Lehrbuch der Anorganischen Chemie: Mit einem Anhang: Chemiegeschichte [47.–56. rev. ed.] 9783110238327, 9783110238310

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Lehrbuch der Anorganischen Chemie: Mit einem Anhang: Chemiegeschichte [47.–56. rev. ed.]
 9783110238327, 9783110238310

Table of contents :
Einleitung
Atom und Molekül
Kapitel I. Der reine Stoff
1. Homogene und heterogene Systeme
2. Zerlegung heterogener Systeme
3. Zerlegung homogener Systeme
4. Element und Verbindung
Kapitel II. Atom- und Molekularlehre
1. Gewichtsverhältnisse bei chemischen Reaktionen. Der Atombegriff
2. Volumenverhältnisse bei chemischen Reaktionen. Der Molekülbegriff
Kapitel III. Atom- und Molekulargewichtsbestimmung
1. Relative Atom- und Molekulargewichte
2. Absolute Atom- und Molekulargewichte
Kapitel IV. Das Wasser und seine Bestandteile
1. Der Sauerstoff
2. Der Wasserstoff
3. Das Wasser
Kapitel V. Die Luft und ihre Bestandteile
1. Der Stickstoff
2. Die Luft
Kapitel VI. Das Periodensystem der Elemente (I. Teil)
1. Gekürztes Periodensystem
2. Verbreitung der Elemente
Hauptgruppen des Periodensystems
Kapitel VII. Die Gruppe der Edelgase
1. Geschichtliches
2. Vorkommen
3. Gewinnung
4. Physikalische Eigenschaften
5. Anwendung
6. Spezifische Wärme chemischer Stoffe
Kapitel VIII. Die Gruppe der Halogene
1. Freie Halogene
2. Wasserstoffverbindungen der Halogene
3. Das chemische Gleichgewicht
4. Sauerstoffverbindungen der Halogene
5. Verbindungen der Halogene untereinander
6. Vergleichende Übersicht über die Gruppe der Halogene
Kapitel IX. Die Elektronentheorie der Valenz
1. Der Bau der Atome
2. Die chemische Bindung
Kapitel X. Die Gruppe der Chalkogene
1. Der Sauerstoff
2. Der Schwefel
3. Das Selen
4. Das Tellur
5. Das Polonium
6. Vergleichende Übersicht über die Gruppe der Chalkogene
Kapitel XI. Die Stickstoffgruppe
1. Der Stickstoff
2. Der Phosphor
3. Das Arsen
4. Das Antimon
5. Das Wismut
6. Vergleichende Übersicht über die Stickstoffgruppe
Kapitel XII. Die Kohlenstoffgruppe
1. Der Kohlenstoff
2. Der SMEKAL-RAMAN-Effekt
3. Das Silicium
4. Das Germanium
5. Das Zinn
6. Das Blei
7. Vergleichende Übersicht über die Kohlenstoffgruppe
Kapitel XIII. Die Borgruppe
1. Das Bor
2. Das Aluminium
3. Der aktive Zustand der festen Materie
4. Gallium, Indium, Thallium
5. Vergleichende Übersicht über die Borgruppe
Kapitel XIV. Die Gruppe der Erdalkalimetalle
1. Das Beryllium
2. Das Magnesium
3. Das Calcium
4. Das Strontium
5. Das Barium
6. Das Radium
7. Vergleichende Übersicht über die Gruppe der Erdalkalimetalle
Kapitel XV. Die Gruppe der Alkalimetalle
1. Das Natrium
2. Das Kalium
3. Das Lithium, Rubidium und Caesium
4. Die Ammoniumverbindungen
5. Die Oxoniumverbindungen
6. Vergleichende Übersicht über die Gruppe der Alkalimetalle
Nebengruppen des Periodensystems
Kapitel XVI. Das Periodensystem der Elemente (II. Teil)
1. Elemente der Nebengruppen
2. Elemente der Lanthaniden- und Actinidengruppe
Kapitel XVII. Die Kupfergruppe
1. Das Kupfer
2. Das Silber
3. Das Gold
4. Schmelz- und Erstarrungsdiagramme binärer Systeme
Kapitel XVIII. Die Zinkgruppe
1. Das Zink
2. Das Cadmium
3. Das Quecksilber
Kapitel XIX. Die Gruppe der seltenen Erdmetalle
1. Das Scandium, Yttrium und Lanthan
2. Das Actinium
3. Die Lanthaniden
4. Magnetochemie
Kapitel XX. Die Titangruppe
1. Das Titan
2. Das Zirkon
3. Das Hafnium
4. Das Thorium
Kapitel XXI. Die Vanadingruppe
1. Das Vanadin
2. Das Niob und Tantal
3. Das Protactinium
Kapitel XXII. Die Chromgruppe
1. Das Chrom
2. Das Molybdän
3. Das Wolfram
4. Das Uran
Kapitel XXIII. Die Mangangruppe
1. Das Mangan
2. Das Rhenium
Kapitel XXIV. Die Eisengruppe
1. Das Eisen
2. Das Kobalt
3. Das Nickel
4. Die Metallcarbonyle
Kapitel XXV. Die Gruppe der Platinmetalle
1. Vorkommen
2. Gewinnung
3. Physikalische Eigenschaften
4. Chemische Eigenschaften
Kapitel XXVI. Die natürliche Elementumwandlung
1. Der Atomkern
2. Die natürliche Radioaktivität
Kapitel XXVII. Die künstliche Elementumwandlung
1. Die Kern-Einzelreaktion
2. Die Kern-Kettenreaktion
3. Die Elemente 43, 61, 85 und 87
4. Die Transurane
5. Die gegenseitige Umwandlung von Masse und Energie
Register
Anhang: Chemiegeschichte
Kurzbiographien bekannter Chemiker, Physiker u. Techniker
Zeittabelle zur Chemiegeschichte (Anorganische und Allgemeine Chemie)
Die Laureaten des Nobelpreises für Chemie

Citation preview

HOLLEMAN -WIBERG ANORGANISCHE CHEMIE

LEHRBUCH

DER

ANORGANISCHEN CHEMIE Begründet von

A. F. H O L L E MAN f

47.—56., sorgfältig durchgesehene, verbesserte und erweiterte Auflage mit einem Anhang: C h e m i e g e s c h i c h t e von P R O F . D R . DR.h.c.

EGON WIBERG

Direktor des Instituts für Anorganische Chemie der Universität München

Mit 166 Figuren

WALTER

DE

G R U Y T E R & CO.

v o r m a l s G. J . G ö s c h e n ' s c h e V e r l a g s h a n d l u n g · J . G u t t e n t a g , V e r l a g s b u c h h a n d l u n g • G e o r g Reiinpr Karl J . T r ü b n e r · V e i t & C o m p .

BERLIN

1960

© Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der photomechanlschen Wiedergabe, der Herstellung von Mikrofilmen and der Übersetzung vorbehalten-Copyright I960 by WALTER DE GRUYTER · A2BZ usw.

Da die Atome hierbei mit ihren charakteristischen Gewichten (Massen) in die Verbindung eintreten, finden alle bisher besprochenen stöchiometrischen Gesetze ihre zwanglose Deutung. So erklärt sich das Gesetz von der Erhaltung der Masse daraus, daß bei chemischen Reaktionen entsprechend der Atomhypothese keine Umwandlung von M a t e r i e , sondern nur eine Zusammenlagerung oder Umgruppierung von A t o m e n erfolgt, so daß die Gesamtmasse des chemischen Systems naturgemäß unverändert bleiben muß. Die nach dem Gesetz der konstanten und der multiplen Proportionen experimentell bestimmbaren k o n s t a n t e n und m u l t i p l e n G e w i c h t s v e r h ä l t n i s s e bei der Vereinigung von Elementen zu chemischen Verbindungen geben nach der Atomvorstellung das Verhältnis der Element-Atomgewichte bzw. ihrer ganzzahligen V i e l f a c h e wieder. In gleicher Weise stellt das nach dem Gesetz der äquivalenten Proportionen experimentell beobachtbare Verhältnis der V e r b i n d u n g s g e w i c h t e nichts anderes dar als das Verhältnis der A t o m g e w i c h t e bzw. ihrer V i e l f a c h e . 1 Der Begriff des Ä q u i v a l e n t g e w i c h t s , der hier nur im Sinne der bei chemischen Reaktionen immer wiederkehrenden Verhältniszahlen gebraucht ist, wird später (S. 161 f.) genauer definiert werden. 2 átomos (δτομος) = unteilbar.

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Atom- und Molekularlehre

Über das G e w i c h t s v e r h ä l t n i s der A t o m e der einzelnen Elemente („relative Atomgewichte") läßt sich auf Grund der bei der Bildung chemischer Verbindungen aus Elementen feststellbaren G e w i c h t s v e r h ä l t n i s s e naturgemäß keine eindeutige Aussage machen. Denn es ist ja zunächst noch u n b e k a n n t , in welchem Z a h l e n v e r h ä l t n i s sich die Atome zur Verbindung vereinigen. Erfolgt ζ. B. die Wasserbildung aus Wasserstoff und Sauerstoff so, daß je 1 Wasserstoff- und 1 Sauerstoffatom zu einem Wasserteilchen zusammentreten, so besagt das experimentell gefundene Gewichtsverhältnis Wasserstoff :Sauerstoff=l: 7.936, daß ein Sauerstoffatom 7.936mal schwerer als ein Wasserstoffatom ist. Erfolgt aber die Vereinigung im Atomzahlenverhältnis Wasserstoff : Sauerstoff = 2 : 1 oder 1:2, so folgt aus dem beobachteten Gewichtsverhältnis ein doppelt bzw. halb so großes Atomgewicht des Sauerstoffs, nämlich von 7.936 χ 2 = 15.872 bzw. 7.936:2 = 3.968, bezogen auf ein Atomgewicht 1 des Wasserstoffs. Es bedarf also mit anderen Worten zur Festlegung der relativen Atomgewichte noch der K e n n t n i s des Z a h l e n v e r h ä l t n i s s e s , nach welchem die Atome zu den kleinsten Teilchen der chemischen Verbindungen zusammentreten. Wie im folgenden gezeigt werden soll, ist diese Aufgabe bei Reaktionen g a s f ö r m i g e r Stoffe in einfacher Weise durch Ermittlung der V o l u m e n v e r h ä l t n i s s e zu lösen, nach denen die Bildung der Verbindungen erfolgt.

2. Volumenverhältnisse bei chemischen Reaktionen D e r Molekülbegriff a) Experimentalbeñinde Jeder G e w i c h t s m e n g e eines Stoffs entspricht, wenn der Stoff gasförmig ist oder sich vergasen läßt, bei bestimmtem Druck und bei bestimmter Temperatur ein bestimmtes G a s v o l u m e n . Wir können daher die besprochenen stöchiometrischen Gew i c h t s g e s e t z e bei Reaktionen gasförmiger Stoffe in V o l u m e n g e s e t z e umwandeln, indem wir den Ausdruck „Gewichtsverhältnis" durch den Ausdruck „Volumenverhältnis" ersetzen. Bei dieser Umformung der Gewichtsgesetze zu Volumengesetzen ergibt sich aber eine neue interessante Tatsache: die konstanten oder multiplen Volum e η Verhältnisse chemisch reagierender Gase lassen sich zum Unterschied von den G e w i c h t s verhältnissen durch e i n f a c h e ganze Z a h l e n ausdrücken. Ermittelt man ζ. B . bei der elektrolytischen Zerlegung des Wassers im H O F M A N N schenZersetzungsapparat(Fig.9, S. 13) die gebildeten Volum ina Wasserstoff und Sauerstoff, so stellt man fest, daß auf 1 Volumen Sauerstoff genau 2 Volumina Wasserstoff entstehen. Während also das G e wicht s Verhältnis Wasserstoff : Sauerstoff den n i c h t g a n z z a h l i g e n Wert 1:7.936 besitzt, ist das Volum en Verhältnis durch die einfachen ganzen Z a h l e n 2 : 1 ausdrückbar. Das gleiche Volumenverhältnis ergibt sich bei der Synthese des Wassers in dem auf S. 13 beschriebenen Synthese-Apparat (Fig. 10) : jede über das Volumenverhältnis Wasserstoff : Sauerstoff = 2 : 1 hinausgehende übers c h ü s s i g e Wasserstoff- oder Sauerstoffmenge wird nach der Explosion des Gasgemisches u n v e r ä n d e r t vorgefunden. Nimmt man die Synthese bei einer Temperatur oberhalb 100° vor, so daß nach der Reaktion auch das gebildete W a s s e r in Dampfform vorhegt, so zeigt sich, daß auch das W a s s e r d a m p f v o l u m e n in einfachem ganzzahligem Verhältnis zu den Volumina der Ausgangsstoffe steht. J e Volumen Wasserstoff wird nämlich 1 Volumen Wasserdampf (gemessen bei gleichem Druck und gleicher Temperatur) gebildet: 2 Volumina Wasserstoff + 1 Volumen Sauerstoff

>- 2 Volumina Wasserdampf.

17

Volumenverhältnisse bei chemischen Reaktionen. Der Molekülbegriff

Analoge Beobachtungen macht man ζ. B. bei der früher schon erörterten Chlorwasserstoff- und Ammoniaksynthese. Während für die Gewi cht s Verhältnisse Wasserstoff : Chlor bzw. Wasserstoff : Stickstoff die Zahlen 1:35.175 bzw. 1:4.632 gelten, lassen sich die V o l u m e n Verhältnisse durch die viel einfacheren Gleichungen 1 Volumen Waaserstoff + 1 Volumen Chlor und 3 Volumina Wasserstoff + 1 Volumen Stickstoff

>- 2 Volumina Chlorwasserstoff >• 2 Volumina Ammoniak

wiedergeben. Entsprechendes ergibt sich bei anderen Gasreaktionen. Es handelt sich hier also wieder um ein a l l g e m e i n g ü l t i g e s Gesetz. Es wurde erstmals im Jahre 1808 von dem französischen Naturforscher J O S E P H L O U I S G A Y L U S S A C (1778—1850) aufgefunden und wird als chemisches Yolumengesetz bezeichnet: Das Volumenverhältnis gasförmiger, an einer chemischen Umsetzung beteiligter Stoffe läßt sich durch einfache ganze Zahlen wiedergeben.

b) AVOGADROS Molekularhypothese Nach dem Gesetz der äquivalenten Proportionen treten Elemente im Verhältnis b e s t i m m t e r Ä q u i v a l e n t g e w i c h t e oder deren M u l t i p l a zusammen (S. 14f.). Die Tatsache, daß die für chemische Umsetzungen gasförmiger Stoffe gültigen Gewichtsverhältnisse bei der Umformung zu Volumenverhältnissen in g a n z z a h l i g e P r o p o r t i o n s w e r t e übergehen, zeigt demnach, daß sich die G e w i c h t e g l e i c h e r Volumina elementarer Gase wie die Ä q u i v a l e n t g e w i c h t e dieser Gase oder deren Vielfache verhalten. Nach D A L T O N sind nun aber die Ä q u i v a l e n t g e w i c h t e oder deren Vielfache den A t o m g e w i c h t e n proportional (S. 15). Es liegt daher nahe — und dieser Schluß wurde zunächst auch gezogen —, das chemische Volumengesetz durch die einfachste Annahme zu deuten, daß gleiche Volumina aller elementaren Gase bei gleichem Druck und gleicher Temperatur die gleiche Anzahl von A t o m e n enthalten, daß also mit anderen Worten das V o l u m e n v e r h ä l t n i s chemisch reagierender Gase direkt das Z a h l e n v e r h ä l t n i s der miteinander reagierenden A t o m e dieser Stoffe wiedergibt. Diese Annahme gleicher Teilchenzahl in gleichen Gasvolumina erklärte zugleich in zwangloser Weise das völlig gleichartige Verhalten der Gase gegenüber Druck-, Temperatur- und Volumenänderungen (S. 21 ff.). Allerdings mußte man dann gerade wegen dieses gleichartigen physikalischen Verhaltens aller Gase schließen, daß auch gasförmige V e r b i n dungen in gleichen Volumina gleich viele kleinste Teilchen enthalten, und das führte zu W i d e r s p r ü c h e n zwischen der Annahme eines atomaren Aufbaus der elementaren Gase und den bei chemischen Gasreaktionen beobachtbaren Volumenverhältnissen: So zeigt z. B . die Bildimg von 2 Volumina Chlorwasserstoff aus 1 Volumen Chlor und 1 Volumen Wasserstoff, daß je 1 kleinstes Teilchen Wasserstoff und 1 kleinstes Teilchen Chlor 2 kleinste Teilchen Chlorwasserstoff bilden. Da nun jedes Teilchen Chlorwasserstoff sowohl Wasserstoff wie Chlor enthalten muß, muß sich jedes Teilchen Wasserstoff und Chlor in zwei H ä l f t e n aufgespalten haben. Dann kann es sich aber bei diesen Teilchen des Wasserstoffs und Chlors nicht um die A t o m e handeln, da diese ja definitionsgemäß chemisch n i c h t mehr t e i l b a r sind. Man wird daher zwangsläufig zu dem Schluß geführt, daß gleiche Volumina von Wasserstoff und Chlor nicht eine gleiche Anzahl von A t o m e n , sondern eine gleiche Anzahl g r ö ß e r e r , m i n d e s t e n s aus zwei A t o m e n b e s t e h e n d e r K o m p l e x e enthalten (vgl. auch S. 77f.). Diese größeren Atomverbände nennt man Moleküle1 oder Molekeln. Der Begriff des Moleküls wurde im Jahre 1811 von dem italienischen Physiker (1776—1856) eingeführt. Nach ihm gilt der — heute als A V O G A D R O -

AMADEO AVOGADRO 1

molécula = kleine Masse.

HoUeman-Wiberg,

Anorganische Chemie. 47. —56. Aufl.

2

18

Atom- und Molekularlehre

sehe Hypothese bezeichnete — Satz: Gleiche Volumina idealer1 Gase enthalten bei gleichem Druck und gleicher Temperatur gleich viele Moleküle. Aus den Volumenverhältnissen bei der Chlorwasserstoffbildung folgt zunächst nur, daß ein Molekül Wasserstoff oder Chlor eine d u r c h 2 t e i l b a r e Anzahl von Atomen enthalten muß. Nun zeigt sich aber, daß es keine Reaktion gibt, bei der aus 1 Volumen Wasserstoff oder Chlor m e h r als 2 Volumina eines gasförmigen, Wasserstoff bzw. Chlor enthaltenden Reaktionsproduktes gebildet werden. Es besteht daher k e i n G r u n d zur Annahme, daß das Wasserstoff- oder Chlormolekül m e h r a l s zwei A t o m e enthält. Damit ergibt sich für die Chlorwasserstoffbildung das folgende Bild: Τ Vol.

Wasserstoff

7 Vol.

ζ yoi.

Chlor

Chlorwasserstoff

Die aus je zwei Atomen bestehenden Moleküle des Wasserstoffs und Chlors reagieren danach unter gegenseitigem Austausch von Atomen so miteinander, daß zwei aus je einem Wasserstoff- und Chloratom bestehende Chlorwasserstoffmoleküle entstehen. In analoger Weise kann eine „Reaktionsgleichung" für die Wassersynthese abgeleitet werden. Die Bildimg zweier Volumina Wasserdampf aus 2 Volumina Wasserstoff und 1 Volumen Sauerstoff zeigt, daß jedes S a u e r s t o f f m o l e k ü l aus mindestens zwei A t o m e n S a u e r s t o f f besteht. Da keine sonstige Reaktion bekannt ist, bei der aus 1 Volumen Sauerstoff m e h r als 2 Volumina einer gasförmigen Sauerstoff Verbindung entstehen, besteht keine Veranlassimg, m e h r a l s zwei Sauerstoffatome je Sauerstoff molekül anzunehmen. Für den W a s s e r s t o f f folgt aus den Volum Verhältnissen der Wassersynthese kein zwingender Schluß zur Annahme eines mehr als einatomigen Aufbaus der kleinsten Wasserstoffteilchen. Denn da aus je 1 Teilchen Wasserstoff 1 Teilchen Wasser entsteht, wäre dem atomaren Aufbau des Wasserstoffs dann Genüge geleistet, wenn jedes Wassermolekül 1 Wasserstoffatom enthielte (wie man dies in der Tat eine Zeitlang annahm). Da nun aber die bei der C h l o r W a s s e r s t o f f synthese beobachtbaren Volumenverhältnisse, wie oben auseinandergesetzt, zur Annahme eines aus zwei A t o m e n bestehenden W a s s e r s t o f f m o l e k ü l s zwingen, muß man diesen Schluß auch hier zugrunde legen und kommt so zu der Gleichung: 2Vol.

TK>/.

ZYol.

Danach besteht jedes Wassermolekül aus 2 Wasserstoffatomen und 1 Sauerstoff atom. Entsprechende Überlegungen ergeben für die AminoniaksjoÜiesß aus Wasserstoff und Stickstoff das folgende Bild: 3 Vol.

Wasserstoff

1Vol·

Stickstoff

2 Vol.

Ammoniak

Jedes Ammoniakmolekül enthält danach 1 Stickstoffatom und 3 Wasserstoffatome. Für den laufenden Gebrauch ist die oben angewandte Schreibweise für Reaktionsgleichungen natürlich zu u m s t ä n d l i c h . Man ist daher zur Vereinfachung der Aus1

S. 24.

Volumenverhältnisse bei chemischen Reaktionen. Der Molekülbegriff

19

drucksweise übereingekommen, die einzelnen Atomarten durch chemische „KurzBchriftzeichen", Elementsymbole, zum Ausdruck zu bringen (S. 27). So bezeichnet man ζ. B . das Wasserstoffatom mit H (vom lateinischen Namen Hydrogenium für Wasserstoff), das Chlor mit Cl, den Sauerstoff mit 0 (vom lateinischen Namen Oxygenium für Sauerstoff), den Stickstoff mit Ν (vom lateinischen Namen Nitrogenium für Stickstoff). Damit v e r e i n f a c h e n sich die obigen ,,Reaktionsgleichungen" (1), (2), (3) wie folgt: H 2 + Cl2 = 2 HCl, 2Hj + 0 2 = 2 H 2 0 , 3H 2 + N s = 2NH,. Wie ans diesen „chemischen Gleichungen" hervorgeht, pflegt man die Anzahl der in einem Molekül vorhandenen Atome eines Elements durch einen entsprechenden Zahlenindex rechts unterhalb des Elementsymbols auszudrücken. Links vor dem Gleichheitezeichen stehen die Symbole und Formeln der Ausgangsstoffe, rechts die dabei entstehenden R e a k t i o n s produkte. Die Zahl und Art der Atome muß entsprechend dem Gesetz von der Erhaltung der Masse auf beiden Seiten der Reaktionsgleichung dieselbe sein. Die aus den Gewichts- und Volum enVerhältnissen bei chemischen Reaktionen abgeleitete Atom- und Molekularlehre gestattet, die im ersten Kapitel behandelten Begriffe des heterogenen und homogenen Stoffs, der Lösung und des reinen Stoffs, der Verbindung und des Elements wie folgt etwas strenger zu definieren (vgl. auch S. 558) : I . Heterogene Stoffe: I I . Homogene Stoffe·. 1. Lösungen: 2. Reine Stoffe: a) Verbindungen: b) Elemente:

Stoffaufbau aus v e r s c h i e d e n e n P h a s e n . Stoffaufbau aus e i n e r e i n z i g e n P h a s e . Phasenaufbau aus v e r s c h i e d e n e n M o l e k ü l a r t e n . Phasenaufbau aus e i n e r e i n z i g e n M o l e k ü l a r t . Molekülaufbau aus v e r s c h i e d e n e n A t o m a r t e n . Molekülaufbau aus e i n e r e i n z i g e n A t o m a r t .

Entsprechend diesem verschiedenen Aufbau sind die verschiedenen Stoffarten verschieden charakterisiert. Heterogene Stoffe können als heterogene, „ p h y s i k a l i s c h e " Mischungen homogener Stoffe j e d e b e l i e b i g e Z u s a m m e n s e t z u n g haben und weisen die charakteristischen chemischen und physikalischen Eigenschaften ihrer B e s t a n d t e i l e auf. So findet man ζ. B . im Schwarzpulver die Eigenschaften seiner Bestandteile Schwefel, Kohle und Salpeter wieder; und durch Variieren des Mischungsverhältnisses von Schwefel, Kohle und Salpeter lassen sich beliebig viele Sorten von Schwarzpulver erzeugen. Demgegenüber zeigen Lösungen als homogene, „ p h y s i k a l i s c h - c h e m i s c h e " Mischungen reiner Stoffe nur z u m T e i l die Eigenschaften ihrer B e s t a n d t e i l e , zum a n d e r e n T e i l ganz n e u e E i g e n s c h a f t e n ; ihre Zusammensetzung ist nicht mehr durchweg beliebig, sondern häufig nur i n n e r h a l b m e h r o d e r m i n d e r w e i t e r G r e n z e n variabel. So unterscheidet sich ζ. B . eine aus Chlorwasserstoffgas und Wasser bestehende wässerige Salzsäurelösung bereits in manchen chemischen und physikalischen Eigenschaften weitgehend von denen ihrer Bestandteile; auch gelingt es nicht, Lösungen jeder beliebigen Chlorwasserstoffkonzentration herzustellen, da dem Mischungsverhältnis durch die Löslichkeit des Chlorwasserstoffs in Wasser eine Grenze gesetzt ist. Verbindungen schließlich sind als „ c h e m i s c h e " Mischungen von Elementen in ihren Eigenschaften v o l l k o m m e n v e r s c h i e d e n von denen ihrer B e s t a n d t e i l e und besitzen eine durch den Molekülaufbau gegebene, g e n a u d e f i n i e r t e Z u s a m m e n s e t z u n g . So sind die Eigenschaften des Wassers völlig anders als die seiner Bestandteile, und seine Zusammensetzung entspricht stets dem Gewichtsverhältnis Wasserstoff : Sauerstoff = 1:7.936.

Kapitel III

Atom- und Molekulargewichtsbestimmung Die aus den V o l u m e n v e r h ä l t n i s s e n bei der Chlorwasserstoff-, Wasser- und Amm oniaksyn these erschlossenen „chemischen Formeln" HCl, H 2 0 und NH 3 für Chlorwasserstoff, Wasser und Ammoniak gestatten in Verbindung mit den bei ihrer Bildung aus den Elementen aufgefundenen G e w i c h t s v e r h ä l t n i s s e n nunmehr eine eindeutige Festlegung der „relativen Atomgewichte" der enthaltenen Elemente Wasserstoff, Chlor, Sauerstoff und Stickstoff. Damit kommen wir zur Lösung eines Problems, das auf Grund der G e w i c h t s v e r h ä l t n i s s e a l l e i n nicht lösbar war (S. 16).

1. Relative Atom- und Molekulargewichte a) Wahl einer Bezugseinheit Das Wasser H 2 0 enthält nach der Analyse (S. 13) auf je 1 g Wasserstoff 7.936 g Sauerstoff. Also ist ein Sauerstoffatom 7.936mal schwerer als zwei Wasserstoffatome. Setzt man daher das Atomgewicht des Wasserstoffs willkürlich gleich 1 fest, so ist dem Sauerstoff das „ r e l a t i v e " — d. h. auf die willkürlich gewählte Einheit bezogene — Atomgewicht 2 x 7 . 9 3 6 = 15.872 zuzuordnen. In gleicher Weise ergeben sich aus den Gewichtsverhältnissen und Formeln des Chlorwasserstoffs und Ammoniaks die relativen Atomgewichte 35.175 bzw. 3 χ 4.632 = 13.896 für Chlor und Stickstoff. Im Laufe der Zeit hat es sich nun als zweckmäßig erwiesen, nicht den W a s s e r s t o f f , sondern den S a u e r s t o f f zur Yergleichsbasis für relative Atomgewichte zu wählen, da das Atomgewicht der meisten Elemente nicht aus der Zusammensetzung der WasserStoffverbindungen, sondern aus der Zusammensetzung der zahlreicher vorkommenden Sauerstoffverbindungen ermittelt wird. Man s e t z t e zu diesem Zwecke das Atomgewicht des Sauerstoffs w i l l k ü r l i c h gleich 16 f e s t (zur Wahl dieses Bezugswertes vgl. auch S. 563). Denn 16 ist die ganze Zahl, die dem ursprünglich auf Η = 1 bezogenen Wert 15.872 für Sauerstoff am nächsten kommt. So machte man sich einerseits bei Atomgewichtsbestimmungen unabhängig von dem — lange Zeit wegen experimenteller Schwierigkeiten nicht mit genügender Genauigkeit bestimmbaren — Gewichtsverhältnis Wasserstoff : Sauerstoff und gelangte andererseits zu relativen Atomgewichten, die nur unwesentlich von den bis dahin auf die Basis Wasserstoff bezogenen Werten abwichen. Wasserstoff besitzt nunmehr, auf ein Atomgewicht 16 des Sauerstoffs bezogen, das Atomgewicht 16.000/15.872 = 1.008, Chlor das Atomgewicht 35.175 X 1.008 = 35.457 und Stickstoff das Atomgewicht 13.896 χ 1.008 = 14.008. Addiert man die relativen Gewichte der in einem Molekül eines Elements oder einer Verbindung enthaltenen Atome, so erhält man das r e l a t i v e Molekulargewicht. E a b e z i e h t sich auf ein M o l e k u l a r g e w i c h t 32 des S a u e r s t o f f s , da ein Sauerstoffmolekül zwei Sauerstoffatome vom Atomgewicht 16 enthält. Wasserstoff, Chlor und Stickstoff haben demnach die relativen Molekulargewichte 2 χ 1.008 = 2.016 bzw. 2 χ 35.457 = 70.914 bzw. 2 χ 14.008 = 28.016, Chlorwasserstoff, Wasser und Ammoniak die Molekulargewichte 1.008 + 35.457 = 36.465 bzw. 2 χ 1.008+16.000 = 18.016 bzw. 3 X 1.008+14.008 = 17.032.

Relative Atom- und Molekulargewichte

21

Die dem relativen M o l e k u l a r g e w i c h t numerisch entsprechende G r a m m - m e n g e eines Stoffes bezeichnet man auch als „1 Gramm-molekül" oder abgekürzt als „1 Mol". Unter 1 Mol Wasser versteht man also z. B. 18.016 g Wasser, unter 1 Mol Ammoniak 17.032 g Ammoniak. Die dem relativen A t o m g e w i c h t numerisch entsprechende G r a m m - m e n g e heißt „2 Gramm-atom" oder abgekürzt „1 Tom". 35.457 g Chlor stellen also 1 Tom Chlor dar.

b) Bestimmung relativer Molekulargewichte Die damit erfolgte Festlegung einer bestimmten B e z u g s e i n h e i t für die relativen Molekulargewichte vereinfacht die Molekulargewichtsbestimmung nunmehr wesentlich. J e d e s Mol einer Verbindung oder eines Elements enthält g l e i c h v i e l e M o l e k ü l e , da die r e l a t i v e n Molekulargewichte naturgemäß den a b s o l u t e n Molekulargewichten p r o p o r t i o n a l sind. Nun sind andererseits nach der AvoGADROschen Hypothese in g l e i c h e n Vo l u m i n a idealer ( vgl. S. 24 ) Gase bei gleicher Temperatur und gleichem Druck g l e i c h v i e l e M o l e k ü l e bzw. Mole enthalten (S. 18). Somit nehmen umgekehrt auch g l e i c h e M o l m e n g e n idealer Gase bei gegebenem Druck und gegebener Temperatur unabhängig von der Art des Gases g l e i c h e V o l u m i n a ein. Und zwar beträgt bei den „Normalbedingungen" — 0°Celsius und 760mm Quecksilberdruck — das von lMol eines idealen Gases eingenommene Volumen stets 22.415 Liter („Molvolumen"). Das r e l a t i v e M o l e k u l a r g e w i c h t eines idealen Gases ergibt sich damit sehr einfach als das Gew i c h t von 22.415 L i t e r n dieses Gases bei den Normalbedingungen. Es ist zur Molekulargewichtsbestimmung nun nicht erforderlich, stets gerade 22.415 1 bei 0°C und 760mm Druck abzuwiegen. Denn mitHilfe der „Zustandsgieichung der Gase" läßt sich auch für ein unter a n d e r e n Druck- und Temperaturverhältnissen gemessenes b e l i e b i g e s Gasvolumen von bekanntem Gewicht die Anzahl enthaltener G a s m o l e angeben, so daß auf das Gewicht e i n e s Mols — d. i. das relative Molekulargewicht — umgerechnet werden kann. Wir wenden uns daher zunächst der Z u s t a n d s g i e i c h u n g der Gase zu. α) Zustandsgieichung idealer Oase Ein Gas besteht aus einer sehr großen Zahl von Molekülen, die mit g r o ß e r Ges c h w i n d i g k e i t imd v ö l l i g r e g e l l o s wie ein Mückenschwarm in dem ihnen zur Verfügung stehenden Räume herumschwirren. Infolge ihrer ungeordneten Bewegung prallen sie häufig sowohl g e g e n e i n a n d e r wie auch gegen die W ä n d e des einschließenden Gefäßes und werden dabei unter Änderung von Richtung und Geschwindigkeit e l a s t i s c h z u r ü c k g e w o r f e n . Die Summe der Stöße auf die Wandungen erscheint uns als der „Druck" des Gases. Denken wir uns die eine Wand des Gefäßes (Fig. I I a ) beweglich, so wird sich diese, dem Druck nachgebend, nach oben bewegen. Um sie in ihrer Lage zu halten müssen wir sie mit einem ganz bestimmten Gewicht G belasten. Das G e g e n g e w i c h t muß dabei — wenn Volumen, Temperatur und Gasmenge gegeben sind — um so g r ö ß e r sein, je g r ö ß e r die Fläche des beweglichen Stempels, d. h. die je Zeiteinheit darauf prallende Zahl von Molekülen und damit der darauf ausgeübte G e s a m t d r u c k des Gases ist. Zu einem charakteristischen konstanten Wert kommt man unter den gegebenen Bedingungen nur dann, wenn man das Gewicht auf eine b e s t i m m t e F l ä c h e , ζ. B. auf die F l ä c h e n e i n h e i t — lem 2 — bezieht. D i e s e a u f 1cm 2 F l ä c h e w i r k e n d e K r a f t e i n e s G a s e s n e n n t man im e n g e r e n S i n n e den Gasdruck^». E r läßt sich experimentell am einfachsten in der Weise messen, daß man als Gegengewicht eine Flüssigkeit von b e k a n n t e m s p e z i f i s c h e m G e w i c h t verwendet. Denn dann genügt die Messung der H ö h e (cm) der erforderlichen Flüssigkeitssäule, da diese, mit dem spezifischen Gewichtig/cm 3 ) multipliziert, direkt das Gewicht je cm a Fläche ergibt. Den bei der Anordnung gemäß Fig. I I a auf dem beweglichen Stempel lastenden L u f t d r u c k u n d d a s E i g e n g e w i c h t d e s Stempels

22

Atom- und Molekulargewichtsbestimmung

eliminiert man meist durch die in Fig. I I b wiedergegebene Anordnung. Bei dieser vertritt ein Teil der Flüssigkeit (der Teil unterhalb der gestrichelten Linie s) die Bolle des beweglichen Stempels, wobei eich die hydrostatischen Druckt im linken und rechten Schenkel des „Barometerrohree" („Manometerrohres") unterhalb β aufheben, so daß der Stempel keinen Druck auf das Gas ausübt. Der übrige Teil, d. h. die Flüssigkeitssäule der Höhe h stellt das Gegengewicht dar; der darüber befindliche Raum ist luftleer gepumpt. Als Flüssigkeit verwendet man meist Quecksilber. Den Druck gibt man in mm Quecksilbersäule („Torr") an; 760 mm („1 Atmosphäre") entsprechen dabei einem Gewicht von 76X13.595 1 = 1033 g/em 2 .

Führt man dem Gas Wärme {„thermische Energie") zu, indem man seine Temperatur um einen bestimmten Betrag erhöht, so erhöht sich die Bewegungsenergie {„kinetische Energie") der Gasteilchen. Hält man dabei das Volumen des Gefäßes

: ; Gas j;

a

b

Fig. 11. Messung des Drucks eines Gases

konstant, so wächst dementsprechend der auf die Wände ausgeübte Druck. Hält man umgekehrt den Außendruck k o n s t a n t , so wird der bewegliche Stempel gehoben, d. h. das Volumen vergrößert. Druck und Volumen sind also von der Temperatur abhängig. Die q u a n t i t a t i v e Prüfung dieser Abhängigkeit ergab die Beziehung ρ·υ = i· (273.15 + í„), (1)

wonach das Produkt der Maßzahlen p und ν für Druck und Volumen der um 273.15 vermehrten Celsiustemperatur tc proportional ist. Zeichnet man diese Funktion graphisch auf, d. h. trägt man das Produkt p-v in seiner Abhängigkeit von der Größe (273.15-f-¿¿) in ein Koordinatensystem ein (Fig. 12), so erhält man eine Gerade, die beim Temperaturpunkt tc — — 273.15° (entsprechend 273.15 + 4 = 0) die Abszisse schneidet {p-v = 0). Durch das Gasgesetz (1) wird also eine Temperaturskala definiert, deren Nullpunkt A {,,absoluter Nullpunkt") um 273.15 Celsiusgrade tiefer als der Nullpunkt Β der — willkürlich festgelegten (S. 53) — Celsiusskala liegt. Man ist übereingekommen, diese durch das Gasgesetz geforderte Temperatur 273.15 + tc „absolute Temperatur" (, ,KELVIN-Temperatur1 ' ) zu nennen und durch das Zeichen Τ zu symbolisieren. Damit vereinfacht sich die Gasgleichung (1) zu der Form φ·ν — h • T, (2) wonach das Produkt p-v der absoluten Temperatur Τ proportional ist. Der Proportionalitätsfaktor k dieser Beziehung (2) ist keine universelle Konstante, sondern von Gewichtsmenge und Art des betrachteten Gases abhängig. Denn bei konstantem Volumen υ und konstanter Temperatur Τ ändert sich natürlioh 1 = spezifisches Gewicht des Quecksilbers bei 0°. Wird die Länge der Säule bei einer anderen Temperatur als 0° gemessen, so ist das dieser Temperatur entsprechende Gewicht einzusetzen oder die Säulenlänge zu korrigieren.

Relative Atom- und Molekulargewichte

23

der D r u c k / ) u n d d a m i t die K o n s t a n t e k bei g e g e b e n e m G a s m i t dessen G e w i c h t s m e n g e u n d bei g e g e b e n e r G e w i c h t s m e n g e m i t der N a t u r d e s G a s e s . E i n gehende U n t e r s u c h u n g e n haben ergeben, d a ß k ganz allgemein d e r A n z a h l M o l e η eines b e t r a c h t e t e n Gases p r o p o r t i o n a l i s t : k = R-n, wobei der neue P r o p o r t i o n a l i t ä t s f a k t o r R für a l l e G a s e d e n s e l b e n W e r t u n d d a h e r „allgemeine O a s k o n s t a n t e " g e n a n n t wird.

(3) besitzt

Fig. 12. Gaegesetz und absoluter Nullpunkt Die durch Gleichung (3) wiedergegebene experimentelle Beobachtung besagt, daß die Konstante k und damit nach (2) auch der D r u c k ρ eines Gases von gegebener Temperatur Τ und gegebenem Volumen ν nur vonderZahl(»i), nicht aber vonderArt(demGewicht)derGasmoleküle abhängt. SchwereGaemoleküle üben mit anderen Worten den gleichen Druck auf die Wände eines Gefäßes aus wie eine gleiche Anzahl l e i c h t e r Moleküle. Dies ist aber nur dann möglich, wenn die s c h w e r e n Gasmoleküle im Mittel eine k l e i n e r e — und zwar der Quadratwurzel aus der Masse m umgekehrt proportionale — G e s c h w i n d i g k e i t ν aufweisen als die leichteren, so daß 171' f® die k i n e t i s c h e E n e r g i e — - — in beiden Fällen die g l e i c h e ist („Gesetz der Qleichverteilung der Energie"). Beispieleweise besitzen bei 20° C dieleichten Wasserstoffmoleküle eine m i t t l e r e G e s c h w i n d i g k e i t von 1760 m/sec (6336 km/Stunde), die 16mal schwereren Sauerstoffmoleküle dagegen eine 1/Ϊ6 = 4mal kleinere Geschwindigkeit von 440 m/sec (1684 km/Stunde). Dieses G l e i c h V e r t e i l u n g s g e s e t z bezieht sich allerdings nur auf die m i t t l e r e kinetische Energie der Gasmoleküle. Die Energie der e i n z e l n e n Moleküle kann weitgehend von diesem Mittelwert abweichen, da als Folge der ständigen Energieübertragung von Molekül zu Molekül bei Zusammenstößen sich mitunter bei e i n z e l n e n Molekülen b e s o n d e r s h o h e E n e r g i e b e t r ä g e zusammenballen („sehr heiße" Moleküle), während a n d e r e entsprechend e n e r g i e ä r m e r sind. Und zwar gilt nach J . C. M A X W E L L (1831 — 1879) und L. B O L T Z M A N N (1844 — 1906) unter gewissen vereinfachenden Voraussetzungen die Gesetzmäßigkeit, daß der Bruchteil von Molekülen, deren Enorgiegehalt den Betrag A je Mol überschreitet, gleich E-A¡RT i s t (vgl. S. 101 f.). In Fig. 13 ist die hieraus folgende Verteilung der Geschwindigkeit („MAXWELLSche Geschwindigkeitsverteilung") über verschiedene Geschwindigkeitsstufen (von je 10 m/sec Breite) am Beispiel des Sauerstoffs (bei 0° und bei 100°) wiedergegeben. Wie das Diagramm zeigt, haben bei einer gegebenen Temperatur die weitaus m e i s t e n M o l e k ü l e eine in der Umgebung der m i t t l e r e n G e s c h w i n d i g k e i t liegende Geschwindigkeit. Die Zahl der mit g r o ß e r G e s c h w i n d i g k e i t begabten, besonders energiereichen Moleküle ist s e h r g e r i n g und nimmt mit steigender Temperatur im Verhältnis zu der der anderen Moleküle zu. Die durch E i n f ü h r u n g der Beziehung (3) in Gleichung (2) entstehende neue und nunmehr a l l g e m e i n g ü l t i g e G a s g l e i c h u n g p-v = n-R-T

(4·

24

Atom- und Molekulargewichtsbestimmung

heißt „allgemeine Zustandsgleichung idealer Gase". Sie gilt, wie schon der Name besagt, nur für „ideale Gase", d. h. solche Gase, deren Moleküle praktisch keinen gegenseitigen Anziehungskräften unterliegen und daher im Gasraum völlig frei beweglich sind (vgl. S. 50). Bei „realen Gasen", für die diese Voraussetzung nicht zutrifft, muß die Zustandsgleichung durch K o r r e k t i o n s g l i e d e r ergänzt werden. R hat, wenn man ρ in Atmosphären, ν in Litern, η in Mol und Τ in K E L V i N g r a d e n ausdrückt, den Wert 0.08206, wie sich durch Einsetzen des schon erwähnten „Molvolumens" (»=22.415 ; n=1 ) bei den Normalbedingungen (ρ = 1 ; Τ = 273.15) in die allgemeine Gasgleichung (4) ergibt. Die Dimension von R ist [Energie]/[Grad]· [Mol], weil ρ · υ die Dimension einer Energie besitzt: [Druck] χ [Volu[Kraft] men] = X [Volumen] = [Fläche] [Kraft] χ [Länge] = [Energie], Drückt man R — statt, wie oben geschehen, in Liter · Atmosphären/ Grad-Mol — in cal/Grad-Mol aus, so besitzt es den Zahlenwert 1.986. Erwähnt sei, daß die Zustandsgleichung (4) eine Reihe von T e i l g e s e t z e n enthält, die sich aus ihr durch Konstant halten einzelner Größen ergeben. Die bekanntesten dieser 1200' noo •m/sec

Teilsesetze

sind:

Das „ B O V L E - M A B I O T T E sehe Gesetz" : Das Produkt aus Fig. 13. MAxwELLsche Geschwindigkeitsverteilung Druck p und Volumen ν einer bestimmten Gasmenge (n = konstant) ist bei gegebener Temperatur (T = konstant) konstant: p-v = (nRT) = a. Das „GA¥-LussAcsche Gesetz": Bei gegebenem Volumen (v = konstant) ist der Druck p, bei gegebenem Druck (p — konstant) das Volumen ν einer bestimmten Gasmenge (n = konstant) der absoluten Temperatur Τ proportional: p = (nR/v) -T = b-T bzw. v = {nR/p)-T = c-T. Die  r o G A D R o s c h e Hypothese (S. 18): Gleiche Volumina (v = konstant) idealer Gase enthalten bei gleichem Druck (p = konstant) und gleicher Temperatur (T = konstant) gleich viele Moleküle: η = (pv/RT) = d. ß) Methoden der Molekulargewichtsbestimmung Die Z u s t a n d s g l e i c h u n g (4) ermöglicht die Bestimmimg der M o l z a h l η einer gegebenen Gasmenge. Bestimmt man gleichzeitig das G e w i c h t g dieser « M o l e , so folgt das Gewicht e i n e s Mols, d . h . das M o l e k u l a r g e w i c h t M , aus der Beziehung (5) Führen wir hierin den aus der Zustandsgleichung (4) folgenden Wert für « ein, so erhalten wir die Beziehung ~ . L> rn g-R-T M : (6) p-v die es gestattet, aus D r u c k (p), V o l u m e n (ν), T e m p e r a t u r ( Τ ) und G e w i c h t (g) eines idealen Gases sein M o l e k u l a r g e w i c h t zu errechnen.

Relative Atom- und Molekulargewichte

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Bei der praktischen Molekulargewichtsbestimmung geht man in allen Fällen von einer gegebenen T e m p e r a t u r Τ aus. Bei den übrigen drei Größen p, ν und g kann man insofern mit einer gewissen Willkür verfahren, als man zwei von ihnen vorschreibt und die d r i t t e sich durch den Versuch von selbst einstellen läßt. Dementsprechend lassen sich die Methoden zur Bestimmung der Molekulargewichte von Gasen in drei Gruppen einteilen: 1. p und ν sind vorgegeben, g stellt sich ein: W ä g u n g eines b e s t i m m t e n Gasv o l u m e n s ν von b e k a n n t e m Druck p bei gegebener T e m p e r a t u r T. 2. g und p sind vorgegeben, ν stellt sich ein: V o l u m e n m e s s u n g einer b e s t i m m ten Gasmenge g von b e k a n n t e m Druck p bei gegebener T e m p e r a t u r T. 3. g und ν sind vorgegeben, p stellt sich ein: D r u c k m e s s u n g einer b e s t i m m ten Gasmenge g von b e k a n n t e m Volumen ν bei g e g e b e n e r T e m p e r a tur T. Als Beispiel sei hier nur eine im Laboratorium häufig angewandte, von dem deutschen Chemiker VICTOR M E Y E R ( 1 8 4 8 — 1 8 9 7 ) stammende Bestimmungsmethode angeführt, die sich des unter 2. genannten Prinzips bedient und die Bestimmung des Molekulargewichts leicht verdampfbarer Flüssigkeiten und fester Stoffe ermöglicht. Der für dieses Verfahren erforderliche Apparat (Fig. 14) besteht aus einem unten erweiterten V e r d a m p f u n g s r o h r , welches von einem H e i z m a n t e l umgeben ist. Der Heizmantel enthält eine F l ü s s i g k e i t , durch deren Sieden das Verdampfungsrohr auf einer Temperatur gehalten wird, welche o b e r h a l b der Siedetemperatur der zu untersuchenden Substanz liegt. Die S u b s t a n z selbst wird in ein W ä g e g l ä s chen eingewogen und von oben eingeführt. Ein durch ein Stück Gummischlauch mit dem Verdampfungsrohr verbundener Glasstab (Auslös e Vorrichtung) hält die Substanz zunächst noch oben fest. Sobald keine Luftblasen mehr durch das unter Wasser endigende Ableitungsrohr des Verdampfungsrohrs entweichen, letzteres also die konstante Temperatur des Dampfes der siedenden Heizflüssigkeit angenommen hat, stülpt man ein mit Wasser gefülltes Volumenmeßrohr über das Ende des Ableitungsrohres und läßt die Substanz durch Zurückziehen des Glasstabes der Auslösevorrichtung in Fig. 14. Bestimmung der Dampf dichte nach VICTOR MEYER den unteren, erweiterten Teil des Verdampfungsrohres h i n a b f a l l e n . Sofort beginnt die V e r d a m p f u n g der Substanz, wodurch aus dem oberen Teil des Verdampfungsrohres eine entsprechende Menge L u f t verdrängt und in das Volumenmeßrohr getrieben wird. Nach wenigen Minuten ist die Verdampfung der Substanz beendet. Das im Meßrohr aufgefangene L u f t v o l u m e n , das beim Barometerstand p' und bei der Zimmertemperatur Τ abgelesen wird, entspricht dem Volumen, welches die f l ü s s i g e oder f e s t e S u b s t a n z im Dampfzustande bei Z i m m e r t e m p e r a t u r einnehmen w ü r d e , falls sie bei dieser Temperatur verdampfbar wäre. Daher ist in Gleichung (6) als Temperatur Γ n i c h t die S i e d e t e m p e r a t u r der H e i z f l ü s s i g k e i t , sondern die Z i m m e r t e m p e r a t u r einzusetzen, bei der die Volumenablesung am Meßrohr erfolgt. Der Druck p der verdrängten Luft ist gleich dem um den Druck b der Wassersäule im Meßrohr verminderten Barometerstand p' ; für genauere Messungen ist auch noch eine Korrektur wegen des verschiedenen Feuchtigkeitsgehaltes der Luft im Verdampfungs- und Meßrohr anzubringen.

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Atom- und Molekulargewichtsbestimmung

B e i s p i e l : 405 mg = 0.405g einerfesten Substanz verdrängen bei der Verdampfung bei 450° C 38.5 om3 = 0.03851 Luft (gemessen bei 15° C = 288° abs. und bei einem korrigierten Druck von 730 mm Quecksilbersäule = 0.96 atm.). Hieraus ergibt sich nach Gleichung (6): _ g-B-T _ 0.405 χ 0.082 χ 288 _ ρ·ν ~ 0.96 χ 0.0385 ~ Der untersuchte Stoff hat also im Dampfzustande bei 450° ein relatives — d. h. auf •^Sauerstoff = 32 bezogenes — Molekulargewicht von 259.

c) Bestimmung relativer Atomgewichte Die kleinste Menge eines Elements, die sich in 1 Molekül einer Verbindung dieses Elements befinden kann, isti Atom. Damit ergibt sich das r e l a t i v e Atomgewicht experimentell als diekleinste Anzahl von Grammen eines Elements, die i n i Grammmolekül einer Verbindung dieses Elements aufgefunden werden. Zur Bestimmung des Atomgewichtes eines Elements ist es demnach erforderlich, nach einer der vorstehend erörterten oder später noch zu besprechenden (S. 57f.) Bestimmungsmethoden das Molekulargewicht zahlreicher Verbindungen des betreffenden Elements zu ermitteln und anschließend durch Analyse jeweils die in 1 Mol Verbindung enthaltene Gramm-menge des Elements zu bestimmen. Nachfolgende Tabelle enthält einige bei Verbindungen der Elemente Wasserstoff, Chlor, Sauerstoff, Stickstoff und Kohlenstoff auf solche Weise erhaltene Ergebnisse: Name der Verbindung 1 Wasserstoff Chlorwasserstoff Wasser Wasserstoffperoxid Ammoniak Hydrazin Methan Äthan Äthylen Acetylen Benzol Chlor Dichloroxid Chlordioxid Chlorstickstoff Tetrachlorkohlenstoff Sauerstoff Distickstoffoxid Stickoxid Stickstoffdioxid Kohlenoxid Kohlendioxid Stickstoff

In 1 Mol Verbindung enthaltene Gramm-menge MoleFormel Stick- Kohlen- der Verkular- WasserChlor Sauerstoff ( 0 ) stoff (N) stoff (C) bindung gewicht stoff (H) (Cl) 2

3

2 36 1 /* 18 34 17 32 16 30 28 26 78 71 87 67 Vz 120VS 154 32 44 30 46 28 44 28

2 1 2 2 3 4 4 6 4 2 6 — —

4 357*

5 —

6 —



16 32









14 28







7 —







— — —

12 24 24 24 72



_































14



— —



12





71 71 35V2 106V2 142





























16 32 32 16 16 32 16 32 —



28 14 14 — —

28



— — —

12 12 —

8 Ha HCl HaO H202 NH, N,H, CH,

c2h. c2h4 c2h2

C e H,

Cl2 C120 C102

NC1» CC14

02 n20 NO

no 2

CO

co2 N2

Wir ersehen aus der Tabelle folgendes: Die k l e i n s t e Menge W a s s e r s t o f f , die in 1 Mol der in der Tabelle aufgeführten Wasserstoffverbindungen enthalten ist (vgl. Spalte 3), beträgt 1 g. Da auch in keiner sonstigen Wasserstoffverbindung weniger als 1 g Wasserstoff je Gramm-molekül Verbindung aufgefunden wird, muß man annehmen, daß diese Menge von 1 g ein Gramm-atom Wasserstoff darstellt. Dem W a s s e r s t o f f kommt also mit anderen Worten das Atomgewicht 1 zu. In gleicher Weise läßt sich aus der Tabelle entnehmen — und dieser Schluß wird durch die Unter-

Relative Atom- and Molekulargewichte

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Buchung anderer Verbindungen bestätigt — , daß die Elemente C h l o r , S a u e r s t o f f , S t i c k s t o f f und K o h l e n s t o f f die A t o m g e w i c h t e 35 l / 2 , 16, 14 und 12 besitzen. D e n n dies sind, wie man sieht, die kleinsten Gramm-mengen dieser Elemente, die in 1 Mol ihrer Verbindungen analytisch gefunden werden.

Atomgewichte der Elemente Element

Symbol

Actinium Aluminium.... Ameri c i u m . . . . Antimon Argon Arsen Astat Barium Berkelium Beryllium Blei Bor Brom Cadmium Caesium Calcium Californium Cer Chlor Chrom Curium Dysprosium... Einsteinium . . . Eisen Erbium Europium Fermium Fluor Francium Gadolinium . . . Gallium Germanium . . . Gold Hafnium Helium Holmium Indium Iridium Jod Kalium Kobalt Kohlenstoff . . . Krypton Kupfer Lanthan Lithium Lutetium Magnesium.... Mangan Mendelevium . . Molybdän

Ac AL

Am Sb Ar AB

At Ba Bk Be Pb Β Br Cd Cs Ca Cf Ce Cl Cr Cm

Dy

Es Fe Er Eu Fm F Fr Gd Ga Ge Au Hf He Ho In Ir J Κ Co C Kr Cu La Li Lu Mg Mn Md Mo

Atomnummer

Atomgewicht

Element

Symbol

89 13 95 51 18 33 85 56 97 4 82 5 35 48 55 20 98 58 17 24 96 66 99 26 68 63 100 9 87 64 31 32 79 72 2 67 49 77 53 19 27 6 36 29 57 3 71 12 25 101 42

227 26.98 243 121.76 39.944 74.92 210 137.36 247 9.013 207.21 10.82 79.916 112.41 132.91 40.08 251 140.13 35.457 52.01 248 162.51 252 55.85 167.27 152.0 253 19.00 223 157.26 69.72 72.60 197.0 178.50 4.003 164.94 114.82 192.2 126.91 39.100 58.94 12.011 83.80 63.54 138.92 6.940 174.99 24.32 54.94 256 95.95

Natrium Neodym Neon Neptunium . . . Nickel Niob Nobelium Osmium Palladium Phosphor Platin Plutonium . . . . Polonium Praseodym.... Promethium . . Protactinium.. Quecksilber . . . Radium Radon Rhenium Rhodium Rubidium Ruthenium . . . Samarium . . . . Sauerstoff . . . . Scandium Schwefel Selen Silber Silicium Stickstoff Strontium . . . . Tantal Technetium . . . Tellur Terbium Thallium Thorium Thulium Titan Uran Vanadin Wasserstoff . . . Wismut Wolfram Xenon Ytterbium . . . . Yttrium Zink Zinn Zirkonium . . . .

Na Nd Ne Np Ni Nb No Os Pd Ρ Pt Pu Po Pr Pm Pa Hg Ra Rn Re Rh Rb Ru Sm 0

Sc S Se Ag Si Ν Sr Ta To Te Tb TI Th Tm Ti Υ

V Η Bi W Xe Yb Y Zn Sn Zr

Atom nummer 11 60 10 93 28 41 102 76 46 15 78 94 84 59 61 91 80 88 86 75 45 37 44 62 8 21 16 34 47 14 7 38 73 43 52 65 81 90 69 22 92 23 1 83 74 54 70 39 30 50 40

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Atom- und Molekulargewichtsbestimmung

Diejenigen Verbindungen der Tabelle, die ein ganzes V i e l f a c h e s der als Atomgewicht erkannten Gramm-menge eines Elements je Mol Substanz aufweisen, enthalten das entsprechende A t o m v i e l f a c h e dieses Elements je Molekül. Äthan, das z.B. 6 g Wasserstoff (H) und 24 g Kohlenstoff (C) je Gramm-molekiil aufweist, hat also die Formel C 2 H e . In analoger Weise kommen wir zu den in Spalte 8 der Tabelle (S. 26) angegebenen chemischen Formeln für die übrigen Substanzen. Diese Formeln — von denen wir diejenigen für Wasserstoff, Chlor, Sauerstoff, Stickstoff, Chlorwasserstoff, Wasser und Ammoniak schon früher (S. 16ff.) durch einen im Prinzip analogen, wegen des Fehlens einer Bezugseinheit (S. 20) damals aber notgedrungen noch etwas umständlicheren Gedankengang abgeleitet hatten — ermöglichen dann, wie S. 20f. schon auseinandergesetzt, bei Kenntnis der gewichtsmäßigen Zusammensetzung der Verbindungen eine genaue Festlegung der relativen Atomgewichte der enthaltenen Elemente. Prinzipiell ergeben sich die Atomgewichte der Elemente auch schon als die kleinste, in 1 Mol einer Verbindung dieser Elemente enthaltene Gramm-menge (vgl. oben). Da aber die beschriebene Molekulargewichtsbestimmung — falls man nicht alle bei der Messung der vier Größen p, v, g und Τ möglichen Fehlerquellen und die Abweichungen vom idealen Gasgesetz peinlichst durch Korrekturglieder kompensiert — im allgemeinen keine Präzisions werte des Molekulargewichts liefert 1 , stellen auch die direkt aus den Molekulargewichten entnommenen Atomgewichte im allgemeinen' keine Präzisionswerte des Atomgewichts dar. Es ist daher zur Erzielung genauester Werte zweckmäßiger, die Atomgewichte durch Kombination der aus der geschilderten Molekulargewichtsbestimmung hervorgehenden e i n d e u t i g e n Molekülformeln mit dem analytisch g e n a u e s t e n s bestimmbaren Gewichtsverhältnis der Elemente in den einzelnen Verbindungen zu ermitteln.

Vorstehende, alphabetisch nach den Elementnamen geordnete Tabelle (S.27) enthält die in solcher Weise durch genaueste Analyse chemischer Verbindungen gegebener Formel oder nach sonstigen Methoden3 bestimmten Atomgewichte aller bis jetzt bekannten Elemente samt ihren Symbolen und „Atomnummern" („Ordnungszahlen"). Unter letzteren wollen wir dabei zunächst einfach die laufende Nummer verstehen, die einem Element zukommt, wenn man die Grundstoffe nach steigendem Atomgewicht anordnet (vgl. S. 66f.). Die Tabelle wird jährlich von einer internationalen Atomgewichtskommission kritisch geprüft und — falls zuverlässigere und genauere Atomgewichtsbestimmungen vorliegen — berichtigt. Die Zahl der Dezimalen (von denen die letzte als noch unsicher angenommen wird) gibt den Grad der Genauigkeit an, bis zu dem das betreffende Atomgewicht bis jetzt bestimmt worden ist. Sehr genaue chemische Atomgewichtsbestimmungen verdanken wir dem deutschen Chemiker O T T O H Ö N I G S C H M I D ( 1 8 7 8 — 1 9 4 5 ) . Die Elementsymbole wurden von dem schwedischen Chemiker JONS J A K O B B E R Z E L I U S (1779—1848) in den Jahren 1813—1814 eingeführt und sind häufig den lateinischen Namen der Elemente entlehnt; ζ. B. : Antimon (Stibium Sb), Wismut (Bismuthum Bi), Gold (Aurum Au), Kobalt (Cobaltum Co), Kohlenstoff (Carbonium C), Kupfer (Cuprum Cu), Quecksilber (Hydrargyrum Hg), Blei (Plumbum Pb), Zinn (Stannum Sn), Eisen (Ferrum Fe), Silber (Argentum Ag), Schwefel (Sulphur S).

d) Stöchiometrische Berechnungen Die auf Grund der Kenntnis der Atom- und Molekulargewichte aufstellbaren „chemischen Gleichungen" (S. 19) bringen in kürzester Form sowohl qualitativ wie 1 Um dies anzudeuten, wurden die Molekulargewichte in der Tabelle (S. 26) nur durch abgerundete Zahlen zum Ausdruck gebracht. 2 Bei exakter Berücksichtigung aller Korrekturglieder sind selbstverständlich auch auf dem Wege über die Bestimmung des Molekulargewichts von Gasen genaueste Atomgewichtsbestimmungen möglich. 3 Bei den radioaktiven Elementen (vgl. S. 566 ff.), bei denen man als Atomgewicht das der stabilsten Atomart anzugeben pflegt, ergeben sich z. B. die Atomgewichtswerte indirekt aus den Atomgewichten der Muttersubstanzen.

29

Absolute Atom- und Molekulargewichte

quantitativ alle jene experimentellen Beobachtungen und Grundgesetze zum Auadruck, die zu ihrer Aufstellung führten. Die Gleichung Ha + Cl2 = 2 HCl besagt also ζ. B. nicht nur q u a l i t a t i v , daß Wasserstoff und Chlor unter Chlorwasserstoffbildung miteinander reagieren und daß die Moleküle des Wasserstoffs und Chlors aus je zwei gleichen Atomen, die des Chlorwasserstoffs aus je einem Wasserstoff- und Chloratom bestehen, sondern auch q u a n t i t a t i v , daß 1 Mol = 2.016 g = 22.415 1 (0°; 1 Atm.) Wasserstoff und 1 Mol = 70.914 g = 22.415 1 (0°; 1 Atm.) Chlor 2 Mole = 72.930 g = 44.830 1 (0°; 1 Atm.) Chlorwasserstoff ergeben. Dementsprechend ermöglichen derartige Reaktionsgleichungen in einfacher Weise die Berechnung der G e w i c h t s m e n g e n und G a s v o l u m i n a , welche bei chemischen Reaktionen verbraucht oder gebildet werden. Einige Beispiele mögen dies erläutern : 1. Es sei danach gefragt, w i e v i e l g W a s s e r d u r c h U m s e t z u n g von 3 g W a s s e r s t o f f m i t S a u e r s t o f f m a x i m a l g e w o n n e n werden k ö n n e n . Die Gleichung für die Wasserbildung lautet: 2H 2 + 0 2 = 2H a O. Da das Atomgewicht des Wasserstoffs gleich 1 und das des Sauerstoffs gleich 16 ist, lassen sich entsprechend der 36 χ 3

Gleichung aus 4 g Wasserstoff 36 g Wasser, aus 3 g Wasserstoff demnach — - — = 27 g Wasser bilden. 2. W i e v i e l L i t e r S t i c k s t o f f von 0 ° und 760 mm k ö n n e n s i c h m a x i m a l m i t 1.5 g W a s s e r s t o f f zu A m m o n i a k u m s e t z e n ? Nach der Gleichung 3H 2 + N 2 = 2NH 3 reagieren 6 g Wasserstoff mit 1 Mol = 22.4 1 (0°; 760 mm) Stickstoff. Mit 22 4 χ 15 1.5 g Wasserstoff können sich demnach —'— — = 5.61 Stickstoff umsetzen. Bei n i o h t g a s f ö r m i g e n Stoffen verzichtet man bei der Aufstellung chemischer Gleichungen im allgemeinen darauf, die w a h r e M o l e k ü l g r ö ß e dieser Stoffe einzusetzen und begnügt sich damit, die e i n f a c h s t e B r u t t o f o r m e l des betreffenden Stoffs anzugeben. So schreibt man ζ. B. für die Vereinigung von festem Schwefel mit Sauerstoff zu Schwefeldioxid durchweg die vereinfachte Gleichung S + 0 2 = S 0 2 , obwohl man weiß, daß der feste Schwefel die Molekülformel S 8 besitzt und die Gleichung daher richtiger S , + 8 O, = 8 S 0 2 lauten müßte. Bei n i c h t g a s f ö r m i g e n Stoffen ist es eben im allgemeinen nicht erforderlich, die chemische Gleichung durch Einsetzen der richtigen Molekülgrößen zugleich zum S y m b o l der V o l u m e n v e r h ä l t n i s s e zu machen, wie dies bei Reaktionen g a s f ö r m i g e r Stoffe zweckmäßig ist.

2. Absolute Atom- und Molekulargewichte Die r e l a t i v e n , d. h. auf ein Sauerstoff-Atomgewicht 16 bzw. Sauerstoff-Mole kulargewicht 32 bezogenen Gewichte der Atome und Moleküle verhalten sich naturgemäß zueinander wie ihre a b s o l u t e n Gewichte, so daß relative und absolute Atomund Molekulargewichte nur um einen k o n s t a n t e n F a k t o r voneinander unterschieden sind. Jedes G r a m m - a t o m ( G r a m m - m o l e k ü l ) eines Stoffs enthält also g l e i c h v i e l e Atome (Moleküle) des betreffenden Stoffs, und man kann daher die a b s o l u t e n Gewichte aus den r e l a t i v e n in einfacher Weise dadurch errechnen, daß man letztere durch die Z a h l Ν der in 1 Gramm-atom (Gramm-molekül) enthaltenen Atome (Moleküle) dividiert. Die Bestimmung der Konstanten N, die nach dem deutschen Physiker J O S E P H LOSCHMIDT (1821—1895) auch „LosciuiiDTSche Zahl" genannt wird, ist in verschiedenster Weise möglich. So kann man sie ζ. B . ableiten: 1. Aus der k i n e t i s c h e n G a s t h e o r i e , 2. aus der BROWNSchen M o l e k u l a r b e w e g u n g , 3. aus der O b e r f l ä c h e n s p a n n u n g v e r d ü n n t e r L ö s u n g e n , 4. aus den G e s e t z e n der s c h w a r z e n S t r a h l u n g , 5. aus der e l e k t r i s c h e n L a d u n g von Ö l t r ö p f c h e n , 6. aus der Z e r s t r e u u n g bzw. S c h w ä c h u n g des H i m m e l s l i c h t s in der A t m o s p h ä r e , 7. aus der G r ö ß e des E l e m e n t a r w ü r f e l s von K r i s t a l l e n , 8. aus r a d i o a k t i v e n P r o -

Atom- und Molekulargewichtebestimmung

30

z e s s e n (S. 572), 9. aus der F e i n s t r u k t u r v o n S p e k t r a l - l i n i e n u . a . m . So verschiedenartig aber alle diese physikalischen Methoden, auf die wir hier nicht näher eingehen wollen (vgl. Lehrbücher der physikalischen Chemie), auch sein mögen, sie führen doch alle zu dem g l e i c h e n W e r t 6 χ 1023 (wahrscheinlichster Wert: 6.022 χΙΟ 23 ) für die Zahl der Atome (Moleküle) je Gramm-atom (Gramm-molekül). Eine d e r a r t i g e Ü b e r e i n s t i m m u n g der U n t e r s u c h u n g s e r g e b n i s s e wäre u n d e n k b a r , wenn n i c h t den durch diese Methoden e r f a ß t e n Molekülen und Atomen eine o b j e k t i v e R e a l i t ä t zukäme. Der aus den G ewichtsu n d V o l u m e n v e r h ä l t n i s s e n bei c h e m i s c h e n R e a k t i o n e n i n d i r e k t erschlossene Begriff des Atoms und Moleküls stellt daher h e u t e keine unsichere H y p o t h e s e mehr dar, sondern ist als f e s t b e g r ü n d e t e E r f a h rungstatsache anzusehen. Wie aus dem Wert der LoscHMiDTSchen Zahl hervorgeht, sind die Atome und Moleküle u n v o r s t e l l b a r w i n z i g e T e i l c h e n . Denn 602200000000000000000000 Wasserstoffatome wiegen danach zusammen erst 1.008 g, so daß ein einzelnes Wasserstoffatom ein Gewicht von nur 1.008/(6.022 χ IO23) = 1.674 χ IO -24 g besitzt ; in gleicher Weise errechnet sich, daß 1 Sauerstoffatom 16.000/(6.022 X 1023) = 26.569 X 10"24 g, 1 Wassermolekül also (2 χ 1.674 + 26.569) X IO" 24 = 29.917 χ 10 _24 g wiegt. Der Durchmesser der Atome und Moleküle liegt in der Größenordnung von 10~8 cm = 1 „Angstrom" (Â). Von der Kleinheit derartiger Masseteilchen kann man sich an Hand folgender Zahlenbeispiele einen anschaulichen Begriff machen: Würde man 1 ccm = 0.8 g Alkohol (Molekulargewicht 46) ins Meer gießen und sich über sämtliche Weltmeere (1370 Millionen Kubikkilometer) verteilen lassen, so enthielte j e d e r L i t e r Meerwasser — gleichgültig ob er im Atlantischen oder Indischen oder Stillen Ozean, im Nördlichen oder Südlichen Eismeer, an der Oberfläche oder in 1000 m Tiefe entnommen würde — noch 8 M o l e k ü l e Alkohol. Die in einem S t e c k n a d e l k o p f (1 mm 3 ) enthaltene ungeheure Zahl von rund 1020 (100 Trillionen) Eisenatomen 1 ergäbe, zu einer Perlenkette aneinandergereiht, eine Strecke von 2 χ 107 km, entsprechend der m e h r a l s 5 0 f a c h e n E n t f e r n u n g z w i s c h e n E r d e u n d M o n d 2 , wobei auf jedes einzelne M i l l i m e t e r dieser riesigen Strecke allein schon 5 M i l l i o n e n A t o m e entfielen. Es ist eine erstaunliche Leistung der Naturforscher, daß sie die Gewichte und Durchmesser solch winziger Teilchen mit so großer Genauigkeit anzugeben in der Lage sind, ja, daß es ihnen — wie wir später sehen werden — darüber hinaus gelungen ist, festzustellen, daß die Atome ihrerseits aus einem Atomkern und einer Atomhülle bestehen (S. 135ff.), die beide immer noch nicht die kleinsten Bestandteile der Materie darstellen, sondern in noch winzigere Urteilchen {„Elektronen", „Protonen" und „Neutronen") zerlegt werden können (S. 555ff.). Nunmehr wenden wir uns der speziellen Betrachtung einiger wichtiger Elemente, des W a s s e r s t o f f s , des S a u e r s t o f f s und des S t i c k s t o f f s zu, die uns in Eorm des W a s s e r s und der L u f t in großen Mengen zur Verfügung stehen. 1 2

Der Durchmesser des Eisenatoms beträgt etwa 2 Ä. Der mittlere Abstand des Mondes von der Erde beträgt 3.844 χ IO5 km.

Kapitel IV

Das Wasser und seine Bestandteile 1. D e r Sauerstoff a) Vorkommen I n freiem Zustande kommt der Sauerstoff in der Natur als Bestandteil der L u f t vor, welche getrocknet 20.9 Volumenprozente oder 23.2 Gewichtsprozente Sauerstoff enthält (S.63). In gebundenem Zustande finden wir ihn im Wasser, welches gereinigt zu 88.8 Gewichtsprozenten aus Sauerstoff besteht. Weiter ist er zu 47.3°/0 am Aufbau der äußersten — bis zu 16km Tiefe untersuchten (S.69) — Schale der festen Erdrinde beteiligt. Der Gesamtgehalt von Erdrinde, Meer und Luft an Sauerstoff beträgt 49.4 Gewichtsprozente (vgl. S. 69). Der Sauerstoff ist somit das weitestverb r e i t e t e E l e m e n t und kommt in seiner Gewichtsmenge der Gewichtsmenge s ä m t l i c h e r übrigen E l e m e n t e — zusammengenommen — gleich.

b) Darstellung Als Ausgangsmaterial zur technischen Darstellung von Sauerstoff dienen zweckmäßig die L u f t oder das Wasser. Im L a b o r a t o r i u m werden zur Sauerstoffgewinnung auch feste Sauerstoffverbindungen herangezogen. α) Aus Luft Die L u f t enthält außer S a u e r s t o f f in der Hauptsache noch S t i c k s t o f f (S. 60). Will man daher aus der Luft Sauerstoff gewinnen, so muß man das homogene Sauerstoff-Stickstoff-Gemisch zerlegen. Dies kann auf chemischem oder auf physikalischem Wege erfolgen. Die Zerlegung auf chemischem Wege läßt sich nicht so durchführen, daß man die Luft mit einem Stoff zur Umsetzung bringt, der nur den Stickstoff, nicht aber den Sauerstoff bindet. Denn der S a u e r s t o f f ist chemisch viel r e a k t i o n s f ä h i g e r als der S t i c k s t o f f , so daß er stets leichter als dieser reagiert. Daher muß man so verfahren, daß man den Sauerstoff durch einen Stoff bindet, welcher den gebundenen Sauerstoff leicht wieder abzugeben imstande ist. Ein solcher Stoff ist ζ. B. das B a r i u m o x i d (BaO). Erhitzt man Bariumoxid an der Luft auf etwa 500°, so nimmt es unter Bildung von B a r i u m p e r o x i d (Ba0 2 ) Sauerstoff auf (vgl. S. 181): 2 BaO + 0 , ^

500· 700°

> 2 BaO».

Bei 700° (oder bei Druckverminderung) gibt das so gebildete Bariumperoxid in Umkehrung dieser Reaktion unter R ü c k b i l d u n g von Bariumoxid den gebundenen Sauerstoff wieder ab. Dieses Verfahren der Sauerstoffgewinnung aus Luft („B/twsches Bariumferoxid-V erfahren") war früher die einzige technische Methode der Sauerstoffgewinnung.

32

Bas Wasser und seine Bestandteile

Heute zerlegt man die Luft nur noch au! physikalischem Wege, indem man sie v e r f l ü s s i g t und die verflüssigte Luft f r a k t i o n i e r t d e s t i l l i e r t . Zur Verflüssigung muß die Luft auf sehr tiefe Temperaturen (bei 1 Atmosphäre Druck auf unter —192°) abgekühlt werden. Hierzu bedient man sich des „JocLE-TiioMsoN-EHcktes" : Entspannt man ein unter hohem Druck stehendes {„komprimiertes") r e a l e s (S. 24) Gas auf einen niedrigen Druck, so kühlt es sich — auch wenn bei der Entspannung („Expansion") keine äußere Arbeit geleistet wird — ab, weil bei der Ausdehnung A r b e i t gegen die gegenseitigen Anziehungskräfte der Gasmoleküle aufgewendet wird. Die zur Leistung dieser ,,inneren Arbeit" erforderliche Energie, die ja nach dem Gesetz von der Erhaltung der Energie irgendeinem Energievorrat entstammen muß, wird dem W ä r m e - i n h a l t des Gases entnommen. Die Celsiusgrade ¿Anfang — ¿Ende» um die sich die L u f t bei der — ohne äußere Arbeitsleistung erfolgenden — Entspannung um /»Anfani; — pEuáe Atmosphären abkühlt, können nach der F a u s t r e g e l t Anfang

Ende

V« · (Pa,niang

/_ γ 273 ?End• CaCl2 + 0). Noch häufiger wird im Laboratorium s a l p e t r i g e S ä u r e H N 0 2 als Oxydationsmittel benutzt, weil hierbei auch der Stickstoff der Säure mitgewonnen wird (vgl. S. 245): NH3 + HNOa — N j + 2HjO . Man erhitzt zu diesem Zwecke eine konzentrierte wässerige Ammoniumnitritlösung (NH 4 N0 2 N H j + H N 0 2 ) oder die Lösung eines Gemisches von Ammoniumchlorid und Natriumnitrit (NH4C1 + NaNO¡¡ N H 4 N 0 2 + NaCl) auf etwa 70°. Auch mit Hilfe von C h l o r , das sich mit Ammoniak energisch umsetzt, kann der Wasserstoff des Ammoniaks entfernt werden: 2NH3 + 3C12 — > N 2 + 6HCl.

I n Erweiterung des ursprünglichen Oxydationsbegriffes (S. 35 f.) spricht man auch in diesem Falle von einer O x y d a t i o n des Ammoniaks zu Stickstoff und definiert ganz allgemein eine Oxydation als die Zufuhr von Sauerstoff oder den Entzug von Wasserstoff und ein Oxydationsmittel dementsprechend als ein sauerstoffzuführendes oder wasserstoffentziehendes Mittel. In gleicher Weise versteht man in Erweiterung des ursprünglichen Reduktionsbegriffes (S. 44) unter einer Reduktion den Entzug von Sauerstoff oder die Zufuhr von Wasserstoff und unter einem Reduktionsmittel dementsprechend ein sauerstoffentziehendes oder wasserstoffzuführendes Mittel.

c) Physikalische Eigenschaften Stickstoff ist ein färb-, geschmack- und geruchloses Gas. Das Litergewicht r e i n e n S t i c k s t o f f s beträgt bei 0° und 760 mm Druck 1.2505 g, ist also geringer als das der Luft (1.2928 g/1), welche ja noch den schwereren Sauerstoff (1.4289 g/1) enthält. 1 1 „Luftstickstoff", also edelgashaltiger Stickstoff wiegt 1.2567 g. Wie Sauerstoff und Wasserstoff läßt sich auch Stickstoff nur schwer kondensieren (kritische Temperatur: —147.1°, kritischer Druck: 33.5 Atm., kritische Dichte: 0.3110 g/cm 3 ). Der Siedepunkt des farblosen flüssigen Stickstoffs liegt bei —195.8°, der Schmelzpunkt des farblosen festen Stickstoffs bei —210.0°; die Dichte beim Siedepunkt beträgt 0.879 g/cm 3 . In Wasser ist Stickstoff nur etwa halb so gut löslich wie Sauerstoff : 1 1 Wasser von 0° löst 23 cm 3 Stickstoff gegenüber 49 cm 3 Sauerstoff. Die aus Wasser ausgetriebene Luft hat somit eine andere Zusammensetzung (O a :N a = 2 : l ) als die atmosphärische ( 0 2 : N 2 = 1:4). Diese größere Wasserlöslichkeit des Sauerstoffs ist von Wichtigkeit für die Atmung der Fische im Wasser.

d) Chemische Eigenschaften Der Stickstoff ist weder brennbar wie der Wasserstoff, noch unterhält er die Verbrennung wie der Sauerstoff. Taucht man einen brennenden Holzspan in Stickstoff ein, so erlischt er sofort. Lebewesen ersticken im Stickstoffgas 1 . Überhaupt ist der Stickstoff bei gewöhnlicher Temperatur ein s e h r r e a k t i o n s t r ä g e s {„inertes") Gas. Dies kommt daher, daß die beiden Atome des Stickstoffmoleküls besonders fest aneinander gekettet sind (vgl. S. 48), so daß der Stickstoff 1 Der französische Name „azote" für Stickstoff bringt ebenfalls diese Eigenschaft zum Ausdruck: azotikns ζ ω τ ι κ ό ; ) = das Leben nicht unterhaltend. In Bezeichnungen wie „Azide"

(S. 231), „Azoverbindungen" (S. 250), „Azotierung" (S. 412), „Borazol" (S. 377), „Hydrazin" (S. 229) usw. findet sieh dieser Wortstamm auch in der deutschen Nomenklatur.

62

Die Luft und ihre Bestandteile

selbst die beständigste Stickstoff-,,Verbindung" ist. Zur Sprengung des Moleküls in die wesentlich reaktionsfähigeren Atome bedarf es g r o ß e r E n e r g i e m e n g e n : 170.3 kcal + N 2

> 2N,

(1)

die entweder der V e r b i n d u n g s e n e r g i e anderer Elemente entnommen oder von außen her als Energie der W ä r m e oder der E l e k t r i z i t ä t zugeführt werden müssen. So wird die Aktivität des Stickstoffs ζ. B. durch T e m p e r a t u r e r h ö h u n g bedeutend gesteigert, so daß er bei hohen Temperaturen mit zahlreichen Metallen und Nichtmetallen Verbindungen eingeht. Unter den M e t a l l e n vereinigen sich verschiedene Alkali- und Erdalkalimetalle (ζ. B. Lithium, Calcium, Magnesium) besonders leicht und vollständig mit Stickstoff: 3 Mg + N 2 — > - Mg 3 N 2 .

Aber auch viele andere Metalle wie Aluminium, Titan, Vanadin, Chrom verbinden sich bei Glühhitze direkt mit dem Stickstoff zu Nitriden. Unter den Reaktionen des Stickstoffs mit N i c h t m e t a l l e n seien besonders die Umsetzungen mit Wasserstoff und mit Sauerstoff hervorgehoben. Erstere führt zur Bildung von Ammoniak: N2 + 3 H 2 — > - 2NH3

und wird in größtem Maßstabe technisch durchgeführt (S. 224ff.). Letztere geht unter Bildung von Stickstoffoxid vor sich : N2 + 02

— 2 N 0

und hat eine Zeitlang erhebliche Bedeutung für die Gewinnung von Salpetersäure gehabt (S. 235, 240). Bei Einwirkung e l e k t r i s c h e r G l i m m e n t l a d u n g e n auf Stickstoff unter vermindertem Druck findet eine merkliche Aufspaltung der Stickstoffmoleküle gemäß (1) in Stickstoffatome statt, wie zuerst JOHN W I L L I A M S T R U T T ( 1 8 4 2 bis 1 9 1 9 ; seit 1 8 7 3 als L O R D R A Y L E I G H ) beobachtet hat. Dieser a t o m a r e S t i c k s t o f f ist chemisch sehr a k t i v . So bildet er mit zahlreichen Metallen (ζ. B. Quecksilber, Zink, Cadmium, Natrium) schon bei g e w ö h n l i c h e r T e m p e r a t u r Nitride, ebenso mit Nichtmetallen wie Phosphor und Schwefel. Die Wiedervereinigung der Atome zu Molekülen ist mit einem charakteristischen gelben N a c h l e u c h t e n verbunden, das bei geeigneten Versuchsbedingungen noch 6 Stunden nach Ausschalten der elektrischen Entladung anhalten kann.

2. Die Luft a) Zusammensetzung der Luft Die atmosphärische L u f t wurde bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts für ein E l e m e n t gehalten. Erst durch die Untersuchungen von SCHEELE, P R I E S T L E Y und L A VOISIER (S. 37) wurde gezeigt, daß sie ein Gem e n g e zweier Gase — nämlich eines die Verbrennung unterhaltenden ( S a u e r s t o f f ) und eines die Verbrennung nicht unterhaltenden Gases ( S t i c k s t o f f ) — i s t .

Fig. 33. LAVOISIERS Versuch über die Zusammensetzung der Luft

Der Versuch, durch den LAVOISIER dies im Jahre 1774 bewies, war der folgende (Fig. 33): In einer Retorte, die durch einen zweimal gebogenen Hals mit einer in einer Glasglocke über Quecksilber abgesperrten, gegebenen Luftmenge in Verbindung stand, wurde Quecksilber auf einem Kohleofen mehrere Tage lang nahe am Sieden erhalten. Hierbei verschwand ein Teil der Luft, während sich gleichzeitig das Quecksilber teilweise in ein rotgelbes, kristallines Pulver ( Quecksilberoxid) verwandelte.

63

Die Luft

Der zurückbleibende Teil der Luft (Stickstoff) unterhielt zum Unterschied von der ursprünglichen Luft weder die Verbrennung noch die Atmung. Die gebildete Quecksilberverbindung spaltete bei stärkerem Erhitzen ein Gas (Sauerstoff) ab (S. 9), das die Verbrennungserscheinungen viel lebhafter unterhielt als die ursprüngliche Luft und dessen Volumen genau dem vorher verschwundenen Luftanteil entsprach. — F ü r genauere Luftanalysen verwendet man s t a t t Quecksilber zweckmäßig Kupfer als sauerstoffbindendes Mittel.

Außer Sauerstoff und Stickstoff enthält die Luft noch die E d e l g a s e (S. 72), sowie mehr oder weniger W a s s e r d a m p f und K o h l e n d i o x i d , ferner geringe Mengen A m m o n i a k und Ozon. Als zufällige Bestandteile (ζ. B. in der Nachbarschaft von Vulkanen und von Industrieanlasen) finden sich S c h w e f e l d i o x i d und andere Gase. Die niederen Luftschichten enthalten stets auch feste „Staub"teilchen. Die mittlere Zusammensetzung trockener, reiner Luft ist nach neueren Analysen die folgende: Stickstoff . . . Sauerstoff... Edelgase.... Kohlendioxid

VoL-O/o 78.08 20.95 0.94 0.03

100.00

Gew.-% 75.46 23.19 1.30 0.05

100.00

Es ist bemerkenswert, daß diese Zusammensetzung der Luft trotz der zahlreichen sauerstoff-, stickstoff- und kohlendioxid-umsetzenden Vorgänge in der Natur (die Edelgase beteiligen sich wegen ihrer Reaktionsträgheit nicht an chemischen Reaktionen) praktisch k o n s t a n t bleibt. Dies ist darauf zurückzuführen, daß der Sauerstoff (gekoppelt mit dem Kohlendioxid) und der Stickstoff einen K r e i s l a u f durchmachen.

b) Kreislauf des Sauerstoffs Wichtige sauerstoffverbrauchende Vorgänge der Natur sind die t i e r i s c h e A t m u n g und die V e r w e s u n g . In beiden Fällen werden KohlenstoffVerbindungen — ζ. B . Kohlenhydrate (II, S. 218 ff.) —durch den Luftsauerstoff unter Freiwerden von Energie letzten Endes zu Kohlendioxid und Wasser „verbrannt" (vgl. S. 36). In gleicher Richtung wirken auch die Verbrennungsprozesse der Industrie, ζ. B. die Verbrennung von Steinkohle. Die f r e i w e r d e n d e E n e r g i e wird dabei in verschiedenster Weise ausgenutzt; bei der tierischen Atmung beispielsweise zur Aufrechterhaltung der K ö r p e r t e m p e r a t u r und der L e b e n s v o r g ä n g e , bei der Steinkohlenverbrennung etwa zur Erzeugung hoher Temperaturen. Es müßte demnach infolge dieser Verbrennungsvorgänge eine dauernde Abnahme des Sauerstoff- und Zunahme des Kohlendioxid- und Wassergehaltes der Atmosphäre zu beobachten sein, wenn nicht ein e n t g e g e n w i r k e n d e r Prozeß stattfände, der in Umkehrung der genannten Verbrennungsprozesse unter Aufnahme von Energie Kohlendioxid und Wasser wieder in Kohlenhydrate und Sauerstoff verwandelt. Dieser regulierend wirkende Vorgang ist die „Assimilation" (II, S. 473) der Pflanzen, bei welcher unter der Einwirkung des vom Blattgrün (Chlorophyll) absorbierten Sonnenlichtes das in der Luft oder im Wasser enthaltene Kohlendioxid in die Kohlenhydrate Zucker und Stärke verwandelt wird, die sich als Reservestoffe in den Pflanzen ablagern :

I

Kohlenhydrate +

Λ

Atmung Sauerstoff

Y

Kohlendioxid -f- Wasser +

I

Assimilation

Energie

64

Die Luft und ihre Bestandteile

Die Pflanzen dienen dann wieder Menschen und Tieren zur Nahrung, werden erneut „veratmet" usw., und so beginnt der Kreislauf des Sauerstoffs und Kohlendioxids von neuem. Der Rreisprozeß ist in seinen einzelnen Teilen so a u s g e g l i c h e n , daß — soweit unsere Meßgenauigkeit und Erfahrung bisher reichen — der S a u e r s t o f f g e h a l t der Atmosphäre k o n s t a n t bleibt. J e höher beispielsweise infolge der Verbrennungsprozesse der Kohlendioxid- und Wasserdampfgehalt der Luft ansteigt, um so größer wird auch unter sonst gleichen Bedingungen die Assimilationstätigkeit der Pflanzen. Hinzu kommt, daß die jährlich in der geschilderten Weise im Kreislauf befindliche Sauerstoffmenge (10 1 1 1) verhältnismäßig gering ist im Vergleich zu der in der Atmosphäre vorhandenen (10 15 t).

c) Kreislauf des Stickstoffs Auch der S t i c k s t o f f beschreibt einen Kreislauf durch den pflanzlichen und den tierischen Organismus. In diesen Kreislauf tritt er aber praktisch nur als g e b u n d e n e r , nicht als freier Stickstoff. Der Stickstoff ist ein wichtiger Bestandteil des lebensnotwendigen tierischen und pflanzlichen E i w e i ß e s (II, S. 277ff.). Daher sind Tier und Pflanze auf Stickstoffzufuhr angewiesen. Der Stickstoff der L u f t wird von den Tieren und den meisten Pflanzen nicht aufgenommen, da wegen der Reaktionsträgheit des Stickstoffs weder Tier noch Pflanze imstande sind, Luftstickstoff zu assimilieren. Hierzu sind nur einige Bakterienarten und Mikroorganismen fähig, die in den Wurzelknöllchen von Leguminosen (ζ. B. Lupinen) und anderen Pflanzenarten (ζ. B . Erlen, Ölweiden) vorkommen (vgl. S. 235). Ebenso besitzen einige im Erdboden freilebende Bakterienarten die Fähigkeit zur Stickstoffassimilation. Im allgemeinen entnimmt die Pflanze ihren Stickstoffbedarf aber dem B o d e n . Dieser enthält Stickstoff in Form von N i t r a t e n (S. 241) und A m m o n i u m s a l z e n (S. 435ff.). Die Pflanze nimmt diese Verbindungen auf und baut daraus in geheimnisvoller Weise ihre Zellen auf. D i e T i e r e u n d M e n s c h e n besitzen diese Assimilationsfähigkeit nicht. Sie können den Stickstoff nur in Form von p f l a n z l i c h em E i w e i ß aufnehmen. Auf diese Weise kommt der Stickstoff in den tierischen Organismus. Beim Abbau des Eiweißes im Tierkörper wird der größte Teil des Stickstoffs als H a r n s t o f f (II, S. 183f.) mit dem Harn ausgeschieden; bei der Verwesung von Tier und Pflanze bleibt er in Form von Nitraten, Ammoniumsalzen und anderen Stickstoffverbindungen zurück. So steht er den Pflanzen wieder zur Verfügung, und der Kreislauf beginnt von vorn. Allerdings werden bei diesem Kreislauf, zumal bei intensiver Landwirtschaft, dem Boden mehr Stickstoffverbindungen entzogen als in verwertbarer Form wieder zurückkehren. Der deutsche Chemiker J U S T U S VON L I E B I G ( 1 8 0 3 — 1 8 7 3 ) wies daher darauf hin, daß es erforderlich ist, den Pflanzen den zur Assimilation erforderlichen Stickstoffbedarf in Form geeigneter Stickstoffverbindungen (,,künstlicher Dünger") zuzuführen. Diese gewinnt man — in jährlich steigenden Mengen — aus elementarem Stickstoff. Auf diesem Umweg über die chemische Industrie greift somit auch der L u f t s t i c k s t o f f in den Kreislauf des Stickstoffs in der Natur ein. Der Stickstoffgehalt der Luft wird hierdurch aber nicht verändert, weil etwa ebensoviel elementarer Stickstoff bei der Verbrennung der Steinkohle (S. 309ff.) der Atmosphäre wieder zugeführt wird. Auch stellt die jährliche Stickstoffentnähme der Technik 10e t) weniger als den milliardsten Teil des in der Atmosphäre enthaltenen Stickstoffs dar. Die bei Verwesungsprozessen oder durch die Wirkung von sogenannten „Denitrifikationsbakterien" in die elementare Form übergehende kleine Stickstoffm enge wird etwa ausgeglichen durch die Menge Salpetersäure (HN0 3 ), die sich durch die oben schon genannten Bodenbakterien und bei Gewittern durch die elektrischen Entladungen (Blitz) aus Stickstoff, Sauerstoff und Wasserdampf bildet.

Die Luft

65

d) Flüssige Luft Bei starkem Abkühlen geht die Luft in den f l ü s s i g e n Zustand über. Diese Verflüssigung der Luft wird — wie schon besprochen wurde — zwecks Gewinnung von Sauerstoff (S. 32ff.), Stickstoff (S. 60) und Edelgasen (S. 73f.) technisch in großem Maßstabe ausgeführt. I n frischem Zustande ist die flüssige Luft praktisch farblos. Bei längerem Stehen nimmt sie immer deutlicher eine bläuliche Farbe an. Dies kommt daher, daß der farblose Stickstoff (Sdp. —196°) schneller absiedet als der bläuliche Sauerstoff (Sdp. —183°). Entsprechend dieser Sauerstoffanreicherung beim Verdunsten steigt der Siedepunkt der flüssigen Luft (—194.5°) beim Stehen bis auf —185° und höher. Zugleich nimmt die Dichte, die zuerst 0.9 g/cm 3 beträgt, bis zum Werte 1.1 (1 cm 3 flüssiger Sauerstoff wiegt beim Siedepunkt 1.12, 1 cm 3 flüssiger Stickstoff beim Siedepunkt 0.88 g) zu, so daß frische flüssige Luft auf VAKMRN Wasser schwimmt, während auf gestandener flüssiger Luft umgekehrt das Wasser schwimmt. flüssige LU Β Um ein zu rasches Absieden der flüssigen Luft im Laboratorium zu vermeiden, bewahrt man sie zweckmäßig in besonders konGefäß' Wandunstruierten Gefäßen auf. Eine für das Laboratorium geeignete Form gen IRMEN stellt ζ. B . das nebenstehend (Fig. 34) abgebildete, doppelwandige versilbert „DEWAR-Gefäß" („ Weinhold-Gefäß") dar. Bei diesem ist zur Verringerung der W ä r m e l e i t u n g der Raum zwischen beiden Wandungen evakuiert, während die Wandungen selbst zur Vermeidung der W ä r m e s t r a h l u n g innen versilbert oder verkupfert sind. Auf Fig. 34. DEWAR - Gefäß dem gleichen Bauprinzip beruhen ζ. B . die „Thermosflaschen". zum Aufbewahren Interessant sind die Eigenschaftsänderungen, welche die Stoffe flüssiger Luft beim Abkühlen auf die Temperatur der flüssigen Luft erfahren. F a r b e . Taucht man ein mit Schwefel gefülltes Reagensglas in flüssige Luft, so wird der gelbe Schwefel weiß wie Kreide. Auch braunrotes Brom, roter Phosphor, orangerote Mennige werden beim Eintauchen in flüssige Luft in auffälliger Weise heller. E l a s t i z i t ä t . Ein in flüssige Luft getauchter Gummiball wird glashart und zerspringt in Splitter, wenn man ihn auf den Boden fallen läßt. Ein Bleiglöckchen gibt nach Kühlung mit flüssiger Luft beim Anschlagen mit einem Glasstab einen hellen Ton, als ob es aus Silber bestünde. A g g r e g a t z u s t ä n d e . Übergießt man flüssiges Quecksiber mit flüssiger Luft, so erstarrt es alsbald zu einem silberähnlichen Metall, das man auf dem Amboß aushämmern kann. Leuchtgas verflüssigt sich leicht bei der Temperatur der flüssigen Luft. Wird eine Rose in flüssige Luft getaucht, so gefriert augenblicklich das Wasser in den Zellen; das Gewebe wird dadurch so spröde, daß man es im Mörser zu Pulver zerreiben kann. Erwähnenswert sind noch die s t a r k o x y d i e r e n d e n E i g e n s c h a f t e n gestandener, also sauerstoffreicher Luft. Taucht man ζ. B . einen glimmenden Holzspan in sie ein, so verbrennt der Span trotz der sehr tiefen Temperatur unter heftiger Reaktion mit heller Flamme. Wird Watte mit feinem Kohlepulver überstäubt, mit flüssiger Luft übergössen und dann angezündet, so verbrennt das Ganze explosionsartig. Man bedient sich dieser stark oxydierenden Eigenschaften der flüssigen Luft bei den sogenannten „ ( ^ ^ « ¿ ¿ " - S p r e n g s t o f f e n . Es ist hiernach sehr gefährlich, flüssigen Sauerstoff oder gestandene flüssige Luft mit brennbaren Substanzen zusammenzubringen. Trotz der tiefen Temperatur kann man flüssige Luft gefahrlos über die Hände gießen, ohne dabei das Gefühl von Kälte zu haben, da sich zwischen der warmen Haut und der kalten Flüssigkeit sofort eine schützende dünne Dampfhaut bildet, welche die Kälte nur schlecht leitet {„LEIDENFROSTsches Phänomen"). H o l l e m a n - W l b e r g , Anorganische Chemie. 47.—δβ.ΑαΙΙ.

5

Kapitel VI

Das Periodensystem der Elemente (I. Teil) Am Beispiel des Sauerstoffs, Wasserstoffs und Stickstoffs haben wir gesehen, daß jedes einzelne Element ganz c h a r a k t e r i s t i s c h e chemische E i g e n s c h a f t e n besitzt und Verbindungen ganz b e s t i m m t e r Zusammensetzung bildet. Es wäre nun recht unbefriedigend, das chemische Verhalten der übrigen 99 bis jetzt bekannten Elemente in gleicher Weise der Reihe nach zu behandeln, ohne die Elemente untereinander zu v e r g l e i c h e n und nach Zusammenhängen und chemischen Analogien zu suchen. So nimmt es nicht wunder, daß im Laufe des vorigen Jahrhunderts zahlreiche Versuche unternommen worden sind, die Elemente nach ihren chemischen Eigenschaften in Gruppen einzuteilen und Gesetzmäßigkeiten für diese Einordnung zu finden. Der erste Versuch dieser Art rührt von DÖBEREINER (S. 42) her, der im Jahre 1829 nachwies, daß sich verschiedene Elemente ihrem chemischen Verhalten nach zu Gruppen von je 3 Elementen {„Triaden") zusammenfassen lassen, in welchen die Atomgewichtsunterschiede jeweils annähernd gleich sind („Triadenregel"); z.B.: Cl Br J

35.5>444 79.9C 126.9>4™

S Se Te

32.1>469 79.0^ 127.6>48.6

Ca Sr B a

40.1>47ß 87.6^4'·0 137.4>49.8

Damit wurde zum erstenmal der Gedanke eines Zusammenhangs zwischen E i g e n s c h a f t e n und A t o m g e w i c h t e n eingeführt. Eine Weiterentwicklung dieses Gedankens war erst nach Erweiterung der Kenntnis der Atomgewichte möglich. Im Jahre 1864 entdeckte der englische Chemiker JOHN A. R. NEWLANDS (1838—1898), daß bei der Anordnung der Elemente nach steigendem Atomgewicht jeweils nach 7 Elementen ein Element folgt, das dem Anfangsgliede der Reihe chemisch ähnlich ist („Gesetz der Oktaven"). 1869 haben dann der russische Chemiker DMITRI IWANOWITSCII MENDELEJEFF (1834—1907) und der deutsche Forscher

LOTHAR MEYER (1830—1895) unabhängig voneinander diese Beziehungen schärfer formuliert und zum „Periodensystem der Elemente" 1 zusammengefaßt, dessen Grundprinzip ebenfalls die Ordnung der Elemente nach dem A t o m g e w i c h t ist. Auf dieses Periodensystem gehen letztlich alle heute in Gebrauch befindlichen Formen des Periodensystems zurück. Im folgenden wollen wir uns zunächst auf die Ableitung einer übersichtlichen g e k ü r z t e n F o r m des Periodensystems beschränken.

1. Gekürztes Periodensystem Ordnet man die in der Atomgewiohtstabelle (S. 27) aufgeführten Elemente nach steigender Größe des Atomgewichts, d. h. nach der Reihenfolge der Atomnummern (S. 28), so erhält man die folgende Reihe: 1

Häufig spraohlich unrichtig als „Periodisches System der Elemente" bezeichnet.

Gekürztes Periodensystem IH

2 He 3 Li

4 Be δ Β

6C

7N

80

67

9 F 10 Ne 11 Na 12 Mg 13 Al 14 Si

15 Ρ

16 S 17 Cl 18 Ar 19 Κ 20CaÍ2lSc 22 Ti 23 V 24 Cr 25 Μη 26 Fe 27 Co 28 Ni 29 Cu 30Znj 31Ga 32 Ge 33 As 34 Se 36 Br 88 Kr 37 Rb 38 Sr ! 39 Y 40 Zr 41 Nb 42 Mo 43 Te 44 Ru 45Rh 46Pd 47 Ag 48 Cd 149 In 50Sn 61 Sb 52Te 53 J

64Xe 55 Cs 56 Ba 157 La 58 Ce 50 Pr 60Nd

61 Pm 62 Sm 63 Eu 64 Gd 65 Tb 66 Dy 67 Ho 68 Er 69 Tm 70 Yb 71 Lu 72 Hf 73 Ta 74 W 75 Re 76OB 77 Ir 78 Pt 79Au80 HgÌ81Tl 82 Pb 83Bi 84 Po 85 At 86 Rn 87 Fr 88 Ra|89 Ac 90 Th

91 Pa 92 U 93Np94Pu 95Am96Cm Ö7BU 98Cf 99Es 100l·m lOlMd 102No Ein Vergleich der p h y s i k a l i s c h e n u n d c h e m i s c h e n E i g e n s c h a f t e n der so geordneten Elemente führt zu der interessanten Peststellung, daß sich diese Eigenschaften beim Fortschreiten vom einen zum nächsten Element in g a n z g e s e t z m ä ß i g e r W e i s e ändern und daß jeweils nach einer gewissen Anzahl von Schritten e i n e E l e m e n t r e i h e w i e d e r k e h r t , d i e in i h r e n E i g e n s c h a f t e n d e r v o r a n gehenden Elementreihe ähnelt. Als Beispiel hierfür sei etwa die Elementfolge H e l i u m (He) bis A r g o n (Ar) herausgegriffen. H e l i u m (Atomnummer 2) ist ein reaktionsträges Gas, das sich zum Unterschied von anderen Elementen mit keinem anderen Element chemisch zur Umsetzung bringen läßt. Das achte auf Helium folgende Element N e o n (Atomnummer 10) ist wieder ein solches „Edelgas", ebenso das an achter Stelle hinter dem Neon (Ne) stehende Element A r g o n (Atomnummer 18). Die z w i s c h e n den Edelgasen Helium und Neon einerseits und Neon und Argon andererseits stehenden Elemente 3 ( L i t h i u m ) b i s 9 ( F l u o r ) bzw. 11 ( N a t r i u m ) bis 17 (Chlor) zeigen eine ü b e r e i n s t i m m e n d e A b s t u f u n g i h r e r E i g e n s c h a f t e n . So sind ζ. B . die auf das Helium und Neon unmittelbar folgenden Elemente L i t h i u m (Li) und N a t r i u m (Na) beide silberglänzende Leichtmetalle, die sich mit Wasser lebhaft unter Wasserstoffentwicklung umsetzen, während die vor den Edelgasen Neon und Argon stehenden Elemente F l u o r (F) und C h l o r (Cl) beide erstickend riechende Gase darstellen, die mit den vorerwähnten Leichtmetallen lebhaft unter Bildung salzartiger Verbindungen analoger Zusammensetzung (LiF, LiCl, NaF, NaCl) reagieren. Ordnet man demnach die Elemente Helium bis Argon in zwei waagerechte „Perioden« wie folgt a n : Η θ κ Be B c N 0 F Ne Ne Na Mg Al Si Ρ S Cl Ar, so weisen die u n t e r e i n a n d e r s t e h e n d e n Elemente {„Homologe") weitgehende Ä h n l i c h k e i t e n in Eigenschaften und Verbindungsformen auf. Die übrigen, auf das Argon noch folgenden Elemente lassen sich nur d a n n in überzeugender Weise in die damit vorgezeiohneten acht verschiedenen senkrechten „Gruppen" einordnen, wenn man die in der oben wiedergegebenen Element-Zusammenstellung gestrichelt umrahmten Elemente u n b e r ü c k s i c h t i g t läßt. Denn erst die Elemente 36 ( K r y p t o n , Kr), 54 ( X e n o n , X e ) und 86 ( R a d o n , Rn) haben wieder Edelgas-Charakter; und von den zwischen Argon und Krypton, Krypton und Xenon, Xenon und Radon stehenden Elementen zeigen nur die den Edelgasen nachfolgenden je zwei und die den Edelgasen vorangehenden j e f ü n f Elemente Eigenschaften, die eine eindeutige Einordnung in die obigen sieben Gruppen zwischen den Edelgasen rechtfertigen. Man kommt so zu folgender Anordnung : Ar Κ Ca ; Ga Ge As Se Br Kr Kr Rb Sr i In Sn Sb Te J Xe Xe Cs Ba ; TI Pb Bi Po At Rn Bn Fr Ra j 5*

68

Dae Periodensystem der Elemente (I. Teil)

in welcher die gestrichelte senkrechte Linie zum Ausdruck bringt, daß an dieser Stelle eine Reihe dazwischenliegender Elemente — Scandium (Sc) bis Zink (Zn), Yttrium (Y) bis Cadmium (Cd), Lanthan (La) bis Quecksilber (Hg) und Actinium (Ac) bis Nobelium (No) — ausgelassen worden sind. Man nennt die so erhaltene Elementanordnung „gekürztes Periodensystem der Elemente". Es läßt sich in besonders übersichtlicher Form — unter Einfügung des Wasserstoffs (Atomnummer 1) und des später (S. 555ff., 585) noch zu besprechenden Neutroniums Nn (Atomnummer 0) — wie folgt wiedergeben : Gekürztes Periodensystem der Elemente 0 0 Nn 0 2 He

I 3 LI

II 4 Be

III 5 Β

I 1 H IV 6 C

3

10 Ne

11 Na

12

Mg

13 Al

4

18 Ar

19 E

20 Ca

5

36 Er

37 Hb

6

54 Xe

7

1

2

V 7 Ν

VI 8 0

VII 9

F

II 2 He VIII 10 Ne

14 Si

15 Ρ

16 S

17 Cl

18 Ar

3

31 Oa

32 Oe

33 As

34 Se

35 Br

36 Er

4

38 Sr

49 In

50 Sn

51 Sb

52 Te

53 J

54 Xe

5

55 Cs

56 Ba

81 T1

82 Pb

83 Bi

84 Po

85 At

86 Bn

6

86 Bn

87 Fr

88 Ba

0

I

II

"

1

2

7 f

III

IV

V

VI

VII

VIII

Dieses gekürzte Periodensystem der Elemente ist ein Teil des später (S. 439 ff.) zu behandelnden vollständigen Periodensystems der Elemente und enthält nur die sogenannten „Hauptgruppen" des Gesamtsystems. Es umfaßt s i e b e n waagerechte P e r i o d e n („Periodennummer" 1 bis 7) und — abgesehen von der ersten, „kurzen Periode" — a c h t 1 senkrechte G r u p p e n („Gruppennummer•" I bis VIII). Über den einzelnen Elementsymbolen ist die zugehörige „Atomnummer" angegeben. Auf die tiefere Bedeutimg der Periodennummer, Gruppennummer und Atomnummer werden wir später (S. 139) noch zu sprechen kommen. In der Richtung von oben nach unten und von rechts nach links nimmt im gekürzten Periodensystem der Metallcharakter, in umgekehrter Richtung der N i c h t m e t a l l charakter zu. Eine scharfe Grenze läßt sich dabei nicht ziehen, weil der Übergang stetig erfolgt. Die an der Stelle der gestrichelten Linie ausgelassenen „Übergangselemente" sind ausnahmslos M e t a l l e . Ihre Einordnung in sogenannte „Nebengruppen" wird uns erst bei der Besprechung des Gesamtsystems (S. 439ff.) beschäftigen. Der folgenden Behandlung der H a u p t g r u p p e n - E l e m e n t e (S. 71 ff.) legen wir die durch das gekürzte Periodensystem gegebene Einteilung in acht charakteristische Elementgruppen zugrunde. 1

Die nullte und aohte Gruppe sind miteinander identisch.

Verbreitung der Elemente

69

Um eine überzeugende Einordnung der Elemente in das Periodensystem zu ermöglichen, muß an einzelnen Stellen das Prinzip der Aufeinanderfolge nach steigendem Atomgewicht durchbrochen werden. So findet sich in den Hauptgruppen des gekürzten Periodensystems dae Argon (Ar) vor d e m K a l i u m (K) und das T e l l u r (Te) vor d e m J o d (J), obwohl nach dem Atomgewicht die Reihenfolge u m g e k e h r t sein sollt« 1 ; in gleicher Weise muß später bei den Nebengruppen (S. 439ff.) entgegen dem Atomgewicht das K o b a l t (Co) v o r d a s N i c k e l (Ni) und das T h o r i u m (Th) v o r d a s P r o t a c t i n i u m (Pa) gestellt werden („Inversion"). Daraus geht hervor, daß in Wirklichkeit n i c h t d a s A t o m g e w i c h t , sondern eine a n d e r e — mit dem Atomgewicht in Zusammenhang stehende — Größe die Reihenfolge der Elemente bedingt. Hiervon wird auf S. 135ff., 144f. und 555ff. die Rede sein. Weiterhin war es bis vor wenigen Jahren erforderlich, an einzelnen Stellen des Periodensystems Plätze für bisher noch unbekannte Elemente f r e i z u l a s s e n : bei den Hauptgruppen für ein Element 85 in Gruppe VII und ein Element 87 in Gruppe I, bei den Nebengruppen für die Elemente der Ordnungszahl 43 und 61 2 . Die Berechtigung hierfür werden wir ebenfalls später (S. 144f.) kennenlernen.

2. Verbreitung der Elemente Die Verbreitung der im Periodensystem zusammengefaßteD Elemente auf unserer Erde ist eine ganz unterschiedliche. So bestehen die uns zugänglichen Teile der Erdkugel („Erdrinde") — nämlich die Luft („Atmosphäre"), das Meer („Hydrosphäre") und eine etwa 16km ( = lOMeilen) dicke Schicht 3 des äußeren Gesteinsmantels der Erde („Litho Sphäre") — zur Hälfte ihres Gewichts aus Sauerstoff und zu einem Viertel aus Silicium. In das restliche Viertel teilen sich in der Hauptsache 8 weitere Elemente : ¡ ι Uthcsphära Sauerstoff . . . . . . . . 49.4 Gew.-% 55.1 At.-0/, 25.8 16.3 „ Silicium 5.0 „ Aluminium . . . . . . . . 7.5 . . . . 4.7 Eisen 1.5 „ Chaikosphäre . . . . 3.4 Calcium 1.5 „ spez. Getv. 5-6 . . . . 2.6 2.0 „ Natrium . . . . 2.4 Kalium 11 „ Magnesium . . . . . . . . 1.9 1.4 „ 1» 15.4 „ Wasserstoff . . . . . . . . 0.9 0.2 „ Titan . . . . 0.6 99.2 Gew.-0/,, 99.5 At.-°/ 0 , während die übrigen 92 Elemente zusammen nur noch 0.8°/„ Siderosphäre spez.Senr.^s ausmachen, wovon die Hälfte auf die Elemente Chlor (0.2°/ 0 ), Phosphor (0.1°/ 0 ) und Kohlenstoff (0.1 °/ 0 ) entfällt Noch anschaulicher als die G e w i c h t s p r o z e n t e sind für den Chemiker die A t o m p r o z e n t e , welche die relativen A t o m h ä u f i g k e i t e n zum Ausdruck bringen. Bei dieser Betrachtungsweise rückt der leichte Wasserstoff an die d r i t t e Stelle, während die Reihenfolge der übrigen Fig. 35. Der Aufbau der Elemente der obigen Tabelle weniger auffallende Änderungen erfährt. Erdkugel Der g e s a m t e Gesteinsmantel („Lithosphäre") der Erdkugel hat eine Tiefe von ungefähr 1200 km (Fig. 35) und besteht im äußeren Teil (100 km Dicke) wie die Erdrinde zur Hauptsache aus S a u e r s t o f f , S i l i c i u m und A l u m i n i u m bei einem spezifischen Durchschnittsgewicht von ~ 2 . 7 , während der restliche Teil (1100km Dicke) in der Hauptsache S a u e r s t o f f , S i l i c i u m und M a g n e s i u m enthält und ein spezifisches Durchschnittsgewicht von ~ 4 auf1 In der Zusammenstellung der Elemente auf S. 67 sind diese Umstellungen bereits berücksichtigt. 2 Weitere bei Aufstellung des Periodensystems vorhandene Lücken konnten schon früher ausgefüllt werden (vgl. S. 347 und Anmerkung 1, S. 347). 3 Stellt man sioh die Erdkugel auf eine Kugel von 1 m Radius verkleinert vor, so entspricht das einer Schiehtdicke von 21/2 mm.

70

Dae Periodensystem der Elemente (I. Teil)

weist. An die Lithosphäre schließt sich nach innen eine Oxid-Sulfid-Schale („Chalkosphäre") an, die eine Dicke von 1700 km und ein spezifisches Durchschnittsgewicht von 5 bis 6 besitzt und über deren Zusammensetzung noch keine Übereinstimmung herrscht. Die Chalkosphäre umschließt schließlich einen zur Hauptsache aus E i s e n ( ~ 9 0 Gew.-%) und N i c k e l ( ~ 1 0 Gew.-°/ 0 ) bestehenden Kern („Siderosphäre") vom spezifischen Gewicht ~ 8 . Hier herrscht ein ungeheurer Druck, während die Temperatur einen Wert von 4000° kaum überschreiten dürfte. Das spezifische Durchschnittsgewicht der Gesamterde beträgt 5.5. — Es muß allerdings betont werden, daß der vorstehend geschilderte Schalenbau der Erdkugel experimentell keineswegs gesichert ist und daß es auch andere einleuchtende Hypothesen über den Erdaufbau gibt. Von den insgesamt bekannten 102 Elementen sind bei Zimmertemperatur 11 (Wasserstoff, Helium, Neon, Argon, Krypton, Xenon, Radon, Fluor, Chlor, Sauerstoff und Stickstoff) g a s f ö r m i g , 2 (Brom und Quecksilber) f l ü s s i g , alle übrigen f e s t .

Hauptgruppen des Periodensystems

Kapitel VII

Die Gruppe der Edelgase Unter der Bezeichnung „Edelgase" faßt man die in der 0. bzw. 8. Hauptgruppe des Periodensystems enthaltenen 6 gasförmigen Elemente Helium (He), Neon (Ne), Argon (Ar), Krypton (Kr), Xenon (Xe) und Radon (Rn) zusammen. Sie sind chemisch außerordentlich reaktionsträge und bilden daher unter gewöhnlichen Bedingungen keine chemischen Verbindungen.

1. Geschichtliches Der erste Forscher, der Edelgase in Händen hatte, ohne sich dieser Entdeckung bewußt zu sein, warH. CAVENDISH (S. 37). Dieser Heß im Jahre 1785 durch ein über Seifenlauge abgesperrtes Gemisch von Luft und Sauerstoff elektrische Funken schlagen. Hierbei bildet sich — wie wir heute wissen (S. 235f.) — Stickstoffdioxid (N0 2 ). Da dieses von der Lauge absorbiert wird (S. 238), nahm bei dem geschilderten Versuch das Gasvolumen dauernd ab. Nach Konstantwerden des Volumens und Entfernen des überschüssigen Sauerstoffs mittels eines Absorptionsmittels blieb schließlich als Rückstand eine winzige Gasblase zurück, deren Volumen von CAVENDISH auf 1/120 der angewandten Luftmenge geschätzt wurde. Bedenkt man, daß nach unseren heutigen Kenntnissen die Edelgase rund 1/110 der Luft ausmachen (S. 63, 72), so hat CAVENDISH bei seinem Versuch bereits recht genau den Edelgasgehalt der Luft ermittelt. Die eigentliche Entdeckung der Edelgase erfolgte erst ein ganzes Jahrhundert später. Im Jahre 1894 fiel es L O R D JOHN W I L L I A M R A Y L E I G H auf, daß der aus Luft isolierte „Stickstoff" eine größere Dichte (1.2567 g/1 bei 0° C und 760 mm Druck) besaß als der aus Stickstoffverbindungen gewonnene Stickstoff (1.2505 g/1 bei 0° C und 760 mm Druck). In der atmosphärischen Luft mußte demnach neben Stickstoff noch ein Gas enthalten sein, welches s c h w e r e r als dieser ist. Dem englischen Physikochemiker W I L L I A M R A M S A Y (1852—1916) gelang es dann 1894, angeregt durch diese Beobachtung, gemeinsam mit R A Y L E I G H das Argon als Bestandteil der Luft zu entdecken, und zwar wiederholte R A Y L E I G H den CAVENDISH sehen Versuch, während R A M S A Y nach Entfernen des Luftsauerstoffs mittels glühenden Kupfers den Stickstoff durch Erhitzen mit Magnesium in festes Magnesiumnitrid überführte (S. 72). Den Namen Argon erhielt das Gas wegen seiner chemischen Reaktionsträgheit 1 . Im gleichen Jahre gelang es R A M S A Y , ein schon von W I L L I A M F R A N C I S HILLEBRAND 1890 beim Auflösen uranhaltiger Mineralien in Säuren beobachtetes inertes Gas ebenfalls als ein Edelgas zu identifizieren. Es erhielt den Namen Helium, weil seine Spektrallinien (vgl. S. 41 f.) mit den Linien eines bereits 30 Jahre vorher auf Grund des Sonnenspektrums auf der Sonne entdeckten und von NORMAN L O E Y E R als Helium2 bezeichneten Elements übereinstimmten. Die unermüdliche Suche R A M S A Y S nach einem weiteren, auf Grund des Periodensystems (S. 66ff.) von ihm vorausgesagten Edelgas wäre wohl erfolglos geblieben, wenn 1

argos (ápyós) = träge.

2

helios (ήλιο;) = Sonne.

72

Die Gruppe der Edelgase

nicht um diese Zeit ( 1 8 9 5 ) dem deutschen Ingenieur CARL VON L I N D E ( S . 3 2 ) die Verflüssigung der Luft gelungen wäre. Die flüssige Luft, die W I L L I A M HAMPSON 1 8 9 6 auch in England mit einem dem L I N D E sehen nachgebildeten Apparat herzustellen begann, ermöglichte RAMSAY die Verflüssigung und fraktionierte Destillation von aus Luft gewonnenem (S. 71) Rohargon. Bei dieser Fraktionierung wurden im Jahre 1898 von RAMSAY nicht nur das vorausgesagte Neon1, sondern auch zwei weitere, von ihm zunächst gar nicht gesuchte schwerere Edelgase, Krypton2 und Xenon3, aufgefunden. Später fanden die englischen Forscher E R N E S T RUTHERFORD (1871—1937) und FREDERICK SODDY, daß das aus Radium sich bildende radioaktive Gas R a d o n seinen Eigenschaften nach ebenfalls zur Gruppe der Edelgase gehört. Seine Besprechung erfolgt im Zusammenhang mit der Besprechung der radioaktiven Stoffe (S.567).

2. Vorkommen In der Luft. Die L u f t weist nach unseren heutigen Kenntnissen folgende Mengen an Edelgasen auf: Helium Neon Argon Krypton Xenon

0.00046 Vol.-°/ 0 0.00161 0.9325 0.000108 „ 0.000008 „

Ein kleinerer Hörsaal von beispielsweise 10 m Länge, 10 m Breite und 6 m Höhe (500 m s ) enthält danach rund 2 Liter Helium, 8 Liter Neon, 4 l / a Kubikmeter Argon, 1 / 2 Liter Krypton und 40 Kubikzentimeter Xenon von Atmosphärendruck. Argon ist also keineswegs ein seltenes Element. In Erdgasen. Helium findet sich außer in der Luft auch in zahlreichen Erdgasen. In Europa lohnt sich bisher die Heliumgewinnung aus solchen Gasen nicht, da die heliumreicheren Erdgasquellen zu wenig e r g i e b i g , die ergiebigeren Erdgasquellen dagegen zu helium arm (0.01 bis 0 . 1 % Helium) sind. Wohl aber finden sich in den Vereinigten Staaten von Amerika, namentlich in Texas, ergiebige Gasquellen mit teilweise über l°/ 0 Helium, welche die Gewinnung von mehreren hunderttausend Kubikmetern Helium je Jahr ermöglichen. In Mineralien. Auch in radioaktiven Mineralien findet sich das Helium als eines der Reaktionsprodukte des radioaktiven Zerfalls (S. 566 ff., 578). Beim Pulvern, Erhitzen oder Auflösen dieser Minerahen in Säuren entweicht das wahrscheinlich in Form eines Clathrats (S. 74f.) eingeschlossene (,,okkludierte") Gas (S. 74).

3. Gewinnung a) Aus Luft Will man aus der Luft die E d e l g a s e isolieren, so muß man die übrigen Luftbestandteile, also hauptsächlich S a u e r s t o f f und S t i c k s t o f f , entfernen. Das kann auf c h e m i s c h e m oder auf p h y s i k a l i s c h e m Wege erfolgen. Der erste Weg wird bei der Darstellung im L a b o r a t o r i u m , der letztere bei der t e c h n i s c h e n Darstellung eingeschlagen. Im Laboratorium erfolgt die Entfernung des S a u e r s t o f f s gewöhnlich durch Uberleiten der — von Kohlendioxid und Wasserdampf befreiten — L u f t über glühendes K u p f e r : 2Cu + Oa >- 2CuO ; den S t i c k s t o f f bindet man zweckmäßig durch Erhitzen mit Magnesium oder Calcium : 3Mg + N 2 ->- Mg3N2. Will man Sauerstoff 1

neos (véos) = neu.

2

kryptos (Kpurrrós) = verborgen.

a

xenos (ξένος) = fremd.

Geschichtliches — Vorkommen — Gewinnung

73

und Stickstoff durch das gleiche Reagens beseitigen, so kann man C a l c i u m c a r b i d (CaC2) verwenden, das bei hoher Temperatur mit Sauerstoff unter Bildung von Kalk (CaO) und Kohlenstoff : 2CaC2 + 0 4 -»- 2CaO + 4C, mit Stickstoff unter Bildung von „Kalkstickstoff" (S. 412f.) : CaC2 + N 2 —ν CaCN2 + C reagiert. Das auf einem dieser Wege erhaltene Edelgasgemisch wird als „Rohargon" bezeichnet, da es (vgl. S. 72) zu 99.8 Vol.-% aus Argon und nur zu 0.2°/ 0 (d. h. zu 2/JOOO seines Volumens) aus den übrigen Edelgasen besteht. Die technische Gewinnung der Edelgase aus der Luft bedient sich der F r a k t i o n i e r u n g v e r f l ü s s i g t e r L u f t (vgl. S. 32ff.). Entsprechend den Siedepunkten der verschiedenen Bestandteile der L u f t : He - 269

Ne - 246

Na - 196

Ar - 186

02 - 183

Kr - 153

Xe - 107°

kann man bei der Rektifikation der flüssigen Luft einen helium- und neonhaltigen Stickstoff, einen argonhaltigen Stickstoff bzw. Sauerstoff und einen krypton- und xenonhaltigen Sauerstoff abtrennen, die als Ausgangsmaterial für die Gewinnung der einzelnen Edelgase dienen können. Helium, Neon. Die leichtflüchtigste Fraktion bei der Luftzerlegung besteht zu etwa 50°/ 0 aus Neon + Helium und zu 5 0 % aus Stickstoff. Die Trennung der darin enthaltenen E d e l g a s e gelingt in prinzipiell einfacher Weise durch A d s o r p t i o n (S. 298f.) des Gasgemisches an a k t i v e r K o h l e bei tiefen Temperaturen und nachfolgende f r a k t i o n i e r t e D e s o r p t i o n ; denn die Adsorbierbarkeit der Edelgase an Aktivkohle nimmt mit steigendem Atomgewicht, also in der Richtung He —>- Ne —>Ar —>- K r —>- Xe stark zu. Man kann so ζ. B. leicht 99°/ 0 iges Helium erhalten. Argon. Als eine der Mittelfraktionen bei der Rektifikation der flüssigen Luft läßt sich ein stickstoff- und argonhaltiger S a u e r s t o f f abtrennen, der bei einer weiteren Fraktionierung ein zur Hälfte aus Sauerstoff und zur anderen Hälfte aus Argon und Stickstoff bestehendes Gasgemisch ergibt. Die Entfernung des S t i c k s t o f f s erfolgt durch erneute R e k t i f i k a t i o n ; die Entfernung des S a u e r s t o f f s kann auf c h e m i s c h e m Wege (ζ. B. mit Schwefel oder Wasserstoff) erfolgen. I n analoger Weise läßt sich aus dem bei der Lufttrennung anfallenden S t i c k s t o f f das Argon isolieren. Für die Glühlampenindustrie (S. 75) wird als Füllgas meist ein Gemisch von 80—90°/ 0 Argon und 20—10°/ 0 Stickstoff geliefert. Daneben kommen aber auch technisch reines Argon (bis 9 9 % Ar) und „spektralreines" Argon in den Handel. Krypton, Xenon. F ü r die Gewinnung von Krypton und Xenon kann im Anschluß an die Sauerstofferzeugung durch ein besonderes Rektifikationsverfahren ein zur Hälfte aus Sauerstoff und zur anderen Hälfte aus Krypton und Xenon bestehendes Produkt gewonnen werden, welches sich in einer F e i n r e i n i g u n g s a n l a g e unter Anwendung chemischer und physikalischer Reinigungsverfahren von Sauerstoff und allen anderen Verunreinigungen befreien läßt. Die Ausbeute beträgt 75—80% der Theorie. Das erhaltene Krypton-Xenon-Gemisch wird als „lampenfertiges" Gas an die Glühlampenindustrie abgegeben. Für die Bedürfnisse der Glühlampenindustrie reichen allerdings die auf diese Weise als N e b e n p r o d u k t gewinnbaren Kryptonund Xenonmengen (einige hundert m 3 je Jahr) nicht aus. Zur Gewinnung größerer Mengen Krypton und Xenon bedient man sich zweckmäßig eines von G E O R G E S C L A U D E beschriebenen Verfahrens, bei dem die beiden Edelgase als H a u p t p r o d u k t gewonnen werden. Es beruht darauf, daß man n i c h t d i e G e s a m t m e n g e der Luft, sondern nur etwa 1 / 10 davon verflüssigt und mit dieser Flüssigkeit aus den übrigen 9 / 10 der bis nahezu an den Taupunkt abgekühlten Luft die schweren Edelgase und einen kleinen Teil des Sauerstoffs a u s w ä s c h t . Die so erhaltene Lösung von Krypton und Xenon in flüssiger L u f t wird dann wie vorher rektifiziert und gereinigt.

Die Gruppe der Edelgase

74

Welch ungeheuren Fortschritt die beiden geschilderten technischen Verfahren der Kryptonund Xenongewinnung darstellen, geht daraus hervor, daß der frühere Krypton- und Xenonpreis — der sich noch im Jahre 1933 auf 25000 Mark je Liter Krypton und 32000 Mark je Liter Xenon stellte — in den letzten Jahren um 4 Zehnerpotenzen auf einige Mark je Liter Gemisch gesunken ist. Hierdurch wurde der Glühlampenindustrie überhaupt erst die Möglichkeit gegeben, an die Verwendung dieses Edelgasgemisches als Füllgas zu denken (S. 75).

b) Aus Erdgasen Bei der Gewinnung von H e l i u m aus amerikanischen E r d g a s e n verfährt man soi daß man aus dem Rohgas zunächst durch Druckwaschung mit Wasser und Kalkmilch das Kohlendioxid entfernt. Das so vorgereinigte Gas wird dann durch stufenweises Komprimieren und Expandieren bis auf —205° heruntergekühlt. Hierbei bleibt das Helium unkondensiert, und man erhält so ein zu 97—98°/ 0 aus Helium und zu 3—2°/ 0 aus Stickstoff bestehendes Gas.

c) Aus Mineralien Die Darstellung von H e l i u m im Laboratorium erfolgt am besten durch Erhitzen heliumhaltiger Mineralien wie C l e v e i t U 3 O s , M o n a z i t CeP0 4 , T h o r i a n i t T h 0 2 auf über 1000° C (vgl. S. 72). 1 kg Cleveit (Monazit; Thorianit) liefert dabei 7—8 (1—2; 8—10) Liter Helium.

4. Physikalische Eigenschaften Die Edelgase sind färb- und geruchlose, einatomige Gase, deren wichtigste physikalische Daten in folgender Tabelle zusammengefaßt sind : Atomgewicht

Helium Neon Argon Krypton.... Xenon Radon

4.003 20.183 39.944 83.7 131.3 222

Schmelzpunkt in °C -

272.1 1 248.6 189.4 167.2 111.8 71

Siedepunkt in °C -

268.98 246.03 185.87 152.9 107.1 65

Kr itische Datei Temperatur Druck Dichte in « 0 in at in g/cm3 + +

267.9 228.7 120 62.5 16.6 104.6

2.26 26.9 50 64.3 58.2 62.4

0.069 0.4 0.4 0.7 0.9 1.2

Bemerkenswert ist, daß das flüssige Helium in zwei Formen, als „Helium / " und „Helium II" existiert. Kühlt man das beim Verflüssigen von Heliumgas zunächst entstehende Helium I, das eine vollkommen normale Flüssigkeit darstellt, unter den Umwandlungspunkt („λ-Punkt") ab (— 270.97° bei 1 Atm. Druck), so geht es in Helium I I über, dessen Eigenschaften so ungewöhnlich sind, daß man diese Form als einen vierten Aggregatzustand der Materie, den „superfluiden" oder „supraflüssigen" Zustand, bezeichnet hat. So ist eeine V i s k o s i t ä t um 3 Zehnerpotenzen kleiner als die von gasförmigem Wasserstoff und seine W ä r m e l e i t f ä h i g k e i t um 3 Zehnerpotenzen größer als die von Kupfer bei Zimmertemperatur. Durch enge Kapillaren (Durchmesser < Vioo mm) strömt es o h n e R e i b u n g hindurch, so daß in Sekunden mehr superfluides Helium hindurchfließt als gasförmiges Helium in Wochen. Unter den „ p h y s i k a l i s c h e n V e r b i n d u n g e n " der Edelgase seien die durch Gitterkräfte zusammengehaltenen H y d r a t e X · 6 H 2 0 genannt, deren Dissoziationsdrucke mit fallendem Atomgewicht des Edelgases zunehmen (Rn · 6 H 2 0 : 1 Atm., Xe · 6 H 2 0 : 1.5 Atm., Kr · 6 H 2 0 : 1 4 . 5 Atm., Ar · 6 H 2 0 : 98.5 Atm. bei 0°). Erwähnenswert sind weiterhin eine Reihe von „Clathraten" {„Käfigverbindungen", „EinschlußBei 26 at Druck.

Physikalische Eigenschaften — Anwendung

75

Verbindungen"), die dadurch zustande kommen, daß bei der Kristallisation von Hydrochinon und anderen geeigneten organischen Verbindungen in einer Edelgasatmosphäre von hohem Druck die Edelgase in den H o h l r ä u m e n d e s G i t t e r s der organischen Verbindung eingefangen werden (z.B. 9 Gew.-% Ar bzw. 16 Gew.-% K r bzw. 26 Gew.% Xe, entsprechend einem ungefähren Molverhältnis Hydrochinon : Edelgas = 4 : 1). Im Argon-Clathrat sind beispielsweise die Argonatome so eng zusammengepackt, wie es im gasförmigen Zustande erst bei einem Druck von über 70 Atm. der Fall wäre. Beim Schmelzen oder Lösen der Edelgasmischkristalle entweichen die Edelgase. In analoger Weise wie die Edelgase lassen sich auch andere Gase (ζ. B. HCl, HBr, H 2 S, SO a , C 0 2 , HCN) in die Gitter organischer Verbindungen einschließen.

5. Anwendung Die Edelgase, die wegen ihrer chemischen Reaktionsträgheit für den Chemiker zunäohst nur theoretisches Interesse zu haben schienen, sind im Laufe der Zeit gerade wegen dieser Eigenschaft zu großer praktischer Bedeutung gelangt. An erster Stelle sei hier erwähnt ihre Verwendung in der Glühlampenindustrie. Im J a h r e 1913 fand I R V I N G L A N G M U I R , daß man die lichtausbeute der Metallfadenlampe steigern kann, wenn man den Faden nicht wie bis dahin im V a k u u m , sondern in einer G a s a t m o s p h ä r e glühen läßt. Denn die Gasatmosphäre wirkt der Verdampfung des Metalldrahts (Wolfram) entgegen, so daß die Temperatur des Drahtes — die in einer gasleeren Lampe etwa 2100° beträgt — bis auf 2400° und höher gesteigert werden kann. Als Füllgas verwendete man zunächst den reaktionsträgen S t i c k s t o f f . Da aber die V e r d a m p f u n g s g e s c h w i n d i g k e i t mit der Geschwindigkeit der thermischen D i f f u s i o n des Metalldampf es in den umgebenden Gasraum wächst und die D i f f u s i o n s g e s c h w i n d i g k e i t ihrerseits mit steigendem M o l e k u l a r g e w i c h t des Füllgases abnimmt, mußte der Ersatz des Stickstoffs (Molekulargewicht 28) durch ein schwereres Gas große Vorteile bringen. Als solches Füllgas bot sich das in der L u f t reichlich vorhandene, reaktionsträge Edelgas A r g o n (Molekular- = Atomgewicht 40), das zudem gegenüber dem Stickstoff den Vorteil g e r i n g e r e r W ä r m e l e i t f ä h i g k e i t aufweist. Die weitere Entwicklung der Glühlampe geht dahin, das Argon der Glühlampen durch die noch schwereren Edelgase K r y p t o n (Molekular- = Atomgewicht 84) und X e n o n (Molekular- = Atomgewicht 131) zu ersetzen. Denn auf diese Weise läßt sich die Glühdrahttemperatur der Argonlampe (2430°) um weitere etwa 80° (der Schmelzpunkt des Wolframs hegt erst bei 3380°, so daß noch ein genügender Temperaturspielraum vorhanden ist) steigern, was mit einer besseren Ausbeute an weißem und ultraviolettem Licht verknüpft ist. Auch erlaubt die geringere Wärmeleitfähigkeit der schweren Edelgase mit kleineren Lampenkolben auszukommen. Ein weiteres wichtiges Anwendungsgebiet für die Edelgase stellt die Lichtreklame dar. Das leuchtend rote Licht, das eine mit N e o n gefüllte Glasröhre bei elektrischer Anregung ausstrahlt, legte schon bald nach der Entdeckung des Gases den Gedanken nahe, es in der Beleuchtungstechnik zu verwenden. So kam es zur Einführung der „Neonröhre" in die Beleuchtungstechnik. Das Bedürfnis nach Abwechslung in den Farben und nach Steigerung der Lichtausbeute führte dann zur weiteren Entwicklung dieser Niederdruck-Edelgasröhre. So wird z. B. bei Anwesenheit von Quecksilberspuren das Spektrum des Neons fast völlig durch das des Quecksilbers verdrängt, wobei sich aber die Intensitäten der Linien des Quecksüberspektrums so verschieben, daß das bekannte kaltgrünliche Licht der Quecksilberlampe in ein warmes kornblumenblaues Licht („Blaulichiröhre") übergeht. Verwendet man eine Röhre aus braunem Glas, so ergibt sich ein grünes Licht.

76

Die Gruppe der Edelgaee

Unausgenutzt bleibt bei dieser Anordnung das von der Blaulichtröhre ebenfalls ausgesandte u l t r a v i o l e t t e L i c h t . Denn das menschliche Auge vermag bekanntlich aus dem e l e k t r o m a g n e t i s c h e n S p e k t r u m , welches Wellenlängen von Bruchteilen eines billionstel Millimeters bis zu mehreren Kilometern umfaßt, nur einen winzigen Ausschnitt, nämlich Licht der Wellenlänge 4/ioooo bis 8/100oo m m wahrzunehmen (Fig. 36), einen Ausschnitt, der uns allerdings trotz seiner verschwindenden Spaltbreite die ganze Farbenpracht der Natur vermittelt. Will man auch das von den Blaulichtröhren ausgestrahlte u l t r a v i o l e t t e Licht dem Auge nutzbar machen, so muß man es dementsprechend erst in s i c h t b a r e s Licht umwandeln Dies geschieht mit Hilfe chemischer „Transformatoren" S. 412, 475 f.) an der Innenwand der Blaulichtröhren (ζ. B. Magnesium- oder Cai cium wolframat, Cadmiumborat, Zink-beryllium-silicat). Auf diese Weise läßt sich { „ P h o s p h o r e " ,

„ L u m i n o p h o r e " ,

„ L e u c h t -

s t o f f e " · ,

hocco

Viano '/wo fio '/¡coo Ϋιοο Υιο

Ultrastrahlen

Millimeter

Angstrom

X-Einheiten

γ-Strah/en

ίο

100 woo '/mo '/wo 'ho Ultraviolett

Röntgenstrahlen

2

Ultrarot

3 / * s sichtbares Gebiet

Meter 10

WO

1000

Elektrische

6

10

100

1000

Wellen

10

Π

10000

! Welle des ιDeutschland¡ senders 12

hg λ fe

13

ν*

Fig. 36. Spektrum der elektromagnetischen Wellen

die Lichtausbeute solcher Röhren auf ein Vielfaches steigern. Noch günstiger ist es, die Transformatorzentren in das Glas selbst zu verlegen, so daß sie der unmittelbaren Einwirkung der Entladung entzogen sind; man benötigt dann natürlich ultraviolett-durchlässige Gläser. Von den weiteren Verwendungsmöglichkeiten der Edelgase seien noch speziell die des Heliums angeführt. Infolge seiner Nichtbrennbarkeit eignet es sich weit besser als Wasserstoff zur F ü l l u n g von L u f t s c h i f f e n . Zwar ist Helium (Atom- = Molekulargewicht 4) doppelt so schwer wie Wasserstoff (Molekulargewicht 2). Da aber der Auftrieb eines Gases in Luft durch die Differenz von Gasgewicht und Gewicht der verdrängten Luft („Molekulargewicht" 29) gegeben ist, wird die Tragfähigkeit des Luftschiff-Füllgases beim Ersatz von Wasserstoff durch Helium nur im Verhältnis (29 — 2) : (29 — 4) = 108:100, also um weniger als 8°/0 herabgesetzt. Allerdings entfällt dieser Gesamtverlust an Tragfähigkeit speziell auf die Nutzlast, so daß er hier prozentual weit mehr ausmacht. Günstig ist noch, daß das im Vergleich zum Wasserstoff größere Molekulargewicht eine geringere Geschwindigkeit der Diffusion durch die Ballonhülle bedingt (S. 40f.). Da das Helium im verdünnten Zustande die Zustandsgieichung der idealen Gase (S. 23f.) am besten unter allen Gasen befolgt, findet es weiterhin als F ü l l g a s für G a s t h e r m o m e t e r Verwendung, bei denen aus dem Druck einer auf konstantem Volumen gehaltenen Gasmenge auf die Temperatur geschlossen wird. Auch in der B e l e u c h t u n g s t e c h n i k spielt Helium eine gewisse Rolle, da sein elfenbeinweißes Licht — das durch gelbes Filterglas in ein schönes Goldgelb verwandelt werden kann — eine willkommene Ergänzung der mit anderen Edelgasen erzielbaren Farbenskala darstellt.

6. Spezifische Wärme chemischer Stoffe Da die Edelgase keine chemischen Verbindungen bilden, ist bei ihnen eine Atomg e w i c h t s b e s t i m m u n g auf dem früher (S. 26ff.) geschilderten Wege (Ermittlung der kleinsten in 1 Mol Verbindung enthaltenen Elementmenge) nicht möglich. Hier muß

Spezifische Wärme chemischer Stoffe

77

man zu p h y s i k a l i s c h e n Methoden greifen. Eine geeignete derartige Methode ist z . B . die Bestimmung der s p e z i f i s c h e n W ä r m e , die sowohl bei gasförmigen wie bei festen Elementen eine Atomgewichtsbestimmung ermöglicht.

a) Gasförmige Stoffe Führt man einem Gas W ä r m e zu, so wird dadurch die B e w e g u n g s e n e r g i e der Gasmoleküle erhöht. Nun kann man dreierlei Möglichkeiten der Bewegung unterscheiden : a) die fortschreitende Bewegung der Moleküle („Translation"), b) die Drehbewegung der Moleküle („Rotation"), c) die Schwingungsbewegung der Atome innerhalb des Moleküls („Oszillation"). Die f o r t s c h r e i t e n d e B e w e g u n g der Moleküle kann nach den 3 Richtungen des Raums hin erfolgen, hat also 3 „Freiheitsgrade". In analoger Weise besitzt auch die D r e h b e w e g u n g einesMoleküls maximal 3 Freiheitsgrade, da sie um die 3 verschiedenen Molekül-Raumachsen erfolgen kann. Die Zahl der Freiheitsgrade der S c h w i n g u n g s -

3 Rotations • Freiheitsgrade

(a)

Fig. 37. Rotations-Freiheitsgrade drei-, zwei- und einatomiger Moleküle

b e w e g u n g schließlich steigt mit der Zahl der Atome innerhalb des Moleküls rasch an (vgl. S. 317) und ist im einfachsten Falle eines zweiatomigen Moleküls gleich 2 (elastisches Hin- und Herschwingen der Atome gegeneinander, entsprechend einer Speicherung von potentieller und kinetischer Energie). Die kinetische Gastheorie lehrt, daß die der Erwärmung eines idealen Gases um I o bei konstantem Volumen entsprechende Bewegungssteigerung eine Zufuhr von B/2 = 0.993 cal pro Freiheitsgrad und Mol erfordert (s. Lehrbücher der physikalischen Chemie). Je nach der Zahl der bei der Erwärmung „angeregten" Freiheitsgrade wird daher die zur Erwärmung eines Mols Gas um I o erforderliche Wärmemenge C, („Molwärme" bei konstantem Volumen) verschiedene Werte annehmen. Liegt z. B. ein d r e i a t o m i g e s , gewinkeltes Molekül (Fig. 37a) vor, so können bei der Erwärmung je 3 Freiheitsgrade der Translation und Rotation angeregt werden (die Freiheitsgrade der Oszillation „erwachen" meist erst bei verhältnismäßig hohen Temperaturen und sollen hier daher außer acht gelassen werden). Dementsprechend beträgt die Molwärme C„ für solche Moleküle theoretisch 6 R/2 = 5.96 cal; gefunden wurden z. B. für Wasser (H 2 0) 6.01, für Schwefelwasserstoff (H 8 S) 6.10 cai. Bei einem z w e i a t o m i g e n Molekül (Fig. 37b) kann der Freiheitsgrad der Drehung um die AtomVerbindungsachse des Moleküls bei Zimmertemperatur vernachlässigt werden, da der Radius der Drehbewegung wegen des geringen Durchmessers der Atommasse verschwindend klein im Vergleich zum Radius der Drehbewegung um die beiden anderen

78

Die Gruppo der Edelgase

Molekül-Raumachsen ist, so daß ein sehr kleines Trägheitsmoment um die Längsachse des Moleküls resultiert und die Auslösung der Rotation um diese Achse dementsprechend hohe Anregungsenergien erfordert und daher nur bei sehr hohen Temperaturen erfolgen kann 1 . Hier bleiben also 3 + 2 = 5 Freiheitsgrade, entsprechend einer Molwärme C„ = 5 R/2 = 4.97 cal. Gefunden wurden z. B. für Wasserstoff (H 2 ) 4.91, für Stickstoff (N¡¡) 4.97 cal, was zugleich ein weiterer Beweis (vgl. S. 17ff.) für den zweiatomigen Aufbau der Moleküle dieser Gase ist. Bei e i n a t o m i g e n Molekülen (Fig. 37c) schließlich kommen bei Zimmertemperatur nur die Freiheitsgrade der Translation in Frage, da die Anregung der Rotation wegen des geringen Durchmessers der Atommasse höhere Energiebeträge erfordert. Hier muß demnach die Molwärme C„ = 3 R/2 = 2.98 cal betragen. Genau diesen Wert findet man nun bei den Edelgasen. Daraus geht hervor, daß die Edelgase einatomig sind, daß also das Molekulargewicht (Gewicht von 22.415 1 Gas bei 0° und 760 mm Druck) gleich dem Atomgewicht ist. Leichter als die Molwärme Gv läßt sich meist das Verhältnis Gp/Gt = γ der Molwärmen bei k o n s t a n t e m Druck (Oy) und bei k o n s t a n t e m Volumen (Cv) ermitteln (ζ. B. aus der Fortpflanzungsgeschwindigkeit von Schallwellen in dem untersuchten Gas; s. Lehrbüoher der physikalischen Chemie). Da nun zwischen Cp und G„ bei idealen Gasen die einfache Beziehung Gp =GV+ E besteht (R = 1.986 cal), gilt für einatomige Gase: γ = 4.97 : 2.98 = 1.67, für zweiatomige Gase: γ = 6.96: 4.97 = 1.40, für dreiatomige Gase: γ = 7.95 : 5.96 = 1.33. Bei den Edelgasen ist γ = 1.67, woraus sich wieder die Einatomigkeit dieser Gase ergibt.

b) Feste Stoffe Regel von DLLONG und PETIT. Die einzige Bewegungsmöglichkeit der Atome eines f e s t e n Körpers (S. 50), ζ. B. eines Metalls, besteht in einem e l a s t i s c h e n S c h w i n g e n u m b e s t i m m t e S c h w e r p u n k t s l a g e n des Kristallgitters (S. 146f., 154f.). Da diese Schwingungen nach den 3 Raumrichtungen hin erfolgen können, besitzen sie 3 Freiheitsgrade, wobei jeder Freiheitsgrad doppelt zu zählen ist, da bei der elastischen Schwingung ja sowohl kinetische wie potentielle Energie gespeichert wird. Die zum Erwärmen eines festen Elements um I o bei konstantem Volumen erforderliche Wärmemenge C„ („Atomwärme" bei konstantem Volumen) sollte daher 6 R/2 = 5.96 cal je Grammatom betragen. Dieser Wert erhöht sich auf 6.0 bis 6.5 cal/Grammatom, wenn man nicht die Atomwärme bei k o n s t a n t e m V o l u m e n , sondern die Atomwärme bei k o n s t a n t e m D r u c k {Cp) betrachtet, welche bei festen Stoffen nahezu ausschließlich gemessen wird und um einige Prozente größer als erstere ist. I n der Tat ist nun nach einer von PIEBRE LOUIS Du LONG (1775—1838) und ALEXIS (1791 — 1820) bereits im J a h r e 1818 aufgestellten Regel das Produkt aus spezifischer Wärme2 und Atomgewicht fester Elemente nahezu konstant und im Mittel gleich 6.2 cal: THÉRÈSE PETIT

Atomgewicht χ spezifische Wärme « 6.2. (1)

So beträgt ζ. B. die Atomwärme C p f ü r Aluminium 5.75, für Calcium 5.90, für Silber 6.02, für Platin 6.23, für Gold 6.23, für Blei 6.40 cai. Da — wie oben schon erwähnt — die Freiheitsgrade der Oszillation verhältnismäßig spät erwachen, liegt bei manchen 1 Die zur Anregung der Rotation von Molekülen erforderlichen Energiequanten sind dem Trägheitsmoment umgekehrt proportional, also um so größer, je kleiner letzteres ist. 2 Unter spezifischer Wärme, versteht man die zum Erwärmen von 1 g Substanz um I o C erforderliche Wärmemenge.

Spezifische Wärme chemischer Stoffe

79

festen Elementen bei Zimmertemperatur noch keine volle Anregung der inneren Schwingungen vor, so daß sie erst bei höheren Temperaturen den Durchschnittswert von 6.2 cal erreichen. Zu diesen Elementen gehören z. B. Kohlenstoff, Bor und Silicium, deren Atome im Atomgitter sehr fest gebunden sind. Die „DULONG-PETiTSche Regel" ermöglicht, wie aus (1) hervorgeht, eine ungef ä h r e B e s t i m m u n g des A t o m g e w i c h t e s fester Elemente. Die Bestimmung ist naturgemäß n i c h t sehr g e n a u , da der Wert 6.2 nur einen Durchschnittswert darstellt. Bei Kombination der DuLONG-PETiTSchen Regel mit der später zu besprechenden Ä q u i v a l e n t g e w i c h t s b e s t i m m u n g (S. 161 f.) ergeben sich aber genaueste Atomgewichtswerte. Begel von NEUIANN und KOPP. Der Regel von DULONG und PETIT schließt sich die R e g e l v o n FRANZ NEUMANN ( 1 8 3 1 ) u n d HERMANN K O P P ( 1 8 6 4 ) a n , w o n a c h sich die

Mol-

wärme fester Verbindungen additiv aus den Atomwärmen der enthaltenen Elemente zusammensetzt. Dividiert man dementsprechend die Molwärme fester Verbindungen durch die Zahl ihrer Atome je Molekül, so ergibt sich im Mittel wieder die Zahl 6.2. So besitzt z. B. das Kupfersulfid CuS die Molwärme 11.89, entsprechend einer mittleren Atomwärme von 11.89: 2 = 5.95, das Kupfersulfid Cu2S die Molwärme 18.74, entsprechend einer mittleren Atomwärme von 18.74: 3 = 6.25. Allerdings kennt man auch viele Ausnahmen von der „NEUMANN-KOPPsehen Regel".

Kapitel ΥΠΙ

Die Gruppe der Halogene Zur Gruppe der H a l o g e n e (7. Hauptgruppe des Periodensystems der Elemente) gehören die Elemente Fluor (F), Chlor (Cl), Brom (Br), Jod (J) und Astat (At). Das letztere (Ordnungszahl 85) kommt in der Natur nur in verschwindenden Mengen als unbeständiges radioaktives Zerfallsprodukt1 des Urans, Actino-urans und Thoriums vor (S. 568) und soll erst bei den radioaktiven Stoffen besprochen werden (S. 599f.). Den Namen Halogene ( = S a l z b i l d n e r ) tragen die Elemente, weil ihre Metallverbindungen den Charakter von Salzen — von der Art des Kochsalzes (NaCl) — haben. Wir besprechen zuerst die freien Halogene und dann ihre Verbindungen.

1. Freie Halogene a) Das Chlor α) Vorkommen Das Chlor ist ein sehr reaktionsfähiges Element. Daher kommt es in der Na tur nicht in f r e i e m Zustande vor. Dagegen ist es in Form salzartiger M e t a l l v e r b i n d u n g e n zu 0.19 Gewichtsprozenten am Aufbau der Erdrinde (einschließlich der Weltmeere) beteiligt (S. 69). Die wichtigsten Vorkommen sind das Steinsalz (Natriumchlorid) NaCl, der Sylvin (Kaliumchlorid) KCl und der Carnallit (Kalium-magnesium-chlorid) KCl MgCl2 • 6H 2 0. Physiologisch von Wichtigkeit ist das Vorhandensein von 0.3 bis 0.4°/0 Chlorwasserstoff HCl im Magensaft, entsprechend einer rund 1/10-molaren Salzsäurelösung. ß) Darstellung Zur Darstellung des Chlors geht man zweckmäßig von Produkten aus, die in beliebiger Menge zur Verfügung stehen. Ein solcher Ausgangsstoff ist das oben erwähnte Stein- oder K o c h s a l z NaCl. Dieses kann entweder d i r e k t oder nach vorheriger Umwandlung in C h l o r w a s s e r s t o f f (HCl) in Chlor übergeführt werden. In der Technik wählt man gewöhnlich den ersteren, im Laboratorium den letzteren Weg. Aus C h l o r w a s s e r s t o f f (Salzsäure) Läßt man auf Natriumchlorid konzentrierte Schwefelsäure (H 8 S0 4 ) einwirken, so erfolgt ein Austausch der Wasserstoffatome der Schwefelsäure gegen die Natriumatome des Natriumchlorids („doppelte Umsetzung") : HJS0 4 + 2 NaCl —>- Na2S04 + 2HC1.

(1 )

Die Reaktion dient zur technischen G r o ß d a r s t e l l u n g v o n C h l o r w a s s e r s t o f f bzw. seiner wässerigen Lösung, der Salzsäure (S. 89f.). Zur Gewinnung von Chlor muß dieser Chlorwasserstoff o x y d i e r t , d. h. von Wasserstoff befreit werden. 1

aetatos (άστατος) — unbeständig.

Freie Halogene

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Ein geeignetes Oxydationsmittel hierfür ist z.B. der L u f t s a u e r s t o f f , der bei erhöhter Temperatur den Wasserstoff unter Bildung von Wasser bindet : 4HC1 + 0 2 ^ r > : 2 H 2 0 + 2Cl a .

(2)

Das Verfahren hat als DEACON-Verfahren (erfunden 1868) früher große technische Bedeutung gehabt; heute wird aber nach diesem Verfahren nur nooh ganz vereinzelt Chlor erzeugt. Die Reaktion verläuft unter gewöhnlichen Bedingungen sehr langsam und bedarf zur Beschleunigung eines K a t a l y s a t o r s . Als solcher dient beim DEACON-Verfahren K u p f e r c h l o r i d (CuCl2), und zwar wird ein Gemisch von 70°/ 0 Luft und 30°/ 0 Chlorwasserstoff bei 430° über mit Kupferchloridlösung getränkte Tonkugeln geleitet (vgl. S.455). Rund 70—80% des eingeführten Chlorwasserstoffs gehen dabei in Chlor über. Daß die Ausbeute nicht quantitativ ist, ist darauf zurückzuführen, daß die Reaktionsprodukte Wasserdampf und Chlor ihrerseits das Bestreben haben, sich unter R ü c k b i l d u n g d e r A u s g a n g s s t o f f e Chlorwasserstoff und Sauerstoff umzusetzen. Es stellt sich daher ein „chemisches Gleichgewicht" ein, welches dadurch charakterisiert ist, daß in einer gegebenen Zeit ebensoviel Wasser und Chlor erzeugt werden als Wasser und Chlor wieder reagieren. Wir werden auf derartige chemische Gleichgewichte noch ausführlich zu sprechen kommen (S. lOOff.). Ein anderes geeignetes Oxydationsmittel zur Bildung von Chlor aus Chlorwasserstoff ist der B r a u n s t e i n (Mangandioxid) Mn0 2 . So gewinnt man im Laboratorium das Chlor gebräuchlicherweise durch gelindes Erhitzen von konzentrierter Salzsäure (oder einem Gemisch von Kochsalz und mäßig konzentrierter Schwefelsäure — vgl. (1) —) mit MnO¡¡ : 4 HCl + MnOj >- 2 H 2 0 + MnCl2 + Cl2. (3) Die Umsetzung verläuft in zwei Stufen so, daß durch doppelte Umsetzung primär Mangan-tetrachlorid (MnCl4) gebildet wird: 4HCl + Mn0 2 —>- 2 H 2 0 + MnCl4, welches dann sekundär in Mangan-dichlorid (MnCl2) und Chlor zerfällt : MnCl4 —ν MnCl2 + Cl2. Wie ein Vergleich der Reaktionsgleichungen (2) und (3) zeigt, entsteht im letzteren Falle aus einer gegebenen Chlorwasserstoffmenge nur halb soviel Chlor als beim DEACON-Verfahren (2), da die Hälfte des Chlors an das Mangan (Μη) gebunden bleibt. Die Umsetzung von Chlorwasserstoff und Braunstein hat als WELDON-Verfahren (erfunden 1866) früher eine technische Rolle gespielt. Bei diesem Verfahren wurde das gebildete Mangandichlorid durch Oxydation mit Luft unter geeigneten Reaktionsbedingungen immer wieder in Braunstein zurückverwandelt, so daß letzten Endes auch hier der L u f t s a u e r s t o f f das eigentliche Oxydationsmittel war. Die Reaktion(3) ist auch deswegen noch erwähnenswert, weil das Chlor auf diesem Wege von dem deutsch-schwedischen Chemiker C A R L W I L H E L M S C H E E L E (S. 37) im Jahre 1774 entdeckt wurde. Von anderen geeigneten Oxydationsmitteln zur Chlorgewinnung aus Salzsäure im Laboratorium seien hier erwähnt: das K a l i u m p e r m a n g a n a t KMn0 4 (Auftropf en von konzentrierter Salzsäure auf Kaliumpermanganatkristalle ; vgl. S. 169) und der C h l o r k a l k CaCl 2 0 (Einwirkimg von Salzsäure auf gepreßte Chlorkalkwürfel im K I P P sehen Apparat; vgl. S . 123). Statt auf c h e m i s c h e m Wege kann der Chlorwasserstoff auch auf e l e k t r o c h e m i s c h e m Wege zerlegt werden. Unterwirft man eine konzentrierte Salzsäure der E l e k t r o l y s e , so bildet sich an der Kathode Wasserstoff, an der Anode Chlor: Energie + 2 HCl —>• H t + Cl2. Über die Vorgänge, die sich dabei im einzelnen abspielen, wird später (S. 91 ff.) ausführlicher gesprochen. H o l l e m a n-W I b e r g, Anorganische Chemie. 47.—56. Aufl.

6

Die Gruppe der Halogene

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Aus N a t r i u m c h l o r i d Zur t e c h n i s c h e n Darstellung von Chlor elektrolysiert man d i r e k t Lösungen von N a t r i u m c h l o r i d , ohne letzteres vorher in Chlorwasserstoff (Salzsäure) umzuwandeln. Der Gesamtvorgang der Elektrolyse wird durch die Gleichung Energie + 2H jOH + 2Naj Cl —>- H¡¡ + 2NaOH + Cl2 wiedergegeben. Außer Chlor entstehen dabei also noch W a s s e r s t o f f (vgl. S. 37) und N a t r o n l a u g e (NaOH). Auf die technischen Ausführungsformen dieser Elektrolyse („Chloralkali-elektrolyse") wird bei der Besprechung der Natronlauge (S. 424f.) näher eingegangen werden; bezüglich des Reaktionsablaufs der Elektrolyse vgl. S. 174. γ ) Physikalische Eigenschaften Chlor ist ein gelbgrünes1, erstickend riechendes, die Schleimhäute stark angreifendes Gas, welches 2 1 / 2 mal so schwer wie Luft ist. Durch Druck kann es leicht verflüssigt werden, da seine kritische Temperatur recht hoch liegt (kritische Temperatur: 143.5°; kritischer Druck: 76.1 a t ; kritische Dichte: 0.57 g/cm3). Daher gelangt es als flüssiges Chlor (spezifisches Gewicht 1.57 bei —34° C) in (grau gestrichenen) Stahlbomben und in Kesselwagen in den Handel. Der Siedepunkt des flüssigen Chlors liegt bei —34.0° C, der Erstarrungspunkt bei —102.4°. In Wasser ist Chlor gut löslich : 1 Raumteil Wasser löst bei 20° und Atmosphärendruck 2.3 Raumteile Chlor. Die Lösung (1/10-molar) heißt „Chlorwasser" (vgl. S. 121f.). Wegen dieser guten Löslichkeit wird das Chlor bei der Darstellung im Laboratorium zweckmäßig nicht über Wasser, sondern über gesättigter Kochsalzlösung aufgefangen, in der es weniger löslich ist. Noch bequemer ist es, das Gas in einem trockenen Glasgefäß zu sammeln, indem man es auf den Boden des Gefäßes leitet; infolge seiner Schwere bleibt es unten liegen und verdrängt von hier aus allmählich die Luft. δ) Chemische Eigenschatten Das Chlor gehört zu den chemisch r e a k t i o n s f ä h i g s t e n Elementen und verbindet sich — meist schon bei gewöhnlicher Temperatur, noch heftiger bei erhöhter Temperatur — mit f a s t a l l e n anderen Elementen unter starker Wärmeentwicklung. Nur gegen die E d e l g a s e sowie gegen S a u e r s t o f f , S t i c k s t o f f und K o h l e n s t o f f verhält es sich indifferent ; auf dem Wege über andere Verbindungen lassen sich aber auch Chlorverbindungen der letzteren drei Elemente gewinnen (S. 126 ff., 232 f., 300). Einige Reaktionen mit Metallen und Nichtmetallen seien im folgenden angeführt. Unter den Metallen reagieren die der 1. Hauptgruppe des Periodensystems, die A l k a l i m e t a l l e , am heftigsten mit Chlor. Erwärmt man ζ. B . im Chlorstrom ein Stückchen Natrium auf etwa 100°, so vereinigen sich die beiden Elemente unter intensiver gelber Lichterscheinung lebhaft zu Natriumchlorid : 2Na + Clj —>• 2NaCl + 196.6 kcal. Fast ebenso heftig wie die Alkalimetalle reagieren die Elemente der 2. Hauptgruppe des Periodensystems, die E r d a l k a l i m e t a l l e ; z . B . : Ca + Cl2 —>- CaClj + 190.6 kcal. Aber auch die Metalle der rechten Hälfte des Periodensystems reagieren noch lebhaft mit Chlor, wenn man sie in feinverteiltem Zustande zur Umsetzimg bringt. Schüttet man ζ. B . feingepulvertes A r s e n , A n t i m o n oder W i s m u t in ein mit Chlor gefülltes Glasgefäß, so „verbrennen" sie unter Feuererscheinung zu entsprechenden Chloriden ; ζ. B. : Sb + l'/jClj SbClj + 91.4 kcal. 1

chloros (χλωρός) = gelbgrün.

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Freie Halogene

In gleicher Weise kann man auch edle Metalle wie K u p f e r unter Flammenerscheinung mit Chlor zur Vereinigung bringen, wenn man sie als sehr feine Pulver oder in Form sehr dünner Blättchen (ζ. B. als unechtes — aus Kupfer und Zink bestehendes — Blattgold; S. 452) anwendet: Cu + Cl,

• CuClj + 53.4 kcal.

Bei allen diesen Reaktionen spielt ein gewisser Feuchtigkeitsgehalt des Chlors eine Rolle (vgl. S. 435). Denn t r o c k e n e s Chlor ist viel r e a k t i o n s t r ä g e r als feuchtes. So verbindet sich z. B. vollkommen trockenes Chlor nicht mit K u p f e r oder Eisen. Daher kann man solches Chlor durch Eisenleitungen fortleiten und im flüssigen Zustande in Stahlbomben (unter einem Druck von etwa 6 Atmosphären) in den Handel bringen. Unter den Reaktionen des Chlors mit Nichtmetallen (z. B. Phosphor, Schwefel, Wasserstoff), die bei Zimmertemperatur im allgemeinen weit weniger heftig verlaufen, ist besonders die Umsetzung mit Wasserstoff erwähnenswert. Mischt man Chlor und Wasserstoff im Molverhältnis 1:1, so kann man das Gasgemisch bei gewöhnlicher Temperatur und im Dunkeln unverändert aufbewahren, ohne daß eine merkliche Reaktion einsetzt. Im zerstreuten Tageslicht dagegen entsteht allmählich, im S o n n e n l i c h t oder bei B e s t r a h l u n g mit blauem oder kurzwelligerem Licht oder bei lokaler E r h i t z u n g e x p l o s i o n s a r t i g Chlorwasserstoffgas: H 2 + Cl2

2 HCl + 43.8 kcal.

(4)

Man nennt daher das Chlor-Wasserstoff-Gemisch auch „Chlorknallgas". Da die Wärmeentwicklung nicht so stark ist wie bei der Umsetzung des aus Wasserstoff und S a u e r s t o f f bestehenden Knallgases (vgl. S. 45), ist die Explosion von C h l o r k n a l l g a s nicht so gewaltig wie die von S a u e r s t o f f k n a l l g a s . Zur e x p l o s i o n s f r e i e n Vereinigung von Chlor und Wasserstoff vgl. S. 90. Die reaktionsbeschleunigende Wirkung des L i c h t β oder der W ä r m e beruht darauf, daß unter der Einwirkung dieser Energiezufuhr eine Spaltung einzelner Chlormoleküle in die C h l o r a t o m e erfolgt (vgl. S. 85): 57.8 kcal + Cl 2 2 Cl. (5) Die so gebildeten Chloratome reagieren nach den Gleichungen Cl + H a ν HCl + H — 1.0 kcal (6) H + Cl¡¡ >- HCl + Cl + 44.8 kcal (7) unter Wärmeentwicklung und Rückbildung von Chloratomen — die von neuem gemäß (6) in die Reaktion eintreten — weiter („Kettenreaktion"), bis sich die Reaktionsgeschwindigkeit infolge des raschen Temperaturanstiegs zur Explosion steigert. Eine einmal eingeleitete Reaktionskette bricht dann ab, wenn die Träger der Reaktion (H bzw. Cl) beispielsweise durch eine Wandreaktion beseitigt werden. Dies tritt bei geeigneten Versuchsbedingungen verhältnismäßig selten ein, so daß dann mehrere Millionen Chlorwasserstoffmoleküle gemäß (6) und (7) gebildet werden können, bevor die Kette abreißt. Gleichung (6) und (7) ergeben addiert die Gesamtgleichung (4).

Das Bestreben des Chlors, sich mit Wasserstoff zu verbinden, ist so groß, daß es auch vielen Wasserstoffverbindungen den Wasserstoff unter Chlorwasserstoffbildung entreißt. Taucht man ζ. B. einen mit T e r p e n t i n ö l (C10Hle) getränkten Filtrierpapierstreifen in einen mit Chlorgas gefüllten Glaszylinder, so entzündet sich das Terpentinöl unter Entweichen dicker Rußwolken (Kohlenstoff) : C 10 H, e + 8 Cl, — ν 10 C + 16 HCl.

Leitet man S c h w e f e l w a s s e r s t o f f (H2S) in eine wässerige Lösimg von Chlor, ao scheidet sich Schwefel aus: HjS + Cl s

ν 2 HCl + S .

Auch W a s s e r kann durch Chlor in entsprechender Weise unter Sauerstoffentwicklung zersetzt werden : ττ Λ Λ H a 0 + Cla ——>-2 HCl + O .

(8)

6*

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Die Gruppe der Halogene

Die Reaktion verläuft jedoch nur unter der Einwirkung des S o n n e n l i c h t e s mit genügender Geschwindigkeit (vgl. S. 122). Zur Verhinderung dieser zersetzenden Wirkung des Lichtes bewahrt man Chlorwasser in braunen Flaschen auf. Als „naszierender" Sauerstoff (vgl. S. 48) ist der nach (8) gebildete Sauerstoff besonders reaktionsfähig. Daher besitzt feuchtes Chlor s t a r k o x y d i e r e n d e W i r k u n g , was man zum B l e i c h e n (oxydative Zerstörung von Farbstoffen) und zum D e s i n f i z i e r e n (oxydative Zerstörung von Bakterien) benutzt. Bringt man ζ. B. eine rote Rose oder eine Tulpe in feuchtes Chlorgas, so verschwindet zuerst das empfindliche Blattgrün und dann auch der rote Blütenfarbstoff. Man benutzt diese B l e i c h Wirkung des Chlors zum Bleichen von Leinen, Baumwolle, Jute, Papierstoff usw. Allerdings müssen mit Chlor gebleichte Gewebe und Faserstoffe durch „Antichlor" (S.216) von den noch anhaftenden Chlor-Resten befreit werden, um eine nachträgliche Zerstörung durch das aggressive Chlor zu verhüten. Daher wird die Chlorbleiche mehr und mehr durch die Bleiche mit W a s s e r s t o f f p e r o x i d (S. 178 ff.) verdrängt, welche die Faser weniger angreift und zudem schneller und nachhaltiger wirkt. Die desi n f i z i e r e n d e W i r k u n g des Chlors wird unter anderem zur Sterilisierung von Trinkwasser und zur Desinfektion des Wassers in öffentlichen Schwimmanstalten benutzt. Auch Abwässer werden zur Beseitigung von Geruchs- und Fäulnisstoffen „gechlort".

b) Photochemische Reaktionen Wie wir auf S. 83 feststellten, wird die bei Zimmertemperatur im Dunkeln unendlich langsam verlaufende Reaktion der Chlorwasserstoffbildung aus den Elementen durch B e s t r a h l u n g mit kurzwelligem Licht bis zur Explosion gesteigert. Im folgenden wollen wir uns etwas näher mit dem Mechanismus solcher „photochemischer Reaktionen" befassen. Wie wir heute wissen, reagiert nicht nur die M a t e r i e , sondern auch die E n e r g i e in Form von Atomen, d. h. kleinsten, nicht weiter teilbaren Teilchen („Quanten"). Die Atome des L i c h t s ζ. B., welche „Photonen" oder „Lichtquanten" genannt werden (vgl. S. 140ff.), stellen ein E n e r g i e q u a n t u m E dar, das der F r e q u e n z v1 der betreffenden Lichtart proportional ist: E — h-v. Der Proportionalitätsfaktor h heißt „ P L A N C K schos Wirkung»quantum" und hat — wenn E in cal ausgedrückt werden soll — den Wert 1.583 XlO -34 cal · seo. Danach gibt es also energieärmere („leichtere") und energiereichere („schwerere") Lichtatome, je nachdem die Frequenz ν des betrachteten Lichtes klein oder groß ist, während für eine Lichtart von g e g e b e n e r Frequenz alle Atome gleiche Energie (gleiches „Gewicht") besitzen. R o t e s Licht der Wellenlänge 7000 Â ( = Frequenz 4.282 χ 1014 sec -1 ) kann ζ. B. nur in Energiequanten („Energiepaketchen") der Größe h • ν = (1.583 χ IO"34) Χ (4.282 χ IO14) = 6.778 χ ΙΟ -20 cal abgegeben oder aufgenommen werden. Dagegen stellen die Atome von g r ü n e m Licht der Wellenlänge 5500 Â ( = Frequenz 5.451 XlO 14 seo -1 ) eine um 27°/0 größere Energiemenge von je (1.583 χ IO -34 ) Χ (5.451 χ10 1 4 )=8.626 χ ΙΟ -20 cal dar. 6.022x10 a3 (vgl. S.29f.) „rote" Lichtquanten („1 Mol" rotes Licht der Wellenlänge 7000Â) sind einer Energiemenge von (6.022 χ IO28) Χ (6.778 Χ IO- 20 ) = 40810 cal äquivalent, „1 Mol" grünes Licht der Wellenlänge 5500 A entspricht einer Energiemenge von (6.022 χΙΟ23) X (8.626 X IO -20 ) = 51940 cal. In der nachfolgenden Tabelle sind solche „Lichtäquivalente" für die einzelnen Lichtarten in kcal angegeben : 1 Die Frequenz ν eines einfarbigen („monochromatischen") Lichtes hängt mit dessen Wellenlänge λ durch die Beziehung ν · λ = c (c = Lichtgeschwindigkeit) zusammen. Die Frequenz gibt also die Zahl der Wellenlängen an, die das Licht in 1 Sekunde zurücklegt.

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Wellenlänge (Â)

Licht Farbe

Komplementärfarbe

3500 4000 4500 5000 5500 6000 6500 7000 7500 8000

Ultraviolett Violett Blau Blaugrün Grün Gelb Orange Rot Dunkelrot Ultrarot

Weiß Gelbgrün Gelb Rot Purpur Blau Blaugrün Blaugrün Blaugrün Weiß

85 Energiewert des Lichtäquivalents (kcal) 81.6

71.4 63.5 57.1 51.9 47.6 44.0 40.8 38.1 35.7

Genau wie sich Atome oder Moleküle der Materie nur in ganzzahligem Verhältnis miteinander umsetzen können („stöchiometrische Gesetze"·, S. 12ff.), können auch M a t e r i e u n d E n e r g i e nur in g a n z z a h l i g e m Verhältnis ihrer kleinsten Teilchen miteinander reagieren. Für den Fall der Wechselwirkung zwischen M a t e r i e und e l e k t r i s c h e r E n e r g i e werden wir diese Folgerung später noch kennenlernen („FAHADAYSche Gesetze"·, S. 93f.). Für den Fall der Wechselwirkung zwischen M a t e r i e und L i c h t wird sie durch das „photochemische Äquivalenzgesetz" zum Ausdruck gebracht, welches besagt, daß 1 Materie-atom oder -molekül nur mit 1 Lichtquant (oder einem ganzzahligen Vielfachen davon) in Reaktion treten kann und umgekehrt. Will man z. B. die Reaktion Cl2 + 57.8 kcal

>- 2C1

erzwingen, welche die Vorbedingung für den Ablauf der Chlorknallgasreaktion ist (S. 83), so ist zur Spaltung je Mol Chlor 1 Mol Lichtquanten aufzuwenden, wobei die Energie dieser Lichtquanten h-v je Mol den Wert von 57.8 kcal überschreiten muß. Nach der obigen Tabelle ist dies bei b l a u e m (λ = 4500 Â) und k u r z w e l l i g e r e m Licht der Fall, nicht dagegen bei gelbem oder rotem Licht. So kommt es, daß die Chlorknallgasexplosion nur durch blaues oder kurzwelligeres, nicht aber durch gelbes oder rotes Licht ausgelöst wird. Ganz allgemein reichen die Quanten des sichtbaren Lichts, wie aus der Tabelle hervorgeht, für chemische Vorgänge aus, deren molarer Umsatz nicht mehr als 70 kcal erfordert. V o r a u s s e t z u n g f ü r die c h e m i s c h e W i r k s a m k e i t e i n e r b e s t i m m t e n L i c h t a r t i s t , d a ß sie vom r e a k t i o n s f ä h i g e n S y s t e m a u c h a u f g e n o m m e n („absorbiert") wird. Ein f a r b l o s e r , d. h. im sichtbaren Gebiet nicht absorbierender Stoff kann durch sichtbares Licht selbst d a n n nicht chemisch beeinflußt werden, wenn der Zahlenwert des Lichtäquivalents den für einen molaren Umsatz dieses Stoffes erforderlichen Energiebetrag überschreitet. Ζ. B. sind zur Spaltung von S i l b e r b r o m i d in Silber und Brom — einer Reaktion, die sich bei der Belichtung einer photographischen Platte abspielt — 23.7 kcal erforderlich: 23.7 kcal + AgBr

Ag + 7 2 Br,2 ·

Die Spaltung sollte daher gemäß der oben angeführten Tabelle schon durch ultrarotes Licht bewirkt werden können. Da aber Silberbromid, wie seine gelbe Farbe zeigt, erst im Blauen zu absorbieren beginnt (s. oben), bleibt das langwelligere Licht unwirksam. Will man die photographische Platte auch für anderes als blaues — ζ. B. rotes oder ultrarotes — Licht empfindlich machen, so muß man der Silberbromidschicht Farbstoffe („Sensibilisatoren") zufügen, welche dieses Licht zu absorbieren und dessen Energie auf das Silberbromid zu übertragen vermögen (S. 463f.). Auch bei M a t e r i e - r e a l ? t i o n e n — z.B. bei Umsetzungen von Gasen — treten zusammenstoßende Moleküle nicht immer dann miteinander in Reaktion, wenn ihre Energie zur Umsetzung ausreicht, sondern nur dann, wenn sie sich zugleich in einem „reaktionsbereiten" Zustand (S. 101 f.) befinden.

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c) Das Fluor Vorkommen. Wie das Chlor kommt auch das Fluor in der Natur nur in Form von Verbindungen vor, vor allem als Flußspat CaF 2 , Kryolith A1FS · 3NaF = Na3AlFe und Apatit 3Ca 3 (P0 4 ) 2 · CaF2 = Ca 6 (P0 4 ) 3 F. Darstellung. Zur Darstellung des Fluors kann man wie beim Chlor die WasserstoffVerbindung — hier also den F l u o r w a s s e r s t o f f HF — verwenden. Da Fluor aber wesentlich reaktionsfähiger als Chlor ist und den Wasserstoff fester als alle anderen Elemente bindet, gelingt die Zerlegung des Fluorwasserstoffs nicht wie dort auf chemischem, sondern nur auf elektrochemischem Wege (vgl. S. 168): 128.4 kcal + 2 H F -—>- H 2 + F 2 .

Als Elektrolyt ist in diesem Falle keine wässerige Fluorwasserstofflösung brauchbar ; denn Fluor entzieht selbst dem Wasser sofort den Wasserstoff : Fs + H20 —

2 HF +

V202,

so daß man bei der Elektrolyse wässeriger Lösungen kein Fluor, sondern Sauerstoff erhält. Deshalb muß man wasserfreien, flüssigen F l u o r w a s s e r s t o f f verwenden, in welchem man zur Erhöhung der elektrischen Leitfähigkeit (flüssiger Fluorwasserstoff leitet wie Wasser den elektrischen Strom praktisch nicht) K a l i u m f l u o r i d (KF) auflöst. Auch wasserfreie Schmelzen von Salzen des Typus K F • HF (Smp. 217°) oder K F · 2HF (Smp. 72°) oder K F · 3HF (Smp. 66°) lassen sich zur elektrolytischen Zersetzung benutzen. Am bequemsten ist die Verwendung des letztgenannten Salzes, da dieses tiefer yFlußspafstopfen als die beiden anderen Salze schmilzt, so daß die Elektrolyse bequem bei 100° durchgeführt werden Fluor kann. Hupferrohr Decke! flußsparstüchchen

7

mne

fíu/lspaf-Stárke Bref HF-JHf-Schme/ze -N/c/re/drshf (finode)

ffupferrohr

-jl 1

j: / '

'"('üatfioäej'"''

Zur Fluordarstellung nach diesem Verfahren benutzt man zweckmäßig ein — zugleich als Kathode dienendes — Gefäß der nebenstehenden Form (Fig. 38) aus Kupfer, Magnesium oder Monelmetall (Legierung aus Kupfer und Nickel), welches die Salzschmelze aufnimmt, in die ein Nickeldraht als Anode eintaucht. Das Elektrolysegefäß trägt oben eine Rinne, in welcher mit einem Brei aus Flußspat und Stärke drei Flußspatstückchen eingekittet sind. Auf diesen Flußspatstüokchen ruht lose ein Deckel aus Kupfer, durch den ein Kupferrohr führt. Das Kupferrohr schützt den Anodenraum gegen das Eindringen von Wasserstoff und verhütet so eine — explosionsartig vor sich gehende Vereinigung des anodisch gebildeten Fluors und katho-

disch gebildeten Wasserstoffs. Die Anode ist mit einem Flußspatstopfen im Kupferrohr befestigt. Das gebildete Fluor entweicht durch ein Ansatzrohr des Kupferrohrs, der Wasserstoff unter dem Deckelrand hindurch. Alle genannten Gefäß- und Dichtungsmaterialien sind verhältnismäßig beständig gegenüber dem aggressiven Fluor. Fig. 38.

Fluordarstellung durch Schmelzelektrolyse

Physikalische Eigenschaften. Das Fluor ist ein in dicker Schicht schwach grünlichgelb gefärbtes Gas von durchdringendem, äußerst angreifendem Geruch. Bei —187.9° verdichtet es sich zu einer hellgelben Flüssigkeit vom spezifischen Gewicht 1.108, welche bei —218.0° erstarrt. Chemische Eigenschaften. Fluor ist das r e a k t i o n s f ä h i g s t e aller Elemente. Mit W a s s e r s t o f f verbindet es sich — auch im Dunkeln — schon bei gewöhnlicher Temperatur unter Entzündung oder gar heftiger Explosion. Schwefel und Phosphor setzen sich schon bei der Temperatur der flüssigen Luft lebhaft mit Fluor um. K o h l e n s t o f f , der mit Chlor erst bei der hohen Temperatur des elektrischen Lichtbogens

Freie Halogene

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reagiert, vereinigt sich in feinverteiltem Zustande bereitsbeiZimmertemperaturmit Fluor unter Flammenerscheinung. Ebenso entzünden sich ζ. B. die A l k a l i - und E r d a l k a l i m e t a l l e im Fluorstrom bei Raumtemperatur unter Bildung von Fluoriden des Typus MeF bzw. MeF 2 (Me = Metall). Auch sonst reagiert Fluor schon in der Kälte — lebhafter noch in der Wärme — mit allen anderen Elementen außer Sauerstoff und Stickstoff, die nur auf dem Umwege über Verbindungen oder bei elektrischer Anregung mit Fluor zur Umsetzung gebracht werden können (S. 128f., 232f.). Manche Metalle, ζ. B. K u p f e r oder M a g n e s i u m , werden in der Kälte oder bei wenig erhöhter Temperatur nur oberflächlich angegriffen, da sie sich mit einer Schicht von Fluorid bedecken, welche den weiteren Angriff von Fluor verhindert. Darauf beruht die Möglichkeit, diese Metalle zum Bau von Fluor-Entwicklungsapparaten (s. oben) zu verwenden. Bei stärkerem Erhitzen erfolgt aber auch bei ihnen eine durchgreifende Reaktion. Selbst G o l d und P l a t i n werden bei Rotglut von Fluor stark angegriffen. Wegen der großen Affinität zu Wasserstoff entreißt das Fluor auch allen W a s s e r s t o f f v e r b i n d u n g e n lebhaft den Wasserstoff. Die Reaktion ist dabei weit heftiger als beim Chlor. So reagieren beispielsweise S c h w e f e l w a s s e r s t o f f (H2S) oder Amm o n i a k (NH3) unter Flammenbildung: 2NH3 + 3Fj

N2 + 6 H F ;

ebenso wird W a s s e r lebhaft zersetzt (S. 86) : H20 + F t . — ^ Vs0,4- 2HF.

Bei geeigneten Versuchsbedingungen treten bei dieser Reaktion mit Fluor auch Fluorierungsprodukte der an Wasserstoff gebundenen Elemente auf, ζ. Β NF 3 (S. 232) und 0 F 2 (S. 128). Die Chemie des Fluors ist in neuerer Zeit namentlich durch den deutschen Chemiker O T T O R U F F ( 1 8 7 1 — 1 9 3 9 ) ausgebaut worden. Die Entdeckung des Fluors ( 1 8 8 6 ) verdanken wir dem französischen Chemiker H E N R I M O I S S A N ( 1 8 5 2 — 1 9 0 7 ) .

d) Das Brom Vorkommen. Wie Fluor und Chlor kommt auch das Brom in der Natur n i c h t in f r e i e m , sondern nur in g e b u n d e n e m Zustande vor, und zwar findet es sioh gewöhnlich mit Chlor zusammen in Form analoger Verbindungen, wobei es an Menge wesentlich (1: 300) hinter diesem zurücksteht. Entdeckt wurde es im Jahre 1826 von dem französischen Chemiker A N T O I N E J E R O M E B A L A R D als Bestandteil des Meerwassers. Wegen seines angreifenden Geruchs nannte man es B r o m 1 . Darstellung. Brom ist w e n i g e r r e a k t i o n s f ä h i g als Chlor. Daher kann das Chlor das Brom aus seinen Verbindungen verdrängen. Läßt man ζ. B. Chlor auf eine Lösung von Kaliumbromid einwirken, so wird unter Bildung von Kaliumchlorid Brom in Freiheit gesetzt : 2KBr + Cl2 — > 2 KCl + Br 2 .

Zur t e c h n i s c h e n Darstellung von Brom nach diesem Verfahren benutzt man als Ausgangsbrom id hauptsächlich das Doppelsalz KBr · MgBr2 · 6 H 2 0 (Bromcamallit), weil sich das Brom in dieser Form in größerer Menge in den Endlaugen („Mutterlaugen") der Kaliumchloridgewinnung (S. 430) vorfindet: MgBr, + Cl2 — ν MgClj + Br 2 . Man verfährt daboi so, daß man diese bromhaltigen Endlaugen durch einen mit Zwischenböden versehenen „Abtreibturm" herabrieseln läßt und von unten her einen Chlorstrom entgegenleitet, welcher sich mit der Mutterlauge innig vermischt und das Brom austreibt. Das gewonnene Rohbrom enthält stets ein wenig Chlor, das durch Abdestillieren des Rohbroms über festem Kaliumbromid in Brom übergeführt und so entfernt werden kann (Cl2 + 2KBr->· 2KC1 + Brj). 1

bromos (βρώμος) = Gestank.

Die Gruppe der Halogene

88

Im übrigen können zur Darstellung des Broms die gleichen Methoden angewendet werden wie beim Chlor. Beispielsweise läßt sich im Laboratorium Brom leicht durch Einwirkung von Schwefelsäure und Braunstein auf Kaliumbromid gewinnen: 4HBr + Mn02 >- MnBr2 + 2H20 + Br 2 . Physikalische Eigenschaften. Biom ist neben Quecksilberdas einzige bei gewöhnlicher Temperatur flüssige Element. Es siedet bei 58.8°, erstarrt bei —7.3° und stellt eine tiefbraune, lebhaft rotbraune Dämpfe entwickelnde, schwere, erstickend riechende Flüssigkeit vom spezifischen Gewicht 3.14 (20°) dar. Mit fallender Temperatur hellt sich seine Farbe auf (vgl. S. 65), und bei 20° abs. (— 253° C) ist es orange. Eingeatmet rufen seine Dämpfe eine starke Reizung der Schleimhäute und Entzündungserscheinungen hervor. In Wasser ist Brom löslich (3.55 g in 100 g Wasser bei 20°). Die entstehende, 1/4-molare Lösung („Bromwasser") verhält sich wie Chlorwasser, zerfällt also im direkten Sonnenlicht unter Bildung von Bromwasserstoffsäure und Sauerstoff : H 2 0 + Br2 —>- 2HBr + 7 2 0 2 . Chemische Eigenschaften. Die chemischen Eigenschaften des B r o m s sind denen des Chlors analog, nur reagiert Brom weniger energisch. Während z.B. das Chlor sich im Licht bereits bei gewöhnlicher Temperatur mit W a s s e r s t o f f verbindet, ist dies beim Brom nicht der Fall. Immerhin ist sein Verbindungsbestreben im flüssigen, also konzentrierten Zustand noch recht stark. Wirft man ζ. B. Arsen- oder Antimonpulver auf flüssiges Brom, so erfolgt wie beim Chlor Vereinigung unter Feuererscheinung. Ebenso kann Brom wie Chlor verschiedenen W a s s e r s t o f f v e r b i n d u n g e n den Wasserstoff entziehen. So benutzt man ζ. B. die Reaktion von Brom mit Schwefelwasserstoff zur Bromwasserstoffdarstellung (S. 99, 193): H2S + Br2 >- 2HBr + S. Bemerkenswert ist, daß von den Alkalimetallen das Natrium selbst bei 200° von Brom nur schwach angegriffen wird, während das im Periodensystem darunterstehende K a l i u m mit Brom explosionsartig reagiert. In analoger Weise setzt sich das Kalium auch mit Wasser weit heftiger um als das Natrium. Während also in der rechten Hälfte des Periodensystems die Reaktionsfähigkeit der Hauptgruppen-Elemente in der Richtung von unten nach oben zunimmt (Brom —>- Chlor), ist dies bei den links im Periodensystem stehenden Hauptgruppen-Elementen in der Richtung von oben nach unten (Natrium —Kalium) der Fall.

e) Das Jod

Vorkommen. Die Hauptquelle für die technische Gewinnung von Jod bilden die Mutterlaugen des Chilesalpeters (S.426f.), die das Jod in derForm vonNatriumj o d a t (NaJOg) enthalten. Ferner enthält die durch Verbrennen von Tang (Meeresalgen) gewonnene Asche Jodide, da diese Algen das im Meerwasser — hauptsächlich in organischer Bindung — vorhandene Jod (0.0002%) anreichern. In solcher Asche wurde auch das Jod im Jahre 1811 von dem Pariser Salpetersieder BERNARD COURTOIS entdeckt. Die elementare Natur des Jods wurde allerdings erst 1815 von GAY-LUSSAC (S. 17) erkannt, der es nach der violetten Farbe seines Dampfes benannte1. Darstellung. Aus den Jodiden der Asche von Meeresalgen kann das Jod wie das Chlor aus Chloriden durch Elektrolyse oder durch Erhitzen mit Braunstein und Schwefelsäure gewonnen werden. Die Hauptmenge des Jods wird aber heute aus dem N a t r i u m j o d a t der Chiles a l p e t e r - M u t t e r l a u g e n dargestellt. Zu diesem Zweck wird die dem Natriumjodat (NaJO a ) zugrunde liegende Jodsäure (HJ0 3 ) durch schweflige Säure (H2SOa) zu Jodwasserstoffsäure (HJ) reduziert: 1

ioeides (¡ωειδή$) =

veilchenfarbig.

Wasserstoffverbindungen der Halogene

89

H J 0 3 + 3 H 2 S0 3 — H J + 3 H2S04 . (1) Zur Rückoxydation dieses Jodwasserstoffs zu J o d bedarf es in diesem Falle keines besonderen Oxydationsmittels wie Braunstein oder Chlor, da die in der Lösung vorhandene Jodsäure den Jodwasserstoff zu J o d zu oxydieren vermag: HJO3+5HJ 3H a 0 + 3 J 2 . (2) Gibt man daher nur 5 / e der nach Gleichung (1) erforderlichen Menge an schwefliger Säure zu, so daß je Mol gebildeten Jodwasserstoffs 1 / 6 Mol Jodsäure unangegriffen zurückbleibt — wie dies Gleichung (2) verlangt —, so erhält man direkt das gewünschte Jod : 2HJ0 S + 5H 2 S0 3 —>- 5H2S04 + H20 + J 2 . Physikalische Eigenschaften. J o d ist bei gewöhnlicher Temperatur fest und bildet grauschwarze, metallglänzende Schuppen vom spezifischen Gewicht 4.942. Es schmilzt bei 113.7° zu einer braunen Flüssigkeit und siedet bei 184.5° unter Bildung eines violetten Dampfes. Trotz des verhältnismäßig hohen Siedepunktes ist J o d schon bei Zimmertemperatur merklich flüchtig; bei Temperaturerhöhung nimmt die Verflüchtigung des Jods stark zu, so daß es — falls man nicht zu schnell erhitzt — zu sublimieren pflegt, bevor es schmilzt. Man benutzt die Sublimation zur Reinigung des Jods. I n Wasser löst sich J o d nur in sehr geringen Mengen (1: 5500 bei 10°) und mit schwach bräunlichgelber Farbe („Jodwasser", 1 / 1000 -molar). Leichtlöslich ist es dagegen mit dunkelbrauner Farbe in wässerigen Lösungen von Kaliumjodid und Jodwasserstoff; dabei bilden sich die Anlagerungsverbindungen Κ J · J 2 und H J · J 2 . Auch in zahlreichen organischen Lösungsmitteln wie Alkohol (10%ige Lösung: „Jodtinktur"), Äther und Aceton löst es sich leicht mit b r a u n e r Farbe. Andere organische Lösungsmittel wie Schwefelkohlenstoff (CS2), Chloroform (CHC1S) und Tetrachlorkohlenstoff (CC14) lösen das J o d mit v i o l e t t e r Farbe. In diesen violetten Lösungen ist das Jod in Form von Jj-Molekülen gelöst, während die braunen Lösungen Verbindungen des Jods mit dem Lösungsmittel enthalten. Chemische Eigenschaften. Das J o d ist in seinen chemischen Eigenschaften dem C h l o r und B r o m sehr ähnlich, nur reagiert es w e i t w e n i g e r h e f t i g als diese. Direkt und lebhaft verbindet es sich ζ. B. mit den Elementen P h o s p h o r , E i s e n und Q u e c k s i l b e r . Dagegen ist ζ. B. die Tendenz zur Vereinigung mit W a s s e r s t o f f so gering, daß der Jodwasserstoff beim Erwärmen leicht bis zu einem bestimmten Gleichgewicht in J o d und Wasserstoff zerfällt (S. 100). Charakteristisch f ü r J o d ist die beim Zusammenbringen mit S t ä r k e l ö s u n g auftretende i n t e n s i v e B l a u f ä r b u n g . Durch diese „Jodstärke-reaktion" lassen sich geringste Jodmengen nachweisen. Die Färbung, die auf der Bildung einer Einschlußverbindung (vgl.S.74f.) zwischen J o d und Stärke beruht, verschwindet beim Erwärmen und tritt — falls nicht zu lange erwärmt wurde — beim Abkühlen wieder auf.

2. Wasserstoffverbindungen d e r H a l o g e n e a) Chlorwasserstoff α) Darstellung Zur t e c h n i s c h e n Darstellung von Chlorwasserstoff dienen in der Hauptsache zwei Verfahren. Das eine geht von K o c h s a l z , das andere von den E l e m e n t e n Wasserstoff und Chlor aus. Aus Kochsalz. Läßt man auf K o c h s a l z bei erhöhter Temperatur konzentrierte S c h w e f e l s ä u r e einwirken, so erfolgt in 2 Stufen ein Austausch des Natriums im Natriumchlorid durch den Wasserstoff der Schwefelsäure (,,Sulfat-Salzsäure-Prozeß") :

90

Die Grappe der Halogene NaCl + H 2 S 0 4 — > - HCl + N a H S 0 4 (Natriumhydrogensulfat) NaCl + N a H S 0 4 8?°°> HCl + N a 2 S 0 4 (Natriumsulfat)

(1) (2)

2NaCl + H 2 S 0 4 — > - 2HC1 + N a 2 S 0 4 .

(3)

Beide Stufen können auch einzeln — als „Berliner Salzsäureverfahren" (1) und „Mannheimer Salzsäureverfahren" (2) — zur Chlorwasserstofferzeugung herangezogen werden. Ein Großteil des in der T e c h n i k hergestellten Chlorwasserstoffs wird nach diesem Chlorid-Schwefelsäure-Verfahren gewonnen, das zugleich auch die gebräuchlichste L a b o r a t o r i u m s m e t h o d e zur Chlorwasserstoffgewinnung darstellt. Aus den Elementen. Besonders reinen Chlorwasserstoff erhält man durch S y n t h e s e aus den E l e m e n t e n Wasserstoff und Chlor, die ihrerseits neben Alkalilauge bei der Chloralkali-Elektrolyse (S. 82) erhalten werden: H 2 + Cl2 — s» 2HCl + 43.8 kcal.

In der Technik benutzt man zu dieser Chlorwasserstoffsynthese einen im Prinzip dem ÜANiEi-Lschen H a h n (S. 43) entsprechenden, aus zwei ineinander gesteckten Rohren bestehenden Q u a r z b r e n n e r . Durch das innere Rohr strömt das Chlor, durch den Mantelraum der Wasserstoff. Das Chlor brennt dann ganz ruhig im Wasserstoff, ohne daß es zu einer Chlorknallgas-Explosion (S. 83) kommt. An Stelle von Wasserstoff können auch Wasserstoffverbindungen (z. B. Kohlenwasserstoffe; vgl. S. 83) verwendet werden. So fallen in der Technik große Mengen von Chlorwasserstoff bei der Chlorierung organischer Verbindungen an. ß) Eigenschaften Chlorwasserstoff ist ein farbloses Gas von stechendem Geruch, das sich leicht zu einer farblosen Flüssigkeit verdichten läßt (kritische Temperatur: 51.3°). Flüssiger Chlorwasserstoff siedet bei —85.05° und erstarrt bei —114.22°. Bemerkenswert ist die außerordentlich große Löslichkeit des Chlorwasserstoffs in Wasser. 1 Raumteil Wasser löst bei 0° 507 Raumteile Chlorwasserstoffgas von Atmosphärendruck. Die wässerige Lösung führt den Namen C h l o r w a s s e r s t o f f s ä u r e oder Salzsäure. Sie wird technisch in sehr großem Maßstabe hergestellt. Eine bei 15° an Chlorwasserstoff gesättigte wässerige Lösung ist ,,42.7%ig", d. h. sie enthält 42.7 Gewichtsteile Chlorwasserstoff in 100 Gewichtsteilen Lösung; ihr spezifisches Gewicht beträgt 1.21. Verdünntere Salzsäuren haben kleinere spezifische Gewichte. Es besteht dabei ein zufälliger Zusammenhang zwischen Prozentgehalt und spezifischem Gewicht derart, daß die beiden ersten Stellen nach dem Komma des spezifischen Gewichts (d) verdoppelt den Prozentgehalt (%) ergeben ( °/0 == 200 [d—1] ) : spez. Gewicht: Prozentgehalt:

1.06 12

1.12 24

1.16 32

1.19 38 .

Die „konzentrierte Salzsäure" des Handels hat meist das spezifische Gewicht 1.19. Sie raucht stark an feuchter Luft und wird daher auch „rauchende Salzsäure" genannt. Ebenso raucht auch das Chlorwasserstoffgas stark an feuchter Luft, indem es mit dem Wasserdampf der Luft Nebel von Salzsäuretröpfchen bildet. Erhitzt man eine k o n z e n t r i e r t e Salzsäurelösung, so gibt sie — während der Siedepunkt steigt — zunächst weit mehr Chlorwasserstoff als Wasserdampf ab, so daß die Lösung an Chlorwasserstoff verarmt. Mit fortschreitender Destillation nimmt der Wasserdampfgehalt des abgegebenen Dampfes zu, bis schließlich bei 110° der Dampf dieselbe Zusammensetzung erreicht wie die — inzwischen verdünnter gewordene — Lösung ( 2 0 % HCl, 80°/ 0 H 2 0). Von hier ab geht dann ohne Änderung der S i e d e t e m p e r a t u r dieses Gemisch k o n s t a n t e r Z u s a m m e n s e t z u n g {„azeotropes Gemisch") über. Zu der gleichen Lösung von 20°/ 0 HCl und 8 0 % H 2 0 gelangt man, wenn man eine v e r d ü n n t e Salzsäure der Destillation unterwirft; in diesem Falle enthält der entstehende Dampf zunächst mehr Wasser als die Lösung.

Wassers toff Verbindungen der Halogene

91

b) Die Lehre von der elektrolytischen Dissoziation Die c h e m i s c h e n E i g e n s c h a f t e n v o n r e i n e m , w a s s e r f r e i e m C h l o r w a s s e r s t o f f sind ganz andere als die seiner w ä s s e r i g e n L ö s u n g . So löst ζ. B. die wässerige Lösung Zink, Eisen und viele andere Metalle unter Entwicklung von Wasserstoff auf (vgl. S. 39) : Zn + 2 HCl — Z n C l a -(- H 2 und rötet blaues Lackmuspapier, während weder der reine verflüssigte Chlorwasserstoff noch das reine flüssige Wasser diese Reaktionen geben. Gleiches gilt von den p h y s i k a l i s c h e n E i g e n s c h a f t e n . So leitet ζ. B. die wässerige Lösung gut den elektrischen Strom unter Bildung von Chlor am positiven und Wasserstoff am negativen Pol, während reiner Chlorwasserstoff und reines Wasser praktisch Nichtleiter sind. Der Chlorwasserstoff muß sich demnach in der wässerigen Lösung irgendwie verändert haben. α) Qualitative Beziehungen Welcher Art diese Veränderung ist, ergibt sich bei einer Bestimmung des Molek u l a r g e w i c h t s des gelösten Chlorwasserstoffs, ζ. B. nach der Gefrierpunktsmethode. Es stellt sich dabei nämlich heraus, daß die Gefrierpunktserniedrigung At der wässerigen Lösung rund doppelt so groß ist, als sie sich gemäß der Gleichung At = E • η (S. 58) aus der Molmenge η des aufgelösten Chlorwasserstoffs — bei Zugrundelegung des Molekulargewichts 36.5 — errechnet. Das bedeutet, daß die Lösung doppelt so viele (2 n) Teilchen enthält, als der aufgelösten Zahl (n) von Chlorwasserstoffmolekülen entspricht. Jedes Chlorwasserstoffmolekül muß sich also in der wässerigen Lösung in zwei Teilchen aufgespalten haben. Diese beiden Teilchen können nach der Formel nur das W a s s e r s t o f f - und das C h l o r a t o m sein. Die e l e k t r i s c h e L e i t f ä h i g k e i t der Lösung zeigt andererseits, daß die beiden Teilchen e l e k t r i s c h g e l a d e n sind, und zwar wandern bei der elektrischen Stromleitung die Chlorteilchen zur positiv geladenen und die Wasserstoffteilchen zur negativ geladenen Elektrode (vgl. Fig. 39, S. 93), was eine negative Aufladung der Chloratome und eine positive Aufladung der Wasserstoffatome nahelegt. Somit sprechen alle Anzeichen für die Annahme einer Spaltung ungeladener Chlorwasserstoffm oleküle in positiv geladene Wasserstoffteilchen (Symbol: H + oder H') und negativ geladene Chlorteilchen (Symbol : Cl~ oder CT) : HCl

H+ + Cl"

oder

HCl T ^ H" + Cl'.

Die Spaltung wird „elektrolytische Dissoziation" genannt. Warum sie erst beim Auflösen in Wasser erfolgt, werden wir später (S. 151 f.) erfahren; hier wollen wir uns mit der Vorstellung begnügen, daß sich das Wasser als „Dielektrikum" (Wasser hat eine große Dielektrizitätskonstante) zwischen die geladenen Bestandteile des Chlorwasserstoffmoleküls schiebt und diese dadurch voneinander trennt. Die Erscheinung der elektrolytischen Dissoziation ist nicht auf die Salzsäure beschränkt, sondern a l l g e m e i n e r A r t . Zahlreiche Verbindungen erleiden in wässeriger Lösung eine derartige Spaltung in geladene Teilchen. Es war daher zweckmäßig, für letztere einen besonderen Namen — den Namen „Ionen" 1 — einzuführen, und zwar nennt man die positiv geladenen Teilchen „Kationen", weil sie bei der Elektrolyse zur negativen K a t h o d e wandern, und die negativ geladenen Teilchen „Anionen", weil sie von der positiven A n o d e angezogen werden. Unter den elektrolytisch dissoziierenden chemischen Stoffen — die man auch unter der Bezeichnung „Elektrolyte" zusammenfaßt — lassen sich drei große Gruppen unterscheiden: die „Säuren", die „Basen" und die „Salze". 1

ion (Ιων) = wandernd.

Die Grappe der Halogene

92

Unter Säuren versteht man solche Stoffe, die wie der Chlorwasserstoff in w ä s s e r i g e r L ö s u n g p o s i t i v g e l a d e n e W a s s e r s t o f f - i o n e n H' b i l d e n . Beispiele für solche Säuren sind etwa die S a l p e t e r s ä u r e (HN0 3 ), die S c h w e f e l s ä u r e (H 2 S0 4 ) und die P h o s p h o r s ä u r e (H 3 P0 4 ) : HNOj H" + NCV H 2 S0 4 ^=Í:2H· + SO4" Η 3 Ρ 0 4 ^ ^ 3 Η · + P04"\ Die bei der Dissoziation auftretenden W a s s e r s t o f f - i o n e n (vgl. hierzu S. 151f. und 174ff.) bedingen den s a u r e n G e s c h m a c k der Säuren (daher ihr Name) und färben ein in die Lösung eingetauchtes b l a u e s L a c k m u s p a p i e r („Reagens auf Säuren") rot. Das Gegenstück zu den Säuren bilden die Basen, welche die Eigenschaft haben, umgekehrt r o t e s L a c k m u s p a p i e r („Reagens auf Basen") zu bläuen. Diese Blaufärbung sowie der l a u g e n h a f t e G e s c h m a c k der Basen wird durch negativ geladene H y d r o x i d - i o n e n OH' (frühere Bezeichnung: Hydroxyl-ionen) bedingt, und man definiert dementsprechend Basen als Stoffe, die in w ä s s e r i g e r L ö s u n g n e g a t i v g e l a d e n e H y d r o x i d - i o n e n b i l d e n (vgl. hierzu S. 152 und 174ff.). Beispiele hierfür sind das N a t r i u m h y d r o x i d NaOH (wässerige Lösung: N a t r o n l a u g e ) , das Calc i u m h y d r o x i d Ca(OH) 2 (wässerige Lösung: K a l k w a s s e r ) und das A l u m i n i u m h y d r o x i d Al(OH) a : NaOH

Na' + OH'

Ca(OH)2

Ca" + 2 0 H '

Al(OH)g

A l - + 3 OH'.

Die Salze schließlich leiten sich von den Säuren durch Ersatz des W a s s e r s t o f f-ions durch einen positiven B a s e r e s t und von den Basen durch Ersatz des H y d r o x i d - i o n s durch einen negativen S ä u r e r e s t ab und dissoziieren dementsprechend in wässeriger Lösung in B a s e - K a t i o n e n und S ä u r e - A n i o n e n . Als Beispiele seien etwa angef ü h r t : N a t r i u m n i t r a t N a N 0 3 , C a l c i u m n i t r a t Ca(N0 3 ) 2 , A l u m i n i u m n i t r a t A1(N03)3, N a t r i u m s u l f a t Na 2 S0 4 , C a l c i u m s u l f a t CaS0 4 , A l u m i n i u m s u l f a t A12(S04)3, N a t r i u m p h o s p h a t Na 3 P0 4 , C a l c i u m p h o s p h a t Ca 3 (P0 4 ) 2 und Alum i n i u m p h o s p h a t Ä1P0 4 : NaNOj Na 2 S0 4

Na + N O / 2 Na + S0 4 "

Ca(N0 3 ) 2 CaS0 4

Ca" + 2 N O / Ca" + S0 4 ".

Die verschiedene stöchiometrische Zusammensetzung der Salze wird dabei durch die Anzahl der positiven und negativen Ladungen der Kationen und Anionen bedingt, da deren Vereinigung ja elektroneutrale Moleküle ergeben muß. J e nach der Zahl der durch Base-Kationen ersetzbaren Wasserstoffatome spricht man von „einbasigen", „zweibasigen", „dreibasigen"1 (oder „einwertigen", „zweiwertigen" usw.) Säuren ; Salpetersäure ist danach eine einbasige, Phosphorsäure eine dreibasige Säure. I n gleicher Weise unterscheidet man je nach der Zahl der durch Säure-Anionen ersetzbaren Hydroxidgruppen „einsäurige", „zweisäurige", „dreisäurige" (oder „einwertige", „zweiwertige" usw.) Basen. Sind nicht alle Wasserstoffatome einer mehrbasigen Säure durch Base-Kationen bzw. nicht alle Hydroxidgruppen einer mehrsäurigen Base durch Säure-Anionen ersetzt, so spricht man von „sauren" („Hydrogen"-, ,,Bi"-) bzw. „basischen" („Hydroxid"-)Salzen; ζ. B. N a H S 0 4 : „saures Natriumsulf a t " („Natriumhydrogensulfat", „Natriumbisulfat"), A1(0H)S0 4 : „basisches Aluminiumsulfat" („Aluminiumhydroxidsulfat"). — Die Theorie der elektrolytischen Dissoziation („Ionenlehre") wurde von dem schwedischen P h y s i k o c h e m i k e r SVANTE ARRHENIUS (1859—1927) im J a h r e 1884 aufgestellt. Häufig sprachlich unkorrekt als e i n b a s i s c h , z w e i b a s i s c h usw. bezeichnet.

Wasserstoffverbindungen der Halogene

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Die Annahme einer elektrolytischen Dissoziation stieß anfangs auf vielfachen Widerspruch, da man den Unterschied zwischen A t o m e n und I o n e n nicht genügend beachtete. So wurde beispielsweise der Einwand gemacht, daß in Kaliumjodidlösungen ( K J ) — welche farblos und beständig sind — kein freies Kalium und kein freies J o d vorhanden sein könne, weil Kalium Wasser sofort unter Wasserstoffentwicklung zersetzte (S. 37 f.) und Jodlösungen braungelb seien (S. 89). Hierzu ist zu bemerken, daß die Lösung nach der Ionenlehre ja gar keine freien Kaliumund J o d - a t o m e , sondern freie Kalium- und J o d - i o n e n enthält, die infolge ihrer elektrischen L a dung einen a n d e r e n E n e r g i e - i n h a l t als die Atome besitzen und sich daher auch c h e m i s c h u n d p h y e i k a l i e o h a n d e r s als diese verhalten müssen. Die neuere Theorie des Atombaus hat dieso Ansicht vollständig bestätigt, und wir werden später (S. 147) den Unterschied zwischen Atomen und Ionen noch näher kennenlernen.

Die bisherigen Betrachtungen waren mehr q u a l i t a t i v e r Art. Im folgenden wenden wir uns den q u a n t i t a t i v e n Beziehungen zu und betrachten speziell die Größe der elektrischen I o n e n l a d u n g und den D i s s o z i a t i o n s g r a d von Elektrolyten. ß) Quantitative Beziehungen Ionenladung Taucht man in eine wässerige Salzsäurelösung zwei Platinelektroden ein und legt an die Elektroden eine elektrische Spannung an, so wandern (Fig. 39) die Wasserstoffionen zur negativen und die Chlor-ionen zur positiven Elektrode, wo dann eine E n t ladung zu freiem Wasserstoff bzw. Chlor erfolgt. Die a b g e s c h i e d e n e n Mengen Wasserstoff und Chlor entsprechen dabei einer von dem englischen Naturforscher M I C H A E L F A R A D A Y (1791—1867) im Jahre 1834 aufgefundenen und unter dem Namen „1. FARADÀïSches Gesetz" bekannten Gesetzmäßigkeit : Die Gewichtsmenge eines elektrolytisch gebildeten Stoffs ist der durch den Elektrolyten geflossenen Elektrizitätsmenge direkt proportional. Schickt man also ζ. B. doppelt soviel elektrischen + Strom durch eine Salzsäurelösung, so wird auch Ulasserstoff Chlor doppelt soviel Wasserstoff an der Kathode und doppelt soviel Chlor an der Anode gebildet. Daraus geht hervor, daß alle Wasserstoff-ionen bzw. alle Chlor-ionen eine gleich große positive bzw. -H+ CI-negative Ladung tragen. Vergleicht man weiter die Mengen gebildeten Wasserstoffs und Chlors m i t e i n a n d e r , s o stellt man Salzsäure fest, daß auf 1 Grammatom (1.008g) Wasserstoff jeFig. 39. Elektrolyse von Salzsäure weils auch 1 Grammatom (35.457 g) Chlor entsteht. Somit unterscheiden sich die Ladungen des Wasserstoff-und Chlor-ions nur im Vorzeic h e n , n i c h t aber in der Größe voneinander, was ja auch schon daraus folgt, daß das Chlorwasserstoffmolekül HCl nach außen hin neutral ist. Wie groß die elektrische Ladung eines einzelnen Wasserstoff- oder Chlor-ions (das „elektrische Elementarquantum") ist, ergibt sich aus dem experimentellen Befund, daß zur Abscheidung eines Grammatoms — d. h. von 6.022 Χ 1023 Atomen — Wasserstoff bzw. Chlor eine Elektrizitätsmenge von 96490 Coulomb (Ampere-Sekunden) = 26.803 Ampere-Stunden („1 Faraday") erforderlich ist. Jedes Wasserstoff- bzw. Chlor-ion trägt danach eine E l e m e n t a r ladung von 96490: (6.022 χ IO23) = 1.602 χ IO - 1 9 Coulomb (vgl. S. 136), im einen Falle mit positivem, im anderen mit negativem Vorzeichen. Nimmt man statt Salzsäure Schwefelsäure, so sind auch hier zur Abscheidung eines Grammatoms Wasserstoff 96490 Coulomb erforderlich. Die Wasserstoffatome der Schwefelsäure tragen somit die gleiche Elementarladung von 1.602 χ Ι Ο - 1 9 Coulomb wie in der Salzsäure. Daher müssen die S u l f a t - i o n e n (S0 4 ") der Schwefelsäure zwei solche Ladungen aufweisen, da nur dann das ganze Molekül H s S 0 4 nach außen hin

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Die Gruppe der Halogene

neutral ist. I n der Tat sind zur Entladung eines Mols Sulfat-ionen 2 x 9 6 4 9 0 Coulomb erforderlich 1 ; und entsprechend müssen bei der Elektrolyse z . B . einer wässerigen Kupfersulfatlösung (CuS0 4 Cu" + S 0 4 " ) zur kathodischen Abscheidung von 1 Grammatom K u p f e r 2 X 96490 Coulomb aufgewandt werden. Indem man nun das durch die Zahl der Ladungen dividierte Formelgewicht eines Ions, d. h. den auf 1 Einheitsladung entfallenden Gewichtsanteil als „Äquivalentgewicht" (S. 161) des Ions bezeichnet, lassen sich diese experimentellen Befunde in einfacher Weise durch das „ 2 . FARADAY sehe («esetz" zum Ausdruck bringen : Die durch gleiche Elektrizitätsmengen abgeschiedenen Gewichtsmengen chemischer Stoffe verhalten sich wie deren Äquivalentgewichte. In Übereinstimmung mit diesem Gesetz wird die Einheit der elektrischen S t r o m m e n g e , das „Coulomb", als diejenige Elektrizitätsmenge definiert, die zur elektrolytischen Abscheidung von 1/F = 1/96490 Grammäquvalent eines Stoffes (z.B. von 107.880/96490 = 0.001118 g Silber aus einer Silbersalzlösung) erforderlich ist (vgl. S.93). Eine S t r o m s t ä r k e von 1 Coulomb/Sekunde wird als 1 „Ampere" bezeichnet. Die beiden F A R A D A Y s c h e n Gesetze sind ohne Annahme einer a t o m i s t i s o h e n Struktur der E l e k t r i z i t ä t nicht zu deuten. In derselben Weise, in der die s t ö c h i o m e t r i s c h e n Gew i c h t s g e s e t z e zur Entwicklung einer A t o m t h e o r i e für die Materie zwangen, führten daher die s t ö c h i o m e t r i s c h e n E l e k t r i z i t ä t s g e s e t z e zwangsläufig zur Aufstellung einer Atomtheorie für die E l e k t r i z i t ä t . Den ersten Schritt hierzu tat im Jahre 1881 der deutsche Naturforscher HERMANN V. HELMHOLTZ ( 1 8 2 1 — 1 8 9 4 ) .

Dissozia tionsgr ad Ein Elektrolyt kann praktisch v o l l s t ä n d i g oder t e i l w e i s e oder praktisch ü b e r h a u p t n i c h t in Ionen gespalten sein, d. h. das Gleichgewicht (vgl. S. lOOff.) BA ~" Β" + A' (Β' = Kation; A ' = Anion) kann mehr oder weniger nach rechts oder links verschoben sein. Dementsprechend unterscheidet man starke, mittelstarke und schwache Elektrolyte (vgl. S. 107). Die S a l z s ä u r e HCl ist ζ. B. eine s t a r k e S ä u r e , da sie in wässeriger Lösung praktisch vollkommen in Ionen dissoziiert ist ; die B l a u s ä u r e HCN wird dagegen als s c h w a c h e S ä u r e bezeichnet, da sie in wässeriger Lösung weitgehend in Form undissoziierter HCN-Moleküle vorliegt. Die Stärke eines Elektrolyten pflegt man durch den sogenannten „Dissoziationsgrad" a auszudrücken, welcher angibt, welcher B r u c h t e i l (κ íS 1) der insgesamt gelösten Moleküle des Elektrolyten in Ionen dissoziiert ist (vgl. S. 107). Dieser Dissoziationsgrad läßt sich nach verschiedenen Methoden ermitteln. Eine einfache Methode ist die Messung des o s m o t i s c h e n D r u c k s Ρ bzw. der — diesem Druck proportionalen — S i e d e p u n k t s e r h ö h u n g oder G e f r i e r p u n k t s e r n i e d r i g u n g At. Denn diese Größen ermöglichen ja gemäß den Beziehungen Ρ V = η • R • Τ (S. 54) bzw. At = E · η (S. 58) die Ermittlung der in einer untersuchten Lösung vorhandenen Gesamt-Molzahl n. Diese Zahl η hängt ihrerseits aber — wenn die Anzahl Mole des gelösten Elektrolyten v o r d e r D i s s o z i a t i o n mit m und die Zahl der b e i d e r D i s s o z i a t i o n je Molekül entstehenden I o n e n mit ζ bezeichnet wird — mit dem Dissoziationsgrad « durch die Gleichung n = m(l~tx) + z- m- a = m + m(z — l) H a S0 4 + V A · Hierauf ist die früher erwähnte (S. 13) Sauerstoffentwicklung bei der Elektrolyse von schwefelsäurehaltigem Wasser zurückzuführen.

Wasserstoffverbindungen der Halogene

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zusammen, da m Mole eines Elektrolyten bei der Dissoziation m ( 1 — λ ) Mole undissoziierter Moleküle und ζ · m • α Mole Ionen ergeben. Löst man also z.B. m = 0.23 Mole eines in zwei (z = 2) Ionen je Molekül zerfallenden Elektrolyten in Wasser auf und ergibt die Bestimmung der Molzahl η in der Lösung nach einer der oben genannten Methoden den Wert 0.43, so ist der Dissoziationsgrad « = (0.43 — 0.23) : [0.23 (2 — 1)] = 0.87, was bedeutet, daß 87°/ 0 des Elektrolyten in Ionen dissoziiert sind.

Gleichung (1) kann auch auf die Dissoziation von G a s e n in u n g e l a d e n e Moleküle (z.B. die Dissoziation N 2 0 4 2 N 0 2 ; S.237f.) angewandt werden; m bedeutet dann die v o r d e r D i s s o z i a t i o n vorhandene Anzahl Mole des Gases, η die nach der allgemeinen Gasgleichung p • υ = η • R • Τ (S. 23f.) experimentell zu ermittelnde Molzahl im D i s s o z i a t i o n s g l e i c h g e w i c h t , ζ die Zahl der bei der Dissoziation des Gases je Molekül entstehenden M o l e k ü l b r u c h s t ü c k e . Demgegenüber lassen sich zwei weitere Methoden zur Bestimmung des Dissoziationsgrades tx nur auf e l e k t r o l y t i s c h e Dissoziationen anwenden. Es sind dies die Messung der e l e k t r i s c h e n L e i t f ä h i g k e i t (S. 513) und die Messung des e l e k t r i s c h e n P o t e n t i a l s (S. 165ff.). Bei dem ersten Verfahren vergleicht man die L e i t f ä h i g k e i t der Lösung eines Elektrolyten vom Dissoziationsgrad « (A a) mit der — aus Tabellen zu entnehmenden — Leitfähigkeit, die bei v o l l s t ä n d i g e r Spaltung des Elektrolyten in Ionen (tx = 1) zu e r w a r t e n w ä r e (Λ β = 1 ):

Bei dem zweiten Verfahren ermittelt man aus dem Potential ε einer in die Elektrolytlösung eintauchenden Elektrode gemäß der Beziehung ε — kí -j- • log c„ (k1 und k2 : charakteristische Konstanten für jede Ionenart ; S. 170ff.) die I o n e n k o n z e n t r a t i o n c¡¡ des Elektrolyten und vergleicht sie mit der bei v o l l s t ä n d i g e r Spaltung des Elektrolyten zu e r w a r t e n d e n Ionenkonzentration cx=l : (3) Wie sich aus solchen experimentellen Bestimmungen von Dissoziationsgraden ergibt, ist der Dissoziationsgrad eines Elektrolyten k e i n e K o n s t a n t e , sondern bei gegebener Temperatur von der V e r d ü n n u n g abhängig, und zwar n i m m t er m i t d e r V e r d ü n n u n g zu. Die quantitativen Beziehungen hierfür werden wir später (S. 107) kennenlernen. Erwähnt sei noch, daß die aus Gleichung (1), (2) und (3) hervorgehenden Werte λ aus Gründen, die später (S. 107f.) erörtert werden, etwas kleiner als die w a h r e n D i s s o z i a t i o n s g r a d e sind und daher auch „scheinbare Dissoziationsgrade" genannt werden. Um zu den w a h r e n D i s s o z i a t i o n s g r a d e n zu kommen, müssen die zur Bestimmung von α dienenden Größen des osmotischen Drucks Pa (und damit der Molzahl n), der Leitfähigkeit Λα und der Ionenkonzentration ca vor dem Einsetzen in Gleichung (1), (2) und (3) noch durch Korrektionsglieder/(/ < 1) dividiert werden (S. 107f.).

γ) Ionenreaktionen S a l z e sind im allgemeinen in wässeriger Lösung v o l l k o m m e n in Ionen gespalten. Ist die Lösung so v e r d ü n n t , daß die beiden entgegengesetzt geladenen Ionenarten keine merklichen Kräfte aufeinander ausüben („ideale Lösung"), so setzen sich die physikalischen und chemischen Eigenschaften der Salzlösung a d d i t i v aus den Eigenschaften der beiden Ionenarten zusammen. So ist ζ. B. die F a r b e aller Permanganatlösungen violett, weil das Permanganation Mn0 4 ' violett gefärbt ist. Aus den wässerigen Lösungen aller B l e i s a l z e fällt bei Zugabe von Schwefelsäure weißes B l e i s u l f a t aus, weil die infolge der Dissoziation der Bleisalze vorhandenen Blei-ionen P b " (PbX 2 < > P b " + 2X') mit den aus der

96

Die Gruppe der Halogene

Dissoziation der Schwefelsäure stammenden Sulfat-ionen S 0 4 " (H 2 S0 4 zu schwerlöslichem Bleisulfat P b S 0 4 zusammentreten:

2H" + S0 4 ")

Pb" + S0 4 " —>- PbS0 4 . In analoger Weise lassen sich M e t a l l c h l o r i d e (MeCl2 -· η HF.

Auch im f l ü s s i g e n und f e s t e n Zustande ist der Fluorwasserstoff „assoziiert". Das hierdurch bedingte erhöhteMolekulargewicht erklärt den auffallendhohenSiede-(-|-19.54°) und Schmelzpunkt (—83.07°) des Fluorwasserstoffs. Denn besäße der Fluorwasserstoff das einfache Molekulargewicht HF, so müßte er flüchtiger und leichter schmelzbar als Chlorwasserstoff (Sdp. —85.05°, Smp. —114.22°) sein. In Wasser löst sich Fluorwasserstoff leicht. Die dabei entstehende Lösung wird Fluorwasserstoffsäure oder Flußsäure genannt. Chemische Eigenschaften. Die Flußsäure besitzt, wie ihr Name besagt, den Charakter einer S ä u r e : sie färbt blaues Lackmuspapier rot und löst zahlreiche Metalle unter Wasserstoffentwicklung. Gold und Platin werden von Flußsäure nicht angegriffen, Blei nur oberflächlich. Holleman-Wiberg,

Anorganische Chemie. 47.—56. Aufl.

7

98

Die Gruppe der Halogene

Die charakteristischste Eigenschaft der Flußsäure ist ihre Fähigkeit, Glas anzugreifen. Man kann sie daher nicht in G l a s g e f ä ß e n , sondern nur in Gefäßen aus B l e i , P a r a f f i n oder K a u t s c h u k aufbewahren. Die Reaktion mit Glas beruht auf der Bildung gasförmigen S i l i c i u m - t e t r a f l u o r i d s (SiF 4 ) aus Flußsäure und Siliciumdioxid (Si0 2 ), dem Hauptbestandteil des Glases: Si0 2 + 4 H F — > - SiF 4 + 2H a O. Praktisch benutzt man diese Umsetzung zum Ätzen von Olas. Dieses Ätzen kann entweder mit der wässerigen Fluorwasserstofflösung oder mit gasförmigem Fluorwasserstoff erfolgen. Im ersten Fall bleiben die geätzten Glasgegenstände klar und durchsichtig, im zweiten erhält man matte Ätzungen. Zur Ätzung wird der gläserne Gegenstand mit dem „Ätzgrund", d. h. einer dünnen Schicht aus Wachs, Paraffin oder Harzgemischen überzogen. In diesen Überzug ritzt man mit einem Stichel die Zeichnungen ein. Dann wird das Glas entweder einige Zeit in verdünnte Flußsäure getaucht oder der Wirkung gasförmigen Fluorwasserstoffs ausgesetzt. Die durch den Ätzgrund geschützten Partien bleiben dabei unverändert, während an den freigelegten Stellen eine Ätzung erfolgt. Nach Ablösen des Überzugs mittels eines geeigneten Lösungsmittels (z. B. Terpentinöl oder Alkohol) findet sich die Zeichnung in das Glas eingeätzt.

Die Fluoride der meisten Metalle lösen sich in Wasser, einige jedoch — z. B. Kupfer fluorid (CUF2)> Bleifluorid (PbF 2 ) — schwierig. Die Fluoride der Erdalkalimetalle (CaF 2 , SrF 2 , BaF 2 ) sind unlöslich. Manche Fluoride können sich noch mit einem oder mehreren Molekülen Fluorwasserstoff verbinden. So kristallisiert z. B. Kaliumfluorid aus wässeriger Flußsäure als K F · HF (Kaliumhydrogendifluorid, saures Kaliumfluorid), aus wasserfreiem Fluorwasserstoff als K F · HF, K F · 2HF und K F • 3HF aus (vgl. S. 86).

d) Bromwasserstoff Darstellung. B r o m w a s s e r s t o f f kann nicht wie Chlor- und Fluorwasserstoff durch Einwirkimg konzentrierter Schwefelsäure auf ein entsprechendes Halogenid dargestellt werden. Denn der dabei gebildete Bromwasserstoff : 2 K B r + H 2 S0 4 — > - K 2 S 0 4 + 2 HBr,

der sich wesentlich leichter als Fluor- und Chlorwasserstoff oxydieren läßt, wird von der konzentrierten Schwefelsäure — die als Oxydationsmittel wirken kann : H 2 S0 4 —>H 2 S0 3 + 0 — teilweise zu B r o m o x y d i e r t : 2 HBr + H 2 S0 4 — > - H s 0 + Br 2 + H2SO„.

Man muß daher entweder v e r d ü n n t e Schwefelsäure nehmen, wobei dann aber nur verdünnte Bromwasserstofflösung, kein gasförmiger Bromwasserstoff erhalten wird, oder man muß sich einer n i c h t o x y d i e r e n d e n S ä u r e bedienen. So kann man z. B. mit konzentrierter P l i o s p h o r s ä u r s (H s P0 4 ) aus Natrium- oder Kaliumbromid reinen Bromwasserstoff austreiben: 3KBr + H 3 P 0 4

> K3P04 + 3HBr.

Meist verwendet man allerdings im Laboratorium nicht Phosphorsäure, sondern einfach W a s s e r als nichtoxydierende Wasserstoffionen quelle („Säure"). Da Wasser jedoch eine sehr schwache Säure ist (S. 110), muß man dann leichter zersetzliche Bromide als Ausgangsmaterial verwenden. Besonders geeignet ist hier P h o s p h o r t r i b r o m i d (PBr 3 ). Läßt man zu Phosphortribromid Wasser tropfen, so entsteht nach PBr 3 + 3HÖH

P ( 0 H ) s + 3HBr

Bromwasserstoff, der sich wegen seiner großen Flüchtigkeit leicht von der schwerflüchtigen phosphorigen Säure P(0H) 3 abtrennen läßt. Da Phosphor und Brom sich lebhaft zu Phosphortribromid umsetzen (2 Ρ + 3Br 2 —>- 2PBr s ), brauoht man bei dieser Darstellungsart kein fertiges Phosphortribromid anzuwenden, sondern

99

Wasserstoffverbindungen der Halogene

kann von den Elementen Phosphor und Brom ausgehen. Man läßt dann Brom zu angefeuchtetem Phosphor tropfen und erwärmt vorsichtig das Gemisch.

Will man Bromwasserstoff entsprechend dem Chlorwasserstoff aus den E l e m e n t e n erzengen: H 2 + Br2Dampf

2HBr + 23.2 kcal,

so darf man nicht bei allzu hohen Temperaturen arbeiten, da sonst das obige Gleichgewicht merklich nach links verschoben ist. Daher verwendet man zweckmäßig einen K a t a l y s a t o r , der die Vereinigung der Elemente bei verhältnismäßig n i e d r i g e r T e m p e r a t u r ermöglicht, und zwar leitet man Wasserstoffgas und Bromdampf durch ein mit P l a t i n s c h w a m m oder a k t i v e r K o h l e beschicktes heißes Rohr. Es ist dies zugleich die b e s t e D a r s t e l l u n g s w e i s e für Bromwasserstoff. Auch durch Einwirkung von Brom auf W a s s e r s t o f f v e r b i n d u n g e n kann Bromwasserstoff gewonnen werden. Im Laboratorium benutzt man als Wasserstoffverbindung zu diesem Zwecke gewöhnlich Schwefelwasserstoff (vgl. S. 88, 193) oder Tetralin (C10H12). Physikalische Eigenschaften. Bromwasserstoff ist ein farbloses Gas, das sich bei Abkühlung zu einer farblosen Flüssigkeit verdichtet. Der Siedepunkt der Flüssigkeit liegt bei —66.73°. Bei noch stärkerer Abkühlung erstarrt die Flüssigkeit zu farblosen Kristallen, welche bei —86.82° schmelzen. Wie Chlorwasserstoff wirkt auch Bromwasserstoff stark reizend auf die Schleimhäute und bildet an feuchter Luft starke Nebel. In Wasser ist Bromwasserstoff noch stärker löslich als Chlorwasserstoff : 1 Raumteil Wasser löst bei 0° 612 Raumteile Bromwasserstoffgas. Chemische Eigenschaften. In wässeriger Lösung treten wie beim Fluor- und Chlorwasserstoff die sauren Eigenschaften in den Vordergrund („Bromwasserstoffsäure"). Die Bindung zwischen Wasserstoff und Halogen ist im Brom Wasserstoff weniger f e s t als im Chlorwasserstoff. Leitet man daher Chlor in Bromwasserstoff ein, so beobachtet man die Bildung von rotbraunen Bromdämpfen: 2HBr + C l j , — 2 H C 1 + Br, .

Bromwasserstoff ist also ein stärkeres Reduktionsmittel als Chlorwasserstoff, Chlor ein stärkeres Oxydationsmittel als Brom. Die Salze des Bromwasserstoffs (Bromide) sind meist in Wasser löslich. Unlöslich ist vor allem das Silberbromid (AgBr), schwer löslich das Bleibromid (PbBr 2 ). Zur Darstellung der Alkalibromide, der für den Chemiker wichtigsten Bromide, vgl. S. 129.

e) Jodwasserstoff Darstellung. Der Jodwasserstoff ist noch l e i c h t e r o x y d i e r b a r als der Bromwasserstoff. Daher kommt aus den schon beim Bromwasserstoff erörterten Gründen (S. 98) eine Darstellung aus Jodid und konzentrierter Schwefelsäure nicht in Frage. In Ajialogie zur Bromwasserstoffgewinnung erfolgt die JodWasserstoffdarstellung durch Einwirkung von Wasser auf P h o s p h o r t r i j o d i d : P J 3 + 3HÖH — > - P(0H) 3 + 3 H J

(1)

oder durch Einleiten von S c h w e f e l w a s s e r s t o f f in eine wässerige Jod-Aufschlämm U n g :

J » + H s S — > - 2 H J + S.

(2)

Wie im Falle der Bromwasserstoffdarstellung ist es auoh im Falle (1) nicht erforderlich, das Phosphorhalogenid als solches zu verwenden. Vielmehr genügt es, von den Elementen Phosphor und Jod auszugehen, indem man entweder ein breiiges Gemenge von rotem Phosphor und Wasser zu mit Wasser befeuchtetem Jod oder eine Lösung von Jod in Jodwaaserstoffeäure zu rotem Phosphor tropfen läßt. 7*

100

Die Gruppe der Halogene

Zur Darstellung a u s d e n E l e m e n t e n leitet man (vgl. Bromwasserstoff) Wasserstoffgas und Joddampf über erhitzten P l a t i n s c h w a m m als Katalysator: H2 + J, Dampf 2HJ + 2.5 kcal. Es ist dies auch hier die beste Methode zur R e i n d a r s t e l l u n g des Halogenwasserstoffs. Physikalische Eigenschaften. Jodwasserstoff ist ein farbloses, stechend riechendes, an der Luft rauchendes Gas. Der Siedepunkt des flüssigen Jodwasserstoffs liegt bei —35.4°, der Schmelzpunkt des festen Jodwasserstoffs bei —50.7°. In Wasser ist Jodwasserstoff außerordentlich löslich : 1 Raumteil Wasser nimmt bei 10° 425 Raumteile Jodwasserstoffgas von Atmosphärendruck auf. Chemische Eigenschaften. Als Gas und in wässeriger Lösung (,,Jodwasserstoffsäure") ist der Jodwasserstoff bei A u s s c h l u ß v o n L u f t s a u e r s t o f f und bei gew ö h n l i c h e r T e m p e r a t u r vollkommen beständig. Bei Einwirkung von S a u e r s t o f f erfolgt dagegen langsame Oxydation zu J o d : 2HJ + 7 2 0 2 . — ^ H 2 0 + J 2 . Daher färben sich Jodwasserstofflösungen, namentlich konzentrierte, an der Luft bald braun. L i c h t beschleunigt diese Jodbildung. In analoger Weise wird Jodwasserstoff durch B r o m oder C h l o r sowie durch viele a n d e r e Oxydationsmittel in Jod übergeführt : 2HJ + Br, —s- 2HBr + J 2 . Er ist mit anderen Worten ein stärkeres Reduktionsmittel als Chlor- und Bromwasserstoff. Die wässerige Jodwasserstoff säure hat ganz den Charakter einer S ä u r e und entwickelt dementsprechend mit vielen Metallen Wasserstoff unter gleichzeitiger Bildung von Jodiden: Me + 2 H J M e J j + H2. Zur Darstellung der Alkalijodide, der für den Chemiker wichtigsten Jodide, vgl. S. 129. Charakteristisch im Vergleich zum Brom- und Chlorwasserstoff ist die beim Erwärmen leicht erfolgende S p a l t u n g des Jodwasserstoffs in J o d und W a s s e r s t o f f . Sie soll uns Gelegenheit geben, im folgenden etwas näher auf den Begriff des c h e m i s c h e n G l e i c h g e w i c h t s einzugehen.

3. D a s chemische Gleichgewicht Erwärmt man Jodwasserstoff in einem geschlossenen Gefäß auf höhere Temperaturen, so beginnt er sich wenig oberhalb von 180° in Wasserstoff und Jod zu zersetzen: 2.5 kcal + 2HJ H2 + Ja Dumpf, wie an dem Auftreten violetter Joddämpfe zu erkennen ist. Mit steigender Temperatur nimmt das Ausmaß dieser Zersetzung zu. Kühlt man umgekehrt das Gasgemisch von hohen Temperaturen ausgehend langsam ab, so vereinigen sich J od und Wasserstoff wieder rückwärts zu Jodwasserstoff. Dabei macht man die interessante experimentelle Beobachtung, daß jeder Temperatur ein g a n z b e s t i m m t e r Z e r s e t z u n g s g r a d entspricht. So sind beispielsweise bei 300°C stets 19%. bei 1000°C stets 3 3 % des Jodwasserstoffs zerfallen, gleichgültig ob man diese Temperaturen von niedrigeren oder höheren Temperaturen ausgehend einstellt oder ob man von Jodwasserstoff oder einem äquimolekularen Gemisch von Jod und Wasserstoff ausgeht. Wir beobachten also auch hier wie früher schon im Falle des DEACON-Prozesses (S. 81), daß derartige Umsetzungen zu einem „chemischen Gleichgewicht" führen. Zur Ableitung des dabei gültigen Gesetzes („Massenwir· ÄMMgsgesete")gehenwirzweckmäßigvomBegriff der R e a k t i o n s g e s c h w i n d i g k e i t aus.

Das chemische Gleichgewicht

101

a) Die Reaktionsgeschwindigkeit α) Die „Hin"-Reaktion I n einem geschlossenen Gefäß möge sich bei gegebener Temperatur zwischen den beiden g a s f ö r m i g e n oder g e l ö s t e n Stoffen AB und CD eine im Sinne der Gleichung AB + CD —>- AD + BC

(1)

e i n s e i t i g von links nach rechts verlaufende Reaktion mit der Geschwindigkeit φ abspielen. Die „Reaktionsgeschwindigkeit" q>_ wollen wir dabei definieren als die A b n a h m e d e r „Konzentration" ( = M o l e / L i t e r ) CAB des Stoffes AB je Sekunde (vgl. unten): ACAB

¡\

Da die beiden betrachteten Substanzen AB und CD gasförmig oder gelöst sein sollen, fliegen ihre Moleküle im Reaktionsraum f r e i u n d r e g e l l o s umher (Fig. 40). Damit eine Wechselwirkung zwischen beiden Stoffen erfolgen kann, inuß je ein Molekül Α Β mit einem Molekül CD zusammenstoßen. Die R e a k t i o n s g e IrnkkäfeCO s c h w i n d i g k e i t wird also der Z a h l d e r Z u s a m m e n s t ö ß e je Sekunde v(z) rproportional sein (m . = k • z). Da TT . . . ' .. ., ' , ' ,, ¡. Ιl i Homogener Reaktionsraum letztere ihrerseits mit der K o n z e n t r a t i o n sowohl von ° AB als auch von CD wächst (z — k! · CAB · CCD), ergibt sich insgesamt die einfache Beziehung • Α + Β,

so erfolgt die Bestimmung der Konstante k ^ mittels der Gleichung " CAB '

Ψ-*· = bei „zweimolekularen" („bimolekularen", tionen 2. Ordnung": AB + CD —AD + BG

„dimolekularen") oder

nach der Gleichung: φ^ =fc_>· cAB · cCD

oder

Reaktionen oder „Reak-

AB + AB —A2 =

+ B2

c*AB .

Höher als zweimolekulare Reaktionen kommen s e l t e n vor, da die Wahrscheinlichkeit des gleichzeitigen Zusammenprallens mehrerer reaktionsbereiter Moleküle s e h r k l e i n ist. I n Reaktionsgleichungen, die die chemische Umsetzung m e h r e r e r Moleküle zum Ausdruck bringen, sind daher meist mehrere, n a c h e i n a n d e r sich abspielende Vorgänge niedrigerer Ordnung zusammengefaßt. Um alles bisher Gesagte durch ein Z a h l e n b e i s p i e l zu veranschaulichen, wollen wir das eingangs erwähnte Beispiel der Bildung und des Zerfalls von J o d w a s s e r s t o f f betrachten: Ha + J a : ± ^ : H J + H J . Die beiden Geschwindigkeitskonstanten feund haben in diesem Falle bei den in Spalte 1 der folgenden Tabelle angegebenen Temperaturen die in Spalte 2 und 3 wiedergegebenen Werte: t°c 356 393 443 508

Geschwindigk«iitskonstanten JU 2.53 1.42 1.40 1.34

χ χ χ χ

10"' 10~a IO"1 10»

3.02 2.20 2.50 3.96

χ X X χ

10-" 10-* 10-' 10"a

Gleichgewicl ítskonstanten k^lk^ 0.84 χ 10a 0.64 χ 10a 0.56 x10 a 0.34 x10 a

Kc 0.67 χ 10a 0.60 x10 a 0.50 χ 10a 0.40 χ 10a

Befinden sich also in 1 Liter 1 Mol = 2 g Wasserstoff und 1 Mol = 254 g Jod bei Abwesenheit von Jodwasserstoff, so werden gemäß der hier gültigen Geschwindigkeitsgleichung φ = — dcR ¡dl — · c H · Cj (cH = e f = 1 ) bei 356° je Sekunde 2.53 χ IO"8 Mole Wasserstoff pro Liter umgesetzt. Umgekehrt entstehen bei einer Konzentration von 1 Mol = 128 g Jodwasserstoff je Liter und Sekunde gemäß der Gleichung ç>«_ = + den/dt = · cHJ · cHJ (GHJ = 1) bei 356° 3.02 Χ 10 _t Mole Wasserstoff durch Zerfall des Jodwasserstoffe. Bei gleichzeitigem Vorhandensein von 2 g Wasserstoff, 254 g Jod und 128 g Jodwasserstoff je Liter beträgt daher die Brutto-abnahme an Wasserstoff je Sekunde 0.00253 — 0.00003 = 0.00250 Mole = 5 mg Wasserstoff. Dabei werden 2 χ 0.0025 = 0.005 Mole = 640 mg Jodwasserstoff gebildet. Betragen die Konzentrationen nicht 1, sondern nur 0.1 Mole/Liter, so sind die je Sekunde gebildeten und verbrauchten Mengen und damit die Reaktionsgeschwindigkeiten und wie durch Einsetzen dieser Konzentrationen in die Geschwindigkeitsgleichungen (3) und (4) hervorgeht, je 100 mal kleiner. Wie weiter die Tabelle zeigt, wachsen die beiden Geschwindigkeits-

104

Die Grappe der Halogene

konstanten mit steigender Temperatur, und zwar nimmt weniger rasch zu a]s Der Jodwasserstoffzerfall wird also bei Temperaturerhöhung stärker begünstigt als die Jodwasserstoffbildung, so daß in summa mit steigender Temperatur zunehmende Zersetzung des Jodwasserstoffs erfolgt.

b) Der Gleichgewichtszustand α) Das M a s s e n w i r k u n g s g e s e t z Nach Gleichung (6) ist die Geschwindigkeit einer Gesamtreaktion AB + CD AD + BC gleich der Differenz der Geschwindigkeiten der „Hin"- und „Rück"Reaktion. Nun nimmt, wie schon erwähnt, die Geschwindigkeit Φ^ = k_y • CAB • CCD (3) der Teilreaktion AB + CD —AD -f- BC nach Einsetzen der Reaktion dauernd ab, da die Stoffe AB und CD dabei verbraucht und die Konzentrationen CAB und CCD dementsprechend kleiner werden. Umgekehrt wächst die Geschwindigkeit rp^ = k^ · CAD · CBC (4) der Gegenreaktion in dem Maße, in dem sich bei der Gesamtreaktion die Reaktionsprodukte AD und BC bilden, CAD und CBC daher größer werden. Die Geschwindigkeit = — (6) der von links nach rechts verlaufenden Ges a m t r e a k t i o n muß demnach nach Beginn der chemischen Umsetzung dauernd a b n e h m e n . Schließlich kommt ein Punkt, bei dem = wird. Dann ist φ_> = «p.» -

= 0.

(7)

D . h . : die G e s c h w i n d i g k e i t der n a c h a u ß e n hin b e o b a c h t b a r e n R e a k t i o n i s t g l e i c h N u l l ; die Reaktion ist n a c h a u ß e n h i n zum Stillstand gekommen, sie befindet sich „im chemischen Gleichgewicht". Das chemische Gleichgewicht ist also kein s t a t i s c h e s , sondern ein d y n a m i s c h e s . Im Gleichgewichtszustand befinden sich nicht etwa die Moleküle AB, CD, AD und BC indifferent nebeneinander („statisches Gleichgewicht"). Vielmehr findet auch hier wie zuvor eine „Hin"- und „Rück"-Reaktion s t a t t ; nur h e b t s i c h n u n m e h r d e r g e g e n s e i t i g e U m s a t z g e r a d e auf (,,dynamisches Gleichgewicht"). Es werden mit anderen Worten in einem gegebenen Zeitabschnitt ebenso viele Moleküle Α Β und CD unter Bildung von AD und BC v e r b r a u c h t , wie umgekehrt Moleküle AB und CD aus AD und BC wieder e n t s t e h e n , so daß keine Konzentrationsänderungen mehr erfolgen, nach außen hin also keine Veränderung des Systems mehr wahrzunehmen ist. Bei w e l c h e n K o n z e n t r a t i o n e n der Reaktionsteilnehmer sich das dynamische Gleichgewicht einstellt, ergibt sich aus der Gleichgewichtsbedingung (7). Ersetzen wir hierin die Werte und ψ ^ durch die Ausdrücke (3) und (4), so erhalten wir: K^ • CAB · CCD — · CAD · cBc = 0 oder Ü

AD

V

C

AB•

°CD

BC =

K,

(8)

Diese Gleichung ist unter dem Namen „Massenwirkungsgesetz" bekannt und besagt folgendes: Eine chemische Reaktion kommt bei gegebener Temperatur dann zum Stillstand („Gleichgewichtszustand"), wenn der Quotient aus dem Produkt der Konzentrationen der Reaktionsprodukte und dem Produkt der Konzentrationen der Ausgangsstoffe einen bestimmten, für die Reaktion charakteristischen Zahlenwert Kc erreicht hat. Welche E i n z e l w e r t e den verschiedenen Konzentrationen im Gleichgewichtszustand zukommen, ist gleichgültig, sofern nur der Q u o t i e n t aus den K o n z e n t r a t i o n s - P r o d u k t e n dem Wert der „Gleichgewichtskonstanto" K0 entspricht. Es gibt also unendlich viele Gemische von AB, CD, AD und BC, die der Gleichgewichtsbedingung (8) genügen und daher nach außen hin nicht reagieren.

Das chemische

105

Gleichgewicht

Das Gesetz der chemischen MassenWirkung wurde zum ersten Male klar und umfassend im Jahre 1867 von dem norwegischen Mathematiker CATO M A X I M I L I A N G U L D BERG ( 1 8 3 6 bis 1 9 0 2 ) und dem norwegischen Chemiker P E T E R W A A G E ( 1 8 3 3 — 1 9 0 0 ) ausgesprochen. Daß in der T a t gemäß Gleichung (8) die Gleichgewichtskonstante Kc gleich dem Quotienten der beiden Geschwindigkeitskonstanten und ist, geht für das schon behandelte Beispiel H2 + H J + H J aus der auf S. 103 gebrachten T a b e l l e hervor, in welcher der Quotient (Spalte 4) dem durch analytische Bestimmung der H J - , H 2 - und J 2 -Konzentrationen im Gleichgewicht gemäß der Massenwirkungsgleichung CH.T

' CHJ



ermittelten Kc-Wert (Spalte 6 ) gegenübergestellt ist. D i e Zahlen zeigen eine gute Übereinstimmung. Entsprechend der Tatsache, daß in diesem speziellen F a l l mit steigender T e m peratur rascher zunimmt als sinkt Ke = mit Temperaturerhöhung: die Dissoziation des Jodwasserstoffs n i m m t zu, das Gleichgewicht „verschiebt sich zugunsten der linken S e i t e " der obigen Reaktionsgleichung. Auch in allen anderen Fällen ist die Gleichgewichtskonstante Kc mehr oder weniger temperaturabhängig, und zwar kann sie bei Temperaturerhöhung zu- oder abnehmen, je nachdem oder schneller anwächst. Q u a n t i t a t i v ergibt sich die Änderung der Gleichgewichtskonstante Κ m i t der Temperatur Τ aus der sogenannten „Reaktionsisochore"

d In Κ dT ~~

BT2'

worin W die Wärmetönung, Τ die absolute Temperatur ( v g l . S. 116; s. E . WIBERG, „Die chemische Affinität").

{

und

'

R die Gaskonstante bedeutet

Beteiligen sich an einer Einzelreaktion mehrere Moleküle ein- und d e r s e l b e n Molekülart, so verändert sich das Massenwirkungsgesetz sinngemäß. Betrachten wir etwa den ÜEACON-Prozeß (S. 81) HCl + HCl + HCl + HCl + 0 2 H20 + H20 + Cl2 + Cl2 bzw. 4 HCl + 0 2 2 H 2 0 + 2C12, so lautet das Massen Wirkungsgesetz : C"'°

Ch»°

C°U

Cn-Wert (^oH-Wert) von 7 (— log 10~7 = 7 ) . 1 Liter ( = 1 kg) Wasser enthält hiernach nur 1 / 10000 mg freie Wasserstoffionen. Ist die Wasserstoffionen-konzentration größer als 10 -7 , so ist die Hydroxidionen-konzentration gemäß (15) kleiner als 10~7 und umgekehrt. S a u r e L ö s u n g e n sind also bei 25° C 2 durch die Bedingung c H - > 10 - 7 bzw. ρ Ά < 7, a l k a l i s c h e L ö s u n g e n durch die Bedingung c H+ < 10 - 7 bzw. pu > 7 charakterisiert. Entsprechend dem außerordentlich kleinen Wert des Ionenprodukts des Wassers können in einer wässerigen Lösung niemals g r ö ß e r e M e n g e n an Wasserstoff- und Hydroxid-ionen g l e i c h z e i t i g nebeneinander bestehen. Gibt man daher eine Säure und eine Base zusammen, so wird — falls die beiden nicht sehr schwach, d. h. außerordentlich wenig dissoziiert sind — der im Unterschuß vorhandene Partner praktisch quantitativ gemäß H + + O H - — > - H 2 0 neutralisiert (S. 96).

c) Die Beschleunigung der Gleichgewichtseinstellung Liegt ein Zerfallsgleichgewicht ATt < > Α + Β ganz auf der r e c h t e n Seite der Reaktionsgleichung ( K = k / k groß), so wird die Substanz Α Β nur d a n n rasch zerfallen, wenn die Geschwindigkeitskonstante k ^ g r o ß ist; wir nennen die Substanz in diesem Falle „instabil". Ist aber Ä^unmeßbar k l e i n , so ist die Verbindung beständig, obwohl sie nach der Lage des Gleichgewichts eigentlich zerfallen müßte; wir sprechen hier von einer „metastabilen" Substanz. Als „stabil" bezeichnen wir eine Substanz AB nur dann, wenn das obige Zerfallsgleichgewicht ganz auf der l i n k e n Seite der Reaktionsgleichung liegt (K = kjk klein). Auch ganze c h e m i s c h e S y s t e m e können stabil, metastabil oder instabil sein. Z.B. dürfte bei gewöhnlicher Temperatur eigentlich k e i n S a u e r s t o f f n e b e n W a s s e r s t o f f und k e i n S c h w e f e l d i o x i d n e b e n S a u e r s t o f f bestehen, da das Gleichgewichtganz auf der Seite des W a s s e r s (2H 2 -f-O a —>-2H 2 0) bzw. S c h w e f e l t r i o x i d s (2SO a + 0 2 — > - 2 S 0 3 ) liegt. Ebenso müßten sich bei Zimmertemperatur eigentlich 1 2

Gewicht eines Liters Wasser bei 25° in Gramm. Mit steigender Temperatur nimmt das Ionenprodukt des Waasers zu.

Das chemische Gleichgewicht

111

alle o r g a n i s c h e n S u b s t a n z e n an der Luft o x y d i e r e n , so daß ein pflanzliches und tierisches Leben unmöglich wäre, wenn es sich hier nicht um metastabile Zustände handeln würde, die unter normalen Bedingungen nur mit u n m e ß b a r k l e i n e r G e s c h w i n d i g k e i t in den wahren stabilen Zustand übergehen. Ein m e t a s t a b i l e s System ist einem Wagen vergleichbar, der auf einem Bergabhang stehenbleibt, weil die Bremse angezogen ist. Erst wenn die Bremse gelöst, die Reibung also beseitigt ist (vgl. unten), setzt sich der Wagen — den auf ihn einwirkenden Kräften folgend — in Bewegung1. Bei chemischen Reaktionen kann die „Reibung" durch K a t a l y s a t o r e n (vgl. S. 35) und durch T e m p e r a t u r e r h ö h u n g vermindert oder aufgehoben werden. So verbrennen ζ. B. die metastabilen Nahrungsmittel im menschlichen Körper unter dem Einfluß von Katalysatoren, explodiert das metastabile Wasserstoff-Sauerstoff-Gemisch beim Erhitzen. α) Beschleunigung durch Katalysatoren Genau wie ein auf einem Bergabhang stehender Wagen beim Lösen der Bremse von selbst stets nur b e r g a b w ä r t s , nie b e r g a u f w ä r t s fahren kann, die Aufhebung der Reibung also nur die G e s c h w i n d i g k e i t der Gleichgewichtseinstellung, nicht dagegen die Gleichgewichtslage beeinflußt, wird auch durch die Zugabe eines Katalysators nur die R e a k t i o n s g e s c h w i n d i g k e i t , nicht aber die G l e i c h g e w i c h t s l a g e einer chemischen Umsetzung geändert. Der deutsche Physikochemiker W I L H E L M OSTWALD ( 1 8 5 3 bis 1933), dem wir eine eingehende Erforschung der katalytischen Erscheinungen verdanken, hat die Wirkungsweise eines Katalysators sehr anschaulich mit der Wirkung eines Schmiermittels auf ein Räderwerk verglichen, welches sich ungeölt nur mit großer Reibung und daher sehr langsam bewegt, ölt man die Achsen, so erfolgt der Ablauf des Räderwerks schneller, während die treibende Kraft (etwa die Spannung einer Feder) durch das ölen keineÄnderung erfährt. Wie eine Taschenuhr ohne F e d e r a n t r i e b durch das ölen allein nicht in Bewegung gesetzt werden kann, vermag auch ein Katalysator Reaktionen ohne T r i e b k r a f t („Affinität") nicht in Gang zu bringen, sondern lediglich die einer vorhandenen Triebkraft entgegenwirkenden „chemischen Reibungen" zu vermindern und damit langsam (gegebenenfalls unmerklich) ablaufende Reaktionen zu b e s c h l e u n i g e n . Es ist höchst wahrscheinlich, daß die katalytischen Wirkungen nicht alle auf gleiche Weise erklärt werden können. Die beiden wichtigsten Hypothesen sind: 1. die Annahme der Bildung leicht reagierender Z w i s c h e n p r o d u k t e , 2. die Annahme einer reinen O b e r f l ä c h e n w i r k u n g . Nach der e r s t e n H y p o t h e s e verläuft eine Reaktion etwa des Typus A -\-B ' ^ z t Α Β bei Anwesenheit eines Katalysators Κ nach dem Schema Α+ Κ AK AK + Β

K+

AB

Α+ Β AB derart, daß ein Z w i s c h e n p r o d u k t AK gebildet wird, welches sofort nach seiner Entstehung unter R ü c k b i l d u n g des K a t a l y s a t o r s weiterreagiert. Die beiden T e i l r e a k t i o n e n sind dabei dadurch charakterisiert, daß sie zusammengenommen mit g r ö ß e r e r G e s c h w i n d i g k e i t ablaufen als die d i r e k t e Reaktion. Man nennt derartig wirkende Katalysatoren „Überträger". Ein hierher gehörendes Beispiel ist etwa die Übertragung von Sauerstoff auf Schwefeldioxid (S0 2 + 1 / 2 0 2 — ν S0 3 ) durch Stickstoffoxide (S. 207). Man beobachtet diese Überträgerwirkung von Katalysatoren 1 Noch zutreffender ist vielleicht der Vergleich mit einem auf einem Bergabhang in einer Mulde stehenden Wagen. Der Wagen muß erst aus der Mulde herausgezogen werden (Aufwand der „Aktivierungsenergie" ; vgl. S. 101), damit er den Berg hinunterrollen kann.

112

Die Gruppe der Halogene

vor allem bei der „homogenen Katalyse", bei der reagierende Stoffe und Katalysatoren eine e i n z i g e P h a s e (Gas- oder Lösungsphase) bilden. Die „heterogene Katalyse", bei der G a s - oder Lösungsreaktionen durch f e s t e Katalysatoren beschleunigt werden, ist meist durch die z w e i t e H y p o t h e s e , die Annahme einer O b e r f l ä c h e n w i r k u n g , zu deuten. Nach dieser Hypothese werden die reagierenden Stoffe durch A d s o r p t i o n (S. 298 f.) an der Oberfläche des Katalysators in einen reaktionsbereiteren Zustand übergeführt, in dem sie befähigt sind, schneller als im „unaktivierten" Zustand zu reagieren. Die Festigkeit der Adsorptions-Bindung muß dabei naturgemäß sehr spezifisch abgestuft sein, damit das adsorbierte Molekül zwar durch die Oberflächenbindung in einen gegenüber dem Normalzustand reaktionsfähigeren, „angeregten" Zustand versetzt wird, andererseits aber nicht infolge zu fester Bindung eine stabile chemische O b e r f l ä c h e n - V e r b i n d u n g mit dem festen Katalysator bildet 3 . Auch muß die Art der Bindung eine leichte Loslösung des R e a k t i o n s p r o d u k t e s vom Katalysator ermöglichen, was ebenfalls dazu beiträgt, daß für jede chemische Reaktion ganz spezifische Katalysatoren erforderlich sind. Die Tatsache, daß die Wirkung fester Katalysatoren häufig durch minimale Mengen von „Kontaktgiften" (,,Hemmungsstoffen") aufgehoben werden kann, zeigt, daß wahrscheinlich nicht die ganze Oberfläche des festen Katalysators, sondern nur bestimmte „aktive Stellen" (ζ. B . Spitzen, Ecken, Kanten, Gitterstörungen) des Katalysators — welche bei der „Vergiftung" durch anderweitige Adsorption blockiert werden — für die Katalysatorwirkung verantwortlich zu machen sind (S. 395). Durch Zugabe bestimmter Fremdstoffe {„Aktivatoren", „Promotoren"), die an sich für die fragliche Reaktion gar nicht katalytisch wirksam zu sein brauchen, kann die Wirkung eines Katalysators häufig in s e h r b e d e u t e n d e m M a ß e verstärkt werden. So beschleunigt beispielsweise fein verteiltes Eisen die Bildung von Ammoniak aus Wasserstoff und Stickstoff (3H 2 + N 2 — > - 2NH 3 ) weit weniger als ein Gemisch von Eisen und Aluminiumoxid (vgl S. 227), da das schwerschmelzende Aluminiumoxid die Eisenteilchen bei der erhöhten Reaktionstemperatur der Ammoniaksynthese am allmählichen Zusammensintern („Rekristallisieren") hindert und so deren große unregelmäßige Oberfläche stabilisiert. Die Entwicklung solcher aus mehreren Stoffen bestehender „Mischkatalysatoren", die den Ausgangspunkt der modernen katalytischen Großindustrie bildet, ist weitgehend den systematischen Untersuchungen des deutschen Naturforschers A . M I T T A S C H ZU danken. Meist läßt sich bei der heterogenen Katalyse k e i n e s c h a r f e G r e n z e zwischen einer Adsorptionsverbindung und einer wahren chemischen Zwischenverbindung und damit zwischen der ersten und zweiten Art der Katalysatorwirkung ziehen. p) Beschleunigung durch Temperaturerhöhung Ein anderes Mittel zur Steigerung der Reaktionsgeschwindigkeit einer chemischen Umsetzung ist die E r h ö h u n g d e r R e a k t i o n s t e m p e r a t u r , und zwar steigert bei Raumtemperatur eine T e m p e r a t u r e r h ö h u n g um j e 10° nach einer von VAN'T H O F F erkannten Regel die Reaktionsgeschwindigkeit im allgemeinen auf das z w e i bis v i e r f a c h e . Eine chemische Reaktion verläuft daher bei 100° mindestens 2 1 0 = 1000 mal schneller als bei 0°, so daß Reaktionen, die bei 100° in einer Stunde ablaufen, bei 0° mindestens 40 Tage erfordern. Die reaktionsbeschleunigende Wirkung der Temperatur Steigerung beruht meist auf einer L o c k e r u n g oder gar S p r e n g u n g der Bindung zwischen den Atomen der reaktionsträgen Moleküle. Die hierfür erforderliche Energie kann statt in Form von W ä r m e vielfach auch in Form anderer Energie, z . B . L i c h t e n e r g i e (S. 84f.) zugeführt werden. 1 Auf die Bildung solcher Oberflächen-Verbindungen ist ζ. B. die Passivierung (S. 383, 507 f , 533) vieler Metalle an der Luft oder in oxydierenden Säuren zurückzuführen.

Dae chemische Gleichgewicht

113

Zum Unterschied vom K a t a l y s a t o r , welcher die Lage eines Gleichgewichts n i c h t v e r ä n d e r t , also die Geschwindigkeit der „Hin"- und „Ilück"-Reaktion in gleicher Weise beschleunigt, beeinflußt die T e m p e r a t u r ä n d e r u n g — vgl. Gleichung (9), S. 105 — den G l e i c h g e w i c h t s z u s t a n d (S. 114f.). Daher läßt sich das Mittel der Geschwindigkeitssteigerung durch Temperaturerhöhung immer dann nicht anwenden, wenn es mit einer Verschlechterung der Gleichgewichtslage der erwünschten Reaktion verbunden ist (exotherme Reaktionen; vgl. S. 114f.).

d) Die Verschiebung von Gleichgewichten α) Qualitative Beziehungen Das Prinzip von L E C H A T E L I E R Ein Gas oder ein gelöster Stoff ist nach der allgemeinen Zustandsgieichung p = c • R • Τ (S. 105) durch drei Größen charakterisiert: den D r u c k p die K o n z e n t r a t i o n c und die T e m p e r a t u r T. Dementsprechend kann man ein im chemischen Gleichgewicht befindliches homogenes System durch Veränderung dieser Größen, also durch V e r g r ö ß e r n ( V e r k l e i n e r n ) d e s R e a k t i o n s d r u c k s , durch V e r g r ö ß e r n ( V e r k l e i n e r n ) d e r K o n z e n t r a t i o n der Reaktionspartner oder durch E r h ö h e n ( E r n i e d r i g e n ) d e r R e a k t i o n s t e m p e r a t u r stören und verschieben. Nach welcher Seite der chemischen Reaktionsgleichung hin die Gleichgewichtsverschiebung bei derartigen äußeren Eingriffen erfolgt, geht qualitativ aus dem im J a h r e 1884 von dem französischen Chemiker H E N R Y L E C H A T E L I E R ( 1 8 5 1 — 1 9 3 6 ) formulierten „Prinzip des kleinsten Zwanges" hervor : Übt man auf ein im Gleichgewicht befindliches System durch Änderung der äußeren Bedingungen einen Zwang aus, so verschiebt sich das Gleichgewicht derart, daß es dem äußeren Zwange ausweicht. Das Gesetz gilt sowohl für p h y s i k a l i s c h e wie für c h e m i s c h e G l e i c h g e w i c h t e . Beispiele ersterer Art sind ζ. B. die V e r ä n d e r u n g d e s S c h m e l z p u n k t e s mit dem Druck und das V e r d a m p f e n e i n e r F l ü s s i g k e i t beim Erwärmen: Übt man auf ein bei 0° im Gleichgewicht befindliches Gemisch von Wasser und Eis einen D r u c k aus, so tritt S c h m e l z e n des Eises ein, weil beim Übergang von Eis in Wasser eine VolumenVerminderung (S.51) erfolgt und so dem äußerenDruck ausgewichen wird. E r h i t z t man ein bei 100° im Gleichgewicht befindliches Gemisch von Wasser und Wasserdampf, so erfolgt V e r d a m p f u n g des Wassers, weil der Übergang von flüssigem in dampfförmiges Wasser W ä r m e v e r b r a u c h t (S. 50) und so dem äußeren Zwang der Wärmezufuhr ausgewichen wird. I n ganz entsprechender Weise lassen sich auch die Verschiebungen voraussehen, welche die Ausübung eines äußeren Zwanges bei c h e m i s c h e n Gleichgewichten zur Folge haben muß. F o l g e r u n g e n des P r i n z i p s von L E C H A T E L I E R Veränderung der Konzentration eines Reaktionspartners. Fügt man zu einem im chemischen Gleichgewicht befindlichen System A+ Β 0 + D n e u e n S t o f f A hinzu, so verschiebt sich das Gleichgewicht nach r e c h t s , da hierdurch dem äußeren Zwang der Konzentrationsvergrößerung von A durch Verbrauch von A ausgewichen wird. Wie weit die Verschiebung geht, ergibt sich aus dem M a s e e n w i r k u n g s g e s e t z , da auch die Stoffkonzentrationen des n e u s i c h e i n s t e l l e n d e n Gleichgewichts natürlich wie vorher der Beziehung °C · CA'

CD

cB

= Äc

Holloman-Wiberg, Anorganische Chemie. 47.—D6. Aull.



114

Die Gruppe der Halogene

genügen müssen. Befanden sich also vorher in der Volumeneinheit a Mole A, b Mole B, c Mole C und d Mole D und erhöhen wir die Konzentration des Stoffs A um a' Mole auf a + a', so wird, wenn wir die bis zur neuen Gleichgewichtseinstellung umgesetzte Molmenge des Stoffs A mit χ bezeichnen, das neue Gleichgewicht durch die Beziehung (c + x) (d + x) (α + α' - χ) (b - χ) ' wiedergegeben, aus der sich χ errechnen läßt. Fügt man also ζ. B. zu einer Säure HA (A = Säurerest) oder einer Base ΒΟΗ (Β = Baserest) : HA H+ + Α" ΒΟΗ B+ + OH" neue Ionen AT (in Form eines Salzes MeA der Säure) bzw. B+ (in Form eines Salzes B X der Base) hinzu, so müssen sich die obigen Gleichgewichte nach links verschieben, so daß die saure (basische) Wirkung der Lösung abnimmt („Abstumpfen" von Säuren und Basen). In gleicher Richtung wie die Vermehrung der K o n z e n t r a t i o n eines Beak· tionspartners auf der einen Seite der Reaktionsgleichung wirkt natürlich die Verminderung der K o n z e n t r a t i o n eines Reaktionspartners auf der anderen Seite (etwa die Entfernung von Wasser aus einem Gleichgewicht durch ein Trockenmittel). Veränderung des Reaktionsdrucks. Übt man auf eine Gasreaktion des Typus A + Β r^zL· C + D einen Druck aus, so erfolgt nach dem Prinzip von L E CHATELIER keine Verschiebung des Gleichgewichts, da die Zahl der Moleküle und damit das Volumen der Reaktionspartner auf beiden Seiten der Reaktionsgleichung gleich ist, also weder durch eine Reaktion von links nach rechts noch durch eine solche von rechts nach links dem Zwang des Drucks ausgewichen werden kann. Besitzen aber ζ. B. die R e a k t i o n s p r o d u k t e ein kleineres Volumen als die Ausgangsstoffe, wie dies ζ. B. bei der Ammoniakbildung aus Wasserstoff und Stickstoff der Fall ist: 3H2 + N2 2NH3, so führt eine Druckerhöhung (Verminderung des Reaktionsraums) zu einer Verschiebung nach r e c h t s und damit zu einer Ausbeuteverbesserung (vgl. S. 224 f.). Vergrößerung des Reaktionsraums (Verminderung des Drucks) ergibt umgekehrt eine Verschiebung des Gleichgewichts nach der Seite mit dem größeren Volumen. So nimmt beispielsweise bei elektrolytischen Dissoziationen des allgemeinen Typus BA -^Zil

B+ +

A-

die Spaltung mit steigender Verdünnung der Lösung (Erniedrigung des osmotischen Drucks) zu. Die q u a n t i t a t i v e Zunahme der Dissoziation folgt wieder aus dem Massenwirkungsgesetz, bei binären Elektrolyten also aus Gleichung (14) — S. 107 —, die direkt die Beziehung zwischen Dissoziationsgrad oc und Volumen ν wiedergibt. Bei k l e i n e n D i s s o z i a t i o n s g r a d e n , bei denen oc gegenüber 1 vern a c h l ä s s i g t werden kann, ist nach (14) der Dissoziationsgrad oc der Wurzel aus dem Volumen ν proportional: α = k ·γν (k = / Κ ) . Verdünnt man demnach die Lösung eines schwachen Elektrolyten aufs v i e r f a c h e , so nimmt der Dissoziationsgrad aufs doppelte zu. Für ν = o o folgt aus (14) H-Wert von 2. Bei abermaliger Neutralisation von 9 0 % der jetzt noch vorhandenen Säuremenge (entsprechend einer Gesamtneutralisation von 99%) nimmt der ^ H -Wert wieder um 1 Einheit zu usw. Ist der />H-Wert 7 erreicht, so liegt nach dem früher Gesagten (S. 115) der Ä q u i v a l e n z p u n k t , d . h . eine — in diesem Falle neutrale — wässerige Lösung des Salzes B + A~ vor. Bei weiterer Zugabe von starker Base ergibt ganz entsprechend jede Vermehrung der gerade vorhandenen Hydroxylionen-konzentration auf das zehnfache eine Abnahme des />0K_Wertes und damit Zunahme des pu- Wertes um 1 Einheit, so daß ein bestimmter Basezusatz nach Überschreiten des Äquivalenzpunktes zuerst eine große und dann eine immer mehr abnehm ende Änderung des fiB-Wertes zur Folge hat. Trägt man alle diese ftn- Werte in Abhängigkeit vom Neutralisationsgrad in ein Koordinatensystem ein, so Θ rhält man die in Fig. 42 mit „starke Säure" und,,starke Base" gekennzeichnete Kurve. Man ersieht daraus, daß der Äquivalenzpunkt durch einen s t e i l e n A b f a l l der Kurve, d. h. eine s p r u n g h a f t e Z u n a h m e des Wertes charakterisiert ist. Diese sprunghafte ^ - Ä n d e r u n g läßt sich in einfachster Weise mit Hilfe eines I n d i k a t o r s (S. 109) erkennen, der in dem betreffenden Gebiet „umschlägt". Die Umschlagsbereiche zweier solcher Indikatoren sind in Fig. 42 mit eingetragen. Will man demnach den unbekannten Gehalt der wässerigen Lösung einer starken Säure ermitteln, so braucht man nur nach Zusatz einer geringen Indikatormenge so lange eine Baselösung bekannter Konzentration („eingestellte Lösung") zufließen zu lassen, bis der zugesetzte Indikator umschlägt. Aus Kubikzentimeter-Anzahl und Konzentration („ Titer") der verbrauchten Base läßt sich dann ohne weiteres der Säuregehalt der in dieser Weise „titrierten" Lösung errechnen („Alkalimetrie"). I n gleicher Weise läßt sich eine ,, Titration' ' von Basen mit Säuren („Acidimetrie") durchführen ; man durchläuft dann in Fig. 42 die Neutralisationskurve von rechts nach links (vgl. untere Abszisse). Titriert man eine s c h w a c h e S ä u r e (z.B. Essigsäure) mit einer s t a r k e n B a s e , so sieht das Kurvenbild etwas anders aus. Denn eine zehntelmolare Lösung einer schwachen Säure mit ζ. B. der Dissoziationskonstante Κ = IO -5 hat ja nicht wie eine starke Säure einen £ H -Wert von 1, sondern gemäß der Beziehung 'ΉΑ

Die Gruppe der Halogene

118

(c H+ = cA~; c H A praktisch = 10 - 1 ) einenp a -Wert von3. DieNeutralisationskurve beginnt damit in Fig. 42 beim Ordinatenpunkt 3. Der weitere Verlauf ergibt sich ebenfalls aus der obigen, zweckmäßig zu cH+ = 1 0 - « . ^

(7)

umgeformten Beziehung (6), indem man für das Verhältnis c H A /c A - die dem gerade vorliegenden Neutralisationsgrad entsprechenden Werte einsetzt. So ist für c H A /c A - = 10 (9°/ 0 ige Neutralisation) cH+ = 10 - 4 (pu = 4), für cKA/cA- — 1 (50°/oige Neutralisation) c H + = IO"5 (pn = 5), für c H A /c A - = V 10 (91%ige Neutralisation) c H + = 1 0 ^ (p3 = 6) usw. (vgl. S. i08f.). D e r Ä q u i v a l e n z p u n k t liegt bei pj¡ — 9 (S. 116). Bei weiterer Zugabe von starker Base mündet die NeuAfuma/erapunkf tralisationskurve der schwachen Säure in die mit „starke Base" bezeichnete Kurve ein (Fig. 42). Wie aus dem Kurvenbild („schwache Säure", „starke Base") hervorgeht, läßt sich von den beiden in Fig. 42 angeführten Indikatoren in diesem Falle nur das P h e n o l p h t h a l e i n zur Erkennimg des Äquivalenzpunktes verwenden; denn das +-Neutra/ptm/rt M e t h y l r o t würde schon lange v o r d e m I Ä q u i v a l e n z p u n k t umzuschlagen beginnen. Umgekehrt ist bei der Titration einer s c h w a c h e n B a s e (Κ = IO -6 ) m i t einer s t a r k e n S ä u r e (Kurvenbild,, starke Säure", „schwache Base") zur Erkennung des Äquivalenzpunktes —¿>H == 5 (S. 116) • ... , . . . — nur das M e t h y l r o t , nicht aber das o so ΊΟ so so too «υ no ιεο feo zoo% zugesetzte Base P h e n o l p h t h a l e i n zu gebrauchen. Und ¡00 m >60 no oo 100 ao 60 *o to o % zugesetzte Säure·* die Titration einer s c h w a c h e n S ä u r e ( K = 10 -5 ) mit einer s c h w a c h e n B a s e Fig. 42. Neutralisationskurven starker und ( K = 10- 5 ) läßt sich (vgl. Kurvenbild schwacher Säuren und Basen „schwache Säure", „schwache Base") mit k e i n e m der beiden angeführten Indikatoren durchführen und ist zudem nicht empfehlenswert, weil der ρ π - S p r u n g beim Äquivalenzpunkt {pu = 7) nur k l e i n und w e n i g a u s g e p r ä g t (undeutlicher Indikatorumschlag) ist.

¡liliΛlililí lllil

Bei s t a r k e n , d. h. vollkommen in Ionen dissoziierten S ä u r e n stimmt die durch T i t r a t i o n ermittelte Säurekonzentration mit der w i r k l i c h v o r h a n d e n e n Wasserstoffionen-konzentration numerisch überein. Bei s c h w a c h e n Säuren dagegen ist die durch T i t r a t i o n gefundene Säurekonzentration selbstverständlich weit g r ö ß e r als die v o r h a n d e n e Konzentration f r e i e r Wasserstoff-ionen. Man unterscheidet hier daher zwischen einer „potentiellen" und einer „aktuellen" Wasserstoffionen-konzentration. Die erstere findet man bei der T i t r a t i o n , die letztere mit Hilfe von I n d i k a t o r e n u n d V e r g l e i c h s l ö s u n g e n b e k a n n t e n - W e r t e s (S. 109) oder auf p o t e n t i o · m e t r i s c h e m Wege (S. 172).

e) Heterogene Gleichgewichte Alle bisher behandelten chemischen Gleichgewichte bezogen sich auf h o m o g e n e , d. h. aus einer einzigen Phase (Gasphase, Lösungsphase) bestehende Systeme. Liegen h e t e r o g e n e , d. h. aus mehreren Phasen bestehende Systeme vor (ζ. B. Gas und fester

Das chemische Gleichgewicht

119

Stoff, Lösung und fester Stoff), so läßt sich das MassenWirkungsgesetz nicht unmittelbar anwenden, da dieses unter der Voraussetzung frei und ungeordnet im Reaktionsraum herum schwirrender Moleküle abgeleitet wurde (S. 101). Man kann sich hier aber so helfen, daß man die Reaktion als nur in e i n e r Phase verlaufend betrachtet α) Fest-gasförmige Systeme Als Beispiel wollen wir die schon früher (S. 38) erwähnte Umsetzung von Eisen und Wasserdampf zu Eisenoxid und Wasserstoff heranziehen: Fe + H 2 0 ^=±1 FeO + H2, (8) die im geschlossenen Reaktionsgefäß zu einem Gleichgewichtszustand führt. Als fester Stoff hat Eisen bei gegebener Temperatur einen konstanten S ä t t i g u n g s d r u c k pFt. (S. 51 ff.). Der Druck ist zwar wegen seiner Kleinheit nicht direkt meßbar, besitzt aber einen bestimmten e n d l i c h e n W e r t . Das Eisen wird daher im Reaktionsgefäß (vgl. Fig. 43) bis zur Erreichung des Wertes p¡¡e verdampfen. Im Gasraum findet dann gemäß (8) die Umsetzung zwischen Eisen- und Wassermolekülen statt. Der dabei gebildete Eisenoxiddampf scheidet sich wegen des außerordentlich kleinen Sättigungsdruckes von festem Eisenoxid sofort in fester Form ab, bis der Druck auf diesen S ä t t i g u n g s d r u c k pFeo gesunken ist. Umgekehrt verdampft das Eisen in dem 0 Moleküle Fe Maße, in dem es durch die Reaktion verbraucht wird, · Moleküle Hß immer wieder nach, so daß auch sein Druck im GasFig. 43. räum dauernd k o n s t a n t bleibt, solange noch fester Heterogener Reaktionsraum Bodenkörper vorhanden ist. Im Gleichgewichtszustand gilt für den Gasraum das MassenWirkungsgesetz : Î W P H ,

=

Ä

„ P

.

Í>FC-PH,0

Da pFe und pFe0, wie eben abgeleitet, k o n s t a n t e Größen sind, können sie mit der Konstante Kp zu einer neuen K o n s t a n t e K't (K'p = Kp • pFe/pFco) zusammengefaßt werden: Ρη,Ο Die betrachtete Reaktion kommt danach bei gegebener Temperatur dann zum Stillstand, wenn das Verhältnis der Drucke von Wasserstoff und Wasserdampf einen bestimmten konstanten Wert K'p erreicht hat. Solange das Druckverhältnis Ρτι,/Ρπ,ο kleiner als Kp ist, findet die Reaktion (8) in der Richtung von links nach rechts, im anderen Falle von rechts nach links statt. Arbeitet man nicht in g e s c h l o s s e n e m G e f ä ß , sondern leitet man Wasserdampf durch ein mit Eisenpulver gefülltes erhitztes offenes Rohr, so erfolgt q u a n t i t a t i v e Reaktion von links nach rechts, da dann der Wasserstoff e n t w e i c h t und deshalb den für die Einstellung des Gleichgewichts erforderlichen Druck nicht erreichen kann. Das hier Abgeleitete gilt ganz allgemein : Beteiligen sich an einem chemischen Gleichgewicht feste Stoffe, so können deren Drucke oder Konzentrationen bei der Aufstellung der Massenwirkungsgleichung unberücksichtigt bleiben. E n t w ä s s e r t man also ζ. B. bei konstanter Temperatur ein k r i s t a l l w a s s e r h a l t i g e s Salz {„Hydrat") wie Kupfersulfat CuS0 4 · 5 H 2 0 — das zuerst 2, dann nochmals 2 und schließlich das letzte Wassermolekül abgibt — :

120

Die Gruppe der Halogene CuS0 4 • 5 H 2 0 ^ r h CuS0 4 · 3 H 2 0 + 2HjO CuS0 4 · 3 H 2 0 — >- CuS0 4 · I H J O + 2 H 2 0 CuS0 4 · 1 H 2 0 — » - CuS0 4 + H 2 O,

ξ

BO gilt für den G l e i c h g e w i c h t s z u s t a n d in allen drei Fällen die einfache Beziehung Ρη,Ο = ' < wobei K' (und damit der W a s s e r d a m p f d r u c k -pB.fi) für fyo jede der drei Teilreaktionen einen charakteristischen kons t a n t e n Wert besitzt (bei 50°: 45 bzw. 30 bzw. 4.5 mm). s 3 ζ 1 o ΜοΙΗζΰ/ΜοΙ CuSOy Saugt man daher bei 50° über dem Kupfersulfat-Hydrat den Wasserdampf ab, so erhält man beim Auftragen der Fig. 44. Drnckänderung bei der Wasserdampfdrucke gegen die Zusammensetzung des isothermen Entwässerung Hydrats eine charakteristische T r e p p e n k u r v e (Fig. 44), (50») von CuS0 4 · 5 H 2 0 aus der man — hier wie in anderen Fällen — die bei der Entwässerung auftretenden Z w i s c h e n h y d r a t e direkt entnehmen kann. K

ß) Fest-flüssige Systeme Unter den Anwendungen auf heterogene Systeme aus L ö s u n g e n und festen Stoffen seien hier die Reaktionen herausgegriffen, bei denen in wässeriger Lösung Ionen zu neutralen Molekülen zusammentreten: B+ + Δ" BA. Für diese gilt (vgl. S. 107) die Gleichgewichtsbedingung BA

Erhöht man durch Zugabe von B + oder von A~ und durch die hierdurch bedingte Gleichgewichtsverschiebung nach rechts die Konzentration von BA so weit, daß die L ö s l i c h k e i t von BA erreicht wird, so f ä l l t BA als fester Stoff aus. Jetzt ist seine Konzentration cBA n i c h t m e h r v a r i a b e l , sondern gleich dem konstanten Wert der L ö s l i c h k e i t . Man kann daher cnA — wie vorher pye und pyeo — mit der Gleichgewichtskonstante Kc zu einer n e u e n K o n s t a n t e L (L = Kc • c1!A) zusammenziehen: _ T C

B+ ' C A

>

die man als „Löslichkeitsprodukt" des Stoffes BA bezeichnet, weil das P r o d u k t der Ionenkonzentrationen c B+ und c A - diesen Wert überschreiten muß, damit dieLösliohkeit der Verbindung BA erreicht ist und diese daher ausfällt.

4. Sauerstoffverbindungen d e r Halogene a) Sauerstoffsäuren des Chlors α) Übereicht and Nomenklatur Man kennt vier S a u e r s t o f f s ä u r e n des Chlors. Sie haben die allgemeine Zusammensetzung HC10n, wobei η die Werte 1, 2, 3 und 4 annehmen kann : Säuren Formel HCIO HClOj HCIO3 HC104

Salze Name

Hypochlorige Säure Chlorige Säure Chlorsäure Perohlorsäure

Formel

Name

MeCIO MeClOg MeC103 MeC104

Hypochlorite Chlorite Chlorate Perchlorate

Sauerstoffverbindungen der Halogene

121

I n analoger W e i s e bilden auch a n d e r e N i c h t m e t a l l e solche S a u e r s t o f f s ä u r e n . So kennt m a n ζ. B . v o m S c h w e f e l eine R e i h e v o n Säuren des T y p u s H 2 S O n (n = 2, 3 , 4 u n d 5) u n d v o m P h o s p h o r eine R e i h e v o n Säuren des T y p u s H 3 P O n (n = 2 , 3 , 4 und 5). Für die Bezeichnung derartiger Sauerstoffsäuren und ihrer Salze gelten folgende Regeln : Der Name der w i c h t i g s t e n Säure eines Elements (beim Phosphor: H 3 P 0 4 , beim Schwefel: H 8 S 0 4 , beim Chlor: IIC10 3 ) wird durch Anhängen der Endung „-säure" an den Namen des säurebildenden Elements gebildet („Phosphorsäure", „Schwefelsäure", „Chlorsäure"). Die um 1 S a u e r s t o f f a t o m j e M o l e k ü l ä r m e r e n Säuren werden durch die Endsilbe „-ige" („Phosphorige Säure", „Schweflige Säure", „Chlorige Säure"), die um 2 S a u e r s t o f f a t o m e j e M o l e k ü l ä r m e r e n Säuren darüber hinaus durch die Vorsilbe „Hypo-" („Hypophosphorige Säure", „Hyposchweflige Säure"1, „Hypochlorige Säure") gekennzeichnet. Dagegen erhalten die u m 1 S a u e r s t o f f a t o m j e M o l e k ü l r e i c h e r e n Säuren die Vorsilbe „Per-" bzw. ,,Peroxo-" (vgl. S. 203) („Peroxophosphorsäure", ,.Peroxoschwefelsäure", „Perchlorsäure"). Die Salze der einzelnen Säuren werden in ähnlicher Weise durch End- und Vorsilben voneinander unterschieden. Und zwar bezeichnet die Endung ,,-al" die Salze der A u s g a n g s s ä u r e („Phosphat", „Sulfat"2, „Chlorat"). Die sauerstoff ä r m e r e n Salze erhalten die Endung ,,-it" („Phosphit", „Sulfit", „Chlorit") bzw. darüber hinaus die Vorsilbe „Hypo-" („Hypophosphit", „Ilyposulfit"1, „Hypochlorit"), die s a u e r s t o f f r e i c h e r e n die Vorsilbe „Per-" bzw. „Peroxo-" (vgl. S. 203) („Peroxophosphat", „Peroxosulfat", „Perchlorat"). Die sauers t o f f f r e i e n (n = 0) Salze (Me 3 P, MeaS, MeCl) werden durch die Endsilbe ,,-id" bezeichnet („Phosphid", „Sulfid", „Chlorid"). Eine noch einfachere Nomenklatur der Sauerstoffsäuren und ihrer Salze gründet sich auf den später (S. 169f.) zu erörternden Begriff der O x y d a t i o n s s t u f e (Wertigkeit) des säurebildenden Zentralatoms, indem man diese als römische Zahl dem Elementnamen in Klammern beifügt und die S ä u r e n durch Anhängen der Endung „-säure", die S a l z e durch Anhängen der Endung ,,-at" zum Ausdruck bringt; z.B. Chlor ( I ) säure (HCIO), Chlor(III)säure (HC10 2 ), Chlor(V)säure (HC10 3 ), Chlor (VII) säure (HC10 4 ); Natriumchlorat(V) (NaC10 3 ), Natriumsulfat (IV) (Na s SO s ), Natriumphosphai(III) (Na 3 P0 3 ). Darüber hinaus kann man die Nomenklatur der Sauerstoffsäuren dadurch noch eindeutiger gestalten, daß man (unter Verwendung der griechischen Zahlworte) die Zahl der Sauerstoffatome („oxo") des Moleküls dem Elementnamen voranstellt (vgl. S. 160f.); z . B . : Dioxophosphor(I)säure (H 3 PO a ); Kalium-tetroxochlorat (V11) (KC10 4 ). ß ) Hypochlorige Säure Darstellung L e i t e t m a n C h l o r in W a s s e r ein, so bildet sich bis z u einem b e s t i m m t e n Gleichgewicht S a l z s ä u r e u n d hypochlorige (unterchlorige) Säure: Cl2 + H Ö H HCl + HOC1. (1) D a s Gleichgewicht h e g t — falls nicht sehr v e r d ü n n t e Lösungen vorliegen — ganz auf der l i n k e n S e i t e („Chlorwasser" ; S. 82), da Salzsäure u n d hypochlorige Säure umgekehrt ein großes B e s t r e b e n haben, sich unter B i l d u n g v o n Chlor u m z u s e t z e n (vgl. S. 81). Will m a n das Gleichgewicht (1) n a c h r e c h t s verschieben, so fängt m a n zweckm ä ß i g die i m Gleichgewicht befindliche Salzsäure m i t Q u e c k s i l b e r o x i d (HgO) als unlösliches Q u e c k s i l b e r o x i d c h l o r i d (HgO · HgCl 2 ) a b : 2 H g O + 2 H C 1 — H g O · H g C l 2 + H 2 0 . Als Gesamtgleichung ergibt sich d a m i t die Gleichung 2Clj + 2 HgO + H 2 0 —>- HgO · HgCl 2 + 2HOC1, g e m ä ß der m a n C h l o r in eine A u f s c h l ä m m u n g v o n Q u e c k s i l b e r o x i d in W a s s e r einleitet. A u f diese Weise k a n n m a n ziemlich konzentrierte Lösungen der hypochlorigen Säure gewinnen. B e n u t z t m a n s t a r k e B a s e n zur Verschiebung des Gleichgewichtes (1), leitet man also Chlor z. B . in N a t r o n l a u g e oder K a l k m i l c h ein, so wird nicht nur die starke S a l z s ä u r e , sondern a u c h die schwache h y p o c h l o r i g e S ä u r e neutralisiert : Cl2 + 2 N a O H NaCl + NaOCl + H 2 0 , (2) Cl2 + Ca(OH) 2 — > - CaCl(OCl) + H 2 0 . (3) D i e s ist die Methode zur Darstellung v o n S a l z e n der hypochlorigen Säure (s. S. 123). 1

Vgl. Anm. 1, S. 213.

2

sulfur = Schwefel.

Die Gruppe der Halogene

122

Eigenschaften Die hypochlorite Säure ist n u r i n F o r m w ä s s e r i g e r L ö s u n g e n , nicht aber in wasserfreiem Zustande bekannt. Versucht man die Lösung zu entwässern, so geht die Säure in das Oxid C120 (Dichloroxid, „Chlormonoxid" ; S. 126) über: 2H0C1^I±:C1 2 0 + H a 0 . Umgekehrt entsteht beim Einleiten von Dichloroxid-Gas in Wasser wieder hypochlorige Säure. Die Reaktion ist also umkehrbar. Auch in der Lösung befinden sich dabei merkliche Mengen Dichloroxid mit hypochloriger Säure im Gleichgewicht, so daß man z.B. durch Ausschütteln mit Tetrachlorkohlenstoff oder durch Durchleiten eines Luftstroms Dichloroxid aus der Lösung abtrennen kann. Oxide, welche sich — wie das Dichloroxid — mit Wasser zu einer Säure verbinden können bzw. durch Wasserentzug aus letzterer wieder entstehen, heißen „Säure-anhydride". Dichloroxid ist also das Anhydrid der hypochlorigen Säure. Die verdünnten wässerigen Lösungen der hypochlorigen Säure sind farblos, die konzentrierten gelb. Sie besitzen einen eigentümlichen, von dem des Chlors deutlich verschiedenen Geruch und z e r s e t z e n s i c h — langsam im Dunkeln, schneller im diffusen Tageslicht, sehr rasch im Sonnenlicht — hauptsächlich nach der Gleichung 2HC10 —>- 2 HCl + 0 2 unter Bildung von S a l z s ä u r e und S a u e r s t o f f . Daneben wird etwas Chlorsäure gebildet, indem der bei der Zersetzung gebildete Sauerstoff in statu nascendi (HCIO —> HCl + 0) auf noch unzersetzte hypochlorige Säure einwirkt (HCIO + 2 0 —> HC103). Wegen der großen Neigung zur Sauerstoffabgabe gehört die hypochlorige Säure zu den s t ä r k s t e n O x y d a t i o n s m i t t e l n . So bleicht sie ζ. B. augenblicklich L a c k m u s p a p i e r oder I n d i g o l ö s u n g (oxydative Zerstörung des Lackmus- und Indigo-Farbstoffs), macht aus J o d w a s s e r s t o f f Jod frei ( 2 H J + 0 —ν H 2 0 + J 2 ), oxydiert K o h l e n d i s u l f i d zu Kohlensäure und Schwefelsäure (CS2—>• C 0 2 + 2S0 3 ) und führt M e t a l l s u l f i d e in Sulfate über (MeS MeS0 4 ). Die früher schon beschriebene bleichende und desinfizierende Wirkung von f e u c h t e m C h l o r (S. 84) ist ebenfalls auf die oxydierende Wirkung intermediär nach (1) gebildeter hypochloriger Säure zurückzuführen. Ebenso beruht der fortschreitende Zerfall von C h l o r w a s s e r in Salzsäure und Sauerstoff am Licht (S. 83f.) auf dem Zerfall der im Gleichgewicht befindlichen hypochlorigen Säure, indem sich das so gestörte Gleichgewicht immer wieder neu einstellt. Salze Die hypochlorige CTI

+

Säure ist eine s e h r s c h w a c h e S ä u r e ; ihre Dissoziations· *

konstante Κ = e

beträgt bei 25° 1 χ IO -8 . Dementsprechend hydrolysieren

H0Cl

ihre Salze, die Hypochlorite, leicht unter Bildung von freier hypochloriger Säure: o c r + H0H^I±:H0C1 + OH", so daß auch die Hypochlorite in wässeriger Lösung (dagegen nicht in alkalischer Lösung) s t a r k e O x y d a t i o n s m i t t e l sind. Daher dienen Hypochloritlösungen vielfach als B l e i c h l ö s u n g e n (ζ. B. für Zellstoff, Papier, Textilien) und als D e s i n f e k t i o n s m i t t e l . Erwähnt seien hier die schon seit 1792 fabrikmäßig hergestellten K a l i u m h y p o c h l o r i t - l ö s u n g e n („Eau de Javelle"), die seit 1820 gewonnenen N a t r i u m h y p o c h l o r i t - l ö s u n g e n („Eau de Labarraque"), sowie vor allem der technisch in großen Mengen erzeugte C h l o r k a l k .

Sauerstoffverbindungen der Halogene Natriumhypochlorit. N a t r i u m h y p o c h l o r i t -lösungen werden technisch Einwirkung von C h l o r auf N a t r o n l a u g e gewonnen (s. S. 121) : Cl2 + 2NaOH

NaCl + NaOCl + H 2 0 .

123 durch (2)

Da bei der Chloralkali-Elektrolyse (S. 82) Chlor und Alkalilauge gerade in dem für die Hypochloritbildung erforderlichen Mengenverhältnis entstehen (2NaCl + 2 H Ö H Kiektroiyae ^ ^ + 2 N a O H + H 2 ), verbindet man zweckmäßig die Hypochloritgewinnung mit der Chloralkali-Elektrolyse, indem man das anodisch entwickelte C h l o r gleich auf die kathodisch gebildete N a t r o n l a u g e einwirken läßt (vgl. S. 424). Beim Abkühlen der Lösung auf —10° werden farblose Kristalle abgeschieden, denen die Formel NaOCl · 6 H 2 0 zukommt. Chlorkalk. Verwendet man zur Umsetzung mit Chlor statt der e i n s ä u r i g e n Base NaOH die z w e i s ä u r i g e Base Ca(OH) 2 , so entsteht statt des Gemisches von Natriumchlorid und Natriumhypochlorit (2) ein g e m i s c h t e s C a l c i u m s a l z der Salz- und hypochlorigen Säure (Calcium-hypochlorit-chlorid) : Cl2 + Ca( OH)¡ >- CaCl( OC1) + H 2 0 . (3) Es bildet den wesentlichen Bestandteil des technischen Chlorkalks. Der Chlorkalk war früher die einzige Form, in welcher die chlorerzeugende Industrie ihr Produkt in den Handel brachte. Durch Einführung des flüssigen Chlors ist seine Bedeutung stark zurückgegangen; er wird aber immer noch in erheblichen Mengen hergestellt. Die Darstellung erfolgt so, daß man möglichst reinen, gut gebrannten, vorsichtig abgelöschten und dann gesiebten Kalk, Ca(OH)j, in „Chlorkalkkammem", die im Prinzip einem Kiesröstofen (S. 206) weitgehend gleichen, von oben her einem von unten kommenden Chlorstrom entgegenführt, so daß die Sättigung im Gegenstrom erfolgt. Die auftretende Reaktionswärme muß durch Kühlung weitgehend beseitigt werden, da bei erhöhter Temperatur das Hypochlorit in Chlorat (S. 124) übergeht. Der t e c h n i s c h e Chlorkalk ist kein reines CaOCl2, sondern in der Hauptsache eine Verbindung der Formel 3CaOCl2 · Ca(OH) 2 · 6H a O. Der Handelswert des Produkts richtet sioh nach dem Prozentgehalt an „bleichendem" oder „wirksamem," Chlor. Unter diesem versteht man die bei der Umsetzung des Chlorkalks mit S a l z s ä u r e frei werdende Menge Chlor: CaCljO + 2 HCl

CaCl2 + H 2 0 + Cl2,

ausgedrückt in G e w i c h t s p r o z e n t e n des Chlorkalks. Die Verbindung 3CaOCl2 · Ca(OH)2 · 6 H 2 0 wäre danach 39%ig; die Handelsprodukte enthalten etwas weniger — 35 bis 36% — wirksames Chlor. Auch das reine Calciumhypochlorit Ca(OCl)2 wird technisch hergestellt („Losantin", „Caporit"). E s hat gegenüber dem Chlorkalk den Vorteil eines größeren Gehaltes (theoretisch 99°/ 0 ; praktisch 70—80%) an wirksamem (s. oben) Chlor. γ ) Chlorige Säure In gleicher Weise, wie sich Chlor beim Einleiten in Wasser unter Bildung einer niederen und einer höheren Oxydationsstufe disproportioniert, d i s p r o p o r t i o n i e r t sich auch das in seiner Oxydationsstufe höher stehende C h l o r d i o x i d C102 beim Einleiten in Wasser unter Bildung einer sauerstoffärmeren und sauerstoffreicheren Verbindung: 2C10 t + HÖH

HC102 + HCIO,.

(4)

Die dabei entstehende chlorige Säure HC102 (K = 1.07 X 10—2) zersetzt sich aber sehr schnei] (vgl. S. 127). Beständiger sind in Lösung ihre Salze, die Chlorite, die man neben Chloraten erhält, wenn man statt Wasser A l k a l i l a u g e verwendet, d. h. das Gleichgewicht (4) durch Abfangen von chloriger Säure und Chlorsäure nach rechts verschiebt: 2C102 + 2 NaOH — N a C 1 0 2 + NaC103 + H 2 0 . F r e i von C h l o r a t e n erhält man die Chlorite bei gleichzeitiger Zugabe von W a s s e r s t o f f p e r o x i d (H 2 0 2 ), welches die Chlorate zu C h l o r i t e n reduziert (vgl. S. 127): NaC10s + H 2 0 2 — N a C l O j + H20 + 02.

124

Die Gruppe der Halogene

Die Lösungen der Chlorite wirken s t a r k o x y d i e r e n d . Dampft man die Natriumchloritlösungen ein, so erhält man ein festes weißes, 9 0 - 9 5 ° / 0 Na(J102 enthaltendes Salz. Dieses kommt — zur Erhöhung der Handhnbungssicherheit mit einem W a s s e r g e h a l t von 10—15°/ 0 — für B l e i c h z w e c k e in den Handel, da das beim Versetzen von Natriumchloritlösungen mit Säuren freiwerdende Chlordioxid (S. 216) Textilien f a s e r s c h o n e n d bleicht. Mit o x y d i e r b a r e n Stoffen wie organischen Substanzen, Kohle-, Schwefel- oder Metallpulver bildet festes Natriumchlorit wie Chlorat e x p l o s i b l e Gemische. Besonders charakteristisch für die chlorige Säure ist das gelbe S i l b e r s a l z AgC10a und das gelbe B l e i s a l z Pb(C10 2 ) 2 , die sehr schwer löslich sind und sich beim Erwärmen oder durch Schlag unter Explosion zersetzen, während das feste reine N a t r i u m c h l o r i t beim Erhitzen (auf über 200°) unter Umständen eine stürmische, aber k e i n e e x p l o s i v e Zersetzung erleidet.

δ) Chlorsäure Darstellung Zur Darstellung der Chlorsäure geht man gewöhnlieh von ihren Salzen, den Chloraten, aus. Diese entstehen leicht bei der Einwirkung von h y p o c h l o r i g e r S ä u r e auf H y p o c h l o r i t e : 2HC10 + NaCIO—>- 2HCl + NaC10 3 ,

(5)

indem hierbei die hypochlorige Säure ihr eigenes Salz zur Stufe des Chlorats oxydiert und dabei selbst in Salzsäure übergeht (Disproportionierung). Man braucht zu diesem Zwecke Hypochloritlösungen nur w e n i g a n z u s ä u e r n (NaCIO + HCl—>- HCIO + NaCl), da bei der Reaktion (5) immer weder Salzsäure nachgebildet wird, welche neue hypochlorige Säure in Freiheit setzt. Die zur Oxydation des Hypochlorits erforderliche freie hypochlorige Säure kann auch durch Ü b e r s ä t t i g e n der Hypochloritlösung mit C h l o r (Cla + HÖH HCl + HOC1) oder durch E r w ä r m e n der Hypochloritlösungen (Verstärkung der endothermen Hydrolyse nach NaCIO + HÖH ^ n ï : NaOH + HCIO) erzeugt werden. So gewinnt man ζ. B. in der Technik Natrium chlorat durch Elektrolyse einer h e i ß e n Kochsalzlösung und Kali um chlorat durch Einleiten von Chlor in h e i ß e Kalkmilch und anschließende Umsetzung des gebildeten Calciumchlorats mit Kaliumchlorid: Ca(C103)2 + 2KC1 — ν 2KC103 + CaCl2. Für die Gewinnung der f r e i e n C h l o r s ä u r e ist die Umsetzung von B a r i u m c h l o r a t mit S c h w e f e l s ä u r e zweckmäßig, da das dabei neben Chlorsäure entstehende B a r i u m s u l f a t (BaS0 4 ) schwerlöslich ist und daher leicht durch Abfiltrieren abgetrennt werden kann: Ba(C10 3 ) 2 + H 2 S 0 4

>- 2HCIO3 + B a S 0 4 .

Die farblose Lösung kann im Vakuum über konzentrierter Schwefelsäure als wasserentziehendem Mittel bis zu einem Gehalt von 4 0 % Chlorsäure eingedunstet werden, ohne daß sich die Säure zersetzt. Konzentriert man darüber hinaus, so tritt unter Bildung von Sauerstoff, Chlor und Perchlorsäure Zersetzung ein. Eigenschaften

Konzentrierte Chlorsäure ist ein s e h r k r ä f t i g e s O x y d a t i o n s m i t t e l . Tränkt man z.B. F i l t r i e r p a p i e r mit einer 40%igen wässerigen Chlorsäurelösung und läßt es an der Luft liegen, so entzündet es sich bald von selbst. J o d wird zu Jodsäure ( J 2 + 5 O —>- J 2 0 6 ), S a l z s ä u r e zu Chlor (2HC1 + O —>- H 2 0 + Cl2), S c h w e f e l zu Schwefelsäure (S + 3 0 —>- S0 3 ) oxydiert; ein in die konzentrierte Lösung eingetauchter H o l z s p a n entzündet sich; farbloser P h o s p h o r verbrennt mit heller Lichterscheinung unter der Lösung. Besonders stark oxydierend wirkt eine Mischung von konzentrierter C h l o r s ä u r e und rauchender S a l z s ä u r e („Euchlorin") ; man benutzt sie z . B . zum Zerstören organischer Stoffe bei der Prüfung auf anorganische Bestandteile. In stärkerer Verdünnung ist die Chlorsäure verhältnismäßig beständig und als starke, einbasige Säure praktisch vollkommen dissoziiert.

Sauerstoffverbindungen der Halogene

125

Salze Die besonders wichtigen A l k a l i c h l o r a t e sind farblos, in Wasser löslieh und in festein Zustande bei gewöhnlicher Temperatur haltbar. Ihre L ö s u n g e n wirken weniger s t a r k o x y d i e r e n d als die der Hypochlorite. F e s t e Gemische von Chlorat und oxydierbaren Substanzen (ζ. B. Phosphor, Schwefel, organischen Verbindungen) e x p l o d i e r e n schon beim Verreiben im Mörser; daher muß man beim Arbeiten mit Chloraten stets g r ö ß t e V o r s i c h t walten lassen. Kaliumchlorat wird in großen Mengen für Oxydationszwecke, zur Herstellung der Zündmasse von Zündhölzern (S. 257), sowie in der Feuerwerkerei und Sprengstoffindustrie gebraucht. Auch findet es in der Medizin als Antiseptikum in Form von Gurgel- und Mundwässern Verwendung, wobei man allerdings beachten muß, daß es in größeren Mengen ( > 1 g) wie alle Chlorate giftig ist. Ν atriumchlor at wird als Oxydationsmittel, als Ausgangsmaterial für die Gewinnung von Perchloraten und zur Unkrautbekämpfung verwendet. e) Perchlorsäure Darstellung. Erhitzt man Chlorate, ζ. Β. Kaliumchlorat, auf höhere Temperatur, so d i s p r o p o r t i o n i e r e n sie sich unter Bildung von Chlorid und Perchlorat: 4KC103

>- KCl -f 3 KC104,

indem ein Molekül Chlorat unter Übergang in Chlorid (KC10 3 — K C l + 3 0 ) drei andere Moleküle Chlorat zu Perchlorat oxydiert (3KC10 a + 3 0 —>- 3KC10 4 ). Bei noch stärkerem Erhitzen zerfällt das gebildete Perchlorat weiter in Chlorid und Sauerstoff (KC10 4 —>- KCl + 2 0 2 ; vgl. S. 35). Läßt man auf so gewonnenes Perchlorat konzentrierte Schwefelsäure einwirken, so wird die Perchlorsäure in Freiheit gesetzt: KC104 + H 2 S0 4 — ^ KHS0 4 + HC104, die sich im Vakuum bei vorsichtigem Erwärmen des Reaktionsgemisches unzersetzt abdestillieren läßt. Eigenschaften. Die r e i n e P e r Chlorsäure ist eine farblose, bewegliche, an der Luft rauchende, bei—112° erstarrende Flüssigkeit vom spezifischen Gewicht 1.764 (bei 22°). Beim Erwärmen färbt sie sich unter Zersetzung braunrot und zerfällt schließlich unter E x p l o s i o n . Auch bei gewöhnlicher Temperatur geht die Zersetzung langsam vor sich, wobei bisweilen ohne erkennbaren äußeren Anlaß Explosion eintreten kann. Infolge der starken O x y d a t i o n s w i r k u n g werden brennbare Substanzen wie Holz, Holzkohle, Papier, organische Verbindungen explosionsartig unter heftiger Detonation oxydiert. Auf der Haut erzeugt Perchlorsäure schmerzhafte und schwer heilende Wunden. I n v e r d ü n n t e m Z u s t a n d e ist die Perchlorsäure wesentlich beständiger und von weit g e r i n g e r e m Oxydationsvermögen als die Chlorsäure. So kann ζ. B. die verdünnte wässerige Lösung mit Salzsäure schwach erwärmt werden, ohne daß Chlor entwickelt wird; schweflige Säure wird nicht zu Schwefelsäure oxydiert. Zum Unterschied von der wasserfreien Verbindung sind die konzentrierten wässerigen Lösungen der Perchlorsäure von ö l i g e r Konsistenz, ähnlich der konzentrierten Schwefelsäure. Die 72°/(>ige Lösung siedet weitgehend unzersetzt bei einem konstanten Siedepunkt von etwa 203°. Unter den Hydraten ist das kristallisierte M o n o h y d r a t HC10 4 · H 2 0 erwähnenswert, das bei 50° schmilzt und die Konstitution eines O x o n i u m p e r c h l o r a t s H 3 0[C10 4 ] (vgl. S. 437) besitzt. Salze. Die Perchlorsäure gehört zu den s t ä r k s t e n S ä u r e n , die es gibt. Ihre Salze, die Perchlorate, sind die beständigsten Sauerstoffsalze des Chlors. Die meisten

126

Die Gruppe der Halogene

von ihnen sind in Wasser sehr leicht löslich. Ziemlich schwerlöslich sind in kaltem Wasser K a l i u m - , R u b i d i u m - und C a e s i u m p e r c h l o r a t . Die Kaliumverbindung wird daher vielfach zur quantitativen Bestimmung von Kalium benutzt. In der Natur kommt Kaliumperchlorat zuweilen in geringen Mengen im rohen Chilesalpeter (S. 426f.) vor; da es ein starkes Pflanzengift ist, ist solcher Chilesalpeter — falls das Kaliumperchlorat vorher nicht entfernt wird — zum Düngen mancher Kulturpflanzen untauglich.

b) Oxide des Chlors Von den theoretisch denkbaren Anhydriden der vier Sauerstoffsäuren des Chlors (C120, C1 2 0 3 , C1 2 0 6 , C1 2 0 7 ) ist nur das Dichloroxid C120 (Anhydrid der hypochlorigen Säure: 2 HCIO — > H 2 0 + C120) und das Dichlorheptoxid C1207 (Anhydrid der Perchlorsäure : 2 HC104 H 2 0 + C1207) bekannt. Dagegen kennt man noch zwei gemischte Anhydride, nämlich das Anhydrid der chlorigen und Chlorsäure (Chlordioxid) C102 (HC102 + HCIO3 z^zb. H 2 0 + 2 C102) und das Anhydrid der Chlorsäure und PerChlorsäure (Dichlorhexoxid) Cl2Oe (HC103 + HC1Q4 — ΤΤ..0 + α 2 Ο β ), während das theoretisch ebenfalls noch mögliche gemischte Anhydrid der hypochlorigen und chlorigen Säure, CIO bzw. Cl2Oa (HCIO + HC10 2 H 2 0 + 2 CIO), nicht existiert. α) Dichloroxid Darstellung. Leitet man Chlor nicht in eine Aufschlämmung von Quecksilberoxid in W a s s e r (2 Cl2 + HgO + H 2 0 — > HgCl 2 + 2H0C1 S. 121), sondern über feuchtes Quecksilberoxid bei 0°, so erhält man statt der hypochlorigen Säure HOCl ihr Anhydrid C120 : 2 Cl2 + HgO — H g C l

2

+

C1 2 0.

Eigenschaften. E s ist ein gelbbraunes, unangenehm riechendes Gas, welches sich bei 3.8° zu einer rotbraunen Flüssigkeit (Smp. —116°) kondensiert. Als endotherme Verbindung (Bildungswärme —24.7 kcal) zerfällt es beim Erhitzen oder beim Zusammenbringen mit brennbaren Substanzen (Schwefel, Phosphor, organischen Verbindungen) e x p l o s i o n s a r t i g in seine Bestandteile. Nur bei Abwesenheit jeder Spur oxydierbarer Substanz läßt es sich unzersetzt destillieren. Stark e n d o t h e r m e Verbindungen neigen immor zur E x p l o s i o n , da die beim Anstoß des Zerfalls an e i n e r S t e l l e frei werdende Wärmemenge die N a c h b a r p a r t i e n auf die Zereetzungstemperatur bringt und die durch deren exothermen Zerfall bedingte T e m p e r a t u r e r h ö h u n g die G e s c h w i n d i g k e i t der Zersetzung immer weiter s t e i g e r t .

ß) Chlordioxid Darstellung. Chlordioxid C10 2 , das als gemischtes Anhydrid der chlorigen und Chlorsäure in seiner Oxydationsstufe zwischen diesen beiden Säuren steht, läßt sich durch R e d u k t i o n der C h l o r s ä u r e gewinnen. Als Reduktionsmittel kann die Chlorsäure selbst dienen, die dabei in Perchlorsäure übergeht (6) : HClOg + HCIO,

HClOj + HC10 4

HC102+Η0103^=»1Η20 2HC10 3 + HC10 S

+

2C10 a +

(6)

2C10 a

(7)

HC10 4 + H¡¡0.

(8)

Erforderlich ist dabei, daß das bei der Anhydridbildung (7) entstehende Wasser aus dem Gleichgewicht entfernt wird. Man verfährt daher bei der Darstellung so, daß man k o n z e n t r i e r t e S c h w e f e l s ä u r e a u f K a l i u m c h l o r a t einwirken läßt; die dabei in Freiheit gesetzte Chlorsäure (KC10 3 + H 2 S 0 4 —>- ÏÏC103 + K H S 0 4 ) disproportioniert sich dann gemäß (6), und die konzentrierte Schwefelsäure bindet das Wasser (7).

Sauerstoffverbindungen der Halogene

127

Zweckmäßiger ist es allerdings, O x a l s ä u r e (H 2 C 2 0 4 ) als Reduktionsmittel anzuwenden : HC10 3 + H 2 C 2 0 4 ^ = Í : H C 1 0 2 + H 2 0 + 2 C 0 2

(9)

HC1Q2 + HCIO3

(7)

h H2Q

2 HCIO3 + H ! C 2 0 4 ^ = ï : 2 C 1 0 â

+ 2CIO; + 2C02 + 2 H 2 0 .

(10)

Dann tritt als Oxydationsprodukt der Oxalsäure Kohlendioxid auf (9), welches das — in reinem Zustande explosive — gasförmige Chlordioxid verdünnt, so daß es gefahrloser zu handhaben ist. I n der Praxis verfährt man dabei so, daß man auf ein Gemisch von Kaliumchlorat und Oxalsäure Schwefelsäure einwirken läßt. T e c h n i s c h benutzt man zur Darstellung von Chlordioxid aus Natriumchlorat s c h w e f l i g e S ä u r e als Reduktionsmittel: 2HC10» + H j S 0 3 — 2 C 1 0 , + H 2 S 0 4 + H 2 0 .

Das Chlordioxid wird dann in einem Gemisch von Natronlauge und Wasserstoffperoxid absorbiert (2C102 + 2 N a 0 H + H 2 O a —>- 2NaC10 2 + 2 H 2 0 + 0 2 ) und die Lösung auf Walzentrocknern zu festem Natriumchlorit (S. 123f.) eingedampft. Eigenschaften. Chlordioxid ist ein gelbes Gas von scharfem, durchdringendem Geruch, das sich durch Abkühlung leicht zu einer rotbraunen Flüssigkeit (Sdp. 9.9°) und durch noch stärkere Abkühlung zu orangeroten Kristallen (Smp. —76°) verdichten läßt. Es ist ä u ß e r s t e x p l o s i v und zerfällt schon bei gelindem Erwärmen, durch Schlag oder bei Berührung mit oxydierbaren Stoffen unter heftiger Explosion in Chlor und Sauerstoff: C10¡¡ — > • VíCIü + 0 2 + 26.3 kcal.

Durch Anlagerung an Pyridin C5H6N (II, S. 460) — C8H6N · C102 — läßt sich Chlordioxid stabilisieren. I n dieser Form dient es in wässeriger Lösung zu Bleich-, Oxydations- und Chlorierungszwecken. I n Wasser ist Chlordioxid leicht löslich. Die wässerige Lösung hält sich im Dunkeln bei Zimmertemperatur lange Zeit unverändert. Allmählich tritt aber in Umkehrung der Bildungsgleichung (7) Umsetzung unter Bildung von chloriger und Chlorsäure ein : 2C102 + H 2 0 — > - HCIO2 + HCIO3 ; die chlorige Säure zersetzt sich dabei schnell weiter, so daß letzten Endes Salzsäure und Chlorsäure als Disproportionierungsprodukte auftreten. In alkalischen Lösungen bleibt die Stufe der chlorigen Säure erhalten: 2C10 2 + 2 OH' — > - C102' + CIO»' + H 2 0 ,

da die Chlorite beständiger sind als die ihnen zugrunde liegende Säure. γ) Dichlorhexoxid Darstellung. Dichlorhexoxid ö 2 O e wird zweckmäßig durch O x y d a t i o n von — gemäß (10) mit Kohlendioxid verdünntem — C h l o r d i o x i d mit O z o n (in Form ozonisierten Sauerstoffs; S. 176f.) bei 0° dargestellt: 2 C102 + 2 O3 — > - (CIO,), + 2 0 2 .

Eigenschaften. Dichlorhexoxid ist eine tiefbraunrote Flüssigkeit, die bei 3.5° erstarrt und bei 203° (extrapolierter Siedepunkt) siedet. Bei Zimmertemperatur ist es in reinem Zustande recht beständig; beim Zusammenbringen mit organischen Stoffen e x p l o d i e r t es aber mit großer Heftigkeit. Beim Erwärmen dissoziiert es in die einfachen Moleküle C103 (Cl2Oe < > 2 C103), welche sich ihrerseits leicht in Chlordioxid und Sauerstoff spalten (C103—>-C102 + 0). Mit Wasser reagiert Dichlorhexoxid als gemischtes Anhydrid unter Bildung von Chlorsäure und Perchlorsäure (Cl2Oe -)- H 2 0 HC10 3 + Hao4).

128

Die Gruppe der Halogene δ) Dichlorheptoxid

Darstellung. Dichlorheptoxid C1207 entsteht als Anhydrid der Perchlorsäure (2HC104 C1207 + H 2 0) bei der E n t w ä s s e r u n g von P e r c h l o r s ä u r e mit P h o s p h o r p e n t o x i d (P 2 0 6 + H 2 0 — ^ 2 H P O s ) : 2HC104 + P205 >- ClaO, + 2HPOs und kann — sofern gewisse Vorsichtsmaßregeln wegen der explosiven Natur des Oxids beachtet werden — direkt abdestilliert werden. Eigenschaften. Dichlorheptoxid ist eine farblose, flüchtige, ölige Flüssigkeit vom Siedepunkt 83° und Erstarrungspunkt —92°. Bei Berührung mit einer Flamme oder durch Schlag explodiert es heftig. Unter gewöhnlichen Bedingungen ist es aber beständiger als die übrigen Chloroxide; so greift es ζ. B. Schwefel oder Phosphor oder Papier in der Kälte nicht an.

c) Oxide des Fluors Vom Fluor sind bis jetzt mit Sicherheit nur zwei Oxide, Difluoroxid (F 2 0) und Difluordioxid (F 2 0 2 ), dagegen keine Sauerstoffsäuren bzw. deren Salze bekannt. α) Difluoroxid

Darstellung. Leitet man F l u o r in eine verdünnte N a t r i u m h y d r o x i d l ö s u n g , so erhält man nicht wie beim Chlor eine hypohalogenige Säure (X 2 + NaOH — N a X + HOX), sondern deren Anhydrid: 2Fa + 2 NaOH > 2NaF + F 2 0 + H 2 0. D i f l u o r o x i d zeigt also nicht wie D i c h l o r o x i d (S. 122) die Fähigkeit, mit Wasser gemäß X 2 0 + H 2 0 2 H 0 X eine hypohalogenige Säure („hypofluorige Säure") zu bilden. Eigenschaften. Das Difluoroxid (Sauerstoffdifluorid) F 2 0 ist ein farbloses, die Atmungsorgane heftig angreifendes Gas, welches sich bei —144.8° zu einer intensiv gelben Flüssigkeit (Smp. —223.8°) verdichtet. Seine Bildungswärme beträgt etwa —8 kcal/Mol. In Wasser ist F 2 0 etwas löslich (6.8 ccm in 100 ccm Wasser bei 0°). Die Lösung zeigt keine sauren, wohl aber s t a r k oxydierende Eigenschaften. Bei Einwirkimg des Gases auf Alkalilaugen entstehen keine „Hypo fluorite" (F 2 0 + 2NaOH —>• 2NaOF -f H 2 0), sondern deren Zerfallsprodukte F l u o r i d und S a u e r s t o f f : F 2 0 + 2NaOH—>-2NaF+ 0 2 + ïï20. Im Vergleich zum Fluor ist Dillucroxid weniger r e a k t i o n s f ä h i g ; beim Erwärmen reagiert es aber mit zahlreichen Nichtmetallen und Metallen unter Fluoridbildung. Ein Gemisch von Wasserdampf und Difluoroxid explodiert auf Zündung: OF2 + H 2 0 — > - 0 2 + 2HF + 74.8 kcal. Zum Unterschied vom Dichloroxid ist Difluoroxid n i c h t explosiv, sondern zerfällt beim Erwärmen oder Belichten allmählich unter Bildung von F l u o r und S a u e r s t o f f . ß) Difluordioxid

Darstellung. Unterwirft man ein äquimolekulares Gemisch von F l u o r und Sauerstoff in einem mit flüssiger Luft gekühlten Gefäß der Einwirkung einer e l e k t r i s c h e n Glimmentladung, so scheidet sich an den gekühlten Wänden eine Verbindung der Formel F 2 0 2 als orangefarbener fester Beschlag ab : Eigenschaften. Die Substanz schmilzt bei —163.5° zu einer kirschroten Flüssigkeit vom (extrapolierten) Siedepunkt —57°. Unterhalb —100° läßt sie sich bei vermindertem

129

Sauerstoffverbindungen der Halogene

Druck unzersetzt destillieren. Bei höherer Temperatur zerfällt das gasförmige — schwach braun gefärbte — Difluordioxid in Umkehrung der obigen Bildungsgleichung in die Elemente.

d) Sauerstoffsäuren und Oxide des Broms Vom Brom sind mit Sicherheit nur zwei S a u e r s t o f f s ä u r e n bekannt: die hy-pobromige Säure HBrO und die Bromsäure HBr0 3 . Weiterhin existieren drei O x i d e : das Dibromoxid B r 2 0 , Bromdioxid B r 0 2 und Bromtrioxid B r 0 3 . Die hypobromige Säure HBrO und ihre Sake, die Hypobromite (MeBrO), entstehen in Analogie zu den entsprechenden Verbindungen des Chlors (S. 121) durch Schütteln von B r o m w a s s e r mit Q u e c k s i l b e r o x i d : 2Br a + 2HgO + H 2 0

>- HgO · HgBr, + 2HOBr

bzw. Umsetzung von B r o m mit A l k a l i l a u g e : Br, + 2 NaOH

>- NaBr + NaOBr + H s O .

Die Hypobromitlösungen sind wie die Hypochloritlösungen ausgeprägte B l e i c h - und O x y d a t i o n s m i t t e l , sind gelb gefärbt, haben einen eigentümlichen aromatischen Geruch und d i s p r o p o r t i o n i e r e n sich beim E r w ä r m e n unter Bildung von B r o m i d undBromat: 3 B r O ' 2 B r ' + BrO; . Durch Erhitzen des beim Eindampfen der Lösung hinterbleibenden B r o m i d - B r o m a t Gemisches mit H o l z k o h l e p u l v e r (Reduktion des Bromat-Anteils zu Bromid) werden technisch A l k a l i b r o m i d e gewonnen: 2BrO¿ + 3 C — > 2 B r ' + 3COj. In analoger Weise lassen sich auch A l k a l i j o d i d e darstellen.

Die Bromsäure HBrOj läßt sich analog der Chlorsäure (S. 124) durch Umsetzung von B a r i u m b r o m a t mit verdünnter S c h w e f e l s ä u r e gewinnen. Ihre Salze geben wie die Chlorate leicht Sauerstoff ab und verpuffen beim Erhitzen mit oxydierbaren Substanzen. Das Dibromoxid Br 2 0 entsteht analog dem Dichloroxid (S. 126) bei der Einwirkung von B r o m auf Q u e c k s i l b e r o x i d : 2Br a + HgO

^ HgBr 2 + B r 2 0 .

Verfährt man hierbei so, daß man Bromdampf über erwärmtes Quecksilberoxid leitet, so erhält man ein zur Hauptsache aus B r o m und nur zu wenigen Prozenten des Bromgehalts axis Dibromoxid bestehendes Gasgemisch. Der Gehalt des Reaktionsprodukts an Dibromoxid läßt sich auf über 4 0 % des Bromgehalts steigern, wenn man die Umsetzung von Brom und Quecksilberoxid in T e t r a c h l o r k o h l e n s t o f f vornimmt. In reinem Zustande wird Dibromoxid bei der Zersetzung von B r o m · d i o x i d (S. 130) gewonnen. Dibromoxid ist nur bei t i e f e n T e m p e r a t u r e n (bis herauf zu —40°) beständig. Es stellt bei diesen Temperaturen einen braunen, festen, im Hochvakuum unter Zersetzung sublimierbaren Stoff von stechendem, chlorkalkähnlichem Geruch dar. Beim Erwärmen auf über —40° beginnt es zu z e r f a l l e n . Beim Schmelzpunkt (—17.5°) ist die Zersetzung schon recht lebhaft. Sie führt zu B r o m und S a u e r s t o f f , so daß die zunächst schwarzbraune Flüssigkeit bald die rotbraune Farbe des flüssigen Broms annimmt. In reinem Tetrachlorkohlenstoff löst sich Dibromoxid mit moosgrüner Farbe. Beim Schütteln dieser Lösung mit Natronlauge entsteht H y p o b r o m i t : Br 2 0 + 2 NaOH

>- 2 NaOBr + H 2 0 .

B r 0 2 ist also das A n h y d r i d der h y p o b r o m i g e n Säure. H o l l e m a n - W i b e r g , Anorganische Chemie. 47.— 56. Aufl.

9

130

Die

Gruppe

der

Halogene

Das Bromdioxid Β1Ό2 entsteht bei der Einwirkung einer Glimmentladung auf ein Gemisch von Brom und S a u e r s t o f f : Br2 +

20

2

>• 2 B r O ¡ ¡

(1)

als ein bei tiefen Temperaturen beständiger, fester, eigelber Körper. Bei raschem Erwärmen unter normalem Druck auf Zimmertemperatur erfolgt unter Flammenerscheinung in Umkehrung der Bildungsgleichung (1) spontane Zersetzung in die Elemente. Bei langsamem Erwärmen unter Normaldruck erfolgt von —3° ab eine kontinuierliche Abgabe von Sauerstoff. Im Hochvakuum verläuft die thermische Zersetzung ganz anders, nämlich unter Bildung eines braunschwarzen und eines weißen Körpers. Der erstere ist Dibromoxid (S. 129), der letztere Bromtrioxid (5 Br0 2 — Br 2 0 -)- 3 BrOg).

e) Sauerstoffsäuren und Oxide des Jods Hypojodige Säure. Schüttelt man eine wässerige J o d l ö s u n g mit Quecksilberoxid, so erhält man vorübergehend die freie hypojodige Säure HJO (2 J 2 + 2HgO + H 2 0 —>HgO · HgJ 2 + 2HJO). Sie ist sehr unbeständig und zersetzt sich rasch unter Disproportionierung in J o d und J o d s ä u r e (3HJO — 2 H J + H J 0 3 ; H J 0 3 + 5 H J — > - 3 H 2 0 + 3 J 2 ). Etwas beständiger sind ihre Salze, die Hypojodite, die analog den Hypochloriten und Hypobromiten durch Einwirkung von J o d auf Alkalilaugen gewonnen werden können. Nach kurzer Zeit gehen aber auch sie unter Disproportionierung in J o d i d und J o d a t über. Jodsäure. Die Jodsäure kann durch Oxydation von J o d mit konzentrierter S a l p e t e r s ä u r e oder Chlor in wässeriger Lösung gewonnen werden: J2 +

6H

2

0 +

5C12

2HJO3 +

10HCl.

Die im letzteren Falle gleichzeitig gebildete Salzsäure rnuß durch S i l b e r o x i d aus dem Gleichgewicht entfernt werden (2 HCl -f- Ag 2 0 —>- 2AgCl + H 2 0), da Jodsäure die Salzsäure rückwärts zu Chlor oxydiert. Aus den Salzen, den Jodaten, kann die Säure durch Erwärmen mit Schwefelsäure in Freiheit gesetzt werden: NaJOs + H2S04 HJO3 + N a H S 0 4 . Die Jodsäure kristallisiert in farblosen, durchsichtigen Kristallen von saurem, herbem Geschmack und ist ein k r ä f t i g e s O x y d a t i o n s m i t t e l . Ihre Salze — die sich durch Einwirkung von J o d auf heiße Alkalilaugen darstellen lassen — haben im allgemeinen die Formel MeJO s . Man kennt aber auch saure Salze der Zusammensetzung MeJO3 · HJO3 und M e J 0 3 - 2 H J 0 3 . Die Jodate sind viel b e s t ä n d i g e r als die Chlorate und Bromate, stellen aber immer noch ausgesprochene Oxydationsm i t t e l dar. So detonieren sie im Gemisch mit brennbaren Substanzen durch Schlag. Perjodsäure. Oxydiert man J o d a t e mit H y p o c h l o r i t in alkalischer Lösung, so entstehen Periodate: HJO3 + H C I O — > - H J 0 4 + H C l . Diese Perjodate leiten sich aber nicht analog den Perchloraten (MeClOJ nur von der einfachen Per jodsäure H J 0 4 (Τ etroxo-perjodate, „Meta-perjodate" MeJ0 4 ) ab, sondern auch von den wasserreicheren Formen H J 0 4 · H 2 0 = H 3 J 0 5 (Pentoxo-perjodate, „Meso-Perjodate" Me 3 J0 6 ) und H J 0 4 · 2 H 2 0 = H 6 JO e (Hexoxo-perjodate, „Ortho· Ρ erjodate" Me 6 JO e ). Von den freien Perjodsäuren kennt man nur die Orthoverbindung H 6 JO e , farblose, an der Luft zerfließende Kristalle, welche sich schon beim Schmelzpunkt (130°) unter Abspaltung von Wasser und Sauerstoff und Bildung von Dijodpentoxid (2H 5 JO e —>- 5 H 2 0 + J 2 0 6 + 0 2 ) zersetzen und sehr stark oxydierend wirken. Von den Salzen sind die O r t h o p e r j o d a t e Me 6 JO e recht beständig, während sich die M e t a p e r j o d a t e MeJ0 4 beim Erhitzen vielfach explosionsartig zersetzen.

Verbindungen der Halogene untereinander

131

Dijodtetroxid. Das Dijodtetroxid J 2 0 4 entspricht in seiner Bruttozusammensetzung dem C h l o r d i o x i d C102. Es entsteht analog diesem (S. 126) bei der Einwirkung von heißer k o n z e n t r i e r t e r S c h w e f e l s ä u r e auf J o d s ä u r e als gelbes, körniges Pulver und ist in kaltem Wasser nur wenig löslich. Beim Erhitzen auf über 100° zersetzt es sich unter Bildung von Dijodpentoxid, dem Anhydrid der Jodsäure, und Jod : 5J 2 0 4 — 4 J 2 0 5 + J 2 . Entsprechend löst es sich auch in heißem Wasser unter Bildung von Jodsäure und Jod. Dijodpentoxid. Zum Unterschied von der Chlorsäure und Bromsäure läßt sich die J o d s ä u r e durch Erwärmen auf 180 bis 200° in ihr A n h y d r i d überführen: 2HJ0 3 —>· II20 + J 2 0 6 . Das so entstehende Dijodpentoxid stellt ein weißes kristallines Pulver dar, das erst oberhalb von 300° in die Elemente zerfällt : 43 kcal + J205 >• J2 + 2V202 und mit Wasser wieder Jodsäure bildet. Im Gegensatz zu allen anderen Halogenoxiden ist es eine e x o t h e r m e Verbindung.

5. Verbindungen der Halogene untereinander Die V e r b i n d u n g e n der H a l o g e n e u n t e r e i n a n d e r haben im einfachsten Fall die Formel X Y ; doch sind auch einzelne Verbindungen bekannt, die sich um zwei, vier oder sechs Halogenatome von dieser Formel unterscheiden: XY 3 , XY 5 und XY 7 . Bei den Verbindungen der Z u s a m m e n s e t z u n g X Y sind alle Kombinationen bis auf die Verbindung J F bekannt, wie aus folgender Zusammenstellung hervorgeht, in welcher auch die reinen Halogene mit aufgenommen sind : Fluor

Fluor

FF Farbloses Gas Smp. - 218.0° Sdp. - 187.9°

Chlor

C1F Farbloses Gas Smp. — 155.6° Sdp. - 100.1°

Brom

BrF Hellrotes Gae Smp. 33° Sdp. ~ + 20°

Jod

Chlor

Brom

Jod

(Kl Gelbgrünes Gas Smp. — 102.4° Sdp. - 34.0° BrCl BrBr (Nur imGleichge wicht mit Br2 und Cl2) TiefbrauneFlüssigkeit Smp. — 7.3° Smp. - 54° Sdp. + 5 8 . 8 ° Sdp. (26 mm) - 50° JC1 Rubinrote Nadeln Smp. + 27.2° Sdp. + 97.4°

JBr Rotbraune Kristalle Smp. + 36° Sdp. + 1 1 6 °

JJ Grauschwarze Schuppen Smp. + 113.7· Sdp. + 184.5°

Die D a r s t e l l u n g dieser Verbindungen erfolgt ganz allgemein aus den E l e menten: XS+Y,^±2XY. So erhält man z. B. das Chlorjluorid C1F durch Vereinigung von Chlor und Fluor bei 250°, Bromfluorid BrF durch Sättigen von Brom mit Fluor bei 10°, Bromchlorid BrCl 9*

132

Die Gruppe der Halogene

(im Gleichgewicht mit Brom und Chlor) durch Einleiten von Chlorgas in flüssiges Brom, Jodchlorid JC1 (das außer in der S. 131 angeführten stabilen α-Form auch als metastabile /^-Modifikation vom Schmelzpunkt 13.9° vorkommt) durch Überleiten von Chlor über Jod und Jodbromid JBr durch Einwirkung von Brom auf Jod. F a r b e , Schmelz- u n d S i e d e p u n k t nehmen bei gegebenem erstem Halogen mit dem Atomgewicht des zweiten, d. h. in der Richtung von oben nach unten und von links nach rechts in der umstehenden Tabelle zu. So variiert die Farbe von Fluor bis Jod, den beiden äußersten Gliedern, von farblos bis grauschwarz, der Schmelzpunkt von — 218 bis +114° und der Siedepunkt von —188 bis +185°. U n b e s t ä n d i g k e i t u n d R e a k t i o n s f ä h i g k e i t nehmen mit zunehmender Entfernung der Halogene im Periodensystem, also in der Richtung von oben nach unten und von rechts nach links in der umstehenden Tabelle zu. So ist ζ. B. das Chlorfluorid reaktionsfähiger als Fluor, so daß seine Darstellung große Schwierigkeiten macht ; Bromfluorid ist bereits so unbeständig, daß eine genaue Bestimmung seiner physikalischen Daten nicht möglich ist; und Jodfluorid schließlich ist offensichtüch so zersetzlich, daß seine Darstellung bisher überhaupt noch nicht geglückt ist. In gleicher Weise steigt die Reaktionsfähigkeit vom Jod über das Jodbromid zum Jodchlorid hin. Bei der Einwirkung von überschüssigem Halogen Y 2 auf die einfachen Verbindungen XY entstehen h ö h e r e H a l o g e n v e r b i n d u n g e n (vgl. S. 197): XY + η Y 2

XY2n+1

(n = 1, 2 und 3). Die Neigung zu dieser Anlagerung steigt mit zunehmendem Atomgewicht von X und abnehmendem Atomgewicht von Y. So bildet ζ. B. Chlor das Fluorid CIF3, Brom die Fluoride BrF 3 und BrF 6 und J o d die Fluoride JE 6 und JF 7 , während bei den Chloriden nur das J o d ein höheres Chlorid JC1, bildet: CIFj Farbloses Gas Smp. - 82.6° Sdp. +12.1®

BrFs

BrFs

Farblose Flüssigkeit Farblose Flüssigkeit Smp. + 8.8° Smp. - 61.3° Sdp. + 127.6° Sdp. + 4 0 . 5 °

-

JFs Farblose Flüssigkeit Smp. + 9.4« Sdp. + 100.5°

JFt Farbloses Gas Smp. 5.5° Sblp. 4.5°

JClj Gelbe Nadeln Smp. 101° (16 at Druck)

Die F l ü c h t i g k e i t der höheren Halogenide steigt mit z u n e h m e n d e m H a l o g e n g e h a l t . Ihre chemische Reaktionsfähigkeit ist durchweg sehr groß. Erwähnt sei in diesem Zusammenhang die Umsetzung von Bromtrifluorid mit M e t a l l f l u o r i d e n MeF (Me z.B. = Na, Κ oder Ag), die zur Bildung komplexer Tetrajluoro-bromat(III)-\on&a. BrF4~ führt : MeF + BrFj MeBrF4. Auch im flüssigen Bromtrifluorid selbst sind infolge elektrolytischer Dissoziation solche Fluorobromat-ionen BrF4~ neben Difluoro-brom(III)-ionen BrF2+ enthalten: + 2 BrF,» < - BrF 2 + BrF4" In Form von Salzen starker Säuren HMeF4 (Me z.B. = Au), HMeF6 (Me z.B. = P, Sb, Nb, Ta) oder H2MeFe (Me z.B. = Sn) lassen sich die Fluoro-brom(III)-ionen BrF2+ stabilisieren: [BrFj AuF4, [BrF2] PFe, [BrF2]2SnFe.

Vergleichende Übersicht über die Gruppe der Halogene

133

6. Vergleichende Übersicht über die Gruppe der Halogene Wie ans den vorangegangenen Abschnitten hervorgeht, zeigen die Halogene untereinander eine große Ähnlichkeit und eine ganz gesetzmäßige Abstufung in ihren physikalischen und chemischen Eigenschaften. Folgende Tabelle faßt diese graduelle Änderung der Eigenschaften mit steigendem Atomgewicht nochmals kurz zusammen : Fluor Atomgewicht Spezifisches Gewicht Schmelzpunkt Siedepunkt Farbe im Gaszustand Thermischer Dissoziations-i 1000° abs. grad in °/0 J2000 0 abs. Nichtmetallcharakter Allgemeine Reaktionsfähigkeit Affinität zum Wasserstoff Affinität zum Sauerstoff

19.000

1.108 1

- 218.0° - 187.9® f aßt farblos 4.3 98.9

Chlor 35.457 1.571 - 102.4° 34.0° gelbgrün 0.035 37 >• nimmt nimmt >- nimmt > nimmt

Brom

Jod

79.916 3.14 7.3" + 58.8° rotbraun 0.23 72.4 ab ab ab zu

126.91 4.942 + 113.7° + 184.5° violett 2.8

89.5 >• -

>

Physikalische Eigenschaften. Fluor ist ein G a s , Chlor ein leicht zu v e r f l ü s s i g e n d e s G a s , Brom f l ü s s i g und Jod f e s t . Die Farbe vertieft sich vom Fluor zum Jod hin derart, daß das Fluor praktisch f a r b l o s , das Jod dagegen im festen Zustande bereits g r a u s c h w a r z ist. Die Festigkeit der Bindung zwischen den Halogenatomen verringert sich vom Chlor zum Jod hin, welches bei hohen Temperaturen schon weitgehend in a t o m a r e r Form vorliegt, während sich das Fluor in seinem Dissoziationsgrad dem Jod anschließt. Alle vier Halogene sind N i c h t m e t a l l e , jedoch nimmt der nichtmetallische (metallische) Charakter zum Jod hin ab (zu); beim J o d fällt schon ein äußeres Kennzeichen der Metalle, der M e t a l l g l a n z , ins Auge. Chemische Eigenschaften. Die V e r w a n d t s c h a f t z u m W a s s e r s t o f f nimmt mit fallendem Atomgewicht des Halogens zu. F l u o r verbindet sich schon im Dunkeln bei niedriger Temperatur mit Wasserstoff unter Bildung einer thermisch außerordentlich beständigen Verbindung; J o d dagegen reagiert erst in der Wärme bei Anwesenheit eines Katalysators und liefert eine thermisch instabile Wasserstoffverbindung. Entsprechend der größeren Verwandtschaft zum Wasserstoff vermag jedes l e i c h t e r e Halogen das s c h w e r e r e aus seiner Wasserstoffverbindung zu v e r d r ä n g e n ; so setzt elementares Fluor sämtliche anderen Halogene in Freiheit (F 2 -f2HBr — >- 2 H F -f Br 2 usw.), Chlor zersetzt nur die Wasserstoffverbindungen desBroms und Jods, Brom nur die des Jods. Die V e r w a n d t s c h a f t z u m S a u e r s t o f f nimmt umgekehrt vom Fluor zum Jod hin zu, so daß die Oxide des J o d s am b e s t ä n d i g s t e n und zum Unterschied von den endothermen übrigen Halogenoxiden e x o t h e r m e Verbindungen sind. Dementsprechend kann auch ein Halogenatom von höherem Atomgewicht ein leichteres Halogen aus dessen Sauerstoffverbindung in Freiheit setzen: KC103 + 1 / 2 J 2 — > - K J 0 3 + 7 2 CV Die a l l g e m e i n e R e a k t i o n s f ä h i g k e i t nimmt zum Fluor hin zu. F l u o r ist überhaupt das r e a k t i o n s f ä h i g s t e aller Elemente. Die übrigen Halogene sind zwar noch sehr reaktionsfreudig, aber in der Richtung vom Chlor zum Jod hin zunehmend weniger aktiv als Fluor. — 1

Gilt für verflüssigtes Fluor (Chlor) beim Siedepunkt.

134

Die Gruppe der Halogene

Auch die V e r b i n d u n g e n d e r H a l o g e n e zeigen gesetzmäßige Abstufungen in ihren physikalischen und chemischen Eigenschaften, wie folgende Tabelle am Beispiel der H a l o g e n w a s s e r s t o f f e zeigt: Fluorwasser- Chlorwasser- Bromwasser- Jodwasserstoff stoff stoff stoff Schmelzpunkt Siedepunkt Thermischer Dissoziations-Ί 300° C grad in °/0 J10000 C Scheinbarer elektrolytischer Dissoziationsgrad in 0.1 n-Lösung (18°) . . Bildungswärme (25°, 1 at, Gase), kcal.

- 83.1° + 19.54" — —

0.1 + 64.4

- 114.8° — 84.9» 0.0000003 0.014

- 86.9" - 66.8» 0.003 0.5

- 50.7« - 35.4° 19 33

0.926 + 21.9

0.935 + 11.6

0.95 + 1.3

So nehmen ζ. B. in Übereinstimmung mit dem S. 133 über die Verwandtschaft der Halogene zum Wasserstoff Gesagten die B i l d u n g s w ä r m e n der Halogenwasserstoffe mit steigendem Atomgewicht des Halogens ab, die t h e r m i s c h e n D i s s o z i a t i o n s g r a d e zu. Die S ä u r e s t ä r k e der wässerigen Halogenwasserstoffsäuren wächst mit steigendem Atomgewicht des Halogens: Fluorwasserstoffsäure ist eine verhältnismäßig schwache, Jodwasserstoffsäure eine sehr starke Säure. Auffällig ist der hohe Schmelz- und Siedepunkt des F l u o r w a s s e r s t o f f s , der sich nicht in die Reihe der Schmelz- und Siedepunkte der übrigen Halogenwasserstoffe einpaßt. Dies rührt von der P o l y m e r i s a t i o n des Fluorwasserstoffs her; denn Fluorwasserstoff hat ja nicht wie die übrigen HalogenWasserstoffe die Formel HX, sondern die polymere Formel (HX) n (S. 97). Wäre er m o n o m e r , so müßte er f l ü c h t i g e r als Chlorwasserstoff sein. Auch sonst nimmt das F l u o r gegenüber den anderen Halogenen in gewissem Maße eine S o n d e r s t e l l u n g ein. So ist ζ. B. das Silberfluorid in Wasser ziemlich lösüch, das Calciumfluorid unlöslich, während die übrigen Silberhalogenide und Calciumhalogenide gerade entgegengesetzte Löslichkeitsverhältnisse zeigen. Allerdings nimmt die Löslichkeit bereits vom Silberjodid zum Silberchlorid hin etwas zu und vom Calciumjodid zum Calciumohlorid hin etwas ab; beim Übergang vom Chlor zum Fluor fällt also lediglich die sehr starke Zunahme einer Eigenschaftsänderung ins Auge, die — zwar schwach ausgeprägt, aber doch gleichsinnig — sohon bei den übrigen Halogenen feststellbar ist. Gleiches beobachtet man ja (s. Tabelle) auch beim elektrolytischen Dissoziationsgrad.

Kapitel IX

Die Elektronentheorie der Valenz Bei der Rückschau auf alles bisher Besprochene tauchen zahlreiche, bisher noch unbeantwortete Fragen auf. Warum sind ζ. B. die Edelgase so reaktionsträge und die im Periodensystem (S. 68) benachbarten Halogene und Alkalimetalle so reaktionsfreudig? Warum hat Natriumchlorid die Formel NaCl und nicht etwa die Zusammensetzung Na2Cl oder NaClj und Ammoniak die Formel NHj und nicht etwa die Zusammensetzung NHg oder NH4? Warum sind die Edelgase atomar, Stickstoff, Sauerstoff und Chlor dagegen molekular aufgebaut? Warum ist Natrium chlorid fest, Chlor dagegen gasförmig? Warum leiten sich vom Natriumchlorid Sauerstoffverbindungen des Typus NaCIO, NaC102, NaC103 und NaC104, dagegen keine der Formel NaCI05, NaCIOe usw. ab? Warum spaltet Kaliumchlorat in wässeriger Lösung in die Ionen K + + C103~ und nicht in die Ionen KC1+ + 0 3 - oder KC10 + + Oa~? Warum leitet eine wässerige Lösung oder eine Schmelze von Natriumchlorid den elektrischen Strom, gelöster oder flüssiger Sauerstoff dagegen nicht ? Warum ist das H 2 0 - Molekül gewinkelt, das C08-Molekül dagegen gestreckt, das ClOg-Ion pyramidenförmig, das NOg-Ion dagegen eben ? Auf alle diese Fragen gibt uns die „Elektronentheorie der Valenz" eine ein· fache und befriedigende Antwort. Wir wollen uns daher im folgenden etwas ausführlicher mit den Grundlagen und Aussagen dieser Theorie befassen.

1. Der Bau der Atome a) Allgemeines Fußend auf Experimentalversuchen, die vor allem auf die Physiker

PHILIPP

L E N A R D ( 1 8 6 2 — 1 9 4 7 ) , E B N E S T R U T H E R F O R D ( S . 5 6 9 ) u n d CHARLES THOMSON R E E S W I L S O N

zurückgehen, hat der dänische theoretische Physiker N I E L S B O H R im Jahre 1 9 1 3 ein Atommodell entwickelt, das auch heute noch trotz mancher Unzulänglichkeiten (vgl. Lehrbücher der physikalischen Chemie) ein recht anschauliches und brauchbares Bild vom Atombau vermittelt. Nach dieser BoHRSchen Theorie bestehen die Atome aus einem positiv geladenen Atomkern und einer negativ geladenen Atomhülle. Der Atomkern befindet sich im Mittelpunkt des Gesamtatoms und verkörpert stets mehr als 99.9% der gesamten Masse des ganzen Teilchens. Sein Durchmesser beträgt durchschnittlich nur den etwa zehn tau s ends ten Teil des Durchmessers des Gesamtatoms. 1000Kubikmeter Eisen z.B. enthalten demnach weniger als 1 Kubikmillimeter Atomkerne ; dieses Kubikmillimeter wiegt rund 8000 Tonnen, während der übrige Raum von 1000 Kubikmetern praktisch masseleer ist. Der absolute Durchmesser der Atomkerne liegt in der Größenordnung von 10 -11 mm. In einem Kubikmillimeter finden also 1033 Atomkerne bequem Platz. Wie phantastisch groß diese Zahl ist, geht aus folgendem Zahlenbeispiel hervor: Die Zahl der seit Christi Geburt bis auf den heutigen Tag vergangenen Sekunden ist nur ein winziger Bruchteil von 1033. Selbst wenn man für jede seit Beginn unserer Zeitrechnung verlaufene Sekunde einen Zeitraum von 1000 Milliarden J a h r e n setzt (das Alter des Weltalls liegt in der

136

Die Elektronentheorie der Valenz

Größenordnung von 10 Milliarden Jahren), so beträgt die Zahl der in dieser unvorstellbar langen Zeitspanne verflossenen Sekunden erst rund den t a u s e n d s t e n T e i l der in einem Kubikmillimeter unterzubringenden Zahl von 1033 Atomkernen. Es ist eine bewundernswerte Leistung des Physikers und Chemikers, daß er nicht nur von der Existenz solch winziger Atomkerne weiß, sondern daß er auch genauestens die G e w i c h t e und den inneren Auf b a u dieser—ihrerseits aus noch kleineren Partikeln aufgebauten (S. 555ff.) — Teilchen kennt. Die positive L a d u n g des Atomkerns ist stets e i n g a n z e s V i e l f a c h e s jener E l e m e n t a r l a d u n g von 1.602 χ 10" 19 Coulomb ( = 4.803 χ Ι Ο " 1 0 elektrostatischen Einheiten), die wir S. 93 schon aus elektrolytischen Versuchen ableiteten. Bemerkenswert ist dabei, daß j e d e s c h e m i s c h e E l e m e n t durch eine g a n z b e s t i m m t e A n z a h l solcher positiver Einheitsladungen je Atomkern charakterisiert ist. Und zwar variiert die „Kernladungszahl" nach dem heutigen Stand unserer Kenntnisse von 0 bis 102, entsprechend 103 bis jetzt bekannten verschiedenen Atomarten (Näheres S.555ff.). Atomhülle. D a die Atome nach außen hin neutral erscheinen, muß die p o s i t i v e Ladung jedes Atomkerns durch eine entsprechende Menge n e g a t i v e r Elektrizität kompensiert werden. Dies geschieht dadurch, daß eine der Zahl der positiven Kernladungen numerisch gleiche Anzahl von „Elektronen" denAtomkern umgibt. Jedes dieser Elektronen weist eine negative Einheitsladung von 1.602 χ Ι Ο - 1 9 Coulomb auf und besitzt ein gegenüber dem Gewicht des Atomkerns verschwindendes Atomgewicht von 0.00055. I n der S. 137 folgenden Tabelle, die mit der früher (S. 67) wiedergegebenen Anordnung der Elemente nach w a c h s e n d e m A t o m g e w i c h t übereinstimmt und auf die wir noch ausführlicher zu sprechen kommen (S. 138f.), sind die Elemente nach s t e i g e n d e r K e r n l a d u n g s - u n d E l e k t r o n e n z a h l ihrer Atome angeordnet. Danach weist ζ. B. der Kern des Wasserstoffatom s 1 positive Ladung auf, die durch 1 negatives Elektron in der Außenhülle kompensiert wird ; das Phosphoratom besteht aus einem Atomkern mit 15 positiven Ladungen und aus 15 Elektronen in der Atomhülle usw. Die c h e m i s c h e n E i g e n s c h a f t e n der Elemente hängen gesetzmäßig mit dem B a u d e r E l e k t r o n e n h ü l l e zusammen. Die Kenntnis dieses Aufbaus ist daher die notwendige Voraussetzung für ein Verständnis des chemischen Verhaltens der Elemente.

b) Die Elektronenhülle Die Elektronen der Atomhülle umgeben den Atomkern nicht regellos, sondern verteilen sich g e s e t z m ä ß i g auf insgesamt 7 r ä u m l i c h e „ S c h a l e n " , die von innen nach außen als 1., 2., 3. Schale usw. (Schale der ,,Hauptquantenzahl" η = 1, 2, 3 usw.) oder mit den Buchstaben Κ bis Q des Alphabets als K-, L-, M-Schale usw. bezeichnet werden. Man nahm früher mit B O H R an, daß die Elektronen in diesen Schalen planetengleich um denKern als „Sonne" rotieren. Heute ist man von diesem anschaulichen Modell wieder abgekommen. Im Prinzip kann man sich aber immer noch des anschaulichen Schalenmodells bedienen, wenn man sich dabei nur dessen bewußt bleibt, daß die verschiedenen „Elektronenschalen" lediglich bildliche Symbole f ü r verschiedene Energiezustände der Elektronen (nach der „Wellenmechanik" ζ. Β. f ü r verschiedene dreidimensionale Schwingungszustände von „Elektronenwolken") darstellen. Jede Schale vermag im Maximum 2 · « 2 Elektronen aufzunehmen (vgl. S. 445). Die i n n e r s t e , e r s t e Schale (η = 1) ist demnach nach Einbau von 2 · l 2 = 2, die nächstäußere, z w e i t e Schale (n = 2) nach Aufnahme von 2 · 2 2 = 8 Elektronen gesättigt usw. Folgende Tabelle gibt für die nach steigender Kernladungszahl angeordneten Elemente die Verteilung der Elektronen auf die verschiedenen Elektronenschalen wieder. Vor jedem Elementnamen ist die Kernladungszahl und das Elementsymbol angegeben :

Der Bau der Atome

137

1. Schale 2. Schale 3. Schale 4. Schale 5. Schale β. Schale 7. Schale

Element 0 Nn Neutronium Φ Ό

A® Λ

1 H Wasserstoff 2 He Helium

I

1 2

I-i

3 4 TS 5 6 'S Οι 7 8 Ν 9 10

Li Be Β C Ν 0 F Ne

Lithium Beryllium Bor Kohlenstoff Stickstoff Sauerstoff Fluor Neon

2 2 2 2 2 2 2 2

1 2 8 4 5 6 7 8

11 12 13 -β O 14 Ü Πι 15 lf> 17 18

Na Mg Al Si Ρ s Cl Ar

Natrium Magnesium Aluminium Silicium Phosphor Schwefel Chlor Argon

2 2 2 2 2 2 2 2

8 8 8 8 8 8 8 8

1 2 3 4 5 β 7 S

19 20 •τ) o 31 M 32 CM S'

Κ Ca Ga Ge

Kalium Calcium Gallium Gf""~ianium

2 2 2 2 2 2 2 2

8 8 8 8 8 8 8 8

8 8 18 18 18 18 18 18

1 2 S 4 5 β 7 8

2 2 2 2 2 2 2 2

8 8 8 8 8 8 8 8

18 18 18 18 18 18 18 18

8 8 18 18 18 18 18 18

1 2

Caesium Barium Thallium Blei Wismut Polonium Astat Radon

2 2 2 2 2 2 2 2

8 8 8 8 8 8 8 8

18 IS 18 18 18 18 18 18

18 18 32 32 32 32 32 32

8 8 18 18 18 18 18 18

1 2

87 Fr Franoium 88 Ra Radium

2 2

8 8

18 18

32 32

18 18

8 8

Φ

*

>n

*O >

Ή

n

>9

55 56 T3 O 81 H 82 Φ PM 83 Œ 84 85 86 Φ

Φ

CM

Cs Ba TI Pb B¡ Po At Rn

3 4 δ β 7 8

¡ 3 4 5 6 7 8 1

2

138

Die Elektronentheorie der Valenz

Wir ersehen daraus folgendes : Das N e u t r o n (vgl. S. 585) besitzt keine positive Kernladung und damit auch kein Außenelektron. Das Elektron des W a s s e r s t o f f atoms befindet sich in der innersten, ersten Schale. Das gleiche gilt für die beiden Elektronen des Heliumatoms. Damit ist die 1. Schale bereits voll a u f g e f ü l l t . Mit dem nächsten Element, dem L i t h i u m , beginnt der Aufbau der 2. Schale. Da diese 8 Elektronen aufzunehmen vermag, ist sie erst nach 8 E l e m e n t e n , also beim Neon abgeschlossen. Das nächste Elektron tritt in die 3. Schale ein (Natrium). Diese erreicht dann beim Argon mit 8 Elektronen einen vorläufigen Anschluß. Sie ist zwar mit 8 Elektronen noch n i c h t g e s ä t t i g t , da ihre Maximalzahl an Elektronen 2 · 3 2 = 18 beträgt; aber die Zahl 8 stellt — wie aus der maximalen Elektronenzahl 8 der 2. Schale hervorgeht — eine s t a b i l e Z w i s c h e n s t u f e der Elektronenanordnung dar. Mit dem K a l i u m und Calcium beginnt die Bildung der 4. Schale. Dann folgen 10, in der Tabelle nicht aufgeführte, sondern nur durch eine gestrichelte Linie angedeutete Elemente (Kernladungszahl 21 bis 30), bei denen die Elektronenzahl der noch unvollständig gebliebenen 3. Schale von 8 auf die Sättigungszahl 18 ergänzt wird. Das G a l l i u m setzt dann die vorher begonnene Besetzung der 4. Schale fort, die beim K r y p t o n mit der schon erwähnten stabilen Anordnung von 8 Elektronen ihren vorläufigen Abschluß findet. Mit dem R u b i d i u m und S t r o n t i u m beginnt der Aufbau der δ. Schale. Dann erfolgt wie zuvor durch 10 in der Tabelle nicht aufgeführte Elemente (Kernladungszahl 39 bis 48) die Auffüllung der noch unvollständig gebliebenen nächstinneren 4. Schale von der Zahl 8 auf die n ä c h s t s t a b i l e , aber noch n i c h t m a x i m a l e (für η = 4 ist 2-w2 == 32) Zahl von 18 Elektronen. Dann erst wird wieder durch die Elemente I n dium bis X e n o n die 5. Schale bis zur Elektronenzahl 8 ergänzt. Mit dem Caesium und B a r i u m beginnt die 6. Schale. Durch 10 + = 24, in der Tabelle fortgelassene Elemente (Kernladungszahl 57 bis 80) wird anschließend die 5. Schale von 8 auf 18 und die 4. Schale von 18 auf 32 Elektronen ergänzt, so daß erst mit dem T h a l l i u m der Weiterausbau der seit dem Β a ri um unverändert gebliebenen 6. Schale bis zur Elektronenzahl 8 (Radon) erfolgt. Mit den Elementen 87 ( F r a n c i u m ) und 88 (Radium) beginnt die 7. Schale. Die folgenden, in der Tabelle nicht aufgeführten 14 Elemente (Kernladungszahl 89 bis 102) bauen ihre neu hinzukommenden Elektronen in der noch ungesättigten 5. und 6. Schale ein. Mit dem Element 102 (Nobelium) bricht vorläufig die Reihe der bis jetzt bekannten Elemente und damit der Ausbau der 5., 6. und 7. Schale vor Erreichen der nächststabilen Elektronenkonfiguration ab, da schon vom Polonium (Atomnummer 84) ab die Elemente wegen der Anhäufung von soviel positiven Ladungen im Kern i n s t a b i l werden und als „radioaktive Elemente" (S. 566 ff.) zerfallen. Fig. 45 gibt die Elektronenverteilung für die Elemente Lithium bis Chlor, also die beiden ersten Achterperioden des Periodensystems, b i l d l i c h wieder. Wir sehen daraus, daß innerhalb einer waagerechten Elementperiode der Atomradius entsprechend der wachsenden Anziehung des positiven Kerns auf die negative Elektronenhülle mit steigender Kernladung abnimmt. Innerhalb einer senkrechten Elementgruppe nimmt dagegen der Atomradius mit steigender Kernladung zu, weil beim Fortschreiten vom einen zum nächsten Gruppenglied eine neue Elektronenschale hinzukommt. Beim Übergang eines Atoms in den p o s i t i v geladenen Zustand (Kationbildung durch Elektronenabgabe) wird der Teilchenradius k l e i n e r , beim Übergang in den n e g a t i v geladenen Zustand (Anionbildung durch Elektronen auf nähme) größer. So ist im Kristallgitter (S.146f.) das Natrium-ionNa+etwa so groß wie das C h l o r - a t o m Cl und das C h l o r ion Cl~ etwa so groß wie das N a t r i u m - a t o m Na. Vergleicht man die in der Tabelle auf S. 137 wiedergegebenen E l e k t r o n e n a n o r d n u n g e n der Atome mit dem auf Grund des c h e m i s c h e n V e r h a l t e n s der Elemente aufgestellten „Periodensystem" (S. 68), so stellt man fest, daß die zu e i n e r G r u p p e des Systems gehörenden, also chemisch einander ähnlichen Glieder jeweils

Der Bau der Atome

139

die g l e i c h e Z a h l v o n „Außenelektronen" aufweisen. Daraua geht hervor, daß die c h e m i s c h e n E i g e n s c h a f t e n der Atome und damit auch der aus diesen Atomen aufgebauten Elemente in der Hauptsache durch die in der ä u ß e r s t e n Elektronenschale enthaltenen Elektronen bedingt werden. Die g r a d u e l l e n A b s t u f u n g e n der Elemente i n n e r h a l b einer solchen Gruppe beruhen auf der Verschiedenheit von Zahl und Bau der i n n e r e n Schalen. Da — wie aus der Tabelle ersichtlich — die Elektronenzahlen der äußersten Schale nur zwischen 1 und 8 variieren, gibt es auch nur a c h t g r o ß e G r u p p e n von Elementen. Die auf Grund der chemischen Eigenschaften vollzogene Einordnung aller Elemente in 8 Gruppen eines Periodensystems (S. 68) findet also durch die Lehre vom Atombau ihre t h e o r e t i s c h e E r k l ä r u n g . Damit gewinnen zugleich auch die dort nur zur G r u p p e n - , P e r i o d e n - u n d A t o m - N u m e r i e r u n g benutzten Zahlen eine tiefere Bedeutung. Die über und unter einer senkrechten Gruppe stehende römische Li

Elektron

Be

Β

Mg

Al

Ν

Schale \1.Schale

' ., , Atomkern

Na

Elektron j3.Sc/ia/e Vi.Schale .,\tScha/e,



Ρ

S

CI

Fig. 45. Elektronenschalen und relative Atomradien der Elemente Lithium bis Chlor

Zahl stellt nicht einfach nur die Gruppennummer der betreffenden Elementfamilie dar, sondern gibt zugleich die Z a h l d e r A u ß e n e l e k t r o n e n in den Atomen dieser Gruppe wieder. Die links und rechts neben einer waagerechten Periode angegebene arabische Zahl bedeutet nicht einfach nur die Periodennummer der betreffenden Elementreihe, sondern gibt zugleich an, in d e r w i e v i e l t e n E l e k t r o n e n s c h a l e sich die durch die römische Gruppenziffer angegebene Anzahl von Außenelektronen befindet. Die über jedem Elementsymbol verzeichnete Ordnungszahl schließlich stellt nicht einfach nur die Atomnummer des betreffenden Elements dar, sondern gibt zugleich die Zahl der Kernladungen lind damit auch die G e s a m t z a h l d e r E l e k t r o n e n in der Atomhülle wieder. Über die Elektronenanordnung der in der Tabelle (S. 137) ausgelassenen Elemente und ihre Einordnung in das Periodensystem wird auf S. 439 ff. näher berichtet. Der Physiker unterscheidet bei der Einordnung der 8 Elektronen in die Außenschalen der Tabelle auf S. 137 noch zwischen „s-Elektronen" (Elektronen der „Nebejiqvantenzahl" 1=0) und „pElektronen" (Elektronen der Nebenquantenzahl 1=1), indem sich die 8 Elektronen auf eine mit zwei Elektronen abgesättigte, kugelsymmetrische „s-Bahn" und drei ebenfalls mit je 2 Elektronen abgesättigte, etwas energiereichere, axialsymmetrische „p-Bahnen" verteilen (bzgl. der übrigen Schalen vgl. S. 445). Nach dem „Prinzip der größten Multiplizität" erfolgt die fortschreitende Besetzung der Bahnen mit Elektronen so, daß nach Auffüllung der «-Bahn mit 2 Elektronen die nachfolgenden Elektronen jede der drei p-Bahnen zunächst einmal e i n f a c h , dann erst paarig besetzen. So verteilen eich z.B. die 5 Außenelektronen des S t i c k s t o f f s oder Phosphors derart, daß 2 Elektronen in der «-Bahn und je 1 Elektron in den drei p-Bahnen enthalten sind, während von den 6 Außenelektronen des S a u e r s t o f f s oder S c h w e f e l s 2 die ¿-Bahn, 2 weitere die erste p-Bahn

140

Die Elektronentheorie der Valenz

und je 1 die beiden restlichen p-Bahnen besetzen. Die s- und p-Bahnen der verschiedenen Schalen werden je nach deren H a u p t q u a n t e n z a h l (S. 136) als 2s-, 3β- bzw. 2p-, 3p-Bahnen usw. voneinander unterschieden. Die jeweils im β- und p-Energieniveau vorhandene Elektronenzahl η eines Atoms wird durch einen hochgestellten Index zum Ausdruck gebracht: e n bzw. p". So gilt beispielsweise f ü r die Konfiguration der 5 Außenelektronen des Stickstoffs (s. oben) das Symbol 2e22p3, während dem Phosphor das analoge Symbol 3«23p3 zukommt.

c) Die Atomspektren Bei einem gegebenen Atom kommt einem Elektron auf j e d e r S c h a l e ein ganz b e s t i m m t e r E n e r g i e g e h a l t E zu. Dieser Energiegehalt steigt mit zunehmendem Schalenradius, also wachsender Entfernung des Elektrons vom Kern zunächst r a s c h , dann immer w e n i g e r r a s c h an, um sich schließlich a s y m p t o t i s c h einem bestimmten G r e n z w e r t EG ZU nähern, der für das vom Atom ganz losgelöste Elektron gilt. Führt man einem Atom E n e r g i e (ζ. B. in Form von thermischer, optischer oder elektrischer Energie) zu, so können dadurch Elektronen entgegen der Anziehung durch den Kern von e n e r g i e ä r m e r e n , inneren Schalen auf e n e r g i e r e i c h e r e , äußere Schalen „gehoben" werden. Das Atom befindet sich dann nicht mehr im „Grundzustand", sondern in einem „angeregten Zustand" (vgl. S. 572f.). In diesem Zustand verweilt es nur s e h r k u r z e Z e i t ; schon nach durchschnittlich 10 - 8 bis 10 -9 sec „springen" die energiereichen Elektronen wieder in ihre n o r m a l e n oder doch wenigstens in e n e r g i e ä r m e r e Schalen zurück. Die dabei von den Elektronen a b g e g e b e n e E n e r g i e wird in Form von L i c h t frei; und zwar wird je E l e k t r o n e n s p r u n g ein L i c h t a t o m (S. 84) ausgesandt. Nach dem G e s e t z v o n d e r E r h a l t u n g d e r E n e r g i e muß dabei die Energie h-v des Lichtatoms gleich der Differenz der Energie-inhalte Eyot u n d E^h

des Elektrons v o r

und n a c h dem Elektronensprung sein: h · ν — Emr —- £nach

(1)

Da sich nun nach der T h e o r i e von B O H B die Elektronen eines Atoms nur in ganz b e s t i m m t e n Schalen mit ganz b e s t i m m t e n E n e r g i e g e h a l t e n befinden können, sind nur ganz b e s t i m m t e E n e r g i e d i f f e r e n z e n ¿Vor — £ n a c h und damit auch nur ganz b e s t i m m t e F r e q u e n z e n ν möglich. So erklärt sich das Linienspektrum (S. 41 f.) der Atome. Das bei der Anregung von Atomen e m i t t i e r t e Linienspektrum wird auch „Emissionsspektrum" genannt. Führt man die zur Anregung erforderliche Energie in Form von w e i ß e m , d. h. ein k o n t i n u i e r l i c h e s S p e k t r u m ergebendem L i c h t zu, so werden die einzelnen Anregungsbeträge (1) diesem Licht entnommen. Dementsprechend treten in dem kontinuierlichen Spektrum des weißen Lichtes bei denjenigen Wellenlängen (Frequenzen), die vom Atom verschluckt („absorbiert") werden, „Absorptionslinien" als d u n k l e L i n i e n auf sonst k o n t i n u i e r l i c h e m G r u n d e auf (,,Absorptionsspektrum"). Gemäß Beziehung (1) kann n a t u r gemäß jeder Stoff nur Lieht der gleichen Frequenzen (Wellenlängen) absorbieren, die er selbst zu emittieren vermag („KlBCHHOFFsches Gesetz der Absorption und Emission"). So emittiert beispielsweise angeregter N a t r i u m d a m p f eine charakteristische, bei 6892 À gelegene g e l b e Linie („D-Linie"). Betrachtet man dementsprechend Natriumdampf in der D u r c h s i c h t , so erscheint er uns p u r p u r f a r b e n , da er vom weißen Licht alles bis auf das genannte Gelb hindurchläßt und daher die K o m p l e m e n t ä r f a r b e zu Gelb zeigt. Die Tatsache, daß sich unter den Absorptionslinien des kontinuierlichen S o n n e n s p e k t r u m s („FRAUNHOFERsche Linien") auch die D-Linie des Natriums befindet, beweist, daß die Sonnenatmosphäre N a t r i u m d a m p f enthält. In dieser Weise kann uns die „Spektralanalyse" Aufschluß über die Zusammensetzung der S o n n e und der F i x s t e r n e geben. Das vom Natriumdampf aus weißem Licht absorbierte und daher in der Durchsicht im sonst lückenlosen Spektrum fehlende Licht wird in Form eines g e l b e n L e u c h t e n s (Wellenlänge 5892 Â) des Natriumdampfes nach allen Richtungen herausgestreut („Fluoreszenz"). In derselben Weise vermögen auch viele andere Stoffe bei Anregung durch Bestrahlung zu „fluoreszieren". Dabei braucht nicht immer wie im Falle des Natriumdampfes nur eine e i n z i g e Linie ausgestrahlt zu werden. Vielmehr kann die Rückkehr des angeregten in den Grundzustand des

Der Bau der Atome

141

Atoms auch über mittlere Energiezustände hinweg erfolgen, so daß ein ganzes „FluoreszenzSpektrum," ausgestrahlt wird. Naturgemäß besitzt dieses bei der Fluoreszenz ausgestrahlte Licht kleinere Frequenzen (größere Wellenlängen) als die erregende, absorbierte Strahlung („Gesetz von STOKES")· Klingt die Fluoreszenz nicht — wie dies bei Gasen und Dämpfen durchweg der Fall ist — sehr rasch (s. oben), sondern verhältnismäßig langsam ab, so spricht man von „Phosphoreszenz". Diese Art der „langsamen Fluoreszenz" trifft man in der Regel bei festen Stoffen an, z. B. beim Calciumsulfid (vgl. S. 412).

Die Energiedifferenzen eines Elektrons in zwei benachbarten Schalen eines Atoms nehmen mit w a c h s e n d e m R a d i u s der Schalen ab. Daher haben die beim Elektronensprung eines angeregten ä u ß e r e n Elektrons ausgesandten Spektrallinien eine k l e i n e r e F r e q u e n z (größere Wellenlänge) als die beim entsprechenden Elektronensprung zwischen i n n e r e n Schalen ausgestrahlten Linien. So erklärt es sich, daß die im ersten Fall bedingten „äußeren" Spektren im energieärmeren u l t r a r o t e n , s i c h t b a r e n oder u l t r a v i o l e t t e n Gebiet liegen („optische Spektren"), während die durch Elektronensprünge im Innern des Atoms verursachten ,,inneren" Spektren dem Gebiet der viel kurzwelligeren, energiereicheren R ö n t g e n s t r a h l e n angehören („Röntgenspektren"). Wir besprechen im folgenden zunächst die ersteren und dann die letzteren, und zwar in einfachster Form. Bezüglich einer verfeinerten Darstellung vgl. die Lehrbücher der physikalischen Chemie. α) Die „äußeren" Spektren Der einfachste Fall eines Atoms liegt dann vor, wenn ein e i n z e l n e s Elektron einem positiv geladenen Atomkern zugeordnet ist. Dies ist z.B. der Fall bei einem neut r a l e n W a s s e r s t o f f a t o m Η oder bei einem p o s i t i v g e l a d e n e n H e l i u m i o n He + (d. h. einem Heliumatom, dem man — etwa unter der Einwirkung eines starken elektrischen Funkens — ein Elektron entrissen hat) oder bei einem d o p p e l t p o s i t i v g e l a d e n e n — d. h. zweier Elektronen beraubten — L i t h i u m a t o m L i + + usw. Die E n e r g i e ε, die frei wird, wenn dieses einzelne, negativ geladene Elektron von außen her dem positiv geladenen Atomkern genähert und auf eine Elektronenschale vom Radius r gebracht wird, ist p r o p o r t i o n a l der K e r n l a d u n g Ζ des Atomkerns und u m g e k e h r t p r o p o r t i o n a l dem Radius r : ε= k

r

.

(2)

Der Proportionalitätsfaktor k hat dabei, wenn ε in cal und r in cm ausgedrückt wird, den Zahlenwert 2.755 XlO" 27 . Nun sind nach der Theorie von B O H B nur ganz b e s t i m m t e E l e k t r o n e n s o h a l e n mit b e s t i m m t e m R a d i u s r möglich ; und zwar verhalten sich in dem hier behandelten einfachsten Fall der Zuordnung eines einzelnen Elektrons zu einem positiven Atomkern die R a d i e n r der 1., 2., 3. usw. Schale bei g e g e b e n e r K e r n l a d u n g s z a h l wie die Q u a d r a t e der e i n f a c h e n ganzen Z a h l e n η (also wie 1 : 4 : 9 usw.) und bei g e g e b e n e r S c h a l e umgekehrt wie die K e r n l a d u n g s z a h l e n Ζ : Der Proportionalitätsfaktor k' hat dabei in diesem Falle, wenn r wieder in cm ausgedrückt wird, den Wert 5.293 χ10~ 9 . Damit ergibt sich für die oben genannte Energie ε, wie durch Einsetzen von (3) in k

Ζ2

(2) folgt, die Beziehung ε = ρ- · —

oder Ζ*

wobei k" = rr den Zahlenwelt 5 . 2 0 6 x 1 0 - 1 9 besitzt (ε in cal).

(4)

142

Die Elektronentheorie der Valenz

Um diesen Energiewert ε nimmt also der Energiegehalt eines Elektrons ab, wenn dieses von außen her auf die n-te Schale eines Atoms der Kernladungszahl Ζ gebracht wird. Da wir oben (S. 140) den Energiegehalt eines vom Atom losgelösten Elektrons a l s E c bezeichnet haben, kommt somit einem Elektron in der «-ten Schale der Energie-inhalt E„ — Eg — ε„ zu. F ü r die beim Elektronensprung freiwerdende Energie (1) ergibt sich daher die Beziehung £"vor — £ n a c l l = {EG — εν0Γ) — (Ec — εηΛch) oder •®vor

^nach = ®nach

£

vor ·

(5)

Beim Einsetzen von (4) folgt hieraus: (6)

Bei Berücksichtigung von (1) führt dies zur Beziehung h • ν = h • -f- = h" · Ζ2 • 'nach

oder (7) Die darin vorkommende Konstante R = ^— = 1.097 xlO 5 haben wir beim W a s s e r h·c

s t o f f , bei dem Ζ — 1 ist, schon als „RiDBERCSche Konstante" (S. 42) kennengelernt. Wie die Werte von « nacl , und « v o r in den dort wiedergegebenen Serienformeln zeigen, erklärt sich die „L YMAN-Serie" durch Elektronensprünge aus der 2., 3., 4., 5. usw. Schale in die 1. S c h a l e , die „BALMEX-Serie" durch Elektronensprünge aus der 3., 4., 5. usw. Schale in die 2 S c h a l e , die,,PAscHEN-Serie" durch Elektronensprünge aus der 4., 5. usw. Schale in die 3. S c h a l e und so fort (vgl. Fig. 46). Die der S e r i e n g r e n z e (S. 42) der einzelnen Serien entsprechende Energie gibt die beim Einfangen eines aus „unendlicher" Entfernung kommenden Elektrons («vor = i n der «-ten Schale («nach = ») f r e i w e r d e n d e und damit umgekehrt zur v ö l l i g e n L o s l ö s u n g des Elektrons aus der »-ten Schale des Atomverbands a u f z u w e n d e n d e Energie wieder (vgl. unten). Jenseits der Seriengrenze wird das Spektrum k o n t i n u i e r l i c h , da das vom Atom losgelöste Elektron b e l i e b i g e kinetische Energiegehalte besitzen kann. Beim positiv geladenen H e l i u m - i o n H e + ist Ζ = 2 und Z 2 damit = 4. Daher zeigen die Spektrallinien der entsprechenden Serien des Helium-ions eine 4 mal kleinere Wellenlänge als die des Wasserstoffs, wie ζ. B. ein Vergleich der auf S. 41 angeführten Wasserstofflinien mit den entsprechenden Heliumlinien zeigt 1 : H„ 6564.7 À Heí 1640.9 À 9/J3S* He/ 1215.5 À 4862.7 À Ηβ Fig. 46. Zustandekommen der Heí 1085.5 Â verschiedenen Serien des WasserHy 4341.7 À stoffspektrums 1025.9 A. H a 4102.9 À 1 Die R Y D B E R G s c h e Konstante E hängt in ganz geringem Maße von der Masse des in Frage stehenden Atoms ab (vgl. Lehrbücher der physikalischen Chemie). So beträgt sie für Helium (Ä H ) nicht wie beim Wasserstoff (Ä H ) 109677.7 cm- 1 , sondern 109722.14 cm"1.

Der Bau der Atome

143

Beim doppelt positiv geladenen L i t h i u m a t o m L i + + (Z = 3 ; Z 2 = 9) ist die Wellenlänge entsprechender Linien 9 mal so klein wie beim Wasserstoff. Die von n e u t r a l e n A t o m e n ausgehenden Spektren pflegt man als ,,Bogenspektren" zu bezeichnen, da sie vorzugsweise bei der Anregung von Atomen in einem — mit nur geringer Spannung brennenden — elektrischen L i c h t b o g e n zu beobachten sind. Die Spektren posit i v e r I o n e n nennt man dagegen „Funkenspektren", da die Erzeugung der Ionen naturgemäß einer stärkeren elektrischen Anregung bedarf, wie sie etwa in den F u n k e n kräftiger Leidener Flaschen vorliegt. Die von einfach, zweifach, dreifach usw. ionisierten Atomen herrührenden Spektren unterscheidet man dabei als „erstes", „zweites", „drittes" usw. F u n k e n s p e k t r u m . Die oben abgeleitete Beziehung zwischen W a s s e r s t o f f l i n i e n und H e l i u m l i n i e n besagt demnach, daß das B o g e n s p e k t r u m des W a s s e r s t o f f s in seinem Bau dem e r s t e n F u n k e n s p e k t r u m des H e l i u m s und dem z w e i t e n F u n k e n s p e k t r u m des L i t h i u m s entspricht. Dieser Satz kann auch auf höhere Atome übertragen und wie folgt verallgemeinert werden: Das Bogenspektrum eines Elements gleicht in seinem Charakter dem ersten Funkenspektrum des im Periodensystem nächstfolgenden und dem zweiten Funkenspektrum des ubernächsten Elemente („spektroskopischcr Verschlcbungssatz von SOMMERFELD-KOSSEL"). Die Energie, die erforderlich ist, um ein Atom zu i o n i s i e r e n , nennt man „Ionisierungsenergie". Sie ergibt sich in einfacher Weise, indem man in die Serienformel des betreffenden Atoms für ravor den Wert oo und für « I l a c l l die G r u n d b a h n des Außenelektrons einsetzt. Für Wasserstoff (Z = 1; n n a c h = 1) folgt so aus Gleichung (6) der Wert Evm — En:u± = 5.206 χ 1 0 ~ " cal je Atom bzw. (5.206 χ 10" 1Θ ) χ (6.022 X IO23) = 313500 cal je Grammatom. Für die Spaltung des Wasserstoffatoms in ein Wasserstoff-ion und ein Elektron ( Q ) gilt damit die Gleichung: 313.6 kcal + Η H+ + θ · Die Energie eines elektrischen Funkens ist groß genug, um Ionisierungsarbeiten dieser Größenordnung zu leisten.

Geht man von dem bisher behandelten Beispiel eines e i n z e l n e n Elektrons an einem positiv geladenen Kern zu den k o m p l i z i e r t e r e n Fällen der höheren Atome mit m e h r e r e n E l e k t r o n e n über, so kann man die der Wirkimg der Kernladung entgegengesetzte Wirkung der sonstigen Elektronen ζ. B. dadurch berücksichtigen, daß man an Stelle der wahren Kernladungszahl Ζ eine „effektive", d. h. nach a u ß e n hin w i r k s a m e Kernladungszahl Ζ — a einführt. Denn in solchen Fällen wird ja die positive Kernladung teilweise durch Elektronen „abgeschirmt". Wir betrachten diese Verhältnisse zweckmäßig am Beispiel der besonders einfach gebauten Röntgenspektren. ß) Die „inneren" Spektren Läßt man auf Atome von höherer Kernladungszahl K a t h o d e n s t r a h l e n , d. h. E l e k t r o n e n sehr h o h e r E n e r g i e auftreffen, so können durch die auf diese Weise zugeführte hohe Energie Elektronen aus i n n e r e n Schalen herausgeschleudert werden. Die so in den betreffenden inneren Schalen entstandenen L ü c k e n werden alsbald dadurch wieder ausgefüllt, daß Elektronen aus w e i t e r außen liegenden Schalen in die Lücken hineinspringen. Auf diese Weise werden ebenfalls S p e k t r a l - l i n i e n emittiert, die aber wegen der in der Nähe des stark geladenen Atomkerns auftretenden großen Energiedifferenzen viel k u r z w e l l i g e r (IO - 1 bis 10 2 Â) als die durch Elektronensprünge an der Peripherie eines Atoms bedingten Linien (IO2 bis 105 Â) sind. Man nennt sie „Röntgenstrahlen". Ihre Wellenlängen sind zum Unterschied von denen der o p t i schen Strahlen u n a b h ä n g i g von der B i n d u n g s f o r m des betrachteten Elements, da die chemischen B i n d u n g e n der Atome in den Molekülen lediglich durch die ä u ß e r e n Elektronen bedingt werden (S. 145ff.). Wird ein Elektron aus der i n n e r s t e n , " ersten oder .K-Schale herausgerissen, so beobachtet man das sogenannte „K-Spektrum", welches durch Elektronensprünge aus der 2. (Z.-), 3. (M-) usw. Schale auf die K - S c h a l e zustande kommt. Als e f f e k t i v e K e r n l a d u n g s z a h l haben wir in diesem Falle in die Gleichung (7) für Ζ die Größe

144

Die Elektronentheorie der Valenz

Ζ — 1 einzusetzen, da durch das zweite Elektron der K- Schale 1 Kernladung abgeschirmt wird: T - Ä . ( * - l , · . ( - - _ ) . (8) In der Regel wird die Lücke in der K-Schale durch ein Elektron aus b a r t e n L-Schale (n = 2) ausgefüllt. Die so ausgestrahlte Ä" a -Linie i n t e n s i v s t e des Spektrums, während die i^-Lmie (« = 3) oder (w == 4) weniger intensiv auftritt. Für die Κ „-Linie geht Gleichung (8) in R(Z

—1)2.(1_|)

der benachist daher die die Kv-Linie die Beziehung

oder (9)

über, wonach die reziproke Wellenlänge {„Wellenzahl") der Ka-Röntgenlinie aller Elemente dem Quadrat der um 1 verminderten Kernladungszahl Ζ proportional ist. Diese als

y 5000

12 η 16 IS 20 22 2^2628 30 32 39 J638'lO'te¥l't6'tesO MS S S Ar Ca Ti Cr Fe Ni Zn St Se Kr Sr Zr Mo Ru Pd Cd Sn >

Hern/sdungszah/Z

Fig. 47. Abhängigkeit der Wellenzahl der J5TÄ-Röntgenlinie von der Kernladungszahl nach dem MosELEYschen Gesetz

η·5

Fig. 48.

Zustandekommen der Röntgenspektren

„MOSELEI sches Gesetz" ( 1 9 1 3 ) bekannte Beziehung ermöglicht die eindeutige Festlegung der K e r n l a d u n g s z a h l eines Elements. In Fig. 47 sind die Wurzeln aus den Wellenzahlen 1 /λ der Kx-Linie in Abhängigkeit von der Kernladungszahl Ζ für eine Reihe von Elementen eingetragen. Es ergibt sich dabei gemäß (9) eine Gerade, die sofort erkennen läßt, ob an irgendeiner Stelle des Periodensystems ein bisher noch u n b e k a n n t e s E l e m e n t fehlt und ob die früher (S. 69) auf Grund des chemischen Verhaltens vorgenommene Umstellung einiger Elemente entgegen der Reihenfolge des Atomgewichts berechtigt war. So ergab sich bei Aufstellung des MosELEYschen Gesetzes, daß bei den Ordnungszahlen 43 (vgl. Fig. 47), 61,85 und 87 die zugehörigen Elemente — deren Entdeckung erst später gelang (S. 597 ff.) — noch fehlten, und daß in der Tat entgegen der Anordnung nach steigendem Atomgewicht das Kobalt vor das Nickel, das Argon1 vor das Kalium (vgl. Fig. 47) und das Tellur vor das Jod zu setzen ist. Wie früher (S. 69) schon gefolgert, ist also in der 1 Bei den Edelgasen (vgl. auch daa Krypton Kr in Fig. 47) konnte man die RöntgenEigenstrahlung aus versuchstechnischen Gründen noch nicht messen.

145

Die chemische Bindung

Tat nicht das A t o m g e w i c h t , sondern — wie sich jetzt ergibt — die K e r n l a d u n g s zahl Ζ das eigentliche ordnende P r i n z i p für die Reihenfolge der Elemente. Daß sich trotzdem bereits auf Grund der A t o m g e w i c h t e ein Periodensystem der Elemente entwickeln ließ, ist dem Umstand zu verdanken, daß — abgesehen von den vier auf S. 69 erwähnten Fällen — K e r n l a d u n g und A t o m g e w i c h t gleichlaufend zunehmen. Wird bei der Anregung durch Kathodenstrahlen ein Elektron aus der L-Schale entfernt, so entsteht infolge des Übergangs von Elektronen aus höheren Schalen auf die L- S c h a l e («nach = 2) das „L-Spektrum". Die Wellenlänge der La-Linie (»vor = 3) wird dabei in Analogie zu (8) ganz allgemein durch die Beziehung

wiedergegeben, in welcher die „Abschirmungskonstante" a = 7.4 der Abschirmimg der Kernladung Ζ durch die inneren Elektronen Rechnung trägt. Das Zustandekommen der verschiedenen Röntgenspektren wird durch Fig. 48 veranschaulicht, die ganz der Fig. 46 entspricht. Der Unterschied zwischen beiden Fällen besteht nur darin, daß in Fig. 46 die Kreise lediglich m ö g l i c h e Schalen darstellen, auf die das dem Kern zugeordnete Elektron gehoben werden k a n n , die aber u n b e s e t z t sind, während bei Fig. 48 die Schalen wirklich m i t E l e k t r o n e n b e s e t z t sind. Molekülspektren. Viel komplizierter als die A t o m s p e k t r e n sind die Molekülepektren gebaut. Denn hier können ja bei Energiezufuhr außer E l e k t r o n e n Sprüngen auch R o t a t i o n e n der Moleküle und Oszillationen der Atome innerhalb der Moleküle (S. 77) angeregt werden. Am leichtesten gelingt die Anregung von R o t a t i o n e n . Die dazu erforderlichen Energien entsprechen den Energiegehalten der Lichtquanten des langwelligen U l t r a r o t s (10*—10'Â). Daher findet man in diesem Wellenbereich der Molekülspektren reine „BotationsepeJctren", deren Wellenlängen (Frequenzen) durch die zwischen den v e r s c h i e d e n e n R o t a t i o n s - E n e r g i e z u s t ä n d e n des Moleküls bestehenden E n e r g i e d i f f e r e n z e n gemäß (1) — S. 140 — gegeben sind (vgl. S. 84f.). Die Anregung von Molekülschwingungen erfordert Energiemengen, wie sie in den Energiequanten des kurzwelligen U l t r a r o t s (10 4 —105 A) vorliegen. Daher überlagern sich in diesem Gebiete Rotations- und Schwingungespektren zu „Rotatione-SchwingungsSpektren". Die „Elektronensprungspektren" der Moleküle treten in Überlagerung mit den beiden vorgenannten Spektren wie bei den A t o m e n im s i c h t b a r e n und u l t r a v i o l e t t e n Gebiet auf. Näheres s. Lehrbücher der physikalischen Chemie.

2. Die chemische Bindung Die Tatsache, daß sich die E d e l g a s e v o l l k o m m e n i n d i f f e r e n t verhalten, also mit keinem anderen Element chemisch zur Reaktion zu bringen sind (S. 71), zeigt, daß eine Konfiguration von 8 (in der 1. Schale: 2) Außenelektronen b e s o n d e r s s t a b i l ist; denn die c h e m i s c h e n E i g e n s c h a f t e n eines Atoms hängen ja — wie aus den Ausführungen auf S. 138f. hervorgeht — von der Z a h l der A u ß e n e l e k t r o n e n ab. Die R e a k t i o n s f ä h i g k e i t a l l e r ü b r i g e n A t o m e beruht nun nach Vorstellungen, die in der Hauptsache von dem deutschen Physiker W A L T E B K O S S E L und dem amerikanischen Physikochemiker G . N . L E W I S (S. 1 0 7 ) stammen und von dem amerikanischen Physikochemiker LENTIS PAULING weiterentwickelt worden sind, auf deren B e s t r e b e n , durch V e r e i n i g u n g m i t a n d e r e n A t o m e n zu M o l e k ü l e n e b e n s o l c h e „EdelgasKonfigurationen" zu e r l a n g e n („Elektronentheorie der Valenz"). Dieses Bestreben ist auch der Grund dafür, daß bei gewöhnlicher Temperatur a l l e E l e m e n t e außer den Edelgasen einen m o l e k u l a r e n Aufbau aufweisen, indem ja nur die E d e l gase bereits im a t o m a r e n Zustand jene stabilen Außenelektronenschalen besitzen, die sich die übrigen Elemente erst durch Molekülbildung verschaffen müssen. Im folgenden wollen wir die Gesetze besprechen, naoh denen diese Molekülbildung erfolgt. H o l l e m a n - W I b e r g , Anorganische Chemie. 47.—56. Anfl.

10

Die Elektronentheorie der Valenz

146

a) Verbindungen erster Ordnung Bringt man die A u ß e n e l e k t r o n e n der Atome durch P u n k t e zum Ausdruck, so ergibt sich für die Atome der Element-Reihen vom Edelgas H e l i u m bis zum Edelgas N e o n (2. Periode) und vom Edelgas N e o n bis zum Edelgas Argon (3. Periode) das folgende Bild: He

-Li

-Be-

·Β·

-C-

·Ν·

·0·

:F·

Ne

-Na

-Mg-

-Al-

-Si-

·Ρ·

-S-

: Cl ·

: Ne : : Ar :

Für die im gekürzten Periodensystem (S. 68) darunterstehenden Elemente gilt die gleiche Elektronenverteilung. Die Atomsymbole stellen dabei die Atomkerne mit allen Elektronen außer den Außenelektronen dar, in der ersten Reihe also mit den Elektronen der 1., in der zweiten mit denen der 1. und 2. Schale. Man ersieht aus der Zusammenstellung, daß die l i n k s stehenden Atome durch A b g a b e , die r e c h t s stehenden durch A u f n a h m e von Elektronen die Elektronenkonfiguration des vorangehenden bzw. nachfolgenden Edelgases erlangen können. Dieser Elektronenausgleich kann auf drei Wegen erfolgen, je nachdem man zwei in der obigen Zusammenstellung l i n k s stehende oder zwei r e c h t s stehende oder ein l i n k s stehendes mit einem r e c h t s stehenden Atom kombiniert. Wir beginnen zunächst mit dem letzten Fall. a) Dio Ionenbindung Das Ionengitter Kombiniert man ein N a t r i u m a t o m mit einem C h l o r a t o m , so läßt sich für beide Atome dadurch eine „Achterschale" („Oktett") schaffen, daß ersteres an letzteres ein E l e k t r o n a b g i b t : .. .. Na · + · Cl : >- [Na]+ [: Cl :]". Das N a t r i u m erlangt dadurch die Außenschale des N e o n s , das Chlor die des Argons. Gleichzeitig führt dieser Übergang eines negativen Elektrizitätsquantums zu einer p o s i t i v e n Ladung für das N a t r i u m und zu einer n e g a t i v e n für das Chlor. Die e l e k t r o s t a t i s c h e A n z i e h u n g zwischen den beiden geladenen Atomen bewirkt den Z u s a m m e n h a l t des entstandenen Natriumchlorid-Moleküls. Man bezeichnet die auf dem eben beschriebenen Weg zustande gekommene Bindung zwischen den Atomen als „Ionenbindung" {„Elektrovalenz", „heteropolare Bindung", „•polare Bindung"), da für sie der Aufbau aus I o n e n charakteristisch ist. Die Ionenbindung ist naturgemäß n i c h t g e r i c h t e t , da sich das durch die Ladung der einzelnen Ionen bedingte elektrische Feld g l e i c h m ä ß i g n a c h a l l e n R i c h t u n g e n hin erstreckt. Daher wirkt sich auch die Anziehungskraft eines Natrium-ions nicht nur auf ein e i n z i g e s Chlor-ion aus und umgekehrt, sondern zugleich auf andere b e n a c h b a r t e I o n e n entgegengesetzter Ladung. So kommt es, daß die durch Ionenbindung zusammengehaltenen Stoffe {„Salze") nicht in Form e i n z e l n e r M o l e k ü l e , sondern in Form von „Ionengittern" verschiedener Anordnung (vgl. Lehrbücher der physikalischen Chemie) auftreten, von denen in Fig. 49 als besonders einfaches Beispiel ein Raumausschnitt aus dem in bezug auf Na+ und Cl - „kubisch-flächenzentrierten" Ionengitter des N a t r i u m c h l o r i d s wiedergegeben ist. Wie aus diesem hervorgeht, baut sich ein Natriumchlorid-Kristall in der Weise aus Natrium- und Chlorid-ionen auf, daß jedes Natriumion von 6 Chlorid-ionen und jedes Chlorid-ion von 6 Natrium-ionen umgeben ist. Man kann demnach bei Ionenverbindungen nicht eigentlich von einem Molekül — z . B .

147

Die ohemische Bindung

der Formel NaCl — sprechen, da das g a n z e I o n e n g i t t e r ein einziges R i e s e n m o l e k ü l darstellt. Die Riesengroße des Moleküls bedingt dabei die S c h w e r f l ü c h t i g k e i t solcher Salze. Im D a m p f z u s t a n d e sind die Salze allerdings auch in Form e i n z e l n e r k l e i n e r M o l e k ü l e bekannt (S. 422); in w ä s s e r i g e r L ö s u n g liegen sie sogar in Form ihrer E i n z e l - i o n e n vor (S. 91 f.). Man pflegt bei der Wiedergabe von Ionengittern meist nur die L a d u n g s s o h w e r p u n k t e („Qitterpunkte") der einzelnen Ionen anzudeuten (vgl. Fig. 49). In W i r k l i c h k e i t liegen die Verhältnisse so, daß sich die Ionen in einem solchen Gitter so weit nähern, bis sie sich b e r ü h r e n (genauer: bis die abstoßenden Kräfte der Elektronenschalen wirksam werden). Berücksichtigt man dabei die verschiedenen Ionendurchmesser von K a t i o n und A n i o n (vgl. S. 138,139), so erhält man beispielsweise im Falle des Natriumchlorids das in Fig. 50 wiedergegebene, wahrheitsgetreuere Bild.

Wegen ihres Aufbaus aus I o n e n , also elektrisch geladenen Teilchen, l e i t e n die Salze sowohl für sich (ζ. B . in geschmolzenem Zustande) als auch in wässeriger Lösung den e l e k t r i s c h e n S t r o m , weil beim Anlegen einer Spannung die positiv geladenen ι—er -Na*

*

Fig. 49.

5,628 Â

»

φ

Chlorid-ionen

Q

Natrium-ionen

Ladungsschwerpunkte der Ionen des Natriumchloridgitters

Fig. 50. Raumerfüllung der Ionen des Natriumchloridgitters

Kationen zur negativen Kathode und die negativ geladenen Anionen zur positiven Anode wandern und auf diese Weise den elektrischen Strom transportieren. Da an den Elektroden anschließend durch Aufnahme bzw. Abgabe von Elektronen (vgl. S. 172 ff.) eine Entladung der Ionen erfolgt — geschmolzenes Natriumchlorid also bei der Elektrolyse beispielsweise zu metallischem Natrium und gasförmigem Chlor entladen wird —, ist die S t r o m l e i t u n g stets mit einer Z e r s e t z u n g des S t r o m l e i t e r s verknüpft. Man nennt Leiter dieser Art „Leiter 2. Klasse" („Ionenleiter") zum Unterschied von den „Leitern 1. Klasse" („Elektronenleiter"), bei denen die Stromleitung nicht durch I o n e n , sondern durch E l e k t r o n e n bewirkt wird (S. 155). Die chemischen Eigenschaften der I o n e n sind von denen der Ausgangsatome natürlich ganz v e r s c h i e d e n , da erstere j a zum Unterschied von letzteren E d e l g a s Elektronenschalen besitzen und daher chemisch b e s t ä n d i g e r sind. So reagieren ζ. B . die Natrium-ionen des Natriumchlorids als „ P s e u d o - N e o n - a t o m e " nicht mit Wasser, während sich ζ. B . die Natrium-atom e des Natriummetalls damit stürmisch unter Wasserstoffentwicklung umsetzen; in analoger Weise sind die Chlorid-ionen des Natriumchlorids als „ P s e u d o - A r g o n - a t o m e " geruchlos, während u n g e l a d e n e s Chlor erstickend riecht (vgl. S. 93). Durch ein Kristallgitter wie das des Natriumchlorids (Fig. 49) lassen sich verschiedene E b e n e n legen, die in gesetzmäßiger Weise mit Atomen besetzt sind („Netzebenen"). Die A b s t ä n d e dieser Ebenen voneinander entsprechen in ihrer Größenordnung den Wellenlängen der R ö n t g e n s t r a h l e n (S. 143). Daher werden die R ö n t g e n s t r a h l e n an diesen N e t z e b e n e n in analoger Weise g e b e u g t wie s i c h t b a r e S t r a h l e n an S t r i c h g i t t e r n von ebenfalls vergleichbarem Gitterabstand. Diese Beugung von Röntgenstrahlen an den Punktgittern kristalli10*

148

Die Elektronentheorie der Valenz

sierter Stoffe gleicht f o r m a l einer R e f l e x i o n , so daß der B e u g u n g s w i n k e l gleich dem E i n f a l l s w i n k e l ist. Zum Unterschied von den sichtbaren Strahlen werden aber die Röntgenstrahlen bei g e g e b e n e r W e l l e n l ä n g e λ nur unter einem ganz b e s t i m m t e n B e u g u n g s winkel ê (,,Glanzwinkel") gespiegelt, dessen Größe von dem N e t z e b e n e n a b s t a n d d gemäß η · λ = 2d · sin & G,Braggsche Gleichung") abhängt (η — Ordnung des Reflexes). Entsprechend dieser Beziehung kann man durch Messung von ΰ· bei Kenntnis von Λ den N e t z e b e n e n a b s t a n d d und bei Kenntnis von d die W e l l e n l ä n g e λ der auftreffenden Röntgenstrahlung ermitteln. Von der ersteren Möglichkeit macht man ganz allgemein zur Aufklärung des G i t t e r b a u s k r i s t a l l i s i e r t e r S t o f f e („Eöntgenstrukturanalyse"), von der letzteren zur W e l l e n l ä n g e n b e s t i m m u n g von R ö n t g e n s t r a h l e n („Röntgenspektroskopie") Gebrauch (Näheres s. Lehrbücher der physikalischen Chemie).

Die L a d u n g s z a h l Die Zahl der Ladungen eines Ions, seine „Wertigkeit" („Ladungszahl''; „Ionenwertigkeit") hängt von der Zahl der Außenelektronen (,,Valenzelektronen") des Ausgangsatoms ab: Das Magnesium ζ. B., das zum Unterschied vom Natrium zwei Valenzelektronen je Atom besitzt, vermag die Elektronenschalen zweier Chloratome auf je eine Achterschale aufzufüllen: : Cl · + · Mg • + · ÇÏ : —

[ = C l : ] " [Mg]++ [ : C l : ] "

und ist somit zum Unterschied vom „positiv einwertigen" {„einladigen") Natrium ein „positiv zweiwertiges" (,,zweiladiges") Element. Kombinieren wir das Magnesium statt mit Chlor mit Schwefel, so genügt für die Aufnahme der beiden Magnesium-Elektronen bereits ein Atom, da dem Schwefelatom zwei Elektronen bis zur Edelgasschale fehlen: .. .. __ Mg: + S: —

[Mg] + + [ : S : ]

.

Der Schwefel ist somit zum Unterschied vom „negativ einwertigen" {„einladigen") Chlor ein „negativ zweiwertiges" {„zweiladiges") Element, weshalb er auch an Stelle des positiv zweiwertigen Magnesiumatoms zwei Atome des positiv einwertigen Natriums zu binden vermag: .. Na · + - S- + · Na

[Na]+ [ : S : ]

[Na]+.

Der Wasser s t o f f sucht seine Elektronenschale nicht auf eine A c h t e r - , sondern auf eine Zweierschale zu ergänzen, da — wie die Reaktionsträgheit des Heliums zeigt — die 1. Elektronenschale bereits bei Besetzung mit 2 Elektronen stabil ist. Dementsprechend bildet er beispielsweise mit den Elementen N a t r i u m und Calcium die Salze : [Na]+ [ : H ] -

und

[ H : J - [Ca]++ [ : H ] - ,

in denen er negativ einwertig ist. Der Chemiker v e r e i n f a c h t für gewöhnlich die Schreibweise solcher Ionenverbindungen, indem er auf die Kennzeichnung der Elektronen v e r z i c h t e t und die Ionenbindungen entweder durch P l u s - M i n u s - Z e i c h e n (a) oder — weniger gut — durch S t r i c h e („Valenzstriche") zum Ausdruck bringt (b), falls er sich nicht — wie wir dies bisher auch getan haben — mit der bloßen Aneinanderreihung der Atome unter Verwendung von Zahlenindizes begnügt (c): Na+ClCl-Mg++ClMg++S— Na+S—Na + (a)

Na—Cl Cl—Mg—Cl Mg=S Na—S—Na (b)

NaCl MgCl2 MgS Na 2 S (c)

Will man die Wertigkeit eines Elements in einer Verbindung statt durch die Formel durch den N a m e n der Verbindung zum Ausdruck bringen, so fügt man gewöhnlich die Wertigkeit als e i n g e k l a m m e r t e r ö m i s c h e Zahl hinter dem Elementnamen ein; z. B.: Blei(IV)-chlorid — gelesen Blei-vier-chlorid — für PbCl4.

Die chemische Bindung

149

Die M i s c h k r i s t a l l b i l d u n g Die Kationen und Anionen eines Ionengitters können in vielen Fällen schrittweise durch a n d e r e Kationen und Anionen ersetzt werden, o h n e d a ß s i c h d e r K r i s t a l l g i t t e r t y p d a b e i ä n d e r t . So kann man z . B . in einem N a t r i u m c h l o r i d k r i s t a l l das N a t r i u m Ion f ü r Ion durch S i l b e r ersetzen, so daß die Eigenschaften des Natriumchloridkristalls kontinuierlich in die eines Silberchloridkristalls übergehen. Man nennt diese Erscheinung „Mischkristallbildung" („Isomorphic") und unterscheidet zwischen ,,vollständiger" und ,,unvollständiger Mischkristallbildung", je nachdam der gegenseitige Ersatz der Ionen u n b e g r e n z t (,,Mischkristalle ohne Mischungslücke") oder nur b e g r e n z t (,,Mischkristalle mit Mischungslücke") möglich ist. Früher glaubte man, daß nur c h e m i s c h a n a l o g z u s a m m e n g e s e t z t e Verbindungen zur Mischkristallbildung fähig seien („Regel von Mitscherlich"). Man benutzte diese Regel zur Ermittlung unbekannter A t o m g e w i c h t e , indem man rückwärts aus der Isomorphie zweier Verbindungen auf deren analoge Zusammensetzung Schloß. So zog man beispielsweise aus der Tatsache der Isomorphie zwischen Kaliumperchlorat KC10 4 und Kaliumpermanganat K M n x 0 4 die Schlußfolgerung, daß dem Kaliumpermanganat die Formel K M n 0 4 zukomme, daß also die — zunächst unbekannte — Größe χ den Wert 1 habe. Heute wissen wir, daß in Wirklichkeit die G l e i c h h e i t d e s F o r m e l t y p s , d e r G i t t e r a b s t ä n d e und in den meisten Fällen auch des G i t t e r t y p s (,,homöotype Mischkristallbildung", „Homöomor-phie") die Voraussetzung für die Erscheinung der Mischkristallbildung zweier Salze bildet, während W e r t i g k e i t und c h e m i s c h e Ä h n l i c h k e i t der Gitterbausteine nicht so ausschlaggebend in Erscheinung treten. Beispielsweise bilden die Verbindungen K[Mn0 4 ], K[BF 4 ], Ba[S0 4 ] und Y [ P 0 4 ] untereinander Mischkristalle, obwohl sie sich in der Wertigkeit der Bausteine und in ihrem chemischen Charakter weitgehend voneinander unterscheiden. Sind die Gitterabstände v ö l l i g o d e r p r a k t i s c h g l e i c h , so findet man sehr häufig u n b e g r e n z t e M i s c h b a r k e i t . Bei g r ö ß e r e n U n t e r s c h i e d e n in den Gitterabständen (im allgemeinen sind bei Zimmertemperatur Differenzen bis zu etwa 6°/0 zulässig) vermag das Gitter des einen Salzes die Ionen des zweiten nur bis zu einem bestimmten Grenzwert aufzunehmen und umgekehrt, so daß mehr oder minder große M i s c h u n g s l ü c k e n auftreten. In manchen Fällen zwingt ein Salz dem anderen beim Einbau in sein Ionengitter seinen Gittertyp auf. In diesem Falle spricht man von „heterotyper Mischkristallbildung" oder „Heteromorphie". So haben ζ. B. die Mischkristalle, die bei der Aufnahme des m o n o k l i n e n Eisensulfats FeS0 4 · 7 H 2 0 in das Gitter des r h o m b i s c h e n Magnesiumsulfats MgS0 4 · 7 H , 0 entstehen, eine r h o m b i s c h e Kristallform, während umgekehrt das m o n o k l i n e F e S 0 4 · 7 H 2 0 die r h o m b i s c h e n MgS0 4 · 7H 2 0-Kristalle als m o n o k l i n e s Magnesiumsulfat einbaut.

Das sich gegenseitig vertretende Ionenpaar braucht nicht immer r e i n s t a t i s t i s c h auf das Ionengitter verteilt zu sein, sondern kann sich auch nach e i n e m b e s t i m m t e n r ä u m l i c h e n V e r t e i l u n g s p l a n im Gitter anordnen. I n diesem Falle resultiert ein „Doppelsalz" (S. 391) mit stöchiometrischer Zusammensetzung. Als Beispiel sei hier erwähnt: der Dolomit CaMg(C0 3 ) 2 . Bei den Mischkristallen mit r e i n s t a t i s t i s c h e r V e r t e i l u n g des isomorphen Salzpaares läßt sich natürlich keine solche charakteristische stöchiometrische Formel angeben. Dies bedeutet aber keinen Widerspruch gegen das G e s e t z v o n d e n k o n s t a n t e n u n d m u l t i p l e n P r o p o r t i o n e n (S. 12ff.), weil sich dieses Gesetz auf die Zusammensetzung der M o l e k ü l e bezieht und in diesem Falle der g a n z e K r i s t a l l ein einziges R i e s e n m o l e k ü l darstellt. Auch bei einem aus nur z w e i verschiedenen Ionenarten aufgebauten Ionengitter kann das Gesetz der konstanten und multiplen Proportionen formal versagen, wenn ζ. B. eine der beiden Ionenarten in v e r s c h i e d e n e n W e r t i g k e i t e n vorkommt und im Gitter „Leerstellen''' auftreten. Beispielsweise hat das Oxid des zweiwertigen Eisens normalerweise nicht die Zusammensetzung FeO, sondern die Formel Fe 0 . 80 O bis Fe 0 . es O, weil im FeO-Gitter einzelne F e + + -

150

Die Elektronentheorie der Valenz

Gitterstellen unbesetzt eind und zum Valenzausgleich dafür an anderen Stellen F e + f + - I o n e n auftreten (vgl. S. 534): 0~" Fe + + 0 " Fe++

Fe+++ CT"

0"" Fe++ O " Fe++

0""

Fe++ 0 " Fe+++ O "

0 " Fe++ 0"" Fe++

Fe++ 0 ~ Fe++ 0"~

E s handelt sich hier um einen homöotypen Mischkristall aus den Oxiden des zwei- und dreiwertigen Eisens, FeO und F e 2 0 3 .

ß) Die Atombindung Die B i n d u n g s z a h l Nicht immer kann durch Elektronenübergang für die beteiligten Atome eine stabile Edelgasschale erreicht werden. Kombinieren wir ζ. B. zwei im Periodensystem der Elemente r e c h t s stehende Atome, ζ. B. zwei Chloratome, miteinander, so ist hier keine Ionenbindung denkbar, weil hierbei nur das eine, nicht aber das andere Atom ein Elektronenoktett erlangt: :C1. + . Cl:

>- [ : C 1 ] + [ : Cl:]~

Hier ist das Ziel stabiler Edelgasschalen nur dadurch zu erreichen, daß sich beide Atome gemeinsam in ein E l e k t r o n e n p a a r („Dublett") t e i l e n : : Cl · + • Cl :

>- : Cl : Cl :

Das gemeinsame E l e k t r o n e n p a a r stellt dabei einen zweiten Typus von chemischer Bindung zwischen zwei Atomen dar, den man als „Atombindung" („Kovalenz", „homöopolare Bindung", „unpolare Bindung") bezeichnet. Die Zahl der von einem Atom ausgehenden Atombindungen, seine „Wertigkeit" („Bindungszahl"; „Atomwertigkeit"), hängt wie bei der Ionenbindung von der Zahl seiner Außenelektronen ab. Vereinigen wir ζ. B. Chlor mit S a u e r s t o f f , so muß letzterer, da seinen Atomen zwei Elektronen zur Achter schale fehlen, zwei Elektronenpaare mit zwei Chloratomen teilen, um zur Neonschale zu kommen: : Cl ·

+ · Ö·+

· Cl :

: Cl :

Ö : Cl :

Sauerstoff ist daher zum Unterschied vom „einwertigen" {„einbindigen") Chlor „zweiwertig" („zweibindig"). Dementsprechend sind auch die beiden Sauerstoffatome eines S a u e r s t o f f m o l e k ü l s zum Unterschied von den Chloratomen des Chlormoleküls nicht durch eine „einfache Bindung" (ein gemeinsames Elektronenpaar), sondern durch eine „Doppelbindung" (zwei gemeinsame Elektronenpaare) miteinander verknüpft : Ö: + : Ó

^ Ö : :Ö

Beim S t i c k s t o f f m o l e k ü l muß die Verknüpfung der beiden Stickstoffatome sogar durch eine „Dreifachbindung" erfolgen, da nur auf diesem Wege Achterschalen für die Stickstoffatom e zu erzielen sind : : N:· +

. :N:

: N : : : N:

In ganz analoger Weise treten die Atome Chlor, Sauerstoff und Stickstoff auch gegenüber dem die Heliumschale erstrebenden W a s s e r s t o f f ein- bzw. zwei- oder dreiwertig auf, während sich das K o h l e n s t o f f a t o m mit seinen vier Außenelektronen

Die chemische Bindung

151

sowohl gegenüber Wasserstoff als auch gegenüber anderen Elementen als v i e r w e r t i g erweist : ίί rl H : Cl : H:Ö: H H:Ν: Η H:C:H Η Der Chemiker vereinfacht diese „Elektronenformeln" homöopolarer Verbindungen meist in analoger Weise wie bei den heteropolaren Verbindungen dadurch, daß er jedes gemeinsame {„anteilige") Elektronenpaar, also jede Atombindung durch einen vom betrachteten Atom ausgehenden V a l e n z s t r i c h {„Valenzstrichformeln") kennzeichnet (a). Vielfach ist es dabei zweckmäßig, auch die u n b e a n s p r u c h t e n {„freien", „einsamen") Elektronenpaare durch — quergerichtete — Striche wiederzugeben (b). Für die gewöhnliche Bezeichnung von Verbindungen genügt allerdings auch hier wieder die bloße Aneinanderreihung der Elementsymbole (c) : Cl-Cl

IC1-C1I

Cl2

H-O-H

H-O-H

H20

Η

Η

H-N-H

H-N-H

NHS

0=0

0=0

02

N=N (a)

I N=N I (b)

N2 (c)

Wie ein Vergleich dieser Formeln mit den Formeln für Ionenverbindungen (S. 148) zeigt, bringen die Valenzstrichformeln — ζ. B . von Natriumchlorid (Na—Cl) und Chlor (Cl—Cl) — zum Unterschied von den Elektronenformeln ^[Na]+ :C1:

bzw.

: C l : C l : j nicht zum Ausdruck, daß es sich in den beiden Fällen um g a n z v e r s c h i e d e n e T y p e n von Bindungsarten handelt, daß also im einen Fall ein Aufbau aus I o n e n , im anderen ein Aufbau aus A t o m e n vorliegt. Man pflegt daher heute Valenzstriche nur noch im Falle kovalenter Bindungen anzuwenden. Die Ionenbildung Der Aufbau aus A t o m e n statt aus I o n e n bedingt, daß Stoffe wie C h l o r w a s s e r s t o f f oder A m m o n i a k zum Unterschied vom Natriumchlorid oder Natriumhydrid im flüssigen r e i n e n Zustande N i c h t l e i t e r sind. Daß sie demgegenüber in w ä s s e r i g e r L ö s u n g den elektrischen Strom leiten, beruht auf der Bildung von Ionen durch R e a k t i o n m i t dem L ö s u n g s m i t t e l . So erfolgt beim Auflösen von C h l o r w a s s e r s t o f f in W a s s e r ein Übergang von positiv geladenen Wasserstoff-ionen {„Protonen") vom C h l o r w a s s e r s t o f f zum W a s s e r hin: Η H : Cl : H + :Ö: II

H

:Ö:

+

[:Ci:]-.

H

Dabei entstehen aus den Wassermolekülen p o s i t i v g e l a d e n e , den s a u r e n Char a k t e r der Chlorwasserstofflösung bedingende ,,Oxonium-ionen" H 3 0 + (hydratysiert : ,,Hydronium-ionen"), während die C h l o r a t o m e als n e g a t i v g e l a d e n e A n i o n e n

152

Die Elektronentheorie der Valenz

zurückbleiben. Die Ionen einer wässerigen Salzsäure entstammen also in Wirklichkeit nicht einer D i s s o z i a t i o n dea Chlorwasserstoffs (S. 91) gemäß HC1^=±:H++ e r , (1) sondern einer c h e m i s c h e n R e a k t i o n zwischen Chlorwasserstoff und Wasser: HCl + H g 0

H 3 0 + + Cl".

(2)

Der Kürze halber pflegt man aber statt der ausführlicheren Gleichung (2) gewöhnlich die gekürzte Gleichung (1) zu schreiben. Man muß sich dabei aber bewußt bleiben, daß die W a s s e r s t o f f - i o n e n hier wie bei anderen Säuren in Wirklichkeit Oxoniumionen sind. Löst man A m m o n i a k in W a s s e r auf, so erfolgt der P r o t o n e n ü b e r g a n g umgekehrt vom W a s s e r zum A m m o n i a k hin: H H :N: H + [ : Ö : H f . H:N: + H : 0 : H H H Dadurch kommt es zur Bildung von „Hydroxid-ionen" OH - , welche den b a s i s c h e n C h a r a k t e r der Ammoniaklösung bedingen (S. 92). Wir werden später (S. 174ff.) ausführlicher auf die sich so ergebende neue D e f i n i t i o n von Säuren und Basen eingehen. Das Tetraedermodell Zum Unterschied von der Ionenbindung ist die Atombindung r ä u m l i c h ger i c h t e t . Wir können sie uns bildlich vorstellen als eine die beiden verbundenen Atome umkreisende Bahn eines Elektronenpaares. Daher werden sich die Elektronenbahnen der vier Elektronenpaare eines Oktetts wegen der gleichnamigen Ladung der Elektronen gegenseitig abstoßen, so daß eine Richtung nach den v i e r E c k e n e i n e s T e t r a eders hin resultiert (Fig. 51). Dementsprechend bilden z . B . die 4 Wasserstoffatome des Methanmoleküls CH4 ein r e g e l m ä ß i g e s T e t r a e d e r , in dessen Mittelpunkt der Kohlenstoff sitzt, während das A m m o n i a k NH S , bei dem eine der 4 Bindungen unbeansprucht ist, die Form einer flachen d r e i s e i t i g e n P y r a m i d e (Grundfläche: 3 Wasserstoffatome ; Spitze: 1 Stickstoffatom) und das W a s s e r H 2 0 , das nur 2 Kovalenzen betätigt, die Form eines g l e i c h s c h e n k l i g e n D r e i e c k s (Spitze: 1 Sauerstoffatom ; Grundlinie : 2 Wasserstoffatome) besitzt (Fig. 52). Der Valenzwinkel beträgt in allen drei Fällen, übereinstimmend mit dem Tetraedermodell, abgerundet 110° (CH4 : 110°; NHa : 108°; H 2 0 : 105°). Analoges gilt für die vom CH4, NH 3 und H 2 0 durch Austausch („Substitution") der Wasserstoffatome gegen andere Atome oder Atomgruppen („Substituenten", „Liganden") ableitbaren Abkömmlinge („Derivate"). Wie ein Vergleich dieser Moleküle mit den Ionengittern der Fig. 51. Tetraedermodell der Valenzriohtung Salze (S. 147) zeigt, bilden die Verbindungen mit Atombindungen im allgemeinen k e i n e R i e s e n m o l e k ü l e , sondern abgeschlossene k l e i n e r e T e i l c h e n , da infolge des Fehlens von Ionenkräften keine Veranlassung zur Zusammenlagerung der Einzelmoleküle zu Riesenverbänden besteht. Dementsprechend sind die h o m ö o p o l a r aufgebauten Stoffe zum Unterschied von den schwerflüchtigen S a l z e n meist f l ü c h t i g e Verbindungen. Immerhin können auch die homöopolaren Stoffe gelegentlich sohwer- bis n i c h t f l ü c h t i g sein. Z. B . dann, wenn das durch Atombindungen zusammengehaltene Molekül an sich s e h r groß b i s r i e s e n g r o ß ist. Als Beispiele seien hier die später

Die chemische Bindung

153

noch zu besprechenden „Atomgitter" des D i a m a n t e n (S. 294f.) und des Quarzes (S. 328) erwähnt. Auch kann die Flüchtigkeit durch A s s o z i a t i o n der Moleküle infolge D i p o l w i r k u n g herabgesetzt werden, worauf wir im folgenden Abschnitt über das Dipolmoment näher eingehen wollen. Während man bei den Elektronen eines freien Atoms zwischen s- und p-Bahnen verschiedenen Energieinhalte unterscheiden muß (vgl. S. 139 f.), wird diese Unterscheidung bei den Elektronen gebundener Atome weitgehend gegenstandslos. So besetzen etwa die 8 Elektronen des Methans CH4 keine energieverschiedenen β- und p-Bahnen, sondern ein neues Energieniveau, dessen vier energiegleiche und nach den Ecken eines regulären Tetraeders gerichtete Bahnen als „Baatard-

Bahnen" (engl. : „hybrid Orbitals") bezeichnet werden und dessen Bildung aus dem s- und p-Niveau

mit einem Energiegewinn verknüpft ist 1 .

Fig. 52. Räumliche Atomanordnung im Methan-, Ammoniak- und Wassermolekül

Das Dipolmoment Sind die durch eine Atombindung miteinander verbundenen Atome voneinander v e r s c h i e d e n (AB), so verteilt sich das gemeinsame Elektronenpaar in der Regel nicht s y m m e t r i s c h (a), sondern u n s y m m e t r i s c h (b) auf die beiden Bindungspartner, da die Elektronenaffinität der beiden Atome verschieden ist; schematisch: 1+) ( - )

A :B A :B . (a) (b) Auf diese Weise fallen die Schwerpunkte der positiven und negativen Ladungen des Moleküls nicht zusammen, so daß das Molekül einen mehr oder minder polaren C h a r a k t e r annimmt. Zahlenmäßig wird dieser polare Charakter durch das elektrische „Dipolmoment" μ (vgl. I I , S. 49ff.): μ = e·I (3) zum Ausdruck gebracht (e = Ladung ; l = Abstand der Ladungsschwerpunkte). So besitzt ζ. B. der C h l o r w a s s e r s t o f f HCl ein D i p o l m o m e n t , weil das gemeinsame Elektronenpaar mehr dem Chlor als dem W a s s e r s t o f f angehört: (+) (-) Η : Cl:

Wäre die Verbindung eine ideale I o n e n Verbindung, so müßte das Dipolmoment (3) (4.803 X IO" 10 ) X (1.28 χ IO -8 ) = 6.15 χ 10~18 elektrostatische Einheiten • cm = 6.15 „Debye"2 betragen, weil der Abstand der beiden Atomkerne im HCl-Molekül 1.28 A beträgt und bei idealem Ionenaufbau jedem Ion eine elektrische Elementarladung von 4.803 Χ 1 0 " 1 0 elektrostatischen Einheiten ( = 1.602 χ IO -19 Coulomb) zukäme. In Wirk1 Setzt man die Bindekraft einer «-Bindung willkürlich mit 1 an, so beträgt die relative Bindefestigkeit einer p-Bindung 1.732 und die einer «-p-Bastardbindung 2 (vgl. Anm. 1 auf S. 446). 8 Man hat für 10" 18 elektrostatische Einheiten des Dipolmoments die Bezeichnung „Debye" (D) eingeführt, weil die Entdeckung der permanenten molekularen elektrischen Dipole dem niederländischen Physiker PETER DEBYE zu verdanken ist und weil alle Zahlenwerte des Dipolmomente in dieser Größenordnung liegen.

Die Elektronentheorie der Valenz

154

lichkeit sind aber die elektrischen Ladungen k l e i n e r , da das gemeinsame Elektronenpaar dem Chloratom nicht v ö l l i g , sondern nur b e v o r z u g t angehört. Dementsprechend beträgt das gefundene Dipolmoment nur 1.04 Debye. Selbstverständlich kann man dann rückwärts aus der Größe des gefundenen Dipolmoments hier wie in anderen Fällen Rückschlüsse auf die Ladungsverteilung und damit den i n n e r e n B a u des Moleküls ziehen. Bei einem aus zwei g l e i c h a r t i g e n A t o m e n bestehenden Molekül (ζ. B. H 2 , J 2 , N2) ist das Dipolmoment natürlich gleich Null. Die Atombindungen mit polarem Charakter stellen Ü b e r g ä n g e zwischen der reinen Ionenund der reinen Atombindung (vgl. S. 156f.) dar und haben dazu geführt, auch bei der A t o m w e r t i g k e i t zwischen einer mehr „elektropositiven" und einer mehr , , e l e k l r o n e g a t i v e n " Wertigkeit zu unterscheiden. So ist ζ. B. der S t i c k s t o f f im S t i c k s t o f f - f l u o r i d NF8 der e l e k t r o positivereBestandteil und daher „ e l e k t r o p o s i t i v dreiwertig", während er im S t i c k s t o f f - c h l o r i d NC1, den e l e k t r o n e g a t i v e r e n Bestandteil bildet und daher als ,,elektronegativ dreiwertig" bezeichnet wird (vgl. S. 232f.).

In derselben Weise, in der sich entgegengesetzt geladene I o n e n anziehen, können sich auch I o n e n und Dipole sowie Dipole u n t e r e i n a n d e r anziehen und auf diese Weise Molekülaggregate bilden. Die Kraft K, mit der dies geschieht, läßt sich für die verschiedenen Fälle durch die Gleichungen _ β! -e 2 Ion-Ion —

__ e f f t s ·°·Ion-Dipol ~ jä

η. _ Mi * M2 Dipol-Dipol — jA

Λ

wiedergeben (e = Ladling des Ions ; μ = Moment des Dipols ; r = Abstand der sich anziehenden Ladungen). Man ersieht daraus, daß die „ D i p o l k r ä f t e " bei gleichen Abständen r gemäß dem größenordnungsmäßigen Unterschied zwischen e und μ sehr v i e l k l e i n e r als die , , I o n e n k r ä f t e " sind und zudem mit wachsendem Abstand der Ladungen entsprechend der höheren Potenz von r sehr v i e l r a s c h e r a b k l i n g e n als diese. Die Dipolkräfte {„VAN DER WAALsscheKräfte") bedingen u.a. die A s s o z i a t i o n vieler Substanzen im flüssigen Zustande und die Bildung zahlreicher A n l a g e r u n g s k o m p l e x e (vgl. S. 161). γ ) Die Mctallbindung Das M e t a l l g i t t e r Kombiniert man zwei im Periodensystem der Elemente l i n k s stehende Atome, etwa zwei N a t r i u m a t o m e , miteinander, so kann weder durch den Übergang eines Elektrons vom einen zum anderen Atom (Na · -f- • Na —>• [Na] + [: Na]~) noch durch gemeinsame Beanspruchung eines Elektronenpaares seitens beider Natriumatome (Na · + · Na —>- Na : Na) eine stabile Achterschale für letztere geschaffen werden. Dies ist vielmehr nur dadurch möglich, daß b e i d e Natriumatome ihr Elektron a b g e b e n und daß die so entstehenden beiden p o s i t i v e n N a t r i u m - i o n e n durch die beiden n e g a t i v e n E l e k t r o n e n zusammengehalten werden: Na · + · Na

ν [Na]+ : [Na]+.

Diese Art der Bindung wird „Mctallbindung" genannt. Die durch die Zahl der abgegebenen Valenzelektronen bedingte L a d u n g des Metall-ions gibt die „Metallwertigkeit" wieder. Wie bei der Ionenbindung liegen naturgemäß auch hier k e i n e g e r i c h t e t e n K r ä f t e vor, so daß sich die Anziehung zwischen Elektronen und Metallionen nicht auf zwei A t o m e beschränkt, sondern — ähnlich wie bei der Ionenbindung — zur Bildung eines „Metallgitters" führt, bei welchem ein Ionengitter von Metallionen in ein „Elektronengas", d. h. ein Fluidum leichtverschieblicher Elektronen eingebettet ist. So haben wir uns ζ. B. das N a t r i u m m e t a l l , wie der in Fig. 53 wiedergegebene Ausschnitt aus dem Natriumgitter zeigt, als ein ,,kubisch-raum-

155

Die chemische Bindung

zentriertes" Gitter von Natrium-ionen vorzustellen, das von den Valenzelektronen der Natriumatome wie von einem Gas erfüllt ist. Lediglich im Dampfzustande kommen auch einfache Na2-Moleküle vor (S. 420). Die l e i c h t e B e w e g l i c h k e i t des Elektronengases bedingt den metallischen Charakter, vor allem die e l e k t r i s c h e L e i t f ä h i g k e i t der festen Metalle. Die Leitfähigkeit ist dabei zum Unterschied von der Leitfähigkeit der Salze n i c h t mit einer chemischen Zersetzung des Leiters verbunden, da ja bei dem Vorgang der elektrischen Leitung das Metallionengerüst I (T e r h a l t e n bleibt und lediglich eine Wanderung der Elektronen (Abfluß zum positiven, Nachlieferung vom negativen Pol der Stromquelle) erfolgt. Leiter dieser Art nennt 7 man „Leiter 1. Klasse" (vgl. S. 147).

tQ

Die Geschwindigkeit, mit der sich die Elektronen in einem metallischen Leiter unter dem Einfluß einer angelegten Spannung bewegen, ist — entgegen einem weityerbreiteten Irrtum — sehr klein. Fließt z . B . in einem Kupferdraht von 1 mm J Querschnitt ein Strom von 1 A, so beträgt die Strömungsgeschwindigkeit der Elektronen weniger als 1 / 1 0 mm pro Sekunde1, entsprechend einer S t u n d e n g e s c h w i n d i g k e i t von nur rund 30 cm. Da sich allerdings beim Einschalten des Stroms alle Elektronen des Leiters g l e i c h z e i t i g in Bewegung setzen (so wie sich beim Rangieren eines Eisenbahnzuges alle Wagen bewegen, wenn der letzte angestoßen wird), ist dieWirkung des Stromes auch an entfernten Stellen sofort zu beobachten.

À


Atombindung

[A]+:B

>- [A]+ : [BJ+.

Übergangsbindung

MetaUblndung

E s erfolgt also dabei ein allmählicher Übergang von gebundenen Elektronen in freie Leitungselektronen. Atombindung/Metallbindung. I n analoger Weise kann auch ein allmählicher Übergang der A t o m b i n d u n g i n d i e M e t a l l b i n d u n g erfolgen: 0 Φ [Α: Β] — V [A : Β] [Α]+: [Β]+, Atombindung

Übergangsbindung

Metallbindung

wie man etwa an der Reihe der Elemente C1CI,

SS,

PP,

SiSi,

A1A1,

MgMg,

Atombindung

NaNa MetaUblndung

sieht, die vom h o m ö o p o l a r e n C h l o r über das bereits den elektrischen Strom leitende Halbmetall S i l i c i u m zum m e t a l l i s c h e n N a t r i u m f ü h r t .

b) Verbindungen höherer Ordnung Verbindungen, wie die bis jetzt besprochenen, bei denen durch entsprechenden Elektronenausgleich für die beteiligten Bindungspartner erstmals Edelgasschalen erreicht werden, heißen „Verbindungen erster Ordnung". Die Fähigkeit der Atome zur Bindung anderer Atome ist aber nach Bildung dieser Verbindungen n o c h n i c h t e r s c h ö p f t . Insbesondere sind die K a t i o n e n und A n i o n e n von S a l z e n imstande, durch Aufnahme von Atomen und Atomgruppen in „Kom-plex-ionen" („Verbindungen höherer Ordnung") überzugehen. α) Komplexbildung am Anion Die koordinative

Bindung

Das Chlorid-ion im Natrium chloridmolekül enthält v i e r f r e i e E l e k t r o n e n p a a r e : [Na]+ [:C1:]~, die zur Auffüllung unvollständiger Elektronenschalen anderer Atome dienen können. Lagern wir etwa an diese Elektronenpaare 1, 2, 3 oder 4 S a u e r s t o f f a t o m e an, deren E l e k t r o n e n s e x t e t t dabei zu einem O k t e t t ergänzt wird, so gelangen wir zu folgenden vier Verbindungen höherer Ordnung: :C1:Ö:

Na+

: Ó: Cl : Ö : Na+

: Ö: : 0:CJ : 0 :

Na+

: Ö: :Ö:Ci:Ö: ' : Ö: "

die wir als Natrium-hypochlorit, -chlorit, -chlorat und -perchlorat bereits kennengelernt haben (S. 120).

158

Die Elektronentheorie der Valenz

Auch bei diesen neu in das Molekül eintretenden Atomen erfolgt die Bindung wie bei der Atombindung durch ein gemeinsames E l e k t r o n e n p a a r . Die Bindung unterscheidet sich aber insofern von der A t o m b i n d u n g , als bei letzterer j e d e s der beiden v e r b u n d e n e n A t o m e ein E l e k t r o n zur B i n d u n g b e i s t e u e r t (Α · + · Β —>•+Α :_Β), während hier beide E l e k t r o n e n v o n einem A t o m stammen (Α : + Β —>- Α : Β). Formal kann man sich das Zustandekommen der Bindung so vorstellen, daß zunächst wie bei der Ionenbindung der Übergang eines Elektrons vom einen zum anderen Atom hin erfolgt (1), worauf sich die entstandenen Teilchen durch eine normale Atombindung miteinander verknüpfen (2) : Α: +

Β

+

Α. +

B

(1)

_ (2) A 4 -Β—>- Â : Β A: + Β (3) A:B Wie die Gesamtgleichung (3) zeigt, führt die beschriebene Anlagerung eines Atoms an ein freies Elektronenpaar im Endeffekt zu einer p o s i t i v e n L a d u n g für das e l e k t r o n e n p a a r - l i e f e r n d e und einer n e g a t i v e n L a d u n g für das e l e k t r o n e n p a a r - a u f n e h m e n d e Atom 1 . Die zustandegekommene Bindung unterscheidet sich somit von der reinen Atombindung und wird daher als „koordinative Bindung" („semipolare Doppelbindung" ; vgl. S. 159) von dieser unterschieden. Die Zahl und Art der infolge koordinativer Bindungen an einem Atom auftretenden fiktiven Ladungen („formale L a d u n g s z a h l " ) läßt sich bei einer gegebenen Elektronenformel — wie man am Beispiel (3) nachprüfen kann — leicht in der Weise ermitteln, daß man die zu jedem gebundenen Atom gehörenden Elektronen zusammenzählt (wobei gemeinschaftliche Elektronenpaare halb zum einen und halb zum anderen Atom zu rechnen sind) und die so erhaltene Elektronenzahl mit der Zahl der Elektronen des n e u t r a l e n freien Atoms vergleicht (s. auch die folgenden Beispiele).

In ähnlicher Weise wie an das C h l o r i d - i o n Sulfid-ion

, Phosphid-ion

:P:

können ζ. B. auch an das

: Cl:

und S i l i c i d - i o n

: Si:

Sauer-

stoffatome angelagert werden. Die Endglieder [XOJ n ~ haben dabei, wenn wir zugleich die bei der koordinativen Bindung auftretenden formalen Ladungszahlen (s. oben) berücksichtigen, folgende E l e k t r o n e n f o r m e l n : : Ö: - +4·+ :0: Cl:0:

: 0: Na+

: Ö: Perchlorat

-

++

:Ö:

:0: -

:0:S :0:

Na+ Na+

:Ö: Sulfat

:Ö:Ρ :Ó:

Na+ Na+ Na+

: Ö : Si : Ö : :

Ö:

Na+ Na+ Na+ Na+

(4)

Silicat

Phosphat

Die Valenzstrichformel Schreiben wir die Elektronenformeln (4) in V a l e n z s t r i c h f o r m e l n um, indem wir in den Anionen für j e d e A t o m b i n d u n g (gemeinsames Elektronenpaar) und für j e d e I o n e n b i n d u n g (Plus-Minus-Zeichen) je einen Valenzstrich zeichnen (vgl. S. 148 und 151), so kommen wir zu den Formelbildern : - N+a 0=C1—O

o

ONa

-

+

-

+

-

+

•ONa

ONa

0=Pi

ONa ONa

Si
[CU(:NH3)4]+ + [ P t ] + + + + + 6 :C1[Pt(:Cl)e]-[ W ] + + + + + 8 : CN- • — [ W ( : C N ) „ ] .

Maßgebend für diese Bevorzugung der Koordinationszahlen 4, 6 und 8 sind vor allem r ä u m l i c h e G r ü n d e (S. 161), daneben aber in vielen Fällen auch die Tendenz, auf diesem Wege zu der Elektronenschale des nächsthöheren E d e l g a s e s zu gelangen. So erreicht ζ. B. das v i e r w e r t i g e P l a t i n (Atomnummer 78), das 78 — 4 = 74 Elektronen besitzt, in dem oben angegebenen Komplex-ion [ P t C y 2 ~ durch die Aufnahme von 6 X 2 = 12 Elektronen die Elektronenkonfiguration des Edelgases R a d o n (Atomnummer 86): 74 + 12 = 86. Zur g l e i c h e n Edelgasschale kommt das um ¿ E l e k tronen ärmere v i e r w e r t i g e W o l f r a m (70 Elektronen) im obigen komplexen Cyanid [W(CN)g]4- durch die Aufnahme von 8 χ 2 = 16 Elektronen: 70 + 16 = 86. Weitere Beispiele solcher Art sind die Komplex-ionen [Fe(CN) e ] 4 " (vgl. S. 543) und [Co(NHs)„]3+ (vgl. S. 540), die die Edelgasschale des K r y p t o n s (Atomnummer 36) aufweisen. Lassen allerdings die räumlichen Verhältnisse den Einbau einer entsprechenden Elektronenzahl nicht zu, so wird vielfach die nächsthöhere Edelgasschale n i c h t g a n z e r r e i c h t oder e t w a s ü b e r s c h r i t t e n . So müßte ζ. B. das z w e i w e r t i g e K u p f e r - i o n (27 Elektronen) zur Erreichung der Kryptonschale (36 Elektronen) eine u n g e r a d e Zahl von 9 Elektronen aufnehmen. Durch die Anlagerung von 4 Ammoniakmolekülen, entsprechend 4 χ 2 = 8 Elektronen, kommt es in dem oben angegebenen Komplex-ion [Cu(NH 3 )4] 2+ der stabilen Edelgasschale n a h e . I n Form des — wesentlich beständigeren (vgl. S.454, 455) —Komplex-ions [CuiCNJJ 3 - , welches e i n w e r t i g e s Kupfer (28 Elektronen) enthält (Cu+ + 4CN~ —>- [CuiCN)^ 3 ), wird die Kryptonschale v ö l l i g erreicht: 28 + 8 = 36. I n analoger Weise sind die vom d r e i w e r t i g e n Eisen bzw. z w e i w e r t i g e n Kobalt abgeleiteten Komplexionen [Fe(CN) e ] 3 - und [Co(NH 8 ) 6 ] 2+ , die 35 bzw. 37 Außenelektronen je Zentralatom enthalten, wesentlich reaktionsfähiger als die oben angeführten, die Kryptonschale (36 Außenelektronen) aufweisenden Komplexionen [Fe(CN)6]4~ und [Co(NH a ) e ] 3+ des z w e i w e r t i g e n Eisens und d r e i w e r t i g e n Kobalts (S. 540). Näheres über die Theorie der Komplexverbindungen auf S. 445£f. Nomenklatur. Zur r a t i o n e l l e n B e z e i c h n u n g von K o m p l e x v e r b i n d u n g e n gibt man zuerst den Namen des K a t i o n s und dann den Namen des Anions an. Die Nennung der Bestandteile des k o m p l e x e n Ions erfolgt dabei in folgender R e i h e n f o l g e : 1. Zahl der Liganden, 2. Art der Liganden, 3. Zentralatom. Für die Angabe der Zahl der Liganden verwendet man die griechischen Zahlworte. Die B e n e n n u n g der Liganden erfolgt bei Säureresten durch Anhängen der Endung -o an den Namen der Aoidogruppe (ζ. B. „Chloro" Cl', „Cya.no" CN', „Sulfato" S0 4 ", „Hydroxo" OH', „Oxo" 0"), bei n e u t r a l e n Molekülen (keine Endung -o) teilweise durch Spezialbezeichnungen (z. B. „Aquo" HaO, „Ammin" NH 3 ); erstere werden dabei stets vor den letzteren genannt. Die W e r t i g k e i t (Oxydationsstufe; vgl. S. 169f.) des Z e n t r a l a t o m s wird als römische Zahl in Klammern beigefügt. Als Anionbestandteil erhält das Zentralatom die Endung -at. 1 Der Übersichtlichkeit halber sind bei den angegebenen Beispielen nur die B i n d u n g s Elektronenpaare angegeben.

Die chemische Bindung Beispiele:

[Cu(NH 3 ) 4 ]S0 4

K2[PtCle] K4[W(CN)8] [CrCla(H20)4]Cl K[C104]

161

„Tetrammin-kupfer(II)-aulfat",

„Kalium-hexachloro-platinatf IV)", „Kalium-oktacyano-wolframat( IV)", „Dichloro-tetraquo-chrom(III )-chlorid", „Kalium-tetroxo-chloratf VII)".

Daneben sind häufig einfachere Bezeichnungsweisen oder auch Trivialnamen in Gebrauch, z. B. „Kalium-eisen(II)-cyanid" oder „gelbes Blutlaugensalz" für die Verbindung K«[Fe(CN)e] („Kalium-hexacyano-ferratf II )"), „Kaliumperchlorat" für die Verbindung K[C10J („Kalium-tetroxo-

chlorat(VII) "). Anlagerungskomplexe Von den Durchdringungskomplexen pflegt man die „Anlagerungskomplexe" zu unterscheiden, bei denen die Bindung der Addenden weniger durch e c h t e koordin a t i v e V a l e n z e n , als durch I o n e n - D i p o l - oder I o n e n - I o n e n - K r ä f t e („Nebenvalenzen") bewirkt wird. Beispiele für Ionen-Dipol-Komplexe sind zahlreiche H y d r a t e , A m m o n i a k a t e , A l k o h o l a t e (allgemein: „Solvate"), bei denen Ionen durch Anlagerung von Dipolmolekülen des L ö s u n g s m i t t e l s Komplex-ionen bilden („Solvatation"). Derartige Komplexe sind um so b e s t ä n d i g e r , je größer das D i p o l m o m e n t μ (S. 153f.) des Lösungsmittels und je kleiner der A b s t a n d r ist, bis zu dem sich der Dipol dem Ion nähern kann (S. 154). So kommt es, daß sich die Solvatbildung im kristallisierten Zustand meist auf K a t i o n e n beschränkt; denn die Anionen sind in der Hegel zu groß, um eine genügende Annäherung von Ion und Dipol zuzulassen, so daß die ausgeübten Anziehungskräfte zu klein sind. Die Zahl der von einem Kation angelagerten Dipolmoleküle wird bedingt durch den auf der Oberfläche des Zentral-ions zur Verfügung stehenden P l a t z und durch die Möglichkeit einer r e g e l m ä ß i g e n Anordnung der — sich meist gegenseitig abstoßenden — Addenden. Die drei einfachsten Körper von hoher S y m m e t r i e sind das T e t r a e d e r , das Oktaeder und der Würfel. Dementsprechend findet man je nach dem Größenverhältnis von Kation und Addend vor allem die Koordinationszahlen 4 (vier Ecken eines Tetraeders), 6 (sechs Ecken eines Oktaeders) und 8 (acht Ecken eines Würfels), während die ungeraden Koordinationszahlen 5 und 7, für die keine s y m m e t r i s c h e Anordnung möglich ist, viel seltener vorkommen. Als spezielle Beispiele für Ionen-Dipol-Komplexe seien die Ionen [ F e f H · ^ ^ , [Fe(NH 3 ) e ]++und [Ba(H 2 0)8]++angeführt. Die Ionen-Ionen-Komplexe sind in der Regel b e s t ä n d i g e r als die Ionen-DipolKomplexe und gehen im Grenzfall in die besonders stabilen Durohdringungsk o m p l e x e (S. 160f.) über. Ein Beispiel für einen solchen Ionen-Ionen-Anlagerungskomplex ist das Ion [FeFe] , das zur Fällung von Alkalifluoriden aus wässeriger Lösung dienen kann (Fe+ + + + 6F~ — > [FeFe] ).

c) Das Äquivalentgewicht Dividiert man das F o r m e l g e w i c h t einer Atomgruppe oder eines Atoms durch die zugehörige Ionen- (S. 148), Atom- (S. 150), Metall- (S. 154) bzw. Gesamtwertigkeit (S. 159), so erhält man das sogenannte „Äquivalentgewicht": Äquivalentgewicht —

·

(1)

Die dem Ä q u i v a l e n t g e w i c h t numerisch entsprechende Gramm-menge heißt „1 Grammäquivalent" oder auch kurz „1 Val". 1 Val Sulfat-ionen bezeichnet also 96.066: 2 = 48.033gS0 4 " ; 16.000: 2 = 8.000g0 2 stellen 1 GrammäquivalentSauerstoff dar; 26.98: 3 = 8.99 g Al entsprechen 1 Grammäquivalent Aluminiummetall; das Äquivalentgewicht des Chlors in der Perchlorsäure beträgt 35.457: 7 = 5.065. Ho 11 ema n-Wi ber g, Anorganische Chemie. 47.—50. Aufl. U

162

Die Elektronentheorie der Valenz

Lösungen, die je Liter 1 Val einer Substanz enthalten, werden „1-normale Lösungen" genannt. In einer 1-normalen Nitratlösung sind demnach 62.008: 1 = 62.008 g N0 3 ', in einer 1-normalen Carbonatlösung 60.011: 2 = 30.005 g C 0 3 " gelöst. Unter einer „1-normalen Säure (Base)" versteht man eine Säure-(Base-)Lösung, die je Liter 1 Val Wasserstoff-ionen (Hydroxid-ionen) abzugeben imstande ist. Eine 1-normale Phosphorsäurelösung enthält demnach 97.999: 3 = 32.667 g H 3 P 0 4 , eine 1-normale Calciumhydroxidlösung 74.10: 2 = 37.05 g Ca(OH)2 je Liter. Bei Atomen kann die Beziehung (1) wie folgt geschrieben werden: Äquivalentgewicht X Wertigkeit = Atomgewicht.

(2)

In dieser Form läßt sie sich zur B e s t i m m u n g des Atomgewichts eines Elements benutzen, indem man das Äquivalentgewicht und die Wertigkeit des Elements bestimmt. Das Ä q u i v a l e n t g e w i c h t ermittelt man dabei zweckmäßig als die Grammmenge, welche 1 Val ( = 1.008 g) Wasserstoff bzw. 1 Val ( = 8.000 g) Sauerstoff zu binden oder aus einer Verbindung zu verdrängen vermag ; denn da 1 Val gemäß (2) der auf eine Wertigkeitseinheit entfallende Anteil des Atomgewichts ist, kann 1 Val einer Substanz immer nur durch 1 Val einer anderen Substanz gebunden oder verdrängt werden. Durch Einsetzen des so gefundenen Ä q u i v a l e n t g e w i c h t s und des aus der Dulong-Pbtitsehen R e g e l (S. 78f.) folgenden a n g e n ä h e r t e n A t o m g e w i c h t s in (2) ergibt sich dann die W e r t i g k e i t des Elements als a n g e n ä h e r t e ganze Zahl. Das genaue Atomgewicht erhält man schließlich gemäß (2) durch Multiplikation des genau bestimmten Ä q u i v a l e n t g e w i c h t s mit der ganzzahligen W e r t i g k e i t . So beträgt z. B. das genaue Äquivalentgewicht des Calciums 20.04 (20.04 g Calcium machen aus einer Säure 1 Val Wasserstoff frei). Da die spezifische Wärme des Calciums 0.17 cal/g beträgt, besitzt das Calcium nach der DuLONG-PETiTschen Regel das angenäherte Atomgewicht 6.2 : 0.17 = 37. Somit ist Calcium z w e i w e r t i g (37 : 20 = 1.9), und das genaue Atomgewicht des Calciums ergibt sich zu 20.04 X 2 = 40.08. Kommt ein Element in m e h r e r e n W e r t i g k e i t s s t u f e n vor, so besitzt es natürlich gemäß (2) auch m e h r e r e Ä q u i v a l e n t g e w i c h t e . Diese stehen nach (2), übereinstimmend mit dem Gesetz der multiplen Proportionen (S. 14), im Verhältnis e i n f a c h e r g a n z e r Z a h l e n zueinander.

Kapitel Χ

Die Gruppe der Chalkogene Zur Grappe der Chalkogene (6. Hauptgruppe des Periodensystems der Elemente) gehören die Elemente Sauerstoff (0), Schwefel (S), Selen (Se) und Tellur (Te). Den Namen Chalkogene ( = Erzbildner) tragen diese Grundstoffe, weil sie maßgeblich am Aufbau der natürlichen E r z e beteiligt sind. Das ebenfalls zur 6. Gruppe zählende Polonium ist ein kurzlebiges radioaktives Zerfallsprodukt des Urans (S. 568) und kommt in der Natur nur in geringen Mengen vor.

1. D e r Sauerstoff Den Sauerstoff selbst haben wir auf S. 31 ff. bereits behandelt. Bei dieser Gelegenheit waren wir auch auf den Begriff der Oxydation (und später den der R e d u k t i o n ) eingegangen. Auf Grund der im vorangehenden Kapitel entwickelten E l e k t r o n e n theorie der Valenz läßt sich nun die Erscheinung der Oxydation und Reduktion auf breiterer Grundlage diskutieren. Hiermit wollen wir uns im folgenden beschäftigen.

a) Oxydation und Reduktion α) Ableitung eines neuen Oxydations- und Reduktionsbegriifs Nach der ursprünglichen Definition (S. 35) bedeutete die Oxydation eine Vereinigung mit S a u e r s t o f f . Verbindet sich nun ζ. B. ein Metallatom Me mit einem Sauerstoffatom 0 (Me + 0 —>- MeO), so beruht die Oxidbildung nach derElektronentheorie der Valenz auf einem Übergang von E l e k t r o n e n (Θ) vom M e t a l l a t o m zum S a u e r s t o f f a t o m : Me —>• Me++ + 2 θ 2 θ + O >• O " Me + O >- Me++0~. Das S a u e r s t o f f a t o m entzieht dem Metallatom Elektronen, da es das Bestreben hat, sich durch Aufnahme zweier Elektronen eine A c h t e r s c h a l e aufzubauen (S. 145ff.). Nun haben auch andere S t o f f e dieses Bestreben. Daher kann man dem Metall auch mit Hilfe z . B . von Chlor seine Valenzelektronen entreißen: θ + Cl >-Cl". Es liegt nahe, den dabei sich ergebenden Gesamtvorgang Me + Cl2 —>- MeCl2 ebenfalls als eine Oxydation des Metalls zu bezeichnen. In der Tat hat man schon früher von einer „Oxydationswirkung" des Chlors und von einem „Verbrennen" von Metallen im Chlorstrom gesprochen. Die Schwierigkeit, daß solche sauerstoff-freien Oxydationsmittel wie das Chlor entgegen der ursprünglichen Definition keine s a u e r s t o f f - ü b e r tragenden Mittel sind, umging man durch eine Erweiterimg des Begriffs eines Oxydationsmittels, indem man in Analogie zur wasserstoff-entziehenden Wirkung des Sauerstoffs ganz allgemein wasserstoff-entziehende Mittel (Chlor ist ζ. B. ein solches Mittel: Cl2 + H 2 —>- 2HCl) als O x y d a t i o n s m i t t e l bezeichnete (S. 61). 11·

Die Gruppe der Chalkogene

164

Nach der n e u e n D e f i n i t i o n besteht die Oxydation in einem Entzug von Elektronen und die oxydierende Wirkung eines Oxydationsmittels in dessen elektronenentziehender Wirkung. In diese Definition fügen sich das C h l o r und andere s a u e r s t o f f - f r e i e O x y d a t i o n s m i t t e l nunmehr zwanglos ein. Der elektronen-entziehende Stoff braucht dabei kein n e u t r a l e s A t o m , sondern kann ζ. B. auch ein g e l a d e n e s I o n sein. So haben beispielsweise d r e i f a c h g e l a d e n e E i s e n - i o n e n das Bestreben, durch Aufnahme je eines Elektrons in z w e i f a c h g e l a d e n e ü b e r z u g e h e n : θ + Fe+++ Fe++. Daher bezeichnet man auch E i s e n ( I I I ) - s a l z e als O x y d a t i o n s m i t t e l . Ebenso kann der Entzug von Elektronen auch oline direkte Zuhilfenahme chemischer Stoffe e l e k t r o l y t i s c h mittels einer A n o d e erfolgen {„anodische Oxydation"), da die Anode als positive Elektrode ganz allgemein der Lösung Elektronen entzieht und sie an den positiven Pol der Stromquelle abführt. Die gleiche Entwicklung hat der Begriff der Reduktion durchgemacht. Ursprünglich (S. 44) bedeutete die Reduktion das R ü c k g ä n g i g m a c h e n d e r O x y d a t i o n 1 . Läßt man ζ. B. auf ein Metalloxid bei erhöhter Temperatur W a s s e r s t o f f einwirken, so wird es zu Metall reduziert (MeO + H 2 — M e + H 2 0). Nach der E l e k t r o n e n t h e o r i e d e r V a l e n z beruht dieser Vorgang darauf, daß das Metall die bei der Oxydation a b g e g e b e n e n E l e k t r o n e n wieder z u r ü c k e r l a n g t : M e + + 0 — + 2 H — > • Me + H + 0 _ _ H + bzw. Me + + + 2 H — > - M e + 2H + , indem der vorher u n g e l a d e n e W a s s e r s t o f f unter Bildung von W a s s e r s t o f f - i o n e n seine Außenelektronen an das Metall abgibt : 2H ν 2H+ + 2 θ Me-1"1- + 2 9 Me 2H + Me++ >• 2H+ + Me, worauf sich die gebildeten Wasserstoff-ionen mit den Sauerstoff-ionen des Metalloxids zu Wasser vereinigen (2H+ + O— —>- H 2 0). Statt durch W a s s e r s t o f f kann nun die Zufuhr von Elektronen ζ. B. auch mittels N a t r i u m erfolgen: „T ^ , , ^ 8 Na >• + ©» weshalb man ein Metalloxid auch mit Hilfe von N a t r i u m zum Metall r e d u z i e r e n kann. Somit ergibt sich die Reduktion nach der erweiterten Definition als eine Zufuhr von Elektronen und ein Reduktionsmittel als ein elektronen-zuführendes Mittel. Auch g e l a d e n e I o n e n — ζ. B. zweifach geladene Chrom-ionen, die das Bestreben haben, in dreifach geladene überzugehen — : Cr++ >. Cr +++ + θ können daher Reduktionsmittel sein. Ebenso stellt bei einer Elektrolyse die K a t h o d e ein Reduktionsmittel dar („kathodische Reduktion"), weil die Kathode als negative Elektrode diejenige Elektrode ist, welche die vom negativen Pol der Stromquelle kommenden Elektronen der Lösung zuführt. — Die entwickelten Definitionen der Oxydation bzw. Reduktion und des Oxydationsmittels bzw. Reduktionsmittels können zu der Gleichung Oxydation

Reduktionsmittel

Oxydationsmittel + Elektronen Reduktion

zusammengefaßt werden. Man nennt ein dieser Definitionsgleichung entsprechendes elektronen-abgebendes und -aufnehmendes System auch „Reduktions-OxydationsSystem" („korrespondierendes Redox-Paar") oder abgekürzt „Redoxsystem" : Red. Ox. + θ · 1 reducere = zurückführen.

Der Sauerstoff

165

β) Die elektrochemische Spannungsreihe Das Normalpotential Wie aus dem Vorstehenden leicht ersichtlich ist, kann es bei einem chemischen Vorgang k e i n e O x y d a t i o n o h n e e i n e g l e i c h z e i t i g e R e d u k t i o n geben und umgekehrt. Denn e i n Stoff muß ja die Elektronen a b g e b e n (Reduktionsmittel; oxydierter Stoff), ein a n d e r e r muß sie a u f n e h m e n (Oxydationsmittel; reduzierter Stoff). Da nun nicht j e d e r Stoff an j e d e n anderen Stoff Elektronen abzugeben imstande ist, gibt es keine a b s o l u t e n Oxydations- und Reduktionsmittel. Vielmehr ist die Oxydations- oder Reduktionswirkung einer Substanz eine F u n k t i o n des zu oxydierenden oder zu reduzierenden Stoffs. Taucht man ζ. B . einen Z i n k s t a b in eine K u p f e r s u l f a t l ö s u n g , so überzieht er sich mit Kupfer, weil das Zink bestrebt ist, an Kupfer-ionen Elektronen abzugeben : Zn 2 Θ + Cu"

»- Zn" + 2 θ >• Cu

(1)

Zn + Cu"

>- Z n " + Cu.

(3)

(2)

Zink reduziert also die Kupfer-ionen zu metallischem Kupfer. Taucht man aber umgekehrt einen K u p f e r s t a b in eine Z i n k s u l f a t l ö s u n g , so ist das Kupfer nicht imstande, die Zink-ionen zu Zink zu reduzieren. Wohl aber wirkt es beispielsweise gegenüber S i l b e r - i o n e n a l s Reduktionsmittel: Cu —>- Cu" + 2 θ 2 Q + 2 Ag' Cu + 2Ag·

>- 2Ag »- Cu" + 2Ag.

Will man diese unterschiedliche Oxydations- und Reduktionswirkung z a h l e n m ä ß i g erfassen, so muß man nach der t r e i b e n d e n K r a f t des Elektronenübergangs fragen. Die Tatsache, daß Zink an Kupfer-ionen Elektronen abzugeben imstande ist, daß also zwischen dem Zinksystem (1) und dem Kupfersystem (2) ein elektrischer Strom fließt, zeigt, daß zwischen beiden Systemen eine S p a n n u n g („Potentialdifferenz") besteht. Denn ein S t r o m — handele es sich um einen W a s s e r - , W ä r m e - , G a s - oder E l e k t r i z i t ä t s s t r o m — fließt nur beim Vorhandensein eines „Niveau"-Unterschieds (Höhen-, Temperatur-, Druck-, P o t e n t i a l d i f f e r e n z ) , nämlich v o m h ö h e r e n zum t i e f e r e n N i v e a u h i n . Die zwischen Zink und Kupfer vorhandene Spannung oder Potentialdifferenz läßt sich beim bloßen Eintauchen eines Zinkstabs in eine Kupfersulfatlösung experimentell nicht messen, weil sich der Elektronenaustausch zwischen Atom und Atom, also innerhalb a t o m a r e r D i m e n s i o n e n abspielt. T r e n n t man aber das Zinksystem (1) r ä u m l i c h von dem Kupfersystem (2), indem man — vgl. Fig. 54 — einen Zinkstab in eine Zinksuifatlösung und einen Kupferstab in eine Kupfersulfatlösung eintaucht und die beiden Lösungen durch eine poröse Scheidewand („Diaphragma") voneinander scheidet („DAN/ELL-Element"), so kann das Zink seine Elektronen nur auf dem Wege über einen das Zink mit dem Kupfer verbindenden ä u ß e r e n S c h l i e ß u n g s d r a h t an die Kupfer-ionen abgeben. Der chemische Vorgang ist dabei d e r s e l b e (3) wie im Reagensglas; die vorhandene Potentialdifferenz läßt sich aber zum Unterschied von dort durch Anlegen einer gleich großen Gegenspannung an die beiden Elektroden m e s s e n (Stromlosigkeit im Schließungsdraht). Sie hat im vorliegenden Fall, falls die Konzentration an Zink- und Kupfer-ionen je 1 Gramm-ion pro Liter beträgt, den Wert 1.11 Volt. Und zwar besitzt das Z i n k das h ö h e r e , das K u p f e r das t i e f e r e Potential, da die Elektronen in der Richtung des Pfeils (Fig. 54) vom Zink zum Kupfer hin fließen (vgl. Fig. 58, S. 173). Die P o t e n t i a l d i f f e r e n z zwischen den beiden E l e k t r o d e n kann mit der D r u c k d i f f e r e n z zwischen zwei mit Gas von verschiedenem Druck gefüllten G a s b e h ä l t e r n verglichen

166

Die Gruppe der Chalkogene

werden. Wie sich beim öffnen eines Verbindungsrohrs zwischen beiden Behältern der Gasdruck durch Fließen eines Gaestroms vom Behälter mit höherem zum Behälter mit niederem Druck ausgleicht, fließt auch hier bei leitender Verbindung von Zink und Kupfer das „Elektronengas" (vgl. S. 164) vom Zink, der Stelle höheren „Elektronendrucks", zum Kupfer, der Stelle niederen „Elektronendrucks" (vgl. E . W I B E R G , „Die chemische Affinität").

Kombiniert man das K u p f e r statt mit Zink mit S i l b e r (S. 165), so fließt der Strom in u m g e k e h r t e r Richtung (Fig. 55), und die Potentialdifferenz hat bei Anwendung 1-molarer Ionenlösungen den Wert 0.46 Volt. Z i n k und S i l b e r lassen sich ihrerseits in analoger Weise zu einem „galvanischen Element" zusammenstellen, dessen „elektromotorische Kraft" (EMK) gleich 1.57 Volt, also gleich der Summe der beiden anderen Potentialdifferenzen (1.11 - f 0.46 = 1.57) ist und dessen Elektronenstrom vom Zink zum Silber fließt. Eine W a s s e r s t o f f e l e k t r o d e , d. h. eine von Wasserstoff bei Atmo/¡usserer

ScMiessung$drahts

Zn-

ZinJrstab,

Zmftsu/faf/ösung "

M/pfërsv/faf-

VU

/ösu/jg

Fig. 54. Galvanisches Zink-Kupfer-Element Äusserer

H,-

ScMiessungsdrahts

1,11

076

Volt

willkürliche Null-Linie des Fbtentiak

OJS

Q 81 VoH

Cuλlg



Cu

S/'/berstab.

SUberm'frat/ösung

tfupfersfab

Φ6 Volt

Ayp/èrsu/faf-

Ag

: Cu~

/ósung

Diaphragma

Fig, 55. Galvanisches Silber-Kupfer-Element

Fig. 56. Wahl eines willkürlichen Nullpunktee der Spannungsreihe

Sphärendruck umspülte und in eine 1-normale Wasserstoffionenlösung eintauchende platinierte Platinelektrode („Normal-Wasserstoffelektrode") liefert mit Z i n k bzw. K u p f e r bzw. S i l b e r galvanische Elemente der elektromotorischen Kraft 0.76 bzw. 0.35 bzw. 0.81 Volt, wobei der Elektronenstrom im ersten Fall vom Metall zum Wasserstoff, in den beiden letzten Fällen vom Wasserstoff zum Metall fließt. Auch an der Grenzfläche der Kathoden- und Anodenflüssigkeit tritt jeweils eine kleine Potentialdifferenz ( „ D i f f u s w n s p o t c n t i a l " ) auf. Bezüglich dieser Potentialdifferenz, die hier außer acht gelassen wurde, vgl. die Lehrbücher für physikalische Chemie.

Trägt man die obigen Ergebnisse nach Art der Fig. 56 maßstäblich auf, so erhält man eine „elektrochemische Spannungsreihe", in welcher jedes h ö h e r s t e h e n d e Element an die t i e f e r s t e h e n d e n Elemente Elektronen abzugeben imstande ist, und aus welcher die jeweilige P o t e n t i a l d i f f e r e n z eines galvanischen Elements, die ein Maß für die „freie Energie" (S. 46) des dem Element zugrunde liegenden elektrochemischen Vorgangs — ausgedrückt in „Elektronenvolt" (S. 507) — darstellt, ohne weiteres zu entnehmen ist. Natürlich sind bei der geschilderten Versuchsanordnung nur Potentialdifferenzen meßbar. Die a b s o l u t e n Potential werte der einzelnen Elektroden bleiben hierbei

Der Sauerstoff

167

unbekannt. Ihre Kenntnis ist aber auch nicht erforderlich, da bei galvanischen Elementen nur die elektromotorische G e s a m t kraft interessiert. Es genügt daher, einen w i l l k ü r l i c h e n N u l l p u n k t festzusetzen, so wie man etwa zur T e m p e r a t u r m e s sung statt des absoluten Nullpunktes die Temperatur des schmelzenden Eisesund zur H ö h e n m e s s u n g statt des Erdmittelpunktes die Höhe des M e e r e s s p i e g e l s als willkürlichen Nullpunkt wählt. Bei der S p a n n u n g s r e i h e hat man sich dahin entschieden, das Potential einer N o r m a l - W a s s e r s t o f f e l e k t r o d e bei 25° als N u l l p u n k t festzulegen (vgl. Fig. 56) ; man hätte aber genau so gut auch das Potential des S i l b e r s oder K u p f e r s zum Nullpunkt der Skala machen können. Zur Unterscheidung voneinander erhalten die Potentiale aller in der Spannungsreihe ü b e r dem Wasserstoff stehenden Elemente ein n e g a t i v e s , die aller d a r u n t e r stehenden Elemente ein p o s i t i v e s Vorzeichen. Zink, Kupfer und Silber haben demnach, bezogen auf die Wasserstoffelektrode als Nullelektrode, in 1-molarer Metallionenlösung bei 25° „Normalpotentiale" von—0.76 bzw. + 0 . 3 5 bzw. + 0.81 Volt. Spannungsreihe von Metallen Nebenstehende erweiterte Spannungsreihe enthält eine Zusammenstellung der N o r m a l p o t e n t i a l e εβ Red Ox. + θ f„ (Volt) einiger wichtiger Metalle, geordnet nach der Höhe K" + Κ ->θ - 2.92 dieser Normalpotentiale. Sie beziehen sich alle auf ->Ca" + 2 Θ - 2.87 Ca 25°, auf 1-molare Metallionenlösungen und auf die Na - < - - V Na" + θ - 2.71 Normal-Wasserstoffelektrode als Nullpunkt und sind Mg- + 2 Θ — 2.34 M* ein Maß für die o x y d i e r e n d e bzw. reduzieΑΓ" + 3 Θ - 1.67 rende K r a f t des betreffenden Redoxsystems. J e Al Mn - < - - V Μη" + 2 © - 1.05 h ö h e r (tiefer) das System in der Spannungsreihe ->Zn" + 2 Θ - 0.76 steht, d. h. je negativer (positiver) sein Normal- Zn Cr'" + 3 © - 0.71 Cr potential ist, um so s t ä r k e r ist seine r e d u z i e r e n d e ->Fe" + 2 θ - 0.44 Fe (oxydierende) W i r k u n g . Die an der S p i t z e der Cd" Cd + 2 © - 0.40 Reihe stehenden Metalle sind demnach besonders Co" + 2 © - 0.28 s t a r k e R e d u k t i o n s m i t t e l und lassen sich dem- Co < nach besonders l e i c h t o x y d i e r e n („unedle Me- Ni - < - - > Ni" + 2 θ - 0.25 Sn" + 2 θ - 0.14 talle") ; dagegen sind die am E n d e der Reihe stehen- Sn ->Pb" + 2 0 - 0.13 den Metalle nur schwer zu o x y d i e r e n {„edle Me- Pb 2H" + 2 Θ τ ο.οο talle") und wirken in Form ihrer Ionen umgekehrt H2 als s t a r k e O x y d a t i o n s m i t t e l . Cu" + 2 θ + 0.35 Cu ->Ag" + Jedes Redoxsystem kann nur gegenüber einem Ag θ + 0.81 t i e f e r (höher) stehenden System als R e d u k t i o n s Hg" + 2 θ + 0.85 Hg m i t t e l (Oxydationsmittel) auftreten. Da sich aus den Au < - - V Au" + 3 θ + 1.42 ->Pt" + 2 θ + 1.60 20 Systemen der oben angegebenen Spannungsreihe Pt insgesamt (20 χ 19) : 2 = 190 Kombinationen bilden lassen, sind wir an Hand der obigen Tabelle in der Lage, nahezu z w e i h u n d e r t chemische Reaktionen vorauszusagen. Greifen wir etwa die Reduktion von Wasserstoff-ionen zu elementarem Wasserstoff, also die E n t w i c k l u n g von W a s s e r s t o f f aus S ä u r e n heraus, so kommen hierfür nur die in der Spannungsreihe über dem S y s t e m 2H' + 2 θ " v H„ s t e h e n d e n M e t a l l e Blei bis Kalium, nicht aber die darunter stehenden Metalle Kupfer bis Platin in Frage. So kann man ζ. B. durch Einwirkung von Zink oder E i s e n auf Säuren W a s s e r s t o f f erzeugen (S. 39): Zn >- Zn" + 2 θ 2 6 + 2Η·—>- Ha Zn + 2H" >- Zn" + H 2 , während die reduzierende Kraft von K u p f e r und S i l b e r zur Entladung von Wasserstoff-ionen nicht ausreicht, so daß sich diese Metalle in Säuren nicht unter Wasserstoffentwicklung auflösen, sondern umgekehrt aus den Lösungen ihrer Salze durch

168

Die Gruppe der Chalkogene

Wasserstoff (unter Druck) ausgefällt werden können. I n ähnlicher Weise kann man z . B . K u p f e r aus Kupfersalzlösungen durch E i s e n (vgl. S. 451) und S i l b e r aus Silbersalzlösungen durch Z i n k (vgl. S. 457), nicht aber etwa C a d m i u m aus Cadmiumsalzlösungen durch B l e i niederschlagen. Auch für Nichtmetalle läßt sich eine Spannungsreihe aufstellen. Auch hier befinden sich o b e n die s t a r k e n R e d u k t i o n s - u n d u n t e n die s t a r k e n O x y d a t i o n s m i t t e l . So ist nach der nebenstehenden Tabelle ζ. B . das Spannungereihe F l u o r ein viel stärkeres Oxydationsmittel als etwa von N i c h t m e t a l l e n C h l o r oder B r o m oder J o d und der S c h w e f e l Red. — > - Ox. + θ «„(Volt) W a s s e r s t o f f ( H S H ) ein + -stärkeres Reduktionsmittel Te + 2 θ - 0.92 Te" als J o d w a s s e r s t o f f ( H J) oder C h l o r w a s s e r s t o f f + Se + 2 © - 0.78 Se"

> S

S" 2 J' 2 Br' 2 Cl' 2 F'

+ + + +

0.61 0.53 1.07 1.36 2.85

(HCl). Jedes Halogen läßt sich nur durch solche Oxydationsmittel aus seinen Ionen freimachen, welche in der Spannungsreihe darunterstehen. Daher kann z . B . das B r o m aus Jodiden J o d und das C h l o r aus Bromiden B r o m in Freiheit setzen, nie umgekehrt. Das F l u o r , welches das p o s i t i v s t e P o t e n t i a l aller Oxydationsmittel überhaupt besitzt, kann dieser Stellung in der Spannungsreihe gemäß überhaupt n i c h t a u f c h e m i s c h e m W e g e , sondern nur durch eine Anode entsprechend positiven Potentials, also durch a n o d i s c h e O x y d a t i o n aus Fluoriden gewonnen werden (S. 86). + 2 θ J2 + 2 θ Br2 + 2 Θ Cl2 + 2 Θ F* + 2 ©

Weiterhin können Redoxsysteme in Ionen-Umladungen und in komplizierteren chemischen Vorgängen bestehen. Auch hierfür seien in den nachfolgenden beiden Spannungsreihen einige Beispiele gegeben: Spannungsreihe von I o n e n u m l a d u n g e n Red. - - Cu" Fe'" • - 2Hg· · Pb"" XCo'"

+ + + + + + + + +

θ θ θ 2Θ θ θ 2Θ 2Θ θ

Spannungsreihe komplizierterer Redoxsysteme Red.

«η - 0.41 -0.20 + 0.15 + 0.17 + 0.77 + 0.91 + 1.69 + 1.84

> S0 " 4

h2so3 + η2ο NO + 2Η 2 0 Cr"' + 4 Η 2 0 Μη" Pb" Cl' Μη"

+ + + +

2Η 2 0 2Η 2 0 3Η 2 0 4Η 2 0

ο2

+

η2ο

οχ.

--

HCr0 4 ' MnO¡¡ Pb0 2 cao,' Mn0 4 '

-• Mg(OH) 2 + H 2 ) eine S c h u t z s c h i c h t um das Metall bildet (Fig. 57), welche den weiteren Angriff des Wassers verhindert, so daß die Reaktion gleich nach Beginn zum Stillstand kommt. Löst man die Hydroxidschicht durch Zugabe von Säure oder eines •Magnesium anderen Lösungsmittels auf, so geht die Wasserstoffentwicklung weiter. Metalle wie die A l k a l i - oder E r d a l k a l i m e t a l l e , die ,-óchufesdì/(tìt l ö s l i c h e H y d r o x i d e bilden, können keine solche Schutzschicht ausbilden und reagieren daher mit Wasser lebhaft unter Wasserstoffentwicklung. - . --fa&sser Auch bei der Einwirkung von M e t a l l e n auf Säuren kann häufig die Wasserstoffentwicklung entgegen den Aussagen der Spannungsreihe wegen Ausbildung einer unlöslichen S c h u t z schicht ausbleiben. So löst sich z. B. Blei nicht in verdünnFig. 57. Passivität des Ma- ter S c h w e f e l s ä u r e , weil das dabei sich bildende B l e i s u l f a t gnesiums gegenüber Wasser (Pb + H2SO4 —>- PbS0 4 + H¡¡) als schützende Deckschicht die weitere Einwirkung der Schwefelsäure unterbindet (vgl. S. 363).

Bei Kenntnis der Normalpotentiale ε 0 kann man die Beziehung zwischen P o t e n t i a l und I o n e n k o n z e n t r a t i o n — vgl. (9), (10) und (11) — dazu verwenden, um durch Messung des Einzelpotentials e einer in eine Lösung unbekannter Ionenkonzentration eintauchenden Elektrode die Ionenkonzentration Ci0n (genauer: Ionenaktivität a I o n ; S. 107f.) der Lösung zu ermitteln. Man benutzt dieses Prinzip besonders häufig zur Bestimmung der W a s s e r s t o f f i o n e n k o n z e n t r a t i o n einer Lösimg (,,f>otentiometrische p-χ-Bestimmung"). γ ) Die elektrolytische Zersetzung Die in den vorangehenden Abschnitten behandelte Theorie der galvanischen Elemente ermöglicht nunmehr auch ein besseres Verständnis für den Vorgang der e l e k t r o l y t i s c h e n Z e r s e t z u n g e n , da es sich bei der Elektrolyse um eine U m k e h r u n g der in einem galvanischen Element f r e i w i l l i g a b l a u f e n d e n Redox-Reaktionen handelt. Schalten wir beispielsweise eine in Zinksulfatlösung tauchende Zinkelektrode mit einer in Kupfersulfatlösung eintauchenden Kupferelektrode zu einem DANiELL-Element zusammen, so „ f l i e ß t " bei leitender Verbindung der beiden Elektroden durch einen äußeren Schließungsdraht der Elektronen-,,Strom" gemäß dem vorhandenen Potential„ Gefalle" vom „höheren" (—0.76 Volt) zum „tieferen" ( + 0 . 3 5 Volt) Potential„ N i v e a u " (Fig. 58): Zn (a) ->- Zn" + 2 © 2 θ + Cu" Zn + Cu"

- > Cu Zn" + Cu.

(b)

(12)

(e)

Das Zink reduziert mit anderen Worten die Kupfer-ionen zu metallischem Kupfer. Dabei wird eine elektrische Arbeitsmenge verfügbar, die durch das Produkt aus Potentialdifferenz und fließender Elektrizitätsmenge (Volt χ Coulomb = Joule) gegeben ist. Der u m g e k e h r t e V o r g a n g , d . h . die Abscheidung von Zink und die Auflösung von Kupfer, läßt sich nur dann erzwingen, wenn man durch Einschaltung einer Stromquelle von genügender Spannung in den äußeren Stromkreis der Zinkelektrode ein „höheres" (d. h. n e g a t i v e r e s ) Potential als —0.76 und der Kupferelektrode ein „tieferes" (d. h. p o s i t i v e r e s ) Potential als + 0.35 Volt erteilt und damit in Umkehrung der Stromrichtung von Fig. 58 dem K u p f e r Elektronen e n t z i e h t , dem Z i n k Elektronen a u f z w i n g t (Fig. 59). Denn dann n i m m t gemäß dem zwischen Stromquelle und Elektrode vorhandenen Potential-,,gefalle" die vorher e l e k t r o n e n - a b f ü h r e n d e

Der Sauerstoff

173

Zinkanode (12a) jetzt E l e k t r o n e n aus der Stromquelle auf und wird damit zur elektronen-zuführ enden Kathode(13a), während die vorher elektronen-zuführ ende Kupferkathode (12b) jetztElektronen an die Strom quelle a b g i b t und damit zur elekt r o n e n - a b f ü h r e n d e n Anode (13b) wird: Zn" + 2 θ >• Zn (a) Ca —->- Cu" + 2 0

(b)

Z n " + Cu — > Zn + C u " .

(c)

(13)

Insgesamt geht damit unter gleichzeitiger Abscheidung von Zink Kupfer in Lösung. Die für eine solche elektrolytische Zersetzung erforderliche » Zersetzungsspannung" muß, wie aus Fig. 59 hervorgeht, ganz allgemein mindestens etwas größer als die

0,76 V

Zn

t/utt-Ume des Potentials

fìnode

Kathode Cu

0,35 V

1 i

Elektronenstrom

Fig. 58.

Elektromotorische Kraft des DANIELL-Elements

e l e k t r o m o t o r i s c h e K r a f t (S. 166) des freiwillig ablaufenden Vorgangs sein. Das Mehr an Spannung (Δ E) dient dabei zur Überwindung des OHM sehen Widerstandes W der Zelle und damit zur Aufrechterhaltung einer bestimmten Stromstärke

it

0,76 V

Zn

Kathode

Nu/Z-Linie des fbtent/ats

fìnode

Cu 0,35 V

Stromquelle

+

E/ektronenstrom

Fig. 59. Elektromotorische Kraft und Zersetzungsspannung

7 gemäß dem „ O h m s c h e n Gesetz" (AE = J · W). Im Falle unseres D A N I E L L sehen Elements muß also die Zersetzungsspannung größer als 0.76 + 0.35 = 1.11 Volt sein. Die bei der Elektrolyse angewandte Stromquelle (vgl. Fig. 59) wirkt gewissermaßen als „Elektronenumlaufpumpe". Sie „saugt" an der Anode (Kupfer) die Elektronen mit „Unterdrück" ab, „komprimiert" sie auf höheren „Druck" (die hierfür erforderliche Energie wird bei chemischen Stromquellen durch einen freiwillig ablaufenden Vorgang — beim Bleiakkumulator ζ. B. durch die Reaktion Pb + PbO s + 2HjSO« >- 2 P b S 0 4 + 2H a O + Energie; S. 363 — geliefert) und „preßt" die Elektronen mit diesem höheren „Druck" in die Kathode (Zink) ein. Würde man

174

Die Gruppe der Chalkogene

die beiden Pole der Stromquelle direkt miteinander verbinden („Kurzschluß"), so flössen die Elektronen unausgenutzt vom höheren zum tieferen Potential. Dadurch, daß man das galvanische Element in der aus Fig. 59 hervorgehenden Weise zwischen die Pole der Stromquelle einschaltet, zwingt man die Elektronen der Stromquelle, bei ihrem „Fall" vom negativen zum positiven Pol Arbeit zu leisten, d. h. den im galvanischen Element freiwillig ablaufenden Vorgang umzukehren. Die hineingesteckte Arbeit speichert sich dabei in Form der Elektrolyseprodukte (im Falle des DANIELL-Elements also in Form der gegenüber den Ausgangsstoffen Zn" und Cu energiereicheren Endprodukte Zn und Cu") auf. Entfernt man die Elektronenpumpe (Stromquelle) aus dem äußeren Stromkreis (Fig. 68), so kehrt sich entsprechend dem zwischen Zink und Kupfer vorhandenen Potentialgefälle automatisch die Stromrichtung um, indem jetzt wieder das elektronen-affinere Kupfer dem weniger elektronen-affinen Zink die Elektronen entzieht. Befinden sich in einer Lösung m e h r e r e e n t l a d b a r e I o n e n a o r t e n , so hängt die R e i h e n f o l g e d e r E n t l a d u n g von der Größe der verschiedenen E i n z e l p o t e n t i a l e ab. Eine wässerige Natriumchloridlösung enthält beispielsweise Natrium-, Wasserstoff-, Chlorid- und Hydroxid2,7V ionen. Ihre Einzelpotentiale haben in 1-molarer Natrium chlorid-r^---Elektronenstrom flnode lösung die Werte £ N a = — 2 . 7 , ¡ | 1 . 4 * Volt. F ü h r t man daher Kathode in die Lösung etwa zwei Platin>1,fV elektroden ein und legt an die Elektroden eine steigende S p a n n u n g an, so wird (vgl. £/eJ(tronenstrom' Fig. 60) der Elektronenstrom zu Fig. 60. Potentialverhältnisse bei der Elektrolyse einer fließen beginnen, sobald die 1-molaren wässerigen Natriumchlorid-Lösung Einzelpotentiale von W a s s e r s t o f f und C h l o r überschritten werden. Die N a t r i u m - und H y d r o x i d - i o n e n bleiben unentladen als N a t r o n l a u g e , N a O H , zurück.

iI U

Man benutzt die Verschiedenheit der Abscheidungsspannungen von Metallen und Nichtmetallen in der Analyse häufig zur Trennung und Bestimmung von Kationen und Anionen („Elektroanalyse" und „Polarographie"). Bei ungünstiger Lage der Potentiale lassen sieh häufig durch K o n z e n t r a t i o n s ä n d e r u n g e n , Anwendung von Ü b e r s p a n n u n g s e l e k t r o d e n usw. die für eine erfolgreiche Elektrolyse erforderlichen Potentialverhältnisse schaffen. So kann man ζ. B. bei der Elektrolyse wässeriger N a t r i u m c h l o r i d l ö s u n g e n durch Anwendung von Q u e c k s i l b e r k a t h o d e n und hohen N a t r i u m c h l o r i d k o n z e n t r a t i o n e n die Abscheidung von N a t r i u m statt W a s s e r s t o f f erzwingen (S. 425), weil unter diesen Versuchsbedingungen das N a t r i u m p o t e n t i a l ^Na" ε = e0 + 0.059 log infolge Vergrößerung von cN-a. und Verkleinerung von e N a (AmalgamCN» bildung) so weit nach der p o s i t i v e n und das W a s s e r s t o f f p o t e n t i a l (e = 0.059 logCg. — η) infolge der großen Überspannung (η) an Quecksilber so weit nach der n e g a t i v e n Seite hin verschoben wird, daß Natrium und Wasserstoff in der Spannungsreihe ( S.167) ihre Plätze tauschen. δ) Ableitung eines neuen Säure- und Basebogriffs Der Begriff der Säure und Base hat eine ähnliche Entwicklung durchgemacht wie der Begriff des Reduktionsmittels und Oxydationsmittels. 1 Das Einzelpotential für den Vorgang 2 OH' < > 1 / ΐ 0 2 + H 2 0 + 2 Θ beträgt in neutraler Lösung theoretisch + 0 . 8 Volt. Normalerweise erfordert aber die Abscheidung von Sauerstoff je nach Art der E l e k t r o d e noch eine zusätzliche „Überspannung", die bei größeren Stromdichten mehr als 1 Volt betragen kann (s. Lehrbücher der physikalischen Chemie). Analoges gilt für den Wasserstoff (vgl. oben).

175

Der Sauerstoff

Früher verstand man unter einer Säure einen Stoff, der in wässeriger Lösung unter Bildung von Wasserstoff-ionen dissoziiert (S. 92) : HCl H' + Cl'. Nach der E l e k t r o n e n t h e o r i e der V a l e n z beruht die Säurewirkung eines Stoffes darauf, daß er an die Moleküle des Wassers P r o t o n e n a b g i b t und so zur Bildung von O x o n i u m - i o n e n Veranlassung gibt (S. 151f.): HCl + H 2 0

H3O' + Cl'.

Definieren wir nun dementsprechend ganz allgemein eine Säure als einen Stoff, der imstande ist, an Wasser Protonen abzugeben, so steht — ähnlich wie beim Begriff des Reduktionsmittels — nichts im Wege, auch g e l a d e n e I o n e n als Säuren zu bezeichnen. Denn die saure Reaktion ζ. B. von H y d r o g e n s u l f a t e n (MeHSOt) in wässeriger Lösung beruht ja auf einem ganz analogen Protonenübergang: H S ( Y + H 2 0 TT»: a j o " +

S04".

Und in gleicher Weise erklärt sich auch die saure Wirkung wässeriger Ammoniumsalzlösungen (NH 4 X) durch die Bildung von Oxonium-ionen (vgl. S. 563) : Ν Η 4 · + Η 2 Ο ^ = ± : Η 3 Ο · + NE,.

(1)

Dementsprechend unterscheidet man heute zwischen „Neutral-säuren" (ζ. B. HCl), „Anion-säuren" (ζ. B. HS0 4 ') und „Kation-säuren" (ζ. B. NH 4 '). Unter einer Base verstand man früher einen Stoff, der in wässeriger Lösung unter Bildung von Hydroxid-ionen dissoziiert (S. 92). Nach der E l e k t r o n e n t h e o r i e der V a l e n z dagegen beruht die Basewirkung eines Stoffes darauf, daß er von Wassermolekülen Protonen aufnimmt und so zur Bildung von H y d r o x i d - i o n e n Veranlassung gibt (S. 142) : NH3 + H 2 0 NH4" + OH'. Dementsprechend können auch geladene I o n e n Basen sein, ζ. B. : C10' + H 2 0 ^ = ^ H C 1 0 + O H ' , [Fe(H 2 0) 4 (0H) 2 ] · + H 2 0 [Fe(H a O) 5 OH]" + OH',

(2)

und wir können daher auch hier zwischen „Neutral-basen" (z.B. NH S ), „Anion-basen" (z.B. CIO') und „Kationbasen" (z.B. [Fe(H 2 0) 4 (0H) 2 ]') unterscheiden. Die häufig als Base-Prototyp angesehenen M e t a l l h y d r o x i d e Me(OH)n sind nur ein spezieller Fall von A n i o n b a s e n , bei welchem sich der P r o t o n e n ü b e r g a n g vom Wasser zum Anion wegen der Gleichheit der linken und rechten Seite der Reaktionsgleichung (OH' + H20 H 2 0 + OH') n a c h außen hin n i c h t b e m e r k b a r m a c h t (vgl. S. 563). Der früher (S. 96f., 115f.) als Hydrolyse bezeichnete Vorgang ist, wie aus den Gleichungen (1) und (2) hervorgeht, nichts anderes als die Säure-(Base-)Wirkung von Ionen-säuren (-basen). Vgl. auch S. 389, 390. Die im vorstehenden entwickelte, von dem dänischen Physikochemiker J O H A N N E S N. B K Ö N S T E D (1879—1947) stammende Definition der Säuren und Basen läßt sich zu der Gleichung Säuren Basen + Protonen (3) zusammenfassen, welche ganz der Definitionsgleichung von Reduktions- und Oxydationsmitteln (S. 164) entspricht. Wie die Redoxsysteme lassen sich auch die durch die obige Gleichung definierten „Säure-BascSysteme" (,,korrespondierende Säure-Base-Paare") in eine „Spannungsreihe" einordnen, wobei als ordnendes P r i n z i p in diesem Falle der S ä u r e - e x p o n e n t (S. 109) der Säure fungiert (vgl. E. W I B E R G , ,,Die chemische Affinität"). In dieser Reihe kann wie bei der elektrochemischen Spannungsreihe bei den Einheiten der Konzentration von Säure und korrespondierender Base eine P r o t o n e n a b g a b e nur von einem h ö h e r s t e h e n d e n an ein t i e f e r s t e h e n d e s System erfolgen. Durch V e r ä n d e r u n g der K o n z e n t r a t i o n der Säure-Baae-Partner läßt sich — analog wie bei den Redoxsystemen — die s a u r e oder basische Wirkung eines Stoffes (,,Acidität" und ,,Basizität") und damit seine Stellung in dieser Säure-Base-Reihe willkürlich ändern. Dementsprechend ist die saure oder b a s i s c h e W i r k u n g einer Substanz keine gegebene S t o f f e i g e n s c h a f t , sondern eine F u n k t i o n des Reaktionspartners. Säuren und Basen im a b s o l u t e n Sinne gibt es also ebensowenig wie absolute Reduktions- und Oxydationsmittel (vgl. S. 165).

176

Die Gruppe der Chalkogene

Die Definition der Säuren und Basen gemäß (3) ist nicht auf das Lösungsmittel W a s s e r (,,Aquosystem") beschränkt, sondern gilt auch für a n d e r e L ö s u n g s m i t t e l , ζ. B . f l ü s s i g e s A m m o n i a k („Ammonosystem"). An die Stelle der in wässeriger Lösung durch Protonenabgabe bzw. -aufnähme entstehenden O x o n i u m - und H y d r o x i d ionen treten dann natürlich a n d e r e I o n e n . So entspricht ζ. B . im flüssigen Ammoniaksystem dem Oxonium-ion H 3 0" das A m m o n i u m - i o n NH4* und dem Hydroxid-ion OH' das A m i d - i o n N H 2 ' ; z . B . : HCl + NH3 NH4' + Cl' (Neutralsäure)

C H , ' + NH,^=±:CH 4

+ NH2'.

(Anlonbase)

Die N e u t r a l i s a t i o n besteht bei diesem Ammoniaksystem in einer Vereinigung von A m m o n i u m - und Amid-ionen zu A m m o n i a k : NH4· + NHj' 2NH3. Sie erfolgt z . B . beim Zusammengeben von A m m o n i u m c h l o r i d und N a t r i u m a m i d in flüssigem Ammoniak und entspricht ganz der Vereinigung von O x o n i u m und H y d r o x i d - i o n e n zu W a s s e r : HjO' + OH' 2HjO beim Zusammengeben wässeriger Lösungen von Salzsäure und Natriumhydroxid.

b) Ozon Der Sauerstoff kommt außer in der normalen Porm von 0 2 -Molekülen ( : 0 : : 0 : ) auch in der energiereicheren Form von 0 3 -Molekülen ( : 0 : : 0 : 0 : ) als Ozon vor. α) Darstellung Ozon wird ganz allgemein durch E i n w i r k u n g v o n S a u e r s t o f f a t o m e n a u f S a u e r s t o f f m o l e k ü l e dargestellt: 0 + 02 0 3 + 24.6 kcal. Die verschiedenen Bildungsweisen unterscheiden sich dabei in der Art und Weise der Erzeugung von Sauerstoffatomen. Am gebräuchlichsten ist die Bildung von Sauerstoffatomen aus Sauerstoff. Die in diesem Falle zur Aufspaltung der Sauerstoffmoleküle erforderliche Energie beträgt 59.1 kcal j e Grammatom Sauerstoff, so daß sich für das Ozon in summa eine negative Bildungswärme von 34.5 kcal ergibt: 59.1 kcal + V 2 0 2 0 (1) 0 + 0 2 + ± L 0 3 + 24.6 kcal (2) 34.5 kcal + 17 2 0 2 03. (3) Die Spaltung der Sauerstoffmoleküle nach (1) kann ζ. B . durch Zufuhr t h e r m i s c h e r E n e r g i e (Erhitzen von Sauerstoff auf hohe Temperatur) erzwungen werden. Diese Methode führt aber nur zu s e h r g e r i n g e n O z o n a u s b e u t e n , da erhöhte Temperatur gleichzeitig den endothermen Zerfall des Ozons nach Gleichung (2) begünstigt, so daß sich das Gesamtgleichgewicht (3) mit steigender Temperatur nur langsam nach rechts verschiebt. So befindet sich selbst bei 2000° erst etwa 1 Vol-°/ 0 Ozon im Sauerstoffgleichgewicht, von dem beim raschen Abkühlen nur etwa 1 / 1 0 °/ 0 übrigbleibt, weil mit fallender Temperatur der exotherme Gesamtzerfall des Ozons nach (3) fortschreitet. E s ist daher zweckmäßiger, die Sauerstoffatome bei n i e d r i g e r T e m p e r a t u r durch Zufuhr e l e k t r i s c h e r oder o p t i s c h e r oder c h e m i s c h e r E n e r g i e nach Gleichung (1) zu erzeugen und nach (2) weiterreagieren zu lassen, da sich bei niedrigen Temperaturen das — an und für sich ganz auf der Seite des Sauerstoffs liegende — Z e r f a l l s g l e i c h g e w i c h t (3) bei A b w e s e n h e i t v o n K a t a l y s a t o r e n nur ä u ß e r s t

177

Der Sauerstoff

langsam einstellt, so daß das einmal gebildete Ozon als m e t a s t a b i l e Verbindung erhalten bleibt. Die Zufuhr von elektrischer Energie erfolgt besonders bequem im „Siehenssehen Ozonisator" (Fig. 61). Dieser besteht im Prinzip aus zwei ineinander gestellten (koaxialen) Glasrohren, deren Außen- bzw. Innenwand mit Wasser gekühlt und mit den Enden eines Induktoriums — bei Großanlagen mit den Hochspannungsklemmen eines Transformators — leitend verbunden ist. In dem engen Ringraum zwischen den Glasrohren treten bei Anlegen einer genügend hohen Spannung (mehrere tausend Volt) „stille" oder „dunkle" elektrische Entladungen auf, durch welche ein trockener Sauerstoff- oder Luftstrom geleitet wird. Das den Ozonisator verlassende Gasgemisch besteht, wenn von reinem Sauerstoff ausgegangen wird, im besten Falle zu 15°/0 aus Ozon. / Bei Zufuhr von Lichtenergie ist die Spaltung des Sauer· •o3 stoffmoleküls (118.2 kcal + 0 2 — > - 2 0 ) gemäß dem früher (S. 84f.) über photochemische Reaktionen Gesagten nur mit kurzwelligem Ultraviolett der Wellenlänge < 2500 À (EnergieIrt wert des Lichtäquivalents : > 114.3 kcal) möglich. So bildet sich Z+: Ozon z.B. bei Bestrahlung von Sauerstoff mit Licht der WellenZ+Z länge 2090 Â (Zinkfunken), welches von Sauerstoff absorbiert z+ wird. In gleicherweise erklärt sich der kleine Ozongehalt in den höheren, der intensiven ultravioletten Strahlung des Sonnen~+Z lichtes ausgesetzten Schichten der Atmosphäre sowie der in der Umgebung einer brennenden künstlichen „Höhensonne" (S.478) _+z oder in der Nähe eines radioaktiven Präparats (S. 572) stets \ Ν wahrnehmbare Ozongeruch. Auch chemische Energie kann zur Erzeugung der für die I ftuhlwasser Ozonbildung erforderlichen Sauerstoffatome dienen (A + 0 2 - — A O + 0). So entsteht z . B . Ozon bei der langsamen Oxydation von feuchtem, weißem Phosphor an der Luft. F l g . 6 1 . SlEMENSSCher Außer dem molekularen Sauerstoff können auch andere Ozonisator sauerstoffhaltige Stoffe zur Gewinnung der für die Ozonbildung nach (2) notwendigen Sauerstoffatome benutzt werden, ζ. B. das Wasser. E l e k t r o l y s i e r t man ζ. B. wässerige Lösungen (20H' —>- H 2 0 + O + 2 Θ) oder läßt man Fluor auf Wasser einwirken (F 2 + H 2 0 —>- 2 HF + O), so bildet sich primär atomarer Sauerstoff. Daher ist der so entwickelte Sauerstoff — bei Abwesenheit oxydierbarer Substanzen — stets ozonhaltig. Gleiches gilt von dem bei der Zersetzung leicht zerfallender höherer Sauerstoffverbindungen (z. B. Wasserstoffperoxid H 2 0 2 , Permangansäure HMn04 usw.) entstehenden Sauerstoff. ß) Physikalische Eigenschaften Reines Ozon — das aus Ozon-Sauerstoff-Gemischen durch Verflüssigung mit flüssiger Luft und anschließende fraktionierte Destillation gewonnen werden kann — ist im Gaszustande deutlich blau, im flüssigen Zustande (Sdp. —111.6°) schwarzblau und im festen Zustande (Smp.—192.5°) schwarz. In Wasser löst es sich nur wenig; mit flüssigem Sauerstoff ist es im flüssigen Zustande nicht in jedem Verhältnis mischbar. Charakteristisch ist der Geruch des Ozons1, der noch bei einer Konzentration von 1 Teil Ozon in 500000 Teilen Luft wahrnehmbar ist. γ) Chemische Eigenschaften Als endotherme Verbindung hat Ozon große Neigung, unter Bildung von Sauerstoff zu zerfallen: 69.0 kcal. 20 a -- 0 2 + 0 . So verwandelt es ζ. B. bereits bei Zimmertemperatur schwarzes Bleisulfid in weißes Bleisulfat ( P b S + 4 0 — P b S 0 4 ) , weißes Blei(II)-hydroxid in braunes Bleidioxid (PbO + O —>• Pb0 2 ), blankes Silber in schwarzes Silberperoxid (2 Ag + 20—>- Ag a 0 2 ), Phosphor, Schwefel und Arsen in Phosphorsäure (2 Ρ -f5 0 —> P 2 0 6 ), Schwefelsäure (S + 3 0 — S 0 3 ) und Arsensäure (2 As + 5 0 —>As206). Beim Einleiten in eine neutrale K a l i u m j odidlösung wird — unter gleichzeitigem Auftreten einer a l k a l i s c h e n Reaktion — J o d ausgeschieden: 2J' + O + H20—>- J3 + 2OH'. Auch o r g a n i s c h e Stoffe werden von Ozon kräftig oxydiert. Man darf daher ζ. B. Ozon nicht durch G u m m i s c h l ä u c h e leiten, da diese in wenigen Augenblicken zerstört werden. Ebenso werden organische F a r b s t o f f e (ζ. B. Indigo und Lackmus) gebleicht und M i k r o o r g a n i s m e n vernichtet. In größeren Konzentrationen wirkt Ozon verätzend auf die Atmungsorgane. Ozon wird technisch ζ. B. zur L u f t v e r b e s s e r u n g und - s t e r i l i s a t i o n (Theater, Schulen, Hospitäler, Kühlräume, Schlachthäuser, Brauereien) und zur E n t k e i m u n g von T r i n k w a s s e r verwendet. Die Wasserentkeimung durch Ozon ist allerdings nach Einführung des viel einfacheren und billigeren Verfahrens der Sterilisierung durch Chlor stark zurückgegangen.

c) Wasserstoffperoxid Außer dem — schon besprochenen (S. 48 ff.) — Wasser, H 2 0, gibt es noch eine zweite, sauerstoffreichere Wasserstoffverbindung des Sauerstoffs: das Wasserstoffperoxid, H 2 0 2 . α) Darstellung Das W a s s e r s t o f f p e r o x i d wird technisch durch H y d r o l y s e leicht zugänglicher Derivate gewonnen: ^ O-H ΧΟΗ Ο- - X + HOjH ι Ò-Ì-X+ HOÍH Ο—Η ΧΟΗ Als Ausgangsderivat verwendete man f r ü h e r hauptsächlich N a t r i u m - bzw. B a r i u m p e r o x i d (Na 2 0 2 ; Ba0 2 ). Diese Oxide lassen sich leicht durch Erhitzen von Natrium bzw. Bariumoxid an der Luft gewinnen (S. 180f.) und sind in wässeriger Lösung bis zu einem bestimmten Gleichgewicht gemäß Naa02 + 2 HÖH q=±: H202 + 2NaOH bzw. Ba02 + 2 HÖH H202 + Ba(OH)2 hydrolytisch gespalten. Durch Abfangen der dabei gebildeten Lauge mittels einer geeigneten Säure (Eintragen von Bariumperoxid in gekühlte 200/„ige Schwefelsäure oder konzentrierte Phosphorsäurelösung oder Hexafluoro-Kieselsäure) kann das Gleichgewicht vollkommen zugunsten der Wasserstoffperoxidbildung verschoben und das

Der Sauerstoff

179

Barium als schwerlösliches Salz ausgefällt werden ( B a 0 2 + H 2 S 0 4 — > B a S 0 4 + H 2 0 2 ) . H e u t e benutzt man als Ausgangsderivat zur Wasserstoffperoxidgewinnung fast ausschließlich P e r o x o - d i s c h w e f e l s ä u r e H 2 S 2 0 8 (S. 214f.) oder ihre Salze, also Verbindungen, in welchen die beiden Wasserstoffatome des Wasserstoffperoxids durch S u l f o n s ä u r e r e s t e — S 0 3 H bzw. deren Anion — S 0 3 ' ersetzt sind. Sie gehen bei der Hydrolyse über die Stufe der P e r o x o - m o n o s c h w e f e l s ä u r e H 2 S 0 6 hinweg in W a s s e r s t o f f p e r o x i d über: 0 - — SO3H + HO —; H O -

_Hî0|

L - i ->-

SO3H

Ο—H

_H i S 0 .

I

!

0 - i — S 0 3 H + H 0 — ;H

Peroxo-dischwefelsäure

Peroxo-monoechwefelsäure

I

0 —H 0-H

Wasserstoffperoxid

Da die Peroxo-dischwefelsäure H 2 S 2 0 8 ihrerseits durch anodische Oxydation von Schwefels ä u r e unter gleichzeitiger kathodischer Waeserstoffentwicklung entsteht (S. 214) und die Schwefelsäure bei der Hydrolyse immer wieder zurückgewonnen wird, läuft das ganze Verfahren letzten Endes auf eine Umwandlung von Wasser in Wasserstoff und Wasserstoffperoxid hinaus: 2H 2 S0 4

Elektrolyse

H2S208 + 2 H 2 0

-? y d r o l y g e

2H20

>• H2S2Oe + H2 H 2 0 2 + 2H 2 S0 4 H202 + Η , .

Aus den bei der Hydrolyse resultierenden wässerigen Lösungen kann das Wasserstoffperoxid durch fraktionierte Destillation im Vakuum leicht in Form verhältnismäßig konzentrierter Lösungen erhalten werden. Zu Anfang geht bei dieser Vakuumdestillation fast nur Wasser über, so daß sich der Rückstand an Wasserstoffperoxid anreichert; zum Schluß destilliert reines Wasserstoffperoxid ab. I n den Handel kommt es gewöhnlich als 3- oder 30"/^ge Lösung, letztere unter dem Namen „Perhydrol". (3) Physikalische Eigenschaften I n reinem, wasserfreiem Zustande bildet Wasserstoffperoxid eine farblose, in sehr dicker Schicht jedoch blaue Flüssigkeit (Sdp. 157.8°), welche bei starker Abkühlung zu Kristallen vom Schmelzpunkt — 1.7° erstarrt. Unter vermindertem Druck kann es unzersetzt destilliert werden. γ ) Chemische Eigenschaften Wasserstoffperoxid zeigt ein starkes Bestreben, unter großer Wärmeentwicklung in W a s s e r u n d S a u e r s t o f f zu zerfallen: 2 H 2 0 2 — > - 2 H 2 0 + 0 2 + 46.2 kcal.

Bei Z i m m e r t e m p e r a t u r ist die Zerfallsgeschwindigkeit allerdings unmeßbar klein, so daß Wasserstoffperoxid sowohl in reinem wie in gelöstem Zustande praktisch beständig ( m e t a s t a b i l ) ist. Durch K a t a l y s a t o r e n (ζ. B . feinverteiltes Silber, Gold, Platin, Braunstein, Staubteilchen, Alkali, Aktivkohle, Kaliumjodid, Stoffe mit rauher Oberfläche) wird jedoch die Zersetzungsgeschwindigkeit so beschleunigt, daß gegebenenfalls s t ü r m i s c h e S a u e r s t o f f e n t w i c k l u n g , bei hochkonzentrierten Lösungen sogar e x p l o s i o n s a r t i g e r Z e r f a l l eintritt. Das gleiche ist beim E r h i t z e n der Fall. Die Wirkung der Zersetzungskatalysatoren kann mehr oder minder weitgehend durch P h o s p h o r s ä u r e und verschiedene organische Säuren — vor allem B a r b i t u r s ä u r e und H a r n s ä u r e — aufgehoben werden. Daher stabilisiert man Wasserstoffperoxidlösungen durch Zusatz derartiger An t i - K a t a l y s a t o r en. Will man reine Wasserstoffperoxidlösungen z u s a t z f r e i aufbewahren, so muß man p a r a f f i n i e r t e Glasgefäße verwenden, um eine Abgabe von A l k a l i aus dem Glas zu verhindern. 12*

Die Gruppe der Chalkogene

180

Die charakteristischste Eigenschaft des Wasserstoffperoxids ist seine o x y d i e r e n d e W i r k u n g : H 2 0 2 —>• H 2 0 + 0 . So oxydiert es — ähnlich wie Ozon — ζ. B. Bleisulfid zu Bleisulfat (PbS + 4 0 —>- P b S 0 4 ) Eisen(II)-salze zu Eisen(III)-salzen (2FeO + 0 — ν Fe 2 0 3 ), schweflige, salpetrige und arsenige Säure zu Schwefelsäure (H 2 S0 3 + 0 —>• H 2 S0 4 ), Salpetersäure (HN0 2 + 0 — H N 0 3 ) und Arsensäure (H 3 As0 3 + 0 — H 3 AS0 4 ), Jodwasserstoff zu Jod ( 2 H J + 0 —>- H 2 0 -)- J 2 ), Schwefelwasserstoff zu Schwefel (H 2 S + 0 — ï ï 2 0 + S). Die Umwandlung von f a r b l o s e m Titandioxid Ti0 2 in g e l b e s Titanperoxid Ti0 3 in schwefelsaurer Lösung 1 ist ein empfindlicher Nachweis für Wasserstoffperoxid. Weniger ausgeprägt ist die r e d u z i e r e n d e (sauerstoff-entziehende) W i r k u n g des Wasserstoffperoxids : H 2 0 2 + O —>- H 2 0 + 0 2 . Sie tritt nur gegenüber ausgesprochenen O x y d a t i o n s m i t t e l n auf. So wird z. B. die violette Permangansäure HMn0 4 (Anhydrid : Mn 2 0 7 ) in saurer Lösung zu farblosem Mangan(II)-salz reduziert (Mn a 0, —>- 2 MnO + 5 0 ) , Chlorkalk zu Calciumchlorid (CaCl 2 0 — > CaCl2 + O), Silberoxid zu Silber (Ag 2 0 — 2 Ag + 0), Quecksilberoxid zu Quecksilber (HgO — ν Hg + 0), Bleidioxid zu Blei(II)-salz (PbO¡¡ — P b O + 0), Ozon zu Sauerstoff (0 3 — ν 0 2 + 0 ) . Als S ä u r e ist Wasserstoffperoxid etwas stärker als Wasser. Die DissoziationsC Xc » konstante Κ = — beträgt bei 20° C 1.5 χ 0~ 12 . In 1-molarer Lösung liegt C

H,0,

danach eine Wasserstoffionen-konzentration von rund 10 - 6 vor. Wasserstoffperoxid findet in der Hauptsache als B l e i c h m i t t e l zum Bleichen von Haaren („Blondfärben"), Stroh, Federn, Schwämmen, Elfenbein, Stärke, Leim, Leder, Pelzwerk, Wolle, Baumwolle, Seide, Kunstfaserstoffen, Fetten, Ölen usw. Verwendung, und zwar entweder als solches in wässeriger Lösung oder — ζ. B. im „Persil" und allen modernen Wasch- und Bleichmitteln — gebunden als „ P e r b o r a t " NaB0 2 • H 2 0 2 . Außerdem wird es wegen seiner desinfizierenden Wirkung viel für medizinische und kosmetische Zwecke gebraucht; so ist ζ. B. das „Ortizon" eine feste Additionsverbindung von Wasserstoffperoxid und Harnstoff. 8) Salze Wichtige Salze des Wasserstoffperoxids sind das Natriumperoxid Na 2 0 2 und das Bariumperoxid BaO a . Natriumperoxid Darstellung. N a t r i u m p e r o x i d wird technisch durch V e r b r e n n e n von N a t r i u m an der Luft dargestellt : 2Na + 0 2

Na s Oj + 119.2 kcal.

Und zwar führt man zwecks Vermeidung einer zu großen lokalen Wärmeentwicklung (Wiederzerfall des gebildeten Peroxids) das Natrium bei 300—400° in Aluminiumgefäßen einem trockenen, kohlendioxidfreien Luftstrom entgegen, so daß nach Einsetzen des Prozesses das noch frische Natrium zuerst in s a u e r s t o f f a r m e r , verbrauchter Luft verbrennt und sich erst später mit s a u e r s t o f f r e i c h e r Luft vollends umsetzt („Gegenstromprinzip"). Auch Drehtrommeln werden zur technischen Darstellung verwendet. Eigenschaften. Natriumperoxid ist ein blaßgelbes, fast unzersetzt schmelzbares (Smp. 460°) Pulver von s t a r k o x y d i e r e n d e n Eigenschaften. So reagiert es ζ. B. explosionsartig mit Stoffen wie Schwefel, Kohlenstoff oder Aluminiumpulver und ist in Mischung mit organischen Substanzen sehr feuergefährlich. Löst man Natriumperoxid unter i n t e n s i v e r K ü h l u n g in Wasser, so erhält man eine Lösung, die infolge » In schwefelsaurer Lösung liegt TiOj als Ti0(S0 4 ) und Ti0 3 als Ti0 2 (S0 4 H) 2 vor (S. 502).

Der Schwefel

181

hydrolytischer Spaltung wie ein Gemisch aus Natronlauge und Wasserstoffperoxid wirkt (S. 178): Na 2 0 2 + 2 HÖH

H 2 0 2 + 2NaOH.

O h n e K ü h l u n g löst sich das Natriumperoxid unter lebhafter S a u e r s t o f f e n t w i c k l u n g , da infolge der durch die starke Lösungswärme (exotherme Bildung des Hydrats Na 2 0 2 · 8 H 2 0 ) bedingten Temperatursteigerung das Wasserstoffperoxid unter der gleichzeitigen katalytischen Wirkung des gebildeten Alkalis rasch in Wasser und Sauerstoff zerfällt ( H 2 0 2 — H 2 0 + Va 0 «): Na 2 0 2 + H 2 0 > 2NaOH + 7 2 O t . (1) Infolge dee bei der Umsetzung (1) gebildeten Natriumhydroxids wirkt Natriumperoxid an feuchter Luft k o h l e n d i o x i d - b i n d e n d (2NaOH + C0 2 - — N a 2 C O a + H 2 0). Daher benutzt man natriumperoxidhaltige Präparate unter dem Namen „Oxon" für A t e m g e r ä t e (Feuerwehrleute, Taucher) und zur L u f t e r n e u e r u n g in abgeschlossenen Räumen (ζ. B. Unterseebooten), da es für diese Zwecke in doppelter Weise — k o h l e n d i o x i d - b i n d e n d und eauers t o f f - e r z e u g e n d — wirksam ist: Na 2 0 2 + C0 2 >- Na2COs + V 2 0 2 •

Verwendung. Wegen seiner stark oxydierenden und damit auch bleichenden Wirkung findet Natriumperoxid in ausgedehntem Maße Verwendung zur Herstellung von B l e i c h b ä d e r n für alle Arten von tierischen und pflanzlichen Produkten: Wolle, Seide, Federn, Haare, Borsten, Horn, Knochen, Elfenbein, Wachs, öle, Fette, Stroh, Holz, Schwämme. Die in der wässerigen Lösimg vorhandene Natronlauge wird dabei durch Schwefelsäure (OH' + H ' —->- H 2 0 ) oder durch Magnesiumsulf at (2 OH' + Mg" —>• Mg(OH) 2 ) unschädlich gemacht. Zeitweilig war Natriumperoxid ein Bestandteil einiger moderner Waschmittel ; seit 1939 dürfen aber natriumperoxidhaltige Waschmittel bei uns nicht mehr hergestellt werden. Wichtig ist das Natriumperoxid noch als Ausgangsmaterial für die Herstellung anderer Peroxoverbindungen. Bariumperoxid B a r i u m p e r o x i d wird technisch durch Erhitzen von lockerem, porösem B a r i u m o x i d (S. 417) im Luftstrom bei 500—600° und 2 Atmosphären Druck gewonnen: 2BaO + 0 2 ^ T > : 2 Ba0 2 + 37.2 kcal.

(2)

Da die Bildungsreaktion (2) mit W ä r m e a b g a b e und V o l u m e n v e r m i n d e r u n g verbunden ist, verschiebt sich das Gleichgewicht mit s t e i g e n d e r T e m p e r a t u r und f a l l e n d e m D r u c k nach l i n k s . Man kann daher den Sauerstoff der Luft bei niedriger Temperatur und erhöhtem Druck binden und bei höherer Temperatur und erniedrigtem Druck wieder entbinden. Hiervon hat man früher zur technischen Darstellung von Sauerstoff aus L u f t Gebrauch gemacht (S. 31). Bariumperoxid wird hauptsächlich zur Gewinnung verdünnter Wasserstoffperoxidlösungen (S. 178f.), daneben als Sauerstoffträger zur Entzündung von Zündsätzen — z . B . Thermitgemischen (S. 383 f.) — verwendet.

2. D e r S c h w e f e l a) Elementarer Schwefel α) Vorkommen Der Schwefel kommt wie der homologe Sauerstoff in der Natur sowohl in freiem wie in gebundenem Zustande vor. Mächtige Lager von f r e i e m S c h w e f e l finden sich hauptsächlich in I t a l i e n (Sizilien), N o r d a m e r i k a (Louisiana und Texas) und J a p a n (Hokkaido). A n o r g a n i s c h g e b u n d e n e r S c h w e f e l findet sich hauptsächlich in Form von Sulfiden (Salze des Schwefelwasserstoffs H 2 S) und Sulfaten (Salze der Schwefelsäure

Die Gruppe der Chalkogene

182

H 2 S 0 4 ) . Die Sulfide bezeichnet man je nach ihrem Aussehen als K i e s e , B l e n d e n und G l ä n z e ; die meistverbreiteten unter ihnen sind der Eisenkies (Schwefelkies, Pyrit) FeS 2 , der Kupferkies CuFeS 2 , der Bleiglanz PbS und die Zinkblende ZnS. Die wichtigsten Sulfate der Natur sind C a l c i u m s u l f a t (Gips CaS0 4 · 2 H 2 0 und Anhydrit CaS0 4 ), M a g n e s i u m s u l f a t (Bittersalz M g S 0 4 - 7 H 2 0 und Kieserit MgS0 4 · H 2 0 ) , B a r i u m s u l f a t (Schwerspat BaS0 4 ), S t r o n t i u m s u l f a t (Cölestin SrS0 4 ) und N a t r i u m s u l f a t (Glaubersalz N a 2 S 0 4 · 1 0 H 2 0 ) . Als Bestandteil der E i w e i ß s t o f f e (II, S. 277ff.) findet sich der Schwefel auch o r g a n i s c h g e b u n d e n im P f l a n z e n - u n d T i e r r e i c h . Der bei der Verwesung von Tierleichen oder beim Faulen von Eiern auftretende üble Geruch rührt beispielsweise hauptsächlich von S c h w e f e l v e r b i n d u n g e n (Schwefelwasserstoff, Mercaptanen) her, die sich bei der Eiweißfäulnis bilden. S t e i n k o h l e n — die ja pflanzlichen Ursprungs sind (S. 309) — enthalten 1 bis l / ° / o Schwefel, teils in organischer Bindung, teils in Form von Schwefelkies. 1

2

ß) Gewinnung Die technische Gewinnung von Schwefel erfolgt teils aus natürlichem Vorkommen, teils durch Oxydation von Schwefelwasserstoff oder durch Reduktion von Schwefelσ

2

Oxydation

(ö)

c

b

Aus n a t ü r l i c h e n

Reduktion

(C)

c /

.

·

Vorkommen

In S i z i l i e n , das bis 1914 der Hauptproduzent von Schwefel war, findet sich der Schwefel in Form eines von gediegenem Schwefel durchsetzten Gesteins. Der Schwefelgehalt schwankt zwischen 8 und 40°/ o und beträgt im Mittel etwa 25°/ 0 . Aus diesem Schwefelgestein wird der Schwefel durch A u s s c h m e l z e n gewonnen. Die hierfür erforderliche Wärme erzeugt man in etwas primitiver Weise durch Verbrennen eines Teils des Schwefels. Zwei Arten von Öfen Luftschächte Lehmdecke sind für diesen Zweck in Gebrauch: die ,Schu/efetgestein „Calcaroni" und die „Forni". Die Calcaroni (Fig. 62) sind runde, mit Gips ausgemauerte Gruben von etwa 15 m Durchmesser und 3—δ m Tiefe, deren Sohle gegen eine mit einem Stichloch versehene Mauer geneigt ist. In ihnen ,,-fíost wird das Schwefelgestein unter Aussparung einiger Luftschächte zu M e i l e r n aufgeschichtet, die entgeschmo/zener zündet werden. Nach einigen Stunden werden die - Schu/efet Luftschächte geschlossen und der Meiler mit einer Lehmdecke versehen. Ein Teil des Schwefels Stich/och brennt dann unter Wärmeentwicklung langsam ab, während gleichzeitig unverbrannter Schwefel zum Schmelzen kommt und durch einen Rost zu Fig. 62. Querschnitt durch einen Calcarone Boden sickert. Durch das Stichloch wird zweibis dreimal täglich der geschmolzene Schwefel in nasse Holzformen abgelassen, in denen er zu Barren von 50—60 kg erstarrt. Das Ausschmelzen eines Meilers dauert je nach Größe 1—3 Monate. Die Schwefelausbeute beträgt etwa 50°/o» die zum Schmelzen des Schwefels ausgenutzte Wärmeenergie weniger als 3°/ 0 . Die Forni, die aus 4—6 miteinander nach dem Prinzip der Kalk-Ringöfen (S.407f.) zu einem Ring verbundenen gemauerten Kammern bestehen, gestatten eine wesentlich b e s s e r e A u s n u t z u n g der Wärmeenergie. Während bei den Calcaroni die heißen Verbrennungsgase unausgenutzt ins Freie entweichen, werden hier die Abgase durch einen Kanal in die nachfolgenden Kammern geleitet, so daß sie hier ihre Wärme abgeben können. Die einzelnen Kammern lassen sich dabei beliebig als B r e n n k a m m e r und S c h m e l z k a m m e r schalten. Die erste Kammer dient ζ. B . als Brennkammer, in der zweiten wird durch die heißen Verbrennungsgase der Schwefel zum Schmelzen gebracht, in der dritten das Material vorgewärmt. Nach dem Ausschmelzen der Schmelzkammer wird diese dann als Brennkammer geschaltet, wobei die nicht

Der Schwefel

183

vollkommen ausgeschmolzenen Schwefelrückstände zur Verbrennung kommen, und in dieser Weise dae Feuer jeweils um eine Kammer weiterverlegt. Die nicht beanspruchten Kammern können unterdessen geräumt und beschickt werden. Die Schwefelausbeute beträgt bie zu 8 0 % . Die Reinigung des Rohschwefels erfolgt durch Destillation aus gußeisernen Retorten und Verdichtung der Schwefeldämpfe in großen gemauerten Kammern. Sorgt man dafür, daß die Temperatur in den Kammern unterhalb der Schmelztemperatur des Schwefels bleibt, so schlägt sich der Schwefel in Form eines feinen gelben Pulvers („Schwefelblumen", „Schwefelblüte") nieder. Bei höheren Temperaturen sammelt sich am Boden der Kammern flüssiger Schwefel an, den man in hölzernen Formen zu ,,Stangenschwefel" erstarren läßt.

In L o u i s i a n a und T e x a s , wo der Schwefel in Tiefen von 150 bis 240 m unter einer 25 bis 60 m tiefen Schwimmsandschicht vorkommt und daher nicht bergmännisch abgebaut werden kann, wird der Schwefel nach einem von H . F R A S C H eingeführten Verfahren durch Ausschmelzen mit überhitztem Wasserdampf gewonnen. Diesem Verfahren ist die außerordent-'Äusseres fìohr liche Steigerung der amerikanischen Schwefelerzeugung (1900 lieferte Italien rund 90°/0 der Welterzeugung, während heute umgekehrt Amerika 80°/, der — inzwischen vervielfach••Mi/t/eres Rohr ten —Weltproduktion erzeugt) zu verdanken. In Sizilien konnte dieses Verfahren des Aus„ - 'inneres fíohr schmelzens von Schwefel mit Wasserdampf schon deshalb keine größere Bedeutung erlanüberhitzter -φ rf überhitzter gen, weil die dazu erforderliche Wärmeener- U/dsserdampf üJasserc/ampf gie durch Einfuhr ausländischer Kohle erzeugt werden müßte und sich der Schwefel aus dem sizilianischen Gestein mit Wasserdampf Schwefe/ nur unvollständig (die Rückstände enthalten N l / im Mittel noch 12 bis 15°/0 Schwefel) ausschmelzen läßt. peschmo/zener geschmolzener

Schwefe/ Schu/efet Das „FBASCll-Verfahrcri" beruht darauf, daß fye/ 'sse Press/uff in das Schwefellager ein etwa 25 cm weites Eisenrohr eingetrieben wird, welches innen koaxial Fig. 63. Fußkörper der Schwefelpumpe zwei weitere Rohre von 15 bzw. 7 l / a cm lichter v o n FRASCH Weite trägt. Durch das ä u ß e r e Rohr wird überhitzter Waeserdampf von 170° eingepreßt, welcher unten (Fig. 63) den umgebenden Schwefel (Smp. 119°) schmilzt. Durch das i n n e r e Rohr tritt heiße Preßluft von 40 Atmosphären Druck ein, durch welche der geschmolzene Schwefel im m i t t l e r e n Rohr hochgepreßt wird. Der oben flüssig aualaufende Schwefel erstarrt in Bretterverschlägen zu riesigen Schwefelklötzen. Da er bereits sehr rein ist (98—99γ,·/ 0 ), braucht er nicht durch Destillation gereinigt zu werden.

Aus S c h w e f e l w a s s e r s t o f f Steigende Bedeutimg gewinnt in Deutschland die Gewinnung von Schwefel aus dem in technischen, aus Kohle gewonnenen Gasen (Leuchtgas, K o k e r e i g a s , W a s s e r g a s , S y n t h e s e g a s usw.) enthaltenen, dem Schwefelgehalt der Kohle entstammenden Schwefelwasserstoff (vgl. S. 192). Die Umwandlung dieses Schwefelwasserstoffs in Schwefel erfolgt ganz allgemein durch Verbrennen mit Sauerstoff in Gegenwart von Katalysatoren. Wichtige Katalysatoren für diese Oxydation sind ζ. B. B a u x i t (AlOOH), Aktivkohle (C) und E i s e n h y d r o x i d (Fe(OH)3). Die Überführung von Schwefelwasserstoff in Schwefel mit Hilfe von B a u x i t als Katalysator („CLAis-Prozeß") wird zweckmäßig im sogenannten CiAUS-Ofen vorgenommen.

184

Die Gruppe der Chalkogene

N a c h d e m „älteren CLAUS-V erfahren" wird der Schwefelwasserstoff mit L u f t d i r e k t z u S c h w e f e l verbrannt: 3H 2 S + 1.50g — 3 S + 3HjO(g) + 159 kcal. Der hierfür benutzte „CLAUS-Ofen" (Fig. 64) besteht aus einem von einem Eisenmantel umgebenen Mauerwerk mit einem durohlochten Zwischenboden, auf dem die Kontaktmasse aufgeschichtet ist. Die mit Luft vermischten schwefelwasserstoffhaltigen Gase treten HtS*Luft HjS+Luft von oben in den Ofen ein und durchstreichen die Kontaktschicht. Die bei der Schwefelbildung freiwerdende Reaktionswärme verursacht in der obersten Kon-Bat/xiïtaktschicht eine Temperatur von 600°, ffata/ysator Mauertaer/r welche nach unten hin rasch abnimmt. m/tBsenmanfet Der gebildete Schwefel tropft teile flüssig durch den Zwischenboden ab, um auf dem Schwefel üJasserdampfunteren, schrägen Boden auezufließen, Zu/ischenboden. Stickstoff teils entweicht er gasförmig und wird in aus Lochplatten besonderen Kondensationskammern als gene/gter Boden „Schwefelblume" gewonnen. Fig. 64. Querschnitt durch einen ÜLAUS-Ofen E i n Nachteil des älteren C l a u s Verfahrens ist der U m s t a n d , daß die g e s a m t e Verbrennungswärme im K o n t a k t frei wird u n d hier nur schwierig z u beherrschen ist. D e r „neuere CLAus-Prozeß" beseitigt diese Schwierigkeit, indem er den Verbrennungsvorgang in z w e i S t u f e n zerlegt: H 2 S + 1.50 2 S02 + 2HaS 3H2S+1.502

S0 2 + H 2 0 + 124 kcal >- 3 S + 2 H 2 0 + 35 kcal s ^ 3 S + 3 H 2 0 + 159 kcal,

(1) (2) (3)

v o n denen nur die z w e i t e (2) eines K a t a l y s a t o r s bedarf. Das Verfahren arbeitet so, daß ein D r i t t e l des Schwefelwasserstoffs mit Luft bis zu S c h w e f e l d i o x i d verbrannt wird (1). Hierbei wird der g r ö ß t e T e i l der Reaktionswärme a u ß e r h a l b d e s K o n t a k t s durch einfache Verbrennung frei und kann im Dampfkessel zur Dampferzeugung ausgenutzt werden. Die restlichen z w e i D r i t t e l des Schwefelwasserstoffs werden mit dem gebildeten S c h w e f e l d i o x i d über verbesserten Bauxitkontakton in einem turmartigen ClAUS-Ofen umgesetzt (2). Da hierbei nur noch die restliche Wärmemenge von 35 kcal im Kontakt frei wird, kann im Vergleich zum älteren Verfahren mehr als die h u n d e r t f a c h e Menge Schwefelwasserstoff je Zeiteinheit umgesetzt werden (älteres Verfahren: 2 bis 3 m 3 H 2 S, neueres Verfahren: 200 bis 300 m a H 2 S je Stunde und Kubikmeter Kontaktmasse). Der gebildete Schwefel ist s e h r r e i n (durchschnittlich 99.5°/ 0 ig). B e i Verwendung v o n A k t i v k o h l e als K a t a l y s a t o r wird das mit L u f t vermischte schwefelwasserstoffhaltige Gas durch einen mit 2 m 3 Aktivkohle (S. 2 9 9 f . ) beschickten Behälter geleitet, wobei sich der gebildete Schwefel auf der K o h l e niederschlägt. D i e Abtrennung des Schwefels v o n der K o h l e erfolgt durch E x t r a k t i o n mit A m m o n i u m sulfidlösungen oder anderen Lösungsmitteln (z. B . Schwefelkohlenstoff, Monochlorbenzol, Dichlorbenzol) oder durch Abtreiben mit überhitztem Wasserdampf. Man bedient sich dieses Verfahrens der Schwefelwasserstoffverbrennung z. B . zur E n t s c h w e f e l u n g des zur A m m o n i a k s y n t h e s e dienenden Stickstoff-WasserstoffGemisches (S. 225f.). E i n weiteres Verfahren der Verbrennung v o n Schwefelwasserstoff zu Schwefel besteht darin, daß m a n d a s schwefelwasserstoffhaltige Gas über E i s e n h y d r o x i d leitet, welches den Schwefelwasserstoff als Eisensulfid bindet (4), und dann das gebildete Eisensulfid an der L u f t unter Schwefelabscheidung in Eisenhydroxid rückverwandelt (5) : Fe 2 O a + 3 H 2 S >- Fe 2 S„ + 3 H 2 0 (4) Fe 2 S, + 1 . 5 0 ; >- Fe 2 Q 3 + 3 S (5) 3H 2 S + 1 . 5 0 j — ^ 3 S + 3 H 2 0 . (6)

Der Schwefel

185

Das Verfahren dient zur E n t s c h w e f e l u n g von L e u c h t g a s und K o k e r e i g a s (S. 310) ; der gebildete Schwefel wird mit Schwefelkohlenstoff extrahiert oder — nach genügender Schwefelanreicherung — mitsamt der Eisenhydroxidmasse an die Schwefelsäurefabriken zur S c h w e f e l s ä u r e e r z e u g u n g (S. 206) abgegeben. Im einzelnen verfährt man bei dieser Art der Schwefelgewinnung aus Schwefelwasserstoff so, daß man die Eieenhydroxidmasse (natürliches ,,Raseneisenerz'' — S. 635 — oder künstliche, bei der Bauxitverarbeitung — S. 379f. — abfallende „Luxmasse") auf flachen, übereinanderliegenden Holzrosten („Hordenreiniger") oder in Türmen („Turmreiniger") ausbreitet und entweder a b w e c h s e l n d „sättigt" (4) und „wiederbelebt" (5) oder dem über das Eisenhydroxid streichenden Schwefelwasserstoff haltigen Gas von vornherein Luft beimischt, so daß Absorption und Wiederbelebung n e b e n e i n a n d e r verlaufen.

Aus S c h w e f e l d i o x i d Auch das in manchen technischen Gasen, z. B. Konvertergasen (S. 450f., 541) und Röstgasen (S. 206) enthaltene S c h w e f e l d i o x i d kann zur Schwefelgewinnung nutzbar gemacht werden, indem man das Schwefeldioxid in einen mit K o k s beschickten heißen Generator einbläst, wobei Reduktion zu Schwefeldampf erfolgt : S02 + c

co2 + s.

γ) Physikalische Eigenschaften Der Schwefel kommt in mehreren festen, flüssigen und gasförmigen Zustandsformen vor, von denen im folgenden die wichtigsten angeführt seien: 95.6· 119.0° 444.«· Ά-Schwefel rhombisch, gelb

"P·

ß-Schwefel monoklln, gelb

Smp.

[λ-Schwefel Τ—^ μ-Schwefel] g e l b j leichtflüssig. CS,-löslich

braun, zähflüssig,

Sdp.

S„

rot

8,

SJ

gelb

CSi-unlöslich

temperaturabhängiges Gleichgewicht

f e s t e r Schwefel

[S8

gelb

flüssiger Schwefel

temperaturabhängiges Oleichgewicht

-—

ì

feste Form

~ Temperatur t Umwandlungs · punkt vonAuß

Schmelzpunkt t/on Β

Schmelzpunkt I/on/I

Fig. 68. Dampfdruckkurven enantiotroper Modifikationen

festeFirmf) / feste Form 8 — Schmelze festeForm Β feste form fi— 7êmperatur f Schmelzpunkt von 8

Umu/and/ungspunkt uontìnB

Schmelzpunkt uonfl

Fig. 69. Dampfdruckkurven monotroper Modifikationen

dem die beiden Formen wechselseitig ineinander überführbar sind oder die Umwandlung nur in einer Richtung möglich ist. Verständlich wird dieses Verhalten auf Grund der D a m p f d r u c k k u r v e n : Wie der S chnittpunkt der Dampfdruckkurven der festen und flüssigen Phase eines Stoffs den Schmelzpunkt dieses Stoffs unter dem eigenen Dampfdruck wiedergibt (S. 53), stellt sich der Umwandlungspunkt zweier fester Modifikationen A und Β eines Stoffs (unter dem eigenen Dampfdruck) als der Schnittpunkt der Dampfdruckkurven der beiden Formen dar (Fig. 67). Unterhalb der Umwandlungstemperatur ist dieForm¿4, oberhalb dieForm Β die beständigere, da im ersteren Falle der S t o f f e , im letzteren der Stoff Β den geringeren Dampfdruck besitzt (vgl. S. 53). Nur beim U m w a n d l u n g s p u n k t selbst können beide festen Modifikationen dauernd nebeneinander bestehen, da sie hier genau den gleichen D a m p f d r u c k aufweisen. Schneidet nun die Dampfdruckkurve der Schmelze die Dampfdruckkurven der beiden festen Modifikationen A und Β oberhalb des Umwandlungspunktes 1 (Fig. 68), so wandelt sich beim Erwärmen der Stoff A beim Umwandlungspunkt 1 in die Modifikation Β und die Modifikation Β beim Schmelzpunkt 2 in die Schmelze um, da stets die Zustandsform mit dem kleinsten Dampfdruck (ausgezogene Kurventeile) die bes t ä n d i g s t e ist. Schneiden sich die Kurven dagegen unterhalb des Umwandlungspunktes 1 (Fig. 69), so schmilzt der Stoff A beim Erwärmen in Punkt 3, bevor der Umwandlungspunkt 1 erreicht ist ; eine Umwandlung von A in Β ist daher in diesem Falle nicht möglich. Der Punkt 3 in Fig. 68, der den Schmelzpunkt der bei dieser Tempe-

Der Sohwefel

189

ratur nicht beständigen festen Form A darstellt, kann häufig durch vorsichtige U n t e r k ü h l u n g der Schmelze erreicht werden. Denn wenn man dafür sorgt, daß keine Kristallkeime des Stoffes Β zugegen sind, so gelingt es, beim Abkühlen der Schmelze ein Auskristallisieren des Stoffes Β beim Punkte 2 zu vermeiden und auf den gestrichelten (metastabilen) Teil der Dampfdruckkurve der Schmelze zu gelangen, bis beim Punkte 3 ein Auskristallisieren des Stoffes A erfolgt. In analoger Weise kann bei monotropen Modifikationen (Fig. 69) durch vorsichtige Unterkühlung der Schmelze bis zum Punkte 2 der E r s t a r r u n g s p u n k t von Β erreicht und so die — unter diesen Temperaturbedingungen lediglich m e t a s t a b i l e (vgl. S. 110) — Modifikation Β erhalten werden, die sich dann allerdings von selbst — mehr oder weniger schnell — in die stabile Form A umwandelt. Die Erscheinung, daß ein in mehreren Zustandsformen verschiedenen Energiegehaltes existierender Stoff beim Abkühlen nicht gleich in den en ergi eä r m s t e n Zustand, sondern zunächst in eine Zustandsform mittleren E n e r g i e g e h a l t e s übergeht, ist ein Spezialfall einer als „OSTWALDsehe Stuîenregel" bekannten Regel: Ein in mehreren Energiezuständen vorkommendes chemisches System geht beim Entzug von Energie nicht direkt, sondern stufenweise in den energieärmsten Zustand über. Ein Beispiel für einen Stoff mit e n a n t i o t r o p e r Umwandlung ist der oben besprochene S c h w e f e l ; die Punkte 1, 2 und 3 (Fig. 68) haben in diesem Falle die Werte 95.6°, 119.0° und 112.8° 1 . Monotropie liegt z. B. im Fall des — später (S. 253 ff.) zu besprechenden — weißen und violetten Phosphors vor. Der S c h n i t t p u n k t 1 (Fig. 68) der Dampfdrackkurven der beiden enantiotropen Modifikationen A und Β eines Stoffs stellt den Umwandlungspunkt unter dem eigenen Gleichgewichtsdruck dar. Ändert man willkürlich den Fig. 70. Zustandsdiagramm des Schwefels (nicht maßstäblich) D r u c k , so ändert sich auch die Umwandlungstemperatur. Beim Schwefel steigt letztere ζ. B. mit wachsendem Druck um durchschnittlich 0.04° je Atmosphäre. Ebenso erhöht sich auch der S c h m e l z p u n k t 2 des monoklinen Schwefels mit steigendem D r u c k ; allerdings weniger stark, nämlich im Durchschnitt um 0.025° je Atmosphäre. Tragen wir die sich so ergebenden beiden Kurven, die sich bei 154° und ~ 1400 Atmosphären schneiden, mit in das der Fig. 68 entsprechende Dampfdruckdiagramm des Schwefels ein, so erhalten wir das vollständige „Zustandsdiagramm 1 112.8° ist der ideale Schmelzpunkt des rhombischen Schwefels (vgl. Anm. 1, S. 186). Der natürliche Schmelzpunkt beträgt 110.2° (3.4% /¿-Schwefel im Gleichgewicht).

190

Die Gruppe der Chalkogene

des Schwefels", wie es in schematischer — nicht maßstäblicher — Form in Fig. 70 wiedergegeben ist. Wie man sieht, ist die D r u c k - T e m p e r a t u r - E b e n e dieses Zustandsdiagramms durch die 6 Kurvenzüge in vier — in der Zeichnung verschieden schraffierte — F e l d e r eingeteilt, deren jedes dem Existenzbereich e i n e r der vier Zustandsformen des Schwefels (rhombischer, monokliner, flüssiger und dampfförmiger Schwefel) entspricht. Längs der K u r v e n , in denen je z w e i Felder aneinander grenzen, sind je z w e i Zustandsformen des Schwefels, in den P u n k t e n 1, 2, 3 und 4 („Tripelfunkte"), in denen je d r e i Felder aneinanderstoßen, je d r e i Zustandsformen des Schwefels miteinander im Gleichgewicht. Innerhalb der F e l d e r kann man, wie aus dem Zustandsdiagramm hervorgeht, weitgehend Druck u n d Temperatur variieren, ohne den Existenzbereich der betreffenden Schwefelform zu überschreiten; hier haben wir also zwei Wahlfreiheiten. Längs der K u r v e n aber, wo sieh zwei Formen miteinander im Gleichgewicht befinden, liegt nur noch e i n e Wahlfreiheit vor: man kann e n t w e d e r die Temperatur festlegen, dann ist der zugehörige Druck durch die betreffende Kurve zwangsläufig gegeben, o d e r man kann den Druck vorgeben, dann ist die Temperatur durch die Kurve festgelegt. Für das Gleichgewicht zwischen 3 Formen des Schwefels schließlich (Punkt 1, 2, 3 u . 4 ) besteht überhaupt k e i n e Wahlfreiheit mehr, da Druck und Temperatur der Tripelpunkte durch das Diagramm gegeben sind. Genau wie beim Z u s t a n d s d i a g r a m m d e s W a s s e r s (S. 51 ff.) besteht also auch hier eine g e s e t z m ä ß i g e B e z i e h u n g zwischen der Zahl der W a h l f r e i h e i t e n („Freiheitsgrade") und der Zahl der Z u s t a n d s f o r m e n derart, daß die Zahl der Freiheitsgrade um so g r ö ß e r ist, je w e n i g e r Zustandsformen sich miteinander im Gleichgewicht befinden. Das Phasengesetz von G I B B S Der amerikanische Physiker JOSIAH WILLARD GIBBS ( 1 8 3 9 — 1 9 0 3 ) hat die vorgenannte Beziehung für heterogene Gleichgewichtssysteme verallgemeinert und quantitativ zu einer als „GIBBS sches Phasengcsetz" bekannten Gleichung zusammengefaßt : Zahl der Phasen + Zahl der Freiheitsgrade = Zahl der Bestandteile + 2 Ρ + F = Β + 2. Unter „Phasen" versteht man dabei die in sich h o m o g e n e n , d . h . in allen ihren Teilen physikalisch gleichartigen, verschiedenen Z u s t a n d s f o r m e n der Stoffe, die sich durch Trennungsflächen voneinander abgrenzen. Wasser und Wasserdampf bilden also z . B . z w e i , Eis, Wasser und Wasserdampf drei Phasen, ebenso stellen rhombischer, monokliner, flüssiger und dampfförmiger Schwefel v i e r verschiedene Phasen des Schwefelsystems dar. Da Gase in allen Verhältnissen miteinander mischbar sind, kann ein heterogenes, d. h. aus verschiedenen Phasen bestehendes System nie mehr als e i n e G a s p h a s e aufweisen. Dagegen kann es aus verschiedenen f l ü s s i g e n Phasen aufgebaut sein, wenn diese nicht miteinander mischbar sind. Die Zahl der f e s t e n Phasen schließlich ist unbegrenzt. Unter der Zahl der „Freiheitsgrade" versteht man die Zahl der Bestimmungsgrößen wie D r u c k , T e m p e r a t u r oder K o n z e n t r a t i o n , welche bei gegebener Zahl der Phasen innerhalb endlicher Grenzen w i l l k ü r l i c h v a r i i e r t werden können, ohne daß sich dabei die Zahl der Phasen ändert. Die Zahl der „Bestandteile" ist definiert als die k l e i n s t e Zahl der Molekülsorten, aus denen die verschiedenen Phasen entstanden gedacht werden können. Ein aus geschmolzenem und gasförmigem Schwefel oder aus Eis, Wasser und Wasserdampf bestehendes System ist also aus je e i n e m Bestandteil aufgebaut. Für das Gleichgewichtssystem NH4C1 < * NH a + HCl ist Β = 1, solange Chlorwasserstoff und Ammoniak in ä q u i v a l e n t e n M e n g e n vorhanden sind, weil dann die verschiedenen Phasen als aus nur e i n e r Molekülart, nämlich NH4Cl-Molekülen, entstanden gedacht werden können. Ist aber ein Ü b e r s c h u ß an HCl über das Molverhältnis NH S : HCl = 1 : 1 hinaus vorhanden, so muß Β = 2 gesetzt werden, da dann für den Aufbau der verschiedenen Phasen z w e i Molekülarten — NH4C1 und HCl — erforderlich sind.

Der Schwefel

191

Die Anwendung des GIBBS sehen Phasengesetzes sei an einigen Beispielen kurz erläutert. Der einfachste Fall ist der, daß das betrachtete heterogene Gleichgewichtssystem aus nur einem Bestandteil aufgebaut ist. Dies ist der Fall bei den schon betrachteten verschiedenen Zustandsformen des Wassers (Fig. 27, S. 52) und des Schwefels (Fig. 70). Nach dem GiBBSschen P h a s e n g e s e t z ergibt sich hier folgende Beziehung zwischen der Zahl der Phasen und der Zahl der F r e i h e i t s g r a d e : Ρ

B == 1

1 2 3

F

2 1 0

Verlangt man z.B., daß die gesamte Menge Wasser im gasförmigen Zustande vorliegt (P = 1), so kann dieses Verlangen — wie auch aus dem Zustandsdiagramm des Wassers (Fig. 27) hervorgeht — selbst bei weitgehender V a r i a t i o n von Druck und Temperatur befriedigt werden. Beispielsweise kann die Temperatur willkürlich auf 50° und der Druck willkürlich auf 60 mm oder die Temperatur willkürlich auf 70° und der Druck willkürlich auf 110 mm festgesetzt werden. Das System besitzt also zwei F r e i h e i t s g r a d e (F = 2), es ist „divariant". Eine d r i t t e Wahlfreiheit besteht nicht mehr ; denn wenn für den Wasserdampf Druck und Temperatur vorgeschrieben sind, so ist beispielsweise seine K o n z e n t r a t i o n c durch die Gasgleichung p = c · R ·Τ f e s t g e l e g t und nicht mehr frei verfügbar. Verlangen wir, daß im Wassersystem gleichzeitig zwei Phasen, etwa die flüssige und die gasförmige, nebeneinander bestehen (P — 2), so können wir noch innerhalb weiter Grenzen etwa die T e m p e r a t u r vorschreiben. Dann ist aber ζ. B. der Druck durch den Sättigungsdampfdruck (Dampfdruckkurve A, Fig. 27) eindeutig definiert. Wählen wir ζ. B. die Temperatur 50°, so beträgt der Druck zwangsläufig 92.5 mm ; bei 70° ist er gleich 233.7 mm. Würden wir uns noch eine zweite Freiheit nehmen und den Druck willkürlich größer (kleiner) machen als dem Sättigungsdruck entspricht, so verschwände zwangsläufig die gasförmige (flüssige) P h a s e , wie es dem Phasengesetz entspricht, nach dem für F = 2 die Zahl der Phasen nur gleich 1 sein kann. Bei Koexistenz zweier Phasen ist also mit anderen Worten das System des Wassers nur noch „univariant". Verlangen wir schließlich, daß das Wasser gleichzeitig in allen drei Aggregatzuständen vorliegt, so können weder Druck noch Temperatur mehr beliebig vorgeschrieben werden. Vielmehr muß — vgl. Fig. 27 — die Temperatur gleich +0.0099° C und der Druck gleich 4.58 mm gemacht werden. F ist am Tripelpunkt gleich 0, das System ist hier „nonvariant".

Vergrößern wir bei dem gewählten Beispiel des Wassers die Zahl der Bestandteile Β auf 2, indem wir beispielsweise N a t r i u m c h l o r i d in Wasser auflösen, so gilt nach dem GiBBSschen Phasengesetz die Beziehung: Ρ

1 2 3 4

B == 2

F

3 2 1 0

Für die gleiche Phasenzahl ist also die Zahl der Wahlfreiheiten um je 1 größer als im vorhergehenden Beispiel. Sollen etwa Eis, Lösung und Wasserdampf, also 3 Phasen nebeneinander bestehen, so haben wir zum Unterschied von vorher 1 Wahlfreiheit.

192

Die Gruppe der Chalkogene

Denn wir können ζ. Β. die Temperatur, bei der dies der Fall sein soll, innerhalb eines endlichen Temperaturbereichs willkürlich wählen, da ja bei Lösungen der Schmelzund Erstarrungspunkt (Gleichgewicht zwischen Eis, Lösung und Dampf) mit der K o n z e n t r a t i o n der Lösung variiert (S. 57f.). Ist allerdings die T e m p e r a t u r einmal gewählt, so ist die K o n z e n t r a t i o n der Lösung zwangsläufig durch das RAOULTsehe Gesetz At = E-η (S.58) f e s t g e l e g t ; eine zweite Wahlfreiheit besteht also in Übereinstimmung mit dem Phasengesetz nicht mehr. e) Chemische Eigenschaften Schwefel verbindet sich schon bei mäßig erhöhter Temperatur direkt mit vielen Metallen und Nichtmetallen. So entzündet er sich ζ. B. beim Erhitzen an der L u f t und verbrennt mit blauer Flamme zu Schwefeldioxid (S + 0 2 -—>- S0 2 ). Ebenso vereinigt er sich direkt mit W a s s e r s t o f f (S + H 2 — H 2 S ) und mit den Halogenen Fluor, Chlor und Brom (z.B. 2S + Cl2 —>- S2C12). Beim Erhitzen mit E i s e n f e i l e erfolgt Reaktion mit heftiger Wärmeentwicklung (Fe + S —ν FeS). K u p f e r verbrennt im Schwefeldampf unter Lichterscheinung (Cu + S —>• CuS). Beim Verreiben von Quecksilber mit Schwefelblumen in einem Mörser entsteht schwarzes Quecksilbersulfid (Hg -f- S —>- HgS).

b) Wasserstoffverbindungen des Schwefels

α) Schwefelwasserstoff Vorkommen. In manchen vulkanischen Gegenden findet sich der Schwefelwasserstoff in den der Erde entströmenden Gasen. Weiter stellt er den wichtigsten Bestandteil der „Schwefelquellen" (ζ. B. in Aachen und Wiessee) dar. Schließlich bildet er sich bei der Fäulnis schwefelhaltiger organischer Stoffe (Eiweiß) ; so rührt ζ. B. der üble Geruch fauler Eier größtenteils vom Schwefelwasserstoff her. Darstellung. Wie das Wasser kann auch der Schwefelwasserstoff aus den Elementen synthetisiert werden: Ha+S ν HjS + 4.8 kcal. (1) Man verfährt dabei am besten so, daß man ein Gemisch von Schwefeldampf und Wasserstoff durch ein auf 600° erhitztes Glasrohr leitet. Bequemer erhält man den Schwefelwasserstoff im Laboratorium dadurch, daß man ihn aus seinen Salzen (Sulfiden) im K I P P sehen Apparat mit Salzsäure in Freiheit setzt : PeS + 2 HCl FeCl2 + H2S . Als Sulfid dient gewöhnlich E i s e n s u l f i d , das technisch durch Zusammenschmelzen von Eisen und Schwefel gewonnen wird (S. 535). Da es meist noch etwas metallisches Eisen enthält, ist dem so bereiteten Gas etwas Wasserstoff beigemengt, was aber bei den meisten Verwendungen nicht stört. Zur Darstellung reinen Schwefelwasserstoffs verwendet man zweckmäßig Calcium- oder Bariumsulfid. T e c h n i s c h kann Schwefelwasserstoff aus L e u c h t g a s , K o k e r e i g a s und anderen, aus Kohle hergestellten Gasen gewonnen werden, welche mehrere Zehntel Volumenprozente Schwefelwasserstoff enthalten. Die Abtrennung erfolgt zweckmäßig durch Lösungen schwacher B a s e n B, welche den Schwefelwasserstoff absorbieren und beim Erhitzen wieder a b g e b e n : Absorption

ß + H2S
- BH· + HS'.

So arbeitet ζ. B. das „Thylox-Verfahren" mit Thioarsenit-lösungen, das „ G I R D L E R · Verfahren" mit Alkoxy-aminen und das — in Deutschland meist benutzte — „AlkazidVerfahren" mit Lösungen aminosaurer Salze.

Der Schwefel

193

Physikalische Eigenschaften. Schwefelwasserstoff ist ein farbloses, „nach faulen Eiern" riechendes, stark giftiges Gas, das sich leicht zu einer farblosen Flüssigkeit kondensieren läßt, welches bei —60.75° siedet und bei —85.60° erstarrt. 1 Liter Wasser löst bei 0° 4.65 und bei 20° 2.61 Liter H 2 S ; die entstehende Lösung heißt „Schwefelwasserstoffwasser' '. Chemische Eigenschaften. Bei hoher Temperatur zerfällt S c h w e f e l w a s s e r s t o f f in Umkehrung seiner Bildung aus den Elementen (1) wieder weitgehend (bei 1000° zu etwa 1/4, bei 1500° zu etwa 2/3, bei 1700° zu etwa 3/4) in S c h w e f e l und W a s s e r s t o f f . A n der Luft entzündet, verbrennt er je nach der Luftzufuhr mit blauer Flamme zu Wasser und S c h w e f e l d i o x i d oder zu Wasser und S c h w e f e l : H2S + 1V20S

^ H 2 0 + S0 2 ;

H2S + V 2 0 2 — H

2

0 + S.

Die wässerige Lösung zersetzt sich an der Luft und am Licht schon bei gewöhnlicher Temperatur allmählich in dieser Weise unter Schwefelabscheidung. Will man daher Schwefelwasserstoffwasser unzersetzt erhalten, so muß man es in völlig gefüllten und gut verschlossenen Flaschen im Dunkeln aufbewahren. Der Schwefelwasserstoff hat in wässeriger Lösung den Charakter einer sehr schwachen zweibasigen Säure: H2S — ^ H· + HS' Die erste Dissoziationskonstante Κ 1 = _ ¿

cη χ es'

CH* X CHS' CH,S

2Η· + S". hat den Wert 1.02 χ 10 - 7 , die zweite

1.3x10— 13 (25°). Die G e s a m t d i s s o z i a t i o n wird demnach

C11S'

Cjt ^

CS"

durch die Konstante Κ = — — — — = K 1 • K 2 = 1.3 χ 10~20 wiedergegeben. Aus den Konstanten geht hervor, daß der Schwefelwasserstoff in 0.1-molarer Lösung zu etwa 1/io°/o in H ' + HS' dissoziiert ist, während der Dissoziationsgrad der Spaltung nach H2S 2 H ' + S " wegen des p H -Wertes 4 einer 0.1-molaren H,S-Lösung (s. oben) in der Größenordnung von nur 10 _1 ° °/0 liegt (entsprechend einer Konzentration von rund IO - 1 3 Gramm-ionen S " 1011 S"-ionen je Liter). Als z w e i b a s i g e Säure bildet der Schwefelwasserstoff zwei Reihen von Salzen: Hydrogensulfide (saure Sulfide) der Formel Me I HS und Sulfide (normale Sulfide) der Zusammensetzung Me^S .Die H y d r o g e n s u l f i d e sind in Wasser alle sehr leicht löslich. Von den n o r m a l e n S u l f i d e n lösen sich die A l k a l i s u l f i d e gleichfalls leicht in Wasser; dabei erleiden sie als Salze einer schwachen Säure (vgl. S. 115f.) starke (in 1-normaler Lösung etwa 90°/0ige) H y d r o l y s e gemäß 8" + HÖH HS' + OH'. (2) Der gleichen hydrolytischen Spaltung unterliegen die E r d a l k a l i s u l f i d e , und noch leichter hydrolysieren A l u m i n i u m s u l f i d (A12S3) und C h r o m s u l f i d (Cr 2 S 3 ). Die meisten a n d e r e n M e t a l l s u l f i d e sind in Wasser so w e n i g l ö s l i c h (vgl. S. 194f.), daß die hydrolytische Zersetzung ausbleibt, weil infolge der geringen Sulfidionen-konzentration das Hydrolysengleichgewicht (2) ganz nach links verschoben ist. Schwefelwasserstoff ist sowohl im gasförmigen wie im gelösten Zustande ein verhältnismäßig starkes R e d u k t i o n s m i t t e l : H2S

>-S + 2H

bzw.

8"—S

+ 2θ .

So reagiert er ζ. B. lebhaft mit F l u o r , C h l o r und B r o m , weniger energisch mit J o d (vgl. S. 83, 87, 88, 99) : H2S + X 2 Holleman-Wiberg,

2HX + S

bzw.

Anorganische Chemie, 4 7 . - 5 6 . A u f l .

S" + X 2

2X' + S 13

194

Die Gruppe der Chalkogene

und führt verschiedene Sauerstoffverbindungen, ζ. Β. S c h w e f e l d i o x i d (bei Gegenwart von Wasser) oder k o n z e n t r i e r t e S c h w e f e l s ä u r e , in niedrigere Oxydationsstufen über : 2H 2 S + S0 2 — ν 2H 2 0 + 3S H 2 S 0 4 + H2S

H2S03 + H 2 0 + S ,

so daß man Schwefelwasserstoff nicht mit konzentrierter Schwefelsäure trocknen kann. Salze. Das Natriumsulfid Na 2 S wird technisch durch R e d u k t i o n von N a t r i u m s u l f a t mit K o h l e bei Dunkelrotglut dargestellt: Na 2 S0 4 + 4C

Na 2 S + 4CO.

Es ist in Wasser mit s t a r k a l k a l i s c h e r R e a k t i o n (2) löslich und kristallisiert aus der Lösung unterhalb von 48° in Form hygroskopischer, quadratischer Prismen der Zusammensetzung Na 2 S · 9 H 2 0 aus. Technisch wird es in der organischen Chemie als R e d u k t i o n s m i t t e l (ζ. B. bei der Herstellung von Schwefelfarbstoffen) verwendet. Das Kaliumsulfid K 2 S wird zweckmäßig durch Sättigen von K a l i l a u g e mit S c h w e f e l w a s s e r s t o f f (3) und Vermischen der so gewonnenen K a l i u m h y d r o g e n s u l f i d l ö s u n g mit einer äquivalenten Menge K a l i l a u g e (4) gewonnen: KOH + H 2 S — K H S + H 2 0 KHS + KOH K2S + H 2 0 .

(3) (4)

Es ist in Wasser leicht löslich und kristallisiert aus der Lösung mit 5 Mol Kristallwasser. An der Luft geht es wie das Natriumsulfid leicht in T h i o s u l f a t über: 2 K 2 S + 20¡¡ + H 2 0

K 2 S 2 0 3 + 2KOH.

Das „Kaliumsulfid" des Handels wird durch Zusammenschmelzen von P o t t a s c h e und S c h w e f e l gewonnen. Es enthält K a l i u m p o l y s u l f i d e (S. 195), K a l i u m t h i o s u l f a t und K a l i u m s u l f a t und heißt wegen seiner leberbraunen Farbe auch „Schwefelleber". Beim Sättigen einer verdünnten wässerigen Ammoniaklösung mit S c h w e f e l w a s s e r s t o f f entsteht analog (3) Ammoniumhydrogensulfid NH 4 HS: NH 3 + H 2 S — N H /

+ SH'.

Diese Lösung reagiert aber bei Zugabe einer äquivalenten Menge Ammoniak nicht analog (4) unter Bildung von Ammoniumsulfid (NH 4 ) 2 S weiter. Die im Laboratorium für analytische Zwecke (s. unten) viel benutzte, aus 2 Mol Ammoniak und 1 Mol Schwefelwasserstoff gewonnene „Ammoniumsulfid''-lösung („farbloses Schwefelammon") enthält also kein (NH 4 ) 2 S, sondern ein äquimolekulares Gemisch von NH 4 HS und NH 3 . Beim Stehen an der Luft färbt sich die farblose Lösung infolge Bildung von Ammoniumpolysulfiden (S. 195) bald g e l b („gelbes Schwefelammon"): S" + VsOj + 2H· S + H20 S" + χ S —[Sx+1]" .

(5)

Rascher erhält man diese gelbe Lösung durch unmittelbares Auflösen von Schwefel gemäß (5). Das wahre Ammoniwmsulfid (NH 4 ) 2 S läßt sich durch Vermischen von 2 Mol Ammoniak und 1 Mol Schwefelwasserstoff bei — 18° unter Ausschluß von Wasser als weiße Kristallmasse erhalten: 2NH 3 + H 2 S >- (NH 4 ) 2 S. Es zerfällt bereits bei Zimmertemperatur in Ammoniak und Ammoniumhydrogensulfid, welches seinerseits leicht in Ammoniak und Schwefelwasserstoff dissoziiert (Dissoziationsdruck bei 20° 355 mm) : (NH 4 ) 2 S

NH 4 HS

— H

2

S .

Andere Metallsulfidé werden bei den einzelnen Metallen beschrieben. Anwendung des Schwefelwasserstoffs in der Analyse. Man benutzt die S c h w e r l ö s l i c h k e i t der M e t a l l s u l f i d e in der analytischen Chemie dazu, um Metalle aus

195

Der Schwefel

wässeriger Lösung gruppenweise zu fällen. Denn je nach der Größe des L ö s l i c h k e i t s produktes (S. 120) eines Sulfids fällt letzteres bereits in saurer Lösung („Schwefelwasserstoffgruppe") oder erst in basischer (ammoniakalischer) Lösung („Schwefelammongruppe") aus: c¿. χ c „ Aus der Dissoziationskonstante Κ = — s» IO -20 des Schwefelwasserstoffs CHjS geht hervor, daß die Sulfidionen-konzentration einer gesättigten Schwefelwasserstofflösung (ch.s ~ 0.1) in Gegenwart einer 1-normalen starken Säure (cH- = 1) rund 1 0 - a l (entsprechend 1 S"-ion je ccm) beträgt. Daher lassen sich aus einer sauren Lösung vom £ H -Wert 0 nur solche Metallsulfide quantitativ ausfällen, deren Löslichkeitsprodukt so klein ist, daß es trotz dieser minimalen S"-Konzentration noch erheblich überschritten wird. Das ist der Fall bei Arsensulfid As2S3 (gelb), Antimonsulfid Sb 2 S 3 (orangerot), Zinnsulfid SnS (braun), Quecksilbersulfid HgS (schwarz), B l e i s u l f i d PbS (schwarz), W i s m u t s u l f i d Bi 2 S 3 (braunschwarz), K u p f e r s u l f i d CuS (schwarz) und Cadmiumsulfid CdS (gelb). So besitzt ζ. B. das Bleisulfid das Löslichkeitsprodukt c Fb ·· χ c S " ä ; 10 - 2 8 ; es fällt daher beim Einleiten von Schwefelwasserstoff in eine saure Lösung aus, sobald die Konzentration der Blei-ionen den Wert cpb- = 10 - 2 8 :10~ 2 1 = 10 - 7 — d.h. Viooooooo Mol Blei-ionen je Liter — überschreitet. Sind die Löslichkeitsprodukte r e l a t i v groß, so fallen die betreffenden Sulfide erst in b a s i s c h e r (ammoniakalischer) Lösung quantitativ aus, in welcher die S"-Konzentration größer ist. Das ist z.B. der Fall bei Nickelsulfid NiS (schwarz), K o b a l t s u l f i d CoS (schwarz), E i s e n s u l f i d FeS (schwarz), Mangansulfid MnS (fleischfarben) und Zinksulfid ZnS (weiß). So weist ζ. B. das Eisensulfid FeS das Löslichkeitsprodukt Cpe·· X cg» « 10 - 1 9 auf. Es könnte daher in saurer Lösung erst bei einer — experimentell nicht erreichbaren — Eisenionen-konzentration von C], e·· = IO - 1 8 : 10 - 2 1 = 102, also von 100 Mol Eisen-ionen je Liter, ausfallen. Setzt man aber die Wasserstoffionen-konzentration vermittels Ammoniak (H* + NH3 —>- NH4") herab, benutzt man also Ammoniumsulfid statt Schwefelwasserstoff als Fällungsmittel, so erfolgt ζ. B. bei einer Wasserstoffionen-konzentration von 10 - 8 (schwach alkalische Lösung) die Ausfällung des Eisensulfids schon bei einer Eisenionen-konzentration von IO - 1 9 : 10 - 6 = 10- 14 , weil dann cs» = 10~ 2 1 : (IO -8 ) 2 = 10"® ist. Die Löslichkeitsprodukte der E r d a l k a l i - und A l k a l i s u l f i d e sind so groß, daß sie selbst in ammoniakalischer Lösung nicht mehr erreicht werden (vgl. auch S. 193). Hier muß man andere Fällungsmittel zur Ausfällung verwenden („Erdalkaligruppe" \ „Alkaligruppe"). ß ) Polyschwefelwasserstoffe Schmilzt man Alkalisulfide Me2S mit Schwefel oder digeriert man Alkalisulfidlösun gen mitSchwefel, so nehmen die Alkalisulfide Schwefel auf unter Bildung gelber bis braunroter „Polysulfide" („Alkali-eulfane") der allgemeinen Formel Me2Sn, worin η die Werte 2, 3, 4, 5 und höher annehmen kann. Die Bildung dieser Polysulfide kann man sich so vorstellen, daß an die freien Elektronenpaare des Sulfidschwefels unter Kettenbilduug Schwefelatome angelagert werden :

Sulfid

:S:S:

: S : S:S:

Dlsulfid

Trisulfid

: S : S :S : S : Tetrasulfid

:S : S : S : S :S: Pentaaulfid

Diese Formeln entsprechen ganz den Kettenformeln des elementaren Schwefels, nur daß im letzteren Fall die Ketten wegen des Fehlens zweier Elektronen (Wegfall der beiden negativen Ladungen) zu Ringen geschlossen sind (vgl. S. 187). Einen analogen kettenförmigen Bau besitzen die Anionen der Polysuljan-monosnlfonate Sn0 3 " und Polysulfan-disulfonate (Polythionate) S n O e " (vgl. S. 216f.), bei denen an die drei freien Elektronenpaare des einen der beiden oder der beiden endständigen Schwefelatome der obigen Polysulfid-Reihe je drei Sauerstoffatome angelagert sind. 13*

Die Gruppe der Chalkogene

196

S ä u e r t man Lösungen solcher Alkalipolysulfide an, so erhält man nicht die zugrunde liegenden P o l y s c h w e f e l w a s s e r s t o f f e H 2 S n ( P o l y s u l f a n e ) , sondern nur deren Zerfallsprodukte S c h w e f e l w a s s e r s t o f f und S c h w e f e l : Na 2 S n + 2HCl

>• 2NaCl + H 2 S + (n — 1)S .

Läßt man aber u m g e k e h r t die Lösung des P o l y s u l f i d s unter Kühlung zu überschüssiger k o n z e n t r i e r t e r S a l z s ä u r e fließen oder zersetzt man die festen Polysulfide mit w a s s e r f r e i e r A m e i s e n s ä u r e , vermeidet man also ö r t l i c h e a l k a l i s c h e R e a k t i o n , so scheidet sich ein gelbes „Rohöl" (H 2 S 4 , H 2 S 5 , H 2 S e ) ab, das durch Destillation unter m i l d e n B e d i n g u n g e n in seine Bestandteile zerlegt werden kann, während bei K r a c k d e s t i l l a t i o n (Zersetzungsdestillation) die schwefelärmeren Glieder H 2 S 2 und H 2 S 3 entstehen. I n reinem Zustande wurden so bis jetzt gewonnen: der Dischwefelwasserstoff H 2 S 2 , eine blaßgelbe, bewegliche, Augen und Schleimhäute stark reizende, bei 70.7° siedende und bei •— 89.6° erstarrende Flüssigkeit vom spezifischen Gewicht 1.376, der Trischwefelwasserstoff H 2 S 3 , eine hellgelbe, bei tiefer Temperatur farblose, kampferähnlich riechende, bei -— 52° schmelzende und sich vor Erreichen des Siedepunktes 90°) zersetzende Flüssigkeit vom spezifischen Gewicht 1.496, der Tetraschwefelwasserstoff H 2 S 4 , eine kräftig hellgelb gefärbte, stechend riechende, glasig erstarrende (Smp. ~ — 8 5 ° ) , in Benzol unbeschränkt lösliche Flüssigkeit von der Konsistenz des Olivenöls und dem spezifischen Gewicht 1.588, der Pentasehwefelwasserstoff H 2 S 6 , ein gelbes, sich schon bei 40° zersetzendes Öl vom spezifischen Gewicht 1.660 und der Hexaschwefelwasserstoff H 2 S e , ein kräftig gelb gefärbtes, viskoses, leicht stechend riechendes und wie H 2 S 6 glasig erstarrendes Öl vom spezifischen Gewicht 1.699. Alle diese Polyschwefelwasserstoffe werden durch A l k a l i l a u g e n h e f t i g z e r s e t z t : H2Sn

H 2 S + (n — 1) S .

Ihre Empfindlichkeit gegenüber Alkalien ist dabei so groß, daß sie nur in Glasgefäßen gewonnen und aufbewahrt werden können, deren Innenwände zuvor durch Behandlung mit Säure auch von S p u r e n A l k a l i b e f r e i t worden sind. Der Zerfall in Schwefelwasserstoff und Schwefel ist e x o t h e r m . Dementsprechend gehen die niedrigeren Glieder beim Auflösen von Schwefel nicht in schwefelreichere Verbindungen über.

c) Halogenverbindungen des Schwefels Schwefel bildet Halogenide des T y p u s SX 2 (SF 2 , farbloses Gas, Sdp. —35°; SC12, granatrote Flüssigkeit, Sdp. 59°), SX4 (SF 4 , farbloses Gas, Smp. - 1 2 4 ° , Sdp. - 4 0 ° ; SC14, blaßgelbe Flüssigkeit, Smp. 30°, zersetzlich) u n d SXe (SF 6 , farbloses Gas, Smp. - 5 0 . 5 ° , Sblp. - 6 3 . 8 ° ) . A u ß e r d e m k e n n t m a n noch Sauerstoff-Halogen-Verbindungen des Schwefels v o m T y p u s OSX2 {„Thionylhalogenide"·, OSF 2 , farbloses Gas, S m p . - 1 1 0 ° , S d p . — 3 0 ° ; OSCl 2 , farblose Flüssigkeit, Sdp. 76°; OSBr a , rotgelbe Flüssigkeit, zersetzlich) u n d O2SX2 („Sulfurylhalogenide" ; 0 2 S F 2 , farbloses Gas, Smp. —135.7°, Sdp. - 5 5 . 2 ° ; 0 2 SC1 2 , farblose Flüssigkeit, Sdp. 69.3°), sowie die d e m T y p u s O S X 2 formal entsprechenden Schwefelverbindungen SSX2 (S 2 F 2 , farbloses Gas, Smp. 120.5°, Sdp. —38°; S 2 C1 2 , orangegelbe Flüssigkeit, Smp. —76.5°,Sdp. 137.1°; S 2 B r 2 , tiefrote Flüssigkeit, Smp. —46°, zersetzlich). Den Verbindungen SX 2 kommt die Elektronenkonfiguration I zu. Die Thionylhalogenide OSX 2 und Sulfurylhalogenide 0 2 S X 2 leiten sich davon durch Anlagerung eines (Formel II) bzw. zweier (Formel I I I ) Sauerstoffatome an das Schwefelatom a b :

: X :S: X :

:Ö:

:Ö:

:X:S:X:

:X:S:X: : Ö:

(I)

(II)

(III)

Ersatz des Schwefelatoms in Formel I durch längere Schwefelketten f ü h r t zu einer Verbindungsklasse X 2 S n („Halogensulfane"), die sich von den Polysulfanen H 2 S n (s. oben) durch Ersatz der Wasserstoffatome durch Halogenatome ableitet und deren Kettenlänge beträchtlich sein kann 1 (im Falle der Chlorsulfane C12S bis η = 100). Die oben erwähnte Verbindung S2C12 ist ein Spezialfall dieser Körperklasse, deren Glieder leicht entstehen, wenn man in heißen Schwefel Chlor einleitet oder Lösungen von Schwefel in S2C12 erhitzt.

Der Schwefel

197

Lagert man an die freien Elektronenpaare des Schwefels im Molekül I statt je e i n e s S a u e r s t o f f a t o m s (mit 6 Außenelektronen) z w e i H a l o g e n a t o m e (mit je 7 Außenelektronen) an, so kommt man zu den Tetrahalogeniden (IV) und Hexahalogeniden (Va) 1 : 7

7

7

X X 6

Χ :S :Χ

β

6

7

β

X X 1

Χ :S : Χ '

Χ : S : Χ

β

«Χ: S :Χβ

Χ Χ 7

β

X X

Χ Χ

7

(I) (IV) (Va) (Vb) Die zusätzlichen Halogenatome sind danach durch ,,Einelektronenbindungen" 2 und daher schwächer gebunden, was sich bei den Tetrahalogeniden in der leichten Abspaltbarkeit von Halogen (SC14 >- SC12 + Cl2) zu erkennen gibt. Dagegen zeigt die große Beständigkeit des Schwefelhexafluorids SF e , daß ihm wohl nicht die Formel Va, sondern die Formel V b mit einer Z w ö l f e r - E l e k t r o n e n s c h a l e (S. 160) des Schwefels zukommt, bei der jedes Fluoratom durch eine normale Kovalenz gebunden ist. Auch die Bildung der S. 132 beschriebenen höheren Halogenhalogenide XY(Y 2 ) n (n = 1, 2 und 3) erfolgt wohl durch Anlagerung je zweier Halogenatome Y an die drei freien Elektronenpaare des Zentralhalogens X: 7

7

7

Y Y

Y:X:

6Y :X:

7

Y Y β Y :X :

7

7

Y Y Y7 Y7

β Y :X : Y

7

·· ï ' Y Y

In gleicher Weise dürfte die Bildung von „Polyhalogeniden" MeX(X„) n (n = 1, 2, 3 und 4) bei der Einwirkung von H a l o g e n auf A l k a l i h a l o g e n i d e zu erklären sein: 7 7 7 7 7 7 7 7 Γ Γ Π Τ J

J

:j:

J

: J: J7

Ja'

J

J

7J

7 J 7 J

J

J 7 J 7 J

J: J 7 J /

J 7

L

J

. τ . J 7 ! ·· ' J 7 j J J 7 7

j

J

J.'

Dischweïel-dichlorid S2CI2 entsteht als orangegelbe, an feuchter Luft rauchende Flüssigkeit von widerlichem, stechendem und zu Tränen reizendem Geruch, wenn man trockenes Chlor über geschmolzenen S c h w e f e l leitet: 2S + C12—>- S2C12. Es vermag große Mengen Schwefel zu lösen (S. 196) und findet daher beim Vulkanisieren des Kautschuks (II, S. 406) Verwendung. Schwefeldichlorid SCI2 bildet sich aus den Elementen oder beim Mischen äquimolekularer Mengen von S2C12 und flüssigem Chlor: S2C12 + Cl2 —>- 2SC12. Anfangs zeigt die Mischung eine gelbe Farbe, die jedoch nach wenigen Tagen in die rote Farbe des Schwefeldichlorids umschlägt. Bei weiterer Einwirkung von flüssigem Chlor geht das Schwefeldichlorid in Schwefeltetrachlorid SCI4 über : SC12 + Cl2 — ν SC14. Schwefeltetrachlorid ist nur bei tiefen Temperaturen beständig, bildet hier weißgelbe, bei etwa —30° schmelzende Kristalle und zerfällt beim Erwärmen auf Zimmertemperatur vollständig in Schwefeldichlorid und Chlor. 1 Der leichteren Lesbarkeit halber sind in den Elektronenformeln die f r e i e n Außenelektronen der Halogenatome nur durch die beigesetzte arabische Zahl zum Ausdruck gebracht. 2 Unter „Einelektronenbindungen", bei welchen zwei Substituenten X durch e i n Elektronenpaar des Zentralatoms Ζ gebunden werden, hat man sich wahrscheinlich Brückenbindungen des Typus

« Χ : Ζ: X 6 β Χ; Ζ : X 6 vorzustellen, wie sie ζ. B. auch als ,,W asserstof(brücken" (S. 223) in zahlreichen wasserstoffhaltigen Verbindungen auftreten. Es entfällt also bei der „Einelektronenbindung" im Z e i t d u r c h s c h n i t t auf jede der beiden beteiligten Bindungen f o r m a l 1 Elektron, soweit nicht durch die Schalenerweiterungstendenz (S. 159) des Zentralatoms Ζ echte Kovalenzen ermöglicht werden.

Die Gruppe der Chalkogene

198

Schwefelhexafluorid SF s bildet sich unter starker Wärmeentwicklung durch unmittelbare Vereinigung d e r E l e m e n t e : S + 3F 2 — S F e . Es ist ein färb- und geruchloses, nicht entzündbares Gas, das auffallenderweise chemisch fast so i n d i f f e r e n t wie Stickstoff ist. So kann es ζ. Β mit W a s s e r s t o f f erhitzt werden, ohne daß Fluorwasserstoff entsteht. Schmelzende A l k a l i e n zersetzen es nicht. Sogar N a t r i u m kann im SFg-Gas geschmolzen werden, ohne daß seine Oberfläche infolge Natriumfluoridbildung blind wird; erst bei seinem Siedepunkt wird es vom Schwefelhexafluorid angegriffen. Als Nebenprodukt bei der Einwirkung von Fluor auf Schwefel entsteht ein Fluorid S 2 F 10 (SFfi—SE,;) vom Schmelzpunkt —92° und Siedepunkt + 2 9 ° . Es ist ebenfalls bemerkenswert beständig, aber doch reaktionsfähiger als SF e . Analoge Fluoride werden vom Selen und Tellur gebildet (Te 2 F 10 : schwere, farblose, leichtbewegliche Flüssigkeit vom Smp. —33° und Sdp. +53°).

d) Oxide des Schwefels Schwefel bildet vier Oxide der Zusammensetzimg S On (η = 1, 2, 3 und 4) und zwei Oxide der Zusammensetzung S20a„ + i ( n = 1 und 3), wie aus folgender Tabelle hervorgeht, in der die Oxide nach steigender Oxydationszahl (S. 169) des Schwefels angeordnet sind: Oxydationszahl + 1 + 2

Oxide der Formel SO„ SO

Oxide der Formel SaOsn+i

+ 3 + 4

SO2 Schwefeldioxid

+ 5 + 6

SO3 Schwefeltrioxid

Dischwefelmonoxid

S2O3

Dischwefeltrioxid



+ 61 + 6i

S2O Schwefelmonoxid

S2OT Dischwefelheptoxid SO4 Schwefeltetroxid

Das nach dieser Tabelle noch zu erwartende Oxid S 2 0 B ist bis jetzt unbekannt. Die wichtigsten Oxide sind das Schwefeldioxid S0 2 und das Schwefeltrioxid S0 8 . Die übrigen Oxide SO, S0 4 , S 2 0 , S 2 0 3 und S 2 0 7 — deren Existenz teilweise noch etwas unsicher ist — erhält man aus diesen Oxiden durch R e d u k t i o n m i t S c h w e f e l (S + S 0 2 — ^ 2SO; 3S + S 0 2 — ν 2 S 2 0 ; S + S 0 3 — • S 2 0 3 ) bzw. O x y d a t i o n m i t a k t i v e m S a u e r s t o f f (S0 2 + 2 0 — > - S 0 4 ; 2SO s + 0 —>- S 2 0,). α) Schwefeldioxid Darstellung. T e c h n i s c h wird Schwefeldioxid durch V e r b r e n n e n v o n S c h w e f e l an der Luft : (1) S + 0 2 —»- SO, + 70.9 kcal sowie vor allem durch E r h i t z e n s c h w e f e l h a l t i g e r E r z e im L u f t - o d e r S a u e r stoff ström :

2FeSj + 6V.O,

>- Fe 2 0 3 + 4 S 0 2

dargestellt (Näheres S. 206). Im L a b o r a t o r i u m gewinnt man Schwefeldioxid als Anhydrid der schwefligen Säure H 2 S 0 3 am bequemsten durch Entwässern der letzteren: H 2 SO,—>- H 2 0 + S0 2 ,

indemmanin käufliche,40-bis60%igekonzentrierte N a t r i u m h y d r o g e n s u l f i t l ö s u n g 1 Die Verbindungen enthalten Peroxogruppen — O — O — mit der Oxydationszahl —1 (statt wie sonst —2) des Sauerstoffs (vgl. S. 203).

Der Schwefel

199

(NaHSOg) konzentrierte Schwefelsäure(NaHS0 3 + H 2 S0 4 —>- H 2 S0 8 + NaHSO«) als wasserentziehendes Mittel eintropfen läßt. Statt von schwefliger Säure kann man auch von Schwefelsäure ausgehen, indem man konzentrierte Schwefelsäure durch Erhitzen mit Kupfer zur schwefligen Säure reduziert: H 2 S 0 4 + Cu — > - CuO + I I 2 S 0 3 , welche dann wie oben zum Anhydrid entwässert wird. Physikalische Eigenschaften. Schwefeldioxid ist ein farbloses, stechend riechendes, nicht brennbares und die Verbrennung nicht unterhaltendes Gas. Es läßt sich leicht zu einer farblosen Flüssigkeit verdichten, die bei —10.0° siedet und bei—72.5° zu weißen Kristallen erstarrt. Die Verdampfungswärme ist sehr hoch und beträgt beim Siedepunkt 96 kcal/kg S0 2 ; daher tritt beim Verdunsten von flüssigem Schwefeldioxid eine bedeutende Temperaturerniedrigung ein, wovon man bei Kältemaschinen Gebrauch macht. In Wasser ist Schwefeldioxid leicht, löslich: 1 Volumen Wasser löst bei 0° rund 80, bei 20° rund 40 Volumina S0 2 . Flüssiges Schwefeldioxid ist ein ausgezeichnetes Lösungsmittel für anorganische und organische Stoffe. Viele anorganische Salze leiten in dieser Lösung den elektrischen Strom ähnlich gut wie in Wasser, sind also wie in diesem elektrolytisch dissoziiert. Flüssiges Schwefeldioxid selbst zeigt nur ein sehr geringes elektrisches Leitvermögen. Chemische Eigenschaften. Die wässerige Lösung des Schwefeldioxids reagiert sauer und verhält sich auch im übrigen wie eine Säurelösung (Näheres S. 203f.). Im übrigen ist das Schwefeldioxid durch seine reduzierende Wirkung ausgezeichnet, die auf seinem Bestreben beruht, sich zur Oxydationsstufe der Schwefelsäure zu oxydieren: ^ + 0 ^ Leitet man z. B. einen Schwefeldioxidstrom über feinverteiltes, braunes Bleidioxid (Pb0 2 ), so verwandelt sich dieses unter Erglühen in weißes Bleisulfat PbS0 4 („PbO · SO s ") : p b 0 ¡ ! + S 0 2 — ^ pbS04. Viele organische Farbstoffe werden reduktiv entfärbt, worauf die Bleichwirkung des Schwefeldioxids beruht, die man z. B. zum Bleichen von Stroh, Seide, Wolle und anderen Stoffen verwendet, welche die Chlorbleiche nicht vertragen. Auch die wässerige Lösung des Schwefeldioxids zeigt diese reduzierenden Wirkungen (S. 204). Die oxydierende Wirkung des Schwefeldioxids zeigt sich nur beim Erhitzen mit besonders kräftigen Reduktionsmitteln (Magnesium, Aluminium, Kalium, Natrium, Calcium), da die Sauerstoffatome des S02-Moleküls, wie die hohe Bildungswärme (1) zeigt, sehr fest gebunden sind. Dementsprechend unterhält auch Schwefeldioxid die Verbrennung nicht. Man kann daher z. B. Brände im Innern von Schornsteinen dadurch löschen, daß man unten Schwefel abbrennt; der Schwefel bindet dann allen Sauerstoff, so daß der Ruß nicht weiterbrennen kann. Die fäulnis- und gärungsverhindernde desinfizierende Wirkung des Schwefeldioxids benutzt man zum Ausräuchern von Wein- und Bierfässern („Ausschwefeln"), zur Vertilgung von Ungeziefer usw. Setzt man T h i o n y l c h l o r i d SOCl2 mit Ammoniak um, so erhält man ein Schwefeldioxid, in welchem ein S a u e r s t o f f a t o m durch die zweiwertige I m i d g r u p p e = NH ersetzt ist: ;

SO j Cl2 + H 2 ; NH

—2 H f l

SO(NH).

Dieses „Thionylimid" SO(NH) stellt bei Zimmertemperatur ein farbloses Gas dar, das zu einer farblosen, bei — 85° schmelzenden und im Einklang mit der Doppelbindungeregel (S. 187, 268f.) sich nach kurzer Zeit zu einer gelben, dann braunen festen Masse polymerisierenden (vgl. Svlfurylirnid, S. 251) Flüssigkeit verdichtet werden kann.

200

Die Gruppe der Chalkogene

β) Schwefeltrioxid Darstellung. Schwefeltrioxid, S0 3 , kann nicht durch Verbrennen von Schwefel an der Luft oder in Sauerstoffatmosphäre gewonnen werden, da die bei der Verbrennung des Schwefels zu Schwefeldioxid freiwerdende bedeutende Wärmemenge (1) die Bildung des als exotherme Verbindung bei höheren Temperaturen in Schwefeldioxid und Sauerstoff zerfallenden Schwefeltrioxids verhindert: S0 2 + 7,0 2 S03(g) + 21.9 kcal. (2) Die Vereinigung von Schwefeldioxid und Sauerstoff nach (2) gelingt nur bei n i c h t a l l z u h o h e n T e m p e r a t u r e n (400 —600°). Wegen der in diesem Temperaturgebiet zu g e r i n g e n U m s e t z u n g s g e s c h w i n d i g k e i t müssen zur Reaktionsbeschleunigung K a t a l y s a t o r e n angewandt werden. Das Verfahren wird t e c h n i s c h in großem Maßstabe bei der Schwefelsäurefabrikation durchgeführt (S. 205ff.). Im L a b o r a t o r i u m gewinnt man Schwefeltrioxid als Anhydrid der Schwefelsäure durch E n t w ä s s e r n v o n S c h w e f e l s ä u r e (Erwärmen von konzentrierter Schwefelsäure mit Phosphorpentoxid als wasserentziehendem Mittel): H 2 S 0 4 — ^ H 2 0 + S0 3 oder durch Erhitzen von H y d r o g e n s u l f a t e n (ζ. B. Natriumhydrogensulfat NaHS0 4 ), D i s u l f a t e n (ζ. Β. Natriumdisulfat Na 2 S 2 0 7 ) oder S u l f a t e n (z.B. Eisen(III)-sulfat Fe 2 (S0 4 ) 3 ): 2MeHS04 >- II 2 0 + Me2S207 >- S0 3 + Me3S04 •—>- S0 3 + Me20. Besonders bequem ist die Gewinnung von Schwefeltrioxid durch E r h i t z e n von käuflicher ,,rauchender" S c h w e f e l s ä u r e , einer Lösung von Schwefeltrioxid in konzentrierter Schwefelsäure (S. 207). Physikalische Eigenschaften. Schwefeltrioxid kommt in drei Modifikationen, einer „eisartigen" und zwei „asbestartigen" Formen, vor. Kühlt man Schwefeltrioxiddampf ab, so kondensiert er sich zu der e i s a r t i g e n Modifikation (y-S0 3 ), einer eisartig durchscheinenden, bei 16.8° schmelzenden und bei 44.8° siedenden Masse, welche im festen Zustande hauptsächlich aus (S0 3 ) 3 -Molekülen, im flüssigen Zustande aus (S0 3 ) 3 - und S0 3 -Molekülen und im Dampfzustande aus S0 3 -Molekülen besteht. Bewahrt man das Schwefeltrioxid längere Zeit unterhalb 25° auf, so wandelt es sich in die a s b e s t a r t i g e Form (ß-S03 und a-S0 3 ) um, weiße, seidenglänzende, verfilzte Nadeln der Molekulargröße (S0 3 ) n und (S0 3 )p (ρ > η > 3). Das Schwefeltrioxid des Handels ist ein Gemisch von oc· und ß-S03. Es beginnt meist bei 40° zu schmelzen (ß-SOa: Smp. 32.5°; « - S 0 3 : Smp. 62.2°). Zur Konstitution vgl. S. 269. Chemische Eigenschaften. Schwefeltrioxid vereinigt sich unter starker Wärmeentwicklung und heftigem Zischen mit W a s s e r zu Schwefelsäure (vgl. S. 207, 209): S0 3 + H 2 0 >• H 2 S0 4 + 21.3 kcal. An feuchter Luft raucht es stark, da es ziemlich flüchtig ist und daher mit der Feuchtigkeit der Luft Schwefelsäure bildet, die sich sofort zu kleinen Tröpfchen kondensiert. Auch mit M e t a l l o x i d e n reagiert es energisch unter Bildung von Sulfaten: S0 3 + MeO MeS04 . So gerät ζ. B. Bariumoxid BaO in Berührung mit Schwefeltrioxid ins Glühen. Mit A m m o n i a k setzt sich Schwefeltrioxid im Molverhältnis 1 : 1 unter Bildung von Sulfurylimid S0 2 (NH) um (S0 3 + N H 3 — ν S0 3 • N H 3 —>- S0 2 (NH) + H 2 0 ) , ·· _ das sich analog S 0 3 (S. 269) zu Ringen und Ketten polymerisiert (vgl. S.251). .. ' .. ' : Alle diese Reaktionen verlaufen auf dem Wege über Additionsverbin.?: : düngen, da sich S 0 3 als Molekül mit einer Elektronenlücke : 9. :

201

Der Schwefel

leicht an Stoffe mit freien Elektronenpaaren anlagert. Erwähnt seien etwa die Additionsverbindungen SO3 · N H j (I), SO3 · Pyridin und S0 3 · Dioxan, weiterhin die polymeren Formen des Schwefeltrioxids (S. 269) und die in der rauchenden Schwefelsäure enthaltenen Polyschwefelsäuren (H 2 S0 4 · nS0 3 ) (II): :Ö:H



:Ö:S :Ν :H

j

Ö:H

!

:Ö:

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:Ö:

Π

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: Ó" : ¿" : Ö : S : Ö : S : Ö : : Ö:

:Ö:" :Ö : '

γ) Sonstige Schwefeloxide Schwcfelmonoxid SO. Gasförmiges Schwefelmonoxid SO entstellt u. a. bei der Umsetzung von S c h w e f e l d a m p f und S c h w e f e l d i o x i d in der e l e k t r i s c h e n E n t l a d u n g (S -f S0 2 >- 2SO) und ist am einfachsten durch Verbrennen von S c h w e f e l in reinem S a u e r s t o f f bei v e r m i n d e r t e m Druck (5—10 mm) darstellbar: V2S2 +

VJOJ

>- SO + 15.3 kcal.

Schwefelmonoxid ist eine äußerst reaktionsfähige Substanz, die unter Disproportionierung (3 SO-—>- S 2 0 + S0 2 ) oder mit überschüssigem Schwefeldampf (SO + S >- S 2 0) in das ebenfalls ziemlich instabile Dischwefelmonoxid S 2 0 übergeht. In flüssiger Luft entstehen orangerote bis kirschrote Kondensate, die sieh beim Erwärmen unter Aufhellung zu gelben, plastischen Polyschwefeloxiden SnOn—χ disproportionieren : (n + x) SO >- SnOn—χ + xS0 2 . Die gleichen Polyschwefeloxide entstehen aus SO bzw. S 2 0 bei Druckerhöhung über 1 mm Hg. Mit Wasser reagieren die niederen Schwefeloxide unter Disproportionierung zu Schwefelwasserstoff und Schwefeldioxid (3S0 + H 2 0 · >- H„S + 2S0 2 ), mit Alkalien unter Bildung von Thiosulfat (2SO + 2 0 H ' S 2 0 3 " + H 2 0 ) , mit Halogen büden sie Thionylhalogenide (SO + X2 ν SOX 2 ), aus Jodwasserstoff machen sie Jod frei (SO + 2HJ >- S + H 2 0 + J 2 ), mit Sauerstoff reagieren sie erst bei erhöhter Temperatur (SO -f 1/202 >- S0 2 ). D¡Schwefeltrioxid S2O3 entsteht beim Zusatz von S c h w e f e l zu flüssigem S c h w e f e l t r i o x i d als blaugrüne, feste Additionsverbindung (S · S0 3 ) x = (S 2 0 3 ) x : S + SO3

S203.

Unterhalb von 15° ist die Verbindung einige Stunden lang haltbar. Bei höherer Temperatur geht die Substanz einerseits in S c h w e f e l und S c h w e f e l t r i o x i d , andererseits in S c h w e f e l und S c h w e f e l d i o x i d über. Bringt man ζ. B. S 2 0 3 in ein zugeschmolzenes Rohr, so zersetzt es sich bei 20° innerhalb von wenigen Stunden quantitativ nach 2S 2 0 3

>- 3S0 2 + S.

Mit Pyridin und mit Dioxan gibt S 2 0 3 neben elementarem Schwefel dagegen die Additionsverbindungen S0 3 · Pyridin und S0 3 · Dioxan. Sehwefeítetroxid SO4 bildet sich nebenS 2 0 7 (s.u.) undanderen Schwefelperoxiden bei der Einwirkung einer stillen e l e k t r i s c h e n E n t l a d u n g auf ein Gemisch von S c h w e f e l d i o x i d oder S c h w e f e l t r i o x i d und S a u e r s t o f f : SOa + O, >• S0 4 . Es stellt einen farblosen, festen, hochpolymeren Stoff dar, der beim Erwärmen in S0 3 und 0 2 zerfällt und sich bezüglich seiner Konstitution vom polymeren (S0 3 ) x (S. 269) dadurch ableitet, daß die S—O—S-Brücken des letzteren durch S—02—S-Brücken ersetzt sind. Bei der Hydrolyse wird u. a. H 2 S0 5 gebildet. S0 4 kann daher als Anhydrid der Peroxoschwefelsäure H 2 SO 5 betrachtet werden. Schwefeltrioxid ist ein starkes O x y d a t i o n s m i t t e l (S0 4 + 2 θ >• S0 4 ") und oxydiert beispielsweise Mangan(II)-salze zu Permanganat (Mn" + 4H 2 0 >• MnO,' + 8H' + 5 0 ) , zweiwertiges Kupfer zu dreiwertigem (Cu" >• Cu'" + θ ) . Dischwefelheptoxid S 2 0 7 entsteht neben S0 4 (s. o.) und anderen Schwefelperoxiden bei der Einwirkung dunkler e l e k t r i s c h e r E n t l a d u n g e n auf ein Gemisch von S c h w e f e l d i o x i d oder - t r i o x i d und S a u e r s t o f f : 2S01+1V,01 — S207. Es stellt einen festen, farblosen Stoff dar und unterscheidet sich in seiner Struktur dadurch vom polymeren (S0 3 ) x und S0 4 ) x , daß die S—O—S-Brücken des (S0 3 ) x hälftigdurchS—Os—S-Brücken ersetzt sind. Wie S0 4 zerfällt auch S 2 0 7 beim Erwärmen in S0 2 und 0 2 . Bei der Hydrolyse entsteht u. a. HJS 2 0 8 . S 2 0 7 kann daher als Anhydrid der Peroxodischwefelsäure H 2 S 2 0 e angeselien werden.

Die Gruppe der Chalkogene

202

e) Sauerstoffsäuren des Schwefels α ) Systematik und Konstitution D e r Schwefel bildet vier Sauerstoffsäuren der allgemeinen F o r m e l H2S0 n (n = 2» 3, 4 u n d 5) u n d f ü n f Sauerstoffsäuren der allgemeinen Z u s a m m e n s e t z u n g H2S2O11 (n = 4, 5, 6, 7 u n d 8). Ihre N a m e n u n d die N a m e n ihrer Salze g e h e n aus der folgenden Tabelle hervor, i n der die einzelnen Schwefelsäuren n a c h steigender O x y d a t i o n s z a h l d e s Schwefels geordnet sind: Säuren des Typus ! ä 2 S 0 n OxydationsFormel Name zahl Salze + 2

H2S02

H2S03

Schweflige Säure Sulfite Schwefel(IY)säure Sulfate(IV)

H2S04

Schwefelsäure Sulfate Schwefel(VI)säure Sulfate(VI)

+ 61 + 61 H 2 S 0 s

Name

Salze

Dithionige Säure H 2 S 2 04 Dischwefel(III)säure

Dithionite Disulfate(in)

Dischweflige Säure H2S205 Dischwefel(IV)-säure

Disulfite Disulfate(IV)

h2s206

+ 5 + 6

Formel

Sulfoxylsäure Sulfoxylate Schwefel(II)säure Sulfate(II)

+ 3 + 4

S äuren des Typus H 2 S 2 0 n

Dithionate Disulfate(V)

Dischwefelsäure H2S207 Dischwefel(VI)-säure H2S208

Peroxoschwefel(Vl)säure

Dithionsäure Dischwefel(V)säure

Peroxo-dischwefel(Vl)säure

Disulfate Disulfate(VI) Peroxo-disulfate(VI)

Peroxosulfate(VI)

Mit A u s n a h m e der e i n b a s i g e n 2 P e r o x o s c h w e f e l s a u r e sind sie alle z w e i b a s i g . D i e K o n s t i t u t i o n der einzelnen Säuren b z w . ihrer Salze k a n n durch die folgenden K o m p l e x f o r m e l n (vgl. S. 159) wiedergegeben w e r d e n : Γ 0 1" 0 s o I

Γ 1" lo s oj

Sulfit Sulfat(IV)

Sulfoxylat Sulfat(II)

rO O í " SS Lo o j Dlthlonlt Dlsulfat(III)

r O 0-|" SOS Lo oj

r

O oso L o

Γ 0 1" los oI Sulfat Sulfa t(VI)

.

Peroxosulfat Peroxosulfat(VI)

Γ O O Ί" O S S O L 0 o

Γ O O η" O S O S O L o o J

Dithlonat Dl9ulfat(V)

Dlsulfat Disulfat(VI)

Disulfit Dlsulfat(IV)

V' 2

Γ O O í " O S O j S O . L o o J Peroxo-disulfat Peroxo-dlsulfat(VI)

Mehr als v i e r Sauerstoffatome vermag das Schwefelatom nicht in d i r e k t e r B i n d u n g aufzunehmen, da es als Ion S " ( : S :) nur v i e r freie Elektronenpaare besitzt. Beim Übergang vom Sulfat S 0 4 " ( I ) zum Peroxosulfat S 0 5 " ( I I ) wird daher der Sauerstoff nicht an den S c h w e f e l , sondern an den S a u e r s t o f f des Sulfat-ions angelagert: :0:

:0 : Ö : S 0: :Ö

:0:S:Ö:0: :Ö: " (II)

(I) 1

Vgl. Anmerkung 1 auf S. 198.

2

Vgl. Anmerkung 1 auf S. 264.

Der Schwefel

203

Die so entstehende 0 —O-Gruppierung wird „Peroxo-Gruppe" genannt. Man muß demnach zwischen 0—0-freien P e r v e r b i n d u n g e n (ζ. B. P e r c h l o r a t CIO/) und 0—O-haltigen P e r o x o Verbindungen (ζ. B. P e r o x o s u l f a t S 0 5 " ) unterscheiden.

Von einzelnen Schwefelsäuren leiten sich weitere Säuren dadurch ab, daß ein S a u e r s t o f f a t o m des Moleküls durch ein Schwefelatom ersetzt ist. Auf diese Weise kommt man ζ. B. von der Schwefelsäure H 2 S0 4 zur Thio-schwefelsäure H 2 S 2 0 3 und von der Dischwefelsäure H 2 S 2 0 7 zur Thio-dischwefelsäure (Trithionsäure) H 2 S 3 O e : η Γ Ο Ο ] o 0 S s S 0 0 s s 0 0 0 Thiosulfat Thio-disulfat Die letztere Säure vermag noch Schwefel einzulagern, wobei die sogenannten Polythionsäuren H a S 3 + n O e (n = 1, 2, 3 usw.) entstehen (vgl. S. 216f.). Nur vier der genannten Sauerstoffsäuren, nämlich Schwefelsäure, Dischwefelsäure, P e r o x o s c h w e f e l s ä u r e und Peroxo-dischwefelsäure sind in freiem Zustande isolierbar; die übrigen kennt man nur in wässeriger Lösung oder in Form von Salzen. Die schon besprochenen Oxide SO, S0 2 , S 0 3 und S 0 4 entsprechen in ihrer Oxydationsstufe den Säuren H 2 S0 2 , H 2 S 0 3 (bzw. H 2 S 2 0 6 ), H 2 S 0 4 (bzw. H 2 S 2 0 7 ) und H 2 S0 5 , die Oxide S 2 0 3 und S 2 0 , den Säuren H 2 S 2 0 4 und H 2 S 2 O g . Echte Säure-anhydride sind aber nur S 0 2 und S 0 3 . Die wichtigsten Oxydationsstufen des Schwefels sind die der schwefligen Säure (Oxydationsstufe S 0 2 bzw. S0 3 ") und Schwefelsäure (Oxydationsstufe S0 3 bzw. S0 4 "). Von diesen ausgehend ist die nächstniedere und nächsthöhere Oxydationsstufe durch Reduktion : 2 SOa + 2 θ — ^ g ^ « 2 SOs + 2 θ —>- S20„" bzw. durch O x y d a t i o n : 2 S0 3 " — S 2 0 , " + 2 © 2 SO/' — ν S 2 0 8 " + 2 0 gewinnbar. Die so zugänglichen Oxydationsstufen der dithionigen Säure (S 2 0 4 "), Dithionsäure (S 2 0 e ") und Peroxo-dischwefelsäure (S 2 0 8 ") lassen sich durch Disproportionierung (Hydrolyse in wässeriger Lösimg) in die nächstniedere und nächsthöhere Oxydationsstufe überführen; schematisch: S204" S0 2 + SO/' S 2 0," SO, + S0 3 " S208" S0 4 + S0 4 ". Auf diese Weise gelangt man zur niedrigsten und höchsten Oxydationsstufe des Schwefels, der Sulfoxylsäure (Oxydationsstufe S 0 2 " ) und Peroxoschwefelsäure (Oxydationsstufe S0 4 ). ß) Schweflige Säure Löst man Schwefeldioxid in Wasser auf, so erhält man eine ausgesprochen sauer reagierende, den elektrischen Strom leitende Lösung: SOj + H 2 0 H2SO„. (1) Die sauren Eigenschaften sind dabei auf gebildete schweflige Säure H 2 SO a zurückzuführen. Allerdings liegt das Gleichgewicht (1) fast ganz auf der linken S e i t e , so daß der Hauptteil des gelösten Schwefeldioxids als u n v e r ä n d e r t e s S 0 2 vorhegt und nur wenige Prozente in Form der Säure H 2 S0 3 vorhanden sind. Beim Erwärmen der Lösung entweicht das im Gleichgewicht befindliche Schwefeldioxid, worauf sioh das gestörte Gleichgewicht immer wieder neu einstellt. Daher gelingt es n i c h t , aus der wässerigen Lösimg die wasserfreie Säure H 2 S0 3 zu isolieren. Saure Eigenschatten. Als zweibasige Säure dissoziiert die schweflige Säure in 2 Stufen : H 2 S 0 3 H " + HS0 3 ' 2H' + S 0 3 " . Die Dissoziationskonstanten betragen bei 18°: CH" X cso,' "H- Χ CHSO,· ^

204

Die Gruppe der Chalkogene

Als undisoziierter Anteil (C,H,SO 3 ") wird dabei die Gesamtkonzentration an Schwefeldioxid und undissoziierter schwefliger Säure (cso, + c H,so,) verstanden ; die eigentliche schweflige Säure H 2 S 0 3 ist also wesentlich stärker, als aus dem Zahlenwert für K 1 hervorgeht. Die Salze der schwefligen Säure besitzen die Zusammensetzung Me*S0 3 (Sulfite; sekundäre Sulfite) bzw. Me I HS0 3 (Hydrogensulfite; Bisulfite; saure Sulfite; primäre Sulfite). Man gewinnt sie durch Einleiten von Schwefeldioxid in wässerige Lösungen oder Suspensionen von Hydroxiden (ζ. Β. 2KOH + S 0 2 —>- K 2 S 0 3 + H 2 0) oder Carbonaten (ζ. Β. Na 2 C0 3 + S 0 2 — N a 2 S 0 3 + C0 2 ). Die H y d r o g e n s u l f i t e sind in Wasser alle leicht, die S u l f i t e mit Ausnahme der Alkalisulfite (einschließlich des Ammoniumsulfits) schwer löslich. Technische Verwendung findet vor allem das Calciumhydrogensulfit Ca(HS0 3 ) 2 bei der Zellstoffgewinnung aus Holz {„Sulfitzellstoff" ; II, S. 257), da seine Lösungen die Eigenschaft haben, aus dem Holz die inkrustierenden Ligninstoffe herauszulösen, so daß Zellulose zurückbleibt. Bei der Isolierung aus wäßriger Lösung gehen die Hydrogensulfite in Disulfite (Pyrosulfite) über: 2MeHS0 3 —>- H 2 0 + Me 2 S 2 0 5 . Auch diese werden technisch verwendet. Reduzierende Eigenschaften. Die wichtigste Eigenschaft der schwefligen Säure und ihrer Salze ist ihre reduzierende Wirkung. Sie beruht auf dem Bestreben der schwefligen Säure, in die höhere Oxydationsstufe der Schwefelsäure überzugehen; schematisch: ^ + Q ^ w S(y, ^ + 2Q So wandeln sich ζ. B. die Sulfite und die schweflige Säure in wässeriger Lösung schon beim Stehen an der L u f t langsam in Sulfate bzw. Schwefelsäure um. Wässerige Lösungen von Halogenen werden von schwefliger Säure zu Halogenwasserstoffen reduziert (Cl2 + 2 Θ — 2 C 1 ' ) ; aus Quecksilber(II)-chloridlösungen fällt beim Einleiten von S 0 2 zuerst weißes unlösliches Quecksilber(I)-chlorid (Hg" + θ —>- Hg'), dann metallisches Quecksilber (Hg' + θ — ν Hg) aus; Gold(III)-chlorid wird in Gold übergeführt (Au'" + 3 θ —>- Au) usw. Oxydierende Eigenschaften. Umgekehrt kann die schweflige Säure gegenüber starken Reduktionsmitteln auch als O x y d a t i o n s m i t t e l wirken, indem sie in Schwefel oder Schwefelwasserstoff übergeht. So wird sie ζ. B. durch naszierenden Wassers t o f f (Zink und Salzsäure) und durch Zinn(II)-chlorid zu Schwefelwasserstoff (S0 2 + 6 H — > - 2 H 2 0 + H 2 S; 3SnCl2 + S 0 2 + H 2 0 — ^ II 2 S + 3SnCl 2 0), durch S c h w e f e l w a s s e r s t o f f zu Schwefel (S0 2 + 2H 2 S — 2 H 2 0 + 3S) reduziert (vgl. S. 194). Konstitution. Die Konstitution der S u l f i t e ist eindeutig (Elektronenformel I). Dagegen können der freien schwefligen Säure zwei F o r m e l n zukommen, je nachdem die beiden Wasserstoff-ionen — die ja die Heliumschale erstreben — nur an S a u e r s t o f f (Elektronenformel IIa) oder an S a u e r s t o f f und Schwefel (Elektronenformel IIb) gebunden sind: Η Η :0: Μ + : O: Na+ :0:S:Ö:

(I)

Na+

: (

?:?.:0:H (IIa)

: ..0 : ^S : 0.. : (IIb)

Wahrscheinlich liegt in der Lösung ein ,,tautomeres Gleichgewicht" zwischen beiden Formen vor, das zugunsten der Formel I I a verschoben ist. Unter „Tautomerie" versteht man dabei die Erscheinung, daß ein und derselbe Stoff im Sinne mehrerer, leicht ineinander übergehender und daher nicht einzeln isolierbarer Strukturformeln reagieren kann.

205

Der Schwefel

Ersetzt man die bewegliehen Wasserstoff-ionen durch schwerer bewegliche Kohlenwasserstoffreste („Alkylgruppen"; vgl. S. 301f.) R, so lassen sich beide Formen g e t r e n n t i s o l i e r e n ; die von der Formel I I a abgeleiteten Verbindungen OS(OR) 2 heißen Schwefligsäure-Ester, die der Formel I I b entsprechenden Verbindungen 0 2 S ( 0 R ) R Alkyl-sulfonsäure-Ester. Die Valenzstrichformeln (vgl. S. 158f.) für die Verbindungen I I a und I I b lauten: .OH CK ,OH

o=s< \OH

> / . 0 ^ NH

Danach scheinen die beiden Formen ganz verschiedene Konstitution zu besitzen, während nach den E l e k t r o n e n f o r m e i n die Tautomerie der schwefligen Säure in Wirklichkeit auf dem P l a t z w e c h s e l e i n e s P r o t o n s beruht. Als mesomere G r e n z f o r m e i n spielen allerdings auch die obigen Doppelbindungsformeln eine gewisse Rolle (vgl. S. 159).

γ) S c h w e f e l s ä u r e Darstellung Zur technischen Darstellung der Schwefelsäure dienen zwei Verfahren: das „Kontaktverfahren" und das „Bleikammerverfahren". Ersteres ist heute in der Welt führend, letzteres wird nur noch vereinzelt angewandt. Beide Verfahren gehen vom S c h w e f e l d i o x i d aus und oxydieren dieses mit L u f t zu Schwefeltrioxid, dem Anhydrid der Schwefelsäure. Beim K o n t a k t v e r f a h r e n dienen dabei V a n a din Verbindungen, beim B l e i k a m m e r v e r f a h r e n S t i c k s t o f f o x i d e als Sauerstoffüberträger. K o n t a k t ver f a h r e n Bei der Vereinigung von S c h w e f e l d i o x i d und S a u e r s t o f f zu S c h w e f e l t r i o x i d wird Wärme frei: S02 + V.Oj ^

S 0 3 (g) + 21.9 kcal.

(2)

Daher verschiebt sich das Gleichgewicht mit s t e i g e n d e r T e m p e r a t u r zugunsten der l i n k e n S e i t e , d. h. Schwefeltrioxid zerfällt beim Erhitzen in Schwefeldioxid und Sauerstoff. So sind ζ. B . bei 400° 2 % , bei 600° 24°/0 des Schwefeltrioxids zersetzt. Will man daher Schwefeldioxid m ö g l i c h s t q u a n t i t a t i v zu Schwefeltrioxid oxydieren, so muß man bei m ö g l i c h s t t i e f e r T e m p e r a t u r arbeiten. Zweckmäßig wäre nach Lage des Gleichgewichts eine Reaktionstemperatur von < 400°. Hier ist aber die R e a k t i o n s g e s c h w i n d i g k e i t zu gering. Selbst bei 400— 600° verläuft die Reaktion noch viel zu langsam. Glücklicherweise gibt es aber K a t a l y s a t o r e n (,,Kontakte"), die in diesem Temperaturbereich auf die obige Reaktion (2) bereits ansprechen. So erfolgt ζ. B . die Umsetzung bei Gegenwart von P l a t i n schon bei 400°, bei Gegenwart von E i s e n o x i d bei 600° mit ausreichender Geschwindigkeit. Heute benutzt man als Katalysator meist V a n a d i n v e r b i n d u n g e n (ζ. B. Vanadinoxide; vgl. S. 487), die bei entsprechender Vorbehandlung (geeignete Zusätze, geeignete Trägersubstanzen usw.) dem Platin an Wirksamkeit fast gleichkommen und dabei wesentlich billiger als dieses sind. Die sauerstoffübertragende Wirkung der Vanadinoxide kann man durch die Bildung von Zwischenverbindungen erklären, etwa nach dem Schema >/202 + 2 V 0 2 —>• V206 V205 + S02 ^ 2VQ 2 + S 0 3

y2o2 + s o

2

—so

3

.

(3) (4)

(5)

Die Geschwindigkeiten der Teilreaktionen (3) und (4) sind dabei in summa größer als die Geschwindigkeit der direkt verlaufenden Reaktion (5). Im einzelnen kann man bei der t e c h n i s c h e n Durchführung des Kontaktverfahrens vier Stufen unterscheiden: 1. D a r s t e l l u n g e i n e s G e m i s c h s v o n S c h w e f e l d i o x i d u n d L u f t ; 2. R e i n i g u n g d e s G a s g e m i s c h s ; 3. U m s e t z u n g d e s G a s g e m i s c h s a m K o n t a k t ; 4. V e r e i n i g u n g d e s g e b i l d e t e n S c h w e f e l t r i o x i d s m i t W a s s e r zu S c h w e f e l s ä u r e .

206

Die Gruppe der Chalkogene

1. Dae S c h w e f e l d i o x i d - L u f t - G e m i s c h wird in der Hauptsache durch „Abrösten" (Erhitzen unter Luftzutritt) von S c h w e f e l k i e s ( P y r i t ) F e S 2 oder auch anderen sulfidischen Erzen (ζ. B . Kupferkies CuFeS 2 , Bleiglanz P b S , Zinkblende ZnS) erzeugt: 2 F e S 2 + 5 7 a O a — >- SO a ) und die Fe a O, + 4 S O a Daneben ist noch die Verbrennung von S c h w e f e l (S + O a Verbrennung von S c h w e f e l w a s s e r s t o f"" f (H a S + 1 -Va > H a O + SOj) in Gebrauch. Zum Abrösten der sulfidischen Erze dienen R ö s t ö f e n besonderer Konstruktion. I n Fig. 71 ist ein solcher Kiesröstofen wiedergegeben, wie er ζ. B . zum Abrösten von Pyrit benutzt wird. Er enthält mehrere übereinander angeordnete Herdplatten, über welche sich Rührarme bewegen, die an einer zentralen, senkrechten Welle befestigt sind. Der Pyrit wird auf die oberste Platte eingefüllt, von den Rührarmen erfaßt, gleichmäßig über die Platte verteilt und dabei im Luftstrom vorgeröstet. Durch eine Öffnung fällt er auf die nächsttiefere Platte, wo sich die Röstung in gleicher Weise fortsetzt usw. Schließlich kommt der Kies unten abgeröstet an und wird als „Abbrand" (Fe a O s ) ausgetragen, der zur Eisenerzeugung in die Hochöfen wandert. Bei m o d e r n e n Welle A n l a g e n erfolgt die Abröstung von Kiesen auch in großen D r e h r o h r ö f e n oder in S c h w e b e flöhrarm r ö s t ö f e n , die ein Vielfaches der Kiesröstöfen zu leisten imstande sind. Herdplatte Das oben aus dem Röstofen abziehende „Röstgas" besteht zur Hauptsache aus S t i c k Öffnung s t o f f , S a u e r s t o f f und S c h w e f e l d i o x i d . Da nach dem Massenwirkungsgesetz — vgl. (2) — das Mengenverhältnis von S 0 3 und SO a und damit die prozentuale Ausbeute an S 0 3 der Wurzel aus dem Partialdruck des Sauerstoffs proportional ist: Pso, X Po,' Pso,

= K-

oder

Pso, Pso,

1

./—

= TTK · (V>. ·

stellt man gewöhnlich Röstgase mit einem dreifachen Ü b e r s c h u ß an L u f t (1V¡¡ statt — wie theoretisch — 1/tMol O a je Mol SO t ) her. 2. Das so erhaltene Röstgae kann nicht direkt über den Kontakt geleitet werden, da es V e r u n r e i n i g u n g e n enthält, welche teils m e c h a n i s c h („Flugstaub", der die Kontaktmasse bedeckt), teils o h e m i s c h ( „ K o n t a k t g i f t e " wie ArsenFig. 71. Schema eines Kiesröstofens verbindungen, welche den Kontakt vergiften) die nach HERRESHOFF Wirksamkeit des Katalysators herabsetzen oder lähmen. Es muß daher vor der Umsetzung noch einer sorgfältigen R e i n i g u n g unterzogen werden. Die Befreiung von Flugstaub erfolgte früher ganz allgemein in „Staubkammern", gemauerten Räumen mit eingebauten Scheidewänden, an denen die Gase wegen des ständigen Richtungsf 2 ^ wechseis einen großen Teil des Staubes absetzen. Heute bedient man sich meist der elektrischen Gasreinigung (,,Elektrofiltration"), indem man das Zu/eigGas durch ein starkes elektrisches Feld /eitung ( 5 0 0 0 0 — 6 0 0 0 0 Volt) leitet, wobei sich die Staubteilchen durch Aufnahme Montaktrohrv der von der negativen Kathode [„Sprühelektrode") ausgesandten Elektronen tWärmeaustausch negativ aufladen und an der positiv geladenen Anode („Niederschlagselektrode") niederschlagen. Das A r s e n wird bei dieser Entstaubung nur d a n n vollständig entfernt, wenn die Röstgaee S0p+0s — die den Röstofen mit 600—800° verZZ—-S0, lassen — gekühlt und einer besonderen elektrischen Gasreinigung ( „ N a ß - E O R . " im Gegensatz zur vorher beschriebenen Fig. 72. Kontaktkessel zur katalytischen Gewinnung „Stavb-EGR.") unterworfen werden. von Schwefeltrioxid aus Röstgasen

Der Schwefel

207

3. Das gereinigte Schwefeldioxid-Luft-Gemisch tritt nun in den K o n t a k t k e s s e l ein, wo eich unter Wärmeentwicklung — vgl. (2) — die U m s e t z u n g v o n S c h w e f e l d i o x i d und S a u e r s t o f f zu S c h w e f e l t r i o x i d abspielt. Besonders wichtig ist hierbei die Aufrechterhaltung einer sowohl hinsichtlich der Schwefeltrioxidausbeute als auch hinsichtlich der Reaktionsgeschwindigkeit g ü n s t i g s t e n T e m p e r a t u r (bei Vanadinkontakten: 500°). Es muß also die bei der Umsetzung freiwerdende W ä r m e dauernd abgeführt werden, da sonst die T e m p e r a t u r des Kontaktes s t e i g t und die S c h w e f e l t r i o x i d a u s b e u t e damit s i n k t . Die Wärmeableitung erfolgt zweckmäßig so, daß das kalte Schwefeldioxid-Luft-Gemisch im Kontaktkessel (Fig. 72) zunächst außen an den mit Kontaktmasse gefüllten Rohren vorbeigeleitet wird, wobei es die in diesen Rohren erzeugte Reaktionswärme aufnimmt und sich gleichzeitig auf etwa 400° vorwärmt. Mit dieser Temperatur tritt es dann in die Kontaktrohre selbst ein, wo die Umsetzung zu Schwefeltrioxid erfolgt. Durch mehr oder minder starke Zumischung von kaltem Röstgas mittels einer Zweigleitung kann die Temperatur des Kontaktes nach Bedarf reguliert werden. Vor dem ersten Einleiten der Gase muß der Kontaktkessel natürlich auf die Reaktionstemperatur vorgewärmt werden. 4. Die V e r e i n i g u n g d e s k a t a l y t i s c h g e b i l d e t e n S c h w e f e l t r i o x i d s m i t W a s s e r zu S c h w e f e l s ä u r e (SOa + H 2 0 >- H 2 S0 4 ) kann nicht einfach so erfolgen, daß man daa den Kontaktkessel verlassende Gasgemisch d u r c h W a s s e r l e i t e t , weil hierbei ein großer Teil des Schwefeltrioxids e n t w e i c h t , ohne sich mit dem Wasser umzusetzen. Dagegen absorbiert k o n z e n t r i e r t e (98°/0ige) S c h w e f e l s ä u r e das Schwefeltrioxid vollständig und momentan unter Bildung von D i s c h w e f e l s ä u r e ( P y r o s c h w e f e l s ä u r e ) H 2 S 2 0 7 (S. 210). Man verfährt daher so, daß man das Schwefeltrioxid in 98°/0ige S c h w e f e l s ä u r e einleitet (6) und durch Zufließenlassen von W a s s e r (Hydrolyse der gebildeten Dischwefelsäure) die Schwefelsäurekonzentration k o n s t a n t e r h ä l t (7): S03 + H2S04 — H 2 S 2 0 , H 2 S 2 0 7 + H 2 0 —>• H 2 S0 4 + H 2 S 0 4 S03 + H 2 0

H2S04.

(6) (7) (8)

Insgesamt (8) ergibt sich damit die gewünschte Schwefelsäurebildung. In den Handel gelangt die „Kontaktsäure" als „konzentrierte Schwefelsäure" (98°/ 2H" + S 0 4 " . D a s e r s t e Wasserstoff-ion ist in Lösungen mittlerer Konzentration, ζ. B . einer 1-molaren Lösung, z u praktisch 100°/ 0 abgespalten. D i e Dissoziation in z w e i t e r S t u f e beträgt demgegenüber in einer solchen Lösung nur 1.3°/ 0 , wie aus d e m Cjr. X Coq « Zahlenwert der zweiten Dissoziationskonstante Kt = — = 0.013 für c H - und c H so,' gleich 1 hervorgeht. hso/ 100°/0ige Schwefelsäure leitet den elektrischen Strom infolge partieller elektrolytischer Dissoziation gemäß 2 H a S 0 4 q = ± H , 0 ' -f HS 3 0 7 '. V e r d ü n n t man die konzentrierte Schwefelsäure, so überlagern sich — wenn man immer ein bestimmtes Lösungsvolumen betrachtet — zwei Einflüsse : die Z u n a h m e d e s D i s s o z i a t i o n s g r a d e s gemäß H 3 S0 4 + H , 0 ^ = t H s 0 · + H S 0 4 ' und die A b n a h m e d e r G e s a m t k o n z e n t r a t i o n an Schwefelsäure. Zunächst überwiegt die erstere Erscheinung, so daß die spezifische Leitfähigkeit mit steigender Verdünnung zunimmt. Bei einem Gehalt von etwa 30% Schwefelsäure kompensieren sich beide Einflüsse; hier liegt das M a x i m u m d e r s p e z i f i s c h e n L e i t f ä h i g k e i t (κιβ0 = 0.739 O h m - 1 cm - 1 ). Bei weiterer Verdünnung überwiegt der Einfluß der Abnahme der Gesamtkonzentration von Schwefelsäure, so daß jetzt die spezifische Leitfähigkeit wieder abnimmt, um bei unendlicher Verdünnung den Wert Null zu erreichen. Fügt man zu reiner Schwefelsäure nicht W a s s e r , sondern umgekehrt S c h w e f e l t r i o x i d , konzentriert man also die 100°/oige Schwefelsäure noch weiter, so nimmt die spezifische Leitfähigkeit auch in diesem Falle zunächst zu, da die Konzentration der — in konzentrierter Sohwefelsäure teilweise dissoziierten — D i s c h w e f e l s ä u r e (H 2 S0 4 + SO s >• H 2 S 2 0,) zunimmt. Bei einem Zusatz von etwa 16% S 0 3 durchschreitet die Leitfähigkeitskurve ein kleines Maximum, da hier die Zunahme der Konzentration an Dischwefelsäure durch die Abnahme des Dissoziationsgradee infolge der Konzentrationsvermehrung kompensiert wird. Bei weiterer Zugabe von SO s sinkt die Leitfähigkeit wieder, um bei etwa 4 0 % S0 3 -Überschuß sehr gering zu werden. Als Säure entwickelt die Schwefelsäure bei der Einwirkung auf alle i n der Spannungsreihe (S. 167) oberhalb des Wasserstoffs stehenden Metalle W a s s e r s t o f f (Me—>~Me" + 2 Θ ; 2 Θ + 2 H ' —>- H2) : Men + HJS0 4

MeS0 4 + H s .

Hiervon macht m a n im Laboratorium zur Darstellung v o n Wasserstoff Gebrauch. D i e Schwefelsäure m u ß dabei v e r d ü n n t sein, d a k o n z e n t r i e r t e Schwefelsäure wegen ihres O x y d a t i o n s v e r m ö g e n s (S. 211) v o n dem naszierenden Wasserstoff teilweise zu S c h w e f e l w a s s e r s t o f f reduziert wird ( H 2 S 0 4 + 8 Ï Ï —>- H 2 S + 4 H 2 0 ) , s o daß der entwickelte Wasserstoff Schwefelwasserstoff enthält. A u c h darf das Metall kein unlösliches Sulfat bilden, welches als schützende Deckschicht den weiteren Angriff der Säure verhindert (vgl. S. 172). Technisch von Wichtigkeit ist das Verhalten der Schwefelsäure gegenüber E i s e n . Die Angreifbarkeit von Eisen läuft dem Leitvermögen (s. oben), also der Ionenkonzentration der Lösung parallel. So wird Eisen von verdünnter Schwefelsäure stark angegriffen. Mit steigender Konzentration der Schwefelsäure wird die Einwirkung auf Eisen geringer, so daß Schwefelsäuren mit einem Gehalt von mehr als 93% H 2 S 0 4 in Gefäßen aus Guß- oder Schmiede-eisen aufbewahrt und versandt werden können. Fügt man zu 100°/ o ig er Schwefelsäure Schwefeltrioxid, so steigt wieder die Angreifbarkeit des Eisens, bis der Gehalt an freiem S 0 3 etwa 15% beträgt. Bei weiterem Zufügen von S 0 3 sinkt sie wieder, um bei einem Gehalt von 4 0 % freiem S 0 3 nahezu unmerklich zu werden. Auch von r a u c h e n d e r Schwefelsäure wird daher Eisen nicht angegriffen, falls sie genügend freies S 0 3 enthält. D i e in der Spannungsreihe u n t e r h a l b d e s W a s s e r s t o f f s stehenden, weniger stark reduzierend wirkenden Metalle (ζ. B. Kupfer, Quecksilber, Silber) lösen sich in Schwefelsäure beim Erhitzen nicht unter W a s s e r s t o f f - , sondern unter S c h w e f e l d i o x i d - E n t w i c k l u n g (Me — M e " + 2 θ ; H 2 S 0 4 + 2H* + 2 θ — S 0 ¡ ¡ + 2 H 2 0 ) : Men + 2 H 3 S 0 4

»- MeS0 4 + SOa + 2H a O,

Der Schwefel

211

da die Reduktion von S c h w e f e l s ä u r e zu S c h w e f e l d i o x i d leichter als die Reduktion von W a s s e r s t o f f i o n e n zu W a s s e r s t o f f erfolgt. P l a t i n und G o l d , die nur sehr geringe reduzierende Wirkung aufweisen, werden von Schwefelsäure nicht angegriffen. Als zweibasige Säure bildet die Schwefelsäure zwei Reihen von Salzen : Hydrogensulfate (Bisulfate; saure Sulfate·, primäre Sulfate) Me I HS0 4 und Sulfate (normale Sulfate·, neutrale Sulfate ; sekundäre Sulfate) Me*S04. H y d r o g e n s u l f a t e kennt man nur von den A l k a l i m e t a l l e n . Sie sind in Wasser sehr leicht löslich und gehen beim Erhitzen über den Schmelzpunkt zunächst in D i s u l f a t e ( P y r o s u l f a t e ) und dann in n o r m a l e S u l f a t e über: 2NaHS0 4 >- Na2S20, — >- Na 2 S0 4 . Die den Disulfaten (Pyrosulfaten) entsprechende Dischwefelsäure (Pyroschwefelsäure) bildet eine durchsichtige, kristalline Masse vom Schmelzpunkt 36°. Sie kristallisiert aus rauchender Schwefelsäure mit bestimmtem Gehalt an freiem Schwefeltrioxid (18—62°/0 S0 3 ) beim Abkühlen aus. Die n o r m a l e n S u l f a t e sind in Wasser meist leicht löslich. Praktisch unlöslich sind B a r i u m - , S t r o n t i u m - und B l e i s u l f a t ; Calciumsulfat ist etwas löslich. Die Alkali- und Erdalkalisulfate sind thermisch sehr beständig. Die Sulfate dreiwertiger Metalle zerfallen leichter ; so kann man z. B. durch Erhitzen von Eisensulfat Fe 2 (S0 4 ) 3 oder Aluminiumsulfat A12(S04)3 leicht S 0 3 darstellen: Fe 2 (S0 4 ) 3 —>- Fe 2 0 3 + 3 S 0 3 (vgl. S. 200). Oxydierende Wirkung. Konzentrierte Schwefelsäure wirkt o x y d i e r e n d , da sie das Bestreben hat, in Umkehrimg der reduzierenden Wirkung der schwefligen Säure (vgl. S. 204) in s c h w e f l i g e S ä u r e überzugehen; schematisch S0 3 — S 0 2 + O bzw. SOa + 2 θ >• S0 3 " . Auf diese Oxydationswirkung ist ja die oben schon erwähnte Auflösung der in der Spannungsreihe unterhalb des Wasserstoffs stehenden M e t a l l e zurückzuführen. Auch N i c h t m e t a l l e wie Kohle oder Schwefel werden von heißer konzentrierter Schwefelsäure unter Schwefeldioxid-Entwicklung oxydativ gelöst. Verwendung. I n der chemischen Industrie findet die Schwefelsäure mannigfaltigste Verwendimg. Die Hauptmenge wird zur Darstellung von K u n s t d ü n g e r — Superphosphat (S. 270), Ammoniumsulfat (S. 435) — verbraucht. Weiter dient sie zur Darstellung der meisten anderen Mi η e r a l s ä u r e η — ζ. Β. Salzsäure (S. 87 f.), Phosphorsäure (S. 259) — sowie in der organischen Industrie zur Einführung von „Sulfogruppen" —S0 3 H an Stelle von Wasserstoff („Sulfurierung" ; vgl. II, S. 310) und im Gemisch mit Salpetersäure als „Nitriersäure" zum Ersatz von Wasserstoffatomen durch Nitrogruppen —NO 2 („Nitrierung" ; vgl. II, S. 308) in Cellulose, Glycerin, Benzol u.a. (Darstellung von Schießbaumwolle, Celluloid, Nitroglycerin, Pikrinsäure, Nitrotoluol usw.). Auch als Akkumulatorensäure werden beträchtliche Mengen Schwefelsäure verbraucht. Im chemischen Laboratorium schließlich ist sie eines der am meisten gebrauchten Reagentien. Halogen verbind ungen. Ersetzt man in der Schwefelsäure (I) eine oder beide Hydroxylgruppen durch einwertige negative Reste X, so kommt man zu Derivaten, die man als Sulfonsäuren (II) bzw. Sulfurylverbindungen (III) bezeichnet: OH .Χ /X 0 2 S< 0 2 S< M3H (I) (II) (III)




.OH 0 2 S< \OH

Sulfurylßuorid, F · S 0 2 · F , das analog dem Sulfurylchlorid durch unmittelbare Vereinigung von S c h w e f e l d i o x i d und F l u o r oder durch Erhitzen von F l u o r o s c h w e f e l s ä u r e bzw. deren Salzen erhalten werden kann, ist ein färb- und geruchloses Gas (Sdp. —52°; Smp. —120°), das zum Unterschied vom Sulfurylchlorid ähnlich r e a k t i o n s t r ä g e wie Schwefelhexafluorid (S. 198) ist. E s kann mit W a s s e r im geschlossenen Rohr auf 150° erhitzt werden, ohne sich zu zersetzen. Durch L a u g e n wird es nur sehr langsam angegriffen. N a t r i u m läßt sich in ihm schmelzen, ohne seinen Metallglanz zu verlieren. d) Sulfoxylsäure. Dithionige Säure. Dithionsäure Die dithionige Säure (hy-po-dischweflige Säure) H 2 S 2 0 4 steht in ihrer Oxydationsstufe (vgl. S. 202) um eine Einheit u n t e r h a l b , die Dithionsäure (Hypo-dischwefelsäure) H 2 S 2 O e um eine Einheit o b e r h a l b der schwefligen Säure H 2 S 0 3 . Dementsprechend gewinnt man erstere durch R e d u k t i o n , letztere durch O x y d a t i o n der schwefligen Säure; s c h e m a t i s c h : 2 801

2 Θ ^ ^ > 8 Α " 2 S03" ° X y d a t i 0 V s 2 O r + 2 e .

+

(12) (13)

Als R e d u k t i o n s m i t t e l dienen zweckmäßig Z i n k (Zn—>- Zn" + 2 Θ ; Einwirkung von Zink auf eine mit überschüssiger schwefliger Säure versetzte Natriumhydrogensulfitlösung) oder N a t r i u m (Na — ν Na' + Θ; Einwirkung von trockenem Schwefeldioxid auf Natrium) oder der e l e k t r i s c h e S t r o m (kathodische Reduktion einer Hydrogensulfitlösung), als O x y d a t i o n s m i t t e l v i e r w e r t i g e s M a n g a n ( M n " " + 2Θ—>• Mn"; Einwirkung von Schwefeldioxid auf in Wasser aufgeschlämmtes Mangandioxid-

213

Der Schwefel

hydrat) oder d r e i w e r t i g e s E i s e n ( F e " " + Θ — > - F e " ; Einwirkung von Schwefeldioxid auf Eisen(III)-oxidhydrat) oder der e l e k t r i s c h e S t r o m (anodische Oxydation einer Sulfitlösung). Die dithionige Säure H2S2O4 (hypo-dischweflige Säure) und ihre Salze (Dithionite bzw. Hypo-disulfite) sind durch ihr s t a r k e s R e d u k t i o n s v e r m ö g e n charakterisiert, da sie in Umkehrung der obigen schematischen Bildungsgleichung (12) wieder in die Stufe der s c h w e f l i g e n S ä u r e überzugehen suchen: S204" ^ 2 S0 2 + 2 θ . So fällen sie ζ. B . aus Quecksilber(II)-chlorid-, Silbernitrat- und Kupfersulfatlösungen die Metalle aus (Me" + 2 9 —>- Me) ; Jodlösung wird entfärbt ( J 2 + 2Θ —>- 2 J ' ) . Das Natriumsalz N a 2 S 2 0 4 · 2 H 2 0 findet in der Küpenfärberei (II, S. 363, 489) und im Ätzdruck als Reduktionsmittel, in der analytischen Chemie als Absorptionsmittel für Sauerstoff Verwendung. Die Dithionsäure H2S2O6 (Hyfto-dischwefelsäure) und ihre Salze (Dithionate bzw. Hypo-disulfate) zeigen keine große Neigung, in Umkehrung der Darstellungsgleichung (13) unter Bildung von schwefliger Säure oder Sulfiten oxydierend zu wirken. Dagegen d i s p r o p o r t i o n i e r e n sie sich leicht in Schwefel- und schweflige Säure ; s c h e m a t i s c h : Sa06" ^ SO3 + S 0 3 " . Konzentriert man ζ. B . eine wässerige Lösung von Dithionsäure, so zerfällt sie leicht nach H 2 S 2 0 6 —>- H 2 S 0 4 + S 0 2 . In entsprechender Weise zerfallen die Salze beim Erhitzen: Κ 2 S 2 0 6 K 2 S 0 4 + S 0 2 . Bei der dithionigen Säure ist die Neigung zur entsprechenden Disproportionierung : s204" ^

S0 2 + S0 2 "

weniger ausgeprägt. Immerhin gelingt es, auf diesem Wege zu Salzen der Sulfoxylsäure H2SO2 {hyposchweflige Säure1) zu gelangen, wenn man in einer Na 2 S 2 0 4 -Lösung das im Gleichgewicht befindliche Hyposulfit S 0 2 " als schwerlösliche K o b a l t v e r b i n d u n g CoS0 2 oder als F o r m a l d e h y d - A d d u k t NaHSO ä · C H 2 0 („Rongalit" ; vgl. S. 214) abfängt. Die f r e i e Sulfoxylsäure gewinnt man in Form ihrer wässerigen Lösung zweckmäßig durch Hydrolyse von Derivaten wie SC12 oder S(OR) 2 (R = Kohlenwasserstoffrest C n H 2 n + 1 ; vgl. S. 301 f.): SC12 + 2 HÖH — S ( O H ) 2 + 2 HCl S ( O R ) 2 + 2HOH S(OH) 2 + 2 H Ö R .

Sie hat wie die hypochlorige Säure Cl(OH) (S. 121 f.) oder salpetrige Säure NO(OH) (S. 242f.) o x y d i e r e n d e Eigenschaften (S(OH) 2 + 2H" + 2 θ — > - S + 2 H 2 0 ) und oxydieit beispielsweise Jodwasserstoff zu J o d ( 2 J ' —>- J 2 + 2 Θ ) , Stickstoffwasserstoffsäure zu Stickstoff ( 2 N 3 — > 3 N 2 + 2 Θ ) , Schwefelwasserstoff zu Schwefel ( S " —>• S + 2 θ ) . Eisen(II)-salze zu Eisen(III)-salzen (Fe" —>- F e " ' + Θ). Charakteristisch ist die in schwach saurer Lösung vor sich gehende Bildung von T r i t h i o n s ä u r e H 2 S 3 0 6 (S. 216f.) bei der Umsetzung mit s c h w e f l i g e r Säure H 2 S 0 3 : JOH + HÎSO3H s< ; ; —> N O H + HiSO s H

s
- H2SsOe + 2 H 2 0. (15) In a l k a l i s c h e r Lösung zersetzt sich die Sulfoxylsäure unter Bildung von S u l f i t und T h i o s u l f a t , indem wahrscheinlich das durch D i s p r o p o r t i o n i e r u n g (16) entstehende Sulfinoxid H 2 SO: 2 H 2 S0 2

H2SO + H 2 S0 3

( 16)

mit der gleichzeitig gebildeten schwefligen Säure analog (14) zu Thioschwefelsäure weiterreagiert : 6 /ÍOH+ HiS03H /SOsH S< » S< +H20. (17) In s a u r e r Lösung geht die so gebildete Thioschwefelsäure gemäß (15) in Pentathionsäure über, so daß kein Thiosulfat aufgefunden wird.

Wie der schwefligen Säure H 2 S 0 3 (S. 204 f.) lassen sich auch der Sulfoxylsäure H 2 S0 2 m e h r e r e t a u t o m e r e F o r m e l n zuordnen, wobei auch hier neben den angegebenen Elektronenformeln solche mit doppelt gebundenen Sauerstoffatomen (vgl. Valenzstrichformeln) als mesomere Grenzformeln auftreten : JJ H:Ö:S:Ö:H

:Ö:S:Ö:H^±:

" H " .OH

HO — S — OH

O = S
S
S< Or \R.

e) Peroxo-monoschwefclsäure. Peroxo-disehwefelsäure In analoger Weise, wie man durch Oxydation von S u l f i t e n zu Hypo-disulfaten (Dithionaten) gelangt (13), kommt man durch Oxydation von S u l f a t e n zu Peroxodisuljaten

:

2S04"

S 2 0„" + 2 θ ·

(18)

Die Oxydation ist aber weit schwieriger als dort, da die Peroxo-disulfate ein sehr großes Bestreben haben, unter Rückbildung von Sulfat — also in Umkehrung von (18) — o x y d i e r e n d zu wirken. Man kann daher zur Oxydation nur die s t ä r k s t e n O x y d a t i o n s m i t t e l , nämlich F l u o r (F 2 + 2 Θ —>-21") oder eine Anode entsprechend positiven Potentials verwenden. Technisch erfolgt die Darstellung der Peroxo-dischwcfelsäure H^S^Og und ihrer Salze {Peroxo-disulfate) so, daß man k o n z e n t r i e r t e Schwefelsäure- bzw. Sulfatlösungen mit h o h e r S t r o m d i c h t e elektrolysiert. Besonders leicht sind dabei K a l i u m - und A m m o n i u m - p e r o x o - d i s u l f a t zu gewinnen, da sie wegen ihrer Schwerlöslichkeit leicht auskristallisieren. Hohe Konzentration und hohe Stromdichte sind deshalb erforderlich, weil bei v e r d ü n n t e n L ö s u n g e n und k l e i n e n S t r o m d i c h t e n infolge der geringen Konzentration entladener Sulfat-ionen letztere nicht m i t e i n a n d e r (18), sondern mit dem W a s s e r unter Bildimg von S a u e r s t o f f ( S 0 4 + H 2 0 —>• H 2 S 0 4 + 1 / 0 ) reagieren. Auf diesem letzteren Vorgang beruht ja die anodische Sauerstoff2 2 entwicklung bei der Elektrolyse angesäuerten Wassers (S. 13).

Der Schwefel

215

Peroxo-dischwefelsäure und Peroxo-disulfate sind s t a r k e O x y d a t i o n s m i t t e l (S2O8"+20 2S04"). SO werden ζ. B. Eisen(H)-salze zu Eisen(III)-saIzen (Fe"—>-Fe°" + θ ), Mangan(II)-salze zu Braunstein (Μη" + 2 H 2 0 Mn0 2 + 4H" + 2 θ ) bzw. — bei Gegenwart von Silber-ionen als Katalysator — zu Permanganat (Mn" + 4 H 2 0 — > - Μη0 4 ' + 8 H ' + 5 Θ ) , Sübersalze zu Süberperoxid ( 2 A g ' + 2 H 2 0 — > - A g a 0 2 + 4 H ' + 2 θ ) oxydiert. Fast alle Peroxo-disulfate sind in Wasser löslich ; die Lösungen sind verhältnismäßig beständig. Dagegen unterliegt die f r e i e Peroxo-dischwefelsäure in wässeriger Lösung leicht der H y d r o l y s e : O ; 0 0 0 HO S 0!0 S OH HO S OOH + HO S OH. O ! O O O I

Peroxoschwefelsäure

Schwefelsäure

HOjH Die dabei neben Schwefelsäure entstehende Peroxo-monoschwefelsäure (Peroxoschwefdsäure) H 2 S0s {„CAROsehe Säure") läßt sich leicht weiter zu Schwefelsäure und W a s s e r s t o f f p e r o x i d (vgl. S. 179) hydrolysieren: O ! O HO S OH + HOOH . HO S OiOH O i O HiOH Die Reaktion ist umkehrbar, so daß man durch Einwirkung von Wasserstoffperoxid auf kalte, konzentrierte Schwefelsäure Peroxoschwefelsäure erhalten kann. Nimmt man statt Schwefelsäure das C h l o r i d der Schwefelsäure (Chloroschwefelsäure), so kann man die Peroxoschwefelsäure in reiner Form als schön kristallisierte, weiße, bei 45° schmelzende Substanz erhalten: O O HO S iCl + ΗίΟΟΗ — > - HO S OOH + HCl. ο O Bei weiterer Einwirkung von Chloroschwefelsäure entsteht reine Peroxo-dischwefelsäure O O 0 0 HO S 0 0 S OH + HCl HO S OOÌH + Cl S OH O O o O in Form weißer, bei 60° unter schwacher Zersetzimg schmelzender Kristalle. Zum Unterschied von der auf Kaliumjodidlösung nur l a n g s a m ansprechenden Peroxo-dischwefelsäure scheidet die Peroxo-monoschwefelsäure aus Kaliumjodidlösungen a u g e n b l i c k l i c h Jod aus. ζ ) Thioschwefelsäure Das Molekül der Thioschwefelsäure leitet sich von dem der S c h w e f e l s ä u r e durch Ersatz eines S a u e r s t o f f a t o m s durch ein S c h w e f e l a t o m a b : R

"

:0:

Ί

:Ο:S: Ö: : Ö '· " J Sulfat

Γ

**

- »»

:O: : (j : S : S :

[ ": Ö : Thlosulfat

Man erhält ihre Salze {Thiosulfate) durch Kochen von S u l f i t l ö s u n g e n mit feingepulvertem S c h w e f e l : Na2S03 + S NajSjO, (19) oder durch O x y d a t i o n v o n D i s u l f i d e n mit Luftsauerstoff, z . B . : CaSa + li/,Ο, >• CaS203 .

216

Die Gruppe der Chalkogene

Die den Salzen zugrunde liegende S ä u r e H 2 S 2 0 3 ist nur bei t i e f e n T e m p e r a t u r e n in Substanz (farblose ölige Flüssigkeit) oder in organischen Lösungsmitteln erhältlich und zerfällt in wasserfreiem Medium gemäß H 2 S 2 0 3 K > H 2 S + S0 3 in umkehrbarer Weise in Schwefelwasserstoff und Schwefeltrioxid, die ihrerseits bei Gegenwart von Wasser zu schwefliger Säure und Schwefel weiterreagieren (H2S + S0 3 -> H 2 S0 3 -f- S). Säuert man daher wäßrige Thiosulfatlösungen an, so bleibt die Lösung nur ganz kurze Zeit klar und scheidet alsbald Schwefel aus: H 2 S 2 0 3 —>- H 2 S0 3 + S. Das wichtigste Thiosulfat ist das in dicken, durchsichtigen, farblosen, monoklinen Prismen kristallisierende Natriumthiosulfat Na 2 S 2 0 3 · 5 H 2 0 , welches bei 48.5° in seinem Kristallwasser schmilzt und sehr leicht übersättigte Lösungen bildet. Es findet mannigfache Verwendung. In der P h o t o g r a p h i e (S. 463) dient es als Fixiersalz" zum Herauslösen des beim Belichten und Entwickeln unverändert gebliebenen Silberhalogenids aus photographischen Platten und Filmen. In der B l e i c h e r e i (S.84) benutzt man es als „Antichlor" zur Entfernung des Chlors aus chlorgebleichten Geweben, da es Chlor zu Chlorid reduziert (Cl2 + 2 θ —>- 2 Cl'), wobei es selbst in S u l f a t übergeht (S 2 0 s " + 5H 2 0 — > 2S0 4 " + 10H" + 8 Θ). Mit dem weniger stark oxydierenden J o d (J 2 + 2 θ —>- 2 J') setzt es sich nur bis zur Oxydationsstufe der T e t r a t h i o n s ä u r e H 2 S 4 O e um (2 S203" —>- S 4 O e " + 2 0 ) · Da hierbei die braune — bzw. bei Gegenwart von Stärke blaue (S. 89) — Jodlösung entfärbt wird : 2S¡¡03" + J2 —>- S4Oe" + 2 J', farbloa

braun

farblos

farblos

kann man leicht den Punkt (Äquivalenzpunkt) erkennen, an dem gerade die zur Jodmenge äquivalente Menge Thiosulfat zugesetzt ist. Man benutzt daher die Reaktion zur Bestimmung von O x y d a t i o n s m i t t e l n („Jodometrie")> indem man durch Einwirkung dieser Oxydationsmittel auf eine Kaliumjodidlösung eine dem Oxydations wert der Oxydationsmittel äquivalente Jodmenge in Freiheit setzt (2 J ' — J 2 + 2 θ ) und diese mit einer eingestellten Natriumthiosulfatlösung titriert (vgl. S. 117f., 170). Auch R e d u k t i o n s m i t t e l können jodometrisch bestimmt werden, indem man diese auf einen bekannten Überschuß einer eingestellten Jod-Jodkali-Lösung (S. 89) einwirken läßt ( J 2 -f 2 Θ —>• 2 J') und das hierbei nicht umgesetzte Jod mit Thiosulfat bis zur Entfärbung „zurücktitriert" oder indem man die Reduktionsmittel direkt mit der eingestellten Jod-Jodkali-Lösung bis zur bleibenden Jodfärbung titriert. η) Polythionsäuren Unter dem Namen Polythionsäuren (Polysulfan-disulfonsäuren; vgl. S. 195) faßt man einige Sauerstoffsäuren des Schwefels der allgemeinen Formel II 2 S n 0 6 zusammen (n = 3 bis 14). Die einfachste Polythionsäure ist die Trithionsäure (Thio-dischwefelsäure) H 2 S 3 O e . Sie leitet sich von der D i s c h w e f e l s ä u r e durch Ersatz eines Sauers t o f f a t o m s durch ein S c h w e f e l a t o m ab tt

: Ö : Ö: :S:Ö: Ö:S:Ö : Ó : Ö: " Disnlfat

:Ö: Ö: : Ö: S : SS: Ö: " : Ö : " Ö: " Thio-disotfat

Die höheren Glieder der Reihe (Tetra-, Penta-, Hexathionsäure usw.) leiten sich von der Trithionsäure durch Einlagerung weiterer Schwefelatome (Verlängerung der Schwefelkette) ab (vgl. S. 195). Man erhält ein Gemisch der Polythionsäuren, wenn man in eine wässerige Schwefeldioxidlösung Schwefelwasserstoff einleitet („Wackenrodersehe Flüssigkeit"). Wahrscheinlich geht die Reaktion so vor sich, daß die schweflige Säure dabei durch den

Das Selen

217

Schwefelwasserstoff außer bis zur Endstufe des Schwefels (S. 194) intermediär auch bis zur Stufe der Sulfoxylsäure H 2 S 0 2 reduziert wird: H 2 S0 3 + H2S —>- H 2 S0 2 + H 2 0 + S, (20) welche mit überschüssiger schwefliger Säure unter Bildung von T r i t h i o n s ä u r e reagiert (14). Diese geht dann durch Aufnahme des gleichzeitig gebildeten Schwefels (20) in die h ö h e r e n P o l y t h i o n s ä u r e n (hauptsächlich Tetra- und Pentathionsäure) über. Die einzelnen Polythionsäuren sind ganz allgemein durch Umsetzung von S + + (z. B . SC12, S(OR) 2 ) oder von S a + + (z. B . S 2 C1 2 , S 2 (OR) 2 ) mit schwefliger oder Thioschwefelsäure gewinnbar ( S + + + 2 S 0 3 — — V S 3 O e ~ ; S+ + + 2 S 2 0 3 — — ^ S 5 0 „ — ; S 2 + + + 2 S 0 3 — — ^ S 4 0 6 — ; S 2 + + + 2 S 2 0 3 — — S e 0 6 — ) . Bezüghch der Bildung von Tetrathionsäure aus Thioschwefelsäure vgl. S. 216. Die Polythionsäuren sind nur bei t i e f e n T e m p e r a t u r e n in Substanz (farblose ölige Flüssigkeiten) oder wasserfreien Lösungsmitteln beständig, wobei die Beständigkeit mit wachsender Kettenlänge abnimmt. Dasselbe gilt für die verdünnten wäßrigen Lösungen. Unter den — in reiner Form isolierbaren — S a l z e n zeichnen sich die Alkalipolythionate durch Beständigkeit aus. In s a u r e r L ö s u n g zersetzen sich die Polythionate allmählich unter Bildung von S c h w e f e l , s c h w e f l i g e r S ä u r e und Schwefelsäure : H 2 S 3 + n 0 6 — ^ nS + H 2 S 3 0 6 , H2S306 + H 2 0 ν H 2 S0 4 + H 2 S 2 0 3 (—>- S + H 2 S0 3 ). In a l k a l i s c h e r L ö s u n g erfolgt leichter Zerfall unter Bildung von T h i o s u l f a t und S u l f i t . Dieser Zerfall stellt nichts anderes dar als eine Umkehrung der oben angeführten Bildungsreaktionen aus S + + bzw. S 2 + + und S 0 3 — bzw. S 2 0 3 — . Schwefelreichere Polythionate geben einen Teil ihres Schwefels leicht an Stoffe ab, die ihrerseits Schwefel aufnehmen können ( z . B . S 4 0 6 — + S 0 3 — — > S 3 0 6 — + S 2 0 3 — ; S 4 O e — + C N - — S 3 O e — + CNS-). In enger Beziehung zu den Polysulfan-disulfonsäuren H 2 S n O e stehen die Polysulfanmonosulfansäuren H 2 S n 0 3 (vgl. S. 195), die sich gleich jenen besonders einfach aus Polj'sulfanen und Schwefeltrioxid in organischen Lösungsmitteln gewinnen lassen : H 2 S n + S 0 3 —>• H 2 Sn +jO a H 2 S n -f- 2 S 0 3 —>- H„S n + 2 O e .

3. Das Selen a) Elementares Selen Vorkommen. Selen findet sich spurenweise in vielen natürlichen Sulfiden wie Eisenkies (Pyrit) F e S 2 , Kupferkies CuFeS 2 , Zinkblende ZnS sowie als wesentlicher Bestandteil einiger seltener Mineralien. Beim Abrösten sulfidischer Erze reichert es sich im F l u g s t a u b ( S e 0 2 ist zum Unterschied von S 0 2 fest) an. Beim Bleikammerverfahren der Schwefelsäurefabrikation findet es sich weiter als elementares Selen im „Bleikammerschlämm", da das S e 0 2 zum Unterschied von S 0 2 nicht von den Stickstoffoxiden zu S e 0 3 oxydiert, sondern umgekehrt von der schwefligen Säure leicht zu elementarem Selen reduziert wird. Darstellung. Als Ausgangsmaterial für die Selengewinnung dient meist der B l e i k a m m e r s c h l a m m . Das darin enthaltene Selen wird durch Erwärmen mit S a l p e t e r s ä u r e zu seleniger Säure oxydiert: Se + 2 0 >- Se0 2 und die selenige Säure durch Einleiten von S c h w e f e l d i o x i d in die Lösung wieder zu Selen reduziert: „ , Se0 2 + 2 S0 2 >- Se + 2 S0 3 . Das Selen fällt dabei als amorpher roter Niederschlag aus. Physikalische Eigenschaften. Wie der Schwefel kommt auch das Selen in mehreren, und zwar drei roten und zwei schwarzen Modifikationen vor.

218

Die Gruppe der Chalkogene

Von den r o t e n Formen sind zwei kristallin («-Selen und /?-Selen) und eine amorph. Sie sind alle in Schwefelkohlenstoff löslich, enthalten als Bauelemente Se 8 -Ringe und leiten den elektrischen Strom nicht. Von den s c h w a r z e n Formen ist die eine bei Zimmertemperatur g l a s a r t i g . Sie zeigt bei schwach erhöhter Temperatur (besonders bei etwa 60° C) K a u t s c h u k e l a s t i z i t ä t und wird bei noch höherer Temperatur p l a s t i s c h . Der Aufbau dieser Modifikation ähnelt weitgehend dem Aufbau hocherhitzter Schwefelschmelzen (vgl. S. 186). Mit Schwefelkohlenstoff lassen sich bei Zimmertemperatur etwa 40% des Selens extrahieren. Dies ist der dem A-Schwefel entsprechende, aus Se 8 -Ringen bestehende Anteil. Die übrigen 60 % stellen hochmolekulare Ketten bzw. Ringe mit etwa 500 Selenatomen dar. Erhitzt man das glasige Selen oder die roten Selenformen auf über 72° C, so beginnt ganz langsam eine Umwandlung in die bis zum Schmelzpunkt beständigste, h e x a g o n a l k r i s t a l l i s i e r t e („metallische") Modifikation (Smp. 220.2°, Sdp. 688°). Sie besteht aus langen, parallel angeordneten, gewinkelten Se-Ketten:

v W S A (Se—Se-Abstand: 2.32 Â). Am Rande des Kristalls vereinigen sich die Enden benachbarter Ketten, so daß auch hier ringförmige Moleküle für den Aufbau der Phase charakteristisch sind. Ein gut ausgebildeter Selenkristall leitet den elektrischen Strom nur sehr schlecht. Kristalle, die in ihrem Innern gestört sind, insbesondere solche, die noch geringe Spuren von H a l o g e n enthalten, leiten den Strom wesentlich besser. Solches Selen benutzt man zur Herstellung von „Selen-Gleichrichtern" und „Selen-Photoelementen". Die S e l e n - G l e i c h r i c h t e r bestehen aus einer vernickelten Eisenplatte, auf der eine dünne Schicht halogenhaltigen Selens (0.05 bis 0.1 mm Dicke) aufgebracht ist. Auf diese Selenschicht wird dann als Gegen- oder Deckelektrode eine Schicht aus einer cadmiumhaltigen Legierung aufgetragen. Die Grenzfläche Selen-Cadmium („Sperrschicht") hat die Eigenschaft, einen hohen zusätzlichen Widerstand zu besitzen, wenn die cadmiumhaltige Elektrode A n o d e ist. Der Stromdurchgang ist dann gesperrt. Bei u m g e k e h r t e r Polung (Cadmiumelektrode n e g a t i v ) verschwindet der zusätzliche Widerstand fast völlig, so daß der Gleichrichter unter diesen Bedingungen den Stromdurchgang gestattet. Jede Gleichrichterscheibe kann in der Sperrichtung Spannungen bis zu 35 Volt aushalten. In einen W e c h s e l s t r o m k r e i s geschaltet, gestattet der Gleichrichter den Stromdurchgang nur in e i n e r Richtung, macht also aus Wechselstrom pulsierenden G l e i c h s t r o m . Dampft man auf die Selenschicht einen s e h r d ü n n e n Cadmiumbelag auf, so daß derselbe l i c h t d u r c h l ä s s i g ist, so beobachtet man, daß sich bei B e s t r a h l u n g die Cadmiumelektrode p o s i t i v und die Eisenelektrode n e g a t i v auflädt. Eine solche Anordnung wirkt wie ein galvanisches Element und wird S e l e n - P h o t o e l e m e n t genannt. Sie läßt sich zur Konstruktion von Geräten wie photographischen Belichtungsmessern benutzen, die unabhängig von äußeren Stromquellen betätigt werden sollen. Im f l ü s s i g e n Zustand ist das Selen schwarz wie das glasige Selen. Es besteht aus Se 8 -Ringen ( ~ 40%) und hochmolekularen Ringen mit einer Gliederzahl von etwa 500 60%). Bei nicht zu langsamem Abkühlen der Schmelze entsteht das g l a s i g e S e l e n (s. oben), da die Ringe relativ stabil sind und sich wegen ihrer verschiedenen Größe nicht zu einem Kristallgitter ordnen können. Gibt man aber zu der Schmelze auch nur spurenweise ein A l k a l i s e l e n i d , ζ. B. K 2 Se, so tritt beim Abkühlen augenblicklich Kristallisation ein, da die Ringe schnell mit den wenigen vorhandenen Selen-ionen unter Bildung von P o l y s e l e n i d - i o n e n reagieren: Sex - Ring -)- Se— —• ~Se-Se Se-Se".

219

Das Selen

Aus diesen bilden sich dann l ä n g e r e Ketten, indem verschiedene Polyselenid-ionen miteinander reagieren und ihre dabei freiwerdenden Elektronen an weitere Ringe abtreten, die ihrerseits wiederum in Polyselenid-ionen umgewandelt werden. So setzt sich der Prozeß fort, bis schließlich nur mehr S e l e n k r i s t a l l e und etwas Alkalipolyselenid übrigbleiben. Auch unlöslicher S c h w e f e l (hochmolekulare Ringe) wandelt sich in entsprechender Weise sofort in löslichen Schwefel (S8-Ringe) um, wenn er mit einer A l k a l i s u l f i d lösung in Berührung gebracht wird. Im d a m p f f ö r m i g e n Zustand ist Selen gelblich. Nach der Dampfdichtebestimmung sind oberhalb von 900° Se2-Moleküle vorhanden. Unterhalb dieser Temperatur findet Assoziation zu größeren Molekülen statt.

b) Verbindungen des Selens In ihrer Zusammensetzung entsprechen die Verbindungen des S e l e n s denen des S c h w e f e l s . Selen tritt also wie Schwefel zwei-, v i e r - und s e c h s w e r t i g auf. Die Neigung, in den s e c h s w e r t i g e n Zustand überzugehen, ist g e r i n g e r als beim Schwefel. Daher ist selenige Säure ein s c h w ä c h e r e s R e d u k t i o n s m i t t e l als schweflige Säure und Selensäure ein s t ä r k e r e s O x y d a t i o n s m i t t e l als Schwefelsäure. Selenverbindungen sind ähnlich wie Arsenverbindungen stark g i f t i g . Selenwasserstoff. Selenwasserstoff kann wie Schwefelwasserstoff direkt aus den E l e m e n t e n (Überleiten von Wasserstoff über Selen oberhalb von 400°): 18.ökoal + Se + H 2 ^ = t : H ü S e

(21)

oder durch Zersetzen von S e l e n i d e n (ζ. B. Eisen-, Aluminium- oder Magnesiumselenid) mit S a l z s ä u r e : Se" +

HgSe

gewonnen werden. Er stellt ein farbloses, „nach faulem Rettich" riechendes Gas dar, das sich leicht verflüssigen (Sdp. —41.5°) und verfestigen (Smp.—60.4°) läßt, noch giftiger als Schwefelwasserstoff ist und die Schleimhäute der Nase und der Augen aufs heftigste angreift („Selenschnupfen"). Als e n d o t h e r m e Verbindung (21) ist Selenwasserstoff u n b e s t ä n d i g e r als Schwefelwasserstoff. Wegen der geringen Zerfallsgeschwindigkeit macht sich der Zerfall in die Elemente aber bei Z i m m e r t e m p e r a t u r nur langsam bemerkbar, so daß die Verbindung bei gewöhnlicher Temperatur m e t a s t a b i l ist. Mit s t e i g e n d e r T e m p e r a t u r verschiebt sich das Gleichgewicht (21) wie bei allen endothermen Reaktionen zugunsten der endotherm entstehenden Reaktionsseite, hier also des S e l e n w a s s e r s t o f f s . Da sich dieses günstiger liegende Gleichgewicht bei der höheren Temperatur aber mit g r ö ß e r e r G e s c h w i n d i g k e i t einstellt, zerfällt der bei Zimmertemperatur metastabile Selenwasserstoff beim Erhitzen leichter. SelenWasserstoff ist eine bedeutend s t ä r k e r e S ä u r e als Schwefelwasserstoff ; seine Dissoziationskonstante beträgt für die erste Dissoziationsstufe (H 2 Se < > H' + HSe') 1.9 χ 10~ 4 und liegt damit in der Größenordnung der Dissoziationskonstante der salpetrigen Säure (Κ = 4.5x10-») und der Fluorwasserstoffsäure (i£=7.2 χ IO - 4 ). Ala zweibasige Säure bildet er Hydrogenselenide (saure Selenide) der Formel MeTHSe und normale Selenide (neutrale Selenide) der Formel Me^Se. Die Metallselenide sind wie die entsprechenden Sulfide mehr oder minder stark gefärbt, in Wasser — teils auch in Säuren — unlöslich und durch Einwirkimg von Selenwasserstoff auf Metallsalzlösungen darstellbar. Entsprechend seiner geringeren Beständigkeit ist der Selenwasser-

220

Die Gruppe der Chalkogene

stoff ein s t ä r k e r e s R e d u k t i o n s m i t t e l als der Schwefelwasserstoff. Aus wässerigen Lösungen fällt unter der Einwirkung des Luftsauerstoffs bald r o t e s S e l e n aus. Selenhalogenide. Selen bildet mit den Halogenen Verbindungen des Typus Se2X2 (Se2Cl2, dunkelrote Flüssigkeit ; Smp. — 85°, Sdp. + 130° ; Se 2 Br 2 , dunkelroto Flüssigkeit ; Smp. —46°, Sdp. +227°; Se 2 J 2 , schwarzer fester Körper), SeX» (SeF 4 , farblose Flüssigkeit, Smp. - 1 3 . 2 ° , Sdp. + 93°; SeCl4, farblose Kristalle, Smp. 305°, Sblp. 180°; SeBr 4 , orangenes Pulver, Smp. 75°) und SeX6 (SeF e , farbloses Gas, Smp. - 34.6°, Sblp. - 46.6°). Dihalogenide der Zusammensetzung SeX 2 sind nur als Dissoziationsprodukte der Tetrahalogenide im Dampfzustande bekannt (SeCl4 z^z±: SeCl2 + Cl 2 ; SeBr 4 z ^ i SeBr 2 -f Br 2 ). Wie der Schwefel bildet das Selen außerdem noch Sauerstoff-Halogen-Verbindungen (SeOF 2 , SeOCl2, SeOBr 2 ). Unter diesen ist das bei 8.5° schmelzende und bei 176.4° unter Zersetzung siedende Seleninylchlorid (,,Selenoxidchlorid") SeOCl2 bemerkenswert. Es ist außerordentlich reaktionsfähig und setzt sich fast mit allen Elementen und Elementverbindungen um, so daß es stark auflösend wirkt. Selendioxid; selenige Säure. Selendioxid Se0 2 entsteht durch V e r b r e n n e n v o n S e l e n an der Luft (Se + 0 2 —>- Se0 2 ) und bildet weiße glänzende Nadeln, welche bei 315° sublitnieren. Zum Unterschied vom m o n o m e r e n , gasförmigen Schwefeldioxid 1 (22a) ist es h o c h p o l y m e r (22b): :Ö:

:Ö:

:Ö;

:Ö:

:Ö:

S::Ö

Se: Ö:Se: Ö : S e : Ö : S e : Ö :

(a)

(b)

(22)

In Wasser löst es sich unter Bildung von seleniger Säure H 2 Se0 3 , die viel b e s t ä n d i g e r als die schweflige Säure H 2 S 0 3 ist und durch Eindunsten der Lösung im Vakuum in Form zerfließlicher, farbloser, an trockener Luft unter Wasserabspaltung verwitternder Prismen gewonnen werden kann. Selenige Säure ist eine s c h w ä c h e r e S ä u r e als schweflige Säure; ihre beiden Dissoziationskonstanten betragen bei 25° K1 = 2.4 χ 10~3 und K2 = 0.5 X 10~8. Als z w e i b a s i g e Säure bildet sie Hydrogenselenite (saure Selenite) Me'HSe0 3 und normale Selenite (neutrale Selenite) Me¡Se0 3 . In wässeriger Lösung hegen die Selenite in hydratisierter Form als „Hydroxosalze" vor: Se0 3 " · 3 H 2 0 = [Se(OH) 6 ]". Die r e d u z i e r e n d e W i r k u n g der selenigen Säure ist weit g e r i n g e r als die der schwefligen Säure, was schon daraus hervorgeht, daß sie von schwefliger Säure zu elementarem Selen reduziert wird (S. 217). Umgekehrt zeigt sie bereits o x y d i e r e n d e W i r k u n g e n ; so scheidet sie aus Jodwasserstofflösungen Jod aus (Se0 2 + 4 H J — > Se + 2 H 2 0 + 2J 2 ) und oxydiert Schwefelwasserstoff zu Schwefel (Se0 2 + 2 H 2 0 —>Se + 2 H 2 0 + 2S). Von dieser oxydierenden Wirkung macht man namentlich in der o r g a n i s c h e n C h e m i e Gebrauch (vgl. II, S. 211, 212, 402). Zum Unterschied von der schwefligen Säure (S. 204f.) existiert die selenige Säure nur in e i n e r , nämlich der s y m m e t r i s c h e n Form OSe(OH)2. Selentrioxid ; Selensäure. Die Oxydation der selenigen Säure bzw. ihrer Salze zur Oxydationsstufe der Selensäure (H 2 Se0 3 + H 2 0 —>- H 2 Se0 4 + 2H" + 2Θ) gelingt nur mit starken Oxydationsmitteln wie C h l o r (Cl2 + 2Θ—>- 2C1') oder C h l o r s ä u r e (C103' + 6 H ' + 6 Θ — C l ' + 3 H 2 0 ) oder auf e l e k t r o l y t i s c h e m Wege durch anodische Oxydation. Selensäure H 2 Se0 4 ist ein fester, farbloser, kristallisierter, bei 59.9° schmelzender Stoff. Die 95°/0ige Lösung ist eine der konzentrierten Schwefelsäure äußerlich gleichende ölige Flüssigkeit. Ihre O x y d a t i o n s W i r k u n g übertrifft die der Schwefel1 S 0 2 ist eine der wenigen Ausnahmen von der Doppelbindungsregel (S. 187, 268f.), während S 0 3 im Einklang mit dieser Regel analog S e 0 2 (22b) Kettenmoleküle bildet (S. 269).

D a s Tellur

221

säure bedeutend. So entwickelt ζ. B. ein Gemisch von konzentrierter Salzsäure und konzentrierter Selensäure reaktionsfähiges Chlor: H2Se04 +

H 2 S e 0 3 + H 2 0 + 2C1

(Umkehrung der Bildung von Selensäure aus seleniger Säure und Chlor; s. oben), so daß man damit — ähnlieh wie mit Königswasser (S. 241) — Gold und Platin auflösen kann. Wie Schwefelsäure vereinigt sich auch Selensäure begierig mit Wasser; daher wirkt sie wie erstere verkohlend auf organische Substanzen ein. Die wässerige Lösung stellt eine s t a r k e Säure dar. Entwässert man wasserfreie Selensäure mit Phosphorpen toxid, so entsteht das Selentrioxid Se0 3 . Es läßt sich auch durch Einwirkung von S a u e r s t o f f auf S e l e n in einer H o c h f r e q u e n z - G l i m m e n t l a d u n g (Se + 3 0 —>Se0 3 ) oder durch Einwirkung von Schwefeltrioxid auf Kaliumselenat (S0 3 + K 2 Se0 4 — K 2 S 0 4 + Se0 3 ) gewinnen und stellt eine kristalline, sehr hygroskopische, farblose Substanz (Smp. 119°) dar, die oberhalb von 185° in Selendioxid und Sauerstoff zu zerfallen beginnt und in ihren Eigenschaften näher dem Schwefeltrioxid als dem Tellurtrioxid steht. Die Selenate entsprechen hinsichtlich Löslichkeit und Kristallform weitgehend den S u l f a t e n . Auch sie sind s t ä r k e r e O x y d a t i o n s m i t t e l als die entsprechenden Schwefelverbindungen und spalten beim Erhitzen ziemlich leicht Sauerstoff ab.

4. D a s Tellur Telluride k o m m e n in der N a t u r nicht so o f t als Beimengungen von Sulfiden vor wie Selenide. D a h e r ist d a s Tellur — im ganzen genommen — w e n i g e r v e r b r e i t e t als das Selen. Dagegen f i n d e t es sich in einzelnen E r z e n (vgl. S. 464) s t ä r k e r a n g e r e i c h e r t als dieses. Auch k o m m t es in g e d i e g e n e m Z u s t a n d e vor. Elementares Tellur. F ä l l t m a n Tellur aus wässerigen Lösungen v o n telluriger Säure d u r c h R e d u k t i o n m i t schwefliger Säure aus, so e r h ä l t m a n es in F o r m eines b r a u n e n P u l v e r s . N a c h d e m Schmelzen ist es s i l b e r w e i ß u n d m e t a l l g l ä n z e n d . Tellur ist n u r von geringer H ä r t e u n d l ä ß t sich leicht pulvern. Den elektrischen S t r o m leitet es n u r wenig. Die Leitfähigkeit wächst etwas bei Belichtung, aber weit weniger als beim Selen. Der S c h m e l z p u n k t liegt bei 452.0°, der Siedepunkt bei 1390°. Der goldgelbe D a m p f h a t eine der Formel Te 2 entsprechende D a m p f dichte. Oberhalb von 2000° erfolgt beträchtlicher Zerfall in die Atome. Das K r i s t a l l g i t t e r des hexagonalen („metallischen") Tellurs ist das gleiche wie das des hexagonalen S e l e n s (S. 218) u n d b e s t e h t aus gewinkelten K e t t e n (Ringen) m i t kovalent zweiwertigem Tellur. D e m g e l b e n S c h w e f e l u n d r o t e n S e l e n entsprechende F o r m e n des Tellurs k o n n t e n bisher noch n i c h t dargestellt werden. Die in der Schmelze v o r h a n d e n e n Ringgebilde brechen thermisch so leicht u n d h ä u f i g auf, d a ß beim Abkühlen gleich die e x t r e m langgestreckten R i n g e des hexagonalen Tellurs e n t s t e h e n . Die Tellurverbindungen, die weit weniger giftig als die Selenverbindungen sind, entsprechen in ihrer Zusammensetzung den letzteren. Der Tellurwasserstoff T e H 2 ist als s t a r k e n d o t h e r m e V e r b i n d u n g (34.2 kcal + H 2 + Te-- 3 H 2 T e + 2A1C13) als farbloses, u n a n g e n e h m riechendes, leicht zu verdichtendes (Sdp. — 1.8°; Smp. — 51°), zersetzliches, giftiges Gas erhalten. Die wässerige Lösung reagiert s a u e r ; die S t ä r k e der Tellurwasserstoffsäure ( K 1 = 2.3 X 10 - 3 ) e n t s p r i c h t etwa der der Arsensäure (K 1 = 5 χ IO - 3 ). An der L u f t zersetzt sich die wässerige Lösung f a s t augenblicklich u n t e r T e l l u r a b s c h e i d u n g ( H 2 T e + O >- H 2 0 + Te). Die Salze Me2Te (Telluride) entsprechen in ihren Eigenschaften d e n Seleniden. An der L u f t v e r b r e n n t Tellur zu Tellurdioxid T e 0 2 , einer weißen, festen, in Wasser sehr wenig löslichen Substanz, welche gewöhnlich durch O x y d a t i o n von Tellur m i t konzentrierter Salpetersäure dargestellt wird. Tellurdioxid besitzt sowohl sauren wie basischen (,,amphoteren") C h a r a k t e r u n d löst sich dementsprechend sowohl in s t a r k e n Laugen (Bildung von Telluriten: T e 0 2 + 2 OH' >- T e 0 3 ' + H a O ) wie in konzentrierten starken Säuren (Bildung v o n Tellursalzen: T e 0 2 + 4 H ' — > - Te'"" + 2 H a O ) . Die den Telluriten z u g r u n d e liegende, noch nicht in reinem Z u s t a n d e b e k a n n t e telluriqe Säure H 2 T e 0 3 ist eine s e h r s c h w a c h e , beim E r w ä r m e n in Wasser u n d Tellurdioxid zerfallende Säure.

Die Gruppe der Chalkogene

222

Durch starke Oxydationsmittel (ζ. B. Chlorsäure) werden Tellur und tellurige Säure zu Tdlursäure oxydiert, die beim Einengen der Lösung als OrthoteUursäure H e TeO e auskristallisiert. Die Tellursäure ist eine s e h r s c h w a c h e ( £ t = 6 χ IO - '), s e c h s b a s i g e S ä u r e und bildet dementsprechend neben sauren Salzen Me¿H e _ n TeO s (ζ. Β. Na 2 H 4 TeO„ und Na 4 H„Te0 2 ) auch solche der Zusammensetzung MejTeOj (ζ. B. Ag e TeO e und Hg s TeO e ). In der Hitze spaltet OrthoteUursäure Wasser ab und geht schließlich oberhalb von 300° in ihr Anhydrid, daa gelbe Tellurtrioxid Te0 3 , über.

5. D a s Polonium Das Metall P o l o n i u m (Smp. 254°, Sdp. 932°, d = 9.32), das im J a h r e 1898 von P . u n d M.

CURIE (S. 669) entdeckt wurde, kommt als kurzlebiges r a d i o a k t i v e s Z e r f a l l s p r o d u k t der Uranreihe (S. 568) in der U r a n p e c h b l e n d e vor. Und zwar enthalten 1000 Tonnen Uranpechblende etwa 0.03 g Polonium, so daß Polonium noch rund 4500mal seltener als Radium (S. 417) ist. Bei der Aufarbeitung der Pechblende reichert sich das Polonium mit dem W i s m u t an, von dem es durch f r a k t i o n i e r t e F ä l l u n g d e r S u l f i d e (Poloniumsulfid ist schwerer löslich als Wismutsulfid) getrennt werden kann. 1 g Polonium kostet zur Zeit ca. 2 Millionen DM. P o l o n i u m ist etwa so edel wie S i l b e r (e P o = + 0 . 8 Volt; e A g = + 0 . 8 Volt) und wird durch dieses aus seinen Lösungen ausgefällt. Auch durch den e l e k t r i s c h e n S t r o m kann es leioht abgeschieden werden, wobei man als Kathode zweckmäßig ein G o l d b l e c h verwendet. I n seinen c h e m i s c h e n E i g e n s c h a f t e n ähnelt es sehr seinem leichteren Homologen, dem T e l l u r . Beispielsweise bildet es wie dieses eine flüchtige W a s s e r s t o f f v e r b i n d u n g , PoH a (Smp. - 3 6 . 1 ° , Sdp. +35.3°).

6. Vergleichende Übersicht ü b e r die Gruppe der Chalkogene Als Glieder einer Gruppe des P e r i o d e n s y s t e m s besitzen die E l e m e n t e Sauerstoff, Schwefel, Selen u n d Tellur ähnliche, sich m i t steigendem A t o m g e w i c h t graduell abstufende physikalische u n d chemische Eigenschaften u n d bilden analog zusammeng e s e t z t e Verbindungen. Metallcharakter. D e r n i c h t m e t a l l i s c h e (metallische) Charakter der E l e m e n t e n i m m t m i t s t e i g e n d e m A t o m g e w i c h t a b (zu). S a u e r s t o f f u n d S c h w e f e l sind ausgesprochene N i c h t m e t a l l e . D a s S e l e n k o m m t außer in t y p i s c h n i c h t m e t a l l i s c h e n (roten) F o r m e n bereits in einer (grauen) Modifikation vor, die sich durch starke L i c h t r e f l e k t i o n u n d ein gewisses L e i t v e r m ö g e n für d e n elektrischen Strom auszeichnet (hexagonales Selen). B e i m T e l l u r ist diese „ m e t a l l i s c h e " Modifikation schon die bevorzugte Erscheinungsform. Wertigkeit. Gegenüber e l e k t r o p o s i t i v e n E l e m e n t e n w i e Wasserstoff oder Metallen sind alle E l e m e n t e nur z w e i w e r t i g . Gegenüber e l e k t r o n e g a t i v e n E l e m e n t e n w i e Sauerstoff, Schwefel oder H a l o g e n e n k ö n n e n sie — m i t A u s n a h m e des auch hier f a s t

Atomgewicht Spezifisches Gewicht Schmelzpunkt Siedepunkt Farbe (niedermolekulare Form) Metallischer Charakter Affinität zu elektropositiven Elementen . . . . Affinität zu elektronegativen Elementen . . . Säurecharakter der Oxide Wasserstoffverbindungen, S c h m e l z p u n k t . . . . Wasserstoff Verbindungen, Siedepunkt 1 2 5 4

Fester Sauerstoff beim Schmelzpunkt. Rhombischer Schwefel. Hexagonales Selon. Monokliner Schwefel.

Sauerstoff

Schwefel

16.000 1.27 1 -218.9° — 182.96° hellblau

32.066 2.06 2 119.0° 1 444.60° gelb nimmt - ν nimmt nimmt nimmt •85.60° •60.75°

0.00°

100.00°

Selen

Tellur

78.96 4.82 3 220.2° 3 688° rot

127.61 6.25 452.0° 1390° braun >-

zu ab zu ab 1-60.4° -41.5°

I — 61° — 1.8°

223

Vergleichende Übersicht über die Gruppe der Chalkogene

durchweg nur zweiwertigen Sauerstoffs — zwei-, v i e r - u n d sechswertig auftreten, wobei mit steigendem (fallendem) Atomgewicht die V i e r w e r t i g k e i t (Sechswertigkeit) gegenüber der Sechswertigkeit (Vierwertigkeit) das Übergewicht gewinnt, so daß beispielsweise die schweflige Säure H 2 S0 3 ein s t a r k e s R e d u k t i o n s m i t t e l +4

+6

(S ->- S + 2 θ)> die Selensäure H 2 Se0 4 umgekehrt ein s t a r k e s O x y d a t i o n s m i t t e l (Se + 2 © ->- Se) ist. Beständigkeit der Verbindungen. Die Beständigkeit analoger Verbindungen mit e l e k t r o p o s i t i v e n Elementen nimmt in der Richtung vom Sauerstoff zum Tellur hin ab : Der Tellurwasserstoff H 2 Te ist ζ. B. im Vergleich zum außerordentlich beständigen Wasser H 2 0 sehr zersetzlich. Umgekehrt nimmt die Beständigkeit analoger Verbindungen mit e l e k t r o n e g a t i v e n Elementen in gleicher Reihenfolge zu: Sauerstoffdichlorid (Dichlormonoxid) 0C12 und Sauerstoffdioxid (Ozon) 0 0 2 sind thermodynamisch wesentlich unbeständiger als Tellurdichlorid TeCl2 und Tellurdioxid Te0 2 . Säurecharakter. Der Säurecharakter der Oxide Y 0 2 und Y 0 3 (Y = Chalkogen) nimmt mit steigendem Atomgewicht von Y ab : Schwefelsäure ist eine sehr starke, Tellursäure eine sehr schwache Säure. Wasserstoffverbindungen. Die Wasserstoffverbindungen H 2 Y der Chalkogene zeigen analoge Eigenschaftsabstufungen wie die Wasserstoffverbindungen H X der Halogene. So steigt ζ. B. der Siedepunkt und Schmelzpunkt mit zunehmendem Atomgewicht von Y, wobei sich auch hier das Anfangsglied nicht in die Reihe einpaßt. Der Säureoharakter nimmt vom H 2 0 zum H 2 Te hin stark zu. Der im Vergleich zu den übrigen Wasserstoffverbindungen zu h o h e S c h m e l z - und S i e d e p u n k t des W a s s e r s ist ähnlich wie beim F l u o r w a s s e r s t o f f (S. 97) auf eine A s s o z i a t i o n der Wassermoleküle zu größeren Molekülverbänden zurückzuführen. Die Assoziation kommt dabei in beiden Fällen durch Wasserstoff-ionen zustande, die wechselseitig durch freie Elektronenpaare zweier Fluor- bzw. Sauerstoffatome gebunden werden und auf diese Weise eine zwischenmolekulare Bindung (Dipol-Deformations-Wechselwirkung) besonderer Art GjWasserstoflbriicke") — vgl. II, S. 60f., 76f., 265 — verursachen (I, I I ) : H H:F:H:F:

H

H:Ö:H:Ö:

H H

(I)

(II)

H

H:N:H:N: H (III)

H H:C:H H (IV)

In gleicher Weise erklärt sich die Assoziation des A m m o n i a k s NH S (III), des Anfangsgliedes der im folgenden zu besprechenden Stickstoffgruppe. Dagegen sind beim M e t h a n CH 4 (IV) keine Wasserstoffbrücken möglich, weil das Molekül kein freies Elektronenpaar mehr enthält, das zur Bindung des Wasserstoffs eines zweiten Moleküls dienen könnte. Daher neigt das Methan auch nicht zur Assoziation und fällt dementsprechend mit seinen physikalischen Daten auch nicht aus der Reihe der übrigen Wasserstoff Verbindungen der vierten Gruppe des Periodensystems heraus.

Kapitel X I

Die Stickstoffgruppe 1. D e r Stickstoff Der Stickstoff selbst wurde bereits S. 60 ff. besprochen. Im folgenden beschäftigen wir uns mit seinen wichtigsten V e r b i n d u n g e n .

a) Wasserstoffverbmdungen des Stickstoffs Stickstoff und Wasserstoff bilden miteinander drei Verbindungen : Ammoniak NH3, Hydrazin N2H4und Stickstof¡Wasserstoffsäur e HN3 sowie als Salze der letzteren S ä u r e mit den beiden erstgenannten Β a s e η die Verbindun gen A mmoniumazid NH4N3 = N 4 H 4 und Hyiraziniumazid N2H5N3 = N B H 5 . Die weitaus wichtigste unter diesen Verbindungen ist das Ammoniak. α) Ammoniak Darstellung Aus den E l e m e n t e n Das wichtigste Verfahren zur t e c h n i s c h e n Darstellung von Ammoniak ist die von dem deutschen P h y s i k o c h e m i k e r FRITZ HABER ( 1 8 6 8 — 1 9 3 4 ) i m L a -

boratoriumsmaßstab ausgearbeitete und von dem deutschen Chemiker und Industriellen CARL BOSCH

(1874—1940) in die Technik übertragene S y n t h e s e aus den E l e m e n t e n („ΗΑΒΕΒ-BoscH-Verfahren") : 3 H 2 + N 2 Z Ï = Î : 2 N H 3 + 22.1 kcal.

(1)

Da es sich um eine e x o t h e r m e und mit Volumenverminderung verlaufende Umsetzung handelt, verschiebt sich das Gleichgewicht dieser Reaktion mit fallender T e m p e r a t u r und steigendem Druck nach r e c h t s , wie auch aus nebenstehendem Diagramm (Fig. 76) zu entnehmen ist, welches die Ammoniakausbeute (Vol.-°/0 NHg in einem Gemisch von 3H 2 + Ν;,) in Abhängigkeit von der Temperatur bei verschiedenen Drucken wiedergibt. Eine praktisch —*• Temperatur quantitative Ammoniakausbeute würde man bei Fig. 76. Abhängigkeit der AmZ i m m e r t e m p e r a t u r zu erwarten haben. Bei dieser moniakausbeute von Druck und niedrigen Temperatur ist aber die Geschwindigkeit Temperatur bei der Synthese aus den Elementen der Umsetzung unmeßbar klein, und K a t a l y s a toren wirken auf die Reaktion der Ammoniakbilduiig erst ab 400° genügend beschleunigend ein. Daher ist man gezwungen, bei einer Temperatur von mindestens 400, zweckmäßig 500° zu arbeiten; bei 500° beträgt jedoch die Ausbeute an Ammoniak

225

Der Stickstoff

bei 1 Atmosphäre Druck (vgl. Fig. 76, Kurve „1 a t " ) nur noch 0.1 Vol.-%. Um die Ausbeute technisch tragbar zu gestalten, ist es daher erforderlich, einen h o h e n D r u c k , zweckmäßig 200 Atmosphären, anzuwenden, wodurch sich die Ausbeute (vgl. Fig. 76, Kurve „200 a t " ) auf 17.6 Vol.-°/o steigert. Die technische Durchführung der Ammoniaksynthese sei im folgenden am Beispiel des in Deutschland üblichen Verfahrens der B a d i s c h e n A n i l i n - u n d S o d a - F a b r i k besprochen (Fig. 77). Ausgangsstoffe. Als Ausgangsstoffe zur Gewinnung von Stickstoff und Wasserstoff dienen L u f t (4N 2 -f- 0 2 ) und W a s s e r (H 2 0). I n beiden Fällen muß das gewünschte Gas von S a u e r s t o f f befreit werden, welcher das eine Mal p h y s i k a l i s c h b e i g e m e n g t , das andere Mal c h e m i s c h g e b u n d e n ist. Die Entfernung des Sauerstoffs /•' 'h'pnox id- ßmmaiSafrujäsrher Montaktofenü/éschtr MohfensScre' My + N* tesfgas ujäscher Drvch' Oruckd/asscr ujasser

•ΤΠΗ Gaserzeuger h'oks

'einiger Ubsserstof/fontektofert

Sil t Luft

Fig.

77.

~l/erd/chter Casbehä/terl Gisiehäfterff (H^CO^sCO)

Schematiche Darstellung der technischen Ammoniaksynthese nach

HABER-BOSCH

erfolgt in beiden Fällen durch das billigste Reduktionsmittel der Technik, den Kohlenstoff in Form von K o k s , und zwar setzt sich der Koks bei hoher Temperatur mit Luft bzw. Wasserdampf nach den Gleichungen 4 N , + Oj¡ + 2C

4 N ¡ + 2CO + 63 kcal •

31 kcal + H , 0 + C '

Generatorgas

H 2 + CO Wassergas

unter Bildung von G e n e r a t o r g a s (S. 305f.) bzw. W a s s e r g a s (S. 306f.) um. Da die erstere Reaktion e x o t h e r m , die letztere dagegen e n d o t h e r m verläuft, kombiniert man beide Reaktionen miteinander (vgl. S. 307), indem man in einem G a s e r z e u g e r {„Generator") abwechselnd durch Überleiten von Luft zuerst Generatorgas bildet, wobei sich der Koks auf etwa 1000° erhitzt („Heißblasen"), und dann durch Umschalten auf Wasserdampf Wassergas erzeugt, wobei sich der Koks wieder abkühlt („Kaltblasen"). Entfernung des Schwefelwasserstoffs. Das so erhaltene, in der Hauptsache aus Stickstoff, Wasserstoff und Kohlenoxid bestehende Mischgas muß nun zunächst von dem aus dem Schwefelgehalt des Kokses stammenden S c h w e f e l w a s s e r s t o f f befreit werden, da dieser die später benutzten Katalysatoren v e r g i f t e t . Zu diesem Zwecke wird das Gas nach Vermischen mit einer für die Oxydation des Schwefelwasserstoffs zu Schwefel und Wasser (H 2 S + 1 f»O i —>• H 2 0 + S ; vgl. S. 193) ausreichenden L u f t m e n g e bei etwa 40° durch mit A k t i v k o h l e gefüllte „Gasreiniger" geleitet (vgl. S. 184). H o l i e m an - W i b e r g , Anorganische Chemie.

47.— 56. Aufl.

15

Die Stiokstoffgruppe

226

Der S c h w e f e l soheidet sich dabei an der Kohle ab und wird alle zwei Wochen mit A m m o n i u m s u l f i d l ö s u n g extrahiert. Auch mit Hilfe v o n A b s o r p t i o n s f l ü s s i g k e i t e n kann der Schwefelwasserstoffgehalt desMischgases beseitigt werden (vgl. S. 192). Entfernung des Kohlenoxids. Die Entfernung des im Mischgas neben Stickstoff und Wasserstoff vorhandenen K o h l e n o x i d s erfolgt in der Weise (vgl. S. 306f.), daß man letzteres bei Gegenwart von K a t a l y s a t o r e n durch W a s s e r d a m p f unter gleichzeitiger N e u b i l d u n g v o n W a s s e r s t o f f zu K o h l e n d i o x i d oxydiert („Konvertierung") : H a + C0 2 + 9.8 kcal, (2) c o + H j 0 welches sich unter D r u o k (25 Atmosphären) leicht durch W a s s e r herauswaschen läßt. D a es sich um eine e x o t h e r m e R e a k t i o n handelt, m u ß die Gleichgewichtseinstellung bei möglichst n i e d r i g e r T e m p e r a t u r (400°) und dementsprechend in Gegenwart eines Katalysators erfolgen. U m bei der Konvertierung gleich das für die Ammoniaksynthese (1) erforderliche Mischungsverhältnis H a : N a = 3 : 1 zu erhalten, wählt man bei der Herstellung des Mischgases gleich von vornherein das richtige Mischungsverhältnis v o n Wassergas und Generatorgas: 5 [H, + CO] + 2 [2Nj + CO] + 7 7 ° g >-12Hg + 4 N , . Wassergas

Generatorgas

Im einzelnen verläuft die Konvertierung so, daß man das Mischgas zunächst durch Berieseln mit Heißwaaser mit W a s s e r d a m p f sättigt und in den W a s s e r s t o f f k o n t a k t o f e n („Konvertierungeanlage") einführt. Dieser enthält zwei getrennte Kontakträume, in denen der zur Umsetzung erforderliche K a t a l y s a t o r (Eisenoxidkontaktmaasen) auf fünf übereinander angeordneten durchlochten Eisenblechen ausgebreitet ist (vgl. Pig. 77). Im ersten Kontaktraum wird bei 550 bis 580° der größte Teil des Kohlenoxids umgesetzt, im zweiten bei 400 bis 420° der Kohlenoxidgehalt des Gases noch weiter, bis auf etwa l°/ 0 , --Hontakt of en heruntergedrückt. Moderne Kontaktofensysteme verarbeiten 6000 m a Gas/Stunde, erfordern wenig Bedienung und laufen Jahre hindurch ununter•Montaktmasse brochen. Das abgekühlte Konvertgas gelangt in einen Gasbehälter, aus welchem es von Kompressoren angesaugt, auf 25 Atm. komprimiert und in die Wasohtürme der D r u c k w a s s e r r e i n i gun g („¿foAZeraiättrewäscher") gedrückt wird. Hier löst sich das bei der

-

Futterrohr aus u/e/chem Eisen

Wärmeaustauschröhre

Mantel aus Edelstahl Mante/aus gewöhnt/chem Stahl U/asserstoff'durch/ass

n 2 +H 2 Fig. 78. Kontaktofen für die Ammoniaksynthese

Fig. 79.

Querschnitt durch einen Kontaktofen für die Ammoniaksynthese

Konvertierung nach (2) gebildete Kohlendioxid bis auf etwa 1% heraus. Zur Entfernung des restlichen Kohlendioxids und des Kohlenoxids (Kohlenoxid ist wie Schwefelwasserstoff ein K a t a l y s a t o r g i f t ) komprimiert man nun das Gas weiter auf 200 Atm. und drückt es durch mit a m m o n i a k a lis e h e r K u p f e r ( I ) - c h l o r i d l ö s u n g (vgl. S. 453) berieselte Wasehtürme („KoMenoxidwägcher"). Hierbei wird dae Kohlendioxid bis auf Vio °/o» d a s Kohlenoxid bis auf

Der Stickstoff

227

einige 1 / 100 °/ 0 herausgeholt. Die Entfernung der letzten Spuren Kohlendioxid erfolgt durch Waschen mit konzentriertem Ammoniakwasser.

Synthese des Ammoniaks. Die Synthese des Ammoniaks aus dem nun vorliegenden reinen Stickstoff-Wasserstoff-Gemisch wird bei 500° und 200 Atm. in 12 m hohen Stahlrohren („Ammoniak-Kontaktöfen") von 1 m Durchmesser (Fig. 78) durchgeführt. Diese enthalten ein System von W ä r m e - a u s t a u s c h r o h r e n , welche von insgesamt etwa 2 m 3 Kontaktmasse (Eisen, Aluminiumoxid und etwas Alkali; vgl. S. 112) umgeben sind. In den Wärme-austauschrohren nimmt das eintretende Gas die Reaktionswärme (1) des austretenden, bereits umgesetzten Gases auf und gelangt dann vorgewärmt in den K o n t a k t r a u m , wo sich unter W ä r m e e n t w i c k l u n g die Ammoniakbildung (1) vollzieht. Eine Zusatzheizung ist dementsprechend während des Betriebes nicht erforderlich. Die Berührungszeit zwischen Kontaktmasse und Gas beträgt nur V2 Minute. Daher wird nicht die volle Gleiohgewichtsausbeute 1 8 ° / o ) , sondern nur eine Ausbeute von etwa 11% Ammoniak erreicht. Man entzieht dem aus dem Ofen kommenden Gas das Ammoniak durch W a s s e r k ü h l u n g (Verflüssigung des Ammoniaks) bzw. durch A b s o r p t i o n m i t W a s s e r („Ammoniakwäscher"). Das Restgas wird nach Ersatz der umgesetzten Wasserstoff-Stickstoff-Menge durch Frischgas im Kreislauf wieder dem Ammoniak-Kontaktofen zugeführt. Große Schwierigkeiten bereitete bei der Einführung des Ammoniaksyntheseverfahrens in die Technik die Frage des O f e n m a t e r i a l s , da ja der Ofen bei dem hohen Druck von 200 Atmosphären und der hohen Temperatur von 600° gegenüber dem leicht diffundierenden und leicht brennbaren W a s s e r s t o f f dicht und widerstandsfähig sein muß. Die kleinen S t a h l r o h r e der ersten Versuche platzten nach wenigen Stunden Betriebsdauer, da der Wasserstoff den — die Härte des Stahls bedingenden (S. 530) — K o h l e n s t o f f unter den Reaktionsbedingungen der Ammoniaksynthese in gasförmiges M e t h a n verwandelte (C + 2 H , — C H 4 ) . Die Schwierigkeit wurde von CARL BOSCH ( S. 224) dadurch gelöst, daß er in das Stahlrohr ein Futterrohr aus k o h l e n s t o f f a r m e m , w e i c h e m E i s e n einzog (Fig. 79). Dieses legt sieh im Betrieb der äußeren Wand so dicht an, daß ein Reißen nicht zu befürchten ist. Um dem hindurchdiffundierenden Wasserstoff die Möglichkeit zu geben, nach außen zu entweichen, ist der äußere Stahlmantel mit dünnen Bohrungen versehen.

Andere Verfahren der Ammoniaksynthese unterscheiden sich vom „ H A B E R - B O S C H · Verfahren" in der Herstellung der Ausgangselemente und in der Wahl von Temperatur und Druck. So arbeitet ζ. B. das „CASALE-V erfahren" (Frankreich, Italien) bei 800 at und 500°, das , , F A USER- Verfahren" (Frankreich, Italien) bei 250 at und 500°, das „CLAUDE-V erfahren" (Frankreich) bei 1000 at und 500°, das „MONT-CENIS-Verfahren" (Deutschland) bei 90 at und 400°.

Aus Gaswasser Neben der Ammoniaksynthese, nach der rund 70°/0 der Welterzeugung an Ammoniak hergestellt werden, spielt noch die Gewinnung von Ammoniak aus dem Gasw a s s e r der Gasanstalten und Kokereien (S. 310f.) eine technische Rolle. Man gewinnt es aus dieser Flüssigkeit durch Kochen, wobei das gelöste Ammoniak entweicht und die hauptsächlich enthaltenen Ammoniumsalze NH 4 HS und N H 4 H C 0 3 unter Abgabe von NHg dissoziieren (S. 194, 436), welches in Schwefelsäure geleitet und so als Ammoniumsulfat gebunden wird, während die gleichzeitig gebildeten Gase HgS und C 0 2 abziehen. Die Darstellung von Ammoniak duroh Umsetzung von K a l k s t i o k s t o f f (S. 412f.) mit Wasser unter Druck: CaCN, + 3 H , 0 — > • CaCO, + 2NH, , welche im ersten Weltkriege erhebliche Bedeutung besaß („Kaüc&ickttqffverfahren" von ROTHEFRANK-CARO), wird heute kaum noch durchgeführt, da die Ammoniaksynthese billiger ist. 15»

228

Die Stickstoffgruppe

Aus dem gleichen Grunde spielt die Gewinnung yon Ammoniak durch H y d r o l y s e N i t r i d e n wie Magnesium- oder Aluminiumnitrid („SEftPEK-Verfahren"): 2 A IN + 3 HjO technisch heute keine Rolle mehr.

von

>- A I 2 0 3 + 2 K H ,

Zur Darstellung von Ammoniak im Laboratorium vgl. S. 229.

In den Handel kommt Ammoniak verflüssigt in (grau gestrichenen) Stahlbomben und wassergelöst in Form von 25—35°/0igem „konzentriertem, Ammoniak". Physikalisehe Eigenschaften

Ammoniak ist ein farbloses Gas von charakteristischem, zu Tränen reizendem Geruch. Es ist entsprechend seinem Molekulargewicht (M = 17) wesentlich leichter als Luft (M ss 29) und läßt sich, da seine kritische Temperatur sehr hoch — bei 132.4° — liegt (kritischer Druck 112 at, kritische Dichte 0.236), leicht zu einer farblosen, leichtbeweglichen, stark lichtbrechenden Flüssigkeit verdichten, welche bei —33.38° siedet und bei —77.70° zu weißen, durchscheinenden Kristallen erstarrt. Die hohe Verdampfungswärme (327 cal/g beim Siedepunkt, 302 cal/g bei 0°) bedingt seine Verwendung in der Kälteindustrie (z. B. zur Erzeugung von künstlichem Eis). In Wasser ist Ammoniak außerordentlich leicht löslich; 1 Raumteil Wasser löst bei 0° 1176Raumteile, bei 20° 702 Raumteile Ammoniak. Die Lösung reagiert schwach basisch (s. unten). Flüssiges Ammoniak ist ein gutes Lösungsmittel für viele Stoffe, z. ß. Salze. Letztere unterliegen dabei wie in Wasser der elektroly ti sehen Dissoziation. Chemische Eigenschaften

Ammoniak ist bei gewöhnlicher Temperatur beständig, zerfällt aber beim Erwärmen in Gegenwart von K a t a l y s a t o r e n in Umkehrung der Synthesegleichung (1) — S. 224 — bis zum Gleichgewichtszustand in seine E l e m e n t e : 22.1 kcal + 2 N H S

N2 +

3H2.

Ebenso zersetzt sich Ammoniak beim B e l i c h t e n mit ultraviolettem Licht. An der Luft läßt sich Ammoniak zwar entzünden, brennt aber nicht weiter. In Gegenwart von K a t a l y s a t o r e n kann die Verbrennung von Ammoniak-LuftGemischen schon bei verhältnismäßig niedrigen Temperaturen (300 bis 500°) erreicht werden; hiervon macht man bei der technischenSalpetersäuregewinnung (S.239f.) Gebrauch : 2NH3 + 2 7 2 0 2 — v 2NO + 3H 2 0 + 140 kcal. In reinem S a u e r s t o f f verbrennt Ammoniak mit fahlgelber Flamme hauptsächlich zu S t i c k s t o f f und W a s s e r : 2NH3 + ΐ γ 2 0 2

N a + 3 H 2 0 + 183 k c a l .

Bei hohem Druck sind solche Ammoniak-Sauerstoff-Gemische explosibel. Auch durch andere Oxydationsmittel als Sauerstoff — ζ. B. Wasserstoffperoxid, Chromsäure, Kaliumpermanganat — wird Ammoniak l e i c h t oxydiert. Leitet man Chlorgas in Ammoniakgas ein, so entzündet es sich unter Bildung von Stickstoff und Chlorwasserstoff (vgl. S. 61): 2 N H . + 3 C 1 2 — > • N 2 + 6HCl ;

der Chlorwasserstoff reagiert dabei unter Bildung von Salmiaknebeln (NHa + HCl —>• NH4C1 ; s. S. 229) weiter. Die Wasserstoffatome des Ammoniaks können durch M e t a l l a t o m e ersetzt werden. Man kommt so zu den A miden Me'NH2, Imiden Me^NH und Nitriden MeJN. Unter den A miden seien die der Alkali- und Erdalkalimetalle erwähnt, die sich durch Einwirkung von Ammoniak auf die erhitzten Metalle gewinnen lassen (vgl. S. 457) : Me" + 2NHa

ν Me I l ; (NH 2 ) 2 +

Hs.

Sie werden von Wasser lebhaft unter Rückbildung von Ammoniak und Bildung von

Der Stiokstoff

229

Lauge zersetzt (MeNH2 + HÖH — M e O H + NH 3 ). Beim Erhitzen gehen sie in I m id e über ; so entstehen z. B . die Erdalkali-imide in dieser Weise aus den Erdalkali-amiden : Meu(NH2)2

>- MenNH + NH S .

Bei noch stärkerem Erhitzen verwandeln sich die Imide in N i t r i d e : 3Me n NH

=- Me^Nj + NH,.

Beispielsweise verbrennt Magnesium im Ammoniakgas unter Bildung von Magnesiumnitrid MgjNjj. Auch durch direkte Vereinigung der Elemente sind viele Nitride darstellbar: TT TT T 3Me + N2 >- Me's Nj. Die charakteristischste Eigenschaft des Ammoniaks ist seine b a s i s c h e W i r k u n g . Löst man Ammoniak in Wasser auf, so zeigt die Lösung schwach basische Eigenschaften, die auf die Fähigkeit des Ammoniaks zurückgehen, Protonen unter Bildung von „Ammonium-ionen" NH4" aufzunehmen (S. 175) : N H 3 + Η Ο Η ^ = ± Ν Η 4 · + OH'.

(3)

Das Gleichgewicht der Reaktion liegt ganz auf der l i n k e n S e i t e ; daher kann man im Laboratorium umgekehrt durch Einwirkung von Basen (OH ) auf Ammoniumverbindungen (NH4°) Ammoniak erzeugen. Die Gleichgewichtskonstante der Reaktion (3) (,,Dissoziationskonstante" des Ammoniaks) hat den Wert Κ =

^ CNH,

Gqtt'

= 1.75 X 10~ 5

(18°). Danach ist also eine 0.1-molare wässerige Ammoniaklösung bei Zimmertemperatur nur zu rund l ° / 0 gemäß (3) in Ionen dissoziiert, während eine gleichkonzentrierte Kaliumhydroxidlösung praktisch vollständig ionisiert ist. Stärker ausgeprägt ist das basische Verhalten gegenüber s t ä r k e r e n S ä u r e n . So reagiert ζ. B. Ammoniakgas heftig mit Chlorwasserstoffgas unter Bildung weißer Nebel von festem A m m o n i u m c h l o r i d NH 4 C1: NII3 + Hei — N H 4 · + e r . Ebenso bildet es mit Salpetersäure leicht A m m o n i u m n i t r a t NH 4 N0 3 und mit Schwefelsäure A m m o n i u m s u l f a t ( N H 4 ) 2 S 0 4 . Das Gleichgewicht liegt in allen diesen Fällen ganz auf der Seite der A m m o n i u m v e r b i n d u n g e n . In ihren Eigenschaften gleichen diese Ammoniumsalze (S. 435ff.) weitgehend den Alkalisalzen. ß) Hydrazin Darstellung. Die Darstellung von Hydrazin erfolgt am bequemsten durch O x y d a t i o n v o n A m m o n i a k : NH 3 + NH 3 -> NH ¿ — NH 2 . Als Oxydationsmittel benutzt man dabei zweckmäßig N a t r i u m h y p o c h l o r i t . Als Zwischenprodukt tritt bei der Reaktion Chloramin NH2C1 auf: HoNi Η + HO ;Cl — H

2

0 + H2NC1,

das sich in Gegenwart starken Alkalis (Bindung des abzuspaltenden Chlorwasserstoffs) mit Ammoniak unter Bildung von H y d r a z i n umsetzt: ΙΙ.,.Ν (Ί 4- H NHj — > - NH2— NH., + HCl. Durch Spuren von S c h w e r m e t a l l s a l z e n wird die Weiteroxydation des Ammoniaks bzw. des Chloramins oder Hydrazins zu S t i c k s t o f f katalysiert. Daher setzt man bei der Reaktion L e i m oder K o m p l e x b i l d n e r zu, welche die in den Reagentien stets vorhandenen Schwermetallspuren b i n d e n . Die Abscheidung des Hydrazins aus der Reaktionslösung erfolgt zweckmäßig als S u l f a t N 2 H 4 · H 2 S 0 4 (s. unten), weil dieses verhältnismäßig s c h w e r l ö s l i c h ist und

230

Die Sticketoffgruppe

sehr gut kristallisiert. Zur Entfernung der Schwefelsäure und Darstellung des f r e i e n Hydrazins muß dieses Sulfat mit konzentrierter K a l i l a u g e erwärmt werden, wobei zunächst Hydrazin-hydrat N 2 H 4 · H 2 0 (Sdp. 120°; Smp. — 40°) als schwerbewegliche, an der Luft rauchende, fischartig riechende und alkalisch reagierende Flüssigkeit übergeht. Die E n t w ä s s e r u n g dieses Hydrats gelingt durch Erhitzen mit festem N a t r i u m h y d r o x i d , wobei das wasserfreie Hydrazin übergeht. Physikalische Eigenschaften. Beines Hydrazin stellt bei Zimmertemperatur eine farblose, bei Luftabschluß beständige, an der Luft ziemlich stark rauchende Flüssigkeit von eigentümlichem, schwach an Ammoniak erinnerndem Geruch dar. Der Siedepunkt liegt bei 113.5°, der Schmelzpunkt bei 1.4°. Es läßt sich zunächst ohne Zersetzungserscheinungen erwärmen; erst bei höheren Temperaturen tritt — gegebenenfalls e x p l o s i o n s a r t i g — Zerfall unter Bildung von S t i c k s t o f f und A m m o n i a k ein: 3N,H4 — 4 NHS + Nj. An erhitzten Platin- oder Wolframdrähten entsteht infolge teilweisen katalytischen Zerfalls des Ammoniaks auch Wasserstoff. H y d r a z i n h y d r a t kann in paraffinierten, verschlossenen Flaschen jahrelang unzersetzt aufbewahrt werden. Chemische Eigenschaften. Als B a s e bildet das Hydrazin wie das Ammoniak Salze. Man nennt diese in Analogie zu den Ammoniumsalzen Hydraziniumsalze. Da das Hydrazin (b) zum Unterschied vom Ammoniak (a) zwei freie Elektronenpaare aufweist, an welche sich Protonen anlagern können: H H H :N: Η :Ν:Ν:, Η Η ii (a) (b) bildet es zwei Beihen von Salzen, nämlich solche mit 1 und solche mit 2 Äquivalenten Säure : NHj—NHS + HCl —>- [NH3—NH2]C1 Hydrazinium-monochlorid, NH¡¡—NH, + 2HCl — ν [NH,-NH3]C1, Hydrazinium-dichlorid. Besonders charakteristisch ist das oben schon erwähnte Hydrazinium-sulfat [N 2 H e ]S0 4 , das in kaltem Wasser schwer, in heißem Wasser leicht löslich ist und daher leicht um· kristallisiert werden kann. Es bildet farblose, dicke, glänzende Tafeln. Da Hydrazin eine s c h w ä c h e r e B a s e als Ammoniak ist, sind die Hydraziniumsalze s t ä r k e r h y d r o l y t i s c h g e s p a l t e n als die Ammoniumsalze. Sowohl das freie Hydrazin als auch seine wässerige Lösung wirken s t a r k r e d u z i e r e n d . So oxydiert sich ζ. B. das freie Hydrazin schon an der L u f t allmählich zu Stickstoff und Wasser (N 2 H 4 + 0 2 —>• N 2 + 2H 2 0) und reagiert heftig mit den H a l o g e n e n unter Bildung von Stickstoff und HalogenWasserstoff (N2H4 + 2 X 2 — N 2 + 4HX). Die wässerige, alkalische Lösung fällt aus Lösungen von Kupfer(II)-salzen Kupfer(I)-oxid, aus Lösungen von Quecksilber- oder Silbersalzen bei gewöhnlicher Temperatur die Metalle; als Oxydationsprodukt des Hydrazins tritt dabei S t i o k s t o f f auf. S a l p e t r i g e S ä u r e oxydiert Hydrazin in stark saurer Lösung zu S t i c k s t o f f w a s s e r s t o f f s ä u r e (S. 231). γ) Stickstoffwasserstoffsäure Darstellung. Die Stickstoffwasserstoffsäure besitzt die Zusammensetzung N 3 H und die Valenzstrichformel N = N = N H . Die Elektronenformel läßt sich nicht eindeutig festlegen. Wahrscheinlich handelt es sich"um' einen mesomeren Z w i s c h e n z u s t a n d (vgl. S. 159) zwischen den beiden nur in ihrer Elektronenanordnung, nicht aber in ihrer AtomVerknüpfung voneinander verschiedenen G r e n z f o r m e l n

Der Stickstoff : Ν: : : Ν. Ν : H

231

ν Ν::Ν::Ν:Η

i vgl. S. 234f. und II, S. 264), die sich beide durch die obige Valenzstrichformel (S. 230) wiedergeben lassen, falls man auch die polare Bindung durch einen Valenzstrich symbolisiert (vgl. S. 158). In der Stickstoffwasserstoffsäure sind demnach 3 Stickstoffatome miteinander verknüpft. Zur Darstellung der Säure geht man daher zweckmäßig von Verbindungen aus, in denen bereits 2 Stickstoffatome miteinander verbunden sind. Als solche kommen in Frage: D i s t i c k s t o f f o x i d N A 0 und H y d r a z i n NJH4. In beiden Fällen muß noch ein drittes Stickstoffatom eingeführt werden. Im Falle des D i s t i c k s t o f f o x i d s geschieht dies zweckmäßig so, daß man das trockene N 2 0 bei 190° auf N a t r i u m a m i d einwirken läßt: NESN

—0

+ H2ÍNNa

N=N=NNa +

H S O.

Man erhält dabei das N a t r i u m s a l z der Stickstoffwasserstoffsäure (Natriumazid). Die Reaktion verläuft im Sinne der obigen Reaktionsgleichung glatt von links nach rechts, da das Wasser aus dem Reaktionsgemisch durch Umsetzung mit noch unverändertem Natriumamid (NaNH 2 + HÖH —>- NaOH + NH a ) sofort entfernt wird. Aus dem Natriumsalz läßt sich die f r e i e S t i c k s t o f f w a s s e r s t o f f s ä u r e durch Destillation mit verdünnter S c h w e f e l s ä u r e und anschließendes E n t w ä s s e r n des Destillats mit Cai cium c h l o r i d als rund 90%ige Säure gewinnen. Die Umwandlung von H y d r a z i n in StickstoffWasserstoffsäure gelingt durch Einwirkung von s a l p e t r i g e r S ä u r e : N , H 4 + OJJNH -—>• N , H + 2 H , 0 .

Physikalische Eigenschaften. Die wasserfreie Stickstoffwasserstoffsäure ist eine farblose, leichtbewegliche, bei 37° siedende und bei —80° erstarrende Flüssigkeit von durchdringendem, unerträglichem Geruch. Chemische Eigenschaften. Die Stickstoffwasserstoffsäure ist eine s c h w a c h e S ä u r e von der Stärke etwa der Essigsäure. Ihre Dissoziationskonstante beträgt bei Zimmertemperatur 1.2 x l O - 4 ; eine 0.1-normale Lösung ist demnach zu etwa 1 % dissoziiert. Die S a l z e der StickstoffWasserstoffsäure (Azide) ähneln in ihren äußeren Eigenschaften bisweilen denen der S a l z s ä u r e . So fällt z. B. aus schwach saurer Lösung bei Zugabe von Silbernitrat ein käsiger Niederschlag von S i l b e r a z i d AgN s aus, der dem Silberchlorid AgCl täuschend ähnlich sieht; das Q u e c k s i l b e r ( I ) - s a l z HgN, und das Bleisalz Pb(Nj) 2 sind wie die analogen Chloride HgCl und PbCl2 in Wasser unlöslich bzw. schwerlöslich. Das A m m o n i u m a z i d NH 4 N 8 = N 4 H 4 und das H y d r a z i n i u m a z i d NgHjNj = N6H6 sind wegen ihrer, Zusammensetzung als reine Stickstoff-WaeserstoffVerbindungen erwähnenswert. Feuchtigkeitsempfindliche Azide wie Be(N3)¡¡, Mg(N 3 ) a , B(N 3 ) 3 , A1(N3)3, Ga(N 3 ) 3 , Si(N3)4, LiB(N3)4 lassen sich leicht in Äther durch Umsetzung der entsprechenden Wasserstoff- oder Alkylverbindungen mit Stickstoffwasserstoffsäure (MeH„ + nHN 3 -Me(N 3 ) n + nH 2 ; MeR® + nHN 3 -> Me(N3)n + nRH) oder der entsprechenden Chloride mit Natriumazid (MeCl„ + nNaN s Me(Ns)n + nNaCl) gewinnen. Eine der hervorstechendsten Eigenschaften der Stickstoffwasserstoffsäure ist der — durch Erhitzen oder durch Schlag leicht auszulösende — e x p l o s i o n s a r t i g e Zerf a l l in S t i c k s t o f f u n d W a s s e r s t o f f : 2N„H — ν 3N, + Hj + 126 kcal. Bei diesem Zerfall werden g r o ß e W ä r m e m e n g e n frei. Auch die S c h w e r m e t a l l , s a l z e , z. B. Bleiazid und Silberazid, detonieren bei stärkerem Erhitzen, besonders aber auf Schlag sehr heftig. Daher benutzt man Bleiazid in der Sprengtechnik zur Einleitung der Detonation („Initialzündung") von Schieß- und Sprengstoffen. Die A l k a l i -

232

Die Stickstoffgruppe

und E r d a l k a l i - a z i d e lassen sich unzersetzt schmelzen und verpuffen erst bei stärkerem Erhitzen unter Stickstoffabgabe : 2 N a N 3 — > - 2 N a + 3 N 2 . M a n kann diese Zersetzungsreaktion zur R e i n d a r s t e l l u n g im Laboratorium benutzen.

von A l k a l i - und

Erdalkalimetallen

D i e Stickstoffwasserstoffsäure ist ein verhältnismäßig starkes O x y d a t i o n s m i t t e l . Daher löst sie wie die Salpetersäure eine Reihe von Metallen (ζ. B . Zink, Eisen, Mangan, Kupfer) o h n e W a s s e r s t o f f e n t w i c k l u n g auf: Me + 3 H N 3 — ν Me(N 3 ) 2 + N 2 +

NH3.

A l s Reduktionsprodukte der Stickstoffwasserstoffsäure entstehen dabei S t i c k s t o f f und A m m o n i a k (Me + 2 H N S — > - M e ( N 3 ) 2 + 2 H ; H N · N 2 + 2 H — ^ N H 3 + N 2 ) . Gegenüber stärkeren Oxydationsmitteln wirkt die Stickstoffwasserstoffsäure als R e d u k t i o n s m i t t e l . So oxydieren z . B . C e r ( I V ) - s a l z e die Säure quantitativ zu Stickstoff, was man zur Analyse der Verbindung benutzen kann. S a l p e t r i g e S ä u r e führt sie in Stickstoff und Distickstoffoxid ü b e r : HNS + H N 0 2 — N

2

0

+ Ν,, +

H20.

b) Halogenverbindungen des Stickstoffs Der Stickstoff bildet drei ¿lassen reiner H a l o g e n v e r b i n d u n g e n , von der Zusammensetzung KX 3 , (NF.,, N O , , NBr 3 , NJ 3 ), N2X4 (N 2 F 4 ) und N3X ( N 3 F , N 3 C1, N 3 Br, N 3 J ) . Sie leiten sich vom A m m o n i a k , vom H y d r a z i n und von der S t i c k s t o f f w a s s e r s t o f f s ä u r e ab. Außerdem bildet er noch S a u e r s t o f f - H a l o g e n - V e r b i n d u n g e n des Typus N O X („Nitrosylhalogenide"; N O F , farbloses Gas, Smp. —132.6°, Sdp. —59.9°; NOCI, rotgelbes Gas, Smp. — 61.6°, Sdp. —5.8°; NOBr, schwarzbraune Flüssigkeit, Smp. —56.5°, Sdp. + 1 9 ° ) , des Typus NOüX („Nitrylhalogenide"; N 0 2 F , farbloses Gas, Smp. - 1 6 6 ° , Sdp. - 7 2 . 4 ° ; N0 2 C1, farbloses Gas, Smp. —145°, Sdp. —15.0°) und des Typus NO3X („Nitroxyhalogenide"; N O s F , farbloses Gas, Smp. —175°, Sdp. —45.9°). Sie leiten sich von der s a l p e t r i g e n S ä u r e N O ( O H ) und S a l p e t e r s ä u r e N 0 2 ( 0 H ) durch Ersatz der Hydroxidgruppe bzw. des Wasserstoffatoms durch ein Halogenatom ab. Die Halogen Verbindungen des Typus NX3 lassen sich ganz allgemein durch Einwirkung von — gewöhnlichem oder aktiviertem — H a l o g e n auf A m m o n i a k herstellen: NH, + 3X2 — > N X , + 3 H X . (1) So erhält man Stickstofftrif luorid N F 3 durch Umsetzung von Fluor mit Ammoniak ( N H 9 -f- 3F 2 >N F , -+- 3 H F ) oder durch elektrolytische Zersetzung von geschmolzenem, wasserfreiem A m · moniuinhydrogenfluorid ( F " ν F + Q ; NH, + 6 F 3- N F , + 3 H F ) , Stickstofftrichlorid NC13 durch Einwirkung von Chlorgas auf eine konzentrierte Ammoniumchloridlösung ( N H 3 + 3C12 NC! 3 -f 3 HCl) oder durch Elektrolyse einer gesättigten Ammoniumchloridlösung (ClCl + θ ; N H , + 6C1 >- NC1, + 3 HCl), Stickstofftribromid N B r s (in Form eines Ammoniakats N B r , · 6 N H 3 ) durch Zusammenleiten eines Brom- und Ammoniakstroms bei 100° (>JH, + 3Br 2 >- NBr 3 + 3 H B r ) oder durch Einwirkung einer elektrischen Glimmentladung auf ein Brom-Ammoniak-Gemisch (Br 2 >• 2Br; N H , + 6Br NBr 3 + 3 H B r ) und Stickstofftrijodid N J , (in Form von Ammoniak-Additionsverbindungen wie N J 3 · N H 3 ) durch Einwirkung von Jod auf wässerige oder alkoholische Ammoniaklösungen ( N H 3 -f- 3 J 2 >N J 3 + 3 H J ) oder (in freiem Zustande) durch Überleiten von Ammoniak über Kalium-dibromojodid Κ JBr, ( K J B r , >- K B r + J B r ; N H , -f 3 JBr ν N J 3 + 3 HBr). Physikalische Eigenschaften. S t i c k s t o f f t r i f l u o r i d ist ein farbloses, in Wasser und Kalilauge praktisch unlösliches Gas, welches sich durch starke Abkühlung zu einer klaren, leicht beweglichen Flüssigkeit (Smp. —208.5°, Sdp. —129.0°) verdichten läßt und eine, positive Bildungswärrae von 26 kcal/Mol besitzt. S t i c k s t o f f t r i c h l o r i d s t e l l t ein dunkelgelbos,stechend riechendes, in Schwefelkohlenstoff und Benzol mit gelber Farbe lösliches ö l (Smp. — 91.7°) mit einer stark negativen Bildungswärme ( — 64.7kcal/Mol) dar. S t i c k s t o f f t r i b r o m i d ist bis jetzt noch nicht in freiem Zustande, .sondern nur in Form eines Hexa-ammoniakats N B r , - 6 N H 3 bekannt, eines intensiv roten, in Äther und flüssigem Ammoniak unter Bildung farbloser Lösungen löslichen festen Körpers. S t i c k s t of f t r i j o d i d ist ein schwarzes, festes Produkt mit stark negativer Bildungswärme. Chemische Eigenschaften. Entsprechend seiner positiven Bildungswärine ist das S t i c k s t o f f t r i f l u o r i d , das zum Unterschied vom Ammoniak keinerlei basische Eigenschaften besitzt, nicht besonders reaktionsfähig. Erst bei mehr oder minder starkem Erwärmen reagiert es mit Metallen (ζ. B. Li, Na, K , Cu, Ag, Mg, Ca, Ba, Zn, Cd, Hg, Sn, P b ) und Nichtmetallen (z. B. H j , B, Si, As, Sb) unter Fluoridbildung. Die Reaktion mit Wasserstoff erfolgt bei Zündung durch einen Funken mit scharfem Knall und rötlich-violettem Leuchten:

Der Stickstoff

233

2 N F , + 3 H a — > - N2 + 6 H F . Ebenso setzt beim Entzünden eines Sticketofftrifluorid-Wasserdampf-Gemischs unter bläulicher Flammenerscheinung eine langsame Reaktion ein, die zur Bildung von Fluorwasserstoff und salpetriger Säure (Stickstoffoxid, Stickstoffdioxid und Wasser; vgl. S. 237, 242) führt: X F , ·*· 3 H O H — > N ( 0 H ) 3 +

3HF.

Ganz anders setzt sich das S t i c k s t o f f t r i c h l o r i d mit Wasser um; hier treten die Hydroxidgruppen an das Halogen und die Wasserstoffatome an den Stickstoff, so daß Ammoniak und hypochlorige Säure entstehen (vgl. S. 154): NiCl, -

3 1 1 0 H V·-·: Ν II 3 -f 3 I I 0 C 1 .

Da die Reaktion umkehrbar ist, kann man rückwärts durch Einwirkung von Hypochlorit auf wässerige Ammoniak- oder Ammoniumsalzlösungen Stickstofftrichlorid darstellen. Entsprechend seiner stark negativen Bildungswärme ist das Stickstofftrichlorid viel unbeständiger und reaktionsfähiger als das Stickstofftrifluorid. So explodiert es äußerst heftig beim Erwärmen auf über 90°, bei Erschütterungen oder bei Berührung mit vielen chlorierbaren organischen Substanzen (ζ. B. Terpentinöl, Kautschuk). Mit Chlorwasserstoff reagiert Stickstofftrichlorid in Umkehrung der Bildungsgleichung (1) unter Bildung von Chlor und Ammoniak: NCI, + 3HCl NH 3 + SCI,,, mit Ammoniak unter Bildung von Stickstoff und Chlorwasserstoff: NCI3 + N H S - — > - N ¡ + 3 H C l . Noch reaktionsfähiger ist S t i c k s t o f f t r i b r o m i d , das in Form seines Ammoniakats unter Freiwerden von Ammoniak bereits bei —67° schlagartig in Stickstoff und Brom Wasserstoff (als Ammoniumbromid) übergeht: N B r > + ^ ^ + 3HBr S t i c k s t o f f t r i j o d i d explodiert in trockenem Zustande bereits bei der geringsten Berührung und gehört daher zu den gefährlichsten chemischen Substanzen. Im feuchten Zustande ist es etwas weniger explosiv. Die Halogenverblndungen des Typus NjX entstehen bei der Einwirkung von H a l o g e n oder h y p o h a l o g e n i g e r S ä u r e auf A z i d e : A g N , + J2 ^ J N , + AgJ, NaNg + NaOCl + HÖH — > - C1N3 + 2 N a O H . F l u o r a z i d FN a ist ein gelbgrünes, bei Zimmertemperatur langsam in (NF) 2 (farbloses, stabiles Gas) und N 2 zerfallendes Gas, C h l o r a z i d C1N3 ein farbloses, explosives Gas, Bromazid BrN a eine farblose, explosive Flüssigkeit und J o d a z i d J N S ein farbloser, äußerst explosiver fester Körper.

c) Oxide des Stickstoffs Stickstoff bildet sechs Oxide des Typus N 2 0 n (n = 1, 2, 3, 4, 5 und 6) : N 2 0, (N 2 0 2 ), N 2 0 3 , N 2 0 4 , Naos, N a 0 e , wie aus folgender Tabelle hervorgeht, in der die Verbindungen nach steigender Oxydationszahl des Stickstoffs angeordnet sind 1 : Oxydationszahl

Oxyde der Formel NjO n

— 1 ± + " " + f

0 1 2 3

+- 4

-f 5

+ 53 + 53 1 2

Säuren des Typus Formel . ι Orthoform Metaform.

Salze Hydroxylaraide

_(H3N02) _

Ηi\ 2NO erst bei s e h r t i e f e n T e m p e r a t u r e n nach links, so daß das Oxid bei Z i m m e r t e m p e r a t u r lediglich in Form des einfachen Moleküls NO auftritt. Die Existenz der Verbindung N2Oe und ihres Dissoziationsproduktes NO3 ist noch zweifelhaft. α) Distickstoffoxid Darstellung. Das Distickstoffoxid („Stickoxidul") N 2 0 läßt sich durch Umsetzung von A m m o n i a k und S a l p e t e r s ä u r e — trockenes Erhitzen von festem Ammonium-

nitrat (NH 4 NO S — N H „ + HNO3) — darstellen:

Η , Η+

Λ |

· () .—> Ν = Ν = 0 + 2HjO.

Fl + HO

Man muß dabei Sorge tragen, daß die Temperatur nicht zu hoch steigt, da unter geeigneten Bedingungen ein explosionsartiger Zerfall des Ammoniumnitrats eintreten kann. Physikalische Eigenschaften. Distickstoffoxid ist ein farbloses Gas von schwachem, süßlichem Geruch und läßt sich leicht zu einer Flüssigkeit verdichten, welche bei — 89.5° siedet und bei —102.4° zu weißen Kristallen erstarrt. Da es schwach betäubende Wirkung zeigt, kommt es in verflüssigtem Zustande in Stahlflaschen für Narkosezwecke in den Handel. In geringen Mengen eingeatmet, ruft es einen rauschartigen Zustand und eine krampfhafte Lachlust hervor („Lachgas"). In kaltem Wasser ist es ziemlich löslich: 1 Raumteil Wasser absorbiert bei 0° 1.3052, bei 25° 0.5962 Raumteile N 2 0 ; daher muß man es bei der Darstellung über heißem Wasser oder über einer konzentrierten Kochsalzlösung auffangen. Chemische Eigenschaften. Distickstoffoxid unterhält die Atmung nicht, so daß es bei Narkosen nur bei gleichzeitiger Sauerstoffzufuhr eingeatmet werden darf. Die Verbrennung l e i c h t e n t z ü n d l i c h e r Körper wird dagegen vom Distickstoffoxid unterhalten. So verbrennen ζ. B. P h o s p h o r , K o h l e oder ein glimmender H o l z s p a n darin wie in Sauerstoff; Gemische mit W a s s e r s t o f f explodieren beim Entzünden wie Knallgas, nur etwas schwächer: NjO + H 2 — ^ Ν, + H,0 + 87.8 kcal.

Die Verbrennung ist im allgemeinen schwieriger einzuleiten als beim Sauerstoff 1 , weil Distickstoffoxid bei niedrigen Temperaturen recht beständig — allerdings nur m e t a s t a b i l (N 2 0 N 2 + V A + 19.5 kcal) — ist und erst bei verhältnismäßig hohen Temperaturen zu zerfallen beginnt. Besonders heftig explodieren entzündete Gemische von Distickstoffoxid und A m m o n i a k :

3NjO + 2NH, -—ν 4N, + 3H,0 + 222 kcal. Die K o n s t i t u t i o n des Distickstoffoxids läßt sich durch die beiden mesomeren ElektronenGrenzformeln „ +

: Ν : : : Ν : Ö : - : Ñ : : N : : 0 : (a) " " (b)

zum Ausdruck bringen (S.316f.), die beide die Valenzstrichformel Ν ε Ν = 0 ergeben (vgl. S. 168). Die Verhältnisse liegen hier ganz analog wie im Falle der Stickstoffwassprstoffsäure N = N = N H (S.230f.), deren Formel sich von der des Distickstoffoxids N s N = 0 durch Ersatz des Sauerstoffatoms O durch eine Iminogruppe NH (vgl. S. 437) ableitet. Nach der ersten Elektronenformel (a) leitet eich das Distickstoffoxid vom Stickstoff durch Anlagerang eines Sauerstoffatoms an das Stickstoffmolektil ab: : N : : : N : + 0 : : N : : : N : 0 : . Die oxydierende Wirkung des Di1 Die analytische Unterscheidung \cn K 2 0 und 0 2 kann leicht durch Zugabe von KO erfolgen, da O t mit letzterem braune Dämpfe von NOj liefert, während NaO mit KO nicht reagiert.

Der Stickstoff

235

Stickstoffoxids beruht auf der Umkehrung dieses Vorgangs. Nach der zweiten Formel (bl ist dae Distickstoffoxid mit dem Kohlendioxid :0::C::0: „isoster" (vgl. S. 308). Möglicherweise spielt das kohlendioxid-isostere D i s t i c k s t o f f o x i d N 2 0 beider S t i c k s t o f f assimilation der Pflanzen (S. 64) eine ähnlich bedeutsame Rolle wie das K o h l e n d i o x i d COj im Kreislauf des S a u e r s t o f f s (S. 63f.), indem der Luftstickstoff N2 unter Mitwirkung des von den stickstoff-assimilierfähigen Pflanzen (ζ. B. Leguminosen) erzeugten „Leg-Hämoglobin»" (vgl. S. 627) primär wahrscheinlich zu NäO oxydiert wird, welches dann in den Stickstoffkreislauf eintritt. ß) Stickstoffoxid Darstellung. Verbindung :

Das Stickstoffoxid

(„Stickoxid")

42.1 kcal + N, + Oj

NO ist eine stark 2NO

endotherme (1)

und läßt sich daher nur bei s e h r h o h e r T e m p e r a t u r — der Temperatur des elektrischen Lichtbogens (—• 5000° C) — aus den Elementen erzeugen. Nachstehende Fig. 80 gibt die Auebeuten an Stiokoxid in Vol.-Ύο beim Erhitzen von Luft ( 4 N , + Oj) auf verschiedene Temperaturen wieder1. Wie daraus hervorgeht, befinden sich bei 2000° abs. rund 1 und bei 3000° abs. rund 5 Vol.-°/0 Stickoxid mit Luft im Gleichgewicht. Will man daher Stickoxid in einigermaßen befriedigenden Konzentrationen erhalten, so muß man auf über 3000° abs. erhitzen. Da nun bei solchen hohen Temperaturen die Geschwindigkeit der Einstellung des Gleichgewichts (1) ungeheuer groß ist — vgl. Fig. 81, welche für d'e einzelnen Temperaturen den Logarithmus der Zeit wiedergibt, in welcher eine gegebene Stickoxid-Menge zur Hälfte zerfallen bzw. eine gegebene Stickstoff-Sauerstoff-Menge zur Hälfte in Stickoxid umgewandelt ist („Halbwertszeit"; vgl. S. 676f.) —, wird sich beim Abkühlen des Beaktionsgemischs jeweils in unmeßbar kleiner Zeit das der niedrigeren Temperatur entsprechende ungünstigere Gleichgewicht einstellen. Nur durch „Abschrecken", d. h. Abkühlen mit größerer als der Zerfallsgeschwindigkeit, läßt sich der Zerfall weitgehend vermeiden, da man dann rasoh in Temperaturgebiete gelangt, in denen die Gleichgewichteeinstellung langsam vor sich geht. Unter günstigsten Reaktionsbedingungen läßt sich so die einer Temperatur von 2700° abs. entsprechende Gleichgewichtskonzentration von rund 3 Vol.-% NO erhalten. Bei Temperaturen unter 700° zerfällt Stickoxid als metastabiler Stoff praktisch nicht mehr (Fig. 80). Die Vereinigung von Stickstoff und Sauerstoff zu Stickoxid („Luftverbrennung") war früher ein großtechnisches Verfahren zur Darstellung von Salpetersäure, da man Stickoxid durch Einwirkung von Sauerstoff und Wasser leicht in Salpetersäure überführen kann: 2NO + HjO + l V t 0 2 >- 2HNO,. Die hierfür benutzten Verfahren („BIRKELAN DEYDB-Verfahren", „ScBÖNBBRR-Verfahren", „PAüLtSQ-Verfahren") unterschieden sich voneinander nur durch die Art und Weise, in der eine möglichst kurze, aber innige Berührung der G ase mit dem Flammenbogen und eine schnelle Abschreckung erreicht wurden. Wegen des erheblichen Verbrauchs an elektrischer Energie blieb das Luftverbrennungsverfahren in der Hauptsache auf Länder mit billigen Waeserkräften (Norwegen, Schweiz) beschränkt. Heute ist es auch dort durch das billigere Verfahren der Ammoniakverbrennung (s. unten und S. 239f.) verdrängt worden. LediglToh dae sogenannte „Nitrumverfahren" der Luftverbrennung (S. 240) ist in Deutschland in begrenztem Umfang noch in Betrieb. Die g r o ß t e c h n i s c h e Erzeugung von Stickoxid durch k a t a l y t i s c h e A m m o niak ver brennung: 4NH, + 6 0 j — 4 N O + 6H 2 0 dient der S a l p e t e r s ä u r e g e w i n n u n g und soll daher erst bei der Salpetersäure (S. 239f.) ausführlicher besprochen werden. I m L a b o r a t o r i u m gewinnt man Stickoxid durch R e d u k t i o n von S a l p e t e r S ä U r e :

NOj' + 4H· + 3 θ

NO + 2 H , 0 .

Nach der Spannungsreihe (S. I66ff.) kann diese Reduktion unter den Normalbedingungen von allen Stoffen bewirkt werden, deren Potential n e g a t i v e r als + 0 . 9 5 Volt und — zur Vermeidung von Wasserstoffentwicklung — p o s i t i v e r als OVolt ist. 1 Die auegezogene Kurve in Fig. 80 entspricht den Gleichgewichtskonzentrationen von NO bei den verechiedenen Temperaturen. Rechts der Kurve erfolgt somit zusätzliche NO-Bildung, links der Kurve teilweiser NO-Zerfall bis zur Erreichung der für die betreffende Temperatur gültigen Gleichgewichtskonzentration an NO.

INt

236

6íuppe

Solche Stoffe sind ζ. B . K u p f e r (Cu — ^ Cu" + 2Θ; ε0 = + 0 . 3 5 Volt), Quecksilber (2Hg Hg" + 2 Θ ; ε0 = + 0.79 Volt) und Eisen(II)-salze (Fe" — F e ' " + θ ; ε0 = + 0.77 Volt). Die Umsetzung verdünnter Salpetersäure mit K u p f e r (3Cu + 2 N 0 3 ' + 8H* — > - 2 N O + 3 C u " - f 4 H 2 0 ) ist eine gebräuchliche Stickoxid-Darstellungsmethode des Laborator i u m s . Die Reaktion mit Q u e c k s i l b e r (Schütteln von Quecksilber mit Salpetersäure und konzentrierter Schwefelsäure: 6 H g + 2 N 0 3 ' + 8 H ' 2 N O + 3 H g 2 " + 4 H 2 0 ) dient zur G e h a l t s b e s t i m m u n g von Salpetersäurelösungen (Messung des entwickelten Stickoxidvolumens). Die Umsetzung mit E i s e n ( I I ) - s a l z e n (Unterschichtung eines Gemische von Salpetersäure und Eisen(ll)-suifat mit konzentrierter Schwefelsäure: 3 F e " -f- N O , ' + 4 H " >- NO + 3 F e " ' + 2 H a O ) wird zum q u a l i t a t i v e n N a c h w e i s von Salpetersäure benutzt, da das gebildete

CN t 5 f j :

Zerfalisgeschwindigkeit nimmt ab

j f*~

Ì

NO-Zerfall

VsJahr

ho'

'

%VP

j ' 10°

1Minute

ι

>

S > •s

f

^

/

f ,

/

1/2000

NO-Bilduno

2500°

3000'

Sekunde

3S00'

—ats. Temperaft/r -

Fig. 80. Temperaturabhängigkeit der StickoxidAusbeute bei der Synthese aus Luft S t i c k o x i d mit (s. unten).

2000"

Temperatuf

Fig. 81. Halbwertszeit der Bildung und des Zerfalls von Stickoxid

Eisen(Il)-sulfat eine tief dunkelbraun gefärbte Anlagerungsverbindung

bildet

Physikalische Eigenschaften. Stickoxid ist ein farbloses Gas und zu einer färblosen Flüssigkeit verdichtbar, welche bei —151° siedet und bei —163° erstarrt. In Wasser löst es sich nur wenig (0.07 Raumteile NO in 1 Raumteil Wasser bei 0°). Chemische Eigenschaften. Charakteristisch für Stickoxid ist sein großes Bestreben, sich mit Sauerstoff zu braunem S t i c k s t o f f d i o x i d N0 2 zu verbinden: 2NO + 0 2

2NO¡¡ + 27.1 kcal.

Sobald daher das farblose Stickoxid mit Luft in Berührung kommt, bildet es braune Dämpfe von N 0 2 . Da es sich um eine e x o t h e r m e Reaktion handelt, verschiebt sich das Gleichgewicht mit steigender T e m p e r a t u r nach links. So kommt es, daß Stickoxid oberhalb von 650° nicht mehr mit Sauerstoff in Reaktion tritt (S. 238, 239). Mit Chlor und Brom reagiert Stickoxid unter Bildung von Nitrosylhalogeniden (S. 243f.) : 2 N O + Cl 2 — > • 2NOC1 + 29 kcal. An Metallsalze (z. B. Eisen(II)-sulfat, Kupfer(II)-chlorid) lagert es sich leicht unter Bildung — vielfach gefärbter — lockerer Additionsverbindungen an (vgl. oben): NO + F e S 0 4

[Fe(N0)]S04,

die sich durch Erwärmen wieder rückwärts in Stickoxid und Metallsalz zerlegen lassen (vgl. auch S. 547f.).

Der Stickstoff

237

Durch s t a r k e O x y d a t i o n s m i t t e l , deren Potential in der Spannungsreihe p o s i t i v e r als + 0.95 Volt ist (S. 168) — ζ. B. durch Chromsäure (ε0 = + 1.36 Volt), Permangansäure (ε0 = + 1.52 Volt), hypochlorige Säure (ε0 = + 1.49 Volt) — wird Stickoxid in Umkehrung der Bildungsgleichung (S.235) zu S a l p e t e r s ä u r e oxydiert: NO + 2HzO

N0 3 ' + 4H" + 3 © ·

Von s t a r k e n R e d u k t i o n s m i t t e l n wird es in S t i c k s t o f f oder sogar A m m o n i a k übergeführt. So verbrennen ζ. B. Kohle, Phosphor, Magnesium lebhaft in Stickoxid, und ein Gemisch gleicher Raumteile Stickoxid und Wasserstoff verpufft beim Entzünden. Die Verbrennung s c h w ä c h e r e r Reduktionsmittel (z.B. Schwefel) wird von Stickoxid nicht unterhalten. γ ) Distickstofftrioxid Darstellung. Läßt man K u p f e r (oder ein anderes Reduktionsmittel, ζ. B. Arsentrioxid) nicht auf v e r d ü n n t e , sondern auf k o n z e n t r i e r t e Salpetersäure einwirken, so entsteht an Stelle von S t i c k o x i d NO (S.235f.) S t i c k s t o f f d i o x i d N0 3 , da NO von konzentrierter Salpetersäure zu N 0 2 oxydiert wird. Bei Verwendung von m i t t e l k o n z e n t r i e r t e r Säure entstehen NO und N 0 2 n e b e n e i n a n d e r und vereinigen sich beim Abkühlen zu Distickstofftrioxid („Stickstoffsesquioxid", „Salpetrigsäure-anhydrid ) N 2 0 3 : NQ + + Q 6 kca] (2) Physikalische Eigenschaften. Distickstofftrioxid ist nur bei niedrigen Temperaturen als tiefblaue Flüssigkeit beständig, welche bei —102° zu blaßblauen Kristallen erstarrt. Bereits oberhalb von — 10° zerfällt es in Umkehrung der Bildungsgleichung (2) in NO und N 0 2 , so daß der Dampf bei 25° und Atmosphärendruck nur noch 10°/0 undissoziiertes N 2 0 8 enthält. Chemische Eigenschaften. Die leichte Verschiebbarkeit des Gleichgewichts (2) bedingt, daß ein Gemisch gleicher Raumteile NO und N 0 2 in chemischer Hinsicht wie die Verbindung N 2 0 3 , das Anhydrid der salpetrigen Säure (N 2 0 3 + H 2 0 2HN0 2 ), wirkt. So wird ζ. B. ein solches Gemisch von Lösungen starker Basen glatt unter Bildung von Nitriten (Salzen der salpetrigen Säure) absorbiert: NO + N0 2 + 2NaOH —>- 2NaNO* + Η,Ο, indem das nitritbildende Anhydrid N 2 0 3 nach Maßgabe des Verbrauchs immer wieder gemäß (2) nachgebildet wird. Ebenso entsteht beim Einleiten des Gemischs in Wasser salpetrige Säure (NO + N 0 2 + H 2 0 — ν 2HNO¡¡), die aber schnell zerfällt (S. 242). δ) Stickstoffdioxid. Distickstofftetroxid Darstellung. G r o ß t e c h n i s c h wird Stickstoffdioxid N 0 2 als Zwischenprodukt bei der Salpetersäuredarstellung (S. 239 f.) erzeugt. Im L a b o r a t o r i u m gewinnt man es entweder auf dem Wege über NO (2NO + Oa — 2 N 0 2 ) durch R e d u k t i o n v o n S a l p e t e r s ä u r e (s. S.235 f. und oben) oder — besonders bequem — durch E r h i t z e n von S c h w e r m e t a l l s a l z e n der Salpetersäure, besonders B l e i n i t r a t : Pb(NOa)s •—>- PbO + 2N0 2 + V2Oa. Physikalische Eigenschaften. Stickstoffdioxid ist ein braunrotes, charakteristisch riechendes und stark giftiges Gas, das sich leicht verflüssigen läßt. Die Flüssigkeit ist kurz unterhalb des Siedepunktes (22.4°) rotbraun, wird beim Abkühlen immer heller und schließlich farblos und erstarrt bei —10.2° zu farblosen Kristallen. Erwärmt man umgekehrt das Gas von Zimmertemperatur ausgehend, so nimmt die Intensität der

238

Die Sticks toffgruppo

braunroten Farbe zu. Die Farbänderung rührt daher, daß sich das braune Stickstoffdioxid N 0 2 im Gleichgewicht mit farblosem Distickstoff-tetroxid („Stickstofftetroxid") N,0 4 befindet: 2N0 2 N s 0 4 + 14.7 kcal (3) braun farblos und daß sich das Gleichgewicht (3) entsprechend der p o s i t i v e n Wärmetönung mit s t e i g e n d e r T e m p e r a t u r nach l i n k s , mit f a l l e n d e r T e m p e r a t u r nach r e c h t s verschiebt, und zwar sind bei 27° 20%, bei 50° 40%, bei 100° 89% und bei 135° 99% des N 2 0 4 in N0 2 gespalten. Bei 200° beginnt auch das Stickstoffdioxid zu zerfallen: 2N0 2 2 NO + 0 2 ; bei 650° ist der Zerfall vollständig (S. 236). Chemische Eigenschaften. Wegen der leichten Sauerstoffabgabe ist Stickstoffdioxid ein kräftiges O x y d a t i o n s m i t t e l , das die Verbrennung (z. B. von Kalium, Phosphor, Kohle, Schwefel) viel lebhafter als die vorher besprochenen Stickstoffoxide N a 0 und NO unterhält. N 2 0 4 steht in seiner Zusammensetzung zwischen dem Salpetrigsäure-anhydrid N 2 0 s und dem Salpetersäure-anhydrid N¡0 5 (s. unten) und kann als gemischtes Anhydrid der salpetrigen und Salpetersäure („Nitrosylnitrat" N0N0 3 ) aufgefaßt werden. Dementsprechend reagiert N 2 0 4 (bzw. N0 2 ) mit A l k a l i l a u g e n unter Bildung von N i t r i t und N i t r a t : N204 + 2NaOH — > NaNOj + NaNO, + H 2 0. Auch mit Wasser bildet es salpetrige Säure und Salpetersäure; erstere zersetzt sich dabei aber leicht in Salpetersäure und Stickoxid (S. 242), so daß letzten Endes nur Salpetersäure entsteht (vgl. S. 239): x3 I 2 NO, + HjO HNO, + HNO, 3 HNO» • HNO, + 2 NO + HaO 2NO + O, 2NO, 4 iSO, + 2H a 0 + 0,—>- 4HNO,. e) Distickstoffpentoxid Distickstoff-pentoxid („Stickstoffpentoxid", „Salpetersäure-anhydrid") N2Ob läßt sioh als Anhydrid der Salpetersäure (2 HNO, 7-»- H 2 0 + NsOs) durch Behandeln von S a l p e t e r s ä u r e mit P h o s p h o r p e n t o x i d als wasserentziehendem Mittel (P 2 0 6 + H 2 0 —>- 2HP0 S ) gewinnen und bildet farblose, an der Luft zerfließende Kristalle, welche bei 30° schmelzen. Die Verbindung ist recht unbeständig (Sdp. unter Zersetzung 47°) und zerfällt bei raschem Erhitzen, oft auch bei Zimmertemperatur ohne erkennbaren äußeren Anlaß, explosionsartig. Wie zu erwarten, besitzt sie stark o x y d i e r e n d e E i g e n s c h a f t e n und reagiert mit Wasser unter Salpetersäurebildung.

d) Sauerstoffsäuren des Stickstoffs Stickstoff bildet fünf Sauerstoffsäuren des Typus HJNOb („Orthoform") bzw. HN0 o _, (wasserärmere „Metaform"), wobei η die Werte 1,2, 3,4 und 5 annehmen kann: Hydroxylamin HgNO (S.244f.), hyposalpetrige Säure {Stickstoff (I)säure) HNO (S.244f.,246), salpetrige Säure (Stickstoff (IlIJsäure) H 3 N 0 3 bzw. H N 0 2 (S. 242f.), Salpetersäure (Stickstoff (V) säure) HgNO^zw. I£N03{S.23QÎî.)imdPeroxosalpetersâure(Peroxo-sticksioff(V)säure) HNO« (vgl. Tabelle auf S. 233). Die Orthoform der salpetrigen und der Salpetersäure ist nur in Form von Salzen (ζ. B. Na^NOg und Na¿N0 4 ) beständig; die freien Säuren gehen unter Waeserabspaltung in die Metasäuren über: N(OH)„ NO(OH) und NO(OH) s NOj(OH). Beim Phosphor, dem höheren Homologen des Stickstoffs in der 6. Gruppe des Periodensystems, sind Ortho- und Metaform beide beständig; dort wird näher auif die Bindungsverhältnisse der einzelnen Säuren eingegangen (S. 263ff., 268f.).

Der Stickstoff

239

Weiterhin bildet der Stickstoff noch eine — nur in Form von Salzen bekannte — Säure der Zusammensetzung H ^ O g (Stickstoff (Il)säure; „Nitroxylsäure") sowie eine mit der Salpetersäure isomere, unbeständige „peroxosalpetrige Säure" (Peroxo-stickstoff(III)säure) H N 0 2 · 0. +1

+2

+3

+4

+5

Die Oxide N 2 0, NO, N 2 0 s , NOa und N 2 0 6 entsprechen in ihren Oxydationsstufen den Säuren H N O , H j N O j j , H N 0 2 , H N O a / H N O s und H N O s . Jedoch kann man nur und N a 0 „ als wahre Säure-anhydride bezeichnen ; die übrigen Oxide ergeben mit Wasser nicht die ihrer Oxydationsstufe entsprechenden Säuren.

N20s, Nog

α) S a l p e t e r s ä u r e Darstellung Die t e c h n i s c h e Darstellung von Salpetersäure kann nach drei Verfahren erfolgen: 1. durch k a t a l y t i s c h e Ammoniakverbrennung, 2. durch L u f t v e r b r e n n u n g , 3. durch Umsetzung von Chilesalpeter mit Schwefelsäure. Von diesen Verfahren wird in Deutschland großtechnisch fast ausschließlich das erste durchgeführt. Katalytische Ammoniakverbrennung. Zur Darstellung von Salpetersäure nach dem VerPlatinnetz fahren der k a t a l y t i s c h e n Ammoniakverbrennung („OsTWALD-Yerfahren") wird Ammoniak mit überschüssiger Luft bei 600° k a t a l y t i s o h zu S t i o k o x i d verbrannt: 4NH, + 5 0 j —>- 4NO + 6H»0 + 279 koal, (4) wobei sich das Stickoxid während der Abkühlung (vgl. S. 236, 238) der Verbrennungsgase mit noch vorhandenem Sauerstoff zu S t i c k s t o f f d i o x i d NO» vereinigt: !=—NH, LuftNO + 7,0» —>- NO2) welches in Bieseltürmen durch Zufuhr von Fig. 82. Ammoniak-Verbrennungeelement Luft und Wasser unter teilweiser Zwischen- zur Stiokoxidgewinnung mit Platinnetz· Katalysator bildung von salpetriger Säure (S. 238) in eine 40—50%ige S a l p e t e r s ä u r e übergeLuft+NH3 führt wird: 2NO. V.o, -v 2 HNO, Zur Erzielung einer guten Ausbeute an Stickoxid ist es erforderlich, das Ammoniak - LuftGemisch nur s e h r k u r z e Z e i t 7 i o o o Sekunde) mit dem Katalysator in Berührung zu lassen, da sonst das — bei 600° ja nicht stabile, sondern nur metastabile (S. 236 und Fig. 80, S. 236) — Stickoxid katalytisch in S t i c k s t o f f und S a u e r s t o f f zerfällt (2NO >• N a + O, + 42.1 kcal).

-Schamottebrodten

Eine solche kurze Berührungszeit wird besonders einfach durch Anwendung eines Netzkotalyaotor» ermöglicht. Fig. 82 gibt ein auf diesem Prinzip beruhendes „Ammoniak-Verbrennungsdement" für kleinere Leistungen wieder. Bei diesem ist zwischen zwei konischen Aluminiumteilen ein feinmaschiges Fig. 83. Ammoniak-Verbrennungsofen zur P l a t i n - oder P l a t i n - R h o d i u m n e t z (3600 Ma- Stiokoxidgewinnung mit Eisen-Wismutschen je cm 9 ; Drahtstärke 0.05 mm) eingespannt, oxid-Katalysator

240

Die Stickstoffgruppe

durch welches das Ammoniak-Luft-Gemisch mit großer Geschwindigkeit geleitet wird. Größeie Anlagen arbeiten mit mehreren übereinander angeordneten Drahtnetzen je Verbrennungselement. Ein anderes, nur vereinzelt angewandtes Verfahren benutzt an Stelle des P l a t i n s ein körniges, mit W i s m u t o x i d versetztes E i s e n o x i d als Katalysator. Der hierbei verwendete Kontaktofen (Fig. 83) weist im Innern zwei durchlochte Zwischenböden auf, von denen der obere nur zur gleichmäßigen Verteilung des oben einströmenden, auf 250 — 350° vorgewärmten AmmoniakLuft-Gemischs dient, während der untere ( ~ 1 5 m 2 Fläche) mit einer etwa 10—15 cm hohen, auf groben Schamottebrocken ruhenden Kontaktschicht bedeckt ist. ..Luff Konzentriertere als 40—50% ig 6 — bis 66°/ 0 'ge — Sal.. kreisender petersäurelösungen lassen sich erzielen, wenn man das AmFfemmerrr/ng moniak nicht mit L u f t , sondern mit S a u e r s t o f f ver- - Gasab/e/fvng brennt oder bei 5 Atmosphären D r u c k arbeitet. Luftverbrennung. Unter den Verfahren der LuftverbrenOfenu/and nung im Lichtbogen (vgl. S. 235) ist zur Zeit nur noch das „Νitrum-V erfahren" in Betrieb. Bei diesem wird in E/e/rfrode Luftt einem feuerfesten, runden Ofen (Fig. 84) die zu verbrennende Luft durch drei seitliche Düsen t a n g e n t i a l einFig. 84. Stickoxid-synthese aus geblasen, so daß beim Einschalten des elektrischen Strome Luft nach dem Nitrum -Verfahren der zwischen den drei Elektroden übergehende Flammenbogen die Form eines z i r k u l i e r e n d e n F l a m m e n r i n g e s annimmt. Der Flammenwirbel bewegt sich kreisend vom Rande nach der Mitte zu, und die stick oxydhaltigen Gase gehen im Zentrum des Ofens ab, um hier sofort a b g e s c h r e c k t zu werden. Umsetzung von Chilesalpeter mit Schweîelsâure. Die Umsetzung von N a t r i u m n i t r a t mit Sohwefeleäure: NaN0 3 + H 2 S0 4 — N a H S 0 4 + H N 0 3 , die bis zum Anfang dieses Jahrhunderts fast ausschließlich zur Salpetersäuregewinnung benutzt wurde, spielt in Deutschland heute keine Rolle mehr.

Physikalische Eigenschaften Erhitzt man eine Salpetersäurelösimg, so konzentriert sie sich, da der entweichende Dampf prozentual mehr Wasser als die Lösung enthält. Mit steigender Temperatur nimmt der relative Gehalt des Dampfes an Salpetersäure zu, bis schließlich bei 121.8° Dampf und Lösung die gleiche Konzentration von 69.2% HNO a aufweisen, so daß von hier ab der Salpetersäuregehalt der Lösung konstant bleibt. Man nennt diese Säure „konzentrierte Salpetersäure" (spez. Gewicht 1.410). Durch Vakuumdestillation mit konzentrierter Schwefelsäure als wasserbindendem Mittel läßt sich die konzentrierte Säure in wasserfreie Salpetersäure überführen. Die r e i n e , w a s s e r f r e i e S a l p e t e r s ä u r e ist eine farblose Flüssigkeit vom spezifischen Gewicht 1.522, die bei — 41.1° zu schneeweißen Kristallen erstarrt und bei 84° siedet. Beim Sieden — im Licht auch schon bei Zimmertemperatur — erfolgt teilweise Zersetzung unter Bildung von Stickstoffdioxid: 2HNO s — » - H 2 0 + 2NO s + 7 2 0 2 .

Das Stickstoffdioxid bleibt in der Salpetersäure gelöst und färbt sie gelb, bei größerer Konzentration rot. Man nennt die so entstehende, an der Luft rotbraune Dämpfe ausstoßende Lösung „rote rauchende Salpetersäure". Chemische Eigenschaften Chemisch ist die Salpetersäure charakterisiert durch ihre o x y d i e r e n d e n und ihre s a u r e n Eigenschaften. Die oxydierenden Eigenschaften treten vor allem in der k o n z e n t r i e r t e n , die sauren in der v e r d ü n n t e n Säure hervor. Wie schon auf S. 235f. erwähnt, kann die Salpetersäure unter den Normalbedingungen gegenüber allen Stoffen als O x y d a t i o n s m i t t e l gemäß N0 3 ' f 4 H ' + 3 θ

NO + 2HjO

wirken, deren Oxydationspotential negativer als + 0.95 Volt ist. So kommt es, daß z . B . K u p f e r (ε0 = + 0 . 3 5 Volt), S i l b e r (ε0 = + 0.81 Volt) und Q u e c k s i l b e r (ε 0 =

241

Der Stiokstoff

+ 0.79 Volt) von Salpetersäure unter Stickoxidentwicklung gelöst werden (S. 236), während ζ. B. G o l d (ε0 = + 1 . 4 2 Volt) und P l a t i n (ε0 = + 1 . 6 0 Volt) nicht angegriffen werden. Unter dem Namen „Scheidewasser" benutzt man daher die Salpetersäure zur Trennung von Gold und S i l b e r . S c h w e f e l wird von Salpetersäure zu Schwefelsäure, P h o s p h o r zu Phosphorsäure oxydiert. Besonders stark oxydierend wirkt ein Gemisch von konzentrierter S a l p e t e r s ä u r e und konzentrierter S a l z s ä u r e (1: 3 Raumteile), da es aktives Chlor entwickelt: HNO, + 3HCl — N O C I + 2C1 + 2 H , 0 .

Es löst fast alle Metalle, auch den „König der Metalle" — das Gold — auf und heißt daher „Königswasser" {„aqua regia"). Eigentümlicherweise werden eine Reihe u n e d l e r M e t a l l e (wie Aluminium,Chrom, Eisen) von konzentrierter Salpetersäure n i c h t a n g e g r i f f e n (vgl. S. 383, 507f., 533f.). Man erklärt diese Erscheinung („Passivierung") durch die Bildung einer äußerst dünnen, zusammenhängenden O x i d h a u t , die das darunterliegende Metall vor weiterem Angriff der oxydierenden Säure schützt (vgl. S. 172). Als S ä u r e gehört Salpetersäure zu den starken Säuren, da sie in verdünnten Lösungen praktisch quantitativ in Form von Ionen vorliegt : H N 0 3 + H 2 0 '^zh. H s O' + NO a '. Mit abnehmendem Wassergehalt der Lösung verschiebt sich das Säuregleichgewicht nach links, entsprechend einer Zunahme der Konzentration an undissoziierter Salpetersäure. In der wasserfreien Salpetersäure findet teilweise eine der Ionenbildung in Wasser analoge schwache Ionenbildung nach H N O g + H N O s H 2 N0 3 ' + N 0 3 ' statt 1 . Das Kation H 2 N0 3 ' heißt „Nitratacidium-Ion" und wird ganz allgemein gebildet, wenn Salpetersäure mit starken Säuren zusammengebracht wird (HN0 3 + H 2 S 0 4 ~ ^ HjjNOg· + HSO,' ; HNO s + HC10 f ^ H 2 N ( y + C104'). J e stärker dabei die zugegebene Säure ist, desto weiter liegt das Gleichgewicht auf der rechten Seite ; so ist ζ. B. das N i t r a t a c i d i u m - p e r c h l o r a t als solches isolierbar. Die S a l z e der Salpetersäure (Nitrate; nitrogenium — Stickstoff) lassen sich durch Umsetzung von S a l p e t e r s ä u r e mit den entsprechenden H y d r o x i d e n oder C a r b o n a t e n darstellen (2HN0 3 + Na 2 C0 3 —>- 2NaNO s + H a O + C0 2 ; H N 0 3 + K O H — > K N 0 3 + H 2 0) und sind alle in Wasser leicht löslich. Beim Erhitzen zersetzen sie sich unter Sauerstoffabspaltung. Die A l k a l i n i t r a t e gehen dabei in N i t r i t e : KNO, —>- KNOj + V*0„ die S c h w e r m e t a l l n i t r a t e unter gleichzeitiger Stickstoffdioxidbildung (vgl. S. 237) in O x i d e über: „ . ^ „ _ 0.Tri _ Hg(N0 8 ) 2

>- HgO + 2 NO, + V»0,.

Wegen dieser leichten Sauerstoffabgabe sind die Nitrate bei erhöhter Temperatur ausgezeichnete O x y d a t i o n s m i t t e l . I n w ä s s e r i g e r L ö s u n g wirken sie nur gegenüber s t a r k e n R e d u k t i o n s m i t t e l n (ζ. B. naszierendem Wasserstoff) oxydierend. Dabei können sie bis zu A m m o n i a k reduziert werden, wovon man in der analytischen Chemie sowohl zum q u a l i t a t i v e n N a c h w e i s als auch zur q u a n t i t a t i v e n Bes t i m m u n g von Nitraten Gebrauch macht. Erhitzt man N a t r i u m n i t r a t NaNO s längere Zeit mit N a t r i u m o x i d auf 340°, so geht es in Orthonitrat über : NaNO, + N a , 0 — > - Na,N0 4 .

Die diesem Orthonitrat zugrunde liegende Orthosalpetersäure H 3 N0 4 ist nicht beständig, sondern geht unter Wasserabspaltung in die normale (Meta-)Salpetersäure über: 1 Das mit der K o h l e n s ä u r e H,C0 3 isoetere N i t r a t a c i d i u m - i o n H,N0 3 ° zerfällt wie jene (S. 305) weitgehend unter Bildung des A n h y d r i d s (H2N03" -> H , 0 4- NO,'). Die so verursachte Verschiebung des obigen Dissoziationsgleichgewichts nach rechts bedingt dann die verhältnismäßig hohe elektrische Leitfähigkeit der wasserfreien Salpetersäure.

Holleman-Wlberg, Anorganische Chemie. 47.—5β. ΑπΛ



242

Die Stiekstoffgruppe

H 3 N0 4 —>• H 2 0 + HNOj. Durch Wasser wird das Orthonitrat hydrolytisch zu normalem (Meta-)Nitrat zersetzt : Na3N04 + 2H0H —>• 2NaOH + NaH2N04 — N a N 0 3 + H 2 0. Auch das N a t r i u m n i t r i t NaN02 bildet beim Erhitzen mit Natriumoxid

ein O r t h o s a l z :

NaN0 2 + Na 2 0 —>- Na 3 N0 3 .

Es ist zum Unterschied vom weißen Orthonitrat gelb. ß) Salpetrige Säure

Darstellung. Salpetrige Säure ist nur in verdünnten, kalten, wässerigen Lösungen und in Form ihrer Salze, der Nitrite, beständig. Diese Nitrite lassen sich entweder durch Einleiten eines äquimolekularen Gemischs von NO und N0 2 in Lauge (vgl. S. 237) :

N 2 0 3 + 2NaOH — 2 N a N O a + H 2 0

oder durch Erhitzen von Nitraten (S. 241) — zweckmäßig bei Gegenwart eines schwachen Reduktionsmittels wie Blei — : NaNO a + P b " ^ N a N 0 * + p b 0 darstellen. Fügt man zu einer sehr verdünnten, kalten Nitritlösung die äquivalente Menge Säure hinzu, so entsteht eine verdünnte Lösung freier salpetriger Säure:

NaN0 2 + >J2S04

>- NaHS0 4 + HN0 2 .

Eigenschaften. Beim Erwärmen — langsam auch schon bei Zimmertemperatur — und beim Konzentrieren zersetzt sich die salpetrige Säure in wässeriger Lösung leicht unter Disproportionierung in Salpetersäure und S t i c k o x i d (2HN0 2 H 2 0 + NO + N0 2 ; 2N0 2 + H 2 0 - > HN0 2 + HN0 3 ) : 3HN0 2 -^sL· HNO,, + 2 NO + H„0.

Entsprechend diesem leichten Übergang in eine höhere und eine tiefere Oxydationsstufe wirkt salpetrige Säure sowohl als Reduktions- wie als Oxydationsmittel. Als R e d u k t i o n s m i t t e l (N0 2 + H2Q N0 3 + 2H' + 2 Θ) tritt sie gegenüber starken Oxydationsmitteln wie Permanganat (Mn04 + 8H" + 5 θ ~~ Mn" + 4H 2 0) oder Bleidioxid (Pb0 2 + 4H" + 2 θ Pb" + 2H 2 0) auf. Man benutzt die Reaktion mit Permanganat, um den Gehalt verdünnter Lösungen von salpetriger Säure maßanalaytisch zu bestimmen. Als Oxydationsmittel (N0 2 + 2H' + θ —*NO + H 2 0) oxydiert salpetrige Säure beispielsweise Jodide (2J' J 2 + 2 Θ) und Eisen(Il)-salze (Fe" Fe'" % Θ)· S t a r k e R e d u k t i o n s m i t t e l (ζ. B. Natriumamalgam, kathodische Reduktion) führen die salpetrige Säure über die Oxydationsstufe +2

+1

+1

desNO hinaus in Distiokstoffoxid N 2 0, untersalpetrige Säure H 2 N 2 0 2 , Hy- 1

_

-3

droxylamin NHaOH oder Ammoniak NHa über. Als Säure zählt die salpetrige Säure zu den mittelstarken bis schwachen Säuren (K = 4.5 xlO- 4 ). Die wässerigen Lösungen ihrer Salze enthalten daher infolge Hydrolyse freie salpetrige Säure und sind infolgedessen wenig haltbar. Bis auf das in kaltem Wasser nur mäßig lösliche gelbe, kristalline Silbernitrit AgNOa sind die Nitrite (man kennt außer dem Silbersalz bis jetzt nur Alkali- und Erdalkalinitrite) in Wasser alle leicht löslich. Beim Übergießen von Nitriten mit starker Schwefelsäure entweichen braune Dämpfe von N0 2 (NaN02 + H 2 S0 4 —>- NaHS0 4 + HN0 2 ; 2HN0 2 " H , ° > N 2 0 3 —>- NO + N0 2 ). Hierdurch unterscheiden sich Nitrite von Nitraten. Die Konstitution der N i t r i t e ist eindeutig: £ O : : N: 0 : J

(vgl. allerdings Anm. 2, S. 318).

Dagegen kann die freie salpetrige Säure in zwei tautomeren Formen vorliegen, da das Proton H + einmal am Stickstoff und einmal am Sauerstoff (überwiegende Form) sitzen kann:

Η

Ö::N:Ö:H

Ü::N:Ö:.

243

Der Sticktoff

Dementsprechend leiten sich von der salpetrigen Säure — ähnlich wie bei der schwefligen Säure (S. 204f.) — zwei Reihen organischer Derivate ab: „Salpetrigsäureesler" ON(OR) und „Nitroverbindungen" R· N0 2 . Bei der S a l p e t e r s ä u r e , bei der das im Molekül der salpetrigen Säure vorhandene freie Elektronenpaar am Stickstoff mit einem Sauerstoff atom besetzt ist:

Ö : : Ν : 6: Η , besteht diese Tautomeriemöglichkeit nicht (vgl. Anmerkung 2, S. 318).

Nitrosylverbindungen. Die salpetrige Säure bildet mit einer Reihe anderer Säuren g e m i s c h t e A n h y d r i d e : ONj OH + H|X —>- ONX, welche man als Nitrosylverbindungen bezeichnet, da die einwertige NO-Gruppe Nitrosylgruppe genannt wird. Erwähnenswert sind das N i t r o s y l h y d r o g e n s u l f a t („Nitrosylschwefelsäure") und das Nitrosylchlorid. Nürosylhydrogensulfat (vgl. S. 547) kann aus s a l p e t r i g e r S ä u r e und S c h w e f e l s ä u r e oder aus S a l p e t e r s ä u r e und s c h w e f l i g e r S ä u r e gewonnen werden: / 0 : H + H0:N0

κ0Ν0

ή 0

\OH OH Schwefelsäure

, Η-

h o

\nn \0H salpetrige Säure

Nitrosylhydrogenaulfat

HO N0 2

ΝX ) H schweflige Säure

Salpeters&ure

Die Reaktion muß unter möglichstem Ausschluß von W a s s e r durchgeführt werden, da das Nitrosylhydrogensulfat durch Wasser augenblicklich in S c h w e f e l s ä u r e und s a l p e t r i g e S ä u r e rückzerlegt wird: HS0 4 iÑ0 + HOjH — ν

H 2 S0 4 + HNOj.

(5)

Daher leitet man zur Darstellung entweder Salpetrigsäure-anhydrid in konzent r i e r t e Schwefelsäure oder Schwefligsäure-anhydrid in k o n z e n t r i e r t e Salpetersäure. Als gemischtes Anhydrid der salpetrigen und Salpetersäure (2N0 2 + H 2 0 z^zii HN0 2 + HN0 3 ) gibt auch das S t i c k s t o f f d i o x i d N0 2 sowohl mit S c h w e f e l - wie mit s c h w e f l i g e r S ä u r e Nitrosylhydrogensulfat wobei im ersten Fall außerdem S a l p e t e r s ä u r e , im letzteren Fall s a l p e t r i g e S ä u r e auftritt: 2 N 0 2 + H 2 0 + S 0 3 — > - HS0 4 · NO + HNO, 2NO t + HjO + S0 2 —>• HS0 4 · NO + HN0 2 .

(6) (7)

Die Reaktion (7) spielt sich bei W a s s e r m a n g e l in den B l e i k a m m e r n der Schwefelsäurefabriken ab, wobei sich das Nitrosylhydrogensulfat in Form blättriger, weißer, oberhalb 50° schmelzender Kristalle (,,Bleikammerkristalle") abscheidet; bei genügender W a s s e r m e n g e bleibt die Verbindung nicht erhalten, da sie sich gemäß (5) zersetzt, so daß Schwefelsäure entsteht (S. 208). Die Reaktion (6) geht bei der Schwefelsäurefabrikation im GAY-LussAC-Turm vor sich; das gebildete Nitrosylhydrogensulfat wird dabei von überschüssiger konzentrierter Schwefelsäure zu „nitroser Säure" {„Nitrose") gelöst (S.208). Im G l o v e r t u r m (S. 208) wird das gelöste Nitrosylhydrogensulfat durch schweflige Säure in S c h w e f e l s ä u r e und S t i c k o x i d umgewandelt : +β +ί +4 +e +2 2 H S 0 4 · NO + 2HjO + SOj

>- 3H 2 S0 4 + 2 N 0 .

Nitrosylchlorid ist das Anhydrid der salpetrigen und Salzsäure : ONjOH +

Btjci

ONCI + H 2 0

und wird durch Wasser leicht wieder rückwärts zu s a l p e t r i g e r und S a l z s ä u r e zersetzt. Dementsprechend muß man die Darstellung bei Ausschluß von W a s s e r (Einleiten von Chlorwasserstoffgas in flüssiges N 2 0 3 bei Gegenwart von Phosphorpentoxid als wasserbindendem Mittel) vornehmen : N s O, + 2HCl — ν 2NOCI + Η,O.

1β»

Die S ticks toffgroppe

244

Nitrosylchlorid ist ein rotbraunes Gas und läßt sich leicht zu einer gelbroten Flüssigkeit verdichten, welche bei —5.8° siedet und bei —61° zu gelben Kristallen erstarrt. Beim E r h i t z e n auf über 700° zerfällt es in S t i c k o x i d und C h l o r : 14.4 kcal + NOCI

NO + 7,01,.

Umgekehrt kann Nitrosylchlorid bei t i e f e r e n T e m p e r a t u r e n aus Stickoxid und Chlor gewonnen werden. γ ) Hydroxylamin Darstellung. Die Darstellung des Hydroxylatnins NH 2 OH (HgNO) erfolgt zweckmäßig durch R e d u k t i o n h ö h e r e r O x y d a t i o n s s t u f e n des Stickstoffs. So kann man z . B . die S a l p e t e r s ä u r e mit Hilfe des e l e k t r i s c h e n S t r o m s kathodisch zu H y d r o x y l a m i n reduzieren; schematisch: H s N 0 4 + 6H- + 6 θ — H

3

N 0 + 3H a O.

Als Elektrolyten benutzt man hierbei zweckmäßig eine Lösung von Salpetersäure in 50°/0iger Schwefelsäure, als Kathode eine Elektrode aus amalgamiertem Blei. Zur Reduktion der s a l p e t r i g e n S ä u r e eignet sich besonders die s c h w e f l i g e S ä u r e ; schematisch: h ¡ I N O 8 + 2 H 2 S O s — H 3 N O + 2 H s S 0 4 . Nach R A S C H I G verfährt man hierbei so, daß man konzentrierte Lösungen von N a t r i u m n i t r i t und N a t r i u m b i s u l f i t im Molverhältnis 1 : 2 zusammengibt. Als Zwischenprodukt tritt Natrium-hyclroxylamin-bis-sulfat N(S0 3 Na) 2 0H auf (S. 249), das in der Wärme durch Säuren in H y d r o x y l a m i n und H y d r o g e n s u l f a t gespalten wird. In beiden Fällen erhält man nicht das f r e i e H y d r o x y l a m i n , sondern S a l z e des Typus NHjOH · H X (HX = Säure). Die f r e i e Base ΝΗ,ΟΗ gewinnt man aus diesen Salzen durch Zugabe einer die Säure bindenden s t a r k e n Base. Nach L O B R Y DE B R U Y N (der im Jahre 1 8 9 1 erstmals das freie Hydroxylamin darstellte) verwendet man als Base zweckmäßig N a t r i u m m e t h y l a t NaOR (R = CH3) in m e t h y l a l k o h o l i s c h e r Lösung: ΝΗ,ΟΗ · HX + NaOR -* ΝΗ,ΟΗ + NaX + HÖR. Es scheidet sich dann das Natriumsalz der Säure HX aus, welches abfiltriert wird, worauf man den gleichzeitig gebildeten leichtflüchtigen Methylalkohol HÖR unter vermindertem Druck abdestilliert. Das hinterbleibende freie Hydroxylamin kann anschließend durch Vakuumdestillation rein erhalten werden. Da die Gewinnung der freien Base wegen der E x p l o s i o n s n e i g u n g des Hydroxylamins nicht gefahrlos ist, stellt man gewöhnlich aber nur die S a l z e her.

Eigenschaften. Reines Hydroxylamin kristallisiert in langen, dünnen, geruchlosen, durchsichtigen, farblosen Kristallen, die bei 33.1° schmelzen. Der Siedepunkt des flüssigen Hydroxylamins beträgt bei 22 mm Quecksilberdruck 56.5°. Hydroxylamin ist nur in vollkommen reinem Zustande einige Zeit haltbar. Unter gewöhnlichen Bedingungen z e r s e t z t es sich leicht, namentlich bei geringer E r w ä r m u η g. Gleiches gilt für die w ä s s e r i g e L ö s u n g . Und zwar geht Hydroxylamin in a 1 k a l i s c h e r Lösung vorwiegend in Ammoniak und S t i c k s t o f f (8), in s a u r e r Lösung hauptsächlich in Ammoniak und D i s t i c k s t o f f o x i d über (9): -1 -3 +0 3 ΝΗ,ΟΗ *• N H j + Ñ , + 3 H , 0 (alkalisoh) (8) -1 -3 +1 4 ΝΗ,ΟΗ —=·>- 2 N H 8 + N j O + 3 H , 0 (sauer). (9) Der Zerfall wird in beiden Fällen durch eine Disproportionierung des Hydroxylamins in Amm o n i a k NH a und D i h y d r o x y l a m i n 1 NH(OH), („hyposalpetrige Säure"; Metaform : HNO) bedingt: - l

- 8

+1

2NH,OH —>- NH, + NH(OH)„

(10)

welch letzteres in a l k a l i s c h e r Lösung mit überschüssigem H y d r o x y l a m i n unter Bildung von S t i c k s t o f f (11), in s a u r e r Lösung (in welcher das Hydroxylamin als Hydroxylammonium-ion 1

In geringem Maße vermag sich das Dihydroxylamin weiter in Hydroxylamin und salpetrige Säure zu disproportionieren: 2NH(OH), >• ΝΗ,ΟΗ + N(OH),.

Der Stickstoff

245

NHjOH' vorliegt und daher dem Angriff des Dihydroxylamins entzogen ist) mit sich s e l b s t unter Bildung von D i s t i o k s t o f f o x i d reagiert1 (12): NH(OH) 2 + NHjOH — > - N 2 + 3 H 2 0 (11) NH(OH) 2 + NH(OH) 2 — > - N 2 0 + 3H 2 0. (12) Die Disproportionierungsgleichung (10) folgt aus der Reaktion alkalischer Hydroxylaminlösungen mit komplexen Metallcyaniden, bei welcher unter Entbindung einer äquivalenten Menge N H , das NH(OH) ä als NO' (HN(OH) 8 ~ h , 0 >· HNO NO') in die Komplexe eingebaut wird (vgl. S.648).

Oberhalb von 100° erfolgt die Zersetzung des reinen Hydroxylamins e x p l o s i o n s a r t i g . Dagegen sind die S a l z e des Hydroxylamins ziemlich beständig. Beim trockenen Erhitzen zersetzen sich allerdings auch sie unter Disproportionierung in Ammoniak (als Ammoniumsalz) und Stickstoff. Nach der Elektronentheorie der Valenz kann man dem Hydroxylamin keine eindeutige K o n s t i t u t i o n s f o r m e l zuweisen. Wahrscheinlich liegt eine T a u t o m e r i e der beiden Formeln H H Η: Ν:

ν

:Ο:

Η : Ν :Η :Ο:

Η (I)

(Π)

vor, wonach das Hydroxylamin sowohl als Hydroxylderivat des Ammoniaks (NH s OH) wie als Oxid des Ammoniaks'(NHjO) aufzufassen ist.

Als Hydroxylderivat des Ammoniaks bildet Hydroxylamin mit Säuren S a l z e , die man in Analogie zu den Ammoniumsalzen „Hydroxylammoniumsalze" nennt: NHjOH + HCl —>• [NHjOH]C1 NH S + HCl — > - [NH4]C1

vgl.

2NH 2 OH + H 2 S 0 4 2 N H , + H 2 S0 4 — ν

[NH,0H]2S04 [NH 4 ] t S0 4 .

Da Hydroxylamin w e n i g e r b a s i s o h als Ammoniak ist, reagieren die Hydroxylammoniumsalze in wässeriger Lösimg s t ä r k e r s a u e r als die Ammoniumsalze. Der s a u r e Charakter des Hydroxylamins ist nur s e h r s c h w a c h ausgeprägt. Immerhin gelingt es, durch Einwirkung von Natriummetall ein S a l z N a N H 2 0 darzustellen, das dem Natriumnitrit NaN0 2 entspricht, von dem es sich durch Ersatz eines Sauerstoffatoms durch zwei Wasserstoffatome ableitet. Hydroxylamin zeigt große Neigung, in eine höhere Oxydationsstufe überzugehen, und wirkt daher als starkes R e d u k t i o n s m i t t e l . So werden ζ. B. Küpfer(II)-salze zu Kupfer(I)-salzen, Quecksilber(I)- und Silber(I)-salze zu Metall reduziert. Als Oxydationsprodukt des Hydroxylamins entsteht dabei in der Hauptsache S t i c k s t o f f . Andere Oxydationsmittel (H 2 0 2 , KMn0 4 , NaOCl, J 2 ) oxydieren je nach den Bedin+ 1

+2

+3

+5

gungen zu N 2 0, NO, H N 0 2 oder HNO a . Erwähnt sei die Oxydation durch s a l p e t r i g e S ä u r e . Sie führt beim A m m o n i a k (a), wie auf S. 61 erwähnt, zu Stickstoff, beim H y d r o x y l a m i n (b) — das gegenüber dem Ammoniak noch ein Sauerstoffatom je Molekül enthält — zu D i s t i o k s t o f f o x i d ; die Reaktion ist der Distickstoffoxidbildung aus A m m o n i a k und S a l p e t e r s ä u r e (S. 234) analog (c): 0

Hk H;-^N - > N = N ÖH""""HK (a)

JO Hk Nfj H¡-)NO ¡ÖHHK (b)

N=NO

JO Hk ONf i Hí-)n ->- ON=N. ¡ÖHHK (c)

Gegenüber starken Reduktionsmitteln wirkt Hydroxylamin als O x y d a t i o n s m i t t e l . So reduzieren ζ. B. Zinn(II)-, Vanadin(II)- und Chrom(II)-salze das Hydroxylamin zu Ammoniak. 1 Auch in a l k a l i s c h e r Lösung reagiert ein Teil des Dihydroxylamins 10%) gemäß (12) unter Bildung der Oxydationsstufe des Distickstoffoxids, hier in Form von H y p o n i t r i t : 2NH(UH), >- HjNJOJ + 2 H , 0 .

246

Die Stickstoffgruppe

δ) Hyposalpetrige Säure Die hyposalpetrige Säure kommt in zwei verschiedenen Formen, nämlich als monomere Verbindung HNO (Stickstoff(I)säure·, „Nitroxylwasserstoffsäure") und als dimere Verbindung (HNO)j (Distickstofff 1) säure, „hyposalpetrige Säure" im engeren Sinne) vor 1 . Beide werden durch R e d u k t i o n h ö h e r e r O x y d a t i o n s s t u f e n des Stickstoffs gewonnen. Hyposalpetrige Säure ΗΧΟ. Läßt man a t o m a r e n W a s s e r s t o f f bei der Temperatur der flüssigen Luft auf S t i c k o x i d einwirken, so scheidet sich an den Wänden des Reaktionsgefäßes die Verbindung HNO als hellgelber, durchscheinender Überzug ab: H + NO — > - HNO. Bei Entfernung der Kühlung beginnt sich die Substanz bereits bei —96° zu zersetzen, wobei in der Hauptsache h y p o s a l p e t r i g e S ä u r e (HNO)2 (80%), daneben D i s t i c k s t o f f o x i d NaO (20%) gebildet wird: 2 HNO — > - (HNO)2 2 HNO —5«- HaO + N 2 0 . Die Salze der Säure HNO („Nitrate/1) ", „Nitroxide") lassen sich in analoger Weise, also ζ. B. durch Einwirkung von Natrium auf S t i c k o x i d (Einleiten von Stickoxid in eine Lösung von Natrium in flüssigem Ammoniak) gewinnen: Na + NO — ν

NaNO .

Sie sind recht unbeständig und entwickeln beim Lösen in Wasser lebhaft N 2 0 : NaNO + H O H > NaOH + HNO (—»· N 2 0 + H 2 0). Das von der Stickstoff(I)säure HNO in alkalischer Lösung gebildete, 02-isostere N i t r o x i d - i o n NO' (N: : 0 ) spielt bei der Darstellung von NO-Komplexen mittels Hydroxylamin (vgl. S. 244f.) eine Rolle' (S. 548). Hyposalpetrige Säure (HNO)«. Die h y p o s a l p e t r i g e Säure besitzt die Struktur HON=NOH. Entsprechend dieser Formel erhält man sie ganz allgemein bei solchen Reaktionen, bei denen das Radikal > NOH auftritt. So entsteht sie ζ. B. bei der O x y d a t i o n von Hyd r o x y l a m i n H2NOH mit Kupfer-, Silber- oder Quecksilberoxid (a), bei der R e d u k t i o n von s a l p e t r i g e r Säure ONOH mit Natriumamalgam (b) und bei der Umsetzung von H y d r o x y l amin mit s a l p e t r i g e r Säure (c). 0 + H 2 NOH O + H 2 NOH (a)

y

NOH

2 Η + ΟΙΝΟΗ

JirOH

2 Β Γ + 0~!Ν0Η (b)

V

NOH

HjiNOH

NOH

NOH

OÍNOH

lfc)H

(c)

Am bequemsten ist die Reduktion von salpetriger Säure. Zu diesem Zweck schüttelt man eine Nitritlösung unter Kühlung mit flüssigem Natriumamalgam (Na + HÖH ·—>- NaOH + H), neutralisiert die Lösung nach Beendigung der Reaktion und fällt die gebildet untersalpetrige Säure mit Silbernitrat als unlösliches, gelbes Silberhyponitrit Ag 2 N 2 0 2 . Die reine h y p o s a l p e t r i g e S ä u r e bildet weiße, in trockenem Zustande äußeret explosive Kristallblättchen, die sich in Wasser sehr leicht lösen. Die wässerige Lösung reagiert schwach sauer und z e r f ä l l t langsam schon in der Kälte, schneller beim Erwärmen unter Bildung von Distickstoff oxid N,0 : HJN S 0 2 — H 2 0 + N 2 0 . Die Reaktion ist nicht umkehrbar, so daß N 2 0 nicht als Anhydrid der untersalpetrigen Säure angesprochen werden kann. Als zwei basige S ä u r e bildet untersalpetrige Säure zwei Reihen von Salzen : sehr zersetzliche „saure Hyponitrite" Me T HN 2 0 2 und beständigere „neutrale Hyponitrite" Me 2 N a 0 2 . Beide reagieren in wässeriger Lösung infolge weitgehender Hydrolyse a l k a l i s c h . Isomer (S. 514) mit der h y p o s a l p e t r i g e n S ä u r e HON=NOH ist die A m i d o s a l p e t e r säure H2N—NOa (Nitrylamid), die sich von der Salpetersäure HO — N0 2 durch Ersatz der Hydroxidgruppe durch eine Amidgruppe ableitet. Es kristallisiert wie die hyposalpetrige Säure in weißen Kristallen, die aber viel beständiger als die der hyposalpetrigen Säure sind und bei 72—75° unter teilweiser Zersetzung schmelzen. Die wässerige Lösung reagiert schwach sauer und z e r f ä l l t wie die der hyposalpetrigen Säure langsam — unter der katalytischen Wirkung von Alkalien momentan — unter D i s t i c k s t o f f oxid-Entwicklung: H2N202 — > - N 2 0 + H 2 0 . Obwohl der rationelle Name für die Säure HNO gemäß den allgemeinen Richtlinien (S. 121) hyposalpetrige Säure lauten würde, bezeichnet man gewöhnlich nur die d i m e r e Verbindung (HNO)j als solche. 1

Der Stiokatoff

247

e) Schweißverbindungen des Stickstoffs Unter den Verbindungen des Stickstoffs mit Schwefel seien die den Oxiden NO und N 0 2 formal entsprechenden Verbindungen (NS) 2 (farblose, bis 20° beständige Kristalle) bzw. (NS) 4 (goldgelbe Kristalle, Smp. 178°) bzw. (NS)X (messingfarbene Kristalle) sowie (NS 2 ) 2 (dunkelrote, in stärkeren Schichten schwarz erscheinende, sich schon bei 40° unter Schwefelabscheidung zersetzende Flüssigkeit) erwähnt. Weitere interessante Verbindungen mit Schwefel-Stickstoff-Bindung leiten sich vom Ammoniak NH 3 , Hydro xylamin N H 2 0 H , HydrazinN a H 4 , DiimidN 2 H 2 und von der Stickstoffwasserstoffsäure N 3 H durch Ersatz eines oder mehrerer Wasserstoffatom e durch den einwertigen Rest—SO3H bzw. den zweiwertigen Rest > S 0 2 der Schwefelsäure (vgl. S. 211) ab. Schwefelnitrid (NS) 4 . I n analoger Weise, wie durch Verbrennung von Ammoniak Stickoxid NO gebildet wird (S. 235, 239): 4NH + lOO T ^

4NO + 6 H 2 0 ,

entsteht bei der Umsetzung von S c h w e f e l mit A m m o n i a k (Auflösen von Schwefel in flüssigem Ammoniak) Schwefelnitrid N S : 4 N H 3 + IOS

4NS + 6H 2 S.

Der dabei gleichzeitig auftretende Schwefelwasserstoff wird von überschüssigem Ammoniak als Ammoniumsulfid (NH 4 ) 2 S gebunden und zweckmäßig als Metallsulfid aus dem Gleichgewicht entfernt : (NH 4 ) 2 S + 2AgJ — A g 2 S + 2 N H 4 J . Zum Unterschied vom monomeren Stickstoffoxid ist das „Stickstoffsulfid" t e t r a m o l e k u l a r : (NS) 4 . Seine M o l e k u l a r s t r u k t u r wird durch die Formel :N::íT:Ñ:

N =

: S:

S

ι:

+

:S:

··

:N:S::N:

S=N

I

S

l

N = S = N

Elektronenformel1

cyclo-Tetraschwefel-tetranitrid

Valenzstrio hformel2

wiedergegeben, die an die Struktur der S 8 -Moleküle des Schwefels (S. 187) anklingt und in welcher der S t i c k s t o f f den e l e k t r o n e g a t i v e n , der S c h w e f e l den e l e k t r o p o s i t i v e n Bestandteil darstellt 3 . Entsprechend dieser Polarität wird der Schwefelstickstoff bei der Hydrolyse primär unter Bildung von 4 Mol A m m o n i a k NH S , 2 Mol S u l f o x y l s ä u r e S(OH) a und 2 Mol s c h w e f l i g e r S ä u r e S(OH) 4 ( — * H 2 S 0 3 + H s 0 ) zersetzt. Sulfoxylsäure und schweflige Säure reagieren dann j e nach dem p H -Wert der Lösung mehr oder minder vollständig gemäß (14) bzw. (16) (17) — S. 213 f. — unter Bildung von Trithionat, Sulfit und Thiosulfat weiter. Die liildungswärme des Schwefelnitrids ist noch s t ä r k e r n e g a t i v als die des Stickoxids: , Λτο . ^ „, T . , . vgl.

(NS) 4 >- 2>¡j + 4 S + 128kcal, 4NO — >• 2 N j + 2 0 j + 86 kcal.

Daher z e r f ä l l t das Schwefelnitrid beim E r h i t z e n auf 130° oder durch S t o ß e x p l o s i o n s a r t i g in seine Elemente. 1 Die beiden kovalenten Doppelbindungen des Ringmoleküls sind nicht fixiert. Vielmehr bilden die über die einfache Kovalenz hinaus vorhandenen Doppelbindungselektionen (,,π-Elektronen") eine Art von elektrischem „Ringstrom" um das Molekül, so daß alle Atome an den Doppelbindungen teilhaben („Mesomerie", vgl. S. 159). Der Ringstrom macht sich — analoges gilt für die Doppelbindungen des Benzols (S. 302) und seine Derivate — durch einen gegenüber dem berechneten Diamagnetismus wesentlich erhöhten Diamagnetismus (vgl. S. 494) bemerkbar. " Gemäß der Elektronenformel sind in einem gegebenen Zeitmoment jeweils zwei der vier Doppelbindungen des Moleküls semipolar. * Der Schwefelstickstoff ist also als S c h w e f e l n i t r i d und nicht als S t i c k s t o f f s u l f i d aufzufassen.

Die Stickstoffgruppe

248

Bei der R e d u k t i o n m i t n a s z i e r e n d e m W a s s e r s t o f f geht das Schwefelnitrid (NS)4 in eine W a s s e r s t o f f v e r b i n d u n g über, welche zum Unterschied von dem entsprechenden Stickoxid-Derivat — HNO bzw. (HNO)2 (S. 246) — t e t r a m o l e k u l a r ist — (HNS)4 — und die Formel H:N:S:N:H

HN — S — NH

:S: :S: H:N:S:N:H Elektronenformel

¿ S H1SÍ —S — NH Valenzstrichformel

besitzt, wonach sie sich vom S8-Molekül des Schwefels (S. 187) durch Ersatz jedes zweiten Schwefelatoms (—S—) durch eine Imidogruppe (—NH—) ableitet 1 . Bei der Hydrolyse geht dieses tetramere Schwefelimid (SNH)4 (cyclo-Tetrascliwejel-tetraimid) primär in 4 Mol NH 3 und 4 Mol Sulfoxylsäure S(OH)2 über, wie durch Hydrolyse in Gegenwart von schwefliger Säure gezeigt werden kann, bei welcher gemäß (14) — S.213 — als Hauptprodukt Trithionat entsteht. Mit H a l o g e n e n (außer Jod) vereinigt sich daa Schwefelnitrid zu „Thtazylhalogeniden", welche zum Unterschied von den monomolekularen Nitrosylhalogeniden das der Formel (NSX)a (X = F, Cl) bzw. (NSX)4 (X = F) entsprechende Molekulargewicht besitzen und in ihrer Struktur den trimeren und tetrameren Phosphornitrilhalogeniden (PNX2)n (S.273f.) entsprechen: Cl

N N 11 1 CIS US SCI \ N / trimeree Thiazylchlorid*

Cl2

/

p

\

N N

i CLP C12P I PCI, \ N / trimeres Phosphornitrilchlorid

Die zweite Schwefel-Stickstoff-Verbindung, Na S 4 , besitzt die Konstitution 8

/VΝ i ¿

Ν

Sie stellt also kein Analogon zur Sauerstoffverbindung N 2 0 4 dar und besitzt auch nicht wie diese die Neigung, in Radikale NS a zu dissoziieren. Schwefelsäuren des Ammoniaks. Läßt man eine konzentrierte N a t r i u m h y d r o g e n sulfitlösung unter Eiskühlung auf N a t r i u m n i t r i t einwirken, so erfolgt nach dem Schema

/ j O H + HjSO,H N ^ j Ó H + HÍSO3H \jOH"+HiS0 3 H salpetrige schweflige Säure Säure

/ S O , H + HÖH —ν

N^—S0 3 H + HÖH \ S 0 s H + HÖH

(1)

Nltrldo-triaSchwefelsäure

die Bildung des in Wasser leicht löslichen Natriumsalzes der „Nilrido-tris-schwefelsäure" N(SO s H) s . Durch Zusatz einer kalt gesättigten Kaliumchlorid-lösung kann diese Verbindung als schwerlösliches K a l i u m s a l z N(S0 3 K) s auskristallisiert werden. In s a u r e r L ö s u n g unterliegt die Nitridoschwefelsäure der H y d r o l y s e . Diese führt aber nicht in Umkehrung der Bildungsreaktion (1) zur Stufe der s a l p e t r i g e n und 1 Auch ein Derivat S,(NH) des S8-Moleküls ist bekannt („cyclo-Heptaschwefelimid"; Smp. 113°). Der Wasserstoff dieser Verbindung ist durch viele einwertige organische und anorganische Reste Β (z.B. die Acetylgruppe CH,CO oder die Sulfonsäuregruppe SOaH) ersetzbar. 2 Die drei Doppelbindungen des Moleküle sind se m i polar. * Eine der beiden Doppelbindungen des Moleküls ist semipolar (zwei mesomere Formeln).

Der Stiokstoff

249

s o h w e f l i g e n Säure zurück, sondern ergibt als Endprodukte A m m o n i a k Ammoniumsalz) und S c h w e f e l s ä u r e (als Hydrogensulfat): /jsOgH + HOiH

N ^ j s Ö ^ H + HOÍH

/ H + H 2 S0 4

—>•

N ^ - H + H,S0 4 . x

\ | S O ¡ h + HÖ|H

(2)

H + H,S0 4

Als Zwischenprodukte treten dabei „Imido-bis-schwejelsäure" und säure" auf: NH(SO,H) t - ^ T s o r ^ NH 2 ( s OaH) ImidoAmidobis-schwefelsâure Schwefelsäure

N(S0 3 H) s Nltrldotris-schwcfelsäore

(als

„Amido-schwefelNH 3 . Ammoniak

(3)

Die hydrolytische Abspaltung der e r s t e n Sulfongruppe erfolgt schon beim S t e h e n l a s s e n der sauren Lösung; die w e i t e r e H y d r o l y s e schreitet erst beim K o c h e n mit genügender Geschwindigkeit fort. In Umkehrung der Hydrolysereaktion (3) können die Schwefelsäuren des Ammoniaks auch rückwärts aus Ammoniak und Schwefelsäure gewonnen werden. Allerdings muß man dann unter weitgehendem A u s s c h l u ß v o n W a s s e r arbeiten. Leitet man ζ. B. S c h w e f e l t r i o x i d in k o n z e n t r i e r t e w ä s s e r i g e A m m o n i a k l ö s u n g e n ein, so entsteht über die Stufe der Amido-schwefelsäure hinweg in sehr guter Ausbeute das Triammonium-salz (s. unten) der I m i d o - s c h w e f e l s ä u r e : NHj

NH,(S0 8 H)

NH(S0 8 H),.

(4)

Die Imido-schwefelsäure NH(S0 3 H) 2 ist nur in L ö s u n g , nicht aber in f r e i e m Z u s t a n d bekannt. Sie ist dadurch ausgezeichnet, daß sich nicht nur die Wasserstoffatoroe d e r S u l f o n g r u p p e n —SO s H durch Metalle ersetzen lassen, sondern daß auch das am S t i c k s t o f f sitzende Wasserstoffatom s a u r e n Charakter besitzt. So entsteht beispielsweise bei Zuiiahe von gelbem Q u e c k s i l b e r o x i d zum gelben Kaliumsalz NH(S0 3 K) 2 das sehr schwer lösliche, weiße Q u e c k eil b e r s a l z Hg[N(S0 3 K),] 2 . Auch ein Kaliumsalz K[N(SO s K) s ] und ein Ammoniumsalz NH 4 [N(S0 3 NH 4 ) 2 ] sind bekannt. Gleiches gilt von der — sehr beständigen und vorzüglich kristallisierenden — Amido-schioefel· säure NH s (SO s H). Auch ihre Salze reagieren mit einer Reihe von Metalloxiden untei Bildung gut kristallisierter Verbindungen mit, Metall-Stickstoff-Bindung: HgN(SO a Na), AgNH(S0 3 K), Au 2 (NS0 3 K)j. In besonders bequemerWeise kann die Amido-schwefelsäure gewonnen werden, wenn man statt von salpetriger Säure — vgl. Reaktionen (1) und (3) — von H y d r o z y l a m i n ausgeht, welches bereits die beiden Wasserstoffatome am Stickstoff trägt und bei der Umsetzung mit s c h w e f l i g e r S ä u r e (Sättigen einer konzentrierten Lösung von salzsaurem Hydroxylamin mit Schwefeldioxid) in einer der Reaktion (1) analogen Reaktion in A m i d o - s c h w e f e l s ä u r e übergeht: M H NfH . —> N^H (5) x [OH +_H|S0 3 H SO„H + H Ö H .

Schwefelsäuren des Ilydroxylamins. Wendet man bei der Einwirkung von Natriumhydrogensulfit auf Natriumnitrit (1) nicht 3 Mol, sondern nur 2 Mol Sulfit je Mol Nitrit an, so entsteht — in analoger Weise wie dort — das Natriumsalz der , Jlydroxylaniinbis-schwefelsäure" : / j O H + HiSOjH N ^ - j 0 Ü + H|SQ 3 H XMÊT"

— ν

/ S 0 3 H + HÖH N ^ - S O j H + HÖH , X

(β)

0H

das durch Umsetzung mit K a l i u m c h l o r i d als schwerlösliches K a l i u m s a l z ausgefällt werden kann. Auch hier — vgl. (2) — führt die Hydrolyse in saurer Lösung nicht zur Stufe der s a l p e t r i g e n und s c h w e f l i g e n Säure zurück, sondern ergibt letztlich H y d r o x y l a m i n (als Sulfat) und S c h w e f e l s ä u r e ; als Zwischenstufe tritt dabei — vgl. (3) — ,,Hydroxylamin-mono-schwefelsäure" auf:

250

Die Stickstoffgruppe N(S0 3 H) 2 0H

NH(S0 3 H)0H

NH2OH.

Die Reaktion dient zur Darstellung von H y d r o x y l a m i n (S. 244). Die Hydroxylamin-momo-schwefclsäure und die Hydroxylamin-bis-sohwefelsäure kommen in je zwei i s o m e r e n Formen vor, da im Hydroxylamin-Molekül einmal der an Stickstoff gebundene Wasserstoff und einmal der an S a u e r s t o f f gebundene Wasserstoff durch die Sulfogruppen — S0 3 H ersetzt ein kann: /SO,H /H Nf-H Ν—H x0-S03H NOH Hydroxy !amin-N-8chwefels;iure Hydroxylamin Ü-schwefelsäurc /S03H xS0 3 H Nf-S03H Ν—H \OH \ 0 · S0 3 H HydroxylRmin-N,N-b1s-schwefelsâure Hydroiyiamin-0 N-bis-schwefelsäure Von beiden Formen sind Salze bekannt. Die Einführung einer Sulfongruppe am Sauerstoff gelingt z . B . mit Chlor o s o h w e f e l s ä u r e : Η,ΝΟί H + Cl I S O , Η — v H j N O - S0 3 H. Oxydiert man das Kaliumsalz der Hydroxylamin-bis-schwefelsäure mit Kaliumpermanganat, so erhält man eine schön violette Lösung; sie enthält das Kaliumsalz der „Nitroso-bis-schwefelsäure": 2HO—N(S0 3 K) 2

20=N(S03K)2,

einer Verbindung mit v i e r w e r t i g e m Stickstoff. Im festen Zustande sind die Salze orangegelb und haben die doppelte Molekulargröße. Die Nitroso-bis-schwefelsäure zeigt also die gleiche Neigung zur Dimerisation wie das Stickstoffdioxid, das sich ja ebenfalls vom vierwertigen Stickstoff ableitet : 2 N 0 2 T ^ N0 2 ]j braun farblos 2NO(SOsK)2 ^

[N0(S0 3 K) 2 ]J.

violett gelb Hier wie dort hellt sich die Farbe bei der Dimerisierung auf. Verdünnung (Expandieren des N 2 0 4 -Dampfes, Auflösen des [N0(S0 3 K) 2 ] 2 in Wasser) verschiebt in beiden Fällen entsprechend dem Massenwirkungsgesetz das Gleichgewicht nach links. Schwefelsäuren des Hydrazins, des Dimids und der Stickstoffwasserstoffsäure. I n

analoger

Weise wie beim A m m o n i a k (4) kann auch beim Hydrazin durch Einwirkung von S c h w e f e l s ä u r e ( S c h w e f e l t r i o x i d ) ein Wasserstoffatom durch den —S0 3 H-Rest ersetzt werden: H.jN—NHg2 i ^ i v HjN—NH(S0 3 H). -h,0 Es entsteht so ein Salz der „Hydrazin-mono-schwefelsäure". Die Einführung z w e i e r —S0 3 HReste in das Hydrazin-molekül gelingt mit Hilfe von C h l o r o s c h w e f e l s ä u r e : H N p a + Ò1ÌSO3H _

HN · SO3H + HCl

HNiH + CliSOjH

HN · S0 3 H + HCl.

Während es nicht gelingt, das Hydrazin NH2—NH2 in ein „Diimid" NH=NH überzuführen, kann man die obige „Hydrazin-bis-schwefelsäure" N 2 H 2 (S0 3 H) 2 zur B i s - s c h w e f e l s ä u r e des D i i m i d s („Azo-bis-schwefelsäure") N 2 (S0 3 H) 2 oxydieren. So liefert das Pyridinsalz der Hydrazinbis-schwefelsäure bei der Behandlung mit verdünnter, stark alkalischer Natriumhypochloritlösung und Zugabe von Kaliumchlorid das gelbe K a l i u m - a z o - b i s - s u l f a t : HN-S03H + 0 N-SO s H HN · S0 3 H - a · 0 Ν · SOsH ' welches beim E r w ä r m e n auf 80° sowie beim V e r r e i b e n heftig e x p l o d i e r t . Ebenso wie man das Hydrazin durch Oxydation mit salpetriger Säure in Stickstoffwasserstoffsäure umwandeln kann (S. 231), kann man auch die Hydrazin-sulfate in die — explosiven — Sulfate der Stickstoffwasserstoffsäure („Azido-sulfate") überführen: N,H a (SO,H) -t- HNO¡ —>- N a (SO,B) + 2H s O.

Der Phosphor

251

SuifurylVerbindungen des Ammoniaks. J e nachdem man im Ammoniak zwei Wasserstoffatome zweier v e r s c h i e d e n e r Moleküle oder zwei Wasserstoffatome des g l e i c h e n Moleküls durch den zweiwertigen > S 0 2 - R e s t ersetzt, kommt man zum „Suljuryl-amid" (Smp. 92°) oder zum „Sulfuryl-imid" (Smp. 165°): gg

> S

o

2

HN=SO2

Beide Verbindungen entstehen nebeneinander bei der Einwirkung von trockenem A m m o n i a k auf S u l f u r y l c h l o r i d (2NH 3 + C1 2 S0 2 —-(NH 2 ) 2 S0 2 + 2HC1; NH 3 + C1 2 S0 2 —>NHS0 2 + 2HCl) oder von A m m o n i a k auf S c h w e f e l t r i o x i d (2NH, + S0 3 — - (NH 2 ) 2 S0 2 + H 2 0 ; NH;, + S0 3 — • N H S 0 2 + H 2 0 ; vgl. S. 200f.). Auch hier (vgl. S. 249) zeigen die am Stickstoff gebundenen Wasserstoffatome saur e n Charakter. So bildet das Sulfuryl-amid in ammoniakalischer Lösung mit Silbernitrat ein Silbersalz S0 2 (NHAg) 2 , und in gleicher Weise liefert das Sulfuryl-imid gut ausgebildete Salze wie S0 2 NNa und S0 2 NAg. Das SuJfuryl-imid und seine Salze sind p o l y m e r (trimer oder tetramer) und besitzen im Einklang mit der Doppelbindungsregel (S. 187) eine der Formel des polymeren Schwefeltrioxids (vgl. S. 269) entsprechende r i n g f ö r m i g e Struktur ohne Doppelbindungen 1 : H 02 HN-S-NH

02s/ I HNv

\SO¡ ι /NH

\S/

I o,s I

I soa. I

HN-S-NH

02 Oa Bei Gegenwart von Schwefelsäure polymerisiert sich Sulfuryl-imid zu kettenförmigen Sulfurylimido-schwefelsäuren HO s S — (HNS0 2 ) n — OH. Erhitzt man Sulfuryl-amid vorsichtig auf 180—200°, so lagert es sich unter Ringschluß in das Ammoniumsalz des trimeren Sulfuryl-imids um : 3 S0 2 (NH 2 ) 2 —> (SOüNHJa + 3 NB 3 — * (S0 2 NH · NH S ) 3 .

2. D e r Phosphor a) Elementarer Phosphor α) Vorkommen Phosphor kommt in der Natur wegen seiner großen Affinität zum Sauerstoff nicht in f r e i e m Z u s t a n d e , sondern nur in Form von D e r i v a t e n d e r P h o s p h o r s ä u r e H 8 P 0 4 vor. Die wichtigsten natürlichen Mineralphosphate sind Phosphorit Ca 10 (PO 4 ) e (OH, F, Cl)2 („3 Ca s (P0 4 ) 2 · Ca(OH, F, Cl) 2 ") und Apatit Ca 10 (PO 4 ) e F 2 („3 Ca 3 (P0 4 ) 2 · CaF 2 ''), also Calcium-phosphate. Nur vereinzelt finden sich E i s e n - und A l u m i n i u m phosphate: Vivianit (Blaueisenerz) Fe a (P0 4 ) 2 · 8 H 2 0 und Wavellit 4AiP0 4 · 2A1(0H)3 • 9HjO, sowie Phosphate der s e l t e n e n E r d e n : ζ. B. Monazit CePO,. Wichtig ist der Phosphatgehalt mancher E i s e n e r z e , vor allem dei lothringischen Eiseaerze(,,Minette") und der nordschwedischen Eisenerze („Magnetite"); er fällt bei der Eisenerzeugung als „Thomasmehl" (S. 531 f.) an. Weiterhin bilden Verbindungen der Phosphorsäure einen wesentlichen Bestandteil des p f l a n z l i c h e n u n d t i e r i s c h e n O r g a n i s m u s . So enthält pflanzliches wie tierisches E i w e i ß Phosphor in organischer Bindung. Blut, Eidotter, MiJch, Muskelfasern, 1 Analog den ähnlich gebauten Meta-imido-Phosphorsäuren [— NH — PO(OH) —]n [— N = P(OH) 2 — ]n(S. 274) treten auch die Sulfuryl-imide (—NH—SO a —)nin tautomeren Formen auf, die hier wie dort dadurch Zustandekommen, daß die Waaserstoffatomr zwischen Stickstoff und Sauerstoff zu wandern vermögen. Die Hydroxidform des Sulfuryl-imids, [— Ν = SO(OH)— ist ζ. B. in Form des Säurechlorids [— Ν = SOCI —]n faßbar.

252

Die Stickstoffgruppe

Nerven- und Hirnsubstanz sind besonders phosphorreich. Die Schalen von Krebsen und Muscheln, die Haare, Klauen, Zähne und vor allem die Knochen der Wirbeltiere enthalten Phosphor als Hydroxid-apatit Ca 10 (PO 4 ) e (OH) 2 („3 Ca 3 (P0 4 ) 2 · Ca(OH) 2 "). Reich an Phosphor sind auch die menschlichen und tierischen Exkremente. Ein großer Teil der heutigen P h o s p h a t l a g e r geht auf Ablagerungen von tierischen Ausscheidungen und Anhäufungen von Tierleichen in früheren Zeitepochen zurück. Noch heute beobachtet man auf Inseln des Stillen Ozeans und der Südsee die Entstehung solcher gewaltiger Kotablasjerungen in Form der „Guano"-bildung, indem dort die Seevögel ein Gemisch von Calciumphosphat· unH harnsauren Salzen als „Guano" abscheiden, welcher schon lange als S t i c k s t o f f - und P h o s p h a t d ü n g e r bekannt ist und bei der Verwitterung und Verwesung (Zersetzung der organischen Stoffe zu Kohlensäure und Ammoniak) in P h o s p h o r i t übergeht. Besonders wichtige Phosphoritlager finden sich in Nordafiika und in Florida. ß) Darstellung Weißer Phosphor. Der weiße Phosphor (S. 253 f., 255f.) läßt sich aus dem Anhydrid der Phosphorsäure, P 2 0 5 , durch Reduktion mit K o h l e n s t o f f bei hoher Temperatur darstellen: P205 + ö C — > • 2 P + 5C0.

(1)

Das dazu erforderliche P h o s p h o r p e n t o x i d P 2 0 6 gewinnt man bei der t e c h n i s c h e n Phosphordarstellung in einem Arbeitsgang mit dieser Reduktion, indem man ein Gemisch von C a l c i u m p h o s p h a t (Phosphorit), Q u a r z s a n d und K o k s im e l e k t r i s c h e n O f e n auf 1300—1450° erhitzt. Dabei setzt die Kieselsäure als weniger flüchtige Säure die Phosphorsäure in Freiheit: Ca 3 (P0 4 ) 2 + 3 S i 0 4

>- 3CaSiO a + P , 0 5 .

(2)

welche dann durch den Koks gemäß (1) reduziert wird. Als Summe von (1) und (2) ergibt sich damit die Gesamtgleichung: Ca 3 (P0 4 ) 2 + 3SiO a + ßC

>· 3 CaSiO» + 2 Ρ + 5 CO. Als elektrischen Ofen benutzt man (Fig. 85)einen mit feuerfesten Steinen ausgemauerten, 20 m hohen Schachtofen aus Eisen, dessen Boden und untere Seitenpartien mit einer Elektrodenmasse aus Koks und Pech ausgefüttert sind. Durch den mit einer gasdicht verschließbaren Einfüllöffnung fürdas Bescliickungsgemisch versehenen, isoliert aufgeschraubten Eisendeckel führt die auf und ab bewegbare Kohlenelektrode. Oben seitlich befindet sich die Austrittsöffnung für die abziehenden Gase, Phosphor und Kohlenoxid, unten die Abstichöffnung für die Calciumsilicatechlacke. Zwischen den Elektroden des Ofens geht ein Lichtbogen über; die Phosphat—Koks -QuarzBeschickung wird etwa jede halbe Stunde nachgesetzt, die CalciumBeh,frischer Ofen silicat-schlacke etwa alle Stunden abgestochen. Die aus dem Ofen Fig. 85. entweichenden, hauptsächlich aus Darstellung von gelbem Phosphor im elektrischen Ofen

Der Phosphor

253

Phosphordampf und Kohlenoxid bestehenden Gase gehen durch eine Staubkammer und treten dann in mehrere hintereinander geschaltete, mit Wasser gefüllte Kondensationsgefäße, in denen sich der Phosphor unten ais geschmolzener „gelber Phosphor" (90 u / 0 ) und darüber als „Phosphorschlamm" (10%) — d. h. als durch Staubteilchen verunreinigter Phosphor — abscheidet. Der durch Destillation gereinigte Phosphor kommt in Stangenform gegossen als „weißer Phosphor" in den Handel.

Roter Phosphor. Der r o t e P h o s p h o r (S. 254, 256) entsteht aus dem w e i ß e n durch E r h i t z e n auf 250°. Da bei dieser Umwandlung eine erhebliche Wärmemenge frei wird (4.22 kcal/Grammatom = 136 kcal/kg), erhitzt man bei der t e c h n i s c h e n Darstellung, die in geschlossenen eisernen Kesseln erfolgt, ganz l a n g s a m (im Laufe von 20—30 Stunden) auf dieUmwandlungstemperatur. Erst nach dem Nachlassen der Wärmeentwicklung wird die Temperatur auf 300—350° gesteigert. Geringe Mengen J o d beschleunigen den Vorgang außerordentlich (vgl. S. 255). Der entstehende violettrote, spröde Phosphorkuchen wird nach dem Erkalten in einer Naßmühle gemahlen, durch mehrstündiges Kochen mit Natronlauge von weißem Phosphor befreit (S. 256), getrocknet und in Blechdosen verpackt. γ ) Modifikationen Der Phosphor kommt in drei definierten kristallinen Modifikationen als w e i ß e r , v i o l e t t e r („roter") und s c h w a r z e r Phosphor vor. Ihre t h e r m o d y n a m i s c h e S t a b i l i t ä t nimmt in der genannten Reihenfolge zu. Doch ist die U m w a n d l u n g s ge s c h w i n d i g k e i t unter normalen Bedingungen so klein, daß der weiße und violette Phosphor bei Zimmertemperatur und Atmosphärendruck neben dem hier thermodynamisch allein stabilen schwarzen Phosphor als m e t a s t a b i l e Modifikationen existenzfähig sind. Der weiße Phosphor Ausgangsmaterial für die Darstellung aller Phosphormodifikationen ist der weiße Phosphor. Er bildet eine in dei Kälte spröde, bei Zimmertemperatur wachsweiche, farblose, durchscheinende Masse, welche bei 44.1° zu einer farblosen, stark lichtbrechenden Flüssigkeit schmilzt und beim schnellen Erhitzen bei 280° unter Bildung eines farblosen Dampfes siedet. In Wasser ist er nur spurenweise, in Schwefelkohlenstoff leicht löslich. Lösung und Dampf enthalten P4-Moleküle, die oberhalb von 800° C in P 2 -Moleküle zerfallen. Bei 1200° und Atmosphärendruck beträgt der Dissoziationsgrad etwa 50%. Oberhalb von 2000° zerfallen auch die P2-Moleküle in P-Atome. Die vier Phosphoratome des P 4 -Moleküls sind t et rae d r i s c h in der Weise angeordnet, daß jedes Phosphoratom durch drei e i n f a c h e Bindungen mit drei anderen Phosphoratomen verknüpft ist (Fig. 86). Auf diese Weise weicht der Phosphor im Einklang mit der D o p p e l b i n d u n g s r e g e l Fig. 86. Tetraedrische (S. 187, 268) einer M e h r f a c h b i n d u n g aus 2 , wie sie beim Molekularformel des weißen leichteren Homologen der ersten Achterperiode, dem zweiPhosphors P 4 ' . atomigen S t i c k s t o f f N s N auftritt. 1

Als V a l e n z s t r i c h f o r m e l in die Ebene projiziert lautet die Raumformel P t (Fig. 86) wie

2 Die Molekulargrößo P 4 ist der k l e i n s t e Molekularverband, zu welchem sich dreiwertige Phosphoratome ohne Ausbildung von Mehrfachbindungen zusammenschließen können. Über h ö h e r m o l e k u l a r e Phosphorstruktoren vgl. S. 254f.

254

Die Stickstoffgruppe

Da drei Phosphoratome jeweils ein gleichseitiges Dreieck (Tetraederfläche) bilden, beträgt der Valenzwinkel 60°. Dieser Bindungswinkel ist anomal klein. Daher ist der weiße Phosphor instabil. Steigert man die Temperatur genügend hoch, so zerfallen die P 4 -Moleküle, und die Atome ordnen sich neu, derart, daß der Bindungswinkel normal (100—110°) wird (s. unten). Bei 200° beginnt diese Umwandlungsreaktion ganz langsam. Bei 250° wird sie schon so schnell, daß die Hauptmenge im Laufe eines Tages reagiert. D e r v i o l e t t e (rote) P h o s p h o r Bei der Umwandlung des weißen Phosphors entstehen zunächst rote schleimige Produkte, die im Laufe der Reaktion fester und fester werden. Auch in ihnen ist jedes Phosphoratom von drei anderen umgeben, aber derart, daß sich ein u n r e g e l m ä ß i g e s , räumliches Netzwerk bildet. Da nur in einem geordneten Kristallgitter die Bindungswinkel und Bindungslängen die optimalen Werte besitzen, folgt, daß in dem amorphen Netzwerk örtliche Spannungen herrschen müssen. Es gibt viele Atome, deren Valenzen nicht in der „richtigen" Weise durch Nachbaratome abgesättigt sind, da sie von anderen benachbarten Atomen des unregelmäßigen Netzwerkes daran gehindert werden, die optimalen Lagen einzunehmen. So ist frisch gebildeter, noch hellrot gefärbter Phosphor instabil und äußerst reaktionsfähig. Bei längerem Erhitzen auf höhere Temperaturen tritt eine gewisse Ordnung ein, wobei sich die rote Farbe vertieft. Aber erst bei etwa 450° C werden die durch drei kovalente Bindungen fest fixierten Atome so weit beweglich, daß sie sich zu einem Kristallgitterverband ordnen können. Dieses Gitter ist zunächst immer noch stark gestört, und man muß 1—2 Wochen auf über 550° C erhitzen, um Kristalle zu erhalten, die mit bloßem Auge erkennbar sind. Die gleichen Kristalle gewann erstmals der d e u t s c h e P h y s i k e r JOHAMT WILHELM HITTOEF (1824—1914), als er P h o s p h o r a u s

einer Bleischmelze umkristallisierte. Dieser „HiTTOnesche

Phosphor"

ist violettstichig r o t („violetter Phosphor")

und

kristallisiert monoklin in einem kompliziert gebauten Schichtengitter. Die Kristalle sind tafelförmig ausgebildet und lassen sich wie Glimmer spalten. Ihr spezifisches Gewicht beträgt 2.36, während das der amorphen Produkte geringer ist. Der Schmelzpunkt des HiTTORFschen Phosphors Hegt bei etwa 620° C, der des amorphen roten Phosphors je nach seiner Vorgeschichte bis zu 30° tiefer. Die Störung des geordneten Kristallgitters wirkt sich also in gleicher Weise aus wie die Beimengung einer Fremdsubstanz. Der schwarze Phosphor Der schwarze Phosphor ist spezifisch dichter (2.67) als der weiße (1.82) und der violette (2.36). Hoher Druck begünstigt daher seine Entstehung. So wurde er erstmals dadurch hergestellt, daß weißer Phosphor bei 200° C einem Druck von 12000 Atmosphären ausgesetzt wurde 1 . Erhitzt man weißen Phosphor in Gegenwart von metallischem Q u e c k s i l b e r als Katalysator 5 Tage lang auf 380°C und gibt nach Möglichkeit noch I m p f k r i s t a l l e von schwarzem Phosphor hinzu, so entsteht der schwarze Phosphor auch o h n e Anwendung eines äußeren Druckes. Die s c h w a r z e Modifikation ist die bis 550° C t h e r m o d y n a m i s c h s t a b i l s t e . Darüber hinaus bis zum Schmelzpunkt (620° C) stellt der HiTTORïsche P h o s p h o r die beständigste Phase dar. Der schwarze Phosphor bildet ein aus parallel übereinander liegenden Doppelschichten gebildetes Gitter rhombisoher Symmetrie (Fig. 87). I n der oberen und unteren Schichthälfte liegen parallel zueinander Zickzackketten aus Phosphoratomen. Die dritte noch freie Valenz eines jeden Atoms dieser Ketten verknüpft die Ketten der oberen und unteren Schichthälfte miteinander. So entstehen gemäß Fig. 87 1 Bei Anwendung sehr hoher Drucke (100000 at) genügt zur quantitativen Umwandlung von weißem in schwarzen Phosphor schon ein kurzer Stolidruck.

Der Phosphor

255

gewellte Sechsringebenen. Der Abstand zwischen direkt miteinander verbundenen Atomen beträgt 2.18 Â. Es ist auffallend, daß der Abstand zwischen nächst benachbarten Atomen zweier Ketten der g l e i c h e n Schichthälfte mit 3.24 Â verhältnismäßig gering ist. Dies ist auf Bindungskräfte zurückzuführen, die auch für die schwarze Farbe und das hohe elektrische Leitvermögen des schwarzen Phosphors verantwortlich sind. Die hochmolekularen Formen des roten, violetten und schwarzen Phosphors können als solche weder verdampfen noch schmelzen. Werden sie erhitzt, so müssen Molekeln aus nur wenigen Atomen entstehen. Da sich bei dreiwertigen Elementen unter Innehaltung der normalen Valenzwinkel von 100—110° kein niedermolekulares Gebilde konstruieren läßt, in welchem alle Valenzen einfach abgesättigt sind, entstehen unter dieser Zwangslage beim Übergang zur Schmelze und zum Dampf die tetraederförmig gebauten P 4 -Moleküle des weißen Phosphors (Fig. 86). M i s c h p o l y m e r i s a t e des P h o s p h o r s Die Umwandlung des weißen in roten Phosphor wird durch Halogene beschleunigt. φ-oberhalb P»unterhalb Besonders wirksam ist hierbei das J o d , wenider Papierebene ger das Brom, während die Wirkung des Fig. 87. Chlors nur sehr gering ausgeprägt ist. Man Gitterstruktur des schwarzen Phosphors P« kann das Halogen auch in Form von Phosphorverbindungen, ζ. B. als P j J 4 oder P B r 3 zugeben. Das Halogen wird in das amorphe Netzwerk des entstehenden roten Phosphors mit eingebaut, indem einzelne Valenzen im Gitter nicht durch andere Phosphoratome, sondern durch Halogen abgesättigt werden. Das Halogen, insbesondere das Jod, kann nun leichter von einem Phosphoratom abdissoziieren als ein durch drei Bindungen festgehaltenes Phosphoratom. Das abdissoziierte J o d reagiert dann mit weiterem weißem Phosphor und spaltet die P 4 Moleküle auf, so daß sie reaktionsfähig werden und sich an das Netzwerk anlagern und dasselbe vergrößern. Kocht man weißen Phosphor in PBr 3 , so entsteht ein h e l l r o t e r Phosphor („SCHBNCKscher Phosphor"), der je nach den Darstellungsbedingungen 10—30 Atom-% Brom enthält. Dieses Brom läßt sich durch Kochen mit Natronlauge gegen Hydroxidgruppen austauschen. Dagegen läßt sich mit Schwefelkohlenstoff kein PBr 3 extrahieren. Wird weißer Phosphor unter Wasser aufbewahrt, so verwandelt er sich unter dem Einfluß des Lichtes oberflächlich langsam in weiße, gelbe, orangefarbene und rote Produkte. Sie enthalten bis 12% Wasser. Auch hier handelt es sich um ein Mischpolymerisat, und zwar mit den Elementen des Wassers. S) Chemische Eigenschaften Weißer Phosphor Weißer Phosphor ist chemisch ä u ß e r s t r e a k t i o n s f ä h i g . In feinverteiltem Zustande e n t z ü n d e t er sich an der L u f t schon bei Z i m m e r t e m p e r a t u r , in kompakter Form wenig oberhalb von 50° von selbst, wobei er mit gelblich-weißer, hell-leuchtender Flamme und intensiver Wärmeentwicklung z u P h o s p h o r p e n t o x i d verbrennt : 2Ρ + 2 V A

ν

P J O J

+ 360 kcal.

Wegen dieser leichten Entzündbarkeit darf man den weißen Phosphor nur unter W a s s e r schneiden, zumal brennender Phosphor auf der H a u t tiefgehende, gefahr-

256

£)ie StiokatoÔgruppe

liehe B r a n d w u n d e n erzeugt. An f e u c h t e r L u f t oxydiert sich weißer Phosphor vorwiegend zu Säuren der Oxydationsstufe P 2 0 3 (Phosphorige Säure H 3 P0 3 ), P 2 0 4 (Hypo-diphosphorsäure H 4 P 2 0 6 ) und P a 0 6 (Phosphorsäure H 3 P0 4 ). Auch das bläuliche L e u c h t e n des weißen Phosphors im Dunkeln („Phosphoreszenz"), das ihm seinen Namen gegeben hat 1 , beruht auf einer O x y d a t i o n des Phosphors, indem die vom Phosphor spurenweise abgegebenen Dämpfe durch den Luftsauerstoff zunächst zu P h o s p h o r t r i o x i d P 2 0 3 und dann unter A b g a b e v o n L i c h t — statt wie gewöhnlich von Wärme — zu P h o s p h o r p e n t o x i d P 2 0 6 oxydiert werden (S. 262). Das Leuchten wird durch manche Stoffe — ζ. B. Schwefelwasserstoff, Schwefeldioxid, Chlor, Ammoniak — geschwächt oder unterdrückt; auch in reinem Sauerstoff von A t m o s p h ä r e n d r u c k bleibt das Leuchten aus, während es bei D r u c k v e r m i n d e r u n g (p0t < 600 mm bei 15°) wieder auftritt. Wegen seiner großen Affinität zum Sauerstoff wirkt der weiße Phosphor als k r ä f t i g e s R e d u k t i o n s m i t t e l : S c h w e f e l s ä u r e wird durch Erwärmen mit Phosphor zu Schwefeldioxid, S a l p e t e r s ä u r e zu Stickstoffoxiden reduziert; aus Salzlösungen l e i c h t r e d u z i e r b a r e r (edler) M e t a l l e (ζ. B. Gold, Silber, Kupfer, Blei) werden in der Wärme die Metalle als solche oder als Phosphide (ζ. Β. Cu 3 P 2 ) ausgeschieden. Auch mit H a l o g e n e n und mit S c h w e f e l reagiert weißer Phosphor lebhaft. I n warmer K a l i l a u g e disproportioniert er sich — analog dem Chlor (S. 121) — unter BilPhosphordung von P h o s p h o r w a s s e r s t o f f und haftige H y p o p h o s p h i t (S. 258, 271): Lösung 4P + 3 OH' + 3HaO — > PH3 + 3H 2 PO/. Weißer Phosphor ist ein s t a r k e s G i f t . Schon eine Menge von 0.1 g kann, in den Magen gebracht, einen Menschen töten. Daher ist der Nachweis von weißem Phosphor in der gerichtlichen Chemie von Bedeutung. Fig. 88. Phosphorprobe E r erfolgt nach der „Probe von MITSCHER, nach M i t s c h e r l i c h LICH" zweckmäßig so, daß man den Mageninhalt in einem mit einem LiEBiG-Kühler versehenen Kolben (Fig. 88) mit Wasser erhitzt. Eventuell vorhandener weißer Phosphor verflüchtigt sich dann mit dem Wasserdampf und kommt im Kühlerrohr an der Stelle, an der sich der Wasserdampf kondensiert, mit der am anderen Ende des Kühlerrohres eindringenden Luft in Berührung. Im Dunkeln beobachtet man daher an dieser Stelle einen l e u c h t e n d e n R i n g . Als Gegengift gegen eine akute Phosphorvergiftimg dient zweckmäßig eine sehr verdünnte K u p f e r s u l f a t l ö s u n g , die den Phosphor als Kupferphosphid bindet (s. oben) und zugleich als Brechmittel wirkt.

Violetter (roter) Phosphor Der bei hohen Temperaturen (oberhalb von 300° C) hergestellte rote Phosphor und der HiTTORFSche Phosphor sind viel w e n i g e r r e a k t i o n s f ä h i g als der weiße Phosphor. So entzünden sie sich ζ. B. erst oberhalb von 400°, leuchten nicht an der Luft, schlagen keine Metalle aus Metallsalzlösungen nieder, reagieren mit Halogenen und Schwefel erst bei höherer Temperatur als der weiße Phosphor und sind indifferent gegenüber 1

phosphoros (φωσφόρος) ==• Lichtträger.

257

Der Phosphor

Alkalilauge. Im Gemisch mit s t a r k e n Oxydationsmitteln (ζ. B. Kaliumchlorat) entzündet sich roter Phosphor allerdings leicht schon beim Verreiben (S. 125). Der weniger stabile hellrote — ζ. B. durch Kochen von weißem Phosphor in Phosphortribromid hergestellte — Phosphor steht in seiner Reaktionsfähigkeit zwischen dem weißen und dem roten Phosphor. Er entzündet sich schon bei etwa 300°, oxydiert sich merklich schon bei Zimmertemperatur an feuchter Luft, leuchtet in ozonhaltiger Luft, wird in Alkalilauge gelöst und schlägt aus Kupfersulfatlösung Kupfer nieder. Schwarzer Phosphor Der schwarze Phosphor ist in seinem chemischen Verhalten dem roten sehr nahe verwandt. Die Geschwindigkeit der Reaktion mit Oxydationsmitteln ist ungefähr die gleiche. Merkwürdigerweise oxydiert er sich an feuchter Luft etwas schneller und überzieht sich dabei mit einer farblosen, viskosen, aus Säuren des Phosphors bestehenden Flüssigkeitshaut. Der Zutritt des Sauerstoffs zum Phosphor ist dadurch gehemmt, so daß sich schwarzer Phosphor mit einem Streichholz nur schwierig zur Entzündung bringen läßt. Die schwarze und alle roten Modifikationen sind in organischen Lösungsmitteln unlöslich, da die Phosphoratome in einem hochmolekularen Netzwerk fest gebunden sind. e) Verwendung Die Hauptverwendung findet der elementare Phosphor in der Zündholzfabrikation. Die ersten Phosphorzündhölzer wurden 1845 in den Handel gebracht. Sie enthielten im Kopf noch f a r b l o s e n Phosphor im Gemisch mit sauerstoffabgebenden Mitteln (ζ. B. Salpeter, Mennige) und brennbaren Bindemitteln (wie Leim, Dextrin, Gummi arabicum) und waren an jeder Reibfläche zündbar. Wegen ihrer Giftigkeit und allzu leichten Entzündbarkeit wurden sie 1903 wieder verboten. An ihre Stelle traten die schon seit dem Jahre 1848 bekannten S i c h e r h e i t s z ü n d h ö l z e r . Diese bedienen sich des ungiftigen und weniger leicht entzündlichen r o t e n Phosphors. Und zwar befindet sich der Phosphor nicht im Streichholzkopf, sondern — im Gemisch mit Glaspulver — in der an den beiden Seiten der Zündholz Schachtel befindlichen Reibfläche. Der Kopf des Zündholzes besteht aus Antimonsulfid (als brennbarer Substanz), Kaliumchlorat (als sauerstoffabgebendem Mittel) und Bindemitteln. Beim Anstreichendes Zündholzes an der Reibfläche wird etwas Phosphor losgerieben, der dann bei der erhöhten Temperatur mit dem Chlorat Feuer fängt und so den brennbaren Zündholzkopf zur Entzündung bringt. Zur besseren Übertragung der Flamme werden die aus weichem Holz bestehenden Hölzer mit etwas Paraffin und zum Schutze gegen Weiterglühen nach dem Erlöschen mit Natriumphosphat getränkt.

b) Wasserstofiverbindungen des Phosphors Phosphor bildet drei definierte Wasserstoffverbindungen : ein dem Ammoniak NH 3 entsprechendes Phosphin P H â (Oxydationsstufe: — 3), ein dem Hydrazin N 2 H 4 entsprechendes Diphosphin P 2 H 4 (Oxydationsstufe: — 2) und einen hochpolymeren Phosphorwasserstoff der Formel (PH)X (Oxydationsstufe: — 1) (S.264). Ferner existieren noch Mischpolymerisate (vgl. S. 255) aus Phosphor und Wasserstoff, die sogenannten festen Phosphorwasserstoffe (vgl. S. 259). α) Phosphin Darstellung. Von den vier Sauerstoffsäuren des Phosphors vom Typus H 3 PO n (n = 2, 3, 4 und 5; vgl. S. 263) enthalten die beiden ersten (hypophosphorige Säure HjPOjj und phosphorige Säure H 3 P0 3 ) Phosphor-Wasserstoff-Bindungen. Darauf ist es zurückzuführen, daß diese beiden Säuren und ihre Salze (MeH 2 P0 2 bzw. Me 2 HP0 3 ) beim E r h i t z e n unter Disproportionierung P h o s p h i n ergeben (vgl. S. 271 und 272): H o l l e m a n n - W l b e r g , Anorganische Chemie. 47.—56. Aufl.

17

258

Die Stickstoffgruppe

2 HjPOj—>- PHj +

H8P04

4H 3 P0 s >- PH, + 3H,P0 4 . Eine andere Darstellungsmethode für das Phosphin ist die Einwirkung von farblosem P h o s p h o r auf warme K a l i l a u g e . In ähnlicher Weise, wie sich Chlor mit Lauge unter Diproportionierung zu der Stufe des Chlorwasserstoffs und der tinterchlorigen Säure umsetzt (C12 + H 2 0-» H C l + HC10; S. 121), disproportioniert sich der Phosphor in die Stufe des P h o s p h o r w a s s e r s t o f f s und der h y p o p h o s p h o r i g e n Säure (S. 256, 271): 4P + 6H 2 0 — ν PH3 + 3H,P0 a . Im übrigen stehen für die Gewinnung des Phosphins die schon beim Ammoniak (S. 224ff.) besprochenen Methoden zur Verfügung, so ζ. B. die Darstellung aus den E l e m e n t e n (Erhitzen von Phosphor und Wasserstoff unter hohem Druck auf 300° oder Einwirkung von naszierendem Wasserstoff auf Phosphor — bzw. Phosphorverbindungen —): Ρ + lVjHjj —>- PH, + 2.3 kcal, die H y d r o l y s e v o n P h o s p h i d e n (ζ. B. Calcium-, Magnesium-, Aluminium-, Zinn-, Eisenphosphid): ρ"' + 3H" —>- PH3 (3) und die Behandlung von P h o s p h o n i u m s a l z e n mit L a u g e : PH/ + OH' — ν PH3 + HaO. In reinster Form erhält man das Phosphin nach der letztgenannten Methode. In den meisten übrigen Fällen ist dem Phosphin D i p h o s p h i n P 2 H 4 beigemengt. Physikalische Eigenschaften. Phosphin ist ein farbloses, giftiges, knoblauchartig („nach Carbid") riechendes Gas, das verflüssigt bei — 87.74° siedet und bei —133.78° erstarrt. Daß sein Geruch demjenigen gleicht, den man beim Eintragen von Calcium carbid CaC2 in Wasser beobachtet, rührt daher, daß das Calciumcarbid stets Spuren C a l c i u m p h o s p h i d enthält, so daß dem entstehenden — geruchlosen — A c e t y l e n C2H2 (CaC2 + 2HOH — C a ( O H ) 2 + C J H J ) P h o s p h i n PH 3 (Ca3P2 + 6HOH — 3 C a ( O H ) 2 + 2PH a ) beigemengt ist. In Wasser ist Phosphin etwas löslich. Chemische Eigenschaften. Das Phosphin PH 3 unterscheidet sich vom Ammoniak NH 3 vor allem durch sein s t ä r k e r e s R e d u k t i o n s v e r m ö g e n und durch seinen s c h w ä c h e r b a s i s c h e n Charakter. Die s t ä r k e r e n r e d u z i e r e n d e n E i g e n s c h a f t e n gehen ζ. B. schon daraus hervor, daß sich reines Phosphin an der L u f t bereits bei 150° unter Verbrennung zu Phosphorsäure e n t z ü n d e t : H,P + 20, — ν H s P0 4 und daß es Lösungen von Silbernitrat oder Kupfersulfat zu Metall (im Gemisch mit Metallphosphid) reduziert. Die s c h w ä c h e r e n b a s i s c h e n E i g e n s c h a f t e n erkennt man daran, daß in wässeriger Lösung der Gleichgewichtszustand der S a l z b i l d u n g mit Halogenwasserstoff: X H a + Η·^=±: [XH 4 ]\ der beim A m m o n i a k (X = N) ganz auf der r e c h t e n S e i t e der Reaktionsgleichung liegt, beim P h o s p h i n (X = P) weitgehend nach l i n k s verschoben ist, so daß Phosphoniumchlorid PH4C1 (Sblp. —28°), Phosphoniumbromid PH 4 Br (Sblp. 30°) und Phosphoniumjodid PH 4 J (Sblp. 80°) in wässeriger Lösung in Phosphorwasserstoff und Halogenwasserstoffsäure zerfallen. Auch im Gaszustande sind die Phosphoniumhalogenide praktisch vollkommen in ihre Komponenten gespalten. Beim später zu besprechenden Arsin (X = As) liegt das obige Gleichgewicht schon v o l l k o m m e n auf der linken Seite der Gleichung ; Arsin bildet daher überhaupt keine „A rsonium"· Verbindungen mehr.

Der Phosphor

259

β ) Diphosphin Diphosphin P 2 H 4 entsteht gewöhnlich — besonders bei der Zersetzung voii Phosphiden mit Wasser — als Nebenprodukt der Phosphindarstellung. E s läßt sich wegen seines höheren Schmelz- (—99°) und Siedepunktes (+51.7°) leicht durch Kühlung als farblose Flüssigkeit vom Phosphin abtrennen. Diphosphin ist zum Unterschied von Phosphin s e l b s t e n t z ü n d l i c h und bedingt die Selbstentzündlichkeit des rohen — Diphosphin enthaltenden — Phosphins. Es zersetzt sich — vor allem im Licht — leicht unter Disproportionierung in P h o s p h o r und P h o s p h i n (vgl. den entsprechenden Zerfall des Hydrazins, S. 230) : _t _3 0 3P„H4

ν 4 P H , + 2P,

wobei der entstehende Phosphor je nach den Zersetzungsbedingungen mehr oder weniger Wasserstoff enthält. Häufig entspricht dabei die Bruttozusammensetzung etwa dem Atomverhältnis Ρ : Η — 2 : 1 („fester, gelber Phosphorwasserstoff" ; vgl. die analoge Verbindung Ab 2 H, S. 277).

c) Halogenverbindungen des Phosphors Phosphor bildet mit Halogenen Verbindungen des Typus PX 3 , PX 3 und PjX*. Außerdem kennt man noch Sauerstoff-Halogen-Verbindungen der Zusammensetzung POXj. Den T r i h a l o g e n i d e n P X 3 kommt die Elektronenformel I zu. Die P h o s p h o r y l h a l o g e n i d e („Phosphor-oxidhalogenide") P O X 3 leiten sich davon durch Anlagerung eines Sauerstoffatoms an das freie Elektronenpaar des Phosphors ab (II). Bei den P e n t a h a l o g e n i d e n P X 6 ist der Sauerstoff der Phosphorylhalogenide P O X 3 durch zwei Halogenatome ersetzt (III), welche bei der Verdampfung leicht wieder abgespalten werden. Als m e s o m e r e G r e n z f o r m e l n zu I I und I I I treten infolge der Schalenerweiterungstendenz des Phosphors Strukturen mit einem Elektronendezett des PAtoms auf (vgl. S. 159). s e e Cl Cl Cl 6 Cl: Ρ: Cle

eCl:P:Cl6

«Cl: Ρ: Cie.

üe

c7 f c7i

(I) (II) (111) Die T e t r a h a l o g e n i d e P 2 X 4 enthalten eine Phosphor—Phosphor-Bindung : X 2 P—PX 2 . Eine Übersicht über die physikalischen Eigenschaften der einzelnen Verbindungen gibt die folgende Tabelle: PX 3

PXS

P0X 3

X= F

Farbloses Gas Smp. - 1 6 0 ° Sdp. - 9 5 »

Farbloses Gas Smp. - 8 3 » Sdp. - 7 5 °

Farbloses Gas Smp. - 6 8 » Sdp. —40»

X = C1

Farblose Flüssigkeit Smp. - 9 1 ° Sdp. 75.9»

Farblose Kristalle Sblp. 100» Smp. 148°

Farblose Flüssigkeit Farblose Flüssigkeit Smp. - 2 8 » Smp. 1.3° Sdp. 180» Sdp. 108.7»

X = Br

Farblose Flüssigkeit Smp. —41.5° Sdp. 176»

Rotgelbe Kristalle Smp. - 5PC13). Phosphortrichlorid ist eine farblose, stechend riechende, bei 75.9° siedende und bei —91° erstarrende Flüssigkeit, die von W a s s e r sehr leicht unter Bildung von p h o s p h o r i g e r und S a l z s ä u r e zersetzt wird: PC13 + 3HÖH — P ( O H ) 3 + 3HCl und daher an feuchter Luft stark raucht. Durch O x y d a t i o n s m i t t e l (ζ. B. Chlorat) — langsam auch schon durch molekularen Sauerstoff — wird es in P h o s p h o r y l c h l o r i d P0C13 (s. u.), durch S c h w e f e l in T h i o p h o s p h o r y l c h l o r i d PSC13 (S. 273) und durch Chlor in P h o s p h o r p e n t a chlorid PC15 (s. u.) übergeführt. Diese Anlagerungen beruhen auf dem Bindungsbestreben des am Phosphor vorhandenen freien Elektronenpaares (S. 259), welches übrigens dem Phosphortrichlorid ganz allgemein eine starke Komplexbildungstendenz verleiht (vgl. S. 549). Phosphorpentachlorid PCI5 bildet sich entsprechend der letztgenannten Reaktion bei der Einwirkung überschüssigen Chlors auf P h o s p h o r t r i c h l o r i d : PCI3 + Cl2

PC16 + 29.7 kcal

(1)

als in reinem Zustande weiße, gewöhnlich aber wegen teilweiser Spaltung in Trichlorid und Chlor grünlichweiße Masse. Beim Erhitzen im offenen Rohr sublimiert Phosphorpentachlorid bei 100°, ohne zu schmelzen. Der Schmelzpunkt kann nur in geschlossenem Rohr unter dem eigenen Druck der Dissoziationsprodukte PC13 und Cl2 bestimmt werden und liegt dann bei 148°. Als endotherme Reaktion nimmt die Spaltung in Phosphortrichlorid und Chlor mit steigender Temperatur zu. Bei 180° sind rund 40%; bei 250° rund 80% des Phosphorpentachlorids dissoziiert, und bei 300° besteht der Dampf fast völlig aus den Dissoziationsprodukten. Dementsprechend nimmt der bei niedriger Temperatur nahezu farblose Dampf mit steigender Temperatur immer mehr die Farbe des Chlors an. In einer Atmosphäre von Chlorgas oder Phosphortrichlorid-Dampf verdampft Phosphorpentachlorid gemäß dem Massenwirkungsgesetz (Verschiebung des Gleichgewichts (1) nach rechts) nahezu unzersetzt. Wegen der leichten Abspaltbarkeit von Chlor wird Phosphorpentachlorid vielfach als C h l o r i e r u n g s m i t t e l benutzt. An der Luft zieht Phosphorpentachlorid W a s s e r an und geht in P h o s p h o r y l chlorid und Chlorwasserstoff über: PC16 + H20 — ^ P0C13 + 2HCl.

(2)

Daher raucht es an feuchter Luft. Mit viel Wasser zersetzt es sich weiter zu Phosphorsäure: POCI3 + 3HOH—PO(OH)3 + 3 HCl. (3) Phosphorylchlorid POCI3 kann — wie aus Gleichung (2) hervorgeht — durch Versetzen von P h o s p h o r p e n t a c h l o r i d mit der berechneten Menge W a s s e r gewonnen werden. Zur Darstellung ist es aber, um weitere Zersetzung zu Phosphorsäure

261

Der Phosphor

(3) zu vermeiden, zweckmäßiger, Verbindungen einwirken zu lassen, die verhältnismäßig schwer Wasser abgeben; ζ. B. Oxalsäure ( H 2 C 2 0 4 — > H 2 0 + CO + C0 2 ): PC15 + H 2 C 2 0 4 — ν P0C1 3 + 2HCl + CO + C 0 2

oder B o r s ä u r e ( 2 H 3 B 0 3 — ν 3 H 2 0 + B 2 0 3 ) . Auch bei der O x y d a t i o n von Phosp h o r t r i c h l o r i d mit Kaliumchlorat : 3PC13 + KCIO3 — > - 3P0C1 3 + KCl

oder bei der Umsetzung von P h o s p h o r p e n t a c h l o r i d mit P h o s p h o r p e n t o x i d : 3PC1 5 + P 2 0 6 — 5 P O C I 3

entsteht Phosphorylchlorid. Phosphorylchlorid ist eine farblose, stark lichtbrechende, an feuchter Luft rauchende Flüssigkeit, die bei 108.7° siedet und bei 1.3° erstarrt.

d) Oxide des Phosphors Phosphor bildet drei Oxide: ein Phosphortrioxid P 2 O s , ein Phosphortetroxid P 2 0 4 und ein Phosphorpentoxid P 2 0 B . Ersteres ist das Anhydrid der phosphorigen (P a O g + 3 H 2 0 z^zt.2H 3 PO g ), letzteres das Anhydrid der Phosphorsäure ( P 2 0 5 + 3 H a 0 2 H 3 P 0 4 ) ; Phosphortetroxid kann als gemischtes Anhydrid der phosphorigen und Phosphorsäure angesehen werden ( P 2 0 4 + 3 H 2 0 H 3 P 0 a + H 3 P0 4 ). Phosphortrioxid P 2 O 3 . Verbrennt man Phosphor bei beschränktem Luftzutritt und niedriger Temperatur, so entsteht Phosphortrioxid: 2P + 1 V . O , — ^ P a O , . Von gleichzeitig gebildetem Phosphorpentoxid kann es wegen seiner größeren Flüchtigkeit leicht abgetrennt werden. Phosphortrioxid bildet eine weiße, wachsartige, kristalline, sehr giftige Masse, die bei 22.5° schmilzt und (in Stickstoffatmosphäre) bei 173.1° siedet. Sein Molekulargewicht entspricht im geschmolzenen, gelösten und dampfförmigen Zustande der Formel P 4 O e . Diese Formel leitet sich von der des vieratomigen Phosphormoleküls P 4 in der Weise ab, daß jede der sechs P—P-Bindungen des P4-Tetraeders (Fig. 86, S. 253) durch eine P—0—P-Bindung ersetzt ist. Die so zustandekommende Struktur mit dreiwertigen Phosphor- und zweiwertigen Sauerstoffatomen ist gemäß Fig. 89 von hoher Symmetrie (tetraedrische Anordnung der Phosphor-, oktaedrische der Sauerstoffatome, symmetrische räumliche Verknüpfung von vier P 3 0 3 -Sechsringen) und findet sich auch bei anderen Verbindungen, ζ. B. dem Arsenik As4Oe (S. 279) und dem Urotropin N 4 (CH 2 ) e (Π, S. 106). Die dem „Phosphortrioxid" (P 2 0 3 ) 2 entsprechende Sauerstoffverbindung des S t i c k s t o f f s , N 2 0 3 (S. 237), ist zum Unterschied von der dimeren Phosphorverbindung monomer, da hier im Einklang mit der Doppelbindungsregel (S. 187) die Ausbildung von Doppelbindungen möglich ist: 0 = N — 0 — N = 0 , was bei der dimeren Formel vermieden wird. Beim Erhitzen auf über 210° d i s p r o p o r t i o n i e r t Q. sich Phosphortrioxid in roten Phosphor und Phosphortetroxid: -> 2P +

3P204.

Fig. 89. Räumliche Molekularformel des Phosphortrioxids ( P 2 0 3 ) a (Tetraphosphor-hexoxid) (4)

Die Stickstoffgruppe

262

Bei 70° entzündet es sich an der L u f t und verbrennt zu P h o s p h o r p e n t o x i d : P 2 0 3 + 0 2 —>• Po0 5 . Diese Vereinigung mit Sauerstoff erfolgtbei Gegenwart kleiner Mengen von P 4 langsam auch schon bei gewöhnlicher Temperatur; dabei beobachtet man eine L e u c h t e r s c h e i n u n g (vgl. S. 255f.)· Mit k a l t e m W a s s e r setzt sich Phosphoitrioxid sehr langsam unter Bildung von phosphoriger S ä u r e um: P 2 0 3 +fc3 H 2 0 —>- 2H3PO3. Einwirkung von heißem W a s s e r führt in heftiger und wenig übersichtlicher Reaktion zur Bildung von rotem Phosphor, P h o s p h o r w a s s e r s t o f f e n und P h o s p h o r s ä u r e (vgl. S. 257f.). Phosphortetroxid P2O4. Das gemäß (4) durch Erhitzen von Phosphortrioxid darstellbare Phosphortetroxid P 2 0 4 bildet farblose, glänzende Kristalle, die sich in W a s s e r unter beträchtlicher Wärmeentwicklung und Bildung von phosphoriger und P h o s p h o r s ä u r e lösen: P 2 0 4 + 3H 2 0 — H 3 P 0 8 + H3PO4.

Es entspricht in dieser Beziehung dem Distickstofftetroxid N 2 0 4 , welches mit Wasser salpetrige und Salpetersäure liefert. Phosphorpentoxid P2OS. Verbrennt man Phosphor bei genügender Luft- oder Sauerstoffzufuhr, so entsteht unter außerordentlicher Wärmeentwicklung Phosphorpentoxid : ^ p a o e + 365.8 k c a i. 2p + Technisch erfolgt die Darstellung durch Verbrennung von weißem Phosphor in eisernen Trommeln. Von gleichzeitig gebildeten niederen Phosphoroxiden läßt es sich durch Sublimation im Sauerstoffstrom bei Rotglut befreien. Phosphorpentoxid bildet gewöhnlich ein weißes, schnee-artiges, geruchloses Pulver. Durch Sublimation (Sblp. 350°) kann es verflüchtigt und an kälteren Stellen in Form stark lichtbrechender Kristalle wieder verdichtet werden. Beim Erhitzen im geschlossenen Raum auf über 400° wird es pulverig amorph, dann glasig. Bei noch weiterem Erhitzen schmilzt (Smp. 563°) und verdampft dieses Glas; aus dem Dampf scheidet sich beim Erkalten wieder das kristallisierte Phosphorpentoxid aus. Das Molekulargewicht im Dampfzustande entspricht der Formel P4O10 (Tetraphosphor-dekaoxid). Diese Formel leitet sich von der P4Oe-Formel (Fig. 89) dadurch ab, daß jedes Phosphoratom mit Hilfe seines freien Elektronenpaares1 noch ein Sauerstoffatom bindet : ρ Ρ : -f Ö :—> y Ρ : O : · Nach vorheriger Bestrahlung phosphoresziert Phosphorpentoxid mit grünem Lichtschein; die Intensität des Leuehtens nimmt mit abnehmender Temperatur zu und ist bei —180° glänzend hell. Die charakteristischste Eigenschaft des Phosphorpentoxids ist sein außerordentliches Bestreben, sich mit W a s s e r begierig zu M e t a p h o s p h o r s ä u r e HPOs und weiter auf dem Wege über Polyphosphorsäuren (S. 268, 269) zu Orthophosphors ä u r e H 3 P0 4 zu vereinigen: P 2 0,

2HPOs

+ H,>

H4PA

+

"°>

2H,P0 4 .

Es ist das kräftigste wasserentziehende Mittel, das man kennt, und wird deshalb in Exsiccatoren (S. 209) und Trockenrohren zum Entfernen auch der geringsten Spuren von Wasserdampf benutzt. Auch zur Wasserabspaltung aus chemischen Verbindungen (ζ. B. zur Darstellung von Säure-anhydriden : 2HN0 3 — N 2 0 5 + H 2 0 ; H 2 S0 4 — S0 3 + H 2 0) und zur Bindung von Wasser bei chemischen Umsetzungen wird es vielfach verwandt. 1 Jedes kovalent dreiwertige Phosphoratom besitzt noch ein unbeanspruchtes Elektronenpaar, da von den insgesamt δ Außenelektronen im dreiwertigen Zustande nur 3 Elektronen zur Valenzbetätigung herangezogen sind.

Der Phosphor

263

e) Sauerstoffsäuren des Phosphors α) Systematik und Konstitation Der Phosphor bildet vier Sauerstoffsäuren der allgemeinen Zusammensetzung HJPOB („Ortho-säuren") bzw. — in wasserarmerer Torrn („Meta-säuren") — HP0„_| (n = 2, 3, 4 und 5) und fünf Sauerstoffsäuren der allgemeinen Formel H^P^O,, (n = 4,5, 6, 7 und 8). Die Bezeichnungen für die einzelnen Säuren und ihre Salze gehen aus der folgenden Tabelle hervor, in welcher die Verbindungen nach steigender Oxydationszahl des Phosphors angeordnet sind : Säur en dee Typ u s

Oxydations-

zahl

For mei

HjPO,

(HPO)

Säu reu des Typus Η Λ Ο ,

( HP 0 „ - , )

Salze

Name

Orthoform Metaform

+ 1

HJPO»

Formel

H4P2O4 Hypo-diphos- Hypo-

phorige Säure diphosphite

H

3

P O ,

HP02

Phosphorige Säure

Phosphite

Η Λ Ο } Diphosphorige Diphosphite Säure

+ 4 + 5

H3PO4

+ 5

1

Hypo-diphos- Hypodiphosphate phorsäure

HÍPJOE

HPO,

Phosphorsäure

H4P¡ÍOT Diphosphor-

Phosphate

säure

51

-F

Salze

Hypophospho- Hyporige Säure phosphite

+ 2 + 3

Name

TTIPJOE

H3PO5

(HPO«) Peroxophosphorsäure

Diphosphate

Peroxo-diphos- Peroxophorsäuro

diphosphate

Peroxophosphate

Orthosäuren des Typus HjPO„. Der Aufbau der den Säuren EyPO,, und ihren Salzen zugrundeliegenden Anionen P 0 n " ' läßt sich am einfachsten wie bei den Sauerstoffsäuren des Chlors (S. 157) vom einfachen Ion des Zentralatoms aus ableiten. Das Phosphid-ion P ' " hat die in Formel I wiedergegebene Elektronenkonfiguration. Durch Anlagerung von 1, 2, 3 und 4 Sauerstoffatom en an die vier freien Elektronenpaare dieses Anions entstehen die Anionen IT, I I I , IV und V : Ί— :P:

: P: : Ö:

:Ö:P: : i) :

(I) Phoephid

(Π) (an bekannt) Phoephat(—I)

(ΠΙ) Hypophosphit PhosphatfO

:Ö:P: (IV) Phosphit PhosphatfIII)

: Ö: :Ö:P:Ö: (V) Phoephat Phoaphat(V)

Von diesen Anionen sind diejenigen mit freien Elektronenpaaren am Phosphor (I—IV) in wässeriger Lösung unbeständig, weil der Phosphor in diesen Verbindungen ein großes Bestreben zeigt, W a s s e r s t o f f - i o n e n des Wassers an die freien Elektronen· paare anzulagern. Löst man also ζ. B. ein Phosphit der Formel [P0 3 ] " ' in Wasser auf, so vollzieht sich sofort die Umsetzung: [ P 0 3 ] " ' + HÖH — [ H P O a ] " + OH'. 1

Vgl. Anmerkung 1 auf 8.198.

Die Stickstoffgruppe

264

Das Gleichgewicht dieser Reaktion liegt dabei ganz auf der r e c h t e n Seite. E s gelingt daher nicht, in Umkehrung der Reaktion durch Einwirkung von L a u g e auf das H y d r i d o p h o s p h i t - i o n [ H P 0 3 ] " das letzte (dritte) Wasserstoffatom der zugrundeliegenden phosphorigen Säure H 3 P 0 3 zu neutralisieren. Die p h o s p h o r i g e S ä u r e H3PO3 ist mit anderen Worten trotz ihrer drei Wasserstoffatome in wässeriger Lösung 1 nur eine z w e i b a s i g e S ä u r e . Analoges gilt etwa vom Phos-phid-ion. Bringt man ζ. B. C a l c i u m p h o s p h i d mit W a s s e r zusammen (vgl. (3), S. 258), so lagern sich an drei — in stark saurer Lösung an alle vier — Elektronenpaare des Phosphors Wasserstoffionen an, so d a ß P h o s p h o r w a s s e r s t o f f P H 3 b z w . P h o s p h o n i u m - i o n [ P H 4 ] ' entsteht. Somit geht die obige Anionenreihe (1) in w ä s s e r i g e r L ö s u n g in die folgende Reihe über: H H:P:H

+

H H:P:H

H

H :Ö:P:H ° : Ö:

-

: Ò: : Ö:P:H



: Ö:

:Ö: : Ö:P:0:

(2)

: Ö:

(I)

(II)

(III)

(IV)

(V)

Phosphonlum

Phosphinoxid*

Hypophosphlt

Phosphit

Phosphat

Wir ersehen daraus, daß eine lückenlose Reihe vom [PH 4 ]' bis zum [ P 0 4 ] " ' hin besteht, daß die Ladung des Ions bei jedem Schritt — entsprechend dem jeweiligen Ersatz eines positiv geladenen Wasserstoff-ions H+ durch ein neutrales Sauerstoffatom 0 : — u m je eine positive (negative) Einheit ab-(zu-)nimmt und daß dementsprechend die hypophosphorige Säure H 3 P 0 2 (Phosphor(I)säure) in wässeriger Lösung zum Unterschied von der z w e i b a s i g e n phosphorigen Säure H 3 P 0 3 (Phosphor(III)säure) und der d r e i b a s i g e n Phosphorsäure H 3 P 0 4 (Phosphor(V)säure) eine e i n b a s i g e Säure ist. Die obige Verbindungsreihe (2) ist auch — bis auf das erste Glied — in Form von F l u o r o d e r i v a t e n (Ersatz der Wasserstoffatome durch Fluoratome) bekannt: F l " F l T F V o y, Q F Ρ F FI» F O P F O P F ΟΡΟ F L o j ι o J L o o (unbekannt)

Phosphoryl-fluorid

Difluoro-phosphat

Fluoro-phosphat

Phosphat

Von diesen Fluorderivaten entspricht in Aufbau und Ladung das D i f l u o r o - p h o s p h a t - i o n P 0 2 F 2 ' dem P e r c h l o r a t - i o n C10 4 ' und das F l u o r o - p h o s p h a t - i o n P 0 3 F " dem S u l f a t - i o n S0 4 " ; dementsprechend ähneln sich auch die Reaktionen der genannten isosteren Ionen.

Die Peroxophosphorsäure H 3 P 0 5 (Peroxo-phosphor(V)säure) enthält ein Sauerstoffatom mehr als die Phosphorsäure H 3 P 0 4 . Da der Phosphor im Phosphat-ion kein freies Elektronenpaar mehr aufweist — vgl. Formel (2), V —, kann die Bindung des fünften Sauerstoffatoms nur durch eines der vier S a u e r s t o f f a t o m e des Phosphations erfolgen: 6

:0: : Ö :Ρ : Ò :O :

:Ö: Dementsprechend ist die Peroxophosphorsäure H 3 P 0 5 wie die Peroxoschwefelsäure H 2 S 0 5 (S. 202) und zum Unterschied von der Perchlorsäure HC10 4 (S. 157) eine P e r o x o -Verbindung (vgl. S. 203). 1 Bei A u s s c h l u ß v o n W a s s e r (ζ. B. bei Einwirkung von Natrium) ist natürlich auch das d r i t t e Wasserstoffatom der phosphorigen Säure H 3 P 0 3 durch Metall ersetzbar. Analoges gilt für den Ersatz der nicht sauren H-Atome a n d e r e r Wasserstoffverbindungen (z.B. v o n N H s ; vgl. S. 228f.). 2 Bis jetzt nur in Form von Alkylderivaten OPR 3 bekannt (R = Kohlenwasserstoffrest). Der Grundkörper OPH s selbst ist unbeständig und kondensiert sich unter Wasseraustritt gemäß χ ΟΡΗ, —>- (ΡΗ)χ + xHjO zu (PH), (S. 257).

Der Phosphor

265

Metasäuren des Typus ΗΡΟ„_ι· Die vorstehend besprochenen Säuren H 3 PO„ kommen auch in einer w a s s e r ä r m e r e n F o r m H P O n - j ( H 3 P O n — > - H 2 0 + HPOn.^) vor. Zur Unterscheidung nennt man die ersteren Ortho-, die letzteren Meta-säuren. Die metaphosphörige Säure H P 0 2 (Meta-phosphor{III)säure) und Metaphosphorsäure HPO3 (Meta-phosphor(V)-säure) entsprechen in ihrer Formel der vom Phosphor-Homologen Stickstoff abgeleiteten salpetrigen Säure HNOg und Salpetersäure HNO a . Diese Übereinstimmung ist aber nur äußerlich; denn die Struktur der — in Wahrheit p o l y m e r e η — Metasäuren des Phosphors und ihrer Salze ist von der der entsprechenden Stickstoffsäuren und ihrer Salze g a n z v e r s c h i e d e n (S. 268f.). Disäuren des Typus ΗΛΟ,,. Die Di- oder Pyrophosphit-ionen unterscheiden sich in ihrer Konstitution von den Di- oder Pyrophosphat-ionen wie die Phosphit-ionen von den Phosphat-ionen. Bei den Diphosphiten ist also je eines der vier um jedes Phosphoratom des Diphosphate gruppierten vier S a u e r s t o f f a t o m e durch W a s s e r s t o f f ersetzt : O O • 0 0 " Ο Ρ ΟΡ O Η Ρ OΡ Η O O . 0 0 . Diphosphate Diphosphat(V) Diphosphit; DiphMsphat(III) Dementsprechend ist die diphosphorige SâureÏl^ 20 s(Diphosphor(I I I)säure) zum Unterschied von der v i e r b a s i g e n Diphosphorsäure H 4 P 2 0 7 (Diphosphor(V)säure) nur zweibasig. Auch in den drei anderen Säuren des Typus H 4 P 2 0 „ — der hypo-diphosphorigen SäureHiP2Oi(Dipkosphor(II)säiire), derHypo-diphosphorsäure'S. i P 2 0 e (Diphosphor(IV)säure) und der Peroxo-diphosphorsäure H 4 P 2 0 8 (Peroxo-diphosphor(V)säure) — bleibt wie in allen anderen Phosphorsäuren die K o o r d i n a t i o n s z a h l 4 des Phosphors gewahrt: Γ Ο Ο τ" Γ Ο Ο π"" Γ Ο Ο τ"" HP PH ΟΡΡΟ ΟΡ ΟΟΡ O . L 0 0 J L 0 0 J L o o J Ilypo-diphoephlt; Diphosphat(II) Hypo-dlphosphat ; I'iphosphat(IV) Pcroxo-diphosphat ; Peroxo-diphosphat(V) Die Diphosphate(III) und Diphosphate(IV) kommen auch in isomeren Formen als Diphosphate(H, IV) bzw. Diphosphate(lII, V) vor: Γ Ο Ο Υ" Γ Ο Ο Y" HP PO HP Ο Ρ O L 0 0 J L o o J Diphoephat(II, IV) Diphosphate III, V) β) P h o s p h o r s ä u r e Orthophosphorsäure Darstellung. Zur technischen Darstellung von Phosphorsäure dienen natürliche Mineralphosphate als Ausgangsmaterial. Der Aufschluß dieser Phosphate erfolgt entweder auf n a s s e m oder auf t r o c k e n e m Wege. Beim n a s s e n A u f s c h l u ß wird das gemahlene P h o s p h a t mit verdünnter S c h w e f e l s ä u r e behandelt: Ca3(P04)2 + 3H 2 S0 4 3CaS04 + 2H S P0 4 , das dabei entstehende wasserunlösliche Calciumsulfat abfiltriert und die zurückbleibende Phosphorsäurelösung konzentriert. Man erhält so je nach dem Arbeitsverfahren 20—500/oige, nicht sehr reine Lösungen. Beim t r o c k e n e n A u f s c h l u ß wird das M i n e r a l p h o s p h a t mit K o k s und K i e s e l s ä u r e im Gebläse-Schachtofen (Hochofen) oder im elektrischen Ofen (S. 252f.) verschmolzen: Ca3(P04)2 + 3Si0¡¡ + 5C ν 3CaSi03 -f 5CO + 2Ρ und das hierbei aus dem Ofen austretende, aus Phosphordampf und Kohlenoxid bestehende Gas mit L u f t ü b e r s c h u ß zu Phosphorpentoxid verbrannt: 2 P + 2V,0,—>• P 2 0 5 . Die Verbrennungsgase, die das Pentoxid in Form von Rauch enthalten, können dann mit Wasser oder mit 50°/0iger Phosphorsäurelösung zu Orthophosphorsäure umgesetzt werden :

266

Die Stickstoffgruppe

P206 + S a j o >- 2H 3 P0 4 . Man gewinnt so 85—90°/oige, recht reine Lösungen. Die Verbrennung des Phosphors zu Phosphorpentoxid kann statt mit L u f t auch mit überhitztem W a s s e r d a m p f erfolgen {„LILJENROTH-Verfahren"), wobei gleichzeitig W a s s e r s t o f f gewonnen -wird: 2 Ρ -(- 5 H a 0 —>- P 2 0 6 + 5H 2 ; wegen technischer Schwierigkeiten ist dieses Verfahren jetzt aber nicht mehr in Anwendung. Chemisch reine P h o s p h o r s ä u r e läßt sich durch Verbrennen von r e i n e m P h o s p h o r mit L u f t und Umsetzung des gebildeten reinen Phosphorpentoxids mit W a s s e r gewinnen. Die früher durchgeführte Oxydation von Phosphor mit S a l p e t e r säure wird technisch nicht mehr ausgeführt. Physikalische Eigenschaften. Phosphorsäure bildet bei gewöhnlicher Temperatur wasserklare, harte, geruchlose, in Wasser äußerst leicht lösliche Kristalle, die bei 42.3° schmelzen und das spezifische Gewicht 1.88 besitzen. In den Handel kommt sie gewöhnlich als sirupöse, 85—90°/0ige Lösung (spez. Gewicht 1.70—1.75), da sich stärker konzentrierte Lösungen infolge ihrer Viskosität nicht mehr abhebern lassen. Chemische Eigenschaften. Orthophosphorsäure H S P 0 4 ist eine d r e i b a s i g e , m i t t e l s t a r k e S ä u r e und bildet dementsprechend drei Reihen von Salzen: primäre Phosphate (Dihydrogenphosphate) Me I H 2 P0 4 , sekundäre Phosphate (Hydrogenphosphate) Me£HP0 4 und tertiäre Phosphate (Phosphate) MeJP0 4 . Die Dissoziation der Säure erfolgt in drei Stufen: H 3 P0 4 H· + H 2 P0 4 ' (3) H 2 P0 4 ' H" + IÍP0 4 " (4) H P 0 4 " ^ = ± : H · + P0 4 "'. (6) Die zugehörigen D i s s o z i a t i o n s k o n s t a n t e n haben bei 18° die Werte : = 1.1 X 10 - a , K.¿ = 1 . 2 x 1 0 - ' und KS — 1.8 χ IO" 1 2 ; oder als S ä u r e - e x p o n e n t e n PK = —logÄ (S. 109) geschrieben : pK, = 1.96, pK„ = 6.92, φκ = H-74. Hieraus ergibt sich (vgl. S.108 f. und Fig. 41, S. 109) für den Zusammenhang zwischen /»n-Wert und Phosphat-ionengehalt einer Phosphorsäure- oder Phosphatlösung das untenstehende Bild (Fig. 90). Man ersieht aus demDiagramm, daß beispielsweise in e i n e r Phosphorsäurelösung vom />H-Wert 2 die Hälfte der Phosphorsäuremoleküle als H 3 P 0 4 und die andere Hälfte als H 2 P 0 4 ' vorliegt, während H P 0 4 " - und P0 4 "'-ionen praktisch nicht vorhanden sind. Mit zunehmendem ^>H-Wert der Lösung (also bei Zusatz von Alkali) nimmt das Molverhältnis H 3 PO„: H 2 P 0 4 ' infolge Verschiebung des Gleichgewichts (3) nach rechts ab, bis bei einem ^ H -Wert von 4.5 praktisch alles in Form von H 2 P0 4 'ionen vorliegt. Weiterer Zusatz von Alkali führt gemäß (4) zur Bildung von HP0 4 "-ionen (¿>H = 6 : 90°/ 0 H 2 P 0 4 ' + 1 0 % H P 0 4 " ; Pufferwirkung ¿ H = 8: 10% H2P04' + 90% H P 0 4 " ) und schließlich — Fig. 90. Abhängigkeit der Ionenkonzentrationen vom PH-Wert in einer Phosphoreäure-(Phosphat-)lösung nachdem bei einem ^>H-Wert von 9.5 praktisch das gesamte Phosphat in Form von HP0 4 "-ionen vorliegt — gemäß (5) zur Bildung von P 0 4 " ' ionen (pB = 12: 50°/ 0 H P 0 4 " + 5 0 ° / 0 P 0 4 ' " ) . Wie weiterhin aus demDiagramm ersichtlich ist, reagieren wässerige Lösungen von Phosphorsäure s t a r k s a u e r , von

Der Phosphor

267

primären Phosphaten schwach s a u e r (p H = 4.5), von sekundären s c h w a c h h a s i s c h (pn — 9.5) und von tertiären s t a r k b a s i s c h . Letztere sind nachdem Diagramm nur bei einem ^Η-Wert von 14.5, also in s t a r k a l k a l i s c h e r Lösung ohne nennenswerte Hydrolyse auflösbar. I n W a s s e r (ρ π = 7) erfolgt weitgehende H y d r o l y s e : P 0 4 " ' + H Ö H —>- H P 0 4 " + OH', wobei die Lösung a l k a l i s o h wird. Ein geeignetes P u f f e r g e m i s c h (vgl. S. 109f.) ist nach Fig. 90 ein Gemisch von p r i m ä r e m und s e k u n d ä r e m P h o s p h a t , welches im ^ - G e b i e t 6—8 (90% H ^ O / + 10°/ 0 H P 0 4 " bis 10°/ 0 H 2 P 0 4 ' + 90°/o H P 0 4 " ) gut puffert (4). Salze. Die p r i m ä r e n P h o s p h a t e Me T H 2 P0 4 (Dihydrogenphosphate) lösen sich alle in Wasser, während von den s e k u n d ä r e n und t e r t i ä r e n P h o s p h a t e n Me£HP0 4 (Hydrogenphoaphate) bzw.Me¿P0 4 (Phosphate) nur die A l k a l i s a l z e in W a s s e r , die übrigen lediglich in M i n e r a l s ä u r e n löslich sind. Die A l k a l i p h o s p h a t e gewinnt man gewöhnlich durch Zufügen der entsprechenden Menge P h o s p h o r s ä u r e zu A l k a l i h y d r o x i d - oder A l k a l i c a r b o n a t l ö s u n g e n ( H 3 P 0 4 + N a O H — N a H 2 P 0 4 -f H 2 0 ; 2 H 3 P 0 4 + N a 2 C 0 3 — ν 2 N a H 2 P 0 4 + H 2 0 + C0 2 ). Das gewöhnlich verwendete Natriumsalz ist das N a t r i u m - h y d r o g e n p h o s p h a t N a 2 H P 0 4 12H 2 0. ES bildet farblose große Säulen oder Tafeln, welche an der L u f t unter Bildung eines Dihydrats N a 2 H P 0 4 2 H 2 0 verwittern und bei 40° schmelzen. Das bei der Umsetzung einer Natriumphosphatlösung mit Ammoniumchlorid entstehende N a t r i u m - a m m o n i u m - h y d r o g e n p h o s p h a t („PAos/>Aorsa¿z")NaNH 4 HP0 4 ( N a 2 H P 0 4 + NH 4 C1 — ν N a N H 4 H P 0 4 -f NaCl) kristallisiert aus wässeriger Lösung als Tetrahydrat aus und dient in der qualitativen Analyse zur Herstellung charakteristisch gefärbter „Phosphorsalzperlen" zwecks qualitativer Erkennung von Metalloxiden (vgl. S. 376). Über die als Düngemittel wichtigen A m m o n i u m - und Calc i u m p h o s p h a t e vgl. S. 269f. Die u n l ö s l i c h e n P h o s p h a t e entstehen aus den löslichen durch doppelte UmSetzung. Analytisch wichtig sind: der auf Zusatz von Silbernitrat zu Phosphatlösung entstehende gelbe Niederschlag von Silberphosphat ( H P 0 4 " + 3Ag' Ag 3 P0 4 + H" ; H* + H P 0 4 " —>- H 2 P 0 4 ' ) , der bei Zugabe von Magnesiumsalz, Ammoniak und Am· moniumsalz („Magnesiamischung") ausfallende weiße, kristalline Niederschlag von Magnesium-ammonium-phosphat ( H P 0 4 " + Mg" + NH 4 ' z^zh. MgNH 4 P0 4 + Η ' ; H" + N H a —>- NH 4 ') und der in salpetersaurer Lösung auf Zusatz von Ammonium-molybdat (NH 4 )JMO0 4 gebildete gelbe Niederschlag von Ammonium-molybdato-phosphat, (NH 4 ) 3 [P(MO 3 0 10 ) 4 ] (vgl. S. 518). Beim Glühen gehen die s e k u n d ä r e n Phosphate unter Abspaltung eines Mols Wasser je 2 Mol Phosphat in D i p h o s p h a t e (Pyrophosphate): 2K 2 HP0 4 > K4P207 und die p r i m ä r e n Phosphate unter Abspaltung eines Mols Wasser je Mol Phosphat über die Stufe der Diphosphate und Polyphosphate in M e t a p h o s p h a t e über (S. 268) : 2KH 2 P0 4 — K 2 H 2 P 2 0 7 - - - - 2 K P 0 3 . Analog verhalten sich die A m m o n i u m d e r i v a t e solcher Phosphate: 2 MgNH4P04 >- Mg2P20, + 2NH 3 + H 2 0; NaNH 4 HP0 4 >- NaPO, + NH3 + H 2 0. Diphosphonsäure Bei längerem E r h i t z e n auf 200—300° geht die P h o s p h o r s ä u r e unter Wasserabspaltung in D i - ( P y r o - ) p h o s p h o r s ä u r e über: 2H 3 P0 4 Ä Η Λ Ο , + H 2 0. (6) Die Reaktion entspricht der Bildung von Di-(Pyro-)phosphaten beim Glühen sekun· dSrer Phosphate (s. oben).

Die Stickstoffgruppe

268

Die Diphosphonsäure bildet eine farblose, glasige, in kristallisiertem Zustande bei etwa 65° schmelzende Masse, die sich in Wasser leicht löst und in dieser Lösung unter Wasseraufnahme langsam — schneller beim Kochen, besonders in Gegenwart von Salpetersäure — wieder in Orthophosphorsäure übergeht. Sie ist eine wesentlich s t ä r k e r e S ä u r e als die Orthophosphorsäure (Äj = 1.4 + IO - 1 ; K i = 3.2 χ IO - 2 ; K 3 — 1.7 Χ 10 - β ; = 6.0 Χ 10~9) und bildet zwei Reihen von Salzen, des Typus Me£H 2 P 2 0 7 („saure Diphosphate"·, „Dihydrogen-diphosphate") und Me*P 2 0 7 („neutrale Diphosphate"; „Diphosphate"). Die sauren Salze sind meist in Wasser — unter schwach saurer Reaktion — löslich ; von den neutralen Salzen lösen sich nur die Alkalisalze, und zwar mit schwach basischer Reaktion. Die Diphosphorsäure unterscheidet sich von der Orthophosphorsäure dadurch, daß die Lösungen ihrer Salze mit Silbernitratlösung nicht einen gelben, sondern einen rein weißen Niederschlag (Ag 4 P 2 0 7 ) ergeben, von der Metaphosphorsäure dadurch, daß sie Eiweiß nicht zum Gerinnen bringt und mit Bariumchloridlösung kein schwerlösliches Barium salz bildet. Poly- und Metaphosphorsäuren Bei über 300° spaltet auch die Diphosphorsäure H 4 P 2 0 7 Wasser ab und gehtjauf dem Wege über P o l y p h o s p h o r s ä u r e n (s. unten) in die sehr glühbeständige M e t a p h o s p h o r s ä u r e H P 0 3 über: H4P207

2 HPO3 + H 2 0 .

(7)

Diese M e t a p h o s p h o r s ä u r e — analoges gilt von ihren durch Erhitzen primärer Phosphate erhältlichen S a l z e n — hat nicht das der Formel H P 0 3 entsprechende Molekulargewicht, sondern ist je nach den Darstellungsbedingungen mehr oder minder p o l y m e r i s i e r t . Die Wasserabspaltung aus der Diphosphorsäure bzw. ihren sauren Salzen erfolgt also nicht intramolekular, sondern — in Fortsetzung der schon bei der Bildung von Diphosphorsäure (Hydrogen-diphosphaten) aus Orthophosphorsäure (Hydrogen-phosphaten) begonnenen ,,Kondensation" 1 (6) — intermolekular unter Bildung h ö h e r m o l e k u l a r e r („Polyphosphorsäuren" H n + 2 P n 0 3 n + 1 ) bis h o c h m o l e k u l a r e r P r o d u k t e („Metaphosphorsäure" H x + 2 P x 0 3 x + 1 = [HPO s ] x 2 (x kann Werte bis 10e annehmen): 0' O' O' O' .. _ . .. O' O' O' O' O' HO Ρ 0 ί Ξ + H O i• PQ OH

O

u n t etere r V HO 0P O P0 OH we. Konaensation Waaaeraustritt

0 0Ρ Ο 0Ρ Ο 0Ρ Ο 0Ρ Ο 0Ρ · · ·

Die Polymerisation dee M e t a p h o s p h a t - i o n s P 0 3 ' zum hochmolekularen (kettenförmigen oder vernetzten) Metaphosphat-ion [PO s ']n — ζ. B. in Form des „Kurrolschen Salzes" (NaP0 3 ) x (vernetzt), des „Maddrellschen Salzes" (NaP0 3 ) y (kettenförmig) oder des „Grahamschen Salzes" (NaP0 3 )z (vernetzt) — entspricht ganz der schon erwähnten Polymerisation des S c h w e f e l t r i o x i d s S 0 8 zu hochmolekularem „asbestartigem" Schwefeltrioxid [S0 3 ]n (S. 200). Hier wie dort entspricht das Polymerisationsbestreben der bereits beim Schwefel (S. 187) abgeleiteten Doppelbindungsregel, wonach nur die Elemente der e r s t e n A c h t e r p e r i o d e des Periodensystems D o p p e l b i n d u n g e n einzugehen geneigt sind, während die übrigen Elemente lieber durch P o l y m e r i s a t i o n zu größeren Komplexen stabile E d e l g a s s c h a l e n zu erreichen suchen. Vergleichen wir etwa das N i t r a t - i o n N 0 3 ' mit dem M e t a p h o s p h a t - i o n P 0 3 ' , so stellen wir fest, daß die Stabilisierung des zunächst elektronen-ungesättigten Gebildes beim e r s t e r e n durch Ausbildung einer D o p p e l b i n d u n g : O: :0

Ν

Ö: 1

:0: — > -

Ö::N,

" :Ö:

Kondensation = Zusammenlagerung von Molekülen unter Wasseraustritt. Bei Kondensation unter R i n g s c h l u ß ist auch die Bildung n i e d e r m o l e k u l a r e r Metaphosphorsäuren [HP0 3 ]n, z.B. von „Trimetaphosphaten" (P0 3 ') 3 möglich (Metaphosphate im engeren Sinne). 2

Der Phosphor

269

beim l e t z t e r e n dagegen durch k e t t e n f ö r m i g e Aneinanderreihung erfolgt, wodurch D o p p e l b i n d u n g e n v e r m i e d e n werden: :Ö: :Ö:P

:Ö: :Ö: :Ö: :Ö:P:Ö:P:Ö:P

:Ö:

":Ö:":Ö:":Ö:

.

(8)

Deswegen ist das Nitrat-ion zum Unterschied vom p o l y m e r e n Metaphosphat-ion m o n o m e r . In ganz analoger Weise geht die Polymerisation des S c h w e f e l t r i o x i d s S0 3 zu polymerem Schwefeltrioxid[S0 3 ]n vor sich: :Ö: :Ö:S

:Ö: :Ö: :Ö: — ν

:Ö:S:Ö:S:Ö:S

.

(9)

Der Unterschied ist nur der, daß der Schwefel als im Periodensystem r e c h t s vom Phosphor stehendes Atom e i n e p o s i t i v e K e r n l a d u n g m e h r als der Phosphor aufweist, so daß die Atomgruppierung S 0 3 zum Unterschied vom n e g a t i v geladenen P 0 3 n e u t r a l ist. Ersetzen wir den P h o s p h o r des Metaphosphat-ions umgekehrt durch das im Periodensystem l i n k s vom Phosphor stehende S i l i c i u m , so trägt das so entstehende Gebilde Si0 3 zwei n e g a t i v e Ladungen: Si0 3 ", da das Silicium e i n e p o s i t i v e K e r n l a d u n g w e n i g e r als der Phosphor aufweist. Auch dieses M e t a s i l i c a t - i o n Si0 3 " zeigt — wie wir später (S. 325f.) sehen werden — zum Unterschied vom m o n o m e r e n Carbonat-ion C0 3 " die gleiche P o l y m e r i s a t i o n s n e i g u n g wie P 0 3 ' und S 0 3 : :Ö: :Ö:Si :Ö:

>•

:Ö: :Ö: :Ö: :Ö:Si:Ö:Si:Ö:Si

.

(10)

":Ö:":Ö:":Ö:

In allen drei Fällen (8), (9) und (10) erfolgt bei k l e i n e m η (ζ. Β. η = 3) die Absättigung der endständigen, koordinativ ungesättigten Atome durch R i n g b i l d u n g : [S0 3 ] 3 , [P0 3 ]' 3> [Si0 3 "] 3 ; bei g r o ß e m η liegen l a n g e K e t t e n m o l e k ü l e vor. Ein solches kettenförmiges Silicat ist ζ. B. auch der faserige A s b e s t (S. 330). Die A s b e s t ä h n l i c h k e i t des polymeren „asbestartigen" Schwefeltrioxids (S0 3 )x (S. 200) und des faserigen „Kurrohehen Salzes" (NaP0 3 ) x (S. 268) ist also durch den ä h n l i c h e n M o l e k ü l b a u bedingt. Weitere Beispiele für die oben angeführte D o p p e l b i n d u n g s r e g e l sind: C0 2 gegenüber [SiOJx (S. 328), 0 2 gegenüber [S2]4 (S. 187), N 2 gegenüber P 4 (S. 253), N 2 0 3 gegenüber [P 2 0 3 ] 2 (S. 261), H 2 CO gegenüber [H2SiO]n (S. 320f., 331 f.). Bei starkem Erhitzen verflüchtigt sich die Metaphosphorsäure, ohne sich in das Anhydrid P 2 0 5 und Wasser zu spalten; hierbei findet eine D e p o l y m e r i s a t i o n zu kleineren Molekülen — ζ. B. [ H P 0 3 ] 2 — statt. In w ä s s e r i g e r Lösung wird die Metaphosphorsäure — in Umkehrung ihrer Bildung aus Orthophosphorsäure (S. 268) — langsam, schneller beim Kochen in Gegenwart starker Säuren, zu O r t h o p h o s p h o r s ä u r e gespalten; als Zwischenprodukte treten dabei größere Bruchstücke (,,Polyphosphorsäuren" ; S. 268) auf. Phosphathaltìge Düngemittel Die grüne Pflanze braucht zum Wachstum und Gedeihen außer L i c h t , L u f t , W ä r m e und W a s s e r (S. 36, 63f.) eine Reihe von N ä h r s a l z e n , in denen vor allem die Nichtmetalle S t i c k s t o f f , P h o s p h o r , S c h w e f e l und die Metalle K a l i u m , C a l c i u m , M a g n e s i u m sowie E i s e n enthalten sein müssen. Von diesen Stoffen müssen nach der Ernte im allgemeinen nur S t i c k s t o f f (S. 64, 413, 436f.), K a l i u m (S. 431, 432, 433) und P h o s p h o r — gelegentlich auch C a l c i u m (S. 408, 409) — in Form von D ü n g e m i t t e l n dem Boden wieder zugeführt werden; die übrigen Grundstoffe sind fast in jedem Boden reichlich vorhanden. So kommt es, daß P h o s p h a t e als D ü n g e m i t t e l eine wichtige Rolle spielen. U n d zwar verwendet man zur Düngung entweder C a l c i u m - oder A m m o n i u m phosphate (vgl. auch S. 531f.).

270

Die Stiokstofigruppe

Calciumphospbate. Das in der Natur vorkommende t e r t i ä r e Calciumphosphat Ca 3 (P0 4 ) 2 ist in Wasser praktisch unlöslich und wird von den Pflanzen nicht ohne weiteres aufgenommen. Es muß daher erst in das wasserlösliche p r i m ä r e Calciumphosphat umgewandelt werden. Dies geschieht durch A u f s c h l i e ß e n des Rohphosphats mit halbkonzentrierter S c h w e f e l s ä u r e : Ca 3 (P0 4 ) 2 + 2H 2 S0 4

ν Ca(H2P04)a + 2CaS0 4 .

Das dabei entstehende Gemisch von p r i m ä r e m C a l c i u m p h o s p h a t und Gips (CaS0 4 ) heißt „Superphosphat". Die Superphosphatindustrie nimmt als größte Schwefelsäureverbraucherin etwa 60°/ o der Welterzeugung an Schwefelsäure auf.

Der Aufschluß erfolgt im einzelnen so, daß das gemahlene und gesiebte Phosphat mit Schwefelsäure in einem eisernen Mischkessel vermischt und anschließend als dünner Brei in große, gemauerte Aufschließkammern geleitet wird, wo die Masse nach kurzer Zeit erstarrt, indem das entstehende Calciumsulfat das Wasser bindet. Der in der Kammer erstarrte Block wird dann fein zerteilt. Die zum Aufschluß erforderliche Schwefelsäuremenge muß durch Vorversuche ermittelt werden; bei unzureichender Schwefelsäuremenge entstünde sekundäres Phosphat: Ca 3 (P0 4 ) 2 + H 2 S0 4 ν 2CaHP0 4 + CaS0 4 , bei Säureüberschuß Phosphorsäure (vgl. S. 266): Ca 3 (P0 4 ) 2 + 3H 2 S0 4 — 2 H , P 0 4 + 3CaS0 4 .

Liegen carbonatreiche, phosphorsäurearme Phosphate vor, so erfolgt der Aufschluß vorteilhaft statt mit S c h w e f e l s ä u r e mit P h o s p h o r s ä u r e , da dann nicht nur das Calciumphosphat, sondern auch das Calciumcarbonat in primäres Phosphat umgewandelt wird : Ca3(P04)A + 4 H S P 0 4

^

3Ca(HJP04)2

CaCOg + 2H 3 P0 4 —>~ Ca(H 2 P0 4 ) 2 + CO, + H 2 0 .

Man erhält so „Doppelsuperphosphat". Der Gipsgehalt des einfachen Superphosphate fällt hier also weg. Auch auf t r o c k e n e m W e g e kann der Aufschluß von Phosphaten erfolgen, indem man ein Gemisch von P h o s p h a t mit S o d a , K a l k und natürlichen A l k a l i s i l i c a t e n bei 1100—1200° im Drehrohrofen sintert. Das so entstehende G l ü h p h o s p h a t , in dem die Phosphorsäure im wesentlichen in Form von Mischkristallen 3 CaNaP0 4 · Ca 2 Si0 4 vorliegt, kommt — zu Pulver vermählen — als ,,Rhenaniaphosphat" in den Handel. Es enthält zwar kein wasserlösliches Phosphat, wird aber durch organische S ä u r e n , wie sie von den aufsaugenden Wurzelhaaren der Pflanzen ausgeschieden werden, zersetzt, so daß es als Düngemittel Verwendung finden kann. Gleiches gilt von dem bei der Eisenerzeugung als Nebenprodukt anfallenden „Thomasmehl" 531 f.). In der Praxis bewertet man solche wasserunlöslichen Phosphordünger nach dem Grad der Löslichkeit in 2°/oiger C i t r o n e n s ä u r e l ö s u n g . Infolge seines Gehaltes an wasserlöslichem Phosphat eignet sich Superphosphat vor allem für schnellwachsende Pflanzen, die ein starkes Bedürfnis für leicht aufnehmbare Phosphorsäure haben. Thomasmehl und Rhenaniaphosphat werden von den Pflanzen naturgemäß langsamer aufgenommen and vom Hegen weniger leicht ausgewaschen. Daher streut man ζ. B. Thomasmehl bereits im Herbst und Winter aus, während man das Superphosphat erst im Frühjahr auf die Felder gibt.

Ammoniumphosphate. Unter den drei möglichen Ammoniumphosphaten spielt für Düngezwecke das D i - a m m o n i u m p h o s p h a t (NH 4 ) 2 HP0 4 die Hauptrolle; das M o n o · salz NH 4 H 2 P0 4 ist zu stickstoffarm, und das T r i - a m m o n i u m p h o s p h a t geht an der Luft von selbst in das Di-ammoniumsalz über : (NH 4 ) 3 P0 4 —>- (NH 4 ) 2 HP0 4 + NH 3 . Die Herstellung des Di-ammoniumphosphats erfolgt durch Einleiten von Ammoniak in P h o s p h o r s ä u r e l ö s u n g : H 3 P 0 4 + 2NH 3 ->- (NH 4 ) 2 HP0 4 . Es bildet den Bestandteil einiger wichtiger Mischdünger, so des „Leunaphos" (Mischung von Ammoniumsulfat und Di-ammoniumphosphat), des „Nitrophoska" (Mischung von Ammoniumsulfat bzw. -chlorid, Di-ammoniumphosphat und Kaliumnitrat) und des „Hakaphos" (Mischung von Harnstoff, Kaliumnitrat und Di-ammoniumphosphat).

Der Phosphor

271

γ) Phosphorige Säure Orthophosphorige Säure H3PO3. Die orthophosphorige Säure wird am bequemsten durch Zersetzung von P h o s p h o r t r i c h l o r i d mit Wasser dargestellt: PCI3 + 3HÖH

> P(OH) 3 + 3HCl.

Die hiernach zu erwartende Konstitution I der phosphorigen Säure stimmt nicht mit dem nur zweibasigen Charakter der Säure überein. Man nimmt daher an, daß sich diese symmetrische Form im t a u t o m e r e n G l e i c h g e w i c h t mit der unsymmetrischen Form II befindet:

Η :Ö:

Η :Ö:

H:Ö:P:

^

:Ö: Η (I)

H:Ö:P:H ,

:Ö: (II)

wobei das Gleichgewicht praktisch ganz auf der Seite der letzteren liegt (S. 263f.). Wie bei der schwefligen (S. 204f.) und salpetrigen Säure (S. 242f.) kennt man auch hier von beiden Formen Alkylderivate, nämlich s y m m e t r i s c h e E s t e r P(OR) 3 und u n s y m m e t r i s c h e E s t e r OPR(OR)¡.

Die reine orthophosphorige Säure H 3 P0 S bildet farblose, in Wasser sehr leicht lösliche Kristalle vom Schmelzpunkt 73.6°. Als zweibasige Säure dissoziiert sie in zwei Stufen (Kj = 8.0 χ IO -3 ; K2 = 2.6 χ 10-') und bildet zwei Reihen von Salzen : primäre Phosphite MeH[HPOs] (Hydrogenphosphite) und sekundäre Phosphite Me 2 [HP0 3 ] (Phosphite). Von diesen sind, die Alkaliphosphite und das Calciumphosphit in Wasser leicht, die anderen schwer löslich. Charakteristisch für die phosphorige Säure ist ihr s t a r k e s Reduktionsvermögen, da sie das Bestreben hat, in die höhere Oxydationsstufe der P h o s p h o r s ä u r e überzugehen. So reduziert sie sich ζ. B. beim E r h i t z e n im trockenen Zustande unter gleichzeitigem Übergang in Phosphorsäure selbst zu Phosphorwasserstoff (S. 257f.): H 3 PO a + 3 H 3 P 0 3 — ν H 3 P + 3H..PO,

(II)

und fällt aus Lösungen von Salzen edlerer Metalle die Metalle aus (HPO s "—>- HP0 3 + 2 θ ; 2Ag' + 2 θ —>- 2 Ag). An der L u f t oxydieren sich Phosphite nicht, phosphorige Säure nur langsam zur Stufe der Phosphorsäure. Durch s t a r k e R e d u k t i o n s m i t t e l (ζ. B. naszierenden Wasserstoff) wird phosphorige Säure in Phosphorwasserstoff übergeführt (H 3 P0 3 + 6H —>- H 3 P + 3H 2 0). Diphosphorige Säure HiP^Os (Smp. 38°, Zers. 130°) und metaphosphorige Säure HPOs sind nicht durch Erhitzen der orthophosphorigen Säure, sondern nur auf anderem Wege zugänglich. Sie sind von geringer Bedeutung. δ) Hypophosphorige Säure. Hypo-diphosphorsäure Hypophosphorige Säure H 3 P0g. Beim Erwärmen mit Wasser disproportioniert sich der weißePhosphor (vgl. S.256, 258) in geringem Maße zu einer tieferen(Phosphorwasserstoff) und einer höheren Oxydationsstufe (hypophosphorige Säure): 4P + 6H20

Z ^ ì : PH a + 3HjPOJ .

Entfernt man die entstehende hypophosphorige Säure durch Salzbildung aus dem Gleichgewicht, d. h. kocht man den weißen Phosphor nicht mit Wasser, sondern mit K a l i l a u g e oder B a r i u m h y d r o x i d l ö s u n g , so verschiebt sich das Gleichgewicht nach rechts, so daß die entsprechenden Salze — KH 2 P0 2 bzw. Ba(H 2 P0 2 ) 2 — isolierbar sind. Durch Umsetzung des Bariumsalzes mit Schwefelsäure gewinnt man die freie S ä u r e : ßa(H„P0 2 )j + H,SO,

ν BaSO« + 2H s PO,.

272

Die Stickstoffgruppe

Beim Eindampfen der wässerigen Lösung kristallisiert die Säure in Form farbloser Blätter (Smp. 26.5°) aus. Hypophosphorige Säure ist eine einbasige Säure (K = 8.5 Χ 10 - 2 ) und wirkt wesentlich s t ä r k e r reduzierend als phosphorige Säure, wobei sie in phosphorige bzw. Phosphorsäure übergeht. So reduziert sie sich ζ. B. beim E r w ä r m e n auf 130—140° selbst zu P h o s p h o r w a s s e r s t o f f : HjPOJ + 2H„P02 — ^ HjP + 2H3POa; die dabei gleichzeitig entstehende phosphorige Säure disproportioniert sich bei stärkerem Erhitzen weiter in P h o s p h o r w a s s e r s t o f f und Phosphorsäure (11) (vgl. S. 257f.). Gold, Silber, Quecksilber werden sowohl durch die freie Säure als auch durch deren Salze aus den Lösungen ihrer Salze gefällt. Von der phosphorigen Säure unterscheidet sie sich durch ihr Verhalten gegen Kupfersulfatlösung, indem sie das Kupfersulfat nicht nur bis zu metallischem Kupfer, sondern bis zu ,,Kupferhydrid" CuH reduziert. Die Hypophosphite MeH 2 P0 8 sind in Wasser alle leicht löslich. Hypo-diphosphorsänre H^PgOe. Läßt man weißen Phosphor sich an f e u c h t e r L u f t langsam oxydieren, so geht er nicht nur in Säuren der Oxydationsstufe P 2 0 3 (phosphorige Säure H 3 P0 3 ) und P 2 0 5 (Phosphorsäure H 3 P0 4 ), sondern auch in eine solche der mittleren Oxydationsstufe P 2 0 4 (Hypo-diphosphorsäure H 4 P 2 O e ) über (S. 255): 2P + 20 2 + 2H 2 0 — H4P2Oe. Beim Neutralisieren der erhaltenen Lösung mit Soda Na 2 C0 3 kristallisiert das ziemlich schwerlösliche saure N a t r i u m - h y p o d i p h o s p h a t Na 2 H 2 P 2 O e · 6 H 2 0 aus. Das Salz kann auch durch Oxydation von rotem Phosphor mit W a s s e r s t o f f p e r o x i d in s t a r k a l k a l i s c h e r Lösung mit guter Ausbeute gewonnen werden. Noch schwerer löslich ist das Bariumsalz. Aus diesem läßt sich mittels verdünnter Schwefelsäure (Ausfällung von schwerlöslichem Bariumsulfat) eine wässerige Lösung der freien Säure herstellen: BaH2P20„ + H2S04 BaS0 4 + H4P2Oe. Beim Eindampfen der Lösung kristallisiert die Säure wasserhaltig in Form zerfließlicher Kristalle der Zusammensetzung ïï4P2Oe · 2 H 2 0 (Smp. 70°) aus. Trocknen des Hydrats im Vakuum über Phosphorpentoxid führt zur wasserfreien Verbindung H 4 P 2 O e (Smp. 55°, Zers. 100°). Hypo-diphosphorsäure ist eine vier basige Säure (Kt = 6.4 X 10~ 3 ; K2 = 1.5 x l O - 3 ; K3 = 5 . 4 x l 0 ~ 8 ; Ki = 9 . 4 x l 0 - 1 1 ) , welche schwächer reduzierend als die phosphorige Säure wirkt. Bei e r h ö h t e r T e m p e r a t u r und bei Gegenwart von Mineralsäuren disproportioniert sie sich in wässeriger Lösung in phosphorige und Phosphorsäure: H4P2Oe + H 2 0 ^

H 3 P0 3 + H 3 P0 1 .

c) Peroxo-monophosphorsäure. Peroxo-diphosphorsäure Die Salze der Peroxo-diphosphorsäure H 4 P 2 0 8 (Peroxo-diphosphate) lassen sich analog den Peroxo-disulfaten Me2S2Og (S. 214) durch e l e k t r o l y t i s c h e Oxydation von P h o s p h a t e n gewinnen: 2 P 0 4 " — ν P 2 0 8 "" + 2Θ. Ebenso entsteht die Peroxo-monophosphorsäure H 3 P 0 5 analog der Peroxo-monoschwefelsäure H 2 S 0 6 (S. 215) durch Hydrolyse der P e r o x o - d i p h o s p h o r s ä u r e : H4P208 + H 2 0 ^

ïï3P06

+ II 3 P0 4 .

Der Phosphor

273

Beide Säuren sind unbeständig und gehen leicht unter Sauerstoffabspaltung in Phosphorsäure über; demgemäß wirken sie als O x y d a t i o n s m i t t e l .

f) Schwefelverbindungen des Phosphors Beim Zusammenschmelzen von P h o s p h o r und S c h w e f e l erhält man je nach dem Mengenverhältnis der Ausgangsstoffe die einheitlichen Verbindungen P 4 S„ P 4 S 7 und P 4 S 10 : Smp. Sdp. Tetraphosphor-trisulfid P 4 S 3 172.5° 408° Tetraphosphor-heptasulfid P 4 S 7 310° 523° Tetraphosphor-dekasulfid P 4 S 10 290° 514°. Die Reaktion muß in Kohlendioxidatmosphäre und mit rotem Phosphor durchgeführt werden, da sonst wegen der starken Wärmeentwicklung (Bildungswärme von P 4 S 3 : 29.4, von P 4 S 7 : 65.7 kcal/Mol) eine explosionsartige Entzündung der Dämpfe erfolgen würde. Das Trisulfid P 4 S 3 kristallisiert aus Schwefelkohlenstoff, in welchem es leicht löslich ist, in Form schwach gelber Prismen. Bei 40 bis 60° zeigt es ein dem Leuchten des farblosen Phosphors ähnliches Leuchten; bei 100° entzündet es sich an der Luft. Da es weniger gefährlich als farbloser Phosphor ist, wurde es eine Zeitlang zur Herstellung von Zündhölzern benutzt, welche an jeder Reibfläche zünden. In Schwefelkohlenstofflösung läßt es sich durch Einwirkung von Schwefel (Licht und Jod als Katalysator) in ein Pentasulfid P 4 S 6 überführen, das sich bei höherer Temperatur in P 4 S 3 und P 4 S 7 disproportioniert. Das Heptasulfid P 4 S 7 ist in Schwefelkolilenstoff sehr schwer löslich und wird zum Unterschied von P 4 S 3 , das sicli an feuchter Luft nicht verändert, von Wasser langsam unter Bildung von Schwefelwasserstoff zersetzt. Das Dekasulfid P 4 S 10 ist in Schwefelkohlenstoff, in welchem es das der Formel P 4 S 10 entsprechende Molekulargewicht besitzt, ziemlich löslich und wird beim Erwärmen mit Wasser in Phosphorsäure und Schwefelwasserstoff übergeführt (P 4 S 10 + 10H a O >- P 4 O 10 + 10H 2 S). Die Dichte des gelben Dampfes entspricht der Molekulargröße P 2 S 5 . An der Luft verbrennt das Dekasulfid mit bläulich-weißer Flamme. Eine Lösung von P 4 S 10 in Kresol („Phosokreaol") dient als Flotationsmittel (S. 450) bei der Bleierzaufbereitung. Von den S c h w e f e l - H a l o g e n - V e r b i n d u n g e n des Phosphors sei nur das Thiophoephorylchlorid PSClj, das Analogon des Phosphorylchlorids P0C1 3 , genannt. Es ist entsprechend dem letzteren ζ. B. aus P h o s p h o r p e n t a c h l o r i d und S c h w e f e l w a s s e r s t o f f gewinnbar (PC15 + H„S >- PSC13 + 2 HCl) und stellt eine farblose, bei — 35° erstarrende und bei 125° siedende Flüssigkeit dar, welche durch W a s s e r in P h o s p h o r s ä u r e , S a l z s ä u r e und S c h w e f e l w a s s e r s t o f f zerlegt wird (PSC13 + 4 H s O >• PO(OH) 3 + H a S + 3 HCl).

g) Stickstoffverbindungen des Phosphors Unter den S t i c k s t o f f v e r b i n d u n g e n d e s P h o s p h o r s ist das sogenannte Phosphornitrid-dichlorid PNC1 2 hervorzuheben, das durch Erhitzen von P h o s p h o r p e n t a c h l o r i d mit A m m o n i u m c h l o r i d im Autoklaven auf 120° oder in Tetrachloräthan-lösung auf 135° darstellbar ist: PC16 + N H 3

PNClj + 3 HCl.

E s besitzt wie die Metaphosphorsäure und ihre Salze die Neigung, sich zu p o l y m e r i s i e r e n . Dieses Polymerisationsbestreben ist nach dem früher Gesagten (S. 268f.) leicht verständlich, da die Elektronenformel des monomeren P h o s p h o r n i t r i d - d i c h l o r i d s PNC12 (I) ganz der des monomeren M e t a p h o s p h a t - i o n s P 0 8 ' (II) entspricht: :C1:

:Ö:

:N:P

:Ö:P ,

:C1:

:Ö:

(I) H o l l e m a n - W l b e r g , Anorganische Chemie.

(II) 47.—56. Aufl.

18

274

Die Stickstoffgruppe

so daß hier eine ganz analoge Polymerisation zu [PNCl2]n-Molekülen erfolgen kann (vgl. (8), S. 269): :C1:

:C1:

Cl:

: N:P: N:P: Ν Ρ : Cl : " : Cl: " Cl:

Bei kleinen Werten von η (ζ. Β. η = 3, 4, 5, 6 oder 7) schließen sich auch hier die beiden endständigen Atome zum R i n g (vgl. S. 248): (PNC12)3 (PNCI2)4 (PNC12)6 (PNCl2)e (PNC12),

(Smp. 114», (Smp. 123.5°, (Smp. 41°, (Smp. 91°, (Smp.—18°,

Sdp. 256.5°), Sdp. 328.5°), Sdp. 224° bei 13 mm Druck), Sdp. 262° bei 13 mm Druck), Sdp. 293° bei 13 mm Druck).

Bei mehrstündigem Erhitzen von Phosphornitridchlorid auf 300° bilden sich Glieder mit sehr großem n, also hochmolekulare Ringe wie im Falle des Schwefels (S. 186) und Selens (S. 218), in denen die Atome nach Art von Fig. 91 angeordnet sind. Die k a u t s c h u k a r t i g e n E i g e n s c h a f t e n dieses hochpolymerenPhosphornitrid-dichlorids („anorganischer Kautschuk") sind wie beim normalen Kautschuk (II, S.405f.)oder beim plastischen Schwefel (S. 187) auf die Kräfte zurückzuführen, die bei der durch Dehnung der Stoffs bewirkten Parallel rieh tung der Ketten wirksam werden. Bei der Versetzung mit Wasser gehen die Phosphornitrid-dichloride [PNC12] n ( 12a) unter gleichzeitiger Bildung von Salzsäure in ,,Metaphosphimsäuren" (Nitrido-mctaphosphor(V) säuren) [PN(OH)2] ,,-^±1 [P(NH)OOH]n (12h) über, die ihrerseits bei weiterer Hydrolyse (200—300°) Metaphosphorsäuren (12c), dann Polyphosphorsäuren (12d) und schließlich Fig. 91. Ausschnitt aus der Atomanordnung (12e) ergeben: des hochmolekularen Phosphornitrid-dichlorids Orthophosphorsäure PNC1»

Ci

Cl

HO

Ci

Ν

Cl +6H a O

c/^n/^XC

OH

HO

-6HC1 ho/

^ N/

O

Η Ν / 1 NNTH

TautopII //ΟΗ "*==>-

\vOH r~

merle

0f

Η

(b) Phosphornitrid-dichlorid O

OH

HO

of

\oh

Metaphosphimsäure

\/

+ 3H20 — 3 Ν Ho

OH

\θχ

ν

O

\θΗ

+ H2O>HQ

>

O;

^OH

O

\)H OH

Q/

\)H

(c)

(d)

Metaphosphorsäure

Polyphosphorsäure

+2HaO

(12)

O

OH

HO

OH

>Ρ\ HO/ \ OH

HO

M O" \ o Q/ HH

U° \oh

(β)

Orthophosphorsäure

275

Das Arsen

3. Das Arsen a) Elementares Arsen Vorkommen. Arsen kommt in der Natur gelegentlich gediegen (elementar) als „Scherbenkobalt" („Fliegenstein") vor. Hauptsächlich findet es sich aber in Form von Verbindungen, und zwar anionisch (nichtmetallisch) in Form von M e t a l l a r s e n i d e n , kationisch (metallisch) in Form von A r s e n s u l f i d e n und Arsenoxiden. Unter den M e t a l l a r s e n i d e n ist das verbreitetste der Arsenkies („Giftkies", „Mißpickel") FeAsS (FeAs2 · FeS 2 ), ein gemischtes Arsenid-Sulfid. Ganz entsprechend zusammengesetzt sind Glanzkobalt CoAsS und Arsennickelkies NiAsS. Es gibt aber auch schwefelfreie Arsenide, ζ. B. Arsenikalkies FeAs 2 , Weißnickelkies NiAs¡¡, Rotnickelkies NiAs, Speiskobalt CoAs2. In der Natur vorkommende Arsensulfide sind Realgar („Rauschrot") As 4 S 4 und Auripigment („Rauschgelb") As 2 S 3 sowie F a h l e r z e wie Tennantit („lichtes 4Cu 2 S · AS 2 S 3 und Arsensilberblende („lichtes Rotgültigerz") 3 A g 2 S - A s 2 S 3 .

Fahlerz")

Als Verwitterungsprodukt von Arsenerzen findet sich schließlich noch das Arsen-

t r i o x i d A S 2 0 3 (als Arsenolith und als Claudetit).

Darstellung. Die Darstellung des Arsens erfolgt in der Hauptsache durch E r hitzen von A r s e n k i e s oder A r s e n i k a l k i e s unter Luftabschluß in liegenden Tonröhren, wobei Arsen absublimiert und in kalten Vorlagen verdichtet wird: FeAsS

>- FeS + As.

Physikalische Eigenschaften. Arsen tritt in mehreren monotropen Modifikationen auf. Die beständigste Form ist die rhomboedrisch kristallisierte („graues" oder „metallisches Arsen"). Die Kristalle sind stahlgrau, metallisch glänzend und leiten den elektrischen Strom. Auffallend ist ihre große S p r ö d h e i t ; sie lassen sich in einer Reibschale leicht pulverisieren. Diese Eigenschaft besitzen auch die entsprechenden Formen des homologen Antimons und Wismuts, weshalb man sie häufig als „Sprödmetalle" bezeichnet. Das G i t t e r des grauen Arsens zeigt eine gewisse Verwandtschaft zu dem des schwarzen Phosphors. Es besteht aus Doppelschichten, die durch gewellte Sechsringe gebildet werden. Lediglich die Art der „Wellung" und Aneinanderlagqrung der Sechsringe ist ein wenig anders1 (Fig. 92). Die Übereinanderlagerung der Doppelschichten ist außerordentlich dicht, so daß nächstbenachbarte Atome verschiedener Doppelschichten nicht wesentlich weiter voneinander entfernt sind als benachbarte Atome innerhalb einer Doppelschicht (3.15 bzw. 2.51 Â). Es müssen also zwischen den Doppelschichten noch Kräfte wirksam sein, die zugleich für die hohe Lichtreflektion und das elektrische Leitvermögen verantwortlich zu machen sind. Im schwarzen Phosphor (S. 254f.) sind diese Kräfte innerhalb einer Schicht wirksam. Das graue Arsen (spez. Gew. 5.72) ist eine hochpolymere Substanz und kann daher nur unter Veränderung seiner Struktur schmelzen oder verdampfen. Beim Erhitzen unter Luftabschluß im geschlossenen Rohr schmilzt es bei 817° (36 Atmosphären Dampfdruck). Unter gewöhnlichem Druck sublimiert es, ohne zu schmelzen, bei 633°. Der entstehende Dampf ist durchsichtig zitronengelb und besteht aus den gleichen Gründen wie beim Phosphor (vgl. S. 255) bis gegen 800° C aus As4-Molekülen, oberhalb von 1700° aus As2-Molekülen. Schreckt man A r s e n d a m p f ab, z. B. durch K ü h l u n g m i t flüssiger L u f t , so erhält man als metastabile Modifikation das „gelbe Arsen", welches sich inSchwefel1 Und zwar entspricht die räumliche Anordnung der Arsenatome in den einzelnen Schichten ganz der Anordnung der Kohlenstoffatome in den schraffierten Schichten (Fig. 96, S. 294) des Diamantgitters.

18*

Die Stickstoffgruppe

276

kohlenstoff leicht auflöst und aus dieser Lösung beim Abkühlen in durchsichtigen, stark lichtbrechenden, wachsweichen Kriställchen vom spezifischen Gewicht 1.97 auskristallisiert. Das gelbe Arsen leitet den elektrischen Strom nicht und zeigt in Schwefelkohlenstoff ein der Formel As4 entsprechendes Molekulargewicht. Das Verhältnis zwischen gelbem und grauem Arsen entspricht dem zwischen weißem und schwarzem Phosphor. Sicherlich ist das Molekül As4 des gelben Arsens wie das Molekül P 4 des weißen Phosphors (S. 253f.) t e t r a e d e r f ö r m i g gebaut. Da das Arsenatom größer als ein Phosphoratom ist, sind die unter starker Spannung stehenden As—As-Bindungen noch schwächer als die P—P-Bindungen. So brechen die Bindungen schon bei Zimmertemperatur auf, so daß das gelbe Arsen viel weniger beständig ist als der weiße Phosphor und schon bei Zimmertemperatur langsam in graues Arsen übergeht. Die Umwandlungsreaktion ist stark lichtempfindlich. Läßt man ζ. B. im Dunkeln eine Lösung des gelben Arsens in Schwefelkohlenstoff auf weißem Filterpapier verdunsten, so zeigt dieses am L i c h t nur für wenige Augenblicke eine gelbe Farbe, um sich I » · , dann sehr schnell braun und schließlich As

As

As As N As*^ As*^ J I ι As As^ As AS ^ f f f 3>>. ^ As As As

grau zu färben. Die Umwandlung unter dem Einfluß von Licht geht selbst bei—180° I I noch schnell vor sich. &s As Kondensiert man Arsendampf auf Flächen, ' ίψ die 100—200° warm sind, so erhält man f schwarzglänzende amorphe Formen („schwar^ ¡¡es Arsen"), die glasartig hart und spröde AS sind. Sie enthalten wie das graue Arsen Doppelschichten von Arsenatomen. DieÜber^ N^g^ N^g^ S einanderlagerung der Schichten ist nur nicht J J f y so dicht und regelmäßig, so daß die oben erA oberhalb nte h lb wähnten zusätzlichen Kräfte nicht wirksam tärPapw-ebene^ werden können. Die amorphen schwarzen Fig 92_ Arsenformen, die dem roten Phosphor entGitterstruktur des grauen Arsens Asœ sprechen, leiten daher den elektrischen Strom nicht. Erhitzt man das glasartige schwarze Arsen zusammen mit metallisohem Quecksilber (vgl. S. 254) auf 100—175° C, so entsteht eine instabile rhombische Arsenmodifikation, die dem gleichen Gittertyp angehört wie der schwarze Phosphor und mit diesem leicht Mischkristalle bildet. Wie der Phosphor bildet auch das Arsen Mischpolymerisate. So ist ζ. B. in dem bei der Reduktion von Arsenverbindungen in wässeriger Lösung entstehenden „braunen Arsen" ein Teil der Valenzen des Arsens durch OH-Gruppen abgesättigt. Chemische Eigenschaften. Beim Erhitzen an der L u f t verbrennt das Arsen mit bläulicher Flamme und unter Verbreitung eines eigentümlichen, knoblauchartigen Geruchs zu einem weißen Rauch von A r s e n t r i o x i d AsjOs. In gleicher Weise verbindet es sich mit vielen anderen Elementen. Mit Chlor vereinigt es sich schon ohne vorherige Erwärmung unter Feuererscheinung. Durch stark oxydierende Säuren (konzentrierte Salpetersäure, Königswasser) wird Arsen zur Arsensäure, durch weniger s t a r k oxydierende Säuren (verdünnte Salpetersäure, konzentrierte Schwefelsäure) zu arseniger Säure oxydiert.

b) ArsenwasserstofF

Darstellung. Arsenwasserstoff (Arsin) AsHs entsteht bei der Einwirkung von naszierendem W a s s e r s t o f f (Zink und Schwefelsäure) auf lösliche Arsenverbindungen, z. B. As(OH), + 6H -

Das Arsen

277

Von dieser Bildungsweise macht man bei der „MARSHSchen Probe" auf Arsen (s. unten) Gebrauch. Zur Darstellung größerer Mengen ArsenWasserstoff geht man — in Analogie zur Darstellung von Ammoniak aus Nitriden (S. 228) oder von Phosphorwasserstoff aus Phosphiden (S. 258) — zweckmäßig von einem A r s e n i d , ζ. B. Zinkarsenid aus und setzt aus dieser Verbindung durch Einwirkung von verdünnter S c h w e f e l s ä u r e die zugrunde liegende „Säure" AsH 3 in Freiheit: Zn3As2 + 3H 2 S0 4 >- 3ZnSO« + 2AsH3. Als N e b e n p r o d u k t entsteht dabei das schon oberhalb von —100° in AsH 3 und As2H (rot, fest, hochmolekular) zerfallende Diarsin As2H 4 , das auch durch thermische oder elektrische Zersetzung von AsH s gewonnen werden kann. Physikalisehe Eigenschaften. Arsenwasserstoff ist ein farbloses, außerordentlich giftiges, unangenehm knoblauchartig riechendes Gas, welches bei —62.48° flüssig und bei — 116.93° fest wird. Chemische Eigenschaften. Beim Erhitzen spaltet sich der (metastabile) Arsenwasseretoff in seine B e s t a n d t e i l e : ASH 3

As + 1 7 , H 2 + 43.6 koal.

Leitet man daher ArsenwasserWasserstoff-Flamme stoff durch ein an einer Stelle Trichterrühr auf Rotglut erhitztes Glasrohr oder hält man in die Flamme von brennendem Arsenwasser'.Arsenspiegel stoff ein gekühltes Porzellansohälchen, so scheidet sich hinter der erhitzten Stelle des Glasrohres bzw. auf der Unterseite - arsenhaltige Lösung -Zink des Porzellanschälchens das Arsen als metallisch glänzender Fig. 93. MARSH sehe Arsenprobe schwarzer A r s e n s p i e g e l ab. Man benutzt diese Reaktion zum analytischen Nachweis von Arsen („MARSH sehe Probe") bei A r s e n v e r g i f t u n g s f ä l l e n . Zu diesem Z w e c k e e r z e u g t m a n (vgl. Fig. 93) in einer WoULFE sehen

Flasche oder einem sonstigen Gasentwicklungsgefäß durch Einwirkung von Schwefelsäure auf Zink Wasserstoff und leitet das Gas zur Trocknung durch ein mit Calciumohlorid gefülltes U-Rohr und dann durch ein schwer schmelzbares Glasrohr. Nach Verdrängung der Luft (Probe auf Knallgas; S. 43) zündet man den Wasserstoff an der ausgezogenen Spitze des Glaerohres an und hält ein glasiertes, kaltes Porzellanschälchen darüber. Sind die verwendeten Reagentien a r s e n f r e i , so darf eich am Porzellanschälchen kein dunkler Fleck von Arsen abscheiden („Blindprobe"). Dann wird durch das Trichterrohr die auf Arsen zu prüfende Lösung eingegossen. Ist Arsen vorhanden, so bildet sich Arsen Wasserstoff, der an der Gasaustrittsstelle in der heißen — nunmehr eine fahlblaue Färbung annehmenden — Wassersto^f-flamme z e r f ä l l t , so daß sich an dem Porzellanschälchen ein dunkler glänzender Arsenspiegel abscheidet. Statt dessen kann man auch (Fig. 93) das Rohr mit einer Verengung versehen und hier auf Rotglut erhitzen. Dann setzt sich das durch Zerfall gebildete Arsen hinter der Glasverengung als Arsenspiegel ab. Arbeitet man unter stets gleichen Reaktionsbedingungen, so kann man aus der Größe und Dicke des Spiegels angenähert auf die Menge des vorhandenen Arsens schließen. Außer Arsen bildet auch Antimon bei der geschilderten Arbeitsweise einen Metallspiegel. Das Antimon löst sich aber zum Unterschied vom Arsen nicht in H y p o c h l o r i t l ö s u n g , wodurch es von Arsen unterschieden werden kann (vgl. S. 285 u. S. 289). Bei Anwesenheit von g e n ü g e n d L u f t verbrennt Arsenwasserstoff mit hellblauer Flamme zu Wasser und A r s e n t r i o x i d : 2 A S H 3 + Scia

>- A s 2 0 3 + 3 H 2 0 ;

bei m a n g e l n d e r L u f t z u f u h r oder beim A b k ü h l e n der F l a m m e (s. oben) verbrennt nur der Wasserstoff, so daß es zur Abscheidung von A r s e n kommt: 2ASH3 + 1.502 —• 2As +

3H20.

278

Die Stickstoffgruppe

Arsenwasserstoff wirkt in wässeriger L ö s u n g s t a r k r e d u z i e r e n d ( A s H s -f 3 H 0 H — > • A S ( O H ) 3 + 6 H ' + 6 © ) · S o fällt er z . B . aus S i l b e r n i t r a t l ö s u n g metallisches S i l b e r aus: _3 +1 +3 ±0 ASH 3 + 3 H Ö H + 6Ag' — > - As(OH) 3 + 6 H ' + 6Ag. Mit f e s t e m S i l b e r n i t r a t d a g e g e n reagiert er unter B i l d u n g v o n S i l b e r a r s e n i d : A s H j + 3Ag" >- AsAg 3 + 3H", das m i t überschüssigem Silbernitrat die gelbe D o p p e l v e r b i n d u n g A s A g 3 · 3 A g N 0 3 bildet. Bei Wasserzusatz wird diese unter B i l d u n g v o n arseniger Säure u n d Abscheidung v o n m e t a l l i s c h e m S i l b e r zerlegt (AsAg 3 + 3Ag" + 3 H O H — A s ( O H ) 3 + 3 H · + 6Ag). Von dieser Reaktion macht man bei der „GUTZEIT sehen Arsenprobe" Gebrauch. Sie wird so ausgeführt, daß man in einem Reagensglas wie bei der MARSH sehen Probe durch Einwirkung von naszierendem Wasserstoff auf die arsenhaltige Lösung Arsenwasserstoff erzeugt, diesen durch einen Wattebausch im oberen Ende des Reagensglases von Flüssigkeitsspritzern befreit und dann auf einen Silbernitratkristall einwirken läßt, der auf einem die Mündung des Reagensglases bedeckenden Stück Filtrierpapier liegt. Die G e g e n w a r t v o n A r s e n zeigt sich durch G e l b f ä r b u n g , bei F e u c h t i g k e i t s z u t r i t t durch S c h w ä r z u n g des Silbernitrats an. Phosphorwasserstoff und Antimonwasserstoff geben ähnliche Reaktionen.

c) Halogenverbindungen des Arsens Wie Phosphor bildet auch Arsen mit den Halogenen Verbindungen des Typus AsX3 und AsXs •' A s F j (farblose Flüssigkeit, Smp. —8.5°, Sdp. 61°), ASC13 (farblose Flüssigkeit, Smp. —16.0°, Sdp. 130.2°), AsBr 3 (farblose Kristalle, Smp. 31.2°, Sdp. 221°), AsJ 3 (rote Kristalle, Smp. 141.8°, Sdp. 403°) ; A s F 6 ( f a r b l o s e s G a s , S m p . — 7 9 . 8 ° , S d p . — 5 2 . 8 ° ) , ASC1 6 ( f a r b l o s e F l ü s s i g k e i t , S m p . ~

— 40°),

ASJ 6 (braune Kristalle, Smp. 76°). Die Existenz der beiden letztgenannten Verbindungen ist noch nicht ganz sichergestellt. Arsentrichlorid AsCb kann — wie alle Arsenhalogenide — a u s d e n E l e m e n t e n gewonnen werden, indem man Arsen im Chlorgas verbrennt: As + 11/2C12 ASC13. Einfacher erfolgt die Darstellung durch Überleiten von t r o c k e n e m C h l o r w a s s e r s t o f f über erhitztes (180—200°) Arsentrioxid: _ As203 + 6 H C l — 2 A S C 1 3 + 3 H 2 0 . I n w ä s s e r i g e r L ö s u n g führt die Reaktion nur zu einem G l e i c h g e w i c h t , da A r s e n t r i c h l o r i d von W a s s e r umgekehrt wieder zu a r s e n i g e r S ä u r e und S a l z s ä u r e hydrolysiert wird. Verwendet man allerdings einen genügenden Ü b e r s c h u ß an k o n z e n t r i e r t e r Salzsäure, so kann man das im Gleichgewicht befindliche Arsentrichlorid (zusammen mit Salzsäuredämpfen) durch Abdestillieren aus dem Gleichgewicht entfernen, so daß schließlich alle arsenige Säure in Arsentrichlorid übergeht. Man benutzt diese Methode zur analytischen Abtrennung des Arsens von Antimon und Zinn.

d) Sauerstoffverbindungen des Arsens A r s e n b i l d e t z w e i S a u e r s t o f f s ä u r e n : die arsenige Säure (Arsen(III)säure) H 3 A s 0 3 (Salze: Arsenite M e | A s 0 3 ) u n d die Arsensäure (Arsen(V)säure) H 3 A s 0 4 (Salze: Arsenate Me*As0 4 ). A u ß e r d e m k e n n t m a n drei A r s e n o x i d e : das A n h y d r i d der arsenigen Säure (Arsentrioxid) A s 2 0 3 , das A n h y d r i d der Arsensäure ( A r s e n p e n t o x i d ) A s 2 0 6 u n d das gemischte A n h y d r i d der arsenigen u n d Arsensäure (Arsentetroxid) A s 2 0 4 . α ) Arsentrioxid. Arsenige Säure Vorkommen. Arsentrioxid („Arsenik") k o m m t in der N a t u r als kubischer lith (Arsenikblüte) u n d als monokliner Claudetit vor.

Arseno-

Darstellung. Arsentrioxid e n t s t e h t bei der Verbrennung v o n A r s e n a n der L u f t b z w . i n S a u e r s t o f f oder bei der O x y d a t i o n v o n A r s e n m i t verdünnter S a l p e t e r s ä u r e . T e c h n i s c h wird es i m großen durch A b r ö s t e n a r s e n h a l t i g e r E r z e dargestellt:

279

Das Arsen

2FeAsS + 50 2

>- Fe 2 0 3 + 2 S0 2 + As203.

Hierbei verflüchtigt es sich und wird in lange, gemauerte Kanäle („Giftfänge") geleitet, in denen sich die zunächst noch unreine Substanz zu einem weißen Pulver verdichtet. Die Reinigung durch Sublimation liefert je nach der Temperatur, bei der die Wiederverdichtung erfolgt, ein lockeres weißes Pulver („Giftmehl") oder ein farbloses, glasiges Produkt („Arsenglas"). Physikalische Eigenschaften. In den Handel gelangt das Arsentrioxid gewöhnlich in der letztgenannten, durchsichtigen, amorphen Form (spez. Gewicht 3.70). Bewahrt man diese längere Zeit auf, so wird sie allmählich porzellanartig undurchsichtig, weil sie sich in ein Agglomerat regulär-oktaedrischer Kriställchen (spez. Gewicht 3.87) verwandelt. Besser erhält man diese kubische Form des Arsentrioxids, wenn man die amorphe Form in Wasser oder Salzsäure löst und wieder auskristallisieren läßt. Bei dieser Kristallisation beobachtet man im Dunkeln ein deutliches Leuchten („Tribolumineszenz"). Die kubische Form ist die bei Zimmertemperatur beständige Modifikation des Arsentrioxids. Bei 221° geht sie in eine andere m o n o k l i n e Modifikation (spez. Gewicht 4.15) über: 221· kubisch

^

^

A S 2 0 3 monokini ·

Diese entsteht direkt, wenn man die Kristallisation des Arsentrioxids nicht bei gewöhnlicher Temperatur, sondern oberhalb von 221° vornimmt. Erhitzt man z. B. Arsentrioxid in einem geschlossenen Glasrohr am unteren Ende auf 400°, so befindet sich nach dem Erkalten im unteren, vorher erhitzten Teil glasiges, im mittleren monoklines, im oberen oktaedrisches Arsentrioxid. Arsentrioxid ist im festen, flüssigen und dampfförmigen Zustande färb- und geruchlos. Die monokline Form schmilzt (unter 66 mm Druck) bei 312°, die kubische Form (unter 26 mm Druck) in metastabilem Zustande bei 272°. Der Siedepunkt liegt bei 465°. Im offenen Gefäß sublimiert Arsentrioxid, ohne zu schmelzen, weil dann der Dampf so schnell entweicht, daß sein Partialdruck die angegebenen Schmelzpunktsdrucke nicht erreicht. Bis 800° entspricht die Dampfdichte der Molekularformel As4Oe (vgl. Fig. 89, S. 261 und Formel (3a), S. 286). Oberhalb dieser Temperatur findet zunehmende Dissoziation statt, und bei 1800° besitzen die Moleküle die Formel As 2 0 3 . Auch Molekulargewichtsbestimmungen in Nitrobenzol-lösungen haben zu der verdoppelten Formel As4Oe geführt. Ebenso sind die Kristalle der kubischen Form aus As40,j-Einheiten von Urotropin-Struktur (S. 261) aufgebaut, während die monokline Form höhermolekular ist (vgl. S. 286). Die Bezeichnung „Arsentrioxid" ist also nur für die Bruttoformel zutreffend. Chemische Eigenschaften. Arsentrioxid ist leicht zu metallischem Arsen r e d u z i e r b a r . Erhitzt man es z. B. in einem Glühröhrchen mit K o h l e oder mit K a l i u m Cyanid, so scheidet sich das durch Reduktion entstehende Arsen: 2As 2 0 3 + 3C —>- 4As + 3C02

As203 + 3KCN —>- 2As + 3KCNO

im kälteren Teil des Glühröhrchens als schwarzer Arsenspiegel ab („Arsenprobe nach BERZELIUS")'. Andererseits läßt sich das Arsentrioxid auch leicht zur fünfwertigen Stufe o x y d i e r e n . In Wasser ist Arsentrioxid mäßig löslich. Die Lösung hat süßlich metallischen Geschmack und rötet blaues Lackmuspapier eben noch deutlich, enthält also eine s c h w a c h e Säure. Dieser Säure („arsenige Säure") kommt die Formel HsAsOs (Orthoform) bzw. HAsOj (Metaform) zu: AS203

V

2HASOj

+ 2 H

' °

2H3AS03.

280

Die Stiokstoffgnippe

In f r e i e m Z u s t a n d e ist die Säure n i c h t b e k a n n t ; dampft man die Lösung ein, so scheidet sich nicht die Säure, sondern das A n h y d r i d As 2 0 3 ab. Die arsenige Säure kann in drei Stufen dissoziieren, ist also zum Unterschied von der homologen z w e i b a s i g e n phosphorigen Säure (S. 271) eine d r e i b a s i g e Säure: HsAsOs H" + HJASOJ' 2H' + HAe03" 3H" + As0 3 "'. Dementsprechend leiten sich von ihr Salze des Typus M^HgAsOj, Me|HAsO g und MeJAs0 3 (Arsenite) ab. Die Alkalimetalle bilden meist leichtlösliche Verbindungen des ersten Typus (z. B. KH 2 As0 3 ), die Schwermetalle meist schwerlösliche Verbindungen des letzten Typus (ζ. B. Ag 3 As0 3 ). In geringem Maße kann arsenige Säure auch als ein- bis dreisäurige B a s e wirken: As(OH)3 AS(OH)," + OH' As(OH)" + 2 OH' As"· + 3 OH'. Diese Basenfunktion macht sich aber nur gegenüber s t a r k e n S ä u r e n — und auch hier nur schwach — geltend (vgl. S. 278). Die arsenige Säure wirkt wie das Arsentrioxid o x y d i e r e n d und r e d u z i e r e n d , wobei sie in A r s e n bzw. A r s e n s ä u r e übergeht: HjAsO, -f 3H" + 3 θ "Τ-*" As + 3 HaO HjAS08 + H 2 0 T ^ H,AB04 + 2 Η + 2 Θ. So wird z . B . arsenige Säure aus salzsauren Lösungen durch Z i n n ( I I ) - c h l o r i d (Sn"—>- Sn"" + 2Θ) als braunes Arsen ausgefällt („Bettendorfsehe Arsenprobe"). N a s z i e r e n d e r W a s s e r s t o f f (H —»- Η' + Θ) reduziert noch weiter bis zu A r s e n w a s s e r s t o f f (HjAsO3 + 6H" + β θ —>- ASH3 + 3 H 2 0 ; vgl. S. 276f.). Umgekehrt führen O x y d a t i o n s m i t t e l wie J o d ( J 2 + 2 G — > • 2 J ' ) oder Salpetersäure die arsenige Säure in A r s e n s ä u r e über. Die Reaktion zwischen J o d und a r s e n i g e r S ä u r e wird zur q u a n t i t a t i v e n B e s t i m m u n g des Arsengehalts von Arseniklösungen benutzt: ^ ^ + ^ ^ H ^ + 2 Η · + 2 J,. + J (l) Da es sich um eine Gleichgewichtsreaktion handelt, muß die entstehende Säure dabei durch H y d r o g e n c a r b o n a t (Η* + HC0 8 '—>- H 2 0 + C0 2 ) aus dem Gleichgewicht entfernt werden. Die Einwirkung von S a l p e t e r s ä u r e auf a r s e n i g e S ä u r e benutzt man zur Darstellung von N 2 0 3 (S. 237). Beim Erhitzen mit Natriumacetat bildet Arsenik gemäß As 2 0 3 + 4CH 3 COONa >- AS2(CH3)40 + 2Na 2 C0 3 + 2C0 2 „Kakodyloxid" (CH^jAs-O-AsiCHa).,, eine äußerst unangenehm riechende, selbstentzündliche Flüssigkeit vom Smp. —25° und Sdp. 120° („Kakodylprobe" auf Arsen oder Essigsäure). Arsenik ist ein starkes Gift. Schon weniger als 0.1 g können vom Magen aus tödlich wirken, falls es nicht durch Erbrechen oder durch Reaktion mit frisch gefälltem Eisenhydroxid oder Magnesiumoxid unschädlich gemacht wird. Durch regelmäßige kleinere Dosen kann der menschliche Organismus an das Gift gewöhnt werden; in diesem Falle werden bis zu 0.5 g auf einmal vertragen („Arsenikesser"). Verwendung. A r s e n i k findet vielseitige Verwendung für medizinische Zwecke, zum Vertilgen von Mäusen, Ratten, Fliegen, zum Konservieren von Häuten, Fellen, Vogelbälgen und in der Glasfabrikation als Läuterungs- und Entfärbungsmittel. Lösungen von N a t r i u m a r s e n i t dienen zur Vernichtung von Pflanzenschädlingen. Die giftige Farbe Schweinfurtergrün ist eine Verbindung aus Kupferacetat und Kupferarsenit: Cu(CH8COO)2 · 3 Cu(AsOa)2. ß) Arsenpentoxid. Arsensäure Darstellung. Arsenpentoxid kann nicht wie das Phosphorpentoxid durch Verbrennen des Elements an der Luft erhalten werden, da die Oxydation hier nur bis zum Trioxid AS 2 0 3 führt. Es läßt sich durch E n t w ä s s e r n (Erhitzen auf über 300°) von A r s e n s ä u r e gewinnen:

Das Arsen 2 H , A s 0 4 Z^Jt. As 2 0 6 + 3 H 2 0 .

281 (2)

Die Arsensäure ihrerseits erhält man durch Oxydation von A r s e n oder A r s e n t r i o x i d mit k o n z e n t r i e r t e r S a l p e t e r s ä u r e . Physikalische Eigenschaften. Arsenpentoxid ist eine weiße, glasige, an feuchter Luft zerfließliche Masse, die sich in Wasser unter Rückbildung von Arsensäure — Umkehrung von (2) — langsam auflöst. Die Arsensäure selbst scheidet sich bei starkem Einengen der wässerigen Lösung in Form kleiner, farbloser, zerfließlicher Kristalle der Zusammensetzung H 3 As0 4 · 1 / 2 I î 2 0 (Smp. 35.5°) ab. Bei niedriger Temperatur - 30°) ist noch ein höheres Hydrat H 3 As0 4 · 2 H 2 0 = H[As(OH) e ] erhältlich. Chemische Eigenschaften. Wie das Arsentrioxid läßt sich auch das Arsenpentoxid durch E r h i t z e n mit K o h l e leicht zu A r s e n reduzieren. Bei starkem E r h i t z e n spaltet es sich in A r s e n t r i o x i d und S a u e r s t o f f : 65.6 kcal -f Afl a 0 5 — > - A s 2 0 3 + 0 2 .

Die vom Arsenpentoxid abgeleitete Arsensäure H s A s 0 4 ist eine d r e i b a s i g e , mittelstarke Säure: H3Ab04 η - + H2As- 2Sb + 4CO. Erfolgt das Abrösten bei b e g r e n z t e r L u f t z u f u h r , so entsteht s t a t t des T e t r o x i d s das in der Hitze flüchtige T r i o x i d Sb 2 0 3 , das in Kondensationseinrichtungen niedergeschlagen wird. Das so erhaltene R o h a n t i m o n enthält meist noclTSchwefel, Arsen, Kupfer, Blei und Eisen. U m diese Beimengungen zu entfernen, schmilzt man es mit Soda, wobei die Verunreinigungen oxydiert werden und sich in der Schlacke ansammeln. Grauspießglanzerze, welche größere Mengen Gangart enthalten, werden vor der Verarbeitung auf Antimon so weit erhitzt, daß das verhältnismäßig leicht schmelzende Antimonsulfid (Smp. 546°) auf schräger Unterlage ausfließt („Seigerarbeit"). Das so „ausgeseigerte" Antimonsulfid (92—98°/0 Sb 2 S 3 ) wird ,,Antimonium crudum" genannt. Physikalische Eigenschaften. Antimon kommt wie Phosphor und Arsen in mehreren Modifikationen vor. Das gewöhnliche, rhomboedrisch kristallisierte Antimon („graues" oder „metallisches Antimon") ist eine silberweiße, stark glänzende, blättrig, grobkristalline, spröde und leicht zu pulverisierende Substanz vom spez. Gewicht 6.69. E s leitet den elektrischen Strom gut, schmilzt bei 630.5° C und siedet bei 1640° C. Das K r i s t a l l g i t t e r ist völlig analog dem des g r a u e n A r s e n s (Fig. 92, S. 276) und enthält daher auch die aus gewellten Sechsringen gebildeten Doppelschichten (Sb—SbAbstand: 2.87 À). Der Antimondampf besteht nach den Dichtebestimmungen aus Sb 4 und Sb a -Molekülen. Die dem r o t e n P h o s p h o r und s c h w a r z e n A r s e n entsprechende Phase („schwarzes Antimon") entsteht durch Aufdampfen von Antimon auf gekühlte Flächen. Da die Antimonatome recht groß sind, ist die Stärke der Bindung zwischen den einzelnen Atomen so gering, daß das amorphe Netzwerk schon bei 0° C beginnt, sich in das Kristallgitter des g r a u e n A n t i m o n s mit seinen streng geordnet übereinanderliegenden und dicht gepackten Doppelschichten umzuwandeln. Die amorphe Phase leitet ebenso wie die amorphe glasige Arsenphase den elektrischen Strom nicht. Eine dem w e i ß e n P h o s p h o r und g e l b e n A r s e n entsprechende, aus Sb 4 -Molekülen bestehende Modifikation gibt es nicht. Das in der Gasphase existierende Sb 4 Molekül ist also schon so instabil, daß selbst beim Abschrecken mit flüssiger Luft gleich eine Umwandlung in die Doppelschichten der amorphen Phase erfolgt.

284

Die Stickstoffgruppe

Das sogenaiinte „gelbe Antimon", von dem man früher annahm, daß es aus Sb4Molekülen bestehe, ist ein Mischpolymerisat aus Antimon und Wasserstoff und steht daher in Analogie zum festen gelben Phosphorwasserstoff (S. 257, 259). Es entsteht durch Einleiten von Sauerstoff oder Chlor in flüssigen Antimonwasserstoff bei —90° C. Der entstehende gelbe Niederschlag lagert sich schon im Dunkeln bei —80° C in eine schwarze Phase um, die noch nicht näher untersucht ist. Wahrscheinlich besteht sie im wesentlichen aus Antimon mit Fremdsubstanz, insbesondere Wasserstoff, der beim Erhitzen als Antimonwasserstoff entweicht. Das sogenannte „explosive Antimon" entsteht bei der Elektrolyse von Antimonchlorid, -bromid oder -jodid in salzsaurer Lösung bei tiefen Temperaturen. Es ist glasartig amorph und geht beim Ritzen, Pulvern oder schnellen Erhitzen unter Aufglühen und Versprühen explosionsartig in das energieärmere, kristallisierte gewöhnliche Antimon über. Das explosive Antimon baut sich in völliger Analogie zum glasigen Arsen aus jenen Doppelschichten auf, die auch für das kristallisierte graue Antimon charakteristisch sind. Der Abstand zwischen Atomen zweier benachbarter Doppelschichten ist von 3.37 À im rhomboedrisehen Antimon um 0.35 Â auf 3.72 Á aufgeweitet. Außerdem ist die Art der Übereinanderlagerung der Doppelschichten nicht ganz die gleiche wie in der kristallinen Phase. Im Gegensatz zum Kristall besitzen die Doppelschichten nur eine begrenzte Ausdehnung. Am Rande sind die freien Valenzen durch Fremdatome, insbesondere Halogen (je nach den Darstellungsbedingungen z.B. 7—20 Atom-°/o Chlor) abgesättigt. Bei der Umwandlung zur kristallinen Phase verdampft die Hauptmenge des Chlors als Antimonchlorid. Chemische Eigenschaften. Bei gewöhnlicher Temperatur verändert sich kristallines Antimon an der Luft nicht. Beim E r h i t z e n über den Schmelzpunkt verbrennt es mit bläulich-weißer Flamme zu A n t i m o n t r i o x i d Sb 2 0 3 . Mit C h l o r g a s vereinigt es sich in feingepulvertem Zustande unter Feuererscheinung zum P e n t a c h l o r i d SbCl 6 ; ebenso reagiert es energisch mit den anderen Halogenen. In n i c h t o x y d i e r e n d e n S ä u r e n wie Salzsäure oder verdünnter Schwefelsäure ist Antimon entsprechend seiner Stellung in der Spannungsreihe (ε0 = + 0.1 bis + 0.2 Volt) n i c h t l ö s l i c h . I n S a l p e t e r s ä u r e löst es sich — je nach der Säurekonzentration — unter Bildung von a n t i m o n i g e r oder A n t i m o n s ä u r e . In seinen Verbindungen ist Antimon fast ausschließlich d r e i - und f ü n f w e r t i g . Das f ü n f w e r t i g e A n t i m o n zeigt in saurer Lösung großes Bestreben, in dreiwertiges Antimon überzugehen, und wirkt daher o x y d i e r e n d , ζ. B. gegenüber Jodidlösungen (Sb + 2 J ' —>- Sb'" + J 2 ). Formal v i e r w e r t i g tritt Antimon nur in Form des — lediglich in Lösung b e k a n n t e n — T e t r a c h l o r i d s SbCl4 und der sich davon ableitenden Komplexsalze MeJ [SbCl,] auf. Antimon wird hauptsächlich zur Darstellung von L e g i e r u n g e n verwendet, da es die Eigenschaft besitzt, weiche Metalle wie Zinn oder Blei bedeutend zu h ä r t e n . Einige wichtige B l e i - A n t i m o n - L e g i e r u n g e n (Letternmetall, Lagermetalle) und Z i n n - A n t i m o n - L e g i e r u n g e n (Britanniametall, Lagermetalle) werden wir beim Blei (S. 358f.) und Zinn (S. 353) kennenlernen.

b) Antimonwasserstoff Darstellung. Der Antimonwasserstoff SbH 3 (Stibin) bildet sich analog dem Arsenwasserstoff AsH s (S. 276) bei der Einwirkung von n a s z i e r e n d e m W a s s e r s t o f f auf lösliche A n t i m o n v e r b i n d u n g e n : Sb(OH), + 6 H —

SbH s 4- 3 H 2 0 .

285

Das Antimon

Größere Mengen stellt man zweckmäßig durch Eintragen eines A n t i m o n i d s (ζ. B. einer durch Erhitzen von 2 Gewichtsteilen Magnesium mit 1 Gewichtsteil Antimon erhältlichen Legierung) in kalte verdünnte S a l z s ä u r e dar (vgl. S. 277): Mg,Sb 2 + 6HCl

»- 3MgClj + 2SbH 3 .

In beiden Fällen besteht das entstehende Gas zur Hauptsache aus W a s s e r s t o f f , von dem der beigemengte Antimonwasserstoff durch Kondensation mittels flüssiger Luft abgetrennt werden kann. Physikalisehe Eigenschaften. Antimonwasserstoff ist wie Arsenwasserstoff ein farbloses, übelriechendes, giftiges Gas, das sich bei—17.0° zu einer Flüssigkeit verdichtet, welche bei —88.5° erstarrt. Chemische Eigenschaften. Der Antimonwasserstoff ist eine stark e n d o t h e r m e Verbindung (34.8 kcal + Sb + Ι ι Ι 2 Ή. 2 —>- SbH s ). Daher zersetzt er sich explosionsartig in die Elemente, wenn er an einer Stelle entzündet wird. Auch bei gewöhnlicher Temperatur macht sich dieser Zerfall schon bemerkbar, und zwar ist die Zersetzungsgeschwindigkeit in reinen Glasgefäßen zunächst äußerst gering, um dann entsprechend der Menge des abgeschiedenen Antimons zuzunehmen („Autokatalyse"). Im übrigen entsprechen die chemischen Eigenschaften des A n t i m o n w a s s e r s t o f f s weitgehend denen des A r s e n w a s s e r s t o f f s . Beim Durchleiten des Antimon Wasserstoffs durch das erhitzte Glasrohr des M A R S H sehen Apparates (S. 277) entsteht ein A n t i m o n Spiegel; an einer in die fahlgrün brennende Flamme des AntimonwasserstoffWasserstoff- Gemisches gehaltenen kalten Porzellanschale scheidet sich ein Antimonfleck ab. Dieser Antimonfleck unterscheidet sich von dem in gleicher Weise entstehenden Arsenfleck durch dunklere Farbe, Unlöslichkeit in Natriumhypochloritlösung und geringere Flüchtigkeit beim Erhitzen im Wasserstoffström. Mit S i l b e r n i t r a t bildet Antimon Wasserstoff eine braungelbe Doppelverbindung Ag3Sb · 3 AgNOs (vgl. S. 278), die beim Befeuchten mit Wasser unter Abscheidung von schwarzem Silberantimonid Ag s Sb zerlegt wird.

c) Halogenverbindungen des Antimons Die Halogenide des Antimons haben die allgemeine Zusammensetzung SbXj (SbF 3 , lose, zerfließlicheKristalle, Smp. 292°; SbCls, farblose Kristalle, Smp. 73.4°, Sdp. 223°; SbBr 3 , lose Kristalle, Smp. 96.6°, Sdp. 288°; SbJ 8 , rubinrote Tafeln, Smp. 170°, Sdp. 401°) und (SbFj, farblose, ölige Flüssigkeit, Smp. 7.0°, Sdp. 149.5°; SbCls, gelbe Flüssigkeit, Smp. Sdp. 140°; SbJj, braune Flüssigkeit, Sdp. 79°). Antiinontrichlorid SbClj wird erhalten, wenn man feingepulverten heißer, konzentrierter S a l z s ä u r e auflöst: Sb 2 S 3 + 6 HCl >• 2 SbCl3 + 3 H s S .

farbfarbSbX» 2.8° ,

G r a u s p i e ß g l a n z in

Es stellt eine farblose, durchscheinende, kristallin-blättrige, weiche Masse dar („Antimoributler"), die bei 73.4° schmilzt und bei 223° siedet. In wenig Wasser löst es eich klar auf. Bei weiterer Zugabe von Wasser scheiden sich infolge Hydrolyse basische Chloride (Oxidchloride) ab, ζ. B. SbOCl (Antimonoxidchlorid; SbCl3 + H 2 0 SbOCl + 2HC1) und 2SbOCl· Sb 2 O s (Algarotpulver; 2SbCl 3 + 3H s O Sb 2 0 3 + 6HCl). Beim K o c h e n mit W a s s e r geht alles Antimonchlorid in A n t i m o n t r i o x i d S b s 0 3 über. Das Algarotpulver wurde früher als Heilmittel verwandt. Auch die anderen Trihalogenide des Antimons werden von Wasser hydrolysiert, am wenigsten das Fluorid. Beständiger gegen Wasser sind die komplexen, aus Antimon-trihalogenid und Alkalihalogeniden entstehenden Halogeno-antimonatefIII) („Halogeno-antimonite") der allgemeinen Zusammensetzung Mei[SbX 4 ], Me 3 [SbX 6 ] und MeJ[SbX e ], Antiinonpentachlorid SbCl5 entsteht bei der Behandlung von A η ti mon t r i c h l o r i d mit C h l o r : SbClj + Clj

SbCi5 .

Es stellt eine zitronengelbe, rauchende Flüssigkeit vom spezifischen Gewicht 2.35 dar, welche bei 2.8° erstarrt und bei 140° unter beginnender Zersetzung in Trichlorid und Chlor siedet. Mit kleinen

286

Die Stickstoffgruppe

Mengen Wasser bildet das Pentachlorid Hydrate wie SbCl5 · H 2 0 und SbCi5 · 4H 2 0; von überschüssigem Wasser wird es zu Antimonsäure und Salzsäure hydrolysiert. Mit zahlreichen Metallchloriden vereinigt es sich zu Hexachloro-antimonaten des Typus Mel[SbCle]. Auch das Fluorid SbF 6 bildet solche Komplexverbindungen Me[SbFe]. Das Bromid SbBr6 ist nur in Form dieser Doppelverbindungen Me[SbBre] erhältlich. Die Existenz eines Jodids SbJ 6 ist noch fraglich.

d) Sauerstoffverbindungen des Antimons Antimon bildet zwei S a u e r s t o f f s ä u r e n : Die antimonige Säure (Antimon(111)säure) HSbO a und àie Antimonsäure (Antimon(V)säure) H S b 0 3 (bzw. H S b 0 3 · 3 H 2 0 = II 7 SbO e = H[Sb(OH) e ]; vgl. S. 287, 356). Außerdem kennt?man drei A n t i m o n o x i d e : das Anhydrid der antimonigen Säure [Antimontrioxid)1Sb 2 0 3, das Anhydrid der Antimonsäure {Antimon fentoxid) Sb 2 0 5 und das gemischte Anhydrid der antimonigen und Antimonsäure (Antimontetroxid) Sb 2 0 4 . Antimontrioxid; antimonige Säure. Antimontrioxid kommt in der Natur sowohl kubisch (Senarmontit) als auch rhombisch (Valentinit, Antimonblüte, Weißspießglanz) kristallisiert vor. Es bildet sich beim V e r b r e n n e n v o n A n t i m o n an der Luft (2Sb l 1 / 2 O 2 — S b 2 0 3 ) sowie z. B. bei der H y d r o l y s e v o n A n t i m o n c h l o r i d in siedender Sodalösung (2SbCl 3 + 3 HÖH ^ . Sb 2 0 3 + 6HCl; 6HC1 + 3Na 2 C0 3 — 6NaCl + 3 C 0 2 + 3H 2 0). Antimontrioxid stellt ein weißes, beim Erhitzen gelb und beim Erkalten wieder weiß werdendes, in Wasser nahezu unlösliches Pulver vom Schmelzpunkt 656° und Siedepunkt 1550° dar. Wie Arsentrioxid kommt es in zwei enantiotropen Modifikationen vor, deren Umwandlungspunkt bei 570° liegt: 520'

3 . 2 kcal - f S b 2 0 3 k u b i s c h

Sb 2 0 3 rhombisch.

Der Antimontrioxid-Dampf besteht nach der Dampfdichtebestimmung bei 1560° überwiegend aus Sb 4 O e -Molekülen (vgl. Fig. 89, S. 261). Aus ebensolchen Molekülen (3a) ist das Molekülgitter der k u b i s c h e n Form aufgebaut, während die r h o m b i s c h e Form höhermolekulare Kettenmoleküle des Typus (3b) bildet: \sb-/0\sb/0\sb//0\sb//0\ 0 1 /Sbv

O Sb

•o/

x

o

0 1 .S Κ

(3)

K[C 4 H 2 O e Sb(OH 2 )] · i/2 H 2 0 . Die s a u r e Natur des Antimontrioxids zeigt sich in der Löslichkeit in A l k a l i l a u g e n , wobei „Antimonite" Me'Sb0 2 — bzw. Me'SblOH^ - gebildet werden (Sb 2 0 3 + 2 OH' —- >2 S b 0 2 ' + H a 0 ) . Sie leiten sich von einer antimonigen Säure der Formel ÏÏSb02 ab (Sb 2 0 3 + H 2 0 ^ z i 2 H S b 0 2 ) . Die Existenz von A n t i m o n o x i d s a l z e n und A n t i m o n i t e n zeigt, daß diese a n t i m o n i g e S ä u r e H S b 0 2 wie das zugrunde liegende Anhydrid S b 2 0 3 als S ä u r e und B a s e zu wirken imstande ist : Sb0 2 ' + Η' Antlmonit-anlon

SbOOH antlmonige Säure

SbO" + OH'. Antimcnoxld-kation

Ob die antimonige Säure — sei es in ihrer Metaform HSbO a oder in der wasserreicheren Orthoform HjSbO s — außer in der wässerigen Lösung auch in f r e i e m Z u s t a n d e als definierte Verbindung existiert, ist fraglieh. Versucht man sie durch Ansäuern von Antimonit- oder durch hydrolytische Zersetzung von Antimonoxidsalzlösungen herzustellen (Sb0 2 ' + Η' ν HSbO a ; SbO" + OH' — > - SbOOH), so erhält man voluminöse, weiße, gel-artige (vgl. S. 338) Niederschlage (,,Antimontrioxidhydrate"), die wechselnde Mengen Wasser enthalten und allmählich, selbst unter Wasser, in das kristalline Oxid Sb 2 0 3 übergehen.

Antimonpentoxid; Antimonsäure. Antimonpentoxid kann als Anhydrid der Antimonsäure durch E n t w ä s s e r n (Erhitzen) von A n t i m o n s ä u r e gewonnen werden. Unter „Antimonsäure" versteht man dabei die A n t i m o n p e n t o x i d h y d r a t e Sb 2 0 6 · XH 2 0, die als weiße Pulver ausfallen, wenn man etwa A n t i m o n mit konzentrierter S a l p e t e r s ä u r e oxydiert (2Sb + 5 0 — > Sb 2 0 5 ) oder Stoffe wie A n t i m o n p e n t a c h l o r i d mit W a s s e r hydrolytisch zersetzt (2SbCl 5 + 5 H 2 0 — ν Sb 2 0 6 + 10HC1). Antimonpentoxid ist ein gelbliches Pulver, das beim E r h i t z e n , ohne zu schmelzen, in das T e t r o x i d Sb 2 0 4 übergeht. In Wasser ist es sehr schwer löslich. Die Lösung rötet blaues Lackmuspapier und enthält wahrscheinlich eine Hexahydroxo-antimonsäure Sb 2 0 6 · 7 H 2 0 = 2H 7 SbO e = 2 H [ S b ( 0 H ) e ] . Diese ist eine e i n b a s i g e Säure von der Stärke etwa der E s s i g s ä u r e und bildet S a l z e des Typus Me I [Sb(0H) e ]. Das K a l i u m s a l z K[Sb(0H) e ] dient in der analytischen Chemie als Reagens auf N a t r i u m - i o n e n , da das Natriumantimonat (Natrium hexahydroxo-antimonat) Na [Sb(OH) e ] schwer löslich ist. Die durch Zusammenschmelzen von A n t i m o n p e n t o x i d und M e t a l l o x i d erhältlichen A n t i m o n a t e leiten sich großenteils von einer wasserärmeren, der Pbosphorsäure H S P 0 4 entsprechenden Form H s S b 0 4 ab (H,SbO e — 2 H 2 0 = H 3 Sb0 4 ). Antimontetroxid. Sowohl das T r i o x i d Sb 2 0 s wie das P e n t o x i d Sb 2 0 6 gehen beim Erhitzen an der Luft in A n t i m o n t e t r o x i d Sb 8 0 4 über: Sb 2 0 3

SbgOi

Sb 2 0 6 .

Antimontetroxid ist ein weißes, in der Hitze gelb und beim Erkalten wieder weiß werdendes Pulver, das sich durch Glühen mit K o h l e ( S b t 0 4 + 4C — 2 S b + 4CO) oder K a l i u m c y a n i d (Sb a 0 4 + 4KCN — ^ 2 S b + 4 K C N 0 ) leicht zu metallischem A n t i m o n reduzieren läßt.

e) Schwefelverbindungen des Antimons Antimon bildet mit Schwefel die zwei Sulfide Sb 2 S 3 und Sb 2 S 5 . Man erhält sie als orangerote Verbindungen beim Zusammenschmelzen von A n t i m o n und S c h w e f e l (2Sb + 3 S >Sb 2 S 3 : 2Sb + 5 S >• Sb 2 S s ) oder beim Einleiten von S c h w e f e l w a s s e r s t o f f in angesäuerte Lösungen von V e r b i n d u n g e n des d r e i - bzw. f ü n f w e r t i g e n A n t i m o n s (2Sb"' + 3 S " >Sb 2 S 3 ; 2 Sb -f 5 S" -—>- Sb 2 S 5 >- Sb 2 S 3 +2S). Wie die entsprechenden Arsensulfide lösen sie

288

Die Stickstoffgruppe

sich in A l k a l i - oder A m m o n i u m s u l f i d - l ö s u n g e n unter Bildung von „Thio-antimoniten" (Sb 2 S 3 + 3S" >-2SbS 3 '") bzw. „Thio-antimonaten" (Sb 2 S 5 + 3 S " >-2 SbS 4 "'), aus denen durch Umsetzung mit HCl in Äther die zugrundeliegenden, nicht sehr beständigen Säuren in Freiheit gesetzt werden können. Antimontrisulfid SbüSe schmilzt bei 646° und wandelt sich beim Erhitzen unter Luftabschluß in die beständigere grauschwarze Modifikation (Grauspießglanz) um. Zum Unterschied vom weniger basischen Arsentrisulfid As 2 S 3 ist es in starken Säuren löslich (vgl. S. 285). Antimonpentasulfid SbjSs dient als „Goldschwefel" zum Vulkanisieren von Kautschuk und verleiht so den vulkanisierten Gummiwaren die charakteristische rote Farbe. Die t e c h n i s c h e D a r s t e l l u n g von Goldschwefel erfolgt durch Zersetzung von N a t r i u m - t h i o a n t i m o n a t („SCHLIPPE sches Salz") mit S ä u r e n : 2SbS 4 '" + 6H- — S b 2 S 6 ( ^ S b 2 S s + 2S) + 3 H 2 S . Das SOHLiPPBSche Salz wird dabei durch Kochen von G r a u s p i e ß g l a n z - P u l v e r mit S c h w e f e l und N a t r o n l a u g e gewonnen; hierbei setzen sich Schwefel und Natronlauge teilweise zu Natriumsulfid um, welches dann mit dem Antimontrisulfid bei gleichzeitiger Einwirkung von Schwefel Thioantimonat bildet: Sb 2 S 3 + 3 S " + 2 S 2SbS 4 '". Aus der Lösung kristallisiert beim Erkalten das SCHLIPPE sehe Salz als hellgelbes Salz der Formel Na 3 SbS 4 · 9 H 2 0 aus. Über die Verwendung von Goldschwefel bei der Zündholzfabrikation vgl. S. 257.

5. Das Wismut a) Elementares Wismut Torkommen. Wismut kommt in der Natur nicht in größeren Mengen vor. Es wird hauptsächlich in Südamerika (Bolivien) und Australien (Tasmanien) gefunden, und zwar sowohl gediegen als auch in Form des S u l f i d s Bi 2 S 3 (Wismutglanz) und des O x i d s B i 2 0 3 (Wismutocker). Wie Arsen und Antimon kommt es weiterhin gelegentlich in Form von D o p p e l s u l f i d e n vor, ζ. B. als Bleiwismutglanz PbS · Bi 2 S 3 , Silberwismutglanz Ag 2 S · Bi 2 S 3 und Kupferwismutglanz Cu2S • Bi 2 S 3 . Darstellung. Zur Darstellung des Wismuts kann man von den oxidischen oder von den sulfidischen Erzen ausgehen. Die o x i d i s c h e n Erze werden in Tiegeln oder Flammöfen mit K o h l e zu Wismut reduziert: 2Bi a O s + 3C — ν 4Bi + 3CO¡¡. Die s u l f i d i s c h e n Erze werden wie beim Antimon (S. 283) nach dem R ö s t r e d u k t i o n s v e r f a h r e n verarbeitet (Bi 2 S 3 + 4 1 / 2 0 2 —*• B i 2 0 8 + 3S0 2 ). Das so erhaltene R o h w i s m u t wird von Beimengungen wie Arsen, Antimon, Blei, Eisen, Schwefel durch oxydierendes Schmelzen befreit; Kupfer läßt sich durch Schmelzen mit Natriumsulfid (Überführung in Kupfersulfid), Silber bzw. Gold durch Extraktion des geschmolzenen Wismuts mit Zinn beseitigen. Physikalische Eigenschaften. Wismut ist ein schwach rotstichiges, silberweiß glänzendes, sprödes, grobkristallines Metall vom Schmelzpunkt 217.0° und Siedepunkt 1560°. Seine G i t t e r s t r u k t u r entspricht der des Arsens (Fig. 92, S. 276) und Antimons, und zwar ist im Wismut die Packung der Doppelschichten noch dichter als beim Arsen und Antimon. Der kürzeste Abstand zwischen den Schichten ist mit 3.47 Ä nur um 12 °/0 größer als der Abstand zweier benachbarter Wismutatome innerhalb einer Doppelschicht (3.10 Á). Das geschmolzene Wismut zeigt wie das Wasser die auffallende Eigenschaft, sich beim Erstarren auszudehnen, so daß mit geschmolzenem Wismut gefüllte Glaskugeln dabei zersprengt werden. Analog verhalten sich die Halbmetalle Antimon, Germanium (vgl. S. 348), Silicium und Gallium. Das Wismutatom besitzt einen noch größeren Radius als das Antimonatom. Dementsprechend sind seine Bindungen noch schwächer. So ist es nicht verwunderlich, daß vom Wismut keine amorphen Phasen existieren. Mischpolymerisate sind ebenfalls nicht bekannt. Chemische Eigenschaften. Wismut ist bei gewöhnlicher Temperatur an der Luft beständig. Bei Rotglut verbrennt es mit bläulicher Flamme zu W i s m u t t r i o x i d

Das Wiemut

289

Bi 2 0 3 . Mit den Halogenen sowie mit Schwefel, Selen und T e l l u r verbindet es sich in der Hitze direkt; dagegen vereinigt es sich nicht unmittelbar mit S t i c k stoff und Phosphor. In Wasser und in nichtoxydierenden Säuren (Salzsäure, Schwefelsäure) ist Wismut entsprechend seiner Stellung in der Spannungsreihe (e0 = + 0.2 Volt) n i c h t löslich. In oxydierenden Säuren (Salpetersäure, heiße konzentrierte Schwefelsäure) löst es sich unter Bildung von Salzen (Nitrat, Sulfat). Metallisches Wismut wird zur Herstellung leichtschmelzender Legierungen sowie gelegentlich als Zusatz zu Britanniametall (S. 353) und zu Lagermetallen (S. 353) verwendet. Von den leichtschmelzenden Legierungen seien hier erwähnt : das „RosEsche Metall" (2Gewichtsteile Bi, ITeil Pb, ITeil Sn) vom Schmelzpunkt 94°, das „WooDsche Metall" (4 Teile Bi, 2 Teile Pb, 1 Teil Sn, 1 Teil Cd) vom Schmelzpunkt 60° und die „LiPowiTZ-Legierung" (15 Teile Bi, 8 Teile Pb, 4 Teile Sn, 3 Teile Cd) vom Schmelzpunkt 70°. Alle diese Legierungen schmelzen schon in heißem Wasser und können ζ. B. für elektrische Sicherungen und Sicherheitsverschlüsse verwandt werden. Zur Anfertigung von Abgüssen (Münzen, Klischieren von Holzschnitten usw.) verwendet man zweckmäßig die bei 130° schmelzende Legierung aus 1 Teil Bi, 1 Teil Pb und 1 Teil Sn, die infolge ihrer Ausdehnung beim Erstarren auch die feinsten Konturen der Vorlage scharf wiedergibt.

b) Verbindungen des Wismuts Die Verbindungen des Wismuts leiten sich vorwiegend vom dreiwertigen Wismut ab. Jedoch kann Wismut vereinzelt auch fünfwertig auftreten. Das Wismutoxid Bi 2 0 3 weist ausgesprochen basischen Charakter auf; daher löst es sich in Säuren unter Bildung von Verbindungen ausgesprochenen S a l z c h a r a k t e r s auf. Wismutwasserstoff (Bismutin) BiHj (Sdp. 22°) wird in Spuren neben viel Wasserstoff erhalten, wenn man eine pulverförmige Wismut-Magnesium-Legierung mit Salzsäure zersetzt: MgjBij + 6 HCl — 3 M g C l j + 2 BiH3. Seine Bildung läßt sich leicht dadurch nachweisen, daß das entweichende Gas, durch ein erhitztes Glasrohr geleitet, wieArsen- und Antimonwasserstoff einen Metallspiegel ergibt (vgl. S. 574). Der Wismutspiegel unterscheidet sich vom Arsenspiegel durch seine Unlöslichkeit in Natriumhypochloritlösung, vom A n t i m o n s p i e g e l durch seine Unlöslichkeit in gelber Schwefelammonlösung. Wismuthalogenide, BiX 3 , entstehen beim Auflösen von W i s m u t o x i d in Halogenwasser st off säuren : Bi,Og + 6HX T ^ · 2BiX 3 + 3H,0. Wismutfluorid BiF s bildet ein wasserunlösliches, weißes, kristallines Pulver (Smp. 730°) — welches bei 500° leicht weiteres Fluor unter Bildung eines Wismut (V)-fluorids BiF s (farblose Nadeln, Sblp. 550°) aufnimmt —, Wismutchlorid BiCl3 eine weiße, kristalline, an feuchter Luft zerfließliche Masse (Smp. 232°, Sdp. 447°), Wismutbromid BiBr 3 gelbe, bei 218° zu einer tiefroten Flüssigkeit (Sdp. 453°, Zers. 500°) schmelzende Kristalle und Wismutjodid Bi J 3 schwarze bis braune, glänzende Kristallblättchen vom Schmelzpunkt 408°. Mit Alkalihalogeniden bilden dieWismuthalogenide Komplexsalze („ Tetrahalogeno-bismutate") des Typus Me[BiX 4 ]. Durch Wasser werden die Wismuthalogenide unter Bildung von Wismutoxid halogeniden („Bismutylhalogenide") hydrolytisch gespalten: BiX, + HjO Holloman-Wiberg,

BiOX + 2HX,

Anorganische Chemie. 4 7 . - 6 6 . Anf).

19

290

Die Stickstoffgruppe

und zwar Wismutchlorid und Wismutbromid leicht, Wismutjodid wegen seiner geringen Löslichkeit erat beim Kochen. Wismutoxidchlorid und -bromid sind weiß; Wismutoxidjodid stellt ein ziegelrotes Pulver dar. Wismutsalze lassen sich durch Auflösen von Wismut oder W i s m u t o x i d in Säuren gewinnen. Löst man ζ. B. gepulvertes Wismut in S a l p e t e r s ä u r e auf, so scheiden sich aus der eingedampften Lösung große, durchscheinende, farblose Kristalle der Zusammensetzung Bi(N0 8 ) 3 · 5 H 2 0 aus. Aus der Lösung von Wismut oder Wismutoxid in heißer konzentrierter Schwefelsäure kristallisieren feine weiße Nadeln von Bi 2 (S0 4 ) 3 aus. Durch Wasser werden diese Salze zu basischen Salzen hydrolysiert. Ein basisches Nitrat der ungefähren Zusammensetzimg Bi(OH)iNOs dient unter dem Namen „Magisterium bismuti" („Bismutum subnitricum") seit langem als gelindes Darmdesinfiziens sowie in der Wund- und Hautbehandlung. Wismutoxid; Wismuthydroxid. Versetzt man eine Wismutsalzlösung mit Alkalihydroxidlösung, so fällt Wismuthydroxid Bi(OH)s als weißer, flockiger Niederschlag aus. Beim Erwärmen auf 100° geht dieses Hydroxid in die wasserärmere Form BiO(OH) über: Bi(OH)3 — B i O ( O H ) + H 2 0. Bei noch stärkerem E r hitzen entsteht das wasserfreie, in der Kälte gelbe, in der Hitze rotbraune O x i d Bi 2 0 3 (Smp. 817°, Sdp. 1890°), das auch durch Verbrennen von Wismut oder durch Erhitzen von Wismutnitrat oder -carbonai gewonnen werden kann. Das Wismutoxid Bi 2 0 3 ist zum Unterschied vom sauren Stickstoffoxid N 2 0 3 und von den amphoteren Trioxiden des Arsens und Antimons ein ausgesprochen basisches Oxid. Es löst sich daher nur in Säuren, nicht dagegen in Laugen; gleiches gilt vom Wismuthydroxid Bi(OH)3. Wie Arsen- und Antimontrioxid tritt auch Wismuttrioxid in mehreren Modifikationen auf. Durch starke O x y d a t i o n s m i t t e l (Chlor, Kaliumpermanganat) kann das Wismutbydroxid bei Gegenwart von Alkalilauge zu gelbbraunen bis purpurroten Salzen oxydiert werden, die sich wahrscheinlich von der roten, bei 120° Wasser abspaltenden Wismutsäure HBi0 3 (Anhydrid: Bi 2 0 6 , Smp. 150°) ableiten. Wismutsulfid Bi 2 S 3 . das in der Natur als stahlgrauer bis zinnweißer, kristalliner, dem Grauspießglanz Sb 2 S 3 im Aussehen sehr ähnlicher Wismutglanz vorkommt, kann künstlich durch Erhitzen von Wismut mit Schwefel (2Bi + 3 S — ν Bi 2 S 3 ) oder durch Einleiten von Schwefelwasserstoff in die saure Lösung eines Wismutsalzes (2Bi"' + 3 S " —>- Bi 2 S 3 ) als dunkelbrauner Niederschlag erhalten werden. Zum Unterschied von Arsen- und Antimontrisulfid löst es sich nicht in Alkalien oder Alkalisulfidlösungen, zeigt also keine sauren Eigenschaften mehr. Bei längerem Stehen (schneller beim Kochen mit Alkalisulfidlösung) geht das gefällte amorphe Sulfid allmählich in die graue k r i s t a l l i n e Form (Smp. 727°) über.

6. Vergleichende Übersicht über die Stickstoffgruppe Wie die Halogene und Chalkogene bilden auch die zuletzt behandelten Elemente S t i c k s t o f f , Phosphor, Arsen, Antimon und Wismut eine natürliche Gruppe des Periodensystems. Hier wie dort beobachtet man dementsprechend mit steigendem Atomgewicht eine graduelle Abstufimg der physikalischen und chemischen E i g e n s c h a f t e n , wie aus der nebenstehenden Zusammenstellung (S. 291) hervorgeht. Metallcharakter. Der metallische (nichtmetallische) Charakter der Elemente nimmt in der Richtung vom Stickstoff zum Wismut hin zu (ab). S t i c k s t o f f ist ein reines N i c h t m e t a l l ; Phosphor kommt außer in drei typisch n i c h t m e t a l l i s c h e n Modifikationen (weißer, roter und violetter Phosphor) in einer (schwarzen) Form vor, die bereits

291

Vergleichende Übersicht über die Stickstoffgruppe Stickstoff 14.008 Atomgewicht 0.961 Spezifisches Gewicht -210.0° Schmelzpunkt 195.8° Siedepunkt Umwandlungstemp. amorph-dmstallin Affinität zu elektroposit. Elementen Affinität zu elektronegat. Elementen Basecharakter der Oxide Salzcharakter der Halogenide Wasserstoffverbindungen, Schmelzpkt. Waseerstoffverbindungen, Siedepunkt -

77.70 33.38

Phosphor 30.975 1.822 44.102 280° a ~450°

I -133.78 1 - 87.74

Arsen 74.92 5.723 81701 633° ~270° nimmt zu nimmt ab nimmt zu nimmt zu nimmt zu -116.93 - 62.48 -

Antimon

Wismut

121.76 6.69» 630.5° 1640° ~ 0°

208.99 9.80 271.0° 1560°

88.5 17.0

I 1 +22

e l e k t r i s c h e s L e i t v e r m ö g e n und starke L i c h t a b s o r p t i o n besitzt. Beim A r s e n gibt es die gelbe und die schwarze und beim Antimon die schwarze Modifikation als n i c h t m e t a l l i s c h e , den elektrischen Strom nicht leitende Formen. Die rhomboedrisch kristallisierten grauen Modifikationen werden meist schon zu den M e t a l l e n gerechnet. Das rhomboedrische W i s m u t zeigt bereits m e t a l l i s c h e s L e i t v e r m ö g e n . Wertigkeit. Gegenüber e l e k t r o p o s i t i v e n Elementen wie Wasserstoff oder Metallen treten die Elemente der 5. Hauptgruppe des Periodensystems nur d r e i w e r t i g auf; gegenüber e l e k t r o n e g a t i v e n Elementen wie Sauerstoff, Schwefel oder Chlor sind sie d r e i - u n d f ü n f w e r t i g , wobei mit steigendem Atomgewicht die Dreiwertigkeit mehr und mehr die Fünfwertigkeit überwiegt. Die Beständigkeit analoger Verbindungen nimmt mit steigendem Atomgewicht des Zentralatoms im ersteren Falle ab, im letzteren zu. So ist ζ. B . das A m m o n i a k NH 3 gegenüber dem zersetzlichen W i s m u t w a s s e r s t o f f BiH s s e h r b e s t ä n d i g , während umgekehrt die Oxide, Sulfide und Halogenide des S t i c k s t o f f s viel unbeständiger als die des W i s m u t s sind. Basecharakter. Der saure (basische) Charakter der Oxide E 2 0 3 (E = Element der Stickstoffgruppe) nimmt vom Stickstoff zum Wismut hin ab (zu). N 2 0 3 und P 2 0 3 sind nur Säure-anhydride ; As 2 0 3 bekundet neben dem sauren bereits einen schwach basischen Charakter, der sich beim S b 2 0 3 noch verstärkt ; B i 2 0 3 ist ein ausgesprochenes Baseanhydrid. Entsprechend dieser Abnahme des sauren und Zunahme des basischen Charakters verschiebt sich die Dissoziation der vom Oxid E 2 0 3 abgeleiteten Hydroxidverbindung E(OH) 3 : E < V " + 3H·

E(011)j T ^

E " +

3OH'

mit steigendem Atomgewicht von E zunehmend von der linken nach der rechten Seite hin 5 . So bilden die N i t r i t e und P h o s p h i t e auch in stark saurer Lösung keine Ionen N'" und F " , sondern nur die freien Säuren N(OH) 3 (—>- NOOH + H 2 0 ) und P(OH) 3 , während die A r s e n i t e , A n t i m o n i t e und W i s m u t i t e in saurer Lösung Verbindungen E X 3 ( X = Säurerest) von zunehmendem Salzcharakter bilden, denen das Ion E ' " uugrunde liegt. Umgekehrt h y d r o l y s i e r e n die Verbindungen E X 3 entsprechend der abnehmenden Basizität von E(OH) 3 um so leichter, je weiter oben E im Periodensystem steht. So werden NCI3 und PC13 von Wasser augenblicklich zersetzt ; auch ASC13 geht bei Einwirkung von Wasser leicht in arsenige Säure As(OH) 3 über ; SbCl 3 erleidet durch Fester Stickstoff beim Schmelzpunkt. Weißer Phosphor. Metallische Modifikation. 4 Bei 3G at Druck. 5 Beim ersten ( E = N) und letzten Glied ( E = Bi) der Reihe ist die w a s s e r ä r m e r e Form E O ( O H ) bevorzugt, für die das entsprechende Gleichgewicht H ' + E 0 2 ' Z^ZÌl EOOH ^ n ï : E O ' + OH' gilt. 1 2

3

19*

292

Die Stickstoffgruppe

Wasser nicht sofort eine vollständige hydrolytische Spaltung, sondern geht in basische Chloride über, die erst von sehr viel Wasser zu antimoniger Säure umgewandelt werden; und BiCl 3 bildet mit Wasser BiOCl, das bei weiterem Wasserzusatz nicht mehr zersetzt wird. Die Oxide der f ü n f w e r t i g e n Elemente, E 2 0 5 , sind alle S ä u r e - a n h y d r i d e . Auch hier nimmt der Säurecharakter mit steigendem Atomgewicht von E ab, so daß die vom N 2 0 5 abgeleitete S a l p e t e r s ä u r e H N 0 3 eine s e h r s t a r k e und die vom Bi 2 0 5 abgeleitete W i s m u t s ä u r e H B i 0 3 eine s e h r s c h w a c h e Säure ist. Wasserstoffverbindungen. Auch bei den W a s s e r s t o f f v e r b i n d u n g e n E H 3 ist die graduelle Abstufung der Eigenschaften sehr deutlich. So nimmt beispielsweise der basische Charakter mit zunehmendem Atomgewicht von E ab, so daß das Gleichgewicht EH 3 + H'

EH 4

beim N H 3 ganz auf der rechten, beim AsH 3 dagegen bereits ganz auf der linken Seite liegt.

Kapitel XII

Die Kohlenstoffgruppe 1. D e r Kohlenstoff a) Elementarer Kohlenstoff α) Vorkommen K o h l e n s t o f f findet sich in der Natur sowohl in f r e i e m (Diamant; Graphit) als auch in g e b u n d e n e m Zustande. G e b u n d e n kommt er teils im Mineralreich („LithoSphäre"), teils im Pflanzen- und Tierreich {„Biosphäre"), teils in der Luft („Atmosphäre") und im Wasser {„Hydrosphäre") vor. Im Mineralreich treffen wir den Kohlenstoff in der Hauptsache in Form von Carbonaten, den Salzen der Kohlensäure H 2 C 0 3 an. Wichtige derartige Carbonate sind: C a l c i u m c a r b o n a t CaC0 3 {„Kalkstein", „Marmor", „Kreide"), welches ganze Gebirge bildet, C a l c i u m - m a g n e s i u m - c a r b o n a t CaC0 3 · MgC0 3 („Dolomit"), M a g n e s i u m c a r b o n a t MgC0 3 {„Magnesit"), E i s e n c a r b o n a t FeC0 3 {„Eisenspat"), Manganc a r b o n a t MnC0 3 („Manganspat") und Z i n k c a r b o n a t ZnC0 3 {„Zinkspat"). Im Pflanzen- und Tierreich bildet der Kohlenstoff einen grundwesentlichen Bestandteil aller Organismen. Daher nennt man die Kohlenstoffverbindungen auch „organische Verbindungen". Da die Zahl der bis jetzt bekannten, definierten — natürlichen und künstlichen — o r g a n i s c h e n V e r b i n d u n g e n 600000) im Verhältnis zur Zahl der Verbindungen aller ü b r i g e n E l e m e n t e ( ~ 40000) sehr groß ist, pflegt man die Kohlenstoffchemie als „Organische Chemie" von der „Anorganischen Chemie" abzutrennen und gesondert zu behandeln, obwohl anorganische und organische Chemie n i c h t w e s e n s v e r s c h i e d e n sind. Als Produkte der Verwesung urweltlicher p f l a n z l i c h e r Organismen finden sich in der Natur die K o h l e n , als Zersetzungsprodukte urweltlicher t i e r i s c h e r Organismen die E r d ö l e . Der Gehalt der Luft an Kohlendioxid beträgt zwar durchschnittlich nur 0.03 Volumenprozente. Wegen der großen räumlichen Ausdehnung der Atmosphäre übersteigt aber der in dieser Form vorhandene Kohlenstoff (6.0 Χ 1 0 1 1 1 ) den im Tier- und Pflanzenreich enthaltenen (2.7 Χ10 1 1 1) um mehr als 100%. In noch stärkerem Maße gilt dies vom Meerwasser, das durchschnittlich 0.005 Gew.-°/0 Kohlendioxid enthält, entsprechend einer Gesamtmenge von 2 . 7 x l 0 1 3 t Kohlenstoff, d. h. dem H u n d e r t f a c h e n des im Tier- und Pflanzenreich gespeicherten Kohlenstoffvorrats. ß) Physikalische Eigenschaften Kohlenstoff kommt in zwei monotropen Modifikationen vor : regulär kristallisiert als Diamant (metastabil) und hexagonal kristallisiert als Graphit (stabil). Feinkristalliner, in amorphem Kohlenstoff eingebetteter Graphit liegt vor im Retortengraphit, Glanzkohlenstoff und Ruß. Im Koks, in der Holzkohle und in der Tierkohle bilden die amorphen Bereiche den Hauptbestandteil. Der amorphe Teil enthält viele Beimengungen, insbesondere Sauerstoff und Wasserstoff, so daß man hier auch von einem Mischpolymerisat mit Kohlenstoff als Hauptkomponente sprechen kann. Diamant und Graphit unterscheiden sich voneinander durch ihre K r i s t a l l s t r u k t u r . Das Kristallgitter des Graphits besteht aus vielen übereinandergelagerten ebenen

294

Die Kohlenstoffgruppe

K o h l e n s t o f f s c h i c h t e n , in welchen die Kohlenstoffatom e zu lauter Sechsecken der Kantenlänge 1.42 Â zusammengefügt sind. Die ausgezogenen Linien in Fig. 94 geben — von oben gesehen — das „Wabennetz" einer solchen Kohlenstoffebene wieder. Die über bzw. unter dieser Ebene gelegene nächste Sechseckebene (gestricheltes Wabennetz in Fig. 94) ist so angeordnet, daß über (unter) der Mitte eines jeden Sechsecks der Ausgangsebene ein Kohlenstoffatom der benachbarten Ebene zu hegen kommt. Dasselbe wiederholt sich bei den folgenden Ebenen, so daß in summa ein „Schichtengitter" entsteht, welches — von der Seite gesehen — das in Fig. 95 wiedergegebene Aussehen hat. Die einzelnen Schichten haben dabei voneinander einen Abstand von 3.35 Â. Da in den Sechseck-ebenen (Fig. 94) jedes Kohlenstoffatom nur mit d r e i anderen durch eine homöopolare Bindung verbunden ist, betätigt es lediglich d r e i seiner vier Außenelektronen. Die „vierten" Valenzelektronen bilden untereinanderDoppelbindungen aus. £ i g :, 9 4 · Sechseckanordnung der Da jedes solche Elektron die Wahl hat, mit welchem (ausgezogene

Linien:

Ausgangs-

der drei benachbarten überzähligen Elektronen es Doppelbindung eingeht, erhält es eine gewisse

eine

ebene; gestrichelte Linien: darun-

„metallische" Beweglichkeit. Dies erkennt m a n an der

ter- bzw. darüberbefindliche Ebene)

tiefschwarzen Farbe und dem hohen elektrischen Leitvermögen des Graphits. Zwischen den Schichten sind nur schwache VJLN D E B W A A T , S sehe Kräfte wirksam, was sich in der leichten Spaltbarkeit längs der Ebenen bemerkbar macht.

Fig. 95. Kristallgitter des Graphits

Fig. 96.

Kristallgitter des Diamanten

Das Kristallgitter des Diamanten unterscheidet sich von dem des Graphits dadurch, daß die Ebenen des Graphits nicht mehr durch „ m e t a l l i s c h e " B i n d u n g , sondern durch h o m ö o p o l a r e B i n d u n g zusammengehalten werden, indem die — beim Graphit freibeweglichen — vierten Elektronen der Kohlenstoffatome einer Ebene mit den vierten Elektronen der beiden benachbarten Ebenen — abwechselnd nach oben und unten — zu E l e k t r o n e n p a a r - b i n d u n g e n zusammentreten. Dies führt zu der

Der Kohlenstoff

295

aus Fig. 96 ersichtlichen „Wellung", Parallelverschiebung und engeren Packung der ursprünglichen Graphitebenen ; denn nur auf diese Weise findet jedes Kohlenstoffatom einer Ebene in der darüber- bzw. darunterliegenden Ebene einen Bindungspartner, während im Graphitgitter (Fig. 94 und 95) jedes zweite Kohlenstoffatom einer gegebenen Ebene über (unter) einer S e c h s e c k m i t t e der benachbarten Ebene liegt. Da jedes Kohlenstoffatom jetzt v i e r homöopolare Valenzen betätigt, ist jedes Kohlenstoffatom t e t r a e d r i s c h — im Abstand von je 1.54 Â — von vier anderen Kohlenstoffatomen umgeben, wie aus Fig. 96 hervorgeht, in der jedes durch O symbolisierte Kohlenstoffatom tetraedrisch mit vier Kohlenstoffatomen · verbunden ist und umgekehrt. Der Abstand der einzelnen Ebenen voneinander beträgt im Diamantgitter nur noch 2.05 Â. Das F e h l e n d e r „ m e t a l l i s c h e n " B i n d u n g macht den Diamanten zum N i c h t l e i t e r und bedingt seine F e s t i g k e i t und H ä r t e nach allen drei Richtungen des Raumes hin. Zum Unterschied vom ,,Ionengitter" etwa des Natriumchlorids (S. 146f. und Fig. 49, S. 147) wird ein Gitter wie das des Diamanten „Atomgitter" genannt, da hier an den Gitterpunkten keine I o n e n , sondern ungeladene A t o m e sitzen. Ersetzt m a n im Diamantgitter die vierwertigen K o h l e n s t o f f - a t o m e (4. Elementgruppe) durch dreiwertige A r s e n - (δ. Elementgruppe), zweiwertige S e l e n - (6. Elementgruppe) oder einwertige C h l o r atome (7. Elementgruppe), so geht infolge des Wegfalls eines Teils der Bindungen das „Raumgitter" des Kohlenstoffs (Fig.96) i n das ,,Schichtengitter" des Arsens (Fig. 92, S. 276), das „Fadengitter" des Selens (S. 218) bzw. das „Molekülgitter" des Chlors über, in welchen die Atome entsprechend ihrer geringeren Wertigkeit nicht wie im Falle des Kohlenstoffs mit v i e r , sondern nur noch mit d r e i (As), z w e i (Se) bzw. e i n e m (Cl) Nachbarn kovalent verknüpft sind. Je nachdem, welche Bindungen des Diamantgitters i n Wegfall kommen, ergeben sich verschiedene Abarten der Schichten- oder Fadenstruktur. So kann man die beiden verschiedenen Wabennotze des schwarzen Phosphors (Fig. 87, S. 255) und metallischen Arsens (Fig. 92, S. 276) dadurch v o m Diamantgitter (Fig. 96) ableiten, daß man räumlich verschieden gelagerte Ebenen aus diesem Raumgitter herausschneidet 1 .

Unabhängig von der gerade vorliegenden Modifikation ist der Kohlenstoff ein geruch- und geschmackloser Stoff, der erst bei 3700° schmilzt und bei 3850° siedet. Im übrigen sind aber die Eigenschaften der beiden Modifikationen ganz verschieden, so daß wir sie getrennt behandeln wollen. Diamant Die Hauptfundstätten des Diamanten liegen im Kongogebiet, an der Goldküste und in Süd- und Südwestafrika. In Form des reinen Diamanten bildet der Kohlenstoff äußerst harte, jedoch ziemlich spröde, farblose, wasserklare, sehr stark lichtbrechende und glänzende Kristalle vom spezifischen Gewicht 3.51. Bei Anwesenheit geringer Beimengungen können die Diamanten auch gelb, rot, braun, blau, violett oder grün aussehen. Auch tiefschwarze Diamanten („Carbonados") kommen vor. Wegen des lebhaften Farbenspiels und hohen Glanzes sind die g e s c h l i f f e n e n reinen Diamanten („Brillanten") als besonders k o s t b a r e E d e l s t e i n e geschätzt. Die meisten gefundenen Diamanten 95°/0) eignen sich aber nicht zur Verarbeitung auf Schmuckstücke und dienen zu t e c h n i s c h e n Z w e c k e n : zum Schleifen besonders harten Materials (insbesondere des Diamanten selbst), in Form von Bohrerspitzen zum Bohren besonders harter Gesteine, zum Schneiden von Glas, als Achsenlager für Präzisionsapparate, als Ösen zum Ziehen feinster Drähte harter Metalle. Erhitzt man Diamant unter L u f t a b s c h l u ß auf über 1500°, so geht er unter Wärmeentwicklung in G r a p h i t über: C

Dlam»nt ^

C G r a p h l t + 0.2 kcal.

1 Die schraffierten Ebenen in Fig. 96 geben die räumliche Anordnung der Atome des A r s e n Schichtengitters (Fig. 92, S. 276) wieder.

296

Die Kohlenstoffgruppe

Auch die umgekehrte Verwandlung von Graphit in Diamant ist möglich. Wie aus den Kristallgittern von Diamant und Graphit hervorgeht (S. 294), haben die Kohlenstoffebenen im Diamant eine andere Aufeinanderfolge und einen viel kleineren Abstand voneinander als im Graphit. Zur Umwandlung in Diamant muß daher der Graphit bei sehr hohen Temperaturen (2400°) in Anwesenheit eines Katalysators (Cr, Mn oder Metall der 8. Nebengruppe) einem außerordentlich hohen Druck (100 000 Atmosphären) ausgesetzt werden. Die mit der Aufrechterhaltung so hoher Drucke bei so hohen Temperaturen verknüpften Materialschwierigkeiten (Gefäßmaterial: Pyrophyllit; S. 329) konnten technisch überwunden werden, so daß heute Tausende von Karat (1 Karat = 0.2 g) künstlicher Diamanten (Durchmesser 0.5 mm) für industrielle Zwecke (hauptsächlich Herstellung von Schleifscheiben für die Bearbeitung sehr harter Werkstoffe) erzeugt werden. Beim Erhitzen an der L u f t verbrennt der Diamant bei über 800° langsam, in reinem Sauerstoff unter hellem Aufleuchten zu K o h l e n d i o x i d : C + Oa —>- C02 + 94.2 kcal. Niohtoxydierende Säuren und Basen greifen ihn nicht an. Graphit Graphit kommt je nach der Herstellungstemperatur in den verschiedensten äußeren Erscheinungsformen vor, die sich voneinander in der Größe und gegenseitigen Anordnung der Kristalle unterscheiden. Scheidet man ζ. B. den Kohlenstoff aus kohlenstoffhaltigen Substanzen durch Erhitzen auf verhältnismäßig niedrige Temperaturen ( ~ 400°) ab, so erhält man ihn in kleinen Kristallen vom Durchmesser 20 Â, die locker zu schwammartig porösen, im Mikroskop sichtbaren Flöckchen zusammengefügt sind {Ruß, Holzkohle, Tierkohle). Bildung bei höheren T e m p e r a t u r e n ( ~ 800°) führt zu einer festeren Yerfilzung der kleinen Kristalle {Koks, Glanzkohlenstoff). Abscheidung bei verhältnismäßig hohen T e m p e r a t u r e n ( ~ 1500°) liefert dichte, aber immer noch regellos orientierte, kristalline Aggregate größerer, etwa 40 Â im Durchmesser betragender Kriställchen {Retortengraphit), die dem natürlichen Graphit schon näher kommen und ζ. B. wie dieser den elektrischen Strom schon gut leiten. Bei sehr hohen T e m p e r a t u r e n ( ~ 2500°) erhält man größere Kristalle von zunehmender Orientierung {künstlicher Graf hü), die sich nur wenig vom geordneten Gitter des natürlichen Graphits unterscheiden. Das spezifische Gewicht der verschiedenen Graphitsorten variiert zwischen 1.8 (Ruß) und 2.2 (Graphit), die Verbrennungswärme zwischen 8.13 (Ruß) und 7.84 (Graphit) kcal/g C, die F a r b e zwischen schwarz (Ruß) und grau (Graphit). Die außerordentliche Oberflächenentwicklung der feinstkristallinen, lockeren Graphitformen (bis zu 800 m 2 Oberfläche je g Substanz) macht diese zu wertvollen A d s o r p t i o n s m i t t e l n {„Aktivkohle", S. 299f.). Wegen der verschiedenen Eigenschaften der einzelnen Graphitsorten besprechen wir die verschiedenen Formen gesondert. Ihre Erforschung verdanken wir u. a. dem deutschen Chemiker ULRICH HOFMANN. Natürlicher Graphit wird vor allem auf der Insel Ceylon, auf Madagaskar, in den Vereinigten Staaten von Amerika, in Ostsibirien und — in weniger großen Mengen — bei Passau gefunden. Er bildet eine graue, undurchsichtige, schuppige, leicht spaltbare Masse, die sich fettig anfühlt, schwachen Metallglanz aufweist und stark abfärbt. Zum Unterschied von Diamant ist Graphit sehr weich und ein guter L e i t e r der E l e k t r i z i t ä t und Wärme. Chemisch ist der Graphit reaktionsfähiger als der Diamant. So verbrennt er z. B. an der Luft und im Sauerstoff schon bei 700° zu Kohlendioxid. Interessant ist seine Reaktion mit F l u o r und mit oxydierenden S ä u r e n : Erhitzt man Graphit mit F l u o r auf über 450°, so entsteht unter Aufsprengung der Kohlenstoffebenen in der Hauptsache K o h l e n s t o f f t e t r a f l u o r i d CF4. Erwärmt man aber nur auf 450°, so bleiben die Kohlenstoffebenen erhalten, und jedes Kohlenstoff-

Der Kohlenstoff

297

atom einer solchen Ebene bindet mit seinem freien vierten Elektron kovalent ein Fluoratom ^ C · + · F : — ^ C : F : j , so daß eine Verbindung der Bruttozusammensetzung CF („Kohlenstoffmonofluorid", „Graphitfluorid") entsteht. Ihr G i t t e r besteht ausKohlenstoffschichten, die in ihrer Wellung und ihren Abmessungen (C — C-Abstand: 1.54 Â) ganz den schraffierten Kohlenstoffschichten des Diamantgitters (Fig. 96) entsprechen und deren vierte Valenzen gemäß Fig. 97 abwechselnd nach oben und unten mit Fluoratomen abgesättigt sind (C — F-Abstand: 1.4 Â). Der Ebenenabstand des Schichtengitters beträgt 6.6 Â, ist also doppelt so groß wie beim Graphit (3.35 Â) und mehr als dreimal so groß wie beim Diamant (2.05 Â). Die Verbindung ist im reinen Zustande farblos (silberweiß-durchsichtig) und leitet zum Unterschied vom Graphit erwartungsgemäß den elektrischen Strom nicht mehr, da die freien Elektronen des Graphitgitters hier durch die kovalente Bindung der Fluor• C O-F atome blockiert sind. Beim Erhitzen auf 500° geht Fig. 97. Gitterstruktur des Kohlenstoffmonofluorids das Kohlenstoffmonofluorid CF unter Abgabe von (Graphitfluorids) (CF) œ CF,, CoF« und höheren Kohlenstoff-fluoriden in Graphit über. Analog der Bildung von Graphitfluorid CF bei der Umsetzung von Graphit und Fluor erhält man durch Oxydation von G r a p h i t mit K a l i u m c h l o r a t in einer Lösung von konzentrierter Schwefelsäure und Salpetersäure ein G r a p h i t o x i d („Graphitsäure"), das im Grenzfall die zu erwartende Zusammensetzung CjO besitzt und dessen Gitter sich von dem des Graphitfluorids wahrscheinlich durch Ersatz je zweier einwertiger Fluoratome durch ein zweiwertiges Sauerstoffatom ableitet. Ebenso kann man durch vorsichtige O x y d a t i o n von G r a p h i t unter k o n z e n t r i e r t e n S ä u r e n „Graphitsalze" (Hydrogensulfat, Phosphat, Perchlorat, Nitrat, Selenat, Hydrogenfluorid) herstellen: Graphit — ν [Graphit] n+ -)- n Q , wobei allerdings nicht wie beim Graphitfluorid die Grenzzusammensetzung CX (X = einwertiger Säurerest), sondern — aus räumlichen Gründen — nur eine maximale Zusammensetzung C 24 X erreicht wird. Künstlicher Graphit entsteht immer dann, wenn sich aus Kohlenstoffverbindungen bei s e h r h o h e r T e m p e r a t u r Kohlenstoff abscheidet. Technisch wichtig ist das „ACHESON-V erfahren" der Graphitgewinnung, bei welchem K o k s bei Gegenwart von S i l i c i u m im elektrischen Ofen s e h r h o c h e r h i t z t wird. Da die Bindestärke zwischen Siliciumatomen geringer als die zwischen Silicium und Kohlenstoff und diese wiederum geringer als die zwischen Kohlenstoffatomen ist, ist das Silicium im Gitterverband nicht so fest gebunden. Es ist daher bei erhöhter Temperatur leichter beweglich und kann mit der amorphen Kohle reagieren, d. h. in das Netzwerk eingebaut werden. Die eingebauten Siliciumatome bilden dann schwache Stellen des Netzwerkes, wodurch eine Umwandlung desselben in Graphit unter thermischen Bedingungen ermöglicht wird, unter denen sich die amorphe Kohle für sich allein nur langsam in Graphit umwandelt. Da das verdampfende Silicium immer wieder von neuem mit der Kohle reagiert, schematisch : " feinkristallin

f Si SiC

^feinkriatallin

2000»

>2200»

->- Sic S i

+

C

Graphit '

-*- c,Graphit

braucht man nur wenig Silicium in Form von Quarzsand (Si0 2 + 2C vgl. S. 318) zuzugeben.

Si + 2 CO;

298

Die Kohlenstoffgruppe

Künstlicher und natürlicher Graphit finden mannigfache technische Verwendung. Wegen der B e s t ä n d i g k e i t g e g e n ü b e r H i t z e und T e m p e r a t u r w e c h s e l und wegen der guten W ä r m e l e i t f ä h i g k e i t dient Graphit zur Herstellung von Tiegeln zum Schmelzen von Metallen. Die Eigenschaft a b z u f ä r b e n wird bei der Herstellung von Bleistiften (Variierung der Härte durch Tonzusatz) benutzt. Die g u t e e l e k t r i s c h e L e i t f ä h i g k e i t und c h e m i s c h e W i d e r s t a n d s f ä h i g k e i t machen ihn als Material für Elektroden sowie für viele andere Zwecke der Elektrochemie und Elektrotechnik geeignet. Wegen seinerWeichheit benutzt man ihn als hitzebeständiges Schmiermittel und wegen seiner s c h w a r z e n F a r b e als hitzebeständiges Schwärzungsmittel für Öfen usw. Auf seiner Fähigkeit, schnelle Neutronen abzubremsen, beruht seine Verwendung als M o d e r a t o r in K e r n r e a k t o r e n (vgl. S. 594). Retortengraphit (Retortenkohle) scheidet sich bei der L e u c h t g a s f a b r i k a t i o n und K o k s g e w i n n u n g (S. 310f.) in dichten, festen Massen ab, indem die beim Erhitzen der Steinkohle entweichenden kohlenstoffhaltigen Gase an den sehr heißen (1500°) Retortenwänden teilweise unter Kohlenstoffbildung zerfallen. Retortengraphit ist zum Unterschied vom gewöhnlichen Graphit sehr h a r t , da in ihm die submikroskopischen Kriställchen dicht und regellos miteinander verwachsen sind, so daß keine regelmäßig orientierten größeren Kohlenstoffebenen wie beim Graphit vorliegen, längs derer ja allein eine leichte Spaltung und Parallelverschiebung möglich ist. Wie Graphit l e i t e t auch der Retortengraphit gut den e l e k t r i s c h e n S t r o m , weshalb er zur Herstellung von Kohlestiften für Bogenlampen und von Elektroden benutzt wird. Glanzkohlenstoff wird am besten durch Zersetzung von Kohlenwasserstoffen bei 800° an glatten Oberflächen (ζ. B. glasiertem Porzellan) gewonnen. In seinen Eigenschaften nimmt er eine Mittelstellung zwischen dem Graphit und den ganz feinkristallinen Kohlenstoffsorten (ζ. B. Ruß) ein. Koks entsteht als Rückstand beim starken Erhitzen von S t e i n k o h l e n in feuerfesten Retorten. Man unterscheidet „Gaskoks" und „Hüttenkoks". Gaskoks wird bei der Leuchtgasdarstellung, also beim Erhitzen „gasreicher" Kohlen {„Gaskohlen") gewonnen (S. 311) und ist meist locker, so daß man ihn in der Regel nur zu Feuerungszwecken verwendet. Hüttenkoks entsteht beim Erhitzen „gasarmer" Kohlen („Kokskohlen") und ist verhältnismäßig dicht und fest, so daß er inHochöfen (S. 527 ff.) zu gebrauchen ist. Ruß („Lampenschwarz") bildet sich, wenn man gasförmige oder durch Vergasen flüssiger oder fester Stoffe entstehende flüchtige Kohlenstoffverbindungen bei ungenügendem L u f t z u t r i t t verbrennt und den in der leuchtenden Flamme vorhandenen Kohlenstoff durch K ü h l u n g der F l a m m e an wassergekühlten Metallplatten u. dgl. abscheidet. Technisch wichtig sind „Kienruß" (aus harzreichen Hölzern), „ölruß" (aus Öllampen), „Naphthalinruß" (aus Naphthalin C 10 H 8 ), „Anthracenruß" (aus Anthracen C 14 H 10 ), „Acetylenruß" (aus Acetylen C 2 H 2 ). Ruß dient in großem Umfange als schwarzer Farbstoff (Darstellung von Druckerschwärze und Tusche, Färben von Lackleder, Gummihandschuhen, Grammophonplatten usw.) und als Füllstoff für Kautschuk. γ) Adsorption an Aktivkohle Die LANGMUiRsche A d s o r p t i o n s i s o t h e r m e Die im I n n e r n eines festen Stoffs befindlichen Atome oder Moleküle üben naoh a l l e n drei R i c h t u n g e n des Raumes ihre gegenseitigen A n z i e h u n g s k r ä f t e — die ja den Zusammenhalt des festen Stoffs bedingen — aus. Dagegen werden die Bindungskräfte der an der O b e r f l ä c h e befindlichen Teilchen nur nach dem I n n e r n des festen Stoffs hin beansprucht, während sie n a c h a u ß e n hin frei wirksam bleiben (vgl. S. 391 f.). So kommt es, daß die festen Stoffe befähigt sind, Gase oder gelöste Stoffe an ihrer valenz-ungesättigten O b e r f l ä c h e anzureichern. Man nennt diese Verdichtung an

Der Kohlenatoff

299

der Oberfläche „Adsorption". Sie spielt bei der heterogenen Katalyse an festen Stoffen (S. 112, 395) eine wesentliche Rolle. Die O b e r f l ä c h e eines Stoffs wächst mit dessen Z e r t e i l u n g . Ein Würfel von 1 cm Kantenlänge, der eine Oberfläche von 6 cm 2 auf weist, ergibt beispielsweise bei der Zerlegung in 1018 Würfel der Kantenlänge 10~6 cm (100 Â) eine Oberfläche von 6 Χ 10"12 X 1018 cm 2 = 600 Quadratmeter (vgl. S.393). Dementsprechend ist ein festes Adsorptionsmittel um so w i r k s a m e r , j e f e i n e r v e r t e i l t es ist. Wichtige derartige feinverteilte Adsorptionsmittel sind z.B. die oberflächenreichen Kieselgele (S. 338f.) und Aktivkohlen (s. unten), die beide eine Blattstruktur aufweisen. Gewöhnlich beschränkt sich eine Adsorption auf die Bildung einer e i n m o l e k u l a r e n O b e r f l ä c h e n s c h i c h t , da dann die Bindekräfte der Oberflächenatome des festen Stoffa abgesättigt sind. J e h ö h e r bei gegebener Temperatur der D r u c k des zu adsorbierenden Gases oder die K o n z e n t r a t i o n des zu adsorbierenden gelösten Stoffs in der an das Fig. 98. Adsorptionsisotherme feste Adsorptionsmittel angrenzenden Gasoder Lösungsphase ist, desto g r ö ß e r ist auch die an der festen Oberfläche adsorbierte S t o f f m e n g e , da es sich um einen G l e i c h g e w i c h t s z u s t a n d handelt. Die adsorbierte Stoffmenge kann aber mit steigendem Druck bzw. steigender Konzentration nur so l a n g e z u n e h m e n , bis d i e g a n z e f e s t e O b e r f l ä c h e b e l e g t i s t . Daher nähert sich entsprechend Fig. 98 die je Flächeneinheit des Adsorptionsmittels adsorbierte Stoffmenge einem bestimmten S ä t t i g u n g s w e r t , nämlich dem der einmolekularen Oberflächenbesetzung. Mathematisch wird diese Beziehung durch die „ L t N O H U i K S c h e Adsorptionsisotherme"

zum Ausdruck gebracht, in welcher a die je Oberflächeneinheit adsorbierte G r a m m m e n g e und c die K o n z e n t r a t i o n (bzw. den Partialdruck) des zur Adsorption kommenden Stoffs bedeutet, während k1 und k2 K o n s t a n t e n sind, die bei gegebener Temperatur von der Natur und Beschaffenheit des A d s o r p t i o n s m i t t e l s (,,Adsorbens") und a d s o r b i e r t e n S t o f f s („Adsorbendum") abhängen und damit die Verschiedenheiten der „Oberflächenaffinität" zwischen Adsorbens und Adsorbendum zum Ausdruck bringen. Für k l e i n e Konzentrationen c (c -C k2) geht die Gleichung über in k α » -r3^ • c, so daß die adsorbierte Stoffmenge einfach proportional der Konzentration 2

des Stoffes ist; für g r o ß e Konzentrationen c(c^>k2) wird a sa klt d. h. konstant. Nach einer Faustregel werden Gase um so leichter adsorbiert, je leichter sie zu verflüssigen sind, also je höher ihr Siedepunkt liegt. Aktivkohlen Für Adsorptionszwecke geeignete „Aktivkohlen" („A-Kohle") werden durch verhältnismäßig gelindes Erhitzen von organischen Stoffen wie Holz („Holzkohle"), tierischen Abfällen („Knochenkohle", „Blutkohle", „Tierkohle") oder Rohrzucker („Zuckerkohle") dargestellt. Die für die Verwendung als Adsorptionsmittel erforderliche g r o ß e O b e r f l ä c h e n e n t w i c k l u n g der Kohle erreicht man dabei ζ. B. dadurch, daß man vor dem Erhitzen Fremdstoffe wie Zinkchlorid hinzusetzt, die das Zusammensintern der Kohle verhindern und nachträglich leicht herausgelöst oder verflüchtigt werden können, oder

300

Die Kohlenstoffgruppe

dadurch, daß man die Oberfläche nachträglich durch Überleiten von Wasserdampf (C + H 2 0 — ^ CO -}- H 2 ) oder L u f t (C + 1¡202 —>- CO) bei 7 0 0 - 9 0 0 ° „anoxydiert" und so durch „Aufrauhen" vergrößert. Nach dem ersten Verfahren wird z. B. die hochaktive Holzkohle „Carboraffin", nach dem letzteren die hochaktive Holzkohle „Sufiranorit" gewonnen. Aktive H o l z k o h l e wird u.a. zur Entfuselung von Spiritus und als Desodorisierungsmittel bei der Wundbehandlung, K n o c h e n k o h l e zur Entfernung von Farbstoffen und Verunreinigungen aus Lösungen (z. B. zur Entfärbung von Rohrzuckerlösungen), B l u t - und T i e r k o h l e in der Medizin zur Entgiftung und Entgasung des Darmkanals verwendet. Darüber hinaus benutzt man H o l z k o h l e auch für metallurgische Zwecke (z. B. Raffination von Kupfer) und als Bestandteil des ,,Schwarzpulvers" („Schießpulver"), K n o c h e n k o h l e („Beinschwarz") als schwarzen Farbstoff (z. B. für Schuhwichse, als Lederschwärze, Hufschwärze, Malerfarbe). Auf der Fähigkeit, viele g i f t i g e G a s e bevorzugt aus der Luft zu a d s o r b i e r e n , beruht die Verwendung der aktiven Kohle in den „Gasmasken". Der „Gasmaskeneinsatz" enthält hinter einem zum Zurückhalten feinzerstäubter N e b e l t e i l c h e n dienenden C e l l u l o s e f i l t e r u. a. eine Schicht von A k t i v k o h l e zur Adsorption g i f t i g e r G a s e aus der Luft. K o h l e n o x i d wird von den Gasmaskenfiltern nur dann zurückgehalten, wenn sie besondere O x y d a t i o n s m i t t e l (z. B. Silberpermanganat AgMn0 4 oder „Hopcalit", ein Oxid-Peroxid-Gemisch von Mangan, Silber, Kobalt und Kupfer) enthalten, welche das Kohlenoxid zu K o h l e n d i o x i d oxydieren. 8) Chemische Eigenschaften Kohlenstoff ist ein reaktionsträges Element,daserst bei verhältnismäßig hohenTemperaturen oder bei anderweitiger Energiezufuhr mit anderen Elementen in Reaktion tritt. So vereinigt sich ζ. B. der W a s s e r s t o f f mit Kohlenstoff nur dann zum Acetylen, wenn man zwischen Kohleelektroden in einer Wasserstoffatmosphäre einen Lichtbogen übergehen läßt : ^ ^ Von den Halogenen reagiert das reaktionsfähige F l u o r bereits bei gewöhnlicher Temperatur. So kommt R u ß im Fluorgas ins Glühen und verbrennt bei Gegenwart überschüssigen Fluors zu Kohlenstofftetrafluorid : C + 2 F2

CF 4 + 163 kcal.

Dagegen vereinigt sich Kohlenstoff mit C h l o r nur unter ähnlichen Versuchsbedingungen wie bei der obenerwähnten Acetylensynthese unter Bildung von Hexachloräthan C2C16 und Hexachlorbenzol C6C16. Das dem Kohlenstofftetrafluorid entsprechende Kohlenstofftetrachlorid (II, S. 148) muß auf anderem Wege (Chlorieren von Kohlendisulfid: CS 2 + 2 Cl 2 —>- CC14 + 2 S) gewonnen werden. Mit S a u e r s t o f f und mit W a s s e r d a m p f reagiert Kohlenstoff je nach der Sauerstoff-(Wasserdampf-)Menge und Temperatur unter Bildung von Kohlenmonoxid (S. 305ff.) oder Kohlendioxid (S. 303ff.): C + V202 CO + V 2 0 2

^ CO + 26.4 kcal 1 ^ C0 2 + 67.6 kcal

0 2 — > • C 0 2 + 94.0 kcal

31.4 kcal + C + H s O CO + H 2 0 21.6 kcal + C + 2 H 2 0

CO + H 2 >• C0 2 + H 2 + 9.8 kcal CO

Daß bei der Verbrennung des Kohlenstoffs zu Kohlenoxid w e i t w e n i g e r W ä r m e entwickelt wird als bei der weiteren Verbrennung des Kohlenoxids zu Kohlendioxid, rührt daher daß zur Bildung des g a s f ö r m i g e n Kohlenoxids aus dem f e s t e n Kohlenstoff eine Sprengung der Kohlenstoffbindungen des Graphitgitters erforderlich ist. Der hierfür erforderliche Energie1

Die Wärmetönung bezieht sich hier und in allen anderen Fällen auf Graphitkohlenstoff.

301

Der Kohlenstoff

aufwand 150 kcal/Grammatom C) wird der bei der Bildung des Kohlenoxids freiwerdenden Energie entnommen, so daß die nach außen hin beobachtbare Wärmemenge gering oder — wie im Falle der Einwirkung von Wasserdampf auf Kohlenstoff — sogar negativ ist. Bei der Weiteroxydation des g a s f ö r m i g e n Kohlenoxids zu g a s f ö r m i g e m Kohlendioxid fällt diese Trennungsarbeit fort, so daß hier mehr Wärme nach außen frei wird. Die Festigkeit der Kohlenstoffbindungen innerhalb der Kohlenstoffschichten des Graphitgitters ist ganz allgemein für die R e a k t i o n s t r ä g h e i t des festen Kohlenstoffs verantwortlich; auch der h o h e S i e d e p u n k t wird dadurch bedingt.

Beim Überleiten von S c h w e f e l d a m p f über glühende Holzkohle bildet sich Kohlendisulfid („Schwefelkohlenstoff") (II, S. 189): 20.9 kcal + C + 2 S — V

CS 2 .

Von den Elementen der Stickstoffgruppe vereinigt sich nur der S t i c k s t o f f unter den Bedingungen der Acetylensynthese mit Kohlenstoff: 72.8 kcal + 2 C + N 2

— C

2

N

2

.

Das dabei gebildete Dicyan C 2 N 2 (II, S. 166) geht bei gleichzeitiger Gegenwart von Wasserstoff in Cyanwasserstoff HCN (wässerige Lösung: „Blausäure"; II, S. 92 f.) über: C2N2 + H 2

2 HCN + 11.4 kcal.

Unter den Elementen der vierten Gruppe des Periodensystems verbindet sich das S i l i c i u m bei 2000° mit Kohlenstoff zu Siliciumcarbid (S. 333; vgl. S. 297) SiC („Carborundum") : Si + C

SiC + 26.7 kcal.

Auch die Vereinigung von M e t a l l e n geht erst bei hoher Temperatur vor sich. Unter diesen Metall-Kohlenstoff-Verbindungen („Carbide") ist das Calciumcarbid CaC2 (S. 412) besonders wichtig.

b) Wasserstoffverbindungen des Kohlenstoffs Der Kohlenstoff bildet zahlreiche Wasser Stoffverbindungen, die in Band I I dieses Lehrbuches näher betrachtet werden. Erwähnt sei hier nur, daß man k e t t e n f ö r m i g e und r i n g f ö r m i g e Kohlenwasserstoffe unterscheidet, je nachdem die Kohlenstoffatome eine Kette oder einen Ring bilden. Die k e t t e n f ö r m i g e n („aliphatischen", „acyclischen") Kohlenwasserstoffe teilt man ein in „gesättigte" Kohlenwasserstoffe („Alkane"), in welchen die Kohlenstoffatome nur durch e i n f a c h e Bindungen miteinander verknüpft und alle freien Valenzen mit Wasserstoff abgesättigt sind: H

H H

H H H

H—C—H

H—C—C—H

H—C—C—C—H

H

H H

Methan

Äthan

ι

I

i l

I I

i

l

i

I I I

H

H

H

Propan

H H H H ι ι ι ι H—C—C—C—C—H,

I

H

I

I I

H H

allgemein: C n H 2 n , 2 ,

H

Butan

und in „ungesättigte" Kohlenwasserstoffe, in denen eine oder mehrere D o p p e l bindungen („Alkene") oder D r e i f a c h b i n d u n g e n („Alkine") vorkommen; z . B . : H H ι Γ C=C

ι ι Η Η

Äthylen (Athen)

und

Η—C=C—Η . Acetylen (Äthin)

302

Die Kohlenetoffgruppe

Unter den r i n g f ö r m i g e n („cyclischen") Kohlenwasserstoffen sind die sogenannten „aromatischen" Kohlenwasserstoffe von besonderer Wichtigkeit, die sich vom Kohlenstoffgerüst des Benzols: ^ / HC ! HC \

C

c

\

CH II CH

/

ableiten. ^ Die Kohlenwasserstoffe mit wenigen Kohlenstoff a tomen je Molekül (z. B. CH 4 , CjHg, C s H 8 , C 4 H 1 0 , C 2 H 4 , C 2 H 2 ) sind gasförmig, diejenigen mit größerer Zahl von Kohlenstoffatomen je Molekül („höhere Kohlenwasserstoffe") flüssig oder fest. Eine wichtige Eigenschaft der Kohlenwasserstoffe ist ihre unter starker Wärmeentwicklung erfolgende Verbrennung zu Kohlendioxid und Wasser: CmHn + ^m + -2-j 0 2

>- m C0 2 + y H 2 0 + Energie.

Daher dienen g a s f ö r m i g e K o h l e n w a s s e r s t o f f e — als solche (Acetylen, Methan, Propan, Butan) oder im Gemisch mit anderen Gasen (in Form von Leuchtgas, Kokereigas) — sowie f l ü s s i g e K o h l e n w a s s e r s t o f f e (Benzol, Benzin, Petroleum) t e c h n i s c h in ausgedehntem Maße als Heiz- und Treibstoffe. Ihre Synthese aus Wasserstoff und Kohle („Kohlehydrierung"; S. 312f.) bzw. Wasserstoff und Kohlenoxid („FISCHERTROPSCH-Verfahren" ; S. 308f.) wird in großtechnischem Maßstabe durchgeführt. Auch im L a b o r a t o r i u m bedient man sich von jeher der Heizwirkung der Kohlenwasserstoffe. In diesem Zusammenhang sei kurz auf die Verbrennung des L e u c h t g a s e s im B U N S E N B r e n n e r , die gebräuchlichste Art der Wärmeerzeugung im c h e m i s c h e n L a b o r a t o r i u m , eingegangen. Die brennbaren Bestandteile des L e u c h t g a s e s (S. 310) sind: W a s s e r s t o f f H s , M e t h a n CH 4 , K o h l e n o x i d CO und kohlenstoffreiche schwere Kohlenwasserstoffe" ( Ä t h y l e n C a H 4 , A c e t y l e n C 2 H 2 , Benzol C,H,). Zündet man ein solches Gas an, so erhält man eine l e u c h t e n d e F l a m m e . Das Leuchten rührt daher, daß K o h l e t e i l c h e n , die duroh thermische Zers e t z u n g oder u n v o l l s t ä n d i g e V e r b r e n n u n g von Kohlenwasserstoffen entstanden sind, in der Flamme zum G l ü h e n kommen. Hält man in die leuchtende Flamme einen k a l t e n G e g e n s t a n d , so schlagen sich auf diesem die Kohleteilchen in Form von R u ß ab. Will man demnach eine n i c h t l e u c h t e n d e , rußfreie Flamme erzeugen, so muß man für g e n ü g e n d e L u f t z u f u h r Sorge tragen, damit v o l l s t ä n d i g e V e r b r e n n u n g erfolgt. Diesem Zweck dient der „BuNSEN-Brenner" (Fig. 99). Bei diesem entströmt das H e i z g a s einer im Fuße des Brenners angebrachten D ü s e und s a u g t hierbei durch r e g u l i e r b a r e Ö f f n u n g e n L u f t an. So entsteht im Innern des über der Düse befindlichen B r e n n e r r o h r e s („Schornstein") ein L u f t - L e u c h t g a s - G e m i s c h , das beim E n t z ü n d e n in einer auf dem o b e r e n B a n d e des B r e n n e r r o h r e s aufsitzenden F l a m m e verbrennt. Bei dieser F l a m m e (Fig. 100) kann man einen dunklen I n n e n k e g e l und einen bläulichen A u ß e n k e g e l unterscheiden. Der I n n e n k e g e l besteht aus f r i s c h e m L u f t - L e u c h t g a sGemisch und ist daher verhältnismäßig k a l t (~300°). Die V e r b r e n n u n g dieses Gemisches erfolgt erst am R a n d e des I n n e n k e g e l s , wo sich die A u s s t r ö m u n g s g e s c h w i n d i g k e i t des Gases (welche die Flamme von unten nach oben zu treiben sucht) und die F o r t p f l a n z u n g s g e s o h w i n d i g k e i t der V e r b r e n n u n g (welche die Flamme dem frischen Gas entgegen in das Brennerrohr hineinzuziehen trachtet) gerade die Waage halten. Die vom Leuchtgas am Brennerfuß angesaugte L u f t („Primärluft") reicht nun nicht aus, um das g a n z e L e u c h t g a s zu verbrennen. Der u n v e r b r a n n t gebliebene, hauptsächlich aus K o h l e n o x i d und W a s s e r s t o f f bestehende Rest des Leuchtgases, der sich mit K o h l e n d i o x i d und W a s s e r d a m p f im „Wassergasgleichgewicht" (S. 307) befindet (CO + H 2 0 Z+lt. C0 2 + H2), bildet den A u ß e n k e g e l der Flamme. Seine V e r b r e n n u n g erfolgt am R a n d e d e s A u ß e n k e g e l s mit der v o n a u ß e n kommenden Luft („Sekundärlujt"). Die T e m p e r a t u r der BUNSEN-Flamme ist naturgemäß an den K e g e l r ä n d e r n , den eigentlichen Verbrennungszonen, am h ö c h s t e n und beträgt maximal etwa 1500°. Wegen des Gehaltes an K o h l e n o ï i d und W a s s e r s t o f f und des Fehlens von S a u e r s t o f f wirkt der

Der Kohlenstoff

303

i n n e r e T e i l des Außenkegele nahe dem heißen Außenrande des Innenkegels s t a r k r e d u z i e r e n d („Beduktionszone"), während der ä u ß e r e R a n d des Außenkegels wegen des hier vorhandenen ü b e r s c h ü s s i g e n L u f t s a u e r s t o f f s s t a r k e O x y d a t i o n s W i r k u n g zeigt („Oxydationszone"). Ändert man die S t r ö m u n g s g e s c h w i n d i g k e i t des Leuchtgases im B u n s e n - B r e n n e r , so verändert sich natürlich auch die L a g e d e r K e g e l . V e r r i n g e r t man sie, so schreitet die Verbrennung von oben nach unten fort-, der Flammenl egei wandert im Brennerrohr bis zur

VertKvnncrymrtSdewdärMt Schornstein

(sauçrstaff-/rM3 HerzçBs) Ifcràrennvngmìt/HnirMf -Gas

- f/jnenkeoP/ (Hfizsas + Luff)

•ßrennerfuss R g . 99.

BuNSEN-Brenner

Fig. 100. BuNSEN-Flamme

Austrittsstelle des Gas-Luft-Gemisches, der Brenner „schlägt durch". V e r g r ö ß e r t man sie zu stark, so entfernt sich die Flamme vom oberen Bande des Brennerrohres, die Flamme wird „ausgeblasen

c) Sauerstoffverbindungen des Kohlenstoffs Der Kohlenstoff bildet drei gasförmige Sauerstoffverbindungen : das Kohlenmonoxid CO, das Kohlendioxid C0 2 und das Kohlensuboxid C 3 0 2 . Wir besprechen hier nur die beiden ersteren ; das Kohlensuboxid wird in Band I I (S. 146) behandelt. α) Kohlendioxid Yorkommen. Kohlendioxid C0 2 kommt in der Natur sowohl frei als auch gebunden vor. In f r e i e m Z u s t a n d e bildet es einen Bestandteil der Luft (0.03°/0) sowie vieler Mineralquellen („Sauerbrunnen", „Säuerlinge", „Sprudel") ; auch strömt es in einigen Gegenden (besonders in der Nähe von Vulkanen) aus Rissen und Spalten des Erdbodens aus. In g e b u n d e n e m Z u s t a n d e findet es sich vor allem in Form von Calciumcarbonat CaC0 3 und Magnesiumcarbonat MgC0 3 . Darstellung. T e c h n i s c h gewinnt man Kohlendioxid durch Verbrennen von K o k s mit L u f t (vgl. S. 3 0 5 f ) : C + Oj

>- C0 2 + 94.0 kcal

oder als Nebenprodukt beim K a l k b r e n n e n (S. 407f.): 42.7 kcal + CaC0 3 — > - CaO + C0 2 .

In beiden Fällen ist das Kohlendioxid mit viel S t i c k s t o f f vermengt. In r e i n e r F o r m läßt es sich aus diesem Gasgemisch isolieren, indem man es in Türmen einer über Koks herabrieselnden K a l i u m c a r b o n a t l ö s u n g entgegenleitet, welche das Kohlendioxid bindet: K,CO s + COa -I- F j O

2 KHCO a

Die Kohlenstoffgrappe

304

und beim K o c h e n (Umkehrung der vorstehenden Reaktion) wieder abgibt. Auch die n a t ü r l i c h e n G a s q u e l l e n werden vielfach zur Kohlendioxidgewinnung ausgenutzt. Im L a b o r a t o r i u m setzt man das Kohlendioxid als Anhydrid der Kohlensäure ( H J J C O J H 2 0 + COj) zweckmäßig aus den Salzen der K o h l e n s ä u r e , den Carbonaten, durch Einwirkung von S ä u r e n in Freiheit (z. B. Zersetzung von Marmor CaC0 3 durch Salzsäure im K I P P sehen Apparat): CaCOj + 2HCl — C a C l 2 + H 2 0 + C02. Physikalische Eigenschaften. Kohlendioxid ist ein farbloses, nicht brennbares, die Atmung und Verbrennung nicht unterhaltendes Gas von etwas säuerlichem Geruch und Geschmack. Sein spezifisches Gewicht (1.9768 g/Liter bei 0° und 760 mm) ist etwa anderthalb mal so groß wie das der Luft. Daher sammelt es sich an Orten, wo es entweicht (z. B. Gärkellern, Grotten, Brunnenschächten usw.), am Boden an, was wegen der erstickenden Wirkung von Kohlendioxid beachtet werden muß. Bekannt ist die „Hundsgrotte" von Neapel, in der z. B. H u n d e wegen des dem Boden entströmenden Kohlendioxids ersticken, während M e n s c h e n dort ungehindert atmen können. Kohlendioxid läßt sich leicht verflüssigen, da seine kritische Temperatur (31.3°) relativ hoch liegt (kritischer Druck 72.9 at, kritische Dichte 0.464 g/cm 3 ). So kann man es beispielsweise bei 0° schon durch einen Druck von 34.3, bei —20° durch einen Druck von 19.3 und bei —50° durch einen Druck von 6.6 Atmosphären zu einer farblosen, leichtbeweglichen Flüssigkeit verdichten. Kühlt man flüssiges Kohlendioxid in einem geschlossenen Glasgefäß ab, so erstarrt es zu einer eisähnlichen Masse, welche bei —56.7° unter einem Eigendruck von 6 Atmosphären sohmilzt. Bei Atmosphärendruck sublimiert festes Kohlendioxid bei —78.5°, ohne zu schmelzen. Zur E l e k t r o n e n f o r m e l des Kohlendioxids vgl. S. 317. Kohlendioxid kommt in verflüssigter Form in Stahlbomben in den Handel, öffnet man das Ventil einer solchen, mit der Öffnung schräg nach unten gerichteten Stahlflasche, so fließt das flüssige Kohlendioxid aus. Die dabei unter starkem Wärmeverbrauch sofort einsetzende Verdunstung eines Teils der Flüssigkeit kühlt den restlichen Teil rasch bis auf den Sublimationspunkt von —78.5° ab, so daß man eine schneeige Masse {„Kohlensäuresrhnee") erhält. Die sehr hohe Sublimationswärme dieses Schnees (136.9 cal/g bei —78.5°) macht ihn — zweckmäßig im Gemisch mit Flüssigkeiten (z. B. Äther, Alkohol oder Aceton) — als Kältemittel geeignet. In den Handel kommt festes Kohlendioxid als „Trockeneis". 1 Liter Wasser löst bei 15° 1 Liter und bei 0° 1.7 Liter Kohlendioxid von Atmosphärendruck. Die entstehende Lösung reagiert schwach sauer (s. S. 305). Chemische Eigenschaften. Kohlendioxid ist eine sehr beständige Verbindung, die erst bei s e h r h o h e n T e m p e r a t u r e n (bei 1205° zu 0.032, bei 2367° zu 21.0 und bei 2606° zu 51.7%) in K o h l e n m o n o x i d und S a u e r s t o f f zerfällt: 67.6 kcal + CO, CO + V202. Dementsprechend ist C0 2 ein sehr schwaches — die Verbrennung und Atmung daher nicht unterhaltendes — Oxydationsmittel, während umgekehrt CO (bei hoher Temperatur) ein starkes Reduktionsmittel darstellt. Nur s t a r k e R e d u k t i o n s m i t t e l wie Wasserstoff, Kohle, Phosphor, Magnesium, Natrium, Kalium können in d e r H i t z e Kohlendioxid zu Kohlenoxid reduzieren. Die bei der Reaktion mit Wasserstoff und mit Kohle sich einstellenden Gleichgewichte: C02 + H2

CO + HaO und C02 + C

CO + CO

spielen als „Wassergasgleichgewicht" (S. 307) und „BouDouARD-Gleichgewicht" (S. 306) bei vielen technischen Prozessen eine Rolle.

Der Kohlenstoff

305

Die wässerige Lösung des Kohlendioxids rötet Lackmus schwach, reagiert also etwas sauer. Das kommt daher, daß sich Kohlendioxid mit Wasser in geringem Betrage ( ~ 0 . 1 ° / 0 ) zu Kohlensäure H 2 C0 3 umsetzt: C02 + H20 H2C03. (1) Diese Kohlensäure H 2 C0 3 ist an sich eine m i t t e l s t a r k e Säure; ihre Dissoziationskonstante K^ =

X c

——

h«co3

beträgt 5 χ IO"4. Da aber 99.9°/0 des gelösten Kohlen-

dioxids nicht als H 2 C0 3 , sondern als unverändertes C0 2 vorliegen, wirkt die Gesamt lösung als schwache Säure. Gewöhnlich pflegt man bei der Kohlensäure die „scheinbare Dissoziationskonstante" anzugeben, indem man als undissoziierten Säureanteil die Konzentration C h j C o . + c o , einsetzt. Dann bekommt K 1 den um 3 ZehnerCtt· X Cnri //

potenzen kleineren Wert 3 . 1 5 x 1 0 - ' . K2 = —

c

hco,;

beträgt 5.2 XlO" 1 1 .

Die Bestimmung des in einer wässerigen Kohlendioxidlösung als wahre Säure H,CO, vorliegenden Anteils gelingt a u f Grund des Umstandes, daß bei Zusatz von Natronlauge die schon vorhandene wahre Kohlensäure H 2 C 0 3 wie alle Säuren m o m e n t a n neutralisiert wird, während die weitere Neutralisation langsamer erfolgt, da die Wiedereinstellung des gestörten Gleichgewichts (1) Zeit erfordert.

In wasserfreiem Zustande läßt sich die Kohlensäure nicht isolieren, da beim Entwässern (Verdampfen oder Gefrieren der Lösung) wegen Überschreitung der Löslichkeit das Anhydrid C0 2 entweicht. Als zweibasige Säure bildet die Kohlensäure zwei Reihen von Salzen: Hydrogencarbonate („primäre Carbonate"·, „saure Carbonate"·, „Bicarbonate") Me'HCOs und Carbonate {„sekundäre Carbonate" ; „neutrale Carbonate") Me2COs. Alle Hydrogencarb o n a t e sind bis auf das Natriumhydrogencarbonat NaHC0 3 in Wasser leicht löslich. Von den normalen Carbonaten lösen sich nur die Alkalicarbonate leicht, alle übrigen schwer in Wasser. Beim Erhitzen gehen die Hydrogencarbonate unter Kohlendioxid abspaltung in normale Carbonate über: 2MeHC03 Me2C03 + H 2 0 + C 0 2 ; umgekehrt kann man durch Einleiten von Kohlendioxid in wässerige Carbonatlösungen Hydrogencarbonate erhalten (S. 410, 428). Ansäuern von Carbonatlösungen führt zu Kohlendioxidentwicklung, da die primär in Freiheit gesetzte Kohlensäure H 2 C0 3 in H 2 0 + C0 2 zerfällt, so daß bald die Löslichkeit des Kohlendioxids in Wasser überschritten wird. ß) Kohlenmonoxid Darstellung T e c h n i s c h erzeugt man Kohlenmonoxid in großem Umfang in Form von Generatorgas und Wassergas bei der Umsetzung von Kohlenstoff mit Luft bzw. Wasserdampf. Zur Darstellung von „Generatorgas" {„Luftgas") wird in großen Öfen („Generatoren") L u f t von unten her durch eine 1—3 m hohe Koksschicht geleitet (vgl. S. 225). Im unteren Teil dieser Schicht verbrennt der Kohlenstoff, da hier L u f t ü b e r s c h u ß vorhanden ist, unter starker Wärmeentwicklung zu K o h l e n d i o x i d : C +

02

C02 +

94.0 kcal.

(2)

Hierbei erhitzt sich die Koksschicht auf über 1000°. Das gebildete K o h l e n d i o x i d setzt sich dann bei dieser hohen T e m p e r a t u r im darüberliegenden, noch unverbrauchten Teil der Koksschicht mit K o h l e n s t o f f zu K o h l e n o x i d um: 41.2 kcal + COü + C ^ r h 2 C O , (3) so daß sich bei K o k s ü b e r s c h u ß und hohen Temperaturen insgesamt die Reaktion 2C + 0 2 V v 2CO + 52.8 kcal (4) H o l l e m a n n - W i b e r g , Anorganische Chemie. 4 7 . - 5 6 . Aufl.

20

Die Kohlenstoffgruppe

306

abspielt. Das Gemisch des so gebildeten Kohlenoxids mit dem Stickstoff der Verbrennungsluft (vgl. S. 225) wird als G e n e r a t o r g a s bezeichnet. Die Reaktion (3) führt bei jeder Temperatur zu einem bestimmten G l e i c h g e w i c h t , das unter dem Namen „BOUDOUARD-Gleichgewicht'' bekannt ist. Und zwar verschiebt sieh das Gleichgewicht, da es sich um eine e n d o t h e r m e und mit V o l u m e n V e r m e h r u n g verbundene Reaktion handelt, mit s t e i g e n d e r (fallender) T e m p e r a t u r und f a l l e n d e m (steigendem) D r u c k nach r e c h t s (links). Bei A t m o s p h ä r e n d r u c k entsprechen ζ. B. den nachfolgenden T e m p e r a t u r e n die angegebenen V o l u m e n p r o z e n t e von Kohlenoxid und Kohlendioxid im Gleichgewicht (vgl. Fig. 101): C02 CO

450° 98 2

600° 95 5

600° 77 23

700° 42 58

800° 10 90

900° 3 97

950» C 1.5 Vol.-0/,, 98.5 Vol.-%.

Wie daraus hervorgeht, liegt das Gleichgewicht bei 400° praktisch ganz auf der Seite des K o h l e n d i o x i d s und bei 1000° praktisch ganz auf der Seite des K o h l e n m o n o x i d s . Dementsprechend erhält man bei der Umsetzung von ü b e r s c h ü s s i g e m K o k s mit L u f t bei t i e f e n T e m p e r a t u r e n vorwiegend C 0 2 , bei h o h e n T e m p e r a t u r e n vorwiegend CO. Bei Verwendung eines L u f t ü b e r s c h u s s e s (völlige Verbrennung des Kohlenstoffs zu Oxiden) wird das Verhältnis von Kohlenoxid zu Kohlendioxid infolge der Abwesenheit von freiem Kohlenstoff naturgemäß nicht mehr durch das BOUDOUARD - G l e i c h g e w i c h t (3), sondern durch das D i s s o z i a t i o n s gleichgewicht des Kohlendio x i d s : 67.6 kcal + C 0 2 ^ ± C 0 + V , 0 2 (S. 304) bedingt. Da in diesem Falle das Gleichgewicht auch bei h o h e n Temperaturen ganz auf der l i n k e n Seite liegt, erhält man hier auoh b e i h o h e n T e m p e r a t u r e n praktisch nur C 0 2 . Das BOUDOUARD - G l e i c h g e w i c h t (3) spielt ganz allgemein bei allen technischen Prozessen eine Rolle, bei denen S a u e r s t o f f V e r bindungen mit überschüssiger K o h l e r e d u z i e r t werden. L ä ß t s i c h also ζ. Β. ein Metalloxid bei verhältnismäßig n i e d r i g e r T e m p e r a WO soo 600 900 1000 800 t u r reduzieren, so wird in der HauptTemperatur sache K o h l e n d i o x i d entstehen: Fig. 101. Volumenprozente Kohlenoxid und Kohlendioxid 2MeO + C - > 2Me + C 0 2 , während im BOUDOUARD-Gleichgewicht bei 1 Atmosphäre Druck eine nur bei h o h e n T e m p e r a t u r e n durchführbare Reduktion hauptsächlich zur Bildung von K o h l e n m o n o x i d führt: MeO + C —>- M e - f CO. Bei m i t t l e r e n T e m p e r a t u r e n ( e t w a b e i der Reduktion von Eisenoxiden im Hochofen) erhält man G e m i s c h e v o n K o h l e n o x i d und K o h l e n d i o x i d . Berücksichtigen muß man allerdings,daß m i t f a l l e n d e r T e m p e r a t u r die Einstellung des Gleichgewichtes (3) nur bei Gegenwart von K a t a l y s a t o r e n noch mit g e n ü g e n d e r G e s c h w i n d i g k e i t erfolgt. Bei Z i m m e r t e m p e r a t u r ist die Reaktionsgeschwindigkeit bereits so gering, daß das K o h l e n o x i d — obwohl es sich naoh der Lage des Gl sichgewichtes (3) vollkommen in K o h l e n s t o f f und K o h l e n d i o x i d disproportionieren sollte — als m e t a s t a b i l e r S t o f f vollkommen b e s t ä n d i g ist. ^ Ä ^ W · · ·

CO

Zur Herstellung von Wassergas leitet man W a s s e r d a m p f über stark erhitzten K o k s (vgl. S. 225). Dabei erfolgt die endotherme ßeaktion 31.4 kcal + C + HjO

CO + H 2 .

(5)

Das gebildete K o h l e n o x i d kann sich bei niedrigen T e m p e r a t u r e n mit weiterem W a s s e r d a m p f zu K o h l e n d i o x i d umsetzen: CO + H , 0

CO, 4- HA + 9.8 kcal,

(6)

307

Der Kohlenstoff

so daß bei Wasserdampf Überschuß und weniger hohen Temperaturen neben der Reaktion (5) auch als Summe von (5) und (6) die Reaktion stattfinden kann.

2 L 6 kcal

+

C

+

2H

*° ^

+

2H

«

- C n H 2 n + n H 2 0 .

Die Primärprodukte dieser Benzinsynthese (vgl. II, S. 34) sind bei Verwendung von aktivierten Eisen-, Kobalt- und Nickelkatalysatoren gewöhnlich rund 20°/ 0 Methan CH4, rund 10°/ 0 leichte Kohlenwasserstoffe (Propan C 3 H 8 , Butan C 4 H 10 , Propen C 3 H e , Buten C 4 H 8 ), rund 40°/ 0 bis 200° siedende Kohlenwasserstoffe („Benzin"), rund 20°/„ bis 320° siedende Kohlenwasserstoffe („Dieselöl") und rund 1 0 % feste Kohlenwasserstoffe („Paraffin"). Durch „Krackung", d. h. Zersetzungsdestillation (II, S. 33, HOf.) der Reaktionsprodukte kann die Ausbeute an niedermolekularen Benzinen weiter verbessert werden.

d) Natürliche Kohle und ihre technische Verwertung Die n a t ü r l i c h e K o h l e (vgl. II, S. 303), die sich vor allem in den Vereinigten Staaten von Amerika, in Rußland und in Deutschland in riesigen Lagern vorfindet, ist kein r e i n e r K o h l e n s t o f f , sondern ein in der Hauptsache aus Kohlenstoff, Sauerstoff, Wasserstoff, Stickstoff und Schwefel bestehendes kompliziertes Gemisch k o h l e n s t o f f r e i c h e r V e r b i n d u n g e n , das durch langsame V e r m o d e r u n g („Inkohlung") fossiler Überreste von Pflanzen unter Luftabschluß entstanden ist. Bei dieser Zersetzung wurden vor allem die Elemente W a s s e r s t o f f und S a u e r s t o f f weitgehend als M e t h a n CH4, K o h l e n d i o x i d C O j und W a s s e r H 2 0 abgespalten, so daß sich im Rückstand der K o h l e n s t o f f mehr und mehr a n r e i c h e r t e . Noch heute können wir den Beginn einer solchen Verkohlung in der Tor/bildung beobachten. Ein fortgeschritteneres Stadium der Verkohlung stellt die aus der Tertiärzeit stammende Braunkohle dar, deren Struktur ihre pflanzliche Herkunft noch deutlich erkennen läßt. Noch älter als die Braunkohle ist die aus der Carbonzeit stammende Steinkohle, und das älteste Glied der Reihe ist schließlich der Anthrazit. Die Zunahme des Kohlenstoff- und Abnahme des Sauerstoff- und Wasserstoffgehaltes sowie die damit parallel laufende Erhöhung des Heizwertes je Kilogramm gehen aus folgender Tabelle hervor: Zusammensetzung ( u / 0 )

Holz Torf Braunkohle Steinkohle Anthrazit

C 50 55-65 65-75 75-90 > 90

o

Η

Heizwert (kcal je kg)

44 30-40 20-30 5-18 2-3

6 5.5-7 5-6 4-6 2-3

4000 5-6000 6-7000 7-8000 8 -9000

310

Die Kohlenstoífgruppe

Die Braun- und Steinkohlen dienen wegen ihres Gehaltes an den wichtigen Elementen Kohlenstoff, Sauerstoff, Wasserstoff, Stickstoff und Schwefel als u n e n t b e h r l i c h e s A u s g a n g s m a t e r i a l d e r c h e m i s c h e n I n d u s t r i e . Die beiden wichtigsten Verfahren zur Nutzbarmachung der enthaltenen Elemente sind : die t r o c k e n e D e s t i l l a t i o n und die H y d r i e r u n g . α) Trockene Destillation yon Kohle Erhitzt man Kohle ohne Luftzutritt in geschlossenen Gefäßen, so zersetzt sie sich in g a s f ö r m i g e , f l ü s s i g e und f e s t e P r o d u k t e . Diese Zersetzungsprodukte haben eine verschiedene Zusammensetzung, je nachdem man bei verhältnismäßig n i e d r i g e r ( < 600°) oder bei verhältnismäßig h o h e r T e m p e r a t u r ( > 1000°) arbeitet. Im ersteren Fall spricht man von „VerSchwelung", im letzteren von „Verkokung" der Kohle. Die Schwelung wird vor allem bei der B r a u n k o h l e , die Verkokung bei der S t e i n k o h l e durchgeführt (vgl. I I , S. 303 f.). Verkokung Die gasförmigen Produkte 10°/0) bei der Verkokung von Steinkohle („Steinkohlen-Rohgas") enthalten alle die Gase, die durch Kombination der Elemente C, O, Η, Ν und S denkbar und bei der hohen Arbeitstemperatur beständig sind. Es finden sich also darin: W a s s e r s t o f f H 2 ) W a s s e r s t o f f v e r b i n d u n g e n des Kohlenstoffs (Methan CH 4 , Äthylen CyB^, Benzol C e H,), des Sauerstoffs (Wasserdampf H 2 0), des Stickstoffs (Ammoniak NH 3 ) und des Schwefels (Schwefelwasserstoff H 2 S), S a u e r s t o f f v e r b i n d u n g e n (Kohlenmonoxid CO, Kohlendioxid C0 2 ), S t i c k s t o f f N 2 und S t i c k s t o f f v e r b i n d u n g e n (Dicyan (CN)2, Cyanwasserstoff HCN) sowie S c h w e f e l v e r b i n d u n g e n (Kohlendisulfid CS 2 ). Die prozentuale Zusammensetzung aus diesen Bestandteilen ändert sich mit der Dauer der Destillation; und zwar nimmt, wie die untenstehende (nur die Hauptprodukte berücksichtigende) Fig. 102 zeigt, mit zunehmender Erhitzungsdauer der W a s s e r s t o f f g e h a l t auf Kosten der K o h l e n w a s s e r s t off Verbindungen zu. Erhitzt man l ä n g e r e Z e i t , so erhält man das „Kokereigas", welches im Durchschnitt etwa 55 Vol.-°/ 0 H 2 , 2 5 % C H 4 , 10—12°/ 0 N a , 4 — 6 % CO, 2 % C Q J H D und 2 % C0 2 enthält. Erhitzt man w e n i g e r l a n g e , so entsteht das „Leuchtgas", welches im gereinigten Zustande durchschnittlich aus 50 % H 2 , 321/2°/O CH,, 7 % CO, 5°/ 0 N 2 , 3»/ 2 % O A , , 2°/ 0 C0 2 und Spuren Sauerstoff besteht und beim Vermischen mit W a s s e r g a s (im Verhältnis 3 : 2) das „Stadtgas" (durchschnittliche Zusammensetzimg: 50°/ 0 H 2 , 2 0 % CH 4 , 1 7 % CO, 8 % N 2 , 3 % C 0 2 , 2 % C m H n ) ergibt. Die flüssigen Produkte 10%) der Verkokung von Steinkohle sind „Ammoniakwasser" (vgl. S. 227) und „Steinkohlenteer". Ersteres ist eine wässerige Lösung von A m m o n i a k u n d A m m o n i u m s a l z e n (Ammoniumcarbonat, Ammoniumsulfid). Der Steinkohlenteer bildet eine schwarze, öligzähflüssige Masse, die aus etwa 10 000 hauptsächlich der a r o m a t i s c h e n R e i h e angehörenden C-, H-, O-, N- und S-haltigen o * 8 12 16 10 & 28 32H Substanzen (z.B. Benzol C A , Toluol C,H e , Fig. 102. Abhängigkeit der KokereigasZusammensetzung von der Verkokungsdauer

X

y l c ) 1 C e H io> Naphthalin C1(^H8, Anthrazen C 14 H 10 , Phenol C e H e O, Thiophen C 4 H 4 S,

Dor Kohlenstoff

311

Pyridin C5H5N) sowie aus pechartigen Rückständen besteht. Auf seiner Verarbeitung baut sich eine c h e m i s c h e G r o ß i n d u s t r i e auf (vgl. I I , S. 303f.). Als fester Rückstand 8 0 % ) hinterbleibt bei der Verkokung der Steinkohle der kohlenstoffreiche, aber immer noch Wasserstoff ( ~ 1 % ) > Sauerstoff ( ~ 1 % ) , Stickstoff 2°/ 0 ) und Schwefel 1 % ) enthaltende „Koks". E r dient entweder direkt oder nach vorheriger Umwandlung in Generatorgas oder Wassergas als B r e n n s t o f f . Verseti welung

Führt man die trockene Destillation der Kohle bei verhältnismäßig n i e d r i g e r T e m p e r a t u r (unterhalb von600°) durch, so nimmt vor allem die Menge des wertvollen T e e r s gegenüber den gasförmigen Produkten zu. Dieser ,,Tieftemperaturteer" enthält zum Unterschied vom. ,,Hochtem-peraturteer" in der Hauptsache nicht a r o m a t i s c h e , sondern a l i p h a t i s c h e Kohlen Wasserstoff Verbindungen. Man nennt ihn auch ,,Urteer", weil er der bei der Destillation von Kohle p r i m ä r entstehende Teer ist, welcher bei der Verkokung erst s e k u n d ä r in den Hochtemperaturteer übergeht (Umwandlung der aliphatischen in aromatische Verbindungen). Im übrigen führt die Schwelung wie die Verkokung insgesamt zu g a s f ö r m i g e n („Schwelgas"), f l ü s s i g e n („Schwelwasser", „Leichtöle", „Schwelteer") und f e s t e n („Schwelkoks") Zersetzungsprodukten. Das bei der Schwelung von Braunkohle gebildete Schwelgas besteht aus Wasserstoff (10—30%), Stickstoff (10—30%), Methan (10—25%), Kohlenoxid (10—25%), Kohlendioxid (10—20%), Schwefelwasserstoff (1—3%), Sauerstoff (0.1—3%) und Kohlenwasserstoffen ( 1 — 2 % ) . Es dient zum H e i z e n der S c h w e l ö f e n oder wird nach Entfernung von Kohlendioxid und Schwefelwasserstoff als F e r n g a s abgegeben bzw. — mit Wassergas vermischt — als S t a d t g a s (Leuchtgas) verwendet. Die aus dem Schwelgas isolierbaren L e i c h t ö l e dienen gereinigt als M o t o r e n betriebsstoff. Unter den flüssigen Produkten der Schwelung bildet das S c h w e l w a s s e r , eine gelbliche, milchig-trübe Flüssigkeit von etwas teerigem Geruch, die Hauptmenge. Sie enthält nur geringe Mengen an Ammoniak und organischen Substanzen und läßt sich nicht nutzbringend verwerten. Der S c h w e l t e e r stellt eine braune bis schwarze, bei 25—35° schmelzende Masse dar, die zur Hauptsache aus gesättigten und ungesättigten K o h l e n w a s s e r s t o f f en der aliphatischen Reihe besteht. Der feste Rückstand bei der Braunkohlenschwelung ist der „Grudekoks", ein körniges, mattschwarzes Produkt, das bei der Entzündung ohne Flamme, Rauch oder Rußbildung langsam verglüht und ein geschätztes H e i z m a t e r i a l für kleine Haushaltimgsöfen darstellt. Solcher bei tieferen Temperaturen geSM 850 900 WC wonnener Koks ist ärmer an Kohlenstoff und reicher Temperatur an den übrigen Elementen als der HochtemperaturFig. 103. Abhängigkeit der Kokskoks, wie die nebenstehende Fig. 103 zeigt, welche die zusammensetzung von der VerAbhängigkeit der Zusammensetzung des Kokses von kokungstemperatur der Herstellungstemperatur wiedergibt. Bei der V e r s c h w e l u n g v o n H o l z erhält man als g a s f ö r m i g e s Produkt „Holzgas" (hauptsächlich C 0 2 , CO, CH 4 und H 2 ), als f l ü s s i g e s Produkt „Holzgeist" (Methylalkohol), „Holzessig" (Essigscäure) und „Holzteer" und als f e s t e s Produkt „Holzkohle".

Die Kohlenstoffgruppe

312

β) Kohlehydrierung Setzt man K o h l e oder kohlenstoffreiche Stoffe wie T e e r e oder S c h w e r ö l e unter einem Druck von rund 250 Atmosphären und in Gegenwart von K a t a l y s a t o r e n bei 450° mit W a s s e r s t o f f um, so brechen die komplizierten Kohlenstoffverbindungen des Ausgangsmaterials unter Wasserstoffaufnahme auseinander, so daß aus den h o c h m o l e k u l a r e n , w a s s e r s t o f f a r m e n Ausgangsprodukten n i e d e r m o l e k u l a r e , w a s s e r s t o f f r e i c h e Kohlenwasserstoffe (,, Benzine") entstehen („ Kohleverflüssigung"). Diese Druckhydrierung (vgl. I I , S. 33f.) wird technisch in größtem Maßstab zur Gewinnung s y n t h e t i s c h e r T r e i b s t o f f e durchgeführt. Und zwar erfolgt die technische Hydrierung in zwei S t u f e n , indem man das Ausgangsprodukt zunächst in ein Z w i s c h e n p r o d u k t , das M i t t e l ö l , überführt („Sumpfphase"), welches dann in Dampfform („Gasphase") weiter zu B e n z i n hydriert wird. Sumpfphase. Zur Hydrierung in der Sumpfphase (vgl. Fig. 104) wird das ö l oder der T e e r oder die feingemahlene, mit S c h w e r ö l (vgl. unten) zu einer breiigen Paste Tr&vt- und ¿ΟϋρΓοΙίΖ Pest:nationsfìn/BW "SO* .

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Fig. 104. Schematische Darstellung der technischen Kohlehydrierung

verriebene K o h l e mit dem feinpulvrigen K a t a l y s a t o r versetzt, erhitzt und durch Hochdruckpressen in die „Sumpföfen" (18 m hohe Stahlrohre von rund 1 m Durchmesser) hineingepreßt. Hier setzt sich der Kohlebrei bei 450° und 200—300 Atmosphären Druck mit W a s s e r s t o f f teilweise schon zu l e i c h t e r s i e d e n d e n , hauptsächlich aber zu s c h w e r e r f l ü c h t i g e n und n i c h t f l ü c h t i g e n K o h l e n w a s s e r s t o f f e n um. Bei der Destillation der Reaktionsprodukte erhält man bis 170° „Benzin", von 170—325° „Mittelöl" und oberhalb von 325° „Schweröl". Das S c h w e r ö l dient zum Anreiben neuer Kohlepaste, das M i t t e l ö l gelangt, soweit es nicht als solches verwendet wird, zur weiteren Hydrierung in die G a s p h a s e . Wegen des S c h w e f e l g e h a l t e s der Kohle müssen die Kohlehydrieröfen nicht nur wie die Ammoniakhydrieröfen (S. 226f.) beständig gegen W a s s e r s t o f f , sondern auch beständig gegen S c h w e f e l sein. Daher sind sie innen mit Chrom-Wolframstahl ausgekleidet, welcher geringe Mengen Molybdän und Vanadin enthält. Auch die K a t a l y s a t o r e n müssen ,,schwefelfest" sein. Weiterhin lassen sich nur b i l l i g e Katalysatoren gebrauchen, da sie ja im Kohlebrei v e r t e i l t werden und daher n i c h t r ü c k g e w i n n b a r sind. Man verwendet ζ. B. Schwefelverbindungen des Molybdäns und Wolframs.

Gasphase. Zur weiteren Hydrierung in der Gasphase wird das aus der Sumpfphase kommende M i t t e l ö l verdampft und im „Benzinofen" nochmals bei 450° und 200 bis 300 Atmosphären Druck mit W a s s e r s t o f f umgesetzt. Da die Stoffe jetzt im G a s z u s t a n d sind, kann der Katalysator bei diesem Arbeitsgang in festen Brocken f e s t i m Ofen a n g e o r d n e t werden. Das Mittelöl geht jetzt weitgehend in l e i c h t -

Der Smekal-Raman-Effekt

313

siedende, zum Teil sogar in g a s f ö r m i g e Produkte über. Bei der sorgfältigen D e s t i l l a t i o n der Reaktionsprodukte erhält man: „Gas" (Methan, Äthan, Propan, Butan), „Benzin" („Leunabenzin") und unverändertes „Mittelöl", das zum Teil wieder in den Betrieb zurückwandert. Die Gase Propan und Butan gelangen verflüssigt als „Flüssiggas" für Heiz- und T r e i b z w e c k e in den Handel. Die Ausbeute an Benzin beträgt 0.6 t je Tonne Braunkohle ; die Gewinnung des Hydrier-Wasserstoffs nach dem Wassergasverfahren (S. 38f.) erfordert allerdings nochmals 1 1 Kohle. Durch V a r i a t i o n der A r b e i t s b e d i n g u n g e n (Druck, Temperatur, Katalysatoren usw.) gelingt es, die Ausbeuten an Hydrierprodukten mehr nach der Seite der h ö h e r m o l e k u l a r e n (Schmieröl, Heizöl, Dieselöl) oder der Seite der niedermolekularen Kohlenwasserstoffe (Leuchtöl, Benzin) zu verschieben.

2 . D e r SMEKAL-RAMAN-Effekt Nach der Elektronentheorie der Valenz muß dem K o h l e n o x i d CO die Elektronenformel _ + :C : : : O : (!) mit einer d r e i f a c h e n K o v a l e n z zwischen Kohlenstoff und Sauerstoff zukommen, da nur auf diese Weise beide Atome eine abgeschlossene Neonschale erreichen. Berücksichtigt man die gleichzeitig dabei auftretenden L a d u n g e n (vgl. S.157ff.), soläßt sich diese Elektronenformel (1) durch die V a l e n z s t r i c h f o r m e l (2a) mit v i e r wertigem Kohlenstoff wiedergeben, während man früher annahm, daß umgekehrt der Sauerstoff dem Kohlenstoff seine Wertigkeit aufzwinge und das Kohlenoxid daher durch die Valenzstrichformel (2b) mit zweiwertigem Kohlenstoff auszudrücken sei: C=0

0=0

(a)

(b)

(2)

Zur experimentellen Prüfung einer Frage wie der hier angeschnittenen kann man den SMEKAL-RAMAN-Effekt heranziehen, auf den wir im folgenden etwas näher eingehen wollen.

a) Wesen des SMEKAL-RAMAN-Effekts α) Experimentalbefund Bestrahlt man eine k o l l o i d e L ö s u n g (S. 333ff.) von der Seite her mit monochromatischem, sichtbarem L i c h t und betrachtet die Lösimg senkrecht zur Einfallsrichtung des Lichtstrahls, so stellt man fest, daß das einfallende Licht teilweise s e i t l i c h g e s t r e u t wird („TYNDALL-Effekt", S. 334), wobei das g e s t r e u t e Licht die Wellenlänge des e i n f a l l e n d e n Lichtes besitzt. Ersetzt man die kolloide Lösung durch eine e c h t e L ö s u n g oder eine reine F l ü s s i g k e i t , so läßt sich — zwar nicht mit dem bloßen Auge, wohl aber mit optischen Mitteln — auch hier eine S t r e u u n g des L i c h t e s feststellen. Die Zerlegung dieses gestreuten Lichtes in einem S p e k t r o g r a p h e n (Fig. 105) führt nun zu dem interessanten Ergebnis, daß das Streulicht zwar in der Hauptsache die gleiche Frequenz wie das einfallende monochromatische Licht besitzt („unv er schob ene Streustrahlung", „TYNDALL-Streuung"), daß aber daneben (vgl.Fig. 106a) noch a n d e r e S p e k t r a l - l i n i e n erscheinen, die in dem ursprünglichen Licht nicht vorhanden waren, wobei diese Linien im allgemeinen nach k l e i n e r e n F r e q u e n z e n (entsprechend größeren W e l l e n l ä n g e n ) hin verschoben sind (,,verschobene Streustrahlung", „RAMANStreuung"). Bestrahlt man die gleiche Flüssigkeit mit einem a n d e r e n monochromati-

314

Die Kohlenstoffgruppe

schenLicht von anderer F r e q u e n z , so erhält man das gleiche Bild, und zwar besitzen die verschobenen Linien — und das unterscheidet diesen Effekt von dem schon länger bekannten „Fluoreszenzeffekt" (S. 140f.) — nicht dieselben w F r e q u e n z e n , sondern die gleichen Entfernungen 3 von der E r r e g e r l i n i e wie J im vorhergehenden Fall (Fig. 106b). Die beschriebene Er* Frequenz scheinung wurde im Jahre 1928

W

^gestr

¿J -

*

UchtqufHe

• Frequenz

-h

gestreutes Licht •SpehtrograpA Fig 105. Prinzip der Messung

.absorb.

C

J 0 Fig. 106.

=• fìamarìfreque/!? Erregerlinie und RAMAN-Spektrum

des RAMAN-Effekts

von dem indischen Physiker C . V. R A M A N entdeckt, nachdem sie fünf Jahre vorher von dem deutschen Physiker A. S M E K A L vorausgesagt worden war. Sie heißt daher „SMEKAL-RAMAN-Et'fekt". ß) Deutung Die Deutung des Effekts ist im Prinzip einfach. Treffen die Atome h-veinf.) mit den Molekülen der Flüssigkeit zusammen, so werden sie entweder nur „ r e f l e k t i e r t " , so daß eine TYNDALL-Linie gleicher Frequenz beobachtet wird, oder sie geben einen T e i l ihrer E n e r g i e an die M o l e k ü l e ab, so daß das g e s t r e u t e P h o t o n /t-Vgestr. einen k l e i n e r e n Wert besitzt als das e i n f a l l e n d e . Damit ist auch die F r e q u e n z rgeetr. dieses Streulichtes kleiner als die des erregenden Lichtes, entsprechend einer Verschiebung der W e l l e n länge nach größeren Werten hin. Die E n e r g i e d i f f e r e n z zwischen einfallendem lind gestreutem Photon gibt die vom getroffenen Molekül a b s o r b i e r t e E n e r g i e menge an: ^ "•'elnf. — h• Vetr. = h {veÍDÍ. ~ vgMtr. ) = h · ^absorb. · (3) Da die verschiedenen F r e q u e n z d i f f e r e n z e n (jvini. — Vgestr.) = ''absorb, bei gegebener Flüssigkeit unabhängig von der Frequenz der E r r e g e r l i n i e immer die g l e i c h e n W e r t e besitzen, nimmt ein von einem Photon getroffenes Molekül offensichtlich nur ganz b e s t i m m t e , durch den Wert A.vabeorb. charakterisierte E n e r g i e m e n g e n auf. Man nennt die von einem Molekül absorbierten Frequenzdifferenzen „RAjHAN-Frequenzen" und pflegt bei der Wiedergabe eines „RAMAN-Spektrums" die eingestrahlte Erregerlinie als Ausgangspunkt des Spektrums zu wählen und die einzelnen „ R a m a n Linien" von diesem Nullpunkt aus einzutragen (Fig. 106 c). Die Raman-Frequenz en a\lb60rb. liegen in der Größenordnung von 10 l2 bis 1011 je Sekunde, entsprechend W e l l e n l ä n g e n von 10e bis 104 Â oder E n e r g i e m e n g e n von

Der SMUliAL-RAMAN-Kffekt

315

0.1 bis 10 kcal je Mol (vgl. S. 84f.). Damit sind die beim RAMAN-Effekt absorbierten Energiemengen in ihrer Größe den bei der Bestrahlung von Stoffen mit u l t r a r o t e m L i c h t (Wellenlänge 108 bis 104 Ä) absorbierten Energiebeträgen äquivalent. Hieraus geht hervor, daß die aufgenommene Energie zur A n r e g u n g v o n S c h w i n g u n g e n der Atome innerhalb des Moleküls dient (vgl. S.145). Wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, entsprechen U l t r a r o t s p e k t r u m (S. 145) und R A M A N - S p e k t r u m einander. Der Unterschied ist nur der, daß die zur Anregung von MolekülBchwingungen dienenden Energiequanten im Falle der Bestrahlung mit u l t r a r o t e m Licht in Form u n g e t e i l t e r L i c h t q u a n t e n , im Falle der Bestrahlung mit s i c h t b a r e m Licht dagegen in Form von A n t e i l e n g r ö ß e r e r Q u a n t e n aufgenommen werden. Das Ultrarotspektrum, das sonst nur als Absorptionaspektrum in dem meßtcchniseh schwer zugänglichen ultraroten Gebiet zu beobachten ist, ist somit beim R A M A N - Spektrum in das experimentell bequem meßbare Gebiet des sichtbaren Lichts übertragen und tritt hier als Streuspektrum auf. Zu diesem Vorzug kommt noch als zweiter der, daß manche Linien, die im Ultrarot nicht auftreten („optisch inaktive" Linien) im RAMAN-Spektrum vorkommen, und daß umgekehit manche „ramaninaktive" Linien im Ultrarotspektrum zu finden t ^ t ( sind, so daß sich Ultrarot- und ·"* · · ·—* < · ·"*" · f RAM AN-Spektrum in willkommesymmetrische asymmetrische ner Weise ergänzen. t/s/enzschwinQurx) PefbrmationsschuJinQunq Die in einem Molekül Fi angeregten Schwingungen 8 ' 1 0 7 · Schwingungsmöglichkeiten eines dreiatomigen , .. . . . . . . gestreckten Moleküls können zweierlei Art sein : es können die A t o m e i n d e r V a l e n z r i c h t u n g gegeneinander schwingen („Valenzschwingungen") oder es können die W i n k e l z w i s c h e n d e n A t o m e n d e f o r m i e r t werden („Deformationsschwingungen"). So bestehen ζ. B. bei einem aus drei Atomen bestehenden gestreckten Molekül die in Fig. 107 wiedergegebenen Schwingungsmöglichkeiten. Das gleiche ist der Fall bei einem gewinkelten dreiatomigen Molekül. J e d e der drei Schwingungsarten gibt Veranlassung zu einer f ü r d a s b e t r e f f e n d e M o l e k ü l c h a r a k t e r i s t i s c h e n RAMAN-Linie, da die Anregung einer bestimmten Schwingung je nach der Bindefestigkeit, Masse und räumlichen Lagerung der Atome einen g a n z b e s t i m m t e n E n e r g i e b e t r a g erfordert. Die angeregten Schwingungen erfolgen dabei im Rhythmus der Frequenz des absorbierten Lichtes. Die Zahl der Schwingungen, die zwei angeregte Atome je Sekunde gegeneinander ausführen, ist also numerisch gleich der anregenden RAMAN-Frequenz. Die RAMAN-Frequenzen ν stellen mit ihrer Größenordnung von 1012 bis 10" je Sekunde unbequem große Zahlen dar. Deshalb ist man übereingekommen, sie durch die Lichtgeschwindigkeit c ( = 2.997924 χ IO10 cm/sec) zu dividieren : v/c = ω. Sie geben dann die Anzahl Wellenlängen dee absorbierten Lichtes an, welche auf eine Strecke von 1 cm entfallen 1 („Welhnzahl" ; vgl. S. 144), und bedeuten zugleich die Zahl der Atomschwingungen in einer l/» χ io10 Sekunde. Ihre Größenordnung liegt damit zwischen 10a und 104. Hat also Ζ. B. eine RAMAN-Frequenz den Wert 1231, so bedeutet dies, daß 1231 Wellenlängen des absorbierten Lichtes zusammen eine Strecke von 1 cm ergeben und daß die vom absorbierten Licht angeregten Atome in einer dreißigmilliardstel Sekunde 1231 Schwingungen gegeneinander ausführen.

b) Anwendung des SMEKAL-RAMAN-Effekts Da Lage und Zahl der RAMAN-Linien durch den speziellen Bau der Moleküle bedingt werden, lassen sich in nicht zu verwickelten Fällen aus dem R A M A N - S p e k t r u m einer Substanz umgekehrt auch wieder R ü c k s c h l ü s s e auf die r ä u m l i c h e A n o r d n u n g d e r A t o m e und die A r t d e r B i n d u n g e n im Molekül ziehen. Daher stellt der SMEKAL-RAMAN-Effekt für den Chemiker ein w e r t v o l l e s H i l f s m i t t e l zur Lösung 1

Vgl. Anmerkung 1, S. 84.

316

Die Kohlenstoffgruppe

chemischer K o n s t i t u t i o n s p r o b l e m e dar, wie im folgenden an Hand einiger Anwendungsbeispiele gezeigt sei. α) Lage der Rajhan-Linien Bringen wir zwei durch eine elastische Feder miteinander verbundene Kugeln zur Schwingung gegeneinander, so ist die Z a h l d e r S c h w i n g u n g e n je Zeiteinheit um so größer (kleiner), je l e i c h t e r (schwerer) die K u g e l n und je s t ä r k e r (schwächer) die F e d e r k r a f t ist. Gleiches gilt für die Schwingungen zweier A t o m e gegeneinander. Die RAMAN-Frequenz muß also um so g r ö ß e r e Werte annehmen, je k l e i n e r d i e M a s s e n d e r A t o m e und je f e s t e r d i e B i n d u n g e n zwischen den Atomen sind. Die Erfahrung bestätigt diese Erwartimg, wie folgende Tabelle zeigt, die die durchschnittlichen RAMAN-Frequenzen ω für eine Anzahl einfach, doppelt und dreifach verbundener Atome (X) wiedergibt:

x=x

X—X < 1200 O— \c—Οχ \ ^C—Cl ^C—Br

X=X 1800—2400

1200—1800

Χ—Η > 2400

1050

^C=0

1720

—C=N

2240

^C—Η

2900

1000

^>C=N—

1660

—feC—

2200

)>N—Η

3340

950

^>C=C/

1640

N=N

2330

-Ο—Η

3400

660

0=0

1555

Cl—Η

2880

580

Br—Η

2550

550

J—Η

2220

Wie aus der Tabelle hervorgeht, kann man den RAMAN-Frequenzbereich je nach der Art der Bindung (einfache, doppelte, dreifache Bindung) und der Beteiligung des besonders leichten Wasserstoffatoms (X = H ) in vier Unterbereiche 1 ( < 1200; 1200—1800; 1800—2400; > 2400) unterteilen, innerhalb derer den einzelnen Bindungstypen gemäß der Art der Bindungspartner X und der Festigkeit der Bindung charakteristische Mittelwerte zukommen. Um diese Mittelwerte herum schwanken die R A M A N Frequenzen der angegebenen Bindungstypen je nach der Art der an den freien Valenzen sitzenden Substituenten. Die in der Tabelle zum Ausdruck kommende Gesetzmäßigkeit gestattet bereits wichtige Schlußfolgerungen bezüglich der Konstitution vieler chemischer Verbindungen. Beispielsweise findet man für das Kohlenoxid CO eine RAMAN-Frequenz von 2155. Daraus geht eindeutig hervor, daß Kohlenstoff und Sauerstoff durch eine d r e i f a c h e und nicht durch eine zweifache kovalente Bindung (S. 308, 313) miteinander verknüpft sind, daß also die aus der E l e k t r o n e n t h e o r i e d e r V a l e n z zwangsläufig folgende Elektronenformel :C: : : Ô : die richtige ist. Von den für das D i s t i c k s t o f f o x i d N 2 0 möglichen beiden Formeln N\ II > 0

und

N=N=0

(4)

n/ (a)

(b)

trifft nach dem RAMAN-Spektrum nur die letztere zu. Und zwar ist diese Formel (4 b) durch die Resonanz-Elektronenstruktur 1 Diese Unterbereiche sind natürlich nicht scharf abgegrenzt und können sich gegenseitig überschneiden, wie das Beispiel des Jodwasserstoffs zeigt.

D e r SMEKAL-RAMAN-Effekt

317

wiederzugeben (vgl. S. 234f.), da die beiden gefundenen Valenzschwingungsfrequenzen (1287 und 2223) die Anwesenheit von zweifachen und dreifachen Ko valenzen anzeigen. Analoges gilt f ü r das isostere K o h l e n d i o x i d C0 2 , das die beiden Valenzschwingungsfrequenzen 1336 und 2350 aufweist (: Ö: C: " Ô: « — > : 0 : : C " 0 : " - 0 : : C : C>:). I n ähnlicher Weise bestätigt das RAMAN-Spektrum die früher abgeleiteten Elektronenformeln der Phosphorsäuren H 3 P0„ (vgl. S. 264): Η • " O 0 + + + 0 : P : 0 H3 Η:Ρ:0 Η H : P : 0 H2 - Ö - Ö Ö (a) (o) (b) So findet man bei der unterphosphorigen Säure H 3 P 0 2 (a) und bei der phosphorigen Säure H 3 P 0 3 (b) eine bei 2415 bzw. 2485 liegende, das Vorliegen einer P h o s p h o r W a s s e r s t o f f - B i n d u n g anzeigende R.AMAN-Prequenz, welche bei der Phosphorsäure H 3 P 0 4 (C) fehlt, während sie beim Phosphorwasserstoff P H 3 naturgemäß auftritt (ω = 2407). Weiterhin findet sich im Bereich 1200—1800 keine RAMAN-Linie, woraus sich ergibt, daß die Moleküle der Phosphorsäuren in Übereinstimmung mit den E l e k t r o n e n f o r m e l n (vgl. S. 263f.) und entgegen den Valenzstrichformeln (vgl. S. 158) k e i n e k o v a l e n t e n , sondern s e m i p o l a r e D o p p e l b i n d u n g e n (S. 159) enthalten. H e t e r o p o l a r e n Bindungen entsprechen k e i n e RAMAN-Linien, weil hier ja die elastische Federkraft fehlt, die die Voraussetzung für Atomschwingungen bildet. Während also ζ. B. die Moleküle HCl, H B r und H J je eine RAMAN-Linie aufweisen, ergeben die davon abgeleiteten S a l z e KCl, K B r und K J keine RAMAN-Linien. Dementsprechend bietet der RAMAN-Effekt die Möglichkeit, die S a l z n a t u r von Verbindungen zu prüfen, da die RAMAN-Linien um so s c h w ä c h e r ausfallen, je p o l a r e r die Bindung zwischen Metall und Molekülrest ist. So ergeben etwa die Halogenide von Hg, P, As, Sb, C, Si, Ti und S n ^ s t a r k e RAMAN-Linien, während beispielsweise die Halogenide BiCl 3 , ZnCl2, CdJ 2 und AuCl a nur s c h w a c h e und die Chloride des Na, K, N H 4 , Ba, Ag, Cu, Cd, Mg und Sn 11 überhaupt k e i n e RAMAN-Linien zeigen. In ähnlicher Weise deutet das Auftreten einer Kobalt-Stickstoff-Frequenz bei der Komplexverbindung [Co(NH 3 ) e ] Cl3 darauf hin, daß hier die Ammoniakmoleküle durch e c h t e K o v a l e n z e n mit dem Kobaltatom verknüpft sind („Durchdringungskomplex" ; S. 160f.), während das Fehlen dieser Frequenz bei der Verbindung [Co(NH s ) e ]Cl 2 anzeigt, daß hier die Ammoniakmoleküle nur durch D i p o l k r ä f t e gebunden sind („Anlagerungskomplex" ; S. 161). ß) Zahl der RAMAN-Linien Auch aus der Z a h l der RAMAN-Linien eines Stoffes lassen sich wichtige Rückschlüsse auf die K o n f i g u r a t i o n seiner Moleküle ziehen. Es läßt sich zeigen, daß ein aus η Atomen ( » > 2) bestehendes Molekül insgesamt 3 η - 6 verschiedene Möglichkeiten der Schwingung besitzt (η - 1 Valenz- und 2 η - 5 Deformationsschwingungen). So sind ζ. B. bei einem v i e r atomigen Molekül 3 - 4 — 6 = 6 und bei einem f ünfatoinigen Molekül 3 - 5 — 6 = 9 verschiedene Schwingungsarten denkbar. J e nach der S y m m e t r i e des Moleküls können nun einzelne dieser Schwingungsfrequenzen e i n a n d e r g l e i c h sein, so daß die entsprechenden Linien a u f e i n a n d e r f a l l e n . Ist beispielsweise in einem vieratomigen Molekül das Zentralatom X mit d r e i g l e i c h e n L i g a n d e n Y besetzt (XY 8 ), so ergibt dieses Molekül bei p y r a m i d e n f ö r m i g e m Aufbau statt 6

318

We Kohlenstoffgruppe

nur 4 und bei e b e n e m Aufbau statt 6 nur 3 Linien, da im ersteren Fall 2, im letzteren 3 Linien mit anderen Linien zusammenfallen („entartete Schwingungen"). Auf diese Weise ist es mit Hilfe des ÜAMAN-Effekts möglich, bei solchen Molekülen zwischen pyramidenförmigem und ebenem Aufbau zu unterscheiden. So zeigt das Experiment, daß die Ionen C103' und S 0 3 " p y r a m i d e n f ö r m i g , die Ionen N 0 3 ' und C0 3 " dagegen e b e n gebaut sind. Dies ist deshalb von Interesse, weil damit die Aussagen der E l e k t r o n e n t h e o r i e d e r V a l e n z bestätigt werden. Nach der Elektronentheorie der Valenz besitzen nämlich die ersteren und die letzteren Ionen eine voneinander v e r s c h i e d e n e K o n s t i t u t i o n (a), während sie nach den Valenzstrichformeln (b) gleich gebaut zu sein scheinen 1 : :Ö: 0

++

0:

:C1:

0

: +0 : Ô: :Ν: (a)

O (I

(6)

0=C1—0— 11 0 0=N—0—

(β)

(b)

Denn im ersteren Fall (C103', S0 3 ") sind die drei Sauerstoffatome durch je e i n e e i n f a c h e K o v a l e n z mit dem Zentralatom verknüpft, so daß nach dem T e t r a e d e r , m o d e l l (vgl. NH 3 -Konfiguration in Fig. 52, S. 153) die Form einer P y r a m i d e entsteht. Im letzteren Fall dagegen (N0 3 ', C0 3 ") ist eines der drei Sauerstoffatom e zum Unterschied von den beiden übrigen durch eine d o p p e l t e K o v a l e n z mit dem Zentralatom verbunden 2 , so daß bei Zugrundelegen des Τ e t r a e d er m o del Is (Ersatz zweier Substituenten im CH 4 -Modell—Fig. 52, S. 153 — durch einen in der Mitte der gestrichelten Verbindungslinie angeordneten Liganden) eine e b e n e Anordnung der vier Atome zustande kommt.

3. Das Silicium a) Elementares Silicium Vorkommen. Das Silicium ist nach dem Sauerstoff das m e i s t v e r b r e i t e t e Elem e n t , und zwar besteht der uns zugängliche Teil der Erdrinde zu etwa 1 / 4 (25.8°/o) seines Gewichtes aus Silicium. Da der Sauerstoff die Hälfte (49.4°/0) des Gewichtes der Erdrinde ausmacht, ist damit das Silicium ebenso häufig wie alle übrigen 100 Elemente zusammengenommen (vgl. S. 69). Silicium findet sich nie in f r e i e m Zustande, sondern nur g e b u n d e n in Form von S a l z e n verschiedener, sich vom Anhydrid Si0 2 ableitender Κ i e s e 1 s ä u r e η m Si0 2 · n H 2 0 („Silicate"). Besonders weitverbreitet sind dabei A l k a l i - , E r d a l k a l i - , A l u m i n i u m und E i s e n s i l i c a t e (S. 329f.). Auch das f r e i e S i l i c i u m d i o x i d Si0 2 kommt in der Natur in verschiedenster Form (als Sand, Quarz, Bergkristall, Amethyst usw.) vor (S. 323). Darstellung. T e o h n i s c h läßt sich Silicium in kompakten Stücken durch Reduktion von Q u a r z mittels Κ o h 1 e oder besser C a l c i u m c a r b i d i m elektrischen Ofen darstellen : Si0 2 + 2C — > • Si + 2CO 1

Si0 2 + CaC2 — ν

Si + 2CO + Ca.

Die zwei Doppelbindungen der Valenzstriehformeln (b) sind gemäß den Elektronenformeln (a) im Falle (5) beide semipolar, im Falle (6) dagegen teils semipolar, teils nichtpolar (vgl. S. 169). * Die Doppelbindung kann k e i n e m b e s t i m m t e n Sauerstoffatom zugeordnet werden. Der wirkliche Zustand wird am besten als eine Überlagerung von drei Strukturen, die sich durch die drei Lagemöglichkeiten für die Doppelbindung unterscheiden, beschrieben {„Resonanz", S. 159). Vgl. Anm. 1, S. 247.

Das Silicium

319

Im L a b o r a t o r i u m verwendet man zweckmäßig M a g n e s i u m als Reduktionsmittel: SiOj + 2Mg >- Si + 2MgO + 84 kcal. Da die Reaktion beim Entzünden des Gemischs unter starker Wärmeentwicklung stürmisch verläuft, muß man sie durch Zumischen eines Überschusses an Quarzsand oder an Magnesiumoxid mäßigen. Man erhält bei dieser Darstellungsweise das Silicium als reaktionsfähiges braunes P u l v e r , welches durch Auflösen in g e s c h m o l z e n e m A l u m i n i u m und Erkaltenlassen dieser Lösung in k r i s t a l l i s i e r t e s S i l i c i u m verwandelt werden kann. D i r e k t erhält man dieses kristallisierte Silicium, wenn man ü b e r s c h ü s s i g e s A l u m i n i u m statt Magnesium zur Reduktion des Quarzes verwendet, so daß sich das gebildete Silicium : 3 Si02 + 4 Al — -V 3 Si -f 2AI 2 0 3 + 162 kcal gleich im Aluminium Überschuß auflösen kann. Die Trennung von Aluminium und auskristallisiertem Silicium erfolgt hier wie im vorigen Fall mit S a l z s ä u r e , welche das Aluminium löst und das Silicium ungelöst zurückläßt. Statt Siliciumdioxid kann auch S i l i c i u m f l u o r i d (in Form des Salzes SiF 4 · 2 K F = K 2 [SiF e ]; S. 323) mit überschüssigem Aluminium bei Rotglut umgesetzt werden: 3SiF4 + 4Al ν 3Si + 4A1F3. Man erhält dabei das Silicium in schönen Rristallblättchen. Physikalische Eigenschaften. Das reine kristallisierte Silicium bildet dunkelgraue, undurchsichtige, stark glänzende, harte, spröde Oktaeder vom spezifischen Gewicht 2.33, Schmelzpunkt 1423° und Siedepunkt 2630°. Es leitet den elektrischen Strom (s. Germanium, S. 348f.), wobei die Leitfähigkeit mit steigender Temperatur zunimmt. Die Gitterstruktur ist die gleiche wie die des Diamanten (Si—Si-Abstand: 2.34 Â). Das pulverförmige, braune bis graubraune Silicium unterscheidet sich von dem kristallisierten durch die Teilchengröße, die Oberflächenausbildung und insbesondere durch eine starke S t ö r u n g d e s G i t t e r a u f b a u s , verbunden mit einem Gehalt an Fremdsubstanz, insbesondere S a u e r s t o f f . Chemische Eigenschaften. Die feinverteilte Form des Siliciums reagiert naturgemäß leichter als die grobkristalline, welche nicht besonders reaktionsfähig ist (vgl. S. 393). An der L u f t verbrennt Silicium erst bei sehr hoher Temperatur zu Siliciumdioxid. Mit F l u o r vereinigt es sich schon bei Zimmertemperatur unter Feuererscheinung (Si + 2F 2 —>- SiF 4 ), mit den übrigen H a l o g e n e n beim Erhitzen. S t i c k s t o f f verbindet sich bei 1400° mit Silicium unter Nitridbildung (Si 3 N 4 ). Viele M e t a l l e gehen beim Erhitzen mit Silicium im elektrischen Schmelzofen in „Silicide" (intermetallische Verbindungen — S. 155 — von Metall und Silicium; z . B . Ca 2 Si, CaSi, CaSi a ) über. In allen S ä u r e n (ausgenommen salpetersäurehaltige Flußsäure) ist Silicium praktisch unlöslich. Dagegen löst es sich sehr leicht unter Wasserstoffentwicklung in heißen Laugen : S i + 3 Η ΐ 0 — v H¡! Si0 3 + 2H 2 unter Bildung von Silicat (Si0 3 ").

b) Wasserstoffverbindungen des Siliciums Darstellung. Der einfachste Siliciumwasserstoff, das „Monosilan" SiH 4 , entsteht mit 100°/ 0 iger Ausbeute bei der Umsetzung ätherischer Lösungen von Sili c i u m t e t r a c h l o r i d und L i t h i u m a l a n a t (vgl. S. 388): SiCl4 + LiAlH4 — S i H 4 + LiAlCl4. In analoger Weise führt die Einwirkung von Lithiumalanat auf D i s i l i c i u m h e x a c h l o r i d mit 90%iger Ausbeute zu „Disilan" Si 2 H e : 2Si2Clg + 3LiAlH4 >- 2 8 ^ + 3LiAlCl4. Auch durch Zersetzung von M a g n e s i u m s i l i c i d Mg2Si mit Säuren lassen sich Siliciumwasserstoffe gewinnen: Μ&8ί + 4HC1 2MgC]¡í + s i H j

320

Die Koblenstoffgruppe

Besonders günstig wird hierbei die Ausbeute (75°/ 0 ), wenn man f l ü s s i g e s A m m o n i a k als Reaktionsmedium und B r o m w a s s e r s t o f f (in Form von NH 4 Br) als Säure (vgl. S. 176) verwendet. Außer Monosilan undDisilan—und Wasserstoff, dem Hauptreaktionsprodukt — entstehen bei der DarstelIung3methode im wässerigen System in kleineren Mengen auch höhere Siliciumwassers t o f f e , wie der deutsche Chemiker ALFRED STOCK (1876—1946) gezeigt hat, dem wir den Ausbau der Siliciumwasserstoffchemie verdanken: Si3H8 („Trisilan"), Si4H10 („Tetrasilan") und wahrscheinlich auch SiäH12 („Pentasilan") und SieH14 („Hexasilan"), also Silane von einer der Zusammensetzung der gesättigten aliphatischen Kohlenwasserstoffe CNH2N+2 (S. 301) entsprechenden Zusammensetzung SinH2n +2. Die Mengen der einzelnen Bestandteile nehmen dabei mit steigendem Molekulargewicht rasch ab; so enthält das beim Arbeiten mit wässeriger Salzsäure in 25%iger Ausbeute entstehende Silangemisch 40% SiH4, 30% Si2He, 15% Si3H8, 10% Si4H10 und 5% höhere Silane.

f ü r η = oo geht die Formel S i n H 2 n + 2 der Siliciumwasserstoffe in die Grenzformel = (SiH 2 ) x über. Dieses dem Äthylen (Äthen) (CH2)2 (S. 301) entsprechende „Polysilen" (SiH2)oo (Poly-Sihciumdihydrid) läßt sich durch Zersetzung von C a l c i u m s i l i c i d CaSi mit w a s s e r f r e i e r S ä u r e (Eisessig oder alkoholische Salzsäure) als gelblicher, fester, an der Luft entzündlicher, wasserzersetzlicher Körper erhalten : CaSi + 2 HCl —>- CaCl2 + SiH 2 . Es besitzt wohl einen kettenförmigen Aufbau: — — SiH2—SiH2—SiH2—SiH2 — —.

Ebenso ist auch ein dem Acetylen (Äthin) (CH) 2 (S. 301)formal entsprechendes „Polysilin" (SiH) „ (Poly-Siliciummonohydrid) als zitronengelber Festkörper bekannt (vgl. S. 350). Physikalische Eigenschaîton. Mono- und Disilan sind G a s e (SiH 4 : Smp. —184.7", Sdp. —112.1°, SiD 4 : Smp. —186.4°, Sdp. —112.3°; Si 2 H e : Smp. —129.4°, Sdp. —14.8°, Si 2 D e : Smp. —130.3°, Sdp. —16.0°), Tri- und Tetrasilan F l ü s s i g k e i t e n (Si 3 ïï 8 : Smp. —116.9°, Sdp. +52.9°, Si 3 D 8 : Smp.—116.8°; Si 4 Hi 0 : Smp.—91.6°, Sdp.+108.4°, Si 4 D 10 : Smp. —89.6°). Die Beständigkeit der Verbindungen nimmt mit steigender Zahl der Siliciumatome ab. Während Monosilan bei Luft- und Feuchtigkeitsabschluß erst bei 450° und Disilan erst gegen 300° in Silicium und Wasserstoff zerfällt, zersetzen sich Penta- und Hexasilan schon bei Zimmertemperatur so leicht, daß ihre Reindarstellung bis jetzt noch nicht gelungen ist (Sdp. > 100°). Chemische Eigenschaften. Chemisch sind die Silane durch ihre E m p f i n d l i c h k e i t g e g e n ü b e r L u f t u n d W a s s e r charakterisiert, wobei die Reaktionsheftigkeit vom Mono- zum Hexasilan hin stark zunimmt. An der L u f t verbrennen sie mit heftigem Knall zu S i l i c i u m d i o x i d : SiH4 + 20 2 —>- Si0 2 + 2H 2 0. W a s s e r zersetzt sie — vor allem bei Gegenwart von Alkali — zu K i e s e l s ä u r e und Wasserstoff: SiH4 + 2 H 2 0 — > S i 0 2 + 4 H 2 . Durch Einwirkung von Halogen (heftige Reaktion) oder von Halogen Wasserstoff en (Reaktion bei über 100° und Anwesenheit von Aluminiumhalogenid als Katalysator) lassen sich die Wasserstoffatome der Reihe nach durch Halogenatome austauschen : ^Si-j-H + HjX ->- ρ Si—Χ + Hj. Die entstehenden H a l o g e n s u b s t i t u t i o n s p r o d u k t e wie SiH 3 Cl(Smp.— 118°, Sdp. — 30.4°), SiH2Cl2 (Smp. — 122», Sdp. + 8.3°), SiHCl3 {„SiUco-cMoroform"; Smp. —127», Sdp. 31.8») und SiCl4 (Smp. — 70», Sdp. 57.6») werden durch Wasser unter Abspaltung von Halogenwasserätoff und Einführung von Sauerstoffatomen schnell zersetzt: SiH 3 +Cl + H + O + H + Cl-j-SiHj —>- SiH3—O—SiHs + 2 HCl SiH2==Cl2 + H 2 |0

ν S l H , = 0 + 2 HCl

O|H 2 + C.l24=SiH+Cl + H + O + H + Cl+SiH==Cls + H 2 |0 — 0 = S i H — O — S i H = 0 + 6HC1 0|H 2 + Cl2=f=Si=j=Cl2 + H2jO — 0 = S i = 0 + 4 HCl.

Dae Silicium

321

Die entstehenden Silicium-Wassers toff-Sauerstoff-Verbindungen, welche „Siloxane" genannt werden (SiHs· 0· SiH 3 : Disil-oxan; SiH 2 0: Sil-oxan oder Prosiloxan; SiHO-O-SiHO: Dioxo-disil-oxan), polymerisieren sich sofort, falls sie Doppelbindungen enthalten (vgl. S. 187). So ist ζ. B. das Disiloxan (SiH 3 ) 2 0, das dem Methyläther (CH3)20 (II, S. 56) der Kohlenstoffchemie entspricht und daher auch als ,,Silico-methyläther" bezeichnet wird, ein bei Zimmertemperatur und Sauerstoffaussohluß unverändert haltbares, monomeres, farbloses Gas (Smp.— 144°, Sdp. — 15.2°), während das dem Formaldehyd CH,O (II, S.104Í.) entsprechende gasförmige Prosiloxan („Silico-formaldehyd") SiH 2 0, das Dioxodiailoxan SiHO-O-SiHO („SUico-ameiseyisäure-anhydrid") und das Siliciumdioxid SiO, in feste, farblose, hochpolymere Körper übergehen (vgl. S. 326iE. und 331 f.). Ganz entsprechend wie die Siloxan-Grundkörper verhalten sich die durch Austausch der Wasserstoffatome H gegen Kohlenwasserstoffreste (Alkylgruppen) R davon abgeleiteten „Alkylsiloxane" R2SiO, R,Si 2 0 3 usw. Ihre Polymerisationsprodukte spielen technisch als „Silicone" (S. 331 f.) eine immer bedeutsamer werdende Rolle.

c) Halogenverbindungen des Siliciums Silicium bildet eine Reihe von H a l o g e n v e r b i n d u n g e n der allgemeinen Zusammensetzung S i n X 2 n + 2 , welche sich von den entsprechenden S i l a n e n durch Ersatz aller Wasserstoffatome durch Halogenatome ableiten. Der Index η kann dabei ζ. B. die Werte 1 (SiCl4), 2 (Si2Cle), 3 (Si3Cl8), 4 (Si4Cl10), 5 (Si 6 Cl ls ), 6 (SieCl14), 10 (Si10CIM), 25 (Si 25 Cl 62 ) oder oo (Si x Cl 200 + 2 = [SiCl2] annehmen. Die e i n f a c h e n Glieder SiX 4 erhält man durch direkte V e r e i n i g u n g d e r E l e m e n t e : Si + 2 C l a — > - SiCl4, die h ö h e r e n aus den niederen durch H a l o g e n e n t z u g , ζ. B. mittels Siliciums. So reagiert Siliciumtetrachlorid bei 1100—1300° C mit Silicium (ζ. Β. in Form des hocherhitzten Silitstabes (S. 333) eines „Abschreckrohres") bis zu einem Gleichgewicht unter Bildung von monomolekularem, gasförmigem „Süiciumdichlorid" SiCl, (SiCl4 + Si > 2 SiCl,), das bei langsamer Abkühlung wieder rückwärts in SiCl4 und (kristallines) Si zerfällt, beim Abschrecken dagegen mit dem im Gleichgewicht befindlichen Siliciumtetrachlorid höhere Siliciumchloride bildet (SiCl4 + (η—1) SiCl, — ^ S i Ä + 2 ): ( n + 1 } S i C l i + ( n _ 1 } g. 2 SinC1¡¡Q + 2_ Da die Beständigkeit der Siliciumhalogenide vom Jodid zum Fluorid hin zunimmt, lassen sich die Jodide leicht in die Bromide und Chloride, die Chloride leicht in die Fluoride umwandeln usw.: Si 2 J, + 3Br, >- Si2Br„ + 3 J 2 ; Si2Cl, + 3ZnF, >- Si 2 F, + 3ZnCl2. X = F Typus SiX 4 Typus Si 2 X, Typus SijXg Typus Si4X10

X = Cl

X = Br

X = J

Farblose Flüssigkeit Farblose Flüssigkeit Farblose Kristalle Smp. 5.2° Smp. 120.5° Smp. - 70.4° Sdp. 152.8° Sdp. 287.5° Sdp. + 57.6° Farbloses Gas Farblose Flüssigkeit Farblose Kristalle Farblose Kristalle Smp. 2.5° Smp. 95° Smp. 250° Smp. — 18.7° Sdp. 147° Sdp. 265» Sblp. - 19.1° Farblose Flüssigkeit Farblose Kristalle Smp. — 67° Sdp. ~ 21ö° Farblose Flüssigkeit Farblose Kristalle Sdp. (15 mm) 150°

Farbloses Gas Smp. —90.2° Sb p. - 95.7°

Typus Si M X 22

Farbloses, zähes Ol Sdp. (Hooh vakuum) 215° Typus Si M X H Farbloses, plastisches, dehnbares Harz Fester weißer Stoff Fester gelber Stoff Fester weißer Stoff Typus [SiX2]oo Holleman-Wlberg,

Anorganische Chemie.

47. - 66. Aufl.

21

322

Die Kohlenstoffgruppe

In vorstehender Tabelle (S. 321) sind die E i g e n s c h a f t e n einer Reihe von Siliciumhalogeniden zusammengestellt. Alle Verbindungen werden von W a s s e r schon bei gewöhnlicher Temperatur rasch unter Bildung von K i e s e l s ä u r e , H a l o g e n w a s s e r s t o f f und gegebenenfalls (n > 1) W a s s e r s t o f f zersetzt: Si n X 2n + 2 + 2 n H 2 0 —>- n S i 0 2 + (2n + 2 ) H X + (n — 1)H 2 . Die höheren Glieder d i s p r o p o r t i o n i e r e n sich beim Erhitzen in h a l o g e n r e i c h e r e und h a l o g e n ä r m e r e Körper. So bildet sich I. I. I. bei der thermischen Zersetzung von Si10Cl22 bei 30 inerter \S/SSS/8N2/SS2/ °° Gasatmosphäre neben den chlorI I ι I reicheren Verbindungen SiCl4, Si 2 Cl e , Si3Cl8 und / S k Cl / S k Gl Cl / S k Si4Cl10 eine feste, gelbe, chlorärmere Substanz ' Cl W Cl W Cl \ S K Cl Ν der Zusammensetzung (SiCl) 00 (,, Siliciummono Si Cl Si Cl Si Chlorid"), der im Einklang mit ihrer blättrigen / c i \ s ¡ / c i ^ Struktur und in Analogie zum KohlenstoffmonoI y fluorid (CF)„ (S. 297) wahrscheinlich die nebenstehende Molekularstruktur (idealisiert) zukommt. In analoger Weise ist durch Erhitzen von Si 2 J„ ein glänzend orangeroter, schuppiger Körper der Zusammensetzung (SiJ)„ („Siliciummonojodid") gewinnbar, während „Siliciummonofluorid" (SiF) œ (farblos) und „Siliciummonobromid" (SiBr)„ (gelb) durch Einwirkung von Magnesium auf SiFBr 3 bzw. SiBr 4 dargestellt werden können. Im folgenden sei nur das S i l i c i u m t e t r a f l u o r i d näher beschrieben: Siliciumtetrafluorid SiF4. Siliciumtetrafluorid ist bequemer als durch Synthese aus den Elementen (Si + 2F¡¡—>- SiF 4 + 360 kcal) durch Einwirkung von F l u ß s ä u r e auf S i l i c i u m d i o x i d : Si02 + 4 H F ^ ± : S i F 4 + 2H a 0 (1) bei Gegenwart w a s s e r e n t z i e h e n d e r Mittel (Verschiebung des Gleichgewichtes (1) zugunsten der SiF 4 -Bildung) zugänglich. I n der Praxis verfährt man zweckmäßig so, daß man auf ein Gemisch von gepulvertem C a l c i u m f l u o r i d (Flußspat) CaF 2 und Q u a r z s a n d Si0 2 konzentrierte S c h w e f e l s ä u r e einwirken läßt, wobei letztere zunächst Flußsäure in Freiheit setzt (CaF 2 + H 2 S 0 4 — ^ CaS0 4 + 2 HF) und dann als wasserentziehendes Mittel die obige Umsetzung (1) zwischen Si0 2 und H F begünstigt. Auch auf S i l i c a t e , d. h. die Salze der sich vom Anhydrid Si0 2 ableitenden Kieselsäuren, wirkt die Flußsäure unter Bildung von gasförmigem S i l i c i u m t e t r a f l u o r i d ein. Hierauf beruht einerseits die ä t z e n d e W i r k u n g der Flußsäure auf Glas (S. 98), andererseits die Entfernung von Silicium aus Silicaten durch „Abtauchen mit Flußsäure" zwecks nachfolgender a n a l y t i s c h e r B e s t i m m u n g der in den Silicaten enthaltenen Metalle.

Siliciumtetrafluorid ist ein farbloses, an feuchter Luft stark rauchendes Gas von stechendem und erstickendem Geru ch. Führt man es durch starke Abkühlung in den festen Zustand über, so sublimiert es beim Erwärmen unter 1 Atmosphäre Druck bei — 95.7°; unter 2 Atmosphären Druck schmilzt es vor dem Übergang in den gasförmigen Zustand bei — 77° zu einer Flüssigkeit, welche unter 181 cm Quecksilberdruck bei — 65° siedet. Als stark exotherme Verbindung*(s. oben) ist Siliciumtetrafluorid s e h r b e s t ä n d i g und bei Ausschluß von Feuchtigkeit recht r e a k t i o n s t r ä g e . Dagegen wird es in Umkehrung der Bildungsgleichung (1) von W a s s e r leicht unter Abscheidung gallertartiger. K i e s e l s ä u r e und Bildung von F l u ß s ä u r e hydrolytisch zersetzt, wobei sich die Flußsäure mit noch unverändertem Siliciumtetrafluorid zu „Hexafluorokieselsäure" H J S Í F R6JI v e r e i n i6 g t :

SiF 4 + 2HF

>- H 2 [SiF e ].

Wegen dieser — insgesamt durch die Gleichung 3SiF 4 + 2 H 2 0 — S i O ¡ ¡ + 2H 2 SiF„ wiederzugebenden — Zersetzung durch Wasser kann Siliciumtetrafluorid bei der Darstellung nicht über Wasser, sondern nur über Quecksilber aufgefangen werden.

323

Dae Silicium

Hexafluorokieselsäure H»[SiFe]. Die auf dem ebengenannten Wege durch Einwirkung von S i l i c i u m f l u o r i d auf W a s s e r — auch technisch — zugängliche H e x a f l u o r o k i e s e l s ä u r e H 2 [SiF e ] („Kieselfluorwasserstoffsäure") ist i n r e i n e m , w a s s e r f r e i e m Z u s t a n d e n i c h t b e k a n n t . Stellt man sie durch Einwirkung konzentrierter S c h w e f e l s ä u r e auf ihre S a l z e („H exafluorosilicate") wasserfrei dar: Ba[SiF e ] + H 2 S 0 4 — > BaS0 4 + H 2 [SiF e ], so erfolgt weitgehender Z e r f a l l unter Bildung von S i l i c i u m t e t r a f l u o r i d und F l u o r w a s s e r s t o f f (H a SiF 6 s-SiF 4 + 2 HF). In wässeriger Lösung treten dagegen keine merklichen Mengen freier Flußsäure auf, so daß die Lösung Glas nicht ätzt. Kühlt man konzentriertere Lösungen ab, so scheidet sich unter anderem ein D i h y d r a t der Fluorokieselsäure in Form farbloser harter Kristalle vom Schmelzpunkt 19° ab. Beim Eindampfen wässeriger Fluorokieselsäurelösungen entweicht sowohl S i l i c i u m t e t r a f l u o r i d als auch F l u o r w a s s e r s t o f f . Ist die Lösung 13.3%ig, so enthält der Dampf gerade 2 HF auf lSiF 4 , so daß die Fluorokieselsäure scheinbar unzersetzt destilliert. Bei größeren Konzentrationen geht mehr SiF 4 , bei kleineren mehr HF in den Dampf über. Dampft man daher eine k o n z e n t r i e r t e Fluorokieselsäurelösung ein, so reichert sich die zurückbleibende Lösung an F l u ß s ä u r e an und vermag daher Glas zu ätzen und Siliciumdioxid aufzulösen. Aus einer v e r d ü n n t e n Fluorokieselsäurelösung scheidet sich beim Eindampfen umgekehrt S i l i c i u m d i o x i d aus, da sich hier das S i l i c i u m t e t r a f l u o r i d anreichert, welches von Wasser hydrolysiert· wird.

Die Fluorokieselsäure ist eine s t a r k e S ä u r e , welche mit Hydroxiden oder Carbonaten unter Bildung von F l u o r o s i l i c a t e n Me¡[SiEe] reagiert. Die Fluorosilicate — die auch durch direkte Vereinigung der Komponenten zugänglich sind (SiF 4 + 2MeF > Me 2 [SiF 6 ] — sind meist wasserlöslich. Schwerlöslich sind die Fluorosilicate der A l k a l i m e t a l l e (außer Lithium) und das B a r i u m f l u o r o s i l i c a t . Die Fluorokieselsäure und ihre Salze sind g i f t i g und werden als bakterien- und insektentötende Mittel angewandt.

d) Sauerstoffverbindungen des Siliciums α) Siliciumdioxid Vorkommen. Das Siliciumdioxid ist in der Natur w e i t v e r b r e i t e t und findet sich hier sowohl in k r i s t a l l i s i e r t e r wie in a m o r p h e r Form. K r i s t a l l i s i e r t kommt es in drei verschiedenen Kristallarten vor: als „Quarz", als „Tridymit" und als „Cristobalit". Die häufigste Erscheinungsform ist dabei der Q u a r z . A b a r t e n des Quarzes sind ζ. B. „Bergkristall" (wasserklar), „Rauchquarz" (braun), „Amethyst" (violett), „Citrin" (gelb), „Morion" (schwarz), „Rosenquarz" (rosa). Schönkristallisierte Stücke hiervon dienen als S c h m u c k s t e i n e . Weiterhin findet sich Quarz als Gemengebestandteil zahlreicher G e s t e i n e (ζ. B. Granit, Gneis, Glimmerschiefer, Sandstein, Quarzsand). In a m o r p h e r F o r m kommt Siliciumdioxid w a s s e r h a l t i g als „Opal" und e r d i g als „Kieselgur" vor. Gealterte (wasserarmere) O p a l e sind der „Chalcedon" und seine Abarten {„Achat", „Onyx", „Karneol", „Chrysopras", „Heliotrop", „Jaspis", „Feuerstein"), die bereits k r i s t a l l i n e Struktur erkennen lassen und ebenfalls als S c h m u c k s t e i n e Verwendimg finden. K i e s e l g u r entstammt dem Kieselgehalt vorzeitlicher Infusorien (Aufgußtierchen) und Diatomeen (Kieselalgen) und wird daher ζ. B. auch „Infusorienerde" genannt. Physikalische Eigenschaften. Siliciumdioxid existiert in mehreren e n a n t i o t r o p e n M o d i f i k a t i o n e n . Die s t a b i l e n Modifikationen sind: tx-Quarz („Niederquarz"), ß-Quarz („Hochquarz"), ß-Tridymit und β-Cristobalit. Die Umwandlungspunkte hegen, wie Fig. 108 zeigt, bei folgenden Temperaturen: 575'

χ-Quarz •


870'

/?-Quarz

>

1470»

/3-Tridymit -
- 2MeOH), was man daran erkennen kann, daß sich mit Phenolphthalein versetztes Wasser dabei rot färbt. Ist durch häufigeres Auskochen erst einmal ein Teil des Alkalis aus der Oberfläche herausgelöst, so schützt die an Si0 2 und CaO reiche Oberflächenschicht das darunterliegende Glas vor der weiteren Einwirkung des Wassers. Daher pflegt man neue chemisohe Geräte zur Erhöhung der chemischen Widerstandsfähigkeit mit Wasser „auszudampfen". In gleicher Weise wie Wasser wirken S ä u r e n . Besonders stark werden Gläser von L a u g e n angegriffen, die das Siliciumdioxid des Glases herauslösen.

Bor-Tonerde-Gläser. Die W i d e r s t a n d s f ä h i g k e i t des Glases gegen W a s s e r , S ä u r e n und A l k a l i e n sowie gegen T e m p e r a t u r d i f f e r e n z e n wird stark erhöht, wenn man einen Teil des Siliciumdioxids durch B o r - und A l u m i n i u m o x i d ersetzt. Das Boroxid verringert vor allem den Ausdehnungskoeffizienten des Glases und damit dessen Empfindlichkeit gegen rasches Erhitzen und Abkühlen und macht das Glas widerstandsfähiger gegen Wasser und Säuren ; das Aluminiumoxid setzt die Sprödigkeit herab und vermindert die Gefahr des „Entglasens" (Kristallisierens). Ein sehr bekanntes Glas dieser Art ist das „Jenaer Glas" (74.5% Si0 2 , 8.5°/ 0 A1 2 0 3 , 4.6°/ 0 B 2 0 3 ; 7.7°/ 0 Na a O, 3.9°/ 0 BaO, 0 . 8 % CaO, 0.1°/ 0 MgO; Erweichungstemperatur 600—700° C). Es war usprüngHch für Geräte des c h e m i s c h e n L a b o r a t o r i u m s bestimmt, hat sich allmählich aber auch im H a u s h a l t für Geräte zum Kochen und Backen auf freiem Feuer eingebürgert. Ähnliche Zusammensetzungen und Eigenschaften haben „Pyrexglas", „Silexglas", „Resistaglas", „Duraxglas". Wichtig für den Chemiker ist noch das „Supremaxglas" (56.4°/ 0 Si0 2 , 20.1% A1 2 0 3 , 8.9% B 2 0 3 ; 8 . 7 % MgO, 4 . 8 % CaO, 0 . 6 % K 2 0 , 0.6% N a 2 0 ; Erweichungstemperatur oberhalb von 1000° C), welches sich für Verbrennungsrohre und sonstige chemische Geräte eignet, die hohen Temperaturen (bis 800°) ausgesetzt werden sollen. Kali-Blei-Gläser. Ersetzt man im Kali-Kalk-Glas das C a l c i u m o x i d durch Bleio x i d , so erhält man das leicht schmelzbare „Bleikristallglas". Es zeichnet sich durch starkes L i c h t b r e c h u n g s v e r m ö g e n und h o h e s s p e z i f i s c h e s G e w i c h t (3.5 bis 4.8) aus und wird gern für geschliffene Gebrauchs- und Luxusgegenstände verwendet. Ein anderes Kali-Blei-Glas ist das „Flintglas", das vor allem als o p t i s c h e s G l a s

Dae S licium

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(für Linsen, Prismen) Verwendung findet. Besonders bleireich und etwas borsäurehaltig ist der „Strass", der in seinem Lichtbrechungsvermögen dem D i a m a n t e n gleichkommt und daher zur N a c h a h m u n g von E d e l s t e i n e n dient. Spezialgläser. Durch entsprechende Variation der Bestandteile (ζ. B. durch Einführung von ZnO, Sb 2 0 3 , P 2 0 5 usw.) können Spezialgläser mit ganz bestimmten, für Spezialzwecke geeigneten Eigenschaften gewonnen werden. So enthält ζ. B. das „Uviolglas", das die ultravioletten Strahlen bis herab zur Wellenlänge 2530 Â hindurchgehen läßt, Bariumphosphat und Chromoxid. D a r s t e l l u n g und V e r a r b e i t u n g von G l ä s e r n Als Rohstoffe zur technischen Glasherstellung dienen: für das Siliciumdioxid S i 0 2 : Q u a r z s a n d ; für das Natriumoxid Na 2 0 : S o d a (Na 2 C0 3 — >• Na 2 0 + C0 2 ) oder — bei billigeren Glassorten — Gemische von N a t r i u m s u l f a t und K o h l e (Na 2 S0 4 + C —>Na 2 0 + S 0 2 + CO) ; für das Kaliumoxid K 2 0 : P o t t a s c h e (K 2 C0 3 — > K 2 0 + C0 2 ) ; für das Calciumoxid CaO: K r e i d e oder M a r m o r bzw. — bei weniger feinen Glassorten — K a l k s p a t oder K a l k s t e i n (CaC0 3 —>- CaO + C0 2 ) ; für das Bleioxid PbO : Mennige (Pb 3 0 4 —>- 3PbO + 1/202) ; fürdas Bortrioxid B 2 0 3 : c a l c i n i e r t e B o r s ä u r e oder B o r a x (Na 2 B 4 0 7 — ν 2 B 2 0 3 + Na 2 0) ; für das Aluminiumoxid A1 2 0 3 : K a o l i n (A1203 · 2SiO¡¡ · 2H 2 0) oder F e l d s p a t (Me 2 0 · A1203 · 6Si0 2 ). Die nach bestimmten Gewichtsverhältnissen zusammengesetzte Mischung der Rohstoffe („Glassatz") wird von Hand oder im Großbetrieb durch Mischmaschinen durchgemischt und dann in großen Schmelzgefäßen aus Ton („Glashäfen"), die je 400—800 kg fassen und von denen mehrere (bei größeren Anlagen ζ. B. 16) in einem „Hafenofen" erhitzt werden, oder in großen „Wannenöfen", die bis zu 300000 kg aufnehmen können, bei Temperaturen bis zu 1000° geschmolzen, und zwar erfolgt zunächst bei weniger hohen T e m p e r a t u r e n das „Gemengeschmelzen", bei dem schon eine Menge Gas (hauptsächlichKohlendioxid ; s. oben) ausgetrieben wird, und dann bei e r h ö h t e r Tem p e r a t u r das „Lauterschmelzen", bei welchem das Glas so dünnflüssig wird, daß die Gase völlig entweichen und das Glas blasenfrei zurückbleibt. Die „Läuterung" wird durch gasentwickelnde Stoffe (,,Läuterungsmittel") wie ζ. B. Flußspat (2CaF2 + Si0 2 —>2CaO + SiF 4 ) gefördert. Eine Schmelzung dauert 12—30 Stunden. Die Eigenschaft der Glasschmelze, beim Erkalten allmählich immer zäher zu werden, bis völliges Erstarren eingetreten ist, gestattet die Verarbeitung des Glases durch „Blasen" vor der mit der Lungenkraft des Bläsers betriebenen „Glasmacherpfeife" oder der mit Preßluft arbeitenden „pneumatischen Pfeife" (Weingläser, Vasen, Beleuchtungsartikel, Glasröhren, Fensterscheiben, Glühlampenkolben usw.), durch Auswalzen (Schaufensterscheiben) oder durch P r e s s e n in Formen (Teller, Schüsseln, Biergläser, Glasdachziegel, Flaschen, Konservengläser usw.). Eine nachträgliche B e a r b e i t u n g der festen Glasoberfläche kann auf m e c h a nischem Wege durch S c h l e i f e n („Rauhschleifen" mit Quarzsand, „Feinschleifen" mit Schmirgelpapier, „Polieren" mit Poliermitteln) und durch M a t t i e r e n mit dem Sandstrahlgebläse oder auf c h e m i s c h e m Wege durch Ätzen (mit Flußsäure) erfolgen. F ä r b u n g und T r ü b u n g von Gläsern Färbung. F ä r b u n g e n von Gläsern können durch M e t a l l o x i d e („Oxidfärbung") oder durch M e t a l l e („Anlauffärbung") hervorgerufen werden. Im ersteren Falle handelt es sich um e c h t e , im letzteren um k o l l o i d a l e L ö s u n g e n . So kann man ζ. B. beider O x i d f ä r b u n g erreichen : ein V i o l e t t durch Nickeloxid, ein B l a u v i o l e t t durch Manganoxid, ein B l a u durch Kobaltoxid, ein B l a u g r ü n durch Eisen(II)-oxid, ein Grün durch Chromoxid, ein G r ü n g e l b durch Eisen(III)oxid, ein Gelb durch Silberoxid, ein Orange durch Uranoxid, ein R o t durch

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Die Kohlenstoff gruppo

Kupfer(I)-oxid. Die schmutziggrüne Farbe der Bierflaschen ist beispielsweise auf vorhandenes Eisen(II)- und Eisen(III)-oxid zurückzuführen. Schwache, durch Verunreinigungen hervorgerufene nichterwünschte F ä r b u n g e n lassen sich bisweilen durch Zumischen von Oxiden, welche die K o m p l e m e n t ä r f a r b e liefern, wieder beseitigen. So kann man beispielsweise schwache E i s e n f ä r b u n g e n durch Zusatz von B r a u n s t e i n („Glasmacherseife") aufheben. Besonders künstlerische Färbungen rufen die Oxide verschiedener seltener E r d m e t a l l e hervor (S. 490). Die Anlauffärbung durch Metalle entsteht nicht wie die Oxidfärbung schon in der geschmolzenen Glasmasse, sondern erst bei nochmaligem halbstündigem Anwärmen des — farblosen — geblasenen Gegenstandes auf 450—500° („Anlaufen des Glases"). Bekannt ist die leuchtendrote, auf kolloidales Gold zurückzuführende Farbe des „Goldrubinglases" (S. 465). Ähnlich ist die Farbe des „Kupferrubinglases". Kolloidales Silber färbt gelb, kolloidales Selen rosarot. Trübung. Für manche Zwecke, z. B . für Beleuchtungsgegenstände, ist es erforderlich, das Glas zu t r ü b e n {„Milchglas", „Alabasterglas", „Opalglas", „Nebelglas"). Eine solche Trübung erreicht man dadurch, daß man kleine feste Teilchen in das Glas einlagert, welche eine andere Lichtbrechung als dieses aufweisen. Als Trübungsmittel eignen sich z . B . Caloiumphosphat Ca 3 (P0 4 ) 2 , Zinndioxid Sn0 2 und K r y o l i t h Ne, AIP,. Ein sehr wichtiges getrübtes Glas ist z.B. die „Emaille" (eingedeutscht: das „Email"), die zum Schutze („Blechemaille", „Gußemaille") oder zu Dekorationszwecken („Schmuckemaille") auf Metallen aufgeschmolzen wird. Besonders wichtig ist das „Emaillieren" von Eisen. Es erfolgt in der Weise, daß man die gut gereinigten Gegenstände durch Eintauchen oder Aufspritzen mit einem durch feines Vermählen eines Alkali-Borsäure-Tonerde-Glases mit Wasser hergestellten Brei überzieht und nach dem sorgfältigen Trocknen die pulverige Schicht in einem glühenden Emaillier-Muffelofen zu einem glänzenden Überzug zusammenschmilzt. Als Trübungsmittel wird meist Titanoder Zirkondioxid verwendet. Das Aufschmelzen muß in zwei S c h i c h t e n , einer „Grundglasur" und einer „Deckglasur" erfolgen. Die Grundglasur enthält „Haftoxide" (im wesentlichen CoO, NiO und Mo0 3 ), die infolge Bildung galvanischer Lokalelemente (S. 474) eine starke Korrosion des Eisens an der Verbindungsstelle und damit eine gute mechanische Verankerung der Emaille beim Einbrennen bewirken. ß) Tonwaren Unter Tonwaren oder keramischen Erzeugnissen versteht man technische Produkte, welche durch Glühen („Brennen") von Tonen (S. 330, 378), d. h. Aluminiumsilicaten hergestellt worden sind. Die wichtigsten Bestandteile natürlicher Tone sind Kaolinit [Al(OH)2]2 [Si 2 0 6 ] und MontmoriUonit [Al(OH)] [Si 2 0 s ]. Beide gehören der Gruppe der Silicate mit B l a t t s t r u k t u r an und leiten sich von der Kieselsäure H 2 Si 2 0 5 ab (S. 327, 328). Ein besonders wertvoller Ton ist der Kaolin („Porzellanerde"), der zur Hauptsache aus K a o l i n i t besteht und zur Herstellung von Porz ellan dient. Weniger rein sind die gewöhnlichen keramischen Tone, die zur Herstellung von Steinzeug, Steingut, Fayence und Majolika verwendet werden; sie enthalten neben der eigentlichen Tonsubstanz mehr oder weniger starke Verunreinigungen an Feldspat, Quarz, Glimmer, Eisenoxid, organischen Substanzen usw. Sind die Tone reich an E i s e n o x i d , so werden sie beim Brennen braun bis rot; aus ihnen stellt man das gewöhnliche Töpfergeschirr und die Terrakotten her. Ton, der außer durch Eisenoxid auch stark durch Sand verunreinigt ist, heißt Lehm·, er dient zur Herstellung von Ziegelsteinen und Dachziegeln. Ton allein ist zur Herstellung von Tonwaren noch nicht geeignet, da er beim Brennen zu stark „schwindet". Die Schwindung läßt sich durch Vermischung mit

Das Silicium

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„Magerungsmitteln" (ζ. Β. gebranntem Ton in Körner- und Pulverform, Sand, Quarzpulver) vermindern. Eine Erniedrigung der S i n t e r t e m p e r a t u r wird durch Zusatz von „Flußmitteln" (ζ. B. Kalk, Eisenoxid, Feldspat, Alkalien) erreicht. Die aus Ton gefertigten keramisohen Erzeugnisse lassen sich in zwei Hauptgruppen einteilen : in solche mit w a s s e r d u r c h l ä s s i g e m (porösem) und in solche mit wasserundurchlässigem (dichtem) „Scherben". Erstere bezeichnet man als „Tongut" („Irdengut"), letztere als „Tonzeug" („Sinterzeug"). Innerhalb jeder dieser beiden Hauptgruppen kann man dabei entsprechend dem Verwendungszweck unterscheiden zwischen Geschirr (Tonwaren mit geringer S c h e r b e n s t ä r k e ) und B a u s t o f f e n (dickwandigen Tonwaren). Tongut Baustoffe Unter den B a u s t o f f e n aus Tongut sind zu nennen: die nicht weiß brennenden Ziegelei-erzeugnisse (Mauerziegel, Hohlziegel, poröse Ziegel, Dachziegel usw.) und die weiß oder hellfarbig brennenden feuerfesten Erzeugnisse (Schamottesteine, Sillimanitsteine, Dinassteine usw.). Ziegelei-erzeugnisse. Zur Darstellung der Ziegelei-erzeugnisse, insbesondere der Mauerziegel, verwendet man als Rohmaterial L e h m , dem man, wenn er nicht schon genügend Sand enthält, solchen als Magerungsmittel beimengt. Die Mischimg wird unter Zusatz von etwas Wasser zu einem gleichmäßigen Teig („Ziegelgut") verarbeitet und dann durch einen mit einem viereckigen „Mundstück" versehenen eisernen Zylinder in Form eines Stranges herausgepreßt, aus dem durch eine Abschneidevorrichtung („Tonschneider") die Ziegel in der richtigen Größe (deutsches Maß: 2 5 χ 1 2 χ 6 . 5 cm) herausgeschnitten werden. Das Brennen dieser Formlinge erfolgt bei 900° im Ringofen (S. 407f.). Stark eisenoxidhaltiger Lehm ergibt dabei rote, kalkreicher Lehm gelbe Ziegel. Stärker gebrannte und daher dichtere und festere Ziegelsteine heißen „Klinker" (S. 345). Bei der Herstellung von Hohlziegeln und Dachziegeln werden entsprechend geformte Mundstücke verwendet. Besonders leiohte, poröse Ziegel erhält man durch Zumischen organischer Stoffe (ζ. B. von Sägespänen), welche beim Brennen zerstört werden und dabei Poren hinterlassen. Feuerfeste Erzeugnisse. Unter feuerfesten Erzeugnissen versteht man in der Keramik Stoffe, welche Temperaturen bis zu etwa 1700° ohne Deformation ertragen. Stoffe, die auch darüber hinaus noch beständig sind, heißen hochfeuerfest. Zu den gebräuchlichsten feuerfesten Baustoffen gehören die „Schamottesteine". Man erhält sie durch Brennen einer Mischung von rohem, plastischem Ton („Bindeton") und stark gebranntem, grobkörnig zerkleinertem, feuerfestem Ton („Schamotte") bei 1450°. Der Tonerdegehalt geht nicht über die Zusammensetzung A1203 · 2 SiOa (46°/0 A1 2 0, + 54°/ 0 SiOj) hinaus; der Erweichungspunkt liegt meist bei 1700—1750°. Verwendung finden die Schamottesteine vor allem zur Auskleidung von Feuerungen (S. 472, 532), Hochöfen (S. 527) und Winderhitzern (S. 528). Durch Vermehrung des T o n e r d e g e h a l t e s über die Zusammensetzimg Al2Os · 2SiOa hinaus kann man die Erweichungstemperatur der Schamottesteine weiter erhöhen. So erweichen ζ. B. die durch Brennen natürlicher Aluminiumsilicate der Zusammensetzung A1203 · Si0 2 (ζ. B. Sillimanit, Cyanit, Andalusit) bei hoher Temperatur (Bildung von Mullit 3A120S · 2Si0 2 ) gewonnenen „Sillimanitsteine" („Mullitsteine") erst bei 1850° und die noch tonerdereicheren, durch Brennen von geschmolzener Tonerde mit 10°/0 Ton als Bindemittel erzeugten und als Futter für Zement-Drehrohröfen (S. 414) dienenden „Dynamidonsteine" erst bei 1900°.

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Die Kohlensloffgruppe

Umgekehrt nimmt, durch Zusatz von Quarz („Quarzschamottesteine") die Erweichbarkeit zu. Besonders großen Siliciumdioxidgehalt haben die „Dinassteine". So enthalten die ,,Ton-Dinassteine", welche bei 1350° zu erweichen beginnen und oberhalb von 1650° schmelzen, 80—83°/ 0 Si0 2 und 15—17% A1203. Sie entstehen beim Brennen eines Gemisches von Quarzsand und Ton und werden unter anderem als säurefeste Steine für GLOVER- und GAY-LussAC-Türme (S. 208) verwendet. Noch kieselsäurereicher (96—98°/0 Si0 2 ) sind die „Kalk-Dinassteine", bei denen der Quarz durch 1—2% Kalk gebunden ist. Sie sind feuerfester (Schmelzpunkt 1700—1750°) als die Ton-Dinassteine und dienen unter anderem zur Auskleidung von BESSEMER-Birnen (S. 530f.) und SiEMENs-MARTIN-öfen (S. 532).

In diesem Zusammenbang seien auch noch die feuerfesten und hochfeuerfesten Stoffe genannt, welche keine A lumi niumsil i c a t e sind, sondern auf anderer Basis beruhen. Hierzu gehören z. B. Oxide und Mischoxide des Magnesiums, Calci ums , Chroms und Eisens. So erhält man z. B. durch Glühen eines Gemisches von totgebrannter und schwachgebrannter Magnesia MgO bei 1000° die erst oberhalb 1800° erweichenden „Magnesiasteine", welche in SiEMENS-MARTiN-öfen (S. 532), Elektrostahlöfen (S. 532f.) und Konvertern (S. 450, 530 f.) Verwendung finden. Die gebrannte Magnesia wird dabei aus Magnesit MgC03 gewonnen, und zwar eignen sich dazu nicht die r e i n e n , sondern die e i s e n o x i d h a l t i g e n Magnesite, da der Eisenoxidgehalt die Sintertemperatur (reinesMagnesiumoxid schmilzt erst bei 2800°) herabsetzt. Andere magnesiumoxidhaltige Steine sind die beim Brennen von Dolomit MgCO, · CaCO, entstehenden und zur Auskleidung von THOMAS-Birnen (S. 530f.) dienenden „Dolomitsteine" MgO · CaO und die aus Magnesiumsilicaten gewonnenen „Forsteritsteine" 2MgO · Si0 2 . Durch Brennen von Chromeisenstein Cr 2 0 3 · FeO erhält man die „Chrom.itste.ine". Weitere wichtige hochfeuerfeste Stoffe sind Graphit C („Kohlenstoff steine") und Siliciumcarbid SiC („Karborundsieine"). Über hochfeuerfeste chemische L a b o r a t o r i u m s g e r ä t o vgl. S. 405.

Gesohirr Zu dem aus Tongut bestehenden G e s c h i r r gehören die nicht weiß brennenden T ö p f e r e i - e r z e u g n i s s e (Blumentöpfe, irdenes Haushaltsgeschirr, Majolika, Fayence, Ofenkacheln usw.) und das weiß brennende S t e i n g u t . Töpferei-erzeugnisse. Zur Herstellung des gemeinen T ö p f e r g e s c h i r r s verwendet man gewöhnlichen Töpferton, welcher leicht schmelzbar ist und daher nur bei niedriger Temperatur (900°) gebrannt werden darf. Die F o r m g e b u n g erfolgt auf der T ö p f e r Scheibe. Da die gebrannte Masse („Scherben") wegen der niedrigen Brenntemperatur nicht dicht, sondern porös ist, muß das Geschirr für die meisten Gebrauchszwecke mit einer G l a s u r versehen werden. Dies geschieht durch Eintauchen der getrockneten Formlinge in eine Bleiglasurmischung, welche beim Brennen ein Bleiglas (S. 340f.) ergibt. Blumentöpfe bleiben unglasiert. Kochtöpfe, die über freiem Feuer benutzt werden sollen, bestehen aus besserem, d. h. feuerfesterem Ton und werden bei höherer Temperatur (1100°) gebrannt. Die Glasur wird meist durch zugesetzte Metalloxide gefärbt. So enthält beispielsweise die bekannte kastanienbraune Glasur Eisenoxid und Braunstein als Färbungsmittel. M a j o l i k a und F a y e n c e werden zum Unterschied vom gewöhnlichen Töpfergeschirr nicht in einem Feuer, sondern zweimal gebrannt. Als Ausgangsmaterial dient hier ein stark c a l c i u m c a r b o n a t h a l t i g e r Ton. Der hohe Kalkgehalt (30—35% CaC0 3 ) vermindert die Trocken- und Brennschwindung und ermöglicht so ein rissefreies Haften der Schmelzglasur. Zur F o r m g e b u n g verwendet man meist G i p s f o r m e n . Die getrockneten Formlinge werden zunächst bei 900 bis 1000° v o r g e b r a n n t („geschrüht") und dann nach Aufbringen des Glasurgemisches (einer wässerigen Aufschlämmung von feingemahlenem und durch Zusatz von Zinndioxyd weiß und undurchsichtig gemachtem Bleiglas) bei 900° f e r t i g g e b r a n n t (,,glattgebrannt"). In ähnlicher Weise werden die O f e n k a c h e l n gewonnen. Statt durch Schmelzglasur kann die weiße Oberfläche solcher Waren auch dadurch erzielt werden, daß man sie mit einer dünnen, weißen Tonschicht und dann mit einer zinn-

Das Silicium

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dioxidfreien und daher d u r c h s i c h t i g e n Bleiglasur überzieht·. Nimmt man statt des Zinndioxids andere Metalloxide, so entstehen f a r b i g e Bleiglasuren. Steingut. Als Ausgangsmaterial zur Gewinnung von S t e i n g u t dient ein feuerfester, eisenoxidarmer und daher fast weiß brennender „Steingui-Ton", der mit S i l i c i u m d i o x i d (für besseres Steingut: Quarz; für weniger gutes Steingut: Sand) und — zur Erzielung eines weißen Scherbens — mit geschlämmtem K a o l i n vermischt wird, Je nach der Art des verwendeten Flußmittels ( K a l k s p a t oder F e l d s p a t ) erhält man beim anschließenden Brennen entweder leichteres und weicheres ,,Kalk-Steingut" oder schwereres und härteres „Feldspat-Steingut" („Hart-Steingut", „Halbporzellan"). Wie die vorher betrachteten Töpferei-erzeugnisse werden auch die Steingut-Form linge z w e i m a l gebrannt, zuerst u n g l a s i e r t im ,,Rohbrand" (,,Biskuitbrand") bei h o h e r T e m p e r a t u r (Kalk - Steingut : 1100—1200°; Feldspat-Steingut: 1200—1300°), dann g l a s i e r t im „Glattbrand" („Glasurbrand") bei n i e d r i g e r e r T e m p e r a t u r (900 bis 1000°). Beim R o h b r a n d werden die Formlinge auf- und ineinander gesetzt. Beim G l a t t b r a n d müssen sie durch T o n s t i f t e voneinander getrennt werden, damit die schmelzende Glasur die Gegenstände nicht aneinanderklebt ; an den Aufliegestellen dieser Tonstützen zeigt das Steingutgeschirr später „Narben" (zum Unterschied vom Porzellan). Als B r e n n ö f e n dienen zweckmäßig „Tunnelöfen" von 65—80 m Länge, durch die das „Brenngut" in Kapseln aus feuerfester Schamotte auf Wagen in 20 bis 80 Stunden hindurchgezogen wird. S p ü l b e c k e n , B a d e w a n n e n , W a s c h t i s c h e , K l o s e t t s c h ü s s c l n u s w . bestehen aus Feldspat-Steingut. Die farbige Verzierung von G e b r a u c h s g e s c h i r r erfolgt meist durch „Unterglasurmalerei", indem man die Farben auf den rohgebrannten Scherben aufbringt und diesen nach dem Glasieren glattbrennt. Beispiele für u n g l a s i e r t e s Stein gut sind: T o n z e l l e n , T o n f i l t e r , D i a p h r a g m e n , T o n p f e i f e n . Tonzeug Das T o n z e u g weist zum Unterschied vom Tongut nicht einen porösen, sondern einen d i c h t e n S c h e r b e n auf, da es beim Brennen s t ä r k e r e r h i t z t wird als das Tongut. Je nachdem ob der Scherben nicht durchscheinend oder durchscheinend ist, unterscheidet man Steinzeug und Porzellan. Steinzeug Die R o h m a t e r i a l i e n zur Herstellung von S t e i n z e u g sind die gleichen wie beim S t e i n g u t , nur ist im allgemeinen der Feldspatgehalt der Ausgangsmasse größer als dort. Gebrannt wird wie beim Steingut z w e i m a l , wobei Temperaturen bis zu 1450° angewendet werden. Die gewöhnlichen Steinzeug-Gegenstände erhalten meist nur eine „Salzglasur", indem man einfach in das Brenngewölbe K o c h s a l z einstreut; das Natriumchlorid setzt sich dann bei der hohen Brenntemperatur mit Wasserdampf zu Chlorwasserstoff und N a t r i u m o x i d um, welches mit den Silicaten des Scherbens einen dünnen Überzug von N a t r i u m - a l u m i n i u m - S i l i c a t bildet. Feineres Steinzeug wird mit einer „Feldspatglasur" überzogen. Unter den aus Steinzeug hergestellten Baustoffen seien genannt: Klinker, Fliesen, Kanalisationsrohre usw. Die K l i n k e r dienen wegen ihrer großen Festigkeit und Härte für Pflaster, Wasserbauten, Pfeiler usw., sowie wegen ihrer Säurebeständigkeit für säurefeste Ausmauerungen in GLOVER- und GAY-LUSSAC-Türmen (S. 208). Unter den F l i e s e n sind die „Mettlacher Platten" besonders bekannt. Die K a n a l i s a t i o n s r o h r e werden auf Strangpressen stehend gepreßt. Zum Geschirr aus Steinzeug gehören S p ü l w a n n e n , V i e h t r ö g e , c h e m i s c h e G e r ä t e t e i l e (säure- und alkalifeste Gefäße, Turills, Kühlschlangen, Druckfässer,

346

Die Kohlenetoffgruppe

Chlorentwickler usw.), H a u s h a l t s g e g e n s t ä n d e (Trinkkrüge, Einmachtöpfe usw.), F e i n t e r r a k o t t e n (Vasen, Schalen, Kunstgegenstände usw.). Das bekannte graue, blau bemalte a l t d e u t s c h e G e s c h i r r ist ζ. B. ein Steinzeuggeschirr. Porzellan Die R o h m a t e r i a l i e n für die Herstellung von Porzellan sind: K a o l i n (Tonsubstanz), Q u a r z (Magerungsmittel) und F e l d s p a t (Flußmittel). Verwendet man einen g r ö ß e r e n Gehalt an K a o l i n und einen g e r i n g e r e n an Q u a r z und F e l d s p a t ( ~ 50% Kaolin, ~ 25% Quarz, ~ 25% Feldspat), so erhält man beim Brennen das „Hartporzellan". Bei V e r r i n g e r u n g des T o n - und V e r m e h r u n g des Q u a r z - und Feldspatgehaltes 25%Kaolin, ~ 45% Quarz, ~ 30%Feldspat) entsteht „Weichporzellan". Infolge des größeren Flußmittelgehaltes kann das W e i c h p o r z e l l a n bei n i e d r i g e r e r Temperatur (1200—1300°) gebrannt werden als das H a r t p o r z e l l a n (1400—1500°). Die niedrigere Brenntemperatur bedingt ihrerseits eine wesentlich g r ö ß e r e V e r z i e r u n g s f ä h i g k e i t d e s W e i c h p o r z e l l a n s gegenüber dem Hartporzellan, da die meisten Porzellanfarben zwar die Brenntemperatur des Weich-, nicht aber die des Hartporzellans aushalten. Dementsprechend bestehen die farbenprächtigen Porzellan-Kunstgegenstände aus Weichporzellan. Hartporzellan. Zur Herstellung des H a r t p o r z e l l a n s werden die — ausgesucht reinen — Rohmaterialien miteinander naß vermählen und die breiige Masse in Filterpressen abgepreßt und mechanisch durchgeknetet. Die Formgebung erfolgt entweder auf der Drehscheibe oder durch Gießen ; im letzteren Falle muß die Masse durch Zusatz von etwas Soda in einen gießfähigen Zustand übergeführt werden. Die geformten oder gegossenen Gegenstände werden in warmen Räumen getrocknet und nach Beseitigung eventueller Nahtstellen und Anbringung von Henkeln, Verzierungen usw. bei rund 900° „rohgebrannt" („verglüht"). Hierauf überzieht man den gewonnenen porösen Scherben durch Eintauchen in einen dünnflüssigen Glasurbrei (wässerige Suspension von Feldspat, Marmor, Quarz und Kaolin) mit einer dünnen G l a s u r s c h i c h t und brennt die Gegenstände in einem zweiten, wesentlich stärkeren Feuer (1400 bis 1500°) fertig („Garbrand", „Glattbrand"), wobei sie d i c h t und d u r c h s c h e i n e n d werden. Das fertige Porzellan besteht aus einer g l a s i g e n G r u n d m a s s e , die von feinsten, miteinander verfilzten M u l l i t k r i s t ä l l o h e n (3A1 2 0„ • 2SiO¡¡) sowie von ungelöst gebliebenem Q u a r z und winzigen L u f t b l ä s c h e n durchsetzt ist. Die glasige Grundmasse entsteht dadurch, daß der Feldspat bei 1 1 0 0 — 1 2 0 0 ° glasig erweicht und zunächst die Bestandteile des Kaolins (AlgO, + S i 0 2 ) und dann auch den grobkristallinen Quarz auflöst. Feldspat Verflüssigung und Quarzauflösung bedingen dabei das Durchscheinendwerden des Scherbens. Bei höherer Temperatur (1400°) nimmt die Transparenz bei längerer Brenndauer infolge des „Gosens" des Feldspats wieder etwas ab.

Die f a r b i g e V e r z i e r u n g des Hartporzellans kann durch , , S c h a r f f e u e r f a r b e n " oder durch „Muffelfeuerfarben" erfolgen. Bei der S c h a r f f e u e r v e r z i e r u n g werden die Farben entweder auf den f e r t i g g l a s i e r t e n und gebrannten Gegenstand aufgebracht und im Scharffeuer e i n g e b r a n n t ( „ A u f g l a s u r - S c h a r f f e u e r f a r b e n " ) oder auf den vorgebrannten u n g l a s i e r t e n Scherben aufgetragen und nach Überziehen mit der Glasurmischung s c h a r f g e b r a n n t („Unterglasur-Scharffeuerfarben"). Wegen der hohen Brenntemperatur des Hartporzellans halten nur verhältnismäßig wenige Metalloxide diesem Scharffeuerverfahren stand. Dazu gehören vor allem das Kobaltoxid und das THÉNARDS-Blau (S. 539) für Blau („Zwiebelmuster"), das Chromoxid für Grün, das Eisenoxid für Braun und das Uranoxid für Schwarz. Die M u f f e l f e u e r f a r b e n bestehen aus einem Gemisch von feinverriebenem B l e i g l a s und feingemahlenem F a r b k ö r p e r (Metalloxid oder Metall), das mit T e r p e n t i n ö l angerührt und mit dem Pinsel oder als Abziehbild auf das g l a s i e r t e P o r z e l l a n aufgetragen wird. Das E i n -

Das Geimuniurti

347

b r e n n e n erfolgt bei 6 0 0 — 9 0 0 ° in Muffelöfen. Wegen der niedrigen Brenntemperatur ist die Auswahl an Muffelfeuerfarben wesentlich größer als die an Scharffeuerfarben. Die Muffelfeuerfarben liegen aber zum Unterschied von den Scharffeuerfarben nur oberflächlich auf der Glasur und sind daher leichter abnutzbar. Weichporzellan. Zum W e i c h p o r z e l l a n gehören das c h i n e s i s c h e und das j a p a n i s c h e P o r z e l l a n und ihre europäischen N a c h b i l d u n g e n : das dem c h i n e s i s c h e n Porzellan entsprechende französische „SkvRES-Porzellan" (40°/ O Tonsubstanz, 2 4 % Quarz, 3 6 ° / 0 Feldspat) und das dem j a p a n i s c h e n Porzellan nachgebildete deutsche „SEGER-Porzellan" (25°/„ Tonsubstanz, 4 5 % Quarz, 3 0 % Feldspat). Das SEGER· P o r z e l l a n bildet heute das Vorbild für alle neueren Weichporzellane. γ ) Zement Darstellung und Eigenschaften des Z e m e n t s , eines calciumaluminat- und calciumferrithaltigen C a l c i u m s i l i c a t s (empirische Zusammensetzung des „Portlandzements" ζ. B.: [3CaO · S i 0 2 ] + 3 [2CaO · Si0 2 ] + [3CaO · Al 2 O s ]) werden später (S. 414f.), im Zusammenhang mit der Besprechung des K a l k m ö r t e l s , behandelt werden.

4. Das Germanium a) Elementares Germanium Vorkommen; Entdeckung. Germanium kommt in der Natur in Form sehr seltener Mineralien, wie A rgyrodit, 4Ag 2 S · GeS 2 , und Germanit, einem Kupfer-eisen-thiogermanat 3CU8S · FeS · 2GeS t , vor. Entdeckt wurde es im Jahre 1886 von dem deutschen Chemiker CLEMENS W I N K L E R (1838—1904). Diesem war bei der Analyse eines bei Freiberg in Sachsen aufgefundenen neuen silberSilber 74.72% reichen Minerals (Argyrodit) aufgefallen, daß die Summe der BiserT^ ^ο'ββ"/" darin gefundenen Bestandteile (vgl. nebenstehende Tabelle) Quecksilber 0 31% stets einen F e h l b e t r a g von 7 % ergab, ohne daß sich bei Zink 0.22% planmäßiger Suche ein noch in Frage kommendes Element Summe 93.04% nachweisen ließ. Die eingehende Nachprüfung dieses überraschenden Ergebnisses führte dann zur Erkenntnis, daß das Mineral ein bis dahin η och un b e k a n n t e s E l e m e n t enthielt, dem W i NK LER wegen seines deutschen Vorkommens den Namen Germanium gab. Die chemischen und physikalischen Eigenschaften des Elements zeigten, daß im Germanium das von MENDELEJEFF (S. 66) im Jahre 1871 vorausgesagte „Eka-Silicium" vorlag. Damit war aber die Entdeckung von großer Tragweite, da MENDELEJEFF das Eka-Silicium als Musterbeispiel für die Leistungsfähigkeit seines P e r i o d e n s y s t e m s der E l e m e n t e (vgl. S. 68f.) herausgestellt hatte 1 . Die glänzende Übereinstimmung zwischen vorausgesagten und wirklich gefundenen Eigenschaften geht aus der nachstehenden Tabelle (S. 348) hervor. Darstellung. Zur Darstellung des Germaniums dient der Germanit. Der Aufschluß dieses Minerals kann z . B . mit S a l p e t e r s ä u r e - S c h w e f e l s ä u r e - G e m i s c h erfolgen, wobei sich das Germanium als D i o x i d Ge0 2 abscheidet, das sich durch W a s s e r s t o f f leicht zum M e t a l l reduzieren läßt. Die R e i n i g u n g des Dioxids vor der Reduktion erfolgt zweckmäßig durch Lösen in starker S a l z s ä u r e (Ge0 2 -f- 4HCl K > GeC]4 + 2H 2 0), wiederholte D e s t i l l a t i o n des so entstehenden flüssigenTetrachlorids und an1 D i e anderen von MENDELEJEFF 1871 vorausgesagten E l e m e n t e waren „Eka-Bor" (= Scandium; gefunden 1879 von dem Schweden NILSON) und „Eka-Aluminium" (= Gallium; gefun-

den 1875 von dem Franzosen LECOQ DE BOISBAUDRAN).

348

Die Kohlenstoffgruppe V o r a u s g e s a g t e und g e f u n d e n e E i g e n s c h a f t e n des

Germaniums

Eka-Silioium Atomgewicht Spezifisches Gewicht Atomvolumen (com) Formel des Oxids Spezifisches Gewicht des Oxids Formel des Chlorids Spezifisches Gewicht des Chlorids Siedepunkt des Chlorids Formel der Äthylverbindung Spezifisches Gewicht der Äthylverbindung Siedepunkt der Äthylverbindung Sulfid Oxid Fluorid

..

72 S.5 13 Es02 4.7 ESCJ4 1.9 57-100° Es(C 2 H^ 4 0.96 160° Ammoniumsulfid

Ist in löslich Hat überwiegend sauren Charakter und ist leicht reduzierbar Bildet ein Kaliumsalz K2[EsFe], das leichter löslich als K 2 [SiF„] ist

Germanium 72.6 5.35 13.G GcOj 4.70 GeCl4 1.88 83° Ge(C 2 TV 4 0.99 163° bestätigt bestätigt bestätigt

schließende H y d r o l y s e der Verbindung (Umkehrung der vorhergehenden Bildungsgleichung). Physikalische Eigenschaften. Modifikationen. Germanium ist ein grauweißes, im Diamantgitter (Ge—Ge-Abstand: 2.40 Â) in Form von Oktaedern ausgezeichnet kristallisierendes, sehr sprödes Metall vom spezifischen Gewicht 5.35 (20°), Schmelzpunkt 958.5° und Siedepunkt 2700°. Durch Abschrecken einer Germaniumschmelze oder durch Aufdampfen von Germanium auf gekühlte Flächen erhält man „amorphes Germanium". In diesem ist im allgemeinen jedes Germaniumatom wie in der kristallisierten Phase von vier anderen tetraedrisch umgeben, jedoch ist die Verknüpfung dieser Tetraeder eine u n r e g e l m ä ß i g e . Da sich nur in einem geordneten Gitter alle Valenzen gegenseitig absättigen können, sind in der amorphen Phase f r e i e V a l e n z e n vorhanden. Die amorphe Phase ist dementsprechend nur beständig, wenn diese Valenzen durch S a u e r s t o f f oder a n d e r e A t o m e abgesättigt sind. Eine abgeschreckte, glasig erstarrte Schmelze e x t r e m g e r e i n i g t e n Germaniums dagegen ist instabil und wandelt sich nach einiger Zeit plötzlich unter starker Wärmeentwicklung in kristallisiertes Germanium um (vgl. explosives Antimon, S. 284). In der S c h m e l z e ist ein Netzwerk nicht mehr beständig. Hier umgibt sich jedes Germaniumatom im Mittel mit 8 anderen Atomen. Das Germanium wird unter dem Einfluß dieser Zwangslage metallähnlicher, da für Metalle, sowohl in der festen kristallisierten Form wie in der Schmelze, eine hohe Koordinationszahl charakteristisch ist. Der Ge—Ge-Abstand ist gegenüber dem kristallisierten Zustand ein wenig, von 2.40 auf 2.70 Â aufgeweitet. Trotzdem bedingt die höhere Koordinationszahl in der Schmelze eine bessere Raumerfüllung als in der diamantartigen, sperrig aufgebauten (vgl. S. 328, 330) Form. Das Germanium dehnt sich daher wie das Wasser beim Erstarren aus (vgl. S. 251). Elektrische Eigenschaften. Das kristallisierte Germanium leitet den elektrischen Strom. Die Stromleitung kommt dadurch zustande, daß von einem Bindungselektronenpaar, welches zwei Germaniumatome im Diamantgitter verknüpft, ein Elektron abdissoziiert. Dieses ist dann im Gitter so lange frei beweglich, bis es sich mit dem Einzelelektron einer anderen positiv geladenen Störstelle vereinigt („Elektronenüber-

Das Germanium

349

schuß-Leitung", „n-Leitung" [Transport negativer Ladung]), während die Störstelle durch Aufnahme eines Elektrons aus einem benachbarten Elektronenpaar neutralisiert wird, wodurch eine neue, sich analog verhaltende positive Störstelle entsteht („Elektronendefekt-Leitung", „p-Leitung" [Transport positiver Ladung]): Ge Ge

Ge Ge +e~

Ge: G e: Ge : Ge Ge Ge

—>

Ge: Ge^Ge: Ge Ge Ge

+e~ Ge Ge —>•

Ge: Ge: Ge^Ge Ge Ge

Die Leitfähigkeit nimmt im Gegensatz zur metallischen Leitfähigkeit mit steigender Temperatur extrem stark zu, da die Dissoziationsenergie der Spaltreaktion Ge : Ge Ge t Ge + e~ 17 kcal/Mol beträgt und der Dissozitationsvorgang daher bei tiefen Temperaturen nur selten eintritt, bei höheren Temperaturen dagegen sehr häufig ist. Die elektrische Leitfähigkeit des reinen Siliciume ist in gleicher Weise zu erklären. Die Dissoziationsenergie der Elektronenabspaltung (Si : Si-»· Si 1" Si + e~) beträgt in diesem Falle 28 kcal/Mol, ist also wesentlich höher als beim Germanium. Daher ist der Dissoziationsvorgang und damit die elektrische Leitfähigkeit erst bei höheren Temperaturen zu beobachten. Beim Diamanten erfordert der Dissoziationsvorgang bereits so viel Energie, daß diese thermisch bei den zugänglichen Temperaturen nicht mehr aufgebracht wird. Bestrahlt man aber einen Diamanten mit Röntgendicht, so wird er elektrisch leitend, da ein Röntgenstrahl wesentlich mehr Energie liefert (vgl. S. 84f.), als zur Dissoziation erforderlich ist.

Germanium bildet wie das Silicium in gewissem Ausmaß M i s c h k r i s t a l l e mit den Nachbarelementen im Periodensystem (z.B. mit P h o s p h o r oder A r s e n , die fünf, bzw. mit A l u m i n i u m oder G a l l i u m , die drei statt vier Elektronen je Atom aufweisen). Dadurch werden in größerer Anzahl freie Elektronen (I) bzw. Elektronendefektsteilen (II) geschaffen, die zur Erhöhung der Leitfähigkeit beitragen: +e_Ge Ge

Ge Ge +e~ Ge : Ge : Ρ : Ge Ge Ge Ge Ge

-- ->

Ge:Ge:P:Ge

(!)

Ge Ge Ge Ge

Ge/Äl-Ge: Ge —->• Ge:Al:Ge*Ge Ge Ge Ge Ge

(II)

Dadurch wird das Germanium entweder ein Ü b e r s c h u ß - oder ein D e f e k t l e i t e r . Die Zahl der freien Elektronen bzw. Elektronendefektstellen ist praktisch nur von der Konzentration der eingebauten Fremdatome und nicht von der Temperatur abhängig. Die elektrische Leitfähigkeit zeigt daher nur mehr eine geringe Temperaturabhängigkeit, die sich in bestimmten Temperaturgebieten sogar wie bei Metallen in einer schwachen Abnahme der elektrischen Leitfähigkeit mit steigender Temperatur äußern kann. Stoffe, bei denen die elektrische Leitfähigkeit durch Störstellen zustande kommt, werden ganz allgemein ,,Halbleiter" genannt. Hexagonales S e l e n und T e l l u r sind typische Halbleiter. Gleiches gilt vom kristallisierten (monoklinen) Bor. Chemische Eigenschaften. Bei gewöhnlicher Temperatur hält sich kompaktes Germanium an der L u f t unverändert. Oberhalb Rotglut verbrennt es unter Bildung weißer Dämpfe zu Germaniumdioxid G e 0 2 . In n i c h t o x y d i e r e n d e n S ä u r e n , wie Salzsäure, ist Germanium u n l ö s l i c h ; von o x y d i e r e n d e n S ä u r e n , wie Salpetersäure, wird es in das D i o x i d übergeführt. V e r d ü n n t e K a l i l a u g e greift es kaum an.

350

Die Kohlenstoffgruppe

Germanium tritt zwei- und vierwertig auf. Die Germaniuni(II)-Verbindungen sind recht unbeständig und werden leicht zu den beständigeren Germanium (IV)Verbindungen oxydiert. b ) Germanium(IV)-Verbindungen Gerinaniumwasserstot'fe. Die Wasserstoffverbindungen des Germaniums werden zweckmäßig durch Einwirkung von Bromwasserstoff auf Magnesiumgermanid in flüssigem Ammoniak1 bei —40° gewonnen: GeMg2 + 4HBr >- GeH4 + 2MgBr2. Die Ausbeute an Reinprodukt beträgt 1/3 der Theorie. Neben GeH, („Monogermem") als dem Hauptprodukt der Umsetzung entstehen auch „Digerman" Ge2H(j (1 Mol auf 5—6 Mol GeH4) und geringe Mengen „Trigerman" Ge3H8, „Tetragerman" Ge4H10 und „Pentagerman" Ge6H12. Reines Monogerman ist mit 30%iger Ausbeute durch Umsetzung von Germaniumtetrachlorid mit Lithium alanat in ätherischer Lösung gewinnbar: GeCl4 + LiAlH„ >- GeH4 + LiAlCl4. Monogerman ist gasförmig (GeH4: Smp. —165.9°, Sdp. —88.4°; GeD 4 : Smp. —166.2°, Sdp. —89.2°) und bis 285° beständig; Digerman (Ge 2 H e : Smp.—109°, Sdp. + 2 9 ° Ge2De: Smp. —107.9°, Sdp. + 28.4°), Trigerman (Ge3H8 : Smp. —105.6°, Sdp. + 110.5° Ge 3 D 8 : Smp. —100.3°, Sdp. + 110.5°) und die höheren Germane (Ge 4 H 10 :Sdp. +176.9° Ge 6 H 12 : Sdp. +234°) stellen farblose, leichtbewegliche bis ölige Flüssigkeiten dar. Ihre Formeln entsprechen denen der einfachsten gesättigten Kohlenwasserstoffe (Methan CH4, Äthan C2He, Propan C3H8, usw. ; S. 301). Durch Hydrolyse von CaGe und NaGe sind noch zwei feste „ungesättigte" Wasserstoffverbindungen der Zusammensetzung (GeH2)x („Poly-germaniumdihydrid", „Polygermen", gelb) und (GeH)x („Poly-germaniummonohydrid", „Polygermin", dunkelbraun) gewinnbar, die zum Unterschied von den entsprechenden Kohlenwasserstoffen gleicher Bruttozusammensetzung (Äthylen CH 2 =CH 2 und Acetylen CH=CH) und in Übereinstimmung mit der Doppelbindungsregel (S. 187, 268) hochmolekular sind und wahrscheinlich die Strukturen 1 I Ge Ge lie \H/H\H/H\H/H\H/ Ge Ge Ge Ge H H H H l i l i Ge Ge Ge Ge Ge Ge Ge Ge /Η\Η/Η\Η/Η\Η/Η\ und /H\H/H\H/H\H/H\ Ge Ge Ge Ge Ge Ge Η Η Η I I I Ge Ge Ge /H\H/H\H/H\ Ge Ge besitzen. I I Germanium(IV)-halogenide. Die Germanium(IV)-halogenide lassen sich durch Umsetzung von Germanium und Halogen: Ge + 2 X2 GeX4 oder durch Umsetzung von Germaniumdioxid mit konzentrierter Halogenwasserstoffsäure darstellen: Ge02 + 4HX — ^ GeX4 + 2H 2 0. Germanium(IV)-fluorid GeF 4 , das aus wässerigen Lösungen als farbloses Hydiat GeF4 · 3H 2 0 kristallisiert, ist ein farbloses, sich bei —36.6° zu einer weißen, flockigen Masse (Smp. —lß° unter Druck) verdiohtendes Gas. Aus einer mit Kaliumfluorid ver1 Der Bromwasserstoff wird dem flüssigen Ammoniak in Form von Ammoniumbromid NH4Br („NHg-HBr") zugesetzt.

Daa Zinn

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setzten Germanium(IV)-fluorid-lösung kristallisiert farbloses Kalium-hexafluoro-germanat K 8 [GeF e ] aus. Germanium{IV)-chlorid GeCl4 ist eine farblose, bei—19.5° erstarrende und bei +86.5° siedende Flüssigkeit, die durch Wasser langsam unter Bildung von wasserhaltigem Germaniumdioxid hydrolysiert wird. Germanium(IV)-bromid GeBr4 (weiß; Smp. 26.1°; Sdp. 186.5°) und Germanium{IV)-jodid GeJ 4 (orange; Smp. 144.0°; Sdp. etwa 348°) werden durch Wasser leichter zersetzt als das Chlorid. Das Jodid beginnt oberhalb des Schmelzpunktes in Germanium (II)-jodid und Jod zu zerfallen. Germaniumdioxid GeOa entsteht beim R ö s t e n von G e r m a n i u m oder Germ a n i u m s u l f i d (das beim Erhitzen von feingepulvertem Germanit im sauerstofffreien Gasstrom als Sublimat erhalten wird) oder bei Behandlung dieser Stoffe mit konzentrierter S a l p e t e r s ä u r e als feuerbeständiges, weißes, bei starkem Erhitzen allmählich erweichendes und bei 1115° völlig schmelzendes Pulver. Es kristallisiert sowohl in einer mit Quarz Si0 2 als auch einer mit Z i n n d i o x i d Sn0 2 isomorphen Modifikation. Die erstere ist zum Unterschied von letzterer in Wasser etwas löslich (etwa 0.4 g in 100 g Wasser bei 20°); die Lösung reagiert deutlich sauer. In S ä u r e n löst sich Germaniunidioxid nur schwierig, in A l k a l i l a u g e n dagegen l e i c h t . Der s a u r e C h a r a k t e r überwiegt also erheblich gegenüber dem b a s i s c h e n . Die beim Auflösen in Alkalien entstehenden Germanate, die auch beim Zusammenschmelzen von G e r m a n i u m d i o x i d und M e t a l l o x i d erhalten werden können, entsprechen in ihrer Zusammensetzung weitgehend den S i l i c a t e n . So kennt man ζ. B. Orthogermanate Me 4 Ge0 4 , Metagermanate Me2Ge03 und Meta-digermanate MetGe2Oe. Die diesen Salzen entsprechenden G e r m a n i u m s ä u r e n existieren nicht als definierte r e i n e V e r b i n d u n g e n . Vielmehr kennt man die Germanium säure wie die Kohlensäure nur in w ä s s e r i g e r Lösung.

c) Germanium(II)-Verbindungen Germanium (II)-chlorid GeCl* entsteht als fester, an der Luft stark riechender Stoff, wenn man GeCl4-Dampf über erhitztes Germanium leitet : GeCl4 -f- Ge —>- 2 GeCl2. Umgekehrt zerfällt Germanium (II)-chlorid bei starkem Erhitzen unter Rückbildung von Germanium(IY)-chlorid und Germanium: 2GeCl2 —>- GeCl4 + Ge. Die salzsaure Lösung des Chlorida wirkt stark reduzierend. In wässeriger Lösung wird Germanium(II)· chlorid hydrolysiert: GeCla + H 2 0 — ^ GeO + 2HC1. Germanium(II)-oxid GeO (Sblp. 710°) entsteht als gelber Niederschlag, wenn man Germanium(II)-chlorid-lösung mit Natronlauge versetzt. Die vom GeO sich ableitende Hydroxidverbindung Ge(OH)2, die nur in Lösung zu existieren scheint, reagiert deutlich sauer.

5. D a s Zinn a) Elementares Zinn Vorkommen. Zinn, das schon im Altertum vielfach verwendet wurde, kommt in gediegenem Zustande nur sehr selten vor. Das wichtigste, fast alleinige Z i n n e r z ist der Zinnstein (Kassiterit) Sn0 2 . Die Hauptfundstätten liegen auf der malaiischen Halbinsel (Malakka, Kuatan), in Niederländisch-Indien (Banka, Billiton) und auf dem Hochplateau von Bolivien. Darstellung. Zur Darstellung des Z i n n s aus dem Z i n n s t e i n wird letzterer durch R ö s t e n von Verunreinigungen wie Schwefel und Arsen befreit und dann durch Erhitzen mit Koks im Schacht- oder Flammofen reduziert: 85 kcal + Sn02 + 2C >- Sn + 2CO. Das so geschmolzene Rohzinn ist in der Hauptsache noch stark durch Eisen verunreinigt. Um es von diesem zu befreien, erhitzt man es ganz wenig über seinen Schmelz-

352

Die Kohlenstoffgruppe

punkt („Seigern"). Dabei kommt nur das reine Zinn zum Schmelzen und läuft auf einer schrägen Unterlage ab, während das E i s e n in Form einer schwer schmelzbaren Legierung mit Zinn („Seigerkörner") zurückbleibt. Andere als Verunreinigungen im Zinn noch vorhandene Metalle werden durch o x y d i e r e n d e s S c h m e l z e n („Polen") beseitigt, indem man in das geschmolzene Zinn Stangen frischen grünen Holzes eintaucht und das Metallbad der kräftigen Durchmischung durch die dabei entweichenden Gase unterwirft. Auf diese Weise kommt die Schmelze genügend mit Luftsauerstoff in Berührung, so daß sich die Verunreinigungen oxydieren und als „Zinnkrätze" an der Oberfläche sammeln. Wichtig ist auch die W i e d e r g e w i n n u n g des Zinns aus Abfällen von v e r z i n n t e m E i s e n b l e c h („Weißblech"). Sie erfolgt heute ausschließlich durch das Verfahren der Chlorentzinnung, welches darauf beruht, daß Zinn zum Unterschied von E i s e n leicht durch t r o c k e n e s Chlor angegriffen wird. Physikalische Eigenschaften. Zinn ist ein silberweißes, stark glänzendes, bei 231.8° schmelzendes und bei 2362° siedendes Metall. Es ist von geringer Härte, aber bedeutender Dehnbarkeit und Geschmeidigkeit ; daher läßt es sich bei gewöhnlicher Temperatur zu sehr dünnen B l ä t t e r n („Zinnfolie", „Stanniol") auswalzen. Bei 100° kann man es zu D r a h t ausziehen. Das spezifische Gewicht beträgt 7.28. Aus dem Schmelzfluß erstarrt Zinn gewöhnlich in t e t r a g o n a l e n Kristallen („ß-Zinn", „weißes Zinn"). Das kristalline Gefüge kommt deutlich zum Vorschein, wenn man die Oberfläche mit Salzsäure anätzt ; es erscheinen dann eisblumenartige Zeichnungen („moiriertes Zinn"). Beim Biegen von Zinn vernimmt man ein eigentümliches K n i r s c h e n („Zinngeschrei"); es rührt von der Reibimg der Kriställchen aneinander her. Unterhalb von 13.2° und oberhalb von 161°wandelt sich das/?-Zinn in a n d e r e Modi f i k a t i o n e n um: ^ ^ α-Zinn -< — ß-7Ann L· γ-Zinn. Das oberhalb von 161° beständige, rho tu b i s c h e ,,γ-Zinn" (spez. Gew. 6.54) ist zum Unterschied vom normalen ß-Zinn sehr spröde, so daß es sich — am besten bei etwa 200° — leicht zu Pulver zerstoßen läßt („sprödes Zinn"). Das unterhalb von 13.2° beständige, k u b i s c h e „a-Zinn" (spez. Gew. 5.75) stellt gewöhnlich ein graues P u l v e r dar („graues Zinn") und kristallisiert im Diamantgitter (Sn—Sn-Abstand: 2.80 Á). Der unter Abgabe von 1.1 kcal/Grammatom erfolgende Übergang von weißem /Ö-Zinn in graues α-Zinn unterhalb von 13.2° erfolgt für gewöhnlich mit unendlich kleiner Geschwindigkeit. Haben sich aber — ζ. B. bei anhaltender großer Kälte — erst einmal an vereinzelten Stellen des Zinns graue Pusteln von pulvrigem grauem Zinn gebildet, so wirken die Staubteilchen dieses grauen Zinns als K r i s t a l l i s a t i o n s keime für andere Stellen, so daß sich die zerstörende Umwandlung wie eine ansteckende Krankheit („Zinnpest") weiter ausbreitet. Die Neigung zur Umwandlung ist naturgemäß um so g r ö ß e r , je t i e f e r man unter 13.2° abkühlt. Andererseits nimmt mit f a l l e n d e r T e m p e r a t u r die R e a k t i o n s g e s c h w i n d i g k e i t ab. Daher existiert eine Temperatur, bei der die Umwandlungsgeschwindigkeit ein M a x i m u m erreicht: sie liegt bei etwa —48°. Durch Berühren mit einer alkoholischen Lösung von Pinksalz, (NH 4 ) 2 [SnCl e ], läßt sich die Umwandlung beschleunigen. Chemische Eigenschaften. Zinn ist bei gewöhnlicher Temperatur gegen L u f t und W a s s e r beständig. Erst bei starkem Erhitzen verbrennt es an der Luft mit intensiv weißem Licht zu Zinndioxid SnOa („Zinnasche"). Mit den freien H a l o g e n e n verbindet sich Zinn zu den Tetrahalogeniden SnX 4 (X = Halogen). Ebenso verbindet es sich beim Erhitzen mit manchen anderen Nichtmetallen (z.B. S c h w e f e l und Phosphor).

Das Zinn

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Gegen s c h w a c h e Säuren und Basen ist Zinn recht beständig. Dagegen wird es von s t a r k e n Säuren und Basen leicht angegriffen. So löst es sich ζ. B. in starker Salzsäure unter Wasserstoffentwicklung: Sn + 2 HCl — ν SnCl, + H 2 . Ebenso reagiert es lebhaft mit konzentrierter Salpetersäure unter Bildung von /3-Zinnsäure (S. 356). Beim Kochen mit Alkalilaugen geht es unter Wasserstoffentwicklung als S t a n n a t , Me a [Sn(OH) 6 ], in Lösung: Sn + 4HÖH Sn(OH)4 + 2OH'

>- Sn(OH)4 + 2H2 [Sn(OH)e]".

Anwendung. Wegen seiner Beständigkeit an feuchter Luft und gegen schwache Säuren und Alkalien wird Zinn zum Überziehen anderer Metalle verwendet, die in dieser Hinsicht weniger beständig sind. So wird vor allem E i s e n b l e c h verzinnt, um es vor dem Rosten zu schützen (vgl. S. 474) ; es heißt dann „Weißblech" oder im gewöhnlichen Sprachgebrauch auch schlechthin „Blech". Die Verzinnung wird einfach in der Weise ausgeführt, daß man das mit verdünnter Schwefelsäure gereinigte Eisenblech in geschmolzenes Zinn eintaucht. Während r e i n e s Z i n n heute nur noch wenig benutzt wird, sind Zinnlegierungen vielfach in Gebrauch. Wichtige Zinnlegierungen sind ζ. B. die Bronzen, das Britanniametall, das Weichlot und zahlreiche Lagermetalle. Lagermetalle sind Legierungen, aus denen die Achsenlager für Maschinenwellen usw. hergestellt werden. Ihr Hauptbestandteil kann Zinn oder Kupfer oder Blei sein. Die Z i n n - oder W e i ß g u ß - L a g e r m e t a l l e (über die Blei- und Kupfer-Lagermetalle vgl. S. 359 bzw. S. 452) enthalten 50—90°/0 Zinn, 7—20°/ 0 Antimon und meist einige Prozente Kupfer. Das Weichlot oder Schnellet besteht aus 40—70°/ o Zinn und 60—30°/o Blei. Man benutzt es wegen seiner leichten Schmelzbarkeit (den niedrigsten Schmelzpunkt von 181° besitzt eine Legierung von 64°/ 0 Sn und 36°/ 0 Pb) zum L ö t e n , d. h. zum metallischen Verbinden von Metallteilen. Zum Löten von Gefäßen wie Konservendosen, die zur Aufbewahrung von Nahrungsmitteln dienen, dürfen wegen der Gesundheitsschädlichkeit des Bleis nur Lote mit höchstens 10°/0 Blei verwendet werden. Unter Britanniametall versteht man Legierungen von 88—90°/0 Zinn, 10—8°/0 Antimon und 2°/ 0 Kupfer. Sie dienen zur Herstellung von Gebrauchsgegenständen wie ζ. B. Tischgeschirr. Die Bronzen sind Kupfer-Zinn-Legierungen und werden beim Kupfer besprochen (S. 452).

b) Zinn(II)-Verbindungen Zinn (II)-chlorid SnClg wird technisch durch Lösen von Zinn-drehspänen in S a l z s ä u r e dargestellt : Sn + 2HCl — > SnCl2 + H , Es kristallisiert aus der wässerigen Lösung wasserhaltig als SnCl 2 · 2 H 2 0 {„Zinnsalz") in klaren Kristallen vom Schmelzpunkt 40.5°. In Wasser ist es sehr leicht löslich, die konzentrierte wässerige Lösung ist klar; beim V e r d ü n n e n trübt sie sich infolge Ausscheidung von b a s i s c h e m S a l z : SnCl2 + H 2 0 Sn(OH)Cl + HCl. Wegen dieser leicht eintretenden H y d r o l y s e kann man das Hydrat nicht d u r c h e i n f a c h e s Erhitzen entwässern; die Entwässerung muß vielmehr im C h l o r w a s s e r s t o f f s t r o m (Verschiebung des Hydrolysegleichgewichts nach links) bei Rotglut erfolgen. D i r e k t erhält man das w a s s e r f r e i e Zinn(II)-chlorid, wenn man Z i n n im C h l o r w a s s e r H o l l e m a n n - W l b e r g , Anorganische Chemie. 47.-56. Aufl.

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Die Kohlenstoffgruppe

s t o f f s t r o m erhitzt. Es bildet eine weiße, fettglänzende Masse vom Schmelzpunkt 247° und Siedepunkt 605°. In der Nähe des Siedepunktes zeigt die Dampfdichte teihveise A s s o z i a t i o n der Moleküle an; oberhalb von 1100° liegen nur SnCl2-Moleküle vor. Die hervorstechendste Eigenschaft des Zinn(II)-chlorids ist ein starkes R e d u k t i o n s v e r m ö g e n . Diese reduzierende Wirkung beruht auf der großen Neigung des z w e i w e r t i g e n Zinns, in die v i e r w e r t i g e S t u f e überzugehen: Sn" —>- Sn"· + 2 θ • So fällt es ζ. B. Gold, Silber und Quecksilber aus den Lösungen ihrer Salze als Metalle aus (Hg" + 2 θ —>- Hg). Reicht seine Menge nicht aus, so reduziert es die Salze des zweiwertigen Quecksilbers zu solchen des einwertigen (Hg" -f θ —>- Hg"). In gleicher Weise reduziert es in saurer Lösung Eisen(III)-salze zu Eisen(II)-salzen (Fe"" + θ —>- Fe"), Arsenate zu Arseniten (As0 4 '" + 2 H ' + 2 θ —>- AsO s "' + H 2 0 ) , Chromate zu Chrom(III)-salzen (Cro 4 "0 -f 8 H ' + 3 θ — > Cr'" + 4 H 2 0 ) , Permanganate zu Mangan(II)-salzen (Mn0 4 ' + 8H" + 5 θ — Μ η " + 4 H 2 0 ) , schweflige Säure zu Schwefelwasserstoff (H 2 S0 3 + 6 H ' + 6 θ —>• H 2 S + 3H 2 0). Durch Luftsauerstoff wird es in salzsaurer Lösung langsam zu Zinn(IV)-chlorid oxydiert: SnCl2 + 2HCl + 1 / 2 0 2 — S n C l 4 + H 2 0. Durch Zusatz von metallischem Zinn zu der Lösung wird diese Oxydation verhindert (SnCl4 + Sn — > 2SnCl 2 ). Zinn(II)-bromid SnBr 2 schmilzt bei 215° und siedet bei 619°, Zinn(II)-jodid SnJ 2 bei 320° bzw. 720°. Zinn (II) -hydroxid Sn(OH) 2 fällt als weißer, in Wasser sehr schwer löslicher Niederschlag aus, wenn man eine Z i n n ( I I ) - s a l z - l ö s u n g mit wenig A l k a l i h y d r o x i d versetzt : Sn" + 2 OH' >- Sn(OH)2. Die Verbindung löst sich sowohl in S ä u r e n wie in A l k a l i e n , zeigt also sowohl b a s i sch en wie s a u r e n Charakter. Man nennt solche Hydroxide amphotere" Hydroxide. Beim Auflösen in S ä u r e n entstehen Zinn(II)-salze: Sn(OH)2 + 2H· — S n " + 2H 2 0. Beim Auflösen in starken B a s e n werden „Stannite" gebildet (vgl. S. 385f.): Sn(OH)a + OH' —>- [Sn(OH),]' oder Sn(0H)2 + 2 OH' — ^ [Sn(OH)4]". Auch die S t a n n i t e besitzen starkes R e d u k t i o n s v e r m ö g e n , da sie die Neigung haben, in S t a n n a t e (mit vierwertigen Zinn) überzugehen: [Sn(OH)J" + 2 OH' [Sn(OH),]" + 2 θ · Zinn(II)-oxid "SnO. Beim Erwärmen unter Luftabschluß (ζ. B. im Kohlendioxidstrom) geht das Zinn(II)-hydroxid leicht in das Zinn(II)-oxid, ein blauschwarzes Pulver, über. Beim Erhitzen an der Luft entzündet sich dieses Oxid und verbrennt zu weißem Zinndioxid Sn0 2 . Zinn (II)-sulfid SnS fällt beim Einleiten von S c h w e f e l w a s s e r s t o f f in Z i n n ( I I ) s a l z - l ö s u n g e n als dunkelbrauner Niederschlag aus: Sn" + S" SnS, der sich zum Unterschied vom Zinn(IV)-sulfid SnS 2 (S. 356) in „farblosem Schwefelammon" (S. 194) oder Alkalisulfid nicht löst. Beim Schmelzen von Z i n n mit S c h w e f e l kann die Verbindung als blaugraue, kristalline Masse erhalten werden. Im Wasserstoffstrom ist Zinn(II)-su]fid unzersetzt sublimierbar. Kristallisiert bildet es metallglänzende Blättchen vom Schmelzpunkt 882° und Siedepunkt ~ 1230°.

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Das Zinn

c) Zinn(IV)-Verbindungen Zinnwasserstoff SnH 4 („Stannan") läßt sich durch Zersetzen von M a g n e s i u m s t a n n i d Mg2Sn mit S a l z s ä u r e Sn"" + 4H·

>- SnH 4

oder durch Behandeln von Z i n n s a l z l ö s u n g e n mit n a s z i e r e n d e m W a s s e r s t o f f (ζ. B. Eintragen von Magnesiumpulver in saure Zinnsulfatlösung oder kathodische Reduktion von Zinnsalzlösungen an Bleielektroden): Sn" + 6 H —>- SnH 4 + 2H"

darstellen. Bei allen diesen Reaktionen entweicht in der Hauptsache W a s s e r s t o f f , dem geringe Mengen Z i n n w a s s e r s t o f f beigemengt sind. Mit besserer Ausbeute (20°/o) entsteht Zinnwasserstoff bei der Umsetzung von Z i n n t e t r a c h l o r i d mit ätherischen Lösungen von L i t h i u m a l a n a t : SnCl4 + 4LiAlH 4 —>- SnH 4 + 4LÌC1 + 4A1H S . Die Reaktion verläuft auf dem Wege über einen Zinn-aluminium-wasserStoff SnH 4 · 4 A1H, = Sn(AlH 4 ) 4 („Zinnalanat"), der sich bei —60° isolieren läßt und oberhalb von —40° in Zinnwasserstoff (bzw. Zinn und Wasserstoff) und Aluminiumwasserstoff zerfällt.

Die höchste Ausbeute (84°/a) wird bei der Einwirkung von N a t r i u m b o r a n a t auf Z i n n ( I I ) - c h l o r i d in 0.6 η-Salzsäure erzielt. Der Zinnwasserstoff ist in reinen Glasgefäßen bei gewöhnlicher Temperatur tagelang haltbar. Beim Erwärmen auf 150° zersetzt er sich unter Bildung eines Z i n n s p i e g e l s : S n H „ — S n + 2H2.

Der Schmelzpunkt der Verbindung liegt bei —150°, der Siedepunkt bei —51.8°. Zinn(IY)-Chlorid SnClf wird technisch durch Behandeln von W e i ß b l e c h a b f ä l l e n mit C h l o r dargestellt: Sn + 2C1¡¡

^ SnCl4.

Es stellt eine farblose, an der Luft stark rauchende, nach dem Entdecker auch ,,Spiritus fumans Libavii" genannte Flüssigkeit vom spezifischen Gewicht 2.229 (20°) dar, die bei — 36.2° erstarrt und bei 114.1° siedet. Beim Zusammenbringen mit wenig Wasser oder beim Stehenlassen an feuchter Luft geht sie in eine halbfeste, kristallisierte Masse der Zusammensetzung SnCl4 · 5 H 2 0 („Zinnbutter"; Smp. etwa 60°) über. Die w ä s s e r i g e L ö s u n g des Zinntetrachlorids ist weitgehend h y d r o l y t i s c h gespalten: SnCl4 + 2 H 2 0 S n 0 2 + 4HCl. Das dabei entstehende Z i n n d i o x i d bleibt k o l l o i d in Lösung. Leitet man in konzentrierte wässerige Z i n n t e t r a c h l o r i d - l ö s u n g C h l o r w a s s e r s t o f f ein, so lagern sich je Mol SnCl4 2Mol HCl an: SnCl4 + 2HC1 — > H 2 [SnCl 6 ].

Die dabei entstehende Hexachloro-zinnsäure H 2 [SnCl e ] kristallisiert aus der Lösung in Form blätteriger Kristalle der Zusammensetzung H 2 SnCl 6 · 6 H 2 0 (Smp. 19.2). Unter den Salzen der Säure (Hexachloro-stannate) ist vor allem das A m m o n i u m s a l z (NH 4 ) 2 [SnCl e ] („Pinksalz") erwähnenswert, das in der Färberei als Beizmittel dient. Auch viele a n d e r e S t o f f e wie ζ. B. Ammoniak, Phosphorwasserstoff, Phosphorpentachlorid, Phosphorylchlorid, Schwefeltetrachlorid vermögen sich an Zinntetrachlorid a n z u l a g e r n . Zinn(IV)-fluorid, -bromid, -jodid sind durch direkte Vereinigung. des Z i n n s mit dem entsprechenden H a l o g e n erhältlich: Sn + 2 X 2 — > - SnX 4 . B r o m reagiert schon bei gewöhnlicher Temgeratur, J o d bei gelindem Erwärmen. Mit F l u o r reagiert Zinn bei gewöhnlicher Temperatur nicht merklich; dagegen erfolgt bei 100° unter Feuererscheinung eine sehr heftige Reaktion. Einfacher gewinnt man das Zinn(IV)-fluorid durch Eintragen von Z i n n ( I V ) - c h l o r i d in wasserfreie F l u ß s ä u r e : SnCl4 + 4 H F SnF 4 + 4 HCl. 23*

356

Die Kolilenstoffgruppe

Alle drei Halogenide sind feste, kristallisierte Stoffe (SnF 4 : Sblp. 705°; SnBr 4 : Smp. 33.0°, Sdp. 203.3°; SnJ 4 : Smp. 144.5°, Sdp.346°) und bilden wie Zinn(IV)-chIorid mit den Halogeniden der Alkalimetalle Hexahalogeno-stannate Me 2 [SnX e ]. Zinn(IV)-fluorid bildet darüber hinaus mit Ammoniumfluorid ein Oktafluoro-stannat (NH 4 ) 4 [SnF 8 ]. Zinndioxid Sn0 2 kommt in der N a t u r als tetragonal kristallisierter Zinnstein (Kassiterit) vor. T e c h n i s c h wird es durch Verbrennen von Z i n n im L u f t s t r o m hergestellt. Es stellt ein in Wasser, Säuren und Alkalien unlösliches weißes Pulver dar, das oberhalb von 1800° sublimiert. Da es Glasflüsse milchigweiß trübt und chemisch sowie thermisch sehr widerstandsfähig ist, findet es technisch ausgedehnte Verwendung zur Herstellung w e i ß e r G l a s u r e n und E m a i l l e n (S. 342). Zinnsäuren; Stannate. Schmilzt man Z i n n d i o x i d mit N a t r i u m h y d r o x i d oder N a t r i u m o x i d , so geht es in N a t r i u m s t a n n a t über: Sn02 + Na20 >- Na 2 [Sn0 3 ]. Aus der konzentrierten wässerigen Lösimg der Schmelze kristallisiert ein leichtlösliches Salz der Zusammensetzimg Na 2 Sn0 3 · 3 H 2 0 aus. Wie die röntgenometrische Strukturbestimmung zeigt, kommt diesem Salz die Konstitution Na 2 [Sn(OH) e ] zu. Es entspricht also in seinem Aufbau den Hexachloro-stannaten und ist als Natrium-hexahydroxostannat zu bezeichnen. Unter dem Namen ,,Präpariersalz" wird es in der Färberei als Beizmittel verwendet. Analoge Zusammensetzung und Struktur besitzt das gut kristallisierende Kaliumstannat K 2 [Sn(OH) e ]. Durch Umsetzung mit löslichen Calcium-, Strontium- oder Bleisalzen lassen sich hieraus die entsprechenden Calcium-, Strontiumund Bleisalze Me [I [Sn(OH) e ] gewinnen. Die den Hexahydroxo-stannaten entsprechende Zinnsäure H 2 [Sn(OH) e ] ist in freiem Zustande nicht bekannt. Versetzt man A l k a l i s t a n n a t - l ö s u n g e n mit S ä u r e n , so erhält man weiße, voluminöse, in Säuren und Alkalien lösliche Niederschläge Sn0 2 · nH 2 0, die den Charakter von G e l e n (S. 338) besitzen und wechselnde Mengen Wasser enthalten. Es ist möglich, daß diese Niederschläge bei frischem Ausfällen zunächst die obige Zusammensetzung H 8 SnO e besitzen, die sich ganz an die Formeln H 7 SbO e , H 6 TeO e und H 5 J 0 e der Sauerstoffsäuren der im Periodensystem rechts an das Zinn angrenzenden Elemente anschließt. Bei längerem Stehen, schneller beim Erwärmen erfolgt aber zunehmende W a s s e r a b s p a l t u n g , die ähnlich wie bei den Kieselsäuren (vgl. S. 325ff.) über die Stufe einer O r t h o z i n n s ä u r e H 4 Sn0 4 , O r t h o - d i z i n n s ä u r e H e Sn 2 0 7 , M e t a - z i n n s ä u r e [H 2 Sn0 3 ] n und M e t a - d i z i n n s ä u r e [H 2 Sn 2 0 6 ] x hinweg schließlich zum Z i n n d i o x i d [Sn0 2 ] x führt. Parallellaufend mit der Wasserabspaltung werden die Verbindungen mehr und mehr in Säuren unlöslich. Früher nannte man die frischen, in Säure löslichen, niedermolekularen Niederschläge ,,ex-Zinnsäure" (,,a-Zinnsäure") oder gewöhnliche Zinnsäure, die gealterten, in Säure unlöslichen, hochmolekularen Niederschläge „ß-Zinnsäure" (,,b-Zinnsäure") oder Metazinnsäure. Zinndisulfid SnS> wird technisch durch Erhitzen von Zinn oder Zinnamalgam mit Schwefelblumen bei Gegenwart von Salmiak (S. 435) dargestellt: Sn + 2 S — > SnS 2 . Man erhält es dabei in Form goldglänzender, durchscheinender Blättchen, die als „Musivgold" in den Handel kommen und in Form der „Zinnbronze" zum Bronzieren von Gips, Bilderrahmen usw. Verwendung finden. Thiostannate. Wie sich das Zinndioxid mit Alkalioxiden zu Stannaten vereinigt (s. oben), ergibt das Zinndisulfid mit überschüssigem Alkalisulfid Thio-stannate : SnS2 + Na2S NaJSnSJ. Jedoch erfolgt die Umsetzung viel leichter als dort, so daß sie bereits in wässeriger Lösung durchgeführt werden kann. In wasserhaltigem Zustande besitzen die Thiostannate die Zusammensetzung Me 2 SnS 3 · 3 H 2 0 = Me 2 [Sn(SH) 3 (0H) 3 ], welche der Formel Me 2 [Sn(OH) e ] der wasserhaltigen Stannate entspricht.

Das Blei

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6. Das Blei a) Elementares Blei Vorkommen. Das wichtigste und meistverbreitete Bleierz ist der Bleiglanz (Galenit) P b S , welcher graphitfarbene, metallisch glänzende, meist würfelförmige Kristalle bildet. Seltener ist das Vorkommen als Weißbleierz PbC0 3 (S. 359), Rotbleierz PbCr0 4 (S. 360), Gelbbleierz PbMo0 4 (S. 515) und Scheelbleierz P b W 0 4 (S. 516). Darstellung. Für die Darstellung von Blei dient fast ausschließlich der B l e i g l a n z als Ausgangsmaterial. Die Verarbeitung des Bleiglanzes erfolgt dabei in der Hauptsache nach dem sogenannten „Röstreduktionsverfahren". Daneben ist auch das „Röstreaktionsverfahren" in Anwendung. Beim Röstreduktionsverfahren wird das Bleisulfid durch Rösten m ö g l i c h s t v o l l s t ä n d i g in Bleioxid übergeführt: PbS -f IVÜOÜ

>• PbO + S0 2

(„Röstarbeit"),

indem man durch den mit K a l k s t e i n und S i l i c i u m d i o x i d vermischten Bleiglanz bei Rotglut Luft hindurchbläst oder -saugt. Durch das S i l i c i u m d i o x i d wird nebenher gebildetes Bleisulfat (PbS + 20 2 —>- PbS0 4 ), das bei der nachfolgenden Reduktion des gerösteten Erzes wieder in Bleisulfid zurückverwandelt werden würde (PbS0 4 + 2C — P b S + 2C0 2 ), in Bleisilicat übergeführt (PbS0 4 + Si0 2 — > P b S i 0 3 + S0 2 + V 2 0 2 ). Der K a l k s t e i n dient als Auflockerungsmittel und fördert die Oxydation des Bleisulfids zu Bleioxid ; auch ermöglicht er (vgl. unten) die spätere Reduktion des neben Bleioxid gebildeten Bleisilicats zu Blei. Das durch das obige ,,Verblaserösten" erhaltene B l e i o x i d wird im Schachtofen (Hochofen) mit Koks bzw. dem durch Verbrennung daraus entstehenden Kohlenoxid zu B l e i reduziert: PbO + CO ν Pb + C02 („Reduktionsarbeil"). Auf das gleichzeitig vorhandene B l e i s i l i c a t wirkt das Kohlenoxid nicht u n m i t t e l b a r (etwa nach P b S i 0 3 + CO —>• P b + SiO s + C0 2 ), wohl aber bei Mitwirkung des aus dem Kalkstein gebildeten K a l k s (CaC0 3 — C a O + C0 2 ) ein, welcher das freiwerdende Siliciumdioxid als Calciumsilicat bindet (PbSi0 3 + CO + CaO—>- P b + CaSi0 3 + C0 2 ). Beim Röstreaktionsverfahren wird der Bleiglanz nur u n v o l l s t ä n d i g geröstet, so daß nur zwei Drittel des Sulfids in Oxid (bzw. Sulfat) übergehen, der Rest unverändert bleibt: 3l>bS + 30 2 PbS + 2PbO + 2S0 2 („Röstarbeit"). Das entstehende Produkt wird dann unter möglichstem Luftabschluß auf dem „Herd" weiter erhitzt, wobei sich Bleisulfid und Bleioxid (bzw. Bleisulfat) zu metallischem Blei umsetzen: ^ 3pb + ^ (^Rmktionsarheil-). pbg + 2pbQ Das nach einem dieser Verfahren erhaltene „Werkblei" enthält noch V e r u n r e i n i g u n g e n wie Kupfer, Arsen, Antimon, Zinn, Schwefel, Silber; und zwar enthält es in der Regel bis 1 °/ 0 Silber (und Gold) und 1—2°/ 0 andere Metalle. Die Abtrennung dieser Verunreinigungen erfolgt durch Schmelzen unter Luftzutritt. Hierbei kommen A r s e n , A n t i m o n und Z i n n als Bleiarsenat, -antimonat und -stannat an die Oberfläche und werden als „Antimonabstrich" abgezogen, während K u p f e r mit Blei eine verhältnismäßig schwer schmelzende Legierung bildet, die sich gleichfalls abscheidet und dabei allen S c h w e f e l aus dem Blei aufnimmt. Die E n t s i l b e r u n g des Werkbleis, die für die Silbergewinnung von großer Bedeutung ist, wird beim Silber besprochen (S.457f.). Auch auf elektrolytischem Wege kann Werkblei gereinigt werden. Physikalische Eigenschaften. Blei ist ein bläulich-graues, weiches und dehnbares Schwermetall (spez. Gew. 11.34) vom Schmelzpunkt 327.4° und Siedepunkt 1750°.

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Die Kohlenstoffgruppe

Wegen seiner geringen Härte und großen Dehnbarkeit läßt 'es sich leicht zu Blech auswalzen und zu Drähten ausziehen. Die Drähte haben aber nur geringe Festigkeit. Chemische Eigenschaften. Frische Schnittflächen von Blei zeigen starken Glanz. Die glänzende Metalloberfläche läuft aber an der Luft schnell mattblaugrau an, da sie sich mit einer dünnen Schicht von Bleioxid überzieht; diese Oxidschicht schützt das darunterliegende Metall vor weiterer oxydativer Zerstörung. F e i n v e r t e i l t e s B l e i dagegen entzündet sich an der Luft schon bei gewöhnlicher Temperatur von selbst („fyrophores Blei"). Beim Schmelzen von k o m p a k t e m B l e i an der Luft bedeckt sich das Blei zunächst mit einer grauen Oxidschicht („Bleiasche"), welche bei fortgesetztem Erhitzen zunächst in gelbe Bleiglätte PbO und dann in rote Mennige P b 3 0 4 übergeht. Auch mit anderen Nichtmetallen als Sauerstoff, z. B. mit Schwefel und mit den Halogenen vereinigt sich das Blei in der Hitze direkt. D e s t i l l i e r t e s und l u f t f r e i e s Wasser greift Blei nicht an. Dagegen wird Blei bei Gegenwart von Lu ft s a u e r s t o f f von Wasser langsam in Bleihydroxid übergeführt : Pb + i/ 2 0 2 + H 2 0 — P b ( O H ) 2 . Diese Einwirkung von Luft und Wasser ist deshalb von Bedeutung, weil Wasser vielfach durch bleierne Röhren geleitet wird, was bei der Giftigkeit der Bleiverbindungen zu Gesundheitsschädigungen führen kann. J e härter ein Trinkwasser ist, d. h. je mehr Calciumhydrogencarbonat Ca(HC0 3 ) 2 und Calciumsulfat CaS0 4 es enthält (S. 410), um so weniger wird das Blei angegriffen, weil sich dann an der Innenwand der Bleiröhren bald eine festhaftende Schicht von schwerlöslichem basischem Bleicarbonat bzw. Bleisulfat bildet, die nach einiger Zeit das Blei gegen den weiteren Angriff des Wassers schützt. K o h l e n s ä u r e h a l t i g e s Wasser löst Blei mit der Zeit als Bleihydrogencarbonat auf : Pb + 1 j 2 0 2 + H 2 0 + 2 C 0 2 — ν Pb(HC0 3 ) 2 . Gegenüber S ä u r e n , wie Schwefelsäure oder Salzsäure, welche mit Blei schwerlösliche Salze (Bleisulfat, Bleichlorid) bilden, ist Blei beständig, da sich dann auf der Oberfläche ein schwerlöslicher, schützender Überzug bildet (Pb + H 2 S 0 4 —>- PbS0 4 + H 2 ). Säuren, bei denen dies nicht der Fall ist, greifen Blei an; im Falle oxydierender Säuren (Salpetersäure) erfolgt dabei die Auflösung leicht und direkt, im Falle n i c h t o x y d i e r e n d e r Säuren (Essigsäure) bei Zutritt von Luftsauerstoff. Gefäße mit bleihaltigem Zinnbelag oder Topfwaren mit Bleiglasur sollen dementsprechend nicht zum Zubereiten von Speisen verwendet werden, um chronische Vergiftungen durch f o r t g e s e t z t e Aufnahme kleiner — an sich ungefährlicher — Bleimengen zu verhüten. Scheidet man Blei aus Salzlösungen (ζ. B. Nitrat- oder Acetatlösungen) elektrolytisch (Pb" + 2 θ —>- Pb) oder durch Zink (Pb" + Zn — > Pb + Zn") ab, so setzt es sich in Form einer verästelten kristallinen Masse („Bleibaum") oder auch schwammartig („Bleischwamm") ab. In seinen chemischen Verbindungen ist das Blei vorwiegend zweiwertig. Daneben tritt es wie seine leichteren Homologen auch vierwertig auf; diese Verbindungen sind aber wesentlich unbeständiger als dort. Anwendung. Blei findet als Metall ausgedehnte Verwendung. So dient es ζ. B. zur Herstellung von B l e i r ö h r e n und von B l e i b l e c h als Bedachungsmaterial sowie wegen seiner Beständigkeit gegenüber Schwefelsäure zur Herstellung von E i n d a m p f schalen (S. 208), zur Auskleidung der B l e i k a m m e r n der Schwefelsäurefabriken (S. 208), zur Herstellung der Platten für A k k u m u l a t o r e n (S. 363). Das hohe spezifische Gewicht und die bequeme Formbarkeit machen es'zur Herstellung von Geschoßkernen und von F l i n t e n s c h r o t geeignet. Unter den wichtigeren Legierungen des Bleis seien erwähnt das Letternmetall und die Blei-Lagermetalle. Das Letternmetall (Schriftmetall) enthält gewöhnlich ' 70—90 °/n

Das Blei

359

Blei, daneben Antimon und meist auch etwas Zinn. Die Blei-Lagermetalle enthalten gewöhnlich 60 — 80% Blei und als härtenden Bestandteil Antimon (bzw. Antimon und Zinn) oder geringe Mengen Alkali- oder Erdalkalimetall. So besteht ζ. B. das bei der Bundesbahn für Achsenlager allgemein verwendete „Bahnmetall" aus Blei mit einem Zusatz von etwa 0.7% Calcium, 0.6% Natrium und 0.04% Lithium. Zum Unterschied von dem als ,,Weichblei" bezeichneten reinen Blei nennt man das durch Antimonzusatz gehärtete Blei auch „Hartblei".

b) Blei(II)-Verbindungen Blei(n)-halogenide. Die Halogenide des zweiwertigen Bleis, P b X 2 , sind in kaltem Wasser alle schwerlöslich; und zwar ist Bleifluorid nahezu unlöslich, während bei den übrigen die Löslichkeit in der Richtung von dem — etwas löslichen — Chlorid zum Jodid hin abnimmt. Die Verbindungen fallen aus Blei(II)-salzlösungen auf Zusatz der entsprechenden Halogen-ionen aus: P b " + 2X' —>- P b X 2 . Das weiße Bleifluorid schmilzt bei 818° und siedet bei 1292°. Das in weißen, seidenglänzenden, rhombischen Nadeln oder Prismen kristallisierende Bleichlorid schmilzt bei 498° und erstarrt beim Abkühlen der Schmelze zu einer hornartigen Masse (,,Hornblei"); der Siedepunkt beträgt 954°. Die weißen, seidenglänzenden rhombischen Nadeln des Bleibromids schmelzen bei 373° zu einer roten, bei 916° siedenden Flüssigkeit, welche bei Abkühlung zu einer weißen, hornartigen Masse erstarrt. Bleijodid kristallisiert in prächtigen, goldglänzenden Blättchen, die bei 412° schmelzen und bei etwa 900° sieden. Blei(II)-nitrat Pb(N0 3 )g wird durch Auflösen von B l e i oder B l e i o x i d in heißer verdünnter S a l p e t e r s ä u r e gewonnen. Es kristallisiert in großen wasserklaren Kristallen und zersetzt sich beim Erhitzen gemäß Pb(NOs)2 —>- PbO + 2 NO a + V.O, unter Abspaltung von Stickstoffdioxid und Sauerstoff. Daher kann man es zur Darstellung von S t i c k s t o f f d i o x i d (S. 237) und als S a u e r s t o f f ü b e r t r ä g e r für Zündmischungen benutzen. Blei(II)-sulfat PbS0 4 findet sich in der Natur oft in schön ausgebildeten großen, rhombischen, in reinem Zustande glasklaren („Bleiglas") Kristallen als Anglesit (Vitriolbleierz). I n Wasser ist die Verbindungung nahezu unlöslich, so daß sie durch Versetzen einer B l e i s a l z l ö s u n g mit verdünnter S c h w e f e l s ä u r e oder einem löslichen S u l f a t erhalten werden k a n n : P b " + S 0 4 " —>- P b S 0 4 . Erheblich besser löst sich Bleisulfat in konzentrierten starken Säuren (Salzsäure, Salpetersäure, Schwefelsäure): P b S 0 4 + H'—>- Pb(HS0 4 )'. Daher enthält die nach dem Bleikammerverfahren hergestellte und in Bleipfannen konzentrierte Schwefelsäure des Handels Bleisulfat, das beim Verdünnen größtenteils wieder ausfällt. Auch in konzentrierten Alkalilaugen löst sich Bleisulfat, wobei Alkali-hydroxoplumbite (vgl. S. 361) entstehen. Blei(II)-carbonai PbCOj kommt in der N a t u r als Cerussit (Weißbleierz) vor. Künstlich erhält man es durch Einleiten von Kohlendioxid in eine verdünnte Bleiacetatlösung oder durch Versetzen einer Bleinitratlösung mit Ammoniumcarbonat-lösung in der K ä l t e : P b " + C 0 3 " —>- PbCO s . Fällt man Bleisalzlösungen in der W ä r m e mit Alkalicarbonat, so entstehen b a s i s c h e B l e i c a r b o n a t e . Ein solches basisches Bleicarbonat ist z. B. das als Anstrichfarbe geschätzte „Bleiweiß", welches gewöhnlich die Zusammensetzung Pb(OH) 2 · 2 P b C 0 3 besitzt. Da es von allen weißen Farben den schönsten Glanz, die größte Deckkraft und das beste Haftvermögen aufweist, läßt es sich trotz seiner Giftigkeit und seiner Empfindlichkeit gegenüber Schwefelwasserstoff (Bräunung infolge Bildung von Bleisulfid) als Ölfarbe nicht verdrängen.

360

Die Kohlenstoffgruppe

Die t e c h n i s c h e D a r s t e l l u n g von Bleiweiß kann nach verschiedenen Verfahren erfolgen. Beim alten „holländischen Verfahren" werden dünne, spiralig aufgerollte Bleiplatten in irdene, innen glasierte Töpfe gestellt, welche am Boden Essig enthalten und in Mist oder andere verwesende Stoffe eingebettet sind. Infolge der bei der Verwesung entstehenden mäßigen Selbsterwärmung verdampft die Essigsäure langsam und bildet mit dem Blei unter der Mitwirkung des Luftsauerstoffs basisches Bleiacetat. Das bei der Fäulnis gleichzeitig gebildete Kohlendioxid dringt langsam in die mit Bleideckeln nur lose verschlossenen Tiegel ein und wandelt das basische Acetat in basisches Carbonai um. Nach mehreren Wochen sind die Bleiplatten fast ganz zu lockerem basischem Carbonat zerfallen. Schneller erfolgt die Bleiweißgewinnung bei dem „deutschen Verfahren", bei dem man die Bleiplatten in geschlossenen Kammern aufhängt, in welche man Essigsäuredämpfe und Kohlendioxid (aus einer Koksfeuerung) einleitet.

Blei(II)-chromât PbCr0 4 stellt ebenfalls eine wichtige Farbe {„Chromgelb") dar. In der Natur findet es sich in gelblichroten Kristallen als Rotbleierz (Krokoit, Kallochrom). T e c h n i s c h wird es durch Versetzen einer B l e i a c e t a t l ö s u n g mit K a l i u m d i c h r o m a t l ö s u n g als gelbes Pulver gewonnen: 2Pb" + Cr¡¡07" + H 2 0

>- 2PbCr0 4 +

2H\

Da Farbe und Glanz von anderen gelben Präparaten nicht erreicht werden, ist Bleichromat trotz seiner Giftigkeit und des Nachteils der Nachdunklung (vgl. Bleiweiß) eine der wichtigsten gelben Malerfarben. Fällt man Blei(II)-salz-lösungen nicht mit s a u r e r , sondern mit n e u t r a l e r oder s c h w a c h a l k a l i s c h e r Chromatlösung, so erhält man b a s i s c h e s B l e i c h r o m a t der ungefähren Zusammensetzung PbCr0 4 · PbO, welches leuchtend rot ist und als „Chromrot" in der Ölmalerei Verwendung findet. Blei(II)-acetat Pb(CH s C00) Ä läßt sich durch Auflösen von Bleioxid in Essigsäure gewinnen: PbO + 2CH 3 COOH — ν Pb(CH 3 COO) 2 + H 2 0 . Wegen seines süßen Geschmacks heißt es auch „Bleizucker". Es ist stark giftig. Verwendet man bei der Darstellung mehr Bleioxid, als der Bildungsgleichung für Bleizucker entspricht, so erhält man basische Acetate wie Pb(CH 3 COO) 2 · Pb(OH) 2 und Pb(CH 3 COO) 2 · 2Pb(OH) 2 , deren wässerige Lösungen als „Bleiessig" bezeichnet werden. Blei (II)-oxid PbO wird technisch durch Oxydation von geschmolzenem B l e i durch darüber geblasene L u f t dargestellt: P b -f- 1 / 2 0 2 — > • PbO. Es schmilzt bei 884° und siedet bei 1470°. Geschmolzenes Bleioxid ist rot und erstarrt beim Erkalten zu einer rotgelben, kristallin-blätterigen Masse („Bleiglätte"). Es kommt im festen Zustande sowohl in g e l b e n rhombischen wie in r o t e n tetragonalen Kristallen vor. Der Umwandlungspunkt liegt bei 488°: PbOrot

PbOgelb.

Die bei gewöhnlicher Temperatur s t a b i l e Modifikation ist die r o t e . Jedoch läßt sich auch die gelbe Modifikation unterhalb des Umwandlungspunktes als m e t a s t a b i l e Verbindung erhalten, da die Umwandlungsgeschwindigkeit gering ist. Erwärmt man ζ. B. Bleicarbonat oder Bleinitrat vorsichtig, so erhält man das Blei(II)-oxid als gelbes zartes Pulver („Massicot") : PbCO s —»- PbO + C0 2 . Es wurde früher als Farbe benutzt. Bei längerem Kochen mit Wasser wandelt sich das gelbe Oxid in das rote um, da letzteres als stabile Modifikation in Wasser schwerer löslich als das gelbe ist, so daß die mit g e l b e m Oxid g e s ä t t i g t e wässerige Lösung in bezug auf das r o t e Oxid ü b e r s ä t t i g t ist. In Säuren löst sich Bleioxid leicht unter Salzbildung. In Natronlauge — außer in sehr konzentrierter — ist es nur wenig löslich. Blei (II)-hydro xid Pb(0H)j fällt beim Versetzen von B l e i ( I I ) - s a l z - l ö s u n g e n mit A l k a l i als weißer Niederschlag aus : P b " + 2 OH' —>- Pb(OH) 2 . Es ist in Wasser etwas löslich ; die wässerige Lösung bläut rotes Lackmuspapier, zeigt also alkalische Reaktion : PhfOTT)- —>- Pb(OTT)· -f OH'. Die Dissoziationskonstante entspricht etwa der des Ammoniaks. Als B a s e löst sich Bleihydroxid leicht in S ä u r e n unter Salzbildung.

Das Blei

361

Wesentlich s c h w ä c h e r ausgeprägt ist der s a u r e Charakter des Blei(II)-hydroxids : Pb(OH)j + H Ö H Pb(OH) a ' + H \ Daher ist Blei(II)-hydroxid nur in k o n z e n t r i e r t e n Laugen unter Bildung von Plumbaten(II) („Plumbiten") löslich : Pb(OH)¡, + OH' — P b ( O H ) s ' (vgl. Stannite, S. 354). B e i m E n t w ä s s e r n g e h t B l e i h y d r o x i d in B l e i o x i d ü b e r : Pb(OH) 2 —>• PbO + H s O. Nimmt man die Entwässerung bei 100° vor, so erhält man rotes Bleioxid ; bei niederer Temperatur dagegen entsteht metastabiles gelbes Bleioxid. Blei (Π)-sulfid PbS kommt in der Natur in großen Mengen als Bleiglanz (Galenit) — oft in großen, bleigrauen, metallglänzenden, leicht spaltbaren, regulären Kristallen (Würfel, Oktaeder) — vor. Als schwerlösliche Verbindung fällt P b S beim Einleiten von S c h w e f e l w a s s e r s t o f f in B l e i ( I I ) - s a l z - l ö s u n g e n als schwarzer Niederschlag aus : P b " + S" —>- P b S . Die Reaktion ist sehr empfindlich, so daß selbst Spuren von Blei in Wasser durch die Dunkelfärbung mit Schwefelwasserstoff erkannt werden können. Bleisulfid schmilzt bei 1112°, sublimiert aber schon unterhalb dieser Temperatur verhältnismäßig gut. Daher setzen sich in den zur Darstellung des Bleis dienenden Bleischachtöfen stets größere Mengen sublimierten Bleisulfids ab.

c) Blei(IV)-Verbindungen Bleiwaeserstoff PbH 4 (,,Plumban"), Sdp. —13°, entsteht in geringen Mengen bei der Einwirkung von kathodisch entwickeltem (atomarem) W a s s e r s t o f f auf zerstäubtes B l e i : P b + 4 H —>• PbH 4 . Leitet man das — zur Hauptsache aus Wasserstoff bestehende — gasförmige Reaktionsprodukt durch ein erhitztes Rohr, so scheidet sich ein B l e i s p i e g e l ab (vgl. S. 574 und I I , S. 111). Blei(IV)-chlorid PbCI* ist eine unbeständige, gelbe, schwere, an feuchter L u f t rauchende Flüssigkeit (Sdp. etwa 150°), die bei etwa —15° zu einer gelblichen, kristallinen Masse erstarrt und leicht unter Abspaltung von Chlor und Bildung von Blei(II)-chlorid zerfallt: PbCl4 L>bCl2 + CU. Umgekehrt kann Blei(II)-chlorid auch unter Bildung von Blei(IV)-chlorid Chlor aufnehmen. Auf diesem Wege stellt man Blei(IV)-chlorid her. Man verfährt dazu zweckmäßig so, daß man in eine Suspension von B l e i ( I I ) - c h l o r i d in rauchender Salzsäure unter Eiskühlung C h l o r einleitet; die Salzsäure drängt dabei die sonst leicht eintretende Hydrolyse des gebildeten Blei(IV)-chIorids : PbCl 4 + 2 H 2 0 P b 0 2 + 4HC1 zurück. Wegen der Zersetzlichkeit des Blei(IV)-chlorids kann letzteres aus der erhaltenen salzsauren Lösung nicht direkt isoliert werden, sondern muß durch Zusatz von Ammoniumchlorid als zitronengelbes, beständiges Ammonium-hexachloro-plumbat{IV) (NH 4 ) 2 [PbCl e ] abgeschieden werden, das sich beim Eintragen in gekühlte konzentrierte Schwefelsäure unter Bildung des gewünschten Blei(IV)-chlorids zersetzt: (NH4)j[PbCl6]

+ H,s0

' ». HjPbCl,

>- 2HCl + PbCl4.

Das in konzentrierter Schwefelsäure unlösliche Blei(IV)-ohlorid scheidet sich dabei als schwere, gelbe, stark lichtbrechende Flüssigkeit ab. Die vom Blei(IV)-chlorid abgeleiteten, den Hexachloro-stannaten entsprechenden Hexachloro-plumbate MeJ[PbCl e ] sind wesentlich beständiger als das freie Blei(IV)chlorid. Blei(IV)-bromid und Blei(IV)-jodid sind nur in Form solcher Hexahalogenoplumbate bekannt. Blei (IT)-sulfat Pb(S0 4 )2 bildet sich als gelbliches Pulver an der Anode, wenn man 80°/„ige S c h w e f e l s ä u r e zwischen B l e i e l e k t r o d e n unter Verwendung eines TonDiaphragmas elektrolysiert : Pb + 2H 2 SO t ν Pb(S0 4 ) 2 f 4ΙΓ + 4 © ·

362

Die Kohlenstoffgruppe

Durch Wasser wird die Verbindung unter Abscheidung von Bleidioxid zersetzt, wobei als Zwischenprodukt das weiße basische Salz P b ( 0 H ) a S 0 4 auftritt: Pb(S04)2 talso^ P b ( 0 H ) 2 S 0 4 i ^ V Pb(OH)4 ^

^

Pb0 2 .

Blei(IV)-sulfat Pb(S0 4 ) 2 ist mit Bleiperoxo-disulfat PbS 2 O g isomer. An Oxydationsvermögen übertrifft es noch das Bleidioxid. Gleiches gilt von den den Hexachloroplumbaten entsprechenden Trisulfato-plumbaten Me 2 [Pb(S0 4 )3]. Bleidioxid PbO« entsteht ganz allgemein bei der O x y d a t i o n v o n B l e i ( I I ) s a l z e n . Die Oxydation kann auf e l e k t r o l y t i s c h e m Wege an der Anode: Pb" + 2H 2 0 —>- Pb0 2 + 4H· + 2 θ oder auf c h e m i s c h e m Wege durch starke Oxydationsmittel wie Chlor, Brom oder Hypochlorit : Pb" + 2H 2 0 + Cl2 Pb0 2 + 4H" + 2C1' erfolgen. Die e l e k t r o l y t i s c h e Abscheidung benutzt man ζ. B. zur quantitativen Bestimmung von Blei, indem man eine schwach salpetersaure Bleinitratlösung unter Verwendung einer mattierten Platinschale als Anode und eines spiralförmigen Platindrahts als Kathode elektrolysiert. Auch zur technischen Darstellung von Bleidioxid dient diese Bildungsweise. Die technische Darstellung auf c h e m i s c h e m Wege erfolgt durch Oxydation von Bleiacetatlösungen mit Chlorkalk als Oxydationsmittel. Geht man zur Darstellung von einer Verbindung des vierwertigen Bleis aus, so bedarf es natürlich keines Oxydationsmittels; so wird ζ. B. das Bleidioxid technisch auch durch Behandeln von Mennige (s. unten) mit verdünnter Salpetersäure gewonnen : Pb 2 [Pb0 4 ] + 4HN0 3 —>- 2Pb(NOs)2 + Pb(OH)4 — > Pb0 2 + 2H 2 0. Bleidioxid stellt ein schwarzbraunes Pulver dar, welches s t a r k o x y d i e r e n d e Wirkung besitzt. Schon bei gelindem Erhitzen spaltet es unter Bildung von Blei(II)oxid Sauerstoff ab (Pb0 2 —>- PbO + 1 / 2 0 2 ); beim Erwärmen mit konzentrierter Schwefelsäure entsteht unter Sauerstoffentwicklung Blei(II)-sulfat (Pb0 2 + H 2 S 0 4 —>• P b S 0 4 + H 2 0 + 1 / 2 0 2 ), beim Erwärmen mit konzentrierter Salzsäure unter Chlorentwicklung Blei(II)-chlorid (Pb0 2 + 4HC1 —>- PbCl a + 2 H 2 0 + Cl2). In Wasser ist Bleidioxid praktisch unlöslich, in Säuren etwas löslich. Es besitzt also nur s c h w a c h b a s i s c h e n Charakter. S t ä r k e r ausgeprägt ist der s a u r e Charakter. So löst sich Bleidioxid ζ. B. in heißer konzentrierter Kalilauge unter Bildung von Kalium-hexahydroxo-plumbat K 2 [Pb(OH) e ], welches beim Erkalten der Lösung auskristallisiert: Pb0 2 ±*2·°>. Pb(0H) 4 ±125^ [Pb(OH),]". Außer diesenHexahydroxo-plumbaten Me*[Pb(OH) e ] = Me£Pb0 3 · 3 H 2 0 gibt es auch die wasserfreien Verbindungen Me^Pb0 3 (,,Metaplumbate") und die höherbasigen „Orthoplumbate" Me|Pb0 4 . Ein wichtiges Orthoplumbat ist ζ. B. die Mennige. Mennige P b j 0 4 kann formal als ein Blei(II)-orthoplumbat Pb 2 [Pb0 4 ], d. h. ein B l e i ( I I ) - s a l z der den Orthoplumbaten zugrunde liegenden O r t h o b l e i s ä u r e H 4 P b 0 4 = Pb(OH) 4 aufgefaßt werden. Sie entsteht als leuchtend rotes Pulver beim Erhitzen von feinverteiltem B l e i o x i d an der L u f t auf etwa 500°: 3PbO + x / 2 0 2 — P b 3 0 4 . Als Ausgangsmaterial eignet sich besonders das lockere gelbe Massicot (S. 360). Die Mennige wird im Gemisch mit Leinöl in ausgedehntem Maße zum Schutzanstrich von Eisen gegen Rosten verwendet (vgl. S. 534). Beim Erhitzen färbt sie sich dunkel; beim Erkalten kehrt die ursprüngliche Farbe wieder zurück. Oberhalb von 550° zersetzt sich die Mennige unter Sauerstoffabspaltung. Durch Salpetersäure wird sie als Blei(II)-salz der Orthobleisäure in Blei(II)-nitrat und Bleidioxid, das Anhydrid der Bleisäure, zerlegt : Pb 2 [Pb0 4 ] + 4 HNO3 —>- 2Pb(N0 3 ) a + Pb0 2 + 2H a O.

363

Das Blei

d) Der Bleiakkumulator Unter einem ,,Akkumulator" versteht man eine Vorrichtung zur A u f s p e i c h e r u n g 1 von e l e k t r i s c h e r E n e r g i e . Bei der ,,Ladung" eines Akkumulators wird durch Zufuhr elektrischer Energie ein chemischer Vorgang erzwungen und so die zugeführte e l e k t r i s c h e E n e r g i e in Form der c h e m i s c h e n E n e r g i e der entstehenden energiereicheren Reaktionsprodukte gespeichert. Bei der „Entladung" spielt sich der chemische Vorgang in umgekehrElektronenstrom ter Richtung ab, wobei die gespeicherte chemische Energie wieder in Form von elektrischer Energie frei wird. • ZVoll·—· Der gebräuchlichste Akkumulator ist der „BMakkumulator". Er besteht im geladenen Zustande aus zwei in 20—30°/ 0 ig e (2 1 / 2 —4 molare) Schwefelsäure (spez. Gew. 1.15—1.22) eintauchenden gitterförmigen Bleigerüsten, von denen das eine mit schwammförmigem B l e i (keine H 2 -Entwicklung infolge ÜberΡb— PI 7οΓ— spannung des Wasserstoffs), das andere mit B l e i d i o x i d ausgefüllt ist. Verbindet man die beiden ElektrodenFig. 114 platten leitend miteinander, so fließt wegen der vorhanSchema des Bleiakkumulators denen Spannung von etwa 2 Volt ein Elektronenstrom vom Blei zum Bleidioxid (Fig. 114), wobei sich die folgenden chemischen Vorgänge abspielen: +o +2

Fj

1—uso*

Pb + S 0 4 " '-
B< >B< (2) Η Ή Η zum Ausdruck bringen. Da die Valenzen eines vierbindigen Boratoms infolge Hybridisierung der s- und p-Bahnen nach den Ecken eines Tetraeders gerichtet sind (S. 152f.), resultiert ein Doppeltetraeder mit gemeinsamer Kante, an dessen 6 Ecken die 6 Wasserstoffatome des B 2 H„-Moleküls sitzen.

In analoger Weise wie oben kommen auch die h ö h e r e n B o r w a s s e r s t o f f e („Polyborane") durch Zusammenlagerung gleicher oder verschiedener, für sich allein nicht existenzfähiger „Grundborine" B m H m + 2 mit dreiwertigem Bor (m = 1, 2, 3 usw.) zustande. Und zwar vereinigen sich entweder z w e i oder drei Borine zu einem BoranMolekül, wobei die Borwasserstoffreihen B„H n+ 4 ( = B m H m + 2 · B m -H m < +2 ; η = m + m') und B„U n+ 6 ( = B m H m + 2 · B m 'H m + 2 · B m H m " + 2 ; η = m -f m' + m") entstehen, von denen bis jetzt folgende Glieder nachgewiesen worden sind2 : BiiHn+4: Β 2 Η β , Β 6 Η β , B e H 1 0 , B 8 H 12 3 , B 1 0 H 1 4 BnHn+e: B 4 H 1 0 , B s H n , B„H I2 3 , B 9 H 15

(a) (b)

.„. ^

Da die Boratome in diesen „Polyboranen" in gleicher Weise wie im Diboran (2) bestrebt sind, ihre Elektronenschalen zu Edelgasschalen zu vervollständigen (was naturgemäß nur über Brückenbindungen möglich ist, da jedem Boratom zur Achterschale ein Elektronenpaar fehlt), muß in den Polyboranen je Boratom eine Dreizentrenbindung auftreten, wobei neben den oben schon erwähnten B—H—B- auch B—B—B-Dreizentrenbindungen betätigt werden. 1 Die durch (1) zum Ausdruck gebrachten Wasserstoff brücken sind nicht zu verwechseln mit den Wasserstoffbrücken etwa des polymeren Fluorwasserstoffs (S. 223). Während dort die Wasserstoffatome als K a t i o n e n wirksam sind („Kationbrücken"), fungieren sie hier als A n i o n e n („Anlonbrücken"). Auch andere Elemente als Wasserstoff, ζ. B. H a l o g e n e können Kation(S. 197) und Anionbrücken (S. 389) bilden. Die Halogenidbrücken unterscheiden sich aber dadurch von den Hydridbrücken des Diborans, daß bei ihnen nicht nur 1, sondern 2 Elektronenpaare bei der Brückenbildung betätigt werden. 2 Die Glieder der aus z w e i Borinen zusammengesetzten Verbindungsreihe BnH n +4 zeichnen sich vor den aus d r e i Borinen aufgebauten wasserstoffreicheren Gliedern der Reihe BnHn+a durch größere Haltbarkeit, höhere Schmelzpunkte und beständigere Ammoniak-Additionsverbindungen aus. 3 Die Existenz der Borwasserstoffe B 8 H 1 2 und B a H l t ist noch nicht ganz sichergestellt.

Die Borgruppe

368

A l s Beispiel sei e t w a die Struktur d e s Anfangsgliedes der Borwasserstoffreihe B n H n + e (3b), des Tetraborans B 4 H 1 0 , wiedergegeben, bei der die drei Grundborine B H â , B 2 H 4 u n d B H 3 über vier B — H " " B - B r ü c k e n b i n d u n g e n so miteinander v e r k n ü p f t sind, daß jedem H - A t o m eine Helium- u n d jedem B - A t o m eine N e o n s c h a l e z u k o m m t : H H\ /H B-Η II )B( I >B< W Η—Β Η Η I Η

(4)

Daß in der Reihe BnH n +4 (3a) kein „Triboran" B 3 H 7 ( = Β Η 3 · Β 2 Η 4 ) und kein „Tetraboran" B 4 H 8 ( = B 2 H 4 · B 2 H 4 ) existiert, hängt damit zusammen, daß die koordinative Absättigung der Boratome durch Dreizentrenbindungen hier nicht in geeigneter Weise erfolgen kann. So leitet sich ja ζ. B. das Triborin B 3 H 7 vom Tetraboran B 4 H 1 0 (4) dadurch ab, daß aus letzterem ein BorinMolekül B H j entfernt wird, wodurch naturgemäß ein Bor-Atom des verbleibenden B 3 H 7 -Moleküls koordinativ ungesättigt zurückbleibt (5a). Stellt man diesem koordinativ ungesättigten Η I II· / ΗII Β ~ Β< I >B< Η' Η—Β

Η II

Η

II

/ Η Β—Η >Β< I _ H Ή—Β Η

Η

Η\ / Η Β—Η >Β< I JIΉ—Β NR

Η

(a)

(5)

Η

(b)

(c)

B 3 H 7 -Molekül jedoch das fehlende Elektronenpaar in Form eines Hydrid-ions ( :H) oder eines Trimethylamin-Moleküls (:NR 3 ) zur Verfügung, so kann es sich als B 3 H e ~-ion (6b) oder als B 3 H 7 · NR 3 -Molekül (5c) stabilisieren. Dementsprechend kennt man ζ. B. ein T r i b o r a n a t des Typus Na[B 3 H 8 ] (S. 370, 372) und A d d u k t e des Triborans mit Elektronendonoren X vom Typus B 3 H 7 · Χ (Χ ζ. B. = OR¡¡ oder N R 3 ; S. 370). Die Existenz eines „Triborans" der Borwasserstoffreihe BnHn+e (3b) ist nicht möglich, da dieses die Zusammensetzung B 3 H , ( = B H 3 · B H 3 · BH 3 ) haben müßte, die nicht erreichbar ist, da das Monoborin B H 3 bereits nach Anlagerung e i n e s weiteren BH 3 -Moleküls koordinativ gesättigt ist (2) und dementsprechend kein weiteres B H 3 mehr aufnehmen kann 1 . Darstellung. D a s Anfangsglied B 2 H e entsteht mit über 99°/ 0 iger Ausbeute bei der U m s e t z u n g v o n BC1 3 m i t ätherischen L i A l H 4 - (S. 388) oder v o n B F S m i t ätherischen LiBH4-Lösungen2 : 4 BC13 + 3 LiAlH4 — > 2 (BH3)2 + 3 LiAlCl4 BF a + 3 LiBH 4 — > 2 (BH 3 ) 2 + 3 LiF bzw. mit 30°/ 0 iger Ausbeute bei der U m s e t z u n g v o n B B r a mit H a in der elektrischen Glimmentladung : 2 BBr 3 + 6 H 2 (BH 3 ) 2 + 6 HBr. B 4 H 1 0 und die höheren Borwasserstoffe lassen sich durch Einwirkung v o n S ä u r e n auf M a g n e s i u m b o r i d oder mit besserer Ausbeute durch t h e r m i s c h e Z e r s e t z u n g v o n D i b o r a n gewinnen. Bei der thermischen Zersetzung von Borwasserstoffen spielen Wasserstoffabspaltungen gemäß dem Schema: H\ /H, ' Ii Ην /H

,Χ,Χ,^,Μ/5· (2 BHj)



(B,H 4 )

1 Die maximale Koordinationszahl (S. 169) des B o r s ist gleich 4. Beim A l u m i n i u m , dessen maximale Koordinationszahl β beträgt, ist die Betätigung mehrerer Resonanz-Brückenbindungen und damit die Bildung hochmolekularer A1H 3 -Aggregate möglich (S. 387 f.). 2 Ätherische LiBH 4 -Lösungen sind durch Umsetzung von B F 3 mit LiH in Äther erhältlich: 4 L i H + B F 3 — > LiBH 4 + 3 LiF.

369

Das Bor

eine Rolle, bei welchen aus niederen Borinen (ζ. B. BH 3 ) höhere Borine (ζ. Β. B , H 4 ) entstehen, die dann im Sinne von (4) zu höhermolekularen Polyboranen zisammentreten (vgl. S. 371). So läßt sich beispielsweise B 2 H„ je nach der Art der thermischen Behandlung nach Belieben bevorzugt in B 5 K u , BjH l c > B 1 0 H m oder einen hochmolekularen, festen, braunen, nichtflüchtigen Borwasserstoff der Bruttozusammensetzung Β Η überführen, dessen Grundkomponente ein besonders hochmolekulares Polyborin ΒχΗ χ +2 = (BH) X ist.

Physikalische Eigenschaften. Alle Borwasserstoffe, mit Ausnahme der nichtflüchtigen hochmolekularen Glieder riechen eigentümlich widerlich und verursachen, eingeatmet, Kopfschmerzen und Übelkeit. Schmelz- und Siedepunkte gehen aus folgender Tabelle hervor: ΒηΗη + 4

BoHn+e

farbloses Gae Smp. - 1 6 4 . 8 6 ° ; Sdp. - 9 2 . 5 3 °

η =

2

η =

4

-

η =

5

Farblose Flüssigkeit Smp. - 4 6 . 7 5 ° ; Sdp. + 60.06°

Farblose Flüssigkeit Smp. - 123.2°; Sdp. + 65.0°

η =

6

Farblose Flüssigkeit Smp. - 6 5 . 1 ° ; Sdp. + 94.0°

Farblose Flüssigkeit 1 Smp. 90°

η =

9

η = 10

-

Farbloses Gas Smp. - 1 2 0 . 8 ° ; Sdp. + 1 6 . 0 °

Farblose Flüssigkeit Smp. — 23° Farblose Kristalle Smp. 99.3°; Sdp. 213.0°

-

Chemische Eigenschaften. Die chemischen Reaktionen der B o r a n e werden durch die Eigenschaften der Borin-Komponenten bedingt und gleichen daher weitgehend den Umsetzungen anderer Verbindungen des dreiwertigen Bors, etwa der Borhalogenide B X 3 und B 2 X 4 (S. 372ff.). Anlagerungsreaktionen. Als koordinativ ungesättigte Gebilde streben die BorinMoleküle BH 3 wie die Moleküle der Borhalogenide B X 3 danach, durch Anlagerung anderer Moleküle die maximale Koordinationszahl 4 zu erreichen. Hierfür stehen zwei Wege zur Verfügung, je nachdem der Reaktionspartner freie Elektronenpaare oder Elektronenlücken aufweist. Im e r s t e r e n Fall (Einwirkung von Verbindungen der 5., 6. und 7. Gruppe des Periodensystems) erfolgt die Anlagerung unter Ausbildung einer n o r m a l e n k o o r d i n a t i v e n B i n d u n g (S. 157f.): H R H:B+:N:R

? >

H R

^

H:B:N:R,

(7)

HR

indem das freie Elektronenpaar des Reaktionspartners das Elektronensextett des Borins zu einer Achterschale ergänzt. Diesem Anlagerungsmechanismus entsprechen ζ. B. die Verbindungen B H 3 · N R S (R -CH 3 ; Smp. 94°, Sdp. 1 7 1 ° ) , B H 3 C O ( S m p . - 1 3 7 . 0 ° , Sdp. — 6 4 ° ) , B H 3 · OR 2 (nur bei tiefen Temperaturen beständig), B H 3 · PH 3 (sublimierbare weiße Substanz), Β Η 3 · Ν Η 3 (Smp. ~ 90°), B H 3 - N C R (weiße feste Substanz), B H 3 - N C 5 H B (Smp. 1 1 ° ) , [ B H 3 - H ] L i (Smp. 278°), die bei der Umsetzung vonDiboran mit Trimethylamin NR 3 , Kohlenoxyd CO, Methyläther R a O, Phosphin PH 3 , Ammoniak NH 3 , Methylcyanid RCN, Pyridin C 5 H 5 N und Lithiumhydrid LiH gebildet werden: (BH 3 ) 2 + 2 N R 3

1

ν 2BH3.NR3.

(8)

Vgl. Anmerkung 3 auf S. 367.

Holleman-Wiberg, Anorganische Chemie 47.-56. Aufl.

24

370

Die Borgruppe

Bei allen diesen Reaktionen wird das Diboran-Molekül B 2 H e (2) durch den Reaktionspartner s y m m e t r i s c h in die beiden BH 3 -Komponenten gespalten (8). Läßt man dagegen Diboran mit Ammoniak bei t i e f e n Temperaturen (—96°) reagieren, so erfolgt eine a s y m m e t r i s c h e Spaltung in ein BH a +-Kation l und ein BH4~-Amon2: B 2 H e + 2 NH 3 —[BH 2 (NH 3 ) 2 ]+[BH 4 ]-. In analoger Weise läßt sich das Tetraboran-Molekiil B 4 Hi 0 (4) durch Einwirkung von Ammoniak asymmetrisch in ein BH„+-Kation und ein B 3 H 8 - -Anion spalten: B 4 H 10 2NH 3 >[BH 2 (NH 3 ) 2 ]+[B 3 H 8 ] - . Doch ist auch hier, etwa mit Trimethylamin, eine der Umsetzung (8) vergleichbare Aufspaltung in zwei ungeladene Borwasserstoff-Komponenten (BH3 und B 3 H 7 ) möglich: B 4 H 10 + 2NR 3 — • BH 3 · NR 3 + B 3 H 7 · NR 3 .

Besitzt der Reaktionspartner keine freien Elektronenpaare, sondern umgekehrt E l e k t r o n e n l ü c k e n (Einwirkung von Verbindungen der 3. und 2. Gruppe des Periodensystems), so erfolgt die gegenseitige Bindung der Moleküle wie bei der Vereinigung zweier BH3-Moleküle (1) durch R e s o n a n z - B r ü c k e n b i n d u n g e n . Fälle dieser Art sind etwa die Verbindungen BeH 2 -2BH 3 (S. 402), BeH 2 -BH 3 (S. 402), MgH2 ·2ΒΗ 3 (S. 405), Α1Η3·3ΒΗ3 (S. 388), GaH3 · 3BH 3 (S. 398), ZnH2 · BH3 (S. 475), TiH3 · 3 BH3, ZrH4 · 4 BH3 (Smp. 28.7°, Sdp. 123°), Hf H4· 4 BH3 (Smp. 29.0°, Sdp. 118°), ThH4· 4 BH3 (Smp. 203°), UH3 · 3 BH„ UII4 · 4 BH3 (Smp. 126°), NpH4 · 4 BII 3 und PuH3 · 3 BHS : Ην /Η. ,H >B
BeB


2 B 5 H 7 — >- B 1 0 H 1 4 . (Pentaborin)

(Dekaboran)

Die Dehydrierung wird erleichtert, wenn das bei der H2-Abspaltung entstehende, koordinativ ungesättigte Borin die Möglichkeit zu stabiler Absättigung vorfindet. So geht Beim Erhitzen für sich geht BH 3 · NH 2 R in „anorganisches Mesilylen" über (vgl. S. 377f.). Lediglich die Kombinationen BH 3 -BH¡¡X sind kurze Zeit haltbar: BH3-BhL,Cl (Smp. — 142», Sdp. 1 8 m m — 78.5°), Β Η , - Β Η , Β Γ (Smp. — 104°, Sdp. ~ 10°), B H , B H , J (Smp. — 110°, Sdp. 7 8 m m 0 ° ) . Wird die Elektronenlücke des Boratoms in den Verbindungen B H 2 X und B H X 2 durch Anlagerung von Äther oder Amin aufgefüllt, so erlischt die Neigung zur Disproportionierung. 3 Die Methylderivate des Borins treten wie das Grundborin nicht in monomerer Form, sondern nur in Form dimerer Resonanzmoleküle (1) auf: BH 3 -BH 2 R ( — 7 8 . 5 ° - Tension 55 mm), BHjR-BH^R (Smp. —124.9°, Sdp. + 4.9°), B H 3 . B H R 2 (Smp. — 150.2°, Sdp. - 2,6°), B H J R - B H R J (Smp. —122.9°, Sdp. + 45.6°), B H R 2 B H R 2 (Smp. —72.5°, Sdp. + 68.6°). 1

2

24»

Die Borgruppe

372

das Diboran B 2 H 6 bei der Einwirkung von K a l i u m h y d r o x i d schon bei Zimmertemperatur unter Wasserstoffentwicklung in Kalium-dihydroxo-diboranat (,,Kalium-hypoborat") K 2 [B 2 H 4 (OH) 2 ] über, indem das gemäß (6) entstehende Diborin B 2 H 4 durch Anlagerung zweier Hydroxidgruppen stabilisiert wird: HH H H H : Ο : + Β : Β + :Ö:H — y [OH]"

Η Ϊ

Β Α

[OH]"

H:Ö: Β : B : Ö : H

Η Η

[B2H4(0H4)J—

R e d u k t i o n e n . Läßt man auf Diboran K a l i u m (in Form von Kaliumamalgam) einwirken, so geht unter Aufnahme zweier Kaliumatome durch das B2H6-Molekül die R e s o n a n z - B r ü c k e n b i n d u n g (1) in eine e c h t e K o v a l e n z über, indem die zwei Kaliumatome die hierfür erforderlichen beiden zusätzlichen Elektronen beisteuern 1 : "" Η Η K+ H:B : Β : Η K+ . Η Η Die Verbindung („Kalium-diboranat") ist thermisch sehr beständig und kann durch Erhitzen auf gegen 400° unzersetzt sublimiert werden. In wässeriger Lösung unterliegt sie hydrolytischer Zersetzung, wobei unter Wasserstoffentwicklnng letztlich Borsäure entsteht. Das B 2 H 6 ~ "-ion ist wie das N 2 H e + + -ion der Hydraziniumsalze (vgl. S. 230) mit dem Äthan C a H e isoster. In analoger Weise ist das BH 4 "-ion der Alkali-monoboranate Me I [BH 4 ] (ζ. B. des Lithiumboranats LiBH 4 ; vgl. S. 370) wie dasNH 4 + -ion der Ammoniumsalze ein Isosteres des Methans CH 4 .

c) Halogenverbindungen des Bors

Bortrifluorid BF 3 entsteht analog Siliciumtetrafluorid (S. 322) beim Erhitzen von B o r t r i o x i d mit F l u ß s p a t und konzentrierter S c h w e f e l s ä u r e . Aus den beiden letzteren entsteht dabei zunächst Fluorwasserstoff (CaF2 + H 2 S 0 4 —> CaS0 4 + 2HF), welcher dann unter der wasserentziehenden Wirkung der konzentrierten Schwefelsäure fluorierend auf das Bortrioxid einwirkt: B.O, + 6HP — > 2 B F 3 + 3 H 2 0 .

Borfluorid ist ein farbloses, erstickend riechendes Gas (Schmelzpunkt —127.1°, Siedepunkt — 101°). Durch Wasser wird es unter Bildung von Borsäure und Fluoroborsäure zerlegt : - B(0H) 3 + 3 H F (1) 3 χ

HF + BF3

4 B F , + 3HÖH

H[BF4]

>- B(OH), + 3 H [ B F 4 ] .

(2)

(3)

Als Zwischenprodukte der Hydrolyse (1) können Anlagerungsverbindungen von Borfluorid und Wasser isoliert werden: B F 3 - H 2 0 und B F 3 - 2 H 2 0 (s. S. 373). Die durch Zusammentritt von Borfluorid und Fluorwasserstoff gemäß (2) entstehende und in Umkehrung von (1) technisch durch Einwirkung von Flußsäure auf Borsäure gemäß B(OH) 3 + 4 H F — Η [BF 4 ] + 3 H 2 0 gewinnbare (s. unten) Fluoroborsäure H[BF 4 ] ist eine s t a r k e S ä u r e , welche nur in wässeriger Lösung, nicht dagegen in freiem Z u s t a n d e bekannt ist. Ihre Salze, die Fluoroborate, lassen sich durch Auflösen der betreffenden Metalloxide, -hydroxide oder -carbonate in wässeriger Fluoroborsäure darstellen und zeigen hinsichtlich ihrer L ö s l i c h k e i t weitgehende Analogie 1 Läßt man Natrium (in Form von Natriumamalgam) auf Diboran in Gegenwart von Äther einwirken, so reagiert das primär gebildete Na 2 B 2 H, mit weiterem B 2 H e unter Bildung von ätherunlöslichem NaBH 4 (vgl.S.369) und ätherlöslichem NaB 3 H 8 (S. 368) weiter: 2Na + B 2 H„ >-

Na 2 B 2 H„

' ">

+B H

NaBH 4 + NaB 3 H 8 .

373

Das Bor

mit den P e r c h l o r a t e n . Hierin äußert sich der analoge Aufbau von Perchlorat- (a) und Fluoroborat-ion (e): : 0 :

:0 :

:O:

Ö: Cl: 0 :

:Ö:S:F :

: Ö:Ρ : F

": 0: (a)

" :Ó:

_J

(b)

O: :F

: F

C :F:

: Ρ:"

F :

(ö)

(d)

Τ

: F : Β F: "

(e)

J

Gleiches gilt auch vom isosterenFluorosulfat- (b), D i f l u o r o p h o s p h a t - (c) (S. 264) und T r i f l u o r o c a r b o n a t - i o n (d), von denen sich wie im Falle (a) und (d) starke Säuren ableiten (vgl. S. 264).

In wässeriger Lösung ist die Fluoroborsäure H [ B F 4 ] gemäß H [ B F J + HtO;=iH[BF3(OH)] + HF teilweise hydrolysiert, wobei das Gleichgewicht auf der linken Seite liegt (K = 2.3· 10~ 3 bei 25°). Die dabei gebildete Hydroxo-fluoroborsäure H [BF 3 (OH)] = BF a · H¡¡0 istebenfalls eine starke Säure, wenn auch nicht ganz so stark wie H [ B F 4 ] , Sie läßt sich wasserfrei als farblose, ölige Flüssigkeit (Smp. 6.0°) isolieren, lagert weiteres Wasser unter Bildung einer farblosen flüssigen Oxoniu m Verbindung H 3 0 [ B F 3 ( 0 H ) ] = B F 3 · 2 H J O (Smp. 6.2°, Sdp. unter 1.2 mm Druok 60°) an: ,Ή. OH. /H- -OH, F \ \ ^ F — B-_F — Β — O_ •< >F—"Ji—O F/ \H F/ \H und bildet Salze des Typus Me[BF 3 (OH)], die auch aus Borfluorid B F 3 und Metallhydroxid MeOH synthetisierbar sind. Die weitere Hydrolyse von H[BF 3 (OH)] zu H[BF 2 (OH) 2 ] (farblose, sirupöse Flüssigkeit, Smp. 4°, Sdp. 745 m m 159.1°) und H[BF(OH) 3 ] findet nur in sehr geringem Ausmaße statt. Die Hydrolysenprodukte sind schwächere Säuren als H [ B F 4 ] und werden auch bei der Darstellung der letzteren aus Borsäure und Flußsäure (s. S. 372) als Zwischenstufen gebildet. Die Hydrolysen-Reaktion H,0 H,0 H20 H[BFJ H[BF 3 (OH)] j z r ^ : H[BF 2 (OH) 2 ] ^ r r r H[BF(OH) 3 ] B(0H)3 + HF HF HF HF läßt sich also von beiden Seiten her verwirklichen. F

Borchlorid BClj kann direkt aus den E l e m e n t e n oder durch Einwirkung von Chlor auf ein glühendes Gemisch von B o r t r i o x i d und K o h l e dargestellt werden: B 2 0 3 + 3C + 3C12

2BC13 + 3CO.

Es stellt eine farblose, leichtbewegliche, an feuchter Luft stark rauchende Flüssigkeit dar, welche bei 12.5° siedet und bei —107° erstarrt. Charakteristisch für Borchlorid ist seine große E m p f i n d l i c h k e i t g e g e n ü b e r W a s s e r , durch welches es sofort zu Borsäure und Salzsäure zersetzt wird: BC13 + 3HOH —>- B(OH) s + 3HC1. Die Reaktion verläuft über A d d i t i o n s v e r b i n d u n g e n als Z w i s c h e n p r o d u k t e :

BC1¡I

-I-H.O^

BCI3.

OH2

B C 1 2 ( 0 H ) USW.

Auch an viele andere Verbindungen mit freien Elektronenpaaren (Stickstoff-, Phosphor-, Sauerstoff-, Schwefel-, Halogenverbindungen) lagert sich Borchlorid — noch ausgeprägter ist die Anlagerungstendenz beim Borfluorid (vgl. S. 372f.) — leicht an, da es (vgl. S. 369f.) bestrebt ist, seine Elektronen-Sechserschale zu einem Oktett zu ergänzen : Cl Β v Cl R Cl : Β + : Ν : R Cl

R

Cl: B : N : R . Cl R

Diese Anlagerungsverbindungen sind erwartungsgemäß b e s t ä n d i g e r gegen Wasser als das freie Borchlorid, da bei ihnen die für die primäre Anlagerung des Wassers erforderliche v i e r t e K o o r d i n a t i o n s s t e l l e des Bors b e s e t z t ist. So kann beispielsweise die — besonders stabile — Additionsverbindung BC13 · NR 3 (R = CHS) aua Wasser umkristallisiert werden, ohne daß eine Hydrolyse der B—Cl-Bindungen erfolgt.

Die Borgruppe

374

Durch Chlorentzug mittels Quecksilberdampf in einer elektrischen Entladung kann das Bortrichlorid BC13 in D i b o r t e t r a c h l o r i d B2C14, eine farblose, zersetzliche Flüssigkeit vom Smp. — 92.6° und Sdp. + 65.5°, übergeführt werden.

Bortribromid BBr3 bildet eine farblose, stark rauchende Flüssigkeit (Smp. —46°, Sdp. 90.5°), Bortrijodid BJ :i blättrige, farblose, hygroskopische Kristalle (Smp. 43°, Sdp. 210°). Das Bestreben zur Bildung von Additionsverbindungen ist bei diesen beiden Halogeniden weniger stark entwickelt als beim Borfluorid und Borchlorid.

d) Sauerstoffverbindungen des Bors Bortrioxid B3O3 wird als Borsäure-anhydrid durch Glühen von B o r s ä u r e als farblose, glasige, bei Rotglut erweichende Masse erhalten: 2H3B03^=±:Ba03+3H20.

Es ist sehr hygroskopisch und geht unter Wasseraufnahme leicht wieder rückwärts in Borsäure über. Als sehr beständige Verbindung wird Bortrioxid durch Kohle selbst bei Weißglut nicht reduziert. Erst bei Gegenwart von Stoffen wie Chlor oder Stickstoff, die an die Stelle des Sauerstoffs treten können, wirkt die Kohle ein: B 2 0 3 -f3C + 3C12 —>- 2BCI3 + 3 CO (S.373). Mit Fluorwasserstoff liefert Bortrioxid Borfluorid : B 2 O s + 6 H F — 2 B F 3 + 3 H 2 0 (S. 372). Borsäure H3BO3 kommt in freiem Zustande in den Wasserdampfquellen („Sofjionen" oder „Fumarolen") vor, die in Mittelitalien (Toscana) dem Erdboden entströmen. Die Dämpfe werden in künstlich angelegten Lagunen kondensiert und die genügend angereicherten Borsäurelösungen in eisernen, durch die Soffionen erwärmten Pfannen eingedampft, wobei sich die Borsäure in perlmutterglänzenden Blättchen ausscheidet. Auch als Mineral („Sassolin") findet sich die Borsäure in Italien. Seitdem aber riesige Mengen von Kernit Na 2 B 4 0, · 4 H 2 0 und Colemanit Ca 2 B e O u · 5 H 2 0 in Kalifornien, große Lager von Boronatrocalcit NaCaB 6 0 9 · 6 H 2 0 in Chile und erhebliche Mengen von Borocalcit CaB 4 0 7 · 4 H 2 0 und Ρ ander mit Ca a B e O n · 3 H 2 0 in Kleinasien aufgefunden worden sind, hat die toscanische Borsäurefabrikation ihre frühere Bedeutung verloren. Diese C a l c i u m b o r a t e lassen sich durch Kochen mit S o d a l ö s u n g aufschließen, wobei sich schwerlösliches Calciumcarbonat abscheidet; aus der filtrierten Lösung kristallisiert dann beim Erkalten Borax Na 2 B 4 0 7 · 10H 2 0 aus. Durch Behandeln mit Salz- oder Schwefelsäure kann dieser Borax in Borsäure übergeführt werden : Na 2 B 4 0 7 + 2Η' + 5 H 2 0 —>- 4H3BO3 + 2Na". Reine Borsäure B(OH) s kristallisiert in schuppigen, weißglänzenden, durchscheinenden, sich fettig anfühlenden, sechsseitigen Blättchen vom spezifischen Gewicht 1.46. Sie bildet im Einklang mit der schuppigen Ausbildung ihrer Kristalle ein S c h i c h t e n g i t t e r , dessen einzelne Ebenen unter Mitwirkung von Wasserstoffbrücken (S. 223) gemäß dem Schema 1 : Η Η Η ΗΟ\

/0

Ώ

I 0

Η Ο Η

0

zustande kommen.

/

Η

Ν Β /

I

η0/ \ β

Η

η

Ο

Ο

Η ( ) Η

I 0 η

Π

Ο

Ν Β /

I

° ο/

Ο

I

\o °H

η

H

Η

Η

Οη°\β/0ηΟη°\Β/0ξΟ I I I I I b

\

0

h ° H

0

/

Η

b

\

0

H

0

H

0

/

b

\ o H

Η

1 Zur besseren Übersicht sind die einzelnen B(OH)3-Moleküle abwechselnd fett und nicht fett gedruckt.

375

Dae Bor

In kaltem Wasser ist Borsäure nur schwer löslich (19.5 g/1 bei 0°, 39.9 g/1 bei 20°); die Lösung wird als schwaches Antiseptikum verwendet (,,Borwasser"), Beim Erhitzen geht die Borsäure (,,Orthoborsäure") H 3 B0 3 unter Wasserabspaltung zunächst in „Metaborsäure" H B 0 2 (s. unten) und dann in glasiges, wasserhaltiges Bortrioxid B 2 0 3 über: 2H3BO3 -- 2 E ' 0 >- 2HBO, " i 0 > B203. Die Borsäure ist eine sehr s c h w a c h e Säure. Ihre Dissoziationskonstanten betragen bei Zimmertemperatur: K x = 6 χ 1 0 - 1 0 , = 2 χ 1 0 - 1 3 , K 3 = 2 χ 1 0 - " . Dementsprechend sind bereits die p r i m ä r e n Salze der Borsäure s t a r k h y d r o l y t i s c h g e s p a l t e n , während s e k u n d ä r e und t e r t i ä r e Salze aus wässeriger Lösung überhaupt nicht darstellbar sind. Durch Zusatz m e h r w e r t i g e r A l k o h o l e (II, S. 150ff.) wie Mannit kann die Borsäure in k o m p l e x e S ä u r e n von der Stärke etwa der Essigsäure übergeführt werden: / ; 0 H + H|0—C< >C—OjH + HO v \b/· : I I HO—C< >C—OiH + HO /

^

>C—O x _ , 0 — c < Η + 3H 2 0. I > < I >0—0/ \0—c
- B(OCH3)8 + 3 H 2 0 . Die G r ü n f ä r b u n g , die dieser Borsäuremethylester der brennenden Alkoholflamme erteilt, dient zum q u a l i t a t i v e n N a c h w e i s von B o r . Die S a l z e der Borsäure („Borate") leiten sich nicht nur von der O r t h o s ä u r e H 3 B0 8 („Orthoborate") und M e t a s ä u r e H B 0 2 („Metaborate"), sondern auch von wasserä r m e r e n „Polyborsäuren" der Zusammensetzung H n _ 2 B n 0 2 n _ j = n H 3 B 0 3 — ( n + 1) H 2 0 ab, die als freie Säuren nicht nachweisbar sind. Den M e t a b o r a t e n [Me I B0 2 ] n liegt das durch Wasserabspaltung aus der Orthoborsäure gemäß dem Schema OH OH -, I ν I , HO;—B—OiH + HOj—B—OjH zustande kommende Molekül der Metaborsäure 1 : OH OH OH

OH

— Β —0 —Β —O——O—Β —O— zugrunde, das bei geringer Kettenlänge (η ζ. B. = 3) zu einem Ring geschlossen ist (Beispiel: Natrium-metaborat), bei großem η (n = 00) als offene Kette vorliegt 2 (Beispiel : Calciummetaborat) : 0

1

-

Β \ / 0κ ND I I -

0-Β^

ο /

Β-0

0

0

0

— ΒI — Ο — Β — Ο— IΒ — Ο — Β — 0 —I B — 0 — I I o

o

[BO s '] s -Ion des Natrium-metaborats N a B 0 2 3 [BO,']oo-Ion des Calcium-metaborats CaB 2 0 4 1 Das Kettenmolekül ist natürlich entsprechend den Tetraederwinkeln der Valenzen gewinkelt. 2 Vgl. hierzu die analogen Verhältnisse bei den Metaphosphaten (S. 268f.) und Metas i l i c a t e n (S. 325f.). * Der B 3 0 3 X j - R m g („BoroxoV-Bing) ist auch in Form anderer Derivate, ζ. B. von Alkylund Aryl-, von Halogen- und von Alkoxy- und Alkamino-Verbindungen bekannt: (Forts, s. 876)

Die Borgruppe

376

Beispiele für „Polyborate" sind die auf S. 366 genannten Bormineralien. Ihnen kommen kompliziertere Molekularstrukturen zu. Das technisch wichtigste Borat ist der Borax Na 2 B 4 0 7 -10H 2 0. Borax Na-^B^O^ · 10 H 2 0 wurde früher unter dem Namen Tinkai aus Tibet in großer Menge nach Europa eingeführt. Heute wird die weitaus überwiegende Menge Borax aus Κ er n i t Na 2 B 4 0 7 • 4 H 2 0 (Lösen in heißem Wasser unter Druck und Auskristallisierenlassen) oder aus C a l c i u m b o r a t e n (vgl. S. 374) gewonnen. Borax bildet in reinem Zustande große, farblose, durchsichtige, an trockener Luft oberflächlich verwitternde Kristalle, welche beim Erhitzen auf 350—400° in wasserfreies Natrium te traborat Na 2 B 4 0 7 (Smp. 878°) übergehen. Die glasartige Schmelze des Tetraborats vermag viele Metalloxide unter Bildung charakteristisch gefärbter Borate aufzulösen. Hiervon macht man in der analytischen Chemie zum N a c h w e i s v o n M e t a l l o x i d e n (vgl. S. 267) Gebrauch {„Boraxperle"). Auch die Verwendung von Borax beim L ö t e n beruht auf dieser Boratbildung, indem der Borax in der Hitze die Oxidhaut der zu lötenden Metalle beseitigt und so eine saubere Oberfläche schafft. Große Mengen Borax werden zur Herstellung leichtschmelzender G l a s u r e n für Steingut- und Porzellanwaren und Blechgeschirre („Emaille") sowie in der W ä s c h e r e i („Kaiserborax") verbraucht. Weiterhin dient er zur Herstellving besonderer Glassorten, ζ. B. von o p t i s c h e n G l ä s e r n , sowie als Ausgangsmaterial für die Gewinnung von „Perboraten". „Perborate". Die „Perborate"des Handels sind keine echten — d.h.Peroxogruppen — 0 — 0 — enthaltende — P e r o x o v e r b i n d u n g e n , sondern A d d i t i o n s p r o d u k t e von W a s s e r s t o f f p e r o x i d und gewöhnlichen B o r a t e n . Die bekanntesten derartigen Perborate sind „Natriumperborat" N a B 0 2 · H 2 0 2 · 3 H 2 0 und „Perborax" Na 2 B 4 0 7 · H202 · 9H20. N a t r i u m p e r b o r a t wird durch Zugabe von W a s s e r s t o f f p e r o x i d zu einer äquimolekularenBorsäure-Natronlauge-Mischung ( N a t r i u m - m e t a b o r a t - l ö s u n g ) gewonnen : H 3 BO, + NaOH + H 2 0 2

NaBOj-HjOj + 2 H 2 0 .

P e r b o r a x entsteht bei der Einwirkung von 1 Mol N a t r i u m p e r o x i d Borsäure:

auf 4 Mol

4 H 3 B 0 3 + Na,Ο 2 — > - Na 2 B 4 0, · H 2 0 2 + 5 H 2 0

und kann durch Umkristallisieren aus Wasser in Natriumperborat N a B 0 2 · H 2 0 2 übergeführt werden (Na 2 B 4 0 7 · H 2 0 2 + 3 H 2 0 — N a B 0 2 · H 2 0 2 + N a B 0 2 + 2H 3 B0 3 ). Alle modernen W a s c h - und B l e i c h m i t t e l für Wolle, Seide, Stroh, Elfenbein und viele andere Stoffe enthalten P e r b o r a t e . „Persil" ist ζ. B. ein Gemisch von Seife, Soda und Natriumperborat (bzw. -percarbonat). Auch in der K o s m e t i k (als Bleichmittel für Haare) und als D e s i n f e k t i o n s m i t t e l (ζ. B. in Zahnpasten) finden Perborate vielfach Verwendung. Im Gemisch mit wasserstoffperoxid-zersetzenden Stoffen dienen Perborate zur Bereitung von Sauerstoffbädern. £ I

y

TR

¿γ \

0

/

(X z.B. = CHj, C,H5> F, Cl, Br, OCH3, N(CH,) 2 ). Sie sind ganz allgemein aus Bortrioxid und den entsprechenden Borinderivaten gewinnbar: Β Λ + BX a BgOjXs (Trimethyl-boroxol: Smp. - 3 8 ° , Sdp. 79.3»;

Trimethoxy-boroxol: Smp. ~10°, Sdp. Zers.; Tris(dimethylamino)-boroxol: Smp. 64°, Sdp. 221°). Auch analoge Bor-Schwefel-Ringe B 3 S 3 X 3 („Borsulfole") eind bekannt, ζ. B. die trimere Metathioborsäwe B s S 3 (SH) 3

(Smp. 144°), das TricMorborsuljol B3S3C13, Tribromborsvlfol B3S3Br3 (Smp. 134®) und Trijodborsulfol B 3 S 3 I 3 (Smp. 122°), das Trimethoxyborsulfol B3S3(OR)3 (Smp. 27.5°) und B s S. (NR 2 ) s (Smp. 118°).

TriefdimethylaminoJ-borsvlfol

Das Bor

377

e) Stickstoff- und Kohlenstoffverbindungen des Bors Boriiitrid BN kann bei Weißglut a u s d e n E l e m e n t e n oder besonders rein durch Umsetzung von B o r b r o m i d mit flüssigem A m m o n i a k dargestellt werden, wobei zunächst B o r a m i d , dann B o r i m i d und bei 750° schließlich B o r n i t r i d entsteht: 2BBrä

> 2B(NHJ)3

~

8 N H

'

> B2(NH)S

>- 2 B N .

Bemerkenswert ist, daß kristallisiertes Bornitrid die g l e i c h e K r i s t a l l s t r u k t u r besitzt wie G r a p h i t (Fig. 95, S. 294), indem die eine Hälfte der Kohlenstoffatome ( · ) durch Boratome, die andere Hälfte (O) durch Stickstoffatome ersetzt ist (,,anorganischer Graphit"): \ \ \ I |

\ /

/N

n bι

\

/

n

/N

n bι

\

/

n

I

I

B

B

/

n

b



\

\ /

n

i B

/\

n bι

\

n

/b\ ι /b\n/ n

I

I

B

B

\n/ \N/ \N/ \N/ \N/ \ l /

'

I l i b b \ n / \ n / \ n / \ n / I I I I Borstickstoff (BN)^

B

b

b

\

/

n

I

Das Bornitrid-Molekül BN ist also h o c h p o l y m e r und baut sich aus wabenförmig vernetzten, kovalent dreiwertigen Bor- und Stickstoffatomen auf. Die Gitterabmessungen sind praktisch die gleichen wie beim Graphit (B — N-Abstand: 1.45 Â, Schichtenabstand: 3.35 Â; entsprechende Abmessungen beim Graphit: 1.42 bzw. 3.35 Â). Der Ersatz je zweier benachbarter Kohlenstoffatome des Graphitgitters durch ein Stickstoff und Boratom ist elektronentheoretisch deshalb möglich, weil zwei Kohlenstoffatom e zusammen ebenso viele Elektronen (4 + 4 = 8) aufweisen wie ein Bor-Stickstoff-Paar (3 -)- 5 = 8). Graphit und Bornitrid sind also miteinander i s o s t e r 1 (vgl. S. 308). Außer der h e x a g o n a l e n Graphit-Modifikation des Bornitrids existiert auch eine dem Diamant entsprechende k u b i s c h e Modifikation (,,Borazon" „anorganischer Diamant"). Ein anderes interessantes Beispiel für den Austausch von C—C durch Β—Ν ist das Borazol B 3 N 3 H e . Borazol wird beim Erhitzen von D i b o r a n und A m m o n i a k (Molverhältnis 1: 2) auf 250—300° in 50 °/oiger Ausbeute erhalten : 3(BH 3 ) 2 + 6NH, — > - 2B 3 N 3 H e + 12 H,.

Es stellt eine farblose, wasserklare, leichtbewegliche Flüssigkeit von aromatischem Geruch dar, welche bei 55.0° siedet und bei —58.0° erstarrt, und besitzt die Elektronenkonfiguration des B e n z o l s C e H e (S. 302: vgl. II, S. 297ff.): Η Η Η :N '

Ν: H

H:C

Η :Β .

. ß:II

H:C

•'Ν ' ti 1

C:II

••Ό

-

G: H '

H

Daß das Bornitrid zum Unterschied vom Graphit weiß ist und den elektrischen Strom nicht leitet, hängt damit zusammen, daß die überschüssigen „vierten" Elektronen (S. 294) in diesem Falle nicht beweglich, sondern wegen der Ungleichartigkeit der Gitterpartner als freie Elektronenpaare am Stickstoff fixiert sind. Hierdurch wird auch die geringere Beweglichkeit der Schichten gegeneinander bedingt.

Die Borgruppe

378

Da seine physikalischen und chemischen Eigenschaften (ζ. B. Dichte, Verdampfungswärme, Oberflächenspannung, Anlagerungsreaktionen) weitgehend mit denen des Benzols übereinstimmen 1 , wird es auch als „anorganisches Benzol" bezeichnet. In analoger Weise entsprechen die Eigenschaften der M e t h y l h o m o l o g e n des Borazols (ζ. B. „anorganisches Mesitylen" B3N3H3R3) denen der isosteren Methyl-benzole. Bei der Darstellung des Borazols aus Diboran (BH,)2 und Ammoniak NH, und der Methylborazole aus Methyl-diboran und Ammoniak bzw. Diboran und Methylamin treten als Zwischenstufen (vgl. S. 370) Verbindungen auf, die mit den A l k a n e n , A l k e n e n und Alkinen (S. 301) isoster (S.308) sind und deshalb al β „Borazane", „Borasene" und „Borazine" bezeichnet werden:

BH3 + NH,, — B H

3

ΝΠ3 — V BHj — NH2 — >. B H

Borazan

Borazen

2

;

N H

( _ B H — NH—)3.

Borazin

Auch hier treten bemerkenswerte Analogien in den Eigenschaften der isosteren Körperklassen auf.

ßorcarbid B4C entsteht beim Erhitzen von B o r oder B o r t r i o x i d mit K o h l e auf etwa 2500° und bildet schwarze, glänzende Kristalle (spez. Gew. 2.52, Smp. 2350°, Sdp. > 3500°), die gegen Kaliumchlorat und Salpetersäure vollkommen beständig sind, mit Chlor und Sauerstoff unterhalb von 1000° nur langsam reagieren und so hart sind, daß sie selbst Diamanten ritzen.

2. Das Aluminium a) Elementares Aluminium α) Vorkommen Aluminium kommt in der Natur wegen seiner großen Sauerstoffaffinität nicht ged i e g e n , sondern nur in Form von V e r b i n d u n g e n vor, und zwar ist es das w e i t e s t v e r b r e i t e t e unter allen M e t a l l e n der Erdrinde (vgl. S. 69). Unter den Verbindungen sind vor allem zu nennen: die Feldspäte (vgl. S. 330) — z . B . Kalifeldspat (Orthoklas) K[AlSi 3 0 8 ] als Hauptbestandteil von G r a n i t , G n e i s , P o r p h y r , B a s a l t und anderen Eruptivgesteinen, Natronfeldspat (Albit) Na[AlSi 3 0 s ], Kalkfeldspat (Anorthit) Ca[Al 2 Si 2 0 8 l und isomorphe Gemische von Kalk- und Natronfeldspat — und die Glimmer (vgl. S. 330) — ζ. B. Kaliglimmer (Muskovit) [KA12 (OH, F) 2 ] [AlSi3O10], Magnesiaglimmer [K(Mg, F e n ) 3 (OH, F) 2 ] [AlSi3O10], Lithionglimmer (Lepidoli/h) [KLi 2 (OH, F) 2 ] [AlSi3Oe (OH, F) 4 ] (in isomorpher Mischung mit Kaliglimmer) und Lithioneisenglimmer (Zinnwaldit) : Mischkristalle von Magnesiaglimmer und Lithionglimmer —. Als Verwitterungsprodukte feldspathaltiger Gesteine treten die Tone (vgl. S. 330) auf, mehr oder weniger plastische, hauptsächlich aus Aluminiumoxid, Siliciumdioxid und Wasser aufgebaute Massen. Unter besonderen Verwitterungsbedingungen (erhöhte Temperatur, erhöhter Druck) kann sich als besonderer Ton der Kaolinit bilden, ein wasserhaltiges Aluminiumsilicat der Zusammensetzung A1203 · 2 Si0 2 •2H 2 0 = [Al(OH)2] 2 [Si 2 0 J . Stark calcium- und magnesiumcarbonathaltige Tone bezeichnet man als Tonmergel, stark durch Eisenoxid und Sand verunreinigte Tone als Lehm. Als reines A l u m i n i u m o x i d A1203 („Tonerde") kommt Aluminium in Form von Korund und Schmirgel (einer durch Eisenoxid und Quarz verunreinigten körnigen Die Bezeichnung Borazol (Bor-az-ol) bringt die Analogie zwischen C„He und B 3 N,H e (Ersatz je zweier Kohlenstoffatome durch ein Bor-Stickstoff-Paar) zum Ausdruck (vgl. Anmerkung 1, S. 61). 2 Die Schreibweise BH, — N H , für das Borazen bringt die Mesomerie (vgl. S. 159, 230 f., 234f.): Η Η Η Η

Η:Β::Ν:Η -
- Η:Β:Ν:Η

zum Ausdruck. Analoges gilt für die Bedeutung der punktierten Valenz des Borazans und Borazins.

Das Aluminium

37

Form des Korunds) vor (vgl. S. 386f.). Gut ausgebildete und durch Spuren anderer Oxide gefärbte Korundkristalle sind als E d e l s t e i n e geschätzt (vgl. S. 386f.); ζ. B. Rubin (rot), Saphir (blau), orientalischer Smaragd1 (grün), orientalischer Amethyst2 (violett), orientalischer Topas3 (gelb). Unter den A l u m i n i u m h y d r o x i d e n besitzt vor allem der Bauxit A1 2 0 3 · H 2 0 = AIO(OH) (S. 386) größte technische Bedeutung als wichtigstes Ausgangsmaterial für die Aluminiumgewinnung. E r findet sich in großen Lagern in Frankreich, Ungarn, den Vereinigten Staaten, Italien, Jugoslawien, Guayana und an vielen anderen Stellen. Andere Hydroxide sind Hydrargillit Α1 2 0 3 ·3Η 2 0 = Al(OH) a (S. 385f.) und Diaspor Α1 2 0 3 ·Η 2 0 = AIO(OH) (S. 386). Technisch von Bedeutung ist auch der Kryolith Na 3 [AlF e ], der sich vor allem in Grönland findet. ß) D a r s t e l l u n g Die t e c h n i s c h e D a r s t e l l u n g von Aluminium erfolgt durchweg durch E l e k t r o l y s e einer L ö s u n g von A l u m i n i u m o x i d in g e s c h m o l z e n e m K r y o l i t h . Das dabei zur Anwendung gelangende A l u m i n i u m o x i d muß s e h r r e i n sein. Dementsprechend zerfällt die Aluminiumdarstellung in zwei Arbeitsgänge : die Gewinnung von reinem Aluminiumoxid und die eigentliche Elektrolyse. Gewinnung von reinem Aluminiumoxid Als A u s g a n g s m a t e r i a l f ü r die Erzeugung reiner Tonerde dient fast ausschließlieh B a u x i t . Jedoch lassen sich auch die weitverbreiteten T o n e und technische A b f a l l p r o d u k t e wie Kohlenasche zur Gewinnung von A1 2 0 3 heranziehen. Gewinnung aus Bauxit Die in der Natur vorkommenden B a u x i t e sind mehr oder weniger stark durch E i s e n o x i d und K i e s e l s ä u r e verunreinigt. So enthalten die sogenannten „roten Bauxite" meist 20—25% F e 2 0 3 und 1—5°/, Si0 2 , die „weißen Bauxite" nur 5°/ 0 Fe 2 0 3 , aber bis zu 25°/ 0 Si0 2 . Die Entfernung dieser Verunreinigungen, namentlich des E i s e n s (als Ausgangsmaterial zur Aluminiumdarstellung dienen hauptsächlich die roten Bauxite), kann durch t r o c k e n e n oder durch n a s s e n A u f s c h l u ß erfolgen. Trockener Aufschluß. Bei dem Verfahren des t r o c k e n e n A u f s c h l u s s e s {„Trockenverfahren") wird der staubfein gemahlene B a u x i t mit der berechneten Menge gemahlener calcinierter S o d a unter gleichzeitigem Zusatz von gemahlenem gebranntem K a l k sorgfältig vermischt und in großen Drehrohröfen bis zu 100 m Länge und 2—3 m Durchmesser einer Generatorgasflamme entgegengeleitet („Calcinieren"). Bei diesem Glühprozeß (1000°) geht das Aluminiumoxid des Bauxits im wesentlichen in N a t r i u m a l u m i n a t und teilweise auch in Calciumaluminat, das Eisenoxid in N a t r i u m f e r r i t und Calciumferrit über: AljO, + Na2C03 >- 2NaA10j + C02, (la) Fe 2 0 3 + Na2C03 i- 2NaFe0 2 + C02. (1 b) Behandelt man anschließend das abgekühlte, grünlich aussehende Sinterprodukt im Gegenstrom mit W a s s e r , so geht das A l u m i n a t unzersetzt in L ö s u n g , während sich das F e r r i t quantitativ in E i s e n h y d r o x i d und L a u g e spaltet, da in wässeriger Lösung das Gleichgewicht der „Salzbildung" aus Metallhydroxid und Lauge (vgl. S. 385f.) beim A l u m i n i u m ganz auf der Seite des Salzes, beim E i s e n dagegen ganz auf der Seite des Hydroxids liegt:

1 2 3

NaAlOj + 2H 2 0 Al(OH)3 + NaOH, NaFe0 2 + 2HaO Fe(OH)3 + NaOH. Der echte Smaragd ist eine Abart des Berylls Be3Al2[SieOi8], Der echte Amethyst ist ein gefärbter Quarz Si0 2 . Der echte Topas ist ein fluorhaltiges Aluminiumsilicat [Al(OH, F)]2[Si04l.

(2a) (2b)

Die Borgruppe

380

Das gebildete Eisenhydroxid {„Rotschlamm") wird in Dekantier- und Filtrieranlagen abgetrennt und als Gasreinigungsmasse („Luxmasse" ; S. 184f.) verwendet. Die Ausfällung des A l u m i n i u m h y d r o x i d s aus der filtrierten Aluminatlösung erfolgt durch Einleiten von K o h l e n d i o x i d („Carbonisieren"), wodurch das Gleichgewicht (2 a) infolge Wegfangens der Lauge gemäß 2NaOH + CO,

>- Na 2 CO, + H , 0

(3)

nach rechts verschoben wird. Das ausgefällte Aluminiumhydroxid wird abfiltriert, gewaschen und durch scharfes Glühen in Drehrohröfen bei Temperaturen von etwa 1200° in wasserfreies, feuchtigkeitsbeständiges („totgebranntes") A l u m i n i u m o x i d verwandelt (S. 386): 2 Al(OH), —

AlaO„ + 3 H s O .

(4)

Die K i e s e l s ä u r e des Bauxits wird beim Aufschluß des letzteren teilweise durch den Kalk verschlackt; ein anderer Teil geht beim Auslaugen des Glühprodukts mit Wasser in Lösung und wird vor dem Carbonisieren durch Erhitzen der Lösung unter Druck als unlösliches Natrium-aluminium-silicat Na 2 [Al 2 SiO e ] · 2H a O ausgefällt. Die Gleichungen (2 a), (3) und (4) ergeben addiert die Umkehrung dea Vorgangs ( l a ) : 2NaA10¡¡ + CO, >• Al,O, + Na a CO,. Das beschriebene Aufschlußverfahren läßt sich also in einfachster Form durch die Gleichung AljOj + Na,CO,

Aufschluß

> 2 Na AIO, + CO,

Ausffillung

wiedergeben. In der S c h m e l z e (Aufschluß) wird das Aluminiumoxid des Bauxits mittels Soda in wasserlösliches Aluminat übergeführt; in der wässerigen L ö s u n g (Allsfällung) wird durch Einwirkung des beim Calcinieren gewonnenen Kohlendioxids das Aluminat wieder rückwärts zu Oxid und Soda zerlegt. Die so zurückgewonnene Soda geht immer wieder in den Aufsohlußprozeß zurück.

Andere, weniger gebräuchliche Verfahren des trockenen Aufschlusses von Bauxit verwenden zum Aufschließen an Stelle von Soda und Kalk: N a t r i u m s u l f a t und K o k s („P ENJAKOFF-V erfahren"),Kalkstein und K o k s (,,Ρ EDERSEN-V erfahren") oder P y r i t und K o k s („HAGLUND-Verfahren"). Unter diesen Verfahren ist besonders auf das P E N JAKOFF-Verfahren ( G I U L I N I Verfahren) hinzuweisen, das die Tonerdegewinnung mit einer S o d a - und S c h w e f e l säureerzeugung koppelt. Wie aus den Gleichungen (2 a) und (3) hervorgeht, wird beim k l a s s i s c h e n Trockenverfahren durch das Carbonisieren die für den A u f s c h l u ß d e s B a u x i t s (la) erforderliche Soda wieder z u r ü c k g e w o n n e n . Beim P E N J A K O F F V e r f a h r e n erfolgt nun der Aufschluß des Bauxits nicht mit S o d a , sondern mit Natriumsulfat und Koks: ΑΙ,Ο, + N a , S 0 4 + C — ν

2 Na AIO, + SO, + CO.

Dementsprechend wird hier die beim Carbonisieren der Aluminatlösung entstehende S o d a als Z u s a t z p r o d u k t gewonnen. Zudem ermöglicht das beim Aufschluß des Bauxits gebildete S c h w e f e l d i o x i d noch eine S c h w e f e l s ä u r e p r o d u k t i o n . Nasser Aufschluß. Der n a s s e A u f s c h l u ß von Bauxit erfolgt durchweg naoh dem „BAYER-Verfahren". Bei diesem Verfahren wird der feingemahlene B a u x i t in einem mit Rührwerk versehenen, dampfbeheizten eisernen Druckkessel („Autoklav") mit 35—50°/oiger N a t r o n l a u g e unter 5—7 Atmosphären Druck 6—8 Stunden lang auf 160—170° erhitzt. Hierbei löst sich gemäß der durch Gleichung (2a) und (2b) wiedergegebenen Gleichgewichtslage lediglich das Aluminium-, nicht aber das Eisenoxid auf. Letzteres wird als Oxidhydrat („Rotschlamm") mit Filterpressen abfiltriert und dient in angetrocknetem Zustande als Kontaktmasse für Synthesegas-Fabriken (S. 307) ; wegen der feinen Verteilung des Niederschlags ist die Filtration nicht ganz einfach. Eine Ausfällung des A l u m i n i u m h y d r o x i d s aus der filtrierten Aluminatlösung mit Hilfe

381

Das Aluminium

von Kohlendioxid wie beim vorher beschriebenen Trockenverfahren ist hier nicht zweckmäßig, da die dabei entstehende Soda nicht wie dort wiederverwendet werden kann. Vorteilhaft ist hier vielmehr ein Ausfällen („Ausrühren") des Hydroxids durch I m p f e n m i t k r i s t a l l i s i e r t e m A l u m i n i u m h y d r o x i d (Hydrargillit). Diese k r i s t a l l i n e Form ist viel energiearmer und damit auch s c h w e r e r l ö s l i c h (vgl. S. 395) als die oberflächenreiche k o l l o i d e Form des Aluminiumhydroxids, die sich in wässerigen Lösungen nach Gleichung (2 a) mit Aluminat im Gleichgewicht befindet. Gibt man daher kristallines Aluminiumhydroxid zu der beim nassen Aufschluß erhaltenen Aluminatlösung hinzu, so scheidet die — in bezug auf die kristalline Hydroxidform übersättigte — Lösung im Sinne des unteren Pfeils von Gleichung (2 a) Aluminiumhydroxid aus, welches wie beim Trockenverfahren bei hohen Temperaturen zum Oxid entwässert wird. Die K i e s e l s ä u r e des Bauxits geht beim nassen Aufschluß größtenteils in das bereits beim Trockenverfahren erwähnte unlösliche Natrium - aluminium - Silicat Na 2 [Al 2 SiOg] · 2 H 2 0 über: S i 0 2 + 2NaOH + A1 2 0 3 ·—>- H 2 0 + Na 2 [Al 2 SiO„], das zusammen mit dem Rotschlamm ausfällt. Die Bildung dieses Silicats führt dementsprechend zu beträchtlichen Ätznatron- und Tonerdeverlusten, welche naturgemäß mit dem Kieselsäuregehalt des Bauxits steigen. Daher bevorzugt das BAY ER-Verfahren möglichst k i e s e l s ä u r e a r m e Bauxite. Auf die beim Erhitzen mit Natronlauge mitaufgeschlossene und in L ö s u n g g e g a n g e n e Kieselsäure wirkt der zum Ausfällen des Aluminiumhydroxids zugesetzte Hydrargillit natürlich nicht als Erreger ein. Insgesamt kann das Verfahren des nassen Aufschlusses durch die schematische Gleichung A1(0H), + NaOH

Auiaehluß


A1203 + 2 S 0 2 + 5 H 2 0 . Die Reinigung der gewonnenen Tonerde erfolgt durch Weiterbehandlung nach dem BAY ER-Ver fahren (Auflösen in Natronlauge usw.). Die zurückerhaltene schweflige Säure kehrt immer wieder in den Aufschlußprozeß zurück. Schmelzelektrolyse des Aluminiumoxids

Das auf irgendeine der geschilderten Weisen gewonnene Aluminiumoxid wird zur Aluminiumdarstellung der „Schmelzelektrolyse" unterworfen. Da der Schmelzpunkt des Aluminiumoxids sehr hoch liegt 2000°), elektrolysiert man dabei nicht direkt geschmolzenes reines Aluminiumoxid, sondern eine Lösung von Aluminiumoxid in geschmolzenem — künstlich hergestelltem (S. 389) — Kryolith Na3AlF6 (Smp. ~1000°): A 1 2 0 3 : ±:2Α1·" + 30" 2 Al'" + 6 © - - ν 2A1 3 0 " - ->- 1VA + 6 θ AU03 ν 2Al + IV,o,. Aus dem Schmelzdiagramm Kryolith-Aluminiumoxid ergibt sich, daß das am niedrigsten schmelzende („eutektische") Gemisch aus 81.5°/0 Na3AlPe und 18.5% A1203 besteht und bei 935° schmilzt (vgl. S. 468f.). Dementsprechend verwendet die Technik Badzusammensetzungen mit 15—20% A1203 und Badtemperaturen von ungefähr 950°. Die Dichte der Schmelze ist bei dieser Temperatur etwa 2.15, die des geschmolzenen Aluminiums (Smp. 659°) etwa 2.35, so daß das Metall bei der Betriebstemperatur schwerer als die Schmelze ist, sich unter dieser sammelt und so vor der Rückoxydation durch den Luftsauerstoff geschützt wird. Die S c h m e l z e l e k t r o l y s e wird in runden oder viereckigen, meist 2 m langen und 1—1 1 / 2 m breiten Eisenblechwannen durchgeführt, deren Seitenwände und Boden mit einem als K a t h o d e dienenden, etwa 20 cm dicken und durch Glühen einer aufgestampften Kohle-Teermischung erzeugten Kohlefutter ausgekleidet sind (Fig. 115). Q Als Anoden dienen kurze Kohleblöcke von 25—30 cm Î Querschnitt und 30—50 cm Schmelzelektrolyt Höhe, die an einem mit dem (Anode) positiven Pol der Stromquelle1 verbundenen Traggerüst hängen. Der Abstand der Elektroden voneinander beträgt flüssiges Aluminium 10 cm, von den Wänden 25 cm, ftoh/p-5fempfmasse (Hatfiode) vom Boden bzw. der sich bildenden Aluminiumschicht Fig. l l ö . Schmelzelektrolytische Darstellung von Aluminium 6 cm. Dementsprechend geht nach den Seitenwänden kein Strom über so daß sich diese mit einer schützenden festen Kruste des Schmelzgemischs überziehen, während der Boden durch das sich während der Elektrolyse ansammelnde Metall geschützt bleibt, welches von Zeit zu Zeit abgestochen und in eiserne Barrenformen gegossen wird. Die theoretische Zersetzungsspannung für das Aluminiumoxid beträgt 2.2 Volt. Praktisch muß man aber zur Überwindung der Widerstände im Bade und in den Elektroden eine Betriebsspannung von 6—7 Volt aufwenden. Die überschüssige Stromarbeit wird in Wärme umgesetzt und hält das Bad flüssig, so daß eine Außenbeheizung nicht erforderlich ist. Sobald die Bad1

Zur Aluminiumelektrolyse werden Ströme bis zu 30000 Amp. angewandt.

Das Aluminium

383

Spannung wesentlich steigt, muß neues Aluminiumoxid nachgefüllt werden. Der anodisch gebildete Sauerstoff reagiert mit dem Kohlenstoff der Elektroden unter Bildung von Kohlenoxid. Insgesamt ergibt sich damit für die elektrolytische Zerlegung der Aluminiumoxidschmelze die folgende Reaktionsgleichung: 400 kcal + AI203 >· 2 Al + 17 2 0 2 iy a O a + 3C >• 3CO + 79 kcal 321 kcal + Al2Os + 3 C — 2 A 1 + 3CO.

(6) (6) (7)

Die erforderliche Energiemenge der endothermen Gesamtreaktion (7) wird der bei der Elektrolyse zugeführten elektrischen Energie entnommen.

γ ) Physikalische Eigenschaften Aluminium ist ein silberweißes Leichtmetall 1 vom spezifischen Gewicht 2.70. Es schmilzt bei 660.2° und siedet bei 2270°. Da es sehr dehnbar ist, kann man es zu sehr feinem Draht ausziehen, zu dünnen Blechen auswalzen und zu feinsten F o l i e n bis herab zu 0.004 mm Dicke („Blattaluminium") aushämmern. Beim Erwärmen auf 600° nimmt es eine körnige Struktur an ; bringt man es dann in Schüttelmaschinen, so geht es in G r i e ß f o r m („Aluminiumgrieß") über. Bei noch feinerer Zerteilung erhält man es als P u l v e r („Aluminiumbronze-Pulver"). Das spezifische elektrische Leitvermögen ist etwa 2 / 3 mal so groß wie das des Kupfers. Dementsprechend muß der Querschnitt einer Aluminiumleitung rund anderthalb mal so groß wie der einer gleich langen Kupferleitung gleichen Leitvermögens sein. Wegen des geringen spezifischen Gewichts von Aluminium wiegen solche Aluminiumleitungen aber trotzdem nur etwa halb so viel wie gleich gut leitende Kupferleitungen (spez. Gew. 8.92). δ) Chemische Eigenschaften Trotz seines großen Bestrebens, sich mit Sauerstoff zu verbinden, ist reines Aluminium a n d e r L u f t b e s t ä n d i g , da es sich mit einem fest anliegenden, zusammenhängenden, dünnen O x i d h ä u t c h e n bedeckt, welches das darunter Hegende Metall vor weiterem Angriff schützt. Die Bildung einer solchen zusammenhängenden Alummiumoxidschicht läßt sich dadurch verhindern, daß man die Oberfläche des Aluminiums durch Anreiben mit Quecksilber oder Quecksilberchlorid (3HgCl ä -j- 2 Al —>2A1C13 + 3Hg) a m a l g a m i e r t , d . h . in eine Aluminium-Quecksilber-Legierung überführt, in welcher zwischen die Aluminiumatome Q u e c k s i l b e r a t o m e eingebettet sind, die als Atome eines edlen Metalls an der Luft kein Oxid bilden. Ein solches amalgamiertes Aluminiumblech oxydiert sich dementsprechend a u ß e r o r d e n t l i c h l e i c h t . Beim Liegen an der Luft schießen in kurzer Zeit weiße Fasern von A l u m i n i u m o x i d h y d r a t (geglüht: „Fasertonerde") empor, die das Blech wie mit einer Vegetation von Schimmel bedecken. Auch die Beständigkeit von Aluminium gegenüber o x y d i e r e n d e n S ä u r e n wie Salpetersäure („Passivität" des Aluminiums) beruht auf der Bildung eines schützenden O x i d h ä u t c h e n s . Die Schutzwirkung kann erheblich verbessert werden, indem man durch a n o d i s c h e O x y d a t i o n künstlich eine wesentlich dickere, harte Oxidschicht (0.02 mm) erzeugt („Eloxal-Verfahren"). So behandeltes Aluminium ist weitgehend beständig gegen Witterung, Seewasser, Säuren und Alkalien ; auch gelingt es auf diese Weise, Aluminiumdrähte elektrisch zu isolieren. F e i n v e r t e i l t e s , also oberflächenreiches Aluminium verbrennt beim Erhitzen an der Luft mit glänzender L i c h t e r s c h e i n u n g und starker W ä r m e e n t w i c k l u n g zu Aluminiumoxid : 1 Unter „Leichtmetallen" versteht man Metalle, deren spezifische Gewichte unterhalb von 5 liegen. Alle übrigen Metalle heißen „Schwermetalle". Die Dichte der Metalle variiert zwischen 0.5 (Lithium) und 22.5 (Osmium).

384

Die Borgruppe

2Al + l V 2 0 j

s- A1J03 + 400.3 kcal.

Man benutzt diese Lichtentwicklung in der Photographie bei den „Vakublitzen", bei denen in einer elektrischen Birne eine Aluminiumfolie in reinem Sauerstoff nach elektrischer Zündung in 1/so Sekunde verbrennt. T e c h n i s c h wird weiterhin die große Sauerstoffaffinität des Aluminiums dazu benutzt, um geschmolzenes E i s e n von darin gelöstem Oxid zu befreien („Desoxydation") und es dadurch leichter gießbar zu machen sowie um aus schwer r e d u z i e r b a r e n Oxiden — ζ. B. Chromoxid (269 kcal + C r 2 0 3 — 2 C r + 1V 2 0 2 ), Manganoxid (336 kcal + M n 3 0 4 — 3 M n + 20 2 ), Siliciumoxid (208 kcal + S i 0 2 — S i + 0 2 ), Titanoxid (220 kcal + T i 0 2 — > - Ti + 0 2 ) — die M e t a l l e in Freiheit zu setzen („Aluminothermisches Verfahren" von H. GOLDSCHMIDT). Ein Gemisch von E i s e n o x i d (267 kcal-f Fe 3 0 4 —>- 3Fe + 20 ä ) und A l u m i n i u m g r i e ß dient als „Thermit" zum Schweißen und Verbinden von Eisenteilen (z. B. Eisen- und Straßenbahnschienen, gebrochenen Wellen), da es bei der Entzündung in wenigen Sekunden unter äußerst starker Wärmeentwicklung (Temperaturen bis zu 2400°) reines Eisen in weißglühend flüssiger Form liefert: 3 F e , 0 4 + 8Al

>• 4A1 2 0 3 + 9Fe + 811 kcal.

Das bei der aluminothermischen Reduktion von Metalloxiden gleichzeitig in geschmolzenem Zustande entstehende A l u m i n i u m o x i d wird als „Corubin" für Schleifzwecke verwendet (S. 387). Die E n t z ü n d u n g eines Thermitgemisches erfolgt zweckmäßig durch ein Gemisch von Aluminium- oder Magnesiumpulver mit einer leicht sauerstoffabgebenden Verbindung wie K a l i u m o h i o r a t oder B a r i u m p e r o x i d („Zündkirsche"). Man steckt in dieses Gemisch ein Magnesiumband und zündet dieses an. Die bei der Verbrennung des Magnesiums freiwerdende Wärme (Mg + VÎ^Î MgO + 144 kcal) entzündet die Zündmischung, diese wiederum das Thermitgemisch.

I n n i c h t o x y d i e r e n d e n S ä u r e n löst sich Aluminium entsprechend seiner Stellung in der Spannungsreihe (ε 0 = —1.67 Volt) unter W a s s e r s t o f f e n t w i c k l u n g auf: Al + 3H'

ΑΙ"" + 1V 2 H 2 .

Von W a s s e r oder s c h w a c h e n (ζ. B. organischen) S ä u r e n wird es in der Kälte kaum angegriffen, da in solchen Lösungen die Hydroxidionen-konzentration groß genug ist, um das Löslichkeitsprodukt des sehr schwer löslichen Aluminiumhydroxids (CAJ— Χ. C Q · = 1.9 X10 _33 ) zu erreichen, welches das Aluminium vor weiterer Einwirkung des Wassers oder der Säure schützt (S. 172). In s t a r k s a u r e r oder a l k a l i s c h e r Lösung kann sich die Schutzschicht nicht ausbilden, da sie unter Bildung von Aluminiumsalz (Al(OH)3 + 3H'—>- AT" + 3H 2 0) bzw. Aluminat (Al(OH)3 + O H ' — ^ A l ( O H ) 4 ' ; vgl. S. 385f.) löslich ist; hier kommt es also zu dauernder Wasserstoffentwicklung. Ebenso reagiert a m a l g a m i e r t e s Aluminium aus oben (S.383) schon erwähnten Gründen bei Zimmertemperatur lebhaft mit Wasser unter Wasserstoffentwicklung : Al -f- 3 HÖH—>• Al(OH)3 + 3H. Von dieser R e d u k t i o n s w i r k u n g des Aluminiums macht man häufig in der organischen Chemie Gebrauch. Wie mit dem Sauerstoff vereinigt sich das Aluminium auch mit den Halogenen und mit anderen Nichtmetallen unter erheblicher Wärmetönung (Bildungswärme A1F S 311.0 kcal, A1C13 166.2 kcal, A1N 76.47 kcal). Die dabei entstehenden Verbindungen leiten sich fast ausnahmslos vom d r e i w e r t i g e n Aluminium ab. Doch sind auch Derivate bekannt, denen eine Oxydationsstufe + 1 des Aluminiums zugrunde liegt (ζ. B. A1F, A1C1, A1 2 0). Sie sind als endotherme Verbindungen nur bei hoher Temperatur beständig und entstehen analog dem Siliciummonoxid SiO (S. 325) bei der Reduktion der entsprechenden dreiwertigen Derivate mit Aluminium; ζ. B . : A1F8 + 2 Al 3 A1F (schwarzes Sublimat). Auch die entsprechenden Verbindungen des dreiwertigen B o r s können durch Erhitzen mit elementarem Bor zur Oxydationastufe + 1 des Bors reduziert werden. H

385

D a e Aluminium

e) Anwendungen Aluminium findet in der Technik verschiedenartigste Verwendung : in Form von P u l v e r als rostschützender öl- oder Lackanstrich, im Buchdruck, zur Herstellung von Sprengstoffen und in der Feuerwerkerei; in Form von Grieß zur Gewinnung von Rietallen nach dem Thermitverfahren ; in Form von F o l i e n an Stelle von Stanniol zur Verpackung von Schokolade, Genußmitteln usw.; in Form von D r a h t für elektrische Leitungen; in Form dünner Überzüge als Rostschutz für Eisengegenstände („Aluminieren") und als Spiegel bei Teleskopen; in Form k o m p a k t e n M e t a l l s zur Anfertigung von Küchengeschirr sowie von Kesseln, Gärbottichen, Lagergefäßen usw. für die Brauerei, Molkerei, chemische Industrie usw. Besondere Bedeutung besitzen die Aluminiumlegierungen. Sie werden wegen ihrer Leichtigkeit im Luftschiff- und Flugzeugbau sowie in der Automobilindustrie weitgehend verwendet. Erwähnt seien hier z. B. die A l u m i n i u m - M a g n e s i u m - L e g i e r u n g e n Magnalium (10—30% Mg) und Hydronalium (3—12°/0Mg), die A l u m i n i u m K u p f e r - L e g i e r u n g e n Duralumin (2.5—5.5°/0 Cu, 0.5—2% Mg, 0.5—1.2% Mn, 0.2—1% Si) und Lautal (4% Cu, 2 % Si), die A l u m i n i u m - S i l i c i u m - L e g i e r u n g Silumin (12—14% Si) und die A l u m i n i u m - Z i n k - L e g i e r u n g Skleren (12% Zn, 3 % Cu, 0.6% Μη, bis 0 . 5 % Fe, bis 0.5% Si, 0.08% Li). D u r a l u m i n läßt sich kalt walzen, ziehen und schmieden, verbindet Leichtigkeit (spez. Gew. 2.8) mit großer Festigkeit und wird vor allem im Flugzeugbau verwendet. L a u t a l u n d H y d r o n a l i u m sind seewasserfest und finden dementsprechend beim Schiffsbau Verwendung. Über die A l u m i n i u m b r o n z e n , die zur Hauptsache aus Kupfer bestehen, wird beim Kupfer (S. 453) berichtet.

b) Sauerstoffverbindungen des Aluminiums Alumininm-orthohydroxid A1(0H) 3 kommt in der Natur monoklin kristallisiert als Hydrargillit vor. Als a m p h o t e r e s H y d r o x i d löst es sich sowohl in Säuren wie in B a s e n auf. Im ersteren Fall entstehen Aluminiumsalze Al"", im letzteren Alum i n a t e (S. 330) Al(OH)4' (wasserfrei: A102') : Al(OH)3 + 3H· A l - + 3HÖH (1) Al( OH)s + OH' ^ Al(OH)/. (2) Das Aluminat-ion Al(OH)/ ist wie die analog zusammengesetzte, isoetere Orthokieselsäure Si(0H) 4 (vgl. S. 326) nicht beständig, sondern kondensiert sich gleich jener (S. 325ff.) leicht unter Wesseraustritt zu h ö h e r m o l e k u l a r e n O x o v e r b i n d u n g e n 1 . Als erste Stufe entsteht dabei ein der Ortho-dikieselsäure Si(0H),-0-Si(0H), (S.326) entspr. Di-aluminat-ion [Al(0H) 3 -0-Al(0H) 3 ]", das z. B. in Form des Kaliumsalzes K 2 [H 4 A1 2 0,] = Κ 2 0 · Α 1 2 0 , · 3 Η 2 0 isoliert werden kann. Weitere Kondensation führt zu polykjeselsäure-analogen Poly-aluminat-ionen [H2n+ 2Aln03n+l ]~ n (vgl. S. 326), also ι. B. zu Tri-aluminat-ionen (n = 3) [Äl(0H) 3 -0-Al(0H),-0-Al(0H) 3 ]'" oder zu Tetra-aluminat-ionen (n = 4) [Α1(0Η),-0-Α1(0Η) 2 -0-Α1(0Η) 2 -0-Α1(0Η) 3 ]"", die in Form der Natriumsalze λ^[Η 8 Α1 3 0 1 ? ] = Na 2 0-Al 2 0, · 2.67 H 2 0 und Na 4 [Hi„Al f 0 13 ] = Na 2 0-Α1 2 0 3 ·2.5 H 2 0 bekannt sind. Beim Entwässern gehen die wasserreicheren Alumínate über Zwischenstufen, in denen wahrscheinlich meta-kieselsäure-analoge K e t t e n (S. 326) Na[H 2 A10 3 ] = K a 2 0 - A l 2 0 s - 2 H 3 0 und Verbindungen mit Blattstruktur (S. 327) Na^HjALjOg] = Na2Ö-Α^Ο,-Η^Ο vorliegen, in w a s s e r f r e i e Aluminate Na[A10 2 ] = Na 2 0· Al2Os über, denen in Analogie zu den Alumosilicaten (S.330) ein dem Siliciumdioxid Si0 2 (S. 328) entsprechendes h o c h p o l y meres [A102]'-ion mit Raumnetzstruktur zugrunde liegen dürfte. Statt durch Kondensation kann das Aluminat-ion [Al(OH 4 )]', wie die Isolierung von Natriumsalzen der Zusammensetzung 3Na 2 0·Al 2 O a ·6H 2 0 zeigt, auch durch Aufnahme von 20H'-ionen stabilisiert werden: Na[Al(OH) 4 ] + 2 N a 0 H ^ z î N a 3 [ A l ( 0 H ) i ] . Die koordinative Bindung ist aber 1

Wie beim Aluminium gehen auch bei vielen a n d e r e n E l e m e n t e n die primär gebildeten

H y d r o x o Verbindungen

durch anschließende K o n d e n s a t i o n in O x o Verbindungen ü b e r .

loges gilt für die einfachen H y d r o x i d e , die vielfach leicht in Oxide übergehen. Holl&man-Wlberg, Anorp&nlsche Chemie. 47. — 56. Aufl.

25

Ana-

386

Die Borgruppe

nicht sehr fest, da das Trina triumsa 1z schon beim Waschen mit absolutem Alkohol in Umkehrung der vorstehenden Bildungsgleichung in das Mononatriumsalz bzw. seine Kondensationsprodukte (s. oben) übergeht.

In Umkehrung der Gleichgewichtsreaktionen (1) und (2) fällt Aluminiumhydroxid bei der Zugabe von B a s e n zu A l u m i n i u m s a l z l ö s u n g e n (Abfangen der im Gleichgewicht (1) befindlichen Wasserstoff-ionen) und bei der Zugabe von S ä u r e n zu Alum i n a tlösungen (Abfangen der im Gleichgewicht (2) befindlichen Hydroxid-ionen) als weißer Niederschlag aus (LAi(0h),·' S· 384). Die F ä l l u n g s f o r m ist dabei je nach der Art der Fällung verschieden. Scheidet man das Aluminiumhydroxid aus A l u m i n a t l ö s u n g e n bei Zimmertemperatur l a n g s a m (z. B. durch Einleiten von Kohlendioxyd: 20H' + C0 2 — C 0 3 " + H 2 0) aus, so erhält man Hydrargillit Al(OH)3 von deutlich kristalliner Beschaffenheit, während bei schneller Fällung zunächst eine m e t a s t a b i l e M o d i f i k a t i o n , der Bayerit Al(OH)s, auftritt, die sich von selbst allmählich in die energie-ärmere Form des Hydrargillits umwandelt. Bei der Fällung aus Aluminiums a l z l ö s u n g e n (z.B. mit Ammoniak) entstehen zunächst amorphe Aluminiumhydroxide Al(OH)3 von wechselndem Wassergehalt („Aluminiumoxidhydrate" A1„03 · xH 2 0), die langsam — schneller in der Wärme — über die Stufe des rhombischen B ö h m i t s AIO(OH) und hexagonalen B a y e r i t s Al(OH)3 in monoklinen H y d r a r g i l l i t übergehen: A1203 · x H 2 0 — ^ 2A1(0H)3 + (x—3) H 2 0. Das A l u m i n i u m h y d r o x i d Al(OH)s hat wie die Kieselsäure Si(OH)4 und die Z i n n s ä u r e Sn(OH)4 in f r i s c h e m Zustande (als amorphes Oxidhydrat) andere Eigenschaften als im „ g e a l t e r t e n " Zustande (als kristallisiertes Hydroxid). So wird das kristallisierte Aluminiumhydroxid viel schwerer von Säuren und Basen angegriffen als das amorphe. Der Grund dafür ist einerseits die V e r k l e i n e r u n g der O b e r f l ä c h e , andererseits der Abbau instabiler Stellen des amorphen Netzwerks bei der Kristallisation (S. 391 ff.). Bei gewöhnlicher Temperatur vollzieht sich die „Alterung" nur langsam, bei höherer Temperatur wesentlich schneller. Aluminium-metahydroxid AIO (OH) findet sich in der Natur in Form eines mit E i s e n h y d r o x i d verunreinigten Böhmits (s. oben) als Bauxit (S. 379). Eine andere, gleichfalls in der Natur als Mineral vorkommende kristalline Modifikation des Aluminium-metahydroxids ist der rhombische Diaspor. Böhmit und Diaspor unterscheiden sich dadurch, daß letzterer schon bei 420°, ersterer dagegen erst bei 1000° (auf dem Wege über „γ-Aluminiumoxid") in „oc-Aluminiumoxid" (s.unten) übergeht: 2A10(0H) — ^ A1203 + H 2 0. Aluminiumoxid AI3O3 {„Tonerde"), das sich in der Natur als Korund und Schmirgel findet (s. unten), entsteht in Form des kubischen ,,γ-Aluminiumoxids" beim E n t wässern von H y d r a r g i l l i t Al(OH)3 oder B ö h m i t AIO(OH) oder durch gelindes Glühen der amorphen O x i d h y d r a t e : Al(OH)3

ν AIO(OH) — > - y-Al a 0 3 .

Es stellt ein weißes, in Wasser unlösliches, in starken Säuren dagegen lösliches, hygroskopisches Pulver dar. Bei starkem Glühen auf über 1000° geht es in das säureunlösliche, nicht hygroskopische, bei 2050e schmelzende, hexagonale „oc-Aluminiumoxid" {„Korund") über: ^ioon° y-Al203 ν α-Α1203. T e c h n i s c h wird das Aluminiumoxid in großen Mengen aus B a u x i t erzeugt (S. 379ff.). Die Hauptmenge davon dient zur A l u m i n i u m g e w i n n u n g (S. 382f.), ein anderer Teil zur Erzeugung künstlicher S c h l e i f m i t t e l , synthetischer E d e l s t e i n e und zur Herstellung h o c h f e u e r f e s t e r c h e m i s c h e r G e r ä t e {„Sintertonerde", „Sinterkorund").

Das Aluminium

387

Zur Verwendung als S c h l e i f - und P o l i e r m i t t e l eignet sich das durch große Härte ausgezeichnete a-Aluminiumoxid. Es findet sich in großen Lagern als Korund in Kanada, den Vereinigten Staaten und Indien. In unreiner Form kommt es als Schmirgel vor allem auf Naxos und in Kleinasien vor. Zur Erzeugung k ü n s t l i c h e n K o r u n d s wird Aluminiumoxid im Flammen bogen eines elektrischen Ofens geschmolzen. Naoh dem Erkalten der Sohmelze resultieren Blöoke von 2—3 Tonnen Gewioht, die gebrochen und zerkleinert werden. Das in verschiedene Korngrößen sortierte Material dient hauptsächlich für S c h l e i f ζ w e o k e (Sohleifsoheiben, Feilen usw.) sowie für f e u e r f e s t e S t e i n e (,,Korundsteine", „Dynamidonsteine"; vgl. S. 343) und wird zu diesem Zweoke mit Ton gebunden und gebrannt. Auoh bei demGoLDSCHMIDTSChen T h e r m i t v e r f a h r e n (S. 384) fällt eine K o r u n d s c h l a c k e an, die zu Schleifzwecken verwendet wird („Corvhin", „Korundin"). Zur Herstellung s y n t h e t i s c h e r E d e l s t e i n e läßt man das mit Spuren von Metalloxiden (für Rubine: 0.2—0.3% Chromoxid ; für Saphire: 0.1 —0.2% Titanoxid und etwas Eisenoxid) vermischte Aluminiumoxidpulver durch eine Knallgasflamme oder einen elektrischen Flammenbogen auf die Spitze eines kleinen Tonerdekegels fallen, wo sich die Tröpfchen des geschmolzenen Aluminiumoxids zu einem klaren, e i n h e i t l i c h e n K r i s t a l l von l l / 2 cm Dicke und 21/i bis 3 cm Länge vereinigen, der nach Zerlegung in zwei Hälften zu der gewünschten Form ges c h l i f f e n wird. In der Hauptsache gewinnt man nach diesem Verfahren R u b i n e , die außer zu Schmuckzwecken in der Uhrenindustrie und für elektrotechnische Meßinstrumente als Achsenlager weitgehende Verwendung finden. Daneben werden auch weiße, gelbe und blaue S a p h i r e , T o p a s e , gelbrote P a d p a r a d s c h a h s , orientalische A m e t h y s t e sowie rote und blaue S p i n e l l e (MgAl 2 0 4 ) und A l e x a n d r i t e (BeAl 2 0 4 ) gewonnen.

Beim Verschmelzen von A l u m i n i u m o x i d mit M e t a l l o x i d e n entstehen w a s s e r . f r e i e A l u m i n a t e (vgl. S. 330, 385) des Typus Me'O • A1203 (MerA102) und Me n O· Al2Os (Me n Al 2 0 4 ). In der Natur finden sich namentlich kristallisierte Aluminate des letzt e r e n T y p u s („Spinelle") : gewöhnlicher Spinell MgAl 2 0 4 , Zinkspinett ZnAl 2 0 4 , Eisenspinell (Fe, Mg) (Al, Fe) 2 0 4 , Chromspinell (Fe, Mg) (Al, Cr, Fe) 2 0 4 . Das A l u m i n i u m ist dabei — wie die Formeln zeigen — häufig isomorph durch dreiwertiges E i s e n und Chrom vertreten. Wegen ihrer Klarheit und ihres Kristallglanzes sind diese Spinelle als H a l b e d e l s t e i n e geschätzt. Außer dem Aluminium(III)-oxidAl 2 0 3 gibt es noch ein A l u m i n i u m (I) o x i d A120 suboxid), das aus ersterem durch Reduktion mit Al oder Si gewonnen werden kann.

(Aluminium-

c) Sonstige Aluminiumverbindungen Aluminiumwasserstoff (AlHj) x („Alan"). A l u m i n i u m m e t h y l A1R3 (R = CH3) und W a s s e r s t o f f setzen sich in der elektrischen Glimmentladung zu einem Gemisch der Verbindungen A1R3, A1R2H, A1RH2 und A1H3 um, die sich untereinander nach Art des Borins BH 3 (S. 367) und seiner Methylderivate (Anmerkung 3, S. 371) zu höhermolekularen Resonanzverbindungen wie A1R2H · A1R2H (schwerflüchtige, viskose, hochoxydable Flüssigkeit), A1R2H · A1RH2 (fest), A1R2H · A1R3 (flüssig) usw. vereinigen. Aus diesem Gemisch läßt sich durch Einwirkung von Trimethylamin NR 3 eine flüchtige, niedrig schmelzende Additionsverbindung A1H3 · NR 3 (S. 388) abtrennen, die beim Erhitzen unter Abgabe des Trimethylamins in einen festen, weißen, bis 100° thermisch beständigen, hochpolymeren A l u m i n i u m W a s s e r s t o f f der Bruttozusammensetzung AlHj übergeht. In e i n f a c h e r e r Weise kann derselbe polymere AluminiumWasserstoff durch Zusammengießen ätherischer Lösungen von A l u m i n i u m c h l o r i d und Lit h i u m a l a n a t (s. S. 388) gewonnen werden. Unter Ausscheidung von Lithiumchlorid bildet sich hierbei zunächst eine klare Lösung von m o n o m e r e m Aluminium Wasserstoff A1H3 (Ätherat) : 3 LiAlH, + A1C13 — 3 LiCl + 4 A1H3, der sich dann infolge Polymerisation zu h o c h m o l e k u l a r e m Aluminiumwasserstoff (A1H3)J langsam aus der Lösung ausscheidet. Die Verknüpfung der A1H3-Einheiten erfolgt wahrscheinlich wie im Falle des Diborans (BH 3 ) 2 durch R e s o n a n z - W a s s e r s t o f f b r ü c k e n (S. 367), nur daß beim Aluminium wegen der höheren Koordinationszahl 6 jedes Aluminiumatom dreimal den Resonanzbrückenmechanismus betätigen kann und damit koordinativ von 6 Wasserstoffatomen umgeben ist: 25·

388

Die Borgruppe

/

I A l

1

\

W

H2

/

A 1

H2

1

\

HJ

W À»

H2

H2

HS

\ai/

\AI/



À,

/

yAL H2

Η,

Η,

Η,

HG

/

H„

W

H3

H2

H2

I

I

I

/A1\

H,

W

\AI/

/

SE

H2

\

ΝΑΙ/

k

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H2

HI;

H, I HG

HJ

\AI/

\VI/

H2 I Aluminiumwasserstoff (A1H3)X

H2 I

/A1\

Ξ ;

\

In Form einer flüssigen A n l a g e r u n g s v e r b i n d u n g ΑΙΗ,,-3 B H , = A1(BH 4 ) 8 („Aluminiumboranat"·, Smp.—64.6°, Sdp. + 4 4 . 5 ° ) : H. ,H\

r



«

>

0

,

(vgl. S. 370) ist der Aluminiumwasserstoff durch Umsetzung yon Aluminiummethyl AIR, mit Diboran (BH 3 ) 2 : AIR, + 4 B H S >- AlHj · 3 B H , + B R , und in Form einer A n l a g e r u n g s v e r b i n d u n g A1HS · LiH = LiAlH 4 („Lithiumalanat"·, feste, weiße, ätherlösliche1 Substanz) durch Umsetzung von Aluminiumchlorid oder -bromid mit Lithiumhydrid darstellbar: AIX3 + 4 LiH — y A1HS · LiH + 3 L i X .

Der Aluminiumwasserstoff ist außerordentlich luft- und feuchtigkeitsempfindlich' entzündet sich spontan an der Luft, zerfällt im Hochvakuum oberhalb von 100° in Aluminium und Wasserstoff und bildet wie Borin (vgl. S. 369f.) leicht Additionsverbindungen, unter denen die Verbindungen AlHg · NR 8 und A1HS · 2NR 3 (farblose, sublimierbare Kristalle vom Smp. 76° bzw. 95°) hervorgehoben seien. Als starkes Reduktionsmittel eignet sich Aluminiumwasserstoff — namentlich in Form der ätherlöslichen Derivate A1HS · LiH und AlH3_nCln (n = 1 oder 2) — vorzüglich zur Hydrierung anorganischer und organischer Substanzen. So führt etwa die Umsetzung von Lithiumalanat mit M e t a l l c h l o r i d e n MeClD in ätherischer Lösung zur Bildung von D o p p e l h y d r i d e n des Typus MeH n · nALH3 = Me(AlH4)n („Alavate")·. MeCIn + η LiAlH 4

>- Me(AlH 4 ) n + η LiCl

(Me z.B. = Be, Mg, Ga, In, Sn, Ti; vgl. S. 355, 398, 402, 405, 502). In der organisohen Chemie lassen sich mit Hilfe von Lithiumalanat p o l a r e Doppel- und D r e i f a o h b i n d u n g e n leiobt h y d r i e r e n (vgl. II, S. 76).

Äluminiumfluorid ALFS entsteht beim Überleiten von F l u o r w a s s e r s t o f f bei Rotglut über Aluminium (1) oder Aluminiumoxid (2) : * In der ätherischen Lösung liegt in Analogie zu den GRIGNARD-Verbindungen (Π, S. 72) ein Di-Ätherat vor: R,(X .Ην R ,0·'

XH/

X

H

Das Aluminium 2A1+6HF AlaOa + 6 HF

389

>· 2A1F3 + 3Ha s- 2 A1F3 + 3 H 2 0

(1) (2)

als weißes, in Waaser, Säuren und Alkalien unlösliches Pulver vom Smp. 1290° und Sblp. 1291°. Mit Alkali- und anderen Metallfluoriden bildet es Komplexsalze der Formel Me[AlF 4 ], Me 2 [AlF 6 ] und Me 3 [AlF e ]. Allen diesen Doppelfluoriden liegen AlF e -Oktaeder zugrunde, indem jedes Aluminiumatom in den Verbindungen Me t AlF 6 2 F-Atome, in den Verbindungen MeAlFj 4 F-Atome mit benachbarten Aluminiumatomen gemeinsam hat (Ketten- bzw. Schichtenstruktur). Auch Mischkristalle solcher Strukturtypen kommen in der Natur vor (z.B. Chiolith Na 5 Al 3 F u =NaAlF 4 · 2Na 2 AU , 6 ). Vom Typus Me3AlFe leitet sich der technisch'wichtige K r y o l i t h ab. Kryolith („Eisstein") Na 3 [AlF e ] kommt nur an der Südküste Grönlands vor und wird hauptsächlich als L ö s u n g s m i t t e l für Aluminiumoxid bei der Aluminium gewinnung (S. 382f.) sowie als T r ü b u n g s m i t t e l in der Glas- und E m a i l l e I n d u s t r i e (S. 342) verwendet. Die t e c h n i s c h e D a r s t e l l u n g von „künstlichem Kryolith" erfolgt durch Auflösen von T o n e r d e und Soda in wässeriger F l u ß s ä u r e : AljO, + 12 HF 2HjAlF, + 3NaaCOa

>- 2HSA1F, + 3HaO >- 2NasAlFe + 3HaO + 3COa.

Alumininmchlorid AICI3. W a s s e r f r e i e s Aluminiumchlorid A1C13 wird technisch durch Erhitzen von Aluminiumabfällen im Chlor- oder Chlorwasserstoffstrom : 2Al + 3Cl a —>- 2A1C1,

2A1 + 6HC1

2A1C13 + 3Ha

oder durch Einwirkung von Chlor auf ein Gemisch von A l u m i n i u m o x i d und K o h l e AljOa + 3C + 3Cla —2A1C1» + 3CO

bei 800°:

als farblose (bei Verunreinigung mit Eisenchlorid gelbliche), leicht sublimierende, an feuchter Luft stark rauchende, sehr hygroskopische Masse erhalten, welche bei 183° eublimiert und unter Druck (1700 mm) bei 192.6° schmilzt. W a s s e r h a l t i g e s Aluminiumchlorid [Al(H 2 0) e ]Cl 3 entsteht beim Auflösen von Aluminium oder A l u m i n i u m o x i d in S a l z s ä u r e : 2A1+ 6HC1 >- 2A1C13 + 3Ha AlaOs + 6HCI—>• 2A1C13 + 3HaO und kristallisiert aus der sauren Lösung beim Einengen in Form farbloser, zerfließlicher Kristalle aus. Es kann nicht durch Erhitzen zum wasserfreien Chlorid entwässert werden, da es hierbei leicht gemäß [Al(HaO),]C)s [Al(HaO)a(OH)j] + 3 HCl (3) hydrolysiert1 wird, so daß C h l o r w a s s e r s t o f f entweicht und A l u m i n i u m h y d r o x i d (bzw. A l u m i n i u m o x i d ) zurückbleibt. Wegen dieser Neigung zur Hydrolyse kann man auch eine wässerige Lösung des Chlorids nur unter Zusatz ü b e r s c h ü s s i g e r S a l z s ä u r e (Verschiebung des Gleichgewichts (3) nach links) herstellen, da sonst Aluminiumhydroxid ausfällt. Oberhalb von 800° zeigt wasserfreies Aluminiumchlorid eine der Formel A1C1S entsprechende Dampfdichte. Unterhalb von 800° vereinigen sich die einfachen Moleküle unter Betätigung von Anionbrücken zunehmend zu D o p p e l t e t r a e d e r n (vgl. Diboran, S.367): C1 α α >A|/ >A1< NCK CK \CI. 1 Exakter ausgedrückt wirkt das komplexe Alumininmion bei der Reaktion (3) als K a t i o n säure (vgl. S. 175): [Al(HtO)e] [A1(H20)3(0H)S] + 3H-.

390

Die Borgruppe

Beim Sublimationspunkt besteht der Dampf nur noch aus solchen Al2Cl6-Molebülen. In ätherischer Lösung entspricht das Molekulargewicht wegen Bildung einer Additionsverbindung AlClg·OR2 (vgl. Borchlorid, S. 373f.) der monomeren Formel A1C13. Wie das Borchlorid vereinigt sich auch das Aluminiumchlorid mit zahlreichen anorganischen (z.B.HCl, H 2 S, S 0 2 , SC14, PC13) und organischen Stoffen (z.B. Säurechloriden, Äthern, Estern, Aminen) zu Additionsverbindungen. Auf die Bildung solcher Zwischenverbindungen ist auch die k a t a l y t i s c h e Wirkung des Aluminiumchlorids zurückzuführen, die man im L a b o r a t o r i u m (z.B. bei der „FRIEDEL-CRAFTSsehen Reaktion"; II, S. 305f.) und in der T e c h n i k (ζ. B. zum Kracken von Mineralölen) vielfach ausnutzt. Mit den Alkalichloriden vereinigt sich das Aluminiumchlorid zu Doppelsalzen, die in ihrer Zusammensetzung den Doppelfluoriden (S. 389) gleichen, aber weniger beständig als diese sind. Im f e s t e n , kristallisierten Aluminiumchlorid sind I o n e n , im geschmolzenen Aluminiumchlorid praktisch nur Moleküle vorhanden. Daher leitet das feste Aluminiumchlorid den elektrischen Strom bedeutend besser als das — sehr schlecht leitende — geschmolzene Aluminiumchlorid. Beim Erhitzen mit y-Al 2 0 3 bildet Aluminiumchlorid ein Oxidchlorid A10C1 (AlClg + A1 2 0, — > 3A10C1), das zum Unterschied von dem in entsprechender Weise gewinnbaren (Anmerkung 3, S. 375/376) Oxidchlorid des homologen Bors („Trichlorboroxol") nicht trimer, sondern hochpolymer ist. Es entsteht auch bei der thermischen Zersetzung von Aluminiumchlorid-Ätherat (A1C13 · OR a — A 1 0 C 1 + 2RC1). Das Aluminiumbromid AlBr3 schmilzt bei 97.5° und siedet bei 255°, das Aluminiumjodid A I J 3 bei 179.5° bzw. 381°. Aluminiumsulfat A l ^ S O ^ · 18H 2 0 ist neben dem Oxid die meistverwendete Alumini um Verbindung. Es wird technisch durch Auflösen von reinem Aluminiumhydroxid in konzentrierter, auf 100° erwärmter Schwefelsäure dargestellt: 2Al(OH) 3 + 3 H 2 S 0 4 ^ Z ± I A1 2 (S0 4 ) 3 + 6 H 2 0 .

(4)

Auch durch direktes Aufschließen von B a u x i t oder Ton mit 70°/oiger Schwefelsäure kann Aluminiumsulfat gewonnen werden; doch macht in diesem Falle die Entfernung des aus dem Bauxit bzw. Ton stammenden E i s e n s Schwierigkeiten. In wasserfreiem Zustande.stellt Aluminiumsulfat ein weißes Pulver dar; wasserhaltig bildet es farblose, nadelige, säuerlieh schmeckende Kristalle. Die wässerige Lösung reagiert infolge teilweiser Hydrolyse (Umkehrung der Bildungsgleichung (4)) sauer 1 . Der größte Teil des Aluminiumsulfats geht in die P a p i e r i n d u s t r i e zum Leimen von Papier. Weiterhin wird es zum Gerben von H ä u t e n („Alaungerbung", „Weißgerbung") und als Beize in der Zeugfärberei benutzt. Auch dient es als Ausgangsprodukt zur Herstellung anderer Aluminiumsalze, indem man es mit den Blei-, Bariumoder Calciumsalzen der entsprechenden Säuren umsetzt. So erhält man ζ. B. durch Umsetzung von Aluminiumsulfat mit Barium- oder Bleiacetat A l u m i n i u m a c e t a t Al(CH3COO)3 („essigsaure Tonerde"). Mit Kaliumsulfat vereinigt sich Aluminiumsulfat zum Alaun KA1(S0 4 ) 2 · 12H 2 0. Alaune. Unter Alaunen versteht man ganz allgemein Verbindungen des Typus Me I Me m (S0 4 ) 2 -12H 2 0, in denen Me1 = Na, K, Rb, Cs, NH4, T1 und Me™ = Al, Sc, Ti, V, Cr, Mn, Fe, Co, Ga, In sein kann. Sie kristallisieren alle in Oktaedern und Würfeln, welohe zu beträchtlicher Größe anwachsen können. Von den 12 Molekülen 1 Auch hier ist wie im Falle des Aluminiumchlorids — vgl. Anmerkung 1, S. 389 — die saure Reaktion der wässerigen Lösung, exakter formuliert, auf die K a t i o n s ä u r e - W i r k u n g des in der Lösung vorhandenen Aquo-Komplexes [Al(H a O) e ] ' " zurückzuführen.

Der aktive Zustand der festen Materie

391

Kristallwasser umgeben 6 in lockerer Bindung das einwertige, die restlichen 6 in festerer Bindung das dreiwertige Metallatom. In wässeriger Lösung zeigen die Alaune alle chemiechen Reaktionen, welche die Komponenten MeJS0 4 und Me° I (S0 4 ) 3 getrennt zeigen. Auch die physikalischen Eigenschaften (elektrische Leitfähigkeit, Farbe, Löslichkeit usw.) setzen sich additiv aus den Eigenschaften der Komponenten zusammen. Salze dieser Art nennt man Doppelsalze (S. 149). Von diesen Doppelsalzen sind zu unterscheiden die Komplexsalze („Durchdringungskomplexe"; S. 160f.), bei denen aus zwei Komponenten Salze von ganz neuen physikalischen und chemischen Eigenschaften entstehen. Beispiele hierfür sind das K a l i u m b o r f luorid K F - B F , (S. 372), das K a l i u m siliciumf l u o r i d 2 K F · SiF 4 (S. 323)und d a s N a t r i u m a l u m i n i u m f l u o r i d 3NaF-AlF 3 (S. 389). In diesen Fällen sind die beiden Komponenten zu neuen Ionen („Komplex-ionen") zusammengetreten, die naturgemäß in ihren Eigenschaften von denen der Bestandteile verschieden sind. Um dies zum Ausdruck zu bringen, schließt man die Komplexionen in eckige Klammern ein: K [ B F 4 ] („Kalium-fluoroborat''), K 2 [ S i F e ] („Kalium-fluorosilicat"), Na,[AlF e ] atrium - fluoro· aluminai"). Zwischen Doppelsalzen und Komplexsalzen bestehen Ü b e r g ä n g e derart, daß zwar im Gitter komplexe Ionen vorhanden sind, diese aber in wässeriger Lösung teilweise in die Komponenten dissoziieren („Anlagerungskomplexe"; S. 161).

Der wichtigste Alaun ist der Kaliumalaun KA1(S04)2 · 12HaO. Er wurde in Deutschland bis zu den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts aus dem Alaunschiefer, einem bitumen- und schwefelkieshaltigen Tonschiefer, oder aus Alaunstein {Alunit), einem basischen Kalium-aluminium-sulfat K(A10) 3 (S0 4 ) 2 · 3H 2 0, gewonnen. Heute geht man zur Darstellung des Kaliumalauns von B a u x i t e n oder Tonen aus, welche mit 70°/oiger Schwefelsäure aufgeschlossen werden. Aus der Lösung kristallisiert nach Zusatz von Kaliumsulfat beim Erkalten der Alaun aus. Er dient in der Technik für die gleichen Zwecke wie das Aluminiumsulfat, wird aber von letzterem immer mehr verdrängt. Aluminiumcarbid. Das gemäß 2A1203 + 9C —* A14C3 + 6 CO bei 2000° darstellbare Aluminiumcarbid A14C3 ist neben dem B e r y l l i u m c a r b i d Be2C das einzige Carbid, das bei der Hydrolyse Methan liefert (A14C3 + 12HOH — 4A1(0H)3 + 3CH4).

3. D e r aktive Zustand d e r festen Materie Führen wir einen in kompakter Form vorliegenden festen Stoff in einen feinverteilten Zustand über, so erhöht sich seine Aktivität. Der Stoff reagiert in diesem Zustande viel heftiger mit anderen chemischen Stoffen, löst sich schneller und besser in Lösungsmitteln, zeigt einen höheren Dampfdruck, wirkt stärker katalytisch, adsorbiert in größerem Maße Fremdstoffe usw. Diese gesteigerte A k t i v i t ä t („aktiver Zustand") hängt mit dem erhöhten Energie-inhalt des Stoffes im feinverteilten Zustande zusammen. In ähnlicher Weise lassen sich feste Stoffe durch Einführung von Gitterstörungen oder durch Erzeugung unregelmäßiger Oberflächen aktivieren. Die Erforschung dieses interessanten Teilgebietes der Chemie verdanken wir unter anderem dem deutschen Chemiker ROBERT FR ICK E ( 1 8 9 5 — 1 9 5 0 ) .

a) Energie-inhalt und Oberflächenentwicklung

α) Zerteilungsgrad Oberflächenspannung. Auf ein im Innern einer Flüssigkeit befindliches Molekül (Fig. 116a) wirken von allen Seiten her Anziehungskräfte ein. Diese Anziehungsk r ä f t e zwischen Molekül und Nachbarmolekülen, die den Zusammenhalt der Flüssigkeit bedingen und deren Wirkungsbereich um das betrachtete Molekül α herum durch den schraffierten Kreis zum Ausdruck gebracht werde, kompensieren sich gegenseitig vollkommen, so daß sich das Teilchen im Innern der Flüssigkeit wie ein Gasmolekül frei bewegen kann (vgl. S. 54). Bringen wir das Molekül in die Nähe der Flüssigkeitsoberfläche (Fig. 116b), so hebt sich nur die Wirkung der im schraffierten Teil des Wirkungsbereiches befindlichen Nachbarmoleküle heraus, während

392

Die Borgruppe

die Anziehung der im schwarz ausgefüllten Raum vorhandenen Moleküle nicht aufgehoben wird, da hier der entsprechende kompensierende obere Teil fehlt. In summa wird damit auf das Molekül eine e i n s e i t i g n a c h d e m I n n e r n d e r F l ü s s i g k e i t h i n g e r i c h t e t e K r a f t ausgeübt, die das Molekül von der Oberfläche weg nach innen zu treiben sucht. J e mehr man das Molekül der Flüssigkeitsoberfläche nähert, um so größer wird diese rücktreibendeKraft (schwarz ausgefüllter Anteil des Anziehungsbereichs), die ihr M a x i m u m dann erreicht, wenn das Molekül gerade a n d e r O b e r f l ä c h e angelangt ist (Fig. 116c). Mit weiterer Entfernung von der Oberfläche nimmt die rücktreibende Kraft wieder ab (Fig. 116d). Schließlich unterliegt das Teilchen überhaupt keiner Anziehung mehr : es ist in den Dampfraum übergeFig. 116. Kohäsionskräfte an der Oberfläche einer Flüssigkeit treten (Fig. 116e). Der eben behandelte „Binnendruck" (vgl. S. 54), der in der Größenordnung von

einigen tausend Atmosphären hegt, bedingt, daß eine Flüssigkeit ihre Oberfläche so w e i t wie m ö g l i c h zu v e r k l e i n e r n sucht (Kugelgestalt von Tröpfchen!). Will man umgekehrt eine O b e r f l ä c h e v e r g r ö ß e r n , so muß man eine entsprechende Menge an E n e r g i e aufwenden, um die Kohäsionskräfte zu überwinden. Die Energie, welche erforderlich ist, um entgegen den Binnenkräften 1 cm 2 n e u e r O b e r f l ä c h e zu schaffen, wird durch den Zahlenwert der „Oberflächenspannung" 1 γ zum Ausdruck gebracht. Sie beträgt für F l ü s s i g k e i t e n bei Zimmertemperatur etwa 10 bis 600 erg, bei f e s t e n S t o f f e n — für die ganz analoge Überlegungen gelten — etwa 100 bis einige 1000 erg. Multipliziert man die Oberflächenspannung y einer Substanz mit dem Quadrat der dritten Wurzel aus dem Molvolumen F M o l , so erhält man die E n e r g i e tu, die erforderlich ist, um eine Oberfläche von der Größe der q u a d r a t i s c h e n F l ä o h e e i n e s M o l w ü r f e l s zu erzeugen („molare Oberflächenenergie" ) : ,, « =

(i)

Dieser Wert tu ist für F l ü s s i g k e i t e n bei der k r i t i s c h e n T e m p e r a t u r ikrit. (S. 40) gleich N u l l und n i m m t von hier aus m i t a b n e h m e n d e r T e m p e r a t u r zu. Und zwar ist die molare Oberflächenenergie der D i f f e r e n z τ zwischen kritischer2 und Versuchstemperatur t (τ = ikrit. — 0 d i r e k t p r o p o r t i o n a l („Eörvössche Regel"): ω = k-τ.

(2)

Der P r o p o r t i o n a l i t ä t s f a k t o r k („EÖTVÖSsehe Konstante") hat für a l l e n i c h t a s s o z i i e r t e n F l ü s s i g k e i t e n den g l e i c h e n mittleren Wert 2.1. Bei a s s o z i i e r t e n Flüssigkeiten wie Wasser — bei denen mail in (1) für F M o l einen etwas zu kleinen Wert einsetzt — ist k k l e i n e r als 2.1 (Wasser: k = 0.9). Multipliziert man die vierte Wurzel aus der Oberflächenspannung einer Flüssigkeit mit dem Molekularvolumen : ., rΡ = ν ι* • V ~ V Mol · 1 Die in dyn/cm gemessene O b e r f l ä c h e n s p a n n u n g ist numerisch der in erg/om1 gemessenen O b e r f l ä c h e n e n e r g i e gleich, da Kraft (dyn) und Arbeit (erg) durch die Beziehung dyn · cm = erg zusammenhängen (vgl. auoh S. 492). 1 erg entspricht etwa der Arbeit, die erforderlich ist, um 1 mg-Gewicht 1 cm hoch zu heben. ' Die Erfahrung hat gezeigt, daß man an Stelle der kritischen Temperatur ikrit. zweckmäßig eine um 6° niedrigere Temperatur einsetzt, da die ω/τ-Gerade (2) in der Nähe der kritischen Temperatur einen Knick aufweist.

393

Der aktive Zustand der festen Materie

so erhält man eine Größe Ρ („Parachor"), die zum Unterschied von der molaren Oberflächenenergie Ω = γ · FJJ"0J (1) t e m p e r a t u r u n a b h ä n g i g ist (Näheres S. 496f.).

Encrgie-inhalt und Zerteilungsgrad. Wie aus dem bisher Gesagten hervorgeht, ist eine gegebene Menge eines festen Stoffes in f e i n v e r t e i l t e m Zustande energiereicher als in weniger f e i n v e r t e i l t e m , da im feinverteilten Stoff zusätzlich noch die E n e r g i e m e n g e steckt, die zur O b e r f l ä c h e n v e r g r ö ß e r u n g aufgewendet werden muß. Dieser zusätzliche Energie-inhalt steigt mit zunehmender Zerteilung eines festen Stoffes stark an, weil die Oberfläche dem Teilchendurchmesser umgekehrt proportional ist, so daß sie sich mit Halbierung des Durchmessers jeweils verdoppelt (Fig. 117). Zerlegt man ζ. B. einen Kubikdezimeter eines festen Stoffes in 1021 Würfel von je 100 À Kantenlänge, so erhöht sich die Oberfläche von 600 auf insgesamt 6000000000 cm2 ( = 600000 Quadratmeter!). Besitzt der feste Stoff eine Oberflächenspannung von 300 erg/cm2, so müßte man dementsprechend eine Energie von 300 X (6 χ 10e) = 18 χ IO11 erg ( = 43kcal) aufwenden, um entgegen den Binnenkräften diese Oberfläche zu schaffen. Das entspricht der Arbeit, die erforderlich ist, um 18 Tonnen 1 m hoch zu heben I Um einen so beträchtlichen Energiebetrag ist also 1 Kubikdezimeter des betrachteten festen Stoffes im feinverteilten Zustande energiereicher als im kompakten, was die erhöhte Aktivität verständlich macht. E x p e r i m e n t e l l läßt sich die Energiedifferenz zwischen feinverteiltem und gröber Kanten/ange eres Ü/Ürfeii dispersem Zustand eines festen Stoffes A in einfacher Weise durch Messung der LöF i g . 1 1 7 . Abhängigkeit der Oberfläche sungswärmen L beider Formen in einem von der Teilchengröße geeigneten Lösungsmittel ermitteln, da die Differenz der beiden Lösungswärmen direkt den gesuchten E n e r g i e - u n t e r s o h i e d wiedergibt : energiereich + Li (I) fest geltet A gelöst + LU (II) fest ^ energiereich fest

>

¿»«f*»™

+

(Li -

(Ι-Π)

Ln).

Anwendungsbeispiel. Das durch Entwässern von gefälltem Aluminiumhydroxid im elektrischen Ofen bei Temperaturen unterhalb von 1000° entstehende y-Al2Os (S. 386) ist um so energiereioher, je t i e f e r die E n t w ä s s e r u n g s t e m p e r a t u r und je kürzer die E r h i t z u n g s d a u e r ist: Entwässerungstemperatur (°C) Erhitzungsdauer (Stunden) Molare Lösungswärme (kcal) Teilchendicke (Â) Oberfläche (m2/Mol)

500° 6 110.8 23.7 69400

600· 2 110.0 26.4 62300

600° 6 108.3 30.8 51700

800» 6 106.9 40.6 40500

So beträgt beispielsweise die Energiedifferenz zwischen einem bei 500° und einem bei 800° durch 6 Stunden langes Glühen erhaltenen Präparat 110.8—106.9 = 3.9 kcal ( = 1600mkg) je Mol (101.94g) y-Aluminiumoxid (verwendetes Lösungsmittel: Gemisch gleicher Raumteile 20%iger Salzsäure und 40%iger Fluß säure). Die Abnahme des Energiegehaltes mit zunehmender Temperatur und Erhitzungsdauer beruht, wie sich röntgenographisch nachweisen läßt, auf einer T e i l c h e n v e r g r ö ß e r u n g ; und zwar beträgt der mittlere Teilchendurchmesser bei dem auf 500° erhitzten Produkt 23.7, bei dem auf 800° erhitzten Produkt 40.6 Â. Die daraus im ter Annahme Würfel-

Die Borgruppe

394

förmiger Teilchen errechneten Oberflächen betragen 69400 bzw. 40500 m 2 /Mol, woraus sich für die beiden Formen eine O b e r f l ä c h e n d i f f e r e n z von 28900 Quadratmetern je Mol y - A l a 0 3 errechnet! D a der verschiedene Energiegehalt der in der obigen Tabelle genannten y-Al 2 0 8 Präparate n u r durch den verschiedenen Z e r t e i l u n g s g r a d bedingt wird, ergibt sich beim Auftragen der O b e r f l ä c h e gegen die L ö s u n g s w ä r m e eine g e r a d e L i n i e (Fig. 118). Verlängert man diese Gerade bis zum Schnittpunkt mit der Ordinate, so erhält man die Lösungswärme, die ein kompakter, also oberflächenkleinster Molwürfel von y - A l 2 0 3 aufweisen würde. Sie ist, wie aus Fig. 118 hervorgeht, noch um 5.5 kcal kleiner als die Lösungswärme des bei 800° gewonnenen Präparats, so daß letzteres ein gegenüber dem energieärmsten Zustand des y - A l 2 0 3 noch recht energiereiches Produkt darstellt. Dividiert man die Lösungswärmed i f f e r e n z in erg durch die O b e r f l ä c h e n d i f f e r e n z in cm 2 , so erhält man die Anzahl erg, die zur Bildung von 1 Quadratzentimeter neuer Oberfläche aufgewendet werden müssen, d . h . den Zahlenwert der O b e r f l ä c h e n s p a n n u n g des festen Stoffes. Er beträgt beim γ-A1203 (3.9 χ 4.2 χ 10 1 0 ) : (28.9 Χ 107) » 560 erg/cm 2 . Dampfdruck und Zerteilungsgrad. Aue der oben wiedergegebenen Tabelle geht hervor, daß die mittSO000 Ί0000 60000 80000 m^ leren Durchmesser der y-Al2Oa-Teilchen mit z u — - Oberfläche nehmender T e m p e r a t u r und E r h i t z u n g s d a u e r g r ö ß e r werden. Die g r o ß e n Teilchen wachFig. 118. Abhängigkeit der molaren Lö- sen also auf Kosten der k l e i n e n . Dies erfolgt dessungswärme von der Oberfläche bei y-Al s O s halb, weil die k l e i n e n Teilchen einen h ö h e r e n D a m p f d r u c k besitzen als die g r o ß e n und deshalb bei erhöhter Temperatur und verlängerter Erhitzungsdauer zu diesen hinübersublimieren. Auf diese Weise erfüllen sie dasBestreben der Materie,unter Energieabgabe d i e O b e r f l ä c h e zu v e r k l e i n e r n . Der h ö h e r e D a m p f d r u c k kleiner — also s t ä r k e r g e k r ü m m t e r — Teilchen gegenüber größeren läßt sich leicht an Hand von Fig. 119 veranschaulichen: Die auf ein Teilchen an der Oberfläche eines festen Stoffs oder einer Dampf Flüssigkeit ausgeübten Anziehungskräfte der Nachbarmoleküle sind bei einer gekrümmten Oberfläche um den schwarz ausgefüllten Teil des Wirkungsbereiches geringer als bei einer ebenen Fläohe( wie sie bei einem großen Teilchen praktisch vorliegt). Die genaue Durchrechnung zeigt, daß für die so bedingte Dampfdruckzunahme die Beziehung fìùssigke/··

( , , T h o m s o n - O i b b s s c M Gleichung")

:

Fig. 119. Kohäsionskräfte und Oberflächenkrümmung = — gilt 1 (p r = Dampfdruck eines Teilchens vom Krümmungsradius r, pm = Dampfdruck eines Teilchens mit ebener Oberfläche, d. h. unendlich großem Krümmungsradius), wobei k für einen gegebenen Stoff bei gegebener Temperatur eine charakteristische Konstante darstellt. Für Waeser hat k, wenn man r in  ausdrückt, beispielsweise den Wert 5. Daher zeigen Waesertröpfchen vom Krümmungsradius 500 À gegenüber gewöhnlichem Wasser eine Dampf druckzunahme um 2 % : ® = 0 . 0 1 ; - ^ - = 1.02. 600 pw î>. r Zum analogen Ergebnis kommt man auch für den Übergang von großen zu sehr kleinen W ü r f e l n oder für die Zerteilung a n d e r s g e f o r m t e r Körper. 1

Der aktive Zustand der festen Materie

395

Da die L ö s l i c h k e i t eines Stoffes s e i n e m D a m p f d r u c k p r o p o r t i o n a l ist (S. 106), zeigen Stoffe in f e i n v e r t e i l t e m Zustande auch eine g r ö ß e r e L ö s l i c h k e i t als in g r o b d i s p e r s e m Zustande. Daher bilden auszufällende Niederschläge häufig zunächst „übersättigte" Lösungen, da die Teilchen des Niederschlags naturgemäß zuerst noch ä u ß e r s t k l e i n und dementsprechend l e i c h t e r l ö s l i c h sind. Erst beim W a c h s e n der Keime tritt eine A b n a h m e d e r L ö s l i c h k e i t auf den normalen Wert und damit ein A u s f a l l e n des Niederschlags ein. Durch Zugabe fertiger Kriställchen („Impfen") oder durch „Kratzen mit dem Glasstab" (Erzeugung von adsorptiv unvorbelasteten Glasoberflächen gewisser kristallographischer Ähnlichkeit) kann die Fällung b e s c h l e u n i g t werden, da dann die Niederschlagsteilchen auf den vorgebildeten größeren und daher schwerer löslichen Kriställchen weiterwachsen können.

ß ) Oberflächenbeschaffenheit Statt durch Z e r t e i l u n g kann die Oberfläche eines festen Stoffs auch durch „Aufrauhung", d. h. durch Schaffung von „Spitzen" und „Spalten" vergrößert werden (Fig. 120). Dabei zeigen die an einer S p i t z e gelegenen Moleküle (a) einen e r h ö h t e n , die in S p a l t e n befindlichen Moleküle (c) einen e r n i e d r i g t e n D a m p f d r u c k , da die von den Nachbarmolekülen ausgeübam ten Anziehungskräfte im ersteren Falle kleiner, im letzteren größer als im Normalzustände (b) sind. Beide Fälle entsprechen einem energetischen Spannungsz u s t a n d der festen Materie, der in

den

oberflächenärmeren

Kristall

e b e n e n F l ä c h e n z u s t a n d überFig. 120. Kohäsionskräfte und Oberflächenbeschaffenheit zugehen bestrebt ist und daher anschaulich mit dem Spannungszustand eines nach oben oder unten aus der Ruhelage gezupften Gummibandes verglichen werden kann, welches in seine gestreckte Ruhelage zurückzuschnellen sucht. Bei der K a t a l y s a t o r w i r k u n g von festen Stoffen (vgl. S. 112) spielen gerade solche ausgezeichneten, energiereichen Stellen der Oberfläche (gleiches gilt von Ecken und Kanten) eine ausschlaggebende Rolle („aktive Stellen"). Bei e r h ö h t e r Temperatur können sich die Unebenheiten der aufgerauhten Oberfläche infolge der vorhandenen Dampfdruckunterschiede unter Energieabgabe a u s g l e i c h e n . Damit verliert der Katalysator an Wirksamkeit. Durch Einlagerung von Fremdstoffen („Promotoren", „Aktivatoren") in das Gitter des Katalysators tritt man dieser Erscheinung in der Technik entgegen (vgl. S. 112).

b) Energie-inhalt und Gitterstörungen Außer durch O b e r f l ä c h e n v e r g r ö ß e r u n g , wie in den bisher behandelten Fällen, kann der Energiegehalt eines festen Stoffes auch durch S t ö r u n g d e s K r i s t a l l g i t t e r b a u s (hervorgerufen durch Abschrecken erhitzter Stoffe, rasche Ausfällung schwerlöslicher Niederschläge bei niedriger Temperatur, Gittereinbau systemfremder Störsubstanzen usw.) erhöht werden. So kommt es, daß ein fester Stoff im a m o r p h e n , d . h . stark gittergestörten Zustande stets e n e r g i e r e i c h e r als im k r i s t a l l i s i e r t e n ist. Als Arten der Gitterstörung seien hier erwähnt: Vergrößerungen oder Verkleinerungen der Netzebenenabstände (Gitterdehnungen und Gitterschrumpfungen), unregelmäßige Verschiebungen von Netzebenen gegeneinander, Verbiegungen von Netzebenen, Abweichtingen der Schwerpunkte von Atomen oder Atomgruppen von ihren Normal-lagen im Gitter usw. Die Erzeugung derartiger Störungen erfordert einen A u f w a n d a n E n e r g i e , so daß solche Formen der festen Materie e n e r g i e r e i c h e r als die u n g e s t ö r t e n Formen sind.

396

Die Borgruppe

Im folgenden sei der letztgenannte Fall etwas näher betrachtet. Denken wir uns ein Gitter, in welchem Atome oder Atomgruppen harmonische Schwingungen um die idealen Gitterpunkte als Schwerpunkte ausführen, in einem bestimmten Moment plötzlich „eingefroren", so daß die Stellungen der Atome gegen die Schwerpunkte des ungestörten Gitters in unregelmäßiger Weise etwas verschoben sind, und nehmen wir an, daß die Atome alle um die neuen Lagen als Schwerpunkte eine der Versuchstemperatur entsprechende Wärmebewegung ausführen: dann haben wir eine Gitterstörung vor uns, die man treffend als „eingefrorene Wärmeschwingung" bezeichnet. Ein Beispiel für einen solchen Fall ist das „pyrophore Eisen" (S. 634), das man durch Reduktion von amorphem Eisen(III)-hydroxid mit Wasserstoff bei verhältnismäßig niedriger Temperatur erhalten kann, während das bei höherer Temperatur gewonnene Eisen n i c h t pyrophor ist. Wie die folgende Tabelle zeigt, kann der zwischen einem bei 350° und einem bei 640° gewonnenen Produkt bestehende Energieunterschied von 1.43 kcal/Grammatom nicht auf den verschiedenen Zerteilungsgrad zurückgeführt werden, da die Oberflächen in beiden Fällen größenordnungsmäßig gleich sind: Reduktionstemperatur (*C) Reduktionsdauer (Stunden) Pyrophorer Charakter Lösungswärme (kcal/Grammatom) . . Teilchendicke (A) Oberfläche (m 2 /Grammatom)

350· 34 pyrophor 23.72 241 1775

640· 30 nicht pyrophor 22.29 316 1381.

In der Tat zeigt die röntgenographische Untersuchung, daß hier der E n e r g i e - u n t e r schied durch eine G i t t e r s t ö r u n g bedingt wird, indem beim pyrophoren Eisen die Gitterschwerpunkte der Eisenatome im Mittel um 0.076 Â von der Normal-lage im ungestörten Gitter abweichen. Wollte man diese Gitterstörung durch Wärmeschwingungen erzeugen, so müßte man das normale Eisenpulver auf etwa 300° C („korrespondierende Störtemperatur") erhitzen. Daher verhält sich das bei 350° gewonnene Eisenpulver bereits bei Z i m m e r t e m p e r a t u r wie ein auf 300° erhitztes gewöhnliches Eisenpulver: es glimmt an der Luft unter Oxydation zu Eisenoxid auf 1 . Wie die oberflächenreichen Stoffe lassen sich auch die gittergestörten Stoffe durch längeres E r h i t z e n auf erhöhte Temperatur {„Tempern") in einen e n e r g i e - ä r m e r e n Zustand überführen, da sich bei der erhöhten Temperatur die Gitterspannungen leichter ausgleichen. Tempert man beispielsweise ein durch einstündiges Entwässern von a-FeO(OH) bei 250° gewonnenes a-Fe 2 O s -Präparat (S. 535 f.) 24 Stunden lang bei 126°, so nimmt sein Energiegehalt um 5.3 kcal (ss 2200 mkg) je Mol ab.

c) Energie-inhalt und Gleichgewichtskonstante

Nach dem Massenwirkungsgesetz (vgl. S. 119f.) gilt für die E n t w ä s s e r u n g eines Hydroxids Me(OH)2 — Me(OH)2 MeO + H 2 0 — bei konstanter Temperatur die Gleichgewichtsbeziehung _ PH,Ο =

^MetQH). ' P M C ( O H ) , ^ ^

_

Λ

K

,

Me(OH), ·

Hiernach besitzt der Wasserdampfdruck während der isothermen Entwässerung einen k o n s t a n t e n Wert, weil die Dampfdrucke des festen Metallhydroxids und des festen Metalloxids gegebene Größen sind und daher mit der Gleichgewichtskonstante ^Me(OH), z u einer neuen Konstante /£'ne(od, zusammengezogen werden können. Diese Konstanz des Wasserdampfdruckes bei konstanter Temperatur gilt aber nur so lange, als die Dampfdrucke ^Me(OH), und fimo als konstant angesehen werden können. 1

pyr (iröp) = Feuer; phoros (φόρο;) = Träger.

Gallium, Indium, Thallium

397

Da e8 nun, wie wir im vorhergehenden gesehen haben, energiereichere und energieärmere Zustände ein- und desselben festen Stoffes gibt, die sich durch einen größeren bzw. kleineren Dampfdruck auszeichnen, ist natürlich die G l e i c h g e w i c h t s - , C o n s t a n t e " /f'iteíOH), bei gegebener Temperatur vom E n e r g i e - i n h a l t d e s H y d r o x i d s u n d O x i d s a b h ä n g i g . J e f e i n t e i l i g e r z . B . das abzubauende H y d r o x i d ist, desto g r ö ß e r ist auch der G l e i c h g e w i c h t s - W a s s e r d a m p f d r u c k ^>H,O> dann auch der Dampfdruck ^Me(OH), größer ist. Und je f e i n t e i l i g e r umgekehrt das entstehende O x i d ist, desto k l e i n e r ist der W a s s e r d a m p f d r u c k über dem festen Gemisch. Die so bedingten Unterschiede des Gleichgewichtsdruckes können recht erheblich sein. So berechnet sich z. B. der Wasserdampfdruck von a-FeO(OH) bei 20° im Gleichgewicht mit einem bei 240° erzeugten a - F e j 0 3 zu 0.03 mm, im Gleiohgewioht mit einem bei 600° gewonnenen energiearmeren «-Fe 2 0 3 dagegen zu 95 mm (2«-FeO(OB) —>+ HjO). So kommt es, daß sich «-FeO(OH) bei 100° im Vakuum über Phosphorpentoxid nicht entwässern läßt, da hierbei entsprechend der OSTWALD sehen Stufenregel zunächst ein energiereicheres &-Fe 2 0 3 entsteht. Vergrößert man aber die Teilchengröße des Oxids durch längeres Tempern bei 216° (vgl. S. 396), so läßt sich das Wasser hinterher unter den angegebenen Bedingungen entfernen. In ähnlicher Weise erniedrigt sich die Gleichgewichtskonstante cj0/csi- In(AlH 4 ) 3 + 3 LiCl.

Die Verbindung ist bis —40° beständig und zerfällt oberhalb dieser Temperatur in Indium, Wasserstoff und Aluminiumwasserstoff. Beständiger ist die chlorhaltige Verbindung InCl 2 H · A1H3 = InCl 2 (AlH 4 ), die erst oberhalb von 100° unter Indiumabscheidung und Wasserstoffentwicklung zerfällt. Übereinstimmend mit Gallium tritt Indium auch ein - und z w e i w e r t i g auf, wobei f ü r die zweiwertige Stufe das beim Gallium (s. oben) Gesagte gilt. So kennt man ein Indium(I)-chlorid InCl und ein Indium(II)-chlorid InCl 2 . Thallium ist das verbreitetste der drei hier behandelten Elemente, kommt aber ebenfalle nur in geringen Mengen vor. Es findet eich vielfaoh in P y r i t e n und Z i n k b l e n d e n und gelangt

Vergleichende Übersicht über die Borgruppe

399

so beim Rösten dieser Sulfide in den Schwefelsäurefabriken in den F l u g s t a u b und in den B l e i k a m m e r s c h l a m m . Durch Auskochen mit verdünnter Schwefelsäure und Fällen als Chlorid HCl oder Jodid T1J läßt es sich daraus isolieren. Durch E l e k t r o l y s e der Salzlösungen kann es leicht in metallischer Form gewonnen werden. Thallium gleicht äußerlich und vielfach auch im chemischen Verhalten seinem Nachbarn im Periodensystem, dem B l e i : es ist weich und zähe, von bläulich-weißer Farbe, besitzt ein Normalpotential von — 0.32 Volt (Blei: — 0.13 Volt), schmilzt bei 302.5° (Blei: 327.4°), siedet bei 1457° (Blei: 1750°) und weist ein spezifisches Gewicht von 11.8 (Blei: 11.3) auf. An feuchter Luft oxydiert es sich schnell an der Oberfläche; bei höherer Temperatur verbrennt es mit schöner grüner Flamme zu Oxid. Durch Wasser wird es bei gewöhnlicher Temperatur in Gegenwart von Luft langsam unter Hydroxidbildung angegriffen; in Salpetersäure und Schwefelsäure löst es sich ziemlich leicht, in Salzsäure wegen der Schwerlöslichkeit des Chlorids nur langsam. Die meisten V e r b i n d u n g e n leiten sich vom e i n w e r t i g e n Thallium ab. Sie gleichen teils (ζ. B. Hydroxid, Carbonat, Sulfat) den Verbindungen des K a l i u m s , teils (ζ. B. Oxid, Sulfid, Halogenide) den Verbindungen des S i l b e r s . So löst sich ζ. B. das ThaUium{I)-hydroxid TlOH wie das Kaliumhydroxid KOH in Wasser unter stark alkalischer Reaktion und zieht an der Luft leicht Kohlendioxid an; Thallium(I)-carbonat T12C03 ist das einzige in Wasser leicht lösliche Schwermetallcarbonat und reagiert in wässeriger Lösung wie Kaliumcarbonat K 2 C0 3 infolge hydrolytischer Spaltung stark alkalisch; Thallium,(I)-sulfat T12S04 ist mit Kaliumsulfat K a S0 4 isomorph und bildet wie dieses mit verschiedenen anderen Sulfaten Doppelsulfate, wie ζ. B. den Alaun T1A1(S04)2 · 12H a O und die Verbindung Tl 2 Mg(S0 1 ) i · 6H a O; das mit dem Kalium-hexachloro-platinat (IV) K 2 [PtCl e ] isomorphe Thallium(I) -hezachloro-pl/itinat (IV) Tl2[PtCle] ist wie jenes in Wasser schwer löslich. Andererseits entsprechen ζ. B. die Löslichkeitsverhältnisse der Thallium(I)-halogenideTlX denen der Silberhalogenide. So ist T h a l l i u m ( I ) - f l u o r i d TIF wie Silberfluorid AgF in Wasser leicht löslich, während T h a l l i u m ( I ) - c h l o r i d wie Silberchlorid aus wässerigen Salzlösungen durch Salzsäure oder Chloride als schwerlöslicher weißer Niederschlag gefällt wird und T h a l l i u m ( I ) - b r o m i d (hellgelb) und T h a l l i u m ( I ) - j o d i d (tiefgelb) entsprechend den analog gefärbten Silberverbindungen noch schwerer löslich sind als das Chlorid. Das Thallium(I)-oxid TL,0 ist wie das Silberoxid AgaO schwarz; beim Einleiten von Schwefelwasserstoff in Thallium(I)-salzlösungen fällt wie beim Silber schwarzes Thalliwn(I)-sulfid T12S aus. Weniger häufig sind die Verbindungen des d r e i w e r t i g e n Thalliums. Sie stehen den entsprechenden A l u m i n i u m Verbindungen chemisch nahe. Das bekannteste und am meisten verwendete Thallium(III)-salz ist das Thallium(III)-sulfat T12(S04)3 · 7 H 2 0. Erwähnt seien weiter das Thaüium(III)-chloridT1C13 (Smp.25°) und der ThaU,ium(III)-wasserstoff T1H3, der in Form des festen, weißen, bis —90® beständigen Mischhydrids T1H? · 3 GaH, = Tl(GaH 4 ) 3 („Thalliumgallanat") bei der Umsetzung ätherischer Lösungen von Thallium(III)-chlorid und Lithiumgallanat (S. 398) bei —115° ausfällt: T1C13 + 3 LiGaH 4 — T l ( G a H 4 ) 3 + 3 LiCl. In freier Form entsteht der Thallium(III)-wasserstoff T1H3 bei der Umsetzung von Thallium(III)-chlorid mit Lithiumthallanat LiTlH 4 in ätherischer Lösung: 3 LiTlH 4 + TICI3 — 4 TIH3 + 3 LiCl als unbeständige, hochpolymere, ätherunlösliche Verbindung (T1HS)X, die schon bei Zimmertemperatur unter Abspaltung von Wasserstoff in einen — oberhalb von 270° in die Elemente zerfallenden — Thallium(I)-wasserstoff (T1H)S übergeht.

5. Vergleichende Übersicht über die Borgruppe Die Elemente Bor, Aluminium, Gallium, Indium und Thallium bilden eine natürliche Gruppe des Periodensystems:

Atomgewicht Spezifisches Gewicht . . . Schmelzpunkt Siedepunkt Beständigkeit der einwertigen Stufe dreiwertigen S t u f e . . . . Bas. Charakter d. Oxide .

Bor

Aluminium

Gallium

Indium

Thallium

10.82 2.34 2300° ~ 2550°

26.98 2.70 660.2° 2270°

69.72 5.91 29.78" 2344"

114.82 7.31 156.17° 2000°

204.39 11.83 302.5" 1457°

*

>

nimmt zu nimmt ab nimmt zu

y.

400

Die Borgruppe

Alle Elemente der Gruppe treten d r e i w e r t i g auf; doch macht man auch hier wie bei den vorangegangenen Gruppen (vgl. S. 223, 291, 364) die Beobachtung, daß mit steigendem Atomgewicht des Elements die um zwei E i n h e i t e n kleinere Wertigkeit (Ausbildung eines freien 2s-Elektronenpaares) an Beständigkeit gewinnt. So kennt man beim Bor — abgesehen von wenigen Ausnahmen (S. 384) — nur Verbindungen der d r e i w e r t i g e n Stufe, während beim T h a l l i u m die e i n w e r t i g e Stufe die vorherrschende ist. Der saure (basische) Charakter der Oxide und Hydroxide nimmt wie immer mit steigendem Atomgewicht desElementsab(zu).„Borhydroxid" (Borsäure) B(OH)3 hat ausschließlich saure Eigenschaften; A l u m i n i u m h y d r o x i d Al(OH)3 ist s o w o h l s c h w a c h e Säure wie s c h w a c h e B a s e ; Gallium(III)-, Indium(III)- und Thallium(Ill)-hydroxid sind zwar auch noch amphoter, doch wächst die B a s i z i t ä t in der Richtung v o m G a l l i u m zum T h a l l i u m . Bei den Oxiden und Hydroxiden der e i n w e r t i g e n Elemente gilt die gleiche Regelmäßigkeit. Da auch in diesem Falle wie bei den anderen Gruppen des Periodensystems die n i e d r i g e r e Wertigkeitsstufe s t ä r k e r b a s i s c h als die höhere ist, nimmt es nicht wunder, daß T h a l l i u m (I)h y d r o x i d zu den ausgesprochen s t a r k e n B a s e n gehört.

Kapitel XIY

Die Gruppe der Erdalkalimetalle 1. Das Beryllium Vorkommen. Beryllium gehört zu den selteneren Metallen. Am häufigsten findet sich in der Natur der Beryll Be 3 Al 2 [Si e 0 l g ]. Gefärbte Abarten des B e r y l l s sind die Edelsteine Smaragd und Aquamarin. Seltener kommen vor : der [ Al(OH)] [ BeSiOJ, der Gadolinit [ Y 2 F e u 0 2 ] [Be 2 Si 2 0 8 ], der Chrysoberyllk\¿3eQ¿ und der Plienakit Be 2 [Si0 4 ]. Eine V a r i e t ä t des Chrysoberylls ist der Edelstein Alexandrit. Auch Euklas und Phenakit dienen als Edelsteine. Darstellung. Die technische Darstellung des Berylliums erfolgt durch Schmelzelektrolyse. Kompakte Berylliumstücke lassen sich bei dieser Elektrolyse nur dann erhalten, wenn man oberhalb des Schmelzpunktes des Metalls arbeitet und so dem Beryllium Gelegenheit gibt, zu einem größeren Regulus zusammenzuschmelzen. Wegen des hohen Schmelzpunktes von Beryllium (1285°) muß dementsprechend die Schmelzelektrolyse bei sehr hoher T e m p e r a t u r (1400°) durchgeführt werden. Als Anode dient ein Graphittiegel, welcher zugleich den Schmelzelektrolyten aufnimmt. In den Tiegel ragt als K a t h o d e ein hohler, wassergekühlter Eisenstab, der nach oben und unten bewegt werden kann. In dem Maße, in dem sich das Beryllium an der Kathode abscheidet, wird diese gehoben, so daß das Beryllium erstarrt und bei der Elektrolyse in Stangenform erhalten wird (vgl. S. 407). Der S c h m e l z e l e k t r o l y t muß möglichst h o h e L e i t f ä h i g k e i t mit möglichst g e r i n g e r F l ü c h t i g k e i t bei 1400° vereinigen. Diesen Anforderungen wird ein Gemisch von B e r y l l i u m o x i d f l u o r i d 2BeO · 5 B e F , und B a r i u m f l u o r i d B a F a gerecht. Als Ausgangsmaterial zur Gewinnung des Beryllium-oxidfluorids dient der B e r y l l 3 B e O · Al a O a · 6SiO t . Dieser wird mit N a t r i u m - f l u o r o s i l i c a t SiF t - 2A'aF (S. 323) bei 650° aufgeschlossen (2BeO + SiF 4 -»- 2 B e F s 4- S i 0 2 ; 2Al 2 O a + 3 S i F 4 —>· 4AlF a + 3 S i 0 2 ) ; bei der Auslaugung des fein gemahlenen Reaktionsproduktes geht Beryllium als F l u o r o b e r y l l a t B e F 2 · 2 N a F (S. 403) in L ö s u n g , während das gleichzeitig gebildete F l u o r o a l u m i n a t AIF 3 - 3 N a F (S.389) zusammen mit S i l i c i u m d i o x i d S i 0 2 u n g e l ö s t zurückbleibt. Die Abtrennung des Natriumfluorids aus dem Fluoroberyllat BeF 2 · 2 N a F gelingt nur auf einem etwas umständlichen Wege durch Behandeln der Lösung mit K a l k , wobei B e r y l l i u m h y d r o x i J und C a l c i u m f l u o r i d ausfallen (BeF 2 · 2 N a F + Ca(OH) 2 —>Be(OH) 2 + CaF 2 + 2 NaF), und Herauslösen des Berylliumhydroxids aus dem Niederschlag durch F l u ß s ä u r e (Be(OH) 2 + 2 H F - > - B e F 2 + 2 H 2 0 ) . Beim Eindampfen der so erhaltenen B e r y l l i u m f l u o r i d l ö s u n g entsteht infolge teilweiser Hydrolyse das gewünschte b a s i s c h e F l u o r i d ( 7 B e F 2 + 2 H 2 0 - > - 2BeO - 5 B e F 2 + 4 H F ) . Die Kosten der Herstellung des Elektrolyten bedingen den hohen Preis des Berylliums (1940: 250 Mark/kg; 1927, vor Entwicklung der Schmelzelektrolyse: 200000 Mark/kg); die eigentlichen Eloktrolysekostcn treten demgegenüber zurück.

Physikalische Eigenschaften. Beryllium ist ein stahlgraues, sehr hartes, bei gewöhnlicher Temperatur sprödes, bei Rotglut dehnbares Metall (spez. Gew. 1.86), welches bei 1285° schmilzt und bei 2970° siedet. Seine elektrische Leitfähigkeit beträgt rund 1 / 12 der des Kupfers Chemische Eigenschaften. An trockener L u f t bleibt Beryllium blank. Durch Wasser wird es nicht angegriffen, da sich wie beim Aluminium (S. 383) eine dünne Oxidhaut bildet, welche den weiteren Angriff des Wassers verhindert. In verdünnten, Holleman-Wlberg, Anorganische Chemie. 47.—56. Aafl.

26

402

Die Gruppe der Erdalkalimetalle

n i c h t o x y d i e r e n d e n Säuren (ζ. B. Salzsäure, Schwefelsäure) löst es sich lebhaft unter Wasserstoffen twicklung. Oxydierende Säuren (ζ. B. Salpetersäure) greifen wegen Bildung einer schützenden Oxidhaut in der Kälte nicht an. Zum Unterschied von den übrigen Elementen der 2. Hauptgruppe löst sich Beryllium — vor allem in der Wärme — auch in wässerigen Alkalien. Das Berylliumoxid ist also wie das Alumini um oxid amphoter. Auch sonst sind sich Beryllium und Aluminium in ihren Eigenschaften sehr ähnlich (vgl. S. 156, 438). Verwendung. Beryllium eignet sich bestens als L e g i e r u n g s b e s t a n d t e i l . Von den Legierungen sind bis jetzt die K u p f e r - B e r y l l i u m - L e g i e r u n g e n am eingehendsten untersucht worden. Bei einem Berylliumgehalt von 2—3°/ 0 steigert sich die Härte des Kupfers auf das fünffache, die Streckgrenze auf das siebenfache und die Bruch- und Biegefestigkeit auf das dreifache. Eine Legierung mit 6—7 °/0 Beryllium ist so hart wie härtester Stahl. Da die Legierungen den elektrischen Strom sehr gut leiten, kann man aus ihnen ζ. B. Kontaktfedern für Motorbürstenhalter herstellen, die sich vor den sonst dafür gebrauchten Stoffen (ζ. B. Phosphorbronze) durch kleinere Ermüdbarkeit und vielfach verlängerte Lebensdauer auszeichnen. Weiterhin findet Beryllium als D e s o x y d a t i o n s m i t t e l beim Kupferguß (Beseitigimg kleiner Mengen von Oxid und Sulfid) Verwendung, da 1 Teil Beryllium fast 2 Gewichtsteile Sauerstoff bindet (Be + 0 —>- BeO) und dabei nicht wie der ebenfalls als Desoxydationsmittel dienende Phosphor (S. 452) die elektrische Leitfähigkeit des Kupfers herabsetzt. Schließlich wird Beryllium an Stelle von Aluminium auch zur Herstellung von A u s t r i t t s fenstern für R ö n t g e n s t r a h l e n verwendet, da es diese siebzehnmal schwächer absorbiert als Aluminium. Verbindungen. Berylliumwasserstoff BeH a ist durch Umsetzung von Berylliummethyl BeR 2 (R = CH3) mit Diboran (BH3)2 auf dem Wege über eine Zwischenverbindung BeRH 1 in Form der Anlagerungsverbindungen BeH 2 -BH 3 (nichtflüchtige, feste, weiße Substanz) und BeH 2 -2BH 3 (Smp. > 123°, Sblp. 91.3°; S. 370): BeR ä + 2 B H 3 — > BeH 2 + 2BH 2 R,

sowie durch Umsetzung von Berylliumchlorid BeCl2 mit Aluminiumwasserstoff A1H3 (in Form von Lithium-aluminium-Wasserstoff A1H3 · LiH ; S. 388) als ätherlösliches Mischhydrid BeH a · 2A1H3 = Be(AlH4)a („Berylliumalanat" ; vgl. S. 388) bzw. in freiem Zustande darstellbar: 3 BeCl2 + 2A1H3 — > · 3BeH 2 + 2A1CL,.

Die freie Verbindung stellt eine feste, weiße, bei 250° in die Elemente zerfallende Substanz dar, ist außerordentlich empfindlich gegenüber Luft und Feuchtigkeit und reagiert mit Chlorwasserstoff heftig unter Bildung von Berylliumchlorid. Versetzt man Berylliumsalzlösungen mit B a s e n , so fällt Beryllium-hydroxid Be(OH)2, das in zwei Modifikationen als a-Be(OH)2 und /9-Be(OH)2 (stabil, rhombisch) auftritt, als weißer, gelatinöser Niederschlag aus: Be" + 2 O H ' — ν Be(OH)2. Die Verbindung ist in frisch gefälltem Zustande wie frisch gefälltes Aluminiumhydroxid (S. 386) sowohl in Säuren wie in starken Alkalien leicht löslich, wobei im ersteren Falle B e r y l l i u m s a l z e , im letzteren B e r y l l a t e entstehen: Be(OH)a + 2H'

> B e " + 2H a O

Be(OH)a + 2 0 H '

>- Be(OH) 4 ".

Beim Kochen mit Wasser, beim Trocknen oder bei längerem Stehenlassen „altert" das Hydroxid und wird schwerlöslich. Zum Unterschied von Aluminiumhydroxid löst sich Berylliumhydroxid auch in Ammoniumcarbonatlösungen auf. Beim Erhitzen geht das Hydroxid in das Oxid BeO über: Be(OH) 2 —>- BeO + H 2 0, ein weißes, lockeres Pulver vom Schmelzpunkt 2530°, das wie Aluminiumoxid im geglühten Zustande in Säuren schwer löslich ist. 1

Isolierbar als unbeständige, sublimierbare Anlagerungsverbindung (BeRH-BH 3 ) x .

Das Magnesium

403

Berylliumfluorid BeF 2 bildet analog Aluminiumfluorid (S. 389) mit Alkalifluoriden K o m p l e x s a l z e (,,Fluorob eryllate") vom Typus Me [BeF 3 ] und Me 2 [BeF 4 ]. Berylliumchlorid BeCl2 ist wie Aluminiumchlorid (S. 389) wasserfrei durch Erhitzen von Berylliummetall im trockenen Chlor- oder Chlorwasserstoffstrom als weiße, kristalline Masse (Smp. 405°, Sdp. 488°) erhältlich, welche sich in Wasser unter starker Hydrolyse (BeCl2 + 2 HÖH Be(OH)2 + 2 HCl) auflöst und beim Eindampfen der Lösung als H y d r a t BeCl2 · 4H 2 0 in Form zerfließlicher Tafeln auskristallisiert. Berylliumnitrat Be(N0 3 ) 2 findet technische Verwendung als Härtemittel für Gasglühlichtkörper. Berylliumcarbonat BeC0 3 ist in Wasser schwer löslich und gibt sehr leicht Kohlendioxid ab (BeC0 3 — ν BeO + C0 2 ). Berylliumsulfat BeS0 4 kristallisiert aus wässerigen Lösungen als Tetrahydrat BeS0 4 · 4H 2 0 in Form farbloser Oktaeder aus und bildet mit Alkalisulfaten Doppelsalze vom Typus Me 2 Be(S0 4 ) 2 , ζ. B. das schön kristallisierte Doppelsulfat K 2 Be(S0 4 ) 2 · 2H 2 0. Berylliumcarbid Be2C gleicht in seinen Eigenschaften dem Aluminiumcarbid A14C3 (S. 391), ein weiteres Beispiel für die „Schrägbeziehung" im Periodensystem (S. 156,438). Die Berylliumsalze schmecken süß; davon leitet sich ein anderer, namentlich in Frankreich gebräuchlicher Name für das Beryllium ab: Glucinium.

2. Das Magnesium a) Elementares Magnesium Vorkommen. Magnesium ist am Aufbau der Erdrinde mit 1.9% beteiligt (S. 69). Wegen seiner großen chemischen Reaktionsfähigkeit kommt es nicht in freiem, sondern nur in gebundenem Zustande vor, und zwar in der Hauptsache als Carbonai, Silicat, Chlorid und Sulfat. So bildet das Magnesiumcarbonatin Form des Doppelcarbonats CaC03 · MgC03 (Dolomit) ganze Gebirgszüge ; auch als einfaches Carbonat tritt es in Form ABS Magnesits MgC03 in großen Lagern auf. Unter den S i l i c a t e n des Magnesiums seien erwähnt : Olivin (Mg,Fe)2 [Si0 4 ], Enstatit Mg[SiO a ], Serpentin [Mge(OH)e] [Si 4 O u ] · H 2 0 und [Mge(OH)8] [Si 4 O 10 ], Talk [Mg3(0H)2] [Si 4 O 10 ], Meerschaum [Mg4(0H)2] [Si e 0 15 ] •3H 2 0 und Asbest als S e r p e n t i n a s b e s t [Mg^OHJJfSi^n] HgO und als Hornblendeasbest [Ca 2 (Fe n , Mg)s (0H)¡¡] [Si 8 0 2 i ]. Als Bestandteile von S al ζ lag er η (vgl. S. 429f.) finden sich: das S u l f a t als Kieserit MgS0 4 · H 2 0 und Kainit MgS0 4 · KCl •3H20 und das Chlorid als Carnallit MgCl2· KCl ·6Η 2 0. Auch das Meerwasser enthält nicht unbeträchtliche Mengen an Magnesiumsalzen (0.30°/„ MgCl2, 0.04°/0 MgBr2, 0.18°/0 MgS0 4 ). In den als „Bitterwässer" bezeichneten Mineralquellen ist Magnesium als „Bittersalz" MgS0 4 · 7H 2 0 enthalten. Wichtig ist weiterhin das Auftreten des Magnesiums als Bestandteil des B l a t t g r ü n s (Chlorophylls). Darstellung. Magnesium wird technisch durch E l e k t r o l y s e von geschmolzenem, wasserfreiem Magnesiumchlorid bei etwa 700° gewonnen. Zur Erniedrigung des Schmelzpunktes von Magnesiumchlorid (718°) werden als „Flußmittel" Alkalichloride und Flußspat zugesetzt. Das wasserfreie Magnesiumchlorid gewinnt man durch Umsetzung von Magnesiumoxid mit K o k s (bzw. K o h l e n o x i d ) und Chlor: MgO + Clg + C > MgClj + CO + 33 kcal. (1) Das hierfür erforderliche Chlor wird bei der Schmelzelektrolyse wieder zurückgewonnen : — ^ M g + Cla. (2) lßJ ^ + Als Anodenmaterial dient Graphit, als K a t h o d e n m a t e r i a l Eisen. Das flüssige Magnesium (Smp. 650°) steigt an die Oberfläche und kann hier mit Sieblöffeln abgeschöpft werden. Die Reaktionsgleichungen (1) und (2) ergeben addiert die Gesamtgleiohung 118 kcal + MgO + C —>• Mg + CO. 26*

404

Die Grappe der Erdalkalimetalle

Diese endotherme Reaktion bann auch d i r e k t durchgeführt werden, indem man M a g n e s i u m o x i d bei 2000° im elektrischen Ofen mit K o k s umsetzt und auf diese Weise die zur Erzwingung der Reaktion notwendige Energie nicht — wie bei der Schmelzelektrolyse — in Form elektrischer, sondern in Form t h e r m i s c h e r E n e r g i e zuführt. Das Metall entweicht dampfförmig (Sdp. des Magnesiums 1100°) und kondensiert sich in einer kalten Wasserstoffatmosphäre zu flüssigem Metall, das durch Vakuumdestillation gereinigt wird. Das elektrothennische Verfahren ist billiger als das elektrolytische. Physikalische Eigenschaften. Magnesium ist ein silberglänzendes, an der L u f t jedoch bald mattweiß anlaufendes Leichtmetall (spez. Gew. 1.74, Smp. 650°, Sdp. 1100°) von mittlerer Härte, das sich hämmern und gießen sowie leicht zu dünnem Blech auswalzen und zu Draht ziehen läßt. Die elektrische Leitfähigkeit beträgt etwa 1 / 3 von der des Kupfers und etwa 2 / 3 von der des Aluminiums. Chemische Eigenschaften. An der L u f t ist Magnesium trotz seiner großen Affinität zu Sauerstoff bei Z i m m e r t e m p e r a t u r recht haltbar, weil es sich bald mit einer zusammenhängenden dünnen O x i d s c h u t z h a u t überzieht (vgl. S. 172). Bei h ö h e r e r T e m p e r a t u r verbrennt es in Band- und Pulverform mit b l e n d e n d w e i ß e m L i c h t zu Magnesiumoxid MgO (und Magnesiumnitrid Mg 3 N 2 ) : Mg + 7 a O a

V MgO + 143.7 kcal.

Da das Licht reich an photochemisch wirksamen Strahlen ist, macht man von dieser Reaktion bei den ,,Blitzlichtfulvem" (Gemischen von Magnesiumpulver mit Oxydationsmitteln wie Kaliumchlorat, Kaliumpermanganat, Braunstein oder Nitraten der seltenen Erdmetalle) Gebrauch. Wegen der großen Affinität zum Sauerstoff dient Magnesium weiterhin als s e h r k r ä f t i g e s R e d u k t i o n s m i t t e l ; so reduziert es in der Hitze selbst so beständige Oxide wie Siliciumdioxid. Kaltes W a s s e r greift Magnesium nur sehr l a n g s a m an (S. 172). Dagegen reagiert Magnesium a m al g a m bei Zimmertemperatur mit Wasser sehr l e b h a f t (vgl. S. 384). Ebenso wirkt W a s s e r d a m p f schneller ein (vgl. S. 38). I n S ä u r e n löst sich Magnesium leicht; A l k a l i e n greifen es nicht an. Anwendung. Magnesium findet als Leichtmetall technisch hauptsächlich als B e s t a n d t e i l v o n L e g i e r u n g e n Verwendung, die sich wegen ihres n i e d r i g e n s p e z i f i s c h e n G e w i c h t s für den Luftschiff-, Flugzeug- und Automobilbau eignen. Einige dieser Legierungen (Magnalium, Hydronalium, Duralumin), die weniger Magnesium enthalten, haben wir bereits beim A l u m i n i u m (S. 385) kennengelernt. Unter den zur Hauptsache aus M a g n e s i u m bestehenden Legierungen seien vor allem die „Elektronmetalle" erwähnt, Legierungen von 90°/ 0 und mehr Magnesium mit — je nach dem Verwendungszweck — Zusätzen von Aluminium, Zink, Mangan, Kupfer, Silicium, die zum Unterschied vom Aluminium unempfindlich gegen alkalische Lösungen und Flußsäure sind, gegenüber Eisen eine Gewichtsersparnis von über 80°/ 0 , gegenüber Duralumin eine solche von 20—40°/ 0 ermöglichen und leicht verarbeitet werden können. Durch Beizen in einem salpetersauren Alkalidichromat-Bad kann man sie mit einem gegen atmosphärischen Angriff schützenden gelben Überzug versehen. Legierungen von 98°/ 0 Magnesium und 2°/ 0 Mangan sind gegen Wasser praktisch dauerbeständig.

b) Verbindungen des Magnesiums Magnesiumwasserstoff MgH 2 ist in f r e i e m Z u s t a n d e außer durch Synthese aus den Elementen auch durch thermische Zersetzung von Magnesiumdiäthyl : Mg(C2H5)2

175

' > MgH, + 2 C2H4

Oae Magnesium

405

und in Form von M i s c h h y d r i d e n MgH a · 2BH 3 = Mg(BH 4 ) 2 („Magnesiumboranat") bzw. MgH 2 · 2AIH3 = Mg(AlH4)2 („Magnesiumalanat") durch Umsetzung von Magnesiumdiäthyl mit Diboran bzw. von Magnesiumbromid mit Lithiumalanat darstellbar: 3 MgR2 + 4 (BH3)2 MgBr2 + 2 LiAlH4

3 Mg(BH4)2 + 2 BR3 >- Mg(AlH4)2 + 2 LiBr.

Magnesium Wasserstoff ist ein weißer, fester, nichtflüchtiger Körper, der mit Wasser heftig unter Wasserstoffentwicklung reagiert und oberhalb von 280° in die Elemente zerfallt. Sein Mischhydrid mit Aluminiumwasserstoff, Mg(AlH4)2, ist in Äther löslich und wirkt ähnlich hydrierend wie die analoge Lithiumverbindung LiAIH4 (S. 388). Magnesiumoxid MgO wird technisch durch Glühen von M a g n e s i t gewonnen: MgC03 — ^ MgO + COa.

Erhitzt man auf verhältnismäßig n i e d r i g e T e m p e r a t u r e n (800—900°), so erhält man ein mit Wasser abbindendes und daher für Mörtelzwecke (vgl. unten) geeignetes Produkt (,,kaustische Magnesia"). Brennt man dagegen bei s e h r h o h e n T e m p e r a t u r e n (1600—1700°), so sintert das Magnesiumoxid (vgl. S. 344) zu einer mit Wasser nicht mehr abbindenden Masse zusammen, die zur Herstellung h o c h f e u e r f e s t e r S t e i n e („Magnesiasteine") Verwendung findet (S. 344). Auch L a b o r a t o r i u m s g e r ä t e (Rohre, Tiegel, Schiffchen usw.) werden aus geschmolzenem bzw. gesintertem Magnesiumoxid (,,Sintermagnesia") hergestellt. Außer M a g n e s i u m o x i d MgO (Smp. 2800°) und dem früher (S. 324 bzw. 386) schon erwähnten S i l i c i u m d i o x i d Si0 2 (Smp. 1705°) und A l u m i n i u m o x i d A1203 (Smp. 2050°) dienen auch andere hochschmelzende Oxide zur Herstellung h o c h f e u e r f e s t e r und chemisch widerstandsfähiger L a b o r a t o r i u m s g e r ä t e , z.B. B e r y l l i u m o x i d BeO(Smp.2530°), Z i r k o n d i o x i d Zr0 2 (Smp. 2700°) und T h o r i u m d i o x i d ThOs (Smp. 3050°) sowie Mischoxide wie S p i n e l l Mg0-Al a 0 3 (Smp. 2135°) und Z i r k o n s i l i c a t ZrOa · SiOa (Smp. 2430°). Die Geräte sind als

„Degussa-Geräte" im Handel. Durch Glühen von M a g n e s i u m h y d r o x i d oder b a s i s c h e m M a g n e s i u m c a r b o n a t erhält man das Magnesiumoxid als lockeres, leichtes, weißes Pulver, das unter anderem in der Medizin als mildes N e u t r a l i s a t i o n s m i t t e l Verwendung findet („Magnesia usta", „gebrannte Magnesia"). Mischungen von M a g n e s i u m o x i d und konzentrierter M a g n e s i u m c h l o r i d lösung erhärten s t e i n a r t i g unter Bildung b a s i s c h e r C h l o r i d e („Magnesiazement", „Sorelzement") und werden — unter Zumischung neutraler Füllstoffe (Sägemehl, Korkgrieß, Asbest, Schamottemehl, Kieselgur) und Farben — zur Herstellung k ü n s t l i c h e r S t e i n e und f u g e n l o s e r F u ß b ö d e n („Steinholz", „Xylolith", „Kunstmarmor") verwendet. Magnesiumhydroxid Mg(0H) ä kann technisch aus den E n d l a u g e n der K a l i s a l z verarbeitung (vgl. S. 430f.) gewonnen werden, welche das Magnesium hauptsächlich in Form von M a g n e s i u m c h l o r i d enthalten. Die Fällung des Magnesiumhydroxid8 aus diesen Laugen erfolgt mit K a l k m i l c h : MgCL, + Ca(OH)a

ν Mg(OH)2 + CaCla.

Der Hydroxidniederschlag geht durch Filterpressen und kommt entweder als solcher oder geglüht als Magnesiumoxid in den Handel. Magnesiumhydroxid ist in W a s s e r nur wenig löslich und fällt daher ganz allgemein beim Versetzen von Magnesiumsalz-lösungen mit B a s e n aus : Mg" + 2 0 H ' —>• Mg(OH) 2 . Bei Verwendung von A m m o n i a k als Base ist die Fällung wegen der geringen Hydroxidionenkonzentration des wässerigen Ammoniaks unvollständig. In A m m o n i u m s a l z - l ö s u n g e n löst sich Magnesiumhydroxid leicht, weil die Ammonium-ionen die Hydroxid-ionen abfangen (NH4" + OH' —>- NH 3 -f- H 2 0), so daß die zur Überschreitimg des Löslichkeitsproduktes c Mg - X COH- = 5-5 Χ 10~12 erforderliche Hydroxidionenkonzentration nicht erreicht wird. Dementsprechend bildet sich auch

406

Die Grappe der Erdalkalimetalle

bei der Zusammengabe von Magnesiumsalzlösungen und Ammoniak in Gegenwart genügender Mengen Ammoniurnsalz kein Niederschlag. Als zweisäurige starke Base bildet Magnesiumhydroxid mit Säuren basische und normale Salze. Magncsiumchlorid MgClj kommt in Form des Carnallits MgCl2 · KCl • 6 H 2 0 in den Kaliumsalzlagerstätten vor. T e c h n i s c h wird es durch Eindampfen der E n d l a u g e n der K a l i u m c h l o r i d g e w i n n u n g (S. 430f.) als Hexahydrat MgCl2 · 6 H 2 0 oder — bei stärkerem Eindampfen — als wasserärmeres Produkt gewonnen. Da die Menge des absetzbaren Magnesiumchlorids verhältnismäßig gering ist, verarbeitet man nur einen kleinen Teil der Endlaugen zu technischen Produkten (vergi. S. 405) ; der größte Teil wird als Abwasser in die Flüsse geleitet oder eingedampft und als Versatzmaterial in die Salzschächte (S. 430) zurückbefördert. Magnesiumchlorid ist sehr „hygroskopisch" (vgl. S. 426); seine Gegenwart im Kochsalz bewirkt dessen Feuchtwerden an der L u f t (S. 422). Die wässerige Lösung reagiert neutral. Beim Eindampfen der Lösung entweicht Chlorwasserstoff: MgClj + HÖH

Mg(OH)Cl -f HCl.

Dementsprechend läßt sich das Hexahydrat auch nur in einer Chlorwasserstoffatmosphäre unzersetzt entwässern (vgl. S. 389). Das wasserfreie Magnesiumchlorid bildet eine blättrig-kristalline Masse, die bei 718° zu einer wasserhellen, leicht beweglichen Flüssigkeit (Sdp. 1412°) schmilzt. Magnesiumcarbonat MgCOj findet sich in der N a t u r als Dolomit (Perlspat, Braunspat) MgCOg · CaCO s und als Magnesit (Talkspat, Bitter spat) MgCO a . I n wässeriger Lösung bildet es sich aus Magnesium- und Carbonat-ionen nur bei genügendem Überschuß an freier Kohlensäure. Andernfalls entsteht b a s i s c h e s M a g n e s i u m c a r b o n a t [Mg(MgC0 3 ) 4 ] (OH)j¡ · ÖH 2 0, das in Form eines weißen lockeren Pulvers als „Magnesia alba" („Magnesia carbonica") in der Medizin sowie zu Pudern, Zahn- und Putzpulvern, hauptsächlich jedoch zum Füllen von Kautschuk, Papier und Farben Verwendung findet. Magnesiumsulfat MgS0 4 kommt in der N a t u r als Kieserit MgS0 4 · H a O und als Bittersalz MgS0 4 · 7 H 2 0 (Magnesiumvitriol) sowie in Form des Doppelsalzes MgS0 4 · KCl · 3 H 2 0 (Kainit) vor (vgl. auch S. 430). Das Bittersalz schmeckt widrig bitter und wird in der Medizin als Abführmittel verwendet. Bei 150° verliert es 6 Mol Wasser, das siebente erst oberhalb von 200°. Hierin verhält es sich analog wie die Sulfate des Zinks, Mangans, Eisens, Nickels und Kobalts, die mit ihm isomorph sind. Man nimmt daher an, daß diese „Vitriole" MeS0 4 · 7 Η 2 0 die Konstitution [Me(H 2 0) e ]S0 4 · H 2 0 besitzen, wobei das zum Sulfat-ion gehörende Wassermolekül durch W a s s e r s t o f f b r ü c k e n (S. 223) gebunden wird. Analoges gilt f ü r die Vitriole der Zusammensetzung MeS0 4 · 5 H 2 0 (Me z.B. = Cu oder Mn), denen die Konstitution [Me(H 2 0) 4 ] S 0 4 · H 2 0 zukommt (S. 455). Mit Kalium- und Ammoniumsulfat bilden die Vitriole D o p p e l s u l f a t e des Typus Me£Me n (S0 4 ) 2 · 6 H 2 0 , die untereinander ebenfalls isomorph sind. Magnesiumcarbid Mg2C,3. Das Magnesiumcarbid Mg2C3 ist das einzige Carbid, das bei der Hydrolyse Propin CH 3 · C = CH ergibt (Mg2C3 + 4 H O H > 2Mg(OH) 2 + C 3 H 4 ). Vgl. Calciumcarbid (S. 412), Berylliumcarbid (S. 403) und Aluminiumcarbid (S. 391).

3. Das Calcium a) Elementares Calcium Vorkommen. Das Calcium gehört zu den 10 häufigsten Elementen (S. 69) und ist am Aufbau der Erdrinde mit 3.4°/ 0 beteiligt, und zwar findet es sich in der N a t u r als Carbonai, Sulfat, Silicat, Phosphat und Fluorid, also in Form von Verbindungen,

Dae Calcium

407

welche in Wasser s c h w e r - oder u n l ö s l i c h sind. Das C a r b o n a i CaC0 3 kommt als Kalkstein, Kreide und Marmor sowie in riesigen Mengen als D o p p e l c a r b o n a t CaC0 3 · MgC0 3 {Dolomit) vor (S. 409). Das S u l f a t bildet als Gips CaS0 4 · 2 H 2 0 (wasserfrei: Anhydrit CaS0 4 ) gewaltige Lager (S. 411) und findet sich außerdem als Bestandteil des M e e r w a s s e r s (0.16% CaS0 4 ). C a l c i u m s i l i c a t e und namentlich C a l c i u m d o p p e l s i l i c a t e bilden die überwiegende Masse der Silicatgesteine (S. 329f.). Calc i u m p h o s p h a t e finden sich als Phosphorit Ca10(PO4)6 (OH, F, Cl)2 = „3Ca 3 (P0 4 ) 2 · Ca (OH, F, Cl)2" und Apatit Ca 10 (PO 4 ) 6 F 2 = „3Ca 3 (P0 4 ) 2 · CaF 2 " (S.251). Das F l u o r i d kommt als Flußspat {Fluorit) CaF 2 vor (S.409). Darstellung. Metallisches Calcium wird technisch durch E l e k t r o l y s e von ges c h m o l z e n e m C a l c i u m c h l o r i d (Smp. 780°) in eisernen Elektrolysegefäßen hergestellt. Als A n o d e n dienen große Kohleplatten, als K a t h o d e ein durch ein Schraubengewinde auf und ab bewegbarer dünner Eisenstab. Die Kathode wird so angeordnet, daß ihre untere Spitze eben die Schmelze berührt {„Berührungselektrode"). Es scheidet sich dann bei der Elektrolyse geschmolzenes Calcium (Smp. 851°) ab, das beim Heben der Kathode erstarrt. Durch fortgesetztes Heben während der Elektrolyse gelangt man so zu einem immer länger werdenden metallischen Calciumstab von 1 bis mehreren Zentimetern Dicke. Physikalische Eigenschaften. Calcium ist ein silberweißes, glänzendes, an der Luft jedoch schnell anlaufendes Metall (Smp. 851°, Sdp. 1439°), welches so weich wie Blei Ì3t und das spezifische Gewicht 1.54 besitzt. Chemische Eigenschaften. Calcium wird bei g e w ö h n l i c h e r T e m p e r a t u r von Sauerstoff, Chlor, Brom und Jod nur langsam angegriffen. Beim E r h i t z e n erfolgt lebhafte Reaktion. Beim Verbrennen an der Luft entsteht sowohl Oxid wie Nitrid: Ca + 3 Ca + N 2

>- CaO + 153 kcal >· Ca^Nj + 109 kcal.

Mit W a s s e r reagiert Calcium bei gewöhnlicher Temperatur träge, beim Erwärmen lebhafter unter Wasserstoffentwicklung. I n flüssigem A m m o n i a k löst sich Calcium mit tief blauschwarzer Farbe als Ammoniakat Ca(NH 3 ) g .

b) Verbindungen des Calciums Calciumhydrid CaH2 wird technisch durch Überleiten von W a s s e r s t o f f C a l c i u m bei 400° dargestellt: Ca + H 2

über

>- CaHj + 46.1 kcal.

Es kommt als weiße, kristalline Masse in den Handel, die mit Wasser heftig unter Wasserstoffentwicklung reagiert : CaHa + 2HÖH

Ca(OH)a + 2H¡¡ + 54 kcal. 3

Da 1 kg des Hydrids dabei etwa 1 m Wasserstoffgas entwickelt, kann man es an abgelegenen Orten zur Erzeugung von Wasserstoff verwenden. Der Wasserstoff ist im Calciumhydrid heteropolar gebunden: H - Ca + + H~ (vgl. S. 148. 434). Calciumoxid CaO {„Ätzkalk") wird technisch in großen Mengen durch Erhitzen von C a l c i u m c a r b o n a t {Kalkstein) auf 900—1000° („Kalkbrennen") dargestellt (vgl. S

'

4 1 0 :

42.7 kcal + CaCOs

>- CaO + COa.

Das dabei entstehende Produkt heißt ,,gebrannter Kalk" oder

„Branntkalk".

Das B r e n n e n des K a l k s t e i n s erfolgte in den ältesten Zeiten in Meilern, später in einfachen Feldöfen ohne Ummauerung; heute geschieht es in Schacht- oder Ring- oder Drehrohröfen. Wärmetechnisch besonders vollkommen sind die Ringöfen. Bei ihnen dient die Wärme der abziehenden Feuergase zum Vorwärmen frischen Calciumcarbonats, während die in der fertiggebrannten Ware aufgespeicherte Hitze zum Vorwärmen der Verbrennungsluft ausgenutzt

Die Gruppe der Erdalkalimetalle

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wird. Fig. 121 gibt von oben gesehen einen horizontalen Schnitt durch einen solchen Ringofen wieder. Er besteht aus einem „Brennkanal" von etwa 3 m Breite und 3 m Höhe, in welchem der Kalkstein unter Aussparung von je 20 cm breiten „Heizschlitzen" in „Abteilen" von je 3 m Länge aufgeschichtet wird. Jedes Abteil ist durch eine T ü r von außen zugänglich und weist einen zu einem Schornstein führenden R a u c h a b z u g auf. Das Feuer wird durch entsprechendes Einführen von Brennstoff in die Heizschlitze von Kammer zu Kammer in der Richtung der Pfeile w e i t e r v e r l e g t . Die heißen V e r b r e n n u n g s g a s e wärmen das Material der nachfolgenden Abteile vor, die V e r b r e n n u n g s l u f t wird durch den in Nachglut stehenden Ofeneinsatz der vorhergehenden Abteile vorgewärmt und kühlt dabei deren Inhalt ab. 7/jr

Ût/cl-rprran

CaO

Finbarron

Ca0+CaC03

ûhtp//

CaC03

Fig. 121. Horizontalschnitt durch einen Ringofen zum Brennen von Kalkstein In Fig. 121 stehen die Abteile 9 und 10 im V o l l f e u e r , 7 und 8 in N a c h g l u t , 11 und 12 in V o r g l u t . Das Heizfeuer befindet sich im Heizschlitz zwischen Abteil 8 und 9, die Verbrennungsluft wird in den Abteilen 7 und 8 vorgewärmt, die heißen Verbrennungsgase heizen die Beschickungen der Abteile 11—17 vor (Türen 7—17 geschlossen). Die Abteile 2—6 sind a b g e b r a n n t ; aus Abteil 1 wird der f e r t i g g e b r a n n t e , a b g e k ü h l t e K a l k a u s g e f a h r e n , in Abteil 18 n e u e r K a l k s t e i n e i n g e s e t z t ; die Abteile 13—17 sind m i t f r i s c h e m K a l k s t e i n g e f ü l l t . Nach einiger Zeit wird das Feuer um ein Abteil weiterverlegt, so daß sich Abteil 10 und 11 im Vollfeuer, 8 und 9 in Nachglut und 12 und 13 in Vorglut befinden. Abteil 2 kann dann ausgekarrt werden, während 1 mit neuem Kalkstein beschickt wird usw. Gebrannter Kalk hat die Eigenschaft, mit Wasser unter starker Wärmeentwicklung und Bildung von C a l c i u m h y d r o x i d zu reagieren („Kalklöschen"): CaO + HjO Ca(OH)a + 15 kcal. Der dabei entstehende „gelöschte Kalk" dient zur Bereitung von L u f t m ö r t e l (S. 413f.). U n r e i n e K a l k s t e i n e mit Beimengungen an Tonerde, Kieselsäure oder Eisenoxyd dürfen nicht bei zu h o h e r T e m p e r a t u r gebrannt werden, da sie sonst wegen der im Vergleich zum Calciumoxid (Smp. 2576°) leichteren Schmelzbarkeit der Calciumaluminate, -silicate und -ferrite (Smp. 1500—1600°) s i n t e r n und so ein nur noch s c h w e r m i t W a s s e r r e a g i e r e n d e s Produkt ergeben („totgebrannter Kalk"). Der aus g a n z r e i n e m Calciumcarbonat (Marmor) entstehende Kalk wird auch bei sehr hohen Temperaturen n i c h t t o t g e b r a n n t , da wegen des hohen Schmelzpunktes von Calciumoxid eine Sinterung bei den Temperaturen des Kalkbrennens nicht erfolgen kann und man daher ein lockeres, amorphes, weißes Pulver erhält. Bei starkem Erhitzen mit einer Knallgasflamme strahlt Calciumoxid ein sehr helles weißes Licht aus („DRUMMONDsches Kalklicht"). Mit Kohle setzt es sich bei hohen Temperaturen zu C a l c i u m c a r b i d CaC2 (S. 412) um. Außer zur M ö r t e l b e r e i t u n g und C a r b i d g e w i n n u n g wird Calciumoxid zur Darstellung von A m m o n i a k (S. 227), als O f e n f u t t e r (S. 530f.), als b a s i s c h e r Z u s c h l a g beim Erschmelzen von Metallen (S. 528), als D ü n g e m i t t e l (S. 269) und in der Glasfabrikation (S. 341) verwendet. Calciumhydroxid Ca(OH)g entsteht beim L ö s c h e n v o n g e b r a n n t e m K a l k (s. oben) und bildet ein weißes, staubiges, amorphes Pulver. In Wasser ist es mäßig

Dae Calcium

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schwer löslich (1.3 g in 1 Liter Wasser bei 20°); die L ö s u n g heißt „Kalkwasser" und reagiert stark b a s i s c h . Eine S u s p e n s i o n von C a l c i u m h y d r o x i d in K a l k w a s s e r wird „Kalkmilch" genannt und dient u. a. als weiße Anstrichfarbe für Zimmerdecken. Calciumhydroxid wird hauptsächlich zur Herstellung von M ö r t e l (S. 413f.) für Bauzwecke verwendet. Als b i l l i g s t e B a s e der Technik findet es weiterhin ausgedehnte Verwendung zum Freimachen von A m m o n i a k aus dem Gaswasser der Leuchtgasfabriken (S. 227), zum K a u s t i f i z i e r e n v o n S o d a (S. 423), als Ä t z m i t t e l in der Gerberei (II, S. 373) usw. Calciumfluorid CaF 3 kommt in der N a t u r in beträchtlichen Mengen als Flußspat vor. Als sehr schwer löslicher Stoff fällt er stets beim Zusammengeben von Calciumionen und Fluor-ionen aus: Ca" + 2 F ' — > - CaF¡¡. Der Schmelzpunkt liegt bei 1400°, der Siedepunkt bei 2500°. Calciumfluorid dient vor allem zur Darstellung von Flußsäure (S. 97), als Trübungsmittel in der Emaille-Industrie (S. 342) und als Flußmittel bei metallurgischen Prozessen (S. 403). Calciumchlorid CaCl> wird t e c h n i s c h als A b f a l l p r o d u k t bei der S o d a f a b r i k a t i o n nach S O L V A Y (S. 4 2 7 F . ) erhalten: CaC03 + 2NaCl —>- CaCl, + Na 2 C0 3 . R e i n e s Calciumchlorid entsteht beim Lösen von C a l c i u m c a r b o n a t in S a l z s ä u r e : CaCOs + 2 HCl > CaCl, + HaO + COa. Beim Eindunsten der wässerigen Lösung kristallisiert e s a l s H e x a h y d r a t CaCl2 · 6 Η 2 0 in Form prismatischer Kristalle aus. Durch Erhitzen auf über 260° kann das H y d r a t zum w a s s e r f r e i e n Calciumchlorid CaCl2 entwässert werden, einer weißen, außerordentlich hygroskopischen, bei 780° schmelzenden Masse. Die Temperatur darf bei dieser Entwässerung nicht zu r a s c h gesteigert werden, da sonst teilweise H y d r o l y s e unter Bildung von Chlorwasserstoff erfolgt. Das w a s s e r f r e i e Calciumchlorid löst sich in Wasser unter starker W ä r m e e n t w i c k l u n g , das H e x a h y d r a t dagegen unter starker A b k ü h l u n g . Mischungen von wasserhaltigem Calciumchlorid und Eis werden daher oft als „Kältemischungen" benutzt; man kann damit Temperaturen bis herab zu —50° erreichen. Wasserfreies Calciumchlorid dient als T r o c k e n m i t t e l zum Trocknen von Gasen. A m m o n i a k kann nicht damit getrocknet werden, da es sich mit Calciumchlorid unter Bildung einer Verbindung CaCl2 · 8 N H 3 vereinigt. Beim Zusammenschmelzen von CaCl2 mit Ca entsteht Calciummonochlorid CaCl in Form rotvioletter, wasserzersetzlicher Kristalle, die oberhalb 800° C beständig sind und beim langsamen Abkühlen wieder in CaCl2 und Ca zerfallen. In Gegenwart von H, entsteht aus CaCl, und Ca farbloses Calciumhydridchlorid CaHCl. Calciumnitrat Ca(_NOj)2 wird technisch durch Einwirkung von S a l p e t e r s ä u r e auf K a l k s t e i n gewonnen: CaC03 + 2HNO s —>- Ca(N03)s + H,0 + CO, und kommt unter dem Namen „Kalksalpeter" (,,Norgesalpeter") als D ü n g e m i t t e l in den Handel. Aus wässeriger Lösung kristallisiert Calciumnitrat in Form monokliner Prismen der Zusammensetzung Ca(N0 3 ) 2 · 4 H 2 0 aus, die oberhalb von 40° in ihrem Kristallwasser schmelzen (vgl. S. 426) und beim Erhitzen auf über 100° in die wasserfreie Verbindung (Smp. ~ 560°) übergehen. Calciumcarbonat CaCOä kommt in der Natur in zwei kristallisierten Modifikationen vor: als hexagonal kristallisierter „Calcit" {„Kalkspat") — oft in gutausgebildeten Kristallen von erheblicher Größe — und als rhombisch kristallisierter „Aragonit". Die b e s t ä n d i g e Form ist der C a l c i t . Aus mehr oder weniger feinen Calcitkristallen bestehen auch die gewöhnlichen Erscheinungsformen des Calciumcarbonats in der N a t u r : Kalkstein, Kreide und Marmor. K a l k s t e i n ist ein hauptsächlich durch Ton verunreinigtes Calciumcarbonat ; bei stärkeren Tongehalten wird er als Kalkmergel

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Die Gruppe der Erdalkalimetalle

(75—90% CaCOg), Mergel (40—75% CaC0 3 ) oder Tonmergel (10—40% CaC0 3 ) bezeichnet. K r e i d e stellt eine erdige, weiche, vorwiegend aus Schalenresten urweltlicher Schnecken und Muscheln {„Muschelkalk") bestehende Form des Calciumcarbonats dar. M a r m o r ist ein sehr reines, feinkristallines Calciumcarbonat. IN A i g l f M H l W Besonders rein ist der auf I s l a n d vorkommende Kalkspat. Er heißt auch „Doppelspat", weil er besonders eindrucksvoll das allen Kristallen mit bestimmten Symmetrieeigenschaften eigentümliche Phänomen der Doppelspat „Doppelbrechung" zeigt. Hierunter versteht man die Fig. 122. Doppelbrechung des Lichtes Erscheinung, daß ein einfallender Lichtstrahl in zwei polarisierte Lichtstrahlen („ordentlicher" und „außerordentlicher" Strahl) zerlegt wird, welche verschieden stark gebrochen werden, so daß eine durch einen solchen Kristall betrachtete Schrift oder dergleichen d o p p e l t erscheint (Fig. 122). Man benutzt den isländischen Doppelspat zur Herstellung von P r i s m e n („Nicols") für die Umwandlung von unpolarisiertem Licht in polarisiertes Licht. Als schwer lösliche Verbindung fällt Calciumcarbonat aus wässerigen Lösungen beim Zusammengeben von Calcium - ionen und Carbonat-ionen aus : Ca" + C0 3 " — > CaC0 3 . Der Niederschlag ist zunächst a m o r p h und geht dann in Berührung mit der Lösung langsam in die k r i s t a l l i n e F o r m des Calcits über. In k o h l e n s ä u r e h a l t i g e m Wasser ist Calciumcarbonat beträchtlich löslich, da sich dabei das ziemlich leicht lösliche C a l c i u m h y d r o g e n c a r b o n a t ( C a l c i u m b i c a r b o n a t ) Ca(HC0 3 ) 2 bildet: CaCOj + H 2 C0 3 ^ ± 1 Ca(HCO,) a . (1) Beim K o c h e n oder E i n d u n s t e n der Lösung verschiebt sich das Gleichgewicht (1) infolge des Entweichens von Kohlendioxid ( H 2 C 0 3 — > - H 2 0 + C0 2 ) wieder nach l i n k s , so daß C a l c i u m c a r b o n a t a u s f ä l l t . Hierauf beruht die Abscheidung von „Kesselstein" beim Erhitzen von calciurnbicarbonat-haltigem Wasser in Dampfkesseln und die Bildung von „Tropfsteinen" („Stalaktiten" und „Stalagmiten") beim Verdunsten von hartem Wasser in Kalkgebirgen. Fast jedes Fluß- und Quellwasser enthält mehr oder weniger große Mengen an Calciumsalzen (und Magnesiumsalzen), hauptsächlich C a l c i u m h y d r o g e n c a r b o n a t und C a l c i u m s u l f a t . Ein an Calciumsalzen r e i c h e s Wasser heißt „hartes Wasser" zum Unterschied von calciumsalzf r e i e m oder - a r m e m Wasser, das man als „weiches Wasser" bezeichnet. Gemessen wird die Härte in „Härtegraden", unter denen man die Anzahl Milligramm CaO je 100 com Wasser versteht. Beim K o c h e n von hartem Wasser fällt das C a l c i u m h y d r o g e n c a r b o n a t als Calciumcarbonat aus, wodurch ein Teil der Härte — die „vorübergehende" oder „temporäre Härte" — verschwindet. Die zurückbleibende, auf den Gehalt an C a l c i u m s u l f a t zurückzuführende Härte heißt „bleibende" oder „permanente Härte". Vorübergehende und bleibende Härte ergeben zusammen die „Gesamthärte". Ein sehr weiches Wasser (1 Härtegrad) weist ζ. B. die in einer Buntsandsteinlandschaft (Si0 2 ) gelegene Stadt Gotha auf; dagegen ist das Leitungswasser der in einer Muschelkalklandschaft (CaC03) liegenden Stadt Würzburg sehr hart (37 Härtegrade). Einen mittleren Härtegrad (15.7) besitzt das Wasser der Stadt München. Die E n t h ä r t u n g von Wasser für technische Zwecke erfolgt entweder durch D e s t i l l a t i o n des Wassers (S. 49) oder durch chemische A u s f ä l l u n g der störenden Ionen (ζ. B. mit S o d a : Ca" + CO/' CaC03 oder mit N a t r i u m p h o s p h a t : 3Ca" + 2 P O / " >- Ca3(P04)2) oder schließlich durch B i n d u n g der Ionen mittels geeigneter „Ionenaustauscher" wie „Permutit" (vgl. S. 330) oder „Wofatit" (vgl. II, S. 314). Namentlich die W o f a t i t e , organische Kunstharze, bürgern sich mehr und mehr zur Enthärtung von Wasser ein, da sie eine V o l l e n t s a l z u n g harten Wassers ermöglichen. Man leitet zu diesem Zweck das Wasser durch zwei Wofatitfilter, deren erstes s a u r e Gruppen enthält und die K a t i o n e n des harten Wassers gegen W a s s e r s t o f f i o n e n austauscht: Ca" + 2 HR >- CaR2 + 2H" (2) (R = Wofatitrest), während das zweite, b a s i s c h e Filter die A n i o n e n bindet und dafür H y d r o x i d i o n e n abgibt: S0 4 " + 2 R 0 H >- R 2 S0 4 + 2 0 H ' , (3) welche durch die gemäß (2) gebildeten Wasserstoffionen neutralisiert werden, so daß reines, salzfreies Wasser hinterbleibt. Beim E r h i t z e n zersetzt sich Calciumcarbonat unter Bildung von C a l c i u m o x i d und K o h l e n d i o x i d : CaCOa CaO 4- CO,.

Dae Calcium

411

Die Reaktion dient zur Darstellung von g e b r a n n t e m K a l k ( S . 407 f. ) und zur Kohlendioxidgewinnung (S. 303f.)· Gemäß dem Massenwirkungsgeseti (vgl. S. 119f.) entspricht jeder Temperatur ein ganz bestimmter Gleichgewichtsdruck pco, (Fig. 123). Bei 900° erreicht dieser Gleichgewichtsdruck den Wert 1 Atmosphäre. Deshalb muß man beim Kalkbrennen (S. 4071'.) mindestens auf 900° erhitzen, falls man nicht mit Unterdruck arbeitet. Ist der äußere Kohlendioxiddruck höher als der Gleichgewichtsdruck, so zersetzt sich Calciumcarbonat nicht; unter diesen Bedingungen gelingt es, seinen Schmelzpunkt zu ermitteln (1289° unter 110 Atmosphären Druck). Calciuinsulfat CaS04 findet sich in der Natur als Gips C&SO4 · 2H 2 0 und Anhydrit CaS0 4 . Abarten des Gipses sind das „Marienglas" {„Frauenglas") und der „Alabaster", der für Bildhauerzwecke Verwendung findet. Aus reiner wässeriger Lösung kristallisiert Calciumsulfat 900' USO' 1350' unterhalb von 66° stets als Gips, oberhalb von 66° » Temperatur als Anhydrit. Bei Gegenwart anderer Salze kann die Abscheidung von Anhydrit auch bei niedri- Fig. 123. Dissoziationsdrucke der Erdgeren Temperaturen erfolgen. Beim Erhitzen auf 100° spaltet der Gips einen Teil seines Kristallwassers ab und geht in das „Halbhydrat" CaS0 4 · 1 / 2 H 2 0 („gebrannter Gips") über. Als Pulver mit Wasser zu einem Brei verrührt, erhärtet dieser rasch zu einer festen, aus feinfaserigen, miteinander verfilzten Gipskriställchen bestehenden Masse. Auf dieser Eigenschaft beruht die Verwendung des gebrannten Gipses im Baugewerbe, der keramischen Industrie, der Bildhauerei und zu vielen anderen Zwecken (S. 414). In der Technik entwässert man bei 120—180° in Eisenkesseln („Gipskocher") oder Trommelöfen. Das dabei entstehende Produkt („Stuckgips") ist noch etwas wasserärmer als das Halbhydrat. Bei 190—200° entweicht aus dem Stuckgips der Rest des Wassers; der so gebildete „wasserfreie Stuckgips" bindet so schnell mit Wasser ab, daß er praktisch nicht verwendet wird. Beim Erhitzen auf 500° büßt der Stuckgips seine Abbindefähigkeit wieder ein. Bei höherer Temperatur, praktisch beim Brennen in Schachtöfen bei 800—900°, entsteht eine Form des Calciumsulfats („Estrichgips"), welche in feinpulveriger Form mit Wasser langsam (in 24 Stunden und länger) abbindet und hydraulische Eigenschaften aufweist, während der Stuckgips rasch (in 10—20 Minuten) abbindet und unter Wasser langsam wieder erweicht. Gips, welcher bei 1000—1200° gebrannt wird, geht in „totgebrannten Gips" über, der sich ähnlich wie natürlicher Anhydrit nur sehr schwer mit Wasser umsetzt. Oberhalb von 1200° wird S0 3 (—>- S0 2 + V2 0 2 ) abgespalten; der dabei entstehende basische Gips besitzt wieder die Fähigkeit, mit Wasser zu erhärten. Die Gewinnung von Schwefeldioxid zur Schwefelsäuiefabrikation durch die letztgenannte thermische Spaltung von Gips:

CaS04

CaO + S0 2 + V 2 0 2

ist wegen der erforderlichen hohen Temperatur von über 1200° u n w i r t s c h a f t l i c h . Setzt man aber dem Gips K o k s und t o n i g e Z u s c h l ä g e zu, so erfolgt die Spaltung bei w e s e n t l i c h n i e d r i g e r e r T e m p e r a t u r , da dann unter gleichzeitiger Kohlenoxidbildung das Calciumoxid als Calcium-aluminat und -Silicat abgefangen wird. Wählt man dabei das Mischungsverhältnis von Gips und Tonmaterial so, daß die Zusammensetzung des beim Brennen im Drehrohrofen entstehenden festen Produkts der Zusammensetzung von P o r t l a n d z e m e n t (S. 4 1 4 f . ) entspricht, so deckt die Zementgewiniiung die Kosten der thermischen Zerlegung des Calciumsulfats. Das gewonnene Schwefeldioxid wird nach dem Kontaktverfahren in Schwefelsäure

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Die Gruppe der Erdalkalimetalle

verwandelt. Das Verfahren („MÜLLER-KÜHNE-Verfahren") wird in beschränktem zur Schwefelsäure- und Zementerzeugung durchgeführt.

Umfang

Calciumsuüid CaS entsteht beim Glühen von C a l c i u m s u l f a t mit K o h l e : CaS0 4 + 2C —>- CaS + 2C0 2 . ES erlangt wie viele andere Sulfide (Ζ. B. Strontium-, Barium-, Zink-, Cadmiumsulfid) durch Zusatz von S p u r e n e i n e s S c h w e r m e t a l l s a l z e s und starkes Glühen in Gegenwart von Schmelzmitteln die Eigenschaft, nach Belichtung längere Zeit im Dunkeln n a c h z u l e u c h t e n oder bei Bestrahlung mit u n s i c h t b a r e n S t r a h l e n wie Röntgen-, Elektronen-, Λ- oder ultravioletten Strahlen s i c h t b a r e s L i c h t auszusenden {„Leuchtstoffe", „Luminophore", „Phosphore"). Der Schwermetall„Aktivator" darf nur in Spuren (10 -2 °/0) vorhanden sein. Calciumcarbid (Calciumacetylid) CaCa („Carbid") wird technisch in riesigen Mengen aus K a l k und K o k s im Lichtbogen eines elektrischen Ofens hergestellt: 112 kcal + CaO + 3C

CaC2 + CO.

Die Reaktion ist eine G l e i c h g e w i c h t s r e a k t i o n . Unterhalb von 1600° wirkt Kohlenoxid auf Calciumcarbid unter Bildung von Kalk und Kohle ein, oberhalb von 1600° beginnt bei Atmosphärendruck die Carbidbildung aus Kalk und Kohle. Technisch arbeitet man bei 2200—2300°. Bei extrem hohen Temperaturen reagieren Kalk und Carbid miteinander unter Bildung von Calcium und Kohlenoxid (CaC2 + 2 CaO —>• 3Ca 4- 2CO). Die Carbidöfen bestehen aus feuerfesten Steinen. Boden und Wände sind mit Kohlenstampfmasse ausgekleidet und bilden die eine Elektrode. Als Gegenelektroden dienen mehrere große, künstlich hergestellte Kohlenelektroden, welche in den Ofen hineinragen und zur Erzeugung eines dauernden Lichtbogens nach oben und unten bewegt werden können. Besonders geeignet sind als Gegenelektroden die „SÖDERBERG-Elektroden". Bei diesen wird in Eisenblechzylindern von bis zu P / j m Durchmesser eine auf 100° angewärmte breiartige Stampfmasse aus Anthrazit, Koks, Teer und Pech mit Drucklufthämmern eingestampft. In dem Maße, in dem beim Betriebe die Elektrode unten abbrennt, wird die Masse nachgesenkt und oben neu eingestampft. Die angewendeten Spannungen betragen bei den Großöfen 100—160 Volt, die Leistungen bis zu 27000 Kilowatt. Das entstehende dünnflüssige Calciumcarbid wird von Zeit zu Zeit abgestochen, in eisernen Pfannen aufgefangen und nach dem Erkalten gebrochen und gegebenenfalls gemahlen.

T e c h n i s c h e s Calciumcarbid ist grauschwarz und enthält meist noch 1—2°/0 Kohlenstoff und 12—15°/0 Calciumoxid. In r e i n e m Z u s t a n d e bildet Calciumcarbid eine farblose kristalline Masse. 60°/ 0 der deutschen Carbiderzeugung dienen zur Gewinnung von K a l k s t i c k s t o f f (s. unten), 40°/ 0 zur Darstellung von A c e t y l e n (II, S. 128ff.) ; daserzeugte Acetylen (CaC2 + 2 H O H - — • Ca(OH)2 + C2H2) wird zur Hälfte zu organischen Synthesen (Essigsäure, Alkohol, Acetaldehyd, Buna, Kunststoffe usw. ; II, S. 79, 107, 131 f., 134f.), zur anderen Hälfte zu Schweißzwecken (S.43) verwendet. Kalkstickstoîî. Bringt man feingemahlenes C a l c i u m c a r b i d bei hoher Temperatur mit S t i c k s t o f f zur Umsetzimg, so entsteht in stark exothermer Reaktion ein Gemisch von Calcium-cyanamid CaCN2 und Kohlenstoff, das man als „Kalkstickstoff" bezeichnet : CaCj + N a

CaCN, + C + 72 kcal.

Die Stickstoffaufnahme („Azotierung") beginnt bei 800° und erfolgt bei 1000—1100° mit technisch brauchbarer Geschwindigkeit. Erhitzt man aber die g a n z e Carbidmasse auf eine so hohe Temperatur, so kommt man infolge der großen Reaktionswärme in Temperaturgebiete, in denen sich die exotherme G l e i c h g e w i c h t s r e a k t i o n umkehrt. Diese Schwierigkeit wird beim „FRANK-CARO-Verfahren" in der Weise überwunden, daß man nur einen Teil der Carbidmasse auf die Reaktionstemperatur erhitzt und den übrigen Teil durch die R e a k t i o n s w ä r m e zur Umsetzung bringt. Beim „POLZENIUS-KRAUSS-Verfahren" wird die Reaktion dadurch gemäßigt, daß man durch Zusatz von C a l c i u m c h l o r i d oder C a l c i u m f l u o r i d die Azotiertemperatur auf etwa 700° h e r a b s e t z t und die Reaktionswärme durch K ü h l u n g m i t k a l t e r L u f t abführt.

413

Das Calcium

Im einzelnen verläuft die Kalkstickstoffgewinnung nach dem FRANK- CARO-\'erfahren so, daß man einen mit Calciumcarbid gefüllten Blechzylinder (8—10 t Einsatz) mit abnehmbarem, durchlochtem Boden in einen zylinderförmigen, aus feuerfesten Steinen gemauerten Ofen einführt, mit Hilfe einer langen, in die Mitte der Carbidsäule eingeführten Heizelektrode (Kohlenstab) das Carbidgemisch unter Einleiten von Stickstoff durch den durchlochten Boden zur Entzündung bringt („Initialzündung") und dann nach Herausziehen des Blechzylindermantels die Azotierung von selbst weiterschreiten läßt. Beim POLZENIUS-KRAUSS-Verfahren füllt man das Carbid in große, zerlegbare Eisenkästen mit durchlochtem Boden, welche auf Wagengestellen langsam einen rohrförmigen Kanalofen von 45—65 m Länge und rund 2 m Höhe durchfahren, während von der anderen Seite her der Stickstoff entgegenströmt. Im vorderen Teil des Kanalofens wird das Carbid vorgewärmt („Vorwärmraum"), dann gelangt es in eine von außen beheizte Erhitzungszone („Heizraum"), wo es auf Reaktionstemperatur gelangt. Der nun folgende „Reaktionsraum" wird von außen mit kalter Luft gekühlt, damit die Temperatur während der Reaktion nicht zu hoch steigt. Im hinteren Ende des Kanalrohres („Kühlraum") erfolgt die Abkühlung des Reaktionsproduktes. Die nach beiden Verfahren resultierenden steinharten Kalkstickstoffblöcke werden gebrochen und staubfein vermählen. Das lästige Stäuben des Pulvers läßt sich durch Einölen mit 3 % Teeröl beseitigen.

Der t e c h n i s c h e K a l k s t i c k s t o f f ist infolge des beigemengten Kohlenstoffs grau bis schwarz gefärbt, während r e i n e s C a l c i u m c y a n a m i d CaCN2 weiß ist. E r wird heute ausschließlich als S t i c k s t o f f d ü n g e m i t t e l verwendet. Die Dünge Wirkung beruht darauf, daß er im Boden unter der Einwirkung von W a s s e r und B a k t e r i e n in A m m o n i a k übergeht: CaCNj + 3 H , 0

CaCO, + 2 N H S .

Früher führte man diese Umsetzung mit Wasser auch t e c h n i s c h zur A m m o n i a k e r z e u g u n g aus, indem man K a l k s t i c k s t o f f unter Druck mit überhitztem W a s s e r d a m p f behandelte (vgl. S. 227). Heute ist diese Art der Ammoniakgewinnung unwirtschaftlich. Die Umkehrung der obigen Reaktion ergibt ,,weißen Kalkstickstoff".

c) Mörtel M ö r t e l sind B i n d e m i t t e l , welche mit Wasser angerührt nach gewisser Zeit steinartig e r h ä r t e n und zur V e r k i t t u n g der Steine eines Bauwerks oder zum V e r p u t z von Mauerteilen dienen. J e nach der Widerstandsfähigkeit der erhärteten Mörtel gegen den Angriff von Wasser unterscheidet man ,,Luftmörtel" (ζ. B . Kalk und Gips), welche von Wasser angegriffen werden, und ,,Wassermörtel" (ζ. B . Portlandzement und Tonerdezement), welche dem Angriff von Wasser widerstehen. α) Luftmörtel Der bekannteste L u f t m ö r t e l ist der „Kalkmörtel". Er besteht aus einem steifen, wässerigen Brei von g e l ö s c h t e m K a l k („Mörtelbildner") und S a n d („Magerungsmittel"). Die Erhärtung dieses Breis beruht darauf, daß zunächst das überschüssige Wasser verschwindet („Abbinden"), worauf dann allmählich das Calciumhydroxid unter der Einwirkung des Kohlendioxids der Luft in Calciumcarbonat übergeht („Erhärten"), das als kristalline Masse Sand und Bausteine verkittet: Ca(OH) 2 + C 0 2 — C a C 0

3

+ H20.

(1)

Da bei diesem Erhärtungsvorgang Wasser frei wird, werden neue Wohnungen feucht, wenn sie zu früh bezogen werden, da das ausgeatmete Kohlendioxid nach (1) einwirkt. Zur Vermeidung des Feuchtwerdens stellt man offene Koksfeuer auf, die einerseits das zur Erhärtung erforderliche Kohlendioxid liefern, andererseits das entstehende Wasser zur Verdunstung bringen. Der n a t ü r l i c h e Vorgang der Erhärtung, der von außen nach innen fortschreitet, dauert bei dickem Mauerwerk jahrzehnte- bis jahrhundertelang: hieraus erklärt sich die außerordentliche Festigkeit alter Bauten.

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Die Gruppe der Brdalkalimetalle

Bei der D a r s t e l l u n g des g e l ö s c h t e n K a l k s darf nicht zuviel und nicht zuwenig Wasser verwendet werden. Im ersteren Fall „ersäuft" der Kalk, im zweiten zerfällt („verbrennt") er zu einem grießig-sandigen, mit Wasser nicht mehr abbindenden Pulver. Nur reine Sorten von gebranntem Kalk löschen rasch und lebhaft ab und geben den richtigen Kalkbrei von speckiger, schlüpfriger Beschaffenheit („Fettkalk"); unreine oder überbrannte Kalksorten löschen langsam und unvollständig ab und ergeben einen weniger guten pulverig-schlammigen „Magerkalk". Vor dem Zumischen des Sandes läßt man den Kalkbrei noch einige Zeit zur Vervollständigung des Löschens stehen („Sumpfen"). Gutem Kalk können 3 Teile S a n d beigemengt werden, magerem weniger. Der Sand verhindert einerseits eine zu starke S c h w i n d u n g des Kalks beim Erhärten und macht andererseits den Mörtel porös, so daß der durch den Luftzutritt bewirkte Erhärtungsprozeß (1) nach innen fortschreiten kann. Aus Kalkmörtel lassen sich auch B a u s t e i n e („Kalksandsteine") herstellen. Zu diesem Zwecke werden Mischungen von gebranntem Kalk und Sand abgelöscht, auf Pressen in Ziegelform gebracht und dann in einem geschlossenen Härtungskessel 8—10 Stunden der Einwirkung von überhitztem Wasserdampf (8 Ätm.) ausgesetzt. Hierbei bildet sich Calciumhydrogensilicat, welches die Sandkörner verkittet. Ein anderer wichtiger Luftmörtel ist der „Gipsmörtel" in F o r m von „Stuckgips" und ,,Estrichgips" (S. 411). S t u c k g i p s wird meist in reinem Zustande, d . h . ohne Sand, verwendet, da er zum Unterschied vom Kalk beim Erhärten nicht „schwindet", sondern sogar um etwa 1 % „wächst". Diese Volumenvermehrung macht ihn zur Herstellung von G i p s a b g ü s s e n und G i p s v e r b ä n d e n geeignet, da so die feinsten Vertiefungen der Vorlagen ausgefüllt werden und die Gipsverbände stets stramm anliegen. Die Porzellan- und Steinzeugfabriken (vgl. S. 344) machen aus Stuckgips Formen aller Art ; für Bauzwecke stellt man aus Stuckgips billige, schmückende Bauteile sowie Decken und Wände mit Einlagen von Rohr oder Drahtgeflecht („Rabitzwände") her. Der E s t r i c h g i p s dient hauptsächlich zur Herstellung von Fußböden. ß ) Wassennörtfl Der gewöhnliche Kalkmörtel erhärtet als Luftmörtel nur an der Luft, nicht aber unter Wasser. Will man zu einem w a s s e r b e s t ä n d i g e n Kalkmörtel kommen, so muß man den Kalkstein nicht f ü r s i c h a l l e i n , sondern v e r m i s c h t m i t T o n (Aluminiumsilicat) brennen. Das so erhaltene Produkt heißt „Zement". Zemente dienen im Gemisch mit Sand als „hydraulische Mörtel" („Wassermörtel") für W a s s e r b a u t e n , werden vielfach aber auch bei L u f t b a u t e n verwendet. Durch Vermengen von Zementmörtel mit K i e s oder S c h o t t e r erhält man den wichtigen Baustoff „Beton". Der bekannteste Zement ist der „Portlandzement". Zur Herstellung von Portlandzcmcnt (vgl. S. 347) werden kalkreiche und tonreiche Materialien (ζ. B. Kalkstein und Ton oder Kalkmergel und Tonmergel) so miteinander vermischt, daß das Verhältnis der Gewichtsmenge der „basischen Bestandteile" (CaO) zu der der „sauren Bestandteile" (SiO a , AlaOs, Fe 2 0 3 ), der sogenannte „hydraulische Modul", mindestens 1.7, zweckmäßig aber ungefähr 2 beträgt. Dieses Gemisch wird in Walzenbrechern zerkleinert und dann in Mühlen fein vermählen. Das Vermählen kann trocken oder naß erfolgen; jo nachdem erhält man ein „Rohmehl" oder einen „Dickschlamm". Das Rohmaterial gelangt dann zum „Brennen" in eine D r e h r o h r o f e n a n l a g e . Diese besteht aus zwei übereinanderliegenden, auf Rollen gelagerten, drehbaren und feuerfest ausgekleideten Eisenblechrohren. Das obere, 2—3 m weite und 50—-70 m lange, geneigt gelagerte B r e n n r o h r , das alle 1—2 Minuten eine Umdrehung macht, wird am oberen Ende mit dem angefeuchteten R o h m e h l oder dem D i c k s c h l a m m beschickt, während vom unteren Ende her durch eine mit Preßluft betriebene K o h l e n s t a u b f e u e r u n g eine mehrere Meter lange F l a m m e in den Ofen eingeblasen wird. Das Rohmaterial bewegt sich durch die Drehung des Ofens langsam nach unten und t r o c k n e t zunächst zu Staub; bei 1000° beginnt die Bildung der die Eigenschaften des Zements bedingenden Calciumsilicate, -aluminate und -ferrite, namentlich des T r i c a l c i u m s i l i c a t s 3CaO- SiOa („Alit"). Bei etwa 1250° beginnt die Masse zu e r w e i c h e n , bei 1400—1450° s i n t e r t eie zu 2—3 cm großen, graugrünen K l u m p e n („Klinker") zusammen. Ihre Zusammensetzung schwankt zwischen den Werten 58—66% CaO, 18—26% SiOa, 4 — 1 2 % A1203 und 2—5% F e 2 0 3 ; der Rest verteilt sich in der Hauptsache auf MgO, S 0 3 , COa und H 2 0 . Am unteren Ende des Ofens fällt der Klinker in die darunter befindliche kürzere und engere, ebenfalls schrägliegende K ü h l t r o m m e l . Hier

Dae Strontium

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wird er durch kalte Luft a b g e k ü h l t , welche eich dabei selbst erwärmt und dann als heiße Verbrennungsluft für die Kohlenstaubfeuerung dient. Der mit einer Temperatur von 70—100° aus der Kühltrommel fallende Klinker wird dann zu einem staubfeinen Mehl vermählen. An Stelle der Drehrohröfen kann man auch Schachtöfen verwenden. Zur Bereitung von Z e m e n t m ö r t e l vermischt man den Portlandzement bei Wasserbauten mit 1—2, bei Luftbauten mit 3 Teilen S a n d sowie mit W a s s e r . Die Verfestigung des Mörtels erfolgt zunächst sehr rasch durch Wasseraufnahme („Abbinden") und schreitet dann immer langsamer fort („Erhärten"). Die E r h ä r t u n g beruht im wesentlichen darauf, daß das Tricalciumsilicat des Zements durch das Wasser allmählich unter Bildung von M o n o c a l c i u m s i l i c a t CaSi0 3 und C a l c i u m h y d r o x i d Ca(OH) 2 zersetzt wird : 3CaO · S i 0 2 + 2H a O —>- CaO · S i 0 2 + 2Ca(OH) 2 . In ähnlicher Weise erfolgt auch eine Umwandlung der A l u m i n a t e und F e r r i t e . Die Reaktionsprodukte scheiden sich in Form ultramikroskopischer Kriställchen aus und v e r f i l z e n und v e r f e s t i g e n beim Wachsen in zunehmendem Maße das ganze Gefüge. Während also bei der Erhärtung des K a l k - L u f t mortels die Calcium c a r b o n a tbildung maßgebend ist, ist beim K a l k - W a s s e r m ö r t e l die Calciums i Ii c a tbildung für die Verfestigung verantwortlich. Durch Zumischen von g r o b e m K i e s oder S t e i n s c h l a g zum Z e m e n t m ö r t e l erhält man Beton. Einen besonders stabilen Baustoff erhält man durch Einbetten von E i s e n g i t t e r n oder E i s e n d r a h t g e f l e c h t e n in Beton („Eisenbeton"), da der Beton am Eisen fest haftet und es vor dem Verrosten bewahrt. Auch n a t ü r l i c h e tonhaltige Kalksteine können zur Erzeugung von Zement verwendet werden. So stellt man z. B. aus t o n r e i c h e m Mergel (50—70% CaC03, 25% Ton) durch Brennen bei etwa 1200° unterhalb der Sinterungsgrenze „Romanzement" her. V u l k a n i s c h e Massen („Tuff") dienen als „Puzzolanzement" (Italien) und „Traß" (Eifel) im Gemisch mit gelöschtem Kalk als hydraulische Mörtel. Tonarme K a l k s t e i n e (10—20% Ton) ergeben beim Brennen den hydraulischen „Wasserkalk" („Zementkalk"), der meist im Gemisch mit Zement, Puzzolanerde oder Traß verwendet wird. Weiterhin können auch t e c h n i s c h e A b f a l l p r o d u k t e geeigneter Zusammensetzung zur Zementgewinnung herangezogen werden. So enthält z. B. die basische G u ß e i s e n - H o c h o f e n echlacke (S. 529) 44—52% CaO, 27—35% SiOs und 8—20% A1203 + Fe 2 0 3 , so daß sie durch Erhöhung des K a l k g e h a l t e s (Brennen des Schlackenmehls mit gemahlenem Kalkstein wie bei der Herstellung von Portlandzement) in einen Zement übergeführt werden kann, der in seiner Zusammensetzung (54—60% CaO, 20—26% SiOa, 9—15% A1203 + Fe 2 0 3 ) nur wenig vom Portlandzement abweicht („Eisenportlandzement"). Wesentlich reicher an Aluminiumoxid und ärmer an Siliciumdioxid als der Portlandzement ist der „Tonerdezement" (35—40°/ 0 CaO, 3 0 — 4 5 % A1 2 0 3> 10—20°/ 0 F e 2 0 3 , 10—12°/ 0 Si0 2 ). Man gewinnt ihn durch Schmelzen oder Sintern einer Mischung von B a u x i t und K a l k im Gebläseschachtofen oder elektrischen Ofen.

4. D a s Strontium Elementares Strontium. Das Strontium gehört zu den weniger häufigen Elementen. Die hauptsächlichsten Strontiummineralien sind Cölestin SrS0 4 und Strontianit SrC03. Die Darstellung des Metalls erfolgt wie beim Calcium durch E l e k t r o l y s e des g e s c h m o l z e n e n Chlorids unter Anwendung einer Berülirungselektrodo (S. 407). Der hohe Schmelzpunkt des Chlorids (873°) kann dabei durch Zusatz von Kaliumchlorid wesentlich heiuntergedrückt werden. Reines Strontium (spez. Gew. 2.60) schmilzt bei 771°, siedet bei 1366° und ähnelt im übrigen vollkommen dem Calcium. Technische Verwendung findet es nicht. Strontiumverbindungen. Als Ausgangsmaterial für die Darstellung der meisten Strontiumverbindungen dient das Strontiumcarbonat SrC03. Es findet sich in der Natur als Strontianit und kann weiter aus dem ebenfalls in der Natur vorkommenden Cölestin SrS0 4 durch Verschmelzen mit Soda gewonnen werden: SrS0 4 + Na2C03 >- SrC03 + Na 2 S0 4 . Beim Erhitzen spaltet das Carbonai bei 1100° C0 2 ab (vgl. Fig. 123, S. 411) und geht in das Strontiumoxid SrO (Smp. 2430°) über. Bei der Behandlung mit Wasser entsteht aus diesem unter starker Wärmeentwicklung das Strontiumhydroxid Sr(OH)2, das zu den starken Basen gehört. Durch Auflösen

Die Gruppe der Erdalkalimetalle

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des Strontium carbonata in Salz- bzw. Salpetersäure erhält man das Chlorid und das Nitrat. Das Strontiumchlorid SrCl2 (Smp. 873°) ist zum Unterschied vom alkohol-unlöslichen Bariumchlorid BaClj in Alkohol löslich, so daß man die beiden Erdalkalichloride durch Alkohol trennen kann. Das Strontiumnitrat Sr(N0 3 ) 2 löst sich zum Unterschied vom Calciumnitrat Ca(N0 3 ) 2 nicht in Alkohol-Äther, wovon man zur Trennung von Calcium und Strontium Gebrauch macht. Strontiumsalze werden zu b e n g a l i s c h e m F e u e r verwendet, dem sie eine prächtig karmin· rote Farbe verleihen.

5. D a s Barium Elementares Barium. Barium kommt in der Natur hauptsächlich als Schwerspat BaS0 4 und als Witherit BaC0 3 vor. Seine Darstellung auf schmelzelektrolytischem Wege macht Schwierigkeiten. Daher gewinnt man es zweckmäßig durch Reduktion von B a r i u m o x i d mit A l u m i n i u m oder S i l i c i u m bei 1200° C im Vakuum. Es schmilzt bei 717°, siedet bei 1696° und besitzt das spezifische Gewicht 3.74. Bariumsullat BaSO* findet sich in der Natur als Schwerspat (Baryt ; spez. Gewicht 4.5) und dient in dieser Form als A u s g a n g s m a t e r i a l für die meisten a n d e r e n B a r i u m salze. Zu diesem Zwecke wird ein feingemahlenes Gemisch von S c h w e r s p a t und K o h l e in Drehrohröfen oder Flammöfen auf 600—800° erhitzt: B a S 0 4 + 2C

>- BaS + 2CO,

B a S 0 4 + 4C

BaS + 4CO

und das dabei entstehende B a r i u m s u l f i d , das sich durch Auslaugen des Reaktionsproduktes mit Wasser isolieren läßt, mit den entsprechenden S ä u r e n umgesetzt. Auch durch Lösen des natürlich vorkommenden W i t h e r i t s BaC0 3 in S ä u r e n kann man in einfacher Weise Bariumsalze gewinnen. Das Bariumsulfat ist in W a s s e r vollkommen u n l ö s l i c h und c h e m i s c h s e h r b e s t ä n d i g ; daher findet es als M i n e r a l f a r b e („Permanentweiß", „Blanc fixe") Verwendung. Weiterhin dient es als F ü l l m a t e r i a l für Papier. Da die für diese Zwecke erforderliche f e i n s t e V e r t e i l u n g durch noch so feines Mahlen des natürlichen Schwerspats nur unvollkommen zu erzielen ist, stellt man das Bariumsulfat in großen Mengen k ü n s t l i c h her. Hierzu löst man B a r i u m s u l f i d oder B a r i u m c a r b o n a t in S a l z s ä u r e (BaS + 2HC1 - ν BaCl2 + H 2 S ; BaC0 3 + 2HCl - > BaCl2 + H 2 0 + C0 2 ) und fällt aus der gebildeten Bariumchloridlösung das Barium mit N a t r i u m - oder M a g n e s i u m s u l f a t als Sulfat aus: Ba" + S 0 4 " — B a S ( V

Als N e b e n p r o d u k t entsteht Bariumsulfat bei der W a s s e r s t o f f p e r o x i d gewinnung aus Bariumperoxid und Schwefelsäure (S. 178f.). Da Bariumsulfat bei völliger Entwässerung seine Deckkraft als Mineralfarbe wieder verliert, kommt es als P a s t e mit 20—30°/0 Wasser in den Handel. Größere Deckkraft als das P e r m a n e n t w e i ß besitzt eine andere bariumsulfathaltige weiße Anstrichfarbe, der Lithopon. Er wird durch Umsetzung von B a r i u m s u l f i d - und Z i n k s u l f a t l ö s u n g e n gewonnen: BaS + ZnS0 4

>- B a S 0 4 + ZnS

und besteht aus Z i n k s u l f i d und B a r i u m s u l f a t . Lithopon besitzt annähernd die Deckkraft von Β lei w e i ß und hat vor diesem den Vorzug, durch Einwirkung von Schwefelwasserstoff n i c h t n a c h z u d u n k e l n ; daher ist er die am meisten verwendete weiße Farbe. Bariumcarbonat BaC0;{, das in der Natur als Witherit vorkommt und künstlich durch Einleiten von K o h l e n d i o x i d in B a r i u m s u l f i dlösung als schwerlöslicher weißer Niederschlag gewonnen werden kann (Ba" + C0 3 " —>- BaCO s ), zerfällt bei

Dae Radium Atmosphärendruck erst oberhalb von 1400° C in Bariumoxid (vgl Fig. 123, S. 411): ^ 6 BaC0 3 ^=±: BaO + COa.

417 und Kohlendioxid

Will man daher aus dem Carbonat das Oxid gewinnen, so setzt man zweckmäßig K o h l e zu, welche sich mit dem Kohlendioxid unter Bildung von Kohlenoxid umsetzt (CO2 + C 2 CO) und so ein Glühen bei niedrigerer Temperatur ermöglicht. Bariumnitrat Ba(N0j)g wird technisch durch Lösen von B a r i u m s u l f id oder B a r i u m c a r b o n a t in S a l p e t e r s ä u r e gewonnen und findet hauptsächlich Verwendung in der F e u e r w e r k e r e i für Grünfeuer und in der S p r e n g t e c h n i k . Bariumchlorid BaCl>¿ läßt sich technisch durch Auflösen von B a r i u m s u l f i d oder B a r i u m c a r b o n a t in S a l z s ä u r e oder durch Umsetzen von B a r i u m s u l f i d l ö s u n g e n mit Lösungen von C a l c i u m - oder M a g n e s i u m c h l o r i d darstellen. Es kristallisiert aus der wässerigen Lösung als Dihydrat BaCl 2 · 2H a O aus. Beim Erhitzen geht es in das wasserfreie Bariumchlorid, eine weiße Masse vom Schmelzpunkt 960° und Siedepunkt 1560°, über. Bariumoxid BaO entsteht als lockeres, poröses, reaktionsfähiges Pulver (Smp.1923 0 ) beim G l ü h e n eines Gemisches von künstlich hergestelltem B a r i u m c a r b o n a t und feiner S t a u b k o h l e oder R u ß und dient als Ausgangsmaterial für die Darstellung von Bariumperoxid (S. 181). Ohne den Zusatz von Kohle erfolgt der Zerfall des Bariumcarbonate erst bei so hoher Temperatur (s. oben), daß das Bariumoxid stark zu sintern beginnt. Mit Wasser vereinigt sich Bariumoxid unter starker Wärmeentwicklung zum Hydroxid. Bariumhydroxid B a ( 0 H ) ¿ löst sich in Wasser bedeutend leichter als Calcium- und Strontiumhydroxid. Aus der entstehenden, stark basisch reagierenden Lösung („Barytwasser") kristallisiert das Hydroxid als Hydrat Ba(OH) 2 · 8 H 2 0 . Zum Unterschied von den Calcium- und Strontiumsalzen sind die Bariumsalze giftig.

6. Das Radium

Vorkommen. Das radiumreichste Mineral ist die P e c h b l e n d e (S. 519), in der das Radium als r a d i o a k t i v e s Z e r f a l l s p r o d u k t des Urans enthalten ist (S. 568). Aber auch in dieser Pechblende ist der Radiumgehalt nur s e h r g e r i n g (0.14 g je 1000 kg Erz), da im radioaktiven Gleichgewicht (S. 577) auf 3 Millionen Uranatome erst 1 Radium atom entfällt. Darstellung. Die Aufarbeitung der Pechblende und anderer radiumhaltiger Uranerze (z. B . des Carnotits) auf Radium erfolgt in der Weise, daß man das Radium nach Zusatz von B a r i u m s a l z gemeinsam mit dem B a r i u m als schwerlösliches S u l f a t ausfällt (vgl. S. 574) und anschließend die beiden Elemente durch fraktionierte Kristallisation der B r o m i d e (Radiumbromid ist schwerer löslich als Bariumbromid) voneinander trennt. Das m e t a l l i s c h e R a d i u m läßt sich aus den Lösungen seiner Salze elektrolytisch an einer Quecksilberkathode als A m a l g a m abscheiden und hinterbleibt beim Erhitzen des Amalgams auf 400—700° in einer Wasserstoffatmosphäre als weißglänzendes, bei 700° schmelzendes und bei 1140° siedendes Metall (spez. Gew. 5—6). 1 g Radium kostet zur Zeit 100 000 DM. Eigenschaften. Als höheres Homologes des Bariums ähnelt das R a d i u m in seinen Eigenschaften dem B a r i u m . E s wird wie dieses von der L u f t angegriffen und zersetzt lebhaft W a s s e r . Das Sulfat R a S 0 4 ist wie Bariumsulfat in Wasser und verdünnten Säuren unlöslich. Das in Wasser unlösliche Carbonat RaCO s löst sich wie Bariumcarbonat in Säuren. Von dem für das Radium und seine Verbindungen charakteristischen „radioaktiven Zerfall" wird später (S. 566ff.) ausführlicher die Rede sein. H o l l e m a n - W i b e r g , Anorganische Chemie. 4 7 . — ; 6 . Aufl.

27

Die Grappe der Erdalkalimetalle

418

7. Vergleichende Übersicht über die Gruppe der Erdalkalimetalle Die Elemente Beryllium, Magnesium, Calcium, Strontium und Barium bilden zusammen mit dem weniger gut untersuchten Radium die zweite Hauptgruppe des Periodensystems. Ihre wichtigsten p h y s i k a l i s c h e n E i g e n s c h a f t e n gehen aus der folgenden Tabelle hervor:

Atomgewicht Spezifisches Gewicht.... Schmelzpunkt Siedepunkt Normalpotential Basischer Charakter der Oxide Löslichkeit der Sulfate.. Löslichkeit der Hydroxide

Beryllium

Magnesium

Calcium

Strontium

9.013 1.86 1285° 2970° — 1.70

24.32 1.74 650» 1100° — 2.34

40.08 1.54 851° 1439» — 2.87

87.63 2.60 771» 1366» — 2.89

Barium 137.36 3.74 717» 1696» — 2.90

nimmt zu nimmt ab nimmt zu

Die Abstufung ihrer c h e m i s c h e n E i g e n s c h a f t e n ist dadurch gegeben, daß vom Beryllium zum Barium hin das Normalpotential negativer wird, entsprechend einer Z u n a h m e d e s e l e k t r o p o s i t i v e n C h a r a k t e r s und damit der Verwandtschaft zu elektronegativen Elementen. So nimmt z. B. die Beständigkeit der Metalle gegenüber L u f t und W a s s e r vom Beryllium zum Barium hin ab, und in gleicher Richtung steigt auch die Neigung zur Vereinigung mit S t i c k s t o f f . Daß Beryllium und Magnesium so außerordentlich langsam mit Wasser reagieren, wird allerdings mit dadurch bedingt, daß ihre dabei sich bildenden Hydroxide viel schwerer löslich sind als die des Calciums, Strontiums und Bariums, wodurch der Angriff des Wassers erschwert wird. Der b a s i s c h e C h a r a k t e r der Oxide und Hydroxide nimmt wie stets mit steigendem Atomgewicht des Metalls zu: Be(OH) 2 ist ein a m p h o t e r e s , Ba(OH) 2 ein s t a r k b a s i s c h e s H y d r o x i d . Entsprechend dieser Abstufimg der Basizität werden die Salze der Metallbasen mit schwachen Säuren — z. B. die C a r b o n a t e — in der Richtung vom Barium zum Beryllium hin leichter t h e r m i s c h z e r s e t z t und h y d r o lytisch gespalten. Alle Elemente der zweiten Hauptgruppe sind z w e i w e r t i g . Zwar existieren auch Halogenide des Calciums, Strontiums und Bariums von der Formel MeX („Erdalkalisubhalogenide"), in denen die Erdalkalimetalle e i n w e r t i g zu sein scheinen. Jedoch dürfte es sich hier um R e s o n a n z v e r b i n d u n g e n v o n normalem Halogenid MeCl¡¡ und freiem Metall Me handeln : Me°MenCl2 ^—^ MeuMe°Cl2, ähnlich wie auch die Verbindungen des „zweiwertigen" Galliums, Indiums und Thalliums wahrscheinlich als Resonanzverbindungen der drei- und einwertigen Metalle aufzufassen sind (S. 398, 499f.). Da vom Beryllium und Magnesium keine derartigen Verbindungen bekannt sind und ihre Stabilität vom Calcium zum Barium hin zunimmt, trifft offensichtlich auch hier die schon bei den vorhergehenden Gruppen beobachtete Regel zu, daß mit steigendem Atomgewicht die relative Beständigkeit der um z w e i E i n h e i t e n niedrigeren Wertigkeit — hier der N u l l w e r t i g k e i t — zunimmt.

Kapitel XV

Die Gruppe der Alkalimetalle Die Gruppe der Alkalimetalle bestellt aus den Elementen Lithium, Natrium, Kalium, Rubidium, Caesium und Francium. Das letztere, in Frankreich1 entdeckte Element (Ordnungszahl 87) kommt in der Natur nur in sehr geringen Mengen als radioaktives Zerfallsprodukt des Actiniums vor und soll erst bei den radioaktiven Stoffen besprochen werden (S. 600).

1. Das Natrium a) Elementares Natrium Vorkommen. Wegen seines stark elektropositiven Charakters kommt das Natrium in der Natur nicht frei, sondern nur gebunden vor. Und zwar beträgt der Gehalt der Erdrinde an Natrium 2.6°/0, so daß Natrium zu den häufigsten Elementen zählt (vgl. S. 69). Die m e i s t v e r b r e i t e t e n Natriummineralien sind der Natronfeldspat (Albit) Na[AlSi 3 0 8 ] und der Kalk-Natronfeldspat (iOligoklas) Na[AlSi 3 0 8 ] • Ca[Al 2 Si 2 0 8 ]. Weiterhin findet sich Natrium in mächtigen Lagern in Form von Steinsalz NaCl, Chilesalpeter NaN0 3 und Kryolith Na^AlF,]. Große Mengen an Natriumchlorid sind auch im Meerwasser gelöst (S. 422). Darstellung. Da Natrium ein sehr unedles Metall ist, sind seine Verbindungen auf chemischem Wege nur schwer zum Metall zu reduzieren. Daher wird es zweckmäßig e l e k t r o l y t i s c h dargestellt. Zur E l e k t r o l y s e darf dabei wegen der Wasserempfindlichkeit des Natriums (Na -f- H Ö H — > NaOH -f- V^Hj) keine wässerige Lösung, sondern nur eine wasserfreie Schmelze angewandt werden. Als Schmelzelektrolyt dient N a t r i u m h y d r o x i d NaOH oder Natriumchlorid NaCl. Da ersteres aus letzterem durch Elektrolyse gewonnen wird (S. 424f.), erfordert die Natriumgewinnung aus N a t r i u m h y d r o x i d im ganzen einen größeren Aufwand an elekt r i s c h e r Energie als die u n m i t t e l b a r e Elektrolyse des Natriumchlorids. Wegen des niedrigeren S c h m e l z p u n k t e s von Natriumhydroxid (NaOH: Smp. 328°; NaCl: Smp. 801°) bereitet aber die Ätznatron-elektrolyse technisch geringere S c h w i e r i g k e i t e n , so daß man sich zuerst ihrer bediente. Auch der Entdecker des Natriums, der englische Naturforscher H U M P H R Y D A V Y (1778—1831), gewann das Metall (1807) durch Elektrolyse von geschmolzenem Ätznatron. Heute tritt die Ätznatron-elektrolyse gegenüber der Chlorid-elektrolyse mehr und mehr in den Hintergrund. Zur Elektrolyse von geschmolzenem N a t r i u m h y d r o x i d kann man sich der „CASTNKR(Fig. 124) bedienen. Sie besteht im Prinzip aus einem unten verjüngten zylindrischen E i s e n g e f ä ß von 100—400 kg Fassungsvermögen, in das von unten her ein — oben verdickter — E i s e n s t a b als K a t h o d e eingeführt ist, während als A n o d e ein die Kathode umgebender e i s e r n e r Z y l i n d e r dient. Kathoden- und Anodenraum sind durch einen als „Diaphragma" (stromdurchlässige Scheidewand) wirkenden D r a h t n e t z z y l i n d e r voneinander getrennt, der

Zelle"

1

France — Frankreich.

27*

420

Die Gruppe der Alkalimetalle

isoliert an einer S a m m e l g l o c k e für das entstehende Natrium befestigt ist. Das bei der Elektrolyse gebildete Natrium: Kathode: Anode:

2Na" + 2 0 20H'

>• 2Na >- Η,Ο + ι/,,Ο·, +



Gesamtvorgang: 2NaOH — 2 N a + H 2 0 + i/20, steigt im Kathodenraum nach oben und kann dort abgeschöpft werden. Die Elektrolyse wird bei 310—330° durchgeführt. Unterhalb dieser Temperatur erstarrt die Schmelze, oberhalb beginnt sich das Metall in der Schmelze aufzulösen. Die Elektrolyse von geschmolzenem N a t r i u m o h l o r i d wird zweckmäßig in der „DOWNSZelle" (Fig. 125) durchgeführt. Sie besteht aus einem mit feuerfesten Steinen ausgemauerten t θ

Î θ

Natrium • r. hydroxydschme/ze ^ —

rr

.fìnode

:||-t1 ¡ι-:

Kathode Drahtnetz

- NatriummetaU

-

£lektro/ys/ergefâss

-

£

-7

s£/ektrulys/- Cla + 2 Θ Gesamt Vorgang : 2NaCl >- 2 Na + Cl, ist die Anode von einer E i s e n b l e c h g l o c k e überdeckt, von der als D i a p h r a g m a ein ringförmiges D r a h t n e t z herabhängt. Das kathodisch gebildete Natrium steigt empor, sammelt sich in dem zu einer R i n n e umgebogenen Rand der Glocke und wird von hier aus durch ein eisernes S t e i g r o h r entnommen. Durch Zusatz von C a l o i u m c h l o r i d wird der S c h m e l z punkt des Natriumchlorids bis nahezu auf 600° e r n i e d r i g t , da sich das Natrium bei zu hoher Elektrolysetemperatur in der Schmelze fein verteilt. Physikalische Eigenschaften. Natrium ist ein silberweißes Metall vorn spezifischen Gewicht 0.97, welches bei 97.8° schmilzt und bei 883° unter Bildung eines purpurfarbenen Dampfes (vgl. S. 140) siedet. Es ist recht weich (etwa von der H ä r t e des weißen Phosphors) und läßt sich daher mit dem Messer schneiden oder mittels einer eisernen Schraubenpresse durch enge Öffnungen hindurch als Draht oder Band pressen. Das elektrische Leitvermögen ist bei 0° 22 mal größer als das des Quecksilbers und 3 mal kleiner als das des Silbers. I m Dampfzustande ist Natrium im wesentlichen einatomig, doch kommen daneben auch Na 2 -Moleküle v o r (S. 154 f.). So beträgt ζ . B. der Assoziationsgrad beim Siedepunkt 16°/0. Chemische Eigenschaften. Natrium oxydiert sich an f e u c h t e r L u f t außerordentlich leicht ( N a

H,°

>· N a O H ) , so daß die blanke Metalloberfläche eines frisch durch-

Das Natrium

421

echnittenen Natriumstückes schnell a n l ä u f t und sich mit einer H y d r o x i d k r u s t e bedeckt. Daher bewahrt man Natrium unter P e t r o l e u m auf. Die auch hier mit der Zeit sich bildenden K r u s t e n rühren von Reaktionen des Metalls mit im Petroleum enthaltenen S a u e r s t o f f v e r b i n d u n g e n her. Gegenüber trockenem Sauerstoff ist Natrium zum Unterschied davon sehr b e s t ä n d i g (vgl. S. 435). So behält Natrium in L u f t , welche mit Phosphorpentoxid g e t r o c k n e t wurde, tagelang seinen metallischen Glanz bei und kann sogar in vollkommen trockenem S a u e r s t o f f geschmolzen werden, ohne sich zu entzünden. Bei Anwesenheit von Spuren Feuchtigkeit verbrennt es dagegen beim Erwärmen an der Luft leicht mit i n t e n s i v gelber Flamme. Bei dieser Verbrennung entsteht nicht das einfache Oxid Na 2 0, sondern das Natriumperoxid Na 2 0 2 (S. 180). Ersteres kann aus letzterem durch Erhitzen mit metallischem Natrium gewonnen werden: Na 2 0 2 + 2Na —>• 2Na 2 0. Auch sonst ist das Natrium ein sehr r e a k t i o n s f ä h i g e s Element. Leitet man ζ. B. über erwärmtes N a t r i u m Chlor, so vereinigt es sich mit diesem unter blendender L i c h t e r s c h e i n u n g zu N a t r i u m c h l o r i d (S. 82) : 2Na + Cl, >- 2NaCl + 196.6 kcal. (1) Auf W a s s e r geworfen schwimmt es umher und geht unter Schmelzen und W a s s e r s t o f f e n t w i c k l u n g in N a t r i u m h y d r o x i d über (S. 37) : 2Na + 2HÖH V 2NaOH -f B t + 67.4 kcal. (2) Hindert man es dabei an der Bewegung (indem man es ζ. B. auf ein auf dem Wasser schwimmendes Stück F i l t r i e r p a p i e r legt), so e n t z ü n d e t sich der freiwerdende W a s s e r s t o f f , da die Wärmeentwicklung dann lokalisiert ist. In f l ü s s i g e m Ammoniak löst sich Natrium ohne Wasserstoffentwicklung mit i n t e n s i v b l a u e r Farbe, zu einer schon bei —90°C supraleitenden Lösung. Beim E r h i t z e n zersetzen sich diese Lösungen in analoger Weise wie beim Wasser (2) unter Bildung von Natriumamid NaNH2 (vgl. auch S. 457): 2 Na + 2 HNHa >- 2NaNHa + H a . Anwendung. Metallisches Natrium findet ausgedehnte technische Verwendung zur Darstellung von N a t r i u m p e r o x i d Na 2 0 2 (ζ. B. für Bleich- und Waschzwecke; S. 180f.), NatriumamidNaNH 2 (z. B. für Indigosynthese; II, S. 487) und N a t r i u m c y a n i d ( z . B . zur Goldgewinnung ; S. 464f.), sowie für o r g a n i s c h e S y n t h e s e n (ζ. B. in der Farbenindustrie). Im L a b o r a t o r i u m ist es als k r ä f t i g e s R e d u k t i o n s m i t t e l unentbehrlich. In der B e l e u c h t u n g s t e c h n i k benutzt man es bei den N a t r i u m dampf-Entladungslampen.

b) Verbindungen des Natriums

α) Natriumchlorid (Kochsalz) Vorkommen. N a t r i u m c h l o r i d („Kochsalz") NaCl findet sich als „ S t e i n s a l z " in mächtigen Lagern vor allem in der Norddeutschen Tiefebene (ζ. B. Staßfurt), in Galizien (z.B. Wieliczka) und im Salzkammergut. Die Entstehung dieser Lager ist auf die Abschnürung und Eintrocknimg vorzeitlicher M e e r e s t e i l e zurückzuführen (vgl. S.429f.). Bei dieser E i n d u n s t u n g schied sich das schwerer lösliche N a t r i u m c h l o rid zuerst, das leichter lösliche K a l i u m c h l o r i d zuletzt ab, so daß die Steinsalzlager nach der völligen Eintrocknung von einer aus K a l i s a l z e n bestehenden Schicht bedeckt waren. Meist wurde diese oberste Schicht später durch eindringende Regen - u n d F l u ß w ä s s e r wieder weggewaschen. Nur an einigen Stellen (ζ. B. bei Staßfurt) blieben die Kalis a l z s c h i c h t e n durch Überlagerung von wasserundurchlässigem Ton vor dem Wasser g e s c h ü t z t ; sie sind heute als K a l i s a l z l a g e r s t ä t t e n (S. 429f.) von großer Bedeutung. Früher räumte man die Kalisalzschicht ab, um zu dem damals allein gesuchten Steinsalz zu gelangen ; daher der Name „ A b r a u m s a l z e " für diese Kalisalze. Heute sind umgekehrt die K a l i s a l z e — namentlich für Düngezwecke — so wertvoll, daß man

422

Die Gruppe der Alkalimetalle

vielfach die Lager nur ihretwegen abbaut und das Steinsalz zur Ausfüllung der Lücken benutzt. Große Mengen an Natriumchlorid finden sich im Meerwasser, das durchschnittlich 2 . 7 % NaCl enthält. Manche Binnenseen ohne Abfluß — wie das T o t e Meer in Palästina und der S a l t L a k e in den Vereinigten Staaten von Amerika — stellen recht k o n z e n t r i e r t e Kochsalzlösungen dar. Gewinnung. Kochsalz wird in der Hauptsache nach drei Methoden gewonnen: 1. durch bergmännischen Abbau von Steinsalzlagern, 2. durch Auflösen von Steinsalz unter oder über Tage und Eindampfen der so erhaltenen „Sole", 3. durch Eindunsten oder Einfrieren von Meer- oder Seewasser. Durch bergmännischen Abbau von Steinsalz wird hauptsächlich das für technische Zwecke gebrauchte Natriumchlorid gewonnen. Der Abbau ist dabei nur für hochprozentiges Steinsalz, ζ. B. das „jüngere" (S. 430) Steinsalzlager von Staßfurt (97.8°/0 NaCl) lohnend. Unreines Salz, wie ζ. B. das „ältere" (S. 429) Staßfurter Steinsalz (90—95°/o NaCl) wird nur zum Ausfüllen a b g e b a u t e r K a l i s a l z s t r e c k e n verwendet. Das bergmännisch gewonnene Steinsalz kommt als „Gewerbesalz", „Fabriksalz", „Düngesalz", „Viehsalz" in den Handel. „Speisesalz" {„Tafelsalz", „Siedesalz") wird hauptsächlich durch E i n d a m p f e n wässeriger Steinsalzlösungen gewonnen. Zu diesem Zwecke löst man Steinsalz in natürlichen Solen bis zur Sättigung auf und dampft die Lösungen in großen, offenen, flachen Eisenpfannen ein {„Siederei"). Hält man die Sole während des Eindampfens unter guter Rührung in l e b h a f t e r Wallung, so erhält man „Feinsalz"; zur Erzeugung gröberen Salzes {„Mittelsalz") läßt man die Sole bei 70—90° ruhig s t e h e n ; sehr langsames E i n d u n s t e n bei 50—70° führt zu ganz grobem Salz {„Grobsalz"). Zur Gewinnung des Kochsalzes aus Meerwasser läßt man letzteres in warmen Ländern (ζ. B. an den Küsten des Mittelmeeres) in ausgedehnte flache Bassins {„Salzgärten") eintreten, in welchen das Wasser durch die Sonnenwärme v e r d u n s t e t und der Reihe nach die einzelnen Salze des Meerwassers a u s k r i s t a l l i s i e r e n . In Ländern mit kaltem K l i m a (ζ. B. am Weißen Meer) läßt man das Meerwasser in flachen Bassins teilweise gefrieren. Das Wasser scheidet sich dann als reines E i s ab, und die zurückbleibende konzentrierte Salzlösimg wird eingedampft. Chemisch reines Natriumchlorid kann nicht durch U m k r i s t a l l i s i e r e n aus Wasser hergestellt werden, da Natriumchlorid in kochendem und in kaltem Wasser praktisch die gleiche L ö s l i c h k e i t besitzt (s. unten). Man verfährt daher so, daß man in eine gesättigte Kochsalzlösung Chlorwasserstoff einleitet. Die dadurch bedingte Erhöhung der Chlorionenkonzentration führt dann zur Ü b e r s c h r e i t u n g des L ö s l i c h k e i t s p r o d u k t e s von Natriumchlorid (cNa· χ Ccy = ¿NaOi)> so daß letzteres ausfällt. Eigenschaften. Natriumchlorid kristallisiert in farblosen, durchsichtigen Würfeln vom spezifischen Gewicht 2.164, welche bei 801° schmelzen und bei 1440° unter Bildung eines aus NaCl-Molekülen bestehenden Dampfes sieden. Die Kristalle (Kristallgitter: S. 146f.) enthalten häufig Mutterlauge eingeschlossen, welche beim E r h i t z e n mit knisterndem Geräusch dampfförmig entweicht, wobei die Kristalle zerspringen („dekrepitieren"). Das beim Auflösen des Steinsalzes vonWieliczka in Wasser zu beobachtende Knistern (,,Knistersalz von Wieliczka") ist auf eingeschlossene komprimierte Gase (Stickstoff, Sauerstoff) zurückzuführen, welche die Kristallrinde zersprengen, sobald diese infolge der Auflösimg dünn genug geworden ist. Chemisch reines Natriumchlorid zieht an der Luft kein Wasser an, ist also nicht „hygroskopisch" (vgl. S. 216). Das Feuchtwerden und Zerfließen von Kochsalz an feuchter Luft beruht auf Beimengungen von Magnesiumsalzen (S. 406Ì. Die Lös-

Das Natrium

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lichkeit von Natriumchlorid in Wasser ändert sich nur wenig mit der Temperatur und beträgt bei 0° 35.6, bei 100° 39.1 g NaCl je 100 g Wasser. Eine konzentrierte Kochsalzlösung ist bei Zimmertemperatur 260/oig. Bei tieferen Temperaturen (—10°) scheidet sich das Natriumchlorid aus wässerigen Lösungen in Form eines Dihydrats NaCl · 2 H 2 0 aus, welches bei + 0.15° in das wasserfreie Salz übergeht. Verwendung. Natriumchlorid ist technisch von großer Bedeutung, da es direkt oder indirekt das Ausgangsmaterial f ü r die Darstellung fast aller a n d e r e n N a t r i u m v e r b i n d u n g e n — z . B . S o d a N a 2 C 0 3 (S. 427f.), Ä t z n a t r o n NaOH (s. unten), G l a u b e r s a l z N a 2 S 0 4 (S. 425f.), B o r a x Na 2 B 4 0 7 (S. 374), W a s s e r g l a s Na 2 Si0 3 (S. 329) - und zahlreicher wichtiger Stoffe — z.B. S a l z s ä u r e (S.89f.), C h l o r (S. 80ff.) — ist. Weiterhin ist es für S p e i s e - und K o n s e r v i e r u n g s z w e c k e („Einsalzen", „Einpökeln"), zum „Aussalzen" organischer Farbstoffe und für viele andere industrielle und gewerbliche Zwecke unentbehrlich. „Eis-Kochsalz-Mischungen" dienen als Kältemischungen zur Erzeugung tiefer Temperaturen (bis —21°). ß) Natriumhydroxid (Ätznatron) Natriumhydroxid wird technisch entweder durch ,,Kaustifizierung von Soda" oder elektrolytisch nach dem Verfahren der „Chloralkali-elektrolyse" dargestellt. Wasser

-.Kalk

Schlamm

Rührwerke

Natronlauge

'Eindicker

Fig. 126. Verfahren der Gegenstrom-Dekantation zur Kaustifizierung von Soda Kaustifizierung von Soda. Setzt man S o d a in wässeriger Lösung mit Ä t z k a l k um, so entsteht nach der Reaktionsgleichung Na2COs + Ca(OH)j—>- 2NaOH + CaC03 (1) leichtlösliches N a t r i u m h y d r o x i d („kaustifizierte Soda") und schwerlösliches C a l c i u m c a r b o n a t . Diese K a u s t i f i z i e r u n g d e r S o d a erfolgt in der T e c h n i k zweckmäßig nach dem Verfahren der kontinuierlichen „Gegenstrom-Dekantation". Bei diesem Verfahren tritt eine Mischung von feingemahlenem, gebranntem Ätzkalk und Sodalösung zunächst in eine aus mehreren hintereinandergeschalteten „Dorr-Rührem" bestehende Rühranlage ein, in welcher sich unter fortwährendem Rühren die Umsetzung (1) vollzieht. Aus dem letzten Rührwerk läuft die entstandene Mischung von Calciumcarbonatschlamm und Natronlauge in eine aus mehreren ,,Dorr-Eindiclcern" bestehende Sedimentationsanlage, in welcher sich die Calciumcarbonatsuspension absetzt. Die im 1. Eindicker (vgl. Fig. 126) gewonnene klare verdünnte Natronlauge fließt oben über den Rand des Gefäßes in eine rund herumlaufende Ablaufrinne; der unten abgezogene Schlamm wird zur weiteren Extraktion der Natronlauge in den 2. Eindicker gepumpt und dort mit dem Überlauf aus dem 3. Eindicker ausgewaschen. Die aus dem 2. Eindicker ablaufende Waschlauge wird dem 1. Rührwerk zugeführt, der abgezogene Schlamm im 3. Eindicker mit Frischwasser ausgewaschen. Der Ätznatronverlust im CaC03-Schlamm beträgt nur 0.1°/0. Die entstehende verdünnte Natronlauge ist etwa 10°/0ig und wird in Verdampfapparaten konzentriert. Aus den konzentrierten Laugen kann durch Erhitzen bis auf 500° in eisernen Schmelzkesseln wasserfreies Natriumhydroxid erhalten werden.

Die Grappe der Alkalimetalle

424

Chloralkali-elektrolyse. Die e l e k t r o l y t i s c h e Z e r s e t z u n g w ä s s e r i g e r A l k a l i c h l o r i d l ö s u n g e n erfolgt nach der Gesamtgleichung 2H 0 H f 2 MeiCl -··->- H, + 2MeOH + Cl,. E s muß bei dieser Elektrolyse verhindert werden, daß die kathodisch gebildete L a u g e MeOH mit dem anodisch gebildeten C h l o r in B e r ü h r u n g k o m m t , da sonst nach der Gleichung 2MeOH + C l 2 — > - MeOCl + MeCl + H a O unter gleichzeitiger R ü c k b i l d u n g v o n C h l o r i d H y p o c h l o r i t g e b i l d e t w i r d (S. 123). Man erreicht dies durch die T r e n n u n g v o n K a t h o d e n - u n d A n o d e n r a u m . Die Trennung erfolgt im Prinzip beim „Diaphragmaverfahren" (Fig. 127a) durch eine poröse, stromdurchlässige S c h e i d e w a n d („Diaphragma"), beim „Glockenverfahren" (Fig. 127b) durch eine zwar stromundurchlässige, aber nicht bis zum Boden reichende und so den Stromtransport ermöglichende T r e n n w a n d und beim „Quecksilberverfahren" (Fig. 1 2 7 c ) durch eine völlige Abtrennung von Kathoden- und Anodenraum und s e p a r i e r t e D u r c h f ü h r u n g von K a t h o d e n - und Anodenvorgang. Kathode Anode ν ι ^-Uésser- Chlor Stoff

Natrium\ chloridlösung

Natron- Natriumlauge chloridlösungDiaphragma

Anode

Kathode

Kathode

^-Wasser- Chlort Stoff

-Natron- Natriumlauge chloridlösung Trennwand

abgetrennter Anodenraum Buecksiiber-

Wassen Stoff

Natronlauge abgetrennter Kathodenraum

Diaphragmaverfahren Glockenverfahren Quecksilberverfahren (a) (b) (o) Fig. 127. Schematische Darstellung der Verfahren zur Chloralkali-elektrolyse Der K a t h o d e n v o r g a n g des Diaphragmavt'rfahrcns besteht in einer E n t l a d u n g der durch Dissoziation des Wassers (2) gebildeten W a s s e r s t o f f - i o n e n (3), der A n o d e n v o r g a n g in einer E n t l a d u n g der aus der Dissoziation des Natriumchlorids (4) stammenden C h l o r i d ionen (5); die nichtentladenen N a t r i u m - und H y d r o x i d - i o n e n bleiben in der Lösung als N a t r i u m h y d r o x i d zurück (6): 2 HÖH ^Γ/Ί 2 Η' + 2 OH' (2) Kathode: 2Η" + 2 © " — H a (3) 2NaCl 2 Na" + 2C1' (4) Anode: 2C1' ν Cl, + 2 © (5) 2 Na' + 2 OH' 2 NaOH (6) Gesamtvorgang: 2 H 2 0 + 2NaCl — > - H a + 2NaOH + Cla

(7)

Als Κ a t h o d e n dienen meist E i s e n e l e k t r o d e n , als Anoden Elektroden aus Retortenkohle, Achesongraphit oder geschmolzenem M a g n e t i t (PejOj). Brauchbare poröse D i a p h r a g m e n erhält man aus mit feingemahlenem K o o h s a l z vermischtem Z e m e n t , aus dem nach dem Festwerden das Kochsalz herausgelöst wird. Da bei zu s t a r k a n g e w a c h s e n e r H y d r o x i d i o n e n k o n z e n t r a t i o n auch eine anodische Entladung von OH-Ionen unter Bildung von Sauerstoff und Wasser erfolgt, kann man die Elektrolyse n i c h t bis zur v ö l l i g e n Zersetzung des N a t r i u m c h l o r i d s fortsetzen. Daher beschickt man bei den d i s k o n t i n u i e r l i c h arbeitenden Diaphragmaverfahren (z.B. dem „Oriesheimer Verfahren") die Elektrolysezellen immer mit neuer Chloridlösung, sobald eine etwa 5°/0ige Natronlauge entstanden ist; das beim Eindampfen dieser verdünnten Lauge in Vakuumverdampf apparaten fast völlig ausfallende Natrium chlorid kehrt wieder in den Betrieb zurück. Bei den — wesentlich günstigeren — k o n t i n u i e r l i c h arbeitenden Verfahren (ζ. B. dem „Büliter-Verfahren") wird durch eine entsprechende Regelung des Zuflusses der Chloridlösung an der Anode

Das Natrium

425

and des Abflusses der Lange an der Kathode der Beteiligung der Hydroxid-ionen am Stromtransport (Wanderang zur Anode) entgegengewirkt, so daß hier stärkere (12—16°/0ige) Natronlangen erzielt werden können. Das Glocken verfahren arbeitet o h n e D i a p h r a g m a und hat seinen Namen daher, daß hierder A n o d e n r a u m (Kohle-Anode) durch eine in die Elektrolytflüssigkeit eintauchende „Qlocke" vom Kathodenraum (Eisenblech-Kathode) abgetrennt ist. Der Stromtransport zwischen den beiden Räumen erfolgt hier unter dem Rand der Glocke hinweg, wo ja Kathoden- und Anodenflüssigkeit in direkter Verbindung miteinander stehen. Die Vorgänge, die sich an den beiden Elektroden abspielen, sind die gleichen wie beim Diaphragmaverfahren. Auch beim Glockenverfahren muß wie beim kontinuierlich arbeitenden Diaphragma verfahren die infolge der Wanderung der Hydroxid-ionen erfolgende Verschiebung der Grenzschicht Chloridlösung/Natronlauge nach der Anode hin durch eine entsprechende Geschwindigkeit des Zuflusses von Chloridlösung an der Anode und des Abflusses von Natronlauge an der Kathode kompensiert werden. Diese Einstellung einer stationären Grenzschicht erfordert wegen des Fehlens eines Diaphragmas sorgfältige Wartung, so daß das kontinuierliche Diaphragmaverfahren im allgemeinen vorzuziehen ist. Beim Queckeilbcrverfahren werden Anoden- und Kathodenvorgang in g e t r e n n t e n Z e l l e n gesondert durchgeführt. In der e i n e n Z e l l e (Fig. 127c, links) wird durch Verwendung einer Q u e c k s i l b e r k a t h o d e (hohe Überspannung des Wasserstoffs; Amalgambildung mit Natrium) die Zerlegung der Natriumchloridlösung in Natrium und Chlor ermöglicht (vgl. S. 174). Das gebildete Amalgam wird in einer z w e i t e n Zelle (Fig. 127c, rechts), in der das Quecksilber als A n o d e geschaltet ist, zu 20—50%ig er Natronlauge und Wasserstoff zersetzt: 2NaCl - < ~ 2 N a ' + 2CT Kathode: 2Na" + 2 © — ν 2Na Anode: 2C1' Cla + 2© 2NaCl — > - 2 Na + Cl3

2HOH T^T. 2H" + 2 0 H ' Kathode: 2H" + 2 Θ Ha Anodej 2 N a — > 2Na' + 2 © 2 Na + 2H a O >- 2 NaOH + H ,

2NaCl + 2HjO — > • Cla + 2 NaOH + H 2 . (8) Insgesamt (8) spielt sich somit beim Quecksilberverfahren der gleiche Vorgang wie beim Diaphragma- und Glocken verfahren (7) ab. Der Vorteil ist aber der, daß die Natronlauge getrennt von der Natriumchloridlösung erzeugt wird, so daß eine c h l o r i d f r e i e , reine Lauge entsteht. Da in der Technik in zunehmendem Maße chloridfreie Laugen gebraucht werden, gewinnt dae Quecksilberverfahren in neuerer Zeit immer mehr an Bedeutung. Meistens wird dabei die hydrolytische Zersetzung des Natriumamalgams auf chemischem Wege mit Graphit als Katalysator durchgeführt. Eigenschaften und Verwendung. N a t r i u m h y d r o x i d („Ätznatron") bildet eine weiße, undurchsichtige, strahlig-kristalline und stark hygroskopische Masse v o m spezifischen Gewicht 2.13, welche in reinem Zustande bei 328° schmilzt, bei 1390° siedet und gewöhnlich in Stangen- („inbacillis"), Schuppen- („inlamdlis"), Tafel- („in tabu,· Iis") oder Plätzchenform („in rotvlis") in den Handel kommt. In Wasser löst sich Natriumhydroxid leicht (bei 0° 42 g, bei 20° 109 g, bei 100° 342 g NaOH/lOO g Wasser) unter bedeutender Wärmeentwicklung. Die wässerige Lösung reagiert stark alkalisch und heißt „Natronlauge". Als starke Base findet die Natronlauge in der Technik für zahlreiche Zwecke Verwendung; so in der S e i f e n f a b r i k a t i o n (II, S. 83) und F a r b s t o f f i n d u s t r i e (ζ. Β . Π , S. 364, 487), weiterhin zur Darstellung von C e l l u l o s e aus Holz und Stroh (II, S. 257), zur Herstellung von Kunstseide (II, S. 258), zum „M ercerisier en" (II, S. 257) von B a u m w o l l e und zum R e i n i g e n von F e t t , ö l und P e t r o l e u m . γ ) Natriumsulfat (Glaubersalz) Torkommen. Natriumsulfat k o m m t in der Natur sowohl in Form großer Lager (ζ. B. am Kaspischen Meer, in Kanada und in Nevada) als auch gelöst im Seewasser und in Salzsolen vor. Einige w i c h t i g e N a t r i u m s u l f a t - M i n e r a l i e n sind: Thenardit N a 2 S 0 4 , Glauberit N a 2 S 0 4 · C a S 0 4 , Astrakanit Na2S04 · MgS04 · 4H20, Glaserit N a 2 S 0 4 . 3 K 2 S 0 4 und Vanthoffit M g S 0 4 · 3 N a 2 S 0 4 . Darstellung. Zur t e c h n i s c h e n D a r s t e l l u n g v o n N a t r i u m s u l f a t geht man stets von S t e i n s a l z aus und setzt dieses entweder mit S c h w e f e l s ä u r e oder mit M a g n e s i u m s u l f a t um.

426

Die Groppe der Alkalimetalle

Die Einwirkung von Schwefelsäure auf N a t r i u m c h l o r i d bei 800° dient zur Darstellung von S a l z s ä u r e (vgl. S. 89f.) und liefert N a t r i u m s u l f a t als Nebenprodukt : 2NaC1 + — ^ N a ¡ ¡ S 0 4 + 2HCl. Statt Schwefelsäure kann auch ein Gemisch von Schwefeldioxid (Röstgas), L u f t und W a s s e r d a m p f verwendet werden: 2NaCl + S 0 2 + H 2 0 + V 2 0 2 —>- 2 HCl + Na 2 S0 4 („HARGREAVES-V erfahren"). In Deutschland wird diese Herstellung aus Natriumchlorid und Schwefelsäure immer mehr durch die Umsetzung von N a t r i u m c h l o r i d (Steinsalz) und Magnesiumsulfat (Kieserit) ersetzt: 2NaCl + MgSOj

N a a S 0 4 + MgCl,.

Denn in den von der Kaliumchloridgewinnung aus Carnallit oder Hartsalz stammenden L ö s e r ü c k s t ä n d e n (S. 430f.) finden sich Natriumchlorid und Magnesiumsulfat. Da das in der Reaktionslösung gebildete Natriumsulfat nur bei tiefen Temper a t u r e n auskristallisiert, führte man den Prozeß früher nur im W i n t e r aus. Heute hat man sich durch Einführung von K ä l t e m a s c h i n e n vom Winterbetrieb freigemacht. Der größte Teil des — durch Umkristallisieren gereinigten — Natriumsulfats geht in wasserfreier Form als ,,calciniertes Natriumsulfat" in den Handel. Eigenschaften. Läßt man Natriumsulfat aus wässeriger Lösung auskristallisieren, so kristallisiert es u n t e r h a l b von 32.4° wasserhaltig als D e k a h y d r a t Na 2 S0 4 · 10H 2 0 („Glaubersalz") in großen, farblosen, monoklinen Prismen, oberhalb von 32.4° wasserfrei in Form rhombischer Kristalle aus. Oberhalb von 32.4° ist also wasserfreies, unterhalb von 32.4° wasserhaltiges Natriumsulfat schwerer löslich. Nach dem Massen Wirkungsgesetz zeigt kristallwasserhaltiges Natriumsulfat bei j e d e r T e m p e r a t u r einen ganz b e s t i m m t e n W a s s e r d a m p f d r u c k p H 0 , weil es sich um ein heterogenes System handelt und die Sättigungsdampfdrucke der festen Komponenten dieses Systems gegeben sind (vgl. S. 119f.): Na2S- 2NaN0 3 + HaO + C02, indem man die nitrosen Endgase der Ammoniakoxydation (S. 239f.) in Sodalösung absorbiert und die dabei entstehende Lösung von Nitrit und Nitrat (Na 2 C0 3 + 2 N 0 2 —>- NaNO a -f- NaNOg + C0 2 ) nach dem Ansäuern mit Salpetersäure an der L u f t zu einer salpetersauren Nitratlösung oxydiert, welche mit Soda neutralisiert und in Vakuumverdampfern eingedampft wird. Eigenschaften. Natriumnitrat kristallisiert aus wässeriger Lösung in Form farbloser, würfelähnlicher Rhomboeder (,,kubischer Salpeter") aus, welche bei 317° schmelzen und sich bei 380° zu zersetzen beginnen. In Wasser löst es sich leicht ; die Löslichkeit nimmt mit steigender Temperatur stark zu. Verwendung. Der größte Teil des Chilesalpeters diente früher zu Düngezwecken; ein anderer Teil wurde zur Herstellung von Salpetersäure (S. 240) und von Kalisalpeter (S.431f.) benutzt.Heute besitzt das Natriumnitrat bei uns nur noch a l s D ü n g e m i t t e l eine begrenzte Bedeutung (S. 436f.). e) Natriumcarbonat (Soda) Vorkommen. Das Natriumcarbonat Na 2 C0 3 findet sich in der Natur vor allem in Nordamerika in gewaltigen Seen, von denen der Mono-Lake (Kalifornien) 90 Millionen und der Owens-Lake (Kalifornien) 50 Millionen t Na 2 C0 3 enthält. Noch bedeutender ist der Sodagehalt im Magadi-See (Ostafrika), der auf 200 Millionen t geschätzt wird. Auch sonst findet sich Soda vielfach in der Natur im Erdboden und in der Asche vieler Salzsteppen- und Seestrandpflanzen (ζ. B. am Mittelmeer, in Südrußland und Armenien). Gewinnung. Nahezu die gesamte Soda der Welt wird nach dem sogenannten ,,Ammoniaksoda- Verjähren" („SOLVAY-Verfahren") aus Kochsalz gewonnen. I n neuerer Zeit gewinnt daneben die Förderung von N a t u r s o d a steigende Bedeutung. Das früher übliche „LEBLANC-Verfahren" besitzt nur noch historisches Interesse. Das SoLVAï-Verfalircn besteht im Prinzip darin, daß man A m m o n i u m h y d r o g e n c a r b o n a t N H 4 H C 0 3 u n d K o c h s a l z N a C l zu N a t r i u m h y d r o g e n c a r b o n a t N a H C 0 3 und A m m o n i u m c h l o r i d NH 4 C1 umsetzt: NH4· + HCOa' + Na' + Cl' NaHC03 + NH4" + Cl' und das schwerlösliche und daher aus der Lösung ausfallende Natriumhydrogencarbonat durch G l ü h e n (,,Calcinieren") in S o d a (,,calcinierte Soda") überführt: 2NaHCOs • — N a 2 C 0 3 + H 2 0 + C02. Im einzelnen verläuft der Prozeß so, daß man in eine gesättigte Kochsalzlösung zuerst Ammoniak und dann Kohlendioxid einleitet, wobei sich Ammoniak und Kohlensäure zu Ammonium!)ydrogencarbonat umsetzen (1), das mit dem Natriumchlorid in oben angegebener Weise reagiert (2). Das beim Glühen des gebildeten Natriumliydrogencarbonats entstehende Kohlendioxid (3) wird immer wieder in den Prozeß zurückgeführt. Den Rest des erforderlichen Kohlendioxids erhält man durch Brennen von Kalkstein (4). Der hierbei entstehende Kalk wird zur Rückgewinnung des Ammoniaks aus dem als Nebenprodukt anfallenden Ammoniumchlorid (2) benutzt (5). Insgesamt spielen sich somit die folgenden Vorgänge ab:

428

Die Gruppe der Alkalimetalle 2NH, + 2 C 0 2 + 2 H 2 0 ^ ± : 2 N H 4 H C 0 3 2 NH 4 HC0 3 + 2 NaCl 2 NaHC0 3 + 2 NH4C1 2NaHCO s >- NaaCO„ + H a 0 + C0 2 CaCOj >- CaO + C0 a 2NH4C1 + CaO >- 2NH 3 + CaCla + HaO 2NaCl + CaC0 3 — > - Na 2 C0 3 + CaCla,

(1) (2) (3) (4) (5) (6)

so daß letzten Endes lediglich K o c h s a l z und K a l k s t e i n zu S o d a und C a l c i u m c h l o r i d umgesetzt werden (6), ein Vorgang, der sich f r e i w i l l i g (z.B. in wässeriger Lösung) nur in umgek e h r t e r Richtung abspielt. Ein Nachteil des Ammoniaksoda-Verfahrens ist der Umstand, daß das ganze Chlor des Natriumchlorids in Form des wertlosen C a l c i u m c h l o r i d s verlorengeht. Nach dem LEBLANC-Verfahren wurde die Soda früher so hergestellt, daß man K o c h s a l z mit S c h w e f e l s ä u r e zu N a t r i u m s u l f a t und S a l z s ä u r e umsetzte (7), das Natriumsulfat mit K o h l e zu N a t r i u m s u l f i d reduzierte (8) und das Natriumsulfid mit K a l k s t e i n in S o d a umwandelte (9): _ 2NaCl + H a S 0 4 >- Na 2 S0 4 + 2 HCl (7) Na a S0 4 + 2C — > Na a S + 2CO a (8) Na a S + CaC0 3 — ν Na2CQ3 + CaS (9) 2NaCl + CaC0 3 + H a S 0 4 + 2C — > - Na 2 C0 3 + CaS + 2CO a + 2HC1. (10) Hier waren also, in summa betrachtet (10), außer den auch in den SOLVAY-Prozeß eingehenden Auegangematerialien Kochsalz und Kalkstein (6) noch S c h w e f e l s ä u r e und K o h l e erforderlich.

Eigenschaften. In wasserfreiem Zustande („calcinierte Soda") stellt Natriumcarbonat ein weißes, bei 853° schmelzendes Pulver vom spezifischen Gewicht 2.5 dar. In Wasser löst es sich unter starker Erwärmung (Hydratbildung) und mit ausgesprochen a l k a l i s c h e r Reaktion (COs" + HÖH HCOs' + OH'). Aus der Lösung kristallisiert u n t e r h a l b von 32.0° das D e k a h y d r a t Na2COs · 10H 2 0 {„Kristallsoda"), das wichtigste Hydrat der Soda, aus. Oberhalb von 32.0° geht das Dekahydrat in ein M o n o h y d r a t Na 2 C0 3 · H 2 0 und oberhalb von 107° das Monohydrat in die wasserfreie Verbindung Na 2 C0 3 über. Die K r i s t a l l s o d a Na 2 C0 3 · 10H 2 0 bildet große, wasserhelle Kristalle (spezifisches Gewicht 1.45), welche bei 32° in ihrem Kristallwasser schmelzen (vgl. S. 426). Leitet man in eine kaltgesättigte wässerige Sodalösung K o h l e n d i o x i d ein, so bildet sich in Umkehrung der — namentlich beim Erwärmen, in geringem Maße aber auch schon bei Zimmertemperatur in wässeriger Lösung vor sich gehenden — Zerfallsreaktion (3) N a t r i u m h y d r o g e n c a r b o n a t („Natriumbicarbonat") NaHC0 8 : NaaCOs + H 2 0 + CO, < - » : 2NaHC0 3 .

Das Natriumhydrogencarbonat stellt ein weißes Pulver dar, welches sich in Wasser mit schwach a l k a l i s c h e r Reaktion ( H C 0 3 ' + HÖH 7 = ± H 2 C0 3 + OH') löst (8.8 g bei 15°, 11.0 g bei 30° in 100 g Wasser). Soda wird in großen Mengen in der Seifen- (II, S. 83) und Glasindustrie (S. 341) angewendet und ist auch sonst eines der wichtigsten Produkte der chemischen Großindustrie . N a t r i u m h y d r o g e n c a r b o n a t findet hauptsächlich als Ba ckpulver, ferner zur Herstellung von Brausepulvern und in der Medizin zum Abstumpfen von Magensäure (vgl. S. 80) Verwendung („Bullrichsalz").

2. Das Kalium a) Elementares Kalium

Vorkommen. Der Gehalt der Erdrinde an K a l i u m in Form von Verbindungen beträgt etwa 2.4% (S. 69). Weitverbreitete K a l i u m m i n e r a l i e n sind der Kalifeldspat K[AlSi 3 O s ] und der Kaliglimmer [KA1 2 (0H, F) 2 ] [AlSi 3 O 10 ]. In den K a l i s a l z l a g e r n (S.429f.) finden sich vor allem: K a l i u m c h l o r i d KCl (als solches — Sylvin — und

Das Kalium

429

in Form von Doppelsalzen wie Carnallit KCl · MgCl2 · 6 H 2 0 und Kainit KCl · MgS0 4 · 3 H 2 0 ) nnd K a l i u m s u l f a t K 2 S 0 4 (in Form von Doppelsalzen wie Schönit K 2 S 0 4 MgS0 4 · 6 H 2 0 und Polyhalit K 2 S 0 4 · MgS0 4 · 2CaS0 4 · 2H 2 0). Der Gehalt des Meerwassers an Kaliumchlorid beträgt nur etwa 1 / 4 0 des Natriumchloridgehaltes (S. 422), da der E r d b o d e n Kaliumverbindungen zum Unterschied von Natrium Verbindungen s t a r k a d s o r b i e r t (S. 330), so daß sie nicht bis ins Meer gelangen. Aus dem Erdboden kommt das Kalium in die L a n d p f l a n z e n , bei deren Veraschung es in Kaliumcarbonat („Pottasche") übergeht (S. 433). Darstellung. Kalium wird analog dem Natrium durch E l e k t r o l y s e von geschmolzenem K a l i u m h y d r o x i d dargestellt. Die Kalium gewinnung spielt aber technisch keine so große Rolle wie die Natriumerzeugung. Eigenschaften. Kalium ist ein silberweiß glänzendes, bei gewöhnlicher Temperatur fast wachsweiches Metall vom spezifischen Gewicht 0.86, schmilzt bei 63.5° und siedet bei 760° unter Bildung eines blaugrünen Dampfes. Chemisch ist Kalium r e a k t i o n s f ä h i g e r als Natrium. So verbrennt es beim Erhitzen an der L u f t leicht mit intensiv violettem Licht zu einem Peroxid K 0 2 und zersetzt W a s s e r mit so großer Heftigkeit, daß die entstehende Wärme genügt, um den gebildeten W a s s e r s t o f f (2K + 2HOH — 2 K O H + H 2 ) zu entzünden. Kalium besitzt wie die übrigen Alkalimetalle die Eigenschaft, unter dem Einfluß von u l t r a v i o l e t t e m Licht E l e k t r o n e n a b z u s p a l t e n : 99.6 kcal + Κ —>- K+ + θ , da die verhältnismäßig kleine Ionisierungsarbeit bereits von den kleinen Quanten des langwelligen ultravioletten Spektralgebietes geleistet werden kann (vgl. S. 84f.). Bei den anderen Metallen mit fester gebundenen Außenelektronen erfolgt die Abspaltung erst beim Bestrahlen mit energiereicherem Licht. Von der leichten Abspaltbarkeit des äußeren Elektrons macht man bei den „Alkaliphotozellen" Gebrauch, welche in der T o n f i l m - und F e r n s e h t e c h n i k Anwendung finden. Sie bestehen aus evakuierten Glasgefäßen mit zwei Elektroden, von denen die eine mit einer Schicht von Kaliumoder Caesiummetall (89.2 kcal + Cs -—ν Cs+ + θ ) belegt ist.

b) Verbindungen des Kaliums α) Kalisalz-Lagerstätten Unter den Kalisalz-Lagerstätten sind vor allem die norddeutschen und elsässischen Vorkommen zu nennen, welche den größten Teil des Weltbedarfs an Kalisalzen decken. Die n o r d d e u t s c h e n S a l z l a g e r sind durch Eintrocknen eines großen Binnenmeeres entstanden, welches in der Urzeit vom Ural bis an die französisch-belgischen Gebirge und von Mittelengland bis an die böhmische Gebirgsmasse reichte. Bei dieser Eindunetung, deren Dauer auf rund 100000 Jahre geschätzt wird, schieden sich die im Meerwasser gelösten Salze gemäß ihrer K o n z e n t r a t i o n und L ö s l i c h k e i t bei den verschiedenen Temperaturen des S o m m e r s und W i n t e r s aus. Zuerst fiel das in Wasser am schwersten lösliche C a l c i u m c a r b o n a t CaCOs aus, das daher u n t e r den e i g e n t l i c h e n S a l z l a g e r n liegt („Zechsteinkalk"). Über dem Calciumcarbonat wechseln sich in ziemlich regelmäßiger Folge 8—10 cm starke Schichten von N a t r i u m c h l o r i d (als „Steinsalz" NaCl) mit schwachen Schichten von C a l c i u m s u l f a t (als „Gips" CaS0 4 · 2 H 2 0 und „Anhydrit" CaS0 4 ) ab. Diese „Jahresringe" (beim älteren Staßfurter Steinsalz etwa 3000) sind darauf zurückzuführen, daß sich im S o m m e r vorwiegend das Calciums u l f a t , im W i n t e r vorwiegend das N a t r i u m c h l o r i d abschied. Auf das mit Calciumsulfat durchsetzte Steinsalz („älteres Steinsalz") folgte zunächst Steinsalz mit Schichten aus P o l y h a l i t 2CaS0 4 · MgS0 4 · K 2 S 0 4 · 2H s O („Polyhalitregion"), Steinsalz mit Schichten aus K i e s e r i t MgS0 4 · H 2 0 („Kieseritregion") und Steinsalz mit Schichten aus C a r n a l l i t KCl· MgCl2· 6 H 2 0 („Camallitregion"). Nachdem das Binnenmeer eingetrocknet war, bedeckten Sand und tonige Massen („Salzion") die Salzablagerungen und schützten die zuletzt ausgeschiedenen und dementsprechend in Wasser besonders leicht löslichen K a l i u m s a l z e vor späterer Wiederauflösung (vgl. S. 421 f.). Durch eine Senkung des Bodens folgte eine zweite (an einzelnen Stellen sogar

430

Die Gruppe der Alkalimetalle

noch eine d r i t t e ) Überflutung und Salzfolge. Zuerst schied sich wieder A n h y d r i t in einer 40—80 m tiefen Schicht und auf diesem das „jüngere Steinsalz" ab, dessen Jahresringe oft kaum bemerkbar sind und das infolgedessen r e i n e r als das ältere Steinsalz ist (vgl. S. 422). Die e l s ä s s i s c h e n K a l i s a l z l a g e r sind keine direkten Meeresausscheidungen, sondern durch Herauslösen von Kaliumsalzen aus ursprünglichen Lagerstätten, Weitertransport und Wiederausscheidung entstanden. Ihnen fehlen dementsprechend ganz die schwerlöslichen Sulfate. Die für die Industrie wichtigsten Kalisalze sind : 1. der Carnallit KCl · MgCl2 · 6 H 2 0 , 2. das „Hartsalz", ein in der Hauptsache aus Steinsalz NaCl, Kieserit M g S 0 4 · H¡¡0 und Sylvin KCl bestehendes Gemenge, 3. der „Sylvinit", ein aus Steinsalz und Sylvin bestehendes Gemisch und 4. der Kainit KCl · M g S 0 4 • 3 H 2 0 . Von geringerer Bedeutung sind Schönit K 2 S 0 4 · M g S 0 4 · 6 H 2 0 und Polyhalit K 2 S 0 4 · M g S 0 4 · 2CaSO • 2 H 2 0 . Die Aufschließung der Kalisalzlager erfolgt durch bis zu mehr als 900 m tiefe Schächte, und zwar ausschließlich durch Schießarbeit mit Sprengstoffen. Ein Teil des Salzes bleibt dabei stets als Pfeiler stehen; die bei der Salzgewinnung entstehenden Hohlräume werden mit „älterem Steinsalz" oder mit Fabrikrückständen ausgefüllt. Die k a l i r e i c h e n Rohsalze werden gleich nach Verlassen des Schachtes gemahlen und kommen direkt als „Düngesalz" in den Handel. Die k a l i ä r m e r e n Rohsalze werden vorher auf hochprozentige Kalisalze verarbeitet. ß) Kaliumchlorid Das Kaliumchlorid ist das wichtigste unter den aus natürlichen Kalirohsalzen industriell erzeugten Kalisalzen. Ausgangsmaterial für seine Gewinnimg ist meistens der C a r n a l l i t . Daneben dienen auch H a r t s a l z und S y l v i n i t als Rohsalze. Aus r e i n e m C a r n a l l i t KCl · MgCl2 • 6 H 2 0 läßt sich Kaliumchlorid leicht durch Behandeln mit Wasser gewinnen, da Carnallit in wässeriger Lösung in seine Bestandteile KCl und MgCl2 zerfällt, von denen das K a l i u m c h l o r i d als s c h w e r e r l ö s l i c h e s Salz beim Eindampfen der Lösung zuerst auskristallisiert. Der in der Natur vorkommende Carnallit ist aber fast immer mit größeren Mengen S t e i n s a l z NaCl, A n h y d r i t C a S 0 4 und K i e s e r i t M g S 0 4 · H 2 0 sowie mit etwas B r o m c a r n a l l i t KBr · MgBr 2 · 6 H 2 0 v e r u n r e i n i g t . Dadurch wird die Aufarbeitung auf Kaliumchlorid etwas k o m p l i z i e r t e r . Meist erfolgt die Aufarbeitung in der Weise, daß man zunächst in 10—30 m langen eisernen, mit Rühr-, Transport- und Heizvorrichtungen versehenen Trögen das am einen Ende zugeführte R o h s a l z einer am anderen Ende aufgegebenen, auf 80° vorgewärmten L ö s e l a u g e entgegenschickt. Die aus dem laufenden Betrieb stammende, etwa 6—10°/0 NaCl und 12—14°/t MgClj enthaltende Löselauge löst in der Hauptsache das K a l i u m c h l o r i d und N a t r i u m c h l o r i d heraus, während A n h y d r i t und K i e s e r i t bei dem Lösungsprozeß als L ö s e r ü c k s t a n d (vgl. unten) zum anderen Ende des Lösetrogs transportiert und hier durch ein Becherwerk ausgetragen werden. Zur Ausscheidung der gelösten Salze wird die erhaltene heiße Salzlösung in Kühlanlagen im Gegenstrom durch frische kalte Löselauge (die sich dabei auf 80° vorwärmt) auf Zimmertemperatur a b g e k ü h l t . Dabei scheidet sich ein Gemisch von K a l i u m c h l o r i d und N a t r i u m c h l o r i d ab. Zur Gewinnung von hochprozentigem Kaliumchlorid muß dieses Salzgemisch mit Wasser a u s g e w a s c h e n („gedeckt") werden, wobei das in der Kälte leichter lösliche Natriumchlorid herausgewaschen und ein etwa 98%iges Kaliumchlorid gewonnen wird. Letzteres gelangt dann zum Trocknen in Trockentrommeln. Die nach dem Auskristallisieren des Kaliumchlorid-Natriumchlorid-Gemisches zurückbleibende M u t t e r l a u g e wird in Vakuumverdampfapparaten e i n g e d a m p f t , wobei sich zunächst weiteres Kaliumchlorid und Natriumchlorid und später — bei genügender Anreicherung von Magnesiumchlorid — „künstlicher Carnallit" abscheidet, der in gleicher Weise wie der natürliche Carnallit weiterverarbeitet wird. Die magnesiumchloridreichen „Endlaugen" wandern zur „Entbromung" (S. 87) in die Bromfabrik und werden dann größtenteils in die Flüsse geleitet (S. 406) oder im Gemisch mit MgO zu Platten vergossen (S. 406). Die Löser ü c k s t ä n d e der Carnallitverarbeitung werden in rotierenden Siebtrommeln mit W a s s e r behandelt, wobei die feinen Kieseritkristalle durch die Löcher des Siebes gehen, während der A n h y d r i t zurückbleibt. Der so abgetrennte Kieserit setzt sich in flachen, eisernen Kästen rasch zu Boden und dient zur Herstellung von Bittersalz MgS0 4 · 7H a O (S. 406). „Kali-

Das Kalium

431

magnesia" K 2 S0 4 · MgS04 · 6H a 0 (β. unten), Kaliummllat K,S0 4 (β. unten) und Glaubersalz Na 2 S0 4 · ΙΟΗ,Ο (S. 426). Die Aufarbeitung von H a r t aal ζ und Sylvinit auf Kaliumchlorid erfolgt in Ähnlicher Weise wie die des Carnallits. Kaliumchlorid kristallisiert aus wässerigen Lösungen in Form von Würfeln, welche bei 768° schmelzen und bei 1411° sieden. Die Dampfdichte bei 2000° entspricht der einfachen Formel KCl. γ ) Kaliumhydroxid (Ätzkali) Kaliumhydroxid {„Ätzkali") wird technisch fast ausschließlich durch E l e k t r o l y s e von K a l i u m c h l o r i d l ö s u n g e n dargestellt. Das Verfahren wurde bereits beim N a t r i u m h y d r o x i d (S. 424 f.) ausführlicher beschrieben. Auch durch Umsetzung von K a l i u m c a r b o n a t mit Ä t z k a l k (vgl. S. 423) kann die Verbindung gewonnen werden. Kaliumhydroxid bildet eine dem Natriumhydroxid ähnliche, harte, weiße, bei 410° schmelzende Masse, welche sich in Wasser zu einer stark alkalisch reagierenden Lösung {„Kalilauge") löst. An der Luft zieht es begierig Wasser und Kohlendioxid an, worauf sich seine Verwendung als T r o c k e n m i t t e l und als Absorptionsmittel für K o h l e n d i o x i d gründet. Technische Verwendung findet das Kaliumhydroxid in der Seifenfabrikation (II, S. 83) zur Herstellung w e i c h e r S e i f e n {„Schmierseifen"). δ) Kaliumsulfat Kaliumsulfat wird technisch durch Umsetzung von K a l i u m c h l o r i d und M a g n e s i u m s u l f a t (Kieserit) gewonnen (vgl. S.426). Die Reaktion wird in z w e i S t u f e n in der Weise ausgeführt, daß man zunächst durch Umsetzimg einer Kieseritlösung mit Kaliumchlorid K a l i u m - m a g n e s i u m - s u l f a t {„Kalimagnesia") K 2 S 0 4 · MgS0 4 · 6 H 2 0 geWmnt :

2MgS04 + 2 KCl >- K a S0 4 · MgS04 + MgCl, (1) und dieses dann nach Abtrennung von der Lösung und Wiederauflösen in Wasser mit w e i t e r e m K a l i u m c h l o r i d umsetzt: K 2 S0 4 · MgS04 + 2 KCl

2 K a S0 4 + MgCl2.

(2)

Eine Darstellung in e i n e m Arbeitsgang ist nicht möglich, da sich sonst das Magnesiumchlorid zu stark a n r e i c h e r t und auf diese Weise das Gleichgewicht der u m k e h r b a r e n Reaktion (2) zu weit nach l i n k s verschoben wird. Kaliumsulfat kristallisiert aus wässeriger Lösung w a s s e r f r e i in Form rhombischer Prismen, welche bei 1074° schmelzen und in Wasser mäßig löslich sind. Beim Lösen in verdünnter Schwefelsäure geht es in Kaliumhydrogensulfat K H S 0 4 über: K,S0 4 + H a S0 4

>• 2KHS0 4 ,

das in wasserfreiem Zustande bei etwa 200° schmilzt und bei stärkerem Erhitzen unter Abspaltung von Wasser zunächst in Kaliumdisulf at K 2 S 2 0 7 und dann unter Abspaltung von Schwefeltrioxid in das n o r m a l e S u l f a t K 2 S 0 4 übergeht (vgl. S. 211): 2KHS0 4 ~ H ' ° >- KaSaO, ~ 8 0 ' KjS0 4 . Sowohl Kaliumsulfat wie Kalium-magnesium-sulfat kommen als D ü n g e m i t t e l in den Handel. ε) Kaliumnitrat (Salpeter) Kaliumnitrat {„Salpeter") wird entweder durch Einwirkimg von N a t r i u m n i t r a t auf K a l i u m c h l o r i d („Konversionssalpeter"): Na3NO + KCl

KNO, + NaCl

(3)

432

Die Gruppe der Alkalimetalle

oder durch Umsetzung von K a l i u m c a r b o n a t thetischer S a l p e t e r s ä u r e dargestellt: 2HN0 3 + K 2 C0 3 — 2 K N 0

oder K a l i u m h y d r o x i d 3

+ HsO + C0 2 .

mit

syn(4)

Das Verfahren der „Konversion," (3) beruht darauf, daß von den vier Komponenten der beiden miteinander im Gleichgewicht befindlichen, wechselseitig umwandelbaren („reziproken") Salzpaare das N a t r i u m c h l o r i d in der H i t z e und das K a l i u m n i t r a t in der K ä l t e das schwerstlösliche ist. Man verfährt bei der technischen Salpeterdarstellung dementsprechend so, daß man in schmiedeeisernen, mit Heizschlangen und Rührwerken ausgestatteten Gefäßen äquivalente Mengen von Natriumnitrat und Kaliumchlorid in eine aus Wasch wässern und Mutterlaugen des laufenden Betriebes bestehende heiße Lösung einträgt, die Lösung vom abgeschiedenen Natriumchlorid abfiltriert und das Filtrat in schmiedeeisernen Kristallisiergefäßen unter Kühren abkühlt. Hierbei scheidet sich in feinen Kriställchen ein mit Natriumohlorid vermengter Rohsalpeter aus, welcher durch Auswaschen mit kaltem Wasser und Umkristallisieren gereinigt wird. Bei dem durch Gleichung (4) wiedergegebenen Verfahren leitet man analog der Natriumnitratdarstellung (S. 427) die nitrosen Abgase der Ammoniakoxydation in eine Kaliumcarbonatlösung. Kaliunmitrat kristallisiert aus wässerigen Lösungen w a s s e r f r e i in F o r m rhombischer, kühlend und bitter schmeckender Prismen aus, welche bei 339° schmelzen und bei höherem Erhitzen unter Sauerstoffabgabe in K a l i u m n i t r i t übergehen (S. 241). E s findet u. a. als Düngemittel (S. 433) und als Bestandteil von „Schwarz-pulver" (einer Mischung von Schwefel, Salpeter und Holzkohle) Verwendung. Der billigere N a t r o n s a l p e t e r ist für diesen Zweck wegen seiner Z e r f l i e ß l i c h k e i t nicht geeignet.

ζ ) Kaliumcarbonat (Pottasche) Kaliumcarbonat {„Pottasche") kann nicht nach einem dem Ammoniaksoda-Verfahren (S. 427 f.) entsprechenden Verfahren aus Kalium chlorid und Ammoniumhydrogencarbonat (KCl + NH 4 HCOg K H C O j + NH 4 C1) gewonnen werden, da das hierbei entstehende K a l i u m h y d r o g e n c a r b o n a t wesentlich l e i c h t e r l ö s l i c h als Natriumhydrogencarbonat ist und daher nicht wie dieses aus der Lösung der beiden reziproken Salzpaare unter dauernder Verschiebung des Gleichgewichts nach rechts ausfällt. Daher muß man zur Darstellung ein etwas a b g e ä n d e r t e s Verfahren („ENGELΡ RECHT-Verfahren") verwenden, bei welchem K a l i u m c h l o r i d nicht mit A m m o n i u m - , sondern mit Magnesiumhydrogencarbonat umgesetzt wird: 2KCl + Mg(HC03)a 2KHCO, + MgCl2. Hierbei fällt d a s K a l i u m h y d r o g e n c a r b o n a t aus der Lösung als schwerlösliches D o p p e l s a l z mit M a g n e s i u m c a r b o n a t aus, welches dann wie das Natriumhydrogencarbonat durch C a l c i n i e r e n in das n o r m a l e C a r b o n a i übergeführt werden kann: 2 KHCOj —->- K 2 C0 3 + H 2 0 + C0 2 . Im einzelnen verfährt man bei dieser Darstellungsmethode so, daß man in eine K a l i u m chloridlösung, in welcher M a g n e s i u m c a r b o n a t MgCOa · 3 H 2 0 suspendiert ist, K o h l e n d i o x i d einleitet. Das hierbei gemäß (5) gebildete M a g n e s i u m h y d r o g e n c a r b o n a t setzt sich mit dem K a l i u m c h l o r i d zu K a l i u m h y d r o g e n c a r b o n a t um (6), welches mit überschüssigem M a g n e s i u m c a r b o n a t das schwer lösliche D o p p e l s a l z KHC0 3 · MgCO„ · 4H s O bildet und als solches ausfällt (7). Das abfiltrierte D o p p e l s a l z wird dann durch E r h i t z e n mit Wasser unter Druck auf 80° in Kaliumcarbonatlösung und M a g n e s i u m c a r b o n a t (das in den Prozeß zurückkehrt) zerlegt (8): MgCOs + HaO + COa Mg(HC03)2 + 2KCl 2KHCOj + 2MgCOj, 2 KHCQ3 · MgCO, 2 KCl + MgCOj,

Mg(IIC0 3 ) 2 — > - MgCl, + 2KHCO a — >• 2KHC0 3 · MgCO, -—>- K 2 C0 3 + H8Q + C0 2 + 2MgCQ3 — > - K 2 C0 3 + MgClj.

(ö) (6) (7) (8) (9)

Das Lithium, Rubidium und Caesium

433

Zusammengenommen (9) spielt sich damit eine ganz dem Aramoniaksodaverfahren entsprechende Gesamtreaktion ab, nur daß hier das Alkalichlorid nicht wie dort mit Calciumcarbonat — vgl. Gleichung (6), S. 428 —, sondern mit Magnesiumcarbonat umgesetzt wird.

Zwei andere — technisch heute ausschließlich durchgeführte — Verfahren zur Pottaschegewinnung gehen vom K a l i u m h y d r o x i d bzw. K a l i u m s u l f a t aus. Bei dem ersteren leitet man in elektrolytisch gewonnene K a l i l a u g e K o h l e n d i o x i d ein (,,Carbonisierung von Kalilauge") : 2K0H + COj — ν KsCOs + H 2 0; bei dem letzteren stellt man durch Einwirkung von K o h l e n o x i d auf eine wässerige Lösung von K a l i u m s u l f a t und Ä t z k a l k (10) bei 230° und 30 Atmosphären Druck eine K a l i u m f o r m i a t l ö s u n g (II, S. 78) her (11), welche nach Abfiltrieren des Gipses zur Trockene eingedampft und dann nach Zusatz von Kaliumhydroxid unter Luftzufuhr c a l c i n i e r t wird („Formiat-Pottasche-V erfahren")·. K,S0 4 + Ca(OH)j CaS0 4 + 2KOH 2KOH + 2 CO —>• 2HCOOK 2HCOOK + 2KOH + 0„ —>- 2K2COs + 2 H , 0 .

(10) (11) (12)

In begrenztem Umfange dienen auch technische A b f a l l p r o d u k t e — z. B. H o l z a s c h e (vgl. S. 429), veraschte M e l a s s e s c h l e m p e und v e r a s c h t e r „Wollechweiß" von Schafen — zur Gewinnung von Pottasche.

Kaliumcarbonat bildet eine weiße, hygroskopische Masse, welche bei 894° schmilzt und in Wasser unter Bildung einer alkalisch reagierenden Lösung sehr leicht löslich ist (113.5 g K 2 C0 3 /100g Wasser bei 25°). Es dient hauptsächlich zur Herstellung von Schmierseifen (II, S. 83) und zur Fabrikation von Kaliglas (S. 341). η) Kalihaltige Düngemittel K a l i u m s a l z e gehören zu den wichtigsten N ä h r s t o f f e n der Pflanzen. Da die in jedem Ackerboden in reichlicher Menge vorhandenen K a l i u m s i l i c a t e von der Pflanze nur schwer und schlecht ausnutzbar sind, muß man dem Boden bei intensiver Bewirtschaftung Kaliumsalze als D ü n g e s a l z e zuführen. In Frage kommen hier außer dem K a l i u m n i t r a t (s. unten) vor allem das K a l i u m c h l o r i d (als solches bzw. in Form von Carnallit KCl · MgCl2 · 6 H 2 0 oder Kainit KCl • MgS0 4 · 3 H 2 0 ) und das K a l i u m s u l f a t (als solches oder in Form von,,Kali-Magnesia" K 2 S 0 4 · MgS0 4 · 6 H 2 0 ) . Im allgemeinen zieht man die S u l f a t e den chlorhaltigen Salzen vor, da v i e l e P f l a n z e n (ζ. B. die Kartoffeln) gegen die Wirkung von C h l o r i d e n empfindlich sind. Besonders vorteilhaft ist die Kalidüngung bei Klee, Gras, Tabak, Kartoffeln und Rüben. Unter den kalihaltigen M i s c h d ü n g e r n seien erwähnt: der „Kaliammonsalpeter" (Mischkristalle von Kaliumnitrat und Ammoniumchlorid), das „Nitrophoska" (ein aus Ammoniumchlorid bzw. -sulfat, Diammoniumphosphat und Kaliumnitrat bestehendes Gemenge) und der „Hakaphos" (ein aus Harnstoff, Kaliumnitrat und Diammoniumphosphat hergestellter Mischdünger).

3. Das Lithium, Rubidium und Caesium Lithium. Lithium ist in gebundenem Zustande als Begleiter des Natriums und Kaliums weit verbreitet, kommt aber stets nur in geringen Konzentrationen vor. Unter den Lithiummineralien seien erwähnt: die Phosphate Amblygonit [LiAlF][P0 4 ] und Triphylin (Li, Na)

(Fe, Mn) [P0 4 ] und die Silicate Spodumen (Triphan) LiAJ[Si,Oe], Lepidolith (Liihionglimmer)

K(Al,[AlSisO10], Li,[AlSi,0,(0H, P)4]) (OH, F), und Petalit (Kastor) (Li, Na) [AlSi4O10]. Das metallisohe Lithium kann durch E l e k t r o l y s e des geschmolzenen Chlorids LiCl erhalten werden. Gewöhnlich wird dabei der Sohmelzpunkt des Chlorids (613°) duroh Zusatz H o l l e m a D-W i be r g , Anorganische Chemie. 47.—60. Aufl.

28

Die Gruppe der Alkalimetalle

434

von K a l i u m c h l o r i d herabgedrfickt. Das silberweiße, an feuchter Luft schnell anlaufende Metall ist mit einem spezifischen Gewicht von 0.534 nach dem festen Wasserstoff (spezifisches Gewicht 0.0763 bei — 260°) das l e i c h t e s t e aller festen Elemente. Der Schmelzpunkt liegt bei 179°, der Siedepunkt bei 1340°. In Sauerstoff erhitzt verbrennt Lithium mit intensiv rotem Licht zu Lithiumoxid Li,0. Beim Erhitzen mit Wasserstoff geht es in Lithiumhydrid LiH über, das in geschmolzenem Zustande (Smp. 668°) unter Zerlegung in Lithium und Wasserstoff den elektrischen Strom leitet. Der Wasserstoff wird dabei anodisch entwickelt, was für die elektronegative Natur des Wasserstoffs in dem festen Hydrid spricht. Die Verbindung besitzt stark hydrierende Wirkung und reagiert in feingepulvertem Zustande mit den ätherischen Lösungen zahlreicher Halogenide (ζ. B. BeCl2, MgBr2, BF3, AIC1S, GaCl3) unter Bildung von H y d r i d e n (n LiH + E X n >~ η LiX + EHn). Mit molekularem S t i c k s t o f f vereinigt sich Lithium zum Unterschied von den anderen Alkalimetallen langsam schon in der Kälte, besonders lebhaft bei dunkler Rotglut unter Bildung von Lithiumnitrid Li3N. Mit K o h l e n s t o f f bildet es Lithiumcarbid Li2C2. Wie Natrium und Kalium reagiert auch Lithium lebhaft mit W a s s e r ; doch reicht die entwickelte Wärme nicht wie dort zum Schmelzen des Metalls aus. Unter den weiteren Verbindungen des Lithiums ist das Lithiumcarbonat Li,CO, hervorzuheben, das zum Unterschied von den Carbonaten der übrigen Alkalimetalle in Wasser schwer löslich ist (bei 0°: 1.64, bei 100°: 0.73 g LiaCO,/100 g Wasser) und daher aus Lithiumsalzlösungen durch Zugabe von Soda leicht ausgefällt werden kann. Es bildet das A u s g a n g s p r o d u k t für die Darstellung der meisten anderen Lithiumsalze. Ein anderes schwerlösliches Salz ist das Lithiumphoaphat Li s P0 4 , dessen Bildung zum Nachweis von Lithium verwendet werden kann. Das durch Umsetzung des Carbonate mit Salzsäure erhältliche Lithiumchlorid LiCl (Smp. 613°, Sdp. 1353°) löst sioh zum Unterschied von Natrium- und Kaliumchlorid in Alkohol, was man zu seiner Abtrennung von diesen Chloriden benutzen kann. Lithiumhydroxid LiOH ist wie die anderen Alkalihydroxide eine starke Base. Rubidium und Caesium, Rubidium und Caesium kommen in Begleitung der anderen Alkalimetalle in sehr geringen Konzentrationen vor. Verhältnismäßig viel R u b i d i u m (bis über l°/ 0 ) enthält derLepidolith(S.433). Als Caesiummineral Beider sehr seltenePoZZ«xCe1[Al1SiaO,e]. H , 0 erwähnt. Entdeckt wurden Rubidium und Caesium im Jahre 1860 duroh den deutsohen Chemiker R O B E R T W I L H E L M B U N S E N ( 1 8 1 1 — 1 8 9 9 ) und den deutschen Physiker G U S T A V R O B E R T K I R C H HOFF ( 1 8 2 4 — 1 8 8 7 ) im Dürkheimer Mineralwasser, und zwar gelang B U N S E N die Isolierung der beiden Metalle auf Grund der von K I R C H H O F F angeregten „Spektralanalyse" (S. 4 1 ) , indem er die wichtigsten S p e k t r a l - l i n i e n des Rubidiums1 und Caesiums* als Führer bei der chemischen Abtrennung benutzte und nach jeder durchgeführten Trennung denjenigen Teil, in dem sich die Linien am intensivsten zeigten, weiter untersuchte. Die reinen Metalle werden zweckmäßig nicht duroh E l e k t r o l y s e , sondern auf chemischem Wege durch Reduktion der H y d r o x i d e mit Magnesium im Wasserstoffstrom bzw. Caloium im Vakuum oder besonders vorteilhaft durch Erhitzen der Diohromate mit Zirkon im H o o h v a k u u m auf etwa 600° dargestellt: CssCr,0, + 2Zr — ν 2Ca + 2ZrOt -f Cr,0 3 , wobei die Alkalimetalle abdestillieren (Rubidium: Smp. 39.0°, Sdp. 696°; Caesium: Smp. 28.46°· Sdp. 708·). Rubidium und Caesium sind weit r e a k t i o n s f ä h i g e r als ihre leichteren Homologen und entzünden sich ζ. B. bei Sauerstoffzutritt ohne weiteres unter Bildung der Peroxide RbO, und CsOj. Ebenso erfolgt ζ. B. mit Wasser sehr heftige Reaktion. Die V e r b i n d u n g e n gleichen in Zusammensetzung und Eigenschaften denen des Kaliums. Unter den schwerlöslichen und daher zum analytischen Naohweis geeigneten Salzen seien erwähnt: die Perchlorate MeC104, die Hexachhroplatinate MejPtCl,, die Hydrogentartrate MeHC4H4Oe und die Tetraphenylborate MeB(C,H5)4. Letztere eignen sich wegen ihres hohen Molekulargewichts besonders gut zur q u a n t i t a t i v e n B e s t i m m u n g von K, Rb und Cs.

4. Die Ammoniumverbindungen a) Freies Ammonium Wir erwähnten schon früher, daß die aus Ammoniak und Säuren entstehenden A m m o n i u m s a l z e N H 4 X in ihren Eigenschaften den A l k a l i s a l z e n gleichen (S. 229). E s hat daher nicht an Versuchen gefehlt, das den Alkalimetallen entsprechende Ammonium N H 4 in f r e i e r F o r m zu isolieren. Alle diese Versuche sind bis jetzt miß1 2

rubidus •= dunkelrot. caesius -- himmelblau.

Die Ammoniumverbindungen

435

lungen. Dagegen konnte das Ammoniumradikal NH4 als „Ammoniumamalgam" bei der Einwirkung von Ammoniumsalzen auf Alkalimetall-Amalgame (QuecksilberLegierungen) und bei der Elektrolyse von Ammoniumsalzen in flüssigem Ammoniak unter Verwendung von Queck s i Iberkathoden isoliert werden: Na + NH4·

ν Na' + NH4 bzw. NH/ + θ

NH4.

Dieses Ammoniumamalgam stellt eine weiche, schwammartige, voluminöse, schon bei Zimmertemperatur in Quecksilber, Ammoniak und Wasserstoff zerfallende (NH4 — v NHS + V2H2) Masse dar.

b) Ammoniumsalze Ammoniumchlorid N H 4 C I („Salmiak") Ammoniak und S a l z s ä u r e :

wird technisch durch Vereinigung von

NH, + HCl —>- NH4C1

(1)

oder als Nebenprodukt der Ammoniaksoda-Fabrikation (S. 427f.) gewonnen. Seine Reinigung erfolgt durch Umkristallisieren oder Umsublimieren. Es stellt ein farbloses, bitter-salzig schmeckendes, in Wasser leicht lösliches Salz dar, welches aus wässerigen Lösungen in Form federfahnenartig angeordneter Oktaeder, aus dem Dampfzustande als faserig-kristalline Masse auskristallisiert. Salmiak s u b l i m i e r t leicht und dissoziiert dabei in Umkehrung der Bildungsgleichung (1) in A m m o n i a k und Chlorw a s s e r s t o f f . Bei 350° ist die Spaltung vollkommen. Merkwürdig ist die von Η. B. BAKER entdeckte Tatsache, daß völlig trockener, d. h. längere Zeit über Phosphorpentoxid gehaltener Salmiak nicht dissoziiert und daß sich umgekehrt in gleicher Weise getrocknetes Ammoniak- und Chlorwasserstoffgas nicht zu Salmiak vereinigen. Spuren F e u c h t i g k e i t bewirken also eine wesentliche Beschleunigung sowohl der Bildung wie des Zerfalls von Ammoniumchlorid. Diese Erscheinung der katalytischen Wirkung geringer Mengen Wasser findet sich auch in vielen anderen Fällen. So kann ζ. B. weißer Phosphor, der sich an feuchter Luft bereits bei ziemlich niedriger Temperatur entzündet, in völlig trockenem Sauerstoff auf 150° erhitzt werden, ohne sich zu entzünden. Kohlenoxid verbrennt in trockenem Sauerstoff viel schwerer als in feuchtem. Eine mit sehr sorgfältig getrocknetem Knallgas gefüllte Röhre kann auf Kotglut erhitzt werden, ohne daß Explosion eintritt. Schwefelwasserstoff und Schwefeldioxid wirken nur bei Gegenwart geringer Mengen flüssigen Wassers aufeinander ein. Natrium kann in einer trockenen Sauerstoffatmospbäre geschmolzen werden. Vgl.a. S. 83.

Ammoniumsulfat (NH 4 )ÎS0 4 steht der Erzeugungsmenge nach unter allen Ammoniumsalzen an erster Stelle und dient ausschließlich zu Düngezwecken. Es wird technisch entweder durch Vereinigung von Ammoniak und S c h w e f e l s ä u r e : 2NHS + H 2 S0 4

->- (NH4)2S04

oder — zur Ersparnis von Schwefelsäure — durch Umsetzung von Ammonium· c a r b o n a t und Gips dargestellt: (NH4)sCOa + CaS0 4 —>- CaCO, + (NH 4 ),S0 4 .

(2)

Im einzelnen verfährt man bei diesem „Qipe-Ammonaulfat-Verfahren" so, daß man den feingemahlenen Gips (oder Anhydrit) mit Waschlauge za einem Brei anrührt und diesen Brei in einem mit Rührwerk versehenen, geschlossenen Behälter mit Ammoniak und Kohlendioxid (2ΝΞ, + CO, + H,0 —>- (NH4),COa) sättigt. Nach einigen Stunden wird der Calciumcarbonatschlamm mit Tauch-Saugfiltern abfiltriert, das F i l t r a t in Vakuumverdampfern eingedampft und das Salz abgeschleudert and in Drehrohröfen getrocknet.

Ammoniumsulfat kristallisiert in farblosen, großen rhombischen Prismen und löst sich sehr leicht in Wasser (bei 0° : 71 g, bei 20° : 76 g, bei 100° : 98 g (NH 4 ) 2 S0 4 in 100 g Wasser). Beim Erhitzen auf über 350° geht es unter Abspaltung von Ammoniak in Ammoniumhydrogensulfat NH 4 HS0 4 und darüber hinaus unter Wasserabspaltung in Ammoniumdisulf at (NH 4 ) 4 S 2 0 7 über, welches sich seinerseits bei 470° weiter zersetzt. 28»

Die Grappe der Alkalimetalle

436

Ammoniumnitrat NH4NO3 („Ammonsalpeter") wird technisch durch Sättigen von wässeriger S a l p e t e r s ä u r e mit A m m o n i a k g a s oder A m m o n i a k w a s s e r dargestellt: NH3 + HNO„ —>- NH 4 N0 3 . E s stellt ein farbloses, an feuchter Luft zerfließendes, in Wasser unter starker Abkühlung (6.2 kcal/Mol) lösliches, kristallines Salz dar, welches bei 169.5° schmilzt und bei etwas höherer Temperatur in Wasser und Distickstoffoxid zerfällt (S.234). MankenDt bei gewöhnlichem Druck fünf beständige M o d i f i k a t i o n e n des Ammoniumnitrats, deren Umwandlungspunkte bei — 18°, + 32.5°, + 84.2° und + 125.2° liegen. Wegen seines hohen Stickstoffgehaltes ist Ammoniumnitrat ein sehr vorteilhafter S t i c k s t o f f d ü n g e r . Infolge seiner Explosionsgefährlichkeit und Zerfließlichkeit kann man diesen aber n i c h t in r e i n e m Z u s t a n d e , sondern nur im G e m i s c h mit Zus c h l ä g e n verwenden, welche seine explosiven Eigenschaften beseitigen und den Dünger streufähig machen. Solche Stoffe sind: Ammoniumsulfat, Calciumcarbonat, Calciumsulfat, Calciumnitrat, Phosphate usw. So stellt z. B. der „Leunasalf eter" („Ammonsulfatsalpeter") ein Doppelsalz der Formel (NH 4 ) 2 S0 4 · 2 N H 4 N 0 3 dar. Gemische von Ammoniumnitrat und Calciumcarbonat kommen als „Kalkammonsalpeter" in den Handel. Ammoniumcarbonat (NH^^COj wird technisch durch Einleiten von K o h l e n d i o x i d in A m m o n i a k w a s s e r : 2 N H 3 + CO, + HJO — > - (NH 4 ),CO A

oder — in Umkehrung der Bildungsgleichung (2) für Ammoniumsulfat — duroh Erhitzen eines Gemisches von A m m o n i u m s u l f a t und C a l c i u m c a r b o n a t (Kreide) hergestellt : (NH4),S04 + CaC03 —>- (NH4),C03 + CaS04. Das beim letztgenannten Verfahren absublimierende Salz enthält außer dem normalen Ammoniumcarbonat (NH4),CO, noch Ammoniumhydrogencarhonat NH4HCOa und Ammonium-carbaminat NH4CO,NHa. Die beiden ersteren Verbindungen sind Salze der Kohlensäure (I), das letztere stellt ein Salz der Carbaminsäure (II) dar: /OH /NH a 0=C< 0=C< X \OH OH (I) (Π) Beim Kochen mit Wasser geht das Carbaminat in das Carbonat über: /¡NH, + Hi OH 0=C
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Elemente der Nebengruppen

445

Die periodischen Gesetzmäßigkeiten des Hauptsystems finden sich im Nebensystem in abgeschwächter Form wieder. Wie im Hauptsystem in der Richtung nach rechts oben der nichtmetallische, in der Richtung nach links unten der metallische Charakter der Elemente zunimmt, finden sich im Nebensystem an den entsprechenden Stellen Metalle von mehr „nichtmetallischem" (Säurebildner) und Metalle von mehr „metallischem" (Basebildner) Charakter. An die Stelle der Edel-gase treten im Nebensystem, das nur Metalle enthält, die Edel-me t a l le. In den der Gruppennummer entsprechenden Wertigkeiten erstreben und erreichen die nachfolgenden und vorangehenden Elemente wie beim Hauptsystem deren Elektronenkonfiguration. In anderen Eigenschaften unterscheiden sich andererseits Haupt- und Nebensystem in charakteristischer Weise voneinander. So bilden z. B. die Elemente des ersteren bevorzugt farblose, diamagnetische Ionen bestimmter Wertigkeit, die des letzteren dagegen farbige, paramagnetisohe Ionen weitgehend wechselnder Wertigkeit. Katalytisch besonders wirksame Metalle finden sioh durchweg im Nebensystem.

c) Komplexbildung der Übergangselemente Wie im Falle der 8er-Schale (Schale der Hauptquantenzahl η = 2) sind auch im Falle der 18 er-Schale (Schale der Hauptquantenzahl η = 3) und 32 er-Schale (Schale der Hauptquantenzahl η = 4) die Elektronen nicht alle e n e r g i e g l e i c h , sondern auf mehrere, e n e r g e t i s c h e t w a s v e r s c h i e d e n e Gruppen von Bahnen (18er-Schale: eine „s-Bahn", drei „p-Bahnen" und fünf „d-Bahnen"; 32er-Schale: eine „s-Bahn", drei „p-Bahnen", fünf „d-Bahnen" und sieben „f-Bahnen") verteilt (vgl. S. 139f.), von denen jede maximal zwei Elektronen (von entgegengesetztem Drehsinn; vgl. S. 498) aufnehmen kann1. Auch bei der Besetzung der ci-Bahnen (Bahnen der Nebenquantenzahl 1 = 2 ) und /-Bahnen (Bahnen der Nebenquantenzahl l = 3) gilt dabei wie bei den s- und p-Bahnen (S. 139) das „Prinzip der größten Multiplizität", wonach die mit steigender Ordnungszahl der Elemente neu hinzutretenden Elektronen jede Bahn einer Bahngruppe erst e i n z e l n besetzen, bevor die paarige Einordnung der Elektronen beginnt. So besitzt etwa die aus 13 Außenelektronen bestehende 3. Schale des zweiwertigen Manganions Mn" die Elektronenkonfiguration 3s 2 3/>e 3d s (bezüglich der Symbolisierung von Elektronenanordnungen vgl. S. 140), wobei auf jede der fünf d-Bahnen je 1 Elektron entfallt („halbbesetzte Bahnen"), während den 14 Außenelektronen der 5. Schale des zweiwertigen Osmiumions Os" die Elektronenkonfiguration 5s 2 5p* 5de zukommt, bei welcher die erste d-Bahn 2, die übrigen vier je 1 Elektron aufweisen. Bei der K o m p l e x b i l d u n g , bei der durch die angelagerten Liganden die Elektronenzahl des komplexbildenden Metallatoms vermehrt wird (vgl. S. 160), „rücken" die Einzelelektronen der halbbesetzten Bahnen paarweise „zusammen", so daß einige Bahnen frei werden, die durch die freien Elektronenpaare der koordinativ angelagerten Gruppen mit aufgefüllt werden. So gehen ζ. B. die Außenelektronenkonfigurationen des Fe(II)-ions Fe" (1), Co(III)-ions Co"· (3), Ni(II)-ions Ni" (5), Nickelatoms Ni (7) 1 Ganz allgemein l assen sich bei einer Elektronenschale der „Hauptquantenzahl" η jeweils η Unterschalen von etwas verschiedener Energie, charakterisiert durch die ganzzahligen „Nebenquantenzahlen" 1 = 0 bis l = η — 1, unterscheiden, wobei die Bahnen der Nebenquantenzahlen 0, 1, 2 und 3 als β-, ρ-, d- und /-Bahnen bezeichnet werden. Jede Untersohale der Nebenquantenzahl l umfaßt 2 Ζ + 1 verschiedene Bahnen, charakterisiert durch die ganzzahligen „magnetischen Quantenzahlen" mi = + l bis m = — l. Jede solche Bahn kann ihrerseits 2 Elektronen von entgegengesetztem „Spin" (S. 498), charakterisiert durch die „SpinquantenzaMen" m, = + 1 / a und ms = — 1 / 2 , aufnehmen. Nach dem „Pauli-Prinzip" k ö n n e n zwei E l e k t r o n e n eines f r e i e n oder g e b u n d e n e n A t o m s nie die g l e i c h e n vier Q u a n t e n z a h l e n b e s i t z e n . Damit ergibt sich die maximale Elektronenzahl einer Schale der Hauptquantenzahl η zu 2 χ {[2 · 0 + 1] +[2· 1 + 1] + [ 2 - 2 + I] + — + [2(η — 2) + 1] + [2(η — I) + 1 ] } = 2 χ (1 + 3 + 5 + . . . . ) . Wie leicht abzuleiten ist, kann dieser Ausdruck mathematisch zu dem Wert 2 • n* vereinfacht werden, den wir früher (S. 136) sohon kennenlernten. Näheres s. Lehrbüoher der phyeikalisohen Chemie.

446

Dae Periodensystem der Elemente (II. Teil)

und Cu(I)-ions Cu' (9) bei der KomplexBalzbildung in die Konfigurationen (2), (4), (6), (8) bzw. (10) der nachfolgenden Tabelle über, in welcher die gestrichelt umrahmten Elektronenbahnen die zur Komplexbildung herangezogenen Bahnen und die in die Bahnen (Kreise) eingetragenen Punkte die Elektronen des Zentralatoms wiedergeben:

Nr

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2

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3

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1

CofCNIg "'

S

Ni-

e

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Ni

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9

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10

CufCKW"

Kryptonschale

t Schale

3. Schale s

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Konfiguration

Magnetismus

para oktaednsch

día

para oktaedrisch

dia

para quadratisch

día para

tetraednsch

dia

dia tetraedrisch

dia

Da die (¿-Bahnen der Übergangselemente ungefähr die gleiche Energie wie die sund p-Bahnen der nächsthöheren Schale haben (vgl. S. 439 f.), können sie sich — vgl. das früher (S. 153) besprochene analoge Verhalten der s· und ^-Bahnen — mit diesen unter Energiegewinn1 zu energiegleichen d-s-p-Bahnen „bastardisieren", denen je nach der Entstehungsweise bestimmte räumliche Konfigurationen zukommen. Beispielsweise sind im Falle v i e r f a c h e r Koordination d3s- und s/>3-Bahnen nach den Ecken eines T e t r a e d e r s , ¿s£ 2 -Bahnen nach den Ecken eines Q u a d r a t s gerichtet, während im Falle s e c h s f a c h e r Koordination d2sps- oder s/>sd2-Bahnen o k t a e d r i s c h e , d*spBahnen t r i g o n a l - p r i s m a t i s c h e Anordnung der Liganden ergeben. Die e x p e r i m e n t e l l ermittelten Konfigurationen der obigen Verbindungen stimmen mit diesen theoretischen Forderungen überein. Insbesondere sei auf die coplanare Struktur der Ni(II)-Verbindung(6) im Gegensatz zur tetraedrischen Struktur der Ni(0)-Verbindung (8) hingewiesen, was seine Erklärung darin findet, daß beim Ni(0) zum Unterschied vom 1 Während die relative Bindekraft der reinen β- bzw. p- bzw. d-Bindung 1 bzw. 1.732 ( = j/ 3 ) bzw. 2.236 ( = (/IT) beträgt, kommt der ep 3 -Bindung die Bindekraft 2, der ¿«p'-Bindung die Bindekraft 2.694 and der ί ©©©©Θ Οο ο ο ο © © © ©© ι©®©]θ ο © © © © © ©© © © ο

Konfiguration

Magnetismus

para

oktaedrisch

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para

oktaedrisch

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quadratisch

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Die r ä u m l i c h e n K o n f i g u r a t i o n e n der Verbindungen stehen mit den aufgestellten Regeln in Einklang. Ebenso entspricht die stark r e d u z i e r e n d e Wirkung des Co(CN),""-ions den Erwartungen, da beim Übergang des Co(CN)e""- in ein Co(CN)e"'-ion das unpaarige Elektron der 4d-Bahn unter Bildung der KryptonKonfiguration abgegeben wird. Umgekehrt haben die Komplexionen Fe(CN) e "' und Cu(CN)4" o x y d i e r e n d e Eigenschaften, da sie zur Ausbildung der Kryptonschale ein Elektron aufzunehmen suchen.

2. Elemente der Lanthaniden- und Actinidengruppe Lanthaniden. Bei den in der 6. Periode der Tabelle (S. 440) ausgelassenen 14 Lantha«i• CujO + SO a + 93 kcal Cu2S + 2CujO — > - 6Cu + SO a — 30 kcal.

(3) (4)

Die Reaktionen (1) und (3) liefern die Wärme für die beiden Perioden des Blaseprozesses ; zu Beginn des Verblasens muß der Konverter natürlich stark angewärmt werden. Das erhaltene Konverterkupfer heißt „Rohkupfer" oder „Schwarzkupfer".

Aus k u p f e r a r m e n Erzen und Abfallprodukten, ζ. B . den bei der Schwefelsäurefabrikation anfallenden kupferhaltigen Pyritabbränden wird das Rohkupfer zweckmäßig nach einem n a s s e n V e r f a h r e n gewonnen, indem man diese Ausgangsmaterialien — nötigenfalls nach vorherigem Rösten — mit verdünnter So h w e f e Isa u re auslaugt und aus der so erhaltenen K u p f e r s u l f a t lösung das Kupfer durch E i s e n s c h r o t t ausfällt („Zementieren"): Cu" -f Fe — >• Cu -f- F e " (vgl. S. 1 HS). Das entstehende Kupfer heißt „Zementkupfcr" und wird verschmolzen und elektrolytisch gereinigt.

Reinigung von Rohkupfer. Das Rohkupfer enthält etwa 94—97°/0 Kupfer; die Verunreinigungen bestehen aus Zink, Blei, Arsen, Antimon, Eisen, Nickel, Schwefel sowie gegebenenfalls Silber, Gold und Platin. Zur Befreiung von diesen Fremdstoffen wird das Rohkupfer zweckmäßig zuerst der R a f f i n a t i o n s s c h m e l z e und dann der e l e k t r o l y t i s c h e n R a f f i n a t i o n unterworfen. Das Raffinationsschmelzen besteht aus einem zuerst oxy- Kathode dierenden und dann reduzierenfínode' den Schmelzen. Das Rohkupfer Hupfersu/faf/ösung wird dabei in kleinen FlammFig. 128. Elektrolytische Kupfer-Raffination öfen zunächst mit schlackenbildenden Zuschlägen geschmolzen („Einschmelzen") und unter Luftzutritt erhitzt („Verblasen"), wobei sich Zink, Blei, Arsen und Antimon verflüchtigen und Eisen und Nickel verschlacken. Nach einigen Stunden wirkt gebildetes Kupferoxid auf noch vorhandenes Kupfersulfid gemäß (4) unter S0 2 -Entwicklung ein („Braten"). Die völlige Austreibung des Schwefeldioxids erfolgt durch „Dichtpolen" (vgl. S. 352). Zur Beseitigung des noch vorhandenen Kupferoxids wird schließlich noch unter Verwendung von Holzkohle oder Anthrazit reduziert („Zähpolen"). Das so erhaltene „Garkupfer" besteht zu 99°/0 und mehr aus Kupfer und enthält noch die gesamten Edelmetalle. Zur elektrolytischen Raffination gießt man das Garkupfer in die Form großer, 3 cm dicker A n o d e n p l a t t e n , welche man in einer als Elektrolyt dienenden schwefelsauren K u p f e r s u l f a t l ö s u n g in der aus Fig. 128 ersichtlichen Weise mit F e i n k u p f e r b l e c h K a t h o d e n zusammenschaltet. Beim Einschalten des Stromes geht Kupfer an der Anode in L ö s u n g , während sich an der K a t h o d e aus der Kupfersulfatlösung r e i n e s K u p f e r als hochroter, dichter Niederschlag abscheidet:

Ü BS iäs bb

Curoh 2 e + Cu" Curoh

Cu" + 2 θ *- Curein >- Cu rein ·

(Anode) (Kathode)

Von den Verunreinigungen gehen die u n e d l e r e n Metalle (Eisen, Nickel, Kobalt, Zink) ebenfalls anodisch in L ö s u n g , ohne sich kathodisch abzuscheiden, während die e d l e r e n 29*

452

Die Kapfergruppe

Metalle (Silber, Gold, Platin) als Staub von der Anode abfallen und mit anderen festen Abfallstoffen den „Anodenschlamm" bilden, der als Ausgangsmaterial zur Gewinnung der enthaltenen E d e l m e t a l l e dient. Physikalische Eigenschafton. Das metallische Kupfer stellt ein hellrotes, verhältnismäßig weiches, aber sehr zähes und dehnbares Metall dar, welches sich zu sehr feinem Draht ausziehen und zu äußerst dünnen, grün durchscheinenden Blättchen ausschlagen läßt. Es besitzt nach dem Silber die beste elektrische Leitfähigkeit unter allen Metallen. Das spezifische Gewicht beträgt 8.92, der Schmelzpunkt 1083°, der Siedepunkt 2350°. Chemische Eigenschaften. An der L u f t oxydiert sich Kupfer oberflächlich langsam zu rotem K u p f e r ( I ) - o x i d Cu 2 0, das an der Oberfläche fest haftet und dem Kupfer die bekannte rote Kupferfarbe verleiht. Bei Gegenwart von K o h l e n d i o x i d bildet sich auf dem Kupfer allmählich ein Überzug von grünem b a s i s c h e m Carbonai {„Patina"), welches das darunterliegende Metall vor weiterer Zerstörung schützt. Seiner Stellung in der Spannungsreihe entsprechend (e0 = + 0 . 3 5 Volt) wird Kupfer nur von o x y d i e r e n d e n S ä u r e n (z. B. Salpetersäure; vgl. S. 169), nicht dagegen von n i c h t o x y d i e r e n d e n Säuren (z. B. Salzsäure; vgl. S. 167f.) gelöst und aus seinen Salzlösungen durch u n e d l e r e M e t a l l e wie Eisen (vgl. S.451), Zink (vgl. S. 165), Magnesium abgeschieden. In seinen chemischen Verbindungen tritt das Kupfer ein- und namentlich z w e i w e r t i g auf. Doch sind auch Verbindungen des d r e i w e r t i g e n Kupfers bekannt, z.B. Me7[Cu(JOe)2], Me8[Cu(TeOe)2] (Me = N a , Κ, H oder Kombinationen davon), K 3 CuF e , Cu 2 0 3 , NaCu(OH)4, KCu0 2 , Ba(Cu0 2 ) 2 . Man gewinnt letztere Verbindungen („Cuprate") z. B. dadurch, daß man zu Lösungen von Kupferhydroxid in starker Lauge (S. 454) eine Lösung von Hypobromit hinzufügt, wobei die blaue Farbe des „Cuprits" (S. 454) in die rotbraune Farbe des Cuprats umschlägt. Verwendung. Das Kupfer dient in sehr ausgedehntem Maße zur Herstellung von L e g i e r u n g e n . Unter diesen Legierungen seien vor allem diejenigen mit Zink, mit Zinn, mit Aluminium und mit Nickel erwähnt. Die K u p f e r - Z i n k - l e g i e r u n g e n werden als „Messing" bezeichnet. Je naoh dem Zinkgehalt unterscheidet man hier R o t - , Gelb- und W e i ß m e s s i n g . Das rötlichgoldähnliche „Rotmessing" („Tombak") besteht zu 80°/ 0 und mehr aus Kupfer und ist sehr dehnbar, so daß man es zu feinsten Blättchen („unechtes Blattgold", „Bronzefarbe") aushämmern kann. Vergoldet ist es unter dem Namen „Talmi" bekannt. Das „Gelbmessing" enthält 20—40°/0 Zink und dient besonders für Maschinenteile. Das blaßgelbe „Weißmessing" enthält bis zu 80°/ 0 Zink, ist spröde und kann nur gegossen werden. Die K u p f e r - Z i n n - l e g i e r u n g e n werden als „Bronzen" bezeichnet. So besteht z. B. die für besonders zähfeste Maschinenteile (Achsenlager) verwendete „Phosphorbronze" aus 91°/ 0 Cu, 9 % Sn und Spuren P h o s p h o r , welcher die Oxydbildung beim Guß verhindert und so die Dichtigkeit und Festigkeit erhöht. Ähnliche Zusammensetzung besaß die bis zur Einführung der Gußstahlrohre für Kanonenläufe verwendete „Kanonenbronze" („Geschützbronze"). Eine mechanisch besonders widerstandsfähige Bronze („Siliciumbronze") erhält man durch Zusatz von 1—2°/0 S i l i c i u m , welches die elektrische Leitfähigkeit wenig verändert, das Material aber besonders fest, hart und widerstandsfähig macht, so daß es z. B. für die Herstellung der Oberleitungsdrähte und Schleifkontakte der Straßenbahnen geeignet ist. Die zum Glockenguß dienende „Glockenbronze" besteht aus 75—80% Kupfer und 25—20°/o Zinn. Die modernen Kunstbronzen („Statuenbronze") enthalten neben bis zu 10°/0 Zinn zur Erhöhung der Gießbarkeit und Bearbeitungsfähigkeit noch etwas Zink und Blei. Die früheren deutschen Kupfermünzen enthielten 95°/ 0 Cu, 4°/ 0 Sn und 1°/, Zn. Als Lagermetall für Eisenbahnachsen dient eine Legierung aus 78°/ 0 Cu, 7 0 / 0 Sn und 15° '0 Pb.

Das Kupfer

453

Die K u p f e r - A l u m i n i u m - l e g i e r u n g e n finden als „Aluminiumbronzen" mit 5 bis 12°/ 0 Aluminium Verwendung. Sie besitzen goldähnliche Farbe und Glanz, sind gegenüber dem Kupfer zäher, härter und schmelzbarer und dienen wegen ihrer großen Festigkeit und Elastizität z. B. zur Herstellung von Waagebalken und Uhrfedern. Weiterhin bestanden die deutschen 5- und 10-Rentenpfennigstücke aus Kupfer (91.5°/0) und Aluminium (8.5°/0). Unter den K u p f e r - N i c k e l - l e g i e r u n g e n ist auf das „Konstantan" (60°/ 0 Cu, 4 0 ° / o Ni) hinzuweisen, dessen elektrischer Widerstand fast unabhängig von der Temper a t u r ist. Die früheren deutschen Nickelmünzen enthielten 75°/ 0 Cu und 25°/ 0 Ni. Eine Legierung von 55—60°/ 0 Cu, 12—26°/ 0 Ni und 19—31°/ 0 Zn wird als „Neusilber" (versilbert: „Alpaka") bezeichnet. Wegen seiner ausgezeichneten elektrischen Leitfähigkeit dient Kupfer weiterhin zur Herstellung e l e k t r i s c h e r L e i t u n g e n , wegen seiner Widerstandsfähigkeit an der Luft zu D a c h b e d e c k u n g e n und wegen seiner guten Wärmeleitfähigkeit zur Herstellung von Heizrohren, Kühlschlangen, Waschkesseln, Braupfannen usw.

b) Kupfer(I)-Verbindungen Kupfer (I)-oxid Cu 2 0. Versetzt man K u p f e r ( I ) - s a l z l ö s u n g e n mit A l k a l i , so entsteht ein g e l b e r Niederschlag von K u p f e r ( I ) - o x i d , der beim Erwärmen in gröberkristallines r o t e s Kupfer(I)-oxid übergeht: 2 Cu' + 2 OH' — C u , 0 + Η,Ο.

(1)

M a n benutzt diese charakteristische Fällung von rotem Kupfer(I)-oxid bei der „FEH· LiNGschen Probe" zum Nachweis von Zucker, indem man die auf Zucker zu prüfende Lösung (z. B. Harn) mit einer alkalischen Lösung von Kupfersulfat und Seignettesalz {„FEHLING sehe Lösung", S.454) kocht, wobei der Zucker das zweiwertige Kupfer zum einwertigen reduziert, welches gemäß (1) reagiert. I m f e u c h t e n Zustande oxydiert sich das Kupfer(I)-oxid an der Luft leicht zu blauem K u p f e r ( I I ) - h y d r o x i d Cu(OH)¡¡: Cu 2 0 + V 2 0 2 + 2 H 2 0 2 C u ( O H ) 2 . Aus dem gleichen Grunde färbt sich eine farblose Lösung von Kupfer(I)-oxid in Ammoniak durch Sauerstoffabsorption rasch blau (vgl. S. 454). Kupier(I)-Chlorid CuCl (Smp. 422°, Sdp. 1366°) entsteht beim Erwärmen von K u p f e r ( I I ) - c h l o r i d und metallischem K u p f e r (CuCl2 + Cu->- 2CuCl) in konzentrierter Salzsäure als komplexe Säure H [CuCl J ; beim Verdünnen der Lösung zerfällt diese Säure unter Abspaltung von Salzsäure und Bildung eines weißen Niederschlags von CuCl. In t r o c k e n e m Zustande ist die Verbindung an der Luft b e s t ä n d i g . Im f e u c h t e n Zustande oxydiert sie sich an der Luft leicht zu grünem basischem K u p f e r ( I I ) - c h l o r i d : 2CuCl + J / 2 0 2 -f- H 2 0 —> 2Cu(OH)Cl. I n konzentrierter S a l z s ä u r e und A m m o n i a k löst sich Kupfer(I)-chlorid farblos unter K o m p l e x bildung: CuCl-f HCl - ν H [CuCl J bzw. CuCl + 2 N H 3 - v [ C u ( N H 3 y Cl. Die Lösungen besitzen die Fähigkeit, unter Bildung einer Komplexverbindung der Formel [CuCl(CO)] K o h l e n o x i d zu absorbieren, wovon m a n sowohl bei der G a s a n a l y s e wie bei der technischen A m m o n i a k s y n t h e s e (vgl. S. 226f.) Gebrauch macht. Kupfer(I)-jodid CuJ (Smp. 605°, Sdp. 1290°) bildet sich im Gemisch mit J o d als bräunlich-weißer Niederschlag beim Versetzen einer K u p f e r s u l f a t lösung mit K a l i u m j o d i d , da das zweiwertige Kupfer durch das Jod-ion zu einwertigem Kupfer reduziert wird, welches mit unverändertem Jodid schwerlösliches, weißes K u p f e r (I) - j o d i d bildet : Cu" + J ' —>- Cu' + V»J2 Cu" + J' — ν CuJ Cu" + 2 J ' — C u J + i/, J 2 .

454

Die Kupfergruppe

Man beDutzt die Reaktion zur q u a n t i t a t i v e n B e s t i m m u n g v o n K u p f e r , indem man das freiwerdende J o d mit Natriumthiosulfatlösung titriert (vgl. S. 216). Kupfer(I)-Cyanid CuCN kann auf analoge Weise wie Kupfer(I)-jodid durch Zusammengehen von K u p f e r s u l f a t - und K a l i u m c y a n i d l ö s u n g als weißer Niederschlag erhalten werden: Cu" + 2CN' —>- CuCN + Va(CN)2. Im Ü b e r s c h u ß v o n K a l i u m c y a n i d löst es sich zu dem farblosen, sehr beständigen K o m p l e x s a l z K 3 [Cu(CN) 4 ] auf: CuCN -F- 3CN' —>- [Cu(CN)4]'". Daß wirklich ein K o m p l e x s a l z und nicht nur ein D o p p e l s a l z CuCN· 3KCN (vgl. S. 391) entstanden ist, erkennt man hier wie in anderen Fällen daran, daß das Komplex-ion k e i n e d e r g e w ö h n l i c h e n R e a k t i o n e n seiner Bestandteile (Cu' und CN') zeigt. So fällt z. B. beim Einleiten von Schwefelwasserstoff in die Komplexsalzlösung kein Kupfer(I)-sulfid Cu 2 S aus, weil der Komplex so beständig (vgl. S. 160), d. h. so wenig gemäß [CuiCNjJ'" < > Cu' + 4CN' dissoziiert ist, daß das Löslichkeitsprodukt von CugS nicht erreicht wird.

c) Kupfer(II)-Verbindungen Kupfer (II) -oxid CuO entsteht als schwarzes Pulver beim Erhitzen von metallischem K u p f e r an der L u f t : Cu + VaOa CuO + 37.5 kcal. Umgekehrt gibt es an reduzierende Substanzen bei erhöhter Temperatur seinen Sauerstoff leicht wieder ab, wovon man bei der „organischen Elementaranalyse" (II, S. off.) zur Bestimmung von W a s s e r s t o f f (Verbrennung zu Wasser) und K o h l e n s t o f f (Verbrennung zu Kohlendioxid) Gebrauch macht. Kupfer(Π)-hydroxid Cu(0H) Ä scheidet sich als flockiges, voluminöses, hellblaues Oxidhydrat ab, wenn man eine K u p f e r ( I I ) - s a l z l ö s u n g mit A l k a l i l a u g e versetzt: Cu" + 2OH' —>- Cu(OH)2. Beim Kochen der Flüssigkeit — langsam auch schon bei gewöhnlicher Temperatur — f ä r b t sich der Niederschlag unter Abspaltung von Wasser und Bildung von K u p f e r ( I l ) - o x i d schwarz: Cu(OH)¡¡ —>- CuO + H 2 0 . B e s t ä n d i g e s , kristallines, himmelblaues Hydroxid („Bremerblau") erhält man, wenn man zuerst b a s i s c h e s K u p f e r s a l z fällt und das gut ausgewaschene basische Salz mit A l k a l i l a u g e behandelt. Bei Gegenwart von „Seignettesalz" (Kalium-natrium-tartrat) KNaC 4 H 4 O e werden Kupfersalze d u r c h A l k a l i e n n i c h t g e f ä l l t ; vielmehr entsteht in diesem Falle eine tiefblaue Lösung, in welcher ein K u p f e r - T a r t r a t - K o m p l e x vorliegt. Unter dem Namen ,,FEHLING sehe Lösung" dienen derartige alkalische Kupfersalzlösungen zum Nachweis r e d u z i e r e n d e r S t o f f e (S. 453). I n k o n z e n t r i e r t e n A l k a l i l a u g e n löst sich Kupfer(II)-hydroxid mit tiefblauer Farbe merklich unter Bildung von Cupriten·. Cu(OH) 2 -F 2 0 H ' ^ = ± : C U ( 0 H ) 4 " . Ebenso ist Kupfer(II)-hydroxid in A m m o n i a k · w a s s e r mit intensiv kornblumenblauer Farbe als K o m p l e x s a l z [Cu(NH 3 ) 4 ] (OH) 2 löslich ; die Lösung heißt , , S C H W E I Z E R S Reagens" (II, S. 255) und besitzt die Eigenschaft, Z e l l u l o s e a u f z u l ö s e n , wovon man bei der Herstellung der „Kupferseide" (II, S. 258) Gebrauch macht. Kupfer(II)-Chlorid CuClj (Smp. 498°, Sdp. 993°) entsteht beim Auflösen von K u p f er( I I ) - o x i d in S a l z s ä u r e und Eindampfen der Lösung als grünesDihydrat CuCl2 • 2 H 2 0 . Sehr v e r d ü n n t e wässerige Lösungen des Chlorids sind hellblau gefärbt und enthalten

Das Kupfer

455

wie alle verdünnten Kupfer(II)-salzlösungen das Komplex-ion [Cu(H20)4] " ; die grünbraune Farbe k o n z e n t r i e r t e r , namentlich salzsaurer Lösungen ist wohl auf die Bildung komplexer Ionen des Typus [CuCl4]" zurückzuführen; m i t t e l s t a r k e Lösungen zeigen die grüne Farbe des Dihydrats [CuCl2(H20)2]. Beim Erhitzen auf 150° im Chlorwasserstoffstrom entsteht das braungelbe, wasserfreie Chlorid CuCl2. Dieses wird in der Wärme durch S a u e r s t o f f leicht in Chlor und Kupferoxid übergeführt (1), welches sich durch Chlorwasserstoff wieder in das Chlorid zurückverwandeln läßt (2) : CuCl2 + V 2 O a CuO + 2HCl

CuO + Cl2 >- CuCl2 + H 2 Q

2 HCl + V 2 0 2 — >- H 2 0 + CI2.

(1) (2) (3)

Auf dem Wechselspiel beider Reaktionen beruht die k a t a l y t i s c h e Wirkung des Kupferchlorids bei der Chlordarstellung aus Chlorwasserstoff und Luft (3) nach dem DEACON-V erfahren (S. 81). Kupfer(II) - b romid CuBr2 (Smp. 498°) ist braunschwarz gefärbt ; Kupfer(II)-j odid CuJ 2 ist unbeständig und zerfällt sofort in Kupfer(I)-jodid CuJ und Jod (S. 453 f.). Kupfer (II)-sulfat CUSO4 ist das bekannteste unter den Kupfersalzen. Es entsteht beim Auflösen von K u p f e r in heißer verdünnter Schwefelsäure bei L u f t z u t r i t t : Cu + V 2 0 2 + H 2 S 0 4 — » - CuS0 4 + H 2 0

und kristallisiert aus der Lösung als P e n t a h y d r a t CuS0 4 · 5 H 2 0 {„Kupfervitriol") in Form großer, blauer, durchsichtiger trikliner Kristalle aus. Von den fünf Molekülen Kristallwasser des Hydrats sitzen vier in komplexer Bindung am Kupfer, das f ü n f t e am Sulfat-ion (S. 406) : [Cu(H20)4] S 0 4 · H 2 0. Bei 100° getrocknet verlieren die Kristalle — unter Zwischenbildung eines Trihydrats (S. 119f.) — vier Mol Wasser; das so gebildete Monohydrat CuS0 4 - H 2 0 gibt das letzte Mol Wasser erst oberhalb von 200° ab. Die wasserfreie Verbindung CuS0 4 ist weiß und nimmt unter Blaufärbung leicht wieder Wasser auf. Man benutzt diese Farbänderung zum Nachweis kleiner Mengen Wasser, z.B. in Alkohol. Versetzt man Kupfersulfatlösungen mit Ammoniakwasser, so bildet sich zunächst ein bläulicher Niederschlag von basischem S u l f a t ; dieser löst sich im Ammoniaküberschuß unter Bildung einer intensiv dunkelblauen Lösung (empfindlicher Kupfernachweis!), aus der sich das kristalline K o m p l e x s a l z [Cu(NH3)4]S04 · H¡¡0 isolieren läßt. Die tiefblaue Farbe kommt dem „Tetrammin-kupfer(II)-ion" [Cu(NH3)4]" zu, welches dem hellblauen „Tetraquo-kuffer(II)-ion" [Cu(H 2 0) 4 ]" (s. oben) entspricht. Der T e t r a m m i n - k o m p l e x [Cu(NH3)4]" ist nicht so stark komplex wie der früher (S. 454) erwähnte T e t r a c y a n o - k o m p l e x [Cu(CN)4]"' (vgl. S. 160). Daher kommt es, daß die im Gleichgewicht befindliche Kupferionenkonzentration ( [Cu(NH3)4]" ^ z ì i Cu" +4NH 3 ) in diesem Falle dazu ausreicht, um mit Schwefelwasserstoff schwerlösliches K u p f e r s u l f i d zu ergeben. Kupfersulfatlösungen finden unter anderem in der „Galvanoplastik" zur Vervielfältigung von Kunst- und kunstgewerblichen Gegenständen, Münzen usw. Verwendung. Zu diesem Zwecke schaltet man die durch Überbürsten mit Graphit leitend gemachte, vertiefte Gips-, Wachs- oder Guttapercha-Matrize als K a t h o d e in einer K u p f e r sulfatlösung mit einer Anoden platte aus reinem Kupfer zusammen. Bei gut geregelter Elektrodenspannung scheidet sich dann auf der Kathode eine leicht ablösbare, dünne Kupferschicht ab, die alle Einzelheiten der Matrize mit größter Genauigkeit wiedergibt. Sonstige Kupfer(H)-Verbiudungen. Kupfer(II)-nitrat [Cu(H s O) 4 ](NO s ), · 2H s O kristallisiert aus Lösungen von Kupfer in Salpetersäure nach weitgehendem Eindampfen in Form blauer, säulenförmiger, bei 26° in ihrem Kristallwasser schmelzender und an der Luft leicht zerfließender

456

Die Kupfergruppe

Prismen. Normales Kupfer(II)-carbonat ist nicht bekannt. Wohl aber kennt man basieohe Carbonate wechselnder Zusammensetzung, welche beim Versetzen von Kupfer(II)-salzlösungen mit Alkaliearbonaten entstehen. Von den in der Natur vorkommenden basischen Carbonaten haben wir bereits den als Halbedelstein geschätzten grünen Malachit CuC0 3 · Cu(OH)s und den blauen Kupferlasur 2CuCO s · Cu(OH)2 erwähnt. Das bei der Einwirkung von Essigsäuredämpfen auf Kupferplatten entstehende basische Kupferacetat ist unter dem Namen „Grünspan" bekannt und wird als Malerfarbe verwendet. Andere grüne Malerfarben sind das „ScHEELEeche Qrün" (ein Gemisch von basischem und normalem Arsenit) und das „Schioeinfurter Grün" (ein gemischtes Kupfer-arsenit-acetat 3Cu(As0 2 ),· Cu(CH3COO)a).

Physiologische Wirkung von Kupferverbindungen. Die löslichen Kupferverbindungen sind für den Menschen nur m ä ß i g giftig. So kann ein erwachsener Mensch beispielsweise täglich 100 mg Kupfer in Form von Kupfersulfat zu sich nehmen, ohne Schaden an der Gesundheit zu erleiden. Dagegen ist das Kupfer für n i e d e r e Organismen ein h e f t i g e s G i f t . So sterben z. B. Bakterien und Fäulniserreger in Wasser, das sich in einem kupfernen Gefäß befindet, rasch ab. Daher halten sich auch Blumen in kupfernen Vasen besser als in gläsernen. In gleicher Weise wirkt eine in das Wasser gelegte blankgeriebene Kupfermünze günstig.

2. Das Silber a) Elementares Silber o) Vorkommen Silber kommt als edles Metall ( ε 0 = + 0.81 Volt) in der Natur vielfach gediegen vor. In gebundenem Zustande findet es sich in Form von S i l b e r e r z e n und von s i l b e r h a l t i g e n E r z e n . Die hauptsächlichsten Silbererzlagerstätten liegen in Mexiko, den Vereinigten Staaten, Südamerika und Kanada. Unter den e i g e n t l i c h e n S i l b e r e r z e n (die allerdings meist auch nur wenige Prozente Silber enthalten) seien als wichtigste genannt der Silberglanz (Argentit) Ag 2 S, der Kupfersilberglänz Cu2S · Ag2S, sowie S i l b e r d o p p e l s u l f i d e mit Arsen- und Antimonsulfid ( z . B . Arsenfahlerz 4Ag 2 S-As 2 S 3 , lichtes Rotgültigerz 3 Ag2S · As 2 S 3 , Antimonfahlerz 4 A g 2 S - S b 2 S 3 , dunkles Rotgültigerz 3 A g 2 S - S b 2 S 3 , Silberantimonglanz Ag2S · Sb 2 S 3 ). In kleiner Menge tritt das Silber auch als Hornsilber AgCl auf. Unter den s i l b e r h a l t i g e n E r z e n ist vor allem der Bleiglanz PbS zu nennen, welcher 0.01—1 °/ 0 Silber in Form von Silbersulfid Ag2S enthält. Ebenso ist häufig der Kupferkies CuFeS 2 silberhaltig. Bei der Gewinnung von Blei und Kupfer aus diesen Erzen sammelt sich das Silber im R o h b l e i (S. 357, 457f.) und R o h k u p f e r (S. 451f.) an, aus denen dann das Silber isoliert werden kann. Vielfach schlägt man beim Bleiund Kupfergewinnungsprozeß absichtlich Silbererze zu, um auf diese Weise das Silber in diesen Metallen anzureichern. ß) Darstellung von ß o h s i l b e r Aus Silbererzen Die Gewinnung des Silbers aus seinen E r z e n erfolgt meist auf nassem Wege durch die „Cyanidlaugerei". Bei diesem Verfahren wird das zu feinem S c h l a m m zerk l e i n e r t e Material unter guter D u r c h l ü f t u n g mit 0.1—0.2°/ o iger N a t r i u m oyanidlösung ausgelaugt, wobei sowohl metallisches Silber wie Silbersulfid und Silberchlorid als k o m p l e x e s S i l b e r Cyanid in Lösung gehen: 2Ag + H 2 0 + V»O, + 4NaCN — > - 2Na[Ag(CN) a ] + 2NaOH AgjS + 4NaCN

2Na[Ag(CN),] + Na,S

2AgCl + 4NaCN — > - 2Na[Ag(CN),] + 2NaCl.

(1) (2)

(3)

Dae Silber

457

Da die Reaktion (2) zu einem Gleichgewicht führt, muß bei der Auslaugung sulfidischer Silbererze das gebildete Natriumsulfid Na2S durch Einblasen von Luft oxydiert ( 2 S " + 2 0 2 + H 2 0 —>- S 2 0 3 " + 2 OH') oder durch Zusatz von Bleisalz gefällt (Pb" + S " — ν PbS) und so aus dem Gleichgewicht entfernt werden. Aus den erhaltenen klaren Laugen fällt man das Silber durch Einrühren von Z i n k oder A l u m i n i u m s t a u b (vgl. S. 167) aus (2Ag" + Z n — ν 2Ag + Zn"): 2Na[Ag(CN) a ] + Zn — » - Na 2 [Zn(CN) 4 ] + 2 A g ,

filtriert dann die Aufschlämmung durch Filterpressen und schmilzt die so erhaltenen, zu 95°/0 aus Silber bestehenden Preßkuchen ein. Die Reinigung dieses R o h s i l b e r s erfolgt wie später (S. 458) beschrieben. Das für die Cyanidlaugerei erforderliche N a t r i u m c y a n i d kann technisch durch Überleiten von A m m o n i a k g a s über geschmolzenes N a t r i u m und Glühen des gebildeten N a t r i u i n a m i d s (Na + NH S > NaNH a + Va 11 *) mit K o h l e gewonnen werden („CASTNER-KELLNEF-

Verfahren")·.

2NaNH a + C Natriumamid

_ 2H

,r

— >- Na a N a C - - - - — ν 2 NaCN . Natriumcyanarald

Natriumcyaold

Aus Werkblei Bei der B l e i g e w i n n u n g aus Bleiglanz findet sich der Silbergehalt des Bleiglanzes im W e r k b l e i (S. 357) wieder. Um das Silber aus diesem zu isolieren, muß es vorher angereichert werden. Anreicherung des S i l b e r s Die Anreicherung kann nach zwei Verfahren erfolgen, die nach ihren Erfindern P A B K B S bzw. P A T T I N S O N als ,,1'arkesieren" bzw. „Pattinsonieren" bezeichnet werden. Die gebräuchlichere Methode ist das P a r k e s i e r e n . Parkesieren. Das Verfahren des P a r k e s i e r e n s bedient sich der Tatsache, daß bei Temperaturen unterhalb von etwa 400° Zink und B l e i praktisch n i c h t m i t e i n a n d e r m i s c h b a r sind (so daß sich geschmolzene Zink-Blei-Mischungen beim Abkühlen unter 400° in zwei Schichten — eine flüssige Schicht von Blei (Smp. 327°) und eine darauf schwimmende, spezifisch leichtere Schicht von festem Zink (Smp. 419°) — trennen), während S i l b e r in geschmolzenem Zink l e i c h t löslich ist und sich beim Erstarren der Zinkschmelze in Form von Zink- S i l b e r - M i s c h k r i s t a l l e n ausscheidet (vgl. S. 470f.). Man kann dementsprechend das in geschmolzenem Blei enthaltene Silber gewissermaßen mit geschmolzenem Zink (1—lV2°/o des Bleigewichts) „ausschütteln". Im einzelnen verfährt man bei diesem Verfahren der „Zinkentsilberung" so, daß man dem über den Zinkeohmelzpunkt erhitzten silberhaltigen Werkblei nicht gleich die Gesamtmenge, sondern zunächst nur etwa den zehnten Teil des erforderlichen Zinks zusetzt, gut einrührt und abkühlt, wobei sich ein „ Z i n k s c h a u m " abscheidet, der weniger Silber, dafür alles Kupfer und Gold des Werkbleis enthält und gesondert aufgearbeitet wird. Dann erhitzt man wieder und rührt die Hälfte des restlichen Zinks ein, welches die Hauptmenge des Silbers herausnimmt, so daß der Silbergehalt des Bleis auf 0.03°/o heruntergeht. Nach dem Abkühlen und Abheben auch dieses silberreichen Schaums wird mit der zweiten Hälfte des Zinks alles Silber bis auf einen Silbergehalt von 0 . 0 0 0 5 % (5 g Süber je 1000 kg Blei) herausgeholt.

Der silberhaltige, durch anhängendes entsilbertes Blei {,,Armblei") verunreinigte Z i n k s c h a u m wird nun in einem Seigerkessel vorsichtig bis über den Schmelzpunkt des Bleis erwärmt, wobei das anhängende Armblei ausseigert, das dann zum Armblei des Entsilberungskessels zurückgegeben wird. Der nach der Ausseigerung zurückbleibende Zinkschaum {„Reichschaum") enthält rund 75°/0 Blei und bis zu 10°/0 Silber. Aus ihm wird durch Erhitzen das Zink (Sdp. 907°) abdestilliert. Das so gewonnene „Reichblei", das 8—12% Silber enthält, geht zum „Treibprozeß" (s. S. 458).

458

Die Kupfergruppe

Pattinsonieren. Die theoretischen Grundlagen des P a t t i n s o n i e r e n s ergeben sich aus dem Schmelzdiagramm der Silber-Blei-Legierungen (vgl. S. 466ff.). Nach diesem Diagramm scheidet sich beim Abkühlen von geschmolzenem silberhaltigem Blei so lange r e i n e s B l e i ab, bis der Gehalt an Silber auf 2 . 5 % (entsprechend dem bei 304°C schmelzenden Eutektikum) gestiegen ist. L a ß t man daher geschmolzenes silberhaltiges Werkblei erkalten und schöpft die dabei sich ausscheidenden Bleikristalle laufend mit siebartigen Schöpflöffeln ab, so bleibt zum Schluß ein „Reichblei" zurück, welches bis zu 2.5 °/0 Silber enthält. Während beim Parkesieren etwa vorhandenes Wismut im Armblei zurückbleibt, wird beim Pattinsonieren auch das Wismut zusammen mit dem Silber entfernt. Daher wird das — gegenüber dem Zinkentsilberungsverfahren sonst ganz zurücktretende — Verfahren des Pattinsonierens mit Vorteil bei der Entsilberung wismuthaltigen Werkbleis angewandt (vgl. S. 288). Isolierung des angereicherten Silbers Zur I s o l i e r u n g des angereicherten S i l b e r s wird das Reichblei der „Treibarbeit" („Kupellation") unterworfen. Sie besteht darin, daß man auf das in einem Flammofen („Treibherd") geschmolzene Metall einen W i n d s t r o m leitet, wodurch das B l e i , nicht aber das edlere Silber oxydiert wird. Die so gebildete B l e i g l ä t t e PbO wird laufend durch seitliche Rinnen („Glättegassen") flüssig (Smp. 884°) abgezogen; ein Teil der Glätte wird auch vom Ofenfutter aufgenommen oder d a m p f t weg. E t w a vorhandenes Wismut reichert sich in der zuletzt gebildeten Glätte an. Gegen Ende des Prozesses bleibt auf dem flüssigen Silber nur noch ein feines Häutchen Bleiglätte zurück, das bald hier bald dort zerreißt und dabei die glänzende Oberfläche des geschmolzenen S i l b e r s durchblicken läßt („Silberblick"). Das gewonnene Rohsilber enthält 9 5 % und mehr Silber und heißt „Blicksilber". γ ) Reinigung von Rohsilber Die R e i n i g u n g des nach einem der vorstehend beschriebenen Verfahren gewonnenen R o h s i l b e r s erfolgt zweckmäßig auf e l e k t r o l y t i s c h e m W e g e („MttBitigV erfahren"). Zu diesem Zwecke vergießt man das Rohsilber zu etwa 1 cm starken A n o d e n p l a t t e n , die in analoger Weise wie bei der elektrolytischen Kupferraffination (vgl. Fig. 128, S. 451) in einer a.ls Elektrolyt dienenden salpetersauren S i l b e r n i t r a t l ö s u n g mit K a t h o d e n aus dünn gewalztem F e i n s i l b e r b l e c h zusammengeschaltet werden. Bei der Elektrolyse gehen an der Anode S i l b e r und die Verunreinigungen an K u p f e r und B l e i in Lösung, während vorhandenes G o l d als solches abfällt und sich zusammen mit anderen Resten als „Anodenschlamm" in einem „Anodensack" sammelt. An der K a t h o d e scheidet sich reines E l e k t r o l y t s i l b e r aus. Da die Abscheidung nicht in Form eines glatten, zusammenhängenden Überzugs, sondern in Form loser, verästelter Kristalle („Dendriten") erfolgt, sind zur Vermeidung eines zwischen Anode und Kathode auftretenden K u r z s c h l u s s e s scherenförmige A b s t r e i f e r vorhanden, die sich während der Elektrolyse hin und her bewegen und die Silberkristalle in einen E i n s a t z k a s t e n abstreifen. Das so gewonnene „Feinsilber" ist 99.6—99.9 0 /jig. Der goldreiche A n o d e n s c h l a m m wird mit Schwefelsäure oder Salpetersäure ausgekocht, eingeschmolzen und für die G o l d e l e k t r o l y s e zu 95—97%igen G o l d a n o d e n vergossen (S. 465). δ) Physikalische Eigenschaften Das Silber ist ein weißglänzendes, in regulären Oktaedern kristallisierendes Metall vom spezifischen Gewicht 10.50, welches bei 960.5° schmilzt und bei 1980° unter Bildung eines einatomigen, blauen Dampfes siedet. E s leitet die Wärme und Elektrizität am besten unter allen Metallen (κ18ο = 6.14 χ 10® reziproke Ohm) und läßt sich wegen

Das Silber

459

seiner Weichheit und Dehnbarkeit leicht zu feinsten, blaugrün durchscheinenden Folien von nur 2/iooo—3/iooo m l T 1 Dicke aushämmern und zu dünnsten, bei 2 km Länge nur 1 g wiegenden Drähten („Filigrandraht") ausziehen. In geschmolzenem Zustande löst es leicht Sauerstoff, der dann beim Erstarren des Silbers unter Aufplatzen der Oberfläche („Spratzen") wieder entweicht. e) Chemische Eigenschaften Entsprechend seiner Stellung in der Spannungsreihe (S. 167) ist das Silber ein e d l e s M e t a l l . Als solches oxydiert es sich auch bei höherer Temperatur nicht an der L u f t . Erst bei Anwendung h ö h e r e r S a u e r s t o f f d r u c k e verbindet es sich in der W ä r m e mit S au ers t o f f gemäß dem Gleichgewicht 2Ag -(- 1 / 2 0 2 Ag 2 0 + 6.95 kcal. Wegen dieser L u f t b e s t ä n d i g k e i t werden Gebrauchs- und Ziergegenstände aus Kupfer oder Kupferlegierungen häufig mit einem S i l b e r ü b e r z u g versehen. Dies geschieht zweckmäßig auf e l e k t r o l y t i s c h e m W e g e durch „galvanische Versilberung", indem man auf den Gegenständen das Silber k a t h o d i s c h aus einer Lösung von K a l i u m c y a n o a r g e n t a t K[Ag(CN)2] niederschlägt, aus der sich das Silber nicht wie aus Silbernitratlösungen in gröberen Kristallen (S. 458), sondern in z u s a m m e n h ä n g e n d e r und daher l e i c h t p o l i e r b a r e r S c h i c h t abscheidet (vgl. S. 461). Dagegen erfolgt die Versilberung von G l a s zur Herstellung von S p i e g e l n zweckmäßig auf c h e m i s c h e m W e g e durch Aufgießen und Erwärmen einer mit einem geeigneten R e d u k t i o n s m i t t e l (z. B. Seignettesalz, S. 454) versetzten a m m o n i a k a l i s c h e n Silbernitratlösung. Das schwärzliche „Anlaufen" des Silbers an der Luft beruht auf einer Reaktion mit dem in bewohnten Räumen stets spurenweise enthaltenen S c h w e f e l w a s s e r s t o f f , wobei sich schwarzes S i l b e r s u l f i d Ag 2 S bildet: 2Ag + H 2 S + 1/202—>- Ag 2 S + H 2 0 . P a l l a d i u m g e h a l t e von 20—30°/ 0 machen das Silber a n l a u f b e s t ä n d i g . N i c h t o x y d i e r e n d e S ä u r e n wie Salzsäure greifen Silber nicht an. I n S a l p e t e r s ä u r e löst sich Silber leicht, in k o n z e n t r i e r t e r S c h w e f e l s ä u r e erst bei erhöhter Temperatur. Wie das Kupfer tritt auch das Silber in seinen chemischen Verbindungen ein- und zweiwertig auf. In diesem Falle ist aber die e i n w e r t i g e Stufe die b e s t ä n d i g e r e ; die z w e i w e r t i g e Stufe läßt sich — abgesehen vom Silber(II)-fluorid AgF 2 — nur bei Stabilisierung durch K o m p l e x b i l d u n g erhalten (S. 461f.). Auch einzelne Komplexverbindungen des d r e i w e r t i g e n Silbers sind bekannt, z . B . die Perjodato- und Telluratokomplexe K 7 [Ag(JO e ) 2 ], K„H[Ag(JO e ) 2 ], Na 7 H 2 [Ag(TeO e ) 2 ], Na e H 3 [Ag(TeO e ) 2 ] und das komplexe Fluorid KAgF 4 . ζ) Verwendung Silber wird nicht in reinem Zustande verarbeitet, da es für die gewöhnlichen Zwecke zu w e i c h ist. Durch Legierung mit K u p f e r wird es härter, ohne den Silberglanz zu verlieren. Daher bestehen die meisten silbernen Gegenstände aus S i l b e r - K u p f e r L e g i e r u n g e n . So enthalten z. B . die Silbermünzen der meisten Staaten 9 0 % Ag und 10°/ 0 Cu, während die silbernen Gebrauchsgegenstände meist aus 80°/ 0 Ag und 20°/ 0 Cu bestehen. Man bezieht den Silbergehalt silberner Gegenstände gebräuchlicherweise auf 1000 Gewichtsteile und nennt den so sich ergebenden Gehalt „Feingehalt". Ein S o n g e s Silber weist also beispielsweise einen Feingehalt von 800 auf. Beträchtliche Mengen an Silber werden weiterhin zum V e r s i l b e r n von Gebrauchsgegenständen und zur Herstellung von S p i e g e l n verbraucht.

460

Die Kupfergruppe

b) S i l b e r ( I ) - V e r b i n d u n g e n Silberoxid AgsO fällt beim Versetzen einer S i l b e r s a l z l ö s u n g mit L a u g e n als dunkelbrauner Niederschlag aus: 2Ag" + 2OH' — ν

2AgOH

AgaO + H a O.

Es löst sich nur wenig in Wasser (0.2 Millimol/Liter bei 25°) ; die Lösung reagiert infolge Anwesenheit von AgOH b a s i s c h . Wegen des stark basischen Charakters von AgOH reagieren die S i l b e r s a l z e zum Unterschied von den meisten anderen Schwermetallsalzen in wässeriger Lösung n e u t r a l , unterliegen also nicht wie diese der Hydrolyse. Beim Erhitzen auf 200° zerfällt das Silberoxid in reversibler Reaktion in seine Elemente : Ag 2 0 z^zt. 2Ag + 1 / 2 0 2 . Will man es daher bei erhöhter Temperatur aus den Elementen gewinnen, so muß man einen Sauerstoffdruck wählen, der höher als der Dissoziationsdruck ist (vgl. S. 459). Reduktionsmittel wie Wasserstoff oder Wasserstoffperoxid reduzieren das Oxid leicht zum Metall. Silbernitrat AgNOj ist das wichtigste Silbersalz und dient als Ausgangsmaterial für die Darstellung aller anderen Silberverbindungen. Man gewinnt es durch Auflösen von S i l b e r in S a l p e t e r s ä u r e : 3Ag + 4HNO s — > • 3 A g N 0 3 + NO + 2H a O

in Form schöner rhombischer, bei 209° schmelzender Kristalle. Es löst sich in Wasser sehr leicht (215 g AgN0 3 /100 g Wasser bei 20°) zu einer neutral reagierenden Lösung. Auf die Haut wirkt festes Silbernitrat o x y d i e r e n d und ä t z e n d unter Abscheidung von dunklem Silber ein. Daher dienen Stäbchen von Silbernitrat als „Höllenstein" {„Lapis

infernalis")

in d e r Medizin zur B e s e i t i g u n g von W u c h e r u n g e n .

Silberchlorid AgCl (Smp. 455°, Sdp. 1550°) kommt in der Natur als Hornsilber vor und fällt als charakteristischer „käsiger", weißer, am Licht sich dunkel färbender (S. 462) Niederschlag beim Versetzen einer S i l b e r n i t r a t l ö s u n g mit Chlor-ionen aus: Ag· + Cl' — > AgCl. Diese Fällung von schwerlöslichem Silberchlorid dient sowohl zum q u a l i t a t i v e n N a c h w e i s wie zur q u a n t i t a t i v e n B e s t i m m u n g von Silber bzw. Chlor. Die q u a n t i t a t i v e B e s t i m m u n g kann „gravimetrisch" („gewichtsanalytisch") durch Wägen des ausgefällten Silberchlorids oder „titrimetrisch" („maßanalytisch") durch Titration der Silbersalzlösung mit eingestellter Chloridlösung bzw. der Chloridlösung mit eingestellter Silbersalzlösung („Argentomeirie") erfolgen („Fällungsanalyse"). Der Endpunkt bei der Titration macht sich durch ein plötzliches K l a r w e r d e n der über dem Niederechlag stehenden Lösung bemerkbar („Klarpunkt"). Solange die Lösung nämlich noch überschüssige Chlor- oder Silber-ionen enthält, wirken diese stabilisierend auf das bei der Fällung neben dem käsigen Niederschlag gebildete kolloide Silberchlorid ein (vgl. S. 337), so daß die Lösung über dem Niederschlag trübe erscheint. In dem Augenblick, in dem die letzte Menge des stabilisierenden Ions ausgefällt ist, flockt das Kolloid aus. Zur scharfen Erkennung und Bestimmung der Opaleszenz und des Klarpunktes bedient man sich bei Präzisionsanalysen eines Trübungsmessers („Nephelometer").

1 L i t e r W a s s e r löst bei 25°nur 1.3 Xl0~ 5 Mol Silberchlorid auf (LAgCi = 1-7 X 10~10). Auch in S a l p e t e r s ä u r e ist Silberchlorid praktisch unlöslich. Sehr leicht löst es sich unter Komplexsalzbildung in A m m o n i a k - , N a t r i u m t h i o s u l f a t - und K a l i u m Cyanid lösungen : AgCl + 2NH S - ν [Ag(NH 8 ) 2 ]' + Cl' AgCl + 2 S g 0 3 " — [Ag(S 2 O a ) a ]'" + Cl' AgCl -f 2CN' [Ag(CN) a ]' + Cl'.

(la) (2a) (3a)

Silbcrbromid AgBr (Smp. 434°, Sdp. 700°) fällt beim Zusammengeben einer S i l b e r s a l z l ö s u n g und B r o m i d l ö s u n g a l s käsiger, gelblich-weißer Niederschlag aus. Es ist in Wasser noch schwerer löslich als Silberchlorid (LAgBr = 6-3 X10—18) und löst sich in Ammoniak schwer, in Thiosulfat- und Cyanidlösung leicht auf. Das in Wasser noch schwerer lösliche gelbe Silberjodid AgJ (Smp. 552°; L A g j = 2.0 χ 10 _ 1 β ) löst sich weder in Ammoniak noch in Thiosulfatlösung, sondern nur noch in Cyanidlösung auf.

Das Silber

461

Dieses unterschiedliche Verhalten der drei Silberlialogenide gegenüber Ammoniak, Thiosulfat und Cyanid ist darauf zurückzuführen, daß die Komplex-ionen (la), (2a) und (3a), wenn auch nur s p u r e n w e i s e , so doch in der Richtung vom Ammoniak- zum Cyanidkomplex hin m e r k l i o h a b n e h m e n d dissoziiert sind: [Ag(NH3)a]· ^Zt. [Ag(S 2 0 3 ) 2 ]'" ^ [Ag(CN) 2 ]' ^

Ag + 2NH 3

(lb)

Ag' + 2 S 2 0 3 "

(2b)

Ag" + 2CN'.

(3b)

Daher überschreitet zwar die Silberionenkonzentration einer gesättigten Lösung des leichter löslichen und in Lösung praktisch vollkommen dissoziierten S i l b e r c h l o r i d s die Silberionenkonzentration a l l e r drei Komplex-ionen, so daß sich bei Zugabe von Ammoniak, Thiosulfat oder Cyanid zu einer Silberchlorid-Aufschlämmung die Gleichgewichte (lb), (2b) und (3b) nach links verschieben, entsprechend einer Auflösung des Chlorids. Dagegen reicht die wesentlich geringere Silberionenkonzentration im Falle einer gesättigten Silberbromidlösung nur zur Verschiebung der Gleichgewichte (2b) und (3b), im Falle einer gesättigten Silberjodidlösung nur noch zur Verschiebung des Gleichgewichtes (3b) nach links aus. Die Tatsache, daß aus allen drei Silberkomplexsalz-Lösungen mit S c h w e f e l w a s s e r s t o f f schwarzes S i l b e r s u l f i d Ag3S ausgefällt wird, zeigt, daß die dem Löslichkeitsprodukt des Silbersulfids entsprechende Silberionenkonzentration noch kleiner als selbst die des Silbercyanidkomplexes ist. Damit ergibt sich für die genannten Silberverbindungen folgende Reihe abnehmender Silberionenkonzentration: AgCl — ν [Ag(NH,)2]· — ν AgBr

[Ag(S 2 0 3 ) 2 ]"' — *

AgJ — ν [Ag(CN),]' — > Ag 2 S.

Dieser Reihe entsprechend können aus den verschiedenen Komplexsalzlösungen durch Zusatz löslicher Halogenide nur die r e c h t s , nicht aber die l i n k s neben den Komplexen stehenden Silberverbindungen ausgefällt werden. Von der Dissoziation des Cyanokomplexes gemäß (3b) macht man bei der g a l v a n i s c h e n V e r s i l b e r u n g (S. 459) Gebrauch, bei der sich das im Gleichgewicht befindliche Silber kathodisch in Form eines dichten Überzugs abscheidet, wodurch das Gleichgewicht (3b) gestört unci immer wieder nach rechts „nachverschoben" wird. Die bei der Silberabscheidung in Freiheit gesetzten Cyan-ionen bilden mit den an der Silberanode in Lösung gehenden Silber-ionen neues Komplexsalz. Sonstige Silbersalze. Silberfluorid A g F (Smp. 435°) ist zum Unterschied von den übrigen drei Silberhalogeniden in Wasser leicht löslich. Das durch Lösen von Silber in heißer konzentrierter Schwefelsäure erhältliche Silbersulfat A g 2 S 0 4 löst sich in Wasser nur wenig. Das beim Einleiten von Schwefelwasserstoff in Silbersalzlösungen als schwarzer Niederschlag ausfallende Silber sulfid Ag a S ist das scb werstlösliche Silbersalz.

c) Silber(II) -Verbindungen Durch Oxydation mit s t a r k e n O x y d a t i o n s m i t t e l n bei Gegenwart s t a b i l i s i e r e n d e r K o m p l e x b i l d n e r können Silber(I)-Verbindungen in S i l b e r ( I I ) - V e r b i n d u n g e n übergeführt werden (EAg-*Ag·· = + 1.98 Volt). Geeignete O x y d a t i o n s m i t t e l sind P e r o x o - d i s u l f a t e (Kalium- oder noch zweckmäßiger Ammoniumperoxodisulfat) : S 2 0 8 " + 2Ag· 2 S O , " + 2Ag" sowie der e l e k t r i s c h e S t r o m (anodische Oxydation): Ag' — A g " + θ · Als K o m p l e x b i l d n e r haben sich bewährt: P y r i d i n C 5 H 5 N (I), C 1 0 H g N a (II) und o - P h e n a n t h r o l i n C 12 TT 8 X 2 ( I I I ) :

Λ,α'-Dipyridyl

462

Die Kupfergruppe

So erhält man z . B . durch Zufügen einer halb gesättigten Lösung von K a l i u m p e r o x o d i s u l f a t zu einer Lösung von S i l b e r n i t r a t und P y r i d i n prächtig orangefarbene Prismen von Tetra-pyridino-Silber(II)-peroxodisulfat [Ag(CBH5N)4] S 2 0 8 (I), welche mit der entsprechenden Kupfer(II)-Verbindung Mischkristalle bilden. Durch e l e k t r o l y t i s c h e O x y d a t i o n einer Lösung von S i l b e r n i t r a t und P y r i d i n ist das — gleichfalls in orangeroten Kristallen kristallisierende — Nitrat [Ag(C5H6N)4] (N0 3 ) 2 erhältlich. Bei der Oxydation einer Lösung von S i l b e r n i t r a t und o - P h e n a n t h r o l i n C 12 H e N 2 mit A m m o n i u m p e r o x o d i s u l f a t fällt das schokoladebraune Peroxodisulfat [Ag(Ci 2 H g N 2 ) 2 ] S 2 0 8 (III) aus, das sich in konzentrierter Salpetersäure durch Umsatz mit den entsprechenden Salzen in das Perchlorat, Chlorat, Nitrat und Sulfat überführen läßt. Die Salze bilden mit den analogen Verbindungen des zweiwertigen Kupfers und Cadmiums Mischkristalle und machen aus Jodidlösungen die berechnete Menge J o d frei: A g " - f - J ' — A g ' + 1 / 2 J 2 . Durch Umsatz von S i l b e r n i t r a t , «'-Dipyridyl C 10 H 8 N 2 und K a l i u m p e r o x o d i s u l f a t kommt man zum rötlich-braunen Peroxodisulfat [Ag(C 10 H 8 N 2 ) 2 ] S 2 0 8 (II), das sich durch doppelte Umsetzung mit anderen Salzen in das Nitrat, Chlorat, Perchlorat und Hydrogensulfat überführen läßt. Von n i c h t k o m p l e x e n S a l z e n des zweiwertigen Silbers ist bisher mit Sicherheit nur das Silber (II)-fluorid AgF-j bekannt. Es entsteht bei der Einwirkung von F l u o r auf sehr f e i n v e r t e i l t e s S i l b e r (,,molekulares Silber") unter starker Wärmeentwicklung als dunkelbraunes Pulver: Ag + F a

AgFj + 84.5 kcal.

Die Verbindung ist thermisch sehr beständig; ihr Dissoziationsdruck beträgt beim Schmelzpunkt (690° C) erst 1 / 10 Atmosphäre. Als gutes Fluorierungsmittel kann es mit Vorteil an Stelle von f r e i e m F l u o r benutzt werden, da bei seiner Verwendung die Schwierigkeiten fortfallen, welche die V e r u n r e i n i g u n g e n des elementaren Fluors — namentlich sein S a u e r s t o f f g e h a l t — mit sich zu bringen pflegen. Die hervorragende katalytische Wirkung des Silbers bei der Umsetzung von Gasen mit Fluor dürfte ebenfalls auf die intermediäre Bildung von Silber(II)-fluorid zurückzuführen sein. Die Zweiwertigkeit des Silbers in allen vorgenannten Verbindungen wird durch das Ergebnis magnetischer Messungen (S. 499) bestätigt.

d) Der photographische Prozeß Silberchlorid, -bromid und -jodid färben sich am L i c h t infolge photochemischer Zersetzung in S i l b e r und H a l o g e n langsam erst hell-, dann dunkelviolett und schließlich s c h w a r z : h-v + A g X — ν Ag + V A (4) Von dieser L i c h t e m p f i n d l i c h k e i t , namentlich des Silberbromids, macht man bei der „Photographie" Gebrauch. Die lichtempfindliche Schicht. Zur Herstellung der lichtempfindlichen Schicht auf Platten, Filmen und Papieren werden gelatinehaltige warme Lösungen von S i l b e r n i t r a t und A m m o n i u m b r o m i d miteinander vermischt. Hierbei scheidet sich das Silberbromid nicht wie bei der Vermischung entsprechender w ä s s e r i g e r Lösungen in f l o c k i g e r Form, sondern in so f e i n e r V e r t e i l u n g aus, daß es nur an einem schwachen Opaleszieren der erstarrenden Masse zu erkennen ist. Diese k o l l o i d e Verteilung des Silberbromids ist auf die S c h u t z k o l l o i d w i r k u n g der G e l a t i n e zurückzuführen, die zugleich auch als B i n d e m i t t e l für die Bindung der Schicht auf der Unterlage (Glasplatte, Film, Papier) dient. Die f r i s c h b e r e i t e t e „Bromsilbergelatine" ist zunächst noch w e n i g l i c h t e m p f i n d l i c h und muß noch „reifen", zu welchem Zwecke sie

Das Silber

463

längere Zeit erwärmt und der Einwirkung von Ammoniakgas ausgesetzt wird. Hierbei wird sie undurchsichtig und weißgelb, weil sich die kolloiden Silberbrotnidteilchen zu g r ö ß e r e n K ö r n c h e n von 2/iooo—3/iooo m m Durchmesser vereinigen. Das latente Bild. Bei der B e l i c h t u n g der lichtempfindlichen Schicht im photographischen Apparat entstehen an der belichteten Steile infolge der obenerwähnten photochemischen Zersetzung des Silberbromids in Silber und Brotn (4) Spuren von koll o i d e m , in Silberbromid verteiltem Silber(„Photohaloid"), während das gleichzeitig gebildete freie Brom durch die Gelatine gebunden wird. Je i n t e n s i v e r die Belichtung an einer Stelle ist,um so g r ö ß e r ist auch die Anzahl der an dieser Stelle gebildeten „Silberkeime". Die ausgeschiedene Silbermenge ist im ganzen genommen so gering, daß das auf diese Weise gewonnene Bild dem Auge u n s i c h t b a r ist („latentes Bild"). Es muß daher erst noch zum sichtbaren Bild „entwickelt" werden. Das Entwickeln. Zu diesem Zwecke behandelt man die lichtempfindliche Schicht in einer „Dunkelkammer" bei rotem, auf die Schicht praktisch nicht einwirkendem Licht mit r e d u z i e r e n d e n Lösungen. Diese „Entwickler" vermögen das S i l b e r b r o m i d zu S i l b e r zu reduzieren. Die Reduktion setzt aber nur v o n den S t e l l e n aus ein, an denen sich bereits S i l b e r k e i m e befinden; und zwar geht sie an stark b e l i c h t e t e n und daher an Silberkeimen reichen Stellen rascher vor sich als an schwach belichteten, silberkeimarmen Stellen. So kommt es, daß durch die Entwicklung das photographische Bild zum s i c h t b a r e n Bild verstärkt wird. Die unbelicht e t e n Stellen der photographischen Schicht werden vom Entwickler erst bei sehr l a n g e m E n t w i c k e l n angegriffen: das Bild „verschleiert". Das Fixieren. Das durch die Entwicklung gewonnene sichtbare Bild kann noch n i c h t ans T a g e s l i c h t gebracht werden, da es noch unverändertes S i l b e r b r o m i d enthält, welches eine S c h w ä r z u n g des ganzen Bildes am L i c h t hervorrufen würde. Daher muß erst das überschüssige S i l b e r b r o m i d e n t f e r n t werden. Diese Operation („Fixieren") erfolgt mit Hilfe von N a t r i u m t h i o s u l f a t („Fixiersalz"), welches das Silberbromid als l ö s l i c h e s K o m p l e x s a l z — vgl. (2a), S. 460 — bindet. Das nach dem Fixieren und Auswaschen mit Wasser („Wässern") vorliegende, lichtbeständige Bild heißt „Negativ" und ist l i c h t v e r k e h r t , d. h. dunkel an den hellbelichteten Stellen und umgekehrt. Das Kopieren. Zur Herstellung eines w i r k l i c h k e i t s g e t r e u e n Bildes („Positiv") wird das durchsichtige Negativ in der Dunkelkammer mit lichtempfindlichem Papier bedeckt und dieses Papier durch das Negativ hindurch b e l i c h t e t und dann in gleicher Weise wie vorher e n t w i c k e l t und f i x i e r t . Da jetzt bei der Belichtung die d u n k l e n Stellen des Negativs das Licht nur w e n i g durchlassen und u m g e k e h r t , entsteht bei diesem Prozeß des „Kopterens" ein Papierbild („Abzug") mit w i r k l i c h k e i t s g e t r e u e n Schwarz-Weiß-Werten. Das Tonen. Das gewonnene Positiv kann zur Verschönerung des F ä r b tons noch „getont" werden. Zu diesem Zwecke bringt man den Papierabzug in sehr verdünnte G o l d - oder Platinsalzlösung, wobei entsprechend der Stellung der Metalle in der Spannungsreihe (S. 167) Silber in Lösung geht und G o l d bzw. P l a t i n an dessen Stelle tritt: 3Ag + A u " —>- 3Ag + Au. Das Sensibilisieren. Wie wir schon früher betonten (S. 85), können nur solche Lichtstrahlen gemäß (4) photochemisch wirksam sein, welche von dem photochemisch umzusetzenden Stoff a b s o r b i e r t werden. Die gelbliche Farbe des Silberbromids zeigt, daß dieses im Bereich der Komplementärfarbe zu Gelb, nämlich im B l a u absorbiert. Deshalb ist Silberbromid gerade gegenüber den Strahlen, die dem Auge am hellsten erscheinen, den g e l b e n und g r ü n e n , und erst recht natürlich gegenüber den r o t e n une m p f i n d l i c h . Um daher beim Photographieren eine dem Helligkeitsempfinden des 4

464

Die Kupfergruppe

m e n s c h l i c h e n Auges entsprechende Verteilung der photochemischen Einwirkung der verschiedenen Lichtwellenlängen zu erzielen („orthochromatische" Platten und Filme), muß das Bromsilber mit geeigneten F a r b s t o f f e n („Sensibilisatoren") angefärbt werden, welche rotes, gelbes und grünes Licht a b s o r b i e r e n und dessen Energie auf das Silberbromid ü b e r t r a g e n (S. 85).

3. Das Gold a) Elementares Gold Vorkommen. Gold findet sich als sehr edles Metall (ε0 = + 1.42 Volt) in der Natur hauptsächlich in gediegenem Zustande, daneben auch an Tellur gebunden &\s „Schrifterz" AuAgTe4 und als „Blättererz" (Pb, Au) (S, Te, Sb) 1 _ 2 . Das natürlich vorkommende gediegene Gold ist nie chemisch rein, sondern meist ziemlich stark mit Silber sowie mit kleinen Mengen Kupfer, Platin und anderen Metallen verunreinigt. Das auf seiner u r s p r ü n g l i c h e n Lagerstätte (meist in Quarzschichten) gefundene Gold heißt „Berggold" . Bei der Ver W i t t e r u n g der goldführenden Schichten wurde es vom Wasser w eggewaschen und findet sich dann als „Seifengold" oder „Waschgold" in den Flußsanden und Ablagerungen in Form von G o l d s t a u b oder Goldkörnern. Das Meerwasser enthält durchschnittlich 0.01 mg Gold je m3, so daß der Goldgehalt aller Weltmeere zusammengenommen mehrere Millionen Tonnen beträgt ; die Isolierung aus dem Meerwasser ist aber praktisch unrentabel. Die bedeutendsten Goldvorkommen finden sich in Südafrika, Australien und Kalifornien. In Europa ist Siebenbürgen das Hauptgoldland. Außer Golderzen werden für die Goldgewinnung auch technische Nebenprodukte wie Elektrolysenschlämme (S. 451 f. und S. 458) und Krätzen (vgl. S. 352) aufgearbeitet. Gewinnung. Die älteste Methode der Goldgewinnung ist die „Goldwäsche", bei der die zerkleinerten goldhaltigen Gesteine und Sande in W a s s e r aufgeschlämmt werden, wobei sich die Goldflitter und Goldkörnchen wegen ihres großen spezifischen Gewichtes (19.3) rascher a b s e t z e n als die leichteren Begleitmaterialien. Das Verfahren ist primitiv und bringt nur einen Teil des Goldes aus. Bei den m o d e r n e r e n Methoden der Goldgewinnung wird das in Steinbrechern vorgebrochene E r z in P o c h w e r k e n (oder Mühlen) gründlich mit W a s s e r und Q u e c k s i l b e r durchgearbeitet, wobei sich ein großer Teil des Goldes mit dem Quecksilber a m a l g a m i e r t . Der gleichzeitig entstehende, immer noch goldhaltige grobteilige S c h l a m m („Pochtrübe") läuft dann über geneigt liegende a m a l g a m i e r t e K u p f e r p l a t t e n , welche einen weiteren Teil des Goldes zurückhalten. Das gebildete G o l d a m a l g a m wird von den Platten mehrmals am Tage mit einem Schaber abgekratzt. Insgesamt lassen sich so über 60°/ 0 des vorhandenen Goldes ausbringen. Zur Gewinnung des Restes wird das inNaßgrießmühlen zunächst bis zur S c h l a m m f e i n h e i t zerteilte und dann in Eindickem (S. 423) bis auf 50—60°/ 0 Wasser entwässerte Material in „Agitatoren" unter lebhafter Durchmischung und Durchlüftung mit P r e ß l u f t mit 0.1—0.25°/oiger K a l i u m - oder N a t r i u m c y a n i d l ö s u n g ausgelaugt. Hierbei geht das Gold als k o m p l e x e s Cyanid in Lösung: 2Au + H,0 + ViOj -f 4KCN —>- 2K[Au(CN),] + 2KOH. Die Trennung der goldhaltigen Cyanidlösung von den L a u g e r ü c k s t ä n d e n erfolgt nach dem Verfahren der G e g e n s t r o m - D e k a n t a t i o n (S. 423). Aus dem im ersten Teil des Prozesses erhaltenen G o l d a m a l g a m wird das Quecksilber durch Erhitzen a b d e s t i l l i e r t und durch K o n d e n s a t i o n in einem Kühlersystem wieder zurückgewonnen. Das zurückbleibende R o h g o l d schmilzt man in Graphittiegeln ein. Die Fällung des Goldes aus den C y a n i d l a u g e n erfolgt wie beim

465

Dae Gold

Silber (S. 457) mit Z i n k s t a u b : 2K[Au(CN) 2 ] + Zn — > K 2 [Zn(CN)J + 2Au, wobei sich das Gold als Schlamm abscheidet, der abfiltriert und verschmolzen wird. Die Reinigung dea Rohgoldes von S i l b e r und anderen Verunreinigungen kann auf c h e m i s c h e m W e g e (durch Behandeln mit konzentrierter Schwefelsäure, in welcher sich die Verunreinigungen lösen) oder durch E l e k t r o l y s e erfolgen. Bei der e l e k t r o l y t i s c h e n Goldraffination werden Anoden aus R o h g o l d (S. 458) in einer salzsauren G o l d c h l o r i d l ö s u n g mit K a t h o d e n aus F e i n g o l d b l e c h zusammengeschaltet (vgl. S. 451f. und S. 458). Das entstehende E l e k t r o l y t g o l d ist 99.98%ig. Der gleichzeitig gebildete Anodenschlamm dient als Ausgangsmaterial für die Gewinnung der enthaltenen P l a t i n m e t a l l e . Physikalische Eigenschaften. Reines Gold ist ein gelbrotes {„goldgelbes") weiches Metall vom spezifischen Gewicht 19.3, welches bei 1063° zu einer grün leuchtenden Flüssigkeit schmilzt und bei 2700° siedet. Seine auffallendste Eigenschaft ist seine Dehn- und Walzbarkeit. So kann man es z. B. zu blaugrün durchscheinenden Blätt1/ der Wellenlänge von rotem Licht) ausschlagen. chen von nur 0.0001 mm Dicke 10 Elektrische und Wärmeleitfähigkeit betragen rund 70°/0 der des Silbers. Chemische Eigenschaften. Als typischer Vertreter der edlen M e t a l l e (S. 167) wird Gold von L u f t und S ä u r e n nicht angegriffen. L ö s u n g s m i t t e l für Gold sind nur starke Oxydationsmittel wie Chlorwasser und K ö n i g s w a s s e r oder K o m p l e x bildner wie K a l i u m c y a n i d l ö s u n g (bei Luftzutritt). In seinen Verbindungen tritt Gold ein- und dreiwertig auf. Die Verbindungen sind alle thermisch nicht sehr beständig und zersetzen sich beim Erwärmen leicht unter Zurücklassung des Metalls. Verwendung. Gold wird zur Herstellung von Schmuckstücken und Luxusgegenständen aller Art sowie zu Münzzwecken verwendet. Da es in reinem Zustande hierfür zu weich ist, legiert man es mit anderen Metallen, meist K u p f e r oder Silber. So bestehen z. B. die Goldmünzen der meisten Staaten aus 90°/0 Gold und 10°/0 Kupfer. Wie beim Silber (S. 459) gibt man auch hier gebräuchlicherweise den Feingehalt an Gold in Tausendsteln an. Früher rechnete man nach K a r a t und bezeichnete reines Gold als „24-karätig". Ein 18-karätiger goldener Gegenstand besitzt also einen GoldFeingehalt von 750, d. h. er besteht zu 75°/0 aus Gold. In Form von „CASSIUSschein Goldpurpur", einer beim Zusammengeben von Goldsalzlösung und Z i n n ( I I ) - c h l o r i d l ö s u n g entstehenden Adsorptionsverbindung von kolloidem Gold und kolloidem Z i n n d i o x i d (2Au" + 3 S n " — 2 A u + 3 S n " " ; Sn"" + 2H20 SnOa + 4H") dient Gold zum Färben von Glasflüssen (vgl. S. 341f.) und Porzellan (vgl. S. 346). So stellt z. B. das prächtig rot gefärbte „Goldrubinglas" eine kolloide Lösung von Gold in Glas dar.

b) Verbindungen des Golds Gold(I)-Verbindungen. Bei der Einwirkung von Kalilauge auf Gold(III)-salzlösungen bei Gegenwart eines Reduktionsmittels (z. B. schwefliger Säure) entsteht dunkelviolettes Gold{I)-hydroxid AuOH (Au'" + 2 θ 4- OH' —>- AuOH), welches bei 200° in das Gold(I)-oxid Au 2 0 übergeht (2AuOH — A u 2 0 + HaO), das sioh bei 250° in seine Bestandteile spaltet. Gold(I)-cMorid AuCl (Smp. 170°) entsteht beim Erhitzen von Gold(III)-chlorid auf 185 0 ( AUC1 3 —>• AuG + Cl2) als zitronengelbes, in Wasser unlösliches Pulver. Es zerfällt bei weiterem Erhitzen leicht in seine Elemente und disproportioniert sich beim Erwärmen unter Wasser in Gold und Gold(III)-chlorid : 3AuCl —>- 2Au + AuClg. Gold(I)-jodid AuJ (Smp. 120°) entsteht analog dem Kupfer(I)-jodid (S. 463) beim Versetzen einer Gold(III)-salzlösung mit Kaliumjodid : Au"" + 3 J ' — A u J + J s . Das beim Auflösen von Gold in Kaliumcyanidlösung bei Luftzutritt entstehende komplexe Cyanid Κ [Au(CN)j] dient zur galvanischen Vergoldung. H o l U m a n - W i b e r g , Anorganische Chemie.

47.—66. Aufl.

30

466

Die Kupfergruppe

Gold (ΠΙ)-Verbindungen. Versetzt man eine Gold(III)-salzlösung mit Alkali, so fällt das gelbe Gold(III)'hydroxid Au(OH)g aus, das als solches nicht isolierbar ist, sondern beim Trocknen in das braune Metahydroxid AuO(OH) übergeht. Im Überschuß von Alkali löst sich das Hydroxid unter Bildimg von Meta-auraten AuO¡¡Me; es besitzt also amphoteren Charakter. Die wichtigste Goldverbindung ist das Gold(III)-chlorid AuCl3. ES entsteht beim Überleiten von Chlor über feinverteiltes Gold bei 180° und stellt eine gelbbraune, unter erhöhtem Chlordruck bei 2 8 8 ° schmelzende Masse dar. In W a s s e r löst sich das Chlorid mit gelbroter Farbe unter Bildung eines Hydrats AuClg H 2 0, das sich wie eine Säure H[AUC13(OH)] verhält und beim Versetzen mit Silbernitrat ein schwerlösliches gelbes Silbersalz ergibt. In S a l z s ä u r e löst sich das Gold(III)-chlorid mit hellgelber Farbe unter Bildung von Tetrachlorogoldsäure Η [AUC14] , welche beim Einengen der Lösung als Tetrahydrat H [AuClJ · 4 H 2 0 in Form langer, hellgelber, sehr zerfließlicher Nadeln erhalten werden kann. Die Salze dieser Säurβ („Tetrachloro-aurate") geben in wässeriger Lösung die gewöhnlichen Goldreaktionen, so daß man annehmen muß, daß das Komplex-ion AUC14' unbeständig ist. Das Kaliumsalz Κ [AuClJ · l / 2 H 2 0 ist das am meisten benutzte Goldsalz. Durch Reduktionsmittel wie Wasserstoffperoxid, Hydroxylamin, Hydrazin, schweflige Säure, Eisen(II)-salze wird aus Goldsalzlösungen leicht elementares Gold als brauner bis schwarzer Niederschlag ausgefällt.

4. Schmelz- und Erstarrungsdiagramme binärer Systeme Auf S. 458 wiesen wir darauf hin, daß man nach dem PATTiNSON-Prozeß durch Abkühlen silberhaltigen Bleis das Silber bis zu einem Gehalt von 2.5°/0 anreichern kann. Die Frage nun, ob und in welcher Weise und bis zu welchem Grade man ganz a l l gemein aus einem gegebenen Gemisch mehrerer Metalle einzelne Komponenten in reinem Zustande zur Abscheidung bringen kann, hängt von dem jeweiligen Typus des Schmelz- und E r s t a r r u n g s d i a g r a m m s des fraglichen Systems ab. Wir wollen uns daher im folgenden etwas näher mit einigen G r u n d t y p e n solcher Diagramme für den e i n f a c h s t e n Fall der b i n ä r e n Systeme befassen, wobei es für unsere Betrachtungen belanglos ist, ob das binäre flüssige System aus zwei geschmolzenen M e t a l l e n oder Salzen oder aus der wässerigen Lösung eines S a l z e s oder aus einer homogenen Mischimg zweier F l ü s s i g k e i t e n besteht. Bei der Abkühlung eines solchen flüssigen binären Systems bestehen zwei Mögl i c h k e i t e n : es können sich entweder reine S t o f f e oder M i s c h k r i s t a l l e abscheiden. Wir behandeln zunächst den ersten Fall.

a) Abscheidung reiner Stoffe α) Keine Yerbindungsbildung Löst man in einer Flüssigkeit Α (ζ. Β. Wasser) einen Stoff Β (ζ. Β. Silbernitrat) auf, so wird der G e f r i e r p u n k t von A e r n i e d r i g t (vgl. S.57f.). Trägt man die Gefrierpunkte in Abhängigkeit von dem Gehalt an Β in ein K o o r d i n a t e n s y s t e m (Ordinate: Erstarrungspunkt ; Abszisse: Molprozente A bzw. B) ein, so erhält man dementsprechend eine a b f a l l e n d e K u r v e (Kurve A—C in Fig. 129). Dasselbe ist der Fall, wenn man in flüssigem Β steigende Mengen von A auflöst (Kurve Β—C in Fig. 129). Die beiden Kurven schneiden sich in einem t i e f s t e n P u n k t C („eutektischer Punkt"). Hier scheidet sich beim Abkühlen einer flüssigen Lösung der gegebenen Zusammen-

Schmelz- und Erstarrungsdiagramme binärer Systeme

467

Setzung s o w o h l festes A a l s a u c h festes Β in Form eines mikroskopischen G e m e n g e s der reinen Kristalle beider Bestandteile („Eutcktikum" 1 ) ab. Durch die genannten Kurven wird das Diagramm in verschiedene Z u s t a n d s f e l d e r eingeteilt. O b e r h a l b der Kurven befindet sich das Gebiet der u n g e s ä t t i g t e n L ö s u n g e n . Hier können T e m p e r a t u r und Z u s a m m e n s e t z u n g der Lösung weitgehend v a r i i e r t werden, ohne daß es zur Bildung einer f e s t e n P h a s e kommt. Denn da wir hier ein Gleichgewicht zwischen nur 2 Phasen Ρ ( L ö s u n g unter dem eigenen D a m p f d r u c k ) bei 2 Bestandteilen Β haben, bestehen nach dem P h a s e n g e s e t z von GIBBS ( S . 1 9 0 ff.) 2 Freiheitsgrade F ( P + F = Β + 2 = 4 ) . Erst dann, wenn beim Abkühlen solcher ungesättigter Lösungen die Temperaturen der G e f r i e r p u n k t s k u r v e n er\RewerSiofÄ

v ' / / γ ^ Α ί η Β / / / / , ' / /. • ; Trennung Ίή testés A / / / , Schmelzpunkt! des Eutektikums

Γ7teinerStofî&\

1

'übersättigte

Lösungen

iron Bin

A

{Trennung in festes β und gesättigte Lösungen)·

kI

o Mo,'prozente A m

MoiprozenteB

Fig. 129. Schmelzdiagramm: Abscheidung reiner Stoffe ohne Verbindungsbildung

reicht werden, kommt es zur Abscheidung von f e s t e m A oder B . Kühlen wir ζ. B . eine Lösung von der Zusammensetzung des Punktes 1 (Fig. 129) ab, bewegen wir uns also in der Richtung des gestrichelten Pfeils abwärts, so scheidet sich bei der Temperatur des Schnittpunktes mit der Kurve A—C f e s t e s A ab, da hier j a der Erstarrungspunkt von A erreicht ist. Dadurch wird die Lösung ä r m e r an A, was gemäß Kurve A—C eine E r n i e d r i g u n g des Gefrierpunktes bedingt. Wir bewegen uns damit auf der Kurve A—C a b w ä r t s , bis schließlich beim Punkte C auch der Erstarrungspunkt von Β erreicht ist und somit das E u t e k t i k u m ausfällt, das die primär ausgeschiedenen A -Kristalle umhüllt. I n analoger Weise scheidet sich beim Abkühlen einer Lösung von der Zusammensetzung 2 zunächst r e i n e s Β aus, das dann in das später ausfallende E u t e k t i k u m C eingebettet wird. 1

eutektos (εύτεκτος) = leicht schmelzbar.

30*

468

Die Kupfergruppe

Wie daraus hervorgeht, geben die K u r v e n A—C und Β—C das Gebiet der ges ä t t i g t e n Lösungen wieder. Hier haben wir 1 F r e i h e i t s g r a d weniger als bei den u n g e s ä t t i g t e n Lösungen, da sich hier eine weitere — die feste — Phase mit im G l e i c h g e w i c h t befindet. Wir können daher entweder die Gefriertemperatur wählen, womit die Zusammensetzung der flüssigen Mischung gegeben ist, oder die Zusammensetzung vorgeben, was eine zwangsläufige Festlegung des Gefrierpunktes bedingt. U n t e r h a l b der Kurven liegt das Gebiet der ü b e r s ä t t i g t e n Lösungen. Denn hier enthalten die Lösungen mehr A bzw. B, als dem durch die Kurven vorgeschrie-

Mo/prozen/e Ñ too Maiprozente Β

Fig. 130. Schmelzdiagramm: Abscheidung reiner Stoffe mit Verbindungsbildung

benen S ä t t i g u n g s w e r t entspricht. Diese Lösungen sind dementsprechend i n s t a b i l und zerfallen — wie dies an einer übersättigten Lösung von der Zusammensetzung des Punktes 3 (Fig. 129) gezeigt ist — in f e s t e s Β (bzw. A) und g e s ä t t i g t e Lösungen. Besonders a u s g e z e i c h n e t ist der Punkt C. Eine Lösung dieser Zusammensetzung und Temperatur erstarrt bei k o n s t a n t b l e i b e n d e r Temperatur zu einem feinkristallinen Gemisch von festem A und festem Β ( E u t e k t i k u m ) . Entsprechend dem Phasengesetz von Gibbs besteht hier keine W a h l f r e i h e i t mehr, da sich v i e r Phasen (Dampf, Lösung, festes A und festes B) miteinander im G l e i c h g e w i c h t befinden {„Quadrupelpunkt"). U n t e r h a l b des konstanten Erstarrungspunktes liegen nur f e s t e Mischungen vor, und zwar links von der Zusammensetzung des Eutektikums feste Mischungen von A und Eutektikum, rechts davon feste Mischungen von Β und Eutektikum. — Beispiele für den durch Fig. 129 wiedergegebenen Typus von Schmelz- und Erstarrungsdiagrammen sind die Systeme Silber-Blei (vgl. S. 458), AluminiumoxidKryolith (vgl. S. 382) und Wasser-Silbernitrat :

469

Schmelz- und Erstarrungsdiagramme binärer Systeme Komponente A Formel Smp. Ag Al,Oj AgNOa

961° 2050« 209°

Komponente Β Formel Smp. Pb Na,AlF, HjO

327° 1000° 0"

Eutektikum C Smp. Gew.-°/o 2.5% Ag 18.5°/o AljOs 47.1°/ 0 AgN0 3

304° 935" — 7.3°

Sie lassen sich alle gemäß dem vorstehend Gesagten durch einfaches Erstarrenlassen der flüssigen Mischung in festes A (bzw. B) und Eutektikum trennen. I RpinerStofffi\

IfeinerStoff8\

tjbersâffiofe Lòsunoen vontì/nΒ

(Jivutwy in Mistti*rfital/t un/ççsUfigfr iäsvnfffrr)

0 MolpmmtvA too MotpœemtB Fig. 131. Schmelzdiagramm: Abscheidung von Mischkristallen ohne Mischungslücke

ß) Bildung einer Verbindung Bilden die beiden Komponenten A und Β des binären Systems miteinander eine V e r b i n d u n g , ζ. B. der Formel AB, so kann sowohl der Stoff A wie der Stoff Β mit der Verbindung AB ein Diagramm vom Typus der Fig. 129 bilden. Fügen wir diese beiden Diagramme an der für beide gemeinsamen Ordinate zusammen, so entsteht ein Diagramm vom Typus der Fig. 130, in welcher die gestrichelte Ordinate in der Mitte die gemeinsame Ordinate darstellt. Wie wir daraus ersehen, macht sich die Bildung einer Verbindung im Erstarrungsdiagramm durch das Auftreten eines Maximums in der Gefrierpunktskurve bemerkbar. Von dieser Tatsache macht man häufig zur Ermittlung der Zusammensetzung von Verbindungen Gebrauch. Beispielsweise hat man auf diesem Wege die Hydrate der Schwefelsäure (S. 209) nachgewiesen. Im übrigen liegen die Verhältnisse im hier behandelten Fall ganz analog wie bei Fig. 129. Auch hier lassen sich abgegrenzte Z u s t a n d s g e b i e t e erkennen, deren Bedeutung aus der Beschriftung von Fig. 130 hervorgeht und deren Lage und Form die Möglichkeit der Trennung flüssiger Gemische in festes A (bzw. B) und A B bedingt.

470

Die Kupfergruppe

b) Abscheidung von Mischkristallen α) Lückenlose Mischungsreihe Scheiden sich beim Abkühlen eines binären Systems keine reinen S t o f f e , sondern M i s c h k r i s t a l l e aus, so kommen zu den in Fig. 129 wiedergegebenen beiden Kurven A—C und Β—C der gesättigten Lösungen („Liquiduskurven"1) gemäß Fig. 131 noch zwei w e i t e r e Kurven A—C und Β—C („Soliduskurven"2) hinzu, welche die Zusammensetzung der M i s c h k r i s t a l l e angeben, die sich bei den verschiedenen Tempe\foinerStotf7F\

I fíeimr Sto/f~e\

-1 Schmelzpunkt

o Mo/pmzente wo Mo/prazente

von 3 \

/) Β

Fig. 132. Schmelzdiagramm: Abscheidung von Mischkristallen mit Misohungslücke

raturen mit den durch die Liquiduskurven gekennzeichneten gesättigten Lösungen im G l e i c h g e w i c h t befinden. Denn im allgemeinen haben die aus einer gesättigten Lösung ausfallenden M i s c h k r i s t a l l e eine a n d e r e Zusammensetzung als die Lösung. Wie ein Vergleich von Fig. 131 mit Fig. 129 zeigt, entsprechen bei ersterer die S o l i d u s kurven den O r d i n a t e n von Fig. 129. Dementsprechend scheiden sich im Falle eines Diagramms nach dem Typus von Fig. 131 die übersättigten Lösungen — wie an einer Lösung von der Zusammensetzung des Punktes 1 gezeigt ist — nicht in gesättigte Lösungen und festes A (bzw. B), sondern in gesättigte Lösungen und Mischkristalle. Auch im Falle von Fig. 131 ist wie bei Fig. 129 eine Trennung des binären Systems in reines A (bzw. B) und Kristalle G möglich, jedoch bedarf es hierzu zum Unterschied von dort eines f r a k t i o n i e r t e n Schmelzens und Erstarrens. Die Verhältnisse liegen dabei ganz analog wie bei dem früher schon behandelten Fall der Trennung von Sauerstoff-Stickstoff-Gemischen durch fraktionierte Destillation und Kondensation 1 2

liquidus = flüssig. solidua = fest.

Schmelz- und Erstarrungediagramme bin&rer Systeme

471

(S. 32ff.). Wir brauchen nur an die Stelle der dort gebrauchten Begriffe Siedekurve, Taukurve, fraktionierte Destillation, fraktionierte Kondensation, flüssig, gasförmig, Verdampfen, Kondensieren usw. die Begriffe Soliduskurve, Liquiduskurve, fraktioniertes Schmelzen, fraktioniertes Erstarren, fest, flüssig, Schmelzen, Gefrieren usw. zu setzen. Genau wie dort werden auch hier die Schmelzpunktsverhältnisse nicht immer durch das etwas kompliziertere Bild von Fig. 131, sondern häufig auch durch ein dem Zustandsdiagramm der Sauerstoff-Stickstoff-Gemische (Fig. 16, S. 33) analoges einfacheres Diagramm (entsprechend dem linken bzw. rechten T e i l von Fig. 131) wiedergegeben. Als Beispiele für diesen Typus seien die Systeme Kupfer-Gold und Kaliumchlorid-Natriumchlorid angeführt. ß) Vorhandensein einer Mischungglücke Nicht immer brauchen die Komponenten A und Β wie im Falle des in Fig. 131 wiedergegebenen Systems eine l ü c k e n l o s e Reihe von Mischkristallen zu bilden. Vielmehr kann in der Mischungsreihe auch eine mehr oder minder große M i s c h u n g s l ü c k e vorkommen. Dann geht Fig. 131 in Fig. 132 über. Der Unterschied zwischen beiden Fällen besteht darin, daß die gesättigten Lösungen im eutektischen Punkt C bei Fig. 131 in e i n h e i t l i c h e M i s c h k r i s t a l l e der gleichen Zusammensetzimg, bei Fig. 132 in ein feinkristallines G e m e n g e v o n M i s c h k r i s t a l l e n der Zusammensetzung I und I I übergehen. I m übrigen gilt für solche Systeme mit Mischungslücke das für Systeme ohne Mischungslücke Gesagte.

Kapitel XVIII

Die Zinkgruppe 1. D a s Zink a) Elementares Zink α) Vorkommen Zink kommt in der Natur nur gebunden vor. Das für die Verhüttung wichtigste Z i n k e r z ist die Zinkblende ZnS. In zweiter Linie sind der Zinkspat („edler Galmei") ZnC0 3 und das Kieselzinkerz („Kieselgalmei") Zn 2 Si0 4 · H 2 0 zu nennen. Die anderen Erze sind von untergeordneter Bedeutung. Die Hauptfundstätten für Zinkblende und Zinkspat sind Oberschlesien, Belgien, Frankreich, England, Australien und die Vereinigten Staaten. ß) Gewinnung Die Darstellung von Zink kann auf t r o c k e n e m W e g e durch Reduktion von Zinkoxid mit Kohle oder auf n a s s e m W e g e durch Elektrolyse von Zinksulfatlösungen erfolgen. Nach dem ersteren Verfahren werden etwa 2/s> nach dem letzteren 1/ der Welterzeugung gewonnen. Das erforderliche Z i n k o x i d wird aus der Zinki blende durch Rösten (S. 206), aus dem Zinkspat durch Brennen (S.407) erzeugt: ZnS + 17 2 0 2

>- ZnO + SO, + 113 kcal

17 kcal + ZnCO, —>• ZnO + COa.

Die Zinksulfatlösungen gewinnt man aus den so Produkten durch Auslaugen mit Schwefelsäure: ZnO +

H J S O J

erhaltenen

zinkoxidhaltigen

^ ZnS04 + HaO.

Trockenes Verfahren. Beim trockenen Verfahren wird die g e r ö s t e t e Z i n k b l e n d e („Röstblende") bzw. der g e b r a n n t e G a l m e i mit gemahlener K o h l e im Überschuß vermischt und in geschlossenen D e s t i l l i e r g e f ä ß e n („Muffeln") aus feuerfestem Ton (Schamotte) auf 1100—1300° e r h i t z t . Hierbei findet eine R e d u k t i o n des Oxids zu elementarem Z i n k s t a t t : 57 kcal + ZnO + C Zn + CO. Wegen der hohen Temperatur entweicht das Zink (Sdp. 907°) d a m p f f ö r m i g und wird in V o r l a g e n aus Schamotte, die vor den Muffeln angebracht sind (Fig. 133), zu f l ü s s i g e m M e t a l l k o n d e n s i e r t . Die R e s t e des Zinkdampfes (5—13%) schlagen sich in außen auf die Vorlagen aufgesteckten B l e c h b e h ä l t e r n („Vorstecktuten") als Z i n k s t a u b nieder. Die B e h e i z u n g der Zink-Muffelöfen erfolgt in der Regel mit G e n e r a t o r g a s , wobei die Verbrennungsluft im G e g e n s t r o m durch die heißen Verbrennungsabgase immer wieder vorgewärmt wird (vgl. S. 532). Das in den Vorlagen erhaltene f l ü s s i g e R o h z i n k ist 97—98°/^ und enthält stets mehrere Prozente Blei und einige Zehntelprozente Eisen, sowie Spuren von Cadmium und Arsen. Die R e i n i g u n g dieses Rohzinks erfolgt zweckmäßig durch

Dae Zink

473

f r a k t i o n i e r t e D e s t i l l a t i o n , wobei Zink (Sdp. 907°) und Cadmium (Sdp. 767°) zuerst übergehen, während Blei (Sdp. 1750°) und Eisen (Sdp. 2735°) im Rückstand zurückbleiben. Das blei- und eisenfreie Zink wird dann nochmals destilliert und kondensiert, wobei sich der größte Teil des Zinks als „Feinzink" (99.99%) verflüssigt, während sich das flüchtigere Cadmium zusammen mit Zinkdampf als „Cadmiumstaub" 4 0 % Cd) niederschlägt. Der bei der Zinkerzverhüttung in den Blechtuten sich ansammelnde Z i n k s t a u b stellt ein feines, graublaues Pulver von Zinkmetall dar, dessen Partikelchen von unmeßbar dünnen Oxidhäutchen umhüllt sind, so daß der Staub nicht ohne weiteres zu Metall zusammengeschmolzen werden kann. E r enthält etwa 9 0 % des Cadmium gehaltes der ganzen Beschickung und bildet zuMuffe/ofen sammen mit dem obigen Cadmiumstaub das Ausgangsmaterial für die Cadmiumgewinnung (S. 476). Der geschilderte Zinkhüttenprozeß ist der unvollk o m m e n s t e aller Verhüttungsprozesse, da 10—15°/ 0 des im Erz ursprünglich enthaltenen Metalles verlorengehen und nur kleine Einheiten umgesetzt werden können. Die Verluste entstehen durch Absorption von Zink durch das Muffelmaterial, durch Verflüchtigung von Zink durch die Wandung hindurch, durch Entweichen von Zinkdämpfen aus den Vorlagen und durch unvollständige Reduktion.

Zm/tsfaub. l/orstecktufey flüssiges Z/n/r

Muffe/ fìósfguf une/ ffofrs fíáumasche

Fig. 133.? Zink-Muffelofen

Nasses Verfahren. Bei dem nassen Verfahren werden die durch Auslaugen von gerösteter Zinkblende oder gebranntem Galmei mit Schwefelsäure erhaltenen Z i n k s u l f a t l ö s u n g e n unter Verwendung von B l e i a n o d e n und A l u m i n i u m k a t h o d e n e l e k t r o l y s i e r t , wobei sich das Zink als E l e k t r o l y t z i n k auf dem Aluminium niederschlägt und alle 24 Stunden abgezogen und umgeschmolzen wird. Das so gewonnene „Feinzink" ist wie das nach dem Trockenverfahren erhaltene und gereinigte 99.99%ig. Die Abscheidung des Zinks aus den sauren Lösungen wird durch die hohe Überspannung des Wasserstoffs am Zink ermöglicht. Um eine glatte Abscheidung des Zinks zu erzielen, müssen die verwendeten Zinksalzlösungen a u ß e r o r d e n t l i c h rein sein. Die Reinigung erfordert r e c h t e r h e b l i c h e K o s t e n und u m f a n g r e i c h e A n l a g e n . Daher hat die Elektrolyse das Muffelverfahren noch nicht verdrängt. Wie sich neuerdings gezeigt hat, kann bei Verwendung von Q u e c k s i l b e r als Kathodenmaterial auf die Hochreinigung der Zinksalzlösungen verzichtet werden. Man erhält dabei auf dem Wege über ein Z i n k a m a l g a m ein 99.999%iges, nur noch 0.001% Verunreinigungen enthaltendes Feinstzink („Kuss-Verfahren"). γ ) Physikalische Eigenschaften Das Zink ist ein bläulich-weißes Metall vom spezifischen Gewioht 7.13. Bei gewöhnlicher Temperatur ist es ziemlich spröde; bei 100—150° wird es aber so weich und dehnbar, daß es zu dünnem Blech ausgewalzt und zu Draht gezogen werden kann ; oberhalb von 200° wird es wieder spröde. Der Schmelzpunkt Hegt bei 419.4°, der Siedepunkt bei 907°. Der Zinkdampf ist nach der Dampfdichtebestimmung einatomig.

474

Die Zinkgrappe

S) Chemische Eigenschalten An der L u f t ist Zink beständig, da es sich mit einer dünnen, festhaftenden Schutzs c h i c h t von Zinkoxid bzw. basischem Zinkcarbonat überzieht. Wegen dieser Luftbeständigkeit findet es vielfach Verwendung für D a c h b e d e c k u n g e n sowie zum ,, Verzinken" von Eisenblech und Eisendraht, das durch Eintauchen in geschmolzenes Metall, durch Metallspritzverfahren oder auf elektrolytischem Wege vorgenommen wird. Beim E r h i t z e n an der Luft bis zum Siedepunkt verbrennt das Zink unter intensiver Lichterscheinung zu Z i n k o x i d : Zn + ν 2 0 2 — > - ZnO + 3.3kcal.

Entsprechend seiner Stellung in der Spannungsreihe (ε 0 = —0.76 Volt) entwickelt Zink mit S ä u r e n Wasserstoff (S. 167): Zn + 2 H X —>• ZnX, -f H, + Energie.

(1)

In den Trockenelementen der T a s c h e n l a m p e n b a t t e r i e n nutzt man die dabei freiwerdende E n e r g i e zur Erzeugung eines e l e k t r i s c h e n S t r o m e s aus (Zn—>-Zn" + 2 θ ; 2 θ + 2Η" -—>- H 2 ). Diese Elemente bestehen aus einem als Anode dienenden Z i n k b l e c h z y l i n d e r , der eine konzentrierte A m m o n i u m c h l o r i d l ö s u n g (NH 4 ' NH3 + H") und als K a t h o d e einen mit grobfadigem Gewebe versohnürten, von Braunstein (s. unten) umgebenen G r a p h i t s t a b („Puppe") enthält. Die Entwicklung von W a s s e r s t o f f , die zur Ausbildung einer G e g e n s p a n n u n g an der Kathode führen würde („Polarisation"), wird durch den B r a u n s t e i n oder durch mit S a u e r s t o f f ges ä t t i g t e a k t i v e K o h l e vermieden, welche den Wasserstoff zu W a s s e r oxydieren („Depolarisation"). In den üblichen Taschenlampenbatterien sind drei derartige Elemente (von je 1.5—1.7 Volt Spannung) hintereinander geschaltet. Daß Zink mit W a s s e r nicht ebenfalls gemäß (1) (X = OH) unter Wasserstoffbildung reagiert, ist auf die Bildung einer schützenden, schwerlöslichen H y d r o x i d s c h i c h t auf der Oberfläche zurückzuführen (S. 172). Diese kann sich in saurer Lösung naturgemäß nicht ausbilden. Gleiches ist in alkalischer Lösung der Fall (S.475). Bei Vergrößerung der Zinkoberfläche wird die Einwirkung des Wassers merklicher ; so zersetzt Z i n k s t a u b Wasser bereits bei gewöhnlicher Temperatur. S e h r r e i n e s Zink entwickelt mit Säuren bei gewöhnlicher Temperatur fast k e i n e n W a s s e r s t o f f . Dies rührt daher, daß die bei der Lösung des Zinks gebildeten positiven Zinkionen (Zn >- Zn" + 2 © ) eine Annäherung und Entladung der ebenfalls positiven Wasserstoffionen (2H' + 2 θ -—>• Η,) am Zink erschweren. Berührt man aber das sehr reine Zink mit einem P l a t i n b l e c h , so daß die Elektronen zum P l a t i n abfließen und eich h i e r mit den Wasserstoff-ionen vereinigen können, so geht das Zink — unter Wasserstoffentwicklung am P l a t i n — in Lösung. Beim gewöhnlichen Handelezink spielen die V e r u n r e i n i g u n g e n an Kupfer usw. die ßolle des Platins. Man kann solche Fremdmetalle auch künstlich auf Zink niederschlagen. So dienen ζ. B. mit Kupfersulfatlösung behandelte Zinkgranalien (Zn + Cu" — > - Z n " + Cu) als „Zink-Kupier-Paar" zu Reduktionszwecken. Auch sonst kommt den durch die Verunreinigung von Metallen mit anderen Metallen bedingten „Lokalelementcn" hohe praktische Bedeutung zu; so ζ. B . bei der Erscheinung der „Korrosion", d. h. der allmählichen Zerstörung metallischer Werkstoffe durch chemische Einwirkung von außen. Auch hier wird die Auflösung von Metallen in Flüssigkeiten durch die Anwesenheit von F r e m d m e t a l l e n (als Verunreinigungen, als Überzüge usw.) häufig beschleunigt. So rostet z . B . ein mit Z i n n überzogenes Eisenblech („Weißblech") bei einer B e s c h ä d i g u n g der Zinnhaut r a s c h e r als u n v e r z i n n t e s Eisen, weil in dem bei Zutritt von Wasser entstehenden L o k a l e l e m e n t das Eisen die e l e k t r o n e n - a b g e b e n d e , d . h . sich oxydierende Elektrode darstellt. Dagegen bildet v e r z i n k t e s Eisen bei einer Beschädigung der Zinkschicht k e i n e S p u r v o n E i s e n r o s t , weil Zink in der Spannungsreihe ü b e r dem Eisen steht und in diesem Fall daher das Z i n k die negative, s i c h a u f l ö s e n d e Anode darstellt.

Unter den L e g i e r u n g e n des Zinks sind die Z i n k - K u p f e r - L e g i e r u n g e n , die bereits beim Kupfer (S. 452) besprochen wurden, die wichtigsten.

Dae Zink

475

b) Verbindungen des Zinks Zinkwasserstoff ZnHg ist analog Berylliumwasserstoff BeH 2 (S. 402) durch Einwirkung von Diboran (BH 3 ) 2 auf Zinkalkyl ZnR 2 oder Zinkalkoxyl Zn(OR) s in Form von A n l a g e r u n g s v e r b i n d u n g e n ZnHa · BH S = ZnH(BH 4 ) bzw. ZnH2 2 BH 3 = Zn(BH 4 ) 8 : Z n R j + 2 b h 3 — Z n H , + 2 BEL,R, sowie durch Umsetzung ätherischer Lösungen von Zinkjodid und Lithiumalanat in f r e i e m Z u s t a n d e erhältlich: Zn J a + 2 LiAlH4 >- ZnH2 + 2 Li J + 2A1H3 und stellt eine feste, weiße, hochoxydable Substanz dar, die oberhalb von 90° — rasch bei 105° — in die Elemente zerfällt. Zinkoxid ZnO kommt in der Natur als Rotzinkerz vor und wird technisch durch Verbrennen von Z i n k d a m p f an der L u f t hergestellt, indem man Mischungen von oxidischem Zinkerz und Koks in einem Drehrohrofen bei Luftüberschuß der Flamme einer Kohlenstaubfeuerung entgegenschickt. Die mit Zinkoxid beladenen Reaktionsgase passieren eine Flugstaubkaminer, in welcher sich das sogenannte „Voroxid" absetzt, das in den Drehrohrofen zurückkehrt und dabei ein 90- bis 95°/0iges Zinkoxid ergibt. Zinkoxid (Smp. 1260°) wird unter dem Namen „Zinkweiß" als weiße Malerfarbe verwendet; die Anstriche sind Schwefelwasserstoff- und lichtbeständig. Beim Glühen mit K o b a l t o x i d CoO geht es in ein schön grünes Pulver („RINMANS Grün") über (S. 539), das aus Mischkristallen von Zinkoxid und Kobalt(II)-oxid besteht und ebenfalls als Malerfarbe dient. Beim Erhitzen nimmt Zinkoxid zunehmend eine gelbe Farbe an, die beim Abkühlen wieder verschwindet. Zinkhydroxid Ζη(0Η)χ, das in fünf verschiedenen Modifikationen auftritt, fällt beim Versetzen von Z i n k s a l z l ö s u n g e n mit A l k a l i e n als weißer, gelatinöser Niederschlag aus, der sich sowohl in Säuren wie in Basen löst, also a m p h o t e r e Eigenschaften hat. Im ersteren Falle bilden sich Z i n k s a l z e , im letzteren Z i n k a t e : Zn(OH)j + 2H· >- Zn" + 2HaO Zn(OH), + 2 OH' —>- [Zn(OH)4]". In Ammoniak ist Zinkhydroxid unter K o m p l e x s a l z b i l d u n g löslich: Zn(OH), + 4NH, [Zn(NH3)4](OH)2. Zinkchlorid ZnCl» kann durch Erhitzen von Zink im Chlorstrom oder durch Auflösen von Zink in S a l z s ä u r e gewonnen werden. Das wasserfreie Salz schmilzt bei 318° und siedet bei 730° und wird, da es sehr hygroskopisch ist, in der synthetischen Chemie häufig als wasserabspaltendes Mittel verwendet. Aus der wässerigen Lösung, in der ZnCl2 als H2[ZnCl2(OH)2] vorliegt (saure Reaktion), kristallisiert Zinkchlorid als Trihydrat aus. Mischungen von Zinkoxid und konzentrierter Zinkchloridlösung ergeben wie beim Magnesium (S. 405) eine infolge Bildung von basischem Zinkchlorid Zn(OH)CI erhärtende Masse, die man zu Zahnfüllungen verwenden kann. Zinksulfat ZnS0< wird technisch durch vorsichtiges oxydierendes R ö s t e n von Z i n k b l e n d e (ZnS + 2 0 2 — Z n S 0 4 ) oder durch Auslaugen o x i d i s c h e r Z i n k e r z e mit S c h w e f e l s ä u r e (ZnO + H 2 S 0 4 —>- ZnS0 4 + H 2 0) gewonnen und kristallisiert aus wässerigen Lösungen in Form großer, farbloser Kristalle der Zusammensetzung Z n S 0 4 - 7 H 2 0 {„Zinkvitriol") aus, welche mit anderen Vitriolen (ζ. B. MgS0 4 · 7 H 2 0 und F e S 0 4 · 7 H 2 0 ) isomorph sind. Zinksulfid ZnS (Sblp. 1180°) kommt in der Natur als kubische Zinkblende und als hexagonaler Wurtzit vor (s. unten). Es fallt beim Einleiten von S c h w e f e l w a s s e r s t o f f in Z i n k s a l z l ö s u n g e n als amorpher weißer Niederschlag (L = 10 - 2 4 ) aus: Zn" + HjS ZnS + 2H\

476

Die Zinkgruppe

sofern man die dabei entstehende freie Säure bindet. Bei längerem Stehen a l t e r t der Niederschlag (vgl. S. 325) unter Bildung h ö h e r p o l y m e r e r P r o d u k t e , die sich in Säuren weniger leicht lösen. K r i s t a l l i s i e r t e s Zinksulfid, welches Spuren von S o h w e r metallen 0 . 0 1 ° / o ) enthält, hat wie die Sulfide der Erdalkalimetalle (S. 4 1 2 ) die Fähigkeit, nach B e l i c h t u n g im Dunkeln w e i t e r z u l e u c h t e n . Diese Phosphoreszenz tritt auch beim Bestrahlen mit u n s i c h t b a r e n S t r a h l e n (ultraviolettem Licht, Röntgenstrahlen, Kathodenstrahlen, radioaktiven Strahlen) auf. Daher benutzt man Zinksulfid als „S/DO τ sehe Blende" zum Sichtbarmachen von Röntgenstrahlen und radioaktiven Zerfallsprodukten (S. 569, 572). Die kubische Z i n k b l e n d e kristallisiert im Diamantgitter (Fig. 96, S. 294; O = Zn, • = S). Das hexagonaleWurtzitgitter unterscheidet sich vom Zinkblendegitter lediglich in der gegenseitigen Orientierung der einzelnen ZnS4- und SZn 4 -Tetraeder.

2. Das Cadmium Elementares Cadmium. Cadmium kommt in der Natur als Cadmiumblende CdS und als Cadmiumcarbonat CdC0 3 vor, und zwar fast immer als Begleiter der Zinkblende ZnS und des Galmei ZnC0 9 . Daher wird es auch technisch als N e b e n p r o d u k t der Z i n k g e w i n n u n g — sowohl beim trockenen, wie beim nassen Verfahren — gewonnen. Bei der t r o c k e n e n Zinkgewiimung wird Cadmium als e d l e r e s ( ε ^ = — 0.40Volt; εζη = — 0 . 7 6 Volt) und n i e d r i g e r s i e d e n d e s (Sdp.d = 767°; Sdp. Zn = 907°) Metall l e i c h t e r r e d u z i e r t und v e r d a m p f t . Daher destilliert es bei der Reduktion der Zinkerze in der Muffel bevorzugt ab und verbrennt in den Vorlagen mit brauner Flamme zu Cadmiumoxid. Der in den ersten Stunden übergegangene c a d m i u m o x i d h a l t i g e Z i n k s t a u b (3—4°/ 0 Cd) wird dann mit K o k s vermischt und in besonderen kleineren Muffeln bei mittlerer Rotglut d e s t i l l i e r t . Hierbei geht zuerst das C a d m i u m über und kondensiert sich in der Vorlage teils als M e t a l l , teils als S t a u b . Der an Cadmium angereicherte S t a u b wird nochmals mit Koks bei etwas höherer Temperatur destilliert und liefert weiteres Metall mit 99.5°/0 Cadmium, das in Form dünner Stangen in den Handel kommt. Bei der n a s s e n Zinkgewiimung verfährt man so, daß man aus den Zinksulfatlaugen das enthaltene C a d m i u m durch Z i n k s t a u b fällt (Zn + Cd" — Z n " + Cd), den so gewonnenen Cadmiumschwamm o x y d i e r t (Cd + 1 / 2 O a —>- CdO) und dann in S c h w e f e l s ä u r e auflöst (CdO + H 2 S 0 4 — > - CdS0 4 + H 2 0). Bei der E l e k t r o l y s e der auf diese Weise gewonnenen C a d m i u m s u l f a t l ö s u n g unter Verwendung von Alum i n i u m k a t h o d e n und B l e i a n o d e n scheidet sich das Cadmium als sehr reines E l e k t r o l y t c a d m i u m ab. Cadmium ist ein silberweißes, ziemlich weiches Metall vom spezifischen Gewicht 8.64, welches bei 320.9° schmilzt und bei 767.3°unter Bildungeines einatomigen Dampfes siedet. Bei gewöhnlicher Temperatur ist es an der L u f t beständig; beim Erhitzen entzündet es sich und verbrennt unter Bildung eines braunen Rauchs zu Cadmiumoxid. In n i c h t o x y d i e r e n d e n S ä u r e n , wie verdünnter Salzsäure und Schwefelsäure, löst sich Cadmium schwer, in verdünnter S a l p e t e r s ä u r e dagegen leicht. Technische Verwendung findet das Cadmium vor allem zur Herstellung rostschützender Überzüge auf Eisen. Cadmiumverbindungen. Cadmiumoxid CdO entsteht beim Verbrennen von Cadmium an der Luft, beim Rösten des Sulfids, sowie beim Erhitzen des Hydroxids oder Carbonate als braunes, amorphes, leicht reduzierbares Pulver. Cadmiumhydroxid Cd(0H) 2 bildet sich beim Versetzen von Cadmiumsalzlösungen mit Alkali als weißer Niederschlag und ist zum Unterschied von Zinkhydroxid in Alkalien nicht löslich.

Das Cadmium — Das Queoksilber

477

In Ammoniak löst es sich wie Zinkhydroxid unter Komplexbildung : Cd(OH)¡¡ + 4NH S —> [CkiíNHaJJíOH)^. Cadmiumchlorid CdCl2 (Smp. 565°, Sdp. 964°) kristallisiert aus wässeriger Lösung als Dihydrat und kann zum Unterschied von Zinkchlorid ohne Zersetzung entwässert werden. Cadmiumsulfid CdS, das beim Einleiten von Schwefelwasserstoff in alkalische oder mäßig saure Cadmiumsalzlösungen als schön gelber, amorpher Niederschlag (L = 7 χ 10 - 2 β ) ausfällt, dient in der Malerei unter dem Namen „Cadmiumgelb" als sehr dauerhafte gelbe Farbe. Cadmiumsulfat CdSO, kristallisiert aus wässeriger Lösung in Form eines Hydrats der komplizierten Zusammensetzung 3CdS0 4 · 8 H 2 0 aus. Es existiert aber auch ein Salz CdS0 4 · 7HaO, das den Vitriolen des Magnesiums, Zinks, Eisens usw. entspricht.

3. Das Quecksilber a) Elementares Quecksilber Vorkommen. Das Quecksilber kommt in der Natur hauptsächlich in Form von Quecksilbersulfid („Zinnober") HgS, seltener gediegen in Tröpfchen — eingeschlossen in Gesteinen — vor. Die Hauptfundorte sind Almadén in Spanien und Idria in Italien. In Deutschland findet sich etwas Quecksilber in der Rheinpfalz. Gewinnung. Als Ausgangsmaterial für die Quecksilbergewinnimg dient fast immer der Zinnober. Die zinnoberhaltigen Erze werden in Schachtöfen (großstückige Erze) oder in Schüttröstöfen (feinere Erzsorten) bei L u f t z u t r i t t auf höhere Temperatur e r h i t z t , wobei das entstehende Quecksilber zusammen mit dem gleichzeitig gebildeten Schwefeldioxid dampfförmig entweicht: HgS + O a —>- Hg + SO,. Die Quecksilberdämpfe werden dann in wassergekühlten Röhrenkondensatoren aus glasiertem Steinzeug kondensiert, wobei sich das flüssige Quecksilber in mit Wasser gefüllten, zementgefütterten Eisenkästen sammelt. Ein Teil des Quecksilberdampfes kondensiert sich nicht zu flüssigem Metall, sondern zu einem aus Quecksilber, Quecksilbersalzen, Flugstaub, Ruß und Teer bestehenden S t a u b („Stupp"). Diese — zu etwa 80°/0 aus Quecksilber bestehende — Stupp wird durch eine eiserne Presse („Stupp-Presse") gepreßt, wobei 8 0 % des Quecksilbergehaltes in einen Sammelbehälter ausfließen. Der Stupprückstand wird wieder den Röstöfen zugeführt. Das auf diese Weise bei der Destillation oder aus Stupp gewonnene Quecksilber, das in schmiedeeisernen Flaschen in den Handel kommt, ist sehr rein und bedarf keiner Raffination mehr. Unreines Quecksilber wird zweckmäßig in der Weise gereinigt, daß man es durch ein mit 20°/^θγ S a l p e t e r s ä u r e gefülltes, senkrecht gestelltes, langes Glasrohr hindurchtropfen läßt, wobei die Salpetersäure die verunreinigenden Metalle herauslöst, und es dann nach dem Waschen und Trocknen der Vakuumdestillation unterwirft. Physikalische Eigenschaften. Quecksilber ist das einzige bei Zimmertemperatur flüssige Metall. Es erstarrt bei —38.84° und siedet bei 356.95° unter Bildung eines einatomigen Dampfes. Wegen seines hohen spezifischen Gewichtes (13.595 bei 0°) dient es zum Füllen von B a r o m e t e r n und Manometern (S. 21f.). Die elektrische Leitfähigkeit ist verhältnismäßig gering. Der Widerstand einer Quecksilbersäule von 1 mm2 Querschnitt und 1.063 m Länge bei 0° stellt die gesetzliche Einheit des elektrischen Widerstandes („1 Ohm") dar. 1 In k o n z e n t r i e r t e n Ammoniaklösungen entstehen Hexammin-ionen [Cd(NH 3 ) e ]". Die „charakteristische Koordinationszahl" dee Cadmiums beträgt ganz allgemein 4, die „maximale Koordinationszahl" 6.

478

Die Zinkgruppe

Der Sättigungsdruck des Quecksilbers beträgt bei Zimmertemperatur nur 0.001 mm. Da aber die Quecksilberdämpfe sehr giftig sind, genügen die in s c h l e c h t g e l ü f t e t e n chemischen und physikalischen L a b o r a t o r i e n aus verspritztem Quecksilber in die Luft gelangenden Quecksilberdampfmengen vielfach zur Hervorrufung chronischer Quecksilbervergiftungen, zumal eingeatmetes Quecksilber, wie namentlich A L F R E D STOCK (vgl. S . 3 2 0 ) gezeigt hat, nur sehr langsam im Harn ausgeschieden wird und sich daher im menschlichen Organismus ansammelt. Die Quecksilbervergiftungen geben sich anfangs nur in leichtem Bluten des Zahnfleisches, später durch Gedächtnisschwäche, Kopfschmerzen, Verdauungsstörungen sowie schließlich durch schwerste Schädigungen des Nervensystems zu erkennen. Durch e l e k t r i s c h e E n t l a d u n g e n wird der Quecksilberdampf zu intensivem Leuchten angeregt, wobei er ein an u l t r a v i o l e t t e n S t r a h l e n reiohes Licht ausstrahlt, das bei Umhüllung des Lichtbogens mit Quarz- oder Uviolglas (gewöhnliches Glas absorbiert ultraviolettes Licht) großenteils nach außen austreten kann. Derartige „Quecksilberlampen" dienen als Lichtquellen in der Reproduktionstechnik sowie zur Auslösung photochemischer Reaktionen und zu Heilzwecken („künstliche Höhensonne"). Chemische Eigenschaften. Reines Quecksilber verändert sich bei gewöhnlicher Temperatur an der L u f t nicht, während sich unreines Quecksilber an der Luft mit einem Oxidhäutchen überzieht. Oberhalb von300° vereinigt es sich mit S a u e r s t o f f zum Oxid HgO, das bei noch stärkerem Erhitzen ( > 400°) wieder in die Elemente zu zerfallen beginnt (S. 9). Mit Halogenen und mit Schwefel verbindet es sich leicht. In Wasser und Salzlösungen löst sich Quecksilber in Gegenwart von Luft spurenweise. Von verdünnter Salz- und Schwefelsäure wird es praktisch nicht, von verdünnter S a l p e t e r s ä u r e langsam angegriffen (vgl. S. 167ff., 236). Viele Metalle lösen sich in Quecksilber unter Bildung von Legierungen auf, die man in diesem Falle als „Amalgame" bezeichnet. Sie sind bei kleineren Metallgehalten flüssig, bei größeren Metallgehalten fest. Natrium-Quecksilber-Legierungen sind bereits bei Gehalten von > 1,5°/0 Na fest. Die Amalgambildung erfolgt bei einigen Metallen (z.B. Zinn) unter Wärmeverbrauoh, meist aber unter merklicher Wärmeentwicklung. Besonders heftig ist die Reaktion bei der Natrium- und K a l i u m amalgambildung. Von besonderer Wichtigkeit ist das Silberamalgam als Zahnfüllmasse („Amalgamplomben"). Es ist in frischbereitetem Zustande wie alle Amalgame plastisch, so daß es sich den Hohlräumen im Zahn gut anpaßt, und erhärtet nach einiger Zeit von selbst. Die früher vielfach als Zahnfüllmassen verwendeten K u p f e r amalgame werden heute mehr und mehr verlassen, da sie im Laufe der Zeit unter Freiwerden von Quecksilber angegriffen werden, was bei der G i f t i g k e i t des Quecksilbers (siehe oben) nicht unbedenklich ist. In seinen chemischen Verbindungen tritt Quecksilber ein- und zweiwertig auf. Die Verbindungen des einwertigen Quecksilbers sind durchweg bimolekular.

b) Quecksilber(I)-Verbindungen Quecksilber(I)-Chlorid HggClg kann durch Sublimieren eines äquivalenten Gemischs ron Q u e c k s i l b e r ( I I ) - c h l o r i d und Quecksilber: HgClj + Hg UgjClj oder durch Versetzen einer Quecksilber(I)-salzlösung mit einem löslichen Chlorid : Hga" + 2C1' — ^ Hg.Cl, erhalten werden. Es stellt eine gelblichweiße, im eublimierten Zustande faserig-kristal-

Das Quecksilber

479

line, bei 383° sublimieren.de, wasserunlösliche Substanz dar. Am L i c h t färbt sieb Quecksilber(I)-chlorid wie Silberchlorid (S.462) infolge Abscheidung von Metall d u n k e l . Beim Übergießen mit A m m o n i a k wird es s c h w a r z , da es sich dabei in ein Gemenge von weißem Quecksilber(II)-amid-chlorid Hg(NH 2 )Cl (S. 480) und fein verteiltem, schwarzem metallischem Quecksilber verwandelt: HgHgClj + NH 3

^ Hg + Hg(i\H a )Cl + HCl

NH4C1).

Wegen dieser Schwarzfärbimg trägt das Quecksilber(I)-chlorid auch den Namen „Kalomel

Die Dampf dichte oberhalb von 400° entspricht einem Molekulargewicht 237 und damit der Molekularformel HgCl (Mol.-Gew. 236.1). Dies rührt aber daher, daß sich der Dampf bei dieser Temperatur aus einem äquimolekularen Gemisch von Q u e c k s i l b e r (Mol.-Gew. 200.6) und Q u e c k s i l b e r ( I I ) - c h l o r i d (Mol.-Gew. 271.5) zusammensetzt: HgjClj ^

Hg + HgCl,.

Verhindert man die Dissoziation durch sorgfältige T r o c k n u n g (vgl. S. 435), so entspricht die Dampfdichte der Formel Hg2Cl2 (der Dampf ist diamagnetisch; HgCl wäre paramagnetisch). In gleicherweise stimmt die in geschmolzenem Quecksilber(II)-chlorid als Lösungsmittel gemessene G e f r i e r p u n k t s e r n i e d r i g u n g mit der Formel Hg2Cl2 überein. Ebenso ergibt d i e r ö n t g e n o g r a p h i s o h e Strukturbestimmung in festem Zustand ein aus Hg2Cl2-Molekülen aufgebautes Gitter. Die Anwesenheit der Dissoziationsprodukte Hg und HgCla im Dampf des Queoksilber(I)chlorids wird unter anderem dadurch bewiesen, daß eich die beiden Beetandteile durch D i f f u s i o n trennen lassen und daß sich ein in den Dampf gebrachtes G o l d b l ä t t c h e n infolge dee Vorhandenseins von Quecksilberdampf sofort a m a l g a m i e r t .

Quecksilber(I)-bromid Hg^Br» und Quecksilber(I)-jodid Hg2J.> sind noch schwerer löslich als Quecksilber(I)-chlorid. Auch hier nimmt also wie bei den Silberhalogeniden die Löslichkeit mit steigendem Atomgewicht des Halogens ab. Quecksilber(I)-nitrat Hg 2 (N0s) 2 entsteht bei der Einwirkung von kalter verdünnter S a l p e t e r s ä u r e auf überschüssiges Q u e c k s i l b e r (vgl. S. 236) oder — was auf das gleiche herauskommt — bei der Einwirkung von Q u e c k s i l b e r auf Q u e c k s i l b e r ( I I ) nitratlösung: Hg + Hg(NO,), ^ Hgj(NOj),. (2) Da es durch Wasser unter Abscheidung eines gelben b a s i s c h e n Salzes Hg 2 (0H)N0 3 hydrolytisch gespalten wird : Hg 2 (N0 3 ) 2 + HÖH —~>- Hg 2 (OH)N0 3 + H N O „ ist es nur in verdünnter S a l p e t e r s ä u r e ohne Zersetzung löslich. Beim Versetzen der Lösung mit A l k a l i l a u g e bildet sich über das bei 0° einigermaßen haltbare H y d r o x i d Hg 2 (OH) 2 hinweg das O x i d Hg z O: Hg 2 (N0 8 ) 2 Hg 2 (OH) 2 Hg 2 0, das in Quecksüber(II)oxid und metallisches Quecksilber zerfällt: Hg 2 0 —>- Hg + HgO. Daß dem Quecksilber(I)-nitrat wie dem Quecksilber(I)-chlorid die v e r d o p p e l t e F o r m e l Hg 2 (N0 3 ) 2 zukommt, läßt sich n. a. durch quantitative Verfolgung des Gleichgewichts (2) zeigen. Bei Annahme völliger elektrolytischer Dissoziation der Salze wird dieses Gleichgewicht gemäß dem Massenwirkungsgesetz durch die Beziehung (3 a) wiedergegeben : =

«He."

a

*Ll ahg-

)

1

»

m

Φ (±)§'

(4)

Fig. 139, Verhalten diamagnetischer und paramagnetischer Stoffe im homogenen Magnetfeld

494

Die Gruppe der seltenen ErdmetaUe

wird die magnetische „ P e r m e a b i l i t ä t " (Durchlässigkeit) eines Stoffs g e n a n n t und stellt den F a k t o r dar, mit dem man die ursprüngliche F e l d s t ä r k e multiplizieren muß, u m die neue F e l d s t ä r k e zu erhalten ( φ · μ — § Φ')· B e i d i a m a g n e t i s c h e n Stoffen ( § ' negativ) ist die P e r m e a b i l i t ä t g e m ä ß (4) stets k l e i n e r , bei p a r a m a g n e t i s c h e n Stoffen (ξ)' positiv) s t e t s g r ö ß e r a l s 1. Meist gibt m a n allerdings nur das Verhältnis ι ± ι -=k ξ)

(5)

a n , das die hinzukommende bzw. wegfallende F e l d s t ä r k e in Bruchteilen der ursprünglichen F e l d s t ä r k e ξ» ausdrückt = Ä · .ξ)) und dessen 4 π - ί β η T e i l 1 m a n die magnetische „Suszeptibilität" (Aufnahmefähigkeit) eines Stoffes nennt (κ = k/in). W i e a u s (5) ersichtlich, ist diese Suszeptibilität bei p a r a m a g n e t i s c h e n Stoffen ( § ' positiv) > 0, bei d i a m a g n e t i s c h e n Stoffen (ξ)' negativ) < 0 . Die Suszeptibilität kann auf 1 c m 3 oder auf 1 g Stoff bezogen werden. D u r c h Multiplikation der e r s t e r e n (x c m >) mit dem M o l v o l u m e n (F^oi) oder der l e t z t e r e n (κ β ) mit dem M o l e k u l a r g e w i c h t ( M ) erhält m a n die auf 1 Mol des Stoffes bezogene „molare Suszeptibilität" χΜοι : *cm· · fMOI =

Μ =

Zmo1

.

(6)

I n dieser F o r m wird die Suszeptibilität v o m C h e m i k e r i m m e r angegeben. Das Z u s t a n d e k o m m e n des Dia- und Paramagnetisms kann man sich wie folgt veranschaulichen: Diamagnetismus. Nähert man einem k r e i s f ö r m i g geschlossenen Leiter den N o r d p o l eines Magneten, so fließt während der Annäherung in dem Leiter ein E l e k t r o n e n s t r o m in der aus Fig. 140 Ν ersichtlichen Richtung. Dieser Elektronenstrom ist nach S. 493 einem M a g n e t e n äquivalent, dessen Nordpol rechts liegt. Das durch die Annäherung des Magneten i n d u z i e r t e M a g n e t f e l d ist also d e m a n g e Fig. 140. l e g t e n M a g n e t f e l d e n t g e g e n g e r i c h t e t und sucht die Näherung IiENZsches Gesetz des Magneten zu hemmen („LENZSches Gesetz"). In gleicher Weise wird auch beim Einbringen eines Körpers in ein Magnetfeld ein entgegengesetzt gerichtetes Magnetfeld erzeugt, indem hier an die Stelle des geschlossenen Leiters in Fig. 140 die E l e k t r o n e n b a h n e n in den Molekülen des betreffenden Stoffs treten. Da sich auf diese Weise (Fig. 141a) die F e l d Ν Ν l i n i e n im Innern des Körpers t e i l w e i s e a u f h e b e n , e r g i b t sich in summa eine A b n a h m e der Zahl der Feldlinien: der Körper ist ·, Ν .·· d i a m a g n e t i s c h (vgl.Fig. 139a). Paramagnetismus. Der diamagnetische Effekt muß naturgemäß b e i a l l e n S t o f f e n auftreten, da in allen Stoffen ElekJΝV tronen kreisen, deren Bewegung durch das äußere Magnetfeld beeinflußt wird. Über diesen Effekt kann sich aber in gewissen Fällen noch ein z w e i t e r E f f e k t lagern, nämlich dann, wenn die Atome Diamagnef/smus Paramagnetisms oder Moleküle des betrachteten (») Stoffes nach außen hin ein p e r (à) m a n e n t e s m a g n e t i s c h e s Mom e n t auf weisen: Fig. 141. Zustandekommen des Diamagnetismus und Paramagnetismus Jedes rotierende oder um einen Atomkern k r e i s e n d e E l e k t r o n 1 Der Faktor 1 ¡ i n rührt daher, daß man — unnötigerweise — an Stelle von „Magnetisierungsintensität" I einsetzt, die gleich dem 4π-ten Teil von φ ' ist.

die sogenannte

Magnetochemie

495

besitzt ein m a g n e t i s c h e s M o m e n t (vgl. S. 492f. u. 498). Diese magnetischen E i n z e l m o m e n t e der Elektronen eines Atoms oder Moleküls können sich — wie dies bei den diamagnetischen Stoffen der Fall ist — gegenseitig a u f h e b e n (vgl. unten), so daß n a c h a u ß e n hin kein magnetisches Moment in Erscheinung tritt. In vielen Fällen aber (vgl. S. 497) heben sich die Einzelmomente n i c h t heraus, so daß die Atome oder Moleküle nach außen hin ein p e r m a n e n t e s m a g n e t i s c h e s M o m e n t besitzen. Die so bedingten „Molekularmagnete" sind entsprechend der Temperaturbewegung r e g e l l o s v e r t e i l t . Legt man aber ein ä u ß e r e s m a g n e t i s c h e s F e l d an, so r i c h t e n sich die Molekularmagnete aus, indem sich der N o r d p o l des Molekularmagneten dem S ü d p o l des äußeren Magneten zukehrt und umgekehrt. Auf diese Weise entsteht ein M a g n e t f e l d , das dem ä u ß e r e n F e l d g l e i c h g e r i c h t e t ist (Fig. 141b). Die Zahl der Feldlinien im Innern des Körpers n i m m t damit z u : der Körper ist p a r a m a g n e t i s c h (vgl. Fig. 139b).

Die molare S u s z e p t i b i l i t ä t χΜο1 eines Stoffs setzt sich dementsprechend aus zwei Einzelgliedern zusammen, einem diarnagnetischen Anteil % der bei allen S t o f f e n vorhanden ist, und einem paramagnetischen Anteil %li&T&, der nur dann auftritt, wenn die Moleküle oder Atome des Stoffs ein permanentes magnetisches Moment besitzen: „ _ „ , „ m λ Mol — *dia i" Apara ·

\'l

Da der paramagnetische Anteil stets größer als der diamagnetische ist, sind Stoffe mit magnetischen Momenten stets paramagnetisch. Das diamagnetische Glied £ dla ist t e m p e r a t u r u n a b h ä n g i g , da die Temperatur naturgemäß die Dreh- und Umlaufgeschwindigkeit der Elektronen nicht beeinflußt. Dagegen ist die Temperatur von Einfluß auf das paramagnetische Glied £ p a r a , weil die Temperaturbewegung der Moleküle der Einstellung der Molekularmagnete in die Nord-Süd-Richtung des äußeren magnetischen Feldes entgegenwirkt. Und zwar muß der R i c h t u n g s e f f e k t um so geringer sein, je höher die T e m p e r a t u r ist. Im einfachsten Fall ist die -paramagnetische Suszeptibilität der absoluten Temperatur umgekehrt proportional („CURIEsches Gesetz"): Q Apara

ψ'

(8)

Die K o n s t a n t e C hängt dabei mit dem magnetischen Moment M des Stoffs durch die Beziehung M2 C = 3Β (9) (M = magnetisches Moment pro Mol; R = Gaskonstante) zusammen, so daß man durch Bestimmung der T e m p e r a t u r a b h ä n g i g k e i t der paramagnetischen Suszeptibilität eines Stoffs sein magnetisches Moment ermitteln kann.

c) Der Diamagnetismus

Diamagnetisch sind alle Stoffe, deren Atome oder Moleküle abgeschlossene E l e k t r o n e n s c h a l e n besitzen. Denn in diesem Falle heben sich die magnetischen E i n z e l m o m e n t e der E l e k t r o n e n gegenseitig auf, so daß nach außen hin kein magnetisches Gesamtmoment in Erscheinung tritt und das paramagnetische Glied ^para daher in Fortfall kommt. So zeigen ζ. B. alle Edelgase und alle Stoffe mit edelgasähnlichen Ionen (K+, Ca++, Cl~, S— usw.) oder edelgasähnlichen A tomen (wie dies bei den meisten organischen Verbindungen der Fall ist) Diamagnetismus. Ähnliches gilt für das Nebensystem des Periodensystems (s. Tafel am Schluß des Buches), wobei die E d e l m e t a l l e die Rolle der Edelgase einnehmen. So sind ζ. B. die Kupfer(I)- und Cadmium (II)-ionen, die den Alkalimetall- und Erdalkalimetall-ionen des Hauptsystems entsprechen, diamagnetisch. Wie der französische Chemiker P . P A S C A L gezeigt hat, läßt sich die diamagnetische S u s z e p t i b i l i t ä t eines Moleküls in erster Näherung additiv aus empirischen Einzel werten für die Atome (^Atom) und Bindungen (^Bindung) des Moleküls zusammensetzen . _ £ jj Atom -f Xj; B1[](lung . (10)

Die Grappe der seltenen Erdmetalle

496

Diese Regel ermöglicht es einerseits, bei mehreren m ö g l i c h e n K o n s t i t u t i o n e n eines Moleküls durch Vergleich der für die einzelnen Formeln b e r e c h n e t e n Susz e p t i b i l i t ä t e n mit dem e x p e r i m e n t e l l e r m i t t e l t e n Wert die richtige Strukturformel zu finden (vgl. unten), und gestattet es andererseits, bei p a r a m a g n e t i s c h e n S t o f f e n , bei denen ja nur die Gesamtsuszeptibilität (7) bestimmbar ist, den d i a m a g n e t i s c h e n A n t e i l £ d]a zu errechnen und damit auch den paramagnetischen

Anteil χ para zu erfassen. A n d e r e G r ö ß e n , die sich in ähnlicherWeise wie die molare diamagnetische Suszeptibilität χ = « · F Mo1 a d d i t i v aus A t o m - und B i n d u n g e i n k r e m e n t e n zusammensetzen lassen und daher wie diese zur Lösung von Konstitutionsfragen herangezogen werden können, sind der Paraj 1 n2 ehor Ρ =y"< · F Mol ; vgl. S. 392f.,496f.) und die Molrefraktion R = r · F Mol r = - a ; η = Licht\ tt + 2

) . Alle drei Größen stellen, wie ersichtlich, ein Maß für die Molekular -

vol u m i n a Fj£0| von Stoffen u n t e r b e s t i m m t e n E x p e r i m e n t a l b e d i n g u n g e n (bei der molaren Suszeptibilität: bei gleichen diamagnetischen S u s z e p t i b i l i t ä t e n ; beim Parachor: bei gleichen O b e r f l ä c h e n s p a n n u n g e n ; bei der Molrefraktion: bei gleichen B r e o h u n g s q u o t i e n t e n ) dar. Auch der einfache Vergleich der Molekularvolumina F Mol beim S i e d e p u n k t von Flüssigkeiten ermöglicht bereits eine additive Berechnung der-Volumina aus Einzel werten („Koppsche Regel"). In welcher Art und Weise die genannten Größen zur Lösung chemischer Strukturprobleme verwendet werden können, sei im folgenden am Beispiel des P a r a c h o r s gezeigt, der besonders empfindlich auf Strukturfeinheiten anspricht. Der Parachor. Wie der englische Physikochemiker S. SUGDEN gezeigt hat, ist der Ausdruck

(γ = Oberflächenspannung in dyn/cm, M = Molekulargewicht, d¡\ = Dichte der Flüssigkeit in g/cm3, d¿ -- Dichte des zugehörigen Dampfes in g/cm3) für n i c h t a e s o z i i e r t e F l ü s s i g k e i t e n eine nahezu t e m p e r a t u r u n a b h ä n g i g e und a d d i t i v aus e m p i r i s c h e n A t o m - und B i n d u n g s w e r t e n e r r e c h e n b a r e M o l e k ü l k o n s t a n t e . Man bezeichnet sie als „l'araohor"1 Ρ (vgl. S. 392f.), weil sie — wie oben schon angedeutet — ein Maß für das Molekularvolumen von Flüssigkeiten bei Temperaturen darstellt, bei denen die Oberflächenspannungen der verglichenen Flüssigkeiten einander gleich sind 4 . Nachfolgende Tabelle gibt einige Einzelwerte für Atome und Bindungen wieder: Bindungsparachore

Atomparachore Kohlenstoff C Stickstoff Ν Sauerstoff 0 Phosphor Ρ Schwefel S Chlor Cl

4.8 12.5 20.0 37.7 48.2 54.3

einfache Kovalenz 0.0 kovalente Doppelbindung . . . . 23.2 semipolare Doppelbindung . . . —1.6 kovalente Dreifachbindung.... 46.6

A n w e n d u n g s b e i s p i e l e : Das Sulfurylchlorid SO2CI2 (a) besitzt nach der experimentellen Bestimmung einen Parachor von 195.3. Dieser Wert stimmt mit dem für die D o p p e l b i n d u n g e formel (b) : O: O: O : S : Cl :

0 / N a

Cl :

: Ö :'S : Cl : : Cl :

Pbet. = 193-e 243.2 (b) (0) 1 para (τταρα) = gemäß; choros (χόρος) = Volumen. 2 Der Ausdruck (11) kann ja zu Ρ = γ '*· F Mol vereinfacht werden, wenn man das kleine Glied dA gegenüber dem wesentlich größeren Glied dtl vernachlässigt (M¡dn = F Mo] )· Bei gleichen Oberflächenspannungen γ gilt dann für zwei Flüssigkeiten A und Β: PA¡PB— ^ΜΟΜ^ΜΟΙ β. ¿V.= (a)

195 3

·

Ρ ber. =

Magnetochemie

497

berechneten Wert von 2 X 20.0 (Sauerstoff) + 48.2 (Schwefel) + 2 χ 54.3 (Chlor) + 2 X 23.2 (kovalente Doppelbindung) = 243.2 auch nicht annähernd überein. Also kann der Verbindung nicht die durch die Valenzstrichformel (a) nahegelegte Konstitution mit zwei ko v a l e n t e n D o p p e l b i n d u n g e n zukommen. In der Tat zeigt die aus der Oktettregel folgende E l e k t r o n e n f o r m e l (e), daß die beiden Sauerstoffatome nur durch s e m i p o l a r e Doppelbindungen (S. 159) mit dem Schwefelatom verknüpft sind. Berücksichtigt man dies, so errechnet sich für die E l e k t r o n e n f o r m e l (c) ein Parachorwert von 2 χ 20.0 (Sauerstoff) + 48.2 (Schwefel) + 2 χ 54.3 (Chlor) — 2 χ 1.6 (semipolare Doppelbindung) = 193.6, der mit dem Experimentalbefund in Einklang ist. In analoger Weise führt auch beim Thionylehlorid SOClg (a) die Parachormessung zu einer Bestätigung der Aussagen der E l e k t r o n e n t h e o r i e d e r V a l e n z , denn der experimentell gefundene Wert von 174.5 stimmt nur mit dem für die O k t e t t f o r m e l (o), nicht aber mit dem für die D o p p e l b i n d u n g s f o r m e l (b) berechneten Wert überein: Cl Cl ρ



174.5

gef. —

t

Ö ::S:

S :

: Cl : 200.0

ber.

(b)

(a)

Cl:

: Cl:

Cl: ber. "

= 175.2

(°) Dagegen muß nach der Parachorbestimmung das in der Valenzstrichformel dem Thionylehlorid SOCJ 2 völlig gleichende Phosgen C0CI a ( P g e ( = 151.6) zum Unterschied vom Thionylehlorid eine wahre k o v a l e n t e D o p p e l b i n d u n g enthalten ( P b e r = 156.6). Dies stimmt mit den Forderungen der E l e k t r o n e n t h e o r i e (b) überein, denn bei Annahme einer se mi ρ o l a re η Doppelbindung wie im Thionylehlorid besäße der Kohlenstoff nur ein E l e k t r o n e n s e x t e t t (c): : Cl :

.Cl 0

Ö: : C

= - Fe 2 0 3 + 4Na2Cr04 + 4CO,. Der K a l k z u s c h l a g verhindert das Zusammenschmelzen der Soda und hält auf diese Weise die Masse porös, so daß die Luft ungehindert als Oxydationsmittel hinzutreten kann. Das entstehende, neben N a t r i u m c h r o m a t Na 2 Cr0 4 auch C a l c i u m c h r o m a t CaCr0 4 enthaltende Röstgut wird in Druckautoklaven bei über 100° mit Sodalösung ausgelaugt, wobei auch das Calciumchromat als N a t r i u m c h r o m a t in Lösung geht (CaCr04 + Na 2 C0 3 —>- Na 2 Cr0 4 + CaC03). Die filtrierte oder der Gegenstrom-Dekantation (S. 423) unterworfene Flüssigkeit wird konzentriert und zwecks Bildung des chromreicheren N a t r i u m d i c h r o m a t s Na2Cr207 noch heiß mit konzentrierter S c h w e f e l s ä u r e versetzt: 2NaaCr04 + H 2 S0 4 —>- Na2Cr207 + Na2S04 + HaO. Hierbei fällt der größte Teil des gleichzeitig gebildeten N a t r i u m s u l f a t s aus; der andere Teil scheidet sich beim Eindicken ab. Aus der heiß filtrierten Lösung kristallisiert beim Erkalten das D i h y d r a t Na 2 Cr 2 0 7 · 2 H 2 0 je nach der Schnelligkeit der Abkühlung in feinen orangeroten Nadeln oder in großen Kristallen aus, die nach dem Abschleudern entweder bei 40—50° getrocknet oder geschmolzen werden. Dieses N a t r i u m d i c h r o m a t Na2Cr207 · 2 H 2 0 ist das t e c h n i s c h w i c h t i g s t e Chromat. Durch Umsetzung mit K a l i u m c h l o r i d kann es in K a l i u m d i c h r o m a t umgewandelt werden (Na2Cr207 + 2 KCl — K 2 C r , 0 7 + 2NaCl). Im L a b o r a t o r i u m benutzt man zur Oxydation von Chrom(III)-oxid zu Chromat S a l p e t e r als Oxydationsmittel („Oxydationsschmelze") :

Das Chrom CTJOJ

509

+ 2Na 2 C0 3 + 3 K N 0 3 — s - 2Na a Cr0 4 + 3 κ ί ί 0 2 + 2 C 0 a .

Eine große technische Bedeutung hat auch die R e g e n e r i e r u n g v o n C h r o m a t aus den in den Farbstoff-Fabriken anfallenden schwefelsauren C h r o m ( I I I ) - s u l f a t l ö s u n g e n (vgl. unten). Sie erfolgt heute ausschließlich auf e l e k t r o l y t i s c h e m W e g e durch a n o d i s c h e O x y d a t i o n : 2Cr"· + 7 H 2 0

Cr„0," + 14H' + 6 © ·

(1)

Als E l e k t r o d e n dienen B l e i - e l e k t r o d e n ; Kathoden- und Anodenraum sind durch ein Tondiaphragma voneinander getrennt. Die regenerierten sauren Dichromatlösungen dienen in Umkehrung von Gleichung (1) zu neuen Oxydationszwecken (3). Im Kathodenraum erfolgt bei der Chromsäure-Regenerierung eine Wasserstoffentwicklung, also Abnahme der Säure-konzentration (6H' + 6 Q —>- 3H 2 ), im Anodenraum dagegen gemäß (1) eine Zunahme der Wasserstoffionen-konzentration. Daher verfährt man in der Praxis so, daß man jeweils nur die säurereiche Anodenflüssigkeit zu neuen Oxydationszwecken benutzt, während die an Säure verarmte Kathodenflüssigkeit anschließend in den Anodenraum und die ausgebrauchte Chromatlösung des Oxydationsbetriebes in den Kathodenraum übergeführt wird usw.

Eigenschaften. Säuert man die v e r d ü n n t e Lösung eines Chromats mit v e r d ü n n t e r Säure an, so schlägt die g e l b e Farbe der Chromatlösung in die o r a n g e n e Farbe des D i c h r o m a t s um, da das beim Ansäuern primär entstehende Hydrogenchromat ( C r 0 4 " + H" — > - HCrO/) nicht wie das entsprechende Hydrogensulfat (S. 211) erst in der Hitze und bei Wasserausschluß, sondern bereits in wässeriger Lösung und bei Zimmertemperatur Wasser abspaltet ( 2 H C r 0 4 ' H 2 0 + C r 2 0 7 " ) : 2Cr04" + 2H' gelb

Cr a 0 7 " + H 2 0 .

(2a)

orange

Entsprechend diesem Gleichgewicht (2a) enthält jede Chromatlösung auch Dichromationen und jede Dichromatlösung auch Chromat-ionen. Durch Vergrößerung und Verkleinerung der Wasserstoffionen-konzentration kann das Gleichgewicht willkürlich nach rechts und links verschoben werden. Hiervon macht man ζ. B . zur qualitativen Trennung von B a r i u m und S t r o n t i u m Gebrauch, indem man in einer Dichromatlösung durch Einstellung eines bestimmten Wertes (abgestumpfte essigsaure Lösung) eine Chromationen-konzentration erzeugt, die zur Ausfällung von B a r i u m c h r o m a t (LBaCro, = IO -9 ·'), nicht aber zur Überschreitung des größeren Löslichkeitsprodukts von S t r o n t i u m c h r o m a t (L S r c r o, >= KT1·*) ausreicht. In k o n z e n t r i e r t e r und s t ä r k e r s a u r e r Lösung findet eine K o n d e n s a t i o n über die Stufe des Dichromats hinaus unter Bildung von T r i c h r o m a t Cr 3 O 1 0 ", T e t r a c h r o m a t C r 4 0 1 3 " und noch höheren ,,Polychromaten" [Cr n Os n + i ] " s t a t t ; z. B . : 2Cr s O," + 2H· allgemein: 2 C r n 0 3 n + 1 " + 2 H

Cr 4 0 1 3 " + H 2 0, Cr n O 3 n . + 1 " + H 2 0

(2b) (n' = 2n).

(2c)

Parallel damit verschiebt sich die Farbe der Lösung vom ursprünglichen G e l b über O r a n g e nach H o c h r o t hin. Versetzt man schließlich eine k o n z e n t r i e r t e Chromatlösung mit k o n z e n t r i e r t e r Schwefelsäure, so erhält man das intensiv rote, polymere Chromsäure-anhydrid (Cr0 3 ) x , da sich unter der wasserentziehenden Wirkung der Schwefelsäure keine Polychromsäure H 2 C r n 0 3 n + 1 bilden kann: mH 2 Cr n 0 8 n + 1

^ (Cr0 3 )x + mH 2 0 (x = m-n).

(2d)

Die c h a r a k t e r i s t i s c h s t e Eigenschaft der Chromate ist ihre starke o x y d i e r e n d e W i r k u n g , da sie ein großes Bestreben haben, in die Stufe des d r e i w e r t i g e n (grünen) Chroms überzugehen : CTQ/' + 8H' + 3 © — C r " + 4 H 2 0 , Cr 2 0 7 " + 14H' + β θ

>- 2Cr'" + 7 H 2 0 .

(3)

510

Die Chromgruppe

Die Oxydationswirkung ist, wie aus vorstehenden Gleichungen hervorgeht, in s a u r e r Lösung besonders stark. Daher finden s c h w e f e l s a u r e D i c h r o m a t l ö s u n g e n in der T e c h n i k (z.B. in Farbstoff-Fabriken) ausgedehnte Verwendung zu O x y d a t i o n s z w e c k e n . Das Chrom geht beim Oxydationsprozeß in C h r o m (III) - sulf a t über (3), das elektrolytisch in Umkehrung von (3) wieder in Dichromat zurückverwandelt wird (1). Die den normalen Chromaten zugrunde liegende Chromsäure H 2 Cr0 4 , die zum Unterschied von der (stärkeren) Schwefelsäure H 2 S0 4 nur in verdünnter wässeriger Lösung bekannt ist, ist in e r s t e r Stufe (H 2 Cr0 4 H' + HCr0 4 ') s t a r k , in z w e i t e r Stufe ( H C r O / H ' + Cr0 4 ") dagegen nur s e h r w e n i g dissoziiert. Dementsprechend reagieren die Alkalichrom ate in wässeriger Lösung alkalisch: Cr0 4 " + HÖH HCrO/ + OH'. Die Hydrogenchromate'B.CiOi', die ebenfalls zum Unterschied von den Hydrogensulfaten H S 0 4 ' nur in wässeriger Lösung bekannt sind, reagieren naturgemäß in rein wässeriger Lösung schwach sauer. Das gleiche gilt von den Dichromaten Cr 2 0 7 ", die ja mit den Hydrogenchromaten im Gleichgewicht stehen (S. 509). Das schwerstlösliche Chromat ist das rote Quecksilber(I)chromat Hg 2 Cr0 4 . Es löst sich zum Unterschied von allen anderen schwerlöslichen Chromaten (z. B. Bleichromat PbCr0 4 , Bariumchromat BaCr0 4 ) auch nicht in verdünnter Salpetersäure und wird zur quantitativen Fällung und Bestimmung von Chrom benutzt, da es beim Glühen in das direkt wägbare Chrom(III)-oxid Cr 2 0 3 übergeht. Das gelbe Bleichromat PbCr0 4 dient unter dem Namen „Chromgelb" als Malerfarbe (S. 360). Chrom (VI)-oxid Cr0 3 . Das den Chromaten zugrunde liegende und aus ihnen durch Zusatz konzentrierter Schwefelsäure (vgl. S. 509) gewinnbare Chrom{VI)-oxid Cr0 3 bildet lange, rote, leicht lösliche, bei 198° schmelzende Nadeln, die sich in v i e l W a s s e r mit g e l b e r Farbe zu C h r o m s ä u r e , in w e n i g W a s s e r mit g e l b l i c h r o t e r bis r o t e r Farbe zu P o l y c h r o m s ä u r e n lösen. Es zersetzt sich bei 250° leicht in Chrom(III)-oxid Cr.O, „ „ . , , „_ Λ ^ „ _ , ,,, _ 2 3 und Sauerstoff: 6.3 kcal + 2Ct0 3 •—>- Cr¡¡03 + 1V20, und stellt wegen der leichten Sauerstoffabgabe ein s e h r k r ä f t i g e s O x y d a t i o n s m i t t e l dar. So kann man beispielsweise seine wässerige Lösung nicht durch Papierfilter filtrieren, da diese oxydiert werden. Leitet man trockenes A m m o n i a k über Cr0 3 -Kristalle, so wird es unter Feuererscheinung zu S t i c k s t o f f oxydiert: 2NH, + 2CrOs >- N, + Cr203 + 3HaO + 109 kcal. (4) Erhitzt man daher einen großen A m m o n i u m d i c h r o m a t - K r i s t a l l an einer Stelle: (NH 4 ) 2 Cr 2 0 7 —>- 2NH 3 + 2 Cr0 3 + H 2 0 , so schreitet die gemäß (4) beginnende Reaktion unter lebhaftem Glühen und Rauschen (Stickstoffentwicklung) und unter Bildung von lockerem, grünem Cr 2 0 3 -Pulver durch die ganze Masse hindurch fort. Chromylchlorid Cr0 2 Cl 2 . Als Chlorid der Chromsäure kann das Chromylchlorid Cr0 2 Cl 2 durch Einwirkung von S a l z s ä u r e auf C h r o m s ä u r e gewonnen werden: .OH + HCl .Cl + HÖH 02Cr< 02Cr- H 2 0 2 + 2 Θ) in Peroxo-chromate Me3CrOg mit f ü n f wertigem Chrom über (CrOg" + θ —>• Cr0 8 "') : 2Cr0 4 " + 8HaOa

>- 20(0 2 ) 4 " + 8H 2 0

2CrOg" + 2 OH' 2Cr0 4 " + 7H a O, + 2 OH'

>- 2 CrOg'" + HaOa

(3) (4)

>- 2CrO,'" + 8H a O.

(5)

Der Zusammenhang zwischen dem Peroxochromat-ion CrO g '" (6 b) und dem Chromation Cr0 4 " (6a) geht aus folgender Gegenüberstellung hervor: O O Cr O Me+ Me+ O (a)

0, Oa Or 0 2

Oa (b)

Me+ Me+ Me+

(6)

aus der man ersieht, daß die Sauerstoffatome des Cr0 4 -Ions durch Peroxogruppen ersetzt sind. Auch andere Metalle Me, ζ. Β. Titan, Zirkon, Niob, Tantal, Molybdän, Wolfram und Uran sind imstande, Peroxyverbindungen mit der Atomgruppierung Oa

zu bilden, wobei η die Gruppennummer und Wertigkeit des Zentralatoms darstellt. Die von der Gruppennummer VI abweichende F ü n f Wertigkeit des Chroms in den Peroxo-chromaten Cr0 8 "' wird durch die Isomorphie der Peroxo-chromate mit den Peroxo-niobaten Me3[NbOg] und Peroxo-tantalaten Me3[TaOg] sowie durch magnetische Messungen (S. 499) bewiesen. Auch das dem Chrom benachbarte M a n g a n ist befähigt, mit niedrigerer als der Gruppenwertigkeit in Perox o Verbindungen des obigen Typus einzutreten.

c) Chrom(III)-Verbindungen Chrom (III)-hydroxid Cr(OH) 3 fällt beim Versetzen einer C h r o m (III)-salzl ö s u n g mit A m m o n i a k als bläulich-graugrüner, wasserreicher Niederschlag aus. Als a m p h o t e r e s Hydroxid löst es sich wie Aluminiumhydroxid A1(0H)3 sowohl in S ä u r e n wie in B a s e n auf. Im ersteren Falle entstehen C h r o m ( I I I ) - s a l z e Cr*" (s. unten), im letzteren C h r o m a t e ( I I I ) („Chromite) Cr(OH) 4 ' (tiefgrün): +0H' ->- Cr(OH) '. Cr"· -«- +3H' 4 SH,0 Cr (OH), Die Chromite (vgl. das auf S.385f. Gesagte) haben im wasserfreien Zustande die Formel M e ^ O s (Cr(OH)4' ^ Cr0 2 ' + 2H a 0). Der natürliche C h r o m e i s e n s t e i n ist ζ. B. ein E i s e n c h r o m i t Fe n (Cr0 2 ) 2 . Beim Erwärmen geht das Chrom(III)-hydroxid leicht unter Wasserabspaltung in das Chrom(III)-oxid Cr 2 0 3 über: 2Cr(OH) 8 —> Cr 2 0 3 + 3H20.

Das Chrom

513

Chrom (III)-oxid Cr^Oî hinterbleibt ganz allgemein beim Glühen höherer Sauerstoffverbindungen des Chroms als graugrüner, in Wasser, Säuren und Alkalien unlöslicher, erst bei 2200° schmelzender Rückstand: 2CrO. — > Cr2Os + 1V 2 0 S . Entsprechend seiner a m ρ h o t e r en Natur geht es beim Abrauchen mit S c h w e f e Is ä u r e in C h r o m (III) - s u 1 f a t und beim Verschmelzen m i t A l k a l i e n b e i Luf tabschluß i n C h r o m i t e bzw.in oxydierendem Medium in C h r o m a t e über (S. 508f.). Da es Glasflüsse schön grün färbt, wird es zum Färben von Glas und Porzellan benutzt (S. 341, 346). Ebenso ist es als grüne Malerfarbe geschätzt. Mit A1 2 0 3 bildet Gr 2 0 3 Mischkristalle, die mit geringem Cr 2 0 3 -Gehalt als rosafarbene,,Rubine" in der N a t u r vorkommen und auch synthetisch hergestellt werden können (S. 387) ; bei größerem Cr 2 O s -Gehalt sind die Mischkristalle grün. Chrom (III)-chlorid CrClj. W a s s e r f r e i e s Chrom(III)-chlorid CrCl3 sublimiert beim Erhitzen von metallischem C h r o m oder von C h r o m ( I I I ) - o x i d und K o h l e im C h l o r s t r o m ab und kondensiert sich in Form glänzender, violettroter Kristallblättchen. I n reinem Zustande ist es in W a s s e r u n l ö s l i c h . I n Gegenwart von S p u r e n C h r o m ( I I ) - s a l z löst es sich dagegen unter starker Wärmeentwicklung leicht als H e x a h y d r a t CrCl3 · 6 H 2 0 mit d u n k e l g r ü n e r Farbe auf. Beim Stehen färbt sich die Lösung langsam heller b l a u g r ü n , u m schließlich eine v i o l e t t e Farbe anzunehmen. Dieser F a r b w e c h s e l beruht auf einer „Hydrat-isomerie" (S. 514), indem das beim Lösen primär k o m p l e x g e b u n d e n e Chlor allmählich im Austausch gegen Wasser in i o n o g e n g e b u n d e n e s Chlor übergeht: [CrCl3(HaO)3] · 3 Η , 0

[CrCl2(HjO)4]Cl · 2HaO ^

[CrCl(H80)6]Cl,. H j O

(noch Dicht isoliert)

duiikelgrün

hellgrün

[Cr(HsO)e]Cl3. violett

Beim E r w ä r m e n der violetten Lösung spielt sich der umgekehrteVorgang ab, so daß dieLösung wieder grün wird; nach dem Erkalten wird dieLösung allm ählich von neuem violett us w. Die drei letztgenannten Chrom(III)-chlorid-Hydrate CrCl3 · 6 H 2 0 der obigen Komplexreihe, die sich mit Thionylchlorid SOCl2 (S. 196) leicht zum wasserfreien Chrom(III)-chlorid entwässern lassen, können einzeln i s o l i e r t werden. Ihre K o n s t i t u t i o n geht eindeutig aus dem Verhalten gegenüber S i l b e r n i t r a t l ö s u n g und beim vorsichtigen E n t w ä s s e r n im Exsiccator hervor, da jeweils nur die ionogen g e b u n d e n e n (außerhalb der eckigen Klammer geschriebenen) Chloratome als Silberchlorid fällbar sind and die als K r i s t a l l wasser gebundenen (außerhalb der eckigen Klammer geschriebenen) Wassermoleküle l e i c h t e r als die komplex gebundenen abgegeben werden. Auch folgt die Konstitution der einzelnen „Hydrat-isomeren" aus dem elektrischen L e i t v e r m ö g e n Λ (S. 95) und aus der G e f r i e r p u n k t s e r n i e d r i g u n g Δt (S. 94f.) der Lösung, da Leitfähigkeit und Gefrierpunktserniedrigung bei gleicher molarer Konzentration naturgemäß mit der Zahl der Ionen wachsen, in die das Sala dissoziiert (Λ^^ = Λ Kat|onen +

Antonen ' ^ 'salz

=

^ ' Kationen + ^ 'Anlonen)·

Chrom (III)-sulfat C r ^ S O ^ , das in Form gelatineartiger, tiefdunkelgrüner Blätter („in lamellis" ) in den Handel kommt, entsteht beim Auflösen von C h r o m (III )- h y d r ο χ i d in S c h w e f e l s ä u r e und kristallisiert bei längerem Stehenlassen der Lösimg in Form violetter Kristalle der Zusammensetzung Cr 2 (S0 4 ) 3 · 12H a O aus, welche die Konstitution [Cr(H 2 0) e ] 2 (S0 4 ) 3 besitzen. Die v i o l e t t e Farbe der wässerigen Lösung schlägt beim Erwärmen in g r ü n u m , da hierbei—in Analogie zu der beim Chrom(III)-chlorid geschilderten Erscheinung — komplex gebundenes Wasser durch Sulfatgruppen ersetzt wird. Chromalaun KCr(S04)g • 1 2 H 2 0 kristallisiert aus mit K a l i u m s u l f a t versetzten C h r o m ( I l l ) - s u l f a t l ö s u n g e n in Form großer, dunkelvioletter Oktaeder von bis zu mehreren Zentimetern Kantenlänge (bei geeigneter Kristallisation sogar in Form kilogrammschwerer Kristalle) aus. Er dient wie das Chrom(III)-sulfat zur Gerbung von Leder („Chromgerbung" ;

„Chromleder").

d) Chrom(II)-Verbindungen Die C h r o m ( I I ) - V e r b i n d u n g e n zeigen eine sehr große Neigung, in Chrom(III)Verbindungen überzugehen, und sind daher starke R e d u k t i o n s m i t t e l : H o l l e m a n - W i b e r g , Anorganische Chemie. 47.-5«. Aufl.

33

Die Chromgruppe

514

Cr"

ν Cr"· + θ ·

Dementsprechend lassen sie sich umgekehrt aus Chrom(III)-Verbindungen nur durch Einwirkung s t a r k e r Reduktionsmittel gewinnen. So erhält man ζ. B. eine Lösung von Chrom(II)-chlorid CrCl2 durch Reduktion einer salzsauren Chrom(III)-chloridlösung mit Z i n k bei Luftabschluß : 2Cr"" + Zn — ! » 2 C r " +

Zn".

Die blaue Lösung, die Sauerstoff viel schneller als irgendein anderes Absorptionsmittel aufnimmt, ist auch bei Ausschluß von Sauerstoff nicht lange haltbar, da das Chrom (II )-chlorid in der salzsauren Lösung infolge der Anwesenheit katalytisch aktiver Verunreinigungen gemäß dem negativen Normalpotential des Cr"-ions (S. 168) unter Wasserstoffentwicklung wieder in grünes Chrom(III)-chlorid übergeht: Cr" + H' — > - C r - +

i/2H2.

Dagegen sind sehr reine CrCl2-Lösungen unter Luftabschluß unbegrenzt haltbar. Im wasserfreien Zustand ist das Chrom(II)-chlorid farblos. Verhältnismäßig beständig sind das blaue, leichtlösliche Chrom(II)-sulfat CrS0 4 · 5 H 2 0 (isotyp mit CuS0 4 · 5H 2 0), das rote, schwerlösliche Chrom(II)-acetat Cr(CH3COO)2 und das grüne Chrom(II)-oxalat CrC 2 0 4 · 2H ä 0. Das mit Natronlauge fällbare Chrom(II)hydroxid Cr(OH)2 ist dunkelbraun und geht auch bei vorsichtigstem Wasserentzug unter H 2 -Entwicklung teilweise in Cr 2 0 3 über. Ckrom(II)-oxid CrO (NaCl-Gitter) entsteht bei der thermischen Zersetzung von Cr(CO)e (S. 543) bei 250—550° im Vakuum und disproportioniert sich bei höherer Temperatur in Cr und Cr 2 0 3 .

e. Isomerie komplexer Verbindungen

Der beim Chrom(III)-chlorid CrCl 3 -6H 2 0 (S. 513) behandelte Fall der Hydratisomerie ist ein Spezialfall der „Isomerie", unter der wir ganz allgemein die Erscheinung verstehen, daß zwei physikalisch und chemisch voneinander verschiedene Stoffe dieselbe Zusammensetzung und Molekulargröße besitzen. Ist die Isomerie — wie im Falle des Chrom(III)-chlorids — auf eine v e r s c h i e d e n e A t o m v e r k e t t u n g innerhalb des Moleküls zurückzuführen, so spricht man von „Struktur-isomerie". Ist auch die Atomverkettung in den isomeren Molekülen die g l e i c h e und unterscheiden sich diese lediglich in der r ä u m l i c h e n L a g e r u n g der Atome, so liegt „Stereo-isomerie" vor. Struktur-isomerie. Die Struktur-isomerie, für die es namentlich in der organischen Chemie zahllose Beispiele gibt (vgl. I I , S. 26ff.), äußert sich bei den anorganischen Komplexverbindungen meist darin, daß einzelne Liganden gegenseitig ihre Plätze v e r t a u s c h e n . So kann beispielsweise ein S ä u r e r e s t einmal ionogen und einmal k o o r d i n a t i v gebunden sein („Ionisations-isomerie") : [PtCl 2 (NH 3 ) 2 ]Br a [CoCl(N OJ)(NH 3 ) 4 ]C1

und und

[PtBr 2 (NH 3 ) 2 ]Cl 2 , [COC1 2 (NH 3 ) 4 ]N0 2 .

In gleicher Weise tritt häufig die Aquogruppe einmal k o m p l e x gebunden und einmal als K r i s t a l l w a s s e r auf („Hydrat-isomerie") : [CoCl(H 2 0) 2 (NH 3 ) 3 ]Br, [CrCl(HaO)s]Cl2 · HjO

und und

[CoClBr(H a O) (NH 3 ) 3 ]Br· H s O, [CrCla(HaO)4]Cl · 2 H a O.

Ebenso können in Salzen, die aus zwei komplexen Ionen bestehen, die Z e n t r a l a t o m e oder einzelne L i g a n d e n gegeneinander vertauscht sein („Koordinations-isomerie") : [Cu(NH 3 ) 4 ][PtCl 4 ] [Pt(NH3)4][Pta4]

und und

[Pt(NH 3 ) 4 ][CuCl 4 ], [PtCl(NH 3 ) 3 ][PtCl 3 (NH 3 )].

[CO(N0 2 )(NH 3 ) 6 ]C1 2

und

[Co(ONO)(NH 3 ) 6 ]Cl 2 .

Weiterhin besteht ζ. B. die Möglichkeit, daß die N 0 2 - G r u p p e einmal über den S t i c k s t o f f („Nitrogruppe") und einmal über den S a u e r s t o f f („Nitritogruppe") an das Zentralatom gebunden ist („Salz-isomerie") :

Das Molybdän

515

Stereo-isomerie. Beruht die Stereo-isomerie darauf, daß zwei an ein Zentralatom gebundene Liganden räumlich einmal b e n a c h b a r t („Cis-Stellung") und einmal n i c h t b e n a c h b a r t („Trans-Stellung") sind, so spricht man von „Cis-Trans-Isomerie". So können z. B. in einem Komplex-ion des Typus [MeA4B2]n die beiden Liganden Β an den Enden einer K a n t e oder an den Enden einer Diagonale des Oktaeders liegen (Fig. 142). In bestimmten Fällen läßt sich bei dieser Cis-Trans-Isomerie das Cis-Isomere räumlich Cis-Form Trans-Form in zwei F o r m e n aufbauen, Fig. 142. Cis-Trans-Isomerie von Komplexverbindungen welche sich wie Bild und des Typus MeA*B^ Spiegelbild verhalten und nicht zur Deckung zu bringen sind. Dann spricht man von „Spiegelbild-isomerie". Zu derartigen Spiegelbild-isomeren kommt man ζ. B., wenn in dem oben angeführten Komplex-ion [MeA 4 B 2 ] n die vier koordinativ einwertigen Reste A durch zwei koordinativ \C zweiwertige Reste C (ζ. B. Äthylendiamin {„en") NH2 · Spiegeteiene CH2 · CH2 · NH2 oder Oxalat Fig. 143. Spiegelbild-Isomerie von Komplex Verbindungen ÖOC · COÖ) ersetzt sind des Typus MeC^Bj (Fig. 143). Die Spiegelbild-isomeren zeichnen sich dadurch aus, daß sie „optisch aktiv" sind, d. h. daß sie die E b e n e des polarisierten L i c h t e s um den gleichen Betrag einmal nach links und einmal nach rechts drehen (II, S. 19f.). Beim Tetraedermodell treten Spiegelbild-isomere immer dann auf, wenn das Zentralatom mit vier verschiedenen Liganden verbunden ist (Näheres s. II, S. 44ff.).

2. Das Molybdän Elementares Molybdän. Das wichtigste Molybdänerz ist der Molybdänglanz MoS 2 , der sich hauptsächlich in Nordamerika und in Norwegen findet. In Deutschland kommt der Molybdänglanz im Erzgebirge vor. Geringe Mengen von Gelbbleierz PbMo0 4 finden sich in Kärnten und Oberbayern. Zur Gewinnung des Molybdäns oxydiert man den Molybdänglanz durch R ö s t e n zu MoOs, laugt dieses mit Sodalösung aus und reduziert das aus der Lösung durch Säuren wieder gefällte Oxidhydrat durch Erhitzen im Wasserstoffstrom : MoO, + 3H¡¡ — M o

+ 3H20 . 33*

516

Die Chromgruppe

Das so gewonnene stahlgraue Pulver kann zu einem zinnweißen, harten, spröden Metall zusammengeschmolzen werden (Smp. 2620°; Sdp. 3700°; spez. Gew. 10.2). Das zur Herstellung von „Molybdänstahl" dienende Molybdän wird dem Eisen nicht als solches, sondern in Form von „Ferromolybdän", einer durch Zusammenschmelzen von Molybdän- und Eisenoxid mit Kohle im elektrischen Ofen entstehenden Legierung mit 50—85°/ 0 Mo, zugesetzt. Molybdän ist an der L u f t und gegenüber n i c h t o x y d i e r e n d e n S ä u r e n sehr beständig. Von o x y d i e r e n d e n S ä u r e n oder S c h m e l z e n wird es lebhaft angegriffen. In seinen Verbindungen tritt es zwei-, drei-, vier-, fünf- und sechswertig auf. Die w i c h t i g s t e n und b e s t ä n d i g s t e n Verbindungen sind die des s e c h s w e r t i g e n Molybdäns. Molybdänverbindungen· S a u e r s t o f f v e r b i n d u n g e n . Das beim Erhitzen vieler Molybdänverbindungen hinterbleibende Molybdän(VI)-oxid Mo0 3 stellt ein weißes, beim Erhitzen gelb werdendes, in Wasser kaum lösliches Pulver vom Schmelzpunkt 795.2° dar. Es löst sich in Alkalien unter Bildung von Molybdaten. Diese Molybdate haben in alkalischer und neutraler Lösung ( f a > 6.5) die Formel MejMoO^ Beim Ansäuern der Lösung wandeln sich die M o n o m o l y b d a t e in H e x a m o l y b d a t e ( f a = 2—5.5) und in D o d e k a m o l y b d a t e (^>η=1·25) um (Näheres hierüber beim Wolfram, S. 517f.). Noch stärkeres Ansäuern (/>H=0.9) führt zur teilweisen Ausfällung von Molyhdän-oxidhydrat MoO s · x H 2 0 . Dieses löst sich bei weiterer Säurezugabe unter Bildung von Molybdändioxid-Verbindungen (Mo0 2 )X 2 wieder auf. Analytisch wichtig ist das Ammoniummolybdat ( N H J ^ o O , , , das in stark salpetersaurer Lösung mit Phosphorsäure einen gelben, kristallinen Niederschlag der Zusammensetzung (NH 4 ) 3 [P(Mo 3 0 10 ) 4 ] büdet (vgl. S. 518). Behandelt man angesäuerte M o l y b d a t l ö s u n g e n mit Reduktionsmitteln wie Z i n k oder S c h w e f e l w a s s e r s t o f f oder s c h w e f l i g e r S ä u r e , so erhält man t i e f b l a u e , kolloide Lösungen von M i s c h o x i d e n des fünf- und sechswertigen Molybdäns („Molybdänblau"). Die Reaktion dient als empfindlicher N a c h w e i s von Molybdänsäure. H a l o g e n v e r b i n d u n g e n . Molybdän bildet die Chloride MOC12, MOC13, MoCl4 und MoClj. Das Pentachlorid entsteht beim Erhitzen der Elemente als grünschwarzes, kristallines, bei 194° schmelzendes und bei 268° siedendes Pulver. Bei der Reduktion mittels Wasserstoff geht es in dunkelrotes Trichlorid MoCla über, welches sich beim Erhitzen in braunes Tetrachlorid MOC14 und gelbes Dichlorid MoCl2 disproportioniert. Letzteres besitzt nach der Molekulargewichtsbestimmung in Äther das dreifache Molekulargewicht (MOC12)3. Die s e c h s w e r t i g e Oxydationsstufe des Molybdäns ist im Hexajluorid MoF e vertreten, das bei schwachem Erwärmen von Molybdän im Fluor Btrom als farblose, kristalline, diamagnetische Substanz vom Schmelzpunkt 17° und Siedepunkt 35° entsteht.

3. Das Wolfram a) Elementares Wolfram Vorkommen. Die wichtigsten Wolframerze sind der Scheelit CaW0 4 , das Scheelbleierz P b W 0 4 und der Wolframit (Mn,Fe)W0 4 . Die Hauptfundstätten liegen in China und in Nordamerika. In Deutschland finden sich Wolframerze im Erzgebirge. Die Aufarbeitung dieser Mineralien erfolgt meist durch oxydierendes Rösten mit Soda, wobei wasserlösliche Natriumwolframate gebildet werden, die sich durch einfaches Auslaugen des Röstgutes mit Wasser extrahieren lassen. Beim Ansäuern der Lösungen fällt das den Wolframaten zugrunde liegende Wolfram(VI)-oxid W 0 3 als unlösliches Oxidhydrat aus, welches durch Erhitzen entwässert werden kann.

Das Wolfram

517

Darstellung. Das reine Metall läßt sich durch Reduktion von W o l f r a m ( V T ) - o x i d mit W a s s e r s t o f f bei 1200° als schwarzgraues Pulver gewinnen: WO3 + 3H a —>- W + 3 H 2 0 . Das Pulver wird dann in feste Stücke gepreßt und in einer Wasserstoffatmosphäre elektrisch gesintert. Wegen seines s e h r h o h e n S c h m e l z p u n k t e s (3380°; höchster Schmelzpunkt aller Metalle) dient Wolfram als G l ü h f a d e n in den elektrischen G l ü h l a m p e n (S. 75). Zur Herstellung dieser Wolframfäden wird das bei der Reduktion von W 0 3 erhaltene Wolf r a m p u l v e r mit einigen Prozenten T h o r i u m h y d r o x i d und einem organischen Bindemittel zu einem Brei angerührt und in dieser Form zu F ä d e n ausgepreßt, welche langsam durch einen kleinen auf 2400—2600° e r h i t z t e n O f e n hindurchgezogen werden. Hierbei kristallisiert der Faden, ohne zu schmelzen, zu einem meterlangen „Einkristall". Auch durch H ä m m e r n des Wolframpulvers bei über 1100° und Ausz i e h e n des so gewonnenen Metallstückes durch Z i e h d ü s e n aus Diamant oder Wolframcarbid oder „Widiametall" (Sinterwerkstoff aus Wolfram carbid und 10°/0 Kobalt) bei etwas tieferer Temperatur lassen sich geeignete G l ü h d r ä h t e (von mehreren Kilometern Länge und 0.01 bis 0.02 mm Durchmesser) gewinnen. Das zur Herstellung von „Wolframstahl" dienende Wolfram wird dem Eisen nicht als solches, sondern in Form von „Ferrowolfram" (einer durch Zusammenschmelzen von Wolframerz und Eisenerz mit Kohle im elektrischen Ofen gewonnenen Eisenlegierung mit 60 bis 80°/0 W) zugesetzt. Eigenschaften. Reines Wolfram ist ein weißglänzendes Metall von enormer mechanischer Festigkeit (spez. Gewicht 19.3), welches bei 3380° schmilzt und bei 6000° siedet. Gegenüber L u f t ist es bei Zimmertemperatur sehr beständig; bei Rotglut verbrennt es zu Wolfram(VI)-oxid W 0 3 . S ä u r e n — auch Königswasser und Flußsäure — greifen Wolfram nur langsam a n ; dagegen löst es sich rasch in einem Gemisch von Salpeter- und Flußsäure. Beim Schmelzen mit A l k a l i e n geht es in Wolframate über. In seinen chemischen Verbindungen kann es zwei-, drei-, vier-, fünf- und sechswertig auftreten. Die b e s t ä n d i g s t e Oxydationsstufe ist die s e c h s w e r t i g e .

b) Verbindungen des Wolframs Isopolysäuren. Das beim Glühen vieler Wolframverbindungen im Sauerstoffstrom entstehende gelbe, in Wasser und Säuren unlösliche, bei 1473° schmelzende W o l f r a m ( V l ) - o x i d WO3 („Wolframocker") löst sich in starken A l k a l i e n unter Bildung von Wolframaten. Diese W o l f r a m a t e leiten sich in alkalischen Lösungen mit einem £ H -Wert > 8 von einer M onowolframsäure H 2 W 0 4 ab, haben hier also die Zusammensetzung M e n W 0 4 (Monowolframate). Säuert man die Lösungen an, so vereinigen sich die Monowolframationen im ^ - B e r e i c h 6—8 reversibel zu den Ionen einer Hexawolframsäure H^WgO^: 6H a W0 4 H 12 W,O m . (1) Die Salze dieser Hexawolframsäure sind bis herab zu einem />H-Wert von 1.5 beständig, und zwar kristallisieren aus sauren Lösungen mit einem Wert > 4 Salze der Formel Me B H 7 W e 0 24 („Parawolframate") aus, während in s t ä r k e r s a u r e n Lösungen (fin < 4) s t ä r k e r s a u r e Salze der Zusammensetzung Me 3 H e W 6 0 24 entstehen. Aus s e h r s t a r k s a u r e n Lösungen (fix < 1.5) fallen mehr oder weniger rasch Hydrate des polymeren W o l f r a m o x i d s (W0 3 ) x aus. K o n z e n t r i e r t man H e x a w o l f r a m a t - l ö s u n g e n , so kondensieren sich die Hexawolframat-ionen in reversibler Reaktion zu den Ionen einer Dodekawolframsäure H 8 W 12 O 40 („Metawolframsäure") :

518

Die Chromgruppe

2 H12W,OM

H,W 12 0„ + 8 a . 0 .

(2 )

Die Salze dieser Säure kristallisieren aus der Lösung inForin v o n D i h y d r o g e n - d o d e k a w o l f r a m a t e n („Metawolframaten") MeeH2W12O40 aus ; auch die f r e i e S ä u r e H g W 12 O 40 kann isoliert werden. Heteropolysäuren. Interessant sind die Umsetzungen, die sich beim Zusatz von N i c h t m e t a l l s ä u r e n zu P o l y w o l f r a m s ä u r e - l ö s u n g e n abspielen. So bilden sich z.B. beim Versetzen von H e x a w o l f r a m a t - l ö s u n g e n mit P e r j o d s ä u r e H 5 J 0 6 oder T e l l u r s ä u r e H e TeO e Salze g e m i s c h t e r P o l y s ä u r e n mit den Ionen [J(W,0 M )P-

[Te(We024)]e~,

(3)

während z. B. bei Zugabe von P h o s p h o r s ä u r e H 3 P 0 4 oder K i e s e l s ä u r e H 4 Si0 4 zu D o d e k a w o l f r a m a t - l ö s u n g e n Salze des Typus [P(W12O10)]ä-

[Si(W12O40)]'-

(4)

entstehen : H 6 j|0, +"^ g jW,0 M — ^ HjJW e O w + 6H a O, HaP;Q4 + H8;W12O40 — H 3 P W 1 2 O 4 0 + 4 HäO usw.

Wie ein Vergleich dieser „Heteropolysäuren" (3) bzw. (4) mit den entsprechenden „Isopolysäuren" [W e 0 24 ] l2 ~ (1) bzw. [W 12 O 40 ] 8- (2) zeigt, kommen diese Heteropolysäuren formal dadurch zustande, daß in das Anion der Isopolysäuren die den genannten Nichtmetallsäuren zugrunde liegenden Kationen J 7 f , Te 6+ , P 5+ bzw. Si4+ eingebaut WerdeD :

[W,0 2 4 ]"- + J'+ — > [J(W 0 O 24 )f - , [WI2O40]°" + P*+ — ^ [P(W12O40)]3- usw.

Näheren Aufschluß über die inneren Zusammenhänge gibt die Röntgenanalyse, welche zeigt, daß z. B. die P h o s p h o r w o l f r a m s ä u r e [P(W 12 O 40 )] s_ und die M e t a wolf r a m s ä u r e [W 12 O 40 ] 8- in der Tat den g l e i c h e n B a u besitzen (was auch durch die I s o m o r p h i e der beiden Verbindungen bestätigt wird) und daß ihre Struktur wahrscheinlich durch das nebenstehende (Fig. 144) oder ein ähnliches Bild wiedergegeben wird. Danach stellt die [W 12 O 40 ] 8_ - Gruppierung beider Verbindungen eine hohle „Kugelschale" aus 12 Wolframatomen dar, welche o k t a e d r i s c h von je 6 Sauerstoffatomen umgeben sind, die teilweise zwei Wolframatomen gemeinsam angehören. Das I n n e r e dieser aus den 12 Wolframoktaedern gebildeten Kugelschale ist im Falle der M e t a w o l f r a m s ä u r e [W 12 O 40 ] 8- l e e r , im Falle der P h o s p h o r w o l f r a m s ä u r e [P(W 12 0 40 )] 3 ~ durch e i n P h o s p h o r - k a t i o n P 5 + ausgefüllt, das t e t r a Fig. 144. Oktaederanordnung e d r i s c h 4Sauerstoffatome mit der [W 12 O 40 ] 8 --Grupin den Heteropolysäuren des p i e r u n g gemeinsam hat. Wie Fig. 144 zeigt, lassen sieh im [W12O40]e~-Ion der Phosphorwolframsäure 4 Gruppen von je 3 Wolframoktaedern erkennen, die mit je einer Spitze dea Phosphor-tetraeders verbunden sind. Diese Struktur kann man durch die Formel [P(W3O10)4]3~ symbolisieren, nach welcher an die 4 Sauerstoffatome des Phosphat-ions [ P 0 4 ] 3 - (W03)3-Gruppen angelagert sind. Typus Ηη[Χ(Υ η Ο 40 )] (nach K. F. JAHR)

Die Bildung von H e t e r o p o l y s ä u r e n ist nicht auf das Wolfram beschränkt, sondern findet sich auch bei vielen anderen Metallen. Notwendig ist stets das Zusammentreffen einer mehrbasigen, sauerstoffhaltigen, schwachen M e t a l l s ä u r e mit

Dae Uran

519

einer ebenfalls mehrbasigen, sauerstoffhaltigen, schwachen bis höchstens mittelstarken N i c h t m e t a l l s ä u r e („Stammsäure").Ah M e t a l l s ä u r e n können z.B.außer Wolframsäure noch Molybdän- und Vanadinsäure, als S t a m m s ä u r e n ζ . B. Bor-, Kiesel-, Phosphor-, Arsen-, Tellur- oder Perjodsäure auftreten. Wolframblau. Reduziert man frischgefälltes W o l f r a m ( V I ) - o x i d h y d r a t durch Erwärmen mit Z i n n ( I I ) - c h i o r i d oder Z i n k und Salzsäure, so entsteht eine prächtig b l a u e Lösung. Die blaue Farbe ist wahrscheinlich wie beim Molybdän auf ein M i s c h o x i d des fünf- und sechswertigen Wolframs („Wolframblau") zurückzuführen. In ähnlicher Weise kommt man durch teilweise Reduktion von geschmolzenen N a t r i u m w o l f r a m a t e n mit W a s s e r s t o f f oder Z i n n zu prächtig gefärbten, als Deckfarben geschätzten M i s c h v e r b i n d u n g e n („Wolframbronzen") der Zusammensetzung N a x W 0 3 (x = 0 bis 1). Chloride. Wolfram bildet die Chloride WC12, WC1 4 , WC16 und WC1„. Das Hexachlorid WCl e entsteht bei dunkler Rotglut aus den Elementen und stellt eine schwarzviolette, bei 275° schmelzende und bei 347° siedende kristalline Masse dar. Die n i e d r i g e r e n Chloride bilden sich bei der Reduktion des H e x a c h l o r i d s mit W a s s e r s t o f f .

4. Das Uran Elementares Uran. Das wichtigste Uranmineral ist das Uranpecherz (Uranpechblende) U 3 0 8 . Die größten derartigen Pechblendelager finden sich in Belgisch-Kongo (Katanga), in Kanada (am Bärensee) und bei Joachimsthal (Tschechoslowakei). Daneben spielt noch der in Colorado vorkommende Carnotit, ein Uranvanadat K U 0 2 [ V 0 4 ] · l1/8 H 2 0 eine gewisse Rolle. Während das metallische Uran bis vor wenigen Jahren keine technische Bedeutung besaß, wird es heute in großen Mengen als Ausgangsmaterial zur Errichtung von A t o m k r a f t a n l a g e n (S. 593 fï.) und zur Erzeugung von A t o m w a f f e n (S. 597) durch Schmelzelektrolyse (z.B. von K U F 5 oder Na 2 UCl e ) gewonnen. Zur Darstellung im L a b o r a t o r i u m benutzt man entweder die Reduktion von U r a n o x i d e n mit A l u m i n i u m , M a g n e s i u m , C a l c i u m oder C a l c i u m h y d r i d oder die Reduktion von U r a n h a l o g e n i d e n mit A l k a l i - oder E r d a l k a l i m e t a l l e n . I m letzteren Fall erhält man das Uran in Form eines schwarzen Metallpulvers, das sich im elektrischen Ofen zu kompakten Stücken zusammenschmelzen läßt (Smp. 1090°; spez. Gew. 18.9). Das dem metallischen Molybdän und Wolfram vergleichbare metallische Uran sieht ähnlich aus wie Eisen, unterscheidet sich von diesem aber durch sein h o h e s s p e z i f i s c h e s G e w i c h t ( F e : 7.9; U : 18.9). Gegenüber L u f t , S ä u r e n und L a u g e n ist es verhältnismäßig b e s t ä n d i g . Beim Glühen an der L u f t verbrennt es zu dem O x i d U 3 0 8 ( U 0 2 · 2U0 3 ). Mit S t i c k s t o f f vereinigt es sich bei 1000° zu einem braunen N i t r i t U 3 N 4 , mit Wasserstoff zu einem Hydrid U H 3 (spez. Gew. 10.95). In seinen chemischen Verbindungen tritt Uran zwei-, drei-, vier-, fünf- und sechswertig auf. A m beständigsten sind die Verbindungen des v i e r - und sechswertigen Urans. Uran(\TI)-Verbindungen. Beim Erhitzen von Uran(VI)-salzen flüchtiger Säuren hinterbleibt das rotgelbe Uran(VI)-oxid U 0 3 . Es besitzt sowohl s a u r e wie b a s i s c h e Eigenschaften, löst sich also sowohl in Basen wie in Säuren auf. I m ersteren Falle entstehen Uranate U 0 4 " (die sofort in Di-uranate übergehen : 2 U 0 4 " + 2 H ' — > • U 2 0 7 " + H 2 0 ) , im letzteren E/ra«yZverbindungen U 0 2 " . Beide leiten sich von der Uransäure (Uranylhydroxid) U 0 2 ( 0 H ) 2 ab, welche — zum Unterschied von der gleichgebauten Schwefelsäure S 0 2 ( 0 H ) 2 — sowohl als S ä u r e wie als B a s e fungieren kann: U 0 4 " + 2H·

UO«(OH) a q = ± : Ü0 2 " + 2OH'.

Dementsprechend gehen auch Uranate und Uranylsalze leicht ineinander über.

Die Chromgruppe

520

I n seinen H a l o g e n v e r b i n d u n g e n tritt das Uran nur gegenüber dem F l u o r und Chlor sechswertig auf: U F e (monokline farblose Kristalle vom Smp. 69.2° und Sblp. 56.2°), UC16 (monokline grüne Kristalle). Gegenüber B r o m und J o d ist Uran maximal nur vierwertig: U B r 4 (braune Blättehen), U J 4 (schwarze Nadeln v o m Smp. 500°). Uran(IY)-Verbindungen. Erhitzt man das Uran(VI)-oxid U 0 3 im W a s s e r s t o f f s t r o m auf 900°, so geht es in das braune Uran(IV)-oxid U 0 2 (Smp. 2200°) über, das ausschließlich b a s i s c h e n Charakter besitzt. Beim Glühen an der L u f t geben sowohl U 0 3 wie U 0 2 das grüne U 3 0 8 , das wohl als Uran(IV)-uranat U ( U 0 4 ) 2 aufzufassen ist. Das durch Erhitzen von Uran im C h l o r s t r o m darstellbare dunkelgrüne feste Uran(IV)chlorid UC14 sublimiert (Sblp. 618°) unter Bildung eines roten Dampfes. Über U B r 4 und U J 4 s. oben. Uran (ΙΠ)-Verbindungen. Durch starke Reduktionsmittel kann man auch dreiwertige Uranverbindungen erhalten, z . B . U B r 3 (dunkelrote Kristalle) und U J 3 (schwarze Kristalle). Sie sind in Wasser purpurfarben löslich und oxydieren sich in wässeriger Lösung leicht unter H 2 -Entwicklung zu Uran(IV)-Verbindungen. Uran als Actinidenelement. Auf S. 449 wurde bereits darauf hingewiesen, daß Uran in Wirklichkeit kein Homologes des Wolframs, sondern ein Glied der Actinidengruppe ist. Dies geht nicht nur aus dem spektroskopisch ermittelten Bau seiner Elektronenhülle (S. 448) und aus dem Gang der Dichten und Schmelzpunkte in der Chromgruppe hervor: Metall Cr Mo W U

Dichte 6.9 10.2 19.3 18.9

Schmelzpunkt 1920» 2620· 3380· 1090°

sondern auch aus einer Reihe chemischer Eigenschaften, von denen die folgenden herausgegriffen eeien: l.Das sechswertige Uran ist in Form der Uranate gefärbt. Wäre Uran ein Homologes des Wolframs, so müßten die Uranate wie die Molybdate und Wolframate farblos sein, da ganz allgemein in den Nebengruppen die Verbindungen der höchsten Wertigkeitsstufe mit steigendem Atomgewicht farbloser werden (vgl. Mn0 4 ' violett >- TcO/ rosa >• Re0 4 ' farblos). 2. Die Elemente Chrom, Molybdän und Wolfram bilden im sechswertigen Zustande Isopolysäuren, wobei das Kondensationsbestreben zum Wolfram hin steigt. Demgegenüber bildet das Uran nur Diuranate. 3. In den Nebengruppen nimmt ganz allgemein mit steigendem Atomgewicht die Beständigkeit der höheren Wertigkeit zu, der niedrigeren ab. Man sollte daher bei der Beständigkeit der sechswertigen Wolframverbindungen erwarten, daß die Verbindungen des vierwertigen Urans schwer zugänglich und instabil seien, was der Erfahrung widerspricht. 4. Die Chemie der drei- und vierwertigen Uranverbindungen unterscheidet sich wesentlich von der der analogen Chrom-, Molybdän- und Wolframverbindungen. Während diese polymer sind oder nur in Form von Komplexverbindungen auftreten, liegen beim Uran einfache U'"- und U""-kationen vor, die sich in ihren Eigenschaften an die Ac - "- und Th""-ionen anschließen. 5. Uran bildet analog den Lanthanidenelementen ein Hydrid UH S , das in seinen Eigenschaften dem Lanthanhydrid LaH 3 ähnlich ist und wie dieses einen Übergangstypus zwischen salzartigen und legierungsartigen Hydriden darstellt. 6. Urandioxid UO s kristallisiert wie die Dioxide des Thoriums, Protactiniums, Neptuniums, Plutoniums und Americiums im Fluorittypus, während die Dioxide Mo0 2 und W0 2 ein Rutilgitter bilden. 7. Uran kommt in der Natur nicht vergesellschaftet mit Molybdän und Wolfram, sondern mit Thorium und den Seltenen Erden vor. 8. Während Chrom, Molybdän und Wolfram sehr stabile, „edelgasartige" Hexacarbonyle Me(CO)e bilden (vgl. S. 543 f.), konnte vom Uran keine derartige Verbindung dargestellt werden. Daa wird verständlich, wenn Uran nicht als Eka-Wolfram, sondern als Actinidenelement (Eka-Neodym) betrachtet wird, da dann durch Aufnahme von 6CO-Molekülen nicht wie im Falle des Chroms, Molybdäns und Wolframs die Edelgasschale des nächsten Edelgases (Eka-Radon hat bei Annahme einer Actinidenreihe die Ordnungszahl 118) erreicht wird. Analoge Betrachtungen beim T h o r i u m und P r o t a c t i n i u m zeigen, daß auch diese Elemente weniger als Eka-Hafnium bzw. Eka-Tantal, denn als Actiniden-Elemente (Eka-Cer bzw. Eka-Praseodym) zu betrachten sind, wenn auch der Actinidencharakter in der Richtung vom Uran zum Thorium hin mehr und mehr in den Hintergrund tritt.

K a p i t e l ΧΧΙΠ

Die Mangangruppe Zur Mangangrappe (7. Nebengrappe des Periodensystems) gehören die Elemente M a n g a n , T e c h n e t i u m und R h e n i u m . Das Technetium (Ordnungszahl 43), das man schon einmal in der Natur aufgefunden zu haben glaubte („Masurium"), ist bis jetzt mit Sicherheit nur als künstliches radioaktives Zerfallsprodukt 1 bekannt (S. 597f.).

1. Das Mangan a) Elementares Mangan Vorkommen. Mangan ist in der Natur recht verbreitet und am Aufbau der Erdrinde mit 0.08°/ 0 beteiligt. Die wichtigsten M a n g a n e r z e sind: der Braunstein (Pyrolusit) Mn0 2 , der Braunit Mn 2 0 3 , der Manganit Mn 2 0 3 · H 2 0, der Hausmannit Mn 3 0 4 und der Manganspat MnC0 3 . Meist finden sich diese Erze in Gesellschaft von E i s e n e r z e n . Reiche Lagerstätten hegen an der Ostküste des Schwarzen Meeres, in Indien, in Brasilien und in Afrika. Deutschland ist arm an Manganerzen. Darstellung. Metallisches Mangan kann nicht wie das Eisen durch Reduktion seiner Oxide mit Kohle gewonnen werden, da man hierbei nur zu C a r b i d e n kommt. Die beste Darstellungsmethode ist die a l u m i n o t h e r m i s c h e : 3 MnsOt + 8 Al •—>- 9 Mn + 4 A1203 + 602 kcal. Aber auch diese hat keine technische Bedeutung, da das reine Metall praktisch nicht verwendet wird. Von technischer Bedeutung sind dagegen die E i s e n - M a n g a n - L e g i e r u n g e n mit einem Mangangehalt von 4—5°/0 {„Stahleisen"), 5—20°/0 („Spiegeleisen") und 30—90°/o („Ferromangan"). Sie dienen hauptsächlich als D e s o x y d a t i o n s m i t t e l bei der Flußstahlerzeugung (S. 531) und zur Gewinnung von „Manganstahl" und werden aus einem Gemisch von K o k s , M a n g a n - und E i s e n e r z e n im Hochofen bzw. elektrischen Ofen gewonnen (vgl. S. 527ff.). Eigenschaften. Metallisches Mangan ist silbergrau, hart und sehr spröde. Es schmilzt bei 1247°, siedet bei 2030° und besitzt ein spezifisches Gewicht von 7.21. Da es in der Spamrangsreihe oberhalb des Wasserstoffs steht (S. 167), wird es von S ä u r e n (langsam auch schon von Wasser) unter W a s s e r s t o f f e n t w i c k l u n g angegriffen. Beim Erhitzen an der L u f t verbrennt es zu Mn 3 0 4 . In seinen chemischen Verbindungen ist Mangan ein-, zwei-, drei-, vier-, fünf-, sechsund siebenwertig. Die bekanntesten Oxydationsstufen sind die des zwei- und s i e b e n wertigen Mangans. Die B a s i z i t ä t (Acidität) der Oxide nimmt mit s t e i g e n d e r W e r t i g k e i t des Mangans a b (zu). So ist das M a n g a n (II)-oxid MnO ein ausgesprochenes B a s e - a n h y d r i d : MnO + H 2 0 — M n ( O H ) 2 , das M a n g a n ( V I I ) - o x i d Mn 2 0 7 dagegen ein ausgesprochenes S ä u r e - a n h y d r i d : Mn 2 0 7 + H 2 0 — » - 2HMn0 4 , während das M a n g a n (IV)-oxid Mn0 2 a m p h o t er ist und sich dementsprechend sowohl mit Säuren (Mn0 2 + 4H" — M n " " + 2H a O) wie mit Basen (Mn0 2 + 2 OH' — > M n 0 3 " -f- H 2 0) umsetzt. 1

tecbnetOB (τεχνητός) = künstlich.

522

Die Mangangrnppe

b) Verbindungen des Mangans Mangan(I)-Verbindungen. Als Beispiele für Verbindungen des einwertigen Mangans seien die komplexen Cyanide K 3 [Mn(CN) 4 ] und K s [Mn(CN) 6 ] angeführt. Mangan (II)-Verbindungen. Das Mangan(II)-oxid MnO hinterbleibt beim Glühen der höheren Manganoxide im Wasserstoffstrom als grünlich-graues Pulver, welches sich in Säuren leicht mit schwacher Rosafarbe unter Bildung von Mangan(II)-salzen löst. Das ihm entsprechende Mangan(II)-hydroxid Mn(OH) 2 fällt beim Versetzen von Mangan (II)-salzlösungen mit Alkalien unter L u f t a b s c h l u ß als w e i ß e r Niederschlag aus, der sich zum Mangan(II)-oxid MnO entwässern läßt : Mn(OH) 2 —>- MnO + PI 2 0, während MnO durch Wasseranlagerung nicht umgekehrt wieder in das Hydroxid übergeht. Nimmt man die Fällung des Hydroxids an der L u f t vor, so färbt sich der weiße Niederschlag infolge Oxydation zu Mangan(IV)-oxidhydrat bald b r a u n . Mangan(Il)-chlorid MnCl2 kristallisiert aus der wässerigen Lösimg in Form des blaßroten Tetrahydrats MnCl2 • 4 H 2 0 aus und kann nur durch Erhitzen im C h l o r w a s s e r s t o f f s t r o m zum wasserfreien, weißen, bei 650° schmelzenden Chlorid e n t w ä s s e r t werden, da sonst H y d r o l y s e unter Chlorwasserstoffbildung erfolgt. Das beim Versetzen von Mangan(II)-salzlösungen mit Ammoniumsulfidlösung ausfallende Mangan (II)-sul fid MnS besitzt eine charakteristische Fleischfarbe, welche sonst keinem anderen Sulfid eigen ist. Mangan(II)-sulfat MnS0 4 hinterbleibt beim Abrauchen aller Manganoxide mit Schwefelsäure bis zur beginnenden Rotglut als weißer Rückstand, der aus wässeriger Lösung je nach der Temperatur als monoklines Heptahydrat (,,Manganvitriol") MnS0 4 · 7 H 2 0 ( < 9°), triklines Pentahydrat („Manganvitriol") MnS0 4 · 5H a O (9—26°), rhombisches Tetrahydrat MnS0 4 · 4 H 2 0 (26—27°) oder monoklines Monohydrat MnS0 4 · H 2 0 ( > 27°) auskristallisiert. Das Mangansulfat des Handels stellt ein beim Eindunsten von MnS0 4 -Lösungen zwischen 35 und 40° auskristallisierendes, metastabiles, monoklines Tetrahydrat dar. Mangan (II)-sulf at bildet mit den Alkalisulfaten D o p p e l s a l z e vom Typus K 2 S 0 4 · MnS0 4 · 6 H 2 0 , welche mit den entsprechenden Verbindungen des Magnesiums, Zinks, Eisens usw. isomorph sind. Mangan (III)-Verbindungen. Mangan(III)-oxid Mn 2 0 3 entsteht beim Erhitzen des Mangan(IV)-oxids im Sauerstoffstrom als braunes Pulver und geht bei stärkerem Erhitzen an der Luft in das ebenfalls braun gefärbte Mangan(II,III)-oxid Mn 3 0 4 , das beständigste Manganoxid, über. Von konzentrierter Schwefelsäure, Phosphorsäure, Salzsäure wird es unter Bildimg rotvioletter, unbeständiger, leicht hydrolysierender Mangan(III)-salze gelöst. Erwähnt sei unter diesen Mangan(III)-salzen das in rubinroten Kristallen kristallisierendeMaMgaw(///)-/ZMoyí¿MnF3. Moosgrün gefärbte Hydroxomanganate(111) der Zusammensetzung Me 3 Mn(OH) 6 erhält man, wenn man Hydroxomanganate(II) mit starker Alkalilauge erwärmt: 2Na4Mn(OH)„ + 1/202 + H 2 0 »· 2Na3Mn(OH)„ + 2NaOH. Durch Umsetzung des Natriumsalzes mit Barium- und Strontiumsalzen entstehen die entsprechenden Barium- und Strontiumverbindungen. Mangan(IV)-Verbindungen. Die beständigste Mangan(IV)-Verbindung ist das Mangan(IV)-oxid (Mangandioxid) MnO a . Es kommt in der Natur als Braunstein vor und kann künstlich durch Schmelzen der niederen Oxide mit Kaliumchlorat oder durch Erhitzen des Mangan(II)-nitrats als schwarzes Pulver erhalten werden. Oberhalb von 500° beginnt es merklich nach der umkehrbaren Reaktion 4Mn0 2 2Mn 2 0 3 + 0 2 zu dissoziieren; bei stärkerem Glühen geht es in Mn s 0 4 über. Als a m p h o t e r e s Oxid setzt sich MnO¡¡ sowohl mit S ä u r e n wie mit B a s e n um. Im ersteren Falle entstehen sehr unbeständige und daher leicht wieder zerfallende Mangan(IV)-„s&lze" (Mn0 2 -f- 4HCl —>- MnCl4 + 2 H 2 0 ; MnCl4 MnCl2 + Cl2), im letzteren Salze einer manganigen Säure H 4 M n 0 4 bzw. H 2 M n 0 3 (Manganate(IV), „Manganite"): MnO a

523

Das Mangan

+ Ca(OH) 2 — y CaMn0 3 + H 2 0 . Beständiger als die Mangan(IV)-halogenide sind die zugehörigen Komplexsalze (z. B. K 2 MnF 6 und K 2 MnCl 6 ). Mangan(V)-Verbindungen. Beim Eintragen von B r a u n s t e i n Mn0 2 und N a t r i u m o x i d Na 2 0 in eine N a t r i u m n i t r i t - Schmelze NaN0 2 wird der Braunstein zu blauem Natriummanganat(V) („Natrium-hypomanganat") Na 3 Mn0 4 mit fünf wertigem Mangan oxydiert: +4 +6 +0 2MnOa + 3Na 2 0—>· 2Na3iJn04. (1) Auch durch R e d u k t i o n von P e r m a n g a n a t (S. 523f.) in 25—30%iger Natronlauge mit N a B 0 2 · H 2 0 2 bei 0° kann das Hypomanganat gewonnen werden : +7 _o +6 NaMn04 + Na20 ^ Na3Mn04. (2) Die Verbindung, die aus konzentrierter Natronlauge als Dekahydrat NajMnC^ · 10 H 2 0 in Form hellblauer Prismen auskristallisiert und in konz. NaOH schwer, in konz. K O H leicht löslich ist, bildet mit Natriumphosphat, -arsenat und -vanadat M i s c h k r i s t a l l e und steht in stark alkalischer Lösung mit der v i e r - und s e c h s w e r t i g e n S t u f e des Mangans im Disproportionierungsgleichgewicht: +6 +β +4 +4ΗΟΗ +4 2Mn0 1 "'^=i: MnO«" + ΜηΟ«"" ( > Mn0 2 + 21I20 + 4 OH'). (3) Beim Verdünnen, Ansäuern oder Erhitzen der alkalischen Lösung verschiebt sich das Gleichgewicht (3) nach rechts, so daß die blaue Farbe der Lösung unter gleichzeitiger Ausscheidung von Braunstein in die grüne Farbe des Manganate Mn0 4 " umschlägt. Die Erdalkalimanganate(V), Me 3 (Mn0 4 ) 2 , lassen sich in erdalkalischer Lösung durch vorsichtige Reduktion von Kaliumpermanganat mit Alkohol oder Oxydation von Erdalkalimanganaten ( I V ) mit Luftsauerstoff gewinnen. Mangan(VI)-Verbindungen. Ein Mangan(VI)-oxid der Formel Mn0 3 und eine davon sich ableitende Mangansäure H 2 Mn0 4 sind nicht bekannt. Dagegen kennt man die Salze dieser Säure, die Manganate (VI) Me 2 Mn0 4 . Das K a l i u m m a n g a n a t K 2 Mn0 4 wird t e c h n i s c h als Zwischenprodukt der Kaliumpermanganatgewinnung (vgl. unten) durch Schmelzen von B r a u n s t e i n und Ä t z k a l i an der L u f t und Behandeln des Reaktionsproduktes mit Wasser in Form einer grünen L ö s u n g erhalten; Mn02 + V A + 2 KOH ^ K2Mn04 + H 2 0 . Zur Darstellung im L a b o r a t o r i u m fügt man dem Schmelzgemisch zweckmäßig ein geeignetes O x y d a t i o n s m i t t e l (z. B. Salpeter oder Kaliumchlorat) zu („Oxydationsschmelze'"). Beim Verdunsten der Lösung im Vakuum kristallisiert das Kaliummanganat K 2 Mn0 4 in Form dunkelgrüner, metallglänzender, rhombischer Kristalle aus, welche mit Kaliumsulfat K 2 S0 4 und Kaliumchromat K 2 Cr0 4 isomorph sind. Säuert man Manganatlösungen an, so schlägt die grüne Farbe in eine v i o l e t t e um (,,mineralisches Chamäleon"), weil die entstehende freie Mangansäure in der sauren Lösung das grüne Manganat Mn0 4 " zu violettem P e r m a n g a n a t Mn0 4 ' oxydiert und dabei selbst in die niedrigere Oxydationsstufe der m a n g a n i g e n Säure übergeht: +e

+e

+7

+4

2 Mn0 4 " + H2Mn04 + 2H' 2Mn04' + H2Mn03 + H 2 0. In a l k a l i s c h e r Lösimg, in der keine freie Mangansäure vorhanden ist, bleibt die Disproportionierung naturgemäß aus. Daher sind die Manganate in Natron- oder Kalilauge u n z e r s e t z t löslich. Mangan (VII)-Verbindungen. Will man die durch die Oxydationsschmelze aus Braunstein gewonnenen Kaliummanganatlösungen q u a n t i t a t i v in Kaliumpermanganatlösungen überführen, so muß man ein O x y d a t i o n s m i t t e l zugeben: Mn0 4 " •—>- MnO/ + θ . In der Technik benutzte man früher Chlor (Cl2 + 2 θ —> 2 Cl') oderOzon (0 3 + 2 H ' + 2 0 —»- 0 2 + H 2 0). Heute erfolgt die Oxydation ausschließlich auf e l e k t r o l y t i -

Die Mangangruppe

524

s eh e m Wege (anodischer Elektronenentzug). Das an der Kathode dabei gleichzeitig gebildete Ä t z k a l i (2HOH + 2 θ —»- H 2 + 2OH') dient zu neuem Aufschluß von Braunstein. Das Kaliumpermanganat KMn0 4 kristallisiert aus wässeriger Lösung in Form metallisch schimmernder, tiefpurpurfarbener, in Wasser mit violetter Farbe löslicher Prismen aus, welche mit Kaliumperchlorat KC104 isomorph sind. Es stellt — auch in verdünnter Lösung — ein sehr s t a r k e s O x y d a t i o n s m i t t e l dar und geht bei solchen Oxydationsreaktionen in a l k a l i s c h e r L ö s u n g in B r a u n s t e i n (e 0 = +0.57 Volt) : Mn(Y + 2HsO + 3 θ >• Mn03 + 4 OH', (4) in s a u r e r Lösung in Mangan(II)-salz (ε0 = -(- 1.52 Volt) über: Μη- Mn" + 4H 2 0. (5) Da bei den Oxydationsreaktionen in s a u r e r Lösung (5) die intensiv v i o l e t t e Farbe des Permanganate durch die sehr schwache Farbe des Mn"-ions ersetzt wird, kann man mit Permanganat in saurer Lösung ohne Indikator t i t r i e r e n („Manganometric"). So kann man z.B. E i s e n ( I I ) - s u l f a t (Fe"—>- Fe"" + Θ), O x a l s ä u r e (C 2 0 4 " — 2 C 0 2 + 2 Θ), s a l p e t r i g e S ä u r e (HN0 2 + H 2 0 - ν HN0 S + 2Η* + 2 θ ) , W a s s e r s t o f f p e r o x i d (H 2 0 2 —> 0 2 + 2 H ' + 2 Θ) manganometrisch bestimmen. Wie aus dem Vorstehenden (S. 5223.) hervorgeht, kann das Mn0 4 -ion in verschiedensten Oxydationsstufen als Permanganat, Manganat, Hypomanganat und Manganit auftreten: +7

+e

+6

+4

MnO t ' Mn0 4 " Mn0 4 "' Mn0 4 "". (6) violett grün blau braun Sehr schön lassen sich diese verschiedenen Wertigkeitsstufen des Mangans hintereinander beobachten, wenn man Kaliumpermanganat mit NaBOj· H 2 0 2 reduziert. Innerhalb von 1—2 Minuten werden dann die Farbtöne rotviolett — tiefgrün — himmelblau — braungelb durchlaufen. Rationell können die Oxydationsstufen (6) auch als Manganatali), Manganat(VI), Manganat(V) und Manganaci V) bezeichnet werden.

Während die freie Ρ ermangansäure HMn0 4 nur in wässeriger Lösung bekannt ist, kann man ihr A n h y d r i d , das Mangan{VII)-oxid (Manganheptoxid) Mn207 durch vorsichtige Einwirkung von k o n z e n t r i e r t e r S c h w e f e l s ä u r e auf trockenes P e r m a n g a n a t in freiem Zustande gewinnen. Es stellt eine flüchtige, dunkle, metallglänzende, ölige Flüssigkeit vom spezifischen Gewicht 2.4 dar, deren violette Dämpfe beim Erwärmen unter Ausstoßen brauner Mangandioxidflocken und Sauerstoffbildung kräftig v e r p u f f e n oder — in Anwesenheit organischer Stoffe — sogar e x p l o d i e r e n .

2. D a s Rhenium a) Elementares Rhenium Rhenium ist in der Natur etwa so häufig wie Gold, kommt aber stets nur in sehr geringen Konzentrationen ( < 0.001 °/0) vor. Daher wurde es erst im Jahre 1925 von den d e u t s c h e n C h e m i k e r n WALTHER NODDACK u n d IDA TACKE e n t d e c k t (vgl. S. 597F.). Ver-

hältnismäßig r h e n i u m r e i c h ist der Molybdänglanz (S. 515). Andere rheniumhaltige Mineralien sind Columbit (S. 506), Gadolinit (Ytterbit) (S. 483) und Alvit. Da Rhenium chemisch dem M o l y b d ä n sehr nahe steht, reichert es sich bei der Aufarbeitung molybdänhaltiger Erze mit dem Molybdän an und kann aus diesen Molybdänkonzentraten gewonnen werden. Auf diese Weise wurden in Deutschland vor dem Kriege jährlich etwa 150 kg Rhenium in Form des K a l i u m p e r r h e n a t s KRe0 4 erzeugt. Der Preis des metallischen Rheniums beträgt zur Zeit 6 DM pro Gramm. Metallisches R h e n i u m wird zweckmäßig durch Reduktion der Oxide oder S u l f i d e mit W a s s e r s t o f f oder durch t h e r m i s c h e Z e r s e t z u n g der H a l o g e n i d e gewonnen. Es stellt ein weißglänzendes, hartes, luftbeständiges Metall von hoher Dichte (20.9) und hohem Schmelzpunkt (3170°) dar und löst sich praktisch nicht in Salzsäure,

Das Rhenium

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dagegen leicht in Salpetersäure. Durch o x y d i e r e n d e S c h m e l z e n wird es schnell zu R h e n a t e n Me 2 Re0 4 oxydiert. In seinen chemischen Verbindungen tritt es drei-, vier-, fünf-, sechs- und siebenwertig auf. Die Verbindungen entsprechen denen des Mangans, doch sind die n i e d r i g e r e n Oxydationsstufen u n b e s t ä n d i g e r und die h ö h e r e n b e s t ä n d i g e r als die entsprechenden des Mangans. Verwendung. Da Rhenium im Hochvakuum auch bei hohen Temperaturen keine Neigung zum Zerstäuben zeigt, eignet es sich als Glühdraht für elektrische Lampen. Seine Legierungen mit Ta, Nb, W, Fe, Co, Ni, Rh, Ir, Pt und Au sind in Säuren sehr schwer löslich und an der Luft auch beim Erhitzen sehr stabil. Rheniumspiegel zeigen große Beständigkeit und hohes Reflexionsvermögen. Besonders vorteilhaft ist die Verwendung von Rhenium bei der Herstellung von Thermoelementen (z. B.Pt/Re gegen Pt, Pd oder Rh; Rh/Re gegen Pt), die bis nahezu 900° C anwendbar sind und deren Thermokraft 3—i mal größer als bei den gebräuchlichen Edelmetallkombinationen ist.

b) Verbindungen des Rheniums Sauerstoîî Verbindungen. Das b e s t ä n d i g s t e Oxid des Rheniums ist das gelbe Rhenium(VII)-oxid (Rheniumheftoxid) Re 2 0 7 . Es entsteht beim Erhitzen von R h e n i u m p u l v e r oder n i e d e r e n R h e n i u m o x i d e n an der L u f t , schmilzt bei 304° und kann unzersetzt destilliert werden (Sdp. 450°), ist also viel s t a b i l e r als das explosible Manganheptoxid Mn 2 0 7 . In W a s s e r löst es sich unter Bildung der f a r b l o s e n , ziemlich starken Perrheniumsäure HRe0 4 . Auch die Salze dieser Säure, die Perrhenate MeRe0 4) sind zum Unterschied von den Permanganaten f a r b l o s . Sie lassen sich nur schwer reduzieren und stellen daher viel s c h w ä c h e r e O x y d a t i o n s m i t t e l als die Permanganate dar. Beim Schmelzen mit A l k a l i e n gehen die Perrhenate in grüne Rhenate (VI) Me 2 Re0 4 über, die sich in wässeriger Lösung leichter als die Manganate unter Bildung von Perrhenaten und rheniger Säure d i s p r o p o r t i o n i e r e n : 3Re0 4 " + 4H' < > 2Re0 4 ' -f- H j R e 0 8 + H 2 0. Das den Rhenaten zugrunde liegende rote Rhenium{VI)-oxid ReO s (Smp. 160°) kann durch Reduktion des H e p t o x i d s mit metallischem R h e n i u m bei 200—250° erhalten werden. Das der rhenigen Säure entsprechende schwarze, wasserunlösliche Rhenium(IV)oxid Re0 2 läßt sich durch Umsetzung von R h e n i u m h e p t o x i d und R h e n i u m bei 600° gewinnen und geht beim Schmelzen mit A l k a l i h y d r o x i d e n in Rhenate (IV) („Rhenite") Me2ReOs über. Das n i e d r i g s t e bisher beschriebene Rheniumoxid, das Rhenium(III)-oxid Re 2 0 3 , fällt bei der Hydrolyse von R h e n i u m ( I I I ) - c h l o r i d mit N a t r o n l a u g e in Form eines schwarzen Hydrats aus. Schwefelverbindungen. Rhenium bildet zwei S u l f i d e , ein Heptasulfid Re 2 S 7 und ein Disulfid ReS 2 . Das schwarze Heptasulfid entsteht beim Einleiten von S c h w e f e l w a s s e r s t o f f in ammoniakalische A l k a l i - p e r r h e n a t l ö s u n g e n . Das ebenfalls schwarze Disulfid bildet sich bei der t h e r m i s c h e n Z e r s e t z u n g des Heptasulfids oder beim Erhitzen der Elemente. Halogenverbindungen. Das h ö c h s t e bekannte H a l o g e n i d des Rheniums ist das beim Erwärmen von R h e n i u m und F l u o r auf 125° entstehende gelbe, sehr flüchtige Rhenium(VI)-fluorid ReF e (Smp. 18.8°; Sdp. 47.6°). Mit Chlor bildet Rhenium das braunschwarze Pentachlorid ReCls sowie das nur in Form von Hexachloro-rheniten Me2ReCl6 beständige Tetrachlorid ReCl4 und das rote Trichlorid ReCl 3 . Aus Rhenium und B r o m entsteht bei 500° das rotbraune Tribromid ReBr 3 . Ein J o d i d ist bisher noch nicht bekannt. Rhenide. Die Halogenähnlichkeit des Rheniums (7. Nebengruppe) kommt in der Existenz von Verbindungen wie KRe (Oxydationsstufe des Rheniums gleich —1) zum Ausdruck, die sich bei der Reduktion von Perrhenat mit Zinkamalgam in Perchlorsäurelösung bilden. Die Lösungen wirken erwartungsgemäß stark reduzierend. Die Elektronenkonfiguration des Re - -ions entspricht der des Au + + + -ions.

Kapitel XXIV

Die Eisengruppe Unter der Eisengruppe versteht man nicht wie bei den vorhergehenden Gruppen die drei im Periodensystem untereinander stehenden Elemente Eisen, Ruthenium und Osmium, sondern die drei in der 8. Nebengruppe nebeneinander stehenden Elemente Eisen, K o b a l t und Nickel, welche chemisch näher miteinander verwandt sind.

1. Das Eisen a) Elementares Eisen α) Vorkommen Das Eisen gehört zu den verbreitetsten Metallen und ist am Aufbau der Erdrinde mit 4.7°/o beteiligt (S. 69). In gediegenem Zustande findet es sich nur selten (ζ. B. in Meteoren). Dagegen kommen oxidische und sulfidische Erze sehr häufig vor. Die wichtigsten derartigen Erze sind: 1. Magneteisenstein Fe 3 0 4 . Der Magneteisenstein (Magnetit) enthält 45—70°/0 Eisen und kommt in riesigen Lagern in Nord- und Mittelschweden, in Norwegen, im Ural, in Nordafrika und in den Vereinigten Staaten vor. Da Deutschland nur wenig Magneteisenstein besitzt, führt es große Mengen aus Schweden ein. 2. Roteisenstein Fe 2 0 3 . Der Roteisenstein enthält 40—65°/0 Eisen und kommt in verschiedenen Erscheinungsformen als „Eisenglanz", „Glaskopf", „Hämatit" und eigentlicher „Roteisenstein" vor. Das größte Roteisensteinlager findet sich am Oberen See in Nordamerika und liefert 3 / 4 des Erzbedarfs für die amerikanische Eisenerzeugung. In Deutschland kommen größere Roteisensteinlager in den Gebieten an der Lahn und Dill vor. Größere Mengen exportieren auch Spanien und Nordafrika. 3. Brauneisenstein 2Pe 2 0 : , · 3H 2 0. Der Brauneisenstein (Limonit) ist das verbreitetste Eisenerz und enthält bis zu 60°/0 Eisen. Wichtige Brauneisensteinlager liegen in Lothringen in der Gegend von Metz und Diedenhofen und zeichnen sich durch hohen Phosphorgehalt aus („Minette"). Zwei deutsche Lager liegen bei Salzgitter und Peine in der Gegend von Hildesheim. 4. Spateisenstein FeCOs. Der Spateisenstein (Siderit) enthält 25—40°/0 Eisen und findet sich in Deutschland vor allem im Siegerland. Eine Besonderheit bildet der Erzberg bei Eisenerz in Obersteiermark, an dem ein Spateisenstein mit 40°/0 Eisen im Tagebau gewonnen wird. Abarten des Spateisensteins sind der „Toneisenstein" (Gemenge von Spat, Ton und Mergel) und der „Kohleneisenstein" (kohledurchsetzter Spat). 5. Eisenkies FeS 2 . Der Eisenkies (Schwefelkies, Pyrit) wird bei uns namentlich aus Spanien eingeführt und dient hauptsächlich zur Gewinnimg von Schwefelsäure (S. 206). Die dabei anfallenden, 60—65°/0 Eisen enthaltenden „Kiesabbrände" stellen ebenfalls ein Material zur Eisengewinnung dar.

Das Eisen

527

Wichtig ist schließlich noch das Vorkommen des Eisens als Bestandteil des r o t e n B l u t f a r b s t o f f s („Hämoglobin"). Als solcher bedingt es dessen Fähigkeit zur S a u e r s t o f f ü b e r t r a g u n g . Auch das dem Hämoglobin nahestehende B l a t t g r ü n („Chlorophyll"), das statt Eisen Magnesium enthält, kann sich bei eisenfreier Ernährung der Pflanze nicht bilden. ß) Darstellung Die D a r s t e l l u n g von E i s e n ist im Prinzip einfach und besteht in der R e d u k tion von o x i d i s c h e n E i s e n e r z e n m i t K o k s . Das dabei entstehende Eisen enthält durchschnittlich 4 % K o h l e n s t o f f und wird „Roheisen" genannt, wobei man ganz allgemein unter der Bezeichnung R o h e i s e n Eisensorten mit einem Kohlenstoffgehalt > 1 . 7 % versteht. Roheisen ist spröde, nicht schmiedbar und schmilzt beim Erhitzen plötzlich. Durch Verringerung seines Kohlenstoffgehaltes kann man es in den schmiedbaren, weniger spröden und beim Schmelzen allmählich erweichenden „Stahl" (< 1 . 7 % C) überführen. Dementsprechend unterscheidet man bei der Eisengewinnung die Erzeugung von R o h e i s e n ( > 1 . 7 % C) und die Gewinnimg von S t a h l « 1 . 7 % C). E r z e u g u n g von R o h e i s e n Die Roheisenerzeugung durch Reduktion oxidischer Eisenerze mit Koks erfolgt nahezu ausschließlich in hohen G e b l ä s e S c h a c h t ö f e n („Hochöfen"). Lediglich in Ländern mit billigen Wasserkräften und teuren Kohlen spielt die Erzeugung in elektrischen Öfen eine begrenzte Rolle. Hochofen. Ein moderner Hochofen (Fig. 145) besitzt eine Höhe von 25—30 m und einen Rauminhalt von 500—800 m3 und vermag täglich etwa 1000 t Eisen aus durchschnittlich 3500 t festem Rohmaterial (vgl. S. 529) zu erzeugen. Er besteht im Prinzip aus zwei mit den breiten Enden zusammenstoßenden, abgestumpftenKegeln (von kreisrundem Querschnitt)aus feuerfesten, dichten Schamottesteinen. Der obere K e g e l Kg· 14δ · Schematische Darstellung eines („Schacht"), der etwa drei Fünftel der geHochofens zur Eisenerzeugung samten Höhe ausmacht und dessen oberes Ende „Gicht" genannt wird,ruht getrennt vom unteren auf einem Tragring, dervon einer Eisenkonstruktion gehalten wird. Der u n t e r e K e g e l („Rast") sitzt auf einem 3 m hohen und 4 m weiten zylindrischen Teil („Gestell") auf, der seinerseits auf einer aus feuerfestem Material bestehenden Unterlage („Bodenstein") ruht. Die W a n d s t ä r k e der beiden Kegel beträgt etwa 70 cm, die des Gestells 100—150 cm. Der b r e i t e s t e Teil des Ofens („Kohlensack") hat einen Durchmesser von 6 — 8 m ; der „Rastwinkel" (gemessen gegen eine im Kohlensack gedachte Horizontale) beträgt durchschnittlich 75°, der „Schachtwinkel" 85°. Eine gerade Z y l i n d e r f o r m ist für den Hochofen nicht möglich, weil die Beschickung während des Niedergehens (Zunahme der Temperatur) anschwillt und ein „Hängen" des Hochofens verursachen würde, falls man nicht durch Verbreiterung des Durchmessers nach unten dieser Volum enVergrößerung Rechnung

Die Eisengruppe

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trüge. Im unteren Teil des Hochofens ist wiederum eine Verkleinerung des Durchmessers möglich, da hier die Beschickung unter Volumenverminderimg zum Schmelzen kommt. Rast und Gestell werden mit W a s s e r , der Schacht dagegen nur mit L u f t gekühlt. Hochofcnprozeß. Die B e s c h i c k u n g des Hochofens erfolgt in der Weise, daß man das mittels eines Schrägaufzugs nach oben beförderte A u s g a n g s m a t e r i a l durch die G i c h t in den Ofen einfüllt, und zwar wird zuerst eine Schicht K o k s {„Koksgicht"), dann eine Schicht E i s e n e r z mit Z u s c h l a g („Erzgicht"), dann wieder eine Schicht K o k s , darauf wieder eine Schicht E i s e n e r z mit Z u s c h l a g usw. eingebracht. Die mit dem Erz aufgegebenen „Zuschläge" dienen dazu, die B e i m e n g u n g e n des Erzes („Gangart") während des Hochofenprozesses in leicht schmelzbare C a l c i u m - a l u m i n i u m - s i l i c a t e („Schlacke") überzuführen. Handelt es sich ζ. B. um k i e s e l s ä u r e und t o n er d e haltige Gangarten, was meist der Fall ist, so schlägt man dementsprechend k a l k h a l t i g e Bestandteile (ζ. B. Kalkstein, Dolomit) zu; im Falle k a l k haltiger Gangarten werden umgekehrt k i e s e l s ä u r e - und t o n e r d e h a l t i g e Zuschläge (ζ. B. Feldspat, Tonschiefer) zugegeben. Die u n t e r s t e Koksschicht wird e n t z ü n d e t . Die erforderliche V e r b r e n n u n g s l u f t („Wind"), die in „Winderhitzern" auf 700—800° vorgewärmt wird und deren Menge durchschnittlich 5400 t je 10001 Eisen beträgt, wird durch 6—12 in einer waagerechten Ebene („Formebene") über den oberen Umfang des Gestells gleichmäßig verteilte „Windformen" eingeblasen. Durch die V e r b r e n n u n g der Kohle, die auf dem Wege über Kohlendioxid zu K o h l e n o x i d führt (S. 305f.): 2C + Oa 2CO + 52.8kcal, steigt die T e m p e r a t u r im unteren Teil des Hochofens auf 1600°. Das heiße K o h l e n o x i d gelangt, da der angeblasene Hochofen wie ein Schornstein zieht, in die darauffolgende E i s e n o x i d s c h i c h t , reduziert dort das O x i d zum M e t a l l („unmittelbare Reduktionswirkung" des Kohlenoxids) und wird dabei selbst zu K o h l e n d i o x i d oxydiert :

^ ^

+ 3c 0

— ^ 2 Fe + 3C0 2 + 8 kcal.

(1)

In der anschließenden heißen Koksschicht wandelt sich das K o h l e n d i o x i d gemäß dem BOUDOUARD-Gleichgewicht (S. 306) wieder in K o h l e n o x i d u m : 41 kcal + COa + C

2CO ,

(2)

das von neuem gemäß (1) als Reduktionsmittel wirkt usw. I n den w e n i g e r h e i ß e n , höheren Schichten (500—900°) der „Reduktionszone" zerfällt das K o h l e n o x i d gemäß (2) auch teilweise wieder rückwärts im ter Bildimg von K o h l e n d i o x i d und f e i n v e r t e i l t e m K o h l e n s t o f f . Dieser feinstverteilte Kohlenstoff r e d u z i e r t einerseits (zum Unterschied vom nicht reduzierend wirkenden groben Koks) ebenfalls das E i s e n o x i d („mittelbare Reduktionswirkung" des Kohlenoxids) : 116 kcal + Fe s O, + 3 C

2 Fe + 3 CO

(3)

und l ö s t sich andererseits im schwammförmig ausgeschiedenen E i s e n auf. Durch die Aufnahme des Kohlenstoffs sinkt der S c h m e l z p u n k t des reduzierten Eisens, der beim reinen Eisen 1528° beträgt, bis auf 1100—1200°, so daß das Eisen in der unteren heißen „Schmelzzone" tropfenförmig durch den glühenden Koks läuft und sich im G e s t e l l unterhalb der spezifisch leichteren, aus Gangart und Zuschlag entstandenen flüssigen S c h l a c k e ansammelt. Auf diese Weise wird es durch die Schlacke gegen die oxydierende Einwirkung der Gebläseluft geschützt. In den oberen k ä l t e r e n Teilen des Schachts (200—300°) erfolgt k e i n e R e d u k t i o n mehr. Das Kohlenoxid-Kohlendioxid-Gemisch w ä r m t hier nur die frische Beschickung v o r („Vorwärmzone") und entweicht durch die Gicht als „Gichtgas".

529

Das Eisen

floelioïcnproduktc. Die Erzeugnisse des Hochofenprozesses sind: R o h e i s e n , S c h l a c k e und G i c h t g a s . Und zwar erhält man durchschnittlich auf 1 t Eisen (zu deren Gewinnung 2 t Erz, 1 t Kohle, 1 / 2 t Zuschlag und 5 1 / 2 1 Wind erforderlich sind) 1 t Schlacke und 7 t Gichtgas. Das sich im Gestell ansammelnde flüssige Roheisen wird von Zeit zu Zeit durch ein „Stichloch" abgestochen und entweder flüssig dem Stahlwerk (vgl. S. 530ff.) zugeführt oder zu Roheisenblöcken vergossen. Es enthält im allgemeinen 2.5—4°/0 K o h l e n s t o f f , sowie wechselnde Mengen S i l i c i u m (0.5—3°/0), M a n g a n (0.5—6°/0), P h o s p h o r (0—2°/0) und Spuren S c h w e f e l (0.01—0.05°/0). Nimmt man die Abkühlung des Roheisens l a n g s a m , z. B. in S a n d f o r m e n („Masselbetten") vor, so scheidet sich der gelöste Kohlenstoff als G r a p h i t aus und man erhält das sogenannte „graue Roheisen" mit g r a u e r Bruchfläche (Smp. ~ 1200°). Mitbedingend für diese Ausscheidung des Kohlenstoffs als Graphit ist ein Vorwiegen des Siliciuingehalts gegenüber dem Mangangehalt ( > 2 ° / 0 Si; < 0.2°/ 0 Mn). Bei r a s c h e r Abkühlung, z. B. in E i s e n s c h a l e n {„Kokillen") bleibt der Kohlenstoff als E i s e n c a r b i d Fe3C („Zementit") gelöst, so daß ein „weißes Roheisen" mit w e i ß e r Bruchfläche (Smp. ~1100°) entsteht. Hier ist ein Überwiegen des M a n g a n g e h a l t s ( < 0 . 5 % Si; > 4°/ 0 Μη) mitbedingend, der der Graphitausscheidung entgegenwirkt. Daß bei l a n g s a m e r Abkühlung der Zementit n i c h t erhalten wird, beruht darauf, daß er als e n d o t h e r m e Verbindung (5.2 kcal + 3 Fe -f C —• Fe s C) nur bei h o h e r Temperatur stabil ist und bei l a n g s a m e m A b k ü h l e n dementsprechend in E i s e η und G r a p h i t zerfällt. Das sili cium haltige g r a u e R o h e i s e n wird wegen seiner dünnflüssigen Beschaffenheit vorzugsweise zu G u ß w a r e n verarbeitet und zu diesem Zweckt· nochmals u m g e s c h m o l z e n („Gußeisen").~Da& manganhaltige w e i ß e R o h e i s e n dient zur Herstellung von S t ah l(S.530ff.). Stark manganhaltiges Eisen kann besonders viel Kohlenstoff aufnehmen und heißt bei

5—20°/o Mn „Spiegeleisen" (3.6— 6% C) und bei >30% Mn „Ferromangan" (5—7.5°/0 C). Solche Eisenmangane dienen als Zusatz zu anderen Eisensorten, als Desoxydationsmittel und zur Rückkohlung von entkohltem Eisen (S. 531).

Die Schlacke fließt durch eine unterhalb der Formebene befindliche wassergekühlte Öffnung („Schlackenform") ständig ab. Sie stellt ein C a l c i u m - a l u m i n i u m - s i l i c a t dar und wird je nach ihrer Zusammensetzung als W e g e b a u m a t e r i a l oder zur Herstellung von M ö r t e l , B a u s t e i n e n bzw. E i s e n p o r t l a n d z e m e n t (S. 415) verwendet. Die anfallende Menge ist etwa so groß wie die des Roheisens. Das aus dem Hochofen kommende Gichtgas wird vom mitgeführten Staub befreit und dient zum Betrieb der für das Hochofenverfahren erforderlichen Winderhitzer, Gebläse, Pumpen, Beleuchtungs-, Gasreinigungs- und Transportvorrichtungen. Der Überschuß wird für den Stahlwerksbetrieb oder sonstige industrielle Zwecke verwendet. Die Zusammensetzung des Gases schwankt in den Grenzen 52—60°/ 0 N 2 , 25—30°/ 0 CO, 10—16°/ 0 CO 2 , 0 . 5 - ^ ° / 0 H 2 , 0.5—SO/OCH,. Deutschland besitzt sehr große Vorkommen an e i s e n a r m e n und k i e s e l s ä u r e r e i c h e n Eisenerzen — namentlich Brauneisenstein—, deren Verhüttung nach dem n o r m a l e n Hochofenprozeß aus wirtschaftlichen Gründen nicht möglich ist. Würde man nämlich diese Erze dem gewöhnlichen Hochofenverhüttungsverfahren unterwerfen, so wären wegen des geringen Eisengehaltes s e h r g r o ß e H o c h o f e n a n l a g e n und wegen der großen Menge an saurer Gangart gewaltige Mengen an K a l k z u s c h l a g erforderlich, was wiederum einen gesteigerten Bedarf an K o k s zur Folge hätte. In solchen Fallen wendet man zweckmäßig das „saure Schmelzen" an, bei welchem dem Erz nur so viel Kalk (0.7 statt wie sonst 1.2 Teile CaO auf 1 Teil SiO, + A1 2 0 3 ) zugemischt wird, daß gerade noch eine nicht zu schwerflüssige Schlacke entsteht. Da diese Schlacke s a u e r ist und daher nicht wie die normale b a s i s c h e Schlacke den aus dem Koks stammenden, für das Eisen schädlichen S c h w e f e l g e h a l t aufnimmt, ist das so gewonnene Roheisen s c h w e f e l h a l t i g (bis 0.8°/(j S) und muß daher nachträglich e n t s c h w e f e l t werden. Dies geschieht durch Behandlung mit S o d a , wobei etwa 10 kg Soda/t Roheisen verbraucht werden. Die anfallende Schlaekenmenge ist 2—3 mal größer als beim gewöhnlichen Hochofenverfahren. Der KoksH o l l e m a n - W i b e r g , Anorganische Chemie. 47.—56. Aufl.

34

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Die Eisengruppe

verbrauch kann durch Anwendung s a u e r s t o f f r e i c h e n Windes gesenkt werden, ist aber auch dann noch größer als beim normalen Verhüttungsprozeß. Eine andere Möglichkeit zur Aufarbeitung eisenarmer Erze bietet das „Ksuppeche Rennverfahren", das zugleich die Verwendung von billigerem K o k s m a t e r i a l (ζ. B. K o k s s t a u b , Grudekoks, T i e f t e m p e r a t u r k o k s ) an Stelle des teuren, festen H ü t t e n k o k s gestattet. Hierbei wird das mit dem Koks vermischte Erz in einem geneigt gelagerten Drehrohrofen einer Kohlenstaubfeuerung entgegengeschickt, wobei das erzeugte Eisen wegen der verhältnismäßig niedrigen Arbeitstemperatur ( < 1100°) n i c h t flüssig, sondern als E i s e n s c h w a m m erhalten wird. Dieser Eisenschwamm verdichtet sich zu größeren „Luppen", welche in der halbweichen Schlacke eingebettet bleiben. Die ausgetragene Schlacke wird nach dem Erkalten g e m a h l e n und das Eisen m a g n e t i s c h daraus abgetrennt.

G e w i n n u n g von S t a h l Das R o l l e i s e n ist wegen seines verhältnismäßig hohen K o h l e n s t o f f g e h a l t e s spröde und erweicht beim Erhitzen nicht allmählich, sondern plötzlich. Es kann daher weder g e s c h m i e d e t noch g e s c h w e i ß t werden. Um es in s c h m i e d b a r e s E i s e n („Stahl") überzuführen, muß man es bis zu einem Gehalt von < 1 . 7 % C „entkohlen" (vgl. S. 527). Beträgt der Kohlenstoffgehalt 0.5—1.7°/ 0 , so läßt sich das Eisen durch E r h i t z e n auf etwa 800° und darauffolgendes rasches A b k ü h l e n {„Abschrecken") „härten". Solchen h ä r t b a r e n S t a h l nennt man auch „Stahl" im e n g e r e n S i n n e , während der n i c h t h ä r t b a r e S t a h l mit < 0 . 5 ° / 0 C häufig als „Schmiedeeisen" davon unterschieden wird. Die H ä r t u n g beruht darauf, daß die im gewöhnlichen Stahl vorliegende f e i n d i s p e r s e M i s c h u n g von E i s e n und Z e m e n t i t Pe3C beim Erhitzen in eine f e s t e L ö s u n g von Zementit Fe 3 C in Eisen („Austenit") übergeht, die bei r a s c h e m A b k ü h l e n als m e t a s t a b i l e P h a s e teilweise erhalten bleibt {„Martensit") und in dieser Form die H ä r t e des Stahls bedingt, während sie sich bei langsamem A b k ü h l e n unter Ausscheidung von Zementit wieder e n t m i s c h t , wodurch der Stahl seine ursprüngliche N a t u r h ä r t e zurückerlangt. Durch E r h i t z e n des gehärteten Stahls auf verschiedene Temperaturen {„Anlassen") können Z w i s c h e n z u s t ä n d e zwischen dem s t a b i l e n und m e t a s t a b i l e n Zustand des Stahls erhalten werden, denen ganz bestimmte Härte- und Zähigkeitseigenschaften zukommen {„Vergüten"). Die E n t k o h l u n g des Roheisens bis zum Kohlenstoffgehalt des Stahls {„Frischen") kann entweder so erfolgen, daß man zuerst v o l l k o m m e n e n t k o h l t und dann nachträglich wieder r ü c k k o h l t , oder so, daß man gleich von vornherein bis zum g e w ü n s c h t e n K o h l e n s t o f f g e h a l t entkohlt. Der e r s t e Weg wird beim „Windfrischverfahren", der z w e i t e beim „Herdfrischverfahren" eingeschlagen. Windfriscli verfahren. Beim W i n d f r i s c h v e r f a h r e n wird der Kohlenstoff des Eisens zusammen mit den übrigen Verunreinigungen (Silicium, Phosphor, Mangan) durch Einpressen von L u f t oxydiert, wobei man eine O x i d s c h l a c k e und r e i n e s E i s e n erhält. Man verwendet hierbei große, um eine Mittelachse kippbare, feuerfest ausgemauerte Gefäße {„Konverter", „Birnen") von 6—7 m Höhe und 3—4 m Durchmesser, welche 15—35 t Roheisen fassen (Fig. 146). Bei p h o s p h o r s ä u r e h a l t i g e n Eisensorten muß die feuerfeste Auskleidung aus b a s i s c h e n Stoffen wie Calcium- und Magnesiumoxid bestehen {„basisches Futter")

Das Eisen

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und mit dem Roheisen ein K a l k z u s c h l a g zugegeben werden, um das beim Frischen gebildete P h o s p h o r p e n t o x i d in Calciumphosphat zu verwandeln und so vor der R ü c k r e d u k t i o n durch Eisen zu Phosphor zu bewahren („THOMAS-Birne"). P h o s p h o r s ä u r e f r e i e Eisensorten dagegen können auch in Konvertern mit „saurem Futter" (Quarz-Ton-Material) Verblasen werden („BESSEMER-Birne"). Das F ü l l e n des Konverters erfolgt durch Eingießen des flüssigen, 1300° heißen Roheisens durch den Hals des horizontal gedrehten Apparates (gestrichelter Teil von Fig. 146). Dann wird durch den B o 3.5 1— d e n , welcher 50—250 Ö f f n u n g e n 1 I T von 10—20 mm Weite auf weist, •^ßo h.'ens)off L u f t eingepreßt und der Konverter 1 1 langsam aufgerichtet (Fig. 14ß). Die I fzs Höhe des über den „Winddüsen" toi stehenden Eisenbades beträgt 40 «t Vf/Z Cium bis 50 cm, die je Minute eingeblasene Z-s „Wind"-Menge 500—800 in 3 . Die I1 bei der Verbrennung von Silicium, to Mangan, Kohlenstoff und Phosphor ß! Marigan ^ Il Y freiwerderide W ä r m e :

V"

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J

0,5

Si + O,

- - > - SiO, + 208 kca] Ρ + I'/iO, — > v 2 P j O , + 183 kcal + 94 kcal C + os - - > coa Μη + \/202 - - * - MnO + 93 kcal

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Fig. 147. Verlauf des Frischprozesses in der B E S S E M E R -Birne

gleicht den durch das Einblasen des kalten Windes auftretenden W ä r m e v e r l u s t mehr als aus und verhindert so ein E r s t a r r e n des flüssigen Eisens. Die Hauptwärmelieferanten sind S i l i c i u m und P h o s p h o r . Daher ist für das BESSEMERV e r f a h r e n ein ausreichender S i l i c i u m gehalt (1.5—2°/ 0 ) und für das THOMASV e r f a h r e n ein ausreichender P h o s p h o r gehalt (1.0—2.5%) erforderlich. Der E i s e n a b b r a n d beträgt in beiden Fällen Itm/n etwa 1 0 — 1 2 % . Fig. 148. Verlauf des Frischprozesses in der Die beim Windfrischvorfahren auftreTHOMAS-Birne tenden Vorgänge werden durch Fig. 147 und 148 wiedergegeben. Wie man sieht, verbrennen zuerst S i l i c i u m und M a n g a n , dann folgt der K o h l e n s t o f f . Die Verbrennung des Kohlenstoffs macht sich durch eine lange, blendend weiße, mit donnerndem Geräusch brennende F l a m m e bemerkbar. Der P h o s p h o r g e h a l t erleidet beim sauren RESSEMER-Prozeß keine Veränderung, während er beim alkalischen THOMAS-Verfahren nach dem Kohlenstoff verbrennt („Nachblasen"). Nach etwa 1 / 4 Stunde ist der Prozeß beendet. Man kippt dann die Birne wieder in die waagerechte Lage und fügt nach Abgießen der Schlacke zur „Rückkohlung" eine entsprechende Menge kohlenstoffhaltiges S p i e g e l e i s e n oder F e r r o m a n g a n zu. Der Mangangehalt des Spiegeleisens (Ferromangans) wirkt dabei gleichzeitig als D e s o x y d a t i o n s m i t t e l zur Entfernung des im Eisen gelösten E i s e n o x i d s (FeO + M n — > - F e + MnO), welches den Stahl brüchig machen würde. Die beim THOMAS-Prozeß anfallende ,, ΤHOMA S - Schlacke", die wegen ihres hohen P h o s p h o r s ä u r e g e h a l t a (10—25%) ein wichtiges D ü n g e m i t t e l darstellt, kommt 34*

532

Die Eisengruppe

in feingemahlenem Zustande {„THOMAS-Mehi") direkt in den Handel. Ihr Hauptbestandteil ist der S i l i c o - c a r n o t i t 5CaO · P 2 0 5 · S i 0 2 . Herdfrischverfahren. Beim H e r d f r i s c h v e r f a h r e n {„SIEMENS-MARTIN·Verfahren") erfolgt die Oxydation des Kohlenstoffs im Roheisen wesentlich l a n g s a m e r als beim Windfrischverfahren, so daß man durch U n t e r b r e c h u n g des Prozesses zu gegebener Zeit bereits während des Prischens auf einen g e w ü n s c h t e n K o h l e n s t o f f g e h a l t des Stahls hinarbeiten kann. Die Oxydation wird in diesem Falle durch l u f t h a l t i g e , über das 1500° heiße flüssige Roheisen streichende F l a m m e n g a s e bewirkt und durch den S a u e r s t o f f g e h a l t von gleichzeitig zugegebenem „Schrott", d. h. altem verr o s t e t e m E i s e n {„Schrott-Verfahren") oder von oxidischem E i s e n e r z {„Roheisen-Erzprozeß") unterstützt. Um die •t.0 für den Prozeß erforderlichen hohen T e m p e r a t u r e n zu erzielen, müssen 45 Heizgas und V e r b r e n n u n g s l u f t , I die zur Erzeugung der Flammengase -toff dienen, vor ihrer Vereinigung und Verbrennung hoch e r h i t z t werden. Dies geschieht in „W ärmespeichem", I * in denen die V e r b r e n n u n g s g a s e je%5 weils ihre Wärme auf die frischen Ausgangsgase übertragen („SIEMENSto cium sehe Regenerativfeuerung"). • Mgr OJ Als Ofen dient beim S i e m e n s MARTiN-Verfahren ein basisch gefütter0 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5- 3,0 3,! t-,0 9,5 5,0λ ter, kippbarer, 100—300 t fassender Fig. 149, Verlauf des Frischprozesses im Trog {„Herd"). In diesen kommt als SlEMENS-MARTIN-Ofen Ausgangsmaterial beim S c h r o t t v e r f a h r e n Roheisen (20—35%) und Schrott (80—65°/0), beim R o h e i s e n - E r z p r o z e ß Roheisen (80°/0), Schrott und Rotoder Magneteisenstein (20%), sowie in beiden Fällen zur Beseitigung des Phosphorgehaltes Kalk. Der Verlauf des Roheisen-Erzprozesses im S i E M E N S - M A R T i N - O f e n wird durch Fig. 149 wiedergegeben.

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Γ

Außer dem Windfrisch- und Herdfrischverfahren gibt es noch eine Anzahl seltener angewandter Methoden zur Entkohlung von Roheisen. Erwähnt sei hier ζ. B . der „Puddelprozeß", bei dem das Roheisen in mit Eisenoxid gefütterten Flammöfen bis nahe an seinen Schmelzpunkt erhitzt und durch Umrühren mit Stangen der Einwirkung des Sauerstoffs der Verbrennungsgase und des Ofenfutters ausgesetzt wird. Das in dieser Weise im h a l b f e s t e n Z u s t a n d e entkohlte Eisen heißt „Schweißstahl", zum Unterschied von dem im f l ü s s i g e n Z u s t a n d e entkohlten Eisen, das „Flußstahl" genannt wird. Weiterhin kann man aus kohlenstoffreichem Eisen gegossene Gegenstände wie Schlüssel, Fenster- und Türbeschläge usw. nachträglich durch „Tempern" in kohlenstoffarmen schmiedbaren Stahl verwandeln, indem man sie mit E i s e n o x i d umpackt und 4—6 Tage bei 850—1000° in besonderen Öfen glüht, wobei der K o h l e n s t o f f v e r b r e n n t . Auf diese Weise wird bei Massenartikeln die mühsame Einzelschmiedung von Hand vermieden. Die U m k e h r u n g des Temperns ist die „Zementation", bei der kohlenstoffarmes Eisen durch Erhitzen in K o h l e p u l v e r oberflächlich oder vollkommen in Stahl verwandelt wird.

Stahllegierungen Der nach dem Windfrisch- oder Herdfrisch-Verfahren gewonnene S t a h l kann durch U m s c h m e l z e n in G r a p h i t t i e g e l n („Tiegelschmelz-Verfahren") oder in elekt r i s c h e n Öfen mit Lichtbogen- oder Induktionsheizung {„Elektrostahl-Verfahren") n a c h r a f f i n i e r t oder durch entsprechende Zusätze mit Metallen oder Nichtmetallen l e g i e r t werden (,,Ferrosilicium", „Ferrotitan", „Ferrophosphor", „Ferrovattadin",

533

Dae Eisen

„Ferrochrom", „Ferromolybdän", „Ferrowolfram",„Ferromangan", „Ferronickel").Ouich Zusatz solcher „Ferrolegierungen" zu Stahl lassen sich dessen Eigenschaften weitgehend verändern. Wichtige Zusatzmetalle sind ζ. B. Nickel, Chrom und Wolfram. Ein Zusatz von Nickel erhöht in bedeutendem Maße die Zähigkeit des Stahls (vgl. S. 542). Eine Legierung mit 25°/0 Ni kann ζ. B., ohne zu zerreißen, auf die doppelte Länge ausgezogen werden. Nickelstahl mit 36°/0 Ni zeigt die Eigentümlichkeit, sich beim Erwärmen fast nicht auszudehnen und wird daher vielfach für Präzisionsmeßinstrumente benutzt {„Invarstahl"). Chrom macht den Stahl besonders hart. Somit erhält man durch Kombination von Eisen mit Nickel und Chrom ein h a r t e s Material von hoher Z ä h i g k e i t , das sich ζ. B. zur Herstellung von Panzerplatten, Geschützteilen, Achsen usw. eignet. Besonders bekannt ist der „V2A-Stahl", der 71 % Fe, 20°,/0 Cr, 8 % Ni und je etwa 0.2% Si, C und Mn enthält und wegen seiner chemischen Widerstandsfähigkeit gegen Luft und Säuren auch in der chemischen Technik und für Gebrauchsgegenstände („Nirosta") viel benutzt wird. Der „WTi-Stahl", ein mit etwas Chrom legierter Invarstahl, hat denselben Ausdehnungskoeffizienten wie Glas und kann deshalb an Stelle von Platin zum Einschmelzen der Glühdrähte in Glühfadenlampen benutzt werden. Stahlsorten mit einem Gehalt an Wolfram werden auch bei beginnender Rotglut noch nicht e n t h ä r t e t und dienen als Material für schneilaufende und daher heiß werdende Werkzeuge (ζ. B. Meißel für Stahldrehbänke). So enthält ζ. B. der „Schnelldrehstahl" 15—L8%W, 2—5°/ 0 Cr und 1—3% V. Molybdän und Vanadin wirken ähnlich wie Wolfram. Gewisse Kobalt-Wolfram-Stahlsorten zeichnen sich durch besonders gute magnetische Eigenschaften aus und dienen daher zur Herstellung permanenter Magnete; so ζ. B. eine Legierung aus 5 0 % Fe, 4 0 % Co, 7 % W, 2.5% Cr und 0.5% C. Silicium-Gehalte von 10—13% erhöhen die S ä u r e b e s t ä n d i g k e i t des Stahls. Derartige Legierungen dienen daher zur Herstellung von Apparaturen für die anorganische Großindustrie. Riesige Mengen von Ferrosilicium (25%, 50%, 75%, 9 8 % Si) werden in der Stahlindustrie als D e s o x y d a t i o n s m i t t e l benutzt. γ) Physikalische Eigenschaften

Chemisch reines Eisen ist ein silberweißes, verhältnismäßig weiches Metall vom spezifischen Gewicht 7.86, welches bei 1528° schmilzt und bei 2735° siedet. Es kommt in drei enantiotropen Modifikationen als Λ-, γ- und - 2 F e 0 + H 2 0) oder erhitzt man Eisen(II)-oxalat (FeC 2 0 4 — F e O + CO + C0 2 ), so erhält man ein schwarzes Produkt („Wüstit-Phase"), das einen mehr oder minder großen E i s e n u n t e r s c h u ß gegenüber der Formel FeO (normale Zusammensetzung : Fe0.»oO bis Fe0.95O) aufweist (vgl. S. 149f.). Eisen(II)-hydroxid Fc(0H)g fällt aus E i s e n ( I I ) - s a l z l ö s u n g e n auf Zusatz von A l k a l i bei L u f t a b s c h l u ß als w e i ß e r , flockiger Niederschlag aus: Fe" + 2 0 H ' — > Fe(OH) 2 . An der L u f t oxydiert sich dieser Niederschlag außerordentlich leicht und geht dabei über graugrüne, dunkelgrüne und schwärzliche Zwischenstufen schließlich in r o t b r a u n e s E i s e n ( I I I ) - h y d r o x i d über. Die dunkleren Zwischenstufen stellen Mischhydroxide des zwei- und dreiwertigen Eisens dar.

Das Eisen

535

Eisen (II)-chlorid FeClg entsteht beim Auflösen von E i s e n in S a l z s ä u r e und kristallisiert aus der Lösung als T e t r a h y d r a t FeCl 2 • 4 H 2 0 in Form grüner monokliner Prismen aus. Das w a s s e r f r e i e Salz erhält man als weiße, sublimierbare Masse beim Erhitzen von E i s e n in t r o c k e n e m Chi or w a s s e r s t off gas. Mit Kalium-und Ammoniumchlorid bildet Eisen(II)-chlorid gut kristallisierende D o p p e l s a l z e , ζ. B . K 2 FeCl 4 · 2 H 2 0 . Eisen (II)-sulfid FeS entsteht beim Versetzen von E i s e n ( I I ) - s a l z l ö s u n g e n mit A m m o n i u m s u l f i d als grünlich-schwarzer, in Säuren leicht löslicher Niederschlag, der sich in feuchtem Zustande an der Luft zu Eisen(III)-hydroxid und Schwefel oxydiert. T e c h n i s c h wird Eisen(II)-sulfid durch Zusammenschmelzen von E i s e n a b f ä l l e n mit S c h w e f e l (Fe + S - ^ FeS) oder P y r i t (Fe + F e S 2 - > - 2 F e S ) als kristalline, metallglänzende, bei 1190° schmelzende Masse erhalten. In dieser Form dient es zur S c h w e f e l w a s s e r s t o f f e r z e u g u n g im L a b o r a t o r i u m (S. 192): F e S + 2 HCl — > FeCl 2 + H 2 S. Eisen(II)-sulfat F e S 0 4 wird technisch durch Lösen von E i s e n a b f ä l l e n in S c h w e f e l s ä u r e (Fe + H 2 S 0 4 — F e S 0 4 + ïï2) oder durch O x y d a t i o n von teilweise geröstetem P y r i t an der Luft (FeS + 2 0 2 — ν F e S 0 4 ) oder als N e b e n p r o d u k t bei der Fällung von Z e m e n t k u p f e r (S. 451) aus K u p f e r s u l f a t l ö s u n g e n (CuS0 4 + F e —>- F e S 0 4 + Cu) gewonnen. E s kristallisiert aus wässeriger Lösimg in Form großer, hellgrüner, monokliner Prismen der Zusammensetzimg F e S 0 4 • 7 H 2 0 {„Eisenvitriol"), welche mit den entsprechenden Vitriolen des Magnesiums, Nickels, Zinks und Mangans isomorph sind. Die infolge Hydrolyse sauer reagierende Lösung o x y d i e r t sich an der Luft leicht unter teilweiser Abscheidung von basischem Eisen(IH)sulfat : 2 F e S 0 4 + H 2 0 + Vï^s —>- 2 F e ( 0 H ) S 0 4 . Wesentlich luftbeständiger ist das D o p p e l s a l z mit A m m o n i u m s u l f a t (NH 4 ) 2 Fe(S0 4 ) 2 · 6 H 2 0 („Moxssches Salz"). E s eignet sich gut zur Einstellung von Permanganatlösungen : 2Mn0 4 ' + 1 0 F e " + 16H° - — 2 M n " + l O F e ' " + 8 H 2 0 . An trockener Luft verwittert das Eisen(II)-sulfathydrat unter Verlust von Wasser. Beim Erhitzen auf 300° unter Luftabschluß hinterbleibt das wasserfreie, weiße Sulfat F e S 0 4 . Eisenvitriol findet zahlreiche technische Verwendungen, ζ. B . zur Tintenfabrikation, in der Färberei und zur Vernichtung von Unkraut. Eisen(II)-carbonat FeCO:t kommt in der Natur als Eisenspat (Siderit) vor (S. 526) und fällt a u s E i s e n ( I I ) - s a l z l ö s u n g e n beim Versetzen mit A l k a l i c a r b o n a t unter L u f t a b s c h l u ß als w e i ß e r , amorpher Niederschlag aus, der sich an der L u f t infolge Oxydation unter Abgabe von Kohlendioxid bald in r o t b r a u n e s E i s e n ( I Ü ) - h y d r o x i d verwandelt. Ähnlich den Erdalkalicarbonaten löst sich auch Eisen(Il)-carbonat in kohlcndioxidhaltigem Wasser unter Bildung von E i s e n ( I I ) - h y d r o g e n c a r b o n a t auf: FeCO, -f H 2 0 + C 0 2 — > Fe(HC0 3 ) 2 . Als solches findet es sich in manchen M i n e r a l w ä s s e r n („Eisensäuerlinge", „Eisenwässer"), die zur Bekämpfung der Bleichsucht dienen. An der L u f t scheiden solche Eisenwässer E i s e n ( I I I ) - o x i d h y d r a t aus. In dieser Weise sind die als „Eisenocker", „Raseneisenerz" und „Sumpferz" bekannten Ablagerungen entstanden, aus denen wohl auch das Brauneisenerz hervorgegangen ist. Die R e i n i g u n g von eisenhaltigen Wässern für T r i n k - und W a s c h z w e c k e erfolgt durch Sättigung mit L u f t (Ausfällung des Eisens als Eisen(III)-hydroxid).

c) Eisen(III)-Verbindungen Eisen(III)-oxid F e 2 0 3 , das in der Natur in verschiedenen Formen (vgl. S. 526) vorkommt, entsteht beim Erhitzen von Eisen (Ill)-salzen flüchtiger Säuren, beim Entwässern von Eisen(III)-hydroxid sowie beim Verbrennen von Eisen im Sauerstoffstrom und existiert in zwei M o d i f i k a t i o n e n als „tx-Fe203" und als ,,γ-Ρβ203". Die kubische, ferromagnetische y-Form entsteht bei vorsichtigem Oxydieren von Eisen(II, III)-oxid F e 3 0 4 (vgl. S. 536): 2Fe,0 4 + l/sO, >- 3FeaOs.

536

Die Eisengruppe

Sie enthält noch die Atomanordnung des Fe 3 0 4 -Kristallgitters und geht beim Erhitzen auf über 300° in die normale, beständige, paramagnetische, rhomboedrische « - F o r m über: j>-FeaOs >™L+. oc-FeADie Eigenschaften des Eisen(III)-oxids hängen wie die des Aluminiumhydroxids (vgl. S. 386) weitgehend von der Vorbehandlung ab. So löst sichz.B.sehr schwaoh e r h i t z t e s Eisen(lII)-oxid schon bei Z i m m e r t e m p e r a t u r langsam in verdünnten Säuren, während sehr s t a r k geglühtes Eisen(III)-oxid auch in heißen konz e n t r i e r t e n Säuren nahezu unlöslich ist. Während frisch gefälltes Oxidhydrat sohwammig und weich ist, ist das geglühte Oxid h a r t , so daß es in feinst verteiltem Zustande zum Polieren von Glas, Metallen und Edelsteinen geeignet ist („Polierrot", „Englischrot"). Wegen seiner schönen roten F a r b e dient Eisen (III)-oxid als vielgebrauchte Anstrich- und Malerfarbe („V enetianischrot", „Pompejanischrot"). J e nach der Korngröße des Materials kann man dabei Farben erzielen, die zwischen Hellrot und P u r p u r v i o l e t t variieren. Beim E r h i t z e n auf 1000° im Vakuum oder auf über 1200° an der Luft spaltet Eisen(III)-oxid S a u e r s t o f f ab und geht in E i s e n ( I I , I I I ) - o x i d Fe 3 0 4 (Fe 2 0 3 FeO) über: 3Fe 2 0 3 —>- 2Fe 3 0 4 + V 2 0 2 . Eiseu(II, III)-oxid Fe 3 0 4 findet sich in der Natur als Magneteisenstein (Magnetit) (S. 526) und stellt das b e s t ä n d i g s t e Oxid des Eisens dar. Es entsteht als „Rost" bei der Oxydation des Eisens an feuchter Luft und als „Hammerschlag" beim Verbrennen der beim Schmieden von glühendem Eisen abspringenden Eisenteilchen und kann duroh Überleiten von Wasserdampf über rotglühendes Eisen (vgl. S. 534) dargestellt werden. Wegen seiner großen B e s t ä n d i g k e i t gegen saure oder alkalische Agentien sowie gegen Chlor dient geschmolzener Magnetit (Smp. 1538°) zur Herstellung von E l e k troden („Magnetit-elektroden") für die C h l o r a l k a l i - e l e k t r o l y s e (S. 424). Wie schon der Name Magnetit besagt, ist Eisen(II,III)-oxid sehr stark f erromagnetisch. Eisen (III)-hydroxid Fe(OH)a fällt beim Versetzen einer Eisen(III)-salzlösung mit Alkalien als rotbraunes wasserreiches Hydrogel der Formel Fe 2 0 3 xH 2 0 („Eisenoxidhydrat") aus. Beim Trooknen bei Zimmertemperatur — schneller beim Erwärmen — geht es allmählich in das k r i s t a l l i s i e r t e M e t a h y d r o x i d FeO(OH) („Goethit") über, das sich auch in der Natur als „Nadeleisenerz" findet. Die Existenz eines definierten Orthohydroxids Fe(OH)3 läßt sich bei dieser Entwässerung nicht erkennen. Beim Erhitzen auf etwa 220° entsteht aus dem Goethit durch weitere Wasserabspaltung das a - E i s e n ( I I I ) - o x i d (s. oben). Eine unbeständige Modifikation des Metahydroxids FeO(OH) ist der „Lepidokrokit", der bei der Wasserabspaltung zunächst in das y-Fe 2 0 3 und dann in das beständigere - 2FeCl3) und kristallisiert aus den Lösungen je nach der Temperatur in Form verschiedener Hydrate aus. Beim E n t w ä s s e r n durch Erhitzen zersetzen sich diese Hydrate großenteils unter Chlor wasserst off abgabe und Zwischenbildung von FeOCl (rote Nädelchen). Wasserfreies Eisenchlorid erhält man durch Erhitzen von Eisen im Chlorstrom in Form grünlich metallglänzender, rotbraun durchscheinender Kristalle, die sich schon oberhalb von 120° sublimieren lassen. Bei 400° entspricht die Dampfdichte der Formel Fe2Cl„ (vgl. S. 389f.); oberhalb von 800° sind nur FeCl3-Moleküle beständig. Die rotbraune F a r b e von Eisen(III)-chloridlösungen ist wie die aller anderen Eisen(III)-salzlösungen auf Hydrolyse zurückzuführen, bei der über Zwischenstufen basischer Isopolykationen hinweg letztlich kolloidales rotbraunes Eisen (III) - hydroxid entsteht : Pe·" + 3HÖH Fe(OH)s + 3H\

Das Eisen

537

Bei der D i a l y s e bleibt dieses kolloidale Eisen(III)-hydroxid zurück. Durch Z u s a t z v o n S ä u r e n wird das Hydrolysegleichgewicht nach l i n k s verschoben, so daß die Farbe verschwindet. Durch vorsichtiges A b f a n g e n d e r W a s s e r s t o f f i o n e n kann umgekehrt eine ziemlich konzentrierte k o l l o i d a l e E i s e n ( I I I ) - h y d r o x i d l ö s u n g gewonnen werden. Auch beim K o c h e n vertieft sich die Farbe infolge Zunahme der endothermen Hydrolyse; beim A b k ü h l e n hellt sie sich wieder auf. Auch ein Eisen(III)-bromid FeBr 3 ist darstellbar. Dagegen zerfallt das Eisen(III)jodid F e J j in Eisen(II)-jodid und Jod, so daß es nicht isolierbar ist. Eisen(III)-sulfat F e ^ S O ^ j entsteht beim Abrauchen von E i s e n ( I I I ) - o x i d mit konzentrierter S c h w e f e l s ä u r e als gelblichweißes, wasserfreies Salz: Fe 2 0 3 + 3 H 2 S 0 4 —>- Fe 2 (S0 4 ) 3 + 3 H 2 0 . I n Wasser löst es sich unter starker H y d r o l y s e mit brauner Farbe. Beim Kochen solcher wässeriger Lösungen fallen b a s i s c h e S u l f a t e aus. Mit A l k a l i s u l f a t e n bildet Eisen(III)-sulfat A l a u n e des Typus MeFe(S0 4 ) 2 · 1 2 H 2 0 . Eisen (III)-rhodanid Fe(SCN) s wird in Form einer blutroten Lösung beim Zusammengeben einer E i s e n ( I I I ) - s a l z - und R h o d a n i d l ö s u n g erhalten: Fe"" -f3SCN' —>- Fe(SCN) 3 . Die Farbe ist so intensiv, daß selbst g e r i n g s t e S p u r e n von Eisen(III)-ionen auf diese Weise analytisch nachgewiesen werden können.

d) Komplexe Eisenverbindungen Unter den k o m p l e x e n E i s e n v e r b i n d u n g e n sind die C y a n o k o m p l e x e (,,Hexacyano-ferrate") mit die beständigsten. Sie entstehen beim Zusammentreffen von E i s e n und C y a n - i o n e n und haben je nach der Wertigkeit des Eisen-ions die Formel Me4 [Fe u (CN) 0 ] bzw. Me* [Fe n i (CN) e ] : Fe" + 6CN' —>- [Fe(CN)e]"" Fe - " + 6CN' >• [Fe(CN)e]"'. Besonders charakteristische Vertreter dieser beiden Verbindungstypen sind das g e l b e und das r o t e B l u t l a u g e n s a l z . Kalium-hexacyanoîerrat (II) K 4 [Fe(CN), ; ] („gelbes Blutlaugensalz"). Versetzt man eine E i s e n ( I I ) - s a l z l ö s u n g mit K a l i u m c y a n i d l ö s u n g , so fällt rötlichbraunes, schwerlösliches E i s e n ( I I ) - c y a n i d Fe(CN) 2 aus (1), das sich im Ü b e r s c h u ß der Kaliumcyanidlösung wieder a u f l ö s t , wobei die Lösung infolge Bildung von K a l i u m c y a n o f e r r a t ( I I ) (2) blaßgelb wird: Fe" + 2CN' —>- Fe(CN)„ (]) Fe(CN)a + 4CN' >• [Fe(CN),]"" (2) Fe" + 6CN' —>- [Fe(CN)e]"". Beim Eindampfen der Lösung kristallisiert das Salz in Form großer, schwefelgelber monokliner Kristalle der Formel K 4 [Fe(CN) e ] · 3 H 2 0 aus. Sein Name rührt daher, daß es früher durch Erhitzen von B l u t mit Kalium carbonai gewonnen wurde. Zur t e c h n i s c h e n Gewinnung von gelbem Blutlaugensalz kann man von verbrauchter G a s r e i n i g u n g s m a s s e (S. 184f.) ausgehen, welche infolge des Cyanwasserstoffgehaltes des rohen Leuchtgases bereits C y a n v e r b i n d u n g e n d e s E i s e n s enthält. Die Ionisation des Komplex-ions [Fe(CN) 6 ]"" in wässeriger Lösung gemäß [Fe(CN)„]"" F e " + 6CN' ist so gering, daß alle gewöhnlichen F e " - R e a k t i o n e n a u s b l e i b e n . So gibt die Lösung z. B. mit N a t r o n l a u g e oder A m m o n i u m s u l f i d k e i n e F ä l l u n g . Setzt man einer k o n z e n t r i e r t e n Lösung des Komplexsalzes k o n z e n t r i e r t e Salzsäure zu, so fällt die dem Salz zugrundeliegende H e x a c y a n o e i s e n ( I I ) - s ä u r e H 4 [Fe(CN) 6 ] als weißer kristalliner Niederschlag aus, der sich an der Luft infolge Zersetzung bald bläut. Bei Zugabe v e r d ü n n t e r Salzsäure entsteht eine w ä s s e r i g e L ö s u n g der Säure, die beim Kochen C y a n w a s s e r s t o f f entwickelt: H 4 Fe(CN)„ — > 4HCN + Fe(CN) a .

538

Die Eisengrappe

Kalium-hexacyanofcrrat(III) K 3 [Fe(CN) e ] {„rotes Blutlaugensalz"). Behandelt man eine Lösung von gelbem B l u t l a u g e n s a l z mit Chlor oder B r o m , so entsteht eine rötlichgelbe Lösung, aus der sich dunkelrote Prismen von K a l i u m c y a n o f e r r a t ( I I I ) gewinnen lassen: [Fe(CN),]"" + '/2CIa — ν [Fe(CN)„]'" + Cl'. Die wässerige Lösung ist viel u n b e s t ä n d i g e r als die des gelben Blutlaugensalzes (vgl. S. 160) und wirkt zum Unterschied von letzterer infolge spurenweiser Abgabe von Blausäure giftig. Sie wird bisweilen als O x y d a t i o n s m i t t e l benutzt: [Fe(CN)e]"' + θ — [ F e ( C N ) e ] " " . Die dem Salz zugrunde liegende freie H e x a c y a n o - e i s e n ( I I I ) - s ä u r e H 3 [Fe(CN) e ] kristallisiert in braunen Nadeln und ist sehr u n b e s t ä n d i g . Berlinerblau; TtiRNBtXLs-Blau. Versetzt man eine Lösung des gelben B l u t l a u g e n s a l z e s mit E i s e n ( I I I ) - s a l z oder eine Lösung des r o t e n B l u t l a u g e n s a l z e s mit E i s e n ( I I ) - s a l z , so entsteht in beiden Fällen bei Anwendung eines Molverhältnisses 1 : 1 das gleiche, k o l l o i d g e l ö s t e „lösliche Berlinerblau" K[Fe n Fe T I I (CN) c ] : Κ" + F e - + Fe(CN),"" — > K[FeniFeii(CN) e ] Κ ' + F e " + Fe(CN)„'" — * K[FeiiFeni(CN) e ].

Die i n t e n s i v e F a r b e ist dabei hier wie in vielen anderen Fällen (z.B. rote Mennige, Molybdän- und Wolframblau, blaues Cer(III, IV)-hydroxid, blauschwarzes Caesiumantimon(III, V)-chlorid Cs2SbCle, schwarzgrünes Eisen(II, III)-hydroxid) auf die gleichzeitige Anwesenheit zweier W e r t i g k e i t s s t u f e n des g l e i c h e n E l e m e n t s in ein und demselben komplexen Molekül zurückzuführen, die in gegenseitiger Wechselwirkung stehen:

K[F e nFeiii(CN) e ] ^ Z Ï : K[Fci[iF e n(CN) e ].

Bei Anwendung ü b e r s c h ü s s i g e r Eisen(III)-bzw. Eisen(II)-ionen entstehen aus dem löslichen Salz blaue N i e d e r s c h l ä g e , die als „unlösliches Berlinerblau" und „unlösliches TuRNBüLLS-Blau" unterschieden werden : F e - + 3[FeiiFein(CN) e ]' — • Feni[FenFein(CN),] 3 F e " + 2 [ F e i i F e i i i ( C N ) J ' — • Feii[FeHFenr(CN) e ] 2 .

Die Gittcranordnung der [FeFe(CN)6]-ionen kommt dabei so zustande, daß in einem NaCl-Gitter (S. 147), in dem alle Gitterplätze von Fe-ionen besetzt sind, auf jeder Verbindungslinie zwischen 2 Fe-ionen 1 CN-ion liegt, so daß jedes Fe-ion oktaedrisch von 6 CN-ionen und jedes CN-ion linear (über C und N) von 2 Fe-ionen umgeben ist. G e l b e s B l u t l a u g e n s a l z und überschüssige E i s e n (II) - ionen ergeben einen weißen Niederschlag: 2Fe" + Fe(CN) e "" • Fen[FeiiFeii(CN) e ] = „Fe(CN) 2 ", der an der Luft infolge Oxydation rasch blau wird. Aus r o t e m B l u t l a u g e n s a l z und überschüssigen E i s e n ( I I I ) - i o n e n bildet sich kein Niederschlag, sondern eine dunkelbraune Lösung: Fe'" + Fe(CN) e "' — > [FeIIIFeIH(CN) e ] - „Fe(CN) 3 ", die als Reagens auf Reduktionsmittel dienen kann, da sie mit diesen einen blauen Niederschlag (s. oben) ergibt.

Prussiate. Verbindungen, bei denen eine Cyanogruppe des Fe(CN)e-ions durch andere Gruppen ersetzt ist, heißen „Prussiate" (rationell: Pentacyano-f errate). Erwähnt seien hier ζ. B. : das Natrium-nitrosyl-prussiatNa 2 [Fe n (CN) 5 NO] 1 , das Natrium-carbonyl-prussiatNa 3 [Fe n (CN) 5 CO], das Natrium-ammin-prussiat Na 3 [Fe n (CN) 6 NH 3 ], das Natrium-nitro-prussiat Na 4 [Fe n (CN) 5 N0 2 ] und das Natrium-sulfito-prussiat Na s [Fe 11 (CN) 6 S0 3 ]. Bei der Oxydation mit Brom gehen diese E i s e n ( I I ) - p r u s s i a t e in E i s e n ( I I I ) . p r u s s i a t e über: [Fe n (CN) 6 X]- n + V 2 Br 2 —>- [Fe n I (CN) 6 X]-< n l > + Br'.

2. Das Kobalt Yorkommen. Der größte Teil der Weltproduktion an Kobalt wird aus den in Katanga (Belgisch-Kongo) vorkommenden K u p f e r e r z e n und aus den in Ontario (Kanada) gefundenen kupferhaltigen Magnetkiesen Fe 3 S 4 (S. 541) gewonnen. Die beiden be1

Das NO ist in dieser Verbindung als NO+ ( : Ν : : : O :) enthalten (S. 547f.).

Das Kobalt

539

kanntesten K o b a l t e r z e sind der Speiskobalt CoAs2 und der Kobaltglanz CoAsS. Sie finden sich in Deutschland in geringeren Mengen im sächsischen Erzgebirge. Darstellung. Zur t e c h n i s c h e n D a r s t e l l u n g von Kobalt werden die NickelKobalt-Kupfer-Erze in der beim N i c k e l (S. 541) geschilderten Weise aufgearbeitet, wobei man einen „Rohstein" {„Speise") erhält, der das Nickel, Kobalt und Kupfer in Form von S u l f i d e n und A r s e n i d e n enthält. Dieses Rohmaterial wird dann mit S o d a und S a l p e t e r abgeröstet, wobei S c h w e f e l und Arsen teils e n t w e i c h e n , teils zusammen mit den Oxiden von Kupfer, Nickel und Kobalt als S u l f a t und A r s e n a t im Röstgut zurückbleiben. Sulfat und Arsenat lassen sich mit W a s s e r auslaugen. Die beim Auslaugen ungelöst bleibenden M e t a l l o x i d e werden in heißer Salzsäure oder Schwefelsäure gelöst und mit K a l k m i l c h und C h l o r k a l k fraktioniert gefällt. Hierbei resultiert schließlich reines K o b a l t ( I I I ) - o x i d Co 2 0 3 , das mit K o h l e zu metallischem K o b a l t reduziert wird. Eigenschaften. Kobalt ist ein stahlgraues, glänzendes, magnetisches, bei 1490° schmelzendes und bei 2900° siedendes Metall vom spezifischen Gewicht 8.83. Wie Nickel wird es von feuchter L u f t nicht und von n i c h t o x y d i e r e n d e n S ä u r e n nur langsam angegriffen, während es in o x y d i e r e n d e n S ä u r e n leicht löslich ist. In seinen Verbindungen tritt Kobalt hauptsächlich zwei- und d r e i w e r t i g auf. Bei den einfachen Verbindungen ist die zweiwertige Stufe wesentlich beständiger als die dreiwertige; bei den komplexen Verbindungen liegen die Stabilitätsverhältnisse gerade umgekehrt (vgl. S. 540). V i e r w e r t i g e s Kobalt ist ζ. B . in den Verbindungen BaCo0 3 und Ba 2 Co0 4 enthalten, die sich durch Oxydation der zweiwertigen Oxydationsstufe mit Luftsauerstoff gewinnen lassen; n u l l w e r t i g e s Kobalt liegt in den Kobaltcarbonylen (S. 544) und in der Verbindung K4[Co(CN)4] vor. Verwendung. Ein Teil des Kobalts geht in Form von „Schmälte" (Kalium-kobaltsilicat) zur Färbung von Glasflüssen (S. 341) in die keramische und Glasindustrie („Kobaltblau", „Kobaltglas"). Eine Legierung aus 50—60% Co, 30—40% Cr und 8—20°/0 W (,,Stellit") wird zur Herstellung von Meißelspitzen benutzt, da sie wie der Schnelldrehstahl (S. 533) ihre Härte bis über 600° beibehält. KobaIt(II)-Yerbindungen. W ä s s e r i g e Kobalt(II)-salzlösungen imd k r i s t a l l w a s s e r h a l t i g e Kobalt(II)-salze sind r o t gefärbt, da sie das rote Komplex-ion [Co(H 2 0) e ]" enthalten. Die w a s s e r f r e i e n Kobalt(II)-salze dagegen sind rein b l a u . Besonders leicht gelingt die Entwässerung beim Kobalt{II)-chlorid CoCl2 · 6 H 2 0 , das schon beim Erwärmen auf etwa 35° blau wird. Schreibt man daher mit einer verdünnten Kobalt(II)-chloridlösung auf Papier, so sind die Schriftzüge bei gewöhnlicher Temperatur fast nicht zu sehen, während sie bei leichtem Erwärmen schön blau erscheinen („sympathetische Tinte"). An feuchter Luft färbt sich das wasserfreie blaue Kobalt(II)salz infolge Wasseraufnahme wieder rosa, worauf die „Wetterbilder" und „Wetterblumen" beruhen, die einen um so blaueren Ton annehmen, je trockener die Luft, also je geringer die Wahrscheinlichkeit einer Regenbildung ist. Kobalt(II)-sulfat CoS0 4 · 7 H 2 0 bildet dunkelrote, monokline Prismen, die mit Eisen(II) - sulfat und anderen Vitriolen isomorph sind und mit Alkalisulfaten Doppelsalze des Typus K 2 Co(S0 4 ) 2 · 6 H 2 0 geben. Kobalt(II)-nitrat Co(N0 3 ) 2 · 6 H 2 0 kristallisiert aus wässeriger Lösung in Form roter, monokliner Tafeln aus. Erhitzt man Kobalt(II)-nitrat mit Aluminiumsulfat, so entsteht aus den den beiden Salzen zugrunde liegenden Oxiden ein blau gefärbter S p i n e l l : C o O + A l 2 O s — C o A l 2 0 4 („THÉNARDS-BIOM"\ S. 346). Die Blaufärbung ist so intensiv, daß man sie zum N a c h w e i s von A l u m i n i u m benutzen kann. In ähnlicher Weise verwendet man das beim Glühen von Kobaltnitrat mit Zinkoxid entstehende grüne Kobaltzinkat („RiNMANs-Grün"; S. 475) zum N a c h w e i s von Zink. Das durch Zugabe von ammoniakalischer Schwefelammonlösung zu Kobalt(II)-salz-

540

Die Eisengruppe

Iösungen unter L u f t a b s c h l u ß frisch g e f ä l l t e amorphe KobaU{II)-sulfid löst sich in kalter verdünnter Salzsäure leicht unter H2S-Entwicklung auf 1 : CoS + 2 HCl

• CoCl2 + H 2 S.

CoS (1)

Beim Fällen unter L u f t z u t r i t t oxydiert sich das Kobalt(II)-sulfid rasch zu säurelöslichem 2 basischem Kohalt(III)-sulfid: 2 CoS + 1 0 2 + HjO

2Co(OH)S,

(2)

das bei Gegenwart von überschüssigem Schwefelammon in säureunlösliches Kobalt(Ill)-sulfid übergeht: 2Co(OH)S + H 2 S

Co2S3 + 2 H a 0 .

(3)

Auf diesem Übergang des säurelöslichen CoS in säureunlösliches Co2S3 in alkalischer Lösung3 (analoges gilt für das Nickel, S. 542) beruht die Möglichkeit der analytischen Abtrennung des Kobalts und Nickels von den Elementen der Schwefelwasserstoff- und Schwefelammongruppe (S. 194f.), indem CoS und NiS beim Fällen der Schwefelwasserstoffgruppe aus saurer Lösung3 infolge ihrer Leichtlöslichkeit nicht ausfallen, während sie beim Fällen der Schwefelammongruppe aus ammoniakalischer Lösung infolge des Übergangs in säureunlösliches Co8S3 bzw. Ni2S3 leicht von den säurelöslichen übrigen Sulfiden dieser Gruppe zu trennen sind (Behandlung des Schwefelammon-Niederschlags mit verdünnter Salzsäure). Kobalt(ni)-Verbindungen. Das vorstehend erwähnte basische Kobalt(III)-sulfid Co(OH)S (analoges gilt vom basischen Nickel(III)-sulfid Ni(OH)S) ist ein Oxydationsmittel und vermag im feuchten Zustande beispielsweise CO zu C0 2 zu oxydieren: 2Co(OH)S + CO

->- 2CoS + C0 2 + H 2 0 .

Ist dem Kohlenoxid Luft oder Sauerstoff beigemischt, so geht die Reaktion infolge dauernder Regeneration des basischen Sulfids — vgl. (2) — weiter, so daß feuchtes Co(OH)S die Oxydation des CO zu C0 2 durch Luftsauerstoff katalysiert4. Kobalt(III)oxid Co203 entsteht als braunschwarzes Pulver bei gelindem Erhitzen von Kobalt(II)nitra.t : 2Co(N03)2 — > Co203 + 4N0 2 + 1/202. Bei stärkerem Glühen geht es zunächst in das schwarze Kobalt (II, III)-oxid Co304 und schließlich in das olivenfarbeneKobalt(Il)-oxid CoO über. Kobalt{III)-sulfat Co2(S04)3 · 18H 2 0 bildet sich in der Kälte bei anodischer Oxydation von Kobalt(II)-sulfat in konzentrierter Schwefelsäure: 2CoS0 4 + S 0 4 " —>· Co2(S04)3 + 2 0 und bildet mit Kaliumsulfat einen den anderen Alaunen (S. 390f.) entsprechenden Kobaltalaun KCo(S0 4 ) 2 · 12H 2 0. Wie alle nichtkomplexen Kobalt(III)-salze ist es sehr unbeständig und geht in wässeriger Lösung in Kobalt(II)sulfat über. Umgekehrt haben die komplexen Kobalt(II)-Verbindungen ein großes Bestreben, sich zu Kobalt(III)-Verbindungen zu oxydieren. Versetzt man ζ. B. eine Kobalt(II)-salzlösung mit einem Überschuß von Kaliumcyanid, so bildet sich zwar zunächst das dem gelben Blutlaugensalz entsprechende rotviolette Kalium-hexacyanokobaltat(II) K 4 [Co(CN)0]. Dieses geht aber in wässeriger Lösung — bei Luftabschluß unter Wasserstoffentwicklung, an der Luft ohne eine solche — in das mit dem roten Blutlaugensalz isomorphe hellgelbe Kalium-hexacyano-kobaltat(III) K3[Co(CN)e] über: 2[Co(CN) 6 ]"" + 2[Co(CN) u ]"'+ H2. Die Stabilitätsverhältnisse liegen hier 1 Zum Unterschied davon ist das aus e s s i g s a u r e r Lösung mit H S fällbare k r i s t a l l i n e 2 CoS in verdünnter Salzsäure schwer löslich (vgl. S. 395). ' Der bei der Auflösung in Säure freiwerdende Schwefelwasserstoff (Co(OH)S + 3 HCl — > - CoCl, + H 2 S + HjO) reagiert, soweit er nicht zu Schwefel oxydiert wird (2CoCl„ + H 2 S >- 2CoClj -f 2HCl + S) gemäß (3) weiter, so daß nur ein Teil des Co(OH)S in Lösung geht:

4Co(OH)S + 4HCl

• 2CoCl2 + Co 2 S, + S + 4 H 2 0 .

In saurer Lösung bleibt die Oxydation (2) aus. 4 Die Katalyse ist nicht unbegrenzt fortsetzbar, da das Kobaltsulfid CoS infolge te il weiser Selbstoxydation zu Kobalteulfat CoS0 4 allmählich verbraucht wird. 8

Das Nickel

541

also gerade umgekehrt wie bei den entsprechenden E i s en Verbindungen (S. 537 f.), was durch die unterschiedlichen Elektronenkonfigurationen bedingt wird (vgl. S. 160). Zur Abtrennung vom Nickel und zum Nachweis von K o b a l t eignet sich das gelbe, kristalline, schwerlösliche Kalium-hexanitro-kobaltat (III) K 3 [Co(N0 2 ) e ], das beim Versetzen von Kobalt(II)-salzlösungen mit überschüssigem Kaliumnitrit und Ansäuern mit verdünnter Essigsäure ausfällt : Co" + N 0 2 ' + 2 H ' — > - C o * " + N O 4-H 2 0 ; Co'" + 6NCy — ν [Co(N0 2 ) 6 ]"'.

3. Das Nickel Vorkommen. Etwa 9 0 % der Weltproduktion an Nickel werden aus den in Ontario (Kanada) vorkommenden Magnetkiesen Fe 3 S 4 erzeugt. Sie enthalten Kupfer (als Kupferkies CuFeS2) und Nickel (als Pentlandit NiS), sowie Spuren von Gold, Silber und P l a t i n m e t a l l e n . Weiterhin ist für die Nickelgewinnung der Garnierit (Ni, Mg)H 2 Si0 4 wichtig, der sich vor allem in Neukaledonien findet. Von sonstigen Nickelerzen sind zu erwähnen: der Rotnickelkies NiAs, der Weißnickelkies NiAs2, der Arsennickelkies NiAsS und die Nickelblende NiS. Darstellung. Die Darstellung des Nickels aus den kanadischen Magnetkiesen erfolgt analog der Kupfergewinnung (S. 450 f.) in der Weise, daß man das — zur Entfernung eines Teils des Schwefels vorgeröstete — Material, das zur Hauptsache aus Ni 2 S, Cu 2 S, FeS und Fe 2 0 3 besteht, mit kieselsäurehaltigen Zuschlägen und K o k s verschmilzt. Hierbei verschlackt das E i s e n o x i d unter Kohlenoxidbildung großenteils zu Eisen Silicat, welches ständig aus dem Ofen abfließt, während der gleichzeitig gebildete, hauptsächlich aus Ni2S, Cu2S und FeS bestehende, spezifisch schwerere „Kupfer-Nickel-Rohstein" periodisch abgestochen wird und zur weiteren Abtrennung des Eisens in den K o n v e r t e r gelangt. Hier wird das Eisensulfid durch eingeblasene Luft o x y d i e r t und mit zugesetztem Si0 2 v e r s c h l a c k t . Zurück bleibt der zur Hauptsache aus Ni2S und Cu2S bestehende „Kupfer-Nickel-Feinstein" mit 80°/0 Cu + Ni und 20°/0 S. Er wird in Formen gegossen und zerkleinert. Die K o n v e r t e r g a s e dienen zur Schwefelsäuregewinnung. Die Weiterverarbeitung des zerkleinerten K u p f e r - N i c k e l - F e i n s t e i n s kann in verschiedener Weise erfolgen. Entweder verzichtet man auf eine Trennung von Kupfer und Nickel und röstet den Feinstein bei etwa 1100° zu einem Gemisch von Nickelund K u p f e r o x i d ab, welches sich mit Kohle in Flammöfen zu einer KupferN i c k e l - L e g i e r u n g mit durchschnittlich 70°/ 0 Ni und 30°/ 0 Cu (,,Monelmetall") reduzieren läßt. Oder man verschmilzt den Feinstein mit Natriumsulfid Na2S (Natriumsulfat und Kohle), wobei nur das Kupfersulfid ein leicht schmelzendes Doppelsulfid bildet, so daß sich das flüssige Schmelzgemisch in zwei scharf getrennte S c h i c h t e n — den aus Nickelsulfid bestehenden „Boden" und den das K u p f e r s u l f i d enthaltenden „Kopf" — trennt; die „Böden" werden dann zu Nickeloxid geröstet und mit K o h l e zu metallischem Nickel reduziert, das zur weiteren Reinigung schließlich noch e l e k t r o l y t i s c h r a f f i n i e r t wird. Ein wesentlich reineres Nickel läßt sich aus dem Feinstein nach dem „MoND-Verfahren" gewinnen, das auf der Bildung und Zersetzung von N i c k e l t e t r a c a r b o n y l beruht: Ni + 4 CO

îsi(CO)4 + 43.3 kcal.

Dieser „MOND sehe. Nickelprozeß" verläuft im einzelnen so, daß man den bei 700° totgerösteten F e i n s t e i n in 10 m hohen und 2 m weiten Türmen bei etwa 400° mit W a s s e r g a s reduziert NiO + CO —>- Ni + COa) und das reduzierte Material in ähnlichen Türmen („Verflüchtiger") bei 80° einem von unten aufsteigenden K o h l e n o x i d s t r o m entgegenführt. Das hierbei gebildete und anschließend von Plugstaub befreite N i c k e l c a r b o n y l gelangt dann in gußeiserne, übereinander angeordnete, mit Nickelkügelchen von 2—δ mm Durchmesser ge-

542

Die Eisengruppe

füllte und auf 180° angeheizte Z e r s e t z u n g s k a m m e r n („Zersetzet"), in welchen es sich in K o h l e n o x i d und N i c k e l zersetzt. Da N i c k e l scheidet sich dabei auf den Kugeln mit einer Reinheit von 99.8—99.9°/„ ab. Das freigewordene K o h l e n o x i d kehrt wieder in den Prozeß zurück.

Eigenschaften. Nickel ist ein silberweißes, schmied- und schweißbares, zähes, bei 1455° schmelzendes und bei 2730° siedendes, schwach magnetisches Metall vom spezifischen Gewicht 8.90. Wegen seiner Polierbarkeit und Widerstandsfähigkeit gegenüber Luft werden Haus- und Küchengeräte vielfach g a l v a n i s c h v e r n i c k e l t oder mit N i c k e l b l e c h v e r s c h w e i ß t („Plattierung"). Von n i c h t o x y d i e r e n d e n S ä u r e n wird Nickel bei Zimmertemperatur nur l a n g s a m , von o x y d i e r e n d e n S ä u r e n l e i c h t gelöst. Gegenüber A l k a l i h y d r o x i d e n ist es selbst bei 300—400° beständig; deshalb lassen sich Nickeltiegel im Laboratorium gut zum Schmelzen von Natriumund Kaliumhydroxid gebrauchen. In seinen chemischen Verbindungen tritt Nickel praktisch nur z w e i w e r t i g auf, doch kommen auch Verbindungen des n u l l w e r t i g e n (z.B. K 4 Ni(CN) 4 , Ni(CO) 4 ,Ni(PCl 3 ) 4 , K 4 [Ni(C^CR) 4 ]), e i n w e r t i g e n (z.B. K 4 Ni 2 (CN) 6 , K 2 Ni(CN) 3 CO), d r e i w e r t i g e n (z.B. Ba 2 Ni 2 O s , NiOOH, K 3 NiF 6 ) und v i e r w e r t i g e n Nickels (z. B. K 2 NiF e , BaNi0 3 , NaNiJO,, Ni0 2 ) vor. Verwendung. Die Hauptmenge an Nickel wird durch die S t a h l i n d u s t r i e verbraucht, da durch Zusatz einiger Prozente Nickel zum Stahl dessen H ä r t e und Z ä h i g k e i t stark erhöht wird. So werden aus Nickelstahl ζ. B. Gewehrläufe, Geschützrohre und Panzerplatten hergestellt. Ein anderer Teil dient zur g a l v a n i s c h e n V e r n i c k e l u n g sowie als R e i n n i c k e l zur Herstellung von Gebrauchsgegenständen und von Münzen. Unter den N i c k e l l e g i e r u n g e n sind vor allem die N i c k e l - K u p f e r L e g i e r u n g e n (z.B. Monelmetall) zu erwähnen, die sich durch große K o r r o s i o n s b e s t ä n d i g k e i t auszeichnen. Auch N i c k e l - C h r o m - und N i c k e l - M o l y b d ä n Legierungen sind gegen Säuren sehr beständig. F e i n v e r t e i l t e s Nickel dient als technischer K a t a l y s a t o r für die Fetthärtung (II, S. 157f.). Nickelverbindungen. Nickel(II)-oxid NiO hinterbleibt beim Glühen von Nickelsalzen flüchtiger Säuren (ζ. B. des Hydroxids, Nitrats, Carbonats) als grünlichgraues, in Wasser unlösliches, in Säuren leicht lösliches Pulver vom Schmelzpunkt 1990°. Das beim Überleiten von Wasserstoff über Nickel(II)-oxid bei 200° entstehende feinverteilte Nickel ist ein ausgezeichneter Katalysator für die Hydrierung organischer Verbindungen. Nickel(II)-hydroxid Ni(OH) 2 fällt aus N i c k e l ( I I ) - s a l z l ö s u n g e n bei Zusatz von A l k a l i als grüner, voluminöser, an der Luft beständiger Niederschlag aus. Bei der O x y d a t i o n mit Kaliumhypobromit (Brom und Kalilauge) geht es in schwarzes N i c k e l ( I I I ) - h y d r o x i d N i ( O H ) 3 über. Nickel(II)-chlorid NiCl 2 kristallisiert aus wässerigen Lösungen in Form grüner, monokliner Prismen der Zusammensetzung NiCl 2 · 6 H 2 0 aus und läßt sich nur im Chlorwasserstoffstrom zum wasserfreien, gelben Chlorid NiCl 2 entwässern. Nickel(II)-sulfid NiS läßt sich aus s a u r e n Lösungen von Nickel(II)salzen n i c h t durch Schwefelwasserstoff fällen. H a t man es aber mit Hilfe von A m m o n i u m s u l f i d erst einmal aus a m m o n i a k a l i s c h e r L ö s u n g niedergeschlagen, so löst es sich in verdünnten Säuren nicht mehr auf. Diese Erscheinung erklärt sich wie beim Kobaltsulfid CoS durch die leichte Oxydierbarkeit des säurelöslichen NiS in ammoniakalischer Lösung zu Ni(OH)S und dessen Übergang in säureunlösliches Ni 2 S 3 (vgl. S. 539f.). Nickel(II)-sulfat N i S 0 4 läßt sich aus wässerigen Lösungen in Form eines grünen Heptahydrats N i S 0 4 · 7 H 2 0 („Nickelvitriol") auskristallisieren, das mit anderen Vitriolen analoger Zusammensetzung isomorph ist und wie diese Doppelsalze bildet. Nickel(II)-cyanid Ni(CN) 2 löst sich im Überschuß von Kaliumcyanid zu einer K o m p l e x v e r b i n d u n g K 2 [Ni(CN) 4 ], die schon durch Salzsäure unter Wiederabscheidung von Ni(CN) 2 zerlegt wird.

543

Die Metallcarbonyle

4. D i e M e t a l l c a r b o n y l e Unter der Bezeichnung „Metallcarbonyle" faßt man eine Reihe von K o bieno x i d v e r b i n d u n g e n der M e t a l l e der 6. bis 8. N e b e n g r u p p e des Periodensystems zusammen. Ihre Erforschung verdanken wir hauptsächlich dem deutschen Chemiker W A L T E R H I E B E R .

a) Systematik und Konstitution α) Monomolekularo Typen Besonders interessant sind unter den Metallcarbonylen die sehr flüchtigen monom o l e k u l a r e n Typen Me(CO)n. Sie werden nur von den Metallen mit g e r a d e r Ordn u n g s z a h l — also den Elementen Chrom, E i s e n , N i c k e l und ihren H o m o logen — gebildet und haben folgende charakteristische Zusammensetzungen: Cr(C0)6 farblose, rhombische, sehr leicht sublimierende Kristalle

24

25

Mn

2e

ÍV(C0)5 gelbe Flüssigkeit, Smp. — 2 0 ° Sdp. 103«

27

Co

42

Mo (CO) s farblose, rhombische, sehr leicht sublimierende Kristalle

43

Tc

44

Ku(CO)5 farblose Flüssigkeit, Smp. — 2 2 °

45

Rh

74

W(C0)e farblose, rhombische, sehr leicht sublimierende Kristalle

75

Re

76

Os(CO) 5 farblose Flüssigkeit, Smp. — 15°

77

Ir

OQ

Ni(CO) 4 farblose Flüssigkeit, Smp. — 2 5 ° , Sdp. 43°

46

78

Fd

r t

Offensichtlich sind die Formeln auch hier wie bei vielen anderen Komplexverbindungen (vgl. S. 160) eine Folge des Bestrebens der Metalle, durch Einbau freier Elektronenpaare anderer Atome die Elektronenschale des n ä c h s t h ö h e r e n E d e l g a s e s zu erlangen. Denn genau wie beispielsweise das z w e i f a c h p o s i t i v g e l a d e n e E i s e n ion (24 E l e k t r o n e n ) im M o l e k ü l des H e x a c y a n o f e r r a t ( I I ) - i o n s durch die Anlagerung von s e c h s Cyan-ionen die Edelgasschale des K r y p t o n s (36 Elektronen) erreicht (24 + 6 χ 2 = 36 Elektronen) : Fe + 6 : C : : : N :

[Fe( :C : : : Ν :),]

,

gelangt das n e u t r a l e E i s e n a t o m , das zwei E l e k t r o n e n mehr besitzt (26 Elektronen), im Molekül des E i s e n p e n t a c a r b o n y l s durch die Aufnahme von fünf Kohlenoxidmolekülen zur gleichen E d e l g a s s c h a l e (26 + 5 x 2 = 36 Elektronen) : Fe + 5 : C : : : 0 : — ^

F e ( : C : : : O :),.

In derselben Weise erreichen R u t h e n i u m und Osmium in den analog gebauten Pentacarbonylen Ru(CO)5 und Os(CO)5 die Edelgasschalen des X e n o n s und R a d o n s , während bei den Elementen der C h r o m g r u p p e (Chrom, Molybdän, Wolfram), denen je zwölf Elektronen zur nächsten Edelgaskonfiguration fehlen, eine Aufnahme von je s e c h s und beim N i c k e l , das nur a c h t Elektronen benötigt, eine Aufnahme von nur vier Kohlenoxidmolekülen pro Metallatom erforderlich ist.

Die Eisengruppe

544

Für die H e x a c a r b o n y l e ist eine Anordnung der C O - M o l e k i i l e an den sechs Ecken eines O k t a e d e r s , für das N i c k e l - t e t r a c a r b o n y 1 eine Anordnung an den vier Ecken eines T e t r a e d e r s nachgewiesen. Für die P e n t a o a r b o n y l e , deren Konstitution noch nicht sichersteht und bei denen offenbar nicht alle Kohlenoxidmoleküle gleichwertig sind (vgl. S. 546), wird die Konfiguration einer trigonalen Bipyramide als wahrscheinlichste angesehen.

ß) Höüerniolekulare Typen Bei den weniger bis nicht flüchtigen h ö h e r m o l e k u l a r e n Typen (die folgende Tabelle ist noch durch die Verbindung V2 (CO)12 — eine flüchtige, tiefblaue, feste Substanz — zu ergänzen) : 26

26

Mn;j(CO)io goldgelbe, monokline, sublimierbare Kristalle, Smp. 155°

^^(€0)9 goldgelbe, pseudohexagonale Kristalle, Zers. bei 100°

BU 2 (CO) 9 orangefarbene, monokline, sublimierende Prismen

45

Ru 3 (CO),j grüne Nadeln

75

Bej(CO)io farblose, monoklin-prismatische, sublimierbare Kristalle, Smp. 177°

00,(00)8 orangefarbene Kristalle, Smp. 51°, Zers. bei 62° C04(C0)n schwarze Kristalle, Zers. bei 60°

Fes(C0)|2 tiefgrüne, monokline Prismen, Zers. bei 140° 44

Tc

27

Rhä(C0)8 gelbrote Kristalle, Smp. 76° Rh4(C0)tt dunkelrote Kristalle, Sblp. > 150°

76

Os ;i (CO) 9 hellgelbe, pseudohexagonale, sublimierbare Kristalle Smp. 224°

77

Ir ä (C0) 8 grüngelbe, bei 160° sublimierende Kristalle

Ir 4 (CO), 8 kanariengelbe, trigonale Kristalle, Zers. bei 210°

erreicht die auf jedes Metallatom entfallende G e s a m t e l e k t r o n e n z a h l (,,effektive Elektronenzahl") nicht ganz die Elektronenzahl des nächsten Edelgases. Denn während die m o n o m e r e n Typen, wie wir oben sahen, ganz allgemein die Zusammensetzung Me(CO)n besitzen (wobei 2 η die zur nächsten Edelgasschale fehlende Elektronenzahl bedeutet), kommt den d i m e r e n Gliedern die Bruttozusammensetzung Me(CO)„_o.5, den t r i m e r e n die Bruttozusammensetzung Me(CO) n _i und den t e t r a m e r e n die Bruttozusammensetzung Me(CO)n _ 1.5 zu : Me(CO)n_0 monomer

Me(CO)n_0 dimer

6

Me(CO) n _ trimer

t

Me(CO)n_15. tetramer

Da jedes Kohlenoxidmolekül ein E l e k t r o n e n p a a r beisteuert (S. 543), fehlen hier also den einzelnen Metallatomen ein (dimere Carbonyle) bzw. z w e i (trimere Carbonyle) bzw. d r e i (tetramere Carbonyle) Elektronen bis zur nächsten Edelgasschale, was die Z u s a m m e n l a g e r u n g dieser Moleküle zu g r ö ß e r e n M o l e k ü l v e r b ä n d e n bedingt. Denn bei einer solchen Zusammenlagerung können die Metallatome der Carbonyle in ähnlicher Weise ihre Elektronenschalen vervollständigen, wie etwa das elektronen-ungesättigte Chloratom durch Vereinigung mit einem zweiten Chloratom zur Argonschale gelangt

ÓÌ · + - C l : — > - : Cl : Cl : j. Und zwar werden

im Falle der höher molekularen Metallcarbonyle d a n n für alle beteiligten Atome Edelgasschalen erreicht, wenn man annimmt, daß j e d e s Metallatom mit j e d e m übrigen Metallatom des gleichen Moleküls je ein E l e k t r o n e n p a a r (direkt oder auf dem Wege über ein Kohlenoxidmolekül) g e m e i n s a m hat.

Die Metallcarbonyle

545

b) Darstellung Die k l a s s i s c h e D a r s t e l l u n g der Metallcarbonyle beruht auf der d i r e k t e n E i n w i r k u n g v o n K o h l e n o x i d a u f M e t a l l . Das Metall muß dabei in „ a k t i v e r F o r m " , d. h. in genügend f e i n e r Z e r t e i l u n g vorliegen. So wird ζ. B. das Nickeltetracarbonyl Ni(CO) 4 technisch durch Überleiten von K o h l e n o x i d bei 80° über bei 400° durch Reduktion des Oxids mit Wassergas gewonnenes N i c k e l p u l v e r dargestellt (S. 541). In analoger Weise gewinnt man Eisen-pentacarbonyl Fe(CO)5 und Kobalt-tetracarbonyl [Co(CO)4]2 technisch durch Erhitzen von f e i n v e r t e i l t e m E i s e n bzw. K o b a l t und K o h l e n o x i d unter Druck auf 150—200°. Bei E n e r g i e z u f u h r (ζ. B. in Form von Licht, Wärme oder chemischer Energie) gehen die so erhältlichen n i e d e r m o l e k u l a r e n Carbonyle in die energiereicheren h ö h e r m o l e k u l a r e n Typen über, die ihrerseits bei noch stärkerem Erhitzen in M e t a l l und K o h l e n o x i d zerfallen. So geht beispielsweise das E i s e n - p e n t a c a r b o n y l Fe(CO) 8 am S o n n e n l i c h t allmählich in Eisen-enneacarbonyl Fe 2 (CO) 9 , bei der O x y d a t i o n im alkalischen System in Eisen-tetracarbonyl [Fe(CO) 4 ] 3 und beim E r h i t z e n auf 150° in Eisen („Garbonyleisen") über. Statt aus M e t a l l und Kohlenoxid kann die Darstellung der Metallcarbonyle mit Vorteil auch durch Einwirkung von Kohlenoxid auf M e t a l l v e r b i n d u n g e n (ζ. B. Halogenide, Oxide, Sulfide) bei e r h ö h t e r T e m p e r a t u r und u n t e r D r u c k erfolgen. So entsteht ζ. B. das Ruthenimn-pentacarbonyl Ru(CO) 5 bei der Umsetzung von K o h l e n o x i d und R u t h e n i u m ( I I I ) - j o d i d und das Rhenium-pentacarbonyl [Re(CO) 5 ] a bei der Reaktion zwischen K o h l e n o x i d und R h e n i u m h e p t o x i d bzw. - h e p t a s u l f i d . Eine Erhöhung der Ausbeute läßt sich bei diesen Verfahren dadurch erreichen, daß man dem Reaktionsgemisch ein „Beimetall" zumischt, welches den an das carbonylbildende Metall gebundenen S ä u r e r e s t aufzunehmen vermag. So läßt sich z . B . die Ausbeute an K o b a l t - t e t r a c a r b o n y l [Co(CO)4]2 bei der Einwirkung von K o h l e n o x i d auf K o b a l t ( I I ) - b r o m i d bei 200 at und 250° durch Zugabe von S i l b e r , K u p f e r oder Z i n k auf ein M e h r f a c h e s s t e i g e r n . In gleicher Weise wirkt die Anwesenheit von Metallen, besonders K u p f e r , bei der technischen Darstellung von N i c k e l - und E i s e n c a r b o n y l aus s u l f i d h a l t i g e m Metall vorteilhaft. Auch in f l ü s s i g e r P h a s e lassen sich solche R e d u k t i o n e n von Metallverbindungen zu Carbonylen vorteilhaft durchführen. Läßt man etwa Kohlenoxid auf alkalische Lösungen von Nickel(II)- oder Kobalt(II)-salzen bei Gegenwart von Dithionit einwirken, so wird in praktisch quantitativer Reaktion Nickelcarbonyl bzw. Kobaltcarbonylat gebildet: Ni" + S 2 0 4 " + 4OH' + 4CO — ν Ni(CO)4 + 2SO>" + 2H 2 0 Co" + I V a S A " + 6 0 S ' + 4CO — C o ( C O ) 4 ' + 3SO s " + 3H 2 0. Weitere Bildungsweisen von Carbonylen in flüssiger Phase beruhen auf der R e d o x d i s p r o p o r t i o n i e r u n g von Nickel- und Kobaltverbindungen (insbesondere Salzen organischer Thiosäuren) gemäß 2Ni 2+ — • Ni° + Ni4+ 4 C o 2 + — ν Co-1 + 3Co 3+ . Und zwar bilden sich in solchen Systemen immer dann Carbonyle, wenn die Voraussetzung zur Bildung sechsfach koordinierter Ni(IV)- und Co(III)-Verbindungen gegeben ist. Hieraus geht hervor, daß der treibende Faktor bei diesen Reaktionen in der Tendenz zur Ausbildung von E d e l g a s s c h a l e n besteht, wie diese sowohl im Ni(CO) 4 und Co(CO)4' als auch in den Sechserkomplexen des vierwertigen Nickels und dreiwertigen Kobalts vorliegen (vgl. S. 160, 445ff., 543). H o l l e m a n - W i b e r g , Anorganische Chemie.

47. — 50.Aufl

35

Die Eisengruppe

546

c) Eigenschaften Die physikalischen E i g e n s c h a f t e n der einzelnen Metallcarbonyle gehen aus den Tabellen auf S. 543 und S. 544 hervor. Unter den chemischen E i g e n s c h a f t e n ist vor allem auf die Reaktion mancher Metallcarbonyle mit Basen („Basenreaktion") hinzuweisen, die zur Bildung von „Carbonylwasserstoffen" führt. Läßt man ζ. B. E i s e n - p e n t a c a r b o n y l Fe(CO)6 auf B a r y t l a u g e einwirken, so wird eines der fünf Kohlenoxidmoleküle hydrolytisch als K o h l e n s ä u r e abgespalten und als B a r i u m c a r b o n a t gefällt, während sich aus der alkalischen Lösung durch Ansäuern mit Phosphorsäure ein Eisen-carbonylwasserstoff Fe(CO)4H2 in Freiheit setzen und abdestillieren läßt: (C0) 4 FejC0 + 2HÖ|H — ( C 0 ) 4 F e H s + CO(OH)a H 2 C0 3 + 2 OH'

C 0 3 " + 2 HÖH

Fe(CO)4H2 + 2OH'

>- Fe(C0) 4 " + 2 H 2 0

Fe(CO)s + 4OH' — >

Fe(CO) 4 " + C 0 3 " + 2H s O.

In analoger Weise entsteht aus dem K o b a l t - t e t r a c a r b o n y l [Co(CO)4]2 bei der Umsetzung mit B a s e n ein Kobalt-carbonylwasser stoff Co(CO)4H. Die Bildungstendenz dieser Verbindung ist besonders groß, so daß sie auch durch d i r e k t e Einwirkung von W a s s e r s t o f f auf K o b a l t - t e t r a c a r b o n y l unter CO-Druck oder durch T o t a l s y n t h e s e aus K o b a l t m e t a l l , W a s s e r s t o f f (50 at) und K o h l e n o x i d (200 at) bei 200° erhalten werden kann : [Co(CO)4]a + H a —>• 2Co(CO)4H

CO + 4CO + l / 8 H 2 —>• Co(CO)4H.

Die beiden Carbonylwasserstoffe Fe(CO)4H2 (farblose Flüssigkeit vom Smp. —70°) und Co(CO)4H (hellgelbe Flüssigkeit vom Smp. —26°), die leicht der S e l b s t zersetzung unter Abspaltung von W a s s e r s t o f f und Bildung Wasserstoff-freier Carbonyle unterliegen: Fe(CO) 4 Hj — ν

i/ 3 [Fe(CO) 4 ], + H,

Co(CO)4H — ν

VatCoiCO).], + V 2 H 2 ,

sind Säuren und bilden Salze des Typus Me2[Fe(CO)4], MeH[Fe(CO)4] bzw. Me[Co(CO)4], deren Anionen Fe(CO) 4 " bzw. Co(CO)4' als „Carbonylat"-ionen bezeichnet werden. Die D i s s o z i a t i o n s k o n s t a n t e n haben folgende Werte: Co(CO)4H

Co(CO)4' + Η'

Κ «a

1 ( ~ Salpetersäure)

Fe(CO)4H2

Fe(CO)4H' + H"

K t = 3.6 χ IO"5

Fe(CO)4H'

Fe(CO) 4 " + H"

K2 =

1 χ IO"14

Essigsäure) H 2 S in 2. Stufe).

Als Kationen Me können z.B. Alkalimetalle oder Komplexionen wie Fe(NH 3 ) e ", Co(NH3)e", Ni(NH 8 ) e " oder Ammoniumionen wie C5H5NH" (C6HSN = Pyridin), C12H8N2H2" ' (C12HgN2 = o-Phenanthrolin) fungieren. Die Bildungstendenz der edelgasschaligen Carbonylationen Fe(CO) 4 " und Co(CO)4' (effektive Elektronenzahl = 36) ist so groß, daß sich die mehrkernigen Carbonyle des Eisens und Kobalts leicht unter Bildung von Carbonylationen zu d i s p r o p o r t i o n i e r e n vermögen: 2 Fe«

>- Fe 2 + + Fe 2 "

3 C o " — ν Co 2+ + 2Co 1 ". Läßt man ζ. B. Ä t h y l e n d i a m i n („en", vgl. S. 515) bei 145° auf E i s e n t e t r a c a r b o n y l [Fe(CO)4], einwirken, so bildet sich gemäß 2Fe(CO)4 + 3 en —

[Fe(en) 3 ][Fe(C0) 4 ] + 4CO

Die Metallcarbonyle

547

ein komplexes Eisen(H)-salz der Eisencarbonylwasserstoffsäure. Analog reagiert K o b a l t t e t r a c a r b o n y l [Co(CO)4]2 mit A m m o n i a k in wässerigem Medium gemäß 3Co(CO)4 + 6NH S — > - [Co(NH3),][Co(CO)1], + 4CO unter Bildung eines komplexen Kobalt(II)-salzes der Kobaltcarbonylwasserstoffsäure. In ähnlicher Weise setzen sich a n d e r e A m i n e wie Pyridin, o-Phenanthrolin, α,α'-Dipyridyl, primäre, sekundäre und tertiäre Methyl- und Äthylamine sowie auch A l k o h o l e mit Carbonylen des Eisens, Kobalts, Nickels und Chroms um. Weiterhin lassen sich Carbonylationen durch R e d u k t i o n mehrkerniger Carbonyle bilden: [Fe(CO)4]3 + 6 θ

3 Pe(CO)4"

(ε0 = —0.74 Volt)

[Co(CO)4]a + 2 θ

2 Co(CO)4'

(e0 = —0.4 Volt).

So kann ζ. B. Kobalttetracarbonyl mit starken Reduktionsmitteln wie Zink und Säure, Lithiumalanat, Natriumamalgam oder Natrium in flüssigem Ammoniak glatt in Co(CO)4H bzw. seine Salze übergeführt werden. Im letztgenannten Ammonosystem ist die Bildungstendenz der Carbonylate ganz besonders groß, wie aus folgenden Reaktionsbeispielen hervorgeht: 2 Na + Fe(CO)6 —>• Na 2 [Fe(CO) 4 ] + CO, 3Na + [Co(CO),]4 — 3 N a [ C o ( C O ) 4 ] + Co.

In analoger Weise wie Eisen und Kobalt bilden auch die E l e m e n t h o m o l o g e n des Kobalts Carbonylwasserstoffe : Rh(CO) 4 H schwachgelbe Flüssigkeit Smp. —18·

und

Ir(CO) 4 H. (nor qualitativ nachgewiesen)

Ebenso existieren Carbonylwasserstoffverbindungen des M a n g a n s (Mn(CO)6H, farblose Flüssigkeit vom Smp. — 24° C) und R h e n i u m s (Re(CO) 6 H, luftempfindliche, farblose Flüssigkeit).

d) Nitrosylcarbonyle Unter den D e r i v a t e n der Metallcarbonyle sind vor allem die „Nitrosylcarbonyle" zu erwähnen, die neben K o h l e n o x i d m o l e k ü l e n CO auch S t i c k o x i d m o l e k ü l e NO im Molekül enthalten. Dieser Einbau von NO-Molekülen führt zu v a l e n z c h e m i s c h e n B e s o n d e r h e i t e n , die dadurch bedingt werden, daß das NO ein E l e k t r o n m e h r als das CO besitzt und dementsprechend auch ein E l e k t r o n m e h r als dieses zur effektiven Elektronenzahl des zentralen Metallatoms beisteuert. Infolge dieses zusätzlichen Elektrons vermag ja das NO zum Unterschied vom CO und in Analogie zu den Alkalimetallen S a l z e wie N O [ B F J , N0[C10J und N 0 [ S 0 4 H ] zu bilden, in denen die NO-gruppe das K a t i o n darstellt : [:Ν:::0:]θ >• [: Ν : : : 0 : ] + + θ · Tritt dementsprechend ein S t i c k o x i d m o l e k ü l als Komplexbestandteil in ein Molekül ein, so gibt es das überzählige Elektron an das Zentralatom ab, um sich dann als p o s i t i v e s I o n mit Hilfe seines freien Stickstoff-Elektronenpaares in ganz analoger Weise anzulagern, wie etwa der komplexe Einbau eines K o h l e n o x i d m o l e k ü l s oder eines negativen C y a n i d - i o n s erfolgt: Beispiele:

:N:::0: [Feii(CN) 6 N0 ]"

:C:::0: [Fen(CN),C0]"'

:C:::N: (FeH(CN),CN]"".

Ersetzt man daher z . B . in der Formel des N i c k e l - t e t r a c a r b o n y l s Ni(C0) 4 e i n oder z w e i CO-Moleküle durch eine entsprechende Zahl von NO-Molekülen, so muß man — falls man zu a n a l o g z u s a m m e n g e s e t z t e n Molekülen kommen will — gleichzeitig das Nickelatom durch K o b a l t bzw. E i s e n (welche e i n bzw. z w e i E l e k 35*

548

Die Eisengruppe

tronen w e n i g e r besitzen) ersetzen, um der durch den Eintritt des Stickoxids bedingten Vermehrung der effektiven Elektronenzahl (S. 544) des Zentralatoms Rechnung zu tragen: Ni(CO)4

Co(CO)3NO

farblose Flüssigkeit, Smp. - 2 5 ° , Sdp. 43°

Fe(CO)2(NO)a

rote Flüssigkeit, Smp. - I o , Sdp. 79»

rote Flüssigkeit, Smp. 18°, Sdp. 110°.

Denn durch die Aufnahme eines bzw. zweier Elektronen werden E i s e n und K o b a l t zu „ P s e u d o - n i c k e l - a t o m e n " (Elektronenzahl: 26 -f 2 = 27 + 1 = 28) : Fe

Co^Ni Fe^CoFe-,

wie auch die schon besprochene Verbindungsreihe Fe(CO) 4 H 2 , Co(CO) 4 H und Ni(CO) 4 zeigt (S. 546), bei der die negativen Ladungen der Metallatome in den Carbonylat-ionen Me(CO) 4 n - durch positive Wasserstoff-ionen neutralisiert sind. Die Darstellung der obigen Nitrosylcarbonyle des Kobalts und Eisens erfolgt am einfachsten durch Einwirkung v o n salpetriger Säure ( N 0 2 ' + 2H° ->• NO' + H 2 0 ) auf die betreffenden Carbonylate : Co(CO)4' + N O " — > - CO(CO)3NO + Fe(CO)4" + 2NO" — F e ( C O ) 2 ( N O )

CO 2

+

2CO.

Im Zusammenhang mit den Nitrosyl-carbonyl-komplexen seien die Nitrosyl-cyano· komplexe („Nitrosyl-prusaiate" im weiteren Sinne; vgl. S. 538) wie beispielsweise [Mn(CN) B NO]"'

[Fe(CN) 5 NO]"

[Ni(CN) 3 NO]"

(2)

erwähnt, deren effektive Klektronenzahl der Elektronenzahl von Edelgasen (hier des Kryptons) entspricht und die in einfacher Weise durch Einwirkung von H y d r o x y l a m i n auf die entsprechenden Cyanokomplexe in a l k a l i s c h e r L ö s u n g darstellbar sind, wobei eine der eintretenden NO-Menge äquivalente Menge Ammoniak entbunden wird. Die Wirkung des Hydroxylamins beruht auf seiner Fähigkeit zur Disproportionierung in Ammoniak und Nitroxylsäure (vgl. S.244f.): 2 Η,ΝΟ >-HaN + H 3 N 0 2 ( — H N O ) , indem die dabei gebildete Säure HNO in der alkalischen Lösung (HNO + OH' >- NO' + H 2 0) als Nitroxylat-ion NO' in die komplexen Cyanide eintritt: [Mn(CN)„]"' + N O ' — • [Mn(CN) 6 NO]"' + CN', rot violett [Ni(CN) 4 ]" + NO' blaßgelb

>- [Ni(CN) 3 NO]" + CN'. violett

(3)

Die t r e i b e n d e K r a f t des CN'/NO'-Austausches bildet der innermolekulare Übergang des N i t r o x y l a t - i o n s NO' in den Bindungszustand des N i t r o s y 1-ions NO': :H::Ö:

:N:::0: + 2 0 ,

(4)

Nitroxylat-ion Nitrosyl-ion wobei 2 Elektronen frei werden, die die effektive Elektronenzahl 34 des Mangana bzw. Nickels in den obigen Cyanokomplexen (3) zur Elektronenzahl 36 des Kryptons ergänzen. Besitzt der mittels Hydroxylamin in ein Nitrosylprussiat umzuwandelnde Cyanokomplex bereits von vornherein die effektive Elektronenzahl eines Edelgases, wie dies bei dem Cyano-ei sen-komplex [Fe(CN),]"" der Fall ist, so tritt naturgemäß die NO-Gruppe als N i t r o s y l - i o n NO' in das Molekül ein: [Fe(CN) e ]"" + NO' —>- [Fe(CN) 5 NO]" + C N ' , so daß sich die negative Ladung des Cyano-komplexes um 2 Einheiten vermindert. Die Bindungsumlagerung (4) bedingt dann eine extramolekulare Reduktionsreaktion, nämlich die Umwandlung von überschüssigem Hydroxylamin in Ammoniak ( 2 θ + H 3 NO + HjO —>• H S N + 20H').

Die Metallcarbonyle

549

e) Substitutionsverbindungen der Metallcarbonyle Isonìtril-Derivate. Wie die schweflige Säure (S. 204f.) und salpetrige Säure (S. 242f.) kommt auch die C y a n w a s s e r s t o f f s ä u r e ( „ B l a u s ä u r e " ) HCN in zwei tautomeren, miteinander im Gleichgewicht stehenden Formen vor: H :C: : :Ν:

:C:::N:H,

die ala „Nitrii"- und „Isonìtril"-Form voneinander unterschieden werden. Das tautomere Gleichgewicht liegt ganz auf der Seite der N i t r i l f o r m ; doch lassen sich beide Molekülarten in Form organischer Derivate getrennt als „Nitrile" R : C : : : Ν : und „Isonitrile" : C : : : Ν : R (R = Kohlenwasserstoffrest) isolieren, welche in ihrer Elektronenkonfiguration dem Kohlenoxid : C : : : O : entsprechen. Wie das Kohlenoxid vermögen sich nun auch die I s o n i t r i l e mit ihrem freien KohlenstoffElektronenpaar an die carbonyl-bildenden Metalle anzulagern. Die Bindung zwischen Metall und Kohlenstoff ist dabei fester als bei den Carbonylen, so daß bei der Einwirkung von Isonitrilen auf Metallcarbonyle unter Austausch von CO gegen CNR M e t a l l i s o n i t r i l e gebildet werden. So führt beispielsweise die Umsetzung von Nickel-tetracarbonyl Ni(CO)4 mit M e t h y l isonitril CNR (R = CH3) zum blaßgelben, kristallinen Nickel-monocarbonyl-trimethylisonitril Ni(CO)(CNR)3, während bei der entsprechenden Einwirkung von Phenylisonitril CNR (R = C e H 5 ) Nickeltetraphenylisonitril Ni(CNR) 4 entsteht, das in prächtigen kanariengelben, in Chloroform leicht löslichen Prismen kristallisiert. Die Ersetzbarkeit von Kohlenoxid durch Isonitril nimmt in der Reihenfolge Cr, Fe, Co, Ni zu. Nur beim N i c k e l entstehen daher totalsubstituierte Produkte, während die Kobalt-isonitrilcarbonyle wenigstens noch 1 Mol, die des E i s e n s noch 3 Mol und die des C h r o m s noch 5 Mol CO pro Metallatom enthalten (ζ. B. [Co(CO)(CNR)3]2, Fe(CO)3(CNR)2, Cr(CO)5(CNR)). Doch sind auf anderem Wege, ζ. B. durch Einwirkung von Isonitrilen auf Chrom(II)-salze, auch vollsubstituierte Isonitrilkomplexe des Chroms darstellbar: 3Cr" + 18CNR ν Cr(CNR)e + 2Cr(CNR) e -. Phosphorhalogenid-Derivate. Erwähnenswert sind auch die bei der Einwirkung von P h o s p h o r t r i h a l o g e n i d e n auf Carbonyle entstehenden Substitutionsverbindungen. Im Falle des Nickeltetracarbonyls bilden sich hierbei die diamagnetischen, in organischen Lösungsmitteln löslichen T e t r a - p h o s p h o r t r i h a l o g e n i d - V e r b i n d u n g e n Ni(PX 3 ) 4 (X = F : farblose Flüssigkeit vom Smp. —54° und Sdp. -f 71°; X = Cl: blaßgelbe Kristalle; X = Br: orangerote Kristalle). Mit dem homologen A n t i m o n t r i c h l o r i d lassen sich nur noch partiell substituierte Derivate wie Ni(CO)3(SbCl3) und Fe(CO) 3 (SbCl 3 ) 2 isolieren. Analoges gilt für die Verbindungen mit T r i p h e n y l p h o s p h i n , - a r s i n und - s t i b i n (ζ. B. Fe(CO) 3 (PR 3 ) 2 , Ni(CO) 2 (PR 3 ) 2 ). Metallaromatische Verbindungen. Im Chromhexacarbonyl Cr(CO)e wird die Elektronenzahl des C h r o m s ( = 24) durch die 6 χ 2 = 12 Elektronen der sechs CO-Moleküle zur Elektronenzahl des K r y p t o n s ( = 36) ergänzt (S. 543). Wie nun der deutsche Chemiker E R N S T O T T O F I S C H E R in den letzten Jahren zeigte, kann diese Auffüllung der Chrom- zur Kryptonschale auch durch die drei π-EIektronenpaare (S. 247) des B e n z o l s (S. 302) erfolgen. Man kommt so zum Benzolchromtricarbonyl C e H e Cr(CO) 3 (gelbe Kristalle vom Smp. 163°) und Dibenzolchrom (C e H e ) 2 Cr (braunschwarze Kristalle vom Smp. 285°). Ebenso ist ein Dibenzolmolybdän (C6He)2Mo (grün) und Dibenzolwolfram (C e H 6 ) 2 W (gelbgrün) bekannt, während bei den Elementen der auf die Chromgruppe folgenden, höheren Nebengruppen die Dibenzol-verbindungen wegen der höheren Elektronenzahl des Zentralatoms naturgemäß als K a t i o n e n auftreten: (C e H e ) 2 Re+, (C e H„) 2 Fe ++ , (CeH„)2Co+++. Dem Benzol in seinem „aromatischen Charakter" (3 π-Elektronenpaare) vergleichbar ist u. a. das C y c l o p e n t a d i e n y l - A n i o n C 5 H 5 ~ (2 Doppelbindungs-Elektronenpaare, 1 freies Elektronenpaar) : HC CH II II HC CH \ c / Η So kommt es, daß auch zahlreiche Cyclopentadienyl-Verbindungen von Metallen bekannt sind, von denen als Prototyp nur das Bis(cyclopentadienyl)eisen (C 5 H 5 ) 2 Fe („Ferrocen") genannt sei. Es leitet sich vom zweiwertigen Eisen ab, dessen Elektronenzahl ( = 24) durch die 2 x 6 = 12 Elektronen der beiden Cvclopentadienyl-Anionen zur Kryptonschale ( = 36) ergänzt wird. Strukturell ist dieses Ferrocen (C 5 H 5 ) 2 Fe (orangefarbene Nadeln vom Smp. 174°) wie das Dibenzolchrom (C e H e ) 2 Cr so aufgebaut, daß das Metallatom zwischen den beiden parallel angeordneten Ring-Molekülen eingebettet ist („Sandwich-Struktur").

Kapitel XXV

Die Gruppe der Platinmetalle Unter dem Namen Platinmetalle faßt man die gemeinschaftlich vorkommenden Metalle R u t h e n i u m , R h o d i u m , P a l l a d i u m , O s m i u m , I r i d i u m und P l a t i n zusammen.

1. Vorkommen Bei dem Vorkommen der Platinmetalle muß man zwischen primären und sekundären Lagerstätten unterscheiden. Der Gehalt der p r i m ä r e n Lagerstätten (Eisen-, Chrom-, Nickel-, Kupfererze) an Platinmetallen ist sehr gering. Die wichtigsten derartigen Platinvorkommen sind die kanadischen Kupfer-Nickel-Magnetkiese in Ontario und die südafrikanischen Kupfer-Nickel-Kiese in Transvaal, in welchen die Platinmetalle als S u l f i d e enthalten sind. Durch Verwitterung solcher primärer Lagerstätten und durch einen durch fließende Gewässer bedingten natürlichen Schwemmprozeß haben sich die Platinmetalle dank ihres hohen spezifischen Gewichtes an bestimmten Stellen angereichert. Derartige s e k u n d ä r e Lagerstätten finden sich vor allem am Ost- und Westabhang des Urals sowie in Kolumbien. Sie enthalten die Platinmetalle in g e d i e g e n e m Zustande.

2. Gewinnung Zur Gewinnung der Platinmetalle müssen diese zunächst in Form des „Rohplatins" a n g e r e i c h e r t werden. Dies geschieht bei dem gediegenen r u s s i s c h e n und k o l u m b i s c h e n Vorkommen in der Weise, daß man durch einen W a s c h - und S e d i m e n tationsprozeß die spezifisch schwereren Rohplatinteilchen, die durchschnittlich 80°/ 0 Pt, 1 0 % Fe + Cu und je l°/ 0 der übrigen Platinmetalle enthalten, von dem spezifisch leichteren Sand und Geröll abtrennt. Bei der Aufarbeitung der k a n a d i s c h e n Magnetkiese auf Nickel reichern sich die Platinmetalle mit dem Nickel an und sammeln sich bei der e l e k t r o l y t i s c h e n Reinigung des Nickels im Anodenschlamm, bei der Reinigung nach dem MoND-Ve rf a h r e n im Rückstand der Kohlenoxidbehandlung. Die in den s ü d a f r i k a n i s c h e n Erzen enthaltenen Platinmineralien werden durch F l o t a t i o n angereichert und einer c h l o r i e r e n d e n R ö s t u n g unterworfen, bei welcher die Platinmetalle in lösliche Doppelchloride übergehen. Bei der Aufarbeitung g o l d h a l t i g e r Erze auf Gold sammeln sich die Platinmetalle im A n o d e n s c h l a m m der elektrolytischen Goldraffination (S. 465). Das gewonnene R o h p l a t i n besteht aus zwei Legierungen, dem „Platin-iridium" (Pt, Ir, Rh, Pd) und dem „Osmium-iridium" (Os, Ir, Rh, Ru). Zur Trennung der beiden Gruppen behandelt man das Produkt mit K ö n i g s w a s s e r , wobei sich das P l a t i n i r i d i u m löst, während das O s m i u m - i r i d i u m ungelöst zurückbleibt. Die weitere T r e n n u n g und R e i n g e w i n n u n g der Einzelglieder ist eine schwierige und zeitraubende Operation, auf die hier nicht näher eingegangen sei. Sie gründet sich zur Hauptsache auf die Unterschiede in der O x y d i e r b a r k e i t der Metalle, der L ö s l i c h k e i t ihrer Komplexsalze und der B e s t ä n d i g k e i t der verschiedenen Wertigkeitsstufen.

Physikalische Eigenschaften — Chemische Eigenschaften

551

3. Physikalische Eigenschaften Die Platinmetalle sind stahlgraue bis silberweiße Edelmetalle. Ihre wichtigsten p h y s i k a l i s c h e n E i g e n s c h a f t e n gehen aus der folgenden Zusammenstellung hervor : Osmiumgruppe

Leichte Platinmetalle

Ru silberweiß, spröde spez. Gew. 12.25 Smp.2370 0 , Sdp. 4150° Wertigkeit : max. 8, best. 4

Schwere Platinmetalle

Os graublau, spröde spez. Gew. 22.48 Smp. 2700°, Sdp.>5300° Wertigkeit : max. 8, best. 6, 8

Iridiumgruppe

Platingruppe

Rh Pd silberweiß, dehnbar silberweiß, dehnbar spez. Gew. 12.35 spez. Gew. 11.97 Smp. 1966°, Sdp. > 2500° Smp. 1554°, Sdp. ~ 2540° Wertigkeit: Wertigkeit : max. β, best. 3 max. 4, best. 2 Ir silberweiß, spröde spez. Gew. 22.42 Smp. 2454°, Sdp. 4400° Wertigkeit: max. 6, best. 3, 4

Pt grauweiß, dehnbar spez. Gew. 21.46 Smp. 1774°, Sdp. 4350° Wertigkeit : max. 6, best. 2, 4

Wie hieraus zu ersehen ist, nehmen s p e z i f i s c h e s G e w i c h t , S c h m e l z p u n k t und S i e d e p u n k t in der Richtung von oben nach unten und von rechts nach links, also vom P a l l a d i u m zum O s m i u m hin zu. In gleicher Richtung steigen auch die maximalen und die beständigsten W e r t i g k e i t s s t u f e n der einzelnen Metalle. Die spezifisch leichteren Metalle der ersten waagerechten Periode faßt man unter dem Namen „leichte Platinmetalle" (spezifisches Gewicht ~ 12), die spezifisch schwereren der zweiten Periode unter der Bezeichnung ,,schwere Platinmetalle" (spezifisches Gewicht .—' 22) zusammen. Die senkrechten Gruppen unterscheidet man als Osmium-, Iridium- und Platingruppe.

4. Chemische Eigenschaften a) Osmiumgruppe Ruthenium und Osmium zeichnen sich vor den übrigen Platinmetallen dadurch aus, daß sie a c h t w e r t i g aufzutreten imstande sind. Ruthenium. Schmilzt man R u t h e n i u m mit K a l i u m h y d r o x y d und S a l p e t e r , so entsteht wie beim Mangan eine g r ü n e S c h m e l z e . Sie enthält das dem Kaliummanganai KjMnO,, entsprechende Kaliumruthenat KjRuO^ (mit s e c h s w e r t i g e m Ruthenium), welches sich in Wasser mit orangeroter Farbe löst und aus der Lösung in Form grünglänzender Kristalle auskristallisiert werden kann. Beim A n s ä u e r n disproportionieren sich die orangeroten Kaliumruthenatlösungen analog den Manganatlösungen (vgl. S. 523) leicht unter Bildung von dunkelgrün gelöstem Kalium· perruthenat K R u 0 4 (mit s i e b e n w e r t i g e m Ruthenium) und n i e d e r e m O x i d . Ebenso können die Ruthenatlösungen durch C h l o r zu Perruthenatlösungen o x y d i e r t werden: R u 0 4 " -f- 1 / 2 C1 2 —>- R u O / + CT. Das P e r r u t h e n a t kristallisiert aus der wässerigen dunkelgrünen Lösung in Form schwarzer, metallglänzender Oktaeder aus. Leitet man einen s t a r k e n Chlorstrom in eine k o n z e n t r i e r t e Kaliumruthenatlösung, so geht die Oxydation über die Stufe des siebenwertigen Rutheniums hinaus bis zum a c h t w e r t i g e n Ruthenium, indem Ruthenium-tetroxid R u 0 4 absublimiert: RU0 4 " + Cl2 —v- RU0 4 + 2 Cl'. Dieses Ruthenium-tetroxid bildet goldgelbe, nach

552

Die Gruppe der Platinmetalle

Ozon riechende Kristalle, welche bei 25.5° schmelzen und etwas oberhalb von 100° unter Bildung gelber, die Schleimhäute des Halses empfindlich angreifender Dämpfe sieden. Von den Verbindungen des f ü n f w e r t i g e n Rutheniums sei das dunkelgrüne Ruthenium-pentafluorid RuF 6 erwähnt, welches zugleich das höchste Halogenid des Rutheniums ist. V i e r w e r t i g e s Ruthenium liegt dem Ruthenium-dioxid R u 0 2 zugrunde, das beim Erhitzen von metallischem Ruthenium im Sauerstoffstrom als indigoblaues, metallglänzendes, säureunlösliches Pulver entsteht. Das diesem Oxid entsprechende Ruthenium-tetrachlorid RuCl 4 kommt nur in Form roter K o m p l e x s a l z e der Zusammensetzung Me 2 [RuCl e ] vor. Dagegen ist durch Erhitzen der Elemente das rotbraune Ruthenium-trichlorid RUC13 in freier Form darstellbar. Osmium. Das dem Ruthenium-tetroxid R u 0 4 entsprechende Osmium-tetroxid 0 s 0 4 entsteht beim Erhitzen von feingepulvertem O s m i u m an der L u f t , kristallisiert in farblosen Kristallen vom Schmelzpunkt 40° und Siedepunkt 134° und ist bis 1500° beständig. Seine Dämpfe sind sehr giftig, riechen chloroxidähnlich und verursachen schlimme Augenentzündungen. Auch im Osmium-oktafluorid OsF 8 , einer leichtflüchtigen, citronengelben, kristallinen Substanz, tritt Osmium achtwertig auf. Beim Schmelzen mit K a l i u m h y d r o x i d und S a l p e t e r geht Osmium in Kaliumosmat K 2 0 s 0 4 über, das aus wässeriger Lösung in Form des dunkelvioletten Dihydrats K 2 0 s 0 4 · 2 Η 2 0 auskristallisiert und nicht analog dem Kaliumruthenat unter Bildimg von Perosmaten disproportioniert. Mit C h l o r bildet Osmium die C h l o r i d e OsCl4, OsCls und OsCl2. Die vom OsCl4 abgeleiteten K o m p l e x s a l z e Me2[OsCle] sind rot bis braunrot gefärbt und kristallisieren gut.

b) Iridiumgruppe Die beständigste Wertigkeitsstufe des Rhodiums und Iridiums ist die d r e i w e r t i g e Stufe; das Iridium bildet außerdem auch im v i e r w e r t i g e n Zustande noch beständige Verbindungen. Rhodium. Kompaktes Rhodium wird von keiner Säure, selbst nicht von K ö n i g s w a s s e r angegriffen. Beim Erhitzen von R h o d i u m p u l v e r im C h l o r s t r o m entsteht braunrotes, wasserfreies Rhodium-trichlorid RhCl 3 , das mit Alkalichloriden rote, gut kristallisierende K o m p l e x s a l z e des Typus Me 3 [RhCl e ] bildet. Von diesen Salzen läßt sich namentlich das A m m o n i u m s a l z (NH 4 ) 3 [RhCl e ] zur Abscheidung des Rhodiums verwenden. Noch schwerer löslich und daher zur Abtrennung des Rhodiums — vor allem vom Iridium — noch besser geeignet ist das hellgelbe C h l o r o - p e n t a m m i n Salz [Rh(NH 3 ) 5 Cl]Cl 2 . Von schmelzendem K a l i u m h y d r o g e n s u l f a t wird Rhodium kräftig unter Bildung eines gelben komplexen Sulfats angegriffen. Iridium. Wie Rhodium wird auch Iridium, das chemisch inaktivste Platinmetall, in reinem Zustande nicht von Königswasser angegriffen. Beim Erhitzen im C h l o r s t r ö m entsteht, je nach der Temperatur und dem Verteilungsgrad des Metalls, das braune Iridium-tetrachlorid IrCl 4 oder das dunkelolivengrüne Iridium-trichlorid IrCl 3 . Beide geben mit Alkalichloriden K o m p l e x s a l z e , von der Zusammensetzung Me 2 [IrCl e ] (schwarzrot) bzw. Me3[IrCl6] (olivgrün). Mit F l u o r vereinigt sich Iridium zum gelben, leichtflüchtigen Iridium-hexafluorid IrF e (Smp. 44°).

c) Platingruppe Palladium und Platin sind beide zwei- und vierwertig. Beim P a l l a d i u m ist dabei die z w e i w e r t i g e , beim P l a t i n die v i e r w e r t i g e Stufe die beständigere. Nullwertiges Palladium liegt in der Verbindung K 4 [Pd(CN) 4 ] vor. Palladium. Die charakteristischste Eigenschaft des metallischen Palladiums ist seine Fähigkeit, große Mengen von W a s s e r s t o f f zu a b s o r b i e r e n . So löst das k o m p a k t e M e t a l l bei Zimmertemperatur rund das 600fache, f e i n v e r t e i l t e s P a l l a d i u m

Chemische Eigenschaften

553

(„Palladiumschwamm") das 850-fache, eine wässerige Suspension von f e i n s t v e r t e i l t e m P a l l a d i u m („Palladiummohr", „Palladiumschwarz") das 1200-fache und eine k o l l o i d a l e P a l l a d i u m l ö s u n g sogar das 3000-fache Volumen Wasserstoff. Der im Palladium gelöste Wasserstoff ist besonders r e a k t i o n s f ä h i g und läßt sich in der organischen Chemie für viele R e d u k t i o n s z w e c k e verwenden. Durch ein h e i ß e s Palladiumblech diffundiert Wasserstoff so leicht hindurch, als ob überhaupt keine Trennungswand vorhanden wäre. I m übrigen ist das Palladium das unedelste und legierungsfreudigste Platinmetall. Unter den Verbindungen des z w e i w e r t i g e n Palladiums ist das Palladium(II)jodid P d J 2 besonders charakteristisch, das aus Lösungen von P a l l a d i u m ( I I ) - s a l z e n beim Versetzen mit K a l i u m j o d i d als schwarzer, in Wasser und Alkalien unlöslicher, im Überschuß von Kaliumjodid mit dunkelbrauner Farbe löslicher Niederschlag ausfällt. Das Palladium(II)-chlorid PdCl 2 kristallisiert aus wässeriger Lösung in Form eines rotbraunen, zerfließlichen Dihydrats PdCl 2 2H a O aus und bildet mit Alkalichloriden K o m p l e x s a l z e des Typus Me 2 [PdCl 4 ]. Es läßt sich in wässeriger Lösung sehr leicht zu metallischem, feinverteiltem, schwarzem P a l l a d i u m reduzieren. Beim Auflösen von feinverteiltem Palladium in K ö n i g s w a s s e r erhält man das Palladium(IV)-chlorid PdCl 4 in Form der braun gelösten H e x a c h l o r o - p a l l a d i u m ( I V ) - s ä u r e H 2 [PdCl 6 ]. Versetzt man die Lösung mit Kalium- oder Ammoniumchlorid, so scheiden sich die schwerlöslichen roten K o m p l e x s a l z e K 2 [PdCl e ] bzw. (NH 4 ) 2 [PdCl e ] aus. Beim K o c h e n gibt die Lösung der Hexachloro-palladium(IV)-säure C h l o r a b : PdCl 4 —>- PdCl 2 + Cl 2 . Platin. Wie Palladium wird auch Platin in der Kälte nur von K ö n i g s w a s s e r nennenswert angegriffen, während es gegen andere Säuren beständig ist. Von schmelzenden H y d r o x i d e n , C y a n i d e n und S u l f i d e n der Alkalimetalle wird Platin wegen seiner großen Neigung zur Komplexsalzbildung angegriffen ; diese Stoffe dürfen daher in Platintiegeln nicht erhitzt werden. Ebensowenig dürfen Blei und andere S c h w e r m e t a l l e darin geschmolzen werden, weil sie mit Platin leichtschmelzende L e g i e r u n g e n bilden. Wie Palladium nimmt auch f e i n v e r t e i l t e s P l a t i n erhebliche Mengen W a s s e r s t o f f auf. Ebenso vermag es S a u e r s t o f f zu absorbieren, worauf wohl seine k a t a l y t i s c h e Wirkung bei O x y d a t i o n s p r o z e s s e n (vgl. S. 205, 239f.) beruht. Die bekannteste Verbindung des Platins ist die Hexachloro-platin(IV)-säure H 2 [PtCl e ], die beim Lösen von P l a t i n in K ö n i g s w a s s e r entsteht und aus wässeriger Lösung in Form gelber Kristalle der Zusammensetzimg H 2 [PtCl 6 ] • 6 H 2 0 auskristallisiert. Die komplexe Natur dieser Säure ergibt sich daraus, daß Silbernitrat k e i n S i l b e r c h l o r i d , sondern ein gelbes Silbersalz Ag 2 [PtCl 6 ] fällt. Unter den A l k a l i s a l z e n sind die in Form goldgelber Oktaeder kristallisierenden Verbindungen (NH 4 ) 2 [PtCl 6 ], K 2 [PtCl 6 ], Rb^PtClg] und Cs 2 [PtCl 6 ] zum Unterschied vom entsprechenden Lithium und Natriumsalz in Wasser schwer löslich, so daß sie zur T r e n n u n g der schwereren Alkalimetalle von den leichteren benutzt werden können. Beim E r h i t z e n von (NH 4 ) 2 [PtCl e ] auf schwache Rotglut entsteht infolge Zersetzung des Salzes metallisches P l a t i n in Form einer grauen, locker zusammenhängenden Masse („Platinschwamm"). Bei der Einwirkung von R e d u k t i o n s m i t t e l n auf die wässerige Lösung des Salzes entsteht das Platin als ä u ß e r s t f e i n v e r t e i l t e s , sammetschwarzes Pulver (,,Platinschwarz", „Platinmohr"). Nimmt man die Reduktion in Gegenwart von A s b e s t vor, so schlägt sich das feinverteilte Platin auf dem oberflächenreichen Asbest nieder („Platinasbest"). Beim Versetzen einer Lösung von Hexachloro-platin(IV)-säure mit A l k a l i e n werden die Chloratome stufenweise durch Hydroxylgruppen ersetzt: [PtCl 6 ]" —>• [Pt(OH) e ]". Die als Endstufe entstehende gelbweiße Hexahydroxoplatin(IV)-säure H 2 [Pt(OH e )] geht beim Entwässern in schwarzes Platin(IV)-oxid PtO, über.

554

Die Gruppe der Platinmetalle

E r h i t z t man die Hexachloro-platin(IV)-säure H 2 [PtCl e ] auf 240°, so entsteht das braune, wasserunlösliche Platin(II)-chlorid PtCl 2 . Es löst sich in Salzsäure unter Bildung der komplexen Tetrachloro-platin(H)-säure H 2 [PtCl 4 ] und bildet mit A l k a l i c h l o r i d e n Komplexsalze des Typus Me^PtClJ. In gleicher Weise bildet das zweiwertige Platin komplexe C y a n i d e des Typus Me 8 [Pt(CN)J. Unter diesen Verbindungen ist das B a r i u m - t e t r a c y a n o - p l a t i n a t ( I I ) BafP^CN),,] · 4 H 2 0 zu erwähnen, das zum Nachweis von Kathoden-, Röntgen- und radioaktiven Strahlen dient (S. 569), da es unter der Einwirkung dieser Strahlen ein gelbgrünes F l u o r e s z e n z l i c h t ausstrahlt.

5. Verwendung Ruthenium, ist das s e l t e n s t e unter den Platinmetallen und findet keine nennenswerte praktische Verwendung. Osmium zeichnet sich durch einen besonders h o h e n S c h m e l z p u n k t aus und wurde wegen dieser Eigenschaft eine Zeitlang zur Herstellung von G l ü h l a m p e n f ä d e n verwendet. Später wurde es durch T a n t a l (S. 506) und schließlich durch das heute übliche W o l f r a m (S. 517) verdrängt. Rhodium findet vorwiegend in L e g i e r u n g e n m i t P l a t i n Anwendung. Besonders wichtig sind hier Platinlegierungen mit einem Gehalt von 1—10°/0 Rh als Katalysatoren bei der A m m o n i a k v e r b r e n n u n g (S. 239f.), da sich derartige Legierungen vor dem Reinplatin durch erhöhte Ausbeuten, geringere Betriebsverluste und gute Haltbarkeit auszeichnen. Weiterhin macht das hohe Reflexionsvermögen das Rhodium als Belagmaterial für hochwertige S p i e g e l geeignet. Iridium zeichnet sich durch besondere H ä r t e aus, weshalb Goldschreibefedern vielfach mit I r i d i u m s p i t z e n versehen werden. Legierungen mit 10—20% Iridium dienen wegen ihrer großen Härte und chemischen Widerstandsfähigkeit zur Herstellung chemischer L a b o r a t o r i u m s g e r ä t e (Tiegel, Schalen usw.). Der die Einheit des Längenmaßes bildende Normalstab (,, Urmeter") besteht aus einer Legierung von 90°/0 Platin und 10°/0 Iridium. Palladium dient in feinstverteilter Form als Katalysator bei Hydrierungsreaktionen im L a b o r a t o r i u m . Für t e c h n i s c h e Z w e c k e wird das billigere N i c k e l als Katalysator vorgezogen. Beimengungen von 20—30°/0 Pd machen das S i l b e r a n l a u f b e s t ä n d i g (vgl. S. 459). Platin ist das wicht i g s t e und h ä u f i g s t e Metall der Platingruppe und findet ausgedehnte technische Verwendung. In Form von feinmaschigen P l a t i n d r a h t n e t z e n dient es als K a t a l y s a t o r für die Verbrennung von Ammoniak zu Stickoxid (S. 239f.) und von Schwefeldioxid zu Schwefeltrioxid (S. 205). Auch im L a b o r a t o r i u m macht man von der katalytischen Wirkung feinverteilten Platins häufigen Gebrauch. Wegen seines hohen Schmelzpunktes und seiner chemischen Widerstandsfähigkeit dient es zur Herstellung c h e m i s c h e r G e r ä t e wie Tiegeln, Schalen, Anoden, Heizdrähten usw. Große Mengen Platin werden auch in der S c h m u c k i n d u s t r i e und in der Z a h n t e c h n i k verarbeitet. PlatinGold-legi erungen bilden den besten Werkstoff für S p i n n d ü s e n (II, S. 258) zur Herstellung von Zellwolle und Kunstseide.

Kapitel XXVI

Die natürliche Elementumwandlung Wir wiesen schon früher (S. 138) darauf hin, daß die Elemente mit höheren Kernladungszahlen als der des Wismuts (Po, At, Rn, Fr, Ra, Ac, Th, Pa, U, Np, Pu, Am, Cm, Bk, Cf, Es, Fm, Md und No) unbeständig sind und „radioaktiv zerfallen". Dieser unter Elementumwandlung vor sich gehende radioaktive Zerfall geht vom A t o m k e r n und nicht von der E l e k t r o n e n h ü l l e des Atoms aus. Daher ist für das Verständnis der radioaktiven Erscheinungen die Kenntnis des Baus der A t o m k e r n e erforderlich.

1. D e r Atomkern a) Bau der Atomkerne α) Urbausteine der Materie P r o t o n und N e u t r o n Nach unseren heutigen Kenntnissen sind alle Atomkerne aus zwei Kern-Elementarteilchen („Nukleonen") aufgebaut, den „Protonen" (p) und den „Neutronen" (n). Das P r o t o n besitzt dieMasse 1 (genaues Atomgewicht : 1.00731) und die L a d u n g + 1 (d. h. 1 positive Elementarladung von 1.602 χ 10~19 Coulomb; vgl. S. 136). DasNeut r o n weist ebenfalls dieMasse 1 auf (genaues Atomgewicht : 1.00868), ist aber zum Unterschied vom Proton e l e k t r i s c h neutral. Möglicherweise sind Proton und Neutron nichts anderes als z w e i Zustande f o r m e n ein und desselben A t o m b a u s t e i n s , des Nukleons, wobei der N e u t r o n - Z u s t a n d des Nukleons entsprechend der größeren Masse des Neutrons einem höheren E n e r g i e z u s t a n d des Nukleons entspricht als der P r o t o n - Z u s t a n d (vgl. S. 560). Man kann also gewissermaßen in Analogie zu den Erscheinungen in der Atomhülle (S. 140ff.) das N e u t r o n als den ersten A n r e g u n g s z u s t a n d des N u k l e o n s auffassen, von dem aus das Nukleon im freien Zustande spontan, mit einer Halbwertszeit von 12.8 Minuten (vgl. S. 575f., 585), in den stabilen G r u n d z u s t a n d des P r o t o n s zurückfallen kann.

Protonen. J e d e s chemische E l e m e n t i s t durch eine ganz b e s t i m m t e A n z a h l v o n P r o t o n e n im K e r n seiner A t o m e c h a r a k t e r i s i e r t . Diese P r o t o n e n z a h l („Kernladungszahl", „Atomnummer", „Ordnungszahl") variiert, wie aus der Tabelle auf S. 556 zu ersehen ist, zwischen 0 und 102, entsprechend der Existenz von 103 verschiedenen Atomarten 1 (vgl. S. 137, 440, 447 und 448). Enthält der Atomkern k e i n P r o t o n , so Hegt das Element N e u t r o n i u m (S. 585) vor; enthält er 1 P r o t o n , so handelt es sich um das Element W a e s e r s t o f f ; 2 P r o t o n e n im Kern entsprechen dem Element H e l i u m usw. Die Reihe endet zur Zeit mit dem Element Nobelium, das 102 K e r n p r o t o n e n aufweist. Bereits im Jahre 1815 hatte der englische Arzt WILLIAM PROUT (1785—1860) die Hypothese aufgestellt, daß a l l e c h e m i s c h e n E l e m e n t e aus dem leichtesten Element, dem W a s s e r s t o f f , aufgebaut seien. Diese Ansicht wurde dann wieder fallen gelassen, als sich herausstellte, daß die A t o m g e w i c h t e zahlreicher chemischer Elemente, bezogen auf Wasserstoff als Einheit, von der G a n z z a h l i g k e i t abwichen. Wie nun der oben wiedergegebene Aufbau der Atome aus Protonen (Wasserstoffkernen) zeigt, enthielt jene alte Hypothese durchaus einen w a h r e n K e r n .

Neutronen. Die außer den Protonen im Atomkern noch enthaltenen N e u t r o n e n bewirken gewissermaßen als „Kittsubstanz" den Zusammenhalt der — als gleichnamig geladene Teilchen sich gegenseitig abstoßenden — Protonen. Der Zusammenhalt beruht dabei wahrscheinlich auf einem dauernden gegenseitigen Austausch der 1 Die Tabelle verzeichnet in Spalte 4 und 5 nicht nur die n a t ü r l i c h vorkommenden (fettgedruckte Kerngewichte; vgl. Tabelle S. 559). sondern auch die k ü n s t l i c h dargestellten (S. 581 ff.) Atomarten der aufgeführten Elemente. Die obere Grenze der letzteren liegt nach theoretischen Überlegungen bei einer Protonenzahl von 125 (Atomgewicht 312).

Die natürliche Elementumwandlung

556 Atom-Nr.

Element

Symbol 1

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Neutronium Wasserstoff Helium Lithium Beryllium Bor Kohlenstoff Stickstoff Sauerstoff Fluor Neon

Nn H He Li Be Β C Ν O F Ne

92

Uran

U

93

Neptunium

Np

94

Plutonium

Pu

95

Americium

Am

96

Curium

Cm

97

Berkelium

Bk

98

Californium

Cf

99

Einsteinium

Es

100

Fermium

Fm

101 102

Mendelevium Nobelium

Md No

Kernaufbau Op lp 2ρ 3ρ 4ρ 5ρ 6ρ 7ρ 8ρ 9ρ 10 ρ

+ + + + + + + + + + +

1η 0, 1, 2 η 1, 2, 3, 4 η 3, 4, 5, 6 η 3, 4, 5, 6 η 3, 4, 5, 6, 7 η 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9 η 6, 6, 7, 8, 9,10 η 6, 7, 8, 9,10,11 η 8, 9,10,11,12 η 8, 9,10,11,12,13 η

92 ρ + 135, 136, 137, 138, 139, 140, 141, 142, 143, 144, 145, 146, 147, 148 η 93 ρ + 138, 139,140, 141, 142, 143, 144, 145, 146,147 η 94 ρ + 138, 139, 140, 141, 142, 143, 144, 145, 146, 147, 148, 149, 150, 151, 152 η 95 ρ + 142, 143, 144, 145, 146, 147,148,149, 150,151 η 96 ρ + 142, 143, 144, 145, 146,147,148,149, 150,151,152,153,154η 97 ρ + 146, 147,148,149, 150, 151, 152,153 η 98 ρ + 146, 147, 148,149, 150, 151, 152,153, 154, 155,156 η 99 ρ + 147,148,149,150, 151, 152, 153, 154, 155, 156, 157 η 100 ρ + 148,149.150,151, 152, 153,154, 155, 156 η 101 ρ + 155 η 102 ρ + 152 η

Kerngewicht 1 1, 3, β, 7, 8, 9, 12, 14, 17, 18,

2, 4, 7, 8, 9, 10, 13, 15, 18, 19,

3 5, , 9, 10, 11, 14, 16, 19, 20,

6 9 10 11, 12, 15, 17, 20, 21,

12 13, 16, 18, 21 22,

14,15 17 19 23

227, 228, 229, 230, 231, 232, 233, 234, 235, 236, 237, 238, 239, 240 231, 232, 233, 234, 235, 236, 237, 238, 239, 240 232, 233, 234, 235, 236, 237, 238, 239, 240, 241, 242, 243, 244, 245, 246 237, 238, 239, 240, 241, 242, 243, 244, 245, 246 238, 243, 248, 243, 248, 244, 249, 254 246, 251, 256 248, 253, 256 254

239, 244, 249, 244, 249, 245, 250,

240, 245, 250 245, 250 246, 251,

241, 242, 246, 247, 246, 247, 247, 248, 252, 253,

247, 248, 249, 250, 252, 253, 254, 255, 249, 250, 251, 252, 254, 255, 256

elektrischen Ladung {„Austauschkräfte") : nx -f- p2 p t -f- n 2 (vgl. S. 558f.). Protonenund Neutronenzahl ergeben zusammen, da beide das abgerundete Atomgewicht 1 besitzen, das in der letzten Spalte der Tabelle angegebene a b g e r u n d e t e A t o m g e w i c h t des Kerns {„Massenzahl"). Auch die Zahl der N e u t r o n e n ist bestimmten G e s e t z m ä ß i g k e i t e n unterworfen (vgl. S.558f.). Sie kann aber zum Unterschied von der Zahl der Protonen innerhalb g e w i s s e r Grenzen s c h w a n k e n , ohne daß hierdurch die chemischen EigenSchäften des betreffenden Elements merklich verändert werden. Denn die chemischen Eigenschaften eines Atoms hängen praktisch nur vom Bau der E l e k t r o n e n h ü l l e (S. 138f., 145 ff.) und damit von der P r o t o n e n z a h l ab, so daß es für das chemische Verhalten eines Atom s gleichgültig ist, wieviele u n g e l a d e n e N e u t r o n e n sich außerdem im Atomkern befinden. Ein Atom, dessen Kern neben 3 Protonen noch 3 Neutronen enthält, unterscheidet sich also chemisch nicht von einem Atom, das neben diesen 1

Zum Symbol Nn vgl. S. 685.

Der Atomkern

557

3 Protonen noch 4 Neutronen im Kern anfweist ; beide Atome sind Lithiumatome, da die Kernladungszahl und damit die Elektronenzahl in der Atomhülle 3 beträgt. Dem einen Lithiumatom kommt die Massenzahl 6, dem anderen die Massenzahl 7 zu. Das n a t ü r l i c h vorkommende Lithium ist ein G e m i s c h beider Atomarten, so daß sein m i t t l e r e s A t o m g e w i c h t (6.940) zwischen beiden Werten liegt. Da beide Atomsorten chemisch g l e i c h a r t i g reagieren, das Mischungsverhältnis also stets e r h a l t e n bleibt, ändert sich dieses Durchschnitts-Atomgewicht bei chemischen Reaktionen n i c h t . Daher bedient sich der Chemiker in der Praxis hier wie in anderen Fällen stets dieser — auf S. 27 zusammengestellten — m i t t l e r e n A t o m g e w i c h t e („praktische Atomgewichte"). Viele Versuche sind unternommen worden, auch beim Aufbau der A t o m k e r n e Periodizitäten wie beim Aufbau der A t o m h ü l l e n zu entdecken, bei denen (vgl. S. 136) Schalen von 2n 2 = 2, 8, 18, 32, 50 und 72 Elektronen als besonders beständige, abgeschlossene Elektronenschalen zu betrachten sind. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang die Feststellung, daß Atomkerne mit 2, 8, 20, 50, 82 und 126 Neutronen oder Protonen besonders stabil sind. Man nimmt an, daß diese sogenannten „magischen Zahlen" a b g e s c h l o s s e n e N u k l e o n e n s c h a l e n charakterisieren.

Isotope. Man nennt die zu einem Element gehörenden Atome g l e i c h e r K e r n l a d u n g und v e r s c h i e d e n e r M a s s e „Isotope" und kennzeichnet deren M a s s e n z a h l (Nukleonenzahl) durch einen l i n k s o b e n am Atomsymbol angebrachten Index, währendman die K e r n l a d u n g s z a h l (Protonenzahl) durch einen l i n k s u n t e n befindlichen Index zum Ausdruck bringt. Für die beiden oben erwähnten Lithiumisotopen ergeben sich somit die Symbole |Li und £Li. Die Differenz beider Indices gibt naturgemäß jeweils die Neutronenzahl an. Der N a c h w e i s v o n I s o t o p e n eines Elements gelingt am einfachsten mit dem von dem englischen Physiker F R A N C I S W I L L I A M A S T O N ( 1 8 7 7 — 1 9 4 5 ) stammenden und von J O S E F M A T T A U C H weiterentwickelten „3Iassenspektrographen". Schickt man eine e l e k t r i s c h e E n t l a d u n g durch verdünnte G a s e oder D ä m p f e , so werden durch Abspaltung von Elektronen p o s i t i v g e l a d e n e Atome oder Moleküle gebildet, die von der positiven A n o d e a b g e s t o ß e n und von der negativen K a t h o d e a n g e z o g e n werden. Ist die Kathode d u r c h l ö c h e r t , so fliegen die positiven Ionen durch die „ K a n ä l e " hindurch und können außerhalb der Entladungsröhre als „Kanalstrahlen" zur weiteren Untersuchung dienen (Fig. 150). Entsprechend der verschiedenen L a d u n g e, der verschiedenen M a s s e m und der verschiedenen G e s c h w i n d i g k e i t « der Teilchen läßt sich ihre Bahn durch e l e k t r i s c h e und m a g n e t i s c h e F e l d e r beeinflussen. Durch eine sinnreiche Anordnung der beiden Felder kann die Ablenkung so erfolgen, daß unabhängig von der Geschwindigkeit jeweils a l l e T e i l c h e n m i t g l e i c h e r M a s s e u n d L a d u n g a n e i n u n d d i e s e l b e S t e l l e g e l a n g e n und auf einer hier angebrachten photographischen Platte eine L i n i e ergeben (vgl. Lehrbücher der physikalischen Chemie). Auf diese Weise erhält man ein dem gewöhnlichen optischen Spektrum ähnliches „Massenspektrum", das aus der Lage der Linien die einzelnen Massen m zu berechnen gestattet. Fig. 151 gibt ein solches Massenspektrum von Zimmerluft bei fünatstratiien Kanäle negative Elektronen den Massenzahlen 14—16 wieder. Man erkennt die Anwesenheit von 14 N, 16 N, 12 z i . " O, » F H , "N'HÎ, " C 1 ^ , ΟΗ3, + flnocfo Gas 12 1 C H in den untersuchten Kanal1 3 1 strahlen. V J_ positive ôasionen Ein anderer empfindlicher NachKathode weis von Isotopen gründet sich auf s p e k t r o s k o p i s c h e Messungen, da Fig. 150. Erzeugung von Kanalstrahlen

c

.

ϋ-

^ Î L R "

t

Massenzaft/p/j > Fig. 151 Massenspektrum von Zimmerluft bei den Massenzahlen 14 bis 16

558

Die natürliche Elementumwandlung

die Spektral-linien und -banden von Isotopen ein wenig gegeneinander verschoben sind. Die Isotopen des Sauerstoffs sind ζ. B. auf diese Weise entdeckt und erst später mittels des Massenspektrographen aufgefunden worden.

Nachfolgende Tabelle (S. 559) gibt den heutigen Stand der Isotopenforschung für die in der N a t u r vorkommenden Isotopen (274 stabile und 49 radioaktive Isotope) wieder 1 ( k ü n s t l i c h e Isotope vgl. S. 581). Die erste Spalte enthält die A t o m n u m m e r , die zweite das A t o m s y m b o l , die dritte das m i t t l e r e A t o m g e w i c h t des Elements, die vierte die M a s s e n z a h l e n der Isotopen. Letztere sind nach fallender Häufigkeit angeordnet; die in K l a m m e r n beigefügten Zahlen geben die H ä u f i g k e i t der betreffenden Isotopenart in Prozenten wieder, während die k u r s i v e n Zahlen sich auf r a d i o a k t i v z e r f a l l e n d e Isotope (S. 566ff.) beziehen. Wie aus der Tabelle hervorgeht, sind 20 Elemente (Be, Ρ, Na, Al, Ρ, Sc, Μη, Co, As, Y, Nb, Rh, J , Cs, Pr, Tb, Ho, Tm, Au, Bi) aus nur e i n e r Atomart aufgebaut {„Reinelemente") ; sie besitzen bis auf Beryllium alle u n g e r a d e Ordnungs- und Massenzahlen. Die übrigen Elemente stellen „Mischelemente" dar, wobei bis zu 10 Isotopen eines Elements vorkommen. Unter den Einzelatomgewichten der nicht-radioaktiven Elemente (Neutronium bis Wismut) sind alle Massenzahlen von 1—209 mit Ausnahme der Massen 5 und 8 vertreten 2 . Isobare. Rund 80 Massenzahlen der Tabelle treten m e h r f a c h auf. Derartige Atomarten g l e i c h e r M a s s e (Nukleonenzahl) und v e r s c h i e d e n e r K e r n l a d u n g (Protonenzahl) nennt man „Isobare". Für sie gilt die „ M A T T A U C H sehe Isobarenregel", wonach kein Paar stabiler Isobaren existiert, deren Kernladungszahlen nur um 1 Einheit voneinander verschieden sind. Entsprechend dieser MATTAUCH sehen Regel sind z. B. die Isobaren JjJAr und |JCa sowie die Isobaren ^JYb und 1JJHf s t a b i l , während die dazwischenliegenden Isotopen bzw. 1 '®Lu i n s t a b i l (radioaktiv) sind. Auch kann man aus der MATTAUCH sehen Regel z. B. ableiten, daß die bisher in der Natur nicht aufgefundenen Elemente 43 und 61, deren Existenz wegen ihrer verhältnismäßig niedrigen Kernladungszahl denkbar wäre, nicht als stabile Elemente existieren können, da die Nachbarelemente («2Mo und M Ru bzw. w Nd und e2 Sm) bereits dicht mit stabilen Isotopen besetzt sind (vgl. S. 559). A u s n a h m e n der M A T T A u c H S c h e n Regel sind die Isobarenpaare 3J|Cd — » | I n und ^ S b — ^¡Te.

Elementbegriff. Auf S. 9 definierten wir ein E l e m e n t als einen Stoff, der zum Unterschied von den chemischen Verbindungen durch k e i n e der „gebräuchlichen" physikalischen und chemischen Methoden in einfachere Stoffe z e r l e g t w e r d e n k a n n . Die im Vorstehenden entwickelte Lehre vom Aufbau der Atomkerne ermöglicht nunmehr eine etwas e x a k t e r e F o r m u l i e r u n g des Elementbegriffs: Ein Element ist ein Stoff, dessen Atome alle die gleiche Kernladung besitzen. Haben die Atome eines Elements zugleich auch alle die g l e i c h e M a s s e , so liegt ein „tteinelement", a n d e r n f a l l s ein „Mischelement" vor. Damit läßt sich die auf S. 19 gegebene Einteilung der Stoffe wie folgt fortsetzen: b) Elemente: Molekülaufbau aus e i n e r e i n z i g e n A t o m a r t . oc) Mischelemente·. Atomaufbau aus Kernen v e r s c h i e d e n e r Masse. ß) Reinelemente·. Atomaufbau aus Kernen g l e i c h e r Masse. Negatron und Positron Bei den Elementen bis zur Kernladungszahl 20 (Ca) ist die N e u t r o n e n z a h l etwa g l e i c h d e r P r o t o n e n z a h l (p:n = 1:1), so daß das A t o m g e w i c h t angenähert gleich der v e r d o p p e l t e n A t o m n u m m e r ist. Vom C a l c i u m ab steigt die Neutronenzahl r a s c h e r als die Protonenzahl, so daß beispielsweise beim Mangan auf 25 Protonen 1 Bei den radioaktiven Stoffen pflegt man als Atomgewicht, sofern genauere Bestimmungen nicht vorliegen, das des langlebigsten Isotops anzugeben. * In Form k f l n e t l i o h e r Isotope treten auch die Massenzahlen 5 und 8 auf (vgl. Tabelle auf S. 556).

559

Der Atomkern

"Ô X> a >1 03

Praktisches Atomgew. (Int. Wert)

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 16 16

Nn Η He Li Be Β C Ν 0 F Ne Na Mg Al Si Ρ S

1.0080 4.003 6.940 9.013 10.82 12.011 14.008 16.0000 19.00 20.183 22.991 24.32 26.97 28.06 30.98 32.066

17 18 19 20

Cl Ar Κ Ca

35.457 39.944 39.096 40.08

21 22

So Ti

44.96 47.90

23 24

V Cr

50.95 52.01

25 26

Μη Fe

54.94 55.85

27 28

Co Ni

58.94 58.71

29 30

Cu Zn

63.54 65.38

31 32

Ga Ge

69.72 72.60

33 34

As Se

74.92 78.96

35 36

Br Kr

79.919 83.7

37 38 39 40

Rb Sr Y Zr

85.48 87.63 88.92 91.22

41 42

Nb Mo

92.91 95.95

44

Ru

101.1

45 46

Rh Pd

102.91 106.4

47

Ag

107.880

k! Sz á O


1 m gew. (Int. Wert)

48

Cd

112.41

49 50

In Sn

114.82 118.70

51 52

Sb Te

121.76 127.61

53 54

J Xe

126.92 131.30

55 56

Cs Ba

132.91 137.36

57 58 59 60

La Ce Pr Nd

138.92 140.13 140.91 144.27

62

Sm

150.35

63 64

Eu Gd

152.0 157.26

65 66 67 68 69 70

Tb Dy Ho Er Tm Yb

158.93 162.51 164.94 167.27 168.94 173.04

71 72 73 74 75 76

Lu Hf Ta W Re Os

174.99 178.50 180.95 183.86 186.22 190.2

77 78 79 80

Ir Pt Au Hg

192.2 195.09 197.0 200.61

81 82

TI Pb

204.39 207.21

83 84

Bi Po

208.99 210

85 86 87 88 89 90

At Rn Fr Ra Ac Th

210 222 223 226.06 227 232.05

91 92

Pa υ

231 238.07

s o

Massenzahlen der Isotopen (geordnet nach fallender Häufigkeit) ( ) = Häufigkeit in % 114 (29); 112 (24); 111 (13); 110, 113 (je 12); 116 (8); 106, 108 (je 1) 115 (95.77); 113 (4.23) 120 (33); 118 (24); 116 (14); 119 (8); 117 (8); 124 (6); 122 (5); 112 (1); 114 (0.6); 115 (0.4) 121 (57.25); 123 (42.75) 130(34), 128(32); 126 (19); 125 (7); 124(5); 122 (2); 123 (1); 127 (100) [120 132; 129; 131; 134; 136; 130; 128; 124; 126 133 (100) 138; 137; 136; 135; 134; 130; 132 139 (99.911); 138 (0.089) 140 (89); 142 (11); 138; 136 141 (100) 142; 144; 146; 143; 145; 148; 150 152; 154; 147; 149; 148; 150; 144 153 (52.23); 151 (47.77) 158; 160; 156; 157; 155; 154; 152 159 (100) [156 164; 162; 163; 161: 160; 158; 165 (100) 166; 168; 167; 170; 164; 162 169 (100) 174; 172; 173; 171; 176; 170; 168 175 (97.40); 176 (2.60) 180; 178; 177; 179; 176; 174 181 (99.99); 180 (0.01) 184; 186; 182; 183; 180 187 (62.93); 185 (37.07) 192; 190; 189; 188; 187; 186; 184 193 (61.5); 191 (38.5) 196; 194; 196; 198; 192; 190 197 (100) 202; 200; 199; 201; 198; 204; 196 206; 203 — 207; 208; 210 208; 206; 207; 204 — 210; 211; 212; 214 209 (100) — 220; 211; 212;214 210; 211; 212; 214; 215; 276: 218 215; 216; 218 219; 220; 222 223 223; 224; 226; 228 227; 228 232 (100); — 227; 22$; 230; 231; 232; 234 231 (100); 234 238(99.28); 235(0.71); 234(0.006

Die natürliche Elementumwandlung

560

30 Neutronen (ρ : η = 1 : 1.2),beim Arsen auf 33 Protonen 142 Neutron en (ρ : n = l : 1.3), beim Caesium auf 55 Protonen 78 Neutronen (ρ : η = 1 : 1.4), beim Gold auf 79 Protonen 118 Neutronen (ρ : η = 1: 1.5) und beim Uran auf 92 Protonen 146 Neutronen (ρ : η = 1 : 1.6) entfallen. Ist in einem Atomkern das Verhältnis von Neutronen- zu Protonenzahl g r ö ß e r , als es dem stabilen Verhältnis entspricht, so erfolgt im Kern ein A u s g l e i c h in der Weise, daß ein K e r n - N e u t r o n in ein K e r n - P r o t o n übergeht (vgl. S. 589f.). Die dabei frei werdende E n e r g i e wird in Form eines n e g a t i v e n E l e k t r o n s e~ entsprechender Geschwindigkeit abgegeben : ^ p + e- + Wi. n (1) Derartigen Vorgängen werden wir beim natürlichen radioaktiven Zerfall (S. 566ff.) vieler Elemente und bei der künstlichen Atomumwandlung (S. 589f.) begegnen. Umgekehrt kann, wenn das Verhältnis von Neutronen- zu Protonenzahl k l e i n e r als das stabile Zahlenverhältnis ist, auch ein K e r n - P r o t o n in ein K e r n - N e u t r o n übergehen (vgl. S. 589f.). In diesem Falle wird das Elektron des Vorgangs (1) „mit umgekehrtem Vorzeichen" frei, und zwar in Form eines p o s i t i v e n E l e k t r o n s e+: W + ρ —>- η + e+

(2)

6

( W = 40 χ IO kcal). Derartige Umwandlungen spielen sich nur bei ν o r h e r i g e r E η e r g i e z u f u h r ab und treten daher nicht bei dem f r e i w i l l i g ablaufenden Zerfall der n a t ü r l i c h - r a d i o a k t i v e n Elemente, sondern nur bei dem durch Energiezufuhr e r z w u n g e n e n Zerfall der k ü n s t l i c h - r a d i o a k t i v e n Elemente (S. 589f.) auf. N e g a t i v e s und p o s i t i v e s Elektron werden auch als „Negatron" und „Positron" voneinander unterschieden und als „Leptonen" („leichte Elementarteilchen") den „Nukleonen" („schwere Elementarteilchen" ; S. 555) gegenübergestellt. Sie besitzen das genau gleiche, praktisch verschwindende A t o m g e w i c h t 0.0005485 i 1 /^·, der Masse des Wasserstoffatoms) und die genau gleiche elektrische L a d u n g von 1.602x10" 1 9 Coulomb (im einen Fall mit negativem, im anderen mit positivem Vorzeichen). — Z u s a m m e n f a s s e n d ergibt sich somit, daß die unendliche Vielfältigkeit der belebten und unbelebten Welt letzten Endes auf nur v i e r U r b a u s t e i n e (p, n, e~, e + ) zurückzuführen ist, die zudem durch die Gleichungen (1) und (2) miteinander i n i n n e r e m Z u s a m m e n h a n g stehen. Zwei dieser Teilchen ( P r o t o n und N e u t r o n ) besitzen die M a s s e 1, die beiden anderen ( N e g a t r o n und P o s i t r o n ) sind praktisch m a s s e l o s . Durch Kombination der Urteilchen entstehen zunächst die rund 100 verschiedenen A t o m a r t e n (S. 555ff.), aus diesen die Hunderttausende von M o l e k ü l e n (S. 145ff.) und aus den Molekülen schließlich die u n e n d l i c h v i e l f ä l t i g e n E r s c h e i n u n g s f o r m e n der Natur. ß) Preparative Isolierung von Isotopen Da die c h e m i s c h e n Eigenschaften der Isotopen eines Elements praktisch nicht voneinander verschieden sind, muß man zur wirksamen Trennung von Isotopen p h y s i k a l i s c h e Methoden anwenden, die sich auf die verschiedene M a s s e der Isotopen gründen. Das einfachste, wirksamste und schnellste derartige Verfahren ist d a s v o n d e m d e u t s c h e n P h y s i k o c h e m i k e r KLAUS CLUSIUS im J a h r e 1938 a u s g e a r b e i t e t e

„Trennrohrverfahren", der „Thermodiffusion" Bringt man in ein Rohr ein Gasgemisch

das sich der Kombination zweier physikalischer Erscheinungen, und der „Konvektionsströmung" bedient. am einen Ende e r h i t z t e s und am anderen Ende g e k ü h l t e s aus l e i c h t e n und s c h w e r e n Molekülen, so sammeln sich

1 Die Wärmetönung W der Reaktion (1) beträgt 17 Millionen kcal. Da die kinetische Energie des Elektrons e~ alle Beträge zwischen 0 und 17 Millionen kcal annehmen kann, muß man schließen, daß zusätzlich ein Neutrino (vgl. S. 571) erzeugt wird, dessen kinetische Energie die des Elektrons zum Wert 17 Millionen kcal ergänzt.

Der Atomkern

561

die s c h w e r e n Moleküle bevorzugt im k ä l t e r e n , die l e i c h t e r e n Moleküle bevorzugt im h e i ß e r e n Teil des Rohres an. Dieser Effekt der „thermischen Diffusion" ist ganz allgemein um so s t ä r k e r , je g r ö ß e r die T e m p e r a t u r d i f f e r e n z und je g r ö ß e r der relative M a s s e n u n t e r s c h i e d der beiden Gase ist. 'Heizdraht Bei einem I s o t o p e n g e m i s c h , bei welchem die Massendifferenz der isotopen Moleküle meist nur w e n i g e P r o z e n t e der Molekülmasse ausmacht, sind dementsprechend auch nur s e h r g e r i n g e T r e n n u n g s e f f e k t e zu erwarten. Das T r e n n r o h r v e r f a h r e n bewirkt nun durch gleichzeitige Erzeugung einer K o n v e k t i o n s s t r ö m u n g eine fortlaufende S t e i g e r u n g d e s w i n z i g e n E f f e k t s der Thermodiffusion. Das zu trennende Gemisch wird zu diesem Zwecke in ein wassergekühltes, senkrecht stehendes, ungefähr 1 cm weites und 30 bis 40 m langes G l a s r o h r gebracht, dessen A c h s e ein e l e k t r i s c h g e h e i z t e r D r a h t bildet (Fig. 152). Infolge der t h e r m i s c h e n D i f f u s i o n wandern dann die l e i c h t e n Moleküle bevorzugt zum h e i ß e n D r a h t , die s c h w e r e n Moleküle dagegen an die gek ü h l t e R o h r w a n d . In der U m g e b u n g des h e i ß e n D r a h t e s besitzt nun das Gas infolge der dort herrschenden h ö h e r e n o-— •Si —.-S T e m p e r a t u r eine g e r i n g e r e D i c h t e , so daß am Draht eine è a u f s t e i g e n d e S t r ö m u n g entsteht. An der k a l t e n W a n d da5 gegen, an der das Gas eine g r ö ß e r e D i c h t e aufweist, kommt eine a b s i n k e n d e S t r ö m u n g zustande. Auf diese Weise bildet sich im Rohr eine k r e i s e n d e „Konvektionsströmung" aus, die kontinuierlich die an dem heißen Draht sich ansammelnden l e i c h t e n Moleküle nach o b e n und dementsprechend die an der kalten Wand sich anreichernden s c h w e r e n Moleküle nach u n t e n transportiert. Bei diesem G e g e n s t r o m kommen (vgl. Fig. 152) 5 δ Q> b naturgemäß im T e m p e r a t u r g e f ä l l e jeweils Gasgemische eina ¡5 2 i; ander gegenüber zu stehen, die sich noch nicht im Thermodiffusions-Gleichgewicht befinden und bei denen daher stets weitere Mengen von leichtem Gas an den heißen Draht und von schwerem Gas an die kalte Wand d i f f u n d i e r e n . So s t e i g e r t sich infolge des K r e i s l a u f e s der Effekt schließlich so weit, daß am o b e r e n Ende das l e i c h t e , am u n t e r e n das s c h w e r e Isotop in r e i n e m Z u s t a n d e erhalten wird. So gelang ζ. B . 1939 im Laufe weniger Wochen die quantitative Trennung der C h l o r i s o t o p e n 85C1 und 87C1 in Form von j e Va Liter HS6C1 und H 8 'C1 mit einem -c* MoS » Reinheitsgrad von je 99.5%. In gleicher Weise ließen sich 1940 die 20 2 2 ^¡Omtr Kj N e o n i s o t o p e n Ne und Ne und 1942 die K r y p t o n i s o t o p e n to 8 4 Kr und 8 e K r quantitativ trennen. Bald darauf folgte die Reinα 1 8 15 8 8 13 darstellung von 0 (1944), N (1950), Ar (1952) und C (1953). KJ



*1

I.

Andere, ebenfalls recht wirksame Methoden bedienen sich der verschiedenen Diffusionsgeschwindigkeit, der verschiedenen Verdampfungsgeschwindigkeit, der verschiedenen Ablenkung im Magnetfeld und der verschiedenen Ionenentladungsgeschwindigkeit, da die leichteren Isotopen infolge ihrer geringeren Masse etwas schneller diffundieren bzw. verdampfen bzw. abgelenkt bzw. entladen werden als die schwereren.So wird heute die Trennung der UranIsotopen 235 U und 238 U über die Hexafluoride großtechnisch nach dem Gasdiffusions-Verfahren durchgeführt (S. 597), während die verschiedene magnetische Ablenkung (S. 557) die präparative Trennung der Isotopen fast aller Elemente ermöglicht (S. 597). H o l l c m a n - W J b e r g , Anorganische Chemie.

4 7 . — 5 6 . Aufl.

O

11

Konvektionsströmung

« * Thermodiffusioo

Fig. 152. Wirkungsweise dee

CLUSiusschen

Isotopentrennrobrs 36

Die natürliche Elementumwandlung

562

Die Reindarstellung von Isotopen ist deshalb von Wichtigkeit, weil mit ihrer Hilfe eine I n d i z i e r u n g von Atomen möglich ist, deren Weg im Verlaufe einer Reaktion verfolgt werden soll (vgl. II, S. 54,90,211 f., 278,321,417,473,485). Verfüttert man ζ. B. an ein Tier eine Aminosäure (II, S. 266ff.,290), die an Stelle des g e w ö h n l i c h e n S t i c k s t o f f s 14 N das s c h w e r e S t i c k s t o f f i s o t o p 15 N enthält, so läßt sich das Schicksal dieser Aminosäure im tierischen Körper bis ins einzelne v e r f o l g e n , da der im Stoffwechsel ausgeschiedene oder in Form von Eiweiß im Organismus zurückbehaltene Stickstoff seiner Herkunft nach an der A n w e s e n h e i t d e s I s o t o p s 16 N erkannt werden kann (vgl. S. 563, 574f. und 590). γ) Leichter und schwerer Wasserstoff Der Wasserstoff besteht gemäß der auf S. 559 wiedergegebenen Tabelle zu 99.9855°/0 aus dem Isotop }H und zu 0.0145°/0 aus dem Isotop fH. Da sich hier die Massen wie 1:2 verhalten, der prozentuale Massenunterschied also a u ß e r o r d e n t l i c h g r o ß ist, werden die — in anderen Isotopiefällen verschwindenden — Unterschiede in den physikalischen und chemischen Eigenschaften so m e r k l i c h , daß man zwischen einem „leichten" und einem „schweren" Wasserstoff unterscheidet und den ersteren als Protium 1 (Symbol Ή oder H), den letzteren als Deuterium 2 (Symbol 2 H oderD) bezeichnet 3 . Das wichtigste Verfahren zur D a r s t e l l u n g von D e u t e r i u m in Form von reinem „schwerem Wasser" D 2 0 („Deuteriumoxid") besteht in der stufenweisen E l e k t r o l y s e von gewöhnlichem Wasser in a l k a l i s c h e r Lösung an Nickelelektroden, wobei vorzugsweise der l e i c h t e W a s s e r s t o f f e n t w e i c h t , während sich der s c h w e r e in der zurückbleibenden F l ü s s i g k e i t a n r e i c h e r t . Wegen des kleinen Gehaltes an schwerem Wasserstoff (H:D = 6000:1) ist die Ausbeute g e r i n g : aus 20 Litern gewöhnlichem Wasser lassen sich 0.1 ccm 99.99°/oiges D 2 0 isolieren. Zur i n d u s t r i e l l e n D a r s t e l l u n g von schwerem Wasser geht man zweckmäßig von t e c h n i s c h e n E l e k t r o l y t l a u g e n aus, die nach längerem Gebrauch einen bis aufs f ü n f f a c h e angereicherten Deuteriumgehalt besitzen. Solches fabrikmäßig hergestelltes schweres Wasser ist im Handel und kostet zur Zeit 2 Mark je Gramm. Die Verschiedenheit der p h y s i k a l i s c h e n Eigenschaften von gewöhnlichem und schwerem Wasser geht aus folgender Zusammenstellung hervor : Eigenschaft Dichte bei 20° C Temperatur des Dichtemaximums Schmelzpunkt Siedepunkt Molare Schmelzwärme beim Gefrierpunkt . . Molare Verdampfungswärme beim Siedepunkt Dielektrizitätskonstante (20°) Ionenprodukt (23°)

H,0 0.9982 4.0° C

0.00» C 100.00» C 1.435 kcal 9.719 kcal 80.4

1.0 X 10~ 1 4

1.1059 11.6» C 3.82» C 4 101.43» C 1.522 kcal 9.960 kcal 80.5 0.3 X 10- J4

In c h e m i s c h e r Hinsicht ist das l e i c h t e Wasser etwas r e a k t i o n s f ä h i g e r als das schwere. Daher laufen die Reaktionen mit s c h w e r e m Wasser etwas l a n g s a m e r ab als die Umsetzungen mit leichtem. Sie können dazu dienen, viele andere Deuteriumverbindungen zu gewinnen So entstehen bei der Einwirkung von schwerem Wasser 1

2 to proton (το ττρωτον) = das Erste. , to deuteron (το δεύτερον) = das Zweite. Ein drittes VVasserstoffisotop — Tritium (Symbol 3 H oder T) nach to triton (το τρίτον) = das Dritte — kann künstlich gewonnen werden (S. 587). 4 Das „halbschwere" Wasser HDO (Sdp. 101.76° C) schmilzt bei 2.23», das „sehr schwere" Wasser T 2 0 („Tritiumoxid") bei 4.49°. 3

Der Atomkern

563

auf Metalloxide MeO n , 2 (n = Wertigkeit des Metalls) M e t a l l d e u t e r o x i d e Me(OD) n , während die Nichtmetalloxide hierbei D e u t e r o s ä u r e n (z.B. D 2 S 0 4 , D 3 P 0 4 ) ergeben. D e u t e r o a m m o n i a k N D 3 (Smp. —74.2°, Sdp. —30.9°) kann durch Umsetzung v o n D 2 0 mit Magnesiumnitrid, D e u t e r o m e t h a n CD 4 (Smp.—183.37) in analoger Weise aus Aluminiumcarbid, D e u t e r i u m s u l f i d D 2 S (Smp. —86.02°) aus Aluminiumsulfid, D e u t e r i u m p e r o x i d D 2 0 2 (Smp. -f- 1-5°) a u s Peroxodisulfaten, D e u t e r o p h o s p h i n P D 3 aus Aluminiumphosphid erhalten werden. Zersetzung hydrolyseempfindlicher Halogenide führt zur Bildung v o n D e u t e r i u m h a l o g e n i d e n ( D F : Sdp. + 18.65°; DC1: Smp. - 1 1 4 . 7 2 ° , Sdp. —84.8°; D B r : Smp.—87.54°, Sdp. —66.9°;DJ: Smp. —51.93°, Sdp. —36.2°). Die so gewonnenen Deuteriumverbindungen können dann ihrerseits dazu verwendet werden, weitere Derivate zu synthetisieren. Interessant sind die A u s t a u s c h r e a k t i o n e n zwischen schwerem Wasser und Wasserstoffverbindungen. Sie verlaufen nur auf dem Wege über I o n e n r e a k t i o n e n mit genügender Geschwindigkeit und ermöglichen einen Einblick in die P r o t o n e n A u s t a u s c h r e a k t i o n e n wässeriger Lösungen. So werden ζ. B. beim Auflösen von N a t r i u m h y d r o x i d oder A m m o n i a k oder A m m o n i u m s a l z e n in schwerem Wasser die W a s s e r s t o f f a t o m e dieser Verbindungen schrittweise durch D e u t e r i u m a t o m e ersetzt, da gemäß folgenden Gleichgewichtsreaktionen (vgl. S. 151 f., 174ff.) ein Austausch von Wasserstoff-ionen erfolgt : OH' + DOD DOH + OD' O D ' + HOD NH 3 + DOD NHjD' + OD' NHJD + HOD usw. NH 4 + DOD N H j + DjOH" NH 3 D' + DOH usw. Dagegen werden ζ. B. die Wasserstoffatome von K o h l e n w a s s e r s t o f f e n C m H n oder von H y d r o g e n p h o s p h i t - i o n e n HPO3" und D i h y d r o g e n - h y p o p h o s p h i t - i o n e n H 2 P 0 2 ' n i c h t a u s g e t a u s c h t , da ihnen k e i n e s a u r e F u n k t i o n zukommt. In dieser Weise kann man das D e u t e r i u m als „Indikator" für P r o t o n e n w a n d e r u n g e n verwenden, was besonders bei organischen Verbindungen von Wichtigkeit ist. Außer den Molekülen H 2 0, DOH und D 2 0 mit dem S a u e r s t o f f i s o t o p l e O sind im gewöhnlichen Wasser wegen der Isotopie des Sauerstoffs (S. 559) auch Wassermoleküle mit den S a u e r e t o f f i s o t o p e n " 0 und 1 8 0 enthalten. Ja, wegen der größeren Häufigkeit von 1 8 0 sind sogar die H 2 18 0-Moleküle z a h l r e i c h e r als die D¡0-Moleküle. Da aber bei den Sauerstoffisotopen wegen der g e r i n g e r e n p r o z e n t u a l e n M a s s e n d i f f e r e n z e n die Unterschiede in den Eigenschaften v e r s c h w i n d e n d g e r i n g sind, werden die H 2 18 0-Moleküle bei der Elektrolyse des Wassers praktisch nicht angereichert. Die komplexe Zusammensetzung des n a t ü r l i c h e n Wassers aus insgesamt 9 verschiedenen Molekülarten hat die Befürchtung aufkommen lassen, daß die auf das reine gewöhnliche Wasser gegründeten Einheiten der M a s s e (S. 51), der T e m p e r a t u r (S. 53) und der W ä r m e (S. 51) infolge schwankender Zusammensetzung des Wassers n i c h t g e n a u g e n u g r e p r o d u z i e r b a r sein könnten. Diese Befürchtung trifft aber nicht zu, da unter den natürlichen Bedingungen k e i n e m e r k l i c h e T r e n n u n g des Isotopengemischs erfolgt. So beträgt z. B. der Dichteunterschied zwischen Wasser aus S c h n e e und Wasser aus O z e a n e n , der wegen der Anreicherung des leichten Wasserstoffisotops im abdestillierenden Wasserdampf und des schweren Wasserstoffs im zurückbleibenden Meerwasser besonders groß ist, nur 3.8 M i l l i o n s t e l , währender beim reinen leichten und schweren Wasser über 10°/0 ausmacht. Bei der normalen Bereitung von destilliertem Wasser findet überhaupt k e i n e m e ß b a r e T r e n n u n g statt. In gleicher Weise ist die Befürchtung, daß die Existenz der drei Sauerstoffisotopen infolge möglicher schwankender Zusammensetzung des Sauerstoffs die Verwendung des letzteren als B a s i s d e s A t o m g e w i c h t s unsicher machen könnte, u n b e g r ü n d e t , da infolge des praktisch völlig identischen chemischen Verhaltens der Sauerstoffisotopen k e i n e E n t m i s c h u n g des Isotopengemischs bei irgendeiner chemischen Reaktion des Sauerstoffs erfolgt. Gleichwohl pflegen die P h y s i k e r die Atomgewichte der Isotopen auf die Masse des S a u e r s t o f f i s o t o p s I6 0 = 16.00000 zu beziehen, während die C h e m i k e r ihren relativen Atomgewichten (S. 27) den alten Bezugswert O = 16.00000 für das I s o t o p e n g e m i s c h zugrunde legen. Das Verhältnis dieser physikalischen Werte (,,physikalische Atomgewichte", „Massenwerte") zu den chemischen („chemische Atomgewichte") beträgt 1.000275. Zwecks Beseitigung dieser Verschiedenheiten zwischen chemischen und physikalischen Atomgewichten sind Bestrebungen im Gange, beide 36*

564

Die natürliche Elementumwandlung

Skalen einheitlich auf das Kohlenstoffisotop 1|C als Bezugswert (12.00000) zu beziehen, wobei sich die Atomgewichte in beiden Fällen nur unwesentlich (um den Faktor 1.000043 bzw. 1.000318) gegenüber den bis jetzt gebrauchten Werten verändern würden (für X|C gilt zur Zeit der chemische Wert 12.00052 und der physikalische Wert 12.00382).

Noch größer als beim leichten und schweren Wasser sind wegen der größeren prozentualen Massenunterschiede die physikalischen und chemischen Unterschiede beim leichten und schweren Wass e r s t o f f , wie ζ. B. aus nebenDampfdrucki in mm Hg Temperatur 0 abs. stehender D a m p f d r u c k t a b e l l e h2 D» hervorgeht. Die S c h m e l z p u n k t e 23.67 1740 760 (Tripelpunkte) betragen beim leich20.39 760 250 ten und schweren Wasserstoff 13.96 18.73 458 130 bzw. 18.73° abs. (HD: 16.60°), die 13.96 54 6 S i e d e p u n k t e 20.39 bzw. 23.67° abs. (HD: 22.13°), die Verdampfungswärmen beim Siedepunkt 225 bzw. 304 cal/Mol, die Schmelzwärmen beim Schmelzpunkt 28 bzw. 47 cal/Mol. Chemisch ist der l e i c h t e Wasserstoff reaktionsfähiger als der schwere. So verlaufen ζ. B. die Reaktionen des leichten Wasserstoffs mit Chlor, B r o m , S a u e r s t o f f undDisticks t o f f o x i d merklich schneller als die entsprechenden Umsetzungen des schweren Wasserstoffs.

b) Drall der Atomkerne

Wie die negativen E l e k t r o n e n der Atomhülle (vgl. S. 498) rotieren auch die positiven Atomkerne um ihre eigene Achse {„Kerndrall", „Kernspin"). Diese E i g e n r o t a t i o n führt wegen der elektrischen Ladung des Rotators wie bei den Elektronen zu einem magnetischen „Spinmoment", weil eine kreisende Ladung ja einem Magneten äquivalent ist, dessen Polverbindungslinie senkrecht zu der kreisenden Bewegung steht (vgl. S. 493). Bei zweiatomigen MoleElektronenhülle_ külen, ζ. B. W a s s e r s t o f f , kann nun die Eigenrotation der beiden Atomkerne innerhalb der Elektronenhülle gleichsinnig oder gegenOrthowasserstoff Parawasserstoff sinnig erfolgen (Fig. 153). Im Fig. 153. Drall der Atomkerne im Wasserstoffmolekül ersten Palle spricht man von der „antisymmetrischen" oder „OrthoWasserstoff"), im zweiten von der „symmetrischen" oder „Para"· Form („Parawasserstoff"). Da beim P a r a w a s s e r s t o f f die magnetischen Spinmomente a n t i p a r a l l e l zueinander stehen und sich daher kompensieren, ist das magnetische Kernmoment des Moleküls gleich Null. Beim O r t h o w a s s e r s t o f f sind dagegen die Spinmomente parallel gerichtet, so daß ein magnetisches K e r n m o m e n t resultiert, das etwa zweimal so groß wie das eines Protons ist. Der auf den Kernspin zurückzuführende Magnetismus ist dabei viel geringer als der durch die Elektronenbewegungen bedingte. Die eben erwähnte Art der Molekül-isomerie macht sich (vgl. Lehrbücher der physikalischen Chemie) bei allen Molekülen bemerkbar, die aus zwei ganz g l e i c h a r t i g e n Atomen aufgebaut sind und deren Atome kein durch 4 t e i l b a r e s A t o m g e w i c h t besitzen. So findet man sie z. B. auch beim D2 (S. 565), nicht aber beim HD („Deuteriumwasserstoff") oder beim l e 0 2 .

Orthowasserstoff (o-H2) und P a r a w a s s e r s t o f f (p-H2) haben einen verschiedenen E n e r g i e - i n h a l t und hängen durch die Gleichgewichtsbeziehung o-H2

p-H2 + Energie

(1)

miteinander zusammen. Entsprechend dieser Gleichung, nach welcher die Orth of o rm die energiereichere ist, ist das Gleichgewicht t e m p e r a t u r a b h ä n g i g und ver-

565

Der Atomkern

schiebt sich mit f a l l e n d e r T e m p e r a t u r zugunsten der r e c h t e n S e i t e (Fig. 154). Beim a b s o l u t e n N u l l p u n k t liegt dementsprechend reiner P a r a w a s s e r s t o f f vor. Mit s t e i g e n d e r T e m p e r a t u r setzen sich zunehmende Mengen von O r t h o w a s s e r s t o f f mit der Paraform ins Gleichgewicht, bis bei Zimmertemperatur 75°/0 Ortho- und 25°/0 Paraform vorliegen. Es läßt sich theoretisch zeigen, daß der Orthowasserstoff nicht über diesen Betrag hinaus angereichert werden kann (s. Lehrbücher der physi-

ch XO

10

60

SO 100 120 1W 160 ISO 200 ZÌO 210 260 280 300'

—> Fig. 154.

aüs. Temperatur

Temperaturabhängigkeit des Ortho- Para Wasserstoff-Gleichgewichts

kaiischen Chemie). Daher kann man wohl die Eigenschaften des reinen Para-, nicht aber die des reinen Orthowasserstoffs experimentell ermitteln. Die E i n s t e l l u n g des G l e i c h g e w i c h t s (1) bei den verschiedenen Temperaturen erfolgt bei Abwesenheit von Katalysatoren nur a u ß e r o r d e n t l i c h langsam und kann Jahre erfordern. Bei Gegenwart geeigneter K a t a l y s a t o r e n aber findet die gegenseitige Umwandlung selbst bei sehr tiefen Temperaturen in w e n i g e n M i n u t e n statt. Ein sehr guter Katalysator ist z. B. A k t i v k o h l e . Läßt man gewöhnlichen Wasserstoff bei 20° abs. in Berührung mit aktiver Kohle stehen, so kann man nach kurzer Zeit einen 99.7°/0igen P a r a w a s s e r s t o f f absaugen. Dieser P a r a w a s s e r s t o f f hat andere physikalische Eigenschaften als der gewöhnliche. So besitzt er z. B. eine h ö h e r e s p e z i f i s c h e W ä r m e , was man zur genauen Analyse von Ortho - Para-Wasserstoffgemischen benutzen kann. Weiterhin hat er einen höheren D a m p f d r u c k , z. B. von 57 statt 54 mm bei 13.96° abs. und von 787 statt 760 mm bei 20.39° abs. Der S c h m e l z p u n k t liegt bei 13.83° abs. statt bei 13.96° abs. wie beim gewöhnlichen Wasserstoff. Der P a r a w a s s e r s t o f f kann in A b w e s e n h e i t v o n K a t a l y s a t o r e n bei Zimmertemperatur wochenlang in Glasgefäßen ohne merkliche Umwandlung in das Gleichgewichtsgemisch a u f b e w a h r t werden. Die Gleichgewichtseinstellung wird durch E r h i t z e n auf 800—1000° oder durch e l e k t r i s c h e E n t l a d u n g e n oder durch K a t a l y s a t o r e n beschleunigt. Als Katalysatoren sind p a r a m a g n e t i s c h e S t o f f e (z. B. atomarer Wasserstoff, Platinschwarz, Mn ++ -ionen) wirksam. Daher kann die Beschleunigung der Umwandlung von Parawasserstoff in Orthowasserstoff zum N a c h w e i s p a r a m a g n e t i s c h e r S t o f f e dienen. Beim D e u t e r i u m D a ist die P a r a f o r m die e n e r g i e r e i c h e r e , so daß bei tiefen Temperaturen O r t h o d e u t e r i u m gebildet wird. Das G l e i c h g e w i c h t s g e m i s c h b e i Z i m m e r t e m p e r a t u r besteht zu 2/3 aus Ortho- und zu 1/3 aus Paraform. Beim Deuteriumwasserstoff H D sind in Übereinstimmung mit der S. 664 angeführten Kegel k e i n e v e r s c h i e d e n e n M o d i f i k a t i o n e n bekannt.

566

Die natürliche Elementumwandlung

2. Die natürliche Radioaktivität Wir wollen uns im folgenden zunächst mit den radioaktiv zerfallenden E l e m e n t e n (a) selbst beschäftigen, um dann auf die den Zerfall begleitende S t r a h l u n g (b), die Z e r f a l l s g e s c h w i n d i g k e i t (c) und den E n e r g i e - u m s a t z (d) radioaktiver Zerfallsreaktionen einzugehen.

a) Radioaktive Elemente α) Yerschiebungsgesetz Die Erscheinung des natürlichen radioaktiven Kernzerfalls findet sich hauptsächlich bei den Elementen mit h o h e r K e r n l a d u n g s z a h l , da offenbar die Anhäufung von s e h r v i e l e n p o s i t i v e n L a d u n g e n den Atomkern i n s t a b i l macht. Der Zerfall äußert sich so, daß a u s den A t o m k e r n e n d e s b e t r e f f e n d e n E l e m e n t s e i n z e l n e U r b a u s t e i n e h e r a u s g e s c h l e u d e r t w e r d e n . Da der Kern aus P r o t o n e n und N e u t r o n e n besteht (S. 555ff.) und durch wechselseitige Umwandlung der letzteren auch N e g a t r o n e n und P o s i t r o n e n entstehen können (S. 558f.), wäre beim radioaktiven Elementzerfall prinzipiell eine Emission von Protonen und Neutronen (bzw. irgendwelchen Kombinationen beider Bausteine) sowie von negativen und positiven Elektronen möglich. Die Erfahrung zeigt, daß der n a t ü r l i c h e r a d i o a k t i v e Z e r f a l l nur zwei dieser verschiedenen Wege einschlägt: aus dem Atomkern wird entweder ein aus 2 Protonen und 2 Neutronen bestehender H e l i u m k e r n H e + + („oi-Teilchen") oder ein n e g a t i v e s E l e k t r o n e~ („ß-Teilchen") herausgeschleudert. A n d e r e Kombinationen aus Protonen und Neutronen oder einfache P r o t o n e n , N e u t r o n e n oder P o s i t r o n e n werden n i c h t a b g e g e b e n . Wohl aber treten derartige Kerntrümmer bei der k ü n s t l i c h e n Elementumwandlung (S. 581 ff.) und bei dem k ü n s t l i c h e n radioaktiven Zerfall (S.589f.) auf. Die Tatsache, daß beim natürlichen radioaktiven Zerfall gerade eine Kombination von zwei Protonen und zwei Neutronen in Form eines H e l i u m k e r n s ausgeschleudert wird, zeigt, daß ein solches Gebilde b e s o n d e r s s t a b i l ist und offensichtlich beim A u f b a u d e r A t o m k e r n e eine wichtige Rolle spielt. Entsprechend der Bedeutung der drei Masseteilchen N e u t r o n , P r o t o n und α - T e i l c h e n für den Aufbau der Atomkerne ist diesen Urbausteinen im P e r i o d e n s y s t e m d e r E l e m e n t e (Tafel am Schlüsse des Buches) eine b e v o r z u g t e S t e l l u n g am Kopfe des Systems eingeräumt. Wir werden später (S. 579f.) noch etwas ausführlicher auf die Stabilität des Heliumkerns zurückkommen.

Bei der Emission eines H e l i u m k e r n s |He++ nimmt naturgemäß die p o s i t i v e L a d u n g des ursprünglichen Atomkerns um z w e i , seine M a s s e um v i e r Einheiten ab. E s entsteht dabei also der Kern eines Elements, das im Periodensystem 2 S t e l l e n v o r d e m A u s g a n g s e l e m e n t steht und das gegenüber letzterem ein um 4 E i n h e i t e n v e r r i n g e r t e s A t o m g e w i c h t besitzt. So geht z . B . das Metall R a d i u m mit dem Atomgewicht 226 und der Kernladungszahl 88 bei der Heliumabgabe in das Edelgas R a d o n mit dem Atomgewicht 222 und der Kernladungszahl 86 über: 2

II R a — > -

2

11 Rn

+ *He++ + Energie.

(1)

Die Aussendung eines E l e k t r o n s e (Übergang eines Kern-Neutrons in ein KernProton; vgl. S. 560) führt zur Vermehrung der p o s i t i v e n L a d u n g des ursprünglichen Atoms um e i n e Einheit, so daß das neu entstehende Element der n ä c h s t f o l g e n d e n G r u p p e des Periodensystems angehört. Da das Elektron ein verschwindend geringes Atomgewicht besitzt und zudem vom zurückbleibenden, positiv geladenen Element-ion in der Außenhülle wieder aufgenommen wird (s. unten), ändert sich bei dieser Art der radioaktiven Umwandlung das A t o m g e w i c h t n i c h t , so daß ein I s o b a r e s des Ausgangselements entsteht. So verwandelt sich ζ. B. das Metall -

Die natürliche Radioaktivität

567

Actinium vom Atomgewicht 227 und der Kernladungszahl 89 bei der Elektronenabgabe in das Element Thorium mit dem gleichen Atomgewicht 227 und der Kernladungszahl 90: 2

15Ac

ν 2 ¡ ; T h + + _ » e - + Energie.

(2)

Hier wie oben ist der L a d u n g s z u s t a n d des Reaktionsprodukts chemisch unwesentlich, da sich die gebildeten Ionen sehr bald nach ihrer Entstehung durch Aufnahme oder Abgabe von A u ß e n e l e k t r o n e n wieder neutralisieren.

Die vorstehenden Grundgesetze der radioaktiven Umwandlung, gemäß denen je nach der Art der aus dem Atomkern emittierten Teilchen eine gesetzmäßige „Verschiebung" der Elemente innerhalb des Periodensystems erfolgt, bilden den Inhalt des im Jahre 1913 von K. F A J A N S , A. S. R U S S E L L und F. S O D D Y aufgestellten „radioaktiven Verschiebungsgesetzes". ß) Zerfallsreihen Das bei einer radioaktiven Umwandlung neu e n t s t e h e n d e E l e m e n t ist meist seinerseits wieder r a d i o a k t i v , so daß der Zerfall weitergeht und zu einer ganzen „Zerfallsreihe" Veranlassung gibt. Man kennt insgesamt drei solcher Zerfallsreihen, von denen die eine („Actinium-Zerfallsreihe") mit dem Uranisotop 2 f | U {„ActinoUran"), die zweite („Uran-Zerfallsreihe") mit dem Uranisotop 2 g|U und die d r i t t e („Thorium-Zerfallsreihe") mit dem Thoriumisotop 2 | 2 T h beginnt1 (s. Tabelle S. 568). Die chemischen E i g e n s c h a f t e n der einzelnen Glieder dieser Zerfallsreihen stehen im Einklang mit den Aussagen des oben erwähnten Verschiebungsgesetzes. So zeigt z. B. das Radium Β ( 2 ||Pb) analytisch ganz die Reaktionen des Bleis und das Radium C ( 2 ||Bi) ganz die des Wismuts, so daß Radium Β und Radium C durch die Methoden zu trennen sind, die man für die Trennung von Blei und Wismut anwendet. Dagegen gelingt es ζ. B. auf keine Weise, Radium Β von Blei oder Radium C von Wismut zu trennen. Besonders bemerkenswert sind die drei gasförmigen Zerfallsprodukte {„Emanationen") Ac tin on . R a d o n und T h o r o n , welche die Kernladungszahl 86 besitzen und Isotope des Edelgases Radon sind. Sie sind die Ursache dafür, daß jeder in die Nähe eines emanation-abgebenden radioaktiven Stoffs gebrachte Körper selber radioaktiv wird (,,induzierte Radioaktivität"), indem sich die aus dem Stoff entweichende Emanation überallhin verbreitet und sich auf allen Körpern der Umgebung unter Abgabe von «-Teilchen als festes Polonium niederschlägt, das seinerseits wieder radioaktiv zerfällt. Der radioaktive Zerfall der R a d i u m e m a n a t i o n unter H e l i u m a b g a b e läßt sich e x p e r i m e n t e l l in der Weise n a c h w e i s e n , daß man das aus Radiumsalz gebildete gasförmige Radon durch ein m i t f l ü s s i g e r L u f t g e k ü h l t e s U - R o h r absaugt, welches mit einem evakuierten Rohr zur Messung des Spektrums in Verbindung steht. Das S p e k t r u m ist dann nach E n t fernung des Kühlbades zunächst das des R a d o n s ohne eine Spur von Helium. Nach mehrtägigem Stehen tritt auch das Spektrum des H e l i u m s auf.

Als E n d p r o d u k t des radioaktiven Zerfalls entsteht bei allen drei Zerfallsreihen inaktives Blei. Dieses Blei muß entsprechend dem Verschiebungsgesetz bei der UranZerfallsreihe das Atomgewicht 206 {„Uranblei"), bei der Actinium-Zerfallsreihe das Atomgewicht 207 {„Actiniumblei") und bei der Thorium-Zerfallsreihe das Atomgewicht 208 {„Thoriumblei") besitzen, während das Atomgewicht des gewöhnlichen B l e i s 207 (genau: 207.21) beträgt. In der Tat ergaben die Atomgewichtsbestim1 Die Massenzahlen der Einzelglieder dieser drei natürlichen Zerfalbreihen enteprechen den Werten 4 η + 3 (Actinium-Zerfallsreihe), 4 η + 2 (Uran-Zerfallsreihe) und 4 η + 0 (ThoriumZerfallsreihe) (n = ganze Zahl). Die noch fehlende Zerfallsreihe mit den Massenzahlen 4 η + 1 wurde neuerdings als künstlich-radioaktive Zerfallsreihe („Neptunium-ZerfalUreihe" ; S.601Í. ' aufgefunden.

Die

5 6 8

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- Ag), so daß in summa die dem photographischen Prozeß bei der Belichtung (S. 462f.) zugrunde liegende S p a l t u n g des B r o m s i l b e r s in B r o m und S i l b e r stattfindet (AgBr —>- Ag + Br). Dementsprechend wirken radioaktive Strahlen auf p h o t o g r a p h i s c h e P l a t t e n ein, was historisch deshalb bedeutsam ist, weil diese Eigenschaft zur E n t d e c k u n g der Radioaktivität führte (S. 569). Das bisweilen in der Natur vorkommende „blaue Steinsalz" verdankt seine blaue Farbe kolloid gelöstem Natrium, welches in ganz analoger Weise durch Zersetzung von Natriumchlorid (NaCl —>- Na + Cl) unter dem Einfluß radioaktiver Strahlen entstanden ist (Einbau freier Elektronen in Fehlstellen des NaCl-Gitters). Die Einwirkung radioaktiver Substanzen auf den l e b e n d e n O r g a n i s m u s erfolgt hauptsächlich durch die stark durchdringenden y - S t r a h l e n und findet mannigfaltige Anwendung in der M e d i z i n . Zwar wirken die Radiumstrahlen auch auf g e s u n d e s G e w e b e ein und vermögen dort gefährliche S c h ä d i g u n g e n hervorzurufen. Da aber das n o r m a l e Gewebe in den meisten Fällen vier- bis siebenmal w i d e r s t a n d s f ä h i g e r gegen die Strahlen als das e r k r a n k t e ist, gelingt es doch, durch entsprechende D o s i e rung Hautkrankheiten und auch innere Erkrankungen günstig zu beeinflussen. Namentlich bei K r e b s e r k r a n k u n g wird die heilende oder wenigstens bessernde und schmerzstillende Wirkung der y-Strahlen vielfach angewandt. Als y - S t r a h l e r dient in der Medizin vor allem das R a d i u m . Als Ersatz für das teure und seltene Radium kann M e s o t h o r i u m I ( 2 | ¡ Ra), ein Isotop des Radiums, verwendet werden, das sich aus den Löserückständen der Thorerdefabrikation aus Monazitsand (S. 503) zusammen mit Bariumsulfat ausfällen läßt. Als „1 mg Mesothorium" kommt ein solches Bariumpräparat in den Handel, das dieselbe y-StrahlenIntensität wie 1 mg Radium ergibt. Wie hier macht man auch in anderen Fällen zur A n r e i c h e r u n g r a d i o a k t i v e r E l e m e n t e von den FAJANS-HAHN-PÄNETHsehen Fällungs- und Adsorptions-Regeln Gebrauch. Diese Hegeln

574

Die natürliche Elementumwandlung

besagen, daß ein in unwägbaren Mengen in einer Lösung vorhandenes r a d i o a k t i v e s E l e m e n t dann mit dem Niederschlag eines anderen, in großen Mengen vorhandenen oder zugesetzten Elements aus der Lösung e n t f e r n t wird, wenn es entweder in das K r i s t a l l g i t t e r des Nieders c h l a g s e i n t r e t e n kann (vgl. S. 486) oder an dessen Oberfläche a d s o r b i e r b a r ist. So läßt sich z . B . das R a d i u m aus Pechblendelösungen trotz der vorliegenden enormen Verdünnung durch Zusatz von Bariumchlorid und Schwefelsäure mit dem entstehenden B a r i u m s u l f a t ausfällen (S. 417), da sich das Radiumsulfat in das Bariumsulfatgitter mit einbaut. Die Adsorption an der Oberfläche ist begünstigt, wenn das radioaktive Ion mit dem entgegengesetzt geladenen Gitterion eine schwerlösliche oder schwerdissoziierbare Verbindung bildet oder wenn die Oberfläche eine große Ausdehnung hat und eine dem radioaktiven Ion entgegengesetzte elektrische Ladung trägt.

In neuerer Zeit gewinnen k ü n s t l i c h e an Stelle der n a t ü r l i c h e n Elemente zunehmende medizinische Bedeutung (S. 590).

radioaktiven

S) Radioaktive Indikatoren Die r a d i o a k t i v e n E l e m e n t e ermöglichen eine besonders einfache „ M a r k i e r u n g " bestimmter Elemente und gestatten so, deren Weg und Schicksal im Verlaufe chemischer Reaktionen genau zu verfolgen. Denn die mit den radioaktiven Elementen zwangsläufig verknüpfte S t r a h l u n g läßt sich auch bei Anwesenheit von nur g e r i n g s t e n E l e m e n t s p u r e n stets mit g r o ß e r S c h ä r f e nachweisen, so daß die radioaktiven Indikatoren in dieser Hinsicht den zu gleichen Zwecken verwendeten, aber weniger leicht analytisch nachweisbaren n i c h t r a d i o a k t i v e n isotopen Elementen (vgl. S. 561 f., 563) überlegen sind. Zersetzt man z . B . eine B l e i - M a g n e s i u m - L e g i e r u n g der Zusammensetzung PbMg 2 mit verdünnter S a l z s ä u r e , so läßt sich eine gemäß der Gleichung PbMg 2 + 4 H ' — >- PbH 4 + 2Mg" erfolgende Bildung von B l e i w a s s e r s t o f f PbH 4 wegen der geringen Menge des letzteren nur s c h w e r n a c h w e i s e n . Fügt man dem Blei aber das radioaktive Isotop T h o r i u m Β ( 2 g | Pb) zu und leitet das bei der Reaktion gebildete Gas durch ein erhitztes Glasrohr, so läßt sich nach F . A. P A N E T H der infolge Zersetzung des Bleiwasserstoffs entstehende —unsichtbare — B l e i s p i e g e l (PbH 4 —>- P b + 2H 2 ) wegen seiner R a d i o a k t i v i t ä t eindeutig nachweisen. Auf analoge Weise gelang so auch der Nachweis einer flüchtigen W i s m u t w a s s e r s t o f f Verbindung BiH 3 , indem man sich des T h o r i u m C ( 2 ¡ 2 Bi) als radioaktiven Indikators bediente. Nachdem auf solche Weise die Existenz eines Wismutwasserstoffs sichergestellt war, gelang anschließend auch die präparative Darstellung dieser Verbindung aus dem g e w ö h n l i c h e n nichtradioaktiven Wismut (S. 289). Andere Anwendungsgebiete radioaktiver Indikatoren sind ζ. B. die Bestimmung der L ö s l i c h k e i t schwerlöslicher Salze und die Ermittlung der O b e r f l ä c h e feinverteilter Substanzen. So kann man ζ. B . die L ö s l i c h k e i t von Bleichromat P b C r 0 4 nicht dadurch ermitteln, daß man ein größeres Volumen der gesättigten Lösung eindampft und den Rückstand wiegt, weil wegen der Schwerlöslichkeit des Bleichromats die unvermeidlichen Wägefehler das Gewicht des gelösten Bleichromats übersteigen. Mischt man dem Ausgangs-Bleisalz aber etwas T h o r i u m Β ( 2 J | Pb) bei und fällt das Bleisalz dann als Bleichromat, so kann man durch Vergleich der Radioaktivität des Verdampfungsrückstandes der filtrierten Lösung mit der Radioaktivität des ursprünglichen Gemisches die Menge des gelösten Bleichromats errechnen. In ähnlicher Weise kann ζ. B. die O b e r f l ä c h e von ausgefälltem Bleisulfat ermittelt werden, indem man dem Bleisulfat T h o r i u m B beimischt und durch Messung der Aktivitäten das Atomverhältnis ThB0berfi&che/ThBx,5glmg ermittelt. Da dieses gleich dem Atomverhältnis Pboberfiäche/P^Lösung sein muß, laßt sich bei Kenntnis der Bleikonzentration in der Lösung (Pb L B e u n g ) die Zahl der Bleiatome an der Oberfläche des Bleisulfats (Phobische) ur >d damit die Oberfläche selbst errechnen. Weiterhin kann die Oberfläche von Substanzen und ihre Änderung beim Altern, Rekristallisieren, Verformen

Die natürliche Radioaktivität

575

usw. dadurch bestimmt werden, daß man der Substanz durch Mischkristallbildung einen emanation-abgebenden radioaktiven Stoff beimischt. Aus der Menge des von der Oberfläche aus abgegebenen Gases kann man dann Rückschlüsse auf die Oberfläche und innere Makrostruktur der untersuchten Substanz ziehen (Emanicrmcthode"). Von besonderer Bedeutung ist die radioaktive Indizierung von Elementen bei der Lösung b i o c h e m i s c h e r Probleme. Da die biochemisch wichtigen Elemente hauptsächlich am Anfang des Periodensystems stehen (C, Η, Ο, N, S, P) und ihre n a t ü r l i c h vorkommenden Isotopen daher nichtradioaktiv sind, muß man hier allerdings k ü n s t lich-radioaktive Isotope als Reaktions-Indikatoren verwenden (S. 590).

c) Radioaktive Zerfallsgeschwindigkeit α) Halbwertszeit

Die G e s c h w i n d i g k e i t des radioaktiven Zerfalls entspricht der einer m o n o m o l e k u l a r e n R e a k t i o n (S. 103), d.h. die je Zeiteinheit z e r f a l l e n d e Menge eines radioaktiven Stoffs ist in jedem Augenblick der noch v o r h a n d e n e n Menge m p r o 1p o r t i o n a l : , r am ~ — =hxm. (1) Dementsprechend nimmt die Geschwindigkeit einer radioaktiven Zerfallsreaktion mit der Zeit immer mehr und mehr ab und nähert sich a s y m p t o t i s c h dem Werte Null. Der P r o p o r t i o n a l i t ä t s f a k t o r k, den wir früher allgemein als Geschwindigkeitskonstante bezeichneten, hat hier den speziellen Namen „Zerfallskonstante". Sie gibt die Menge eines radioaktiven Stoffs an, die je Sekunde zerfällt, wenn die Mengen e i n h e i t des Stoffs vorliegt |für m = 1 wird — ^

= ¿J. Für R a d i u m ζ. B. hat k

den Wert 1.36 χ Ι Ο ; d. h. : von 1 g Radium zerfallen je Sekunde 1.36 χΙΟ" 1 1 g, von l k g 1.36 X l O - 1 1 kg, von 1 Grammatom 1.36 Χ 1 0 " 1 1 Grammatome. Die Größe k ist bei jedem radioaktiven Element von a l l e n ä u ß e r e n B e d i n g u n g e n u n a b h ä n g i g . Die Zerfallsgeschwindigkeit bleibt also stets die gleiche, gleichgültig ob man den radioaktiven Stoff bei —253°, bei +3000°, in elementarer Form oder in Form chemischer Verbindungen untersucht. -11

Aus der Größe k = 1.36 X 1 0 ~ n für Radium folgt, daß von 1 g Radium im Laufe eines Jahres 1.36 X IO" 11 X 60 X 60 X 24 X 365 = 0.000428 g ( = 0.428 mg) zerfallen. Da hierbei bis zur Stufe des verhältnismäßig langlebigen Radium D ( 2 J | P b ) 4 Heliumkerne je Radiumatom emittiert werden (S. 568), entspricht dies einer jährlichen Heliummenge von (4 X 22415 X 0.000428) : 226 = 0.17 ccm. Die experimentell gefundene Heliummenge (S. 572) befindet eich damit in Übereinstimmung.

Zwischen den Grenzen m0 (ursprünglich vorhandene Menge) und m% (nach t Sekunden noch vorhandene Menge) i n t e g r i e r t gleichung (1) die Beziehung:

aus der sich bei experimenteller Bestimmung von m0 und mt (an Stelle der Stoffmengen m können auch die ihnen gemäß (1) proportionalen Strahlungsintensitäten eingesetzt werden) die Zerfallskonstante k eines radioaktiven Stoffs ergibt. Ist k auf diese

576

Die natürliche Elementumwandlung

Weise einmal ermittelt, so kann man (2) dazu benutzen, um für gegebenes m 0 und mt die Größe t zu berechnen. So beträgt z. B. die Zeit ^ n , , in der gerade die H ä l f t e einer radioaktiven Substanz umgewandelt wird imt = V oder

, nach (2) ganz allgemein : tmb = -ί- χ In '

=

χ In 2

m /2

°

In Form dieser „Halbwertszeit" 4»ib wird die Zerfallskonstante k meist angegeben, weil ¿halb anschaulicher als k ist. Für R a d i u m beträgt nach (3)

= ^ 3g χ^χο-ιι ~

5.11 Χ 1010 Sekunden, was—da 1 Jahr 60 χ 60 X 24 χ 365 = 3.15 χ IO7 Sekunden hat — (5.11 χ IO 10 ): (3.15 χ IO7) == 1622 Jahren entspricht. Jede zu irgendeiner Zeit betrachtete beliebige Menge Radium ist demnach 1622 Jahre später zur Hälfte zerfallen. Die Halbwertszeiten der radioaktiven Elemente können die extremsten Werte besitzen und variieren bei den in der N a t u r vorkommenden Stoffen zwischen einer z e h n m i l l i o n s t e l S e k u n d e (Thorium C , 2 J ! l ' o ) und 600 B i l l i o n e n J a h r e n (Indium, 1 ] f In). Die Zeit iganz, nach der nur noch ein T a u s e n d s t e l der ursprünglichen Substanz vorhanden, letztere also zu 99.9°/0, d. h. praktisch g a n z zerfallen ist, ergibt sich nach (2) zu

W - - i x l n ^ ö ö ö = TXlnl000

oder

gaoz

_ 6.91 £ '

entsprechend dem rund Z e h n f a c h e n der H a l b w e r t s z e i t (3). Nach 1622 X 10 = 16220 Jahren ist demnach eine gegebene Radiummenge praktisch völlig zerfallen.

ß) Radioaktives Gleichgewicht Wenn reines R a d i u m unter Emission von α-Strahlen in R a d o n übergeht, so beträgt die von Grammatomen Radium je S e k u n d e gebildete Radonmenge ^Ba " -^Ea

=

"hin Grammatome Radon.

(4)

Von den auf diese Weise zu einer bestimmten Zeit i n s g e s a m t vorhandenen M B n Grammatomen Radon zerfallen je S e k u n d e &an · JJi an - m' fin Grammatome Radon (5) unter Emission von α-Strahlen und Bildung von R a d i u m A weiter. Zunächst wird die Menge M E n des unzersetzt vorliegenden Radons mit der Zeit z u n e h m e n , da anfangs > w'a n ist, d. h. m e h r R a d o n g e b i l d e t w i r d a l s z e r f ä l l t . Nach und nach s t e i g t aber infolge dieser Zunahme v o n M a n die je Sekunde z e r f a l l e n d e R a d o n m e n g e m'aη gemäß (5) so an, daß schließlich m

En =

TO

'ED

(6)

wird. Von jetzt ab ä n d e r t s i c h d i e R a d o n m e n g e n i c h t m e h r , da in der Zeiteinheit e b e n s o v i e l R a d o n g e b i l d e t w i r d wie w i e d e r z e r f ä l l t . Das damit eingestellte G l e i c h g e w i c h t heißt „radioaktives Gleichgewicht". Die Gleichgewichtsbedingung hierfür lautet gemäß (6) bei Einsetzen von (4) und (5) : kκ» · M ^ = • Af Sn oder — unter gleichzeitiger Berücksichtigung von (3) — :

Die natürliche Radioaktivität

577

In Worten: Die im radioaktiven Gleichgewicht befindlichen Atommengen radioaktiver Elemente verhalten sich wie die Halbwertszeiten bzw. umgekehrt wie die Zerfallskonstanten. Im obigen Fall ζ. B. hat den Wert 2.10 X 10"e und ¿ E a den Wert 1.36 X 1 0 " " . Dementsprechend stehen Radium und Radon dann im radioaktiven Gleichgewicht, wenn (2.10 X 10-«): (1.36 Χ 10" 11 ) = 155000mal mehr Radium- als Radonatome vorhanden sind. Die mit 1 g R a d i u m im radioaktiven Gleichgewicht befindliche R a d o n m e n g e 0.6 mm®) wurde früher (seit 1910) „1 Curie" genannt. Später änderte man diese Definition dahingehend ab, daß man derjenigen Substanzmenge eines radioaktiven Körpers die Aktivitätseinheit 1 Curie zuschrieb, die pro Zeiteinheit ebensoviele Teilchen wie 1 g Radium aussendet. Da aber auf diese Weise der Wert einer Curie-Einheit mit wachsender Meßgenauigkeit bei der Bestimmung der Zerfallskonstante und des Atomgewichts des Radiums laufenden Schwankungen unterworfen war, kam man schließlich (1950) überein, den Wert im Sinne der obigen Definition zahlenmäßig festzulegen und unter „ 1 Curie" (c) diejenige Menge einer radioaktiven Substanz zu verstehen, die je Sekunde genau 3.700 X1010 Teilchen emittiert. Der tausendste Teil davon ist als „1 Alillicurie" (mc), der millionste Teil ala „1 Mikrocurie" (μό) und der millionenfache Wert als „1 Megacurie" (Me) in Gebrauch.

Die Gesetzmäßigkeit (7) kann natürlich auf s ä m t l i c h e — benachbarte oder nicht benachbarte — G l i e d e r einer Z e r f a l l s r e i h e ausgedehnt werden. Daher kann man ζ. B. aus der Tatsache, daß das Verhältnis von R a d i u m zu U r a n in den Uranerzen k o n s t a n t ist (iWEa : Mv = 3.60 X 10"7 bzw. Mv : Ma&= 2.78-106), den Schluß ziehen, daß diese beiden Elemente im r a d i o a k t i v e n G l e i c h g e w i c h t miteinander sind, d.h. daß das U r a n die —allerdings nicht unmittelbare — „Muttersubstanz" des Radiums ist. Bei Kenntnis des G l e i c h g e w i c h t s v e r h ä l t n i s s e s MA : MB und der Z e r f a l l s k o n s t a n t e (bzw. Halbwertszeit) der einen Substanz A kann man die Beziehung (7) dazu benutzen, um die Z e r f a l l s k o n s t a n t e (Halbwertszeit) der anderen Substanz Β zu errechnen. Auf diese Weise ermittelt man ζ. B. die Halbwertszeit besonders l a n g l e b i g e r Elemente, deren Zerfallskonstante auf d i r e k t e m Wege nicht bestimmbar ist. So folgt ζ. B. aus dem obigen Atomverhältnis M ^ - . M j , = 3.60 X 10-', daß die H a l b w e r t s z e i t des Urans 1622: ( 3 . 6 0 x 1 0 - ' ) = 4.51 χ 10» Jahre beträgt. Bei besonders k u r z l e b i g e n Elementen läßt eich die Zerfallskonstante (Halbwertszeit) aus einer von H.GEiOBRund J.M. IXUTTALL empirisch aufgefundenen l o g a r i t h m i s c h e n B e z i e h u n g zwischen Z e r f a l l s k o n s t a n t e k und R e i c h w e i t e R der α-Strahlen (,,GEIGEB-Nl'TTALLsche Regel") errechnen. So folgt ζ. B. aus der für die U r a n - Z e r f a l l s r e i h e geltenden Gleichung log k = — 37.7 + 53.9 X log B, daß die Zerfallskonstante k des R a d i u m C' (R = 6.60 cm) ungefähr 10" betragen muß.

γ ) Altersbestimmung von Mineralien Unter den p r a k t i s c h e n N u t z a n w e n d u n g e n der Beziehung (2) zwischen umgewandelter Stoffmenge m und Zeit t sei die A l t e r s b e s t i m m u n g v o n M i n e r a l i e n angeführt, die uns Auskunft über das M i n d e s t a l t e r der E r d e gibt. Wie aus der Uranzerfallsreihe (S. 568) hervorgeht, geht jedes Uranatom beim radioaktiven Zerfall schließlich in ein inaktives Bleiatom über. Ermittelt man daher in einem Uranmineral analytisch den Gehalt an U r a n b l e i , so lassen sich natürlich mit Hilfe von (2) die A n z a h l J a h r e t berechnen, die zum Zerfall der dieser Bleimenge entsprechenden Uranmenge erforderlich waren. So ergab ζ. B. die Analyse des in Afrika vorkommenden sogenannten Morogoro-Erzes ein Atomverhältnis Pb : U = 0.107. Auf 1 Grammatom Uran sind danach also 0.107 Grammatome Uranblei (entstanden aus 0.107 ursprünglich noch zusätzlich vorhandenen Grammatomen Uran) enthalten, so daß •fr mt

+ 0.107 1

=

1107

ist. Hieraus berechnet sich, da k für Uran den Wert 1.5 Xl0 _ l 0 /Jahr besitzt, nach (2): t =

1

=

680

Millionen Jahre.

H o l l e m a n - W i b e r g , Anorganische Chemie. 47. —56, Aufl.

37

578

Die natürliche E lernentumWandlung

Das untersuchte Erz ist also vor 680 Millionen Jahren durch irgendeinen Schöpfungsakt entstanden 1 . Von den bisher nach der geschilderten Methode untersuchten Mineralien erwies sich als eines der j ü n g s t e n (60Millionen Jahre) der in der oberen Kreide vorkommende Uranit, als eines der ä l t e s t e n (1400 Millionen Jahre) ein im unteren Präkambrium enthaltener Uranit. Das Alter der oberen Kreideformation beträgt somit 60 Millionen Jahre, das der Erde selbst mindestens 1400 Millionen J a h r e z . Statt des B l e i s kann man zur Altersbestimmung von Uranmineralien auch das entwickelte H e l i u m g a s (auf 1 Uranatom entstehen ja bis zur Endstufe Blei 8 Atome Helium) ermitteln, das in vielen Fällen zum überwiegenden Teil innerhalb des Minerals e i n g e s c h l o s s e n bleibt und erst beim Auflösen, Schmelzen oder Erhitzen der gepulverten Erzprobe entweicht (vgl. S. 72,74) und dann aufgefangen und genau gemessen werden kann. Die auf diese Weise gefundenen Alterswerte stimmen mit den nach der „Bleimethode" erhaltenen in allen den Fällen genau überein, in denen während des Zerfalls noch kein Helium nach außen entwichen ist ; andernfalls sind sie naturgemäß etwas kleiner. Zur Altersbestimmung mit radioaktivem Kohlenstoff vgl. S . 590.

d) Radioaktiver Energie-umsatz α) Massenverlust durch Strahlung Wie auf S. 567 erwähnt, ergibt sich aus dem Atomgewicht des Urans und des Heliums für das Endprodukt des radioaktiven Uranzerfalls, das U r a n b l e i , ein Atomgewichtswert 206, der auch experimentell bestätigt wird. Verwendet man nun zur Berechnung die g e n a u e n A t o m g e w i c h t s w e r t e von Uran und Helium, so resultiert eine k l e i n e D i s k r e p a n z . Entsprechend der Abgabe von 8 Heliumatomen (Atomgewicht 4.003) aus dem Uranatom (Atomgewicht 238.07) sollte man nämlich für das Uranblei ein Atomgewicht von 238.07 — 8 X4.003 = 206.05 erwarten, während der experimentelle Wert (gemessen an einem in Dakota gefundenen Uranit) 206.02 beträgt. Das entspricht einem M a s s e n v e r l u s t von 206.05 — 206.02 = 0.03 Atomgewichtseinheiten.

Dieser Massendefekt erhöht sich noch um rund 0.02 Atomgewichtseinheiten, wenn man berücksichtigt, daß das Uran aus drei Isotopen mit den Massenzahlen 234 (0.006°/ 0 ), 235 (0.715%) und 238 (99.279°/ 0 ) besteht, von denen hier nur das s c h w e r s t e Uranisotop 2 ¡ | U in Frage kommt, und daß das gefundene Atomgewicht des Bleis etwas zu g r o ß ausfallen muß, da infolge des Actino-Uran-Zerfalls (S. 568) neben dem Blei-isotop 2 § § P b auch geringe Mengen des Blei-isotops 2 ° | P b entstehen. Die /5-Strahlung, die beim Uranzerfall noch auftritt, kann für diesen Massenverlust nicht verantwortlich gemacht werden, da — wie früher erwähnt — die ausgestrahlten Elektronen als Außenelektronen wieder in die Atomhülle aufgenommen werden. Somit scheinen j e Grammatom Uran rund 50 mg M a s s e s p u r l o s zu v e r s c h w i n d e n . Eine genauere Betrachtung zeigt nun, daß diese Masse in Form der gewaltigen Z e r f a l l s e n e r g i e von insgesamt 50 Millionen e-Volt j e Uranatom wieder erscheint, welche beim Übergang von Uran in Blei frei wird. Nach der früher (S. 12) schon erwähnten EiNSTEiNschen M a s s e - E n e r g i e - G l e i c h u n g

1 Der so erhaltene Alterswert ist etwas zu klein; denn bei genaueren Berechnungen muß man natürlich auch die im radioaktiven Gleichgewicht befindlichen Zwischenprodukte des Zerfalls mit in Rechnung setzen. 2 Das Alter der Sonne wird auf 6000 Millionen, das des Weltalls auf 10000 Millionen Jahre geschätzt.

Die natürliche Radioaktivität

579

entspricht nämlich einer Energiemenge E von 1 Million e-Volt/Atom bzw. 1 Million Faradayvolt/Grammatom ( = ΙΟ6 χ 9.6519 χ IO11 = 9.6519 X IO17 erg) eine Masse m = (9.6519 X IO 17 ): (2.9978 χ IO 10 ) 2 = 0.0011 g oder 1.1 mg je Grammatom. Demnach stellen die 50 Millionen Faradayvolt eine Masse von 55 mg dar, was mit dem experimentell feststellbaren Massenverlust beim Uranzerfall übereinstimmt. Somit erleidet das Uran bei seinem Übergang in Blei außer einem m a t e r i e l l e n Massenverlust von rund 32.02 Atomgewichtseinheiten noch einen e n e r g e t i s c h e n Massenverlust von rund 0.05 Atomgewichtseinheiten. Der Übergang von Radium in Blei ist mit einer Energie-entwicklung von insgesamt 34 Millionen e-Volt je Radiumatom — in Form kinetischer Energie der a- und ^-Teilchen — verknüpft. Diese 34 Millionen e-Volt/Atom bzw. 34 Millionen Faradayvolt/Grammatom entsprechen einer Wärmemenge von (34 χ 10e) Χ 23.062sa 8 X IO8 kcal pro Grammatom Radium, was sich in Übereinstimmung mit der experimentell gemessenen Wärmeentwicklung (S. 671) befindet. Das Massen-Äquivalent dieser Energiemenge beträgt nach (8) 37 mg, welche somit beim Übergang von 1 Grammatom Radium in Blei „verschwinden". ß) Packungsantoil Die Masse eines jeden aus Protonen und Neutronen zusammengesetzten Atomkerns ist k l e i n e r als die Summe der Massen seiner B e s t a n d t e i l e . Die D i f f e r e n z m („Massendefekt") entspricht gemäß der Beziehung (8) der B i n d u n g s e n e r g i e E, welche beim Aufbau des Atomkerns aus den beiden Bausteinen frei wird, und stellt ein Maß für die B e s t ä n d i g k e i t des Atomkerns dar. So beträgt z . B . das Atomgewicht des H e l i u m s 1 |He 4.00384, während sich als Summe der Atomgewichte von 2 W a s s e r s t o f f a t o m e n und 2 N e u t r o n e n der Wert ( 2 x 1 . 0 0 8 1 3 1 ) + ( 2 x 1 . 0 0 8 9 5 ) = 4.03416 ergibt. Der M a s s e n d e f e k t m = 4.03416 —4.00384 = 0.03032 entspricht einer bei der Bildung von Heliumkernen aus Protonen und Neutronen freiwerdenden B i n d u n g s e n e r g i e von 0.03032 χ (2.9978 χ IO 10 ) 2 = 2.725 χ IO19 erg == 6.51 χΙΟ 8 kcal = 28.2 χΙΟ 6 Faradayvolt je Grammatom Helium oder 163 Milliarden kcal je kg Helium 2 (,,W asser stoffbombe") ; S. 580 3 : 2H + 2Nn — H e + 651000000 kcal. (9) Wollte man demnach Heliumkerne in Protonen und Neutronen a u f s p a l t e n , so müßte man dazu den ungeheuren Energiebetrag von 651 Millionen Kilokalorien je Grammatom (4.00384 g) a u f w e n d e n . Dies läßt uns verstehen, warum beim radioaktiven Zerfall H e l i u m k e r n e und nicht dessen B a u s t e i n e ausgeschleudert werden (vgl. S. 566). Offenbar findet ein Aufbau von Atomkernen aus Protonen und Neutronen nach Art der Gleichung (9) auch jetzt noch im Weltall statt, wie die aus dem Weltenraum zu uns dringende „Höhenstrahlung" („Ultrastrahlung", „kosmische Strahlung") schließen läßt. Denn deren erstaunlich hohe Energie von 10» bis 1012 e-Volt/Photon = 10·—101J Faradayvolt je Mol Photonen (entsprechend einer Wellenlänge von 1 0 - ì bis IO-6 XE) läßt sich nur durch kosmische Vorgänge von ähnlich gewaltigem Ausmaß erklären. Manche Forscher nehmen ja sogar an, daß sie ihren Ursprung nicht nur einer teilweisen, sondern sogar einer völligen „Zerstrahlung" von Materie verdanke. Hierbei würden noch gewaltigere Energiemengen frei, da einer Materiemenge von 1 g nach (8) eine Energiemenge von 2.15 X 10 10 kcal ( = 0.931 X 10* Faradayvolt) äquivalent ist, welche der Wärmemenge entspricht, die bei der Verbrennung von 2 1 /, Tausend Tonnen Kohle entwickelt wird. Bei der Erforschung der kosmischen Strahlung wurde 1937 von dem amerikanischen Physiker C. D. A N D E R S O N eine neue Art von Elementarteilchen, das „Meson" („Mesotron", „schweres Elektron") entdeckt, das wie das Elektron eine negative oder positive Ladung, aber eine etwa 200mal („leichtes Meson", „μ-Meson") bis 300mal („schweres Meson", „π-Meson") größere Masse 1 Hier wie im folgenden verwenden wir für die einzelnen Isotopen die — genauer angebbaren — physikalischen (S. 563), d.h. auf ^ O = 16.00000 bezogenen Atomgewichte. 2 Die Spaltung von Urankernen (S. 591 ff.) liefert je kg Uran „nur" den zehnten Teil dieser Energiemenge. a Ein „Zusammenschmelzen" von Wasserstoffkernen zu Heliumkernen („Kernfusion") gelingt beim Erhitzenauf viele Millionen Grad, also ζ. B. im Explosionszentrum einer „Atombombe" (S. 597). 37*

580

Die natürliche Elementumwandlung

als dieses besitzt (Atomgewicht ~ 0.1). Die Mesonen gehen — unter Abgabe des Massenunterschieds in Form von k i n e t i s c h e r E n e r g i e und von N e u t r a l t e i l c h e n 1 — leicht in E l e k t r o n e n a über und besitzen e i n e H a l b w e r t s z e i t von 10~8 (π-Mesonen) bis 10~ e sec (μ-Mesonen). Auf die Erdoberfläche gelangen sie teils u n z e r s e t z t als „harte kosmische Strahlung", teils in Form ihrer Z e r f a l l s p r o d u k t e als „weiche kosmische Strahlung".

Zur Charakterisierung der r e l a t i v e n B e s t ä n d i g k e i t von Atomkernen pflegt man meist nicht den oben definierten M a s s e n d e f e k t m, sondern den „Packungs-

—> MassenzaM Fig. 157. Packungsanteil-Kurve der Elemente

anteil" / anzugeben, worunter man die A b w e i c h u n g v o m g a n z z a h l i g e n A t o m g e w i c h t — ausgedrückt als B r u c h t e i l dieses Atomgewichts — versteht: _ Atomgewicht — Massenzahl Massenzahl.

Fig. 157 gibt die Packungsanteile der einzelnen Elemente in Form einer K u r v e wieder. Als Atomgewichte sind dabei die auf 1 ® O = 16.0000 bezogenen p h y s i k a l i s c h e n A t o m g e w i c h t e zugrundegelegt. J e t i e f e r ein Element in dieser Kurve steht, um so b e s t ä n d i g e r sind seine Atomkerne. Das M a x i m u m d e r S t a b i l i t ä t liegt beim C h r o m (/Cr = —7.9 XlO -4 ). Hervorzuheben ist die im Vergleich zu den Nachbarkernen auffallend große Stabilität des H e l i u m k e r n s , die sich durch eine entsprechende U n s t e t i g k e i t des sonst weitgehend stetigen Kurvenverlaufs zu erkennen gibt. Sie läßt das Auftreten von Heliumkernen beim radioaktiven Zerfall (S. 566) einleuchtend verstehen und bildet die Grundlage zur Entwicklung der „Wasserstoffbombe" (S. 579), welche die bei der Umwandlung von Wasserstoff in Helium freiwerdende ungeheuere Energie — vgl. (9) — „auszunutzen" sucht. 1 Die s c h w e r e n Mesonen geben Neutralteilchen von etwa 100 f acher Elektronenmasse („neutrales Meson", „v-Meson„Ncutretto"), die l e i c h t e n Mesonen Neutralteilchen von kleinerer als Elektronenmasse („Neutrino"; vgl. S. 571) ab. 1 Die s c h w e r e n M e s o n e n wandeln sich zunächst in l e i c h t e M e s o n e n , letztere direkt in E l e k t r o n e n um.

Kapitel XXVII

Die künstliche Elementumwandlung Wie aus den Ausführungen über den Bau der Atomkerne (S. 555ff.) hervorgeht, ist jedes E l e m e n t durch eine ganz b e s t i m m t e Anzahl von Protonen im Kern seiner Atome c h a r a k t e r i s i e r t . Will man daher ein E l e m e n t in ein anderes E l e m e n t verwandeln, so muß man die Zahl der K e r n p r o t o n e n verändern. Vergrößert man sie durch „Hineinschießen" von Protonen in den Kern, so entsteht ein im Periodensystem auf das Ausgangselement folgendes E l e m e n t ; v e r k l e i n e r t man sie durch „Herausbombardieren" von Protonen aus dem Kern, so gelangt man zu einem im Periodensystem weiter links stehenden Grundstoff mit kleinerer Kernladung. Als „Geschosse" dienen zweckmäßig die Atomkerne mit den kleinsten Kernladungen 0 (Neutronen), 1 (Wasserstoffkerne) und 2 (Heliumkerne), da Teilchen mit geringer positiver Ladung besonders leicht in andere, ebenfalls positiv geladene Atomkerne einzudringen vermögen. Doch sind in neuerer Zeit auch mit sechsfach positiv geladenen K o h l e n s t o f f kernen, siebenfach positiv geladenen S t i c k s t o f f kernen und achtfach positiv geladenen Sauerstoffkernen erfolgreiche Elementumwandlungen vorgenommen worden (S. 607f.). Man hat bis heute schon tausende von Kernreaktionen untersucht. Dabei wurden über 1000 verschiedene k ü n s t l i c h e Atomarten gewonnen, so daß man zur Zeit zusammen mit den über 300 n a t ü r l i c h e n Atomarten (S. 559) schon mehr als 1300 verschiedene I s o t o p e der 102 Elemente kennt. Dabei befindet sich diese Zahl noch dauernd im Wachsen. Im folgenden behandeln wir zunächst die Kern-Einzelreaktionen, bei denen jeder „Treffer" nur einen einzigen Elementarakt auslöst. Anschließend werden dann die Kern-Kettenreaktionen besprochen, bei denen nach Art der Chlorknallgas-Reaktion (S. 83) jeder ausgelöste exotherme Elementarakt weitere exotherme Elementarakte zur Folge hat, so daß bei gesteuertem Ablauf eine ständige Entnahme von Energie und Reaktionsprodukten möglich ist („Atomkraftanlage"), während bei ungesteuertem Ablauf eine Explosion von verheerender Wirkung erfolgt („Atombombe").

1. Die Kern-Einzelreaktion Um positiv geladene Helium- oder Wasserstoffkerne mit anderen, mehrfach positiv geladenen Atomkernen in Wechselwirkung zu bringen, muß man ersteren zur Überwindung der bei der Annäherung wachsenden gegenseitigen Abstoßung eine hohe k i n e t i s c h e E n e r g i e mit auf den Weg geben. Im Falle der Heliumkerne liegen Teilchen solcher hohen Energie ζ. B. in den aS t r a h l e n r a d i o a k t i v e r Substanzen vor, deren Energie mehrere Millionen e-Volt — entsprechend einer Anfangsgeschwindigkeit von einigen zehntausend K i l o m e t e r n je Sekunde — beträgt (S. 570). In den Anfangszeiten der Atomzertrümmerung bediente man sich daher dieser natürlichen α-Teilchen zur Beschießung von Atomkernen. Heutzutage ist man nicht mehr auf diese mengenmäßig geringen und energetisch begrenzten radioaktiven Strahlenquellen angewiesen, sondern stellt in Beschleunigungskammern α-Strahlen beliebigen Energieinhalts her. Als besonders zweckmäßig hat sich hierbei das von dem

amerikanischen Physiker

EBNEST LAWRENCE

(1901—-1958)

entwickelte „Cyclotron" erwiesen. Es besteht (Fig. 158) aus zwei halbkreisförmigen, flachen, hohlen Dosen („D-Elektroden"), die in einer evakuierten, zwischen den Polen

Die künstliche Elementumwandlung

582

eines starken Magneten (Magnetpole oberhalb und unterhalb der Papierebene) befindlichen Entladungskammer untergebracht und mit einer hochfrequenten Wechselspannung ( ~ 100 kVolt, ~ 107 Wechsel/Sekunde) verbunden sind. Die im Spalt zwischen den beiden Elektroden bei A erzeugten α-Teilchen (Heliumionen) werden von dem dort herrschenden elektrischen Feld erfaßt und in das Innere einer der beiden Halbdosen gerissen, wo sie — wie in einem Faraday-Käfig dem elektrischen Feld entzogen — unter dem Einfluß des senkrecht zur Papierebene gerichteten homogenen Magnetfeldes einen

Fig. 168.

Wirkungsweise des Cyclotrons (schematisch)

H a l b k r e i s beschreiben. Bei Wiedereintritt in den Spalt zwischen den beiden Halbdosen werden die Teilchen durch das synchron mit der Umlaufzeit sein Vorzeichen wechselnde elektrische Feld nachbeschleunigt und so fort, wobei sich der Krümmungsradius des Halbkreises infolge der wachsenden Geschwindigkeit ständig vergrößert 1 , so daß sich die Teilchen auf einer aus Halbkreisen zusammengesetzten S p i r a l b a h n vom Zentrum wegbewegen, bis sie schließlich nach Erreichen der gewünschten Geschwindigkeit bei Β durch eine Ablenkplatte („Deflektor") aus ihrer Spiralbahn abgelenkt und dem Bestimmungsort zugeführt werden. Die maximale Stromstärke des so erzeugten α-Strahls beträgt bisher 10" 4 Ampere. Zur Emittierung einer dieser Stromstärke entsprechenden α-Strahlen-Intensität wären 10 kg reines Radium erforderlich, da die von 1 g r e i n e m (d. h. von Zerfallsprodukten freiem) Radium je Sekunde emittierte Anzahl von Heliumkernen (vgl. S. 572, 575) einer Stromstärke von rund 10 - 8 Ampere entspricht. Das erste Cyclotron hatte einen Durchmesser von nur 10 cm. Der Durchmesser des zur Zeit modernsten Cyclotrons („Bevatron", California-Universität Berkeley) beträgt 40 m. Es vermag Heliumionen bzw. Protonen von maximal 6 Milliarden e-Volt zu erzeugen. Das zweitgrößte Cyclotron ist das „Cosmotroni" in Brookhaven (USA), mit einer Leistung von 3 Milliarden e-Volt und einem Magnetdurchmesser von 22 m. Zwei weitere Cyclotrone für 400 Millionen e-Volt stehen in Berkeley und Chikago. Der Durchmesser des im E u r o p ä i s c h e n K e r n f o r s c h u n g s i n s t i t u t in Genf („CERN" = Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire) errichten „Proton-Synchrotrons'" (Beschleunigung von Protonen bis auf 25 Milliarden e-Volt) beträgt fast 200 m. Als Ausgangsprotonen dienen bei diesem Cyclotron Waeserstoffkerne, die in einem „Linear· beschleuniger" auf 50 Millionen e-Volt v o r b e s c h l e u n i g t werden.

Wasserstoffkerne benötigen zum Eindringen in andere positiv geladene Atomkerne k e i n e so g r o ß e k i n e t i s c h e E n e r g i e wie Heliumkerne, da sie gegenüber letzteren 1

Die zum Durchlaufen eines Halbkreises erforderliche Zeit ist immer die gleiche, da der größere Krümmungsradius durch die größere Geschwindigkeit kompensiert wird.

Die Kern-Einzelreaktion

583

eine nur h a l b so große p o s i t i v e L a d u n g tragen. Daher genügt zur Kernumwandlung hier schon eine Energie von mehreren h u n d e r t t a u s e n d e-Volt, entsprechend einer Anfangsgeschwindigkeit der Wasserstoffteilchen von einigen t a u s e n d K i l o m e t e r n je Sekunde. J a selbst mit Wasserstoffkernen von nur einigen z e h n t a u s e n d e-Volt Energie konnten, wenn auchmit relativschlechter Ausbeute, Atomumwandlungen beobachtet werden. Als Wasserstoffkerne können sowohl Kerne der Masse 1 (Protonen) wie Kerne der Masse 2 ( D e u t e r o n e n bzw. abgekürzt: D e u t o n e n ) oder 3 (Tritonen) dienen. Die D e u t o n e n und T r i t o n e n sind dabei wegen ihrer größeren Masse w i r k s a m e r als die Protonen. Die D a r s t e l l u n g energiereicher Wasserstoffkerne erfolgt zweckmäßig im C y c l o t r o n (S. 581 f.). Wegen der p o s i t i v e n Ladung von Helium- und Wasserstoffkernen gelingt die Umwandlung eines Atomkerns durch Beschießung mit diesen Geschossen um so schwier i g e r , je h ö h e r die p o s i t i v e K e r n l a d u n g des umzuwandelnden Atoms ist. Keine solche Einschränkung gilt für die Beschießung von Atomkernen mit Neutronen. Diese vermögen auch in die s c h w e r s t e n A t o m k e r n e leicht einzudringen, da sie als ungeladene T e i l c h e n k e i n e A b s t o ß u n g durch die p o s i t i v e n L a d u n g e n des Kerna erfahren. Und selbst ganz „langsame" Neutronen mit Energien bis herab zur Größenordnung von 1 e-Volt (entsprechend einer Geschwindigkeit von immerhin einigen 10 Kilometern je Sekunde) können noch Kernreaktionen auslösen. Als N e u t r o n e n q u e l l e dient dabei im einfachsten Fall ein Gemisch von R a d o n bzw. R a d i u m und B e r y l l i u m p u l v e r (S. 585), während die Erzeugung h ö h e r e r N e u t r o n e n i n t e n s i t ä t e n zweckmäßig durch Einwirkung cyclotron-beschleunigter D e u t o n e n auf D e u t e r i u m (S. 587f.) oder noch vorteilhafter im „Uran-Reaktor" (S. 593ff.) vorgenommen wird. Ähnliche Vorrichtungen wie für die Beschleunigung von α-Teilchen, Deutonen und Protonen wurden auch für die Beschleunigung von E l e k t r o n e n bis zu Energieinhalten von 300 Millionen e-Volt entwickelt („Betatron", „Synchrotron"). Mit ihrer Hilfe rückt die Möglichkeit näher, auch mit Hilfe von ^-Strahlen Kernumwandlungen vorzunehmen, worüber bis jetzt noch wenig bekannt ist. Ebenso dürfte die Erforschung der Mesonen (S. 579f.) aus der Anwendung des Betatrons und Synchrotrons großen Nutzen ziehen (vgl. S. 610). Auch im Europäischen Kernforachungsinstitut in Genf (vgl. S. 582) ist ein solcher Elektronenbeschleuniger großen Ausmaßes („SynchroCyclotron" ; 0.6 Milliarden e-Volt) im Bau.

J e nach der Energie der zur Bombardierung von Atomkernen benutzten Elementarteilchen sind die Ergebnisse der Umsetzung verschieden. Benutzt man Teilchen verhältnismäßig „ g e r i n g e r " E n e r g i e (bis zu einigen 10 Millionen e-Volt), so findet eine e i n f a c h e K e r n r e a k t i o n statt, bei welcher das auftreffende Teilchen absorbiert wird oder ein oder zwei Elementarteilchen aus dem getroffenen Kern herausschießt. Sind dagegen die Projektile sehr energiereich (einige 100 Millionen e-Volt), so erfolgt eine ausgesprochene K e r n z e r s p l i t t e r u n g (engl, „spallation"), bei welcher der beschossene Kern bis zu 40 und mehr Masseneinheiten verlieren kann. Besonders interessant ist noch eine d r i t t e Art der Kernreaktion, die K e r n s p a l t u n g (engl. „fission"), bei welcher der Atomkern in zwei Bruchstücke zerfällt. Sie erfolgt bei den instabilen schweren Kernen häufig schon bei der Bestrahlung mit ganz langsamen Neutronen, bei den stabileren leichten Kernen nur unter der Einwirkung sehr energiereicher Geschosse. Im folgenden seien diese verschiedenen Arten der Kernumwandlung näher besprochen.

a) Die einfache Kernreaktion α) Methoden der Kernumwandlung Kernumwandlung mit Heliumkernen Trifft ein Heliumkern auf einen Atomkern auf, so wird er von diesem im allgemeinen nicht einfach nur „eingefangen" (Beispiel: ^Li -(- *He-> 1 ^B), sondern schleudert beim Aufprall meist zugleich einen Kernbaustein — ein P r o t o n oder ein N e u t r o n — heraus.

Die künstliche Elementumwandlung

584

Emission von Protonen. Wird ein P r o t o n aus dem Atomkern herausgeschleudert, so entsteht aus einem Element E von der Kernladung k und der Masse m ein Element der Kernladung k + 1 und Masse m -f- 3 : •jB + j H e — » - I H + · ; + ; « ,

(i)

weil das herausgeschleuderte Proton von den in Form des Heliumkerns zugeführten 2 Ladungs- und 4 Masseneinheiten 1 Ladungs- und 1 Masseneinheit mit sich führt. Der ä l t e s t e — schon historisch gewordene — Versuch dieser Art wurde im J a h r e 1919 von dem englischen Physiker Lord R U T H E R F O R D (S. 569) durchgeführt und stellt die e r s t e g e g l ü c k t e E l e m e n t v e r w a n d l u n g ü b e r h a u p t dar. R U T H E R F O R D ließ die beim Zerfall von Thorium C ( 2 1 1 Bi) freiwerdenden, sehr energiereichen (6 Millionen e-Volt) α - S t r a h l e n a u f S t i c k s t o f f g a s einwirken. Dabei beobachtete er auf einem dahinter gestellten Leuchtschirm neben den hellen Lichtblitzen der auf den Leuchtschirm auftreffenden Heliumkerne auch s c h w ä c h e r e S z i n t i l l a t i o n e n . Durch exakte mathematische Analyse des Phänomens konnte er zeigen, daß diese schwächeren Lichtblitze von W a s s e r s t o f f k e r n e n herrührten, und er gab diesem Befund die kühne Deutung, daß die beobachteten Wasserstoffteilchen a u s d e n S t i c k s t o f f k e r n e n h e r a u s g e s c h o s s e n worden seien. Die späteren Untersuchungen b e s t ä t i g t e n d i e s e D e u t u n g , und wir müssen heute den Scharfsinn des menschlichen Geistes bewundern, der imstande war, aus dem Aufblitzen einiger weniger Lichtpunkte auf einem Leuchtschirm die Lösung eines so uralten Rätsels und Wunschtraums der Menschheit, der künstlichen Elementverwandlung, abzuleiten. Entsprechend der allgemeinen Gleichung (1) entsteht bei der Beschießung von Stickstoff mit Heliumkernen neben Wasserstoff auch S a u e r s t o f f vom Atomgewicht 17 : 14

7 Ν+|ΗΘ

—»ÍH+l¡0.

(2)

Das Einfangen des α-Teilchens und die Entstehung zweier neuer Kerne können dabei dem Auge direkt s i c h t b a r g e m a c h t werden: Läßt man den Vorgang sich in einer mit g e s ä t t i g t e m W a s s e r d a m p f gefüllten Kammer („WILSON-Kammer") abspielen, in der man durch p l ö t z l i c h e E x p a n s i o n ( A b k ü h l u n g ! ) einen vorübergehenden Zustand der Ü b e r s ä t t i g u n g erzeugt, so wirken die längs der fH Bahn der Atomtrümmer durch Zusammenstoß mit \ Gasmolekülen erzeugten I o n e n (vgl. S. 573) als K o n densationskerne für W a s s e r t r ö p f c h e n . Bei geeigneter B e l e u c h t u n g kann man daher die "θ Bahnen als w e i ß e N e b e l - l i n i e n auf dunklem Hintergrund sehen oder photographieren. Auf solchen Zusammenpra// ^^ „Nebelaufnahmen" finden sich nun (Fig. 159) gem» «W-titom legentlich Bahnen von Heliumkernen, die an einer % % Stelle p l ö t z l i c h a b b r e c h e n (Einfangen des Teilchens durch einen Stickstoffkern), während gleichzeitig zwei n e u e B a h n s p u r e n von dieser Stelle ausgehen : eine dünne Spur des ausgeschleuderten Wasserstoffkerns und eine kräftige Spur des Sauerstoffkerns. Eine Analyse der Impulsbedingungen bei Fig. 159. WILSON-Aufnahme der Gabelung ergibt dabei in Übereinstimmung mit einer Kernumwandlung durch «-Teilchen der obigen Reaktionsgleichung (2) die Massen 1 und 17.

\ \/

¿

Eine solche Atomumwandlung findet allerdings bei Verwendung von α-Strahlen aus natürlichen radioaktiven Quellen nur ä u ß e r s t selten statt. Von 100000 α-Teilchen stößt durchschnittlich nur ein einziges in geeigneter Weise mit einem Stickstoffkern zusammen. Daher ist

585

Die Kern-Einzelreaktion

auch eine c h e m i s c h e I s o l i e r u n g und C h a r a k t e r i s i e r u n g der bei der Kernreaktion (2) entstehenden Elemente Wasserstoff und Sauerstoff n i c h t m ö g l i c h , wie folgende Überschlagsrechnung zeigt: 1 g Radium entwickelt pro J a h r 167 mm® Helium (S. 572). Erzeugte j e d e s Heliuma t o m ein Wasserstoff- und ein Sauerstoffatom, so entstünden — da dann auf 2 Heliumatome 1 Wasserstoff- und 1 Sauerstoffmolekül entfielen — in 1 J a h r je rund 80 mm* Wasserstoff und Sauerstoff. Da aber von 100000 Heliumkernen nur e i n e r wirksam ist, entwickeln sich bei einer einjährigen Bestrahlung von Stickstoff m i t 1 g Radium nur 80 : 100000 = 0.0008 mm 3 (d. h. rund i/,ooo Kubikmillimeter!) Wasserstoff und Sauerstoff. Demgegenüber ist bei Verwendung c y c l o t r o n - b e s c h l e u n i g t e r α-Teilchen infolge der höheren cx-Strahlen-Intensität und der vermehrten Trefferausbeute die Gewinnung wägbarer Mengen von Kernreaktionsprodukten in erträglichen Reaktionszeiten durchaus möglich (vgl. Anmerkung 1, S. 604).

In derselben Weise, in der man Stickstoff durch Bombardieren mit «-Strahlen in Sauerstoff überführen kann, kann man gemäß der allgemeinen Reaktionsgleichung (1) ζ. B. auch Lithium in Beryllium, Bor in Kohlenstoff, Fluor in Neon, Natrium in Magnesium, Magnesium in Aluminium, Aluminium in Silicium, Silicium in Phosphor, Phosphor in Schwefel oder Calcium in Scandium umwandeln. Die Gesamtzahl bisher festgestellter derartiger Fälle beträgt über 30. Emission von Neutronen. Bei der Bombardierung von Atomkernen mit Heliumkernen können statt Protonen auch N e u t r o n e n herausgeschossen werden. In diesem Falle entsteht aus dem Element E von der Kernladung k und der Masse m ein Element von der Kernladung k + 2 und der Masse m + 3 : m > i^a + 1 + lE. (3) tE + \He Eine besonders wichtige Reaktion dieser Art ist die Umsetzung zwischen H e l i u m und Berylliumkernen, die zur Bildung von N e u t r o n e n und K o h l e n s t o f f führt: 5Be + p i e

>- JNn +

1

jjC.

(4)

Sie dient als besonders einfache und ergiebige Neutronenquelle zur L a b o r a t o r i u m s d a r s t e l l u n g v o n N e u t r o n e n für weitere Atomumwandlungen (S. 588). Und zwar benutzt man zu diesem Zwecke ein in ein Glasröhrchen eingeschmolzenes Gemisch von α-strahlendem R a d i u m oder R a d o n und metallischem B e r y l l i u m p u l v e r („Neutronenkanone"). Die gebildeten Neutronen, die eine maximale kinetische Energie von 7.8 Millionen e-Yolt (entsprechend einer Anfangsgeschwindigkeit von 39000 km/sec) besitzen, d u r c h d r i n g e n als ungeladene Teilchen l e i c h t d a s G l a s (vgl. unten und S. 583) und können so zur Einwirkung auf außerhalb des Glasröhrchens befindliche Materie gebracht werden. Bei der Durchführung der Reaktion (4) wurden die Neutronen im J a h r e 1930 von den deutschen Physikern W. B O T H E und H . B E C K E R erstmals e n t d e c k t . Allerdings hielten die beiden Forscher die Neutronenstrahlung wegen ihres großen Durchdringungsvermögens zunächst für eine e n e r g i e r e i c h e y - S t r a h l u n g . Der englische Physiker J . CHADWICK zeigte d a n n im J a h r e 1932, d a ß es sich in Wirklichkeit u m u n g e l a d e n e T e i l c h e n v o n d e r M a s s e l (genaues physikalisches Atomgewicht: 1.00895) handelt, denen er den Namen „ N e u t r o n e n " gab. Die Neutronen sind i m freien Zustande r a d i o a k t i v und zerfallen mit einer Halbwertszeit von 12.8 Minuten unter ^-Strahlung in Protonen. Entsprechend der Kernladung 0 ist das Neutron im Periodensystem v o r d e m W a s s e r s t o f f einzureihen. Da es k e i n e A u ß e n e l e k t r o n e n besitzt und daher auch keine c h e m i s c h e n V e r b i n d u n g e n einzugehen in der Lage ist, ist es c h e m i s c h i n a k t i v (vgl. S. 145ff.) und dementsprechend in die G r u p p e d e r E d e l g a s e einzuordnen (vgl. S.68). A l s E l e m e n t ( „ i T e a tronium") wird es durch das Symbol Nn, als K e r n b e s t a n d t e i l („Neutron") gewöhnlich durch das Symbol η gekennzeichnet. In analoger Weise werden Wasserstoff und Helium als E l e m e n t e durch die Symbole Η und He, als K e r n b a u s t e i n e meist durch die Symbole ρ (Proton) und α (αTeilchen) zum Ausdruck gebracht.

Gemäß der durch Gleichung (3) wiedergegebenen Atomumwandlungsmethode kann man ζ. B. Lithium in Bor, Bor in Stickstoff, Kohlenstoff in Sauerstoff, Stickstoff in Fluor, Fluor in Natrium, Natrium in Aluminium, Magnesium in Silicium, Aluminium in Phosphor, Silicium in Schwefel, Phosphor in Chlor oder Kalium in Scandium über führen. Insgesamt kennt man bereits über 100 solcher Kernreaktionen.

586

Die künstliche Elementumwandlung

K e r n u m w a n d l u n g m i t W a s s e r s t o f f kernen Wegen der geringeren erforderlichen kinetischen Energie (vgl. S. 582 f.) können die Wasserstoffkerne zum Unterschied von den Heliumkernen durch fremde Kerne häufig nur e i n g e f a n g e n werden, ohne daß es zur Emission irgendwelcher Kernbestandteile kommt. Andererseits können aber auch wie bei der Beschießung mit Heliumkernen Kernbausteine des bombardierten Atomkerns — Heliumkerne, Wasserstoffkerne, Neutronen — herausgeschossen werden. Einfangen von Wasserstoffkernen. Bei der e i n f a c h e n A u f n a h m e von Wasserstoffkernen entsteht entsprechend der Vermehrung der positiven Kernladung um 1 Einheit das im Periodensystem auf das Ausgangselement folgende Element : ,Λ +

x

H



(

5

)

Die Masse dieses Elements ¿ + 1 E ist je nachdem, ob Protonen oder Deutonen zur Anwendung gelangen, um 1 oder 2 Einheiten größer als die des ursprünglichen Grundstoffs (IE

+ JH - + Z Ì Ì E · ,

iE

+ ÎH — >

1XÌE).

So kann man auf diese Weise ζ. B. Lithium in Beryllium, Beryllium in Bor, Kohlenstoff in Stickstoff, Fluor in Neon oder Silicium in Phosphor umwandeln. Rund 20 derartige Reaktionen sind bis heute bekannt. Emission von α-Teilchen. Werden bei der Beschießung von Atomkernen mit Wasserstoffkernen H e l i u m k e r n e aus den Atomkernen herausgeschossen, so haben wir eine Umkehrung der Kernreaktion (1) vor uns: iE

+ 1H—»,Ηβ

+ ,.,Λ.

(6)

Die Masse des entstehenden, im Periodensystem links vom Ausgangselement stehenden Grundstoffs ist um 3 oder 2 Einheiten kleiner als die des ursprünglichen Elements (mkE + ÎH —>- aHe +

iE + ?H —>- ¿He + 1~\e).

Ein Beispiel für diesen

Reaktionstypus ist die Umwandlung von L i t h i u m in H e l i u m : ¡Li + Ì H

¿He + ¿He.

(7)

Daß diese Reaktion nicht dazu dienen kann, um Helium in meßbaren Mengen aus Lithium und Wasserstoff zu erzeugen, sei wieder an Hand eines Z a h l e n b e i s p i e l s erläutert: Wendet man bei der Reaktion (7) Protonen mit einer Energie von 200000 e-Volt an, so dringt unter rund 100 Millionen Wasserstoffkernen nur ein einziger in einen Lithiumkern ein. Dies ist nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, daß es sich — um einen früher (S. 135) gebrauchten Vergleich heranzuziehen — darum handelt, in einem Raum von 1000 Kubikmetern ein bestimmtes Kubikmillimeter zu treffen, ohne zu zielen! Würde man einen Protonenstrom von 1 Milliampere Stärke (das ist die obere zur Zeit in Atomumwandlungs-Apparaturen erreichbare Grenze) ein ganzes J a h r lang auf Lithium richten, so entstünde in diesem Zeitraum nicht viel mehr als Vio Kubikmillimeter Helium! An eine Umwälzung unserer S t o f f W i r t s c h a f t durch das Verfahren der Beschießung von Atomkernen mit P r o t o n e n oder D e u t o n e n ist also wie im Falle der Beschießung von Atomkernen mit H e l i u m k e r n e n (S. 684f.) nicht zu denken. Gleiches gilt für die Frage einer etwaigen Umgestaltung unserer E n e r g i e w i r t s c h a f t durch die obigen Arten der Kernumwandlung. Zwar liefert der einzelne Kernvorgang (7) für je 200000 e-Volt aufgowandter Energie insgesamt 17 Millionen e-Volt in Form kinetischer Energie der beiden entstehenden Heliumatome. Da aber 100 Millionen Wasserstoffkerne von 200000 e-Volt Energie notwendig sind, um diese 17 Millionen e-Volt zu erzeugen, muß i n s u m m a zur Gewinnung einer bestimmten Energiemenge doch ein millionenmal größerer Energiebetrag aufgewendet werden. Im Gegensatz dazu haben die durch N e u t r o n e n ausgelösten K e r n - K e t t e n r e a k t i o n e n (S. 693 fi.) eine weitgehende Umwälzung der Stoff- und Energieerzeugung eingeleitet.

Eine der Reaktion (7) ganz entsprechende Reaktion gibt das l e i c h t e r e Lithiumisotop mit Deutonen : «Li + f H — ^ « H e - M H e .

(8)

Die dabei gebildeten «-Teilchen besitzen eine h ö h e r e k i n e t i s c h e E n e r g i e (11 Mil-

Die Kern-Einzelreaktion

587

lionen e-Volt je Teilchen) als a l l e a u s n a t ü r l i c h e n r a d i o a k t i v e n P r o z e s s e n stammenden Λ-Strahlen. Sonstige Beispiele f ü r den R e a k t i o n s t y p u s (6) sind die U m w a n d l u n g e n von Beryllium in Lithium, Bor in Beryllium, Kohlenstoff in Bor, Stickstoff in Kohlenstoff, Fluor in Sauerstoff, N a t r i u m in Neon, Magnesium in N a t r i u m , Aluminium in Magnesium oder Silicium in Aluminium. Die Gesamtzahl der bisher festgestellten Fälle dieser Art beträgt über 50. Emission von Protonen. W e r d e n bei der Beschießung m i t Wasserstoffkernen W a s s e r s t o f f k e r n e a u s anderen Atomkernen herausgeschossen, so k o m m t es naturg e m ä ß n i c h t zu einer E l e m e n t u m w a n d l u n g , d a bei der K e r n r e a k t i o n die Zahl der K e r n p r o t o n e n in den Atomen des b o m b a r d i e r t e n E l e m e n t s u n v e r ä n d e r t b l e i b t : ι E + jH

jH + kE.

(9)

Wohl aber geben solche Kernprozesse zur Bildung i s o t o p e r K e r n e Veranlassung, wenn die aufgenommenen u n d abgegebenen Wasserstoffkerne v e r s c h i e d e n e M a s s e h a b e n . B o m b a r d i e r t m a n beispielsweise E l e m e n t e m i t Deutonen u n d werden dabei P r o t o n e n emittiert, so gelangt m a n zu Isotopen m i t einer u m 1 E i n h e i t größeren Masse Ì H + m + ÌE). Ein besonders interessanter Fall dieser Art liegt bei der K e r n r e a k t i o n *H + ?H — ^ »H + »H

(10)

vor, bei der ein W a s s e r s t o f f i s o t o p m i t der M a s s e 3 („Tritium" T) e n t s t e h t , das m i t einer Halbwertszeit von 12.262 J a h r e n u n t e r /9-Strahlung in ¡ H e (s. auch unten) ü b e r g e h t 1 . I n analoger Weise lassen sich Lithium, Beryllium, Bor, Kohlenstoff, Stickstoff, N a t r i u m oder Aluminium in schwerere Isotope verwandeln. Insgesamt k e n n t m a n bereits ü b e r 160 Fälle dieser A r t . Emission von Neutronen. Die B o m b a r d i e r u n g von Atomkernen mit Wasserstoffkernen u n t e r Emission von N e u t r o n e n f ü h r t zur Bildung von E l e m e n t e n , die im Periodensystem rechts v o m Ausgangselement s t e h e n : iE

+

1

K

0

i i n

+

i + 1E.

(11)

J e nach der Anwendung v o n P r o t o n e n oder Deutonen ist die Masse dieses E l e m e n t s k + iE gleich der Masse des Ausgangselements (™E + Î H —>- ¿Nn -+- ¿ +"E) oder u m 1 Einheit größer + jH >~ ¿Nn + ™ +Î-ë)· Gelegentlich werden auch 2 N e u t r o n e n ausgeschleudert (über 90 bisher b e k a n n t e Fälle). Eine besonders interessante R e a k t i o n der Art (11) ist die U m s e t z u n g von D e u t o n e n mit Wasserstoffatomen der Masse 2 : ÎH + ÏH

>- JNn + »Ho,

(12)

welche zur Bildung von H e l i u m m i t dem A t o m g e w i c h t 3 f ü h r t . Ein solches Helium wäre ein idealer Füllstoff f ü r Gasballons u n d Luftschiffe, da es als Heliumisotop ebenso u n e n t f l a m m b a r u n d reaktionsträge wie das gewöhnliche Helium u n d dabei u m 2 5 % leichter als dieses ist. Wegen der kleinen Ausbeuten bei künstlichen E l e m e n t u m w a n d lungen (vgl. S. 584f., 586) ist aber a n eine p r ä p a r a t i v e Auswertung von Gleichung (12) vorerst noch nicht zu denken. Dagegen l ä ß t sich die R e a k t i o n (12) als ergiebige k ü n s t l i c h e — d . h . von radioaktiven Stoffen unabhängige — N e u t r o n e n q u e l l e 1 Die physikalischen Eigenschaften des leichteren Heliumisotope weichen merklioh von denen des schwereren ab: krit. Temp. Sdp. Dichte (1—3°K) »He 3.34° Κ 3.20«Κ 0.08 g/om3 «He 5.20°Κ 4.21°K 0.14 g/om3.

588

Die künetliohe Elementumwandlung

(vgl. S. 583) benutzen. So kann man auf diesem Wege mit dem Cyclotron unter günstigen Bedingungen Neutronenintensitäten schaffen, die sonst nur ein Gemisch von 100 kg Emanation und Beryllium ergeben würde. Die Energie der Neutronen kann dabei bis auf 20 Millionen e-Yolt gesteigert werden. Als weitere Beispiele für den Reaktionstypus (11) seien erwähnt: die Umwandlung von Lithium in Beryllium, Beryllium in Bor, Bor in Kohlenstoff, Kohlenstoff in Stickstoff, Stickstoff in Sauerstoff, Sauerstoff in Fluor, Fluor in Neon, Natrium in Magnesium oder Aluminium in Silicium. Die Gesamtzahl der bisher bekannten Fälle der Art (11) beträgt über 230. K e r n u m w a n d l u n g mit Neutronen Einfangen von Neutronen. Erfolgt bei der Beschießimg eine e i n f a c h e A u f n a h m e des Neutrons durch den bombardierten Kern, so entsteht ein Isotop des ursprüngliehen Elements E : ^ + ^ „+ ^ (13) Diese Art der Atomumwandlung ist heute bei f a s t jedem Element bekannt (festgestellt wurden bisher über 220 derartige Reaktionen) und gelingt naturgemäß besonders leicht mit l a n g s a m e n Neutronen. Solche Neutronen geringer Energie entstehen, wenn man schnelle Neutronen durch W a s s e r H 2 0 oder festes P a r a f f i n CmHn hindurchtreten läßt, wobei sie infolge elastischer Zusammenstöße mit Wasserstoffkernen ihre Energie vermindern. In gleicher Weise entsteht ein Isotop (Masse m — 1) des beschossenen Elements, wenn 2 Neutronen herausgeschleudert werden (über 80 bisher bekannte Fälle). Das aufprallende Neutron muß dabei mindestens eine Energie von 8 Millionen e-Volt besitzen, da die Bindungsenergie des Neutrons in den meisten Kernen rund 8 Millionen e-Volt beträgt. Für das Herausschießen von Fig. 160. WILSON3 Neutronen ist dementsprechend eine Mindestenergie des Neuσ Aufnahme emer , i , •• ,. , η T t r o n s v o n 1 6 Millionen e-Volt erforderlich. Kernumwandlung durch Neutronen Emission von Protonen. Werden bei der Bombardierung mit Neutronen Protonen aus dem Atomkern herausgeschossen, so entsteht in Umkehrung des Reaktionstypus (11) der im Periodensystem vor dem Ausgangselement stehende Grundstoff: mtE

+ l Nn

(14)

Auf diese Weise kann man ζ. B. Stickstoff in Kohlenstoff, Fluor in Sauerstoff, Natrium in Neon, Magnesium in Natrium, Chrom in Vanadin, Eisen in Mangan, Nickel in Kobalt, Zink in Kupfer, Palladium in Rhodium umwandeln usw. Über 90 derartige Umwandlungen sind bis heute bekannt. Emission von α-Teilchen. Das Herausschießen von H e l i u m k e r n e n führt in Umkehrung des Reaktionstypus (3) zur Bildung eines im Periodensystem zwei Stellen vor dem Ausgangsstoff stehenden Elements: m

kE

+ JNn

«He +

m

kZ\E.

(15)

So entsteht aus Phosphor Aluminium, aus Chlor Phosphor, aus Scandium Kalium, aus Mangan Vanadin, aus Kobalt Mangan, aus Thorium Radium usw. (Gesamtzahl der bisher festgestellten Fälle über 50). Da die Neutronen als u n g e l a d e n e T e i l c h e n die Atome eines Gases frei durchfliegen, ohne sie zu ionisieren, offenbaren sie in einer WILSON-Kam mer ihre Anwesenheit nur bei der K o l l i s i o n mit einem a n d e r e n A t o m k e r n . Die bei diesem Zusammenstoß gebildeten zwei Atomtrümmer machen sich durch das plötzliche Erscheinen zweier von einem Punkte ausgehender N e b e l s p u r e n bemerkbar (Fig. 160), während die Bahn des auftreffenden Neutrons u n s i c h t b a r bleibt.

Die Kern-Einzelreaktion

589

Kernumwandlung mit y-Strahlen Auch s e h r k u r z w e l l i g e y - S t r a h l e n — wie die des Thorium C" ( 2 j j f T l ) mit einer Energie von 2.6 Millionen e-Volt — können A t o m u m w a n d l u n g e n bewirken („Kernphotoeffekt"). E s h a n d e l t sieh hier u m die U m k e h r u n g der R e a k t i o n s t y p e n (5) u n d (13), die j a wie alle exothermen K e r n r e a k t i o n e n s t e t s m i t der gleichzeitigen Emission von y - S t r a h l u n g v e r k n ü p f t sind. E r w ä h n t sei hier etwa die A u f s p a l t u n g von D e u t o n e n in N e u t r o n e n u n d P r o t o n e n : ? H+»Av

>- 5Nn + J H .

Noch wirksamer ist die bei k ü n s t l i c h e n A t o m u m w a n d l u n g e n freiwerdende y-Strahlung, deren Energie bis zu r u n d 20 Millionen e-Volt ansteigen k a n n . Mit ihr gelingt a u c h die Z e r t r ü m m e r u n g b e s o n d e r s s t a b i l e r Atomkerne wie etwa des Silbers: 'SIAg + SA*—>• l N n + 'J? Ag. Ü b e r 80 derartige U m w a n d l u n g e n sind bis h e u t e b e k a n n t . ß) Die künstliche Radioaktivität Die bei der Beschießung von E l e m e n t e n mit Heliumkernen, Wasserstoffkernen, N e u t r o n e n oder y-Strahlen entstehenden neuen Elemente sind in der Mehrzahl der Fälle n i c h t b e s t ä n d i g , sondern r a d i o a k t i v („künstliche Radioaktivität"). Der e r s t e Fall einer derartigen künstlichen R a d i o a k t i v i t ä t wurde im J a h r e 1934 von dem Forscherehepaar IRÈNE CURIE (1897—1956) und FRÉDÉRIC JOLIOT (1900—1958) beobacht e t . Sie fanden, d a ß die bei der Beschießung von A l u m i n i u m m i t α - S t r a h l e n des Poloniums entstehenden P h o s p h o r a t o m e : î j Al + £ He

^ ÌNn+ÌgP

u n t e r Abgabe von P o s i t r o n e n m i t einer Halbwertszeit von 2.55 min zerfallen : 3 οP ? o Si + oe+.

radioaktiv

Daß die Positronenstrahlung in der Tat von radioaktiven Phosphoratomen ausging, konnte chemisch dadurch bewiesen werden, daß die Strahlung beim Auflösen des verwendeten Aluminiumblechs in Salzsäure (Al + 3H' >- Al'" + 3H) nicht in die Lösung, sondern in das entstehende Gas (P + 3 H >- PH3) überging und daß beim Lösen des aktivierten Aluminiums l in Salpetersäure (2 Ρ + 2 / a O a + 3HaO >- 2H S P0 4 ) und Zusatz von etwas Phosphat und Zirkonsalz die Radioaktivität quantitativ mit dem ausfallenden Zirkonphosphat aus der Lösung entfernt wurde. Seitdem sind zahllose weitere Fälle von künstlicher R a d i o a k t i v i t ä t a u f g e f u n d e n worden (S. 581), so d a ß m a n h e u t e von j e d e m der 102 b e k a n n t e n E l e m e n t e mindestens e i n , gewöhnlich sogar m e h r e r e radioaktive Isotope k e n n t . Die meisten künstlich gewonnenen r a d i o a k t i v e n E l e m e n t e zerfallen d a b e i entweder u n t e r Ausstrahlung von p o s i t i v e n oder u n t e r Ausstrahlung von n e g a t i v e n E l e k t r o n e n 1 . E i n e Emission von H e l i u m k e r n e n wie bei den natürlichen radioaktiven E l e m e n t e n wurde bisher, abgesehen von den schweren Elementen, n u r ganz vereinzelt beobachtet (ζ. B. | B e — > • I H e + ^ H e ) ; u m g e k e h r t ist der Zerfall u n t e r Bildung von P o s i t r o n e n n u r bei den k ü n s t l i c h e n radioaktiven Substanzen b e k a n n t . Ob ein p o s i t i v e s oder ein n e g a t i v e s Elektron ausgestrahlt wird, h ä n g t davon ab, ob in dem durch Beschießen gewonnenen neuen Atomkern das Verhältnis von P r o t o n e n z u N e u t r o n e n oder das Verhältnis von N e u t r o n e n z u P r o t o n e n gegenüber dem stabilen Zahlen Verhältnis z u g r o ß ist (vgl. S. 558 f.). So sind z.B. d i e d u r c h E i n 1

Der Ausstrahlung von Positronen ist die Aufnahme von Negatronen aus der K-Schale der Elektronenhülle („K-EinfaDg") energetisch äquivalent. In beiden Fällen wandelt sich das radioaktive Element in das im Periodensystem da vorstehende Element um. So geht z.B. das radioaktive Kaliumisotop }JK (vgl. S. 569) durch K-Einfang in das natürliche, beständige Argonisotop '"Ar über.

590

Die künstliche Elementumwandlung

f a n g e n v o n N e u t r o n e n gebildeten radioaktiven Elemente stets „negatronenaktiv", indem die vermehrte Neutronenzahl durch Übergang von Neutronen in Protonen (n—>- ρ + e~) wieder verringert wird. Umgekehrt sind die durch P r o t o n e n a u f n a h m e entstehenden radioaktiven Kerne „positronenaktiv", indem sie sich durch Übergang von Protonen in Neutronen ( p — v n + e+) stabilisieren. Die G e s c h w i n d i g k e i t des radioaktiven Zerfalls folgt in beiden Fallen den beim n a t ü r l i c h e n r a d i o a k t i v e n Z e r f a l l besprochenen Zerfallsgesetzen (S. 575f.). Die künstlichen radioaktiven Elemente erweitern in willkommener Weise die Zahl der f ü r radioaktive I n d i k a t o r z w e c k e (S. 574f.) brauchbaren Grundstoffe. So kann man mit ihrer Hilfe den Weg und das Schicksal zahlreicher in den Organismus eingeführter Elemente an Hand der ausgesendeten Strahlung leicht verfolgen (vgl. S. 561 f., 574f.). Als besonders wertvoll haben sich dabei die radioaktiven Isotopen J H (Halbwertszeit 12.262 J a h r e ) , 1 ¿C 1 (5.570 Χ10 3 Jahre), ? ¡ P (14.30Tage), ¡ ¡ S (87.1 Tage), f ¿Ca (164 Tage), jj «Fe (45.1 Tage), ¡ ;>Zn (245 Tage), | »Sr (54Tage) und 1 ^ J (8.06 Tage) erwiesen. Mit ihrer Hilfe ist es möglich, chemische, analytische, biochemische, physiologische, medizinische, agrikulturchemische Probleme wie z. B. innermolekulare Umlagerungen, Stoffwechselreaktionen, Wirkungsweisen von chemischen Heilmitteln, von Bakterien, von Spurenelementen usw. zu studieren und aufzuklären (vgl. I I , S. 54, 90, 211f., 278, 321, 417, 473, 485). Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang auch die Verwendung des Kohlenstoffisotops ^C zur Altersbestimmung historischer und prähistorischer Gegenstände („Kohlenstoff-Uhr"). Unter der Einwirkung der kosmischen Strahlung (S. 579), die Stickstoff in Kohlenstoff umzuwandeln vermag (vgl. Amn. 1), hat sich in der Atmosphäre im Laufe der Jahrmillionen eine Gleichgewichtskonzentration von 14C02 eingestellt. Sie entspricht 1614C-Atom-Zerfällen je g Kohlenstoff pro Minute, ist also außerordentlich gering. Analoges gilt für die Pflanzen, die bei der Assimilation, und für die Tiere, die bei der Pflanzenaufnahme die Gleichgewichtskonzentration von MC in sich aufnehmen. Sobald nun ein lebender Organismus stirbt, vermag er keinen neuen radioaktiven Kohlenstoff mehr aufzunehmen. Damit sinkt die 14C-Aktivität nach Ablauf von 5570 Jahren auf die Hälfte (Zerfall von 8 14C-Atomen je g Kohlenstoff pro Minute), nach Ablauf von 11140 Jahren auf ein Viertel (Zerfall von 4 14C-Atomen) usw. Umgekehrt kann man somit aus dem Maß der in einem abgestorbenen Organismus (z. B. der Holzplanke eines alten Schiffes, den Knochenresten eines prähistorischen Tieres) noch vorhandenen 14C-Aktivität zurückrechnen, zu welchem Zeitpunkt er noch volle Aktivität besaß, d. h. wann er gestorben ist. Auf diese Weise ist eine experimentelle Überprüfung geschichtlicher und vorgeschichtlicher Zeitangaben (Altersbestimmungen zwischen 400 und 30000 Jahren) möglich. So ergab etwa die Untersuchung eines Plankenstücks des großen Leichenschiffs des Königs Sesostris III. von Ägypten (1887—1849 v. Chr.) ein Alter, das nur um wenige Prozente von dem wahren Alter abwich.

Über die vorgenannten Anwendungen hinaus gewinnen die künstlichen radioaktiven Isotopen als S t r a h l u n g s q u e l l e n zunehmende m e d i z i n i s c h e Bedeutung, da sie gegenüber den n a t ü r l i c h e n radioaktiven Stoffen den Vorteil leichterer Dosierbarkeit und größerer Billigkeit besitzen und zudem im Organismus verbleiben können, weil sie bei ihrem Abklingen in harmlose Stoffe übergehen. Erwähnt seien hier das aus gewöhnlichem Natrium ( f f Na) durch Neutronenbeschuß gewinnbare „Radio-Natrium," \ ^Na, das mit einer Halbwertszeit von 15.0 Stunden in Magnesium übergeht ( f * N a — > • fa Mg + _Je~ + γ) und der aus normalem Phosphor (? £Ρ) durch Neutronenbeschuß erhältliche „Radio-Phosphor" ® ¡ P , welcher mit 14.30 Tagen Halbwertszeit in normalen Schwefel zerfällt ( ® § P — • 3 2g + _ o e - + y ). Erleichtert wird diese Verwendung radioaktiver Isotopen in der wissenschaftlichen Forschung durch die Tatsache, daß diese Stoffe heutzutage nicht nur in der Größenordnung von M i k r o g r a m m e n und M i l l i g r a m m e n , sondern auch von G r a m m e n oder in manchen Fällen sogar von K i l o g r a m m e n gewinnbar sind (S. 593ff.). 1 Die Reindarstellung von 1JC erfolgt zweckmäßig durch Einwirkung von Neutronen auf Stickstoff: ! + jNn ^ i H + liC-

Die Kern-Einzelreaktion

591

b) Die Kernzersplitterung Wesentlich eingreifender als die bisher besprochenen e i n f a c h e n K e r n r e a k t i o n e n sind die Umwandlungen, die sich bei der Einwirkung von Geschossen s e h r h o h e r E n e r g i e (einige 100 Millionen e-Volt) abspielen. Die Beschießung irgendwelcher Elemente des Periodensystems führt in diesem Falle durchweg zu einer überaus großen Anzahl radioaktiver Reaktionsprodukte, deren Ordnungszahl sich häufig über einen Bereich von 10—20 Einheiten erstreckt und deren Massenzahl oft um 20—50 Einheiten von der des Ausgangselements abweicht. So befindet sich unter den zahlreichen Reaktionsprodukten der Beschießung von A r s e n ¡^As mit α-Teilchen von 400 Millionen e-Volt beispielsweise das 37-Minuten-Chlorisotop ^ C l , dessen Kernladungszahl um 16 und dessen Massenzahl um 37 Einheiten kleiner als die des Ausgangskerns ist. Die Bestrahlung von K u p f e r e 3 ' | | C u mit Deutonen von 200 und Heliumkernen von 400 Millionen e-Volt ergab bisher allein in der M a n g a n f r a k t i o n Manganisotope der Massenzahl 51 bis 56. Bei der Bestrahlung von E i s e n ( 2 β Fe) mit Protonen von 340 Millionen e-Volt wurden bisher schon zahlreiche radioaktive Isotope der Elemente Natrium (ζ. Β. \ \ Na und \ \ Na) bis K o b a l t (ζ. B. Co und \ $ Co) aufgefunden. Daraus geht hervor, daß die Einwirkung von Partikeln sehr hoher Energie Kernzertrümmerungen zur Folge hat, bei denen Dutzende von Protonen und Neutronen — als solche oder als leichte Atomkerne — emittiert werden. Besonders leicht finden solche weitgehenden Kernzertrümmerungen bei den instabileren s c h w e r e n Elementen statt. So genügen bereits Deutonen von 50Millionen e-Volt, um aus U r a n 2 3 5 , 2 ® U Isotope wie 2 J ί At zu machen, die sich um nahezu 10 Protonen und 20—30 Masseneinheiten vom Ausgangselement unterscheiden. Geradezu unübersehbar wird in solchen Fällen die Schar der gebildeten Kerntrümmer bei Anwendung von Geschossen höchster Energien. Beispielsweise liefert das U r a n bei der Beschießung mit α-Teilchen von 400 Millionen e-Volt nach den bisherigen Feststellungen Isotope aller Elemente zwischen den Ordnungszahlen 25 und 92, wobei die Elemente oberhalb der Ordnungszahl ~ 70 (Massenzahl > ~ 180) offensichtlich durch Kernzersplitterungsreaktionen der eben beschriebenen Art entstehen, während die Elemente unterhalb dieser Ordnungszahl (Kernladungszahlen 46 ¿ ~ 20 ; Massenzahlen 120 ¿ ~ 60) wahrscheinlich durch Spaltung des Urankerns (Ordnungszahl 92) in zwei Bruchstücke (S. 591 ff.) gebildet werden. Analoges gilt für die Bestrahlung von Elementen mit γ - S t r a h l e n höchster Energie aus dem Betatron. So wandelt sich beispielsweise S i l i c i u m (i|Si) unter der Einwirkung elektromagnetischer Strahlung der Energie 100 Millionen e-Volt (Wellenlänge » 1/10000 Â) in Natrium ( | | N a ) um, was besagt, daß 3 Protonen und 1 Neutron emittiert werden. Ahnliche interessante Ergebnisse sind bei der geplanten Beschleunigung von E l e k t r o n e n auf Höchstenergien von 300 Millionen e-Volt zu erwarten (vgl. S. 583 u. 610).

c) Die Kernspaltung Einen weiteren Typus von Kernreaktionen als Folge der Beschießung von Atomkernen mit Neutronen entdeckten im Jahre 1939 die deutschen Physikochemiker O t t o Hahn und Fbitz Strassmann. Bestrahlt man U r a n mit langsamen Neutronen, so spalten sich die Kerne des dabei aus dem Uranisotop 2 1 ¡ U (Actino-Uran) durch Neutronenaufnahme primär gebildeten Uranisotops 2 gjjU spontan unter u n g e h e u r e r Wä r m e e n t w i c k l u n g ( 3 . 7 Milliarden kcal / Grammatom U = 1 6 0 Millionen Faradayvolt) in je z w e i g r o ß e B r u c h s t ü c k e von bevorzugt verschiedenem Gewicht (Massenzahlen um 95 und um 140), ζ. B. in Krypton und Barium, Strontium und Xenon, Yttrium und J o d oder Brom und Lanthan (Fig. 161):

Die künstliche Elementumwandlung

592

¿//ankern

O

Urankern-Spaltstücke

Neutron

2

Fig. 161. Spaltung des Urankerns |!>U in zwei Bruchstücke bei der Beschießung mit Neutronen 36TJ

eKr

+

5 6 Ba

2 fl3 «β Λ ΓΤ

ä Sr

+

64Xe.

Gleichzeitig werden dabei Neutronen (2 bis 3 je Elementarakt) in Freiheit gesetzt. Die entstehenden neuen Elemente sind wegen des in ihren Atomkernen vorhandenen großen N e u t r o n e n ü b e r s c h u s s e s r a d i o a k t i v und zerfallen unter ^-Strahlung (Umwandlung von Kern-Neutronen in Kern1 j 1 ·Τ • Protonen; S.560) weiter (vgl. S. 589f.), so daß ganze Z e r f a l l s r e i h e n auftreten und sch ivereres .eich teres bis heute bereits 36 verschiedene Elemente roduki Uranspeít'f (3 0 Zn bis β 5 Tb mit Massenzahlen von 71 bis 160) in Form von fast 300 Isotopen (darunter über 90 stabilen Endgliedern) als j direkte und indirekte Kerntrümmer der Uranspaltung bekannt oder wahrscheinlich gemacht sind. Die Ausbeuten an Spaltprodukten sind bei den Massenzahlen um 95 und 140 besonders hoch ( > 6%) und nehmen mit zunehmender Entfernung von diesen Ό TO' Massenwerten ab (Fig. 162). Die beobachtete Z e r f a l l s e n e r g i e beträgt zusamm engenommen etwa 200 Millionen Faradayvolt, übertrifft also die aller anderen bisher bekannten Kernreaktionen um ein Vielfaches. Die Rückbildung genügend energiereicher Neutronen beim Zerfall ermöglicht unter geeigneten Beι dingungen eine selbsttätige Weiterführung I der Uranspaltung in Form einer KettenI 1 1 1 1 I 1 reaktion und damit eine N u t z b a r m a ] ISO 180 wo 120 m c h u n g d e r h o h e n Z e r f a l l s e n e r g i e und Massenzahlen der Speltprodukte Fig. 162. Ausbeuten 1 und Maasenzahlen der eine präparative Gewinnung der e n t s t e Spaltprodukte des U r a n k e r n z e r f a l l e h e n d e n R e a k t i o n s p r o d u k t e (S.593ff.).

r r\ \ 1

ι

1 Die Ausbeuten sind in Atomprozenten des gespaltenen Urans ausgedrückt, so daß die Gesamtlänge der Kurve einen Wert von 200% ergibt (Spaltung der Urankerne in je 2 Bruchstücke).

593

Die Kern-Kettenreaktion

Das zweite, häufigere (99.3°/ 0 ) Uranisotop jjlJ geht bei der Bestrahlung mit langsamen Neutronen über ein Uranisotop 2 | f U unter Elektronenabgabe in ein ,,Transuran" der Ordnungszahl 93 („Neptunium" Np) über:

«Siü - >

+ -Je,

das seinerseits radioaktiv weiter zerfällt (S. 596, 601, 604).

Wie das Uranisotop 2 jj ¡ U lassen sich auch zahlreiche andere schwere Isotope durch Beschießen mit Neutronen leicht spalten, ζ. B. die Isotopen 2 jj 2 Th, 2 }Pa, 2 jjjjU, 2 jj 5U 1 , 2 jj|Pu. Praktische Anwendung haben unter diesen Elementen bis jetzt nur 2 ij |U, 2 ^ P u und 2 j j | U gefunden, die schon mit ganz langsamen Neutronen spaltbar sind (S. 594). Die beiden letzteren werden durch Neutroneneinfang aus 2 jj |U bzw. 2 jj 2 Th in einem „Brutprozeß" (S. 596) gewonnen, das erstere durch ein Isotopen-Trennverfahren aus natürlich vorkommendem Uran (S. 597). Zur Spaltung der weniger s c h w e r e n , stabileren Atomkerne sind wesentlich höhere Geschoßenergien erforderlich. So gelingt die Spaltung von W i s m u t ( 8 3 B i ) und B l e i ( 8 2 P b ) erst mit Neutronen von 100 Millionen e-Volt (untere Grenze: 50 Millionen e-Volt). die Spaltung von T h a l l i u m ( 8 ,T1) mit Deutonen von 200 Millionen e-Volt und die Spaltung von P l a t i n ( 7 8 Pt) und T a n t a l ( 7 3 T a ) mit α-Teilchen von 400 Millionen e-Volt. Die Spaltungsprodukte sind in diesen Fällen zum Unterschied von den Spaltungsprodukten des Urans undPlutoniums (S. 591f.) bevorzugt etwa gleichschwer. Zur Erzeugung von Energie (vgl. S. 593ff.) lassen sich die Spaltungen der leichteren Elemente nicht verwenden, da wegen der erforderlichen extrem hohen Geschwindigkeit der zur Spaltung notwendigen Partikeln die Energie der bei der Spaltung frei werdenden Teilchen für eine Fortsetzung der Reaktionskette nicht ausreicht.

2. Die Kern-Kettenreaktion Wir erwähnten schon auf S. 592, daß der durch Neutronenbeschuß bewirkte hochexotherme Zerfall des Urankerns 2 jj ?U in zwei Bruchstücke zur gleichzeitigen Emission von 2 bis 3 Neutronen je Elementarakt Veranlassung gibt (Fig. 161, S. 592). Diese Tatsache eröffnete erstmals die Möglichkeit zur Durchführung von K e r n - K e t t e n r e a k tionen und damit zur Nutzbarmachung der bei der Uranspaltung freiwerdenden Energiemengen und entstehenden Zerfallsprodukte, wenn es gelang, die bei der Spaltung gebildeten Neutronen ihrerseits zur weiteren exothermen Spaltung neuer Urankerne zu veranlassen und auf diese Weise je nach der Steuerung des Prozesses eine gemäßigte oder eine lawinenartig sich steigernde „Kettenreaktion" zu erzielen. In beiden Fällen müssen eine Reihe von Vorbedingungen erfüllt werden, auf die wir im folgenden näher eingehen wollen.

a) Die gesteuerte Kern-Kettenreaktion Läßt· man auf reines natürliches Uran, das zu 99.3°/0 aus 2 jj J U und zu 0.7°/0 aus 2 j¡ Í;U besteht 2 , Neutronen einwirken, so findet k e i n e Kettenreaktion statt, da die bei der Spaltung von 2 jj|U gebildeten Neutronen: 2

||U+n

X + Y + 3η

(1)

(X und Y = Uranspaltstücke) vom Uranisotop 2 jj "U unter Bildung eines radioaktiven Uranisotops 2 j j ? U (S. 596) absorbiert und dadurch der gewünschten Kettenreaktion entzogen werden : . »SSU + η *»»U. (2) 1 Die Spaltung von 2 $ f U erfolgt nur durch s c h n e l l e Neutronen, während die Spaltung von 9 * U bevorzugt durch l a n g s a m e , in ihrer Geschwindigkeit gewöhnlichen Gasmolekülen vergleichbare Neutronen („thermische. Neutronen") bewirkt wird (vgl. S. 694). 2 In ganz geringem Umfang (0.006%) ist auch das Isotop 2 | | U vorhanden. 2

H o l l e m a n - W l b e r g , Anorganische Chemie.

47. —56. Aufl.

38

594

Die künstliche Elementumwandlung

Nun erfolgt die Anlagerungsreaktion (2) besonders leicht bei Einwirkung von Neutronen des Energieinhalts von 25 e-Volt, während die Spaltungsreaktion (1) bevorzugt durch langsamere Neutronen von der Geschwindigkeit etwa der Gasmoleküle bei Zimmertemperatur ( ~ 0.025 e-Volt, entsprechend einer Geschwindigkeit von 2200 m/Sekunde) ausgelöst wird. Es ist daher zur Zurückdrängung der störenden Absorptionsreaktion (2) erforderlich, durch Einlagerung von B r e m s s u b s t a n z e n („Moderatoren") die hohe Geschwindigkeit der nach (1) gebildeten Neutronen 1 Million e-Volt) möglichst rasch unter den gefährlichen Wert der „Resonanzenergie" von 25 e-Volt herabzudrücken. Als Bremssubstanz hat sich neben schwerem Wasser vor allem reiner G r a p h i t bewährt,

der in Auswirkung elastischer Zusammenstöße Neutronen rasch zu verlangsamen vermag, ohne sie zu absorbieren. Dementsprechend bettet man Uranstäbe in geeigneter Weise in eine Graphitmasse ein, wie dies Fig. 163 schematisch zum Ausdruck bringt. Die Größe der ganzen Anordnung muß dabei einen bestimmten Schwellenwert („kritische Größe") übersteigen, damit durch die so bedingte Verkleinerung des Verhältnisses von Oberfläche zu Volumen die Möglichkeit eines Entschlüpfens der im Inneren gebildeten Neutronen durch die Oberfläche nach außen erschwert wird und die Kettenreaktion (1) sich mit den verbleibenden Neutronen fortsetzen kann (vgl. S. 595,597). Die gewonnene Anordnung wird als Kernreaktor bezeichnet (Fig. 163). I n dieser Anordnung gehen etwa gemäß dem Schema der Fig. 164 von je drei nach (1) gebildeten und durch den Moderator verlangsamten Neutronen zwei durch Absorption gemäß (2) bzw. durch Entweichen nach außen verloren, während das dritte den „Brennstoff" für die Fortführung der Kette (1) liefert. Durch Einschieben bzw. Herausziehen von B o r s t a h l oder C a d m i u m s t ä b e n kann die Kettenreaktion des Kernreaktors nach Belieben v e r l a n g s a m t bzw. b e s c h l e u n i g t werden, da diese Stoffe sehr wirksame N e u t r o n e n a b s o r b e r sind. Ein Uran-Kernreaktor enthält (vgl. Fig. 163) in einer dicht gepackten Anordnung rund 30—40 t Uranmetall und 10—20 mal soviel Graphit. Das Uranmetall ist dabei in Form von nahezu tausend Stäben (6 m Länge, 2—3 cm Durchmesser) in Abständen von etwa 20 cm angeordnet. Die Ableitung der ungeheuren Reaktionswärme (vgl. Anm. 1 auf S. 596) erfolgt so, daß die Uranstäbe in dünne, koaxiale Kanäle eingelagert werden, durch die ein Kühlmittel (z. B. Luft oder Wasser) strömt, das Neutronen nur wenig absorbieren darf.

Die Kern-Kettenreaktion

595

Maßgeblich für das ordnungsgemäße Arbeiten einea Reaktors ist die Größe des sogenannten „Multiplikatiousfaktors" k , unter dem man das Verhältnis der nach Abzug der Neutronenverluste (durch Absorption und Entweichen) im Reaktor verbleibenden, kettenfortführenden, neugebildeten Neutronen (n g e b u d e t ) zur Zahl der zur Bildung dieser wirk, eamen Neutronen bei den einzelnen Spaltungsakten verbrauchten Neutronen ( η , ^ ^ , , ^ ) versteht: A=

^gebildet

. Verbraucht Ist k < 1, so bricht die Kette ab, der Reaktor kommt zum Stillstand. Ist k > 1, so geht die gesteuerte Kettenreaktion infolge der lawinenartig anwachsenden Neutronenzahl (vgl. Fig. 165, S. 596) in eine unkontrollierbare K e t t e n - E x p l o s i o n über (S. 597). Durch die oben erwähnten — automatisch mittels einer Ionisationskammer nach Maßgabe der Neutronendichte regulierten — Neutronenabsorber muß dementsprechend der Multiplikationsfaktor k dauernd auf dem Wert 1 gehalten werden 1 . Ein in Betrieb befindlicher Reaktor pendelt somit ständig zwischen dem Erlöschen und der beginnenden Katastrophe. Der Reaktor ist sowohl als Energie- wie als Stoffgenerator v o n ungeheurer wissenschaftlicher und praktischer Bedeutung. Die Energieentwicklung (160 Millionen Faradayv o l t = 3 . 7 Milliarden kcal je Grammatom =15.5Milliarden kcal j e k g gespaltenen Urans 2 ) eröffnet die Möglichkeit einer laufenden Entnahme v o n W ä r m e e n e r g i e („Atomkraftanlage") oder von k i n e t i s c h e r N e u t r o n e n e n e r g i e und macht den Reaktor zu einer E n e r g i e - u n d Neutronenquelle unvorstellbaren Ausmaß e s , die zur E r r i c h t u n g v o n K r a f t z e n t r a l e n und zur p r ä p a r a t i v e n G e w i n n u n g v o n r a d i o a k t i v e n I s o t o p e n aller Elemente verwendet werden kann 3 (S. 583, 588, 590). D i e Stofferzeugung 4 in Form der Zerfalls- und Umwandlungsprodukte des Urans (vgl. S. 591f.) dient schon heute zur t e c h nischen Gewinnung vieler Wissenschaft-

Bremssubstanz

Bremssubstanz

¿35n S2 U

O

o Neutron

Fig. 164. Schema der gesteuerten Kern-Kettenreaktion (k= 1) l i e h w i c h t i g e r I s o t o p e (vgl. S. 590, 597ff., 600ff.) und wird vor allem bei der Erzeugung v o n P l u t o n i u m (vgl. S. 604) ausgenutzt. 1 Daß dies möglich ist, wird mit dadurch bedingt, daß ein kleiner Teil der bei den Spaltungsvorgängen freiwerdenden Neutronen mit einer gewissen V e r z ö g e r u n g emittiert wird, so daß die Regelung durch die Neutronenabsorber nicht in Bruchteilen von Sekunden zu erfolgen braucht, sondern im Laufe von Minuten vorgenommen werden kann. 2 Eine gleiche Gewichtsmenge (1kg) guter S t e i n k o h l e liefert bei der Verbrennung nur 8000 kcal, also ungefähr den zweimillionsten Teil an Wärmeenergie. In Wirklichkeit ist der energetische Unterschied zwischen Kohleverbrennung und Uranspaltung noch wesentlich größer, da ja die 160 Millionen Faradayvolt Spaltungsenergie noch um die erheblichen Zerfalleenergien der zahlreichen Spaltungsprodukte des Urans zu erhöhen sind (vgl. S. 592). 3 Zur Ausnutzung der Neutronenenergie werden die umzuwandelnden Elemente entweder an die Oberfläche des Reaktors herangebracht oder mittels Sonden in das Innere des Brenners eingeführt. Im letzteren Falle müssen natürlich zur Kompensation des auftretenden Neutronenverlustes die absorbierenden Metallstäbe etwas weiter aus dem Reaktor herausgezogen werden. 4 Das Maesenäquivalent. (m, = E/oa) der Uranspaltungs-Energie beträgt etwa 1 g/kg Uran, d. h. aus 1 kg gespaltenem Uran entstehen rund 999 g aktive Elemente. Die Bildung von (spaltbarem) Plutonium 2 ü f P u aus (nicht spaltbarem) Uran 2 ¿ ! |U („BrutVorgang") erfolgt so, daß das bei der Einwirkimg von Neutronen gemäß (2), S. 593 aus dem Uran-

38·

596

Die künstliche Elementumwandlung

2 isotop 2 3"U gebildete Uranisotop g l U (Halbwertszeit: 23.5 Minuten) unter /^-Ausstrahlung über ein Neptuniumisotop 2 | | N p (Halbwertszeit: 2.33 Tage) in das Plutoniumisotop 2 ä f P u (Halbwertszeit: 24360 Jahre) überseht: \ JNp-Menge beträgt etwa 0.1°/0 der 2 jj ° Pu-Produkt! on, d . h . in einem 10e kW-Uran-Reaktor etwa 1 g täglich ( ~ 1 Pfund jährlich). Der Preis beträgt zur Zeit 2000 DM pro Gramm. Erwähnenswert ist, daß sich vom Neptuniumisotop " J N p eine r a d i o a k t i v e Z e r f a l l s r e i h e ableitet, deren Glieder die Massenzahlen 4n + 1 (n = ganze Zahl) besitzen, so daß diese k ü n s t l i c h e Zerfallsreihe („Neptunium-Zerfallsreihe") die drei länger bekannten n a t ü r l i c h e n Zerfallsreihen mit den Massenzahlen 4n + 0, 4n + 2 und 4n + 3 (S. 567f.) bestens ergänzt: 1 Angesichts der infernalen Wirkung des Plutoniums als Atombombensprengstoff (S. 597) erscheint allerdings die d i r e k t e Ableitung dieses Elementnamens von Pluto, dem Gott der Unterwelt, mindestens ebenso gerechtfertigt.

Die künstliche Elementumwandlung

602

233 p„ r ν 233 ü ν ' « ^ P o 2.20 o n vχi 10 m e»a^ ^ s9 1 27.0 d 1.62x10 s a lo.od

2

"

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4.8 m

0.018 s

2 29 80

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7.34χ 10'a

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(4%) !

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T 1

i. "88 S D.a . Γ.. V 228a» AA„ c 14.8d

272V " ^ " O h *

2

β® l'i) (stabil).

Bis jetzt bekannte Isotope 90 Th

223 α ~0.1 Sekunde

224 α ~ 1 Sekunde

225 « ;Κ 8.0 Minuten

226 α 30.9 Minuten

α α 2.0 1.8 Sekunden Minuten

91 Pa 92 ü

93 Np

231 α ~ 50 Minuten

232 Κ ~13 Minuten

233 Κ; α 35 Minuten

Κ ;α Κ; α 36 20 Minuten Minuten

94 Pu

227 α 18.17 Tage

228 α 1.91 Jahre

229 α 7.34Χ ΙΟ3 Jahre

α; Κ 38.3 Alinuten

Κ;α 22 Stunden

α 1.3 Minuten

α; Κ 9.3 Minuten

234 K;¿S+ 4.40 Tage

235 Κ; α 410 Tage

Κ; α 9.0 Stunden

Κ; α 26 Minuten

95 Am

ß~

Ε ;α 1.5 Tage

Κ;β-;β+

Κ;α 58 Minuten

α 20.8 Tage

Κ; α 4.3 Tage

238

239

240

ß~

ß~

ß~

97 Bk 98 Cf 99 Es 100 Fm 101 Md 102 No

240

241

242

243 Κ; α 4.5 Stunden

8.0xl04 Jahre 17.7 Tage

2.10 Tage

2.346 Tage

ß~

1.31 Tage α

74 Jahre

7.3 Minuten

Κ ; -^ 1TCn 02 υ ein Isotop des Elements 102 von der Masse 254 darzustellen, das mit einer Halbwertszeit von 3 Sekunden unter Abgabe von α-Strahlung in fooFm übergeht. Da die Benennung eines neuen Elements demjenigen Forscher zusteht, der das Element erstmals eindeutig identifiziert hat, dürfte der Name Nobelium für das Element 102 wieder geändert werden.

5. Die gegenseitige Umwandlung von Masse und Energie Im Verlaufe einer Atomkern-Umwandlung ändert sich zwar die V e r t e i l u n g , nicht aber die G e s a m t z a h l der Ladungs- und Masseneinheiten. Daher ist bei allen angegebenen Umwandlungsprozessen die Summe der u n t e r e n (Zahl der Ladungseinheiten) bzw. der o b e r e n (Zahl der Masseneinheiten) Atom-Indizes auf beiden Seiten der Reaktionsgleichung d i e s e l b e . Setzt man aber in die Reaktionsgleichung nicht die a b g e r u n d e t e n g a n z z a h l i g e n , sondern die g e n a u e n M a s s e n z a h l e n ein, so ergeben sich k l e i n e A b w e i c h u n g e n (vgl. S. 578f. und 579f.). So beträgt beispielsweise bei der auf S. 586 erwähnten Kernreaktion zwischen L i t h i u m und W a s s e r s t o f f : ¡Li+JH —>

4

He +

4

He

(1)

die Summe der genauen Atomgewichte (bezogen auf = 16.0000) auf der linken Seite 7.0181 (¡Li) + 1.0081 (JH) = 8.0262, auf der rechten Seite dagegen 2x4.0038 (|He) = 8.0076. Das ergibt einen M a s s e n v e r l u s t von 8.0262—8.0076 = 0.0186 Atomgewichtseinheiten. J e Grammatom Lithium verschwinden also bei der Reaktion mit Wasserstoff 18.6 tng Substanz. Da nach der EiNSTEiNschen M a s s e - E n e r g i e - Ä q u i valenzbeziehung E

Die gegenseitige Umwandlung von Masse und Energie

609

eine Masse von 1.1 mg einer Energiemenge von 1 Million Faradayvolt äquivalent ist (S. 578 f.), entspricht dieser Massenverlust einer Energiemenge von ( 1 0 β χ 1 8 . 6 ) : 1.1 = 17 Millionen e-Volt/Lithiumatom. Dies ist aber gerade die k i n e t i s c h e E n e r g i e der beiden nach (1) aus £Li entstehenden H e l i u m a t o m e (S. 586). Wir ersehen daraus (vgl. a. S. 12), daß das Gesetz von der E r h a l t u n g der Masse nur begrenzte Gültigkeit besitzt und streng genommen ein Grenzfall des G e s e t z e s von der E r h a l t u n g der E n e r g i e (S. 45) ist. Nur in solchen Fällen, in denen die bei Materie-Umsetzungen entwickelten oder aufgenommenen Energiemengen E im Hinblick auf die Gleichung (2) klein sind, gilt es p r a k t i s c h genau. Dies trifft ζ. B. für alle n o r m a l e n c h e m i s c h e n R e a k t i o n e n zu, da deren Wärmetönung zu klein ist, um sich in Form eines meßbaren Massendefekts zu äußern. So beträgt beispielsweise die Wärmetönung der stark exothermen Verbrennung des Kohlenstoffs zu Kohlendioxid 94 kcal je Mol Kohlendioxid. Das entspricht einem Massenverlust von 0.0000000044 g je Mol (44 g) Kohlendioxid, d. h. von 10~8 °/0. Da demgegenüber die bisher zur Prüfung des Gesetzes von der Erhaltung der Masse benutzten und herstellbaren Waagen eine maximale Genauigkeit von „nur" 10"'°/„ erreichten (S. 12),konnte bei c h e m i s c h e n R e a k t i o n e n die begrenzte Gültigkeit des Massengesetzes bisher nicht festgestellt werden. Erst bei K e r n r e a k t i o n e n wie der obigen (1) mit ihren u n g e h e u r e n E n e r g i e - u m s ä t z e n ergab sich die zwingende Notwendigkeit, den Gültigkeitsbereich des Gesetzes e i n z u s c h r ä n k e n .

I m Falle der Kernreaktion zwischen Lithium und Wasserstoff (1) erfolgt eine k ü n s t l i c h e U m w a n d l u n g v o n M a t e r i e in E n e r g i e . Auch der umgekehrte Weg einer k ü n s t l i c h e n U m w a n d l u n g v o n E n e r g i e in M a t e r i e ist möglich. So kann man beispielsweise P h o t o n e n , also L i c h t e n e r g i e t e i l c h e n , in E l e k t r o n e n , also Materieteilchen, verwandeln, sofern die Energie der Lichtatome groß genug ist. Die Atome von r o t e m Licht der Frequenz 4 Xl0 1 4 /Sekunde (entsprechend einer Energiemenge von 1.6e-Volt) oder von u l t r a v i o l e t t e m Licht der Frequenz 20 χ 10 14 /Sekunde (entsprechend einer Energie von 8 e-Volt) sind beispielsweise für eine Umwandlung in Elektronen zu e n e r g i e a r m . Läßt man dagegen Photonen von m e h r e r e n M i l l i o n e n e - V o l t , wie sie in den y - S t r a h l e n r a d i o a k t i v e r S u b s t a n z e n zur Verfügung stehen, auf eine Substanz auftreffen, so beobachtet man häufig die plötzliche Bildung eines sogenannten „Elektronenzwillings", d.h.die g l e i c h z e i t i g e E n t s t e h u n g e i n e s N e g a t r o n e u n d e i n e s P o s i t r o n s von einer gemeinsamen UrFig. 166. sprungssteile aus (Fig. 166). Die Summe der k i n e t i s c h e n E n e r - W I L S O N - Aufnahme g i e beider Teilchen ist dabei um 1 M i l l i o n e - V o l t k l e i n e r als einer Elektronendie der angewandten y - S t r a h l u n g . E s verschwindet also je „Mol" ^ ' " e ^ o h e n ^ i d n Licht eine E n e r g i e m e n g e von 1 Million Faradayvolt, während gleichzeitig in Form der positiven und negativen Elektronen (Summe der elektrischen Ladung gleich Null) eine äquivalente M a t e r i e m e n g e von 2 x 0 . 0 0 0 5 5 = 0.0011 g entsteht, wie es der Masse-Energie-Gleichung (2) entspricht (S. 608): 1 Million Faradayvolt Energie^T^T 0.0011 g Masse.

(3)

In Übereinstimmung mit dieser Energiebilanz vermögen sich aus γ-Strahlen von g e r i n g e r e r E n e r g i e als 1 Million e-Volt k e i n e E l e k t r o n e n z w i l l i n g e zu bilden. Zwangsläufig ergibt sich damit die Schlußfolgerung, daß auf dem geschilderten Wege eine „ M a t e r i a l i s i e r u n g " der E n e r g i e stattfindet. Fig. 166 gibt die N e b e l b a h n eines E J e k t r o n e n z w i l l i n g s in der WILSON-Kammer bei Vorhandensein eines M a g n e t f e l d e s wieder. Wie man sieht, werden N e g a t r o n und P o s i t r o n entsprechend ihrer entgegengesetzten Ladung nach v e r s c h i e d e n e n R i c h t u n g e n hin a b g e l e n k t . Durch derartige Nebelaufnahmen und ihre Auswertung wurde das Positron bei der Untersuchung der H ö h e n s t r a h l u n g ( S . 679f.) von C . D . A N D E R S O N im Jahre 1932 erstmals entdeckt.

Auch die U m k e h r u n g des Vorgangs (3), die V e r n i c h t u n g d e r M a s s e von Negatronen und Positronen unter Bildung von γ-Strahlen von 1 Million e-Volt GeH o l l e m a n - W l b e r g , Anorganische Chemie. 47.— 58. Aull.

39

610

Die künstliche ElementumWandlung

samtenergie läßt sich verwirklichen. Läßt man Positronen auf die Elektronen einer Aluminium- oder Bleischicht auftreffen, so beobachtet man f ü r jedes sich mit einem Elektron vereinigende Positron 2 Quanten y. Strahlung von je 500000 e-Volt. Die M e s o n e n (S. 579f.), die eine etwa 200-fache Elektronenmasse besitzen und als a n g e r e g t e E n e r g i e z u s t ä n d e d e s E l e k t r o n s betrachtet werden können, sind einer Energiemenge von rund 100 Millionen e-Volt äquivalent. E s muß daher analog der Bildung von Elektronenzwillingen unter geeigneten Bedingungen möglich sein, kinetische Energie von 200 Millionen e-Volt in „Mesonenzwillinge" (Summe der elektrischen Ladung gleich Null) umzuwandeln. I n der Tat konnte bei der Beschießung von Antikathoden aus Graphit, Beryllium, Kupfer oder Uran mit α - T e i l c h e n von 300 Millionen e-Volt Energie die Entstehung von positiven und negativen Mesonen photographisch nachgewiesen werden. Analoge Ergebnisse sind bei den geplanten Versuchen zur Beschleunigung von E l e k t r o n e n auf 300 Millionen e-Volt im Betatron (S. 583) zu erwarten, da sich nach theoretischen Überlegungen hochbeschleunigte Elektronen noch besser als schwerere Partikeln zur Umwandlung in Mesonen eignen. Als noch weittragender ist das Problem der künstlichen Verwandlung von Energie in P r o t o n e n und N e u t r o n e n anzusehen, da hierbei in Wiederholung des S c h ö p f u n g s a k t e s die Urbausteine der chemischen Grundstoffe erschaffen würden. Theoretisch sind hierzu Mindestenergien von rund 2 Milliarden e-Volt erforderlich. I n der T a t wurde bei der Beschießung von Kupfer mit Protonen von 6.2 Milliarden e-Volt die Bildung von negativen („Antiproton") und positiven Protonen (Summe dei elektrischen Ladimg gleich Null) beobachtet. Möge sich der Mensch bei der Weiterentwicklung dieser Umwandlung von Energie in Masse der Vermessenheit und möglichen Polgen solcher Eingriffe in den göttlichen Schöpfungsbereich bewußt bleiben! —

Register (Bel mehreren Seitenzahlen f ü r ein Stichwort sind die wichtigsten Stellen, wo erforderlich, durch F e t t d r u c k hervorgehoben)

A α-Aluminiumoxid 386 α-BeryUiumhydroxid 402 α-Ciistobalit 324 α-Eisen 533 a-Eisen(III)-metahydroxid 396, 397 a-Eisen(III)-oxid 396, 397 5 3 5 f . , 536 α-Quarz 323, 324 α-Schwefel 185 α-Schwefeltrioxid 200 α-Selen 218 α-Strahlen 569 ff. —, Durchdringungsvermögen 571 —, Elementumwandlung mit — 581f„ 583 ff., 591 —, Ionisationswirkung 543 —, Reichweite 571, 572, 577 —, Spektrum 571 α-Teilchen 566 (s. auch α-Strahlen) —, Beschleunigungskammer 581 —, Durchdringungsvermögen 571 —, Energieinhalt 570 —, Geschwindigkeit 570 a-Tridymit 324 a-Zinn 352 a-Zinnsäure 356 a-Zinnsäure 356 Abbinden von Kalkmörtel 413 — von Zement 415 Abbrand 206, 526

Actinium C" 56 — D 568 — Κ 568 (s. Francium) — X 568 Actinium-blei 567, 568 —carbonat 484 — -chlorid 484 —emanation 567, 568 —halogenide 484 —nitrat 484 —Oxalat 484 —oxid 484 —oxidhalogenide 484 —phosphat 484 —sulfat 484 —sulfid 484 —zerfallsreihe 567, 568 Actinon 567, 568 Actinouran 567, 568, 578, 591 —, Isolierung 597 acyclische Kohlenwasserstoffe 301 Addend 161 Additionsvermögen (BF3) 373 — (Belg) 373f. ACHESON-Graphit 297 —Graphitelektrode 420 — (BH3) 369 f. —Verfahren 297 — (Ama) 388 Achterschale 146 — (AICI3) 390 Acidimetrie 117 Addivität (Diamagnetismus) Acidität 175 495f. Acidogruppe 160 — (Parachor) 496 f. Actiniden 439, 448 f., 600 ff. — (Molrefraktion) 496 —kontraktion 606 — (Molvolumen) 496 —, Atomvolumina 606 Adsorbendum 299 —, Elektronenhüllen 449 Adsorbens 299 —, Ionenfarbe 606 Adsorption 298 f. (s. auch Ad—, Ionenradien 606 ABELSON, P . H . 6 0 1 sorptionsvermögen) Abfangen v. Elementen 486, 574 —, Isotope (Tabelle) 602/603 —s-bindung 112 Abführmittel 406 —s-isotherme 298 f. (präparativ isoliert) 604 Abkömmling 152 —s-mittel 299 —, magnetische Momente 606 Ablenkplatte (Cyclotron) 582 —s-sättigung 299 —, Periodensystem 449 Abrauchen von Flußsäure 322 —s-vermögen (Erdboden) —, Spektren 606 Abraumsalze 421 330 429 —, Trennung durch Ionenaustauscher 489 Abrösten 206 ' ( A k t i v k o h l e ) 73, 299f. —, Wertigkeit 449, 600ff. Abschirmung der Kernladung (Ionen) 337 Actinium 419, 484, 567, 568 143 (Kieselgel) 338 f. —, künstliche Erzeugung —s-konstante 145 (Silicate) 330 600 Abschrecken (Fe) 530 älteres Steinsalz 422, 429 — A 568 Äquivalentgewicht, chemisches — (NO) 235 — (S) 187 15, 17, 94, 1 6 1 f . — Β 568 Abschreckrohr 321 —, elektrochemisches 170 — Β' 568 absolute Temperatur 22 Äquivalenz-gesetz, ehem. 14 f. — C 568 —r Nullpunkt 22 , elektrochemisches 85, 93 f. — C' 568 absolutes Atomgewicht 29 f. — Molekulargewicht 29 f. Absorptions-linien 140 —mittel (KOH) 431 —Spektrum 140 der Actiniden 606 der Lanthaniden 490 des Wasserstoffs 41 f., 142 Absorption von Licht 85, 140 Abstumpfen von Säuren und Basen 114 Abteil (Ringofen) 408 Abtreibturm 87 Abzug, photographischer 463 Acetaldehyd 412 Aceton 89 —methode der Entwässerung 339 Acetylen 258, 300, 301, 302, 412 —darstellung 412 —gebläse 43 — r u ß 298 —schweißung 412 Acetylid-ion (Isosterie) 308 Achat 323

39'

612 Äquivalenz-gesetz photochemisches 85 — p u n i t 117, 216 Äthan 301, 302, 303 —, Hexachlorid 300 —, Hexafluorid 297 Athen 301, 320 Äther 8, 89 Äthin 301, 320 Äthylen 301, 302, 310 —diamin 515 Ätzen von Glas 98, 322, 341 Ätz-grund 98 —kali 434 —kalk 9, 407, 423, 431, 433 —natron 423ff. (s. Natriumhydroxid) äußere Atomspektren 141 ff. Affinität 46, 111 Aggregatzustände 50 Agitator (Au) 464 Akkumulator 363 f. —, Gasen 363 •—, Laden und Entladen 363 Akkumulatorensäure 211, 363 A-Kohle 299 Aktivator (Katalysatoren) 112, 395 — (Leuchtstoffe) 412 aktive Stellen 112, 895 —r Zustand der Materie 391 ff. aktivierter Sauerstoff 572 — Stickstoff 62 — Wasserstoff 46 îf., 572 Aktivierungsenergie 101, 111 Aktivität, Ionen 107 f. —, optische 515 —s-koeffizient 107 Aktivkohle 184, 296, 299 f., 565 —, Darstellung 299 f. aktuelle Wasserstoffionenkonzentration 118 Alabamium 599 Alabaster 411 —glas 342 Alan 387 f. —, Aminate 388 —, Chlorderivate 388 —, Methylderivate 387 Alanate 388 Alaune 3901., 398, 537, 540 —, Konstitution 391 Alaun-gerbung 390 —schiefer 391 —stein 391 Albit 378, 419 Alexandrit 401 —, künstlicher 387 Algarotpulver 285 Algen 88 aliphatische Kohlenwasserstoffe 301, 311 Alit 414 Alkali-aluminium-chloride 390

Register Alkali-aluminium-fluoride 389 —amalgame 435 —amide 228 —arsenite 280 —azide 231 —beryllium-fluoride 403 —bromide 129 —carbonate 305 —chlorate 125 —Chromate 510 —fluorosilicate 323 —germanate 351 —gruppe, analytische 195 —jodide 129 —metalle 37, 419ft. , chemische Eigenschaften 438 , physikalische Eigenschaften 438 , Reaktion mit Wasser 37 f. , Trennung 553 , Verhalten gegen Brom 88 , Verhalten gegen Chlor 82 , Übersicht 438 —metrie 117 —nitrate 241 —perrhenate 525 —phosphate 267 —phosphite 271 —photozellen 429 —plumbite 361 —polythionate 217 —silicate 325, 829, 330 —stannate 356 —sulfane 195 —sulfate 211 —sulfide 193, 195 —Sulfite 204 —vanadin(V)-fluoride 506 —zeolithe 330 alkalische Lösung 110 Alkane 301, 378 Alkazid-Verfahren 192 Alkene 301, 378 Alkine 301, 378 Alkoholat 161 Alkohole 309, 412 Alkoxy-amine 192 Alkyl-chlor-silane 331 —gruppe 205 —halogenide 331 —kieselsäuren 331 f. —phosphinoxid 264 —siloxane 321 —sulfonsäureester 205 Alkylierungsmittel 331 Allemontit 283 allgemeine Gaskonstante 23,24 —s Gasgesetz 23 f. ALLISON, Γ . 5 9 9 ,

600

Allotropie 187 — s. Modifikationen Alpaka 453 altdeutsches Geschirr 346

Alter der Erde 577 f. — der Sonne 578 — des Weltalls 578 Altersbestimmung von Mineralien 577 f. — mit C-14 590 — mit He 578 — mit Pb 577 f. Alterung (Aluminiumhydroxid) 386 — (Berylliumhydroxid) 402 — (Kieselsäure) 325, 338 — (Zinksulfid) 476 Aluminate 330, 368, 385!. —, Konstitution 385f. Aluminieren 385 Aluminium 378 ff. —, Anwendung 385 —, chemische Eigenschaften 383 f. —, Darstellung 379 ff. —, elektrische Leitvermögen 383 —, Nachweis 539 —, physikalische Eigenschaften 383 —, Sauerstoffverbb. 385 ff. —, sonstige Verbb. 387 ff. —, Vorkommen 378 f. —, Umwandlung in Phosphor 589 Aluminium-acetat 390 —amalgam 383, 384 —amid 437 —azid 231 —beryllat 401 —boranat 388 (s. a. Aluminiumbor-Wasserstoff) —borid 366 —bor-wasserstoff 370, 388, 437 —bromid 390 —bronze 385, 453 pulver 383 —carbid 391, 403 —(I)-chlorid 384 —(Ill)-chlorid 389 f. -, Bildungswärme 384 , Struktur 389 — d r a h t 385 —(I)-fluorid 384 —(Ill)-fluorid 388!., 401 , Bildungswärme 384 , Komplexsalze 389 —folie 383, 385 —geschirr 385 —grieß 383, 385 —hydrid: s. Aluminiumwasserstoff —hydroxid 380, 385!., 337, 400 , Löslichkeitsprodukt 386 sol 337 — j o d i d 390 —kobaltat 539 —kobalt-oxid 539

Register Aluminium-legierungen 383, 386, 3 9 7 , 4 0 4 , 453 —metahydroxid 386 — -methyl 387,437 Wasserstoffe 387 —nitrid 228 , Bildungswärme 384 —orthohydroxid 385 f. —oxidchlorid 390 —(I)-oxid 384, 387 —(Ill)-oxid 379 if., 384, 386 Î., 438 , Nachweis 539 , totgebranntes 380 —oxidhydrat 383, 386 —phosphat 251 —phosphid 258 —pulver 383, 385 —selenid 219 —silicate 329 f., 342, 346, 378, 414 —spiegel 385 —suboxid 387 —sulfat 211, 390 —sulfid 193 —sulfit 381 — ·—, basisches 381 —tellurid 221 —Überzug 385 —Wasserstoff 368, 370, 387 f., 398, 402, 434, 475 (s. a. Alan) , Struktur 387 f. ahiminothermisches Verfahren 384, 521 Alumosilicate 330, 433 Alunit 391 Alvit 524 Amalgamationsverfahren (Au) 464 Amalgame 383, 478 Amalgamplomben 478 Amblygonit 433 Ameisensäure 307 Americium 448, 555, 556, 605, 606 —, Isotope (Tabelle) 602/603 —, Name 601 —, Normalpotentiale 605 —, Verbindungen 520, 605 —, Wertigkeit 605, 606 Amethyst 318, 323, 379 —, orientalischer 379 , künstlicher 387 Amide 228, 229 Amido-salpetersäure 246 •—schwefelsäure 249 Amikronen 334 aminosaure Salze 192 Ammingruppe 160 Ammoniak 224 ff. —, basische" Wirkung 229 —, ehem. Eigenschaften 61, 228 f.

Ammoniak, Darstellung 112, 224 II., 413 —, konzentriertes 228 —, Nachweis und Bestimmung 481 —, phys. Eigenschaften 228 —, schweres 563 —, Struktur 152 —, Sulfonsäuren 248 f. —, Sulfurylverbindungen 251 —, Zerlegung 61 Ammoniakat 161 Ammoniak-kontaktofen 226, 227 —osdd 245 —soda-Verfahren 4271., 435 —Verbrennung 235, 2391., 427 —Wäscher 227 —wasser 227, 310 Ammonium, freies 434f. Ammonium-amalgam 435 —arsen-molybdat 281 — a z i d 224, 231 —bicarbonat 427, 436 —bisulfat 435 —blei-chlorid 361 —bromid 462 —carbaminat 436 —carbonai 310,435, 436 —chlorid 229, 427, 433, 435 —dichromat 510 —disulfat 435 —eisen-sulfat 535 —gallium-sulfat 398 —hafnium-fluorid 503 —hexachloro-plumbat 361 stannat 355 —hydrogencarbonat 227, 427, 436 —hydrogensulfat 435 —hydrogensulfid 194, 227 —imido-sulfat 249 —indium-sulfat 398 — i o n 229 —magnesium-arsenat 281 phosphat 267 —metavanadat 505 —molybdat 267, 516 —molybdato-arsenat 281 phosphat 267, 516 —natrium-phosphat 267 — n i t r a t 229, 234, 436 — n i t r i t 61 —octafluoro-stannat 356 —Oxalat 503 —palladium(rV)-chlorid 553 —Perchlorat 437 —peroxodisulfat 214, 461 —pertechnetat 598 —phosphate 270, 433 —phosphor-molybdat 267, 516 —platin(IV)-chlorid 553 —plutonat 604 —polysulfide 196 —rhodium(]H)-chlorid 552

613 Ammonium-salze 435 ff. —sulfat 208,229,270,433, 435, 436 —sulfid 194, 195, 310 — s u l f i t 204 —zinn(IV)-chlorid 352, 355 —zinn(IV)-fluorid 356 —zirkon-fluorid 503 Ammonosystem 176 Ammon-salpeter 436 —sulfat-salpeter 436, 437 amorphes Germanium 348 AMPÈRE-Einheit 94 — s e h e Schwimmerregel 492 Amphibol 329 Amphibole 329 amphoterer Charakter (Al) 385, 438 (As) 280 (Au) 466 (Be) 402, 438 (Cr) 512 (Cu) 454 (Ge) 351 (Μη) 521 f., 522 (Pb) 360f., 362 (Sb) 286 (Sn) 354 (Te) 221 (Ti) 502 (U) 519 (Zn) 475 Analcim 330 Analyse 9 analytische Chemie 8 Anatas 501 Andalusit 343 ANDERSON, C. D. 579, 609 angeregter Wasserstoff 48 — Zustand 112 des Atoms 140, 572 f. des absorbierten Moleküls 112 Anglesit 359 ÄNGSTRÖM-Einheit 30 Anhydrid 122 Anhydrit 182, 407, 411, 429, 430, 435 Anion 91 —-base 175 — b r ü c k e 367, 389 —säure 175 Anlagerungskomplexe 161, 317» 391 Anlassen (Stahl) 530 Anlaufen des Glases 342 —• von Metallen 36 — des Silbers 459 Anlauffärbung von Gläsern 342 Anode 13 Anoden-sack (Ag) 458 —schlämm 452, 458, 465, 550 anodische Oxydation 164 anorganische Chemie 293

614 anorganische Faser 330, 333 — Filme 332 — Harze 332 — Kunst- und Werkstoffe 331 f. — Lacke 332 — Öle 332 — Verbindungen 293 , Zahl 293 —r Diamant 377 —r Graphit 377 —r Kautschuk 274, 332 —s Benzol 370, 377 f. —s Mesitylen 370, 378 Anorthit 378 Anregung von Atomen durch radioaktive Strahlen 572 anteiliges Elektronenpaar 150 Anthrazen 310 — r u ß 298 Anthrazit 309 Antichlor 84, 216 Antigorit 329 Antikatalysator 179, 229 Antimon 282 ff. —, Ausdehnung beim Erstarren 288 —, ehem. Eigenschaften 284 —, Darstellung 283 —, elektr. Leitfähigkeit 349 —, Halogenverbb. 285 —, Kristallstruktur 283 —, Modifikationen 283 —, phys. Eigenschaften 283 f. —, Sauerstoffverbb. 286 f. —, Schwefelverbb. 287 f. —, Vorkommen 282 f. —, Wasserstoffverb. 284 f. Antimon-abstrich 357 —blende 283 —blüte 283, 286 —(Ill)-bromid 285 —butter 285 —(Ill)-chlorid 82, 285 • , Komplexe mit Eisen und Nickel 549 —(IV)-chlorid 284 —(V)-chlorid 285f. —chlorwasserstoffsäure, Hydrat 437 —fahlerz 456 —(IH)-fluorid 285 —(V)-fluorid 285 —fluorwasserstoffsäure 132 —glänz 282 —halogenide 284 —(Ill)-jodid 285 —(V)-jodid 285 —legierungen 284, 353, 359 —(Ill)-nitrat 286 —oxidchlorid 285 —(Ill)-oxid 283, 286!. —(Ill)-oxid Modifikationen 286

Register Antimon-(III, V)-oxid 283, 286, 287 —(V)-oxid 286, 287 —(Ill)-oxidhydrate 287 —(V)-oxidhydrate 287 —oxidsalze: s. Antimonylsalze —säure 284, 286, 287 —(Ill)-säure: s. antimonige Säure —silberblende 282 —Spiegel 285 , Unterscheidung von As 277, 285 — —, Unterscheidung von BÌ289 —(Ill)-sulfat 286 —(IH)-sulfid 195, 257, 283, 288, 456 —(Ill)-sulfid-sol 337 —(V)-sulfid 288 —Wasserstoff 284 f. —zinnober 283 Antimonate 287 —(III) : s. Antimonite

antimonige Säure 284, 286 f., 287 Antimonit 282 Antimonite 287 antimonium crudum 283 Antimonyl-chlorid 285 —kalium-tartrat 287 —salze 287 —sulfat 287 Anti-neutrino 571 —proton 610 antisymmetrische Wasserstoffform 564 Apatit 86, 251, 407, 505 Aquamarin 401 Aqua regia 241 Aquo-gruppe 160 —system 176 Aragonit 409 Arbeit, elektrische 172 —, innere 32 —, maximale 46 Argentit 456 Argentometrie 460 Argon: s. Edelgase —, Clathrat 75 —, Hydrat 74 —, spektralreines 73 Argyrodit 347 Arkel, van 500 Armblei (Silbergewinnung) 457 aromatische Kohlenwasserstoffe 302, 311 Abbhenitjs, S. 92 —sehe Gleichung 102 Arsen 275 ff. —, Abtrennung von Sb und Sn 277 —, Bestimmung 277, 280, 281 —, chemische Eigensch. 276 —, Darstellung 275

Arsen, elektrische Leitfähigkeit 349 —, Halogenverbb. 278 —, Modifikationen 275f. —, Molekularstruktur 275' 295 —, Nachweis 277, 278, 279, 280, 281 —, phys. Eigenschaften 275 f. —, Sauerstoffverbb. 278 ff. —, Schwefelverbb. 281 f. —, Vorkommen 275 —, Wasserstoffverb. 276 ff. Arsen-blende, gelbe 281 , rote 281 —(in)-bromid 278 —(Ill)-chlorid 82, 278 —(V)-chlorid 278 —fahlerz 456 —(Ill)-fluorid 278 —(V)-fluorid 278 —glas 279 —halogenide 278 —(Ill)-jodid 278 —(V)-jodid 278 —kies 275 —mineralien 275 —nickel-kies 275, 541 —(IH)-oxid 275, 2781. , ehem. Eigensch. 279 f. , Darstellung 278 f. , Modifikationen 279 , Molekularstruktur 279 , physikal. Eigensch. 279 , Verwendung 280 , Vorkommen 278 —(III,V)-oxid 277 —(V)-oxid 280f. , ehem. Eigensch. 281 , Darstellung 280f. , physikal. Eigensch. 281 —pentoxid: s. Arsen(V)-oxid —probe nach Berzelitjs 279 nach Bettendobf 280 nach Gutzeit 278 nach Mabsh 277 als Kakodyloxid 280 —säure 221, 281 — (Ill)-säure: s. arsenige Säure —silber-blende 275 - -Spiegel 277, 279 , Unterscheidung von Bi 289 , Unterscheidung von Sb 277 285 —(IIl')-sulfid 195, 275, 282· 456 , Sol 335, 337, 338 —(V)-sulfid 282 —sulfide 281 f. —trioxid: s. Arsen (ül)-oxid —Wasserstoff 276 If., 573 , fester 277 Arsenate 281, 282 —(III) : s. Arsenite arsenige Säure 279 Arsenik 261, 278ff.

Register Arsenik, Giftwirkung 280 Arsenikalkies 275 Arsenik-blüte 278 —esser 280 Arsenate 280, 282 Arsenolith 275, 278 Arsin 258, 276 ff. Arsonium-ion 258 Asbest 269, 330, 403 asbestartiges Schwefeltrioxid200, 268, 269 Assimilation des Kohlendioxids 36, 63f., 235 — des Stickstoffs 64, 235 Assoziation 97, 334 — (HF) 97 — (H¡¡0) 223, 392 — (NH 3 ) 223 A s t a t 8 0 , 5 5 5 , 5 5 9 , 5 6 8 , 5 9 9 f., 602

— i o n 600 —sulfid 600 —Wasserstoff 600 ASTON, F . W . 557

—scher Massenspektrograph 557, 597

Astrakanit 425 Atemgerät 181 Atmosphäre 69, 293, 485 — (Druckeinheit) 22 Atmung 36, 63 Atom 15 —, Anregung 140, 572 —, Durchmesser 30 —, Indizierung 561, 563 —, Ionisierung 143, 572, 573 —, Quantenzahlen 445 atomarer Sauerstoff 48, 84, 176 f. — Schwefel 187 — Stickstoff 48, 62 — Wasserstoff 46 ff. atomares Brom 48 — Chlor 48, 83, 85 — J o d 48 — Natrium 420 — Quecksilber 477 — Silber 458 — Zink 473 Atom bau 135 If., 439 If., 555 ff. —begriff U f f . — b i n d u n g 150 ff. — b o m b e 579, 581, 597 —durchmesser 138 Atomgewicht, absolutes 29 f. —, Bezugscinheit 20, 29, 563 —, physikalisches und chemisches 563 —, mittleres 557 —, praktisches 557 —, relatives 16, 20, 26ff. Atomgewichts-bestimmung 20ff., 26f., 76ff., 162 —kommission 28 —tabelle 27 Atom-gitter 153, 295

615

Atom-hülle 136 Autokatalyse 285 — k e r n 135f., 555ff. Autoklav 380 autokomplexe Salze 481 , Drall (Spin) 564ff. Autoxydation 36 , Energiezustände 571 AVOGADRO, A . 17 —kraftanlage 581, 595 —sehe Hypothese 17 f., 21, 24 —lehre l l f f . —modell nach BOHR 135f., 493 azeotrope Gemische 90 Azide 231 — n u m m e r 28, 68, 139, 555 —parachorwerte 496 Azid-ion (Isosterie) 308 — r a d i e n 138 Azido-schwefelsäure 250 —spektren 140 ff. —sulfate 250 —theorie nach BOHR 135f., 493 Azo-bis-schwefelsäure 250 — t h e o r i e n a c h D ALTO Ν 1 5 f . —bis-sulfate 250 —Umwandlung: s. Kernumazote (frz.) 61 wandlung Azotierung 61, 412 -—volumen der Elemente 138 — von Calciumcarbid 412 f. Azo-verbindungen 61 der Actiniden 606 Azurit 450 derLanthaniden489f. kurve 490 Β — w ä r m e 78 —Wertigkeit 150 f., 154 β-Berylliumhydroxid 402 —Zertrümmerung: s. Kernspal- 0-Cristobalit 323, 324 tung, Kernzersplitterung y9-Eisen 533 AUER VON WELSBACH, C. 4 8 4 , 4 8 5 , Quarz 323, 324 487 /?-Schwefel 185 ^-Schwefeltrioxid 200 AUER-Strumpf 504 Aufglasur-Scharffeuerfarben 346 /?-Selen 218 /^-Strahlen 569 ff. Aufgußtierchen 323 —, Durchdringungsvermögen Aufladung kolloider Teilchen 571 337 f. Aufrauhung der Oberfläche —, Ionisationswirkung 543 299 f., 395 —, Reichweite 571 Aufschlämmung 4 —, sekundäre 543 Auftrieb von Helium 76 —, Spektrum 571 ^-Teilchen 566 (s. ^-Strahlen) — von Wasserstoff 39 f., 76 —, Durchdringungsvermögen Aurate 466 571 Auripigment 275, 281, 282 Ausblasen (Bunsenbrenner) —, Elementumwandlung mit —• 303 583, 5 9 1 Ausdämpfen von Glasgeräten 340 —, Energieinhalt 570 Ausdehnung beim Erstarren (Bi) —, Geschwindigkeit 570 f. 288 /S-Tridymit 323, 324 ß-Zmn 352 (Ga) 288, 397 /?-Zinnsäure 353, 356 (Ge) 288, 348 baeillis, in 425 (H 2 0) 51, 288, 328 Backpulver 428, 436 (Sb) 288 Badische Anilin- und Sodafabrik Ausflocken von Kolloiden 337 225 Ausräuchern 199 Ausrühren von Al(OH) 3 381 Bahnmetall 359 Aussalzen 423 Bahnmoment, magnetisches 498 Ausschütteln 8 BAKER, Η . B . 4 3 5 Ausschwefeln 199 BALARD, A . J . 8 7 Ausseigern: s. Seigern BALMER-Serie 4 1 , 142 Außenelektronen 139 Bandstruktur von Silicaten 326, außerordentlicher Lichtstrahl 327, 329 410 Barium 416 f. Austauscher 410, 489 —, Trennung von Strontium Austausch-kräfte 556 416, 509 —reaktionen (Wasserstoff) 563 Barium-bromat 129 Austenit 530 — b r o m i d 417 Auswaschen von Niederschlägen —carbid 417 337 —carbid 308 autogenes Schneiden 43, 44 — c a r b o n a t 411, 416!., 418 — Schweißen 43 —chlorat 124

616 Barium-Chlorid 416, 417 —chromat(IV) 508 (V) 508 (VI) 509, 510 — cobaltate(IV) 539 — c u p r a t ( n i ) 452 — ferrate(IV) 534 —fluorid 98, 401 —fluorosilicat 323 —hydroxid 417, 418 —-hypodiphosphat 272 —hypophosphit 271 —mangan(III)-hydroxid 522 —niccolat(III) 542 —niocolat(IV) 542 — n i t r a t 417 — o x i d 31, 181, 200, 416, 417 —peroxid 31, 178, 181, 384, 417 —phosphat 341 —platin(II)-cyanid 554, 569 —Silicat 329 —silicofluorid 323 —subhalogenide 418 — s u l f a t 179, 211, 416, 417, 574 —sulfid 192, 412, 416, 417 — t i t a n a t 502 Barometer 22, 477 Barysilit 329 Baryt 416 —wasser 417 Basalt 378 Base 92, 152, 174ÎL —bildner 445 —, einsäurige, mehrsäurige 92 —, einwertige, mehrwertige 92 —exponent 109 —, MrLLONsche 482 —rest 92 Basen, Abstumpfen 114 —reaktion der Carbonyle 546 Base-Säure-Begriff 175 basische Lösung 110 — Reaktion 96 — Salze 92 —r Gips 411 —s Bleicarbonat 358 —s Bleisulfat 358 —s Futter (Konverter) 530 f. Basizität 175 Bastardbahnen 153, 446 Bastnäsit 486 Bausteine 414, 529 Baustoffe, keramische 343, 345 Bauxit 183, 379, 386, 415 —, Aufbereitung 379 ff. —, roter und weißer 379 BAYEE-Verfahren (Al) 380f. Bayerit 386, 397 Becherglas 4 BECKER, H . 5 8 5 BECKMANN, E . 5 8

—thermometer 58 BECQUEREL, H . 569

BEERsches Gesetz 482

Register Beimetall (Carbonyle) 545 BERZELIÜS, J . J . 2 8 , 4 8 5 Beinschwarz 300 —sehe Arsenprobe 279 Beizmittel (Färberei) 355, 356, Beechleunigungskammer für 390 α-Teilchen 581 Belichten (Photographie) 463,543 BESSEMER-Birne 344, 630Ï. —verfahren 530f. Belichtungsmesser 218 Bestandteil (Phasengesetz) 190 bengalisches Feuer 416, 417 Betatron 583, 610 Benitoit 329 Beton 414f. Benzin 302, 809, 312 f. — o f e n 312 BETTENDORFsche Arsenprobe 280 —synthese 302, 309, 312 f. Bevatron 582 Benzol 302, 310 bewegte Masse 570 —, anorganisches 370, 377 f. Bewegung der Moleküle 75 ff. —, Hexachlorid 300 —, BROWNsche 335, 336 —, Verbindungen mit Metallen Bezugseinheit des Atomgewichte 549

20, 563

Bicarbonate 305 Bierflaschen 342 Bild, latentes, photographisches 463 Bildungswärme 45 BULITER-Verfahren 424 bimolekulare Reaktionen 103 Bimsstein 3 binäre Elektrolyte 107 —· Systeme, Schmelzdiagramme BERNERT, T . 5 9 9 466ff. BERTHELOT, M . 4 6 Bindeton 343 Berührungselektrode 407, 415 Bindung, chemische 145 ff. Beryll 329, 401 —, Atom- 150 ff. Beryllate 402 —, Dreizentren- 367 Beryllium 401 ff. —, heteropolare 146 —, ehem. Eigensch. 401 f. —, homöopolare 150 —, Darstellung 401 —, Ionen- 146 ff. —, phys. Eigensch. 401 —, koordinative 157 ff. —, Verbindungen 402 f. —, Metall- 154ff. —, Verwendung 402 —, Übergänge 156 f. —, Vorkommen 401 Bindungs-arten 146 ff. Beryllium-alanat 388, 402 — ·—, Übergänge 156 f. — a l u m i n a t 387 —energie (Atomkern) 579 —aluminium-wasserstoff: s. Be- —parachorwerte 496 — z a h l 150 ryllium-alanat — a m i d 437 Binnendruck von Flüssigkeiten — a z i d 231 392 — b o r a n a t 370, 402, 437 Biosphäre 293 —bor-wasserstoff: s. Beryllium- bipolare Elektrode 34 boranat BIRKELAND-EYDE-Verfahren 235 —carbid 391, 403 Birne (Stahlerzeugung) 530 — c a r b o n a i 403, 418 „Bi"-salze 92 —Chlorid 402, 403 Biskuitbrand von Steingut 345 —fluorid 401, 403 Bismutin 289 — h y d r i d 370, 402, 434 bismutum subnitricum 290 —hydroxid 401, 402, 418 Bismutylhalogenide 289 —legierungen 402 Bi-sulfate 211 — m e t h y l 402, 437 sulfite 204 — n i t r a t 403 Bitter-salz 182, 403, 406, 430 —oxid 402, 405, 438 — s p a t 406 —oxidfluorid 401 —wasser 49, 403 —silicate 329, 401 Blättchenstruktur natürlicher —sulfat 403 Silicate 330 —Wasserstoff: s. BerylliumBlättererz 464 hydrid blätteriger Serpentin 329 —zink-silicat 76 blanc fixe 416 Beryllo-silicate 330, 401, 483 Blasen von Glas 341

Berg-gold 464 —kristall 318, 323, 324 Berkeley 601 Berkelium 448, 555, 556, 607 —, Name 601 —, Oxydationspotential 607 —, Wertigkeit 607 Berlinerblau, lösliches 538 —, unlösliches 538 Berliner Salzsäureverfahren 90

Register Blatt-aluminium 383 —gold, unechtes 83, 462 —grün 63, 403, 527 •—struktur (Aluminate) 385 — — (Silicate) 826, 327, 329 338, 342 (Silicone) 331 Blau, Thénards- 539 Blaueisenerz 251 blaues Steinsalz 573 Blaulichtröhre 75 Blausäure 94, 96, 301, 310, 537, 538, 549 —, Tautomerie 549 Blech 353 —emaille 342 Blei 357 ff. —, Anwendung 358 f. — , Bestimmung 362 —, ehem. Eigensch. 358 —, Darstellung 357 —, Entsilberung 457 —, Giftigkeit 358 —, Kernspaltung 593 —, Nachweis 361 —, phys. Eigensch. 357 f. —, pyrophores 358 -(II)-Verbindungen 359 ff. -(IV)-'Verbindungen 361 f. —, Vorkommen 357 Blei-(II)-acetat 360 , basisches 360 —akkumulator 173, 363!. (s. Akkumulator) —antimonat 357 —antimonglanz 283 —arsenat 357 —asche 358 —(Il)-azid 231 —bäum 358 —bicarbonat 358, 359 —blech 358 —(ID-bromid 99, 359 —(IV)-bromid 361 —(Il)-carbonat 357, 359 , basisches 358, 359 f. —(Il)-chlorid 359, 361 —(IV)-chlorid 361, 364 —(Il)-chlorit 124 —(Il)-chromat 357, 360, 507, 510, 574 , basisches 360 , Löslichkeit 574 —elektrode 363 —essig 360 —(Il)-fluorid 98, 359 —glätte 358, 360, 458 —glänz 182, 206, 357, 361, 456 —glas (Kristallglas) 340 Í., 344, 346 , (Mineral) 359 —(Il)-halogenide 359 —hexahydroxo-stannat 356

Blei-(II)-hydrogencarbonat 358, 359 —(Il)-hydroxid 358, 3601., 364 —(ü)-jodid 359 —(IV)-jodid 361 —kammer 208 kristalle 243 schlämm 217, 398 verfahren 207 f. —kristallglas 340 —lagermetalle 359 —legierungen 289, 353, 357, 3581., 452, 458, 553, 574 —molybdat 357, 515 —(Il)-nitrat 237, 359 —(H)-orthoplumbat 362 —(Il)-oxid 360 —(IV)-oxid 362, 363 elektrode 363 —(II,IV)-oxid 362 —(Il)-peroxodisulfat 362 —röhre 358 —säure 362 —schwamm 358 —Silicat 329, 357 —Spiegel 361, 574 —(Il)-stannat 356, 357 —stift 298 —(Il)-sulfat 211, 359, 363, 574 , basisches 358 —(Il)-sulfat, gefälltes (Oberfläche) 574f. —(IV)-sulfat361f. , basisches 362 —(Il)-sulfid 195, 283, 288, 357, 361 , Löslichkeitsprodukt 195 —vanadat 505 —(IV)-wasserstoff 361, 364, 574 —weiß 359!., 416 —wismutglanz 288 —wolframat 357, 516 —(II)-zinn(rV)-hydroxid 356 —zucker 360 bleibende Härte des Wassers 410 bleichendes Chlor 123 Bleich-erde 330 —lösungen (s. a. Bleichmittel) (C102) 124 (H3B04) 376 (H202) 84, 180, 181 (HOBr) 129 (HOC1) 122 (NaC102) 124 (S02) 199 —mittel 376 (s. a. Bleichlösungen) (Cl2) 84 (Na202) 181, 421 (03) 178 (Perborat) 376 —sucht 535 —Wirkung (Cl2) 84, 122, 216 (Na202) 181

617 Bleichwirkung (S0.2) 199 bleiige Säure 361 Blende, SiDOTsche 476 Blenden (Mineralien) 182 Blicksilber 458 Blindprobe 277 Blitzlicht 384, 404 —pulver 404 Blondfärben von Haaren 180,376 Blumentöpfe 344 Blut, osmotischer Druck 56 —farbstoff, roter 527 —kohle 299, 300 —laugensalz 161, 537 Boden (Nickelstein) 541 Bodenkörper 57 Bodenstein (Hochofen) 527 böhmisches Kristallglas 340 Böhmit 386 Boer, de 500 Bogenspektrum 143 Bohr, N. 135, 141 —sches Atommodell 135!., 140, 493 —sches Magneton 493 Boisbattdran, L. de 347, 485 Boltzmann, L. 23 Bomben (für komprimierte Gaee) 34 Bor 366 ff. —, Bestimmung 375 —, ehem. Eigensch. 366 —, Darstellung 366 —, elektr. Leitfähigkeit 349, 366 —, Halogenverbb. 372ff. —, Nachweis 375 —, phys. Eigensch. 366 —, quadratisches 366 —, Sauerstoffverbb. 374ff. —, Stickstoff-, Kohlenstoffverbb. 377 f. —, Vorkommen 366 —, Wasserstoffverbb. 367 ff. Bor-amid 377 —azid 231 —bromid 366, 368, 374 —carbid 366, 378 —(Il)-chlorid 369, 374 —(Ill)-chlorid 366, 368, 373!. , Additionsverbindungen 373 f. trimethylamin 373 f. —fluorid 372 f. , Hydrate 372 f. —fluorwasserstoffsäure 372 f. —groppe 366 ff. , Übersicht 399 f. —halogenide 372 ff. —hydride 367 ff. (s. Borane) I —hydroxid 400 —imid 377 —jodid 374 —nitrid 366, 377 —nitrid, Kristallstruktur 377

618 Bor-oxid 366, 874, 375, 438 —oxidchlorid 390 — p h o s p h a t 330 , Gitterstruktur 330 —phosphor-oxid 330 — s ä u r e 261, 366, 374 if., 400 , Molekularstruktur 374 , Titration 375 methylester 375 — s t a h l als Regulator des UranReaktors 594 —stickstoff 377 — s u l f i d 366 —sulfol und Derivate 376 —tonerde-gläser 340 —(I)-verbindungen 384 —wasser 375 —Wasserstoffe 367 ff. (s. Borane) Boranate 370 Borane 367 ff. —, ehem. Eigensch. 369 ff. —, Darstellung 368f., 434 —, Halogenderivate 370 f. —, Konstitution 367 f. —, Methylderivate 371 —, phys. Eigensch. 369 —, Sauerstoffderivate 370 f. —, Stickstoffderivate 370f. — , Systematik 367 f. Borate 366, 375 f. —, Molekularstruktur 375 Borax 366, 374, 376 —perle 376 Borazane 378 Borazene 378 Borazine 378 Borazit 366 Borazol 61, 377!. —, Methylderivate 378 Borazon 377 Borin 367, 387 —, Additionsverbindungen 369 f. —, Aminoderivate 370f., 378 —, Substitutionsprodukte 370 f. — Ä t h e r 370 —Ammoniak 370 —Kohlenoxid 369 —Methylcyanid 370 —Phosphin 370 — P y r i d i n 370 —Trimethylamin 369 Bornit 450 Boro-calcit 366, 374 —natrocalcit 366, 374 Boroxol 375 —, Derivate 376

Register

Branntkalk 407 Brookit 501 Braten (Cu) 451 BRowNsche B e w e g u n g 335, 336 Braun-eisenerz 535 Brückenbindung (Anionbrücken) —eisenstein 526 367, 389 — k o h l e 309 — (Kationbrücken) 223, 367 Brutreaktor (Umwandlung , Verschwelung 311 — s p a t 406 Uran -> Plutonium) 596 — s t e i n 35, 81, 342, 404, 474, — (Umwandlung 521, 522 Thorium -> Uran) 596 braunes Arsen 276, 280 BRUYN, L . DE 244 Braunit 521 Bullrichsalz 428 Braupfanne 453 Buna 412 Brausepulver 428 BUNSEN, R . W . 434 Brechungsquotient 496 — b r e n n e r 302 f. Brechweinstein 287 — f l a m m e 302 f. Breithauptit 283 Buntkupfererz 450 Bremerblau 454 Butan 301, 302, 309, 313 Bremssubstanzen (Reaktor) 594 Buten 309 Brennen von Gips 411 f. b-Zinnsäure 366 — von Kalkstein 407f. C — von Ton 342 Cadmium 473, 476!. — von Zement 414 Brenn-gut (Tonwaren) 345 — als Regulator des Uran— k a n a l (Ringofen) 408 Reaktor 594 — o f e n (Steingut) 345 Cadmium-blende 476 Brillant 295 — b o r a t 76 — c a r b o n a i 476 BRiNsches V e r f a h r e n 31, 181 —chlorid 477 Britanniametall 289, 353 —gelb 477 BRÖNSTED, I . N . 175 —hydroxid 476 Brom 87 f., 430 —, ehem. Eigensch. 88 , Ammoniakat 477 —, Darstellung 87 f. , Sol 337 —, Dissoziationswärme 48 — i o n , Hexammin 477 —, Halogenverbb. 131 f. —legierungen 289 —, Oxide 129 f. — -oxid 476 —, phys. Eigensch. 88 —schwamm 476 —, Sauerstoffsäuren 129 f. — s t a u b 473, 476 —, Vorkommen 87 — s u l f a t 476, 477 —, Wasserstoffverb. 98 f. —sulfid 195, 412, 476, 477 Bromate 129 —vitriol 477 Brom-azid 233 Caesium 429, 434 —carnallit 87, 430 — a n t i m o n (III,V)-chlorid 538 —(I)-chlorid 131, 132 — b i t a r t r a t 434 —(I)-fluorid 131, 132 —bor-phenyl 434 —(Ill)-fluorid 132 —dichromat 434 , elektrolytische Dissozia- —Perchlorat 126, 434 tion 132 —peroxid 434 —(V)-fluorid 132 —platin(V)-chlorid 434, 553 —Silicat 434 — (I)-oxid 129 Calcaroni 182 —(IV)-oxid 130 Calcinieren von Bauxit 379 —(Vl)-oxid 129, 130 — von HCOOK 433 — s ä u r e 129 —silber-gelatine 462 — von KHCOj 432 —stickstoff 232 f. — von NaHC0 3 427 —wasser 88 calcinierte Soda 427, 428 —Wasserstoff 98 f. —s Natriumsulfat 426 BOSCH, C. 224, 227 Calcit 409 , ehem. Eigensch. 99 BOTHE, W . 585 Calcium 10, 406ÎI. , Darstellung 98 f. —, ehem. Eigensch. 407 BOUDOTJABD-Gleichgewicht 304, , phys. Eigensch. 99 —, Darstellung 407 , schwerer 563 3 0 6 , 3 0 7 , 528 —, phys. Eigensch. 407 Bournonit 282 säure 99 —, Trennung von Sr 416 BoYLE-MARiOTTEsches Gesetz 24 Bronze 353, 452 —, Verbindungen 407 ff. BRACKETT-Serie 42, 142 — f ä r b e 452 —, Vorkommen 406 BRAGGsche G l e i c h u n g 148 Bronzieren 356

619

Register Calcium-acetylid 412 — a l u m i n a t 379, 408, 411, 414 —aluminium-silicate 378, 528, 529 —ammoniakat 407 — a r s e n a t 281 —bicarbonat 410 —bisulfit 204 •—borate 366, 374, 376 —carbid 73, 258, 301, 408, 412 — c a r b o n a i 293, 303, 406, 407, 4091., 429 —chlorat 124 —Chlorid 134, 407, 409, 412, 428 , Ammoniakat 409 —(I)-chlorid 409, 418 — c h r o m â t 508 —cyanamid 413 — d ü n g e r 269, 409, 413 — f e r r i t 379, 408, 414 —fluorid 98, 134, 401, 407, 409, 412 —germanid 350 —hexahydroxo-stannat 356 — h y d r i d 407 —hydridchlorid 409 —hydrogen-carbonat 410 Silicat 414 —hydroxid 408 —hypochlorit 123 —hypochlorit-chlorid: s. Chlorkalk — j o d i d 134 —magnesium-carbonat: s. Dolomit —manganit 522 — m e t a b o r a t 375 —monochlorid 409, 418 — n i t r a t 409, 416 — n i t r i d 407 — o x i d 407 f. —phosphate 251, 2701., 407, 531 —phosphid 258, 263 —phosphit 271 —silicate 252,329,403,407,408, 411, 415, 419 —silicide 319, 320 —silicophosphat 270, 532 — s t a n n a t 356 — s t a n n i d 155 —subhalogenide 418 — s u l f a t 211,407,410, 4 U Í . , 429 —sulfid 192, 412 , Phosphoreszenz 141 —wolframat 76, 516 —zeolithe 330 —zinn(IV)-hydroxid 356 Caliche 426 Californium 556, 607 —, Name 601 —, Wertigkeit 607 Calorie 12, 51, 563 Caporit 123 Carbaminate 436

Carbaminsäure 436 Carbid 412 — o f e n 412 Carbide 301 Carbonado 295 Carbonat-apatit 252 Carbonate 293, 304, 306 Carbonat-ion, Konfiguration 318 Carbonisierung von K O H 433 - von NaAlOj 380 Carbonylat-ion 546 Carbonyle 543 ff. —, Darstellung 545 —, Eigenschaften 546 f. —, Elektronenstruktur 543 —, Isonitrilderivate 549 —, Nitrosylderivate 547 f. —, Systematik, Konstitution 543 f. Carbonyl-eisen 545 —isonitrile 549 —nitrosyle 547 f. —prussiate 538, 548 —Wasserstoffe 546 f. , Dissoziationskonstanten 546 , Salze 546 f. , Säurenatur 546 Carbonzeit 309 Carboraffin 300 Carborundsteine 333, 344 Carborundum 301, 333 Carnallit 80, 403, 407, 426, 429, 430, 433 —, künstlicher 430 —region 429 Carnotit 417, 519, 604 CAROsche Säure 215 CASALE-Verfahren 227 Cassiopeium 484 (s. auch Lanthaniden und Lutetium) CASSitrsscher Goldpurpur 465

CERN (Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire) 582, 583 Cerussit 359 Chabasit 330 CHADWICK, J . 5 8 5

Chalcedon 323 Chalkogene 163 ff. —, Übersicht 222 f. Chalkogenwasserstoffe 223 Chalkopyrit 450 Chalkosin 450 Chalkosphâre 70, 485 Chamäleon, mineralisches 523 charakteristische Koordinationszahl 477, 480 Chemie, analytische 8 —, anorganische und organische 293 —, heisse 596 —, Magneto- 491 ff. — und Physik 1 chemische Atomgewichte 563 — Bindung 145 ff. --- Formel 20, 28 — Gleichung 19, 28f. — Reibung 111 — Triebkraft 46, 111 — Verbindungen, Zahl 10, 293 —r Vorgang 1 — s Gleichgewicht 81, lOOlf. — s Volumengesetz 17 Chilesalpeter 88, 126, 240, 419, 4261. (s. auch Natriumnitrat) chinesisches Porzellan 347 Chiolith 389 Chlor 80 ff. —, ehem. Eigenschaft 82 ff. —, Darstellung 80 ff. —, Dissoziationswärme 48 —, Halogenverbb. 131 f. —, Oxide 126 ff. —, phys. Eigensch. 82 —, Sauerstoffsäuren 120 ff. CASTNER-KELLNER-Verfahren —, — Nomenklatur 120 f. 457 —, trockenes und feuchtes 83, 84 CASTNER-Zelle 419 —. Vorkommen 80 CAVENDISH, H . 3 7 , 7 1 —, Wasserstoffverb. 89 ff. CELSIIJS-Einheit 22, 53, 563 wirksames (Chlorkalk) 123 Cer 447, 489, 491, 500 (s. auch Chloralkali-elektrolyse 37, 82, 90, Lanthaniden) 123, 174, 424f., 431, 536 —(III,IV)-hydroxid 538 —schmelzelektrolyse 419 f. —(IV)-nitrat 504 Chlor-alane 388 —(Ill)-oxid 499 —alkyl-silane 331 —(IV)-oxid 499, 504 — a m i n 229 Sol 337 — a z i d 233 - (Ill)-persulfid 499 —entzinnung von Weißblech — p h o s p h a t 251, 483, 486 352, 355 —Silicat 483, 486 —(I)-fluorid 131, 132 - (Ill)-sulfid 499 —(Ill)-fluorid 132 —(IV)-verbb., Magnetismus 499 —isotope 561 Cerimetrie 491 — k a l k 81, 122, 128 —knallgasreaktion 83, 84, 85, 90 Cerit 483, 485, 486 —(I)-oxid 122, 126 — e r d e 485 —(IV)-oxid 123, 1261. — e r d e n 448, 486

620 Chlor- ( V,VII) -oxid 127 —(Vn)-oxid 128 —-säure 124f. , Darstellung 124 , Eigenschaften 124 ·, Salze 125 —(I)-säure: s. unterchlorige Säure —(Ill)-säure : s. chlorige Säure —(Vll)-säure: s. Überchlorsäure —Bauerstoff-salze, Konstitution 167 f. —silane 320 f. —stickstoff 154, 2321. —-sulfane 196 —sulfonsäure 2111., 215, 260 —wasser 82, 121 —Wasserstoff 39, 89 fl. , Darstellung 89 f. , Dipolmoment 153 , Eigenschaften 90 , elektrische Leitfähigkeit 91 , schwerer 563 säure 90 Chlorate 124,125 —, Konfiguration 318 —, Struktur 157 —(I): s. Hypochlorite —(III): s. Chlorite —(VII): s. Perchlorate Chloride, Nachweis als Cr0 2 Cl 2 511 —, Nachweis und Bestimmung als AgCl 96, 460 chlorige Säure 121, 123f. Chlorite 123 f. —, Struktur 157 Chloroform 8, 89 Chloro-gruppe 160 —schwefelsäure: s. Chlorsulfonsäure Chlorophyll 63, 403, 527 Chlorung von Wasser 84 Chrom 507 ff. —, aktives und passives 507 f. —, Bestimmung 510 —, Darstellung 507 —, Eigenschaften 507 f. —, Isonitril-Komplexe 549 —, Nachweis 511 —, Packungsanteil 580 —, Vorkommen 507 —, Wertigkeit 508 —(I)-Verbb. 508 —(Il)-Verbb. 513 —(Ill)-Verbb. 512f. —(IV)-Verbb. 508 —(V)-Verbb. 508, 512 —(Vl)-Verbb. 508ff. Chrom-(II)-acetat 514 — a l a u n 513 — c a r b i d 507, 520 —carbonyl 643 —(Il)-chlorid 514

Register Chrom-(III)-chlorid 513 —(Ill)-chlorid, Aquokomplexe 513, 514 —(IV)-chlorid 508 —dibenzol 549 —eisenstein 344, 507, 508, 512 — e r z e 507, 550 —(IV)-fluorid 508 —(V)-fluorid 508 — g e l b 860, 510 —gerbung 513 — g r u p p e 507 ff. —hexacarbonyl 643 —(Il)-hydroxid 514 —(Ill)-hydroxid 512 Sol 337 —isonitrile 549 —leder 513 —legierungen 507, 533, 539, 542 —nickel-stahl 533 —(Il)-oxalat 514 —(Il)-oxid 514 —(Ill)-oxid 341, 346, 384, 508, 510, 613 —(IV)-oxid 508 —(Vl)-oxid 508, 509, 510 —(I)-Perchlorat, komplexes 508 —(VT)-peroxid 511 —(VI)-peroxid, Ätherverbindung 511 — r o t 360 — s ä u r e 507, 510 anhydrid 509, 510 —spinell 387 — s t a h l 533 —(Il)-sulfat 514 —(Ill)-sulfat 507, 509, 510, 513 —(Ill)-sulfid 193 Chromate 508 IL, 513 —, analytischer Nachw. 511 —, Darstellung 508 f. —, Eigenschaften 509 —, Poly- 509 —, Regenerierung 509 —, Übergang in Dichromate 509 —(III): s. Chromite Chromit 507 —steine 344 Chromite 512 Chromyl-chlorid 510 —fluorid 510 Chryso-beryll 401 —pras 323 — t ü 329 cis-Stellung 515 cis-trans-Isomerie 515 Citrin 323 Clathrate 74 f. CLAUDE, G . 7 3

—Verfahren 73, 227 Claudetit 275, 278 CLAUS-Ofen 183 f.

—Prozeß, älterer 184

CLAUS-Prozeß, neuerer 184 CLEVE, P . T h . 4 8 5

Cleveit 74 CLUSIUS, K . 5 6 0

—sches Trennrohr 561 —sches Trennrohrverfahren 560f. Cobalt: s. Kobalt Cölestin 182, 415 Colemanit 366, 374 Columbit 506, 524, 597 Columbium 506 Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire 582, 583 CORSON, D . R . 5 9 9

Corubin 384, 387 CORYELL, C . D . 5 9 8

Cosmotron 582 COULOMB-Einheit 94

—sches Gesetz 492 COURTOIS, B . 8 8

Cristobalit 323, 324, 328 CROOKES, W . 4 8 5 CUNNINGHAM, Β . B . 6 0 4

Cuprate (II) : s. Cuprite —(III) 452 Cupri: s. Kupfer(II)Cuprit 450 Cuprite 452, 454 Cupro: s. Kupfer(I)CURIE, I . 5 8 9 — , M. 222, 569, 601 —, P. 2 2 2 , 5 6 9 , 6 0 1

— E i n h e i t 577 — P u n k t 533 —sches Gesetz 495 Curium 449, 555, 556, 606 —, Isotope (Tabelle) 6 0 2 / 6 0 3 —, Name 601 Cyanat-ion (Isosterie) 308 Cyanid-ion (Isosterie) 308 Cyanidlaugerei (Ag) 456 — (Au) 4 6 4 Cyanit 343 Cyanogruppe 160 Cyanwasserstoff 301 (s. a. Blausäure) cyclische Kohlenwasserstoffe 302 Cyclonium 599 Cyclopentadien 549 —, Verbindungen mit Metallen 549 Cyclotron 581 f. D d-Bahn 445 d-Bindung, Bindefestigkeit 446 D-Elektrode (Cyclotron) 581 D-Linie des Natriums 140 Dach-bedeckungen 358, 453, 474 —ziegel 342, 343 D ALTON, J . 1 4 , 1 5

Dampfdichte, Bestimmung nach V . MEYER 2 5

Dampfdruck 51!.. 188

Register Dampfdruck und Oberflächen- Deutero-methan 563 —phosphin 563 krümmung 394 f. —phosphorsäure 563 —erniedrigung 57 —säuren 563 DANIELL-Element 165, 172 ff. —schwefelsaure 563 —scher Hahn 43 Deuteronen: s. Deutonen DAVY, H . 419 DEACON-Verfahren 81, 105, 4 5 5 Deuteroxide 563 Deutonen 583 DEBYE, P . 108, 153 — E i n h e i t 153 —, Aufspaltung in Neutronen u. Protonen 589 Decken von Salzgemischen 430 —, Elementumwandlung mit — Deckglasur (Emaille) 342 Deflektor (Cyclotron) 582 583, 586 IL, 591 Deformation der Elektronenhülle deutsches Bleiweißverfahren 360 156 DEWAR-Gefäß 65 Di-aluminate 385 —s-schwingung 315 Dialysator 336 Degussageräte 405 Dialyse 336 Deka-boran 367 ff. —silan, Chlorderivat 321, 322 —geschwindigkeit 336 Dekantieren 4 —koeffizient 336 Dckrepitieren 422 diamagnetische Stoffe 493 DEMABCAY, E . 4 8 5 — Suszeptibilität, Additivität Dendriten 458 495f. Denitrifikationsbakterien 64 Diamagnetismus 247, 493, 494, dephlogistierte Luft 37 495 ff. Depolarisation 474 —, Anwendung zur KonstituDerivat 152 tionsermittlung 496 Desinfektionswirkung (Chlor) 84, —, Zustandekommen 494 D i a m a n t 293, 2 9 4 . f , 2 9 5 f . , 517 122 —, anorganischer 377 — (Fluorosilicate) 323 —, elektrische Leitfähigkeit 349 — (Hypochlorite) 122 —, Kristallgitter 294 f. — (Kieselgel) 339 —, künstlicher 296 — (Ozon) 178 Diamantgitter (C) 294 f. — (Perborat) 376 — (Schwefeldioxid) 199 — (Ge) 348 — (Sublimat) 480 — (Si) 319 — (SiC) 333 — (Wasserstoffperoxid) 180 Desodorisierung (Aktivkohle) — (Sn) 352 300 — (ZnS) 476 — (Kieselgel) 339 Diamminquecksilber(II)-ion 480 Desorption 73 —silber(I)-ion 460, 461 Desoxydation durch Al 384 Diammonium-phosphat 270 Diaphragma 34, 165, 245, 419, — durch Be 402 — durch Mn 521, 529, 531 420, 424 —Verfahren (NaOH) 424f. — durch Ρ 402 Diarsenate 281 — durch Si 533 Diarsin 277 Destillat 7 Diaspor 379, 386 Destillation, fraktionierte 7 Diatomeen 323 von flüssiger Luft 32 ff. Dibenzol-chrom 549 —, trockene, von Kohle 310f. —molybdän 549 Destillier-apparatur 7 —wolfram 549 —kolben 7 Diboran 367 ff., 377, 398, 402, destilliertes Wasser 7, 49 Deuterium 562 ff., 564, 56g 405, 437, 475 —, ortho- und para- 565 —, Halogenderivate 371 — b r o m i d 563 —, Methylderivate 371 —chlorid 563 —, symmetrische und asymme—fluorid 563 trische Spaltung 370 —halogenide 563 Diborin 367, 372 — o x i d 562 Dibortetrachlorid 369, 374 —peroxid 563 Dichlormonoxid 122, 126 —sulfid 563 Dichloro-cuprite 453 —Wasserstoff 564, 565 Dichlor-silan 320 Deutero-ammoniak 563 Dichromate 508, 509, 510, 511 —germaniumwasserstoffe 350 —, Nachweis 511

621 Dichte, kritische 40 Dichtpolen (Cu) 451 Dickschlamm (Zement) 414 Dicyan 301, 310 Dicyano-argentate 459 — a u r a t e 465 Didym 485 — o x i d 485 Dieselöl 309, 313 Diffusion von Gasen 40 f. —, fraktionierte 597 Diffusions-druck 55 —geschwindigkeit 40 f., 75 —potential 166 —vermögen 40 f. Difluoro-brom(III)-ion 132 salze 132 —phosphate 264, 373 , Konstitution 264, 373 Digerman 350 Dihydrogen-diphosphate 268 —phosphate 266 Dihydroxylamin 244 Diimid 247, 250, 437 —, Sulfonsäuren 250 Dikieselsäure 326, 338 dimolekulare Reaktionen 103 Dinassteine 344 Dinitrate(I) : s. Hyponitrite Diopsid 329 Dioxo-disiloxan 320, 321 Dioxsil 324 Di-phosphate 268 ·, Isomere 265 , Konstitution 265 (II) : s. Hypodiphosphite (III) : s. Diphosphite (IV): s. Hypodiphosphate —phosphin 257, 259 —phosphite, Konstitution 265 diphosphorige Säure 265, 271 Diphosphor-säure 265, 267 f. (II) : s. unterdiphosphorige Säure (III) : s. phosphorige Säure (IV): s. Unterdiphosphorsäure —-tetrachlorid 259 — t e t r a j o d i d 259 Dipol-kräfte 154 — m o m e n t 153 f. Dipyridyl 461, 508 Dischwefel-dekafluorid 198 —dibromid 192, 196 —dichlorid 192, 196, 197 —difluorid 192, 196 —heptoxid 201 —monoxid 201 — s ä u r e 203, 207, 211 — (Ill)-säure : s. dithionige Säure — (IV)-Säure: s. dischweflige Säure — (V)-säure: s. Dithionsäure —trioxid 201

622 Dischwefel-wasserstoff 196 dischweflige Säure 202 Diselen-dekafluorid 198 —dibromid 220 —dichlorid 220 —dijodid 220 Di-silan 319 f. —silicate 329 —siloxan 320, 321, 331 , Alkylderivate 331 diskontinuierliches Spektrum 41, 140 ff. Diskrasit 283 disperse Phase 333 —s System 333 Dispersions-methoden 335 — m i t t e l 333 Dispersitätsgrad 334 Disproportionierung 35 — (HOCl) 124, 170 — (KCIO3) 35, 125 — (HOBr) 129 — (HOJ) 130 — (H3NO) 244f., 548 f. — (H 3 N0 2 ) 245 — (HN0 2 ) 242 — (P) 257 f., 271 — (P 2 H 4 ) 259 — (P 2 0 3 ) 261 — (SO) 201 — (H 2 S 2 0 4 ) 203, 213 — (H 2 S 2 0„) 203, 213 — (H 2 S 2 0 8 ) 203 — (H 2 S0 2 ) 214 — (SinCl2n+2) 322 — (AuCl) 465 — (H 3 P0 3 ) 272 — (H 3 P0 2 ) 271 — (H 4 P 2 O e ) 272 — (H 3 Mn0 4 ) 523 — (H 2 Mn0 4 ) 523 — (H 2 Re0 4 ) 525 — (H 2 Ru0 4 ) 551 — (H 2 0S0 4 ) 552 — ([Co(CO)4]2) 546 — ([Fe(CO)4]3) 546 Dissoziation, elektrolytische 91 ff., 107 ff., 152 — schwacher Säuren 108 ff. —, thermische 95, 97 Dissoziations-gleichgewicht 96 — g r a d , elektrolytischer 94 f., 107 , Abhängigkeit von der Verdünnung 107, 114 , Messung 94 f. , scheinbarer 95, 108 , wahrer 95, 108 von Gasen 95 —konstante 107 (H 2 0) 110 (HaS) 193 (H 2 S0 4 ) 210 (H 3 P0 4 ) 266 — — (H 2 C0 3 ) 305

Register Dissoziations-wärme 96 von Elektrolyten 96 von H 2 46 · von 0 2 , N 2 , Cl2, Br 2 , J 2 48 Distickstoff-oxid (s. Stickoxidul) 231 —pentoxid 238 — (I)-Säure: s. Untersalpetrige Säure —tetrafluorid 232 —tetrasulfid 247 —tetroxid 237 f. —trioxid 237 Disulfato 211 —, Konstitution 202, 216 — (III): s. Dithionite — (IV) : s. Disulfite — (V): s. Dithionate Disulfide 195, 215 Disulfite 204 —, Konstitution 202 Ditellur-dekafluorid 198 Dithionate 213, 214 —, Konstitution 202 dithionige Säure 203, 212, 213 Di-thionite 213 , Konstitution 202 —thionsäure 203, 212, 213 — u r a n a t e 519 — v a n a d a t e 505 divariantes System 191 D-Linie des Natriums 140 Dodeka-molybdate 516 —wolframsäure 517 DÖBEREINER, J . W . 4 2 , 6 6

—s Feuerzeug 43 —s Triadenregel 66 Dolomit 149, 293, 344, 403, 406, 407, 528 —steine 344 Doppelbindung, heteropolare 159 —, homöopolare 150, 159 —, semipolare 158, 159, 317 f., 318, 496 f. .Nachweis 317f., 496f. —s-elektronen 247, 549 Doppelbindungsregel 187, 199, 220,251, 253,261, 268f., 273f., 286, 320f., 325ff., 331 f., 350 Doppel-brechung des Lichtes 410 —carbonate 406, 488 —chloride 535, 550 — n i t r a t e 488 —oxalate 488 —salz 149, 391 — s p a t 410 —sulfate (vgl. Alaune) 398, 403, 406, 482, 483, 488, 522, 535, 537, 539, 542 —sulfide 541 —superphosphat 270 doppelte Umsetzung 80 DoRR-Eindicker 423 — R ü h r e r 423

DowNS-Zelle 420 Drall der Atomkerne 564 ff. — der Elektronen 498 Drehbewegung der Moleküle 77 f. Drehrohrofen 343, 379, 414, 475, 508, 530 dreibasige Säure 92 Dreifachbindung 150 dreisäurige Base 92 Dreizentrenbindung 367 drittes Funkenspektrum 143 Druck, Dampf- 51 f. -, Gas- 21 —, kritischer 40 —, osmotischer 53 ff., 108 Druckerschwärze 298 Druckfiltration 5 Druckhydrierung (C) 312 f. — (CO) 308 f. — (N2) 224 ff. DRUMMONDsches K a l k l i c h t 4 0 8 D u b l e t t 150

Düngemittel, calciumhaltige 270, 408, 409, 412 —, kaliumhaltige 269, 421, 430, 431, 432, 433 —, phosphorhaltige 269f., 531 f. —, stickstoffhaltige 64, 269, 413, 427, 435, 436 f. Dünger, künstlicher 64 Düngesalz 422, 430 Dürkheimer Mineralwasser 434 DULONG, P . L . 7 8

—PETiTsche Regel 78, 162 Dunkelkammer 463 dunkle elektrische Entladung 177 —s Fahlerz 282 —s Rotgültigerz 282, 456 Duralumin 385, 404 Duraxglas 340 Durchdringungs-komplex 160 f., 317, 391 —vermögen (α-Teilchen) 571 (^-Teilchen) 571 (y-Strahlen) 571 Durchmesser der Atome und Moleküle 30 Durchschlagen des Bunsenbrenners 303 dyn 392, 492 Dynamidonsteine 343, 387 dynamisches Gleichgewicht 104 Dysprosium: s. Lanthaniden E Eau de Javelle 122 — de Labarraque 122 Ebullioskopie 58 echte Lösung 334 Edelgase 67, 71 ff. —, Adsorption an Kohle 73 —, Anwendung 75 f. —, Clathrate 74 f. —, Gewinnung 72 ff.

Register Edelgase, Geschichtliches 7 I f . —, Hydrate 74 —, phys. Eigensch. 74 f. —, Vorkommen 72 Edelgaskonfiguration 145 Edelsteine (A1203) 379 — (Berylliumsilicate) 401 — (C) 295 — (Si0 2 ) 323 —, künstliche 341, 387 —, synthetische 386 —, unechte 341 edle Metalle 167 —r Galmei 472, 473 Effekt, Fluoreszenz- 314

Einstellung einer Permanganatlösung 535 — von Titrierlösungen 117, 535 einwertige Base 92 — Säure 92 —s Element 148, 150 Einzelpotential 165 ff. —, Konzentrationsabhängigkeit 170ff. Eis, Gitterstruktur 51, 328 eisartiges Schwefeltrioxid 200 Eis-Kochsalz-Mischung 423 Eisen (s. a. Roheisen, Stahl) 210, 526 ff.

—, Antimonchlorid-Komplexe 549 — , JOULE-THOMSON- 32 —, SMEKAL-RAMAN- 313ff. —, ehem. Eigensch. 38, 210 — , TYNDALL- 313, 3 3 4 — , Cyclopentadien-Komplexe effekt. Elektronenzahl 544, 548 549 — Kernladungszahl 143 —, Darstellung 527 ff. 533 f. Eierkonservierung 329 — , Emaillierung 342 einbasige Säure 92 —, Entkohlung 530ff. einbindiges Atom 150 —, Isonitril-Komplexe 549 Einelektronenbindung 197 —, kompl. Verbindungen 537 f. einfache Bindung 150 —, Modifikationen 533 einfarbiges Licht 84 —, Phosphin-Komplexe 549 eingefrorene Wärmeschwingung —, phys. Eigensch. 533 —, pyrophores 396, 534 396 —(I)-Verbindungen 534 eingestellte Titrierlösung 117 —(II)-Verbindungen 534f. E i n h e i t , AMPÈRE- 9 4 — , ANGSTROM- 3 0 , Magnetismus, Elektronen—, Calorie- 51 figuration 446 —-, CELSIUS- 5 3 —(Ill)-Verbindungen 535ff. — , COULOMB- 9 4 , Magnetismus Elektronen— , CURIE- 577 konfiguration, Oxydationswir— , DEBYE- 153 kung 447 —, Dyn- 4 9 2 —(IV)-Verbindungen 534 - , Erg- 392 —(Vl)-Verbindungen 534 —, FARADAY- 9 3 —, verzinktes 474 —, Grad- 53, 563 —, verzinntes 353, 474 —, Gramm- 51, 563 — , Vorkommen 526 f. —, Megacurie- 577 —, Wertigkeit 534 —, Mikrocurie- 577 Eisen-alaun 537 —, Millicurie- 577 —aluminat 387 — , OERSTED- 4 9 2 —aluminium-silicate 378 — , OHM- 4 7 7 —arsenide 275 — , SIEMENS- 4 9 —bahnräder 501 —, Torr-22 — b e t o n 415 — , X - 570 —(Il)-bicarbonat 535 Einkristall 517 —(Ill)-bromid 537 einladiges Atom 148 —earbid 529 einmolekulare Reaktionen 103 —(Il)-carbonat 293, 526, 534, —carbonylate 546 [535 — Oberflüchenschicht 299 Einpökeln 423 —carbonyle 543 ff. einsäurige Base 92 , Disproportionierung 546 f. Einsalzen 423 , Reduktion 547 einsames Elektronenpaar 151 —carbonylwasserstoff 546 f.,548 Einschlußverbindungen 74 f. —(Il)-chlorid 534f., 536 Einschmelzen (Cu) 451 —(Ill)-chlorid 536f. EINSTEIN, A . 601 —chromit 507, 508, 512 —sehe Gleichung 12, 578, 608 —(Il)-cyanid 537 Einsteinium 607 —(Il)-cyanwasserstoffsäure 537 —, Isotope 602/603 —(III) - cyanwasserstoffsäure —. Name 601 537 f.

623 Eisen-(II)-eisen(II)-cyanid 538 — (II)-eisen(III)-cyanid 538 —(III)-eisen(II)-cyanid 538 — (III)-eisen(III)-cyanid 538 —enneacarbonyl 544, 545 —erze 521, 526f., 550 —glänz 526 — g r u p p e 526 ff. — (Il)-hydrogencarbonat 535 — (Il)-hydroxid 534 —(II, III)-hydroxide 534, 538 —(Ill)-hydroxid 184f., 379, 396, 534, 535, 5 3 6 Sol 335, 337, 338, 536 f. —(Il)-ion, Elektronenkonfiguration 445 —isonitrile 549 —(I)-jodid 534 —(Il)-jodid 537 — (Ill)-jodid 537 — -kies 182, 217, 526 —konverter 530 f. —legierungen 385, 507, 521, 529, 5321'., 542 (s. auch Ferrolegierungen) —(Ill)-metahydroxid 536 —metallo 526 ff. — n i o b a t 506 —nitrosylcarbonyl 548 —ocker 535 —(Il)oxalat 534 — (Il)-oxid 149, 534 —(II, III)-oxid 384,534,535,536 —(Ill)-oxid 149, 346, 526, 534, 535 f., 541 —(Ill)-oxidchlorid 536 —(Ill)-oxid-hydrat 380, 536 hydrogel 536 —pentacarbonyl 543 ff. , Basenreaktion 546 —phosphat 251 —phosphid 258 —portlandzement 415, 529 —(Il)-prussiate 538 —(Ill)-prussiate 538 —reihe, magnetische Momente 499 —(Ill)-rhodanid 537 — r o s t 534, 536 —Säuerlinge 535 —(OT)-salze, Nachweis 537 — s c h r o t t 532 —schwamm 530 —selenid 219 —silicate 329, 450, 483, 541 — s p a t 293, 526, 535 —spineil 387 —(Il)-sulfat 149, 406, 535, 539 , Bestimmung 524 , NO-Verbindung 236 —(Ill)-sulfat 200, 211, 537 , basisches 535, 537 —(Il)-sulfid 192, 195, 347, 450, 526, 535, 538, 541

624 Eisen-(II)-sulfid, Löslichkeitsprodukt 195 — t a n t a l a t 506 —tetracarbonyl 544, 545 — t i t a n a t 501 —vitriol 406, 475, 53a —wasser 49, 535 — w o l f r a m a t 516 Eisstein 389 Eiweiß 60, 64, 182, 192, 251, 436 Eka-Aluminium 347 — B o r 347 —Caesium 600 — C e r 520 —Dysprosium 607 — E r b i u m 607 — H a f n i u m 603 — H o l m i u m 607 — J o d 600 —Mangan 598 — N e o d y m 520 —Osmium 604 —Praseodym 520 — R h e n i u m 603 —Silicium 347 — T a n t a l 603 —Thulium 608 — T e r b i u m 607 — W o l f r a m 603 — Y t t e r b i u m 608 elektrische Arbeit 172 — Leitfähigkeit 95, 108, 513 — Spannung 165 - Wellen 76 —r Ofen 252, 412, 532 —r Ringstrom 247 —s Elementarquantum 93, 136 —s Potential 95 Elektrizitätsgesetze, stöchiometrische 93 f. Elektroanalyse 174 elektrochemische Spannungsreihe 165 ff. — Wertigkeit 169f. —s Äquivalentgewicht 170 —s Äquivalenzgesetz 85, 93 f. Elektrode 13 —, bipolare 34 — , SÖDERBERG- 4 1 2

Elektrofiltration 206 Elektrolyse 13, 172 ff. (s. a. elektrolytische Raffination und Schmelzelektrolyse) — (H 2 0) l f . , 12f„ 16,34,37,177, 562 — (HCl) 14, 81, 93 Elektrolyt-cadmium 476 —gold 465 — k u p f e r 451 —nickel 541 —silber 458 — z i n k 473 Elektrolyte 91 •—, binäre 107

Register Elektrolyte, schwache 94,107 ff. —, starke und schwache 94 elektrolytische Dissoziation 91 II., 107 ff., 114, 152 — Leitfähigkeit 108 — Raffination (Ag) 458 (Au) 465, 550 (Cd) 476 (Cu) 451 (Ni) 541, 550 (Zn) 473 — Zersetzung 13, 172ff. —r Dissoziationsgrad 941., 107 (s. Dissoziationsgrad) elektromagnetische Strahlung 569 —s Spektrum 76 Elektromerie : s. Mesomerie elektromotorische Kraft 166, 570 elektronegative Wertigkeit 154 Elektronen 136, 558 ff., 560 —, Elementumwandlung mit — 583, 591 —, Energiezustände 136 —, magnetisches Moment 493, 494 f. —, negative und positive 560 —, schwere 579 —, Schwingungszustände 136 —, Strömungsgeschwindigkeit in Metallen 155 —, Symbol 143, 146, 163 —, Umwandlung in Protonen 608 Elektronenbahnen, s-, p-, d-, j445 —, halbbesetzte 445 Elektronen-defektleitung 349 — d e z e t t 159 —dodezett 159 — d r a l l 498 — d u b l e t t 150 —einfang 589 —formel 148f., 150f., 157ff. und Valenzstrichformel 157ff., 204f., 313, 316f., 496f. — g a s 154, 500 , P a r a m a g n e t i s m s 500 —hülle 136ff., 439 ff. , Deformation 156 —isomerie: s. Mesomerie —konfiguration von Atomen 136ff., 445 ff. (Tabellen) 137 ,440, 447, 448 — - von Komplexverbindungen 445ff. und Magnetismus 446 f. und räumliche Konfiguration 446f. , Symbolisierung 140, 445 —leiter 147 — o k t e t t 146 —-paar, anteiliges 151

Elektronen-paar, freies (einsames) 151 —schalen (Hauptgruppen) 136ff. (Nebengruppen) 439 ff. (Lanthaniden) 447 f. (Actiniden) 448f. erweiterung 159 , halbbesetzte 445, 448 — s p i n 445, 498 —sprung-Spektrum 145 — s t r ö m 155 , Geschwindigkeit 155 — s t r u k t u r (CO) 316, 497 (Carbonyle) 543 (C0 2 ) 317 (COj") 318 (COClj) 497 (N 2 0) 316f., 497 (NO„') 318 (HNO3) 497 (S0 2 ) 497 (SO,") 318 (S02C12) 496 f. (SOClj) 497 (K 2 Fe(CN) 6 ) 543 (s. auch Molekularstruktur, Tautomerie) —theorie der Valenz 135, 145 ff. —überschußleitung 348 — v o l t 166, 570 , Umrechnung in kcal 570 — z a h l , effektive 544, 548 —zwilling 608 Elektronmetall 404 Elektrophorese 337 elektropositive Wertigkeit 154 Elektrostahl-Ofen 344 —Verfahren 532 Elektrovalenz 146 Element 9, 19, 558 —, galvanisches 166 — und Verbindung 9, 19 — 43 s. Technetium — 61 s. Promethium — 85 s. Astat — 87 s. Erancium — 93 s. Neptunium —• 94 s. Plutonium —• 95 s. Americium — 96 a. Curium — 97 s. Berkelium — 98 s. Californium — 99 s. Einsteinium —100 s. Fermium —• 101 s. Mendelevium —102 s. Nobelium — 103—118 449 Elementar-analyse, organische 454 —ladung, elektrische 93, 136, 555 — q u a n t u m , elektrisches 93,136, 555

Register Elementar-teilchen, leichte und schwere 560 Elemente, Atomvolumina 489 f. —, Inversion 69 —, lithophile 485 —, Massendefekt 579 f. —, Massenzahlen (Tabelle) 559 —, Methoden der Umwandlung 58 Iff. —, Periodensystem 66ff., 138f., 439 ff. —, radioaktive 138, 566 II. —, Rein- und Misch- 558 —, Verbreitung 69 f., 487 Element-gruppe 67 —homologe 67 —periode 67, 442 —symbole 19, 27 —Umwandlung, künstliche S81ff. (s. auch Kernumwandlung) , Ausbeuten 584f., 586 —, natürliche 555 ff. Eloxalverfahren 383 elsässische Kalisalzlager 430 Eluat 489 Emaille 342, 356, 376, 389, 408 Emaillieren 342 Emanationen 567 Emaniermethode 575 Emissionsspektrum 140 — der Lanthaniden 490 — des Wasserstoffs 41 f., 142 EMK 165 Emulsion 334 Enantiotropie 187 ff. Endlauge 430 endotherme Reaktion 44, 115 Energie, freie 46, 166, 570 —, gebundene 46 —, Gesetz von der Erhaltung 45, 608 —, Gesetz von der Gleichverteilung 23, 335 —, kinetische 22 —, Masse 12, 578f., 579f., 608f. —, thermische 22 —, Umwandlung in Materie 608f. Energie-erzeugung im Uran-Reaktor 595 — i n h a l t der radioaktiven Strahlen 570 ff. und Gitterstörung 395 f. und Gleichgewichtskonstante 396 f. und Oberflächenbeschaffenheit 395 und Oberflächenentwicklung 39 Iff. und Zerteilungsgrad 39Iff. — p a k e t 84 •—Umsatz, chemischer 44ff. , radioaktiver 578 ff.

Energie-zustände der Atomhülle 136, 140 ff. des Atomkerns 555, 571 Engel-Precht-Verfahren 432 Englischrot 536 en-Gruppe 515 Enstatit 329, 403 entartete Schwingungen 318 Entbromung von Salzlaugen 430 Entfärbung durch Aktivkohle 300 Entfuselung durch Aktivkohle 300 Entglasung 324, 340 Enthärtung von Wasser 330, 410 Entkieselung durch Si 325 Entkohlung von Eisen 530ff. Entladung von Ionen 172ff. —, stille (dunkle) 177 — des Akkumulators 363 Entschwefelung technischer Gase 184f., 192, 225f. Entwässerung von Hydraten 119 f. — von Hydroxiden 396 Entwickeln (Photographie) 463 Entwickler, photographische 463 Entzinnung von Weißblech 352 Eötvös, R. v. 11 —sehe Konstante 392 —sehe Regel 392 Eosin 481 Erbium: s. Lanthaniden Erdalkali-amide 228, 229 — a z i d e 232 —carbonate, Dissoziationsdrucke 411 —(I)-halogenide 409, 418 —imide 229 —manganate(IV) 523 —manganate(V) 523 —metalle 38, 195, 401 II. , ehem. Eigenschaften 418 , physikalische Eigenschaften 418 , Reaktion mit Wasser 38 , Verhalten gegen Chlor 82 , Übersicht 418 — s u l f a t e 211 —sulfide 193, 195 —subhalogenide 418 Erdbeschleunigung 11 Erde, Altersbestimmung 577 f. Erd-gas 72 , Heliumgehalt 72, 74 —inneres, Zusammensetzung 69 f. — m a g m a 485 —metalle, seltene 448f., 483II. (s. a. Lanthaniden) —metallnitrate 404 — ö l 293 — r i n d e 69, 318, 378, 521 Erg 392

H o l l e m a n - W i b e r g , A n o r g a n i c h e Chemie. 47.—66. Aufl.

625 Erhärten von Kalkmörtel 413 — von Zement 415 Erhaltung der Energie 45, 140, 608 — der Masse III., 608 EBLBNMEYEE-Kolben 6 Erregerlinie (RAMANeffekt) 314 Ersaufen von Kalk 414 Erstarren 8 Erstarrungs-diagramme 466 ff. (s. Sehmelzdiagramme) — w ä r m e 50 erster Hauptsatz 45 erstes Funkenspektrum 143 Erz-berg 526 —bildner 163 — g i c h t 528 Essigsäure 116, 311, 412 —, Nachweis 280 essigsaure Tonerde 390 Estrichgips 411, 414 Euchlorin 124 Euklas 401 Europäisches Kernforschungsinstitut in Genf 582, 583 Europium (s. a. Lanthaniden) 448, 489, 491, 500, 601 —(Il)-chlorid 499 —(Il)-Verbb., Magnetismus 499 Eutektikum 467 eutektischer Punkt 467 eutektisches Gemisch 382 Euxenit 483 exotherme Reaktion 44, 115 Expansion 32 Explosion 42 f., 83, 126 explosives Antimon 284 Exsiccator 209 F /-Bahn 445 Fabriksalz 422 Fadengitter 295 — (S) 187 — (Se) 218 — (Se0 2 ) 220 — (SiS2) 332 — (Te) 221 Fällung, fraktionierte 488 —s-analyse 460 —s-mittel 8 —s-regel, Fajans-Hahn-PaN E T H S c h e 5 7 3 f.

Färbung von Gläsern 3411., 344, 465, 490, 513, 539 — von Porzellan 346 Fahlerz, dunkles 282 —, lichtes 275 FAJANS, K. 567 —RussEL-SoDDYsches Verschiebungsgesetz 567 —HAHN-PANETHsche Fällungsund Adsorptionsregeln 573 f. Faktor, sterischer 102 40

626

Register

feuerfeste Baustoffe 333, 343, Fluoreszenzspektrum 141 387, 405 Fluoride, saure 98 Fluorit 407 — Laboratoriumsgeräte 333, —TYNDALL-Effekt 334 405, 503 Fluoro-aluminate 389, 391, 401 — v o l t 570 Feuer-stein 323 —beryllate 401, 403 Farbe 84 f. —werksätze 281, 416 — b o r a t e 372Ï., 391 •—zeug, DÖBEREINERS 43 —borsäure 372 f. — und Zerteilungsgrad 480 Filigrandraht 459 farbloser Phosphor 253f., 255f. , Hydroxoderivate 373, 438 Filter 5, 335 f. farbloses Schwefelammon 194 —bromat(III)-ion 132 —, keramisches 5 Faser, anorganische 333 —brom(III)-ion 132 —, Porenweite 335 f. faseriger Serpentin 329 salze 132 •—papier 5 faseriges Siliciumdioxid 333 —carbonate 373 —platte 6 Faser-struktur (SiSj) 332 —kieselsaure 322 f. —tiegel 6 —phosphate 264, 373 natürlicher Silikate 330 Filtrat 5 —schwefelsaure 212 —tonerde 383 Filtration 5 —silicate 323, 391, 401 FAUSER-Verfahren 227 — s u l f a t e 373 Fayence 342, 344 — kolloider Lösungen 335 f. Fluoronium-perchlorat 437 FisHLiNGsche Lösung 453, 454 Filtrieren 5 Fluß-mittel 343, 345, 346, 403, Filtriertuch 5 — Probe 453, 454 409, 412, 420 Feingehalt an Gold 465 FISCHER, E . O. 5 4 9 FiscHER-TROPSCH.Synthese 302, — an Silber 459 (Keramik) 343, 345 309 Fein-salz 422 (Metallurgie) 382, 403,409, —schleifen von Glas 341 fission (engl.) 583 420 -—silber 458 Fixieren (Photographie) 216, 463 — s ä u r e 97 Fixiersalz 216, 463 — t e r r a k o t t a 346 , ätzende Wirkung 322 Flamm-ofen (Cu) 450 •—zink 473 — s p a t 86,97,322, 341,403, 407, Feinstzink 473 —Schutzmittel 329 409 Feld, magnetisches 491 f. Fliegenstein 275 — s t a h l 521, 532 Fliesen 345 —wasser 49 —linien, magnetische 491 Formaldehyd 321 Flintenschrot 358 — s t ä r k e , magnetische 492 formale Ladungszahl 158 Feldspat 3, 330, 378, 528 Flintglas 340 Formebene (Hochofen) 528 —glasur 345 Florentium 599 Formeln, chemische 20, 28 Flotation 450, 550 —Steingut 345 —, Elektronen- 148f., 150f., Fensterglas 339 Flüssiggas 313 FERMI, E . 6 0 1 flüssige Luft 65 157 ff. Fermium 607 , Fraktionierung 32ff., 73 —, Komplex- 159 —, Valenzstrich- 148, 151, 158f. —, Isotope 603 —r Sauerstoff 33 f., 65 Formiat-Pottasche-Verfahren —r Stickstoff 33 f., 65 —, Name 601 — s A m m o n i a k 176,227, 2 2 8 , 4 2 1 (KOH) 433 FERNANDES, L . 599 Flugstaub 206, 217, 398 Forni 182 Ferngas 311 — k a m m e r 206 Forsterit 329 Fernsehtechnik 429 Fluor 86f. —steine 344 Ferrate 534 Ferri-: s. Eisen(III)—, ehem. Eigensch. 34, 86f. fortschreitende Bewegung der —, Darstellung 86, 168 Moleküle 77 f. Ferro-: s. Eisen(II)—, Halogenverbb. 131 f. fraktionierte Destillation 7, 32 ff. Ferro-chrom 507, 533 —, Oxide 128 f. — Fällung 488 —legierungen 532 f. —, phys. Eigensch. 86 — Kondensation 7 — m a n g a n 521, 529, 531, 533 —, Vorkommen 86 —molybdän 516, 533 — Kristallisation 8, 470, 487 f. —, Wasserstoffverb. 97 f. — Sublimation 7 —nickel 533 Fluor-azid 233 —phosphor 532 — Zersetzung 488 —dioxid 128 f. —s Erstarren 470 —silicium 532, 533 —monoxid 128 —s Schmelzen 470 — t i t a n 532 —stickstoff 154, 232 f. Fraktionierung 6 — v a n a d i n 505, 533 •—sulfonsäure 212 — flüssiger Luft 32 ff. —wolfram 517, 533 Francium 419, 555, 559, 568, 600, ferromagnetische Stoffe 493, 533, —Wasserstoff 86, 97 f. , ehem. Eigensch. 97 f. 602 536 , Darstellung 97 —Perchlorat 600 Ferrocen 549 —platin(IV)-ch]orid 600 , phys. Eigensch. 97 feste Materie, aktiver Zustand , Polymerisation 97, 134, FRANX-CARO-Verfahren 412 f. 39 Iff. FRASCH, H . 183 223, 367 •—r Phosphorwasserstoff 257, 259 —Verfahren 183 , schwerer 563 Fett-kalk 414 Frauenglas 411 säure 97 — h ä r t u n g 44, 542 FRAUNHOFERsche Linien 140 Feuchtwerden von Kochsalz 406, Fluoreszenz 140 freie Energie 46, 166, 570 422 — e f f e k t 314 FARADAY, M . 9 3 , 3 3 4

— E i n h e i t 93 •—sehe Gesetze 85, 93f.

Register freies Elektronenpaar 151

Gallium-(I)-oxid 398 —(Ill)-sulfat 398 — der Molekülbewegung 77, 317 —(I)-sulfid 398 Frequenz dea Lichtes 84, 314 —(Il)-sulfid 398, 499 f. FRICKE, R . 3 9 1 —(,,II")-verbb., Magnetismus 499 f. FRIEDEL-CRATTSSCHE R e a k t i o n —(I)-wasserstoff398 390 —(Ill)-wasserstoff 370, 388, 398, Frischen von Eisen 530 434 Füllmittel 298, 406, 416 Fulminat-ion (Isosterie) 308 , Ätherat 398 Fumarole 374 Galmei, edler 472, 476 Funkenspektrum 143 —, Kiesel- 472 Fußboden aus Gips 414 galvanische Verchromung 507 —, fugenloser 405 — Vergoldung 465 Futter, basisches (Konverter) — Verkupferung 455 530 f. — Vernickelung 542 —· Versilberung 459, 461 —, saures (Konverter) 531 — Verzinkung 474 —s Element 166 G Galvanoplastik 455 y-Aluminiumoxid 3861., 393 f. Gangart 450, 528 y-Eisen 533 Gar-brand (Porzellan) 346 y-Eisen(III)-oxid 5351., 536 —kupfer 451 y-Schwefel 187 Garnierit 541 y-Schwefeltrioxid 200 Gas-analyse 8 y-Strahlen 76, 569!. —dichte, Bestimmung nach V. —, Durchdringungsvermögen MEYER 2 5 571 —, Elementumwandlung mit — —druck 21 , Messung 21 f. 589, 591 —elektroden 171 —, Energieinhalt 570 —entwicklungsapparat nach —, Ionisationswirkung 543 K I P P 39 •—, medizinische Anwendung —gesetz, allgemeines 2Iff. 573, 590 —-gleichung, allgemeine 23 f. y-Strahlen, Wellenlänge 570 —glühlichtstrumpf 403,491,504 y-Zinn 352 —kohle 298 GADOLIN, J . 4 8 5 , 601 —koks 298 Gadolinit 401, 483, 524 Gadolinium 601 (s. auch Lan- —konstante, allgemeine 23, 24 —maeke 300 thaniden) —phase der Benzinsynthese —(Ill)-ion 448, 490 312f. GAILLAKD-Turm 2 0 8 —reiniger 225 f. Galenit 357, 361 —reinigungsmasse 184f., 380, Gallan 398 537 Gallium 397 f. —, Ausdehnung beim Erstarren —theorie, kinetische 77 —thermometer 76 288, 397 —waaser 227, 310, 409 —, Entdeckung 347 Gase, ideale 24, 50 Gallium-alanat 388, 398 —, inerte 61 —alaun 398 —, okkludierte 72 —aluminium-Wasserstoff : —, permanente 40 s. Galliumalanat —, reale 24 —azid 231 —boranat 370, 398 —, Zustandsgieichung 21 ff. —bor-wasserstoff: s. Gallium- Gasen (Akkumulator) 363 boranat — (Porzellan) 346 —(I)-bromid 398 GAY-LUSSAC, J . L . 17, 8 8 —(I)-chlorid 398 —sches Volumengesetz (ehem.) —(Il)-chlorid 398, 499 f. 17 —(Ill)-chlorid 398 —sches Volumengesetz (phys.)24 —hydrid: s. Galliumwasserstoff — T u r m 208, 243, 344, 345 —(Ill)-hydroxid 397f., 400 gebrannte Magnesia 405 —(I)-jodid 398 —r Gips 411 —legierungen 397 —r Kalk 407 —methyl 398 Gebrauchs-geschirr 344 F r e i h e i t s g r a d n a c h GIBBS 190

627

Gebrauchs-glas 339 gebundene Energie 46 Gefrierdiagramme (s. Schmelzdiagramme) Gefrierpunkt 53 —s-erniedrigung 57 f., 94, 108, 466f., 513 bei Elektrolyten 91, 94 bei kolloiden Lösungen 335 , molare 58 Gegenstrom-dekantation 423, 464, 508 —prinzip 32, 180, 472, 561 GEIGER, H . 577 —NÜTTAIXSCHE R e g e l 577

—Zähler 573 GEISSLER-Röhre 4 1

gekürztes Periodensystem 66 ff. Gel 338 —, Struktur 338 Gelatinierung von Elektrolyten 339 Gelb-bleierz 357, 515 —glas 282 —glut 38 —messing 452 gelbe Arsenblende 281 —r Phosphor 253 —s Antimon 284 —s Arsen 275 —s Blutlaugensalz 161, 537 —s Schwefelammon 194 gelöschter Kalk 408 f., 413 f. gemeinsames Elektronenpaar 150 Gemenge 3 —, Zerlegung 4 ff. Gemengeschmelzen (Glas) 341 Generator 225, 305 — g a s 60, 225, 8051., 307 Genf, Europäisches Kernforschungsinstitut in — 582, 583 Geräte, chemische (Steinzeug) 345 Geräteglas, Jenaer 340 —, Thüringer 340 Gerben 281, 390, 409, 513 Germanate 351 Germane 350 germanige Säure 351 Germanit 347 Germanium 347 ff. —, Ausdehnung beim Erstarren 288,348 —, ehem. Eigensch. 349 f. —, Darstellung 347 f. —, elektrische Leitfähigkeit 348 —, Entdeckung 348 —, Mischkristalle mit P, As, Al, Ga 349 —, Modifikationen 348 —, phys. Eigensch. 348 f. —(Il)-Verbindungen 351 —(IV)-Verbindungen 350f. —, Vorkommen 347 40*

628 Germanium-(IV)-äthyl 348 —(IV)-bromid 351 —(Il)-chlorid 351, 364 —(IV)-chlorid 348, 350, 351 — d e u t e r i d e 350 —(IV)-fluorid 350 — h y d r i d e 350 —(Il)-hydroxid 351, 364 —(Il)-jodid 351 —(IV)-jodid 351 —(Il)-oxid 351, 364 —(IV)-oxid 348, 349, 351 —(IV)-säuren 351 —(Il)-sulfid 364 —(IV)-sulfid 347, 351 —Wasserstoffe 350 , schwere 350 gesättigte Kohlenwasserstoffe 301, 309 •— Lösung 56 Gesamt-bahnmoment, magnetisches 498 — h ä r t e des Wassers 410 — s p i n m o m e n t , magnetisches 498 —Wertigkeit 159 Geschirr (Al) 385 —, altdeutsches 346 — , keramisches 343, 3441., 345f. Geschwindigkeits-konstante 101 —Verteilung, M A X W E L L s c h e 23 Geschützbronze 452 Gesetz, äquivalente Proportionen 14 f. —, AvoGADEOsches 17f., 24 —, BEEEsches 481 f. —, BOYLE-MAEIOTTESCheS 24 —, BRAGGsches 148 •—, CouLOMBsches 492 —, CuRiEsches 495 —, EiNSTEiNsches 12 —, Erhaltung der Energie 45, 607 —, E r h a l t u n g der Masse 11, 15, 140, 607 —, FABADAYsches 85, 93 f. —, GAY-LussACsches (ehem.) 17 —, GAY-LussACsches (phys.) 24 —, GiBBSsches Phasen- 190f. •—, Gleichverteilung der Energie 23, 33 , HENRY-DALTONScheS 106 —, KlRCHHOFFScheS 140 —, konstante Proportionen 12 ff., 149 —, KossELsches Verschiebungs498 —, LE CHATELiERsches 113 —, LENZsches 494 —, MosELEYsches 144 —, multiple Proportionen 14, 149 —, NERNSTSchesVerteilungs-106 — , OHMsches 173 - , Oktaven- 66

Register Gesetz, OsTWALDschea Verdünnungs-107 —, photochemisches Äquivalenz- 85 —, RAOULTsches 58, 192 —, SOMMERFELD-KoSSELScheS 143

—, STOKEsches 141 Gesetze, stöchiometrische 12 ff. Gestell (Hochofen) 527 gesteuerte Kern-Kettenreaktion 593 ff. Gewerbesalz 422 Gewicht 11 Gewichts-analyse 60 — e i n h e i t 51, 563 — g e s e t z e , stöchiometrische 12ff. —Verhältnisse bei chemischen Reaktionen 11 ff. GHIORSO, A. 605, 606, 607, 608 GIBBS, J . W . 190 —sches Phasengesetz 190 ff., 467 f. Gicht (Hochofen) 527 — g a s (Cu) 450 (Fe) 5 2 8 , 529 Gift-fang 279 — k i e s 275 — m e h l 279 — W i r k u n g (AS 2 0 3 ) 280 — (Ba-salze) 411 (Cu) 456 (Fluorosilicate) 323 (Hg) 478 (HgCl 2 ) 480 (Pb) 3 5 8 Gips 182, 270, 407, 411 f., 413, 429, 435

—, basischer 411 —, gebrannter 411 —, H a l b h y d r a t 411 —, totgebrannter 411 Gips-abguß 414 — A m m o n s u l f a t - V e r f a h r e n 435 — f o r m 344, 414 — k o c h e r 411 — m ö r t e l 411, 414 — v e r b a n d 414 GIRDLER-Verfahren 192 Gitter 50 —, Atom- 153, 295 —, Faden- 295 —, Ionen- 146, 295 —, Metall- 154 —, Molekül- 295 —, R a u m - 295 — , Schichten- 294, 295 Gitter-leerstelle 149 — p u n k t 147 — S t ö r u n g e n 395 u n d Energieinhalt 395 f. Gitterstruktur (As) 275, 295 — (Bi) 288 — (BN) 377

G i t t e r s t r u k t u r (Borate) 375 — (C) 293 ff. — (CF) 297 — (C 2 0) 297 — (Fe 2 (CN) 6 ) 538 — (Ge) 348 — (Hg 2 Cl 2 ) 479 — (H 3 B0 3 ) 374 — (Na) 154 — (NaCl) 146, 147 — (P) 254 f., 295 — (S) 187 — (Sb) 283 — (Sb 2 0 3 ) 286 — (Se) 218, 295 — (Si) 319 — (SiC) 333 — (Silicate) 325ff. — (Si0 2 ) 328 — (SiS2) 332 — (Sn) 352 — (Te) 221 — (ZnS) 476 (s. a. Molekularstruktur) GIULINI-Verfahren 380 Glättegasse 458 Glänze (Mineralien) 182 Glanz-kobalt 275 — k o h l e n s t o f f 293, 296, 298 — w i n k e l 148 Glas 339 ff. , Ätzen 98, 322, 341 —, Auswalzen 341 -, Blasen 341 -, Darstellung, Verarbeitung 341 -, F ä r b u n g 341 f., 344, 465, 490, 513, 539 —, optisches 340, 376 —, Pressen 341 — , Schleifen, Polieren, Mattieren 341 —, T r ü b u n g (vgl. Trübungsmittel) 342, 344, 356, 389 — , Zusammensetzung 339 f. Glas-blasen 341 — h a f e n 341 — k i t t 329 — k ö p f 526 — m a c h e r - P f e i f e 341 — m a c h e r - S e i f e 342 — s a t z 341 Glaaerit 425 glasiges Selen 218 Glasur (Emaille) 342, 376 — (Porzellan) 346, 376 — (Steingut) 376 — (Steinzeug) 345 — (Töpfereierzeugnisse) 344 Glasurbrand (Steingut) 345, 376 Glattbrand (Porzellan) 346 — (Steingut) 345 — (Töpfereierzeugnisse) 344 Glauberit 425

Register Glaubersalz 182, 425Í., 431 (s. Gold-(III)-chlorid 466 Natriumsulfat) —(Ill)-chlorwasserstoffsäure 466 Glaukophan 329 —(I)-cyanid 465 Gleichgewicht (chemisches) 81, , komplexes 464, 465 100 IL —(lll)-fluorwasserstoffsäure 132 —, Beschleunigung der Einstel- —folie 465 lung 110 ff. —gehalt des Meeres 464 —, Druckabhängigkeit 114 —(I)-hydroxid 465 —, dynamisches 104 —(Ill)-hydroxid 466 —, heterogenes 118ÌL, 396 —(I)-jodid 465 —, homogenes 104ÌL, 118 —körner 464 —, Konzentrationsabhängigkeit —legierungen 465, 554 113 f. —(Ill)-metahydroxid 466 —, statisches 104 —münzen 465 —, Temperaturabhängigkeit —(I)-oxid 465 114 f. —(Ill)-oxid 35 —, Verschiebung 113 ff. —purpur, CASSiusscher 465 Gleichgewicht (radioaktives) —rubinglas 342, 465 576f. —schlämmen 5 Gleichgewichts-konstante 104 —Schwefel 288 und Zerteilungsgrad 396f. —sol 337 — z u s t a n d 04 ff. —staub 464 Gleichung, ARRHENiussche 102 —sulfid 464 —, ErasTEiNsche 578 —tellurid 464 —, NERNSTsche 170 —wasche 464 —, THOMSON-GiBBSsche 394 GOLDSCHMIDT, H . 3 8 4 —, chemische 19, 28 f. —Verfahren 384, 387 —, Gas- 23 f. Grad 53, 563 —, osmotische 54 GRAHAMsches Salz 268 —, thermochemische 45 Gramm 51, 563 Gleichverteilung der Energie 23, —äquivalent 161 335 — a t o m 21 GLENDENIN, L . E . 5 9 8 —kalorie 51 Glimmentladung 47, 321 —molekül 21 Glimmer 3, 330, 378 Granat 329 —, Kali- 378 Granit 3, 323, 78 —, Lithion- 378 Graphit 2931., 2 9 6 » . , 344 —, Lithion-eisen- 378 —, Abarten 296 —, Magnesia- 378 —, anorganischer 377 —schiefer 323 —, Kristallgitter 293 f. Glocken-bronze 452 — als Moderator im Uran-Pile —verfahren (NaOH) 424, 425 594 GLOVER-säure 208 —, künstlicher 296, 297 i. — T u r m 208, 243, 344, 345 —, natürlicher 296 f. Glucinium 403 —, Reaktionsträgheit 300 f. Glüh-faden 506, 517, 525, 533 — l a m p e 75, 517, 525, 533, 554 —, Verwendung 298 Graphit-elektroden 298,403,420, —Strümpfe 403 424 Gneis 323, 378 —fluorid 296 f. Goethit 536 , Gitterstruktur 297 Gold 464ff. — o x i d 297 —, ehem. Eigensch. 465 , Gitterstruktur 297 —, Gewinnung 452, 458, 464f. — s ä u r e 297 —, Magnetismus 500 —salze 297 —, phys. Eigensch. 465 —tiegel 298, 532 —, Reinigung 465 —(I)-Verbindungen 465 graues Antimon 283 —(Ill)-Verbindungen 466 — Arsen 275 — Roheisen 529 - - , Verwendung 465 — Zinn 352 - -, Vorkommen 464 Grauspießglanz 282 Gold-amalgam 464, 479 Gravimetrie 460 —amidosulfat 249 Grenzformeln, mesomere 159 —antimonid 464 —(I)-chlorid 465 Griesheimer Verfahren 424

629

GRiMMscher Hydridverschiebungssatz 437 grobdisperse Systeme 334 Grobsaiz 422 Grudekoks 311, 530 Grün, RINMAITS 539 — , ScHEELEsches 456

—, Schweinfurter 456 Grün-feuer 417 — s p a n 456 Grund-borine 367 —glasur (Emaille) 342 —Stoff 9 —wasser 48 — z u s t a n d des Atoms 140 Gruppen (Periodensystem) 67 — n u m m e r 68, 139 Guano 252 GTJLDBEKG, C . M . 1 0 5

Gummischwärze 298 Gurdynamit 339 Guß-eisen 529 —emaille 342 G u T Z E i T s c h e Arsenprobe 278 H HABER, F . 2 2 4

—BOSCH-Verfahren 224ff. Hämatit 526 Hämoglobin 527 Hängen des Hochofens 527 Härte, temporäre und permanente 410 — des Wassers 49, 358, 410 — g r a d 410 Härtung (Stahl) 530 Häufigkeit der Elemente 69f., 487 — der Lanthaniden 487 Hafenofen (Glas) 341 Hafnium 486, 503 —, Abtrennung von Zirkon 503 —bor-wasserstoff 370 —carbid 503 —(IV)-chlorid 503 —(IV)-fluorid 503 —(IV)-jodid 503 — n i t r i d 503 —(IV)-oxid 503 —Wasserstoff 370 Hagel 49 HAGLUND-Verfahren 380 HAHN, O. 5 9 1 PAJANS-PANETHSChe F ä l -

lungsregel 573 Hahn, D A N i E L L S c h e r 43 Hakaphos 270, 433, 437 halb-besetzte Elektronenschalen 445, 448, 605 —durchlässige Wand 54 ff. —polare Doppelbindung 159 —schweres Wasser 562 f. Halb-edelsteine 387, 456 —leiter 349

630 Halb-porzellan 345 —wertszeit 235, 575 (Tabelle) 568, 602/603 Halbierungsschicht (/S-Strahlen) 571 Halogen-azide 233 — b r ü c k e n 367 Halogene 80ff. —, chemische Eigenschaften 133 —, Halogenverbb. 131 f., 197 •—, physikalische Eigenschaften 133 —, Sauerstoffsäuren, Konstitution 157 f. —, Sauerstoffverbb. 20 ff. —, Übersicht 133f. —, Waeserstoffverbb. 89 ff. Halogeno-antimonate 286 —antimonite 285 -—bismutate 289 —chromsäuren 510 Halogensulfane 196 Halogenwasserstoffe 89 ff. —, Übersicht 134 —, schwere 563 Hammerschlag 536

Register Helium, λ-Punkt 74 —, Packungsanteil 580 —, Spektrum 142 —, superflüssiger (suprafluider) Zustand 74 —, Verwendung 76 Helium-kern, Beständigkeit 566, 578 , Gewinnung aus Wasserstoffkernen 579 , Massendefekt 579 — l i c h t 76 hellroter Phosphor 255 HELMHOLTZ, Η . V. 94

Hemmungsstoffe 112 HEîtRY-DALTONsches G e s e t z 106

Heptaschwefelimid 248 Herd (Herdfrischverfahren) 532 — (Röstreaktionsverfahren) 357 —

(SIEMENS-MARTIN-Verfahren)

532 —frischverfahren 530, 532 HERRESHOFF- O f e n 2 0 6 HESS, G . H . 4 5

—scher Satz 45 heterogene Gleichgewichte 118 ff., 396f. — Katalyse 112, 299, 395 Harnstoff 64, 270, 433, 437 — Systeme 3 HARRIS, I . A . 599 , Zerlegung 4 ff. Hart-blei 359 Heteromorphie 149 —porzellan 346 heteropolare Bindung 146 —salz 426, 430f., 431 — Doppelbindung 159 —Steingut 345 Heteropolysäuren 518 f. —, Struktur 518 harte kosmische Strahlung 508 heterotype Mischkristallbildung hartes Wasser 49, 410 149 Haupt-gruppen (Periodensystem) HEVESY, G. v . 5 0 3 68, 442 Hexaboran 367 ff. —quantenzahl 136, 445 Hexabrom-disilan 321, 322 — s a t z , erster 45 —system des Periodensystems Hexabromo-antimonate 286 — p l u m b a t e 361 442 — s t a n n a t e 356 Haushaltsgeschirr 344, 346 Hexachlor-äthan 300 Hausmannit 521 —benzol 300 Heißblasen 225 —disilan 319, 321, 322 heiße Chemie 596 Hexachloro-antimonate 284, 286 Heiz-gas 307 —iridate 552 — ö l 313 —osmate 552 — r ö h r e 453 —palladate 553 —schlitz (Ringofen) 408 —palladium(IV)-säure 553 — s t o f f e 302, 311 — w e r t von Generatorgas und —platinate 160f., 399, 553 —platin(IV)-säure 553 Wassergas 307 — p l u m b a t e 361 von Kohlen 309 —rhenite 525 —widerstand 333 — r h o d a t e 552 Heliotrop 323 — r h u t e n a t e 552 Helium: s. Edelgase — s t a n n a t e 352, 355 — I 74 — t i tan ate 502 — I I 74 —zinnsäure 355 —, Auftrieb 76 —zirkonate 503 —, Bildung aus radioaktiven Hexacyano-eisen(II)-säure 537 Stoffen 567, 572, 575, 578 —eisen(III)-säure 538 — der Masse 3 587 HAMPSON, W . 7 2 HAROREAVES-Verfahren 4 2 6 ÜARKiNSSche R e g e l 4 8 7

H e x a c y a n o - f e r r a t e 160f., 537f.

—kobaltate 540 —manganate(III) 548 Hexafluor-äthan 297 —disilan 321, 322 Hexafluoro-antimonate 286 —ferrat-ion 161 —aluminate 389, 391 —germanate 350, 365 — h a f n i a t e 503 —kieselsaure 178, 322, 323 — p l u m b a t e 365 —silicate 323, 365, 391 — s t a n n a t e 356, 365 —zirkonate 503 Hexahalogeno-antimonite 285 — p l u m b a t e 361 — s t a n n a t e 356 Hexahydroxo-aluminate 385 —antimonsäure 287 —arsenate 281 —platinate(IV) 553 —platin(IV)-säure 553 — p l u m b a t e 362 —selenite 220 — s t a n n a t e 354, 356 —zinnsäure 356 Hexajod-disilan 321, 322 Hexajodo-plumbate 361 — s t a n n a t e 356 Hexakieselsäure 326, 327 Hexammin-cadmium-ion 477 —kobalt-ion 160 f. Hexamolybdate 516 Hexanitrito-kobaltate 541 Hexa-schwefelwasserstoff 196 —silan 320 —silicate 329 —thionsäure 216f. —wolframate 517 —wolframsäure 517 Hexoxo-perjodate 130 HIEBER, W . 5 4 3 HILLEBRAND, W . F . 7 1

Hirschhornsalz 436 HITTORF, J . W . 2 5 4

—scher Phosphor 254 hochfeuerfeste Baustoffe 343,405 — Laboratoriumsgeräte 386,405

Hochofen 298, 343, 5271. — f u t t e r 343, 527 —Produkte 529 —prozeß 306, 528 f. —schlacke 415, 529 Hochquarz 323 Hochtemperaturteer 311 Höhen-sonne, künstliche

177,

325, 478

—Strahlung 579 höhere Kohlenwasserstoffe 302 — Siliciumwasserstoffe 320 Höllenstein 460 HÖNIGSCHMID, O. 2 8

Register H o i r , J. H. VAN'T 54,112 —sehe Regel 112 HOFMANN, υ . 2 9 6

HoïMANNscher Zersetzungsapparat 13, 16 Hohlziegel 343 holländisches Bleiweißverfahren 360 Holmium : s. Lanthaniden Holz 309 —, Verschwelung 311 Holz-asche 433 —essig 311 — g a s 311 —geist 311 —imprägnierung 329 —kohle 293, 296, 299, 300, 311 — t e e r 311 Homöomorphie 149 homöopolare Bindung 150 — Doppelbindung 150, 159 — Dreifachbindung 150 homöotype Mischkristallbildung 149 homogene Gleichgewichte 104 ff. — Katalyse 112 — Systeme 3 , Zerlegung 6 ff. —s Magnetfeld 493 homologe Elemente 67 Hopcalit 300 HOPKINS, B . S . 5 9 9

Hordenreiniger 185 Horn-blei 359 —blende 329 asbest 403 —silber 456, 460 HÖCKEL, E . 108

Hüttenkoks 298, 530 Hufschwärze 300 HuME-RoTHERYsche Regel 155, 500

Hundsgrotte von Neapel 304 Hybridisierung 153, 367 hybrid orbitale 153 Hydrargillit 379, 381, 385 f., 386, 397 Hydrat 119, 161 Hydratation 338 Hydrate, Entwässerung 119 f. — der Edelgase 74 Hydratisomerie 513, 514 hydraulischer Modul 414 — Mörtel 414 Hydrazin 61, 2291., 231 —, ehem. Eigensch. 230 —, Darstellung 229 f. —, phys. Eigensch. 230 —, Sulfonsäuren 250 Hydrazin-bis-schwefelsäure 250 —hydrat 230 —mono-schwefelsäure 250 Hydrazinium-azid 224, 231 —dichlorid 230

Hydrazinium monochlorid 230 —salze 230 —sulfat 230 Hydride 44 Hydrid-ion 407, 434 —Verschiebungssatz 437 Hydrierung 44, 542 — mit Lithiumalanat 388 —s-katalysatoren 542, 554 Hydrogen-carbonate 305 —Chromate 509, 510 —phosphate 266 —phosphite 263f., 271 —salze 92 —selenide 219 —selenite 220 —sulfate 211 —sulfide 193 —Sulfite 204 Hydrolyse 97, 1151., 175 —n-kons tante 116 Hydronalium 385, 404 Hydronium-ion 151, 175 —salze: s. Oxoniumsalze hydro-phile Kolloide 337, 338 —phobe Kolloide 337 f. —salpetrige Säure 239 Hydrosphäre 69, 293 Hydroxid-ion 92, 152 Hydroxogruppe 160 Hydroxoverbindungen (Al) 385 — (As) 281 — (Be) 402 — (Cu) 454 — (Cr) 512 — (Μη) 522 — (Pb) 361, 362 — (Pt) 553 — (Sb) 287 — (Se) 220 — (Sn) 356 — (Zn) 475 Hydroxylamide 233, 245 Hydroxylamin 2441., 548 —, Darstellung 244, 250 —, Disproportionierung 244f., 548f. —, Eigenschaften 244f. —, Sulfonsäuren 249 f. —, Tautomerie 245 Hydroxylamin-N-schwefelsäure 249, 250 —N,N-bis-schwefelsäure 244, 249, 250 —O-schwefelsäure 250 —Ο,Ν-bis-schwefelsäure 250 Hydroxyl-ammoniumsalze 245 —apatit 252 —ion 92, 152 Hydroxy-salze 92 Hygroskopizität 426 — (CaClj) 409 — (Kochsalz) 422 — (K 2 C0 3 ) 433

631 Hygroskopizität (MgCl2) 406 — (NaNO s ) 432 — (NH 4 N0 3 ) 436 — (ZnCl2) 475 Hypo- : s. a. UnterHypo-borate 372 —bromite 129 —chlorite 122 f., 424 , Elektronenformel 157 —diphosphate 272 , Konstitution 265 —diphosphate 263, 265 —disulfate: s. Dithionate —disulfite: s. Dithionite —fluorite 128 —jodite 130 —manganate 623, 504 —nitrite 245, 246 —phosphite 256, 263f., 272 , Konstitution 2631., 317 —--sulfite: s. Sulfoxylate Hypothese, AvoGADROsche 17 f., 21, 24 I ideale Gase 24, 50 , Zustandsgieichung 2Iff. — Lösungen 54, 95, 108 —r Schmelzpunkt (S) 186, 189 Illinium 599 Ilmenit 501 Imide 228, 229 Imido-phosphorsäure: s. Metaphosphim säure —schwefelsäure 249 Impfen 395 in bacillis 425 Indikatoren 109, 117 —, Isotope als — 561, 563 —, radioaktive 574f., 590 Indium 398 —, natürlich-radioaktives 569, 576 Indium-alanat 388, 398 —alaun 398 —aluminium-wasserstoff: s. Indiumalanat —(I)-chlorid 398 —(Il)-chlorid 398, 499 f. —(Ill)-chlorid 398 —(Ill)-hydroxid 398, 400 —(IH)-oxid 398 —(Ill)-sulfat 398 —(„II")-verbb., Magnetismus 499 f. —(I)-wasserstoff398 —(Ill)-wasserstoff 388, 398 Indizierung von Atomen 561, 563, 574f., 590 Induktion, magnetische 493 induzierte Radioaktivität 567 inerte Gase 61 Infusorien 323 —erde 323, 339

632 Initialzündung (Kalkstickstoff) 413 — (Sprengstoffe) 231 Inkohlung 309 in lamellis 425, 513 innere Arbeit 32 — Spektren 141, 143 ff. in rotulis 425 instabile Systeme 110 in tabulis 425 intermetallische Verbindung 155, 319 internationale Atomgewichtskommission 28 Invarstahl 533 Inversion der Elemente 69 Ionen 91 —, ehem. Eigenschaften 147 —, Normalpotentiale 168 Ionen-austauscher 410, 489 , Enthärtung von Wasser 410 , Trennung der Actiniden 489 , Trennung der Lanthaniden 489 , Trennung von Zr und Hf 503 —basen 175 —begriff 91 —bildung 151 —bindung 146 ff. —Dipol-Komplexe 161 —durchmesser 138 —gitter 146 f. —Ionen-Komplexe 161 —Konzentration, wahre 107 — k r ä f t e 154 —ladung 93 f. —lehre 91 ff. —leiter 147 •—produkt des Wassers 110 —radien 138, 484, 485, 486, 606 der Lanthaniden 484 der Actiniden 606 —reaktionen 95 ff. —säuren 175 —volumen 489 (s. Ionenradius) -—Wertigkeit 148 Ionisation von Atomen und Molekülen 584 —s-kammer 573 —s-isomerie 514 —s-strom 573 Ionisierung von Atomen 143,572, 573 —s-energie 143 Ionium 568 Irdengut 343 Iridium: s. Platinmetalle —carbonylwasserstoff 547 —(ni)-chlorid 552 — (IV)-chlorid 552 —(Vl)-fluorid 552

Register Iridium-Füllfederspitzen 554 —gruppe 551, 552 —legierungen 554 —tetracarbonyl 544 —tricarbonyl 544 irreversible Kolloide 338 — Reaktionen 102 isländischer Doppelspat 410 Isobare 558 —η-regel von MATTATJCH 558, 598 , Ausnahmen 558 Iso-buten 309 —butylalkohol 309 —dimorphie 149 isoelektrischer Punkt 337 Isomerie 246, 250, 362, 514 f. (vgl. auch Tautomerie) —, Cis- und Trans- 515 —, (Ammoniumsalze/Ammoniakate) 438 — (Oxoniumsalze/Hydrate) 437, 438 — (Hydroxylamin-schwefelsäuren) 250 — (H 2 N 2 0 2 /NH 2 N0 2 ) 246 — (Pb(S0 4 ) 2 /PbS 2 0 8 ) 362 — komplexer Verbindungen 514f. —, Spiegelbild- 515 —, Struktur- und Stereo- 514f. Iso-morphie 149 f. —nitrile 549 —nitrilform der Blausäure 549 —octan 309 —polysäuren 506, 517 f., 520 Isosterie 308 — (C/BN) 377 — (CO/N2) 308 — (CO/NO·) 547 — (C0 2 /N 2 0) 235, 308 — (CN7NO-/G,") 308 — (H 2 C0 3 /H 2 N0 3 ·) 241 — (N 3 '/NC07CN0') 308 — (BH 4 7CH 4 /NH 4 ·) 372 — (B 2 H e '7C 2 H 6 /N 2 H e ··) 372 — (C e H e /B 3 N 3 H e ) 377 — (C2H4/BNH4) 378 — (Ci0 4 7S0 3 P7P0 a F 2 7C0F 3 7 B P / ) 372 f. — (0 2 /N0') 246 — (Si(OH)4/Al(OH)4') 385 Isotope 557f., 560ff. — als Indikatoren 561, 563, 574f., 590 —, künstliche Erzeugung 583ff., 590, 591 ff., 595 —, präparative Abtrennung 560 f. —, Spektren 557 —, (Tabelle) 556, 559, 602/603 —, Zahl 558, 581 Isotopentrennung (Cl) 561 — (H) 562

Isotopentrennung (Kr) 561 — (Ne) 561 — (U) 561, 597 J JAHR, K . F . 5 1 9 JAMES, R . A . 6 0 6

japanisches Porzellan 347 Jaspis 323 Jenaer Glas 340 Joachimstaler Pechblende: s. Pechblende Jod 88 f. —, ehem. Eigensch. 89 —, Darstellung 88 f., 427 —, Dissoziationswärme 48 —, Halogenverbb. 131 f. —, phys. Eigensch. 89 —, Reinigung 7, 89 —, Sauerstoffsäuren und Oxide 130f. —, Vorkommen 88 —, Wasserstofiverb. 99 f. Jod-azid 233 —(I)-bromid 131, 132 —(I)-chlorid 131, 132 —(Ill)-chlorid 132 —(V)-fluorid 132 —(Vll)-fluorid 132 —jodkalium 89 —(III,V)-oxid 131 —(V)-oxid 131 —säure 130 —Stärkereaktion 89 —stickstoff 232 f. —tinktur 89 —wasser 89 —Wasserstoff 89, 99 f., 103, 105 , Aktivierungsenergie 102 , Bildung und Zerfall 103 f., 105 , ehem. Eigensch. 100 , Darstellung 99 f. , phys. Eigensch. 100 , schwerer 563 säure 100 —wolframsäure 518 Jodate 130 —, saure 130 Jodometrie 216, 454 JOLIOT, F . 5 8 9

JOULB-THOMSON-Effekt 32 Joule, Umrechnung in kcal 570 jüngeres Steinsalz 422, 430 Κ K-Einfang 589 K-Linien 144 K-Schale 136 K-Spektrum 143 Kadmium: s. Cadmium Käfigverbindungen 74 f. Kälte-maschine 199 —mischungen 304, 409, 423

Register Kainit 403, 406, 429, 430, 433 Kaiserborax 376 Kakodyl-oxid 280 — p r o b e auf As 280 Kali-alaun 391 —ammonsalpeter 433 —blei-gläser 340 —dünger 269, 421, 431, 432, 433 —feldspat 330, 378, 428 — g l a s 433 —glimmer 378, 428 —kalk-gläser 340 —lauge 431 , Carbonisierung 433 —magnesia 430, 431, 433 —Salpeter 431 f. —salzlager, elsässische 429 f. — —, Staßfurter 421 —Salzlagerstätten 421 428f., 429f. —Wasserglas 329 Kalium 428 ff. —, Darstellung 429 —, Eigenschaften 429 —, gravimetrische Bestimmung 434 —, natürlich-radioaktives 569 —, Verbindungen 429 ff. —, Vorkommen 428f. Kalium-alaun 390, 391 —alumínate 385 —aluminium-silicate 378, 428 sulfat 390 —amalgam 478 — a n t i m o n a t 287 —arsenit 280 —azo-bis-sulfat 250 —beryllium-sulfat 403 —bicarbonat 303, 432 —bisulfat 431 — b i t a r t r a t 434 —blei(IV)-hydroxid 362 —borfluorid 391 —bor-phenyl 434 — b r o m a t 129 — b r o m i d 129 — c a r b o n a i 303, 429, 432 f. —chlorat 35, 124,125, 257, 384, 404 —Chlorid 80,421,429, 430f., 433 elektrolyte 431 — c h r o m â t 510, 523 —chrom(IV)-fluorid 508 —chrom(V)-oxidchlorid 508 —chrom(V)-oxidfluoride 508 —chrom-sulfat 513 — c u p r a t ( I I I ) 452 —Cyanid 454, 460, 464 —diboranat 372 —dibromjodid 232 —dichromat 508, 510 —-dihydroxo-diboranat 372 —disulfat 431 —eisen-chlorid 535

633

Kalium-eisen(II)-cyanid 160,161, Kalium-osmat 552 —palladium(IV)-chlorid 553 537 f . —palladium(O)-cyanid 552 —eisen(III)-cyanid 160, 537 f. —Perchlorat 35, 125 f., 427, 434, —ferricyanid 537 f. 524 —ferrocyanid 537 f. —permanganat 35, 81, 404, , Elektronenformel 543 523!. —fluorid 86, 98 , Oxydationskraft 171 , saures 86, 97, 98 —fluorosilicat 323 —peroxochromat(V) 508 — f o r m i a t 433 —peroxid 429 —germanium-fluorid 350 —peroxodisulfat 214, 461 —gold(III)-chlorid 466 —perrhenat 524 —gold(I)-cyanid 464, 465 —perrhutenat 551 —hafhium-fluorid 503 —pertechnetat 598 —hexachloro-platinai (IV) 434, —phosphate 267 553 —platin(IV)-chlorid 161, 399, 434, 553 —hexafluoro-germanat 350 —hexafluoro-silicat 319, 391 — p l u m b a t 362 —polysulfide 194 —hexahydroxo-plumbat 362 —protactinium(V)-fluorid 506 stanat 356 —pyrosulfat 431 —hydrogen-carbonat 303, 432 —quecksilber(II)-jodid 481 fluoride 86, 98 —rhenid 525 sulfat 431 — r h u t e n a t 551 sulfid 194 —selenat 221 tartrat 434 —silber-eyanid 459, 460 —hydroxid 431 —silber(III)-perjodat 459 , Schmelzelektrolyse 429 —hydroxylamin-bis-sulfat 249, —süber(III)-teUurat 459 —silicate 330, 428, 433 250 —silicofluorid 319, 391 —hypoborat 372 — s t a n n a t 356 —hypobromit 542 —hypochlorit 122 — s u l f a t 406, 429, 431, 433, 523 —imidosulfat 249 —sulfid 194 — j o d i d 129 —tantal(V)-fIuorid 506 —kobalt(O)-cyanid 539 —tetrafluorobromat(III) 132 —kobalt(II)-cyanid 540 —tetraphenylborat 434 —kobalt(III)-cyanid 540 —thiosulfat 194 —kobalt(III)-nitrit 541 —uran(IV)-fluorid 519 —kobalt(II)-sulfat 539 —wolfram(IV)-cyanid 161 —kobalt(III) -sulfat 540 —zink-cyanid 465 —kobalt-silicat 539 —zinn(IV)-hydroxid 356 —kupfer(I)-Cyanid 454 —zirkon-fluorid 502, 503 —kupfer(III)-fluorid 452 Kaliwasserglas 329 —kupfer(III)-perjodat 452 Kalk 407f., 413f. —kupfer(III) -tellurat 452 —, ersäufter 414 —legierungen 478 —, gebrannter 407, 411 —magnesium-chlorid 80 —, gelöschter 408, 413, 414 —, totgebrannter 408 sulfat 431 —, verbrannter 414 — m a n g a n a t 523 Kalk-ammonsalpeter 436 —mangan(IV)-chlorid 522 —brennen 303, 407f., 410f. —mangan(I)-cyanid 522 —dinassteine 344 —mangan(IV)-fluorid 522 — d ü n g e r 409 —natrium-tartrat 454 —feldspat 378, 428 —nickel(0)-cyanid 542 —licht, ÜRUMMONDsehes 408 —nickel(I)-cyanid 542 —nickel(I)-cyanid-carbonyl 542 —löschen 408 —mergel 409 —nickel(II)-cyanid 542 —milch 409 —nickel(IV)-fluorid 542 — m ö r t e l 413f. — n i t r a t 35, 270, 431 f., 433 —natron-feldspat 419 —nitrido-sulfat 248 —ringofen 407 f. — n i t r i t 241, 432 —Salpeter 409 —nitroso-bis-sulfat 250 —sandstein 414 —niob(V)-fluorid 506 —octacyano-wolframat (IV) 161 — s p a t 409

634

Register

Kalk-stein 9, 293,407, 409!., 528 Kern-drall 564 Kiesel-fluorwasserstoffsäure : —Steingut 345 —Einzelreaktionen 581 ff. s. Hexafluoro-kieselsäure —stickstoff 73, 227, 412!., 437 —fusion 579 —galmei 472 —isomere 598, 599, 607 — g e l 299, 338!. Verfahren 227 —Kettenreaktionen 581, 6931!. — g u r 323, 339 , weißer 413 —wasser 409 , Ausbeuten 590 —säure, Molekulargewicht 335 Kallochrom 360 , gesteuerte 593 ff. —säuren 325 ff. Kalomel 479 , Struktur 325ff. , ungesteuerte 597 Kalorie: s. Calorie —ladung, Abschirmung 143 — —, Valenzstrichformeln 326, Kaltblasen 225 s-zahl 136, 144, 555 327, 328 Kalzium: s. Calcium , Bestimmung 144 —wolframsäure 518 Kammersäure 208 , wahre und effektive —xerogel 339 Kanalisationsrohre 345 143 —zinkerz 472 Kanalstrahlen 557 —photoeffekt 589 Kieserit 182, 403, 406, 426, 429, Kanonenbronze 452 —reaktionen: s. Kern-Einzel430, 431 Kaolin 342, 345 und Kern-Kettenreaktionen —region 429 —, Entkieselung 325 Kiesröstofen 206 , Energieausbeute 586 Kaolinit 329, 342, 378 , Stoffausbeute 584f., 586, Kilogrammkalorie 51 Karat (Gold) 465 Kilokalorie 45 603 kinetische Energie 22 — (Diamant) 296 —reaktor 594 Karbide: s. Carbide — s p i n 564 der Moleküle 77 Karborund: s. Carborund —Spaltung 583, 691 fl. mittlere 23 KABLIK, B . 5 9 9 (U) 591 f. — Gastheorie 77 Karnallit: s. Carnallit (Th) 593 KIPPING, F . S. 331 Karneol 323 Kippscher Apparat 89, 81, 304 (Pa) 593 Kassiterit 351, 356 KIRCHHOFF, G . R . 4 3 4 (Pu) 593, 597 Kastor 433 (Bi) 593 —sches Gesetz 140 Katalysator 35, I U I . Klarpunkt der AgCl-Fällung 460 (Pb) 593 Katalysatoren (NH 3 -Bildung) KLEMM, W . 4 9 1 (Tl) 593 Klinker, Ton- 343, 345 227 (Pt) 593 —, Zement- 414 — (NH 3 -Verbrennung) 239 f. (Ta) 593 klopffester Treibstoff 309 , spontane 608 — (H 2 S-Oxydation) 183 —Umwandlung 581 ff. (s. a. Ele- Knallgas 1, 43 — (S0 3 -Gewinnung) 205 —explosion 43, 435 mentumwandlung) — (Kohlehydrierung) 312 —gebläse 43 , Methoden 583 ff. — (CO-H2-Gemische) 226, 308 f. — p r o b e 43 mit Elektronen 583, 591 — (DEACON-Prozeß) 4 5 5 mit Heliumkernen 581 f., Knistersalz von WIELICZKA 422 — (H 2 0 2 -Zorfall) 179 Knochen 252 583!!., 591 — (0 3 -Zerfall) 178 —kohle 299, 300 mit Kohlenstoffkernen —, positive und negative 35 Koagulation 338 581, 607, 608 Katalyse heterogene 112, 299, Kobalt 538 ff. mit Neutronen 583, 688 395 mit Sauerstoffkernen 581, —, Darstellung 538 f. —, homogene U l f . —, Eigenschaften 539 607 katalytische Ammoniakverbrenmit Stickstoffkernen 581, —, Isonitrilkomplexe 549 nung 239 f. —, Nachweis, Abtrennung 540 607 Kathode 13 —(Il)-Verbindungen 539f. mit Wasserstoffkernen —n-strahlen 143 , Magnetismus, Elektro582f., 586!!., 591 kathodische Reduktion 164 nenkonfiguration, Reduktionsmit y-Strahlen 689, 591 Kation 91 wirkung 447 —Zersplitterung 583, 591 — b a s e 175 —(III)-Verbindungen 540 Kernit 366, 374, 376 —brücke 367 —·—, Magnetismus, ElektroKesselstein 410 — s ä u r e 175, 389, 390 nenkonfiguration 446 Ketone 331 kaustifizierte Soda 423 —(IV)-Verbindungen 539 kettenförmige KohlenwasserKaustifizierung von Pottasche —, Verwendung 539 stoffe 301 431 —, Vorkommen 538 Kettenreaktion 83 — von Soda 409, 428 Kettenstruktur (s. auch Faden- —, Wertigkeit 539 kaustische Magnesia 405 Kobalt-alaun 540 gitter) Kautschuk 288 —aluminium-oxid 539 — (Aluminate) 385 —arsenide 275, 538 —, anorganischer 274 — (Silicate) 326, 327, 329 — b l a u 539 KELVIN-Temperatur 22 — (Silicone) 331 —(Il)-bromid 545 KENNEDY, J . W . 604 Kienruß 298 —carbonylate 546f. Kiesabbrand 206, 526 keramische Erzeugnisse 342 ff. —carbonyle 544, 546 Kiese (Mineralien) 182 — Tone 342 , Disproportionierung 546 f. Kiesel-algen 323 — s Filter 5

Register Kobalt-carbonyle, Reduktion 547 —carbonylwasserstoff646f., 548 —(Il)-chlorid 539 , Ammoniakat 317 —(Ill)-chlorid, Ammoniakat 317 — e r z e 538 —glanz 538 — g l a s 539 —(Ill)-halogenide, Komplexe 514 —(Il)-hyposulfit 213 —(Il)-ion 539 , Elektronenstruktur 447 , Hexacyanokomplex 447 , Hexamminkomplex 160 , Hexaquokomplex 539 —(IH)-ion 540 , Elektronenstruktur 446 , Hexacyanokomplex 446 , Hexamminkomplex 160 —legierungen 533, 539 —(Il)-nitrat 539, 540 —nitrosyl-carbonyl 548 —(Il)-oxid 346, 475, 539 —(II,III)-oxid 540 —(Ill)-oxid 539, 540 — s t a h l 533 als Regulator im UranReaktor 594 —(Il)-sulfat 539, 540 —(Ill)-sulfat 406, 540 —(Il)-sulfid 195, 275, 538, 5391. —(Ill)-sulfit 540 , basisches 540 —(Il)-sulfoxylat 213 —tetracarbonyl 544, 545, 546 f. —tricarbonyl 544, 547 —vitriol 539 —wolfram-stahl 533 —(Il)-zinkat 539 Kochsalz 406, 421 fï. (s. Natriumchlorid) —lösung, physiologische 56 Koeffizient, Aktivitäts- 107 —, Leitfähigkeits- 108 —, Löslichkeits- 106 —, osmotischer 108 Königs-gelb 282 —wasser 241, 550 koexistente Phasen 53 Kohäsionskräfte 50, 392 Kohle, natürliche 293, 309 ff. —, trockene Destillation 310f. Kohle-elektroden 298 —hydrierofen 312 —hydrierung 302, 3121. Kohlen, Heizwert 309 —, Verkokung 310f. —, Verschwelung 311 —, Zusammensetzung 309

Kohlen-asche 380 —dioxid 300f., 303ff. , Assimilation 63 f. , ehem. Eigensch. 304f. , Darstellung 9, 3 0 3 Î . , 411 , Mesomerie 317 , phys. Eigensch. 304 , Struktur 317, 328 , Vorkommen 293, 303 —disulfid: s. Schwefelkohlenstoff —eisenstein 526 — h y d r a t e 36, 63 —monoxid 300f., 3 0 5 i f . , Absorption in CuCl-lösung 453 , Bestimmung 453 , Darstellung 305 ff. , Eigenschaften 3 0 8 1 . , 435 , Hydrierung 308f. , Isosterie m. Stickstoff 308 , Konstitution, Elektronenformel 308, 313, 316, 364, 497 , mittelbare und unmittelbare Reduktionswirkung 528 -, Nachweis 308 — o x i d : s. Kohlenmonoxid Wäscher (NH„) 226, 453 —oxidchlorid 308 —oxidsulfid 308 — s a c k (Hochofen) 527 — s ä u r e 304, 305 , Ortho- u. Meta- 325, 326 schnee 304 Wäscher (NHS) 226 —Staubfeuerung 414 Kohlenstoff 293 ff. —, Adsorptionsvermögen 298 ff. —, Bestimmung in organischen Verbindungen 454 —, ehem. Eigensch. 38, 3001. —, elektrische Leitfähigkeit 294, 349 —, Modifikationen 293 ff. —, phys. Eigensch. 293 ff. —, Sauerstoffverbb. 303ff. —, Vorkommen 293 —, Wasserstoffverbb. 301 ff. Kohlenstoff-fluoride 296 f. — g e h a l t der Luft 293 des Meerwassers 293 des Tier- und Pflanzenreichs 293 —gruppo 293 ff. , Übersicht 364f. —isotop 12 als Bezugswert der Atomgewichte 563 14, Zeitbestimmung mit — 590 — k e r n e 581, 607 —monofluorid 296 f., 322 , Gitterstruktur 297 —steine 344 —tetrachlorid 300

635 Kohlenstoff-tetrafluorid 296,300 — u h r 590 Kohlen-suboxid 303 —Wasserstoffe 301 ff. , aliphatische und aromatische 301 f., 311 , Einteilung 301 f. , gesättigte und ungesättigte 301, 309, 311 , Synthese 309 Kohle-stift 298 —Verflüssigung 312 Kokereigas 183, 192, 302, 310 —, Entschwefelung 184f. Kokille 529 Koks 293, 296, 298, 311 — g i c h t 528 —kohle 298 — s t a u b 530 Kollargol 338 kolloiddisperse Systeme 333 ff. (s. kolloide Lösungen) Kolloide, hydrophile 337, 338 —, hydrophobe 337 f. —, irreversible 338 —, Ladung 337 —, reversible 338 kolloide Hydroxide 337 — Lösungen 333 ff. , Beständigkeit 337 f. , Filtration, Dialyse 335 f. , osmotische Erscheinungen 335 , TYNDALL-Effekt 334

— Metalle 337 — Oxide 337 — Sulfide 337 — Wolframsäure 335 Kolloides Aluminiumhydroxid 337,338 — Antimontrisulfid 337 — Arsentrisulfid 335, 337, 338 — Cadmiumhydroxid 337 — Cerdioxid 337 — Chromhydroxid 337 — Eisenhydroxid 335, 337, 338, 536 — Gold 337, 465 — Natrium 573 — Palladium 553 — Platin 335, 337 — Selen 342 — Silber 337, 338, 342 — Titandioxid 337 — Vanadiumpentoxid 335, 505 — Zirkondioxid 337 Kolloidmühle 335 Kolorimeter 481 Kolorimetrie 481 Komplementärfarbe 85 Komplexbildung 157 ff. — am Anion 157 ff. — am Kation 159 ff. — der Übergangselemente 445ff

636 Komplexe, Anlagerungs- 161 —, Durchdringungs- 160f. komplexe Eisenverbindungen 537 f. Komplex-formel 159 — i o n 157 If., 391 —salz 159 ff., 391 —Verbindungen, Isomerie 514f. Kompression 32 Kondensat 7, 57 Kondensation, fraktionierte 7 •—s-wärme 50 Kondensation (Molekülwachstum) 268, 325 ff. — (Aluminate) 385 —· (Arsensäure) 505 — (Borsäure) 375 f. — (Chromsäure) 509 — (Kieselsäure) 325 ff. — (Molybdänsäure) 505, 516 — (Niobsäure) 505 — (Phosphorsäure) 268 f. — (Tantalsäure) 505 — (Vanadinsäure) 505 f. — (Wolframsäure) 506, 517f. — (Zinnsäuren) 356 —s-methoden (Kolloide) 335 Kondensieren 7 Konfiguration (Ammoniak) 152 — (Methan) 152 — (Wasser) 152 —, räumliche, und Elektronenkonfiguration 446f. Konservieren von Eiern 329 Konstantan 453 Konstante, EoTVÖssche 392 —, PABADAYSChe 93 —, Gleichgewichts- 104 —, LoscHMiDTsche 29 f., 572 —, PLANCKSche 84 —, RyDBERGsche 42, 142 konstantsiedende Salzsäure 90 Kontakte 205 Kontakt-gift 112, 206 —ofen (S0 3 ) 206, 207 (NH3) 226, 227 (Benzin) 312 —säure 207 —verfahren 2051!., 411 kontinuierliches Spektrum 41, 142 Kontraktion beim Vermischen von Schwefelsäure und Wasser 209 Konvektionsströmung 560 f. Konversion 432 —s-salpeter 431 Konverter (Cu) 450 — (Fe) 344, 530 — (Ni) 541 —gase 185, 541 Konvertierung (NH3-Synthese) 226 —s-anlage 226

Register Konzentration 101 konzentrierte Salpetersäure 240 — Salzsäure 90 — Schwefelsäure 207 —s Ammoniak 208 Koordinations-zahl 159 , charakteristische und maximale 478, 480 —isomerie 514 koordinative Bindung 157 ff. — Wertigkeit 159 Kopf (Nickelstein) 54 Kopieren (Photographie) 463 KOPP, H . 7 9

—sehe Regel 496 —NEUMANNsche Regel 79 Korpuskularstrahlung 569 korrespondierende Redox-Paare 164

— Säure-Base-Paare 175 — Störtemperatur 396 Korrosion 474 — von Eisen 474, 534 Korund 378, 886 Î. —, künstlicher 387 Korundin 387 Korundsteine 387 kosmische Strahlung 579 ROSSEL, W . 1 4 5

—scher Verschiebungssatz 498 Kovalenz 150 Krackung 309, 390 Kraft, elektromotorische 165 ff., 570

Kraftgas 307 Kratzen mit dem Glasstab 395 Kreide 293, 407, 409 f. —formation, Alter 578 Kreislauf des Sauerstoffs 36, 63f., 235

— des Stickstoffs 64, 235 Kristall-gitter: s. Gitterstruktur —glas 340 , böhmisches 340 —soda 428 —struktur: s. Gitterstruktur —wasser 49 Kristallisation, fraktionierte 8, 470, 488

Kristallisieren 8 kritische Dichte 40 — Größe (Atombombe) 597 (Uran-Reaktor) 594 — Temperatur 40, 392 —r Druck 40 Krokoit 360 Kronglas 340 Kauppsches Rennverfahren 530 Ksupp-Stahl V2A 533 Kryolith 86, 379, 382, 389, 419, 468

—, künstlicher 389, 401 Kryoskopie 58

Krypton: s. Edelgase —atom, Elektronenkonfiguration 447 —hydrat 74 —lampe 75 K-Schale 136 K-Spektrum 143 kubischer Salpeter 427 kubisch-flächenzentriertes Gitter 146 —raumzentriertes Gitter 154, 156 Kühlschlange 453 künstliche Edelsteine 341, 387 — Elementumwandlung 581 ff. (s. a. Elementumwandlung und Kernumwandlung) — Höhensonne 177, 325, 478 — Radioaktivität 589 f. — Steine 405 — Zerfallsreihe 601 künstlicher Alexandrit 387 — Amethyst (orientalischer) 387 — Carnallit 430 — Diamant 296 — Dünger 64 — Graphit 296, 297 f. — Korund 387 — Kryolith 389 — Padparadschah 387 — Marmor 405 — Rubin 387 — Saphir 387 — Spinell 387 — Topas 387 — Zinnober 482 Kugelpackung, hexagonal dichteste 156 Kunst-bronze 452 —dünger 211 —marmor 405 —stoffe 309, 412 , anorganische 331 f. Kupellation 458 Kupfer 450ff. —, Bestimmung 454 —, ehem. Eigensch. 452 —, Darstellung 450f. —, Magnetismus 500 —, Nachweis 455 —, phys. Eigensch. 49, 452 —, physiologische Wirkung 456 —, Reinigung 451 f. —(I)-Verbmdungen 453f. , Magnetismus, Elektronenkonfiguration 446 —(II)-Verbindungen 454ff. , Magnetismus, Elektronenkonfiguration, Oxydationswirkung 447 —(Hl)-Verbindungen 201, 452 —, Verwendung 452 f. —, Vorkommen 450 —, Wertigkeit 452

Register Kupfer-(II)-acetat 280, 456 , basisches 456 — a m a l g a m 464, 478 — a n t i m o n g l a n z 283 —(Il)-arsenit 280, 456 , basisches 456 —(Il)-bromid 455 —(Il)-carbonat, basisches 452, 456 —(I)-chlorid 226, 307, 453 , A m m o n i a k a t 453 —(Il)-chlorid 81, 83, 454f. , basisches 453 , NO-Verbindung 236 —chlorwasserstoffsäure 453 —(I)-cyanid 454 , Komplexsalzbildung 454 —eisen(II)-cyanid 55 sulfid 541 thiogermanat 347 — c r z e 450, 538, 541, 550 —(Il)-fluorid 98 — g l ä n z 450 — g r a p p e 450ff. - - h y d r i d 272 —(Il)-hydroxid 397, 453, 454 , A m m o n i a k a t 454 —(Il)-ion, Tetraquokomplex 455 , Tetramminkomplex 454, 455 —(I)-jodid 453 —(Il)-jodid 455 — k i e s 182, 206, 217, 450, 456, 541 — k o n v e r t e r 450 —-lagermetalle 452 — l a s u r 450, 456 —legierungen 353,357, 385,402, 404, 4521., 459, 465, 478, 541, 542 •—-münzen 452 —-Nickel-feinstein 541 —-Nickel-kiese 550 •— — M a g n e t k i e s e 541, 550 rohstein 541 — ( I l ) - n i t r a t 455 —(I)-oxid 450, 452, 453, 541 —(Il)-oxid 397, 454 — ( n i ) - o x i d 452 —-phosphid 256 —(II)-platin(II)-chlorid 514 —(I)-quecksilber(II)-jodid 481 —-rohstein 450 —-rubinglas 342 —-schiefer, Mansfelder 397 — s e i d e 454 —silberglanz 456 - stein 450 —(Il)-sulfat 119f., 165, 256, 406, 451, 455, 456 , Entwässerung 119f. , Tetramminkomplex 455 —(I)-sulfid 347, 450f., 456, 541 —(Il)-sulfid 195, 283, 288

Kupfer-(II)-tetrachloro-komplex 454 —(I)-tetracyano-komplex 454, 455 —(I)-diammin-komplex 453 —(Il)-tetrammin-komplex 454, 455 —(Il)-tetraquo-komplex 455 —Verbindungen, physiologische Wirkung 456 — v i t r i o l 455 , Konstitution 455 —Wasserstoff 272 — w i s m u t g l a n z 288 — Z i n k - P a a r 474

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Lanthan-sulfat 483 —Wasserstoff 44, 520 L a n t h a n i d e n 439, 4471., 484 ff., 600 —, Allgemeines 484 —, Atom Volumina 489f. —, Basizitätsunterschiede 488 —, ehem. Eigensch. 491 —, Elektronenhüllen 448 —, Geschichtliches 485 —, Häufigkeit 487 —, Ionenfarbe 490, 491 —, Ionenradien 484 —, Löslichkeitsunterschiede 488 —, KomplexbildungsunterKURBATOV, I . D . 5 9 9 schiede 488 f. KuRROLsches Salz 268, 269 —, magnetische Momente 498, kurze Elementperioden 442 500 Kurzperiodensystem 442 —, Periodensystem 448, 484 — (Tabelle) 444 —, periodische u n d aperiodische KÜSS-Verfahren 473 Eigenschaften 484, 489 f. —, phys. Eigensch. 489 ff. L —, Spektren 490 f. A-Punkt des Heliums 74 —, Trennung 487 ff. A-Schwefel 185f., 218 —, Vorkommen 485f. L-Linien 145 —, Wertigkeit 448, 491 L-Schale 136 Lanthaniden-carbide 520 L-Spektrum 145 — i o n e n , F a r b e n 490, 491 Laboratoriumsgeräte, feuerfeste — k o n t r a k t i o n 484 386, 405, 503 — m i n e r a l i e n 483, 486 —, keramische 345 lapis infernalis 460 — , metallische 506, 554 latentes photograph. Bild 463 Lachgas 234 L a u t a l 385 Lackmuspapier 92 Lauterschmelzen (Glas) 341 Laden des Akkumulators 363 LAVOISIER, A . L . 11, 3 7 , 6 2 L a d u n g von Ionen 91, 146, 148 —scher Versuch über die L u f t 62 Ladungs-wert 169 LAWRENCE, E . 5 8 1 — z a h l 148 Lebertran 3 , formale 158 LEBLANC-Verfahren 427, 428 Läuterung (Glas) 341 L E CHATELIER, H . 1 1 3 —s-mittel (Glas) 341 —sches Prinzip 113 Lagermetalle 289 Leder, Gerbung 513 — (Cu) 452 Lederschwärze 298, 300 — (Pb) 359 Leerstelle im Gitter 149 — (Sn) 353 Leg-Hämoglobin 235 lamellis, in 425, 513 Leguminosen 64, 235 Lampenschwarz 298 Legierungen 155 f. LANDOLT, H . 11 Lehm 342, 343, 378 lange Elementperioden 442 leichte Elementarteilchen 560 LANGMTJTR, I . 4 6 , 7 5 — Mesonen 579 — f a c k e l 47 f. — Platinmetalle 551 —sehe Adsorptionsisotherme — r Wasserstoff 562, 564 298 f. —s Wasser 562 f. Langperiodensystem 442 Leicht-metalle (Definition) 383 — (Tabelle) 443 — ö l 311 L a n t h a n 483, 485 LEiDENFROSTsches Phänomen 65 — c a r b o n a t 483 Leim, mineralischer 329 —Chlorid 483 Leimen von Papier 329, 390 — h y d r i d 44, 520 Leiter erster Klasse 147, 155 — h y d r o x i d 483 — zweiter Klasse 147 —(Ill)-ion 448, 490 Leitfähigkeit, elek. 95, 108, 513 — m i s c h m e t a l l 483 — n i t r a t 483 —s-koeffizient 108 •—oxid 483 —s-wasser 49

638

Register

Leitung, metallische 1, 155 Lithium-aluminium-Wasserstoff Leitungselektronen 155 319, 350, 355, 368, 388, 398, Leitvermögen, elektrisches 147, 402, 405, 475, 502 , Hydrierungswirkung 151, 155, 513 388 LENARD, P h . 135 — a m i d 437 LENZsches Gesetz 494 — b o r a n a t : s. Lithium-borwasLepido-krokit 536 serstoff — l i t h 378, 433, 434 —bor-azid 231 Leptonen 560 —bor-waeserstoff 368, 370, 437 Letternmetall 358 Leucht-farben, radioaktive 572 — c a r b i d 434 — c a r b o n a i 434, 438 — g a s 183, 192, 302, 310, 311 —chlorid 433, 434 , Entschwefelung 184 f. , Schmelzelektrolyse 433 f. — ö l 313 —fluorosilicat 323 —schirm 572, 584 —gallanat 398, 399 — s t o f f e 76, 412, 476, 569 —gallium-wasserstoff: s. Li, radioaktive 572 thiumgallanat — u h r 572 — h y d r i d 370, 388, 398, 434 Leuna-benzin 313 —hydroxid 434 — p h o s 270, 437 — i n d a n a t 398 —Salpeter 436 —indium-wasserstoff: s. LiLEWIS, G . N . 107, 145 thiumindanat Licht, Doppelbrechung 410 — m e t h y l 437 —, monochromatisches 84 —mineralien 433 —, polarisiertes 410, 515 — n i t r i d 434 —, sichtbares 76, 334 — o x i d 434 Licht-absorption 85, 140f., 464 —äquivalent, Energiewerte 84 f., —phosphate 433, 434, 438 —platin(IV) - chlorid 553 177, 314f„ 570 —silicate 329, 378, 433 — b o g e n 235 —-silicofluorid 323 —frequenz 84, 314 — t h a l l a n a t 399 —geschwindigkeit 315 —thallium-Wasserstoff: s. — q u a n t 84 Lithiumthallanat —reklame 75 lithophile Elemente 485 —strahl, ordentlicher und außer- Lithopon 416 ordentlicher 410 Lithosphäre 69 f., 293, 485 lichtes Fahlerz 275 Löslichkeit 56, 120 — Rotgültigerz 275, 456 — und Zerteilungsgrad 395 LIEBIG, J . v . 6 4 —s-koeffizient 106 —kühler 7 Löslichkeitsprodukt 120 Ligand 152 — von FeS, PbS 195 Lignin 204 — von A1(0H) 3 384 LIUENROTH-Verfahren 266 — von Mg(OH)2 405 Limonit 526 — von AgCl, AgBr, AgJ 460 Linearbeschleuniger 582 lösliches Berlinerblau 538 LINDE, C. V. 32, 72 — TuRNBtrLLsblau 538 —Maschine 32, 72 Lösung und reiner Stoff 6, 9, ] —Verfahren 32 —, FEHLiNGsche 453, 454 Linienspektrum 140 Lösungen 7, 19, 466ff. Lrpowrrz-Metall 289 —, alkalische 110 Liquiduskurve 470 —, echte 334 Lithion-eisen-glimmer 378 —-, eingestellte 117 —glimmer 378, 433 —·, gesättigte 56 Lithium 433f. —, ideale 54, 95, 108 —, Abtrennung v. Na u. Κ —, kolloide 333 ff. —, Nachweis 434 —, normale 162, 170 —, Spektrum 143 —, reale 107 —, Umwandlung in Helium —, saure 110 586f., 607 —, übersättigte 395, 468, 470 Lithium-alanat: s. LithiumLösungswärme 393 alumiiiium-Wasserstoff Löten 353, 376 Lokalelement 474, 534 —aluminium-silikate 378

LOKYEB, N . 71

Losantin 123 LOSCHMIDT, J . 2 9

—sehe Zahl 29 f., 572 Luft 62ff., 72, 293 —, dephlogistierte 37 —, Edelgasgehalt 63, 72 —-, flüssige 65 , Fraktionierung 32 ff., 73 —, Ionisation 573 —, Kohlenstoffgehalt 63, 293 —, Sauerstoffgehalt 63, 64 —, Stickstoffgehalt 63, 64 —, Zusammensetzung 62f., 63, 72 Lufl-erneuerung 181 — g a s 305 f. — m ö r t e l 408, 413 —stickstoff 60, 61, 71 —Verbesserung 178 —Verbrennung 235, 240 —Verflüssigung 32 —Zerlegung, chemische 31, 60, 72f., 225 , physikalische 32 ff., 60,73 Lumineszenz 572 Luminophore 76, 412, 476 Lupinen 64 Luppen 530 Lutetium 484 —, natürlich-radioaktives 569 — i o n 447 f., 490 Luxmasse 185, 380 LYMAN-Serie 42, 142 M μ-Mesonen 579 μ-Schwefel 186f., 218 M-Schale 136 MADDRELLsches Salz 268 Magadi-See 427 Magen-säure 80, 428 — s a f t 80 —salz 428 Magerkalk 414 Magerungsmittel (Kalkmörtel) 413 — (Tonwaren) 343 magische Zahlen 557 magisterium bismuti 290 Magma 485 Magnalium 385, 404 Magnesia 344 —, gebrannte 405 —, kaustische 405 Magnesia-glimmer 378 —mischung 267 —mörtel 405 —steine 344, 405, 450 —zement 405 magnesia alba 406 — carbonica 406 —• usta 405 Magnesit 293, 344, 403, 405, 406

Register Magnesium 1, 403 ff. —, Anwendung 404 —, ehem. Eigensch. 38, 404 —, Darstellung 403f. —, elektrische Leitfähigkeit 404 —, phys. Eigensch. 404 —, Verbindungen 404ff. —, Vorkommen 403 Magnesium-alanat 388, 405 — a l k y l 331 — a l u m i n a t 387, 405 —aluminium-silicate 378 — —Wasserstoff: s. Magnesiumalanat — a m a l g a m 404 — a m m o n i u m - a r s e n a t 281 phosphat 267 — a n t i m o n i d 285 — a z i d 231 — b i c a r b o n a t 432 — b l e c h 404 — b o r a n a t 370, 405 — b o r a t 366 — b o r i d 368 —bor-wasserstoff: s. Magnesiumboranat — b r o m i d 403, 405 —calcium-carbonat: s. Dolomit — c a r b i d 406 — c a r b o n a i 293, 303, 403, 40C, 410, 432, 438 , basisches 406 — c h l o r i d 403, 405, 406, 429, 430 , basisches 405 — d i ä t h y l 404 -—diarsenat 281 — d i p h o s p h a t 267 — d r a h t 404 •—germanid 350 — h y d r i d : s. Magnesiumwasserstoff —hydrogencarbonat 432 -—hydroxid 405 , Löslichkeitsprodukt 405 —kalium-chlorid : s. Carnallit -—kalium-sulfat 431 -—legierungen 385, 405, 574 — n i t r i d 72, 228, 229, 404 — o x i d 1, 403, 404, 405 — p h o s p h a t 438 — p h o s p h i d 258 — p y r o a r s e n a t 281 •—pyrophosphat 267 -—selenid 219 —Silicate 319, 329, 344, 403, 541 —silicid 320 — s t a n n i d 355 — s u l f a t 149, 403, 406, 426, 429, 431, 475 — v i t r i o l 406, 475, 535 —Wasserstoff 370,388,404 f., 434 — w i s m u t i d 289 •—wismut-nitrat 488 — w o l f r a m a t 76

Magnet, permanenter 492 —eisenstein 526, 536 — f e l d 491 , homogenes 493 magnetische Feldlinien 491 — Feldstärke 492 — Grundbegriffe 491 ff. — Induktion 493 •— Permeabilität 494 — Polstärke 492 — Quantenzahl 445 — Suszeptibilität 493 ff. —r Nordpol 491 —r Südpol 491 — s Bahnmoment 498 —s Feld 491 f. —s Moment 492f., 495 (s. Moment, magnetisches) •—s Spinmoment 498 Magnetisierungsintensität 494 Magnetismus, permanenter und temporärer 533 — und Elektronenkonfiguration 446 f. — vonÜbergangselementen 446f. — (Actiniden) 606 — (Peroxochromate) 512 Magnetit 251, 526, 536 —elektrode 424, 536 Magnetkies 538, 541 Magnetochemie 49Iff. Magneten, BoHRsches 493 Majolika 342, 344 Malachit 450, 456 Malerfarben (Arsensulfide) 281 — (Bleiverbindungen) 359, 360, 510 — (Chromverbindungen) 360, 510, 513 — (Kobaltverbindungen) 475 — (Kupferverbindungen) 456 — (Zinkverbindungen) 475 — (BaSOJ 416 — (C) 300 — (Ca(OH)s) 409 — (CdS) 477 — (Fe 2 0 3 ) 536 — (HgS) 482 — ( N a x W 0 3 ) 519 — (Ti0 2 ) 501 Malerschwärze 300 Mangan 52Iff. —, Darstellung 521 —, Eigenschaften 521 f. —(I)-Verbindungen 522 —(Il)-Verbindungen 522 —(Ill)-Verbindungen 522 —(IV)-Verbindungen 522 —(V)-Verbindungen 523 —(Vl)-Verbindungen 523 —(VII)-Verbindungen 523 f. —, Vorkommen 521 —, Wertigkeit 521 Mangan-carbid 521

639 Mangan-(II)-carbonat 293, 521 — c a r b o n y l 544 —(Il)-chlorid 81, 522 • , Tetrahydrat 522 —(IV)-chlorid 81, 522 —(Ill)-cyanid, Komplexsalzbildung 548 — e r z e 521 —(Ill)-fluorid 522 — g r a p p e 52Iff. —(Il)-hydroxid 522 - (Il)-ion 448 , Elektronenkonfiguration 445 —legierungen 385, 404, 521, 52» —(Il)-nitrat 522 - (Il)-oxid 521, 522 —(II,III)-oxid 384, 521, 522 - (Ill)-oxid 522 - (IV)-oxid 35, 81, 521, 522 - (IV)-oxidhydrat 522 —(Vl)-oxid 523 —(Vll)-oxid 521, 524, 525 — o x i d e , Acidität und Basizität 521 f. — s ä u r e 523 —(Ill)-salze 522 —(IV)-salze 522 — s p a t 293, 521 — s t a h l 521 —(Il)-sulfat 406, 522 - (Il)-sulfid 195, 522 — v i t r i o l 522, 535 — w o l f r a m a t 516 Manganate 623, 524, 525 —(III) 522 —(IV) 524 —(V) 523, 524 —(VI) 523, 524, 525 —(VII) 524 manganige Säure 522, 523 Manganit 521 Manganite 522, 524 Manganometrie 524 Mannheimer Salzsäureverfahren 90 Mannit 375 — b o r s ä u r e 375 Manometer 21 f., 477 — r o h r 22 Mansfelder Kupferschiefer 397 Margarit 330 Marienglas 411 Marignac, C. d e 485 Markierung von Atomen : s. Indizierung Marinsky, J . A. 598 Marmor 293, 407, 409 f. —, künstlicher 405 MARSHsche Arsenprobe 277 Martensit 530 Maßanalyse 460 —, acidimetrische 117 —, alkalimetrische 117

640 Maßanalyse, argentometrische 460 —, cerimetrische 491 —, Fällungs- 460 —, iodometrische 220, 454 —, manganometrische 524 —, oxydimetrische 491 —, titanometrische 502 Masse 11 —, ruhende und bewegte 570 — der Energie 12, 578f., 579f., 608 f. —, Gesetz von der Erhaltung l l f . , 608f. —, Umwandlung in Energie 578f., 579f., 608f. —, Zerstrahlung 579, 609 Masselbett 529 Massen-defekt 579 • bei radioaktiven Umwandlungen 578 f. der Elemente 579 f. —einheit 51, 563 —spektrograph 557, 597 —spektrum 557 •—wert 563 —wirkungs-gesetz 104 f., 396 f. , Anwendungen 106 ff. produkt 105 —zahl 556 —zahlen der Elemente (Tabelle) 559 Massicot 360, 362 Masurium 521, 597 Materialisierung der Energie 607 f. Materie, aktiver Zustand 391 ff. —, Aufbau 135ff., 555ff. —, Urbausteine 555 ff. —, Zerstrahlung 579, 609

Register

Mennige 358, 362, 534, 538 Mercaptane 182 Mercerisieren 425 Mercuri-: s. Quecksilber(II)Mercuro: s. Quecksilber(I)Mergel 409, 415 Mesitylen, anorganisches 370,378 mesomere Grenzformeln 159 Mesomerie 159, 230 (s. a. Resonanz) — (BNH 4 ) 378 — (C02) 317 — (HN3) 230 — (H 2 S0 2 ) 214 — (H 2 S0 3 ) 205 — (N 2 0) 234f., 316f. — (PC15) 259 — (POX3) 259 — (S4N4) 247 Mesonen 579 f., 583, 609 f. —, leichte 579 —, künstliche 609 f. —, neutrale 580 —, negative 579, 610 —, positive 579, 610 —, schwere 579 —Zwillinge 609 f. Meso-perjodate 130 —thorium I 568, 573 I I 568 Mesotronen: s. Mesonen Messing 155, 452 Meta-arsenige Säure 279 —aurate 466 —borate 375 —borsäure 375 , Molekularstruktur 375 —digermanate 351 —dizinnsäure 356 —germanate 351 —hexasilicate 329 MATTAUCH, J . 557 —imidophosphorsäuren: s. Me—sehe Isobarenregel 558, 598 taphosphimsäuren , Ausnahmen 558 —kieselsauren 326 f. Mattieren von Glas 341 Mauerziegel 343 , Konstitution 269, 325 f. MAXWELL, J . C. 2 3 —kohlensaure 326 —sehe Geschwindigkeitsvertei—nitrate 242 lung 23 —periodate 130 maximale Arbeit 46 —phosphate 267 Konstitution 268 f. — Koordinationszahl 477, 480 •— Reaktionsgeschwindigkeit —phosphimsäuren 274 , Konstitution 274 101 —phosphorige Säure 265, 271 MCKENZIE, K . R . 5 9 9 —phosphorsäure 263,265, 268 f., MCMILLAN, Ε . M . 6 0 1 , 6 0 4 274 Meeresalgen 88 Meer-schaum 403 , Konstitution 268 f. —wasser 49, 87, 293, 403, 407, —plumbate 362 —säuren (N) 238 419, 422, 429, 464 (P) 263 ff. Megacurie-Einheit 577 —salpetersäure 241 Melasseschlempe 433 MENDELEJEFF, D . I . 66, 347, 6 0 1 —silicate, Konstitution 269, Mendelevium 608 326 f. —, Isotope 603 —thioborsäure 376 —, Name 601 —trisilicate 329

Meta-vanadate 505 —wolframate 418 —wolframsäure 417 —zinnsäure 356 Metall-antimonide 283 —aromatische Verbindungen 549 —arsenide 275 —bindung 154f. —carbonyle543ff. (s. Carbonyle) —deuteroxide 563 —elektroden 171 —gitter 154 f. —hydroxidsole 337, 338 —isonitrile 549 —oxidsole 337 —sole 337, 338 —sulfidsole 337 —Wertigkeit 154 Metalle, edle und unedle 167 —, Normalpotentiale 167 metallische Leitung 1, 155 metallisches Antimon 283 — Arsen 275 — Selen 218 — Tellur 221 metastabile Systeme 110 Methan 301, 302, 309, 310, 311, 313, 364 —, Darstellung 391 —, Konfiguration 152 —, schweres 563 Methyl-alkohol 308f., 311, 375 — ä t h e r 321 — r o t 118 Mettlacher Platten 345 MEYER, L . 6 6

—, V. 25 Mikrocurie-Einheit 577 Mikronen 335 Milch 3, 5 —glas 342 —Zentrifuge 5 Millicurie-Einheit 577 MiLLONsche Base 482 Mineralisator 324 mineralischer Leim 329 mineralisches Chamäleon 523 Mineral-farben: s. Malerfarben —reich 293 —wasser 49, 535 , Dürkheimer 434 Minette 251, 526 Misch-Dünger 433 —element 558 — g a s 307 —hydride 370, 388 —katalysator 112 —Kristallbildung 149 , homöotype und heterotype 149 , vollständige und unvollständige 149 —kristalle 8, 149, 470ff.

Register Mischungslücke 149, 471 Mißpickel 275 MrrscHERLiCHsche P h o s p h o r -

probe 256 — Regel 149 MITTASCH, A . 1 1 2

mittelbare Reduktionswirkung (Hochofen) 528 Mittel-öl 312, 313 —salz 422 mittelstarke Elektrolyte 94, 107 — Oxydations- und Reduktionsmittel 169 mittlere kinetische Energie der Moleküle 23 —s Atomgewicht 557 Moderator (Uran-Reaktor) 594 Modifikationen, monotrope und enantiotrope 187ff. — (As) 275 f. — (As 2 0 3 ) 279 — (Be(OH)2) 402 — (Bi 2 0 3 ) 290 — (CaC03) 409 — (Fe) 533 — (Fe 2 0 3 ) 535 — (Ge0 2 ) 351 — (HgJ 2 ) 481 — (HgS) 482 — (NH 4 N0 3 ) 436 — (O) 176 — (P) 253 ff. — (PbO) 360 — (S) 185ff. — (S0 3 ) 200 — (Sb) 283 f. — (Sb 2 0 3 ) 286 — (Se) 217 f. — (Si0 2 ) 323 ff. — (Sn) 352 — (Zn(OH)2) 475 Modul, hydraulischer 414 MÖBius-Verfahren 458 Mörtel 413ff. —bildner 413 — , Gips- 411, 414 —, hydraulischer 414, 529 —, Kalk- 413f. —, Magnesia- 405 —, Luft- 413 —, Wasser- 413, 414f. MoHEsches Salz 535 moiriertes Zinn 352 MOISSAN, H . 8 6

Mol ( = Grammolekül) 21 molare Gefrierpunktserniedrigung 58 — Oberflächenenergie 392 — Siedepunktserhöhung 58 — Suszeptibilität 494 Moldavium 600 Molekel 17 Molekül 17 —, monomeres und polymeres 97

Molekül, reaktionsbereites 101 Molekül-begriff 16ff. —durchmesser 30 —gitter 295 (Clj) 295 (P4) 253 — — (S,) 185 —isomerie 564 —Spektren 145 Molekular-geschwindigkeit 23 in kolloiden Lösungen 335 —bewegung, BnowNsche 335, 336 —gewicht, absolutes und relatives 20 ff. —gewichtsbestimmung, ebullioskopische 58 , kryoskopische 58 im Dampfzustand 24 ff. —hypothese 17 ff. molekulardisperse Systeme 334 molekulares Silber 462 Molekulargewicht, absolutes 29 f. —, relatives 20 Molekulargewichtsbestimmung (Dialyse) 336 — (Dampfdichte) 24ff. — (osmotische) ¿71., 335 Molekular-lehre 16 ff. — m a g n e t 495 Molekularstruktur (Alaune) 390 — (AlHj) 387 f. — (LiAlH4) 388 — (A1C13) 389 — (Aluminate) 385 — (A1(BH4)3) 388 — (As) 275 f. — (AS203) 279 — (Borwasserstoffe) 367 f. — (B 3 N 3 H e ) 377 — (Borate) 375 — (Borsäure) 374 — (Be(BH4)2) 370 — (Carbonyle) 543f. — (C02) 328 — (CuS0 4 · 5H 2 0) 455 — (GeH) 350 — (GeH2) 350 — (Halogenhalogenide) 197 — (Heteropolysäuren) 518 — (Hg 2 (N0 3 ) 2 ) 479 — (P4) 253 — (P 2 0 3 ) 261 — (P 2 0 5 ) 262 — (PNC12) 273 f. — (H 3 P0 2 ) 317 — (H 3 P0 3 ) 731 — (Phosphorsäuren) 263 ff.,268 f. — (Phosphorhalogenide) 259 — (Peroxochromate) 511 f. — (Polyhalogenide) 197 — (S) 185 ff. — (S0 3 ) 269 — (S4N2) 248

H o l l e m a n - W l b e r g , Anorganische Chemie. 4 7 . - 5 6 . Anfl.

641 Molekularstruktur (S4N4) 247 — (SNH) 248 — (SNC1) 248 — (Schwefel-halogenide) 196 — (Sulfuryl-halogenide) 196 — (Thionyl-halogenide) 196 — (Sb 2 0 3 ) 286 — (Se) 218 — (Se0 2 ) 220 — (SiH2) 320 — (SiCl) 322 — (SiS2) 332 — (Kieselsäuren) 269, 325 II. — (Silicate) 325 ff. — (Vitriole) 406 (s. a. Tautomerie, Mesomerie, Gitterstruktur) Molekularvolumen 496 Mol-refraktion 496 —volumen 21 —wärme 77 Molybdän 515 f. — b l a u 516, 538 —carbid 520 —(H)-chlorid 516 —(Ill)-chlorid 516 —(IV)-chlorid 516 —(V)-chlorid 516 —dibenzol 549 —erze 524 —(Vl)-fluorid 516 —glänz 515, 524 —hexacarbonyl 543 —legierungen 533, 542 —(IV,VI)-oxid 516 —(Vl)-oxid 516 —(Vl)-oxidhydrat 516 —säuren 516 , Nachweis 516 — s t a h l 516, 533 —sulfid 515 Molybdänyl-Verbindungen 516 Molybdate 516 Moment, Dipol- 153 f. —, magnetisches 492f., 495 , Bestimmung 495 des Elektrons 493, 494f., 498 , permanentes 494f. , Vorausberechnung 498 Momente, magnetische, der Actiniden 606 der Eisenreihe 499 der Lanthaniden 498, 499, 500 Monazit 74, 251, 473, 486 — s a n d 486, 503, 573 MoND-Verfahren 541, 550 Monelmetall 86, 541, 542 Mono-ammonium-phosphat 270 —borin 367, 368, 369 ff. —calcium-silicat 415 —chlor-silan 320 41

642 Mono-german 350 — L a k e 427 —molybdate 516 —oxochlorate(I) : s. Hypochlorite —silan 319, 320 —tropie 187 ff. —wolframate 517 —wolframsäure 517 mono-chromatisohes Licht 84 —kliner Schwefel 185 —mere Moleküle 97 —molekulare Reaktionen 103, 575 —trope Modifikationen 187ff. Mont-Cenis-Verfahren 227 Montmorillonit 329, 342 Morgan, L. O. 606 Morion 323 Morogoro-Erz 577 Mosander, C. G. 485 MosELEYsches Gesetz 144 MÜLLEB-KtjHNE-Verfahren 412 Muffel (Zn) 472 —feuerfarben 346 —ofen (Zn) 473 Mullit 343, 346 —steine 343 Multiplikationsfaktor (Atombombe) 597 —• (Uran-Reaktor) 595 Multiplizität, Prinzip der größten — 139, 445 Muschelkalk 410 Musivgold 356 Muskovit 330, 378 Mutter-lauge 87, 430, 488 —substanz, radioaktive 577

Register

Natrium-aluminium-fluorid (vgl. Kryolith) 379, 889, 391, 401 silicate 329, 345, 378, 380, 381, 419 —amalgam 425, 435, 478 —amid 231, 421, 457 —ammin-prussiat 538 —ammonium-phosphat 267 —-antimonat 287 —arsenat 523 —arsenit 280 —azid 231 —beryllium-fluorid 401, 403 —bicarbonat 305, 427, 428 —bisulfat 90, 200 —bisulfit 198, 244, 248, 249 —boranat 372 —borate 366, 374 —bromid 129 —calcium-zeolith 330 —carbonat 423, 427 f. , Eigenschaften 428 , Gewinnung 379, 4271. , Vorkommen 427 —carbonyl-prussiat 538 —chlorat 124, 125 —Chlorid 80, 419, 421!!., 429 , Eigenschaften 422 f. , Elektrolyse der wässerigen Lösung 424f. , Gewinnung 422 , Kristallgitter 146 f. , photochemische Zerlegung 573 , Schmelzelektrolyse 419 f. , Verwendung 423 , Vorkommen 421 f. —chlorit 1231., 127 —chromât 508 —cuprat(III) 452 Ν —eyanamid 457 —Cyanid 308, 421, 456, 457, 464 v-Mesonen 580 —dampf 420 »-Leitung 349 entladungslampe 421 Nachblasen (Konverter) 531 Nachtatmung der Pflanzen 36 —dichromat 508 ff. Nadeleisenerz 536 —disulfat 200 Naphthalin 1, 310 —ferrit 379 — r u ß 298 —fluorid 401 Narben (Steingut) 345 —fluoroaluminat 86, 379, 382, Natrium 419 ff. 889, 401, 419, 468 —, Anwendung 421 —fluoroberyllat 401 —, ehem. Eigensch. 37, 420 f. —fluorosilicat 323, 401 —, Darstellung 419f. —germanid 350 —, elektrische Leitfähigkeit 420 —-hexahydroxo-stannat 356 —, kolloides 573 —hydrogencarbonat 305, 427, —, Kristallgitter 154 428 —, künstlich-radioaktives 590 —hydrogenphosphat 267 —, Lösung in flüssigem Ammo- —hydrogensulfat 90, 200 niak 421 —hydrogensulfit 198, 244, 248, —, phys. Eigensch. 140, 420 249 —, Verbindungen 42Iff. —hydroxid 419, 421, 423II. —, Vorkommen 419 , Darstellung 423 ff. Natrium-acetat 280 , Eigenschaften, Verwen—aluminate 379, 3851. dung 425

Natrium-hydroxid, Schmelzelektrolyse 419 f. —hydroxylamid 245 —hydroxylamin-bis-sulfat 244, 249 —hypochlorit 122, 123, 229 —hypodiphosphat 272 —hypodisulfit 213 —hypomanganat 523 —hypophosphit 271 —jodat 88, 427 —jodid 129 —kalium-tartrat 454 —kupfer(III)-hypodroxid 452 —kupfer(III)-perjodat 452 —kupfer(III)-tellurat 452 —legierungen 478 —mangan(III)-hydroxid 522 —metaborat 375 —metaphosphat 267 —methylat 244 —nickel(IV)-perjodat 542 —nitrat 241, 426f., 431 , Eigenschaften 427 , Gewinnung 426 f. , Verwendung 427 , Vorkommen 426 —nitrido-sulfat 248 —nitrit 242, 248, 249, 427, 523 —nitro-prussiat 538 —nitrosyl-prussiat 538, 548 —nitroxid 246 —orthonitrat 241 —orthonitrit 242 —oxid 421 —perborat 376, 524 —Perchlorat 437 —peroxid 178,180Î., 421 —phosphat 257, 267, 410, 523 —platin(IV)-chlorid 553 —polysulfide 195 —presse 420 —pyrosulfat 200 —quecksilber(II)-chlorid 481 —silber-eyanid 456 —silber-thiosulfat 460 —silicate 329, 419 —silicium-fluorid 401 —-stannat 356 —sulfat 90, 425t., 428, 508 , calciniertes 426 , Darstellung 425 f. , Eigenschaften 426 -, Vorkommen 425 —sulfid 194, 428, 482, 541 —sulfurylimid 251 —sulfit 523 —sulfito-prussiat 538 —tellurat 222 —-tetraborat 376 —tetrafluorobromat(III) 132 —thioantimonat 288 —thiostannat 356 —thiosulfat 216, 460, 463

643

Register Natrium-titanat 502 —triboranat 372 —uran(IV)-chlorid 519 —vanadat 523 —wolframate 516 —zeolith 330 —zink-cyanid 457 —ziim(IV)-hydroxid 356 —zirkonat 503 Natron-feldspat 378, 419 —kali-kalk-gläser 340 —kalk-gläser 339 —lauge 425 —Salpeter 432 —Wasserglas 329 natürliche Elementumwandlung 555 ff.

I Neptunium-bor-wasserstoff 370 ! —(IV)-bromid 604 I —(Ill)-chlorid 604 ! —(IV)-chlorid 604 —(Vl)-fluorid 604 —(Ill)-jodid 604 —(IV)-verbindungen 520, 604, 604 f. —Wasserstoff 370 —Zerfallsreihe 567, 601 f. Neptunyl-Verbindungen 603 f., 604 NERNST-Lampe 503

—sehe Gleichung 170 —sches Verteilungsgesetz 106 — s t i f t 503

N e s s l e r s Reagens 481

Netz-ebene 147, 395 — Kohle 309 —katalysator 239 — Silicate 329 f. N e u m a n n , F . 79 — Radioaktivität 566 ff. —Koppsche Regel 79 — Wässer 49 Neusilber 453 —r Graphit 296 Neutral-base 175 —r Schmelzpunkt (S) 186, 189 —punkt110 Natursoda 427 —säure 175 Nebel 3, 49, 334 neutrale Arsenate 281 —aufnahmen (WiLSON-Kammer) 584 — Arsenite 280 — g l a s 342 — Carbonate 305 — Diphosphate 268 Neben-gruppen (Perioden— Hyponitrate 246 system) 68, 439 if., 442 — Phosphate 266 —quantenzahl 139, 445 —system des Periodensystems — Phosphite 271 — Pyrophosphate 268 442 — Selenide 219 —valenz 161 — Selenite 220 Negativ (Photographie) 463 — Sulfate 211 negative Elektrode 13 —s Meson 580 — Wärmetönung 44 Neutralisation 96, 116 ff., 176 — Wertigkeit 148 — im Ammonosystem 176 —r Katalysator 35 —s-grad 117 —s Elektron 560 —s-kurven 117 f. —s Meson 579 —s-vorgang 96 —s Proton 610 —s-wärme 96 —s Wasserstoffion 407, 434 Neutretto 580 Negatron 560 Neutrino 560, 571, 580 Negatronenaktivität 590 Neutronen 68, 137, 138, 556f. Neodym 490 (s. a. Lanthaniden) —, Bindungsenergie im Kern 588 —, natürlich radioaktives 569 —, Elementumwandlung mit — o x i d 490 583, 688 Neon: s. Edelgase —, Entdeckung 585 —isotope 561 —, Erzeugung 583, 585, 587, 595 — —licht 75 —, Halbwertszeit 585 — r ö h r e 75 —, langsame 588 Neophanglas 490 —·, Nebelaufnahmen 588 Nephelin 329 —-, Radioaktivität 585 Nephelometer 460 —, Stellung im Periodensystem Neptunium 449, 555, 556, 593, 585 596, 601 f., 604, 605 I —, thermische 593, 594 —, Bildung im Uran-Reaktor j —, Umwandlung in Protonen 596 560, 589 f. —, Isotope (Tabelle) 602/603 I Neutronen-absorber (Kernreak—, Name 601 tor) 594 —, Normalpotentiale 605 ! —kanone 585 —, Wertigkeit 603f. ! —zustand des Nukleons 555

Neutronium 555, 585

N e w l a n d s , J . A. R . 6 6

Nichtmetalle, Normalpotentiale 168 nichtmetallisches Antimon 283 f. nichtpolare Bindung 150 — Doppelbindung 150, 159 nichtumkehrbare Reaktionen 102 Nickel 541 f. —, Antimonchlorid-Komplexe 549 —, Darstellung 541 -—, Eigenschaften 542 -, Isonitril-Komplexe 549 —, Phosphin-Komplexe 549 —, Phosphorchlorid-Komplexe 549 —, Verwendung 542 —, Vorkommen 541 —, Wertigkeit 542 —(O)-Verbindungen 542 , Magnetismus, Elektronenkonfiguration 446 —(I)-Verbindungen 542 —(Il)-Verbindungen 542 , Magnetismus, Elektronenkonfiguration 446 —(Ill)-Verbindungen 542 —(IV)-Verbindungen 542 Nickel-antimonid 283 —arsenide 275, 541 — A t o m , Elektronenkonfiguration 446 —blende 541 —(Il)-carbonat 542 —carbonyl 397, 541, 542, 543, 545, 548 , Bildung und Zersetzung 541 —(Il)-chlorid 542 —(Il)-cyanid 542 , Komplexsalzbildung 542 —erze 541, 550 —(Il)-hydroxid 542 —(Hl)-hydroxid 542 —(Π)-ϊοη, Elektronenkonfiguration 446 —katalysator 542, 554 —legierungen 453, 533, 541, 542 —(Ill)-metahydroxid 542 —monocarbonyl-trimethylisonitril 549 —münzen 453, 542 —(Il)-nitrat 542 —(Il)-oxid 541, 542 —(IV)-oxid 542 —rohstein 539 —Silicat 541 — s t a h l 533, 542 —(Il)-sulfat 406, 542 —(Il)-sulfid 195, 275, 283, 541, 542 —(m)-sulfid 542 , basisches 540, 542 41*

644 Nickel-tetracarbonyl 397, 541,, 542, 545, 548 , Elektronenkonfiguration 446 —tetraphenylisonitril 549 —tiegel 542 —vitriol 535, 542 Nicol 410 Niederquarz 323 Niederschlag 4, 8 —s-arbeit (Sb) 283 —elektrode 206

Register Nitroxy-fluorid 232 —halogenide 232 Nitroxylate 246 Nitroxylat-ion 246, 548 Nitroxyl-säure 239 —wasserstoff-säure 245, 246,548! Nitrum-Verfahren 235, 240 Nitryl-amid 246 —chlorid 232 —fluorid 232

—Verbindung 112 Octen 309 Öl-ruß 298 —schiefer 3

OERSTED-Einheit 4 9 2

Ofen, elektrischer 252, 412, 532 —kacheln 344 ΟπΜ-Einheit 477 —scher Widerstand 173 —sches Gesetz 173 NOBEL, A. 601 Okklusion 72 —preis 601 Oktaboran 367 Nobelium 608 Oktachlor-trisilan 321 NILSON, L . F . 347, 4 8 5 —, Name 601 Oktacyano-wolframat 160 f. Niob 506 NODDACK, I . 5 2 4 , 5 9 7 Oktaedermodell 515 —fluorwasserstoffsaure 132 —, W. 524, 597 Oktafluoro-stannate 356 Niobit 506 Nomenklatur (Komplexverbin- Oktavenregel 66 Nirosta 523 Oktett 146 dungen) 160 Nitramid 246 Oleum 207 — (Sauerstoffsäuren) 120 f. Nitratacidium-ion 241 — (Wertigkeitsbezeichnung) 148 Oligoklas 419 —Perchlorat 241 Olivin 329, 403 Nonaboran 367, 369 Nitrate 241 Onyx 323 nonvariantes System 191 —, Bestimmung 241 Opal 323 Nordpol, magnetischer 491 —, Konfiguration 318 —glas 342 Norgesalpeter 409 —, Konstitution 268 Opaleszenz 460 Normal-bedingungen 21 —, Nachweis 241 Operment 282 —glas 339 —(I) 246 Oppanol 309 —meter 554 —(II) 239 optische Aktivität 515 —potential 165 ff. —(III): s. Nitrite (Tabellen) 165, 168 — Spektren 141 ff. Nitride 62, 228, 229 —Wasserstoffelektrode 166 —s Glas 325, 340, 376 Nitrido-phosphorsäure 274 normale Lösung 162 —s Thermometer 481 —schwefelsaure 248 eines Oxydationsmittels 170 optisch inaktive Spektrallinien Nitrieren 211 — Säure 162 315 Nitriersäure 211 — Selenide 219 — leere Flüssigkeit 334 Nitrile 549 — Selenite 220 ordentlicher Lichtstrahl 410 Nitrilform der Blausäure 549 Ordnungszahl 28, 555 — Sulfate 211 Nitrite 237, 238, 242 organische Chemie 293 — Sulfide 193 —, Konstitution 242 Nukleonen 555, 560 — Elementaranalyse 454 Nitrito-gruppe 514 —, Grund- und Anregungszu- — Verbindungen 293 Nitro-glycerin 339 stand 555 , Zahl 293 —grappe 514 Nullpunkt, absoluter 22 Organo-silicium-verbindungen —phoska 270, 433, 437 331 nitrose Säure (Nitrose) 208, 243 — der elektrochemischen Spannungsreihe 167 orientalischer Amethyst 379 Nitroso-bis-schwefelsäure 250 NUTTALL, J . M . 5 7 7 — Smaragd 379 Nitrosyl-bisulfat 547 — G E i G E R s c h e R e g e l 577 — Topas 379 —borfluorid 547 Nuvalon-Verfahren 381 Orthit 483, 486 —bromid 232, 236 Ortho-arsenige Säure 279 —carbonyle 547 f. O —bleisäure 362 —chlorid 232, 236, 243!. Oberfläche und Zerteilungsgrad —borate 375 —cyanide von Metallen 547 f. —borsäure 374f. 299, 393 —fluorid 232 Oberflächen-affinität 299 , Molekularstruktur 374 —grappe 243 —beschaffenheit orthochromatische Platten —halogenide 232, 236 und Energieinhalt 395 (Filme) 464 —hydrogensulfat 243, 547 —bindung 112 Ortho-deuterium 565 —ion 308, 538, 547, 548 —energie 392 —dikieselsäure 326 —nitrat 238 —energie fester Stoffe 392, 394 —disilicate 329 —Perchlorat 308, 547 —dizinnsäure 356 --energie flüssiger —prussiate 538, 548 —germanate 351 Stoffe 392 (Fe) 538, 549 —kieselsäure 325, 326, 330 , molare 392 (Mn) 548 —große und Energieinhalt 391ff. ·—klas 330, 378 (Ni) 548 —krümmung und Dampfdruck —kohlensaure 325 —schwefelsaure 243, 547 —nitrate 241 394 —nitrite 242 —Verbindungen 243 f. —Schicht, einmolekulare 299 130 ι Nitro-verbindungen 243 ιOberflächen-spannung 391 ff., 496 Ortho-perjodate

645

Register — p e r jodsäure 130 — p h o s p h o r i g e Säure 271 (s. phosphorige Säure) — p h o s p h o r s ä u r e 263, 265 If. (s. Phosphorsäuxe) — p l u m b a t e 362 — s ä u r e n (N) 238 (P) 263 f. —Salpetersäure 241 — s a l p e t r i g e Säure 242 — s i l i c a t e 329 — t e l l u r s ä u r e 222 — v a n a d a t e 505 — v a n a d i n s ä u r e 505 —Wasserstoff 564ff. — z i n n s ä u r e 356 Ortizon 180 Osmate 552 Osmium: s. Platinmetalle — c a r b o n y l e 544 —(Il)-chlorid 552 —(Ill)-chlorid 552 —(IV)-chlorid 552 — e n n e a c a r b o n y l 544 — ( V n i ) - f l u o r i d 552 — g r o p p e 551 f. —(Il)-ion, Elektronenkonfiguration 445 — i r i d i u m 550 —(Vlll)-oxid 552 — g l ü h f a d e n 554 — g r u p p e 551 f . — p e n t a c a r b o n y l 543 osmotische Erscheinungen (echte Lösungen) 53 if., 108 (kolloide Lösungen) 335 — Gleichung 54 — r D r u c k 53 IL, 94, 108 kolloider Lösungen 335 von Blut 56 , Messung 55 —r Koeffizient 108

•—salze 437 f. Oxoverbindungen 385 Oxydation 35f., 61, 163Î. — , anodische 164 — u n d R e d u k t i o n 163 f. Oxydations-äquivalent 170 — g r a d 169 — m i t t e l 61, 164 , Einteilung 169 — R e d u k t i o n s - S y s t e m 164 — s c h m e l z e (Os) 552 (Cr) 508 (Mn) 523 (Re) 525 (Ru) 551 — s t u f e 168, 169 f. — w e r t 169 — z a h l 169 — z o n e (Bunsenbrenner) 303 Oxydimetrie 170, 481 (s. Maßanalyse) Oxyliquit 65 Ozon 176 ff., 572 —, ehem. Eigensch. 177 f. — , Darstellung, Bildung 1761., 572 —, phys. Eigensch. 177 Ozonisator, S I E M E N S scher 177

Ρ π-Elektronen 247 π-Mesonen 579 p - B a h n 139, 445 p-Bindung, Bindefestigkeit 153, 446 p-Elektron 139 p-Leitung 349 Packungsanteil 579 f. — k u r v e 580 P a d p a r a d s c h a h , künstlicher 387 P a l l a d i u m : s. Platinmetalle •—, Absorption von Wasserstoff 552 f. OSTWALD, W . 1 1 1 —sehe Stufenregel 189, 324, 397, —, Magnetismus 500 481 Palladium-(II)-chlorid 553 —sches Verdünnungsgesetz 107 —(IV)-chlorid 553 —(IV)-chlorwasserstoffsäure 553 — V e r f a h r e n 239 f. —(Il)-jodid 553 Oszillation 77, 314f., 317 — k a t a l y s a t o r 554 — von Molekülen 145 — l e g i e r u n g e n 342 Owens-Lake 427 — m o h r 553 Oxalate 487, 503 — s c h w a m m 553 Oxalato-gruppe 515 — s c h w a r z 553 Oxalsäure 127, 261, 487, 503 —Wasserstoff, —, Bestimmung 524 Oxide 34 Magnetismus 500 Oxidfärbung von Gläsern 341 P a n d e r m i t 366, 374 Oxo-chlorate(I) : s. Hypochlorite Ρ ΆΝΕΤΗ, Ε . Α . 5 7 4 — k o m p l e x e 160 Papier, Leimen 329 Oxon 181 — f i l t e r 335 f. Parachor 393, 496 f. Oxonium-hexachloroantimonat —, Atom- u n d Bindungsinkre437 mente 496 — h y d r o x o f l u o r o b o r a t 373 Para-deuterium 565 — i o n 151, 175 P a r a f f i n 309 — P e r c h l o r a t 125, 437

paramagnetische Stoffe 493, 497, 565 , Nachweis 565 P a r a m a g n e t i s m s 493, 4971. —, Anwendung zur Konstitutionsermittlung 497 ff. — dea Elektronengases 500 —, Temperaturabhängigkeit 495 —, Zustandekommen 494f. Para-Wasserstoff 564ff. — w o l f r a m a t e 517 PARKES, A . 4 5 7

Parkesieren 457 PASCAL, P . 4 9 5

Paschen-Serie 42, 142 Passivierung 241 Passivität (Al) 172, 241, 383, 384 — (Be) 401 — (Co) 539 — (Cr) 241, 507 f . — (Fe) 2 4 1 , 5 3 3 f . — (Mg) 172, 404 — (Ni) 542 — (Zn) 172, 4 7 4 P a t i n a 452 P a t r o n i t 505 PATTINSON, H . L . 4 5 7

Pattinsonieren 458, 466 PAULING, L . 1 4 5

PAULING-Verfahren 235 PAULI-Prinzip 445

Pech 310 — b l e n d e 417, 506, 519, 604 PEDEESEN-Verfahren 380 PENJAKOEÏ-Verfahren 380

Penta-borane 367 ff. — b o r i n 367, 371 — e y a n o f e r r a t e : s. Prussiate — f l u o r o - a l u m i n a t e 389 — g e r m a n 350 —halogeno-antimonite 285 —Schwefelwasserstoff 196 — s i l a n 320 — t h i o n s ä u r e 214, 216 f. — v a n a d a t e 505 Pentlandit 541 Pentoxo-jodate(VII) 130 — p e r j o d a t e 130 Peptisation 338 Per-borate 180, 376 — b o r a x 376 — c h l o r a t e 125 f. , Elektronenformel 157,373 —Chlorsäure 125f. (s. a. Überchlorsäure) , Monohydrat 125, 437 PERCY, M . 6 0 0

Perhydrol 179 Perioden (Periodensystem) 67, 441 f. — n u m m e r 68, 139 Periodensystem, Anomalien 69, 144

646 Periodensystem, gekürztes 68 — (Hauptgruppen) 66ff., 188!. —, Inversion 69 — (Lanthaniden) 447, 484 —, Lücken 69, 144 — (Nebengruppen) 439ff., 442 — (Tabellen) 443, 444, Schlußtafel •—, Voraussagen 347 —, Unregelmäßigkeiten 69, 144 Periodisches System: s. Periodensystem Periodizität der Hauptgruppenelemente 67 f. — der Nebengruppenelemente 440f. — der Lanthanidenelemente 448 — der Actinidenelemente 448 f., 606 Perjodate 130 Perjodsäure 130, 518 Perlspat 406 permanente Gase 40 — Härte des Wassers 410 —r Magnet 492 —r Magnetismus 533 —s magnetisches Moment 494f. Permanentweiß 416 Permanganate 520, 524, 525 —, Oxydationswirkung 171, 524 Permanganatlösung, Einstellung 535 Permeabilität, magnetische 494 Permutit 330, 410 Peroxide 180f. Peroxo-chromate 511f. , Magnetismus 499 , Struktur 511f. —dichromate 511 f. —diphosphate 272 , Konstitution 265 —diphosphorsäure 263, 265, 272 —dischwefelsäure 179, 202, 203, 214!. —disulfate 214 , Konstitution 202 —gruppe 203 —manganate 512 —molybdate 517 —monophosphorsäure 264, 272 —monoschwefelsäure 179, 215 —niobate 512 —phosphate 272 , Konstitution 264 —phosphorsäure 263, 264, 272 —schwefelsaure 179, 202, 215 —sulfate 202, 214!. , Konstitution 202 —tantalate 512 —titanate 512 —titanylsulfat 180, 502 —uranate 512 —Verbindungen 203 —wolframate 512

Register Peroxo-zirkonate 512 Perpetuum mobile 1. Art 45 Per-rhenate 520, 525 •—rheniumsäure 525 —rhutenate 551 Per-säuren: s. Über-säuren PERRIER, C . 5 9 7

Persil 180, 376 Per-technetate 520, 598 —technetiumsäure 598 —Verbindungen 203 Petalit 433 PETIT, A . T H . 7 8

Petroläther 8 Petroleum 302 PFEFFER, W . 5 6

—sehe Zelle 55 Pflanzen, Bewegungserscheinungen 56 —, Wurzelhaare 270 —asche 88, 427, 429 —reich 293 Pflastersteine, künstliche 450 PFUND-Serie 42 pH 109

—Änderung bei der Neutralisation 117 f. —Bestimmung, potentiometrische 172 , mit Indikatoren 109 Phase, disperse 333 —, GrBBSsche 3, 190 Phasengesetz von GIBBS 1901!., 467 f. Phasenscheidung 6 ff. Phenakit 329, 401 Phenanthrolin 461 Phenol 310 —phthalein 118 Phlogiston 37 —theorie 37 Phosgen 308 —, Konstitution 497 Phosokresol 273 Phosphatdünger 269 f. Phosphate 267 —, Aufschlüß 265f. —, Konstitution 263 f. —, unlösliche 267 —(I): s. Hypophosphite —(III): s. Phosphite Phosphat-ion, Elektronenformel 158, 263 f. —lager 252 Phosphide 258 —, Konstitution 263 Phosphimsäuren: s. Metaphosphimsäuren Phosphin 256,257!., 264,271,276 —, ehem. Eigensch. 258 —, Darstellung 257 f. , schweres 563 —oxid 264 —, phys. Eigensch. 258

Phosphite 263f., 271 —, Konstitution 263f., 317 Phosphonium-bromid 258 —Chlorid 258 —ion 264 —jodid 258 —salze 258 Phosphor 251 ff. —, chemische Eigenschaften 255 ff. —, Darstellung 252 f. —, Giftwirkung 256 —, Halogenverbb. 259 ff. , Konstitution 259 —, HITTORF scher 254 —, Kristallgitter 254f. —, künstlich-radioaktiver 590 —, Mischpolymerisate 255 —, Modifikationen 253 ff. —, Molekularstruktur 253 f. —, Oxide 261 f. —, Sauerstoffsäuren (Systematik) 263 f. (Konstitution) 268 IL, 317 —, SCHENCK scher 255 —, Schwefelverbb. 273 —, Stickstoffverbb. 273f. —, Verwendung 257 —, Vorkommen 251 —, Wasserstoffverbb. 257 ff. Phosphor-atom, Elektronenkonfiguration 139 —(Ill)-bromid 98, 255, 259 , Komplexe mit Ni 549 —(V)-bromid 259 —bronze 402, 452 —(Ill)-chlorid 259, 260, 271 , Komplexbildung 260, 549 —(V)-chlorid 259, 260 —dampf 253, 255 , Molekularstruktur 253 — dünger 252, 269!., 531f. —(Ill)-fluorid 259 , Komplexe mit Ni 549 —(V)-fluorid 259 —(V)-fluorwasserstoffsäure 132 —(Ill)-halogenide 259 —(V)-halogenide 259 —(Ill)-jodid 99, 259 —(V)-jodid 259 —nitriddichlorid 273 f. , Konstitution 248, 273 f. —(Ill)-oxid 256, 261!. , Molekularstruktur 261 —(III,V)-oxid 262 —(V)-oxid 252, 255, 261, 262 , Molekularstruktur 262 — (V)-oxidbromid 259 —(V)-oxidchlorid 259, 260!. —(V)-oxidfluorid 259, 264 —(V)-oxidhalogenide 259 —probe nach MITSCHERLICH 256

Register Phosphor-saure 260, 265 ff. , ehem. Eigensch. 266 f. , Darstellung 265 f., 270 , Konstitution 263 f., 317 , Nachweis 516 , phys. Eigensch. 266 , schwere 563 •—(I)-säure: s. Unterphosphorige Säure —(Tll)-säure: s. Phosphorige Säure —salz 267 —salzperle 267 —schlämm 253 —sulfide 273 —thiochlorid 260, 273 —Wasserstoffe 256, 267H., 271, 317, 543 (s. a. Phosphin) —wolframsäure 518 —Zündhölzer 257 Phosphore 76, 412, 476 Phosphoreszenz 141, 256, 262, 476 —Spektren der Lanthaniden 490 phosphorige Säure 257, 271 , Konstitution 263f., 271, 317 , Tautomerie 271 Phosphorigsäure-ester 271 Phosphorit 251, 252, 407 Phosphoryl-halogenide : s. Phosphoroxidhalogenide photochemische Reaktionen 83, 84 f. —s Äquivalenzgesetz 85 Photoelement 218 Photographie 462 f. —, Belichten 85, 463, 573 —, Entwickeln 463 —, Fixieren 216, 463 —, Kopieren 463 —, Sensibilisieren 85, 463 —, Tonen 463 photographische Schicht 462 f. Photohaloid 463 Photonen 84, 314 —, Umwandlung in Elektronen 608 pH-Wert 109 Physik und Chemie 1 physikalische Atomgewichte 563 —r Vorgang 1 •—s Volumengesetz 24 physiologische Kochsalzlösung 56 Pinksalz 352, 355 PLANCK sches Wirkungsquantum 84 plastischer Schwefel 187 Platin: 553f., s. Platinmetalle —, Kernspaltung 593 Platin-asbest 553 —(Il)-chlorid 554 —(Il)-chlorwasserstoffsäure 554

Platin-(IV)-chlorwasserstoffsäure 553 —elektrode 166 •—erze 550 —gruppe 551, 552 ff. —(Il)-halogenide, komplexe 514 —(IV)-halogenide, komplexe 514 —iridium 550 —katalysator 554 —(II)-kupfer(II)-chlorid 514 —legierungen 553, 554 —metalle 550ff. , ehem. Eigensch. 551 ff. , Einteilung 551 , Gewinnung 452, 465, 650 , phys. Eigensch. 551 , Verwendung 554 , Vorkommen 550 , Wertigkeit 551 •—mohr 553 —netz 239 —(IV)-oxid 35, 553 —rhodium-netz 239 —schwamm 553 —schwarz 553 —sol 335, 337 —tiegel 553 Platten, Mettlacher 345 Plattierung (Ni) 542 PLÜCKEB-Röhre 41 Plumban 361 Plumbate 362 —(II) : s. Plumbite Plumbi- : s. Blei(IV)Plumbite 361 Plumbo- : s. Blei(II)Plutonate 604 Plutonium 448, 555, 556, 604 f., 605 —, Darstellung 596 —, Isotope (Tabelle) 602/603 —, Kernspaltung 593 —, Name 601 —, natürliches Vorkommen 604 —, Normalpotentiale 605 —, Wertigkeit 604 Plutonium-bombe 597 —bor-wasserstoff 370 —dioxid 605 —(Ill)-fluorid 605 —(IV)-fluorid 605 —(Vl)-fluorid 605 —(IV)-hydroxid 605 —(IV)-nitrat 605 —(IV)-oxid 520, 605 —reaktor 596, 604 —(IV)-sulfat 605 —(IV)-verbindungen 604f. —Wasserstoff 370 Plutonyl -fluorid 605 — n i t r a t 605 —Verbindungen 604f. pneumat. Glasmacherpfeife 341 — Wanne 9, 25

647 Pochtrübe (Au) 464 polare Bindung 146 — Doppelbindung 159 Polarisation 474 polarisiertes Licht 410, 515 Polarographie 174 Polen (Sn) 352 Polieren von Glas 341 Polier-mittel (A1203) 387 (Fe 2 0 3 ) 536 — r o t 536 Pollux 434 Polonium 163, 222,, 568, 569 —sulfid 222 —Wasserstoff 222 Polstärke, magnetische 492 Poly-aluminate 385 —borane 367 ff. —borate 376 —borine 367 —borsäuren 366, 375 —Chromate 509 —chromsäuren 510 —germane 350 —germanium-dihydrid 350 monohydrid 350 —germen 350 —germin 350 — h a l i t 429, 430 region 429 —halogenide 197 —kieselsäuren 326, 330 polymere Moleküle 97 Polymerisation von Molekülen 97 — (AlClj) 389 — (HF) 97, 223 — (FeCl3) 536 — (NHS) 2 2 3 — (HJO) 223

— (PNClj) 273 f. — (HPO a ) 268 f. — (S) 186 f. —

(SOJ) 2 0 0 , 2 6 9

— (Kieselsäuren) 269, 325ff. — (Siloxane) 321 — (Silicone) 331 f. Poly-molybdänsäuren 516 —morphie 187 —phosphorsäuren 262, 268, 269, 274 —schwefeloxide 201 —schwefelsauren 201 —Schwefelwasserstoffe 195 f. —selenide 219 —silane 320 —silen 320 , Struktur 320 —silin 320 —siloxane 331 —sulfane 196 —sulfan-disulfonsäuren 195, 216f. monosulfonsäuren 195, 217 —sulfide 195

648

Poly-sulfide Konstitution 195 — t h i o n a t e 195 , Konstitution 195 — t h i o n s ä u r e n 203, 216 f — v a n a d a t e 505. — v a n a d i n s ä u r e n 505 — w o l f r a m s ä u r e n 518

Register Prinzip von L E CHATELIER 1 1 3 — v o n PAULI 4 4 5

Probe, FEHLiNGsche 453, 454 — MiTSCHEBLiCHsche 256 P r o m e t h i u m 484, 598 f. (s. Lanthaniden) —, Bildung im U r a n - R e a k t o r POLZEOTUS-KEAUSS-Verfahren 598 f. 412 f. Promethium-(III)-chlorid 599 — n i t r a t 599 Pompejanischrot 536 — o x i d 599 POOL, M . L . 5 9 9 Promotor 112, 395 Porenweite von Filtern 335 f. P r o p a n 301, 302, 309, 313 poröse Ziegel 343 Propen 309 P o r p h y r 378 Portlandzement 347, 411, 413, Propin 406 Proportionen, Gesetz der äquiva4 1 4 f. lenten —· 14f. Porzellan 342, 346 f. —, Gesetz der konstanten — —, chinesisches 347 12 ff., 15 —, F ä r b u n g 846!., 513 —, Gesetz der multiplen — 14, —, H a r t - 346 f. 15 —, japanisches 347 —, Weich- 346, 347 Prosiloxan 320, 321 Porzellan-erde 342 Protactinium 449, 506, 568 — k i t t 329 —, Actinidennatur 520 —, Darstellung 506 Positiv (Photographie) 463 —, Isotope (Tabelle) 602/603 positive Elektrode 13 —, Kernspaltung 593 —• W ä r m e t ö n u n g 44 —(IV)-Verbindungen 506 — Wertigkeit 148 —(V)-Verbindungen 506 —r K a t a l y s a t o r 35 Protactinium-(IV)-chlorid 506 —s Elektron 560 —(V)-fluorid 506 —s Meson 579 — h a l o g e n i d e 506 —s P r o t o n 610 —(IV)-oxid 506, 520 Positronen 560 —(V)-oxid 506 — , Darstellung 589, 608 P r o t i u m 562 —, E n t d e c k u n g 609 Protonen 151, 555 f. Positronenaktivität 590 — a u s t a u s c h 563 Potential, elektrisches 95 —, Elementumwandlung mit — — d i f f e r e n z 165 potentielle Wasserstoffionen582, 586 ff. konzentration 118 —, negative u n d positive 610 potentiometrische pH-Bestim—, U m w a n d l u n g in Neutronen m u n g 172 560, 590 Pottasche 429, 432 f. — z u s t a n d des Nukleons 555 —, kaustifizierte 431 Proton-Synchrotron 582 P r ä k a m b r i u m , Alter 578 PROUST, J . - L . 1 4 Präpariersalz 356 PROUT, W . 5 5 5 Präzipitat, schmelzbares 480 —sehe Hypothese 555 f. —, unschmelzbares 480 Prussiate 538, 548 praktische Atomgewichte 557 Pseudo-edelgas-atome 147 Praseodym 448, 489 (s. L a n t h a - — n i c k e l a t o m 548 Puddelprozeß 532 niden) P u d e r 406 — o x i d 490 Puffergemisch 1091., 267 PRIESTLEY, J . 3 7 , 6 2 P u n k t , absoluter Null- 22 primäre Arsenate 281 —, Äquivalenz- 117 — Arsenite 280 — , CURIE- 5 3 3 —· Carbonate 305 —, eutektischer 467 — Phosphate 266 —, isoelektrischer 337 — Phosphite 271 —, Neutral- 110 — Sulfate 211 —, Quadrupel- 468 — Sulfite 204 - , Tripel- 190, 191 —s Calciumphosphat 270 P r i m ä r l u f t (Bunsenbrenner) 302 P u p p e (Trockenelement) 474 Prinzip der größten Multipiizität P u t z p u l v e r 406 Puzzolanzement 415 139. 445

Pyrexglas 340 Pyridin 127, 311, 461 P y r i t 182, 206, 217, 398, 526, 535 — a b b r a n d 451 Pyro-arsenate 281 —kieselsäure 326, 338 — l u s i t 521 — p h o s p h a t e 268 , Konstitution 265 — p h o s p h i t e , Konstitution 265 — p h o s p h o r s ä u r e 265, 267 f. — p h y l l i t 329 —schwefelsäure 207, 210, 211 — s t i b i t 283 — S u l f a t e 211 — s u l f i t e 204 pyrophores Blei 358 — Eisen 396, 534 pyrophosphorige Säure 265, 271 Pyroxen 329 Pyroxene 329 Q quadratisches Bor 366 Quadrupelpunkt 468 Quanten 84 — z a h l e n der Atome 445 Quarz 3, 318, 323ÍÍ. — b r e n n e r 90 — f a d e n 325 — g e r ä t e 324 f. — g l a s 324, 478 — g u t 324 — l a m p e 325, 478 — s a n d 323, 324 —Schamottesteine 344 — t i e g e l 325 Quecksilber 9, 477 fl. —, ehem. Eigensch. 478 —, elektr. Leitfähigkeit 477 —, Gewinnung 477 —, Giftigkeit 478 —, phys. Eigensch. 477 f. —, Reinigung 477 —(I)-Verbindungen 478 f. —(Il)-Verbindungen 480ff. —, Vorkommen 477 Quecksilber-alkyl 331 —(Il)-amidchlorid 479, 480 — a m i d o s u l f a t 249 —(I)-azid 231 —(I)-bromid 479 —(I)-chlorid 478 , Gitter 479 —(Il)-chlorid 478, 480 f. • , basisches 481 , Komplexsalzbildung 480, 481 —(I)-chromat 510 —(Il)-cyanid 482 — e l e k t r o d e 425, 473 —(I)-hydroxid 479 — i m i d o s u l f a t 249 —(Il)-ion, Diammin 480

649

Register QuecksiIber-(I)-jodid 479 —(Il)-jodid 481 , Komplexsalzbildung 481 —lampe 325, 478 —legierungen 383, 478 —(I)-nitrat 479 , basisches 479 —(H)-nitrat 241, 479, 482 , basisches 482 —(I)-oxid 479 —(Il)-oxid 9, 35, 62, 478, 479, 480, 482 —(Il)-oxidchlorid 121 —Spektrum 75 —staub 477 —(Il)-sulfat 480, 482 , basisches 482 —(Il)-sulfid 195, 477, 482 —(Il)-tellurat 222 —verfahren (NaOH) 424, 425 Quellungsvermögen von Silicaten 330 Quellwasser 49 QUILL, L . L . 5 9 9

R Rabitzwand 414 Radio-actinium 568 radioaktive Elemente 138, 566fl. — Energieumsätze 578 ff. — Halbwertszeit 575 f. — Indikatoren 574f., 590 — Leuchtfarben 572 — Muttersubstanz 577 — Strahlung 569 ff. (s. Strahlung, radioaktive) — Wärmetönung 571, 579 — Zerfallsgeschwindigkeit 575 f., 590 — Zerfallsreihen 567ff., 601 f. —r Verschiebungssatz 567 —s Gleichgewicht 576 f. —s natürliches Indium 569, 576 Kalium 569 Lutetium 569 Neodym 569 Rhenium 569 Rubidium 569 Samarium 569 Radioaktivität, natürliche 566 f. —, induzierte 567 —, künstliche 589 f. Radio-natrium 590 —phosphor 589, 590 —thorium 568, 572, 606 Radium 417, 566, 568, 569, 571, 573, 575, 576f., 579, 585 — A 568, 576 — Β 567, 568 — Β' 568 — C 567, 568 — C' 568, 571, 577 — C" 568 — D 568

Radium E 568 — Γ 568 (s. Polonium) — G 568 (s. Uranblei) —amalgam 417 —bromid 417 —carbonat 417 —emanation 567, 568, 576f. —sulfat 417, 574 —Verbindungen 417, 572 Radon 72, 567, 568, 571, S76f. 585 (s. auch Edelgase) —hydrat 74 Raffination, elektrolytische (Ag) 458 (Au) 465 (Cu) 451 Raffinationsschmelzen (Cu) 451

Rausch-gelb 275, 281 — r o t 275, 281 RAYLEIGH, L o r d J . W . 62, 71

Reagens,

NESSLERS 481 — , SCHWEIZERS 4 5 4

Reagensglas 9 Reaktion, monomolekulare 103, 575 —, saure und alkalische 110 —, endotherme und exotherme 44, 115 — 1. und 2. Ordnung 103 —, photochemische 83, 841. —, reversible und irreversible 102 Reaktions-arbeit (Pb) 357 —geschwindigkeit 101 ff. , Gesamtreaktion 102 ff. RAMAN, C . V . 3 1 4 , „Hin"-reaktion 101 f. —effekt 313ff. , „Rück"-reaktion 102 , Anwendung 315 ff. , Steigerung durch Kataly, Deutung 314f. satoren U l f . , Experimentalbefund 313 f. , Steigerung durch Tempe—frequenzen 314 raturerhöhung 112 f. (Tabelle) 316 und Trocknung 308, 435 —-linien 314 —gleichgewicht (s. Gleichge, Lage 316f. wicht) , Zahl 317 f. —gleichung 19 —Spektrum 314, 315 —isochore 105, 115 (CO) 316 —wärme 44 ff. (C02) 317 reaktionsbereiter Zustand 85,101 (C0 3 ") 318 Reaktor (Plutonium) 596, 604 (CIO3') 318 — (Uran) 583, 594!. (NO/) 318 reale Gase 24, 50 (SO3") 318 — Lösungen 107 (PH3) 317 Realgar 275, 281 (H 3 P0 2 ) 317 Redox-gleichungen, Formulie(H 3 P0 3 ) 317 rung 168 f. (H 3 P0 4 ) 317 —systeme 164 (N 2 0) 316f. , Normalpotentiale 168 (Co(NH3)6Cl2) 317 Reduktion 44, 61, 164 (Co(NH3)eCl3) 317 —, kathodische 164 (HX) 317 Reduktions-äquivalent 170 (Halogenide) 317 —arbeit (Pb) 357 —Streuung 313 ramaninaktive Spektrallmien 315 —mittel 61, 164 , Einteilung 169 RAMSAY, W . 7 1 —Oxydations-System 164 RAOCLT sches Gesetz 58, 192 —zone (BüNSEN-Brenner) 303 RASCHID, F . 2 4 4 (Hochofen) 528 Raseneisenerz 185, 535 Regel, A M P È R E sehe SchwimmerRast (Hochofen) 527 492 —winkel 527 —, Doppelbindungs- : Rauch 334 s. Doppelbindungsregel Rauchgas 3 —, DULONG-p E T I T sche 78 f., 162 rauchende Salpetersäure 240 —, EÖTVÖssohe 392 — Salzsäure 90 — , FAJAHS-HAHN-PANETHSCIIO — Schwefelsäure 200, 207 Fällungs- 573 Rauchquarz 323 —, GEIGER-NUTTALL sehe 577 Rauhschleifen von Glas 341 —, HARKiNssche 487 Raumgitter 295 Raumnetzstruktur (Aluminate) — , H U M E - R O T H E R Y sehe 155, 500 385 — (Si02) 328 —, Koppsche496 — von Silicaten 328, 330 —, MATTAUCH8che Isobaren (vgl. a. Diamantgitter) 558, 598

650 Regel, MiTSCHERLiCHsche 149 — , N E U M A N N - K O P P sehe 7 9 —, Oktaven- 66 — , OSTWALD sehe Stufen- 189, 324, 481 —, Triaden- 66 — , VAN'T H O F F sehe 112 Regen 49 Regenerativfeuerung, S I E M E N S sehe 532 Regenerierung von Chromaten 509 — von Zeolithen 330 Regenwasser 49 Reibung, chemische 111 Reich-blei (Silbergewinnung) 457, 458 — s c h ä u m (Silbergewinnung) 457 Reichweite (α-Strahlen) 571, 577 Reif 49 Reifen der photographischen Schicht 462 Reinelement 558 reine Stoffe 6, 9, 19 Rekombination 47 —s-wärme 47 Reklamebeleuchtung 75 Rekristallisation 112 Rektifikation flüssiger Luft 34 —s-apparat 34 relatives Atomgewicht 16, 20, 26 — - Molekulargewicht 20 Rennverfahren, K R U P P sches 5 3 0 Resistaglas 340 Resonanz 159, 230, 318 (s. a. Mesomerie) — (HN 3 ) 230 —Brückenbindung 367, 387 -—Doppelbindungen 159 —energie (Uran-Kernspaltung) 594 —Wasserstoffbrücke 387 Retorten-graphit 293, 296, 298 — k o h l e 298 reversible Kolloide 338 — Reaktionen 102 reziproke Salzpaare 432 Rhenaniaphosphat 270 Rhenate 525 —(IV): s. Rhenite Rhenide 525 Rhenite 525 Rhenium 524 f. •—, natürlich-radioaktives 569 —, Entdeckung 524, 597 —, Verwendung 525 —, Wertigkeit 525 Rhenium-(III)-bromid 525 —carbonylwasserstoff 547 —(Ill)-chlorid 525 —(IV)-chlorid 525 —(V)-chlorid 525 — e r z e 524 —(Vl)-fluorid 525

Register Rhenium-(III)-jodid 525 —legierungen 525 —(Ill)-oxid 525 —(IV)-oxid 525 —(Vl)-oxid 525 —(VH)-oxid 525, 545, 598 —pentacarbonyl 544, 545 —spiegel 525 —(IV)-sulfid 525 —(VH)-sulfid 525, 545, 598 Rhodium 552, s. Platinmetalle •—, Bestimmung 552 Rhodium-carbonylwasserstoff 547 —(Ill)-chlorid 552 , Pentammin 552 —katalysator 554 —legierungen 554 —spiegel 554 —tetraearbonyl 544 —tricarbonyl 544 rhombischer Schwefel 185 rhombisches Arsen 276 RICHTER, J . B . 15

Riebeckit 329 ringförmige Kohlenwasserstoffe 302 Ring-ofen 182, 343, 4071. —Spannung 368 — s t r ö m , elektrischer 247 RrNMANS-Grün 475, 539 ROCHOW-Synthese 331 RÖNTGEN-fenster 402 —Spektren 141, 143 fi. der Lanthaniden 491 —spektroskopie 148 —Strahlung 143ff., 569 —Strukturanalyse 148 Röst-arbeit (Cu) 450 (Pb) 357 —blende 472 — g a s 185, 206 — o f e n 206 (Hg) 477 —-reaktionsarbeit (Pb) 357 —reduktionsarbeit (Bi) 288 (Pb) 357 (Sb) 283 Roh-antimon 283 — a r g o n 73 — b l e i 357, 456 - - b l e i , Entsilberung 457 f. — b r a n d (Porzellan) 346 (Steingut) 345 —eisen 527, 629 , Erzeugung 527ÎÎ., 529f. Erzprozeß 532 , Frischen 530 , graues und weißes 529 , Umwandlung in Stahl 530ff. —gold, Gewinnung 464 , Reinigung 465 — h a f n i u m 503

Roh-kobalt 538 f. — k u p f e r , Gewinnung 450f., 456 • , Reinigung 451 f. — m e h l (Zement) 414 —nickel 541 — p l a t i n 550 —Salpeter 432 —silber, Gewinnung 456ff. , Reinigung 458 — s t e i n (Co) 539 (Ni) 541 — w i s m u t 288 —zink, Gewinnung 472 f. , Reinigung 473 — z i n n 351 Rohrzucker 1 ROLLA, L . 5 9 9

Romanzement 415 Rongalit 213, 214 Roscoelit 505 Rosenquarz 323 ROSE sches Metall 289

Rost 11, 36, 534, 586 Rotation von Molekülen 77, 145 —s-Schwingungsspektrum 145 —s-Spektrum 145 Rot-bleierz 357, 360, 507 —eisenstein 526 — f e u e r 416 — g l a s 281 — g l u t 38 —gültigerz, dunkles 282, 456 , lichtes 275, 456 —kupfererz 450 —messing 452 —nickelkies 275, 541 —schlämm 380 —spießglanz 283 —zinkerz 475 rote Arsenblende 281 — Salpetersäure 240 —r Bauxit 379 - r Blutfarbstoff 527 —r Phosphor 253, 254, 256 , Gitterstruktur 254 —s Blutlaugensalz 537 —s Selen 218, 220 ROTH, W . A. 46 ROTHE-FBANK-CARO-Verfahren

227 rotulis, in 425 Rubidium 434 —, natürlich-radioaktives 569 Rubidium-bitartrat 434 —bor-phenyl 434 —dichromat 434 —Perchlorat 126, 434 —peroxid 434 —platin(IV)-chlorid 434, 553 —Silicat 434 Rubin 379, 513 —, künstlicher 387 — g l a s 342, 465 —schwefel 281

Register Rückkohlung (Fe) 531 Rückstand 5 RUFF, O. 87 ruhende Masse 570 R u ß 5, 293, 296, 298, 302 RUSSELL, A . S . 5 6 7

Ruthenate 551 Ruthenium 551 f., s. Platinmetalle —(Ill)-chlorid 552 —(IV)-chlorid 552 —enneacarbonyl 544 —(V)-fluorid 552 —(Ill)-jodid 545 —(IV)-oxid 552 —(VHI)-oxid 551 f. —pentacarbonyl 543, 545 —tetracarbonyl 544 RUTHERFORD, E . 72, 135,

569,

584 Rutil 501 RYDBERGsche Konstante 42,142 S «-Bahn 139 «-Bindung, Bindefestigkeit 153, 445 s-Elektronen 139 Sättigungs-dampfdruck 51 f., 56 —konzentration 56 Säuerlinge 49, 303 Säure-anhydrid 122 —Base-Begriff 91 f., 151 f., 174 ff. Paare, korrespondierende 175 Systeme 175 —bildner 445 —exponent 109, 175 — r e s t 92 Säuren 39, 92, 151 f., 174ff. —, Abstumpfen 114 —, einbasige, mehrbasige 92 —, einwertige, mehrwertige 92 —-, Nomenklatur 121 —, normale 162 - -, schwache, Dissoziation 108 ff. Salmiak 435 —geist 14 Salpeter 431 f., 508 — -, kubischer 427 Salpetersäure 239II., 432 —anhydrid 238 —, ehem. Eigensch. 240ff. —, Darstellung 239 f. —, Konstitution 497 —, konzentrierte 240 —, Nachweis, Bestimmung 236, 241 —, phys. Eigensch. 240 —, rote rauchende 240 —, wasserfreie 240 salpetrige Säure 238, 242 f. , Bestimmung 242, 524

651

salpetrige Säure, Darstellung 242 saure Arsenate 281 , Eigenschaften 242 f. — Arsenite 280 , Nitrosylverbindungen — Carbonate 305 243 f. — Diphosphate 268 , Tautomerie 242 f. — Fluoride 98 — Hyponitrite 246 Salpetrigsäure-anhydrid 237 — Jodate 130 — e s t e r 243 — Lösung 110 Salt Lake 422 — Phosphate 266 Salz, autokomplexes 481 — Phosphite 271 —, komplexes 169 IL, 391 — Pyrophosphate 268 —, GRAHAM sches 268 — Reaktion 96 —, KuRROLsches 268, 269 — Salze 92 —, MADDRELLSScheS 268 — Selenide 219 —, MoHRSches 535 — Selenite 220 Salze, 92, 146 — Sulfate 211 —, basische 92 — Sulfide 193 —, saure 92 — Sulfite 204 —, Nomenklatur 121 —s Futter (Konverter) 531 Salz-bildner 80 —s Schmelzen (Hochofen) 529 f. — gärten 422 Scandium 483, 485, 486 —glasur 345 —, Entdeckung 347 —isomerie 514 Scandium-carbonat 483 —Lagerstätten 421f., 429f. —Chlorid 483 — p a a r e , reziproke 432 —-hydroxid 483 — s ä u r e 14, 39, 80, 90, 426 — n i t r a t 483 , Elektrolyse 14, 81, 93 — o x i d 483 , konzentrierte 90 —Silicat 329, 483, 486 , Prozentgehalt und Dichte — s u l f a t 483 90 Schacht (Hochofen) 527 , rauchende 90 — o f e n (Cu) 450 —sole 422, 425 (Hg) 477 - - t o n 429 —winkel 527 Samarium 448, 489, 500 (s. a. Schädlingsbekämpfung 280, 281, Lanthaniden) 323 —, natürlich-radioaktives 569 Schalenerweiterung 159 Sand 318, 323 Schamotte 343, 472 Sandarach 281 —steine 343 Sandstein 323 Scharffeuerfarben (Porzellan) 346 „Sandwich"-Struktur 549 Schaum 334 Saphir 379 Scheelbleierz 357, 516 —, künstlicher 387 SCHEELE, C. W . 37, 62, 8 1 Sassolin 374 —sches Grün 456 Satz, HESS scher 45 Scheelit 516 Sauerbrunnen 303 SCHENCK scher Phosphor 255 Sauerstoff 9, 81 ff., 163 Scheide-trichter 5, 8 — als Basis des Atomgewichts —wasser 241 20, 563 scheinbare Dissoziationskon—, angeregter 572 stante (H 2 C0 3 ) 305 —, ehem. Eigensch. 35ff. scheinbarer Dissoziationsgrad 95, - - , Darstellung 31 ff. 108 —, Dissozionswärme 48 Scherben (Ton) 343, 344, 345 —, flüssiger 33f., 65 Scherbenkobalt 275 — , Kreislauf 63f. Schichtengitter 295 —, phys. Eigensch. 35, 40 — (As) 275, 295 —, Vorkommen 31 — (Bi) 288 Sauerstoff-atom, Elektronen— (C) 294 konfiguration 139 — (CF) 297 — b ä d e r 376 — (BN) 377 —difluorid 128 — (H3BO3) 374 — k e r n e 581, 607 — (P) 254 —säuren, Nomenklatur 121 — (Sb) 283 — -Überträger 111, 205, 207, 506 — (Silicate) 327, 328 Saugflasche 6 Schießpulver 3, 19, 300, 432

652 Schlacke (Hochofen) 415, 528, 529 — (Kupfergewiimung) 450 — (Phosphorgewinnung) 252 —η-form (Hochofen) 529 Schlämmen 5 Schlamm 3 Schleifen von Glas 341 Schleif-kontakte 452 — m i t t e l 295, 333, 387 S C H L I P P E sches Salz 288 Schmälte 539 Schmelzarbeit (Cu) 450 schmelzbares Präzipitat 480 Schmelzdiagramm (Ag/Pb) 468 — (AgN0 3 /H 2 0) 468 — (Al 2 0 3 /Na 3 AlF e ) 468 — (Cu/Au) 471 — (KCl/NaCl) 471 Schmelzdiagramme binärer Systeme 466 ff. —, Abscheidung reiner Stoffe 466 ff. — (keine Verbindungsbildung) 466 ff. — (Verbindungsbildung) 469 —, Abscheidung von Mischkristallen 470 f. — (keine Mischungslücke) 470f. — (Mischungslücke) 471 Schmelzelektrolyse (Al) 382 f. — (Ba) 416 — (Be) 401 — (Ca) 407 — (K) 429 — (Li) 433 — (Mg) 403 — (Na) 419 f. — (seltene Erdmetalle) 483, 489 — (Sr) 415 Schmelzen 8 — im eigenen Kristallwasser 409, 426, 428 Schmelzkontraktion (Bi) 288 — (Ga) 397 — (Ge) 288 — (H 2 0) 51 — (Sb) 288 — (Si) 288 Schmelz-punkt 58, 113, 188 , idealer und natürlicher (S) 186, 189 — w ä r m e 50 — z o n e (Hochofen) 528 SCHMIDT, G . C . 5 6 9

Schmiedeeisen 530 Schmier-mittel (Graphit) 298 (Silicone) 332 — ö l 313 —seife 431, 433 Schmirgel 333, 378, 3861. —papier 333 Schmuck-emaille 342 —steine (Si0 2 ) 323

Register Schnee 49 Schneiden, autogenes 44 Schnell-drehstahl 533 — l o t 353 SCHÖNHERR-Verfahren 235

Schönit 429, 430 Schrägbeziehung im Periodensystem 156, 403, 438 Schrift-erz 464 — m e t a l l 358 Schrot 358 Schrott 532 —verfahren (Herdfrischung) 532 Schrühen von Tonwaren 344 Schrumpfung (Tone) 330 Schuhwichse 300 Schutzkolloid 335, 338, 462 schwache Elektrolyte 94, 107, 10811. —• Oxydationsmittel 169 — Reduktionsmittel 169 — Säuren, Dissoziation 108 ff. Schwärzungsmittel (C) 298, 300 Schwarz-erz 282 — k u p f e r 451 — p u l v e r 19, 300, 432 schwarzer Phosphor 254f., 257 , Kristallgitter 254f., 295 schwarzes Antimon 283 - Arsen 276 — Selen 218 Schweberöstofen 206 Schwefel 181 ff. —, ehem. Eigensch. 192 —, Gewinnung 182ff. —, Halogenverbb. 196 ff. —, Modifikationen 185 ff. —, Molekularstruktur 187 —, Oxide 198 ff. , Systematik 198 —, phys. Eigensch. 185 ff. —, Sauerstoffsäuren 202ff. , Konstitution, Systematik 202 f. —, Vorkommen 5f., 181 f. —, Wasserstoffverbb. 192 ff. —, Zustandsdiagramm 187 ff. Schwefelammon, farbloses 194 —, gelbes 194 — g r u p p e 195 Schwefel-atom, Elektronenkonfiguration 139 — b l ü t e 183 — b l u m e n 183, 184 —(Il)-chlorid 196, 197, 217 —(IV)-chlorid 196, 197 —dioxid 198 f. , ehem. Eigensch. 199 , Darstellung 198f., 210 380, 405 , Konstitution 497 , phys. Eigensch. 199 schwefelfeste Katalysatoren 312

Schwefel-(H)-fluorid 196 —(IV)-fluorid 196 —(Vl)-fluorid 196, 198 —halogenide 196ff. , Konstitution 196 f. —kies 182, 206, 526 —kohlenstoff 8,89,300, 301,310 —leber 194 —meiler 182 —monoxid 201 —nitride 247 f. —(I)-oxid 201 —(Il)-oxid 201 —(IV)-oxid 198 f. (s. Schwefeldioxid) —(Vl)-oxid 200f. (s. Schwefeltrioxid) —peroxide 201 —quellen 192 Schwefelsäure 200, 203, 205 îf., 363 —, ehem. Eigensch. 209 ff. —, Darstellung 2051!., 380, 412 , Bleikammerverfahren 207 f. , Kontaktverfahren 205ff. —, Halogenverbindungen 211 f. —, konzentrierte 207 —, oxydierende Wirkung 211 —, phys. Eigensch. 209 f. —, rauchende 207 —, saure Wirkung 210 —, schwere 563 —, Verwendung 211 —, wasserentziehende Wirkung 209 Schwefel-(II)-säure: s. Sulfoxylsäure —(IV)-säure: s. schweflige Säure Schwefelsäure-hydrate 209, 469 —kontaktofen 206, 207 Schwefel-sesquioxid 201 —stickstoff 247 f. , Konstitution 247 — -tetroxid 201 —trioxid 200 f., 209 , Additionsverbindungen 200f. , ehem. Eigensch. 200f. , Darstellung 200 , Konstitution 269 , Modifikationen 200 , phys. Eigensch. 200 —wasser 49 Schwefelwasserstoff 83, 182, 183ff., 192ff., 310, 311, 535, 573 —, Anwendung in der Analyse 194 f. —, ehem. Eigensch. 193L, 435 —, Darstellung 192 —, phys. Eigensch. 193 —, Salze 193, 194

653

Register Schwefelwasserstoff,schwerer 563 Seifen-schaum 3 Seiger-arbeit (Sb) 283 —, Vorkommen 192, 310 Schwefelwasserstoff-gruppe 195 —körner (Sn) 352 Seigern (Pb) 457 —wasser 183 schweflige Säure 203 ff. — (Sb 2 S 3 ) 283 , Tautomerie 204f. — (Sn) 352 Schwefligsäure-ester 205 Seignettesalz 453, 454, 459 -—Tonerde-Verfahren 381 sekundäre Arsenate 281 Schweinfurter Grün 280, 456 — Arsenite 280 Schweiß-breniier 43 — jS-Strahlung 573 —eisen 532 — Carbonate 305 Schweißen, autogenes 43, 48 410 — Phosphate 266 Schweiß-pistole 43 — Phosphite 271 — s t a h l 532 — Sulfate 211 SCHWEIZERS Reagens 454 — Sulfite 204 Schwel-gas 311 —s Calciumphosphat 270 — k o k s 311 Sekundärluft (Bunsenbrenner) — o f e n 311 302 — t e e r 311 Selen, 217ff. —wasser 311 — , Darstellung 217 Schwer-metalle (Definition) 383 —, Eigenschaften 217ff. —, elektrische Leitfähigkeit 349 — 5 1 312 — , Gitterstruktur 218f., 295 — s p a t 182, 416 —, Modifikationen 217 ff. schwere Elektronen 579 —, Verbindungen 219 ff. — Elementarteilchen 560 — Germaniumwasserstoffe 350 —, Vorkommen 217 Selen-(II)-bromid 220 — Halogenwasserstoffe 563 —(IV)-bromid 220 — Kohlenwasserstoffe 302 —(Il)-chlorid 220 — Mesonen 579 —(IV)-chlorid 220 — Phosphorsäure 563 —(IV)-fluorid 220 — Schwefelsäure 563 —(Vl)-fluorid 220 — Siliciumwasserstoffe 320 —gleichrichter 218 — Platinmetalle 551 —halogenide 220 schwerer Phosphorwasserstoff —(IV)-oxid 217, 220 563 — Schwefelwasserstoff 563 , Molekularstruktur 220 — Wasserstoff 562, 564 —(Vl)-oxid 217, 220f. schweres Ammoniak 563 —(IV)-oxidbromid 220 — Methan 563 —(IV)-oxidchlorid 220 — Wasser 562 f. —(IV)-oxidfluorid 220 —photoelement 218 (Uran-Reaktor) 594 —säure 2201., 223 — Wasserstoffperoxid 563 —schnupfen 219 Schwermetall-nitrate 241 Schwimmaufbereitung 450, 550 —Wasserstoff 219f. Selenate 221 Schwimmerregel, AMPÈRE sehe Selenide 219 492 selenige Säure 217, 220 Schwinden des Kalks 414 — des Tons 342, 344 , Konstitution 220 Schwingungen, entartete 318 Seleninyl-halogenide 220 Schwingungs-bewegung der Selenite 220 Moleküle 77, 145, 315, 317 seltene Erdmetalle 448f., 483ff. —spektrum 351 (s. Lanthaniden) —zustände der Elektronen 136 semi-permeable Wand 54 f. SEABORG, G . T . 6 0 4 , 6 0 5 , 6 0 6 , —polare Doppelbindung 158, 159 607, 608 Sedimentation 4 , Nachweis 317f., 496f. —s-geschwindigkeit 5 Senarmontit 286 SEGER-Porzellan 347 Sensibilisator 85, 464 SEGRÊ, R . 5 9 7 , 5 9 9 Sensibilisieren 85, 463 f. Seide, Beschwerung 329 Seriengrenze 42, 142 Seife, Streckung 329 SERPEK-Verfahren 228 Seifen-fabrikation 425, 428, 431, Serpentin, blätteriger 329, 403 433 —, faseriger 329, 403 Serpentin-asbest 403 — -gold 464

SEVBES-Porzellan 347 Sicherheitszündhölzer 257 sichtbares Licht 76, 334 , Energieäquivalente 570 Siderit 526, 535 Siderosphäre 70, 485 SiDOTsche Blende 476 Sieben 5 Siede-diagramm (0 2 -N 2 -Gemische) 33 — k u r v e 33 — p u n k t 53 —punktserhöhung 58, 94, 108 bei Elektrolyten 94 bei kolloiden Lösungen 335 , molare 58 Siederei 422 Siedesalz 422 SiEMEsrs-Einheit 49

—MARTIN-Ofen 3 4 4 , 532

Verfahren 532 —sehe Regenerativfeuerung 532 —scher Ozonisator 177 SIKKELAND, T . 6 0 8

Silane 319 ff. —, ehem. Eigensch. 320f. —, Chlor-alkyl-derivate 331 —, Darstellung 319 f. —, Halogenderivate 320 f. —, phys. Eigensch. 320 Silan-diole 331, 332 Silanole 331, 332 Silan-triole 331 Silber 456 ff. —, Bestimmung 460 —, ehem. Eigensch. 459 —, Darstellung 452, 456II. —, Entgoldung 458 —, kolloides 335, 337, 338 —, Magnetismus 500 —, molekulares 462 —, Nachweis 460 —, phys. Eigensch. 458 f. —, Reinigung 458 —(I)-Verbindungen 460f. —(II)-Verbindungen 461 f. —(IH)-Verbindungen 459 —, Verwendung 459 —, Vorkommen 456 —, Wertigkeit 459 Silber-amalgam 478 —amidosulfat 249 —antimonglanz 283, 456 —antimonid 283, 285 —arsenat 281 —arsenid 278 —arsenit 280 — a s t a t i d 600 — a z i d 231 — b l i c k 458 —bromid 85,99,460,461,462,463 , Löslichkeitsprodukt 460 , photochemische Zerlegung 85, 462f., 573

654

Silber-bromid, Zersetzung d u r c h radioaktive Strahlen 573 —(Il)-chlorat, komplexes 462 — c h l o r i d 96, 134, 456, 460, 461, 462 , Ammoniakat 460 , Löslichkeitsprodukt 460 — c h l o r i t 124 — C y a n i d 456 — —, komplexes 456, 459, 460, 461 — d i p h o s p h a t 268 — e r z e 456 —(I)-fluorid 134, 461 —(Il)-fluorid 459, 462 — g l ä n z 456 —(Il)-hydrogensulfat, komplexes 462 — h y d r o x i d 460 — h y p o n i t r i t 246 —(I)-ion, Diammin 460, 461 —(Il)-ion, Normalpotential 461 — j o d i d 134, 460, 461, 462 , Löslichkeitsprodukt 460 — k e i m (Photographie) 463 —legierungen 4 5 8 , 4 5 9 , 4 6 5 , 4 7 8 , 554 — m ü n z e n 459 — n i t r a t 458, 459, 460 —(Il)-nitrat, komplexes 462 — n i t r i t 242 — o x i d 35, 460 —(Il)-perchlorat, komplexes 462 — p e r m a n g a n a t 300 —(Il)-persulfat, komplexes 461, 462

Register

Silicate,Struktur269,325ff.,229f. II Silico-ameisensäureanhydrid 321 —, technische 339 ff. — c a r n o t i t 532 Silicat-ion, Elektronenformel 158 —-chloroform 320 SUicide 319 — f o r m a l d e h y d 269, 321 Silicium 297, 318 ff. — k e t o n e 331 —, Ausdehnung beim E r s t a r r e n — m e t h y l ä t h e r 321 288 — m e t h y l c h l o r i d 320 — m e t h y l e n c h l o r i d 320 —, ehem. Eigensch. 319 Silicone 321, 331 f. —, Darstellung 318f. —, elektrische Leitfähigkeit 349 Silikate: s. Silicate Silikone : s. Silicone —, G i t t e r s t r u k t u r 319 Sillimanit 343 —, Halogenverbb. 321 ff. — s t e i n e 343 —, phys. Eigensch. 319 Silit 333 —, Sauerstoffverbb. 323ff. —, sonstige Verbindungen 332 f. — s t a b 333 Siloxane 321, 331 f. —, Vorkommen 318 —, Alkylderivate 321, 331 f. —, Wasserstoffverbb. 319 ff. —, Di- u n d Poly- 331 f. Silicium-alkyl-chloride 331 Siloxyd 324 — a z i d 231 Silumin 385 — b r o m i d e 321 f. Sinter-korund 386 — b r o n z e 452 — m a g n e s i a 405 — c a r b i d 297, 301, 333, 344 — q u a r z 324 — c h l o r i d e 321 f. — t o n e r d e 386 — d i c h l o r i d 321 — z e u g 343 — d i f l u o r i d 321 Sintern 324 — d i h y d r i d 320 Sinterung 324, 343 — d i o x i d 318, 323 ff., 384, 438 Skleron 385 , ehem. Eigensch. 325 Smaragd 379, 401 , faseriges 333 —, orientalischer 379 , Modifikationen 323 ff. SMEKAL, A . 3 1 4 — —, phys. Eigensch. 323 ff., —RAMAN-Effekt 313ff. 384 , S t r u k t u r 328 (s. RAMAN-Effekt) , Vorkommen 323 Soda 409, 410, 423, 427 f. — d i s e l e n i d 333 (s. Natriumcarbonat) — d i s u l f i d 332 f. —, calcinierte 427, 428 — p h o s p h a t 267, 2 8 1 — d i t e l l u r i d 333 —, kaustifizierte 423 —platin(IV)-chlorid 553 — f l u o r i d e 321 f. —, Kristall- 428 — p y r o p h o s p h a t 268 —halogenide 32Iff. SODDY, F . 7 2 , 5 6 7 , 5 7 0 —quecksilber(II)-jodid 481 — h y d r i d e 319ff. (s. Silane) SÖDERBBRG-Elektrode 412 — s o l 335, 3 3 7 , 3 3 8 — j o d i d e 321 f. Soffionen 374 —-Spiegel 4 5 9 — l e g i e r u n g e n 3 8 5 , 4 0 4 , 4 5 2 , 5 2 9 , Sol 334 — s u l f a t 461 Sole 422 533 — m o n o b r o m i d 322 —(Il)-sulfat, komplexes 462 Soliduskurve 470 —monochlorid 322 — s u l f u r y l a m i d 251 Solvat 161 — s u l f i d 283, 288, 347, 456, 459, , Molekularstruktur 322 Solvatation 161 461 — m o n o f l u o r i d 322 SOLVAY-Verfahren 409, 427 f. — s u l f u r y l i m i d 251 — m o n o h y d r i d 320 Solwasser 49 — t e l l u r a t 222 — m o n o j o d i d 322 SoMMERFELD-KossELscher Ver— t e l l u r i d 464 — m o n o s u l f i d 364 schiebungssatz 143 — m o n o x i d 325, 364 Sonne, Alter der —• 578 — t e t r a f l u o r o b r o m a t ( I I I ) 132 Sonnenschutzbrille 480 — t h i o s u l f a t 460 — —, Oxydation 333 Sonnenspektrum 140 , komplexes 460, 461 — n i t r i d 319 Sorelzement 405 -—(I)-Verbindungen, komplexe — o x i d (s. Silieiumdioxid) SORET, J . L . 4 8 5 460f. — s t a h l 533 spallation (engl.) 583 —(Il)-Verbindungen, komplexe — t e t r a b r o m i d 321 — t e t r a c h l o r i d 319, 320, 321, Spaltbarkeit von Silicaten 330 461 f. Spaltungswärme 45 , Magnetismus 499 325, 331 — w i s m u t g l a n z 288 — t e t r a f l u o r i d 98, 319, 321, Spannung, elektrische 165 Spannungsreihe, elektrochemiSilexglas 340 3 2 2 f . , 401 sche 165 ff. Silicagel 339 — t e t r a j o d i d 321 Silicate 318, 829 f. —-Wasserstoffe 319 ff. — (Metalle) 167 —, Analyse 322 (s. Silane) — (Nichtmetalle) 168 —, natürliche 329 f. — w o l f r a m s ä u r e 518 — (Ionenumladungen) 168

Register

655

I Stickstoff, flüssiger 33f., 65 Spaimungsreihe (kompliziertere I Stahl-bombe : s. Stahlflasche ! —, Halogenverbb. 232 f. Redox-systeme) 168 —eisen 521 Spateisenstein 526 —fiasche 34,39, 82,83,228,234, ; —, Isosterie mit Kohlenoxid 308 ; —, Kreislauf 64 Speise (Co) 538 304 I —, Oxide 233 ff. Speisesalz 422 —-legierungen 532 f., 542 , Systematik 233 f. Speiskobalt 275, 538 Stalagmiten 404 Spektral-analyse 41, 140, 434 Stalaktiten 404 — phys. Eigensch. 61 —linien 41, 140ff., 434 Stammsäure (Heteropolysäuren) —, Sauerstoffsäuren 238 ff. , aktive und inaktive 315 519 , Systematik 233 Spektren, optische 141 ff. Stangenschwefel 183 —, Schwefelverbb. 247 ff. —, Röntgen- 143 ff. Stannate 353, 354, 356 —, Umwandlung in Sauerstoff Spektrograph 41, 313 Stannan 355 584 spektroskopischer VerschieStanni-: s. Zinn(IV)—, Vorkommen 60 bungssatz 143 Stanniol 352 —, Wasserstoffverbb. 224 ff. Spektrum 41 f. Stannite 354 Stickstoff-assimilation 235 Stanno-: s. Zinn(II)— a t o m , Elektronenkonfigura— der α-Strahlen 571 starke E l e k t r o l y t 94, 107 tion 139 — der ^-Strahlen 571 —(m)-bromid 232f. — der elektromagnetischen — Oxydationsmittel 169 —(m)-chlorid 154, 232 f. Wellen 76 — Reduktionsmittel 169 —dünger 64, 252, 269, 412, 435, Staßfurter Salzlager 421, 429 f. — des Heliums 142 436!. statisches Gleichgewicht 104 — des Lithiums 143 Statuenbronze 452 — des Wasserstoffs 41 f., 142 —(Il)-fluorid 232, 233 —• von Isotopen 558 —(ni)-fluorid 154, 232f. status nascendi 48 — g r a p p e 224 ff. —, diskontinuierliches 41, 140ff. Staubkammer 206 Steine, feuerfeste (A1203) 387 —, kontinuierliches 41, 142 , Übersicht 290 ff. Sperrschicht 218 (SiC) 333 —(ni)-jodid 232 f. spezifische Wärme von Gasen 77f. —, hochfeuerfeste (MgO) 405 — k e r n e 581, 607 fester Stoffe 78 f. —, künstliche (MgO/MgCl2) 405 —(Il)-oxid 235 ff. (s. Stickoxid) Stein-gut 342, 345!. - ( m ) - o x i d 237, 243 Spiegel, Herstellung 459 —bildisomerie 515 Ton 345 , Struktur 261 —eisen 521, 529, 531 —holz 405 —(IV)-oxid 236, 237!. —glas 339 —kohle 182, 309 —(III,V)-oxid 234f. Spin der Elektronen 445,498 , Verkokung 310 (s. Stickoxidul) — der Atomkerne 564 —kohlenrohgas 310 — (V)-oxid 238 Spinell, gewöhnlicher 387, 405 —kohlenteer 310f. —(I)-säure: s. Untersalpetrige Spinelle 887, 405, 539 —salz 80, 419, 421!!., 429, 430 Säure —, künstliche 387 , blaues 573 —(Il)-säure: 239 Spinmoment des Elektrons 498 , jüngeres und älteres 422, —(UT)-säure: s. Salpetrige Säure — des Atomkerns 564 ι —(V)-säure: s. Salpetersäure 429!. Spinquantenzahl 445 —säuren 238 ff. lager 421 f. Spinndüsen 554 —zeug 342, 345!. , Systematik 233 Spinthariskop 572 geschirr 345 —sesquioxid: s. Stickstoff-(III)spiritus fumans Libavii 355 Stellit 539 oxid Spodumen 329, 433 Stereoisomerie 514, 515 —sulfide: s. Schwefelnitride Spratzen des Silbers 459 sterischer Faktor 102 —wasserstoffsäure 230 ff. sprödes Zinn 352 Stibin 284 f. , ehem. Eigensch. 231 f. Spröd-glimmer 330 Stibnit 282 , Darstellung 230 f. —metalle 275 Stichloch (Hochofen) 529 , Konstitution 230 f. Sprudel 303 Stickoxid 235!!., 547 , phys. Eigensch. 231 Sprühelektrode 206 —·, ehem. Eigensch. 236 f. , Sulfonsäuren 250 stabile Systeme 110 —, Darstellung 235 f. —, Zerfall 231 Stadtgas 310, 311 —, komplexer Einbau 236, 547 f. stille elektrische Entladung 177 Stärke radioaktiver Präparate —, phys. Eigensch. 236 — Verbrennung 36 573 stöchiometrische Berechnungen Stickoxidul 234 f. Stahl 527, 53011. —, ehem. Eigensch. 234 28 f. —, Anlassen 530 —, Darstellung 234, 245 — Elektrizitätsgesetze 94 —, Erzeugung (Windfrischver- —, Konstitution 234f., 316, 497 — Gewichtsgesetze 12ff., 94 fahren) 530 ff. —, phys. Eigensch. 234 — Lichtgesetze 85 —, Erzeugung (Herdfrischver- Stickstoff 60 ff. — Volumengesetze 16 f. fahren) 532 STOCK, A . 3 2 0 , 3 6 7 , 4 7 8 —, angeregter 62, 572 —, Legierungen 532 t., 542 Stoff 3 —, atomarer 48, 62 —, Härten 530 —, ehem. Eigensch. 61 f. —, diamagnetischer 493 —, Vergüten 530 ι —, Darstellung 60f. —, ferromagnetischer 493 STAHL, G . E . 37 : —, Dissoziationswärme 48 —, heterogener 3, 19

656

Register

Strukturbestimmung (Parachor) 496 f. — (Paramagnetismus) 499f. — (Ramancffekt) 315ff. Stbutt, J . W. 62 Stuckgips 411, 414 —, wasserfreier 411 Stufenregel, Ostwald sehe 189, 324, 397, 481 Stupp 477 —presse 477 ST-Verfahren 381 Subhalogenide der Erdalkalimetalle 409, 418 Sublimat 480 f. Sublimation, fraktionierte 7 Sublimatpastillen 480 f. Submikronen 334 Sublimieren 7 Substituent 152 Substitution 152 Südpol, magnetischer 491 Sugdeït, S. 496 Sulfate 211 —, Konstitution 158, 202 —(II): s. Sulfoxylate —(IV): s. Sulfite Sulfatogruppe 160 Sulfat-Salzsäure-Prozeß 89 f. —ion, Elektronenformel 158 Sulfide 192 ff., 195 Sulfinoxyd 214 Sulfite 204 Strassmastn, F. 591 —, Konfiguration 318 Street, Κ. 607 —, Konstitution 202, 204 Streichhölzer 125, 257, 273 Sulfitzellstoff 204 Streu-pulver 339 Sulfogruppe 211 —Spektrum 313f. Sulfone 214 —Strahlung 313 Sulfonsäuren 211 Strömungsgeschwindigkeit der — des Ammoniaks 248 f. — des Diimids 250 Elektronen in Metallen 155 Strontianit 415 — des Hydrazine 250 Strontium 415 f. — des Hydroxylamins 249f. —, Trennung von Ca 416 — der Stickstoffwasserstoff—, Trennung von Ba 416, 509 säure 250 Strontium-carbonat 411, 415 Sulfonsäurerest 179 —Chlorid 416 Sulfoxylate 214 —chromât 509 —, Konstitution 202 —fluorid 98 Sulfoxylsäure 203, 213 f., 217,247 —, Ester 213, 214 —hexahydroxo-stannat 356 —, Tautomerie 214 —hydroxid 415 Sulfurierung 211 —mangan(ni)-hydroxid 522 Sulfuryl-amid 251 —nitrat 416 —Chlorid 196, 212, 251 •—oxid 415 —stannat 356 , Konstitution 496f. —subhalogenide 418 —fluorid 196, 212 —sulfat 211 —halogenide 196 —suffit 412 —imid 199, 200, 251 —zinn(IV)-hy CU

kÔ 0) "Ό O 'Σ ν cu

CO « τ3

.2 «

Cu

'. Gruppe

V. Gruppe

VI. Grappe

VII. Gruppe

23 V

24 Cr

Μη

22 Ti

25

V i l i . Grappe

|

26 Fe

27 Co

28 Ni

47.90

50.95

52.01

54.94

55.85

58.94

58.71

40 Zr

41 Nb

42 Mo

43 Te

44 Ru

45 Rh

46 Pd

91.22

92.91

95.95

97

101.1

102.91

106.4

72

73

74

75 Re

76 Os

77 Ir

78 Pt

Hf

Ta

w

178.50

180.95

183.86

186.22

190.2

192.2

195.09

104

105

106

107

108

109

110

Actiniden S9 Ac 227

90 Th 232 05

91 Pa 231

92 υ 238.07

93 Νρ 237

i 94' ! Pu j 24 i

95 Am 243

96 Cm 247

96 Cm 247

97 Bk 247

98

99 Es252

100 Fm 253

! 101 ι i Md ! ! 256

102 No 253

103

Cf..

251

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