Lernen durch Wandel – Wandel durch Lernen [1 ed.] 9783896449320, 9783896732347

Die Arbeitswelt befindet sich im Umbruch. Täglich werden in den Medien Hiobsbotschaften vom Arbeitsmarkt vermeldet, Glob

162 27 2MB

German Pages 352 [353] Year 2004

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Lernen durch Wandel – Wandel durch Lernen [1 ed.]
 9783896449320, 9783896732347

Citation preview

MANAGEMENTSCHRIFTEN Fachhochschule Ludwigshafen am Rhein — Hochschule für Wirtschaft

JUTTA RUMP SILKE SCHMIDT

Lernen durch Wandel – Wandel durch Lernen

Verlag Wissenschaft & Praxis

Lernen durch Wandel – Wandel durch Lernen

Managementschriften Fachhochschule Ludwigshafen am Rhein Hochschule für Wirtschaft

HERAUSGEGEBEN VON BEATE KREMIN-BUCH, FRITZ UNGER HARTMUT WALZ

Sonderband 1

Jutta Rump Silke Schmidt

Lernen durch Wandel – Wandel durch Lernen

Verlag Wissenschaft & Praxis

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

ISBN 3-89673-234-X © Verlag Wissenschaft & Praxis Dr. Brauner GmbH 2004 D-75447 Sternenfels, Nußbaumweg 6 Tel. 07045/930093 Fax 07045/930094

Alle Rechte vorbehalten Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany

Vorwort

VORWORT

„Lernen durch Wandel – Wandel durch Lernen“ – ein zentrales Motto, das heute und in Zukunft die Business Welt bestimmt bzw. bestimmen wird. Welche große Bedeutung es hat, zeigt, dass die Themen, die mit Wandel und Lernen verbunden sind, die Medien beschäftigen und auf Konferenzen, Tagungen und Kongressen zur Sprache kommen. So auch auf der Konferenz „Women in European Business“ (WEB) der Deutschen Bank am 04. März 2004. Sie hatte den Titel „Lernen durch Wandel – Wandel durch Lernen“ und fokussierte u.a. auf die Themenfelder Demografische Trends, Wissensmanagement, Changemanagement, Lebenslanges Lernen, Interkulturelle Kompetenz und Work-Life-Balance. Wir, die an diesem Buch arbeiteten, fühlten uns bestärkt, einige der ‚richtigen’ Fragestellungen thematisieren zu haben. Zu diesem Zeitpunkt suchten wir noch nach einem geeigneten Titel für unser Buch. Der Titel der Konferenz schien in einfacher aber prägnanter Weise das auszudrücken, was uns wichtig ist. Wir möchten deshalb den Mitgliedern des Executive Komitees der WEBKonferenz danken, dass wir den Titel der Veranstaltung auch für unser Buch verwenden dürfen und dass sie als Impulsgeberinnen zur Verfügung standen. Des Weiteren danken wir Sibylle Groh, ohne deren Unterstützung dieses Buch niemals zu Stande gekommen wäre. Ob als Diskussionspartnerin, bei Literaturrecherchen und Formatierungen oder als ‚gute Fee im Hintergrund’ – Sie war stets da und half. Unser Dank gilt auch Christiane Ratka und Beate Gerlach, die uns – vor allem in Phasen des ‚Durchhängens’ – immer wieder mental unterstützten.

5

Vorwort

Nicht zuletzt möchten wir Prof. Dr. Beate Kremin-Buch, Prof. Dr. Fritz Unger und Prof. Dr. Hartmut Walz danken, die für die Managementschriften der Fachhochschule Ludwigshafen verantwortlich sind und als deren Herausgeber fungieren. Sie haben es ermöglicht, dass wir mit diesem Buch die Reihe der Sonderbände eröffnen. Ludwigshafen, im März 2004

Jutta Rump

6

Silke Schmidt

Inhaltsverzeichnis

INHALTSVERZEICHNIS

Vorwort

5

Inhaltsverzeichnis

7

Über die Autoren

9

A Wandel in der Arbeitswelt – Trends und Herausforderungen für Mensch und Organisation

11

B Ausgewählte Themenfelder (1)

(2)

Management von erfolgskritischem Wissen Intergenerative und lebensphasenorientierte Personalpolitik – Der Einfluss der demografischen Entwicklung

67

169

7

Inhaltsverzeichnis

(3)

(4)

8

Employability Management - Ein ganzheitlich-integrativer Ansatz zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit durch Beschäftigungsfähigkeit der Mitarbeiter

219

Work-Life-Balance als Wettbewerbsvorteil zukunftsorientierter Unternehmen

313

Autoren

Über die Autoren: Dr. Jutta Rump ist Professorin für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Internationales Personalmanagement und Organisationsentwicklung an der Fachhochschule Ludwigshafen. Neben ihrer Tätigkeit als Vizepräsidentin der Fachhochschule Ludwigshafen (Bereich Forschung und Technologietransfer) leitet sie das hauseigene Institut für Beschäftigung und Employability und ist Mitglied des Vorstandes des gemeinnützigen Vereins „Wege zur Selbst GmbH“. Diplom-Betriebswirtin (FH) Silke Schmidt studierte im berufsintegrierenden Studiengang (BIS) an der Fachhochschule Ludwigshafen Betriebswirtschaftslehre und ist derzeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Beschäftigung und Employability der Fachhochschule Ludwigshafen tätig.

9

Wandel in der Arbeitswelt

WANDEL IN DER ARBEITSWELT – TRENDS UND HERAUSFORDERUNGEN FÜR MENSCH UND ORGANISATION

___________________________________________________________ Abbildungsverzeichnis 1. Einleitung 2.

Trends 2.1 Ökonomische Trends 2.2 Technologische Entwicklungen: Die mobile Arbeitswelt 2.3 Gesellschaftliche Trends 2.4 Die demografische Entwicklung 2.5 Trends auf dem Arbeitsmarkt

11

Wandel in der Arbeitswelt 3. Konsequenzen für Unternehmen 3.1 Unternehmensführung 3.2 Personalführung 3.3 Organisation 3.4 Personalmanagement 3.5 Personalentwicklung 4. Konsequenzen für den Einzelnen 5. Fazit Literaturverzeichnis ______________________________________________________

12

Wandel in der Arbeitswelt

ABBILDUNGSVERZEICHNIS Abbildung 1

Die Anyplace / Anytime-Matrix

Abbildung 2

Die quantitative Bevölkerungsentwicklung bis 2050

Abbildung 3

Anteil der über 65-Jährigen an der Gesamtbevölkerung

Abbildung 4

Volumen an bezahlter Arbeit im Zeitablauf

Abbildung 5

Entwicklung der Berufsabschlüsse

Abbildung 6

Das Spannungsfeld des Arbeitsmarktes

Abbildung 7

Merkmale zur Abgrenzung von Management und Leadership

Abbildung 8

Entwicklung der leistungsabhängigen Gehaltskomponenten

Abbildung 9

Ausgangssituation für Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Staat

13

Wandel in der Arbeitswelt

1

Einleitung

Die Arbeitswelt befindet sich im Umbruch. Täglich werden in den Medien Hiobsbotschaften vom Arbeitsmarkt vermeldet, Globalisierungseffekte diskutiert, die Entwicklung zur Wissensgesellschaft und der gesellschaftliche Wertewandel thematisiert sowie demografische Veränderungen und ihre Konsequenzen beschrieben. Was verbirgt sich hinter diesen Entwicklungen, welchen Einfluss haben sie und welche Herausforderungen ergeben sich für Unternehmen und den Einzelnen?

14

Wandel in der Arbeitswelt

2

Trends

Es ist davon auszugehen, dass die Arbeitswelt in den nächsten 10 Jahren durch eine Reihe von ökonomischen und technischen Trends, durch die Veränderung von gesellschaftlichen Werten, durch die demografische Entwicklung sowie durch Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt beeinflusst wird.

2.1 Ökonomische Trends Internationalisierung / Globalisierung Inwieweit die Internationalisierung in der deutschen Wirtschaftslandschaft fortgeschritten ist, zeigen vor allem Indikatoren wie die Exportquote, Auslandsinvestitionen sowie die Anzahl getätigter Fusionen bzw. deren Kapitalwert. •

Von je her wird Deutschland als Exportland, manchmal sogar als Exportweltmeister bezeichnet. Seit den 70er Jahren ist die Exportquote kontinuierlich gestiegen. 1980 betrug sie 36%, 1990 fast 40% und im Jahr 2000 49%. Heute hängt jeder 3. Arbeitsplatz vom Export ab. Zum Vergleich: in den USA ist es nur jeder 11. Arbeitsplatz. Für das Jahr 2010 wird eine Exportquote von annähernd 60% erwartet.1



Ca. 40% der deutschen Unternehmen investierten 2001 im Ausland. Laut einer Umfrage der DIHK werden 34% dieser Unternehmen in den nächsten Jahren ihr Budget für Auslandsinvestitionen aufstocken, 54% planen mit einem gleichen oder ähnlichen Budget. Lediglich

1

Institut der Deutschen Wirtschaft (2002), S. 40ff.

15

Wandel in der Arbeitswelt 12% beabsichtigen, ihre Auslandsinvestitionen zu reduzieren. Hinsichtlich des Investitionsmotivs zeigen die im Ausland investierenden Unternehmen Veränderungen: Während in der Vergangenheit vielfach in die Produktion investiert wurde, gewinnt in Zukunft der Funktionsschwerpunkt ‚Vertrieb und Kundendienst’ an Bedeutung.2 •

Die Anzahl der Fusionen weltweit ist in einem Zeitraum von 1990 bis 2000 von rund 9.000 auf 25.000 gestiegen. Ihr Wert hat sich von 290 Mrd. $ auf 2.350 Mrd. $ verachtfacht. Allein bei der Europäischen Kommission hat sich die Zahl der Fusionsanmeldungen im Jahr 2000 (292) verglichen mit den Anmeldungen 1997 nahezu verdoppelt. Fusionen – seien sie nun sinnvoll und / oder ökonomisch erfolgreich oder nicht – haben nicht unerheblich zu einer Ausweitung der internationalen Vernetzung beigetragen. Zwar ist die Zahl der Fusionen seit Mitte 2001 deutlich zurückgegangen, und für die nächsten Jahre ist ein erneuter Anstieg nicht prognostiziert. Es verändert jedoch nicht den Status-Quo der internationalen Vernetzung, die heute und in Zukunft die Unternehmensstrategien und –tätigkeiten wesentlich beeinflusst.3

Es wird deutlich, dass Internationalisierung betriebliche Realität ist und die deutsche Wirtschaft im Vergleich zu vielen anderen Ländern in der höchsten Liga der internationalen Wirtschaftsbeziehungen spielt. Dies wird sich in den nächsten Jahren nicht ändern.

2 3

Vgl.: DIHK (2001), S. 1, 2. Vgl.: Bundesministerium für Wirtschaft (2002).

16

Wandel in der Arbeitswelt Die Entwicklung zur Wissensgesellschaft Nachdem Gutenberg die Druckerpresse erfunden hatte, dauerte es mehr als 300 Jahre, bis sich das Volumen der Informationsmedien weltweit verdoppelte. Heute erfolgt eine Verdoppelung nahezu alle fünf Jahre. In den nächsten 10 Jahren wird sich das Wissen in der Hälfte der Zeit verdoppeln. Gleichzeitig sinkt die Halbwertszeit des Wissens rapide. Wissen ist in immer kürzerer Zeit überholt – dies gilt umso mehr, je spezieller dieses Wissen ist. Mit der Vermehrung und Kurzlebigkeit gehen eine weitgehende Fragmentierung und Spezialisierung des Wissens einher. Während vor 100 Jahren ein Universalgelehrter noch einen Gesamtüberblick über den Stand aller Forschungsgebiete haben konnte, gestaltet es sich heute bereits schwierig, einzelne Wissenschaftsgebiete und deren neueste Entwicklungen zu überblicken. Die fortschreitende Globalisierung der Wirtschaft und Wissenschaft führt darüber hinaus zu einer Globalisierung des Wissens. Raum- und Zeitdifferenzen spielen eine immer geringere Rolle. Die Zentren der Wissensgenerierung und des Fortschritts verteilen sich mittlerweile über die ganze Welt.4 Um in einem solchen Umfeld zu bestehen und dauerhaft wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen Unternehmen mehr und mehr Produkte und Dienstleistungen anbieten, die sich durch Neuartigkeit und Hochwertigkeit von der Konkurrenz abheben. Dies gilt vor allem für Unternehmen aus Ländern mit hohem Lohnniveau. Neben den gestiegenen Anforderungen an Produkte und Dienstleistungen wird die Zeitspanne zwischen Erfindung und kommerzieller Anwendung immer geringer. Da sich der Lebenszyklus von Produkten und Dienstleistungen verkürzt, müssen Investitionen in Forschung und Entwicklung, Produktion sowie Marketing schneller amortisiert werden. Ein solcher kontinuierlicher und beschleunigter Wertschöpfungsprozess erfordert ein hohes Maß an Wissen. Produkte und Dienstleistungen, die auf einem Maximum an relevantem Wissen aufbauen, gehen in der Regel mit der Markt-Strategie ME-FIRST statt ME-TOO einher. Während bis Mitte der 90er Jahre 50% der Produktivitätszuwächse 4

Vgl.: Bürgel, H.-D. / Zeller, A. (1998), S. 55; Pfiffner, M. / Stadelmann, P. (1999), S. 57ff.; Probst, G./ Raub, S. / Romhardt, K. (1998), S. 21f.

17

Wandel in der Arbeitswelt aus dem Einsatz von Wissen resultierte, sind es heute bereits 80%. Für die nächsten 10 Jahre wird mit einem Anteil von 90% gerechnet.5 Tertiarisierung der sektoralen Entwicklung Derzeit sind 63% aller Beschäftigten im Dienstleistungssektor tätig. 34% der Erwerbstätigen gehören dem sekundären Sektor an und 3% der Erwerbstätigen arbeiten im primären Sektor. Von den 34% aller in der Industrie Beschäftigten üben 48% eine Dienstleistungstätigkeit aus. Solche Dienstleistungstätigkeiten umfassen u.a. die Bereiche Forschung und Entwicklung, Personalmanagement, Controlling, Wartung etc. Fourastié hat Mitte der 50er Jahre des letzten Jahrhunderts die These aufgestellt, dass zur Jahrtausendwende 80% der Erwerbstätigen im tertiären Sektor beschäftigt sein würden. Diese Vorhersage hat sich auf den ersten Blick nicht erfüllt. Wird jedoch der Blickwinkel erweitert und der Fokus auf Dienstleistungstätigkeiten gelegt, ist die Fourastié-These zu bestätigen. Es ist damit zu rechnen, dass sich der Trend zur Tertiarisierung aufgrund der weiteren Abwanderung der Massenproduktion in Niedriglohnländer, des Outsourcings von haushaltsnahen Dienstleistungen6, der steigenden Nachfrage nach Presales- und Aftersales-Services sowie der Entwicklung in Richtung von wissensintensiven Gütern fortsetzen wird.

5 6

Vgl.: Wagner, A. / Gensior, S. (2002), S. 64f. Mit der wachsenden Erwerbstätigkeit von Frauen werden die Haushalte häufig einen Teil der bislang in Eigenarbeit erstellten Güter und Dienstleistungen outsourcen. Die Verminderung der Eigenarbeit wird als eine wesentliche Quelle für die Herausbildung neuer Tätigkeiten im Dienstleistungssektor angesehen. Vgl.: Bosch, G. et al. (2001), S.15; Wagner, A. / Gensior, S. (2002), S. 58.

18

Wandel in der Arbeitswelt

2.2 Technologische Entwicklungen: Die mobile Arbeitswelt Die Informations- und Kommunikationstechnologie gehört heute sowohl im beruflichen Bereich als auch im Privatleben zum Alltag. Derzeit nutzen ca. 25 Mio. Deutsche im Alter von 14 bis 69 Jahren das Internet. Tendenz steigend! Gleichzeitig sind ca. 40 Mio. Mobiltelefone im Gebrauch. In diesem Zusammenhang wird auch immer wieder darauf hingewiesen, dass heute lediglich 20 % der technischen Möglichkeiten genutzt werden. Dies betrifft vor allen Dingen den Business-Bereich. Ein solches Potenzial wird insbesondere mit dem Feld Electronic Mobility (e-mobility) verbunden. Unter e-mobility werden unterschiedliche Formen netzgestützter oder ITbegleiteter Arbeit zusammengefasst, die sich Wege der Assistenz, der Delegation und / oder anderer agentenbasierter Hilfsmittel bedienen. E-mobility impliziert fünf Arten der Mobilität:7 •

Mobilität der Person



Mobilität der Arbeit bzw. der Arbeitsinhalte



Mobilität der Arbeitsbeziehungen



Mobilität der technischen Werkzeuge



Virtuelle Mobilität in paralleler Umgebung

Diese jüngste Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologie verbessert nicht nur die Möglichkeiten der Zusammenarbeit und der Koordination trotz räumlicher und zeitlicher Verteilung der Beteiligten. Sie eröffnet auch Möglichkeiten der räumlichen und zeitlichen 7

Vgl.: Weiss, M. / Schröter, W. (2001), S. 20ff.

19

Wandel in der Arbeitswelt Unabhängigkeit bei der Aufgabenbewältigung. Die Anyplace / AnytimeMatrix verdeutlicht die grundsätzlichen Handlungsoptionen, je nachdem, ob am gleichen Ort oder an unterschiedlichen Orten, zur gleichen Zeit oder zu verschiedenen Zeitpunkten kooperiert wird.8

Same place Same time

Face to Face

Different place • Telephone conferencing • Data conferences on linked electronic boards • Two-way-video • Remoting screen sharing

Different time

• Workstations

• E-mail

• Bulletin Boards

• Voice-mail

• Team Rooms

• Computer conferencing

• Kiosks

• Shared data base

Abbildung 1: Die Anyplace / Anytime-Matrix (Reichwald, R. (2002))

8

Vgl.: Reichwald, R. (2002), S. 12f.

20

Wandel in der Arbeitswelt Mobiles Business hat drei Merkmale:9 •

Ubiquitärer Netzzugang und sofortige Weiterverarbeitung: Mit der 3. Mobilfunkgeneration ist ein mobiles Endgerät immer online, ist immer einsatzbereit und lässt sich aufgrund ihrer geringen Größe überall hin mitnehmen. Damit werden räumliche und zeitliche Restriktionen aufgehoben. Informationen können an jedem Ort zu jeder Zeit abgerufen, weiterverarbeitet und gesendet werden.



Ortsbezogene Dienste: Mit der mobilen Technologie wird die Lokalisierung des Nutzers möglich. Diese Lokalisierung ermöglicht das Angebot von Location Related Services (Dienstleistungen, die dem Nutzer in Abhängigkeit vom seinem aktuellen Aufenthaltsort angeboten werden). Beispiel sind Staumeldungen, Wegbeschreibungen etc. Darüber hinaus können Dienstleistungen im aktionsbezogenen, zeitspezifischen und interessenorientierten Kontext zur Verfügung gestellt werden. Mobile Endgeräte werden zu den ‚Heinzelmännchen’ der Zukunft, die zu jedem Zeitpunkt und an jedem Aufenthaltsort immer passende, auf die jeweiligen Anwender zugeschnittene Informationen bereithalten.



Eindeutige Identifizierung: Die mobile Technologie ermöglicht eine schnelle, einfache und eindeutige Identifizierung des Benutzers. Die Gefahr des Datenmissbrauchs sinkt im Vergleich zum Internet. Rufnummern, Kartennummern und die Pin-Abfrage gewährleisten eine eindeutigere Zuordnung. Zwar kann auch im festnetzgebundenen Internet über eine Registrierung und ein Login mit Passwort eine eindeutige Identifizierung erreicht werden. Hierfür sind jedoch in der Regel mehrere

9

Vgl.: Reichwald, R. (2002), S. 17ff.

21

Wandel in der Arbeitswelt Schritte erforderlich, während im Rahmen der mobilen Technologie der Nutzen unmittelbar und damit schneller identifiziert wird.

2.3 Gesellschaftliche Trends Die gesellschaftlichen Werte sind durch eine Reihe von Spannungsfeldern gekennzeichnet: Lebensgenuss

Leistungsorientierung

Familie

Beruf

Individualisierung

Orientierung an gemeinsamen Zielen

Flexibilität

Suche nach Beständigkeit

2.3.1 Spannungsfeld Lebensgenuss und Leistungsorientierung Lebensgenuss und Leistung werden von vielen jüngeren Arbeitnehmern und von denjenigen, die sich noch nicht im Erwerbsprozess befinden, nicht als Gegensatz angesehen. Sie versuchen stattdessen beides miteinander zu vereinbaren. Philosophie ist: „Kein Lebensgenuss ohne Leistung …Lebensgenuss lenkt nicht automatisch von Leistung ab. Wer das Leben nicht genießen kann, wird auf Dauer nicht leistungsfähig sein.“ 10 Daraus folgt zweierlei: Zum einen wird in Zukunft vermehrt nach neigungsgerechten, herausfordernden Aufgaben und Entwicklungschancen gesucht. Spaß an der Arbeit gewinnt ebenfalls an Bedeutung, ebenso wie die Mitwirkung an Gestaltungs- und Entscheidungsprozessen. Entsprechend wird die Bereitschaft zur hierarchischen Unterordnung, zur Bear10

Opaschowski, H. (1997), S. 43.

22

Wandel in der Arbeitswelt beitung von Aufgaben, die nicht als interessant, herausfordernd und neigungsgerecht angesehen werden, sowie zur Fremdsteuerung und zu Gehorsam abnehmen. 11 Zum anderen wird in Zukunft der Wunsch nach einer klassischen Karriere im Sinne von beruflichem Aufstieg, Einfluss, hohem Einkommen und Status eine geringere Rolle spielen. Schon heute ist festzustellen, dass bei jüngeren Führungskräften dieser Wunsch geringer ausgeprägt ist als bei älteren Kollegen. Überdurchschnittlich hartes Arbeiten und der Verzicht auf Freizeit und Familienleben werden als Preis für die Karriere immer weniger in Kauf genommen. Die abnehmende Karriereorientierung bedeutet im Gegenzug aber nicht, dass die ‚freizeitorientierte Schonhaltung’ zunimmt. Gerade die jüngere Generation versucht ein Gleichgewicht auf hohem Niveau zu erreichen. Sie strebt eine Karriere in Kombination mit interessanten, die eigene Entwicklung fördernden und mit dem persönlichen Wertesystem kompatiblen Aufgabenstellungen an. Wenn diese Möglichkeit jedoch nicht besteht, wenden sie sich relativ schnell einem alternativen Engagement zu. Bei alternativen Engagements stehen der Sinn der Arbeit und die Kompatibilität der Aufgaben mit ethischen Idealen im Vordergrund. Alternative Engagements beinhalten nicht selten Aufgaben, die zur Umsetzung von ethischen Idealen beitragen. In der Regel gehen sie einher mit einem Verzicht auf hohe Entlohnung und Status. Damit wird die Bedeutung der Sinnhaftigkeit von Aufgaben am Arbeitsplatz für die Motivation deutlich. Eine Studie von Wunderer / Dick geht davon aus, dass in den nächsten 10 Jahren die Nachfrage nach alternativem Engagement ungefähr in dem Maße steigen wird, wie die klassische Karriereorientierung sinkt. 12

11 12

Vgl.: Wunderer, R. / Dick, P. (2002), S. 29. Vgl.: Wunderer, R. / Dick, P. (2002), S. 32f.

23

Wandel in der Arbeitswelt

2.3.2 Spannungsfeld Familie und Beruf Viele Untersuchungen ergeben, dass die Balance zwischen Arbeit und anderen Lebensbereichen, insbesondere der Familie, zu einem bevorzugten Ziel avancieren. Es wird deutlich, dass dieses Ziel geschlechterunabhängig angestrebt wird, der Starting Point und die Wege zur Zielerreichung hingegen bei Frauen und Männern unterschiedlich sind. 13 Die Situation von vielen Frauen ist heute immer noch durch eine höhere Familienorientierung und eine niedrigere Berufsorientierung gekennzeichnet. Für die nächsten Jahre ist jedoch damit zu rechnen, dass Frauen zunehmend berufsorientierter werden. Als Ursache für diese Entwicklung gilt zum einen ein neues Rollenverständnis. Das Alleinverdienermodell ist nicht mehr das absolute Leitbild für die Familie. Das tradierte Familienmuster, bei dem die Frau die Steigbügel für die Karriere ihres Mannes hält, hat in der jüngeren Generation ausgedient. Zum anderen trägt das steigende Qualifikationsniveau von Frauen zur zunehmenden Berufsorientierung bei. Die Korrelation zwischen Qualifikationsniveau und Berufsorientierung lässt sich u.a. daraus ableiten, dass Frauen mit Hochschulabschluss deutlich häufiger erwerbstätig sind als Frauen mit niedrigerer Qualifikation. So sind derzeit 81 % der Frauen zwischen 25 und 54 Jahren mit einem höheren Berufsabschluss erwerbstätig, während die Beschäftigungsquote bei Frauen mit einem niedrigeren Berufsabschluss ca. 50% beträgt. Beide Faktoren - neues Rollenverständnis und steigendes Qualifikationsniveau - bedingen sich gegenseitig. Darüber hinaus beeinflusst die sinkende Halbwertszeit von Wissen den Trend zur steigenden Berufsorientierung. Wer für einige Jahre das Berufsleben verlässt (z.B. im Rahmen der Elternzeit), findet nicht selten nur schwer wieder den Einstieg. Diese Schwierigkeit steigt mit zunehmendem Qualifikationsstand. Steigende Beschäftigungsunsicherheiten und Lebenshaltungskosten haben ebenfalls einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Berufsorientierung von Frauen. 13

Vgl.: Gemeinnützige Hertie-Stiftung (1998); Wunderer, R. / Dick, P. (2002), S. 33ff.; Bosch, G. et al. (2001), S. 12.

24

Wandel in der Arbeitswelt Nicht wenige Beschäftigte sehen ihren Arbeitsplatz als nicht unbedingt sicher an. Wenn beide Lebenspartner erwerbstätig sind, reduziert sich das wirtschaftliche Risiko. Um einen bestimmten Lebensstandard zu erreichen, ist es nicht selten notwendig, dass beide Lebenspartner erwerbstätig sind. Der Verzicht auf das Entgelt eines Lebenspartners kann u.a. aufgrund steigender Lebenshaltungskosten zu Konsumeinschränkungen und zur Reduzierung der Sparquote führen. Darüber hinaus trägt die steigende Zahl von weiblichen Single-Haushalten und von alleinerziehenden Eltern zu einer zunehmenden Berufsorientierung von Frauen bei. Ein Ausscheiden aus dem Beruf kommt für diese Gruppe heute und in Zukunft nur bedingt in Frage.14 Während bei Frauen die Berufsorientierung und der Wert für den Beruf zunehmen, steigt bei vielen Männern der Wert für die Familie. Die Situation vieler Männer ist derzeit durch eine hohe Berufsorientierung im Vergleich zur Familienorientierung gekennzeichnet. Es ist damit zu rechnen, dass viele männliche Fach- und Führungskräfte zukünftig weniger bereit sind, private Interessen beruflichen Belangen unterzuordnen. Karriere um jeden Preis und zulasten der Familie wird immer weniger angestrebt. Stattdessen möchte ein zunehmender Teil der männlichen Erwerbstätigen Arbeits- und Familienleben in ein Gleichgewicht bringen und stellt deshalb höhere Anforderungen an die Vereinbarkeit. 15

14 15

Vgl.: Bosch, G. et al. (2001), S. 10, 11, 16, 28; Gemeinnützige Hertie-Stiftung (1998), S. 13ff.; Wagner, A. / Gensior, S. (2002), S. 54f., 58. Vgl.: Wagner, A. / Gensior, S. (2002), S. 54, 58.

25

Wandel in der Arbeitswelt

2.3.3 Spannungsfeld Individualisierung und Orientierung an gemeinsamen Zielen Die individualistische Orientierung spielt in unserem Kulturkreis seit je her eine wesentliche Rolle. Wird die ältere Generation mit der jüngeren verglichen, ist jedoch festzustellen, dass die individualistische Orientierung der jüngeren Generation, insbesondere derjenigen, die nach 1970 geboren worden sind, ausgeprägter ist als die der älteren Generation.16 Da die jüngere Generation in den nächsten Jahren das Geschehen in Unternehmen deutlich beeinflussen wird, ist die überdurchschnittliche individualistische Orientierung eine Determinante, die es in der Unternehmensund Personalpolitik zu berücksichtigen gilt. Die Gruppe der nach 1970 Geborenen wird häufig als die Generation Y oder Generation dot.com bezeichnet. Die Generation Y wird als optimistisch, multikulturell, paradox, entrapreneurial, experimentierfreudig, erlebnishungrig, informiert beschrieben, die aus eigenen Erfahrungen lernen will. Entscheidungen werden nicht selten vor dem Hintergrund des eigenen Vorteils getroffen. Dahinter steht vor allem die Philosophie, dass die eigene Person „der Anfang der geraden Line zum Erfolg“17 ist. Die Berücksichtigung des eigenen Vorteils und die Maximierung des persönlichen Nutzens sind bei der Generation Y vielfach mit hoher Leistungsorientierung verbunden. Das Leistungsverhalten der Generation Y weist eine hohe Kompatibilität zu den wirtschaftlichen Reaktionsmustern auf. Durch die hohe Veränderungsgeschwindigkeit und die sich verschärfende Wettbewerbssituation bestehen gemäß dem evolutionären Paradigma ‚survival of the fittest’ nur diejenigen Unternehmen, die sich an die externen und internen Rahmenbedingungen am besten und am schnellsten anpassen. Nur wer besser und schneller als die Mitwettbewerber ist, überlebt. Ein Ergebnis ist u.a. die Fokussierung auf Kernkompetenzen. „Es überlebt nur, wer eine eindeutige Kernkompetenz aufweist, also etwas hat, was er 16 17

Vgl.: Wunderer, R. / Dick, P. (2002), S. 30. Scholz, C. (2002), S. 2.

26

Wandel in der Arbeitswelt besser kann als andere, und für das ein entsprechender Markt vorhanden ist.“18 Darüber hinaus wird die Leistungsbereitschaft der Generation Y durch Spaß und Freunde an der Arbeit beeinflusst. Wird als Bezugsrahmen die Typologien von Menschenbildern herangezogen, gehört die Generation Y eindeutig zu McGregors Typ Y. Sie ist selbstmotiviert und ehrgeizig. Nur verfolgt sie nicht unbedingt die Ziele des Unternehmens, sondern in erster Linie die eigenen Interessen. 19 In Zukunft ist also mit einer steigenden individualistischen Orientierung zu rechnen. Wie entwickelt sich die Orientierung an gemeinsamen Zielen? Ist von einer Trade-Off-Beziehung zwischen der individualistischen Orientierung und der Orientierung an gemeinsamen Zielen auszugehen? Zahlreiche Studien kommen zu dem Schluss, dass nicht nur die individualistische Orientierung zunimmt, sondern auch die Bedeutung der Orientierung an gemeinsamen Zielen gewinnt. Begründet wird diese Entwicklung mit der Einsicht in die Notwendigkeit von Kooperation und Teamarbeit. Die komplexer werdenden Aufgabenstellungen und der hohe Spezialisierungsgrad lassen sich allein nicht mehr bewältigen. Um in immer kürzer werdenden Zeiträumen neue Produkte und Dienstleistungen auf den Markt zu bringen und Prozesse effektiv und effizient zu gestalten sowie die Ressourcenallokation zu optimieren, bedarf es des Zusammenwirkens aller relevanter Wissensträger. Darüber hinaus versteht die jüngere Generation Kooperation und Teamarbeit am Arbeitsplatz als Teil des Lebensgenusses und der Lebensqualität. Lebensgenuss und Lebensqualität haben eine hohe Relevanz bei der Wahl des Arbeitsplatzes und des Arbeitgebers. 20

18 19 20

Scholz, C. (2002), S. 1. Vgl.: Scholz, C. (2002), S. 2. Vgl.: Armutat, S. et al. (2002); Rump, J. / Lau-Villinger, D. (2001); Wagner, A. / Gensior, S. (2002), S. 69; Wunderer, R. / Dick, P. (2002), S. 30.

27

Wandel in der Arbeitswelt

2.3.4 Spannungsfeld Flexibilität und Suche nach Beständigkeit Es ist davon auszugehen, dass der Wunsch nach herausfordernden und neigungsgerechten Tätigkeiten, nach sinnvollen Aufgaben sowie nach Freude an der Arbeit bei der Wahl des Arbeitplatzes und bei der Entscheidung über den Verbleib im Unternehmen an Bedeutung gewinnen wird. Er bestimmt mehr und mehr die Laufbahnplanung und die eigenen Vorstellungen hinsichtlich des beruflichen Werdegangs. Wenn am Arbeitsplatz dieser Wunsch nicht erfüllt wird bzw. nicht erfüllt werden kann, wird nach Alternativen gesucht. Die Umsetzung dieses Wunsches geht einher mit Flexibilität und Mobilität. Darüber hinaus ist festzustellen, dass viele Beschäftigte die steigende Veränderungsgeschwindigkeit und die diskontinuierlichen Entwicklungen in ihren Denk- und Handlungsmuster antizipieren. Dies beeinflusst ebenfalls die Bereitschaft zur Flexibilität und Mobilität. 21 Nichtsdestotrotz gibt es eine Reihe von Arbeitnehmern, die weiterhin an Beständigkeit festhalten (werden). Diese Arbeitnehmergruppe weist in der Regel einen niedrigeren bzw. erfolgsunkritischen Qualifikationsstand auf. Rationalisierungen und die mit dem technologischen Fortschritt einhergehende Substitution von Arbeitsplätzen durch technische Systeme tragen nicht nur zu einem Anstieg der Arbeitsplatzunsicherheit sondern auch zu einer Steigerung der Beschäftigungsunsicherheit bei. Dies stellt eine erhebliche Belastung für die Arbeitnehmer, die einen niedrigen bzw. erfolgsunkritischen Qualifikationsstand aufweisen, dar.

21

Vgl.: Wunderer, R. / Dick, P. (2002), S. 34f.

28

Wandel in der Arbeitswelt

2.4 Die demografische Entwicklung Wir leben in einer schrumpfenden und vergreisenden Gesellschaft. Unter der Prämisse einer konstant niedrigen Fertilitätsrate (1,3), einer Lebenserwartung, die dem Trend der letzten Jahre folgend weiter ansteigt, sowie eines positiven Wanderungssaldos von + 200.000 p.a. nimmt die Bevölkerungszahl bis zum Jahr 2010 um ca. ½ Mio. ab. Wird das positive Wanderungssaldo nicht berücksichtigt bzw. ein geringerer Saldo zugrunde gelegt, reduziert sich die Bevölkerung entsprechend in einem höherem Maße.

Bevölkerung in Mio.

Abbildung 2 zeigt die Bevölkerungsentwicklung unter Berücksichtigung eines positiven Wanderungssaldos von 200.000 p.a. (mittleres Szenario). 84 82 80 78 76 74 72 70 68 66 64 62

82

81,4 77,7 Bevölkerung in Mio.

74,2 69,9

1999

2010

2030

2040

2050

Jahr

Abbildung 2: Die quantitative Bevölkerungsentwicklung bis 2050 (Institut der deutschen Wirtschaft (2002))

29

Wandel in der Arbeitswelt Aus den niedrigen Fertilitätsraten über die Jahre hinweg resultiert auch, dass die Bevölkerung immer älter wird. Während 1999 das Durchschnittsalter 40,9 Jahre war, wird es im Jahr 2010 auf 43,4 Jahre ansteigen und bis zum Jahr 2050 48,2 Jahre betragen. Gleichzeitig erhöht sich der Anteil derer, die über 65 Jahre alt sind. Unter Berücksichtigung, dass das Rentenzugangsalter bei 65 Jahre verbleibt und die bisherigen Zuwanderungsquoten eine Konstanz aufweisen, wird der Anteil der Rentner kontinuierlich ansteigen und einen immer größer werdenden Anteil an der Gesamtbevölkerung ausmachen. Derzeit beträgt der Anteil der über 65-Jährigen an der Gesamtbevölkerung 16,2%. Im Jahr 2010 wird er 20% betragen, in Jahr 2030 26% und im Jahr 2050 annähernd 30%. Abbildung 3 gibt einen Überblick.

90 70 60 50

Insgesamt

30

65 und älter

69,9

74,2

77,7

81,4

40

82

Bevölkerung in Mio

80

20 16,2

20,4

21,3

20,1

0

13,3

10

1999

2010

2030

2040

2050

Jahr

Abbildung 3: Anteil der über 65-Jährigen an der Gesamtbevölkerung (Institut der deutschen Wirtschaft (2002))

30

Wandel in der Arbeitswelt Der prognostizierten demografischen Entwicklung können zum einen steigende Fertilitätsraten und zum anderen weiter ansteigende positive Wanderungssalden entgegenwirken. Die Fertilitätsrate wird jedoch nur dann ansteigen, wenn eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie gefördert wird. Dies betrifft sowohl die Rahmenbedingungen als auch die gesellschaftlichen Wertemuster hinsichtlich Mutter- und Vaterschaft und Erziehung. Eine zunehmende Fertilitätsquote hat lediglich einen langfristigen Effekt auf die Bevölkerungsentwicklung. Es ist mit einer Zeitverzögerung von einer Generation zu rechnen. Kurzfristige Effekte sind hingegen durch weiter ansteigende positive Wanderungssalden zu verzeichnen. Auf Zuwanderung reagieren die Bevölkerungszahlen von Anfang an. Eine offensive Zuwanderungspolitik sollte jedoch im Zusammenhang mit den Trends auf dem Arbeitsmarkt und der Entwicklung zur Wissensgesellschaft gesehen werden. Dies impliziert vor allem den Wunsch nach hochqualifizierten Zuwanderern bzw. Zuwandern mit Wissenspotenzial.

2.5 Trends auf dem Arbeitsmarkt Bis zum Jahr 2010/2012 ist nicht damit zu rechnen, dass sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt nennenswert entspannt. Ganz im Gegenteil: Das Arbeitskräfteangebot wird trotz der demografischen Entwicklung (der Anteil der Rentner wird um 2,9 Mio. steigen) zunehmen. Die Gründe für diese Entwicklung sind vielfältig: •

Untersuchungen gehen davon aus, dass sich die Erwerbsbeteiligung von Frauen in den nächsten 10 Jahren von derzeit 64% auf 75% erhöht. Damit stieg die Anzahl der Frauen im Erwerbsprozess von 17,5 Mio. auf 20,5 Mio.22



Wird ein mittleres Bevölkerungsszenario (Positives Wanderungssaldo von 200.000 p.a.) zugrunde gelegt, werden in den nächsten Jahren 1,5 bis 1,6 Mio. Personen zuwandern. Unter der Prämisse, dass die durch-

22

Vgl.: Bosch, G. et al. (2001), S. 10f., 36; Wagner, A. / Gensior, S. (2002), S. 55.

31

Wandel in der Arbeitswelt schnittliche Erwerbsquote der im Bundesgebiet lebenden Ausländer ca. 50% beträgt, wird sich die Gruppe der ausländischen Erwerbspersonen bis zum Jahr 2011 / 2012 um ca. 750.000 bis 800.000 vergrößern.23 Daraus resultiert, dass das Arbeitskräfteangebot von derzeit 40,3 Mio. auf 41,2 Mio. Erwerbspersonen im Jahr 2011 / 2012 steigen wird. Seit vielen Jahren ist eine steigende Arbeitsproduktivität zu verzeichnen. Steigende Arbeitsproduktivität ist eine wesentliche Basis für Wohlstand. Ohne Produktivitätszuwächse lägen die Löhne und Gehälter heute noch bei einigen wenigen Euro je Stunde. Arbeitsproduktivitätszuwächse haben jedoch eine Kehrseite. Je mehr ein Mitarbeiter pro Stunde produziert, desto weniger Arbeitsstunden werden für dieselbe Arbeitsmenge benötigt. Gelingt es nicht, den Absatz ebenso schnell zu erhöhen, wie die Arbeitsproduktivität wächst, werden immer weniger Arbeitsstunden und damit letztlich weniger Mitarbeiter gebraucht. Vice versa kann nur durch Wachstum, das größer als die Produktivitätszuwächse ist, neue Beschäftigung entstehen. Für Deutschland gilt seit den 60er Jahren, dass die Produktivität schneller steigt als die Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts. So betrug in den letzten 10 Jahren die Wachstumsrate im Durchschnitt 1,5% p.a., während die durchschnittlichen Arbeitsproduktivitätszuwächse bei 2,2% p.a. lagen. Daraus folgt, dass das Volumen bezahlter Arbeit gesunken ist. Für die Zukunft wird eine ähnliche Entwicklung prognostiziert. Während 1990 ein Erwerbstätiger im Durchschnitt 1620 Stunden p.a. arbeitete, sind es heute noch ca. 1400 Stunden p.a. In 2010 wird ein Beschäftigter wahrscheinlich durchschnittlich ca. 1350 Stunden p.a. bezahlt tätig sein (siehe Abbildung 4).

23

Vgl.: Institut der deutschen Wirtschaft (2002), S. 10, 11; Bundeszentrale für politische Bildung (2002).

32

Volumen bezahlter Arbeit in Stunden p.a. pro Erwerbstätigen

Wandel in der Arbeitswelt

2500 2000

2150

1980

1820 1621

1500

1470

1350

1000 500 0 1960

1970

1980

1990

2000

2010

Jahr

Abbildung 4: Volumen an bezahlter Arbeit im Zeitablauf (Bosch, G. et al. (2001); Wagner, A. / Gensior, S. (2002)) Neben der rein quantitativen Betrachtung des Arbeitsmarktes ist es unabdingbar die qualitative Seite des Arbeitsmarktes zu beleuchten. Heute schon sichtbar und in Zukunft weiter verschärfend wird sich der Arbeitmarkt zu einem zwei-geteilten Arbeitmarkt entwickeln. • Auf der einen Seite besteht eine hohe Nachfrage an hoch-qualifizierten Arbeitskräften. Hochqualifiziert ist jedoch nicht unbedingt gleichzusetzen mit dem besten Qualifikationsabschluss. Hoch-qualifizierte Mitarbeiter sind stattdessen Inhaber des erfolgskritischen Wissens. Erfolgskritisches Wissen zeichnet sich vor allem durch einen hohen Einfluss auf den Leistungserstellungsprozess und / oder durch einen hohen Grad an Einzigartigkeit aus. Die hohe Nachfrage nach erfolgskritischem Wissen ist u.a. darauf zurückzuführen, dass in 33

Wandel in der Arbeitswelt Deutschland mehr und mehr wissensintensive Produkte und Dienstleistungen hergestellt werden. Wissen und damit die Wissensträger werden zum knappen Gut.24 • Auf der anderen Seite besteht eine niedrige Nachfrage an niedrigqualifizierten Arbeitskräften. Niedrig-qualifiziert bedeutet in erster Linie das Nicht-Vorhandensein des erfolgskritischen Wissens. Es ist davon auszugehen, dass in Zukunft die Anzahl der Arbeitsplätze, die unkritisches Wissen erfordern, weiter abnehmen wird. Diese Arbeitsplätze werden entweder verlagert oder durch den Einsatz von Technologien ersetzt. Zwar werden z.B. durch das Outsourcing von haushaltsnahen Dienstleistungen positive Beschäftigungseffekte in diesem Feld generiert. Dennoch ist damit zu rechnen, dass sie die negativen Beschäftigungswirkungen aus Rationalisierung und Verlagerung nicht vollständig kompensieren können.25 Die fehlende Kompensation kann zum einen darauf zurückgeführt werden, dass die Potenziale des Outsourcings von haushaltsnahen Dienstleistungen nicht ausgeschöpft werden. Das Image von solchen Beschäftigungsverhältnissen ist nur bedingt kompatibel mit der Mentalität vieler. Zum anderen werden auch hier Rationalisierungsmöglichkeiten - soweit es geht - genutzt. Wie bereits verdeutlicht, besteht keine Wenn-Dann-Beziehung zwischen formaler Qualifikation und dem Vorhandensein von erfolgskritischem Wissen. Dennoch lässt sich eine erhöhte Wahrscheinlichkeit bestimmen, dass Personen mit einer guten Qualifikationsstruktur eher zu den Trägern von erfolgskritischem Wissen gehören. Dieses Signal scheint auch wahrgenommen zu werden. So ist eine Änderung der Qualifikationsstrukturen als Reaktion auf die Entwicklung zum zwei-geteilten Arbeitsmarkt zu beobachten. Die Anzahl derjenigen, die keinen Berufsabschluss haben,

24 25

Vgl.: Armutat, S. et al. (2002), S. 17ff.; Rump, J. / Lau-Villinger, D. (2001), S.11ff.; Wagner, A. / Gensior, S. (2002), S. 65, 71. Vgl.: Bosch, G. et al. (2001), S. 15; Wagner, A. / Gensior, S. (2002), S.58.

34

Wandel in der Arbeitswelt nimmt kontinuierlich ab, während die Anzahl derjenigen, die nach einer hohen Formalqualifikation streben, stetig zunimmt.26 (siehe Abbildung 5) Qualifikationsstufe

1985

1995

2010

Ohne Abschluss

25,2%

16,7%

11,4%

Lehre

56,5%

60,5%

59,6%

Fachschule

8,0%

8,6%

12,0%

FH

3,5%

5,1%

6,7%

Uni

6,8%

9,0%

10,3%

Abbildung 5: Entwicklung der Berufsabschlüsse (Bosch, G. et al. (2001)) Es wird deutlich, dass sich der Arbeitsmarkt in einem enormen Spannungsfeld bewegt, das sich in den nächsten Jahren mit hoher Wahrscheinlichkeit noch verstärken wird.

26

Vgl.:Bosch, G. et al. (2001), S. 37.

35

Wandel in der Arbeitswelt

Steigendes Arbeitskräfteangebot

Überangebot an niedrigqualifizierten Arbeitskräften

Arbeitsmarkt

Hohe Nachfrage nach hochqualifizierten Arbeitnehmern

Sinkendes Volumen an bezahlter Arbeit Abbildung 6: Das Spannungsfeld des Arbeitsmarktes

Derzeit wird die Arbeitsmarktpolitik von zwei gegenläufigen Strömungen bestimmt: •

Zum einen die Erhöhung der Arbeitszeit ohne Lohnausgleich.



Zum anderen die Arbeitszeitreduktion ohne Lohnanpassung.

Welche Arbeitsmarkteffekte sind mit diesen Konzepten verbunden? Die Erhöhung der Arbeitszeit ohne Lohnausgleich löst sowohl kurzfristige als auch langfristige Wirkungen aus. Ad hoc wird eine Reduzierung der Relation Lohn / h erreicht. Kurzfristig hat diese verbesserte Relation Lohn / h nur wenige positive Arbeitsmarkteffekte. Ganz im Gegenteil! Es ist damit zu rechnen, dass die Anzahl der benötigten Arbeitskräfte sinkt. Dies lässt sich damit begründen, dass erstens bei einem konstanten Volumen an bezahlter Arbeit die Zunahme an Arbeitszeit zu einer Reduktion der Beschäftigten beiträgt, und zweitens sich in der Regel das Volumen an bezahlter Arbeit kurzfristig nicht ändern wird. Positive Arbeitsmarkteffekte ergeben sich erst mittel- bis langfristig. Es ist davon auszugehen, dass 36

Wandel in der Arbeitswelt die Erhöhung der Arbeitszeit ohne Lohnausgleich und die damit einhergehende Verbesserung des Lohn-Stunden-Verhältnisses mit Zeitverzögerung Wachstumseffekte generieren. Wenn die Kosteneinsparungen an den Kunden weitergegeben und / oder investiv verwendet werden, wird in der Regel die Wettbewerbsfähigkeit erhöht. Sobald die Wachstumseffekte höher ausfallen als die Arbeitsproduktivitätszuwächse, nimmt das Volumen an bezahlter Arbeit in der Volkswirtschaft zu. Ob sich positive Wirkungen für den Arbeitsmarkt und insbesondere für die Entwicklung der Arbeitslosigkeit ergeben, hängt jedoch nicht nur von der Gestaltung der Relation Lohn / h ab, sondern auch von den rechtlichen, politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen. Das Konzept der Arbeitszeitreduktion ohne Lohnanpassung bewirkt, dass die Relation Lohn / h steigt. Damit nehmen die Kostenbelastungen zu, was sich negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit auswirken kann. Wachstumseffekte bleiben aus; bei einer gleich bleibenden Entwicklung der Arbeitsproduktivitätszuwächse sinkt das Volumen an bezahlter Arbeit. Unter solchen Bedingungen ist mit negativen Arbeitsmarkteffekten und mit steigender Arbeitslosigkeit zu rechnen. Die Arbeitszeitreduktion ohne Lohnanpassung wirkt sofort und nachhaltig.

37

Wandel in der Arbeitswelt

3

Konsequenzen für Unternehmen

Aus den ökonomischen, gesellschaftlichen und demografischen Trends sowie aus den prognostizierten Arbeitsmarktentwicklungen lässt sich eine Vielzahl von Implikationen ableiten. Es ist davon auszugehen, dass die Trends und Entwicklungen Einfluss auf Unternehmensführung, auf Personalführung, auf Organisation, auf Personalmanagement sowie Personalentwicklung nehmen werden.

3.1 Unternehmensführung Die Unternehmensleitung und Führungskräfte werden in Zukunft insbesondere mit zwei Herausforderungen konfrontiert: Dem Umgang mit Komplexität sowie dem Umgang mit Veränderungen. Es ist davon auszugehen, dass Systematisierung, Strukturierung, Visualisierung, die Identifizierung von erfolgskritischen Determinanten und Wirkungszusammenhängen sowie die Entwicklung von Modellen den Umgang mit Komplexität erleichtern. Hilfreich sind dabei Ansätze wie •

Ziele setzen bzw. vereinbaren,



Rahmenbedingungen, Prämissen und Erfolgsfaktoren analysieren,



Handlungsalternativen planen,



eine effiziente Ressourcenallokation vornehmen,

38

Wandel in der Arbeitswelt •

die Entscheidungsfindung systematisch und nachvollziehbar gestalten,



die Umsetzung der Entscheidungen organisieren,



Steuerungs- und Evaluierungsansätze und –instrumente implementieren,



eine zielführende Prozessorganisation und Aufbauorganisation installieren,



die richtigen Mitarbeiter an den richtigen Arbeitsplatz zur richtigen Zeit einsetzen



etc.

Diese Ansätze, die dazu beitragen können, den Umgang mit Komplexität zu vereinfachen und handhabbar zu machen, gehören zu den wesentlichen Aufgaben im Rahmen von Management. Seit es Unternehmen gibt und viele Personen in einem gemeinsamen Kontext arbeiten, spielen die Handhabung und der Umgang mit Komplexität eine zentrale Rolle. Zwar hat sich in den letzen Jahren das Ausmaß an Komplexität deutlich erhöht und wird in den nächsten Jahren weiterhin erheblich ansteigen, dennoch kann man auf zahlreiche Konzepte, Instrumente und Maßnahmen zurückgreifen, die im Laufe der Zeit perfektioniert worden sind. Der Ausblick in die Zukunft hat gezeigt, dass in vielen Unternehmen auch die Bedeutung von Veränderungen zunehmen wird. Zum einen steigt die Notwendigkeit von Veränderungen. Zum anderen erhöht sich die Veränderungsgeschwindigkeit. Damit verringert sich der Zyklus von Aktion und Reaktion. Zum Dritten nimmt die Komplexität des Veränderungsprozesses und im Veränderungsprozess zu. Veränderungen werden vielfach zu einem Normalzustand. Da sich Veränderungen in der Regel nicht ohne die Initiative von Personen, deren Bereitschaft zum Wandel, der Kreativität und Innovationsfähigkeit vollziehen können, ist der Umgang mit Veränderungen und dem Wandel eng mit dem Umgang von Menschen verknüpft. 39

Wandel in der Arbeitswelt Veränderungen gehen daher mit der mentalen ‚Konstitution’ eines Unternehmens einher. Ansätze im Umgang mit Veränderungen sind z.B. •

die Beeinflussung von Einstellungen,



das Schaffen und Kommunizieren von Visionen,



die Gestaltung der Unternehmenskultur,



die Motivierung der Mitarbeiter.

Diese gehören zu den typischen Aufgaben im Rahmen von Leadership. In Gegensatz zu der Fülle an Konzepten, Instrumenten und Maßnahmen, die den Umgang mit Komplexität erleichtern sollen, gibt es bisher nur wenige Handlungshilfen und Methoden, auf die Führungskräfte im Umgang mit Veränderungen zurückgreifen können. Dies ist auch nicht verwunderlich, da es sich hierbei vor allem um Menschen sowie um das komplexe System aus Kognitionen und Emotionen handelt. Aufgrund der Einzigartigkeit der Situation und der Person ist eine Übertragung von bereits entwickelten Lösungen nur bedingt möglich. Eine Aggregation auf die Metaebene kann kaum erfolgen. Einzelfalllösungen bzw. zielgruppenspezifische Lösungen stehen damit im Vordergrund. Darüber hinaus tragen die begrenzte Erfassbarkeit des Systems aus Kognitionen und Emotionen sowie die hohe Komplexität der sogenannten ‚Soft Facts’ das Übrige dazu bei.27 Unter Berücksichtigung der zukünftigen Herausforderungen - Umgang mit Komplexität sowie Umgang mit Veränderungen - sind Management und Leadership zwei sich ergänzende Handlungssysteme. Jedes hat seine eigenen Funktionen und Merkmale. Beide zusammen sind notwendig für den Erfolg eines Unternehmens in einer sich stetig schnell verändernden Business-Welt. Management zielt auf die Handhabung von Komplexität 27

Vgl.: Kotter, J. P. (1998), S. 38ff.

40

Wandel in der Arbeitswelt ab. Leadership zielt auf Veränderung ab. Mehr Veränderung bedarf mehr Leadership. Management und Leadership sind zwar zwei sich ergänzende Konzeptionen. Sie unterscheiden sich jedoch in vielen Bereichen erheblich. Während Management vor allem die Frage nach dem WIE stellt, fokussiert Leadership auf das grundsätzliche WAS. Im Rahmen von Management wird insbesondere auf einer sachlichen Ebene informiert und kommuniziert. Ziel ist es, den Mitarbeitern eine gute Informationsbasis für ihr Handeln zu geben und die Kommunikationsflüsse transparent, effektiv und effizient zu gestalten. Im Rahmen von Leadership werden hingegen ‚Botschaften’ gesendet. Die Kommunikation enthält emotionale Elemente. Inspirieren, begeistern und motivieren, ‚zu neuen Ufern aufzubrechen’ stehen hier im Mittelpunkt. Überzeugen und Mitarbeiter offen und ehrlich mit dem Unausweichlichen konfrontieren, spielen sowohl bei Management als auch bei Leadership eine große Rolle. Darüber hinaus stellt Führung im Sinne von Leadership grundsätzlich alles in Frage. Dabei werden bewusst Konflikte herbeigeführt, Rollenmuster in Frage gestellt, bisherige Lösungen angezweifelt und neue Wege gesucht und Querdenkertum unterstützt. Ziel ist es einen neuen Rahmen zu setzen. Management agiert demgegenüber in der Regel in einem bestimmten Rahmen. Der Rahmen wird nur dann in Frage gestellt und verändert, wenn das System zur Handhabung und Reduktion von Komplexität mehr Komplexität erzeugt.28 Abbildung 7 gibt einen Überblick über die wesentlichen Abgrenzungsmerkmale.

28

Vgl.: Zaleznik, A. (1998), S. 61ff.

41

Wandel in der Arbeitswelt

Management

Leadership

How

Wirkrichtung

Signale, sachliche Informationen

Information

Sachliche Kommunikation

Kommunikation

Agieren in einem best. Rahmen

Aktionsradius

Hard tools / hard facts

Instrumente

What Botschaften Kommunikation mit emotionalen Elementen Alles in Frage stellen / Schaffen eines neuen Rahmens Soft tools / soft facts

Abbildung. 7: Merkmale zur Abgrenzung von Management und Leadership Damit wird deutlich, dass Leadership sich mit dem •

Aufbrechen von prozessualen, strukturellen und mentalen Routinen



Infragestellen von Gewohntem und Vertrautem



Identifizieren von Herausforderungen

beschäftigt. Leadership bedarf der Glaubwürdigkeit und geht einher mit dem Gestalten des Rahmens und dem Aufzeigen einer Richtung (nicht mehr und nicht weniger).

42

Wandel in der Arbeitswelt Unter Berücksichtigung der Entwicklungen ist offensichtlich, dass Unternehmen sowohl Management als auch Leadership bedürfen. Wird die Realität in Unternehmen dieser Anforderung gerecht? Nach Farkas / Wetlaufer lassen sich fünf Unternehmensführungsansätze identifizieren: •

Der strategieorientierte Führungsansatz



Der fachbezogene Führungsansatz



Der controllingorientierte Führungsansatz



Der human-vermögensbezogene Führungsansatz



Der veränderungsorientierte Führungsansatz

Die Identifizierung dieser Führungsansätze basiert auf einer Untersuchung, in der weltweit und branchenübergreifend CEOs von 160 Unternehmen befragt wurden.29 Der strategieorientierte Führungsansatz: Im Rahmen des strategieorientierten Führungsansatzes sieht der CEO die Entwicklung und Evaluierung von Strategien als seine wichtigste Aufgabe an. 80% seiner Zeit investiert er in Kunden- und Wettbewerbsanalysen sowie in Untersuchungen von Marktrends. 20% der befragten CEOs handeln entsprechend dem strategieorientierten Führungsansatz.30

29 30

Vgl.: Farkas, C. M. / Wetlaufer, S. (1998), S. 116ff. Vgl.: ebenda, S. 122ff.

43

Wandel in der Arbeitswelt Der fachbezogene Führungsansatz: Aktuelles Fachwissen und erfolgskritische Fachkompetenz werden als Wettbewerbsfaktor Nr. 1 angesehen. Aufgaben eines CEO, der den fachbezogenen Führungsansatz favorisiert, sind das Untersuchen der neuesten Technologien, das Analysieren von Konkurrenzprodukten, die Partizipation in F&E sowie das Treffen mit Ingenieuren und Kunden, um technische Sachverhalte zu diskutieren. Die Karrierewege von Führungskräften und Mitarbeitern sind in der Regel durch den Nachweis von Fachwissen und Fachkompetenz determiniert. 15% aller befragten CEOs führen im Sinne des fachbezogenen Ansatzes.31 Der controllingorientierte Führungsansatz: Der controllingorientierte Führungsansatz ist ein sogenannter ‚No Surprise Approach’. Typische Führungsinstrumente sind Kennzahlen- und Indikatorensysteme, interne Reviews, externe Audits, Finanzreports etc. Verhaltensmuster, die nicht in diesem Rahmen und in diesem Raster Berücksichtigung finden (können), werden nur selten toleriert. Zu den wichtigsten Aufgaben des CEOs gehören die finanzielle und kulturelle Steuerung sowie die Evaluierung der Business-Ergebnisse. 28% der befragten CEOs führen im Sinne des controllingorientierten Ansatzes. Es besteht eine positive Korrelation zu Branchen, die stark reguliert sind bzw. hohe Sicherheitsstandards aufweisen.32 Der human-vermögensbezogene Führungsansatz: Im Rahmen des human-vermögensbezogenen Führungsansatzes sieht der CEO die Beeinflussung der Unternehmenskultur sowie die Schaffung von Werten und bestimmten Denk- und Handlungsmustern als seine wichtigsten Aufgaben an. Strategienentwicklung und –evaluierung sind hier Aufgaben der nachgeordneten Führungsebene. Damit wird deutlich, dass der human-vermögensbezogene Ansatz mit einer Dezentralisierung der Orga31 32

Vgl.: Farkas, C. M. / Wetlaufer, S. (1998), S. 130ff. Vgl.: ebenda, S. 133ff.

44

Wandel in der Arbeitswelt nisation sowie mit Delegationselementen einhergeht. 80% seiner Zeit verbringt der CEO mit Rekruitment, Personalentwicklung, Personalbeurteilung, Retention und der Gestaltung des Anreizsystems. Die Fokussierung auf Human Resources basiert auf der Philosophie „HR – Where everything starts“. 22% der befragten CEOs führen im Sinne des humanvermögensbezogenen Ansatzes.33 Der veränderungsorientierte Führungsansatz: Hier liegt der Fokus auf Veränderungen und auf dem Umgang mit Veränderungen. CEOs, die im Sinne des veränderungsorientierten Ansatzes führen, handeln nach den Prinzipien und Konzepten der Lernenden Organisation. Im Vergleich zum strategiebezogenen Führungsansatz orientiert sich der Change Approach an der Veränderung selbst. Veränderung wird als die einzige Konstante gesehen. Zu den Aufgaben des CEOs gehören die Beeinflussung der Unternehmenskultur im Sinne der Lernenden Organisation. Mitarbeiter werden rekrutiert und belohnt, die Risiken eingehen, eigeninitiativ tätig werden, neue Wege einschlagen … 80% seiner Zeit investiert der CEO in die Schaffung von Visionen und in die Kommunikation, mit denen die Stakeholder überzeugt, begeistert, inspiriert und motiviert werden sollen. 34 Unter Berücksichtigung der Merkmale von Management und Leadership lassen sich bestimmte Tendenzaussagen machen, in welchem Zusammenhang die fünf identifizierten Führungsansätze zu Management und Leadership stehen.

33 34

Vgl.: Farkas, C. M. / Wetlaufer, S. (1998), S. 126ff. Vgl.: ebenda, S. 137ff.

45

Wandel in der Arbeitswelt Der strategieorientierte Führungsansatz => Management-Ansatz Der fachbezogene Führungsansatz

=> Management-Ansatz

Der controllingorientierte Führungsansatz

=> Management-Ansatz

Der human-vermögensbezogene Führungsansatz

=> Leadership-Ansatz (wenn gleich auch eine Reihe von Managementinstrumenten genutzt werden)

Der veränderungsorientierte Führungsansatz

=> Leadership-Ansatz

Laut der Studie von Farkas / Wetlaufer ist davon auszugehen, dass bisher das ‚Sowohl – als auch’ in Unternehmen nicht vorherrschend ist. Stattdessen scheinen sich Unternehmen für das ‚Entweder – oder’ zu entscheiden. Ein Mix zwischen Management- und Leadership-Ansatz wurde in keinem der 160 untersuchten Unternehmen festgestellt. Gleichwohl wurde beobachtet, dass der Umgang mit Komplexität und der Umgang mit Veränderungen als wesentliche Aufgaben identifiziert worden sind. Hier stellt sich nun die Frage, warum viele Unternehmen nur auf einen Führungsansatz fokussieren. Mögliche Erklärungsansätze sind: •

Die Kennzeichen und Aufgaben von Management einerseits und Leadership andererseits liegen weit auseinander.



Dementsprechend sind die Anforderungen an Qualifikation und Kompetenzen der Führungskräfte sehr unterschiedlich.



In vielen Unternehmen sind das Schaffen von Gegensätzen und der Umgang mit Gegensätzen ungewohnte Handlungen. Stattdessen

46

Wandel in der Arbeitswelt wird im Sinne ‚Gleiches zu Gleichem gesellt sich gern’ agiert. Gegensätze werden als etwas Störendes empfunden. •

Es wird kaum wahrgenommen, dass ein Management-Ansatz und ein Leadership-Ansatz sich trotz der Gegensätze ergänzen.

Darüber hinaus ist festzustellen, dass überdurchschnittlich häufig ein Management-Ansatz zugrunde gelegt wird. Dies basiert u. a. auf der Möglichkeit, auf hard tools und hard facts zurückgreifen zu können.

3.2

Handlungsfeld Personalführung

Der Wandel in der Arbeitswelt geht einher mit einem Wandel in der Art und Weise der Personalführung. Führung von Wissensträgern bzw. ‚Wissensarbeitern’ erfordert eher ein Führungsverständnis im Sinne der strukturellen Führung. Im Rahmen der strukturellen Führung wird auf die Kultur-, Strategie- und Organisationsgestaltung Einfluss genommen. Der Vorgesetzte übernimmt die Rolle eines ‚Impressarios’, eines Netzwerkers und eines Change Agent. Er sorgt für optimale Arbeitsbedingungen und ein förderndes Umfeld, in dem die Mitarbeiter möglichst effektiv und effizient arbeiten können. Entscheidungsbefugnisse und Verantwortlichkeiten werden auf die Mitarbeiter delegiert. Damit die Verantwortung wahrgenommen wird, muss sie jedoch deutlich verankert sein, so dass sich jeder Beschäftigte über seinen Teil der Verantwortung im Klaren ist. In einem solchen Kontext gehört es zu den Aufgaben des Vorgesetzten, für Ziele zu sorgen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Ziele einerseits realistisch sind, andererseits jedoch ein hohes Anspruchsniveau aufweisen. Die hohen, aber realistischen Anforderungen sollen eine Herausforderung für den Aufgabenträger darstellen, deren Bewältigung einen Motivationsschub auslöst. Darüber hinaus sollte der Vorgesetzte den Mitarbeiter dabei unterstützen, die Verantwortung anzunehmen, indem er dessen Selbstmanagement fördert. Nur Mitarbeiter, die die eigene Person selbst 47

Wandel in der Arbeitswelt steuern, sich als Unternehmer in eigener Sache verstehen, sind letztendlich in der Lage, die delegierte Verantwortung und Entscheidungsbefugnis effizient umzusetzen. Vor allem in wissensintensiven Unternehmen gehört es ebenfalls zu den Aufgaben eines Vorgesetzten, die richtige Person für den richtigen Job zu finden. Dabei sollte er den Personaleinsatz nach dem Prinzip der Stärkenorientierung ausrichten. Er trifft Personalentscheidungen nicht, um Schwächen minimal zu halten, sondern um Stärken maximal zu verwerten. Wissen, Fähigkeiten und Talente werden erst dann optimal genutzt. Als Instrumente zur Evaluation der vorhanden Stärken und Potenziale bietet sich die Leistungs- und Potenzialbeurteilung an. Aus der Führungsaufgabe des stärkenorientierten Personaleinsatzes lassen sich weitere Aufgaben ableiten: Die Suche nach den besten Mitarbeitern. Die Unterstützung bei der Qualifizierung. Ein Führungsstil, der Entscheidungsbefugnisse und Verantwortlichkeiten delegiert, bedingt, dass sich die Kontrollfunktion des Vorgesetzten auf das Ergebnis bzw. auf die Erreichung der Ziele beschränkt. Die Kontrolle der Ausführungen durch den Vorgesetzten wäre angesichts der Komplexität des Arbeitsprozesses und der hohen Veränderungsgeschwindigkeit auch gar nicht möglich. Ein wesentlicher Teil der Kontrolle vollzieht sich somit als Selbststeuerung. Der Mitarbeiter wird durch die Aufgabe, die er selbst gestaltet, kontrolliert.35 Vor dem Hintergrund der hohen Nachfrage nach Beschäftigten mit erfolgskritischem Wissen auf dem Arbeitsmarkt und der sich daraus ergebenden Ökonomisierung der Loyalitätsbeziehung zum Arbeitgeber von Seiten dieser Mitarbeitergruppe sind es vor allem die Vorgesetzten, die

35

Vgl.: Pfiffner, M. / Stadelmann, P. (1999), S. 315ff.; Rosenstiel, L.v. (2000), S. 147ff.; Wunderer, R. (1997), S. 203ff.

48

Wandel in der Arbeitswelt eine Schlüsselstellung einnehmen. Sie können diesen Trend umzukehren und eine Identifikation mit dem Unternehmen schaffen sowie Wissensträger binden.

3.3 Organisation Die zunehmende Veränderungsgeschwindigkeit, der technische Fortschritt vor allem in der Informations- und Kommunikationstechnologie sowie der Bedeutungszuwachs von Wissen haben einen wesentlichen Einfluss auf die Gestaltung der Organisation. Durch die Ausnutzung der technologischen Möglichkeiten steht der Virtualisierung von Arbeitsplätzen und der Entkoppelung von Ort und Zeit in vielen Unternehmensbereichen nichts mehr im Wege. Gleichzeitig erfordern die immer schneller und umfassender werdenden Veränderungen eine Flexibilisierung des Arbeitsfeldes. Die Flexibilisierung der Arbeitsgestaltung weist mehrere Dimensionen auf: •

Flexibilisierung des Arbeitsinhaltes.



Flexibilisierung der Arbeitszeit.



Flexibilisierung des Arbeitsortes.



Flexibilisierung der Arbeitsbeziehungen.



Flexibilisierung bei der Nutzung von Instrumenten und ‚Arbeitswerkzeugen’.



Flexibilisierung der Abläufe.

Im Rahmen der zukünftigen Organisationsgestaltung wird immer wieder auf die osmotische Organisationsstruktur hingewiesen. Eine solche Struk-

49

Wandel in der Arbeitswelt tur fördert eine Kultur der Zusammenarbeit und des Austausches. Mitarbeitern und Führungskräften ist es möglich, über die Grenzen des eigenen Fachgebietes und der Abteilung hinaus tätig zu werden, wenn es im Interesse des Kunden und des Unternehmens als notwendig angesehen wird. Die informelle Struktur wird deshalb als ebenso wichtig eingestuft wie die formale. Eine osmotische Organisationsstruktur ist darüber hinaus durch einen hohen Autonomiegrad und große Handlungsspielräume gekennzeichnet. Die Verantwortung für die Aufgabe und das Ergebnis wird auf den Mitarbeiter übertragen. Die Delegation von Entscheidungsbefugnis und Verantwortung bedingt eine Verflachung der Hierarchie. Ob die Verantwortung und Befugnisse von den Beschäftigten angenommen werden, hängt entscheidend vom Entwicklungsstand der Unternehmenskultur ab. In einer Atmosphäre, in der Mitarbeiter Angst haben, wegen Fehlern Maß geregelt zu werden, schöpfen sie den Handlungsspielraum nicht aus. Im Rahmen einer Kultur, in der Fehler als Chance zum Lernen und zur gesteuerten Verbesserung sowie als Ergebnis eines Kreativprozesses betrachtet werden, setzen sie hingegen ihr Wissen um und generieren neues Know-how. Als weiteres Kriterium einer osmotischen Organisation gelten kurze, gut funktionierende Informations- und Entscheidungswege. Kurze Informations- und Entscheidungswege stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit der Anzahl der Schnittstellen. Eine osmotische Organisation bedingt die Reduktion der Schnittstellen auf das Wesentliche. Die Notwendigkeit (nicht die Möglichkeit) von Zusammenarbeit und Kommunikation auf das organisatorisch wesentliche Maß ist darauf zurückzuführen, dass der Aufwand aus jeder Schnittstelle eine Verbindungsstelle zu machen ebenso groß ist wie die Gefahr, dass dies nicht gelingt oder den Status von Zufälligkeit erhält. Für die Gestaltung der Arbeitsinhalte ergibt sich, dass sie nicht nur einen hohen Autonomie-, sondern auch Autarkiegrad aufweisen. Die Forderung der Reduktion der Schnittstellen auf ein wesentliches Maß widerspricht nicht dem Streben nach Zusammenarbeit und Austausch, das von der osmotischen Organisationsstruktur unterstützt werden soll. Wenn es im Interesse der heutigen und zukünftigen Aufgaben, der Kunden und

50

Wandel in der Arbeitswelt des Unternehmens ist, besteht nicht nur die Möglichkeit, sondern sogar die Erfordernis, miteinander zu kommunizieren und zu kooperieren.36 Die osmotische Organisationsstruktur dient vor allem der Generierung und dem Transfer von Wissen. Eine ähnliche Zielsetzung, kombiniert mit der Notwendigkeit, der steigenden Komplexität zu begegnen, wird zu einer weiteren Zunahme von Projekt- und Teamarbeit führen. Die komplexer werdenden Aufgabenstellungen und der hohe Spezialisierungsgrad lassen sich allein nicht mehr bewältigen. Um in immer kürzer werdenden Zeiträumen neue Produkte und Dienstleistungen auf den Markt zu bringen und Prozesse effektiv und effizient zu gestalten sowie die Ressourcenallokation zu optimieren, bedarf es des zielorientierten Zusammenwirkens aller relevanter Wissensträger. Unter Berücksichtigung des Globalisierungsstrebens wird der internationale Aspekt bei der Gestaltung von Projekt- und Teamarbeit zudem an Bedeutung gewinnen. Projekte haben mehr und mehr einen grenzüberschreitenden Bezug und Teams werden zunehmend international zusammengesetzt. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass Arbeitsprozesse weiterhin auf Rationalisierungsmöglichkeiten geprüft werden. Dabei spielen in Zukunft vor allen Dingen die Möglichkeiten, die sich im Zusammenhang mit dem Einsatz der Informations- und Kommunikationstechnologie ergeben, eine wesentliche Rolle.

36

Vgl.: Rump, J. / Lau-Villinger, D. (2001), S. 32, Pfiffner, M. / Stadelmann, P. (1999), S. 340.

51

Wandel in der Arbeitswelt

3.4 Personalmanagement Aufgrund der vielfältigen und tiefgreifenden Veränderungen reicht es nicht mehr aus, ein Personalmanagement zu gestalten und zum Einsatz zu bringen, das temporär bestimmte Schwerpunkte setzt. Vielmehr bedarf es eines multidimensionalen Ansatzes von Personalmanagement. Ein multidimensionales Personalmanagement ist zum einen ganzheitlich und zum anderen integrativ ausgerichtet. Ganzheitlichkeit bedeutet, dass alle relevanten Handlungsfelder sowie Hierarchie- und Funktionsbereiche berücksichtigt werden. Neben der operativen Ebene werden die strategische und normative Ebene des Personalmanagements berücksichtigt. Integration bedeutet, dass Interdependenzen beachtet werden. Die integrative Komponente trägt zudem der Erfahrung Rechnung, dass durch die Kombination von unterschiedlichen Aktivitäten und Interventionen Mehrwert geschaffen wird. Unter Berücksichtigung der Trends und zukünftigen Entwicklungen spielen folgende Dimensionen eine wesentliche Rolle: •

Wissens- und Kompetenzorientierung.



Intergenerativität und Lebensphasenorientierung.



Work-Life-Balance.



Individualisierung.



Internationalisierung.

52

Wandel in der Arbeitswelt Es ist zu beobachten, dass die Bereitstellung von Problemlösungen als zentrale Aufgabe von Unternehmen mehr und mehr in den Vordergrund rückt. Kreative und wissensintensive Tätigkeiten nehmen in dem Maße zu, in dem der physische Leistungsanteil der Unternehmen abnimmt. Nicht mehr die Produktion von Gütern ist das Kernproblem der Wirtschaft, sondern die Erbringung von Diensten unterschiedlicher Art, gleichgültig ob sie an ein konkretes und tangibles Produkt gekoppelt sind oder nicht. Prozesse der Leistungserstellung sind zunehmend wissensintensive Prozesse. Dieser Bedeutungszuwachs von Wissen im Rahmen des Wertschöpfungsprozesses in Kombination mit der explosionsartigen Vermehrung, der weitgehenden Fragmentierung sowie der zunehmenden Globalisierung des Wissens erfordert, dass die konsequente Nutzung und Pflege des Vermögens ‚Wissen’ sowie dessen zielorientierte Steuerung zu einem vordringlichen Handlungsfeld werden. Strategisches und operatives Handeln richtet sich dann auch danach aus, Transparenz über das im Unternehmen vorhandene Wissen zu haben, individuelle Kenntnisse effektiv und effizient einzusetzen, eine kollektive Wissensbasis zu schaffen sowie Wissen zu entwickeln und zu transferieren. Darüber hinaus sollte die Motivation bzw. Motivierung von Wissensarbeitern im Blickpunkt stehen. Wissensarbeiter stellen deutlich höhere Anforderungen an die Qualität ihres Arbeitsumfeldes. Verlassen ein oder mehrere Wissensarbeiter das Unternehmen, stellt dies einen schweren Verlust dar, der nicht kurzfristig ausgeglichen werden kann. Zum einen geht wertvolles individuelles Wissen verloren, zum anderen wird die Vernetzung individuellen Wissens zur kollektiven Wissensbasis beschädigt. Der demografische Wandel bewirkt, dass Nachwuchskräfte knapper werden und Unternehmen ihr Augenmerk verstärkt auf ältere Mitarbeiter richten müssen. Darüber hinaus erfordert die Entwicklung zur Wissensgesellschaft die Nutzung von Wissenspotenzialen und –synergien, die sich vor allem aus dem Dialog sowie dem Wissensaustausch zwischen Jung und Alt ergeben. Unter Berücksichtigung der Demografie verringern sich jedoch die Möglichkeiten zum intergenerativen Dialog. Sowohl der Alterungsprozess als auch die Notwendigkeit einer systematischen intergene53

Wandel in der Arbeitswelt rativen Zusammenarbeit machen die demografische Zusammensetzung und die Lebensphasenorientierung zu einem relevanten betrieblichen Schlüsselfaktor, der in die Unternehmens- und Personalpolitik zu integrieren ist. Die Balance zwischen Beruf und Familie / Freizeit ist ein Wert, auf den viele der jüngeren Generation nicht verzichten wollen. Vor dem Hintergrund des Bedeutungszuwachses von Wissen und der Demografie ist es für Unternehmen unerlässlich, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie / Freizeit in das personalwirtschaftliche Konzept zu integrieren. Dies erhöht die Attraktivität als Arbeitgeber, erleichtert die Rekrutierung von jüngeren Trägern des erfolgskritischen Wissens und kann dazu beitragen, dass die Wissensträger längerfristig an das Unternehmen gebunden werden. Die demografische Entwicklung und der Bedeutungszuwachs an Wissen sind auch zentrale Faktoren, die die qualitative Entwicklung am Arbeitsmarkt beeinflussen. Die Bedingungen am Arbeitsmarkt wiederum wirken auf die Art und Weise der Personalbeschaffung: War for Talents auf der einen Seite des Arbeitsmarktes sowie Überangebot und Austauschbarkeit auf der anderen Seite des Arbeitsmarktes. Der gesellschaftliche Wertewandel in Richtung Individualisierung impliziert eine Zunahme der Leistungs- und Unternehmenserfolgsorientierung im Rahmen der Entgeltgestaltung. Mehr und mehr wird der Wunsch geäußert, an dem Beitrag, den der Einzelne zur Wertschöpfung erbringt, gemessen zu werden. Abbildung 8 gibt einen Überblick über die erwartete Entwicklung variabler Gehaltsbestandteile.

54

Wandel in der Arbeitswelt

2000

2010

Top Management

30%

40%

Middle Management

14%

25%

Lower Management

13%

22%

Abbildung 8: Entwicklung der leistungsabhängigen Gehaltskomponenten Darüber hinaus gewinnt die internationale Dimension in der Personalarbeit an Bedeutung. Dabei müssen einige Besonderheiten berücksichtigt werden. Im Rahmen einer Internationalisierung werden Unternehmen u.a. mit einer steigenden Komplexität sowie einer erhöhten Unsicherheit konfrontiert. Mehrere Gründe sprechen dafür:37 •

Die Zahl und die Heterogenität der Faktoren, die eine Entscheidung beeinflussen, nehmen zu. Gleichzeitig nimmt die Eindeutigkeit, welche Faktoren inwieweit relevant sind, ab.



Mit steigendem Fremdheitsgrad des Gastlandes lassen sich UrsacheWirkungszusammenhänge nur bedingt identifizieren, was die Beurteilung von Konsequenzen des Handelns vor Ort erschwert.

37

Scherm, E. (1999), S. 127f.

55

Wandel in der Arbeitswelt •

Umweltfaktoren und -bedingungen sind von Land zu Land unterschiedlich stabil. Dies macht ein situationsspezifisches, einzelfallbezogenes Vorgehen erforderlich. Darüber hinaus behindern wirtschaftliche, politische und soziale Disparitäten ein einheitliches Vorgehen.



Die sprachliche Vielfalt beeinträchtigt die Verständigung und beeinflusst das Kommunikations- und Kooperationsverhalten.



Sozio-kulturelle Unterschiede bestimmen die Wahrnehmungs-, Denkund Verhaltensmuster mit.



Nationen stehen sich nicht immer wertneutral gegenüber. Vorurteile beeinflussen den Umgang miteinander.

3.5 Personalentwicklung Personalentwicklung hat in einer Wissensgesellschaft mit internationalem Bezug und hoher Veränderungsgeschwindigkeit eine enorme Bedeutung. Als erfolgskritische Inhalte gelten in Zukunft vor allem: •

Entwicklung des systemischen und ganzheitlichen Denkens und Handelns.



Unterstützung des life long learning und des douple loop learning (reflexives Lernmuster).



Entwicklung und Umsetzung einer lebensphasenorientierten Personalentwicklung.



‚Creating a learning culture’ – Schaffen einer Unternehmenskultur im Sinne einer Lern- und Wissenskultur.



Karriereförderung (vertikal / horizontal) insbesondere im Rahmen von Retention.



Fokussierung auf die Wertschöpfung als Bewertungsmaßstab (Controlling von Personalentwicklung).

56

Wandel in der Arbeitswelt Daneben spielt die Zeitnähe bei der Gestaltung von Personalentwicklung eine wesentliche Rolle. Die zunehmende Bedeutung des Wissens als Wettbewerbsfaktor, die sinkende Halbwertszeit von Wissen sowie die steigende Veränderungsgeschwindigkeit bedingen, dass zum einen die inhaltlichen Anforderungen an Wissen stetig steigen und zum anderen sich der Lebenszyklus von Wissen ständig verkleinert. Dies hat weitreichende Konsequenzen für die Gestaltung der Wissensgenerierung. Heute und in Zukunft muss sich Personalentwicklung vor allem zwei Herausforderungen stellen: 1.

Die Ausrichtung der Lernprozesse muss dem hohen Anspruch an die Qualität des Wissens gerecht werden.

2.

Die Zeitverzögerung zwischen der Identifikation von Wissenslücken und deren Schließung muss so gering wie möglich ausfallen.

Wird der zeitliche Aspekt nicht hinreichend berücksichtigt, besteht die Gefahr, dass Wissen zwar geschaffen wird, sich die Anforderungen an das Wissen in der Zwischenzeit jedoch wieder geändert haben. Die Verantwortlichkeiten für die Gestaltung der Personalentwicklung und die Aktualität des Wissens lassen sich in einem solchen Kontext nur noch im Sinne des Subsidiaritätsprinzips verteilen. Das Subsidiaritätsprinzip geht davon aus, dass der Mitarbeiter in erster Linie für seine Entwicklung verantwortlich ist. Der Vorgesetzte leistet ihm ‚Hilfe zur Selbsthilfe’. Die Personalentwicklungsabteilung und andere Institutionen werden als dritte Instanz im Hintergrund aktiv. Sie gestalten u.a. den Rahmen, in dem sich die Personalentwicklung vollzieht.

57

Wandel in der Arbeitswelt

4

Konsequenzen für den Einzelnen

Hohe Komplexität und Vielfalt verknüpft mit einer hohen Veränderungsgeschwindigkeit werden es mehr und mehr zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor eines Unternehmens machen, über Arbeitnehmer zu verfügen, die den sich wandelnden Bedingungen auf den Märkten gewachsen sind. Für die Arbeitnehmer selbst implizieren die Zukunftsszenarien zweierlei. Zum einen einen qualifikatorischen Strukturwandel auf dem (internen wie externen) Arbeitsmarkt, der mit einer rapiden Abnahme von Arbeitsplätzen und Berufsfeldern für niedrig qualifizierte Tätigkeiten einhergeht. Somit klafft die Schere der Beschäftigungschancen zwischen unteren und oberen Qualifikationsebenen immer weiter auseinander. Mit verheerenden Folgen für diejenigen, die ein gewisses Bildungs- und Qualifikationsniveau nicht erreichen. Qualifikation geht in diesem Kontext weit über fachliche und technische Fertigkeiten hinaus, sondern wird künftig immer stärker personale, soziale und methodische Kompetenzen umfassen, um Wissen zu erschließen und anzuwenden. Dazu gehören ein hohes Maß an Eigenverantwortung, Gestaltungs- und Umsetzungskompetenz, eine hohe Bereitschaft und Fähigkeit zu lernen und sich den verändernden Bedingungen schnell anzupassen, sowie eine Mobilität im qualifikatorischen, räumlichen und zeitlichen Sinne. Zum anderen sehen sich Arbeitnehmer zunehmend mit einer Arbeitswelt konfrontiert, in der sich Sicherheit nicht länger auf einen bestimmten Beruf, einen bestimmten Arbeitsplatz oder Arbeitgeber bezieht, sondern vielmehr auf den eigenen Fertigkeiten und Kompetenzen beruht. Somit sind sie einem kontinuierlichen Prozess ausgesetzt, der sie zwingt, sich immer wieder mit ihrem Qualifikationsstand auseinander zu setzen, diesen an den aktuellen Gegebenheiten des Arbeitsmarktes zu spiegeln und gegebenenfalls anzugleichen38. Es wird deutlich, dass in Zukunft mehr denn je indi-

38

Vgl.: Weinert, P. (Hrsg.) / Baukens, M./ Bollérot, P. / Pineschi-Gapenne, M. / Walwei, U. (2001), S. 115.

58

Wandel in der Arbeitswelt viduelle Strategien zur Sicherung der Aktualität des Kompetenzstandes mit all seinen Facetten im Mittelpunkt stehen. Dies wird häufig mit den Begriffen Employability und Beschäftigungsfähigkeit in Verbindung gebracht. Employability wird zu einem zentralen Vermögenswert des Einzelnen und dient letztendlich zur Absicherung in einer sich schnell wandelnden Arbeitswelt, in der Qualifikation und erfolgskritisches Wissen mehr denn je darüber entscheidet, ob der Einzelne zu den Gewinnern oder Verlierern im Erwerbsprozess gehört. Während in der Vergangenheit Qualifizierung eine Notwendigkeit zum beruflichen Aufstieg darstellte, bedeutet Qualifizierung in der Zukunft die Vermeidung des beruflichen Abstiegs.

59

Wandel in der Arbeitswelt

5

Fazit

Die vorangegangenen Ausführungen haben deutlich gemacht, dass der Wandel, der sich in der Arbeitswelt vollzieht, von zahlreichen Determinanten beeinflusst wird. Die sich daraus ergebenden Konsequenzen betreffen das Individuum ebenso wie Unternehmen und den Staat. Diesen Zusammenhang stellt die nachfolgende Abbildung dar:

60

Verringerung der Halbwertzeit von Wissen

Gesellschaftlicher Wertewandel

Implementierung wissensintensiver Technologien

Internationalisierung und Globalisierung

Tertiarisierung der sektoralen Entwicklung

Das Unternehmen sieht sich konfrontiert mit: - Hoher Veränderungsgeschwindigkeit und Dynamik auf allen relevanten Märkten - Wettbewerb um beschäftigungsfähige Arbeitskräfte - Ständigem Innovationsdruck

Die Gesellschaft sieht sich konfrontiert mit: - Strukturwandel auf dem Arbeitsmarkt - Infragestellung herkömmlicher Systeme der Beschäftigungspolitik und sozialen Sicherung

Explosionsartige Vermehrung von Wissen

Abbildung 9: Ausgangssituation für Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Staat

Demografische Entwicklung

Der Einzelne sieht sich konfrontiert mit: - Qualifikatorischem Strukturwandel auf dem Arbeitsmarkt - Aufbrechen tradierter Berufsfelder und Erwerbsbiographien - Wegfall herkömmlicher Absicherungen - Anforderung, Verantwortung für sich selbst und die eigene berufliche Entwicklung zu übernehmen

Bedeutungszuwachs des Faktors Wissen

Wandel in der Arbeitswelt

61

Literaturverzeichnis

LITERATURVERZEICHNIS Armutat, S. et al. (2002): Wissensmanagement erfolgreich einführen, Düsseldorf 2002. Bosch, G. et al. (2001): Zur Zukunft der Erwerbsarbeit, Gelsenkirchen 2001. Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (2002): Internationale Wettbewerbspolitik, in: www.bmwi.de, August 2002. Bundeszentrale für politische Bildung (2002): Szenarien zur Entwicklung des Arbeitskräftepotenzials in Deutschland, in: www.bpb.de/publikationen, September 2002. Bürgel, H. D. / Zeller, A. (1998): Forschung & Entwicklung als Wissenscenter, in: Bürgel, H. D. (Hrsg.): Wissensmanagement, Schritte zum intelligenten Unternehmen, Berlin 1998, S. 53 – 65. DIHK (2001): Investitionen im Ausland, Ergebnisse einer DIHT-Umfrage bei den Industrie- und Handelskammern von Herbst 2000, Berlin 2001. Farkas, C. M. / Wetlaufer, S. (1998): The Ways Chief Executive Officers Lead, in: Harvard Business Review on Leadership, Boston 1998, S. 115 – 146. Gemeinnützige Hertie-Stiftung (1998): Mit Familie zum Unternehmenserfolg, Frankfurt 1998. 62

Literaturverzeichnis Institut der Deutschen Wirtschaft (2002): Deutschland in Zahlen, Köln 2002. Kotter, J. (1998): What Leaders really do, in: Harvard Business Review: Leadership, Boston 1998, S. 37 – 60. Opaschowski, H. (1997): Deutschland 2010, Hamburg 1997. Pfiffner, M. / Stadelmann P. (1999): Wissen wirksam machen, wie Kopfarbeiter produktiv werden, 2., unveränderte Auflage, Bern 1999. Probst, G. / Raub, S. / Romhardt, K. (1998): Wissen managen, wie Unternehmen ihre wertvollste Ressource optimal nutzen, 2. Auflage, Frankfurt 1998. Reichwald, R. (2002): Potenzial der mobilen Kooperation, in: Mobile Arbeitswelten – soziale Gestaltung von Electronic Mobility, MössingenTalheim 2002. Rosenstiel, L. v. (2000): Wissensmanagement in Führungsstil und Unternehmenskultur, in: Mandl, H. / Reinmann-Rothmeier, G. (Hrsg.): Wissensmanagement, Informationszuwachs – Wissensschwund? Die strategische Bedeutung des Wissensmanagements, München 2000, S. 139 – 158. Rump, J. / Lau-Villinger, D. (2001): Management Toolbox Wissensmanagement, Köln 2001. Scherm, E. (1999): Internationales Personalmanagement, 2., unwesentlich veränderte Auflage, München 1999. 63

Literaturverzeichnis Scholz, C. (2002): Darwiportunismus: Das neue Szenario im Berufsleben, in: www.orga.uni-sb.de/bibliothek/artikel/darwiportunismus.htm, 19.08.2002 Wagner, A. / Gensior, S. (2002): Zukunft der Arbeit, Gelsenkirchen 2002. Weinert, P. (Hrsg.) / Baukens, M. / Bollérot, P. / Pineschi-Gapenne, M. / Walwei, U. (2001): Beschäftigungsfähigkeit: Von der Theorie zur Praxis (Soziale Sicherheit; Bd. 4), Bern; Berlin; Bruxelles; Frankfurt am Main; New York; Oxford; Wien, 2001 Weiss, M. / Schröter, W. (2001): Arbeit 21 – online mobil, MAP – Multimedia-Arbeitsplatz der Zukunft, Darmstadt 2001. Wunderer, R. (1997): Führung und Zusammenarbeit, Beiträge zu einer unternehmerischen Führungslehre, 2., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage, Stuttgart 1997. Wunderer, R. / Dick, P. (2002): Personalmanagement – Quo Vadis?, 3. Auflage, Neuwied 2002. Zaleznik, A. (1998): Managers and Leaders: Are They Different, in: Harvard Business Review: Leadership, Boston 1998, S. 61 – 88.

64

Lernen durch Wandel - Wandel durch Lernen

AUSGEWÄHLTE THEMENFELDER

65

Management von erfolgskritischem Wissen

MANAGEMENT VON ERFOLGSKRITISCHEM WISSEN

___________________________________________________________ Abbildungsverzeichnis 1. Das ganzheitlich-integrative Konzept des Wissensmanagements 2. Wissensziele und Wissensmanagement-Ziele 3. Wissensmanagement-Strategien 4. Wissensmanagement-Aktionspläne und -aktivitäten 4.1 Die Identifizierung von Wissen 4.2 Die Entwicklung von Wissen 4.3 Der Erwerb von Wissen 4.4 Der Transfer von Wissen 4.5 Die Nutzung von Wissen 4.6 Die Bewahrung von Wissen 5. Wissensmanagementfördernde Rahmenbedingungen 67

Management von erfolgskritischem Wissen 5.1 Unternehmenskultur 5.2 Organisation 5.3 Personalführung 5.4 Anreizsystem 5.5 Languaging: Aufbau eines gemeinsamen Sprachverständnisses 6. Controlling im Wissenmanagment 6.1 Quantitativ-orientierte Ansätze 6.2 Qualitativ-orientierte Ansätze 7. Die Implementierung von Wissensmanagement 8. Fazit Literaturverzeichnis ___________________________________________________________

68

Management von erfolgskritischem Wissen

ABBILDUNGSVERZEICHNIS Abbildung 1

Einordnung von Wissen

Abbildung 2

Portfolio des Wissens

Abbildung 3

Die Säulen des Wissensmanagements

Abbildung 4

Das Konzept des ganzheitlich-integrativen Wissensmanagements

Abbildung 5

Beispiele für Wissensziele

Abbildung 6

Beispiele für Wissensmanagement-Ziele

Abbildung 7

Strategieansätze des Wissensmanagements

Abbildung 8

Parameter und Konsequenzen der WissensmanagementStrategien

Abbildung 9

Die Dimensionen des Dialogs

Abbildung 10

Die Todesspirale eines elektronischen Wissenssystems

Abbildung 11

Die ungewohnten Handlungen beim Wissensmanagement

Abbildung 12

Beispiel für einen Fragebogen

Abbildung 13

Beispiele für Statements, die im Rahmen des KulturAudits bewertet werden

Abbildung 14

Das Spinnenprofil

Abbildung 15

Veränderung der Unternehmenskultur

Abbildung 16

Ein möglicher Prozess von Languaging

Abbildung 17

Ansätze zur Bewertung von Wissen und Wissensmanagement

Abbildung 18

Das Indikatorenmodell von North / Probst / Romhardt

Abbildung 19

Der Aufbau der Balanced Scorecard

Abbildung 20

Der Implementierungsansatz der APQC

69

Management von erfolgskritischem Wissen

1

Das ganzheitlich-integrative Konzept des Wissensmanagements

Unter Wissensmanagement wird im Allgemeinen ein komplexes Unternehmensführungskonzept verstanden, mit dem das erfolgskritische Wissen der Mitarbeiter und der Organisation gezielt, systematisch und ganzheitlich generiert, gestaltet und nutzbar gemacht wird zum Zweck einer nachhaltigen Verbesserung von Geschäftsprozessen und -ergebnissen. Im Mittelpunkt von Wissensmanagement steht zum einen die Förderung von Lernprozessen. Zum anderen schafft Wissensmanagement geeignete Rahmenbedingungen, damit die Wissensprozesse kontinuierlich und zielorientiert ablaufen.1 Bevor dezidiert auf Wissensmanagement eingegangen wird, wenden wir uns der Begrifflichkeit ‚erfolgkritisches Wissen’ zu. Grundsätzlich wird Wissen als die Fähigkeit und Voraussetzung für bewusstes Handeln, die sich aus in einem Handlungskontext vernetzten und bewerteten Informationen zusammensetzt, verstanden. Diese Definition leitet sich aus dem in Anlehnung an die Sprachtheorie entwickelten Stufenmodell ab.

1

Vgl.: Armutat, S. et al. (2002), S. 13; Rump, J. / Lau-Villinger, D. (2001), S. 14f.; Felbert, D. v. (1998), S. 122f.; Weggemann, M. (1999), S. 48.

70

Management von erfolgskritischem Wissen

Wettbewerbsfähigkeit Kompetenz + Einzigartigkeit Handeln Können Wissen Informationen Daten Zeichen

+ richtig handeln

+ Wollen

+ Anwendungsbezug

+ Vernetzung (Kontext, Erfahrungen, Erwartungen)

+ Bedeutung

+ Syntax

Abbildung 1: Einordnung von Wissen (In Anlehnung an North, K. (1999), S. 41) Zeichen sind Buchstaben, Ziffern und Sonderzeichen. Sie werden durch Ordnungsregeln, zum Beispiel einen Code oder eine Syntax, zu Daten. Daten bestehen aus einer Vielzahl von Fakten, Zahlen, Statistiken, Bildern und Texten. Werden Daten mit Bedeutungen versehen und ein Bezug hergestellt, werden Informationen erzeugt. Wissen entsteht, wenn Informationen ausgewählt, verbunden, transformiert und vor dem persönlichen Hintergrund bewertet werden, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen oder eine bestimmte Aufgabe zu bewältigen. Wissen ist das Ergebnis der Informationsverarbeitung. Ob und wie Informationen vernetzt werden, hängt von der Person und deren Sozialisation, von Lernprozessen, von Erfahrungen, von den kontextbezogenen Interaktionsstrukturen sowie von 71

Management von erfolgskritischem Wissen dem Kulturkreis ab. Wissen vollzieht sich somit in den Köpfen der Menschen und im Rahmen zwischenmenschlicher Beziehungen. Der Wert des Wissens zeigt sich, wenn das Wissen in Können umgesetzt wird und zu bestimmten Handlungen führt. Das tatsächliche Handeln ist jedoch nicht nur vom Können sondern auch vom Wollen abhängig. Können und Wollen sind somit letztendlich entscheidend für das Ergebnis und die Wertschöpfung. Wissen, das zweckorientiert und zielbezogen in Handlungen umgesetzt wird, wird als Kompetenz bezeichnet. Kompetenzen werden zu dann Kernkompetenzen und damit zu Faktoren der Wettbewerbsfähigkeit, wenn sie einen einzigartigen Wert beim Kunden generieren, Zugang zu neuen Märkten schaffen, durch zeitliche Stabilität und produktübergreifenden Einfluss gekennzeichnet sind sowie kaum imitiert werden können.2 Erfolgskritisch ist Wissen dann, wenn es einzigartig ist und / oder maßgeblich die Leistung beeinflusst. Unter Einzigartigkeit werden die Verfügbarkeit des Wissens am Markt sowie die Möglichkeit, Wettbewerbsvorteile zu erzielen verstanden. Als Leistungsbeeinflussung gilt der Einfluss des Wissens auf Qualität, Kosten und Zeit. Auf der Basis der Portfolio-Analyse lassen sich drei Kategorien von erfolgskritischem Wissen identifizieren: •

Hebelwissen



Basiswissen



Engpasswissen

Hebelwissen ist der ‚Star’. Es schafft Wettbewerbsvorteile und hat einen großen Nutzen für den Leistungserstellungsprozess. Basiswissen ist eine 2

Vgl.: North, K. (1999), S. 41ff.; Felbert, D. v. (1998), S. 122; Soukup, C. (2000), S. 203ff.

72

Management von erfolgskritischem Wissen ‚Cash Cow’. Es geht mit einem geringen Wettbewerbsvorsprung, aber mit hoher Leistungsbeeinflussung einher. Die Geschäftsprozesse werden sichergestellt. Durch Verbesserung des Wissensniveaus besteht die Möglichkeit, Basiswissen in Hebelwissen umzuwandeln. Engpasswissen wird nicht selten mit einem Fragezeichen versehen (‚Question Mark’). Es ist bisher nur wenig nutzbringend, könnte jedoch bei richtiger Pflege zu dem erfolgskritischen Wissen werden. Dazu sind hohe Investitionen in die Wissensträger und das Wissen erforderlich.3

Leistungsbeeinflussung Basiswissen

Hebelwissen

‚Cash Cow’

‚Star’

Unkritisches Wissen

Engpasswissen

‚Dog’

‚Question Mark’

hoch

niedrig

niedrig

hoch

Einzigartigkeit

Abbildung 2: Portfolio des Wissens (Vgl.: Rump, J. / Lau-Villinger, D. (2001), S.48; Armutat, S. et al. (2002), S. 18f.; Probst, G. / Raub, S. / Romhardt, K. (1998), S. 83, 338)

3

Vgl.: Armutat, S. et al. (2002), S. 18f.; Rump, J. / Lau-Villinger, D. (2001), S.48.

73

Management von erfolgskritischem Wissen Um der Bedeutung von Wissen als einem wesentlichen Faktor im Wettbewerb gerecht zu werden, werden derzeit in vielen Unternehmen einzelne Maßnahmen entwickelt und umgesetzt. Zu Aufbau, Pflege und Nutzung von Wissen reichen diese Einzelaktivitäten jedoch nicht aus. Darüber hinaus genügt es nicht, dass diese Maßnahmen ein gemeinsames Ziel haben. Vielmehr ist es notwendig, dass alle relevanten Unternehmensfelder einbezogen werden, die Aktivitäten des Managens von Wissen aufeinander abgestimmt und miteinander verknüpft sind sowie Wechselwirkungen berücksichtigt werden. Wissensmanagement setzt somit ein ganzheitliches und integratives Konzept voraus. Ganzheitlichkeit bedeutet, dass alle Managementebenen (alle Hierarchie- und Funktionsbereiche) berücksichtigt werden. Wissensmanagement beschäftigt sich also mit dem soziokulturellen Rahmen ebenso wie mit der adäquaten Ausgestaltung auf strategischer Ebene und in operativen Handlungsfeldern. Die integrative Komponente trägt der Erfahrung Rechnung, dass durch die Kombination von unterschiedlichen Interventionen der Erfolg von Wissensmanagement zunimmt. Interdependenzen werden zudem gebührend beachtet. In einem ganzheitlich-integrativen Konzept sind die technischen Möglichkeiten lediglich ein Hygienefaktor für ein funktionierendes Wissensmanagement, auch wenn sie in manchen Fällen eine ‚Treiberfunktion’ für die Implementierung von Wissensmanagement haben können. Eine wesentlich größere Bedeutung haben Menschen und die Organisation.

74

Management von erfolgskritischem Wissen

W is s e n s m anagem ent

M en sch

O rgan is a t io n

T ech n ik

Abbildung 3: Die Säulen des Wissensmanagements

Unter Berücksichtigung der Säulen und der ganzheitlich-integrativen Perspektive vollzieht sich Wissensmanagement auf mehreren Ebenen: Zum einen auf der strategischen Ebene, die -

die Formulierung von Wissenszielen und Wissensmanagement-Zielen,

-

die Entwicklung von Wissensmanagement-Strategien sowie

-

die Gestaltung des Controllings von Wissen und Wissensmanagement

umfasst.4

4

Vgl.: Probst, G. / Raub, S. / Romhardt, K. (1998), S. 51.

75

Management von erfolgskritischem Wissen Zum anderen auf der operativen Ebene der WissensmanagementAktionspläne und -aktivitäten, zu der -

die Identifikation von heutigem und zukünftigem erfolgskritischem Wissen,

-

die Entwicklung und den Erwerb von Wissen,

-

der Wissenstransfer sowie

-

die Bewahrung von bewahrungswürdigem Wissen

gehören.5 Zum dritten auf der Ebene der Rahmenbedingungen, die den Umgang mit erfolgskritischem Wissen erleichtern. Als wissensmanagementfördernde Bedingungen gelten

5 6

-

die Wissenskultur als Teil der Unternehmenskultur,

-

eine offene Organisation,

-

delegative Führung,

-

ein den Nutzen erlebbar machendes Anreizsystem sowie

-

Languaging.6

Vgl.: Armutat, S. et al. (2002), S. 20ff. Vgl.: Rump, J. / Lau-Villinger, D. (2001), S. 18.

76

Management von erfolgskritischem Wissen

Wissensziele C o n t r o l l i n g

Kultur

WissensmanagementZiele

Führung Languaging

WissensmanagementStrategien

Organisation Anreizsystem

Wissensmanagement-Aktionspläne und -aktivitäten Identifizieren von Wissen

Generieren von Wissen

Transfer von Wissen

Nutzung von Wissen

Bewahren von Wissen

Controlling

Abbildung 4: Das Konzept des ganzheitlich-integrativen Wissensmanagements Wissensmanagement ist kein Selbstzweck. Stattdessen ist es ein systematischer Weg, um die Ressource Wissen für die Umsetzung der Unternehmensvision sowie der Unternehmensziele und –strategien zu nutzen. So bilden Wissensziele die Wissensdimension des Unternehmenszielsystems ab und konkretisieren sie. Wissensmanagement-Ziele orientieren sich an den Wissenszielen und damit an dem Unternehmenszielsystem. Sie sind die Grundlage für die Wissensmanagement-Strategien. Wissensmanagement-Ziele und Wissensmanagement-Strategie geben den Aktivitäten des Wissensmanagements eine Richtung und implizieren einen Rahmen, in

77

Management von erfolgskritischem Wissen dem sich Wissensmanagement vollziehen kann und eine dauerhafte Beschäftigung mit dem Thema gewährleistet ist.7

7

Vgl.: Armutat, S. et al. (2002), S. 20.

78

Management von erfolgskritischem Wissen

2

Wissensziele und WissensmanagementZiele8

Die Tragweite von Wissen als kritischer Faktor des Unternehmenserfolges erfordert die Einbeziehung von Wissenszielen in den Katalog von Unternehmenszielen. Wissensziele zeigen auf, welchen Beitrag die Ressource ‚Wissen’ zum Unternehmenserfolg leisten soll und welches Wissen langfristig für das Unternehmen wichtig ist. Dies erlaubt eine frühzeitige Ausrichtung von wichtigen Prozessen, Strukturen und Managementsystemen. Wissensziele stehen nicht für sich allein. Ausgehend von dem Unternehmenszielsystem werden die Kernkompetenzen und die geschäftsrelevanten Wissensbereiche identifiziert. Sie stellen eine bewusste Ergänzung herkömmlicher Planungsaktivitäten dar. Zielkategorien der strategischen oder finanziellen Planung, wie z. B. Marktanteilswachstum, Umsatzrentabilität, Eigenkapitalrendite, behalten weiterhin ihre Bedeutung. Bei der Formulierung von Wissenszielen sind somit das Zusammenspiel und die Wechselwirkungen innerhalb des Zielsystems zu berücksichtigen. D. h. es geht nicht nur um die Überprüfung der Wissensziele auf ihre Kompatibilität zu anderen Zielen, sondern auch um Vereinbarkeit der anderen Ziele mit den Wissenszielen. Angesichts knapper Ressourcen ist die Abstimmung des Zielkataloges auch gekennzeichnet durch die Frage nach Zielprioritäten und der Suche nach Synergien.9 Die Inhalte der Zielbildung ergeben sich aus der Unternehmensvision, den Unternehmenszielen sowie aus der konkreten Problemsituation des Unternehmens in seiner spezifischen gesellschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Umwelt. Mögliche Inhalte können sein:

8 9

In Anlehnung an: Armutat, S. (2002), S. 29ff. Vgl.: Herbst, D. (2000), S. 67; Probst, G. / Raub, S. / Romhardt, K. (1998), S. 68, 86.

79

Management von erfolgskritischem Wissen •

der Arbeitsmarkt und dessen jeweilige Struktur hinsichtlich besonderer Jobbedarfe der Unternehmen und Jobangebote von potenziellen Arbeitnehmern



der Zusammenhang von Wissen und Innovation angesichts einer zunehmend durch kognitive Leistungen geprägten wirtschaftlichen Gesamtlage



der Hinweis, dass Wissen zunehmend ein entscheidender Wettbewerbsfaktor für das eigene Unternehmen ist und sich durch gesteigerte Produktqualität, Bewältigung der Informationsflut, einen globalen Aktionsradius und eine zunehmende Anpassungsfähigkeit des Unternehmens auszahlt,



die unternehmensinterne Bedeutung von Wissensmanagement als relevanter Identifikationsfaktor

80

-

Impulsgeber für neuartige Rollen und innovative, interessante Jobs im Unternehmen

-

Garant für die Nutzung relevanten Wissens

-

Garantie für Offenheit und Transparenz.

Management von erfolgskritischem Wissen

Beispiele für Wissensziele: •

„Wir streben an, unser Wissen über die potenzielle Konkurrenz zu erhöhen.“



„Wir wollen bestmöglich über die Wünsche und Erwartungen unserer Kunden informiert sein.“



„Wir wollen ausschließlich High Potentials beschäftigen.“

...

Abbildung 5: Beispiele für Wissensziele Wissensmanagement-Ziele geben den Aktivitäten des Wissensmanagement eine Richtung. Sie orientieren sich an den Wissenszielen und dem Unternehmenszielsystem und haben einen direkten Bezug zum operativen Geschäft. Die Definition von Wissensmanagement-Zielen ist an bestimmte Anforderungen gebunden. Solche Anforderungen beziehen sich auf die Kriterien sowie Dimensionen. Die Zielkriterien sind formale Anforderungen an die Formulierung von Zielen. Es lassen sich unterscheiden • • •

Zielpräzision (die Genauigkeit und Vollständigkeit einer Ergebnisbeschreibung), Konkretheit (die Beobachtbarkeit der Ergebnisbeschreibung), Messbarkeit (die Möglichkeit, den Zielerreichungsgrad einem vorab fixierten Maßstab quantitativ oder qualitativ zu zuordnen).

Die Dimensionen der Zielformulierung sind Inhalt, Ausmaß, Richtung und Zeitpunkt.

81

Management von erfolgskritischem Wissen • Der Inhalt legt fest, welcher Zustand angestrebt wird. • Das Ausmaß bestimmt, wie viel erreicht werden soll. • Die Richtung gibt an, ob etwas aufgebaut, gehalten oder reduziert wird. • Der Zeitpunkt gibt darüber Auskunft, wann etwas erreicht werden soll.10

Beispiele für Wissensmanagement-Ziele: -

In zwei Monaten soll das Projektteam X die Grundlagen des Themas ‚Wissensmanagement’ erworben haben.

-

In einem Monat soll der Zeitaufwand für die Suche nach Information B um ein Drittel reduziert werden.

-

Damit wir ausschließlich High Potentials beschäftigen, rekrutieren wir in den nächsten zwei Jahren nur Top-Absolventen aus Elite-Schulen.

Abbildung 6: Beispiele für Wissensmanagement-Ziele (Vgl.: Herbst, D. (2000), S. 66f.)

10

Vgl.: Herbst, D. (2000), S. 65f.

82

Management von erfolgskritischem Wissen

3

Wissensmanagement-Strategien

Als Wissensmanagement-Strategie werden die systematischen Überlegungen zur Umsetzung der Wissensziele und der Wissensmanagement-Ziele im jeweiligen Unternehmenskontext bezeichnet. Man kann grundsätzlich zwei Schwerpunktsetzungen innerhalb der Wissensmanagementstrategien eines Unternehmens unterscheiden:11 •

Im ersten Fall besteht die Strategie des Wissensmanagements darin, dass durch ein System der strukturierten Mitarbeitervernetzung ein Direktkontakt zwischen Wissensbedarfsnehmern und Wissensträgern hergestellt wird. Die Wissensträger tauschen ihr Wissen in direkter Interaktion aus. Diese Strategie wird im Folgenden als ‚People to People’ (P2P) bezeichnet.



Im zweiten Fall wird versucht, Wissensmanagement durch Verfahren der DV-gestützten, strukturierten Speicherung von Informationen zu realisieren. Die Wissensträger des Unternehmens interagieren hier vorrangig mit einem technischen System, das spezifische Wissensinhalte dokumentiert und deren zielgerichtete Abfrage gewährleistet. Dieser Wissensmanagementschwerpunkt soll im Folgenden ‚People to System’(P2S) genannt werden.

11

Vgl.: Armutat, S. et al. (2002), S. 33 ; Hansen, M. T. / Nohria, N. / Tierney, T. (2001), S. 86.

83

Management von erfolgskritischem Wissen

Wissensmanagement-Strategien

People to People Strategie

• • • •

Jedes Problem ist neu und anders, mit hoher Komplexität versehen Strukturierte Mitarbeitervernetzung durch Direktkontakt zwischen Wissensarbeitern Instrumente: Kommunikation statt Dokumentation Dokumentation nur zur Unterstützung

People to System Strategie

• • • •

Probleme werden mit standardisierten Lösungen angegangen Interaktion zwischen Wissensarbeitern mittels technischer Dokumentationssysteme Instrumente: Dokumente, Informationstechnologie Persönliche Kommunikation als Unterstützung

Abbildung 7: Strategieansätze des Wissensmanagements Ob es sinnvoll ist, einen Schwerpunkt im Sinne von ‚People to People’ oder ‚People to System’ zu setzen, hängt vor allem von den Produkten eines Unternehmens bzw. eines strategischen Geschäftsfeldes ab. Je wissensintensiver das Produkt, je individueller die Problemlösungen und je weniger standardisiert der Leistungserstellungsprozess ist, desto eher bietet es sich an, den Schwerpunkt bei ‚People to People’ zu setzen. Je standardisierter das Produkt ist und je standardisierter der Leistungserstellungsprozess ist, desto eher bietet sich ein ‚People to System’-Vorgehen im Wissensmanagement an.

84

Management von erfolgskritischem Wissen Weitere Hinweise auf die ‚richtige’, d.h. unternehmens- und geschäftsfeldadäquate Schwerpunktsetzung ergeben sich, wenn man szenarioartig die Folgen antizipiert. Darüber hinaus muss die Frage beantwortet werden, ob das Unternehmen bzw. strategische Geschäftsfeld zum antizipierten Zeitpunkt auf der Grundlage des momentanen Status quo in der Lage sein wird, die Konsequenzen des jeweiligen Ansatzes zu verarbeiten. Da sich sowohl bei ‚People to People’ als auch bei ‚People to System’ bedeutende Konsequenzen ergeben, ist es sinnvoll, eine derartige Reflexion anzustrengen, bevor man sich für die eine oder andere Strategie entscheidet, um so die unvorhersehbaren Folgen jeder Entscheidung zu minimieren.12 Im Folgenden werden die unterschiedlichen Konsequenzen, die aus den Strategie-Ansätzen resultieren unter Berücksichtigung der drei Säulen des Wissensmanagements – Mensch, Organisation und Technik – dargestellt.

Mensch

12

Parameter

Konsequenzen People to People

Konsequenzen People to System

Qualifikation

Kommunikationsfähigkeit, Kreativität

Fähigkeit zur Dokumentation

Bereitschaft zur Wissensweitergabe

Freiwilligkeit, selbstbestimmt

Auf Anforderung, prozessgesteuert

Arbeitsweise

Offen, eher unstrukturiert

Vorstrukturiert

Vgl.: Armutat, S. et al. (2002), S. 34.

85

Management von erfolgskritischem Wissen

Organisation

Technik

Organisationsstruktur

Tendenz zur Öffnung von Strukturen

Tendenz zur Strukturierung

Bedeutung informeller Strukturen

Hoch, interpersonelle Kommunikation im Vordergrund

Eher gering, Dokumentation im Vordergrund

Rolle des Wissensmanagers

Moderator, Unterstützer der Kommunikationsstrukturen und -prozesse

Qualitätssicherer, Unterstützer der Dokumentation

IT-Ausstattung

Kommunikationsorientierung, Vernetzung von Wissensträgern und –quellen

Dokumentationsorientiertung, Abbildung von Workflows

Kompatibilität

Geringer Aufwand

Schnelle Sicherstellung

Abbildung 8.: Parameter und Konsequenzen der WissensmanagementStrategien (Armutat, S. et al. (2002), S. 3) In Unternehmen mit mehreren strategischen Geschäftsfeldern kann es sein, dass einige Geschäftsfelder eine People to People-Strategie benötigen und andere Geschäftsfelder eine People to System-Strategie bevorzugen. Unter diesen Bedingungen bedarf es einer GesamtWissensmanagement-Strategie, die mit der Diversifikation kompatibel ist und die einen Rahmen für die unterschiedlichen WissensmanagementStrategien der strategischen Geschäftsfelder bildet. Einen solchen Ansatz stellt die People to People-Strategie dar. Dass die People to People Strategie ein höheres Integrationsvermögen als das People to System-Konzept 86

Management von erfolgskritischem Wissen aufweist, lässt sich u.a. mit der entwicklungslogischen Kausalität begründen. Der Ursprung des Wissensmanagement scheint in der Regel eine People to People-Strategie zu sein. In Abhängigkeit vom Reifegrad und den Produktionseigenschaften des Produktes kann People to PeopleStrategie zugunsten der People to System-Strategie abgelöst werden. Je routinierter und standardisierter der Leistungserstellungsprozess und je standardisierter die Problemlösung wird, umso größer wird der Nutzen einer People to System-Strategie. Angesichts der Rahmenbedingungen, die mit einer People to PeopleStrategie bzw. einer People to System-Strategie einhergehen, ist eine Entwicklungslogik in umgekehrter Richtung nur bedingt möglich. Wenn der Weg einer People to System-Strategie eingeschlagen worden ist, lässt sich ein Rückschritt zur People to People-Strategie nur mit Veränderung der strategischen Ausrichtung des Bereiches bzw. des Produktes vollziehen.13

13

Vgl.: Armutat, S. et al. (2002), S. 36.

87

Management von erfolgskritischem Wissen

4

Wissensmanagement-Aktionspläne und -aktivitäten

4.1 Die Identifizierung von Wissen Die Identifikation von Wissen schafft Transparenz, die eine bessere Orientierung und einen schnelleren Zugriff auf das vorhandene Wissen ermöglicht. Das Aufdecken von fehlendem Wissen stellt einen wirksamen Auslöser für Lernprozesse dar. Unterbleibt Wissensidentifikation, werden wertvolle Wissensbestände nicht entdeckt und genutzt, sind Experten nicht bekannt, erfolgt Doppelarbeit und wird das Rad immer wieder neu erfunden. Laut einer Studie wendet ein Mitarbeiter im Durchschnitt 35% seiner Arbeitszeit dafür auf, das im Unternehmen vorhandene Wissen zu finden.14 Wissenstransparenz kann darauf ausgerichtet sein, dass das gesamte im Unternehmen vorhandene Wissen lokalisiert und identifiziert wird. Dies ist jedoch mit erheblichen zeitlichen und finanziellen Aufwendungen verbunden. Darüber hinaus steht der Nutzen, der sich aus der Erfassung aller Wissensbestände ergibt, in keiner Relation zum Aufwand. Stattdessen empfiehlt es sich, Transparenz über das erfolgskritische Wissen zu schaffen. Im Handlungsfeld ‚Identifizierung von Wissen’ geht es zum einen um die Bestandsaufnahme des erfolgskritischen Wissens sowohl in vertikaler Hinsicht als auch auf horizontaler Ebene. Die Transparenz des erfolgskritischen Wissens über die Hierarchiestufen hinweg und die Untersuchung 14

Vgl.: Bullinger, H.-J. / Prieto, J.(1998), S. 98; Herbst, D. (2000), S. 81; Probst, G. / Raub, S. / Romhardt, K. (1998), S. 103f.

88

Management von erfolgskritischem Wissen der Wertschöpfungskette entsprechen der integrativen Sicht des zugrunde liegenden Wissensmanagement-Konzeptes. Diese differenzierte Analyse ermöglicht, ein fundiertes Stärken-Schwächen-Profil zu erstellen und gibt umfassende, dezidierte Hinweise für die Wissensmanagement-Aktivitäten. Für die Wissensidentifikation spielt zum anderen die Abgrenzung zwischen individuellem Wissen und kollektivem Wissen eine große Rolle, da sich die Herangehensweise deutlich unterscheidet. Darüber hinaus bezieht sich die Identifizierung von Wissen sowohl auf die heutigen Wissensbestände als auch auf die Wissenspotenziale. Nur die Kombination von heutigem Wissensbestand und Wissenspotenzial ermöglicht einen Vergleich mit den Wissenszielen.

Identifizierung von individuellem Wissen Erfolgskritisches Wissen zu identifizieren und Transparenz zu schaffen ist kein leichtes Unterfangen. Das Aufdecken individuellen Wissens bedarf eines personenadäquaten und situationsgerechten Vorgehens, welches die Verteilung der Zuständigkeiten, den Einsatz von Methoden sowie den Umgang mit Barrieren berücksichtigt. Wer für die Erfassung des erfolgskritischen Wissens zuständig ist, hängt u.a. von der gewählten Wissensmanagement-Strategie ab. Im Rahmen der People to People-Strategie sollten die Zuständigkeiten zur Identifizierung von Wissen dezentral verteilt werden. Vorgesetzte und Mitarbeiter sorgen selbst für die Erfassung der relevanten Wissensbestände und –potenziale, z. B. durch das Anfertigen von Arbeits- bzw. Erfahrungsberichten, durch Selbsteinschätzung und / oder durch Vorgesetztenbeurteilungen.15 Im Zuge der People to System-Strategie werden die Aufgaben zur Wissenstransparenz eher zentralisiert. Ein Wissensmanager erhebt und sammelt gezielt die erfolgskritischen Wissensbestände. Gleichzeitig versucht er 15

Vgl.: Weggemann, M. (1999), S. 232.

89

Management von erfolgskritischem Wissen Wissenspotenziale aufzudecken und zu lokalisieren. Als Erhebungsmethoden können Interviews, Fragebögen, Beobachtungen aber auch Großgruppeninterventionen, wie Open Space Technology und Team Syntegrity zum Einsatz kommen. Bei Großgruppeninterventionen wird das Wissen einer großen Anzahl von Personen identifiziert und soviel Wissen wie möglich externalisiert. Dies betrifft nicht nur individuelles Wissen. Durch das Sichtbarmachen von Beziehungsnetzen und der Verknüpfungen kann darüber hinaus kollektives Wissen aufgedeckt werden. Unabhängig von der Wahl der Wissensmanagement-Strategie und der Erhebungsmethoden stellen Wissenskarten effiziente Instrumente zur Dokumentation der individuellen erfolgskritischen Wissensbestände dar. Wissenskarten sind Verzeichnisse von Wissensträgern, Wissensbeständen, Wissensquellen, Wissensstrukturen oder Wissensanwendungen. Es gibt unterschiedliche Arten von Wissenskarten:16 Wissenstopographien

Wissentopographien veranschaulichen, welche Wissensart in welcher Ausprägung bei welchem Wissensträger vorhanden ist.

Wissensbestandskarten

Wissensbestandskarten zeigen an, wo und wie bestimmte Wissensbestände gespeichert sind.

Wissensquellen- Wissensquellenkarten geben Auskunft, welche Personen innerhalb eines Teams, eines Bereichs oder aus dem exkarten ternen Umfeld wichtiges Wissen zu bestimmten Aufgaben beitragen können.

16

Vgl.: Felbert, D.v. (1998), S. 128; Probst, G. / Raub, S. / Romhardt, K. (1998), S. 107ff.

90

Management von erfolgskritischem Wissen

Gelbe Seiten als Sonderform der Wissensquellenkarten

Die ‚Gelben Seiten’ enthalten Informationen über Kernprozesse und typische Probleme im Unternehmen sowie die Namen und Kontaktdaten von potenziellen Problemlösern.

Wissensmatrix

Im Rahmen der Wissensmatrix wird das vorhandene Wissen klassifiziert. Ähnlich wie bei der Einordnung des Wissensbedarfs kann zwischen unkritischem Wissen, Basiswissen, Engpasswissen und Hebelwissen unterschieden werden.

Wissenskarten sind meistens in Datenbanken integriert. Solche Datenbanken mit Informationen über Mitarbeiter hinsichtlich Qualifikationsstand, Bildungs- und Berufsweg sind laut Betriebsverfassungsgesetz mitbestimmungspflichtig. Sie unterliegen zudem den Tatbeständen der Datenschutzbestimmungen. Darüber hinaus dürfen Angaben zur Person, die nicht für das Arbeitsverhältnis relevant sind, nicht ohne Erlaubnis der einzelnen Mitarbeiter aufgenommen werden.17 Wissenstransparenz ist häufig mit einer Reihe von kritischen Aspekten verbunden, deren Bewältigung das Ausmaß und die Qualität der Wissensidentifizierung mitbestimmt. •

17

Da sich der Status-Quo von Wissen und Informationen im Unternehmen ständig ändert (Mitarbeiter verlassen das Unternehmen oder werden neu eingestellt, alle Beschäftigte sind Lernprozessen unterworfen...), spielt Aktualität bei der Wissensidentifizierung eine große Rolle. Wissensidentifikation muss somit als kontinuierlicher Prozess verstanden werden, der niemals endet und sich fortlaufend weiterentwickelt.

Vgl.: Dilk, A. (1999), S. 74.

91

Management von erfolgskritischem Wissen •

Wissensbestände lassen sich nicht immer zu Informationen externalisieren, die in Datenbanken, auf Disketten, auf CD-ROMs und / oder in Papierform erfasst werden. Ein nicht unerheblicher Teil des Wissens bleibt implizit. Angesichts der Bedeutung für den Unternehmenserfolg bedarf es jedoch einer Transparenz über kritisches implizites Wissen. Die Lokalisierung und Identifizierung von implizitem Wissen sind nur über die Erfassung der Wissensträger möglich.



Bei einer umfassenden Aufdeckung von Wissen besteht nicht selten die Gefahr der Preisgabe sensibler Informationen, die für die Konkurrenz nützlich sein können. Im Rahmen der Identifizierung von Wissen gilt es daher abzuwägen, in welchem Wissensfeld zusätzlich Transparenz einen Nutzen schafft und wie hoch der Schaden wäre, wenn Informationen und Wissen abfließen.



Mitarbeiter, die Wissensvorsprünge als Machtfaktor ansehen, haben wenig Interesse an Wissenstransparenz. Wissensintransparenz ist für sie eine Strategie zur Erhaltung der eigenen Macht. Die Schaffung einer Wissenskultur bietet die Möglichkeit, deren Bereitschaft, Wissen zu teilen, und deren Einsicht in den Nutzen zu erhöhen.

Identifizierung von kollektivem Wissen Der Umgang mit erfolgskritischen kollektiven Fähigkeiten ist einer anderen Logik unterworfen als die Vorgehensweise bei der Identifizierung des individuellen erfolgskritischen Wissens. Durch die Verknüpfung von Wissen entsteht eine Wissensbasis auf der Metaebene, die keiner Person zuzuordnen ist und deren Qualität sich mit den Kombinationsmöglichkeiten ändert. Kollektives Wissen befindet sich in einem sehr instabilen Zustand, da es sehr elastisch auf Veränderungen seiner Bestimmungsgrößen und Einflussfaktoren reagiert. Instabilität und Komplexität erschweren die Offenlegung. Ein Versuch, die vorhandene kollektive Wissensbasis fass-

92

Management von erfolgskritischem Wissen bar zu machen, stellt die Analyse von Beziehungsnetzen und die Bewertung der Ergebnisse von Gruppenhandlungen dar.18 Beziehungsnetze als Indikatoren für kollektives Wissen können mit Hilfe von Wissenslandkarten sichtbar gemacht werden. Wissenslandkarten versuchen die Verbindungen sowie Interdependenzen von einzelnen Beschäftigten, von Teams bzw. Abteilungen unter Berücksichtigung der Kernprozesse abzubilden. Wenn jeder Teilnehmer des Netzwerkes sein individuelles Wissen offen legt, wird durch die Abbildung der Beziehungen die Kombination der Denk- und Handlungsmuster deutlicher.19 Das kollektive Wissen, über welches z. B. Projektgruppen verfügen bzw. welches in Projekten entwickelt wird, kann durch eine kontinuierliche Dokumentation in Form von Erfahrungsberichten, durch Informieren über Arbeitsfortschritte und durch Projektpräsentationen identifiziert werden. Gestaltet es sich schon schwierig, kollektive Wissensbestände zu identifizieren, ist die Offenlegung von kollektiven Wissenspotenzialen kaum noch zu beherrschen. Zu groß sind Instabilität und Komplexität.

4.2 Die Entwicklung von Wissen Das operative Handlungsfeld der Wissensentwicklung beschäftigt sich mit der Schaffung von neuem Wissen. Ist Wissen unternehmensintern nicht vorhanden, jedoch extern verfügbar, existiert neben der Wissensentwicklung die Möglichkeit des Wissenserwerbs. Lässt sich zwischen Erwerb

18 19

Vgl.: Probst, G. / Raub, S. / Romhardt, K. (1998), S. 125. Vgl.: Felbert, D.v. (1998), S. 126, 128; Probst, G. / Raub, S. / Romhardt, K. (1998), S. 116f.

93

Management von erfolgskritischem Wissen und Entwicklung wählen, wird der Entwicklung der Vorrang gegeben, wenn die Integration von externem Wissen nicht möglich ist, Wissen intern kostengünstiger produziert werden kann, das Unternehmen aus strategischer Sicht die Barrieren gegen die Konkurrenz erhöhen und mehr Kontrolle über das kritische Wissen behalten möchte.20 Die zunehmende Bedeutung des Wissens als Wettbewerbsfaktor bedingt, dass die inhaltlichen Anforderungen an Wissen stetig steigen und sich der Lebenszyklus von Wissen beständig verkleinert. Dies hat weitreichende Konsequenzen für die Gestaltung der Wissensgenerierung. Heute und in Zukunft muss sich Wissensentwicklung vor allem zwei Herausforderungen stellen: 1. Die Ausrichtung der Lernprozesse muss dem hohen Anspruch an die Qualität des Wissens gerecht werden. 2. Die Zeitverzögerung zwischen der Identifikation von Wissenslücken und deren Schließung muss so gering wie möglich ausfallen. Wird der zeitliche Aspekt nicht hinreichend berücksichtigt, besteht die Gefahr, dass Wissen zwar geschaffen wird, sich die Anforderungen an das Wissen in der Zwischenzeit jedoch wieder geändert haben. Die inhaltlichen und zeitlichen Anforderungen lassen sich am ehesten durch Lernen am Arbeitsplatz und im Rahmen von Zusammenarbeit erfüllen. Es ist jedoch zu beobachten, dass trotz der Einsicht in die Notwendigkeit einer bedarfsorientierten und schnellen Wissensentwicklung nicht selten Lernprozesse am Arbeitsplatz sowie durch Kommunikation und Kooperation mit Kollegen, Mitarbeitern und Vorgesetzten zufällig blei-

20

Vgl.: Probst, G. / Raub, S. / Romhardt, K. (1998), S. 178.

94

Management von erfolgskritischem Wissen ben, als solche von den Akteuren nur bedingt wahrgenommen werden und nicht erkundend genug ausgestaltet sind. Der Dialog stellt einen Weg dar, zum einen den inhaltlichen und zeitlichen Anforderungen an die Wissensgenerierung gerecht zu werden sowie zum anderen den Lernprozessen im Arbeitsumfeld die Zufälligkeit zu nehmen und die Wahrnehmung für das Lernen zu schärfen. Im Dialog wird die Verantwortung für die Wissensentwicklung dem Einzelnen übertragen. Gleichzeitig erhält er die Möglichkeit, die Entwicklung seines Wissens autonom zu managen. Grundsätzlich wird unter Dialog der Versuch verstanden, die Welt mit neuen Augen zu sehen. Im Dialog wird miteinander gedacht und das Denken ins ‚Fließen’ gebracht. Indem ein freier Fluss der Meinungen zugelassen sowie das Erkunden von Annahmen, Hintergründen und Überzeugungen gefördert wird, geht man den Dingen auf den Grund.21

21

Vgl.: Isaacs, W. (1996), S. 183; Schein, E. (1996), S. 214; Beucke-Galm, M. (1999), S. 6f.; Pawlowsky, P. (1998), S. 38.

95

Management von erfolgskritischem Wissen

Die vier Dimensionen des Dialogs Als Haltung ist Dialog die Bereitschaft, sich mit den eigenen und kollektiven Werten, Annahmen und Überzeugungen auseinanderzusetzen und sich dem damit verbundenen Risiko der Unsicherheit zu stellen. Als Fähigkeit ist Dialog die Qualifikation, -

die eigenen Werte, Ziele, Denk- und Handlungsmuster zu reflektieren und anderen mitzuteilen,

-

die Motive, Annahmen und Überzeugungen anderer wahrzunehmen und wertzuschätzen sowie

-

eigene und fremde Impulse miteinander zu verknüpfen.

Als Prozess ist Dialog das Erkunden der Kommunikation, der Beziehungen, der Zusammenhänge und der Hintergründe sowie das Positionieren der eigenen Person in dem kollektiven, betrieblichen und unternehmensexternen Kontext. Als Ort ist Dialog ein mentaler Raum, in dem Widersprüche und Unvereinbarkeiten, die aus der Komplexität des Alltags resultieren, sichtbar gemacht werden, die nebeneinander stehen können und an denen gearbeitet wird. Abbildung 9: Die Dimensionen des Dialogs (Vgl.: Beucke-Galm, M. (1999), S. 6f.) Der Dialog schafft eine gemeinsame Sprache, eine gemeinsame Vision und gemeinsames Lernen. Wer in einer Atmosphäre des Dialogs arbeitet, lernt permanent. Er / sie nimmt bewusst ständig neue Dinge und Entwicklungen wahr, respektiert die Vielfalt von Ansichten, wägt ab und hinterfragt.

96

Management von erfolgskritischem Wissen „Beim Dialog erforscht die Gruppe schwierige, komplexe Fragen unter vielen verschiedenen Blickwinkeln. Der einzelne legt sich nicht auf seine Meinung fest, aber er teilt seine Annahmen offen mit. Das führt dazu, dass die Beteiligten die ganze Fülle der Erfahrung und des Denkens ungehindert erforschen und an die Oberfläche bringen können. ... Beim Dialog werden die Beteiligten zu Beobachtern ihres eigenen Denkens.“22 Der Dialog unterstützt reflexive Lernprozesse und das Lernen zu lernen. Ein gewisses Maß an methodischen und sozialen Fähigkeiten ist jedoch notwendig, um in einen Dialog eintreten zu können. Darüber hinaus bedingt der Dialog, dass der Beschäftigte die ihm übertragene Verantwortung und Freiheit annimmt, seinen Qualifikationsstand sowie die Art und den Umfang der Wissensentwicklung so zu gestalten, wie er es für richtig hält. Da im Dialog miteinander gedacht wird, ist eine solche Wissensgenerierung nicht nur individuell, sondern auch kollektiv. Vollzieht sich diese Art der Wissensentwicklung über die Organisation hinweg, ist der Sprung zur lernenden Organisation getan. Dialoghaltung und -kompetenz bei Beschäftigten ist somit eine zentrale Voraussetzung für die lernende Organisation. Wissensentwicklung in und mit dem Dialog wird durch eine Reihe von Maßnahmen unterstützt. Dabei spielt die Einrichtung des unmittelbaren und mittelbaren Arbeitsfeldes eine große Rolle. Die Kontextgestaltung zielt vor allem darauf ab, eine lernfördernde Atmosphäre zu schaffen. Durch die Schaffung von Freiräumen am Arbeitsplatz erhalten die Beschäftigten die für die Wissensentwicklung notwendige Zeit und Energie. Die Lokalisierung von Kommunikationsecken und Kreativzonen erleichtern zudem das Zusammentreffen von Mitarbeitern. Auch der Umgang mit Fehlern ist für den Lernprozess von Bedeutung. Eine Fehlervermeidungs22

Senge, P. M. (1996), S. 293f.

97

Management von erfolgskritischem Wissen kultur erstickt reflexives Lernen. In einem Rahmen, in dem Fehler nicht als Versagen interpretiert, sondern als notwendige Erfahrungen auf dem Weg zur Lösung angesehen werden, entwickeln die Mitarbeiter eigeninitiativ Wissen und übernehmen die Verantwortung für den Lernprozess. Darüber hinaus können Abteilungs- bzw. Teamsitzungen als Plattform für den Dialog und damit als Ort des Lernens dienen. Diese Integration in bestehende Strukturen bedarf einer Führung, die ihren Mitarbeitern mit Offenheit, Vertrauen, Respekt und Toleranz begegnet.23 Neben der Lernform des Dialoges gibt es weitere Wege zur Wissensentwicklung. Dazu gehören Veränderung der Arbeitsinhalte, explizite Lernorte, Team bzw. Projektarbeit, Coaching sowie die Vermittlung von Best Practice. Veränderung der Arbeitsinhalte

23

Job Enlargement, Job Enrichment und Job Rotation sind geeignet, das Wissen des Beschäftigten systematisch auszubauen. Job Enlargement ist darauf ausgerichtet, durch Hinzufügen von Arbeitsaufgaben auf der horizontalen Ebene die Wissensbasis des Mitarbeiters um verwandte Inhalte zu erweitern. Durch Job Enrichment wird der Arbeitsplatz um höherwertige Aufgaben ergänzt. Die individuelle Wissensbasis entwickelt sich in vertikaler Richtung. Im Rahmen von Job Rotation wechseln Beschäftigte den Arbeitsplatz in regelmäßigen Zeitabständen. Dadurch nehmen sie die Aufgaben innerhalb des Unternehmens aus unterschiedlichen Perspektiven wahr und lernen, funktionsübergreifend und ganzheitlich zu denken. Darüber hinaus bauen sie zusätzliche Qualifikation auf.24

Vgl.: Herbst, D. (2000), S. 109; Probst, G. / Raub, S. / Romhardt, K. (1998), S.185f.; Weggemann, M. (1999), S. 152. 24 Vgl.: Felbert, D. v. (1998), S. 138; Weggemann, M. (1999), S. 150.

98

Management von erfolgskritischem Wissen Explizite Lernorte

Think Tanks, Lernzentren und Lernarenen gelten als explizite Lernorte. Think Tanks sind Organisationseinheiten, die mit der Entwicklung kritischen Wissens für das gesamte Unternehmen betraut sind. Traditionelle Formen der Think Tanks sind Stäbe und F&EAbteilungen. Im Rahmen von Lernzentren treffen sich Mitarbeiter regelmäßig, um an Problemen zu arbeiten. Ziel ist es, Lernen und Handeln zu verbinden. Typische Lernzentren sind Qualitäts-, Öko- und Gesundheitszirkel. In Lernarenen wird abseits der täglichen Routine neues Denken geschaffen und Wissen aus unterschiedlichen Bereichen des Unternehmens innovationsrelevant verknüpft. Lernarenen überlagern die Aufbau- und Ablauforganisation. Sie können durch Informationstechnologie effizient unterstützt werden. Cocreating, als eine Sonderform der Lernarena, stellt eine multimediale Arbeitsplattform für Projektarbeit zur Verfügung, auf der auch von unterschiedlichen Standorten aus zusammengearbeitet werden kann. Projektmitarbeiter können Ideen gemeinsam entwickelt, Arbeitsaufgaben aufteilen und Dokumente austauschen. In expliziten Lernorten kann der Dialog als Kommunikationsinstrument zum Einsatz kommen.25

Teamarbeit

Teams bieten eine effektive Plattform für das Entstehen von neuem Wissen. Die Teammitglieder tauschen ihr Wissen aus, kombinieren es neu und schaffen hierdurch Ideen und Lösungen. Unterschiedliche Erfahrungen, Ansichten und Deutungen setzen einen kreativen Prozess in Gang, der in dieser Qualität bei dem Einzelnen nicht möglich wäre. Die Zusammensetzung des Teams stellt eine wichtige Bedingung für die Fähigkeit zur kreativen Problemlösung einer Gruppe dar. Heterogenität und In-

25

Vgl.: Herbst, D. (2000), S. 104; Pawlowsky, P. (1998), S. 41.

99

Management von erfolgskritischem Wissen terdisziplinarität ermöglichen einerseits das Zusammentreffen unterschiedlicher Perspektiven. Andererseits kann zuviel Unterschiedlichkeit die Integrität des Teams stören. In kollektiven Lernprozessen muss deshalb eine Balance zwischen Heterogenität und Konsens geschaffen werden. Diese Integration kann durch das Einvernehmen über den angestrebten Zielrichtung und der Akzeptanz divergierender Standpunkte erreicht werden.26 Coaching

Coaching zielt darauf ab, das durch Erfahrung gewonnene Wissen kritisch zu reflektieren sowie hinsichtlich seiner Relevanz und Kontextorientierung zu hinterfragen. Der Coach – ein externer spezialisierter Berater oder ein interner geschulter Personalentwickler – unterstützt den Beschäftigte dabei, problematische Arbeitssituationen zu analysieren und über Verhaltensmuster nachzudenken. Beim Coaching steht weniger die Entwicklung von fachlichem Wissen im Vordergrund. Vielmehr wird Wissen um die Gründe der Verhaltensmuster und die Fähigkeit zu lernen generiert.27

Vermittlung Bei der Vermittlung von Best Practice geht es vor allem von Best Prac- darum, Denkanstöße zu geben. Die Mitarbeiter lernen tice von jenen Verfahren, Methoden und Arbeitsweisen, die einen besonders hohe Qualität, Wertschöpfung sowie Produktivität aufweisen und als derzeit beste Lösung gelten. Das Wissen um Best Practice kann dann als Input für das eigene Problem genutzt und bedarfsgerecht angepasst werden.28

26

Vgl.: Felbert, D. v. (1998), S. 130; Herbst, D. (2000), S. 105; Probst, G. / Raub, S. / Romhardt, K. (1998), S. 200. 27 Vgl.: Felbert, D. v. (1998), S. 138f. 28 Vgl.: Herbst, D. (2000), S. 107.

100

Management von erfolgskritischem Wissen

4.3 Der Erwerb von Wissen Die explosionsartige Vermehrung von Wissen, seine sinkende Halbwertszeit und zunehmende Fragmentierung führen dazu, dass das für den Erfolg notwendige Wissen vom Unternehmen selbst nicht vollständig entwickelt werden kann. Teile des erfolgskritischen Wissens müssen erworben werden. Mit Wissenserwerb ist nicht gemeint, Wissen extern ‚einzukaufen’. Vielmehr steht die Integration von fremdem Wissen im Vordergrund. Unternehmen entscheiden sich für den Erwerb von Wissen, wenn Wissen nicht aus eigener Kraft entwickelt werden kann, oder wenn damit Kostenvorteile einher gehen und es von geringer Relevanz ist, dass die Konkurrenz über vergleichbare Importmöglichkeiten verfügt. Das Handlungsfeld ‚Wissenserwerb’ ist sowohl auf die Einbeziehung direkt verwertbaren Wissens (Gegenwartsbezug) als auch auf den Aufbau von Potenzialen (Zukunftsorientierung) ausgerichtet. Der Erwerb von Wissen ist mit einigen Besonderheiten verbunden. Externe Wissensmärkte sind in der Regel intransparent. Die angebotenen Produkte und Dienstleistungen lassen sich nur bedingt miteinander vergleichen und die Beziehungen zwischen Wissensanbieter und Wissensnachfrager sind meist persönlicher Natur. Das Tauschgeschäft ist nicht selten durch hohes Vertrauen gekennzeichnet, denn für den Wissensnachfrager ist es häufig schwierig, die Qualität der angebotenen Leistung zu beurteilen. Darüber hinaus kann die Integration von externem Wissen im Unternehmen Unsicherheit bei den Beschäftigten hervorrufen. Emotionen und Abwehrreaktionen sind vielfach die Folge. Ob die Integration von fremdem Wissen gelingt, hängt zum einen von dem Umgang mit Unsicherheiten und zum anderen von der Absorptions- und Vernetzungsfähigkeit des Unternehmens ab. Fremdes Wissen kann über verschiedene Kanäle eingebracht werden. Dazu zählen die Integration externer Wissensträger, der Erwerb von Wis101

Management von erfolgskritischem Wissen sensprodukten, die Nutzung von Stakeholdern sowie die Akquisition des Wissens anderer Unternehmen. Erwerb des Know-hows von externen Wissensträgern

Externe Wissensträger sind potenzielle Mitarbeiter und Berater. Da durch die Einstellung von externen Wissensträgern eine Vorentscheidung getroffen wird, welche organisationalen Fähigkeiten aufgebaut werden können, spielt der Auswahlprozess eine große Rolle. Der Rekrutierung sollte ein umfassendes Anforderungsprofil zugrunde liegen, das von den Wissenszielen abgeleitet wird. Wenn ein Unternehmen einen Bedarf an gewissen Fähigkeiten für einen längerfristigen Zeitraum hat, sollten externe Wissensträger im Rahmen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses integriert werden. Ist hingegen bestimmtes Wissen nur kurz- bis mittelfristig knapp, dienen Zeitverträge zur Wissenssicherung. Der gezielte Einsatz von Beratern sichert den Zugriff auf qualitativ hochwertiges Know-how und ermöglicht, deren Erfahrungen und Methodenkenntnissen aus anderen Unternehmen und Branchen mit den eigenen zu verknüpfen. Darüber hinaus können Berater kurzfristig verpflichtet werden.29

Erwerb von Wis- Wissen in Form von Wissensprodukten bzw. Wissenssensprodukten konserven ist personenunabhängig. Durch den Kauf von Wissensprodukten wird nicht automatisch die organisationale Wissensbasis des Unternehmens erhöht. Ihr Potenzial wird in der Regel erst durch menschliches Handeln und eine sinnvolle Integration in die bestehende Wissensbasis umgesetzt. Typische Wissensprodukte sind Patente, Lizenzen von Patenten, 29

Vgl.: Probst, G. / Raub, S. / Romhardt, K.. (1998), S. 153ff.

102

Management von erfolgskritischem Wissen Franchising, Software, Bücher, CD-ROMs, Videos, Konstruktionspläne, Designerentwürfe, Blaupausen, Produkte und Maschinen.30 Erwerb von Sta- Als Stakeholder werden diejenigen Gruppen im Umkeholder-Wissen feld eines Unternehmens bezeichnet, die besondere Interessen und Ansprüche an die betriebliche Tätigkeit haben. Stakeholder sind somit unternehmensrelevante Anspruchsgruppen. Dazu zählen Mitarbeiter, Führungskräfte, Kunden, Lieferanten, Konkurrenten, Banken, Behörden, die Öffentlichkeit und auch die Eigentümer. Aus der Perspektive des Wissensmanagements ist nicht nur das Wissen über die Stakeholder, sondern auch die Wissensbestände und -potenziale der Stakeholder von Bedeutung. Sie kennen häufig die Stärken und Schwächen der Produkte bzw. Dienstleistungen. Voraussetzung für die Nutzung des StakeholderWissens ist eine gemeinsame Sprache.31 Beispiele für den Erwerb von Stakeholder Wissen sind gemeinsame Projekte oder Workshops. Erwerb von Wis- Als der radikalste Weg des Wissenserwerbs gilt die sen anderer Un- Übernahme eines Unternehmens. Während bei der ternehmen Übernahme von kleinen innovativen Unternehmen häufig die Investition in die Potenziale im Vordergrund steht, ist mit der Akquisition von mittleren und größeren Unternehmen vielfach auch die Schließung einer 30 31

Vgl.: Probst, G. / Raub, S. / Romhardt, K. (1998), S. 168ff. Vgl.: Herbst, D. (2000), S. 156; Felbert, D. v. (1998), S. 132; Probst, G. / Raub, S. / Romhardt, K. (1998), S.163ff.

103

Management von erfolgskritischem Wissen derzeit existierenden Wissenslücke verbunden. Die Art und Weise der Übernahme bestimmen entscheidend die Nutzung der akquirierten Wissensbasis. Unfreundliche Übernahme, interne Machtkämpfe sowie Überstülpen von Struktur und Kultur zerstören die Wissensbasis im übernommenen Unternehmen. Wenn Mitarbeiter sich ‚verkauft’ fühlen, stellen sie ihr Wissen dem neuen Eigentümer wohl kaum bereitwillig zur Verfügung. Einen anderen Weg, Wissen von Unternehmen zu nutzen, stellt die strategische Allianz dar. Eine strategische Allianz ist eine Kooperationsform. Strategische Allianzen, die den Wissenserwerb zum Ziel haben, werden als Knowledge Links bezeichnet. In Knowledge Links kompensieren die Kooperationspartner ihre Schwächen, indem sie das Wissen gegenseitig erschließen, voneinander lernen und damit ihre Handlungskompetenz erhöhen. Neben strategischen Allianzen gibt es fallweise, lose Kooperationen. Darunter lassen sich z. B. die Zusammenarbeit mit Hochschulen und Forschungsinstituten subsumieren.32

32

Vgl.: Bullinger, H.-J. / Prieto, J. (1998), S. 103; Felbert, D. v. (1998), S. 132; Probst, G. / Raub, S. / Romhardt, K. (1998), S. 159ff.

104

Management von erfolgskritischem Wissen

4.4 Der Transfer von Wissen Um Wissenssynergien zu nutzen, den organisationalen Lernprozess zu unterstützen sowie Wissen zur rechten Zeit am rechten Ort nutzen zu können, müssen Maßnahmen ergriffen und Bedingungen geschaffen werden, damit das Wissen geteilt bzw. verteilt werden kann. Wissenstransfer hat zum Ziel, isoliert vorhandenes Wissen für andere und das gesamte Unternehmen nutzbar zu machen. Die grundlegende Voraussetzung für die Wissens(ver)teilung ist die Existenz von Wissen. Dieses ist intern entwickelt und / extern erworben worden. Darüber hinaus spielen die Identifizierung und Lokalisierung von Wissen eine wichtige Rolle für den Wissenstransfer. Die Leitfrage des Handlungsfeldes ‚Wissenstransfer’ lautet: Wer sollte was in welchem Umfang wissen oder können, und wie lässt sich der Prozess der Wissens(ver)teilung erleichtern? Nicht alles muss von allen gewusst werden. Totaler Wissenstransfer ist nicht das Ziel. Stattdessen geht es darum, Individuen und Gruppen Zugang zu jenen Wissensbeständen zu ermöglichen, die für ihre heutige und zukünftige Aufgabenbewältigung notwendig sind bzw. sein werden. Die Wissensziele geben die Richtung des Transfers vor. Der Wissenstransfer vollzieht sich jedoch nicht nur in einem inhaltlichen Rahmen, der durch die Wissensziele bestimmt ist, sondern berücksichtigt auch Grenzen, die ihm auferlegt sind. Eine bedeutsame Grenze stellt die individuelle Speicher- und Verarbeitungskapazität dar. Der beschränkte Umfang an Fähigkeiten, die ein Individuum zu beherrschen in der Lage ist, macht eine arbeitsteilige Spezialisierung erforderlich. Eine weitere Grenze bildet die ökonomische Sinnhaftigkeit. Wissens(ver)teilung ist mit erheblichem zeitlichem und finanziellem Aufwand verbunden. Der Nutzen, der sich aus einem totalen Wissenstransfer ergibt, steht in keiner Relation zu diesem Aufwand. Das Ausmaß des Wissenstransfers wird darüber hinaus durch die Schutzwürdigkeit bestimmter Wissensbestände begrenzt. Geheimhaltungspflicht gegenüber Kunden, Lieferanten etc. sowie der Schutz

105

Management von erfolgskritischem Wissen vor der Konkurrenz können zu einer Einschränkung des Wissenszugangs führen.33 Grundsätzlich erfordert der Wissenstransfer die Bereitschaft und Fähigkeit Wissen zu (ver)teilen. Wesentliche Voraussetzung für die Bereitschaft zum Wissenstransfer ist das Interesse sowie die Einsicht in den Nutzen und die Sinnhaftigkeit einer Wissens(ver)teilung. Wissenstransfer wird immer wieder durch Barrieren behindert. Diese Barrieren können personenorientiert, organisatorischen Ursprungs und / oder kulturell bedingt sein.34 Teilungsbarrieren auf individueller Ebene können zum einen auf mangelnder Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit basieren. Zum anderen kann die Bereitschaft, Wissen zu (ver-)teilen durch Besitzerstolz in Bezug auf Expertenwissen, aufgrund von Befürchtungen, durch Wissenstransfer die eigene Stellung im Unternehmen zu gefährden, oder angesichts der Angst vor Veränderungen, Fehlern, Versagen und Blamage negativ beeinflusst werden. Organisatorische Teilungsbarrieren betreffen die Gestaltung des Arbeitsfeldes und der Arbeitsumgebung. Darunter fallen Zeitknappheit, zentralistische und hoch spezialisierte Organisationsformen, autoritärorientierte Führungsstile, fehlendes Anreizsystem, ungeeignete ITStruktur sowie fehlende Transparenz über Wissensbestand, -träger und -quellen. Daneben bedrohen umfangreiche und / oder abrupte Änderungen in der Unternehmensstruktur die effektive Wissens(ver)teilung. Unternehmenszusammenschlüsse, rapides Wachstum 33

Vgl.: Bullinger, H.-J. / Wörner, K. / Prieto, J. (1998), S. 29f.; Probst, G. / Raub, S. / Romhardt, K. (1998), S. 219ff. 34 Vgl.: Augustin, S. (2000), S. 160f.; Götz, K. / Hilt, A. (2000), S. 248; North, K. (1999), S. 146; Pawlowsky, P. (1998), S. 27; Probst, G. / Raub, S. / R.omhardt, K. (1998), S.255ff.

106

Management von erfolgskritischem Wissen oder Desinvestitionen können traditionelle Transferkanäle unterbrechen oder sogar zerstören. Der Trend zur Virtualisierung der Organisation kann ebenfalls den Wissenstransfer behindern. Die natürliche Teilungssituation, die durch physische Präsenz von Beschäftigten am Arbeitsplatz, durch gemeinsame Arbeit vor Ort und durch informelle Begegnungen gekennzeichnet ist, wird konterkariert. Bei kulturellen Teilungsbarrieren fehlen normative Elemente, die legitimierend und unterstützend auf den Transfer von Wissen Einfluss nehmen. Typische kulturelle Barrieren sind die Misstrauenskultur, eine hohe Machtorientierung sowie die grundlegende Einstellung, dass Fehler mit hohen persönlichen Risiken verbunden sind. Ein ganzheitlich-integratives Wissensmanagement hilft die Teilungsbarrieren zu überwinden. Die Schaffung einer Wissenskultur trägt dazu bei, die kulturellen Barrieren und individuellen Vorbehalte gegen die Wissens(ver)teilung abzubauen. Erfolge im Wissensmanagementprozess, positive Beispiele sowie partizipative Ansätze bei der Gestaltung des Wissensmanagements unterstützen diese Entwicklung. Die Definition von Wissenszielen und Wissensmanagement-Zielen, die Identifizierung und Lokalisierung von Wissen, die Förderung einer offenen Führung sowie von Handlungsspielräumen am Arbeitsplatz und im Arbeitskontext – wirken vor allem den organisatorischen Teilungsbarrieren entgegen. Die Unterstützung der Ausbildung von Kommunikationsfähigkeit als Aufgabe der Wissensentwicklung sowie die Gestaltung kompatibler Wege zur Wissensbewahrung tun ihr Übriges. Wissenstransfer bewegt sich im Spannungsfeld der Push- und PullPhilosophie. Im Rahmen der Push-Philosophie wird zentral entschieden, welches Wissen in welchem Umfang (ver)teilt werden soll. Wissensmultiplikation erfolgt dann über klar definierte Kanäle und wird in das Unternehmen ‚gedrückt’. Von den Mitarbeitern wird erwartet, das kritische Wissen unaufgefordert zur Verfügung zu stellen. Wissen ist Bringschuld. Die Pull-Philosophie hingegen orientiert sich am Wissensnutzer und seinem Bedürfnissen. Er fordert bei Bedarf in Eigeninitiative Informationen 107

Management von erfolgskritischem Wissen an und fordert zum Wissenstransfer auf. Informationen werden zur Holschuld. Damit die Pull-Philosophie umgesetzt werden kann, ist Transparenz über Wissensbestände, -träger und -quellen notwendig. Andernfalls wäre der Wissensnutzer nicht oder nur mit großem Aufwand in der Lage, Informationen zu holen. Um den Wissenstransfer so wirkungsvoll wie möglich zu gestalten, darf Wissensmultiplikation nicht auf einer Entscheidung zugunsten einer Philosophie und zulasten der anderen basieren. Vielmehr muss sowohl der Push- wie auch der Pull-Ansatz verankert werden. Damit baut die Wissens(ver)teilung zum einen auf einer Infrastruktur auf, die Transparenz schafft und den Zugang zum Wissen erleichtert, und benötigt zum anderen die Eigeninitiative der Beschäftigten, sich bei Bedarf der Infrastruktur zu bedienen und auf das vorhandene Wissen zuzugreifen.35 Die (Ver)teilung von Wissen wird durch eine Reihe von Instrumenten und Maßnahmen unterstützt:36 •

Kommunikationsforen: Kommunikationsforen bilden einen Rahmen, damit Beschäftigte sich auch außerhalb des operativen Tagesgeschäftes austauschen können. Man unterscheidet zwischen formellen und informellen Foren. Typische formelle Kommunikationsforen sind Zirkelarbeit sowie innerbetriebliche und unternehmensübergreifende Arbeitskreise zum Erfahrungsaustausch. Als informelle Foren gelten das gemeinsame Mittagessen, Flurgespräche, gemeinschaftliche Freizeitaktivitäten etc. Eine Untersuchung des Center for Workforce Development geht davon aus, dass Mitarbeiter bis zu 70% ihres Wissens über ihr Arbeitsumfeld und das Unternehmen durch informelle Kommunikation erfahren. Die Kommunikation auf dem Gang oder in der

35

Vgl.: North, K. (1999), S. 237f.; Picot, A. / Scheuble, S. (2000), S. 31f.; Probst, G. / Raub, S. / Romhardt, K. (1998), S.237. Vgl.: Bullinger, H.-J. / Prieto, J. (1998), S. 99; Davenport, T. / Prusak, L. (1998), S. 184ff.; Heisig, P. (1999), S. 45f.; Herbst, D. (2000), S. 126f., 132, 135ff.; Krallmann, H. / Boekhoff, H. / Schönherr, M. (2000), S. 230ff.; Pfiffner, M. / Stadelmann, P. (1999), S. 378; Wuppertaler Kreis (2000), S. 27, 81.

36

108

Management von erfolgskritischem Wissen Teeküche hat also keineswegs immer nur das Wetter, ein Fußballspiel vom vergangenen Abend oder andere private Themen zum Inhalt. •

Mentoring: Bei Mentoring steht vor allem der intergenerative Wissensaustausch im Vordergrund. Ein erfahrener Mitarbeiter unterstützt einen jüngeren, weniger erfahrenen Kollegen. Er selbst kann in dem interaktiven Prozess sein Wissen und Denkmuster hinterfragen und erweitern.



Querschnittswissen als Standard-Tagesordnungspunkt bei Sitzungen: In regelmäßigen Abständen berichtet jeweils ein Mitarbeiter von seinen Arbeitserfahrungen.



Die zeitliche Überlappung der ‚Amtsdauer’: Bevor ein Mitarbeiter das Unternehmen verlässt, arbeitet er seinen Nachfolger ein.



Die Vernetzung von Arbeitsplätzen: Durch Stellvertretungssysteme oder Teamstrukturen werden Arbeitsplätze miteinander verknüpft. Um die Aufgaben bewältigen zu können, wird Wissensteilung notwendig.



Job Rotation: Durch Job Rotation trägt der Mitarbeiter sein Wissen in einen anderen Bereich hinein und erhält neue Informationen, die er zu Wissen verarbeitet.



Expertenrunden: In regelmäßigen Abständen treffen sich Experten aus unterschiedlichen Bereichen, um gemeinsam an wichtigen Fragestellungen zu arbeiten.



Dokikai: Mitarbeiter, die zu einem bestimmten Zeitpunkt oder Zeitraum in das Unternehmen eingetreten sind, bilden ein Netzwerk. Sie treffen sich regelmäßig und tauschen Informationen und Erfahrungen aus.

109

Management von erfolgskritischem Wissen Der Aufbau solcher Infrastrukturen ermöglicht, Wissensinseln in den Wissensfluss zu integrieren. Die partizipativ-interaktive Großgruppenveranstaltung als spezielle Form des Kommunikationsforums bedarf hier der gesonderten Erwähnung angesichts ihrer Effektivität hinsichtlich des Wissenstransfers. Partizipativ-interaktiv aufgebaute Großgruppenveranstaltungen bieten einen Raum, den interpersonellen Wissensaustausch zu erleichtern, indem unterschiedliche Perspektiven aufgedeckt und Netzwerke aufgebaut werden. Da die Teilnehmer ihren Austauschprozess selbst gestalten, nimmt die Akzeptanz und Motivation zu. Open Space Technology ist eine bewährte Methode der partiziativ-interaktiven Großgruppenveranstaltung. Open Space Technology ist dadurch gekennzeichnet, dass die inhaltlichen Schwerpunkte der Veranstaltung von den Mitwirkenden selbst erarbeitet werden. Die Teilnehmer benennen die Themen, die sie interessieren und bieten den anderen Mitwirkenden an, in einem Workshop mit ihnen daran zu arbeiten. Im Laufe von zwei Tagen findet so eine Vielzahl von Workshops zu zahlreichen Themen parallel und nacheinander statt. Da jeder Teilnehmer die Themen, die ihn interessieren, freiwillig wählt und die Themenbearbeitung in den Gruppen selbstverantwortlich erfolgt, ist die Arbeitsintensität und –produktivität sehr hoch. Die Ergebnisse aller Workshops werden so weit es geht dokumentiert und noch während der Großgruppenveranstaltung gebündelt und allen Mitwirkenden zugänglich gemacht.37 Wissen, welches nur bedingt explizierbar ist, erfordert umfangreich persönliche Kontakte. Explizierbares Wissen hingegen lässt sich nicht nur in der persönlichen Kommunikation und Interaktion, sondern auch unter Ausnutzung von Medien (ver)teilen. Das meist genutzte Medium zum Wissenstransfer ist das Telefon. Über sprachliche Interaktion kann sehr komplexes Wissen in sehr kurzer Zeit mit geringem finanziellem Aufwand übertragen werden. Bei anderen Medien bedarf es deutlich höherer Investitionen. Wissenstransfer kann auch durch Dokumentation von Erfahrungen und Ergebnissen erfolgen. Ein Beispiel hierfür ist Lessons 37

Vgl.: Bonsen, M. / Lau-Villinger, D. (1997), S. 13ff.; Felbert, D. v. (1998), S. 130.

110

Management von erfolgskritischem Wissen Learned. Unter Lessons Learned versteht man eine Art Selbstreflexion der gemachten Erfahrungen. Dabei wird die Frage gestellt, welche kritischen Erfahrungen gemacht wurden und worauf zukünftige Aufgabenträger bei ähnlichen Problemstellungen achten sollten. Lessons Learned können in Papierform, offline in Form von CD-ROMs oder online im Intranet ausgestaltet sein. Ein weiteres Medium zur Unterstützung des Wissenstransfers sind Datenbanken. Datenbanken, die speziell für die Aufgaben der Wissens(ver)teilung geeignet sind, sollten drei Komponenten enthalten: •

Announcement: Tägliche Nachrichten und Ankündigungen werden von wenigen auf viele Mitarbeiter übertragen.



Resources: Standardisierte und aufbereitete Informationen können in Form von Berichten und Präsentationen abgerufen werden.



Discussion: Auf einer Plattform können sich Mitarbeiter über spezielle Themen und Fragestellungen austauschen

Für die Pflege einer solchen Datenbank sind Wissensmanager verantwortlich. Die effiziente Nutzung von Lessons Learned und Datenbanken erfordert eine regelmäßige Überprüfung der Aktualität. Die Aktualisierung ist jedoch immer mit gewissen Verzögerungen verbunden. In einer dynamischen Konkurrenzsituation, in der die Geschwindigkeit der Wissens(ver)teilung eine nicht unwesentliche Rolle spielt, besteht dann die Gefahr, dass eine solche zeitliche Verzögerung bereits Wettbewerbsnachteile generiert. Neben Telefon, Lessons Learned und Datenbanken kann auch Groupware als Medium zur Wissens(ver)teilung eingesetzt werden. Groupware ist eine Software, mit der der Transferprozess von Informationen in einer Gruppe von Nutzern koordiniert werden kann.38

38

Vgl.: Bergmann, K. (1999), S. 37f.; Bullinger, H.-J. / Prieto, J. (1998), S.101; Herbst, D. (2000), S. 127f.; Probst, G. / Raub, S. / Romhardt, K. (1998), S. 209f., 244f.

111

Management von erfolgskritischem Wissen Bei allen technischen Möglichkeiten darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Transfermedien lediglich eine unterstützende Funktion haben. Sie sind nicht Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck der Wissens(ver)teilung. Gegen technische Rundumlösungen sprechen darüber hinaus zahlreiche Faktoren: Sie gehen mit erheblichem finanziellen und personellen Aufwand einher, der nicht unbedingt in Relation zum Nutzen stehen. Der Aufbau und die Pflege erfordert viel Zeit. Dies ist nur bedingt vereinbar mit dem Anspruch auf Aktualität. Die Interaktion mit Medien wird von nicht wenigen Beschäftigten als ‚unnatürliche’ Handlung betrachtet. Zurückhaltung aber auch Ablehnung und Boykottierung können die Folge sein. Die Mitarbeiter müssen in der Lage sein, mit den Medien zu arbeiten. Trainings- und Kommunikationsmaßnahmen sind notwendig. Den größten Nutzen entfalten die Medien des Wissenstransfers, wenn sie mit interpersonellen Instrumenten sinnvoll verknüpft werden.39 Abschließend sei darauf hingewiesen, dass Wissenstransfer nicht nur die Übermittlung von Wissen, sondern auch dessen Aufnahme seitens des Empfängers umfasst. Zugang zum Wissen stellt somit eine notwendige, jedoch keine hinreichende Bedingung dar. Damit der Empfänger bereit ist, neue Informationen zu Wissen zu verarbeiten, muss er / sie von der Sinnhaftigkeit und dem Nutzen überzeugt sein. Darüber hinaus hängt die Aufnahme von Wissen von der Akzeptanz des Transferweges, der Tauglichkeit der Transfermedien und nicht zuletzt von der Unternehmenskultur ab.40

39

Die Kombination von Mensch und Technik wird als hybrides System bezeichnet. Vgl.: Antoni, C. (1999), S. 14; Bergmann, K. (1999), S. 37; Bullinger, H.-J. / Prieto, J. (1998), S. 112; Probst, G. / Raub, S. / Romhardt, K. (1998), S. 251ff. 40 Vgl.: Davenport, T. / Prusak, L. (1998), S. 206f.

112

Management von erfolgskritischem Wissen

4.5 Die Nutzung von Wissen Ziel und Zweck des Wissensmanagements ist die Nutzung des generierten und verteilten Wissens am Arbeitsplatz. Wissen wird in konkrete Handlungen transformiert. Die Anwendung des Wissens geht mit Lernen durch Erfahrung einher.41 Nicht immer erfolgt die Wissensnutzung problemlos. Nicht selten betrachten Mitarbeiter die Nutzung von fremdem, nicht selbst entwickeltem Wissen, als ‚widernatürlichen Akt’. Die Beibehaltung bewährter Muster und Routinen bildet eine Art von Sicherheitsmechanismus. Häufig existieren zudem geheime Spielregeln, die die Nutzung von fremdem Wissen als Schwäche und Verwundbarkeit interpretieren. Daneben sind einige Mitarbeiter nicht motiviert, neues Wissen einzusetzen. Um Mitarbeiter dazu zu bewegen, fremdes und neues Wissen anzuwenden, können Anreizsysteme herangezogen werden. Es muss sich nicht nur für das Unternehmen, sondern auch für den Einzelnen lohnen, Wissen optimal zu nutzen. Im Rahmen eines ganzheitlich-integrativen Wissensmanagements wird darüber hinaus der Versuch unternommen, den defensiven Routinen bei der Wissensnutzung entgegenzuwirken. Vor allem durch die normativen Elemente der Schaffung einer Wissenskultur und der Unterstützung bei reflexiven Lernprozessen soll sichergestellt werden, dass Wissen, das als erfolgskritisch eingeschätzt, generiert und verteilt worden ist, tatsächlich im Alltag genutzt wird und nicht dem Beharrungsvermögen der Organisation zum Opfer fällt.42

41

Vgl.: Seufert, A. / Back, A. / Krogh, G. v. (2000), S. 152f.; Weggemann, M. (1999), S. 243. 42 Vgl.: Bullinger, H.-J. / Prieto J. (1998), S. 113; Herbst, D. (2000), S. 142, 167.

113

Management von erfolgskritischem Wissen Eine bestmögliche Nutzung des Wissens hängt nicht nur von der Nutzungsbereitschaft der Beschäftigten, sondern auch von der Gestaltung der Arbeitssituation ab. Dies betrifft zum einen Maßnahmen hinsichtlich der Anordnung von Arbeitsplätzen und Abteilungen innerhalb eines Gebäudes sowie zum anderen Aktivitäten in Bezug auf die Gestaltung von Arbeitsplätzen. Ziel des Space Managements ist es u. a., eine möglichst geringe physische Distanz von Beschäftigten und Abteilungen zu schaffen. Nutzungsbarrieren, die auf zu großen Entfernungen beruhen, können dadurch abgebaut werden.43 Wissensnutzung bildet die Informationsbasis für die Bewertung des Wissens und des Wissensmanagementprozesses. Hier zeigt sich, welchen Nutzen das Wissen für die Arbeitsaufgaben hat, welches Wissen geschäftsrelevant ist, ob und welches erfolgskritische Wissen fehlt, in welchem Maße Maßnahmen zur Wissensentwicklung, zum Wissenserwerb und zur Wissens(ver)teilung erfolgreich waren und in welchem Stadium sich Kultur und Lernverständnis befinden. „Nutzen und Nutzung sind in der Regel deutlich positiv korreliert.“44

4.6 Die Bewahrung von Wissen Im Rahmen von Wissensmanagement ist die Wissensbewahrung darauf ausgerichtet, dem Vergessen von kritischem Wissen entgegenzuwirken und Know-how-Verluste zu vermeiden, wenn Beschäftigte das Unternehmen verlassen.

43 44

Vgl.: North, K. (1999), S.264. Probst, G. / Raub, S. / Romhardt, K. (1998), S. 272.

114

Management von erfolgskritischem Wissen In jedem Unternehmen werden täglich viele Erfahrungen gemacht, Wissen erworben und entwickelt. Die Herausforderung liegt darin, aus der Vielzahl von generierten Wissensbeständen die bewahrungswürdigen zu selektieren, diese in angemessener Form zu speichern und die permanente Aktualisierung sicherzustellen. Der Wissensbewahrung sollte die Entwicklung eines gemeinsamen Sprachverständnisses vorausgehen.45 Die Selektion in bewahrungswürdiges und nicht bewahrungswürdiges Wissen basiert auf der Leitregel, dass nur das, was in Zukunft für den Erfolg des Unternehmens, des Bereichs, der Abteilung bzw. des Teams nutzbar sein könnte, es auch verdient, bewahrt zu werden. Damit ist bewahrungswürdiges Wissen mit erfolgskritischem Wissen gleichzusetzen. Die Speicherung des bewahrungswürdigen Wissens kann individuell, kollektiv und elektronisch erfolgen.

45

Vgl.: Bullinger, H.-J. / Wörner, K. / Prieto, J. (1998), S. 31; Probst, G. / Raub, S. / Romhardt, K. (1998), S. 289.

115

Management von erfolgskritischem Wissen

Individuelle Bewahrung von Wissen

Die individuelle Bewahrung von Wissen zielt vor allem darauf ab, dem Verlust von personengebundenem Wissen entgegenzuwirken. Sie ist für Unternehmen von großer Wichtigkeit, da dies die einzige Möglichkeit ist, Wissen zu speichern, welches nur schwer externalisiert werden kann. Die wirkungsvollste Methode der individuellen Bewahrung stellt die Bindung der Wissensträger an das Unternehmen dar. Systeme von materiellen und immaterielle Anreizen sind dabei hilfreich. Fühlen sich Wissensträger in ihrem Arbeitsumfeld wohl, sind sie weniger daran interessiert den Arbeitgeber zu wechseln. Nicht immer ist es möglich, die Austrittsbarrieren zu erhöhen. Wenn absehbar ist, dass Mitarbeiter das Unternehmen verlassen, kann kritisches Wissen durch die zeitliche Überlappung der ‚Amtsdauer’ und durch den gezielten Aufbau von Nachfolgern gesichert werden. Viele europäische Unternehmen tun sich mit solchen Nachfolgeregelungen schwer. Nicht selten versuchen Stelleninhaber bis zum letzten Tag ihre Machtposition zu bewahren, indem sie wichtige Informationen zurückhalten. Japanische Unternehmen hingegen können vielfach auf eine andere Tradition zurückgreifen. Das Prinzip sempaikohai steht für die Verbindung zwischen einem älteren unterweisenden Mitarbeiter (sempai) und einem jüngeren, anzuleitenden (kohai). Der sempai hat die Aufgabe, dem kohai alles Wissenswertes, alle Tricks und Kniffe zu vermitteln. Das Verhältnis zwischen beiden wird durch gemeinsame Freizeitaktivitäten systematisch gestärkt, so dass sich eine Vertrauensbasis für den Austausch von Informationen geschaffen wird. Neben der Nachfolgeregelung als eine Maßnahme zur Bewahrung des kritischen Wissens von ausscheidenden Mitarbeitern bieten sich auch strukturierte Austrittsgespräche an. Dabei kann der Versuch unternommen wer-

116

Management von erfolgskritischem Wissen den, Teile des individuellen Wissens zu explizieren und zu dokumentieren. Darüber hinaus lässt sich ermittelt, aus welchen Gründen der Wissensträger das Unternehmen verlässt. Haben Wissensträger bereits das Unternehmen verlassen, können Kooperationen mit diesen ehemaligen Mitarbeiter zur Bewahrung des personengebundenen kritischen Wissens beitragen. Möglichkeiten der Kooperation sind Einsätze als Trainer und Berater.46 Kollektive Bewahrung von Wissen

Auf der kollektiven Ebene geht es um die Offenlegung von Wissen, über das Gruppen verfügen, und um deren Speicherung. Instrumente zur Speicherung von kollektivem Wissen sind beispielsweise Sitzungsprotokolle, Projektberichte, Lessons Learned und Geschichten über gemeinsame Erlebnisse.47

Elektronische Bewahrung von Wissen

Externalisiertes individuelles und kollektives Wissen kann in digitalisierter Form gespeichert werden. Als elektronische Speichermedien dienen z. B. CD-ROMs, Datenbanken oder das umfassende data warehouse. Um den systematischen und schnellen Zugriff auf die zentralen Wissensdokumente zu gewährleisten, sind bei der Speicherung auf der elektronischen Ebene eine Reihe von Bedingungen zu beachten: Das zu speichernde Wissen ist in einer klaren, verständlichen Sprache dokumentiert. Es konzentriert sich auf Kernpunkte und bezieht sich auf spezielle Problemstellungen. Es wird geprüft, ob das Wissen bereits anderswo vorhanden ist. Das Wissen wird klassifiziert. Als Klassifizierungskriterien können Prioritäten, Kernprozesse, Anwen-

46

Vgl.: Bullinger, H.-J. / Prieto, J. (1998), S. 114; Probst, G. / Raub, S. / Romhardt, K. (1998), S. 295ff.; Wuppertaler Kreis (2000), S. 91. 47 Vgl.: Bergmann, K. (1999), S. 36, 38; Herbst, D. (2000), S. 118.

117

Management von erfolgskritischem Wissen dungen und Zugriffsgenehmigungen herangezogen werden. Die Wissensdokumente werden mit Schlagwörtern versehen. Lokale Speichermedien sind untereinander kompatibel und sind in ein Gesamtsystem integriert. Werden die Dokumente eines lokalen Rechners hingegen nicht in das System eingespeist, stehen sie allen anderen Mitarbeitern nicht zur Verfügung. Die elektronischen Möglichkeiten eröffnen eine neue Dimension der Bewahrung von Wissen. Dennoch darf der Mensch nicht vernachlässigt werden, denn er ist es, der entscheidet, ob Wissen bewahrungswürdig ist oder nicht.48 Wissensbewahrung ist ein kontinuierlicher Prozess, der durch permanente Aktualisierung aufrecht erhalten werden muss. Die Aktualisierung verhindert, dass Entscheidungen auf der Basis von veraltetem, eventuell fehlerhaftem Wissen getroffen werden. Gelingt die Aktualisierung nicht oder nur bedingt, kann das Wissenssystem in eine Art ‚Todesspirale’ geraten. Wenn die aktuelle Wissensbasis fehlerhaft ist, schwindet das Vertrauen des Nutzers und seine Bereitschaft, sich bei der Pflege des Systems zu engagieren. Die Datenqualität nimmt weiter ab, das System stirbt.49

48

Vgl.: Herbst, D. (2000), S. 117f., 120ff.; Probst, G. / Raub, S. / Romhardt, K. (1998), S. 293, 294, 305; Weggemann, M. (1999), S. 192f. 49 Vgl.: Probst, G. / Raub, S. / Romhardt, K. (1998), S. 309f.

118

Management von erfolgskritischem Wissen

... nimmt weiter ab

Vertrauen in die Daten

... wird noch schlechter

Nutzung des Systems

Die Todesspirale der elektronischen Wissensbasis

Datenqualität

... geht weiter zurück

Investitionen in Zugriffsfreundlichkeit

... werden nicht vorgenommen

Abbildung 10: Die Todesspirale eines elektronischen Wissenssystems (Probst, G. / Raub, S. / Romhardt, K. (1998), S. 310)

119

Management von erfolgskritischem Wissen

5

Wissensmanagementfördernde Rahmenbedingungen

5.1 Unternehmenskultur Unternehmenskultur als die Gesamtheit aller in einem Unternehmen gemeinsam gelebten Normen, Werte und Orientierungen bestimmt entscheidend die Denk- und Handlungsmuster von Beschäftigten. Denk- und Handlungsmuster ihrerseits gehören zu den zentralen Faktoren, die wesentlich den Umgang mit Wissen beeinflussen. Das Interesse und die Bereitschaft, Wissen zu teilen, zu entwickeln und zu nutzen, hat erst einmal wenig mit Werkzeugen zu tun. Selbst innovative Instrumente bewegen keinen Beschäftigten dazu, sich an Wissensgenerierung und –austausch zu beteiligen, wenn er nicht dazu bereit ist. Die Unternehmenskultur ist in vielen Unternehmen durch die Distanzierung mittels Macht (Einstellung ‚Wissen ist Macht’), durch die Vermeidung von Unsicherheiten und Risiko (Einstellung ‚Nur keine Fehler machen’), durch ausgeprägten Individualismus (Einstellung ‚Meine Interessen stehen in jedem Fall im Vordergrund’) sowie durch die Separierung der Generationen (‚Jung zu Jung, Alt zu Alt’) gekennzeichnet. Wissensmanagement hingegen verlangt für eine solche Kultur ungewohnte Werte und Handlungen.

120

Management von erfolgskritischem Wissen

Teilen Das beste eigene Denken und damit den persönlichen Wettbewerbsvorteil anderen zur Verfügung stellen

Anwenden Eingestehen, dass das Denken eines anderen vielleicht besser ist als das eigene

‚Ungewohnte’ Handlungen beim Wissensmanagement

Verbessern Kontinuierlich neue Ideen generieren und gleichzeitig Gedanken von gestern weiterverfolgen

Zusammenarbeit Auf den Ideen anderer aufbauen

Abbildung 11: Die ungewohnten Handlungen beim Wissensmanagement (Vgl.: Rump, J. / Lau-Villinger, D. (2001)) Eine wissensmanagementförderliche Unternehmenskultur (im Folgenden Wissenskultur genannt) zeigt sich vor allem darin, dass •

Vertrauen und Offenheit das zentrale Leitbild und den wesentlichen Leitwert darstellen,



die Mitarbeiter für sich selbst Verantwortung übernehmen,

121

Management von erfolgskritischem Wissen •

alle Beschäftigten eine positive Haltung zum Lernen haben,



Fehler als Teil des Lernprozesses aufgefasst werden,



Wissen nicht als wertvoller Besitz gilt, sondern die Einstellung vorherrscht, durch Wissenstransfer die individuelle und organisationale Wissensbasis zu erhöhen.50

Zu den Variablen, die eine Wissenskultur ausmachen, zählen somit •

Vertrauen,



Offenheit,



Eigenverantwortung,



Lernbereitschaft und



der konstruktive Umgang mit Macht.51

Die Entwicklung in Richtung Wissenskultur ist ein Prozess, der sich nicht von heute auf morgen vollzieht und mit vielen Unwägbarkeiten verbunden ist. Werte, Normen und Orientierungen müssen sich ändern; es bedarf einer Anpassung der Denk- und Handlungsmuster. Da eine Verhaltensänderung des Einzelnen nicht angeordnet werden kann, ist lediglich eine Beeinflussung über Rahmenbedingungen möglich. Bevor die Unternehmenskultur in Richtung Wissenskultur entwickelt wird und Rahmenbedingungen verändert werden, ist eine Status-Quo-Bestimmung erforderlich. Ein mögliches Instrument zur Visualisierung der bestehenden Unternehmenskultur stellt das Kultur-Audit dar. Mit Hilfe des Kultur-Audits lässt sich feststellen, wie stark die Variablen - Vertrauen, Offenheit, Eigenver50 51

Vgl.: Rump, J. / Lau-Villinger, D. (2001), S. 21f. Vgl.: Armutat, S. et al. (2002), S. 38ff.

122

Management von erfolgskritischem Wissen antwortung. Lernbereitschaft und konstruktiver Umgang mit Macht - ausgeprägt sind. Die Ist-Analyse erfolgt auf zwei sich ergänzenden Wegen. Zum einen lassen sich über eine direkte Analyse der Variablen Eindrücke über die unternehmenskulturelle Situation gewinnen. Zum anderen wird eine indirekte Analyse der Variablen über die Sammlung und Auswertung von Aktionsmustern, Ritualen und spontanem Erfolgshandeln durchgeführt. Als Untersuchungsverfahren bieten sich für die direkte Analyse eine schriftliche Befragung und / oder leitfadengestützte Interviews an. Die Ergebnisse können zum Beispiel in Form eines Spinnenprofils ausgewertet werden. Für die indirekte Anayse kommen nur themengesteuerte, narrative Interviewtechniken in Frage. Eine bewährte Methode im Zusammenhang mit der Visualisierung von Aktionsmustern, Ritualen und spontanem Erfolgshandeln stellt das Storytelling dar. Die Kultur eines Unternehmens, eines Bereichs und / oder einer Abteilung wird in Geschichten sichtbar, die man sich erzählt. Anekdoten, Erzählungen über Erfolge und Misserfolge, Interpretationen und Deutungen von Ereignissen verdeutlichen, welche geheimen und offenen Spielregeln eine Rolle spielen.52 Die Ist-Analyse der Unternehmenskultur ist ein Aspekt. Einen weiteren Aspekt stellt die Soll-Situation dar. Um den Änderungsbedarf zu erfassen und der Entwicklung der Unternehmenskultur eine Richtung zu geben, ist es hilfreich, nicht nur einen Überblick über die Ist-Situation zu haben, sondern auch den Soll-Zustand der Kulturvariablen zu ermitteln.

52

Vgl.: Armutat, S. et al. (2002), S. 44f.

123

Management von erfolgskritischem Wissen

Wie schätzen Sie den aktuellen Zustand ein? Bitte skalieren Sie von 0 bis 7.

Wo würde Ihr Wunschzustand auf einer Skala von 0 bis 7 liegen?

Vertrauen Offenheit Eigenverantwortung Lernbereitschaft Konstruktiver Umgang mit Macht Abbildung 12: Beispiel für einen Fragebogen (In Anlehnung an Armutat, S. et al (2002), S. 45)

124

Wenn Sie eine Lücke zwischen dem aktuellen und dem gewünschten Zustand festgestellt haben: Was können Sie unternehmen, um dem Wunschzustand näher zu kommen?

Management von erfolgskritischem Wissen

Statementbeispiele Vertrauen

Offenheit

Eigenverantwortung Lernbereitschaft

Konstruktiver Umgang mit Macht

Die Zusammenarbeit ist durch Vertrauen geprägt. Bei uns existiert ein wirklicher Gemeinschaftssinn. Dass jeder nur für sich denkt, ist eher selten. Bei uns kann man sagen, was man denkt. … Unser Arbeitsklima ist durch Offenheit geprägt. Wir geben uns gegenseitig konstruktives Feedback. Wir führen regelmäßig Besprechungen zum Wissens- und Erfahrungsaustausch durch. … Bei uns ist Eigeninitiative selbstverständlich. Ich bin / wir sind bereit, Verantwortung zu übernehmen. Ich kümmere mich selbst um meine persönliche Entwicklung. … Bei uns wird dem Wissenszuwachs ein hoher Stellenwert eingeräumt. Verbesserungsvorschläge aus anderen Bereichen und Abteilungen werden in unserem Bereich / in unserer Abteilung aufgenommen. Bei uns wird auch Bewährtes kritisch hinterfagt. … Bei uns ist die Einstellung ‚Wissen ist Macht’ selten. Informationen von höheren Hierarchieebenen werden weitergegeben. Der Vorgesetzte lebt den Wissensaustausch vor. …

Abbildung 13: Beispiele für Statements, die im Rahmen des KulturAudits bewertet werden (In Anlehnung an Armutat, S. et al (2002), S. 45)

125

Management von erfolgskritischem Wissen

Vertrauen

Konstruktiver Umgang mit Macht

6 5 4 3 2 1 0

Offenheit

Lernbereitschaft

Eigenverantwortung

Abbildung 14: Das Spinnenprofil Mit der Bestimmung des Ist-Zustands und des Soll-Zustands und unter Berücksichtigung der Unternehmensziele und –strategien ist die Grundlage für die Entwicklung der Unternehmenskultur in Richtung Wissenskultur geschaffen. Als eine effektive Methode zur Gestaltung einer Wissenskultur gelten Partizipationsmodelle. Zum einen kann eine Wissenskultur durch Autonomie am Arbeitsplatz und Partizipation in der Entscheidungsfindung gefördert werden. Die Mitarbeiter handeln in einem solchen Kontext zunehmend eigenverantwort-

126

Management von erfolgskritischem Wissen lich. Sie sind bestrebt, kreativ zu sein und ihre Ideen in die Geschäftsprozesse einzubringen. Zum anderen kann eine umfassende Beteiligung der Beschäftigten bei der Planung und Einführung von Wissensmanagement die Entwicklung einer Wissenskultur unterstützen. Die Partizipation in der Entstehungsphase erhöht die Akzeptanz von Wissensmanagement und steigert die Motivation zu einer aktiven Teilnahme. Neben Partizipationsmodellen gibt es noch andere Wege, sich einer Wissenskultur zu nähern.53

53

Vgl.: Herbst, D. (2000), S. 37.

127

Management von erfolgskritischem Wissen

Probleme in der Unternehmenskultur

Mögliche Wege

Mangel an Vertrauen



Aufbau von Beziehungen durch intensive persönliche Kommunikation

Fehlen einer Kommunikationskultur



Gestaltung von Kommunikationsstätten, Teambildung, Großgruppeninterventionen, Dialog

Hervorheben von elitären Wissensträgern



Stärkung des Gemeinschaftsgefühls; Gestaltung von Leistungsbeurteilungen und Anreizsystemen auf der Basis der Weitergabe von Wissen

Einstellung, dass Wissen bestimmten Gruppen vorbehalten ist



Förderung eines nichthierarchischen Umgangs mit Wissen; Entwicklung hin zur Einstellung, dass Qualität der Ideen wichtiger ist als der Status der Quelle; Kooperationsprojekte

Intoleranz gegenüber Fehlern und Hilfsbedürftigkeit



Akzeptanz und Belohnung kreativer Irrtümer; kein Statusverlust, wenn man nicht alles weiß.

Abbildung 15: Veränderung der Unternehmenskultur

128

Management von erfolgskritischem Wissen

5.2 Organisation Um die Ressource Wissen zu nutzen und die Potenziale auszuschöpfen, benötigt Wissensmanagement eine organisatorische Verankerung. Damit sich die Vorteile von Wissensmanagement voll entfalten können, ist eine osmotische Organisationsstruktur von großem Nutzen. Wie bereits dargestellt54 verfügt die osmotische Organisation über folgende Merkmale, die eine hohe Relevanz zum Wissensmanagement aufweisen: •

Gleichwertigkeit von informeller und formaler Struktur



Möglichkeit der Zusammenarbeit über die Grenzen der Fach- und Arbeitsgebiete hinweg



Entscheidungsbefugnisse, Verantwortlichkeiten und Handlungsspielräume



Kurze und effiziente Informationskanäle und Entscheidungswege



So viele Schnittstellen wie unbedingt erforderlich



Transparenz

Die Organisationsstruktur, in der Wissensmanagement verankert ist, ist nur ein Aspekt, der zu beleuchten ist. Ebenso entscheidend ist die Frage nach der Rollenverteilung innerhalb des Wissensmanagements. Da Wissensmanagement alle Funktionsbereiche und Hierarchiestufen tangiert, macht es wenig Sinn, das Thema einseitig in der Personalabteilung oder 54

Siehe auch Erläuterungen zur osmotischen Organisation im Artikel ‚Wandel in der Arbeitswelt – Trends und Herausforderungen für Mensch und Organisation’.

129

Management von erfolgskritischem Wissen im Informatikbereich zu verankern. Stattdessen sollten Positionen und Rollen geschaffen werden, die auf alle Funktionsbereiche und Hierarchiestufen Zugriff haben und akzeptiert sind. Grundsätzlich lassen sich zwei Rollen identifizieren: •

der Chief Knowledge Officer und



der Wissensmanager.

Der Chief Knowledge Officer (CKF) ist der strategische Kopf des Wissensmanagements. Idealerweise sollte er der Geschäftsleitung angehören. Die hohe Positionierung in der Hierarchie hat eine Signalwirkung hinsichtlich Bedeutung und Notwendigkeit. Aufgabe des Chief Knowledge Officers ist es, das Unternehmen hinsichtlich der Ressource Wissen zu sensibilisieren und eine Wissenskultur zu schaffen. Er kümmert sich um die Weiterentwicklung des Wissensmanagements und um die interne und externe Vermarktung des Themas. Sein Verhalten hat Vorbildcharakter und ist prägend für den Umgang mit Wissen im Unternehmen.55 Der Wissensmanager ist bestrebt, die Aufnahme, Weitergabe, Be- und Verarbeitung sowie das gezielte Auffinden von erfolgskritischem Wissen kontinuierlich zu verbessern. Er fungiert als Treiber, dass Wissensflüsse in Gang kommen und mit den Geschäftsprozessen verzahnt werden. Daneben ist er verantwortlich für die Strukturierung des Wissens und sorgt für Transparenz. Die Konkretisierung des Handlungsfeldes von Wissensmanagern hängt u.a. von der Wissensmanagement-Strategie ab. Im Rahmen der People to People-Strategie beschäftigt sich der Wissensmanager vor allem mit der Gestaltung der Kommunikationsplattformen, unterstützt die Netzwerke der Wissensträger, hilft beim Aufbau von Communities und moderiert den Wissensaustausch- und Wissensgenerierungsprozess. Während die Verantwortung für die inhaltliche Ausgestaltung der Wissensprozesse bei den Wissensträgern verbleibt, ist der Wissensmana55

Vgl.: Armutat, S. Et al. (2002), S. 53; Rump, J. / Lau-Villinger, D. (2001), S. 31.

130

Management von erfolgskritischem Wissen ger zuständig für den Rahmen, in dem sich Wissensmanagement vollzieht. Demgegenüber ist der Wissensmanager im Zuge der People to SystemStrategie nicht nur für die Gestaltung der Rahmenbedingungen verantwortlich, sondern beeinflusst auch die inhaltliche Ebene des Wissensmanagements. Er kümmert sich um den Aufbau und die Pflege des ITSystems, gestaltet die Dokumentationsplattform, identifiziert, sammelt und pflegt das erfolgskritische Wissen, sorgt für den Wissenstransfer und hat das Zugriffsrecht auf alle Funktionsbereiche und Hierarchieebenen. Unabhängig von der Wissensmanagement-Strategie gehört es zu den Aufgaben eines Wissensmanagers, Anstöße zur Entwicklung und zum Erwerb von erfolgskritischem Wissen zu geben und als eine Art Wissensbroker tätig zu werden. Ein Wissensbroker bildet die Schnittstelle zwischen verschiedenen Bereichen mit unterschiedlichem Wissensangebot und unterschiedlicher Wissensnachfrage.56

5.3 Personalführung Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein delegativer Führungsstil, der den Aufgabenträgern die Entscheidungsbefugnis und Verantwortlichkeit überträgt, Wissensmanagement fördert. Eine zentrale Voraussetzung für die Umsetzung von Delegation ist, dass die damit verbundene Verantwortung verankert ist, dass sich jeder Beschäftigte über seinen Teil der Verantwortung im Klaren ist. Ist diese Voraussetzung nicht gegeben, besteht die Gefahr, dass Mitarbeiter die Entscheidungsbefugnis und Verantwortlichkeit nach oben zurück delegieren, insbesondere dann, wenn der Vorgesetzte versucht, hilfreich zu sein. Im Rahmen von Wissensmanagement und einer delegativen Führung gehört es zu den Aufgaben des Vorgesetzten, Ziele zu setzen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Ziele einerseits realistisch sind, andererseits jedoch ein hohes Anspruchsniveau aufweisen. Hohe und realistische Ziele stellen eine Herausforderung für den 56

Vgl.: Armutat, S. Et al. (2002), S. 52ff.; Rump, J. / Lau-Villinger, D. (2001), S. 31f.

131

Management von erfolgskritischem Wissen Aufgabenträger dar, deren Bearbeitung und Erreichung einen Motivationsschub auslöst. Darüber hinaus sollte der Vorgesetzte das Selbstmanagement des Mitarbeiters fördern, um ihn zu unterstützen, die Verantwortung anzunehmen. Nur Mitarbeiter, die die eigene Person selbst steuern, sich als Unternehmer in eigener Sache verstehen, sind letztendlich in der Lage, die delegierte Verantwortung und Entscheidungsbefugnis effizient umzusetzen. In wissensintensiven Unternehmen spielt zudem das Matching zwischen Stelle und Mitarbeiter eine herausragende Rolle. Es liegt an der Führungskraft, die richtige Person für den richtigen Job zu finden. Personaleinsatz muss sich in einem solchen Kontext nach dem Prinzip der Stärkenorientierung ausrichten. Der Vorgesetzte trifft Personalentscheidungen nicht, um Schwächen minimal zu halten, sondern um Stärken maximal zu verwerten. Wissen, Fähigkeiten und Talente werden erst dann optimal genutzt. Aus der Führungsaufgabe des stärkenorientierten Personaleinsatzes lassen sich weitere Aufgaben ableiten: • Die Suche nach den besten Mitarbeitern. • Die Bindung des besten Mitarbeiters an das Unternehmen. • Die Unterstützung bei der Qualifizierung. Treten Probleme bei der Zusammenarbeit von Wissensarbeitern auf, sollte der Vorgesetzte Anstöße zur Reflexion geben. Dazu gehören auch die Mitarbeiter von der Sinnhaftigkeit des Wissensmanagements zu überzeugen und eine Atmosphäre des Vertrauens und der Offenheit zu gestalten. Die Führungskraft sollte zudem als Facilitor fungieren, der Transparenz schafft und die Aktivitäten im Hinblick auf die Unternehmensziele koordiniert.57

57

Vgl.: Antoni, C. (1999), S. 13f.

132

Management von erfolgskritischem Wissen Der delegative Führungsstil und die Führung durch anspruchsvolle Ziele bedingen, dass die Kontrollfunktion des Vorgesetzten auf das Ergebnis bzw. auf die Erreichung der Ziele fokussiert ist. Die Kontrolle der Ausführungen durch den Vorgesetzten wäre angesichts der Komplexität des Arbeitsprozesses und der hohen Reaktionsgeschwindigkeit, der wissensintensive Unternehmen in der Regel unterworfen sind, auch gar nicht möglich. Ein wesentlicher Teil der Kontrolle vollzieht somit als Selbststeuerung. Der Mitarbeiter wird durch die Aufgabe, die er selbst gestaltet, kontrolliert.58

5.4 Anreizsystem Die Motivation von Beschäftigten, im Rahmen des Wissensmanagements aktiv teilzunehmen, beruht vor allem auf zwei Faktoren: •

Der Einsicht in den praktischen Nutzen für die eigene Arbeit und Person.



Der Anerkennung, die sie für ihre Beiträge erfahren.

Je unmittelbarer und spürbarer die Mitarbeiter bemerken, dass Wissensmanagement Ihnen bei der Bewältigung der täglichen Aufgaben behilflich ist, desto eher sind sie zur Mitarbeit bereit. Die Überzeugung der Wissensträger in den Nutzen ist eine zentrale Voraussetzung für die Einführung von Wissensmanagement.

58

Vgl.: Pfiffner, M. / Stadelmann, P. (1999), S. 315ff.; Rosenstiel, L.v. (2000), S. 147ff; Wunderer, R. (1997), S. 203ff.

133

Management von erfolgskritischem Wissen „Ein Mitarbeiter, der von den Informationen und Erfahrungen von Kollegen profitiert, die diese zur Verfügung gestellt haben, wird sehr schnell spüren, dass auch der Wissensaustausch auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit beruht: Die nützlichen Wissensquellen werden ihm auf Dauer nur zur Verfügung stehen, wenn er selbst bereit ist, eigenes Wissen anzubieten. Der Preis dafür, das Wissen von Kollegen nutzen zu können ist die Preisgabe eigenen Wissens.“59 Die Überzeugung entwickelt sich zum einen aus den positiven Erfahrungen. Zum anderen gehört es zu den Aufgaben der Führungskräfte und insbesondere der Geschäftsleitung, diese Überzeugungsarbeit zu leisten. Die Anerkennung tut ihr übriges zur Motivation. Wissensentwicklung, transfer und –bewahrung müssen sich für den Einzelnen lohnen. Eine Reihe von Incentives wirken dabei unterstützend:60 •

Beschäftigten, die erfolgskritisches Wissen beitragen, wird bevorzugt der Zugang zu Personalentwicklung eröffnet.



Aktive Beschäftigte erhalten mehr Freiheit in der Gestaltung des Arbeitsumfeldes und der Arbeitszeit.



Verbesserungsvorschläge werden prämiert. Dies gilt vor allem für solche Vorschläge, die in Kooperation von Wissensträgern entwickelt worden sind.



Gute Ideen werden mit Namen des ‚Erfinders’ veröffentlicht.



Die Leistungsbeurteilung wird um das Kriterium Wissensziele erweitert.

59 60

Wuppertaler Kreis (2000), S. 44. Vgl.: Wuppertaler Kreis (2000), S. 45f.

134

Management von erfolgskritischem Wissen

5.5 Languaging: Aufbau eines gemeinsamen Sprachverständnisses Jeder Bereich und jede Funktion haben eine eigene Sprache. Der Ingenieur, der in der Entwicklungsabteilung tätig ist, hat seine Sprache, ebenso wie der Jurist aus dem Personalwesen. Eine wesentliche Voraussetzung für ein erfolgreiches Wissensmanagement ist eine Sprache im Unternehmen, die alle verstehen. Ohne diese Voraussetzung können die Wissensarbeiter sich weder verstehen noch gegenseitig Vertrauen entgegenbringen. Eine solche Sprache zu entwickeln und in alle Abteilungen, Teams und Projekte hinzutragen oder als Übersetzer zu fungieren, kann Aufgabe der Wissensmanager sein. Wissensmanager sind für die internen Prozesse der Wissensschaffung und -(ver)teilung zuständig, organisieren Wissensmanagement und dienen als ‚Katalysator’ für die langfristige Einführung der Wissensperspektive.61 Eine klare, allgemein verständliche Sprache zu formulieren, ist kein Unterfangen, das sich von heute auf morgen erledigen lässt. Es erfordert, dass man sich über das Vokabular einigt, und dass alle Führungskräfte und Mitarbeiter es verstehen. Da dies ein sehr komplexer Prozess ist, empfiehlt es sich, in mehreren Schritten und mit praktischem Bezug vorzugehen. Praktischer Bezug bedeutet ein für das Unternehmen wichtiges, viele Bereiche tangierendes Projekt als Plattform zu nutzen. Ein solches Projekt könnte z.B. die Einführung von Wissensmanagement sein.

61

Vgl.: Davenport, T. / Prusak, L. (1998), S. 198; Pfiffner, M. / Stadelmann, P. (1999), S. 344; North, K. (1999), S. 186.

135

Management von erfolgskritischem Wissen

Sprache des Wissensmanagement Bearbeitung von wissensmanagementbezogenen Themen in den Bereichen

Bereichsübergreifende Kommunikation über wissenmanagementbezogene Fragestellungen Verstehen anderer Sprachen Kommunikation über alle Themen Entstehen einer gemeinsamen Sprache im Unternehmen

Abbildung 16.: Ein möglicher Prozess von Languaging In einem ersten Schritt sollte den Beschäftigten die Sprache des Wissensmanagements nahe gebracht werden. Es sollte eine grundlegende Verständigung über Begriffe und Zusammenhänge erzielt werden. Dies erleichtert die Wissensvernetzung, den Wissensaustausch und das Aufspüren ungenutzter geschäftsrelevanter Wissensbereiche innerhalb eines Bereichs. Die einheitliche Sprache des Wissensmanagements ermöglicht zudem, dass bereichsübergreifend über wissensmanagementbezogene Fragestellungen kommuniziert werden kann. Die bereichsübergreifende Zusammenarbeit bei wissensmanagementbezogenen Themen ist es dann auch, die – in einem zweiten Schritt – zu Verstehen der anderen Sprachen führt. Sobald Beschäftigte die Sprachen an136

Management von erfolgskritischem Wissen derer Unternehmensbereiche und Kompetenzfelder verstehen, können sie kreuz und quer zu allen Themen auf allen Ebenen kommunizieren und kooperieren. Vom gegenseitigen Verstehen zur gemeinsamen Sprache ist es nun nicht mehr weit.

137

Management von erfolgskritischem Wissen

Controlling im Wissensmanagement62

6

Die Betrachtung des Wissens als Kapital und Teil des immateriellen Vermögens, dem ein Wert zugewiesen werden kann, integriert das Wissensmanagement in die bestehende Logik des Managements finanzieller und physischer Ressourcen. Dieser Anspruch lässt sich jedoch derzeit nur begrenzt umsetzen. Messung und Bewertung von Wissen sind in der Praxis wenig verbreitet. Zum einen ist dies darauf zurückzuführen, dass viele Unternehmen nur über wenig Erfahrung mit dem Controlling nichtmonetärer Größen verfügen. Zum anderen können Wissensmanager nur bedingt auf ein erprobtes Instrumentarium von Messverfahren zurückgreifen. Dennoch hat die Bewertung von Wissen im Wissensmanagementprozess eine hohe Bedeutung für den Erfolg. „Nur wenn sich Unternehmen um aussagekräftige Indikatoren und Bewertungsmaßstäbe zur Messung ihrer organisatorischen Wissensbasis bemühen, können (sie) Wissensmanagement auch effektiv betreiben“63 Im Folgenden werden Methoden zur Bewertung von Wissen und Wissensmanagement vorgestellt.

62 63

Vgl.: Rump, J. / Lau-Villinger, D. (2001), S. 42ff. Probst, G. / Raub, S. / Romhardt, K. (1998), S. 315.

138

Management von erfolgskritischem Wissen

Controllingansätze im Wissensmanagement

Quantitativ-orientierte Ansätze

Eindimensionale Ansätze

Qualitativ-orientierte Ansätze

Mehrdimensionale Ansätze

Abbildung 17: Ansätze zur Bewertung von Wissen und Wissensmanagement

6.1 Quantitativ-orientierte Ansätze Eindimensionale Ansätze beschäftigen sich ausschließlich mit der Kostenperspektive. Als die wohl einfachste Methode gilt die Zusammenfassung der bisherigen Kosten. Der Wissenswert ist dann die Summe aller Investitionen, die für den Aufbau nötig waren. Diese Methode ist zwar einfach in der Handhabung, jedoch zu einseitig in der Berechnung und zu undifferenziert in der Interpretation. Eine andere eindimensionale Methode, Wissen zu bewerten, stellt die Berechnung des Wiederbeschaffungswertes dar. Es werden die Kosten angesetzt, die heute notwendig wären, um identisches Wissen zu generieren. Grundlage ist somit die Summe der imaginären aktuellen Anschaffungskosten von gleichem Wissen. Wie bei dem Verfahren der Bewertung der bisherigen Kosten werden nur quantitative Größen betrachtet. Qualitative Faktoren werden vernachlässigt. Dar139

Management von erfolgskritischem Wissen über hinaus ist Wissen einmalig, so dass die Entwicklung identischen Wissens nicht möglich ist. Beiden Verfahren ist gemein, dass sie den Nutzenaspekt nicht berücksichtigen. Eine ausgewogene Bewertung bedarf jedoch einer Kosten-Nutzen-Betrachtung. Als mehrdimensionale Ansätze gelten • die Bewertung des Unterschiedes zwischen Marktwert und Buchwert eines Unternehmens, • der Return on Knowledge (ROK), • Indikatorenmodelle sowie • die Balanced Scorecard. Im Rahmen der Bewertung des Unterschiedes zwischen Marktwert und Buchwert eines Unternehmens soll das immaterielle Vermögen in monetärer Form sichtbar gemacht werden. Dabei werden die Unterschiede zwischen Markt- und Buchwert jedoch nicht oder nur unvollständig erklärt. Als die einfachste Messgröße für den Wert des immateriellen Vermögens gilt die Differenz zwischen dem Marktwert, der bei einem börsennotierten Unternehmen als Börsenkurs multipliziert mit der Anzahl der Aktien leicht zu messen ist, und dem Buchwert, der aus der jährlichen Bilanz entnommen wird. Prämisse für dieses Vorgehen ist, dass alles, was nicht dem Buchwert zuzurechnen ist, auf immateriellen Vermögensbestandteilen beruht. Diese Rechnung ist zwar einfach, aber nicht zielführend. Zum einen wird der Börsenkurs auch durch nicht-rationale und spekulative Faktoren beeinflusst. Zum anderen wird nicht selten der Buchwert zu niedrig angesetzt, z. B. durch die Ausnutzung bestimmter Abschreibungsmethoden. Statt die Differenz von Markt- und Buchwert zu verwenden, scheint es sinnvoll, den Quotienten von Marktwert und Buchwert heranzuziehen. Diese relative Betrachtung und Analyse ermöglichen Benchmarking. Der Vergleich von Quotienten über eine Zeitspanne hinweg oder über Unternehmen und Branchen hinweg lässt die Aussagekraft steigen. Ein über die Zeit abnehmender Markt- / Buchwert-Quotient kann

140

Management von erfolgskritischem Wissen dann durchaus als Warnzeichen verstanden werden, dass nicht ausreichend in die Wissensbasis investiert wird.64 Der ROK versucht die Kosten-Nutzen-Relation abzubilden. Er wird definiert als das Verhältnis der Kosten für den Faktor ‚Wissen’ zu dem Vermögenswert, der durch den Einsatz dieses Wissens entsteht. Während die Kosten relativ problemlos erhoben werden können, bereitet es Schwierigkeiten, den Anteil des Wissens am Produkt- bzw. Unternehmensprofit zu bestimmen.65 Wissen und Wissensmanagement lässt sich auch mittels Indikatoren bewerten. Dabei gilt es die gewählten Indikatoren hinsichtlich ihrer Entwicklungsrichtung über einen längeren Zeitraum hinweg zu beobachten und einzuschätzen. Darüber hinaus ist zu prüfen, ob sich daraus im Hinblick auf Wissensmanagement ein Handlungsbedarf ergibt. Mögliche Indikatoren sind: Indikatoren Anzahl der Mitarbeiter, die mehrere Arbeitsplätze beherrschen Anzahl der Mitarbeiter, die als Trainer/Wissensmultiplikatoren Wissen weitergeben Anzahl der verfügbaren Best Practice Fälle Anzahl der internen Kompetenzzentren Qualität der internen Kompetenzzentren Häufigkeit der Anfragen an betriebliche Wissensträ64 65

Vgl.: North, K. (1999), S. 187ff. Vgl.: Weggemann, M. (1998), S. 23.

141

Management von erfolgskritischem Wissen ger von Kunden, anderen Betrieben ... Anzahl der externen Knowledge Links Qualität der externen Knowledge Links Aufwand für die Suche nach Wissensquellen und – trägern (intern / extern) Zugriff auf Wissensquellen Anzahl der Wissenskooperationen Qualität der Wissenskooperationen Anzahl kommunikationsfördernder Maßnahmen Aufwand zur Errichtung / Erhaltung von Kreativzonen, Lernarenen etc. Bindung der wichtigen Wissensträger an das Unternehmen Fluktuationsrate Krankenrate Verweildauer Attraktivität des Unternehmens als Arbeitgeber Anzahl der Bewerbungen Qualität der Bewerber Aktivitäten zum Personalmarketing Aufwand für Personalmarketing Bekanntheitsgrad Budget für wissensorientierte Incentives Arbeitsproduktivität Bearbeitungszeit für Kundenanfragen, Aufträge ... Anzahl der neuen, umsetzbaren Produkte und Dienstleistungen

142

Management von erfolgskritischem Wissen Qualität der neuen, umsetzbaren Produkte und Dienstleistungen Anzahl der Patente Rückmeldungen der Kunden Anzahl der Reklamationen Ausschussquote Anzahl der Publikationen und Zitate von Mitarbeitern Qualität der Publikationen und Zitate von Mitarbeitern Zahl der eingereichten Verbesserungsvorschläge Verhältnis der eingereichten zu den umgesetzten Verbesserungsvorschlägen Qualität der Verbesserungsvorschläge Ausmaß der Weiterbildungsaktivitäten Weiterbildungsbudget Weiterbildungstage / Mitarbeiter Anzahl der Lessons Learned Aufwand für Lessons Learned Programme Investitionen in IT Nutzung des Intranets / Anzahl interner E-Mails Aufwand der Erstellung von Expertenverzeichnissen Anzahl der Eintragungen im Expertenverzeichnis Qualität und Aktualität der ‚Gelben Seiten’ Aufwand für die Erstellung von Wissenslandkarten Aufwand zur Aufdeckung von Netzwerken und informellen Strukturen Zugriff auf Erfahrungen aus vergangenen / laufenden Projekten

143

Management von erfolgskritischem Wissen Zugriffshäufigkeit auf Datenbanken Benutzerfreundlichkeit der IT-Infrastruktur Anzahl der Mitarbeiter mit Internet-Zugang Nutzung des Internets / Akzeptanz des Internets Anzahl an virtuellen Diskussionsplattformen

Das Indikatorenmodell von North / Probst / Romhardt ist eine Weiterentwicklung der Indikatorenliste. Dem Indikatorenmodell liegt eine Bewertungslogik zugrunde, die eine Vermischung verschiedener Indikatoren durch die Differenzierung in Indikatorenklassen verhindern soll. Die Gliederung in Bestands-, Interventions-, Übertragungs- und finanzielle Indikatoren ermöglicht, Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge besser abzuleiten und Veränderungen der Wissensbasis mit Bezug zu Geschäftsergebnissen adäquater zu veranschaulichen. Das Indikatorenmodell ist kein ‚Standardrezept’. Es dient vielmehr als Handlungs- bzw. Strukturierungshilfe und gibt Hinweise für die Wahl der passenden Indikatoren. Die Frage nach den ‚richtigen’ Indikatoren löst es also nicht. Die Bestimmung der Bezugsgrößen in den einzelnen Klassen muss jedes Unternehmen in Abhängigkeit von Strategien, Strukturen, Systemen und Umfeldbedingungen selbst vornehmen.

144

Management von erfolgskritischem Wissen

Indikatorenklasse

Bestimmung

I

Abbildung des Bestandes der organisationalen Wissensbasis zum Zeitpunkt tx

Organisationale Wissensbasis II Interventionen

III Zwischenerfolge und Übertragungseffekte

Beschreibung der Prozesse und Inputs zur Veränderung der organisationalen Wissensbasis Messung des direkten Ergebnisses der Interventionen

Beispiel-Indikatoren -

-

-

IV Ergebnisse der Geschäftsfähigkeit

Bewertung der Geschäftsergebnisse am Ende des Betrachtungszeitraums

-

Wissensportfolio Patente Anzahl und Qualität der externen Knowledge Links Anzahl und Qualität der internen Kompetenzzentren Anzahl der Lessons Learned workshops Erstellen von Expertenprofilen Durchführung von Action Training (Action Training/Gesamttraining (%)) Anzahl und Qualität der Publikationen von Mitarbeitern Anzahl und Qualität Verbesserungsvorschläge Nutzungsindex Intranet Transparenzindex Cashflow Deckungsbeitrag Marktanteil Return On Investment (ROI)

Abbildung 18: Das Indikatorenmodell von North / Probst / Romhardt

145

Management von erfolgskritischem Wissen Der Prozess der Definition der betriebsspezifischen Indikatoren hat darüber hinaus einen Wert für sich. Er fördert das Bewusstsein für die individuelle und kollektive Wissensbasis sowie für die Zusammenhänge und trägt zur Entwicklung einer gemeinsamen Sprache bei.66 Eine weitere Möglichkeit, die Wissensbasis und deren Entwicklung zu bewerten, stellt die Balanced Scorecard dar. Die Balanced Scorecard ist ein Ansatz, der langfristige Strategien und notwendige kurzfristige Änderungen steuert. Die Leistung eines Unternehmens wird als Gleichgewicht (Balance) zwischen unterschiedlichen Perspektiven betrachtet und auf einer übersichtlichen Tafel (Scorecard) dargestellt. Dabei wird ein strategischer Handlungsrahmen entworfen, der in Einzelziele, Messgrößen, Zielwerte und Maßnahmen gegliedert ist. Die Perspektiven können situations- und bedarfsgerecht gewählt werden, nicht selten werden jedoch die Kunden-, Finanz-, Geschäftsprozess- sowie Lern- und Wachstumsperspektive verwendet. Die unterschiedlichen Perspektiven werden nicht nur jede für sich untersucht, sondern es werden auch übergreifende UrsacheWirkungs-Zusammenhänge analysiert. Dieser weite Blickwinkel basiert auf der Grundüberzeugung, dass für den Unternehmenserfolg mehr als eine Perspektive relevant ist. Darüber hinaus werden Kurzfristziele und Langfristziele ebenso berücksichtigt wie finanzielle und nicht-finanzielle Steuerungsgrößen.

66

Vgl.: Alex, B. / Becker, D. / Startmann, J. (2000), S. 60f.; Picot, A. / Scheuble, S. (2000), S. 26ff.; Probst, G. / Raub, S. / Romhardt, K. (1998), S. 330ff.

146

Konkrete Maßnahmen

Operative Ziele

Messgrössen

Strategische Ziele

Wie können wir unsere Fähigkeiten zur Erneuerung und Verbesserung nachhaltig entwickeln?

Wie sollen wir uns gegenüber den Anteilseignern positionieren? Messgrössen

Operative Ziele

Strategische Ziele

Messgrössen

Operative Ziele

Lernen und Wachstum

Vision und Strategie

Strategische Ziele

Konkrete Maßnahmen

Konkrete Maßnahmen In welchen Prozessen müssen wir exzellent sein und Hervorragendes leisten?

Konkrete Maßnahmen

Operative Ziele

Messgrössen

Strategische Ziele

Geschäftsprozessperspektive

Abbildung 19: Der Aufbau der Balanced Scorecard (In Anlehnung an Armutat, S. et al (2002), S. 45)

Welche Leistungen sollten wir dem Kunden gegenübererbringen?

Kundenperspektive

Finanzperspektive

Management von erfolgskritischem Wissen

147

Management von erfolgskritischem Wissen Die Balanced Scorecard fördert und fordert in vielerlei Hinsicht: Allein der Prozess, strategische Ziele in operative Handlungen zu überführen sowie Messkriterien und –instrumente festzulegen, verlangt die Generierung und den Transfer von Wissen zwischen Mitarbeitern, Abteilungen und verschiedenen Hierarchieebenen. Die Balanced Scorecard stellt zudem das Gerüst zur Verzahnung von Wissenszielen und Wissensbewertung. Zudem bewertet sie die Integration des Wissensmanagements in das unternehmensbezogene Ziel- und Bewertungssystem. Eine konkrete Operationalisierung der Wissensperspektive ist im Konzept der Balanced Scorecard jedoch nicht zu finden. Vielmehr muss jedes Unternehmen seine eigenen, maßgeschneiderten und situationsspezifischen Messgrößen erarbeiten, um die relevanten Dimensionen zu erfassen und zu steuern.67 Zwei grundsätzliche Möglichkeiten stehen zur Verfügung: •



67

Zum einen kann Wissensmanagement in die Lern- und Wachstumsperspektive integriert werden. Wissensziele können hier verankert, Maßnahmen zu deren Umsetzung geplant und die Zielerreichung bewertet werden. Wissensmanagement wird zum Bestandteil der Unternehmensstrategie.68 Zum anderen lässt sich eine Balanced Scorecard für das Wissensmanagement entwickeln. Dabei werden unterschiedliche Handlungsfelder betrachtet (Wissensidentifikation, Wissensgenerierung, Wissenstransfer und Wissensbewahrung). Jedes Handlungsfeld seinerseits wird anhand verschiedener Perspektiven untersucht. Als Perspektiven können zum Beispiel die externe Perspektive, die interne Perspektive sowie die Mitarbeiterperspektive gewählt.69

Vgl.: Horvath, P. (1999), S. 56f.; Probst, G. / Raub, S. / Romhardt, K. (1998), S. 325, 327. 68 Vgl.: Herbst, D. (2000); Horvath, P. (1999), S. 56ff. 69 Vgl.: Feldhoff, E. (2001), S. 93 – 114.

148

Management von erfolgskritischem Wissen

1. Möglichkeit: Die Integration des Wissensmanagements in eine bestehende Balanced Scorecard BSCPerspektive

Strategische Ziele

Ergebnisbeitrag: Wir bieten den Kapitalgebern

- Erfüllung - Shareholderder Rendi Value teerwartungen

>10%

- Steigerung des Profits

100 Mio. € 5%

Kunde: Die Kundenorientierung ist

Prozesse: Wir sind gut in

Messgrößen

- Cash-flow - Gewinn

- Umsatz- Beschleurentabilität / nigung des -wachstum Wachtums - Ermittlung - Kano-Modell der Kundenwünsche - Gewinnung - Umsatzanteil neuer Kunder Neukunden den - Wettbe- Preisindex werbsfähige Preisgestaltung - Verbesse- Cross Selling rung der Ratio Vertriebsprozesse - Reduzie- Anzahl der rung der Produkte Entwicknicht älter als lungszeiten zwei Jahre für neue Leistungen

Zielwerte

Konkrete Maßnahmen

- Kauf v. Lizenzen

10% 5%

- Joint Venture - Kundenbefragung

15%

-Akquisitionsprogramm

0,9

- Preismonitor

20%

- Prozessoptimierung

3

- F&E- Prozesse optimieren

149

Management von erfolgskritischem Wissen

Mitarbeiter- - Zugang zu entwicklung: strategisch wichtigen Wir sichern Infos den Erfolg langfristig - Steigerung von Motivation und Qualifikation der Beschäftigten

150

- Zugriff auf Datenbank

>25%

- Fehlerquote - Produktivität - Verbesserungsvorschläge pro Mitarbeiter

5% >10% 15

- Aufbau einer Wissensdatenbank - Total Quality Management - Anreizsystem zum Wissenstransfer - Personalentwicklung

Management von erfolgskritischem Wissen

2. Möglichkeit: Die Balanced Scorecard für das Wissensmanagement Handlungsfeld: Wissensidentifikation Perspektive Strat. Ziele Externe Struktur

Suche nach externen Wissensquellen

Interne Struktur

Aufdecken von informellen Netzwerken

Mitarbeiter

Erstellung von Expertenverzeichnissen

Messgrößen

Zielwerte

Maßnahmen

- Aufwand

- Marktanalysen

- Anzahl und Qualität der Wissensquellen

- Kundenanalysen

- Zugriff auf Erfahrungen aus vergleichbaren Projekten - Aufwand - Anzahl der Eintragungen - Nutzungsindex

- Wissenslandkarte - Lessons Learned - Mitarbeiterbefragung - Selbsteinschätzung

- Aktualität

151

Management von erfolgskritischem Wissen

Handlungsfeld: Wissenserwerb

Perspektive Strat. Ziele

Messgrößen

Externe Struktur

Gestaltung - Anzahl der von Lernpart- Lernpartnerner-schaften schaften mit Kunden - Qualität der und LieferanPartnerten schaften

Interne Struktur

--

--

Mitarbeiter

Steigerung der Attraktivität als Arbeitgeber

- Anzahl der Bewerbungen

152

- Qualität der Bewerber

Zielwerte

Maßnahmen -Gemeinsame Projekte

--

-- Personalmarketing

Management von erfolgskritischem Wissen

Handlungsfeld: Wissensentwicklung

Perspektive Strat. Ziele

Messgrößen

Zielwerte

Maßnahmen

--

--

--

Externe Struktur

--

Interne Struktur

Gestaltung - Aufwand eines lernför- Anzahl und dernden KonQualität von textes internen Kompetenzzentren - Anzahl und Qualität der Verbesserungsvorschläge

Mitarbeiter

Steigerung - Weiterder Aktivitäbildungstage/ ten hinsichtMitarbeiter lich Personal- Anzahl der entwicklung Mitarbeiter, die als Wissensträger gelten

- Einrichten von expliziten Lernorten - Veränderung der Arbeitsinhalte und –bedingungen

- Dialog - Weiterbildung - Vermittlung von Best Practice

- Anzahl der Anfragen an Wissensträger von Externen

153

Management von erfolgskritischem Wissen

Handlungsfeld: Wissenstransfer und –nutzung

Perspektive Strat. Ziele

Messgrößen

Zielwerte

Maßnahmen

--

--

--

Externe Struktur

--

Interne Struktur

Änderung der - Anzahl der Kultur in verfügbaren Richtung Best PracticeVertrauen, Fälle Offenheit und - Anzahl von Fehlerinterdisziplitoleranz nären Projekten

- Großgruppeninterventionen

Änderung der - Produktivität Einstellung - Fluktuationsrate

- Anreizsystem

Mitarbeiter

154

- Job Rotation - Lessons Learned - SpaceManagement

- Kommunikationsforen

Management von erfolgskritischem Wissen

Handlungsfeld: Wissensbewahrung

Perspektive Strat. Ziele Externe Struktur

Interne Struktur

Messgrößen

Maßnahmen

Verbesserung - Kundenzuvon Customer friedenheit Relationship - Kundenteilnahme an der Leistungserstellung

- Kundenbefragungen

Bewahrung von erfolgskritischem Wissen

- Datenbanken

- Aufwand von Dokumentationsmanagement - Nutzungsgrad der Systeme

Mitarbeiter

Zielwerte

Bindung von - MitarbeiterWissenszufriedenheit trägern an das - Verweildauer Unternehmen - Fluktuationsrate

- Gemeinsame Projekte

- Wissensmanager - Überlappung von Amtsdauer - Personalführung - Anreizsystem - Adäquate Arbeitsplatzgestaltung

155

Management von erfolgskritischem Wissen

6.2 Qualitativ-orientierte Ansätze Als qualitative Verfahren zur Beurteilung von Wissen kann die PortfolioAnalyse herangezogen werden. Die Portfolio-Analyse dient nicht nur zur Klassifizierung von erfolgskritischem Wissen und unkritischen Wissensbereichen, sondern sie gibt auch den Aktivitäten des Wissensmanagement eine Richtung. Dabei wird Wissen anhand von zwei Beurteilungskriterien in vier Kategorien unterteilt. Als Beurteilungskriterien werden die Leistungsbeeinflussung (Einfluss des Wissens auf Kosten, Qualität, Zeit ...) sowie die Einzigartigkeit des Wissens (Verfügbarkeit am Markt; Möglichkeit, Wettbewerbsvorteile zu erzielen) herangezogen. Als Wissenskategorien lassen sich Hebelwissen, Engpasswissen, Basiswissen sowie unkritisches Wissen identifizieren. Hebel-, Basis- und Engpasswissen stellen das erfolgskritische Wissen dar. Im Rahmen der Portfolio-Analyse besteht die Möglichkeit, mehrere Perspektiven zu berücksichtigen: Zum einen kann sowohl eine Gegenwartsbetrachtung als auch eine Zukunftsbetrachtung integriert werden. Zum anderen ist es möglich, den Wissensbestand heute und in Zukunft zu ermitteln. Darüber hinaus lässt sich der Bedarf an Wissen heute und in Zukunft unter Berücksichtigung der Ziele und Strategien identifizieren und klassifizieren. Durch den Vergleich von Bestand und Bedarf heute und in Zukunft lassen sich Implikationen für Wissensgenierung, Wissenstransfer und Wissensbewahrung ableiten.

156

Management von erfolgskritischem Wissen

In Zukunft in tx

LeistungsBeeinflussung

Heute in t0

LeistungsBeeinflussung hoch

Basiswissen

Hebelwissen

Unkritisches Wissen

Engpasswissen

niedrig

Basiswissen

Hebelwissen

Unkritisches Wissen

Engpasswissen

niedrig

hoch

Einzigartigkeit niedrig

hoch

Einzigartigkeit

Zu den qualitativen Methoden zur Evaluierung von Wissensmanagement gehört das Auditverfahren. Die Beurteilung erfolgt anhand von Leitthesen, die entsprechend der Handlungsfelder geordnet sind. Dabei wird eingeschätzt, wie und in welchem Umfang Wissensmanagement im Unternehmen praktiziert wird. Die Antworten werden bepunktet. Die Punkte werden pro Handlungsfeld zusammengefasst und in ein Diagramm übertragen. Ziel des Audits ist es, das tatsächliche Ausmaß des betrieblichen Wissensmanagements zu erfassen und darzustellen. Es ist eine Art Checkup. Gleichzeitig kann es Impulse für die Weiterentwicklung geben.70

70

Weggemann, M. (1999), S. 285ff.

157

Management von erfolgskritischem Wissen

7

Die Implementierung von Wissensmanagement

Wissensmanagement lässt sich auf vielfältige Weise im Unternehmen implementieren. Eine mögliches Implementierungskonzept stellt das APQC71-Phasenmodell dar. Dieser Ansatz umfasst fünf Schritte: 1. Schritt: Starten 2. Schritt: Experimentieren 3. Schritt: Umsetzen in Pilotbereichen 4. Schritt: Ausweiten 5. Schritt: Institutionalisieren Jeder Schritt ist durch bestimmte Charakteristika und Aktivitäten gekennzeichnet.72 1. Stufe

Star ten

2. Stufe

Experimentieren

3. Stufe

Umsetzen in Pilotbereichen

4. Stufe Ausweiten

5. Stufe Institutionalisieren

Abbildung 20: Der Implementierungsansatz der APQC

71 72

APQC ist die Abkürzung für American Produktivity & Quality Center.

Vgl.: Armutat, S. et al. (2002), S. 60ff.

158

Management von erfolgskritischem Wissen

1. Schritt: Starten Das Top-Management des Unternehmens und / oder einige wichtige Mitarbeiter sind sich der Sinnhaftigkeit und des Nutzens von Wissensmanagement bewusst. Diese Phase ist gekennzeichnet durch •

die Formulierung von Zielen,



das Aufzeigen der Bedeutung von Wissensmanagement für das Unternehmen und die Mitarbeiter,



das Identifizieren von ‚Gleichgesinnten’ in der Organisation,



das Auffinden von ‚starting points’.

2. Schritt: Experimentieren Die ‚Gleichgesinnten’ bilden ein Netzwerk von Promotoren und Interessierten. Um weitere einflussreiche Führungskräfte und Mitarbeiter zu überzeugen, können zum Beispiel Erfolgsstories sowie Lernen aus eigener Erfahrung und Beobachtung zum Einsatz kommen. Lernen aus eigener Erfahrung und Beobachtung lässt sich durch Pilotvorhaben fördern. Im Unternehmen wird ein relativ autarker Bereich ausgewählt, in dem Wissensmanagement für eine bestimmte festgelegte Zeit umgesetzt werden soll. Hier werden Strategien und Aktivitäten ausprobiert. Aktivitäten in der Experimentierphase sind •

das Kommunizieren von Erfolgsstories,



die Auswahl von Pilotbereichen und –vorhaben,



die Entwicklung einer Strategie für die Pilotbereiche und – vorhaben,



die Bereitstellung von Ressourcen sowie

159

Management von erfolgskritischem Wissen •

die Installierung einer Task Force für die Pilotbereiche und –vorhaben

3. Schritt: Umsetzen in den Pilotbereichen Die Wissensmanagementstrategien und –aktivitäten in den Pilotbereichen und bei den Pilotvorhaben müssen evaluiert werden. Dies sollte bereits während der Umsetzung in Form einer Roll-over-Evaluation erfolgen. Darüber hinaus sollte spätestens in dieser Phase eine wissensmanagementspezifische Qualifizierung der Pilotmitarbeiter erfolgen. Die Ergebnisse der Evaluierung bieten für die Gestaltung von Qualifizierungskonzepte eine gute Informationsgrundlage. Die Komponente des Könnens stellt eine Seite der Medaille dar. Eine andere, nicht zu vernachlässigende Seite ist die Komponente des Wollens. Die Pilotmitarbeiter müssen motiviert sein, am Wissensmanagement teilzunehmen. Dies geschieht nicht zuletzt durch die Sichtbarmachung des persönlichen Nutzens. Die Ergebnisse der Evaluierung können somit auch als Grundlage für einen Motivierungsansatz und ein Anreizsystem dienen.

4. Schritt: Ausweiten Wenn andere Unternehmensbereiche Interesse an Wissensmanagement signalisieren und im gesamten Unternehmen sich mehr und mehr ein Bewusstsein für Wissensmanagement entwickelt, steht ein Unternehmen an der Schwelle zu Phase 4. Die Phase der Ausweitung ist dementsprechend gekennzeichnet durch

160



die Entwicklung einer Strategie zur Ausweitung der Wissensmanagement-Aktivitäten,



Umsetzung der Wissensmanagement-Aktivitäten in anderen Bereichen und Abteilungen,

Management von erfolgskritischem Wissen •

die Gestaltung einer unternehmensweiten Informations- und Kommunikationspolitik zum Thema Wissensmanagement sowie



die Installierung einer unternehmensweiten Task-Force.

5. Schritt: Institutionalisierung Institutionalisierung bedeutet in diesem Zusammenhang die Entkoppelung von den Promotoren. Es erfolgt einer Verankerung in der Institution. Eine Institutionalisierung zeigt sich vor allen Dingen •

in der Integration in der Unternehmenspolitik,



in der Berücksichtigung von Wissensmanagement in den Qualifizierungs- und Motivationskonzepten,



in der kontinuierlichen Evaluierung als Teil des Controllings,



in der organisatorischen Verankerung sowie



in der Pflege einer Wissenskultur als Teil der Unternehmenskultur.

Der vorgestellte Implementierungsansatz von APQC mit seinen fünf Schritten basiert u.a. auf Lernpartnerschaften. Zum einen setzt er die Bereitschaft einiger Promotoren voraus, gemeinsam zu lernen und Wissen auszutauschen. Zum anderen fördert er durch die Fünf-Schritte-Struktur den Auf- und Ausbau von Lernpartnerschaften.

161

Management von erfolgskritischem Wissen

8

Fazit

Bei Wissensmanagement kommt es nicht darauf an, so viele Maßnahmen und Instrumente wie möglich zur Anwendung zu bringen. Unternehmen sollten sich auf diejenigen beschränken, die zu ihrem Bedarf und ihrer Situation passen. Auch hier gilt der Grundsatz ‚Weniger ist Mehr!’. Wichtig ist, die Säulen des Wissensmanagements ‚Mensch – Organisation – Technik’ ebenso im Blick zu haben wie die Handlungsfelder auf den verschiedenen Ebenen. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass einige Handlungsfelder sowie die damit einhergehenden Instrumente und Maßnahmen obligatorisch sind. Dazu zählen die Formulierung von Wissenszielen und Wissensmanagement-Zielen, die Entwicklung von Wissensmanagement-Strategien, das Controlling von Wissen und Wissensmanagement sowie die Identifikation von heutigem und zukünftigem erfolgskritischem Wissen. Wissensmanagement steht und fällt mit einer Kultur, die auf Vertrauen, Offenheit, Eigenverantwortung, Lernbereitschaft und konstruktivem Umgang mit Macht aufbaut, mit der Überzeugung vieler, dass damit persönlicher und betrieblicher Nutzen verbunden ist, mit organisatorischen und führungsspezifischen Rahmenbedingungen sowie mit der Übernahme von Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten durch die Geschäftsleitung.

162

Literaturverzeichnis

LITERATURVERZEICHNIS Armutat, S. et al. (2002): Wissensmanagement erfolgreich einführen, Düsseldorf 2002. Alex, B. / Becker, D. / Stratmann, J. (2000): Ganzheitliches Wissensmanagement und wertorientierte Unternehmensführung, in: Götz, K. (Hrsg.): Wissensmanagement – zwischen Wissen und Nichtwissen, 2., verbesserte Auflage, München 2000, S. 47 – 69. Antoni, C (1999): Wissensmanagement und Flexibilisierung, in: Antoni, C. / Sommerlatte, T. (Hrsg.): Report Wissensmanagement, 2. Auflage, Düsseldorf 1999, S. 10 – 14. Augustin, S. (2000): Der Stellenwert des Wissensmanagement im Unternehmen, in: Mandl, H. / Reinmann-Rothmeier, G (Hrsg.): Wissensmanagement, Informationszuwachs – Wissensschwund? Die strategische Bedeutung des Wissensmanagements, München 2000, S. 159 – 168. Bergmann, K. (1999): Die Bausteine des Wissensmanagements, in: Antoni, C. / Sommerlatte, T. (Hrsg.): Report Wissensmanagement, 2. Auflage, Düsseldorf 1999, S. 34 – 38. Beucke-Galm, M. (1999): Über die Bedeutung von Dialog in einer lernenden Organisation, Frankfurt 1999. Bonsen, M. z. / Lau-Villinger, D. (1997): Exchange in large groups, in: Trojaner, 4. Jg., Heft 3, 1997, S. 13 – 19. 163

Literaturverzeichnis

Bullinger, H.-J. / Prieto, J. (1998): Wissensmanagement: Paradigmen des intellektuellen Wachstums, in: Pawlowsky, P. (Hrsg.): Wissensmanagement, Erfahrungen und Perspektiven, Wiesbaden 1998, S. 87 – 118. Bullinger, H.-J. / Wörner, K. / Prieto, J. (1998): Wissensmanagement – Modelle und Strategien für die Praxis, in: Bürgel, H. D. (Hrsg.): Wissensmanagement, Schritte zum intelligenten Unternehmen, Berlin 1998, S. 21 – 39. Davenport, T. / Prusak, L. (1998): Das Praxisbuch zum Wissensmanagement, Landberg / Lech 1998. Dilk, A. (1999): Das wissende Unternehmen – der abgespeicherte Mitarbeiter?, in: Antoni, C. / Sommerlatte, T. (Hrsg.): Report Wissensmanagement, 2. Auflage, Düsseldorf 1999, S. 73 – 76. Felbert, D. v. (1998): Wissensmanagement in der unternehmerischen Praxis, in: Pawlowsky, P. (Hrsg.): Wissensmanagement, Erfahrungen und Perspektiven, Wiesbaden 1998, S. 119 – 141. Feldhoff, E. (2001): Unterstützung der Wissensmessung und –bewertung mit Hilfe der Balanced Scorecard, in: Rump, Jutta / Lau-Villinger, Doris (Hrsg.): Management Tool Box Wissensmanagement, Köln 2001, S. 93 – 114. Götz, K. / Hilt, A. (2000): Wissensmanagement in der kaufmännischen Berufsausbildung, in: Götz, K. (Hrsg.): Wissensmanagement – zwi-

164

Literaturverzeichnis schen Wissen und Nichtwissen, 2., verbesserte Auflage, München 2000, S. 215 – 267. Hansen, M. T. / Nohria, N. / Tierney, T. (2001): What’s Your Strategy for Managing Knowledge, in: Harvard Business Review on Organizational Learning, 2001, S. 61 – 86. Heisig, P. (1999): Die ersten Schritte zum professionellen Wissensmanagement, in: Antoni, C. / Sommerlatte, T. (Hrsg.): Report Wissensmanagement, 2. Auflage, Düsseldorf 1999, S. 42 – 50. Herbst, D. (2000): Erfolgsfaktor Wissensmanagement, Berlin 2000. Horvath, P. (1999): Wissensmanagement steuern: Die Balanced Scorecard als innovatives Controllinginstrument, in: Antoni, C. / Sommerlatte, T. (Hrsg.): Report Wissensmanagement, 2. Auflage, Düsseldorf 1999, S. 55 – 63. Isaacs, W. (1996): Dialog, kollektives Denken und Organisationslernen, in: Fratzer, G. (Hrsg.): Organisationsentwicklung und Supervision: Erfolgsfaktoren bei Veränderungsprozessen, Köln 1996, S. 181 – 207. Krallmann, H. / Boekhoff, H. / Schönherr, M. (2000): Einführung eines Wissensmanagement im Category Consulting eines Dienstleistungsunternehmens, in: Krallmann, H. (Hrsg.): Wettbewerbsvorteile durch Wissensmanagement, Stuttgart 2000, S. 205 – 238.

165

Literaturverzeichnis North, K (1999): Wissensorientierte Unternehmensführung, Wertschöpfung durch Wissen, 2., aktualisierte und erweiterte Auflage, Wiesbaden 1999. Pawlowsky, P. (1998): Integratives Wissensmanagement, in: Pawlowsky, P. (Hrsg.): Wissensmanagement, Erfahrungen und Perspektiven, Wiesbaden 1998, S. 9 – 45. Pfiffner, M. / Stadelmann P. (1999): Wissen wirksam machen, wie Kopfarbeiter produktiv werden, 2., unveränderte Auflage, Bern 1999. Picot, A. / Scheuble, S. (2000): Die Rolle des Wissensmanagements in erfolgreichen Unternehmen, in: Mandl, H. / Reinmann-Rothmeier, G. (Hrsg.): Wissensmanagement, Informationszuwachs – Wissensschwund? Die strategische Bedeutung des Wissensmanagements, München 2000, S. 19 – 37. Probst, G. / Raub, S. / Romhardt, K. (1998): Wissen managen, wie Unternehmen ihre wertvollste Ressource optimal nutzen, 2. Auflage, Frankfurt 1998. Rosenstiel, L. v. (2000): Wissensmanagement in Führungsstil und Unternehmenskultur, in: Mandl, H. / Reinmann-Rothmeier, G. (Hrsg.): Wissensmanagement, Informationszuwachs – Wissensschwund? Die strategische Bedeutung des Wissensmanagements, München 2000, S. 139 – 158. Rump, J. / Lau-Villinger, D. (2001): Management Toolbox Wissensmanagement, Köln 2001.

166

Literaturverzeichnis Schein, E. (1996): Über Dialog, Kultur und Organisationslernen, in: Fatzer, G. (Hrsg.): Organisationsentwicklung und Supervision: Erfolgsfaktoren bei Veränderungsprozessen, Köln 1996, S. 209 – 228. Senge, P. M. (1996): Die fünfte Disziplin, Stuttgart 1996. Seufert, A. / Back, A. / Krogh, G. v. (2000): Wissensnetzwerke: Vision – Referenzmodell – Archetypen und Fallbeispiele, in: Götz, K. (Hrsg.): Wissensmanagement – zwischen Wissen und Nichtwissen, 2., verbesserte Auflage, München 2000, S. 133 – 156. Soulup, C. (2000): Zu Risiken und Nebenwirkungen von Wissensmanagement, in Götz, K. (Hrsg.): Wissensmanagement – zwischen Wissen und Nichtwissen, 2., verbesserte Auflage, München 2000, S. 195 – 214. Weggemann, M. (1999): Wissensmanagement, der richtige Umgang mit der wichtigsten Unternehmens-Ressource, Bonn 1999. Wunderer, R. (1997): Führung und Zusammenarbeit, Beiträge zu einer unternehmerischen Führungslehre, 2., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage, Stuttgart 1997. Wuppertaler Kreis (2000): Wissensmanagement in mittelständischen Unternehmen – ein Leitfaden, Bericht 54, Köln 2000.

167

Intergenerative und lebensphasenorientierte Personalpolitik

INTERGENERATIVE UND LEBENSPHASENORIENTIERTE PERSONALPOLITIK – DER EINFLUSS DER DEMOGRAFISCHEN ENTWICKLUNG

Abbildungsverzeichnis 1. Begrifflichkeiten 2. Die Konsequenzen des Alterns: eine kritische Würdigung 2.1 Korrelation zwischen Alter und gesundheitlichen Aspekten 2.2 Korrelation zwischen Alter und Lernfähigkeit 2.3 Korrelation zwischen Alter und Loyalität 2.4 Korrelation zwischen Alter und Kompetenz 2.5 Fazit 3. Wertewandel der Generationen 4. Implikationen für Unternehmen 5. Unternehmensphilosophie und - kultur 169

Intergenerative und lebensphasenorientierte Personalpolitik 6. Führung 7. Organisation 7.1 Intergenerative Teams 7.2 Einbindung intergenerativer Teams in die dasUnternehmen umspannende Organisationsstruktur 8. Personalmanagement 8.1 Personaleinsatz 8.2 Personalbeschaffung 8.3 Personalentwicklung 9. Realität in Unternehmen Literaturverzeichnis

170

Intergenerative und lebensphasenorientierte Personalpolitik

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Abbildung 1

Die betrieblichen Handlungsfelder

Abbildung 2

Die Matrixorganisation

Abbildung 3

Das System der überlappenden Gruppen

171

Intergenerative und lebensphasenorientierte Personalpolitik

1

Begrifflichkeiten

Ein Blick in die Literatur macht deutlich, dass es eine Vielzahl an Ansätzen und Versuchen gibt, die Begriffe ‚ältere Arbeitnehmer’ und ‚jüngere Arbeitnehmer’ zu definieren und voneinander abzugrenzen. So beschreibt die OECD ältere Arbeitnehmer als diejenigen Mitarbeiter, die in der zweiten Hälfte des Berufslebens stehen, das Rentenalter noch nicht erreicht haben sowie gesund und arbeitsfähig sind. Für eine Reihe von Berufsgruppen lässt sich der terminus technicus ‚zweite Hälfte des Berufslebens’ dahingehend konkretisieren, dass die Altersgrenze zwischen der Kategorie ‚jüngerer Mitarbeiter’ und der Kategorie Älterer Mitarbeiter’ beim 45. Lebensjahr liegt.1 Die sozialpolitisch begründete Definition stellt das Alter in den Kontext des Arbeitsmarktes. Als ältere Arbeitnehmer werden Personen definiert, die aufgrund ihres Alters auf dem Arbeitsmarkt mit überdurchschnittlichen Risiken konfrontiert werden. Diese Risiken werden u.a. damit begründet, dass diejenigen, die Arbeit nachfragen, mit zunehmendem Alter eine abnehmende Leistungsfähigkeit und Flexibilität assoziieren.2 Im Rahmen der derzeitigen gesellschaftlichen Definition gelten ältere Mitarbeiter im Allgemeinen als krankheitsanfällig, müde, desinteressiert, langsam und unproduktiv. Jung wird hingegen mit fit, interessiert, schnell, produktiv, dynamisch gleichgesetzt. Zwar bröckelt dieses Bild mehr und mehr, in Unternehmen scheint es jedoch immer noch handlungsleitend zu sein.3 Der gesellschaftliche Definitionsansatz wird nicht selten mit der Begriffsbestimmung der OECD kombiniert. Bei einem Vergleich der Definitionsansätze und –versuche fällt zum einen die Unterschiedlichkeit auf. Zum anderen wird deutlich, dass jeder der vorgestellten Begriffsbestimmungen lediglich einige Aspekte berücksichtigt, während andere relevante Faktoren ausgeblendet bzw. vernachlässigt werden. Unter Einbeziehung der verschiedenen Definitionsansätze ver1 2 3

Vgl.: Naegele, G. (1992), S. 8ff. Vgl.: Naegele, G. (1992), S. 11. Vgl.: Lehr, U. / Wilbers, J. (1992), S. 204f.; Kruse, A. / Lehr, U. (1995), S. 546f.

172

Intergenerative und lebensphasenorientierte Personalpolitik steht Ganslmeier unter dem Begriff der älteren und jüngeren Mitarbeiter ein relationales Konstrukt. • Eine Person ist älter in Bezug zu anderen Personen ihres sozialen bzw. beruflichen Umfeldes, wird als relativ alt für die Ausübung einer spezifischen Aufgabe / Position gesehen oder wirkt alt (im Sinne von ‚reif’ oder ‚wenig flexibel’) im Hinblick auf bestimmte Verhaltenserwartungen. • Eine Person ist jünger in Bezug zu anderen Personen ihres sozialen bzw. beruflichen Umfeldes, wird als vergleichsweise jung für die Ausübung einer spezifischen Aufgabe / Position gesehen oder wirkt jung (im Sinne von ‚dynamisch’ oder ‚wenig erfahren’) im Hinblick auf bestimmte Verhaltenserwartungen.4

4

Ganslmeier, H. / Wollert, A. (1997), S. 322.

173

Intergenerative und lebensphasenorientierte Personalpolitik

2

Die Konsequenzen des Alterns: eine kritische Würdigung

Die Themen ‚Alter’ und ‚Altern’ wird in vielen Unternehmen im Kontext von •

gesundheitlichen Aspekten und körperlicher Leistungsfähigkeit,



Lernfähigkeit,



Loyalität sowie



Kompetenzen und Wissen

diskutiert. Dabei trifft man nicht selten auf Aussagen wie: Ältere Arbeitnehmer leisten körperlich weniger. Ältere Arbeitnehmer leisten geistig weniger. Ältere sind nicht bereit zu lernen. Ältere sind für neue Projekte nicht einsetzbar. Ältere Arbeitnehmer sind weniger flexibel. Ältere Arbeitnehmer sind häufiger krank. … Realität oder Vorurteile?

174

Intergenerative und lebensphasenorientierte Personalpolitik

2.1 Korrelation zwischen Alter und gesundheitlichen Aspekten Häufig wird mit zunehmendem Alter von einer generellen Reduzierung der körperlichen Leistungsfähigkeit ausgegangen. Zwar gilt tendenziell, dass die körperliche Leistungsfähigkeit bereits ab dem Ende des dritten Lebensjahrzehnts abnimmt. Durch die Entwicklung zur Wissensgesellschaft spielt der Abbau der körperlichen Leistungsfähigkeit in Unternehmen jedoch immer weniger eine Rolle. Darüber hinaus ist zu beobachten, dass der Abbau der körperlichen Leistungsfähigkeit durch bestimmte Ideale gebremst wird. Solche Ideale sind zum Beispiel die ‚jungen Alten’, die auf Fitness und Wellness viel Wert legen und das Bild des vitalen Älteren in der Werbung, das zum Vorbild wird.5 Um den Zusammenhang zwischen Lebensalter und körperlicher Leistungsfähigkeit zu belegen, wird häufig auf die hohe Krankheitsquote von älteren Mitarbeitern verwiesen. Die positive Korrelation zwischen Krankheitsquote und Lebensalter wird in vielen Studien jedoch nicht bestätigt. Stattdessen wird deutlich, dass eine differenziertere Sicht notwendig ist. Einerseits belegen empirische Untersuchungen, dass ältere Arbeitnehmer im Vergleich zu Jüngeren seltener krank sind. Diese geringe Krankheitshäufigkeit wird u.a. auf eine vergleichsweise hohe Ausprägung an Verantwortungs- und Pflichtbewusstsein zurückgeführt. Andererseits ist festzustellen, dass ältere Arbeitnehmer in der Regel länger krank sind, wenn sie krankheitsbedingt ausfallen.6

5 6

Vgl.: Lehr, U. / Wilbers, A. (1992), S. 205; Ganslmeier, H. / Wollert, A. (1997), S. 322. Vgl.: Ganslmeier, H. / Wollert, A. (1997), S. 322ff.

175

Intergenerative und lebensphasenorientierte Personalpolitik

2.2 Korrelation zwischen Alter und Lernfähigkeit Älteren Mitarbeitern wird häufig ein abnehmendes Maß an Lernfähigkeit unterstellt. Dieses Statement lässt sich durch die Forschungsergebnisse der Gerontologie, Soziologie und Pädagogik widerlegen. Grundsätzlich gilt: Es ist eher eine Frage der Persönlichkeitsstruktur, der Berufsbiografie und der Motivationslage als eine Frage des biologischen Alters, in welchem Maße sich ein Arbeitnehmer als lernbereit und lernfähig erweist. Empirische Untersuchungen ergeben jedoch, dass mit zunehmendem Lebensalter das Unsicherheitsempfinden in Lernsituationen steigt, und dass sich der Lernprozess störanfälliger gestaltet - insbesondere unter Zeitdruck sowie bei unstrukturierten und fiktiv-abstrakten Lernmaterialien.7 Daraus lässt sich folgende Implikation für die Personalentwicklung ableiten: Werden die sich mit dem Alter ergebenden Veränderungen der Lernmuster nicht adäquat berücksichtigt und Lernprozess nicht so gestaltet, dass Ältere ohne Zeitdruck und mit Bezug zum Arbeitsfeld arbeiten und lernen können, dann besteht die Gefahr, dass die Lernbereitschaft und –fähigkeit von älteren Mitarbeiter abnimmt.

2.3 Korrelation zwischen Alter und Loyalität Es ist davon auszugehen, dass die Länge der Betriebszugehörigkeit mit dem Alter positiv korreliert. Eine lange Betriebszugehörigkeit ihrerseits kann u.a. mit einem hohen Zugehörigkeitsempfinden einhergehen. Ein Zusammenhang zwischen Betriebszugehörigkeit / Alter und Unternehmensbindung lässt sich aus emotionaler Hinsicht und unter rationalen Gesichtspunkten erklären. Zum einen steigt mit der Länge der Betriebszugehörigkeit und mit zunehmendem Alter das Maß an Erfahrungen, die

7

Vgl.: Lau-Villinger, D. / Seitz, C. (2002), S. 4f.

176

Intergenerative und lebensphasenorientierte Personalpolitik Summe an gemeinsamen Erlebnissen sowie die Intensität an Freundschaften und Bekanntschaften mit Kollegen. Diese Faktoren tragen nicht unerheblich zur Bindung an und zur Integration in das Unternehmen bei. Zum anderen kann die Bindung älterer Mitarbeiter an das Unternehmen von der Arbeitsmarktsituation abhängen. Wenn wir davon ausgehen, dass die Vermittlungschancen auf dem heutigen Arbeitsmarkt negativ mit dem Lebensalter korrelieren, besteht die Tendenz, dass ältere Mitarbeiter ihre Arbeitsmotivation steigern, um möglichst lang im Unternehmen verbleiben zu können.8 Loyalität sowie ein hohes Maß an Einsatzbereitschaft und Identifikation entstehen jedoch nicht zwangsläufig mit der Dauer der Betriebszugehörigkeit und dem Alter. Zwar fördert die Dauer der Betriebszugehörigkeit und das Alter die Bindung zum Unternehmen. Loyalität, Motivation und Identifikation, die aus einer Bindung im Sinne einer Zweckgemeinschaft ein emotionales Beziehungsgefüge machen, werden hingegen vor allem durch vertrauensbildende Maßnahmen gefördert und entwickelt.

2.4 Korrelation zwischen Alter und Kompetenz Untersuchungen belegen, dass die Ausprägung bestimmter Wissens- und Kompetenzfelder einen Bezug zum Alter bzw. zur Kategorisierung von jüngeren Mitarbeitern und älteren Mitarbeitern aufweisen. So haben jüngere Beschäftigte zumeist bessere sensomotorische Fähigkeiten, ein höheres Leistungstempo, eine raschere Auffassungsgabe und kürzere Entscheidungszeiten. Darüber hinaus können sie besser unter Zeitdruck arbeiten und haben aufgrund der noch nicht allzu lang zurückliegenden Ausbildung einen aktuellen Wissenstand. Älteren Mitarbeitern fällt es aufgrund ihrer Erfahrungen leicht, mit komplexen Sachverhalten umzugehen. Sie weisen häufig eine erhöhte Toleranz in Bezug auf alternative Handlungsstile auf und sind in potenziell belastenden Situationen abgeklärter. Entscheidungen werden mit viel Bedacht und Realismus getroffen und Kon8

Vgl.: Ganslmeier, H. / Wollert, A. (1997), S. 326.

177

Intergenerative und lebensphasenorientierte Personalpolitik flikte tendenziell durch vorausschauendes Arrangieren im Vorfeld entschärft.9 Aus der Psychologie kennen wir das Konzept der fluiden und kristallisierten Intelligenz. Unter fluider Intelligenz werden eine schnelle Auffassung, eine schnelle Anpassung, eine hohe Wahrnehmungsgeschwindigkeit sowie eine hohe (Kurzzeit-)Gedächtnis-leistung subsumiert. Als kristallisierte Intelligenz gelten Erfahrungswissen, Sprachgewandtheit, abwägende Wahrnehmung sowie ein stabiles Selbstkonzept. Werden die Kompetenzfelder, in denen jüngere Arbeitnehmer Stärken aufweisen, mit den Komponenten der fluiden Intelligenz verglichen, lässt sich Kompatibilität feststellen. Ein ähnlicher Zusammenhang besteht zwischen den Faktoren der kristallisierten Intelligenz und den Kompetenzfeldern, die älteren Beschäftigten zugeschrieben werden.10 Das Konzept der fluiden und kristallisierten Intelligenz baut auf zwei Prämissen auf, die die Bedeutung der Berücksichtigung von ‚Alter’ und ‚Altern’ aufzeigen: •

Die Verknüpfung von fluider Kompetenz und kristallisierter Kompetenz stellt eine wesentliche Voraussetzung für Innovationen dar.



Fluide Intelligenz sinkt mit zunehmendem Alter, während der Grad und das Ausmaß an kristallisierter Intelligenz im Laufe des Lebens steigen.

Um die Innovationskraft eines Unternehmens zu stärken und seine Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen, ist es somit notwendig,

9

Vgl.: Lau-Villinger, D. / Seitz, C. (2002), S. 3; Ganslmeier, H. / Wollert, A. (1997), S. 331. 10 Vgl.: Eyseneck, H. J. (1973), S. 59; Oerter, M. (1987), S. 392; Lau-Villinger, D. / Seitz, C. (2002), S. 67; Lehr, U. (1996), S. 73ff.; Johanson, B. (1997), S. 12; Linneweh, K. (1991), S. 16ff.; Baltes, P. / Mayer, K. U. (1996), S. 223.

178

Intergenerative und lebensphasenorientierte Personalpolitik •

die fluide Intelligenz zu erhalten bzw. den Abbau von fluider Intelligenz zu verlangsamen sowie



den Aufbau der kristallisierten Kompetenz zu beschleunigen.

Damit wird deutlich, dass die Vernachlässigung einer Beschäftigungsgruppe – sei es nun die Gruppe der Älteren oder die Gruppe der Jüngeren - sowie eine fehlende Intergenerativität weitreichende negative Konsequenzen für das Unternehmen mit sich bringen.

2.5 Fazit Die kritische Würdigung macht deutlich, dass viele Vorurteile, die in Zusammenhang mit dem Alter und dem Altern stehen, nicht haltbar sind. Die wesentlichen Ergebnisse werden in der folgenden Tabelle zusammengefasst.

Jüngere Mitarbeiter Gesundheit-liche Aspekte / körperliche Leistungsfähigkeit

Bis zum Ende des dritten Lebensjahrzehnts zeigt sich eine hohe körperliche Leistungsfähigkeit.

Ältere Mitarbeiter Ab Ende des dritten Lebensjahrzehnts nimmt die körperliche Leistungsfähigkeit ab. Durch bestimmte Ideale und Lebenseinstellungen (Fitness, Wellness…) kann dieser Prozess jedoch gebremst werden. Die Bedeutung der körperliche Leistungsfähigkeit im betrieblichen Leistungserstellungsprozess nimmt aufgrund der Entwicklung zur Wissensgesellschaft ab. 179

Intergenerative und lebensphasenorientierte Personalpolitik

Tendenziell gilt, dass jüngere Mitarbeiter häufiger krank sind als ihre älteren Kollegen. Lernfähigkeit

Grundsätzlich keine Korrelation zwischen Alter und Lernfähigkeit.

Wenn ältere Arbeitnehmer krank werden, sind sie in der Regel länger krank als ihre jüngeren Kollegen.

Grundsätzlich keine Korrelation zwischen Alter und Lernfähigkeit. Aber: Mit zunehmendem Lebensalter steigt vielfach das Unsicherheitsempfinden in Lernsituationen. Dies impliziert die Berücksichtigung der individuellen Lernsituation bei der Gestaltung von Personalentwicklungsmaßnahmen.

Loyalität

180

Grundsätzlich keine Korrelation zwischen Alter und Loyalität. Es gibt jedoch eine Korrelation zwischen Alter und Unternehmensbindung: Die Bindung jüngerer Mitarbeiter zum Unternehmen ist tendenziell aufgrund der kürzeren Betriebszugehörigkeit und der vergleichsweise guten Arbeitsmarktchancen geringer ausgeprägt.

Grundsätzlich keine Korrelation zwischen Alter und Loyalität. Es gibt jedoch eine Korrelation zwischen Alter und Unternehmensbindung. Die Dauer der Betriebszugehörigkeit korreliert positiv mit dem Alter. Je länger Mitarbeiter im Unternehmen verweilen, umso höher ist vielfach ihr Zugehörigkeitsempfinden ausgeprägt.

Intergenerative und lebensphasenorientierte Personalpolitik

Kompetenzen und Wissen

Tendenziell weisen jüngere Mitarbeiter bessere sensomotorische Fähigkeiten, ein höheres Leistungstempo, eine raschere Auffassungsgabe und kürzere Entscheidungszeiten auf. Sie können vielfach besser unter Zeitdruck arbeiten und haben aufgrund der noch nicht allzu lang zurückliegenden Ausbildung einen aktuellen Wissenstand.

Fluide Intelligenz

Tendenziell können ältere Mitarbeiter besser mit komplexen Sachverhalten umgehen. Sie weisen häufig eine erhöhte Toleranz in Bezug auf alternative Handlungsstile auf und sind in potenziell belastenden Situationen abgeklärter. Entscheidungen werden nicht selten mit viel Bedacht und Realismus getroffen und Konflikte durch vor-ausschauendes Arrangieren im Vorfeld entschärft.

Kristallisierte Intelligenz

181

Intergenerative und lebensphasenorientierte Personalpolitik

3

Wertewandel der Generationen

Die Einstellung vieler älterer Mitarbeiter weist eine hohe Leistungsorientierung, einen hohen Berufsbezug sowie die Suche nach Beständigkeit auf. Diese Eindeutigkeit der Werteorientierung ist bei einer Vielzahl von Beschäftigten der jüngeren Generation nicht zu beobachten. Sie bewegen sich eher in Spannungsfeldern. Dazu gehören •

das Spannungsfeld Lebensgenuss – Leistungsorientierung,



das Spannungsfeld Familie – Beruf,



das Spannungsfeld Individualisierung – Orientierung an gemeinsamen Zielen,



das Spannungsfeld Flexibilität – Suche nach Beständigkeit.

Viele jüngere Mitarbeiter versuchen Lebensgenuss und Leistungsorientierung miteinander zu vereinbaren. Zum einen suchen sie vermehrt nach neigungsgerechten, herausfordernden Aufgaben und Entwicklungschancen. Spaß an der Arbeit spielt eine immer größere Rolle, ebenso wie die Mitwirkung an Gestaltungs- und Entscheidungsprozessen. Zum anderen streben sie nach hoher Leistung, wenn die Aufgabenstellung sie motiviert und mit dem persönlichen Wertesystem sowie den individuellen Entwicklungsplänen kompatibel ist.11 Ein weiteres Ziel der jüngeren Generation ist, eine Balance zwischen Arbeit und der Familie bzw. Privatleben zu finden. Dieses Ziel wird in der Regel geschlechterunabhängig angestrebt. Der Starting Point und die Wege zur Zielerreichung sind jedoch unterschiedlich. Viele Frauen zeigen eine zunehmende Berufsorientierung aufgrund eines veränderten Rollenverständnisses, eines steigenden Qualifikationsniveaus und hoher Lebens11

Vgl.: Opaschowski, H. (1997), S. 43; Wunderer, R. / Dick, P. (2002), S. 29.

182

Intergenerative und lebensphasenorientierte Personalpolitik haltungskosten. Bei Männern ist hingegen eine wachsende Familienorientierung zu beobachten.12 Verglichen mit der älteren Generation weisen viele Jüngere eine höhere individualistische Orientierung auf. Die sogenannte Generation Y13 hat nicht selten die Philosophie, dass die eigene Person ‚der Anfang der geraden Linie zum Erfolg’ ist. Die Berücksichtigung des eigenen Vorteils und die Maximierung des persönlichen Nutzens sind vielfach jedoch mit hoher Leistungsorientierung verbunden. Parallel dazu gewinnt die Orientierung an gemeinsamen Zielen an Bedeutung. Diese scheinbar auf den ersten Blick gegenteilige Entwicklung lässt sich auf die Einsicht in die Notwendigkeit von Kooperation und Teamarbeit zurückführen. Die komplexer werdenden Aufgabenstellungen können allein nicht mehr bewältigt werden. Die Orientierung an gemeinsamen Zielen fördert in einem solchen Kontext die Leistungsorientierung und damit auch die Optimierung des eigenen Nutzens.14 Nicht zuletzt bewegen sich viele jüngere Beschäftigte in einem Spannungsfeld von Flexibilität und Beständigkeit. Auf der einen Seite zeigen sie ein hohes Maß an Flexibilität und Mobilität auf der Suche nach herausfordernden und neigungsgerechten Tätigkeiten. Auf der anderen Seite wird nach Beständigkeit gesucht. Dahinter steht der Wunsch nach einer kalkulierbaren Größe in einer sich durch zunehmende Veränderungsgeschwindigkeit auszeichnenden Geschäftswelt.15

12

Vgl.: Gemeinnützige Hertie-Stiftung (1998), S. 12ff.; Wunderer, R. / Dick, P (2002), S. 33ff.; Bosch. G. et al. (2001), S. 12. Die Generation Y wird häufig auch als generation dot.com bezeichnet. Als Generation Y gelten diejenigen, die nach 1975 geboren sind. 14 Vgl.: Wunderer, R. / Dick, P. (2002), S. 30; Scholz, C. (2003), S. 1; Armutat, S. et al. (2002). 15 Vgl.: Wunderer, R. / Dick, P. (2002), S. 34f. 13

183

Intergenerative und lebensphasenorientierte Personalpolitik

4

Implikationen für Unternehmen

Um Motivation, Lernbereitschaft und –fähigkeit sowie Innovationskraft im Unternehmen zu erhalten und zu steigern, ist es sinnvoll, ein ganzheitliches, integratives, Intergenerativität und Lebensphasenorientierung berücksichtigendes Modell zu entwickeln und umzusetzen. Der Anspruch auf Ganzheitlichkeit und Integration setzt eine bestimmte Unternehmensphilosophie und Unternehmenskultur ebenso voraus, wie eine adäquate Ausgestaltung der Unternehmensfelder Organisation, Führung und Personalmanagement.

Unternehmensphilosophie und Unternehmenskultur

Führung

Organisation

Personalmanagement -- Personalbeschaffung -- Personaleinsatz -- Personalentwicklung Abbildung 1: Die betrieblichen Handlungsfelder

184

Intergenerative und lebensphasenorientierte Personalpolitik

5

Unternehmensphilosophie und – kultur

Eine Unternehmensphilosophie, die die betrieblichen Ziele und Gegebenheiten einerseits sowie soziale und individuelle Interessen und Bedingungen andererseits in Übereinstimmung zu bringen versucht, wirkt motivierend und leistungssteigernd. Es ist sogar davon auszugehen, dass eine solche Unternehmensphilosophie überdurchschnittlich hohe Motivationsund Loyalitätseffekte hervorruft, weil sie Wertschätzung impliziert.16 Grundsätzlich gilt, dass der Wirkungszusammenhang zwischen der Unternehmensphilosophie einerseits und der Motivation andererseits vor allem durch die Vorstellung von der Unternehmensphilosophie bestimmt wird. Damit wirkt die Wahrnehmung einer harmonischen Beziehung zwischen Unternehmensphilosophie und dem Denk- und Handlungsmuster des Beschäftigten leistungsstimulierend.17 Im Zusammenhang mit Alter wird eine Unternehmensphilosophie benötigt, die dem Alter bzw. dem Altern Wertschätzung entgegenbringt und den intergenerativen Gedanken fördert. Eine Unternehmensphilosophie hingegen, die nur jüngeren Menschen eine optimale Leistungsfähigkeit zutraut, trägt nicht zur Motivation älterer Beschäftigter bei. Bei einer solchen jugendzentrierten Unternehmensphilosophie besteht sogar die Gefahr, dass ältere Mitarbeiter im Sinne einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung dazu neigen, die ihrem Alter entgegengebrachten negativen Erwartungen zu akzeptieren und sich dem Fremdbild anzupassen. Eine um den lebensphasenorientierten und intergenerativen Aspekt erweiterte Unternehmensphilosophie lässt sich dahingehend konkretisieren, dass zunächst das generelle Ziel eines Wissensaustauschs zwischen Alt und Jung sowie eines lebensphasenorientierten Personalmanagements formuliert und den

16 17

Vgl.: Wunderer, R. (1995), S. 231. Vgl.: Rump, J. S. (1997), S. 222.

185

Intergenerative und lebensphasenorientierte Personalpolitik Mitarbeitern nahe gebracht wird. Dabei muss die Sinnhaftigkeit transparent sein, so dass sie von jedem nachvollzogen werden kann.18 Während die Unternehmensphilosphie zukunftsgerichtet ist, bildet die Unternehmenskultur die Vergangenheit und Gegenwart ab. Voraussetzung für die Gestaltung der intergenerativen und alternsgerechten Lern- und Arbeitsstrukturen ist das Visualisieren und Verstehen der Unternehmenskultur. Input und gleichzeitig Output einer Unternehmenskultur sind die Denk- und Handlungsmuster der Mitarbeiter. Die Analyse der Denk- und Handlungsmuster ist dann ein Weg, die Unternehmenskultur sichtbar zu machen. Die Interpretation der Muster im Allgemeinen sowie die deskriptiven und explikativen Erkenntnisse speziell darüber, wie im Unternehmen mit dem Älterwerden umgegangen wird sowie ob und in welcher Weise eine Zusammenarbeit zwischen Alt und Jung erfolgt, tragen dazu bei, dass die Beschäftigten als betriebliche Akteure in Lern- und Arbeitsstrukturen ihre Verhaltensweisen bewusster wahrnehmen und die gelebte Unternehmenskultur genauer reflektieren. Diese Erkenntnisse bieten zudem strukturierte Ansatzpunkte zur Entwicklung und Umsetzung einer altersheterogenen Unternehmens- und Personalpolitik.

18

Vgl.: Lau-Villinger, D. / Seitz, C. (2002), S. 42.

186

Intergenerative und lebensphasenorientierte Personalpolitik

6

Führung

Aus einigen empirischen Untersuchungen lässt sich ableiten, dass viele ältere Arbeitnehmer Vorgesetze mit delegative Führungsmustern19 bevorzugen. Gleiches scheint für nicht wenige jüngere High Potentials zu gelten. Viele ältere Mitarbeiter und jüngere High Potentials sehen sich in der Lage, in abgegrenzten Handlungs- und Verantwortungsspielräumen eigeninitiativ und selbständig zu agieren. Diese Einschätzung lässt sich u.a. damit begründen, dass ältere Mitarbeiter in der Regel über langjährig entwickeltes Erfahrungswissen verfügen, mit zahlreichen Abläufen und Arbeitsinhalten vertraut sind, sowie Teil des Kommunikations- und Kooperationsnetzwerkes sind. High Potentials verfügen zwar nicht über große Erfahrungskompetenz und wissen nur vergleichsweise wenig über informelle Netzwerke und Prozesse, sie haben jedoch eine hohe Ausprägung an Fachwissen sowie an erfolgskritischen Schlüsselqualifikationen. Dieser Qualifikationsstand weist eine hohe Kompatibilität zu dem Wunsch nach Verselbständigung und Autonomie auf.20 Der Wunsch vieler älterer Arbeitnehmer nach einem Vorgesetzten mit delegativem Führungsstil wird nicht selten durch eine jugendzentrierte Unternehmensphilosophie konterkariert. Wenn per se älteren Beschäftigten eine unterdurchschnittliche Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit zugetraut wird, ist davon auszugehen, dass Autonomie sowie die Übertragung von Entscheidungsbefugnissen und Verantwortlichkeiten nicht als Führungsinstrumente eingesetzt werden, sondern stattdessen mittels

19

Delegative Führung ist u.a. durch eine geringe wechselseitige Interaktion zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern gekennzeichnet. Die geringe wechselseitige Interaktion reduziert im allgemeinen auch den Anteil an interaktioneller Führung. Stattdessen gewinnen Instrumente der strukturellen Führung an Bedeutung. In den Entscheidungsebene wird bei delegativer Führung der Entscheidungsinhalt in weitgehender Selbstständigkeit des Geführten festgelegt und umgesetzt. Im Vergleich zur partizipativen und kooperativen Führung arbeiten Vorgesetzte und Mitarbeiter unabhängiger voneinander, müssen ihre gemeinsamen Entscheidungen dafür jedoch grundsätzlicher, planbarer und systematischer gestalten. Vgl.: Wunderer, R. (1997), S. 203. 20 Vgl.: Lau-Villinger, D. / Seitz, C. (2002); Kruse, A ./ Lehr, U. (1995), S. 543, 547.

187

Intergenerative und lebensphasenorientierte Personalpolitik Anweisungen und Kontrollen geführt wird. Diese Lücke zwischen gewünschtem Führungsstil und tatsächlichen Führungsmustern trägt zu einer erheblichen Demotivation bei, die sich mittelfristig in Resignation wandelt und langfristig eine Akzeptanz der dem Alter entgegengebrachten Erwartungen und Vorurteile sowie eine Integration des Fremdbildes in das Selbstbild nach sich zieht. Wenn ältere und jüngere Mitarbeiter gleichermaßen einen delegativen Vorgesetzten bevorzugen, ist dies für die Gestaltung von intergenerativen Lern- und Arbeitsstrukturen von Vorteil. Der Einfluss der delegativen Führungsansätze auf die Gestaltung von intergenerativen Lern- und Arbeitsstrukturen vollzieht sich auf verschiedenen Ebenen:21 Werte-Ebene

Werte, die der delegativen Führung zugrunde liegen, entsprechen den Werten, auf denen intergenerative Lernund Arbeitsstrukturen basieren. Dazu gehören die Übernahme von Verantwortung, Streben nach Entscheidungsund Handlungsspielräumen, Gestaltungswille, Berücksichtigung von Fähigkeiten und Bedürfnissen etc.

AufgabenEbene

Der Einfluß delegativer Führungskonzepte auf das Aufgabensystem zeigt sich durch Job Enrichment. Die vertikale Erweiterung des Aufgabengebietes und die Erhöhung der Entscheidungsspielräume kommt dem Streben vieler älterer Mitarbeiter und jüngerer High Potentials nach Autonomie, Selbstständigkeit, Eigen-initiative und Selbstverantwortung entgegen. Die Arbeitszufriedenheit steigt und die Identifikation mit dem Produkt, dem Arbeitsplatz und dem Arbeitgeber nimmt zu. Job Enrichment hat neben den verhaltensorientierten, motivationalen Gesichtspunkten ablaufbezogene Vorteile. Sie ver-

21

Vgl.: Heyer, K. / Henkel, H. (1995), S. 48, 79; Bleicher, S. (1993), S. 19; Wunderer, R. (1997), S. 210, 211ff., 229; Klumpp, A. (1993), S. 51; Wunderer, R. (1995), S. 228f., 237f, 239.

188

Intergenerative und lebensphasenorientierte Personalpolitik ringert Bruchstellen im Arbeitsprozess, führt die Arbeitsteilung durch Integration von Arbeitsvollzügen zurück. Job Enrichment dient der Vorbereitung zur Gruppenarbeit im Allgemeinen und erleichtert die Implementierung von intergenerativen Teams im Speziellen. BeziehungsEbene

Bei delegativer Führung spielt die positive Beziehung zwischen dem Vorgesetzten und den Mitarbeitern eine große Rolle. Eine solche positive Beziehung ist geprägt durch ein hohes Vertrauen seitens der Führungskraft in die Fähigkeiten, die Verantwortungsbereitschaft, die Loyalität und die Motivation zur Aufgabenerfüllung der Mitarbeiter. Vertrauen wächst nicht selten mit der Dauer der Betriebszugehörigkeit. Die Effizienz von intergenerativen Lern- und Arbeitsstrukturen wird zum einen durch die positive Beziehung gefördert. Zum anderen können intergenerative Lern- und Arbeits-strukturen ihrerseits den Prozess der Vertrauensbildung durch den altersheterogenen Lernprozess beschleunigen.

KontrollEbene

Das Kontrollsystem ist bei delegativen Führungsansätzen von besonderer Bedeutung, will man nicht im Sinne von Laissez-faire führen. Kontrolle gestaltet sich bei delegativer Führung mehr ergebnis- als handlungsorientiert, mehr formell als informell, mehr strukturiert als interaktiv, mehr selbstkontrollierend als fremdbestimmt, mehr vertrauens- als misstrauens-orientiert sowie mehr lern- als revisionsbezogen. Ein solches Kontrollsystem entspricht dem Streben vieler älterer Mitarbeiter und jüngerer High Potentials nach Autonomie und Selbstständigkeit.

EntwicklungsEbene

Im Rahmen von intergenerativen Lern- und Arbeitsstrukturen stellt delegative Führung ein Lerninstrument dar. Durch die Übertragung von Entscheidungsbefugnissen und Verantwortlichkeiten wird ein Lernprozess in Gang gesetzt, der sowohl Elemente des Learning by Doing und des Training-on-the-Job als auch 189

Intergenerative und lebensphasenorientierte Personalpolitik Elemente des Miteinander- und Voneinander-Lernens sowie des Wissenstransfers beeinhaltet. Anreiz-Ebene

Delegative Führungsmuster implizieren eine Anerkennung von Wissen und Kompetenz. Das Wissen und die Kompetenz älterer und jüngerer Mitarbeiter werden für das Unternehmen als gleichwertig und gleichbedeutend angesehen. Dies ist eine wesentliche Voraussetzung für intergenerative Lern- und Arbeitsstrukturen.

Unabhängig von der Ausgestaltung der Führungskonzeptionen gehört es zur Aufgabe von Führungskräften, den Dialog zwischen Alt und Jung zu fördern. Treten Probleme bei der Kooperation und Kommunikation auf, sollte der Vorgesetzte Anstöße zur Reflexion geben. Dies bedingt die jüngeren und älteren Mitarbeiter von der Sinnhaftigkeit einer intergenerativen Zusammenarbeit zu überzeugen, ihnen den eigenen Nutzen zu verdeutlichen und eine Atmosphäre von Offenheit und Vertrauen zu gestalten. Die Führungskraft sollte zudem als Facilitor fungieren, der Transparenz schafft und die Aktivitäten im Hinblick auf die Unternehmensziele koordiniert.22

22

Vgl.: Rump, J. S. (2001), S. 26.

190

Intergenerative und lebensphasenorientierte Personalpolitik

7

Organisation

Mit der Implementierung des intergenerativen Gedankens und der Lebensphasenorientierung im Unternehmen sind in der Regel organisatorische Veränderungen verbunden. Dazu gehören u.a. die Gestaltung der Arbeitsplätze im Sinne von intergenerativen Teamstrukturen und die Integration solcher Teamstrukturen im gesamtorganisatorischen Rahmen.

7.1 Intergenerative Teams Komplexe betriebliche Aufgabenstellungen werden vor allem durch die Vernetzung von Wissen erfolgreich bewältigt. Besonders erfolgversprechend für die Generierung von kritischem Wissen und von Innovationen ist die Verknüpfung der fluiden und kristallisierten Intelligenz. Sogenannte intergenerative Teams sind ein Forum, in dem das Wissen und die Kompetenz älterer Mitarbeiter mit dem Wissen und der Kompetenz jüngerer Mitarbeiter zusammengefasst sowie wechselseitige Lernprozesse in Gang gesetzt werden. Um ein Maximum an Know-how zu schaffen sowie die sozialen Kontakte zu intensivieren und damit den Wissensaustausch zwischen Jung und Alt zu fördern, bedarf es einer bestimmten Gruppenzusammensetzung – harmonisch und sich ergänzend auf der einen Seite und leistungsstimulierend auf der anderen Seite. Die Sorgfalt bei der Auswahl und Betreuung der Teammitglieder ist ein wesentlicher Faktor, um destruktive Generations- und Gruppenkonflikte zu vermeiden.23 Untersuchungen ergeben, dass bei einer bewusst initiierten intergenerativen Zusammensetzung eines Teams Konflikte, die aus einer mangelnden Eindeutigkeit von Verantwortlichkeiten sowie aus Konkurrenzkämpfen 23

Vgl.: Lau-Villinger, D. / Seitz, C. (2002), S. 52; Lau-Villinger, D. (1995), S. 8.; Benteler, P. / Heier, A. / Lichte, R. (1995), S. 12; Hentze, H. (1994), S. 152; Rose, H. (1993), S. 72.

191

Intergenerative und lebensphasenorientierte Personalpolitik resultieren, vermindert auftreten. Ältere Mitarbeiter, bei denen Profilierungs- und Machtansprüche abnehmen und stattdessen Gelassenheit und Abgeklärtheit das Handeln mitbestimmen, können eine ausgleichende Funktion übernehmen.24 Vor dem Hintergrund der Konzeption der delegativen Führung stellen intergenerative Teams eine sinnvolle Lösung dar, um jüngere Beschäftigte mit diesen Führungsansätzen vertraut zu machen. Sie können dazu beitragen, jüngeren Mitarbeitern so schnell wie möglich sowie handlungs- und praxisorientiert die für die Bewältigung von Aufgaben- und Handlungsspielräumen wesentlichen Methodenkompetenzen zu vermitteln. Tandems stellen eine Spezialform der intergenerativen Teams dar. Als Tandem wird ein Zweier-Team bezeichnet.25

7.2 Einbindung intergenerativer Teams in die das Unternehmen umspannende Organisationsstruktur Intergenerative Teams lassen sich grundsätzlich in jeder Organisationsform installieren. Besonders gut wird die Übertragung der Idee von intergenerativen Teamstrukturen auf die Leitungsebene jedoch im Rahmen des Stab-Linien-Systems, der Matrixorganisation sowie der reinen Teamorganisation vollzogen.

24 25

Vgl.: Lau-Villinger, D. / Seitz, C. (2002), S. 52; Lau-Villinger, D. (1995), S. 8. Vgl.: Lau-Villinger, D. / Seitz, C. (2002), S. 65.

192

Intergenerative und lebensphasenorientierte Personalpolitik Im Stab-Linien-System werden intergenerative Teams als Beraterinstanzen für die Linie eingesetzt. Die Teams haben entsprechend ihrer Stabseigenschaft keine Weisungsbefugnis gegenüber den Linieninstanzen. Sie sind vielmehr allein mit der Informationssammlung und Entscheidungsvorbereitung betraut. Aufgrund ihres hohen Kompetenzstandes und der zusammengefassten Vielfalt der Perspektiven und Blickwinkel bringen intergenerative Stäbe eine wirksame Entlastung der Linieninstanzen und steigern deren Innovations- und Problemlösungsfähigkeit. Die Einordnung von Stabsstellen kann zum einen in Form einer Einlinienbeziehung sowie zum anderen in Form einer Mehrlinienbeziehung vorgenommen werden. Bei der Mehrlinienbeziehung haben mehrere Linieninstanzen Zugriff auf einen Stab, während im Rahmen der Einlinienbeziehung ein Stab zu einer Linieninstanz gehört. Die in diesem Themenzusammenhang verstandene Matrixorganisation beruht auf einer Kompetenzaufteilung zwischen dem auf die Erfüllung permanenter Aufgaben ausgerichteten Leitungssystem und einem teamorientierten Leitungssystem. Das zur Erfüllung permanenter Aufgaben ausgerichtete Leitungssystem orientiert sich in der Regel an den betrieblichen Funktionen. Die Funktionsleiter üben ein verrichtungsbezogenes Weisungsrecht aus, welches sich quer über alle Objekte/Projekte zieht. Das teamorientierte Leitungssystem setzt sich aus intergenerativen Führungsgruppen zusammen, die ein objekt- bzw. projektorientiertes Weisungsrecht besitzen, das sich über alle Verrichtungen erstreckt. Keinem der beiden Weisungssysteme wird die ungeteilte Zuständigkeit zugeordnet. Um widersprüchliche Anordnungen der beiden Leitungsinstanzen zu vermeiden und das darin enthaltene Konfliktpotenzial zu reduzieren, das Machtkämpfe, Entscheidungsverzögerungen, hohen Koordinationsaufwand, Rotation von Verantwortung sowie Zusammenbrüche der Leitung in extremen Belastungssituationen nach sich ziehen kann, sollten sogenannte ‚Vorfahrtsregeln’ formuliert werden. Eine solche Vortrittsregelung könnte darin bestehen, dass der Funktionsleiter darüber entscheidet, wie und von wem es gemacht wird, während die intergenerativen Führungsteams bestimmen, was zu geschehen hat und wann es geschieht.

193

Intergenerative und lebensphasenorientierte Personalpolitik In Konfliktsituationen kann es sinnvoll sein, dass sich der Funktionsleiter durchsetzt, weil er die Gesamtbelange und die Verrichtungen des Unternehmens stärker repräsentiert und wahrnimmt. Intergenerative Führungsteams können grundsätzlich auf jeder Hierarchiestufe etabliert werden. Da mit zunehmender Hierarchiestufe die Zahl der Protagonisten und damit die Gefahr von interessenbedingten Konflikten sowie der Aufwand der Konfliktbewältigung steigt, sollte die Matrixorganisation jedoch nicht das gesamte Unternehmen umfassen. Matrixartige Konstruktionen sind vor allem auf den oberen Leitungsebenen sowie in Subsystemen, wie Forschung und Entwicklung, Marketing sowie Vertrieb, eine machbare Alternative.

Unternehmensleitung Produktion Team 1 Team 2 Team 3

Abbildung 2: Die Matrixorganisation

194

Vertrieb

Beschaffung

Intergenerative und lebensphasenorientierte Personalpolitik Die Installierung einer Matrixorganisation unter Berücksichtigung von intergenerativen Teamstrukturen hat mehrere Vorteile. Zum einen bewirken Matrixorganisationen die bessere Nutzung von Wissen. Zum anderen erlauben sie ein hohes Delegationsmaß von Weisungsbefugnis und steht damit in Kongruenz zu delegativen Führungskonzepten. Darüber hinaus werden durch die Konstruktion der Entscheidungsfindung Innovationsbereitschaft und -fähigkeit sowie Kreativität gefördert und das Anpassungspotenzial abgeschöpft. Als weiteste Fassung, intergenerative Teams sowohl auf der Ausführungsebene als auch auf der Leitungsebene zu platzieren und zu verankern, gilt die reine Teamorganisation. Eine Möglichkeit, eine ganzheitliche Teamstruktur im Unternehmen zu installieren, stellt das Modell der überlappenden Gruppen dar. Diese ganzheitliche Teamorganisation ist dadurch gekennzeichnet, dass bestimmte Personen einerseits Vorsitzende einer intergenerativen Arbeitsgruppe und andererseits Mitglieder in übergeordneten intergenerativen Teams sind. Sie nehmen eine wesentliche Verbindungsfunktion wahr.26

Abbildung 3: Das System der überlappenden Gruppen

26

Vgl.: Likert R. (1975).

195

Intergenerative und lebensphasenorientierte Personalpolitik Überlappende Teamstrukturen verbessern die Kommunikation und Koordination im Unternehmen und erhöhen die Entscheidungsqualität. Erkauft werden diese Vorteile u.a. mit gestiegenem Zeitbedarf bei der Entscheidungsfindung. Damit das Unternehmen nicht entscheidungsunfähig wird, sieht das Konzept der überlappenden Gruppen vor, dass der Gruppenführer befugt ist, sich in Pattsituationen für eine Alternative zu entscheiden, die dann für alle Gruppenmitglieder verbindlich ist.

196

Intergenerative und lebensphasenorientierte Personalpolitik

8

Personalmanagement

Die personalwirtschaftlichen Handlungsfelder Personaleinsatz, Personalbeschaffung und Personalentwicklung weisen eine hohe Relevanz in Bezug auf Intergenerativität und Lebensphasenorientierung auf und bieten vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten.

8.1 Personaleinsatz Bestimmte Arbeitsplätze beanspruchen Wissen und Kompetenzen, die tendenziell mit dem Lebensalter positiv korrelieren. Bei der Besetzung dieser Stellen ist dann älteren Beschäftigten der Vorzug zu geben. Wenn beispielsweise der Kunde mit dem Alter eine höhere Verkaufskompetenz und Seriosität verbindet, sind ältere Mitarbeiter als Verkaufskräfte jüngeren vorzuziehen. Es ist davon auszugehen, dass in Zukunft die Bedeutung Älterer in kundenorientierten Fachbereichen weiter zunehmen wird, denn die wachsende Zahl älterer Verbraucher will sich vorzugsweise von Gleichaltrigen bzw. Älteren beraten lassen.27 Zudem wird älteren Mitarbeitern ein höheres Maß an Einfühlungsvermögen angesichts ihrer hohen Lebenserfahrung zugesprochen. Dies macht sich bei Aufgaben, die ein hohes Maß an Kommunikation und Kooperation verlangen, besonders bemerkbar. So hat ein weltweit operierendes Versandhaus aus den USA die Erfahrung in der Kundenbetreuung gemacht, dass ältere Mitarbeiter zwar weniger schnell und arbeitseffizient sind als ihre jüngeren Kollegen, jedoch die Kundenbindung an das Unternehmen überdurchschnittlich erhöhen, was zu einer Steigerung des betrieblichen Erfolges beiträgt.28

27 28

Vgl.: Fischer, G. / Sommer, C. (1996). Vgl.: Fischer, G. / Sommer, C. (1996), S. 184.

197

Intergenerative und lebensphasenorientierte Personalpolitik Darüber hinaus sind ältere Beschäftigte ‚flexibler in ihren Einsatzzeiten, sie verstehen ihr Handwerk, sie sind die lebenden Chroniken des Unternehmens, was gerade für lernende Organisationen wichtig ist, soll das Rad nicht dauernd neu erfunden werden.’29 Eine weitere Möglichkeit, das Erfahrungswissen und das Einfühlungsvermögen älterer Beschäftigter sowie deren hohes Verständnis für betriebliche Zusammenhänge abteilungs- bzw. unternehmensweit zu nutzen, stellt Job Rotation dar. Prämisse für eine erfolgreiche Verwertung des altersspezifischen Wissens ist die Auswahl von Arbeitsplätzen, die als Querschnittsaufgabe, Schnittstellenfunktion und Schlüsselposition gelten. Ältere Mitarbeiter werden zu sogenannten ‘Kompetenzspringern’.30 Im Rahmen des ‚Senator-Programms’ – einer anderen Alternative – erfüllen ältere Beschäftigte nur noch Kernaufgaben ihrer Position (z.B. 60% der früheren Tätigkeiten). Die frei gewordenen Kapazitäten werden für die Mitwirkung in Projekten mit strategischer Ausrichtung, für Beratungsfunktionen oder für die Aufgabenüberführung auf Nachfolger verwendet.31 Jüngeren Mitarbeitern wird häufig vor allem das Wissen über neueste Erkenntnisse, schnelle Auffassungsgabe, hohe Wahrnehmungsgeschwindigkeit und Veränderungsbereitschaft zu gesprochen. Für die Bewältigung von Aufgaben, die einerseits Erfahrungswissen, Seniorität und Einfühlungsvermögen sowie andererseits topaktuelles Fachwissen, Anpassungsfähigkeit und Innovationsbereitschaft benötigen, ist es sinnvoll, intergenerative Teamstrukturen einzurichten.32

29 30 31 32

Straka, G. (1995), S. 16. Vgl.: Heyer, K. / Henkel, H. 1995, S. 71, 74, 102. Vgl.: Uepping, H. (1997), S. 166ff. Vgl.: Hentze, H. (1994), S. 156; Lau-Villinger, D. (1995), S. 8.

198

Intergenerative und lebensphasenorientierte Personalpolitik In international agierenden Unternehmen kann darüber hinaus in Erwägung gezogen werden, ältere Beschäftigte im Ausland einzusetzen. Gerade ältere Mitarbeiter bringen die Erfahrung mit, die für einen Auslandsaufenthalt unerlässlich sind. Sie haben zudem keine schulpflichtigen Kinder mehr, gehen nach der Rückkehr in Ruhestand und fragen nicht nach der nächsten Karrierestufe.33 Aus der demographischen Entwicklung ergibt sich die Notwendigkeit, die Innovationsbereitschaft und -fähigkeit der heutigen jüngeren Mitarbeiter, die die älteren Mitarbeiter von morgen sein werden, zu bewahren, um die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zukünftig zu erhalten. Langfristig orientierte, individuell ausgerichtete Personaleinsatzplanung ist dabei hilfreich. Sie ermöglicht dem Unternehmen zum einen eine langfristige Planung und Sicherung von Qualifikation sowie die Entwicklung der Beschäftigten in Korrespondenz mit den betrieblichen Zielen und Erfordernissen sowie unter Berücksichtigung der alterspezifischen Ausprägung von fluider und kristallisierter Kompetenz. Sie dient u.a. als Grundlage für die strukturelle und interaktionelle Personalentwicklung. Zum anderen sensibilisieren individuelle Laufbahnplanungen für die Unerlässlichkeit lebensphasenbezogener Veränderungen und geben die Perspektive für deren positive Bewältigung.34

8.2 Personalbeschaffung Rekrutierung sollte nicht nach Standardanforderungen, sondern bedarfsgerecht unter unternehmensspezifischen Bedingungen erfolgen. Nicht jeder Arbeitsplatz muss mit Jüngeren besetzt werden, insbesondere dann, wenn Erfahrungswissen und Seniorität gefordert sind.35 Im Zuge von Neubesetzung stellt sich die Frage der internen und externen Beschaffung. Unter 33 34 35

Vgl.: Fischer, G. / Sommer, C. (1996), S. 194. Vgl.: Heyer, K. / Henkel, H. (1995), S. 35, 120. Vgl.: Straka, G. (1995), S. 16.

199

Intergenerative und lebensphasenorientierte Personalpolitik Qualifikationsaspekten gilt: Da Erfahrungswissen einen hohen Anteil von Unternehmens- und Branchenspezifik aufweist, kann es schwierig sein, die entsprechend geeigneten Mitarbeiter extern zu beschaffen. Wenn möglich sollten Beschäftigte, die über das benötigte Erfahrungswissen verfügen, eher intern beschafft werden. Unabhängig davon interpretieren vor allem ältere Beschäftigte die interne Beschaffung als Bestätigung ihrer bisherigen Leistung und Loyalität sowie als Faktor zur Reduktion von Unsicherheit und Ängsten.36 Darüber hinaus können ältere Beschäftigte im Rahmen der personalwirtschaftlichen Aufgabe der Personalbeschaffung eine Integrationsfunktion übernehmen. Sie übernehmen die Betreuung neuer Mitarbeiter während der Einarbeitungs- und Eingliederungsphase. Dies wird häufig als Patensystem bezeichnet. Der Pate hat vielfältige Aufgaben. Er soll die neuen in der Regel jüngeren Kollegen •

in den Kollegenkreis einführen und sie mit wichtigen Kontaktpersonen bekannt machen,



mit den geschriebenen und ungeschriebenen Gesetzen vertraut machen,



die Regeln, Rituale und Symbole ‚übersetzen’ sowie



bei fachlichen und persönlichen Herausforderungen beraten.37

Das Patensystem trägt darüber hinaus zu einer Verbesserung der Kommunikations- und Kooperationskultur bei.38 Dies wirkt sich besonders positiv bei intergenerativen Teamstrukturen aus.

36 37 38

Vgl.: Rump, J. S. (1997), S. 222. Vgl.: Lau-Villinger, D. / Seitz, C. (2002), S. 61. Vgl.: Heyer, K. / Henkel, H. (1995), S. 51f.

200

Intergenerative und lebensphasenorientierte Personalpolitik

8.3 Personalentwicklung Personalentwicklung, die die Themenfelder •

Arbeitszusammenhänge von Alt und Jung sowie



die demografische Entwicklung

hinreichend berücksichtigt, weist mehrere grundlegende Dimensionen auf: Lebensphasenorientierung / Altersgerecht

Long Life Learning

Einen weiteren Erfolgsfaktor stellt der integrative Bezug zur Unternehmenskultur und –philosophie, zu Führung und Organisation sowie zum Wissensmanagement dar.39

39

Vgl.: Lau-Villinger, D. / Seitz, C. (2002), S. 24.

201

Intergenerative und lebensphasenorientierte Personalpolitik Unter Berücksichtigung der Dimensionen Lebensphasenorientierung und Long Life Learning sowie des Erfolgsfaktors Integration lassen sich eine Reihe von Instrumenten und Maßnahmen ableiten. 8.3.1

Training-on-the-job

Bei Training-on-the-job erfolgt die Qualifizierung bei der Bewältigung der Arbeitsaufgabe. Training-on-the-job kann sich durch Arbeitsziele und -unterweisungen, Job Enlargement, Job Enrichment, Job Rotation, Projektgruppeneinsatz oder durch Stellvertretungsaufgaben vollziehen. Die Beschäftigten werden direkt am Arbeitsplatz in neue Arbeitstechniken, inhalte und / oder -methoden bzw. neue Organisationsabläufe eingewiesen. Der Arbeitsplatz ist der Lernort. 40 Mehrere Untersuchungen ergeben, dass die Qualifizierung älterer Mitarbeiter im Prozess der Arbeit eine hohe Bedeutung hat. Zum einen vertreten viele ältere Beschäftigte die Ansicht, dass auf dem Weg vom Seminarraum zum Arbeitsplatz viel Gelerntes verloren geht. Sie haben im Rahmen ihrer langjährigen Berufstätigkeit die Erfahrung gemacht, dass der Umgang mit technisch-organisatorischen Veränderungen am Arbeitsplatz vor allem durch Learning by Doing ermöglicht wird. Zum anderen kann Training-on-the-job der Angst nicht weniger älterer Mitarbeiter vor dem Lernen im Rahmen von Seminaren entgegenwirken. Hinter dieser Angst verbirgt sich häufig ein Gefühl der Überforderung angesichts der dort praktizierten Lernprozesse. Lernen am Arbeitsplatz hingegen berücksichtigt die Individualität des Lernens und ermöglicht, das Lerntempo innerhalb vorgegebener Grenzen selbst bestimmen zu können.41

40 41

Vgl.: Hopfenbeck, W. / Willig, M. (1995), S. 205; Wunderer, R. (1997), S. 333, 345. Vgl.: Kruse, A ./ Lehr, U. (1995), S. 547; Straka, G. (1995), S.17; Wenke, J. (1995), S. 23.

202

Intergenerative und lebensphasenorientierte Personalpolitik Training-on-the-job ist nicht nur für ältere Beschäftigte, sondern auch für jüngere Mitarbeiter von großer Relevanz, denn es generiert Erfahrungswissen, das notwendig ist, um sich im Arbeitsalltag zu bewähren, gegebenenfalls zu improvisieren und schnell Entscheidungen zu treffen. Fortgesetztes Learning by Doing erhöht das Bewusstsein von möglichen Konsequenzen des eigenen Handelns. Es fördert Handlungssouveränität, deren besonderer Wert in einer hohen Ausprägung an internalisierter Problembewältigungskompetenz und Innovationsfähigkeit liegt.42 Die Generierung solcher Schlüsselqualifikationen gilt insbesondere für Training-on-the-job in intergenerativen Arbeitsteams. In diesem Zusammenhang können intergenerative Team sowohl direkt eine Maßnahme des Trainings-on-the-job sein, als auch als Arbeitsort definiert werden, der mit zusätzlichen arbeitsplatzbezogenen Qualifizierungsmaßnahmen angereichert wird. Neben den Vorteilen der arbeitsplatzorientierten Weiterbildung macht sich der Nutzen des intergenerativen Erfahrungs- und Wissensaustausches bemerkbar. Jung lernt von alt, und alt lernt von jung.43 Maßnahmen des Trainings-on-the-job, die sich auf eine Erweiterung bzw. Veränderung des Arbeitsgebietes beziehen, wie Job Enlargement, Job Enrichment, Job Rotation, Projektgruppeneinsatz und Stellvertretungsaufgaben, fördern nicht nur fachlichen Kompetenz sondern auch die Fähigkeit, sich zu verändern und mit Veränderungen konstruktiv umzugehen. Gerade diese Erfahrungen können Zufriedenheit erzeugen und vor allem bei älteren Mitarbeitern die Angst vor Änderungen reduzieren. Ihre Innovationsbereitschaft und -fähigkeit steigt.44

42 43

Vgl.: Wenke, J. (1995), S. 22. Vgl.: Lau-Villinger, D. / Seitz, C. (2002), S. 26; Heyer, K. / Henkel, H. (1995), S. 34f., 110. 44 Vgl.: Heyer, K. / Henkel, H. (1995), S. 71, 74, 77, 79.

203

Intergenerative und lebensphasenorientierte Personalpolitik

8.3.2

Training-off-the-job

Training-off-the-job bezieht sich auf Bildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen, die in räumlicher, zeitlicher und teilweise auch in inhaltlicher Distanz zur Arbeit stattfinden. Die Vermittlung von theoretischen Kenntnissen und / oder die Verhaltensschulung stehen dabei im Mittelpunkt. Training-off-the-job erfolgt durch zum Beispiel Vorträge, Seminare, Lehrgänge, Fernunterricht, Konferenzmethoden, Fallstudien zu realen Problemstellungen, Rollenspiele, Planspiele und Simulationen.45 Einmal erworbene Erfahrungskompetenz und Schlüsselqualifikationen sind keineswegs ein konstanter Bestandteil des Qualifikationsstandes, auf den sich beliebig zurückgreifen ließe. Schulungsaktivitäten sind erforderlich, diese Qualifikationen zu bewahren und weiterzuentwickeln. Erfahrungs- und Schlüsselkompetenzen können nur dann handlungswirksam werden, wenn sie dem jeweilig aktuellen Stand der technischen und organisatorischen Entwicklung angepasst und theoretisch gefestigt sind. Um die Arbeitsaufgaben auch unter neuen arbeitsorganisatorischen und technischen Voraussetzungen bewältigen zu können, sollten altershomogene Schulungskonzepte zum Einsatz kommen, die sich mit der Erweiterung der Handlungskompetenz durch theoretische Fundierung des Erfahrungswissens beschäftigen. Dabei sollten die Berufserfahrungen und vorhandene Kenntnisse in den Lernprozess miteinbezogen werden. Untersuchungen ergeben, dass die Bedeutung von Berufserfahrung als Anknüpfungspunkt mit zunehmendem Alter steigt und die Art und Weise des Lernens sich von Lebensphase zu Lebensphase verändert. Da altershomogenausgerichtetes Training-off-the-job die unterschiedlichen Lernansätze und –muster berücksichtigt, verringert sich die Gefahr, dass sich vor allem bei älteren Mitarbeitern ein Gefühl der Überforderung einstellt.46

45 46

Vgl.: Wunderer, R. (1997), S. 334, 345; Hopfenbeck, W. / Willig, M. (1995), S. 205. Vgl.: Lau-Villinger, D. / Seitz, C. (2002), S. 25, Langhoff, T. / Israel, D. (1993), S. 89; Heyer, K. / Henkel, H. (1995), S. 102; Kruse, A. / Lehr, U. (1995), S. 547.

204

Intergenerative und lebensphasenorientierte Personalpolitik Darüber hinaus hat die personengruppenspezifische Ausrichtung des Trainings-off-the-Job eine motivationale Wirkung. Die Gruppe der älteren Mitarbeiter fühlt sich ernst genommen und im Unternehmen als Leistungsträger akzeptiert. Es ist davon auszugehen, dass altershomogene Schulungen dazu beitragen, die Lehrgangsakzeptanz seitens der Teilnehmer, gemessen an ihrer aktiven Beteiligung am Lernprozess, sowie der Lernerfolg, bezogen auf die Quantität des neu erworbenen Wissens, zu erhöhen.47 Ein sinnvolles Instrument des Trainings-off-the-job kann e-learning sein. Viele ältere Beschäftigte sind im Vergleich zu jüngeren Kollegen nur bedingt vertraut mit diesem Lerninstrumentarium. Nicht zuletzt aufgrund dieser begrenzten Vertrautheit werden affektive Schranken vermutet. Auf der einen Seite wird in zahlreichen Studien ein negativer Zusammenhang zwischen der Vertrautheit der Lernenden mit dem Lernmedium und der Angstausprägung nachgewiesen. Auf der anderen Seite zeigen Ergebnisse aus der Medienforschung, dass das vertrauteste Medium beim Lernen nicht unbedingt auch das effektivste darstellt. So besteht keine direkte Korrelation zwischen der Vorliebe für ein Lernmedium und der Bereitschaft, sich beim Lernen mit diesem Medium anzustrengen. Es ist daher vorstellbar, dass Ältere sich bei e-learning mental fordern und deshalb Lernerfolge erzielen, gerade weil sie dieses Lernmedium wenig schätzen und als schwierig empfinden.48 Für einen erfolgversprechenden Einsatz von e-learning bei älteren Beschäftigten spricht ein weiteres Argument. Insbesondere Ältere profitieren von der Möglichkeit, das Lerntempo selbst steuern zu können, denn computergestütztes Lernen erlaubt die individuelle Bestimmung des Lerntempos und eine beliebige Wiederholung von Lernprozessen.

47 48

Vgl.: Wenke, J. (1995), S. 23; Heyer, K. / Henkel, H. (1995), S. 34, 37. Vgl.: Weidemann, B. (1994); Stöckl, M. (1995), S. 18.

205

Intergenerative und lebensphasenorientierte Personalpolitik Dem Vorteil der Individualisierung steht jedoch die Gefahr der Vereinzelung und der sozialen Isolation beim Lernen gegenüber. Um diese Gefahr zu reduzieren, besteht die Möglichkeit des kooperativen e-learnings. Kooperatives e-learning kann •

in Form eines Tandems aus einem jüngeren und älteren Beschäftigten mit Übungsmodulen in Einzelarbeit oder



in Form von altershomogenen Lerngruppen

ausgestaltet sein. Im Verlauf des Lernprozesses sollte die Wahl der Sozialform (Einzel-, Partner- oder Gruppenarbeit) dem Lernenden überlassen bleiben bzw. unter Berücksichtigung der Personenspezifik und des Situationsbezugs getroffen werden.49

8.3.3

Training-near-the job

In den letzten Jahren haben Mischkonzepte, die eindeutig weder dem Training-on-the-job noch dem Training-off-the-job zugeordnet werden können, an Bedeutung gewonnen. Sie werden unter dem Begriff Trainingnear-the-job thematisiert. Unter Training-near-the-job werden solche Qualifizierungsmaßnahmen zusammengefasst, die in enger räumlicher, zeitlicher und inhaltlicher Nähe zum Arbeitsplatz stattfinden. Es wird davon ausgegangen, dass der Lerneffekt und -erfolg groß ist, da im Vergleich zu Training-off-the-job die Quote des Vergessens von vermitteltem Wissen geringer ist sowie ein näherer Bezug zum Arbeitsplatz besteht und im

49

Vgl.: Lau-Villinger, D. / Seitz, C. (2002), S. 65; Stöckl, M. (1995), S. 19; Straka, G. (1993) S. 104.

206

Intergenerative und lebensphasenorientierte Personalpolitik Vergleich zum Training-on-the-job der Arbeitsprozess nicht gestört und eine adäquate Lernatmosphäre geschaffen wird.50 Konkrete Maßnahmen des Trainings-near-the-job sind der Qualitätszirkel, die Lernstatt, der Werkstattzirkel, Arbeits- und Förderkreisen sowie Erfahrungsaustauschgruppen, in denen aktuelle Probleme der Arbeit diskutiert und gelöst werden.51 Viele Maßnahmen des Trainings-near-the-job stellen kollektive Lerninstrumente dar und haben den Charakter von kommunikativen Treffpunkten im Unternehmen. Die Lerngruppen organisieren sich selbst und regeln in Eigeninitiative die gruppeninterne hierarchische Beziehung. Im Laufe der Gruppenarbeit wird eine offene, sich ständig weiterentwickelnde Ausprägung generiert. Ziel ist die Selbstqualifizierung und Arbeitsoptimierung. Untersuchungen ergeben, dass im Rahmen von Training-near-the-Job altersgemischte und wissensheterogene Gruppen einen hohen Lerneffekt generieren. Da das Einbringen der unterschiedlichen Know-howBestandteile zur Lösung von Problemen der Arbeit (vom Erfahrungswissen bis hin zu theoretischen Grundlagen) besonders gut in inhomogenen Gruppen erfolgen kann und dieser Vorteil der Wissenszuwächse durch Heterogenität auch von den Teilnehmern gesehen wird, haben sowohl ältere als auch jüngere Beschäftigte in der Regel nur wenig Zurückhaltung gegenüber diesen Lerninstrumenten.52

50 51

Vgl.: Becker, F. (1994), S. 390; Wunderer R. (1997), S. 333, 334. Vgl.: Hopfenbeck, W. / Willig, M (1995), S. 205; Wunderer, R. (1997), S. 333; Bittmann, A. (1993), S. 110. 52 Vgl. Benteler, P. / Heier, A. / Lichte, R. (1995), S. 12; Heyer, K. / Henkel, H. (1995), S. 65.

207

Intergenerative und lebensphasenorientierte Personalpolitik Ähnlich wie bei intergenerativen Arbeitsteams besteht bei altersheterogenen Lernteams die Gefahr von Konkurrenzängsten zwischen älteren und jüngeren Beschäftigten, die jedoch mit bestimmten Maßnahmen abgeschwächt werden können.53 Solche harmonieschaffende Maßnahmen können eine offene Informationspolitik, delegative Führungskonzepte, Teamstrukturen sowie eine gelebte Kommunikations- und Kooperationskultur sein. Training-near-thejob im allgemeinen und Lernteams im besonderen haben darüber hinaus eine unterstützende Funktion für die intergenerativen Arbeitsteams. Zum einen heben sie die Wichtigkeit spezifischer arbeitsplatzorientierter Probleme hervor, die dann angesichts der Ähnlichkeit der Arbeitsstruktur systemimmanent diskutiert und gelöst werden können. Zum anderen können sie Generationskonflikte, die in den intergenerativen Arbeitsteams eventuell auftreten, als spezielles Thema aufnehmen.54

8.3.4 Coaching Neben dem Maßnahmenbündel des Trainings on-, off- und near-the-job gewinnt auch die Coaching-Rolle als Konzept einer alternsgerechten und intergenerativen Personalentwicklung zur bewussten und systematischen Förderung von Mitarbeitern zunehmend an Bedeutung. Coaching in dem hier verstandenen Sinne ist horizontal ausgerichtet. Ältere können in diesem Zusammenhang die Coachingfunktion für jüngere Kollegen übernehmen. Indem sie ihr Erfahrungswissen transparent machen, ihre Kenntnisse über soziale Verknüpfungen und Kommunikationswege teilen und als Berater fungieren, werden die Reflexionsprozesse Jüngerer gefördert und deren Selbstverantwortung gestärkt.55

53 54 55

Vgl.: Benteler, P. / Heier, A. / Lichte, R. (1995) S. 12. Vgl.: Lau-Villinger, D. (1995), S. 8. Vgl.: Lau-Villinger, D. / Seitz, C. (2002), S. 59; Lau-Villinger, D. (1995), S. 8; Kruse, A. / Lehr, U. (1995), S. 547; Wunderer, R. (1997), S. 347.

208

Intergenerative und lebensphasenorientierte Personalpolitik

Die Übernahme einer Integrationsaufgabe durch ältere Mitarbeiter in der Einarbeitungs- und Eingliederungsphase neuer in der Regel jüngerer Kollegen, wie sie im Kapitel ‚Personalbeschaffung’ diskutiert wird, stellt eine Spezialform des Coachings dar.56 Als Ursprung des horizontalen Coaching-Konzeptes gilt Japan. Das Prinzip sempai-kohai steht für die Verbindung zwischen einem älteren (unterweisenden) Mitarbeiter (sempai) und einem jüngeren, (anzuleitenden) Mitarbeiter (kohai). Der sempai hat die Aufgabe, dem kohai alles Wissenswerte, alle Tricks und Kniffe zu vermitteln. Das Ursprungskonzept sieht auch vor, das Verhältnis zwischen beiden durch gemeinsame Freizeitaktivitäten systematisch zu stärken, so dass eine Vertrauensbasis für den Austausch von Informationen geschaffen wird.57

8.3.5

Mentoring

Ältere Führungskräfte können zudem für den Führungsnachwuchs die Rolle eines Mentors einnehmen. Sie beraten den Mitarbeiter in Fragen des persönlichen Werdegangs und der Persönlichkeitsentwicklung. Mentoring tritt somit als wichtige Funktion zur Sozialisation und Förderung auf.58

56 57 58

Vgl.: Lau-Villinger, D. / Seitz, C. (2002), S. 61. Vgl.: Rump. J. / Lau-Villinger, D. (2001), S. 64f. Vgl.: Wunderer, R. (1997), S. 345f.

209

Intergenerative und lebensphasenorientierte Personalpolitik

8.3.6

Reflexionen und lebenslange Karriereplanung

Einige Unternehmen bieten jüngeren Mitarbeitern an, ihre beruflichen und betrieblichen Erwartungen und Erfahrungen sowie ihre Stärken und Schwächen zu reflektieren. Solche Maßnahmen der Karriereplanung haben einen großen Nutzen für die jungen Beschäftigten, da in dieser Lebensphase die Weichenstellung für die berufliche und persönliche Zukunft vorgenommen wird. Um eine fundierte Basis für eine lebensphasenorientierte Personalentwicklung zu schaffen, ist es jedoch notwendig, Karriereplanung während der gesamten Berufstätigkeit und damit in allen für die Arbeitswelt relevanten Lebensabschnitten durchzuführen.59

59

Vgl.: Hentze, H. (1994), S. 155f.

210

Intergenerative und lebensphasenorientierte Personalpolitik

9

Realität in Unternehmen

Auf der Basis der explorativen Studie ‚Älterwerden im Unternehmen – die Gestaltung altersheterogener Lern- und Arbeitsstrukturen’60 lassen sich eine Reihe von Thesen über die Realität in Unternehmen ableiten: These 1: In einer Vielzahl von Unternehmen wird die demographische Entwicklung derzeit noch nicht als relevantes Problem erkannt und als Einflussgröße in das Unternehmenszielsystem integriert. These 2: Selbst wenn das Bewusstsein für die Bedeutung der demographischen Entwicklung vorhanden ist, fehlt nicht selten ein ganzheitlich-integratives Konzept zur Berücksichtigung der Intergenerativität und Lebensphasenorientierung. Der Aspekt der Integration wird häufig durchbrochen, indem die personalwirtschaftlichen Maßnahmen nicht mit dem Rahmen der Unternehmenskultur und –philosophie sowie der Führung und Organisation übereinstimmen. Hinsichtlich der Ganzheitlichkeit gilt, dass vor allem Einzelmaßnahmen, die meist kurzfristig und punktuelle orientiert sind, zur Anwendung kommen. Darüber hinaus sind die personalwirtschaftlichen Instrumente und Maßnahmen einseitig ausgerichtet. Ältere Beschäftigte werden als Zielgruppe vernachlässigt.

60

Die Studie ‚Älterwerden im Unternehmen – die Gestaltung altersheterogener Lern- und Arbeitsstrukturen’ ist ein vom BMBF zwischen 1998 – 2001 gefördertes Modellprojekt, das das Ziel hatte, die demografische Entwicklung als relevanten betrieblichen Faktor in die Unternehmenspolitik zu integrieren.

211

Intergenerative und lebensphasenorientierte Personalpolitik These 3: Die Unternehmensphilosophie nicht weniger Unternehmen geht von einem Rückgang der Leistungsfähigkeit und –bereitschaft sowie der ‚Beweglichkeit’ mit zunehmendem Alter aus. Nur jüngeren Mitarbeiter wird ein optimales Leistungsverhalten sowie eine qualifikatorische, örtliche und zeitliche Mobilität zugetraut. These 4: Der Wunsch vieler älterer Beschäftigter nach delegativen Führungsansätzen wird nicht nachgekommen. Ganz in Gegenteil! Aufgrund der jugendzentrierten Unternehmensphilosophie wird dem Kontrollaspekt gegenüber älteren Mitarbeitern/innen eine höhere Bedeutung zugemessen. These 5: Durch falsche Gruppenzusammensetzung wird nicht selten die Verknüpfung von Erfahrungswissen älterer Mitarbeiter/innen mit der Flexibilität und dem aktuellen Wissen jüngerer Beschäftigter konterkariert. Zudem wird der intergenerative Lernprozess behindert. These 6: Bisher legen viele Unternehmen nur bedingt Gewicht auf die Verbesserung der Dialogfähigkeit zwischen verschiedenen Altersstufen und den Aufbau von wechselseitigen Lernbeziehungen zwischen Älteren und Jüngeren. Ein Wissens- und Erfahrungstransfer von älteren zu jüngeren Mitarbeitern und umgekehrt wird nicht systematisch gefördert, obwohl die meisten Abteilungen eines Unternehmens in der Regel altersheterogen zusammengesetzt sind. Eher selten wird Altersheterogenität als strategisches Element bei der Zusammensetzung von Projektteams oder sonstigen Arbeitsgruppen berücksichtigt. Altersheterogenität ergibt sich, sie wird aber nicht bewusst herbeigeführt. In den meisten Unternehmen ist ein Nebeneinander von Jung und Alt zu beobachten.

212

Intergenerative und lebensphasenorientierte Personalpolitik These 7: Aufgrund der jugendzentrierten Unternehmensphilosophie, die mit zunehmendem Alter einen Rückgang kognitiver und physischer Fähigkeiten und Fertigkeiten verbindet, werden verstärkt jüngere Arbeitnehmer eingestellt, obwohl bestimmte Arbeitsplätze Erfahrungswissen und Seniorität verlangen. These 8: In vielen untersuchten Unternehmen gibt es keine langfristige, auf den Einzelnen bzw. auf Zielgruppen zugeschnittene Personalentwicklung. Eine nachhaltige Sicherung von Kompetenzen und Wissen im Sinne des Lebenslangen Lernens und der lebenslangen Bildung sowie eine Sensibilisierung für die Wichtigkeit lebensphasenorientierter Veränderungen werden hier nur begrenzt praktiziert. Stattdessen wird eine allgemeine, zeitpunkt- und anpassungsbezogene Personalentwicklung favorisiert. These 9: Viele Unternehmen tendieren dazu, Maßnahmen des Training-off-the-Job altersheterogen auszugestalten. Dabei wird die Erfahrung gemacht, dass ältere Beschäftigte mit der Lernform und dem Lerntempo nur bedingt zurecht kommen. Da häufig nur die Fakten wahrgenommen werden und nicht nach den Ursachen gefragt wird, wird die Ansicht vertreten, dass sich bei Älteren eine Qualifizierung nicht mehr lohnen würde. These 10: Da mehr und mehr Beschäftigte die negativen Folgen der gegenwärtigen betrieblichen ‚Altenpolitik’ wahrnehmen, würden Aktivitäten der Unternehmen im Hinblick auf eine altersheterogene Gestaltung von Lern- und Arbeitsstrukturen positiv bewertet werden und das Ansehen des Unternehmens steigern.

213

Literaturverzeichnis

LITERATURVERZEICHNIS Baltes, P. / Mayer, K. U. (1996): Die Berliner Altersstudie, Berlin 1996. Becker, F. (1994): Lexikon des Personalmanagements, München 1994. Benteler, P. / Heier, A. / Lichte, R. (1995): Mamor. Stein und …, in: Trojaner, H. 7, 3. Jg. 1995, S. 10 – 12. Bittmann, A. (1993): Das Lernen für die Zukunft durch ein Verknüfen von Lernen und Arbeiten im Produktionsprozeß, in: Bullinger, H.-J. / Volkholz, V. / Betzl, K. / Köchling, A. / Risch, W. (Hrsg.): Alter und Erwerbsarbeit der Zukunft - Arbeit und Technik bei veränderten Alters- und Belegschaftsstrukturen, Berlin 1993, S. 107 - 112. Bleicher, S. (1993): Neue Anforderungen an die Gestaltung von Arbeit und Technik, in: Bullinger, H.-J. / Volkholz, V. / Betzl, K. / Köchling, A. / Risch, W. (Hrsg.): Alter und Erwerbsarbeit der Zukunft - Arbeit und Technik bei veränderten Alters- und Belegschaftsstrukturen, Berlin 1993, S. 15 - 21. Bosch, G. et al. (2001): Die Zukunft der Erwerbsarbeit, Gelsenkirchen 2001. Drumm, H. J. (2000): Personalwirtschaftslehre, Heidelberg 2000. Eyseneck, H. J. (1973): The Inequality of Man, London 1973.

214

Literaturverzeichnis Fischer, G. / Sommer, C. (1996): Bitteres Ende, in: Manager Magazin, September 1996, S. 179 - 194. Ganslmeier, H. / Wollert, A. (1997): Jüngere und ältere Arbeitnehmer – Fähigkeiten und Beschränkungen, Frankfurt 1997. Gemeinnützige Hertie-Stiftung (1998): Mit Familie zum Unternehmenserfolg, Frankfurt 1998. Hentze, H. (1994): Motivation älterer Mitarbeiter, in: Personalführung, H. 2, 27. Jg. 1994, S. 150 – 157. Heyer, K. / Henkel, H. (1995): Älter werden im Betrieb – Risiko und Chance, Eschborn 1995. Hopfenbeck, W. / Willig, M. (1995): Umweltorientiertes Personalmanagement, Umweltbildung, Motivation, Mitarbeiterkommunikation, Landsberg 1995. Johanson, B. (1997): Kreativität und Marketing, 2. Auflage, Bern 1997. Klumpp, A. (1993): Produktivität durch Artbeitsorganisation – gemeinsames Arbeiten von jüngeren und älteren Mitarbeitern, in: Bullinger, H.-J./ Volkholz, V./Betzl, K./Köchling, A./Risch, W. (Hrsg.): Alter und Erwerbsarbeit der Zukunft - Arbeit und Technik bei veränderten Alters- und Belegschaftsstrukturen, Berlin 1993, S. 50 - 52. Kruse, A. / Lehr, U. (1995): Ältere Mitarbeiter, in: Rosenstiel, L. v. / Regnet, E. / Domsch, M. (Hrsg.): Führung von Mitarbeitern, 215

Literaturverzeichnis Handbuch für erfolgreiches Personalmanagement, 3. Auflage, Stuttgart 1995, S. 539 – 548. Langhoff, T./Israel, D. (1993): Von der altersgerechten zur altersübergreifenden Qualifizierung, in: Bullinger, H.-J. / Volkholz, V. / Betzl, K. / Köchling, A. / Risch, W. (Hrsg.): Alter und Erwerbsarbeit der Zukunft - Arbeit und Technik bei veränderten Alters- und Belegschaftsstrukturen, Berlin 1993, S. 89 - 92. Lau-Villinger, D. (1995): Schluss mit der Verschwendung …, in: Trojaner, H. 7, 3. Jg. 1995, S. 7 – 9. Lau-Villinger, D. / Seitz, D. (2002): Der Prozess des Älterwerdens in Unternehmen, Frankfurt 2002. Lehr, U. (1996): Psychologie des Alterns, Wiesbaden 1996. Lehr, U. / Wilbers, J. (1992): Arbeitnehmer, Ältere, in: Gaugler, E. / Weber, W. (Hrsg.): Handwörterbuch des Personalwesens, neubearb. und erg. Auflage, Stuttgart 1992, Sp. 204 – 212. Likert, R. (1975): Die integrierte Führungs- und Organisationsstruktur, Frankfurt 1975. Linneweh, K. (1991): Kreatives Denken, Rheinzabern 1991. Naegele, G. (1992): Zwischen Arbeit und Rente, Augsburg 1992.

216

Literaturverzeichnis Oerter, R. / Montada, R. (1987): Entwicklungspsychologie, München 1987. Opaschowski, H. (1997): Deutschland 2010, Hamburg 1997. Rose, H. (1993): Die Bedeutung des Erfahrungswissens bei automatischer Prozeßsteuerung, in: Bullinger, H.-J. / Volkholz, V. / Betzl, K. / Köchling, A. / Risch, W. (Hrsg.): Alter und Erwerbsarbeit der Zukunft - Arbeit und Technik bei veränderten Alters- und Belegschaftsstrukturen, Berlin 1993, S. 68 - 72. Rump, J. S. (1997): Der Beitrag des Personalmanagements zum effektiven Einsatz älterer Mitarbeiter, Teil 5 des vom BMBF in Auftrag gegebenen Gutachtens „Intergenerative Kompetenzbilanz”, Frankfurt 1997. Rump, J. S. (2001): Intergeneratives Wissensmanagement, in: Trojaner, H. 1, 9. Jg. 2001, S. 24 – 27. Rump, J. S. / Lau-Villinger, D. (2001): Management Toolbox Wissensmanagement, Köln 2001. Scholz, C. (2003): Spieler ohne Stammplatzgarantie, Weinheim 2003. Stöckl, M. (1995): Lost in Hyperspace, in: Trojaner, 3. Jg., H. 7, 1995, S. 18 - 20. Straka, G. (1993): Ältere SachbearbeiterInnen und selbstgesteuertes Lernen, in: Bullinger, H.-J. et al. (Hrsg.): Alter und Erwerbsarbeit der Zukunft, Berlin 1993, S. 102 – 105.

217

Literaturverzeichnis

Straka, G. (1995): Wer tanzt den besten Twist, in: Trojaner, H. 7, 3. Jg. 1995, S. 15 – 17. Uepping, H. (1997): Die Leistung der Erfahrung – altersorientierte Personalentwicklung, in: Kayser, F. / Uepping, H. (Hrsg.): Kompetenz der Erfahrung, Neuwied 1997, S. 166 – 185. Weidemann, B. (1994): Lernen mit Multimedia - der Traum des Comenius? in: Beck, U. / Sommer, W. (Hrsg.): LEARNTEC 93, europäischer Kongreß für Bildungstechnologie und betriebliche Bildung, Karlsruhe 1994, S. 58 - 71. Wenke, J. (1995): Rien ne va plus ou faites votre jeu, in: Trojaner, H. 7, 3. Jg 1995, S. 21 – 23. Wunderer, R. (1997): Führung und Zusammenarbeit - Beiträge zu einer unternehmerischen Führungslehre, Stuttgart 1997. Wunderer, R. (1995): Delegative Führung, in: Handwörterbuch der Führung, Stuttgart 1995, Sp. 22, 240. Wunderer, R. / Dick, P. (2002): Personalmanagement – Quo Vadis?, 3. Auflage, Neuwied 2002

218

Employability-Management

EMPLOYABILITY MANAGEMENT - EIN GANZHEITLICH-INTEGRATIVER ANSATZ ZUR STEIGERUNG DER WETTBEWERBSFÄHIGKEIT DURCH BESCHÄFTIGUNGSFÄHIGKEIT DER MITARBEITER ___________________________________________________________ Abbildungsverzeichnis 1. Begrifflichkeiten 1.1 Definitionen 1.2 Das Menschenbild des Employability-Ansatzes 2. Theoretische Grundlagen 2.1 Die Leiter der Schlussfolgerungen und die damit verbundenen Lernmodelle 2.2 Das limbische System 3. Der Nutzen vom Employability

219

Employability-Management 3.1 Der Nutzen für Unternehmen 3.2 Der Nutzen für den Einzelnen 4. Bedeutung von Schulen 5. Das Unternehmenskonzept des Employability Managements 5.1 Der konzeptionelle Bezugsrahmen von EmployabilityManagement 5.2 Grundsätze des Employability Managments 5.3 Handlungsfelder des Employability Managements 6. Befürchtungen und Ängste 6.1 Auf Seiten der Unternehmen und Führungskräfte 6.2 Auf Seiten der Mitarbeiter 7. Zusammenfassung undAusblick Literaturverzeichnis

220

Employability-Management

ABBILDUNGSVERZEICHNIS Abbildung 1

Die Leiter der Schlussfolgerungen

Abbildung 2

Zusammenspiel von Beschäftigungsfähigkeit, Wettbewerbsfähigkeit und Standortsicherung

Abbildung 3

Das ganzheitlich-integrative Konzept des Employability Managements

Abbildung 4

Anforderungsprofil für Führungskräfte

Abbildung 5

Karrieremodelle

Abbildung 6

Indikatoren als quantitative Messgrößen

Abbildung 7

Differenziertes Indikatorenmodell

Abbildung 8

Die Balanced Scorecard von Employability

Abbildung 9

Praxisbeispiel einer Balanced Scorecard

221

Employability-Management

1

Begrifflichkeiten

1.1 Definitionen Wörtlich ins Deutsche übersetzt, bedeutet der Begriff ‚Employability’ soviel wie ‚Beschäftigungsfähigkeit’, d.h. er umfasst Merkmale, die den Einzelnen tauglich oder nicht tauglich für eine Beschäftigung sein lassen. Auch ‚Arbeitsmarktfitness’ wird häufig als Synonym verwendet, so dass diesen Schlagworten besonderes Augenmerk geschenkt werden soll. Sie sind jedoch alle derart vielschichtig und kontinuierlichen Wandlungsprozessen unterworfen, dass sie sich nicht in ein theoretisches Konstrukt pressen lassen, sondern bezogen auf einen jeweils individuellen Kontext betrachtet werden müssen. Daher bleiben auch die in der Literatur gängigen Definitionen auf einem sehr allgemein gültigen Niveau: „Beschäftigungsfähigkeit beschreibt die Fähigkeit einer Person, auf der Grundlage ihrer fachlichen und Handlungskompetenzen, Wertschöpfungsund Leistungsfähigkeit ihre Arbeitskraft anbieten zu können und damit in das Erwerbsleben einzutreten, ihre Arbeitsstelle zu halten oder, wenn nötig, sich eine neue Erwerbsbeschäftigung zu suchen.“1 Der Begriff ist keineswegs neu – so wurden im Verlauf des 20. Jahrhunderts verschiedenste Definitionen der ‚Beschäftigungsfähigkeit’ entwickelt, die sich zunächst ausschließlich auf körperliche und sozioökonomische Merkmale des Einzelnen konzentrierten, um ihn als beschäftigungsfähig oder nicht beschäftigungsfähig einzustufen. In einer nächsten Stufe wurde der Bezug zum Arbeitsmarkt als entscheidendes Kriterium erkannt, wobei in erster Linie Arbeitslose in den Mittelpunkt der Betrachtung gestellt wurden. Erst seit den neunziger Jahren wurde diese Fokussierung 1

Blancke, S. / Roth, C. / Schmid, J. (2000), S. 9.

222

Employability-Management aufgegeben und die Sicherung der Beschäftigungsfähigkeit jedes Einzelnen als bedeutendes Ziel definiert.2 Heute werden mit Beschäftigungsfähigkeit in erster Linie zwei große Themenbereiche abgedeckt: Zum einen die Auswahlprozesse für Arbeitssuchende am Arbeitsmarkt, zum anderen die unternehmensinternen Prozesse zu Nutzung von Humanressourcen. Verknüpft man diese beiden Ansätze, so geht es auch darum, Fähigkeiten zu ermitteln, die der Einzelne „...im Unternehmen erworben oder entwickelt hat und die es ihm ermöglichen, den Erfordernissen des Unternehmens weiterhin gerecht zu werden oder sich um eine Stelle außerhalb des Unternehmens zu bewerben, in dem er tätig ist.“3 Nicht nur für einen Beruf und einen Arbeitgeber, sondern für unterschiedliche Arbeitsumfelder, Tätigkeitsbereiche und Organisationsformen soll der Arbeitnehmer ‚fit’ sein. Bausteine der Beschäftigungsfähigkeit sind Faktoren, die den Menschen dazu befähigen, eine bestehende Beschäftigung zu behalten oder aber eine neue Beschäftigung zu finden. Dabei können diese Fähigkeiten sowohl innerhalb oder außerhalb der aktuellen beruflichen Tätigkeit erworben worden sein.4 Dazu gehören Erfahrung und Fähigkeiten ebenso wie die Bereitschaft zur Teilnahme an entsprechenden Maßnahmen, die die Beschäftigungsfähigkeit fördern. Von entscheidender Bedeutung ist auch das Maß an Eigenverantwortung und globalem Denken, das der jeweilige Arbeitgeber seinen Mitarbeitern ermöglicht.5 Nicht zu vergessen sind hier auch Kenntnisse, die z. B. im Rahmen der Elternzeit, bei freiwilligem sozialem Engagement oder durch selbstständige Tätigkeit erworben wurden.

2 3 4 5

Vgl.: Weinert, P. (Hrsg.) / Baukens, M. / Bollérot, P. / Pineschi-Gapenne, U. (2001), S. 23 ff. Weinert, P. (Hrsg.) / Baukens, M. / Bollérot, P. / Pineschi-Gapenne, M. (2001), S. 82. Vgl.: Weinert, P. (Hrsg.) / Baukens, M. / Bollérot, P. / Pineschi-Gapenne, U. (2001), S. 82. Vgl.: Weinert, P. (Hrsg.) / Baukens, M. / Bollérot, P. / Pineschi-Gapenne, U. (2001), S. 112.

M. / Walwei, / Walwei, U. M. / Walwei, M. / Walwei,

223

Employability-Management Eine Förderung der Beschäftigungsfähigkeit kann sowohl proaktiv, d.h. während einer aktiven Beschäftigung in einem Unternehmen, als auch reaktiv, zur Unterstützung in Zeiten der Arbeitslosigkeit, erfolgen. Die Literatur konzentriert sich primär auf den Bereich der Arbeitslosen und entsprechende Maßnahmen zur Entwicklung von deren Arbeitsmarktfitness. Insbesondere in einem so vielschichtigen und dem gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel unterworfenen Feld wie der Beschäftigungsfähigkeit ist jedoch ein proaktiver Ansatz vorzuziehen, da reaktive Maßnahmen häufig zu spät kommen und eingefahrene Denk- und Handlungsstrukturen nicht mehr aufbrechen können. Unter der Belastung einer eingetretenen Arbeitslosigkeit wird es häufig umso schwerer, einen Menschen davon zu überzeugen, dass er sich beruflich neu orientieren muss, wenn dieser zuvor niemals an diese Denkweise herangeführt wurde und über Jahrzehnte die gleiche Tätigkeit im gleichen Unternehmen ausgeführt hat. Die Förderung eines kontinuierlichen Bewusstseins für die Notwendigkeit zu Flexibilität und Offenheit für Neues in Zeiten der aktiven Berufstätigkeit hingegen legt die Basis dafür, auch in schwierigen und unerwarteten Situationen adäquat handeln zu können. Auch in der Europäischen Union wird der Begriff der Beschäftigungsfähigkeit seit den neunziger Jahren immer häufiger aufgegriffen, seit 1998 stellt er die erste beschäftigungspolitische Leitlinie dar.6 Hierzu ist allerdings anzumerken, dass sich die Begrifflichkeit in erster Linie auf spezifische Problemgruppen des Arbeitsmarktes, wie z.B. Langzeitarbeitslose, bezieht. Sie verfolgt also eher eine kurative denn eine präventive Strategie und steht somit in einem anderen Kontext als die fortwährende Sicherung der Beschäftigungsfähigkeit aller Arbeitnehmer, um die es in diesem Beitrag gehen soll.

6

Vgl.: Weinert, P. (Hrsg.) / Baukens, M. / Bollérot, P. / Pineschi-Gapenne, M. / Walwei, U. (2001), S. 81.

224

Employability-Management

1.2

Das Menschenbild des Employability-Ansatzes

Welche konkreten Schlüsselqualifikationen muss der Einzelne nun mitbringen, um ‚beschäftigungsfähig’ zu sein? Beschäftigungsfähigkeit ist nicht nur Fachwissen und das fachliche Know-how. Vielmehr umfasst sie eine Reihe von Schlüsselqualifikationen, deren Existenz bzw. NichtExistenz durch die Sozialisation, Erziehung und Schulausbildung stark beeinflusst wird und sich in einem ganz bestimmten Menschenbild niederschlägt. In der Literatur finden sich zahllose Differenzierungsmerkmale, die eine Person als ‚employable’ oder ‚nicht employable’ zu definieren versuchen. Ein endgültiger Konsens ist hier sicherlich nicht herstellbar, da Beschäftigungsfähigkeit ein Begriff bleibt, der sich aufgrund der Komplexität und Dynamik des Arbeitsmarktes stetig weiter entwickelt und einen sehr individuellen Charakter besitzt. Dennoch scheint es erforderlich, gewisse Schlüsselkompetenzen zu bestimmen, die einen allgemeinen Rahmen für Beschäftigungsfähigkeit bilden. Denn diese darf nicht nur ein vager Begriff bleiben, sondern muss von allen relevanten Akteuren als schlüssiges Konzept erkannt werden können, als eine Zielrichtung, an der man gemeinsam arbeiten kann. Folgende Kernfelder lassen sich definieren:7

7

Vgl.: Tamkin, P / Hillage, J. (1999), S. 11 – 14.

225

Employability-Management

Schlüsselkompetenzen

Charakterisierung: Eine Person, die ‚employable’ ist, ...

Eigenverantwortung

...ist aktiv und motiviert, sich weiter zu entwickeln, ...übernimmt Verantwortung für sich selbst, organisiert sich und ihre Karriere und setzt sich Ziele,

Initiative

...ergreift die Initiative und nutzt Chancen, ...ermutigt und unterstützt auch Andere in ihrem Bestreben nach Beschäftigungsfähigkeit,

Unternehmerisches Denken und Handeln

...kennt den Wertschöpfungsbeitrag ihrer Arbeit, ...erkennt die Konsequenzen ihres Handelns, ...beherrscht das ‚Self-Marketing’ für ihre Fähigkeiten und Kompetenzen am Arbeitsmarkt,

Lernbereitschaft

...verfügt über die Kenntnisse und Fähigkeiten, die aktuell auf den relevanten internen und externen Arbeitsmärkten nachgefragt werden, ...lernt kontinuierlich dazu und bleibt am Ball,

Reflexionsfähigkeit

...erkennt ihre eigenen Bedürfnisse, Fähigkeiten und Kompetenzen, ...überdenkt regelmäßig sich selbst und ihre Arbeitsmarktfitness,

226

Employability-Management

Offenheit, Veränderungsbereitschaft

...ist offen für Neues, ist neugierig, ...kann im Vertrauen auf ihre eigenen Fähigkeiten auch mit ungewissen Zukunftsperspektiven umgehen,

Belastbarkeit

...behält in ungewohnten bzw. belastenden Situationen einen klaren Kopf,

Konfliktfähigkeit, Frustrationstoleranz

...geht konstruktiv mit schwierigen Situationen und Misserfolg um,

Kommunikationsfähigkeit

...ist in der Lage, das, was sie meint und will, auszudrücken und zur Geltung zu bringen,

Teamfähigkeit

...ist fähig und bereit zur Zusammenarbeit, auch in ‚virtuellen’ Organisationen,

Empathie

...versetzt sich in andere hinein und hört zu,

Engagement

...ist fleißig und engagiert sich.

227

Employability-Management Selbstverständlich wäre es vermessen zu glauben, ein Mensch könne all die oben genannten Kompetenzen in optimaler Ausprägung besitzen oder entwickeln. Hier zeigt sich die grundlegende Philosophie des Employability-Gedankens: ‚Der Weg ist das Ziel’ – nicht das Erlangen aller relevanten Schlüsselkompetenzen, sondern das unablässige Streben nach ihnen ist es, das alle Beschäftigte als ihre Aufgabe und Bestimmung annehmen müssen. Dabei ist die Vernetzung der einzelnen Kompetenzen von besonderer Bedeutung für Erhalt und Steigerung der eigenen Beschäftigungsfähigkeit.

228

Employability-Management

2

Theoretische Grundlagen

Im Mittelpunkt aller Bemühungen um den Erhalt und die Steigerung der Beschäftigungsfähigkeit muss der Mensch stehen. Sorgfältig geplante und ganzheitlich durchdachte Unternehmenskonzepte zu Employability sind zum Scheitern verurteilt, wenn sie den Einzelnen nicht erreichen, wenn ihm die Einsicht in ihre Notwendigkeit fehlt. Bevor konkrete Handlungsempfehlungen und Vorgehensweisen erarbeitet werden, ist es daher unerlässlich, den Blick zunächst auf die Beschäftigten zu richten, ein Verständnis dafür zu entwickeln, von welchen Überzeugungen sie geleitet werden, nach welchen Prinzipien sie agieren. Nur wenn man die unbewussten Mechanismen versteht, die Denk- und Handlungsweisen eines jeden Menschen prägen, wird es möglich sein, Employability-Ansätze gezielt an ihnen auszurichten und so erfolgreich in die Praxis zu übertragen.

2.1 Die Leiter der Schlussfolgerungen und die damit verbundenen Lernmodelle In unserem täglichen Leben, sei es beruflich oder privat, werden wir mit einer Vielzahl von Situationen konfrontiert, die eine Entscheidung entweder in Form einer konkreten Aktion oder aber einer inneren Einstellung erfordern. Jeder Einzelne reagiert dabei individuell auf die gleiche Situation. Seine Denk- und Handlungsmuster sind geleitet von seinen Überzeugungen, die auf einer Abfolge innerer Vorgänge basieren, die Chris Argyris in seiner ‚Leiter der Schlussfolgerungen’ beschreibt. Zu Beginn der Leiter der Schlussfolgerungen stehen beobachtbare Daten und Erfahrungen. In einem ersten Schritt werden einige davon ausgewählt, es findet eine Selektion in der Wahrnehmung statt. Diesen ausge-

229

Employability-Management wählten Daten werden Bedeutungen hinzugefügt, von denen ausgehend Annahmen und Hypothesen entwickelt werden. Die daraus gezogenen Schlussfolgerungen führen zu Überzeugungen, die in einer reflexiven Schleife wiederum die Auswahl der beobachtbaren Daten beeinflussen. Außer den wahrnehmbaren Daten am Fuß der Leiter und den Handlungen an der Spitze sind die vollzogenen Schritte für andere nicht sichtbar und auch häufig dem Schlussfolgernden selbst nicht bewusst.8 Abbildung 1 gibt einen Überblick über die Leiter der Schlussfolgerungen:

Handlungen Überzeugungen Schlussfolgerungen Annahmen Bedeutung/Zuschreibung Beobachtbare und ausgewählte Daten

Erfahrungshintergrund

Abbildung 1: Die Leiter der Schlussfolgerungen (In Anlehnung an: Senge, P. M.. (1997), S. 280, Argyris, C. (1997))

8

Vgl.: Senge, P. M. (1997), S. 280 - 281.

230

Employability-Management Nicht selten werden die entwickelten Annahmen, Schlussfolgerungen und Überzeugungen nicht in Frage gestellt. Viele glauben, dass ihre Überzeugungen der Wahrheit entsprechen und diese Wahrheit offensichtlich ist. Darüber hinaus sind sie sich der zunehmenden Abstraktion in ihrer Umweltwahrnehmung nicht bewusst und gehen so davon aus, dass ihre Überzeugungen auf objektiven Daten basieren, die für den Kontext, in dem sie sich bewegen, die relevanten Daten sind.9 Damit werden zwangsläufig die Bereitschaft, sich auf Veränderungen einzulassen und sich neuen Denk- und Handlungsmustern zu öffnen, gelähmt. Laut Agryris ist die Neigung zu derart eingeschränkten Wahrnehmungsprozessen zum einen auf die hohe Geschwindigkeit, mit der sich Schlussfolgerungen und Überzeugungen entwickeln, zurückzuführen. Zum anderen liegt sie auch darin begründet, dass alle Sprossen der Leiter sich ausschließlich im Kopf befinden und lediglich die direkt wahrnehmbaren Daten am Fuß der Leiter und der an der Spitze stehende Handlungsentschluss für den Einzelnen sichtbar werden. Der dazwischen liegende Bereich wird somit nicht hinterfragt, er läuft unbewusst und auf einem sehr hohen Abstraktionsniveau ab. Daher sind Menschen meist nicht in der Lage zu beurteilen, worin der Ausgangspunkt für die tief in ihnen verankerten Überzeugungen liegt.10 Aus der Leiter der Schlussfolgerungen lassen sich mehrere Lernmodelle ableiten. Lernprozesse, bei denen Problemstellungen bearbeitet werden, ohne den Bezugsrahmen (Bedeutungen, Annahmen, Schlussfolgerungen und Überzeugungen) zu verändern, werden auch als single-loop-learning bezeichnet. Bestehende mentale Barrieren werden bestätigt, und es folgt lediglich eine Weiterentwicklung bereits vorhandener Wissensbestandteile. Das daraus resultierende Denk- und Handlungsmuster ist dann strikt defensiv. Wird hingegen der Bezugsrahmen mit seinen Bedeutungen, Annahmen, Schlussfolgerungen und Überzeugungen kontinuierlich überprüft und verändert, liegt double-loop-learning vor. Double-loop-learning 9 Vgl.: 10

Senge, P. M. (1997), S. 279. Vgl.: Senge, P. M. (1997), S. 281.

231

Employability-Management ermöglicht eine Anpassung an relativ unbekannte, wenig vertraute Situationen. Mit dem Fokus auf die Beschäftigungsfähigkeit wird deutlich, dass es einer Art des Lernens bedarf, die auch den Bezugsrahmen mit seinen Bedeutungen, Annahmen, Schlussfolgerungen und Überzeugungen in Frage stellt. Double-loop-learning wird somit angestrebt.11 Gleichzeitig zeigt das Modell der Leiter der Schlussfolgerungen die Herausforderungen und mentalen Barrieren, die mit der Forderung und Förderung von Beschäftigungsfähigkeit verbunden sind. In dem handlungsorientierten Teil seiner Lerntheorie bietet Chris Argyris ein Konzept an, das die defensiven Routinen bzw. die defensiven Denk- und Handlungsmuster aufbrechen kann. Dieses Konzept baut auf drei Säulen auf: Reflexion Plädieren Erkunden Im Rahmen der Reflexion geht es darum, sich mittels der Kenntnisse über die Leiter der Schlussfolgerungen das eigene Denken und Schlussfolgern bewusster machen. Anderen das eigene Denken und Schlussfolgern sichtbarer machen, ist Teil des Plädierens. Das Erkunden zielt darauf ab, sich das Denken und Schlussfolgern anderer bewusst zu machen.12 Reflexion, Plädieren und Erkunden sind Maßnahmen, die einen engen Bezug zur Personalentwicklung, zu Führung und zur Unternehmenskultur haben. Im Rahmen eines Employability Konzeptes sind hier Anknüpfungspunkte und Hinweise zur Gestaltung möglich und sinnvoll.

11 12

Vgl.: Argyris, C. / Schön, D. (1999), S. 35f.; Antoni, C. (1999), S. 13. Vgl.: Senge, P. M. (1997), S. 282 – 283.

232

Employability-Management

2.2 Das limbische System Während die Leiter der Schlussfolgerungen einen Erklärungsansatz für die kognitiven Prozesse darstellt, wird mit dem Konzept des limbischen Systems der Versuch unternommen, die affektive Komponente theoretisch zu untermauern. Nicht selten ist zu beobachten, dass wir verstandesmäßig leicht von der Notwendigkeit einer Veränderung oder eines neuen Denkansatzes zu überzeugen sind, die Umsetzung auf der Gefühlsebene uns jedoch nicht gelingen will. Die Erklärung liefert die Psychologie, genauer gesagt die Hirnforschung. Neuesten Erkenntnissen zufolge wird unser Handeln primär von den ältesten Hirnregionen in unserem Kopf gesteuert, insbesondere von dem sogenannten limbischen System. Dabei handelt es sich um eine Ansammlung verschiedener Kerne und Strukturen, die für Aufnahme und Verarbeitung äußerer Reize verantwortlich sind. Sie sind dem Verstand vorgeschaltet, was dazu führt, dass Informationen den Grundzügen des limbischen Systems gemäß verarbeitet werden.13 Dabei erfolgt die Steuerung lediglich über drei grundlegende Bedürfnisstrukturen oder Instruktionen: Balance Dominanz Stimulanz Die Balance-Instruktion ist entwicklungsgeschichtlich die älteste und daher auch machtvollste Steuerung, der Menschen unterliegen. Über diesen Mechanismus werden beispielsweise die Bedürfnisse nach Ruhephasen oder aber auch nach der Absicherung durch Versicherungsleistungen unbewusst beeinflusst. Darüber hinaus ist diese Instruktion dafür verant13

Vgl.: Häusel, H.-G. (2003), S. 15 - 23.

233

Employability-Management wortlich, dass wir der zunehmenden Komplexität, die unser Leben beherrscht, mit Unsicherheit begegnen und dazu neigen, Informationen, die unserer vertrauten Sicht nicht entsprechen, auszublenden. Hier finden wir die evolutionäre Verankerung von Ängsten, mit denen sich beispielsweise Arbeitgeber konfrontiert sehen, die Veränderungen umzusetzen versuchen. Gleiches gilt für die Aufgabe bewährter Denkansätze, wie beispielsweise der über Generationen gewachsenen Überzeugung, ein einmal erlernter Beruf gewährleiste lebenslange Beschäftigung und Einkommen.14 Als Folge der Dominanz-Instruktion streben Menschen stets danach, voranzukommen, sich mit anderen zu messen und diese schließlich auch zu verdrängen. Dies zeigt sich ebenso deutlich in der Entstehung impliziter hierarchischer Strukturen selbst in Unternehmen, die bewusst eine flache Organisationsmatrix gewählt haben wie auch in der Problematik, bei Einführung eines Wissensmanagement-Systems die Wissensträger zur Preisgabe und Teilung ihres Know-how zu bewegen.15 In der Stimulanz-Instruktion liegen das Bedürfnis nach Nervenkitzel, nach neuen Herausforderungen und die Neugierde verankert. Sie ist es, die Menschen forschen und entwickeln lässt und letztendlich Innovation erst möglich macht.16 Diese drei Instruktionsmuster finden sich bei Menschen in jeweils unterschiedlich starker Ausprägung. So sind kreativ tätige Menschen meist durch eine hohe Stimulanz-Instruktion geprägt, während bei Unternehmern die Dominanz-Instruktion in ihrem Streben nach Macht und Autonomie deutlich überwiegt.17 14 15 16 17

Vgl.: Häusel, H.-G. (2003), S. 53 - 56. Vgl.: ebenda, S. 66 - 69. Vgl.: ebenda, S. 82 - 84. Vgl.: Häusel, H.-G. (2003), S. 93.

234

Employability-Management

Zur Umsetzung tragfähiger Employability-Konzepte ist es daher also unerlässlich, sich mit diesen psychologischen Grundlagen menschlichen Verhaltens auseinander zu setzen und sie in zu entwickelnden Konzepten angemessen zu berücksichtigen. So stellt die Balance-Instruktion ein nicht zu unterschätzendes Hindernis bei der Akzeptanz und individuellen Umsetzung des zuvor beschriebenen Menschenbildes dar, das ein Loslassen von eben diesen gewohnten Sicherungsmustern erfordert. Der DominanzInstruktion dagegen gilt es bewusst bei der Entwicklung employabilityfördernder Organisations-, Führungs- und Karrieresysteme Rechnung zu tragen. Nicht zuletzt kann ein bewusstes Ansprechen der StimulanzInstruktion, beispielsweise über Anreizsysteme oder eine entsprechende Ausgestaltung der Arbeitsaufgaben, einen immensen Beitrag zu Innovations- und Veränderungsbereitschaft von Mitarbeitern leisten.

235

Employability-Management

3.

Der Nutzen von Employability

3.1 Der Nutzen für Unternehmen Unternehmen bewegen sich mehr und mehr in einem Umfeld, das durch eine explosionsartige Vermehrung und gleichzeitig sinkende Halbwertzeit von Wissen und damit verbunden durch eine steigende Veränderungsgeschwindigkeit sowie zunehmende Komplexität gekennzeichnet ist. Um in einem solchen Umfeld bestehen zu können und dauerhaft wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen viele Unternehmen zum einen Produkte und Dienstleistungen anbieten, die sich durch Neuartigkeit und Hochwertigkeit von der Konkurrenz abheben. Dies gilt vor allem für Unternehmen, die in Ländern mit hohem Lohnniveau beheimatet sind. Zum anderen verringert sich in einem solchen Kontext die Zeitspanne zwischen Erfindung und kommerzieller Anwendung. Da sich der Lebenszyklus von Produkten und Dienstleistungen verkürzt, müssen Investitionen in Forschung und Entwicklung, Produktion und Marketing schneller amortisiert werden. Darüber hinaus ist zu beobachten, dass die Prozesse der Leistungserstellung zunehmend flexibler und kundenorientierter werden. Kreative und wissensintensive Tätigkeiten nehmen in dem Maße zu, in dem der physische Leistungsanteil abnimmt. Dabei unterliegt der Leistungserstellungsprozess ständig Veränderungen, die sich mit steigender Geschwindigkeit vollziehen. Unter diesen Bedingungen stellt die Innovationsfähigkeit eines Unternehmens einen wesentlichen Wettbewerbsfaktor dar. Innovationsfähigkeit hängt entscheidend von dem Wissens- und Kompetenzstand der Mitarbeiter ab. Dabei spielt weniger der gesamte Wissens- und Kompetenzstand eine Rolle, sondern vielmehr das erfolgskritische Wissen und die erfolgskritischen Kompetenzen. Erfolgskritisch sind Wissen und Kompetenzen dann, wenn sie einzigartig sind und / oder maßgeblich die Leistung beein-

236

Employability-Management flussen.18 Im Rahmen einer ständig steigenden Veränderungsgeschwindigkeit variieren häufig die Anforderungen an erfolgskritisches Wissen und erfolgkritische Kompetenzen. Um den hohen Ansprüchen an den Wissens- und Kompetenzstand sowie ihrer sinkenden ‚Lebenszeit’ gerecht zu werden, bedarf es Mitarbeitern, die nicht reaktiv sondern proaktiv ihr Wissen und ihre Kompetenzen hinsichtlich Aktualität und Relevanz überprüfen und gegebenenfalls ändern. Verantwortung für die berufliche Entwicklung, Flexibilität, Fähigkeit, die Bedeutung des eigenen Handelns für das Unternehmen zu erkennen sowie Lernbereitschaft gehören zu den entscheidenden Kernkompetenzen. Beschäftigungsfähigkeit spielt nicht nur im Zusammenhang mit steigender Wissensintensität eine wichtige Rolle. Beschäftigungsfähigkeit ermöglicht es Unternehmen auch, Mitarbeiter flexibler einzusetzen. Bei beschäftigungsfähigen Arbeitnehmern ist mit einer vergleichsweise niedrigen Einarbeitungszeit zu rechnen. Widerstände gegen Veränderung der Arbeitsinhalte, des Arbeitsablaufs, der Arbeitsbedingungen und des Arbeitsortes sind eher gering ausgeprägt – ganz im Gegenteil: Mitarbeiter, die beschäftigungsfähig sind, fordern solche arbeitsbezogenen Veränderungen ein, um beschäftigungsfähig zu bleiben. Arbeitsbezogene Veränderungen werden als mehr Chance und weniger als Risiko empfunden. Es ist davon auszugehen, dass Unternehmen, die Beschäftigungsfähigkeit als Wettbewerbsfaktor betrachten, diese nicht nur fordern, sondern auch fördern. Die Förderung von Beschäftigungsfähigkeit lässt sich dann als Faktor zur Steigerung der Attraktivität als Arbeitgeber einsetzen. Je stärker die Notwendigkeit, an der eigenen Employability zu arbeiten und sich arbeitsmarktfit zu halten, zu einem Grundprinzip im Leben qualifizierter Arbeitnehmer wird, umso mehr wird die Unterstützung eben dieses Grundprinzips auch am Arbeitsmarkt ein Wettbewerbsvorteil im Werben 18

Unter Einzigartigkeit werden die Verfügbarkeit am Markt sowie die Möglichkeit, Wettbewerbsvorteile zu erzielen, verstanden. Als Leistungsbeeinflussung gilt der Einfluss auf Qualität, Kosten und Zeit.

237

Employability-Management um die gewünschten High Potentials sein. Darüber hinaus wird die Förderung von Beschäftigungsfähigkeit die Entscheidung eines Mitarbeiters, seine Arbeitskraft, sein Wissen und seine Kompetenzen diesem und nicht einem anderen Unternehmen zur Verfügung stellen, positiv beeinflussen. Nicht zuletzt kann die Beschäftigungsfähigkeit zu einer Entschärfung im Downsizing-Prozess beitragen. Durch die erhöhte Flexibilität im Rahmen des Personaleinsatzes besteht eher die Chance, Mitarbeiter in andere Unternehmensbereiche und Arbeitsfelder zu versetzen, wenn dort Vakanzen sind. Ist die Möglichkeit der internen Personalanpassung nicht gegeben bzw. ausgeschöpft und sind die Effekte der weichen quantitativen Freisetzungsmaßnahmen eingeschränkt, bleibt nicht selten lediglich der Weg, sich von Mitarbeitern zu trennen. Mitarbeiter mit einer hohen Ausprägung an Beschäftigungsfähigkeit haben eine vergleichsweise hohe Vermittlungschance auf dem Arbeitsmarkt. Unterstützt ein Unternehmen die Entwicklung von Beschäftigungsfähigkeit, wird sich dies auf das Image – selbst im Zuge eines Personalabbauprozesses – positiv auswirken. Daneben beeinflusst die Förderung von Beschäftigungsfähigkeit und das damit verbundene Maß von Vermittelbarkeit auf dem Arbeitsmarkt die Motivation und das Commitment der im Unternehmen zurückgebliebenen Mitarbeiter. Je größer die Chancen, auf dem Arbeitsmarkt einen neuen Job zu finden, sind, und je stärker die Vermittelbarkeit der Betroffenen in neue Arbeitsverhältnisse gefördert wird, desto positiver ist die Grundeinstellung der Zurückgebliebenen zu ihrem Arbeitgeber und desto höher ist deren Arbeitsmoral und -effizienz.

238

Employability-Management Die Ausprägung von ‚Survivor Sickness’19 und die damit einhergehenden negativen Konsequenzen halten sich in Grenzen. Beschäftigungsfähigkeit bietet einen hohen Nutzen für Unternehmen. Dieser Nutzen ist jedoch an eine zentrale Voraussetzung geknüpft: Unternehmen können nur dann Nutzen aus der Beschäftigungsfähigkeit ihrer Mitarbeiter ziehen, wenn sie Beschäftigungsfähigkeit fordern und fördern sowie Bedingungen gestalten, die deren Entfaltung ermöglichen.

3.2 Der Nutzen für den Einzelnen Zwar gehört es auch zu den Aufgaben von Unternehmen, Employability zu fördern, einen Großteil der Verantwortung für den Erhalt und die Entwicklung der Beschäftigungsfähigkeit trägt jedoch der Einzelne selbst – einerseits um den Erwartungen und Gegebenheiten seines aktuellen Arbeitgebers gerecht zu werden, andererseits um jederzeit auf dem Arbeitsmarkt auch für andere Arbeitgeber bzw. Berufsfelder attraktiv zu sein. Die von Innovation und Veränderung geprägte Arbeitswelt fordert das Aufgeben traditioneller ‚Sicherungsanker’ ebenso wie die kontinuierliche Auseinandersetzung mit der eigenen ‚Arbeitsmarktfitness’ und den eigenverantwortlich zu gestaltenden Karrierepfaden. Arbeitnehmern, die sich diesen Herausforderungen stellen, eröffnen sich zahlreiche neue Perspektiven und Chancen im Bezug auf die Entwicklung der eigenen Persönlich-

19

Der Begriff der ‚Survivor Sickness’ wurde von David M. Noer, Autor von „Healing the wounds: Overcoming the Trauma of Layoffs and Revitalizing Downsized Organizations“ (San Francisco, 1993) geprägt. Danach verhalten sich Mitarbeiter, die nach Downsizing-Prozessen im Unternehmen zurück bleiben, nach bestimmten Mustern. Gefühle der Wut dem Arbeitgeber gegenüber und Angst um den eigenen Arbeitsplatz, aber auch von Schuld und Trauer, schlagen sich häufig in einer stark verringerten Einsatzbereitschaft und Motivation nieder. In der Folge kann die Produktivität nachhaltigen Schaden nehmen.

239

Employability-Management keit und Beschäftigungsfähigkeit. Mitarbeiter, die sich als ‚Unternehmer in eigener Sache’ betrachten, sehen vor allen Dingen ihre Beschäftigungsfähigkeit – ihre Employability – als wesentlichen Wettbewerbsfaktor intern im Unternehmen und auf dem externen Arbeitsmarkt. Für den Einzelnen stellt sich der Nutzen einer konsequenten Umsetzung des Employability-Gedankens wie folgt dar: Steigerung der Karrierechancen auf dem internen wie externen Arbeitsmarkt Arbeitnehmer, die an ihrer Beschäftigungsfähigkeit arbeiten, treten den Anforderungen des Arbeitsmarktes mit einem hohen Maß an Anpassungsfähigkeit, Flexibilität und Mobilität gegenüber. Aktualität des eigenen Qualifikationsstandes Die kontinuierliche Auseinandersetzung mit der eigenen ‚Arbeitsmarktfitness’ führt bei jedem Einzelnen zu einer zeitnahen und realistischen Einschätzung des eigenen Kompetenzrahmens. Kenntnis der Arbeitsmarktstrukturen und –tendenzen und somit verbesserte Einschätzungsfähigkeit bezüglich aktuell und künftig nachgefragter Kompetenzen und Fähigkeiten Der Blick ‚über den Tellerrand’ des eigenen Unternehmens hinaus ermöglicht Arbeitnehmern einen Einblick in die Beschäftigungssituation in anderen Berufszweigen und Branchen. Aufdecken bislang nicht genutzter Wissenspotenziale oder Talente Insbesondere die Bestrebungen der Arbeitgeber nach Erhalt und Förderung der Employability durch gezielte Sensibilisierungsmaßnahmen zeigen den Beschäftigten häufig Möglichkeiten der eigenen Entwicklung auf, die ihnen zuvor nicht bewusst waren. Erhöhung von Selbstbewusstsein und Eigenverantwortung Das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen als ‚Sicherungsanker’ im Arbeitsleben lässt Arbeitnehmer die persönliche 240

Employability-Management Entwicklung als ‚Unternehmer in eigener Sache’ beeinflussen und ‚vermarkten’. Wissen um die eigenen Stärken und Schwächen Neben der kritischen Selbstreflexion leisten professionelle Potenzialeinschätzungen seitens der Arbeitgeber eine wertvolle Hilfestellung bei der Einschätzung des eigenen Profils. Mitgestaltungsmöglichkeit an der eigenen beruflichen Zukunft Das Aufgeben der ‚passiven Ergebenheit’ in Bezug auf Veränderungen im eigenen Unternehmen und auf dem Arbeitsmarkt ermöglicht es dem Arbeitnehmer, Initiative zu ergreifen und seine Entwicklung in die gewünschte Richtung zu lenken. Gleichberechtigte Partnerschaftsbeziehung zum Arbeitgeber Beschäftigungsfähige Arbeitnehmer sehen sich nicht länger in einem Abhängigkeitsverhältnis, sondern vielmehr in einer ‚Win-WinSituation’, in der beide Seiten von Erhalt und Steigerung der Employability profitieren.

241

Employability-Management

4

Bedeutung von Schulen

Beschäftigungsfähigkeit mit ihren Schlüsselqualifikationen lässt sich nicht von heute auf morgen entwickeln, weil sie einen starken Bezug zu sozialen und methodischen Denk- und Handlungsmustern, Werten und Einstellungen aufweist. Wenn Beschäftigungsfähigkeit etwas mit sozialen und methodischen Denk- und Handlungsmustern, Werte und Einstellungen zu tun hat, dann ist deren Ausbildung eine Frage von Sozialisation. Eine wesentliche und wichtige Sozialisationsstation ist die Schule. Darüber hinaus trägt die rasante Entwicklung in der Arbeitswelt dazu bei, dass Schulen im Rahmen der Ausbildung von Beschäftigungsfähigkeit eine steigende Bedeutung erlangen (müssen). Hier steht ein zeitlicher Rahmen zur Verfügung, den Unternehmen aufgrund der zunehmenden Veränderungsgeschwindigkeit und der steigenden Komplexität nicht mehr haben werden. Unternehmen werden mehr und mehr in einem Spannungsfeld agieren: Auf der einen Seite sind sie sich der Notwendigkeit bewusst, beschäftigungsfähige Mitarbeiter haben zu müssen, um den Herausforderungen im Wettbewerb und der Erfordernis einer hohen Innovationskraft gerecht zu werden. Auf der anderen Seite werden sie in Zukunft nicht die Zeit haben, einen langfristigen Prozess der Förderung von Beschäftigungsfähigkeit zu initiieren und durchzuführen. Sie benötigen diese Mitarbeiter sofort bzw. kurzfristig. Für Schulen spricht zudem, dass es einfacher ist, jüngeren Menschen die Schlüsselqualifikationen, die die Beschäftigungsfähigkeit ausmachen, zu vermitteln. Da sie noch zu Beginn ihres Sozialisationsprozesses bzw. mitten im Sozialisationsprozess stehen, sind sie in der Regel offener. Menschen hingegen, die bereits viele Sozialisationsstufen durchlaufen haben, bringen eine gewisse ‚Vorbelastung’ mit und sind nicht mehr uneingeschränkt offen für neue Denk- und Handlungsmuster.

242

Employability-Management Die Bedeutung von Schulen zur Entwicklung von Beschäftigungsfähigkeit und der damit verbundenen Schlüsselqualifikationen betrifft nicht nur die individuelle und einzelwirtschaftliche Perspektive. Sie geht weit darüber hinaus. Beschäftigungsfähigkeit hat in einer weiten Verbreitung, die die Schule gewährleisten kann, positive Standorteffekte. Sie trägt zur Sicherung und zur Steigerung des Wohlstands einer Gesellschaft wesentlich bei. Abbildung 2 fasst die Effekte zusammen.

Integration der Beschäftigungsfähigkeit und der damit verbundenen Schlüsselqualifikationen in die Lehr- und Lernarchitektur in Schulen

Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit von Mitarbeitern/innen

Steigerung der Innovationskraft von Unternehmen

Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft

Standortsicherung

Sicherung von Arbeitsplätzen und Schaffung neuer, qualifizierter Arbeitsplätze

Abbildung 2: Zusammenspiel von Beschäftigungsfähigkeit, Wettbewerbsfähigkeit und Standortsicherung

243

Employability-Management

5

Das Unternehmenskonzept des Employability Managements

5.1 Der konzeptionelle Bezugsrahmen von Employability Management Die Entwicklung von Beschäftigungsfähigkeit vollzieht sich in einem mehrdimensionalen Rahmen: Zum einen ist die Entwicklung von Beschäftigungsfähigkeit und der damit verbundenen Schlüsselqualifikationen an die persönlichen Determinanten des Könnens und Wollens gebunden. Ist eine Person nicht in der Lage und / oder nicht willens, sich dem Thema zu nähern, oder erweckt die Forderung nach Employability ein Gefühl der Überforderung, wird es zu keiner Änderung des Qualifikationsstandes in diese Richtung kommen. Damit wird deutlich, dass die persönlichen Determinanten des Könnens und des Wollens notwendige Bedingungen zur Entwicklung von Beschäftigungsfähigkeit darstellen. Hier lässt sich ein Bogen zu den Lerntheorien von Chris Argyris und zum limbischen System schlagen. Zum anderen sind die hinreichenden Bedingungen zur Entwicklung von Beschäftigungsfähigkeit die Determinanten des Dürfens und des Sollens. Sie haben einen Bezug zu unternehmensinternen und unternehmensexternen Faktoren. Die Art und Weise wie diese Faktoren gestaltet sind, wirkt auf die Determinanten des Könnens und des Wollens. Sie können zu Promotoren werden. Im Folgenden wird nun der Frage nachgegangen, welche unternehmensinternen und unternehmensexternen Faktoren Einfluss auf Employability nehmen können. Um das Menschenbild eines beschäftigungsfähigen Arbeitnehmers mit Leben zu füllen und die Beschäftigten dazu zu bewegen, dieses Menschenbild als das ihre anzuerkennen und es als Grundlage für ihr Denken und Handeln zu nehmen, werden derzeit einzelne Maßnahmen 244

Employability-Management entwickelt und umgesetzt. Zur Förderung von Arbeitsmarktfitness der Arbeitnehmer reichen diese Einzelaktivitäten jedoch nicht aus. Darüber hinaus genügt es nicht, dass die Maßnahmen ein gemeinsames Ziel haben. Vielmehr ist es notwendig, dass alle relevanten Unternehmensfelder einbezogen werden, die Aktivitäten zur Steigerung der Beschäftigungsfähigkeit aufeinander abgestimmt und miteinander verknüpft sind sowie Wechselwirkungen berücksichtigt werden. Die Sozialisation und Entwicklung von Employability setzen somit ein ganzheitliches und integratives Unternehmenskonzept voraus. Erst in einem solchen Kontext bietet das Unternehmen dem Beschäftigten den Rahmen, eigenständig und eigeninitiativ zu agieren, für sich selbst Verantwortung zu tragen sowie ‚Unternehmer in eigener Sache’ zu sein. Ganzheitlichkeit bedeutet, dass alle relevanten Ebenen, Bereiche und Handlungsfelder berücksichtigt werden. Eine ganzheitliche Unternehmenskonzeption sorgt für eine normative Sozialintegration ebenso wie für eine adäquate Ausgestaltung von strategischen Elementen und operativen Handlungsfeldern. Die ganzheitliche Sicht von Unternehmen fügt somit Werte, Strategien und Handlungen zusammen. Die integrative Komponente trägt der Erfahrung Rechnung, dass die Kombination von unterschiedlichen Ebenen, Bereichen und Handlungsfeldern zur Förderung von Employability beiträgt. Interdependenzen werden zudem gebührend berücksichtigt.

245

Employability-Management Ein ganzheitlich-integratives Konzept des Employability Managements spiegelt sich somit auf mehreren Ebenen wider: Normative Ebene:

Damit die Idee der Beschäftigungsfähigkeit im Unternehmen von allen Akteuren gelebt wird, muss sie zu einer unternehmensweiten Vision werden, die in der Unternehmenspolitik, in den Unternehmenszielen sowie in der Unternehmenskultur fest verankert ist. Diese Einbeziehung auf der Werte-Ebene eines Unternehmens ist besonders wichtig, da die Unternehmenspolitik und die Unternehmensziele die Leitlinie für die betrieblichen Entscheidungen sind, und die Unternehmenskultur den normativen Rahmen für das Handeln im Unternehmen setzt.

Strategische Ebene

Die normativen Vorgaben der Unternehmenspolitik, der Unternehmensziele sowie der Unternehmenskultur müssen in einem zweiten Schritt durch strategische Unternehmenselemente konkretisiert werden. Zu den strategischen Unternehmenselementen gehören u.a. die Organisation, Personalentwicklung, Karrieremodelle, Anreizsysteme, Vergütungssysteme und Controlling. Des Weiteren haben Führungsmuster und die Rolle des Vorgesetzten eine zentrale Bedeutung.

Operative Ebene

Die normative und strategische Ebene beschäftigt sich mit der Gestaltung des Rahmens, in dem sich operatives Handeln vollzieht. Auf der operativen Ebene kommen Maßnahmen und Instrumente zum Einsatz, mit denen man konkret vor Ort agieren und lenkend eingreifen kann. Arbeitsinhalte, Arbeitsprozesse und Arbeitsbedingungen stellen u.a. solche operativen Handlungsfelder dar. Auf der operativen Ebene wird darüber hinaus auf das Verhalten sowie die Denk- und Handlungsmuster der Mitarbeiter fokussiert.

246

Employability-Management Durch die Verankerung von Employability auf normativer Ebene in der Unternehmenspolitik und in den Unternehmenszielen sowie auf strategischer Ebene im Rahmen der Organisation und der Managementsysteme findet eine Versachlichung bzw. Institutionalisierung statt. Es besteht dann kaum noch die Gefahr des ‚Einschlafens’. Diese Gefahr besteht eher dort, wo das Engagement nur an Personen und Einzelaktivitäten hängt. Verlassen diese Personen das Unternehmen und ist keine Nachfolge gefunden, die ebenfalls in diesem Sinne agieren, werden i.d.R. die Aktivitäten reduziert oder sogar eingestellt. Abbildung 3 gibt einen Überblick über die Ebenen und Handlungsfelder zur Förderung von Beschäftigungsfähigkeit.

247

Employability-Management

Politische Determinanten

Wirtschaftliche Determinanten

Unternehmenspolitik

Unternehmenskultur

Normativ

Unternehmensziele

Führungsstil

Personalentwicklung

Rolle der Führungskräfte Controlling

Karrieremodelle

Organisation

Vergütungssystem

Anreizsystem

Strategisch

Arbeitsinhalte

Individuelles Verhalten

Arbeitsprozesse Arbeitsbedingungen

der Mitarbeiter

Operativ

Rechtliche Determinanten

Gesellschaftliche Determinanten

SYSTEME

VERHALTEN

Abbildung 3: Das ganzheitlich-integrative Konzept des Employability Managements

248

Employability-Management

5.2 Grundsätze des Employability Managements Employability Management basiert auf mehreren Grundsätzen. Diese sind Das Prinzip der Ganzheitlichkeit, Das Prinzip der Integration, Der ethische Kodex, Das Postulat des richtigen Zeitpunkts. Da auf das Prinzip der Ganzheitlichkeit und auf das Prinzip der Integration bereits bei der Herleitung des konzeptionellen Bezugsrahmens eingegangen worden ist, beschränken sich die folgenden Ausführungen auf die beiden anderen Grundsätze – den ethischen Kodex und das Postulat des richtigen Zeitpunkts. Der ethische Kodex „Wenn die Arbeitgeber weder die Vollzeitbeschäftigung noch die Sicherheit des Arbeitsplatzes mehr garantieren können, die früher den normalen Sozialvertrag darstellten, können sie dann nicht zumindest die Zusage geben, dass sie ihren Beschäftigten unter allen Umständen die bestmöglichen Mittel zusichern, beschäftigungsfähig zu bleiben, ihre Fähigkeiten sowohl intern als auch im Falle einer unvermeidlich gewordenen Trennung zu erhalten, um ihre Chancen auf einen Arbeitsplatz in einem anderen Unternehmen zu bewahren?“20 Um dies zu erreichen, müssen Arbeitgeber ihren Beschäftigten Unterstützung bei Erhalt und Entwicklung ihrer Beschäftigungsfähigkeit gewähren,

20

Weinert, P. (Hrsg.) / Baukens, M. / Bollérot, P./ Pineschi-Gapenne, M./ Walwei, U. (2001), S. 89.

249

Employability-Management sie darüber hinaus für die Thematik sensibilisieren und ihnen entsprechende Wege aufzeigen. Dazu gehören21 die Bereitstellung von Informationen über externe Ansprechpartner für Qualifizierung, das Aufzeigen von Angeboten im Bereich Aus- und Weiterbildung, die Förderung des Bewusstseins der Arbeitnehmer durch Auswertungsinstrumente bezüglich der extern oder im Unternehmen erworbenen Fähigkeiten und Erfahrungen, die Vermittlung von Fähigkeiten des ‚Self-Management’ oder ‚SelfMarketing’, die Unterstützung bei der Entwicklung eines Verständnisses für das organisatorische und wirtschaftliche Umfeld, in dem er derzeit tätig ist (inklusive des externen Arbeitsmarkts). Es ist unbeschritten, dass es dem Arbeitnehmer leichter fällt, einen Weg zur Verbesserung seiner Beschäftigungsfähigkeit einzuschlagen, wenn sein Unternehmen ihm eine Orientierungs- und Unterstützungshilfe bezüglich des Status Quo und der Entwicklung seiner eigenen Fähigkeiten bietet. In der Praxis zeigt sich verstärkt die Tendenz, Mitarbeiter über die Konfrontation mit negativen Zukunftsszenarien zur Auseinandersetzung mit ihrer eigenen Beschäftigungsfähigkeit zu bewegen. In Anbetracht des in einem vorangegangenen Kapitel dargestellten, klar auf der Hand liegenden Nutzens für jeden einzelnen Arbeitnehmer ist es hingegen eher sinnvoll, über das Prinzip der positiven Verstärkung hier ein Umdenken zu erzielen.

21

Vgl.: Blancke, S./ Roth, C./ Schmid, J. (2000), S. 9 ; Weinert, P. (Hrsg.) / Baukens, M. / Bollérot, P. / Pineschi-Gapenne, M. / Walwei, U. (2001), S. 84.

250

Employability-Management Das Postulat des richtigen Zeitpunktes Unerlässlich für den Erfolg von Maßnahmen, die die Beschäftigungsfähigkeit fördern, ist die Wahl des richtigen Zeitpunktes. Nicht nur rückwirkend, also als Teil eines Sozialplanes, sondern vorausschauend und zukunftsorientiert müssen diese Aspekte ganzheitlich und langfristig in das Unternehmenskonzept Eingang finden.22 Bereits bei der Einstellung neuer Arbeitnehmer sollte der EmployabilityGedanke eine entscheidende Rolle spielen. Hier die potenziellen Mitarbeiter ausschließlich nach Merkmalen wie Zeugnisnoten als tauglich oder nicht tauglich für eine bestimmte Stelle einzustufen, ist eine zu kurzfristige Denkweise. Der vorausschauende Arbeitgeber erkennt essentielle Eigenschaften in einem Bewerber, dessen Beschäftigungsfähigkeit er mittelfristig durch begleitende Maßnahmen ausbauen zu können glaubt. Auch in globaler Sicht sollten Unternehmen Employability fördern, indem sie eine höhere Akzeptanz bezüglich unkonventioneller Erwerbsbiographien, die durchaus auch Zeiten der Arbeitslosigkeit beinhalten können, entwickeln, um so zeitgemäß mit der Arbeitsmarktsituation umzugehen. Ein weiterer markanter Zeitpunkt ist das Ende der Probezeit, das die Möglichkeit bietet, die erwartete Entwicklung der Beschäftigungsfähigkeit des neuen Mitarbeiters mit der tatsächlich eingetretenen abzugleichen und gegebenenfalls entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Während der arbeitsvertraglichen Beschäftigung im Unternehmen sollten alle im nächsten Abschnitt aufgezeigten Handlungsfelder regelmäßig Anwendung finden. Jedes Unternehmen kann individuell weitere Meilensteine im Berufsleben seiner Mitarbeiter wählen, um das Gespräch über

22

Vgl.: Weinert, P. (Hrsg.) / Baukens, M. / Bollérot, P. / Pineschi-Gapenne, M. / Walwei, U. (2001), S. 107.

251

Employability-Management Selbst- und Fremdbild bezüglich der Beschäftigungsfähigkeit zu suchen und rechtzeitig entsprechende Anpassungsmaßnahmen einzuleiten. Auch wenn es die letzte Maßnahme ist, die ein Arbeitgeber seinen Mitarbeitern mit auf den Weg geben kann, sollte er im Falle unvermeidbarer Entlassungen die Beschäftigungsfähigkeit noch einmal fördern, um die Positionierung auf dem Arbeitsmarkt zu erleichtern. So kann den Betroffenen im Rahmen von Sozialplänen beispielsweise ein teils aus der Arbeitslosenversicherung, teils von Arbeitgeberseite finanziertes Mindesteinkommen über einen bestimmten Zeitraum garantiert werden, in dem sie sich weiterbilden und auf dem Arbeitsmarkt neu orientieren können.23 Derartige Maßnahmen kommen nicht nur den betroffenen Arbeitnehmern zugute, sondern tragen auch in nicht zu unterschätzendem Maße zur Aufrechterhaltung der Moral der verbleibenden Mitarbeiter bei. Das bereits beschriebene Phänomen der ‚Survivor Sickness’ zwingt dann jedes personalfreisetzende Unternehmen, zum einen den Austritt von Mitarbeitern entsprechend sozial zu gestalten, zum anderen auch bewusst auf die Ängste und Perspektiven der ‚Survivors’ einzugehen. Ein Maßnahmenbündel für unterschiedlichste Formen der EmployabilityFörderung stellt das ‚DB-Mosaik für Beschäftigung’ dar, das eine ganzheitliche Zielsetzung verfolgt: „Gemeinsam soll alles getan werden, die Beschäftigung der Mitarbeiter möglichst innerhalb des Konzerns zu sichern und – falls dies nicht erreichbar ist – die Arbeitsmarktfähigkeit der Arbeitnehmer zu fördern, konkrete individuelle Perspektiven zu eröffnen und damit Arbeitslosigkeit in jedem Falle zu vermeiden.“24 Unter den einzelnen ‚Mosaiksteinen’ finden sich zahlreiche Instrumente, die Anregungen zur beruflichen Neuorientierung innerhalb oder außerhalb des Konzerns sowie Hilfestellung bei drohendem Arbeitsplatzverlust bieten. Das interne Zeitarbeitsunternehmen ‚Bankforce’, das konzernweit zeitlich 23

Vgl.: Weinert, P. (Hrsg.) / Baukens, M. / Bollérot, P. / Pineschi-Gapenne, M. / Walwei, U. (2001), S. 125 – 127.

24

Fischer, H. (2001), S. 160.

252

Employability-Management befristete Einsätze vermittelt, ist hier ebenso zu nennen wie das Angebot einer individuellen Karriereberatung und die Existenzgründungsförderung, die Mitarbeiter auf dem Weg in die Selbstständigkeit berät und begleitet.25

5.3 Handlungsfelder des Employability Managements 5.3.1 Unternehmenskultur Die Unternehmenskultur - als die Gesamtheit aller in einem Unternehmen gemeinsam gelebten Normen, Werte und Orientierungen – beeinflusst maßgeblich das Denken und Handeln von Beschäftigten. Das Interesse und die Bereitschaft, beschäftigungsfähig zu sein, hat erst einmal wenig mit Konzepten, Instrumenten und Maßnahmen zu tun. Vielmehr kommt es auf die Einstellung, Einsicht und Motivation jedes Einzelnen an, sich mit seiner Beschäftigungsfähigkeit auseinander zu setzen. Die Unternehmenskultur ist in vielen Unternehmen durch die Vermeidung von Unsicherheiten und Risiken sowie durch die Rotation von Verantwortung geprägt. Nicht selten wird in diesem Zusammenhang auch von ‚Vollkasko-Mentalitäten’ gesprochen. Diese Werte stehen der Bereitschaft, sich als ‚Unternehmer in eigener Sache’ zu verstehen, der für sein Vermögen Wissen und Kompetenz verantwortlich ist, entgegen. Eine Unternehmenskultur, die Beschäftigungsfähigkeit fördert und fordert, zeigt sich insbesondere in der Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, der Motivation, sich für das Unternehmen zu engagieren,

25

Vgl.: Fischer, H. (2001), S. 160 - 169.

253

Employability-Management Networking innerhalb des Unternehmens, d.h. Kommunikation und Kooperation, Verlässlichkeit und Hilfsbereitschaft, einer Fehlertoleranz sowie einer positiven Haltung zum Lernen. Wie bereits im Zusammenhang mit Wissensmanagement diskutiert, ist die Veränderung einer Unternehmenskultur ein Prozess, der sich nicht von heute auf morgen vollzieht und mit vielen Unwägbarkeiten verbunden ist. Werte, Normen und Orientierungen müssen sich ändern; es bedarf einer Anpassung der Denk- und Handlungsmuster. Da eine Verhaltensänderung des Einzelnen nicht angeordnet werden kann, ist lediglich eine Beeinflussung über Rahmenbedingungen möglich. Bevor die Unternehmenskultur zielgerichtet verändert wird und Rahmenbedingungen gestaltet werden, ist eine Status-Quo-Bestimmung erforderlich. Ein Instrument zur Visualisierung der bestehenden Unternehmenskultur ist das Kultur-Audit. Nachdem der Status-Quo der Unternehmenskultur bestimmt worden ist, muss die Soll-Situation entworfen werden, die die Merkmale der Employability-Kultur beinhaltet (Verantwortung, Engagement, Networking, Fehlertoleranz, Lernbereitschaft). Nach einer komparativen Betrachtung des Ist- und Soll-Zustandes stellt sich dann die Frage nach Ansätzen, eventuelle Lücken zu schließen. Als effektive Methode zur Gestaltung einer Employability-Kultur gelten – ähnlich wie bei der Entwicklung einer Wissenskultur – Partizipationsmodelle. Dies ist unter anderem darauf zurück zu führen, dass die Werte der Employability-Kultur starke Parallelitäten und Ähnlichkeiten zur Wissenskultur aufweisen: Eine employabilityfördernde Kultur kann durch Autonomie am Arbeitsplatz und Partizipation in der Entscheidungsfindung gefördert werden. Die Mitarbeiter handeln in einem solchen Kontext zunehmend eigenverantwortlich. Sie sind bestrebt, kreativ zu sein und ihre Ideen in die Geschäftsprozesse einzubringen.

254

Employability-Management

Darüber hinaus kann eine umfassende Beteiligung der Beschäftigten bei der Entwicklung von Employability-Konzepten und Instrumentarien kulturbeeinflussend sein. Diese Art der Partizipation erhöht die Einsicht in die Notwendigkeit von Beschäftigungsfähigkeit für den Einzelnen und für das Unternehmen und steigert die Sensibilität und Akzeptanz sowie die Motivation. Zur Schaffung einer Employability-Kultur sind Partizipationsmodelle hilfreich und sinnvoll, aber nicht zwingend erforderlich. Unabdingbar ist jedoch, dass Employability Teil der Unternehmenspolitik ist und damit zu einem Thema wird, das in der Geschäftsführung fest verankert ist. Eine weitere Notwendigkeit ist das Verhalten der Führungskräfte, die eine Vorbildfunktion einnehmen und gleichzeitig ihre Mitarbeiter im Prozess der Gestaltung von Beschäftigungsfähigkeit unterstützen.

5.3.2 Führung Insbesondere die unmittelbaren Vorgesetzten sind gefordert, auf die Beschäftigungsfähigkeit ihrer Mitarbeiter zu achten und diese zu fördern. Dies liegt zum einen darin begründet, dass sie aufgrund des täglichen und praxisnahen Kontaktes zu ihren Mitarbeitern einen sehr viel besseren Überblick über deren Kenntnisse und Fähigkeiten, sowie über Bedarfe an Wissens- und Kompetenzentwicklung haben als beispielsweise die Personalabteilung. Zum anderen gilt es jedoch auch, dem Mitarbeiter das Gefühl zu vermitteln, dass sein Engagement bezüglich des eigenen Fortkommens erwünscht ist und auf Förderung und Unterstützung stößt. Ängste, einen geschätzten Mitarbeiter aufgrund einer höheren Qualifizierung oder beruflichen Neuorientierung zu verlieren, sind hier ebenso fehl am Platze wie leere Versprechungen von Vorgesetzten, die Fördermaßnahmen ‚auf die lange Bank schieben’. Zu guter Letzt ist auch im Bereich Beschäftigungsfähigkeit die Führungskraft als Vorbild der beste Motivator. Zeigt sie sich stets interessiert an Erhalt und Steigerung ihrer eigenen Beschäftigungsfähigkeit und spiegelt dies auch an ihren Mitarbeitern, werden diese der Thematik ebenfalls offener und vertrauensvoller begegnen. 255

Employability-Management

Eine weitere Herausforderung im Zusammenhang mit Führung stellt die bereits genannte Erosion des ‚Normalarbeitsverhältnisses’ dar. Nicht selten wird mit der Veränderung der Arbeitsinhalte, Arbeitszeiten, Arbeitsorten und Arbeitsprozessen ein Machtverlust befürchtet. Nicht mehr Präsenz am Arbeitsplatz, ständige Kontrollierbarkeit und jahrelange Betriebszugehörigkeit sind die Kriterien, nach denen sich Erfolg oder Misserfolg der Mitarbeiter bemessen lässt. Vielmehr muss es die zielgerichtete Leistung, verbunden mit der Bereitschaft zur ständigen Weiterentwicklung sein, die honoriert oder im negativen Fall auch sanktioniert wird. Für die Rolle der Führungskräfte bedeutet dies eine sehr viel höhere Komplexität. Denn Employability ist nicht möglich, wenn der Arbeitnehmer in ein zu enges Korsett an Bestimmungen und Regulationen gepresst wird, mit dem sich eine Führungskraft ihren Machtanspruch zu sichern versucht. Employability verändert die Führungsbeziehungen sowohl im Hinblick auf die Entscheidungsgestaltung als auch hinsichtlich der Beziehungsgestaltung. Die Führungskraft beteiligt ihre Mitarbeiter immer stärker an Entscheidungen und delegiert Verantwortung, um so eigenverantwortliches Denken und Handeln zu fördern und den Mitarbeiter im Sinne der Stimulanz-Instruktion des limbischen Systems zu motivieren. Auf der Beziehungsebene verstehen sich Mitarbeiter und Führungskraft als Team, das gemeinsame Ziele durch gemeinsame Anstrengung erreicht. Daraus leitet sich das Anforderungsprofil für Führungskräfte ab, das drei Komponenten umfasst:

256

Employability-Management

Kohärenz zwischen Verhalten und Persönlichkeit der Führungskraft, d.h. Stimmigkeit und Glaubwürdigkeit

Fähigkeit der Führungskraft, alle Ebenen des Führungsprozesses wahrzunehmen, d.h. Situation, Arbeitsfeld, Persönlichkeit des Mitarbeiters und eigene Persönlichkeit

Kompetenz zur angemessenen Entscheidungsfindung, d.h. Organisation der wesentlichen Rahmenbedingungen und der eigenen Person

Abbildung 4: Anforderungsprofil für Führungskräfte In einem Kontext von Employability wird die Führungskraft immer stärker zum ‚Networker’ und ‚Coach’, der für optimale Arbeitsbedingungen und ein förderndes Umfeld sorgt. Dazu gehören die Gestaltung von Kommunikations- und Kooperationsspielräumen, die Schaffung einer Atmosphäre von Offenheit und Vertrauen, die Vereinbarung von Wissenszielen mit den Mitarbeitern, die Unterstützung der Qualifizierung der Mitarbeiter, die Akzeptanz und Integration von Individualität, die Fähigkeit, Anstöße zur Reflexion zu geben, die Motivation der Mitarbeiter, die Schaffung herausfordernder Aufgaben, das Erkennen des individuellen Maßes an Freiräumen und Verantwortung, die der individuelle Mitarbeiter (er)tragen kann, die Bindung der Mitarbeiter an das Unternehmen, die Vorbildfunktion.

257

Employability-Management In der Praxis scheitert diese Definition des Führungsverständnisses häufig an machtpolitischen Zwängen und der Eigendefinition vieler Vorgesetzter. Daher ist es unerlässlich, auch und insbesondere die Führungskräfte mit dem Gedankengut der Employability vertraut zu machen und sie entsprechend zu qualifizieren, um den Umgang mit der Beschäftigungsfähigkeit ihrer Mitarbeiter, aber nicht zuletzt auch mit ihrer eigenen Employability, zu erlernen und schrittweise zu verinnerlichen. Dabei kann eine konsequente Integration des Themas Employability in die Zielvereinbarungen der Führungskräfte einen erheblichen Beitrag leisten. Diese Vorgehensweise ist auch ratsam, um den Führungskräften das ‚Loslassen’ ihrer Mitarbeiter zu erleichtern und sie daran zu hindern, verborgene Talente zu ihren eigenen Gunsten, jedoch zu ungunsten des Unternehmens und des einzelnen Mitarbeiters nicht zu fördern bzw. nicht preiszugeben.

5.3.3 Organisation Ein Unternehmen, das zielgerichtete und praxisorientierte Beschäftigungsfähigkeit anbietet, muss sich als ‚Lernende Organisation’ mit osmotischen Strukturen begreifen, die durch Gleichwertigkeit von informeller und formaler Struktur, Möglichkeit der Zusammenarbeit über die Grenzen der Fach- und Arbeitsgebiete hinweg, Entscheidungsbefugnisse, Verantwortlichkeiten und Handlungsspielräume, kurze und effiziente Informationskanäle und Entscheidungswege, so viele Schnittstellen wie unbedingt erforderlich und Transparenz gekennzeichnet sein sollte.26

26

Siehe auch Erläuterungen zur osmotischen Organisation im Artikel ‚Wandel in der Arbeitswelt – Trends und Herausforderungen für Mensch und Organisation’.

258

Employability-Management Es wird deutlich, dass die osmotische Organisation keine Primärorganisation sondern eine Sekundärorganisation darstellt. Insbesondere in wissensintensiven Unternehmen lässt sich diese Art der Sekundärorganisation gut mit der Primärorganisationsform der netzwerkartigen Strukturen und / oder Projektorganisation kombinieren. Neben der strategischen Dimension der Organisation spielt auch die operative Dimension der Arbeitsorganisation eine Rolle. Es ist davon auszugehen, dass die Erosion des ‚Normalarbeitsverhältnisses’ Employability fördert. Dies geschieht nicht nur indirekt durch veränderte Führungsbeziehungen, sondern auch direkt durch die Flexibilisierung der Arbeitsbeziehungen, Arbeitszeiten, Arbeitsorte, Arbeitsprozesse und Arbeitsinhalte. Gerade flexible Arbeitszeit- und Arbeitsortgestaltung bietet zahlreiche Möglichkeiten, die kontinuierliche Weiterqualifizierung von Mitarbeitern zu realisieren und voranzutreiben. Denkbar wären hier JobsharingModelle, in denen zwei Arbeitnehmer sich einen Arbeitsplatz teilen, um sich in der dadurch ergebenden freien Zeit ihrer Fortbildung zu widmen, aber auch Jahresarbeitszeitkonten, die mehrmonatige Qualifizierungszeiträume ermöglichen. Darüber hinaus unterstützt die Flexibilisierung der Arbeitsinhalte und Arbeitsprozesse die Wissens- und Kompetenzentwicklung. Derartige Veränderungen erfordern und fördern Beschäftigungsfähigkeit.

259

Employability-Management

5.3.4 Personalentwicklung Traditionelle Angebote bezüglich der Personalentwicklung richten sich meist auf eine einmalige Ausbildung und spezifische Weiterbildungen, die in Unternehmen in der Regel bedarfsorientiert angeboten werden. Bedarfsorientierung heißt in diesem Zusammenhang, dass die Weiterqualifizierung erst dann erfolgt, wenn ein Bedarf angemeldet oder ermittelt wird. Ein zweiter häufiger Weg ist die Neu- oder Zusatzqualifizierung von Arbeitslosen durch den Staat, die jedoch ebenfalls erst dann eingeleitet wird, wenn eine konkrete Notwendigkeit dafür vorliegt. Des Weiteren ist in Unternehmen häufig eine – wenn auch unbewusste – Tendenz festzustellen, Weiterqualifizierung insbesondere den Mitarbeitern zugute kommen zu lassen, die ohnehin bereits über eine höhere Qualifikation verfügen. Personalentwicklung im Employability-Konzept verfolgt einen anderen, einen vorausschauenden Ansatz, in dem die Qualifikation des Einzelnen einer kontinuierlichen Überprüfung und Anpassung unterliegt, die sich nicht nur an konkreten Unternehmensbedürfnissen oder der Beschäftigungssituation ausrichtet, sondern auch an den aktuell und zukünftigen auf dem Arbeitsmarkt nachgefragten Kompetenzen und Fähigkeiten. Dabei sind auch niedrig qualifizierte Arbeitskräfte in entsprechende Konzepte einzubinden, da ihnen am vehementesten der Ausschluss aus der Erwerbsgesellschaft droht, wenn ihre Kenntnisse und Fähigkeiten nicht mehr länger marktfähig sind. Die Initiative geht dabei sowohl vom Arbeitgeber als auch vom Arbeitnehmer aus, der nicht die Rolle des passiven Konsumenten der Aus- und Weiterbildungsangebote annimmt, sondern aktiv mitgestaltet. Die Bemühungen beider Seiten sollten hier die Aktivitäten der jeweils anderen Seite stärken und vorantreiben. So können die Innovationsbestrebungen des Einzelnen durchaus einen Beitrag zum Einsatz neuer Strategien im Unternehmen initiieren, während der Arbeitgeber seine Mitarbeiter gemäß der langfristigen Unternehmensstrategie und Trends auf den relevanten Märkten entwickelt.

260

Employability-Management

Die employability-fördernde Personalentwicklung baut auf vier Prinzipien auf: Die Förderung ‚lebenslangen Lernens’ und ‚reflexiven Lernens’. Die Delegation der Personalentwicklungsverantwortung auf die Mitarbeiter und direkten Vorgesetzten (Selbstentwicklung als Folge des Subsidiaritätsprinzips). Die Zielgruppendifferenzierung. Die Fokussierung auf Schlüsselqualifikationen. Förderung des lebenslangen Lernens

Lebenslanges Lernen impliziert das Aufrechterhalten des Lern-Spannungsbogens im Sinne des bereits dargestellten ‚reflexiven Lernens’ während der gesamten Berufstätigkeit und damit die Gestaltung eines kontinuierlichen Lernprozesses. Aufgabe der Personalentwicklung ist es in diesem Zusammenhang, eine Lernkultur im Unternehmen zu schaffen, die die Lernmotivation und –kompetenz der Mitarbeiter erhöht. Dazu gehört auch, die zeitlichen und räumlichen Bedürfnisse der Lernenden zu berücksichtigen. So lässt sich Lernen als natürlicher und immerwährender Prozess in unterschiedliche Lebensphasen integrieren. Darüber hinaus gilt es, informell erworbene Kompetenzen, beispielsweise durch ehrenamtliches Engagement oder durch Familienzeiten, ebenso als Teil der lebenslangen Lern- und Erfahrungsentwicklung anzuerkennen wie formell nachweisbare Qualifikationen.

Delegation der Personalentwicklungsverantwortung

Das Subsidiaritätsprinzip geht davon aus, dass in erster Linie der Mitarbeiter als mündiges Subjekt mit eigenen Interessen und Zielvorstellungen für seine Entwicklung verantwortlich ist. Der Vorgesetzte leistet ihm dabei ‚Hilfe zur Selbsthilfe’. 261

Employability-Management Die Personalentwicklungs-Abteilung und andere professionelle Institutionen werden als dritte Instanz im Hintergrund aktiv. Zielgruppenorientierung

Fokussierung auf Schlüsselqualifikationen

Personalentwicklung sollte nicht länger pauschal und undifferenziert sein. Stattdessen sollte sie die Qualifikationen, Stärken, Präferenzen und Interessen, Lebensläufe, Aufgabenbereiche und -inhalte etc. stärker berücksichtigen. Im Rahmen von Employability konzentriert sich die Personalentwicklung nicht nur auf die Vermittlung von fach- und branchenbezogenen Kenntnissen sowie von für einen spezifischen Tätigkeitsbereich und Arbeitsplatz erforderlichen technischen Fertigkeiten. Darüber hinaus stellt sie sich der Herausforderung, den Mitarbeitern eine breite Basis auch an ‚Soft Skills’ nahe zu bringen, die gerade im Hinblick auf Employability von besonderer Bedeutung sind. Hier sind insbesondere folgende Personalentwicklungs-Themenbereiche zu nennen: Eigeninitiative Konfliktbewältigung Umgang mit Misserfolg Rhetorik Unternehmerisches Denken und Handeln Teamentwicklung Change Management Selbstmanagement

262

Employability-Management Aufgrund der nicht nur unternehmensspezifischen Qualifizierung erscheint es durchaus vertretbar, einen Teil der entstehenden Kosten durch den Mitarbeiter tragen zu lassen, so beispielsweise bei der Ermöglichung eines berufsbegleitenden Studienganges. Diese Beteiligung kann sowohl in Form von Geld als auch in Form von Freizeit ausgestaltet werden. Es ist damit zu rechnen, dass viele Mitarbeiter dadurch ein Interesse an einer ziel- und zweckgerichteten Weiterbildung entwickeln. Darüber hinaus wird das Personalentwicklungsbudget entsprechend entlastet, so dass das Unternehmen auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten in der Lage ist, die Beschäftigungsfähigkeit seiner Mitarbeiter zu fördern. Eine Übersicht über mögliche Personalentwicklungsmaßnahmen, die zur Förderung der Beschäftigungsfähigkeit beitragen, zeigt, dass es sich hierbei durchaus nicht um kostspielige, extern eingekaufte Trainings handeln muss. Vielmehr tragen integrierte und individuelle bzw. zielgruppenspezifische Lernansätze erheblich zur Steigerung der Employability bei. Solche Lernansätze sind beispielsweise27 Dialog, Veränderung der Arbeitsinhalte durch ‚Job Rotation’, ‚Job Enlargement’ oder ‚Job Enrichment’, Team- und Projektarbeit, Coaching, Mentoring, Vermittlung von Best Practice und Best Process, z.B. in Form von Erfahrungsaustauschgruppen, Vorträgen oder Konferenzen, Großgruppeninterventionen, wie z.B. Open Space Meetings oder Zukunftskonferenzen. Darüber hinaus sind Weiterbildungskooperationen mit anderen Unternehmen oder auch die Bildung von überbetrieblichen Netzwerken für 27

Vgl.: Rump, J / Lau-Villinger, D. (2001); S. 45ff.

263

Employability-Management Modelle der ‚Cross-Job-Rotation’ denkbar. Neben der Reduktion von Kosten hat dieser Ansatz den Vorteil, dass der Mitarbeiter ‚über den Tellerrand des Unternehmens hinausschaut’, sich in wenig vertrauter Umgebung und Arbeitskontexten bewegen muss sowie andere Abläufe und Strukturen kennen lernt. Dies fördert den Umgang mit ungewohnten Situationen, Anpassungsfähigkeit sowie Flexibilität.

5.3.5 Karrieremodelle Die Auffassungen darüber, was ‚Karriere’ bedeutet, gehen häufig weit auseinander. Jedes Unternehmen, ja jedes Individuum definiert diesen Begriff individuell für sich. Hat man Karriere gemacht, wenn man gewisse Statussymbole sein eigen nennt? Oder erst dann, wenn man eine gewisse Führungsspanne abdeckt? Oder zeigt sich Karriere vielleicht bereits darin, länger als die Kollegen zu arbeiten und einen höheren Betrag auf dem Gehaltszettel vorzufinden? Eines scheint jedoch klar – die vielfältigen Veränderungen der Arbeitswelt lassen auch den Karrierebegriff nicht unberührt. Er erfährt eine Neuausrichtung insbesondere in zwei Aspekten – der Infragestellung rein vertikaler Karriereentwicklungen und dem Wegfall der Fokussierung auf einen Arbeitgeber und ein Berufsfeld. Horizontale und vertikale Karrierepfade Die Forderung nach flacheren Hierarchien, osmotischen Organisationsstrukturen und flexiblen Modellen der Arbeitsgestaltung macht rein vertikale Karriereentwicklungen in Unternehmen immer schwerer realisierbar. Der klassische ‚Aufstieg’ bleibt nur einer kleinen Gruppe vorenthalten, da Führungsebenen wegfallen und somit das Modell der Karriereleiter vielfach von einer Kompetenzfläche abgelöst wird. Betrachtet man vertikale Karrieremodelle vor dem Hintergrund der Employability, so zeigt sich deutlich, dass sie der Förderung der Beschäftigungsfähigkeit nicht dienen, sondern diese eher behindern. Ein klassischer Karrierepfad, der von der Gruppenleitung über die Abteilungsverantwortung schließlich zur Bereichsleitung führt, lässt dem Einzelnen 264

Employability-Management wenig Raum für den Blick ‚über den Tellerrand hinaus’, sondern beschränkt ihn immer stärker auf sein spezifisches Tätigkeitsfeld. Darüber hinaus sind nicht selten weniger Führungsqualitäten als vielmehr fachliche Qualifikation und Erfahrung Maßstab für die Zuweisung verantwortungsvoller Leitungsfunktionen. Es liegt auf der Hand, dass Employability einer neuen Gestaltung der Karrieremodelle im Unternehmen bedarf. Doch gilt es zu bedenken, dass der vertikale Aufstieg eine lange Tradition hat und zudem tief in der menschlichen Überzeugung verankert ist. Insbesondere die Dominanz-Instruktion des limbischen Systems ist es, die uns Karriere über eine hierarchische Höherstellung Anderen gegenüber definieren lässt. Daher bedeutet es für viele Beschäftigte einen erheblichen Machtverlust, ihnen dieses äußere Merkmal für einen ‚Karrieresprung’ zu nehmen. Horizontale Karrierepfade, die sich über die Mitarbeit in unterschiedlichsten Projekten oder aber das Einbringen von Expertenwissen in verschiedene Bereiche gestalten können, fördern die Beschäftigungsfähigkeit des Einzelnen in erheblicher Weise. Sie verlangen ihm eine gewisse Flexibilität ebenso ab wie die Fähigkeit, sich an unterschiedliche Sachverhalte und Teamstrukturen anzupassen. Damit qualifizieren sie ihn auch für den Fall, dass er seine Karriereentwicklung in einem anderen Unternehmen fortsetzen will oder muss – besser als ein rein vertikaler Aufstieg, der ihn stark auf sein Tätigkeitsfeld fokussieren lässt. Doch wie lässt sich nun eine horizontale Karriere im Unternehmen derart gestalten, dass sie als Karriere empfunden und auch honoriert wird? Dazu ist eine neue Definition und konsequente Umsetzung von drei gleichberechtigten Karrierewegen erforderlich:

265

Employability-Management Fachkarriere

-

Hoher Anteil rein fachlicher Themen

-

Geringer Umfang an Personalführungs-/Verwaltungsaufgaben

-

Weiterentwicklung über Fachaufgabe

-

Karriereschritte beruhen auf nachgewiesener fachlicher Kompetenz und äußern sich in erweiterten Handlungsspielräumen und Übernahme steigender Fachverantwortung

Führungskarriere

-

-

Aufgaben mit Führungsverantwortung und Entscheidungsbefugnis auf einer oberhalb der ausführenden Mitarbeiterebene angesiedelten Hierarchieebene Weiterentwicklung über Qualifikationsund Leistungsstufen, sowie über Zunahme von Autorität und Verantwortung

Projektkarriere

-

Übernahme komplexer und interdisziplinärer Aufgabenstellungen in Projekten (zeitlich befristet)

-

Stufenweise Übertragung von Fach- und Führungsaufgaben

-

Weiterentwicklung sowohl über vertikale als auch über horizontale Karriereschritte möglich

Abbildung 5: Karrieremodelle (In Anlehnung an Friedli, V. (2002), S. 29ff.) In einem wissensorientierten und innovativen Umfeld ist das Know-how der Mitarbeiter das wichtigste Vermögen des Unternehmens. Seine Karriere stellt somit im übertragenen Sinne die Vermögensentwicklung dar, die Führungskraft fungiert als Vermögensberater. In diesem Sinne müssen Karrieremodelle im Unternehmen so ausgestaltet sein, dass es jedem Mitarbeiter möglich ist, in seinem individuellen Kontext, d.h. gemäß seiner Veranlagung und Begabung Karriere zu machen. Eine Person mit sehr 266

Employability-Management starker Dominanz-Ausprägung, an deren persönliche Laufbahnplanung unweigerlich die Übernahme von Führungsverantwortung gekoppelt ist, wird selbst bei entsprechender Entlohnung mit einer Fachkarriere nicht zufrieden zu stellen und zu motivieren sein. Ebenso wenig trägt es zur Verbesserung der Führungskultur bei, Experten, die weder die soziale Kompetenz noch die Neigung zur Übernahme von Führungsverantwortung in sich tragen, in eine solche Rolle zu zwingen, nur weil sie den einzigen Weg zur Weiterentwicklung darstellt. Kompetenzen zu erkennen und Mitarbeiter gemäß ihrer fachlichen, sozialen oder methodischen Talente zu fördern, muss Aufgabe zukunftsorientierter Personalentwicklung und –führung sein. Dabei sollte auch ein Wechsel zwischen den einzelnen Laufbahnpfaden, d.h. eine radiale Entwicklung, durchaus zum Karrieremodell gehören, um so den Mitarbeitern immer wieder neue Perspektiven zu eröffnen. Ebenso muss der beschriebenen tradierten Vorstellung Rechnung getragen werden, Karriere müsse für Andere nach außen hin sichtbar sein. Wenn der eindimensionale hierarchische Aufstieg im Sinne von Employability nicht mehr gewünscht oder im Sinne der Unternehmensstruktur nicht mehr realisierbar ist, dann gilt es, den Status, den gewisse Positionen oder Leitungsfunktionen mit sich bringen, auf andere Weise zu gestalten. Herausfordernde Tätigkeiten und Lernfelder, die die Stimulanz-Instruktion des limbischen Systems ansprechen, sind beispielsweise geeignet, auf anderer Ebene das Gefühl eines ‚Karrieresprunges’ zu vermitteln als über die Dominanz-Instruktion. Diese lässt sich wiederum mit dem gezielten Einsatz von Statussymbolen häufig ebenso befriedigen wie mit der Zugehörigkeit zu einer höheren Führungsebene. Das Recht, einen ausgewiesenen Parkplatz sein eigen zu nennen oder aber ein größeres Büro zu beziehen, kann in zahlreichen Unternehmen ein nicht zu unterschätzendes Differenzierungsmerkmal darstellen. Ein ersatzloses Wegfallen von Hierarchieebenen, verbunden mit einem erschwerten vertikalen Aufstieg ohne Aufzeigen horizontaler Karrierewege führt dazu, dass diese im Menschen verankerten Bedürfnisse nach Sichtbarkeit der eigenen Karriereentwicklung nicht befriedigt werden. In vielen Fällen entwickelt sich daraus eine 267

Employability-Management informelle Hierarchie im Unternehmen, in der die als unerlässlich empfundene Differenzierung gelebt wird. Entscheidend bei der Einführung der oben genannten Karrieremodelle im Unternehmen ist also insbesondere ein eindeutiges Commitment der Unternehmensleitung zur Gleichwertigkeit aller Karrierepfade, eine gezielte Förderung von Mitarbeitern im Sinne ihrer Qualifikation für Fach-, Führungs- und Projektkarrieren, ein Vergütungs- und Anreizsystem sowie eine Unternehmenskultur, die erfolgreiche Projektumsetzung und fachliche Kompetenz ebenso honorieren wie eine definierte Führungsspanne. Über die Unternehmensperspektive hinaus gilt diese Forderung allerdings ebenfalls. Im Sinne von Employability Management darf bei einer Neueinstellung kein dominantes Kriterium für die Höhe des Gehaltes oder das Maß der übertragenen Verantwortung sein, ob ein Arbeitnehmer bereits eine Führungsrolle inne hatte oder nicht. In der Praxis wird hier jedoch noch häufig sehr eindimensional gedacht und gehandelt. Globalisierung der Karrierepfade In Abhängigkeit von einer Arbeitswelt, die gekennzeichnet ist durch Brüche in den Erwerbsbiographien und vielfältige Tätigkeitsbereiche im Laufe eines Berufslebens, werden Arbeitnehmer ihre Karriere in Zukunft globaler sehen (müssen). Dies bedeutet zum einen, dass sie sich nicht mehr auf ein eingeschränktes Berufsfeld konzentrieren können. Zum anderen wird es immer schwieriger werden, sich einen bestimmten Karrierepfad in einem bestimmten Unternehmen zum Ziel zu setzen. So hätte also in den vergangenen Jahren der Karriereplan eines Jung-Ingenieurs folgendermaßen lauten können: ‚Ich möchte innerhalb der nächsten fünf Jahre einen der drei Konstruktionsbereiche im Unternehmen als verantwortlicher Leiter übernehmen.’ Mit dieser Einstellung beschränkt er zum einen seine Beschäftigungsfähigkeit, da er eindimensional einen ganz bestimmten 268

Employability-Management Weg verfolgt, zum anderen setzt er sich der Gefahr aus, bei dem Verlust seines Arbeitsplatzes auch jegliche Perspektiven zu verlieren. In Zukunft muss ein solcher Karriereplan vielmehr wie folgt aussehen: ‚Ich möchte innerhalb der nächsten fünf Jahre eine eigenverantwortliche Position inne haben, ein bestimmtes Einkommen erzielen und mich im Projektmanagement weiter entwickeln.’ Eine klare Zielrichtung, doch ohne Fixierung auf ein bestimmtes Unternehmen. Aufgabe des Unternehmens ist es in diesem Zusammenhang, dem Mitarbeiter das Gefühl zu vermitteln, dass für ihn bei entsprechender Eignung eine interne Karriere möglich ist, dass er aber auch über die Fähigkeiten verfügt, Karrierepfade in unterschiedlichen Branchen, bei unterschiedlichen Arbeitgebern und in unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern einzuschlagen.

5.3.6 Anreiz- und Vergütungssysteme Viele gängige Vergütungs- und Anreizsysteme orientieren sich primär an dem Modell des ‚Normalarbeitsverhältnisses’ und entlohnen „...oft nur eine spezifische Arbeitsaufgabe in einer hierarchischen Organisation mit einer starren Arbeitsteilung.“28 Zudem ist Entlohnung häufig an kurzfristige Perspektiven gekoppelt und berücksichtigt nicht den Aspekt der Bewältigung künftig zu erfüllender Aufgaben. Diese Art und Weise der Anreiz- und Vergütungspolitik ist kaum kompatibel mit der Implementierung vom Employability und bedarf einer Anpassung. Eine solche Neuausrichtung stellt nicht nur eine Herausforderung für Unternehmen dar, sondern tangiert auch nicht unwesentlich die Tarifpartnerschaft.

28

Blancke, S. / Roth, C. / Schmid, J. (2000), S. 38.

269

Employability-Management

Es gibt eine Reihe von Determinanten der Anreiz- und Vergütungssysteme, die der Umsetzung von Employability-Ansätzen im Unternehmen gerecht werden. Diese sind:29 Breit gefächerte Arbeitsplatzbeschreibungen, Geringere Anzahl von Lohn- und Gehaltsgruppen, Schaffung von Anreizen zum Erwerb von Zusatzqualifikationen, Aufwertung zukunftsorientierter Arbeitsplatzanforderungen, wie z.B. Zusammenarbeit, Verantwortung oder Entscheidungsfindung, Einführung von Zuschlägen auf das Grundentgelt in Abhängigkeit vom Unternehmensergebnis oder für kontinuierliche Verbesserungsprozesse, Aufwertung nicht-standardisierter Arbeitsverhältnisse, d.h. gleiche Entgeltpolitik und gleiche Prämienmodelle für Teilzeitbeschäftigte und befristet Beschäftigte, Sensibilisierung der Führungskräfte für leistungsgerechte Entlohnung ohne starre Orientierung an Tarifen, Stärkere Ausgestaltung der Vergütung in Form empfängerorientierter Förderungen (z.B. Seminarteilnahme), anstelle von Statussymbolen. Im Sinne des bereits beschriebenen ‚limbischen Systems’ stellt der finanzielle Leistungsanreiz lediglich „...ein abstraktes, universales Tauschmittel für Sicherheit, Macht und Lust...“30 dar. Zur Bindung von Mitarbeitern an ein Unternehmen sollten daher immaterielle Anreize in diesen Bereichen Sicherheit, Macht und Lust - geschaffen werden31, beispielsweise durch 29 30 31

Vgl.: Blancke, S. / Roth, C. / Schmid, J. (2000), S. 39. Lu-court (14.01.2004,11:50 Uhr), S. 6. Vgl.: Lu-court (14.01.2004,11:50 Uhr), S. 6.

270

Employability-Management gezielten Einsatz von Statussymbolen. Sicherheit muss in diesem Zusammenhang jedoch keineswegs lebenslange Arbeitsplatzgarantie bedeuten, sondern kann ebenso aus der Gewissheit entstehen, in dem gegenwärtigen Arbeitsumfeld optimale Bedingungen dafür vorzufinden, die eigene Beschäftigungsfähigkeit zu verbessern. Auch hier zeigt sich wieder, dass die Umsetzung des EmployabilityGedankens im Unternehmen nicht mit erhöhten Personalkosten verbunden sein muss. Der Fokus liegt vielmehr darauf, dem Mitarbeiter ein Gefühl der Wertschätzung und des Respekts vor seiner Leistung zu vermitteln. Hier besteht eine Wechselwirkung insbesondere auch zum Führungs- und Karrieresystem eines Unternehmens. Die oben aufgeführten Ansätze bedeuten lediglich einen organisatorischen, nicht jedoch einen finanziellen Mehraufwand, der sich zudem über die Motivation und Zufriedenheit der Mitarbeiter amortisiert.

5.3.7 Controlling Wenn Employability als Teil des immateriellen Vermögens betrachtet wird und die Absicht verfolgt wird, dem immateriellen Vermögen einen Wert zu zuweisen, dann muss Beschäftigungsfähigkeit, deren Entwicklung und Erhalt in die Logik des Managements von Ressourcen und in das Controlling integriert werden. Dieser Anspruch lässt sich jedoch derzeit nur begrenzt umsetzen. Die Evaluierung von Employability ist in der Praxis wenig verbreitet. Dies resultiert aus den kaum vorhandenen und damit nur wenig erprobten Evaluierungs- und Messverfahren. Dennoch scheinen mehr und mehr Entscheidungsverantwortliche von der Bedeutung und Notwendigkeit der Employability für den Erfolg überzeugt zu sein. Es wird deutlich, dass die Evaluierung von Employability im Spannungsfeld von Notwendigkeit und Schwierigkeit steht. Gibt es geeignete Wege, um dieses Spannungsfeld abzuschwächen oder gar aufzuheben? Wenn wir zum Beispiel das Wissensmanagement und das Personalmanagement als 271

Employability-Management Referenzbereiche heranziehen, zu denen viele Parallelitäten und Überschneidungen existieren, lassen sich eine Reihe von Ansätzen zur Evaluierung von Employability identifizieren – zum einen quantitative, zum anderen qualitative Ansätze.

Quantitativ-orientierte Ansätze Während die Berechnung der Kosten, die bei einer Entwicklung von Employability und der Rekrutierung von beschäftigungsfähigen Mitarbeitern anfallen, ein relativ leichtes Unterfangen darstellt, ist die Formulierung und Konkretisierung des betriebswirtschaftlichen Nutzens hingegen mit einigen Schwierigkeiten verbunden. Der Nutzen von Employability besteht in einem ersten Schritt vor allem in ‚soft facts’, wie die Veränderung von Denk- und Handlungsmustern sowie die Steigerung des Kompetenzstandes. Erst in einem zweiten Schritt sind ‚hard facts’ betroffen, was sich zum Beispiel in einer Erhöhung der Arbeitsproduktivität, der Verbesserung der Qualität und / oder der Senkung von Kosten widerspiegeln kann. Die Zurechenbarkeit der Beschäftigungsfähigkeit auf die ökonomischen Faktoren kann daher nur mittelbar über die ‚soft facts’ erfolgen. Da die ökonomischen Faktoren auch durch andere Determinanten beeinflusst werden, ist eine eindeutige Zuordnung, welche Determinante welche ökonomische Größe wie und in welcher Höhe beeinflusst, angesichts der Komplexität der Verkettungen nur bedingt möglich. Lediglich bei Konstanz aller anderen Determinanten wäre die Wirkung eindeutig zu messen. Zur Evaluierung von Employability bedarf es also eines Instrumentariums, das sowohl die mentale Veränderung reflektiert als auch eine Interpretation hinsichtlich der ökonomischen Relevanz zulässt. In diesem Zusammenhang werden häufig Indikatorenmodelle und die Balanced Scorecard genannt. Im Rahmen von Indikatorenmodellen werden gewählte Indikatoren, die eine hohe Situations-, Bedarfs- und Zielgruppenspezifik aufweisen, über einen längeren Zeitraum hinweg beobachtet und eingeschätzt. Aus dieser komparativ-statischen Analyse lässt sich nicht nur der Entwicklungsstand zu bestimmten Zeitpunkten 272

Employability-Management abbilden, sondern auch der Handlungsbedarf ableiten. Abbildung 6 gibt einen Überblick über mögliche Indikatoren. Indikatoren Anzahl der Mitarbeiter, die Eigenverantwortung wahrnehmen Anzahl der Maßnahmen, die Unternehmen zur Förderung der Schlüsselkompetenzen anbieten Anzahl der Aktivitäten, die der Einzelne zur Förderung derSchlüsselkompetenzen nachfragt Anzahl von Verbesserungsvorschlägen Qualität der Verbesserungsvorschläge Summe der Prämien Innovationsquote Arbeitsproduktivität Anlernzeit Anzahl der Zugriffe auf Wissensquellen Leichtigkeit der Zugriffe auf Wissensquellen Umfang der Weiterbildungsangebote Anzahl von Weiterbildungstagen Anzahl der zukunftsgerichtete Mitarbeitergespräche Einschlägige Fluktuationsrate Aktualität der Orientierungsrahmen (Aufgabenbereiche, Standardprofile und zukünftige Entwicklungen) Anzahl der Projektarbeiten Anzahl von Job Rotation Anzahl der Auslandseinsätze

273

Employability-Management Teilzeitquoten in Kombination mit Weiterbildung und / oder Sabbaticals Anzahl der Mitarbeiter, die mehrere Arbeitsplätze beherrschen Krankenquoten Anzahl von Vorruheständen, hervorgerufen durch Krankheit Kosten für Betriebssport in Relation zu ... Kosten für betriebsärztliche Dienste und artverwandte Services in Relation zu ... Arbeitsproduktivität Outputquote Zielerreichungsgrad Freiheitsgrad (z.B. im Budgetrahmen) Anteil der variablen Vergütung Dauer der Betriebszugehörigkeit Anzahl der Bewerbungen Qualität von Bewerbern Anzahl der Mitarbeitergespräche Beeinflussbare Fluktionsquote Unfallentwicklung (Vergleich zum Vorjahr) Anzahl von Telearbeitsplätzen Teilzeitquote Vorhandensein flexibler Arbeitszeitmodelle Anzahl und Größe virtueller Teams Reklamationsquote Zahl der Patente

274

Employability-Management Zeitraum der Produktentwicklung Reaktionsgeschwindigkeit in Bezug auf Kundenwünsche Anzahl der Partnerschaften mit Kunden Anzahl der Partnerschaften mit Lieferanten Anteil der (Zwischen-)Produkte, die gemeinsam entwickelt werden

Abbildung 6: Indikatoren als quantitative Messgrößen Neben diesem einfachen Indikatorenmodell gibt es eine differenziertere Form. In Anlehnung an das Indikatorenmodell von North / Probst / Romhardt, das einen starken Bezug zum Wissensmanagement hat, liegt dem differenzierten Indikatorenmodell eine Bewertungslogik zugrunde, die die Indikatoren nach bestimmten Clustern ordnet. Durch die Gliederung in Bestands-, Interventions-, Übertragungs- und finanzielle Indikatoren lassen sich Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge besser ableiten und Veränderungen des Kompetenzstandes mit Bezug zu Geschäftsergebnissen adäquater veranschaulichen. Das differenzierte Indikatorenmodell ist eine Handlungs- bzw. Strukturierungshilfe und gibt Hinweise für die Wahl der passenden Indikatoren. Die Frage nach den ‚richtigen’ Indikatoren beantwortet es nicht. Deren Wahl in den einzelnen Klassen muss jedes Unternehmen in Abhängigkeit von Strategien, Strukturen, Systemen und Umfeldbedingungen selbst vornehmen.32 Abbildung 7 zeigt ein Beispiel für ein differenziertes Indikatorenmodell.

32

Vgl.: Alex, B. / Becker, D. / Stratmann, J. (2000), S. 60f.; Picot, A. / Scheuble, S. (2000), S. 26ff.; Probst, G. / Raub, S. / Romhardt, K. (1998), S. 330ff.

275

Employability-Management

Indikatorenklasse Bestimmung I Organisationale Wissensbasis

Abbildung des Bestandes von Beschäftigungsfähigkeit und Employability

Beispiel-Indikatoren -

-

II Interventionen

Beschreibung der Prozesse und Inputs zur Veränderung der Beschäftigungsfähigkeit / Employability

-

-

Messung des direkten ErgebZwischenerfolge nisses der Interund Übertragungsventionen effekte III

IV Ergebnisse der Geschäftsfähigkeit

Bewertung der Geschäftsergebnisse am Ende des Betrachtungszeitraums

-

Anzahl der Mitarbeiter, die Eigenverantwortung wahrnehmen Innovationsquote Anzahl der Mitarbeiter, die mehrere Aufgaben wahrnehmen (können) Arbeitsproduktivität Anzahl der Lessons Learned Workshops Anzahl der Maßnahmen, die Unternehmen zur Förderung der Schlüsselkompetenzen anbieten bzw. nachfragen Anzahl der Zugriffe auf Wissensquellen Leichtigkeit der Zugriffsmöglichkeiten Anzahl der Projektarbeiten Anzahl der Job Rotations Anzahl und Qualität der Verbesserungsvorschläge Veränderung der Innovationsquote Zielerreichungsgrad Veränderung der Arbeitsproduktivität Cashflow Deckungsbeitrag Marktanteil Return On Investment (ROI)

Abbildung 7: Differenziertes Indikatorenmodell

276

Employability-Management Der Prozess der Definition adäquater Indikatoren hat darüber hinaus einen Wert für sich. Er fördert das Bewusstsein hinsichtlich der Beschäftigungsfähigkeit sowie für die Zusammenhänge und trägt zur Entwicklung einer gemeinsamen ‚Sprache’ bei.33 Employability kann auch mittels einer Balanced Scorecard evaluiert werden.34 Vorstellbar sind zwei grundsätzliche Möglichkeiten zur Integration von Employability in den Balanced Scorecard-Ansatz: Zum einen kann Employability in die Lern- und Wachstumsperspektive, die auch als Mitarbeiterperspektive tituliert wird, integriert werden. Ziele zur Employability können hier verankert, Maßnahmen zu deren Umsetzung geplant und die Zielerreichung bewertet werden. Employability wird zum Bestandteil der Unternehmensstrategie. Zum anderen lässt sich eine Balanced Scorecard für Employability entwickeln. Dabei kann es jedoch sinnvoll sein, die von Norton/Kaplan vorgeschlagenen Perspektiven (Finanzperspektive, Kundenperspektive, Geschäftsprozessperspektive sowie Lern- und Wachstumsperspektive) teilweise zu modifizieren. Dies betrifft vor allen Dingen die Lern- und Wachstumsperspektive (Mitarbeiterperspektive) sowie die Geschäftsprozessperspektive. Angesichts der Komplexität und der hohen Mehrdimensionalität von Beschäftigungsfähigkeit sollte die Lern- und Wachstumsperspektive (Mitarbeiterperspektive) die Unterperspektiven Personalentwicklung, Motivierung und Führung adäquat berücksichtigen. Die Geschäftsprozessperspektive sollte um die Strukturperspektive ergänzt werden und damit eine umfassendere Sicht von Organisation beinhalten. Diese Ausweitung wird damit begründet, dass Beschäftigungsfähigkeit auch in einem Zusammenhang mit strukturellen Determinanten, wie Arbeitsteilung, Hierarchisierung, Handlungsspielräume, Teamstrukturen etc., steht.

33

Vgl.: Alex, B. / Becker, D. / Stratmann, J. (2000), S. 60f.; Picot, A. / Scheuble, S. (2000), S. 26ff.; Probst, G. / Raub, S. / Romhardt, K. (1998), S. 330ff. 34 Nähere Erläuterungen zur Balanced Scorecard finden sich im Artikel ‚Management von erfolgskritischem Wissen’.

277

Employability-Management Wie können nun die einzelnen Perspektiven ausgestaltet sein? Was sind die Einzelziele, Messgrößen und Maßnahmen, die im Zusammenhang mit Employability eine Rolle spielen? Die Initiative „Wege zur Selbst-GmbH“ hat eine Vielzahl von Möglichkeiten zusammen getragen, welche unterschiedlichen Ziele, Indikatoren und Maßnahmen in den verschiedenen Perspektiven von Relevanz sein können. Diese Zusammenstellung dient als Datensammlung (eine Art ‚Master-Tableau’), aus der unter Berücksichtigung der Situations- und Unternehmensspezifik die für einen bestimmten Kontext gefundenen Ziele, Indikatoren und Maßnahmen ausgewählt werden. Abbildung 8 gibt einen Überblick über das ‚Master-Tableau’, Abbildung 9 zeigt ein Unternehmensbeispiel. Eine Institution aus dem Gesundheitswesen hat auf der Grundlage des ‚Master-Tableaus’ eine Balanced Scorecard für Employability entwickelt. Dabei ist zu beachten, dass die Zielwerte jeweils für jedes Unternehmen individuell zu bestimmen sind.

278

Strategische Ziele

Förderung der Schlüsselkompetenzen

Mitarbeiterdimension

Personalentwicklung Anzahl der Mitarbeiter, die Eigenverantwortung wahrnehmen Anzahl der Maßnahmen, die Unternehmen zur Förderung der Schlüsselkompetenzen anbieten Anzahl der Aktivitäten, die der Einzelne zur Förderung der Schlüsselkompetenzen nachfragt Anzahl von Verbesserungsvorschlägen Qualität der Verbesserungsvorschläge Summe der Prämien Innovationsquote







• • •



Messgrößen

Zielwerte

Führen von Mitarbeitergesprächen Identifikation von Stärken Kompetenzspiegel als Selbstanalyse-Tool

• • •

Adäquate Führung und Coaching

Schaffen von Handlungsspielräumen





Schaffen von herausfordernden Arbeitsinhalten



Zur Veränderung des Kompetenzstandes:

Personalbeurteilung (Eigeneinschätzung und Fremdbeurteilung)



Zur Ist-Analyse:

Konkrete Maßnahmen

Employability-Management

279

280

Förderung der Schlüsselkompetenzen

Personalentwicklung

Zeitnahe Vermittlung von arbeitrelevanten Fachkompetenzen

Strategische Ziele

Mitarbeiterdimension

Arbeitsproduktivität Anlernzeit Anzahl der Zugriffe auf Wissensquellen Leichtigkeit der Zugriffe auf Wissensquellen Umfang der Weiterbildungsangebote Anzahl von Weiterbildungstagen

• • • • • •

Messgrößen

Zielwerte

Lernen in Fachseminaren Identifikation von Wissensquellen Sammlung und Aufbereitung von Wissen Transparenz schaffen über Weiterbildungsmöglichkeiten Entwicklung von Konzepten zur Einarbeitung (z.B. Paten)

• • • • •

Transparenz schaffen über arbeitsplatzrelevante Fachanforderungen

Visualisierung des Nutzens von Schlüsselqualifikationen





Impulse geben im Rahmen von 1-2-tägigen Workshops zu bestimmten Schüsselkompetenzen (Teamtraining, Kommunikations- bzw. Rhetorik-Training,...)



Konkrete Maßnahmen

Employability-Management

Verbesserung der Transparenz über individuelle Perspektiven im Unternehmen

Personalentwicklung

Flexibilisierung des Personaleinsatzes / Multifunktionale Einsetzbarkeit

Strategische Ziele

Mitarbeiterdimension Einschlägige Fluktuationsrate Aktualität der Orientierungsrahmen (Aufgabenbereiche, Standardprofile und zukünftige Entwicklungen)

Anzahl der Projektarbeiten Anzahl von Job Rotation Anzahl der Auslandseinsätze Teilzeitquoten in Kombination mit Weiterbildung und / oder Sabbaticals

• •

• • • •

Messgrößen

Zielwerte

Entwicklungspläne Potenzialanalysen Transparenz schaffen über Orientierungsrahmen u. deren kontinuierliche Aktualisierung

• • •

Auslandseinsätze Veränderungen von Arbeitsinhalten



Gruppenarbeit

• •

Projektarbeiten



Positivbeispiele bewusst kommunizieren und nutzen

Identifizierung der Gründe für Abgänge





Erhebung v. Fluktuationsraten

Mitarbeiterbefragung

• •

Mitarbeitergespräche



Konkrete Maßnahmen

Employability-Management

281

282 Krankenquoten Anzahl von Vorruheständen, hervorgerufen durch Krankheit Kosten für Betriebssport in Relation zu ... Kosten für betriebsärztliche Dienste und artverwandte Services in Relation zu ...

• •

• •

Förderung des Gleichgewichts zwischen Körper, Geist und Seele

Anzahl der Mitarbeiter, die mehrere Arbeitsplätze beherrschen



Flexibilisierung des Personaleinsatzes / Multifunktionale Einsetzbarkeit

Personalentwicklung

Messgrößen

Strategische Ziele

Mitarbeiterdimension

Zielwerte

Abteilungsübergreifende Firefighter Sabbaticals in Kombination mit Weiterbildung

• •

Sensibilisierung der Vorgesetzten

Berücksichtigung von Arbeitssicherheit, Umweltschutz und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz und in der Arbeitsumgebung





Ergonomische Ausstattung des Arbeitsplatzes



Vergütungssysteme, die die Flexibilität und den multifunktionalen Einsatz fördern

Funktionsübergreifende Vertretungssysteme





Job Rotation



Konkrete Maßnahmen

Employability-Management

Strategische Ziele

Förderung des Gleichgewichts zwischen Körper, Geist und Seele

Erhöhung der Leistungsorientierung

Mitarbeiterdimension

Personalentwicklung

Anreizsysteme

Betriebsklima

Arbeitsproduktivität Outputquote Zielerreichungsgrad

• • •

Qualitatives Kriterium der Fairness





Messgrößen

Zielwerte

Gesundheitsschulungen Betriebssport Mitarbeiterbefragung Klimaanalyse

• • • •

Awards Arbeitsinhalte, die als Herausforderung betrachtet werden und Spaß machen Handlungsspielräume Weiterbildung als Belohnung



• •

Erfolgbeteiligung

Leistungsgerechte Entlohnung







Erhebung relevanter Daten (Krankenquoten, Kosten, ...)

Vorhandensein von Vertrauenspersonen





Vorsorge-Untersuchungen



Konkrete Maßnahmen

Employability-Management

283

284

Förderung von unternehmerischem Handeln

Anreizsysteme

Verbesserung der Erfolgsbeteiligung

Strategische Ziele

Mitarbeiterdimension

• Anteil der variablen Vergütung

Entscheidungsfähig-keit und –bereitschaft

Kostenbewusstsein





Freiheitsgrad (z.B. im Budgetrahmen)



Messgrößen

Zielwerte

Identifizierung der Kriterien zur Messung von Erfolg „Was ist Erfolg“ Identifizierung von variablen Vergütungsbestandteilen (finanziell und / oder nichtfinanziell) Entwicklung eines variablen Vergütungsmodells





Übertragung von Entscheidungsbefugnissen und Verantwortung

Gestaltungs- und Entfaltungsspielräume







Konkrete Maßnahmen

Employability-Management

Strategische Ziele

Steigerung der Attraktivität als Arbeitgeber

Mitarbeiterdimension

Anreizsysteme

Qualität von Bewerbern

• Unternehmenskultur, die Eigenverantwortung schätzt und fördert

Anzahl der Bewerbungen





Dauer der Betriebszugehörigkeit



Messgrößen

Zielwerte

Transparenz schaffen über Unternehmenspolitik. Werte, Kultur, Leitbild => Unternehmen als System sichtbar und erlebbar machen

Interessante Arbeitsaufgaben





Unterstützung durch Entwicklungsplanung, Weiterbildung ...

Transparenz schaffen über Entwicklungsmöglichkeiten

Interne wie externe Informationen







Konkrete Maßnahmen

Employability-Management

285

286 Verweildauer Zielerreichungsgrad

• •

Vorgesetztenbeurteilung 360° Grad Feedback

• •



Reduzierung von Regeln / Zwängen Führung)

Überprüfung von Regeln auf Sinnhaftigkeit u. Notwendigkeit

Leistungsbeurteilung, ob Mitarbeiter mit Freiräumen zurecht kommen



Dichte der Regelungen

Vereinfachung von Regeln



Übertragung von Entscheidungsbefugnissen und Verantwortung



Größe der Freiräume

Zielvereinbarung f. Vorgesetzte

Erhebung relevanter Daten (Fluktuationsquote, Verweildauer, Zielerreichungsgrad...)





Mitarbeitergespräche

Sensibilisierung der Vorgesetzten





Konkrete Maßnahmen

Dialogischer Führungsstil

Zielwerte



Nutzung von Vorgesetztenbeurteilung

Beeinflussbare Fluktuationsquote





Anzahl der Mitarbeitergespräche



Messgrößen

Anzahl der Freiräume

Förderung des Führungsverhaltens im Sinne der Ziel- und Mitarbeiterorientierung (Unterstützung des Mitarbeiters in Richtung unternehmerisch denkend, innovativ, eigen-initiativ durch Führung)

Führung

Erhöhung des Dele- • gationsmaßes (der • Freiräume für die Mitarbeiter)

Strategische Ziele

Mitarbeiterdimension

Employability-Management

Strategische Ziele

Förderung der Mitarbeiterzufriedenheit / des Betriebsklimas

Mitarbeiterdimension

Führung Mitarbeiterzufriedenheit Beeinflussbare Fluktuationsrate Krankenstand Arbeitsproduktivität Wertschöpfung

• • • •



Messgrößen

Zielwerte

Umfassende, regelmäßige Informationspolitik

Sensibilisierung für Mitarbeiterbelange





Erhebung relevanter Daten (Fluktuationsrate, Krankenstand, Arbeitsproduktivität, Wertschöpfung...)

Kulturanalyse

• •

Mitarbeiterbefragung



Konkrete Maßnahmen

Employability-Management

287







Strategische Ziele

Verbesserung der Transparenz von

- Prozessen, - Prozessschritten, - Prozesszusammenhängen, - individuellen Beiträgen zum Prozess

Erhöhung der Vielfältigkeit am einzelnen Arbeitsplatz

Dimension Arbeitsorganisation

Ablauforganisation

288 Anzahl unterschiedlicher Aufgaben je Arbeitsplatz

Bekanntheitsgrad

Zugriff auf relevante Informationen

Messgrößen

Zielwerte









Qualitätszirkel

Schaffen von mehrdimensionalen Arbeitsplätzen durch Job Enlargement und / oder Job Enrichment

Zugriffsmöglichkeit auf diese Informationen

Erstellung von Work-flowAbbildungen und verständliche Darstellung der Prozesse und Prozesszusammenhänge

Konkrete Maßnahmen

Employability-Management



- Strukturen,

- Verantwortlichkeiten

- Zuständigkeiten,



Interne Reklamationsquoten



Verbesserung der Transparenz von

Fehlerquoten



Aufbauorganisation

Durchlaufzeiten





Bekanntheitsgrad

Aufbereitung der relevanten Informationen

Zugriff auf relevante Informationen

Termintreue

Rüstzeiten





Anzahl von Kooperationen

Verbesserung der Zusammenarbeit

Ablauforganisation

Messgrößen



Strategische Ziele

Dimension Arbeitsorganisation

Zielwerte

Zugriffsmöglichkeit auf diese Informationen

Darstellung von Netzwerken





Erstellen von Organigrammen



Prozessstufenübergreifende Planung und Integration der Mitarbeiter in den Planungsprozess

Interdisziplinäre Qualitätszirkel





Gruppeninterne Selbstorganisation

Vereinbarung von Gruppenbzw. Bereichzielen





Konkrete Maßnahmen

Employability-Management

289

290

Verflachung von Hierarchien

Aufbauorganisation

Förderung von selbstgesteuerten Gruppen

Strategische Ziele

Dimension Arbeitsorganisation

Mitarbeiterzufriedenheit

Produktivität





Anzahl und Größe zur Gestaltung von selbstgesteuerten Gruppen

Zeitbedarf bei Entscheidungsfindung

Durchschnittliche Führungsspanne







Messgrößen

Zielwerte





Übertragung von Entscheidungsbefugnissen und Verantwortung

Auflösung von Einzelarbeitsplätzen zugunsten von Gruppenarbeitsplätzen

Messung des Zeitvolumens bei der Entscheidungsfindung und Auswertung dieser Information

Messung der Führungsspannen und Auswertung dieser Information





Übertragung von Entscheidungsbefugnissen und Verantwortung



Konkrete Maßnahmen

Employability-Management

Strategische Ziele

Steigerung der Flexibilität bezüglich Ort, Zeit, Ablauf...

Arbeitsplatz

Verbesserung der Arbeitsbedingungen Ergonomie am

Dimension Arbeitsorganisation

Unfallvorsorge / Anzahl von Beinaheunfällen



Vorhandensein flexibler Arbeitszeitmodelle



Anzahl und Größe virtueller Teams

Teilzeitquote





Anzahl von Telearbeitsplätzen



Unfallentwicklung (Vergleich zum Vorjahr)

Unfallquoten





Krankenquoten



Messgrößen

Zielwerte



Förderung von virtuellen Teams

Vereinbarung von Rahmenregelungen

Einführung und Ausbau von flexiblen Arbeitszeitmodellen

• •

Einrichtung von Telearbeit

Berücksichtigung von Arbeitssicherheit, Gesundheitsschutz und Umweltschutz •



Ergonische Gestaltung der Arbeitsplätze

Ursachenforschung

• •

Erhebung relevanter Daten (Krankenquoten, Unfallquoten, Beinaheunfälle, Unfallentwicklung...)



Konkrete Maßnahmen

Employability-Management

291

Kundendimension

292 Reklamationsquote

• Anzahl von Kundenabgängen

Kundenzufriedenheit



Erhöhung von Kundenzufriedenheit



Marktanteil



Messgrößen

Erhöhung des Marktanteils

Strategische Ziele

Zielwerte

Verstärkung der Geschäftsbasis mit bestehenden Kunden



Personal- bzw. Betreuerkontinuität



Erhöhung der Betreuungsintensität

Einführung von TQM





Verbesserung der Geschäftsprozesse

Datenanalyse

Kundenbefragung







Erhöhung der Betreuungsintensität

Neukundengewinnung





Kunden- und Marktanalysen



Konkrete Maßnahmen

Employability-Management

Kundendimension

Förderung von Image und Marke

Gewinnung von Neukunden

Strategische Ziele

Markenwert Bekanntheitsgrad Ranking in Imagestudien

• • • Benchmark

Neukundenquote





Anzahl von Neukunden



Messgrößen

Zielwerte

Benchmarking

Steigerung der Attraktivität als Arbeitgeber





Öffentliches Engagement / Sponsoring



Kommunikationspolitik



Public Relations

Markenpolitik





Analyse von Studien und Untersuchungen

Akquisition

Aufdecken von neuen Geschäftsfeldern







Konkrete Maßnahmen

Employability-Management

293

Kundendimension

294 Zeitraum der Produktentwicklung







Gemeinsame Produktwertschöpfung

Anteil der (Zwischen-) Produkte, die gemeinsam entwickelt werden

Anzahl der Partnerschaften mit Lieferanten

Anzahl der Partnerschaften mit Kunden

Reaktionsgeschwindigkeit in Bezug auf Kundenwünsche

Zahl der Patente





Anzahl der Produktinnovationen

Messgrößen •

Förderung von • Kunden- / Lieferanten-Partnerschaften •

Verbesserung der nachhaltigen Wettbewerbsfähigkeit

Strategische Ziele

Zielwerte

Kontinuierlicher Erfahrungsaustausch

Joint Ventures





Kooperationen z.B. zur gemeinsamen Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen

Förderung von unique selling proposition

Verbesserung der Geschäftsprozesse

Management des erfolgskritischen Wissens









Konkrete Maßnahmen

Employability-Management

Finanzdimension

Steigerung des Umsatzes

Steigerung des Profits

Erfüllung der Renditeerwartungen

Strategische Ziele EigenkapitalRentabilität Gesamtkapitalrentabilität Gewinn Cashflow Umsatz Umsatzwachstum

• •



• •



Messgrößen

Zielwerte

Personal- bzw. Betreuerkontinuität Aufdecken von neuen Geschäftsfeldern

• •

Neukundengewinnung

Erhöhung der Betreuungsintensität





Verstärkung der Geschäftsbasis mit bestehenden Kunden

Kunden- und Marktanalysen

Kosteneinsparung durch ...

Umsatzsteigerungen

Entwicklung von Strategien und deren Umsetzung











Konkrete Maßnahmen

Employability-Management

295

296

Nachhaltige Steigerung des Unternehmenswertes

Strategische Ziele

Markenwert Marktkapitalisierung

• • Anteil der Umsatzsteigerung in Relation zur Gewinnsteigerung

Börsenwert





Unternehmenswert



Messgrößen

Abbildung 8: Die Balanced Scorecard von Employability

Finanzdimension

Zielwerte Umsetzung des Stakeholder Value Ansatzes Investor Relations Public Relations Employee Relations Client Relations

• • • •



Konkrete Maßnahmen

Employability-Management

Employability-Management Ein Beispiel – eine Institution im Gesundheitsbereich Strategische Ziele Finanzdimension

Senkung der Kosten

Messgrößen Kostenquoten

Zielwerte

Konkrete Maßnahmen Sensibilisierung des Personals in Richtung Kostenbewusstsein Aktivierung und Nutzung von Verbesserungsideen

Kundendimension

Dimension Arbeitsorganisation

Erhöhung von Patientenzufriedenheit

Patientenzufriedenheit

Verbesserung der Zusammenarbeit

Anzahl von stationsübergreifenden Kooperationen

Verbesserung der Transparenz von Prozessen

Mitarbeiterdimension

Förderung der Schlüsselkompetenzen

Zeitraum des Gesundungsprozesses

Kundenbefragung Verbesserung der Patientenbetreuung

Stationsübergreifende Qualitätszirkel Erstellung von Work-flowAbbildungen und Zugriffsmöglichkeiten auf Infos

Zugriff auf relevante Infos Anzahl der Mitarbeiter, die Eigenverantwortung wahrnehmen

Flexibilität des Anzahl der PersonaleinMitarbeiter, die satzes mehrere Arbeitsplätze beherrschen

Mitarbeitergespräche Herausfordernde Arbeitsinhalte Funktionsübergreifendes Vertretungssystem

Abbildung 9: Praxisbeispiel einer Balanced Scorecard

297

Employability-Management

Qualitativ-orientierte Ansätze Zu den qualitativ-orientierten Ansätzen gehören der Arbeitsmarktfitness-Test der ‚Initiative für Beschäftigung!’35 sowie der Kompetenzspiegel der ‚Job-Allianz’36. Beide Ansätze dienen nicht nur zur Analyse des Kompetenzstandes, sondern geben auch Hinweise zur (Weiter-)Entwicklung der Beschäftigungsfähigkeit. Die Beurteilung erfolgt anhand von Leitthesen, die bestimmten Schlüsselqualifikationen zugeordnet sind. Mit Hilfe eines ScoringVerfahrens soll dann der Ausprägungsgrad festgestellt werden. Dabei wird eingeschätzt, wie und in welchem Umfang die jeweilige Schlüsselkompetenz ausgebildet ist.

35

36

Die ‚Initiative für Beschäftigung!’ wurde im Jahr 1998 von Prof. Dr. Jürgen Strube, Vorsitzender des Vorstands der BASF AG, Reinhard Mohn, Mitglied des Kuratoriums der Bertelsmann Stiftung und Hubertus Schmoldt, Vorsitzender der IG Bergbau, Chemie, Energie gegründet. In enger Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, Verbänden, Gewerkschaften, Kammern, wissenschaftlichen Einrichtungen, Verwaltungen, Kommunen und weiteren Akteuren wurden bis Herbst 2001 in 19 Regionen Deutschlands Netzwerke gegründet. In den Schwerpunktbereichen Integration von Jugendlichen in das Berufsleben, Förderung von Unternehmensgründungen, Integration von Benachteiligten sowie Arbeitsplätze entwickeln und Beschäftigungsfähigkeit fördern werden zielgerichtet innovative Beschäftigungsprojekte entwickelt. Vgl. auch www.initiative-fuerbeschaeftigung.de Als regionales Netzwerk der ‚Initiative für Beschäftigung!’ entstand im Jahr 2001 im Rhein-Main-Gebiet die ‚Job-Allianz’ - ein Kooperationsprojekt der Unternehmen Degussa AG, Deutsche Bank AG, Deutsche Lufthansa AG und Fraport AG. Hier wird Mitarbeitern eine Standortbestimmung in Bezug auf ihre Beschäftigungsfähigkeit, verbunden mit Unterstützung bei der individuellen Entwicklungsplanung ebenso angeboten wie das ‚Networking’ der Partnerunternehmen untereinander, das den ,Blick über den Tellerrand’ ermöglicht.

298

Employability-Management

Der Arbeitsmarktfitness-Text fokussiert auf folgende Kompetenzfelder: Eigenverantwortung, unternehmerisches Denken und Handeln, Initiative und Engagement, Lernbereitschaft, Kommunikationsfähigkeit, Reflexionsfähigkeit, Konfliktfähigkeit und Frustrationstoleranz, Empathie, Offenheit und Veränderungsbereitschaft sowie Belastbarkeit. Der Kompetenzspiegel hat die Kompetenzfelder: Richtungen bestimmen (dazu gehören Durchsetzungsvermögen, Überzeugungsfähigkeit, Entscheidungskompetenz, Souveränität und Begeisterungsvermögen), Interaktionen gestalten (dazu gehören Flexibilität, Einfühlungsvermögen, Konfliktfähigkeit, Kontaktstärke, Kooperationsvermögen, Kritikfähigkeit und Kundenorientierung) Selbstmanagement: Sich selbst organisieren (dazu gehören Durchhaltevermögen, Planungsvermögen, Sorgfalt, Belastbarkeit und Frustrationstoleranz), Einsatz: Sich im Beruf engagieren (dazu gehören Eigeninitiative, Erfolgsorientierung, Veränderungsbereitschaft und Verantwortungsbereitschaft), Mitarbeiterführung (nur bei Führungskräften) (dazu gehören Teamorientierung, Transparenz, Delegation und Rückmeldung) 299

Employability-Management im Fokus. Beide Tests lassen sich als Selbstbewertung und als Fremdbewertung durchführen. Der Arbeitsmarktfitness-Test und der Kompetenzspiegel haben gemeinsam, dass der Stand des Fachwissens und der fachlichen Kompetenz nicht evaluiert wird. Dies ist darauf zurückzuführen, dass es bereits Fachtests gibt, auf die zurückgegriffen werden kann, der Handlungsbedarf eher im Bereich der Evaluierung von Sozialund Methodenkompetenzen gesehen wird, sich die Art und Weise der Bewertung von sozialen und methodischen Qualifikationen von der Beurteilung von Fachwissen und – kompetenz unterscheidet. Zur vollständigen Evaluierung von Beschäftigungsfähigkeit ist es jedoch notwendig, den Arbeitsmarktfitness-Test und den Kompetenzspiegel mit Instrumenten zur Beurteilung des fachlichen Qualifikationsstandes zu kombinieren.

300

Employability-Management

7

Befürchtungen und Ängste

7.1 Auf Seiten der Unternehmen und Führungskräfte Die Umsetzung des Employability-Gedankens geht mit vielfältigen Änderungen einher. Wie dargestellt betreffen sie Kultur, Organisation, Führung, Personalentwicklung, Karriere etc. Nicht selten bleiben derart umfassende Veränderungen nicht ohne Widerstand – entsprechend der Balance-Instruktion des limbischen Systems strebt der Mensch nach Bewahrung vertrauter Strukturen und Abläufe. Dies gilt insbesondere für die Führungskräfte im Unternehmen, für die die Förderung von Eigenverantwortung und Selbstbewusstsein bei ihren Mitarbeitern einen Machtverlust darstellt. Zudem sehen sich Führungskräfte durch diese Situation mit einer erhöhten Komplexität und neuen Erwartungen an ihre Rolle konfrontiert. Nicht wenige Vorgesetzte fühlen hier einen enormen Druck, den Anforderungen gerecht zu werden. Einen Weg, den Ängsten von Führungskräften zu begegnen, stellt das bewusste Heranführen an die Grundsätze und Philosophie vom Employability und das Aufzeigen des Nutzens für das Unternehmen und den Mitarbeiter dar. Darüber hinaus können Ressentiments dadurch reduziert werden, dass den Führungskräften bewusst wird, dass sie nicht nur etwas verlieren, sondern auch selbst Nutznießer sind und an ihrer eigenen Beschäftigungsfähigkeit arbeiten können. Zahlreiche Arbeitgeber sehen sich der Herausforderung nicht gewachsen, Mitarbeiter, die sich als ‚Unternehmer in eigner Sache’ sehen und kontinuierlich an ihrer Beschäftigungsfähigkeit arbeiten möchten, an das Unternehmen zu binden. Sie fürchten, einem unablässigen Druck ausgesetzt zu sein, den beschäftigungsfähigen Mitarbeitern Entwicklungsperspektiven aufzuzeigen. Ein solcher Druck ist sicherlich vorhanden. Der Angst um diese Drucksituation kann jedoch entgegengehalten werden, dass beschäftigungsfähige Mitarbeiter einen Nutzen für das Unternehmen stiften, der ungleich höher ist als die Aufwendungen. Zudem wäre ohne beschäf301

Employability-Management tigungsfähige Arbeitnehmer nicht selten der Druck, der sich aus den Märkten und der Wettbewerbslage generiert, weitaus höher. Eine Reihe von Unternehmen äussern die Befürchtung, ihre Mitarbeiter ‚nach draußen’ zu qualifizieren, also in deren Employability zu investieren, ohne selbst von dieser erhöhten Qualifikation zu profitieren, da die Arbeitnehmer sich dem externen Arbeitsmarkt zuwenden. Diese Argumentationskette lässt eine wesentliche Frage außer Acht. Warum wenden sich die Mitarbeiter, die beschäftigungsfähig sind, anderen Arbeitgeben zu? In einem Unternehmen, das Employability Management implementiert und dabei die vier Grundsätze – Ganzheitlichkeit, Integration, ethischer Kodex und die Wahl des richtigen Zeitpunkts – berücksichtigt, wird sich mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit eine solche Befürchtung nicht bewahrheiten. Untersuchungen belegen, dass die Fluktuationsrate in Unternehmen, die in die Beschäftigungsfähigkeit ihrer Mitarbeiter investieren, geringer ist als in solchen, die sich diesen Konzepten noch verschließen.37 Ziel der Arbeitgeber muss es also sein, „...to make their workforce ‚able to go, but want to stay’.“38 diesem Zusammenhang sei auch erwähnt, dass es Unternehmen gibt, die bewusst die Möglichkeit einer ‚Abwanderung’ ihrer Beschäftigten in Kauf nehmen. Sie können so für bestimmte Zeiträume über optimal qualifizierte Arbeitnehmer verfügen und gleichzeitig flexibler auf Kapazitätsschwankungen reagieren. Des Weiteren kann eine ‚Abwanderung’ gezielt gesteuert werden, um ehemalige beschäftigungsfähige Mitarbeiter bei Kunden zu positionieren und eigene, unternehmensübergreifende Netzwerke zu knüpfen. Ein weiterer häufig genannter Hinderungsgrund für die Umsetzung von Employability-Konzepten ist die arbeitgeberseitige Befürchtung, sich damit immense Kosten aufzubürden. Insbesondere in konjunkturellen Krisenzeiten scheitert hieran in der Regel bereits eine intensivere Auseinandersetzung mit der Thematik. Wie bereits an den Beispielen der Perso37 38

Vgl.: Englert, S. (2002), S. 2. Tamkin, P. / Hillage, J. (1999), S. 54.

302

Employability-Management nalentwicklung und der Anreizsysteme dargestellt, führt eine solche Auseinandersetzung jedoch zu der Erkenntnis, dass die Integration des Grundgedankens von Employability weniger einen Kostenaufwand denn eine Bereitschaft zu kulturellen und organisatorischen Veränderungen erforderlich macht. Der Kostenaspekt zeigt sich vielmehr auch im Umkehrschluss: Wenn ein Unternehmen nicht bereit ist, die Beschäftigungsfähigkeit seiner Mitarbeiter zu erhalten und zu fördern, werden sie den technischen Neuerungen, inhaltlichen Veränderungen und/oder erforderlich gewordenen Umstrukturierungen nicht mehr gewachsen sein. Muss das Unternehmen sich daraufhin von ihnen trennen, entstehen ihm dadurch Kosten für die Freisetzung langjähriger Beschäftigter ebenso wie für die Rekrutierung und Einarbeitung neuer Mitarbeiter, die über die entscheidenden Kompetenzen verfügen. Es zeigt sich, dass es sehr kurzfristig gedacht ist, aus Einspargründen Maßnahmen zur Förderung der Beschäftigungsfähigkeit zu vernachlässigen.

7.2 Auf Seiten der Mitarbeiter Die immensen Chancen, die dem Arbeitnehmer aus Erhalt und Steigerung seiner Beschäftigungsfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt und in seiner persönlichen Entwicklung erwachsen, dürfen nicht vergessen lassen, dass dieser Ansatz auch eine enorme Herausforderung für den Einzelnen darstellt. Diejenigen Beschäftigten, die sich nicht vorausschauend mit ihrer individuellen Zukunft auf dem Arbeitsmarkt auseinander setzen und passiv abwarten, bis ein Impuls von außen an sie herangetragen wird, laufen Gefahr, an den Rand der Arbeitsgesellschaft gedrückt zu werden. Dies gilt in besonderem Maße für wenig qualifizierte, immobile und inflexible Arbeitnehmer, die den an sie gestellten Anforderungen nicht mehr gerecht werden können. Doch auch hoch Qualifizierte, die Führungspositionen bekleiden, neigen nicht selten dazu, sich zu sehr im Tagesgeschäft mit seinen Anforderungen und Problemstellungen zu verlieren und dabei die Anpassung ihrer Qualifikationen an aktuelle Arbeitsmarktbedingungen zu

303

Employability-Management vernachlässigen. Mit gravierenden Folgen, wie eine Studie über Ingenieure mittleren Alters zeigt. Viele der untersuchten Ingenieure sind den technischen Neuerungen, die sich aus Umstrukturierungsmaßnahmen ergeben haben, nicht mehr gewachsen und haben dadurch ihre Arbeitsplätze auf der gehobenen Führungsebene verloren.39 Die Forderung nach flexibilisierten Arbeitsbeziehungen und nach dem Aufgeben der durch eine bestimmte Tätigkeit oder einen bestimmten Arbeitgeber definierten Sicherheit löst bei vielen Arbeitnehmern ein Gefühl der Hilflosigkeit aus. Getrieben von der bereits dargestellten BalanceInstruktion des limbischen Systems strebt der Mensch nach Normen und Traditionen, an denen er sich orientieren kann und die ihm Geborgenheit vermitteln. Employability fordert nun das Loslassen eben dieser eingefahrenen Muster und den Mut, sich auf die eigene Beschäftigungsfähigkeit als ‚Sicherungsanker’ zu verlassen. Dies kann implizieren, Zeiten der Nichtbeschäftigung, befristete Arbeitsverhältnisse und Beschäftigung mit reduzierter Arbeitszeit und ebenfalls reduziertem Entgelt als normale Phasen im Verlauf eines Erwerbslebens zu akzeptieren. Sehr häufig wird von Seiten der Arbeitnehmer die Befürchtung geäußert, dass Employability lediglich mit Downsizing einhergeht. Sie gehen davon aus, dass die Differenzierung in beschäftigungsfähig und nichtbeschäftigungsfähig in der Regel eine Selektion erwünschter und unerwünschter Arbeitnehmer impliziert. Dies bezieht sich nicht nur auf die Angst vor Stellenabbau, sondern auch vor der Einschränkung persönlicher Freiräume, der Zuweisung bestimmter Arbeitsplätze und der Verweigerung weiterer Qualifizierungsmaßnahmen.

39

Vgl.: Staudt, E. / Kottmann, M. (2001), S. 68 - 69.

304

Employability-Management Ein weiteres Feld, das von vielen Mitarbeitern als kritisch betrachtet wird, ist die Beurteilung der Beschäftigungsfähigkeit im Zusammenhang mit daran anknüpfenden Karriere- und Vergütungsfragen im Unternehmen. Sie lässt sich nur bedingt an quantitativen, messbaren Kriterien festmachen. In den Augen nicht weniger Mitarbeiter wird dieser Mangel an quantitativer, messbarer Kriterien gleich gesetzt mit Willkür des Vorgesetzten und des Arbeitgebers.40 All diesen Ängsten gilt es auf Unternehmensseite Rechnung zu tragen und ihnen durch ein gelebtes und authentisches Employability-Konzept, das einen offenen Umgang mit den Perspektiven der Beschäftigten pflegt und den vier Grundsätzen (Ganzheitlichkeit, Integration, ethischer Kodex und Postulat des richtigen Zeitpunkts) Rechnung trägt, entgegen zu treten. Darüber hinaus ist es für die Steigerung von Akzeptanz förderlich, wenn der Nutzen von Beschäftigungsfähigkeit für den Einzelnen sichtbar und spürbar wird. Nicht zuletzt kann der Zeitpunkt der Implementierung von Employability Management eine Rolle spielen. Nicht in Krisenzeiten, sondern in ‚guten Zeiten’ sollte die Umsetzung eines solchen Konzeptes angestrebt werden, um den damit verbundenen Vertrauensvorschuss seitens der Mitarbeiter zu nutzen.

40

Vgl. Weinert, P. (Hrsg.) / Baukens, M. / Bollérot, P. / Pineschi-Gapenne, M. / Walwei, U. (2001), S. 91 - 92.

305

Employability-Management

8

Zusammenfassung und Ausblick

Die vorangegangenen Ausführungen bringen klar zum Ausdruck, dass Erhalt und Förderung der Beschäftigungsfähigkeit eine Aufgabe darstellt, der sich Arbeitgeber, Staat und Individuum gleichermaßen annehmen müssen. Darüber hinaus wird deutlich, dass die Entwicklungen in Wirtschaft, Politik, Recht und Gesellschaft ein weiteres Aufschieben dieser Aufgabe nicht zulassen. Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft auf Unternehmensseite und die Sicherstellung einer befriedigenden und existenzsichernden Beschäftigung auf Seiten des Individuums sind untrennbar mit dem Thema Employability verbunden. Nähert man sich der Entwicklung tragfähiger Konzepte zur Sicherung der Beschäftigungsfähigkeit, so ist zunächst der theoretische Rahmen zu berücksichtigen, in dem sie sich bewegt. In der Untersuchung der Begrifflichkeit von Employability zeigt sich insbesondere die Erfordernis einer proaktiven Herangehensweise an neue Denk- und Handlungsmuster. Dieser Umstand wird auch durch das Heranziehen der theoretischen Konstrukte der Abstraktionsleiter und der Instruktionen des limbischen Systems bestätigt, die menschliches Erleben und Verhalten in hohem Maße prägen. Vor diesem Hintergrund ist der schrittweisen und kontinuierlichen Auseinandersetzung mit den aufgezeigten Schlüsselkompetenzen, die einen beschäftigungsfähigen Menschen charakterisieren, besondere Bedeutung beizumessen. Für den Einzelnen bedeutet die Sicherung seiner Beschäftigungsfähigkeit einen unablässigen Prozess, der ihm neue Perspektiven nicht nur bei einem Arbeitgeber und in einem Berufsfeld, sondern auf dem gesamten Arbeitsmarkt eröffnet. Zur Ausprägung eines Verständnisses für die Notwendigkeit von individueller Beschäftigungsfähigkeit erscheint es unerlässlich, bereits in frühen Sozialisationsstationen und hier insbesondere in der schulischen Bildung gezielt auf die Entwicklung der relevanten Schlüsselkompetenzen hin zu arbeiten.

306

Employability-Management

Die Nutzenbetrachtung lässt erkennen, dass nicht nur Arbeitnehmer sondern auch Arbeitgeber von einer gelebten Employability-Kultur profitieren. Für das Unternehmen bedeutet die Förderung der Beschäftigungsfähigkeit ihrer Mitarbeiter zum einen eine Investition in ihre organisationale Wissensbasis, die in Zeiten eines zunehmenden Wettbewerbs- und Innovationsdrucks eine immer höhere Bedeutung erlangt. Zum anderen ermöglicht sie ihnen einen Vorteil bei der Rekrutierung von High Potentials sowie einen flexibleren Mitarbeitereinsatz, der nicht zuletzt in Krisenzeiten von Bedeutung ist. Downsizing-Prozesse können in der Folge derart gestaltet werden, dass auch die Moral der zurückbleibenden Beschäftigten gefestigt bleibt und das Unternehmensimage nicht in Mitleidenschaft gezogen wird. Die Forderung und Förderung von Employability im Unternehmenskontext erfordert einen ganzheitlich-integrativen Ansatz. Dieser ganzheitlichintegrative Ansatz ist unerlässlich, um alle für den Unternehmenszweck und –erfolg relevanten Handlungsfelder in die employabilityorientierte Umsetzung zu integrieren. Dabei spielt das individuelle Können und Wollen eine ebenso große Rolle wie das von der Unternehmensseite geprägte Dürfen und Sollen. Zum anderen ist eine systemische Denkweise zu bevorzugen, die zunächst auf normativer Ebene das Gedankengut der Employability zu einer unternehmensweiten Vision werden lässt. Nach einer Konkretisierung dieser Vision auf strategischer Ebene in den Managementsystemen wird der so entstandene Handlungsrahmen in praxisorientierten Instrumenten und Verhaltensweisen operationalisiert. Unterzieht man die Handlungsfelder im Unternehmen einer näheren Betrachtung, so erscheint es unerlässlich, Beschäftigungsfähigkeit insbesondere im Bereich der Unternehmenskultur, der Führung und Organisation, aber auch in Karriere- und Personalentwicklungssystemen, bei Anreizund Vergütungsmodellen sowie im Controlling zu einem festen Bestandteil des strategischen Vorgehens zu machen. Die Förderung der Eigenverantwortung und Selbstbestimmung lässt sich nur in einem Umfeld realisie307

Employability-Management ren, in dem Werte, die von der ‚Vollkasko-Mentalität’ abrücken und die Bereitschaft zum ‚Unternehmer in eigener Sache’ forcieren, verankert sind; Führung nicht ständige Kontrolle, sondern einen gleichberechtigten Umgang bedeutet; Organisationsstrukturen nicht durch starre Hierarchien, sondern durch Transparenz und Flexibilität gekennzeichnet sind. Karrierewege werden nicht länger linear und rein vertikal verlaufen, sondern immer stärker auch horizontal. Der Mitarbeiter ist im Bereich der Personalentwicklung nicht länger passiver Konsument, sondern Mitgestalter einer differenzierten und vorausschauenden Förderung der eigenen Kompetenzen. In der Konsequenz müssen auch Anreiz- und Vergütungssysteme sich von der Fokussierung des ‚Normalarbeitsverhältnisses’ lösen und flexible Lösungen zur Anerkennung von Beschäftigungsfähigkeit schaffen. Ein Controlling von Employability schließlich steht vor der Herausforderung, über quantitative und qualitative Methoden einen Mehrwert durch Beschäftigungsfähigkeit zu ermitteln. Employability-orientierte Ansätze sind nicht selten auch mit Befürchtungen und Ängsten verbunden. Die Befürchtungen der Arbeitgeber beschäftigen sich insbesondere mit einer kritischen Kosten-Nutzen-Abwägung. Nur langsam setzt sich die Erkenntnis durch, dass der Aufwand und die Gefahr einer ‚Qualifizierung nach außen’ vergleichsweise gering, der langfristige Zugewinn an Know-how und Flexibilität dafür aber umso höher ist. Für die Arbeitnehmer gilt ein ähnliches Prinzip. Viele können sich nur schwer von dem über Jahrzehnte gewachsenen Modell der Absicherung durch qualifizierte Erstausbildung und gezielte Berufs- und Arbeitsplatzwahl lösen und lernen erst allmählich, ihre eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen als ebenso sicherheitsgebend zu akzeptieren. Abschließend lässt sich sagen, dass im Zentrum der Bestrebungen zu Erhalt und Steigerung der Beschäftigungsfähigkeit eine zielgerichtete und ganzheitliche Konzeption stehen muss, die Ängsten und Hindernissen auf Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite ebenso Rechnung trägt wie tradierten Strukturen und Systemen, die ihre Umsetzung hemmen. Denn Employability darf nicht länger ein Schlagwort bleiben, dem keine konkreten Taten

308

Employability-Management folgen. Insbesondere Großunternehmen haben sich in den letzten Jahren verstärkt mit dieser Thematik auseinander gesetzt und betonen, dass sie die Beschäftigungsfähigkeit ihrer Mitarbeiter als essentielles Entwicklungsziel und unerlässlichen Baustein für die Zukunftsfähigkeit ihres Unternehmens ansehen. Leider zeigt sich vielfach, dass die Rhetorik in diesen Fällen noch häufig die Praxis überwiegt. Die konkreten Maßnahmen, die viele Unternehmen ergreifen, sind teils unzureichend, teils laufen sie aber auch unkoordiniert ab, so dass sie die Beschäftigungsfähigkeit des Einzelnen nicht wirklich fördern oder erhalten können. Zudem liegt der Fokus häufig zu stark auf den hoch qualifizierten Mitarbeitern, bei denen am schnellsten ein profitables und nach außen sichtbares Ergebnis erzielt werden kann. Im Sinne auch der gesellschaftlichen Verpflichtung muss es jedoch auch Ziel sein, nicht nur die High Potentials sondern ebenso diejenigen Beschäftigten zur Entwicklung ihrer Employability zu motivieren, die aufgrund einer geringeren Qualifizierung durch das Raster des Arbeitsmarktes zu fallen drohen. Wie auch in vielen anderen Bereichen wird der primäre Erfolgsfaktor die Zeit sein. Neue Denk- und Handlungsweisen werden sich bewähren und beweisen müssen, bevor sie endgültig ihre Daseinsberechtigung erhalten können.

309

Literaturverzeichnis

LITERATURVERZEICHNIS Alex, B. / Becker, D. / Stratmann, J. (2000): Ganzheitliches Wissensmanagement und wertorientierte Unternehmensführung, in: Götz, K. (Hrsg.): Wissensmanagement – zwischen Wissen und Nichtwissen, 2., verbesserte Auflage, München 2000, S. 47 – 69. Antoni, C. (1999): Wissensmanagement und Flexibilisierung, in: Antoni, C.; Sommerlatte, T. (Hrsg.): Report Wissensmanagement, 2. Auflage, Düsseldorf 1999, S. 10 – 14. Argyris, C. (1997): Wissen in Aktion, Stuttgart 1997. Argyris, C. / Schön, D. A. (1999): Die lernende Organisation, Stuttgart 1999. Blancke, S. / Roth, C. / Schmid, J. (2000): Employability („Beschäftigungsfähigkeit“) als Herausforderung für den Arbeitsmarkt – Auf dem Weg zur flexiblen Erwerbsgesellschaft – Eine Konzept- und Literaturstudie (Arbeitsbericht Nr. 157 der Akademie für Technikfolgenabschätzung in Baden-Württemberg), Stuttgart, 2000. Englert, S. (2002): Employability als Überlebensdroge, in: http://www.changex.de/d_a00574print.html, 07.10.03, 09:20 Uhr. Fischer, H. (2001): Von der Arbeitsplatzsicherheit zur Beschäftigungsfähigkeit – das Employability-Konzept der Deutschen Bank AG, in: Uepping, H. (Hrsg.) / Lombriser R.: Employability statt Jobsicherheit, Neuwied / Kriftel 2001, S. 158-169.

310

Literaturverzeichnis

Friedli, V., (2002): Die betriebliche Karriereplanung, Konzeptionelle Grundlagen und empirische Studien aus der Unternehmensperspektive, Berner betriebswirtschaftliche Schriften Band 27, Bern / Stuttgart / Wien 2002. Häusel, H.-G. (2003): Think Limbic! Die Macht des Unbewussten verstehen und nutzen für Motivation, Marketing, Management, 3. Auflage, Planegg / München 2003. Lu-Court (14.01.2004, 11:50 Uhr): Die Macht des limbischen Systems, in: http://www.lu-court.de/wissen-1.htm, 14.01.2004, 11:50 Uhr Picot, A. / Scheuble, S. (2000): Die Rolle des Wissensmanagements in erfolgreichen Unternehmen, in: Mandl, H. / Reinmann-Rothmeier, G. (Hrsg.): Wissensmanagement, Informationszuwachs – Wissensschwund? Die strategische Bedeutung des Wissensmanagements, München 2000, S. 19 – 37. Probst, G. / Raub, S. / Romhardt, K. (1998): Wissen managen, wie Unternehmen ihre wertvollste Ressource optimal nutzen, 2. Auflage, Frankfurt 1998. Rump, J. / Lau-Villinger D. (2001): Management Tool Wissensmanagement, Köln 2001. Senge, P. M. (1997): Die fünfte Disziplin: Kunst und Praxis der lernenden Organisation, Zweite Auflage, Stuttgart, 1997.

311

Literaturverzeichnis Staudt, E. / Kottmann, M. (2001): Technischer Wandel, berufliche Kompetenzen und Innovation, in: Personalführung, 34. Jahrgang, Heft 4, 2001, S. 68-72. Tamkin, P / Hillage, J. (1999): Employability and Employers: the missing piece of the jigsaw, Brighton, 1999. Weinert, P. (Hrsg.) / Baukens, M. / Bollérot, P. / Pineschi-Gapenne, M. / Walwei, U. (2001): Beschäftigungsfähigkeit: Von der Theorie zur Praxis (Soziale Sicherheit; Bd. 4), Bern; Berlin; Bruxelles; Frankfurt am Main; New York; Oxford; Wien, 2001

312

Work-Life-Balance

WORK-LIFE-BALANCE ALS ENTSCHEIDENDER WETTBEWERBSFAKTOR ZUKUNFTSORIENTIERTER UNTERNEHMEN

___________________________________________________________ Abbildungsverzeichnis 1. Definitionen und Hintergründe 1.1 Versuch einer Begriffsdefinition 1.2 Bedeutsamkeit der Work-Life-Balance gestern und heute 1.3 Vereinbarkeit von Beruf und Familie als primärer Fokus 2. Die Work-Life-Balance aus Mitarbeitersicht 2.1 Besondere Relevanz der Thematik für Frauen 2.2 Wünsche von Mitarbeitenden 3. Die Work-Life-Balance aus Unternehmenssicht 3.1 Ängste und Missverständnisse - Die heutige Praxis im Unternehmen

313

Work-Life-Balance 3.2 Vom Störfaktor im betrieblichen Ablauf zum Wettbewerbsvorteil 4. Ausblick Literaturverzeichnis ___________________________________________________________

314

Work-Life-Balance

ABBILDUNGSVERZEICHNIS Abbildung 1

Erwerbsstatus 15- bis 64-jähriger Männer nach Zahl der Kinder im Haushalt, 2000

Abbildung 2

Erwerbsmuster der 15- bis 64-jährigen Frauen mit Kindern nach Alter des jüngsten Kindes, 2000

Abbildung 3

Handlungsfelder im Unternehmen zur Realisierung eines ganzheitlichen Work-LifeBalance-Ansatzes

315

Work-Life-Balance

1

Definitionen und Hintergründe

1.1 Versuch einer Begriffsdefinition Work-Life-Balance – ein Schlagwort der 90er Jahre und des beginnenden 21. Jahrhunderts, häufig benutzt und doch selten klar definiert. Was bedeutet dieser Begriff, den die Medien zunehmend für sich beanspruchen und der in den vergangenen Jahren immer häufiger auf Büchern und Zeitschriften prangt? Wellness-Anbieter, Lebensratgeber und Management-Trainer1 haben sicherlich ihre jeweils individuelle und auf die spezifische Zielgruppe zugeschnittene Begriffsdefinition zur Hand. In diesem Beitrag allerdings soll es um die Work-Life-Balance aus der Perspektive von Unternehmern und ihren Mitarbeitenden gehen, um Chancen und Risiken, Ängste und Hoffnungen, die Arbeitnehmer und Arbeitgeber mit diesem Schlagwort verbinden. Der Begriff der Work-Life-Balance umfasst sehr viel mehr als nur die Schaffung zeitlichen Freiraums, um familiäre Verpflichtungen mit dem beruflichen Alltag in Einklang bringen zu können. Vielmehr verbirgt sich dahinter das Bestreben einer gesamten Gesellschaft, die Berufstätigkeit „ihren individuellen Bedürfnissen und dem gesamten Kontext ihrer Lebensumstände anpassen zu können“2. Mehr und mehr setzt sich die Erkenntnis durch, dass persönliche Zufriedenheit nicht alleine durch ein ausgefülltes Arbeitsleben erreichbar ist.

1 2

Im Interesse der vereinfachten Lesbarkeit wird auf die Differenzierung in weibliche und männliche Formen bestimmter Begriffe verzichtet. Schmidt, S. (2003), S. 135.

316

Work-Life-Balance Die Palette dessen, was Arbeitnehmer neben ihren beruflichen Verpflichtungen bewegt und ihre Aufmerksamkeit und Kraft fordert, ist schier unbegrenzt. Der Kindergarten geschlossen wegen einer Grippewelle, die Betreuerin der pflegebedürftigen Mutter im Urlaub, die Organisation für die Vereinsfeier muss erledigt werden – es fällt nicht schwer, auf die Konzentrationsfähigkeit eines Mitarbeiters zu schließen, den derartige Verpflichtungen am Arbeitsplatz beschäftigen, weil ihm sein Arbeitsverhältnis keinen Raum für flexible Gestaltungsmöglichkeiten lässt. Ebenso leicht lässt sich daraus der Bogen zur Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens spannen, dessen Mitarbeiter nur zu einem Teil ihre Aufmerksamkeit ihrer eigentlichen Tätigkeit widmen. Diesen sozialen Lebenszusammenhang zu ignorieren und notwendige Freiräume nicht zu gewähren, bedeutet für Unternehmen zunehmend einen Wettbewerbsnachteil im immer gravierender werdenden Konkurrenzkampf um qualifizierte Mitarbeiter und im zunehmend dynamischen und innovationsorientierten Marktgefüge.

1.2 Bedeutsamkeit der Work-Life-Balance gestern und heute Bis etwa zur Mitte der siebziger Jahre bestand die Balance zwischen Beruf und Privatleben in der Regel darin, dass Männer als Alleinverdiener ihren primären Fokus auf das Arbeitsleben und den finanziellen Erhalt der Familie legten. Die Frauen hingegen wirkten im Hintergrund und übernahmen sämtliche Belange des privaten Bereiches, von der Betreuung von Kindern und Pflegebedürftigen bis hin zur Organisation der sozialen und familiären Verpflichtungen. Hinzu kam, dass insbesondere die Nachkriegsgeneration ihr Augenmerk weniger auf das ‚Wie’ ihrer Lebensgestaltung richtete, sondern vielmehr die Existenzsicherung in den Vordergrund stellte. Vor dem Hintergrund eines immensen Wandels, der sich bezüglich Wertvorstellungen und Denkhaltungen seit einigen Jahrzehnten kontinuierlich 317

Work-Life-Balance vollzieht, ist ein Umdenken auch auf Arbeitgeber-Seite unerlässlich. Den wohl bedeutsamsten Prozess stellt in diesem Zusammenhang die sich beständig verstärkende Zunahme der Erwerbstätigkeit von Frauen dar, deren Optionen der Lebensgestaltung – zumindest theoretisch – nicht mehr länger eingeschränkt sind. Noch immer sind Frauen stärker als Männer damit konfrontiert, eine Work-Life-Balance zu realisieren, so dass insbesondere für sie die Erarbeitung tragfähiger Lösungen im Unternehmen unerlässlich ist. Hierauf wird in einem nachfolgenden Abschnitt noch einzugehen sein. Durch obige Entwicklung gerät auch die traditionelle Rollenverteilung immer stärker ins Wanken, so dass sich auch männliche Arbeitnehmer zunehmend mit dem Thema Work-Life-Balance auseinander setzen. Denn in modernen Partnerschaften, in denen die Berufstätigkeit der Frau einen gleichberechtigten Stellenwert einnimmt und somit auch häusliche und familiäre Verpflichtungen gleichmäßig aufgeteilt werden müssen, sind Männer zunehmend dem Zwang einer Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben unterworfen. „Die jungen Karrieristen entdecken die Lust am ganzen Leben. Sie leben nicht mehr vom Job und für die Karriere allein.“3 Bereits seit den siebziger Jahren ist in den westlichen Industrienationen ein Trend weg von der Leistungsgesellschaft zu erkennen, der immer deutlichere Ausmaße annimmt. Die High Potentials von morgen sehen keineswegs einen Widerspruch in Lebensgenuss und Arbeitsleistung. Das Anspruchsdenken hat sich dahingehend gewandelt, dass Arbeitnehmer beides realisieren möchten und somit auch die Arbeitgeber gefordert sind, praxisnahe Lösungen anbieten zu können. Laut einer Umfrage ging es 53% der 14- bis 34jährigen Befragten in erster Linie darum, eigene berufliche Ziele verwirklichen und sich mehr Freiräume, auch für ihre persönliche Work-Life-

3

Opaschowski, H. (2003), S. 1.

318

Work-Life-Balance Balance schaffen zu können.4 Zu Opfern, die das Familienleben ernsthaft beeinträchtigen, sind auch die meisten Führungskräfte nicht mehr bereit.5 Doch auch durch äußere Zwänge wird die Work-Life-Balance zu einem immer bedeutsameren Aspekt. Die stetig ansteigende Zahl Alleinerziehender und geschiedener Elternpaare, aber auch die immense finanzielle Belastung für die Schaffung von Wohneigentum sowie für die Vorsorge für den Renten- und Krankheitsfall lassen vielen Arbeitnehmern schlichtweg nicht mehr die Wahl, sich ausschließlich auf Familie oder Beruf zu konzentrieren. So erstreckt sich die Vereinbarkeitsproblematik bei Paaren häufig auf zwei unterschiedliche berufliche Herausforderungen und Zwänge. Dieser Pluralisierung der Lebenseinstellungen und -formen, die immer stärker voran schreitet, muss nicht nur der Staat, sondern auch jedes einzelne Unternehmen in angemessener Weise Rechnung tragen, was eine hohe Flexibilität in Bezug auf die angebotenen Lösungen erfordert. Ein weiterer Faktor, der den Stellenwert dieser Thematik in einer Gesellschaft ebenfalls stark beeinflusst, ist die allgemeine wirtschaftliche und politische Situation eines Landes. So finden sich in den ehemaligen Ostblock-Staaten noch kaum Ansätze zur Work-Life-Balance, da hier die extrem hohe Arbeitslosigkeit und der Aufbau der Wirtschaft bislang noch als vorrangig behandelt werden. In den sogenannten ‚Wohlfahrtsstaaten’ zu denen auch Deutschland zählt, befindet sich die Arbeitswelt in einem Umbruch. Das ‚Normalarbeitsverhältnis’ mit starren Arbeitszeiten und orten wird bald der Vergangenheit angehören, da es in einer Zeit der hohen Veränderungsgeschwindigkeit und Flexibilität in einer immer stärker wissensorientierten Wirtschaft nicht mehr zeitgemäß ist. Dies lässt WorkLife-Balance-Strategien für Unternehmen unerlässlich werden. 4 5

Vgl.: Opaschowski, H. (2003), S. 1. Vgl.: Uni Tuebingen (16.10.03, 11:18 Uhr), S. 1

319

Work-Life-Balance

Eine internationalen Studie der Kienbaum Management Consultants weist insbesondere darauf hin, dass Top-Manager häufig mehr als 50 Stunden pro Woche arbeiten und in der Folge gesundheitlich mit erheblichen Problemen belastet sind. Hier ist Handlungsbedarf gegeben, um langfristig die Wettbewerbsfähigkeit auch unter dem Aspekt der Leistungsfähigkeit der Verantwortungsträger aufrecht zu erhalten.6 Jeder Arbeitnehmer entscheidet individuell, auf Basis persönlicher Erfahrungen, finanzieller Zwänge oder partnerschaftlicher Vereinbarungen, in welcher Form er Privatleben und Arbeit in Balance bringen möchte. Diese unterschiedlichen Wege gehen zu können, muss Mitarbeitern jeder Hierarchieebene, sowohl Männern als auch Frauen, alten wie jungen Arbeitnehmern offen stehen.

6

Vgl.: Hunziger, A. (2003), S. 52 – S. 55.

320

Work-Life-Balance

1.3

Vereinbarkeit von Beruf und Familie als primärer Fokus

Auch wenn die Spannbreite des Work-Life-Balance-Begriffes sehr breit ist, nimmt zweifellos die Vereinbarkeit der beruflichen Pflichten mit den Anforderungen des Familienlebens den bedeutsamsten Bereich in diesem Themenfeld ein und soll auch in den Mittelpunkt der nachfolgenden Betrachtung gestellt werden. Hierbei geht es nicht ausschließlich darum, Familie und bestehendes Arbeitsverhältnis in zeitlichen Einklang zu bringen, sondern auch um die Akzeptanz sogenannter Biografiebrüche7, die noch immer häufig ein Einstellungshindernis, insbesondere für Frauen, darstellen. Vor dem Hintergrund sinkender Geburtenraten wird deutlich, dass die bisherige politische Landschaft, das Sozialversicherungs- und Rentensystem und die gesetzlichen Regelungen zu flexiblen Arbeitszeiten und formen in vielen Fällen zu einem Verschieben und letztendlich zu einer Negierung der Kinderfrage seitens vieler Paare führen. Initiativen für Ganztagsschulen, das Teilzeit- und Befristungsgesetz und ergänzende Bestimmungen zu Rentenanwartschaftzeiten für Erziehende gehen zweifellos in die richtige Richtung. Sie sind jedoch bei weitem nicht ausreichend, die Problematik der Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu entschärfen und damit für eine kinderfreundlichere Gesellschaft zu werben. Das schwedische Modell, in dem 80% des Entgeltausfalls während der Elternzeit vom Staat getragen werden,8 scheint in Deutschland beispielsweise kaum realisierbar.

7

Vgl.: BMFSFJ (2000), S. 21-22. Unter Biografiebrüchen sind Zeiten zu verstehen, in denen sich Voll- und Teilzeit-Beschäftigung ebenso abwechseln können wie Perioden ausschließlicher Erwerbs- und Familienarbeit. 8 Vgl.: VDI nachrichten (2003).

321

Work-Life-Balance Doch nicht nur auf Staatsseite, sondern auch und insbesondere in der privaten Wirtschaft ist eine Neuausrichtung erforderlich, die den unterschiedlichen Lebensmodellen von Männern und Frauen Rechnung trägt. Familiengründung darf nicht länger als Störfaktor für die betrieblichen Abläufe betrachtet werden, und es gilt, tradierte Geschlechterrollen aufzubrechen und neu zu überdenken. Somit sind es drei große Gruppen, die von der Verbesserung der Balance von Beruf und Familie betroffen und zugleich verantwortlich sind für deren Realisierung:9 •

Die Arbeitnehmer: Sie profitieren zum einen durch die Entlastung im täglichen Alltag, zum anderen durch die Ermöglichung einer kontinuierlichen Erwerbsbiografie bzw. einer erhöhten Akzeptanz von ‚Biografiebrüchen’ und somit verbesserten beruflichen Perspektiven. Im Gegenzug sind ihr Engagement und ihre Bereitschaft zur Flexibilität ebenso gefordert wie auf Seiten der Arbeitgeber, um theoretische Handlungskonzepte zu für beide Seiten gewinnbringenden Lösungen zu entwickeln.



Der Staat: Durch eine aktive Unterstützung der Work-Life-Balance kommt er seiner sozialen Verpflichtung nach. Daneben kann er durch eine erhöhte Erwerbstätigkeit von Müttern und insbesondere Alleinerziehenden die Summe der Steuereinnahmen und Sozialbeiträge erhöhen und seine Ausgaben für Sozialhilfe senken.



Die Arbeitgeber: Wenn sie zu einem Aufbrechen traditioneller Denk- und Handlungsmuster bereit sind und sich für die Belange ihrer Arbeitnehmer einsetzen, werden sie Wettbewerbsvorteile sowohl auf dem Arbeitsmarkt als

9

Vgl.: BMFSFJ (20.10.03, 09:11 Uhr), S. 7; BMFSFJ (20.10.03, 09:15 Uhr), S. 3.

322

Work-Life-Balance auch im Kerngeschäft, sowie erhebliche Kosteneinsparungen realisieren können. Insbesondere bei den ersten Gruppen sollen in diesem Beitrag näher beleuchtet werden, da sich erst langsam das Bewusstsein durchsetzt, dass die Realisierung einer Work-Life-Balance in handlungsorientierten und praxisnahen Konzepten eine ‚Win-Win-Situation’ für Arbeitnehmer und Arbeitgeber darstellt.

323

Work-Life-Balance

2

Die Work-Life-Balance aus Mitarbeitersicht

2.1 Besondere Relevanz der Thematik für Frauen Trotz zahlreicher staatlicher Initiativen10 und einer verhaltenen Zunahme der Familienorientierung von Männern11 sind von der sogenannten ‚doppelten Lebensführung’, d.h. der Vereinbarung von Familie und Beruf, nach wie vor in überwiegendem Maße Frauen betroffen. Ebenso gut qualifiziert und leistungsstark wie ihre männlichen Kollegen sind sie in der Regel nicht bereit, ihre Berufstätigkeit aufgrund eines Kinderwunsches völlig zu beenden oder aber qualitativ minderwertige Positionen zu bekleiden. Somit geraten sie unweigerlich in einen Entscheidungskonflikt, dessen Ursache zum einen in dem unzureichenden Angebot an Kinderbetreuungseinrichtungen zu suchen ist, zum anderen jedoch auch in der noch immer äußerst geringen Beteiligung von Vätern an der Familienarbeit. Nur jeder fünfzigste Mann nimmt derzeit in Deutschland das Angebot der Elternzeit in Anspruch.12 Die Ursachen hierfür sind vielfältig und werden in späteren Abschnitten noch näher zu erläutern sein. Eine entscheidende Rolle spielt jedoch nach wie vor das durchweg niedrigere Einkommensniveau von Frauen bei gleicher Qualifikation.

10

Zu nennen ist hier insbesondere die Kampagne „Mehr Spielraum für Väter“, die 2001 durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ins Leben gerufen wurde. 11 Vgl.: Pme, Familien Service GmbH (17.10.03, 14:39 Uhr), S. 2. 12 Vgl.: BMFSFJ (2002), S. 19.

324

Work-Life-Balance Bei Männern, von denen unabhängig von Zahl und Alter ihrer Kinder und der beruflichen Situation ihrer Frau etwa 80 bis 90 Prozent einer Erwerbstätigkeit nachgehen13, zeigt sich mit eintretender Vaterschaft des Weiteren in keiner Weise eine Tendenz, die Arbeitszeit zu reduzieren. Im Gegenteil steigt die wöchentliche Arbeitszeit sogar mit zunehmender Kinderzahl an.

Zahl der Kinder im Haushalt

Diesen Zusammenhang stellt die folgende Grafik dar:

2 und mehr Kinder

1 Kind

kein Kind

0%

20%

40%

60%

80%

100%

Prozent Nichterwerbsperson erwerbslos erwerbstätig, unter 36 Stunden erwerbstätig, 36 und mehr Stunden

Abbildung 1: Erwerbsstatus 15- bis 64-jähriger Männer nach Zahl der Kinder im Haushalt, 2000 (In Anlehnung an Engstler, H.; Menning, S. (2003), S. 114)

13

Vgl.: Engstler, H. / Menning, S. (2003), S. 113.

325

Work-Life-Balance Für Frauen hingegen bedeutet Mutterschaft eine drastische Veränderung in Bezug auf ihren beruflichen Werdegang. Insbesondere bei Müttern mit Kindern unter drei Jahren zeigt die Quote der aktiv Erwerbstätigen14 im Jahr 2000 mit 30,5% im Vergleich zu 83,0% aktiv Erwerbstätiger unter den 25- bis 44-jährigen Frauen ohne Kinder15 deutlich, wie stark hier eine Einschränkung der Berufstätigkeit statt findet. Dass hier insbesondere das Betreuungsangebot eine Rolle spielt, verdeutlichen folgende Zahlen: Im Jahr 1998 standen in Ostdeutschland für 36% der Kinder dieser Altersgruppe, in Westdeutschland nur für 3% der Kleinkinder Krippenplätze zur Verfügung, wohingegen der Deckungsgrad an Kindergartenplätzen deutschlandweit bei über 100% lag.16 Dies spiegelt sich in dem deutlich höheren Anteil aktiv erwerbstätiger Mütter von Kindern zwischen 3 und 5 Jahren (55,4%) und zwischen 6 und 14 Jahren (69,1%).17 Doch nicht nur der Grad der Beteiligung, sondern auch der zeitliche Umfang der Erwerbstätigkeit steht bei Frauen in engem Zusammenhang mit Zahl und Alter ihrer Kinder:

14

Während viele Statistiken auch zur Elternzeit beurlaubte Mütter zu den Erwerbstätigen zählen, stellt die Quote der aktiv Erwerbstätigen die Zahl derjenigen Frauen dar, die tatsächlich eine Beschäftigung ausüben. Vgl.: Engstler, H. / Menning, S. (2003), S. 105. 15 Vgl.: Engstler, H. / Menning, S. (2003), S. 107. 16 Vgl.: ebenda, S. 120. 17 Vgl.: ebenda, S. 107.

326

Work-Life-Balance

Alter der Kinder in Jahren

6 bis 14

3 bis 5

unter 3

0

20

40

Prozent

60

80

Aktiv Erw erbstätige Vollzeit Erw erbstätige

Abbildung 2: Erwerbsmuster der 15- bis 64-jährigen Frauen mit Kindern nach Alter des jüngsten Kindes, 2000 (In Anlehnung an Engstler, H.; Menning, S. (2003),S. 107 – 110) Nicht zuletzt durch das ebenfalls unzureichende Angebot an Ganztagskindergärten und Hortplätzen sehen sich viele Frauen entgegen ihren eigenen Wünschen gezwungen, von einer Vollzeitbeschäftigung abzusehen, um Beruf und Familie vereinbaren zu können. Da Teilzeitbeschäftigung jedoch häufig nicht statusneutral erfolgt, wie noch auszuführen sein wird, und auch ein temporärer Ausstieg aus dem Berufsleben meist einen spürbaren Karriere-Rückschritt bedeutet, entscheiden sich insbesondere Frauen mit höheren Bildungsabschlüssen immer häufiger gegen Kinder. So lag im Jahr 2000 die Quote der 35- bis 39-jährigen Akademikerinnen ohne

327

Work-Life-Balance Kinder im alten Bundesgebiet bereits bei 41 - 44%.18 Dass dies nicht vorteilhaft für den Generationenvertrag sein kann, liegt auf der Hand.

2.2 Wünsche von Mitarbeitenden Die Erwartungen von Mitarbeitern an ihr Unternehmen in Bezug auf eine Work-Life-Balance lassen sich wie folgt zusammen fassen: •

Freiräume zur individuellen Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Karriere Kontakt- und Kompetenzerhalt während der Elternzeit Qualifizierte Wiedereinstiegsmöglichkeiten und Anerkennung von ‚Familienkompetenzen’19 Qualifizierte Tätigkeiten in flexiblen Arbeitszeit-, Arbeitsort- und Arbeitsorganisationsmodellen Entwicklungsperspektiven unabhängig vom jeweiligen Arbeitsmodell Lebensphasengerechtes Arbeiten, z. B. über Lebensarbeitszeitkonten, flexible Teilzeitmodelle etc. Familienfreundlichere Arbeitsorganisation, z.B. Sitzungen nicht am späten Nachmittag terminieren Höhere Akzeptanz familiärer Verpflichtungen auch bei Männern: Eine Umfrage unter männlichen Führungskräften ergab, dass diese tendenziell mit negativen beruflichen Folgen rechnen, wenn sie zu ihren familiären Verpflichtungen stehen.20

• • • • • • •

18 19 20

Vgl.: Engstler, H. / Menning, S. (2003), S. 75. Dieser Begriff wird im nachfolgenden Abschnitt näher erläutert. Vgl.: Uni Tuebingen (16.10.03, 11:18 Uhr), S. 2. In einer Befragung gaben männliche Führungskräfte an, lieber unter einem ‚akzeptablen’ Vorwand frühzeitig ihren Arbeitsplatz zu verlassen anstatt offen zu bekennen, dass sie ihr Kind aus der Tagesstätte abholen mussten. Sie befürchteten, bei ihren Kollegen und Vorgesetzten dadurch als weniger leistungs- und Karriereorientiert zu gelten.

328

Work-Life-Balance

3

Die Work-Life-Balance aus Unternehmenssicht

Im Zeitalter der Globalisierung und des zunehmenden Wettbewerbsdrucks müssen sich Unternehmen mehr denn je anpassungsfähig an wirtschaftliche und gesellschaftliche Veränderungen zeigen. Der demografische Wandel lässt qualifizierte Arbeitskräfte immer knapper werden und verändert die Struktur der Erwerbspersonen, so werden im Jahr 2015 nur noch 19% der akademisch gebildeten und 31% der beruflich gebildeten Arbeitskräfte in Deutschland unter 35 Jahre sein. Der Bedarf an höheren Qualifikationen der Arbeitnehmer hingegen wird aufgrund des Wandels zur Wissensgesellschaft zunehmen wird.21 Die Akzeptanz und Integration des im vorangegangenen Kapitel dargestellten Werte- und Normenwandels in den Reihen der Mitarbeitenden wird somit zu einem Wettbewerbsmerkmal für Unternehmen im Werben um adäquate Arbeitskräfte. Insbesondere die zunehmende Erwerbstätigkeit hoch qualifizierter Frauen, die sich noch stärker als Männer eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie wünschen, erfordert individuelle und zielgruppenorientierte Lösungen im Bezug auf Arbeitszeit und Arbeitsort, aber auch auf Personalentwicklung und Förderung der Eigenverantwortung der Arbeitnehmer.

3.1 Ängste und Missverständnisse – Die heutige Praxis im Unternehmen Die betriebliche Realität sieht heute in vielen Fällen anders aus. Noch hat sich offenbar nicht die Überzeugung durchgesetzt, „dass es lohnenswert ist, qualifizierten Mitarbeitern, ganz gleich ob männlich oder weiblich,

21

Vgl.: Pme, Familien Service GmbH (17.10.03, 14:39 Uhr), S. 1.

329

Work-Life-Balance Anreize zu bieten, trotz familiärer Pflichten dem Unternehmen weiter erhalten zu bleiben“.22 Die Ermöglichung einer Work-Life-Balance für die Arbeitnehmer wird in den meisten Unternehmen mit negativen Assoziationen wie einem erhöhten Finanz-, Planungs- und Organisationsaufwand, weniger kontrollierbaren Mitarbeitern und einer nicht ausschließlichen Konzentration auf den Beruf verbunden. So gaben in einer Umfrage der Gemeinnützigen HertieStiftung im Jahr 2003 die befragten Unternehmen als Hemmnisse zur Umsetzung familienbewusster Unternehmenspolitik insbesondere fehlende Geldmittel, die konjunkturelle Krise und mangelnde Zeit an.23 Diese Argumentation greift umso gravierender in einer Zeit, in der sich zahlreiche Unternehmen gezwungen sehen, Arbeitskräfte freizusetzen und Personalent-wicklungsmaßnahmen aus Kostengründen vorübergehend einzustellen.24 Ein Indiz dafür, dass insbesondere der Kostenfaktor häufig überbewertet wird ist die Tatsache, dass vor allem kleine und mittlere Unternehmen sehr viel häufiger bereit sind, familienfreundliche Maßnahmen zu ergreifen als Großunternehmen. Denn gerade sie erkennen in aller Deutlichkeit den Verlust, der ihnen durch den Ausstieg qualifizierter Mitarbeiter entsteht. Hier sind insbesondere die Amortisation für Aus- und Weiterbildungskosten und die Problematik, bei einer relativ kleinen Belegschaft in Elternzeit befindliche Beschäftigte in der Personalplanung zu berücksichtigen, zu nennen. Die Vermutung liegt nahe, dass die Meinungsbildung und insbesondere die Aufrechterhaltung von Vorurteilen in vielen Unternehmen von einer unzureichenden Informationspolitik herrühren, denn: „Bereits während der Befragung zeigten sich viele erstaunt darüber, was es für Möglichkei22 23 24

Schmidt, S. (2003), S. 138. Vgl.: Beruf & Familie gGmbH (07.10.03, 10:35 Uhr), S. 28. Vgl.: Pme, Familien Service GmbH (17.10.03, 14:39 Uhr), S. 2.

330

Work-Life-Balance ten in diesem Bereich gibt“.25 In der Folge wird das breite Spektrum familienfreundlicher Maßnahmen in der betrieblichen Praxis keineswegs ausgeschöpft, die angebotenen Lösungen beschränken sich meist auf Arbeitszeitflexiblisierung und Arbeitsorganisation, während beispielsweise ein auch von Staatsseite noch unzureichend gelöster Problembereich, die Betreuung von Kindern in bestimmten Altersgruppen,26 in den Überlegungen nur in wenigen Fällen (nur 35% der befragten Unternehmen sehen entsprechende Maßnahmen vor) eine Rolle spielt.27 Häufig führen die genannten Vorurteile, verbunden mit einer unzureichenden Informationspolitik, bei Arbeitgebern bereits zu einer eingeschränkten Sichtweise, die sich primär auf kostenintensive Angebote wie eine betriebseigene Kinderbetreuungseinrichtung konzentriert. Vielen Arbeitnehmern wäre beispielsweise bereits damit geholfen, Arbeit mit nach Hause nehmen zu können, um Betreuungsengpässe aufzufangen – für das Unternehmen eine praktisch kostenfreie Maßnahme. Ein weiteres Problemfeld derzeitiger Personalpolitik, die auf eine WorkLife-Balance abzielt, ist die primäre Ausrichtung der Angebote zu familienfreundlichen Arbeitsmodellen auf weibliche Mitarbeiter, sowie die Zuordnung von Programmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie zur Kategorie ‚Frauenförderung’. Hierdurch wird die Zementierung der klassischen Geschlechterrollen weiter voran getrieben, die Inanspruchnahme der Elternzeit durch Väter bleibt eine Ausnahme, fast ein Tabu. Für Frauen bedeutet ein temporärer Ausstieg aus dem Berufsleben zweifellos einen Karriereknick, für Männer kann er jedoch weitaus gravierendere Folgen haben, da sie vielfach noch auf Personalverantwortliche stoßen, die ihr familiäres Engagement negativ bewerten. Solange hier kein Umdenken statt findet, werden Frauen weiterhin die Hauptverantwortung und auch 25 26

Vgl.: Beruf & Familie gGmbH (07.10.03, 10:35 Uhr), S. 29. Insbesondere die Betreuung von Kindern unter drei Jahren und schulpflichtigen Kindern unter 14 Jahren wird als kritisch eingestuft, da hier ausreichende Betreuungseinrichtungen fehlen. 27 Vgl.: Beruf & Familie gGmbH (06.10.2003, 13:45 Uhr), S. 1.

331

Work-Life-Balance belastung für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie tragen. Auf weitere Faktoren, die diese Aufgabenteilung weiter begünstigen, wie das noch immer geringere Einkommensniveau von Frauen in vergleichbaren Tätigkeiten, soll hier nicht näher eingegangen werden. Eine Zahl spricht hier jedoch für sich: 75% der Väter könnten sich laut einer aktuellen Umfrage vorstellen, Elternzeit in Anspruch zu nehmen, wenn das Familieneinkommen dann noch gesichert wäre und sie mit Akzeptanz rechnen könnten.28 In den Denk- und Handlungsstrukturen der meisten Unternehmen bleiben die zahlreichen Vorteile einer funktionierenden Work-Life-Balance weitgehend unberücksichtigt. Diese sollen im nachfolgenden Abschnitt dargestellt werden.

3.2 Vom Störfaktor im betrieblichen Ablauf zum Wettbewerbsvorteil Den Werte- und Normenwandel in der Gesellschaft zielgerichtet in die Unternehmens- und Personalpolitik zu integrieren und so den individuellen Bedürfnissen der Mitarbeiter Rechnung zu tragen, konfrontiert Unternehmen zweifellos mit einer nicht zu unterschätzenden Komplexität. Sie sehen sich einer Herausforderung gegenüber – gleichzeitig jedoch auch einer Fülle an Chancen auf dem Weg zu einem zukunftsorientierten und wettbewerbsfähigen Arbeitgeber und Marktteilnehmer.

28

Vgl.: Allgemeine Zeitung (2003), S. 2.

332

Work-Life-Balance

3.2.1 Vorteile einer ausgewogenen Balance von Beruf und Privatleben Nun stellt sich allerdings die Frage, was Unternehmen dazu motiviert, sich im Themenbereich Work-Life-Balance zu engagieren, insbesondere vor dem Hintergrund der bereits angesprochenen Zweifel und Vorurteile. Aus empirischen Studien, Fallbeispielen und Interviews lassen sich folgende Beweggründe besonders hervorheben: Personalgewinnung Wie bereits im vorherigen Kapitel ausgeführt, nennen High Potentials immer häufiger die Realisierung einer Work-Life-Balance als entscheidendes Kriterium bei der Wahl ihres zukünftigen Arbeitgebers. Abnehmende Absolventenzahlen und der daraus resultierende ‚War for Talents’ lassen somit keine andere Wahl als die Lebensmodelle der begehrten Potenzialträger zu respektieren und ihre Umsetzung möglich zu machen. Ebenso wenig wird es in Zukunft ökonomisch und demografisch vertretbar sein, das Potenzial hoch qualifizierter Frauen auf dem Arbeitsmarkt länger dahingehend zu selektieren, dass familiäre Verpflichtungen und Ambitionen oder aber sogenannte ‚Biografiebrüche’ aufgrund von Kinderbetreuungszeiten als Hemmnis bei einer Einstellung betrachtet werden. Erhalt von Personal Aus dem gleichen Grund ist selbstverständlich nicht nur die Gewinnung, sondern auch der Erhalt von qualifiziertem Personal eine der primären Zielsetzungen wettbewerbsorientierter Unternehmen. „Angestellte treffen ihre Entscheidung, den Arbeitgeber zu wechseln, häufig nicht auf Grund des Gehalts, sondern auf Grund von Arbeitsplatzfaktoren, die ihr Leben leichter machen...“29 Hier kommt auch ein nicht unerheblicher Kostenfaktor zum Tragen, der sich insbesondere auf die Amortisation von Aus- und 29

Pme, Familien Service GmbH (17.10.03, 14:46 Uhr), S. 1.

333

Work-Life-Balance Weiterbildungsaufwendungen sowie die Einsparung von Rekrutierungsund Einarbeitungskosten bezieht. So wird es für ein Unternehmen zunehmend unrentabel, qualifizierte Mitarbeiter - Frauen wie Männer - und damit auch betriebsspezifisches Know-how aufgrund einer Familienpolitik, die wenig flexibel ist und Teilzeitbeschäftigte mit verminderten Anforderungs- und Entwicklungsperspektiven konfrontiert, zu verlieren – sei es an ein anderes Unternehmen oder in die ‚innere Kündigung’. So zeigt sich der häufig als Hinderungsgrund angeführte Kostenaspekt im Umkehrschluss. Erhöhte Arbeitsproduktivität Ein weiterer Vorteil liegt klar auf der Hand. Mitarbeiter, denen die Möglichkeit geboten wird, ihren individuellen Bedürfnissen bezüglich der Vereinbarkeit von Beruf und Familie Rechnung zu tragen, weisen eine höhere Konzentrationsfähigkeit bezüglich ihrer Arbeit auf. Darüber hinaus stellen sie hohe Ansprüche an ihre eigene Organisationsfähigkeit und sind bestrebt, private Angelegenheiten in den ihnen gewährten Freiräumen zu erledigen. Hinzu kommt, dass auch bei leichteren Erkrankungen beispielsweise Telearbeiter durchaus einem Teil ihrer beruflichen Verpflichtungen nachkommen können. Das herkömmliche Konzept des ‚Normalarbeitsverhältnisses’, „bei dem Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unbefristet vollzeitbeschäftigt außer Haus arbeiten“30, presst also nicht nur den Mitarbeiter in ein sehr viel engeres Korsett. Es versperrt auch dem Unternehmen die Möglichkeit, flexibler auf Kunden- und Marktanforderungen reagieren und auf motivierte und konzentrierte Mitarbeiter zurück greifen zu können. In einer Umfrage im Rahmen einer Studie der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung aus dem Jahr 2003 gaben 59,4% der befragten Unternehmen an, die Motivation ihrer Beschäftigten sei durch entsprechende familienfreundliche Maßnahmen gestiegen.31 Dabei spielen tatsächliche Entlastungen, beispielsweise durch flexible Arbeitszeitregelungen, ebenso eine Rolle wie eine gesteigerte Loyalität dem Arbeitgeber gegenüber.32 30 31 32

Becker, S. (2000), S. 1. Vgl.: Beruf und Familie gGmbH (07.10.03, 10:35 Uhr), S. 24. Vgl.: Pme, Familien Service GmbH (17.10.03, 14:38 Uhr), S. 1.

334

Work-Life-Balance Eine Studie in den USA ergab, dass sowohl das Angebot von Kinderbetreuungsmaßnahmen als auch die Ermöglichung von flexiblen Arbeitsabläufen positiv mit höheren Loyalitätswerten der befragten Mitarbeiter korrelierten, interessanterweise sogar unter den Mitarbeitern, die die Kinderbetreuungsmaßnahmen nicht in Anspruch nahmen.33 Die Ursache ist sicherlich darin zu sehen, dass sich die Mitarbeiter in ihrer Persönlichkeit ganzheitlich akzeptiert und wertgeschätzt fühlen. Imageverbesserung Nicht nur den eigenen Mitarbeitern gegenüber, sondern auch in der Außenwirkung bei gesellschaftlichen Gruppen, Kunden und Lieferanten, wirkt sich eine Kultur, die die Work-Life-Balance fördert und unterstützt, positiv auf das Unternehmensimage aus.34 Im Rahmen der Hertie-Studie gaben 40% der befragten Unternehmen an, eine Imageverbesserung verzeichnen zu können.35 Kompetenzgewinn Neuere Studien heben zunehmend die sogenannten ‚Familienkompetenzen’ als an einem externen Lernort erworbene soziale und auch berufsbezogene Kompetenzen hervor.36 Insbesondere vor dem Hintergrund einer immer stärker werdenden Forderung nach flexiblen und eigenverantwortlichen Mitarbeitern in einer wissensbasierten Arbeitswelt ist es naheliegend, die im Zusammenspiel von beruflichen und familiären Pflichten gewonnenen Erfahrungen wie Organisationstalent, Führungsverantwortung und Kreativität auch für betriebliche Zwecke zu nutzen. Hier gilt es, bei Personalauswahlverfahren den Blick verstärkt auch auf außerbetriebliche Lernorte zu lenken, die aus den gängigen Bewerbungsunterlagen in der Regel nicht ersichtlich sind. ‚Biografiebrüche’ dürfen nicht automatisch als negatives Auswahlkriterium gelten, sondern müssen vielmehr als 33 34 35 36

Vgl.: Pme, Familien Service GmbH (17.10.03, 14:41 Uhr), S. 1. Vgl.: Pme, Familien Service GmbH (17.10.03, 14:38 Uhr), S. 1. Vgl.: Pme, Familien Service GmbH (17.10.03, 14:43 Uhr), S. 1. Vgl.: BMFSFJ (2000), S. 12-13.

335

Work-Life-Balance Chance begriffen werden, hier einen Mitarbeiter mit einem hohen Maß an sozialen Kompetenzen gewinnen zu können und diese Qualifikation in persönlichen Gesprächen abzuprüfen. Kosteneinsparpotenziale Die Einsicht in Kosten-Nutzen-Überlegung seitens der Arbeitgeber wird dadurch erschwert, dass zwar die Kosten exakt erfassbar sind, der Nutzen sich jedoch eher in der Theorie denn in tatsächlichen Zahlen sowie eher in den sogenannten ‚Soft Facts’ niederschlägt. Aus diesem Grund verfolgte eine Studie, die im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Jahr 2003 durchgeführt wurde, das Ziel, insbesondere in einer Zeit der konjunkturellen Krise und des Arbeitsplatzabbaus die betriebswirtschaftliche Rentabilität familienfreundlicher Maßnahmen zu untersuchen. Es zeigte sich dabei, dass mehr als 50% der durch eine unzureichende Vereinbarkeit von Beruf und Familie entstehenden Kosten vermeidbar sind.37 Einsparpotenziale ergaben sich insbesondere in folgenden Bereichen:38 •

Fluktuations- bzw. Wiederbeschaffungskosten, die durch Work-LifeBalance-Maßnahmen um bis zu 20% verringert werden können.



Wiedereingliederungskosten, die durch kürzere Auszeiten bzw. die Möglichkeit von Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit deutlich gesenkt werden können.



Überbrückungskosten während der Elternzeit, die durch oben genannte Maßnahmen ebenfalls erheblich reduziert werden können.

37

Vgl.: Pme, Familien Service GmbH (17.10.03, 14:39 Uhr), S. 3. Vgl.: Pme, Familien Service GmbH (17.10.03, 14:46 Uhr), S. 1; Pme, Familien Service GmbH (17.10.03, 14:39 Uhr), S. 3.

38

336

Work-Life-Balance •

Fehlzeiten durch Betreuungsaufwand oder stressbedingte Krankheiten, die durch eine ausgeglichenere Work-Life-Balance in deutlich geringerem Umfang auftreten.

3.2.2

Themenfelder und Ansatzpunkte

Was können Unternehmen aber konkret tun, um Ihren Mitarbeitern Gestaltungsräume für eine individuelle Work-Life-Balance zu eröffnen und gleichzeitig ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen? Es sei vorangestellt, dass die Bandbreite der möglichen Maßnahmen schier unerschöpflich ist, dass Ansätze in diesem Bereich allerdings nur dann erfolgreich und nachhaltig sein können, wenn sie auf die Gegebenheiten des jeweiligen Unternehmens ebenso abgestimmt sind wie auch auf die konkreten Bedarfe der Mitarbeitenden. Einzelmaßnahmen verfehlen ihre Wirkung und stoßen auf zu geringe Akzeptanz, wenn nicht ‚top down’ die Unternehmensführung ein klares Bekenntnis zu diesem Bestreben abgibt und dieses konsequent sowohl in die Unternehmensziele als auch in die Unternehmens- und Führungskultur integriert. Die nachfolgende Übersicht stellt Elemente eines ganzheitlichen Ansatzes dar, erhebt dabei jedoch keineswegs den Anspruch auf Vollständigkeit, da individuelle Gegebenheiten in hohem Maße Berücksichtigung finden müssen:

337

Work-Life-Balance

Unternehmens-und Führungskultur

Ausgestaltung der Elternzeit

Flexible Arbeitsorte

Unterstützung in Betreuungsfragen

Flexible Arbeitszeiten

...

Abbildung 3: Handlungsfelder im Unternehmen zur Realisierung eines ganzheitlichen Work-Life-Balance-Ansatzes Unternehmens- und Führungskultur Im Rahmen einer Studie in den USA gaben die befragten Mitarbeiter an, die wichtigste Voraussetzung bei der Nutzung von Angeboten im Bereich Work-Life-Balance sei für sie, nicht das Gefühl zu haben, von ihrem Unternehmen bzw. von ihren Vorgesetzten für Probleme bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf stigmatisiert oder bestraft zu werden.39 Um dies zu erreichen, sind im Themenfeld der Führungskultur insbesondere folgende Punkte zu beachten und in Zielvereinbarungen zu integrieren: 39

Vgl.: Pme, Familien Service GmbH (17.10.03, 14:41 Uhr), S. 1.

338

Work-Life-Balance •

Die Akzeptanz flexibler Lebens- und Arbeitsmodelle bei Einstellung, Kompetenzverteilung, Karrierechancen und Entgeltpolitik.



Offener Umgang mit Problemen im privaten Bereich, z.B. bei Erkrankung des Kindes oder des Lebenspartners.



Das Vorleben dieser Philosophie in Führungspositionen.

Den letzten Punkt untermauert folgendes Beispiel: Bei Apple Computer machte man zunächst die ernüchternde Erfahrung, dass Personalmaßnahmen zur Förderung des Vaterschaftsurlaubs auf keinerlei Resonanz stießen – bis einer der Top-Executives sich einen Monat frei nahm, um sich seinem neugeborenen Kind zu widmen. Sein Beispiel führte dazu, dass in den nächsten zwei Monaten zwei weitere Väter den Mut hatten, sich zu ihrer familiären Verpflichtung zu bekennen und sich ebenfalls für eine gewisse Zeit beurlauben zu lassen.40 Insbesondere die nachfolgend aufgeführten Ansätze bzgl. Flexibler Arbeitszeiten und –orte erfordern ein neues Führungsverständnis. Führung im Sinne einer Work-Life-Balance muss individueller und situationsabhängiger ausgestaltet sein, was insbesondere ein Abrücken von traditionellen Macht- und Kontrollansprüchen impliziert. Diesen Prozess gilt es von Unternehmensseite anzustoßen, in der Kultur zu verankern und konsequent zu begleiten. Die Praxis sieht leider in vielen Fällen noch anders aus: Die Studie der gemeinnützigen Hertie-Stiftung ergab in diesem Punkt, dass ein Viertel der befragten Unternehmen familienfreundliche Maßnahmen in keiner Weise mit dem Themenbereich Führung in Verbindung bringen.41

40 41

Vgl.: Pme, Familien Service GmbH (17.10.03, 14:49 Uhr), S. 2. Vgl.: Beruf & Familie gGmbH (07.10.2003, 10:36 Uhr), S. 7.

339

Work-Life-Balance Unterstützung in Betreuungsfragen Wie bereits dargelegt, stellt das unzureichende Angebot an öffentlichen Kinderbetreuungseinrichtungen, sowie deren häufig unflexible und nicht arbeitnehmerorientierte Öffnungszeiten ein Hindernis für die Erwerbstätigkeit insbesondere von Frauen dar. Die Unternehmen sind gefragt, in diesem Punkt ihren Mitarbeitern Unterstützung zu gewährleisten, nicht zuletzt deshalb, weil gerade dieser Umstand häufig die Entscheidung qualifizierter Arbeitnehmer für oder gegen einen bestimmten Arbeitsplatz beeinflusst. An diesem Beispiel lässt sich auch darlegen, dass Unternehmensinitiativen in diesem Bereich keineswegs unweigerlich mit unkalkulierbaren finanziellen Belastungen verbunden sind. So muss die Lösung des Betreuungsproblems keineswegs im zugegebenermaßen kostenintensiven Bau einer betriebseigenen Kindertagesstätte liegen. Vielmehr sind Modelle denkbar, in denen sich das Unternehmen auf überbetrieblicher Ebene am Unterhalt einer Tagesstätte beteiligt, die ihre Öffnungszeiten auf die Bedürfnisse der Arbeitnehmer abstimmt. Ebenso häufig setzen sich Arbeitgeber für die Vermittlung von Tagesmüttern oder Elterninitiativen ein42 oder gestalten die Arbeitsorganisation in Teams derart, dass die Mitarbeiter untereinander die Abläufe entsprechend ihrer individuellen Verpflichtungen gestalten und so auch ein ‚Notfallprogramm’ schaffen, das beispielsweise Erkrankungen der Kinder oder eine vorübergehende Schließung von Betreuungseinrichtungen auffangen kann. Es zeigt sich: Je stärker hier die Eigenverantwortung in die Hände der Mitarbeiter gelegt wird, desto motivierter und konsequenter werden diese selbst einen reibungslosen Ablauf gewährleisten.

42

Vgl.: Beruf & Familie gGmbH (06.10.2003, 13:45 Uhr), S. 1.

340

Work-Life-Balance Ausgestaltung der Elternzeit Zahlreiche Unternehmen bieten ihren Mitarbeitern eine Verlängerung der Elternzeit über den gesetzlich vorgesehen Rahmen hinaus an. Dies mag im Einzelfall durchaus sinnvoll sein, kann jedoch als isolierte Einzelmaßnahme mehr Schaden als Nutzen für den Arbeitnehmer bedeuten. Denn wenn ein solches Angebot nicht im Kontext weiterer Aktivitäten steht, wird ein verlängerter Ausstieg aus dem Berufsleben unweigerlich einen noch stärkeren Karrierebruch zur Folge haben. Vielmehr sind Lösungen anzustreben, die beispielsweise einen kontinuierlichen Kontakt des in Elternzeit befindlichen Mitarbeiters zum Unternehmen durch Teilnahme an Weiterbildungsveranstaltungen, Meetings und EMail-Konferenzen, aber auch durch eine Teilzeittätigkeit vorsehen. Denkbar sind auch Modelle, in denen Mitarbeitern nach der Familienphase ein schrittweiser Wiederaufbau der Arbeitszeit, verbunden mit einem Wiedereingliederungsprogramm, angeboten wird, um die Rückkehr in eine qualifizierte Tätigkeit zu ermöglichen. Flexible Arbeitszeiten Dem Bereich der flexiblen Arbeitszeitgestaltung ist besonderes Augenmerk zu schenken. Wie bereits angeführt, beschränken viele Unternehmen ihre Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie auf die Einführung flexibler Arbeitszeiten. Die hier bestehenden Unterschiede in der Begrifflichkeit der Arbeitszeitflexiblisierung sind jedoch immens. Noch immer konzentriert sich in vielen Unternehmen das Angebot an Teilzeitarbeitsplätzen primär auf niedrig qualifizierte, unterdurchschnittlich bezahlte Stellen. Teilzeit für Führungskräfte bleibt die Ausnahme und Teilzeitarbeit per se weiterhin eine Frauendomäne. Somit lässt sich sagen, dass diese Form der Flexibilität nicht immer statusneutral und häufig mit Nachteilen im Bezug auf die weitere berufliche Karriere und Entgeltfin-

341

Work-Life-Balance dung verbunden ist.43 Ein Umdenken seitens der Arbeitgeber ist hier unerlässlich. Nicht Vollzeitarbeit und die damit verbundene ständige Verfügbarkeit und Kontrolle darf als Leistungsindikator dienen, sondern einzig und alleine das Arbeitsergebnis, das auf eigenverantwortlichem Handeln der Mitarbeitenden aufbaut. Des Weiteren scheint für viele Arbeitgeber Flexibilität bereits durch eine eingeschränkte Anzahl an täglichen Arbeitsstunden gewährleistet zu sein. Modelle wie die 20-Stunden-Woche mit 4 Arbeitsstunden täglich von 8 12 Uhr sind noch immer die gängige Praxis in Unternehmen. Eine Möglichkeit zum Auffangen kurzfristiger Betreuungs-Engpässe oder aber auch von Arbeitsspitzen wird damit jedoch keineswegs automatisch geschaffen. Zu einem interessanten Ergebnis bezüglich der ‚empfundenen Arbeitszeit’ kam eine US-Studie. Danach sind Arbeitnehmer, denen eine ausgewogene Work-Life-Balance durch hohe Flexibilität ermöglicht wird, durchaus bereit, mehr Arbeitsstunden pro Woche zu erbringen als diejenigen, die an starre Arbeitszeiten gebunden sind. Im Beispiel ließen sich bei weiblichen Arbeitnehmern mit Kindern im Vorschulalter und einem Heimarbeitsplatz bei einer 43-Stunden-Woche keinerlei Engpässe oder Belastungen bezüglich der Vereinbarkeit feststellen, während Frauen, die nicht von zuhause arbeiten konnten, bereits bei einer 32-Stunden-Woche über Probleme klagten.44 Eine weitere Studie ergab eine um 30% höhere Produktivität von Mitarbeitern mit flexiblen Arbeitszeiten gegenüber solchen mit traditionellen Arbeitszeitarrangements.45 Es zeigt sich also, dass gerade bei finanziellen Engpässen und in Krisenzeiten dieses Mittel eine ideale Möglichkeit darstellt, ohne hohen Kostenaufwand Arbeitseffektivität und Produktivität zu steigern und auch Arbeitsschwankungen zu begegenen. 43 44 45

Vgl.: Schmidt, S. (2003), S. 140ff. Vgl.: Pme, Familien Service GmbH (17.10.03, 14:50 Uhr), S. 1. Vgl.: Pme, Familien Service GmbH (17.10.03, 14:51 Uhr), S. 1.

342

Work-Life-Balance

Flexible Arbeitsorte Im Bereich der Arbeitsortflexibilisierung ist insbesondere die Telearbeit mit ihren zahlreichen Variationsmöglichkeiten (z.B. alternierende Telearbeit, mobile Telearbeit, Teleheimarbeit) anzuführen. Der primäre Hinderungsgrund, der in Unternehmen die Verbreitung dieser Instrumente hemmt, ist noch immer insbesondere in dem Festhalten an betrieblichen Normen und Traditionen zu sehen. Viele Führungskräfte befürchten, die Kontrolle über die Arbeitsleistung ihrer Mitarbeiter zu verlieren, die Telearbeiter selbst wiederum glauben, einem besonderen Leistungsanspruch genügen und ihre Arbeit ständig rechtfertigen zu müssen. Dies gilt es durch gezielte Informationspolitik ebenso zu entkräften wie den Führungskräften ein neues Verständnis ihrer Aufgaben und Kompetenzen zu vermitteln ist – weg von Autorität und Kontrolle, hin zu konsequenter Aufgabendelegation und vertrauensvoller Zusammenarbeit. Bezüglich der Aufwendungen für Telearbeit ist zu sagen, dass diese durch die stetige Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologie in den vergangenen Jahren stark gesunken sind. Zudem stehen ihnen Kosteneinsparungen für teilbare Arbeitsplätze, sowie flexiblere Servicezeiten und eine erhöhte Motivation und Produktivität der Mitarbeiter gegenüber. Diese ergeben sich aus den gleichen Gründen, wie sie bereits für den Bereich der Arbeitszeitflexibilisierung genannt wurden. Hinzu kommt, dass Telearbeiter nachweislich weniger Krankheitstage aufweisen, da sie leichte Tätigkeiten zuhause trotz Erkrankung erledigen, die sie von einer Fahrt ins Büro abhalten würden.46 Ein weiterer Vorteil liegt darin, dass der Arbeitgeber mit Telearbeitsmodellen auch Mitarbeiter für sich gewinnen kann, für die die betreffende Tätigkeit aufgrund einer räumlichen Distanz zum Unternehmensstandort

46

Vgl.: Schmidt, S. (2003), S. 143ff.

343

Work-Life-Balance ansonsten unattraktiv gewesen wäre.47 So lässt sich auch eine größere Kundennähe durch Ansprechpartner vor Ort erreichen. Der bei Telearbeitern häufig anzutreffenden Tendenz zur Selbstüberschätzung und -ausbeutung, insbesondere auch bei Mitarbeitern mit Betreuungspflichten, muss jedoch von Unternehmensseite Rechnung getragen werden, indem verantwortungsvolle Personalpolitik hier frühzeitig entgegen steuert und die Problematik bewusst thematisiert.48 Sonstiges Die genannten Handlungsfelder stellen nur einen Ausschnitt aus dem breiten Spektrum notwendiger und sinnvoller Ansatzpunkte dar. So müssen auch Entgeltstrukturen und Weiterbildungsmaßnahmen dem neuen Mitarbeitertypus, der nicht länger das bislang vorherrschende Ideal des ‚Normalarbeitsverhältnisses’ lebt, mit entsprechender Akzeptanz und Neuausrichtung veralteter Konzeptionen begegnen. Nicht zuletzt aufgrund ihrer gesellschaftlichen Verpflichtung müssen Arbeitgeber verstärkt auch ihre männlichen Mitarbeiter dazu ermutigen, sich ihren familiären Verpflichtungen zu stellen und so die Chancengleichheit voran treiben.

3.2.3 Best-Practice

Die Literatur bietet zahllose Beispiele für Arbeitszeit- und -organisationsmodelle, die die Vereinbarkeit von Beruf und Familie in idealer Weise ermöglichen. Die Internet-Präsenz www.beruf-und-familie.de der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung zeigt auf, wie Unternehmen in einem ganzheitlichen Ansatz sowohl flexible Arbeitsabläufe als auch eine Integration 47 48

Vgl.: Fauth-Herkner, A. / Leist, A.(2002), S. 30. Vgl.: Schmidt, S. (2003), S. 145.

344

Work-Life-Balance der Work-Life-Balance in ihre Unternehmens-, Führungs- und Personalpolitik realisieren können. Des Weiteren werden zahlreiche Best-PracticeBeispiele aufgezeigt, die deutlich machen, dass eine Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie in vielen Unternehmen nicht an finanziellen oder organisatorischen Hindernissen scheitert, sondern vielmehr an der schlichten Bereitschaft, eingefahrene Strukturen zu überdenken und zu verändern. Ein Beispiel für ein Großunternehmen mit einer Vielfalt an flexiblen Arbeitszeitmodellen und einer vorbildlichen Unterstützung von Eltern in Betreuungsfragen stellt die Commerzbank dar:49 •

Beratungs- und Vermittlungsleistungen für Tagesmütter, Kindergartenplätze, Ferien- oder Hausaufgabenbetreuung über den Kooperationspartner ‚Familienservice’50



Möglichkeit, Kinder bei Krankheit über den gesetzlichen Rahmen hinaus zu betreuen



Zuschüsse zu Kinderbetreuungskosten in Einzelfällen



Kinderbetreuung in Ausnahme- und Notfällen über das Programm ‚Kids & Co.’

Kraft Foods bietet seit einiger Zeit insbesondere Managerinnen mit familiären Verpflichtungen die Möglichkeit, in Teilzeit ihrer verantwortungsvollen Tätigkeit nachzugehen. Das Beispiel einer dreifachen Mutter, die als Bereichsleiterin mit 30 Wochenstunden erfolgreich ihre Projekte abwickelt, sechs Mitarbeiter führt und dabei an ein bis zwei Tagen nachmittags 49 50

Vgl.: Commerzbank AG (17.10.03, 14:36 Uhr), S. 1. Der ‚Familienservice’ ist ein Dienstleistungsunternehmen, das mit mehr als 160 deutschen Unternehmen zusammen arbeitet, um Lösungen im Bereich Work-Life-Balance von der individuellen Unterstützung von Mitarbeitern im Privatbereich bis hin zu Konzepten für den betrieblichen Kontext zu entwickeln.

345

Work-Life-Balance für ihre Kinder da sein kann, zeigt, dass das Sprichwort ‚Wo ein Wille, da ein Weg’ durchaus seine Berechtigung hat.51 Nun ließe sich leicht anführen, dass einem Großunternehmen die Organisation und Finanzierung familienfreundlicher Maßnahmen leichter fallen müsse als einem kleinen oder mittelständischen Unternehmen. Das Beispiel eines bayerischen Fensterbauers zeigt, dass dem nicht so ist. Als Kleinbetrieb mit weniger als 50 Mitarbeitern auf jede Arbeitskraft angewiesen und auch finanziell nicht unbegrenzt belastbar, gewährt dieses Unternehmen seinen Mitarbeitern ein ganzheitliches Angebot zur Verwirklichung einer Work-Life-Balance. Hierzu gehört unter anderem ein Jahresarbeitszeitkonto, in dessen Rahmen die Lage der individuellen Arbeitszeit gemäß bestehender familiärer Verpflichtungen erbracht werden kann, wobei der Zeitausgleich innerhalb des Jahres möglich ist. Gleitzeitmodelle kommen ohne Kernzeit aus, was die Flexibilität weiter erhöht.52 Auch eine britische Studie zeigt, dass es insbesondere die ‚small and medium sized enterprises (SME)’ sind, die mit flexiblen Arbeitsarrangements und Verständnis für die Notwendigkeit einer Work-Life-Balance ein positives Betriebsklima schaffen und so sehr erfolgreich neue Mitarbeiter werben und aktive Mitarbeiter halten.53 Gerade in den kleinen und mittelständischen Unternehmen wird die Umsetzung familienfreundlicher Maßnahmen insbesondere durch die in der Regel flachen Hierarchien, dezentralen Strukturen und kurzen Entscheidungswege positiv beeinflusst.

51

Vgl.: Pme, Familien Service GmbH (17.10.03, 14:58 Uhr), S. 1. Vgl.: Beruf & Familie gGmbH (08.10.2003, 09:45 Uhr), S. 1. 53 Vgl.: Dti (07.10.03, 14:07 Uhr). . 52

346

Work-Life-Balance

4

Ausblick

Die Best-Practice-Beispiele im letzten Abschnitt haben eines sicherlich deutlich gemacht: Es gibt zahllose Möglichkeiten, eine Work-LifeBalance im Unternehmen zu realisieren, ganz gleich, in welcher Branche es tätig ist oder wie viele Mitarbeiter es hat. Dass dennoch noch immer vergleichsweise wenig getan wird, um Arbeitnehmern die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu erleichtern, hat demnach andere Ursachen. Mangelnde Kreativität, unzureichende Informationen, Festhalten an tradierten Rollenvorstellungen und Organisationsstrukturen sind hier sicherlich die häufigsten Gründe. Ebenso deutlich wurde jedoch auch, dass Unternehmen es sich im Zuge der demografischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen nicht mehr lange werden leisten können, die Augen vor der Notwendigkeit der Work-Life-Balance zu verschließen und sich intensiv mit den ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten auseinander setzen müssen, wenn sie dem kalten Wind, der ihnen im Wettbewerb um qualifizierte Mitarbeiter entgegen schlägt, etwas entgegen setzen wollen.

347

Literaturverzeichnis

LITERATURVERZEICHNIS Allgemeine Zeitung (2003): Jeder soll sein Lebensmodell wählen, Interview mit Bundesfamilienministerin Renate Schmidt, Mainz 05.04.2003. Becker, S. (2000): 10 Thesen zur Vereinbarkeit von Familie und Erwerbsarbeit in einer sich wandelnden Arbeitswelt, in: http://www.berufund-familie.de/projekte/unternehmen/ thesen.html, 06.10.2003, 13.40 Uhr. Beruf & Familie gGmbH (06.10.03, 13:45 Uhr): Projekte: Hertie-Studie, in: http://www.beruf-und-familie.de/projekte/unternehmen/hertie_ studie.html, 06.10.03, 13:45 Uhr. Beruf & Familie gGmbH (07.10.03, 10:35 Uhr): Strategien einer familienbewussten Unternehmenspolitik, in: http://www.beruf-undfamilie.de/projekte/unternehmen/download/handout _studie_gesamt.pdf, 07.10.03, 10:35 Uhr. Beruf & Familie gGmbH (08.10.2003, 09:45 Uhr): Familienorientierte Maßnahmen, Beispielhafte Unternehmen, Garant Fenster, Jahresarbeitszeit, in: http://www.beruf-und-familie.de/massnahme _anzeigen.php3?uid=70&ref=unternehmen&hf=&mid=5, 08.10.2003, 09:45 Uhr. BMFSFJ (20.10.03, 09:11 Uhr): Betriebswirtschaftliche Effekte familienfreundlicher Maßnahmen, in: http://www.bmfsfj.de/Anlage 24912/Broschuere-Betriebswirtschaftliche_Effekte_familien freundlicher_Massnahmen.pdf, 20.10.03, 09:11 Uhr.

348

Literaturverzeichnis

BMFSFJ (2000): Familienkompetenzen als Potenzial einer innovativen Personalentwicklung – Trends in Deutschland und Europa, Bonn 2000. BMFSFJ (10.03.04, 12:15 Uhr): Familienleben und Arbeitswelt – für eine neue Balance. in: http://www.bmfsfj.de/RedaktionBMFSFJ/ Broschuerenstelle/Pdf-Anlagen/PRM-24310-Flyer-Familienlebenund-Arbeit,property=pdf.pdf, 20.10.03, 09:15 Uhr. BMFSFJ (2002): „Familie und Mobilität in den Zeiten der Globalisierung.“ Dokumentation des Kongresses 25. und 26. Juni 2002 in Berlin, Berlin 2002. Commerzbank AG (17.10.03, 14:36 Uhr): Kinderbetreuung: In besten Händen, in: http://www.commerzbank.de/karriere/ chancengleich/familie/kinder/index. cfm?zielgruppe=berufserf, 17.10.03, 14:36 Uhr. Dti (07.10.03, 14:07 Uhr): Flexible Working, The Business case, in: http://164.36.164.20/work-lifebalance/pdfs/pdf_wlb1_4_03.pdf, 07.10.03, 14:07 Uhr. Engstler, H. / Menning, S. (2003): Die Familie im Spiegel der amtlichen Statistik. Lebensformen, Familienstrukturen, wirtschaftliche Situation der Familien und familiendemographische Entwicklung in Deutschland, Berlin 2003. Fauth-Herkner, A. / Leist, A.(2002): Flexibilität kann Bindung schaffen, in: PERSONALmagazin, 4. Jahrgang, Heft 6, 2002, S. 30-31. 349

Literaturverzeichnis

Hunziger, A. (2003): Mit Worklife-Balance wettbewerbsfähig bleiben, in: Personalwirtschaft, 30. Jahrgang, Heft 4, 2003, S. 52-55. Opaschowski, H. (2003): Kurzfassung des Vortrags von Univ-Prof. Dr. Horst W. Opaschowski, Universität Hamburg /BAT Freizeit – Forschungsinstitut, in: http://www.swb-futura.de/cms/upload/ opaschowski%20Kurzfassung%20vortrag.doc, 06.11.03, 14:58 Uhr. Pme, Familien Service GmbH (17.10.03, 14:37 Uhr): Europäischer Marktführer in Work-Life-Balance, der besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, in: http://www.familienservice.de/, 17.10.03, 14:37 Uhr. Pme, Familien Service GmbH (17.10.03, 14:38 Uhr): Work-Life-Balance und Diversity, in: http://www.familienservice.de/xi-372--1000206.html, 17.10.03, 14:38 Uhr. Pme, Familien Service GmbH (17.10.03, 14:39 Uhr): Betriebswirtschaftliche Effekte familienfreundliche Maßnahmen, in: http://www.familienservice.de/detail.php?artikelid=748&aktion =print&page=-1, 17.10.03, 14:39 Uhr.

350

Literaturverzeichnis Pme, Familien Service GmbH (17.10.03, 14:41 Uhr): Kinderbetreuungsmaßnahmen erhöhen die Mitarbeiter-Loyalität, in: http://www.familienservice.de/detail.php?artikelid=665& aktion=print&page=-1, 17.10.03, 14:41 Uhr. Pme, Familien Service GmbH (17.10.03, 14:43 Uhr): Familienbewusste Personalpolitik in deutschen Unternehmen, in: http://www.familien service.de/detail.php?artikelid=612&aktion=print&page=-1, 17.10.03, 14:43 Uhr. Pme, Familien Service GmbH (17.10.03, 14:46 Uhr): US-Studie:Fehltage können durch Work-Life-Maßnahmen verringert werden, in: http://www.familienservice.de/detail.php?artikelid=579&aktion=p rint&page=-1, 17.10.03, 14:46 Uhr. Pme, Familien Service GmbH (17.10.03, 14:49 Uhr): Väterfreundlichkeit als Business Imperative, in: http://www.familienservice.de/detail. php?artikelid=443&aktion=print&page=-1, 17.10.03, 14:49 Uhr. Pme, Familien Service GmbH (17.10.03, 14:50 Uhr): Ein Arbeitstag mehr pro Woche durch Arbeitsflexibilität, in: http://www.familien service.de/detail.php?artikelid=409&aktion=print&page=-1, 17.10.03, 14:50 Uhr. Pme, Familien Service GmbH (17.10.03, 14:51 Uhr): Die Strategie der Wahl in Krisenzeiten: Flexibilität, in: http://www.familienservice. de/detail.php?artikelid=414&aktion=print&page=-1, 17.10.03, 14:51 Uhr.

351

Literaturverzeichnis Pme, Familien Service GmbH (17.10.03, 14:58 Uhr): Kraft Foods: Teilzeit-Führungskraft – warum nicht? in: http://www.familien service.de/detail.php?artikelid=526&aktion=print&page=-1, 17.10.03, 14:58 Uhr. Schmidt, S. (2003): Gender Mainstreaming als Herausforderung für eine zukunftsorientierte Personalarbeit – Die Gleichstellung von Mann und Frau am Arbeitsplatz im europäischen Kontext, Wiesbaden 2003. Uni Tuebingen (16.10.03, 11:18 Uhr): Vereinbarkeit von Beruf und Familie bei männlichen Führungskräften, in: http://www.unituebingen.de/uni/dfs/berichte/Vereinbarkeit.pdf, 16.10.03, 11:18 Uhr. VDI nachrichten (2003): Tradierte Rollenbilder gelten weiter, Düsseldorf 21.02.2003.

352