verständnis des Verhaltens und der Wechselwirkung von Teilchen von der (klassisch beschreibbaren) Makrophysik auf die (quantentheoretisch zu beschreibende) Mikrophysik zu übertragen. In seinem Buch zur konzeptuellen Entwicklung von Quantenfeldtheorien (QFT) argumentiert der seit 1994 in Boston lehrende chinesische Philosoph und Physikhistoriker Tian Yu Cao, dass virtuelle Photonen im Formalismus der Quantenfeldtheorien durch ihre im Prinzip unbeschränkt große Anzahl und den Umstand, dass sie darüber hinaus in ihrer Energie-Massen-Bilanz „off-shell“ sind und daher virtuell auch beliebig gross werdende Energien in quantenfeldtheoretische Wechselwirkungen hineintragen, zu unerwünschten Divergenzen führen, die in der QFT durch nachträgliche Renormierung (engl. renormalization) wieder herausgerechnet werden müssen. Schon das beweise, dass es sich bei ihnen eben nicht um ‚reale‘ Entitäten handele (geschweige denn um ‚Teilchen‘), sondern nur um heuristisch nützliche Hilfsvorstellungen: „Although the physical reality of the virtual quanta processes is testified by experiments, the infinite-momentum virtual quanta [themselves] are obviously unrealistic. Unfortunately, this unrealistic element is deeply rooted in the foundation of QFT, in the concepts of the operator field and of localized excitations produced by the local operator field.”36 Für Meinard Kuhlmann, Manfred Stöckler, Tobias Fox und viele andere Wissenschaftstheoretiker und Philosophen der Physik sowie für die überwiegende Mehrzahl der Quantenfeldtheoretiker sind Feynman-Diagramme samt der darin auftauchenden virtuellen Teilchen nur ein graphisches mnemotechnisches Hilfsmittel zur Berechnung der Wahrscheinlichkeit bestimmter Prozesse, das den Überblick über die ungeheure Vielzahl der kombinatorischen Möglichkeiten für deren Zustandekommen erleichtern soll.37 Wie wir schon oben bei 35 Harré

(1988) S. 68 sowie kritisch dazu Fox (2008) S. 45: „Affordance talk alone does not imply exaggeration talk.“ 36 Cao (1997) S. 20–23 sowie das Zitat auf 204 (mit Hervorhebung und Ergänzung in eckigen Klammern von KH); kritisch zu diesem „infinity argument“ Fox (2008) S. 44–45. 37 Siehe z. B. Kuhlmann (2012), Stöckler (1987) S. 264 f., Falkenburg (1995/2007) oder Fox (2008) S. 42 f.; vgl. ferner Kaiser (2000) S. 61 sowie S. 175–195 über Dysons ganz ähnlich-konventionalistische Interpretation jener Diagramme, während der frühe Feynman ja zu einer reifizierteren Deutung jener Diagramme als Abbilder realer Streuprozesse tendiert hatte – vgl. zu diesem „Feynman-Dyson-split“ hier Abschn. 6.2 sowie beispielsweise Kaiser (2004) Kap. 5 und Meynell (2008) S. 42 ff.

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der Einführung und Erörterung jener Feynman-Diagramme erläutert haben, sind die darin auftauchenden Verbindungspunkte der diversen Linien keine realen Raum-Zeit-Punkte, sondern es wird bei der Berechnung von Prozesswahrscheinlichkeiten letztendlich über die raum-zeitliche Lage aller Vertices und alle Diagramme integriert. Die inneren Linien in Feynman-Diagrammen sind keine Repräsentationen realer, aber für uns verborgen bleibender Prozesse. Somit sind die Feynman-Diagramme keine Raum-Zeit-Diagramme der Trajektorien ‚realer‘ Vorgänge, sondern sie stehen nur symbolisch für Terme in einer letztlich infiniten Reihenentwicklung, bei der je nach gewünschter Genauigkeit nach allen Termen einen bestimmten Ordnung Störungstheorie abgeschnitten wird. „To invest them with physical significance is like asking whether the harmonics really exist on the violin string“.38 Und schließlich haben Manfred Stöckler, Robert Weingard, Tobias Fox und andere gegen eine realistische Interpretation virtueller Teilchen auch noch eingewandt, dass ein einzelnes Feynman-Diagramm schon deswegen nicht naiv,realistisch‘ als Abbild eines tatsächlich stattfindenden Prozesses interpretiert werden darf, weil es nur ein Diagramm in einer im Prinzip unendlich langen Folge von Diagrammen ist, in denen die Prozesse aller Ordnungen der Störungstheorie symbolisch repräsentiert werden. Wenn einer davon ‚real‘ stattfinden würde, müsste das ja alle anderen ausschließen. Da dies unbedingt zu vermeiden ist, weil sonst die falschen Voraussagen über Prozesswahrscheinlichkeiten resultieren würden, könnten demzufolge gar keine Aussagen über die Zahl und Art der an einem physikalischen Prozess ‚wirklich‘ beteiligten Teilchen mehr gemacht werden. Mit diesem Superpositionsargument meinen Stöckler, Weingard und Fox einen entscheidenden indirekten Beweis gegen die Realität virtueller Teilchen vorgelegt zu haben.39 Alle der im vorigen aufgeführten Argumente sprechen gegen eine naivrealistische Deutung virtueller Photonen. Gelegentlich vorgebrachte proArgumente, denen zufolge auch virtuelle Photonen an den von der QFT beschriebenen Prozessen beteiligt sind,40 oder dass zwar nicht einzelne, aber sehr viele virtuelle Photonen zusammengenommen real meßbare Effekte erzeugen können,41 verwechseln pragmatisch-operationale Nützlichkeit einer Modellierung mit ontologisch gesicherter Existenz der hypostasierten Entität. Dass 38 Redhead

(1988) S. 20; vgl. ferner das hier auf Abschn. 9.1 wiedergegebene Zitat von Harvey L. Armstrong über Photonen als Koeffizienten einer Fourierserie. 39 Siehe Weingard (1982, 1988) S. 46: „type and number are not sharp“ ‚ Stöckler (1987) S. 265, Cao (1997), Fox (2008). 40 Siehe beispielsweise Röhl (2005) S. 473–476 über diese „andere Art der Existenz“ virtueller Teilchen als „Teile eines übergeordneten Ganzen“ in ihrer Rolle als Mediatoren von Wechselwirkungen, was sie zu „analytischen Teilen des Streuprozesses“ mache, sowie kritisch dazu Fox (2008) S. 47. 41 Falkenburg (1995/2007b) S. 237: „infinitely many virtual particles together may be considered to cause a real collective effect. In this sense, they obviously have operational meaning.“

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Feynman-Diagramme ‚epistemische Kraft‘ haben, weil sie einen ‚erklärenden Zusammenhang‘ zwischen ein- und auslaufenden Teilchen in Streuprozessen herstellen,42 ist unbestritten, doch epistemische Nützlichkeit ist eben kein ausreichendes Indiz für ontologische Realität. Auch quasi-Aristotelische Hilfskonstruktionen wie die von Paul Teller, demzufolge virtuelle Teilchen zwar nicht aktual, aber potentiell vorhanden sind – sozusagen als eine von vielen Denkmöglichkeiten — machen sie noch nicht zu real-existierenden Entitäten.43 Auch in Bezug auf die bei ihnen nicht mehr gewährleistete Individuierbarkeit spricht Michael Redhead von ihnen als „ephemerals“ : These are entities which can be distinguished one from another at any given instant of time but unlike continuants cannot be reidentified as the same entity [...] at different times, such reidentification only being possible if notions of spatio-temporal continuity can be applied. [...] But ephemerals, entities like field configurations [or virtual particles], can be created or destroyed without the somewhat awkward notion of continuants being ‚started‘ and ‚stopped‘ having to be invoked. [...] like the Cheshire cat, although the substantial particularity has gone, there remains a particle ‚grin‘.44

9.4

Vermeidung unberechtigter Lokalitäts-Zuschreibungen

Neben übersteigerten Realitätsannahmen ist auch die vermeintliche Kleinheit bzw. raumzeitliche Lokalität des Photons zu problematisieren. Freilich gab es Experimente, insbesondere mit hochenergetischen Gamma- oder Röntgenstrahlen, in denen Energie und Impuls der Strahlung über weite Distanzen ohne merkliche Strahlaufweitung transportiert wurden, was dem klassischen Wellenmodell einer Ausbreitung aus sphärisch symmetrischen Kugelwellen eklatant widerspricht, und Metaphern wie ‚Nadelstrahlung‘ oder ‚light bullets‘ nahelegte. Experimentatoren wie J.J. Thomson wurden deshalb schon früh zu Teilchenmodellen des Lichts motiviert, die nach 1905 dann z. B. von Johannes Stark oder A.H. Compton auch mit Einsteins Lichtquantenhypothese in Zusammenhang gebracht wurden.45 42 Bacelar

Valente (2011) S. 50 spricht von „epistemic power“ bzw. von „explanatory nexus“, weswegen virtuelle Teilchen für ihn „more than formal tools“ sind. 43Teller (1995): „in quantum theories the components represent potentially but not actually existing states“; analog dazu spricht Röhl (2005) S. 467 von „dispositionaler oder potentieller Seinsweise“. 44 Redhead (1982/83) S. 88 f.; zur Lewis Carroll’schen Metapher des in der Luft stehenbleibenden Grinsens der Cheshire cat auch nach deren Verschwinden vgl. hier Abschn. 9.6. 45 Zu diesen verräterischen Metaphern und ihrem Kontext siehe hier Abschn. 2.5–2.6.

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Die Streuexperimente von Compton und Simon 1922–1927, sowie später dann auch von Bothe und Geiger 1924–1925 und von Raman 1930 schienen gleichfalls zu suggerieren, dass die elektromagnetische Strahlung nach der Wechselwirkung mit Elektronen in ganz bestimmte Richtungen ausgesandt wird und nicht in Form von sphärischen Wellenfronten.46 Aber 1927 publizierten Arthur Jeffrey Dempster (1886–1950) und H.F. Batho, zwei Mitarbeiter von Compton im Ryerson Physical Laboratory der University of Chicago, Beugungsexperimente an einem Stufengitter bei der Helium-Linie 4471Å bei sehr niedrigen Lichtintensitäten, die bei dieser Wellenlänge einer mittleren Zahl von nur noch 95 Lichtquanten pro Sekunde entsprachen. Doch selbst dann zeigten sich im Abstand von 34 cm hinter dem Stufengitter auf einer Fläche von 32 Quadratmillimetern noch immer klar erkennbare Interferenzmuster, was die beiden Experimentatoren zu dem Schluss veranlasste, dass auch einzelne Lichtquanten räumlich großflächiger mit sich selbst interferieren können müssten: „when the quanta emitted from the volume of the source used were completely separated in time, showing that a single quantum obeys the classical laws of partial transmission and reflection at a half-silvered mirror and of subsequent combination with the phase difference required by the wave theory of light.“ 47 Spätere Arbeiten kritisierten an diesen Pionierexperimenten, dass die dort erzielte Photonendichte noch zu hoch für derart weitreichende Aussagen war – aber auch mit verbesserten Photodetektoren und immer eindeutiger im Regime niedrigster Photonenzahlen und Lichtintensitäten arbeitenden Experimenten bestätigte sich die These, dass in diesen Fällen Photonen räumlich stark ausgedehnte Raumzeitbereiche besetzen und keinesfalls als nahezu punktförmig imaginiert werden dürfen.48 Somit zeigen sich beim Photon die paradoxen Konsequenzen des Welle-Teilchen-Dualismus (Abschn. 3.8) in ihrer schärfsten Form: je nach experimenteller Situation erscheint es uns als Welle oder als Teilchen, aber vor dieser Messung bzw. der vorherigen quantenmechanischen Zustandspräparation ist eine Festlegung auf das eine oder das andere unmöglich und sinnlos. Harry Paul umschrieb diese Janusköpfigkeit in einer anthropomorphen Metapher: Das einzelne Photon erweist sich damit als ein ‚Opportunist‘ reinsten Wassers, der sich unterschiedlichen Situationen mühelos anzupassen vermag; von

46 Zum Compton-Effekt und seiner Bedeutung für die Lichtquantenhypothese siehe Abschn. 5.2, zu Bothe-Geiger (1924) siehe hier Abschn. 5.3. Zum Raman-Effekt, einer molekularen Streuung elektromagnetischer Strahlung im UV, IF und sichtbaren Licht, die von Chandrasekhara V. Raman (1888–1970) selbst als „optical analogue of the Compton effect“ interpretiert wurde, siehe Raman (1930) S. 270. 47 Dempster & Batho (1927) S. 644. 48 Siehe die in Abschn. 8.1 und nachfolgend beschriebenen Entwicklungen.

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‚eigenständigen Werten‘, sprich realen Polarisationseigenschaften [oder im voraus bereits feststehenden Aufenthaltswahrscheinlichkeiten], ist nichts zu merken!49 Nach der Quantenelektrodynamik sind Photonen quantisierte Zustände des elektromagnetischen Feldes, deren Energie im Allgemeinen dem gesamten Raumbereich angehört, den das Strahlungsfeld einnimmt, während lokalisierte Zustände vor einer Messung, die je nach Interpretation zum Kollaps der Wellenfunktion bzw. zur Dekohärenz führt, nicht existieren. Schon der Autor eines der ersten Lehrbücher der QED, Walter Heitler (1904–1981), wies seine Leser warnend darauf hin: The existence of a discrete set of light quanta is only a result of the quantization […] The particle properties of the light are comprised by the above-mentioned energy and momentum relations. But there is no indication that, for instance, the idea of the ‚position of a light quantum‘ (or the probability of the position) has any simple physical meaning.50

Auch Lev Landau (1908–1968) und sein Kollege Rudolf Peierls (1907–1995) wussten bereits, dass die Erweiterung des Heisenbergschen Unbestimmtheitsprinzips auf die relativistische Quantenmechanik es mit sich bringt, dass es bestenfalls Sinn macht, „die Aufenthaltswahrscheinlichkeit der Lichtquanten für Gebiete anzugeben, die groß gegen die Wellenlänge sind“,51 womit man dann wieder im klassischen Bereich der Strahlenoptik ist. Formaler zugespitzt in den Worten von Theodore Dudell Newton & Eugene Paul Wigner: „for higher but finite spin, beginning with s = 1 (i.e., Maxwell’s equations), we found that no localized states [..., i.e., no position operator] exist.“ 52 Ein Photon hat somit im allgemeinen keinen scharf definierten Ort, was auch mit dem Verschwinden seiner Ruhemasse zusammenhängt. Im Unterschied zum Elektron u. a. Elementarteilchen mit nicht-verschwindender Masse gibt es für Photonen somit auch keine raumzeitlich auflösende Wellenfunktion, auch wenn beispielsweise John E. Sipe vom Joint Institute for Laboratory Astrophysics in Boulder, Colorado, versucht hat, eine solche Wellenfunktion für die Energiepropagation des 49 Paul

(1985) S. 175 und ergänzend ebenda S. 179 zum Photon als „Zwitter“ bzw. S. 11 über das „komplizierte Gebilde, […] ein janusköpfigen Etwas, das sich – je nach Art der experimentellen Bedingungen – einmal als Korpuskel und einmal als Welle ‚zeigt‘.“ Auch Han (2014) betont dies. 50 Heitler (1944) S. 63–64, auch zit. von Armstrong (1983) S. 103-104: „a photon is not a thing to which a position can be simply assigned.“ Früheste Ansätze in diese Richtung bei Heisenberg & Pauli (1929), Landau & Peierls (1930), eine gründliche Literatursichtung bietet Keller (2005). 51 Landau & Peierls (1930) S. 64; vgl. ferner Bohr & Rosenfeld (1933), Newton & Wigner (1949) sowie Mandel (1986) S. 39 f. und Keller (2005). 52 Newton & Wigner (1949) S. 405 (Hinzufügung KH); ausführlicher: Wightman (1962) bzw. Duncan (2012) S. 159–164 über „local fields, non-localizable particles!“

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Photons aufzustellen, welche tatsächlich mit Lichtgeschwindigkeit weg vom atomaren Emitter propagiert.53 Egal ob man virtuelle Photonen wie die Quantenfeldtheoretiker als „Fluctuations of a random (zeropoint) radiation filling the whole space“ betrachtet,54 oder noch stärker von der mathematischen Seite als „propagating topological singularities“,55 oder ob man die Quantisierungsvorschriften in Manier experimenteller Quantenoptiker ausführt, für die Photonen eher so etwas wie stehende Wellen im Innern eines lasernden Resonanz-Hohlraums sind; „in any case, the energy of a photon is distributed over the entire volume of the field and there is, in general, no use in attaching a coordinate to the photon.“ 56 Um fehlerhafte Lokalitätsannahmen und Ortszuschreibungen zu umgehen, empfiehlt der slowenische Physikdidaktiker Janez Strnad (1934–2015), Photonen im Physikunterricht nur als Energie- und Impulsquanta einzuführen, aber weiterführende Analogien mit Elektronen oder anderen Elementarteilchen mit einer Ruhemasse strikt zu vermeiden, denn sonst passiere das folgende: „you think you make it simpler when you make it slightly wrong.“ 57

9.5

Abschiednahme von der Individuierbarkeit

Neben der irreführenden Intuition, dass teilchenartige Quantenobjekte wie Photonen immer auch auf kleine und kleinste Raumbereiche lokalisiert sein müssen, gibt es noch ein weiteres Erbe unserer evolutionären Herkunft, das wir in der Quantenwelt ablegen müssen: die Prämisse ihrer Individuierbarkeit. So gleichartig Erbsen in einem Topf auch aussehen mögen, es ist uns im Prinzip möglich, diese Erbsen durchzunummerieren oder mit einem anderen individuell verschiedenen Etikett zu versehen. Im Falle von Elementarteilchen oder von Photonen gilt dies nicht mehr. Diese unterliegen nicht der klassischen Statistik, die gerade auf dieser prinzipiellen Individuierbarkeit (lat. Haecceitas) basiert,58 sondern andersartigen Quantenstatistiken. Unsere ununterscheidbaren Lichtquanten (Photonen) sind Spin-1-Teilchen, also Bosonen, die der BoseEinstein-Statistik unterliegen (vgl. Abschn. 3.11), während Elektronen, Myonen usw. Spin-1/2-Teilchen, also Fermionen sind, die der Fermi-Dirac-Statistik 53 Für neuere Ansätze zur Konstruktion lokalisierter Photonenzustände unter bestimmten Bedingungen vgl. Sipe (1995), Babaei & Mustafazadeh (2017). 54 Für diese Interpretation plädiert Emilio Santos in Roychoudhuri et al. (Hg.) 2008, S. 163–174. 55 So sieht es der Mathematiker R.M. Kiehn in Roychoudhuri et al. (Hg.) 2008, S. 251–270. 56 Strnad (1986a) S. 650. Den gleichen Punkt heben auch Gerry & Knight (2005) S. 18, Han (2014) S. 47 ff., Passon & Grebe-Ellis (2016) S. 20 ff. u. v. a. Quantenfeldtheoretiker hervor. 57 Strnad (1986a) S. 650. Zu pädagogisch motivierten Irrtümern und Übervereinfachungen vgl. Kap. 6. 58 Siehe z. B. Redhead & Teller (1992), French (2015) sowie Lyre in Friebe et al. (2015) Kap. 3.

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folgen. Beide Statistiken führen zu Effekten, die vom Verhalten klassischer Teilchen stark abweichen: für Fermionen gilt das Paulische Ausschließungsprinzip, so dass sich zwei Fermionen mit übereinstimmenden Quantenzahlen und Spins gegenseitig ‚aus dem Weg gehen‘ müssen, während umgekehrt Bosonen zum clustern neigen, was u. a. zur ungeheuren Konzentration kohärenten Lichts im Laser und zu den berühmten Bose-Einstein-Kondensaten führt.59 In den Abschn. 8.3–8.7 haben wir gesehen, was für ein ungeheuer hoher experimenteller Aufwand nötig ist, um echte Ein-Photon-Zustände zu präparieren.60 Bei vielen Photon-Interferenzexperimenten wie z. B. von Hanbury Brown und Twiss (Abschn. 8.1) oder der Interferenz zweier Laserstrahlen kommen die paradoxen Konsequenzen nur do durch zustande, dass wir fälschlicherweise das klassische Teilchenbild an sie herantragen und ihre Nicht-Lokalität sowie die statistischen Fluktuationen vergessen, denen Größen wie z. B. die Photonenzahl unterliegen. Was bei der Interferenz zweier Lichtstrahlen wirklich passiert, ist für den Quantenoptiker Harry Paul (*1931) vom Ostberliner Zentralinstitut für Optik und Spektroskopie der Akademie der Wissenschaften: according to quantum mechanics, the photon number in a Glauber state is intrinsically indefinite, hence one is not justified in considering the number of photons in each beam (during one trial) to be a definite quantity, in the sense of classical reality. Formally, it is just this uncertainty in the photon number that brings into play the wave picture. The proper description of interference between independent photons will be as follows. What interferes with one another are waves, and when one wave is registered […], one cannot say, on principle, from which laser it has come. What actually happens in that detection process is that an energy packet hν is taken from the superposition field to which both lasers contribute equally, and hence it is only natural that this photon bears information on both laser fields that becomes manifest in the ultimate interference pattern.61

Diese Nicht-Individuierbarkeit, also die Unmöglichkeit, ein einzelnes Photon einem der beiden Strahlen zuzuordnen, ist wesentlich für das Auftreten des Interferenzmusters wie dies nicht zuletzt die Welcher-Weg-InterferenzExperimente zeigen, bei denen das Interferenzmuster verschwindet bzw. gar nicht erst auftritt, sobald wir Informationen über den Weg haben, den ein einzelnes Photon genommen hat.62 Die von Chandrasekhar Roychoudhuri 59 Siehe dazu z. B. Ketterle (1997), (2007) sowie weitere hier in Abschn. 3.10, 8.1 und 4.9 genannte Texte

sowie Abb. 8.2 zu Bunching und Antibunching. 60 Weiterführende Literaturhinweise zu echten Ein-Photon-Experimenten seit 1996 finden sich bei Santori

et al. (2002), Zeilinger (2005, 2017). 61 Paul (1986) S. 221. 62 Siehe oben Abschn. 8.5 sowie ergänzend Paul (1985) S. 98–123. Weil – unter normalen Umständen zumindest – einzelne Photonen so überaus schwierig separat untersucht werden können, plädieren z. B.

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und Negussie Tirfessa im gleichen Sammelband gestellte Frage: „Do we count indivisible photons or discrete quantum events experienced by detectors?“ 63 muss also mindestens in 99 % aller Anwendungsfälle zugunsten der letzteren Alternative beantwortet werden. Das ist auch der Grund dafür, warum in so vielen Fällen semiklassische Theorien von Experimenten möglich sind, in denen beobachtete Korrelationen mit auch klassisch zu erwartenden Fluktuationen elektromagnetischer Felder erklärt werden (vgl. dazu hier Abschn. 5.6). Aber gibt es mittlerweile nicht sogar Photographien von ultrakurzen Laserlichtpulsen sowie von „Attosekundenblitzen“? Was genau sieht man in Abb. 9.1? Der Vergleich der drei Abbildungen darin zeigt zunächst die ungeheuren technischen Fortschritte der letzten Jahrzehnte auf dem Gebiet der Quantenoptik. Sind wir links um 1970 noch im Pikosekundenbereich (10−12 s), stoßen wir im späten 20. Jahrhunderts in den Femtosekundenbereich (10−15 s) und im 21. Jahrhundert bereits in den Attosekundenbereich (also 10−18 s) vor. Wie kann man derart kurzzeitige Laserpulse erzeugen? Felix Frank erklärt es so: „These pulses [were generated] by a process called high harmonic generation (HHG), using a high-power femtosecond laser system […]. The near infrared femtosecond laser pulses are corralled through a waveguide and a series of specialized mirrors, causing them to be compressed in time. With their waveforms precisely controlled, these compressed pulses are then focussed into a gas target, creating an attosecond burst of extreme ultraviolet radiation“.64 Was man in den beiden Abb. 9.1 rechts sieht, sind nicht etwa die ultrakurzen Lichtpulse selbst, sondern die Sekundärstrahlung der von diesen ultrakurzen Pulsen in sehr starke Oszillationen versetzten Photoelektronen. Das zeitliche Nacheinander ist in dieser hochraffinierten Techniken der „attosecond science“ in ein räumliches Nebeneinander umgewandelt worden.65 Wie interpretieren wir diese unscharf begrenzten ‚Lichtkugeln‘ („fuzzy balls“) in Abb. 9.1 links? Es handelt sich hier weder um einzelne Photonen noch um Zustände mit scharf festgelegter Photonenzahl. Wie in Abschn. 4.9 gezeigt, werden solche Gaußschen Wellenpakete durch die Superposition etlicher monochromatischer kohärenter Zustände erzeugt, die während einer kurzen Zeit miteinander interferieren und nur in einem relativ kleinen Raumbereich zu einer nennenswerten konstruktiven Interferenz führen, während die Edward M. Purcell und Emilio Panarella dafür, in einem ‚photon clump model‘ der durch die Bose-EinsteinStatistik vorgegebenen Tendenz der Photonen zum Clustern stärker Rechnung zu tragen. 63 Siehe Purcell (1956); vgl. Abschn. 8.1 sowie Panarella bzw. Roychoudhuri & Tirfessa in Roychoudhuri et al. (Hg.) 2008, S. 111–128 bzw. 397–410. 64 Felix Frank: The shortest artificial light burst in history, posted July 2, 2012, online unter http://www. kurzweilai.net/the-shortest-artificial-light-bursts-in-history (19.03.2016). 65 Für Details siehe Goulielmakis (2004), Frank et al. (2012), insb. S. 19–20 sowie Krebs et al. (2013).

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Abb. 9.1 Links: Ultrakurzer grüner Laserpuls von einem neodym-gedopten Gaslaser, ‚aufgenommen‘ von einer Kerr-Zelle, die vom Infrarotimpuls des gleichen Lasers getriggert wird: Belichtungszeit: zehn Pikosekunden. Während dieser Zeit fliegt das Licht 2,2 mm weit (hier von rechts nach links). Aufgenommen in den Bell Laboratories ca. 1971. Aus Scully & Sargent (1972) S. 39 mit Genehmigung durch Nokia Corporation. Rechts oben ein im Juli 2012 von Felix Frank u. a. am Imperial College in London erzeugter Attosekundenblitz, aus Frank (2012) mit Genehmigung durch AIP Publishing LLC; darunter ein weiteres mit einem atomic transient recorder aufgenommenes Spektrogramm, aus Kienberger & Krausz (2009) S. 39 mit freundl. Genehmigung durch Prof. Dr. Ferenc Krausz

Randbereiche durch destruktive Interferenz verschwinden. In der Übergangszone gibt es sogenannte Rändeleffekte, die zu der unscharfen Begrenzung jener achsen- oder kugelsymmetrischen Gebilde führen. Man sieht dies übrigens auch im rechten Teil der Abb. 9.1, in der das Zentrum des Wellenpakets von einer Randzone schwächerer, aber doch noch deutlich sichtbarer Oszillationen umgeben ist. Die gesamte Interferenzphase muss hinreichend kurz sein, einige Hundert Attosekunden (ein Millardstel einer Millardstelsekunde!) oder höchstens einige Femtosekunden (10−15 s) vielleicht, aber auch nicht kürzer

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als das, denn wegen der Heisenbergschen Relation E · τ ≥ , zwischen Energieunschärfe E und Zeitintervall τ , während der diese besteht, wächst die Energieunschärfe E mit sinkender Zeitdauer τ an, was die Kohärenz des Zustands des Photons zerstört. Mit anderen Worten: je kürzer die Zeit τ ist, in der wir ein Photon messen, desto ungenauer ist dessen Energie und Frequenz bestimmt. Umgekehrt gilt auch: Je genauer wir ein Photon im Raum lokalisieren (x ), desto ungenauer ist sein Impuls p = E/c = h/cν, da auch x · p ≥ . Ein energetisch exakt festgelegtes, quantisiertes Photon ist räumlich völlig unbestimmt; umgekehrt verliert sich bei räumlich vollständiger Fixierung des Photons jede Impuls- und Wellenlängeninformation darüber. Diese Heisenbergsche Unschärferelation ist somit ein Ausdruck für den merkwürdigen Welle-Teilchen-Dualismus: „man kann die Welt mit dem p-Auge ansehen oder man kann sie mit dem q-Auge ansehen, aber wenn man beide Augen zugleich aufmachen will, dann wird man irre“.66 Im Wellenmodell des Lichts betrachten wir es als energetisch scharf festgelegte Wellen, die dann aber eine naturgemäß große räumliche Ausdehnung haben (daher auch großräumige Interferenzphänomene auf Distanzen von 1 m und mehr); im Teilchenmodell des Lichts betrachten wir es mit dem p-Auge, um z. B. Stoßprozesse oder elektromagnetische Nadelstrahlung mit ihren nahezu punktförmigen Wechselwirkungszonen in den Blick zu bekommen, aber dafür verlieren wir die andere Hälfte des Bildes. Im Compton-Effekt beispielsweise lässt sich aus der Beobachtung des gestreuten Elektrons präzise die relativistische Impulsbilanz eingehender und ausgehender Strahlung rückrechnen (vgl. dazu Abschn. 5.2), aber wir können nicht (und müssen auch gar nicht!) wissen, wo genau diese Wechselwirkung stattgefunden hat. Beide mentale Modelle sind in ihrem sind ihren jeweiligen Anwendungsbereich legitim und sinnvoll, aber sie werden sinnlos, wenn wir sie (oft unwillkürlich oder aus geistiger Trägheit, gelegentlich aber auch aus bewusstem Unwillen oder Unvermögen, alte Interpretationsgewohnheiten abzustreifen) in Anwendungsbereiche zu übertragen versuchen, für die sie weder geschaffen noch geeignet sind. Und das passierte nicht nur Planck, Einstein, Bohr, Schrödinger und anderen großen Geistern der Physikgeschichte, sondern bis heute allerorten immer wieder. Historisch langsam gewachsene Konzepte wie das des Lichtquantums oder Photons tragen ein semantisches Eigenleben in sich, da sie so viele verschiedene semantische Schichten in sich vereinen. Einige davon wie die älteste Schicht der quasiNewtonianischen Teilchenartigkeit werden in kaum noch erkenntlicher Form, komprimiert und gefaltet.67 66 So Wolfgang Pauli an Werner Heisenberg, 9. Okt. 1926, in Meyenn (Hg. 1979) Bd. 1, Dok. 143, S. 340;

vgl. Heisenberg (1927), Landau & Lifschitz (1979) S. 44–47, 152–158, Paul (1985) S. 33–37. Abschn. 1.3, insbesondere das dort besprochene Konzept der Konvolutionen.

67 Siehe

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9.6

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Das Photon: „mysterious quantum Cheshire cat“ oder „elusive beast“?

Erinnern wir uns nochmals an die am Beginn von diesem Buch bereits zitierte Aussage von Einstein aus dem Jahr 1951: „Die ganzen 50 Jahre bewußter Grübelei haben mich der Antwort der Frage ,Was sind Lichtquanten‘ nicht näher gebracht. Heute glaubt zwar jeder Lump, er wisse es, aber er täuscht sich.“ Das war eine reichlich skeptische Bilanz, die allerdings ihre Berechtigung hatte – ein Jahr nach seinem Ableben wurde das Experiment von Hanbury Brown und Twiss bekannt, mit dem die Riege der neueren optischen Präzisionsexperimente zu Photonen eröffnet und die Ära der Quantenoptik eingeläutet wurde (siehe meine Kurzreferate einiger der entscheidensten Experimente in Kap. 8). Sind wir in den Jahrzehnten seit Einsteins Tod entscheidend weitergekommen? Knapp 20 Jahre später, 1972, forderten zwei Experten für Quantenoptik, Marlan Ovil Scully (*1939) und Murray Sargent (*1941): „we need a logically consistent definition of the word ‚photon‘ – a statement far more necessary than one might think, for so many contradictory uses exist of this elusive beast“.68 Etwa in der gleichen Zeit kam John Archibald Wheeler zu der ebenfalls nicht gerade rosigen Einschätzung des Photons als eines ungreifbaren, allen Definitionsversuchen sich entziehenden „smoky dragon“.69 Für den kanadischen Physikochemiker Gordon R. Freeman (*1930) war 1984 unstrittig: „the nature of the photon is an unsolved problem.“ Und nochmals gut zwanzig Jahre später schreibt der Physik-Nobelpreisträger Willis Lamb (1913–2008) in einem programmatisch „Anti-Photon“ überschriebenen Artikel: „there is no such thing as a photon. Only a comedy of errors and historical accidents led to its popularity among physicists and optical scientists. I admit that the word is short and convenient. [But] Its use is also habit forming.“ 70 Ist also die Geschichte der Physik und ein in ihr vor fast hundert Jahren (1926) auftauchender Begriff wie der des ‚Photons‘ für heutige Nutzer nicht eigentlich irreführend? Nicht nur der theoretische Physiker Willis Lamb, sondern auch der Physikdidaktiker Oliver Passon von der Universität Wuppertal hatte diesen Gedanken. In einer Nachricht an mich verglich Passon das Konzept der Einsteinschen Lichtquanten und den Ausdruck ‚Photon‘ mit dem prä-Lavoisierschen ,Phlogiston‘. Müsste nicht der Begriff ‚Photon‘ ganz ana68 Scully & Sargent (1966) S. 38. 1997 kam Scully in einem Lehrbuch der Quantenoptik jedoch zu anderen

Einsichten (s. u.). Zu Scullys Vita sowie zum Kontext vgl. Bromberg (2006) S. 245 ff. in der 72. Sommerschule ‚Enrico Fermi‘, publ. 1979, hier zit. aus Roychoudhuri & Roy (Hg.) 2003, S. 28. In die gleiche Richtung geht die Formulierung von Photonen als „mysterious quantum Cheshire cat: an illusion“ (ibid., im Beitrag von K. Michielsen u. a.) sowie die hier auf Abschn. 9.3 zitierte Aussage von Michael Redhead über ephemere Entitäten. 70 Siehe Freeman (1984) S. 11 bzw. Lamb (1995) S. 77. 69 Wheeler

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log zum Verschwinden des Phlogiston-Konzepts nach dem Aufkommen der neuen Lavoisierschen Konzeption von Verbrennung als Oxidation durch ein völlig neues Konzept mit neuem Namen (analog dem Lavoisierschen ‚oxygène‘ – Sauerstoff ) abgelöst werden? Sind also all diese Entwicklungslinien, die man von 1905 bis heute rekonstruieren kann, nicht grob irreführend? Wenn man sagt: nach 1923 (Compton) waren (fast) alle Physiker von Einstein’s Lichtquantenhypothese überzeugt, insinuiert man (in der Lehrbuchliteratur) so etwas wie „und das mit Recht, und du, lieber Leser, solltest das auch sein!“ Aber am Ende haben wir das QED Photon bekommen, dass fast keine Ähnlichkeit mit irgendeinem der verschiedenen ‚Einstein-Lichtquanten‘ zwischen 1905 und 1916 (oder so) hat. Ganz provokant an den Historiker gefragt: es gibt sicherlich eine Entwicklungslinie vom Phlogiston zur Wärme, Energie und Entropie im heutigen Sinne. Aber es macht furchtbar viel Sinn, dass wir den Begriff ‚Phlogiston‘ nicht mehr verwenden, da er Konnotationen hat, die (nach aktuellem Verständnis) falsch sind. Ist Einsteins frühes Lichtquant vielleicht nicht so ein ‚Phlogiston‘?71

In einer Hinsicht hat Passon ganz Recht – in der späteren Entwicklung nach 1930 werden einzelne Bedeutungsschichten, insbesondere Lokalisierbarkeit bzw. Individuierbarkeit, wieder abgeschwächt bzw. sogar ganz zurückgenommen, die der naive klassisch-Newtonianische Teilchenbegriff impliziert hatte. Genau deshalb haben ja auch einige hochrangige Physiker wie Lamb gelegentlich für den Verzicht auf das Photon-Konzept plädiert. An der wissenschaftlichen Praxis gehen derartige Vorschläge aber völlig vorbei, denn Naturwissenschaft arbeitet fast durchgängig mit Begriffen und Konzepten, die aus früheren Zeiten stammen und mentale Modellvorstellungen mit sich bringen, die partiell überholt sind – man denke z. B. an die Begriffe ,Kraft‘ oder ‚Energie‘ mit ihren anthropomorphen Wurzeln, oder an die elektromagnetische ‚Verschiebungsdichte‘ und ihre Wurzeln in den Äthervorstellungen des 19. Jahrhunderts. Ein radikaler Austausch wissenschaftlicher Begrifflichkeit ist äußerst selten – Lavoisiers ‚chemische Revolution‘ des späten 18. Jahrhunderts ist eines der raren Beispiele dafür.72 Hingegen sind schleichender Begriffswandel und stufenweise semantische Verschiebungen in den gerade aktuellen bzw. schon nicht mehr aktuellen Konnotationen der Bedeutung wissenschaftlicher Termini völlig normal in den (Natur-)Wissenschaften, bloß sind die Wissenschaftler (und gelegentlich sogar auch die Wissenschaftshistoriker und -philosophen!) sich dieses Prozesses nicht immer hinreichend bewusst. Es wäre 71 Oliver Passon in einer E-Mail an K. Hentschel, 2. Sept. 2016; vgl. mit ähnlicher Stoßrichtung: Simonsohn (1979), Lamb (1995) S. 80, Sulcs (2003) S. 367. 72 Siehe dazu z. B. McEvoy (2010) und dort genannte weiterführende Texte.

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falsch anzunehmen, dass der Ausdruck ‚Photon‘ heute noch genau das umschreibt, was bei seiner Einführung durch G.N. Lewis 1926 gemeint war, aber es ist genauso falsch zu behaupten, das Photon der QED sei ein völlig anderes Konzept als es das Lichtquantum Albert Einsteins 1905 war – beide sind verbunden durch eine lange Kette von kleinen Bedeutungsverschiebungen und sich immer weiter überlagernden semantischen Akkretionen. Daher halte ich es auch für umso wichtiger, dieses Buch zu schreiben. Begriffs- und Konzeptentwicklung verlaufen in solchen krummen Bahnen, die auch den neuen Kunstwörtern (wie z. B. ‚Quark‘ als ein 1961 von Murray Gell-Mann (*1929) eingeführtes Konzept zur Erfassung subnuklearer Bausteine von Elementarteilchen) nicht erspart geblieben sind.73 Auch wenn das im 18. Jahrhundert so beliebte Kalorikumsmodell der Wärme als einer unwägbaren Flüssigkeit längst ad acta gelegt ist, so hat doch der Begriff ‚Kalorikum‘ in Komposita wie Kalorimeter, einem von Lavoisier eingeführten Meßinstrument zur Bestimmung von Wärmemengen, überlebt. Caloric, phlogiston, ether, or what have you, isn’t simply either-real-or-unreal (or referring/non-referring). Caloric had a high degree of reality in Lavoisierian chemical practices. It is pointless and meaningless bravado to declare „but it doesn’t really exist“.74

In mein Begriffsentwicklungsmodell gepackt bedeutet das, dass die Bedeutungs-Akkretion, also die Anreicherung semantischer Schichten, nicht kumulativ erfolgt – es gibt einzelne Schichten, die in späteren Zeiten wieder wegfallen oder zumindest doch stark abgeschwächt werden – genau so wie auch bei vielen anderen wissenschaftlichen Konzepten. Die ganz überwiegende Mehrzahl der zwölf Bedeutungsschichten (Kap. 3) des ‚Lichtquants‘ bzw. ‚Photons‘ sind aber nach wie vor gültig und wurden nur nach und nach präzisiert – auch dies übrigens im Unterschied zum ‚Phlogiston‘, dem kurz vor seinem Ende sogar eine negative Masse zugeschrieben werden musste, um weiter mit den chemischen Massenwägungs-Experimenten konsistent zu sein. Diese Nicht-Linearität und Nicht-Kumulativität der Begriffe machen die Wissenschaftsgeschichte nur umso spannender! Der Mit-Herausgeber eines 2008 erschienenen Sammelbandes über The Nature of Light – What is a Photon? betitelte seinen Beitrag mit einem schon in die Gefilde von Shakespeare’scher Tragik greifenden: „Oh Photon, Photon, 73 Siehe

z. B. Gell-Mann, & Ne’eman (1964), Walker & Slack (1970) sowie Johnson (1999) zur semantischen Modifikation dieses Konzeptes durch ‚Farbladungen‘, ‚Flavor‘, Massen, usw. 74 Chang (2018) S. 33, dessen Plädoyer für einen „Realism for Realistic People“ ich unterstütze; vgl. zum Kalorikum ausführlicher Chang (2003) u. dort angeführte Primärliteratur.

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Whither art Thou Gone?“ 75 Diese Anthologie war der Auftakt zu einer inzwischen alle zwei Jahre stattfindenen Konferenz der International Society for Optics and Photonics (SPIE), in der immer die gleiche bis heute offene Frage gestellt wird: „What are Photons?“ 76 Alle diese Spezialisten für Quantenoptik verweisen uns also letztendlich nochmals auf die Ebene der Kognition, der mentalen Modellbildung, die ohne begleitende Reifizierung erfolgen sollte, um die Fehler der Vergangenheit zu vermeiden. Aber bis heute tappen unzählige Naturwissenschaftler und Techniker in diese so verführerische Falle übertriebener Veranschaulichungsversuche, mit denen man Wellen- und Teilchenaspekte gleichzeitig abzudecken versucht und bei hanebüchenen Modellvorstellungen wie etwa der „Neutrinotheorie des Lichts“ oder einem „binary photon“ endet, in denen das Lichtquant als gebundener Zustand zweier Komponenten gedeutet wird: • entweder zweier „wavicles“ (Arthur Stanley Eddington 1928 sowie Charles Galton Darwin), • zweier Neutrinos (so Pascual Jordan & Ralph de Kronig (1936), Jordan & Kronig (1928)), • eines Elektrons und eines Positrons, in die sie ja umgekehrt in dem virtuellen QED-Prozess der Paarbildung ja temporär auch zerfallen (so etwa Bialynicki-Birula (1963), widerlegt von Broido (1967)) • von Materie und Antimaterie (so der US-Zellbiologe Bruce Wayne 2009) • oder gar zweier „semiphotons“ with „bigness and sidedness as Newton 1730 would say“.77 Vorstehende mentale Modelle wurden alle widerlegt, da sie entweder die Energieerhaltung oder Invarianzprinzipien der Relativitätstheorie oder andere nicht-aufzugebene Erhaltungssätze verletzen, die in diesen alternativen Modellen auf dem Altar vermeintlicher Anschaulichkeit geopfert werden, weshalb ich hier darüber hinweggehe. Hier zeigt sich erneut die große Gefahr, die sich mit einer zu großen Verliebtheit in mentale Modelle stets verbindet. Als eine bequeme Modellvorstellung, als eine Denkkrücke, oder mit Vaihinger gesprochen als eine Fiktion,78 ist das Lichtquantum bzw. Photon heute akzeptiert. Unzählige Physiker, Optiker und Techniker arbeiten mit dieser kon75 A.F.

Kracklauer in: Roychoudhuri, Kracklauer & Creath (Hg.) 2008, S. 143–154. Zeitpunkt der Niederschrift dieser Zeilen lagen bereits sechs Proceedingsbände mit jeweils vielen Dutzend Beiträgen vor, darunter allerdings überwiegend hochspekulative bis ins Obskure gehende Gedankenspielereien: siehe Roychoudhuri et al. (Hg.) 2015 bzw. http://spie.org/Publications/Proceedings/ Volume/9570 für den neuen Band der Reihe. 77 Alle vorstehenden Zitate aus Wayne (2009) S. 23, der einen ausführlichen Überblick bietet. 78 Zur Interpretation der Relativitätstheorie und Quantentheorie aus fiktionalistischer Perspektive vgl. Zeh (2012) und Hentschel (2014a). 76 Zum

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zeptuellen Krücke tagaus, tagein sehr erfolgreich, getreu dem Motto von Roy J. Glauber: „I don’t know anything about photons, but I know one when I see one.“ 79 Aus dieser hemdsärmeligen Perspektive lässt sich das Photon ganz einfach operationalistisch definieren: „A photon is what a photodetector detects.“ 80 Aber ob es diese Photonen tatsächlich gibt, und wenn ja, in welchem Sinne, d. h. mit welcher unterliegenden Deutung, bleibt bis heute weiter umstritten. Für die einen (wie z. B. Marlan O. Scully oder Anton Zeilinger) ist das Photon ein intrinsisch quantenmechanisches Objekt von großem Reiz, unverzichtbar für die Belange der Quantenoptik oder Quantenfeldtheorie;81 für die anderen ein Anachronismus, entbehrlicher Ballast oder gar ein Ärgernis. Noch vor kurzem beantwortete der russische Physiker Sergey Rashkovskiy, Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Moskau, die selbstgestellte Frage „Are there Photons in Fact?“ unter Verweis auf die unbestritten große Leistungsfähigkeit semiklassischer Theorien, die ohne Photon auskommen, wie folgt: „we show that many quantum phenomena which are traditionally described by quantum electrodynamics can be described if light is considered within the limits of classical electrodynamics without quantization of radiation. These phenomena include the double-slit experiment, the photoelectric effect, the Compton effect, the Hanbury Brown and Twiss effect, the so-called multiphoton ionisation of atoms, etc. […] We conclude that the concept of a ‚photon‘ is superfluous in explanation of light-matter interactions.“ 82 Aber wie ernst ist diese Aussage zu nehmen? Nur weil langsame Teilchen sich nach Newton zu bewegen scheinen, ist die Relativitätstheorie doch nicht überflüssig. Jenen ketzerischen Thesen steht nicht zuletzt auch ein immer häufigerer Gebrauch der Vokabel ‚Photon‘ entgegen. Abschliessend sei ein Bonmot von Stephen Shapin paraphrasiert, das dieser ursprünglich auf das unter Historikern bis heute sehr umstrittene Konzept der ‚wissenschaftlichen Revolution‘ gemünzt hatte, das aber auch auf unseren Gegenstand ganz hervorragend passt: „there are no photons, and this is the book about them“.

79 Bonmot von Glauber auf der Sommerschule von Les Houches 1963, zit. als Motto in dem Beitrag von Holger Mack und Wolfgang Schleich zu Roychoudhuri & Roy (Hg.) 2003, S. 28. 80 So erneut Glauber, diesmal zit. aus dem Beitrag von Scully et al. zu Roychoudhuri & Roy (Hg.) 2003, S. 18. 81 Ibid. sowie in Scully & Zubairy (1997) Kap. 21 bzw. Zeilinger et al. (2005). 82 Zitat aus dem Abstract von S.A. Rashkoskiy in Roychoudhuri et al. (Hg.) 2015.

10 Zusammenfassung/Abstract

Das vorliegende Buch ist der Versuch, die Geschichte eines wichtigen, aber komplexen und bis heute nicht unumstrittenen Konzepts von Lichtquanten oder Photonen auf eine neuartige Art und Weise zu schreiben: nicht als lineare Entdeckungsgeschichte, sondern als eine schwer überschaubare und nichtlineare Superposition von mindestens 12 Bedeutungsschichten, die nach und nach hinzukamen, dabei auch ihre Gewichtung verschoben und z. T. bis zur Unkenntlichkeit transformiert oder ganz zurückgedrängt, in das heutige Verständnis von Photonen eingingen. Während Ehberger in Bezug auf die von ihm untersuchten virtuellen Teilchen metaphorisch von „fragments and assemblages“ spricht, in die seine diversen historischen Beispiele zerfallen, präferiere ich das historiographische Modell einer geschichteten Überlagerung vieler verschiedener semantischer Schichten, die in ihrer Zahl, Ausprägung und Gewichtung in jedem historischen Beispiel stets genau benennbar sind (was in Kap. 3 dieses Buches auch im einzelnen geschieht). Angesichts der großen Vielzahl auftretender Bedeutungsschichten und Interpretationsvarianten stellt sich historiographisch die Frage, ob man, wenn so oft so große Verschiebungen der Semantik auftraten wie in unserem Beispiel dessen Geschichte da geschrieben werden soll. Ist der Globulus von Licht, das Lichtteilchen in Newtons Projektiltheorie wirklich das gleiche Konzept wie dasjenige von Photonen in der QED? Ganz sicher nicht. Aber in Abschn. 7.6 hatten wir gesehen, wie der von Max Jammer, Andreas Bartels u. a. praktizierte „chain of meaning-approach“ semantische Brücken zwischen all den jeweiligen Entwicklungsphasen erzeugt, durch die Begriffsentwicklung, -erweiterung und -veränderung ohne Diskontinuität abläuft. Was meine Geschichte erzählt, ist der schrittweise Wandel der Bedeutung durch stufenweise semantische Akkretion, wobei in jedem Schritt zum nächsten die Kontinuität © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2023 K. Hentschel, Lichtquanten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-66933-4_10

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des Konzepts kognitiv und auch kommunikativ gesichert ist. Durch diese stufenweise voranschreitende Verwandtschaftskette von einer Entwicklungsstufe zur nächsten ergibt sich dann zumindest im Rückblick auch die Kontinuität der konzeptuellen Entwicklung, die im direkten Vergleich weiter voneinander entfernt liegender Stufen alles andere als offensichtlich ist.1 Trotz historisch wandelbarer Termini (Lichtquant, Photon, ...)2 und trotz unterschiedlichster mentaler Modelle, die sich damit jeweils verbinden (Kap. 4 und 5), lassen sich alle dennoch auf ein und das gleiche intendierte Referenzobjekt beziehen, das eben nur völlig verschieden mental modelliert wird. Historiographisch rücken dadurch neben der etymologisch vorgehenden Begriffsgeschichte und der mit verschiedenen theoretischen und experimentellen Ansätzen abdeckbaren Ideengeschichte die sehr unterschiedlichen mentalen Modelle in den Vordergrund, mit denen verschiedene Akteure im Laufe der Zeit die Prozesse, in denen Lichtquanten auftauchen, visualisierten und modellierten. Wir haben gesehen, dass diese diversen mentalen Modelle miteinander gar nicht kompatibel waren, was auch den z. T. heftigen Streit erklärt, in den verschiedene Akteure (z. B. Planck, Einstein, Stark und Sommerfeld um 1910 oder Feynman, Dyson, Schwinger und Jaynes um 1960) gerieten. Sechs mentale Modelle des ‚Lichtquantums‘ bzw. ‚Photons‘ haben wir hier detaillierter betrachtet, die hinter den jeweils vorgestellten Begriffsbildungen und den damit verbundenen konzeptuellen Überlegungen stehen und im Unterschied zu den vorgetragenen Argumenten meist unausgesprochen geblieben sind, aber dennoch in den Blick genommen werden müssen, wenn wir zu einem tieferen Verständnis der angesprochenen mentalen Prozesse kommen wollen: 1. Das naive Teilchenmodell [Newton 1704, Newtonianer, …]: Licht wird interpretiert als ein Strom von sehr kleinen Teilchen mit im Wesentlichen sphärischer Form: bei Newton und später um 1800 abgewandelt durch Zusatzhypothesen von hantelartigen Ausbuchtungen an gegenüberliegenden Seiten zur Erklärung von Polarisationseffekten, die als eine „Seitigkeit“ (‚sidedness‘) der Lichtteilchen interpretiert werden. In späteren Wiederaufnahmen dieses Teilchenmodells nach Aufkommen des Welle-TeilchenDualismus werden die Lichtquanten als ‚Lichtkörnchen‘ mit ultrakleinem Volumen V ∼ (c /ν)3 interpretiert, wobei die Wellenlänge λ mit der Frequenz ν und der Lichtgeschwindigkeit c über λ = c /ν verknüpft ist. Dieses intuitive Modell, das eine einfache Erklärung für Lichtreflexion u. a. Effekte bietet, hat große Probleme mit der Deutung von Interferenz, die auf 1 Diese Gedanke geht zurück auf Fallstudien zum Entropie- und Massebegriff in Bartels (1994); vgl. ferner

den Aufsatz von Andreas Bartels in Müller & Schmieder (Hg.) (2008) S. 223–239 „zur Konstruktion semantischer Kontinuität in der wissenschaftlichen Begriffsbildung“. 2 Siehe hier Abschn. 2.5 zur großen Vielfalt der zwischen 1905 und 1930 diskutierten Begriffe.

10 Zusammenfassung/Abstract

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einen Wellencharakter, also räumlich ausgedehntere Strukturen hinweist (siehe oben Abschn. 4.3 zur Debatte zwischen Einstein und Lorentz um 1909). 2. Das Singularitätsmodell [Einstein 1909; Louis de Broglie 1922, 1923; Bohm & Hiley 1985 u. a. sowie hier Abschn. 5.4]. Es ist nicht klar, ob Einstein jemals Anhänger des naiven Teilchenmodells (1) gewesen ist. Spätestens nach seinen Diskussionen mit Lorentz 1909 wird deutlich, dass er zu diesem Zeitpunkt eher ein anderes mentales Modell verfolgte (vgl. Abschn. 4.2) zu seinem Vortrag und der protokollierten Diskussion auf der Naturforscherversammlung von 1909). Zu diesem Zeitpunkt scheinen Lichtquanten für Einstein eher ein Verdichtungszentrum im Feld gewesen zu sein, physikalisch stark lokalisiert, aber wegen des umgebenden Feldes auch nicht punktförmig (vgl. Abb. 4.1 mit Newtons ‚globulus of light‘ in gewisser Ähnlichkeit zu Einsteins späterer Wiederaufnahme derartiger Überlegungen). In jüngeren Versionen dieses mentalen Modells im Kontext von alternativer Interpretationen der Quantenmechanik wurde diese umgebende Zone um die eigentliche Singularität identifiziert mit einem hypothetischen Führungsfeld, für das sich bis heute aber keine Beweise gefunden haben. 3. Das binäre Modell von Lichtquanten („binary photons“) [bereits seit 1907 von William Henry Bragg vorgeschlagen, später auch von Johannes Stark erwogen und noch heute zeitweise von physikalischen Außenseitern diskutiert]: Lichtquanten stellen keine Elementarteilchen dar, sondern ausgedehnte Strukturen, die aus zwei Komponenten bestehen und deren oszillatorische und rotatorische Freiheitsgrade an der Erzeugung von Welleneigenschaften beteiligt sind, was vielleicht auch Polarisation bzw. Spin erklären könnte. Andererseits müssten sie dann auch Dipolmomente und magnetische Momente sowie weitere experimentelle Effekte hervorrufen, welche niemals beobachtet wurden. 4. Das Modell der Wellenpakete [Schrödinger 1926a, b, Schrödingers Variante der Quantenmechanik mit Borns Wahrscheinlichkeitsinterpretation]: Lichtquanten werden hier ebenso wie Materiewellen als ein räumlich auf relativ kleine Raumzeitbereiche lokalisiertes Phänomen aufgefasst (siehe Abschn. 4.9). Vorteil dieser Interpretation: sie ist eng verbunden mit Heisenbergs Unschärferelation sowie auch verträglich mit dem WelleTeilchen-Dualismus, weil diese Wellenartigkeit an die jeweils waltenden experimentellen Umstände anpaßbar ist: je wellenhafter, also raum-zeitlich breiter das Paket ist, desto schärfer ist es in seiner Frequenz/Wellenlänge (bzw. Energie/Impuls) und umgekehrt. Nachteile: ein Auseinanderlaufen jener Wellen in längeren Zeiten (Dispersion der Wellenfunktion) bzw.

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Beugung beim Auftreffen auf Hindernisse (Diffraktion) sowie die sogenannte Dekohärenz, also der Kollaps der dem Wellenpaket zugeordneten Wellenfunktion, zerstören die Einheit jener Welle. 5. Das semiklassische Modell [Bohr, Kramers & Slater (1924a); Jaynes 1965; Scully & Sargent 1972; Lamb 1995 u. a.]: Halbherziger Versuch eines konzeptuellen Kombination von klassischen elektromagnetischen Wellen einerseits und quantisierter Materie andererseits.3 Vorteil: leichtere Berechenbarkeit von Streuprozessen und Wechselwirkungen; Nachteil: Asymmetrie der theoretischen Behandlung von Wellen/Feldern einerseits und Teilchen/Materie andererseits. Nicht-Anwendbarkeit auf echte EinPhoton-Zustände und auf verschränkte Photonen. 6. QED – Quantenelektrodynamik mit Quantisierung des elektromagnetischen Feldes [Dirac 1927b, Heitler 1936, Feynman 1949, Tomonaga, Schwinger, Dyson u. a.]: Neben ‚realen‘ Photonen werden nun auch ‚virtuelle‘ Photonen als masselose Austauschteilchen der elektromagnetischen Wechselwirkung postuliert, die nun so modelliert wird, als ob das virtuelle Photon zwischen den elektrisch geladenen Wechselwirkungspartnern hin- und herfliegt, dabei wie ein Tischtennisball kleine Impulsänderungen an Emitter und Absorber auslöst und dadurch die elektromagnetische Wechselwirkung vermittelt.4 In dieser Abfolge von sechs verschiedenen basalen mentalen Modellen, die man sich von Lichtquanten gemacht hat, kann man eine zunehmende Abkehr von gestalttreuen und eine zunehmende Präferenz funktionalitätstreuer mentaler Modell erkennen.5 Der klassischen Physik nahestehendere Physiker wie etwa J.J. Thomson oder W.H. Bragg, und auch noch Vertreter der ersten Generation der Quantenphysik wie etwa Niels Bohr oder Johannes Stark versuchten in ihren mentalen Modellen stets noch Gestalttreue zu erreichen, was ihre z. T. abenteuerlichen Modellvorstellungen erklärt, die wir in Kap. 4 ganz im einzelnen diskutiert haben. Im Kontrast damit verweigert die QED eben jene klassische Vorstellbarkeit in Form haptisch-visueller Modelle von Teilchen oder Wellen, was dann auch die Interpretationsprobleme erklärt, die nicht nur Studierende, sondern auch die Protagonisten der QED selbst mit ihren zunehmend formal werdenden Ansätzen hatten (hier in Abschn. 6.2 exemplarisch am Beispiel von Richard Feynman demonstriert). Auch Albert Einstein selbst stand noch ganz an der Schwelle vom gestalttreuen zum funktionalitätstreuen Modellieren und suchte in frühen Arbeiten um 1909 zum 3 Für

weitere Literaturangaben u. Diskussion vgl. hier Abschn. 5.6. hier Abschn. 3.12 u. 9.3 sowie dort genannte Texte. 5 Diese Unterscheidung sowie die damit einhergehende Kontrastierung zweier Verständnistypen macht Ubben (2020) S. 5 ff. 4 Siehe

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Singularitätsmodell (Abschn. 4.2) noch nach einem veranschaulichbaren Modell für seine Lichtquanten. Gerade der nicht zuletzt auch von ihm seit 1909 erkannte und später dann von Louis de Broglie u. a. ab 1924 weiter herausgearbeitete Welle-Teilchen-Dualismus (Abschn. 3.8) entzog dieser Hoffnung auf eine anschauliche Interpretierbarkeit von Quantenobjekten im Sinne einer naiv-realistischen Gestaltinterpretation dann den Boden, obgleich selbst in diesem Kontext durch die Postulierung von Führungsfeldern auch nochmal um eine anschauliche Interpretation von Quantenverhalten gerungen wurde (Abschn. 5.4). Doch selbst in Einsteins späteren Arbeiten – etwa dem EPR-Aufsatz von 1935 – konzediert er der Quantenmechanik zwar funktionalitätstreue, also empirischen Fit zwischen Experimenten und theoretischen Voraussagen, vermisste aber eine für ihn unabdingliches Verständnis von Messprozessen an verschränkten Photonen als einer Ermittlung bereits vor der Messung vorliegender Eigenschaften, also eine anschauliche, lokal-realistische Interpretierbarkeit (vgl. dazu Abschn. 8.4 und 9.4). Diese Verweigerung mentaler Modelle im gestalttreuen Sinne durch die QED und QFT ist wohl auch der Grund für den Widerstand, den ich mit diesem Buch bei einigen Vertretern der QED und QFT erfahren habe, für die schon die Rede von mentalen Modellen einen verfehlten, deplazierten Anspruch auf ein überholtes Methodenideal darstellt.6 Nein, mentale Modelle sind mehr als nur naive Fehlvorstellungen oder Präkonzepte – die kreativsten Physiker aller Zeiten (von Newton über Maxwell, Einstein, Bohr und Feynman) haben sich stets ihrer bedient und sind gerade mit diesen Modellvorstellungen zu ihren tiefsten Einsichten gekommen, wie dieses Buch ausführlich nachweist. Meine Auffassung der Entstehung und Entfaltung von Konzepten als einer schichtweisen semantischen Akkretion im Zusammenspiel mit der Herausbildung mentaler Modelle scheint mir das angemessenste Verständnis dieses sehr lange andauernden und vielschichtigen Prozesses der allmählichen Bedeutungsbildung und -verschiebung zu bieten, sinnvoller als die irreführende Bemühung der Metapher von der Geburt eines Konzepts durch Theodore Arabatzis und vielschichtiger als Mark Turners ‚conceptual blending‘, das stets nur zwei Bedeutungsebenen zusammenführt (zu vorstehendem vgl. hier Abschn. 7.4 u. 7.6). Es gibt in Bezug auf das Konzept und mentale Modell von Photonen keinen klaren Geburtszeitpunkt, sondern viele z. T. sehr weit in die Geschichte bis in die Antike zurückreichende Präideen, die Licht eine Teilchenartigkeit zusprechen, womit bereits eine erste semantische Schicht entsteht, die dann sehr lange (bis zum frühen Einstein und zu den naiv-realistischen ameri6 Symptomatisch

dafür ist die Rezension der ersten Auflage dieses Buches durch Hecht (2020), für den der Ausdruck ‚mental model‘ „apparently professional jargon, albeit off-putting given the contemporary informal meaning of the word ‚mental‘ (crazy, insane, wacky, etc.)“ ist.

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kanischen Experimentalphysikern Compton und Millikan) weiterverfolgt werden. Wie Kap. 3 des weiteren gezeigt hat, kann die Geschichte des Konzepts von Photonen auch nicht durchgängig als Sequenz paarweiser konzeptueller Überlagerungen beschrieben werden, obgleich dies bei einzelnen Episoden wie etwa den Versuchen zur Überwindung des Welle-Teilchen-Dualismus naheliegen mag. Auch andere Modelle von Begriffsentwicklung, die ich in Kap. 7 diskutiere (wie etwa Werner Kutschmanns Überlegungen zu „Begriffsmetamorphosen“ oder Wolfgang Neusers Thesen zur „Begriffsentfaltung“) sind ungeeignet zur Erfassung der hier beschriebenen Dynamik. In unserer Geschichte des mentalen Modells von Photonen gab es zwölf klar voneinander abgrenzbare Bedeutungsebenen, die zu verschiedenen Zeiten ins Spiel kamen, nach und nach an Bedeutung gewannen aber z. T. auch wieder zurückgedrängt wurden (wie z. B. die Teilchenartigkeit und Lokalität der Lichtquanten, die durch das Aufkommen von Welle-Teilchen-Dualismus, quantenmechanische Unbestimmtheit und Virtualisierung der Photonen als Austauschteilchen der QED zurückgenommen wurden). Es wurde hier aber auch gezeigt, wie durch Kombination mehrerer solcher konzeptueller Fusionen bzw. durch ‚Mega-Blends‘ die historischen Ereignisse ebenfalls konsistent beschrieben werden können, so dass beide Modelle wissenschaftlicher Begriffsentstehung historisch weiterverfolgt und angewendet werden sollten. Der ungewöhnlich lang andauernde Entstehungsprozess von einem Konzept wie Lichtquantum/Photon ist für diese Fragestellung geradezu prädestiniert, da wir viele Entwicklungen, die in anderen Fällen auf sehr kurze Zeitintervalle schrumpfen, hier wie in Zeitlupe über große historische Zeiträume ausgedehnt finden. Beide Modelle zielen in erster Linie auf die konzeptuellen und kognitiven Veränderungen, und eben nicht auf die kommunikativen Prozesse in größeren Denkkollektiven. Diese stehen im Zentrum der Überlegungen von Ludwik Fleck (1935/1980) zum allmählichen Übergang diffuser Prä-Ideen in wissenschaftliche Konzept oder von Hans Blumenberg (1957), (1960) zum Wuchern und schließlichem Verselbstständigen von Metaphern und sind zu den beiden hier vorgestellten Modellierungen komplementär. An vielen weiteren Konzepten, die mit komplexer Begriffsgeschichte und subtilen Wechseln der begleitenden mentalen Modelle einhergehen (z. B. dem physikalischen Kraft- oder Energiebegriff oder dem des Naturgesetzes) ließen sich ähnliche Untersuchungen anstellen, mit denen auch das hier benutzte methodische Instrumentarium weiter geschärft und verbessert werden könnte. Falls diese Pionierstudie ihre Leser/innen nicht nur unterhalten und informiert, sondern auch dazu angeregt hätte, wäre damit das höchstgesteckte Ziel der hier vorliegenden Arbeit erreicht.

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Abstract This book deals with the gradual formation of the concept of ‚light quanta‘. The great number of synonyms used by physicists between 1900 to denote this concept (now usually called ‚photons‘) already signals that there are many different mental models of what ‚light quanta‘ supposedly are: simply finite, ‚quantized packages of energy‘ or ‚bullets of light‘? Are they ‚atoms of light‘, light corpuscles‘, or ‚quantized waves‘? Are they singularities of the field or spatially extended structures able to interfere? Are they perhaps even composite ‚molecules of light‘, or ‚photons‘ in the sense of G.N. Lewis or in the sense of QED, i.e., virtual exchange particles transmitting the electromagnetic force? The term ‚light quanta‘ made its first appearance in Albert Einstein’s 1905 paper on a „heuristic point of view“ to cope with the photoelectric effect and other forms of interaction of light and matter, but the mental model associated with it has a rich history both before and after 1905. Some of its semantic layers lead as far back as Newton and Kepler, others are only fully expressed several decades later, yet others initially increased, then diminished in importance and finally vanished. This leads to the model of concept development proposed in this book: conceptual development as a non-linear series of semantic accretions, conjoined with the development of various mental models. In conjunction with the various terms proposed for light quanta or photons, several mental models of them were developed – six basic types and many dozens of varieties have been treated in closer detail in this book. Several competing historiographic approaches to the problem of concept formation are discussed and exemplified, including Ludwik Fleck’s thought styles, Wolfgang Neuser’s metamorphosis, Arianna Borrelli’s praxeology, Ian Hackings claims about historical ontology, Lorraine Daston’s and Theodore Arabatzis’ biographical approach, and Mark Turner’s model of ‚conceptual blending‘. All of these models are shown to be interesting and should be explored further, but none of them comes close in detail resolution and depth of understanding. This book is the first historiographically sophisticated history of the full-fledged concept of photons and all of its twelve semantic layers in conjunction with the various mental models involved which were heuristically of great importance to key actors such as Einstein and Planck, Millikan, Compton or Feynman. It systematically combines history of science with Begriffsgeschichte and a philosophically inspired history of ideas in conjunction with insights from cognitive science.

Bibliographie

Diese Bibliographie listet nur Publikationen, die in der vorliegenden Monographie auch zitiert oder erwähnt werden. Es wird in der Bibliographie kein Unterschied zwischen Primär- un d Sekundärliteratur gemacht. Alle Einträge der Publikationen eines Verfassers werden chronologisch nach deren Erscheinungsjahr aufgelistet, gefolgt von Publikationen mit Koautoren, bei mehreren in der Reihenfolge der Nachnamen der Ko-Autoren. Diakritische Zeichen werden bei dieser Einsortierung ignoriert, mit der Ausnahme deutscher Umlaute.

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Namens- und Stichwortverzeichnis

A

Absorption, 61 ältere Quantentheorie, 49 annus mirabilis, 22 anomales magnetisches Moment, 113 Antibunching, 274 Antikorrelation, 272 Äquivalentgesetz photochemisches, 63, 91 Arabatzis, Theodore, 2, 236, 293, 323 Armstrong, Harvey L., 288 Aspect, Alain, 262, 267 Äther Faradaysche Kraftlinien, 136 bei Lorentz, 126 Mitführung, 59 bei Newton, 119 Attosekundenlaser, 303 Austauschteilchen, 43, 108

B

Bachelard, Gaston, 222, 226, 232 Baird, Davis, 222 Barkla, Charles Glover, 139

Bartels, Andreas, 241 Bartoli, Adolfo, 66 Batho, H.F., 299 Bedeutungsschicht, 9 Begriff in statu nascendi, 32 terminologische Abgrenzung, 8 Begriffsbildung, 9 Begriffsgeschichte, 3 Begriffsstatistik Lichtquanten, 32 Photon, 46 Bell, John Stewart, 262 Bennet, Abraham, 66 Besso, Michele, 1, 28, 128 Beth, Richard A., 101 Bhagavantam, Suri, 101 BKS-Theorie (Bohr-Kramers-SlaterTheorie), 39, 164 Blair, Thomas, 52 Blair-Michell-Effekt, 55 Bohr-Kramers-Slater-Theorie, 39, 164 Bohr, Niels, 42, 95, 163 Bohrsche Frequenzbedingung, 91

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2023 K. Hentschel, Lichtquanten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-66933-4

381

382

Namens- und Stichwortverzeichnis

Bohr-Sommerfeldsches Atommodell, 24 Quantensprünge, 63 Quantentheorie, 41 Spinquantenzahl, 95 Boltzmann-Gas, 25 Boltzmann-Statistik, 105 Born, Max Einstein-Briefwechsel, 166 Borrelli, Arianna, 222 Bose, Satyendranath, 105 Bose-Einstein-Kondensate, 106 Bose-Einstein-Statistik, 102, 301 Bothe, Walther, 166 Bragg, William Henry, 62 binäres Modell, 321 mentales Modell, 139 Welle-Teilchen-Dualismus, 85 Bragg, William Lawrence, 62 Brechungsgesetz, 53, 120 Broglie, Louis de, 33, 34, 85, 154, 165 Materiewellen, 86 Brownsche Molekularbewegung, 23 Bubb, Frank W., 97 Bunching, 250, 270 Bunge, Mario, 294

C

Cao, Tian Yu, 296 Catalán, Miguel A., 97 Chang, Hasok, 308 chaotisches Licht, 258 Clauser, John F., 186, 256, 262 Compton, Arthur Holly, 33, 44, 286 Nobelpreis-Vortrag, 63 Spin, 97 Compton-Effekt, 159 semiklassische Deutung, 168 Versuchsaufbau, 161 Comstock, Daniel F., 33, 81 conceptual blending, 230, 323 consilience of inductions, 26, 91

Craik, Kenneth, 243 Crookessche Röhren, 70

D

Daston, Lorraine, 236 Davisson, Clinton J., 86 Davisson-Germer-Experiment, 86 de Broglie. see Broglie Debye, Peter, 83 mentales Modell, 145 Delayed Choice Experimente, 266 Dempster, A.J., 299 Deutsch, Martin, 263 Deutsche Physik, 134, 135 Dirac, Paul A. M., 91, 177, 181 Diskontinuität, 28 Doppler-Fizeau-Effekt, 55 Drehimpuls, 95 innerer, 95 Drehkristall, 160

E

Ehrenfest, Paul, 100, 103 Einstein, Albert, 1, 32, 34, 286 annus mirabilis, 22 Born-Briefwechsel, 166 EPR-Gedankenexperiment, 260 Gravitationstheorie, 55 mentales Lichtmodell, 121 Mythen, 196 Nobelpreis, 79 Photoeffekt, 76 und Planck, 27, 157 Projektilmodell, 56 Salzburger Vortrag (1909), 82, 121 und Stark, 131 Weg zur Quantenhypothese, 22 Zweifel am Lichtmodell, 125 Einstein-Koeffizienten, 90 Emission, 61 induzierte, 88, 147 spontane, 88, 147

Namens- und Stichwortverzeichnis

Emissionstheoretiker, 52 Endlichkeit der Lichtgeschwindigkeit, 57 Energieerhaltung BKS-Theorie, 165 Energiehalter, 102 Energie-Masse-Äquivalenz, 71 Energiequantisierung, 15 Akt der Verzweiflung, 19 conceptual blending, 229 strenge, 80 zweite Quantentheorie, 31 Energieschwankung, 82 Energietransport, 68 entanglement. see Verschränkung Epiphänomen, 124 erste Quantisierung, 108, 178

F

Fabrikant, Valentin A., 94 Falkenburg, Brigitte, 288, 297 Faradaysche Kraftlinie, 136 Femtosekundenlaser, 303 Fermi-Dirac-Statistik, 107, 301 Feynman, Richard P., 42, 109, 202, 286 Feynman-Diagramm, 109 conceptual blending, 230 Photon-Photon-Streuung, 282 Fiktionalismus, 112, 126, 309 Fizeau, Hippolyte, 58 Flamsteed, John, 57 Fleck, Ludwik, 210, 222 Foucault, Michel, 232 Freedman, Stuart J., 262 Fresnel, Augustin, 58

Geiger, Hans, 166 Gell-Mann, Murray, 308 Gerlach, Walther, 98, 148 Germer, Lester H., 86 Geschwindigkeitsaddition, 59 Giovanni Fortissimo, 133 Glauber, Roy Jay, 253 globuli of light. see Lichtglobuli Goudsmit, Samuel Abraham, 100 Grangier, Philippe, 267 Gravitationskraft, 54 Grenzpotenzial, 77

H

Hacking, Ian, 232, 293 Hallwachs, Wilhelm, 72 Hanbury Brown, Robert, 250 Hanson, Norwood Russell, 2 Haroche, Serge, 277 Harré, Rom, 295 HBT-Experiment, 250 Heisenberg, Werner, 88, 98 Heisenbergsche Unschärferelation, 87 Heitler, Walter, 300 Hertz, Heinrich, 72 heuristische Hypothese, 35 hochenergetische Photon-PhotonStreuung, 281 Hohlraumstrahlung, 16 induzierte Emission, 90 spontane Emission, 90 Hong-Ou-Mandel-(HOM-)Dip, 270 Hooke, Robert, 118 Hughes, Arthur L., 33 Hull, Gordon Ferrie, 68 Huygens, Christian, 27 hypotheses non fingo, 118

G

Gammastrahlung, 141 Ladungsneutralität, 142 Gas ideales, Quantentheorie, 106

383

I

ideales Gas Quantentheorie, 106 Ideengeschichte, 5

384

Namens- und Stichwortverzeichnis

Individuierung, 301 induzierte Emission, 90, 147 Infrarotdivergenz, 114 instrumentalistische Interpretation, 291 intellectual history, 6 Interferometer, 58, 268

Kragh, Helge, 44 Krutkov, Yuri, 103 Kuhlmann, Meinard, 296 Kuhn, Thomas S., 236 Kutschmann, Werner, 2

L J

Jacques, Vincent, 267 Jammer, Max, 2 Jánossy, Lajos, 256 Jauch, Josef M., 114 Jaynes, Edwin Thompson, 185, 190 Joffé, Abram F., 148 Joly, John, 37 Jordan, Pascual, 87

K

Kamerlingh Onnes, Heike, 103 Kathodenstrahlröhre, 73 Kavitäts-Quantenelektrodynamik, 277 Kayser, Heinrich, 122 Kepler, Johannes, 235 Kirchhoff, Gustav Robert, 15 Klassen, Stephen, 198 Klumpigkeit der Photonen, 206 Koinzidenzmessung von Bothe und Geiger, 167 Kombinatorik, 19, 80 Komet Strahlungsdruck, 65 Komplementarität, 87 Konzept terminologische Abgrenzung, 8 Kopenhagener Deutung, 88, 260 Korrelation HBT-Experiment, 250 Korrespondenzprinzip, 165 Kraftlinie Faradaysche, 136

Ladenburg, Rudolf, 75 Lakes, Roderic, 71 Lamb, Willis, 1 Landau, Lev, 300 Langevin, Paul, 86 Lasertechnologie, 92 Latour, Bruno, 237 Laue, Max von, 151 Lavoisier, Antoine de, 306, 308 Lebedew, Pjotr N., 68 Lehrbuch, 195–208 Mythen, 198 Lenard, Philipp Deutsche Physik, 135 Mythen, 196 Photoeffekt, 26, 73 Lernkontext, 195 Lewis, Gilbert N., 33, 40, 43, 240 mentales Modell, 154 Lexikon, 3 Licht Absorption, 61 chaotisches, 258 Emission, 61 Strahlungsdruck, 65 Teilchenartigkeit, 24 Teilchenmodell, 51 Lichtäther. see Äther Lichtelektrizität. see photoelektrischer Effekt Lichtgeschwindigkeit, 130 bei Brechung, 120 Endlichkeit, 57 Geschwindigkeitsaddition, 59 Lichtglobuli, 58 conceptual blending, 229

Namens- und Stichwortverzeichnis

mentales Modell, 117 Lichtquant Anhänger, 158 annus mirabilis, 23 Forschungsstränge, 10 Gegner, 158 Geschwindigkeit, 130 Mythen, 197 Priorität, 29, 63 Realität, 132 Ruhemasse, 85 Lichtwirbel, 134 Lokalität, 298 Lorentz, Hendrik Antoon, 100 und Einsteins Lichtmodell, 125 Strahlungsdruck, 69 Lovejoy, Arthur O., 5

385

N

Nadelstrahlung, 61, 129 naiver Realismus, 288, 291 Natanson, Ladislas, 102 Bose-Einstein-Statistik, 106 Neuser, Wolfgang, 2 neutrale Paare, 140 Neutrinopaare, 143, 309 Newton, Isaac, 235 Emissionstheorie, 55 Lichtglobuli, 117 Teilchenmodelle des Lichts, 51 Newton, Théodore Dudell, 300 Nichols, Ernest Fox, 68 nicht-lineare Wissensentwicklung, 9

P M

Mach-Zehnder-Interferometer, 268 magnetisches Moment anomales, 113 Mandel, Leonard, 270 Maxwell, James Clerk, 68, 281 Maxwell-Gleichung, 68 Megablend, 229 mentales Modell, 117, 169, 172, 179, 190, 242, 320 terminologische Abgrenzung, 8 Metzger, Hélène, 222 Meyer, Edgar, 148 Michelson-Interferometer, 58 mikrohistorische Analyse, 196 Millikan, Robert A., 33, 78 Einstein-Kritik, 127 Mythen, 197 Photoeffekt, 78 und J. J. Thomson, 138 Mitführungsexperiment von Fizeau, 59 Modell, mentales. see mentales Modell Mythen, 196

Passon, Oliver, 241 Pauli, Wolfgang, 98 Paulisches Ausschlussprinzip, 99 Peierls, Rudolf, 300 Phlogiston, 306 Photochemie, 38 photochemisches Äquivalentgesetz, 63, 91 photoelektrischer Effekt, 26, 72 Mythen, 196 Photoluminiszenz Stokessche Regel, 25 Photon als Austauschteilchen, 108 Ersterwähnung, 35 heutiges mentales Modell, 285 als Neologismus, 44, 155 R. J. Glauber, 253 Unzerstörbarkeit, 155 Photon-Photon-Streuung, 281 Physikalisch-Technische Reichsanstalt (PTR), 15 physikalische Begriffsgeschichte, 3 Planck, Max, 13, 81 Bose-Einstein-Statistik, 106 und Einstein, 27, 157

386

Namens- und Stichwortverzeichnis

Energiequantisierung, 19 mentales Modell, 143 Mythen, 196 Persönlichkeit, 19 Quantentheorie, 80 zweite Quantentheorie, 30 Planck-Statistik, 107 Plancksches Wirkungsquantum, 15 Einstein-Stark-Kontroverse, 132 erste Messung, 79 Podolsky, Boris, 260 Polarisierbarkeit Röntgenstrahlung, 62 Poynting, John H., 68 Poynting-Vektor, 69 Praktikumsanleitung Mythen, 200 Projektilmodell, 52, 56 Newton, 117 Pseudogeschichten, 196

Q

QED (Quantenelektrodynamik), 107, 230, 322 Quantenausbeute, 64, 274 Quantenelektrodynamik, 107, 322 conceptual blending, 230 Quantenmechanik Stochastizität, 94 Quantenoptik, 262 Quantensprung, 63 Quantenstatistik, 301 Quantenteleportation, 279 Quantentheorie ältere, 49 Genese, 21 ideale Gase, 106 zweite, 30 Quantenwirbel, 134 Quantisierung als Epiphänomen, 124 erste, 108, 178

Quantum-Non-demolitionExperiment, 277 Quarks, 308

R

radioaktives Zerfallsgesetz, 91 Raman, C.V., 101 Rayleigh-Jeans-Limes, 18 Realismus, 262 naiver, 288, 291 Realität, 132 Redhead, Michael, 291, 294, 297, 301 Regener, Erich, 141 Reifizierung, 291 Relativbewegung zwischen Sender und Empfänger, 54 Relativitätstheorie, 59 annus mirabilis, 23 Compton-Effekt, 162 Renormierung, 114 Resonanzfluoreszenz, 274 Rohrlich, Fritz, 114 Rømer, Ole, 57 Röntgenbremsstrahlung, 26 Röntgenstrahlung Compton-Effekt, 159 Ladungsneutralität, 142 Polarisierbarkeit, 62 Teilchenartigkeit, 61 Rosen, Nathan, 260 Rubinowicz, Wojciech, 96 Ruhemasse Compton-Effekt, 161 Lichtquanten, 85 Rydberg-Zustand, 277

S

Schrödinger, Erwin, 151 Schwarzer Körper, 14, 80 Spektraldichte, 26

Namens- und Stichwortverzeichnis

Schwarzes Loch, 56 conceptual blending, 228 Schwinger, Julian, 202 Sehvorgang, 37 semantische Anreicherung, 9 semiklassische Theorie, 95, 322 älteres Experiment, 249 Compton-Effekt, 168 Scheitern, 285 Semiphoton, 309 Silberstein, Ludwik, 33 Singularitätsmodell, 122, 321 Slater, John Clarke, 169 Snel (Snellius), Willebrord van Roijen, 120 Sommerfeld, Arnold, 11. see also Bohr-Sommerfeldsches Atommodell Feindschaft zu Stark, 134 mentales Modell, 145 Spektrallinien Spinquantenzahl, 95 Spin, 95 EPR-Gedankenexperiment, 260 Spitzenzähler, 166 spontane Emission, 89, 147 Standardmodell, 287 Stark, Johannes, 128 Antisemitismus, 129 Einsteins Lichtmodell, 124 Feindschaft zu Sommerfeld, 134 historisches Paradox, 201 Stark-Effekt, 128 statistische Strahlungstheorie, 102 Stern, Otto, 98 Stöckler, Manfred, 296 Stokessche Regel, 25 Störungstheorie, 109 Strahlungsdruck, 65 Schwankung, 83 Strahlungsenergiedichte, 16

387

T

Taylor, Geoffrey Ingram, 257 Tegmark, Mark, 34 Teilchenartigkeit Licht, 51 naiver Realismus, 286, 320 W. H. Bragg, 140 Welle-Teilchen-Dualismus, 82 Teller, Paul, 298 Thomson, George Paget, 137 Thomson, Joseph John, 61 mentales Modell, 136 transactional interpretation, 43 Triggerhypothese, 73 Troland, Leonard Thompson, 36 Turner, Mark, 227, 323 Twiss, Richard Quentin, 250

U

Uhlenbeck, George Eugene, 100 ultrarelativistischer Limes, 72 ultrarelativistischer Stoßprozess, 155 Ununterscheidbarkeit, 102

V

Vaihinger, Hans, 112, 126, 309 van der Waerden, Bartel L., 171 Ventilwirkung von Oszillatoren, 146 Verschränkung, 260, 263, 279 Vortex-Photon, 137

W

Web of Science, 44 Weinberg, Stephen, 287 Weisskopf, Victor, 287 Welcher-Weg-Experimente, 266 Welle-Teilchen-Dualismus, 82, 305 Delayed Choice, 266 Kopenhagener Deutung, 88 Lokalität, 299 Wellenpaket, 153, 303, 321

388

Namens- und Stichwortverzeichnis

Wheeler, John A., 42, 203, 242, 266, 269, 286 Whewell, William, 26 Wien, Wilhelm, 18 Wien-Limes, 25 Wigner, Eugene Paul, 11, 34, 270, 300 Wirkungsquantum. see Plancksches Wirkungsquantum Wirkungsquerschnitt, 281 Wolfers, Frithiof, 39 Wolfke, Mieczyslaw, 33, 103 Wootters, William Kent, 279 Wörterbuch, 3 Wortfeld, 7 Wurmser, René, 38

Z

Zeeman-Effekt, 96 Zeh, H. Dieter, 291 Zeilinger, Anton, 279, 285 Zeitreihenanalyse von Lehrbüchern, 199 zeitsymmetrische Beschreibung, 154 Zerfallsgesetz radioaktives, 91 Zufall, 92 Debye, 147 Sommerfeld, 147 Zurek, Wojciech Hubert, 279 zweite Quantentheorie, 30 mentales Modell, 145 zweite Quantisierung, 108, 178 zweiter Hauptsatz der Thermodynamik, 66 Planck, 13