Leibniz: Logik und Metaphysik 9783110841909, 9783110051605

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Leibniz: Logik und Metaphysik
 9783110841909, 9783110051605

Table of contents :
TEIL I: DIE LOGIK
Kapitel I: Die Prinzipienlehre
Kapitel II: Die Logik im engeren Sinne
Kapitel III: Die Kategorienlehre
Kapitel IV: Neue Wissenschaften
Kapitel V: Die Wissenschaftstheorie
Kapitel VI: Die Logik im Ganzen
Kapitel VII: Verum
Kapitel VIII: Bonum
Kapitel IX: Unum
Kapitel X: Ens qua ens
Kapitel XI: Ens perfectissimum
Kapitel XII: Die Metaphysik im Ganzen
Anhang: Die Bedeutung von Leibnizens analytischer Logik im acht¬zehnten Jahrhundert
Quellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Verzeichnis der zitierten Schriften und Briefe von Leibniz
Personenverzeichnis
Sachverzeichnis

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Gottfried Martin · Leibniz

Gottfried Martin

Leibniz Logik und Metaphysik

Zweite, durchgesehene und vermehrte Auflage

Walter de Gruyter & Co. vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung · J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung Georg Reimer · Karl J. Trübner · Veit & Comp.

Berlin 1967

Archiv-Nr. 36 51 671 © 1967 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung - J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung - Georg Reimer - Karl J. Trübner - Veit k Comp., Berlin 30, Gen t hiner Straße 13. Printed in Germany. Alle Rechte, insbesondere das der Obersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie, Xerokopie) zu vervielfältigen. Satz und Druck: Thormann Je Goetsch, Berlin 44.

Video plerosque, qui Mathematicis doctrinis delectantur, a Metaphysids abhorrere, quod in illis lucem, in his tenebrms animadvertant. De primae philosophiae emendatione, et de notione substantiae. Acta Eruditorum Lipsiensia 1694, p. 110.

Wer könnte eine vollkommene Darstellung der Philosophie von Leibniz geben? Dies hieße eine Aufgabe lösen, die Leibniz selbst nidit hat lösen können. So kann der Verfasser nur hoffen, daß diese Darstellung einige Leser finden möge, die sich an das Wort von Leibniz aus seinem Schreiben an Gabriel Wagner halten: „Ich an meinen orth, halte wenig von wiederlegen, viel aber vom darlegen, und wenn mir ein Neubuch vorkomt, sehe ich was ich darauß lernen können, und nicht was ich darin tadeln könne."

VORWORT ZUR ZWEITEN AUFLAGE Für die erfreulicherweise schon notwendig werdende zweite Auflage habe ich den Text als solchen erhalten. Er wurde lediglich sorgfältig auf Fehler und Inkorrektheiten nachgeprüft. Für die Angabe der Belegstellen wurden auch die inzwischen neu erschienenen Bände der Akademieausgabe herangezogen. Erwägungen über die Wirkung der analytischen Urteilstheorie im achtzehnten Jahrhundert habe ich in einem neu hinzugefügten Kapitel vorgetragen. Meinen Schülern, Herrn Dr. Albert Heinekamp und Herrn cand. philos. Dieter Turck darf ich herzlich danken. Ohne ihre sachkundige und unermüdliche Hilfe wären die vielfachen Verbesserungen dieser zweiten Auflage nicht möglich gewesen. Ischia, den 19. September 1966 Gottfried Martin

INHALTSVERZEICHNIS

TEIL I: DIE LOGIK Kapitel I: Die Prinzipienlehre § § § §

l 2 3 4

Die Logik von Leibniz ist verschieden beurteilt worden Das Prinzip des Widerspruchs Das Prinzip des zureichenden Grundes Möglichkeit und Notwendigkeit

3 6 11 19

Kapitel II: Die Logik im engeren Sinne § 5 Der Begriff § 6 Das Urteil § 7 Der Schluß

25 34 41

Kapitel III: Die Kategorienlehre § 8 Die Kategorientafel

47

Kapitel IV: Neue Wissenschaften § § § § § §

9 10 11 12 13 14

Scientia infiniti Analysis situs Scientia dynamica Scientia de relationibus Characteristica universalis Scientia generalis

50 53 56 61 63 68

Kapitel V: Die Wissenschaftstheorie § 15 Finite und infinite Systeme § 16 Die Axiomatisierbarkeit S 17 Die Widerspruchsfreiheit

73 76 83

Kapitel VI: Die Logik im Ganzen §18 Versuch einer Beurteilung der Logik von Leibniz

93

T E I L II: D I E M E T A P H Y S I K Kapitel VII: Verttm § 19 Die Objektivität der Wahrheit § 20 Die Wahrheit als Gedanke Gottes § 21 Einige Bedenken gegen diese Auffassung

107 111 114

Kapitel VIII: Bonum § 22 Bonum et malum metaphysicum, physicum, morale § 23 Die Welt als beste der möglichen Welten

120 122

Kapitel IX: Unum § 24 Die Weisen der Einheit § 25 Die Monade ist die eigentliche Einheit § 26 Die ontologischen Probleme der Einheit § 27 Ockhams Prinzip

128 131 133 138

·

Kapitel X: Ens qua ens § 28 Substantia: Die Monade ist das eigentliche Sein S 29 Qualitas § 30 Relatio § 31 Ens rationis, Ens mentale, Phaenomenon § 32 Der dichotomische Seinsentwurf der Zweiweltentheorie § 33 Ens fictitium § 34 Ens semimentale § 35 Phaenomenon bene fundatum § 36 Der kontinuierliche Seinsentwurf der Seinsstufen § 37 Numerus, Tempus, Spatium, Natura

142 150 161 170 177 180 183 186 188 192

Kapitel XI: Ens perfectissimum § 38 Die Existenz Gottes § 39 Die Attribute Gottes

196 200

Kapitel XII: Die Metaphysik im Ganzen § 40 Aufgabe und Methode der Metaphysik bei Leibniz § 41 Versuch einer Beurteilung der Metaphysik von Leibniz

203 206

Anbang: Die Bedeutung von Leihnizens analytischer Logik im achtzehnten Jahrhundert

211

Quellenverzeichnis Abkürzungsverzeichnis Verzeichnis der zitierten Schriften und Briefe von Leibniz Personenverzeichnis Sachverzeichnis

232 251 252 255 259

TEIL I: DIE LOGIK

KAPITEL I

DIE PRINZIPIENLEHRE $ l Die Logik von Leibniz ist verschieden beurteilt worden Janus, der doppelköpfige Gott, dessen eines Antlitz in die Vergangenheit schaut, dessen anderes Antlitz aber in die Zukunft sieht, war den Römern das Symbol der schicksalsträchtigen kriegerischen Entscheidungen. Man könnte ihn wohl auch als das Symbol der geistigen Entscheidungen sehen. Auch sie sehen ebensosehr in die Vergangenheit zurück, wie sie in die Zukunft voraussehen. Dies mag in besonderer Weise für die beiden Aufgaben gelten, die wir als die beiden entscheidenden für Leibniz herausstellen wollen, die Logik und die Metaphysik. Dabei kann man in einem ersten Umriß sagen, daß bei Leibniz die Metaphysik mehr den Zusammenhang mit der Vergangenheit, mit der philosophischen Tradition wahrt, während die Logik entscheidend in die Zukunft vorausblickt. Dies gilt in besonderer Weise, wenn man Logik und Mathematik als eine Einheit betrachtet, wie dies Leibniz tut. Aber dies sich auf die Vergangenheit und Zukunft erstreckende Doppelverhältnis kehrt auch innerhalb der beiden großen Aufgaben selbst wieder. Auch die als Einheit von Logik und Mathematik aufgefaßte Logik, der wir uns zunächst zuwenden, wahrt für Leibniz in der sorgfältigsten Weise den Zusammenhang mit der Tradition, aber gerade die Logik von Leibniz greift in genialer Weise in die Zukunft voraus. Die Logik von Leibniz ist seit langem der Gegenstand vieler und sorgfältiger Untersuchungen gewesen. Diese Darstellungen kommen allerdings in der Beurteilung zu einer großen Verschiedenheit. Die stärkste Diskrepanz findet sich wohl zwischen Heinrich Scholz und Bertrand Russell. Scholz hat in seinem vor der Kaiser-Wilhelm-Gesell-

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Kap. l: Die Prinzipienlehre

sdiaft am 21. 1. 1942 gehaltenen Vortrag: Leibniz und die mathematische Grundlagenforschung1, Leibniz als den Bannerträger einer unumstößlich sicheren Begründung der Logik und der Mathematik gefeiert. Russell hat seinem Buch den Titel gegeben: A critical exposition of the philosophy of Leibniz2. Erwägt man das Ergebnis dieses Buches, so möchte man meinen, Russell hätte ihm den Titel geben können: A critical exposition of the contradictions of the philosophy of Leibniz. Diesen Gegensatz trifft man oft, wenn man auch sagen kann, daß die positiven, die enthusiastischen Stimmen zahlreicher sind als die negativen, die skeptischen Stimmen. Nun hängen solche Urteile sowohl von systematischen als auch von historischen Erwägungen ab. Es kommt zunächst auf die systematische Frage an, ob der Urteilende eine absolut sichere und präzise Begründung der Logik an sich für möglich hält. Unter historischen Gesichtspunkten wäre zu fragen, was Leibniz für eine solche Begründung der Logik und der Mathematik geleistet hat, und es wäre weiter zu fragen, wie Leibniz selbst die Möglichkeiten einer solchen Begründung und seine eignen Leistungen dafür beurteilt hat. Was glaubte er, sei zu leisten möglich, und was glaubte er, selbst bereits geleistet zu haben? Die Stellungnahme von Scholz ist eindeutig, sie kann wohl kaum noch verschärft werden: „Eine L e i b n i z - Konstruktion einer solchen Metaphysik ist eine Konstruktion auf einer Genauigkeitsstufe, an die selbst die Mathematik nicht heranreicht. Diese Genauigkeitsstufe ist unerläßlich, wenn eine solche Metaphysik der Logik der deduktiven Spitzenwissenschaften das Fundament liefern soll, auf das sie sich fest verlassen kann. Dann muß diese Metaphysik so durchkonstruiert sein, daß sie selbst zum Objekt einer mathematischen Theorie gemacht werden kann. Dann aber muß sie zuvor auf eine Genauigkeitsstufe erhoben sein, die die Genauigkeitsstufe der Mathematik noch wesentlich übertrifft. Sie muß, kurz gesprochen, von einer metamathematischen Genauigkeit sein."3 Der Prophet einer solchen Grundlagenforschung ist Leibniz4. Leibniz hat sie gefordert, wenn auch nicht schon verwirklicht: „Der menschliche Geist auf der Genauigkeitsstufe, die L e i b n i z gefordert hat, ist nicht ein Phantom, sondern eine Gestalt dieses Geistes, die erkämpft werden kann; denn sie ist erkämpft worden, und was wirk-

§ l: Die Logik von Leibniz ist verschieden beurteilt worden

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lieh ist, muß auch möglich sein ... Man muß wissen, was man will. Man muß wissen, was man vom Forscher und von der Forschung verlangt. Es scheint mir, daß ich mich nicht verirrt habe, wenn ich vom Forscher, von der Forschung erwarte, daß sie mir auf jede mögliche Art dazu helfen, als fester Mensch auf festem Grund zu stehen. In jedem Falle steht fest, daß L e i b n i z dies vom Forscher, von der Forschung gefordert hat. Darum bekenne ich mich zu ihm und erst recht zu einer Grundlagenforschung, die dieser L e i b n i z i s c h e n Forderung genügt."5 Man wird sagen können, daß in einem solchen Optimismus Scholz sich mit Recht auf Leibniz beruft. Ob ein so weitreichender Optimismus sachlich berechtigt ist, dies allerdings dürfte schwer zu entscheiden sein. Betrachtet man den gegenwärtigen Stand der Grundlagenforschung, dann neigt man zur Vorsicht. Es existiert eine kaum übersehbare Vielheit von Standpunkten und Meinungen, und auch Heinrich Scholz selbst hat eine vollkommene Durchführung seines Programmes nicht mehr geben können. Zu einem ganz anderen Ergebnis kommt Bertrand Russell. Er weist immer wieder auf die Widersprüche bei Leibniz hin. Die Generalthese der Leibnizschen Logik: praedicatum inest subjecto, betrachtet Russell in besonderem Maße als problematisch und widerspruchsvoll, und er dürfte darin nicht ganz Unrecht haben. In einem solchen skeptischen Sinne kann er dann abschließend sagen: „The Universal Characteristic, therefore, though in Mathematics it was an idea of the highest importance, showed, in philosophy, a radical misconception, encouraged by the syllogism, and based upon the belief in the analytic nature of necessary truths."8 Nun ist zwar das Leibnizbuch von Russell eine seiner ersten Arbeiten. Es ist 1900 zum ersten Mal erschienen, und Russell hat einer 1937 geschriebenen Vorrede zur neuen Ausgabe einige Thesen des Buches zurückgenommen. Aber er hält offenbar auch in der spät geschriebenen Vorrede an der grundsätzlichen Beurteilung fest. So bleibt allein schon zwischen Scholz und Russell eine erstaunliche Diskrepanz, eine Diskrepanz, die eine neue Untersuchung auch der Logik von Leibniz als wünschenswert erscheinen läßt7.

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Kap. l: Die Prinzipienlehre

5 2 Das Prinzip des Widerspruchs An den Anfang aller Erkenntnis stellt Leibniz zwei große Prinzipien: das Prinzip des Widerspruchs und das Prinzip des zureichenden Grundes. Oft nennt Leibniz beide zusammen. So sagt er in der Theodizee: „Diesen Punkt besser zu verstehen, muß man bedenken, daß zween Hauptgründe unserer Vernunftschlüsse sind: der Grund des Widerspruchs, welcher mit sich bringt, daß unter zween sich widersprechenden Sätzen der eine wahr, der andere falsch ist; und der Grund der bestimmenden Ursache, nach welchem niemals etwas ohne eine Ursache, oder ohne bestimmenden Grund geschieht."1 In demselben Sinne sagt Leibniz im Briefwechsel mit Clarke: „Die große Grundlage der Mathematik ist das Prinzip des Widerspruchs oder der Identität, d. h. der Satz, daß eine Aussage nicht gleichzeitig wahr und falsch sein kann, daß demnach A=A ist und nicht = non A sein kann. Dieses einzige Prinzip genügt, um die Arithmetik und die Geometrie, also alle mathematischen Prinzipien, abzuleiten. Um aber von der Mathematik zur Physik überzugehen, ist noch ein anderes Prinzip erforderlich, wie ich in meiner Theodizee bemerkt habe, nämlich das Prinzip des zureichenden Grundes: daß sich nämlich nichts ereignet, ohne daß es einen Grund gibt, weshalb es eher so als anders geschieht." * Die beiden Prinzipien finden sich an vielen Stellen. Sie werden zusammen erwähnt in der Monadologie*, das Prinzip des Widerspruchs wird besonders eingehend in den Nouveaux Essais diskutiert4. Wenden wir uns zunächst dem Satz des Widerspruchs zu, so betrachtet Leibniz den Satz des Widerspruchs und den Satz der Identität als ein und denselben Satz. Im Briefwechsel mit Clarke sagte er ja ausdrücklich: Das Prinzip des Widerspruchs oder der Identität. Aristoteles, der als erster den Satz thematisch diskutiert hat, hat bereits gesagt, daß dieser Satz sowohl eine logische als auch eine ontologische Bedeutung hat. Vielleicht kann man sagen, daß das Seinsprinzip betont wird, wenn man vom Satz der Identität spricht, während man vorwiegend das Erkenntnisprinzip meinen dürfte, wenn man ihn als den Satz des Widerspruchs bezeichnet. Leibniz drückt das Prinzip gern in der Umgangssprache aus, beispielsweise im § 44 der Theodizee. Der Ausdruck im Briefwechsel mit Clarke geht schon etwas in die Formelsprache über: „A est A"e. Einen

§ 2: Das Prinzip des Widersprudis

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Übergang zur Formelsprache finden wir etwa auch in den Addenda ad specimen calculi universales: „a est a" und „a non est non-a"6. Weitere Beispiele für die formelmäßige Darstellung hat Couturat gegeben7. Der Satz der Identität behauptet zunächst das Festhalten der Seinsbestimmtheit. Animal est animal, und in der negativen Fassung: animal non est non animal8. In diesem Sinne kann man dann sagen: das Quadrat ist kein Kreis, und in demselben Sinne auch von empirischen Bestimmungen: Das Süße ist nicht das Bittere9. Alles Seiende und alles Wirkliche, so könnte man den Sinn des Satzes umschreiben, ist dara f angewiesen, daß es sein Sein und seine Wirklichkeit, und daß es seine Bestimmungen durchhält, daß es sie identisch bewahrt. Bezeichnet man unseren Satz als den Satz des Widerspruchs, dann sieht man vorzugsweise seine logische Bedeutung. Er ist dann eine Aussage über Sätze, und er sagt dann, wie beispielsweise in der Theoäizee I, 44, daß von zwei sich widersprechenden Sätzen der eine wahr, der andere falsch sein muß. Die Seinsbedeutung und die Erkenntnisbedeutung des Prinzips hängen für Leibniz unmittelbar zusammen. Ein Wirkliches kann nicht zugleich es selbst und sein Gegenteil sein, ein Wirkliches kann nicht zugleich eine Eigenschaft und die entgegengesetzte Eigenschaft haben. Ein Quadrat muß ein Quadrat sein und kann nicht zugleich ein Kreis sein, ein Quadrat muß vier Seiten haben und kann nicht zugleich fünf Seiten haben. Dies hat dann zur Folge, daß die korrespondierenden Sätze: das Quadrat ist ein Quadrat, das Quadrat ist ein Kreis, das Quadrat ist kein Kreis, wahr beziehungsweise falsch sind. Die Seinsbestimmtheit, die vom Satz der Identität gefordert wird, drückt sich in der Satzbestimmtheit aus, wie sie der Satz des Widerspruchs fordert. Daß die Wirklichkeit in wahren und falschen Sätzen zum Ausdruck kommt, und daß umgekehrt wahre und falsche Sätze die Wirklichkeit darstellen, dies macht aus, daß unser Prinzip zugleich ein Seinsprinzip und ein Erkenntnisprinzip ist. Stellt man die Frage nach den Quellen und Gründen des Prinzips der Kontradiktion, so muß eine solche Frage bei diesem Prinzip als dem ersten Prinzip gewiß auf besondere Schwierigkeiten stoßen. Leibniz antwortet in der bestimmtesten Weise, daß das Prinzip, wie alle anderen apriorischen Wahrheiten, eine uns eingeborene Wahrheit ist. Der Darlegung dieser Lehre sind in ganz besonderer Weise die No«-

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Kap. 1: Die Prinzipienlehre

veaux Essais gewidmet. Dieses Werk stellt eine Auseinandersetzung mit Locke dar; Leibniz hatte es für den Drude vorbereitet, die Edition dann aber unterlassen, als ihn die Nachricht vom Tode Lockes erreichte10. So wurden die Nouveaux Essais zum ersten Mal von Raspe im Jahre 1765 u ediert, einer der ersten und eifrigsten Leser dürfte der damals einundvierzigjährige Privatdozent Kant gewesen sein. Für Locke stammen alle Erkenntnisse aus der Erfahrung, und deshalb ist eine Auseinandersetzung mit Locke für Leibniz der gegebene Platz, um seine entgegengesetzte These darzulegen. Die These von Leibniz ist die, daß die Vernunft alle reinen Erkenntnisse aus sich selbst schöpft, daß alle reinen Erkenntnisse eingeboren sind. Zu diesem Besitz, den die Vernunft in sich selbst trägt, gehören alle notwendigen Wahrheiten, insbesondere die Wahrheiten der Logik, der Arithmetik und der Geometrie12. Leibniz erinnert ausdrücklich an Platon, der im Menon am Beispiel des Sklaven zeigt, daß wir alle mathematischen Erkenntnisse in uns selbst haben1S. Freilich nimmt auch Platon noch eine ursprüngliche Erfahrung in der Präexistenz der Seele an. Selbst dies will Leibniz nicht gelten lassen, weil dabei doch in irgendeinem Sinne eine Erfahrung angenommen werden muß, vielmehr hat nach Leibniz unsere Seele die eingeborenen Ideen und die eingeborenen Wahrheiten schlechthin immer in sich. Dies läuft natürlich, und Leibniz setzt dies klar auseinander14, auf die Frage nach der Bedeutung von „in sich haben" hinaus. Was heißt, unsere Seele habe die eingeborenen Ideen immer „in sich", was kann dies heißen? Es bedeutet zunächst nicht, daß unsere Seele die eingeborenen Wahrheiten stets denke, sich ihrer stets bewußt sei. Wir wissen sehr vieles, was wir im Augenblick nicht denken, dessen wir uns vielmehr erst erinnern müssen, wenn wir es aktuell denken wollen. Dies sind freilich im allgemeinen Kenntnisse, die wir früher einmal durch Erfahrung gewonnen haben, und die wir in der Erinnerung wieder heranholen müssen. Wird die frühere Erfahrung als eine reine Erfahrung aufgefaßt, dann erhalten wir den Standpunkt Platons, wird sie als eine empirische Erfahrung aufgefaßt, den Standpunkt Lockes. Leibniz lehnt beide Auffassungen mit Entschiedenheit ab. Die Seele schöpft die reinen Erfahrungen durchaus und völlig aus sich selbst. Vielleicht wird dies am deutlichsten bei den reinen Begriffen, die im

§2: Das Prinzip des Widerspruchs

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engeren Sinne als ideae innatae bezeichnet werden. Wir selbst sind ein Seiendes, nur deshalb können wir den reinen Begriff des Seins aus uns selbst schöpfen, nur deshalb ihn in uns selbst als eine idea innata finden. Leibniz sagt ausdrücklich: „Et je voudrois bien savoir, comment nous pourrions avoir l'idee de l'etre, si nous n'etions des Etres nous memes, et ne trouvions ainsi l'etre en nous."15 Dasselbe gilt auch von den Begriffen der Einheit, der Verschiedenheit, der Substanz und allen anderen reinen Begriffen16. Ebenso haben wir die reinen Begriffe der Zahlen und alle von ihnen geltenden Wahrheiten in uns17. Daß wir die eingeborenen Ideen und die eingeborenen Wahrheiten in uns haben, bedeutet also, daß unsere Seele diese Begriffe und diese Wahrheiten völlig aus sich selbst schöpfen kann, ohne auf irgendeine äußere Erfahrung Bezug nehmen zu müssen. Für die notwendigen Wahrheiten, die in ihrer Gesamtheit in diesem Sinne eingeborene Wahrheiten sind, ergibt sich ein Unterschied dadurch, daß gewisse Wahrheiten aus anderen bewiesen werden können. Dies gilt in der Regel von den eigentlichen mathematischen Wahrheiten. Andere Wahrheiten dagegen können nicht bewiesen werden. Zu ihnen gehören insbesondere die identischen Sätze, die wir im Kapitel II diskutieren werden, und die Prinzipien. Insbesondere ist also der Satz vom Widerspruch eine eingeborene Wahrheit, wir finden ihn in uns selbst. Der Verbindlichkeitscharakter unseres Prinzips wird besonders deutlich, wenn man auf das Denken Gottes rekurriert. Es ist eine im Mittelalter oft verhandelte Frage, ob der Satz vom Widerspruch auch für das Denken Gottes gilt. Augustin und Thomas bejahen dies. Andere Denker dagegen befürchten, die Allmacht Gottes werde ungebührlich eingeschränkt, wenn sie irgendwelchen Gesetzen, und sei es auch nur dem Satz vom Widerspruch, unterworfen würde. Mit einer solchen Meinung setzt sich Leibniz in der Theodizee ausführlich auseinander. Bayle hat sie in der folgenden von Leibniz ausführlich zitierten Formulierung vorgetragen: „Wofern es Sätze giebt, die ihrer Natur nach, und nicht aus göttlicher Einrichtung, von ewiger Wahrheit sind; die nicht aus einem freyen Schlüsse seines Willens wahr sind, sondern die er vielmehr nothwendig als wahr erkannt hat, weil ihre Natur es also erfordert . . ."18 Die hier als Gegensatz diskutierte Meinung würde bedeuten, daß Gott alle Wahrheiten aus freier

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Kap. 1: Die Prinzipienlehre

Allmadit setzt. Daß drei mal drei gleich neun ist, entspringt also einem Wollen Gottes, und Gott hätte ebensogut wollen können, daß drei mal drei gleidi zehn ist19. Bayle berichtet dies als die Meinung des Descartes und einiger seiner Nachfolger20. Leibniz lehnt diese These entschieden ab, es ist eine der seltenen Stellen, an denen Leibniz ironisch wird: „Ists wohl möglich, daß das Vergnügen an allen Dingen zu zweifeln, bey einem geschickten Manne so viel ausrichten könne, daß er wünschen und hoffen sollte, zu glauben: es befänden sich zwey widersprechende Dinge bloß deßwegen niemals beysammen, weil es ihnen Gott verbothen hat; der aber sonst eben so leicht hätte befehlen können, daß sie immer beysammen gewesen wären? Sehet, das ist das schöne Paradoxon." 21 Durch diesen Rekurs auf das Denken und Wollen Gottes wird nun die doppelte Bedeutung unseres Satzes als Erkenntnisprinzip und als Seinsprinzip von neuem deutlich. Die Welt ist von Gott geschaffen, dieser Grundsatz von Leibniz wird uns noch oft beschäftigen. Alle wahren Sätze existieren primär als von Gott gedacht. Gott aber denkt nichts, was sich widerspricht, und Gott schafft nichts, was im Widerspruch mit sich selbst und mit den anderen Werken Gottes stände. So ist dieser Grundsatz, der zugleich der Satz des Widerspruchs und der Satz der Identität ist, für alles Sein und für alles Denken gültig, für das Sein Gottes, wie für das Sein seiner Werke, für das Denken Gottes wie für unser Denken. Unser Denken findet diesen Satz selbst zugleich mit seiner Wahrheit, wenn es auf sich selbst reflektiert. In diesem Sinne sagt Leibniz zusammenfassend: „Et bien souvent la consideration de la nature des choses, n'est autre chose que la connoissance de la nature de notre esprit et de ces ide"es innres, qu'on n'a point besoin de chercher au dehors. Ainsi j'appelle 5 les veritez, qui n'ont besoin que de cette consideration pour e"tre verifies."11 Es gibt also eine Erwägung, durch die die eingeborenen Ideen und also auch das Prinzip des Widerspruchs verifiziert werden können. Es wäre freilich wünschenswert, Leibniz selbst hätte eine solche Erwägung methodisch geklärt, oder er hätte sie wenigstens konkret im einzelnen vorgelegt. Leibniz scheint aber das Prinzip des Widerspruchs für so selbstverständlich gehalten zu haben, daß ihm bei diesem Prinzip eine Verifizierung nicht notwendig erschien.

§ 3: Das Prinzip des zureichenden Grundes

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j" 3 Das Prinzip des zureichenden Grundes In der Theodizee gibt Leibniz das Prinzip in der folgenden Form: Das Prinzip des zureichenden Grundes, „nach welchem niemals etwas ohne eine Ursache, oder ohne bestimmenden Grund geschieht; das ist, ohne etwas, dadurch man a priori Grund geben kann, warum diese Sache vielmehr da ist, als nicht da ist? warum sie so, und nicht vielmehr ganz anders ist? Dieser große Grundsatz findet in allen Dingen statt, und man wird niemals ein Exempel dagegen anführen können."1 Im zweiten Brief an Clarke formuliert Leibniz: „Um aber von der Mathematik zur Physik überzugehen, ist noch ein anderes Prinzip erforderlich, wie ich in meiner Theodizee bemerkt habe, nämlich das Prinzip des zureichenden Grundes: daß sich nämlich nichts ereignet, ohne daß es einen Grund gibt, weshalb es eher so als anders geschieht."2 In der Monadologie schließlich sagt Leibniz: „ E t c e l u i de l a r a i s o n s ü f f i s a n t e , en vertu duquel nous considerons qu'aucun fait ne syauroit se trouver vrai, ou existent, aucune Enonciation veritable, sans qu'il y ait une raison süffisante pour quoi il en soit ainsi et non pas autrement. Quoi que ces raisons le plus souvent ne puissent point nous e"tre connües."3 Das Prinzip findet sich an vielen Stellen, insbesondere in der fast unübersehbaren Fülle des Nachlasses. Wir ziehen es aber aus grundsätzlichen Erwägungen vor, Belege zunächst aus den von Leibniz selbst edierten Werken zu bringen, wobei wir eine Reihe von Schriften, insbesondere die Monadologie, die Nottveaux Essais, den Briefwechsel mit Clarke in einem weiteren Sinne als von Leibniz selbst ediert betrachten. Wir erwägen zunächst die Anwendungen des Prinzips. Ein instruktives Beispiel gibt Leibniz in einem Brief an Clarke: „Deshalb hat sich Archimedes, als er in seinem Buch über das Gleichgewicht von der Mathematik zur Physik übergehen wollte, genötigt gesehen, sich eines besonderen Falles des umfassenden Prinzips des zureichenden Grundes zu bedienen. Er nimmt als zugestanden, daß eine Wage in Ruhe bleiben wird, wenn zu beiden Seiten alles gleich verteilt ist, und man an den Endpunkten der beiden Hebelarme gleiche Gewichte anbringt. Denn es gibt in diesem Falle keinen Grund, weshalb eine Seite eher als die andere Seite sich herabsenken sollte."4 Dieser Fall der Waage

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Kap. 1: Die Prinzipienlehre

mußte für Leibniz unter mehreren Gesichtspunkten interessant erscheinen. Zunächst war es für ihn von Wert, daß bereits Archimedes das Prinzip ausspricht und anwendet, wenn auch in einem speziellen Fall. Dann zeigt das Beispiel in großer Reinheit, wie das mechanische Geschehen durch dies Prinzip eindeutig bestimmt wird. Wir freilich sind sofort am mechanischen Geschehen im Ganzen interessiert, und das gilt natürlich auch für Leibniz. Aber die Erweiterung der archimedischen Erwägung auf das mechanische Geschehen im Ganzen ist leicht zu vollziehen. In diesem Bezug auf das mechanische Geschehen zeigt sich das Kausalgesetz als ein Sonderfall des allgemeinen Prinzips des zureichenden Grundes. Das Prinzip des zureichenden Grundes gilt aber auch für alles Handeln des Menschen, insbesondere also auch für die geschichtlichen Ereignisse. Ein von Leibniz gern gewähltes Beispiel ist auch von den Alten schon oft erwogen worden: Gehe ich aus einem Zimmer heraus, so muß ich den rechten beziehungsweise den linken Fuß zuerst über die Schwelle setzen. Dies scheint völlig zufällig zu sein, und überdies noch meiner freien Willkür unterworfen. Aber nach Leibniz gilt auch hier der Satz vom zureichenden Grunde. Ich setze dann und nur dann den rechten Fuß zuerst über die Schwelle, wenn ein zureichender Grund dafür besteht, daß ich den rechten Fuß und nicht den linken zuerst über die Schwelle setze5. Ein anderer oft diskutierter Fall ist der Fall von Buridans Esel. Dies arme Tier steht zwischen zwei Heubündeln, die genau gleich sind und die ihm also auch genau gleich erscheinen. Leibniz sagt, er steht zwischen zwei Wiesen und ist zu der einen ebenso geneigt, wie zu der anderen e. Das Tier muß nach der alten Auffassung verhungern, weil es sich nicht entscheiden kann, welchem Heubündel es sich zuwenden soll. Dies entspricht durchaus der Auffassung von Leibniz. Nach dem Satz vom zureichenden Grunde muß es einen Grund geben, weshalb es sich zum rechten Heubündel wenden sollte und nicht zum linken. Gibt es keinen solchen Grund, so wird es keines von beiden wählen, ebensowenig wie die Waage des Archimedes ohne Grund ausschlagen wird, und das beklagenswerte Tier wird in der Tat als Opfer der Prinzipien eines elenden Hungertodes sterben. So weit ist die Fabel in Ordnung, nur kann der angenommene Fall nach der Überzeugung von Leibniz nicht eintreten. Die beiden Heubündel können nur dann dem Esel

§3: Das Prinzip des zureichenden Grundes

13

völlig gleich erscheinen, wenn sie selbst völlig gleich sind. Dies setzt wiederum voraus, daß ihre Umgebungen mit allen Fakten, beispielsweise dem Wind, völlig gleich sind. Dies wiederum wäre nur dann möglich, wenn die Welt in Bezug auf eine durch die Mitte des Esels gehende Ebene spiegelsymmetrisch völlig gleich wäre. Ein solcher Aufbau der Welt würde aber seinerseits das Prinzip vom zureichenden Grunde verletzen, und der Fall von Buridans Esel ist also zwar vom Prinzip des zureichenden Grundes her denkbar, er kann aber wegen der in diesem Prinzip enthaltenen Konsequenzen nicht eintreten7. Der Bereich des Logischen ergibt eine neue Anwendung des Satzes vom zureichenden Grunde. Jeder wahre Satz muß einen Grund haben, weshalb er wahr ist. Diese logische Bedeutung des Satzes vom zureichenden Grunde findet sich an vielen Stellen. Vielleicht die prägnanteste ist die bereits von Russell zitierte Stelle. Leibniz spricht dort von beiden Prinzipien und formuliert dann den Satz des zureichenden Grundes in der folgenden Weise: „ . . . que rien n'est sans raison, ou que toute verite a sä preuve a p r i o r i , tiree de la notion des termes, quoyqu'il ne soit pas tousjours en nostre pouvoir de parvenir a cette analyse"8. Diese logische Bedeutung des Satzes vom zureichenden Grunde wirft ein Problem über das Verhältnis der beiden Prinzipien auf, auf das wir noch zurückkommen werden. Schließlich zeigt sich, daß der Satz des zureichenden Grundes auch für das Denken und Handeln Gottes gültig ist. Es gibt dabei nicht wenige, die zwar bereit waren, die Gültigkeit des Satzes vom Widerspruch für das Denken Gottes anzuerkennen, die aber Bedenken trugen, das Handeln Gottes als derjenigen Notwendigkeit unterworfen zu betrachten, die sich im Satze vom zureichenden Grunde ausdrückt. Dafür gibt es gute Gründe. Bei Leibniz dagegen zeigt sich hier besonders, was für ihn immer wieder charakteristisch ist: die durchgängige Konsequenz seines Denkens. Leibniz ist sich dieser seiner Eigenart sehr wohl bewußt. So sagt er etwa in der Theodizee vom Satz des zureichenden Grundes: „Er leidet ganz und gar keine Ausnahme: sonst würde seine Stärke geschwächt werden: denn es steht nichts auf schwächeren Füßen, als diejenigen Lehrgebäude, in denen alles wanket und voller Ausnahmen ist. Das Meinige ist mit diesem Fehler nicht behaftet, als worinnen alles nach allgemeinen Regeln geht, die sich aufs höchste nur unter einander selbst einschränken."9 So bleibt denn für Leibniz

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Kap. 1: Die Prinzipienlehre

auch das Handeln Gottes durch den Satz vom zureichenden Grunde bestimmt. Gott handelt niemals nach Willkür, sondern immer nach guten Gründen, und diese Gründe liegen in aller Regel darin, daß Gott nur das Beste will und nur das Beste wollen kann10. In den Problemen des Satzes vom zureichenden Grunde verflechten sich physikalische, philosophische und theologische Fragen. Diese Verflechtung ist überaus charakteristisch für Leibniz und kommt vielleicht am deutlichsten im Briefwechsel mit Clarke zum Ausdruck. Clarke war ein Geistlicher in London. Der Briefwechsel beginnt mit einem Schreiben von Leibniz im Jahre 1715, er besteht aus fünf Briefen und Antworten, der Tod hinderte Leibniz, auf die letzte Antwort von Clarke wiederum zu replizieren. Clarke war eng mit Newton befreundet, und es war also von vornherein zu vermuten, daß der Briefwechsel einen engen Zusammenhang auch mit Newton selbst hatte. Dies hat sich nach unserer heutigen Kenntnis aller Unterlagen als zutreffend erwiesen, und man darf daher den Briefwechsel im Kern als einen Briefwechsel mit Newton betrachten11. Auch Leibniz selbst hat dies getan, denn er schreibt an Joh. Bernoulli von einem Briefwechsel „cum Newtono, vel quod eodem redit, cum ejus Hyperaspita Clarkio"12. Nach der Sitte der Zeit war der Briefwechsel für die Publikation bestimmt. Leibniz selbst hat eine Edition vorbereitet18 und ist daran wohl nur durch seinen Tod gehindert worden. Clarke hat nach Leibnizens Tod den Briefwechsel ohne Verzögerung im Jahre 1717 ediert14. Man wird also diesen Briefwechsel zu den von Leibniz für eine Edition endgültig fertiggestellten Werken rechnen dürfen. In diesem Briefwechsel kommt eine Reihe von physikalischen Fragen vor, die wir heute wohl als kosmologische Fragen bezeichnen würden. Wie ist es mit der zeitlichen Dauer der Welt? Besteht die Welt seit unendlicher Zeit, oder ist sie vor endlich vielen Jahren geschaffen worden? Wie ist es mit der räumlichen Erstreckung der Welt? Füllt die Welt den unendlichen Raum ins Unendliche hin aus, oder ist sie eine endliche Insel im unendlichen Raum? Wie ist es mit den Atomen? Erfüllt die Materie den Raum kontinuierlich, oder besteht sie aus Atomen, die eine endliche Größe haben und mit endlichen Abständen im Raum verteilt sind? Die beiden großen Schöpfer der Mathematik und Physik der Neuzeit vertreten die beiden entgegengesetzten Standpunkte. Leibniz lehrt die unendliche Dauer und die unendliche Er-

§ 3: Das Prinzip des zureichenden Grundes

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Streckung der Welt und die kontinuierliche Ausbreitung der Materie. Newton (und mit ihm Clarke) lehrt die Erschaffung der Welt zu einer endlichen Zeit, die endliche Ausdehnung der Welt, die atomare Struktur der Materie. Aber darin stimmen sie beide überein, daß diese Fragen nur gelöst werden können, wenn man darauf zurückgeht, daß diese Welt von Gott geschaffen ist. So sagt Leibniz: „Abgesehen von vielen anderen Gründen gegen das Leere und die Atome, entnehme ich der Vollkommenheit Gottes und dem zureichenden Grunde die folgenden. Ich gehe davon aus, daß den Dingen jede Vollkommenheit gegeben worden ist, die ihnen Gott ohne Beeinträchtigung anderer Vollkommenheiten verleihen konnte."15 Clarke antwortet darauf mit der entschiedenen Gegenthese: „Wer aber glaubt, daß Gott die Materie in jeder beliebigen Menge, zu jeder beliebigen Zeit und an jeder beliebigen Stelle erschaffen konnte, findet hier nicht die geringste Schwierigkeit. Denn die Weisheit Gottes mag gute Gründe gehabt haben, unsere Welt in diesem bestimmten Zeitpunkt zu schaffen."1 Für Leibniz dagegen würde die Erschaffung der Welt vor endlich vielen Jahren bedeuten, daß in einer leeren, also völlig homogenen unendlichen Zeit ein bestimmter Zeitpunkt durch die Erschaffung der Welt ausgezeichnet würde. Für einen solchen Zeitpunkt der Schöpfung aber kann es keinen zureichenden Grund geben, und es ist also eine unmögliche Annahme, daß Gott die Welt zu einer endlichen Zeit geschaffen habe. Hier zeigt sich deutlich, wie für Leibniz die Gültigkeit des Satzes vom zureichenden Grunde für das Denken und Handeln Gottes zugleich die Gültigkeit dieses Satzes für alle Beschaffenheiten und Bestimmungen der Welt sichert. Fragt man, wie die Wahrheit des Satzes vom zureichenden Grunde gewonnen und gesichert werden kann, so ergeben sich schon der ersten Erwägung zwei Möglichkeiten. Unzweifelhaft ist der Satz vom zureichenden Grunde wie alle apriorischen Sätze für Leibniz eine eingeborene Wahrheit. Aber nun kann doch ein Teil der eingeborenen Wahrheiten, so fast alle Sätze der Logik und der Mathematik, aus anderen Wahrheiten bewiesen werden. Wie ist es mit dem Satz vom zureichenden Grunde? Könnte er bewiesen werden, so könnte er offenbar nur aus dem Satz vom Widerspruch bewiesen werden. Oder korrespondiert er völlig dem Satz vom Widerspruch, ist er wie dieser ein völlig selbständiges Prinzip, das nicht bewiesen werden kann?

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Diese beiden Möglichkeiten sind schon früh erwogen worden, auch bis in unsere Zeit konnte eine anerkannte Lösung nicht erreicht werden. Insbesondere war diese Frage der Beweisbarkeit des Satzes vom zureichenden Grunde im 18. Jahrhundert eine vielumstrittene Frage unter den Anhängern von Leibniz wie unter seinen Gegnern. Christian Wolff betrachtet den Satz als beweisbar und gibt auch in der Ontotogie einen durchgeführten Beweis17. Baumgarten wiederholt in seinem Lehrbuch der Metaphysik, das auch Kant seinen Vorlesungen zugrunde gelegt hat, den Beweis in einer etwas verkürzten Form18. Aber dieser Beweis ist schon früh in Zweifel gezogen worden. Crusius hält ihn für unrichtig und betrachtet den Satz vom zureichenden Grunde als ein unableitbares Prinzip1 . Kant hat sich zeit seines Lebens mit dieser Frage herumgeschlagen. In der 1755 geschriebenen Nova Dilucidatio lehnt er den Beweis von Wolff und Baumgarten ab, er ersetzt ihn durch einen neuen Beweis, den er aber selbst später nicht mehr als stichhaltig betrachtet hat20. In der Kritik der reinen Vernunft betrachtet Kant den Satz vom zureichenden Grunde praktisch als mit dem Grundsatz der Kausalität identisch. Da Kant in diesem Werk von den Grundsätzen keinen logischen Beweis, sondern einen transzendentalen Nachweis bringt, so könnte man im Sinne von Leibniz wohl sagen, daß der Satz vom zureichenden Grunde nicht bewiesen, sondern verifiziert wird. Kant betrachtet die Unterscheidung zwischen analytischen und synthetischen Sätzen als fundamental. Analytische Sätze sind solche, die aus dem Satz des Widerspruchs allein bewiesen werden können, synthetische Sätze können nicht in dieser Weise bewiesen werden. Von hier aus wird für Kant die von Leibniz so oft gegebene Unterscheidung zwischen den beiden Prinzipien interessant. Dann ist der Satz vorn zureichenden Grunde über den Satz vom Widerspruch hinaus ein selbständiges Erkenntnisprinzip und insofern der erste Hinweis auf synthetische Sätze. Daraus folgt, daß alle Beweise aus dem Satz des Widerspruchs heraus falsch sein müssen, und dies sagt Kant an einer wichtigen Stelle der Kritik der reinen Vernunft auch ausdrücklich: „In Ermangelung dieser Methode und bei dem Wahne, synthetische Sätze, welche der Erfahrungsgebrauch des Verstandes als seine Principien empfiehlt, dogmatisch beweisen zu wollen, ist es denn geschehen, daß von dem Satze des

§ 3: Das Prinzip des zureichenden Grundes

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zureichenden Grundes so oft, aber immer vergeblich ein Beweis ist versucht worden."21 In einer spät geschriebenen Schrift unter dem Titel: Über eine Entdeckung . . . , die man gewöhnlich die Streitschrift gegen Eberhard nennt, faßt Kant sein Verhältnis zu Leibniz, insbesondere im Problem des Satzes vom zureichenden Grunde, in ganz positiver Weise. Kant analysiert zunächst den von Eberhard gegebenen Beweis des Satzes und übt an den darin enthaltenen falschen Schlüssen eine scharfe Kritik22. Im Schlußteil der kleinen Schrift geht Kant dann dazu über, sein Verhältnis zu Leibniz vom Satz des zureichenden Grundes her in positiver Weise darzulegen. Für eine Darstellung dieses Zusammenhanges kann der Kantsche Text selbst kaum übertreffen werden: „Ist es wohl glaublich, daß Leibniz seinen Satz des zureichenden Grundes objectiv (als Naturgesetz) habe verstanden wissen wollen, indem er eine große Wichtigkeit in diesem, als Zusätze zur bisherigen Philosophie setzte? Er ist ja so allgemein bekannt und (unter gehörigen Einschränkungen) so augenscheinlich klar, daß auch der schlechteste Kopf damit nicht eine neue Entdeckung gemacht zu haben glauben kann; auch ist er von ihn mißverstehenden Gegnern darüber mit manchem Spotte angelassen worden. Allein dieser Grundsatz war Ihm blos ein subjectives, nämlich blos auf eine Kritik der Vernunft bezogenes, Princip. Denn was heißt das: über den Satz des Widerspruchs müssen noch andere Grundsätze hinzukommen? Es heißt so viel als: nach dem Satze des Widerspruchs kann nur das, was schon in den Begriffen des Objects liegt, erkannt werden; soll nun noch etwas mehr von diesem gesagt werden, so muß etwas über diesen Begriff hinzukommen, und wie dieses hinzukommen könne, dazu muß noch ein besonderes, vom Satze des Widerspruchs unterschiedenes Princip gesucht werden, d. i. sie müssen ihren besonderen Grund haben. Da nun die letztere Art Sätze (jetzt wenigstens) synthetisch heißen, so wollte Leibniz nichts weiter sagen, als: es muß über den Satz des Widerspruchs (als das Princip analytischer Urtheile) noch ein anderes Princip, nämlich das der synthetischen Urtheile, hinzukommen. Dieses war allerdings eine neue und bemerkenswürdige Hinweisung auf Untersuchungen, die in der Metaphysik noch anzustellen wären (und die auch wirklich seit kurzem angestellt worden)."2S Gewiß geht hier Kant stark von seiner eignen Begrifflichkeit aus. Klar ist aber sein Streben, einen echten Zusammenhang mit

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Kap. l: Die Prinzipienlehre

Leibniz herzustellen, und er kann sich dafür auf gute Gründe stützen. Das Problem, ob der Satz vom zureichenden Grunde aus dem Satz vom Widerspruch bewiesen werden kann, oder ob er neben dem Satz vom Widerspruch einen völlig selbständigen Grundsatz darstellt, ist bis heute offen geblieben. Einen erfolgversprechenden Weg zur Klärung des Problems scheint mir Bertrand Russell eingeschlagen zu haben. Er setzt zunächst die Schwierigkeit auseinander. Auf der einen Seite werden durch die beiden Prinzipien zwei verschiedene Bereiche von Sätzen unterschieden. Der Satz vom Widerspruch konstituiert die notwendigen Wahrheiten der Logik und der Mathematik, der Satz vom zureichenden Grunde charakterisiert die kontingenten Wahrheiten. Mit einem solchen Bezug des Satzes vom zureichenden Grunde auf die kontingenten Wahrheiten steht aber die logische Bedeutung des Satzes in einem gewissen Widerspruch. Russell versucht die Schwierigkeit dadurch aufzulösen, daß er von zwei Bedeutungen des Satzes vom zureichenden Grunde spricht: „This connection . . . gives the essence of the law of sufficient reason as applied to actual existents. At the same time we shall see that the law has also a wider meaning, in which it applies to possible existents as well. The confusion of these two has rendered the connection of the law with the principle of contradiction very difficult to understand. The distinction will, I think, enable us to clear up the connection of Leibniz's two principles." 24 Nun findet man allerdings für eine doppelte Bedeutung in den Texten kaum einen Anhalt. Es scheint mir am besten, den Gedanken von Russell in der Richtung weiterzuführen, daß man nicht von einer doppelten Bedeutung, sondern daß man von einer doppelten Funktion des Satzes vom zureichenden Grunde spricht. Man kann in der Tat in der Mathematik auf der einen S^ite, in der Physik auf der anderen Seite eine verschiedene Funktion des Satzes feststellen. Er ist in beiden Wissenschaften, um diese beiden Wissenschaften als Exempel für die beiden Bereiche zu nehmen, gültig. Alle wahren Sätze — in der Mathematik wie in der Physik — haben ihren Grund. In der Mathematik besteht die Funktion des Satzes aber nur darin, daß er die mathematischen Sätze charakterisiert, zur Ableitung einzelner mathematischer Sätze dagegen wird er nicht benötigt. Anders ist aber seine Funktion in der Physik. Hier gibt es eine ganze Reihe von Sätzen, zu deren Ableitung

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Leibniz den Satz vom zureichenden Grunde benötigt. Wir fanden ja eben im Briefwechsel mit Clarke Beispiele dafür, daß der Satz in den Beweis physikalischer Aussagen eintritt. Ich sehe also die verschiedene Funktion des Satzes darin, daß der Satz vom zureichenden Grunde sowohl die mathematischen als auch die physikalischen Sätze charakterisiert, daß er aber als Beweismittel bei den mathematischen Sätzen nicht auftritt, während es eine Reihe von physikalischen Sätzen gibt, die ohne diesen Satz nicht bewiesen werden können. Man kann für eine solche Auffassung den Wortlaut der Texte heranziehen. Im zweiten Brief an Clarke sagt Leibniz ja ausdrücklich: „Um aber von der Mathematik zur Physik überzugehen, ist noch ein anderes Prinzip erforderlich." 2S Und Leibniz sagt dann, Archimedes habe sich genötigt gesehen, sich dieses Prinzips zur Ableitung einer physikalischen These ausdrücklich zu bedienen. Man wird vermuten dürfen, daß diese verschiedene Funktion des Satzes vom zureichenden Grunde die Ursache zunächst für ein gewisses Schwanken bei Leibniz selbst und daß sie dann auch die Ursache für die Verschiedenheit der Interpretationen gewesen ist.

$ 4 Möglichkeit und Notwendigkeit Leibniz handelt über das Problem der Modalitäten ausführlich in der Tbeodizee. Sie ist das einzige philosophische Buch, das Leibniz selbst publiziert hat, wenn man von seinen Jugendschriften absieht. Sie ist 1710 erschienen, Leibniz muß aber länger daran gearbeitet haben; denn 1707 war sie schon fast fertig1. Dies Werk hat im 18. Jahrhundert eine kaum übersehbare Wirkung gehabt, es dürfte das meistgelesene Buch des Jahrhunderts gewesen sein, zum mindesten in Deutschland; in gewissem Sinne ist das Buch die eigentliche Verkörperung der Aufklärung. Wenn es heute in fast allen Leibnizdarstellungen vernachlässigt wird, dann liegt das wohl nicht nur daran, daß Leibniz hier auf eine besonders faßliche, ja auf eine populäre Darstellung bedacht ist. Vielmehr holt die Darstellung manchmal etwas weit aus, ja man könnte sie an gewissen Stellen sogar weitschweifig nennen. Gleichwohl geschieht meines Erachtens die Vernachlässigung der Theodizee zu Unrecht.

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Leibniz sagt im § 168 des zweiten Teiles ausdrüddidi, daß es um die Natur des Möglichen und des Notwendigen gehe2. Die Erörterung beginnt mit der Frage nach solchen Dingen, die sich niemals ereignen. Bayle hatte als Beispiel genommen: Der Großmogul wird morgen zur Jagd gehen. Betrachtet man diesen Satz und sein kontradiktorisches Gegenteil: Der Großmogul wird morgen nicht zur Jagd gehen, so kann nur einer der beiden Sätze sich ereignen. Man kann also fragen: Ist dieser Satz heute schon wahr und sein kontradiktorisches Gegenteil heute schon falsch? Daß einer der beiden Sätze wahr sein muß, und also der andere falsch, wird nicht in Frage gestellt. Die Frage geht vielmehr dahin, ob es schon bestimmt ist, welcher Satz wahr sein wird und welcher falsch. Ist heute schon bestimmt, welcher der beiden Sätze wahr ist, dann ist zu befürchten, daß auch das morgige Ereignis selbst bereits bestimmt ist, und damit scheint Freiheit nicht mehr möglich zu sein. Ist aber nicht bestimmt, welcher der beiden Sätze wahr ist, dann scheint der Satz vom Widerspruch verletzt zu sein, der eben fordert, daß von zwei kontradiktorischen Sätzen der eine wahr und der andere falsch ist. Leibniz weist darauf hin, daß schon die Alten diese Frage untersucht haben3. Epikur, der hierin dem Aristoteles folgte, hat angenommen, daß die zukünftigen Ereignisse dieser Art nicht bestimmt sind und daß also die davon handelnden Sätze nicht dem Satz des Widerspruchs unterliegen. Aristoteles hatte das Problem in De interpretatione diskutiert4. Die Stelle ist aber seit jeher verschieden interpretiert worden, sie ist von der mehrwertigen Logik her von neuem interessant geworden, aber auch in unserer Zeit ist eine Einigung zwischen den Interpreten nicht erreicht worden6. Nach der Meinung des Epikur und der so aufgefaßten Meinung des Aristoteles sind also beide Ereignisse möglich: zur Jagd gehen und nicht zur Jagd gehen. Die entgegengesetzte Meinung geht dahin, daß nur das möglich ist, was sich wirklich ereignen wird, und daß also, was sich (den Gesamtablauf der Welt betrachtet) niemals ereignet hat, auch niemals möglich gewesen ist. Diese Meinung ist von den Stoikern vertreten worden. Bayle nennt nach Arrianus insbesondere Chrysipp, Kleanthes, Archidemos und Antipater*. Theologisch formuliert heißt dies, daß Gott nur tun kann, was er wirklich tut. So hat es Peter Abälard gelehrt, aber seine Lehre ist verworfen worden7. Auch die Meinung von Spinoza ist hierher zu rechnen8.

§4: Möglichkeit und Notwendigkeit

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In der Diskussion des Problems geht Leibniz mit Recht davon aus, daß es sich weithin um einen bloßen Wortstreit handelt: „11 paroit que cet Auteur avoit un peu trop de penchant a parier et a penser autrement que les autres: car dans le fonds, ce n'etoit qu'une logomachie, il changeoit l'usage des termes."9 Es handelt sich also nach der Überzeugung von Leibniz vielfach um einen bloßen Wortstreit, man muß die Bedeutungen genau definieren, und man soll sie dabei übrigens so definieren, daß sie der üblichen Bedeutung soweit wie möglich entsprechen. Man kann die Möglichkeit sehr wohl im Sinne von Chrysipp definieren, dann ist ein Ereignis nur dann möglich, wenn alle seine Bedingungen erfüllt sind. Für ein Ereignis, das nicht eintritt, sind die notwendigen Bedingungen (omnia rei non futurae requisita10) niemals vollständig gegeben. In diesem Sinne hat in unserer Zeit Nicolai Hartmann wieder die Möglichkeit definiert11. Im Gegensatz zu einer solchen Bestimmung nimmt Leibniz zunächst die Definition von Bayle auf: das Unmögliche ist das, was einen Widerspruch in sich enthält. Von daher wird das Mögliche definiert als das, was keinen Widerspruch in sich enthält: „Tout ce qui implique contradiction est impossible, et tout ce qui n'implique point contradiction est possible."12 Diese grundlegende Definition findet sich an so vielen Stellen, in den Edita wie in den Inedita, daß wir darauf verzichten können, weitere Belege anzuführen. Auf Grund dieser Definition von „möglich" ergibt sich nun der Begriff der möglichen Welten. Am Schluß der Theodizee findet sich eine recht anschauliche Darstellung18: Sextus hat sich bei Jupiter über sein Schicksal beklagt. Jupiter befiehlt ihm, nach Athen zu gehen. Dort führt ihn Pallas Athene in einen Palast, der unzählig viele Zimmer enthält. In jedem Zimmer ist ein ganzer Weltenlauf, eine mögliche Welt dargestellt. Sextus sieht eine Welt, m der er nach Korinth geht. Dort kauft er einen Garten, in dem er einen Schatz findet, so daß er als reicher und angesehener Mann sein Leben zu Ende führen kann. Er sieht eine andere Welt, in der er nach Thrazien geht. Dort heiratet er die Tochter des Königs und folgt ihm in der Herrschaft nach. Alle diese verschiedenen möglichen Welten laufen auf eine einzige hin, diese ist die beste und wirkliche. Unter einer möglichen Welt versteht Leibniz also immer einen ganzen Weltenlauf, und zwei Weltenläufe unterscheiden sich in unendlich vielen Ereignissen,

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Kap. l: Die Prinzipienlehre

wenn sie sich auch nur in einem Ereignis unterscheiden sollen. Mögliche Welten unterscheiden sich weiterhin durch das in ihnen enthaltene Gute, und in Bezug darauf muß eine von ihnen ein Maximum darstellen. Für Gottes Entscheidung nämlich, eine der unendlich vielen möglichen Welten zur Wirklichkeit zu rufen, muß ein zureichender Grund vorhanden sein. Dieser zureichende Grund kann nur darin liegen, daß eine der unendlich vielen möglichen Welten die beste ist, und dies ist der Grund, weshalb Gott diese und nur diese Welt wirklich erschafft". Zu dieser Unterscheidung zwischen der wirklichen und den bloß möglichen Welten tritt die Unterscheidung zwischen den zwei Arten von Wahrheiten: „It y a deux sortes de v e r i t s, celles de R a i s o n n e m e n t et celles de F a i t . Les verite*s de Raisonnement sont necessaires . . . et leur oppos£ est impossible, et celles de fait sont contingentes et leur oppose* est possible."15 Diese Unterscheidung zwischen den Vernunftwahrheiten und den Tatsachenwahrheiten, oder wie man vielleicht besser sagen würde, zwischen den rationalen Wahrheiten und den faktischen Wahrheiten, ist für Leibniz fundamental. Zu den Vernunftwahrheiten gehören die Wahrheiten der Logik und der Mathematik. Da ihr kontradiktorisches Gegenteil einen Widerspruch in sich enthält, gelten sie in jeder möglichen Welt. In jeder möglichen Welt gelten also die Gesetze der dreidimensionalen euklidischen Geometrie, und Leibniz wählt gerade die Dreidimensionalität als Beispiel für eine Vernunftwahrheit18. Die Tatsachenwahrheiten dagegen gelten nicht in allen möglichen Welten, es gibt also für jede Tatsachenwahrheit mindestens eine mögliche Welt, in der sie nicht gilt. Formuliert man diese These von der Modalitätentheorie her, dann kann man sagen, daß im Bereich der Vernunftwahrheiten jeder Sachverhalt, der möglich ist, auch zugleich wirklich und notwendig ist. In der Terminologie von Nicolai Hartmann könnte man sagen, daß im Bereich der Vernunftwahrheiten Möglichkeit, Wirklichkeit und Notwendigkeit einander implizieren17. Allerdings vermeidet es Leibniz, den Terminus „Wirklichkeit" in dieser Bedeutung des bloß Mathematisch-Wirklichen zu verwenden. In der Terminologie von Leibniz kann man daher nur sagen: Im Bereich der Vernunftwahrheiten implizieren Möglichkeit und Notwendigkeit einander. Im Bereich der Tatsachenwahrheiten ist aber keines-

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wegs alles Mögliche auch wirklich und noch weniger auch notwendig. Gleichwohl sind die Fakten der wirklichen Welt in einer gewissen Weise doch notwendig. Die Welt kann nicht anders sein, da es der Güte Gottes widersprechen würde, eine andere als die beste aller möglichen Welten zu erschaffen. Um dieser Notwendigkeit Rechnung zu tragen, unterscheidet Leibniz zwischen zwei Weisen der Notwendigkeit: die logische oder metaphysische Notwendigkeit betrifft diejenigen Sachverhalte, die nicht anders sein können, weil ihr Gegenteil einen Widerspruch in sich schließt. Die physische oder moralische Notwendigkeit betrifft diejenigen Sachverhalte, die zwar vom Satz des Widerspruchs her hätten anders sein können, die aber vom Satz des Grundes bestimmt sind18. Man kann also jetzt sagen: Im Bereich der Vernunftwahrheiten ist das Mögliche zugleich logisch oder metaphysisch notwendig, im Bereich der Tatsachenwahrheiten ist das Wirkliche zugleich physisch oder moralisch notwendig. Im Bereich der Vernunftwahrheiten implizieren Möglichkeit und logische Notwendigkeit einander, im Bereich der Tatsachenwahrheiten implizieren Wirklichkeit und physische Notwendigkeit einander. Man sieht, welche Bedeutung der Satz vom zureichenden Grunde für diese Gliederung hat und wie leicht man geneigt sein könnte, den Satz vom zureichenden Grunde nur auf die Tatsachenwahrheiten zu beziehen. Dieser Begriff der möglichen Welten ist für Heinrich Scholz von großer Bedeutung gewesen. Zunächst weist Scholz darauf hin, daß dieser Grundaufbau, die Auszeichnung der wirklichen Welt aus der Gesamtheit aller möglichen Welten, die Anwendung eines mathematischen Prinzips, nämlich des Maximalprinzips, darstellt19. Dies ist unzweifelhaft richtig, es ist aber Scholz wohl entgangen, daß Leibniz selbst den Zusammenhang des Begriffs der besten aller möglichen Welten mit dem Maximalprinzip bereits vorgetragen hat20. Dagegen scheint mir ein anderer Gedankengang von Scholz gewisse Schwierigkeiten zu enthalten: Scholz diskutiert unter Bezug auf Leibniz Sätze, die in jeder möglichen Welt gelten sollen, und er betrachtet dazu Welten, die nur ein Ding enthalten, oder Welten, die nur zwei Dinge enthalten21. Es scheint mir schwierig zu sein zu entscheiden, ob eine Welt, in der nur ein einzelnes Ding existiert, für Leibniz noch eine mögliche Welt darstellt. Eine solche Welt würde eine Reihe von fundamentalen Prinzipien verletzen, zum Beispiel das Kontinuitätsprin-

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Kap. l: Die Prinzipienlehre

zip. Man sieht auch nicht, wie eine solche Welt von der Monadenlehre her möglich sein sollte. Auf der anderen Seite wäre eine solche Welt ja nur dann unmöglich, wenn sie einen Widerspruch in sich enthielte. Daß aber eine Welt, die nur ein einziges Ding enthält, in sich widerspruchsvoll ist, ist zum mindesten nicht auf den ersten Blick zu sehen. Die Frage scheint schwierig, und ich habe auch bei Leibniz keine Stelle gefunden, die als eine definitive Entscheidung betrachtet werden könnte.

KAPITEL II

DIE LOGIK IM ENGEREN SINNE § 5 Der Begriff Die Lehre vom Begriff ist der Ursprung der Leibnizsdien Logik im Ganzen, sie ist aber auch die Quelle aller Schwierigkeiten. Die uns vorkommenden Begriffe — davon geht Leibniz aus — sind in der Regel zusammengesetzt. So zeigt die Definition von „homo", daß er ein zusammengesetzter Begriff ist, und daß er in die beiden Teilbegriffe animal und rationale zerlegt werden kann. Es erhebt sich sofort die Frage, ob diese Zerlegung sich ins Endlose fortsetzen läßt, oder ob sie nach endlich vielen Schritten ein Ende findet, weil sie auf unzerlegbare Grundbegriffe gestoßen ist. Aller Schwierigkeiten ungeachtet, hat Leibniz immer die zweite Lösung als notwendig betrachtet. Wie sehr er mit dem Problem gerungen hat, zeigt sein Brief an Vagetius aus dem Jahre 1679: „De protonoematis simpliciter sive de his quae per se concipiuntur saepe cogitavi, quanquam enim putem difficile esse, ut tale quiddam ab hominibus distincte satis enuntietur, possumus tarnen de illis ratiocinari, supponendo quasi ea enuntiassemus: ubi quaeri potest, primum an ulla sint revera protonoemata, an vero detur subdivisio in infinitum, ut in aliis divisionibus, deinde posito esse aliqua (videtur enim nihil omnino concipi si nihil per se concipitur) quaeritur unicumne tantum an plura. Si unicum quomodo ex illo tarn multae notiones compositae. Si plura, habebunt necessario communia quaedam ut possibilitatem, item habebunt quasdam relationes inter se, alioqui non poterunt concurrere ad compositas notiones constituendas. Quomodo ergo simplices sunt istae notiones? Itaque quocunque vertamur difficultatibus occurimus. Est tarnen harum quaestionum determinatio magni momenti ad vera scientiarum principia constituenda."1

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Kap. 2: Die Logik im engeren Sinne

Nimmt man die Existenz einfacher Grundbegriffe an, dann stellen sich vier Aufgaben: 1. die Analyse der zunächst gegebenen zusammengesetzten Begriffe in ihre Teilbegriffe, 2. die Synthese von Begriffen zu zusammengesetzten Begriffen, wenn möglich ausgehend von den einfachen Grundbegriffen, 3. die vollständige Darstellung der einfachen Grundbegriffe, 4. die vollständige Darstellung der zusammengesetzten Begriffe. Die beste Darstellung der Lehre vom Begriff dürften die im Jahre 1684 in den Acta Eruditorum erschienenen Meditationes de cognitione, veritate et ideis enthalten. Ein uns vorkommender Begriff ist in der Regel zusammengesetzt, eine notio composita2. Als Beispiel werden gegeben: aurum, gravitas, color, aqua fortis, chiliogonum, numerus, figura. Diesen zusammengesetzten Begriffen liegen einfache Begriffe zugrunde: notio primitiva, irresolubilis, indefinibilis*. Von hier aus stellt sich sofort die Forderung, die Analyse der auflösbaren Begriffe bis zur Erreichung der unauflösbaren Grundbegriffe zu treiben. Ob eine solche bis zum Ende kommende Analyse möglich ist, bleibt fraglich, „cujus exemplum perfectum nescio an homines dare possint"4. Leibniz nennt die Zahlen als Beispiele zum mindesten verhältnismäßig sehr einfacher Begriffe. Wären die einfachen Begriffe durch eine vollendete Analyse vollständig gegeben, dann würde sich die Synthese auf eine bloße Kombinatorik reduzieren. Man brauchte dann nur alle Kombinationen der Grundbegriffe systematisch aufzustellen. Die Idee einer solchen kombinatorischen Begriffszusammensetzung hat Leibniz bereits sehr früh konzipiert, sie findet sich völlig ausgeführt in der 1666 von dem damals zwanzigjährigen Leibniz publizierten De arte combinatoria. Zunächst wird der Aufbau der Analysis klar formuliert: „Analysis haec est: 1. Datus quicunque Terminus resolvatur in partes formales, seu ponatur ejus definitio; partes autem hae herum in partes, seu terminorum definitionis definitio, usque ad partes simplices, seu terminos indefinibiles."B Im Vorgehen stimmt dies völlig mit den Meditationes des Jahres 1684 überein, insbesondere legt die Definition einen zusammengesetzten Begriff in seine Teilbegriffe auseinander. Die Notwendigkeit einfacher Begriffe wird mit einem Hinweis auf Aristoteles begründet6. Setzt man in diesem Sinne eine vollständige Analyse und eine vollständige Synthese voraus, dann ergibt sich die Möglichkeit,

§5: Der Begriff

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die Gesamtheit aller wahren Aussagen systematisch zu gewinnen: „His ita constitutis possunt omnia subjecta et praedicata inveniri."7 Leibniz gibt zwei instruktive Beispiele: Angenommen, es gäbe vier einfache Grundbegriffe, dann könnte man sie durch die vier Zahlen 3, 6, 7 und 9 bezeichnen (in dieser frühen Arbeit fehlt noch der naheliegende Gedanke, Primzahlen zu verwenden). Dann würden die möglichen zweifachen, dreifachen usw. Produkte aus diesen vier Zahlen die möglichen Begriffszusammensetzungen symbolisch bezeichnen, und man sieht leicht, daß Zusammensetzungen der verschiedensten Art möglich sind8. Ein weiteres Beispiel gibt Leibniz aus den Grundlagen der Mathematik. Er gibt eine Tafel von 27 Grundbegriffen, und bildet insgesamt 24 Klassen verschieden hoher Zusammensetzung. Unter diesen zusammengesetzten Begriffen finden sich beispielsweise quantitas, linea recta, diameter. Es handelt sich dabei im wesentlichen um eine Zusammenstellung der bereits bekannten mathematischen Definitionen. Es ist aber keine Vollständigkeit beabsichtigt, und die Tafel der 27 Grundbegriffe besteht auch nicht aus wirklichen Grundbegriffen, also aus einfachen und nicht mehr zusammengesetzten Begriffen. Leibniz sagt zwar, das Verfahren selbst sei vollständig durchzuführen, es fehle ihm im Augenblick nur die Zeit: „Potuissemus eadem methodo omnes definitiones ex Elementis Euclidis exponere, si tempus superfuisset."* Freilich ist zu befürchten, daß Leibniz auch bei einem Überfluß an Zeit die behauptete Vollständigkeit nicht hätte erreichen können. Diese Lehre von der Zusammensetzung der Begriffe aus einfachen Grundbegriffen findet sich, soweit ich sehen kann, in allen Werken. In der Monadologie sagt Leibniz im § 33: „Quand une verit£ est necessaire, on en peut trouver la raison par l'analyse, la resolvant en idees et en verhis plus simples jusqu'a ce qu'on vienne aux primitives"10. In der Theodizee spielen die logischen Fragen eine etwas geringere Rolle. Gleichwohl finden sich an verschiedenen Stellen Hinweise auf die Lehre von der Begriffszusammensetzung, beispielsweise im § 99 der Causa Dei: „Lumen innatum consistit turn in Ideis incomplexis, turn in nascentibus inde notitiis complexis."11 In den Nouveaux Essais hat das Problem begreiflicherweise eine große Bedeutung. Ausdrücklich handeln von ihm die Kapitel 30—32 des zweiten Buches. Auch hier spricht Leibniz von einfachen und von zusammengesetzten Ideen".

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Kap. 2: Die Logik im engeren Sinne

Insbesondere wird die Frage diskutiert, welche Gesetze das Denken bei der Zusammensetzung von Ideen berücksichtigen muß. Die Bedeutung des Problems in den Inedita ist kaum zu übersehen, ich darf auf die beiden Werke von Couturat verweisen18. Es scheint, daß auch Couturat das in den Manuskripten liegende Material keineswegs ausgeschöpft hat, zum mindesten begnügt er sich bei wichtigen Untersuchungen mit Inhaltsangaben. Was den geschichtlichen Zusammenhang angeht, so ist die Analyse eines Begriffes in seine Teilbegriffe ein fundamentales Problem schon des griechischen Denkens. Die ersten Definitionsversuche der griechischen Mathematik, der griechischen Medizin und der Sophistik dürften Beispiele dafür geben. Daß Sokrates nach Definitionen suchte, berichtet Aristoteles ausdrücklich. Daß er dabei die Methode der Analyse eines Begriffes in seine Teilbegriffe anwandte, ergibt sich aus den frühen Platonischen Dialogen. Bei Platon kulminiert das Verfahren in demjenigen, was man die Platonische Begriffspyramide genannt hat. Die ausführlichsten Beispiele finden wir am Anfang des Sophistes, wo zunächst der Angelfischer und dann der Sophist selber durch dies Verfahren bestimmt werden14. Den weiten Umfang gewinnt naturgemäß das Problem, als Aristoteles die Logik zu einer selbständigen Disziplin ausgestaltet hatte. Das Spezifische des Ansatzes bei Leibniz ist der kombinatorische Gedanke. Hier besteht ein enger Zusammenhang mit Raimundus Lullus. Leibniz nennt seine Werke einzeln und verweist auch auf Kommentare15. An Raimundus Lullus schließt sich eine Reihe von Schülern an, die Leibniz kurz die Lullisten nennt. In einem weiteren Sinne rechnet er dann auch Gassendi, Giordano Bruno, Hobbes und P. Gregoire hierher. Für die gleichzeitigen Untersuchungen von Kircher war Leibniz stets interessiert. Die historischen Zusammenhänge des kombinatorischen Verfahrens sind wiederholt untersucht worden, ich verweise insbesondere auf Couturat1*. Biographische Erinnerungen zeigen, daß Leibniz sich schon sehr früh mit diesen Problemen beschäftigt hat. Dies könnte man schon daraus schließen, daß in De arte combinatoria bereits eine in gewissem Sinne systematische Darstellung vorliegt. Leibniz erzählt uns aber ausdrücklich, daß er die Kategorienlehre des Aristoteles sehr früh kennengelernt hat, und daß er sich sofort mit dem Problem beschäftigt hat, durch kombinatorische Zusammenstellungen der Kategorien, die er als die ein-

§5: Der Begriff

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fachen Grundbegriffe aufgefaßt hat, die Gesamtheit aller möglichen Prädikate und damit die Gesamtheit aller wahren Sätze zu ermitteln. Aus den Erinnerungen wird man schließen können, daß Leibniz damals etwa 12 bis 13 Jahre gewesen sein mag17. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Anwendung des kombinatorischen Gedankens auf die aristotelische Logik der überaus lebendigen Kombinations fähigkeit schon des jungen Leibniz selbständig entsprungen ist, und ob er sich dann durch die Lektüre, es sei von Raimundus Lullus selbst, es sei von Werken, die von Raimundus Lullus abhängig sind, in diesen frühen Entwürfen bestätigt sah, oder ob ihm die erste Anregung zu kombinatorischen Versuchen aus solchen Werken gekommen ist. Das hier auftretende Wechselspiel zwischen Spontaneität und Rezeptivität, zwischen eigner Entdeckung und Bestätigung durch andere ist nicht aufzulösen, und schon gar nicht bei einem so beweglichen Geiste wie Leibniz. Betrachtet man die kombinatorische Begriffstheorie im ganzen, so stößt man freilich auf viele Schwierigkeiten. Die Unterscheidung zwischen einfachen und zusammengesetzten Begriffen muß eine analoge Unterscheidung zwischen verschiedenen Erkenntnisvermögen nach sich ziehen, und in der Tat sind die Meditationes um eine solche Unterscheidung bemüht18. Der Zugang zu den zusammengesetzten Begriffen fällt wesentlich dem diskursiven Denken zu. Dies gilt auch noch in Bezug auf die Zahlen19. Dagegen können die einfachen Grundbegriffe dem diskursiven Denken keinen Anhaltspunkt mehr geben, sie müssen in einer reinen Intuition erfaßt werden, und Leibniz sagt ausdrücklich: „Notionis distinctae primitivae non alia datur cognitio, quam intuitiva, ut compositarum plerumque cogitatio non nisi symbolica est."20 So klar diese Unterscheidung zu sein scheint, so viele Schwierigkeiten enthält sie. Leibniz polemisiert in den Meditationes gegen die Cartesische Lehre der perceptio clara et distincta. Er bemängelt, daß es an einem Kriterium dafür fehlt, wann eine solche perceptio vorliegt. Dies ist zwar richtig, aber derselbe Vorwurf muß gegen Leibniz erhoben werden. Auch er selbst gibt kein Kriterium dafür, wann eine Erkenntnis intuitiv ist, insbesondere gibt er kein Kriterium dafür, wann ein Begriff nicht mehr zusammengesetzt, also einfach ist. So scheint es verständlich, daß Leibniz der naheliegenden Frage nach der Zahl und der Art der Grundbegriffe stets ausgewichen ist. Es wäre der Überzeugungskraft des Ansatzes gewiß dienlich, wenn

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Kap. 2: Die Logik im engeren Sinne

man wenigstens einen Anhalt dafür bekäme, wie eine soldie Tafel der Grundbegriffe etwa aussehen könnte. Leibniz hat zwar in dieser Richtung Versuche gemacht, er scheint sie aber als unbefriedigend angesehen zu haben, und dies mit Recht. Am ehesten wird man wohl den Begriff des ens zu den Grundbegriffen rechnen müssen. Vielleicht gehört auch der Begriff des unum zu ihnen, jedenfalls dürfte er ihnen sehr nahe stehen. Es ist nicht einmal Klarheit darüber zu erlangen, ob Leibniz die Zahl der Grundbegriffe als endlich oder als unendlich angenommen hat. In einem Brief an Herzog Johann Friedrich, der der Erlangung der Stelle in Hannover diente, gibt Leibniz einen Überblick über seine bis dahin gemachten Entdeckungen. Zu unserer Frage schreibt er: „In Philosophia habe ich ein mittel funden, das jenige was Cartesius und andere per Algebram et Analysin in Arithmetics et Geometria gethan, in allen scientien zuwege zu bringen per Artem Combinatoriam, welche Lullius und P. Kircher zwar excolirt, bey weiten aber in solche deren intima nicht gesehen. Dadurch alle Notiones compositae der ganzen Welt, in wenig simplices als deren Alphabet reduciret, und aus solches alphabets combination wiederumb alle dinge, samt ihren theorematibus, und was nur von ihnen zu inventiren müglich ordinata methodo mit der zeit zu finden ein weg gebahnet wird. Welche invention, dafern sie wils Gott zu Werck gerichtet, als mater aller inventionen von mir vor das importanteste gehalten wird, ob sie gleich das ansehen noch zur zeit nicht haben mag: Ich habe dadurch alles was erzehlet werden soll, gefunden, und hoffe noch ein mehrers zu wege zu bringen."21 So instruktiv dieser Brief für den Optimismus von Leibniz ist, so wenig ergibt er doch an Konkretem. Wenn Leibniz sagt, daß es nur wenige Grundbegriffe gibt, so ist das doch ein recht vorsichtiger Ausdruck. Wie soll man ihn auffassen? Vergleicht Leibniz die Grundbegriffe mit den Buchstaben des Alphabets, in unserem Brief wie an anderen Stellen22, so sollte man doch daraus schließen, daß es nur endlich viele Grundbegriffe gibt. An anderen Stellen vergleicht er sie mit den Primzahlen, durch deren Produkte alle anderen Zahlen dargestellt werden können28. Ein solcher Vergleich mit den Primzahlen würde auf unendlich viele Grundbegriffe führen. Die naheliegende Frage nach der Zahl der Grundbegriffe muß also wohl offen bleiben.

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Dagegen kann man, wenn ich recht sehe, eine weitere Frage ziemlich weitgehend entscheiden. Jeder Grundbegriff muß eine positive Realität ausdrücken, und zwei Grundbegriffe können niemals einander widersprechen. Dies muß daraus folgen, daß die Grundbegriffe keine Zusammensetzung enthalten können. Damit ein Grundbegriff die Negation einer Realität ausdrücken könnte, müßte er eine Verneinung enthalten, was aber wegen des Fehlens einer Zusammensetzung nicht möglich ist. Aus demselben Grunde können auch zwei Grundbegriffe nicht einander widersprechen. Ein Widerspruch bedeutet ja, daß derselbe Sachverhalt zugleich bejaht und verneint wird. Solange also die Negation nicht auftreten kann, kann auch kein Widerspruch auftreten. Hierdurch kommen die Grundbegriffe in einen nahen Zusammenhang mit einem alten theologisch-philosophischen Begriff, dem Begriff der Eigenschaften Gottes, der attributa Dei. In der Abhandlung Quelques remarques sur le Ihre de Mons. Locke intitule Essay of Understanding, die vielleicht 1695 für eine Publikation geschrieben wurde, aber erst 1708 publiziert worden ist24, bezieht sich Leibniz ausdrücklich auf die Meditationes des Jahres 1684 und schreibt dann: „Mais les ide"es primitives sont celles dont la possibilite ne sfauroit estre demonstree par d'autres plus simples, et ces idees, a le bien prendre, ne sont autre chose que les attributs de Dieu."25 Dieser Zusammenhang mit den Eigenschaften Gottes würde unsere Erwägung bestätigen, denn auch die Eigenschaften Gottes bezeichnen nur positive Realitäten und können niemals einander widersprechen. So bleiben bei den Grundbegriffen viele Unklarheiten und Schwierigkeiten. Wenden wir uns den zusammengesetzten Begriffen zu, dann erhalten wir zwar etwas mehr Klarheit, dafür tun sich andere Schwierigkeiten auf. Zunächst wird hier das allgemeine Möglichkeitskriterium zum Existenzkriterium für Begriffe. Was einen Widerspruch enthält, ist unmöglich, was widerspruchsfrei ist, ist möglich. Infolgedessen sind alle Zusammensetzungen irgendwelcher Begriffe, die einen Widerspruch in sich enthalten, unmöglich, und umgekehrt sind alle Zusammensetzungen möglich, die widerspruchsfrei sind. Leibniz unterscheidet in diesem Sinne auch zwischen wahren und falschen Begriffen und definiert ausdrücklich: „Patet etiam, quae tandem sit Idea vera, quae falsa, vera scilicet cum notio est possibilis, falsa cum contradictionem involvit"29. Hier entfernt sich Leibniz merklich von der Tradition. Die

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Kap. 2: Die Logik im engeren Sinne

Tradition läßt die Nominaldefinition jedes beliebigen Begriffes zu und sucht dann erst eine Entscheidung darüber zu erreichen, ob es den durch diese Nominaldefinition bezeichneten Gegenstand gibt oder nicht. So kann man den Begriff des regulären Siebenflächners definieren, und es zeigt sich dann, daß es einen solchen Körper nicht geben kann. Leibniz dagegen betrachtet schon einen solchen Begriff als eine notio impossibilis, dieser Begriff existiert nicht, er kann daher, genau gesprochen, nicht einmal durch eine Nominaldefinition gegeben werden, die Definition des Siebenflächners ist vielmehr eine bloße Wortzusammenstellung. Dieser Ansatz von Leibniz macht es notwendig, die Widerspruchsfreiheit aller Begriffe zu beweisen. Wir werden darauf erst im 5. Kapitel eingehen, wir wollen jetzt nur das Problem als solches explizieren. Es gibt nämlich eine Reihe von Begriffen, die zunächst ganz unverdächtig aussehen, die sich aber bei näherer Betrachtung als widerspruchsvoll erweisen. Leibniz zeigt dies durch eine Reihe von Beispielen, und oft benutzt er dazu den Begriff der größten Geschwindigkeit. Es läßt sich nämlich durch ein Gedankenexperiment zeigen, daß (selbstverständlich unter den Voraussetzungen der klassischen Mechanik) der Begriff der größten Geschwindigkeit widerspruchsvoll ist27. Das Gleiche gilt vom Begriff der größten Zahl. Auch dieser Begriff ist widerspruchsvoll28. Leibniz ist sich schon früh darüber klar geworden, daß diese Schwierigkeiten am Begriff der Totalität und an den damit zusammenhängenden Begriffen des Maximums und des Minimums hängen. In diesem Sinne schreibt er am 28.12.1675 von Paris aus an Oldenburg: „Posito, tale Ens esse possibile, sive aliquam esse Ideam respondentem his Vocabulis; utique sequitur, Existere tale Ens. Multa videmur nobis Cogitare (confuse scilicet) quae tarnen implicant: Exempli gratia, Numerus omnium numerorum. Valde suspectum esse debet nobis Notio Infiniti, et Minimi, et Maximi, et Perfectissimi, et ipsius Omnitatis."29 Diese Schwierigkeiten treffen nun auch den Gottesbeweis von Descartes. Leibniz äußert sich an vielen Stellen dazu. In den Meditationes weist er darauf hin, daß der Gottesbegriff dieses Beweises als ein Maximalbegriff definiert wird, ens perfectissimum, vel quo majus cogitari non potest, involvit omnes perfectiones80. Es wäre daher nicht von vornherein unmöglich, daß dieser Totalitätsbegriff in sich wider-

§5: Der Begriff

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spruchsvoll wäre. Dies ist zwar tatsächlich auch nach der Überzeugung von Leibniz nicht der Fall, der so definierte Gottesbegriff ist widerspruchsfrei. Aber für einen Gottesbeweis muß die Widerspruchsfreiheit bewiesen werden. Bis dahin kann der Beweis aus dem ens perfectissimum, so urteilt Leibniz mit Bezugnahme auf Thomas von Aquin, nicht als schlüssig gelten81. Es lassen sich gegen die Grundkonzeption der kombinatorischen Begriffstheorie noch zwei weitere Bedenken erheben. Das erste Bedenken würde dahin gehen, daß in dieser Theorie die Begriffe sich nur auf eine einzige Weise miteinander verbinden können, nämlich durch eine logische Multiplikation. Das alte Musterbild dafür ist ja homo = animal rationale, und auch Leibniz selbst hat sich durch das alte Beispiel leiten lassen. In Wirklichkeit ist er sich durchaus darüber klar, daß keineswegs alle Definitionen nach dieser Form gebaut sind. Da ist zunächst die Definition der natürlichen Zahlen. Hier sieht Leibniz klar, daß die alte Regel: Definitio fit per genus proximum et differentiam specificam, nicht ausreicht, daß die natürlichen Zahlen vielmehr durch eine Definitionskette definiert werden müssen: 2 = 1 + 1, 3 = 2 + 1 usw.32. Auch in De arte combinatoria findet sich natürlich die logische Multiplikation, die Leibniz hier durch einen Punkt andeutet. Es kommen notwendigerweise schon in den alten mathematischen Definitionen auch andere Formen der Zusammensetzung vor, Leibniz folgt bereits in der frühen Schrift diesem Sachverhalt, und führt weitere Formen der Zusammensetzung ein33. Die analytische Urteilstheorie von Leibniz, die wir im nächsten Paragraphen diskutieren werden, führt auf eine weitere Schwierigkeit. Nach dieser Urteilstheorie kann ein Begriff B von einem Begriff A nur dann prädiziert werden, wenn er als Teilbegriff in ihm enthalten ist. Dann kann von einem Grundbegriff aber überhaupt nichts ausgesagt werden, weder die Möglichkeit, noch die Einfachheit, noch die Verträglichkeit. Ein solcher Grundbegriff aber, von dem kein anderer Begriff mehr prädiziert werden kann, scheint in sich unmöglich zu sein. Platon hat im Parmenides gezeigt, auf welche Schwierigkeiten es führt, wenn man den Begriff des in diesem Sinne als einen Grundbegriff auffaßt. Das Merkwürdige ist nun, daß Leibniz diese Schwierigkeiten selbst gesehen hat. Dies wäre bei seiner guten Kenntnis Platons ja auch gar nicht anders denkbar. Er schreibt ja in dem

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Kap. 2: Die Logik im engeren Sinne

oben zitierten Brief ausdrücklich: „Quomodo ergo simplices sunt istae notiones?". Es ist daher nicht zu verwundern, wenn er fortfährt, „quocunque vertamur difficultatibus occurrimus" M. Wir werden bei der analytischen Urteilstheorie auf ähnliche Schwierigkeiten stoßen, und es gibt, wie mir scheint, für die Schwierigkeiten der kombinatorischen Begriffstheorie wie der analytischen Urteilstheorie doch wohl nur die folgende Erklärung: Beide Theorien sind von Leibniz so früh konzipiert worden, daß sie mit seinen eigenen späteren Entdeckungen und Einsichten nicht mehr in Übereinstimmung zu bringen sind.

$ 6 Das Urteil Aus der kombinatorischen Begriffstheorie folgt nun konsequenterweise die analytische Urteilstheorie. Zwar kommt, soweit ich sehe, der Terminus analytisch bei Leibniz selbst nicht in der engeren Bedeutung des analytischen Urteils, sondern nur in der weiteren, aus dem Gegensatzpaar Analysis/Synthesis fließenden Bedeutung vor. Da aber der Terminus einmal eingeführt ist, mag es empfehlenswert sein, ihn beizubehalten. Couturat sagt ausdrücklich: „En resume, toute ve*rit£ est . . . identique ou, comme dira Kant, analytique"1. Russell sagt in demselben Sinne: „The notion that all a priori truths are analytic"2. Die Untersuchung der Leibnizschen analytischen Urteilstheorie kann ausgehen vom Begriff des identischen Satzes. Die beiden Hauptstellen finden sich in den Nouveaux Essais und in der Monadologie: „Les primitives de raison sont celles, que j'appelle d'un nom general i d e n t i q u e s, parcequ'il semble qu'elles ne fönt que repeter la mSme chose sans nous rien apprendre. Elles sont affirmatives ou negatives. Les a f f i r m a t i v e s sont comme les suivantes ... C h a q u e c h o s e est ce q u ' e l l e e s t , et dans autant d'exemples qu'on voudra A est A, B est B. Je seray ce que je seray. J'ay ecrit ce que j'ay ecrit. Et r i e n en vers comme en prose, c ' e s t e s t r e r i e n o u peu de c h o s e . . . L e r e c t a n g l e e q u i l a t e r a l est un rect a n g l e . " 3 Auch in der Monadologie erwähnt Leibniz die „ E n o n t i a t i o n s i d e n t i q u e s dont l'oppose* contient une contradiction expresse."4

§ 6: Das Urteil

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Man könnte die identischen Urteile in zwei Klassen teilen, und man könnte die Urteile der ersten Klasse die absolut identischen und die Urteile der zweiten Klasse die virtuell identischen Urteile nennen. Ein Beispiel für das absolut identische Urteil wäre: Das Rechteck ist ein Rechteck, formelmäßig: A est A. Das Beispiel für einen virtuell identischen Satz wäre: homo est rationalis, formelmäßig: A est B. Die Identität zeigt sich durch die Einsetzung. Der durch die Einsetzung sich ergebende Satz: animal rationale est rationale, beziehungsweise: AB est B, könnte dann je nach dem Gesichtspunkt zu den absolut identischen oder zu den virtuell identischen Sätzen gerechnet werden. Diese Unterscheidung finden wir an mehreren Stellen. In den Addenda ad specimen calculi universales sind die beiden ersten Klassen der propositiones per se verae die beiden folgenden: „1) a est a. Animal est animal. 2) ab est a. Animal rationale est animal"5. In einem anderen Ineditum ist der Gedanke weiter durchgeführt: „ab est a ab est b a est a

sive (Omne) animal rationale est animal, sive (Omne) animal rationale est rationale, sive (Omne) animal est animal"6.

In einem anderen Ineditum findet sich ausdrücklich der Terminus: virtuell identisch, „propositiones... virtualiter identicae, quae scilicet per analysin terminorum (si pro primo termino notio vel aequivalens vel inclusa substituatur) ad identicas formales sive expressas reducuntur"7. Man kann auch zwischen einer engeren und einer weiteren Bedeutung von „identisch" unterscheiden, Leibniz braucht sie oft durcheinander, bei einiger Aufmerksamkeit kann man sie leicht auseinanderhalten. Von der weiteren Bedeutung des Terminus „identischer Satz" kann dann Leibniz zu der These aufsteigen, daß alle wahren Urteile (zunächst beschränkt auf die rationalen) identische Urteile sind8. Wir bekommen also drei Arten von identischen Urteilen, die durch die drei Beispiele dargestellt werden: animal est animal, animal rationale est rationale, homo est rationalis. Im Zusammenhang mit der BegrifFstheorie gelangt Leibniz zu der allgemeinen These: In jedem wahren Urteil ist das Prädikat im Subjekt enthalten. Couturat und Russell haben in ihren Untersuchungen

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Kap. 2: Die Logik im engeren Sinne

dieser These eine besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Die These findet sich etwa in der Untersuchung, an die wir eben angeknüpft haben: „ . . . ita ut in propositione quacunque: A est B (seu B vere praedicatur de A), utique B insit A, seu notio ejus in notione ipsius A aliquo modo contineatur"9. Couturat gibt die Belegstellen vermutlich ziemlich vollständig, die prägnanteste ist vielleicht die folgende: „Semper igitur praedicatum seu consequens inest subjecto seu antecedent!, et in hoc ipso consistit natura veritatis in Universum"10. Diese These: In jedem wahren Urteil ist der Begriff des Prädikats im Begriff des Subjekts enthalten, macht die analytische Urteilstheorie von Leibniz aus. Dabei dürfte es bedenklich sein, von einer allgemeinen analytischen Urteilstheorie zu reden. In der Gegenwart jedenfalls wird der Begriff des analytischen Urteils in vielen Bedeutungen gebraucht, und sie weichen in der Regel von der Leibnizschen Bedeutung ab. Dagegen dürfte der Begriff des analytischen Urteils bei Kant sich mit dem Leibnizschen Begriff decken, denn Kant sagt ausdrücklich: „ . . . das Prädicat B gehört zum Subject A als etwas, was in diesem Begriffe A (versteckter Weise) enthalten ist; . . . Analytische Urtheile (die bejahende) sind also diejenige, in welchen die Verknüpfung des Prädicats mit dem Subject durch Identität... gedacht wird."11 Betrachtet man bei Leibniz das Verhältnis dieser analytischen Urteilstheorie zur kombinatorischen Begriffstheorie, dann sieht man, daß die Begriffstheorie die fundamentale Theorie ist, und daß dies an dem Fundierungszusammenhang zwischen Begriffen und Urteilen liegt. Das, was eigentlich existiert, sind die Begriffe und ihr Zusammenhang. Die primäre logische Gegebenheit sind die Begriffe und ihre Zusammensetzung. Im Urteil wird lediglich diese Zusammensetzung expliziert, indem ein zusammengesetzter Begriff zum Subjektbegriff gemacht wird, und ein in ihm enthaltener Teilbegriff — im Grenzfall das Subjekt selbst — zum Prädikatsbegriff. Dieser Ansatz von Leibniz ist keineswegs selbstverständlich, man kann sehr wohl danach fragen, ob der Begriff oder ob die im Urteil sich darstellende Aussage das logisch Primäre ist. Legt man die Frage auf das rein Sprachliche um, so würde sie dahin gehen, ob das Wort oder ob der Satz das Primäre ist, und man sieht dann, daß die Entscheidung von Leibniz von großer Tragweite ist. Diese analytische Urteilstheorie war ursprünglich nur auf die ratio-

§6: Das Urteil

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nalen Wahrheiten, auf die verites de raison, bezogen. Später hat Leibniz sie auch auf die Tatsachenwahrheiten ausgedehnt, so daß diese Urteilstheorie von allen wahren Aussagen gilt. Die alte Unterscheidung der beiden Klassen von Wahrheiten kommt dann darin zum Ausdruck, daß in den rationalen Wahrheiten die Subjektsbegriffe aus endlich vielen Teilbegriffen zusammengesetzt sind, während in den faktischen Wahrheiten Begriffe vorliegen, die aus unendlich vielen Teilbegriffen zusammengesetzt sind. Diese Unterscheidung hat zwar wissenschaftstheoretische Konsequenzen, die wir im Kapitel V noch diskutieren werden, für das Enthaltensein des Prädikates im Subjekt ist es dagegen an sich ohne Belang, ob das Subjekt endlich viele oder unendlich viele Teilbegriffe enthält. Diese analytische Urteilstheorie ist sowohl von Couturat als auch von Russell zum Kern ihrer Darstellungen gemacht worden, sie ist aber dabei recht verschieden beurteilt worden. Couturat betrachtet die analytische Urteilstheorie als das Fundament der Leibnizschen Philosophie, er formuliert ganz allgemein: „C'est ainsi que nous avons ete amene a decouvrir que sä Logique etait, non seulement le coeur et l'äme de son Systeme, mais le centre de son activite Intellectuelle et la source de toutes ses inventions, et a reconnaitre en eile le foyer obscur, ou du moins cache, d'oü jaillirent tant de lumineuses «fulgurations» "12. Wenn ich Couturat richtig verstanden habe, dann ist diese These bei weitem nicht so klar, wie ihre glänzende Formulierung es vermuten läßt. Was soll das eigentlich bedeuten: Das Ganze der Leibnizschen Philosophie fließt aus dieser Urteilstheorie? Soll das geschichtlich gemeint sein? Will Couturat sagen, daß die Urteilstheorie entwicklungsmäßig das Erste war, und daß alles andere, insbesondere die Monadenlehre, sich aus dieser Urteilstheorie zeitlich entwickelt hat? Ich kann nicht finden, daß Couturat eine solche Entwicklungsgeschichte der Leibnizschen Philosophie auch nur versucht hätte. Oder ist die These systematisch gemeint? Soll gesagt werden, daß alle Aussagen der Leibnizschen Philosophie aus der analytischen Urteilstheorie abgeleitet werden können? Nun kann gewiß nicht geleugnet werden, daß die analytische Urteilstheorie und die zugrunde liegende kombinatorische Begriffstheorie eine fundamentale Bedeutung haben, und daß sie tief beispielsweise in die Monadenlehre hineinreichen. Aber die These geht doch weit

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Kap. 2: Die Logik im engeren Sinne

darüber hinaus. Man braucht nur an den in der Monadenlehre fundamentalen Begriff der repraesentatio zu denken, und man wird zweifeln müssen, ob dieser Begriff bei Leibniz aus der Urteilstheorie abgeleitet werden kann. Bertrand Russell kommt zu einer entschiedenen Ablehnung der analytischen Urteilstheorie. Russell fordert, daß die Darstellung eines Philosophen sich nicht auf die historische Darstellung beschränken darf: „But, in addition to the purely historical purpose, the present work is designed also, if possible, to throw light on the truth or falsity of Leibniz's opinions"1S. Wir schließen uns dieser Forderung durchaus an. In der Philosophie muß jede historische Arbeit, soweit sie sich nicht als eine reine Materialarbeit betrachtet, die Wahrheitsfrage stellen. Sie soll zeigen, was der Autor behauptet hat, sie soll aber auch, wenn möglich, zeigen, was von den Behauptungen des Autors wahr und was falsch ist. Die Auseinandersetzung über die analytische Urteilstheorie findet sich bei Russell in den drei ersten Kapiteln. Im ersten Kapitel entwickelt Russell fünf Prämissen der Philosophie von Leibniz, und von ihnen lautet die erste: „Every proposition has a subject and a predicate"14. Im zweiten Kapitel beschreibt Russell zunächst das analytische Urteil: „Every proposition is ultimately reducible to one which attributes a predicate to a subject. In any such proposition, . . . the predicate is somehow contained in the subject. The subject is defined by its predicates, and would be a different subject if these were different."15 Ein Urteil mit solchen Eigenschaften bezeichnet Russell als analytisch: „Thus every true judgment of subject and predicate is analytic — i.e. the predicate forms part of the notion of the subject. (Das Ausgelassene bezieht sich auf Existentialsätze, wir werden noch darauf zurückkommen.) Im Fortgang des Kapitels finden sich noch zwei besonders prägnante Formulierungen: „An analytic judgment is one in which the predicate is contained in the subject."17 „The subject is a collection of attributes, and the predicate is a part of this collection."18 Russell analysiert diese Urteilstheorie und zeigt, daß sie auf der Voraussetzung beruht, daß jedes Urteil die Form hat, daß einem Subjekt ein Prädikat zukommt (oder nicht zukommt). Dies ist, so sagt Russell, „a very ancient and respectable doctrine"1 . Diese Analyse

§ 6: Das Urteil

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ist unzweifelhaft richtig, sie wird schon dadurch belegt, daß Leibniz selbst das Urteil ganz allgemein durch die Formel darstellt: A est B, beziehungsweise AB est B. Russell formuliert dann zwei Fragen: „I.Are all propositions reducible to the subject-predicate form? 2. Are there any analytic propositions, and if so, are these fundamental and alone necessary?"20 Die zuerst gestellte Frage, ob alle Urteile von der Form A est B sind, muß verneint werden, und zwar im Hinblick auf die Relationsurteile und im Hinblick auf die Existentialurteile. Beide Urteile können nicht auf die Form gebracht werden, daß einem Subjekt ein Prädikat prädiziert wird, und beide Urteile können daher nicht analytische Urteile im Sinne von Leibniz sein. Zur Begründung verweist Russell insbesondere auf mathematische Existentialurteile. Das Urteil: „There are three men"21, kann nicht auf die Subjekt-Prädikat-Form gebracht werden. Es gibt hier kein Subjekt, das ein Prädikat als TeilbegrifF enthalten könnte. Wenn man hier schon den Begriff des Subjekts ins Spiel bringen will, dann könnte man höchstens von drei Subjekten reden. Das gleiche gilt von solchen Urteilen wie „L ist größer als M", „L ist gleich M", „L ist kleiner als M". Man kann von dem Satz: „L ist gleich M" nicht sagen, L sei das Subjekt, oder M sei das Subjekt. Will man auch hier von Subjekten sprechen, so muß man sagen, daß es zwei Subjekte gibt, nämlich L und M, und daß von diesen zwei Subjekten eine zweigliedrige Relation ausgesagt wird. Dies zeigt sich schon in der gewöhnlichen mathematischen Form, wenn man schreibt A = B; es zeigt sich noch deutlicher, wenn man die Aussage korrekter schreibt, nämlich: = (A, B). Leibniz ist im vierten Brief an Clarke ausführlich gerade auf diese Relation eingegangen22. Russell interpretiert die Stelle nicht eben glücklich, weil ihm die logischen und die ontologischen Probleme durcheinander gehen, wir werden im zweiten Teil auf die Stelle zurückkommen. Diesen Einwand vom Relationsurteil her wird man einem Mathematiker wie Leibniz gegenüber nur sehr ungern erheben. Es ist selbstverständlich, daß Leibniz die Bedeutung des Relationsurteils erkannt hat, und es ist ebenso selbstverständlich, daß er sich um die Aufhellung des Relationsurteils große Mühe gegeben hat. Es ist ein kummervolles Problem, und man kann nichts anderes tun, als was Russell auch getan hat. Man kann nur resignierend feststellen, daß auf der

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Kap. 2: Die Logik im engeren Sinne

einen Seite die Relationsurteile für Leibniz eine hervorragende Bedeutung haben, und daß auf der anderen Seite die Leibnizsche analytische Urteilstheorie auf die Relationsurteile nicht zutreffen kann23. Der zweite Einwand erhebt sich von den Existentialurteilen her. Hier stimme ich sachlich mit Russell völlig überein. Das Existentialurteil kann nicht auf die Form gebracht werden: Von einem Subjekt wird ein Prädikat ausgesagt. Dazu müßte man die Existenz als ein Prädikat betrachten, Existenz ist aber kein Prädikat im eigentlichen Sinne. „Existence, alone among predicates, is not contained in the notion of subjects which exist"24. Im dritten Kapitel sagt dann Russell: „Existence is thus unique among predicates. All other predicates are contained in the notion of the subject, and may be asserted of it in a purely analytic judgment. The assertion of existence, alone among predicates, is synthetic."25 Ich finde es wenig befriedigend, bei Leibniz synthetische Urteile anzunehmen, und die Meinung von Leibniz dahin zu interpretieren, daß er die Existentialurteile nicht als analytische, sondern als synthetische Urteile betrachtet habe, wenigstens dann, wenn dies als historische Darstellung betrachtet werden soll. Dies steht, wie Russell selbst zugibt, im Widerspruch zu klaren Textstellen. Es kann kein Zweifel sein, daß Leibniz bei der Analyse der Gottesbeweise die Existenz Gottes im üblichen Sinne als ein Prädikat betrachtet hat, und Russell verweist auf eine solche Stelle28. Auch der Exkurs in den Nouveaux Essais über das im cogito ergo sum steckende Existentialurteil vermag nicht zu einer endgültigen Entscheidung zu führen 27 . Man wird lediglich zugeben können, daß Leibniz in der Frage der Existentialurteile geschwankt hat, und daß er die Existentialurteile in Bezug auf kontingente Dinge, ebenso wie alle Urteile in bezug auf kontingente Dinge, in einem ersten Stadium nicht als analytische Urteile betrachtet hat. Wie immer dies Problem bei Leibniz als eine rein historische Frage entschieden werden mag, systematisch sind die Existentialurteile ein Argument gegen die analytische Urteilstheorie von Leibniz, sie lassen sich nicht auf die logische Form bringen: A est B, eben weil hier seinsmäßig gar nicht der Sachverhalt vorliegt, daß einem bestimmten Subjekt eine bestimmte Eigenschaft zukommt. So stellen sowohl die Relationsurteile als auch die Existentialurteile schwerwiegende Argumente gegen den Allgemeinheitsanspruch der

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analytischen Urteilstheorie von Leibniz dar. Einen weiteren Einwand werden wir im Kapitel V entwickeln, aber schon hier wird man sagen können, daß die These von Leibniz: „Semper igitur praedicatum . . . inest subjecto . . . et in hoc ipso consistit natura veritatis in Universum" 28, unmöglich in dieser Allgemeinheit richtig sein kann.

$ 7 Der Schluß Die traditionelle Logik ist im wesentlichen eine Syllogistik, und sie stützt sich dafür vorwiegend auf die Erste Analytik des Aristoteles. Nun haben zwar neuere Untersuchungen gezeigt, daß die produktiven Denker des Mittelalters weit darüber hinausgegangen sind, gleichwohl hat in dieser Zeit die Syllogistik im Unterricht, und damit auch im allgemeinen Bewußtsein, eine dominierende Rolle gespielt. Das schönste Zeugnis für Leibnizens Stellung zur Logik in diesem engeren Sinne ist sein Brief an Gabriel Wagner. Der Brief ist zwar erst 1838 von Guhrauer zum ersten Mal publiziert worden1. Dieser Brief kann aber durch so viele Stellen aus anderen Werken gestützt werden, daß kein Zweifel daran sein kann, daß er die eigentliche Meinung von Leibniz darstellt, und daß diese seine Meinung schon zu seinen Lebzeiten hinreichend bekannt war. Leibniz unterscheidet zunächst zwischen einer Logik als einer Kunst der Beurteilung und der Logik als einer Kunst der Erfindung. „Unter der Logick oder Denckkunst verstehe ich die Kunst den verstand zu gebrauchen, also nicht allein was fürgestellet zu beurtheilen, sondern auch was verborgen zu erfinden"2. Etwas später: „Bisher habe von dem theil der bekandten Logick geredet, so zur Erfindung dienet; nun muß auch von dem theil gedencken, so zum urtheil gehöret." 3 Wir betrachten wesentlich die Logik als Kunst der Beurteilung. Dazu sagt Leibniz: „Wenn er nun diese Meynung hat, so mus ich zwar bekennen, daß alle unsre bisherigen Logicken kaum ein schatten deßen seyn, so ich wündsche, und so ich gleichsam von ferne sehe, muß aber gleichwohl der Wahrheit zu Steuer und einem jeden sein gebührend recht zu thun, bekennen, daß ich auch in der bißhehrigen Logick viel guthes und nüzliches finde, dazu mich denn auch die danckbarkeit verbindet, weilen ich mit Wahrheit sagen zu können vermeine, daß

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Kap. 2: Die Logik im engeren Sinne

mir die Logick, auch wie man sie in schuhlen lehret, ein großes gefruchtet."4 Dies ist die oft ausgesprochene Meinung von Leibniz: Man muß die Syllogistik des Aristoteles achten, aber sie ist nur ein Anfang, sie muß weiterentwickelt werden. Hier steht Leibniz im Gegensatz zu Kant, der in der Kritik der reinen Vernunft gesagt hat, daß die Logik abgeschlossen sei, und daß sie deshalb seit Aristoteles keinen Schritt habe vorwärts tun könnenB. Die weitere Entwicklung hat gezeigt, daß hier Leibniz im Recht war, und es ist begreiflich, daß die moderne Logik, die eine sich ständig entwickelnde Wissenschaft geworden ist, gerade in dieser Hinsicht Leibniz als ihr Vorbild betrachtet. Im Brief an Wagner gibt Leibniz eine aufschlußreiche autobiographische Erinnerung. Er hat die Logik schon früh kennengelernt, nach der hier gemachten Angabe spätestens mit 13 Jahren. Besonders anziehend war ihm die Kategorienlehre erschienen, die er im Anschluß an die Ramisten sofort als eine allgemeine Kombinatorik aufgefaßt hat«. Seine Stellung zur aristotelischen Syllogistik formuliert Leibniz in der folgenden Weise: „Es ist gewiß kein geringes daß Aristoteles diese formen in unfehlbare gesez bracht, mithin der erste in der that gewesen, der mathematisch außer der Mathematik geschrieben. Ich habe auch etwas zur neugierigkeit beygetragen, indem ich wißkunstig bewießen, daß iede der vier figuren just nur sechs gültige arthenhabe und also (gegen die gemeine lehre) eine soviel als die andere, immaßen die Natur in allen dingen regulär. Und dieß dünckt mich nicht weniger betrachtungs würdig als die zahl der regulären Cörper."7 Die Logik von Leibniz hat Couturat in einer so umfassenden und wohlbegründeten Weise dargestellt, daß ich mich auf eine kurze Zusammenfassung beschränken kann. Es dreht sich im wesentlichen um drei Fragen. Die erste Frage geht nach der Zahl der gültigen Schlüsse. Die klassische Darstellung, die von Aristoteles ausgeht und die die Erweiterung durch Galen berücksichtigt, kommt insgesamt auf 19 gültige Schlüsse. In De arte combinatoria hatte Leibniz diese Zahl auf insgesamt 24 erhöht8. Man kann aber der Erwägung des jungen Leibniz schwerlich irgendeine Bedeutung zumessen, denn die hinzugefügten Schlüsse laufen sämtlich leer.

§ 7: Der Schluß

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Die zweite Frage ist die Frage der Rückführung der zweiten, dritten und vierten Figur auf die erste Figur. Darin ist die wichtige Frage enthalten, ob alle 19 beziehungsweise 24 Schlüsse selbständige Schlüsse sind, oder aber einige Schlüsse nur Umformungen gewisser anderer Schlüsse darstellen. Mit dieser Frage hat sich Leibniz viel beschäftigt, eine ausführliche Erörterung findet sich in den Nouveaux Essais9, ich darf wiederum auf Couturat verweisen10. Die dritte Frage ist die Frage nach der Wahrheit der Schlußregeln. Diese Frage kann sofort auf die Frage nach der Wahrheit des modus barbara konzentriert werden. Ist der modus barbara ein beweisbarer Satz? Wenn ja, wie kann er bewiesen werden? Wenn nein, was ist er sonst? Unter den Prinzipien im eigentlichen Sinne haben wir ihn nicht gefunden, und es findet sich auch kein Anzeichen dafür, daß Leibniz ihn dorthin gerechnet hätte. Leibniz betrachtet ihn vielmehr als eine consequentia per se vera: „ C o n s e q u e n t i a per se vera: a est b, et b est c,ergo a est c. Deus est sapiens, sapiens est Justus, ergoDeus est Justus."11 Man muß dies wohl im Sinne der kombinatorischen Begriffstheorie und im Sinne der analytischen Urteilstheorie verstehen. Entwickelt man nämlich den modus barbara im Sinne dieser Theorien, dann wird aus a est b b est c ergo a est c zunächst ab est b b est c ergo ab est c und nach einer weiteren Einsetzung abc est bc be est c ergo abc est c. Nach einer solchen Analyse dürfte Leibniz der Auffassung gewesen sein, daß wegen des auftretenden Identitätsverhältnisses die Wahrheit des Schlusses in sich selbst evident ist. In diesem Sinne wird man auch eine Bemerkung der Nouveaux Essais zu dieser Frage verstehen dürfen12. Auf der anderen Seite legt dieser Gesichtspunkt es nahe, einen Beweis des modus barbara aus dem Satz der Identität zu versuchen. Auf jeden Fall enthalten die Schlüsse, der modus barbara als das Standardbeispiel betrachtet, keine selbständigen Wahrheiten. Der mo-

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Kap. 2: Die Logik im engeren Sinne

dus barbara beruht vielmehr darauf, daß die in ihn eingehenden Begriffe a, b und c in einer bestimmten Weise zusammengesetzt sind, nämlich als abc, bc und c. Auch die Schlüsse sind also keine selbständigen Wahrheiten, sondern auch sie entspringen, ebenso wie die Urteile, aus den Begriffen und ihren Zusammensetzungen. Also zeigt sich auch hier, daß die Begriffe und ihre Zusammensetzungen das eigentliche Fundament der Leibnizschen Logik sind. Zur Frage der Erweiterung der aristotelischen Syllogistik bringt der Brief an Wagner eine sehr instruktive Zusammenfassung: „Zwar ist diese arbeit des Aristotelis nur ein anfang und gleichsam das ABC, wie es dann andere mehr zusammengesäzte und schwehrere formen gibt die man alsdann erst brauchen kan, wenn man mit hilff dieser ersten und leichten formen festgestellet, als zum exempel die Euclidischen Schlußformen, da die verhaltungen (proportiones) versezt werden, invertendo, componendo, dividendo rationes etc. ja selbst additionen, multiplicationen oder divisionen der zahlen, wie man sie in den Rechenschuhlen lehret, sind beweißformen (Argumenta in forma) und man kan sich darauff verlaßen, weil sie krafft ihrer form beweisen. Und auff solche weise kan man sagen, daß eine ganze buchhalters rechnung förmlich schließe, und aus Argumentis in forma bestehe. So ist es auch mit der Algebra und vielen ändern förmlichen beweisen bewand, so nehmlich nackend und doch vollkommen."18 Mit dem Hinweis auf Euklid meint Leibniz, daß etwa die Inversion der Proportion: a : b = c : d, hat zur Folge: b : a = d : c, als eine rein logische Schlußform aufgefaßt werden kann. Diese Gleichsetzung des Rechnens mit den logischen Operationen enthält drei Probleme. Es müssen erstens diese weiteren Formen aufgesucht und dargestellt werden. Es muß zweitens das Verhältnis der Mathematik zur Logik von hier aus neu erwogen werden. Es muß drittens der Charakter der Logik selbst neu erwogen werden. Das zweite und dritte Problem werden wir im fünften Kapitel diskutieren. Das erste Problem ist ein besonderes Anliegen von Leibniz. Es gibt zahlreiche Untersuchungen darüber in den Manuskripten von Leibniz, Couturat hat sie sorgfältig ediert und dargestellt. Aber auch in den von Leibniz selbst fertiggestellten Werken finden sich zahlreiche Hinweise auf diese Aufgabe und auf bereits erzielte Ergebnisse, besonders in den Nouveaux Essais14 und in der Theodizee15.

§7: Der Schluß

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Die Ergebnisse kann man in zwei Bereiche gliedern. Der erste Bereich würde sehr allgemeine Gesetze umfassen, der zweite Bereich etwas speziellere Gesetze der Relationslogik. Zum ersten Bereich würden das kommutative, das assoziative und das transitive Gesetz in ihren verschiedenen Anwendungsformen gehören. Beim kommutativen Gesetz handelt es sich zunächst um die Kommutativität der Begriffskombinationen: „ . . . kan man mit eben dem recht sagen: homo est rational animale, als man saget: homo est animal rationale."1 Dieselbe These findet sich durch dasselbe Beispiel erläutert auch in einem Manuskript17. Hierher gehört das Gesetz der Tautologie: „Repetitio alicujus literae in eodem termino inutilis est et sufficit earn retineri semel, exempli causa a a seu homo homo."18 Das Gesetz der Transitivität beschäftigt Leibniz insbesondere bei der Gleichheit. Wenn a = b, und b = c, dann a = c, ist zwar ein wohlbekannter Satz, aber Leibniz interessiert sich für seine rein logische Bedeutung19. Auch in den Nouveaux Essais betrachtet Leibniz den modus barbara vom transitiven Gesetz her20. Hierher gehören auch die Untersuchungen zur Lehre vom Ganzen und den Teilen, es existiert darüber ein fast abgeschlossenes Manuskript, das Dürr formalisiert hat 21 . Auf die Relationslogik gehen wir noch einmal ein. In diesem Streben nach Erweiterung der Logik stützt sich Leibniz auf eine ganze Reihe von Vorgängern. Starke Anregungen hat er von Erhard Weigel, seinem mathematischen Lehrer in Jena, erhalten. In der Theodizee erinnert er ausdrücklich daran22. Starke Anregungen hat er auch von Hobbes empfangen, den er bereits in De arte combinatoria in dieser Richtung erwähnt23. Ein besonderes Augenmerk hat Leibniz denjenigen Versuchen zugewandt, die um die logische Struktur der Elemente Euklids bemüht waren, und auch Leibniz selbst hat immer wieder solche Untersuchungen unternommen24. Hier zeigt sich ein sachlicher Zusammenhang, der bis in unsere Zeit wirksam geblieben ist. Die Erweiterung der Logik und der Fortgang der logischen Arbeit lebt weithin von der Aufgabe, die Schlußweisen der Mathematik auf ihre reine Form zu bringen, und es ist selbstverständlich, daß gerade der systematische Anfang der Mathematik dafür von besonderem Interesse ist. So wird nicht nur bei Leibniz, sondern auch in unserer Zeit, bei Frege, bei Peano, bei Russell, bei Whitehead,

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Kap. 2: Die Logik im engeren Sinne

die Logik weithin zur Aufgabe, das mathematische Denken auf seine reine logische Form zu bringen. Die Frage nach dem geschichtlichen Zusammenhang scheint mir noch offen zu sein. Es gilt als communis opinio, daß die logische Arbeit des neunzehnten Jahrhunderts von vorn hat anfangen müssen, daß die logischen Untersuchungen von Leibniz erst gegen Ende des Jahrhunderts entdeckt worden sind, so daß die neu entstandene mathematische Logik sich durch Leibniz lediglich bestätigt sah. Dies wäre freilich um so merkwürdiger, als in den publizierten Schriften, insbesondere in den Nouveaux Essais und in der Theodizee, sich genügend Hinweise auf die logischen Ziele von Leibniz finden. So muß denn eine neue vorurteilsfreie Untersuchung dieser Frage abgewartet werden.

KAPITEL III

DIE KATEGORIENLEHRE

§ 8 Die Kategorientafel Die Kategorien werden in der schulmäßigen Behandlung zunächst in der Tafel der zehn aristotelischen Kategorien gegeben: substantia, qualitas, quantitas, relatio, ubi, quando, actio, passio, habitus und situs. Daß diese Tafel nicht vollständig ist, wurde schon früh erkannt. Es wurden deshalb die sogenannten Postprädikamente hinzugefügt. Auf der anderen Seite finden sich Bestimmungen, die in einem näheren oder weiteren Zusammenhang mit den Kategorien stehen, die Modalitäten: Möglichkeit, Wirklichkeit, Notwendigkeit, und die Transzendentalien, insbesondere Einheit und Sein. Was zunächst die Tafel der zehn Kategorien anbetrifft, so kann man nicht sagen, daß diese Tafel die ständige und endgültige Lehre des Aristoteles darstellt1. In seinen Werken finden sich vielmehr die Kategorien in verschiedenen Zusammenstellungen, und man wird sagen können, daß eine Kategorientafel aus den vier ersten Kategorien: substantia, qualitas, quantitas, relatio, als die eigentliche Meinung des Aristoteles betrachtet werden kann. Eine solche Rückführung der zehn Kategorien auf die vier ersten Hauptkategorien hat schon im Mittelalter, wenn auch nicht in der schulmäßigen logischen Arbeit, so doch in der eigentlich philosophischsystematischen Arbeit, eine große Rolle gespielt. Man sieht bald, daß unter den letzten Kategorien überflüssige Bestimmungen stecken müssen, und auch Leibniz hat dies sehr früh gesehen. In der im Brief an Wagner gegebenen autobiographischen Erinnerung schreibt er: „Ich begund gleich zu mercken, daß ein großes darinn stecken müße, soviel etwa ein Knabe von 13 jähren in dergleichen mercken kan. Die gröste lust empfand ich an den so genanten praedicamenten, so mir vorkam

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Kap. 3: Die Kategorienlehre

als eine Muster-Rolle aller Dinge der weit, und suchte ich allerhand Logicken nach, umb zu sehen, wo solche allgemeine Register am besten und außführlichsten zu finden. Ich fragte offt mich und meine Mitschühler, in welches Prädicament und deßen Fach wohl dieß oder jenes gehöhren möchte, ob mir wohl nicht anstund, daß man so viel dinge ganz außschloß, einige der praedicamenten, als sonderlich die zwey, wo nicht vier lezten, auch bey mir bald wegfielen, weil sie in den vorigen begriffen oder deren nuzen sich in der that nicht zeigen wolte."2 In De arte combinatoria geht Leibniz von der Tafel der vier Kategorien aus: „l. Metaphysica, ut altissime ordiar, agit turn de Ente, turn de Entis affectionibus: ut autem corporis naturalis affectiones non sunt corpora, ita Entis affectiones non sunt Entia. 2. Est autem Entis affectio (seu Modus), alia absoluta quae dicitur Q u a l i t as, alia respectiva, eaque vel rei ad partem suam, si habet, Q u a n t i t a s ; vel rei ad aliam rem R e l a t i o , etsi accuratius loquendo, supponendo partem quasi a toto diversam etiam quantitas rei ad partem relatio est. 3. Manifestum igitur neque Qualitäten! neque Quantitäten! neque Relationem Entia esse."8 Dieser Ansatz enthält bereits ein ganzes Programm der Ontologie, wir beschränken uns aber zunächst auf die kategorialanalytische Bestimmung. Leibniz gliedert also die Gesamtheit des Seienden zunächst in zwei Klassen. Etwas ist entweder selbst ein Seiendes (ens), oder eine Bestimmung des Seienden (affectio entis, modus entis). Die modi entis zerfallen wiederum, zunächst in drei Klassen: Qualitas, Quantitas, Relatio. Der Abschnitt stellt dabei zugleich den Versuch einer systematischen Ableitung der Kategorien dar, einer systematischen Ableitung, wie sie bisher oft, aber immer vergeblich, versucht worden ist. Besonders interessant ist der Abschnitt deshalb, weil hier bereits auch die Vierzahl der Kategorien, und zwar zunächst auf eine Dreizahl, reduziert wird. Leibniz sagt ja ausdrücklich, daß die Quantität eigentlich als eine Relation betrachtet werden muß. Dieser Ausgang von den vier Kategorien und ihre weitere Reduktion ist das große Thema der Leibnizschen kategorialanalytischen Untersuchungen. Es wird sich zeigen, daß in der Tat Leibniz die Quantität völlig unter die Relation subsummiert. Diese Reduktion ergreift dann auch die Qualität (dabei möchte ich mich jeder Aussage über den zeitlichen Ablauf enthalten), so daß schließlich auch die Qualität verschwindet. Auf diese Weise

§ 8: Die Kategorientafel

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kommt es dann zu einer Tafel von nur zwei Kategorien, nämlidi Substanz und Relation. Dabei bleibt Leibniz wegen einiger Restschwierigkeiten bei der Qualität immer noch etwas zögernd. Die klare These geben die Nouveaux Essais: „Cette division des objets de nos pensees en substances, modes, et relations, est assez ä. mongre. Je crois que les qualites ne sont que des modifications des substances et l'entendement y adjoute les relations."4 Hier ist im Sinne der frühen Schrift die Quantität jedenfalls ganz in der Relation verschwunden. Dagegen ist Modus nicht mehr der Oberbegriff zu Qualität und Relation, vielmehr werden Modus und Relation jetzt einander gegenübergestellt. Unter Substanz dürfte hier Leibniz die Monade verstehen, unter den Modi das Denken und Wollen der Monaden, perceptio und appetitus. Nun sind perceptio und appetitus Bestimmungen, deren Unterbringung im Kategorienschema schon immer Mühe gemacht hat. Soweit man sie unter die Qualitäten gerechnet hat, hat man dies gewiß nur zögernd, und nur in Ermangelung einer besseren Bestimmungsmöglichkeit getan. Auch Leibniz bezeichnet sie gelegentlich als Qualitäten5. Unter die Modi dürfte Leibniz auch einige Bestimmungen gerechnet haben, die üblicherweise zu den Transzendentalien gerechnet wurden, insbesondere unum und bonum. Im übrigen geht die logische Bestimmung der Kategorien, die Frage nach ihrer Definition und nach ihrer Gliederung, mit der ontologischen Bestimmung, der Frage nach ihrem Seinsgehalt, überaus eng zusammen. Russell hat gerade bei der Substanz die beiden Fragen getrennt behandelt. Uns scheint eine solche Trennung schwierig, und wir verschieben daher die kategorialanalytischen Einzelfragen bis zur ontologischen Diskussion der Kategorien im zweiten Teil. Die Frage beispielsweise der Reduzierung der Qualität kann nur im Zusammenhang mit der mechanistischen Naturauffassung erörtert werden, weil eben in einer rein mechanistischen Naturauffassung nicht nur die sekundären, sondern auch die primären Qualitäten wegfallen. Gerade hier zeigt sich, wie schwierig eine rein systematische Darstellung der Leibnizschen Philosophie ist. Sie ist bei weitem nicht so leicht, wie Russell dies angenommen hat8. Die Schwierigkeit einer solchen systematischen Darstellung erscheint völlig plausibel, denn sonst hätte gewiß auch schon Leibniz selbst eine systematische Darstellung gegeben.

KAPITEL IV

NEUE WISSENSCHAFTEN

§ 9 Scientia infiniti Wenn wir versuchen, den konkreten wissenschaftlichen Ertrag der Lebensarbeit von Leibniz darzustellen, so trifft dieser Versuch in ganz besonderer Weise auf die Schwierigkeiten, vor die sich unsere gesamte Darstellung gestellt sieht. Leibniz sieht alle Wissenschaften, sowohl vom Gegenstand als auch vom Forscher her, als eine Einheit. Wenn seine wissenschaftliche Arbeit nahezu alle damals bekannten Wissenschaften umfaßt, nicht nur die Mathematik und die Physik, sondern auch die empirischen Naturwissenschaften, ebenso aber auch die Geisteswissenschaften: Geschichtswissenschaft, Sprachwissenschaft, Rechtswissenschaft, dann liegt der Grund für diese einzigartige Breite nicht nur in der umfassenden Begabung von Leibniz, der Grund ist mindestens ebensosehr in den systematischen Voraussetzungen zu suchen. Aber unsere Darstellung muß zerlegen, und jede Darstellung wird zerlegen müssen, was für Leibniz eine ursprüngliche Einheit gewesen ist. Da wir nun einmal zerlegen müssen, so richten wir unser Augenmerk auf solche Gebiete, die von besonderem philosophischen Interesse sind, für Leibniz selbst ebenso wie für unsere Darstellung. In der Mathematik gehört Leibniz, daran kann kein Zweifel sein, zu den großen, zu den genialen Forschern. Zeugnis dafür ist allein schon die siebenbändige Ausgabe der mathematischen Schriften von Gerhardt, die der ebenfalls siebenbändigen Ausgabe der philosophischen Schriften in vielem die Waage hält. Gewiß wird die Akademieausgabe dies Material noch wesentlich vergrößern. So hat denn Leibniz in den großen Darstellungen der Geschichte der Mathematik eine eingehende und verdiente Würdigung gefunden, ich brauche nur auf die erste große Darstellung von Moritz Cantor1 und damit auf alle fol-

§9: Scientia infiniti

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genden zu verweisen. Inzwischen sind auch bereits sorgfältige Spezialdarstellungen vorgelegt worden, ich verweise hier lediglich auf Hofmann2. Wir wenden uns zunächst der Differential- und Integralrechnung zu, die Leibniz selbst gern als scientia infiniti 3 bezeichnet. Leibniz selbst hat eine systematische Darstellung ins Auge gefaßt, der Plan ist aber nicht zu einem Abschluß gekommen4. Das Problem ist belastet mit dem Prioritätsstreit, der zunächst zwischen Leibniz und Newton selbst in nicht immer ruhmvoller Weise, später von den Anhängern meistens mit nationaler Parteilichkeit geführt wurde. Die Frage darf heute als erledigt gelten. Ich schließe mich besonders Bertrand Russell an, der die Auffassung vertritt, daß Newton und Leibniz die Infinitesimalrechnung im wesentlichen gleichzeitig und unabhängig voneinander entdeckt haben5. Dafür sprechen sowohl die historischen als auch die systematischen Gründe, denn die beiden Forscher haben verschiedene Wege und verschiedene Methoden für ihre Entdeckung benutzt. Es ist heute kaum begreiflich, wie schwer es war, die neue Entdeckung durchzusetzen. In besonderer Weise hat Leibniz um die Zustimmung von Huygens gerungen. Huygens ist lange Zeit skeptisch geblieben. Erst als sich zeigte, daß die neue Methode Probleme lösen konnte, die für die alten Methoden unlösbar waren, hat er die neuen Methoden anerkannt. Der Brief, in dem er dies tut, wird immer ein Zeugnis echten und lauteren Forschergeistes bleiben: „Je consideray en suite pourquoy plusieurs de vos decouvertes m'estoient echappees, et je jugeay que ce devoit estre un effet de votre nouvelle facon de calculer;... Enfin je n'y vois point de jour encore, et puis que Mr. Bernoulli, aussi bien que vous, a reussi en ce point, j'en conchas qu'il fautque vostre nouveau calcul vous ait conduit tous deux, ou bien une plus grande connoissance que vous vous estes acquise l'un et l'autre en ce qui est des quadratures et leur relations et dependances mutuelles . . . Vous me ferrez done tres grand plaisir, Monsieur, si vous me voulez donner quelque lumiere en cecy, ce que peut estre vous pouvez en fort peu de paroles." Den Standpunkt von Leibniz kann man wie in allen Fragen, so auch hier, dahin kennzeichnen, daß ihn weniger die Ergebnisse als die Methoden interessieren7. Für eine solche Einstellung war allerdings in der

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Kap. 4: Neue Wissenschaften

Infinitesimalrechnung eine ungewöhnliche Möglichkeit gegeben. Teilergebnissse waren bereits in ansehnlicher Menge bekannt, das Problem bestand gerade darin, die allgemeine Methode zu finden. Leibniz betrachtet die Infinitesimalrechnung als eine Methode, die gestattet, auf dem Wege der Rechnung, des Kalküls, Probleme zu lösen, die mit den bisherigen Methoden, insbesondere mit der analytischen Geometrie von Descartes nicht zu lösen waren. Die analytische Geometrie bedeutet ihrem Ansatz nach die Einführung der Rechnung in die Geometrie, sie ist aber bei Descartes auf bestimmte Probleme beschränkt, und Leibniz untersucht oft diese Beschränkungen8. Die neue Methode dagegen ist diesen Beschränkungen nicht unterworfen. Sie gestattet es, Kurven, die auf irgendeine Weise gegeben sind, darzustellen und zu untersuchen. Besondere Vorteile gewährt sie für die Frage nach den Maxima und Minima einer Kurve, und Leibniz nennt sie deshalb auch methodus de maximis et minimis9. Die neue Methode ermöglicht es, aus der Gleichung einer beliebigen Kurve durch Differenzieren die Tangente zu finden, und umgekehrt aus der Gleichung der Tangente oder einer mit der Tangente zusammenhängenden Variablen die Kurve selbst wiederzugewinnen. Sie gestattet es, die Fläche zu berechnen, die eine Kurve mit ihren Abszissen und Ordinaten oder mit anderen Kurven bildet. Alle diese Probleme waren für die cartesische analytische Geometrie nur bei bestimmten Kurven lösbar und werden jetzt nach der Überzeugung von Leibniz für alle Kurven lösbar, und zwar ganz allgemein durch reine Rechnung. Sie werden dies in der Tat weithin, wenn Leibniz auch den Allgemeinheitscharakter der von ihm angewandten Methoden überschätzt hat. Das, was Leibniz an der neuen Methode in besonderem Maße interessiert, ist ihr Rechnungscharakter, ihr Kalkülcharakter. Nun schließt jede Rechnung, dies sieht Leibniz klar, den Aufbau und das Operieren mit einem Zeichensystem in sich. So wird die Frage nach der Zweckmäßigkeit eines Zeichensystems sowohl allgemein, wie wir noch sehen werden, als auch für den besonderen Fall des Infinitesimalkalküls zu einem Problem, das die besondere Aufmerksamkeit von Leibniz auf sich zieht. Hier ist es nun so, daß die heute üblichen Zeichen für den Differentialquotienten und das Integral von Leibniz stammen. In ihrem Briefwechsel haben sich Leibniz und Joh. Bernoulli über die gemeinsame Anwendung dieser Zeichen geeinigt10. Mit Recht nimmt deshalb Leibniz

§ 10: Analysis situs

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gerade im Hinblick auf die Prioritätsstreitigkeiten für sich in Anspruch, daß die von ihm gewählten Zeichen zweckmäßiger sind als die von Newton gewählten. In dem Brief an Huygens vom 3.10.1690 geht Leibniz ausführlich auf dieses Problem ein11. An sich sind natürlich alle Zeichen willkürlich, und jedermann kann seine Sache auf seine Weise ausdrücken. Gleichwohl können Zeichen mehr oder minder zweckmäßig sein. Zeichen sollten so gewählt werden, daß Zusammenhänge, die in den Sachen bestehen, in den Zeichen selbst zum Ausdruck kommen. Betrachtet man beispielsweise die Reihen der Potenzen von x, also x, x2, x3, usw., so könnte man durchaus festsetzen, daß ein beliebiger Buchstabe, beispielsweise m, x2 bedeuten soll, und man könnte weiter festsetzen, daß n x3 bedeuten soll. Dann würde also die Reihe x, m, n, ... die Reihe x, x2, x3, usw. bedeuten. Aber man sieht sofort, wie unzweckmäßig ein solches Zeichensystem sein würde. In der Reihe x, x2, x8, kommt der sachliche Zusammenhang in den Zeichen selbst zum Ausdruck, in der Reihe x, m, n, usw., die an sich dasselbe bezeichnet, ist dies nicht der Fall. Nicht viel anders liegen die Dinge in bezug auf die Zeichen, die Newton und Leibniz in verschiedener Weise für den Differentialquotienten gewählt haben. Zum mindesten dann, wenn mehrfach differenziert werden soll, und wenn nach verschiedenen Variablen differenziert werden soll, kann dies nur im Zeichensystem von Leibniz zweckmäßig zum Ausdruck gebracht werden. Darin liegt zugleich beschlossen, daß für bestimmte Fälle das Newtonsche Zeichen zweckmäßiger sein kann, und deshalb wird es bei gewissen Problemen gern auch heute noch in der Physik gebraucht. Im allgemeinen Fall ist aber das von Leibniz gewählte Zeichen zweckmäßiger, dies dürfte schon daraus hervorgehen, daß die Mathematik an diesem Zeichen festgehalten hat. $ 10 Analysis situs Die zweite für uns interessante Disziplin ist die analysis situs. Gerhardt hat im ersten Band der mathematischen Abhandlungen dazu drei Manuskripte veröffentlicht: I. Characteristica geometrica, II. Die analysis geometrica propria und den calculus situs betreffend. III. De analyst situs1.

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Kap. 4: Neue "Wissenschaften

In seinem Brief vom 8. 9. 1679 an Huygens hat Leibniz eine ausführliche Darstellung der analysis situs gegeben. Diese briefliche Darstellung hat eine besondere Bedeutung. Erstens sollte dieser Brief die von Leibniz gewünschte, jedoch erst 1699 erfolgte Ernennung zum Mitglied der Pariser Akademie fördern. Dafür hat Leibniz verständlicherweise eine Entdeckung ausgewählt, die seiner Überzeugung nach fundamental war, und er hat dafür eine wohlüberlegte Darstellung gegeben. Zweitens ist dieser Briefwechsel schon 1833 publiziert worden. In diesem Jahre hat ihn Uylenbroek in Den Haag herausgegeben unter dem Titel: Christiani Hugenii dliorumque seculi XVII virorum celebrium exercitationes mathematicae et philosophicae2. Dieser Briefwechsel konnte also schon im 19. Jahrhundert zur Wirkung kommen. In dem Manuskript De analyst situs geht Leibniz davon aus, daß die bisherige Analysis sich wesentlich auf die Größe bezieht, daß sie also zur Arithmetik gehört und nicht im eigentlichen Sinne zur Geometrie: „Quae vulgo celebratur Analysis Mathematica, est magnitudinis, non situs; atque adeo directe quidem et immediate ad Arithmeticam pertinet, ad Geometriam autem per circuitum quendam applicatur"3. Es gibt aber gleichwohl eine Analysis, die nicht die Beziehungen der Größe, sondern die nur die Beziehungen der Lage betrachtet. Die Griechen haben sie schon gehandhabt, und die alte griechische Lehre von den geometrischen örtern ist ein Teil der analysis situs. Diese Disziplin geht wesentlich auf die Begriffe der Ähnlichkeit und der Kongruenz. Dazu müssen freilich die Definitionen der Ähnlichkeit und der Kongruenz sowie die dazu gehörenden Axiome gefunden werden. Hat man sie, dann läßt sich eine Reihe von Sätzen beweisen, beispielsweise: gleichwinklige Dreiecke sind ähnlich (triangula aequiangula esse similia)4, oder: die Inhalte zweier Kreise verhalten sich wie die Quadrate der Durchmesser (circulos esse ut quadrata diametrorum)5. Im Schlußabsatz formuliert dann Leibniz die Aufgabe der neuen Disziplin: „Porro haec consideratio, quae tantam praebet facilitatem demonstrandi veritates alia ratione difficulter demonstrandas, etiam novum caculi genus nobis aperuit, a calculo algebraico toto coelo diversum, notisque pariter et usu notarum operationibus novum. Itaque Analysin situs appellare placet, quod ea situm recta et immediate explicat, ita ut figurae etiam non delineatae per notas in animo depin-

§ 10: Analysis situs

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gantur, et quicquid ex figuris imaginatio intelligit empirica, id ex notis calculus certa demonstratione derivet, caeteraque etiam omnia consequatur, ad quae imaginandi vis pertingere non potest: imaginationis ergo supplementum, et ut ita dicam perfectio in hoc, quern proposui, calculo situs continetur, neque tantum ad Geometriam, sed ad machinarum inventiones, ipsasque machinarum naturae descriptiones usum hactenus incognitum habebit."8 In seinem Brief vom 8.9.1679 an Huygens gibt Leibniz in einer ausführlichen Beilage eine Darstellung der analysis situs, die im wesentlichen mit dem eben angezogenen Manuskript parallel geht. Auch hier sagt Leibniz im Eingang: „J'ay trouve quelques elemens d'une nouvelle caracteristique, tout a fait differente de l'Algebre."7 Leibniz hebt wesentlich auf die Lehre von den geometrischen örtern ab. Als Beispiel eines durch den neuen Kalkül beweisbaren Satzes gibt er: Der Schnittpunkt zweier Kugeln ist ein Kreis8. Bemerkenswert ist, daß er auch in dieser Beilage auf die Beschreibung und auf die Konstruktion von Maschinen abhebt9. Huygens bleibt skeptisch. Er antwortet sofort: »J'ay examino attentivement ce que vous me mandez touchant vostre nouvelle Charakteristique, mais pour vous l'avouer franchement je ne con9ois pas, par ce que vous m'en estalez, que vous y puissiez fonder de si grandes esperances."10 Aber während Huygens sich vom Differential- und Integralkalkül später hat überzeugen lassen, wie wir gesehen haben, ist er in bezug auf die analysis situs skeptisch geblieben. Freilich mag dies auch daran liegen, daß wenigstens im Verhältnis zu Huygens Leibniz davon abgesehen hat, weitere Ausführungen über den neuen Kalkül zu machen. Gegenüber anderen hat er dies zwar getan, aber auch ohne großen Erfolg11. Die Entwicklung hat Leibniz Recht gegeben. Im vorigen Jahrhundert hat Grassmann die analysis situs zu einer selbständigen Disziplin erhoben. Schon im Titel seines Buches hat er ausdrücklich an Leibniz angeknüpft: Geometrische Analyse, geknüpft an die von Leibniz erfundene geometrische Charakteristik12. Die weitere Entwicklung dieser Disziplin und besonders ihr Ausbau in unserem Jahrhundert ist erstaunlich. Ich vermag daher nicht zu sehen, aus welchen Gründen Freudenthal13 die alte Skepsis von Huygens wiederholt hat.

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Kap. 4: Neue Wissensdiaften

§ 11 Scientia dynamica Die Untersuchungen zur scientia dynamica betreffen im wesentlichen diejenigen Probleme, die wir heute teils zur theoretischen Physik, teils zu den Grundlagen der Physik rechnen. Sie beginnen mit einer Doppelpublikation aus dem Jahre 1671. Der erste Teil mit dem Titel Hypothesis physica nova ist der Königlichen Sozietät in London gewidmet1, der zweite Teil, unter dem Titel Theoria motus abstracti, trägt die Widmung: Akademie der Wissenschaften in Paris2. Die Drucke erfolgten in verschiedener Form8. Es folgt eine große Reihe von Abhandlungen, die Gerhardt im 6. Band der mathematischen Schriften veröffentlicht hat, von denen ein Teil bereits von Leibniz selbst in Zeitschriften publiziert wurde. Aber auch eine ganze Reihe von Untersuchungen gehören hierher, die von Erdmann in den gesammelten Werken und von Gerhardt in den philosophischen Schriften veröffentlicht worden sind. Schließlich spielen Fragen der dynamica im Briefwechsel eine große Rolle. Leibniz hat schließlich eine Gesamtdarstellung begonnen, und er selbst schreibt darüber an Joh. Bernoulli: „Cum Romae essem anno 1689 et cum Auzouto, eruditissimo Gallo, qui inter Academiae Scientiarum Regiae velut conditores fuit, multum de his disputarem, meditationes meas in ordinem redigens libellum adumbravi, in quo demonstrantur haec omnia, de vi scilicet tarn absoluta, quam directiva, et conservando progressu centri gravitatis, aliaque his non inferiora. Eum transiens per Florentiam amico, in Mathematicis egregio, petenti reliqui edendum, et ille redegit in mundum omnia studiose, sed cum finis libro adhuc deesset, quem summittere in me receperam, per me stetit hactenus, quominus editio sequeretur; nondum enim colophonem adjeci, partim quod multa nova subinde nascerentur, quae mererentur addi, partim quod his, quos videbam mea non ut par erat accepisse, nollem velut obtrudere pulchras veritates."4 Gerhardt hat dies Manuskript dann im 6. Band der mathematischen Schriften publiziert, es umfaßt dort 233 Seiten.5 Sieht man sich die Untersuchungen der scientia dynamica auf ihren Inhalt an, so wird man sagen können, daß es sich mehr um die Grundlagen der Dynamik handelt als um das, was wir heute als einen Teil der theoretischen Physik Dynamik nennen. Wenn Newton in den Principia das stolze Wort geschrieben hat: „Hypotheses non fingo*8,

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so kann man umgekehrt sagen, daß es Leibniz fast ausschließlich um Hypothesen geht, um Hypothesen, die die Phänomene beschreibenden physikalischen Gesetze erklären sollen. Wir greifen aus der dynamica vier Teilprobleme heraus: 1. die Struktur der Materie, 2. die Bewegungen der Himmelskörper, 3. das Problem des Kräftemaßes, 4. das Problem apriorischer Gesetze in der Physik. Was zunächst das erste Problem anbetrifft, so stehen sich ja seit den ersten Erwägungen der griechischen Denker zwei Auffassungen gegenüber. Die Materie existiert in Form von Atomen, die mit endlichen Größen und endlichen Abständen im leeren Raum verteilt sind, so sagt die eine Auffassung. Die Materie erfüllt den Raum stetig, so sagt die andere Auffassung. In seinen ersten Anfängen, insbesondere in seiner Studentenzeit, dürfte Leibniz auf dem aristotelischen Standpunkt einer kontinuierlichen Erstreckung der Materie gestanden haben. Dann nimmt Leibniz für kurze Zeit den Standpunkt der Atomtheorie an. Zeugnis dafür ist etwa der Brief an Thomasius, der 1670 publiziert wurde 7 . Bald aber geht Leibniz endgültig zur Kontinuumhypothese über, er spricht aber davon, daß er vorübergehend auf dem Standpunkt der Atomtheorie gestanden hat: „Au commencement, lorsque je m'estois affranchi du joug d'Aristote, j'avois donne dans le vuide et dans les Atomes."8 In demselben Sinne sagt er 1698 in den Acta Eruditorum: „Sed diu est, quod rejiciendas esse atomos cum vacuo (deposito juventutis praejudicio) deprehendi."9 Die Auseinandersetzung über die Struktur der Materie spielt eine große Rolle im Briefwechsel mit Clarke, der ja der Sache nach ein Briefwechsel mit Newton ist10. Auch im Briefwechsel mit Huygens kommt das Problem zur Sprache, da Huygens, ebenso wie Newton, den atomistischen Standpunkt vertrat11. Hier weist Leibniz besonders darauf hin, daß es sich um einen alten und prinzipiellen Streit handelt: „Je viens a nostre controverse des atomes, eile est si ancienne, et les esprits y sont si partages, que je m'etonne nullement, si nous ne tombons pas d'accord la dessus."12 Prüft man die Erwägungen Leibnizens zu diesem Problem, dann erkennt man, daß niemals, soweit ich sehen kann, die Widerlegung der Atomhypothese auf den Satz vom Widerspruch gestützt wird. Die Argumente laufen vielmehr stets auf den Satz vom zureichenden Grunde hinaus. Daraus muß man doch wohl schließen, daß Leibniz

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Kap. 4: Neue Wissenschaften

den Begriff des Atoms an sich als widerspruchsfrei betrachtet hat. Dies läßt sich unter den Voraussetzungen von Leibniz auf die Form bringen, daß Gott eine aus Atomen bestehende Welt hätte schaffen können, und solche Welten müssen sich offenbar unter den möglichen Welten befinden.13 Es ist das principium rationis sufficientis, dem zufolge Gott die Welt so geschaffen hat, wie sie wirklich ist, nämlich als eine Welt, in der die Materie den Raum stetig erfüllt. In diesem Sinne argumentiert Leibniz dann auch in der abschließenden, unpublizierten Gesamtdarstellung. Er sagt dort in pars II, sectio tertia, propositio 5 : „ N u l l a d a n t u r c o r p o r a p e r f e c t e i n f l e x i b i l i a ... Hinc intelligitur, A t o m o s Naturae legibus consentaneos non esse."14 Dasselbe gilt dann für den Gegenbegriff der Atomtheorie, für den leeren Raum, über den Leibniz in der propositio 22 sagt: „Vacuum dari Legibus Naturae consentaneum non est."15 Dabei habe ich den Eindruck, daß Leibniz im Briefwechsel mit Huygens noch etwas weiter gehen will. Er scheint dort die Atomhypothese und die Kontinuumhypothese als zwei Hypothesen zu betrachten, die in gewisser Weise miteinander konkurrieren. Dies mag dadurch ausgelöst sein, daß Huygens auf dem Standpunkt der Atomhypothese stand, und Leibniz ihm entgegenkommen wollte. Ich glaube aber doch nicht, daß es sich um eine bloße Konzilianz handelt, es scheint mir vielmehr, daß Leibniz von seinen allgemeinen Voraussetzungen aus diese Verbindung ernsthaft diskutieren konnte. Als zweites Problem der scientia dynamica betrachten wir die Ätherhypothese. Leibniz hat sie bereits in der 1671 erschienenen Hypothesis physica nova, entwickelt, und er hat stets an ihr festgehalten. Wir legen die Abhandlung zugrunde, die Leibniz unter dem Titel Tentamen de motuum coelestiwn causis 1689 in den Acta Eruditorum hat erscheinen lassen. Leibniz beginnt damit, daß man von den Keplerschen Gesetzen ausgehen müsse: „Hie (Kepler) ergo invenit, quemlibet planetam primarium orbitam describere ellipticam, in cujus altero focorum sit Sol, ea lege motus, ut radiis e Sole ad planetam ductis, areae semper abscindantur temporibus proportionales."18 Es ist nun die Aufgabe, die Gründe für die durch Kepler entdeckten Bewegungsgesetze festzustellen, und Leibniz wundert sich insbesondere darüber, daß Descartes diese Aufgabe überhaupt nicht angefaßt habe:

§11: Scientia dynamica

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„Miratus autem saepe sum, quod Cartesius legum coelestium a Keplero inventarum rationes reddere ne aggressus est quidem."17 Für die Bewegungen der Himmelskörper und ihre Gesetze kann es nur einen Grund geben. Der Weltenraum muß kontinuierlich von einem Äther erfüllt sein. Dieser Äther wird durch die von der Sonne ausgehende Lichtstrahlung in Bewegung gesetzt, und diese Bewegung des Äthers überträgt sich auf die Himmelskörper und ist die Ursache für deren Bewegungen, „nihil aliud ego quidem superesse judico, quam ut causa motuum coelestium a motibus aetheris, sive ut astronomice loquar, ab o r b i b u s d e f e r e n t i b u s quidem, s e d f l u i d i s , oriantur"18. Leibniz kann daher zusammenfassend sagen, daß die Bewegungen der Himmelskörper vom Äther herrühren: „Hinc sequitur, p l a n e t a s m o v e r i a suo a e t h e r e . " 1 9 Die Aufgabe geht dann dahin, die Einzelheiten dieser Bewegungen, also die Einzelheiten der Keplerschen Gesetze, aus dieser Ätherhypothese abzuleiten, und es ist diese Aufgabe, mit der Leibniz sich im Fortgang des Tentamen sowie in den parallelen Untersuchungen beschäftigt. Die Auseinandersetzung mit Descartes hat Leibniz immer wieder beschäftigt. So finden wir denn im 6. Band der mathematischen Schriften eine ganze Reihe von Abhandlungen zu diesem Thema. Eine 1686 in den Acta Eruditorum erschienene Abhandlung trägt den Titel Brevis demonstratio erroris memorabilis Cartesii et aliorum circa legem naturalem, secundum quam volunt a Deo eandem semper quantitatem motus conservari, qua et in re mechanica abutunturzo. Schon dieser Titel zeigt, welche starken Affekte für Leibniz in diesem Problem mitwirken. Es ist deshalb verständlich, daß auch in den philosophischen Schriften sich zahlreiche Untersuchungen zu diesem Thema finden. Auch im Schriftwechsel spielt diese Auseinandersetzung eine große Rolle. Der Schriftwechsel mit Papin, der sich besonders um dies Problem dreht, ist von Gerhardt nicht ediert worden21, die Auseinandersetzung mit Papin hat sich aber auch weithin in den Zeitschriften vollzogen. Dahin gehört etwa der Aufsatz aus dem Jahre 1691: De legibus naturae et vera aestimatione virium motricium contra Cartesianos responsio ad rationes a Dn. Papino mense Januarii anni 1691 in Actis Eruditorum propositas22. Diese Auseinandersetzung dreht sich um zwei allerdings eng zusammenhängende Fragen. Die erste Frage ist die mehr philosophische

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Kap. 4: Neue "Wissenschaften

nach der Natur des materiellen Körpers, die zweite Frage ist die mehr physikalische nach dem konkreten Maß der Kräfte. Die erste Frage geht dahin, ob es richtig ist, wenn Descartes den Körper ausschließlich als res extensa bestimmt, so daß die bloße Ausgedehntheit und damit wesentlich eine geometrische Bestimmung das Wesen des materiellen Körpers ausmacht. Leibniz hat schon früh erkannt, daß diese Bestimmung unzureichend ist. Man muß vielmehr den Körper auch durch seine Kraft bestimmen. Dies bedeutet dann übrigens, daß der Körper nicht durch rein räumliche Momente bestimmt wird, sondern daß in seine Grundstrukturen auch zeitliche Momente eingehen. Der Zusammenhang mit den grundlegenden Bestimmungen der Monadologie ist offensichtlich, und so wird es verständlich, welchen Raum diese Diskussion bei Leibniz einnimmt. Die vielleicht bündigste Formulierung findet Leibniz in dem Aufsatz des Jahres 1694 über den Begriff der Substanz: „Cujus rei ut aliquem gustum dem, dicam interim, notionem v i r i u m seu virtutis (quam Germani vocant K r a f f t, Galli l a f o r c e) cui ego explicandae peculiarem D y n a m i c e s scientiam destinavi, plurimum lucis afferre ad veram n o t i o n e m s u b s t a n t i a e intelligendam."23 In der zweiten konkreten physikalischen Frage dreht es sich um die Frage nach dem Kräftemaß, insbesondere um die Feststellung derjenigen Größe, die bei allen mechanischen Veränderungen erhalten bleibt. Diese Größe hat Descartes mit dem Produkt aus der Masse und der Geschwindigkeit bestimmt (m · v), während Leibniz sie als das Produkt aus der Masse und dem Quadrat der Geschwindigkeit bestimmt (m · v2)24. Unzweifelhaft fußt Leibniz hier auf guten Phänomenen, die er richtig interpretiert. Freilich ist Leibniz in der Auseinandersetzung so temperamentvoll, daß er nicht zu sehen vermag, daß seine Thesen von gewissen Voraussetzungen abhängen, und daß es andere Voraussetzungen gibt, unter denen auch der Ansatz von Descartes sein Recht behält. Man braucht ja nur im Sinne des ersten Newtonschen Axioms einen einzelnen Körper zu betrachten, der sich in gerader Linie mit gleichbleibender Geschwindigkeit bewegt, um sofort zu sehen, daß in diesem Falle sowohl im Sinne von Descartes der Impuls (m · v) als auch im Sinne von Leibniz die kinetische Energie (m · v2) konstant bleiben. Die letzte Frage schließlich, die wir aus der Dynamik von Leibniz herausgreifen wollen, ist die Frage, ob es in der Physik apriorische

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Gesetze gibt. Dies zeigt sich freilich schon darin, daß das principium rationis sufficientis das Kausalgesetz als einen Sonderfall enthält, und so ist denn kein Zweifel, daß Leibniz das Kausalgesetz im Bereich der Physik als ein apriorisches Gesetz betrachtet. Aber sehr viel konkretere physikalische Begriffe und Gesetze können noch a priori bewiesen werden. Die Struktur der Materie, es sei nach der Atomhypothese, es sei nach der Kontinuumhypothese, ist ja eine Frage, die grundsätzlich nur a priori entschieden werden kann. Aber auch die Frage der konstanten Größe, also des Kräftemaßes, kann nach der Überzeugung von Leibniz a priori entschieden werden. Wir finden daher Argumentationen a priori beispielsweise im zusammenfassenden Manuskript in der Dynamica26 und der Auseinandersetzung mit Papin28 und im Schriftwechsel mit Joh. Bernoulli27. Überblickt man die Untersuchungen von Leibniz zur Dynamik im Ganzen, so gewinnt man den Eindruck, daß sie im heutigen Sinne wesentlich den Grundlagenfragen zuzurechnen sind. Dabei wird man sagen können, daß gerade in diesen Problemen Leibniz häufig recht traditionell verfährt, daß zum mindesten in den dynamischen Untersuchungen ganz traditionelle Erwägungen mit ganz modernen Erwägungen oft recht sonderbar gemischt sind. Es erscheint mir daher begreiflich, daß Leibniz die abschließende Dynamica de potentia et legihus naturae corporeae nicht selbst publiziert hat. Hätte er dies Werk publiziert, so würde der naheliegende Vergleich desselben mit Newtons bereits vorliegenden Philosopbiae naturalis principia mathematica schwerlich zugunsten von Leibniz ausgefallen sein.

$ 12 Scientia de relationibus Bei einer genügend weiten Fassung des Begriffes der Relation kann man die allgemeine Logik, um die sich Leibniz bemüht hat, als eine allgemeine Relationstheorie betrachten. Wir schließen uns mit dieser Bezeichnung an eine Formulierung von Leibniz selbst an. In einer ungedruckten Abhandlung, der Erdmann bei der Publikation die Überschrift De scientia universali seu calculo philosophico gegeben hat, sagt Leibniz: „Loco a x i o m a t u m et t h e o r e m a t u m Euclidaeorum de magnitudine et proportione inveni ego alia multo ma-

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Kap. 4: Neue "Wissenschaften

Joris momenti ususque generalioris, de c o i n c i d e n t i b u s , c o n g r u i s , s i m i l i b u s , d e t e r m i n a t i s , de c a u s a et e f f e c t u sive de p o t e n t i a , de r e l a t i o n i b u s in U n i v e r s u m , de c o n t i n e n t e et c o n t e n t o." * Hier faßt Leibniz mit den Themen de coincidentibus, congruis, similibus, determinatis die Aufgaben der analysis situs zusammen, mit den Themen de causa et effectu sive de potentia die Aufgaben der scientia dynamica und mit den Themen de relationibus in Universum, de continente et contento die Aufgaben der neuen Logik, die hier spezifisch als scientia de relationibus in Universum erscheint. Demgemäß dreht es sich um die Aufgabe, wie durch den Hinweis auf Euklid deutlich wird, eine Reihe von Axiomen neu zu untersuchen, die darin enthaltenen impliziten Voraussetzungen explizit zu machen, die darin enthaltenen Begriffe exakt zu definieren. Entsprechend den wissenschaftstheoretischen Voraussetzungen von Leibniz sind sie dann in geeigneter Weise zu bezeichnen, so daß sie dann einem Kalkül unterworfen und abschließend auf diesem mühsamen Wege bewiesen werden können. Als naheliegendes Beispiel mag gelten: Sind zwei Größen einer dritten gleich, so sind sie untereinander gleich. (Wir werden die Behandlung dieses Satzes durch Leibniz im $ 16 diskutieren). In diesen Umkreis einer scientia de relationibus in Universum gehören die Manuskripte, die Erdmann in den philosophischen Schriften veröffentlicht hat 2 . Dazu treten diejenigen Manuskripte, die Gerhardt in den philosophischen Schriften weiterhin gegeben hat 3 , sowie diejenigen Manuskripte, die Gerhardt in den mathematischen Schriften unter dem Titel Initia mathematica gegeben hat4. Couturat hat sich mit dem Problem der allgemeinen Relationstheorie besonders im Kapitel VIII beschäftigt5. Es sind die Bemühungen von Leibniz um eine neue Logik, die in besonderer Weise dazu geführt haben, daß Leibniz als der Bannerträger der neuen Logik betrachtet wird, und damit als der Bannerträger einer Disziplin, die in den letzten hundert Jahren eine erstaunliche Entwicklung durchlaufen hat. So ist es dann verständlich, daß es eine ganze Reihe von Darstellungen gibt, die sich von der modernen formalen Logik aus mit Leibniz beschäftigen. Ich verweise nur als Beispiel auf die Darstellung, die Dürr über Leibniz' Forschungen im Gebiet der Syllogistik gegeben hat'. Überaus instruk-

§ 13: Characteristica universalis

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tiv ist die Überarbeitung, die ebenfalls Karl Dürr einem Manuskript von Leibniz hat angedeihen lassen7. Ich darf weiterhin auf die Darstellung verweisen, die Yost vom semantischen Standpunkt gegeben hat, mag in dieser Darstellung auch manches durch einen allzu engen Parteistandpunkt beeinträchtigt sein8. So liegen denn auch bereits zwei zusammenfassende Darstellungen vor. Die erste hat Heinrich Scholz in seiner Geschichte der Logik gegeben9, eine Reihe von Hinweisen gibt Bochenski10. In beiden Darstellungen findet man die Spezialliteratur angegeben. Bei alledem mag es erstaunlich sein, daß man häufig die Meinung findet, eine geschichtliche Kontinuität liege nicht vor11, die neue formale Logik habe vielmehr von neuem anfangen müssen, sie habe sich erst später durch die Entdeckung der Arbeiten von Leibniz bestätigt gesehen. Soweit ich die Dinge übersehen kann, liegen bis jetzt noch nicht genügend Einzeluntersuchungen vor, um ein begründetes Urteil über die Tatsache der geschichtlichen Kontinuität oder Diskontinuität fällen zu können. Jedenfalls lagen zu Beginn des 19. Jahrhunderts genügend Publikationen von Leibniz vor. Ich verweise auf die Nouveaux Essais, die 1765 erschienen sind, oder auf den Schriftwechsel mit Joh. Bernoulli, der 1745 erschienen ist. Aber auch an vielen anderen Stellen spricht Leibniz deutlich über seine Pläne zur Erneuerung und Erweiterung der Logik. Es bestand daher sehr wohl die Möglichkeit einer geschichtlichen Kontinuität, und ich persönlich möchte daher glauben, daß eine solche Kontinuität auch tatsächlich besteht, daß also die Erneuerer der Logik im 19. Jahrhundert unmittelbar an Leibniz angeknüpft haben.

§ 13 Characteristica universalis Aus dieser erfolgreichen Arbeit in den Einzelgebieten, von der wir ja nur Beispiele gegeben haben, entsteht für Leibniz der Gedanke einer characteristica universalis. Der Terminus ars characteristica findet sich beispielsweise in der Abhandlung De scientia universali seu calculo philosophico: „Progressus Artis inventoriae rationalis pro magna parte pendet a perfectione artis characteristicae."1 Den besten Überblick gibt vielleicht das Manuskript Characteristica

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Kap. 4: Neue Wissenschaften

geometrica, das im Jahre 1679 entstanden ist. Leibniz definiert dort zunächst den Begriff des Zeichens: „Characteres sunt res quaedam, quibus aliarum rerum inter se relationes exprimuntur, et quarum facilior est quam illarum tractatio."2 Hier entstehen nun sofort zwei Fragen. Die erste Frage ist die Frage nach der Zweckmäßigkeit der Zeichen, nach den besseren oder schlechteren Zeichen, die zweite Frage ist die Frage nach der Bedeutung von Zeichen überhaupt. Die erste Frage wird in dem gewählten Manuskript sofort angeschnitten: „Quanto autem characteres sunt exactiores, id est quo plures rerum relationes exhibent, eo majorem praebent utilitatem."3 Das Problem wird dadurch komplex, daß die Frage einer möglichen Bezeichnung ein Problem der Willkür ist. Unzweifelhaft kann jedermann eine Sache so bezeichnen, wie er will. Daß man eine Sache auf verschiedene Weise bezeichnen kann, schließt nicht aus, daß es eine bessere oder schlechtere Bezeichnung für bestimmte Probleme gibt. „Verum sciendum est, easdem res diversis modis in characteres refern posse, et alios aliis esse commodiores."4 Das beste Beispiel dafür bieten die Zahlzeichen, „et nemo non videt, characteres numerorum hodiernos, quos Arabicos vel Indices vocant, aptiores esse ad calculandum, quam veteres Graecos et Romanes, quanquam et his calculus peragi potuerit"5. Nun sind in der Tat die Zahlzeichen das beste Beispiel für das Problem der Zeichen überhaupt. Die Griechen verwenden ja für die Einer l, 2 usw., für die Zehner 10, 20 usw., und für die Hunderter 100, 200 usw. die aufeinanderfolgenden Buchstaben des Alphabets. Dies ist in der Tat eine für das Rechnen höchst unzweckmäßige Bezeichnung, und sie konnte sich wohl nur deshalb erhalten, weil das praktische Rechnen weitgehend mit Hilfe des Rechentisches durchgeführt wurde. Die römischen Zahlzeichen sind auf Zahlstrichen aufgebaut, zu denen die Anfangsbuchstaben gewisser größerer Zahlen treten. Dabei wird meistens ein additives, in gewissen Fällen jedoch ein subtraktives Verfahren angewandt. Daraus ergibt sich folgende Reihe: I, II, III, IV (subtraktiv), V, VI, VII, VIII, IX (subtraktiv), X, XX, XL (subtraktiv), L, LX, LXX, LXXX, XC (subtraktiv), C, CX usw. Man braucht nur einmal das Produkt 779 mal 91 in römischen Ziffern hinzuschreiben: DCCLXXIX mal XCI, um sofort den Unterschied zu erkennen. Das arabische Ziffernsystem hat die Null und einen systematischen und ausnahme-

§ 13: Characteristica universalis

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freien dekadischen Aufbau eingeführt. Es gewinnt auf diese Weise einen entschiedenen Vorzug für das praktische Rechnen. Aber diese Überlegenheit reicht weiter. Nach Leibniz werden die natürlichen Zahlen durch die Definitionskette definiert: 2 = 1 + 1, 3 = 2+1, usw. Hier geben nun alle in arabischen Ziffern ausgedrückten Zahlzeichen (nachdem man die Reihe der zehn Ziffern auswendig gelernt hat) unmittelbar und systematisch die Stelle der bezeichneten Zahl in der Definitionskette an. Damit gibt die Darstellung einer Zahl in arabischen Ziffern unmittelbar ihre Definition, und zwar nach Leibniz ihre Realdefinition wieder. Daraus folgt, daß eine längere Zahl immer eine größere Zahl ist, daß also eine Relation zwischen den Zahlzeichen unmittelbar eine Relation zwischen den bezeichneten Zahlen zum Ausdruck bringt. Hieran schließt sich die Frage, ob das dekadische System, oder ob ein anderes auf irgendeiner Einheit aufgebautes Zahlsystem zweckmäßiger ist. Der Betrachtung drängt sich sofort das dyadische Zahlsystem auf, das nur zwei Zeichen, beispielsweise die Null und die Eins braucht. Die beiden Zahlsysteme sind leicht ineinander zu überführen: 1 = 1, 2 = 10, 3 = 11, 4 = 100, 5 = 101 usw. Leibniz war für das dyadische System lebhaft interessiert6. Das dyadische System hat eine große Bedeutung bei den modernen Rechenmaschinen erlangt, die theoretische Bedeutung des dyadischen Systems dürfte Leibniz überschätzt haben. Die Probleme der characteristica universalis stellen sich auch bei der Differential- und Integralrechnung, und sie machen hier, wie wir gesehen haben7, zu einem Teil den Gegensatz zwischen Leibniz und Newton aus. Newton bezeichnet den ersten Differentialquotienten mit ·, den zweiten mit ··, den dritten mit —, usw. Leibniz wählt für den ersten, den zweiten, den dritten Differentialquotienten die Bezeichnung: dx d2x d8x usw.

dy dy2 dy8 Nun gilt gewiß auch hier, daß an sich die Bezeichnung willkürlich ist. Der wesentliche Unterschied liegt darin, daß in der Bezeichnung von Leibniz die Größe, nach der differenziert wird, zum Ausdruck kommt, während sie in der Bezeichnung von Newton nicht zum Ausdruck kommt. Daraus folgt, daß die Bezeichnung von Newton nur dort

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Kap. 4: Neue Wissenschaften

zweckmäßig ist, wo im wesentlichen immer nach derselben Variablen differenziert wird, und dies ist bei Newton auch der Fall. Es geht Newton primär um physikalische Größen, insbesondere um die Geschwindigkeit und die Beschleunigung, und das bedeutet eben, daß er im wesentlichen nur den ersten und zweiten Differentialquotienten nach der Zeit benötigt. Dafür ist die Newtonsche Bezeichnung recht zweckmäßig, und in diesen Grenzen wird sie auch heute noch gerne angewandt. Betrachtet man aber allgemeine Probleme unter einem rein analytischen Gesichtspunkt, dann können natürlich Differentialquotienten nach allen möglichen Variablen auftreten, und für diesen allgemeinen Fall ist unzweifelhaft die Bezeichnung von Leibniz die zweckmäßigere und die allein angemessene. Von dieser ersten Frage nach der größeren oder geringeren Zweckmäßigkeit bestimmter Zeichen steigt dann die ars characteristica auf zu der zweiten Frage, der allgemeinen Frage nach der Notwendigkeit und Bedeutung von Zeichen überhaupt. In diesem allgemeinen Sinn kann Leibniz sagen, daß diese ars zur Metaphysik gehört, doctrina de Formis abstracta animo, quae est Characteristica in Universum, et ad Metaphysicam pertinet8. Hier dürfte ein enger Zusammenhang mit Hobbes vorliegen, der ganz allgemein das Denken als ein Rechnen bestimmt hatte9. In dem Bereich jedenfalls, den Leibniz in erster Linie betrachtet, in der Mathematik und in der Physik, wird man sagen können, daß das Denken notwendig der Zeichen bedarf. Von hier aus scheint Leibniz die These erwogen zu haben, daß jedes Denken der Zeichen notwendig bedarf. In diesem Sinne schreibt er an Huygens: „Ita enim judico, cum mens humana ad cogitandum notis indigeat. .."10. Thematisch beschäftigt sich Leibniz mit diesem Problem in dem Dialogus de connexione inter res et verba, et veritatis realitate. Der Dialog ist zwar erst 1765 von Raspe ediert worden, darf aber meiner Meinung nach als völlig ausgereift gelten. Hier weist Leibniz ausdrücklich auf die Notwendigkeit hin, die Gedanken durch Worte oder Zeichen auszudrücken. „B. Quid turn? cogitationes fieri possunt sine vocabulis. A. At non sine aliis signis. Tenta quaeso an ullum Arithmeticum calculum instituere possis sine signis numeralibus? B. Valde me pertubas, neque enim putabam characteres vel signa ad ratiocinandum tarn necessaria esse.

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A. Ergo veritates Arithmeticae aliqua signa seu diaracteres supponunt. B. fatendum est." " Wenn die Notwendigkeit der Zeichen hier nur für die Arithmetik einsichtig gemacht wird, so wird sie gleichwohl für jedes Denken in Anspruch genommen, wie sich im Brief an Huygens zeigte. Diese These, daß jedes Denken der Zeichen bedarf, und daß sich diese Zeichen in Bezug auf Zweckmäßigkeit und Unzweckmäßigkeit voneinander unterscheiden, führt auf die Aufgabe, den Zusammenhang zwischen Gedanken und Zeichen (connexio inter res et verba) allgemein zu untersuchen und ergibt damit die allgemeine Aufgabe der ars characteristica. Leibniz hat dieser Aufgabe umfangreiche Untersuchungen gewidmet, die fast alle von ihm selbst nicht mehr zum Druck gegeben wurden. Die Editoren des 19. Jahrhunderts haben sie teilweise zugänglich gemacht, Couturat hat weiteres publiziert. Wenn die Gesamtausgabe das Material vollständig bringt, so dürfte es umfangmäßig über das bis jetzt Bekannte weit hinausgehen. Dennoch mag es zweifelhaft bleiben, ob die Erweiterung des Umfanges unsere inhaltlichen Kenntnisse wesentlich erweitern wird. Die Bedeutung des Problems etwa für die Differential- und Integralrechnung ist meines Erachtens auch jetzt schon klar. Die Art und Weise, wie Leibniz seine großen Entdeckungen in diesem Bereich gefunden hat, hängt weitgehend davon ab, daß er auf die Bedeutung der Zeichen für die neue scientia infiniti reflektiert hat, und umgekehrt haben natürlich diese Erfolge der ars characteristica in der neuen Disziplin Leibniz dazu veranlaßt, die ars characteristica so hoch einzuschätzen, wie er sie wirklich eingeschätzt hat. Diese These Leibnizens von der Bedeutung der Zeichen ist sowohl für die Interpretation der Kantischen Philosophie als auch für viele heutige Erwägungen überaus interessant. Die These führt nämlich auf einen konstruktiven Standpunkt, das heißt sie führt auf einen Standpunkt, der die Bedeutung der Konstruktion und die Bedeutung der Anschauung im mathematischen Denken anerkennt. Zunächst sieht es freilich umgekehrt aus. Die Einführung von Zeichen bedeutet zunächst einen rein analytischen Standpunkt und damit einen Verzicht auf die geometrische Anschauung. So schreibt etwa Leibniz in der eben zitierten Beilage an Huygens: „Et hinc facillimo calculo, sine ullo figurae respectu, derivatur proprietas tangentium cycloidis nota, quae

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Kap. 4: Neue Wissenschaften

nostro modo expressa ita habet..." 12 . Der neue Infinitesimalkalkül ermöglicht es also, Eigenschaften von Kurven, in diesem Fall der Zykloide, festzustellen, ohne daß man das Bild der Kurve anschaulich vor Augen hat. In diesem Sinne ist der analytische Kalkül ein Verzicht auf die geometrische Anschauung. Auf der anderen Seite wird nun aber der analytische Kalkül selbst ein Operieren mit Zeichen, ein Konstruieren von Zeichen und Zeichengruppen, ein Umstellen von Zeichen, überhaupt ein Hantieren mit Zeichen. Gerade dadurch, daß der analytische Kalkül an Zeichen gebunden wird, wird er von neuem an eine Anschauung verwiesen, wenn auch auf eine sehr reduzierte Anschauung, auf eine Anschauung von Zeichen. Kant hat eine solche Erwägung prinzipiell durchgeführt. Er bildet den Begriff der symbolischen Konstruktion in der Arithmetik und betrachtet von hier aus die Konstruktion, das heißt aber zugleich die Anschauung, als notwendig in der Arithmetik. Hier läge ein möglicher Zusammenhang zwischen Kant und Leibniz, der mir in meiner Dissertation entgangen ist. Heute scheint es mir notwendig, in Erwägung zu ziehen, daß Kant die Edition von Raspe auf das sorgfältigste beachtet haben dürfte. In dem dort publizierten Dialogus de connexions inter res et verba hätte er einen genügenden Anhalt finden können. Dann würde sich freilich Kants Lehre vom synthetischen Charakter auch der Arithmetik gerade auf die Erwägungen von Leibniz zur ars characteristica stützen, und es wäre vielleicht nicht unfruchtbar, der Möglichkeit eines solchen Zusammenhanges nachzugehen18 ".

§ 14 Scientia generalis Die neuen Wissenschaften, die wir in diesem Kapitel darzustellen versuchen, haben in Bezug auf ihre Verwirklichung verschiedenen Charakter. Die Differential- und Integralrechnung gehört zu den Grundlagen unseres mathematisch-naturwissenschaftlichen Denkens, und Leibniz selbst hat sie, gleichzeitig mit Newton, bereits auf einen hohen Stand gebracht. In der Dynamik ist Leibniz weitgehend im Traditionellen steckengeblieben, er kann hier mit Newton schwerlich verglichen werden. Die analysis situs ist ein wohlbegründeter Plan, aber erst das neunzehnte Jahrhundert hat ihn verwirklichen können.

§ 14: Scientia generalis

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Dasselbe gilt von der scientia de relationibus. Auch hier ist die Verwirklichung erst im neunzehnten, ja, weitgehend erst im zwanzigsten Jahrhundert gelungen. Von der ars characteristics wird man darüber hinausgehend sagen müssen, daß sie zwar ebenfalls wohlgegründet sei, daß sie aber bis heute noch nicht verwirklicht ist, jedenfalls erst in ihren Anfängen verwirklicht ist. Bei der scientia generalis dagegen möchte ich — allerdings im Gegensatz etwa zu Couturat und Kabitz — sagen, daß es sich um einen Plan handelt, der der Verwirklichung nicht fähig ist, daß es sich um eine Utopie handelt. Den Terminus scientia generalis findet man an vielen Stellen. Erdmann hat zwei Manuskripte herausgegeben, die Leibniz selbst in dieser Weise überschrieben hat. Das von Erdmann mit XII bezeichnete Manuskript trägt den Titel: Initia scientiae generalis de nova ratione instaurationis et augmentations scientiarum, ita ut exiguo tempore et negotio, si modo velint homines, magna praestari possint ad felicitatis humanae incrementum1. Das zweite Manuskript trägt bei Erdmann die Nummer XIV und ist von Leibniz überschrieben: Synopsis libri, cui titulus erit: Initia et Specimina scientiae novae generalis pro instauratione et augmentis scientiarum ad publicam felicitatem2. Es handelt sich in der Regel um Manuskripte, von denen in den Ausgaben immer wieder verschiedene Stücke gegeben worden sind. Demgemäß finden sich zahlreiche Manuskripte bei Erdmann in den Opera Philosophica, bei Gerhardt sowohl in den philosophischen als auch in den mathematischen Schriften. Um die Jahrhundertwende hat Couturat dem Problem der scientia generalis seine besondere Aufmerksamkeit zugewandt. So ist denn die scientia generalis der Mittelpunkt sowohl seiner Leibnizdarstellung als auch seines Editionsbandes8. Mahnke wiederum hat im § 7 gezeigt, wie sehr die scientia generalis der Mittelpunkt der Leibnizinterpretation von Couturat ist4. Die beste Zusammenfassung finde ich in einem Briefe an den Herzog Johann Friedrich vom Oktober 1671. Leibniz schreibt diesen Brief, weil er sich um das Amt des Bibliothekars beim Herzog bewerben will, es geht ihm also um die Position, die ihm den Rückhalt für sein weiteres Arbeiten verschaffen soll und auch verschafft hat. Er muß also einen Überblick darüber geben, was er bis dahin geleistet hat, und was er in Zukunft zu leisten hofft. Unter diesem Gesichtspunkt ist ihm die scientia generalis das Wichtigste, und in diesem Sinne schreibt er: „In

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Kap. 4: Neue "Wissensdiaften

Philosophia habe ich ein mittel funden, das jenige was Cartesius und andere per Algebram et Analysin in Arithmetica et Geometria gethan, in allen seienden zuwege zu bringen per Artem Combinatoriam, welche Lullius und P. Kircher zwar excolirt, bey weiten aber in solche deren intima nicht gesehen. Dadurch alle Notiones compositae der ganzen Welt, in wenig simplices als deren Alphabet reduciret, und aus solches alphabets combination wiederumb alle dinge, samt ihren theorematibus, und was nur von ihnen zu inventieren müglich ordinata methodo mit der zeit zu finden ein weg gebahnet wird. Welche invention, dafern sie wils Gott zu Werck gerichtet, als mater aller inventionen von mir vor das importanteste gehalten wird, ob sie gleich das ansehen noch zur zeit nicht haben mag: Ich habe dadurch alles was erzehlet werden soll, gefunden, und hoffe noch ein mehrers zu wege zu bringen."5 Wenn auch Leibniz diesen Plan einer scientia generalis niemals zur Ausführung gebracht hat, so kann man doch aus dem bisher Bekannten einen Überblick über die Ziele von Leibniz gewinnen. Der Plan umfaßt zunächst zwei Teile, die initia und die specimina. Die initia scientiae generalis hat Leibniz selbst in der eben angegebenen Überschrift formuliert, von den specimina spricht er an mehreren Stellen9. Die specimina betreffen einzelne Disziplinen, die im Sinne des Gesamtplanes aufzubauen wären. Dahin würden unter anderem auch die Wissenschaften rechnen, die wir eben besprochen haben, die scientia infiniti, die scientia dynamica und die scientia de relationibus in Universum. In einem gewissen Sinne kann man dann sagen, daß nur der erste Teil, die initia scientiae generalis, die erstrebte Wissenschaft als solche ausmacht. Sie würde dann wieder in zwei Teile zerfallen: „Scientia generalis duas continet partes, quarum prior pertinet ad instaurationem scientiarum, judicandumque de jam inventis, ne praejudiciis decipiamur; posterior destinatur ad augendas seientias, inveniendaque, quae nobis desunt."7 Dieser zweite Teil der initia wird von Leibniz kurz darauf als ars inveniendi bezeichnet8. Bei diesem Begriff einer ars inveniendi läßt sich Leibniz wohl von den Möglichkeiten der Infinitesimalrechnung leiten. Diese Rechnung erlaubt es, Ergebnisse, die bis dahin einzeln gesucht und gefunden werden mußten, die im eigentlichen Sinne erfunden werden mußten, durch eine Rechnung planmäßig abzuleiten. Probleme dieser Art sind etwa die

§ 14: Scientia generalis

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Tangenten oder die Maxima und Minima von Kurven. Von hier her ist Leibniz wohl die Idee der ars inveniendi gekommen, die für jedes beliebige Problem eine planmäßige Rechnung anbieten würde. Der bei weitem wichtigste Teil ist der erste Teil der initia, den Leibniz an anderen Stellen auch als die elementa veritatis aeternae bezeichnet". Leibniz sagt von ihm in den Initia: „Prior ergo tradit Elementa veritatis, sive notas quasdam indisputabues."10 Man muß wohl annehmen, daß der Terminus nota indisputabilis hier mit Bedacht gewählt ist. Im Ideal würde diese Lehre von den Elementen der Wahrheit meines Erachtens die wirklichen Grundbegriffe umfassen, und den Beweis aller wahren Sätze auf die absoluten Grundbegriffe zurückführen. Da uns aber die absoluten Grundbegriffe zum mindesten bis jetzt nicht bekannt sind, so müssen wir uns oft mit Grundbegriffen begnügen, die für das zu behandelnde Problem als Grundbegriffe gelten können. Solche Begriffe mögen zwar an sich noch einer weiteren Analyse fähig sein, für das vorliegende Problem jedenfalls können sie als nicht mehr weiter diskutierbar, eben als indisputabiles betrachtet werden. Diese Grundbegriffe — entweder die absoluten Grundbegriffe oder die auf ein bestimmtes Problem relativen Grundbegriffe — sind dann durch ein zweckmäßig gewähltes Zeichensystem darzustellen und dem Kalkül zu unterwerfen, „ita ut omne argumentum legitima forma procedat ad instar calculi numerorum, et si quis error subrepsit, non difficilius deprehendi aliisque ostendi possit, quam error calculi solet" ". Dies ist zwar nicht in allen Fällen möglich, und wir müssen deshalb oft zu Wahrscheinlichkeitsbetrachtungen greifen. Wo das Verfahren aber möglich sein wird, hat der Disput ein Ende. Wir brauchen nicht mehr miteinander zu streiten. Wir brauchen ebensowenig zu streiten, wie bei der Frage nach der Summe oder dem Produkt zweier Zahlen. Wir brauchen nur noch zu sagen: „ C a l c u l e m u s " 1 2 . Dies ist die einzige sachgerechte Lösung jedes Problems, und sie würde dem Wege folgen, auf dem der Schöpfer der Welt diese Welt eingerichtet hat: „Cum DEUS calculat et cogitationem exercet, fit mundus."13 Unzweifelhaft hat die Kühnheit und die Konsequenz der so gedachten scientia generalis etwas Hinreißendes. Man spürt in Couturats Darstellung der Leibnizschen Logik immer wieder, wie sehr gerade Couturat von diesem Gedanken sich hat begeistern lassen14. Auch Kabitz betrachtet die scientia generalis als eine geniale Ent-

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Kap. 4: Neue Wissenschaften

dedkung15. Wir selbst möchten glauben, daß es kein Zufall ist, wenn Leibniz diesen weittragenden Gedanken in seinen Papieren zurückgehalten hat. Wir werden die systematischen Gründe, die gegen den Plan sprechen, noch diskutieren, wir möchten aber glauben, daß Huygens mit seiner Skepsis recht behalten hat, wenn er an Leibniz schreibt: „Je vous le dis ingenuement, ce ne sont la a mon avis que de beaux souhaits, et il me faudroit d'autres preuves pour croire qu'il y eust de la realito dans ce que vous avancez."le

KAPITEL V

DIE

WISSENSCHAFTSTHEORIE § 15 Finite und infinite Systeme

Das Grundphänomen der reinen Wissenschaften ist der Zusammenhang ihrer Sätze. Dieser Zusammenhang hat zur Folge, daß gewisse Sätze aus anderen bewiesen werden können. Die Wissenschaftstheorie hat die Aufgabe, diesen Zusammenhang als solchen zu betrachten. Leibniz selbst betrachtet die Wissenschaftstheorie nicht als eine eigne Disziplin, seine Werke bieten aber eine Fülle von Erörterungen, die hierher gehören. Daß die Sätze einer bestimmten Wissenschaft miteinander zusammenhängen, hat Leibniz klar gesehen. Die entgegengesetzte Meinung wehrt er mit einem instruktiven Vergleich ab: „Glaubt man denn, wir wären der Meinung, daß die Wahrheiten in unserem Verstande unabhängig nebeneinander stehen, wie die Edikte des Prätors in seinem Anschlag oder Album verzeichnet waren?" * Leibniz hat auch bereits bemerkt, daß es die spezifische Leistung der griechischen Mathematiker war, diesen Zusammenhang zuerst gesehen zu haben: „Man muß gestehen, daß die Griechen in der Mathematik mit aller nur möglichen Schärfe argumentiert und dem Menschengeschlecht die Vorbilder der Kunst zu beweisen hinterlassen haben, denn wenn die Babylonier und Ägypter etwas mehr, als eine rein empirische Geometrie besessen haben, so ist davon doch wenigstens nichts erhalten."2 Für die Charakterisierung von Systemen bietet sich nun für Leibniz von der kombinatorischen Begriffstheorie her ein erster Unterschied an: Man kann dieser Theorie zufolge bei zusammengesetzten Begriffen unterscheiden zwischen Begriffen mit endlich vielen Teilbegriffen und Begriffen mit unendlich vielen Teilbegriffen. Systeme, die nur Begriffe mit endlich vielen Teilbegriffen enthalten, wollen wir finite

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Kap. 5: Die Wissenschaftstheorie

Systeme nennen, alle anderen Systeme infinite Systeme. Infinite Systeme würden dann also audi Begriffe mit unendlidi vielen Teilbegriffen enthalten, sofern es soldie gibt. Das Problem bei Leibniz wird dadurch erschwert, daß in bezug auf finite Begriffe keine absolut präzisen und endgültigen Angaben vorliegen, und daß in bezug auf infinite Begriffe der Standpunkt von Leibniz wechselt. Das Problem der Begriffe aus endlich vielen Teilbegriffen hängt ja zunächst an der Voraussetzung, daß es überhaupt Begriffe gibt, die nicht mehr aufgelöst werden können, sowie an der weiteren Voraussetzung, daß es zusammengesetzte Begriffe gibt, die durch eine Analysis in endlich vielen Schritten bis auf die unauflösbaren Grundbegriffe aufgelöst werden können. Betrachten wir diese Voraussetzungen, dann finden wir Stellen, an denen Leibniz sie problematisch diskutiert3. Hierher dürftte auch eine Erwägung zu rechnen sein, die Couturat ediert hat: „Quaeritur igitur an possibile sit resolutionem terminorum incomplexorum aliquando posse continuari in infinitum, ut nunquam perveniatur ad per se conceptos. Et sane si nullae darentur in nobis notiones per se conceptae, quae distincte attingi possint, aut non nisi una (v. g. notio Entis); sequitur nee propositionem ullam ratione perfecte demonstrari posse."4 Dagegen steht die Meinung des Aristoteles, der in der Analytik5 ausdrücklich sagt, daß im Beweisgang ein regressus in infinitum nicht möglich ist. In De arte combinatoria nimmt Leibniz unter ausdrücklichem Bezug auf Aristoteles die Existenz von in endlich vielen Schritten erreichbaren Grundbegriffen an8. Auch in den Meditationes des Jahres 1684 wird dies ausdrücklich gefordert, mag die Realisierung wenigstens für uns auch schwierig sein, „cum analysis ad finem usque producta habetur, . . . cujus exemplum perfectum nescio an homines dare possint"7. Behält man diese Schwierigkeit im Auge, daß kein Beispiel einer bis zu Ende geführten Analysis gegeben werden kann, so kann man, wenn ich recht sehe, die Meinung von Leibniz dahin zusammenfassen, daß die Begriffe aus dem Bereich der rationalen Wahrheiten, der verites de raison, also die Begriffe aus der Logik und der Mathematik und viele Begriffe aus der Metaphysik, Begriffe von endlich hoher Zusammensetzung sind, daß also diese Begriffe nur endlich viele Teilbegriffe enthalten. Daß dies nicht gegen den Unendlichkeitscharakter dieser Systeme als solche verstoßen muß, zeigt das Beispiel

§ 15: Finite und infinite Systeme

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der natürlichen Zahlen. Jede natürliche Zahl ist aus endlich vielen Primzahlen zusammengesetzt, es gibt aber gleichwohl unendlich viele natürliche Zahlen. Hier würde also keine Schwierigkeit auftreten, dagegen begreift man nur schwer, wie Leibniz, der die bedeutendsten Entdeckungen auf dem Gebiet der unendlichen Reihen gemacht hat, eine solche finite Begriffstheorie auf unendliche Reihen hätte anwenden können. Im Gegensatz zu den Begriffen aus den rationalen Wissenschaften sind die Begriffe der Tatsachenwissenschaften Begriffe von unendlich hoher Zusammensetzung. Hier finden wir freilich eine Änderung des systematischen Standpunktes. Zunächst hat Leibniz die faktischen Begriffe überhaupt aus dem Bereich der kombinatorischen Begriffstheorie und damit der analytischen Urteilstheorie ausgeschlossen. Später schließt er sie grundsätzlich ein, betrachtet sie aber als Begriffe von unendlich hoher Zusammensetzung, wodurch sie wieder eine Sonderstellung erhalten. Der klare Ausdruck für die frühe Stellung findet sich in De arte comhinatoria: „Admonendum denique est, totam hanc artem complicatoriam directam esse ad theoremata, seu propositiones quae sunt aeternae veritatis, seu non arbitrio DEI sed sua natura constant. Omnes vero propositiones singulares quasi h i s t o r i c a e , v. g. Augustus fuit Romanorum imperator, aut o b s e r v a t i o n e s , id est propositiones universales, sed quarum veritas non in essentia, sed existentia fundata est; quaeque verae sunt quasi casu, id est DEI arbitrio, v. g. omnes homines adulti in Europa habent cognitionem DEL Talium non datur demonstratio sed inductio."8 Später aber, vielleicht mit dem Entstehen der Monadologie, ändert Leibniz seinen Standpunkt. Jetzt gibt es Begriffe im Sinne der kombinatorischen Begriffstheorie auch für alle empirischen Gegenstände. Es gibt also auch einen Begriff des Augustus, und in diesem Begriff ist es enthalten, daß Augustus römischer Kaiser war. Dieser Augustus mußte also römischer Kaiser werden, weil dies zu seinem Begriff gehört, ein Augustus, der nicht römischer Kaiser würde, wäre auch in tausend anderen Bestimmungen ein anderer gewesen. Allerdings enthalten dann diese Begriffe, beispielsweise der Begriff des Augustus, unendlich viele Teilbegriffe. Sie sind dann also für unseren menschlichen Verstand nicht mehr auflösbar. Dagegen können sie durch Gottes unendlichen

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Kap. 5: Die Wissensdiaftstheorie

Verstand völlig durchschaut und begriffen werden, und Gott sieht also auch die Notwendigkeit, daß Augustus römischer Kaiser werden mußte. Der veränderte Standpunkt kommt deutlich in dem Manuskript zum Ausdruck, über das Erdmann den Titel gesetzt hat De scientia universali sen calculo philosophico. Dort sagt Leibniz: „Discrimen inter v e r i t a t e s n e c e s s a r i a s et c o n t i n g e n t e s vere idem est, quod inter numeros commensurabiles et incommensurabiles: ut enim in numeris commensurabilibus resolutio fieri potest in communem mensuram, ita in veritatibus necessariis demonstratio sive reductio ad veritates identicas locum habet. At quemadmodum in surdis rationibus resolutio procedit in infinitum, et acceditur quidem utcunque ad communem mensuram, ac series quaedam obtinetur, sed interminata, ita eodem pariter processu veritates contingentes infinita analysi indigent, quam solus Deus transire potest. Unde ab ipso solo a priori ac certo cognoscuntur." Das Manuskript kann nicht früh sein, da in ihm die im Jahre 1684 erschienenen Meäitationes zitiert werden. Russell stellt den Standpunkt von Leibniz so dar, daß nur die Sätze der apriorischen Wissenschaften analytische Sätze sind, während die Sätze der Tatsachenwissenschaften synthetische Sätze sind10. Soweit ich sehen kann, trifft dies nur für den frühen Leibniz zu. Für den Leibniz der ausgebildeten Monadologie dagegen sind auch die faktischen Wahrheiten der analytischen Urteilstheorie unterworfen, wenn auch mit den Einschränkungen, die aus dem infiniten Charakter dieser Begriffe für unseren endlichen menschlichen Verstand fließen. 5 16 Die Axiomatisierharkeit Wir werden unsere Erwägungen über die Systemtheorie von Leibniz auf die rationalen Systeme, das heißt also in erster Linie auf die Mathematik beschränken. Hier sind seit 2000 Jahren die Elemente Euklids der Ausgangspunkt aller Untersuchungen. Die Elemente Euklids beginnen mit Definitionen, mit Axiomen und mit Postulaten. Es ist selbstverständlich, daß dieser Aufbau die Philosophen, die Logiker, die Mathematiker seit je auf das lebhafteste interessiert hat. Was zunächst die Definitionen angeht, so hat man schon früh gesehen, daß diese Definitionen im späteren Aufbau der Elemente nicht

§ 16: Die Axiomatisierbarkeit

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benutzt werden. Dies ist nun offenbar ein heikler Punkt, den auch Leibniz klar gesehen hat. Im Briefwechsel mit Giordano über die Grundlagen der Geometrie weist Leibniz darauf hin, daß auch Giordano selbst in seinem Aufbau der Geometrie die dort gegebene Definition der geraden Linie nicht benutzt. Daraus könnte man doch nur folgern, daß die von der geraden Linie bewiesenen Lehrsätze nicht nur von dieser, sondern daß sie von jeder beliebigen Linie gelten müßten1, und dieselbe Erwägung wäre selbstverständlich auch zu Euklid selbst anzustellen. Ob zwischen Axiomen und Postulaten ein wesentlicher Unterschied besteht, darüber ist viel diskutiert worden, es hat sich aber nichts von Belang ergeben. Auch Leibniz hat dieser Unterscheidung keine wesentliche Beachtung geschenkt, und wir können daher für unsere Erwägungen Axiome und Postulate als gleich betrachten. In der Frage der Axiome selbst sind offenbar von vornherein zwei Standpunkte möglich. Entweder sind die Axiome wirklich echte Axiome, also unbeweisbare Sätze, oder sie sind gar keine echten Axiome, sie sind vielmehr beweisbare Sätze. Sie stehen lediglich so lange als Axiome am Anfang, bis man ihren Beweis gefunden hat. Sind es echte Axiome, dann hängen sie, so könnte man vermuten, aufs engste mit den Wesensgesetzen des Raumes zusammen, da aus ihnen alle anderen Gesetze des Raumes folgen. Es muß dann vermutlich für die Erfassung ihrer Wahrheit eine besondere Erkenntnisart angenommen werden, während die Wahrheit der abgeleiteten Sätze aus ihrem Beweis folgt. Etwa in diesem Sinne dürfte Aristoteles die Axiome der Geometrie aufgefaßt haben, und etwa in diesem Sinne hat in unserer Zeit Husserl sie aufgefaßt. Der entgegengesetzte Standpunkt verneint den echten axiomatischen Charakter der Axiome. Für ihn sind alle sogenannten Axiome beweisbare Sätze, dies ist der Standpunkt, den Leibniz konsequent vertritt. Von hier aus stellt sich für ihn die ständige Aufgabe, die Axiome zu beweisen, und von hier aus sind für ihn die seit allen Zeiten unternommenen Versuche, die Axiome zu beweisen, von höchstem Interesse. „Es verhält sich damit ungefähr, wie mit jenen Sätzen, die man in der gewöhnlichen Auffassung als Axiome ansieht, die aber, wie die Lehrsätze, bewiesen werden könnten und bewiesen zu werden verdienten: man läßt sie gleichwohl als Axiome gelten, als wären es ursprüngliche

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Kap. 5: Die Wissenschaftstheorie

Wahrheiten. Eine derartige Nachsicht ist schädlicher, als man denkt; aber man ist freilich nicht immer imstande, auf sie Verzicht zu tun."2 Leibniz weist ausdrücklich auf die Untersuchungen zum Beweis der Axiome hin und nennt dafür Apollonius, Proklus und Roberval8. Die Forderung nach dem Beweis der Axiome findet sich an so vielen Stellen, daß wir uns mit diesen beiden Hinweisen auf die Nouveaux Essais begnügen dürfen. Damit erhebt sich also die Frage nach dem Beweis der Axiome und nach dem möglichen Wege eines solchen Beweises. In den Nouveaux Essais ist auch der von Leibniz für möglich gehaltene Beweisweg angedeutet: „Übrigens habe ich schon längst öffentlich und privatim ausgesprochen, daß es wichtig sei, alle unsere sekundären Axiome, deren man sich gewöhnlich bedient, dadurch zu beweisen, daß man sie auf die u r s p r ü n g l i c h e n, d. h. die unmittelbaren und unbeweislichen Axiome zurückführt, die ich letzthin und auch sonst die i d e n t i s c h e n genannt habe."4 Dies ist in der Tat für Leibniz der einzig mögliche und also auch der notwendige Beweisweg, und Leibniz kann daher in den von ihm nicht publizierten Initia rer um matkematicarum metaphysica sagen: „Unde videmus demonstrationes ultimum resolvi in duo indemonstrabilia: Definitiones seu ideas, et propositiones primitivas, nempe identicas, qualis haec est B est B, unumquodque sibi ipsi aequale est, aliaeque hujusmodi infmitae."5 Wir haben im § 6 gesehen, daß Leibniz unter den identischen Sätzen entweder die absolut identischen Sätze von der Form B est B oder die virtuell identischen Sätze von der Form AB est B versteht. Die absolut identischen Sätze sind in sich klar, die virtuell identischen Sätze reduzieren sich auf die Definitionen, die in diesen Sätzen lediglich auseinandergelegt werden. In diesem Sinne erweisen sich die Definitionen als die letzte Grundlage aller Beweise, und Leibniz kann an Conring schreiben: „Omnes autem propositiones quarum veritatem ex terminorum demum resolutione et intellectu patere necesse est, demonstrabiles sunt per eorum resolutionem id est per definitionem. Hinc patet Demonstrationen! esse catenam definitionum."" Es mag zweckmäßig sein, diesen Gedankengang von Leibniz an einigen Beispielen zu konkretisieren. Was zunächst die Ableitbarkeit der Syllogistik anbetrifft, so haben wir gesehen, daß das Problem für Leibniz auf die Ableitbarkeit des modus barbara hinausläuft. Nun läßt

§ 16: Die Axiomatisierbarkeit

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sich für Leibniz auf Grund seiner Begriffs- und Urteilstheorie der modus barbara in folgender Weise auflösen: ABC est BC BC est C ergo ABC est C Der modus barbara läuft also in der Tat, wenn diese Auflösung richtig ist, auf eine Kette von Definitionen und identischen Sätzen hinaus. Als zweites Beispiel wählen wir den Satz: Sind zwei Größen einer dritten gleich, so sind sie untereinander gleich, der bei Euklid als Axiom auftritt7. Man kann ihn zur allgemeinen Mathematik, zur allgemeinen Größenlehre, oder, wegen des Relationscharakters der Gleichheit, zur allgemeinen Relationstheorie rechnen. Einen Beweis finden wir in dem Aufsatz Non inelegans specimen demonstrandi in abstractis*. Diese Untersuchung ist zwar Manuskript geblieben, sie ist aber schon so weit gediehen, daß sie praktisch als publikationsreif angesehen werden kann. Jedenfalls hat Dürr, dem wir eine neue Ausgabe verdanken, wie er selbst sagt, nur geringe Mühe gehabt, das vorliegende Manuskript formalisiert darzustellen9. Leibniz beginnt, seiner Auffassung gemäß, mit der Definition der Gleichheit: „Defin. 1. E a dem suntquorum unumpotest subsititui alteri salva veritate. Si sint A et B et A ingrediatur aliquam propositionem veram, et ibi in aliquo loco ipsius A pro ipso substituendo B fiat nova propositio eaque itidem vera, idque semper succedat in quacunque tali propositione, A et B dicuntur esse E a d e m ; et contra si Eadem sint A et B, procedet substitutio quam dixi."10 Es folgen weitere Definitionen, Zeichenerklärungen, zwei Axiome und zwei Postulate, die aber in unserem Beweis nicht gebraucht werden. Leibniz gibt dann den Satz und den Beweis in der folgenden Form: „Theorema I : Q u a e s u n t e a d e m u n i t e r t i o , e a d e m s u n t i n t e r se. S i A c o B e t B o o C , erit A oo C. Nam si in propositione A oo B (vera, ex hypothesi) substituatur C in locum B (quod facere licet per def. 1. quia B oo C, ex hyp.) fiet A oo C. Q. E. Dem." n Dieser Beweis ist wegen seiner Kürze und wegen seiner Durchsichtigkeit besonders charakteristisch. Bewiesen werden soll ein fundamentaler Satz der Gleichheit, der bis dahin als Axiom gegolten hat. Der Beweis erfolgt, indem eine Definition des Begriffes der Gleichheit gesucht und gefunden wird, aus der dann der Beweis in aller Kürze gegeben

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Kap. 5: Die Wissenschaftstheorie

werden kann, was bei einem so fundamentalen Satz plausibel ist. Man sieht, wie das ganze Problem in die Definition verlagert wird, und daß jetzt alles auf die Definition ankommt. Dabei muß man zunächst im Auge behalten, daß die hier zur Definition der Gleichheit benutzte Substitution von der in der modernen Logik üblicherweise benutzten Substitution abweicht. Zunächst darf die Leibnizsche Substitution nur in wahren Sätzen, also nicht wie in der modernen Substitution in beliebigen Sätzen vorgenommen werden. Dann ist es nicht notwendig, in der Formel, in der die Substitution vorgenommen werden soll, die Variable, für die substituiert werden soll, an jeder Stelle zu ersetzen, an der sie vorkommt, Leibniz sagt vielmehr ausdrücklich, daß man nur an irgendeiner Stelle zu substituieren braucht: in aliquo loco. Weiterhin fällt auf, daß die hier benutzte Definition der Gleichheit mit der allgemeinen Definitionstheorie von Leibniz schwer in Einklang zu bringen ist. Diese Definition ist eben nicht von der Form: homo = animal rationale, sie besteht nicht darin, daß der Begriff der Gleichheit in seine Teilbegriffe zerlegt wird. Schließlich aber wird ein neues Problem dadurch aufgeworfen (wir werden das Problem im nächsten Paragraphen erörtern), daß sich die Frage erhebt, ob die gewählte Definition überhaupt möglich ist, daß heißt aber, ob sie widerspruchsfrei ist. Eine solche Rechtfertigung der Definition ist notwendig, von ihr ist aber jedenfalls im Specimen nichts zu sehen. So bleibt die Durchführung des beweistheoretischen Gedankens von Leibniz gerade bei diesem durchsichtigen Beispiel mit vielen Schwierigkeiten belastet. Es ist selbstverständlich, daß Leibniz von seinem Standpunkt aus sich mit den eigentlich geometrischen Axiomen besonders eindringlich beschäftigt hat. So findet sich denn auch in seinen Papieren eine besondere Abhandlung über die geometrischen Axiome12, die freilich wiederum nur eine neue Durchführung des Grundgedankens darstellt, und insofern gegenüber dem eben erörterten Beispiel nichts grundsätzlich Neues bringt. Eine Beurteilung dieses beweistheoretischen Grundgedankens von Leibniz: demonstratio est catena definitionum, ist nicht leicht möglich, da er nur aus einer völligen Durchführung heraus beurteilt werden könnte. Sachlich läuft es darauf hinaus, daß man die Geometrie nicht mit Axiomen beginnen läßt, sondern mit Definitionen. David Hubert hat gerade den entgegengesetzten Weg eingeschlagen, und an die Stelle

§ 16: Die Axiomatisierbarkeit

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der Definitionen die Axiome gesetzt18. Er ist dabei soweit gegangen, daß er auch auf Nominaldefinitionen verzichtet, er bringt beispielsweise nicht eine Nominaldefinition der geraden Linie, er betrachtet vielmehr die von der geraden Linie handelnden Axiome in ihrer Gesamtheit als eine implizite Definition. Man wird also von der weiteren Entwicklung her beträchtliche Zweifel am beweistheoretischen Ansatz von Leibniz haben müssen. Wir werden im nächsten Paragraphen zu zeigen versuchen, daß selbst unter den Voraussetzungen von Leibniz sein beweistheoretischer Grundgedanke schweren Bedenken unterliegt. Nun läßt sich die beweistheoretische Auffassung der Geometrie bei Leibniz auch noch in einer etwas anderen Form darstellen, und in dieser anderen Form ist sie mit den heutigen Mitteln nachprüfbar. Wie wir im Briefwechsel mit Clarke gesehen haben, fließt nach der Auffassung von Leibniz die Mathematik, also insbesondere die Geometrie, allein aus dem Satz des Widerspruchs. „Le grand fondement des Mathematiques est le P r i n c i p e de la C o n t r a d i c t i o n , ou de l ' I d e n t i t e , c'est a dire, qu'une Enontiation ne sauroit etre vraye et fausse en meme temps, et qu'ainsi A est A, et ne s a u r o i t e t r e non A. Et ce seul principe suffit pour demonstrer toute l'Arithmetique et toute la Geometrie, c'est a dire tous les Principes Mathematiques."14 Die Ablehnung echter Axiome und die Verwendung von Definitionen und identischen Sätzen als einzigen Voraussetzungen der Geometrie ist ja nur die Durchführung dieses Ansatzes. In der Theodizee gibt Leibniz ein instruktives Beispiel: „Allein mit den Abmessungen der Materie ist es ganz anders beschaffen. Die dreyfache Zahl ist allhier bestimmt, nicht aus dem Grunde des Besten, sondern aus einer geometrischen Notwendigkeit: und dieses deswegen, weil die Meßkünstler zu demonstriren wissen, daß nur drey gerade Linien einander in einem Punkte winkelrecht durchschneiden können." 15 Wenn gemäß diesem Ansatz die dreidimensionale euklidische Geometrie allein aus dem Satz des Widerspruchs fließt, so bedeutet das, daß jede andere Geometrie in sich selbst widerspruchsvoll ist. Daraus folgt dann allerdings, daß die sogenannten Axiome der Geometrie allein aus dem Satz des Widerspruchs bewiesen werden können, und damit entfällt der echte axiomatische Charakter der Geometrie. Merkwürdigerweise hat schon der 23jährige Kant gesehen, daß hier eine

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Kap. 5: Die Wissensdiaftstheorie

unbewiesene Behauptung von Leibniz vorliegt. Im Widerspruch zu dieser Stelle der Theodizee hat Kant auch andere Geometrien als widerspruchsfrei betrachtet, wenn auch zunächst nur in der Frage der Dimensionalität. Er hat damit ihre Möglichkeit anerkannt und sogleich ihre Verwirklichungen gefordert1 . Es liegt kein Grund vor anzunehmen, daß in bezug auf das Problem der Widerspruchsfreiheit Kant seinen Standpunkt später geändert habe, er scheint vielmehr durch Lamberts Untersuchungen zur nichteuklidischen Geometrie in seinen früheren Vermutungen bestätigt worden zu sein. Man wird Kants Meinung dahin zusammenfassen können, daß unter dem alleinigen Kriterium der Widerspruchsfreiheit auch andere als die dreidimensionale euklidische Geometrie möglich sind. Allerdings hat Kant noch eine weitere Existenzbedingung gefordert, nämlich Konstruierbarkeit in der Anschauung, und unter dieser doppelten Existenzbedingung, Widerspruchsfreiheit und Konstruierbarkeit in der Anschauung, wird allerdings auch für den Kant der Kritik der reinen Vernunft die dreidimensionale euklidische Geometrie zur einzig möglichen Geometrie. Heute darf der Streit als entschieden gelten. Es sind auch andere Geometrien als die dreidimensionale euklidische Geometrie widerspruchsfrei. Zwei Erwägungen sind dafür entscheidend. Zunächst kann man über die analytische Geometrie hin nicht nur die dreidimensionale euklidische Geometrie, sondern auch viele andere darstellen. Dann aber sind, zuerst von Poincare, euklidische Modelle nichteuklidischer Geometrien gefunden worden, man kann also nichteuklidische Geometrien im euklidischen Raum darstellen. Beide Methoden zeigen die Widerspruchsfreiheit der nichteuklidischen Geometrien. Gäbe es in ihnen einen Widerspruch, so würde er sich in die Analysis und, über die euklidischen Modelle, sogar in die euklidische Geometrie selbst übertragen. Damit steht fest, daß in Hinsicht auf das Problem der Widerspruchsfreiheit die euklidische Geometrie und die gesicherten nichteuklidischen Geometrien sich in der gleichen Lage befinden. Damit ist aber der beweistheoretische Ansatz von Leibniz gewiß in bezug auf die Geometrie widerlegt. Es ist nicht richtig, daß die euklidische Geometrie aus dem Satz des Widerspruchs allein fließt, und es ist nicht richtig, daß die sogenannten Axiome der Geometrie aus dem Satz des Widerspruchs bewiesen werden können. In dieser Frage hat Kant recht behalten, die Geometrie beruht auf echten Axiomen.

§ 17: Die Widersprudisfreiheit

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§ 17 Die Widerspruchsjreibeit Wissenschaftliche Systeme sind weiterhin gekennzeichnet durch ihre Widerspruchsfreiheit. Läßt man beispielsweise in einem mathematischen System irgendwo einen Widerspruch zu, dann kann man unter Benutzung dieses Widerspruchs jeden beliebigen Widerspruch und damit jeden beliebigen Satz beweisen. Dies hat Leibniz bereits gesehen. Er sagt in den Meditationes des Jahres 1684: « . . . nam definitionibus non possumus tuto uti ad concludendum, antequam sciamus eas esse reales, aut nullam involvere contradictionem. Cujus ratio est, quia de notionibus contradictionem involventibus simul possent concludi opposita, quod absurdum est"1. Dies wäre also absurd und zugleich das Ende einer jeden Wissenschaft. Bei der Tragweite jedoch, die Leibniz dem principium contradictionis einräumt, gewinnt für ihn das Problem der Widerspruchsfreiheit eine besondere Bedeutung. Wir haben gesehen, daß das principium contradictionis für die apriorischen Wissenschaften die notwendige, aber auch die hinreichende Existenzbedingung darstellt, daß es seine Notwendigkeit auch für alle Tatsachenwissenschaften behält, und daß diese unbedingte Gültigkeit des Prinzips im Denken Gottes gründet, in dem alle Vernunftwahrheiten ebenso wie alle Tatsachenwahrheiten ihren Ursprung haben. So ist es verständlich, daß Leibniz dem Problem der Widerspruchsfreiheit eine große Aufmerksamkeit geschenkt hat. Er hat zunächst gesehen, daß es eine ganze Reihe von Begriffen gibt, die auf den ersten Blick völlig unverdächtig sind, die sich aber bei näherer Prüfung als widerspruchsvoll erweisen. In den Meditationes de cognitione, veritate et ideis wählt Leibniz als Beispiel den Begriff der größten Geschwindigkeit. Dieser Begriff scheint zunächst ganz unbedenklich zu sein, es läßt sich aber durch ein Gedankenexperiment leicht zeigen, daß er einen Widerspruch in sich selbst enthält. Man kann sich nämlich zunächst ein Rad denken, das mit einer solchen Geschwindigkeit umläuft, daß die Punkte seiner Peripherie sich mit der hypothetischen größten Geschwindigkeit bewegen. Dann kann man in diesem Gedankenexperiment einen Halbmesser des Rades verlängern, und jeder Punkt des über die Peripherie hinaus verlängerten Radius muß sich mit einer größeren Geschwindigkeit bewegen als jeder Punkt der Peripherie2. Unter den

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Voraussetzungen der klassischen Physik, wie sie für Leibniz gültig sind, ist der Gedankengang schlüssig. Ein weiteres Beispiel ist der Begriff der größten Zahl, der Begriff des numerus numerorum, beziehungsweise des numerus maximus. Man kann Zahlen zählen. Zählt man in fortlaufender Weise Zahlen, dann sind es bis zur Zehn gerade zehn Zahlen und bis zur Hundert gerade hundert Zahlen. Die letzte Zahl ist also die größte Zahl, numerus maximus, und sie zählt zugleich die Zahl der Zahlen, sie ist numerus numerorum. Bei diesem Sachverhalt liegt es nahe zu fragen, wie viele Zahlen es überhaupt gibt, unter Zahl die Zahlen der natürlichen Zahlenreihe verstanden. Freilich käme man mit einer Antwort bald in Schwierigkeiten. Jede natürliche Zahl ist entweder gerade oder ungerade. Ist dann der numerus numerorum beziehungsweise der numerus maximus gerade oder ungerade? Doch wohl keines von beiden. Wie kann es aber eine natürliche Zahl geben, der diese fundamentale Eigenschaft aller natürlichen Zahlen abgeht? Leibniz geht von einer Erwägung aus, die modernen Gedankengängen sehr nahe steht. Man muß offenbar gegen den Begriff der größten Zahl die unbegrenzte Vermehrbarkeit der Zahl setzen, und eine solche Vermehrung kann man sowohl durch Addition als auch durch Multiplikation erreichen. Man muß also zeigen, daß man jede natürliche Zahl durch Addition oder Multiplikation vermehren kann. Leibniz wählt den zweiten Weg. Er sagt sich, daß es zu jeder natürlichen Zahl eine doppelte Zahl gibt, die Zahl 2n. 2n ist aber stets größer als n, da die Null hier nicht in Betracht gezogen wird. Wäre also N die größte Zahl, so gäbe es gleichwohl die Zahl 2N, die aber gegen die Voraussetzung größer ist als N, und der Begriff der größten Zahl enthält also einen Widerspruch3. Leibniz knüpft hier an ältere Erwägungen an, diese Erwägungen haben neuerdings in der Mengenlehre eine große Bedeutung erlangt und sind völlig bestätigt worden. Eine wichtige Bedeutung gewinnt das Problem der Widerspruchsfreiheit in der Auseinandersetzung mit dem ontologischen Gottesbeweis von Descartes, und Leibniz geht in den Meditationes sofort ausführlich auf dies Problem ein. Der ontologische Gottesbeweis legt einen ähnlichen Begriff zugrunde wie die eben diskutierten Begriffe. Gott wird in diesem Beweis definiert als omnitudo realitatis. In dieser omnitudo realitatis muß auch die Existenz enthalten sein, da die Existenz

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selbst eine realitas ist, und Gott als der omnitudo realitatis muß also auch die Existenz zukommen4. Dieser Beweis würde aber, so wendet Leibniz ein, hinfällig werden, wenn der zugrunde gelegte Gottesbegriff einen Widerspruch in sich enthielte. Dann könnte man nämlich, das ist wohl der zugrunde liegende Gedanke von Leibniz, nicht nur die Existenz, sondern auch die Nichtexistenz Gottes aus dem widerspruchsvollen Begriff der omnitudo realitatis beweisen. Das bedeutet also, daß der ontologische Gottesbeweis so lange als unvollständig gelten muß, bis die Widerspruchsfreiheit des zugrunde liegenden Gottesbegriffes der omnitudo realitatis bewiesen ist. Es wird nicht leicht fallen, dies dürfte wiederum die Überzeugung von Leibniz sein, diese Lücke zu schließen5. Die Auseinandersetzung mit dem ontologischen Gottesbeweis hat für Leibniz eine große Bedeutung. Er versäumt nicht, darauf hinzuweisen, daß auch Thomas von Aquin gegen diesen Beweis Bedenken hat8. Auch Kant hat sich ja später, wenn auch aus anderen Gründen, der Kritik des ontologischen Gottesbeweises angeschlossen7. Von diesen Beispielen her werden alle Begriffe verdächtig, die den Begriff der Totalität oder die Begriffe des Maximums oder des Minimums enthalten. In bezug auf die Begriffe des Maximums und des Minimums ist dies freilich für das 17. Jahrhundert eine harte Aussage. Man darf nicht vergessen, welche Rolle diese Begriffe in den großen Entdekkungen der Zeit, in der Differential- und Integralrechnung, spielen. Ihre Bedeutung ist so groß, daß Leibniz selbst die neue Methode nicht selten als methodus de maximis et minimis bezeichnet. Auf der anderen Seite muß man den genialen Griff des großen Denkers bewundern, der das Problem der Totalität als die eigentliche Quelle der Schwierigkeiten erkennt. Diese Bewunderung kann nur noch größer werden, wenn man bedenkt, welche Mühe es Kant gekostet hat, und welche Mühe wiederum unserer Zeit, die Schwierigkeiten so weit zu klären, daß wir den Ursprung fundamentaler Antinomien aus dem Begriff der Totalität zu übersehen vermögen. Für die systematische Behandlung der Frage der Widerspruchsfreiheit wird es notwendig zu erkennen, woher die Widersprüche kommen, und woher sie überhaupt kommen können. Überlegt man sich diese Frage auf dem Boden der Leibnizschen Philosophie, dann wird man zunächst feststellen können, daß eventuelle Widersprüche nicht aus der

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Kap. 5: Die Wissensdiaftstheorie

logischen Ableitung und nicht aus dem Beweisverfahren entspringen können. Ein logisches Verfahren oder ein Beweisverfahren, das Widersprüche hervorruft, ist selbstverständlich kein legales Verfahren. Es muß ein Fehler begangen worden sein, der einer aufmerksamen Untersuchung nicht entgehen kann. Dann bleiben unter den Voraussetzungen von Leibniz nur die Definitionen und die identischen Sätze übrig. Hier wiederum können die absolut identischen Sätze von der Form B est B offenbar nicht die Quelle eines Widerspruchs sein. Der virtuell identische Satz könnte zwar einen Widerspruch enthalten, aber nicht insofern er ein identischer Satz ist, insofern er also das Prädikat B aus dem zusammengesetzten Subjekt AB herauszieht. Der Widerspruch könnte vielmehr nur zwischen den Teilbegriffen des Subjekts bestehen. Also können allein die Begriffe und die ihnen korrespondierenden Definitionen die Quelle eines Widerspruchs sein. Zur Untersuchung dieser Frage geht Leibniz in den Meditationes zunächst auf die alte These zurück, daß Definitionen willkürlich sind. Man kann in der Tat definieren, was man will, man bleibt dabei aber an die Bedingung gebunden, daß die an sich willkürlich setzbaren Definitionen einen Widerspruch nicht enthalten, „nullam involvere contradictionem"8. Nun ist für Leibniz, wie wir sahen, die Widerspruchsfreiheit die notwendige und hinreichende Bedingung für die Möglichkeit, und also auch für die Möglichkeit von Begriffen und Definitionen. Von hier aus ändert Leibniz zunächst die Bedeutung des Terminus Nominaldefinition. Nach der Tradition gibt die Nominaldefinition die Bedeutung eines Terminus an. Die Nominaldefinition des Dekaeders bestimmt ihn als einen regulären Körper, der von zehn kongruenten Flächen begrenzt ist. Ob ein solcher Körper möglich ist, läßt die traditionelle Nominaldefinition offen. Für Leibniz dagegen gibt es, da der Dekaeder einen Widerspruch in sich enthält, weder eine Idee, noch eine Definition, nicht einmal eine Nominaldefinition des Dekaeders. Dekaeder ist vielmehr für ihn ein leeres Wort. „Denn in beiden Wissenschaften steht es nicht bei uns, nach Belieben Kombinationen zu machen, sonst hätte man das Recht, von regelmäßigen Dekaedern zu reden."9 Man hat also in bezug auf den Dekaeder nicht einmal das Recht von ihm zu reden, Dekaeder ist vielmehr ein bloßer Klang ohne Sinn und Bedeutung, Leibniz unterscheidet also in einer neuen Weise zwischen Nominaldefinition und Realdefinition. Eine Nominaldefinition ist eine

$ 17: Die Widerspruchsfreiheit

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solche Definition, die einen widerspruchsfreien, also an sich möglichen idealen oder realen Gegenstand zu identifizieren gestattet. Aus einer Realdefinition aber kann man zugleich die Möglichkeit des Gegenstandes, und das heißt bei idealen Gegenständen, die Widerspruchsfreiheit erkennen. „ Atque ita habemus quoque discrimen inter d e f i n i t i o n e s n o m i n a l e s , quaenotas tantum rei ab aliis discernendae continent, et r e a l e s, ex quibus constat rem esse possibilem."10 Dies führt nun dazu, daß in jeder Definition in gewissem Sinne bereits ein Urteil enthalten ist, nämlich das Urteil, daß der definierte Gegenstand widerspruchsfrei, also möglich ist, und dies gilt ganz gewiß von den Realdefinitionen: „Was den Satz betrifft, daß d r e i sov i e l als z w e i und e i n s ist, den Sie gleichfalls als ein Beispiel einer intuitiven Erkenntnis anführen, so will ich bemerken, daß dies nur die Definition des Ausdrucks d r e i ist, denn die einfachsten Definitionen der Zahlen werden so gebildet: z w e i ist eins und eins, d r e i ist zwei und eins; v i e r ist drei und eins und so fort. Allerdings ist hierin, wie ich schon bemerkt habe, ein Urteil verborgen, nämlich daß diese Ideen möglich sind; und dies wird hier i n t u i t i v erkannt." " Die Gründe der möglichen Widersprüche aufzusuchen und damit, wenn möglich, eine Methode anzugeben, die Widerspruchsfreiheit zu beweisen, dies ist freilich ein dorniges Problem, und man findet bei Leibniz manche Klage darüber, etwa die folgende: „Dagegen gibt es zwei Mängel, denen schwerer abzuhelfen ist: und zwar besteht der eine darin, daß man darüber im Zweifel ist, ob bestimmte Ideen miteinander verträglich sind, solange die Erfahrung sie uns nicht an demselben Gegenstand verbunden zeigt."12 Widersprüche können nach den Voraussetzungen von Leibniz nur in den Definitionen auftreten. Nun korrespondieren den Definitionen die Begriffe, und Begriffe sind nach den Voraussetzungen von Leibniz entweder einfach oder zusammengesetzt. Die erste Möglichkeit von Widersprüchen könnte nun darin liegen, daß es Grundbegriffe gibt, die in sich selbst widerspruchsvoll sind. Diese Möglichkeit scheidet für Leibniz von vornherein aus. Die zweite Möglichkeit läge darin, daß gewisse Grundbegriffe einander widersprächen. Wenn beispielsweise die Grundbegriffe L und M einander widersprächen, so würde immer ein Widerspruch auftreten, wenn in einem zusammengesetzten Begriffe die beiden Grundbegriffe L und M zugleich als Teilbegriffe auftreten würden. Nun fehlt es,

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so weit ich sehen kann, hier zwar an einer letzten und definitiven Erklärung von Leibniz, dennoch glaube ich annehmen zu können, daß Leibniz Widersprüche zwischen einfachen Grundbegriffen nicht für möglich gehalten hat. Leibniz bringt die Grundbegriffe häufig mit dem alten Begriff der attributa Dei zusammen, so auch in den Meditationes1S. Werden sie aber als attributa Dei aufgefaßt, dann können sie einander nicht widersprechen. Aber auch ohne die theologische Wendung scheint ein Widerspruch zwischen einfachen Grundbegriffen als solchen nicht möglich zu sein. Ein Widerspruch setzt voraus, daß ein Sachverhalt zugleich bejaht und negiert wird, und ein Widerspruch kann also ohne die im Begriff der Negation liegende Zusammensetzung nicht auftreten. Würden einfache Grundbegriffe einander widersprechen, dann gäbe es wegen der Einfachheit dieser Begriffe für uns jedenfalls keine Möglichkeit, solche Widersprüche zu erkennen und zu vermeiden, und das ganze Problem wäre hoffnungslos. Man wird also sagen können, daß nach der Meinung von Leibniz Grundbegriffe einander nicht widersprechen können. Damit engt sich das Problem auf eine einzige Möglichkeit ein: Ein Widerspruch entsteht, wenn in einem zusammengesetzten Begriff ein Teilbegriff zusammen mit seinem Negat enthalten ist. Diese Form des Widerspruchs wird von Leibniz ausdrücklich genannt: „Terminus falsus est qui continet oppositos A non A."14 Dies ist jedenfalls eine Möglichkeit des Auftretens von Widersprüchen, und man sieht nicht, wie unter den Voraussetzungen von Leibniz auf irgendeine andere Weise ein Widerspruch sollte auftreten können. Es würde beispielsweise einen Widerspruch implizieren, wenn man den Menschen als ein irrationales Wesen bezeichnen würde. Dieser homo irrationalis würde nämlich, setzt man für homo die Definition ein, ein animal rationale irrationale werden, und er würde also einen Widerspruch darstellen, was er für Leibniz übrigens nicht nur der Form nach, sondern auch der Sache nach tun würde. Liegt nun der Grund der Widersprüche darin, daß in einem zusammengesetzten Begriff ein Teilbegriff zusammen mit seinem Negat auftritt, dann ergibt sich daraus die Methode des Erkennens und Vermeidens von Widersprüchen: es ist die Analyse, die einen zusammengesetzten Begriff in seine Teilbegriffe auflöst, und dabei erkennt, daß der eben bezeichnete Widerspruch nicht vorkommt. Dies setzt nun aber

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im allgemeinen eine adäquate Erkenntnis und eine zu Ende geführte Analysis voraus: „Et quidem quandocunque habetur cognitio adaequata, habetur et cognitio possibilitatis a priori; perducta enim analysi ad finem, si nulla apparet contradictio, utique notio possibilis est."15 Eine solche vollständige Analysis ist allerdings uns schwerlich erreichbar, und so schreibt denn Leibniz den elegischen Satz nieder: „An vero unquam ab hominibus perfecta institui possit analysis notionum, sive an ad p r i m a p o s s i b i l i a ac notiones irresolubiles, ... cogitationes suas reducere possint, nunc quidem definire non ausim."1 Da die Widerspruchsfreiheit aber bewiesen werden muß, so muß sich Leibniz nach einem anderen Weg umsehen. Als solcher bietet sich der Weg a posteriori an. Können wir in der Erfahrung feststellen, daß ein bestimmter Gegenstand existiert, dann ist der ihn bezeichnende Begriff möglich und also widerspruchsfrei17. Von großem Wert sind hier die definitiones causales, die angeben, wie ein Gegenstand hergestellt werden kann18. Dies führt nun in bezug auf die Mathematik zu einer merkwürdigen Konsequenz. Zunächst ist das Sein der Gegenstände der Arithmetik und der Geometrie als ein reines Ansichsein bestimmt, um den modernen Ausdruck zu verwenden. Unter den eben diskutierten Erwägungen kommen nun aber starke Erfahrungsmomente, beziehungsweise konstruktive Momente, in die Mathematik hinein, da nur auf diesem Wege der Beweis der Widerspruchsfreiheit geführt werden kann. Was zunächst die Arithmetik anbelangt, so haben wir ja gesehen, daß Leibniz die Notwendigkeit einer rekursiven Definition für die natürlichen Zahlen erkannt hat: 2 = 1 + 1, 3=2+1, 4 = 3 + 1 usw.". Nach unseren Erwägungen muß aber jetzt die Widerspruchsfreiheit dieser Definitionen gesichert werden. Die so gegebenen ZahlbegrifTe müssen als mögliche, das heißt aber als widerspruchsfreie Begriffe erwiesen werden. Darüber ist sich Leibniz völlig klar. Außer der oben zitierten Stelle mag noch die folgende stehen: „ D a ß e i n s und e i n s z w e i m a c h t , ist eigentlich gesprochen keine Wahrheit, sondern ist die Definition von Z w e i . Freilich ist hierin dies wahr und evident, daß es die Definition eines möglichen Gegenstandes ist."20 Was mag Leibniz meinen, wenn er die Einsicht in die Möglichkeit, also in die Widerspruchsfreiheit der Zwei als evident bezeichnet? Wie mir scheint, kann hier nur die innere Erfahrung gemeint sein. Wir

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können oft in unserer inneren Erfahrung feststellen, daß wir zwei Wünsche oder daß wir zwei Gedanken haben, und insofern würde die Existenz von zwei Gegenständen und insofern auch die Existenz der Zwei selbst in unserer inneren Erfahrung intuitiv und evident gesichert sein. Dasselbe würde dann wohl auch von der Drei, von der Vier, und von einer ganzen Reihe der zunächst folgenden Zahlen gelten, und Leibniz betrachtet es wohl ebenfalls als evident, daß die Fortsetzung des Verfahrens über die uns zunächst evident erfaßbaren kleineren Zahlen ebenfalls widerspruchsfrei weiterläuft. In der Geometrie führt dieselbe Erwägung auf einen stark konstruktiven Standpunkt. Die Realdefinition einer geometrischen Figur soll ihre Konstruktion und damit zugleich ihre Möglichkeit geben. Dies gilt beispielsweise von der Definition, die Euklid vom Kreis gegeben hat: „Sed notio circuli ab Euclide proposita, quod sit figura descripta motu rectae in piano circa extremum immotum, definitionem praebet realem, patet enim talem figuram esse possibilem. Hinc utile est habere definitiones involventes rei generationem vel saltern, si ea caret, constitutionem, hoc est modum quo vel producibilem vel saltern possibilem esse apparet."21 Es kann zwar jede konvertible Eigenschaft eines Gegenstandes, also jede Eigenschaft, die von ihm und nur von ihm zutrifft, als Definition benutzt werden, aber eine solche Eigenschaft muß nicht notwendig den Beweis der Möglichkeit in sich enthalten. So kann zum Beispiel der Kreis definiert werden als die Figur, deren Peripheriewinkel gleich sind. Diese Eigenschaft hat der Kreis und nur der Kreis. Aber aus dieser Definition läßt sich, wenigstens nach der Meinung von Leibniz, nicht beweisen, daß die so definierte Figur möglich ist28. Erwägungen dieser Art finden wir an vielen Stellen. Außer den bereits angegebenen wollen wir lediglich auf eine weitere Stelle in den Nottveaux Essais28 und auf eine von Couturat gegebene Stelle verweisen24. Die vielleicht prägnanteste dürfte die folgende sein: „Porro ex definitionibus realibus illae sunt perfectissimae, quae omnibus hypothesibus seu generandi modis communes sunt causamquam proximam involvunt, denique ex quibus possibilitas rei immediate patet, nullo scilicet praesupposito experimento vel etiam nulla supposita demonstratione possibilitatis alterius rei, hoc est cum res resolvitur in meras notiones primitivas per se intellectas, qualem cognitionem soleo appel-

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lare adaequatam seu intuitivam; ita enim si qua esset repugnantia, statim appareret, quia nulla amplius locum habet resolutio."25 Versucht man zum Problem der Widerspruchsfreiheit bei Leibniz Stellung zu nehmen, dann muß man auf der einen Seite den Genius bewundern, der das fundamentale Problem so früh erkannt hat. In der Tat muß für einen rein logischen Aufbau die Widerspruchsfreiheit der deduktiven Systeme bewiesen werden. Erst die weitergetriebenen Untersuchungen unseres Jahrhunderts haben die Notwendigkeit, aber auch die Schwierigkeit eines solchen Beweises wirklich deutlich werden lassen. Auf der anderen Seite muß man vom Problem der Widerspruchsfreiheit her, und gerade von den eigenen Erwägungen Leibnizens, große Bedenken gegen seine Grundvoraussetzungen geltend machen. Bedenken gegen einen philosophischen Grundansatz können verschiedener Art sein. Sie können einmal davon ausgehen, daß der Ansatz die Phänomene, die er treffen will, nicht vollkommen trifft. Dies wird wohl bei jedem philosophischen System und vielleicht bei jedem wissenschaftlichen Ansatz der Fall sein. Hierher wären etwa die Bedenken zu rechnen, die Russell gegen die analytische Urteilstheorie geltend gemacht hat, und denen wir uns angeschlossen haben. Die analytische Urteilstheorie von Leibniz will eine allgemeine Urteilstheorie sein, es gelingt ihr aber nicht, beispielsweise die Relationsurteile zu umfassen, weil diese sich nicht auf die Form bringen lassen: A est B. Ein Bedenken gleicher Art war gegen die kombinatorische Begriffstheorie zu erheben. Diese Theorie schöpft die Gesamtheit der möglichen Begriffe nicht aus, denn es gibt auch andere Arten des Zusammenhanges zwischen Begriffen als den dort allein zugrunde gelegten additiven Zusammenhang. Aber ein solcher Einwand kann vielleicht gegen jede philosophische Theorie, vielleicht sogar gegen jede Theorie überhaupt, geltend gemacht werden. Von anderer und doch wohl von schwerwiegenderer Art scheint mir dagegen ein Einwand zu sein, der zeigt, daß unter den Grundvoraussetzungen einer Philosophie Schwierigkeiten und Widersprüche auftreten, die aus eben diesen Grundvoraussetzungen fließen. Dies ist allerdings hier bei Leibniz der Fall. Die Voraussetzungen von Leibniz machen es notwendig, die Widerspruchsfreiheit der deduktiven Systeme zu beweisen. Dies sieht Leibniz ganz klar. Auf der anderen Seite

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Kap. 5: Die Wissenschaftstheorie

ist unter seinen eigenen Voraussetzungen ein solcher Beweis nicht möglich. Ein solcher Beweis kann unter seinen Voraussetzungen ja nur in der Weise geführt werden, daß alle zusammengesetzten Begriffe bis auf die einfachen Grundbegriffe analysiert werden. Nur eine solche perfekte Analyse würde den Beweis der Widerspruchsfreiheit enthalten, aber eine solche Analyse ist für uns wenigstens nicht erreichbar. Daß wenigstens für uns auch in Hinsicht auf die apriorischen Systeme nur der Rückgriff auf die Erfahrung und auf die faktische Existenz übrig bleibt, dies bleibt eine bedenkliche Schwierigkeit in der Philosophie von Leibniz.

KAPITEL VI

DIE LOGIK IM GANZEN

$ 18 Versuch einer Beurteilung der Logik von Leibniz Wenn wir die Logik von Leibniz zu würdigen versuchen, und wenn wir damit die Würdigung von der Darstellung unterscheiden, so ist eine solche Unterscheidung im Grunde genommen gar nicht möglich, denn jede Darstellung ist bereits eine Würdigung. Es ist bereits eine Würdigung, wenn man versucht, die Philosophie von Leibniz darzustellen, es ist bereits eine Stellungnahme, wenn man diese Darstellung auf die Logik und die Metaphysik konzentriert. Gleichwohl mag eine besondere Zusammenfassung der Stellungnahme und der Würdigung nicht ohne Wert sein. Richten wir unser Augenmerk zunächst auf das, was Leibniz über das Verhältnis der Logik zur Mathematik sagt, so hat dies Problem in unserer Zeit eine besondere Beachtung gefunden. Bertrand Russell hat mit Nachdruck die völlige Einheit von Logik und Mathematik vertreten1, und die Principia Mathematica sind in diesem Sinne aufgebaut, in ihnen gehen Logik und Mathematik stetig ineinander über. Es ist klar, daß Russell hier völlig mit Leibniz zusammengeht. In der Tat ist die Einheit von Logik und Mathematik die Meinung von Leibniz. Eine solche These folgt ja unmittelbar, wenn Leibniz etwa die Euklidische Proportionslehre als Beispiel für rein logische Formen betrachtet2. Es findet sich daher eine ganze Reihe von Stellen, in denen Leibniz diese Einheit von Logik und Mathematik ausdrücklich ausspricht. In dem Brief an Wagner sagt er: „Die Mathesis pura ist zwar nicht die Vernuniftlehre an sich selbst, wohl aber eine der ersten geburthen und gleichsam deren gebrauch bey denen großen oder bey zahl, maaß und gewicht. Ich habe auch befunden, daß die Algebra selbst ihre vortheil von einer viel höhern Kunst, nehmlich der wahren Logik entlehne."3

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Kap. 6: Die Logik im Ganzen

In der Matheseos universales pars prior wird gesagt: „ . . . adeoque Arithmetica et Algebra tractari possunt per modum Logicae, tanquam si essent Logica Mathematica, ut ita in effectu coincidat Mathesis universalis sive Logistica et Logica Mathematicorum; unde et Logistica nostra nomine A n a l y s e o s M a t h e m a t i c a e passim venit."4 In diesem Problem des Verhältnisses von Logik und Mathematik steht Kant im Gegensatz zu Leibniz. Der Unterschied liegt bereits in der grundsätzlichen Einstellung. Kant mahnt immer wieder, man solle die einzelnen Wissenschaften nicht durcheinanderlaufen lassen, man solle vielmehr ihre Grenzen sorgfältig beachten. Für Leibniz ist dies ein kaum begreifliches Anliegen. Aus dieser Voraussetzung hat Kant zwischen der Logik und der Mathematik scharf unterschieden, wie wir heute zu wissen glauben, in dieser Schärfe jedenfalls zu Unrecht. Hier hat Leibniz tiefer gesehen. Eine genügend weit definierte Logik geht lückenlos in die Mathematik über. Dies allerdings schließt nicht aus, daß die beiden Disziplinen dennoch unterschieden werden können. Auch zwischen der Mathematik und der theoretischen Physik besteht ein stetiger Übergang, und dennoch unterscheidet man mit Recht die beiden Disziplinen. Das Problem wird dadurch schwierig, daß neue Unterscheidungen sich als notwendig erweisen. Hubert hat zwischen Mathematik und Metamathematik unterschieden, und in ähnlicher Weise wäre zwischen Logik und Metalogik zu unterscheiden. Von hier aus zeigt sich, daß die aristotelische Logik ein recht komplexes Gebilde aus Logik, Metalogik und Metaphysik ist, während umgekehrt auch die aristotelische Metaphysik umfangreiche logische und metalogische Erwägungen enthält. In den Principia Mathematica ist meines Erachtens die Einheit zu sehr betont, und es sind die notwendig werdenden Unterscheidungen zu wenig beachtet. Wenn beispielsweise in den Principia Mathematica gesagt wird, daß es in der Welt mindestens ein wirkliches Ding geben muß5, so gehört diese These schwerlich in eine rein logisch-mathematische Darstellung. Zu den Untersuchungen, die meiner Meinung nach bei Leibniz eine selbständige Darstellung benötigen, gehören die Untersuchungen zur ars characteristica universalis, insbesondere die daraus fließenden Erwägungen über die symbolische Konstruktion in der Analysis. Man wird daher sagen können, daß der kontinuierliche Zusammenhang zwischen Logik und Mathematik anerkannt werden muß, daß sich aber neue Differenzierungen

§ 18: Versuch einer Beurteilung der Logik von Leibniz

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als notwendig erweisen, die Leibniz zwar der Sache nach gesehen hat, denen er aber in methodischer Hinsicht zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt hat. Ein zweites in unserer Zeit oft diskutiertes Problem ist die Frage nach dem analytischen oder synthetischen Charakter der Mathematik. Wir haben gesehen, daß Leibniz die mathematischen Urteile zwar nicht terminologisch, aber der Sache nach als analytische Urteile betrachtet, und daß man diese analytische Urteilstheorie in die These zusammenfassen kann: In omni vera propositione praedicatum inest subjecto8. Auch hier finden wir einen dezidierten Gegensatz zwischen Leibniz und Kant. Die Definition des analytischen Urteils bei Kant entspricht der allgemeinen Definition des Urteils bei Leibniz, das synthetische Urteil wird negativ definiert, diejenigen Urteile, die nicht analytisch sind, sind synthetisch7. In Kantischer Terminologie kann man sagen: Für Leibniz sind die Urteile der Logik und der Mathematik insgesamt analytische Urteile, für Kant sind die Urteile der Logik analytische Urteile, die Urteile der Mathematik synthetische Urteile. Was die Würdigung der analytischen Urteilstheorie von Leibniz anbetrifft, so enthält sich Couturat einer ausdrücklichen Stellungnahme, wenigstens in seinem Leibnizbuch. Aus der Form der Darstellung aber und aus weiteren Publikationen kann man entnehmen, daß Couturat die analytische Urteilstheorie Leibnizens als sachlich zutreffend betrachtet. Dagegen lehnt Russell die analytische Urteilstheorie in ihrem Totalitätsanspruch ab, und auch unsere Erwägungen haben ergeben, daß Russell hier richtig gesehen hat. Was das Verhältnis zu Kant angeht, so hat meines Erachtens Kant die Möglichkeiten der Logik unterschätzt, indem er sie auf die Syllogistik im engsten Sinne beschränkt hat. Hätte er die vollen Möglichkeiten der Logik gesehen, so wie Leibniz sie gesehen hat, dann würde Kant, wenn er konsequent gewesen wäre, meiner Meinung nach auch die Urteile der Logik als synthetische Urteile bezeichnet haben. Der Zusammenhang zwischen der analytischen Urteilstheorie von Leibniz und den analytischen Urteilstheorien der Gegenwart schließlich erscheint mir gering. Die Definition des analytischen Urteils weicht oft so sehr von der Definition von Leibniz ab, daß nicht viel mehr als der Terminus gemeinsam ist. Ein Gewinn für die sachlichen Probleme der Gegenwart kann wohl nur dann erwartet werden, wenn der Zu-

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Kap. 6: Die Logik im Ganzen

sammenhang mit der Definition von Leibniz beachtet wird. Etwas günstiger liegen die Verhältnisse bei dem auch in der Gegenwart intensiv diskutierten Problem, ob die Wissenschaften und ob insbesondere die Naturwissenschaften apriorische Elemente enthalten, und welches diese sind. Auch hier tritt freilich die Schwierigkeit auf, daß der Terminus a priori in verschiedener Weise definiert wird. Alle Bestimmungen hängen aber wenigstens in der negativen These zusammen, daß die Aussagen der Naturwissenschaften nicht ausschließlich Erfahrungsbestimmungen enthalten, daß vielmehr in ihnen auch andere Elemente auftreten, und diese Elemente, sie mögen sonst noch so verschieden definiert werden, sind dann die apriorischen Elemente. In diesem Problem ist Leibniz ein entschiedener Vertreter des apriorischen Standpunktes, und zwar auch der Terminologie nach. So schreibt er 1676 an Fabri: „His autem semel constitutis poterunt ab ipsis principiis et a priori, ut vocant, rerum terrestrium phaenomena derivari."8 In diesem Sinne sind Logik, Arithmetik und Geometrie für Leibniz ein Apriori aller Wissenschaften und ganz gewiß ein Apriori der Naturwissenschaften. Da sie allein aus dem Satz des Widerspruchs folgen, so sind sie, wie wir gesehen haben, jeweils die einzig möglichen Systeme. So ist beispielsweise die dreidimensionale euklidische Geometrie das einzig mögliche geometrische System. Daraus folgt ohne weiteres die unbedingte und apriorische Gültigkeit von Logik, Arithmetik und Geometrie erstens für das Denken Gottes, zweitens für die Welt als einer von Gott geschaffenen Wirklichkeit und drittens für die Erkenntnis der wirklichen Welt ebenso wie für die Erkenntnis der möglichen Welten für uns. Obwohl man der Begründung nicht ganz wird zustimmen können, so glaube ich doch, daß Leibniz der Sache nach Recht hat. Zugleich erscheint mir sein methodisches Vorgehen auch für uns überaus interessant. In der Gegenwart neigt man dazu, das Problem des Apriori vom Kausalgesetz her zu sehen. Die Auseinandersetzung geht fast ausschließlich um die Frage, ob das Kausalgesetz a priori ist oder nicht. Die Fragestellung von Leibniz erscheint besser. Man sollte das Problem also auf die Frage bringen, ob Logik, Arithmetik und Geometrie ein Apriori der Naturwissenschaften sind, und hier wäre es vielleicht besonders erfolgversprechend, zuerst die Frage nach dem apriorischen Charakter der Arithmetik der natürlichen Zäh-

§18: Versuch einer Beurteilung der Logik von Leibniz

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len zu stellen. Leibniz mag vielleicht in der Begründung zu weit gegangen sein. Daß aber Aussagen über die natürlichen Zahlen einen anderen Charakter haben als Aussagen über die Gestalt der Erde oder Aussagen über die Abweichungen der Magnetnadel (zwei empirische Aussagen, mit denen Leibniz sich oft beschäftigt hat), dies kann man nicht gut bestreiten. Es kann niemand daran gehindert werden, das Urteil: 7+5 = 12, ein Erfahrungsurteil zu nennen. Dann muß er aber den Terminus „Erfahrungsurteil" so weit definieren, daß die These ihren Sinn praktisch verliert. Jedenfalls würde dann der offenbare Unterschied zwischen dem Satz: 7+5 = 12, und den Gesetzen der Deklinationskurven der Magnetnadel verlorengehen. Ich glaube daher, daß es einen guten Sinn hat, mit Leibniz zu sagen: Logik, Arithmetik und Geometrie sind ein Apriori der Naturwissenschaften, und ich glaube auch, daß das methodische Vorgehen, von den drei Disziplinen Logik, Arithmetik und Geometrie auszugehen, einen guten Weg darstellt. Wir wenden uns drei Fragen zu, die für jede Zeit als akut betrachtet werden können. Die erste ist die Frage nach dem Sein der Begriffe. Hier vertritt Leibniz mit Entschiedenheit die These, daß die Begriffe an sich existieren, er wendet sich ebenso entschieden gegen die These, daß die Begriffe von uns gemacht werden. Die Worte und die Zeichen stammen von uns, und sie unterliegen daher auch unserer freien Willkür. Die Ideen aber, die unsere Worte und unsere Zeichen bezeichnen, existieren unabhängig von uns. Es ist üblich geworden, diese These dahin zu formulieren, daß die Ideen an sich existieren, oder in einer etwas anderen Wendung vom Ansichsein der Ideen zu sprechen. Die Wiederaufnahme des alten platonischen Sprachgebrauchs, denn darum handelt es sich letzten Endes, scheint mir nicht schlecht zu sein, ich wende ihn deshalb auch hier an, obwohl er für Leibniz nicht der übliche ist. Dieses Ansichsein der Begriffe kann unter zwei Gesichtspunkten erwogen werden, unter dem logischen und unter dem ontologischen Gesichtspunkt. Unter dem logischen Gesichtspunkt steht bei Leibniz die logische Struktur der an sich seienden Begriffe zur Diskussion, unter dem ontologischen Gesichtspunkt ist die Frage zu stellen, ob und wieweit seine Interpretation des Ansichseins als Gedanken Gottes als zu Recht bestehend betrachtet werden kann. Wir untersuchen jetzt nur

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Kap. 6: Die Logik im Ganzen

die logisdien Fragen, die ontologisdien Fragen stellen wir im zweiten Teil zur Diskussion. Diese These vom Ansichsein der Begriffe führt in der Regel — und sie führt auch bei Leibniz — auf die These von der Existenz der Gesamtheit aller Begriffe. An vielen Stellen spricht er davon, daß die scientia generalis beziehungsweise die damit zusammenhängende ars characteristica universalis es ermögliche, die Gesamtheit aller Begriffe systematisch darzustellen. So sagt er zum Beispiel in seinem Brief an den Herzog Johann Friedrich: „In Philosophia habe ich ein mittel funden, das jenige was Cartesius und andere per Algebram et Analysin in Arithmetica et Geometria gethan, in allen scientien zuwege zu bringen per Artem Combinatoriam, welche Lullius und P. Kircher zwar excolirt, bey weiten aber in solche deren intima nicht gesehen. Dadurch alle Notiones compositae der ganzen Welt, in wenig simplices als deren Alphabet reduciret, und aus solches alphabets combination wiederumb alle dinge, samt ihren theorematibus, und was nur von ihnen zu inventiren müglich ordinata methodo mit der zeit zu finden ein weg gebahnet wird. Welche invention, dafern sie wils Gott zu Werck gerichtet, als mater aller inventionen von mir vor das importanteste gehalten wird, ob sie gleich das ansehen noch zur zeit nicht haben mag: Ich habe dadurch alles was erzehlet werden soll, gefunden, und hoffe noch ein mehrers zu wege zu bringen." Eine solche Existenz der Gesamtheit aller Begriffe ist die Voraussetzung der kombinatorischen Begriffstheorie. Immerhin habe ich den Eindruck, daß Leibniz gerade dies Problem mit einer gewissen Vorsicht angeht. Dies drückt sich schon darin aus, daß er es vermeidet, die Tafel der einfachen Grundbegriffe wirklich anzugeben, aber die Vollständigkeit aller Begriffe fließt wesentlich aus der Vollständigkeit der Grundbegriffe. Darüber hinaus vermeidet Leibniz solche Ausdrücke, die ganz spezifisch die Gesamtheit aller Begriffe kennzeichnen würden, etwa omnitudo omnium idearum, oder totalitas omnium idearum. Hiervon mögen ihn doch wohl die Bedenken abgehalten haben, die er gegen die Begriffe der Totalität schon früh geschöpft hat10. Leibniz verwendet gern den Ausdruck regio beziehungsweise region, einen Ausdruck, der dann insbesondere von Lambert mit „Reich der ewigen Wahrheiten" übersetzt worden ist. Gerade in dieser, wie ich glauben möchte, treffenden Übersetzung kommt doch der Totalitätscharakter deutlich

§ 18: Versuch einer Beurteilung der Logik von Leibniz

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zum Vorschein. So bleibt das Problem bei Leibniz mit einer gewissen Zwiespältigkeit belastet. Auf der einen Seite fordern seine Grundansätze die Existenz der Gesamtheit der Begriffe, auf der anderen Seite übt er offenbar Vorsicht. Gewiß übersieht er die im Begriff der Gesamtheit aller Begriffe steckenden Schwierigkeiten nicht so klar wie wir heute, und es ist gewiß die Intuition des genialen Forschers, die ihn vorsichtig werden läßt. Aber die Schwierigkeiten, die er intuitiv erkannt hat — ich darf an den Begriff numerus numerorum erinnern — sind heute voll zur Wirksamkeit gekommen, und sie müssen sich daher auch gegen Leibniz selbst richten. Alle Ansätze, die die Existenz der Gesamtheit aller Begriffe bei Leibniz voraussetzen oder nach sich ziehen, müssen daher bedenklich bleiben. Die in der Gesamtheit aller wahren Begriffe möglichen Widersprüche setzen in der These vom Ansichsein eine Vorsicht voraus, deren Notwendigkeit Leibniz zwar intuitiv geahnt haben mag, zu deren faktischer Durchführung er aber nicht bereit und auch noch nicht fähig war. Allerdings muß man dabei im Auge behalten, daß wir heute die Schwierigkeiten zwar gut kennen, daß aber ein wirklich befriedigender Weg aus diesen Schwierigkeiten auch heute noch nicht gefunden ist. Für Leibniz jedenfalls muß sein allzu großer Optimismus und seine allzu einfache Durchführung die These in der von ihm gegebenen Form ernstlich gefährden. Viel zu einfach sieht Leibniz meines Erachtens auch die möglichen Zusammenhänge zwischen Begriffen. Leibniz kennt in seiner Begriffstheorie ebenso wie in seiner Urteilstheorie nur das kombinatorische Nebeneinander, gewissermaßen die additive Verbindung nach dem Modell animal rationale. Für die Theorie müssen alle Begriffsverbindungen nach dieser Form aufgebaut sein. Nun kann gar kein Zweifel sein, daß Leibniz selbst ganz andere Weisen der Begriffsverbindung benutzt. Wenn er etwa definiert: 2 — 1 + 1, so können zwar die beiden Einheiten, die in der Zwei enthalten sind, in einem gewissen Sinne als Teilbegriffe aufgefaßt werden. Aber sie sind doch nicht in der Weise Teilbegriffe wie animal und rationale. Wenn die Zwei einfach unum unum wäre, so würde sich ja diese Definition nach dem von Leibniz bereits ausgesprochenen Gesetz der Tautologie auf unum reduzieren, und außerdem muß gewiß irgendwie der Begriff der Addition in die Definition eintreten. Im Grunde genommen benutzt Leibniz in der

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Kap. 6: Die Logik im Ganzen

kombinatorischen Begriffstheorie die alte platonische Vorstellung von der Begriffspyramide. Nun hat zwar Platon selbst im Sophistes Beispiele solcher Begriffspyramiden gegeben, aber in demselben Dialog hat er zugleich gezeigt, daß es auch andere Weisen des Begriffszusammenhanges geben muß, und Platon verwendet ja selbst für den Zusammenhang der fünf Grundbegriffe das Bild des Netzes. Zwar kann weder bei Platon noch bei Leibniz von einer echten Begriffspyramide gesprochen werden, da eine solche Vorstellung die Existenz nur eines einzigen obersten Begriffes voraussetzt. Gleichwohl wird man, wenn man dies Bild beibehalten will, bei Leibniz ernste Bedenken dagegen geltend machen müssen, daß alle Begriffe gewissermaßen in einer Ebene Hegen, und daß sie dort nur nach einer einzigen Weise der Zusammensetzung sich zusammensetzen. Will man im räumlichen Bilde bleiben, so müßte man fordern, daß der Zusammenhang der Begriffe ein vielschichtiger ist, und daß in jeder Schicht wiederum viele Formen der Zusammensetzung möglich sind. Ein weiteres Bedenken muß gegen die These von der präzisen Definierbarkeit aller Begriffe erhoben werden. Es gibt, wie Leibniz in den Meditationes ausdrücklich sagt, für jeden Begriff eine notio perfectissima, die zugleich eine notio intuitiva darstellt11. Eine solche notio perfectissima beruht darauf, daß die Analyse eines Begriffes vollständig bis auf die Grundbegriffe durchgeführt wird, und sie ist uns daher in aller Regel nicht erreichbar12. Niemand wird daran zweifeln, daß die alte Aristotelische Einsicht — Leibniz hat sie bewußt übernommen — richtig ist: man kann nicht alles definieren13. Bei Leibniz bleibt auch dies Problem in einer merkwürdigen Zwiespältigkeit. Hätten wir eine vollständige Analysis und hätten wir eine vollständige Tafel der Grundbegriffe, dann hätten wir auch für jeden zusammengesetzten Begriff die exakte Definition. So gibt es zwar für jeden solchen Begriff an sich eine exakte Definition, eben die notio perfectissima, aber wir Menschen haben sie nicht. Die Vorsicht von Leibniz deutet an, daß hier Schwierigkeiten vorliegen, und auch hier geht der Optimismus von Leibniz wohl noch zu weit. Whitehead beispielsweise ist der Meinung, daß exakte Definierbarkeit nicht einmal für den einfachsten Begriff der Arithmetik11 möglich ist. Nicht einmal die Zwei ist exakt definierbar. Auf der anderen Seite ist gerade die Leibnizsche These von der, wenn auch nur

§ 18: Versudi einer Beurteilung der Logik von Leibniz

an sich bestehenden, exakten Definierbarkeit aller Begriffe offenbar für Heinrich Scholz besonders anziehend gewesen. Die These von Heinrich Scholz von der völligen Präzisierbarkeit der Logik in einer Leibnizsprache15 muß man doch wohl in diesem Sinne verstehen. Für Scholz nimmt beim Hineingehen in die Grundlagen die logische Präzision dauernd zu, für Whitehead nimmt sie im Gegensatz dazu ab. Demgemäß wird man am Beispiel sagen können, daß die Zwei für Scholz eine präzise, zum mindesten eine ungewöhnlich präzise Definition erlaubt, und Scholz könnte sich dafür auf die ausgesprochene Erklärung von Leibniz berufen18. Für Whitehead wiederum ist die Zwei ein so fundamentaler Begriff, daß wir hier an die Grenzen der Definierbarkeit kommen. Offenbar hängt hier nun die historische Würdigung von der systematischen Stellung ab. Scholz und Whitehead sind beide erklärte Platoniker. Hält man die Position von Scholz für richtig, dann ist auch Leibniz dieser Position zuzurechnen, und damit ergibt sich die Würdigung von selbst, die Scholz dem großen Vorgänger zuteil werden läßt. Hält man das Problem aber im Sinne von Whitehead für entschieden — und ich selbst möchte mich dieser Meinung anschließen — dann ergibt sich ein ernster Einwand gegen den Grundansatz von Leibniz. Dann wäre die Vorsicht von Leibniz, mit der er die notio perfectissima wenigstens für uns unerreichbar sein läßt, als eine wiederum aus der Intuition kommende Hinneigung zur richtigen Lösung zu würdigen. Schließlich läßt sich noch ein viertes Bedenken gegen den Grundansatz von Leibniz geltend machen. Dieser Grundansatz bedeutet ja, wie wir ausführlich dargelegt haben, daß alles auf die Begriffe und ihre Definitionen ankommt. Das Urteil wird seiner Selbständigkeit beraubt, es ist lediglich eine Explikation der zwischen den Begriffen bestehenden Zusammenhänge. Damit stehen wir vor einem Problem, das nicht nur von der Logik, sondern auch von der Sprache her betrachtet werden kann. Das Verhältnis, das Leibniz zwischen Begriff und Urteil statuiert, überträgt sich auf ihre sprachliche Form, auf das Verhältnis zwischen Wort und Satz. Wenn man behauptet, daß der Begriff das eigentliche logische Grundphänomen ist, und daß das Urteil nur eine Folge aus den Zusammenhängen zwischen den Begriffen ist, so behauptet man damit zugleich, daß das Wort das eigentliche Grundphänomen der Sprache ist, und daß der Satz nur ein abgeleitetes Phänomen

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Kap. 6: Die Logik im Ganzen

darstellt, das aus der Zusammensetzung der Worte resultiert. Dieser Grundansatz ist aber sowohl der logischen wie der sprachlichen Seite nach bedenklich. Es gibt jedenfalls gute Gründe, die dafür sprechen, daß der Satz das eigentliche sprachliche Grundphänomen darstellt und und daß das vereinzelte Wort nur ein Derivat ist. Dies würde, auf die logische Betrachtungsweise übertragen, bedeuten, daß das Urteil das eigentliche logische Grundphänomen darstellt, während der vereinzelte Begriff wiederum nur ein Derivat wäre. Uns scheint, daß die Gründe für diese Auffassung so schwerwiegend sind, daß man die entgegengesetzte Auffassung von Leibniz nur mit großen Bedenken betrachten kann. Haben wir bis jetzt die Bedenken erwogen, so wird man unter zwei weiteren Gesichtspunkten die Logik von Leibniz voll und ohne jede Einschränkung anerkennen können. Hier ist zunächst die Auffassung der Logik als einer sich ständig fortbildenden und erweiternden Wissenschaft zu nennen, wie wir dies im § 7 dargelegt haben. Die Logik kann nicht auf den modus barbara und die weiteren 18 Schlüsse der Syllogistik im engsten Sinne beschränkt werden, sie kann also auch nicht als eine abgeschlossene Wissenschaft betrachtet werden. Wenn Kant dies behauptet, so ist dies einer der schwächsten Punkte in der Kritik der reinen Vernunft. Leibniz jedenfalls sieht klar, daß die Logik einer Entwicklung fähig ist, zunächst dem Gegenstand nach, indem eine Logik der Relationen aufgebaut werden muß, dann aber auch der Form nach, indem auch im ursprünglichen Ausgangsbereich der Logik die formale Behandlung weitergetrieben werden muß. Dabei wird man sagen können, daß schon Aristoteles selbst beide Probleme gesehen hat, sowohl das Problem einer Logik der Relationen als auch das Problem der Formalisierung. Es mag immer sein, daß die schulmäßige Behandlung der Logik besonders im Mittelalter sich allzu eng auf den modus barbara und das unmittelbar damit Zusammenhängende eingeschränkt hat. Gleichwohl gibt es im Mittelalter selbst schon eine reiche logische Arbeit, die weit darüber hinausgeht. Sie wird erst jetzt allmählich bekannt, und Leibniz dürfte schwerlich mit ihr vertraut gewesen sein. Dann folgt wiederum eine reiche logische Arbeit von Raimundus Lullus bis auf Jungius, die Leibniz zugänglich war, und die er mit größtem Interesse studiert hat. Leibniz hat diese Vorarbeiten mit Recht dankbar aufgenommen und hat einen großen Teil

§ 18: Versuch einer Beurteilung der Logik von Leibniz

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seiner gewaltigen Lebensarbeit der Entwicklung der formalen Logik gewidmet. Man sagt, daß diese logische Arbeit von Leibniz in der Entstehung der modernen Logik nicht wirksam geworden sei, diese Arbeit sei vielmehr erst bekannt geworden, als die moderne Logik sich ihrerseits von neuem und selbständig entwickelt habe. Ich bin mir nicht klar, ob diese Auffassung zutrifft, mir erscheint sie wenig glaubhaft. Es bedürfte einer genauen Untersuchung, wie groß die Einflüsse gewesen sind, die die Urheber der modernen Logik, beispielsweise Schröder, De Morgan, Frege, Peano, von Leibniz empfangen haben. Bei Russell ist der Einfluß von Leibniz mit den Händen zu greifen, obwohl auch dieser Zusammenhang noch in einer sorgsamen SpezialUntersuchung zu würdigen wäre. Schließlich wird man in einem letzten Punkt die Logik von Leibniz ohne Einschränkung anerkennen können, wenn Leibniz zu der Einsicht gelangt, daß alles menschliche Denken der Zeichen bedarf. Wir haben diese Probleme im § 13 diskutiert. Faßt man den Begriff des Zeichens weit genug, so daß er auch die Sprache im Ganzen umfaßt, dann wird man sagen können, daß hier einer der fruchtbarsten Gedanken von Leibniz vorliegt, und daß gerade dieser Grundgedanke große und fruchtbare Möglichkeiten, nicht nur für uns, sondern auch noch für eine weitere Zukunft enthält.

TEIL II: DIE METAPHYSIK

KAPITEL VII

VERUM

S 19 Die Objektivität der Wahrheit Hat die Wahrheit eine objektive Gültigkeit, die an sich besteht, oder hängt sie von den Satzungen der Menschen ab, vielleicht sogar von ihrem Belieben und von ihrer Willkür? In dieser vieldiskutierten Frage vertritt Leibniz zeit seines Lebens mit Entschiedenheit die Objektivität der Wahrheit. Die Wahrheit besteht an sich, sie ist von der Willkür und dem Belieben des Menschen unabhängig. Unter historischen Gesichtspunkten ist das Problem für Leibniz wesentlich eine Auseinandersetzung mit den englischen Empiristen, insbesondere mit Thomas Hobbes und mit John Locke. Der Gegensatz zu Hobbes findet sich schon in der 1670 erschienenen Dissertatio de stilo philosophico Nizolii: „ . . . Thomas Hobbes, qui, ut verum fatear, mihi plusquam nominalis videtur. Non contentus enim cum Nominalibus universalia ad nomina reducere, ipsam rerum veritatem ait in nominibus consistere, ac, quod majus est, pendere ab arbitrio humano, quia veritas pendeat a definitionibus terminorum, definitiones autem terminorum ab arbitrio humano" *. Schon an dieser Stelle wird der Gegensatz deutlich, wenn Leibniz Hobbes als Ubernominalisten (plusquam nominalis) bezeichnet. In den Meditationes des Jahres 1684 nimmt Leibniz die Auseinandersetzung auf. Er sagt dort von Hobbes: „ ... qui veritates volebat esse arbitrarias, quia ex definitionibus nominalibus penderent, non considerans realitatem definitionis in arbitrio non esse, nee quaslibet notiones inter se posse conjungi"2. Wir haben das systematische Problem im ersten Teil weitgehend verfolgt. Auf den ersten Blick hat es den Anschein, als seien die Definitionen willkürlich, doch trifft dies tatsächlich nicht zu, weil zum mindesten die Widerspruchsfreiheit jeder Definition bewiesen werden muß. Wir haben gesehen, daß grundsätzlich für jeden zu definierenden Begriff nach Leibniz nur eine einzige Definition möglich ist, daß dies aber ein praktisch nicht zu erreichendes Ideal bedeutet. Jedenfalls kann aber nach den an jede Definition zu stellenden Anforderungen zum

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Kap. 7: Verum

mindesten der Widerspruchsfreiheit von einer Beliebigkeit oder Willkürlichkeit der Definition nicht mehr gesprochen werden, und dies Argument der englischen Empiristen ist also nicht stichhaltig. Aber auch ein zweites Argument aus dem Zeichencharakter insbesondere der mathematischen Wissenschaften hält nach der Überzeugung von Leibniz der Nachprüfung ebenfalls nicht stand. Mit dieser Frage setzt sich besonders der Dialog De connexione inter res et verba et veritatis realitate auseinander. Der Dialog ist zum ersten Mal von Raspe ediert worden, er wird von Erdmann in das Jahr 1677 datiert. Hobbes wird zwar nicht mit Namen genannt, aber durch seinen Standpunkt unmißverständlich gekennzeichnet, und übrigens als ingeniosus scriptor bezeichnet. Man könnte zunächst schlechthin von der Voraussetzung ausgehen, daß Wahrheit und Falschheit in den Dingen und nicht im Denken existieren: „Ergo in rebus non in cogitationibus veritatem ac falsitatem esse putas."3 Dann erhebt sich aber die Schwierigkeit, daß das Denken der Zeichen bedarf, und daß alles Beweisen von den Definitionen abhängt. Nun sind aber sowohl die Zeichen als die Definitionen auf den ersten Anblick hin willkürlich, und also sind auch die davon abhängenden Wahrheiten willkürlich. „A. Talium ergo propositionum veritas pendet ex definitionibus. B. concedo. A. At definitiones pendent ab arbitrio nostro. •

· ·

A. Ergo veritates Arithmeticae aliqua signa seu characteres supponunt. B. fatendum est. A. Ergo pendent ab hominum arbitrio. B. Videris me quasi praestigiis quibusdam circumvenire. A. non mea haec sunt, sed ingeniosi admodum scriptoris"4. In der Diskussion behandelt Leibniz zunächst das aus der Verschiedenheit der Sprachen gezogene Argument. Er weist darauf hin, daß die Griechen, die Römer und die Deutschen trotz der Verschiedenheit der Sprachen ein und dieselbe Geometrie haben. Leibniz erwägt darauf die Notwendigkeit und die Bedeutung der Zeichen und kommt gerade von hier aus wieder zur These von der objektiven Realität der Wahrheit. Wir ziehen zwar unsere Schlüsse mit Hilfe von Zeichen, und wir benutzen dazu willkürliche Zeichen. Aber diese Schlüsse beruhen nicht auf dem, was an den Zeichen willkürlich ist, sondern sie

§19: Die Objektivität der Wahrheit

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beruhen auf dem, was uns die Zeichen bezeichnen, und so kommen wir trotz der Benutzung willkürlicher Zeichen zu notwendigen Wahrheiten. Die Beziehungen zwischen den willkürlich gewählten Zeichen geben nämlich die Beziehungen zwischen den Dingen wieder, und dies zeigt sich insbesondere darin, daß es gut gewählte und schlecht gewählte Zeichen gibt: „Est aliqua relatio sive ordo in characteribus qui in rebus, imprimis si characteres sint bene inventi."5 Die Tatsache, daß es gute und schlechte Zeichen gibt, wird also jetzt auf ihre ontologischen Konsequenzen hin untersucht. In dem Paragraphen über die characteristica universalis hatten wir das Problem nach seiner rein mathematischen Bedeutung hin erwogen. Wir erinnern an den Unterschied zwischen den römischen und den arabischen Zahlzeichen, und wir erinnern daran, daß Leibniz gerade gegen Newton geltend gemacht hatte, daß das von ihm gewählte Zeichen für den Differentialquotienten besser sei, als das von Newton gewählte6. Gibt es aber bessere und schlechtere Zeichen, dann kann dieser Unterschied zwischen den Zeichen nur so verstanden werden, daß es etwas gibt, was diese Zeichen besser oder schlechter bezeichnen, und das von den Zeichen Bezeichnete braucht also der Beliebigkeit der Zeichen nicht mehr zu unterliegen. Aus der Beliebigkeit der Zeichen muß also nicht die Beliebigkeit der bezeichneten Wahrheit folgen, und Leibniz kann daher zum Schluß betonen, daß gerade das Phänomen der Zeichen auf die Realität der Wahrheit führt. Verständlicherweise nimmt die Frage nach der Realität der Wahrheit bei Leibniz einen breiten Raum ein, sie wird insbesondere in den Briefen immer wieder behandelt, ich verweise etwa auf den Brief an Jean Gallois aus dem Jahre 16827 oder auf den Brief an Henning Huthman aus dem Jahre 16788. Auch die Auseinandersetzung mit Locke kulminiert in der Frage nach der Realität der Wahrheit. Diese Auseinandersetzung hat Leibniz lange und intensiv beschäftigt. Wir finden sie zunächst in der Schrift Quelques remarques sur le livre de Mons. Locke intitule Essay of Understanding. Die verhältnismäßig kurze Abhandlung hatte Leibniz an Locke selbst übersandt, in der Erwartung, Locke würde sie der französischen Ausgabe des Essay beifügen. Locke konnte der Abhandlung jedoch begreiflicherweise keinen Geschmack abgewinnen, und ist daher dem Wunsch von Leibniz nicht nachgekommen. Die Remarques sind

HO

Kap. 7: Verum

dann noch zu Lebzeiten von Leibniz in der Sammlung Some familiar letters between Mr. Locke and several of his friends veröffentlicht worden9. Die Nouveaux Essais sind als Ganzes eine Polemik gegen die These von der Beliebigkeit und der Willkür der Wahrheit, und Leibniz diskutiert nicht nur die von Locke für eine solche These gegebenen Begründungen, sondern untersucht auch die allgemeinen systematischen Begründungen. Die Wahrheit hängt nicht von den von uns gegebenen Zeichen ab, sie hängt nicht einmal davon ab, ob wir sie überhaupt zu erreichen vermögen. In diesem Sinne formuliert Leibniz: „Auch was wir nicht festzustellen vermögen, ist doch darum in der Wahrheit der Dinge nicht minder bestimmt"10. Die Wahrheit wahrer Sätze hängt nicht vom Willen oder von der Willkür der Menschen ab, sie hängt darüber hinaus, und hier wird aus einer alten Diskussion heraus die These von Leibniz noch deutlicher, nicht einmal vom Willen oder von der Willkür Gottes ab. Es handelt sich um eine im Mittelalter oft diskutierte Frage, in der für das Bewußtsein dieser Zeit die Allmacht und die Allwissenheit Gottes in Konflikt geraten zu scheinen. Ist die Allmacht Gottes so groß, daß sie überhaupt keine Schranken hat, und folgt daraus, daß Gott alle Wahrheiten nach seinem Belieben festsetzen kann? Hatte Gott beispielsweise festsetzen können, daß 3-3 = 10 ist, während es jetzt nur deshalb wahr ist, daß 3 - 3 = 9 ist, weil Gott es so festgesetzt hat? Leibniz gibt dies instruktive Beispiel in der Theodizee ". Ähnlich würde es beim Satz vom Widerspruch liegen. Daß zwei einander widersprechende Sätze nicht zugleich wahr sein können, folgt nach dieser Auffassung nur daraus, daß Gott dies so angeordnet hat. Er hätte aber ebensogut der Welt eine solche Ordnung geben können, daß zwei einander widersprechende Sätze stets zusammen wahr sind12. In einem gewissen Sinne hat schon Duns Scotus eine solche Auffassung in Erwägung gezogen. Leibniz selbst schreibt eine solche Auffassung ausdrücklich Descartes zu, er findet sie bei Descartes, bei einigen Schülern von Descartes und bei Pierre Bayle, auf dessen Darlegungen in den Continuations des pensees diverses er ausdrücklich verweist18. Leibniz betrachtet eine solche Auffassung als völlig abwegig. Wie wir gesehen haben, ist nach seiner Auffassung für die apriorischen Wahrheiten der Satz vom Widerspruch das notwendige, aber auch

§ 20: Die Wahrheit als Gedanke Gottes

Hl

das hinreichende Existenzkriterium. Alle widerspruchsfreien Begriffskombinationen existieren und keine anderen, jeder daraus resultierende Satz ist wahr und kein anderer. Hier ist kein Raum für irgendwelche Entscheidungen, auch nicht für Entscheidungen, die aus dem Willen Gottes entspringen. Aber auch bei den kontingenten Wahrheiten, die die Struktur der existierenden Welt betreffen, bezieht sich der Willensentschluß Gottes nur auf die Existenz der Welt als solcher, nicht auf die in ihr geltenden wahren kontingenten Sätze. Diese objektive Realität der Wahrheit nicht nur gegenüber dem Willen des Menschen, sondern auch gegenüber dem Willen Gottes wird von Leibniz an vielen Stellen betont, ich darf etwa auf den § 46 der Monadologie verweisen: „Cependant, il ne faut point s'imaginer avec quelques-uns que les verites eternelles, etant dependantes de Dieu, sont arbitraires et dependent de sä volonte, comme des-Cartes paroist l'avoir pris et puis Monsieur Poiret."14

§ 20 Die Wahrheit als Gedanke Gottes Die objektive Realität der Wahrheit besteht darin, so vollendet Leibniz die ontologische Bestimmung, daß jeder wahre Satz von Gott beständig gedacht wird. Die Wahrheit ist der Gedanke Gottes, dies ist die beständige These von Leibniz, sie verbindet ihn mit Platon, mit Plotin, mit Augustin, mit Malebranche. In der Theodizee sagt Leibniz von den ewigen Wahrheiten schlechthin, daß sie im Verstande Gottes sind: „ ... verites eternelles qui sont dans l'entendement de Dieu" *. In demselben Sinne schreibt Leibniz in der Monadologie: „C'est parce que PEntendement de Dieu est la region de veritos eternelles, ou des idees dont elles dependent, et que sans lui il n'y auroit rien de reel dans les possibilites, et non seulement rien d'existent, mais encore rien de possible."2 Die vielleicht instruktivste Darstellung findet sich gegen Ende der Nouveaux Essais: „Mais on demandera en repliquant, ou seroient ces idees, si aucun esprit n'existoit, et que deviendroit alors le fondement reel de cette certitude des veritez eternelles? Cela nous mene enfin au dernier fondement des veritez, savoir a cet Esprit Supreme etUniversel

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Kap. 7: Verum

qui ne peut manquer d'exister, dont l'Entendement, a dire vray, est la Region des veritez eternelles, comme St. Augustin l'a reconnu, et l'exprime d'une maniere assez vive. Et afin qu'on ne pense pas, qu'il n'est point necessaire d'y recourir, il faut considerer, que ces veritez necessaires contiennent la raison determinante et le principe regulatif des existences memes; et en un mot les loix de l'Univers. Ainsi ces veritez necessaires etant anterieures aux Existences des Estres contingens, il faut bien qu'elles soyent fond£es dans l'existence d'une substance necessaire. C'est la ou je trouve l'original des idees et des veritez qui sont grav£es dans nos ames, non pas en forme des propositions, mais comme des sources dont l'application et les occasions feront naitre des enunciations actuelles."3 Die prägnanteste Zusammenfassung formuliert Leibniz in einem Brief an des Bosses: „Porro Deus non tantum singulas monades et cuiuscunque Monadis modificationes spectat, sed etiam earum relationes, et in hoc consistit relationum ac veritatum realitas."4 Diese Auffassung der Wahrheit als Gedanken Gottes ist die Ideenlehre Platons in der Interpretation Augustins. Man kann zweifeln, ob diese Auffassung in so strenger und so ausschließlicher Form schon bei Platon selbst vorliegt. Daß aber auch bei Platon selbst die Ideen in einem ursprünglichen Zusammenhang mit Gott stehen, daran kann wohl kein Zweifel sein, und so wird man die Interpretation Augustins als eine in Platon selbst zum mindesten angelegte Möglichkeit betrachten können. Dies ist jedenfalls auch die Meinung von Leibniz gewesen, und in dem eben angeführten § 20 der Theodizee verweist er ausdrücklich auf Platons Timaios5. Ausdrücklich spricht er darüber in der Epistola ad Hanschium de philosophia Platonica sive de entbusiasmo Platonico, 1707 geschrieben und 1716 zum ersten Male publiziert. Dort sagt er ausdrücklich: „Interim pulcherrima sunt multa P l a t o n i s dogmata . . . esse in divina mente mundum intelligibilem, quem ego quoque vocare soleo regionem idearum ... Mathematicae autem scientiae, quae agunt de aeternis veritatibus, in divina mente radicatis, praeparant nos ad substantiarum cognitionem."6 Die Lehre Platons von den eingeborenen Wahrheiten zieht Leibniz der Lehre von der tabula rasa, wie Aristoteles und Locke sie gelehrt haben, bei weitem vor. Was er fordert, ist eine Verbindung von Platon mit Aristoteles und Demokrit: „Itaque P l a t o n e m A r i s t o t e l i et D e m o c r i t o utiliter

§ 20: Die Wahrheit als Gedanke Gottes

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conjungendum censeo ad recte philosophandum."7 Schließlich verweist Leibniz in diesem Brief ausdrücklich auf Augustin und Malebranche8. Der Zusammenhang mit Augustin ist außerordentlich eng, er dürfte auf eine gute Kenntnis Augustins aus den Texten selbst zurückgehen9. Ebenso eng ist der Zusammenhang mit Malebranche. Das Material hat in der heute erreichbaren Vollständigkeit in ausgezeichneter Weise Robinet zusammengestellt10. Wir finden zwei besondere Abhandlungen, die Remarques sur le sentiment du P. Malebranche, 1708 geschrieben und von Raspe 1765 zum ersten Mal publiziert11, und das Examen des principes du R. P. Malebranche, 1711 geschrieben und 1720 zum ersten Mal von des Maizeaux publiziert12. Von den von Leibniz selbst veröffentlichten Werken ist es insbesondere die Theodizee, in der Leibniz ausdrücklich auf Malebranche hinweist13. In dieser Auffassung der Ideen als Gedanken Gottes tritt Leibniz in einen Gegensatz gegen eine noch weiter gehende Auffassung, die vor ihm von einigen Scotisten, vielleicht auch von Duns Scotus selbst, und später von Bolzano vertreten worden ist. Wählen wir die Darstellung bei Bolzano, so wird in dieser Auffassung zwar zugegeben, daß alle wahren Sätze beständig von Gott gedacht werden. Dies Beständig-vonGott-gedacht-Werden ist aber für die Realität der Ideen ebenso wie für die Realität der Wahrheit nicht konstitutiv. So sagt Bolzano ausdrücklich: „Aus der Allwissenheit Gottes folgt zwar, daß eine jede Wahrheit, sollte sie auch von keinem anderen Wesen gekannt, ja nur gedacht werden, doch ihm, dem Allwissenden, bekannt sey, und in seinem Verstande fortwährend vorgestellt werde. Daher gibt es eigentlich nicht eine einzige, durchaus von Niemand erkannte Wahrheit. Dieß hindert uns aber doch nicht, von Wahrheiten an sich als solchen zu reden, in deren Begriffe noch gar nicht vorausgesetzt wird, daß sie von irgend Jemand gedacht werden müßten . . . Obwohl also alle Wahrheiten an sich zugleich auch erkannte (nämlich von Gott erkannte) Wahrheiten sind: so ist doch der Begriff einer Wahrheit an sich von dem einer erkannten Wahrheit, oder (wie man auch sagt) eines Erkenntnisses sehr wohl zu unterscheiden."14 Leibniz faßt die Meinung der Scotisten dahin zusammen: „ ... avec quelques Scotistes, que les verheb eternelles subsisteroient, quand il n'y auroit point d'entendement, pas meme celuy de Dieu"15.

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Kap.7:Verum

Im Gegensatz hierzu müssen für Leibniz alle Essenzen, und insbesondere also alle ewigen Wahrheiten in einer aktuellen Existenz gegründet sein, weil allein eine aktuelle Existenz Realität tragen kann. Für Leibniz sind also die ewigen Wahrheiten notwendig in dem Denken Gottes als der sie tragenden aktuellen Existenz fundiert.

5 21 Einige Bedenken gegen diese

Auffassung

Wenn Leibniz das Sein der Wahrheit als Gedanken Gottes bestimmt, so könnte man dies eine theologische Fundierung der Wahrheit nennen. Hier steht Leibniz in einem besonders engen Zusammenhang mit der Tradition. Man wird ihn nicht verstehen können, wenn man nicht bereit ist, seinen Gedankengängen auch in dieser Frage zunächst einmal zu folgen. In einer sonst so wertvollen Untersuchung nennt Yost diese Bestimmung der Wahrheit als Gedanken Gottes schlechterdings kurios1. Aber mit einem solchen Vorurteil dürfte er sich einen wesentlichen Zugang zu Leibniz von vornherein verbauen. Dabei wollen auch wir nicht leugnen, daß gegen eine solche theologische Begründung der Wahrheit schwerwiegende Bedenken erhoben werden können. Wir beschränken uns auf die mathematischen Wahrheiten und fragen also: Ergeben sich bei einer Bestimmung der mathematischen Wahrheiten als Gedanken Gottes Schwierigkeiten? Schwierigkeiten ergeben sich selbstverständlich von einem rein empirischen Standpunkt aus, wie ihn Leibniz selbst bei Hobbes und Locke gefunden hat. Wenn die wahren Aussagen einschließlich der mathematischen Aussagen samt und sonders empirisch sind, und wenn sie sogar von der Willkür unseres Denkens abhängen, dann können sie gewiß nicht mehr als Gedanken Gottes aufgefaßt werden. Man darf freilich nicht verkennen, daß die empirische Auffassung in sich selbst erhebliche Schwierigkeiten enthält. Aber auch dann, wenn die rein empirische Auffassung aller wahren Sätze abgelehnt wird, und wenn also die objektive Realität der Wahrheit vertreten wird, auch dann kann es noch zu einer Ablehnung einer theologischen Fundierung der Wahrheit kommen. Das naheliegendste Beispiel bietet Kant. Kant erklärt in der Kritik der reinen Vernunft kurz und bündig, daß es den Raum nur vom Standpunkt des Menschen

§21: Einige Bedenken gegen diese Auffassung

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gibt2. Daraus folgt, daß alle geometrischen Wahrheiten, die als Aussagen über den Raum verstanden werden, ebenfalls nur vom Standpunkt des Menschen aus existieren. Man kann von hier aus die Differenz zwischen Leibniz und Kant dahin formulieren, daß Leibniz die geometrischen Wahrheiten als Gedanken Gottes auffaßt, Kant aber ebendieselben Wahrheiten als Gedanken der Menschen. Diese Umkippung von einer theologischen zu einer anthropozentrischen Begründung der Wahrheit dürfte den eigentlichen Unterschied zwischen Kant und Leibniz ausmachen. Vielleicht beziehen sich die mancherlei Umkippungen, die Kant nach seinem eignen Bericht während der Entstehung der Kritik hat durchlaufen müssen, gerade auf dies Problem. Aber diese Differenz zwischen Leibniz und Kant hat tiefliegende Gründe, und es sind in der Tat gegen eine theologische Begründung der mathematischen Wahrheiten schwerwiegende Bedenken zu erheben, und zwar sowohl vom theologischen als auch vom philosophischen Gesichtspunkt aus. Vom theologischen Standpunkt aus betrachtet führt eine Auffassung der Wahrheit als Gedanke Gottes, so weit ich sehen kann, unausweichlich auf ein Ähnlichwerden des Menschen mit Gott. Denkt Gott nämlich die mathematischen Wahrheiten primär, und werden in der Mathematik, soweit sie von Menschen entdeckt, gedacht und weiterentwikkelt wird, mathematische Wahrheiten wirklich gefaßt, so denken die Menschen notwendigerweise dasselbe wie Gott, und sie werden insofern in irgendeiner Beziehung Gott ähnlich. In der Tat, wird der Satz: 2-2=4, als eine solche Wahrheit bestimmt, die zuerst von Gott und die dann von den Menschen gedacht wird, dann denken offenbar die Menschen den Gedanken Gottes nach, und dies bedeutet wiederum, daß die Menschen dasselbe denken wie Gott. Platon hat dies klar gesehen, und er hat ausdrücklich gesagt, daß die Erfassung der Wahrheit ein Ähnlichwerden mit Gott bedeutet8. Hier liegt der Ursprung der These, die wir bei Platon und Augustin finden, daß die Erkenntnis der mathematischen Wahrheiten eine Hinwendung zum wahren Sein und damit eine Hinwendung zur Erkenntnis Gottes bedeutet. Auch Leibniz spricht dies ausdrücklich aus: „Man darf sich gar nicht befremden lassen, daß ich diese Sachen mit solchen Gleichnissen zu erklären suche, die aus der reinen Mathematik genommen sind, darinnen alles in der schönsten Ordnung geht; und wo man Mittel und

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Kap. 7: Verum

Wege hat, solche Ordnung durch ein genaues Nachsinnen, wodurch wir gleichsam einen Blick in die göttlichen Ideen thun können, zu entdecken, (qui nous fait jouir, pour ainsi dire, de la veue des idees de Dieu)"4. So kann Leibniz sogar das Problem erwägen, ob jemand, der nicht an Gott glaubt, überhaupt Geometrie treiben könne5. Die Begründung für diese Auffassung liegt darin, daß es gerade die ratio des Menschen ist, in der es auch nach christlich-theologischer Auffassung gegründet ist, daß der Mensch ein Bild Gottes, imago Dei ist. Leibniz erinnert an diesen Zusammenhang in einem Brief an Mariotte vom Jahre 1676: „A mon avis la plus grande chose qu'un homme puisse faire naturellement pour luy meme, c'est la perfection de son esprit, qui Turnt ä Dieu autant qu'il est possible par les forces de la nature. Et cela est bien raisonnable puisque c'est la principale partie ou faculte de rhomme."6 In den 1705 erschienenen Considerations stir les principes de vie sagt Leibniz dann ausdrücklich: „Dieu ... tient Heu de Roy et de Pere aux substances qui ont de Tintelligence, et dont l'ame est un esprit ä son image"7. Daß aber ein Ähnlichwerden des Menschen mit Gott vom christlichtheologischen Standpunkt aus schwere Bedenken erregen muß, braucht nicht ausdrücklich gesagt zu werden. Aber auch vom philosophischen Standpunkt aus liegen die Dinge keineswegs einfach. Die Mathematik, so wie wir sie kennen und treiben, hat Strukturen, die nach der einhelligen Auffassung der Theologen dem Denken Gottes nicht zukommen können. Es handelt sich einmal um die Notwendigkeit von Zeichen, zum ändern um den diskursiven Charakter des mathematischen Denkens als solchen. Wir haben im ersten Teil darauf hingewiesen, mit welcher Klarheit Leibniz es gesehen und ausgesprochen hat, daß die Mathematik, wie wir sie treiben, an Zeichen gebunden ist. Das gilt für das Denken im allgemeinen und bezieht sich dann auf die Sprache, bei der Mathematik spitzt sich das Problem auf das Zeichen als solches zu. Dazu kommt der diskursive Charakter des mathematischen Denkens, der sich sofort im Beginn der Mathematik im diskursiven Charakter des Zählens sehr deutlich zeigt. Eine kleinere Zahl können wir freilich „auf einen Blick" übersehen, wie es in dieser Redewendung so anschaulich ausgedrückt wird, eine größere Zahl jedoch können wir nur feststellen, wenn wir den Bereich Element für Element durchzählen. Denselben diskursiven Charakter hat dann alles Beweisen.

§21: Einige Bedenken gegen diese Auffassung

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Beweisen bedeutet Schritt für Schritt von einem Satz zum anderen gehen. Diese beiden Strukturen des mathematischen Denkens können aber dem Denken Gottes schwerlich zukommen, und man sieht daher nicht, wie die Mathematik, die wir allein kennen, als ein Denken Gottes aufgefaßt werden könnte. Man müßte dafür jeden Zeichengebrauch und jede Diskursivität löschen, man sieht aber wiederum nicht, was nach der Löschung dieser beiden Strukturen von der Mathematik, wie wir sie kennen, noch übrig bleibt. Dabei ist es merkwürdig, daß Leibniz selbst diese Schwierigkeiten durchaus gesehen hat, und daß er mehrfach davon gesprochen hat. „Im übrigen weis Herr Bayle gar wohl, daß der göttliche Verstand keine Zeit braucht, die Verbindung der Sachen einzusehen. Alle Vernunftschlüsse sind eminenter in Gott; und es ist unter ihnen im göttlichen Verstande eben so wohl eine Ordnung, als in unserm Verstande: bey ihm aber ist nur eine Ordnung und eine Priorität der Natur; da hingegen bey uns eine Priorität der Zeit statt findet."8 Auf dieses Hineinspielen der Zeit, die das menschliche Denken vom göttlichen unterscheidet, weist Leibniz noch einmal am Schluß der Theodizee hin. In der dort angefügten ausdrücklichen Auseinandersetzung mit Hobbes sagt er: „Eigentlich zu reden macht zwar Gott freylich keine Vernunftschlüsse, dazu er Zeit brauchte, wie wir, um von einer Wahrheit auf die andere zu kommen: gleichwie er aber alle ihre Verbindungen auf einmahl begreift; so erkennet er auch alle Folgerungen, und begreift auf eine erhabnere Art alle Vernunftschlüsse, die wir nur machen können, in sich, und eben deswegen ist seine Weisheit die vollkommenste."9 Dies führt dann auf einen unendlichen Abstand des menschlichen Denkens vom göttlichen, von dem Leibniz immer wieder spricht, beispielsweise in der Epistola ad Hansch'tum10. Von der Physik aus betrachtet ist eine theologische Interpretation der Wahrheit keineswegs weniger bedenklich. Für eine solche Auffassung muß jede wahre physikalische Erkenntnis eine Einsicht in den Schöpfungsplan Gottes werden. In einem solchen Sinne sagt Leibniz in der Reponse aux reflexions, die 1697 im Journal des Savants erschienen ist: „Si Dieu est l'auteur des choses, et s'il est souveramement sage, on ne S9auroit assez bien raisonner de la structure de l'Univers, sans y faire entrer les veues de sä sagesse, comme on ne S9auroit assez bien raisonner sur un bastiment, sans entrer dans les fins de l'Architecte." n

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Kap.7:Verum

In besonderer Weise kommt die theologisdie Begründung im Briefwechsel zwischen Leibniz und Clarke zum Ausdruck. Wie wir gesehen haben, handelt es sich der Sache nach um einen Briefwechsel zwischen Leibniz und Newton, der der Übung der Zeit entsprechend von vornherein für eine Publikation bestimmt war. Zwischen Leibniz und Newton mögen noch so viele Differenzen bestehen, in der theologischen Interpretation der physikalischen Wahrheiten stimmen sie überein. Wenn etwa die Frage zur Diskussion steht, ob die Materie aus Atomen besteht, so fragt Leibniz, ob Gott Atome geschaffen haben könnte, was er nach der Auffassung von Leibniz nicht getan haben kann. Newton wendet sich keineswegs gegen eine solche Form der Fragestellung. Er hält es zwar im Gegensatz zu Leibniz für möglich, daß die Materie aus Atomen besteht, sein methodisches Vorgehen aber ist dasselbe wie bei Leibniz. Newton versucht nachzuweisen, daß Gott sehr wohl Atome geschaffen haben kann. Dies bedeutet nicht nur, daß Leibniz und Newton darin übereinstimmen, daß Gott die Welt geschaffen hat. Dies ist für beide unbezweifelbar. Es bedeutet aber darüber hinaus, daß für beide eine wahre physikalische Erkenntnis nicht nur eine Erkenntnis darüber bedeutet, wie die Welt wirklich beschaffen ist, sondern daß sie auch eine Erkenntnis darüber bedeutet, wie Gott die Welt geschaffen hat. Im Ergebnis bedeutet also für Leibniz wie für Newton eine wahre physikalische Erkenntnis eine Einsicht in den göttlichen Weltenplan1218. Wie bei Leibniz die stets festgehaltene theologische Begründung insbesondere der mathematischen Wahrheiten mit den von ihm selbst bereits erkannten und vorgetragenen Bedenken in Einklang gebracht werden kann, ist leider nicht zu erklären. In einem gewissen Sinne kann man sagen, daß eine solche Schwierigkeit bereits bei Augustin selbst zu finden ist. Bei Augustin findet sich die theologische Begründung der Wahrheit im strengen Sinne vorwiegend in den frühen Schriften. In seiner späteren Zeit scheint dagegen Augustin selbst von den Schwierigkeiten einer solchen Auffassung mannigfach bedrückt zu sein. Wenn Augustinus an einer späteren Stelle sagt: „Die super quem requiescit Spiritus meus? Super humilem, et quietum, et trementem verba mea (Isai. LXVI, 2). Haec verba Petrus tremuit; Plato non tremuit. Teneat piscator, quod perdidit nobilissimus disputator"14, so bezieht sich dieser Gegensatz zwischen dem einfachen Fischer und

§21: Einige Bedenken gegen diese Auffassung

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dem vornehmen Philosophen gewiß zunächst auf rein theologische Probleme, aber die Wirkung auf die Begründung der theoretischen Wahrheit überhaupt ist doch unvermeidlich. Aber weder bei Leibniz noch bei Augustin vermag ich zu sehen, wie diese Denker den auftretenden Schwierigkeiten Rechnung getragen haben, oder auch nur, wie sie ihnen Rechnung hätten tragen können.

KAPITEL VIII

BONUM

$ 22 Bonum et malum metaphysicum, physicum, morale Leibniz unterscheidet, der Tradition folgend, mehrere Bedeutungen des Guten und damit auch des Üblen. In der lateinischen Zusammenfassung der Theodizee sagt er: „Utrumque triplex est, Metaphysicum, Physicum et Morale. §30. M e t a p h y s i c u m generatim consistit in rerum etiam non intellegentium perfectione et imperfectione. Liliorum campi et passerum curam a Patre coelesti geri Christus dixit, et brutorum animantium rationem Deus habet apud Jonam. §31. P h y s i c u m accipltur speciatim de substantiarum intelligentiumcommodis et incommodis, quo pertinet M a l u m P o n a e . S 32. M o r a l e de earum actionibus virtuosis et vitiosis, quo pertinet M a l u m C u l p a e : e t malum physicum hoc sensu a morali oriri solet, etsi non semper in iisdem subjectis; sed haec tarnen quae videri possit aberratio cum fructu corrigitur, ut innocentes nollent passi non esse."1 Diese Unterscheidung zwischen dem moralischen, dem physischen und dem metaphysischen Guten beziehungsweise Bösen findet sich an mehreren Stellen2. Für unsere Betrachtung interessiert in erster Linie das bonum beziehungsweise malum metaphysicum. Es besteht nach der eben gegebenen Erklärung von Leibniz in einer perfectio realitatis beziehungsweise imperfectio realitatis, in einer Vollkommenheit oder Unvollkommenheit des Seins. Es gibt also verschiedene Grade der Vollkommenheit und Unvollkommenheit, damit verschiedene Grade der Realität und damit verschiedene Grade des Seins. Realität ist also eine Bestimmung, die sich dem Grade nach, die sich der Intensität nach, abstufen kann, und die sich bei Leibniz, der

§ 22: Bonum et malum metaphysicum, physicum, morale

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allgemeinen Geltung des Prinzips der Kontinuität entsprechend, kontinuierlich abstufen muß. In der Theodizee sagt Leibniz, daß es verschiedene Grade der Vollkommenheit geben muß3. In der Monadologie sagt er in demselben Sinne, daß sich die Monaden voneinander durch ihre Vollkommenheit unterscheiden, „une creature est plus parfaite qu'une autre" 4 . Es ist vielleicht kein Zufall, daß diese prägnante Bestimmung sich gerade in der Monadologie findet, denn die Monaden bieten die instruktivsten Beispiele für die Stufung der Realität. Die Pflanzen sind vollkommener als die schlafenden Monaden, die Tiere sind vollkommener als die Pflanzen, die Menschen sind vollkommener als die Tiere. Ein Wesen, das im spezifischen Sinne denken kann, nämlich durch Reflexion, also der Mensch, ist vollkommener als ein Wesen, dem diese Fähigkeit abgeht, also das Tier. Realität hat also eine Größe, die dem Grade nach gestuft werden kann. Dies drückt sich schon in dem Terminus (ens) realissimum aus. So kann denn Leibniz in der Monadologie ausdrücklich sagen: „D'oü il s'ensuit que Dieu est absolument parfait; la p e r f e c t i o n n'etant autre chose que la grandeur de la realite positive prise precisement, en mettant a part les limites ou bornes dans les choses qui en ont."5 Hieraus folgt nun ohne weiteres, daß das bonum metaphysicum immer in einer positiven Realität besteht, mag diese auch noch so beschränkt sein, während das malum metaphysicum nur in einem Mangel, einer Privation, einer Beschränkung bestehen kann. Das malum metaphysicum beispielsweise der Tiere bedeutet, daß sie das Denken im spezifischen Sinne der Reflexion nicht haben, infolgedessen ist dies malum metaphysicum der Tiere keine eigne Realität. Nur die Vollkommenheit, wie gering sie auch dem Grade nach sein mag, ist etwas Wirkliches, sie allein ist eine Realität. Alle Fehler und alle Defekte sind nur etwas Mangelndes, und Leibniz kann daher mit den Alten sagen: „ b o n u m ex c a u s a i n t e g r a , m a l u m ex q u o l i bet defectu"6. Diese Bestimmung des malum metaphysicum als einer bloßen Privation und nicht als einer selbständigen Realität macht eine Theodizee erst möglich. Sie zieht aber eine entsprechende Bestimmung des bonum morale beziehungsweise des malum morale nach sich. Auch das Böse, das malum morale, besteht also nicht in einer positiven Realität, sondern in einer Privation.

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Kap. 8: Bonum

In dieser Gesamtbestimmung des malum als einer Privation steht Leibniz in einem unmittelbaren Zusammenhang mit Thomas von Aquin. Audi für den Aquinaten ist das malum keine positive Realität, sondern nur eine Privation7, und erst auf dem Boden dieser Bestimmung ist die transzendentalphilosophische These: ens et bonum convertuntur, möglich. Leibniz selbst stimmt dieser These völlig zu8. Aus dieser Bestimmung des Guten als einer positiven Realität beantwortet sich die alte Frage nach der objektiven Realität des Guten von selbst. Das Bonum hängt nicht von der Willkür des Menschen ab, es ist vielmehr in den Sachen selbst gegründet. Im Mittelalter war oft die Frage diskutiert worden, ob das bonum und das malum nicht wenigstens vom freien Willen Gottes abhängen. Könnte Gott durch eine freie Entscheidung festsetzen, daß der Vatermord etwas Gutes wäre, oder ist der Vatermord aus der Sache heraus etwas Böses? Leibniz vertritt in der Frage nach der objektiven Realität des Guten denselben Standpunkt wie in der Frage nach der objektiven Realität des Wahren. 1676 schreibt er ausdrücklich an Fabri: „ . . . alius mea sententia gravissimus et periculosissimus eius error nascitur, quod Bonitas pendeat a libero Dei arbitrio, non a natura rei"'. Hängt das Gute nicht einmal vom freien Willen Gottes ab, so hängt es noch viel weniger vom Willen des Menschen ab, und das Gute ist also eine in der Natur der Sache selbst gegründete Realität.

§ 23 Die Welt als die beste der möglichen Wehen Die Welt — daran hat Leibniz ständig und ohne jeden Zweifel festgehalten — muß verstanden werden und kann nur verstanden werden als eine Schöpfung Gottes. Dann aber muß sie gut sein, ja sie muß die beste aller möglichen Welten sein, sofern überhaupt andere Welten möglich sind. Dieser Gedankengang ist die Grundlage der Theodizee, und so sagt denn Leibniz ausdrücklich zu Beginn des Werkes: „Gott ist die erste Ursache aller Dinge."1 Der nächste Paragraph läßt die Konsequenz folgen: „Diese höchste Weisheit, die mit einer gleichfalls unendlichen Gütigkeit verbunden ist, hat nichts anders als das Beste erwählen können. Denn gleichwie ein kleiner Übel eine Art eines Guten ist: so ist auch ein geringeres Gutes was Böses, wenn es einem

§ 23: Die "Welt als die beste der möglichen Welten

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größern Gute im Wege steht. Es würde in den Werken Gottes etwas zu tadeln seyn, wenn ein Mittel vorhanden gewesen wäre, sie besser zu machen. Und gleichwie in mathematischen Dingen, wenn kein Größtes und kein Kleinstes, und endlich gar nichts Unterschiedenes vorhanden ist, entweder alles auf einerley Weise, oder, wo sich das nicht thun läßt, gar nichts geschieht: eben so kann man auch von der vollkommensten Weisheit sagen, bey welcher nicht weniger Richtigkeit, als in der Mathematik statt findet; daß wenn unter allen möglichen Welten nicht eine die beste wäre, Gott gar keine würde geschaffen haben. Ich verstehe durch die Welt (monde) den ganzen Zusammenhang und Begriff aller vorhandenen und auf einander folgenden Dinge; damit man nicht sage, daß viele Welten zu unterschiedenen Zeiten, und an unterschiedenen Orten da seyn könnten. Denn man müßte sie doch alle zusammen für eine Welt, oder wenn man will, für ein einziges Weltgebäude (Univers) halten. Und wenn man gleich alle Zeiten und alle örter anfüllete, so bleibt es doch allezeit wahr: daß man sie auf unendlich vielerley Art hätte erfüllen können; und daß es dahero unendlich viele mögliche Welten gebe, unter denen Gott nothwendig die beste erwählet haben muß, weil er alles nach der höchsten Vernunft thut." z Diese These von der Welt als der besten aller möglichen Welten ist immer wieder mit viel Ironie und mit viel Spott überschüttet worden. Zu den geistreichsten Angriffen darf man wohl den Candide von Voltaire rechnen. Candide ist ein erklärter Schüler der Leibnizschen Philosophie. Er kommt auf ein Schloß, verliebt sich in die Tochter und muß mit ihr fliehen. Auf einer langen abenteuerlichen Flucht widerfährt dem jungen Paar alles Ungemach, was man sich nur ausdenken kann. Candide jedoch läßt sich nicht erschüttern: Diese Welt ist und bleibt ihm die beste aller möglichen Welten*. Man muß freilich zugeben, daß diese These aus den Voraussetzungen von Leibniz unausweichlich folgt, und es steht ja Leibniz mit dieser These keineswegs allein. Wenn Gottsched in den Anmerkungen zu seiner Übersetzung der Theodizee schon auf Thaies hinweist, so muß fraglich bleiben, ob das dafür angezogene Wort heute als ein echtes Wort von Thaies angesehen werden kann4. Aber Cicero schreibt jedenfalls ausdrücklich: „ . .. neque mundo quidquam pulchrius, neque eius aedificatore praestantius"5. Für das christliche Denken ist das Wort der Genesis entscheidend:

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Kap. 8: Bonum

„Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte; und siehe da, es war sehr gut"'. Damit ist für Augustin 7 wie für Thomas von Aquin 8 die entscheidende Bestimmung vorgegeben und selbst Luther gibt in der frühen Erklärung der Genesis9 eine durchaus positive Interpretation. Man ist nur allzu leicht geneigt, die Leibnizsche These geistesgeschichtlich lediglich als einen Ausfluß des Optimismus der Aufklärung zu betrachten. Erwägt man aber die weitreichenden geschichtlichen Voraussetzungen, dann sieht man, daß Leibniz sich auf diese geschichtlichen Voraussetzungen stützen konnte, und daß er dies mit Recht getan hat. Für die christliche Tradition kann dies auf keinen Fall bezweifelt werden. Aber ich denke, daß die These ,omne ens est bonum' sich sehr wohl auch in das griechische Denken zurückverfolgen läßt. Leibniz selbst stützt sich systematisch sowohl auf mathematische als auch auf philosophische Erwägungen. Die mathematischen Betrachtungen sind Maximalbetrachtungen, wir sind im § 4 bereits darauf eingegangen10. Im philosophischen Gedankengang bestimmt Leibniz zunächst den Begriff der Welt, wie wir es eben in der aus dem § 8 zitierten Stelle sahen. Gemeint ist mit Welt nicht ein bestimmter Zustand dieser Welt zu einer bestimmten Zeit und an einem bestimmten Ort, gemeint ist vielmehr der Gesamtablauf dieser Welt, und man könnte daher von einem Weltenlauf sprechen. In dem Weltenlauf, in dem wir leben, hätten viele Dinge anders sein können, als sie es nun gerade sind. Die Grenzen der Staaten könnten anders sein, als sie es im Augenblick sind. Die Zahl und die Lage der Universitäten könnte anders sein, als sie es gerade ist. Freilich ist es wegen der inneren Struktur der Welt nicht möglich, ein einzelnes Faktum für sich zu ändern. Würde man sich etwa eine bestimmte Staatsgrenze anders denken, als sie es zur Zeit ist, so würde daraus eine ganze Kette von Veränderungen folgen, und diese Grenze könnte nur dann eine andere sein, wenn in den vorausgegangenen Ereignissen eine ganze Kette anders gewesen wäre. Leibniz selbst erwägt nicht nur die politischen und die geographischen Tatsachen, sondern auch die physikalischen Fakten. Im §7 war er ja davon ausgegangen, daß die Verteilung der Materie eine andere sein könnte, ja, daß die Verteilung der Materie auf unendlich viele verschiedene Weisen hätte stattfinden können. Wir haben im ersten Kapitel gesehen, daß es gleichwohl unveränderliche Bestimmungen dieser Welt

§ 23: Die Welt als die beste der möglichen Welten

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gibt, und wir haben gesehen, wie sich die veränderlichen und die unveränderlichen Bestimmungen der Welt in Hinsicht auf die beiden Prinzipien, den Satz vom Widerspruch und den Satz vom zureichenden Grunde, voneinander unterscheiden. Es gibt eine Reihe von Bestimmungen, die notwendig sind, weil ihr Gegenteil — nach der Auffassung von Leibniz — einen Widerspruch einschließt, und die deshalb in jeder möglichen Welt gelten müssen. Hierher gehören die logischen, die arithmetischen und geometrischen Gesetze. Dagegen haben schon die Bewegungsgesetze nicht mehr diese unbedingte Notwendigkeit, und es sind daher, vom Satz des Widerspruchs gesehen, andere Bewegungsgesetze möglich. Dies läßt sich mit dem jetzt zur Diskussion stehenden Begriff dahin formulieren, daß es mögliche Welten gibt, in denen andere Bewegungsgesetze gelten11. Um den Begriff der möglichen Welten weiterhin deutlich zu machen, könnte man die Frage nach der Zahl der Substanzen stellen. Es gibt in dieser unserer Welt nach der Überzeugung von Leibniz unendlich viele Substanzen, also nach der noch zu diskutierenden Substanzlehre von Leibniz unendlich viele Monaden. Wie ist es aber mit der Möglichkeit bestellt? Gibt es mögliche Welten, die nur endlich viele Substanzen enthalten, und gibt es dann vielleicht sogar mögliche Welten, die nur eine Substanz, die also nur eine Monade enthalten? Für einen bestimmten Standpunkt der modernen Grundlagenforschung ist diese Frage wichtig, und so finden wir das Problem einer nur aus einer Substanz bestehenden Welt bei Russell und Whitehead12 und bei Heinrich Scholz diskutiert13. Wie steht Leibniz dazu? Man zögert zunächst, bei Leibniz eine solche Annahme zuzulassen. Eine nur aus einer einzigen Substanz bestehenden Welt wäre freilich eine kaum glaubhafte Verarmung gegenüber der Seinsfülle, die die wirkliche Welt besitzt. Gleichwohl scheint Leibniz nicht der Meinung gewesen zu sein, daß eine nur aus einer einzigen Substanz bestehende Welt in sich widerspruchsvoll wäre. Sie wäre freilich so kümmerlich, daß sich für Leibniz die Untersuchung einer solchen Welt wohl nicht gelohnt haben mag. Immerhin wird man Bertrand Russell Recht geben müssen, wenn er eine solche Welt zu den möglichen Welten im Sinne von Leibniz rechnet. Heinrich Scholz hat versucht, die Metaphysik als eine Lehre von den notwendigen Wahrheiten zu begründen, also im Sinne von Leibniz als eine Lehre von den Wahrheiten, die in jeder möglichen Welt gel-

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Kap. 8: Bonum

ten14. Allein hiergegen müssen zwei Bedenken geltend gemacht werden. Es ist zwar kein Zweifel, daß Leibniz die logischen, die arithmetischen und die geometrischen Wahrheiten als solche betrachtet hat, die aus dem Satz des Widerspruchs notwendig sind, und die also in jeder möglichen Welt gelten müssen. Allein hier hat sich Leibniz, soweit wir heute wissen, geirrt, und die Tatsache der nichteuklidischen Geometrien zeigt, daß auch andere als die dreidimensionale euklidische Geometrie widerspruchsfrei sind. Es muß also aus diesem Reich der Leibnizschen notwendigen Wahrheiten ein noch zu bestimmender Teil gestrichen werden, und man muß doch wohl die Möglichkeit ins Auge fassen, daß nicht eine einzige Wahrheit von einer absoluten Notwendigkeit ist. Jedenfalls müßte dafür der Begriff der notwendigen Wahrheit genau definiert werden, und es müßte dann von einer bestimmten Wahrheit bewiesen werden, daß sie in dem definierten Sinne absolut notwendig ist. Heinrich Scholz jedenfalls scheint mir in seinem Werk einen solchen Beweis nicht gegeben zu haben, und so lange, bis ein solcher Beweis gegeben wird, muß es fraglich bleiben, ob Metaphysik als strenge Wissenschaft in dem von Scholz definierten Sinne überhaupt möglich ist. Weiterhin würde eine solche Definition der Metaphysik, wie Scholz sie vorgeschlagen hat, sich stark von der Bedeutung unterscheiden, in der Leibniz den Terminus Metaphysik benutzt hat. Wir werden im § 40 die von Leibniz dem Terminus Metaphysik gegebene Bedeutung noch ausdrücklich diskutieren. Unsere Erwägungen zeigen, welche Bedeutung für Leibniz der Begriff der möglichen Welten schon in der Physik hat. Diese Bedeutung wird verständlicherweise noch größer in den eigentlich empirischen Wissenschaften. Die Tatsachen, mit denen es die Geographie oder mit denen es die Geschichte zu tun hat, sind in aller Regel Tatsachen, die auch anders hätten sein können. Sie alle stellen, wenn sie abgeändert gedacht werden, andere mögliche Welten dar. Die möglichen Welten unterscheiden sich voneinander dadurch, daß in ihnen ein verschieden großer Grad der Realität auftritt. Zum Beispiel enthält eine Welt, in der es eine ins Unendliche strukturierte Materie und also unendlich viele Substanzen gibt, mehr Realität als eine Welt, die aus endlich vielen Atomen besteht und in der es also nur endlich viele Substanzen geben kann15. Die möglichen Welten bilden in bezug auf die in ihnen vorkom-

§ 23: Die Welt als die beste der möglichen Welten

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mende Realität eine Reihe, diese Reihe ist stetig und hat ein Maximum. Nur weil sie ein Maximum hat — eben die beste der möglichen Welten — kann überhaupt eine der möglichen Welten wirklich werden. Gäbe es nicht ein Maximum an Realität, das eine und nur eine mögliche Welt auszeichnet, so würde es an einem zureichenden Grunde fehlen, warum Gott diese Welt und gerade diese Welt geschaffen hat, und Gott würde ohne einen solchen zureichenden Grund überhaupt keine Welt zur Wirklichkeit haben erschaffen können. Nun ist die Ermittlung des Maximums von Funktionen eine Aufgabe der Differentialrechnung, und die beste aller möglichen Welten wird also, dies hat Scholz mit Recht gesagt, in einem gewissen Sinne zu einem mathematischen Problem. Wenn Leibniz sagt: „Cum DEUS calculat ... fit mundus"", so dürfte die notwendige Ermittlung der besten aller möglichen Welten ein besonders instruktives Beispiel für diesen mathematischen Gedanken sein, und Leibniz kann daher sagen: „Ex his jam mirifice intelligitur, quomodo in ipsa originatione rerum Mathesis quaedam Divina seu Mechanismus Metaphysicus exerceatur, et maximi determinatio habeat locum."17

KAPITEL IX

UNUM 5 24 Die Weisen der Einheit Wenn wir jetzt versuchen, in diesem Kapitel die Probleme der Einheit und im nächsten Kapitel die Probleme des Seins darzustellen, so zeigen sich die Schwierigkeiten einer systematischen Darstellung der Philosophie von Leibniz mit besonderer Deutlichkeit. Die Probleme der Einheit und des Seins hängen systematisch dermaßen eng miteinander zusammen, daß sie nicht rein getrennt werden können. So treten sie bei Parmenides, bei Platon, bei Aristoteles stets zusammen auf. Die hier liegenden Schwierigkeiten mögen auch Leibniz selbst davon abgehalten haben, eine systematische Darstellung seiner Philosophie zu geben, und diejenige Darstellung, die am ehesten als eine systematische angesehen werden kann, die Monadologie, legt mit gutem Recht den Begriff der Einheit zugrunde. Unsere Darstellung versucht zwar, die systematischen Gesichtspunkte in den Vordergrund zu stellen, aber sie ist weit davon entfernt, eine wirklich systematische zu sein, und sie darf dies auch nicht sein. Wenn wir bei der Behandlung von ens und unum das unum voranstellen, so geschieht dies, weil dies ein Weg ist, auf dem die unserer Meinung nach fundamentalen Probleme leichter zugänglich sind. Am Beginn der Untersuchungen über die Einheit steht die aristotelische Einsicht, daß „Einheit" in verschiedener Bedeutung gebraucht wird. Aristoteles handelt darüber in zwei weithin gleichlautenden Kapiteln der Metaphysik. Aristoteles unterscheidet zunächst das unum per accidens und das unum per se. Unter dem unum per accidens versteht er beispielsweise das Zusammentreffen zweier Akzidenzien in einem Subjekt. Im unum per se unterscheidet er wiederum vier Bedeutungen: die Einheit des bloß Zusammenhängenden, die Einheit der Ge-

§ 24: Die Weisen der Einheit

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stalt, die Einheit des lebendigen Individuums, die Einheit des Allgemeinen1. Wichtig ist für Aristoteles die Unterscheidung zwischen den durch die Tätigkeit des Menschen hergestellten Einheiten — was zusammengenagelt, zusammengebunden, zusammengeleimt ist — und demjenigen, was von Natur aus als eine Einheit gewachsen ist. Leibniz dürfte diese Methode der Bedeutungsanalyse von Einheit aus den Lehrbüchern seiner Zeit kennengelernt haben, man wird aber darüber hinaus vermuten dürfen, daß das Studium der Originalstellen, insbesondere bei Platon, bei Aristoteles, bei Thomas von Aquin und bei Suarez für ihn von nicht geringer Wichtigkeit gewesen ist. Diese Frage des Zusammenhanges mit der Tradition könnte nur durch sorgfältige Einzeluntersuchungen geklärt werden, wie sie heute noch fehlen. Für Leibniz fällt zunächst das Problem des Allgemeinen unter einen anderen Gesichtspunkt. In dem dann verbleibenden Problem unterscheidet er lediglich zwei Wesen der Einheit, die Einheit als Aggregat und die Einheit als Ganzheit, unum qua aggregatum und unum qua totum. Diese Unterscheidung mag am prägnantesten in einem Brief an des Bosses ausgedrückt sein: »Ego quoque sentio, admissis Substantialibus praeter monades, seu admissa Unione quadam reali, aliam longe esse Unionem, quae facit ut animal vel quodvis corpus naturae organicum sit Unum substantiate, habens unam Monada dominantem, quam Unionem, quae facit simplex aggregatum, quäle est in acervo lapidum: haec consistit in mera unione praesentiae seu locali, illa in unione substantiatum novum constituente, quod Scholae vocant unum per se, cum prius vocent unum per accidens". Dabei ist die Unterscheidung zwischen unum per se und unum per accidens nicht ganz im Sinne des Aristoteles. Für Aristoteles ist auch ein Haufen Steine ein unum per se, wenn auch die geringste mögliche Weise der Einheit. Für Leibniz muß allerdings die alte aristotelische Bedeutung des unum per accidens wegfallen, da es für ihn, wie wir noch sehen werden, nicht vorkommen kann, daß einer Substanz zwei verschiedene Qualitäten von absoluter Realität zukommen. So gibt es für Leibniz nur zwei Weisen der Einheit, unum per se, das individuelle Lebewesen, unum per accidens, das Aggregat. Eine thematische Erörterung findet sich in den Nouveaux Essais. Dort faßt Leibniz unter dem Titel: Von den zusammengesetzten Ideen, die Ansicht von Locke zunächst dahin zusammen, daß es die Ideen

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Kap. 9: Unum

von Einzelsubstanzen gibt, die Idee eines Menschen, die Idee eines Schafes. Daneben gibt es aber auch Ideen, die auf einer Zusammenfassung von Vielheiten von Substanzen beruhen (de plusieurs substances jointes ensemble), beispielsweise die eines Heeres von Männern oder einer Herde von Schafen. Leibniz sagt dazu von seinem Standpunkt aus: „Cette unite de l'idee des Aggreges est tres veritable, mais dans le fond il faut avouer que cette de collections n'est qu'un rapport ou une relation dont le fondement est dans ce qui se trouve en chacune des substances singulieres a part. Ainsi ces Es t res p a r A g g r e g a t i o n n'ont point d'autre unite achevee que la mentale et par consequent leur entite* aussi est en quelque facon mentale, ou de phenomene, comme celle de Tare en ciel."3 Diese Lehre von den zwei Weisen der Einheit wird deutlicher, wenn man sie in einige Einzelfragen verfolgt. Aristoteles unterscheidet zwischen der Einheit eines bloß Zusammenhängenden und der Einheit, die durch eine bestimmte Gestalt gegeben ist. Er nimmt diese zweite Weise der Einheit auch dann an, wenn sie durch ein Handwerk hergestellt worden ist. Dagegen ist für Leibniz ein Artefakt, mag es eine auch noch so kunstvolle und abgerundete Gestalt haben, doch immer nur ein Aggregat. In dem 1696 im Journal des Savants publizierten Eclairclssement sagt Leibniz ausdrücklich, daß die Einheit einer Uhr nicht die Einheit eines Lebewesens ist. Nur die Einheit eines Lebewesens ist eine wahre Einheit, une veritable unite, die Einheit einer Uhr dagegen ist nur die Einheit einer bloßen Zusammenstellung: „ ... au Heu qu'une horloge n'est autre chose qu'une assemblage"4. Bemerkenswert ist der Unterschied zwischen Aristoteles und Leibniz in der Frage der Einheit des Weltalls. Das Weltall, der Kosmos, ist für Aristoteles eine wahre Einheit, ja es ist der Prototyp der Einheit5. Dies liegt freilich daran, daß der Kosmos für Aristoteles ein Lebewesen ist, eine Anschauung, die für uns kaum nachvollziehbar ist. Leibniz dagegen kann das Weltall betrachten als die Gesamtheit der Lebewesen, also als die Gesamtheit der Monaden, er kann es aber auch betrachten als ein rein mechanisches System. Für beide Betrachtungsweisen jedenfalls ist das Weltall für Leibniz nur ein Aggregat. „Praeter Mundum seu Aggregatum rerum finitarum", so beginnt das von Erdmann edierte Ms. De rerum Originaltöne radicali*. In diesem Sinne

§25: Die Monade ist die eigentliche Einheit

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sagt Leibniz ausdrücklich in den Nouveaux Essais: „ ... l'univers meme ne sauroit passer pour un tout, comme j'ay monstre ailleurs"7. Ebenso bemerkenswert ist die gleiche Einschränkung für unendliche Mengen. Unendliche Mengen sind immer nur Aggregate und niemals wahre Einheiten: „Interim sentio, proprie loquendo, infinitum ex partibus constans neque unum esse neque totum, nee nisi per fictionem mentis concipi ut quantitatem."8 In dieser These, daß unendliche Mengen keine wahre Einheit haben, sondern nur Aggregate sind, findet Leibniz die Lösung vielfacher Schwierigkeiten, die bei unendlichen Mengen auftreten. Man wird annehmen können, daß Kants Erwägungen zur Antinomienlehre von Leibniz beeinflußt sind. Schließlich ist auch die Einheit der anorganischen Stoffe nur die Einheit eines Aggregates: „In aqua non magis substantialem Unitatem esse puto, quam in grege piscium eidem piscinae innatantium."9 So muß denn die Einheit des Lebendigen als die eigentliche Einheit angesehen werden, und zwar sie allein, alle anderen Einheiten sind nur ein unum per accidens.

$ 25 Die Monade ist die eigentliche Einheit Die verschiedenen Weisen der Einheit unterschieden sich dadurch, daß sie Einheit in eigentlicher oder in uneigentlicher Weise darstellen. Diese Bestimmung hat schon Aristoteles getroffen 1 , und sie wird vollends deutlich, wenn Leibniz nur zwei Weisen der Einheit einander gegenüberstellt, die Einheit als Ganzheit und die Einheit als Aggregat. Es ist offensichtlich, daß die Einheiten, die nur Aggregate sind, nicht in vollem Sinne als Einheiten betrachtet werden können; dies gilt vielmehr nur von den Einheiten, die Ganzheiten sind, sie allein sind Einheiten im vollen, im eigentlichen Sinne. Einheiten als Ganzheiten sind für Leibniz nur die Lebewesen, er hat sie mit dem Terminus Monade bezeichnet. Damit treffen wir zunächst auf die Frage nach dem Umfang und der Gliederung der Monadenwelt. Das Urbild der Monade bin ich selbst im vollen Umfang meines individuellen Seins. Hier werden die grundlegenden Bestimmungen der Monadenlehre auf den ersten Blick erkennbar: Die Monade ist ein denkendes Wesen, charakterisiert durch

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perceptio und appetitus. Die Monade hat einen Leib. Auf Grund dieser Bestimmungen sind nun zunächst unzweifelhaft die drei Reiche des Lebendigen zur Monaden weit zu rechnen: die Menschen, die Tiere, die Pflanzen. Schon in diesem Bereich bildet die Monadenwelt eine Reihe, die unendlich viele Monaden enthält, die nach ihrer Realität und also nach ihrem esse bonum kontinuierlich geordnet sind. Die Tiere sind realer und also besser als die Pflanzen, die Menschen sind realer und also besser als die Tiere, wie wir bereits im vorigen Kapitel gesehen haben. Diese Reihe setzt sich nach oben fort in den Bewohnern glücklicherer Gestirne, die realer und besser sind als die Bewohner dieser Erde, sie setzt sich fort in den Engeln, und sie findet schließlich ihren Abschluß in Gott als dem ens realissimum. Allerdings kann Gott nicht in jedem Sinne als Monade bezeichnet werden. Da er keinen Leib hat, ist er zum mindesten eine Monade sui generis. Schwieriger ist die Frage zu beantworten, wie weit die Monadenwelt nach unten reicht. Leibniz selbst hat die Frage dadurch aufgeworfen, daß er von nackten oder schlafenden Monaden spricht2. Was soll man darunter verstehen? Hegel unterscheidet ausdrücklich zwischen anorganischen, organischen und bewußten Monaden8. Anorganische Monaden wären nach dem Text von Hegel die reinen Flüssigkeiten und nach den von Hegel angegebenen Belegstellen4 die vier Elemente, die Salze, die Mineralien und die Metalle. Das wären also die anorganischen Stoffe, soweit sie eine bestimmte Struktur haben. Aber auch an den von Hegel angegebenen Belegstellen sagt Leibniz nicht ausdrücklich, daß diese Stoffe Monaden sein sollen. Er sagt vielmehr von ihnen im Gegenteil, daß sie kein unum per se darstellen. Sie sind also nur ein unum per accidens, sie sind bloße Aggregate, und sie können daher meiner Meinung nach keine Monaden sein. Man sollte daher die wiederholten Aussagen von Leibniz zugrunde legen, daß nur ein organisches Lebewesen eine Monade sein kann. Aber was sind dann die schlafenden Monaden? Vielleicht kann man sich den Sachverhalt so zurechtlegen, daß die Unendliche Reihe der Monaden nach unten hin kein Minimum hat. Leibniz war sich klar darüber, daß es unendliche Reihen gibt, die kein Maximum oder kein Minimum haben. So bilden die echten Brüche Va, Va, */4. .. eine unendliche Reihe. Da aber kein kleinster Bruch existiert, so hat diese Reihe kein Minimum 5 . Wenn die Dinge so liegen, dann wären die schlafen-

§26: Die ontologischen Probleme der Einheit

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den Monaden am unteren Ende der absteigenden Reihe zu suchen, Wenn diese Reihe kein Minimum hat, dann wird sich die Frage nach der untersten Monade schwerlich exakt klären lassen. In diesem Sinne spricht sich Leibniz 1711 in einem Brief an Bierling aus: „Porro Monas . . . est . . . vel primitiva seu D e u s . . . vel est derivativa, nempe Monas Creata, eaque est vel ratione praedita, M e n s , vel sensu praedita, nempe a n im a, vel inferiore quodam gradu perceptionis et appetitus praedita, seu a n i m a e a n a l o g a , quae nudo Monadis nomine contenta est, cum ejus varios gradus non cognoscamus"e. Einheit ist die grundlegende Bestimmung der Monade. Deshalb beginnt die Monadologie mit der Erklärung: „La M o n a d e dont nous parlerons ici, n'est autre chose, qu'une substance simple, qui entre dans les composes; simple, c'est a dire, sans parties." Gegen diesen Begriff der Monade als der einfachen Substanz wird sofort der Begriff des bloßen Aggregates gesetzt: „Et il faut qu'il y ait des substances simples, puisqu'il y a des composes; car le compose n'est autre chose qu'un amas, ou a g g r e g a t u m des simples."7 Derselbe Gedanke ist im ersten Paragraphen der Principes vielleicht noch etwas schärfer formuliert: „La S u b s t a n c e est un Etre capable d'Action. Elle est simple ou composee. La S u b s t a n c e s i m p l e est celle qui n'a point de parties. La c o m p o s e e est l'assemblage des substances simples, ou des M o n a d e s. M o n a s est un mot Grec, qui signifie l'unite, ou ce qui est un." 8 Ist die Einheit der grundlegende Begriff der Monadenlehre, und sdiöpfen wir die grundlegenden Begriffe der Monadenlehre aus uns selbst, dann müssen wir auch den Begriff der Einheit aus uns selbst gewinnen. Der Mensch ist die eigentliche Einheit, und in der Tat sagt Leibniz: „ . . . l'homme füt unum per se, un estre doue d'une verkable unite" . Folgerichtig sagt dann Leibniz ausdrücklich, daß ich selbst die eigentliche Einheit bin, und daß ich also den Begriff der Einheit aus mir selbst schöpfe. Wir trafen auf diese Bestimmung bereits bei der Lehre von den eingeborenen Begriffen, und wir sehen jetzt, wie bei Leibniz die Begriffstheorie und die Monadenlehre eine völlige Einheit bilden10. § 26 Die ontologischen Probleme der Einheit Noch immer gilt die Feststellung des Aristoteles, daß die alte Doppelfrage: Was ist die Einheit? Was ist das Sein? diejenige Frage

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Kap. 9: Unum

der Philosophie ist, die die größte Schwierigkeit, die aber auch die größte Tragweite besitzt1. Bei der sich durchhaltenden Bedeutung dieser beiden Fragen wird man schwerlich der Gefahr einer Wiederholung entgehen können, wenn man versucht, den geschichtlichen Voraussetzungen der Frage nach der Einheit bei Leibniz nachzugehen. In einem gewissen Sinne steht die Frage nach der Einheit am Beginn der uns bekannten Philosophie. Die griechischen Naturphilosophen können in diesem Sinne verstanden werden, und bereits Aristoteles hat sie so verstanden. Wenn Thaies sagt: Alles ist Wasser, dann will er jedenfalls auch dies sagen: Alles ist Eines, nämlich Wasser. Es wird also die Einheit des Kosmos in einem bestimmten sichtbaren Element, eben dem Wasser, gesehen. Man wird sich dies so vorstellen können, daß die Naturphilosophen nach der Einheit des Weltalls gesucht haben. Den reinen Ausdruck dafür hat Parmenides gefunden. Er spricht ausdrücklich vom Sein selbst, und unter den Bestimmungen, durch die er das Sein charakterisiert, findet sich auch die Einheit. Das Sein ist Einheit2. Dies ist im Grunde genommen nur der reine Ausdruck des von den frühesten Denkern Gedachten. Aber im reinen Ausdruck des Parmenides taucht auch sofort die Schwierigkeit des Problems auf. Platon hat diese Schwierigkeit als erster deutlich auseinandergelegt, und es ist wohl kein Zufall, daß der Dialog, in dem Platon dies tut, den Namen des Parmenides trägt. Die Schwierigkeit, so subtil sie auch immer ist, läßt sich gleichwohl auf eine einfache Frage bringen: Wenn das Sein schlechterdings Eines ist, trägt dann nicht trotzdem schon die Verschiedenheit von Sein und Einheit eine Vielheit in das Sein hinein? Ist dann das Sein nicht gerade deshalb vieles, weil es Eines ist? Es ist gewiß nicht zu leugnen, daß der Dialog Parmenides der Interpretation fast unübersteigbare Schwierigkeiten entgegensetzt. An vielen Stellen des Dialoges treibt Platon mit den logischen Schwierigkeiten ein übermütiges Spiel. Er stellt die Geduld auch des geduldigsten Interpreten auf eine harte Probe, und oft möchte man zweifeln, ob dem Spiel noch ein Ernst zugrunde liegt. So mancher Interpret hat sich geholfen, indem er überhaupt geleugnet hat, daß der Dialog ernst gemeint ist. Gleichwohl glaube ich, daß der Dialog nicht völlig unzugänglich ist, besonders wenn man ihn mit dem Sophistes zusammenhält. Leibniz selbst hat viel Mühe auf das Studium Platos verwandt, er hat insbesondere die Dialoge im Urtext studiert. Seine Arbeiten zum

§26: Die ontologischen Probleme der Einheit

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Phaidon und zum Theätet wurden 1857 veröffentlicht 34 . Man wird deshalb annehmen dürfen, daß Leibniz auch den Parmenides und den Sophistes aufmerksam erwogen hat. Die Frage, die Platon im Parmenides zur Diskussion stellt, ist meines Eraditens folgende: Wie ist die Aussage zu verstehen, daß etwas Eines ist? Ist „Eines zu sein" eine reale Eigenschaft, und wenn es eine solche ist, wie ist die Realität dieser Eigenschaft zu verstehen? Ist „Eines zu sein" keine reale Eigenschaft im eigentlichen Sinne, was ist es dann, und wie ist eine solche Aussage zu verstehen? Dabei wird man dem Dialog Parmenides doch wohl am besten gerecht werden, wenn man ihn als eine aporetische Erörterung versteht. Ich möchte glauben, daß die lehrmäßige Interpretation Plotins und derjenigen Interpreten, die ihm folgen, über die Intention Platons hinausgeht. Von hier aus mag es verständlich werden, daß für Aristoteles die Einheit zum fundamentalen Thema der Metaphysik wird. Aristoteles erkennt die Sonderstellung der Einheit ebenso wie die Sonderstellung des Seins. Betrachtet man die Einheit als einen allgemeinen Begriff, so ist er ein Begriff besonderer Art, er ist kein Genusbegriff5. Betrachtet man die Einheit als eine Eigenschaft eines individuellen Wesens, so ist sie wiederum eine Eigenschaft besonderer Art, sie ist kein Akzidens6. Die Einheit eines individuellen Wesens mag in irgendeinem noch zu bestimmenden Sinne eine Eigenschaft sein, sie ist jedenfalls keine Qualität, sie ist kein Akzidens, sie ist keine absolute Realität. Die philosophische Arbeit des Mittelalters setzt gerade an diesen aristotelischen Bestimmungen an, daß die Einheit kein Akzidens ist. Thomas von Aquin beginnt das Problem iehrmäßig zu entfalten. Er faßt ens, unum, bonum, verum (und später auch noch einige andere Bestimmungen) als Transzendentalien zusammen und unterscheidet sie von den Akzidenzien. Während ein Akzidens, beispielsweise eine Qualität, jeweils eine besondere, neu hinzukommende Realität — eine res addita — darstellt, geht den transzendentalen Bestimmungen, und hier insbesondere der Einheit, dieser besondere Realitätscharakter ab. Die Einheit als transzendentale Bestimmung ist keine hinzukommende Realität, sie ist keine res addita7. Man kann das Problem auch so auffassen, daß schon bei Aristoteles, und dann immer bewußter im Mittelalter, nach dem Sinn und der Bedeutung von Realität gefragt wird. In welchem Sinne kann ein Akzidens real genannt werden, in

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welchem Sinne kann eine transzendentale Bestimmung real genannt werden? In der weiteren Fortführung des Gedankenganges unterscheidet Thomas zwischen zwei Weisen der Einheit, zwischen einer Einheit als Akzidens, der praedikamentalen Einheit, und einer Einheit als Transzendens, der transzendentalen Einheit 8 . Jetzt unterscheiden sich also diese beiden Weisen in bezug auf ihren Realitätscharaktcr. Duns Scotus bejaht die Unterscheidung, er legt sie terminologisch und systematisch erst eigentlich fest 9 . Ockham dagegen hält eine solche Unterscheidung für unnötig. Für Ockham ist jede reale Einheit eine transzendentale Einheit in der ontologischen Bestimmung des Aquinaten. Man kann den Standpunkt von Ockham dahin formulieren, daß jede reale Einheit eine transzendentale Einheit ist, so daß es weder notwendig noch möglich ist, zwischen einer transzendentalen Einheit und einer praedikamentalen Einheit zu unterscheiden10. Dieser etwas subtile Standpunkt macht das Verständnis des Problems schwierig. Wenn bei Ockham und später auch bei Leibniz die Realität der Relation etwa geleugnet wird, so steht beispielsweise Bertrand Russell dem dahinzielenden Gedankengang von Leibniz weithin verständnislos gegenüber11. Es soll aber weder bei Ockham noch bei Leibniz die Realität der Relation als solche geleugnet werden, es soll vielmehr nur ihre Realität in einem ganz besonderen Sinne, in dem noch zu bestimmenden Sinne der absoluten Realität geleugnet werden. Die Realität, die den transzendentalen Bestimmungen bei Thomas zukommt, kommt aber sowohl bei Ockham als auch bei Leibniz der Relation ebenfalls zu. Eine ausführliche Diskussion dieser Entwicklung findet sich bei Suarez in den Disputationes metaphysicae, Leibniz dürfte hier das Problem in aller Ausführlichkeit kennengelernt haben. Darüber hinaus dürfte Leibniz das Problem bei Thomas von Aquin und Duns Scotus ebenso wie bei Platon und Aristoteles vielfach an den Originalstellen studiert haben. Dagegen habe ich keinen Anhalt dafür finden können, daß Leibniz die Schriften Ockhams in Original gelesen hat, obwohl er ihm philosophisch recht nahe steht, wenigstens dort, wo Ockham vorsichtig formuliert. Was kann man bei Leibniz von dieser Entwicklung im Problem der

§26: Die ontologischen Probleme der Einheit

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Einheit vorfinden? Wir finden zunächst die Unterscheidung verschiedener Weisen der Einheit, wie sie Aristoteles als erster fest gelehrt hat, wie sie durch die Tradition durchgeht, und wie wir sie im § 24 diskutiert haben. Mit den ontologischen Thesen der aristotelisch-scholastischen Transzendentalphilosophie — Kant nennt sie die Transzendentalphilosophie der Alten 12 — zeigt sich Leibniz bereits in seinen ersten Schriften völlig vertraut. Es dreht sich zunächst um die These: Unum transcendens non est res addita. Sie wird fast wörtlich ausgesprochen: „ . . . unum supra Ens nihil addit reale" 13. Sie wird kurz darauf noch einmal dem Sinne nach formuliert: „Unitas Entitatem sequitur in conceptu, in re idem est." 14 Die Einheit fügt also dem Seienden, dem sie zukommt, keine neue Realität hinzu, sie ist vielmehr von dem Seienden nur dem Begriff nach unterschieden, der Realität nach aber mit ihm identisch. Dies nimmt also Leibniz aus der philosophischen Entwicklung auf. Allerdings bekommt das Problem dadurch für ihn eine neue Wendung, daß, wie wir im nächsten Kapitel zur Diskussion stellen werden, für Leibniz der Begriff eines Akzidens im Sinne einer von der Substanz distinkten Realität grundsätzlich wegfällt, so daß er mit dem für die Scholastik entscheidenden Gegensatz zwischen der absoluten Realität eines Akzidens und der gemäßigten Realität eines Transzendens nicht mehr operieren kann. Die zweite grundlegende These der mittelalterlichen Transzendentalphilosophie lautet: Ens et unum convertuntur. Wir finden sie im Wortlaut mehrfach ausgesprochen15. Daß sie dem Sinne nach für den spezifischen Ansatz von Leibniz fundamental ist, zeigt sich in einem Brief an Arnauld aus dem Jahre 1687: „Pour trancher court, je tiens pour un axiome cette proposition identique qui n'est diversifiee que par l'accent, S9avoir que ce q u i n ' e s t pas v e r i t a b l e m e n t u n e s t r e , n ' e s t p a s n o n p l u s v e r i t a b l e m e n t u n estre."1* Dieser Brief wurde geschrieben, als Leibniz begann, seinen ureigensten Ansatz, die Monadologie, fest zu formulieren, und er kennzeichnet in der Tat die Überzeugung, die der Monadologie zugrunde liegt: Die Monade wird konstituiert durch ihre Einheit, sie ist nur ein Seiendes, sofern sie eines ist, und Monas bedeutet eben nicht nur im Griechischen, sondern auch für Leibniz „ce qui est un" 17.

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$ 27 Ockhams Prinzip In der frühen, 1670 erschienenen Vorrede De stilo philosophico Nizolii kommt Leibniz auf das Prinzip Ockhams zu sprechen: „Nominales sunt, qui omnia putant esse nuda nomina praeter substantias singulares, abstractorum igitur et universalium realitatem prorsus tollunt . . . Diu autem jacuit in tenebris secta Nominalium, donec maximi vir ingenii et eruditionis pro illo aevo summae, Wilhelmus Occam Anglus, Scoti discipulus, sed mox oppugnator maximus, de improvise earn resuscitavit... Generaiis autem Regula est, qua Nominales passim utuntur: E n t i a non e s s e m u l t i p l i c a n d a p r a e t e r n e c e s s i t a t e m " 1 . Vielleicht hat Leibniz das Prinzip in den zeitgenössischen Lehrbüchern kennengelernt, bestimmt aber dürfte er es bei Suarez gelesen haben. Suarez referiert in den Disputattones metaphysiae bei der Behandlung der Qualität zuerst die Meinung der Nominalisten. Dabei sagt er über das Prinzip: „Fundamenta hujus sententiae sunt, quia rerum distinctio introducenda vel asserenda non est sine ratione aut necessitate cogente."2 Der positive Sinn des Prinzips wird gerade beim ontologischen Problem der Einheit besonders deutlich, und wie so oft, so mag auch hier die erste Diskussion des Problems im Platonischen Sophistes den besten Weg zum Verständnis zeigen. Parmenides hatte gesagt: Das Sein ist Eines. Aber, so fragt nun Platon, was bedeutet diese Aussage? Spreche ich von Kebes und Simmias, so bezeichnen diese beiden Substantive jedes für sich ein selbständiges Wesen,, denn die beiden Substantive sind ja Namen. Spreche ich nun von Sein und Einheit, bezeichnen auch diese beiden Substantive je ein selbständiges Wesen? Und wenn sie das nicht tun, was bezeichnen sie dann? Oder, anders formuliert: Sind auch Sein und Einheit Namen? Un'd wenn sie das nicht sind — und man sieht bald, daß sie das nicht sein können — was sind sie dann? Mir scheint, daß Platon das subtile Problem bereits mit großer Deutlichkeit gesehen hat, wenn er im Sophistes die Frage stellt, ob und in welcher Bedeutung Sein und Einheit als zwei Seiende betrachtet werden können3. Freilich macht schon die Formulierung des Problems gewisse Schwierigkeiten. Im rein Sprachlichen sind sie für die Griechen noch größer als für uns. Wir haben wenigstens zwei Termini zur Ver-

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fügung, „Substantiv" und „Namen", aber was wir hier mit Substantiv bezeichnen, bezeichnen die beginnenden und auch für Platon schon wirksamen griechischen grammatikalischen Erwägungen mit dem Terminus „Namen". Die Frage, die wir eben sprachlich formuliert haben, ist also für die Griechen unformulierbar. Wählt man die ontologische Formulierung, dann sind die Schwierigkeiten in den verschiedenen Sprachen verschieden groß. Das Griechische hat den außerordentlich geschmeidigen Ausdruck „ " zur Verfügung, der sich wiederum ohne weiteres mit „entia" ins Lateinische übertragen läßt. Die Scholastik hat den weiteren Ausdruck „entitas" hinzugefügt. So kann man im Griechischen wie im Lateinischen ohne Mühe formulieren: Sind ens und unum wirklich duo entia? Das Französische ist in der Lage, den substantivierten Infinitiv in den Plural setzen zu können, es kann also sagen: les etres. Dem Englischen fehlt diese Möglichkeit, man hat sich dort im allgemeinen geholfen, indem man den Ausdruck „entitas" und „entitates" mit „entity" und „entities" ins Englische übernahm. Im Deutschen sind wir noch schlechter daran. Hier ist das substantivierte Adjektiv im Plural für alle drei Geschlechter gleich. Deshalb ist es beispielsweise fast unmöglich, den für die Ideenlehre so wichtigen Ausdruck „ " im Deutschen richtig wiederzugeben. Wählt man die genaue Übertragung „die Schönen", so stößt man auf das Hindernis, daß „die Schönen" im deutschen Plural ausschließlich das Femininum bezeichnet. Noch größer sind die Schwierigkeiten, wenn wir versuchen, „ " beziehungsweise „entia" ins Deutsche zu übertragen. Der Plural „die Seienden" ist gewiß kein gutes Deutsch, er würde auch primär je nach dem Zusammenhang das Maskulinum oder Femininum bedeuten, während das Neutrum in der deutschen Bedeutung ganz fernliegt. Es bliebe also nur der Ausweg, ein Substantiv hinzuzufügen. Aber auch dies gelingt nicht ganz. Sagt man: „die seienden Gegenstände", so bringt man fälschlicherweise einen erkenntnistheoretischen Begriff mit ins Spiel. Sagt man: „die seienden Dinge", so wird es auch nicht viel besser, weil jetzt der Terminus „Ding" ins Spiel kommt. Es wird daher kein anderer Ausweg bleiben, als nach dem Vorbild des Englischen aus dem lateinischen Ausdruck „entitas" den Terminus „Entität" zu wählen. In einer Leibnizdarstellung kann man sich dabei gut auf Leib-

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niz selbst berufen, der in seinen französischen Texten den Terminus entite anwendet4. Unter diesen Voraussetzungen kann man also jetzt Ockhams Prinzip: Entia non sunt multiplicanda praeter necessitatem, übersetzen mit: Entitäten dürfen nicht ohne Notwendigkeit vermehrt werden. Nun bietet gerade das ontologische Problem der Einheit ein instruktives Beispiel für das Prinzip. Man kann vielleicht einmal annehmen, daß nicht nur eine Substanz eine Entität ist, sondern auch jede ihrer Eigenschaften und jede ihrer Relationen. Ob dies möglich ist, und was die Meinung von Leibniz hierzu war, wird uns im nächsten Kapitel noch beschäftigen. Aber selbst dann, wenn man die Substanz und alle ihre Qualitäten und alle ihre Relationen als je besondere Entitäten betrachtete, so wäre es doch nicht möglich, die Einheit noch als eine weitere Entität zu bestimmen. Gewiß bildet in der faktisdien Existenz die Substanz mit allen ihren Eigenschaften und Relationen eine Einheit. Wäre aber diese Einheit selbst eine Entität, so wäre sie nur eine unter den vielen Entitäten, zu denen sie hinzugetreten ist, und es bedürfte also einer neuen Einheit, die die neue Entität mit den bereits vorhandenen Entitäten zu einer Einheit verbindet. Wäre aber die Einheit als solche eine selbständige Entität, so wäre auch diese neue Einheit eine neue Entität, und es bedürfte einer weiteren Einheit, und man sieht, daß es auf einen regressus in infmitum hinausläuft. Würde man also die Einheit als eine eigene Entität betrachten, dann käme man sogar bei jeder einzelnen Substanz zu einer Vervielfältigung der Entitäten ins Unendliche, und dies war besonders für das Mittelalter, für das es in der geschaffenen Welt nur endlich viele Entitäten gibt, ein unmögliches Ergebnis. Diese Wendung des Problems auf einen regressus in infinitum ist im Mittelalter wohlbekannt, sie findet sich etwa bei Thomas5, ich weiß aber nicht, ob Thomas der erste ist, der den Gedankengang so entwickelt hat, oder ob er schon früher bekannt war. Daraus folgt nun, daß man zwar von dem Sein und der Einheit als von Verschiedenem sprechen kann, daß man aber nicht zwei besondere Entitäten annehmen darf. Es gibt nur eine Entität, im allgemeinen eine Substanz, von bestimmten Standpunkten her auch ein Akzidens, und diese Entität wird unter gewissen Gesichtspunkten als Sein und unter anderen als Einheit betrachtet. Sein und Einheit als besondere Entitäten anzunehmen, führt in der Tat zu einer Vervielfäl-

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tigung der Entitäten ins Unendliche. Thomas von Aquin verwendet für dasjenige, was wir hier mit Entität bezeichnen, im allgemeinen den Terminus „res", und er kann daher vom Verhältnis zwischen ens und bonum, bei dem der gleiche Sachverhalt vorliegt, sagen: „Bonum et ens sunt idem secundum rem: sed differunt secundum rationem tantum" ö . Diese These meint Leibniz, wenn er sagt: „Unitas Entitatem sequitur in conceptu, in re idem est." 7 In bezug auf die transzendentale Einheit drückt also Ockhams Prinzip nur etwas aus, was Allgemeingut des aristotelisch-scholastischen Denkens ist. Die transzendentale Einheit als eine besondere entitas, als eine besondere res annehmen, heißt in der Tat: entia multiplicare sine necessitate. Die volle Bedeutung des Prinzips für die Philosophie von Leibniz wird sich erst zeigen, wenn wir im nächsten Kapitel die Diskussion darüber aufnehmen, wie Leibniz die Realität der Qualitäten und der Relationen bestimmt hat. Versucht man sich darüber klar zu werden, ob Leibniz das Prinzip immer in derselben Weise betrachtet hat, so sind entwicklungsgeschichtliche Thesen bei Leibniz schwierig, so lange wir das Material nicht völlig übersehen können. Aus dem uns zur Verfügung stehenden Material sollte man schließen können, daß Leibniz in seiner frühen Zeit das Prinzip entschieden bejaht hat, so daß er in einem gewissen Sinne als ein Nominalist betrachtet werden könnte. Wir werden noch sehen, daß ihm daraus durch sein ganzes Leben hindurch eine nicht zu verkennende Grundstimmung geblieben ist8. Gleichwohl scheint er später einer etwas abgewogeneren Stellung zuzuneigen. Dies sollte man wenigstens aus der Art und Weise schließen, wie er das Problem in den Nouveaux Essais behandelt9. An dieser Stelle wird man das Bestreben von Leibniz nicht verkennen, zwischen beiden Prinzipien zu vermitteln. Allerdings setzt eine Vermittlung voraus, daß Leibniz auch an Ockhams Prinzip festhält.

KAPITEL X

ENS QUA ENS 5 28 Stibstantia: Die Monade ist das eigentliche Sein In der Monadenlehre kulminiert die Philosophie von Leibniz im Ganzen, in der Monadenlehre kulminiert die Metaphysik von Leibniz, in der Monadenlehre wird der grundlegende, alles andere entscheidende Seinsbegriff entwickelt und durchgeführt. Dies kommt darin zum Ausdruck, daß sich eine ganze Reihe fundamentaler Begriffe als äquivalent erweist, besonders: ens reale, unum per se, Individuum, substantia, monas, animal. Man kann das Problem vom rein ontologischen Standpunkt erwägen, man kann es auch vom bedeutungsanalytischen Standpunkt aus untersuchen. Wählen wir zunächst den rein ontologischen Standpunkt, dann erweisen sich die beiden Begriffe ens reale und unum per se als äquivalent. Parmenides, Platon, Aristoteles hatten den Zusammenhang von Sein und Einheit immer wieder erwogen. Die Transzendentalphilosophie des Mittelalters hatte den Zusammenhang in dem festen Lehrsatz ausgeprägt: Ens et unum convertunturS und wir haben im vorigen Kapitel gesehen, daß Leibniz mit dieser Formulierung wohl vertraut ist. Für die Monaden, für die individuellen Lebewesen gilt der Zusammenhang in besonderer Weise. Für alles Lebendige ist der Zusammenhang von Einheit und Sein unaufhebbare Voraussetzung. Hier gilt in besonderer Weise: Was seine Einheit gewinnt, gewinnt sein Leben und sein Sein, was seine Einheit verliert, verliert sein Leben und sein Sein. So wird der Tod immer wieder ausgedrückt als der Verlust der Einheit. „Der Tod löst die Glieder", ist eine anschauliche Formulierung dieser Vorstellung. Nun kann zwar nach der Überzeugung von Leibniz ein Lebewesen, eine Monade, in dieser unserer Welt weder entstehen noch

§ 28: Substantia: Die Monade ist das eigentliche Sein

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vergehen, wenigstens soweit der natürliche Lauf dieser Welt betrachtet wird. Es bedürfte vielmehr eines besonderen Eingreifens Gottes, um eine Monade entstehen oder vergehen zu lassen2, aber gerade deshalb wird der Zusammenhang zwischen Einheit und Sein noch stärker. Weil eine Monade ihr Leben, ihr Sein niemals verlieren kann, deshalb kann sie auch niemals ihre Einheit verlieren, deshalb ist sie ihrem Wesen nach Einheit* Als zweiter in diesem Netz der äquivalenten Begriffe der Monadenlehre zeigt sich der Begriff des Individuums. Hier liegt die grundlegende ontologische These: Nur das Individuum, nur das individuelle Lebewesen hat allein wirkliches Sein, alles andere, alle Ganzheiten, alle Universalien, alle Eigenschaften, alle Relationen, sie alle haben nur ein Sein, das jeweils in dem Sein eines individuellen Lebewesens, einer Monade, fundiert ist. In diesem Sinne sagt Leibniz schon 1670 in der Dissertatio de stilo philosophico Nizolii: „Nam concreta vere res sunt, abstracta non sunt res, sed rerum modi, modi autem plerique nihil aliud sunt quam relationes rei ad intellectum, seu apparendi facilitates."3 Dieser Grundsatz, daß das individuelle Lebewesen real ist, und daß allein das individuelle Lebewesen — die Monade — real ist, und daß nichts anderes als das individuelle Lebewesen im spezifischen Sinne real ist, ist das eigentlich aristotelische Erbe bei Leibniz. Bei Aristoteles drückt es sich so aus, daß die Substanz das eigentlich Reale ist, und daß die Substanz in ihrer primären Bedeutung als substantia prima immer ein ist4. Wie die geschichtlichen Zusammenhänge liegen, vermag ich nicht zu sagen. Leibniz hätte diesen Gedanken bei Aristoteles selbst finden können, er könnte ihn bei Thomas mit deutlichem Bezug auf Aristoteles gefunden haben. Er kann ihn ebensowohl bei Suarez gesehen haben, wenn Suarez ausdrücklich sagt: „Unde D. Thomas, q. 9 de Potent., art. l, ad 4, simpliciter ait, nihil subsistere, nisi individua substantiae."5 Leibniz könnte schließlich den aristotelischen Grundsatz als einen solchen in einem der aristotelischen Werke seiner Zeit gefunden haben. Dem Begriff der Substanz hat Bertrand Russell seine besondere Aufmerksamkeit gewidmet, und wir können uns weitgehend auf seine

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Kap. 10: Ens Qua Ens

Untersuchungen stützen. Die Substanz ist einer der zentralen Begriffe der Metaphysik, und Angriffe gegen die Metaphysik setzen deshalb häufig am Begriff der Substanz an. Dies geschieht nicht ganz mit Unrecht, wie Leibniz selbst einräumt. In der Untersuchung De primae philosophiae emendatione, et de notione substantiae, die 1694 in den Acta Eruditorum erschienen ist, gibt Leibniz zu, daß die wesentlichen Begriffe der Metaphysik dunkel und zweideutig sind, er nennt als Beispiele dafür substantia, causa, actio, relatio, similitudo*. Das ist übrigens durchaus gegen die Absicht von Platon und Aristoteles, die beide auf gute Definitionen den größten Wert gelegt haben. Ihre Schüler aber waren mehr auf das Reden und das Disputieren bedacht als auf gute Definitionen7. In den Nouveaux Essais wendet sich Leibniz in der Frage der Substanz gegen Locke. Die Idee der Substanz ist nicht so dunkel wie man denkt, und wie Locke behauptet hatte 8 . Im nächsten Kapitel faßt Leibniz die Meinung von Locke dahin zusammen: „Les mots de substance et d'accident sont a mon avis de peu d'usage en philosophic." Aber Leibniz antwortet sofort von seinem Standpunkt aus: „J'avoue que je suis d'un autre sentiment, et je crois que la consideration de la substance est un point des plus importans et des plus feconds de la philosophic."9 Betrachtet man die Definitionen der Substanz, dann sieht man, daß drei Definitionen übereinander liegen. Die Substanz ist erstens der letzte Träger aller Eigenschaften und Bestimmungen, sie ist ultimum subsistens. Die Substanz ist zweitens das allen Veränderungen beharrlich Zugrunde-Liegende, sie ist ultimum perdurabile. Die Substanz ist drittens ein solches Wesen, das den Ursprung seiner Tätigkeit in sich selbst hat, sie ist vis activa. Das Ziel von Leibniz ist es, die dritte Definition als die eigentliche Definition der Substanz zu erweisen. In der Metaphysik im allgemeinen, besonders in der Metaphysik des Mittelalters ist die erste Definition als die entscheidende betrachtet worden. Die Substanz ist das ultimum subsistens. Dies kann eine doppelte Bedeutung haben, eine ontologische und eine logische. Nach der traditionellen Auffassung sind dies aber nur zwei Aspekte desselben Sachverhaltes. Von der ontologischen Bestimmung, von der Bestimmung der Substanz als dem letzten Träger aller anderen Eigenschaften, spricht Leibniz beispielsweise in einem Brief an des Bosses: „Sed calor vel impetus est in corpore tanquam in subjecto; et ultimum subjec-

§ 28: Substantial Die Monade ist das eigentliche Sein

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turn semper est substantial10 Von der Substanz als dem letzten Träger aller Prädikate spricht Leibniz im Discours de metaphysique n. Die zweite Definition der Substanz bezeichnet die Substanz als dasjenige, was sich den wechselnden Eigenschaften gegenüber unveränderlich durchhält12. Den Unterschied zwischen diesen beiden Definitionen hat insbesondere Kant herausgearbeitet. Er hat gezeigt, daß der Unterschied darin liegt, daß in der ersten Definition die Zeit noch nicht vorkommt, während in der zweiten Definition die Zeit hinzutritt13. Leibniz betrachtet die dritte Definition als die eigentlich fundamentale, und die Untersuchung des Jahres 1694 konzentriert sich deshalb auch auf die dritte Definition. „Cujus rei ut aliquem gustum dem, dicam interim, notionem v i r i u m seu virtutis (quam Germani vocant K r a f f t , Galli la force) cui ego explicandae peculiarem Dynamices scientiam destinavi, plurimum lucis afferre ad veram notionem substantiae intelligendam. Differt enim vis activa a potentia nuda vulgo scholis cognita, quod potentia activa Scholasticorum, seu facultas, nihil aliud est quam propinqua agendi possibilitas, quae tarnen aliena excitatione et velut stimulo indiget, ut in actum transferatur. Sed vis activa actum quendam sive continet, atque inter facultatem agendi actionemque ipsam media est, et conatum involvit; atque ita per se ipsam in Operationen! fertur; nee auxiliis indiget, sed sola sublatione impediment!."14 Dabei muß man sich vor Augen halten, daß Leibniz, allerdings in seinen frühen Jahren, zwei fundamentale Wandlungen im Hinblick auf den Substanzbegriff durchlaufen hat. Leibniz muß in seiner Studentenzeit und kurz danach als reiner Aristoteliker betrachtet werden, auch im Hinblick auf die Definition der Substanz. Ein Beispiel dafür gibt De arte combinatoria15. In einer bisher noch nicht faßbaren Entwicklung geht dann Leibniz auf den Standpunkt einer reinen Atomtheorie über, der besonders in der Physik einen reinen Materialismus bedeutet. Zeugnis dafür ist der Brief an seinen Lehrer Thomasius, den Leibniz 1670 in der Nizolius-Edition publiziert hat. Diese Wendung zum reinen Materialismus muß eine entsprechende Änderung des Substanzbegriffes nach sich ziehen. Substanzen sind in dieser Periode die Atome und der leere Raum 1 . Den endgültigen Substanzbegriff dürfte Leibniz während der Pariser Reise gewonnen haben17. An diesem selbsterrungenen Sub-

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stanzbegriff hält Leibniz ohne Schwanken fest. In dem Aufsatz De ipsa natura sive de vi insita actionibusque creaturarum, der 1698 in den Acta Eruditorum erschien, sagt er vermutlich unter Bezug auf den Aufsatz vom Jahre 1694: „Quibus addi potest, quod alibi a me explicatum est, etsi nondum fortasse satis perspectum omnibus, ipsam rerum substantiam in agendi patiendique vi consistere."18 In demselben Sinne beginnen die Principes de la nature et de la grace, fondes en raison mit der Erklärung: „La S u b s t a n c e est un Etre capable d'Action."19 Dieselbe Bestimmung der Substanz finden wir in der Theodizee20 und in der 1705 in dem Supplement zum Journal des Savants erschienenen Reponse aux Objections*1. Leibniz kann dann in aller Kürze formulieren: Was nicht handelt, verdient nicht den Namen der Substanz22. Russell hat diese Bestimmung der Substanz in dem Terminus Aktivität (activity) zusammengefaßt23, vielleicht wäre es noch besser, im Anschluß an die Theodizee den Terminus Spontaneität zu wählen24. Man könnte dann sagen: Leibniz definiert die Substanz als dasjenige, was das Prinzip seines Tuns und Leidens in seiner eignen Spontaneität hat. An diese Bestimmung der Substanz als Aktivität beziehungsweise Spontaneität lassen sich drei Bemerkungen anschließen. Die erste ist die, daß Leibniz ausdrücklich den Zusammenhang mit denjenigen Bestimmungen wahrt, die Platon und Aristoteles gegeben haben. In einem Brief an Sturm sagt Leibniz ausdrücklich: „Tantum abest, ut sensum, secundum quem vocabulo s u b s t a n t i a e utor, putem ab usu abhorrere, ut potius P l a t o n i s atque A r i s t o t e l i s ipsorumque scholasticorum doctrinae, (quousque sanum sensum recipit) maxime consentaneum, restituendaeque antiquae, et, ut ego judico, vere philosophiae aptum credam."25 Von dem Zusammenhang mit Platon in dieser Frage spricht Leibniz ausdrücklich in der Theodizee26. Mit derselben Bestimmtheit wird auch der Zusammenhang mit Aristoteles gewahrt, von dem Leibniz gleichfalls in der Theodizee spricht27. Der Sache nach dürfte Leibniz, wenn er sich auf Platon bezieht, an die Bestimmung des Seins als Dynamis im Sophistes denken28. Wenn Leibniz den Terminus im Paragraphen 323 der Theodizee Platon zuschreibt, so irrt er zwar, denn der Terminus findet sich nicht bei Platon, sondern bei Aristoteles, und zwar in der Physik29; der Irrtum ist allerdings verständlich, solange man keine ausreichenden

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Indices für Platon und Aristoteles hatte. Der Sache nach findet sich der Begriff des sehr wohl bei Platon, etwa Leg. X 896 und Crat. 399 D. Das in § 301 gegebene Aristoteleszitat: „ S p o n t a n e u m e s t , c u j u s p r i n c i p i u m est in a g e n t e " , dürfte sich auf mehrere Stellen beziehen, etwa auf 324 b 13, 430 a 12 und 702 a 13. Eine genauere Untersuchung darüber, welches Verhältnis Leibniz zu den Platonischen und Aristotelischen Texten gehabt hat, steht zur Zeit noch aus, ist aber dringend wünschenswert. Als zweite Bemerkung zu dieser Definition der Substanz mag darauf hingewiesen werden, daß sie einen entschiedenen und bewußten Gegensatz zu Descartes darstellt. Vielleicht hat sogar die Auseinandersetzung mit Descartes zur Gewinnung dieses Substanzbegriffes entscheidend beigetragen. Die Unterscheidung zwischen res cogitans und res extensa bedeutet ja nicht nur, daß die res cogitans eine Substanz ist, dem würde Leibniz jederzeit voll zustimmen. Sie bedeutet darüber hinaus, daß auch die res extensa eine Substanz darstellt, und hier findet sich allerdings der entschiedene Gegensatz zwischen Leibniz und Descartes, nachdem Leibniz in Paris seine atomistische Periode überwunden hat. So kann der Aufsatz des Jahres 1694 gerade von dem Gegensatz zu Descartes ausgehen30. Von dem neuen Begriff der Substanz als der Aktivität und der Spontaneität her kann die res extensa keine Substanz sein, und sie soll es nach der Meinung von Leibniz auch nicht sein. Fragt man schließlich drittens, woher der Begriff der Substanz zu gewinnen sei, so antwortet Leibniz in Übereinstimmung mit seiner Begriffstheorie auch hier mit Entschiedenheit: aus uns selbst. Ich selbst bin eine Substanz, und den Begriff der Substanz gewinne ich, wenn ich mich selbst betrachte. In diesem Sinne sagt Leibniz in den Nouveaux Essais: „Ich bin der Meinung, daß die Reflexion hinreicht, um die Idee der Substanz in uns selbst, die wir ja Substanzen sind, zu finden."31 Man kann sagen, daß die Begriffe des Seins, der Einheit und der Substanz die wichtigsten Beispiele für eingeborene Ideen darstellen. In dem Netz der äquivalenten Begriffe treten dann weiter die Begriffe der Monade und des Lebewesens auf. Der Terminus Monade findet sich in den frühen Schriften noch nicht, Leibniz mag ihn wohl zwischen 1680 und 1690 gebildet haben, vielleicht hat er ihn tatsächlich, wie Stein vermutet, von van Helmont übernommen32. Bereits im vorigen

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Kapitel haben wir dargelegt, daß unserer Überzeugung nach die Monade immer ein Lebewesen ist, und daß wir Hegels Annahme, Leibniz kenne auch anorganische Monaden33, ablehnen müssen. So schreibt Leibniz etwa an des Bosses: „Sed ita substantiam corpoream seu compositam restringo ad sola viventia, seu ad solas machinas naturae organicas. Caetera mihi sunt mera aggregata substantiarum, quae appello substantiata; aggregatum vero non constituit nisi unum per accidens."34 In demselben Sinne sagt Leibniz auch in der Monadologie im § 63: „Le corps appartenant a une Monade qui en est PEntelechie ou l'Ame; constitue avec l'Entelechie ce qu'on peut apeller un v i v a n t, et avec l'Ame ce qu'on appelle un A n i m a l . " 3 5 Erwägt man diese Frage noch einmal vom bedeutungsanalytischen Standpunkt, so finden sich bei Leibniz viele Fragen, die dahin zu rechnen sind. Wenn wir noch einmal zusammenfassen dürfen, dann kann man also fragen: Wo ist nach Leibniz die Bedeutung von Sein und sind die ihr entsprechenden Bedeutungen von Substanz und Realität zu gewinnen? Die Antwort von Leibniz ist eindeutig: aus mir selbst. Aus mir selbst schöpfe ich mein Wissen um die Bedeutungen von Sein, Einheit, Substanz, Realität. Was heißt dies? Ich glaube, Leibniz will zunächst damit sagen, daß ich selbst eine Monade bin, daß ich selbst darüber hinaus das Urbild der Monade bin. Was eine Monade ist, mit allen auf sie bezüglichen ontologischen und ontischen Bestimmungen, das weiß ich aus mir selbst. All das kann ich gewinnen und kann ich allein gewinnen, wenn ich mich selbst betrachte. Dies gilt zunächst von den qualitativen Bestimmungen der Monaden, von perceptio und appetitus, beziehungsweise auf uns Menschen bezogen, von apperceptio und appetitus36. Was perceptio und appetitus sind, was Verstand und Willen sind, das erfahre ich, wenn ich mich selbst betrachte, und das erfahre ich nur auf diese Weise. Ich selbst habe Verstand und Willen, und wenn ich anderen Wesen Verstand und Willen zuschreibe, und die Monadenlehre schreibt allen Lebewesen perceptio und appetitus zu, dann sage ich im Grunde genommen nur, sie sind so wie ich. Dies gilt auch von den ontologischen Grundbestimmungen. Ich bin ein Seiendes, ich bin Einer, ich bin eine Substanz, ich bin real. Die ontologischen Grundbestimmungen ens, unum, substantia, realitas bin ich selbst, und ich gewinne sie aus mir selbst. Schreibe ich sie anderen Wesen zu, und Leibniz schreibt sie allen Monaden zu,

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so sage ich auch hier wieder im Grunde genommen lediglich: Sie sind wie ich. Daß die grundlegenden ontologischen Begriffe nicht durch eine empirische Erfahrung aus der uns umgebenden Welt gewonnen werden, sondern daß wir sie durch eine reine Erfahrung aus uns selbst gewinnen, das ist die feste These von Leibniz, und dies verbindet ihn in echter Weise mit Platon. Hier liegt auch eine echte Verbindung mit dem späteren Denken von Kant. Aus der Apriorität der reinen Grundbegriffe ergibt sich auch die Möglichkeit der von Kant herkommenden Interpretation von Cassirer87. Leibniz selbst ist sich auch klar darüber, daß er in dieser Frage mit Platon zusammengeht und daß er hier in einem betonten Gegensatz zu Aristoteles steht. Die Einleitung zu den Nouveaux Essais arbeitet diesen Gegensatz zu Aristoteles ganz klar heraus. Dies braucht nicht zu hindern, daß Leibniz in anderen Grundansätzen mit Aristoteles zusammengeht, und dies tut er auch tatsächlich, und er würde sich selbst, seine synthetische Grundeinstellung, verleugnen, wenn er dies nicht täte. Wenn man das in diesem Paragraphen Diskutierte überblickt, so könnte man es zunächst in die These zusammenfassen: Das eigentlich Seiende ist die Monade, das eigentliche ens ist die Monade. Um den Terminus „eigentlich" in „eigentlich Seiendes" aufzunehmen, könnte man sagen ens reale, und dann kann man die These formulieren: Die Monade ist das ens reale und sie allein. Zwar ist der Ausdruck ens reale in gewisser Weise ein Pleonasmus, da in ens der Begriff des reale bereits enthalten ist. Da aber etwa ens rationis und ens fictitium gebildet sind, so kann auch der Terminus ens reale vertreten werden. Der Terminus ens reale findet sich auch bei Leibniz selbst, schon in der ersten Dissertation, aber auch an späteren Stellen38. Im ganzen führt die These: Nur die Monade, nur das individuelle Lebewesen ist ein ens reale, dazu, daß die Individualität bei Leibniz zum tragenden Grundbegriff wird39. Dies ist zu fundamental, als daß es nicht schon immer gesehen worden wäre. Als erster hat wohl Jacobi darauf aufmerksam gemacht40. Schelling hat in den Ideen zu einer Philosophie der Natur auf Jacobis Interpretation hingewiesen und ist ihr beigetreten41. Auch Hegel weist in der Geschichte der Philosophie darauf hin und sagt zusammenfassend: „Das Grund-Princip des Leibnitz ist das Individuelle."42 Heimsoeth bezeichnet Leibniz als den

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extremsten Individualisten in der Geschichte des Denkens43. Kabitz hat dem Problem des Individuellen bei Leibniz seine besondere Aufmerksamkeit geschenkt44, und die große Leibnizdarstellung von Schmalenbach nimmt den Begriff des Individuellen als einen der wesentlichen Ausgangspunkte45. Mahnke schließlich faßt, wie bei allen anderen Fragen, auch so in der Frage des Individuellen die gegebenen Darstellungen übersichtlich zusammen46. Erwägt man den Zusammenhang mit der Geschichte der Philosophie, dann sieht man, daß in dieser Frage Leibniz wesentlich mit Aristoteles zusammengeht, wobei man vielleicht sagen kann, daß er den aristotelischen Standpunkt noch verschärft hat. Dies hat ja Aristoteles vertreten, daß die Substanz in ihrer eigentlichen Bedeutung, die substantia prima, das Individuelle, das ist, und daß alles andere Seiende im Sein der individuellen Substanz gegründet sein muß.

5 29 Qualitas Die Grundthese von Leibniz, daß das individuelle Einzelwesen, die Monade, die einzige Realität ist, und daß in diesem individuellen Einzelwesen alle Realität umfangen ist, wird nun dadurch verschärft, daß allem anderen die eigentliche Realität abgesprochen wird. Man ist nur allzu leicht geneigt, den negativen Teil eines solchen Standpunktes allein als eine Auseinandersetzung mit einem Universalienrealismus anzusehen. Das ist er natürlich auch, und hier liegt der große Gegensatz zwischen Platon und Aristoteles. Für Platon ist die Idee, also das Allgemeine, das eigentlich Seiende, das einzig Reale. Für Aristoteles dagegen ist nur das Individuelle im eigentlichen Sinne real, und das Allgemeine existiert nur soweit, als es im Individuellen fundiert ist. Die Möglichkeit, die Allgemeinbegriffe als besondere Entitäten, ja, als die eigentlichen Entitäten aufzufassen, wird, wenn ich recht sehe, von Leibniz überhaupt nicht ernsthaft in Erwägung gezogen. In dieser Frage ist er durchaus Aristoteliker. Wenn Leibniz die Allgemeinbegriffe als Gedanken Gottes auffaßt, so genügt ihm dies, um sich als echten Schüler Platons zu verstehen. Dagegen habe ich keine Stelle gefunden, an der er die Allgemeinbegriffe als besondere Entitäten auffaßt, oder an der er auch nur gegen eine solche Auffassung polemisiert. Der

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Kampf gegen die über die individuellen Einzelwesen hinausgehenden Entitäten spielt für Leibniz eine große Rolle, aber er ist für ihn ausschließlich ein Kampf gegen die Auffassung der Qualitäten und der Relationen, insbesondere des Raumes und der Zeit, als besondere Entitäten. Die Qualität ist kein ens reale, die Relation ist kein ens reale, diese These bringt Leibniz in eine lange Auseinandersetzung mit dem scholastischen Denken, gerade diese Auseinandersetzung ist aber geeignet, die Bedeutung von Realität weiterhin zu klären. Die schulmäßige Erörterung der Qualität, wie sie Leibniz zunächst kennnengelernt haben dürfte, begreift die Qualität wesentlich als einen allgemeinen Begriff und fragt nach den Arten, die unter diesem allgemeinen Begriff stehen. Aristoteles folgend, werden vier Arten von Qualität unterschieden, Leibniz hat die übliche Einteilung vielleicht bei Suarez kennengelernt, der darüber folgendes sagt: „Aristoteles tacite dividens qualitatem in Praedicamentis, quatuor ejus numerat species, unamquamque earum binembrem, vel binomiam constituens, scilicet, habitum et dispositionem, naturalem potentiam et impotentiam, passionem et passivam qualitatem, figuram et formam."* Von dieser ersten schulmäßigen Behandlung der Qualität lassen sich noch einige Spuren auffinden. So sagt Leibniz im oben zitierten Brief an Wagner: „Die gröste lust empfand ich an den so genanten praedicamenten . . . Ich fragte offt mich und meine Mitschühler, in welches Prädicament und deßen Fach wohl dieß oder jenes gehöhren möchte, . . . denn da darff man sich oder andere nur nach gewißen praedicamenten und deren ferneren eintheilungen (davon ich gar ausführliche Tafeln auß allerhand Logicken zusammengetragen hatte) befragen und gleichsam examiniren . . . " 2 . Die ausführlichen Tafeln, die der Junge aus allerhand Logiken zusammenträgt, beziehen sich offenbar nicht auf die Kategorien selbst, an denen ja nicht viel zusammenzutragen wäre, sondern auf die ferneren Einteilungen, wie die eben gegebenen des Suarez, etwa der Qualität, in die vier Spezies. Ebenfalls in einer früheren Schrift, in De arte combinatoria, werden die vier Grundqualitäten des Aristoteles, warm, kalt, feucht, trocken als qualitates primae bezeichnet*. Diese erste Jugendzeit wird jedoch bald von der frühen Wendung zum Atomismus überschattet. Der Atomismus greift tief in die aristotelische Kategorienlehre ein. Mit systematischer Notwendigkeit läßt der Atomismus nur die rein mechanischen Eigenschaften gelten, alle

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anderen Eigenschaften werden ihm zu bloßen Phänomenen. Deshalb unterscheidet der Atomismus notwendig zwischen primären und sekundären Qualitäten, nur die mechanischen Eigenschaften sind als die primären Qualitäten real, alle anderen Eigenschaften sind bloß Erscheinungen für ein wahrnehmendes Subjekt, sie sind deshalb bloß phänomenal. So wird das Problem der Qualität schon vom Atomismus her ein Realitätsproblem, und wir treffen auf die Frage, was unter der Realität einer Qualität zu verstehen sei. Das Problem wird dadurch kompliziert, daß sich von verschiedenen Standpunkten aus verschiedene Antworten ergeben. Wir diskutieren das Problem zunächst vom aristotelisch-scholastischen Standpunkt aus, der unter Ablehnung des Atomismus eine Kontinuitätstheorie vertritt. Präzis faßbar ist er erst in der Scholastik, mit wirklicher Bestimmtheit sogar erst bei Duns Scotus. Ich glaube allerdings, daß die Lehre des Duns Scotus mit der Überzeugung des Aquinaten und vielleicht auch mit der Oberzeugung von Aristoteles selbst übereinstimmt, wenn auch die Übereinstimmung zwischen Duns Scotus und Aristoteles in der Frage der Realität der Qualitäten so lange fraglich bleiben muß, bis genaue Einzeluntersuchungen vorliegen. Die Realität der Qualitäten wird in der Scholastik dahin verstanden, daß die Qualitäten besondere Entitäten sind, die durch eine distinctio realis von der Substanz, voneinander und von allen anderen Entitäten unterschieden sind. Ich will diese Lehre die Lehre von der absoluten Realität der Qualitäten nennen. Die Lehre ist bei Thomas der Sache nach da, sie wird von Duns Scotus terminologisch fixiert, Ockham hält sie dem Inhalt, wenn auch nicht dem Umfang nach, fest, Suarez gibt wie immer einen genauen zuverlässigen Bericht und eine vermittelnde Darstellung. Duns Scotus unterscheidet drei Weisen des Seins: das ens reale, das ens formale und das ens rationis. Dabei sind ens reale und ens rationis der ursprüngliche Gegensatz des Realen zum bloß Gedachten. Das traditionelle Beispiel für ens rationis sind die Fabeltiere. Duns Scotus stellt zwischen die beiden Seinsweisen als neue dritte Seinsweise das ens formale. Zum ens rationis rechnen nach wie vor alle bloß gedachten Bestimmungen, zum ens reale alle Substanzen und Akzidenzien, zum ens formale insbesondere die transzendentalen Bestimmungen. Den drei Seinsweisen korrespondieren drei Seinsunterschiede, ein ens rationis

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unterscheidet sich von seinem Träger und von einem anderen ens rationis durch eine distinctio rationis. Zwei Namen für dieselbe Person unterscheiden sich voneinander und von dem Träger durch eine distinctio rationis, beispielsweise Achill und der Pelide. Durch eine distinctio realis unterscheiden sich zwei Substanzen voneinander, es unterscheidet sich dadurch ein Akzidens von seiner Substanz, es unterscheiden sich dadurch zwei Akzidenzien voneinander. Durch eine distinctio formalis unterscheiden sich transzendentale Bestimmungen voneinander — beispielsweise ens und unum — und von ihrem Träger. In seiner Dissertation greift Leibniz ausdrücklich auf Duns Scotus zurück, distinctio formalis tribuitur „Scoto ut media inter r e a l e m et r a t i o n i s , unde ejus sectatores dicti F o r m a l i s t a e " 4 . Ockham nimmt diese Bestimmungen auf, allerdings reduziert er sie dem Umfang nach. Es gibt für ihn nur noch wenige Qualitäten, die ein ens reale darstellen, die sich also durch eine distinctio realis voneinander und von ihrer Substanz unterscheiden. Dagegen lehnt er für die Quantität und für die meisten Qualitäten den Charakter als ens reale und die Bestimmung durch eine distinctio realis ab. In dieser Auseinandersetzung muß es ihm darum gehen, die Bedeutung von ens reale und distinctio realis weiter zu klären. Nach seinen Erwägungen kann die Bedeutung der beiden Termini nur von den Substanzen her genommen werden. Eine Substanz ist ein ens reale, und zwei Substanzen unterscheiden sich voneinander durch eine distinctio realis. In diesem Sinne versteht er das ens reale als eine res absoluta realiter distincta ab omnibus aliis rebus absolutis5. In diesem Sinne sind für Ockham die Substanz und die realen Qualitäten res absolutae realiter distinctae. Mir scheint es naheliegend, von hier aus den Terminus absolute Realität zu verstehen, und auch Kants Terminus absolute Realität steht wohl in einem Zusammenhang hiermit. Ich verstehe also unter absoluter Realität das Sein, wie es von Duns Scotus den Substanzen und allen Akzidenzien, und wie es von Ockham den Substanzen und einigen Qualitäten zugeschrieben wird. Für unsere Erwägungen kommt es wesentlich darauf an, daß diese absolute Realität den Qualitäten zugeschrieben wird, sei es allen oder einigen. Sachlich dreht es sich besonders um die vier Grundqualitäten, die Aristoteles herausgestellt hatte: kalt, warm, trocken, feucht. Dazu treten dann als ein stets besonders herausgestelltes Thema die Farben.

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Faßt man alle Qualitäten als absolute Realitäten auf, dann gilt dies insbesondere von dem eben umgrenzten Bereich. Die vier Grundqualitäten des Aristoteles und im allgemeinen auch die Farben sind dann je ein ens reale, eine res absoluta realiter distincta, die durch eine distinctio realis von ihrer Substanz und von allen anderen absoluten Realitäten unterschieden ist. Dieser Standpunkt bildet die Lehre von den formae sensibiles aus6. Die Realität dieser Qualitäten besteht also darin, daß sie besondere res sind, und in dieser Bedeutung haben wir den Terminus Entität verwendet. Die eben bezeichneten Qualitäten machen den Kern der sekundären Qualitäten aus. Gegen die Hypostasierung der sekundären Qualitäten zu absoluten Realitäten wendet sich Leibniz leidenschaftlich und sein ganzes Leben hindurch, wobei allerdings für die Studentenzeit und für die allerersten Jahre noch keine ganz klare Bestimmung möglich ist. Gegen eine solche Hypostasierung wendet er Ockhams Prinzip an, obwohl Ockham selbst an der absoluten Realität einiger sekundärer Qualitäten festgehalten hatte. Dieser Zusammenhang mit Ockhams Prinzip kommt deutlich in der 1668 geschriebenen und 1669 publizierten Confessio naturae contra Atheistas zum Ausdruck: „ . . . in reddendis corporalium Phaenomenorum rationibus neque ad Deum, neque aliam quamcumque rem, formamque aut qualitatem incorporalem sine necessitate confugiendum esse"7. Die Auseinandersetzung Leibnizens mit der absoluten Realität der sekundären Qualitäten erfolgt zunächst von einem rein atomistischen Standpunkt aus. Es handelt sich um ein ebenso merkwürdiges wie kurzes Zwischenspiel in der Entwicklung von Leibniz. Aus den beiden frühen Schriften De principio indivldm und De arte combinatoria läßt sich kein sicherer Schluß über die Stellung von Leibniz ziehen, ich möchte aber annehmen, daß er im wesentlichen auf dem aristotelischen Boden seiner Lehrer gestanden hat. Dann folgt eine energische, wenn auch kurze atomistische Phase. Der leere Raum ist eine Substanz8. In dem leeren Raum existieren als weitere Substanzen die Atome*. Die Atome unterscheiden sich nur durch magnitude, figura et motus10. Dies ist das alte Programm der Atomistik, schon durch Demokrit entwickelt, vielleicht durch Gassendi vermittelt, und von Leibniz mit aller Begeisterung der Jugend aufgenommen. Magnitude, figura und motus sind die einzigen primären Quali-

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täten, die zur Erklärung der Natur benutzt werden dürfen: „ . . . sed omnia quoad ejus fieri possit, ex natura corporis, primisque ejus qualitatibus: Magnitudine, Figura et Motu deducenda esse" n. Kurz darauf schreibt Leibniz in dem 1670 publizierten Brief an Thomasius: „Nam etsi utraque explicatio et scholasticorum et recentiorum esset possibilis, ex duabus tarnen possibilibus Hypothesibus semper eligenda est clarior et intelligibilior, qualis haud dubie est hypothesis recentiorum, quae nulla entia incorporalia in mediis corporibus sibi fingit, sed praeter magnitudinem, figuram et motum assumit nihil."12 Aus diesem Ansatz folgt ohne weiteres, daß alle sekundären Qualitäten keine selbständigen Entitäten darstellen, daß sie vielmehr auf magnitude, figura und motus als die primären Qualitäten reduziert werden können und also müssen. Dies gilt insbesondere von den Farben. Leibniz selbst gibt ein anschauliches Beispiel dafür, wie er sich die weiße Farbe von schäumendem Wasser dadurch gegeben denkt, daß die Oberfläche des schäumenden Wassers aus lauter kleinen Bläschen besteht13. Die qualitates sensibiles sind also ein Hirngespinst14, es gibt nur die Atome und ihre mechanischen Bestimmungen. In diesem Kampf gegen das Hirngespinst der formae sensibiles entlädt sich die Auseinandersetzung der beginnenden Neuzeit mit dem Mittelalter, und an dieser polemischen Grundstimmung nimmt Leibniz den lebhaftesten Anteil. Den Standpunkt, den Leibniz jetzt einnimmt, kann man also dahingehend kennzeichnen: Die sekundären Qualitäten sind bloße Phänomene, die primären Qualitäten sind real. Es wäre nun wünschenswert, daß Leibniz den Sinn dieser These genauer bestimmt hätte, dafür hätte er insbesondere bestimmen müssen, was mit der Realität der primären Qualitäten gesagt werden soll. Dies wird nun dadurch verhindert, daß dieser Standpunkt bald aufgegeben wird, weil Leibniz mit der beginnenden Monadenlehre nicht nur die sekundären Qualitäten, sondern auch die primären Qualitäten als Phänomene interpretiert. Dieser zweite Schritt kommt deutlich in der zum ersten Mal von Erdmann publizierten Untersuchung De modo distinguendi phaenomena realia ab imaginariis zum Ausdruck: „De corporibus demonstrare possum non tantum lucem, calorem, colorem et similes qualitates esse apparentes, sed et motum et figuram et extensionem." 15 Der eben skizzierte Standpunkt: Die sekundären Qualitäten sind

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phänomenal, die primären Qualitäten sind real, hat nämlidi eine Reihe von Voraussetzungen, an denen Leibniz nur zum Teil festhält. Er setzt zunächst die Unterscheidung von sekundären und primären Qualitäten voraus. An dieser Unterscheidung dürfte Leibniz immer festgehalten haben, wenn sie für ihn auch an Bedeutung verloren hat. Er findet diese Unterscheidung etwa bei Locke16 und tritt ihr in den Nouveaux Essais zunächst bei17. Weiter setzt der Standpunkt voraus, daß eine rein mechanische Naturerklärung gefordert wird. An der Idee einer rein mechanischen Naturerklärung hält Leibniz stets fest. 1678 schreibt er an Conring: „ O m n i a f i e r i M e c h a n i c ^ in n a t u r a, id est certis legibus Mathematicis a Deo praescriptis, nescio cur inter absurdissima numeres. Ego nihil agnosco in rebus quam corpora et mentes, nee in mentibus nisi intellectum et voluntatem, nee in corporibus quatenus a mente sejunguntur, nisi magnitudinem et figuram et situm, et horum mutationem in partibus vel toto. Caetera dicuntur non intelliguntur: sunt sine mente soni."18 Hier kommt in der Formulierung „sunt sine mente soni" die Grundstimmung gegen die Hypostasierung der sekundären Qualitäten deutlich zum Ausdruck. An des Bosses schreibt Leibniz im Herbst 1706: „Verum est omnia phaenomena corporum naturalia (praeter perceptiones) posse explicari per magnitudinem, figuram et motum."19 So kann Leibniz zusammenfassend an Bernoulli schreiben: „Saepe dixi omnia in natura fieri mechanice."20 Dagegen wird der atomistische Standpunkt von Leibniz bald wieder zugunsten der Kontinuitätsthese verlassen. Wie wir im ersten Teil gesehen haben, ist nach der Auffassung von Leibniz die faktisch existierende Welt kontinuierlich von Materie erfüllt, während die Atomtheorie, wenn sie überhaupt widerspruchsfrei sein sollte, nur für gewisse mögliche Welten zutreffen kann. Dieser Übergang von der Atomtheorie zur Kontinuitätsthese muß nun auch eine Veränderung in der Interpretation der primären Qualitäten nach sich ziehen. Die Möglichkeit einer atomaren Welt mag nun für Leibniz, wie immer auch, entschieden werden, in der wirklichen Welt ist die Materie stetig im Raum verteilt, und damit allein hat sich die Physik, und also die Metaphysik, in erster Linie zu beschäftigen. Hält man an der mechanischen Naturerklärung fest, dann sind materia, magnitude, forma, motus die mechanischen Grundkategorien, innerhalb deren die

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Physik zu bleiben hat. Für die Philosophie ergibt sich die Aufgabe zu fragen, welche Bedeutung die Realität dieser Grundkategorien haben kann. Wir werden später sehen, daß sie als phaenomena bene fundata interpretiert werden. Damit dies aber möglich wird, müssen auch die mechanischen Grundkategorien zunächst ihren Charakter als absolute Realitäten verlieren. In welcher Bedeutung können materia, magnitudo, figura und motus real genannt werden? Wenden wir uns zunächst den drei letzten Begriffen zu, so handelt es sich um die primären Qualitäten. Sie werden in der Scholastik von Duns Scotus und der Sache nach auch von Thomas als reale Akzidenzien und insbesondere als reale Qualitäten aufgefaßt. Dies bedeutet insbesondere für Duns Scotus, daß sie res absolutae realiter distinctae sind, ihnen entsprechen formae sensibiles; sie sind besondere Entitäten, die durch eine Realdistinktion von den Substanzen und voneinander verschieden sind. Allein, eine kategorialanalytische Untersuchung, die weithin schon Ockham durchgeführt hatte, zeigt, daß dies eine viel zu einfache Darstellung des Problems ist. Ich glaube, daß man sich den Gedankengang von Leibniz etwa in folgender Weise vorstellen darf. Zunächst ist die magnitudo eine Quantität. Nun hatte zwar Duns Scotus auch die Quantität, sicher wenigstens die quantitas continua, als ein reales Akzidens im eigentlichen Sinne bestimmt. Aber dagegen hatte sich schon Ockham gewandt. Praktisch bedeutet dies, daß die kategoriale Eigenständigkeit der Quantität aufgehoben wird und daß die Quantität kategorial unter die Relation subsumiert wird. Wir haben im ersten Teil gesehen, daß auch Leibniz dies getan hat21. Fällt aber die Quantität kategorial unter die Relation, dann fällt sie auch unter deren ontologische Bestimmung, und wir werden im nächsten Paragraphen sehen, daß die Relation für Leibniz keine absolute Realität hat. Motus, die Bewegung, fällt von vornherein aus dem eigentlichen Kreis der Qualitäten heraus. Bei der genaueren Analyse zeigt sich, daß sie ebenfalls ein Relationsphänomen ist, und dies gilt jedenfalls für Leibniz. Es bleibt nur die figura übrig, die allein Aussicht hätte, als ein reales Akzidens bestimmt werden zu können. Ein reales Akzidens ist sie in der Tat auch für Thomas und Duns Scotus und nach der Auffassung

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dieser Philosophen auch für Aristoteles. Aber bei einer solchen Bestimmung der Figur treten sofort Schwierigkeiten auf, die bereits Ockham gesehen hat. Wenn man etwa eine Stahlklinge biegt, so ändert sich doch ihre Form, ihre figura. Sie geht aus der Geraden in eine Biegung von verschiedener Krümmung über. Ist nun jede Figur ein reales Akzidens, dann müßte sie durch jede Verbiegung eine neue Entität bekommen und die alte verlieren. Nun vollzieht sich aber doch die Biegung kontinuierlich. Es ist aber doch kaum denkbar, daß die Stahlklinge kontinuierlich reale Akzidenzien verlieren und neue reale Akzidenzien bekommen sollte22. Ein anderes sehr instruktives Gegenbeispiel gibt Leibniz selbst. Eine exerzierende Truppe kann manche Formen, kann manche Figuren bilden: ein Quadrat, eine Linie, eine Reihe23. Es scheint aber doch ganz abwegig, diese schnell veränderlichen Figuren als reale Akzidenzien zu betrachten. Dies von Leibniz gegebene Gegenbeispiel hängt offensichtlich direkt mit seiner Kontinuitätsthese zusammen. Erfüllt die Materie den Raum stetig, so entstehen alle in der materiellen Welt auftretenden Formen und Figuren durch eine stetige Bewegung und sie vergehen auch durch eine stetige Bewegung. Es gibt in einer kontinuierlichen Welt überhaupt keine festen Formen und Figuren, sondern alles ist in einer ständigen und kontinuierlichen Bewegung begriffen. Man sieht also gar keinen Ansatzpunkt, um der in stetiger Bewegung begriffenen figurierten Materie reale Akzidenzien zuzuschreiben. Nachdem sich Leibniz also zunächst der Bestimmung der sekundären Qualitäten als bloßer Phänomene angeschlossen hat, verlieren jetzt für ihn auch die primären Qualitäten ihr Sein als absolute Realität, auch die primären Qualitäten erweisen sich als bloße Phänomene. Wir sehen daher, mit welchem Recht Leibniz in der oben schon zitierten Stelle sagen kann: „De corporibus demonstrare possum non tantum lucem, calorem, colorem et similes qualitates esse apparentes, sed et motum et figuram et extensionem."24 Übrig bleibt die Materie als solche. Leibniz liegen zwei Lösungsmöglichkeiten vor. Thomas und Duns Scotus betrachten die Materie als quantitas continua, als ein reales Akzidens im spezifischen Sinne. Descartes betrachtet die Materie als res extensa, als besondere Substanz. Für beide Auffassungen ist die Materie eine besondere Entität von absoluter Realität, wenn auch in verschiedenem Sinne, das eine Mal als Substanz, das andere Mal als reales Akzidens von absoluter

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Realität. Leibniz lehnt beide Auffassungen ab; für ihn hat die Materie als solche einen bloß phänomenalen Charakter. Dies bedeutet also, wenn wir die im nächsten Paragraphen noch zu diskutierende Phänomenalität der Relation hinzunehmen, daß alle Begriffe der Physik von bloßen Phänomenen handeln 25 . Wir werden jedoch gegen Ende des Kapitels zu zeigen versuchen, daß im Begriff der lebendigen Energie auch in der Physik eine Bestimmung auftaucht, die über den extrem phänomenalen Charakter hinausgeht. Leibniz faßt also jetzt die sekundären Qualitäten, die primären Qualitäten und die von den Scholastikern im allgemeinen als Qualität aufgefaßte Materie rein phänomenal auf. Es gibt überhaupt keine Qualitäten mehr, die als besondere Entitäten absoluter Realität durch eine distinctio realis bestimmt wären. Man kann also sagen, daß in gewisser Weise der Begriff der Qualität seine selbständige Bedeutung verloren hat. Das bedeutet nicht, daß Leibniz auf den Terminus Qualität überhaupt verzichtet. So spricht er im § 8 der Monadologie ausdrücklich von den Qualitäten der Monaden: „Cependant il faut que les Monades ayent quelques qualites, autrement ce ne seroient pas meme des Etres . . . et les Monades etant sans qualites, seroient indistinguables Tune de l'autre."29 Allein hier hat der Begriff der Qualität die alte ontologische Belastung verloren. Die Qualitäten, durch die sich die Monaden voneinander unterscheiden, sind ihre Vorstellungsakte (perceptio) und ihre Willensakte (appetitus). Nun kann man zwar perceptio und appetitus als Qualitäten bezeichnen, aber sie sind dann keine Qualitäten im spezifischen Sinn, keine Akzidenzien, die von ihren Substanzen als besondere Realitäten unterschieden wären. Soweit ich weiß, hat noch niemand Vorstellungsakte und Willensakte in dieser Weise als besondere Entitäten bezeichnet, und Leibniz hat dies gewiß nicht getan. Ich kann nicht umhin, darauf hinzuweisen, daß sich in der Theoäizee zweimal ausdrücklich die Behauptung findet, daß die Qualitäten Akzidenzien seien, die durch eine Realdistinktion von ihrer Substanz unterschieden sind: „Ce qui fait voir aussi qu'il y a une distinction reelle entre la substance et ses modifications ou accidens, contre le sentiment de quelques modernes, et particulierement de feu M. le Due de Buckingham, qui en a parl£ dans un petit discours sur la Religion, reimprime depuis peu."27 Dieselbe Ansicht findet man auch an einer weiteren

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Kap. 10: Ens Qua Ens

Stelle der Theodizee26. In der Tat hatte Buckingham in einer ganz kleinen Gelegenheitsschrift gesagt: „Accident then does not signifie a Being distinct from Body or Matter."29 Warum Leibniz auf diese kleine Schrift Bezug nimmt, die überdies das Problem nur zufällig streift, vermag ich nicht zu erraten. Prüft man die Stellen der Theodizee in ihrem Zusammenhang, dann sieht man — zu diesem Ergebnis bin ich jedenfalls gekommen —, daß Leibniz keineswegs etwa auf den Standpunkt von Duns Scotus zurückkehren will. Es geht ihm vielmehr um eine Abwehr eines extremen Spinozismus, der eine reale Unterscheidung zwischen Gott und den geschaffenen Substanzen gänzlich leugnen will. Es gibt jedenfalls gewichtige Stellen, an denen Leibniz eine Realdistinktion zwischen Substanz und Akzidens grundsätzlich ablehnt. Hierher gehört zunächst ein Brief an Malebranche30. Auch in den Nouveaux Essais lehnt Leibniz den Begriff des Akzidens als einer realdistinkten Entität von absoluter Realität ab81. Schließlich findet man im Briefwechsel mit des Bosses eine ausdrückliche Auseinandersetzung über die Frage. Leibniz lehnt zunächst eine Realdistinktion zwischen Substanz und Akzidens ab: „Veniamus jam ad accidentia realia, quae huic Rei unitivae inerant tanquam subjecto. Et convenies, opinor, quaedam esse non nisi ejus modificationes, quae proinde cum ipsa sublata tollentur. Sed quaeritur, an non sint accidentia quaedam, quae sint plus quam modificationes. Videntur autem haec esse plane superflua, et quicquid ipsis praeter modificationes inest, videtur ad ipsam pertinere rem substantialem."82 Des Bosses hat widersprochen und die Realdistinktion vertreten33, was von seinem Standpunkt freilich zu erwarten war. In seinem Brief vom 19. 8. 1715 geht Leibniz auf diese Frage nochmals ein. Zunächst hat des Bosses die selbständige Realität der Akzidenzien vertreten. „Ais non videre Te, cur non possit aliquid Reale esse, quod s u b s t a n t i a l e non sit."3* Leibniz lehnt dies zwar höflich, aber doch unzweideutig ab: „Itaque nescio an detur accidens praedicamentale realiter distinctum a subjecto, quod non sit accidens praedicabile; et an detur accidens praedicabile, quod non sit modificatio; quemadmodum jam dubitavi, an detur accidens praedicamentale distinctum a subjecto, quod modificatio non sit."3i Ich glaube daher, daß die eigentliche Meinung von Leibniz so zusam-

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mengefaßt werden kann: Weder die sekundären noch die primären Qualitäten noch die Materie sind real distinkte Akzidenzien von absoluter Realität, die als besondere Entitäten neben den Substanzen, für Leibniz also neben den Monaden, existieren. Nur die Monaden haben eine absolute Realität, die sekundären Qualitäten, die primären Qualitäten, die Materie haben ein bloß phänomenales Sein.

$ 30 Relatio Die Relation wird vom Denken hervorgebracht, das ist die These, die Leibniz immer wieder formuliert. So sagt er im zweiten Buch der Nouveanx Essais: „Cette division des objets de nos pensees en substances, modes, et relations, est assez ä mon gr£. Je crois que les qualites ne sont que des modifications des substances et l'entendement y adjoute les relations. II s'en suit plus qu'on ne pense."1 Die Frage nach der Realität der Relation ist ein vieldiskutiertes Problem. Dies liegt einmal an der weittragenden Bedeutung der Relation. Im Mittelalter erwies sich die Relation für fundamentale theologische Probleme als ausschlaggebend, in der Neuzeit erweist sich die Relation als die Grundkategorie der Mathematik und Physik. Aber auch in der ontologischen Problematik macht die Interpretation der Relation als eines Akzidens von absoluter Realität, also als einer Entität im spezifischen Sinne, die Probleme besonders durchsichtig, weil eine solche Interpretation bei der Relation viel problematischer ist als etwa bei der Qualität. Will man irgendwelche kategorialen Bestimmungen seinsmäßig als bloße Vorstellungen interpretieren, dann bietet jedenfalls die Relation die naheliegendsten und überzeugendsten Phänomene. Zum mindesten gewisse Relationen hängen von bloßen Vorstellungen ab, oder sind bloße Vorstellungen; dies ist von niemandem bezweifelt worden. Zu den naheliegenden Beispielen gehören rechts und links, zwei Relationsbegriffe, die vom Standpunkt des Betrachters abhängen. Viele Relationen der Folge und der Ordnung hängen von ganz willkürlichen und vorübergehenden Festsetzungen ab. Man denke etwa daran, wie bei den Spielen der Kinder Rangfolgen durch Abzählreime festgesetzt

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werden. Leibniz verweist bei der Wiedergabe von Lockes Standpunkt in den Nouveaux Essais auf Rangfolgen, also Relationssysteme, im Zusammenleben der Menschen, die offenbar willkürlichen Konventionen entstammen: „Als Grundlage einer Beziehung dient mitunter ein moralisches Rechtsverhältnis: so z. B. in der Beziehung eines Heerführers oder Bürgers. Diese Relationen sind, da sie von Vereinbarungen abhängig sind, die die Menschen untereinander getroffen haben, willkürliche oder konventionelle Beziehungen."2 So haben alle diejenigen, die die Realität der Relationen zu bestimmen versucht haben, eingeräumt, daß es gewisse Relationen gibt, die durch das Denken der Menschen willkürlich gesetzt worden sind. Eine solche Relation wird als ein ens rationis bezeichnet. Kant übersetzt diesen alten ontologischen Terminus mit Gedankending, Leibniz verwendet meistens die einfache Übertragung: etre de raison, etwa: „Les relations et les ordres ont quelque chose d e l ' e t r e de r a i s o n . " 8 Wird in diesem Sinne eingeräumt, daß es zum mindesten gewisse Relationen gibt, die von dem Denken hervorgebracht sind, dann kann es nur noch die Frage sein, ob es neben diesen Relationen noch Relationen anderen Seins gibt. Bezeichnet man die aus dem Denken stammenden Relationen als rationale Relationen und unterscheidet von ihnen zunächst vorläufig die realen Relationen, dann erhebt sich die Frage, worin die Realität der realen Relationen besteht. Die erste ausdrückliche Formulierung einer Antwort finden wir, wenn ich recht sehe, bei Duns Scotus. Duns Scotus unterscheidet von der ontologischen Interpretation her drei verschiedene Relationen: relatio rationis, relatio formalis, relatio realis 4. Die relatio rationis ist die von den Festsetzungen des Denkens abhängige und also aus dem Denken stammende Relation. Die relatio formalis umfaßt im wesentlichen die transzendentalen Relationen. Zu ihr gehören die Beziehungen zwischen den transzendentalen Bestimmungen, zwischen dem esse unum und dem esse bonum einer Substanz, aber auch die Beziehung zwischen dem esse bonum und der Substanz selbst. Hierher rechnet Duns Scotus auch gewisse allgemeine Beziehungen, deren Interpretation seit jeher Schwierigkeiten gemacht hat. Es dreht sich dabei besonders um die Verschiedenheit5. Hierher gehört auch eine Reihe von Beziehungen, die in der Theologie zur Sprache kommen, beispiels-

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weise das esse creatum der Geschöpfe9. Darüber hinaus nimmt Duns Scotus aber auch noch reale Beziehungen im strengen Sinne an. Diese realen Relationen sind nach Duns Scotus Akzidenzien im strengen Sinne des Wortes, sie sind also selbständige Entitäten, die voneinander, die von den anderen Akzidenzien, etwa den Qualitäten, und die von dem tragenden Substrat, einer Substanz oder einem Akzidens, durch eine distinctio realis unterschieden sind. In der Formulierung Ockhams ist also eine solche Relation im strengen Sinne eine res absoluta realiter distincta7. Duns Scotus nennt als Beispiele die Gleichheit und die Vater-Sohn-Beziehung, alte, schon von Aristoteles allgemein für die Beziehung gegebene Beispiele8. Gegen eine solche ontologische Interpretation der realen Relation als einer res absoluta realiter distincta richtet sich nun der entschiedene Angriff Ockhams und der ihm folgenden Denker. Hiergegen wendet sich Suarez10, hiergegen wenden sich die englischen Empiristen, insbesondere Hobbesu und Locke12, und gegen eine solche Interpretation wendet sich mit der gleichen Entschiedenheit Leibniz selbst. Für alle diese Denker bleibt ein Unterschied zwischen einer relatio rationis und einer relatio realis bestehen, am wenigsten allerdings für die englischen Empiristen und, wie wir noch sehen werden, für Leibniz selbst. Die Frage geht dahin, ob die Realität einer realen Relation als einer res absoluta realiter distincta im Sinne von Duns Scotus verstanden werden kann, und wenn das nicht der Fall ist, wie sie sonst verstanden werden kann. Leibniz muß meines Erachtens aus dieser Tradition heraus verstanden werden. Bertrand Russell, der diese Zusammenhänge nicht genügend beachtet hat, hat Leibniz in diesem Punkt nicht selten mißverstanden". Die Auffassung einer realen Relation als einer res absoluta realiter distincta stößt nämlich auf Schwierigkeiten, die Ockham schon herausgearbeitet hat, die in der Folgezeit oft wiederholt worden sind, und die auch Leibniz immer wieder geltend macht. Die Auffassung der Relation als einer absoluten Realität führt nämlich auf eine Seinsvermehrung ins Unendliche, und sie ist mit dem Begriff des Akzidens als solchem unvereinbar. Das erste Problem ist das Problem der Seinsvervielfältigung. Dies wird besonders deutlich, wenn man die Verschiedenheit als ein Akzidens im strengen Sinn auffaßt, was übrigens weder Thomas noch

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Duns Scotus tun. Für eine solche Auffassung wäre jede Substanz gegen jede andere Substanz real verschieden, die Substanz A hätte also ein reales Akzidens „Verschiedenheit gegen B", und natürlich auch ein reales Akzidens „Verschiedenheit gegen C" usw. Nun wird zwar die Zahl der Substanzen im scholastisch-mittelalterlichen Denken als endlich angenommen, und so hätte zwar die Substanz A von der Verschiedenheit gegen andere Substanzen B, C,... zunächst nur endlich viele reale Akzidenzien. Aber ihre Zahl wäre doch recht groß, und zudem wären sie in einer unaufhörlichen Veränderung begriffen. Jedes Entstehen einer Substanz N läßt ja in A ein neues Akzidens „Verschiedenheit gegen N" entstehen, und jedes Vergehen einer Substanz N läßt in A das reale Akzidens „Verschiedenheit gegen N" vergehen. Aber die Interpretation der Verschiedenheit als einer res absoluta realiter distincta führt auch auf einen unendlichen Regreß. Die Substanz A muß nämlich von ihrem Akzidens „Verschiedenheit gegen B" ihrerseits verschieden sein. Diese Verschiedenheit muß wiederum ein reales Akzidens sein, und diese Substanz A muß also nicht nur ein reales Akzidens „Verschiedenheit gegen B" haben, sondern sie muß ein weiteres Akzidens „Verschiedenheit gegen die Verschiedenheit gegen B" haben. Man erkennt leicht den hier anlaufenden unendlichen Regreß. Das Prinzip „Entia non sunt multiplicanda praeter necessitatem" dürfte in besonderer Weise gegen eine solche unendliche Seinsanhäufung in jedem einzelnen Seienden gerichtet sein. Nun treffen diese Erwägungen Duns Scotus zwar zunächst nicht, da der subtile Denker, vielleicht gerade auf diese Erwägungen hin, die Verschiedenheit nicht als eine relatio realis, sondern als eine relatio formalis betrachtet. Die Verschiedenheit ist also keine res absoluta, und der unendliche Regreß kann nicht in Gang kommen. Die Gleichheit wird zwar von Duns Scotus als reale Relation im strengen Sinne aufgefaßt, aber auch hier vermeidet er einen unendlichen Regreß, weil er die Beziehung zwischen einem Akzidens und der tragenden Substanz, in unserem Fall also die Beziehung zwischen der Gleichheit als einem realen Akzidens und der tragenden Substanz ihrerseits, nicht als eine reale Beziehung, sondern nur als eine formale Beziehung auffaßt. Dagegen scheint der unendliche Regreß bei der Zahl unvermeidbar zu sein. Die Zahl wird von den Scholastikern zur quantitas discreta

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gerechnet. Die bei der Zahl auftretenden Schwierigkeiten werden dann von den Scholastikern, etwa von Duns Scotus, Ockham oder Suarez unter dem Titel der Quantität diskutiert. Wir rechnen sie hierher, weil, wie wir im Kapitel IV gesehen haben, Leibniz die Quantität unter die Relation subsumiert hat, und weil Leibniz ausdrücklich den Relationscharakter der Zahl festgestellt hat: „Numeri, Unitates, fractiones naturam habent Relationum."14 Wie immer man das kategorialanalytische Problem auch entscheiden möge, in der ontologischen Bestimmung gerät man bald in Schwierigkeiten, die letzten Endes darin gründen, daß man die Zahlen wieder zählen kann. Ist nun das Zweisein zweier Substanzen A und B ein Akzidens im Sinne der res absoluta realiter distincta, dann gibt es neben den beiden Entitäten, den beiden gezählten Substanzen, noch eine dritte Entität, nämlich die Zwei, und zwar die Zwei nicht als Allgemeinbegriif, sondern als das Zweisein dieser beiden Substanzen. Diese Zwei ist nach der ontologischen Annahme ebenfalls eine res absoluta. Dann gibt es also drei Entitäten. Nun ist aber auch diese Drei wieder eine absolute Entität, und es gibt also vier Entitäten, und so weiter ins Unendliche. Die Auffassung der Zwei als einer absoluten Realität führt also auf einen unendlichen Regreß und damit auf eine Seinsvervielfältigung ins Unendliche. Vielleicht liegt hier der Grund, weshalb Duns Scotus zögert, die Zahl als eine absolute Realität zu betrachten, und er würde auch aus diesem Grunde den Ehrennamen des Doctor subtilis mit Recht verdienen. Ockham jedenfalls hat diesen unendlichen Regreß klar gesehen und eindeutig abgelehnt: „Accipio binarium. Ille binarius est per istam positionem alia res realiter distincta a duabus unitatibus. Ergo sunt hie tres res realiter distinctae, puta, duae unitates et unus binarius. Sedtres res nonpossunt esse sine ternario; ergo est hie ternarius distinctus realiter a tribus unitatibus, ex quibus componitur, et per consequens sunt ibi quattuor, et ita quaternarius, et ultra ergo quinarius et sic in infinitum."15 Leibniz selbst hat bereits 1670 auf den hier anlaufenden unendlichen Regreß hingewiesen: „ ... cum contra pro certo compertum sit istam abstracta vocabula excogitandi libidinem pene totam nobis philosophiam obscurasse, quibus tarnen careri in philosophando sic satis potest. Nam concreta vere res sunt, abstracta non sunt res, sed rerum modi, modi autem plerique nihil aliud sunt quam relationes rei ad intellectum seu apparendi facultates. Et vero

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datur modorum in infinitum replicatio, et qualitatum qualitates et numeri numerorum, quae si omnia res sunt, non infinitas tantum, sed et contradictio oritur."18 Einen Widersprudi findet Leibniz darin, daß man auch die entitas als ein ens und die realitas selbst als eine res auffassen müsse, und daß man also zu Begriffen kommt, die sich selbst enthalten: „Nam si Entitas Ens est, si Realitas res est, si aliquidditas aliquid est, idem erit forma sui ipsius seu pars conceptus sui quod implicat."17 Man kann von der Frage absehen, ob Leibniz in der Lage gewesen wäre, den hier behaupteten und übrigens tatsächlich existierenden Widerspruch explizit vorzulegen. Die sich ergebende unendliche Seinsanhäufung hat er jedenfalls deutlich gesehen. Sein Widerspruch gegen die Hypostasierung der abstrakten Begriffe und seine Grundeinstellung, daß nur dem Konkreten allein Realität zukommt, ergibt sich jedenfalls aus dem Absatz XVII der Dissertatio de stilo philosophico Nizolii deutlich. Dabei mag es vielleicht kein Zufall sein, daß Leibniz kurz hinter den eben zitierten Stellen noch in demselben Absatz auf Hobbes verweist18. Wenn wir in der Frage der unendlichen Seinsanhäufung insbesondere bei den Zahlen wiederum auf Ockham verwiesen haben, so soll damit kein historischer Zusammenhang zwischen Leibniz und Ockham behauptet werden. Ich meine, wie stets in dieser Darstellung, den Zusammenhang nur ideengeschichtlich. So weit ich habe sehen können, geht Leibniz niemals direkt auf Ockham zurück. Auf der anderen Seite möchte man doch zögern, die Aufdeckung der in der Dissertatio dargestellten Schwierigkeiten dem eben zwanzigjährigen Leibniz zuzuschreiben. Eher möchte man annehmen, daß hier eine vermittelte Abhängigkeit durch seine akademischen Lehrer vorliegt, durch Thomasius oder Scherzer. Sonst wären in der in den frühen Schriften reichhaltig zitierten Literatur genügend Erörterungen zu finden, aus denen der unermüdlich aufnehmende junge Genius Anregungen auch für dies Problem hätte schöpfen können. Die zweite Schwierigkeit ergibt sich aus spezifischen Bestimmungen, die dem Akzidens als solchem zukommen. Nimmt man die aristotelische Voraussetzung an, daß nur die individuellen Einzelwesen im eigentlichen Sinne real sind — Leibniz vertritt durchaus diesen aristotelischen Standpunkt — dann folgt, daß jedes Akzidens in einem individuellen Einzelwesen, also in einer Substanz fundiert sein muß.

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Dies ist nun freilich eine recht plausible Forderung. Nehmen wir beispielsweise die Tapferkeit, so folgt zunächst aus dem aristotelischen Standpunkt, daß es die Tapferkeit als ein Allgemeines nur geben kann, wenn die Tapferkeit in konkreten Eigenschaften dieser und jener tapferen Menschen sich darstellt. Aber auch dies oder jenes Tapfersein selbst ist eine Eigenschaft, die ein Akzidens im spezifischen Sinne ist. Sie muß also in einem konkreten Einzelwesen fundiert sein. Sokrates ist tapfer, Laches ist tapfer, Nikias ist tapfer, um an die Beispiele im Platonischen Laches zu erinnern. Tapfer sein kann nur ein einzelner Mensch, vielleicht auch ein einzelnes Tier, jedenfalls nur ein einzelnes Lebewesen. Thomas formuliert diese aristotelische These, indem er sagt: esse accidentis est messe19. Dieses In-Sein wiederum bedeutet „in einem individuellen Einzelwesen sein", wie das Beispiel der Tapferkeit es deutlich zeigt. Aus dieser im Begriff des Akzidens liegenden Bestimmung ergeben sich nun für die Relation Schwierigkeiten. Eine Relation besteht in der Regel zwischen zwei Gegenständen. Es gibt zwar zahlreiche Relationen zwischen mehr als zwei Gegenständen, und Leibniz hat solche Relationen beachtet20. Umgekehrt macht die Identität, aufgefaßt als Relation eines Gegenstandes mit sich selbst, seit jeher besondere Schwierigkeiten. Beschränken wir uns auf den häufigsten Fall einer Relation zwischen zwei Gegenständen. Das naheliegende Beispiel ist die Zwei, die Zwei betrachtet als die konkrete Zweiheit zweier Gegenstände, etwa als die Zwei der zwei Freunde Kebes und Simmias. Interpretiert man sie als ein Akzidens im Sinne einer res absoluta realiter distincta, dann stößt man bald auf Schwierigkeiten. Diese Zwei ist gewiß kein individuelles Einzelwesen. Sie muß also als Akzidens einem individuellen Einzelwesen inhärieren. Aber welchem? Die hier auftretenden Schwierigkeiten sind schon früh gesehen worden. Sie spielen in der Auseinandersetzung von Ockham mit Duns Scotus um die Realität der realen Relationen eine große Rolle. Eine Relation, als ein reales Akzidens aufgefaßt, wäre ein Akzidens, das gewissermaßen mit dem einen Fuß in der einen Substanz und mit dem anderen Fuß in der anderen Substanz stände, und dies widerspricht eben der Bestimmung eines Akzidens, einem bestimmten Einzelwesen zu inhärieren21. Im übrigen würde eine solche Auffassung das Problem nicht lösen, sondern nur zurückschieben, wie am Beispiel der Zwei besonders deutlich wird. Die Funktion der Zwei besteht

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ja gerade darin, zwei Einzeldinge zu einer Einheit zusammenzufassen. Betrachtet man die Zwei selbst als ein Einzelding, so ist das Problem nicht weitergebracht, sondern nur zurückgeschoben. Dies Problem wird aktuell in der Diskussion zwischen Leibniz und Newton über den absoluten Raum. Wir haben bereits dargelegt, daß wir den Briefwechsel zwischen Leibniz und Clarke der Sache nach als einen Briefwechsel zwischen Leibniz und Newton betrachten und daß Leibniz selbst diesem Briefwechsel die endgültige Form für die Publikation gegeben hat. Newton fordert einen absoluten Raum, Leibniz bestreitet ihn. Dabei erhebt sich freilich zunächst die Frage, was unter einem absoluten Raum zu verstehen sei. Newton drückt sich in dieser Frage recht gewunden aus. Leibniz interpretiert den Absolutheitscharakter des Newtonschen Raumes im Sinne einer res absoluta, und dann bleiben nur die drei alten Möglichkeiten: Der Raum ist eine Substanz (dies hatte Leibniz in seiner atomistischen Periode ja selbst vertreten), oder der Raum ist eine Qualität von absoluter Realität, oder der Raum ist eine Relation von absoluter Realität. Bis zu einer genaueren Untersuchung von Newtons ontologischen Voraussetzungen muß es fraglich bleiben, ob eine solche Auffassung Newton gerecht wird. Allerdings muß man feststellen, daß sowohl Newton als auch Clarke sich im Briefwechsel zwischen Leibniz und Clarke auf diese Fragestellung von Leibniz einlassen. Da der Raum von Leibniz kategorialanalytisch als ein Relationssystem bestimmt wird, kommt es gerade in diesem Briefwechsel zu einer überaus instruktiven Diskussion über die Realität einer Relation, und man kann das Grundproblem der Diskussion nicht besser auseinandersetzen, als es Leibniz selbst in diesem Briefwechsel getan hat: „Ich will noch ein Beispiel von der Gewohnheit unseres Geistes geben, zu Eigenschaften, die nur in den Subjekten selbst Bestand haben, ein Etwas, das ihnen außerhalb der Subjekte entspricht, hinzuzudenken. Das Verhältnis oder die Proportion zwischen zwei Linien L und M kann man sich auf drei Weisen vorstellen: als Verhältnis der größeren (L) zur kleineren (M), als Verhältnis der kleineren (M) zur größeren (L) oder endlich als etwas von beiden Losgelöstes, d.h. als das Verhältnis zwischen L und M, ohne dabei zu erwägen, welches Glied das Vorhergehende oder Folgende, das Subjekt oder Objekt ist. Auf diese Art betrachtet man die Proportionen z. B. in der Musik.

§30: Relatio

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In der ersten Betrachtungsweise ist die größere Linie L, in der zweiten die kleinere M das Subjekt für dieses Accidens, das die Philosophen als Verhältnis oder Beziehung bezeichnen. Was aber wird in dem dritten Sinne sein Subjekt sein? Man kann nicht sagen, daß alle beide, L und M zusammengenommen, das Subjekt für ein solches Accidens bilden, denn wir hätten dann ein Accidens in zwei Subjekten, das also gleichsam mit einem Fuße im einen, mit dem anderen im anderen Subjekt stände, was mit dem Begriff des Accidens unvereinbar ist. Man muß demnach sagen, daß die Beziehung im dritten Sinne allerdings außerhalb der Subjekte ist, daß sie aber, da sie weder Substanz noch Accidens ist, etwas rein Ideales sein muß, dessen Betrachtung jedoch darum nicht minder fruchtbar ist."22 Russell hat in seiner Leibnizdarstellung, wie mir scheint, den Sinn dieser Stelle mißverstanden23. Vielleicht hat Russell die hier zutage tretenden historischen Voraussetzungen noch nicht genügend übersehen. Es mag hinzukommen, daß Russell damals so intensiv in seiner Auseinandersetzung mit Bradley stand, daß jede Spur von Idealismus ihm zuwider war, und es liegt allerdings in der ontologischen Interpretation des Raumes durch Leibniz ein gutes Stück Idealismus vor. Sachlich dürfte Russell den Interpretationen von Leibniz nahe stehen und auch damals nahe gestanden haben. Zunächst dürfte es gerade im Sinne von Russell sein, daß der dritte Fall als die eigentliche Relation angesehen wird. Eine Relation ist in dem von Leibniz gegebenen Beispiel gewiß nicht eine Eigenschaft von L, oder eine Eigenschaft von M, eine Relation ist vielmehr, wenn sie zweigliedrig ist, eine Relation zwischen zwei Elementen. Es gibt wohl kaum ein instruktiveres Beispiel als das zusätzlich von Leibniz gegebene. Die Oktave ist eben nicht eine Eigenschaft des unteren Tones oder eine Eigenschaft des oberen Tones, sondern die Oktave ist ein Zusammenklang zweier Töne. Gerade Russell gehört zu denjenigen, die die Klärung dieser Frage wesentlich gefördert haben. Eine zweigliedrige Relation ist eine Aussage über zwei Elemente. Dies sieht man deutlich bei der Gleichheit. a=b ist eine Aussage über a und b zugleich, und es ist deshalb in vielen Problemen vorteilhaft, sie in der folgenden Weise zu schreiben: = (a, b). Behält man dies im Auge, dann werden die ontologischen Konsequenzen bald deutlich. Eine Relation kann kein Akzidens im Sinne

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einer res absoluta, eine Relation kann keine selbständige Entität sein. In der Stellungnahme von Leibniz ist auch hier die Wirkung von Ockhams Prinzip nicht zu überhören. Leibniz sagt ja ausdrücklich, die Hypostasierung der Relation sei ein Beispiel für die Gewohnheit unseres Geistes, und er meint damit für die schlechte Gewohnheit unseres Geistes, zu gewissen Eigenschaften etwas hinzuzudenken: „ . . . de l'usage de l'esprit de se former . . . quelque chose"24. Leibniz geht also dagegen an, daß unser Verstand sich zusätzlich Dinge ausdenkt, die es gar nicht gibt, und gewiß ist Russell damit der Sache nach völlig einverstanden. Das aus der Tradition übernommene Argument, daß ein Akzidens von absoluter Realität ein Akzidens sein würde, das mit dem einen Fuß in dem einen Substrat, mit dem anderen Fuß in dem anderen stehen würde, macht das Problem in der instruktivsten Weise deutlich 2S. Das Argument findet sich auch bei Leibniz an anderen Stellen2e. Die Relation ist also nicht eine absolute Realität in den Dingen selbst, sie ist vielmehr eine Bestimmung, die das Denken an die Dinge heranträgt. Wir können also auch zum Schluß wieder die Formulierung der Nouveaux Essais heranziehen: „ ... et l'entendement y adjoute les relations" ". Dies wäre freilich ein recht extremer Nominalismus, und also gewiß nicht im Sinne von Leibniz, wenn nicht der Verstand, der die Relationen ursprünglich hervorbringt, der Verstand Gottes wäre. In diesem abschließenden Sinne kann dann Leibniz sagen: „Cependantquoyque les relations soyent de l'entendement, elles ne sont pas sans fondement et realite. Car le premier entendement est l'origine des choses."28

$ 31 Ens rationis, Ens mentale, Phaenomenon Wir haben bis jetzt wesentlich die polemische Auseinandersetzung von Leibniz betrachtet. Wir haben gesehen, daß er sich gegen die Auffassung der Qualitäten und der Relationen als Akzidenzien von absoluter Realität, daß er sich gegen die Auffassung der Qualitäten und der Relationen als besondere Entitäten wendet. Fragen wir nach den positiven Bestimmungen, die Leibniz in der Metaphysik gegeben hat, dann stoßen wir auf einen Mangel, den er selbst bei anderen beklagt

§ 31: Ens rationis, Ens mentale, Phaenomenon

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hat. Audi Leibniz selbst ist selten klar und bestimmt, auch Leibniz selbst ist oft dunkel und ungenau. Wir müssen also versuchen, die Dinge so weit wie möglich zu klären. Den in den beiden letzten Paragraphen diskutierten Ansatz können wir zunächst kategorialanalytisch dahin formulieren, daß nicht nur die Quantität, sondern daß auch die Qualität in der Relation aufgegangen ist. Es bleiben für Leibniz die Monaden und ihre Beziehungen. Auch in dieser Richtung kann die Formulierung der Nouveaux Essais als maßgebend betrachtet werden: „Cette division des objets de nos pensees en substances, modes, et relations est assez a mon gre."1 Das ontologische Problem, nach seiner positiven Seite genommen, zieht sich also auf die Seinsbestimmung der Relation zusammen. Wir treffen im wesentlichen drei Begriffe an, die wir jetzt zu diskutieren haben: ens rationis, ens mentale, phaenomenon. Für die ontologische Charakterisierung der vom Verstand hinzugebrachten Relationen bietet sich zunächst der alte ontologische Terminus ens rationis an. Ens rationis — ens reale bezeichnet seit jeher den sich auf den ersten Blick anbietenden Gegensatz zwischen dem bloß Ausgedachten und dem wirklich Existierenden. In diese alte Zweiteilung greift allerdings das Transzcndentalienproblem hinein, und Duns Scotus sieht sich veranlaßt, die alte Zweiteilung zu einer Dreiteilung zu verfeinern und ens rationis, ens formale, ens reale zu unterscheiden2. Aber diese Dreiteilung findet sich nicht vorher, insbesondere nicht bei Thomas. Sie wird auch später nur in der Schule der Scotisten beibehalten, Ockham und Suarez nehmen sie nicht an, sondern halten an der alten Zweiteilung: ens rationis — ens reale fest, obwohl sie der Sache nach nicht sehr weit von Duns Scotus entfernt sind. Bei Suarez ist der Terminus ens rationis zu einem festen philosophischen Terminus geworden3. Die spätere Übertragung ins Deutsche führt auf den Terminus Gedankending. Kant spricht in der Tafel der Begriffe von Nichts von einem leeren Begriff ohne Gegenstand (ens rationis) und bezeichnet ihn kurz darauf als Gedankending4. Als Beispiel gibt er an, „wie etwa gewisse neue Grundkräfte, die man sich denkt, zwar ohne Widerspruch, aber auch ohne Beispiel aus der Erfahrung gedacht werden und also nicht unter die Möglichkeiten gezählt werden müssen"5. Das alte Beispiel der Tradition für ein ens rationis ist ein Fabeltier, etwa ein Einhorn.

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Man sieht leicht, daß für Leibniz wegen des neuen Möglichkeitsbegriffes diese Bedeutung von ens rationis nicht recht brauchbar ist. Nach der Definition der Möglichkeit durch Leibniz ist alles, was widerspruchsfrei ist, auch möglich. Nehmen wir das alte Beispiel, das Einhorn. Der Begriff eines solchen Tieres ist entweder widerspruchsfrei, dann ist es auch möglich. Vielleicht existiert es nicht in der wirklichen Welt, weil nicht alle Möglichkeiten in einer einzigen Welt zusammen vertreten sein können. Es gibt dann aber unter den unendlich vielen möglichen Welten mindestens eine, vielleicht sogar viele, vielleicht sogar unendlich viele, in denen ein Einhorn anzutreffen ist. Ist der Begriff des Einhorns aber widerspruchsvoll, dann ist er, wie wir im ersten Teil gesehen haben, überhaupt kein Begriff, und es kann füglich nicht einmal ein ens rationis genannt werden. Bei dieser Sachlage finden sich eine Reihe von Stellen, an denen Leibniz das widerspruchsfrei Gedachte, insbesondere also die Relation, als ein ens rationis, als ein etre de raison bezeichnete. Wenn ich aber seinen Sprachgebrauch recht übersehe, dann zieht er es vor, ens rationis für solche Dinge zu gebrauchen, die es seiner Auffassung nach nicht einmal als Möglichkeiten gibt, insbesondere für die nichtexistierenden Entitäten der extremen Vertreter der Scholastik. In derselben Bedeutung bezeichnet Leibniz als ens rationis im Anhang zur Theodizee eine Kraft, die wählt, ohne eine Ursache für ihre Wahl zu haben. Ein solches Vermögen, für das also das principium rationis sufficientis nicht gelten würde, kann es nicht geben, weder in der wirklichen, noch in einer möglichen Welt. Es sind nur leere Worte, die diese Philosophen brauchen, es entspricht ihnen nichts. So kann Leibniz sagen: „Aussi se trouvet-il heureusement qu'elle ne subsiste nulle part, etquec'estun E t r e de R a i s o n r a i s o n n a n t e , comme quelques Scholastiques appellent les Fictions qui ne sont pas meme possibles. Pour moy, j'aurois mieux aime les appeller des E t r e s de R a i s o n non r a i s o n n a n t e . " 7 Die rein negative Bedeutung des ens rationis an dieser Stelle ist nicht zu verkennen. Im allgemeinen verwendet Leibniz dort, wo er terminologisch sorgfältiger spricht, was er selten tut, den Ausdruck ens mentale, beziehungsweise esse in mente. So schreibt er in einem Brief an des Bosses: „ . . . sed relationem communem utrique esse rem mere mentalem, cujus fundamentum sint modificationes singulorum"8. In einem anderen

§ 31: Ens rationis, Ens mentale, Phaenomenon

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Brief an des Bosses schreibt er: „Neque enim negari potest, omnium numerorum possibilium naturas revera dari, saltern in divina mente."9 Gleichwohl finden sich auch andere Bezeichnungen. In den Nouveaux Essais bezeichnet Leibniz die Relation wiederum als ein ens rationis: „Les relations et les ordres ont quelques chose d e l ' e t r e de r a i s o n , quoiqu'ils ayent leur fondement dans les choses."10 Daneben findet sich noch der Terminus „chose ideale". So spricht Leibniz im Briefwechsel mit Clarke vom Raum als einer „chose purement ideale" ". Der eigentliche Ausdruck für die Seinsbestimmung der Relation ist der Terminus phaenomenon. Er ist auch der geschichtlich wirksam gewordene, etwa in der These von der Phänomenalität oder vom phänomenalen Charakter der durch mathematische Gesetze bestimmten Natur. Leibniz benutzt meistens den Ausdruck phaenomenon beziehungsweise, in den französischen Texten, phenom£ne, aber man findet auch oft den lateinischen Ausdruck in den verschiedenen Formen apparentia beziehungsweise, wieder in den französischen Texten, apparences. So kommt es zu einem einfachen Seinsentwurf. Die Monaden sind das einzig Reale, alles andere sind Phänomene. So schreibt Leibniz an Bourguet: „Vous juges fort bien, Monsieur, que mes Monades ne sont pas des Atomes de matiere, mais des substances simples, douees de force (j'adjoute de perception et d'appetit) dont les corps ne sont que des phenomenes."12 In demselben Sinne schreibt er 1716 an Dangicourt: „Les veritables substances ne sont que les substances simples ou ce que j'appelle Monades. Et je crois qu'il n'y a que de monades dans la nature, le reste n'etant que les phenomenes qui en resultent."13 Den besten Überblick über die Bedeutungen von phaenomenon gibt der Aufsatz De modo distinguendi phaenomena realia ab imaginariis, den Erdmann zum ersten Male publiziert hat. Schon im Titel kommt zum Ausdruck, daß Leibniz verschiedene Bedeutungen von phaenomenon unterscheiden muß. In einer ersten Bedeutung sind die Träume und die reinen Phantasiebilder phaenomena. Leibniz nennt als Beispiele den goldenen Berg und den Kentaur14. Dann werden in traditioneller Weise die sekundären Qualitäten als Phänomene betrachtet. Dazu tritt die spezifische Auffassung von Leibniz, für den auch alle primären Qualitäten einschließlich der Materie Phänomene sind. So kann er dann zusammenfassend sagen (wir haben das Zitat schon benutzt): „De corporibus demonstrare possum non tantum lu-

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cem, calorem, colorem et similes qualitates esse apparentes, sed et motum et figuram et extensionem."15 In dieser These von der Phänomenalität der gesamten körperlichen Natur sieht sich Leibniz in Übereinstimmung mit Platon. So schreibt er an Foucher: „ . . . il est demonstrable que tous les corps ne seroient que des phenomenes: c'est ce que Platon a bien reconnu a mon avis"1 . Es könnte sogar sein, daß das ganze Leben einschließlich aller Phänomene nur ein Traum wäre, und dies haben die Platoniker allem Anschein nach sagen wollen: „Quid enim, si natura nostra non erat forte capax phaenomenorum realium; profecto non tarn accusandus foret DEus, quam gratiae ei agendae, efficiendo enim ut phaenomena ilia, cum realia esse non possent, saltern consentientia essent, praestitit nobis, quod in omni vitae usu realibus phaenomenis aequipolleret; quid vero si tota haec brevis vita non nisi longum quoddam somnium esset nosque moriendo evigilaremus? quäle quid Platonici concipere videntur."17 In demselben Sinne sagt Leibniz auch in dem Examen des principes du R. P. Malebranche: „Ainsi il semble que dans la rigueur philosophique les corps ne meritent point le nom de substances, ce qui paroist avoir ete deja le sentiment de Platon, qui a remarque qu'ils sont des etres transitoires, qui ne subsistent jamais au dela d'un moment."18 Das ist nun freilich für unsere an der Geschichte der Philosophie geschulten Anschauungen eine recht kühne Interpretation. Leibniz hält sich allein an die These, daß die Körper Phänomene sind, und dies ist in der Tat eine These, die Platon im Staat ausgesprochen hat" und die er im Phaidon schon gemeint hatte. Leibniz läßt aber außer acht, daß der GegenbegrifF zu Phänomen bei Platon ein ganz anderer ist als bei ihm selbst. Bei Platon sind es die Ideen, die den Phänomenen gegenüberstehen, bei Leibniz sind es die Monaden. Bei Platon ist es also das Allgemeine, bei Leibniz ist es gerade das Individuelle. Diese fundamentale Verschiedenheit des Gegenbegriffes muß selbstverständlich auch den Begriff des Phänomens verändern. Freilich findet man eine so kühne Interpretation öfters. Wenn Leibniz an die Geschichte der Philosophie anknüpft, dann genügt ihm oft die bloße These. Den Zusammenhang, in dem die These einen ganz anderen Sinn bekommt, läßt er nicht selten außer acht. So kommt es denn zu einem, wie ich glauben möchte, ganz unpla-

§31: Ens rationis, Ens mentale, Phaenomenon

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tonischen Zusammenhang zwischen ens mentale und phaenomenon. Die instruktivste Stelle findet sich wieder im Examen: „Car pour en dire un mot, le corps n'a point de veritable unite; ce n'est qu'un a g g r e g e, que 1'ecole appelle un pur accident, un assemblage comme un trouppeau; son unite vient de notre perception. C'est un e t r e de r a i s o n ou plutöt d ' i m a g i n a t i o n , un phenomene."20 In dieser Weise sind nicht nur die sekundären Qualitäten, sondern auch alle primären Qualitäten bloß in mente. Es existiert in der Tat die Gesamtheit der körperlichen Natur lediglich in mente. Dies ist eine scharfe und bewußte Gegenstellung gegen Descartes. Sie wird schon dadurch veranlaßt, daß für Leibniz die gesamte körperliche Natur, kategorialanalytisch betrachtet, nichts als ein Relationszusammenhang ist. Wäre sie dies auch für Descartes, und wäre insbesondere die res extensa auch für Descartes nur ein Relationszusammenhang, dann würde sie vermutlich auch für Descartes ihren substantiellen Charakter verloren haben, und sie würde wahrscheinlich von ihm nicht viel anders bestimmt worden sein als von Leibniz. Für Leibniz jedenfalls folgt aus dem kategorialanalytischen Charakter der Natur als Relationszusammenhang sofort ihr ontologischer Charakter als ens mentale. Freilich muß man auch hier im Auge behalten, daß dies esse in mente primär ein esse in mente divina ist, erst sekundär und abgeleitet ist die Natur ein ens mentale unseres Denkens. Dieser Bezug auf das Denken unterscheidet nun gewiß den Ansatz Leibnizens von dem Ansatz Platons. Wenn Platon zwischen den und den unterscheidet und wenn man von einem dieser beiden Bereiche sagen wollte, er sei nur im Denken, so könnte man dies von den Ideen sagen. Die terminologische Bezeichnung als beziehungsweise als zeigt dies ganz deutlich. Der Umschlag wird deutlich, wenn Leibniz den Raum in seinem phänomenalen Sein als eine chose ideale bezeichnet, und damit den von der Idee herrührenden Terminus gerade auf dasjenige anwendet, was für Platon keine Idee ist, sondern was Phänomen ist. Diese Beziehung der Phänomene auf das Denken kommt besonders deutlich im 12. Kapitel des zweiten Buches der Nouveaux Essais zum Ausdruck. Zunächst hat Philalethe die Meinung von Locke, wie sie im Essay concerning human understanding vorgetragen war, zusammengefaßt: „Les modes sont ou simples (comme une douzaine, une vingtaine,

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Kap. 10: Ens Qua Ens

qui sont faits des idees simples d'une meme espece, c'est a dire des Unites), ou mixtes (comme la beaute) oü il entre des id6es simples de differentes especes." Darauf antwortet Theophile, der die Meinung von Leibniz vertritt: „Peut estre que d o u z a i n e o u v i n g t a i n e ne sont que des relations et ne sont constitutes que par le rapport a l'entendement. Les unites sont ä part et l'entendement les prend ensemble quelques dispersees qu'elles soyent. Cependant quoyque les relations soyent de l'entendement, elles ne sont pas sans fondement et realite*. Car le premier entendement est l'origine des choses: et me'me la rea^ de toutes choses excepte les substances simples, ne consiste que dans le fondement des perceptions ou des phenomenes des substances simples."21 Hier wird von Leibniz besonders auf die Beliebigkeit solcher Zusammenfassungen abgehoben. Der Verstand kann Dinge zusammenfassen, wie er will, mögen sie auch noch so zerstreut sein, und daraus folgt eben, daß der Verstand es ist, der die Dinge zusammenfaßt. Dies ist ein überaus plausibles und altes Argument, das den Zusammenhang der Zahlen mit dem zählenden Verstande deutlich macht. Derselbe Gedankengang findet sich noch einmal am Schluß des Kapitels. Philalethe hat die Ansicht von Locke dahin referiert, daß es Ideen von Einzelsubstanzen gibt, wie die Idee eines Menschen, oder die Idee eines Schafes. Darüber hinaus gibt es aber auch noch die Ideen von Kollektivwesen, die Idee eines Heeres von Menschen, die Idee einer Herde von Schafen. Darauf antwortet Leibniz, daß nach seiner Auffassung solche Kollektivwesen nur ein Sein der bloßen Vorstellung haben: „Cette unite de Pidee des Aggreges est tres verkable, mais dans le fond il faut avouer que cette unit£ de collections n'est qu'un rapport ou une relation dont le fondement est dans ce qui se trouve en chacune des substances singulieres a. part. Ainsi c e s E s t r e s par A g g r e g a t i o n n'ont point d'autre unite achevee que la mentale et par consequent leur entite aussi est en quelque fajon mentale, ou de phenomene, comme celle de l'arc en ciel."22 Die Übersetzung des letzten Satzes durch Cassirer ist nicht glücklich. Indem er entito mit Wesenheit übersetzt23, verfehlt er meines Erachtens den Sinn. Gemeint ist die alte entitas, die man wohl am besten mit Seinsweise übersetzt. Man könnte daher den letzten Satz, ihn leicht paraphrasierend, in der folgenden Weise übersetzen: Und so haben auch diese Kollektiva, weil

§ 32: Der dichotomisdie Seinsentwurf der Zweiweltemheorie

177

sie bloße Aggregate darstellen, keine echte Einheit, sondern nur die Einheit aus bloßer Vorstellung, und folglich ist ihre Seinsweise ebenso ein Sein der bloßen Vorstellung oder ein bloß phänomenales Sein, wie es das Sein des Regenbogens ist.

5 32 Der dichotomische Seinsentwurf der Zweiweltentheorie Die strenge Gliederung zwischen der Monade und ihren Modifikationen (perceptio und appetitus) als dem Ansichseienden auf der einen Seite und den Relationen als dem bloß Phänomenalen auf der anderen Seite führt zu einer Zweiweltentheorie. Diese Seinsgliederung in die Monaden und in die Phänomene stellt sich zugleich als eine Gliederung nach Gesetzen dar. Die Monaden, die denkenden Wesen, handeln in Freiheit nach moralischen Gesetzen, die Körper agieren in Notwendigkeit nach mechanischen Gesetzen. Man sieht, daß die alte Gliederung des Menschen in die Seele und in den Körper auch hier wirksam ist. In der Monadologie sagt Leibniz: „Ces principes m'ont donne moien d'expliquer naturellement l'union ou bien la conformite de PAme et du corps organique. L'ame suit ses propres loix et le corps aussi les siennes; et ils se rencontrent en vertu de l'harmonie preetablie entre toutes les substances, puisqu'elles sont toutes des representations d'une meme univers."1 In den Considerations sur les principes de vie, die 1705 in der Histoire des Ouvrages des Savants erschienen sind, sagt Leibniz: „Les Ames suivent leur loix, qui consistent dans un certain developpement des perceptions selon les biens et les maux; et les corps suivent aussi les leurs, qui consistent dans les regies du mouvement: et cependant ces deux Estres d'un genre tout a fait different, se recontrent ensemble"2. Daß die Lehre von den beiden Reichen und die zu ihrer Harmonisierung geschaffene Lehre von der praestabilierten Harmonie in der Monadologie eine große Rolle spielen, ist verständlich. So sagt Leibniz beispielsweise dort: „Les ames agissent selon les loix des causes finales par appetitions, fins et moien. Les corps agissent selon les loix des causes eificientes ou des mouvemens. Et les deux regnes, celui des causes efficientes et celui des causes finales son (sic) harmoniques entre eux."3 Von den beiden Reichen spricht Leibniz auch in der

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Kap. 10: Ens Qua Ens

Theodizee im § 340* und im § 1185. In der Übersetzung von Gottsched definiert einer der ersten Übersetzer, Richter, den Unterschied in der folgenden Weise: „Der Herr Verfasser versteht unter dem Reiche der Gnaden das Reich der Geister oder der vernünftigen Geschöpfe und unter dem Reiche der Natur das Reich der vernunftlosen und körperlichen Creaturen."" Diese Bestimmung dürfte schwerlich richtig sein, wenn man sie so versteht, daß zum Reich der Gnade die Seelen der Menschen, zum Reich der Natur die Tiere gehören. Meines Erachtens gehören die Monaden als solche insgesamt zum Reiche der Gnade, mag ihnen nun, wie den Menschen und den höheren Monaden, die apperceptio, oder mag ihnen, wie den Tieren und den anderen niederen Monaden, nur die perceptio zukommen. Zum Reich der Natur gehören die Körper aller Monaden mit ihrem phänomenalen Sein. Es handelt sich, wie Leibniz an der eben zitierten Stelle ausdrücklich gesagt hatte, um Seiendes von durchaus verschiedener Art („deux Estres d'un genre tout fait different")7. Es handelt sich also um zwei Reiche, die durch ihr Sein und die durch die in ihnen geltenden Gesetze durchaus verschieden sind8. Im physikalischen Reich der Natur kann nur von den mechanischen Kategorien die Rede sein, es gibt dort nur die Materie, die Bewegung, die Figur und die Größe. Sie sind allesamt Phänomene und werden durch die rein mechanischen Gesetze streng und ausschließlich bestimmt. Im moralischen Reich der Gnade9 gibt es die Seelen mit ihren Vorstellungs- und Willensakten, im Reich der Gnade geht alles nach den finalen Gesetzen. Beide Reiche sind gekoppelt wie zwei gleichgehende Uhren durch die prästabüierte Harmonie. So ist zwar der Ablauf der Perzeptionen von dem Ablauf des mechanischen Geschehens an sich unabhängig, die prästabilierte Harmonie bewirkt aber, daß beide Abläufe genau einander korrespondieren. Damit erreicht Leibniz zunächst eine Lösung des Leib-Seele-Problems, so wie er es im § 78 der Monadologie ausdrücklich in Anspruch genommen hatte. Es kann allerdings nicht geleugnet werden, daß die Lösung von Leibniz eine recht künstliche ist, und gerade an der Künstlichkeit dieser Lösung ist immer wieder Anstoß genommen worden. Auch für das Problem der Freiheit erreicht Leibniz durch seine Lehre von den beiden Reichen eine Lösung. Das Problem der Freiheit besaß für das griechische und das ihm folgende mittelalterliche Denken keinerlei Dringlichkeit. Für das allgemeine Bewußtsein, das

§ 32: Der dichotomische Seinsentwurf der Zweiweltentheorie

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hier in besonderer Weise durch Aristoteles formuliert wird, waren nur die Bewegungen der Gestirne strengen Gesetzen unterworfen. Hier unten auf der Erde dagegen geschieht vieles aus bloßem Zufall. So sind für dies Denken eine Sonnenfinsternis oder eine Mondfinsternis gesetzlich bestimmt, das Wetter dagegen ergibt sich aus dem Zufall. Da also hier unten auf der Erde sehr wenig durch die Naturgesetze bestimmt ist, so ist für das frei wählende Handeln des Menschen Raum genug. Daß der Mensch tun kann, was er soll, und daß er das auch nicht tun kann, das ist unter dieser Auffassung der Naturgesetzlichkeit kein Problem. Es beginnt ein Problem zu werden, sobald die Naturgesetzlichkeit als eine allgemeine gedacht wird. Dies war zwar von der Atomistik ausgehend bereits von manchen griechischen Denkern erwogen worden. Das Problem wird aber erst dann dringlich, wenn die Natur als ein lückenloser und undurchbrechbarer Gesetzeszusammenhang angesehen wird. Man erzählt, Newton habe die Gravitationsgesetze gefunden, als er den Fall eines Apfels beobachtet habe. Dies ist zum mindesten gut erzählt und illustriert die Newtonsche Entdeckung aufs beste. Von unserer Erwägung her gesehen bedeutet nämlich die Newtonsche Physik, daß die Naturgesetze nicht nur am Himmel gelten, sondern daß sie die gleiche Gültigkeit auch auf der Erde besitzen, mit anderen Worten, daß sie die Natur in ihrer Gesamtheit lückenlos beherrschen. Dann muß die Frage dringlich werden, wie in einer solchen gesetzlich bestimmten Natur noch ein freies Handeln des Menschen möglich ist. Leibniz nimmt mit Recht in Anspruch, daß seine Zweiweltentheorie, seine Lehre von den beiden Reichen, verbunden mit der Lehre von der prästabilierten Harmonie, eine Lösung des Freiheitsproblems darstellt. Man mag einwenden, daß die Künstlichkeit der Lehre von der prästabilierten Harmonie auch die Lösung des Freiheitsproblems zu einer recht künstlichen mache. Selbst wenn man das zugäbe, so muß man einräumen, daß Leibniz durch seine Lösung das Problem klar gemacht hat. Von hier aus wird nun auch die Interpretation von Kurt Hildebrandt verständlich10. Hildebrandt interpretiert Leibniz von einer ausgesprochenen Zweiweltentheorie her und bringt Leibniz mit einem in derselben Weise interpretierten Platon in engsten Zusammenhang. Nun ist kein Zweifel, daß ein solcher Ansatz sich auf gute Stellen sowohl bei Leibniz als auch bei Platon stützen kann, und die von

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Kap. 10: Ens Qua Ens

Hildebrandt gegebenen Belege zeigen ebenso wie unsere eigenen Erwägungen, daß sein Ansatz wohlbegründet ist. Meines Erachtens muß man aber, allerdings primär aus systematischen Erwägungen heraus, geltend machen, daß eine Zweiweltentheorie weder das letzte Wort von Platon noch das letzte Wort von Leibniz darstellt.

$ 33 Ens fictitium

Eine Reihe von Problemen, insbesondere mathematischer und physikalischer Art, zwingen nun Leibniz, diesen im Grunde genommen eine recht kompakte Zweiweltentheorie darstellenden dichotomischen Seinsentwurf zu modifizieren. Ich darf wieder darauf hinweisen, daß die hier behaupteten Abfolgen stets rein systematisch gemeint sind, und daß wir meiner Meinung nach die rein historische Abfolge in der eigenen Entwicklung von Leibniz heute noch nicht genügend übersehen können, da wir das Material noch nicht vollständig zur Verfügung haben. Zunächst nötigen die Probleme der imaginären Zahlen und des Differentials Leibniz, den Begriff des ens fictitium einzuführen. Von diesem Begriff ist freilich nicht abzusehen, wie er in die Leibnizsche Gesamtkonzeption sich einpassen sollte; in einen dichotomischen Seinsentwurf paßt dieser Begriff sicher nicht hinein. Die imaginären Zahlen waren zur Zeit von Leibniz bei gewissen Teilproblemen entdeckt worden, und Leibniz selbst hat an diesen Entdeckungen einen produktiven Anteil. Eine imaginäre Zahl, also die Wurzel aus einer negativen Zahl, scheint zunächst paradox zu sein. Man hatte dann erkannt, daß man zum mindesten in gewisser Weise mit imaginären Zahlen operieren kann1. Es gibt gewisse Ausdrücke, die imaginäre Zahlen enthalten. Diese Ausdrücke sind aber so gebaut, daß die imaginären Teile bei gewissen Operationen verschwinden. Solche mit imaginären Zahlen gebildeten Ausdrücke führen also keineswegs immer auf Widersprüche, sondern zum mindesten in gewissen Fällen auf normale Ergebnisse. So sah man, daß man die imaginären Zahlen als Wurzeln von Gleichungen betrachten kann. Man sieht dann leicht, daß die allgemeine Regel, daß eine Gleichung soviel Wurzeln hat, wie ihr Grad angibt, nur dann allgemein gelten kann, wenn man gegebenenfalls die imaginären Wurzeln mitzählt.

§ 33: Ens

fictitium

181

Man kann leicht Gleichungen dritten Grades konstruieren, die eine reelle und zwei imaginäre, beziehungsweise komplexe Wurzeln haben, und Leibniz selbst hat solche angegeben2. Aus diesen Ergebnissen hat Leibniz mit Recht die Vermutung gezogen, daß die imaginäre Zahl ein in der Mathematik rechtmäßiger und folgenreicher Begriff ist, und daraus hat er wiederum mit Recht die weitere Vermutung gezogen, daß die imaginäre Zahl ein widerspruchsfreier Begriff ist3. Hieraus ergibt sich aber, wenn man den Seinsentwurf im Ganzen betrachtet, eine Schwierigkeit. Alle widerspruchsfreien Begriffe — wir haben dies im ersten Teil gesehen — existieren, und das heißt für Leibniz, sie existieren im Denken Gottes, und dies heißt wiederum, sie existieren in einer möglichen Welt4. Es kann sein, daß ihnen in irgendeiner möglichen Welt besondere Realitäten entsprechen, es kann auch sein, daß ihnen nur Beziehungen zwischen Realitäten entsprechen. So ist zum Beispiel jede noch so große natürliche Zahl in irgendeiner möglichen Welt realisiert, und wegen des Unendlichkeitscharakters der wirklichen Welt gilt dies bereits in der wirklichen Welt. Da es in der wirklichen Welt unendlich viele Monaden gibt, so gibt es für jede natürliche Zahl N eine Menge von Monaden, in der sich genau so viele Monaden befinden, wie die Zahl N angibt. Leibniz sah aber keine Möglichkeit, die imaginäre Zahl in der wirklichen oder in irgendeiner der möglichen Welten zu realisieren. Es blieb ihm daher nichts anderes übrig, als durch die Bildung des Begriffes „ens fictitium" das Problem wenigstens anzuzeigen. Später ist Gauss von diesem Gedanken ausgegangen. Der Existenzbeweis für komplexe Zahlen setzt voraus, daß komplexe Zahlen als solche erwiesen werden, die entweder wirkliche Gegenstände oder Relationen zwischen wirklichen Gegenständen bezeichnen5. Die Gauss'sche Darstellung der komplexen Zahlen in der Zahlenebene ist die geglückte Durchführung dieses Gedankens. Ob in dieser Frage ein Zusammenhang zwischen Gauss und Leibniz besteht, vermag ich nicht zu sagen. Für Leibniz jedenfalls würden die komplexen Zahlen, in der Gauss'schen Weise in der Zahlenebene interpretiert, ebenfalls Verhältnisse zwischen möglichen Gegenständen darstellen, und die komplexen Zahlen wären damit auch im Sinne von Leibniz gerechtfertigt. Leibniz wendet den Begriff des „ens fictitium" auch zur Interpre-

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Kap. 10: Ens Qua Ens

tation der Differentialrechnung an. Ob er den Begriff zuerst für die imaginäre Zahl oder zuerst für die Differentialrechnung ausgebildet hat, kann wohl nur entschieden werden, wenn das handschriftliche Material vollständig vorliegt. Im Brief an des Bosses vom 11.3. 1706 schreibt Leibniz: „Ego philosophice loquendo non magis statuo magnitudines infinite parvas quam infinite magnas, seu non magis infinitesimas quam infinituplas. Utrasque enim per modum loquendi compendiosum pro mentis fictionibus habeo, ad calculum aptis, quales etiam sunt radices imaginariae in Algebra. Interim demonstravi, magnum has expressiones usum habere ad compendium cogitandi adeoque ad inventionem, et in errorem ducere non posse, cum pro infinite parvo substituere sufficiat tarn parvum quam quis volet, ut error sit minor dato, unde consequitur errorem dari non posse. R. P. Gouye, qui objecit, non satis videtur mea percepisse." Was wir eben über die imaginären Zahlen gesagt haben, zeigt sich jetzt auch bei den Differentialen. Leibniz hat mit Recht angenommen, daß die Differentialrechnung widerspruchsfrei sei, und daß also auch das Differential ein widerspruchsfreier Begriff ist. Als widerspruchsfreier Begriff muß er aber auch existieren, in dem Sinne, daß er mindestens in einer der möglichen Welten realisiert ist. Eine mögliche Interpretation wird für Leibniz nun dadurch erschwert, daß er den Differentialquotienten als einen echten Bruch zwischen zwei Differentialen ansieht. Dazu kommen dann die in der weiteren Rechnung sich ergebenden Größen, die Produkte und Potenzen von Differentialen, also beispielsweise dy · dy und (dx)2, sowie die iterierten Differentiale, also ddx, dddx, usw., um die Schreibweise von Leibniz zu gebrauchen. Für alle diese losgelösten Ausdrücke ist eine Realisierung in irgendeiner Welt nicht zu finden. Wenn Leibniz sie zunächst ebenfalls als entia fictitia bezeichnet, so gibt er damit zwar keine Lösung, aber er bezeichnet wenigstens das Problem. Cassirer hat auf die Interpretation des Differentials als ens fictitium einen besonderen Wert gelegt. Er sieht darin die Überzeugung von Leibniz verkörpert, daß nicht nur die Begriffe des Differentials, sondern daß alle reinen Begriffe aus dem Denken allein stammen7. Allein hier dürfte Cassirer die neu zu interpretierenden Begriffe, imaginäre Zahl und Differential, zu nahe an die klassischen Begriffe gerückt haben. Auch die natürlichen Zahlen, dieser Grundtyp der

§34: Ens semimentale

183

klassischen Begriffe, stammen nach der Überzeugung von Leibniz allein aus dem Denken. Sie können sich aber durch ihre Realisierungen ausweisen. Gerade diese Ausweisung aber fehlt bei den imaginären Zahlen und bei den Differentialen. Wenn Cassirer also diese neu zu interpretierenden Begriffe mit den alten mathematischen Begriffen ohne weiteres zusammenstellt, dann verwischt er einen Unterschied, der für Leibniz große Schwierigkeiten gebracht hat, der aber jedenfalls für ihn wichtig gewesen ist. § 34 Ens semimentale Aber auch dann, wenn man von den Problemen des ens fictitium absieht, läßt sich nicht alles Sein in eine strenge Dichotomie: entweder wirkliches Sein (ens reale) oder bloße Erscheinung (phaenomenon) einfangen. Leibniz sieht sich deshalb genötigt, einen weiteren Begriff auszubilden, für den wir verschiedene Termini finden: Von der einen Seite betrachtet heißt er ens semimentale, von einer anderen Seite semiens, beziehungsweise in den konkreten Anwendungen semisubstantia und semiaccidens, wiederum von einer anderen Seite betrachtet heißt er phaenomenon bene fundatum. Obwohl es sich im Grunde genommen um einen einheitlichen Begriff handelt, versuchen wir doch, die beiden Termini: ens semimentale und phaenomenon bene fundatum von einander zu unterscheiden. Beide Ausdrücke finden wir vereinigt in einem Brief an des Bosses: „Talern materiam, id est passionis principium perstare suaeque Entelechiae adhaerere intelligimus, atque ita ex pluribus monadibus resultare materiam secundam, cum viribus derivativis, actionibus, passionibus, quae non sunt nisi entia per aggregationem, adeoque semimentalia, ut Iris, aliaque phaenomena bene fundata." 1 Im Brief an des Bosses vom 19. 8. 1715 benutzt Leibniz die weiteren Ausdrücke semiens, semisubstantia und semiaccidens. „Malim ergo dici, superesse quidem non substantias, sed species, eas autem non esse illusorias, ut somnium, aut ut gladius ex speculo concavo in nos porrectus, aut ut Doctor Faustus comedebat currum foeno plenum, sed vera phaenomena, id est eo sensu, ut Iris vel Parelium est species; imo, ut secundum Cartesianos et secundum veritatem colores sunt species. Et potest dici Entia composita, quae non sunt unum per se, seu

Kap. 10: Ens Qua Ens

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ΙΠ> 9 Ε 754b . GP VII, 369. CIarke an Leibniz, IV> 15 E 76Q b; Gp VII) 384

Augustinus, Sermo 68, 5, 6. Migne, patr Lat χχχγΐπ, 440 f 5

22

Theodizee, Causa Dei, §29—32. E 655 a; GP VI, 443 Theodizee, § 209. E 568 b; GP VI, 242 Theodizee, § 31. E 513 a; GP VI, 121 Monadologie, § 50. E 709 a; GP VI, 615; Robinet 99 Monadologie, § 41. E 708 a; GP VI, 613; Robinet 93 Theodizee, §33. E 513 b; GP VI, 122

Quellenverzeidmis Thomas v. Aquin, Sum. theol. I q. 48 a. l und 2 Discours, § 2; GP IV, 427 an Fabri, Ende 1676. GP IV, 258. Ak II, I, 298 f. S 23

4. 5.

8. 9. 10.

11. 12. 13. 14. 15. 16. 17.

241

3. NE II, 12, E 238 b; GP V, 133; Ak VI, VI, 146 4. Eclaircissement. E 131 a; GP IV, 494 5. Aristoteles, Metaphysik. X, 1; 1052 a 28 6. De rerum originatione radicali. E 147 a; GP VII, 302 7. NE II, 13, 21. E 241 a; GP V, 138; Ak VI, VI, 151 8. an des Bosses, 1.9.1706. E 439 a; GP II, 314 9. an des Bosses, 14. 2. 1706. E 435 a; GP II, 300

Theodizee, §7. E 506 a; GP VI, 106; Gottsched 150 Theodizee, § 8. E 506 b f.; GP VI, 107; Gottsched 151 ff. Voltaire, Candide, ou l'Optiraisme, 1759. W. H. Barber, Leibniz in France, from Arnauld to Voltaire, Oxford 1955. S. 231—237 Theodizee, ed. Gottsched. S. 150 S 25 Marcus Tullius Cicero, Timaeus. 1. Aristoteles, Metaphysik X, 1. 1052 Opera omnia. ed. C. F. A. Nobbe. a 15 ff. und V, 6. 1015 b 16 f. Leipzig 1827. S. 1175b 2. an Bierling, 12. 8. 1711. E 678 b I. Mose 1, 31 GP VII, 502. Monadologie, § 24. E Augustin, De civitate Dei, Buch 707 a; GP VI, 611 XI, Kap. 20. Migne, Patr. Lat. 3. Hegel, Vorlesungen über die GeXLI, 333 schichte der Philosophie. WW ed. Thomas v. Aquin, Sum. theol. I q. Glockner, Stuttgart 1927 ff. XIX, 47 a. 2 461 ff. M. Luther, Über das erste Buch 4. NE III, 6, 24. E 317 b; GP V, 297; Mose, 1527. WW, Weimar 1883 ff. Ak VI.VI, 318. NE III, 6, 39. E Bd. 24. S. 59 323 a; GP V, 309; Ak VI, VI, 328. H. Scholz, Leibniz und die matheConsiderations. E 429 a; GP VI, matische Grundlagenforschung. Jah539 resbericht der Deutschen Mathema- 5. Remarques. E. 452 a; GP VI, 578; tiker Vereinigung, 1942 (52). S. Ak VI, VI, 557 217 f.; Mathesis S. 128 ff. 6. an Bierling, 12. 8. 1711. E 678 b; Reponse. E 460 a; GP IV, 594. GP VII, 502 Principia Mathematica I, 208 7. Monadologie, § l und 2. E 705 a; H. Scholz, Metaphysik als strenge GP VI, 607; Robinet 69 Wissenschaft. Köln 1941. S. 47 8. Principes de la nature, § 1. E 714 1. c. S. 140 a; GP VI, 598; Robinet 27 an Clarke II, 2. E 748 b; GP VII, 9. NE III, 6, 24. E 317 b; GP V, 297; 356 Ak VI, VI, 317 Dialogus. E 77 a; GP VII, 191 10. W. Cramer, Das Absolute und das De rerum originatione. E 148 a; GP Kontingente. Frankfurt 1959. Kap. VII, 304 V: Die Einheit der Substanz. Leibniz' Monadologie S 24 Aristoteles, Metaphysik X, 1; 1052 526 a 29 ff. V, 6; 1015 b 16 an des Bosses, 20. 9. 1712. E 685 b; 1. Aristoteles, Metaphysik III, 1. 996 a 4 ff. III, 4, 1001 a 4 ff. GP II, 457

242

Quellenverzeidinis

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1. De stilo philosophico Nizolii. E 69 a; GP IV, 157 f. Zur Frage, ob sich das Prinzip bei Ockham selbst

2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

9.

findet, vgl. Ockham, Philosophical writings, ed. Boehner. Edinburgh 1957. S. XX f. Suarez, Disputationes metaphysicae, XL, 2, 3. WW XXVI, 533 Platon, Sophistes 244 B ff. NE II, 12, 7. E 238 b; GP V, 133; Ak VI, VI, 146 Thomas von Aquin, Sum. theol. I, q. 11 a l, ad 1. Vgl. De stilo philosophico Nizolii. E 63 b; GP IV, 147 Thomas von Aquin, Sum. theol. I q. 5 a. l De principio individui. E 4 b; GP IV, 24; Ak VI, I, 16 an Herzog Johann Friedrich, 13. 2. 1671. GP I, 56; Ak II, I, 84. an Otto Guericke, 17. 8. 1671. GP I, 98; Ak II, I, 145 NE III, 6, 32. E 320 b; GP V, 303; Ak VI, VI, 323 f. $28

1. § 26 Anm. 15 2. Monadologie, § 4—6. E 705 a; GP VI, 607 3. De stilo philosophico Nizolii. E 63b;GPIV, 147 4. Aristoteles, Metaphysik. III, 5; 1001 b 32. VII, 12; 1037 a 27. V, 8; 1017 b 25 5. D. Nolen, Quid Leibnizius Aristoteli debuerit. Paris 1875. S. 25. L. Stein, Leibniz und Spinoza. Berlin 1890. S. 148 ff. Thomas, De potentia, q. 9, a. l ad 4. Suarez, Diputationes metaphysicae, XXXIII, 2, 18. WW XXVI, 345. L. Pelloux, Leibniz e Aristotele. Rivista di Filosofia Neo-Scolastica, 1947 (39) S. 285 ff. O. Hamelin, Sur ce que Leibniz doit a Aristote. Les Etudes Philosophiques 1957 (12) S. 139 G. Grua, La position de Leibniz par rapport aux ontologies scolastiques et ses consequences dans sa doctrine. Doctor communis 1951 (4). S. 102 ff. M. Wundt, Die ge-

Quellenverzeichnis

6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17.

18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26.

schidulidien Grundlagen von Leibniz' Metaphysik. Zeitschrift für philosophische Forschung 1957 (11). S. 497 ff. J. Christensen, A Note concerning the Scholastic Background of Leibniz's Philosophy. Theoria 1953 (19). S. 172 ff. De primae philosophiae emendatione. E 121 b; GP IV, 468 1. c. E 121 b; GP IV, 468 NE II, 12, 6. E 238 b; GP V, 133; Ak VI, VI, 145 NE II, 13, 19. E 240 b; GP V, 137; Ak VI, VI, 150 an des Bosses, 20.9.1712. E 686 a; GP II, 457 f. Discours § 8. GP IV, 432 Remarques sur la lettre de M. Arnaud. GP II, 43 Kritik der reinen Vernunft. A 147 B 186 De primae philosophiae emendatione. E 122 a/b; GP IV, 469 De arte combinatoria. E 7 b; GP IV, 32; Ak VI, I, 169 an Thomasius. 20./30. 4. 1669. E 51 b; GP I, 21; Ak II, I, 19 W. Werckmeister, Der Leibnizsche Substanzbegriff. Halle 1899. S. 1. J. Jalabert, La theOrie leibnizienne de la substance. Paris 1947. R. Pavese, II concetto di sostanza in Leibniz e la sua integrazione. Sophia, 1938 (6). S. 313 ff. De ipsa natura. E 156 b; GP IV, 508 Principes, § 1. E 714 a; GP VI, 598; Robinet 27 Theodizee, § 400. E 619 a; GP VI, 354 Reponse. E 460 a; GP IV, 594 Theodizee, § 393. E 617 b; GP VI, 350 B. Russell, Leibniz. S. 44 Theodizee, § 59. E 519 b; GP VI, 135 ad Sturmium. 1697. E 145 a Theodizee, § 323. E 598 b; GP VI, 308

243

27. Theodizee, $ 301. E 593 b; GP VI, 296 28. Platon, Sophistes, 247 E 29. Aristoteles, Physik, VIII, 5. 258 a 2 30. De primae philosophiae emendatione. E 121 f.; GP IV, 468 ff. 31. NE I, 3, 18. E 221 a; GP V, 96; Ak VI, VI, 105; Cassirer 78 32. L. Stein, Leibniz und Spinoza. Berlin 1890. S. 198 ff. K. Kanthack, Die psychische Kausalität und ihre Bedeutung für das Leibniz'sche System. Leipzig 1939. S. 32 ff. 33. § 25, S. 146 f. 34. an des Bosses, 29. 5.1716. GP II, 520 35. Monadologie, § 63. E 710 a; GP VI, 617 f.; Robinet 109 36. Monadologie, S 19 ff. E 706 b; GP VI, 610 37. E. Cassirer, Leibniz' System in seinen wissenschaftlichen Grundlagen. Marburg 1902 38. De principio individui. E 3 b; GP VI, 22; Ak VI, I, 15. Couturat, Inedits. S. 533 39. G. Martin, Der Begriff der Realität bei Leibniz. Kant-Studien 49 (1957/ 58) S. 82 ff. J. O. Fleckenstein, G. W. Leibniz. München 1958. S. 117 40. F. H. Jacobi, Werke. Bd. IV, 2. Abt. Leipzig 1819. S. 97 ff. 41. Schelling, Ideen zu einer Philosophie der Natur. WW, ed. K. F. A. Schelling, Stuttgart und Augsburg 1856 ff. II, 37; WW ed. Schröter. München 1927. I, 687. H. H. Holz, Schelling über Leibniz. Deutsche Zeitschrift für Philosophie 1954 (2). S. 755 ff. 42. Hegel, Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie. WW. ed. Glockner. XIX, 449 43. H. Heimsoeth, Die Methode der Erkenntnis bei Descartes und Leibniz. Gießen 1914. S. 275 44. W. Kabitz, Die Philosophie des jungen Leibniz. Heidelberg 1909. S. 4

244

Quellenverzeichnis

45. H. Schmalenbach, Leibniz. Mündien 1921. passim, bes. S. 206 ff. 46. D. Mahnke, Leibnizens Synthese. Halle 1925. bes. Kap. IV und V. H. W. B. Joseph, Lectures on the Philosophy of Leibniz. Oxford 1949. A. Cresson, Leibniz, sa vie, son oeuvre, sa philosophic, Paris 1958. J. Moreau, L'univers leibnizien. Paris—Lyon 1956. C. Ottaviano, Le basi fisico-metafisiche della filosofia di Leibniz. Padova 1952. S. del Boca, Leibniz. Milano 1947. N. Hartmann, Leibniz als Metaphysiker. Leibniz zu seinem 300. Geburtstag, Lfg l, Berlin 1946

S 29 1. Suarez, Disp. Met. XLII, 2, 1. WW XXVI, 607 2. an Wagner, 1696. E 420 a f.; GP VII, 516 f. 3. De arte combinatoria. E 12 b; GP IV, 45; Ak VI, I, 177 4. De principio individui. E 5 a; GP IV, 25; Ak VI, I, 18 5. Ockham, Sum. tot. log. P. I, Cap. 44, Zeile 68. ed. Boehner, St Bonaventure/Louvain/Paderborn 1951, S. 123, In I. Sent. d. 24 q. 2 G; in I sent. d. 24 q. l, E. Lugduni 1495 6. Theodizee, § 87. E 526 a; GP VI, 149 f. 7. Confessio naturae. E 45 b; GP IV, 106; Ak VI, I, 490 8. an Thomasius, 20./30. 4. 1669. E 51 b; GP I, 21; Ak II, I, 19 9. Confessio naturae. E 46 b; GP IV, 108; Ak VI, I, 492 10. Confessio naturae. E 45 b; GP IV, 106; Ak VI, I, 490. an Thomasius, 20./30. 4. 1669. E 54 a; GP I, 26; Ak II, I, 23 11. Confessio naturae. E 45 b; GP IV, 106; Ak VI, I, 490 12. an Thomasius, 20./30. 4. 1669. E 49 b; GP I, 17; Ak II, I, 16 13. an Thomasius, 20./30. 4. 1669. E 50 b; GP I, 19; Ak II, I, 17 f.

14. NE IV, 3, 1. E 348 a; GP V, 363; Ak VI, VI, 382 15. De modo distinguendi. E 445 a/b; GP VII, 322 16. J. Locke, Essay concerning human understanding, II, 8 S. WW London 1801. I, 112 17. NE II, 8, 9. E 231 a/b; GP V, 117 f.; Ak VI; VI, 130 18. an Conring, 19./29. 3. 1678. GP I, 196 f.; Ak II, I, 400 19. an des Bosses, 1.9. 1706. E 438 b; GP II, 314 20. an Jac. Bernoulli, 2. 12. 1695. GM III, 28 21. vgl. § 8 22. Ockham, Sum. tot. log. P. I, Cap. 55. ed. Boehner, S. 164 23. Theodizee, § 395. E 617 b; GP VI, 351 De modo distinguendi. E 445 a/b; 24. GP VII, 322 25. Im selben Sinn: Kritik der reinen Vernunft, etwa A 285 B 341 26. Monadologie, § 8. E 705 b; GP VI, 608; Robinet 72 f. 27. Theodizee, § 32. E 513 a; GP VI, 121 28. Theodizee, § 87. E 526 b; GP VI, 150 vgl. auch Animadversiones in partem generalem Principiorum Cartesianorum, GP IV, 365. Entwurf zur 'Reponse aux reflexions', GP IV, 345 29. George Duke of Buckingham, A Short discourse upon the reasonableness of men's having a religion or worship of God. 2 ed. London 1685. S. 8 30. an Malebranche. März/April 1675. GP I, 321—323; Ak II, I, 254 f. 31. NE II, 23, 1. E 272 a; GP V, 202; Ak VI, VI, 217. NE II, 23, 28. E 275 a; GP V, 208; Ak VI, VI, 224. NE IV, 3, 1. E 348 a; GP V, 363; Ak VI, VI, 382 32. an des Bosses, 20. 9. 1712. E 686 a; GP II, 458

Quellen Verzeichnis

245

33. an Leibniz, 12.12.1712. GP II, 22. an Clarke, V, 47. E 769 a; GP VII, 401; Cassirer I, 184 f. Vgl. F. S. C. 466 Northrop, Leibniz's Theory of 34. an des Bosses, 19. 8. 1715. E 728 b; Space. Journal of the History of GP II, 503 35. an des Bosses, 19. 8. 1715. E 728 Ideas, 1946 (7). S. 422 ff. E. Cassirer, Newton und Leibniz. The b; GP II, 504 Philosophical Review, 1943 (52), S. 366 ff. R. Wavre, L'espace pour Leibniz. Studia Philosophica, 1947 S 30 (7). S. 245 ff. C. D. Broad, Leibniz's last controversy with the 1. NE II, 12, 3. 238 a/b; GP V, 132; Newtonians. Theoria, 1946 (12), S. Ak VI, VI, 145 143 ff. 2. NE II, 28, 3. E 286 a; GP V, 231; 23. Russell, Leibniz. S. 126 Ak VI, VI, 249; Cassirer 265 24. an Clarke, V, 47. E 769 a; GP VII, 3. NE II, 25, 1. E 276 a; GP V, 210; 401 Ak VI, VI, 227 25. an Clarke, V, 47. E 769 a; GP VII, 4. G. Martin, Wilhelm von Ockham, 401 Berlin 1949. § 34 26. an des Bosses, 21. 4. 1714. E 713 5. Duns Scotus, Rep. Par. II, 1. 6. a; GP II, 486 WW XXII, 555 b. 27. NE II, 12, 3. E 238 b; GP V, 132; 6. Duns Scotus, Rep. Par. II, l, 6. Ak VI, VI, 145 WW XXII, 552 b. 28. NE II, 12, 3. E 238 b; GP V, 132; 7. Ockham, Sum. tot. log. I, 49. ed. Ak VI, VI, 145 Boehner. S. 140 ff. 8. Duns Scotus, Op. ox. II, l, 4. WW XI, 99 b. 9. G. Martin, Ockham, 36—42 10. 1. c. § 44 11. Hobbes, Elementorum philosophiae 1. NE II, 12, 3. E 238 a/b; GP V, 132; S. I. De corpore II, 11, 6. Opera, Ak VI, VI, 145 ed. Molesworth, Londoni 1839 ff. I. 2. De principio individui. E 5 a; GP 120 IV, 25; Ak VI, 1,18 12. J. Locke, Essay II, 25. WW II, 34 ff. 3. Suarez, Disp. Met. LIV. WW 13. Russell, Leibniz, S. 126 XXVI, 1014 ff. 14. an des Bosses, 11. 3. 1706. E 435 4. Kritik der reinen Vernunft. A 292 b; GP II, 304 B 348 15. Ockham, In I. sent. D. 24 q. 2 P. 5. Kritik der reinen Vernunft. A 291 16. De stilo philosophico Nizolü. E B 347 6. NE II, 25, 1. E 276 a; GP V, 210; 63 b; GP IV, 147 17. 1. c. E 63 b; GP IV, 147 Ak VI, VI, 227 7. Theodizee, Remarques sur le livre 18. 1. c. E 63 b; GP IV, 147 19. Thomas, In duodecim libros metade lOrigme du mal, § 26. E 651 physicorum Aristotelis expositio. a; GP VI, 432 V,9, 894; V, 22, 1139; VII, l, 1253; 8. an des Bosses, 21. 4. 1714. E 713 XII, l, 2419 a/b; GP II, 486 20. NE 11,25, 6. E 276 a/b; GP V, 211; 9. an des Bosses, 11. 3. 1706. E 436 Ak VI, VI, 227. NE II, 12. 3. E a; GP II, 305 238 b; GP V, 132; Ak VI, VI, 145 10. NE II, 25, 1. E 276 a; GP V, 210; 21. Ockham, In I. sent. D. 24 q. 2 H. Ak VI, VI, 227

Quellenverzeichnis

246

11. an Clarke, V, 47. E 769 a; GP VII, 401 12. an Bourguet, 1712. E 719 a; GP III, 559 13. an Dangicourt, 1716. E 745 b. 14. De modo distinguendi. E 443 a; GP VII, 319 15. 1. c. E 444 a/b; GP VII, 322 16. an Foucher, 1687. GP I, 391 f. 17. De modo distinguendi. E 444 b; GP VII, 321 18. Examen des principes du R. P. Malebranche. E 693 b; GP VI, 586 19. Platon Staat 589 b. (Hinweis auf den Staat: Theodizee § 382. E 614 b; GP VI, 342) 20. Examen. E 693 b. GP VI, 586 21. NE II, 12, 3. E 238 b; GP V. 132; Ak VI, VI, 145 22. NE II, 12, 7. E 238 b; GP V, 133; Ak VT, VI, 146 23. Cassirer S. 128 f. f32 1. Monadologie, ξ 78. E 711 b; GP VI, 620; Robinet 119 2. Considerations. E 430 a; GP VI, 540 f. 3. Monadologie, §79. E 711 b; GP VI, 620; Robinet 119 4. Theodizee, E § 339, S.602b; GP VI, § 340, S. 316 5. Theodizee, § 118. E 535 a; GP VI, 168 6. Theodizee, ed. Gottsched. S. 281 7. Considerations. E 430 a; GP VI, 541. Vgl. auch: Principes, §15. E 717 b; GP VI, 605. an des Bosses, 16. 10. 1706. E 441 a; GP II, 325. De anima brutorum. E 465 b; GP VII, 332. an Wagner, 4. 6. 1710. E 467 a; GP VII, 531 8. Monadologie, § 87. E 712 a; GP VI, 622 9. Monadologie, §87. E 712 a; GP VI, 622 10. K. Hildebrandt, Leibniz und das Reich der Gnade. Den Haag 1953

S 33 1. ficitiones mentis: an des Bosses, 11. 3. 1706. E 436 a; GP II, 305. Couturat, Ine*dits. S. 85; S. 581 2. an Malebranche, 4. 8. 1679. GP I, 340 f.; Ak II, I, 483 3. an des Bosses, 11. 3. 1706. E 436 a; GP II, 305. an Joh. Bernoulli, 29. 7. 1698. GM III, 524 4. an Joh. Bernoulli, 18. 11. 1698 GM III, 551 5. Gauss, WW II, 175 f. 6. an des Bosses, 3. 10. 1706. E 436 a; GP II, 305 7. E. Cassirer, Leibniz* System in seinen wissenschaftlichen Grundlagen. Marburg 1902.

S 34 1. an des Bosses, 11. 3. 1706. E 436 b; GP II, 306 2. an des Bosses, 19. 8. 1715. E 728 b; GP II, 504 3. an des Bosses, 19. 8. 1715. E 730; GP II, 506 4. Descartes, Discours D. VIII. Oeuvres, ed. Adam & Tannery, Paris 1897 ff., VI, 325 ff. 5. Iris an vielen Stellen etwa: an des Bosses, 19. 8. 1715. E 728 b; GP II, 504. an des Bosses, 29. 5. 1716. E 741 a; GP II, 517. an des Bosses, 11. 3. 1706. E 436 b; GP II, 306. als Beispiel auch: Kritik der reinen Vernunft, A 45 B 63 $35 1. an Remond, 10. 1. 1714. E 702 a; GP III, 606. Systeme nouveau. E 127 b; GP IV, 484. an des Bosses, 11.3. 1706. E 436 b; GP II, 306 2. Examen des principes du R. P. Malebranche. E 695 b; GP VI, 590 3. an des Bosses, 15. 3. 1715. E 726 a; GP II, 492 4. Erdmann S. XXIII

247

Quellenverzeichnis 5. De modo distinguendi. E 443 a; GP VII, 319 6. 1. c. E 444 a; GP VII, 320 7. 1. c. E 445 b; GP VII, 322 8. an des Bosses, 8. 9. 1709. E 462 b; GP II, 390. an des Bosses, 16. 3. 1709. E 456 a; GP II, 368. Couturat, Inidits. S. 523 9. an des Bosses, 15. 3. 1715. E 726 a; GP II, 492. L. J. Russell, Leibniz's Account of Phenomena. Proceedings of the Aristotelian Society 1953/1954 (54). S. 167 ff. N. Rescher, Leibniz's conception of quantity, number and infinity. The Philosophical Review 1955 (64). S. 108 ff.

$36 1. M. Gueroult, Dynamique et me'taphysique Leibniziennes. Paris 1934 2. an vielen Stellen, etwa Theodizee, $ 60/61. E 519 b f.; GP VI, 135 f. Brevis demonstratio erroris memorabilis Cartesii. GM VI, 117 ff. 3. Kant, Gedanken von der wahren Schätzung der lebendigen Kräfte. WW I, l ff. 4. De legibus naturae, Act. Erudit. Lips. 1691. GM VI, 204 ff. Lettre sur la question. E 112 f. GP IV, 464 f. 5. D. Mahnke, Leibnizens Synthese. Halle 1925. S. 129. Unter Verweis auf: Discours, §18. GP IV, 444. Eclaircissement des difficulte*s. GP IV, 523. Specimen inventorum. GP VII, 314 6. Theodizee, S 87. E 526 a/b; GP VI, 149 7. Elementa rationis. Couturat, Ine'dits. S. 342. Discours 18. GP IV, 444. De ipsa natura. GP IV, 509 ff. 8. Thomas von Aquin, De pot. q. 9 a. 5 ad 2 9. Aristoteles, Metaphysik XIV, 1; 1088 a 23, a 29 f. Suarez, Disp. Met. XLVII. "WW XXVI, 781

S 37 1. D. Mahnke, Leibnizens Synthese. S. 30 f. 2. Kritik der reinen Vernunft, A 277 B 333 3. Suarez, Disp. Met. XLVII, 2, 11. WW XXVI, 789 4. Suarez, Disp. Met. XLVII, 2, 22. WW XXVI, 792 5. De stilo philosophico Nizolii. E. 63 b; GP IV, 147 6. an Clarke, V, 47. E 769 a; GP VII, 401. Remarques. E 451 a; GP VI, 576; Ak VI, VI, 555 7. an des Bosses, 29. 5. 1716. E 740 a; GP II, 515.

38 1. Considerations sur les principes de vie. E 430 a; GP VI, 541. Systeme nouveau. E 128 a; GP IV, 486 2. Confessio naturae. E 45 ff.; GP IV, 105 ff. Ak VI, I. 489 ff. 3. De vita beata. E 71 ff.; GP VII, 90 ff. 4. Erdmann, S. XI 5. Confessio naturae. E 45 b; GP IV, 106; Ak VI, I, 490 6. Confessio naturae. E 47 a; GP IV, 109; Ak VI, I, 492 7. Confessio naturae. E 45 a; GP IV, 105; Ak VI, I, 489 8. De vita beata. GP VII, 91; E 71 b f. 9. De vita beata. GP VII, 96; E 74 a 10. Meditationes. E 80 b; GP IV, 424 11. Meditationes. E 80 a/b; GP IV, 424 12. an Huygens, 3./13. 10. 1690. GM II, 51 13. an Oldenburg, 28. 12. 1675. GM I, 85 14. Theodizee, § 7. E 506 a; GP VI, 106 f. 15. Monadologie, § 43. E 708 a/b; GP VI, 614; Robinet 95

Quellenverzeidinis

248 $39

1. Theodizee, § 4. E 480 b; GP VI, 51; Gottsched 57 2. Theodizee, ed. Gottsched. S. 56/57. 3. Theodizee, Vorrede. E 469 b; GP VI, 28; Gottsched 10 4. Theodizee, § 4. E 480 b; GP VI, 51; Gottsched 57 f. 5. Remarques. E 452 b; GP VI, 578; Ak VI, VI, 558 6. Monadologie, §48. E 708 b; GP VI, 615; Robinet 99. 7. Remarques. E 452 b; GP VI, 578; Ak VI, VI, 558. vgl. auch § 5, Anm. 25 8. an des Bosses, 7. 11. 1710. E 667 a; GP II, 412 S40

1. De primae philosophiae emendatione. E 121 a; GP IV, 468 2. an Malebranche, 13. 3. 1699. GP I, 356 3. an de l'Hospital, 14./24. 6. 1695. GM II, 288 4. an Jac. Bernoulli, 15. 3. 1697. GM III, 57. an Jac. Bernoulli, April 1705. GM III, 99 5. an Thomasius, 20./30. 4. 1669. E 49 a; GP I, 17; Ak II, I, 16 6. NE IV, 8, 9. E 371 b f.; GP V, 41 Iff.; Ak VI, VI, 430 ff. 7. De arte combinatoria. E 8 a; GP IV, 35; Ak VI, I, 170 8. NE IV, 8, 9. E 371 b; GP V, 412; Ak VI, VT, 430

9. NE IV, 3, 18. E 348 b f.; GP V, 364; Ak VI.VI, 383; Cassirer 449 10. Theodizee, § 184. E 561 b; GP VI, 227 11. De primae philosophiae emendatione. E 121 a; GP IV, 468. Systeme nouveau. E 124 a/b; GP IV, 478. an de l'Hospital, 27. 12. 1694. GM II, 258. an Malebranche, 13./ 23. 3. 1699. GP I, 356 12. Meditationes. E 79 a; GP IV, 422 13. De primae philosophiae emendatione. E 121 b; GP IV, 468. 14. NE IV, 2, 9. E 343 a; GP V, 352; Ak VI, VI, 371 41 1. H. Scholz, Metaphysik als strenge Wissenschaft. Köln, 1941. 2. A. Harnack, Geschichte der Kgl. Preuß. Akademie der Wiss. Bd 2, Berlin 1900, S. 306 f. 3. Kant, Untersuchung über die Deutlichkeit der Grundsätze der natürlichen Theologie und Moral. WW II, 273 ff. 4. M. Mendelssohn, Abhandlung über die Evidenz in metaphysischen Wissenschaften (von der Berliner Akademie gekrönte Preisschrift) Berlin 1764. WW Bd. II. Leipzig 1843 5. J. Iwanicki, Leibniz et les demonstrations mathe'matiques de l'existence de Dieu. Paris 1933. S. 309 6. De vera proportione circuli ad quadratum circumscriptum. GM V, 118 ff.

ANHANG: Die Bedeutung von Leibnizens analytischer Logik im achtzehnten Jahrhundert 1. L. Couturat, La logique de Leibniz. Paris 1901, VI, 18, S. 210 2. B. Russell, A Critical Exposition of the Philosophy of Leibniz. 4. Aufl. London 1951, S. 17 3. G. Martin, Leibniz. Logik und Metaphysik. 2. Aufl. Berlin 1966, § 6, S. 34 ff.

4. G. Martin, Arithmetik und Kömbinatorik bei Kant. Itzehoe 1938, S. 44 5. L. Couturat, Opuscules et fragments inedits de Leibniz. Paris 1903, Titelblatt 6. E 79 a ff; GP IV, 422 ff. 7. Chr. Wolff, Philosophia rationalis

Quellenverzeichnis

8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16.

17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. 32. 33. 34.

35.

36.

37.

sive Logica. 3. Aufl. Frankfurt u. Leipzig 1740, S 77, S. 155 Vgl. WW I, 101; 106; 122 WW II, 32 Meditationes. E 80 a; GP IV, 424 1. c. E 81 a; GP IV, 426 1. c. E 79 a; GP IV, 422 1. c. E 79 b, 80 b; GP IV, 423, 425 1. c. E 79 b; GP IV, 423 1. c. E 79 b; GP IV, 423 Couturat, Logique VI, 17, S. 208, A. l Couturat, Ine"dits, S. 518 Couturat, Logique, S. 603 (Inhaltsangabe von chap. VI, § 5 u. 6) NEIV, 12, 6. E381b; GPV.432; Ak VI, VI, 450. Couturat, Logique VI, 6, S. 187, A. 3 Couturat, Logique VI, 5 ff., S. 184 ff. Wolff, Logica. § 77 ff., S. 155 ff. 1. c. S§ 78—94, S. 155—161 1. c. §§ 94 ff., S. 161 ff. 1. c. S 105, S. 166 1. c. S§ 105 ff., S. 166 ff. 1. c. S 198, S. 216 I. c. S 201, S. 217 1. c. § 219, S. 225 1. c. S 223, S. 227 1. c. $ 320, S. 284 Chr. Wolff, Cosmologia generalis. Frankfurt u. Leipzig 1731, § l9· S. 16 Ibid. 1. c. § 55, S. 52 Chr. Wolff, Anfangs-Griinde aller Mathematischen Wissenschafften. 4 Tie, Halle 1710. (zitiert nach Aufl. Frankfurt & Leipzig 1744) Chr. Wolff, Elementa matheseos universae. Tom. l und 2, Halae 1713—1715. (zitiert nach Aufl. Genevae 1743 ff.) Chr. Wolff, Auszug aus den Anfangsgründen aller mathematischen Wissenschafften. Halle 1717. (zitiert nach Aufl. Halle 1772) Wolff, Elementa, Brevis commentatio. Bd I, S 11, S. 4

249

38. Wolff, Anfangsgründe, Kurzer Unterricht. Bd I, S 29, S. 16 39. Wolff, Elementa. Bd. I. Th. XIII, Coroll. II, S. 113 40. Wolff, Elementa, Brevis commentatio. Bd I, § 33, S. 7 41. 1. c. $ 45, S. 10 42. Wolff, Anfangsgründe. Bd I, S. 46 43. Wolff, Auszug. S. 17 44. Wolff, Elementa. Bd I, S. 25 45. G. F. Meier, Auszug aus der Vernunftlehre. Halle 1752, §S 14, 124. Kant, WW XVI, 80, 316 46. . c. SS 249 ff., S. 533 ff. 47. . c. SS 292 ff., S. 624 ff. 48. . c. S 297, S. 642 49. . c. $ 139, S. 340 f. 50. . c. S 314, S. 668 51. . c. S 315, S. 668 52. . c. S 318, S. 670 53. WW II, 276 54. Ibid. 55. 1. c. S. 278 56. 1. c. S. 283 f. 57. Kritik der reinen Vernunft. A 6 B9 58. WW XVI, 79 59. Immanuel Kants Logik. Ein Handbuch zu Vorlesungen, ed. G. B. Jäsche. WW IX, 34 60. Kritik der reinen Vernunft, A 270 B 326 ff. In demselben Sinne schon in der Dissertation von 1770, S 7. WW II, 395 61. Der einzig mögliche Beweisgrund. WW II, 73 62. Meditationes. E 80 b; GP IV, 424 63. Der einzig mögliche Beweisgrund. WW II, 72 64. WW II, 294 65. WW I, 389 66. Ibid. 67. Martin, Arithmetik und Kombinatorik bei Kant. S. 44 68. WW II, 279 69. 1. c. 281 70. 1. c. 294

250

Quellenverzeidinis

71. Wolff, Cosmologia. § 119, S. 108 bilis forma et principiis. § 14, 3. WW II, 399 72. Untersuchung über die Deutlichkeit 76. I. c. § 15, C. S. 402 der Grundsätze. WW II, 294 77. Chr. Wolff, Philosophia prima sive 73. Kritik der reinen Vernunft. A 31, Ontologia. 2. Aufl. Francofurti et B 47 Lipsiae 1736, § 586, S. 451. 74. 1. c. A 24, B 39 78. Untersuchung über die Deutlichkeit der Grundsätze. WW II, 283 75. De mundi sensibilis atque intelligi-

ABKÜRZUNGEN Ak: Cassirer:

Cassirer I:

E: GM: GP: Gottsched: Robinet: Robinet:

G. W. Leibniz. Sämtliche Schriften und Briefe. Herausgegeben von der Preußischen Akademie der Wissenschaften. Darmstadt 1923 ff. G.W.Leibniz, Neue Abhandlungen über den menschlichen Verstand. In dritter Auflage mit Benutzung der Schaarschmidt'schen Übertragung neu übersetzt, eingeleitet und erläutert von Ernst Cassirer. Leipzig (Meiner) 1915. G . W . Leibniz, Hauptschriften zur Grundlegung der Philosophie. Übersetzt von A. Buchenau. Durchgesehen und mit Einleitungen und Erläuterungen herausgegeben von E. Cassirer. Bd 1. Leipzig (Meiner) 1904. G. G. Leibnitii Opera philosophica quae exstant Latina, Gallica, Germanica omnia. Instruxit J. E. Erdmannus. Berolini 1840. Leibnizens mathematische Schriften. Herausgegeben von C. I. Gerhardt. Bd 1—7. Berlin 1849—1863. Die philosophischen Schriften von G. W. Leibniz. Herausgegeben von C. I. Gerhardt. Bd 1—7. Berlin 1875—1890. Herrn G. W. Freyherrn von Leibnitz Theodicee ... Bey dieser vierten Ausgabe durchgehende verbessert... von J. Chr. Gottscheden. Hannover und Leipzig 1744. G. W. Leibniz, Principes de la nature et de la grace fondes en raison. Principes de la philosophic ou Monadologie. Publics par A. Robinet. Paris 1954. Correspondance Leibniz-Clarke. Pre"sent£e ... par A. Robinet. Paris 1957.

VERZEICHNIS DER ZITIERTEN SCHRIFTEN UND BRIEFE VON LEIBNIZ Addenda ad specimen calculi universalis 7, 35, 43, 45 De analyst situs 53, 54, 55 Analysis geometrica propria 53 Animadversiones in partem generalem Principiorum Cartesianorum 160 Causa Dei 27, 120 De causa gravitatis, et defensio sententiae autoris de veris naturae legibus contra Cartesianos 60 Characteristica geometrica 53, 64 Commentatio de anima brutorum 178 Confessio naturae contra atheistas 154, 155, 197, 198, 203 Considerations sur les principes de vie, et sur les natures plastiques 116, 132, 177, 178, 196 Demonstratio axiomatum Euclidis 80 Demonstratio contra atomos sumta ex atomorum contact», 58 Brevis demonstratio erroris memorabilis Cartesii et aliorum circa legem naturalem 59, 60, 190 Dialogus de connexione inter res et verba, et veritatis realitate 66, 67, 68, 71, 108, 109, 127 Discours de metaphysique 35, 122, 135, 145, 191 Disputatio metaphysica de principio individui 137, 141, 149, 153, 154, 171, 203 Dissertatio de arte combinatoria 26, 27, 28, 33, 42, 45, 48, 74, 75, 145, 151, 154, 204, 205 Dissertatio de stilo philosophico Nizolii 107, 138, 143, 145, 165, 166, 194, 203 Dynamica de potentia et legibus naturae corporeae 56, 58, 61

Eclaircissement des difficultes que Monsieur Bayle a trouvees dans le systeme nouveau de l'union de l'ame et du corps 191 Eclaircissement du nouveau Systeme de la communication des substances 130 Elementa rationis 191 De primae philosophiae emendatione, et de notione substantiae 60, 144, 145, 147, 203, 205, 206 Epistola ad V. Cl. Christianum Wolfium ... circa scientiam infiniti 51 Nouveaux Essais 6, 7, 8, 9, 10, 27, 33, 34, 40, 43, 44, 45, 46, 49, 63, 73, 77, 78, 86, 87, 89, 90, 110, 111, 112, 129, 130, 131, 132, 133, 140, 141, 144, 147, 155, 156, 160, 161, 162, 167, 170, 171, 172, 173, 175, 176, 204, 205, 206, 214 Examen des principes du R. P. Malebranche 113, 174, 175, 186 Explication de l'arithmetique binaire 65 De geometria recondita et analyst indivisibilium et infinitorum 52 Hypothesis physica nova

56, 58

Initia mathematica, Mathesis universalis. Arithmetica. Algebraica 62 Initia rerum mathematicarum metaphysica 66, 78 Initia scientiae generalis de nova ratione instaurationis et augmentationis scientiarum 69, 70, 71 Synopsis libri, cut titulus erit: Initia et specimina scientiae novae generalis 69

Zitierte Schriften und Briefe Generates inquisitiones de analyst notionttm et veritatum 28, 74, 88 Introductio ad encyclopaediam arcanam 61,90 De legibus naturae et vera aestimatione virium motricium contra Cartesianos responsio 59, 61, 190 Lettre sv.r la question, si ['essence du corps consists dans I'etendue 190 Ms. Couturat, Inedits 191—192 : 71 Ms. Couturat, Inedits in—222 : 71 Ms. Couturat, Inedits 533—535 : 149 Ms. Couturat, Inedits 581 : 180 Ms. GP VII, 299—301 : 35, 36 Mss. E 82 ff. : 62 Mss. GP VII, l ff. : 62 Matheseos universales pars prior 94 Meditationes de cognitions, veritate et ideis 26, 29, 31, 32, 33, 74, 83, 84, 85, 86, 87, 88, 89, 100, 101, 107, 198, 206, 213, 215, 225 Methodus, qua innummerarum linearum constructio ex data proprietate ... exhibetur 66, 67, 68 Nova methodus pro maximis et minimis 52 De modo distinguendi phaenomena realia ab itnaginariis 155, 158, 173, 174, 187 Monadologie 6, 11, 22, 27, 34, 35, 49, 111,121,128,133,143, 148,159, 177, 178, 196, 199, 201 De ipsa natura sive de vi insita actionibusque creaturarum 57, 146, 191 De rerum originatione radicali 127, 130

23,

Platonis Phaedo ... contractus 135 Principes de la nature et de la grace 133, 137, 146, 178 De vera proportions circuit ad quadraturn circumscriptum in numeris rationalibus expressa 208 In Euclidis Prota 45, 80 Reflexions sur l'ouvrage que M. Hobbes

253

a public ,.. de la liberte, la necessite et du hazard 117 Relation de l'etat present de la Republique des lettres 208 Remarques sur la lettre de M. Arnaud 145 Quelques remarques sur le Ihre de Mons. Locke intitule Essay of Understanding 31, 109, 110 Remarques sur le livre de l'origine du mal, publie depuis peu en Angleterre 172 Remarques sur le sentiment du P. Malebranche 113, 132, 195, 201 Reponse aux objections contre le Systeme de l'harmonie preetablie qui se trouvent dans le livre de la connoissance de soy-meme 125, 146 Reponse aux reflexions qui se trouvent dans le 23 Journal des Sgavans de cette annee touchant... la philosophic de des Cartes 117 Entwurf zur Reponse aux reflexions . ., 160 De scientia universali seu calculo philosophico 61, 63, 71, 76 Specimen calculi universalis 35 Non inelegans specimen demonstrandi in abstractis 45, 63, 79 Specimen inventorum de admirandis naturae generalis arcanis 95, 191 De synthesi et analyst universali 90, 91 Systeme nouveau de la nature et de la communication des substances 57, 116, 186, 196,205 Tentamen de motuum coelestium causis 58,59 Platonis Theaetetus... contractus 135 Theodizee 6, 7, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 20, 21, 22, 23, 44, 45, 46, 81, 82, 110, 111, 112,113, 115,116,117,120,121, 122, 123, 124, 146, 154, 158, 159, 160, 172, 178, 190, 191, 196, 199 200, 201, 205 Theoria motus abstracti 56 Primae veritates 36, 41, 188, 214 De vita beata 197, 198

Zitierte Schriften und Briefe

254

Briefwechsel mit: Arnauld

13, 137, 145

Bernoulli, Jak. 51, 156, 204 Bernoulli Joh. 52,56,61,63,109,181 Bierling 132, 133 Bourguet 173 Clarke 6, 11, 14, 15, 19, 39, 57, 81, 118, 126, 168, 169, 170, 173, 195 Conring 78, 156, 214 Coste 13, 14 Dangicourt 173 des Bosses 61, 112, 129, 131, 137, 144, 145, 148, 156, 160, 165, 170, 172, 173, 178, 180, 181, 182, 183, 184, 185, 186, 187, 188, 195, 202 Fabri 96, 122 Foucher 90, 174

Huthman 109 Huygens 51, 53, 54, 55, 57, 58, 66, 72, 198, 199 Herzog Johann Friedrich 30,69,70, 98, 141 de l'Hospital

Malebranche 160, 181, 203, 205 Mariotte 116 Oldenburg

Mansch

112, 113, 117

32, 98,199

Papin 59 Placcius 212 Remond Sturm

8, 186 146

Thomasius Gallois 84, 109 Giordano 45, 77 Guericke 141

203, 205

Vagetius

57, 145, 154, 155 25, 34, 74

Wagner, G. 29, 41, 42, 44, 45, 47, 48, 93, 151, 178

PERSONENVERZEICHNIS [Im Quellenverzeicbnis vorkommende Namen sind nur dann aufgenommen, wenn sie an der entsprechenden Stelle des Textes nicht erscheinen.] Abälard 20 Abidit 207 Adam 246 b Ägypter 73 Alfenus 185 Akademiker 186 Anselm v. Canterbury 198 Antipater 20 Apollonius 78 Araber 64 Archidemos 20 Archimedes 11, 12, 19 Aristoteles 6, 28, 42, 44, 47, 57, 74, 77, 102, 112, 128, 129, 130, 134, 135, 136, 137, 142, 144, 146, 147, 149, 150,151, 152, 153, 154, 158, 163, 179, 191, 194, 196, 204, 205, 206, 208, 210 Aristoteles Analytica posterior 26, 74, 100, 234 a Aristoteles Analytica prior 41 Aristoteles De genest 147 Aristoteles De interpretatione 20 Aristoteles Metapbysica 128, 129, 130, 131, 133, 134, 135, 143 Aristoteles De motu animalium 147 Aristoteles Physica 146, 147 Arnauld 137, 204, 241 a, 243 a Arrianus 20 Augustinus 9, 111, 112, 113, 115, 118, 119, 124, 204, 231 Augustus 75,76 Auzout 56 Babylonier 73 Bacon 197 Barber 241 a Baumgarten 16 Bayle 9, 10, 20, 21, 110, 117

Becker, A. 233 b Bergmann 232 a Bernoulli, Jak. 51, 156, 204, 248 a Bernoulli, Joh. 14, 52, 56, 61, 63, 239 a, 246 b Bierling 133, 241 b Bochenski 63, 232 a, 237 b Bodenhausen (= „amico") 56 Boehner 242 b, 244 a, 245 a Boethius 207 Bolzano 113 Bourguet 173 Boyle 197 Bradley 169 Broad 245 b Bruno, G. 28 Buckingham 159, 160 Burgelin 242 a Buridan 12, 13 Cantelli 236 a Cantor 50 Cardanus 195 Cartesianer 183 Cassirer 149, 176, 182, 183, 245 b Christensen 243 a Christus 120 Chrysipp 20,21 Cicero 123 Clarke 6,11,14,15,19,39,57,81, 118, 168, 173, 195, 196, 234 a, 241 a, 245 b Clavius 195 Colorni 240 a Conring 78, 156, 214 Coste 233 a Couturat 7, 28, 34, 35, 36, 37, 42, 43, 44, 62, 67, 69, 71, 74, 90, 95, 211,

256

Personenverzeichnis

212, 214, 234b, 235 a, 236a, 237b, 238 b, 239 a Cramer 241 b Cresson 244 a Crusius 16 Dalbiez 234 b Dangicourt 173 del Boca 233 b, 244 a Demokrit 112, 154, 197 des Bosses 112, 129, 144, 148, 156, 160, 172, 173, 182, 183, 188, 195, 202, 237 b, 241 b, 242 a, 245 a, b, 246 a, b, 247 a Descartes 10, 29, 32, 52, 58, 59, 60, 70, 84, 98, 110, 147, 158, 175, 188, 189, 191, 197, 198, 203, 205, 213, 244 b, 246 b, 247 a des Maizeaux 113, 186, 240 a Diels 242 a Dreier 205 Dürr 45, 62, 63, 79, 232 a, 235 b Duns Scotus 110, 113, 136, 138, 152, 153, 157, 158, 160, 162, 163, 164, 165, 167, 171, 204 Eberhard 17 Epikur 20, 197 Erdmann 56, 61, 62, 69, 76, 108, 130, 155, 173, 187, 197, 246 b Euklid 27, 44, 45, 62, 76, 77, 79, 90, 93, 195, 219, 238 b Fabri 96, 122 Fleckenstein 236 a, 243 b Foucher 174, 239 a Foucher de Careil 242 a Frege 45, 103 Freudenthal 55 Galen 42 Galilei 197, 203 Gallois 109, 239 a Gassendi 28, 154 Gauss 181 Gerhardt 50, 53, 56, 59, 62, 69 Giacon 233 b Giordano 77, 236 a Glockner 241 b, 243 b Gottsched 123, 178, 200 Gouye 182

Grassmann 55 G^goire, P. 28 Gregor von Rimini 194 Griechen 54, 64, 73, 108, 124, 138, 139, 179, 196 Grua 235 a, 242 b Guericke 242 b Gueroult 189, 190, 235 a Guhrauer 41 Hamelin 242 b Mansch 112, 117 Harnack 248 b Hartmann, Nicolai 21, 22, 244 a Hartshorne 232 b Hegel 132, 148, 149 Heimsoeth 149 van Helmont 147 Herring 233 b Hervaeus 194 Hubert 80, 94 Hildebrandt 179, 180 Hobbes 28, 45, 66, 107, 108, 114, 117, 163, 166, 197 Hofmann 51 Holz 243 b Huber 239 a Husserl 77 Huthman 109 Huygens 51, 53, 54, 55, 57, 58, 66, 67, 72, 186, 199 Inder 64 Iwanicki 207 Jacobi 149 Jäsche 224 Jalabert 243 a Herzog Johann Friedrich 242 b Jonas 120 Joseph 244 a Jungius 102

30, 69, 98,

Kabitz 69, 71, 150, 237 a Kant 8, 16, 36, 67, 68, 81, 82, 85, 94, 95,115,149,153,162,196,207, 211, 212, 217, 219, 221, 225, 228, 229, 230, 231

Personenverzeichnis Kant Beobachtungen über das Gefühl des Schönen 230 Kant Der einzig mögliche Beweisgrund 222, 224, 225 Kant Nova Dilttcidatio 16, 226, 227 Kant Einleitung in die Vernunftlehre 219, 224 Kant Über eine Entdeckung 17 Kant De mundi sensibilis atque intelligibilis forma 221, 222, 230 Kant Gedanken von der wahren Schätzung 82, 190, 213 Kant Kritik der reinen Vernunft 16, 36, 42, 82, 85, 95, 102, 114, 115, 137, 145, 171, 193, 223, 224, 227, 230, 244 b, 246 b Kant Logik 224 Kant Prolegomena 230 Kant Untersuchung über die Deutlichkeit derGrundsätze 207,221,222,223, 226, 227, 228, 229, 231 Kant Versuch einiger Betrachtungen über den Optimismus 213 Kanthack 243 b Kebes 138, 167 Kepler 59, 203 Kircher 28, 30, 70, 98 Kleanthes 20 Korcik 234 b Laches 167 Lambert 82,98 Lewis 242 a de l'Hospital 248 a, b Locke 8, 31, 107, 109, 110, 112, 114, 129, 144, 156, 162, 175, 176 Loemker 240 a Lullus, R. 28, 29, 30, 70, 98, 102 Lullisten 28 Luther 124 Mahnke 69, 150, 190, 192, 232 a, 234b, 238 a Malebranche 111, 113, 160, 174, 186, 201, 203, 204, 246 b, 248 b Mariotte 116 Martin, G. 68, 211, 227, 239 a, 242 a, 243 b, 245 a Matzat 238 a

257

Meier 219, 220, 221, 224 Mendelssohn 207 Molesworth 245 a Moore 192 Moreau 244 a de Morgan 103 Natorp 192 Newton 14, 15, 51, 53, 56, 57, 60, 61, 65,68, 109, 118, 168, 179, 195 Nikias 167 Nizolius 107, 138, 143, 145, 166, 195, 203, 245 a Nobbe 241 a Nolen 242 b Nominalisten 138, 194 Northrop 245 b Ockham 136, 138, 140, 141, 152, 153, 154, 157, 158, 163, 165, 166, 167, 170, 171, 194, 204 Oldenburg 32, 199, 239b Ottaviano 244 a Papin 59, 61 Parmenides 128, 134, 138, 142 Pavese 243 a Peano 45, 103 Pelloux 242 b Petrus Apostolus 118 Placcius 212 Platon 8, 97, 111, 112, 115, 118, 128, 129, 134, 136, 139, 142, 144, 146, 147, 149, 150, 174, 175, 179, 180, 186, 187, 192, 203, 204, 206, 209, 210 Platon Kratylos 147 Platon Laches 167 Platon Nomoi 147 Platon Parmenides 33, 134, 135 Platon Phaidon 135, 174 Platon Politeia 115, 174 Platon Sophistes 28, 100, 134, 135, 138, 146 Platon Theaitetos 135 Platon Timaios 112 Platoniker 174 Plotin 111,135 Poincare 82 Politella 242 a

258

Personenverzeidmis

Prantl 236 a Proklus 78 Ramisten 42 Raspe 8,66,68,108,113,201,2403 Regius (Verf. der Reflexions) 117 Remond 186, 232 b Resdier 247 a Richter 178 Roberval 78 Robinet 113, 232 b, 233 a Römer 64 Ropohl 242 a Russell 3, 4, 5, 18, 34, 35, 37, 38, 39, 40, 45, 49, 51, 76, 91, 93, 94, 95, 103, 125, 136, 143, 146, 163, 169, 170, 192, 193, 194, 211, 233 a Russell, L. J. 247 a Schelling 149 Schelling, K. F. A. 243 b Scherzer 166, 204 Schischkoff 23 3 b Schmalenbach 150 Scholastiker 139, 145, 146, 152, 155, 159, 164, 165, 172, 200 Scholz 3, 4, 5, 23, 63, 101, 125, 126, 127, 207, 241 a Schrecker 242 a Schröder 103 Schröter 243 b Scotisten 113, 171 Sextus 21 Simmias 138, 167 Skeptiker 186 Sokrates 167 Sophisten 28 Spinoza 20, 160, 204, 205

Stein 147, 242 b Stoiker 20, 184 Sturm 146 Suarez 129, 136, 138, 143, 151, 152, 165, 171, 194, 204, 242 b, 247 a Tannery 246 b Thales 123, 134 Thomas von Aquin 124, 129, 135, 136, 152, 157, 158, 163, 194, 198,204, 207, Thomasius 57, 145, 244 a Thomisten 194 Uylenbroek

9, 33, 85, 122, 140, 141, 143, 167, 171, 191, 210, 242 b 155, 166, 204,

54

Vagetius 25, 34 (= „Brief"), 238b Voltaire 123 Vorsokratiker 134 Wagner, G. 41, 42, 44, 47, 93, 151, 234 b, 235 b, 246 a Wavre 245 b Weigel, E. 45 Werckmeister 243 a Weyl 238 a Whitehead 45, 94, 100, 101, 125, 203 Whittemore 233 b Wolff 16,211,212,213,214,215,216, 217, 218, 219, 220, 221, 223, 224, 225, 226, 227, 228, 229, 230, 231 Wundt, M. 242 b Yost Zocher

63, 114 233 b

SACHREGISTER (vgl. auch das Inhaltsverzeichnis) abstracta 143, 165, 195, 208 Begriffsverbindung 33, 99 Äther 58, 59 Bewegung 57, 58, 83, 155, 157, 174, Aggregat 129, 130, 131, 148, 175, 176, 177, 178, 186, 193 184 Beweis 19, 73, 74, 75, 77, 78, 79, 80, Aktivität 146, 147 81, 86, 92, 116, 197, 206, 211, 212, Akzidens 135, 137, 140,144, 152, 157, 214, 218, 219, 221, 227 158, 160, 163, 164, 166, 167, 169, 208 Algebra 44, 93, 182 characteristica universalis 5, 69, 94, Allgemeingültigkeit 10, 15, 107 ff., 98, 109 111 ff., 209, 210. cogito ergo sum 40 analysis situs 68 consequentia per se vera 43 analytische u. synthetische Sätze 16, contingentia futura 20 17, 34, 36, 37, 40, 68, 76, 95, 227, 228, 229, 230 Definition 21, 25, 26, 27, 28, 33, 65, Anschauung 67, 68, 82, 209, 229, 230 76, 78, 79, 80, 86, 90, 99, 100, 101, a posteriori 89 107, 108, 186, 197, 206, 211, 213, apperceptio 148, 178 215, 218, 220, 228 appetitus 49, 132, 148, 159, 177, 189 Denken 49, 66, 67, 103, 108, 116, 162, a priori 11,13,15,34,57,60,61,83, 170, 175, 176 89, 92, 96, 97, 110, 149, 228 Diskursivität 29, 116, 117, 209 aristotelische Logik 41, 94 distinctio realis, formalis, et rationis Arithmetik 8, 54, 68, 81, 89, 96, 97, 137, 152, 153, 154, 157, 159, 160, 100, 108, 125 163, 191 ars inveniendi et judicandi 41,63,70, Dreid7mensionalität 22, 81 Atom 14, 15, 57, 58, 118, 126, 145, 151, 152, 154, 155, 156, 168, 179, Aufklärung 19 Axiome 61, 62, 76, 77, 79, 80, 218, 227, 228 Begriff 9,74,75,97,98,100,212,214, 219, 220, 221, 224 Begriff — Urteil 36, 101, 212 Begriffsanalyse 13, 25, 26, 27, 28, 30, 35, 74, 80, 88, 89, 92, 100, 211, 213, 218, 219, 221, 223, 229, 230 Begriffspyramide 28, 100 Begriffssynthese 26, 44, 211, 221

" 68, 70, 145

Eigenschaft 135, 140, 143 einfache Begriffe 25, 26, 29, 33, 34, 201, 215, 220, 224 eingeborene Ideen 8,9,10,112,147 eingeborene Wahrheiten 7, 8, 9, 15, 112 Einheit 9, 30, 33, 47, 49, 142, 148, 162 elementa veritatis 71 Empirisches 75 Energie 159, 189, 190, 191

260

Sachregister

ens reale, rationis, et formale 149, 151, 152, 153, 154, 171, 172, 183 Emelechie 145, 148, 183, 186, 206 Entität 130, 139, 140, 151, 152, 157, 165, 191 Erfahrung 8, 89, 90, 92, 96, 97, 149, 194 Erinnerung 8 Erkenntnisarten 29, 87, 89, 91, 213 Erkenntnisprinzip 10 Erkenntnisursprung 8, 133, 147, 148, 194 Essenz 75, 114, 199, 201 ewige Wahrheiten 75, 98, 111, 112, 114, 189, 199 Existentialsätze 38,39,40 Existenz 75, 82, 84, 90, 112, 114, 181, 198, 199, 225 Experiment 90 Figur 155, 157, 174, 178 Fiktion 172, 188, 189 forma sensibilis 154, 155, 157 forma substantialis et accidentalis Formalisierung 102 Freiheit 20, 178, 179

191

Ganzes u. Teile 45, 228 Ganzheit 129, 131 Geisteswissenschaften 50 Geometrie 8, 52, 54, 73, 77, 80, 89, 96, 97, 108, 115, 125, 195, 218, 227. Geometrie (euklidische) 22, 81, 82, 96, 126 Geometrie (nichteuklidische) 82, 126 geometrische örter 55 Geschichte 12, 50, 75, 126 Geschichte der Philosophie 174 Gesetz der Assoziativität 45 Gesetz der Kommutativität 45 Gesetz der Tautologie 45, 99 Gesetz der Transitivität 45 Gesetzlichkeit 57, 59, 61, 177, 178, 179, 186, 188, 193 Gleichheit 45, 79, 164, 169 Gott 13, 14, 76, 85, 116, 121, 132, 174, 189 Gottes Eigenschaften 31, 88, 200 Gottes Macht 9,10,110

Gottes Verstand 9, 10, 83, 96, 97, 111, 112, 115, 116, 117, 150, 170, 173, 175, 176, 181, 199, 209 Gottes Vollkommenheit 15, 201 Gottes Wille 9, 10, 14, 75, 110, 122, 199 Gottesbeweise 32, 33, 40, 84, 85, 196, 197, 198, 224, 225 Gotteserkenntnis 201 Grundbegriffe 25, 26, 27, 29, 30, 31, 71, 74, 87, 88, 92, 98, 100, 201, 202, 213, 220 Grundlagenforschung 4, 5, 27, 61 Gute 22,49,132,141,162,191 Himmelskörper 57,58,59 ypostasierung 154, 156, 166, 170 H Hypothese 56, 57, 58, 90, 155, 188 Idealismus 169, 193 Idee 31, 32, 78, 87, 97, 98, 111, 112, 150, 174, 175, 176, 210 identische Sätze 9, 34, 35, 78, 79, 86, 211, 216,218, 220,228 Identität 79, 167 imaginäre Zahlen 180, 181, 182, 183 Individuum 142, 143, 149, 150, 166, 174, 193, 208 Induktion 75 Infinitesimalrechnung 51 ff., 55, 65, 66, 67, 68, 70, 85, 109, 127, 180, 182, 183 infmitum 14, 75, 131, 132, 182 inhärieren 167 Intuition 29, 87, 90, 99, 101 Inversion 44 Kalkül 52, 55, 62, 66, 67, 68, 70, 71 Kategorialanalyse 48, 157, 165, 171, 175, 193 Kategorienlehre 42, 151 Kausaldefinition 89, 90 Kausalgesetz 12, 16, 61, 96 Körper 60, 148, 173, 174, 177, 186, 187 Kollektiva 176 Kombinatorik 26, 28, 29, 30, 33, 34, 36, 37, 42, 43, 70, 75, 91, 98

Sachregister Konstruktion 67, 68, 82, 89, 90, 94 Kontingentes 18, 40, 75, 76 Kontinuum 57, 58, 61, 152, 156, 158 Konvention 162 Kosmologie 14, 130 Kräftemaß (mv2) 57, 59, 60, 61, 125, 189, 190 Kraft 60, 145, 146, 190, 191 Kriterium der Existenz 31, 82, 111, 187 Kriterium der Möglichkeit 31, 86 Kriterium der Wahrheit 29, 187, 198 Lebewesen 130, 132, 142, 143, 147, 148, 193, 208 11, 14, 44, Leibniz' Edita u. Inedita 67, 72, 79, 212 Leibnizsprache 101 Licht 59 Logik 8, 13, 15, 18, 22, 41, 61, 71, 74, 94, 95, 96, 97, 101, 102, 125, 196, 206, 207, 209 Logik (Erweiterungsfähigkeit) 42, 45, 63, 102 malum 120, 121 Maschine 55, 148 Masse 188 Materie 14, 15, 57, 61, 118, 124, 126, 156, 158, 159, 161, 173, 183, 188, 193 11, 14, 15, 18, 19, 22, 42, Mathematik 45, 50, 53, 66, 73, 74, 76, 79, 81, 89, 93, 95, 112, 114, 115, 116, 117, 118, 123, 161, 181, 186, 196, 203, 205, 206, 207, 209, 222, 228 Mathematik u. Logik 44, 45, 93, 94 mathesis universalis 94 Maximalbegriffe 22, 23, 32, 52, 71, 83, 84, 85, 123, 124, 127, 132, 198, 213 mechanisches Geschehen 12, 177, 178, 186, 196 mechanismus metaphysicus 127 mechanistische Naturauffassung 49, 156, 197 Mengenlehre 84 Mensch 132, 133

261

menschliches Handeln 12 Metalogik 94 Metamathematik 94 Metaphysik 17, 48, 66, 74, 94, 125, 126, 135, 142, 144, 156, 170, 186, 196 Methode 52, 205, 207, 222 Modalitäten 19 ff., 47 moderne Logik 20, 42, 46, 62, 63, 69, 80, 95, 103 Modus (modificatio) 48, 49, 112, 143, 160, 165, 177, 187, 188, 189, 195, 208 modus barbara 43, 44, 45, 78, 79, 102 mögliche Welten 21, 22, 23, 58, 96, 122, 125, 126, 156, 172, 181, 182, 191 Möglichkeiten 47, 111, 172, 199, 218, 225 Monade 24, 37, 49, 60, 112, 121, 125, 129, 130, 132, 137, 155, 159, 161, 171, 173, 174, 177, 186, 194, 209, 210 138 Namen Natur 173, 175, 178, 179 Naturwissenschaften 50, 96, 97 Negation 31, 88 Nominaldefinition 32, 81, 86, 87, 107 Nominalismus 141, 170 Notwendigkeit (metaphysische u. moralische) 23, 81, 125 notwendige Wahrheiten 8, 9, 18, 109, 126

Ontologie 48, 97, 136, 137, 138, 142, 162, 165, 171, 190, 192, 193, Optimismus 30, 99, 100, 124, 206 Ordnung 110, 115, 116, 117, 161, 173, 195 perceptio 29, 49, 132, 148, 159, 177, 178, 189 Phänomen 57, 60, 91, 130, 152, 154, 155, 157, 158, 159, 161, 177, 183, 186, 189 philosophia reformata 204 Philosophie 30, 38, 70, 91, 98, 119, 134, 142, 165, 222, 228 Physik 11, 14, 18, 19, 50, 53, 56, 60,

262

Sachregister

66, 84, 117, 118, 126, 145, 156, 159, 161, 189 Postulat 76, 77, 79 potentia 62, 145 praedicatum inest subjecto 5, 33, 36, 37, 41, 95, 215, 216, 217, 225, 226, 229, 230 prästabilierte Harmonie 177,179,196, 208 Primzahlen 30, 75 Prinzip des Besten 81, Prinzip des Grundes 23, 57, 58, 81, 125, 172 Prinzip der Identität 6, 7, 10, 43, 81 Prinzip der Kontinuität 23, 121 Prinzip des Maximums 23 Prinzip des Widerspruchs 15, 16, 17, 18, 20, 57, 81, 83, 110, 125, 126 Prioritätsstreit 51, 53 Privation 121, 122 Proportion 44 propositio per se vera 35

Qualität 48, 129, 135, 140, 141, 163, 168, 171, 174, 190 Qualitäten (primäreu. sekundäre) 152, 154, 155, 156, 159, 161, 173, 175, 188 Quantität 48, 54, 171 Raum 14, 57, 59, 77, 114, 145, 151, 156, 158, 168, 169, 223, 230 Realdefinition 65, 86, 87, 90 Realität 31, 66, 84, 85, 107, 109, 111, 112, 113, 114, 120, 121, 122, 126, 129, 132, 135, 136, 137, 141, 148, 150, 151, 152, 158, 160, 162, 166, 173, 176, 181, 187, 188, 189, 190, 191, 193, 194, 199, 201 Rechenarten 44, Rechnen 44, 66 Rechtswissenschaft 50 Reflexion 10, 121, 147 Regenbogen 176, 183, 185, 186 regressus in infinitum 74, 140, 164, 165, 166 Reich der Natur u. der Gnade 177, 178 Reich der Wahrheiten 98, 111, 112

Relation 39, 48, 49, 61, 62, 79, 102, 112, 136, 140, 141, 143, 144, 157, 159, 171, 172, 173, 176, 181, 193, 194, 195, 208 Relationslogik 45, 69, 70, 79, 102 Relationsurteil 39, 40, 91, 192 repraesentatio 38 res absoluta 153, 154, 157, 158, 160, 161, 163, 164, 165, 167, 168, 170 res addita 135, 137 res extensa 60, 147, 158, 174, 175, 188 Satz 13 Schlußfiguren 42, 43, 44 Schlußregeln 43 Schöpfung 15 Schranke 121 Seele 133, 178 Sein 9, 30, 47, 48, 74, 120, 128, 135, 138, 142, 143, 146, 148, 149, 191, 194, 204, 208, 209 Seinsprinzip 10, 134 Semantik 63 Spontaneität 146, 147, 186 Sprache u. Wirklichkeit 7 Sprachwissenschaft 50 Subjekt 169 Substantiv 138 Substanz 9, 49, 60, 126, 129, 133, 137, 140, 153, 158, 163, 166, 167, 168, 174, 186, 191, 192 Substitution 80 Syllogistik 41, 42, 44, 62, 78, 95, 102 System 13, 73, 74, 76, 83, 91, 92, 96 Systematisierung Leibnizens 49, 128 Tatsachenwissenschaften 75, 83, 126 tertium non datur 20 Theodizee 121 theologia naturalis 196, 197, 200, 205, 207 Theologie 162, 200 Theorie 91 Totalität 32, 85 Transzendentalien 47, 49, 122, 124, 135, 136, 137, 141, 142, 153, 162, 171, 196

Sachregister Universalien 107, 129, 143, 150, 167, 174, 192, 208 Ursache 62, 144, 177 Urteil 75, 91, 95, 216, 226 Urteilsform 38, 39, 40, 91, 226, 230 Urteilstheorie 33, 40, 43, 211, 212, 214, 215, 219, 220, 221, 225, 226 Vernunft 8, 116, 200 Vernunft- u. Tatsachenwahrheiten 18, 22, 23, 37, 74, 76, 111, 126 Verschiedenheit 9, 134, 162, 164 Verträglichkeit 33 Vollkommenheit 120, 121, 198, 200 Wahrheit 67, 209 Wahrheit an sich 113 Welt 13,14,23,58,94,96,110,117, 123, 124, 130, 131, 140, 172, 181, 185, 195, 217 Welt als die beste 22, 23, 191

263

Wesen 138 Widerspruch 21, 24, 31, 83, 85, 88 Widerspruchsfreiheit 32, 82, 107, 198 Wille 12, 49, 148, 178, 199 Wirklichkeit 7, 22, 23, 47, 96 Wissenschaften 50, 73, 83, 94, 185 Wort u. Satz 36, 101 Zahl 9, 26, 29, 32, 33, 44, 64, 65, 66, 75, 76, 84, 87, 90, 96, 109, 164, 165, 166, 173, 176, 181, 182, 193, 213 Zeichen 52, 53, 64, 66, 67, 71, 97, 103, 108, 109, 116, 209 Zeichen u. Gedanke 67 Zeit 15, 117, 151, 193, 222, 223, 230, 231

Zufall

179

zusammengesetzte Begriffe 26, 27, 30, 31, 33, 73, 74, 88, 98, 99, 215 Zweiweltentheorie 183, 189, 192

Gottfried Martin Allgemeine Metaphysik Ihre Probleme und ihre Methode Groß-Oktav. VIII, 358 Seiten. 1965. Ganzleinen DM 48,— Aus dem Inhalt Bedenken gegen die Möglichkeit der Metaphysik / Die großen Philosophen und die Möglichkeit der Metaphysik / Das Sein als Thema der Metaphysik / Sein hat mehrere Bedeutungen / Die Weisen des Seins Teil I: Das Einzelwesen und seine Bestimmungen Die griechische Gigantomachie um das Sein / Die großen Seinsentwürfe / Das Einzelwesen und seine Bestimmungen Teil II: Das Allgemeine Logische Probleme des Allgemeinen Die Einheit der Allgemeinen / Die Präzisierbarkeit des Allgemeinen Die ontologischen Probleme des Allgemeinen Das Allgemeine als Idee: Platon / Das Allgemeine als Naturgesetz: Aristoteles / Das Allgemeine als Handlung des Denkens: Kant / Die Aporien des platonischen Standpunktes / Die Aporien des aristotelischen Standpunktes / Die Aporien des kantischen Standpunktes / Methodenlehre

Wilhelm von Ockham Untersuchungen zur Ontologie der Ordnungen Oktav. XIV, 260 Seiten. 1949. DM 8,50. Ganzleinen DM 10,—

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Kritik und Metaphysik Studien HEINZ HEIMSOETH zum 80. Geburtstag Herausgegeben von FRIEDRICH KAULBACH und JOACHIM RITTER Mit l Frontispiz. Groß-Oktav. VIII, 395 Seiten.

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