Laktanz. "Divinae institutiones". Buch 7: "De vita beata" [Annotated] 3110193450, 9783110193459

Laktanz verfasste die Diuinae institutiones während der Christenverfolgung unter Diokletian als apologetisch ausgerichte

281 98 39MB

German, Latin Pages 720 Year 2015

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Laktanz. "Divinae institutiones". Buch 7: "De vita beata" [Annotated]
 3110193450, 9783110193459

Table of contents :
Frontmatter
Inhaltsverzeichnis
Vorbemerkungen zur Anlage des Kommentars
Einleitung
Text und Übersetzung
Kommentar
Backmatter

Citation preview

Stefan Freund LAKTANZ, DIVINAE INSTITVTIONES BUCH 7: DE VITA BEATA



TEXTE UND KOMMENTARE Eine altertumswissenschaftliche Reihe

Herausgegeben von

Siegmar Döpp, Adolf Köhnken, Ruth Scodel Band 31

Walter de Gruyter · Berlin · New York

LAKTANZ DIVINAE INSTITVTIONES BUCH 7: DE VITA BEATA Einleitung, Text, Übersetzung und Kommentar

von

Stefan Freund

Walter de Gruyter · Berlin · New York

앝 Gedruckt auf säurefreiem Papier, 앪 das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.

ISSN 0563-3087 ISBN 978-3-11-019345-9 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. 쑔 Copyright 2009 by Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, D-10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Einbandgestaltung: Christopher Schneider, Laufen

Vorwort Das vorliegende Buch ist eine leicht überarbeitete Fassung meiner Habilitationsschrift, die im Wintersemester 2005/2006 von der Sprach- und Literaturwissenschaftlichen Fakultät der Katholischen Universität Eichstätt angenommen wurde. Ermöglicht wurde seine Entstehung durch den Bayerischen Habilitationsförderpreis des Jahres 2001, der mir in den Jahren 2002 bis 2005 hervorragende Arbeitsbedingungen verschate; in der entscheidenden Abschlussphase wurde ich durch ein Stipendium der Kalhof RoseStiftung unterstützt. Danken möchte ich an erster Stelle meinem akademischen Lehrer Prof. Dr. Hans Jürgen Tschiedel, von dem ich seit Studienbeginn stetige Hilfe, Anregung und Ermutigung erfuhr. Die vorliegende Arbeit war nur möglich durch das Entgegenkommen von Prof. Dr. Eberhard Heck und Prof. Dr. Antonie Wlosok, die mir in überaus groÿzügiger Weise die Kollationen für ihre Neuedition der Diuinae institutiones zugänglich machten. Bei deren Benutzung unter Herrn Hecks geduldiger und sachkundiger Anleitung in der Arbeitsstelle für patristische Texteditionen in Tübingen habe ich sehr viel gelernt. Viele wichtige Anregungen ergaben sich auch aus dem Austausch mit den anderen Forschern, insbesondere Prof. Dr. Jackson Bryce, Prof. Dr. Gábor Kendey, Prof. Dr. Oliver Nicholson und Dr. Wolfram Winger. Überaus wertvoll waren die Hinweise der Gutachter Prof. Dr. Eberhard Heck, Prof. Dr. Johannes Hofmann, Prof. Dr. Stephan Schröder, und Prof. Dr. Hans Jürgen Tschiedel. Oberstudienrat Wolfram Schröttel sah die Erstfassung der Arbeit durch und gab eine Vielzahl kluger Anregungen. Für die Aufnahme des Buches in die Reihe Texte und Kommentare danke ich schlieÿlich deren Herausgebern, Prof. Dr. Siegmar Döpp, Prof. Dr. Adolf Köhnken und Prof. Dr. Ruth Scodel, für die freundliche und kundige verlegerische Betreuung Frau Dr. Sabine Vogt und für die geduldige Hilfe in in Fragen der Textverarbeitung Herrn Peter Zimmermann, Eichstätt. Das Manuskript wurde im Sommer 2005 abgeschlossen. Seither erschienene einschlägige Literatur ist in Auswahl berücksichtigt. Gewidmet sei die Arbeit denjenigen, von denen sie mich allzu oft ferngehalten hat und die sie doch in unschätzbarer Weise gefördert haben: meiner Frau Juliane und meinen Kindern Jonatan und Katharina. Regensburg, Allerheiligen 2008

Inhaltsverzeichnis

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Vorbemerkungen zur Anlage des Kommentars . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Biographischer und historischer Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Das siebte Buch im Rahmen der Diuinae institutiones . . . . . . . . . . . . 14 Inhalt des siebten Buchs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .22 Gliederungsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .22 Aufbau und Gedankenführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Die Quellen des siebten Buchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Vorbemerkung: Zum Gebrauch der testimonia bei Laktanz . . . . . . 33 Pagane Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Griechische Philosophie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Lateinische Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Christliche Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Biblische Schriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Sonstige christliche Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .49 Testimonia diuina . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Die Belege aus dem hermetischen Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Das Apollorakel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .52 Die Hystaspesapokalypse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .53 Die Oracula Sibyllina . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Zu Sprache und Stil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Zu Textüberlieferung und vorliegender Textgestaltung . . . . . . . . . . . . . 76 Text und Übersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 Kommentar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .199 Erster Teil: Gottes Heilsplan (Kapitel 17) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .201 Zweiter Teil: Die Unsterblichkeit der Seele (Kapitel 813) . . . . . . . . 325 Dritter Teil: Die Endzeitereignisse (Kapitel 1427) . . . . . . . . . . . . . . . 387 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .621 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 623 Verzeichnis der verwendeten Textausgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .623 Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 624 Indizes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 646

Vorbemerkungen zur Anlage des Kommentars Im siebten Buch der

Diuinae institutiones

stellt Laktanz den göttlichen

Heilsplan und die Bestimmung des Menschen dar, er entwirft seine Begründung für die Unsterblichkeit der Seele und erläutert ausführlich, wie sich das Kommen des Tausendjährigen Gottesreichs und schlieÿlich das Ende der Welt ereignen werden.  Schon diese Skizze des Inhalts mag andeuten, wie verschieden die Motive sein können, sich mit dem Schlussteil der Göttlichen Unterweisungen` zu befassen. Der vorliegende Kommentar wendet sich an unterschiedliche Leser, die aus einem bestimmten Forschungsinteresse heraus eine Passage des siebten Buchs konsultieren. Behandelt werden also gleichermaÿen textkritische, sprachliche, traditionsgeschichtliche und inhaltliche Fragen; insbesondere sollen die Einzelaussagen in das Gesamtwerk des Autors eingeordnet werden. Diesem Zweck dienen auch die ersten Teile der Einleitung beschränkt sich auf; vertieft erörtert werden dann aber Struktur und Quellen des vorliegenden Buchs. Der Text versteht sich in erster Linie als Lesetext, der der Bequemlichkeit des Nutzers dienen, aber auch den Kommentar von Befundangaben entlasten soll. Er beruht auf der Ausgabe von Samuel Brandt (CSEL 19, 1890), ist aber orthographisch standardisiert und durchgängig revidiert. Grundlage dafür waren die Handschriftenkollationen, die für neue Gesamtausgabe der

Diuinae institutiones (die ersten beiden Fas-

zikel mit den Büchern 14 erschienen 2005 und 2007 in der Bibtotheca Teubneriana) angefertigt wurden. Die Herausgeber Eberhard Heck und Antonie Wlosok gestatteten groÿzügig die Benutzung ihrer umfangreichen Vorarbeiten. Die Übersetzung schlieÿlich will den raschen Zugang zu längeren Abschnitten ermöglichen und auch dort eine Texterschlieÿung bieten, wo der Kommentar keine Angaben macht. Auf die folgenden Formalia bei der Zitation sei noch hingewiesen: Wer-

Diuinae institutiones ohne Werkangabe, Stellen aus deren siebtem Buch ohne Buchanke des Laktanz sind ohne Verfasserangabe, Stellen aus den

gabe zitiert, sofern dies kein Missverständnis hervorruft. Die dualistischen

Zusätze erscheinen als 5,27 add. 117; 2,8,6 add. 19; opif. 19,8 add. 15.

1

Andere Lateinische Texte werden nach dem Thesaurus , griechische nach den gängigen Lexika (LSJ und

Lampe) oder, wo die dortigen Abkürzun-

gen zu knapp erscheinen, ausführlicher zitiert. Biblische Bücher sowie alt-

1 Vgl. Thesaurus linguae Latinae. Index librorum scriptorum inscriptionum ex quibus exempla aeruntunr, Leipzig 19902 .

X

Vorbemerkungen zur Anlage des Kommentars

und neutestamentliche Apokryphen werden nach den üblichen Abkürzungen zitiert.2 Wo biblische Texte in deutscher Übersetzung wiedergegeben sind, ist die Einheitsübersetzung (Stuttgart 1999) verwendet. Ein abschlieÿendes Wort zur Anlage des Kommentars: Einzellemmata beziehen sich auf die in Fettdruck wiedergegebenen Wörter oder Textabschnitte Passagen; dabei bedeutet . . .  den Einschluss des in der Lemmaangabe Weggelassenen, [...] dessen Ausschluss. Daneben gibt es zu manchen Abschnitten thematische Lemmata (z.B. 7,114 Bewertung der paganen Philosophie). Was über eine bestimmte Stelle im übergreifenden Lemma gesagt ist, wird zur Stelle nicht wiederholt; in wichtigen Fällen ndet sich ein Querverweis. Die Paragraphen, auf die sich ein übergreifendes Lemma bezieht, werden innerhalb desselben nur als Ÿ [Nummer] zitiert, ansonsten gelten die oben beschriebenen Zitierweisen. Querverweise geben bei Einzellemmata die Stelle und (ohne inhaltliche Rücksicht) die Anfangsworte des Lemmas an (z.B. siehe unten zu 13,2 neque nunc . . . ), bei übergreifenden Lemmata deren Erstreckung (siehe oben zu 5,127) an.

2 Vgl. S.M. Schwertner, IATG2 . Internationales Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete, Berlin/New York 19922 , XXXI; XXXIVXXXVII.

Einleitung

Biographischer und historischer Rahmen Lucius Caelius Firmianus Lactantius wird um das Jahr 250 n. Chr. in der Provinz Africa geboren.1 Nordafrika ist in jener Zeit ein Zentrum des kulturellen Lebens und des lateinischsprachigen Christentums. 2 Laktanz aber stammt aus paganer Familie. Er studiert Rhetorik bei dem bekannten Redelehrer Arnobius aus Sicca Veneria (heute ElKef, Tunesien) und tritt bald mit eigenen Schriften hervor. 3 Er wird nach eigener Aussage nie als Anwalt tätig,4 sondern macht sich als Lehrer der Redekunst einen Namen, so dass ihn Kaiser Diokletian etwa zwischen 290 und 300 als Rhetorikprofessor an die neu errichtete Residenz in Nikomedien (heute zmit, Türkei), am Marmarameer in der Provinz Bithynien gelegen, beruft 5 . Dort erlebt Laktanz am 23. Februar 303 6 den Beginn der Diokletianischen Christenverfolgung mit:7 Im Rahmen der Restaurationspolitik des Diokletian soll das ganze Reich zum überkommenen Götterkult zurückgeführt und das seit 290 sich etablierende Herrschaftssystem der Tetrarchie legitimiert und gesichert werden.8 Die Maÿnahmen treen das Christentum, das sich über

Wlosok

1 Grundlegend A. , HLL 5 (1989) Ÿ 570A; danach auch die folgende Chronologie; wesentlich abweichende Ansichten der neueren Forschung sind erwähnt, zur älteren vgl. auch die Übersicht L'ouvrage I 221 (Faltkarte).  Der Name ist in den Handschriften und Hier. vir. ill. 80,1 (Firmianus qui et Lactantius ) überliefert. Lactantius ist Beiname. Das ungefähre Geburtsjahr ergibt sich durch Rückrechnung aus den anderen biographischen Daten. Die Herkunft aus Africa bezeugt Hier. vir. ill. 80,2 und 79 mit 80,1 und epist. 70,5,2. 2 Vgl. A.M. , Africa`, RAC 1 (1950) 173179; W. , DNP 1 (1996) 223f. 3 Vgl. Hier. vir. ill. 80,2. Das dort erwähnte Jugendwerk Symposium identiziert mit Anth. 495638. 4 So das Selbstzeugnis 3,13,12 forum ne attigerim quidem. 5 Vgl. 5,2,2; Hier. vir. ill. 80,1 sub Diocletiano principe accitus cum Flauio grammatico [...] Nicomediae rhetoricam docuit. Diokletian war 284 in der Nähe von Nikomedien zum Kaiser erhoben worden. Der Ausbau (vgl. mort. pers. 7,10f.; Lib. or. 61,7) als Residenz geht einher mit der Ernennung der Mitherrscher (Maximian 286, Galerius und Constantius 293). Daraus ergibt sich die Zeitspanne für die Berufung. 6 Erstes Verfolgungsedikt, siehe unten 7 Anm. 22. 7 Laktanz selbst schildert die Ereignisse detailliert mort. pers. 10,1  15,7. Einen Überblick bieten beispielsweise Christenverfolgung 11921204; K. , HKG(J) I 441449. 8 So nennt sich Diokletian Iouius, sein Mitherrscher Maximian Herculius. Vgl. beispielsweise Christenverfolgung 11921195; Spätantike 58. Die Herrschaftslegitimation betont insbesondere (Lactantius 2532).

Perrin

Schneider Friedrich

Huss

Vogt

Vogt

Baus

DigeserDemandt

Einleitung

4

40 Jahren weithin unbehelligt verbreitet hatte, überaus hart. 9 Den von der Verlesung antichristlicher Propaganda begleiteten oziellen Auftakt der Verfolgungsmaÿnahmen 10 schildert Laktanz rückblickend als Schlüsselerlebnis, das ihn zum Apologeten werden lieÿ (Selbstzeugnisse 5,2,2; 5,4,1). Nach dem Ausscheiden aus der Lehrtätigkeit am Kaiserhof beginnt er, die christliche Lehre in schriftlicher Form gegenüber einem paganen Publikum darzulegen und zu verteidigen. Kennen gelernt hatte Laktanz das Christentum wahrscheinlich schon in Afrika, 11 unklar ist aber, wann und wie sich seine Hinwendung vollzieht 12 . Das erste apologetische Werk ist die noch kryptochristliche Schrift De opicio dei ( Über das Schöpfungswerk Gottes`), entstanden vermutlich schon 303 oder 304. 13 Darin folgert er aus der sinnvollen und schönen Gestaltung des menschlichen Körpers die Existenz eines Schöpfergottes und die Verpichtung des Menschen, diesen Gott durch die entbehrungsreiche Bemühung um das Gute zu verehren und so das ewige Leben zu erlangen. Gleichzeitig arbeitet Laktanz aber auch schon an seinem Hauptwerk, den Diuinae institutiones ( Göttliche Unterweisungen`), das er am Ende der Schrift De opicio dei (20,1f.) ankündigt. In sieben Büchern gibt Laktanz darin eine apologetisch und protreptisch ausgerichtete Gesamtdarstellung des Christentums. Laktanz konzipiert und verfasst das Werk unter dem unmittelbaren Eindruck der Christenverfolgungen. 14 Und da sich keine Hinweise auf deren Ende in 9 Nachdem Gallienus im Jahr 260 die gegen die Christen gerichteten Maÿnahmen aufgehoben und somit die Valerianische Verfolgung beendet hat, kann sich das Christentum weithin ungestört verbreiten; vgl. etwa Christenverfolgung 1188 1192. 10 Vgl. mort. pers. 14,1  15,7. 11 Ein wichtiges Indiz dafür, dass Laktanz bereits in Afrika Interesse am Christentum gehabt haben muss, ist seine Kenntnis der von dort stammenden christlichen Autoren Tertullian, Minucius Felix und Cyprian (vgl. v.a. 5,1,22; 5,4,3). Zudem sieht A. , HLL 5 (1989) 377, Laktanz unter dem Einuÿ des durch Arnob bezeugten platonistischgnostischen Milieus, das gewisse Anitäten zum Christentum aufweist. Ob Laktanz aber später von der Bekehrung seines Lehrers Arnobius erfahren und dessen apologetisches Werk Aduersus nationes gekannt hat, ist unwahrscheinlich (vgl. Text 150 Anm. 22): Denn die Nichterwähnung dieser Schrift (v.a. 5,1,22., wo man sie unbedingt erwarten müsste) ist damit gut erklärt, dass Laktanz in Bithynien von der in Afrika entstandenen Schrift des Arnobius nichts erfahren hatte. Indizien, dass er später davon Kenntnis erlangt, stellt M. , Lactance lecteur d'Arnobe dans l'Épitomé des Institutions?, REAug 30 (1984) 3641, zusammen. 12 Nach (Gnosis 191 Anm. 28; zustimmend L'ouvrage I 13) kann die Bekehrung zum Beginn der Verfolgungen nicht allzu lange zurückliegen; vgl. auch den Rückblick 1,1,8. Laktanz ist oensichtlich, wie auch der Befund des siebten Buches zeigt, mit Einrichtungen (Taufe: 5,22; Arkandisziplin: 26,8; vgl. insgesamt ) und Terminologie (siehe beispielsweise unten 27,1316 mit Kommentierung) des Christentums vertraut. 13 Zur Datierung etwa L'ouvrage I 15; A. , HLL 5 (1989) 384. 14 Vgl. etwa (Gottesverächter 186190) zu den Entstehungsbedingungen.

Vogt

Wlosok

Heck/Wlosok

Perrin Wlosok

Perrin

Speigl

Heck

Perrin

Wlosok

Biographischer und historischer Rahmen

5

den Diuinae institutiones nden, muss die Schrift auch spätestens am 30. April 311 abgeschlossen sein, als das Toleranzedikt des Galerius in Nikomedien veröentlicht wird  wahrscheinlich aber schon früher, nämlich vor dem Tod des ersten Verfolgers Maximianus im Jahr 310, von dem Laktanz ebenfalls noch nicht zu wissen scheint. 15 Daraus ergibt sich auch der zeitliche Rahmen für das siebte Buch der Diuinae institutiones : Laktanz hat zu Beginn der Arbeit an dem mit über 650 modernen Druckseiten umfangreichen Gesamtwerk wohl das inhaltliche Gerüst entworfen. 16 Dann verfasst er Buch um Buch. 17 Das fünfte lässt sich auf die die Jahre 305/306 datieren. 18 . Dazu passt, dass einer der Vorverweise auf das siebte Buch (4,26,42) ins Leere geht, weil zwar das Grundmotiv, in dessen Rahmen der Gegenstand des Verweises gehört, nämlich Analogie der Befreiung aus Ägypten und der Errettung in der Endzeit, im siebten Buch vorkommt, nicht aber der Einzelsachverhalt, auf den sich Laktanz bezieht, nämlich die Bewahrung derer vor den Plagen, die das göttliche Zeichen tragen: 19 Oensichtlich hat also Laktanz zwischen der Abfassung des vierten und des siebten Buchs sein Konzept in diesem Punkt geändert. Aus den genannten Erwägungen ergibt sich für die Arbeit am siebten Buch eine maximale Zeitspanne von 305/306 bis 310, höchstens Anfang 311.

15 Von der Veröentlichung des Toleranzedikts in Nikomedien berichtet Laktanz selbst mort. pers. 35,1. Konkrete Hinweise auf eine gegenwärtige Verfolgung nden sich etwa 5,1,37; 5,12,313,21; 5,19,113; 5,20,121,6; 6,17,69; zu den Stellen aus dem siebten Buch siehe unten 6. Indizien für einen Terminus ante quem 310 ergeben sich aus der Rachedrohung an die Verfolger (5,23,15), die vor dem Tod des Maximianus in jenem Jahr (Brandt Entstehungsverhältnisse 1214; nun wieder Digeser Dating 43f.; Second Edition 90; Lactantius 134) oder, ehe Laktanz davon erfuhr (Heck Zusätze 144), verfasst sein muss. Der Terminus ante quem 311 wird zusätzlich untermauert durch die Polemik gegen die bestia Galerius (5,11,5), die so nur vor dessen Tod im Mai 311 formuliert sein kann (Heck Zusätze 144f.). 16 Vgl. die opif. 20,1f. skizzierte Zielsetzung. 17 So Heck (Zusätze 146149) schlüssig in Auseinandersetzung mit J. Stevenson, The life and literary activity of Lactantius, Studia Patristica 1 (1957) 661677, und Loi (Valori 104107; siehe auch unten 494 Anm. 13), die beide bestimmte Bücher unterschiedlichen Schaensphasen zuweisen und eine nachträgliche Vereinigung annehmen möchten. Siehe auch unten 9 Anm. 31. 18 So spricht Laktanz 5,11,15 von einem Christen, der im Rahmen der Verfolgung (ab 303) verhaftet worden war und zwei Jahre der Folter widerstand. Die Stelle kann also frühestens Mai 305 verfasst sein (Heck (Zusätze 144; Gottesverächter 207). 19 Vgl. unten 406. Die übrigen Querverweise stimmen: 2,10,26 (eingelöst 1,610: Welt hat Anfang und Ende); 2,17,1 (20,5 und 26,6f.: Gericht); 3,13,3 (9,1  11,10: christlicher Beweisgang für die Unsterblichkeit der Seele); 3,17,34 (12,130: Widerlegung der epikureischen Argumente für die Sterblichkeit der Seele); 4,7,8 (ewiges himmlisches Reich: 26,5); 4,12,21 (19,1 20,5: Wiederkunft Christi zum Gericht).

Einleitung

6

Die politischen Verhältnisse dieser Zeit sind verworren: 20 305 treten Diokletian, der seit 284 für relative Stabilität gesorgt und diese ab 285 (Maximian wird Mitherrscher, 286 Augustus ) beziehungsweise 293 (Constantius Chlorus und Galerius werden untergeordnete Caesares ) durch die Tetrarchie gesichert hatte, und Maximian planmäÿig zurück. Die zweite Tetrarchie bilden nun Constantius Chlorus als Augustus und Severus als Caesar im Westen und Galerius als Augustus und Maximinus Daia als Caesar im Osten. Doch schon 306 zerbricht die zweite Tetrarchie, als Constantinus Chlorus stirbt und die Soldaten dessen Sohn Konstantin zum Augustus ausrufen, obwohl Severus hätte nachrücken müssen. Indem er Severus als Augustus und Konstantin als Caesar anerkennt, stabilisiert Galerius das System. Doch noch im selben Jahr wird in Rom Maxentius, der Sohn des Maximian, zum Kaiser ausgerufen. Gegen ihn zieht erfolglos Severus. Diesen lässt Maximian ermorden, der nun auch wieder Ansprüche auf die kaiserliche Macht erhebt. Ein Feldzug des Galerius gegen Maxentius in Rom scheitert ebenfalls. 308 wird auf der Kaiserkonferenz in Carnuntum vereinbart, dass im Westen nun Licinius und Konstantin, im Osten weiterhin Galerius und Maximinus Daia herrschen sollten. Doch wollen sich die Caesares Konstantin und Maximinus Daia nicht mit ihrer untergeordneten Stellung zufrieden geben, auch erheben Maxentius und Maximian weiterhin Herrschaftsansprüche. Im Jahr 310 konkurrieren somit sieben Augusti um die Macht im Reich: Galerius in Thrakien, Maximinus Daia in Syrien, Licinius in Pannonien, Konstantin und Maximian in Gallien, Maxentius in Italien und schlieÿlich Lucius Domitius Alexander (ein Usurpator, der sich 308 zum Kaiser hatte ausrufen lassen) in Afrika. Die Christenverfolgungen kommen angesichts der politischen Wirrnisse im Westen bald zum Erliegen, im Osten hingegen werden sie unter Galerius und Maximinus Daia bis zum Toleranzedikt von 311 fortgeführt, und zwar, wie die christlichen Quellen (vor allem Laktanz selbst in De mortibus persecutorum und Euseb) nahe legen, mit aller Entschiedenheit. 21 In diesen historischen Rahmen fügen sich die zeitgeschichtlichen Andeutungen im siebten Buch:

Demandt Vogt Freudenberger

Bleckmann

20 Überblick beispielsweise Spätantike 6265; B. Konstantin der Groÿe, Reinbek 1996, 4150; ders. Constantinus 136f. 21 Vgl. grundsätzlich Christenverfolgung 1197f. (mit dem Belegmaterial); K. , HKG(J) I 447449; 28 (mit weiterer Literatur). Edikte, die Maÿnahmen gegen die Christen (wohl nach einer Unterbrechung zum Ende der ersten Tetrarchie im Jahr 305) anordnen, sind nur für Maximinus Daia belegt, und zwar aus den Jahren 306 (Eus. h.e. 8,2,4f.) und 309 (Eus. h.e. 8,6,710). Doch geht auch Galerius, den Laktanz als den schlimmsten Verfolger stilisiert (mort. pers. 11,1  15,3; 20,1  23,9), gegen die Christen vor, bis ihn im Jahr 311 die praktische Undurchführbarkeit weiterer Verfolgungen zu deren Einstellung zwingt, vgl. H.D. , Galerius`, RAC 8 (1972) 786796, v.a. 789792.

Baus

Altendorf

Biographischer und historischer Rahmen

7

1. An zwei Stellen spricht Laktanz unumwunden von einer gegenwärtigen Verfolgungssituation: Als Erklärung dafür, dass die Auferstehung erst nach der Vernichtung des Bösen stattnden könne, führt Laktanz an, dass gegenwärtig würde alle wahren Gottesverehrer mit Gewalt zur Idolatrie gezwungen würden (22,12). Dies bezieht sich auf den allgemeinen Opferzwang, wie ihn das (nach Euseb) vierte Edikt des Diokletian aus dem Frühjahr 304 vorsah. 22 Mit anderen Quellen stimmen aber auch die Aussagen überein, dass die Christen unterschiedlichsten Arten der Folter ausgesetzt seien 23 und dass sie auch unter dem Hass und der Verachtung der heidnischen Bevölkerung zu leiden hätten24 . Und zu Beginn des paränetischen Epilogs führt Laktanz dem Leser die Lebenssituation derjenigen vor Augen, die sich um die Tugend und um den Lohn des glückseligen Lebens bemühen, nämlich der Christen  sie müssen Gefängnis, Folter und Tod auf sich nehmen, haben aber den göttlichen Lohn vor Augen (27,3). Diese Verfolgungsmaÿnahmen schildert Laktanz später selbst im Rückblick auf die Verfolgungszeit. 25 Überhaupt weisen der paränetische Ton des Schlusskapitels und vor allem die Metaphorik (27,15f.) auf Zeitumstände, unter denen sich Christen unter höchster Gefahr, schlimmstenfalls als Märtyrer, bewähren müssen. 26 2. Nach dem Abschluss der Endzeitschilderung (26,810) rechtfertigt Laktanz, dass die Christen sich in der Öentlichkeit zurückhielten, auf eine publizistische Verteidigung gegen Angrie verzichteten und sich um Arkandisziplin bemühten, obwohl all dies zu Gräuelmärchen

militia

22 Das erste Edikt des Diokletian nach Eus. h.e. 8,2,4f. sieht die Zerstörung der Kirchen und Heiligen Schriften sowie die Entfernung der Christen aus dem Staatsdienst vor, das zweite (Eus. h.e. 8,6,8) die Einkerkerung der Kleriker, das dritte (Eus. h.e. 8,6,10) einen Opferzwang für diese. Der im vierten Edikt (Eus. m.P. 3,1; ausführliche, in syrischer Übersetzung erhaltene Fassung bei G. Bardy, Eusèbe de Césarée, Histoire ecclésiastique, III, Paris 1958, SC 55, 119.) ausgesprochene allgemeine Opferzwang  das heiÿt die für Christen ohne Glaubensabfall unerfüllbare Verpichtung, ein Götteropfer darzubringen; seit der Verfolgung unter Decius (249/250) eines der wichtigsten juristischen Mittel der Christenverfolgung, vgl. etwa H. Last, Christenverfolgung II`, RAC 2 (1954) 12081228, hier 1226f.  betrit nun alle Christen und zielt letztlich auf die Ausrottung des Christentums insgesamt. Maximinus Daia erneuert diese Regelung in zwei Edikten (Eus. m.P. 4,8 aus dem Jahr 306; 9,2 aus dem Jahr 309). Laktanz schildert im dualistischen Zusatz 5,27 add. 16 den Opferzwang der Verfolgungszeit aus zeitlicher Distanz (siehe unten 292 mit Anm. 22). 23 Dies betonen sowohl Laktanz selbst (mort. pers. 15,5 tormentorum genera inaudita excogitabantur ; 16,4f. 8) als auch Euseb (h.e. 8,12,611). 24 Dazu beispielsweise Eus. h.e. 8,710; m.P. 5,3. 25 Gefängnisstrafen mort. pers. 15,5; 22,2; Folter mort. pers. 15,5; 16,5.8; 21,7; Hinrichtungen mort. pers. 21,7; 22,3, etc.; vgl. insgesamt epit. 68,4. 26 Siehe unten zu 27,15 desertor.

8

Einleitung Anlass gäbe. Dahinter steht zwar ein apologetischer Topos, 27 diesen wird Laktanz aber nur in einer längeren Periode ständiger Anfeindungen und Bedrohung aufgreifen. 3. Immer wieder betont Laktanz, dass der Gerechte (also der Christ) auf dem einzigen Weg der Wahrheit allen erdenklichen Anfeindungen und Bedrohungen einer feindlichen Umwelt ausgesetzt ist. 28 Dieser ethische Dualismus29 passt in eine Verfolgungszeit. 4. In zwei allgemeineren Äuÿerungen über die Gegenwart erwähnt Laktanz zum einen Morde und Intrigen sowie staatliche Repressionsmaÿnahmen (22,11).30 Dabei kann er beispielsweise die Machtkämpfe der Herrscher und subalterner Karrieristen in den Wirrnissen nach 305 vor Augen haben. Zum anderen spricht Laktanz davon, dass Ungerechtigkeit und Bosheit einen Höhepunkt erreicht hätten, die jetzige Epoche aber doch im Vergleich zu den Schrecknissen der Endzeit als aetas aurea erscheinen müsse (15,7). Dahinter kann der Gemeinplatz stehen, dass alles immer schlechter werde, doch passt die Äuÿerung gut in die Zeit des politischen Verfalls nach 306.

Das siebte Buch spiegelt die Zeitverhältnisse aber nicht nur in Hinweisen auf die gegenwärtigen Zustände wider. Oensichtlich beeinusst der historische Rahmen auch die Darstellung bestimmter Endzeitereignisse. Deren Grundmuster ndet Laktanz zwar allesamt in der apokalyptischen Tradition vor, doch die individuelle Ausgestaltung klingt an reale Geschehnisse an:31 27 Siehe unten zu 26,810. 28 Vgl. etwa 1,3f.; 1,1721; 5,24 necesse est iustum et sapientem in omnibus malis esse. 9,17; 11,4 deinde qui iustitiam sequentes in hac uita miseri fuerint et contempti et

inopes et ob ipsam iustitiam contumeliis et iniuriis saepe uexati, quia nec aliter uirtus teneri potest, semper beati sint futuri, ut quia mala iam pertulerunt, etiam bonis fruantur. 27,2f. 29 Loi (Male 9496) sieht im subordinierten Dualismus des Laktanz (siehe unten zu 4,12 bona homini proponi et mala . . . ), den er auf Anthropologie und Ethik

anwendet, eine im Wesentlichen auf diesen selbst zurückgehende Konzeption. 30 Siehe unten zu 22,11 hoc enim saeculo . . . 31 Auf die Anklänge an reale Ereignisse der Zeitgeschichte, die sich in der Endzeitschilderung des Laktanz nden, hat bereits Nicholson (Prophecy 301325; Cross 318322) hingewiesen. Er ndet Anspielungen auf Geschehnisse der Jahre 305 bis 313 (vgl. die Übersicht Nicholson Prophecy 324) und schlieÿt daraus, dass Laktanz die Zukunftsaussagen in den Kapiteln 16, 17 und 19 hauptsächlich ex eventu formuliere und das Kapitel 17 und einzelne Anmerkungen in Kapitel 19 später (nach 313) hinzugefügt habe. Dagegen spricht aber Folgendes: (1) Das Kapitel 17 ist inhaltlich nicht verzichtbar (siehe unten zu 19,1 Oppresso igitur . . . ), kann also nicht (wenigstens nicht ohne umfangreiche Änderungen) nachträglich eingeschoben sein. (2) Die Darstellung 17,18 (Prophet Gottes wird vom Antichrist überwunden) fuÿt auf Ob 11 und 13, die Änderungen sind mit redaktionellen Erwägungen erklärbar; in der Passage kann sich also nicht, wie Nicholson (Prophecy 312320; vgl. Cross 318f.) vermutet, die Auseinandersetzung zwischen dem Märtyrer Lukian und dem

Biographischer und historischer Rahmen

9

1. Zahlreiche Aspekte in der eschatologischen Darstellung evozieren die Verfolgung: (a) Die Not des Gottesvolkes in der Endzeit, das Schmähungen und Armut erdulden muss (15,8), lässt an die Lage der verfolgten Christen denken. Auch die typologische Deutung des Exodusgeschehens auf die Endzeit (15,16) ist aus christlicher Sicht dann besonders prägnant und nahe liegend, wenn die Gegenwart aufgrund einer Verfolgungssituation als Unterdrückung des wahren Gottesvolkes, also der Christen, erlebt wird. (b) Der endzeitliche Herrscher, der für sich göttliche Verehrung beansprucht (17,4) und die Gottestreuen auszurotten versucht (17,610),32 erinnert an den Zwang zum Opfer für die Staatsgötter33 und an die Christenverfolgung. (c) In der eschatologischen Dramaturgie des Laktanz sind zwei Dinge besonders herausgehoben: zum einen die Rettung der bedrängten Gottestreuen aus höchster Not durch den wiederkehrenden Christus (17,10f.; 19,1f.), zum anderen die Niederwerfung (19,5f.) und die Bestrafung der Gottesfeinde (26,7) 34 . Die Vermutung liegt nahe, dass sich darin einerseits die ständige

Verfolger Theoteknos spiegeln; siehe unten zu 17,18. (3) Zwar nden sich in Kapitel 16 Anklänge an die Missstände der Tetrarchie, das Dargestellte hängt aber gänzlich von Dan 7 ab, die Aktualisierungen sind sekundäre Zutat, siehe unten zu 16,14. (4) Da das nach Nicholson Hinzugefügte (im Gegensatz zu den dualistischen Zusätzen und den Kaiseranreden) in allen Handschriften übereinstimmend enthalten ist, müsste man annehmen, dass bei der Einfügung der Nachträge eine neue Handschrift entstanden ist, die dann zum Archetypen der weiteren Überlieferung wurde. Das lieÿe an ein Autograph denken, das nach 313 entstanden ist. Dann wiederum ist zu fragen, warum Laktanz nicht Weiteres revidiert und beispielsweise die Anspielungen auf eine gegenwärtige Verfolgung entfernt habe. 32 Der Darstellung liegt traditionelles apokalyptisches Gut zugrunde: Der Sieg des grausamen Herrschers über einen Propheten Gottes und sein Streben nach göttlicher Verehrung ist nach Ob 11 und 13 gestaltet (siehe unten zu 17,18), auch trägt er Züge des Antichrist (so etwa in der Herkunftsangabe aus Syrien`, siehe unten zu 17,2 alter rex . . . ). Die Flucht der Gottestreuen in die Berge ist ein Endzeitmotiv der Evangelien (siehe unten zu 17,7 in montes fugiunt ), hinter der Belagerung auf dem Berg steht das Motiv vom Zion (siehe unten 17,10 admotis . . . ). Vielleicht einen unmittelbaren Reex aus der Verfolgungszeit stellt das Verbrennen der in Prophetenbücher eingewickelten Gottestreuen dar (siehe unten zu 17,8 homines obuoluet . . . ). 33 Zwar verliert der Kaiserkult im dritten Jahrhundert immer mehr an Bedeutung, dafür forciert insbesondere Diokletian, der sich den Beinamen Iouius gibt und als Abgesandter Jupiters versteht, den Kult dieses Gottes (vgl. J.R. Fears, RAC 14 [1988] 1065), auch führen die Tetrarchen die Proskynese ein (vgl. M. Whitby, RAC 19 [2001] 1143). 34 So endet die Darstellung der Endzeitereignisse mit der ewigen Strafe für die Gottesfeinde, nicht etwa mit der ewigen Seligkeit der Gerechten, wie etwa in der Johannesoenbarung, an deren Ende das Bild des himmlischen Jerusalem steht.

Einleitung

10

Lebensbedrohung der verfolgten Christen und andererseits das Bedürfnis nach Rache an den Verfolgern, das Laktanz in einer Androhung formuliert (5,23,15), 35 niederschlagen. 2. Auf die politischen Umwälzungen in der Tetrarchie spielt Laktanz offenbar in Kapitel 16 an: Zwar sind der Zerfall der Herrschaft und das Auftreten eines Tyrannen (16,14) nach biblischer Vorlage geschildert.36 Doch wenn dort von Herrschaftsteilung, Militarisierung, Darniederliegen der Landwirtschaft, einem Usurpator aus einer fernen Grenzregion, Machtkämpfen, Tyrannei, revolutionären neuen Gesetzen und einer Verlegung der Residenz die Rede ist, soll der Leser auch an die Verhältnisse in der Tetrarchie denken. 37 Auch das folgende Bild der kriegerischen Verheerung (16,5) gehört zwar in die Endzeittopik, hat aber in einer Zeit der Bürgerkriege auch Realitätsbezug. Diese Anklänge der Endzeitschilderung an reale Ereignisse sollen nicht etwa andeuten, dass der eschatologische Ablauf bereits begonnen habe. Es handelt sich auch nicht um vaticinia ex eventu. Vielmehr gewinnt dadurch die Darstellung eine für apolokalyptisches Schrifttum charakteristische unheimliche Nähe und Unmittelbarkeit sowie die Plausibilität dessen, was so ähnlich bereits geschehen ist. 38 Zudem wird Erlebtes eingeordnet und aufgearbeitet. Wahrscheinlich sind die Diuinae institutiones nicht das einzige Werk, das Laktanz während der Verfolgungszeit verfasst: Vermutlich in den Jahren 304 bis 306 entsteht daneben auch das kryptochristliche Gedicht De aue Phoenice ( Über den Vogel Phönix`). Darin wird der Mythos vom Vogel Phönix auf die Auferstehung Christi hin gedeutet. 39 In den Jahren der Christenverfolgung bleibt Laktanz, wie er selbst bezeugt, mindestens bis 305/306 in Bithynien, 40 wahrscheinlich hält er sich aber auch noch 311 in Nikomedien selbst oder in der Umgebung auf. Denn zum einen berichtet er wie ein Augenzeuge von der Bekanntmachung des Toleranzedikts und der Häftlingsbefreiung. 41 Zum anderen muss er dort wenigstens bis 305/306 einen hinreichend sicheren Aufenthaltsort und, 35 36 37 38 39 40 41

Heck

Zur Einordnung dieser Passage Gottesverächter 199207. Siehe unten zu 16,14. Siehe unten 446. Siehe auch unten 447 Anm. 10 Vgl. A. , HLL 5 (1989) Ÿ 570.6. Vgl. oben 5 Anm. 18. So mort. pers. 35,1f.; vgl. Zusätze 144 Anm. 31; 106. Nach (2326; ihm folgt A. , HLL 5 [1989] 378f.) lasse das ganze Werk De mortibus persecutorum einen Blickwinkel auf die geschilderten Ereignisse erkennen, der von einem im Osten gelegenen Standpunkt ausgehe. Auch vom Restitutionserlass des Licinius (mort. pers. 48,1) habe Laktanz noch in Nikomedien Kenntnis erhalten.

Wlosok

Christensen

Heck

Wlosok

Ogilvie

Søby

Biographischer und historischer Rahmen

11

nach den gängigen Datierungen der Werke, dabei die Möglichkeit gefunden haben, De opicio dei abzuschlieÿen sowie die Diuinae institutiones, vielleicht auch De aue Phoenice, zumindest zu beginnen. Er entfaltet also schon in den ersten Verfolgungsjahren eine literarische Produktivität, die ein hinreichend ruhiges Arbeitsumfeld und den Zugang zu einer Bibliothek voraussetzt. All dies lässt sich kaum vereinbaren mit der immer wieder vertretenen Annahme einer Flucht in den Westen. 42 Vielleicht gewährt ein ein mächtiger Freund oder ehemaliger Hörer aus der Zeit seiner Lehrtätigkeit bei Hof Laktanz Schutz und Unterkunft. 43

Digeser

42 Eine solche vermutet jüngst Lactantius 135 (vgl. 174 Anm. 72 die älteren Belege für diese Meinung) mit folgender Begründung: Laktanz berichte von seinen Erlebnissen bei der Verfolgung in Bithynien in the past tense, nämlich ego cum in Bithynia oratorias litteras docerem (5,2,2) und uidi ego in Bithynia (5,11,5). Doch ist das Präteritum unumgänglich, wenn Laktanz etwas Vergangenes berichtet, das er als Augenzeuge mitverfolgt hat. Auch die Ortsangabe in Bithynia (nur an diesen beiden Stellen in den Diuinae institutiones ) impliziert keine räumliche Distanz, sondern erklärt, warum Laktanz die Ereignisse selbst mitverfolgen konnte, nämlich weil er dort lehrte (5,2,2), beziehungsweise, weil sie dort stattfanden, wo er sich aufhielt (5,11,15). Nichtsdestoweniger wird ein solcher früher Weggang aus Bithynien auch in der neueren noch vertreten ( Constantine 13 mit Anm. 96; Lactantius 135; 77; 3).  Dabei bleibt zum einen völlig unklar, wo sich Laktanz zwischen 306 und 310 aufhält, jedenfalls nicht mehr in Bithynien. Er ieht auch nicht überstürzt und heimlich, sondern kann oensichtlich seine Manuskripte (zumindest De opicio dei und die Aufzeichnungen für die Diuinae institutiones ), vielleicht sogar eine kleine Handbibliothek mitnehmen. Zum anderen muss Laktanz an jenem unbekannten Aufenthaltsort hinreichend günstige Bedingungen (persönliche Sicherheit, materielle Unterstützung, Bibliothekszugang) vornden, um die umfangreichen Diuinae institutiones zu verfassen. Auÿerdem darf ihn auch Konstantin nicht aus den Augen verlieren, so dass er ihn dann 310 an seinen Hof berufen kann. Das alles ist für einen mittellosen (Hier. chron. ad 317 p. Chr. adeo in hac uita pauper, ut plerumque necessariis indiguerit) und, wie annimmt, auf sich allein gestellten (Lactantius 135) Christen in einer Zeit der Verfolgung und der Bürgerkriege schwer vorstellbar. Die Schwierigkeiten bleiben, wenn man eine Flucht ins heimatliche Afrika ( Constantine 13) oder nach Italien ( 3 Anm. 11) annimmt. Ferner passen die durchgängigen Anspielungen auf eine gegenwärtige Verfolgungszeit schlecht in eine Umgebung, in der die Maÿnahmen gegen die Christen längst beendet waren, was aber im Westen der Fall war. Dort müssten die Aufrufe zur Opferbereitschaft (vgl. etwa 27,15f.) eher befremden. Völlig unverständlich wären diese zeitgeschichtlichen Anspielungen schlieÿlich, wenn Laktanz im Jahr 306 direkt von Nikomedien an den Hof nach Trier geohen wäre, wie (85: Laktanz habe sich gleich nach Konstantins Ausrufung zum Kaiser in York auf den Weg nach Trier gemacht) meint.  (4f.; 109), der freilich die Abfassung der Diuinae institutiones in Nikomedien annimmt, versucht die Literaturbenutzung des Laktanz mit Rücksicht auf die Zeitumstände möglichst einzugrenzen; aber schon das, was er stehen lassen muss, ist viel; und die Reduktion der Quellen führt zu philologisch unbefriedigenden Ergebnissen, vgl. E. , Gnomon 52 (1980) 572574. 43 Diese Annahme passt jedenfalls dazu, dass sich die Diuinae institutiones oensichtlich genau an einen solchen Personenkreis, wie ihm der hypothetische Beschützer angehören müsste, richten, das heiÿt an lateinischsprachige, rhetorisch geschulte

Digeser

Städele

Barnes Bowen/Garnsey

Digeser

Barnes

Bowen/Garnsey

Odahl

Ogilvie

Heck

12

Einleitung

Vermutlich erst zwischen 313 und 315  und nicht, wie öfter angenommen, noch vor 311  wird Laktanz als Prinzenerzieher für Konstantins Sohn Crispus an den Hof nach Trier berufen. 44 Konstantin und Laktanz hatten sich vermutlich noch zur Regierungszeit des Diokletian an dessen Residenz in Nikomedien kennen gelernt. 45 Wenigstens im weiteren Sinn gehört Laktanz nun auch am Hof in Trier 46 zu Konstantins Beraterkreis und übt einen gewissen Einuss in programmatischen Fragen der Religionspolitik aus  so lassen sich schon für ein Schreiben des Kaisers an die Synode von Arles aus dem Jahr 314, wie jüngst gezeigt, 47 gedankliche Einüsse der Diuinae institutiones vermuten.48 Eine gewisse Nähe zu Konstantin spiegelt sich auch in der Schrift De mortibus persecutorum ( Über die Todesarten der Verfolger`), zwischen Winter 313/314 und Sommer 316 entstanden, 49 in der Laktanz auf die Verfolgung der Jahre 303 bis 313 zurückblickt und inund sensibilisierte, literarisch gebildete, also höher stehende, pagane, aber prinzipiell für das Christentum oene Leser, die die Grausamkeiten der Christenverfolgung missbilligen. Dass Laktanz sein apologetisches Werk für ein solches Publikum verfasst, ist zudem psychologisch besser verständlich, wenn er selbst erfährt, wie wichtig einerseits für die Christen die Sympathie von Angehörigen der gebildeten Oberschicht ist, und dass es andererseits Heiden gibt, die dem Christentum mit so viel Oenheit gegenübertreten, dass sie ein so umfangreiches Werk auch tatsächlich zu lesen bereit sind  oder dass sie eben einem Christen Unterschlupf gewähren. Kurzum, es ist reizvoll und durchaus schlüssig, sich den hypothetischen Beschützer als den prototypischen Leser der Diuinae institutiones zu denken. 44 Vgl. Hier. vir. ill. 80,3 hic [sc. Lactantius] in extrema senectute magister Caesaris Crispi, lii Constantini, in Gallia fuit. chron. ad 317 p. Chr. Crispus et Constan-

tinus [...] Caesares appellantur. quorum Crispum Lactantius Latinis litteris erudiuit. Heck (Zusätze 158f. Anm. 6) und A. Wlosok, HLL 5 (1989) 379, plädieren

45 46 47 48 49

für die späte Datierung 313/315, weil sie Laktanz bis Mitte 313 in Nikomedien vermuten und Konstantins Itinerar (C. Habicht, Zur Geschichte des Kaisers Konstantin, Hermes 86 [1958] 360378, v.a. 369) ein Berufung nach Gallien zwischen Frühjahr 313 und Sommer 315 nahe legt. Die frühe Datierung der Berufung vertreten insbesondere diejenigen Forscher, die auch einen Weggang des Laktanz aus Nikomedien bereits in den Jahren 305/306 annehmen (in jüngerer Zeit etwa Digeser Lactantius 135; Städele 76f.; Bowen/Garnsey 3), da sich auf diese Weise die Zeit verkürzt, während derer der Aufenthalt des Laktanz unklar ist (siehe oben 11 Anm. 42). Aus dem Alter des Crispus  sein Geburtsjahr ist unbekannt, die Annahmen schwanken zwischen 300 (B. Bleckmann, DNP 3 [1997] 223; Odahl 73) und 305 (Demandt Spätantike 70)  lassen sich keine sinnvollen Schlüsse ziehen: Da die Erziehung eines Prinzen ein Sonderfall ist, wird man keine Kombination der genannten Datierungsvarianten ausscheiden können. Vgl. etwa A. Wlosok, HLL 5 (1989) 379 mit Anm. 5. Vgl. Heck/Schickler 18 Anm. 26. Digeser Dating 3538; Res Publica 6491. Weiteres über den Einuss des Laktanz auf Konstantin beispielsweise bei A. Wlosok, HLL 5 (1989) 379 (mit älterer Literatur); Odahl 134141; 144146; 182189. Terminus ante quem ist die erste kriegerische Auseinandersetzung zwischen Konstantin und Licinius (316, vgl. Bleckmann Licinius 174), nach der die gegenüber Licinius freundliche oder wenigstens neutrale Tendenz der Schrift nicht mehr denkbar wäre, vgl. A. Wlosok, HLL 5 (1989) 397; ihr folgt Städele (75).

Biographischer und historischer Rahmen

13

besondere das Ende der christenfeindlichen Herrscher aus jener Zeit, aber in kurzer Zusammenfassung auch aus früheren Phasen der Christenverfolgung, darstellt. In die letzte Schaensphase des Laktanz gehören die Schrift De ira dei ( Über den Zorn Gottes`),50 in der er die theologische Notwendigkeit des Gotteszornes darlegt, und die Epitome diuinarum institutionum ( Kurzfassung der göttlichen Unterweisungen`), 51 eine Überarbeitung und Zusammenfassung (etwa 100 moderne Druckseiten) 52 des Hauptwerkes. Schlieÿlich unternimmt Laktanz auch eine Neuauage der Diuinae institutiones, die er insbesondere um Zusätze, die den Ursprung des Bösen dualistisch erklären, und um Widmungsanreden an Kaiser Konstantin ergänzt. Das siebte Buch erweitert Laktanz um einen dualistischen Zusatz (nach 5,27)53 und eine groÿe Kaiseranrede (nach 26,10 54 ). Zwar hat man jüngst wieder die Frühdatierung dieser Bearbeitung ins Jahr 313 vorgeschlagen,55 doch weisen die politischen Verhältnisse eindeutig ins Jahr 324:56 Zum Zeitpunkt der ersten groÿen Kaiseranrede im ersten Buch (1,1,1316) bendet sich Konstantin im Krieg mit seinem ehemaligen Mitherrscher Licinius, der auch wieder christenfeindliche Maÿnahmen ergrien hat. Die zweite groÿe Kaiseranrede im siebten Buch (26,1117) hingegen gehört in die Zeit nach Konstantins Sieg im September 324. Dass Laktanz keine einheitliche Überarbeitung mehr abschlieÿen kann, deutet auf seinen baldigen Tod hin, der somit ans Ende des Jahres 324 oder ins Jahr 325 zu datieren ist.57

50 Auÿer mehrfachen Rückbezügen auf die Diuinae institutiones (ira 2,4.6 etc.) fehlen Kriterien zur zeitlichen Einordnung. Ingremeaus (Colère 2536) inhaltliche Erwägungen machen aber eine Spätdatierung (315 bis 320 oder später), vielleicht auch nach der Epitome, wahrscheinlich. 51 Zur Datierung (Plan zum Werk zwischen 315 und 320) Heck/Schickler 18f. 52 Vgl. Heck/Schickler 3037 mit weiterer Literatur. 53 Siehe unten zu 5,27 add. 117. 54 In den Handschriften ist die Kaiseranrede nach 27,2 überliefert, doch gehört sie hinter 26,10, siehe unten 592. 55 Digeser Dating 4450; Lactantius 134; dazu aber unten 594 Anm. 21 und 598 Anm. 41. 56 Siehe unten 593. 57 Überzeugend Heck Zusätze 169f. Anm. 10.

Das siebte Buch im Rahmen der Diuinae institutiones Der Werktitel institutiones ist von Rechtslehrbüchern entlehnt, hat aber auch eine Entsprechung in Quintilians Rhetoriklehrwerk Institutio oratoria, und drückt den Anspruch auf eine umfassende Unterweisung` aus, der Zusatz diuinae ( göttliche`) deutet sowohl den Themenbereich an als auch die Autorität, auf die sich die Ausführungen stützen. 1 In den Büchern 1 bis 3 steht die Widerlegung der paganen Religiosität und Philosophie im Mittelpunkt, in den Büchern 4 bis 7 dann die Darlegung der christlichen Lehre. Dabei beinhalten Buch 4 (rückblickend) und Buch 7 (vorausblickend) Fragen der Soteriologie, 5 und 6 Fragen der gegenwärtigen Ethik. 2 Der Inhalt des Gesamtwerkes lässt sich folgendermaÿen wiedergeben: Im ersten Buch (de falsa religione 3 ) widerlegt Laktanz die paganen Gottesvorstellungen. Zunächst aber beschreibt er die Intention des Werkes, nämlich nach dem Scheitern paganer Wahrheitssuche die Leser zur wahren Weisheit und wahren Religion zu führen und die Wahrheit zu verteidigen (Kapitel 1). Nachdem er die Notwendigkeit der Vorsehung knapp dargelegt hat (2), führt Laktanz rationale Argumente (3) und Belege (47) für den Monotheismus an. Dann weist er den menschlichen Charakter der paganen Götter auf (811) und bietet eine euhemeristische Erklärung (1219) für deren Verehrung. Schlieÿlich (2023) wendet sich Laktanz gegen die spezisch römischen Gottesvorstellungen und Kultformen. Als Ziel des zweiten Buches (de origine erroris ) nennt Laktanz, den Irrtum im paganen Kult darzulegen, nämlich die Ausrichtung des Menschen auf das Irdische (1). So lägen der Idolatrie, also der unnötigen Furcht vor Götterbildern, die doch von Menschenhand geschaen seien (24), und dem Pantheismus (5) falsche Auslegungen von Naturerscheinungen (6) und Sinnestäuschungen (7) zugrunde. Seine Erläuterung, wie es zum Abfall von Gott gekommen sei, beginnt Laktanz bei der Erschaung der Welt und des Menschen, die er dualistisch deutet: Ein von Gott stammender Geist sei aus freiem Willen von diesem abgefallen, ehe noch Gott aus dem Nichts die Materie (8), das Weltgebäude und, aus den antagonistischen

Wlosok

1 Laktanz erklärt den Titel institutiones 1,1,12 aus der Anlehnung an Rechtslehrbücher (vgl. A. , HLL 5 [1989] 390). Dabei bezeichnet institutio die umfassende Darstellung` und die Unterweisung`, diuinus ( göttlich`) lässt sich dabei sowohl als Themenangabe als auch Hinweis auf die Autorität verstehen, auf der die Unterweisung beruht (vgl. etwa 14f.). Weitere Konnotationen arbeitet (II 493500) heraus, vgl. Selbstverständnis 218f. mit Anm. 59. 2 Vgl. die Aufbauanalysen Zusätze 148; A. , HLL 5 (1989) 386390; Composition. 3 Die Buchtitel stammen von Laktanz, siehe unten 201.

Winger Ingremeau

Heck/Schickler Heck Heck Wlosok

Das siebte Buch im Rahmen der Diuinae institutiones

15

Grundelementen Feuer und Wasser, das Leben (9), schlieÿlich den Menschen erschaen habe (10). Nachdem Laktanz den Schöpfungsakt Gottes in Auseinandersetzung mit dem Epikureismus und durch Belege bekräftigt hat (11), erläutert er den Dualismus des Menschen, der aus einer himmlischen Seele, die dem Bereich Gottes zugehört, und einem irdischem Körper besteht, der dem Teufel zugeordnet ist; durch den Sündenfall sei der solchermaÿen ausgestattete Mensch aus dem Paradies vertrieben worden und der Unsterblichkeit verlustig gegangen, die er aber wieder erlangen könne (12). Dann schildert Laktanz die Ausbreitung der Menschen, also die Urgeschichte von der Sintut bis zum Ursprung des paganen Kultes (13). Eigentlich zum Schutz der zahlreicher werdenden Menschen habe Gott Engel gesandt; ein Teil von diesen sei aber von ihm abgefallen und zu Dämonen geworden, deren Existenz auch pagane Zeugnisse belegten (14). Die Dämonen seien gegen die wahren Gottesverehrer zwar machtlos (15), hätten aber durch Manipulation divinatorischer Praktiken und Scheinwunder die Menschen zur Idolatrie verleitet (16). Gott lasse dies zu, um die Standhaftigkeit der Menschen zu prüfen; schlieÿlich wiederholt Laktanz die Irrtümer des Götzendienstes (17), ruft zur Abkehr davon auf (18) und leitet zur Auseinandersetzung mit der paganen Philosophie im dritten Buch über (19). Am Beginn des dritten Buchs ( de falsa sapientia ) steht nach einem Proömium über das Verhältnis von Wahrheit und Redekunst (1) die grundsätzliche Abrechnung mit der paganen Philosophie, die nicht mit Weisheit gleichzusetzen sei (2) und deren Scheitern sich in ihren widersprüchlichen Aussagen zeige (47). Dies konkretisiert Laktanz dann anhand der unterschiedlichen Auassungen vom höchsten Gut (8). Diesen gegenüber entwickelt er seine christliche Lehre: Der Mensch sei dazu bestimmt, Gott zu erkennen (9), zu verehren (10f.) und so das höchste Gut, die Unsterblichkeit, zu erlangen (12). Vor diesem Hintergrund zeigt Laktanz dann die einzelnen Irrtümer der römischen (1416) und der griechischen Philosophen auf, zunächst nach Schulen (1722), dann anhand bestimmter Lehren (23f.). Schlieÿlich stellt Laktanz der elitären paganen Philosophie (25) Gott als für alle zugängliche Quelle der Weisheit gegenüber (26) und ruft angesichts des Scheiterns der Philosophen (2729) zur Gotteserkenntis als wahrer Weisheit auf (30). Im vierten Buch (de uera sapientia et religione ) entwickelt Laktanz nach einer Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse (14) und methodischen Vorbemerkungen (5) die Christologie: Gott habe durch sein Wort einen unvergänglichen Geist gezeugt, der in Jesus Mensch geworden sei (69), um vor dem Ende der Zeiten zu den Menschen gesandt zu werden (10f.). Dann gibt Laktanz einen mit Belegen aus dem Alten Testament und der Orakelliteratur untermauerten Überblick über das Wirken Jesu,

16

Einleitung

das heiÿt über Menschwerdung (12f.), Sendung durch den Vater (14), öffentliches Auftreten (15), Leiden (1618), Tod, Auferstehung (19f.) und Himmelfahrt (21). Der Gottessohn habe Mensch werden müssen, um als glaubhafter Lehrer der Tugend (2224) den Weg zur Unsterblichkeit zu zeigen (25), insbesondere durch seinen Tod am Kreuz (26f.). Die wahre Religion (28) bestehe also in der Verehrung des einen Gottes in Vater und Sohn (29) innerhalb der Gemeinschaft der Kirche (30). Gegenstand des fünften Buches ( de iustitia ) ist die Frage nach der Ungerechtigkeit, die den Christen in der Verfolgung widerfährt, und der wahren Gerechtigkeit. In einem ausführlichen Proömium erläutert Laktanz zunächst Anlass und Zielsetzung seiner Apologetik, nämlich, unter dem Eindruck des Auftritts zweier die Verfolgung begründenden Propagandisten die antichristliche Polemik ein für allemal zu widerlegen (14). Dann wendet er sich systematisch dem Thema der Gerechtigkeit zu: Mit dem Abfall von der Verehrung des wahren Gottes sei die Gerechtigkeit weithin verloren gegangen (5f.). Dennoch könne und müsse sie durch die Verehrung des wahren Gottes erstrebt werden (7f.). Die gegenwärtigen Verfolger gingen aus Angst vor Bloÿstellung in verwericher Grausamkeit gegen die Christen vor (911). Diese aber hielten beständig an Wahrheit und Gerechtigkeit fest (12f.). Denn wahre Gerechtigkeit bestehe in Frömmigkeit und Gleichheit (14) und sei im Christentum verwirklicht (15). Es zeuge auch nicht etwa von Dummheit, uneigennützig Gerechtigkeit zu üben (16f.), vielmehr werde nach dem Tod Gerechtigkeit belohnt und Ungerechtigkeit bestraft (18). Schlieÿlich polemisiert Laktanz gegen die Verfolger, die hinrichteten und folterten, statt zu argumentieren (19), und verblendet meinten, damit Gutes zu bewirken (20). Gott lasse zur Stärkung der Tugend die Verfolgungen zu (21), durch die sich die Zahl der Christen nur mehre (22), werde aber an den Christenfeinden Rache nehmen (23). Im sechsten Buch (de uero cultu ) entfaltet Laktanz die ethischen Forderungen des Christentums, in deren Erfüllung die wahre Gottesverehrung bestehe (1f.). Zugrunde legt Laktanz eine christliche Deutung der Zwei WegeLehre (3f.) und eine Denition der Tugend als rechte Verehrung Gottes (5f.). Der rechte Weg, der allein zum ewigen Leben führe und sich nicht am Irdischen, sondern am Himmlischen orientierte (7f.), setze Erkenntnis Gottes (9), Menschlichkeit (10), Barmherzigkeit (11f.) und aufrichtige Buÿe (13) voraus. Es folgen eine christliche Aektenlehre, in der Laktanz die Heilsnotwendigkeit der Gemütsregungen, zu denen auch die Tugend gehöre, begründet (1419), und eine Warnung vor den einzelnen Sinnesvergnügungen (2023). Schlieÿlich fasst er zusammen, was wahre Gottesverehrung ausmache (24f.). Im siebten Buch (de uita beata ) entwickelt Laktanz zunächst einen umfassenden Sinnentwurf für die Existenz des Menschen, der zur Erlangung

Das siebte Buch im Rahmen der Diuinae institutiones

17

der ewigen Seligkeit erschaen sei (17). Dann begründet er die Unsterblichkeit der Seele (813). Im dritten Hauptteil stellt Laktanz die Ereignisse der Endzeit dar: Nach Erläuterungen zum chiliastischen Schema (14) beschreibt er die Endzeitwehen (15f.), das Auftreten des Antichrist und seine Niederwerfung durch den wiederkehrenden Christus (1719). Auf erste Auferstehung und Gericht (20), ausführlich erläutert wird (2123), folge das Tausendjährige Gottesreich (24). Nach einer Zwischenbemerkung über Quellen und Datierung des Geschilderten (25) fügt Laktanz die endgültige Niederwerfung des Teufels, die Vollendung der Welt und die zweite Auferstehung zur ewigen Strafe an (26). Am Ende steht ein paränetischer Epilog, der zum Tugendkampf auordert (27). In der Einleitung des siebten Buches entwickelt Laktanz das Bild eines Lehrgebäudes, dessen Schmuck und Dach der letzte Teil des Werkes nun darstelle (vgl. 1,1f.).4 Tatsächlich laufen die Diuinae institutiones in zentralen Gedankenlinien (Anthropologie, Ethik, Christologie, Heilsgeschichte, Kosmologie und Auseinandersetzung mit der paganen Philosophie) auf die Ausführungen des siebten Buches hinaus:

(1) Anthropologie: Die ewige Seligkeit ist Daseinszweck des Menschen. Titelthema des siebten Buches ist die uita beata, also die ewige Seligkeit

des Menschen.5 Sie wird in den drei Hauptteilen des Buches unter verschiedenen Gesichtspunkten behandelt: Zunächst ordnet Laktanz die ewige Seligkeit als Ziel der menschlichen Existenz in einen geschlossenen christlichen Sinnentwurf ein (4,1  6,1), dann begründet er ihre Möglichkeit durch den Beweisgang für die Unsterblichkeit der Seele (8,1  13,11), schlieÿlich erörtert er Zeitpunkt und Weise ihrer Erlangung (14,1  26,7). Zugleich ist die ewige Seligkeit als Ziel des menschlichen Daseins ein Leitmotiv des Gesamtwerkes: Schon im programmatischen Vorausblick auf die Diuinae institutiones am Ende des Werkes De opicio dei kündigt Laktanz an, dass die Gesamtdarstellung auf die uita beata hinauslaufen werde.6 In grundlegenden anthropologischen Ausführungen des zweiten Buchs beschreibt Laktanz den Menschen als Doppelwesen aus Leib und Seele, wobei der Leib auf das Irdische und Vergängliche, die Seele auf das ewige Leben 4 Die Bedeutung dieses Bildes für das Verständnis der Diuinae institutiones als composition architecturale (so der Titel ihres überaus erhellenden Beitrags) und die Tatsache, dass das siebte Buch die wesentlichen Gedanken des Gesamtwerkes abschlieÿend aufgreift, arbeitet auch Ingremeau (Composition 35f.) heraus. 5 Zur Bedeutung des Buchtitels siehe unten 201. 6 Vgl. opif. 20,1f. [...] quibus [gemeint sind die Ausführungen in opif.] contentus esse

debebis plura et meliora lecturus, si nobis indulgentia caelitus uenerit. tunc ego te ad uerae philosophiae doctrinam et planius et uerius cohortabor. statui enim quam multa potero litteris tradere quae ad beatae uitae statum spectent, et quidem contra philosophos, quoniam sunt ad turbandam ueritatem perniciosi et graues.

18

Einleitung

ausgerichtet sei.7 Im dritten Buch erweist Laktanz in der Auseinandersetzung mit der paganen Philosophie die Unsterblichkeit als das höchste Gut.8 Gemäÿ der christlichen ZweiWegeLehre des sechsten Buches führt der Weg der Tugend den Gerechten zum ewigen Leben. 9 Überhaupt ist die Ausrichtung des Menschen auf die Verehrung Gottes und auf das dadurch zu erlangende ewige Leben bei Gott der Grundgedanke in der rectus status Anthropologie des Laktanz, in deren Rahmen die Orientierung des Menschen auf das Göttliche aus dem aufrechten Stand (rectus status ) des Menschen abgeleitet wird. 10 Diese teleologische Deutung der menschlichen Existenz ndet ihre Abrundung im siebten Buch. 11 (2) Ethik: Gott bestraft nach dem Tod den Sünder und belohnt den Gerechten.

Im siebten Buch erläutert Laktanz Lohn und Strafe nach dem Tod: In der Beweisführung für die Unsterblichkeit der Seele (8,1  13,11) und den Erläuterungen über Auferstehung, Gericht und ewige Strafe (20,1  23,5) begründet er die Möglichkeit dazu. Wie sich Belohnung und Bestrafung vollziehen, konkretisiert Laktanz in der Darstellung vom Tausendjährigen Gottesreich (24,115), in dem die Gerechten mit Christus herrschen, und von der endgültigen Verwandlung der Welt (26,57), mit der die ewige Bestrafung der Frevler einhergeht. Dass Gott nach dem Tod belohnt und bestraft, ist Grundlage für die Ethik des Laktanz,12 wie er in der Einleitung des siebten Buchs auch sagt (1,3f.). So führt Laktanz beispielsweise im zweiten Buch aus, dass Gott die Verführung der Menschen durch die Dämonen geschehen lasse, damit es zu einem Widerstreit von Tugend und Laster komme, in dem sich der Mensch bewähren könne  und wie er sich bewähre, werde im Gericht nach dem Tod beurteilt, bis dahin schiebe Gott sein Eingreifen auf. 13 Im dritten Buch moniert Laktanz, dass in der paganen Ethik der Aspekt von 7 2,12,7 ex rebus ergo diuersis ac repugnantibus homo factus est sicut ipse mundus ex

luce ac tenebris, ex uita et morte: quae duo inter se pugnare in homine praecepit, ut si anima superauerit quae oritur ex deo, sit immortalis et in perpetua luce uersetur, si autem corpus uicerit animam dicionique subiecerit, sit in tenebris sempiternis et in morte. Anschlieÿend (2,12,8f.) führt Laktanz dann die Unterscheidung zwischen

8 9 10 11 12 13

erstem Tod (des Leibes) und zweitem Tod (der Seele des Frevlers, die der ewigen Strafe anheim fällt) ein, die er 10,911 nochmals aufgreift. 3,12,136; vgl. auch die Auseinandersetzung mit den falschen Lehren von der Glückseligkeit. Vgl. v.a. 6,3,10; 6,7,9. Zur rectus status Anthropologie des Laktanz siehe unten 270f. Insbesondere 5,1  6,1, zur Bedeutung vgl. Gnosis 17. Zur Terminologie des Lohns` siehe unten zu 1,3 praemium beatitudinis perpetuae. Vgl. 2,17,1f. Dicet aliquis cur ergo deus haec eri patitur nec tam malis succurrit

Wlosok

erroribus ?` ut mala cum bonis pugnent, ut uitia sint aduersa uirtutibus, ut habeat alios quos puniat, alios quos honoret. ultimis enim temporibus statuit de uiuis ac mortuis iudicare; de quo iudicio mihi erit in ultimo libro disputatio.

Das siebte Buch im Rahmen der Diuinae institutiones

19

Lohn und Strafe im Jenseits fehle, der allein die Forderung nach Tugend sinnvoll begründen könne (3,27,11). Im vierten Buch kündigt Laktanz die ewige Strafe für die Philosophen an, die Gott nicht erkannt hätten, und für die Götzendiener (4,4,5f.), denn den einzigen Weg zum Lohn der Unsterblichkeit habe der menschgewordene Gottessohn gewiesen, nämlich die Gerechtigkeit in seiner Nachfolge (4,25,110). Dementsprechend bezeichnet Laktanz dann im fünften Buch Lohn und Strafe nach dem Tod als einzig tragfähige Grundlage für die Forderung nach Gerechtigkeit (5,18,1 11). Doch werde das Gericht Gottes auch, so schlieÿt Laktanz das fünfte Buch, die Ungerechtigkeit der Verfolgung ausgleichen: Die Verfolger würden ihre verdiente Strafe, die Christen den Lohn für ihre Leiden erfahren (5,23,15). Und ebenso verweist Laktanz im sechsten Buch bei der Darlegung der ethischen Forderungen, die die wahre Gottesverehrung mit sich bringe, immer wieder auf den jenseitigen Lohn, den Gott demjenigen gewähren werde, der seine Gebote erfülle. 14 (3) Christologie: Christus kehrt wieder und vernichtet das Böse.

Im siebten Buch schildert Laktanz die Wiederkunft Christi, der den Antichrist besiegt (19,26) und mit den Gerechten das Tausendjährige Reich auf Erden begründet (24,115). Damit bekommt nun die zweite Ankunft Christi, von der im vierten Buch im Zusammenhang mit der ersten Ankunft die Rede war, ihren Platz in einem christologischen Heilsgeschehen zugewiesen.15 Auf diese Vervollständigung der Christologie des vierten Buchs weist Laktanz zu Beginn des siebten eigens hin (1,23f.). (4) Heilsgeschichte: Die Welt läuft zu auf das Tausendjährige Reich und die Vollendung.

Die eschatologischen Ereignisse des siebten Buchs ordnet Laktanz in ein festes chiliastisches Schema ein: Die Weltgeschichte bestehe aus einer Weltwoche aus sieben Jahrtausenden, deren letztes dem Sabbat der Schöpfungswoche entspreche und somit eine Epoche des Heils und Friedens darstelle (14,714). Zunächst aber nehme am Ende des sechsten Jahrtausends das Unrecht Überhand (16,114), schlieÿlich trete der Antichrist auf (17,2 11), der dann aber vom wiederkehrenden Christus besiegt werde (19,16).

14 So etwa 6,3,5.11.17; 6,4,1517; 6,11,14.16.20; 6,12,2.41; 6,13,14; 6,18,3; 6,23,38. 15 Vgl. 4,12,21 et idem postea, cum rursus aduenerit in claritate ac potestate, ut om-

nem animam iudicet et iustos restituat ad uitam, tunc uere totius terrae regimen obtinebit: tunc sublato de rebus humanis omni malo aureum saeculum ut poetae uocant, id est iustum ac pacicum tempus orietur. 4,7,8 sed tamen utrolibet nomine rex signicatur, non quod ille regnum hoc terrenum fuerit adeptus, cuius capiendi nondum tempus aduenit, sed quod caeleste ac sempiternum; de quo disseremus in ultimo libro. Die erste Ankunft Christi, also seine Menschwerdung in

Jesus von Nazaret und sein irdisches Wirken, wird im vierten Buch in den Kapiteln 10 bis 21 referiert.  Zur Einbindung der Wiederkunft Christi in die christologische Konzeption des Laktanz Loi Cristologia 238247; 280287.

Einleitung

20

Nach Auferstehung und Gericht (20,15) herrsche dieser mit den Gerechten während des siebten Jahrtausends auf der Erde (24,15). An dessen Ende werde der Teufel nochmals befreit und endgültig besiegt (26,14). Schlieÿlich werde die Welt vollendet und die Frevler ewiger Strafe zugeführt (26,57). Zwar werden der eschatologische Chiliasmus und das Weltwochenschema in den ersten sechs Büchern nicht unmittelbar vorbereitet, doch auch dort schon bietet Laktanz eine umfassende Darstellung der Welt- und Heilsgeschichte:16 Auf der biblischen Darstellung beruhend, reicht sie im zweiten Buch von der Erschaung der Geister und Dämonen (2,8,3f.), der Welt (2,8,8  2,9,15) und des Menschen (2,10,24) über den Sündenfall (2,12,1514) und die Urgeschichte (2,13,113) bis zum Abfall von der Gottesverehrung durch das Wirken der Dämonen (2,14,1  2,16,21), im vierten Buch von der Geschichte des Gottesvolkes Israel (4,10,5  4,11,10) bis zu Menschwerdung (4,12,1f.), Wirken (4,15,131), Tod und Auferstehung (4,16,1  4,20,2) Christi. Das fünfte Buch trägt zu diesem heilsgeschichtlichen Überblick eine Rückschau auf den Abfall von Gott (5,5,1  5,7,2) und eine Analyse der gegenwärtigen Christenverfolgung (5,9,1  5,13,21) bei. Das siebte Buch ergänzt dieses heilsgeschichtliche Gesamtkonzept sowohl systematisch, insofern es das chiliastische Weltwochenschema von 7000 Jahren als Rahmen bietet, als auch inhaltlich, indem es die Darstellung bis zur Vollendung fortsetzt. 17 (5) Kosmologie: Gott hat die endlich Welt im Rahmen seines Heilsplans erschaen.

Das siebte Buch beinhaltet vier Klärungen zur Kosmologie: Erstens hat die Welt einen Anfang und ein Ende (1,610 und 3,1622), zweitens ist die Welt von Gott geschaen, also weder ein Produkt des Zufalls noch mit Gott identisch (3,115), drittens wird die Welt von Gottes Vorsehung gelenkt (3,2325), viertens gehört dazu auch die Existenz des Schädlichen und Schlechten, damit der Mensch seine Weisheit und seine Tugend seiner Bestimmung gemäÿ anwenden kann (4,1119; 5,9). Dabei wiederholt Laktanz kosmologische Aussagen, die er bereits gemacht hat, insbesondere im zweiten Buch.18 Nun aber fügt er diese Einzelaspekte in eine anthropo16 Diesen Aspekt im Werk des Laktanz arbeiten beispielsweise Luneau (229235) und Schwarte ( 163169), besonders deutlich aber Nicholson ( 112168) und Tjulenev (55102 zur vorchristlichen Geschichte, 103120 zu derjenigen seit der Menschwerdung Christi) heraus. 17 Eine unmittelbare Anknüpfung an das siebte Buch ergibt sich 2,12,19, wenn Laktanz davon spricht, dass das durch den Sündenfall verlorene Paradies den Gerechten nach der Auferstehung wieder zugänglich wird. Auch die ewige Bestrafung des Teufels und seiner Dämonen, die Laktanz 2,17,5 ankündigt, wird 26,7 ausgeführt. 18 (1) Endlichkeit der Welt: 2,10,1725 (vgl. 2,10,26

cy

Weltalterlehre

Prophe-

sed haec in ultimo libro pluri-

Das siebte Buch im Rahmen der Diuinae institutiones

21

zentrische Gesamtdeutung ein, die zugleich die Existenz der Welt und ihre Eigenschaft aus einem umfassenden göttlichen Heilsplan erklärt: Die Welt ist auf den Menschen hin endlich erschaen (4,110), der Mensch soll sich darin bewähren und im Tugendkampf das ewige Leben erwerben (4,11  5,27). (6) Auseinandersetzung mit der paganen Philosophie: Nur auf der Basis der christlichen Oenbarung kann die Wahrheit als schlüssiges Ganzes erkannt werden.

Laktanz setzt sich mit der paganen Philosophie im siebten Buch insbesondere in zwei Zusammenhängen auseinander: 19 Zum einen führt er angesichts des umfassenden göttlichen Heilsplanes, den er als eine Art Weltformel darlegt (4,1  6,1) aus: Paganes Denken könne in Ermangelung der göttlichen Oenbarung den umfassenden Sinnentwurf für die Welt nicht erkennen, daher seien selbst richtig erkannte Einzelwahrheiten im Dissens der Schulen und aufgrund des Skeptizismus untergegangen (2,111; 7,113). Zum anderen grenzt Laktanz seinen Beweisgang für die Unsterblichkeit der Seele zunächst von den platonischen Argumenten ab, die er für unzureichend erklärt (8,18), dann wiederholt und vertieft er seine Gedanken in der Auseinandersetzung mit den epikureischen Beweisen für die Sterblichkeit der Seele, wie Lukrez sie wiedergibt (12,130). In beiden Fällen greift Laktanz bereits vorgebrachte Kritikpunkte am paganen Denken abschlieÿend wieder auf: Dass jedes Erkenntnisstreben ohne die Oenbarung zum Scheitern verurteilt ist, sagt Laktanz bereits im Proömium (1,1,6), auch ist dies der Grundtenor der Philosophiekritik im dritten Buch. Im siebten Buch kann Laktanz dies nun angesichts des entfalteten Heilsplans verdeutlichen: Einzelwahrheiten konnte das pagane Denken erfassen, nicht aber den Gesamtsinn, aus dem sich alles erklärt hätte. Und was die Seelenlehre angeht, so verweist Laktanz im dritten Buch darauf, dass die Philosophie von sich aus die unwiderleglichen Beweise für die Unsterblichkeit der Seele nicht nden konnte (3,13,3). Diese trägt er im siebten Buch ebenso nach (9,1  11,10) wie die gleichfalls im dritten Buch angekündigte (3,17,34) endgültige Widerlegung der epikureischen Argumente für die Sterblichkeit der Seele (12,130).

bus: nunc ad hominis originem recurramus.). (2) Göttliche Erschaung der Welt:

19

2,8,8  2,10,3, gegen Pantheismus: 2,5,142, gegen Materialismus: 2,10,16  2,11,14. (3) Existenz der Vorsehung: 1,2,16; 2,8,712. (4) Existenz von Gut und Böse: 2,8,18 (Existenz des malum ); 2,9,48.1619 (kosmologischer Dualismus), 2,12,1 14 (anthropologischer Dualismus). Hinzu kommen zum Teil kritisch diskutierte Belege aus dem paganen philosophischen Denken (20,8; 23,5 etc.), wie es der durchgängigen Praxis im Gesamtwerk entspricht.

Inhalt

Gliederungsübersicht ERSTER HAUPTTEIL: Gottes Heilsplan (Kapitel 17) I. Hinführung: die Implikationen des Themas

uita beata

(Kapitel 1)

1. das Thema ewige Seligkeit und seine Bedeutung im Gesamtwerk (1,15) 2. die Endlichkeit der Welt als kosmologische Grundlage, die aber von der paganen Philosophie groÿenteils nicht erkannt wurde (1,611) 3. die Schwierigkeit des Tugendwegs, der zur ewigen Seligkeit führt, für Wohlhabende und Mächtige (1,1222) 4. die Wiederkunft Christi als christologischer Aspekt des Buchthemas (1,23 26) II. Die Irrtümer der Philosophie in den grundlegenden Weltfragen (Kapitel 2f.) 1. das Scheitern der Philosophie aufgrund der Unfähigkeit des unvollkommenen Menschen, von sich aus Gott und dessen Werke zu verstehen (2,111) 2. die Irrtümer und Unzulänglichkeiten der wichtigsten Schulen (3,126) (a) der Pantheismus bei den Stoikern (3,111) (b) die Unfähigkeit der Stoiker und Platons, die Ausrichtung der Welt auf den Menschen zu begründen (3,1215) (c) die Annahme einer anfangslosen Welt bei Platon und Aristoteles (3,1622) (d) die Leugnung von Teleologie und Vorsehung bei Demokrit und Epikur (3,2126) III. Die christliche Sinndeutung für das Dasein der Welt und des Menschen (Kapitel 46) 1. Einleitung: die Frage nach dem Sinn des menschlichen Daseins; die Ausrichtung der Welt auf den Menschen als Ausgangspunkt einer Antwort (4,13) 2. Daseinszweck der Schöpfung: Nutzen für den Menschen, der an ihrer Spitze steht (4,419) (a) die Nützlichkeit als Grundprinzip schöpferischen Handelns (4,46) (b) der Mensch als einziger Nutznieÿer der Schöpfung (4,710) (c) die Sonderstellung des Menschen aufgrund seiner Weisheit, die ihn zur Unterscheidung zwischen Nützlichem und Schädlichem befähigt (4,1115) (d) die Ausrichtung der Welt auf Bewunderung und Nutzung durch den Menschen (4,1619) 3. Daseinszweck des Menschen: Erlangung der Unsterblichkeit (5,127) (a) zusammenfassende Antwort auf die Sinnfrage: der Mensch soll Gott erkennen und verehren (5,16)

Inhalt

23

(b) vertiefte Antwort auf die Sinnfrage: der Mensch ist von Gott dazu geschaen, sich in der Welt, konfrontiert mit Gutem und Bösem, im mühsamen Tugendkampf zu bewähren und als Lohn die ewige Seligkeit in der Gemeinschaft mit Gott zu erlangen (5,927)

4.

dualistischer Zusatz: Rechtfertigung der Existenz des Bösen als notwendiges Korrelat zum Guten (5,27 add. 117) (a) die Existenz des Bösen als Voraussetzung für die Existenz des Guten und der Tugend (5,27 add. 16) (b) die Nichtexistenz des Bösen vor dem Sündenfall und nach der Vollendung (5,27 add. 712) (c) die Notwendigkeit der Mittelstellung des Menschen zwischen Gutem und Bösem (5,27 add. 1317)

5. Zusammenfassung der christlichen Kernaussage über den Daseinszweck des Menschen (6,12) 6. Vertiefung in Auseinandersetzung mit Positionen, die von diesem Sinnentwurf abweichen (6,39) IV. Möglichkeiten und Grenzen philosophischer Erkenntnis (Kapitel 7) 1. die Unfähigkeit der paganen Philosophen, erkannte Einzelwahrheiten zu einem Gesamtbild zusammenzufügen (7,17) 2. Beispiele für richtig erkannte, doch von anderen Philosophen bestrittene Einzelwahrheiten (7,814)

ZWEITER HAUPTTEIL: Die Unsterblichkeit der Seele (Kapitel 813) I. Mangelnde Überzeugungskraft von Platons Beweisen für die Unsterblichkeit der Seele (Kapitel 8) 1. Einleitung: die Unsterblichkeit der Seele (8,1) 2. die Unzulänglichkeit der platonischen Beweise (8,2f.) 3. Referat der platonischen Beweise (8,46) II. Christliche Argumente für die Unsterblichkeit der Seele (Kapitel 911) 1. Ankündigung eigener Beweise (9,1) 2. Analogie zwischen Seele und Gott (9,29) (a) theologische Grundlage: keine sinnliche Erkennbarkeit Gottes (9,24) (b) Polemik gegen die Atheisten, die nichtsinnliche Erkenntnis leugnen (9,5f.) (c) Übertragung auf die Seele: unkörperliche und sinnlich nicht wahrnehmbare Existenz wie die eines Gottes (9,79) 3. die Fähigkeiten des Menschen als Zeichen seiner Ausrichtung auf Transzendenz und Ewigkeit (9,1018) (a) die Fähigkeit des Menschen zur Gotteserkenntnis (9,1012) (b) die Fähigkeit des Menschen zum Umgang mit dem himmlischen Element Feuer (9,13f.) (c) die Fähigkeit des Menschen zu sittlichem Verhalten um eines höheren Gutes willen und trotz Nachteilen (9,1518)

24

Einleitung

4. Fundamentalethische Begründungen für die Unsterblichkeit der Seele (10,1  11,4) (a) der Gegensatz von endlichem Laster und auf Dauer ausgerichteter Tugend (10,111) (b) Exkurs: die Umkehrung der irdischen Gegebenheiten bei der Auferstehung (11,14) (c) der Gegensatz zwischen vergänglichem Leib und ewiger Seele (11,5 10) III. Auseinandersetzung mit den bei Lukrez vorgebrachten Argumenten für die Sterblichkeit der Seele (Kapitel 12) 1. Widerlegung der Grundannahme, die Seele löse sich zusammen mit dem Körper auf (12,18) 2. Widerlegung der Gleichsetzung der Seele mit dem Verstand, der Werden und Vergehen unterliegt (12,913) 3. Widerlegung der Annahme, die Seele unterliege dem Einuss körperlicher Faktoren (12,1416) 4. Widerlegung der Annahme, die Seele erfahre Kontrollverlust (12,1719) 5. Widerlegung der Annahme, die Seele sei wie ein ausgerissenes Auge ohne den Körper nicht wahrnehmungsfähig (12,20f.) 6. Widerlegung der Annahme, die Seele sei sterblich, weil sie allmählich aus dem Körper weiche (12,2225) 7. Widerlegung der Annahme, der Mensch empnde im Tode eine Auösung (12,2629) 8. Zusammenfassung der weiteren Argumente bei Lukrez und Würdigung seines Widerspruches gegen die Wiedergeburtslehre des Pythagoras (12,30 32) IV. Testimonien für die Unsterblichkeit der Seele (13,16) 1. die Notwendigkeit, auÿerchristliche Autoritäten anzuführen (13,1f.) 2. Zitate (13,36) (a) Hermes Trismegistos (13,3f.) (b) Orakel des Milesischen Apollon an Polites (13,5f.) V. Abschlieÿende Kritik an Philosophen, die die Unsterblichkeit der Seele leugnen (13,711) 1. gegen die Leugnung der Unsterblichkeit der Seele bei Demokrit, Epikur, Dikaiarch (13,7f.) 2. gegen die Leugnung der Existenz der Seele bei Aristoxenos (13,911) DRITTER HAUPTTEIL: Die Endzeitereignisse (14,1  26,7)

I. Hinführung: die chiliastische Struktur der Weltgeschichte und das Tausendjährige Reich (Kapitel 14) 1. Themenangabe: Zeitpunkt und Umstände für die Erlangung der wahren Unsterblichkeit (14,13)

Inhalt

25

2. der Zeitrahmen von siebentausend Jahren (14,414) (a) die zeitliche Einordnung: noch keine sechstausend Jahre seit Erschaffung der Welt vergangen (14,46) (b) der Zeitrahmen der Weltgeschichte nach den sechs Schöpfungstagen und dem Ruhetag, jeweils tausend Jahren entsprechend (14,714) 3. methodische Bemerkungen zum Vorgehen im Folgenden (14,1517) II. Kriege und Katastrophen am Beginn der Endzeit (Kapitel 15f.) 1. die Präguration der kommenden Endzeitereignisse, die zur Befreiung des Gottesvolkes dienen, im alttestamentlichen Exodusgeschehen (15,16) 2. die den Bedrückern des Gottesvolkes bevorstehenden Plagen: Zerstörung der Staaten durch innere Zwietracht und Kriege ausgehend von Ägypten (15,711a) 3. der bevorstehende Untergang des römischen Staates in diesem Zusammenhang (15,11b19) (a) Ankündigung des Untergangs und der Rückkehr der Herrschaft nach Asien (15,11b) (b) die rationale Zwangsläugkeit dieses Untergangs (15,1217a) (c) prophetische Belege für den kommenden Untergang Roms (15,17b 19) 4. die Ausführung der bevorstehenden Ereignisse im Einzelnen (16,114) (a) Aufteilung der Herrschaft, Machtergreifung durch einen Tyrannen aus dem Norden, Verlegung der Hauptstadt (16,14) (b) Naturkatastrophen und zeichenhafte Veränderungen im Lauf der Gestirne (16,511) (c) Auswirkung auf die Menschen: Verzweiung und Massensterben, das die Heiden stärker betrit als die Gottestreuen (16,1214) III. Das Auftreten des Antichrist und das siegreiche Eingreifen Gottes (Kapitel 1719) 1. das Auftreten des Antichrist (17,111) (a) der Sieg eines falschen Propheten über einen von Gott gesandten Propheten (17,13) (b) die Verfolgung des Gottesvolkes, die Herrschaft des Bösen (17,49) (c) die Vernichtung der Frevler und die Rettung der auf einem Berg belagerten Gerechten durch Gottes Sohn (17,10f.) 2. nichtchristliche Testimonien für diese Rettung (18,18) (a) Hystaspes (18,1f.) (b) Hermes Trismegistos (18,3f.) (c) Sibyllen (18,58) 3. die Wiederkunft Christi (19,19) (a) die Rettung der bedrängten Christen durch den wiederkehrenden Christus (19,13) (b) der Sieg Christi über den Antichrist (19,47) (c) Ruhe und Frieden auf der Erde (19,8f.)

26

Einleitung

IV. Die Auferstehung derer, die Gott erkannt haben, zum Gericht des Gottessohnes (Kapitel 2023) 1. Darstellung und Sibyllenbelege: Auferstehung derjenigen Toten, die Gott erkannt haben, und Gericht über sie (20,16) 2. Erläuterungen zur Bestrafung, Gericht und Auferstehung (20,7  23,5) (a) die Möglichkeit der Bestrafung (20,7  21,5) a) die Leidensfähigkeit auch der unsterblichen Seele (20,7  21,2) b) die Besonderheit von Fleisch und Feuer (21,35) (b) zum Gericht (21,4  22,19) a) die Prüfung durch Feuer (21,6.7a) b) der Zeitpunkt: am Ende der Zeiten, nicht nach dem individuellen Tod (21,7b.8) g) das Gericht in der Darstellung der Dichter (22,119): A. allgemeine Würdigung: Grundwahrheiten in verzerrter Darstellung (22,14) B. Konkretisierung anhand der Unterweltsrichter (22,5f.) C. Konkretisierung anhand der Rückkehr der Seelen nach dem Trinken aus dem Lethestrom (22,719): erster Irrtum: nur tausend Jahre Verbleib (22,7f.) zweiter Irrtum: der Lethestrom (22,8f.) Einschub: Widerlegung des Einwandes, dass noch niemand auferstanden sei: Auferstehung erst bei vollendeter Gerechtigkeit (22,1015) zweiter Irrtum (Fortsetzung): der Lethestrom (22,16f.) dritter Irrtum: erneute Geburt (22,18f.) (c) Testimonien über die Auferstehung des Fleisches (23,15) a) Richtigstellung: keine Metempsychose, wie Pythagoras sie lehrt (23,1f.) b) Chrysipp über die Möglichkeit der Auferstehung (23,3) g) Sibylle über die Möglichkeit der Auferstehung (23,4) d) Belege für Möglichkeit der Auferstehung erübrigen Darstellung der Art und Weise (23,5) V. Die Errichtung der tausendjährigen Gottesherrschaft auf Erden (Kapitel 24) 1. die Regierung des Gottessohnes über die Gerechten, Gefangenschaft des Antichrist, Anwesenheit Gottes auf Erden (24,16) 2. Paradiesischer Zustand der Natur (24,7f.) 3. Deutung als Goldenes Zeitalter, von dem Vergil und die Sibyllen sprechen (24,915) VI. Quellen der Darstellung und Datierung der Endzeitereignisse (Kapitel 25) 1. Verweis auf die Propheten (25,1f.) 2. zur Datierung (25,39) (a) Berechnungen des Zeitpunkts für das Weltende, das in nicht mehr als zweihundert Jahren zu erwarten ist (25,36) (b) das Ende Roms als Zeichen für das Ende der Welt (25,69)

Inhalt

27

VII. Endgültige Vernichtung des Antichrist, Verwandlung der Welt und Endgericht (26,17) 1. der endgültige Sieg Gottes über den zwischenzeitlich befreiten Antichrist (26,14) 2. die Verwandlung der Welt (26,5) 3. die ewige Strafe für die Gottesfeinde (26,6f.)

SCHLUSS (26,8  27,16) 1. die Zurückhaltung der Christen bei öentlicher Verkündigung dieser Lehre als Ursache für Verfolgung (26,810) 2.

die zweite groÿe Kaiseranrede

(26,1117)

(a) die verbesserte Lage der Christen unter Konstantin (26,11) (b) die Taten des von Gott erwählten Konstantin, die zu dieser Verbesserung der Lage geführt haben (26,1214) (c) die Qualitäten Konstantins, aufgrund derer ihn Gott erwählt hat und die ihn noch vor den guten Kaisern der Vergangenheit auszeichnen (26,1517a) (d) Gebet für den Kaiser (26,17b) 3. Epilog (27,116) (a) Auorderung zu Geduld und Tugendhaftigkeit nach Christi Vorbild (27,17) (b) Auorderung zur Verachtung vergänglicher Güter (27,811) (c) die Einladung Gottes (27,1214) (d) Auorderung zum tapferen Kriegsdienst (27,15f.)

28

Einleitung

Aufbau und Gedankenführung Der Aufbau der ersten beiden Hauptteile erscheint insgesamt klar: Nachdem im Einleitungskapitel die Bedeutung des Buchthemas, des glückseligen Lebens` (uita beata ) erläutert worden ist, bildet der Rest des ersten Hauptteils (Kapitel 2 bis 7) zum einen die Grundlage der folgenden Eschatologie, die ein lineares und teleologisches Weltbild voraussetzt, und ordnet dieses umgekehrt in einen göttlichen Heilsplan ein. Der zweite Hauptteil (Kapitel 8 bis 13) hat die Unsterblichkeit der Seele zum Gegenstand. Darin arbeitet Laktanz insbesondere die beiden Aspekte heraus, aufgrund derer die Unsterblichkeit der Seele in seinem Lehrsystem von grundlegender Bedeutung ist: Im Rahmen der dualistischen Anthropologie des Laktanz ist die Seele dem materiellen Körper entgegengesetzt und auf Gott hin orientiert. Und in ethischer Hinsicht ist die Unsterblichkeit der Seele notwendige Voraussetzung für ein Gericht nach dem Tod, das wiederum erst die Forderung nach Tugend und Gerechtigkeit sinnvoll begründen kann. Damit hat Laktanz den Rahmen der christlichen Eschatologie abgesteckt: Mit ausdrücklichem Neuansatz und einleitenden methodischen Erläuterungen (Kapitel 14) beginnt er nun den dritten Hauptteil (14,1  26,7), in dem es um die Geschehnisse am Ende der Zeiten geht. Hier erschlieÿt sich die Gedankenführung nicht sofort; immerhin lässt sich der folgende Ablauf der Endzeitereignisse klar fassen: (1) Endzeitkämpfe, Naturkatastrophen, Massensterben (Kapitel 16): Die Herrschaft wird unter zehn Königen aufgeteilt. Ein mächtiger Feind erobert Asien, besiegt die dortigen Könige, wird von den übrigen als Herrscher anerkannt und errichtet ein unvorstellbar grausames Regiment. Auch die natürlichen Lebensverhältnisse der Menschen verschlechtern sich dramatisch. Es kommt zu massenhaftem Sterben. (2) Auftreten des Antichrist (Kapitel 17): Ein Prophet Gottes tritt auf. Er wird aber von einem König aus Syrien getötet. Dieser König, der Antichrist, gewinnt als falscher Prophet viele Anhänger und beginnt eine grausame Verfolgung derer, die Gott treu bleiben. Diese werden auf einem Berg umzingelt. Da greift Gott ein und schickt den Retter. (3) Wiederkunft Christi, Sieg über den Antichrist (Kapitel 19): Der wiederkehrende Christus ist es, der die Bedrängten rettet. In vier Schlachten besiegt er den Antichrist, nimmt ihn gefangen und führt ihn und seine Verbündeten der Bestrafung zu. (4) Erste Auferstehung zum Gericht (20,1.5f.): Diejenigen werden auferweckt, die Gott erkannt haben. Über sie wird Gericht gehalten. (5) Tausendjähriges Reich (24,18): Christus errichtet ein tausendjähriges Friedensreich auf Erden. Daran Anteil haben die auferweckten und für gerecht befundenen Gläubigen.

29

Inhalt

(6) Endgültiger Sieg, Verwandlung der Welt, zweite Auferstehung (26,1 7): Zum Ende des Tausendjährigen Reichs wird der Dämonenfürst wieder befreit, aber in einem dreitägigen Kampf endgültig besiegt. Die Welt wird verwandelt werden. Die Gerechten dienen auf ewig Gott. Die Ungerechten werden auferweckt und zusammen mit den besiegten Widersachern Gottes ewiger Strafe zugeführt. Diese Abfolge ist stringent, abgesehen von zwei Rückgrien, die sich aber als Mittel der Darstellung erklären lassen: Zum einen scheinen die bereits in Kapitel 15 angekündigten Endzeitkämpfe, in deren Rahmen auch das römische Reich untergeht, identisch zu sein mit denjenigen zu Beginn von Kapitel 16.1 Oensichtlich soll Kapitel 15 die beiden schlimmsten Aspekte, nämlich den Katastrophencharakter der Endzeitereignisse im Allgemeinen und den Untergang Roms im Besonderen, erläuternd vorbereiten, ehe dann das eigentliche Geschehen dargestellt wird. In Kapitel 19 greift die Schilderung zunächst noch einmal hinter den Stand zurück, der eigentlich am Ende von Kapitel 17 bereits erreicht war: Die Gerechten sind wieder auf dem Berg vom Antichrist belagert, wieder kommt der göttliche Retter. 2 Diese Doppelung hebt zum einen den dramatischen Höhepunkt des Endzeitgeschehens heraus, zum anderen können so die Ereignisse zunächst einmal in neutraler, gleichsam historiographischer Terminologie (dämonischer König, göttlicher Retter), dann in christlicheschatologischer (Antichrist, wiederkehrender Christus) wiedergegeben werden. Jedenfalls geht Laktanz von einem festen göttlichen Plan aus, gemäÿ dem sich die Heilsgeschichte hier in die Zukunft fortsetzt. Was dieses Ablaufschema nun ergänzt und teilweise in seiner Stringenz etwas verschwimmen lässt, sind zusätzliche Erläuterungen und Belege: a) Gründe für die Kämpfe und Plagen der Endzeit (15,16): Damit glaubhaft wird, dass sich selbst in Krieg und Chaos Heilsgeschichte verwirklicht, schickt Laktanz eine ausführliche Begründung der Endzeitkämpfe voraus, die er aus einer typologischen Auslegung des alttestamentlichen Exodusgeschehens gewinnt: Wie die Plagen, die Gott über Ägypten brachte, notwendig waren zur Befreiung seines unterdrückten Volkes, so dienen die Endzeitplagen der Errettung der verfolgten Gerechten (15,16). b) Notwendigkeit, dass Rom untergeht (15,1219): Die Ankündigung vom Untergang Roms muss für den paganen Leser schockierend sein. Daher begründet Laktanz dessen Notwendigkeit ausführlich mit rationalen Argumenten und mit Belegen. 3 1 16,15; vgl. Kommentar zu 16,4 immutato nomine 2 Vgl. Kommentar zu 19,1 Oppresso igitur . . . 3 Siehe Kommentar zu 15,1219.

...

30

Einleitung c) Zeugnisse für Gottes Eingreifen und Sendung des Sohnes (18,18): Die Hystaspesapokalypse belegt das Eingreifen Gottes, Hermes Trismegistos das Handeln des Vaters und des Sohnes, die Sibyllenorakel die Sendung des Sohnes durch den Vater zur Rettung der Bedrängten.4 d) Zeugnisse für die Auferstehung (20,24): Eingeschoben in die Darstellung der ersten Auferweckung zum Gericht sind Zeugnisse aus den Sibyllenorakeln, die das Weltgericht belegen. 5 e) Möglichkeit der postmortalen Bestrafung und des Gerichts nach dem Tod sowie der Auferstehung des Fleisches (20,5  23,5): Einen umfangreichen Exkurs widmet Laktanz der Erklärung, wie eine unsterbliche Seele bestraft (20,7  21,5) und gerichtet werde (21,6  22,6) und wie der Glaube an eine leibliche Auferstehung zu rechtfertigen sei (22,7  23,5). Eine wichtige Rolle spielt das Argument, dass auch das pagane Denken, näherhin die pagane Dichtung, die Laktanz durch Vergil repräsentiert sieht, die Schmerzempndung der Seelen, das Gericht über sie und ihre Rückkehr zum Leben kenne. f) Das Tausendjährige Gottesreich auf Erden setzt Laktanz gleich mit der Goldenen Zeit` der paganen Dichter, insbesondere Vergils (24,9 15). g) Abschluss: Datierung des Weltendes, Roms Untergang als Zeichen und Voraussetzung (25,18): Der letzte Einschub gibt sich bereits als eine Art Abschluss der Eschatologie und lässt die folgende Vollendung (26,17) als Nachtrag und das Tausendjährige Reich (Kapitel 24) als Höhepunkt erscheinen. Nochmals verweist Laktanz darauf, dass seine Darstellung den Propheten folge, und geht dann auf die Frage nach dem Datum des Endes ein: In höchstens zweihundert Jahren sei das sechste Millennium vollendet, Voraussetzung für den Anbruch des Endzeitverfalls sei der Untergang der Stadt Rom.

Die Darstellung der Endzeitereignisse (15,1  26,7) hat also zwei unterschiedliche Ebenen: Zum einen schildert Laktanz chronologisch den Ablauf der Ereignisse. In diese lineare Schilderung schiebt er zum anderen Ergänzendes ein, das nur ausnahmsweise zusätzliche theologischsystematische Vertiefung bietet6 und meist durch Vernunftargumente, durch Herleitung aus paganen Vorstellungen und durch Testimonien diejenigen Aspekte begründet und belegt, die dem paganen Leser anstöÿig oder schwer zugänglich erscheinen könnten. Zu diesen besonders erklärungsbedürftigen Aussagen gehören der Untergang Roms, das physische Eingreifen Gottes zur endzeitlichen Rettung, postmortales Gericht und Strafe, Auferstehung des 4 Zur Klimax der Zeugnisse siehe unten Kommentar zu 18,18. 5 Vgl. die Belege 19,2.9; 24,1f. 6 So beispielsweise zu Auferstehungsleib, Straeuer und Gericht, 21,48.

31

Inhalt

Fleisches und das Tausendjährige Gottesreich auf Erden. Das Ineinandergreifen dieser beiden Darstellungsebenen in den Kapiteln 15 bis 26 lässt sich folgendermaÿen veranschaulichen:

Abfolge der Endzeitereignisse:

Erläuterungen, Belege: a) Gründe für die Kämpfe und Plagen der Endzeit (15,16)

0. Ankündigung: Verfall des Zusammenlebens,

Endzeitkämpfe,

Unter-

gang Roms (15,711) b) Notwendigkeit, dass Rom untergeht (15,1219) 1. Endzeitkriege, Tyrann aus dem Norden, Naturkatastrophen, Massensterben (16,114) 2. Auftritt des Antichrist, Verfolgung der Gläubigen (17,111) c) Zeugnisse für Gottes Eingreifen und Sendung des Sohnes (18,18) 3. Wiederkunft Christi, Sieg über den Antichrist (19,19) 4. Erste Auferstehung zum Gericht

d) Zeugnisse für die Auferstehung

(20,1.5f.)

(20,24) e) Möglichkeit der Bestrafung und der Auferstehung des Fleisches, Belege aus paganer Philosophie und Dichtung (20,5  23,5)

5. Tausendjähriges Reich (24,18) f ) Tausendjähriges Reich gleichgesetzt mit dem Goldenen Zeitalter der paganen Dichtung (24,915) g) Abschluss: Datierung des Weltendes, Roms Untergang als Zeichen und Voraussetzung (25,18) 6. Endgültiger Sieg, Verwandlung der Welt, zweite Auferstehung (26,17)

Laktanz will also eine umfassende und systematische Darstellung der christlichen Eschatologie geben, doch richtet er diese ganz auf seine paganen Leser aus.7 Und das zeigt sich nicht nur in den gegebenen Erläuterungen, sondern gerade auch in der Ausgestaltung des Endzeitgeschehens mit 7 Richtig gesehen etwa von S. Prete, La escatologia e parenesi negli scrittori cristiani latini, Bologna 1966, 102; Fàbrega 126133; Perrin . Unangemessen

Mort

Einleitung

32

seinen phantastisch anmutenden Elementen wie der Bedrängnis der Gerechten auf dem Berg, der Wiederkunft Christi mit dem Engelheer oder dem Tausendjährigen Gottesreich. Denn durch einzelne Glättungen und eine geschickte Dramaturgie bietet die Eschatologie bei Laktanz, wie Liebeschuetz (262) treend bemerkt hat, eine Art Schlussmythos, wie ihn das pagane Publikum von Platon, aber auch vom Somnium Scipionis in Ciceros De re publica her kennt. Nach dem eschatologischen dritten Hauptteil kommt Laktanz auf die gegenwärtige Bedrängnis der Christen zu sprechen (26,8  27,16), die somit in Kontrast mit der endzeitlichen Strafe für die Gottesfeinde und dem Lohn für die Gerechten steht. Zunächst erläutert Laktanz, dass der Schutz des göttlichen Geheimnisses die Christen daran hindere, sich einer öentlichen Diskussion zu stellen, wodurch es auch zu den Gräuelmärchen über sie komme (26,810). An dieses Stichwort schlieÿt sich in der zweiten Auflage die Kaiseranrede an (26,1117). Der Epilog (27,116) ist protreptisch gestaltet: Laktanz ermutigt die paganen Leser, den entbehrungsreichen Weg der Gerechtigkeit zu wählen, und stärkt zugleich seine Mitchristen, diesen Weg tapfer und unbeirrt weiterzugehen. Das Werk endet mit einer Paränese zur Martyriumsbereitschaft (27,16f.).

Wojtczak

hingegen ist die Kritik von (Koncepcje 618f.): Laktanz erläutere zunächst ausführlich die Leidensfähigkeit der Seele (20,7  21,3), um dann doch von der leiblichen Auferstehung zu sprechen (23,15, 611f.). Es fehle ein Gericht nach der zweiten Auferstehung (614), das Schicksal der von der ersten Auferstehung Ausgeschlossenen sei unklar (615), es sei unklar, wohin das 21,4f. geschilderte Feuer gehöre (616).  Tatsächlich ist die Schilderung für einen paganen Leser in allen wesentlichen Punkten schlüssig (vgl. auch die systematisierende Zusammenschau 584611): Die Toten werden auferweckt zum Gericht (20,5f.), die Verdammten leiden im ewigen Feuer (21,4f.), die Gerechten leben mit Christus im Tausendjährigen Reich (24,16). Dass Laktanz sich nicht über den Auferstehungsleib der Verdammten äuÿert, was zu vermissen scheint, ist mit der Ausrichtung auf die Leser erklärlich. Dass ein zweites Gericht nicht nötig ist, da niemand darin mehr für gerecht befunden werden könnte, ergibt sich aus seiner Verknüpfung unterschiedlicher Traditionen (20,5f.), siehe auch unten 47 mit Anm. 25.

Atzberger

Wojtczak

Die Quellen des siebten Buches

Vorbemerkung: Zum Gebrauch der testimonia bei Laktanz Laktanz selbst macht zwar keine prinzipiellen Angaben über seine tatsächlichen Quellen, wohl aber über die Autoritäten, die er als Belege für die christliche Lehre heranzieht. Dabei unterscheidet er drei Arten von Zeugnissen, nämlich erstens die Bibel ( prophetae oder diuinae litterae 1 ),

zweitens Zeugnisse von Dichtern und Philosophen ( testimonia humana 2 ) und drittens Belege aus nichtchristlicher Orakelliteratur ( testimonia diui3 4 na ). Auch im siebten Buch gibt Laktanz Auskunft über sein Vorgehen: Im Einleitungskapitel kündigt er an, er werde in gewohnter Weise mit Belegen aus der nichtchristlichen Orakelliteratur und mit Vernunftgründen argumentieren.5 In den ersten beiden Teilen des siebten Buchs stehen die testimonia humana im Mittelpunkt: So fasst Laktanz am Ende der Dar-

stellung des christlichen Heilsplans die Ansichten der paganen Philosophen zusammen und stellt wahre Aussagen und Irrtümer gegenüber (7,813). Bei der Begründung der Unsterblichkeit der Seele geht er von Platons Argumenten aus (8,26) und setzt sich, nachdem er seine eigenen präsentiert hat, mit den epikureischen Beweisen für die Sterblichkeit der Seele auseinander (12,130), darauf folgt eine Sammlung von testimonia diuina (13,16). Absicht dieser Zusammenstellung sei es, mit Rücksicht auf

die paganen Leser Aussagen nichtchristlicher religiöser Autoritäten ins Feld zu führen, die in der Sache mit der biblischen Lehre übereinstimmten (13,1f.). Seine Praxis erläutert Laktanz noch einmal vor Beginn der Darstellung der Endzeitereignisse (14,1517): Sachliche Quelle sei die Bibel ( diuinae litterae, 14,15). Darin, dass das Ende nahe sei, stimmten die weltlichen

1 Zu diesen Bezeichnungen siehe unten zu 1,6 prophetis und zu 7,9 diuinae litterae docent. 2 Vgl. etwa 2,11,18; 5,4,6; 5,14,2. 3 Vgl. 1,6,1; 2,11,18; 3,1,12; 3,17,34; 5,4,6; 5,14,2; 5,19,10; 6,14,1; epit. 65,6; ira 22,2. Im ersten Buch, wo er nach den dort nicht so bezeichneten testimonia humana (1,5,128; vgl. Bender 2054; 181206) die testimonia diuina einführt, nennt Laktanz drei Beispiele: die Schriften aus dem Corpus Hermeticum (1,6,25), die Sibyllenorakel (1,6,617) und die Apollorakel (1,7,112). Zur Denition der testimonia diuina in der Rhetorik vgl. Cic. part. 6 Cicero: Testimoniorum quae genera sunt? Pater: Diuinum et humanum; diuinum est ut oracula auspicia, ut uaticinationes et responsa sacerdotum aruspicum coniectorum. top. 77; Quint. inst. 5,7,35; 5,11,42. 4 Systematisch entfaltet ist diese Unterscheidung vor allem im ersten Buch, wo Laktanz nach einer Praeteritio der biblischen Belege (1,5,1) die Zeugnisse für den Monotheismus aus Dichtern und Philosophen anführt (1,5,228) und dann ausdrücklich zu den testimonia diuina übergeht (1,6,1). 5 Die Rede ist von testimonia diuinarum litterarum (1,5); zur Gleichsetzung mit den testimonia diuina siehe unten zu 1,5 diuinarum litterarum.

34

Einleitung

Propheten` (saeculares prophetae )  also diejenigen, auf die die (nicht christlichen) testimonia diuina zurückgehen  mit den himmlischen Propheten` (caelestes prophetae )  also der Heiligen Schrift 6  überein (14,16). Im Folgenden sei zusammengestellt ( collecta ex omnibus et coaceruata ), was die Bibel (prophetae ) und die paganen testimonia diuina (uates, Seher`) über das Weltende sagten. Dahinter steht das Postulat, dass die testimonia diuina in ihren wesentlichen eschatologischen Grundaussagen  oder so weit sie eben herangezogen werden  mit biblischer Lehre in Einklang stehen. Zu den testimonia diuina gehört in der Endzeitdarstellung neben den hermetischen Schriften und den Sibyllenorakeln auch die vorher noch nicht erwähnte Hystaspesapokalypse 7 . Nochmals in einem Einschub (25,1f.), in dem er auch den Verzicht auf wörtliche Bibelzitate rechtfertigt, und nach dem Abschluss der Endzeitschilderung (26,8) versichert Laktanz, dass diese mit der Lehre der Propheten, das heiÿt mit den Aussagen der Heiligen Schrift, übereinstimme. Die Äuÿerungen des Laktanz über sein Vorgehen bei der Endzeitschilderung besagen also, dass erstens mit einer Auswahl biblischen Gutes als nicht ausdrücklich benannter Grundlage zu rechnen ist, dass zweitens testimonia diuina zur Bekräftigung der christlichen Eschatologie angeführt werden, und dass drittens der Eindruck der Konvergenz 8 zwischen dargestellter biblischer Lehre und angeführten Zeugnissen angestrebt wird. 9 Diese Art des Umgangs mit testimonia humana und diuina gehört ins apologetische Programm des Laktanz, mit Zeugnissen und Argumenten, die dem paganen Denken entsprechen, die Leser zu überzeugen und die Gegner des Christentums zu widerlegen. 10 Diesem Zweck dienen sowohl die vielen Zitate aus der Literatur, insbesondere aus den Klassikern Cicero und Vergil,11 die den Erwartungen eines gebildeten Publikums entspreSiehe unten zu 1,6 prophetis 18,1 wird Hystaspes als uates bezeichet. Dazu richtig Fàbrega 133. Trotzdem haben manche Forscher unhaltbare Schlüsse aus dem Fehlen ausdrücklicher Bibelbezüge in der laktanzischen Endzeitschilderung gezogen: So hat man die Hystaspesapokalypse zur fast wörtlich ausgeschriebenen Vorlage seiner Endzeitschilderung erklärt (siehe unten 55.), eine Quelle der Johannesoenbarung in der Passage 17,18 (dazu unten) bewahrt sehen wollen und geglaubt, Laktanz hänge völlig von abseitigen apokalyptischen Vorlagen ab (so etwa Fuchs 3136; Hartke 352355). 10 Vgl. die programmatischen Äuÿerungen 5,4,18; 5,1,15; 1,6,17; P.G. van der Nat, Zu den Voraussetzungen der christlichen lateinischen Literatur: die Zeugnisse von Minucius Felix und Laktanz, in: Christianisme et formes littéraires de l'Antiquité tardive en Occident. Entretiens Fondation Hardt 23, Genève 1977, 191234, v.a. 214225; Heck Selbstverständnis 234.  Mit Recht hält Perrin (Mort 1618) fest, dass Laktanz sein apologetisches Konzept auch auf die Endzeitdarstellung anwendet. 11 Zu deren Stellung im apologetischen Konzept des Laktanz Heck Klassiker, v.a. 6 7 8 9

Die Quellen des siebten Buches

35

chen, als auch die Belege aus paganen Oenbarungsschriften. Dass diese bei Laktanz  zumal im Vergleich mit den früheren lateinischen Apologeten12  eine so bedeutende Rolle spielen, lässt sich mit dem Blick auf seine Leserschaft erklären: Sie sucht in den Wirrnissen der Zeit Orientierung bei uralter und durch göttliche Autorität verbürgter Orakelliteratur sucht, der, wie beispielsweise im Fall des Hystaspesapokalypse, auch der Nimbus orientalischer Weisheit anhaftet. 13

Pagane Quellen Griechische Philosophie Laktanz nennt zwar im siebten Buch wie auch im übrigen Werk häug griechische Philosophen und setzt sich mit ihrer Lehre auseinander. 1 Doch in den meisten Fällen gibt er nur plakative Einzelaussagen der betreenden Denker oder Anekdotenhaftes über deren Person wieder und greift dabei 172175; ferner etwa J. Stevenson, Aspects of the Relation between Lactantius and the Classics, Studia Patristica 6,2 (1961) 497503; Fàbrega 128130. 12 Tertullian, Minucius Felix und Cyprian verzichten völlig auf testimonia diuina ; lediglich Tert. nat. 2,12,35; apol. 19,10 wird die Sibylle erwähnt. Etwas geläuger ist dieses Mittel der Argumentation in der griechischen Apologetik, vgl. T. Sardella, Apollo, Istaspe e la Sibilla: La cristianizzazione degli oracoli pagani da Giustino a Clemente, in: Hestíasis. Studi di tarda antichità oerti a S. Calderone, V (= Studi Tardoantichi V), Messina 1988, 295329. 13 Tatsächlich lässt sich eine zunehmende Bedeutung der Orakelliteratur im öentlichen und privaten Leben in der Kaiserzeit nachweisen, dazu umfassend D. Potter, Prophets and Emperors. Human and Divine Authority from Augustus to Theodosius, Cambridge(Mass.)/London 1994; siehe auch zu 13,5 Polites . . . ; für die griechische Welt der Kaiserzeit A. Momigliano, Hochkulturen im Hellenismus. Die Begegnung der Griechen mit Kelten, Römern, Juden und Persern, München 1979 (Original: Alien Wisdom. The Limits of Hellenization, Cambridge 1975) 166173. Von der Bedeutung der Orakelliteratur für das Denken der Zeit zeugt auch Porphyrios' Werk perÈ t¨c âk logÐwn filosofÐac (frg. 303350 Smith); siehe aber unten 379 Anm. 10. Zudem entspricht der Rückgri auf Orakeltexte auch einem traditionalistischen Bedürfnis der Zeit, denn divinatorische Literatur war in Rom natürlich von Anfang an üblich, vgl. den Überblick von H. Cancik, Libri fatales. Römische Oenbarungsliteratur und Geschichtstheologie, in: Hellholm 549576. Dass es Laktanz auf diesen traditionalistischen Aspekt ankommt, zeigt sein Hinweis auf die Ebenbürtigkeit seiner Sibyllinen mit den urrömischen libri Sibyllini (1,6,13).  Nach Nicholson rechnet Laktanz nicht nur mit der Wirkung beim Leser (Prophets 370f.), sondern glaubt auch selbst, dass diese Orakelliteratur tatsächlich durch ihr hohes Alter näher an der ursprünglichen Wahrheit geblieben sei (Prophets 371 374). Tatsächlich wird man gerade die ausgiebige Benutzung der  in den Augen des Laktanz paganen (vgl. 4,15,26)  Sibyllenorakel so erklären müssen. 1 Übersicht beispielsweise bei Ogilvie 7883; Perrin Culture 310f.; Walter 130 139.

36

Einleitung

oensichtlich auf Cicero oder auf Handbuch- beziehungsweise Allgemeinwissen zurück.2 Platon wird häug3 , aber ebenfalls ganz überwiegend in Vermittlung durch Cicero zitiert;4 lediglich eine Passage aus dem Phaidon kennt Laktanz vielleicht aus anderer Quelle, beispielsweise einem Florilegium, aber kaum aus direkter Lektüre 5 . Überhaupt nimmt die Forschung für Laktanz eine nur indirekte (aber nicht durch den Neuplatonismus) vermittelte Platonkenntnis an.6 Der Philosoph wird zwar im siebten Buch durch die Zahl der Erwähnungen7 und durch das Referat seines Beweises für die Unsterblichkeit der Seele8 hervorgehoben, aber auch ihm, wie der paganen Philosophie insgesamt,9 schreibt Laktanz nur einzelne Wahrheiten zu: So lehre 2 Mit jeweils nur einer Aussage werden genannt 1,7 Aristoteles (Unendlichkeit der Welt, nach Cicero, siehe unten zu 1,7 qui cum . . . ); 2,10 Sokrates (Plat. apol. 42a ausdrücklich nach Cicero zitiert, siehe unten zu 2,10 sententiam Socratis . . . ); 7,11 Ariston (Tugend als Lebensziel) und Aristipp (Lust als Lebensziel, beide nach Cicero, siehe unten zu 7,11 ad uirtutem . . . ); 7,12 und 8,7 Pherekydes (Lehrer des Pythagoras und Vertreter der Unsterblichkeit der Seele, nach Cicero, siehe unten zu 8,7 Pherecydes ); 7,12, 8,8 und 13,7 Dikaiarch (Sterblichkeit der Seele, frei nach Cicero, siehe unten zu 7,12 immortales esse . . . ); 13,9 Aristoxenos (Leugnung der Seele, nach Cicero, siehe unten zu 13,9 Aristoxenus . . . ). Demokrit steht neben Epikur als Leugner der Teleologie (1,10; 3,23) und der Unsterblichkeit der Seele (13,7 zusammen mit Dikaiarch, 8,8 mit diesem allein), was auf Cicero zurückgeht (siehe unten zu 1,10 Democrito und zu 13,7 Democriti . . . ). Demokrits Anthropogonie aus dem Schlamm ist Handbuchwissen (siehe unten zu 7,9 Democritus . . . ). Auch die Aussagen über Pythagoras gehen auf Cicero (8,7 Lehrer des Pherekydes, siehe unten zu 8,7 quem Cicero . . . ) oder Allgemeinwissen (12,30; 23,2 Metempsychose, siehe unten zu 12,30 modo in homine . . . ; vgl. zu 13,4 Platoni . . . ) zurück. 3 Vgl. etwa 1,9; 2,10; 3,12.16; 7,8.12; 8,2.4.7; 9,1; 12,2; 13,4; 14,4; 22,19; 1,5,23 omnium sapientissimus iudicatur ; 1,8,1 in Timaeo ; 2,14,9 in Symposio etc.).Zum Platonbild bei Laktanz umfassend Perrin Platon 204231. 4 1,6; 3,16: Unendlichkeit der Welt (zur Quellenfrage siehe unten zu 1,6 in perpetuum . . . ); 2,10: in Zitat aus Cicero; 3,12; 7,8: Gott als Schöpfer (siehe unten zu 3,12 quod a Platone . . . ); 7,12; 8,27; 9,1; 12,2; 13,4; 22,19: Unsterblichkeit der Seele (siehe unten zu 8,26 und zu 22,19 Plato . . . ). Zu einer allgemeinen Bezugnahme auf Platon siehe unten zu 14,4 Plato . . . 5 Siehe unten zu 1,9 omne quod . . . und zu 12,6 non enim . . . 6 So insbesondere Kurfess (Plato 383391; ergänzend Wlosok Gnosis 252f.) und Perrin (Platon 214230), mit Zusammenstellung aller Rückgrie auf Platon.  Für das bemerkenswerte Phänomen, dass Laktanz die zeitgenössischen Strömungen der Philosophie, namentlich den Neuplatonismus, auÿer Acht zu lassen scheint, bietet Perrin (Culture 302304) eine Erklärung: Laktanz argumentiere bewusst mit deren geistigen Vorläufern. 7 Er ist mit sechzehn Erwähnungen der am häugsten genannte Philosoph im siebten Buch. 8 Siehe unten zu 8,26. 9 Vgl. 2,111; 7,113.  Zur Bewertung der paganen Philosophie bei Laktanz vgl. beispielsweise Harloff (Analyse zum dritten Buch, das der Auseinandersetzung mit der paganen Philosophie gewidmet ist); Blumenberg 488496 (zum apologetischen Konzept des Laktanz, der paganen Philosophie das Christentum als uera sapientia

Die Quellen des siebten Buches

37

er zwar richtig die göttlich Erschaung der Welt (vgl. 3,12; 7,8), fälschlich aber deren ewige Dauer (vgl. 1,6; 3,16; 14,4) vertrete zwar zutreend die Unsterblichkeit der Seele (vgl. 7,12; 12,2; 22,19), könne sie aber nicht überzeugend beweisen (vgl. 8,26; 9,1). Der nach Platon am häugsten im siebten Buch erwähnte griechische Philosoph ist Epikur. Auch ihn benutzt Laktanz nicht direkt, sondern offensichtlich durchweg nach Lukrez. 10 Die Verweise auf Epikur haben stets dramaturgische Funktion: So stellt Laktanz Epikur gegen die übrigen Philosophen als denjenigen dar, den diese in Unkenntnis der ganzen Wahrheit nicht widerlegen konnten (vgl. 3,13.23; 8,8) oder gar als einzigen, der über die Endlichkeit der Welt das Richtige lehrt 11 . An anderer Stelle spielt Epikur die Rolle des Widersprechenden, dem die Stichworte für die weitere Argumentation in den Mund gelegt sind (vgl. 5,4.7) oder des Repräsentanten der zu widerlegenden Meinung (vgl. 7,13; 13,7). Zu einer bemerkenswerten Präsenz des Epikureismus kommt es freilich auch dadurch, dass Laktanz mehrfach das epikureische Lehrgedicht des Lukrez benutzt: So zitiert er daraus mehrere Verse als Beleg für Epikurs Kritik an einem teleologischen Weltbild.12 Ausführlich setzt er sich mit den Beweisen des Lukrez für die Sterblichkeit der Seele auseinander. 13 Schlieÿlich bezieht er ein lukrezisches Lob des Epikur auf Christus. 14 Ferner übernimmt Laktanz öfter Gedanken und die entsprechenden Formulierungen von Lukrez 15 , mehrfach auch nur

10

11 12 13 14 15

gegenüberzustellen); S. Casey, Lactantius' Reaction to Pagan Philosophers, C&M 32 (19711980) 203219; O. Gigon, Lactantius und die Philosophie, in: A.M. Ritter (Hrsg.), Kerygma und Logos. Beiträge zu den geistesgeschichtlichen Beziehungen zwischen Antike und Christentum. FS C. Andresen, Göttingen 1979, 196213 (zur Auseinandersetzung mit der Philosophie im dritten Buch); Bender 194206 (zu 1,5,1528, den ersten und programmatisch eingeführten Philosophenzeugnissen); Perrin Culture 302f. (zur griechischen Philosophie als selbstverständliches Bildungsgut); A. Goulon, Lactance et les philosophes: réfutation ou dialogue?, in: J.M. Poinsotte (Hrsg.), Les chrétiens face à leurs adversaires dans l'Occident latin au IVe siècle, Rouen 2001, 1322 (Zusammenfassung der wichtigsten Äuÿerungen über die Philosophie). Siehe unten zu 1,10 ortum esse . . . (Endlichkeit der Welt); 5,4 quae utilitas . . . und 5,7 quid ergo` . . . (Frage nach dem Nutzen des Menschen für Gott); 7,13 Epicurus errauit . . . 3,13 Epikurs Aussage mit Lukrezversen belegt (inhaltlich identisch 3,23). Die 8,8 und 13,7 Epikur zugeschriebene Sterblichkeit der Seele referiert Laktanz 12,130 ausführlich als epikureische Lehre nach Lukrez.  Es kann sich jeweils auch um Allgemeinwissen handeln. Entscheidend ist aber, dass Laktanz nichts über Epikur sagt, was er nicht Lukrez entnehmen konnte. Zudem gibt Laktanz 5,7 als epikureische Lehre wieder, was eigentlich eine Besonderheit des Lukrez ist, siehe unten zu 5,7 quid ergo` . . . Vgl. 1,10 3,13: Lucr. 5,156.157a.165167. 12,130 nach Lucr. 3,417. (siehe unten zu 12,132); wörtlich 12,5: Lucr. 2,9991001 und 12,26: Lucr. 3,612b614. 27,6: Lucr. 6,2428. Siehe etwa unten zu 3,7 nam si haec . . . (gegen Pantheismus); 3,23 reddant er-

Einleitung

38

einen lukrezischen Sprachgebrauch 16 . Somit ergibt sich ein widersprüchlicher Befund, sowohl für das siebte Buch als auch für Laktanz insgesamt: Einerseits nämlich wird der Epikureismus abgelehnt und, wenigstens teilweise, polemisch abgewertet, 17 andererseits aber nden sich, wie für das siebte Buch gezeigt, häug Hinweise auf Epikur 18 und zudem Zitate aus Lukrez19 . Wahrscheinlich ist die Erklärung dafür in zwei unterschiedlichen Richtungen zu suchen: 20 Zum einen eignet sich der Epikureismus sowohl dazu, die christliche Lehre kontrastiv darzustellen, als auch dazu, die Widersprüche in der paganen Philosophie aufzuweisen. 21 Zum anderen hegt Laktanz eine oensichtliche Vorliebe für das Werk des Lukrez, die zweifellos auf stilistischliterarischer Wertschätzung, vielleicht aber auch auf einer Bewunderung für den missionarischen und aufklärerischen Impetus des Dichters selbst beruht. 22 go . . . (Weltentstehung aus Atomen); 4,10 homini seruiunt . . . (Verhältnis zwischen Mensch und Tier); 6,4 nihil est in nobis . . . (kein Nutzen des Menschen für Gott); 7,8 uel omnia . . . (atomistisches Weltmodell); 21,4 purus . . . (Wesen der 16

17 18

19

20

21

22

Blitze). Siehe etwa unten zu 1,10 resoluatur ; 5,11 leuibus elementis ; 5,14 ut innita uis ; 5,27 add. 12 corporis animaeque discidium ; 9,2 mortalibus oculis ; 14,2 longe [...] semota ; 17,5 sub uerbo eius ; 21,2 solidum . . . Vgl. 3,26; 12,32; 2,8,49; 3,17,23; opif. 2,10; epit. 65,6 etc. Dazu jetzt beispielsweise 5153. Dazu W. , Epikur`, RAC 5 (1962) 682819, hier 784786; E. , Epicuro y Lucrecio en la polémica de Tertuliano y Lactancio, Helmantica 40 (1989) 133158; 4153; .

Althoff Schmid brino

Oton So-

Althoff

KanyTurpin

Jetzt umfassender, aber schematischer Überblick über die Parallelen zu Lukrez bei Connaissance, v.a. 240248 (tabellarische Übersicht), 233f. Anm. 1 weitere Literatur. Daneben wichtig wegen der Interpretationen noch immer Lucretius ; Fathers 5576; A. , Lucrezio in Lattanzio, GIF 4 (1951) 335349; 8187; 118121; Citations 122152 (vor allem zu Zitiertechnik und Funktion); 223275. Schon (Fathers 4952) widerlegt die früher vertretene Annahme, dass Laktanz ein bekehrter Epikureer sei. Auch dass Laktanz sich, wie heute noch vermutet, mit einer lebendigen epikureischen Schule auseinandersetze, ist wohl auszuschlieÿen, siehe unten 361 Anm. 15. Vgl. 5153, ferner die Interpretationen bei Fathers 6473; R. , Le ceneri di Epicuro. Eversione religiosa, provvidenzialismo politico e polemica antiereticale nel cristianesimo delle origini, Annali di Scienze Religiose 4 (1999) 307341, hier 324329; siehe auch unten zu 1,610 (Widersprüche in der paganen Philosophie; geschmähte Epikureer als einzige, die zu Recht die Endlichkeit der Welt lehren) und zu 12,132 (kontrastive Vertiefung). So charakterisiert das Verhältnis des Laktanz zum Epikureismus als  concordia discors (229): Einer radikalen Ablehnung des Epikureismus stehe eine Faszination vom Dichter Lukrez gegenüber. Dazu passt der von (Connaissance, v.a. 232f.) erwiesene umfassende Einuss der Sprache des Lukrez auf Laktanz, aber auch die jüngst von E. , Nochmals: Lactantius und Lucretius. Antilucrezisches im Epilog des lactanzischen PhoenixGedichts?, IJCT 9 (2003) 509523, gemachte Entdeckung, dass Phoen. 161170 zwar Lucr. 1,13 anklingen, , Une présentation personelle de aber abgewandelt werden. Vgl. ferner A.

Goulon

Hagendahl Meÿmer Hagendahl

Bryce

Brandt

Buffano Goulon

Althoff Cacitti

Hagendahl

KanyTurpin

Goulon

Heck

Goulon

Die Quellen des siebten Buches

39

Öfter bezieht sich Laktanz auch auf die Stoiker. 23 Mehrfach erscheinen sie dabei als Vertreter der Lehre, dass die Welt um des Menschen willen erschaen sei, was Laktanz aus Cicero übernimmt. 24 Den stoischen Pantheismus gibt Laktanz ebenfalls nach Cicero wieder und belegt ihn aus Vergil. 25 Vielleicht aus der Vergilkommentierung gewonnen sind zwei Belege für die Jenseitsstrafen, die nicht recht zu bekannten Lehren der Stoiker passen, die Laktanz ihnen aber jeweils im Zusammenhang mit Vergilbezügen zuschreibt.26 Die Bewertung der Schule ist abgewogen negativ: Richtig sei zwar die Annahme einer Jenseitsstrafe und der Ausrichtung der Welt auf den Menschen, letztere aber unzureichend begründet und mit dem falschen Pantheismus vermischt. 27 Demgegenüber eine Sonderstellung nimmt ein Beleg aus Chrysipp ein (23,3): Laktanz stellt den Philosophen als Autorität innerhalb der Stoa vor und zitiert, oenbar aus einem Florilegium, wörtlich eine Aussage über die Wiederherstellung des Kosmos, mit der sich in vorliegender Form die leibliche Auferstehung untermauern lässt. 28 Die Akademie schlieÿlich erscheint zweimal als Vertreterin eines destruktiven Skeptizismus, 29 der aber die Widersprüchlichkeit und Angreifbarkeit der paganen Philosophie, die sich nicht auf die göttliche Oenbarung stützen könne, kennzeichne (vgl. 5,2; 7,2). Quelle scheint insbesondere Cicero zu sein.30

l'épicurisme par Lactance (Inst. 3,7): objectivité, habileté ou rouerie?, in:

laumin/Ratti 23

1725.

Guil-

Prägnanter Überblick über die Bezugnahmen auf die Lehre der Stoiker und ihre Bewertung bei M. in: M.

Soëtard

Perrin

, L'image du Stoïcien et du Stoïcisme chez Lactance,

Spanneut Colish

(Hrsg.), Valeurs dans le Stoïcisme. Mélanges M.

1993, 113129. Vgl. ferner J.

Siegert

, Lille

, Die Theologie des Apologeten Lactantius in

ihrem Verhältnis zur Stoa, Diss. Bonn 1921 (unkritisch); M.L.

, The Stoic

Tradition from Antiquity to the Middle Ages, Leiden 1985, II 3747 (mit weiterer Literatur).

Stoici . . .

totamque . . . `

24

3,13; 4,2; 7,9. Zur Quelle siehe unten zu 3,13

25

Siehe unten zu 3,14 und zu 3,5

26

So lehre Zenon einen Strafort für die Frevler (siehe unten zu 7,13

Zeno Stoicus . . . ),

die Stoiker erläuterten die Leidensfähigkeit der Seele in der Unterwelt (siehe unten zu 20,810). 27 28

Zur Jenseitsstrafe siehe vorige Anm., zum Weltbild vor allem 3,115. Zum Einzelnen siehe die Kommentierung zu 23,3 und

Freund Chrysipp

.  Oen-

sichtlich handelt es sich um einen Zufallsfund, der sich so genau in den Kontext einfügt, dass Laktanz auf eine Auseinandersetzung verzichten kann und dies mit Rücksicht auf das Gewicht der Belegautorität auch tut. 29

Zum Bild der Akademie bei Laktanz umfassend B. e gli Academici, MEFRA 94 (1982) 335377.

30

Siehe unten zu 7,114.

Faes de Mottoni

, Lattanzio

40

Einleitung Lateinische Autoren

Die wichtigste pagane Quelle für das siebte Buch, wie für die Diuinae institutiones insgesamt, ist Cicero.31 So beginnt schon das Proömium mit einem Zitat aus Cicero und dessen Lob als auÿerordentlichem Redner` (1,1). An neun weiteren Stellen beruft Laktanz sich namentlich auf Cicero und gibt ihn wörtlich, teilweise mit kleineren Eingrien, 32 oder in Paraphrase33 wieder. Dabei erscheint Cicero zum einen als Vermittler von Wissen über griechische Philosophie 34 , einmal über die babylonische Astronomie 35 , zum anderen als selbständiger Denker, dessen Meinung einmal widerlegt, 36 häuger aber angeführt wird, um eine Aussage des Laktanz zu belegen 37 . Aus den Reden schlieÿlich entnimmt Laktanz zwei sentenziöse Formulierungen.38 Oensichtlich hat Laktanz auch bevorzugte CiceroStellen, die er im siebten Buch bereits zum zweiten Mal zitiert. 39 Zu diesen namentlich gekennzeichneten Bezugnahmen kommen drei weitere Aspekte, in denen Laktanz auf Cicero zurückgreift: Zum einen ist Cicero stilistisches und rhetorisches Leitbild für Laktanz, dessen Sprache an dem Klassiker geschult ist und zahlreiche ciceronische Wendungen enthält. 40 Dabei nden zweitens nicht nur Formulierungen, sondern auch Gedanken und Motive, die aus Cicero stammen, Eingang in die eigene Argumentation des Laktanz.41 Drittens schlieÿlich hat Laktanz aus Cicero einen groÿen Teil seiner 31 Die Zitate und Similien sind zusammengestellt bei Brandt II 245251. Noch immer wichtig wegen des Gesamtüberblicks ist Pichon 246266. Kommentierte Materialsammlungen zur Ciceronutzung bei Laktanz bieten Barthel (Benutzung von Cic. ac.); Fessler (Ciceros philosophische Schriften in den inst.); Ogilvie 5873 (mit Überlegungen zu den handschriftlichen Varianten der Cicerowerke, die Laktanz vorlagen); Bryce 19222. Zur Bewertung etwa R.A. Greer, Cicero's sketch and Lactantius' plan, in: J. Malherbe (Hrsg.), The Early Church in its Context. FS E. Ferguson, Leiden 1998, 155174 (zum Nebeneinander von Anknüpfung und Absetzung). 32 Unverändert 1,1 (Cic. Mur. 14), 8,9 (Cic. Tusc. 1,23) und 10,9 (Cic. Tusc. 1,110), mit (der Kürzung dienenden, den Inhalt nicht verändernden) Eingrien 2,10 (Cic. Tusc. 1,99); 4,11 (Cic. ac. 2,120); diesbezüglich unklar ist 8,9 (Cic. frg. 23 Garbarino). 33 Dabei übernimmt Laktanz die sinntragenden Stichwörter: 8,7 (Cic. Tusc. 1,38), 9,10 (Cic. leg. 1,24), 10,10 (Cic. Tusc. 1,172), 11,5 (Cic. Marcell. 11, mit inhaltlicher Akzentverschiebung), 14,4 (Cic. div. 1,36); 23,3 (Cic. ac. 2,75). 34 2,10: Worte des Sokrates aus Platons Apologie; 8,7: Lehre des Pherekydes; 23,3: Bewertung des Chrysipp. 35 14,4: angebliches Weltalter von 470.000 Jahren. 36 4,11 die Frage, wie die Annahme einer Erschaung der Welt um des Menschen willen mit der Existenz des für den Menschen Schädlichen zu vereinbaren sei. 37 8,9; 9,10; 10,9; 10,10. 38 1,1 und 11,5 39 Cic. Marcell. 11 (11,5; 15,2; 6,22,25); leg. 1,24 (9,10; 3,10,7f.). 40 Näheres siehe unten 72 41 So beispielsweise die gegen die Unendlichkeit der Welt aus Cic. nat. deor. (siehe un-

Die Quellen des siebten Buches

41

Kenntnisse über die griechische Philosophie, 42 insbesondere über Platon 43 . Innerhalb des siebten Buchs kommen Rückgrie auf Cicero besonders häug in den ersten beiden Hauptteilen (Kapitel 1 bis 13) vor, vor allem in der Darstellung der Seelenlehre (Kapitel 8 bis 11), während die Entfaltung der christlichen Eschatologie (Kapitel 14 bis 26) weniger Berührungen mit ciceronischen Gedanken und Formulierungen nahe legt. Mehrfach verwendet Laktanz das erste Buch der Tuskulanen 44 , in dem das Schicksal der Seele nach dem Tod erörtert wird, und die Academici libri 45 , die viel doxoten zu 1,610); 2,8 Platons Motiv vom Geist, der im Körper eingeschlossen ist, nach Cic. Tim. 47 (siehe unten zu 2,8 ); 3,4 die Gottesdenition nach Cic. cons. frg. 21 , zitiert 1,5,25 (siehe unten zu 3,4 deus est . . . ); 3,9: das Argument gegen die Annahme, die Teile der Welt seien Glieder Gottes`, nach Cic. nat. deor. 1,24 (siehe unten zu 3,9 ); 3,18 die Darstellung des platonischen Schöpfergottes nach Cic. Tim. 6 (siehe unten zu 3,18 ); 3,26 die Ansicht, die Epikureer halten nur rein äuÿerlich an der Rede von den Göttern fest, nach Cic. nat. deor. 1,85; 1,123 (siehe unten zu 3,26 ); 5,15 den Ausdruck nach ciceronischer Platonwiedergabe (siehe unten zu 5,15 ); 5,18 als stoischer Gottesbegri wie Cic. nat. deor. 1,39; 2,77 (siehe unten zu 5,18 ); 9,2 die Analogie zwischen unsichtbarem, aber existentem Gott und der Seele nach Cic. Tusc. 1,70 (siehe unten zu 9,2 ); 9,15 Schmerz in der Ethik nach Cic. n. 1,30; leg. 1,31 (siehe unten zu 9,15 und zu ); 11,9 die Vergänglichkeit dessen, was äuÿerer Einwirkung unterliegt, nach Cic. nat. deor. 3,29 (siehe unten zu 11,9 ); 12,24 die Vergänglichkeit des Körperlichen, Unvergänglichkeit der Seele in der Terminologie ciceronischer Platonwiedergabe (mit Hinweis auf Platon 12,2; siehe unten zu 12,24); 12,19 das Motiv der Ansteckung` der Seele durch den Körper nach Cic. div. 1,63 (siehe unten zu 12,19 ); 12,21 das Motiv des Körpers als der Seele nach Cic. Tusc. 1,52 (siehe unten zu 12,21 ); 13,4 die Vergöttlichung des Hermes Trismegistos in Ägypten nach Cic. nat. deor. 3,56, zitiert 1,6,2f. (siehe unten zu 13,4 ); 14,13 das Bild von der Welt als wohlgeordnetem Haus nach Cic. nat. deor. 2,17; 3,26 (siehe unten zu 14,13 ); 26,5 Ausgewogenheit der Erde nach Cic. Tusc. 5,69 (siehe unten zu 26,5 ). Aussagen Ciceros über die römische Geschichte scheinen in die Wiedergabe des Lebensaltervergleichs einzuieÿen, siehe unten 429 Anm. 37.  Insbesondere gehört hierher auch der Rückgri auf Cic. leg. 1,22.2426 bei den Ausführungen über die Besonderheit und schöpfungsmäÿige Bestimmung des Menschen in Kapitel 9, siehe unten 337 mit Anm. 5 und zu 9,11 Besonders augenfällig ist dies beispielsweise bei der Wiedergabe des stoischen Pantheismus 3,1.3 nach Cic. ac. 2,24 oder beim doxographischen Wissen um einzelne Philosophen, siehe oben 36 Anm. 2. So referiert Laktanz beispielsweise Platons Beweise für die Unsterblichkeit der Seele 8,46 nach verschiedenen CiceroPassagen (siehe unten zu 8,26) oder die ‚nˆmnhsicLehre 22,19 nach Cic. Cato 78. Weiteres siehe oben 36 Anm. 4 So etwa Cic. Tusc. 1,99 (zitiert 2,10), 1,66 (= Cic. cons. frg. 21 , 8,6), 1,38 (8,7), 1,110 (10,3), 1,71 (10,10). So etwa Cic. ac. 2,118f. (benutzt 1,6f.), 1,24.29 (benutzt 3,1.3), 2,21 (benutzt 3,2), 2,120 (zitiert 4,11), 2,15 (benutzt 7,2) etc. Laktanz verwendet die heute gröÿtenteils verlorene zweite Auage, die vier (statt zwei) Bücher umfasste, wie die Erwähnung eines dritten Buches (6,24,2) zeigt, vgl. T.J. , A Textual History of Cicero's , Leiden/Boston/Köln 1998, 20f.

mens ...

Vitelli

dei membra

fabricatorem ... ut nullum

mundum mundum ...

aedicare necessitas diuina necessitate ... deus ... et uoluptatem ... cuius asperitas ... quid quod ea ...

quoniam

contagio ...

receptaculum corpus uel uas ...

in deos ...

induxit ... libratam ...

42

43

44 45

an aliquis ...

Vitelli

Academici libri

Hunt

Einleitung

42

graphische und philosophiegeschichtliche Angaben beinhalten, aber auch durch die darin ausgedrückte skeptizistische Tendenz Anhaltspunkte für die Kritik an der paganen Philosophie bieten. Demgegenüber spielen weitere Prosaiker im siebten Buch nur eine geringe Rolle: Die Historiker Sallust und Livius klingen beim Rückblick auf die römische Geschichte im Lebensaltervergleich an, 46 ersterer zudem mit dem Motiv des Bauens ins Meer 47 . Den Lebensaltervergleich selbst ndet Laktanz eher beim Älteren Seneca vor als beim Jüngeren, 48 der zwar ansonsten öfter von Laktanz benutzt wird, 49 im vorliegenden Buch aber nur an wenigen Stellen zugrunde zu liegen scheint 50 . Manche Formulierungen übernimmt Laktanz aber oenbar von ihm, 51 auch argumentiert er in Kenntnis von Senecas Schriften 52 . So wie Laktanz unter den Prosaikern insbesondere den Klassiker Cicero benutzt, so unter den Dichtern vor allem Vergil. 53 Insgesamt gibt 46 Siehe unten 429 mit Anm. 35f.; insgesamt zur Auseinandersetzung des Laktanz mit den römischen Historikern Inglebert 117144; zu ihrer Benutzung Ogilvie 41f.; Walter 9095. 47 Siehe unten zu 3,9 48 Zur Diskussion siehe unten zu 15,1417. 49 Zur Beurteilung und Benutzung Senecas bei Laktanz Trillitzsch I 130141; Lausberg 1339; U. Domiguez del Val, El senequismo de Lactancio, Helmantica 23 (1972) 289323 (Textberührungen, Einordnung); Ogilvie 7377; zu den unterschiedlichen Formen der Senecazitate bei Laktanz Lausberg 4050, ergänzend anhand instruktiver Beispiele C. Lo Cicero, Omnium Stoicorum acutissimus. Seneca losofo in Lattanzio: intertestualità e rescrittura, in: Studi di lologia classica in onore di G. Monaco. III: Letteratura latina dell'età di Tiberio all'età del basso impero, Palermo 1991, 12371261. Überblick zur älteren Forschung bei Wlosok 194 Anm. 35. 50 Siehe insbesondere unten 271 zur Benutzung Senecas bei der Darstellung der Bestimmung des Menschen zur Gottesverehrung. Ferner klingen vielleicht Äuÿerungen zum Schicksal der Seele nach dem Tod nach, zu Sen. dial. 6,25,1 siehe unten zu 7,13 (v.a. 322) und unten 509 mit Anm. 12; zu Sen. dial. 6,23,1 siehe unten zu 12,10 . 51 Siehe unten 73 mit Anm. 10 52 So zeigt beispielsweise Lausberg ( 28 mit Anm. 43), dass Kritik an der ephemären Lust 10,111 und insgesamt bei Laktanz von Senecas Werk angeregt ist. Auch steht der Epilog in der formalen Tradition der bei Seneca zu ndenden Protreptik (siehe unten zu 27,116). 53 Zu den Vergilzitaten bei Laktanz vgl. etwa Meÿmer 121126 (Materialsammlung); Goulon 122152; Monat I 5561 (zur Bewertung Vergils); Ogilvie 719 (Materialsammlung); L. Ferreres, Presència de Virgili a Lactanci, in: Studia virgiliana. Societat espanyola d'estudios clássics, Actes del VIè simposi, Barcelona 1983, 147152; Wlosok 437444 (zur Kritik am ); R.M. Ogilvie, Vergil and Lactantius, in: Atti del convegno mondiale scientico di studi su Virgilio, Milano 1984, I 263268 (problematisch); Heck , v.a. 172175, und 117120 (abgewogene Analyse der Bewertung); Bryce 276314 (materialreiche Zusammenstellung). Hingegen sieht V. Buchheit, Cicero inspiratus  Vergilius propheta. Zur Wertung paganer Autoren bei Laktanz, Hermes 118

maria extruuntur ...

Seneca

Seneca

Gnosis

Zeno Stoicus ... reuolet

Seneca

De uita

beata

Citations

Bible

Beispiele

Vergil

pius Aeneas Klassiker

Die Quellen des siebten Buches

43

Laktanz im siebten Buch 32 Vergilverse ganz oder teilweise wieder. Für diese wörtlichen Zitate lassen sich drei Anwendungsbereiche unterscheiden: Im Anfangs- und im Schlusskapitel ndet sich jeweils ein kurzes Vergilzitat, das elementare Triebkräfte des Lebens poetisch fasst. 54 Eine zweite Gruppe von Vergilbezügen stellen die Zitate aus der kosmologischen Anchisesrede (oder ihrer Umgebung) des sechsten Aeneisbuches (724.) dar. Damit belegt Laktanz einerseits den aus christlicher Sicht irrigen stoischen Pantheismus, andererseits aber auch, nun im Sinn christlicher Lehre, die Möglichkeit, dass die Seelen im Jenseits Strafe erfahren und, wovon Vergil noch eine vage Überlieferung bewahre, wieder zur Körperlichkeit gelangen, schlieÿlich die Abwegigkeit einer Auferstehung vor der Vollendung der Welt.55 Einen geschlossenen Block bildet drittens die Wiedergabe von dreizehn Versen aus der vierten Ekloge, die Laktanz als Ankündigung des kommenden Tausendjährigen Gottesreichs auf Erden deutet. 56 Dazu kommen zahlreiche Stellen, an denen Laktanz aus rhetorischem Kalkül Vergil anklingen Kalkül Vergil anklingen lässt, um eigene Aussagen herauszuheben,57 und einzelne, an denen Vergil sachlich Anregung zu bieten scheint 58 . Schlieÿlich scheint Laktanz an drei Stellen auch philosophisches Wissen aus einem Vergilkommentar zur Unterweltsschilderung des sechsten Buches zu schöpfen.59 Insgesamt bemerkenswert ist die herausgehobene Stellung,

Wertung

54 55

56 57

58

59

(1990) 357372, ders., 368372, ders., Vergil als Zeuge der natürlichen Gotteserkenntnis bei Minucius Felix und Laktanz, RhM 139 (1996) 254259, nur das Fehlen der Oenbarung in ihrer Gesamtheit, das Laktanz natürlich verdeutlichen muss, nicht aber die dem Dichter zugeschriebenen Wahrheiten (22,14; 24,11; 1,5,11 etc.). 1,14: georg. 3,244 für die Triebhaftigkeit; 27,15: Aen. 4,336 für die Lebenskraft. 3,5: Aen. 6,726f. für den stoischen Pantheismus; 20,10f.: Aen. 6,735740.702 für die Möglichkeit eines Straeidens der Seelen; 22,3: Aen. 6,266 für die Wiedergabe überlieferten Wissens bei Vergil; 22,7: Aen. 6,748751 für die Möglichkeit, dass die Seelen wieder einen Leib erlangen; 22,17: Aen. 6,719721 Unwillen der Seelen, in die gegenwärtige Welt zurückzukehren.  Zur Rezeption der Anchisesrede bei Laktanz siehe unten zu 3,5 Siehe unten zu 24,11. Siehe unten zu 1,23 (Ankündigung des Themas); 5,2 (Bedeutung des christlichen Sinnentwurfs); 6,4 (wunderbare Fruchtbarkeit der Erde); 15,11 (Wüten des Krieges) und (Ankündigung des Untergangs Roms); 15,12 (Gröÿe Roms); 19,2 und (Dramatik der Parusie); 21,7 (Besonderheit des Feuers); 24,3 (Nachkommenschaft der im Tausendjährigen Reich Lebenden als Zeichen ihres Glücks). Besonders augenfällig ist die Gegenüberstellung der bei Vergil begründeten Gröÿe Roms mit dem älteren und daher gewichtigeren Zeugnis des Hystaspes von dessen kommendem Untergang, siehe unten 443 mit Anm. 84. So beispielsweise bei der Herleitung des Namens Hystaspes vom Fluss Hydaspes (siehe auch unten 441 Anm. 67) und bei der Version des TityosMythos (siehe unten zu 21,5 ). So nämlich erstens die Zenon zugeschriebene Lehre von einem Strafort für die Seelen

totamque ...` nis operi ... cardo rerum uarios fetus ... metens omnia ... horret animus ... regnum ... aperietur ... intempesta ... innoxius suboles ...

quod poetae ...

44

Einleitung

die Vergil mancherorts in der Argumentation einnimmt; so steht im Mittelpunkt zweier thematisch wichtiger Passagen, nämlich der Begründung für die leibliche Auferstehung (22,119) und der Darstellung des Tausendjährigen Reiches (24,714) die ausführlich eingeleitete und gerechtfertigte (22,1f.; 24,9f.) Ausdeutung von Vergil. Vom ebenfalls für Laktanz überaus wichtigen Lukrez war bereits oben (37) im Zusammenhang mit Epikur die Rede. Von Terenz stammen eine paraphrasierte und eine wörtlich zitierte proverbielle Wendung. 60 Auf Ovid, den er ansonsten öfter zitiert, 61 greift Laktanz im siebten Buch durch eine Anspielung auf den Epilog der Metamorphosen, 62 durch einige Anklänge an die Weltalterlehre 63 und vielleicht durch einige entlehnte Formulierungen64 zurück. Von Horaz könnten einzelne prägnante Wendungen übernommen sein.65 Schlieÿlich nimmt Laktanz an einer Stelle nochmals andeutungsweise auf eine bereits zitierte Passage aus Persius Bezug. 66

60 61

62 63 64 65 66

der Frevler (siehe unten zu 7,13 Zeno Stoicus . . . ), zweitens eine Begründung der Leidensfähigkeit der Seele durch die Stoiker (siehe unten zu 20,811), und drittens die Erklärung, warum Sterbliche zu Unterweltsrichtern gemacht worden seien (siehe unten zu 22,5 iudicare apud . . . ). Siehe unten zu 2,3 in eodem . . . und zu 27,3 molendum . . . ` Zur Nutzung des Terenz, den Laktanz ansonsten an etwa zehn Stellen zitiert, vgl. Brandt II 264f. (Stellen); Meÿmer 116f.; Goulon Citations 114f. Vgl. Brandt II 261f.; L. Alfonsi, Ovidio nelle `Divinae institutiones' di Lattanzio, VChr 14 (1960) 170176; Goulon Citations 122152; H. Le Bonniec, Une interprétation chrétienne de la mythologie grécolatine: L'exploitation apologétique d'Ovide par Lactance, in: P.M. Martin/C.M. Ternes (Hrsg.), La mythologie. Clef de lecture du monde classique. Hommage à R. Chevallier, Tours 1986, 7587. Siehe unten zu 11,6 nomen indelebile. Eiserne Zeit, siehe unten zu 15,711 und zu 3,9 maria extruuntur . . . ; zur Goldenen siehe unten zu 26,4 intactae . . . . Siehe unten zu 15,15 uiribus suis male uteretur ; 26,2 subsident ualles ; 26,14 moderamen. Siehe unten zu 1,12 uirtutis uiam deserunt ; 15,9 non des . . . ; 15,15 quibus se ipsa confecit ; 19,5 dux sanctae militiae. Zu Horaz bei Laktanz vgl. Brandt II 255f. (mehrere Zitate); Meÿmer 126; Goulon Citations 121f.; Ogilvie 15. Siehe unten zu 21,6 quos . . . incoxerit Persius erscheint mehrfach in wörtlichen Zitaten (Brandt II 263), vgl. Meÿmer 131; Goulon Citations 119f.; Ogilvie 15.21.

Die Quellen des siebten Buches

45

Christliche Quellen Biblische Schriften Laktanz verzichtet in den Diuinae institutiones nach eigener Aussage auf Bibelzitate, da diese nicht geeignet seien, die paganen Leser zu überzeugen.1 Davon rückt er lediglich im vierten Buch ab, um anhand zahlreicher wörtlicher Zitate aufzuweisen, dass sich die biblische Prophetie in Christus erfülle.2 Dementsprechend konzentriert sich auch die Forschung auf die Zitate im vierten Buch und benennt, abgesehen von zwei (fast) wörtlichen Zitaten im siebten Buch, für die übrigen Bücher nur Berührungen mit biblischen Texten.3 Viel diskutiert ist insbesondere die Herkunft der Bibelzitate bei Laktanz: Die ältere Forschung betont die Übereinstimmungen in Auswahl, Anordnung und Wortlaut mit Cyprians Testimonia.4 Da ein groÿer Teil des bei Laktanz Angeführten bei Cyprian fehlt, vermutet die neuere Forschung teilweise eine zusätzliche, von Einüssen des östlichen Christentums geprägte Quelle für die Bibelzitate im vierten Buch 5 , teilweise eine umfangreiche, antijüdische Sammlung neben Cyprian 6 und teilweise die Benutzung der Vorlage von Cyprians Testimonia 7 . Der Befund im siebten Buch stellt sich folgendermaÿen dar: Nur zweimal zitiert Laktanz ausdrücklich aus der Bibel 8 , und zwar einmal wörtlich, einmal in freier Wiedergabe ein Psalmenwort, das eine zu erläuternde christliche Lehre begründet, zum einen (14,9) die Gleichsetzung von tausend Jahren Weltgeschichte mit einem Tag der Schöpfungswoche (Ps 90,4 1 Vgl. 25,1f.; 1,5,1f.; 5,5,47; vgl. J.C. Fredouille, Bible et apologétique, in: Fontaine/Pietri 479497, v.a. 490495. 2 Vgl. die ausdrückliche Rechtfertigung der Zitate 4,5,3 und die Erläuterungen zu dieser Zitierpraxis Wlosok Bibelzitate 202204). 3 Vgl. Brandt II 241244. Ogilvie (107f.) rechnet auÿerhalb des vierten Buches mit zwei wörtlichen Zitaten im siebten Buch (14,9: Ps 90,4; 20,5: Ps 1,5) und einigen indirekten (5,15,9: Ps 1,5 = Lk 18,4; 6,18,33: Eph 4,26; 6,23,33: Mt 5,32; 6,23,38: Mt 5,12); vgl. ferner McGuckin Scripture Texts 161163 (nur Altes Testament); Monat Bible II 11 Anm. 63 (Einzelnes); ergiebig ist Allenbach II. 4 Vgl. Brandt I p. XCIXf.; Pichon 199203. Zusammenfassung etwa Wlosok Bibelzitate 201 Anm. 1. 5 So Wlosok Bibelzitate 204213 und Ogilvie 96107, der zudem auf Unterschiede in der Textgestaltung verweist und annimmt, Laktanz verwende für das vierte Buch eine überarbeitete oder fehlerhafte Version von Cyprians Testimoniensammlung. 6 So McGuckin Scripture Texts 150156. 7 P. Monat, Étude sur le texte des citations bibliques dans les Institutions divines: la place de Lactance parmi les témoins des Vieilles Latines, REAug 28 (1982) 19 32; ders. Bible, v.a. I 272f. (Zusammenfassung); ders., Les testimonia bibliques de Cyprien à Lactance, in: Fontaine/Pietri 499507; übernommen Kannengiesser II 994. 8 Zu deren Bezeichnungen siehe unten zu 7,9 diuinae litterae docent und zu 1,6 prophetis.

46

Einleitung

Denn tausend Jahre sind für dich wie der Tag, der gestern vergangen ist.), zum anderen (20,5) den Ausschluss der Heiden von der ersten Auferstehung (Ps 1,5 Darum werden die Frevler im Gericht nicht bestehen.). 9 Für das letztere Zitat Ps 1,5 ist eine Vermittlung durch Cyprian wahrscheinlich, 10 auch das erstere wird Laktanz in derjenigen Quelle vorgefunden haben, die er für die chiliastische Typologie der Schöpfungswoche verwendet, für die wiederum Ps 90,4 eine Schlüsselstelle ist 11 . Hinzu kommt freilich ein prägender Einuss biblischer Texte in der Darstellung der Endzeitereignisse (Kapitel 14 bis 26): Die Hexaemerontypologie in Kapitel 14 basiert nicht nur auf Ps 90,4, sondern auch auf der Schöpfungsdarstellung im Buch Genesis. 12 Die Schilderung der Befreiung des Volkes Israel aus Ägypten (15,13) folgt der Darstellung im Buch Exodus.13 Den Endzeitereignissen, die Laktanz zu Beginn des Kapitels 16 schildert (16,14: Aufteilung der Herrschaft unter zehn Könige, Auftreten eines Tyrannen), liegen bekannte apokalyptische Aussagen aus dem Buch Daniel und der Johannesoenbarung zugrunde. 14 Die anschlieÿende Schilderung der Endzeitwehen greift zwar ganz unterschiedliches apokalyptisches Material auf, orientiert sich anscheinend aber auch an der Eschatologie der Synoptiker. 15 Von Kapitel 17 bis 26 übernimmt Laktanz dann aus der Johannesoenbarung die tragenden Strukturelemente der Endzeitschilderung und Ausgestaltung in vielen Passagen: 16 1. Ein von Gott gesandter Prophet tritt auf, dann der Antichrist, der diesen besiegt (17,18 nach Ob 11,314; 13,118). 17 2. Die Parusie Christi ist verbunden mit einer Schlacht, in der der endzeitliche Widersacher geschlagen wird (17,11; 19,5f. nach Ob 17,13f.; 19,1121).18 3. Es wird unterschieden zwischen einer ersten (20,4.; Ob 20,13) Auferstehung vor und einer zweiten (26,6; Ob 20,1115) nach dem 9 Siehe unten zu 14,9 ante . . . unus und zu 20,5f. 10 Siehe unten 506 mit Anm. 6. 11 Zur Hexaemerontypologie siehe unten zu 14,714, zur Schlüsselstellung des Psalmenwortes darin zu 14,9 ante . . . unus. 12 Vgl. Fàbrega 132. So lehnt sich Laktanz 14,7 und 14,11 für die Sabbatruhe Gottes wörtlich an Vet. Lat. gen. 2,2f. an, siehe unten zu 14,7 Mundum . . . sanxit. Die Erschaung des Menschen durch das Wort (14,13) basiert auf Gen 1,30 und 1,26a. Die Angabe von der tausendjährigen Lebenszeit, für die der Mensch geschaen sei, geht zurück auf Gen 2,17 und Gen 5,5, setzt aber eine weitere Deutungstradition voraus, siehe unten zu 14,14 ut mille annis . . . 13 Siehe unten zu 15,16. 14 Siehe unten zu 16,14. 15 Siehe unten 453 mit Anm. 17 und zu 16,12 plorabunt . . . 16 Insbesondere Fàbrega (134137) weist überzeugend nach, dass die Johannesoenbarung Grundlage von Laktanz' Chiliasmus (134) ist. 17 Siehe unten zu 17,18. 18 Siehe unten zu 19,27.

Die Quellen des siebten Buches

47

Tausendjährigen Reich und der endgültigen Niederwerfung des Teufels.19 4. Im Tausendjähriges Reich herrscht Christus zusammen mit den in der ersten Auferstehung auferweckten Gerechten (24,26 nach Ob 20,110).20 5. Nach dem Ende des Tausendjährigen Reichs wird der Teufel nochmals frei gelassen und zusammen mit den Heiden endgültig vernichtet und der ewigen Strafe zugeführt; dem gegenüber steht die Vollendung der Welt und das Leben der Gerechten bei Gott (26,17; Ob 20,710.14).21 Dabei arbeitet Laktanz das biblische Gut redaktionell um: Er kürzt, lässt Unerklärliches weg, fügt in den Erzählstrang der Johannesoenbarung, der seinerseits zu einem geschlossenen Ablauf verdichtet erscheint, anderes biblisches Gut ein und harmonisiert alles zu einer durchgehenden narrativen Darstellung.22 So verbindet er den Tyrannen aus der DanielTradition (16,15), der die politische Weltordnung zerstört und den Rahmen für die Endzeitkatastrophen schat, und den Antichrist (17,2.; 19,6), der mit seinem Anspruch auf göttliche Verehrung und seiner Verfolgung der Gerechten die letzte Bedrängnis für die Gottestreuen herbeiführt, durch die dann die Parusie veranlasst wird. 23 Der Antichrist wiederum ist in den Strukturrahmen der Johannesoenbarung eingefügt, obwohl er dort zwar als Typus des endzeitlichen Widersachers, nicht aber namentlich vorkommt. 24 Diese Bemühung, möglichst viele biblische Endzeitmotive in die geschlossene Darstellung zu integrieren, führt an manchen Stellen zu dramaturgisch unnötigen Verästelungen in der Darstellung. 25 19 Siehe unten zu 20,5f. 20 Siehe unten zu 24,26. Insbesondere wird das Motiv der ciuitas sancta (24,6) aus Ob 21,1  22,5 aufgegrien. In der Ob steht das himmlische Jerusalem zwar an anderer Stelle (siehe unten zu 24,26), doch stimmen die Schilderungen wörtlich überein. 21 Siehe beispielsweise unten zu 26,5 renouabitur . . . und uersabuntur . . . , zu 26,6 secunda illa . . . , zu 26,7 dominus illorum . . . 22 Siehe beispielsweise unten zu 16,14 (Kürzung, Glättung, Kombination von Dan und Ob); 17,18 (Kürzung, Glättung); 24,8 leones . . . (Tierfriede aus Jes im Rahmen aus Ob); 26,14 (Kürzung, Glättung, Kombination von Ob mit Ez). 23 Zum Verhältnis des Tyrannen aus dem Norden zu den anderen Widersachergestalten siehe unten zu 16,3 hostis . . . 24 Siehe unten zu 19,6 Antichristus. 25 So geht beispielsweise 17,10 das neutestamentliche Endzeitmotiv von der Flucht in die Berge über in das Motiv vom Völkersturm auf den Berg Zion (siehe unten zu 17,10 admotis . . . ), 24,6 ist von einer eschatologischen Sammlung des Gottesvolkes die Rede. Das ist dramaturgisch überüssig, da die Gerechten seit 17,9f. vereint sind, entspricht aber wiederum einem Endzeitmotiv (siehe unten zu 24,6 congregabuntur . . . ). Auch die Prüfung im Feuer (21,6f.) hat in ihrem vorliegenden Zusammenhang keine Funktion, denn sie bestätigt nur das Ergebnis der Wägung

Einleitung

48

Wahrscheinlich erarbeitet Laktanz seine Ausführungen nicht oder wenigstens nicht ausschlieÿlich direkt nach den biblischen Texten, sondern benutzt Zwischenquellen. Doch aufgrund der soeben skizzierten Vorgehensweise, nämlich zu sammeln und zu einer Darstellung zu vereinigen (davon spricht Laktanz auch selbst, 14,17: collecta ex omnibus et coaceruata subnectam ), lässt sich nicht einmal mit Gewissheit sagen, inwieweit thematische Testimoniensammlungen zugrunde liegen, deren Verwendung die Forschung für Laktanz insgesamt einhellig annimmt, 26 oder inwieweit auch sonstige christliche (Sekundär-)Literatur benutzt ist, die das biblische Gut bereits zu einer geschlossenen Darstellung aufbereitet. 27 Neben dieser Benutzung biblischer Texte als Vorlage für die Endzeitschilderung deuten zahlreiche inhaltliche Anklänge an Bibelstellen im gesamten siebten Buch auf die Vertrautheit des Laktanz mit der Heiligen Schrift oder christlicher Literatur, in der diese zitiert wird. 28 Auch die Sprache der Vetus Latina (also der verschiedenen lateinischen Bibelübersetzungen, die vor der Vulgata des Hieronymus in Gebrauch waren 29 ) scheint Laktanz mancherorts zu beeinussen. 30

26

27

28

29 30

(20,6) und dient auch nicht der Läuterung. Dennoch will Laktanz sie oensichtlich einfügen und das Motiv in seinem Werk erwähnt wissen. Tatsächlich nden sich manche Bibelstellen, auf die Laktanz sich bezieht, in Cyprians Testimoniensammlungen, 20,5 sind diese wohl auch verwendet (siehe unten zu 20,5f.); Weiteres bietet etwa Cypr. testim. 2,2830 (zur Endzeit); 3,20 (enthält Vet. Lat. Dan. 6,28, worauf Laktanz 16,8 prodigia [...] in caelo mirabilia zu verweisen scheint); Fort. 10 (daraus vielleicht 19,1 diuino auxilio ); 13 (daraus vielleicht 27,2 subtractum his labibus terrae ) 11 (zur Endzeit).  Doch ist die Lage hier ähnlich wie bei den Zitaten im vierten Buch: Das bei Cyprian Gebotene kann nicht genügen. Zudem scheint Laktanz mehrere Zwischenquellen verwendet zu haben. Diese Vermutung legen wenigstens die unterschiedlichen Blöcke nahe, die sich für die Bibelbenutzung in der Endzeitdarstellung des Laktanz abzeichnen, nämlich die Herleitung der Endzeitplagen aus dem Exodusgeschehen (15,16), die chiliastische Typologie der Schöpfungswoche (14,714), der Zerfall des Reichs und der Endzeittyrann nach Daniel (16,14) und die Synthese von AntichristTradition und chiliastischer Eschatologie der Johannesoenbarung (17,1  26,7). So scheint Laktanz beispielsweise die folgenden Bibelstellen vor Augen zu haben: Gen 1,12.29: 5,12 fecunditatem uaria . . . und 6,4 cur fruges . . . ; Gen 1,27: 3,19 nimirum uidere . . . ; Gen 1,28: 4,9 (siehe unten 254) und 5,15 innita uis . . . ; Gen 2,7: 5,13 hominem . . . ; Gen 3,5: 5,27 add. 12 uir sapiens . . . ; Gen 3,19: 5,14 corpus hominis . . . ; Weish 9,15: 1,12 sensus . . . ; Joel 30,26: 24,7 luna . . . ; Am 5,3: 16,14 ita enim . . . ; Mt 5,10: 11,4 qui . . . ; Mt 7,9f.: 4,15 ut et pisces . . . ; Mt 25,32: 17,10 segregabunt . . . ; 1 Kor 1,23: 26,8 tamquam stultitiam . . . ; 1 Kor 2,7: 26,9 abscondi . . . ; Gal 5,22: 27,11 astabunt . . . ; 2 Thess 1,7: 19,5 uirtus angelorum.  Ein besonders augenfälliges Beispiel ist zudem die Einladung zum Heil 27,12f., die deutlich an Aussagen des Neuen Testaments anklingt (siehe unten zu 27,12 ueniant . . . und 27,13 et caeci . . . ). Weiteres bei K. , HLL 4 (1997) Ÿ 468. Einzelwörter: 1,9 solubile ; 1,21 perditio ; 14,14 uiuicatus ; 17,6 pressura und contritio ; 23,2 anastasis ; 25,8 abominabilis ; ferner operatum passivisch (siehe unten zu

Zelzer

Die Quellen des siebten Buches

49

Es steht also nicht nur die Eschatologie des Laktanz auf biblischer Basis, auch seine Sprache und seine Argumentation im siebten Buch folgen in beachtlichem Umfang biblischen Mustern. Sonstige christliche Literatur Wie soeben ausgeführt, benutzt Laktanz möglicherweise christliche Literatur zu eschatologischen Themen, es lässt sich aber nicht mehr feststellen, welche.1 Sicher fassen lassen sich im siebten Buch jedoch nur Bezüge auf Tertullian, Minucius Felix und Cyprian, deren Kenntnis Laktanz auch ausdrücklich bezeugt.2 Aus Tertullians Apologeticum übernimmt Laktanz die Erläuterungen über das jenseitige Straeuer 3 und vielleicht den Gedanken, dass das Ende Roms durch Gebet aufgeschoben werden könne 4 . Dem apologetischen Werk des Minucius Felix, dem Dialog Octavius,5 entnimmt Laktanz anscheinend die Abfolge der Weltreiche 6 , einige Formulierungen über die Schöpfungsordnung 7 , über die Auferstehung 8 und eine Wendung über die Christengräuel 9 , ferner vielleicht einzelne Ausdrücke 10 . Es fällt auf, dass Laktanz insbesondere in solchen Bereichen auf beide Autoren zurückgreift, die in der Apologetik üblicherweise behandelt werden, nämlich die göttliche Erschaung der Welt, die Jenseitsstrafen, die leibliche Auferstehung, die Angrie auf die Christen und das Verhältnis zu Rom.

1

2 3 4 5 6 7 8 9 10

27,4 operatisque ) und uirtus für Wunder` (siehe unten zu 17,2 uirtutibus ). Formulierungen: 3,16 in aeternum [...] esse mansurum ; 5,21 huius praesentis uitae ; 11,1 impletis [...] temporibus ; 21,3 permanens in aeternum ; 26,2 nouissima ira ; 26,10 malam conscientiam ; 27,14 uirtute calcauerit. Auallend ist ein ganzer Abschnitt, der in biblischer Diktion gehalten ist, siehe unten zu 24,15 reges gentium . . . .  Zum Phänomen vgl. R. Braun, L'inuence de la Bible sur la langue latine, in: Fontaine/Pietri 129142. Dulaey (Éxégète I 316319) vermutet, Laktanz habe den Kommentar des Victorinus von Pettau zur Johannesoenbarung und Commodian gekannt. Doch zeigen die genannten inhaltlichen Überschneidungen nur, dass Laktanz der Auslegungstradition seiner Zeit folgt. Vgl. die Äuÿerungen über deren Apologetik 5,1,22; 5,4,3. 21,35 nach Tert. apol. 48,1315, siehe unten zu 21,35. 25,8 mit Berührungen zu Tert. apol. 32,1, siehe unten 573 mit Anm. 18. Zur Benutzung des Minucius Felix bei Laktanz M. Pellegrino, Studi su l'antica apologetica, Roma 1947, 151201. Siehe unten zu 15,13 et Aegyptios . . . Siehe unten zu 5,4 prouidentiam disponendi . . . und 6,4 cur emicent . . . ; vgl. unten zu 9,2 quoniam deus . . . Siehe unten zu 12,29 modo in homine . . . ; 12,31 sententia . . . ; 22,1 Figmenta haec esse . . . ; 22,8 corporibus innouatis ; 23,2 transire animas in noua corpora. Siehe unten zu 26,10 de pudicis . . . Siehe unten zu 1,16 uitiis immersi ; 20,9 labemque terrenam ; 26,6 dominum . . .

Einleitung

50

Auch im Fall des Cyprian 11 lassen sich in erster Linie Spuren der apologetischen Schriften bei Laktanz nden: So klingen vielleicht gesellschaftskritische Motive aus Ad Donatum an12 , und auf das Proömium der Schrift Ad Demetrianum bezieht Laktanz sich im Zusammenhang mit der Verachtung, die die Heiden den Christen entgegenbringen 13 . Hinzu kommen weitere sprachliche Berühungen. 14 Von besonderer Bedeutung für Laktanz sind Cyprians Testimoniensammlungen; auch im siebten Buch könnte ein Teil der Bibelzitate durch sie vermittelt sein. 15 Von dem griechischen Apologeten Theophilos von Antiochien, dessen Werk Ad Autolycum Laktanz im ersten Buch erwähnt 16 , scheinen die Etymologie von Sabbat`17 und das chronologische Gerüst zu stammen, aufgrund dessen Laktanz berechnet, dass das Weltende in höchstens 200 Jahren bevorstehe18 .

Testimonia diuina Die Belege aus dem hermetischen Schrifttum Bei den hermetischen Schriften 1 handelt es sich um Weisheitsheitsliteratur aus dem synkretistischen Ägypten der ersten nachchristlichen Jahrhunderte, die pseudepigraphisch Hermes Trismegistos, einer Verschmelzung des griechischen Hermes und des ägyptischen Thot, zugeschrieben ist und die sich teilweise mit okkultistischen Einzelfragen beschäftigt, teilwei-

Koch

11 Zu seiner Benutzung bei Laktanz H. , La sopravvivenza di Cipriano nell'antica letteratura cristiana. Cipriano e Lattanzio, Ricerche Religiose 7 (1931) 122132. 12 Siehe unten zu 1,15 inati [...] inammati und zu 27,15 diuitiis [...] fascibus [...] regia potestate. 13 Siehe unten zu 1,16 contra ueritatem . . . latrant und zu 26,8 deo iubente [...] intra nostram conscientiam teneamus

14 Siehe unten zu 5,26 caelestibus bonis . . . (Cypr. eleem. 16?); 11,2 perennes . . . pendit (Cypr. mortal. 14?). Zu Formulierungen, die mehrfach bei Cyprian erscheinen, siehe beispielsweise unten zu 1,1 uerum . . . perduximus ; 1,25 humilem ; 8,3 diuina traditione ; 14,3 caeleste praemium ; 14,8 legitimus ac plenus 19,4 ultor. 15 Siehe dazu oben 48 mit Anm. 26. 16 Siehe unten 568 Anm. 6; vgl. Culture 311f. 17 Siehe unten zu 14,8 hic est dies . . . 18 Siehe unten zu 25,36, v.a. 568 1 Das Erhaltene ist zusammengestellt als Corpus Hermeticum ; Ausgabe: ; aufgrund der Kommentierung noch immer wichtig ist die Ausgabe von ; eine deutsche Übersetzung bieten . Die koptischen Übersetzungen aus Nag Hammadi (NHC) nden sich bei Hermès ediert und ins Französische übersetzt; zur Einführung jetzt etwa 1961.

Perrin

Nock/Festugière Scott/Ferguson pe/Holzhausen Mahé Ebeling

Col-

Die Quellen des siebten Buches

51

se ein gnostischtheosophisches Weltdeutungsmodell entwirft. 2 Unter den Christen vor Laktanz beziehen sich Athenagoras, Tertullian, Klemens von Alexandrien und Arnobius auf Hermes Trismegistos, doch in geringerem Umfang als dieser.3 Aus dem hermetischen Schrifttum, das Laktanz auch ansonsten häug für Belege heranzieht,4 nden sich im siebten Buch zwei längere wörtliche Zitate, eines als Beleg für die Unsterblichkeit der Seele 5 , eines als Zeugnis für das Eingreifen Gottes und seine Sohnes in der Not der Endzeit 6 , und zwei paraphrasierende Wiedergaben von Lehren aus dem Corpus Hermeticum 7 . Laktanz verwendet die Zitate als Belege, die in ihren Aussagen mit christlicher Lehre übereinstimmten, 8 geht aber auf den möglichen Einwand ein, dass es sich nicht um testimonia diuina, sondern nur um Philosophenmeinungen handle (13,4). Diese umstrittene Stellung des Hermes Trismegistos, der in Ägypten als Gott verehrt werde, aber doch ein Mensch gewesen sei und deswegen nicht zweifelsfrei den testimonia diuina zuzurechnen sei, bringt Laktanz auch schon bei dessen Einführung im ersten Buch zum Ausdruck.9 Laktanz kennt oenbar wesentlich mehr, als erhalten ist. 10 Auch über diese Zitate hinaus gibt es im siebten Buch deutliche inhaltliche Berührungen mit dem Corpus Hermeticum, und zwar zum einen in den Ausführungen über die Ausrichtung des Menschen auf die Gottesverehrung 11 , zum anderen bei einzelnen Endzeitkatastrophen 12 . 2 Vgl. etwa H.J. Sheppard/A. Kehl/R. Wilson, Hermetik`, RAC 14 (1988) 780 808; Löw 834. 3 Vgl. Löw 4178; Walter 154156; Ebeling 6371. 4 Tabellarische Übersicht für Laktanz insgesamt bei Wlosok Gnosis 261f.; Zusammenfassung bei Ogilvie 3336; thematische Zusammenstellung und Interpretation bei Löw 88234; Zusammenfassung und Wertung bei Walter 152170; Ebeling 67f., mit einseitiger Betonung der Übernahme hermetischer Gedanken; exemplarisch zu Ps. Apul. Ascl. 8 Sinisalco 8897. 5 13,3: CH frg. 15 Nock/Festugière (IV 114). 6 18,4, sonst nur erhalten in lateinischer (Ps. Apul. Ascl. 26) oder koptischer (NHC VI 73,2374,1 (Mahé Hermès 184186) Übersetzung. 7 4,3: CH frg. 8b Nock/Festugière (IV 109); 9,11: CH frg. 14 Nock/Festugière (IV 113), vielleicht identisch mit Ps. Apul. Ascl. 11, siehe unten zu 9,11 quam

spectationem ...

8 Die Umdeutungen hermetischer Inhalte erhellt jetzt Walter (160170). 9 1,6,15 (vgl. epit. 4,4; ira 11,21) zitiert Laktanz über Hermes Trismegistos auch Cic. nat. deor. 3,56. In die Nähe der Propheten rückt Laktanz ihn 6,25,10. 10 Nämlich den lìgoc tèleioc im Original (daraus die Zitate 9,11 und 18,4; vgl. 4,6,4) und heute völlig Verlorenes (4,3; 13,3). 11 Siehe unten 266. 12 Siehe unten zu 14,16 mundi ultimam senectutem, 15,711, 15,10 prima omnium Aegyptum ... , 16,4 noua consilia ... , 17,9 tempus quo ... 18,3 post enumerationem ... und 18,4 Õdati . . .

Einleitung

52

Welchen Einuss die Hermetik auf das Denken des Laktanz insgesamt ausübt, ist in der Forschung umstritten; die jüngst vertretene Einschränkung auf einen rein äuÿerlichen Einuss, der über die wörtlichen Wiedergaben aus dem Corpus Hermeticum nicht hinausgehe, erscheint jedenfalls kaum haltbar.13 Das Apollorakel Im siebten Buch ndet sich das mit sechs Versen längste von insgesamt sieben Zitaten aus Apollorakeln im Gesamtwerk des Laktanz, 1 mit denen er Grundaussagen des Christentums wie den Monotheismus, die Existenz von Dämonen, die gottmenschliche Natur Christi oder, hier (13,6), die Unsterblichkeit der Seele und ihre Bestimmung zum Gericht belegt. 2 Laktanz gibt sie jeweils in griechischen Hexametern wieder. 3 Im ersten Buch kündigt Laktanz die Belege aus den Apollorakeln zu Monotheismus und Dämonologie mit merklicher Distanzierung an: Er führe Zeugnisse von heidnischen

Wlosok Perrin

Sinisalco

13 Während (Gnosis 222231, ähnlich 97) die Erlösungsvorstellungen des Laktanz von Gedankengut der hermetischen Gnosis beeinusst sieht, betont (L'homme 3840) die Geläugkeit der anthropologischen Motive in der Soteriologie des Laktanz und nimmt an, dass der Einuss hermetischen Gedankenguts nicht über gelegentliche Benutzungen hinausgehe (Culture 306308). (46; 254257) will nur die wörtlichen Belege gelten lassen und schlieÿt eine umfassendere HermetikRezeption aus. Exemplarisch zu dieser Diskussion unten zu 9,11 quam spectationem ...  Eine Entscheidung ist hier nicht möglich, doch sind wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage zwei Anmerkungen nötig: (1) Bezüglich der Anthropologie und Erlösungslehre, wie sie Laktanz in seiner Darstellung des göttlichen Heilsplans (4,1  6,1) zugrunde legt, liegt das Problem darin, dass, wie (Bibelzitate 201 Anm. 2) schon 1961 bemerkt, eine umfassende Studie zu den theologischen Quellen des Laktanz fehlt. In ein solches Gesamtbild wären die von aufgezeigten Einüsse der hermetischen Gnosis einzufügen; und dass diese Einüsse über das von einer apologetischen Instrumentalisierung Geforderte hinausgehen, konstatiert jüngst auch (eher nolens volens) (171). Dass natürlich weitere Faktoren hinzukommen und manche Aspekte in der Erlösungslehre des Laktanz sich nicht aus der hermetischen Gnosis herleiten lassen, betonen und ganz zu Recht, doch sind damit s Beobachtungen nicht widerlegt. (2) Die erwähnten Konvergenzen der eschatologischen Darstellung des Laktanz mit der apokalyptischen Passage Ps. Apul. Ascl. 25f. zeigen, dass eine implizite Hermetikrezeption` entgegen (235242) nicht ausgeschlossen werden darf, lassen sich aber auch mit dem apologetischen Kalkül erklären, dem Leser möglichst viel Vertrautes zu bieten  so sind ja die paganen uates (14,7) als eine Quelle für die (in ihren wesentlichen Eckpunkten natürlich christliche) Gesamtdarstellung der Endzeitereignisse erwähnt. 1 Zu den Apollorakeln bei Laktanz 192205; Oracles. 2 Daneben: 1,7,1 (drei Verse: Monotheismus); 1,7,9 (zwei Einzelverse: Existenz von Dämonen); 1,7,10 (zwei Verse: Bestrafung der Dämonen); 4,13,11 (drei Verse: gottmenschliche Natur Christi); ira 23,12 (drei Verse: Gott der Juden als zürnender Gott). Vgl. Oracles (Diskussion der Stellen und weitere Literatur). 3 Weiteres siehe unten zu 13,5 Polites ...

Löw

Wlosok Wlosok

ter

Perrin

WalWlosok

Löw

Löw

Walter

Freund

Freund

Die Quellen des siebten Buches

53

Göttern an, weil diese die Heiden am meisten überzeugen müssten. 4 Wahrscheinlich wählt Laktanz die Texte aus Sammlungen aus, die ausgehend von den Orakelstätten kursieren. 5 Die Hystaspesapokalypse Die Hystaspesapokalypse ist der wohl umstrittenste 1 Quellentext des siebten Buches und hier aus zwei Gründen etwas ausführlicher zu erörtern: Zum einen bietet Laktanz die wichtigste Basis für die Rekonstruktion dieser in Religionswissenschaft und Theologie viel diskutierten Schrift. Zum anderen hat die Einschätzung über das Ausmaÿ ihrer Benutzung das Bild der Eschatologie des Laktanz insgesamt zu einem nicht geringen Teil geprägt. Schon der Name des Quellentextes ist umstritten: (1929) spricht von den Orakeln des Hystaspes`, (1938) in ihrer Fragmentensammlung von der Apokalypse` des Hystaspes, (1999) hingegen hält Buch der Weisheit` für den eigentlichen Titel. 2 Dabei handelt es sich um eine (abgesehen von Laktanz) an fünf Stellen bei christlichen Autoren durch knappe Erwähnungen belegte und pseudepigraphisch unter dem gräzisierten Namen Hystaspes (persisch Vi²t aspa) zitierte Schrift.3 In der Figur des angeblichen Verfassers ieÿen wohl zwei gleichnamige Gestalten zusammen, nämlich der königliche Schutzherr des

Windisch Bidez/Cumont Beatrice

4 1,6,17 quod genus probationis aduersus eos magis adhibere debemus quam ut eos deorum suorum testimoniis reuincamus?

5 Die öfter geäuÿerte Vermutung, Laktanz greife auf die Schrift De philosphia ex oraculis des Neuplatonikers und Christengegners Porphyrios von Tyros zurück, entbehrt sicherer Indizien, siehe unten 379 mit Anm. 10. 1 Noch immer grundlegend ist die Untersuchung von (1929), dort ältere Literatur; zum heutigen Stand etwa (1991) 376381; Hystaspes (1994); Hystaspe (1999); (2006) 206213. 2 Zur Diskussion Hystaspe 361363. Da dessen Zweifel, ob qr seic IhsoÜc) Num 13,17 als Präguration des Erlösungshandelns Jesu Christi (etwa Barn. 12,8; Clem. paed. 1,60,3; Just. dial. 113,1; Tert. adv. Marc. 3,16,36; als dux caelestis militiae Ambr. in psalm. 39,9,1; virg. 1,8,51; d. 5,10,127 ducem militiae caelestis = Vet. Lat. Ios. 5,14 etc.), dazu Laktanz 4,17,12: qui cum primum Auses uocaretur, Moyses futura praesentiens iussit eum Iesum uocari, ut quoniam dux militiae delectus esset aduersus Amalech [...] et aduersarium debellaret per nominis guram et populum in terram promissionis induceret. Dementsprechend wird auch Josuas Aussage Jos 15,14 LXX âg° ‚rqistrˆthgoc (Vet. Lat. [Cypr. testim. 2,19] dux ) dunˆmewc kurÐou christologisch gedeutet (Justin. dial. 34,2; 61,1; Clem. paed. 1,65,3; Cypr. testim. 2,19), daher wohl Laktanz 4,2,5 statuerat [...] deus adpropinquante ultimo tempore ducem magnum caelitus mittere (vgl. Loi Lattanzio 214f.). Schon die jüdische Eschatologie kennt die Vorstellung, dass der Messias als Anführer eines siegreichen Endzeitkampf wiederkehren werde, vgl. M. Hengel, Die Zeloten. Untersuchungen zur jüdischen Freiheitsbewegung in der Zeit von Herodes I. bis 70 n. Chr., Leiden/Köln 19762 , 281; Volz 212215.

descendet . . . amma inextinguibilis: Das Kommen mit Engelsmacht

gehört zur Topik der Parusieschilderungen (hier nach Ob 19,11.; aber beispielsweise auch 2 Thess 1,7; vgl. Jes 63,19; Sach 14,5). Die Christus vorausgehende Flamme ist ungewöhnlich; die Apokalyptik kennt zwar das Motiv eines alle Frevler vernichtenden endzeitlichen Gerichtsfeuers (Dan 7,14; Bousset 159165), bei Laktanz aber kann die unauslöschliche Flamme` an dieser Stelle der Darstellung keine unmittelbar zerstörerische Wirkung haben, gehört allerdings zur Topik des endzeitlich Kommenden, so etwa Ps 18,9; Dan 7,10; Tert. adv. Marc. 4,29,12; vgl. die ammenden Augen Dan 10,6; Hen(sl) 1,5; Ob 1,14 und 19,12 ±c fläx purìc, 2,18; das stark alttestamentlich beeinusste (vgl. P. Katz, >En purÈ flogìc, ZNTW 46 [1955] 133138, v.a. 135) 1 Thess 1,8 ân purÈ flogìc. Insbeondere entspricht antecedet eum amma Ps 97(LXX 96),3 pÜr ânantÐon aÎtoÜ proporeÔsetai (zitiert Tert. adv. Marc. 4,29,12 ignis ante ipsum procedet ; pudic. 2,7). Inextinguibilis, nur hier bei Laktanz, lässt an Gericht und Höllenfeuer (dafür häug, vgl. ThLL VII,1 1333,56.) denken; wie 2 Thess 1,8f. leitet die Erwähnung der Flamme zur ewigen Verdammnis für die Frevler über.

uirtus angelorum:

Vgl. 2 Thess 1,7 met+ ‚ggèlwn dunˆmewc aÎtoÜ , Vet. Lat. (Tert. adv. Marc. 5,16,1) cum angelis uirtutis suae . 4,14,17 ist Christus

497

19,5

als princeps angelorum bezeichnet (vgl. oben zu 5,9 angelos.

Loi

Lattanzio 215). Siehe auch

tradet in manus iustorum: Die Heerscharen des Antichrist werden von

den belagerten Frommen selbst niedergemacht: Zunächst kämpfen also Menschen gegen Menschen, die ehemals Bedrängten siegen über ihre Verfolger; dann (19,6) Christus gegen den Antichrist. Hinter dem Ausdruck in manus tradere (ab Tert. carn. 2,2; hauptsächlich in der christlichen Latinität) steht die biblische Vorstellung, dass Gott einen Gegner in die Hände der Seinen gibt (etwa Dtn 2,30; Jos 24,11; Ps. Philo antiq. 30,7; umgekehrt, von Christus Mt 17,21 parr.; 26,45 parr.; danach Lact. inst. 4,10,1). Ebenso formuliert Laktanz die Rache an den Verfolgern (dazu grundsätzlich Heck Gottesverächter 186228) 26,12 (an Konstantin) malos [...] in manus tuas idem deus tradidit ; mort. pers. 3,2 (über Domitian) traditus in manus inimicorum luit poenas . multitudinem . . . circumsederit: Rückbezug auf die 17,10f. geschil-

derte Belagerungssituation, multitudo illa meint die 17,10 zusammengezogene Heeresmacht. Zwischen resultativvorzeitigem circumsederit (HM,

sich zur Belagerung des Berges festgesetzt hat`, vgl. ThLL III 1165,8f.; zwar die Lectio dicilior, doch bieten HM vielerorts eigenwillige Lesarten) und gleichzeitigem circumsedebit (DPKS, belagern wird`, vgl. Liv. 35,3,1; Tac. ann. 1,57,1: Imperfekt) ist keine sichere Entscheidung möglich. ab hora tertia usque in uesperum: Schlachten beginnen zur dritten

Stunde nach Liv. 8,38,10; 27,2,7 ( ad noctem ); 35,1,4. Zum nachklassischen usque in uesperum vgl. Colum. 1,6,2; ThLL VII,1 753,3. Ein symbolisch apokalyptischer Hintergrund der Zeitangabe könnte vielleicht in der Kreuzigung Jesu zur dritten Stunde nach Mk 15,25 (zu den abweichenden Angaben der anderen Evangelien J. Gnilka, Das Evangelium nach Markus, EKK II/2, Solothurn/Düsseldorf 1994 4 , 317) und der Kreuzabnahme am Abend (Mk 15,42) zu suchen sein. Nach Ob 12,11; 1 Kor 15,57 (vgl. Aune II 702f.) ermöglicht der Kreuzestod Christi den eschatologischen Sieg der Gerechten. Zum Tod am Kreuz als siegreichem Kampf bestimmter Dauer Cypr. domin. orat. 34 et dominus hora sexta crucixus ad nonam peccata nostra sanguine suo abluit et ut redimere et uiuicare nos posset, tunc uictoriam suam passione perfecit. Jedenfalls deutet die Apokalyptik öfter an, dass dem endzeitlichen Geschehen eine vorgegebene Chronologie innewohnt, vgl. Dan 7,12; 4 Es 4,36f.42; 13,58, dazu W. Schenk, Der Passionsbericht nach Markus. Untersuchungen zur Überlieferungsgeschichte der Passionstraditionen, Gütersloh 1974, 3739. Eine genauere Schilderung der Kampfereignisse gibt Laktanz 19,6, siehe unten zu 19,6 se ipse . . . uet sanguis more torrentis: Vgl. or. Sib. 3,683f. ûeÔsousi dà pètrai / aÑmati kaÈ pedÐon plhr¸sei psa qarˆdra. 3,320322.696; 5,372; 8,349; zum

Kommentar

498

Bild des Sturzbaches (auch epit. 67,1) etwa Lucan. 7,635637; Stat. Theb. 5,252f.; Sil. 13,566; Arnob. nat. 3,26; 4,4; zum häugen sanguis uit ThLL VI,1 970,24.

deletis omnibus copiis impius solus eugiet: 17,11 (iusti [...]

Die Entsprechung zu

fugient [...]. [...] impius inammatus ira ueniet cum

exercitu magno et admo tis omnibus copiis circumdabit montem [...]. )

illustriert den Vollzug der Rache.

peribit ab eo:

Wird von ihm weichen`, vgl. ThLL X,1 1337,70. (und nicht Passiv zu perdere, vgl. KS I 99f.).

19,6 Antichristus:15

>AntÐq ristoc (lateinisch Antichristus, vgl. ThLL II 166,6782; bei Laktanz auch mort. pers. 2,8) erscheint erstmals in den Johannesbriefen für einen (1 Joh 2,22; 4,3; 2 Joh 7) oder mehrere (1 Joh 2,18) Widersacher Christi, die den Lesern oenbar bekannt und vom Teufel (diˆboloc) unterschieden (1 Joh 3,8.10) sind. Generell bezeichnet der Begri einen Gegner oder einen trügerischen Nachahmer Christi in eschatologischem Zusammenhang. Das Motiv ist jüdischen Ursprungs, eine besondere Rolle spielen der falsche Prophet (Dtn 13,26) und der sich göttliche Verehrung anmaÿende Gewaltherrscher (Antiochos IV. Epiphanes im Buch Daniel).16 Der Antichrist` (auch Polyc. ep. 1,7) steht aber zunächst17 neben Figuren wie dem yeudìq ristoc (Mk 13,22; Mt 24,24), dem Šnjrwpoc t¨c ‚nomÐac (2 Thess 2,3.8.9; Justin. dial. 32,3f.; 110,2), falschen Lehrern (2 Petr 2,1), dem kosmoplˆnhc (Did. 16,4), aber auch apokalyptischen Erscheinungen wie dem wiederkehrenden Nero (als Beliar` etwa or. Sib. 3,6374; vgl. AscIs 4,17) 18 . In der Johannesoenbarung erscheinen neben anderen Widersacherguren 19 insbesondere auch die beiden Tiere` (Ob 13,118) mit Zügen des Antichrist 20 . Ein umfassendes Bild vom endzeitlichen21 Antichrist, in dem die übrigen Widersachergestalten aufgehen,

15 Nach Boussets grundlegender Materialsammlung und neben Sbaffonis Zusammenstellung der Quellentexte vgl. A. Arrighini, L'Anticristo nelle sacre scritture, nella storia, nella letteratura, Genova 19882 , 935; Jenks 124; F. Sbaffoni, L'Anticristo nel pensiero del cristianesimo antico, in: M. Naldini (Hrsg.), La ne dei tempi, Fiesole 1994, 2449; Lietaert Peerbolte 415; Aune II 751755; McGinn 978; G.W. Lorein, The Antichrist Theme in the Intertestamental Period, London/New York 2003; Badilita. 16 Vgl. Aune II 753; Jenks 169192; Lietaert Peebolte 224343. 17 Vgl. Jenks 117366; Lietaert Peerbolte 23220. 18 Vgl. Jenks 257259; Lietaert Peerbolte 146 Anm. 4; 331335. 19 Beispielsweise falsche Apostel (Ob 2,2), falsche Propheten (Ob 16,13; 19,20; 20,10) oder ein Drache (Ob 12,18). 20 Vgl. Tert. resurr. 25,1; Victorin. Poetov. in apoc. 11,4; Giesen 311; A. Strobel, jhrÐon, EWNT 2 (19922 ) 367369, hier 3b; Aune II 751755; Prigent 397400. 21 Mit Recht stellt Sbaffoni (I 15f.) der Vorstellung vom eschatologischen Antichrist diejenige gegenüber, gemäÿ derer der Antichrist als treibende Kraft hinter dem

499

19,6

bieten dann Irenäus (haer. 5,2530) und Hippolyt ( De antichristo ):22 Der Antichrist handelt im Auftrag des Teufels; er ist böse und hochmütig; er täuscht und verführt durch Wunder, um für sich göttliche Verehrung zu erlangen; er bemächtigt sich der Weltherrschaft; zwei Zeugen Gottes treten gegen ihn auf; der Antichrist verfolgt die Gottestreuen; Christus kommt vom Himmel und vernichtet den Antichrist. 23 Diese Züge trägt auch der Antichrist des Laktanz. Doch fallen bei ihm zwei Dinge auf, zum einen die narrative, nicht deskriptive Darstellungsweise, 24 , zum anderen folgende inhaltliche Besonderheiten: 1. Das Verhältnis zwischen Teufel und Antichrist bleibt unklar. 25 2. Laktanz unterscheidet vom eigentlichen Antichrist eine vorher kommende Tyrannengestalt (siehe oben zu 16,3 hostis . . . ), die den Untergang des römischen Reiches herbeiführt (siehe oben zu 16,14) und die Endzeitkatastrophen anzustoÿen scheint (siehe oben zu 16,514). 3. Bei Laktanz geht der Auftritt eines Propheten (siehe oben zu 17,1 propheta magnus ) der Herrschaft des Antichrist voraus. 26 4. Während der Antichrist des Hippolyt (antichr. 5, vgl. 203207) den Juden die Sammlung in ihrem Land verspricht und irgendwie jüdischen Charakter trägt ( 225), kommen die Juden oder Jerusalem (Iren. haer. 5,25,2) als Sitz des Antichrist bei Laktanz nicht ausdrücklich vor.27 5. Laktanz ergänzt das Ende des Antichrist durch den Völkersturm auf den Berg Zion (siehe oben zu 17,10 admotis . . . ). 6. Laktanz schildert ausführlich die Niederlage des Antichrist (siehe unten zu quarto proelio ) und das Gericht über ihn.

Heid

Heid

Die Quellen für die Antichristdarstellung des Laktanz lassen sich nicht isolieren. Anscheinend ist einschlägiges Gut aus der Johannesoenbarung (v.a. Kapitel 11, 13 und 19, siehe oben zu 17,18 und 19,27) dem verbreiteten AntichristSchema angeglichen, ergänzt und im Hinblick auf den paganen Leser geglättet.

22 23 24

25 26 27

gegenwärtigen Tun falscher Lehrer und Häretiker erscheint, so etwa Iren. haer. 1,13,1; Tert. adv. Marc. 5,16,47; praescr. 4,25; Cypr. epist. 59,3. Zusammenstellung der wichtigsten weiteren Quellentexte bei Sbaffoni, Auistung der Belege bei Badilita 521532. Insbesondere Jenks 4998; vgl. Bousset 76169; Sbaffoni I 1315; McGinn 57 64. Vgl. G.A. Benrath, Antichrist III`, TRE 3 (1978) 25; Sbaffoni II 169f.; jetzt auch Badilita (324343), der zwar über eine Paraphrase der einschlägigen Texte kaum hinauskommt, aber in seiner ausführlichen Gesamtdarstellung den Vergleich ermöglicht. Siehe oben zu 17,2 alter rex . . . ; zum Bruch bei der Einführung des Teufels siehe unten zu 24,5 princeps daemonum. Anders etwa Hipp. antichr. 46,3f.; vgl. Jenks 9395. Heid 227f. Siehe aber oben zu 17,2 alter rex . . .

Kommentar

500

se ipse . . . luat poenas: Mit fünf Aussagen fasst Laktanz Aktivitäten

des Antichrist zusammen: Christum mentietur muss sich zurückbeziehen auf den Versuch des Antichrist, für sich Verehrung als Gottesohn zu erlangen (siehe oben zu 17,4 se coli iubebit ut dei lium ) und durch Wunder die Menschen zu täuschen (17,5). Das Folgende gibt nochmals das bereits 19,5 geschilderte Kampfgeschehen wieder. Dasjenige Ereignis, das die Synchronisierung beider Darstellungen erlaubt und zeigt, dass tatsächlich zweimal dasselbe Ereignis gemeint sein muss, ist die Vernichtung der Truppen, die auf der Seite des Antichrist kämpfen:

19,5

19,6

[sc. multitudo] concidetur

contra uerum dimicabit et uictus eugiet et bellum saepe re-

ab hora tertia usque in uesperum

nouabit et saepe uincetur, donec quarto proelio

deletisque omnibus copiis

confectis omnibus impiis

impius solus eugiet et peribit ab eo

debellatus et captus tandem scelerum

uirtus sua.

suorum luat poenas.

Beide Darstellungen folgen einer unterschiedlichen Schwerpunktsetzung: 19,5 steht die Rache an all denjenigen im Zentrum, die die Christen verfolgt haben, und zwar durch die Bedrängten selbst; 19,6 die Niederlage des Antichrist. Den Angaben des Laktanz lässt sich folgender Ablauf entnehmen: Die Auseinandersetzung zwischen Christus mit seinem Engelsheer und dem Antichrist mit seinen Truppen dauert vom Vormittag bis zum Abend; dabei nimmt der Antichrist dreimal trotz einer Niederlage den Kampf wieder auf, bis in der vierten Schlacht seine Heeresmacht gänzlich aufgerieben ist und er selbst in Gefangenschaft gerät. Das dreimalige Entkommen und die Niederlage des Antichrist quarto proelio ist nur bei Laktanz (auch epit. 67,1) belegt und bislang motivgeschichtlich nicht befriedigend erklärt28 . Das Entscheidende scheint nicht das Aufgreifen einer Zahlensymbolik zu sein, deren Sinn sich dem paganen Leser ohnehin nicht erschlösse, sondern das, was die Fortsetzung des Kampfes bis zur endgültigen Gefangennahme ausdrückt, nämlich zum einen die einzigartige Bosheit und den verblendeten Stolz des Antichrist (Grundcharakteristika der Figur, vgl. Jenks 6469), der trotz vernichtender Niederlagen immer weiter kämpft, zum anderen die Schwere des Endzeitkampfes und die ernsthafte Verbissenheit, mit der er geführt wird, somit die Vollständigkeit und das Gewicht des Sieges, den Christus erringt.

Bousset (154) handelt es sich um eine besonders archaistische Variante; Jenks (97) hingegen beobachtet ein gesteigertes Interesse am Schicksal des Antichrist eher für das dritte Jahrhundert, also spätere Zeit. Colpe (Menschensohn

28 Nach

110) erwägt einen Zusammenhang mit dem Ende des vierten Weltreichs Dan 2,40 45; 7,7.19.23, was aber wenig für sich hat.

501

19,7  19,9

19,7

sed et ceteri principes . . . cruciatibus tradet: Traditionsgeschichtlich erscheint die Erwähnung von Tyrannen, die zusammen mit dem Antichrist vom wiederkehrenden Christus verurteilt werden, gut motiviert:

1. Ob 19,19 kämpfen basileØc t¨c g¨c kaÈ t€ strateÔmata aÎtÀn als Verbündete des Antichrist gegen Christus, Ob 19,21 (vgl. Ob 19,18) werden sie getötet. 2. Die Niederwerfung aller bösen Widersacher vor Beginn des Tausendjährigen Reiches (wie Ob 19,11  20,3) ist dramaturgisch notwendig. 3. Die Sammlung der Herrscher der ganzen Erde für den Endkampf gegen die Gottestreuen und deren Bestrafung (vgl. III 1064-) gehört zum Motiv des Völkersturmes, den Laktanz in der Belagerung auf dem Berg aufgreift (siehe oben zu 17,10 admotis . . . ).

Aune

Dennoch bereiten die hier erwähnten principes ac tyranni innerhalb der Darstellung des Laktanz Verständnisprobleme: 1. Bislang sind keine mit dem Antichrist verbündeten Herrscher erwähnt, nur Truppenzusammenziehungen und die groÿe Heeresmacht des Antichrist selbst (17,10). 2. Der im Perfekt gehaltene Relativsatz qui contriuerunt orbem lässt an historische Tyrannengestalten denken. Das würde jedoch deren Auferweckung voraussetzen. 3. Ein gemeinsames Gericht über den Teufel und seine zu diesem Zweck auferweckten ministri wird 26,6f. geschildert. Das Verhältnis beider Verurteilungen zueinander bleibt unklar (siehe auch unten zu 24,5 princeps daemonum ). Oenbar ist Laktanz ein Gericht über den Antichrist und über sonstige Tyrannengestalten als Vollendung des Sieges und Vorbereitung des Tausendjährigen Reiches so wichtig, dass er die genannten Unstimmigkeiten in Kauf nimmt. 19,8 extincta malitia . . . pertulit seruitutem: Wie schon 2,1 ( extincta malitia ) und 14,11 angekündigt, erlangt die Welt nun in Vorbereitung des Tausendjährigen Reiches, das 24,7.11 in ganz ähnlichen Worten beschrieben wird, Ruhe (vgl. 27,2 pro laboribus requiem ) von den aufgrund des moralischen Verfalls zu Beginn der Endzeit ins Unerträgliche gesteigerten Plagen (15,8 impieteas [...] crebrescet. 15,9 neque requies a malis ulla ; 16,1 nec ulla requies bellis exitialibus erit ). Zur typologischen Deutung der seruitus 15,2.4

Die Beseitigung der Götzenverehrung und die Zerstörung von Kultstätten, -gerät und Weihegeschenken wird, wie Laktanz selbst sagt ( Sibylla cum prophetis congruens ), sowohl in der Prophetie (etwa Jes 2,1820; 30,22; Jer 50,2; Ez 6,46; Mi 1,7; Sach 13,26) 19,9 non colentur . . . ardebunt:

502

Kommentar

als auch in der Apokalyptik (folgende Sibyllenzitate und or. Sib. 3,606f.; 722f.) angekündigt. Dii manu facti gibt êrga qeiropoÐhta jeÀn aus dem folgenden Zitat (or. Sib. 6,318) wieder. Der Hinweis auf die manuelle Herstellung der Götterbilder gehört zur biblischen (Jes 2,8; Jer 10,3.14; Ob 9,20) und apologetischen (Justin. 1 apol. 9,15; Athenag. leg. 26; Thphl. Ant. Autol. 2,2,1; Tert. apol. 12,27; Min. Fel. 24,610; Cypr. Demetr. 12 manu hominis facta simulacra ) Kultkritik, ndet sich aber auch in der paganen Literatur (Lucr. 6,53; Hor. sat. 1,8,3; Sen. frg. 120 bei Lact. inst. 2,2,14f.; Mart. 8,24,5f. mit 243f. z. St.); bei Laktanz auch 22,12; 26,6; 2,3,6; 5,22,21; ira 2,2. Puluinaria sind die Kissen, auf denen die Götterbilder gelagert werden, vgl. A. , Pulvinar`, DNP 10 (2001) 591; neben templa als Symbole für kultische Verehrung wie etwa Val. Max. 9,11,4; Sen. dial. 11,17,5; Arnob. nat. 1,64; 4,1.

Schöffel Siebert

Haase

ûÐywsin . . . ‰panta: or. Sib. 8,224; weitere Zitate bei Laktanz aus derselben Umgebung 16,11 (siehe zu montes . . . und wörtlich 8,239); 16,12 (siehe zu saeuiet . . . ); 20,3 (8,241f.). Der Vers hier wird auch Const. or. s.c. 18,2 zitiert. Die Handschriften der Oracula Sibyllina haben ûÐyousin, die Laktanzüberlieferung und Const. or. s.c. 18,2 ( ûÐywsi t+) den Konjunktiv Aorist, kaum in Nachahmung homerischer Sprache (vgl. KG I 217f.), eher weil die Verse 223226 als ausgreifende Umstandsschilderung im ítanSatz zum Hauptsatz 227 s€rx tìte [...] ¡xei verstanden werden (vgl. or. Sib. 4,152 161; 8,199202). Bemerkenswert ist jedenfalls, dass Laktanz den im vorliegenden Ausschnitt unerklärlichen Konjunktiv reproduziert, etwa statt eines glättenden ûÐyousin, siehe oben zu 13,3 Ñna pˆnta . . . Das trÐywsin der meisten Laktanzhandschriften (DPHMKS) ist wohl Dittographie aus vorhergehendem praedixit beim Übergang ins Griechische. Zwar erscheint suntrÐbw eÒdwla nach LXX Ez 6,6 häuger (A. Jo. 44; Ath. synops. 28,369; Didym. Zacch. 4,21; Chrys. synops. 56,353 etc.), ebenso aber ûÐptw eÒdwla (or. Sib. 3,606; 13,135f.; vgl. Plut. mor. 282B etc.). êrga . . . katakauj sontai : wohl or. Sib. 3,618, wo die Handschriften aber puräc flogÈ pˆnta peseØtai statt jeÀn katakauj sontai haben. Mit dem gemeinsamen Wortbestand êrga dà qeiropoÐhta beginnt zwar auch Vers 722, er beinhaltet aber ein hier ferner liegendes Bekenntnis früherer Idolatrie. Laktanz gibt also Vers 618 in ihm vorliegender Form (die von [268 Anm. 56] konstatierte simplication geht kaum auf Laktanz zurück) wieder und zitiert später (24,13) die in der Überlieferung folgenden Verse 619623, mit einer weiteren Abweichung von den Sibyllenhandschriften (Vers 620). Auallend lose ist das Genitivattribut in êrga jeÀn ( die Götter darstellende` oder den Göttern geweihte Bildwerke`, vgl. LSJ s.v. êrgon III). Versus spondiaci sind in den Oracula Sibyllina geläug ( 253).

Buitenwerf

Nieto Ibáñez

20,1  20,2

503

20,1

Post haec: Die Auferstehung der Gläubigen nach der Wiederkunft Christi ndet sich auch 1 Thess 4,16 und insbesondere Ob 20,46, wo diese Auferstehung ebenfalls die Teilnahme der Märtyrer am Tausendjährigen Reich ermöglicht, doch ist dort nicht von einem Gericht über diese die Rede. Siehe unten zu 20,5f.

Nach Bünemann (z. St.) sind die Gräber gemeint, doch eher wird die Unterwelt als Ort (ThLL VII,1 1390,27.) der Gefangenschaft (vgl. 21,7 custodia ) verstanden, vgl. Tert. anim. 57,11 nulli [...] animae omnino inferos patere ; Finé 7984. inferi:

Wohl vorzuziehen gegenüber resurgent : Hier wäre dann das bloÿe Aufstehen aus dem Grab zum Zweck des Gerichts gemeint, das als Einzelakt von der heilvollen Auferstehung zum ewigen Leben unterschieden ist. Dazu passt es, wenn Laktanz über die im Gericht für verdammenswert befundenen Christen sagt: non resurgent (21,8). Zwar heiÿt es 20,5 non resurrecturos esse impios in iudicium ; dort ist aber durch den Zusammenhang klar, dass nicht die endgültige Auferstehung zum Leben gemeint ist. surgent:

Hier und epit. 67,1 als unübliche Junktur ( iudicium allein und in anderen Verbindungen ThLL VII,2 613,28.; anders Vet. Lat. [cod. 100] exod. 6,6 liberabo uos in iudicio magno über die Befreiung aus Ägypten; maximum 9,1; 24,2; summum 2,12,19) für das endzeitliche Weltgericht; dieses 1,23; 9,1; 14,3; 15,18 als Gegenstand des siebten Buches, im Rückblick 24,2.6; 26,3. In den vorhergehenden Büchern wird immer wieder darauf verwiesen, etwa 2,12,19, oft im Hinblick auf Ethik und Gerechtigkeit, etwa 2,17,6; 5,12,10; 6,18,11 (auf den Tag des Gerichts geduldig warten, vgl. 4,15,13); ira 20,3 (niemand entgeht Gottes Gericht, vgl. mort. pers. 50,7). Siehe unten 20,5f. zur Besonderheit der nun entfalteten Lehre vom Gericht. Iudicium facere auch 24,2; 2,12,19; epit. 67,3; vgl. ThLL VII,2 610,74. iudicium magnum:

ipse rex ac deus: summus pater:

Siehe oben zu 19,3 regis ac dei.

Siehe oben zu 6,1 summo patri ac domino .

et iudicandi et regnandi dabit maximam potestatem:

Vgl. 4,14,20

et regis summi honorem et iudicis potestatem et dei nomen accepit ; zum wiederkehrenden Christus als Richter oben zu 19,4 iudex und Herrscher oben zu 19,3 regis ac dei.

åppìte . . . ‚rq : or. Sib. 3,741743. Der erste Vers (741) ist in der direkten Überlieferung der Oracula Sibyllina unvollständig (kaÈ toÜto tèloc aÒsion ªmar, vgl. or. Sib. 3,569), der zweite (742) fehlt. Vers 743 lautet in FY nach der Penthemimeres: ‚gajoÌc megˆloio kat+ ‚rq n (katˆrqhn F). Den bei Laktanz überlieferten Schluss ( krÐsic . . . ) hat or. Sib. 3,784.

20,2

504

Kommentar

Rzach und Geffcken folgen für die drei Verse dem bei Laktanz überlieferten Wortlaut und athetieren 742; Buitenwerf (285) hält ihn und

erklärt den Ausfall als Haplographie vor dem inhaltlich entsprechenden Vers 743, zum dè in Vers 743 KG II 276f. Der einleitende Temporalsatz (Vers 741) scheint bewusst als Anfang der Zitatenreihe gewählt, da er auf einen zurückliegenden Schicksalstag` Bezug nimmt und somit zum 19,5 geschilderten Tag der Entscheidungsschlacht passt. Kern des Zitats sind die Stichworte krÐsic šdà kaÈ ‚rq  in Vers 743, die Laktanz auch schon einleitend vorwegnimmt (20,1 de [...] iudicio et regno ).

20,3 tartarìen . . . ‰pantec: or. Sib. 8,241f., auch Const. orat. s.c. 18,2, Theosoph. Sib. 13,351f. und in lateinischer Übersetzung Aug. civ. 18,23 zitiert; überall dort wird aber auch noch Vers 243 wiedergegeben. Weitere Zitate bei Laktanz aus derselben Umgebung 16,11 (siehe zu montes . . . und wörtlich 8,239); 16,12 (siehe zu saeuiet . . . ); 19,9 (8,224); 20,3 (8,241f.). tartarìen: Die direkte Sibyllenüberlieferung und Thesoph. Sib. 13,351 ha-

ben wie die meisten Laktanzhandschriften (DPHMKS) das geläugere tartarèon (wie or. Sib. 5,178, vgl. LSJ s.v.; Aug. civ. 18,23 v. 25 Tartareum ). Tartarìeic ( geartet wie der Tartaros`, vgl. Schwyzer I 526f. mit 526 Anm. 1 zu KB II 298) ist nur hier und im Zitat desselben Verses Const. orat. s.c. 18,2 belegt, damit aber hinreichend gesichert. basil¨oc: Die direkte Sibyllenüberlieferung und das Zitat des Verses Const. or. s.c. 18,2 bieten basil¨ec (Aug. civ. 18,23 v. 26 reges ). Für Laktanz ist aber der Genitiv (auch Theosoph. Sib. 13,352) unabdingbar, da es ihm bei dem ganzen Zitat um Christus als Richter und Herrscher geht (vgl. 20,1), während ein Kommen von Königen hier sinnwidrig wäre (ähnlich Geffcken z. St., der den Genitiv auch für die or. Sib. übernimmt). 20,4 oÎranän . . . ‚ndrÀn : or. Sib. 8,413416. In der direkten Sibyllenüberlieferung bieten die Handschriftengruppen FY statt einer wörtlichen Ankündigung Gottes in der 1. Person Singular die 3. Person. In der Handschriftengruppe W fehlen die Verse 414f., die beiden anderen Gruppen F und Y haben 414 nèkuac moØran katalÔsac (Geffcken folgt Laktanz) und 415 ¡xei statt Šxw. Im laktanzischen Wortlaut sind dieselben Verse zitiert Theosoph. Sib. 13,356360. Das Zitat belegt zum einen die dem Gericht vorausgehende Auferweckung der Toten, zum anderen dient die Korrektur von Vers 416 dann (20,5) als Anknüpfungspunkt für die näheren Ausführungen zum Gericht.

oÎranän eÉlÐxw: Auch or. Sib. 8,233; hinter dem Umwälzen` des Himmels

steht, wie or. Sib. 3,82 zeigt, das seit Jes 34,4 (LXX álig setai å oÎranìc) geläuge Bild des Zusammenrollens des Himmels für die endzeitliche Verwandlung, siehe unten zu 26,5 caelum complicabitur .

505

20,5

gaÐhc keujmÀnac ‚noÐxw: Beleg zu 20,1 aperientur inferi. ‚nast sw nekroÌc: Beleg zu 20,1 surgent mortui. janˆtou kèntron: Dasselbe Bild nach Hos 13,14 ausgeführt 1 Kor 15,55f. 20,5f. Die erste Auferstehung:

Laktanz knüpft an den letzten Vers des Sibyllenzitates an, in dem vom Gericht über die Frommen und Gottlosen die Rede ist: Zum Gericht würden diejenigen auferweckt, die sich mit der Verehrung Gottes beschäftigt haben`, nicht aber diejenigen, die Gott nicht erkannt haben` (Ÿ 5). Die Gruppe dieser Auferweckten deniert Laktanz nicht eindeutig: So scheint zunächst denkbar, dass er mit qui sunt in dei religione uersati (Ÿ 5) alle einbeziehen will, die  im Gegensatz zu denjenigen, qui deum non agnouerunt (Ÿ 5)  jemals den wahren, einzigen Gott verehrt hätten. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass Laktanz hier die Christen meint: Denn erstens benennt er die Christen häug durch Umschreibung, wie hier etwa 6,9,18 [sc. spem immortalitatis] deus pollicetur in sua religione uersantibus. Die Junktur dei religio steht für das Christentum auch 22,14 (vgl. 26,8 deum ac religionem eius ); 5,4,12; ira 1,9; vgl. C. , L'uso di religio e religiones nella polemica antipagana di Lattanzio, in: U. (ed.), The Notion of `Religion' in Comparative Research, Roma 1994, 459463. Zweitens widerspräche eine Einbeziehung von Nichtchristen in die endzeitliche Erlösung der Aussage, dass nur die Kirche, die Gemeinschaft der Christen, zum ewigen Heil gelangen kann (4,30,11f.; Lattanzio 245 247). Die mangelnde Eindeutigkeit der Formulierung rührt daher, dass der Schwerpunkt der Aussage auf dem Ausschluss derjenigen liegt, die Gott nicht erkannt haben und daher von der ersten Auferstehung ausgeschlossen sind.1 Die Unterscheidung zwischen zwei Auferstehungen führt Laktanz hier ein.2 Die erste Auferstehung steht entsprechend dem chiliastischen Schema am Beginn des Tausendjährigen Reiches, dessen Anbruch im Anschluss (24,1., gleich nach den exkursartigen Erläuterungen 20,723,5) geschildert wird. Nach Laktanz sind diejenigen, die Gott nicht erkannt haben, von dieser ersten Auferstehung zum Gericht ausgeschlossen, da für sie ein positives Urteil (absolutio ) ohnehin ausgeschlossen ist (Ÿ 5). Das Gericht schildert er hier knapp als Wägung (Ÿ 6), später (21,6) knüpft er daran wieder an. Bei der secunda illa et publica omnium resurrectio (26,6) werden später, vor der endgültigen Vollendung der Welt, die iniusti und Götzendiener zur ewigen Bestrafung auferweckt. Dahinter steht anscheinend die Verbindung zweier unterschiedlicher Theologumena zur Auferstehung: 3

Aloe Spada

chi

Bian-

Loi

Für ein ähnliches Problem siehe unten zu 24,2 iustos . . . 2 Bislang war nur von dem Gericht die Rede, siehe oben zu 20,1 iudicium magnum. 3 Überblick beispielsweise bei Le Moigne 262264. 1

506

Kommentar

1. Eine gestaelte Auferstehung ndet sich sowohl bei Paulus 4 als auch in der chiliastischen Konzeption der Johannesoenbarung, der Laktanz insgesamt zu folgen scheint (siehe oben 46): Dort werden die Märtyrer vor der tausendjährigen Gottesherrschaft auferweckt, um daran teilzuhaben (Ob 20,46), erst danach wird das Gericht über alle Toten vollzogen (Ob 20,1115). Diese Konzeption wird in der frühen christlichen Literatur öfter aufgegrien. 5 2. Dass diejenigen, die Gott nicht erkannt haben, von der Auferstehung zum Gericht ausgeschlossen sind, geht ebenfalls auf biblische Grundlagen zurück, doch ist hierbei aufgrund wörtlicher und inhaltlicher Übereinstimmungen die Vermittlung 6 durch Cypr. testim. 3,31 sicher. Dort wird zum Stichwort eum qui non crediderit iam iudicatum esse (Laktanz: qui deum non agnouerunt, [...] iam iudicati damnatique sunt ) Folgendes zitiert: In euangelio cata Iohannem (Joh 3,18f.): qui non crediderit iam iudicatus est, quia non credidit in nomine unici lii dei. Hoc autem est iudicium, quoniam lux uenit in saeculum, et magis dilexerunt tenebras quam lucem. De hoc ipso in psalmo i (Ps 1,5) : propterea non resurgent impii in iudicium (Laktanz: non resurrecturos esse impios in iudicium ) neque peccatores in consilio iustorum (vgl. Ps. Cypr. tract. 64; aber Ambr. in psalm. 1,51,2). 7

Auf die biblischen Grundlagen dieser beiden Ansätze bezieht sich allgemein sanctis litteris contestantibus (Ÿ 5). Die Erklärung für den Ausschluss der Gottlosen von der Auferstehung, nämlich dass für diese ein Freispruch (absolutio ) beim Gericht ohnehin nicht möglich sei, scheint Laktanz selbst harmonisierend einzufügen. Er stellt oenbar eigenständig die beiden Gedanken der gestaelten Auferstehung und des Ausschlusses der Gottlosen von der Auferstehung zusammen. Aus der Mischung dieser an sich heterogenen8 Elemente ergibt sich eine im Vergleich mit der Johannesoenbarung sehr pessimistische Konzeption in der individuellen Eschatologie 9 : Denn 4 1 Thess 4,1318; 1 Kor 15,23f.; Bietenhard 5265. 5 Etwa Iren. haer. 5,36,3; Justin. dial. 81,4; vgl. Tert. adv. Marc. 3,24,3.6; resurr. 25,2; Comm. instr. 1,44,1.; Aug. civ. 20,7; Daniélou Théologie 349353. Monat Bible 262 vermutet eine dieser Quellen als intermédiaire des Bibeltextes für Laktanz, doch wird man eine direkte Benutzung der Johannesoenbarung annehmen und insbesondere deren Kapitel 19 und 20 als Grundlage für die chiliastische Konzeption des Laktanz vermuten müssen. 6 So auch Monat Bible 263. Ogilvie (107) nimmt hingegen ein direktes Bibelzitat an und schlieÿt anhand des Befundes unter Berufung auf das vierte Buch die Vermittlung durch Cyprian aus (102). Das erklärt aber nicht die auälligen Übereinstimmungen mit Cyprian an vorliegender Stelle. 7 Zur weiteren Auslegungsgeschichte vgl. H. de Lavalette, L'interprétation du psaume 1,5 chez les pères `miséricordieux' latins, RSR 48 (1960) 544563. 8 Vgl. Monat Bible I 262 mit Anm. 208. 9 Vgl. auch unten zu 21,7 post mortem . . .

20,6

507

während dort die Auferweckung der Märtyrer kein Gericht beinhaltet und ihre Teilhabe an der tausendjährigen Herrschaft Christi eine Anerkennung ihrer Glaubenstreue darstellt (Ob 20,4), sind bei Laktanz auch die gerade Erretteten dem Gericht unterworfen. Die zweite Auferweckung bei Laktanz ermöglicht dann lediglich ein Strafgericht (26,6 excitabuntur iniusti ad cruciatus sempiternos ), keine Beurteilung (so Ob 20,12).

20,5

hi: Die Konjektur ii ist unnötig, hic ist vor tantum gebräuchlich, vgl. 6,18,12; mort. pers. 9,1; Cic. Sull. 82; Mil. 43; ThLL VI,3 2725,11; wie hier mit Relativsatz beispielsweise Sen. nat. 2,22,3; Plin. epist. 7,24,2; Ps. Quint. decl. 2,22.

Siehe auch oben 505. Hier ist der Ausdruck durch das Perfekt, wie vom Zusammenhang verlangt, oen auch für solche Christen, die wieder vom Glauben abgefallen sind. qui sunt in dei religione uersati:

Sonst verwendet Laktanz sententiam ferre de in der Bedeutung 'eine Entscheidung treen über' im Zusammenhang mit philosophischen Streitfragen (1,17,1; 3,8,1; 3,14,17; 3,20,7). Hier aber liegt ein üblicher Sprachgebrauch aus dem Gerichtswesen zugrunde : sententias ferre bezeichnet die Stimmabgabe der Richter, absolutio (bei Laktanz nur hier; vgl. ThLL I 180,84.) den Freispruch (etwa Cic. Cluent. 74; Font. 34; Val. Max. 8,1,1; Quint. decl. 314,10; Ambr. in psalm. 37,13,1f.). sententia de his in absolutionem ferri non potest:

Das Gericht vollzieht sich in der vergleichenden Gewichtung guter und schlechter Werke, aus dem folgenden ut si plura . . . geht hervor, dass auch deren Zahl berücksichtigt wird (so auch 21,6). Dahinter steht das überaus geläuge Bild bewertenden Abwägens, mit ponderare wie 3,19,9 Cic. o. 1,15 etc.; als ausgeführter Waagschalenvergleich Cic. ac. 2,38; Tusc. 5,51 etc.; vgl. ThLL VII,2 1344,42. Im Alten Testament und in der Apokalyptik klingt öfter das Wägemotiv im Zusammenhang mit Gottes Richten oder dem Endgericht an, so etwa Ijob 31,5f.; Spr 24,12; Dan 5,25.27; Hen(aeth) 41,1; 4 Es 3,34; Ob 6,5, dazu Victorin. Poetov. in apoc. 6,2: libra examinis, in qua singulorum merita ostenderit ; selten weiter ausgeführt, so etwa TestAbr A 12,1018. Fern liegt hier die alte Vorstellung von der Wägung der Seele selbst, dazu L. , Die Seelenwaage. Zur religiösen Idee vom Jenseitsgericht auf der Schicksalswaage in Hochreligion, Bildkunst und Volksglaube, Klagenfurt 1958, 2364; jetzt zusammengefasst bei F. , Mene mene tekel u-pharsin, in: J. (Hrsg.), yuq   Seele  anima. FS K. , Stuttgart/Leipzig 1998, 369384. 20,6 mala opera cum bonis collata ponderabuntur:

Kretzenbacher

Wagner

ut si . . . ad poenam:

Holzhausen Alt Doignon (Retentissement 303) sieht diese Stel-

le als corollaire zu 3,19,16 (v.a. 3 animas [...] aut pro iustitia praemio

508

Kommentar

adci aut poena pro sceleribus sempiterna ). Da jene Passage im dritten Buch wiederum Vorlage sei für Aug. epist. 104,3, insbesondere für die dortige Cicerobenutzung, hänge Aug. epist. 104,3 at illi, quos Tullius quasi consulares philosophos (gemeint sind nach Retentissement 299 les philosophes qui descendent de Platon et de Socrate) appellat, [...] non extingui animam sed emigrare censent, et ut merita quoque eius adserunt seu bona seu mala uel ad beatitudinem uel ad miseriam permanere von vorliegender Stelle ab ( Retentissement 303305; siehe auch unten 510 mit Anm. 13). Dagegen spricht allerdings, dass Augustin eine bei Cicero vorgefundene, Laktanz hingegen hier und 3,19,3 (ähnlich 1,23; 27,3; 4,11,15, jeweils mit ausgeführtem Gegensatz praemium  poena ) ausdrücklich christliche Lehre wiedergibt und dass die Gemeinsamkeiten mit Augustin sprachlich wie inhaltlich allgemein sind. Auallend ist die syntaktische Struktur: Die Subjekte des ut Satzes weichen ab vom Hauptsatz und werden nicht genannt, sondern ergeben sich logisch, aber nicht grammatikalisch, aus den si Sätzen (diejenigen, bei denen die guten Werke überwiegen, und diejenigen, bei denen die schlechten Werke überwiegen). Doch bleibt die Syntax verständlich durch den streng parallelen Bau: si [...] dentur ad [...], si [...] comdemnnentur ad [...], mit Assonanz bei den Prädikaten und gedanklicher Inkonzinnität uita beata neben poena.

Doignon

Doignon

plura et grauia: Die Kombination eines Komparativs mit einem Positiv

ist bei Laktanz (14,12 minora et exigua ; vgl. 12,23 extremi ac tenuiores ; opif. 20,1 paucis et obscurius [...], quam decuit, peroraui ) wie überhaupt in der späteren Latinität (Apul. met. 10,16,4 gratiosum commendatioremque ; Arnob. nat. 1,32 plebeia atque humiliora ; 7,23 alos et ad nocendi libidinem promptiores ; 7,43 pronius et deo conueniens ; weitere Belege bei E. , Lateinische und romanische Comparation, Erlangen 1879, 66f.; K. , Die lokalen Verschiedenheiten der lateinischen Sprache mit besonderer Berücksichtigung des afrikanischen Lateins, Erlangen 1882, 103 10 ; vgl. LHS II 169) gut möglich. Der Ausdruck ist komplementär zu verstehen:

zahlreicher und [auch entsprechend] gewichtig`; den von superauerint geforderten Komparativ bietet somit plura allein. s (von übernommene) Konjektur grauiora ist daher unnötig.

Wölfflin Sittl

Heumann

Brandt

20,7 fortasse dixerit quispiam . . . :

wie 6,22,2; ira 21,1, ciceronisch (leg. agr. 2,32; Cato 8). Mit dem ktiven Einwand beginnt eine bis 23,5 reichende Erläuterung über die Möglichkeiten von Gericht und Bestrafung nach dem Tod, durch welche die Schilderung der Endzeitereignisse unterbrochen wird. Dabei sieht Laktanz die Bestrafung, nicht die Auferstehung 10 Das dort noch angeführte Beispiel 6,4,17 scheidet aus, der Text lautet amara et grauia, nur S hat grauiora.

509

20,8

(dieser nähert sich die Argumentation ab 22,7.) als erläuterungsbedürftig an. Mit der hier grundlegenden Frage, wie eine unsterbliche Seele leidensfähig sein kann, muss sich auch schon Tertullian in der verlorenen Schrift De censu animae (vgl. H. Tränkle, HLL 4 [1997] Ÿ 474.32) auseinandergesetzt haben, wie er anim. 24,2 sagt. Zur Bedeutung des Themas im Neuplatonismus vgl. etwa Setaioli 43.

patibilis: Nach Cic. nat. deor. 3,29 (omne animal patibilem naturam ha-

beat ) öfter bei Laktanz (21,2; 2,8,38; 2,9,21; vgl. ThLL X,1 706,21.).

si morti non est obnoxia, ne dolori quidem: Gedanke (Schmerzempnden und Sterblichkeit der Seele) und Formulierung ri/morti obnoxia schon 12,14f.

[sc. anima] dolo-

20,810 Die angeblich stoische Erklärung für die Leidensfähigkeit der Seele:

Den Stoikern schreibt Laktanz eine Erklärung für die Leidensfähigkeit der unsterblichen Seele zu, der zu Folge die Seelen der Frevler durch den Kontakt mit dem Körper etwas von dessen Natur annehmen, so auch die Empndlichkeit für Schmerz. Eine damit weithin übereinstimmende Lösung desselben Problems entwickelt Servius in seinem Kommentar zur Anchisesrede, allerdings aus platonischem Denken schöpfend. 11 Da sich für die Stoiker dergleichen nicht belegt ndet, ist oen, warum Laktanz ihnen die geschilderte Lösung zuweist (vgl. oben zu 7,13 Zeno . . . ): Die Stelle ist bei von Arnim unter den ChrysippFragmenten (SVF II 813) aufgenommen, jedoch mit einem Hinweis auf Poseidonios. Pohlenz (Stoa II 216) vermutet einen von Poseidonios beeinussten Vergilkommentar als Quelle. Ebenfalls eine indirekte Vermittlung von Poseidonios, doch über Seneca, Cicero und den Asclepius 12 , wo jeweils vom unterschiedlichen Schicksal der Seelen 11 So Serv. Aen. 6,724 si ergo recipit naturam suam, quare poenas apud inferos pati-

tur? ideo quia res, quae simul diu fuit, non potest deposita ipsa re, statim ad suum nitorem reuerti. ut si speciem candidam missam in lutum polluas et eam statim auferas, non idcirco sordibus caret, sed ablutionem requirit, ut in pristinum nitorem possit redire: sic anima ex eo quod datur corpori inquinata, etiam si corpus deponat, necesse habet purgari. Daneben Aen. 6,739 poenas autem non perferunt animae, sed illius coniunctionis reliquiae, quae fuit inter animam et corpus: nam licet ista duo per se poenas perferre non possint, homo tamen perfert, qui de his duobus est factus. Setaioli (4355) arbeitet den Unterschied beider Erklärungen

heraus und weist die erstere einer älteren, traditionell platonischen, die letztere einer jüngeren, neuplatonischen Schicht im Servius vorliegenden Material zu. 12 Sen. dial. 6,25,1 (siehe auch oben 322 und 42 mit Anm. 50) Integer ille nihilque

in terris relinquens sui fugit et totus excessit; paulumque supra nos commoratus, dum expurgatur et inhaerentia uitia situmque omnem mortalis aeui excutit, deinde ad excelsa sublatus inter felices currit animas. Cic. rep. 6,29 ([...] animus uelocius in hanc sedem et domum suam peruolabit, idque ocius faciet, si iam tum cum erit inclusus in corpore, eminebit foras, et ea quae extra erunt contemplans quam maxime se a corpore abstrahet. namque eorum animi qui se corporis uoluptati-

510

Kommentar

von Frevlern und Gerechten die Rede ist, nimmt van RooijenDijkman (130f.) an. Eine umfassende quellenkritische Deutung der Stelle bietet Doignon (Placitum ): Weder aus den übrigen Stoikerfragmenten noch aus den erhaltenen antiken Vergilkommentaren lasse sich die Zuweisung dieser Lehre an die Stoiker erklären. Ausgangspunkt sei die Lehre, dass die Seelen der Gerechten und Ungerechten sich nach dem Tod an unterschiedlichen Orten aufhielten. Diese kenne Laktanz aus Cicero 13 und dem hermetischen Schrifttum (Ps. Apul. Ascl. 24), allerdings weise Cic. Tusc. 1,49 sie Platon und Pythagoras zu. Den Bezug auf die Stoiker nde Laktanz in Tertullians De anima.14 Auÿerdem bezeichne Tertullian an anderer Stelle (anim. 24,2) die Seele, wie Laktanz hier, als immortalem [...], tamen passibilem . Laktanz ändere gegenüber Tertullian den Gegensatz sapientes/imprudentes zu dem stärker biblisch orientierten iusti/impii und füge die orchestration (Placitum 50) durch Vergilverse hinzu. Anstoÿ hierfür sei Arnobius (nat. 2,14), wo sich in einer Wiedergabe von Platons Seelenlehre Formulierungen aus der Unterweltsschilderung im sechsten Aeneisbuch nden. Jedoch gehe Laktanz in seiner  retractatio  (Placitum 51) über Arnobius hinaus, indem er ŸŸ 8f. weitere Formulierungen aus Vergil übernehme (siehe unten 511). Diesen Übernahmen verleihe Laktanz eine consécration stoïcienne (Placitum 52) durch Wendungen15 und Gedanken aus Seneca; denn die Vorstellung, dass die Seele eine mittlere Natur zwischen Sterblichkeit und bus dediderunt, earumque se quasi ministros praebuerunt [...], corporibus elapsi circum terram ipsam volutantur, nec hunc in locum nisi multis exagitati saeculis revertuntur. Ps. Apul. Ascl. 28 Cum fuerit animae e corpore facta discessio, tunc arbitrium examenque meriti eius transiet in summi daemonis potestatem, isque eam cum piam iustamque peruiderit, in sibi competentibus locis manere permittit; sin autem delictorum illitam maculis uitiisque oblitam uiderit, desuper ad ima deturbans procellis turbinibusque aeris, ignis et aquae saepe discordantibus tradit, ut inter caelum et terram mundanis uctibus in diuersa semper aeternis poenis agitata rapiatur, ut in hoc animae obsit aeternitas, quod sit immortali sententia aeterno supplicio subiugata.

13 Cic. cons. frg. 22 Vitelli = Lact. inst. 3,19,5f. 14 Tert. anim. 54 (≈ SVF II 814): (1) Quo igitur deducetur anima, iam hinc reddi-

15

mus. Omnes ferme philosophi, qui immortalitatem animae, qualiter uolunt, tamen uindicant, [...], quique aliquod illi tempus indulgent ab excessu usque in conagrationem uniuersitatis, ut Stoici, suas solas, id est sapientium, animas in supernis mansionibus collocant. (2) [...] Itaque apud illum [sc. Platonem] in aetherem sublimantur animae sapientes, apud Arium in aerem, apud Stoicos sub lunam. (3) Quos quidem miror, quod imprudentes animas circa terram prosternant, cum illas a sapientibus multo superioribus erudiri arment. Ubi erit scholae regio in tanta distantia deuersoriorum? qua ratione discipulae ad magistras conuentabunt tanto discrimine inuicem absentes? quis autem illis postumae eruditionis usus ac fructus iamiam conagratione perituris? (4) reliquas animas ad inferos deiciunt. Sen. dial. 6,23,1 minimum enim faecis pondus traxerunt zu Ÿ 9 quendem fucum trahant ; 25,1 inhaerentia uitia zu Ÿ 9 labes [...] inhaeserit ; epist. 76,25 solutae corporibus animae manent zu Ÿ 8 animas hominum permanere.

511

20,8

mediam [...] naturam Doignon

Unsterblichkeit (Ÿ 9 .) besitze, stamme aus Arnobius, sei aber auch von Seneca angestoÿen. Freilich setzt s Deutung eine Quellenbenutzung voraus, die in ihrer Komplexität kaum mehr sicher zu belegen ist. Auch ist die Vorstellung, dass die Seelen der Verstorbenen an einen Ort der Strafe oder Belohnung gelangen, allgemein verbreitet (vgl. Cic. Phil. 14,32; Sen. epist. 117,6 etc.) und muss nicht auf eine bestimmte Quelle zurückgeführt werden. Zudem liegt eine andere Erklärung für den Verweis auf die Stoiker näher als diejenige über Tertullian und Arnobius 16 : Wahrscheinlich glaubt Laktanz, dass Vergil an der zitierten Stelle und überhaupt in Unterweltsschilderung und Anchisesrede stoische Positionen wiedergebe. de Beobachtungen:

17

Dafür sprechen folgen-

(1) Der Anschluss in Ÿ 10 besagt ausdrücklich, dass

auch Vergil in seinen Worten aus der Anchisesrede nichts anderes als die gerade zusammengefasste stoische

sententia

wiedergebe. Erst nach dem

Vergilzitat (Ÿ 11) folgt die Bewertung der angeblich stoischen Aussage, das Vergilzitat gehört ausdrücklich dazu.

(2) In der Darstellung der stoischen

Lehre (ŸŸ 8f.) klingt Vergils Unterweltsschilderung, die Anchisesrede an, aus der Laktanz Ÿ 10 auch zitiert:

18

ŸŸ 8f. 8

Verg. Aen. 6

[sc. animas]

lestem,

remeare uel in

tunatos

beatas ad sedem caeorigo sit,

730

campos

639f. fortunatorum

unde illis

quosdam

for-

rapi

igneus est ollis uigor et

origo

caelestis

/ seminibus

desque beatas.

secampos

nemorum

/ largior hic

aether et lumine uestit.

9

[...]

trahant

eluibilem

in

labemque terrenam

quendam

fucum

741 infectum eluitur scelus 731 terrenique hebetant artus 746 concretam [...] labem

Wichtige Elemente der von ihm wiedergegebenen angeblich stoischen Lehre, nämlich das unterschiedliche Schicksal der Seelen

16

19

und der Gedanke

Waszink (48*) sieht keine Indizien für eine Benutzung von Tertullians De anima durch Laktanz, ebenso van RooijenDijkman 83. Zur Frage, ob Laktanz die

Apologie seines Lehrers Arnobius kannte, siehe oben 4 mit Anm. 11. 17 Knapp in diesem Sinn auch 44 Anm. 256. Überhaupt muss die Vergilbenützung hier nicht als  retractatio  ( Placitum 51) derjenigen des Arnobius erklärt werden: Zum einen kennt Laktanz den Klassiker natürlich selbst, zum anderen benützt auch schon (falsch daher Placitum 50: [L]es premiers indices s'en [sc. von der Rezeption des Strafortes in der vergilischen Unterwelt, S.F.] trouvent chez Arnobe.) Minucius Felix, den Laktanz kennt (5,1,22), die vergilische Unterweltsschilderung (35,1f., dazu Vergil 164168). Siehe aber unten zu 20,8 ad sedem . . . 18 Auf diese Parallelen verweist auch (Placitum 52). 19 Vgl. den Hinweis der Sibylle am Scheideweg zwischen Elysium und Tartarus Aen. 6,540543, daraus zitiert Laktanz 6,3,6 und 6,4,1.

SetaioliDoignon Doignon Freund Doignon

Kommentar

512

von der Beeinträchtigung der Seelen durch den Kontakt mit dem irdischen Körper20 , sind in der Anchisesrede enthalten. (3) Laktanz zieht 3,4f. den Anfang der Anchisesrede (Aen. 6,726f.) als einzigen Beleg für den stoischen Pantheismus heran; er sieht also oenbar die gesamte Anchisesrede als Wiedergabe stoischer Gedanken und gewinnt vielleicht hauptsächlich aus dieser die mit eigenen Worten wiedergegebene und den Stoikern zugeschriebene Lehre. (4) In den erhaltenen antiken Kommentaren wird zwar die Vergilpassage nicht mit stoischer Lehre in Verbindung gebracht, 21 doch besagt das nichts für die Laktanz bekannten älteren Erklärungstraditionen, die das Problem der unsterblichen, aber leidensfähigen Seele und seine Lösung auch fälschlich oder missverständlich in Zusammenhang mit stoischer Lehre, die sich in der Anchisesrede niederschlägt, gebracht haben könnte. Spezisch stoisches Denken gibt das angebliche Zitat jedenfalls nicht wieder.22

20,8 animas [...] hominum permanere: Vgl. Cic. Tusc. 1,18 qui discedere animum in morte censent, alii diu permanere, alii semper (ThLL IX,1 1527,7.). puras:

Vgl. 22,8; 3,12,3.25.

impatibiles: 2,8,38 (non ergo deus ex materia, quia sensu praeditum ex insensibili, sapiens ex bruto, impatibile de patibili, expers corporis de corporali numquam potest oriri, sed materia potius ex deo est. ) und hier erstmals aktivisch als Antonym zu patibilis (20,7; 21,2): unfähig zu leiden` (ThLL VII,1 595,76.). (L'homme 527529) sieht insofern eine Kühnheit in diesem Wortgebrauch, als 21,2 die Seelen grundsätzlich als patibiles [...] deo bezeichnet sind und die folgende Aussage miris fruantur uoluptatibus dem im stoischen Denken eigentlich nahe liegenden Verständnis von impatibilis als ‚paj c widerspricht.

Perrin

remeare : Zur Rückkehr der Seele zu ihrem göttlichen Ursprung siehe oben zu 8,6 origo animi, zu den Quellen oben zu 8,26; zur Formulierung ad sedem remeare Arnob. nat. 2,13 über die Verstorbenen: uobis [...] ad sedes remeantibus patrias (nach Doignon Placitum 51 Anm. 42 ein Indiz für die Benutzung des Arnobius, vgl. aber die nicht übertragene Verwendung der Junktur Lucan. 1,690 patriae sedes remeamus in urbis ; Tac. ann. 14,25,2 patrias in sedes ; Arnob. nat. 2,33 in

ad sedem caelestem . . .

Austin

20 Aen. 6,730732. Zum stoischen Gedankengut darin beispielsweise 223. 21 So (Placitum 45f.) über Servius und Schol. Lucan. B 9,1, wo Aen. 6,736 740 zitiert wird. 22 So hält , da die Stoiker rejetaient la croyance en un Hadès souterrain (78), das ganze Zitat für fort suspect (77 Anm. 3). Ohne nähere Begründung und in der falschen Annahme, dass 20,810 und 7,13 zusammengehören, geht hingegen von einer authentischen Wiedergabe stoischer Gedanken aus.

Doignon Hoven

Brena

513

20,9

propriam sedem ; Amm. 17,13,34 destinatas [...] ad sedes ; zu den Dierenzen zwischen Laktanz und Arnobius in der Seelenlehre H. , Zu Arnobius und Lactantius, Philologus 80 [1925] 467472, hier 470f.).

Koch

Der Ausdruck campi fortunati ist nur hier belegt, quosdam weist auf eine Laktanz bewusste Unschärfe in der Formulierung. Campi geht wohl zurück auf die campi Elysii (6,4,1 vor einem Zitat von Verg. Aen. 6,542f.; vgl. Aug. civ. 10,30 Platonice uidetur dixisse Vergilius in campos Elysios purgatas animas missas ), fortunati auf Verg. Aen. 6,639f. amoena uirecta / fortunatorum nemorum sedesque beatas (vgl. Apul. Plat. 2,23 animam fortunatorum habituram loca ; Prob. Verg. georg. 1,36. quos [sc. campos] alii putant esse fortunatorum ; ThLL VI,1 1197,2546), zwei Bezeichnungen für die Gelde der Seligen in Vergils Unterwelt, die hier oenbar im Hintergrund steht (vgl. oben 511). in campos quosdam fortunatos:

miris uoluptatibus: Während uoluptas sonst bei Laktanz (etwa 5,23; 12,15), ebenso wie bei Tertullian und Arnobius, negativ konnotiert und auf sinnliche Lust (vgl. 6,20,1.; verbindet den Menschen mit dem Tier 3,8,26; 3,11,6) bezogen ist, spricht er hier von der uoluptas im himmlischen Paradies, so auch Cypr. mortal. 26 qualis illic caelestium regnorum uoluptas sine timore moriendi et cum aeternitate uiuendi quam summa et perpetua felicitas! Demetr. 26; epist. 58,10,1; vgl. Clem. str. 4,5; 7,11; Eus. l.C. 6 (zu den noch uneinheitlichen Paradiesvorstellungen im frühen Christentum 390f.). Zum angeblich stoischen Charakter der Aussage stehen die uoluptates in Widerspruch ( L'homme 528).

Amat

Perrin

Für Isaeus' Konjektur impiorum spricht, dass 20,8 das erste Glied der Antithese sed (sc. animae) eorum lautet, dass sich das impios der Handschriften gut daraus (schlechter aus s und s impias ) erklärt, dass die Junktur (im)pia anima bei Laktanz nicht belegt ist, schlieÿlich die Parallelen: 2,1 piorum animis ad beatam uitam reuocatis ; 22,8 rediuiuas iustorum animas (vgl. animae hominum (16,12; 20,8; 27,1; 6,3,5; 6,11,19; mortuorum animas 2,2,6). 20,9 impiorum:

Heumann

Brandt

Mala cupiditas wie 3,23,5; 6,5,9; mort. pers. 8,6, vorher Ter. Haut. 208, vgl. ThLL IV 1418,35f.; zu inquinare vgl. 6,23,36 conscientiam cupiditas inquinauit ; Cic. Tusc. 1,72 qui [...] se totos libidinibus dedissent, quibus caecati [...] agitiis se inquinauissent ; ThLL VII,1 1812,80. se malis cupiditatibus inquinauerint:

mediam quandam [...] inter immortalem mortalemque naturam:

Doignon

(Placitum 50f.) sieht einen Zusammenhang mit der Lehre des Arnobius von der medietas der Seele, ihrer Stellung zwischen Sterblichkeit und Unsterblichkeit (nat. 2,14.31.35; 173f.; C. , Die theologischen Positionen des älteren Arnobius, Diss. masch. Heidelberg 1970,

Karpp

Burger

Kommentar

514

6567; die Konformität dieser Anschauung mit christlicher Lehre betonen neuerdings B. , Problemi di antropologia arnobiana, Roma 1984, 13104 und 83). Doch wäre nicht einzusehen, warum Laktanz, der selbst die Unsterblichkeit der Seele vertritt und ihre Sterblichkeit bestreitet (etwa 10,1; 11,2; 12,132; 21,2; L'homme 334f.), eine dem widersprechende Anschauung des Arnobius hier als stoisch wiedergeben sollte. Wahrscheinlicher ist, dass er zur Verdeutlichung der wiedergegebenen Position die Formulierung von der Mittelstellung der Seele selbständig wählt.

Amata Löw

Perrin

aliquid imbecillitatis ex contagione carnis: Von einer Beeinussung

der Seele durch den Körper spricht Laktanz auch 12,19 mit ähnlichen Worten: quia iuncta est anima cum copore [...] contagio eius aegrescit et imbecillitas de societate fragilitatis redundat ad mentem . Vgl. Cic. Tusc. 1,72 (über die Seelen der Gerechten) quibusque fuisset minima cum corporibus contagio.

ineluibilem: Unabwaschbar`, nur hier und ira 24,10 belegt (ThLL VII,1 1291,58.).

fucum: Hier erstmals für Beeckung`, vgl. ThLL VI,1 1462,32. labemque terrenam: Die Junktur erscheint erstmals Min. Fel. 26,8 spiritus [...] terrenis labibus [...] degrauati ThLL VII,2 771,66.), bei Laktanz ira 5,7; 24,9. Siehe unten zu 21,4 labes terreni corporis. extinguibiles: auslöschbar`, selten, hier erstmals belegt, auch epit. 31,5 (ThLL V,2 1913,7.).

cruciabiles: Nur hier bei Laktanz, erstmals im seltenen passivischen ( quälbar`) Gebrauch (ThLL IV 1217,62.).

per corporis maculam, quae peccatis inusta: Corporis ist Genitivus subiectivus ( die vom Körper herrührende Beeckung`); maculam inurere für eine Sündenbeeckung wie 4,26,12; ira 24,10, vgl. ThLL VIII 26,39.

20,10 poeta: Siehe oben zu 1,14 poeta. quin . . . expendunt: Verg. Aen. 6,735740: Anchises erläutert seinem Sohn Aeneas die künftige Wiedergeburt der nun in der Unterwelt bendlichen Seelen.

20,11 propemodum uera: Die Einschränkung liegt darin, dass die Seele zwar eine Bestrafung erfahren kann, aber dennoch unkörperlich ist, was Laktanz wiederum durch das folgende Vergilzitat untermauert; zum Wahrheitsgehalt der Dichtung nach Laktanz vgl. 22,4.

diuortium: Bei Laktanz nur hier, für die Trennung der Seele vom Leib in der christlichen Latinität seit Tert. anim. 7,3; vgl. ThLL V,1 1638,27.;

21,1

515

zur häugen Dichotomie corpus/anima Loi Lattanzio 139 Anm. 194; zum Tod als Trennung von Leib und Seele oben zu 5,27 add. 12. Verg. Aen. 6,702. Vergil beschreibt, wie sich der Schatten des Anchises den Versuchen des Aeneas entzieht, ihn zu berühren.

par . . . somno`:

spiritus:

Siehe oben zu 3,11 spiritum.

Zum Gedanken und zur Formulierung vgl. 3,12,2 corpus quia solidum est et comprehensibile, cum solidis et ipsa tenuitate incomprehensibilis:

comprehensibilibus conigat necesse est, animus autem quia tenuis est et inuisibilis, cum iis congreditur hostibus qui uideri tangique non possunt ; 2,14,14 spiritus sunt tenues et inconprehensibiles . Siehe oben zu 4,12 tenui et conprehensibili. corporales [...] comprehensibiles: Zum Begrispaar (in)corporalis  comprehendere/(in)comprehensibilis vgl. 21,1; epit. 53,1 sicut corporalibus corporalia, sic utique incorporali incorporale sacricium necessarium est ; opif. 16,11; Tert. anim. 6,5. Siehe auch oben zu 4,12 comprehensibili.

Ungewöhnlich ist das unpersönliche subiacet alicui mit Intitiv für: es gehört zu jemandes Wesen`, ebenso ira 18,14 deo subiacet cogitare sapere intellegere prouidere praestare (vgl. Tert. apol. 15,8 subiacet intellegi ). Sonst drückt Laktanz die Allmacht Gottes in Verbindungen mit uirtus aus, vgl. Loi Lattanzio 70. cui subiacet posse omnia:

21,1f. Die Erklärung für die Leidensfähigkeit der Seele:

Laktanz legt den bereits aus dem vorausgehenden (20,11) Vergilzitat entwickelten Gedanken zugrunde (Ÿ 1 primum ergo )1 , dass der Allmacht Gottes auch ein Umgang mit dem Unkörperlichen möglich ist, wie es sonst nur im Bereich des körperlichen Seins gedacht werden kann, und erklärt die Möglichkeit einer Bestrafung nun aus christlicher Perspektive (Ÿ 1 dicimus ): Wie Engel und Dämonen, obwohl sie wie die Seele (20,11) unkörperliche Geistwesen (spiritus dei, vgl. 4,8,69) sind,2 Gott fürchteten, weil sie seiner Strafgewalt unterlägen, so seien auch die als spiritus existierenden (Ÿ 2 in solis spiritibus uiuunt ) Seelen dem Zugri des geistwesenhaften Gottes (Ÿ 2 cui uirtus ac substantia spiritalis est ) ausgesetzt. Der Vergleich mit Engeln und Dämonen kann, da er axiomatisch auf christliche Lehre aufbaut, nur illustrierende, nicht argumentative Funktion haben. Die entscheidende Begründung liegt in der Trennung von Materiellem und Immateriellem, wobei Laktanz Aussageformen aus der körperlichen Welt (Ÿ 1 comprehendere, acere, castigare, torquere, punire , Ÿ 2 tractabilis ) 1

Primum weist nicht auf eine folgende Gliederung, sondern bezeichnet den Aus-

gangssatz der Argumentation, vgl. ThLL X,2 1363,67. 2 Vgl. Schneweis 3537 zur Anwendung des Begris spiritus auf menschliche Seele und Engel; 123127 zu den Dämonen.

Kommentar

516

auf die unkörperliche überträgt, was den intendierten Gegensatz zwischen Materiellem und Immateriellem verwischt. 3 Wie diese in körperlichen Kategorien gedachte Azierung in der Unkörperlichkeit möglich ist, ist in den Augen des Laktanz nicht rational zu erklären, wie inenarrabili quodam modo (Ÿ 1) und der Anschluss der folgenden Erläuterungen aus der Heiligen Schrift mit sed tamen (Ÿ 3) zeigen. Ähnlich wie hier vergleicht Laktanz 4,8,6 die Herkunft des göttlichen Logos mit dem geistigen Sein der Engel und verweist auf die Oenbarung, da vernunftgemäÿe Erklärung unmöglich sei. Auallend sind die wörtlichen Übereinstimmungen: primum nec

enarrari opera diuina, sed tamen sanctae litterae docent, in quibus cautum est illum dei lium dei esse sermonem itemque ceteros angelos dei spiritus esse. Das Erzittern von daemones et sciri a quoquam possunt nec

zieht Laktanz ira 23,13 als Indiz für das Furcht und Gehorsam gebietende Wesen Gottes heran. ministri tantae potestatis

21,1

incorporalia comprehendat:

ThLL VII,1 1025,6. angeli:

Siehe oben zu 5,9

angelos

Vgl. oben zu 20,11

corporales . . .

;

.

Wie 23,5; opif. 10,20; 11,15; vor Laktanz nicht belegte Junktur (vgl. ThLL VII,1 1293,29), dann vereinzelt, etwa Aug. serm. 26D(= 198 auctus),22. inenarrabili [...] modo:

Nachklassische Formel, auch 2,8,29; opif. 9,4; ); Sen. nat. 1,5,11; Tert. apol. 39,14 etc.

21,2 quid ergo mirum, si:

Val. Max. 5,1,1 (mirum

est

deo: Im prägnanten Dativus commodi deo (1,8,2; 4,18,33; 5,14,18; 5,17,14; vgl. oben zu 6,1 simus aeternum deo regnum und Min. Fel. 34,4 Plato [...] mundum [...] addit [...] ipsi artici deo soli et solubilem et esse mortalem. ) liegt, wie das Wiederaufgreifen der antithetischen Schlüsselbegrie immortalis und patibilis verdeutlicht, die Antwort auf die 20,7 aufgeworfene Frage, wie die unsterbliche Seele bestraft werden könne: Für Gott sind sie leidensfähig. Eine andere Erklärung gibt Tert. anim.

patibiles

Verbeke

3 Nach (469f.) verstehe Laktanz spiritus stoischmaterialistisch, so dass sich nicht Immaterielles und Materielles, sondern Fein- und Grobstoiches gegenüber stünden. Dagegen wendet (Lattanzio 155161; bekräftigt und um wichtige terminologische Beobachtungen ergänzt von , L'homme 277280) mit Recht ein: In Abgrenzung von der der soeben (20,711) zustimmend referierten stoischen Position stelle Laktanz nun die christliche Auassung einer immateriellen Seele vor, die nach dem Tod von allem Irdischen befreit ist, vgl. 3,12,34 non cadit er-

Loi

Perrin

go in hominem beatitudo illo modo quo philosophi putauerunt, sed ita cadit, non ut tunc beatus sit, cum uiuit in corpore, quod utique ut dissoluatur corrumpi necesse est, sed tunc, cum anima societate corporis liberata in solo spiritu uiuit. 

Verbeke

Die Uneindeutigkeit, auf die hinweist, entsteht durch den facettenreichen spiritus Begri bei Laktanz (siehe oben zu 3,11 spiritum ) und dadurch, dass er die Immaterialität der Seele terminologisch nicht eindeutig von deren Feinstoichkeit abgrenzt, wie Stoa und Epikureismus sie lehren (siehe oben zu 4,12 tenui ).

21,3

517

24,2: Unsterblich ist die Seele wegen ihrer Göttlichkeit, leidensfähig ( passibilis ) wegen ihres Geborenseins ( natiuitatis ). Zur Einordnung in beider Seelenlehre vgl. 470.

Verbeke

solidum et contrectabile: Dieselbe Junktur im selben gedanklichen Zu-

sammenhang 2,8,39 quidquid est enim solido et contrectabili corpore, accipit externam uim; quod accipit uim, dissolubile est; quod dissoluitur, interibit. Contrectabilis ( greifbar`) erscheint nur an diesen Stellen bei Laktanz, vorher nur Lucr. 4,660 (als Adverb mit einer Berührung`) und Tert. anim. 57,12 (ebenfalls neben solidus, für die Wahrheit bereits erfolgter körperlicher Auferweckungen) belegt; vgl. ThLL IV 773,38. a solo deo tractabiles sunt: Die Präpositionalkonstruktion nach Ad-

jektiven auf -bilis ist ungewöhnlich (vgl. Rhet. Her. 3,4,7 laudabile [...] ab [...] hominibus ; LHS II 97), hier steht sie wegen des Parallelismus zu a solidis . . . pati possunt. spiritalis: also immateriell, der göttlichen Sphäre zugehörig; siehe auch

oben zu 15,19 spiritali.

21,35 Die Strafe im Feuer:

Unter Berufung auf die Heilige Schrift (Ÿ 3 sanctae litterae )4 erläutert Laktanz die Umstände der Bestrafung. Dabei stehen Besonderheiten des jenseitigen Fleisches (Ÿ 3) und Feuers (ŸŸ 35) im Mittelpunkt: Die Sünder erhielten ein besonderes Fleisch, um Qualen und insbesondere Feuer ausgesetzt werden zu können (Ÿ 3). Dieses Straeuer ( diuinus ignis ) unterscheide sich vom gewöhnlichen Feuer dadurch, dass es keine Nahrung brauche, rein und üssig sei (Ÿ 4). Insbesondere könne es die Leiber der Sünder in dem Maÿe wieder herstellen, in dem es sie verzehre (Ÿ 5). Die Aussage, dass die eschatologische Bestrafung der Sünder durch Feuer geschieht, ndet sich allenthalben im alttestamentlichen, jüdischapokalyptischen und christlichen Schrifttum5 , und zwar in zwei Ausprägungen: zum einen als einmalig die Frevler vernichtendes Feuer 6 und zum anderen als feuriger Strafort 7 . Laktanz denkt hier, obwohl das Gericht an dieser Stelle noch etwas Punktuelles und Ereignishaftes hat, 8 an die dauerhafte Bestrafung und deren Möglichkeit. Eine entsprechende Antwort auf die in der apologetischen Praxis oenbar drängende Frage, wie man sich eine immerwährende Feuerstrafe physikalisch vorzustellen habe, bieten schon Tert. apol. 48,1315 4 Gedacht ist wohl nicht an eine bestimmte Stelle, sondern an die Oenbarung insgesamt, siehe oben zu 21,1f. 5 Belege bei Böcher Licht 93f.; 102f.; 108. 6 Joel 3,3; Jes 66,15f.; 4 Es 13,10; Mt 3,13; 7,19; Joh 15,6; Hebr 10,27; Ob 1,16. 7 Jes 66,24; Jer 34,10; Mt 5,22; 18,9; ThLL VII,1 294,22. 8 Noch 20,1: Akt des Richtens; 21,68: im Feuer vollzieht sich auch das Richten; endgültiger Strafzustand erst 26,6f.

Kommentar

518

und Min. Fel. 35,3:9 Ausgehend von der stoischen Unterscheidung zwischen dem zerstörenden Feuer des alltäglichen Gebrauchs einerseits und dem mit Schaenskraft, Seele und Vernunft begabten pÜr teqnikìn10 andererseits erklären sie das Straeuer nicht als ein übliches, sich durch Verbrennung von Materie nährendes, sondern als ein aus sich dauerhaftes, wie es in Blitzen und Vulkanen vorkomme. Dieses Feuer sei imstande, das an den Leibern der Sündern jeweils Verzehrte wiederherzustellen. Insbesondere zur Tertullianpassage sind auch begriiche Übereinstimmungen zu erkennen (vgl. Perrin L'homme 529531):

Tert. apol. 48,1315 13 Ideoque nec mors iam rursus

ŸŸ 35

, ac

sus

resurrectio,

sed

erimus

rur-

iidem,

qui

nunc, nec alii post, dei quidem cultores

induti

apud deum semper, super

substantia

3 impii [...] rursus entur [...].

carne

indu-

propria aeternitatis; profani uero et qui non integre ad deum, in

ignis, habentes diuina scilicet,

poena aeque iugis

natura

eius,

subministrationem 14

Nouerunt

et

arcani et publici qui

usui

ex ipsa

incorruptibilitatis.

diuersitatem

philosophi

ignis.

Ita longe alius est,

humano, alius qui iudicio dei ap-

paret [...]; non enim erogat,

15

absumit

urit,

quod ex

reparat.

Adeo manent montes

sed dum

semper ardentes ignis aeterni,

[...]: hoc erit testimonium

hoc exemplum iugis iudicii poenam nutrientis.

4 diuinus

[sc.

ignis],

[...] quem

labes [...] et fumus [...] cogit [...] ad caelestem

naturam

[...] sub-

uolare.

4 [sc. ignis] aeternum subministrabit 3

natura [sc.

pabulum

ignis] diuersa

est

ab hoc nostro, quo ad uitae necessaria

utimur

4 quantum reponet 5 aduret

[...]

absumet

3 igni sempiterno 5 ignis [...] aeternum

tantum

pabulum

subministrabit.

Die Übereinstimmungen sprechen dafür, dass Laktanz hier vor allem Tertullian (van RooijenDijkman 133f; Perrin L'homme 530: ihn und Minucius Felix) als Quelle verwendet hat. Er nimmt die folgenden Veränderungen vor: (1) Während bei Tertullian vom Auferstehungsleib der Gottgefälligen und von der Feuerstrafe der Frevler die Rede ist, spricht Laktanz nur von den Frevlern und von deren besonderem Fleisch (Ÿ 3 caro 9 Dass die Leiber der Sünder im Höllenfeuer erhalten bleiben (seruantur ), lehrt beispielsweise auch Cypr. Demetr. 24,1, doch gibt er keine nähere Erklärung. 10 SVF I 120; 171; II 774; 1021; 1027; 1133; 1134; Cic. nat. deor. 2,40f.; 57f.; Aug. civ. 8,5; Steinmetz 538f. Zum pÜr noerìn siehe unten zu 21,5 et cremabit . . .

519

21,4

). (2) Laktanz betont und begründet ausdrücklich, dass es sich um üssiges Feuer handle (Ÿ 4 purus ac liquidus et in aquae modum uidus ). Die Gleichsetzung des Straeuers mit vulkanischen Feuererscheinungen und Blitzen fehlt. (3) Laktanz ergänzt das Beispiel des Tityos (Ÿ 5).  Ferner sprechen die Nähe zu Tertullian und die Tatsache, dass durch die Änderungen die Argumentation gezielt vertieft und darin für Laktanz typische Fragen (Problem der Körperlichkeit, dualistischer Lösungsansatz; wahre Elemente im Mythos) angeschnitten werden, gegen einen prägenden bzw. unmittelbaren Einuss iranischapokalyptischer Vorstellungen (siehe unten zu 21,68) an dieser Stelle. Das auallende Interesse des Laktanz für die andauernde schmerzhafte Bestrafung der Frevler und Gottlosen könnte, abgesehen von der philosophischen Frage nach der Leidensfähigkeit der Seele (vgl. 20,7), auch angestoÿen sein von eigenen Eindrücken aus der Verfolgungszeit. So schildert er detailliert die Hinrichtung von Christen unter Galerius, deren Feuertod durch Abwaschen des Gesichts mit kaltem Wasser verlängert wird (mort. pers. 21,711). [...] insolubilis ac permanens in aeternum

21,3

sanctae litterae:

Siehe oben zu 7,9

diuinae litterae

.

Der erste Beleg für die später häuge Junktur, vgl. Ambr. Cain et Ab. 1,9,37; in psalm. 38,31,3; sacr. 2,6,17; ThLL IV 763,52. peccata [...] contraxerunt:

rursus carne induentur: superiecerit: contexit

.

insolubilis:

1935,27.;

Siehe oben zu 2,4

Zum Ausdruck vgl. opif. 7,2

mortali corpore indutus

.

uiscera [...] superiecta pelle

Nur hier bei Laktanz, seit Sen. benef. 4,12,1; vgl. ThLL VII,1

Egger 50f.

permanens in aeternum: eius permanens in aeternum

Vgl. Vet. Lat. psalm. 111,9 (cod. 136) iustitia ; ThLL X,1 1526,23.; siehe auch oben zu 3,16

Plato ...

Zunächst in erläuternder Ergänzung zu cruciatibus wird hier deutlich, dass sich die Endzeitstrafen (20,6f. poena ) durch Feuer vollziehen. Die Junktur ist ciceronisch (nat. deor. 3,37; rep. 6,15; Catil. 4,18 für das Vestalische Feuer; ThLL VII,1 289,28.). igni sempiterno:

Nicht als innere Charakterisierung des Feuers ( göttliches Feuer`), sondern nur zur Klärung der Bezüge ( das Gott zu Gebote stehende Feuer`): In Antithese ( at ille ) zum Alltagsfeuer (ignis noster 21,3.4) ist ignis diuinus das Mittel, durch das die Seelen vor Gott Strafe erfahren (vgl. 21,2 patibiles [...] deo ) . 21,4 diuinus:

Kommentar

520

purus ac liquidus et in aquae modum uidus:

Lucr. 6,205 (6,349; vgl. 5,281; Verg. ecl. 6,33) erklärt Blitze als ignis liquidus (vgl. ThLL VII,1 1485,28.). Die Vorstellung, dass das jenseitige Straeuer üssig sei, ndet sich auch in der lÐmnh toÜ purìc Ob 20,14f. (vgl. Ob 21,8; van Rooijen Dijkman 132f.), nach Dan 7,10 (Parallelen Böcher Licht 94) geht ein potamäc purìc vom Thron des Endzeitrichters aus.

sursum uersus urgetur . . . : Der Drang nach oben gehört seit Aristoteles

zu den häug angesprochenen Eigenschaften des Feuers, vgl. beispielsweise Aristot. cael. 296b (wegen seiner Leichtigkeit); SVF II 434; 991 (seinem Wesen nach ‚nwferèc); CH XIII 6; Ps. Apul. Ascl. 2 ignis solum, quod sursum uersus fertur, uiuicum (mit Colpe/Holzhausen I 255 Anm. 60); Sen. nat. 2,24,3; Amm. 33,5,14. Nach dem hier entwickelten Gedankengang ackert das irdische Feuer deswegen nach oben, weil es sich von dem vergänglichen Gegenstand, von dem es sich ernährt ( quo tenetur : ge` und erhalten wird`, vgl. OLD s.v. teneo 13 und 15), und dem Rauch, der ihm begemischt ist, trennen will. Seiner eigentlichen caelestis natura (siehe auch oben zu 9,13f.) gemäÿ, der es auch wieder zustrebt, ist das Feuer unabhängig von Brennmaterial, frei von Rauch und üssig. Somit ist das Feuer in der jenseitigen Welt ( ille diuinus ) die wahre Gestalt des irdischen (noster ). Ähnliches (Trennung vom Vergänglichen, Streben zum himmlischen Ursprung) sagt Laktanz (4,12; 5,16f.; 6,2; 20,8f.) über die Seele.

labes terreni corporis:

Vgl. 27,2; Cypr. zel. 14 terreni corporis infe; Min. Fel. 26,8; oben zu 20,9 labemque

sta labes spiritali uigore calcanda terrenam

.

21,5 et cremabit . . . subministrabit:

Das Feuer ersetzt stets das verbrannte Fleisch. Dies scheint dem über die Natur des Fleisches (21,3: es halte ohne Zerstörung dem ewigen Feuer stand) und des Feuers (21,4 per se ipsum semper uiuit ac uiget sine ullis alimentis , hier dagegegen: sibi ipse pabulum alternum subministrabit ) Gesagten zu widersprechen. Es dürfte sich aber vielmehr um eine nähere Ausführung darüber handeln, warum das Fleisch unversehrt bleiben kann und das Feuer keiner fremden Nahrung bedarf. Jedenfalls tritt hier deutlicher die ursprünglich stoische, von den Christen aber in diesem Zusammenhang öfter herangezogene Vorstellung eines unterscheidungsfähigen ( pÜr noerìn, vgl. SVF II 443; 806; 1050; Clem. strom. 7,34,4; protr. 4,53,3; Tert. Scap. 3,3; Min. Fel. 35,3; Aug. civ. 8,5; Serv. Aen. 6,746) und schöpferischen ( pÜr teqnikìn, siehe oben 518 mit Anm. 10) Feuers hervor, während das Fleisch keine Bedeutung mehr hat.

pabulum subministrabit:

Die Junktur ebenfalls übertragen 6,23,5 ( ui) und Sol. 32,9, dann etwa Ambr. exc. Sat. 1,45; vorher im Wortsinn Colum. 6,3,2. tiis

21,6

521

quod poetae in uulturem Tityi transtulerunt: Dem Zeussohn Tityos

hacken nach verbreiteter Überlieferung (seit Hom. Od. 11,576581) zur Strafe für seine Annäherung an Leto in der Unterwelt zwei Geier (Hom. Od. 11,578 gÜpe) die stets nachwachsende Leber (oder das Herz: Apollod. 1,23 = 1,4,1) aus dem Leib, vgl. K. Scherling, Tityos`, LIMC 8,1 (1997) 3741. In der lateinischen Dichtung wird die Unterweltsqual des Tityos mehrfach erwähnt: Lukrez (3,984994; von Serv. Aen. 6,596 neben Hor. carm. 3,4,77f. zitiert) gibt eine entmythisierende Deutung, bei den Elegikern erscheint Tityos als Urbild des aus Liebe Gequälten (Prop. 2,20,31; Tib. 1,3,75; Ov. am. 3,12,25). Bezugspunkt hier ist die bekannteste und ausführlichste Schilderung Verg. Aen. 6,595600 ( Pichon 218; Monat Bible II 32 Anm. 173; Courcelle Pères 28 Anm. 4; Lecteurs 450); van RooijenDijkman 134 denkt wegen des Plural poetae an Vergil und Ovid, doch sagt der Plural, dass nicht die Vergilstelle im Besonderen, sondern das poetische Mythologumenon gemeint ist. Bei Vergil wird ein Geier erwähnt (Aen. 6,576; auch Sen. Phaedra 1233) und das Nachwachsen der Leber (Aen. 6,598 immortale iecur ; 6,600 nec bris requies datur ulla renatis ) hervorgehoben, auf das es Laktanz hier ankommt. Monat (Bible I 57) sieht mit Recht einen Wechsel beziehungsweise eine Verengung der Perspektive: Während ansonsten die Bestrafung der Triebhaftigkeit des Tityos im Mittelpunkt der Rezeption und Auslegung steht, auch bezüglich der Leber (nach Serv. Aen. 6,596 der Sitz der libido ), geht es Laktanz nur um deren Nachwachsen, das als bekanntes mythologisches Detail in einer pâle transposition die Wirkung des Höllenfeuers illustrieren soll. Allerdings trägt neben den Zitaten aus dem sechsten Aeneisbuch 20,10f. und 22,3.5.7.17 diese Bezugnahme dazu bei, die Unterweltsschilderung Vergils als paganen Verständnishintergrund der hier dargelegten christlichen Jenseitsvorstellungen präsent zu halten.

sine ullo [...] detrimento: Mit Genitiv wie Cic. Planc. 91; Nep. Hann. 5,2; Vell. 2,97,4.

reuirescentium: Nur hier bei Laktanz, eigentlich wieder ergrünen` oder

wieder erstarken` (vgl. OLD s.v.), hier für den physischen Ersatz der verbrannten Körperteile.

sensum doloris aciet: Hier wie Cic. Verr. II 5,123; Arnob. nat. 2,14

fügt eine Schmerzempndung zu`, anders 20,9 sensum ( verleiht die Fähigkeit zur Schmerzempndung`).

21,6f. Die Prüfung im Feuer:

doloris attribuit

Der Gedankengang ist hier assoziativ: In den Erläuterungen zum Jenseitsgericht (20,7  23,5), die als Exkurs die Schilderung des Endzeitablaufs unterbrechen, hat Laktanz zunächst das Straeiden der gottlosen Seele im Feuer dargestellt (20,7  21,5). Nun kommt er auf die 20,6 erwähnten Ge-

522

Kommentar

rechten zurück: Sie werden nach dem Wägegericht im Feuer geprüft (Ÿ 6 sed . . . examinabit. ). Erst aus dem nächsten Satz (Ÿ 6 tum . . . respuat.) wird klar, dass sowohl die für ungerecht als auch die für gerecht Befundenen dem Feuer ausgesetzt werden, das aber nur die ersteren verbrennt, den letzteren aber nicht schaden. 11 Schlieÿlich (Ÿ 7 tanta . . . temperet.) betont Laktanz, dass ille ignis zwischen Gottlosen und Gerechten unterscheiden könne, ut impios urat, iustis temperet .12 Unklar ist, wie weit sich ille ignis (Ÿ 7) zurück bezieht. Es gibt dafür zwei Möglichkeiten: 1. Gemeint ist nur das ab Ÿ 6 eingeführte Prüfungsfeuer. Es ist vom Straeuer (21,35) zu trennen, dessen Erläuterung mit 21,5 abgeschlossen ist. Das Stichwort ignis (Ÿ 6) stellt lediglich die assoziative Anknüpfung dar. Die Darstellung springt zurück zum 20,6 erwähnten Gericht. Das Straeuer folgt für die Frevler im eschatologischen Ablauf  abweichend vom Text  auf die Feuerprobe und kommt in der Schilderung nicht mehr zur Sprache. 2. Gemeint ist das eine Feuer, von dessen Besonderheit seit 21,3 die Rede ist. Straf- und Prüfungsfeuer sind gemäÿ öfter belegten Vorstellungen im frühen Christentum (vgl. Edsman 200) dasselbe. Alle Seelen müssen dieses Feuer durchlaufen, für die der Frevler ist es schmerzhafte und andauernde Strafe, die der Gerechten werden davon nicht beeinträchtigt. Die vorhergehenden Ausführungen (20,7  21,5) sollten keine eigene Art von Feuer einführen, sondern erläutern, wie ein Feuer unsterbliche Seelen schmerzhaft strafen kann. Eine sichere Entscheidung ist nicht möglich. Anscheinend stehen zwei unterschiedliche Konzepte vom Jenseitsfeuer, nämlich als Straf- (siehe oben zu 21,35) und als Prüfungsfeuer, ohne wirkliche Verbindung nebeneinander. Zudem fällt auf, dass das Motiv vom Gericht durch Wägen (siehe oben zu 20,6 mala opera . . . ) als drittes traditionelles Element nicht ganz stimmig13 und nur in vager14 zeitlicher Aufeinanderfolge angefügt ist. 11 Das einleitende tum (Ÿ 6) ist epexegetisch: dabei`(d. h. bei dieser Feuerprüfung`). 12 Die Gedankenführung orientiert sich an Schlüsselbegrien: (1) Etwas Göttliches (aliquid dei ) in den Unschuldigen wehrt die Kraft (uis ) der Flammen ab (Ÿ 6). (2) Die Kraft (uis ) der Unschuld (innocentia ) wehrt das Feuer ab (Ÿ 7). (3) Das Feuer ist unschädlich (innoxius ) für die Unschuldigen, weil Gott ihm verliehen hat, die Frevler zu verbrennen und die Gerechten zu schonen (Ÿ 7). 13 Der Relativsatz quorum peccata uel pondere uel numero praeualuerint greift das Wägemotiv auf (vgl. 20,6), der ihm syntaktisch parallele und inhaltlich oppositive quos autem plena iustitia et maturitas uitutis incoxerit (Ÿ 6) hingegen basiert auf einer materialistisch dargestellten Feuerprobe. Ferner liegt im ersten Satzteil eine merkwürdige Katachrese vor durch die Vermischung von Wäge- und Feuermetaphorik: Diejenigen, deren Sünden überwiegen, erleiden (deswegen!) Verbrennungen. 14 Dass es sich um eine zeitliche Abfolge von Wägen und Feuerprüfung handelt, wird nicht ausdrücklich gesagt, geht aber aus der Vorzeitigkeit, mit der auf Gericht und Wägen Bezug genommen wird (Ÿ 6 iudicauerit, praeualuerint ), hervor.

21,6

523

Die hier erstmals bei Laktanz erwähnte Vorstellung von einer Prüfung im Feuer ndet sich häug im biblischen, apokalyptischen und christlichen Schrifttum,15 wo dafür öfter der Ausdruck dokimˆzein di€ purìc verwendet wird, der bei Laktanz als igni examinare (Ÿ 6) erscheint. Eng verwandt sind die Motive vom Durchschreiten des jenseitigen Straeuers, das den Gerechten keinen Schaden zufügt, 16 und von der Feuertaufe vor dem Eintritt ins Paradies17 . Bei Laktanz fehlt, anders als bei vielen anderen, insbesondere den biblischen Zeugnissen für die Prüfung im Feuer, der Vergleich mit der Läuterung von Metall und somit jeder Aspekt der Reinigung der Seelen, wie er bei der Lehre vom Fegfeuer im Mittelpunkt steht. 18 Die Prüfung 15 Ps 66(65 LXX),10 âdokÐmasac ™mc, å jeìc, âpÔrwsac ™mc, ±c puroÜtai tä ‚rgÔrion. Weish 3,6; Sach 13,9 (den Sach 13,8f. entwickelten Gedanken, dass ein Drittel die Endzeit geläutert übersteht, gibt Laktanz 16,14 wieder); Jdt 8,27; eschatologisch: 1 Kor 3,13 ákˆstou tä êrgon åpoØìn âstin tä pÜr dokimˆsei. 15 eÒ tinoc tä êrgon kataka setai, zhmiwj setai, aÎtäc dà swj setai, oÖtwc dà ±c di€ puräc. 1 Petr 1,7; or. Sib. 8,411; Hen(aeth) 52,19; Clem. strom. 6,11,86. Ein doppeltes Gericht durch Wägung und Feuer wie bei Laktanz innerhalb eines eschatologischen Gesamtablaufs wird TestAbr A 12,13f. (F. Schmidt, Le Testament grec d'Abraham. Introduction, édition critique des deux recensions grecques, traduction, Tübingen 1986, 134) geschildert: kaÈ å màn [sc. Šggeloc] prä pros¸pou t¨c trapèzhc å tän zugän katèqwn âzÔgizen t€c yuq€c; kaÈ å purinäc Šggeloc, å tä pÜr katèqwn, âdokÐmaze di€ puräc t€c

Weitere Belege aus der apokalyptischen und patristischen Literatur bei D.C. Allison, Testament of Abraham, Berlin/New York 2003, 270f. Nach Comm. apol. 995f. fällt bereits in der Endzeit Feuer vom Himmel, das die Gerechten verschont und die Frevler verbrennt. 16 So insbesondere or. Sib. 2,252256. Brandt (II 257) nimmt diese Sibyllenpassage hier als Quelle an, allerdings wäre es die einzige Bezugnahme auf die ersten beiden Bücher (jüdisch, erstes vorchristliches Jahrhundert bis 70 n. Chr.: Gauger 439) bei Laktanz (Brandt II 258). A. Kurfess, Oracula Sibyllina I/II, ZNW 40 (1941) 151165, hier 162f. (vgl. Konstantin 42f.), wertet die vorliegende Parallele (und einige weitere gemeinsame Endzeitmotive) als Indiz dafür, dass Laktanz das zweite Buch zwar nicht zitiert, aber gekannt habe. Doch fehlen bei Laktanz die für diese Vorstellung entscheidenden Bilder ( durchschreiten`, Feuerstrom` o.ä.). Weitere Belege im Testament des Isaak 5,24 (M. Delcor, Le Testament d'Abraham. Introduction, traduction du texte grec et commentaire de la recension grecque longue, suivi de la traduction des Testaments d'Abraham, d'Isaac et de Jacob d'après les versions orientales, Leiden 1973, 202), in der Vision Esras 47.24.58 (Apocalypsis Esdrae, Apocalypsis Sedrach, Visio beati Esdrae, ed. O. Wahl, Leiden 1977, 49.; christlich, viertes Jahrhundert oder später) und bei R. Bauckham, The Fate of the Dead. Studies on the Jewish and Christian Apocalypses, Leiden 1998, 320. 17 Edsman, v.a. 1133: Im volkstümlichen und im heterodoxen Christentum, aber auch bei Origenes (dazu 115) gibt es die Vorstellung von einer endzeitlichen Taufe` im Feuer. Vgl. E. Fleischhack, Fegfeuer. Die christlichen Vorstellungen vom Geschick der Verstorbenen geschichtlich dargestellt, Tübingen 1969, v.a. 27f.; E. Koch, Fegfeuer`, TRE 11 (1983) 6978, v.a. 70; Le Goff 7278; M.P. Ciccarese, La nascita del purgatorio, Annali di storia dell'esegesi 17 (2000) 133150, v.a. 136 138; A. Merkt, Das Fegefeuer. Entstehung und Funktion einer Idee, Darmstadt 2005, 7274. 18 Richtig etwa Wojtczak Koncepcje 615. Daher kann man die Laktanzstelle nicht als Zeugnis für ein reinigendes Feuer` (so fälschlich G.L. Müller, LThK 3 [1995] yuq€c tÀn ‚njr¸pwn.

524

Kommentar

im Feuer bestätigt nur die ihm Wägegericht bereits gefällte Entscheidung und ist oensichtlich ein zum Stichwort ignis aus der jüdischchristlichen Tradition19 übernommenes, aber im Endzeitablauf des Laktanz letztlich funktionsloses Element.

praestringentur: Prae- (DPKS, die Lesart ist bei Brandt irrtümlich nicht berücksichtigt) und perstringere (HM) werden oft verwechselt (ThLL X,1 1755,5759; X,2 940,2931). Hier wäre einerseits eine Verschreibung von per- zu prae- als Perseverationsfehler nach praeualuerint zu erklären, andererseits können von prae- sowohl per- als auch die B Lesart re- ausgegangen sein. Semantisch unterscheiden sich beide Varianten kaum: Bei perstringere (sonst nicht bei Laktanz) wäre von einem (oft negativ mit dem Aspekt der Verletzung konnotierten) berühren` auszugehen (ThLL X,1 1755,74.): Die Seelen der Gerechten kommen mit dem Feuer in Berührung`. Praestringere kann demgegenüber das bloÿe Touchieren bei einer Berührung implizieren (ThLL X,2 942,26.56.): Die Seelen

werden vom Feuer gestreift`. Dieses Verb verwendet Laktanz zweimal in der üblichen (ThLL X,2 940,62.) Bedeutung blenden` (2,6,3 pulchritudo ac nitor praestringit oculos ; Entsprechung epit. 20,14). Für praestringere sprechen die bessere Bezeugung und die Tatsache, dass zum folgenden habent enim aliquid in se dei, quod uim ammae repellat ac respuat eine kurze, oberächliche Berührung passt.

21,6

incoxerit: Das Gegenteil (die Seelen der Frevler sind durch den lange andauernden Kontakt mit dem Körper verunreinigt) sagt Laktanz 12,9 und 20,9 (siehe oben 522 Anm. 13). Inkonzinn steht plena iustitia neben der Genitivkonstruktion maturitas uirtutis ( Vollendung der Tugend`, vgl. ThLL VIII 494,17.). Die übertragene Verwendung von incoquere für die dauerhafte Prägung der Seele ist ungewöhnlich (geläug wäre imbuere ) und vorher nur Pers. 2,74 ( incocto generosum pectus honesto, Kiÿel 33: die Brust vom Adel der Tugend durchglüht) belegt (ThLL VII,1 1023,36.; Kiÿel 361f.). Laktanz übernimmt den Sprachgebrauch des Persius, dessen Vers 2,74 er 2,4,11 zitiert und 6,2,12 parphrasiert. Doch während bei Persius das Bild des Färbens von Wolle hinter der Übertragung steht (Pers. 2,65 coxit ; Kiÿel 362364), das bei Laktanz durch den Zusammenhang mit der Feuerprobe ausscheidet, liegt hier eine Assoziation quos . . .

1205) ansprechen; mit angemessener Zurückhaltung ordnet sie Le Goff (80) in die Entwicklung der Lehre vom Fegfeuer ein. 19 Parsische Vorstellungen von einem die Seele reinigenden Feuer üben sicher keinen direkten Einuss auf Laktanz aus, insbesondere ist ein seit Windisch (2631, siehe oben 67) vermuteter Einuss des Hystaspesapokalypse auszuschlieÿen. Das stoische pÜr frìnimon (siehe oben zu 21,5 et cremabit . . . ), auf das Monat (Bible I 57) verweist, steht sicher nicht im Zentrum des Darzustellenden, sondern ieÿt eher ins apologetische Kalkül ein.

525

21,7

mit der Verschmelzung oder Legierung von Metallen ( incoquere in diesem Sinn ThLL VII,1 1023,31.) näher. Andeutungsweise scheint also der biblische Vergleich der Prüfung und Läuterung von Edelmetallen im Feuer (vgl. oben 523 Anm. 15) nachzuwirken.

21,7 innocentiae: Siehe oben zu 17,9

iustitia proicietur . . .

ohne Schaden anzurichten` (wie epit. 67,5 lupus inter pecudes , vgl. ThLL VII,1 1721,10.), von Feuer wie Verg. Aen. 2,683 tactu [...] innoxia [...] amma . innoxius:

errabit innoxius

Nur hier bei Laktanz erscheint temperare mit Dativ ( schonen`; ciceronisch, vgl. OLD s.v. temper o 2b). Gegen das in einigen Handschriften überlieferte obtemperet (aufgenommen Loi Lattanzio 161) spricht dessen durchgängige Verwendung (3,15,9; 3,16,3.7 usw.) in der hier unpassenden Bedeutung gehorchen`. Im späteren Latein verschwimmt zwar gelegentlich (ThLL IX,2 273,38; Blaise s.v. tempero II 2) der Bedeutungsunterschied zwischen Kompositum und Simplex, aber kaum schon hier.

temperet:

Zum Modusgebrauch siehe oben zu 5,27 add. 1 Neque nunc aliquis eo confugiat . Der vorweggenommene Irrtum (mit denselben Worten 6,12,4) leitet eine ergänzende Klärung zur individuellen Eschatologie ein: Nach dem Tod warten alle Seelen in einem gemeinsamen Gefängnis auf das Weltgericht. Mit iudicari könnten zwei unterschiedliche Dinge gemeint sein: nec tamen quisquam putet . . . faciat examen: putet

1. Das allgemeine Gericht am Ende des sechsten Jahrtausends (20,5f.). In diesem Fall will Laktanz wohl eher die Aufmerksamkeit des Lesers auf die noch oen Frage lenken, was mit den Seelen der bis dahin Verstorbenen geschieht. Es wäre also zu verstehen: Man soll nicht meinen, dass das Gericht gleich nach dem Tod stattndet`, zu ergänzen wäre: nur weil bislang über das Geschick der Seelen in dieser Zwischenzeit noch nichts gesagt wurde`. 2. Eine vorläuge Art der Beurteilung (in moderner theologischer Terminologie: das individuelle Gericht), in der die Entscheidung darüber getroen wird, wo sich die Seele bis zur allgemeinen Auferstehung benden werde. Tatsächlich wird im frühen Christentum öfter die Ansicht vertreten, dass die Aufenthaltsorte der Seelen bis zum Jüngsten Tag nach Frevlern und Gerechten getrennt (so etwa Justin. dial. 5,3; Run. Orig. princ. 1 praef. 5) seien oder die Märtyrer (so etwa Tert. anim. 55,4 mit Pass. Perp. 13,8 und Waszink 561f.; Cypr. epist. 31,3; 58,3; vgl. Daley Eschatologie 118) bzw. alle Glaubenstreuen (Cypr. Fort. 12) direkt ins Paradies gelangten. Die Aussage würde also lauten: Man soll nicht meinen, dass gleich nach dem Tod eine Art von Beurteilung stattndet`, zu ergänzen wäre: aufgrund derer sich bereits eine Einteilung der Seelen ergibt`.

Kommentar

526

Für einen paganen Leser muss die erste Lösung näher liegen, da er nur von dem einen 20,5f. geschilderten Gericht wissen kann. Doch scheint Laktanz hier tatsächlich im Sinn der zweiten Lösung in einer innerchristlichen Diskussion Position zu beziehen. Denn im Folgenden ( omnes in una . . . ) wendet er sich gegen die Vorstellung getrennter Aufenthaltsorte und spricht (wie etwa Iren. haer. 5,31,2) ausdrücklich von ein und demselben Gefängnis` für alle (omnes in una communique custodia ). Dass die Seelen der Verstorbenen in einem Gefängnis` verweilen, wird 1 Petr 3,19 ( ân fulak¬, vgl. Run. Orig. princ. 2,10,8) und (in Auslegung von Mt 5,25f.) Tert. anim. 58,8 (carcer ) gesagt. Zur Formulierung tempus adueniat quo maximus iudex meritorum faciat examen vgl. Cypr. epist. 58,10,1 dies [...] adueniet [...], cum coeperit populum suum dominus recensere et diuinae cognitionis examine singulorum merita recognoscere. iudex:

Siehe oben zu 19,4 iudex.

21,8 praemium immortalitatis accipient:

tum dei . . . und zu 14,3 inferna supplicia . . .

Siehe oben zu 13,2 ad cul-

Gemeint ist die Auferstehung zum ewigen Leben, die Auferweckung aus dem Grab zum Gericht ist bereits erfolgt; siehe oben zu 20,1 surgent. non resurgent:

Mit impii sind nun wieder wie 20,5 die erst gar nicht zum Gericht auferweckten Gottlosen gemeint. Dies wird aus ihrer Kontrastierung mit den im Gericht als Sünder entlarvten ( quorum autem peccata et scelera detecta ) Christen (zu diesem Verständnis von 20,5 qui sunt in religione dei uersati siehe oben zu 20,5f.) deutlich, die noch 20,9 und 21,7 als impii bezeichnet wurden. Beide Gruppen könnten 20,3.5 gemeint sein. Dass jene Gottlosen sich in tenebris benden, ist im Ablauf der Endzeitereignisse bislang eigentlich noch nicht gesagt worden. Lediglich 19,6f. war von der Verurteilung des Antichrist und der Gewaltherrscher die Rede, 20,5 davon, dass die impii nicht zum Gericht auferstehen. Laktanz knüpft hier aber oenbar an eine Vorstellung des Lesers von der nsteren Unterwelt an (vgl. 7,13), und natürlich müssen auch die Heiden irgendwo auf ihre endgültige Bestrafung (26,6f.) warten. cum impiis in easdem tenebras:

Zur Formulierung siehe oben zu 1,25 ad aeterna supplicia destinati . Hinter der beiläugen Andeutung steht oenbar die Lehre, dass für die Frevler jeweils bestimmte Jenseitsstrafen ( supplicia, zuletzt im Vergilzitat 20,9; christlich Tert. apol. 49,2; anim. 33,11; vgl. Finé 97) vorgesehen sind; 26,7 spricht er nur von Feuer als Strafe. Zu denken ist also wohl nicht an unterschiedliche Arten der Bestrafung, wie beispielsweise ApcPe 712 (äthiopischer Text; 2134 griechischer Text, Schneemelcher II 570574; vgl. Bernstein 283287.299) ausgemalt und etwa Bas. Is. 1,64; reg. br. 229 erwähnt, sondern unterschiedliche

ad certa supplicia destinati:

22,1

527

Schwere, wie Aphrahat dem. 22,22 (P. Bruns, Aphrahat, Unterweisungen II, Freiburg 1991, 515f.); Aug. civ. 21,16; enchir. 23,93 etc.

22,119

Dichterzeugnisse über Gericht und Auferstehung:

Mit haec zurückweisend auf alle bisher angedeuteten Übereinstimmungen zwischen Christentum und Dichtung 1 leitet Laktanz über zu einer Bezeugung der Auferstehungslehre aus dichterischmythologischen Vorstellungen. Im Zentrum der Argumentation steht, nach hinführender Begründung (ŸŸ 14; vgl. Ÿ 6) und Beispiel für das Vorkommen von Einzelwahrheiten in der Dichtung (Ÿ 5), ein Vergilzitat (Ÿ 7), das Laktanz zum einen als Testimonium für die Auferstehung deutet (Ÿ 8) und von dem zum anderen die weitere Richtigstellung und Vertiefung ausgeht (ŸŸ 919): I. Hinführung 1. Der Wahrheitsgehalt der Dichtung (ŸŸ 14): Die Dichtung, die älteste literarische Gattung, hat entstellte Einzelwahrheiten bewahrt. 2. Beispiel: die Unterweltsrichter (Ÿ5): Der wahre Kern des Mythos von Minos, Aiakos und Rhadamanthys ist, dass ein selbst sterblicher Gottessohn gerecht über die Toten richtet. 3. Wiederholung: entstellte Wahrheit in der Dichtung (Ÿ 6) II. Vergilbeleg für den Auferstehungsglauben (ŸŸ 7f.) Verg. Aen. 6,748751 spricht von der Auferstehung zum Leben und von einer Periode von tausend Jahren, die aber falsch verstanden ist. III. Richtigstellungen (ŸŸ 919) 1. Falsch ist die Vorstellung vom Trinken aus dem Lethestrom und der ständigen Rückkehr ins irdische Leben, stattdessen gibt es eine Auferstehung am Ende der Zeit (ŸŸ 917). (a) Erster möglicher Einwand, aufgrund dessen Vergil den Lethestrom eingefügt hat: Warum erinnert sich niemand an Geschehnisse aus dem früheren Leben?` (Ÿ 9) (b) Richtigstellung (ŸŸ 1015): Die Christen, die kein Vergessen der Seelen lehren, müssen sich dementsprechend fragen lassen, warum man noch nie einen auferstandenen Menschen gesehen habe (Ÿ 10). In eine so ungerechte und gewalttätige Zeit hinein, wie es die gegenwärtige ist, kann keine Auferstehung erfolgen (Ÿ 1114), sondern erst, wenn am Ende der Zeiten das Böse beseitigt ist (Ÿ 15). 2

Vergilzitate über die Straeiden der Seele (20,10), ihren Zustand nach der Trennung vom Körper (20,11), das Beispiel des Tityos (21,5), wohl die supplicia 21,8. 2 Der Gedanke einer verdorbenen Welt, in die hinein ein Auferstandener nicht kommen möchte, lässt die christliche Richtigstellung (ŸŸ 1015) bruchlos in den zweiten angeblich von Vergil berücksichtigten Einwand (ŸŸ 16f.) übergehen.

1

Kommentar

528

(c) Zweiter möglicher Einwand, aufgrund dessen Vergil den Lethestrom eingefügt hat: Warum sollte eine Seele, die das Leben in der irdischen Welt kennt, dorthin zurückkehren wollen?` (ŸŸ 16f.). 2. Falsch ist die Vorstellung von der Auferstehung als Wiedergeburt (ŸŸ 173 19). Die Erwähnung Platons, der ganz in dichterischmythologischer Tradition stehend vorgeführt wird, leitet über zu den folgenden (23,13) Philosophenbelegen. Argumentation und Gedankenführung beruhen auf der Benutzung dichterischer Zeugnisse. Dementsprechend schickt Laktanz grundsätzliche Überlegungen zum Wahrheitsgehalt der Dichtung voraus (ŸŸ 14): 4 Wie öfter5 spricht er den poetae Verlässlichkeit im sachlichen Kern (Ÿ 4 ipsa res, vgl. 1,5,2; 1,11,23.29) einzelner Aussagen zu: Zwar kennten die Dichter nicht die ganze Wahrheit (Ÿ 2 mysterium diuini sacramenti nesciebant , vgl. 1,5,2). Da aber immerhin in unsicherer Überlieferung (ŸŸ 3.6 opinio ) Spuren göttlicher Oenbarung zu ihnen gelangt seien (ŸŸ 1.6 accipere ; audita im Vergilzitat Ÿ 3),6 fänden sich bei den Dichtern einzelne Wahrheiten. Diese seien allerdings durch die poetische Ausgestaltung und Form ( poetica licentia Ÿ 6 wie 1,11,24; epit. 11,1; vgl. 1,21,29; Ÿ 2 in modum commenticiae fabulae ) so entstellt, dass man sie nur bei richtigem Verständnis als solche erkenne.7 Die folgende christliche Interpretation der Unterweltsrichter (Ÿ 5) ist in erster Linie als Beispiel für das soeben geschilderte christliche Deutungsmuster für die Dichtung und nur in zweiter Linie als Beleg für eine Aussage der christlichen Eschatologie zu sehen. Denn zum einen ist dieses Zeugnis im Ablauf der Endzeitereignisse ein Nachtrag: Christus als Richter ist bereits in Kapitel 18 mit Zeugnissen vorbereitet und 19,4 eingeführt. Zum anderen wird in Ÿ 6 nicht etwa die Untermauerung christlicher Lehre, sondern das Vorkommen christlicher Wahrheit in einem Mythologumenon als Ergebnis festgehalten. Bei allen Erwähnungen der Dichtung im Allgemeinen ist aber stets in erster Linie an Vergil gedacht: So wird er zunächst (Ÿ 3) exemplarisch für 3 Zur Überleitungsfunktion des Zitates siehe unten zu 22,17 o pater . . . 4 Zum hinführenden Charakter der ŸŸ 14 siehe auch unten zu 22,2 mentio . . . 5 Vgl. insbesondere 1,11,23f.29f.34.; zudem 1,5,2f.14f.; 1,11,2; 1,19,5; 1,20,8; 2,10,12f.; 6,3,9. 6 1,5,14 geschieht diese Erkenntnis von Wahrem allerdings natura ducente. 7 Die kritische Anerkennung von Einzelwahrheiten ist das Grundprinzip des Laktanz im Umgang mit der Dichtung, so etwa 2,10,5f.; 6,3,9. Nach seiner Ansicht kann die Dichtung solche Erkenntnisspuren enthalten, weil sie Einsichten aus alter Zeit, vor dem Verlust von wahrer Gottesverehrung und Weisheit (4,4,2), bewahrt; vgl. Bible I 56f.; 59; Golden Age 145f.; 2123; Citations 147152.

nat

Swift

Meÿmer

Goulon

Mo-

22,1

529

die Dichtung insgesamt zitiert, auch die Totenrichter evozieren die vergilische Unterwelt8 . Dann (ŸŸ 719) ist zwar durchweg von poetae die Rede, aber die ausführlich besprochenen Zitate (Ÿ 7 und Ÿ 17) stammen von Vergil. Auch wenn die Aussage, dass Platon bezüglich der Wiedergeburt den Dichtern zu Unrecht vertraue (Ÿ 19), zeigt, dass Laktanz durchaus an die poetische Tradition insgesamt denkt, wird als deren Repräsentant dennoch kein anderer Dichter als Vergil greifbar. Zwar weiÿ sich Laktanz in einer Vergil überlegenen Erkenntnissicherheit (ŸŸ 24) und unterscheidet auf dieser Basis zwischen Wahrem und Irrtümlichem (Ÿ 8) oder fälschlich Hinzugefügtem (Ÿ 9). Insgesamt ist er aber bestrebt, Vergil soweit wie möglich als Zeugen für den christlichen Auferstehungsglauben zu präsentieren: Das Vergilzitat über die Auferstehung (Ÿ 7) korrigiert Laktanz zwar zunächst (Ÿ 8) und stellt ihm die christliche Lehre gegenüber. Dann (Ÿ 9 itaque praeter aquam obluionis uera sunt cetera ) aber behauptet er eine dem gerade Gesagten eigentlich widersprechende Übereinstimmung mit Vergil und reduziert die Diskrepanzen auf den Lethestrom. Dessen Deutung wird zum Leitmotiv der weiteren Argumentation (ŸŸ 917). Die Begründung, die Laktanz für Vergils Einfügung des Lethestroms gibt  Vergil wolle dem Einwand zuvorkommen, dass sich niemand an ein früheres Leben erinnere (Ÿ 9) , stellt ihn an die Seite der Christen, deren Auferstehungsglauben die pagane Welt mit Unglauben gegenübertritt, da es niemals Auferstandene gegeben habe (Ÿ 10). Dies wird deutlich hervorgehoben durch die parallele Gegenüberstellung, die illi [sc. poetae] und nos mit einer ähnlich ungläubigen ( quis umquam? und cur ergo? ) Frage konfrontiert zeigt: Ÿ9

Ÿ 10

ne quis illis opponeret: cur ergo non meminerint se aliquando uixisse aut qui fuerint aut quae gesserint?

nobis [...] illud opponitur: tot iam saecula transierunt: quis umquam unus ab inferis resurrexit, ut exemplo eius eri posse credamus?

Die älteren Apologeten belegen zwar Jenseitsgericht und -strafen mit Zeugnissen aus der Dichtung, auch mit Verweisen auf die Unterweltsrichter9 , nicht aber die Auferstehung. Die auf Vergil basierende Argumentation für den Auferstehungsglauben stammt von Laktanz selbst. 10 Auf diese Weise begründet er auch die Lehre von der leiblichen Auferstehung, die in der Apologetik als paganem Denken fern stehend und besonders erklä8 Zur Belegung des Motivs siehe unten zu 22,5 iudicare apud inferos . . . 9 Siehe unten zu 22,5 iudicare apud inferos . . . 10 Ähnlich Bryce 292294, der von einer Entmythologisierung spricht; dass Laktanz diese lediglich as a lover of poetry (293) anstrebe, greift aber zu kurz: Es geht ihm darum, in aller Ernsthaftigkeit die wahren Elemente in der paganen Vorstellungswelt herauszuarbeiten und daran anzuknüpfen.

530

Kommentar

rungsbedürftig gilt11 : Die Rückkehr in die Körper` ( reuerti in/ad corpora ) ist in zwei Vergilzitaten präsent, 12 wird aber nicht näher diskutiert. Vielmehr gilt das Hauptaugenmerk den Aspekten, die Vergils Lehre von der Rückkehr der Seelen in die Körperlichkeit und die christliche Auferstehung unterscheiden, nämlich dem Zeitpunkt und den Umständen dieser Rückkehr (Ÿ 18 ignorabant [...] quomodo aut quando ): So stellt Laktanz klar, dass die Christen keine Rückkehr in die Welt mit ausgelöschter Erinnerung an ein voriges Leben, sondern die einmalige Auferstehung am Ende der Zeiten (Ÿ 15), und keine Wiedergeburt (Ÿ 18) lehren. Die argumentativ entscheidende Übereinstimmung zwischen dem dichterischen, genauer gesagt vergilischen reuerti in/ad corpora und dem christlichen resurgere liegt dieser Diskussion implizit zugrunde und erscheint dadurch unanfechtbar. Die in der Apologetik geläugen Argumente und die Berufung auf Platon und Pythagoras folgt bei Laktanz erst auf die aus Vergil gewonnene Einführung des Auferstehungsgedankens. 13 Vielleicht ist seine gesamte Gestaltung der Kapitel 22 und 23 als bewusste Neubearbeitung der apologetischen Begründung für die leibliche Auferstehung, insbesondere derjenigen bei Minucius Felix (11,79; 34,610) zu sehen, die öfter anklingt14 .

22,1 Figmenta haec esse poetarum quidam putant: Vgl. 7,13, wo Laktanz die Ansicht namentlich Epikur zuschreibt, dass Unterweltsgericht und -strafen eine Erndung der Dichter seien. Figmentum poetarum erscheint auch 1,11,54; 2,10,8. Ein mögliches Misstrauen gegenüber dem Wahrheitsgehalt von Belegen aus der Dichtung setzt Laktanz aber öfter beim Leser voraus (1,6,6; 1,9,8; 1,11,24; 1,14,1; 1,16,4; 1,21,27.44). Vorbild ist hier Minucius Felix ( van RooijenDijkman 134), der den Heiden Caecilius die mythologischen Beispiele auferweckter Toter aus der Dichtung ablehnen lässt (11,9): omnia ista gmenta male sanae opinionis et inepta solacia a poetis fallacibus in dulcedine carminis lusa a vobis ni-

Nach Apg 17,32 scheiden sich die Geister der Zuhörer der Areopagrede am Stichwort ‚nˆstasic, Unmut löst diese Lehre nach Apg 4,2 aus. In der Apologetik wird die leibliche Auferstehung öfter als paganem Denken unzugängliche Lehre angesprochen, so etwa Tat. orat. 6,3; Athenag. leg. 36,3; res. 211; Tert. apol. 48,5 (vgl. resurr. 2,8); Min. Fel. 11,7; entsprechende pagane Zeugnisse: Lucian. Peregr. 13; Orig. c. Cels. 5,14; 7,3236; Porph. Chr. 35; 93f.; vgl. Nestle 5860; Fiedrowicz 269271. Zu den verschiedenen argumentativen Strategien der christlichen Literatur, die Auferstehung darzustellen, vgl. Wolfson Immortality 74103.  Dass diese Schwierigkeit in der Vermittlung auch der Anlass für die darstellerischen Bemühungen des Laktanz ist, arbeitet Perrin (Mort, v.a. 18f.) heraus. 12 Ÿ 7 rursus incipiant in corpora uelle reuerti (Verg. Aen. 6,751), Ÿ 17 iterumque ad tarda reuerti corpora (Verg. Aen. 6,720f.), Ÿ 16 in einer freien Wiedergabe als reuerti ad superos. Ÿ 13 übernimmt Laktanz reuerti [...] ad uitam neben resurgere. 13 Siehe auch unten zu 23,2 philosophi quoque. 14 Siehe unten zu 22,1 Figmenta . . . , 22,8 corporibus . . . , 22,10 tot iam saecula . . .

11

531

22,2  22,5

mirum credulis in deum vestrum turpiter reformata sunt . Vgl. Arnob. nat. 4,32 Sed poetarum, inquiunt, gmenta sunt haec omnia et ad uoluptatem compositae lusiones. 22 Vgl. 5,5,1 poetae [...], qui priores multo fuerunt et ante natum philosophiae nomen pro sapientibus habebantur. Solche Gegenüberstellungen der Zeugnisse nach Gattungen auch 1,8,8; epit. 7,1 (poetae und historici ), 5,1,10 (poetae und oratores ). ,2 qui licet sint multo antiquiores . . . :

Hier sagt Laktanz, worum es in den allgemeinen Erwägungen zum Wahrheitsgehalt in der Dichtung geht: um dichterische Belege für die Auferstehung. Dass die Dichter die lehren, war bisher noch nicht gesagt. Gedacht ist an die 22,7 zitierten und entsprechend gedeuteten Verse Vergils. Dort ist allerdings, wie Laktanz 22,15f. zeigt, nicht von einer Auferstehung die Rede. mentio resurrectionis futurae:

resurrectio

zukünftigen

mysterium

Siehe oben zu 1,6 und zu 3,14 . Die beiden Begrie stehen als Synonyme nebeneinander, zum Genitivus inhaerentiae hier Loi 272 Anm. 182, als Erscheinung in der späten rhetorischen Prosa LHS II 63f.; 794f. mysterium diuini sacramenti:

sacramentum

Lattanzio

Hier wie 22,6; 26,10; 6,13,8; Min. Fel. 11,9 (siehe oben zu 22,1 ) und öfter im philosophischen Sprachgebrauch für eine unzuverlässige allgemeine Anschauung (ThLL IX,2 716,65.). 22,3 opinionem:

Figmenta ...

Für Vergil wie 22,7; 1,5,11; 1,13,12; 1,15,12; 5,10,3; epit. 3,4; auch Min. Fel. 19,2; daneben das in Prosa weiter verbreitete ( Freund 136 Anm. 3) 22,17; 3,29,8; 4,28,15; opif. 8,8; 18,11. Maro:

Vergil

Vergilius

Verg. Aen. 6,266, passend aus der Einleitung zur Beschreibung der Unterwelt. Während bei Vergil der Schwerpunkt der Aussage auf liegt, kommt es Laktanz auf an (richtig Monat I 58): Dadurch wird der oben (22,1f.) angedeutete Überlieferungsprozess bestätigt, durch den als Einzelwahrheiten bis zum Dichter gelangen konnten. sit mihi fas audita loqui:

Bible

fas

22,4 arcana:

audita

opinio

Siehe oben zu 6,2

in parte [...] in parte:

vgl. ThLL X,1 458,78.

arcanum.

Für teils [...] teils` belegt ab Sen. epist. 83,27,

Eine solche Übereinstimmung der Dichter mit den (siehe oben zu 1,6 ) stellt Laktanz beispielsweise auch 23,5; 2,10,9 fest. cum prophetis [...] consentiunt:

prophetae

22,5 subest ratio:

9,3,6.

prophetis

Auch Rhet. Her. 1,17,27; Curt. 4,14,19; Quint. inst.

prophetae assiduis contionibus praedicarent . . .

Aussage, dass der Gottessohn (siehe oben zu 18,3

lium dei:

Die

lium dei ) über die

532

Kommentar

Toten richten werde, sieht Laktanz zu Recht (siehe oben zu 19,4 iudex ) allenthalben in der Bibel (siehe oben zu 15,17 contiones prophetarum . . . ) belegt.

annuntiatio: Hier wie epit. 68,1 Ankündigung`, vgl. ThLL I 787,35. rectorem caeli: Als Gottesbezeichnung Sen. Thy. 1077; erweitert Plin. nat. 2,12 (siderum etiam ipsorum caelique (1,5,26) bewahrten Senecafragment 26 lique ).

rector

Haase (

) und in dem bei Laktanz

rectoris orbis terrarum cae-

iudicare apud inferos Iouis lium tradiderunt . . . uel Minoem uel Aeacum uel Rhadamanthum: Laktanz sieht den über Toten rich-

tenden Gottessohn in Aiakos (zum Mythos und zur Ikonographie vgl. J. , LIMC 1,1 [1981] 311f.), Minos (vgl. J. , LIMC 6,1 [1992] 570574, v.a. 572) und Rhadamanthys (vgl. M. , LIMC 7,1 [1994] 626628, v.a. 627, dort auch zu den Darstellungen aller drei Unterweltsrichter) angedeutet. Diese drei sind vor allem durch eine viel zitierte Platonstelle (Gorg. 523e524a) im griechischen Raum als Söhne des Zeus und gerechte Richter in der Unterwelt bekannt. 15 Die von Laktanz wiedergegebene Begründung, warum nicht die göttlichen Zeussöhne Apoll, Liber oder Merkur, sondern die Sterblichen für das Amt der Unterweltsrichter in Frage kommen, ist bei Platon angedeutet (Gorg. 523e): tän krit˜n deØ gumnän eÚnai, tejneÀta. In der lateinischen Literatur werden Minos, Rhadamanthys und Aiakos zusammen von Cicero (Tusc. 1,98) 16 , der aber keinen Bezug auf die Vaterschaft des Zeus nimmt, und Ovid (met. 9,435437.440f.) erwähnt, wo sie nicht ausdrücklich als Unterweltsrichter vorkommen. In Vergils Unterweltsschilderung erscheinen nur Minos (Aen. 6,432) und Rhadamanthys (6,566).  Worauf Laktanz sich hier stützt, ist nicht klar: Einerseits dürfte Platon indirekt einieÿen, andererseits deutet er Vergil aus. Vielleicht liegt hier also eine (Laktanz schriftlich oder mündlich bekannte) Vergilerklärung zur Erwähnung des Minos oder Rhadamanthys vor, in der unter dem Einuss der Gorgiasstelle (vgl. Tert. apol. 23,13 secundum consensum Platonis et poetarum ) die drei Unterweltsrichter zusammen genannt und als (sterbliche) Söhne des Zeus bezeichnet waren.

Boardman

Baºant Xagorari

15 Bezug auf diese Stelle nehmen Platoniker und Christen: Plut. mor. 121c f.; Justin. 1 apol. 8,4; Athenag. leg. 12,1f.; Clem. strom. 5,9,58; Tert. apol. 23,13; 47,12; Porph. VP 22,53f. (vgl. 23,33); Elias in Porph. 33; Eus. PE 12,6,23 (vgl. 13,10,11).  Vgl. zu Aiakos, Minos und Rhadamanthys Demosth. or. 18,127 (häug zitiert, etwa Lucian. Phal. 1,7. 16 Hier scheint sich Cicero, wie die Erwähnung des Triptolemos nahelegt, auf Plat. apol. 41a (also nicht auf die Gorgiasstelle) zu beziehen; vgl. Tusc. 1,10; o. 1,97 (nur Minos und Rhadamanthys). Jedenfalls scheint von Cicero nicht die entscheidene Anregung für Laktanz (vgl. van RooijenDijkman 134f.) an dieser Stelle auszugehen.

533

22,6

Servius bezeugt eine solche Kommentierung zu Aen. 6,566 (vgl. zu 8,670):

Rhadamanthus Minos Aeacus lii Iovis et Europae fuerunt: qui postea facti sunt apud inferos iudices.

Schon vor Laktanz nehmen die Christen in apologetischem Zusammenhang Bezug auf die mythischen Unterweltsrichter: Anknüpfend und das Übereinstimmende wie Laktanz abwägend setzt Justin (1 apol. 8,4), polemisch Athenagoras (leg. 12,1f.), Tatian (orat. 6,1; 25,2) und Tertullian (nat. 1,19,5; polemisch apol. 23,13, vgl. 47,12; spect. 30,4) das Gericht des Rhadamanthys und Minos in Beziehung zum Jenseitsgericht nach christlichem Verständnis. Unter diesen nimmt allein Athenagoras auch auf die Vaterschaft des Zeus Bezug: Die drei Unterweltsrichter und ihr Vater Zeus selbst werden gerichtet werden. Nur Laktanz jedoch arbeitet gezielt die Gottessohnschaft des Jenseitsrichters als Parallele heraus. Darin liegt kein kleinlichnaives Weiterspinnen eines in der Apologetik vorgegebenen Gedankens ( Bible I 58), sondern in der Sichtweise des Laktanz ein wichtiges religionsphänomenologisches Indiz für die Spuren der christlichen Wahrheit im paganen Denken. Ansonsten erwähnt Laktanz nur noch einmal im Zusammenhang mit einer anderen mythologischen Episode Minos (1,22,3) und als Richter Rhadamanthys (3,20,17).

Monat

22,6

poetica licentia: Der Ausdruck (vgl. ThLL VII,2 1356,14.) bezeichnet sowohl die gröÿere sprachlichstilistische Freiheit der Dichtung gegenüber der Kunstprosa (Quint. inst. 2,4,3; 4,1,58; vgl. Cic. de orat. 1,70; 3,153) als auch  und das meint Laktanz hier  die Möglichkeit dichterischer Fiktion, die zu sachlich unzutreenden Aussagen führt (Colum. 9,2,2; Sen. nat. 2,44,1; Quint. inst. 2,4,18; Tert. nat. 2,7,9; adv. Marc. 1,3,1). Laktanz betont 1,11,24 (zur Bedeutung der Stelle vgl. Res 517) und epit. 11,1, dass man die poetica licentia berücksichtigen müsse, um den wahren Kern dichterischer Aussagen zu erkennen.

Wlosok

Für Heumanns und Bünemanns (z. St. 965) dissipatam ( die allgemeine Anschauung von der opinio ueritatem . . . dissipatam mutauit:

Wahrheit hat diese durch die Weitergabe und die uneinheitliche Ausdrucksweise verfälscht`) sprechen 7,4 ueritatem sparsam per singulos per sectasque diusam, 2,10,6 ueritas [...] uariis sermonibus dissipata , ira 2,6 ueritatem [...] dissipant, die nahe liegende Haplographie ( -m mu-) und die sich ergebende geschlossene Wortstellung. Zwar ergibt sich so der seltenere Dispondeus (5,9 % statt katalektischer Dikretikus, 23,3 %, vgl. Cicero 29), aber der Bezug von dissipata auf opinio führt zu einem kaum sinnvollen Pleonasmus (die allgemeine Verbreitung der opinio wird ausgeführt), während eine Erklärung fehlt, wie es zur Entstellung der Wahrheit (um die geht es hier) kommt.

Wojtczak

Kommentar

534

22,7 nam quod . . .

cecinerunt: Zur Syntax siehe oben zu 12,26 quod . . . , zu canere ( dichten`) siehe oben zu 18,1 cecinerunt.

Die hier vorausgehende Paraphrase und die fast wortgleiche 22,8 folgende ( restituti rursus in uitam ) lenken das Augenmerk auf die Entsprechungen zwischen Vergil und chistlichem Auferstehungsglauben: Rursus erscheint im letzten Vers des folgenden Zitates. Mit iustos restituat ad uitam beschreibt Laktanz 4,12,20 die Aufgabe des wiederkehrenden Christus. rursus ad uitam restitui:

Marone:

Siehe oben zu 22,3 Maro.

Verg. Aen. 6,748751, aus der Beschreibung der Unterwelt. Die hier wiedergegebene Passage, der Schluss der kosmologischen Anchisesrede (Verg. Aen. 6,724751), beantwortet die unten (22,17) zitierte Frage des Aeneas. Die Verse werden auch Hier. adv. Run. 3,39 zitiert. has omnis . . . reuerti:

Die Seelen trinken vor ihrer Rückkehr in die Oberwelt aus dem Lethestrom, um die Ereignisse des früheren Lebens zu vergessen (vgl. Plat. rep. 621a). Laktanz spielt darauf bereits 3,18,16 (siehe unten zu 22,9 ne quis . . . ) an. Lethaeum ad uuium:

Das tausendjährige Warten der Seelen auf ihre Wiedergeburt geht zurück auf Plat. Phdr. 249a f.; rep. 615a (vgl. 231); direkt auf Platon bezieht sich dafür Justin. 1 apol. 8,4. mille rotam uoluere per annos:

Austin

Laktanz korrigiert Vergil zunächst nur insofern, als dieser die tausend Jahre als Wartezeit nach dem individuellen Tod ( post mille annos mortis suae: Genitiv bei Zeitangaben, ausgehend von Wendungen wie postridie eius diei nachklassisch erweitert, wie Tac. ann. 1,62,1 sextum post cladis annum ; vgl. 48; LHS II 64) ansiedelt, und ergänzt ohne Hinweis auf die Diskrepanz zu Vergil die Teilhabe an der tausendjährigen Herrschaft (vgl. 24,15). Auch dass es bei Vergil um die Rückkehr der Seelen in die irdische Welt durch Wiedergeburt geht, lässt Laktanz durch das christliche resurgent in den Hintergrund treten. 22,8 haec eos ratio fefellit . . . cum deo regnent:

Egger

corporibus innouatis: Nach Min. Fel. 11,7 uellem tamen sciscitari, utrumne cum corporibus, et corporibus quibus, ipsis ne an innouatis resurgatur. Vgl. ThLL VII,1 1718,11. Zur Abhängigkeit von Minucius Felix siehe

oben 530 mit Anm. 14.

ad sempiternam beatitudinem:

nis perpetuae.

Siehe oben zu 1,3 praemium beatitudi-

suscitet: Hier wie 23,1 ad regnum uitamque perpetuam , 24,3 ab inferis, 27,1 ad uitam lucemque perpetuam und epit. 67,3 ad aeternam uitam für

535

22,9  22,10

die eschatologische Auferweckung, 4,18,4 für die Auferweckung Toter durch Jesus Christus; ferner erscheint das Wort in Bibelzitaten (über das Aufrichten als erwählendes Handeln Gottes, etwa 4,12,8). Daneben steht die rectus status Anthropologie 2,18,1 uicumque igitur sacramentum hominis tueri rationemque naturae suae nititur obtinere, ipse se ab humo suscitet et erecta mente oculos suos tendat in caelum.

22,9 praeter aquam obliuionis uera sunt cetera: Indem Laktanz das Motiv vom Lethestrom (Verg. Aen. 6,749) isoliert und daran die eigentlich grundlegende Auseinandersetzung (einmalige eschatologische Auferstehung, keine Wiedergeburt) anknüpft, kann er das Zitat insgesamt für wahr, also mit dem christlichen Auferstehungsglauben übereinstimmend erklären.

Nach Iren. haer. 2,33,2 habe Platon den Lethestrom eingeführt, um zu erklären, warum sich die Seele nicht an ihre frühere Existenz erinnere. quam nxerunt:

Siehe oben 529. Auf dem hier als Einwand formulierten Gedanken basiert die Polemik gegen Pythagoras 3,18,16: o ne quis . . . 22,10 credamus:

miram et singularem Pythagorae memoriam et o miseram obliuionem nostrum omnium, qui nesciamus qui ante fuerimus! sed fortasse uel errore aliquo uel gratia sit eectum, ut ille solus Lethaeum gurgitem non adtigerit nec obliuionis aquam gustauerit. 22,10 animas ad alteram uitam [...] redituras: Mit altera uita ist das Leben nach der Auferstehung, also die die ewige Seligkeit gemeint. Die Formulierung ist hier aber so gehalten, dass sie der bei Vergil vertretenen Wiedergeburt nicht zu widersprechen scheint und die Abgrenzung auf den Aspekt des Vergessens beschränkt werden kann.

Eodem sensu umschreibt die Kontinuität des Bewusstseins, gura die der individuellen Gestalt (ThLL VI,1 723,8), impliziert also die Leibhaftigkeit. Für die leibliche Auferstehung vermeidet Laktanz das eigentlich dogmatisch einschlägige (ThLL III 485,36.; die Formel resurrectio carnis etwa Tert. praescr. 33,4; 36,5; Cypr. epist. 73,5,2) Stichwort Fleisch`. Von caro spricht er nur 21,3, wo es um dessen Beschaenheit geht, die eine Bestrafung ermöglicht. in eodem sensu ac gura:

Der Einwand, dass man noch keinen Auferstandenen gesehen habe, erscheint häuger in der Apologetik, vgl. Justin. 1 apol. 19,3; Thphl. Ant. Autol. 1,13,1f.; Orig. c. Cels. 2,16.55, vgl. 5,57f.; Comm. instr. 1,24,15f. Laktanz folgt hier, jedoch ohne das gelehrte mythologische Beispiel (vgl. 95), Min. Fel. 11,8 tot iam saecula transierunt: quis umquam . . . :

Ogilvie

et tamen tanta aetas abiit, saecula innumera uxerunt: quis unus ullus ab inferis uel Protesilai sorte remeauit, horarum saltem permisso commeatu,

536

Kommentar

uel ut exemplo crederemus? Zur Abhängigkeit von Minucius Felix siehe oben 530 mit Anm. 14.

22,11

hoc enim saeculo . . . proscriptionibus: Laktanz beschreibt zwei Kennzeichen der gegenwärtigen Ungerechtigkeit: (1) Menschen werden durch oene Gewalt mit dem Schwert` ( ui ferro ) oder durch heimliche Intrige mit Gift` (insidiis uenenis ) beseitigt (vgl. 1,20,25 cupiditate in uenena et in ferrum ruente ). Damit kann allgemein auf die Kämpfe um die Herrschaft im Reich angespielt sein, die seit dem Scheitern der zweiten Tetrarchie im Juli 306 ausgebrochen sind. Allerdings spricht Laktanz nur einmal vom Tod eines Kaisers durch Gift, nämlich mort. pers. 49,3 vom Selbstmord des Maximinus Daia. Es kann also auch an beliebige Morde (Giftmorde in diesem Zusammenhang epit. 56,5) im privaten Bereich gedacht sein, die Laktanz als ein Indiz für die Ungerechtigkeit der Zeit wertet. (2) Die Menschen haben unter staatlichem Unrecht (willkürliche Folter, Gefängnisstrafen und Proskriptionen) und unter Armut zu leiden. Unterdrückung und Verarmung durch staatliche Zwangsmaÿnahmen beschreibt Laktanz für die Herrschaft des Diokletian (mort. pers. 7,3f.) und des Galerius (mort. pers. 15,5; 22,2).

Siehe auch oben zu 1,3 iustitiam. Laktanz schildert die Christenverfolgung mit den auch sonst gebrauchten Wendungen: iustitia inuisa wie 5,12,2; Hass auf die Christen (umschrieben mit qui deum sequi uolunt, zu deum sequi 1,1,19; 4,11,15; 4,25,7; 6,8,4; epit. 25,1) wie 5,1,6; 5,11,10 (siehe auch oben zu 17,9 iustitia proicietur . . . ); Schmähungen wie 11,3 ( comtumeliis [...] uexati ); 5,22,10; grausame Folterungen mit dem Ziel, zur Idolatrie zu zwingen wie 5,9,10 uexant ergo 22,12 iustitia inuisa . . . coguntur:

et exquisitis poenarum generibus excruciant parumque habent intercere quos oderunt, nisi etiam crudelitas corporibus inludat. Die Passage muss also während (Heck Zusätze 95f.; 145) oder unmittelbar nach ( van

RooijenDijkman 136: nog verse herinnering) der Verfolgungszeit abgefasst sein.

cultus manu factorum deorum:

Siehe oben zu 19,9 non colentur . . .

22,13 resurgere aut reuerti [...] ad uitam:

Siehe oben 530 Anm. 12.

Postliminium bezeichnet eigentlich die Wiedereinsetzung in einen früheren Rechtsstand bei einer Rückkehr (vgl. ThLL X,2 234,62.). Das Wort erscheint öfter im Zusammenhang mit der Rückkehr von Toten ins Leben: Apul. met. 2,28,1 reducere [...] ab inferis spiritum corpusque [...] postliminio mortis animare ( nach der Heimkehr von den Toten`); or. 19,8 [sc. einen anscheinend Toten] uispillonum manibus extortum uelut ab inferis postliminio domum rettulit et [...] recreavit ; Tert. anim. 35,6 spricht in Abgrenzung von der Seelenwanderungslehre davon, dass der Prophet postliminio:

22,14  22,18

537

Elija non ex postliminio uitae, sed ex supplemento prophetiae wiederkehren werde. Vgl. Zeno 1,1,5 mortuorum in postliminium uitae animas reductas inspira. Hier ist postliminio aber nur als adverbieller Ablativ ( wieder mit allen Rechten, in vollem Umfang`) gebraucht (vgl. ThLL X,2 236,38.).

22,14 se

[...] conuerterent:

dei [...] religionem:

Siehe oben zu 17,1 conuertat.

Siehe oben zu 20,5 qui sunt . . .

Pleonastisch wie Ov. met. 9,289f. nec iam tolerare labores / ulterius poteram ; Dict. 4,22. Ähnlich 26,4 nec [...] iam [...] amplius wie episches nec iam amplius (Verg. Aen. 3,191.260 usw.); Dict. 2,12 neque amplius resisti iam apud eos poterat . Vgl. Bünemann 22,15 nec [...] iam ulterius:

967.

(eigentlich: durch Entfernen des Siegels`) ungültig gemacht` (vgl. OLD s.v. 1.; Blaise s.v. 2.), so etwa 4,12,15; 4,26,13; Tert. paenit. 5,1; Flor. epit. 4,7,14.17 resignata:

22,16 ne [...] memores animae reuerti ad superos recusarent:

Para-

memores supera ut conuexa reuisant / rursus et incipiant in corpora uelle reuerti. phrase zu den 22,7 zitierten Versen Verg. Aen. 6,750f. im

Verg. Aen. 6,719721, zur Einordnung siehe oben zu 22,7 has omnis . . . Ebenfalls im Zusammenhang mit der Kritik an der Vorstellung vom Lethestrom werden diese Verse zitiert Aug. civ. 10,30; serm. 241,5,5; vgl. Setaioli 59f. Das Zitat hat doppelte Beleg- und somit eine Überleitungsfunktion: Zum einen formuliert und untermauert es den vorher angesprochenen Unwillen der Seelen, in die ihnen bekannte Welt zurückzukehren. Zum anderen verdeutlicht es insbesondere in iterumque ad tarda reuerti / corpora , dass bei Vergil an eine Wiedergeburt gedacht ist. Von dieser Vorstellung grenzt Laktanz anschlieÿend den christlichen Auferstehungsglauben ab. 22,17 o pater . . . cupido:

Hier erst spricht Laktanz aus, dass Vergils Vorstellung von der Rückkehr der Seelen in die Körperlichkeit, an die er 22,79 anknüpft, auf der Lehre von der Wiedergeburt beruht. Während in der Auseinandersetzung mit der Seelenwanderungslehre des 22,18 renasci . . . reuolui . . . regredi:

17 Wenn man den Übersetzungen folgt (Bowen/Garnsey 270 to reregister a life expired; Fletcher I 275: to have recalled the life which has run its course; Monat Inst. IV 213: avoir rappelé la vie qui était partie; Sánchez Salor II 81: devolver una vida ya acabada; Winger I 120: ein abgelaufenes Leben zurückzuschenken), müsste resignare 4,26,13 abweichend von den Belegen 22,15 und 4,12,5

erneut (durch Siegeln) zusprechen`, also wiedergeben` oder erneuern` bedeuten. Vielleicht ist jedoch von einer ab urbe condita Partizipialkonstruktion (LHS II 393f.) auszugehen und zu verstehen: die Tatsache, dass das Leben abgelaufen ist, ungültig machen.

Kommentar

538

Pythagoras (12,30f.; 23,3; 3,18,16; 3,19,19; epit. 63,9) die Polemik dominiert, erläutert Laktanz hier sachlich in einer Reihe dreier re Komposita, die die Implikationen einer Wieder geburt schildern, die Schwierigkeit einer solchen Vorstellung. Ihre Entstehung ist mit der Unwissenheit ( ignorabant, vgl. 22,2.6) der Dichter zu erklären.

22,19

unde: Nach Laktanz übernimmt Platon die bei Vergil repräsentierte ältere dichterische Tradition. Dabei ist aber weniger an eine Quellenbenutzung (so Löw 104 Anm. 371) zu denken als vielmehr an eine geistesgeschichtliche Entwicklung, in der die ursprüngliche Wahrheit immer weiter in Vergessenheit gerät (vgl. 22,2). Der Zusammenhang, den Laktanz zwischen Platon und der poetischen Tradition herstellt, könnte ihm in einer platonisch beeinussten Vergilauslegung bereits vorgegeben sein, vgl. Setaioli 126128 mit Anm. 740. Siehe auch oben zu 3,5 unde est illud Vergilianum .

Der Beweis für die Unsterblichkeit der Seele aus ihrer Erinnerung ( ‚nˆmnhsic) an früher Erlerntes ndet sich bei Platon ausgeführt Men. 82b86c und zusammengefasst Phd. 72e73a (eÒwjac jam€ lègein). Das im Menon geschilderte Experiment gibt Cicero Tusc. 1,57 ausführlich, das Argument für die Unsterblichkeit aus dem Phaidon knapp Cato 78 (von Laktanz schon 8,5 benutzt) wieder, weswegen man (so etwa Kurfess Plato 388; Perrin Platon 220f.; Bryce 124f.; vgl. Ogilvie 80) in letztgenannter Stelle die nächst liegende Quelle für Laktanz annimmt, mit Recht: Plato de anima disserens . . . ait:

Ÿ 19

Cic. Cat. 78 quod

iam

pueri

cum artes diciles

discant

ita celeriter res innumerabiles arripiant, ut eas non tum primum accipere uideantur sed reminisci et recordari.

quod

pueri] discant ita celeriter rapiant, ut non tunc primum discere illa uideantur sed recognoscere atque reminisci. [sc.

ea quae

Laktanz vereinfacht und verallgemeinert bei seiner leicht verkürzten Wiedergabe. Sein vorher eingeschobener Hinweis auf die leichte Auassungsgabe von Kindern (mobilia [...] ingenia et ad percipiendum facilia ), der bei Cicero keine Entsprechung hat, legt eine natürliche Erklärung der Beobachtung nahe. Der Hinweis auf Platon unterstreicht die Bedeutung der älteren (22,2) dichterischen Aussagen über die Rückkehr der Seelen in die Körperlichkeit, an die Laktanz anknüpft: Auch Platon stehe in dieser Tradition, die noch einen Wahrheitskern bewahre, trage jedoch die Irrtümer weiter (Lethestrom, Seelenwanderung) und entwickle in diesem Zusammenhang die ‚nˆmnhsicLehre. In der apologetischen Tradition wird zum Beleg für

539

23,1  23,2

die christliche Auferstehungslehre auf ähnliche Ansätze bei Platon verwiesen. Dabei steht neben ihm der 23,2 genannte Pythagoras (Justin. dial. 5,6  6,1; Athenag. leg. 36,3; Thphl. Ant. Autol. 3,7,79; Tert. anim. 28,1; Min. Fel. 34,6), da es um die Entsprechungen und Unterschiede zwischen christlicher Auferstehung und Wiedergeburt geht, vgl. unten zu 23,2 philosophi quoque.

uir sapiens: Siehe oben zu 1,6 Plato. 23,1 Non igitur . . . : Systematische Zusammenfassung der positiven Aussagen und Abgrenzungen aus 22,918: resurgent et a deo corporibus induentur

statt renasci (vgl. 22,18)

prioris uitae factorumque omnium memores erunt

statt Lethestrom (vgl. 22,9.16)

in bonis caelestibus collocati . . . deo gratias agent, quod malum omne deleuerit, quod eos ad regnum uitamque perpetuam suscitarit

statt ständiger Rückkehr in die schlechte Welt (vgl. 22,15)

corporibus induentur: Siehe oben zu 2,4 mortali corpore indutus. praesenti deo: Formulierung und Vorstellung sowohl in der paganen (ThLL X.2 839,25.) als auch in der christlichen Latinität (839,55.). Die Gegenwart Gottes unter den Menschen gehört zur biblischen Vorstellung von (endzeitlicher) Erfüllung, so etwa Lev 26,11f.; Ez 37,27; Ob 21,3.

malum omne deleuerit:

Wie 24,2 deleuerit iniustitiam, zum Gebrauch von delere vgl. Cic. Verr. I 49 turpitudinem atque infamiam delere ac tollere potestis ; ThLL V,1 435,29.

suscitarit: Zum Wortgebrauch siehe oben zu 22,8 suscitet, zur Kurzform siehe oben zu 1,25 uiolarunt.

23,2 anastasi:

Für die soeben umfassend denierte christliche Auferstehung führt Laktanz den Fachausdruck ein. Die latinisierte Form zu ‚nˆstasic (vgl. ThLL II 19,72.) erscheint auch 23,5 (zu resurgere und resurrectio siehe oben zu 11,1 resurgant animae ), vielleicht nach der Vetus Latina, jedenfalls lautet Ob 20,6 bei Victorin. Poetov. in apoc. 20,2 (zum Bibeltext des Victorinus Exégète I 8588): beatus et sanctus qui habet partem in prima anastase (vgl. Comm. instr. 1,44,1; apol. 992).

Dulaey

23,2 philosophi quoque: Zur erläuternden Herleitung oder Abgrenzung

der leiblichen Auferstehung zieht die christliche Apologetik öfter die Wiedergeburtslehre (Tert. nat. 1,19,3f.; vgl. Orig. c. Cels. 7,32) bei Pythagoras (Tert. apol. 48,13) und Platon (siehe oben zu 22,19 Plato . . . ) heran. Laktanz, der sein Begründungskonzept auf die Dichtung aufbaut (siehe oben zu 22,119), hat in diesen Zusammenhang Platon bereits erwähnt (22,19).

Kommentar

540

Ergänzend setzt er sich nun kritisch mit der Metempsychose des Pythagoras auseinander (23,2) und verweist auf die stoische Wiederherstellung als Analogon (23,3). tam corrupte quam poetae: Zur Entstellung (corrumpere ) der Wahr-

heit durch die Dichter 22,4.6

Pythagoras: Siehe oben zu 8,7 Pythagoras. transire animas in noua corpora: Transire in Zusammenfassungen der

Seelenwanderungslehre des Pythagoras auch Sen. epist. 108,18; Hyg. fab. 112,3. Vgl. 3,19,19 (ebenfalls über Pythagoras) necesse non fuit ueteres animas in noua corpora inducere ; Min. Fel. 34,6 (über Pythagoras und Platon) animas uolunt [...] in alia noua corpora saepius commeare. ex hominibus in pecudes et ex pecudibus in homines: Die See-

lenwanderung in Tiere kritisiert Laktanz an Pythagoras auch 12,30 (siehe oben zu modo in homine . . . ).

se ipsum ex Euphorbum esse reparatum: Dass Pythagoras sich als

Wiedergeburt des homerischen Helden Euphorbos (Il. 16,806.) bezeichnet, ist seit dem vierten Jahrhundert vielfach bezeugt (Heraclid. Pont. frg. 89 ; Call. frg. 191,4963 ; DK 14,8; dazu II 417421; U. , RE VI,1 [1907] 1173,2342) und auch in Rom weithin bekannt (Ov. met. 15,161 mit Met. XIVXV 300f.; Hyg. fab. 112,2f.). Es handelt sich also um Handbuch- ( 137) oder Allgemeinwissen. Tertullian nimmt ausführlich darauf Bezug (anim. 28,35; 31,3f.; 34,1; resurr. 1,5), Laktanz selbst auch 3,18,15; epit. 31,9.

Wehrli Höfer

Pfeiffer Rohde Bömer van RooijenDijkman

23,3 Chrysippus: Den Stoiker Chrysipp von Soloi erwähnt Laktanz auch

1,5,20 (entsprechend epit. 4,3, nach Cic. nat. deor. 1,39; vgl. Min. Fel. 19,10f.); 1,6,9 (VarroFragment 56a ); 3,18,5 (entsprechend epit. 34,9, in einer Aufzählung von Selbstmördern); ira 10,36 (nach Cic. nat. deor. 2,16; 3,25, vgl. Colère 285f.); epit. 24,4.6 (Zitat aus PerÈ pronoÐac nach Gell. 7,1,16). Alle diese Stellen deuten auf eine nur indirekte Kenntnis hin.

Ingremeau

Cardauns

quem Cicero ait fulcire porticum Stoicorum: Das Wortspiel mit der Entsprechung von und porticus (vgl. ThLL X,2 28,47.; Pers. 3,54 mit z. St.) zitiert Laktanz aus Cic. ac. 2,75 Chrysippum, qui fulcire putatur porticum Stoicorum . Zur Bezeichnung Ciceros siehe oben zu 2,10 Marcus Tullius.

Kiÿel

stoˆ

in libris quos de prouidentia scripsit . . . : Chrysipps vier Bücher

Hülser

umfassende Schrift perÈ pronoÐac ist allgemein bekannt, vgl. K. , Die Fragmente zur Dialektik der Stoiker, Stuttgart I 1987. Laktanz zitiert daraus aber nur hier und epit. 24,4.6 über Gell. 7,1,16, dürfte also

23,4

541

keine direkte Kenntnis des Werkes haben, vgl. Freund Chrysipp 5860. Die Angabe zum Zusammenhang de innouatione mundi (innouatio bei Laktanz nur hier, ab Tertullian, vgl. ThLL VII,1 1715,3.; 47.) mundi ist wohl Übersetzung für die stoische ‚pokatˆstasic toÜ pantìc , die Wiederherstellung des Alls nach dem Weltenbrand ( âkpÔrwsic) und muss (in Übersetzung des Laktanz?) zusammen mit dem Zitat aus der anzunehmenden Zwischenquelle übernommen sein, da sie sich nicht aus dem Wortlaut ableiten lässt.

haec intulit: Siehe oben zu 13,3 haec intulit. toÔtou . . . sq¨ma: Das ChrysippZitat ist nur

hier belegt (= SVF II 623 und 52 B Long/Sedley ; zum richtigen Wortlaut und ursprünglichen Zusammenhang Freund Chrysipp 5158) ist nur hier belegt. Es gehört in die stoische Lehre über den ewigen Zyklus von Weltenbrand und Wiederherstellung jeweils identischer Welten, vgl. A.A. Long, The Stoics on World-conagration, The Southern Journal of Philosophy 23 (1985), Supplement, 1337; P. Steinmetz, GGPh2 4/2 (1994) 538.  Laktanz geht es bei dem Zitat um die Möglichkeit der Wiederherstellung des Menschen im selben Leib; dass die stoische Lehre von der ewigen Wiederkehr des Weltenbrandes mit der einmaligen Auferstehung nach christlicher Vorstellung unvereinbar ist (vgl. Tat. orat. 6,1; Hipp. haer. 1,21,25; Orig. c. Cels. 5,20; Clem. strom. 5,1,9; Wolfson Immortality 74f.: J. Mansfeld, Resurrection Added. The Interpretatio Christiana of a Stoic Doctrine, VChr 37 [1983] 218233), erwähnt er nicht (richtig van RooijenDijkman 138). periìdú tinÈ q rìnou : nach einem gewissen Zeitverlauf`;

perÐodoc ist hier also nicht, wie sonst oft, Terminus technicus für den Zyklus, in dem sich Weltenbrand und Wiederherstellung vollziehen, vgl. Freund Chrysipp 55. ân Å: Zur Notwendigkeit der nahe liegende Ergänzung (nach 158, geht sie zurück auf die LaktanzAusgabe Venedig 1494) Chrysipp 53f.

Struve, Freund

23,4 ab humanis ad diuina: Zu den testimonia diuina bei Laktanz siehe oben 33.

dÔspiston . . . aÎtoØc : or. Sib. 4,4043.187.189(=46). Die Überlieferung

der Oracula Sibyllina bietet teilweise einen abweichenden Text: Vers 43 Ípä zìfon êmpali statt âpÈ zìfon ân purÐ in den Laktanzhandschriften, Vers 189 = 46 zw˜n j+ ‰ma kaÈ qˆrin aÎtoØc statt tim n j+ ‰ma kaÈ bÐon aÎtoØc . Laktanz zitiert ira 23,4 or. Sib. 4,5153. Möglicherweise wird man in Erwägung ziehen müssen, dass Laktanz sechs aufeinander folgende Verse wiedergeben will, aber einmal in einen falschen Vers gerät: Verse 4043 werden zitiert. Vers 44 ist nicht einmütig überliefert, vielleicht zu athetieren und könnte gut in der Laktanz vorliegenden Fassung gefehlt haben. Statt Vers 45 zitiert

Kommentar

542

Laktanz Vers 187. Beide Verse bieten das nötige dèGlied und entsprechen einander genau: 187 45

íssoi d+ eÎsebèousi eÎsebèec dà

pˆlin z sont+ menoÜsin

âpÈ gaÐhc âpÈ zeÐdwron Šrouran

Die Verse 189 und 46 sind wortgleich.  Wenn man nicht den skizzierten Zitierfehler des Laktanz annehmen möchte, wird man in dieser Entsprechung ein Motiv für seinen Sprung vermuten können, zumal Vers 188 nicht einmütig überliefert ist und ebenfalls in der Vorlage des Laktanz gefehlt haben könnte. Vielleicht überspringt Laktanz also nur einmal eine Passage, doch wird man auch nicht ganz ausschlieÿen können, dass er den Text so vorfand, wie er ihn zitiert. Jedenfalls soll das Zitat in der vorliegenden Form oensichtlich nicht nur die leibliche Auferstehung, sondern den gesamten bis hierher geschilderten Endzeitablauf (Höhepunkt der Bosheit, Gericht, Feuerstrafe für die Frevler, Auferweckung der Gerechten zum Leben) zusammenfassen und belegen.

23,5 non modo prophetae . . . consentiunt: Die behauptete Übereinstimmung der Sibylle ( uatis ), der Dichter und Philosophen mit dem biblischchristlichen Auferstehungsglauben ( prophetae ) beschränkt sich auf die Anschauung, dass die Seelen einmal Verstorbener in irgendeiner Weise wieder zum Leben kommen. Hier verwendet Laktanz anastasis also nicht, wie 23,1f. für den christlichen Auferstehungsglauben mit allen Implikationen. Es geht ihm um die Zusammenfassung einer Argumentation e consensu omnium. anastasim: Das gräzisierende anastasin von DS ist eine erwägenswerte lectio dicilior. Für -im hingegen sprechen die Parallele Hier. in psalm. 103 vers. 18 l. 102 post anastasim (G. gibt in der Ausgabe Turnhout 1958, CCSL 78, dazu keine variae lectiones an; IV 27 und ThLL II 19,72. weisen nur die vorliegende Stelle für den Akkusativ nach) und die Tatsache, dass anastasis 23,2 wie ein (lateinischer) reiner i Stamm dekliniert wird.

Morin

Neue/Wagener

nemo quaerat . . . : Vgl. 27,15 nemo [...] condat ; 2,8,8 nemo quaerat ; zum Prohibitiv siehe oben zu 5,27 add. 1 Neque nunc . . . , zur Verwendung von nemo in diesem Zusammenhang vgl. LHS II 237.

Das Argument, dass der Schöpfergott auch eine Neuschöpfung in der Auferstehung vollbringen könne, wird häug in der christlichen Apologetik gebraucht, so etwa Justin. 1 apol. 10,3; 19,46; Tat. orat. 6,3; Thphl. Ant. Autol. 1,8,2f.; 1,13,10; Athenag. res. 3,1; Tert. apol. 48,6; resurr. 11,6; Min. Fel. 34,9; Orig. Cels. 5,14.23. Derselbe Gedanke liegt auch dem 23,3 zitierten ChrysippFragment (richtig 139) zugrunde. si a principio . . . nouum fecit:

van RooijenDijkman

24,1

543

Chiastische Antithesen: (für Gottes Schöpfungshandeln, siehe oben zu 4,6 instituit ac format ) neben restituere (vgl. Tert. adv. Marc. 2,10,1; Aug. epist. 127,1) und uetus neben nouus. instituit [...] restitui ueterem [...] nouum: instituere

Mit deutlichem Neuansatz kehrt Laktanz nach Ende der exkursartigen Erläuterungen über Gericht, Jenseitsstrafe und Auferstehung (20,7  23,5) zum Ablauf der Endzeitereignisse zurück. Den Anschluss stellt er durch eine Zusammenfassung in eigenen Worten und ein Sibyllenzitat her. Zu subnectam siehe oben zu 14,17. 24,1 Nunc reliqua subnectam:

iudicet: 13,6 und 2,17,1 spricht Laktanz von einem Gericht über die Lebenden und die Toten, das Gott abhalten werde. Dass Christus kommen werde, um die Lebenden und die Toten zu richten, begegnet schon sehr früh in christlichen Bekenntnisformeln; vorher wird dabei, wie hier, die Gottessohnschaft erwähnt, vgl. Apg 10,42; 2 Tim 4,1; 1 Petr 4,5; Barn. 7,2; Iren. haer. 3,12,7.13; Tert. adv. Prax. 2,1 und virg. vel. 1,3 im Rahmen einer so genannten regula dei : uenturum iudicare uiuos et mortuos ; Hipp. Noët. 1,7; Trad. ap. 21; Novatian. trin. 11,8; Orig. dial. 1; Symb. Nic. (325); J.N.D. , Altchristliche Glaubensbekenntnisse. Geschichte und Theologie, Göttingen 1993 2 (Original: Early Christian Creeds, London 19723 ), v.a. 152. Laktanz gibt also eine geläuge christologische Glaubensformel wieder, die auch Porphyrios (Chr. 88) kennt, und fasst damit zugleich die Kernaussage des folgenden Sibyllenzitates (or. Sib. 8,82f.) zusammen. Gott Vater wird durch die Adjektive summus (4,6,3 summi dei lium ) und maximus neben dem Sohn (siehe oben zu 18,3 lium dei ) herausgehoben ( Lattanzio 27f.: Überlegenheit des Vaters auch gegenüber dem Sohn). ueniet igitur . . .

Kelly

Loi

Sibylla testante atque dicente:

Cypr. Fort. 11 l. 213 testante wie 2,11,18; 2,16,1; epit. 5,3.

Vgl. mort. pers. 2,8 Sibylla dicente ; . Testari von der Sibylle

apocalypsi et dicente

pˆshc . . . ‰panta:

or. Sib. 8,8183. Die direkte Überlieferung weicht geringfügig ab: In Vers 81 ist die Wortfolge jnhtÀn tìte, in Vers 82 fehlt å, und der Schluss lautet: ítan âlj°n b masi krÐnù . Mit dem Zitat, insbesondere mit êljù [...] krØnai / z¸ntwn kaÈ nekÔwn yuq€c , kann Laktanz das formelhafte ueniet [...], ut uiuos ac mortuos iudicet belegen.

b mati:

Lampe Bauer/Aland Kurfess Gauger Kurfess Gauger

Richtertribüne` ( s.v. b¨ma B.2; s.v. 2; vgl. LSJ s.v. 2). und ziehen das Wort anscheinend zu âlj¸n und übersetzen auf dem Throne erscheint. Eher aber ist es wie or. Sib. 2,243 b mati krÐnwn ( und : richtet vom Thron) als bloÿer (mit âpÐ or. Sib. 8,222) Dativ zu krØnai zu verstehen; es betont den autoritativen Charakter der Gerichtsentscheidung und die Machtstellung des Gottessohnes.

544

24,26

Kommentar Die Tausendjährige Herrschaft Christi:

Die Darstellung, die Laktanz vom Tausendjährigen Gottesreich auf Erden gibt, stimmt in wichtigen Grundaussagen mit Ob 20,1  22,5 überein, die Laktanz hier wohl als Vorlage benutzt. 1 In folgenden Punkten nimmt er Änderungen vor: 1. Das chiliastische Ablaufschema bei Laktanz entspricht in den folgenden zentralen Aspekten demjenigen der Johannesoenbarung: Der Tausendjährigen Gottesherrschaft voraus gehen die Parusie Christi (19,25; Ob 19,1116) und sein Sieg im Kampf gegen die gottwidrigen Mächte (19,58; Ob 19,1721); gegen Ende des Tausendjährigen Reichs wird das Böse nochmals befreit und endgültig vernichtet (26,14.7; Ob 20,710); die zweite, allgemeine Auferstehung (26,6; Ob 20,1115) und die Verwandlung der Welt (26,5; Ob 21,1) folgen. Während allerdings in der Johannesoenbarung das Gericht in die Schilderung des Tausendjährigen Reichs eingebettet ist (Ob 20,4), wird es bei Laktanz nur rückblickend erwähnt (Ÿ 6). 2. Im Tausendjährigen Reich herrschen mit Christus die in einer ersten Auferstehung zum Leben gekommenen Gerechten, diese Herrschaft umfasst auch eine richterliche Vollmacht (ŸŸ 24, auch schon 22,8 und nochmals 24,15; Ob 20,46). Zwei wichtige Unterschiede sind aber zu beobachten: (a) Ob 20,4f. ist diese erste Auferstehung ausdrücklich auf die Blutzeugen beschränkt, während Laktanz von der Auferweckung aller Gerechten, die es von Anfang an gab`, spricht (Ÿ 2). (b) Ob 21,1  22,5 kommt das himmlische Jerusalem, in dem Gott bei den Menschen wohnt, erst nach dem Ende des Tausendjährigen Reiches vom Himmel. 2 Allerdings entspricht es oensichtlich verbreiteter Tradition, auch unter ausdrücklicher Berufung auf die Johannesoenbarung bereits das Tausendjährige Reich im himmlischen Jerusalem zu verorten. 3 So entsteht auch bei Laktanz die sancta ciuitas, die dem himmlischen Jerusalem entspricht, bereits während des Tausendjährigen Reiches (Ÿ 6).

Grundsätzlich zur Benutzung der Johannesoenbarung oben 46. Die wichtigsten Übereinstimmungen, die auch im Folgenden skizziert werden, stellt schon Fàbrega (134136; 142145 zur Ausgestaltung des Tausendjährigen Reichs nach der Ob) zusammen; van RooijenDijkman (140) vermutet unnötigerweise eine indirekte Benutzung der Johannesoenbarung behalve de Sibylle. 2 Zum Motiv des himmlischen Jerusalem in der Johannesoenbarung Thraede 724 726; Söllner 188261; P. Lee, The New Jerusalem in the Book of Revelation. A study of Revelation 21  22 in the light of its background in Jewish tradition, Tübingen 2001. 3 So etwa Justin. dial. 80,5 mit 81,4; Tert. adv. Marc. 3,24,36; Victorin. Poetov. in apoc. 21,1 ; Comm. instr. 1,44,1.9; Überblick über die Deutungstradition Thraede 728. 1

in regno ergo et in prima resurrectione exhibetur ciuitas sancta

24,2

545

Auch fehlt bei Laktanz jede Angabe über die äuÿere Gestalt des himmlischen Jerusalem, dessen Gröÿe und unvorstellbare Pracht in der Johannesoenbarung detailliert ausgemalt werden (Ob 21,1021).4 3. Es leben noch Heiden, die der Teufel gegen Ende des Tausendjährigen Reichs gegen Christus führt (Ÿ 4 gentes, vgl. 26,1; Ob 20,8 t€ êjnh). Während aber in der Johannesoenbarung die Existenz der Heiden nur im Hinblick auf die endgültige Vernichtung des Bösen erwähnt wird, illustriert bei Laktanz deren Unterwerfung die Herrschaft der Gerechten und die Änderung der Machtverhältnisse. 4. Während des Tausendjährigen Reichs liegt der Satan in Ketten (Ÿ 5; Ob 20,13). In der Johannesoenbarung wird dieser Sachverhalt, da er sich an die vorausgehende Kampfesschilderung (Ob 19,1121) anfügt, am Anfang erwähnt, Laktanz schiebt ihn später ein. Hinter den Änderungen des Laktanz sind zwei in gewisser Weise komplementäre Tendenzen zu erkennen: Zum einen kürzt und glättet Laktanz, indem er schwer verständliche jüdischchristliche apokalyptische Motive weglässt, so insbesondere die Bezeichnung des Teufels als Schlange oder Drache und die Versiegelung seines Gefängnisses (Ob 20,2f.), die Bezeichnung der mit Christus herrschenden Gerechten als Priester Gottes und Christi` (Ob 20,6), die Bezeichnung Jerusalem` und das Herabkommen des neuen Jerusalem vom Himmel (Ob 21,2) 5 . Auch unklare Akteure fehlen bei Laktanz, so der Engel als Bändiger des Drachens (Ob 20,1), die nicht näher bezeichnete, mit dem Richten beauftragte Gruppe (Ob 20,4), die Blutzeugen als eigene Gruppe (Ob 20,4) 6 . Zum anderen erweitert und konkretisiert er, indem er das Tausendjährige Reich, das in der Johannesoenbarung eher als Durchgangsepisode in der Entwicklung zum himmlischen Jerusalem zur Ehrung der Blutzeugen dient, als real bevorstehendes Geschehen detailliert ausführt. Das Tausendjährige Reich ist bei Laktanz ein

imperium

die

sancta ciuitas

(Ÿ 5). Die Heiden erscheinen als unterworfene Vasallen (Ÿ 4), als wirkliche Stadt und Zentrum der Welt (Ÿ 6), Gott

(in persona Christi) als Gründer und Herrscher (ŸŸ 2.6), die Auferweckten als gerechte Funktionsträger im Staat (Ÿ 3), die überlebenden Gerechten als glückliche Bevölkerung (Ÿ 3), der gefesselte Teufel als besiegter und sicher eingekerkerter Feind (Ÿ 5).  Dieses realistischfuturische Element des Laktanz wird besonders deutlich im Vergleich mit anderen Schilderungen

4 Rezipiert wird diese Beschreibung beispielsweise Clem. paed. 2,119,1; Cypr. testim. 2,19; Victorin. Poetov. in apoc. 21,16; Comm. instr. 1,44,37f. 5 Auch Ob 3,12; 21,10, dazu Söllner 191f.; ein in der Apokalyptik häuges Motiv, vgl. Thraede 728. 6 Auch Kennzeichen auf Hand und Stirn, trotz ihrer Erwähnung 17,7, übergeht Laktanz hier.

Kommentar

546

des himmlischen Jerusalem: So fehlen bei Laktanz sowohl, wie gezeigt, die grellen apokalyptische Farben aus der Johannesoenbarung und verwandtem Schrifttum (Herabkommen vom Himmel, unvorstellbare Gröÿe und Pracht) als auch die Ansätze einer spirituellen (beispielsweise der Gegensatz zwischen dieser Welt und dem himmlischen Jerusalem als eigentlicher Heimat)7 oder allegorisierenden 8 Deutung. Er spricht von einer vorstellbaren Stadt, die in vorstellbarer Weise tatsächlich über die Welt herrschen wird.

24,2 deleuerit iniustitiam: Zur Formulierung siehe oben zu 23,1 malum

omne deleuerit.

iudiciumque maximum fecerit:

Siehe oben zu 20,1

iudicium magnum.

Die Aussage könnte so verstanden werden, als erlangten ausnahmslos alle Gerechten, also ausdrücklich auch die vor- und somit nichtchristlichen, das Heil. Doch geht es Laktanz an dieser Stelle in erster Linie um den allumfassenden Charakter der Wiedergutmachung im Tausendjährigen Reich: Alle, die von Anfang an für Christus litten und ihm treu blieben, werden mit ihm herrschen dürfen (vgl. Ob 20,4). Daher ist innerchristlich ( die es je geben konnte`), nicht als absolute Zeitangabe ( von Anbeginn der Welt an`) zu verstehen; steht für die verfolgten Christen (siehe oben zu 17,6 ). Zum Ausschluss aller Nichtchristen vom Heil siehe oben zu 20,5f., v.a. 505. iustos qui a principio fuerunt:

a principio

sti persequetur

restaurauerit

iuiustum populum

steht in der Überlieferung neben dem rhythmisch gleich-

instaurauerit (dasselbe textkritische Problem Hier. interpr. Iob. Instaurare bezeichnet ein erneutes Stattnden, so auch 2,7,20: ludos instaurari (vgl. ThLL VII,1 1975,72.), weiterhin eine Erneuerung (vgl. wertigen 10,17):

ThLL VII,1 1976,76.) und Neueinrichtung (vgl. ThLL VII,1 1978,18.; bei Tertullian nur in diesem Sinne). Im Zusammenhang mit der Auferstehung ist sonst erst Aug. in psalm. 24,13; 141,3 ( , vgl. ThLL VII,1 1977,3942), Aug. in psalm. 118 serm. 19,3 auch die Konstruktion . Zu gebildet ( I 705) ist , das eine Wiederherstellung bezeichnet (etwa Tac. ann. 3,72,2 , erster Beleg; Fronto p. 214,12 ). Gemäÿ der Unterscheidung Serv. Aen. 2,15 (

instaurare instauratum ad uitam instaurare Walde/Hofmann restaurare theatrum van den Hout facundiam

instar` autem est ad similitudinem: unde non restaurata, sed instaurata dicuntur aedicia ad corpus

7 So etwa das Šnw Ierousalh m Gal 4,2131, dazu Söllner 143169; Hebr 11,816, dazu Söllner 170187; Iren. haer. 5,36,1; Tert. coron. 3,20; adv. Marc. 3,24,2; Thraede 729735. Zur Motivgeschichte des Gegensatzes zwischen den zwei ciuitates bzw. zwischen Jerusalem und Babylon van Oort 274359, zum Fehlen des Motivs bei Laktanz 287. 8 So etwa bei Origenes als Himmel`, Kirche`, Seele`, dazu Thraede 731733.

24,3

547

antiquam similitudinem facta. ) impliziert restaurare die Wiederinstandsetzung des Alten, instaurare dessen nachbildende Rekonstruktion. Tertullian verwendet restaurare apol. 48,2 dafür, dass der Mensch anders als nach der Seelenwanderungslehre in Menschengestalt auferstehe: ut eadem qualitas animae in eandem restauretur ; ähnlich Mar. Victorin. in Eph. 1,1; vgl. ThLL VII,1 1976,64; 1977,23. Laktanz bezeichnet 26,15 Konstantin als denjenigen, durch den Gott sanctam religionem suam restauraret .  Eher für restaurare spricht also, dass dieses nach der Unterscheidung des Servius besser für die Wiederbelebung der Gerechten passt, dass es bei Tertullian und Marius Victorinus einschlägig belegt ist und dass es 26,15 in freiem Gebrauch erscheint, während instaurare 2,7,20 formelhaft ist. uaticinans furensque: Zu uaticinari siehe oben zu 15,19 (441 Anm. 69). Dass die Sibylle im furor weissagt, ist eine verbreitete Ansicht (Cic. div. 1,4.34; 2,110; Verg. Aen. 6,100; Ov. met. 14,107). Laktanz zitiert 4,15,29 die Passage or. Sib. 3,814817, in der die Sibylle selbst ankündigt, dass man sie für mainomènh und yeÔsteira (Laktanz: insana et mendax ) erklären werde. Doch will er damit umgekehrt ihre Glaubwürdigkeit beweisen. klÜte . . . Šrqei: or. Sib. frg. 4 , nur hier und abhängig hiervon Theosoph. Sib. 14,386 belegt, wo auch die Einleitung des Zitates (14,384) diejenige des Laktanz wiedergibt ( kaÈ Šllh dà SÐbulla ¹sper mainomènh âkbo”). 24,3 in corporibus uiui . . . iudices: Laktanz unterscheidet zwei Gruppen: diejenigen, die zum Zeitpunkt von Parusie und Gericht noch körperlich am Leben`9 sind, und diejenigen, die auferweckt werden: (1) Die letztgenannte Gruppe steht den Lebenden vor` ( praeerunt uiuentibus ). Sie entspricht in ihrer Funktion den Märtyrern, die nach Ob 20,46 (siehe oben zu 24,26) auferweckt und mit Christus herrschen würden. Mit der Funktion dieser Auferweckten sicut iudices wird anscheinend deren Anteil an der Herrschaft realistisch illustriert: Iudex bezeichnet in der Zeit des Laktanz auch den hohen Beamten` oder Statthalter` mit administrativer und jurisdiktioneller Funktion (A. , Iudex`, RE IX,2 [1916] 2471; Spätantike 250; ThLL VII,2 599,84.); Laktanz selbst nennt im fünften Buch die für die Planung und Durchführung der Christenverfolgung Verantwortlichen fast durchweg iudices (etwa 5,2,3; Inst. V,2 38f.)  hier ist also wohl auch die Umkehrung jener ungerechten Verhältnisse der Verfolgungszeit im Tausendjährigen Reich ausgedrückt. 10 Die Einschränkung aus Ob 20,4f., dass ausschlieÿlich Märtyrer auferweckt

Geffcken

Demandt

Steinwenter

Monat

9 Der Ausdruck in corporibus uiui (vgl. in corpore uiuere 13,9; 3,12,34; Arnob. nat. 5,14) erklärt sich aus dem Gegensatz zu den Auferweckten, deren Lebensprinzip die unsterbliche Seele war und die nun erst zum körperlichen Leben auferstehen. 10 In der Gerichtsszene Ob 20,4 heiÿt es: kaÈ eÚdon jrìnouc kaÈ âkˆjisan âp+ aÎtoÌc kaÈ krÐma âdìjh aÎtoØc. Mit den nicht genannten Richtern sind wohl die Märtyrer ge-

Kommentar

548

werden, um mit Christus tausend Jahre lang zu herrschen, gilt für Laktanz oensichtlich nicht: Er denkt hier an alle diejenigen, die zum Gericht auferweckt (20,1.5) und im Gericht für gerecht befunden wurden (20,6; 21,8). (2) Die erstgenannte Gruppe der gerade Lebenden hat hingegen keine Entsprechung in Ob 20,110. Ihre Erwähnung bei Laktanz erklärt, was mit den zum Zeitpunkt der Parusie noch nicht Verstorbenen geschieht und über wen die Auferweckten herrschen. Diese Gruppe, die im Moment der Parusie noch am Leben ist, in der Gnade Gottes steht und von den weiterhin existierenden Heiden (20,4) unterschieden wird, müsste der Logik der Ereignisse nach mit den bedrängten und vom wiederkehrenden Christus lebend befreiten Gottestreuen (die iusti aus 17,10f.; 20,5) zu identizieren sein. Die untergeordnete Stellung dieser Gerechten gegenüber den Auferweckten erscheint etwas unmotiviert. Wahrscheinlich ging es Laktanz in erster Linie um eine Hervorhebung der auferweckten Märtyrer nach Ob 20,4f., aus der sich unbeabsichtigt eine Herabstufung der überlebenden Gerechten ergab. Ein Problem bereitet die Frage, ob diese Gruppe als bereits dem Gericht unterworfen zu denken ist: Die Aussage non morientur, sed . . . generabunt legt nahe, dass diese überlebenden Gerechten noch nicht das nach einem positiven Urteil zugeteilte praemium immortalitatis (21,8) erlangt haben; vgl. Koncepcje 612618.

Wojtczak

non morientur, sed [...] innitam multitudinem generabunt: Es ge-

hört zur Topik des eschatologischen Heils, dass niemand mehr stirbt (vgl. Jes 25,8; Hos 13,14; 1 Kor 15,26.54; für das Tausendjährige Reich und das himmlische Jerusalem Ob 20,14; 21,4) und dass die Menschen sich reicher Nachkommenschaft (ein grundlegendes Heilsmotiv, vgl. Gen 13,6) erfreuen (Jes 65,23; Hen(aeth) 10,17; erneutes Zunehmen der Bevölkerung nach der endzeitlichen Katastrophe Jes 6,12; 49,20 LXX; Phil. Alex. praem. 108f.; 362.389f.). Beide Motive, ebenfalls im chiliastischen Zusammenhang, bietet Comm. instr. 1,44,4 incorrupti erunt iam tunc sine morte uiuentes , 9 generant ipsi per annos mille nubentes .  (Lattanzio 250) sieht hierin wie in der Verwandlung der Natur 24,7f. immagini del più sensuale materialismo, wie sie für den kleinasiatischen Chiliasmus typisch seien.

Volz

suboles eorum sancta et deo cara: men

Loi

Wlosok

Nach (Cumaeum Car303) eine monotheistische Fassung zu Verg. ecl. 4,49 (vgl. unten zu

meint, deren Rehabilitierung und ehrenvolle Stellung damit hervorgehoben werden soll (Giesen 431434; Aune III 1084f.). Es ist denkbar, dass die Rolle der Richter` bei Laktanz davon angeregt ist; da Laktanz nicht sagt, dass die Auferweckten das Endzeitgericht abhielten, muss bei ihm die Funktion als die besondere Stellung der auferweckten Gerechten im Tausendjährigen Reich illustrieren. Die Herrschaftsbeteiligung der Gerechten ist ein verbreitetes jüdischapokalyptisches (Volz 379381) und neutestamentliches (J. Wehnert, Die Teilhabe der Christen an der Herrschaft mit Christus. Eine eschatologische Erwartung des frühen Christentums, ZNTW 88 [1997] 8196) Motiv. iudices

24,4  24,5

549

24,11f.) cara deum suboles. Deo carus (auch 2,8,5; 4,7,1; 6,25,4; epit. 33,6; ira 17,5) erscheint in der paganen Latinität selten (Cic. n. 3,66 prädikativ; Val. Fl. 2,95), häug in der christlichen (Tert. orat. 8,2; Cypr. Demetr. 12; epist. 38,1,2 usw.).

hi: Siehe oben 81 Anm. 22. 24,4 gentes . . . seruituti:

Gentes für Heiden` in der Endzeit 24,15; 26,2.3; epit. 67,3.7; im Gegensatz zu Christen im Alltagsleben mort. pers. 11,1; positiv (Christen zusammengerufen aus den Heiden) 4,11,7; 4,20,11 etc.; sehr häug in der lateinischen christlichen Literatur (ThLL VI,2 1862,68.) nach dem alttestamentlichen ‰…‚/gôjim, êjnh (Heiden-)Völker` (im Gegensatz zum Volk Israel). Dass es während des Tausendjährigen Reiches Heiden gibt, geht aus Ob 20,8 hervor (siehe oben zu 24,26). Die

nicht vollständige Vernichtung` ist (trotz des Futur I) nicht als eigenständiges Geschehen, sondern als Bestandsaufnahme zu verstehen, wohl vor dem Hintergrund der 19,5f. geschilderten Endzeitkämpfe. Der Sieg Gottes` über die Heiden, für den einige von diesen übrig bleiben, muss die 26,3 geschilderte und dem chiliastischen Schema entsprechende Vernichtung des Teufels und aller Gottwidrigen sein. Der Triumph der Gerechten über die Heiden` hingegen und deren perpetua seruitus (Caes. Gall. 7,77,9.16; Suet. Tib. 36,1 als Androhung) müssen wiederum bereits während des Tausendjährigen Reiches stattnden; der Finalsatz bezieht sich also auf den Kerngedanken des Hauptsatzes ( einige Heiden wird es noch geben`).

relinquentur in uictoriam dei:

sie werden übrig gelassen werden für den Sieg Gottes`, zum nalen in bei relinquere siehe oben zu 11,6 contemptui . . .

24,5 sub idem tempus: Die ungefähre Zeitangabe (häug in der Historikersprache, z.B. Liv. 32,7,4; Tac. ann. 2,27,1; Suet. Aug. 97,2, nur hier bei Laktanz) deutet an, dass die Fesselung nicht als nächst folgendes Geschehen zu verstehen ist; in der chiliastischen Quelle Ob 20,110 (siehe oben zu 24,26) wird sie als erstes geschildert (Ob 20,14).

princeps daemonum: Auch 26,1; epit. 67,2.6. Laktanz bezeichnet 2,14,4

den Teufel (diabolus , vgl. 2,8,6) als princeps der mali spiritus, womit die bösen Dämonen gemeint sind, 2,14,6 unter Berufung auf Hermes Trismegistos (frg. 9 IV 110) als daemoniarches (auch 2,16,12; epit. 24,1) und 2,17,5 als princeps malorum (vgl. Mt 9,34 Šrqwn tÀn daimonÐwn, ThLL X,2 1288,60.). Christus wird umgekehrt 4,14,17 princeps angelorum genannt. Der princeps daemonum hier (gefesselt für die Dauer des Tausendjährigen Reiches) und 26,17 (nochmals befreit an dessen Ende, um endgültig besiegt und ewig bestraft zu werden), ebenso epit. 67,2.6, entspricht genau dem Satan aus Ob 20,13 (Fesselung) und 710

Nock/Festugière

550

Kommentar

(endgültige Niederlage). Eine gewisse Schwierigkeit bei der Identikation des princeps daemonum besteht dennoch: Der Teufel ist im eschatologischen Ablauf nur einmal und andeutungsweise als Erzeuger des Antichrist erwähnt worden (siehe oben zu 17,2 alter rex . . . ). Nur letzterer ist bislang als Widersacher in Erscheinung getreten (17,212; 19,16); auch könnte ein paganer Leser nach der letzten Aussage über den Antichrist (19,6 captus [...] luat poenas ) erwarten, dass dieser hier gemeint sei. Der Teufel ist seit 4,14,7 nicht mehr ausdrücklich genannt, allerdings lässt der Bezug auf die daemones, von denen im Zusammenhang mit dem Antichrist nie die Rede war, erkennen, dass an den Teufel gedacht ist.

machinator omnium malorum: Ebenfalls für den Teufel opif. 19,8 add.

4 auctor errorum malorumque omnium machinator und epit. 67,2 machinator malorum ; für Diokletian mort. pers. 7,1 scelerum inuentor et malorum machinator. Der pejorative (positiv hingegen, nämlich für den Schöpfergott 2,11,14; 4,6,1; vgl. Min. Fel. 5,7) Gebrauch von machinator (wie etwa Cic. Catil. 3,6 horum omnium scelerum improbissimum machinatorem ) erscheint bei Laktanz erstmals in christlicher Literatur, vgl. ThLL VIII 16,65.

catenis uincietur . . . mille annis: Nach Ob 20,2f. wird der Teufel ge-

fesselt, in einen Abgrund ( Šbussoc) geworfen, dieser geschlossen und versiegelt. Demgegenüber lässt die Schilderung des Laktanz an eine sichere Gefängnishaft denken; zur realistischen Umgestaltung von Ob 20,110 siehe oben zu 24,26. Zum Ablativ mille annis zur Angabe eines Zeitraums siehe oben zu 17,8 mensibus . . .

caelestis imperii: Die Junktur hier erstmals, dann öfter für das Gottes-

reich (dafür imperium : ThLL VII,1 576,75.) etwa Firm. err. 21,5; Ambr. hex. 1,4,13.

malum [...] moliatur: Junktur wie Sen. nat. 5,18,9; Vulg. prov. 3,29. populum dei: Zum Begri des Gottesvolkes siehe oben zu 14,13 caelestis

populi.

24,6 cuius:

Der Bezug ist unklar: Eine Ankunft des regnum caeleste (24,5) gemäÿ der Vaterunserbitte (etwa Cypr. domin. orat. 13 adueniat regnum tuum ) scheidet aus, denn erstens spricht Laktanz sonst nicht von der Ankunft des Reichs, sondern Christi (19,3; 4,12,14), zweitens wird im Folgenden erst noch geschildert, wie sich die ciuitas durch die Sammlung der Gerechten konstituiert. Näher liegt daher, das Bezugswort aus dem unmittelbar vorausgehenden Ausdruck populus dei (24,5) zu entnehmen. Dabei wäre an Gott Vater zu denken. Aus inhaltlichen Gründen müsste man aber den 24,2 zuletzt erwähnten wiederkehrenden Christus erwarten. Allerdings ieÿen hier die Herrschaft Christi mit den auferweckten Gerechten (nach

551

24,7

Ob 20,46) und das Wohnen Gottes unter den Menschen im himmlischen Jerusalem (nach Ob 21,18) zusammen (siehe oben zu 24,26); zu denken ist also wohl hier und beim folgenden conditor deus an Gott in Person Christi.

congregabuntur iusti ex omni terra: Nach Vet. Lat. Ier. 32(39 LXX),37 (Cypr. testim. 3,20; die von Cyprian kurz vorher zitierte Stelle Jer 31(38 LXX),31f. gibt Laktanz 4,20,6 wörtlich wieder) ecce ego congregabo eos ex omni terra. Eine Sammlung der iusti war eigentlich schon 17,10 impliziert. Das folgende peractoque iudicio, das wieder vor die 20,1. geschilderten Ereignisse zurückführt, zeigt freilich, dass die Bemerkung als Nachtrag zu verstehen ist. Anscheinend will Laktanz das Heilsmotiv von der Sammlung des zerstreuten Volkes (Ps 107,3; Jer 23,3; Ez 11,17 etc.; Volz 345f.) aufnehmen. ciuitas sancta constituetur in medio terrae: Ciuitas sancta bezeichnet hier wie 26,1; epit. 67,3.6 nach Vet. Lat. apoc. 21,2 (Victorin. Poetov. apoc. 21,1); 21,10 (Cypr. testim. 2,19); 22,14 (Tert. pudic. 19,9) das himmlische Jerusalem; zur Verwendung von Ob 21,1. siehe oben zu 24,26. Zur Formulierung in medio terrae vgl. Vet. Lat. psalm. 73,12 (Cypr. testim. 2,29) deus [...] operatus est salutem in medio terrae ; Apul. Plat. 1,11 terrae in medio. Traditionell ist das neue Jerusalem Zentrum der Erde, vgl. Ob 14,1; or. Sib. 3,772 ( Söllner 121); Volz 379381. Laktanz denkt dabei aber nicht an die geographische Lage, sondern die politische Bedeutung als Zentrum des Tausendjährigen Reiches (so van Oort 287). conditor deus: Conditor bezieht sich hier auf die göttliche (zur Frage, ob Vater oder Sohn, siehe oben zu cuius ) Gründung des himmlischen Jerusalem (vgl. Aug. civ. 1 praef.), wird aber häuger bei (und vor: ThLL IV 146,83. Manil. 2,701; christlich Tert. praescr. 13,2; vgl. 354 375; 377f.; Lattanzio 107f.) Laktanz für den Schöpfergott gebraucht; in vorliegender Junktur auch 1,5,8; 2,9,2; rerum conditor 5,1,1; 6,9,14; opif. 1,11; epit. 36,3; 64,5; ira 1,9; conditor neben anderen Gottesbezeichnungen epit. 2,5; 5,3; 21,3.4; ira 10,35.53; 22,7.

Loi

Braun

kaÈ pìlin . . . sel nhc: or. Sib. 5,420f. In der direkten Überlieferung Vers 421: faidrotèran Šstrwn te kaÈ ™lÐou šdà sel nhc .

24,714 Das Tausendjährige Reich als Goldenes Zeitalter: Dass die Endzeit das von den Dichtern erwähnte Goldene Zeitalter` bringe, hat Laktanz bereits zwei Mal angekündigt. 11 Diese Goldene Zeit gehört ursprünglich in ein deszendentes Welalterschema, das durch die Ab11 2,1 (aureum denique ut poetae uocant saeculum deo ipso regnante orescat. 4,12,21 (tunc sublato de rebus humanis omni malo aureum saeculum ut poetae uocant, id est iustum ac pacicum tempus orietur.

Kommentar

552

folge von Metallen (von Gold bis Eisen) repräsentiert wird. 12 Die Dichtung greift es seit Hesiod sehr häug auf, 13 dabei kann es auch zum Inbegri einer Glücksutopie werden 14 . Um die Lehre vom Leben im Tausendjährigen Reich zu verdeutlichen, stellt Laktanz die Entsprechungen bei den Heilsmotiven in der biblischen Tradition, der paganen Dichtung, insbesondere in Vergils vierter Ekloge, und den Sibyllenorakeln 15 in folgendem Argumentationsaufbau heraus: I. Darstellung der paradiesischen Lebensverhältnisse im Tausendjährigen Reich nach alttestamentlichen Motiven von der messianischen Heilszeit (ŸŸ 7f.) II. Belege (ŸŸ 914) 1. Pagane Dichtung (ŸŸ 911) (a) historische Erläuterung: Dichterisches Motiv vom Goldenen Zeitalter geht zurück auf Wissen um die kommende Heilszeit im Tausendjährigen Gottesreich (ŸŸ 9f.). (b) Zitat aus Vergils vierter Ekloge (Ÿ 11) 2. Oracula Sibyllina : drei Zitate (ŸŸ 1214) Auälligerweise erläutert Laktanz zwar ausführlich, dass die Dichter das Goldene Zeitalter fälschlich in der Vergangenheit ansiedeln (ŸŸ 9f.). Dann aber folgt ohne Einleitung nur ein längeres Zitat aus Vergils vierter Ekloge, das ohnehin im Futur steht (Ÿ 11). Oensichtlich will Laktanz nicht nur den angeführten Vergilabschnitt, sondern die gesamte Topik einbeziehen. In seiner eigenen Darstellung der Heilszeit (ŸŸ 7f.) erwähnt Laktanz vier Kennzeichen: erstens Helligkeit (Ÿ 7), zweitens selbsttätiges Wachsen von Feldfrüchten sowie Hervorquellen von Honig, Wein und Milch (Ÿ 7), drittens die Freude des Kosmos über die Beseitigung des sittlichen Zer-

Kurfeÿ Gatz Schwabl Günther Müller Heckel

12 Vgl. Aetas ; ; H. , Weltalter`, RE Suppl. 15 (1978) 783 850; R. /R. , Das goldene Zeitalter. Utopien der hellenistischrömischen Antike, Stuttgart 1988; H. , Zeitalter`, DNP 12/2 (2002) 706 709. 13 Hes. op. 106201, dann insbesondere Arat. 96136; ferner Catull. 64,384408; Verg. Aen. 8,813829; georg. 2,473f.; 536540; Varro rust. 3,1,4f.; Tib. 1,3,3550; Ov. met. 1,89150; Octavia 385435; auch or. Sib. 3,373380; vgl. 5286; K. , Aurea Saecula: Mythos und Geschichte. Untersuchungen eines Motivs in der antiken Literatur bis Ovid, Frankfurt 1986. 14 Insbesondere Verg. ecl. 4; Hor. epod. 16; vgl. Aetas 144f.; 114 143.  Eine kulturgeschichtliche Einordnung der Art und Weise, in der Laktanz mit dem Topos umgeht, bietet O. Nicholson, Golden Age and the End of the World: Myths of Mediterranean Life from Lactantius to Joshua the Stylite, in: M.J. /K.L. (Hrsg.), The Medieval Mediterranean. CrossCultural Contacts, St. Clouds/Minnesota 1988, 1118, v.a. 13f. 15 Zur Vermischung biblischer und paganpoetischer Heilsmotive in den Sibyllenorakeln H. , La Sibylle et le retour de l'âge d'or, Paris 1939; Aetas 148f.; 430434.

Gatz

Kubusch

Kurfeÿ

Chiat

Gatz

Reyerson

Jeanmarie Gauger

Kurfeÿ

24,7

553

falls (Ÿ 7) und viertens den Tierfrieden (Ÿ 8). 16 In den Belegen (ŸŸ 11 14) werden dann nur die Fruchtbarkeit (insbesondere das Einzelmotiv von Wein, Milch und Honig) und der Tierfriede nochmals aufgegrien. In diesen Aspekten wird zum einen die Übereinstimmung der Tradition besonders greifbar, zum anderen sucht Laktanz oensichtlich auch die poetische Ausschmückung der kommenden Heilszeit 17 . Auf den poetischen Topos vom Goldenen Zeitalter nimmt Laktanz auch schon im fünften Buch Bezug: 18 Die Dichter wüssten von einer Goldenen Zeit unter der Herrschaft des Saturn (5,5,13), in der die Menschen miteinander in Gerechtigkeit, das heiÿt friedlich, bescheiden und solidarisch (5,5,48) gelebt hätten, bis mit dem Eindringen Jupiters (5,5,9) die Verehrung eines Menschen als Gottes, Eigennutz und Gewalt aufgekommen seien (5,5,914); dieses Goldene Zeitalter könne erneut anbrechen, wennn nur die Menschen zur Gerechtigkeit zurückkehrten (5,8,3). Sowohl im fünften Buch als auch hier charakterisiert Laktanz das Goldene Zeitalter als dichterischen Topos und belegt seine Ausführungen mit Dichterzitaten, 19 spricht von tempora aurea 20 unter der Herrschaft des Saturn 21 und erwähnt als charakteristisches Motiv das Flieÿen von Milch und Honig 22 .  Doch unterscheidet sich der Umgang mit dem Motiv vom Goldenen Zeitalter im fünften Buch grundlegend von dem an dieser Stelle: Während Laktanz dort ausdrücklich für richtig erklärt, dass die Dichter die Goldene Zeit in der Vergangenheit ansiedeln (5,5,3), und entsprechend der paganen Zeitalterlehre einen folgenden Verfallsprozess schildert (5,5,914), bezeichnet 16 Diese Merkmale der Endzeit entsprechen, wie Laktanz für die Helligkeit andeutet (siehe unten zu 24,7 tenebrae illae . . . ), vorher geschilderten Endzeitplagen: 1. Verdunkelung der Gestirne (16,810), 2. Unfruchtbarkeit (16,47), 3. Übergang des menschlichen Unfriedens auf den Kosmos (16,57) und Niedergang der Sittlichkeit (17,9), 4. Kriege und Gewalt unter den Menschen (15,11; 16,35; 17,410). Mit deren Wiedergutmachung ist freilich eine übernatürlich heilvolle Endzeit angebrochen, die der letztendlichen Verwandlung der Welt (26,5) vorausgeht. Diese eschatologische Heilszeit ist daher zu trennen von einer Rückführung in den Urzustand (Löw 230, der diesen Unterschied nicht ausreichend herausarbeitet), wie sie paganes und hermetisches Denken kennen (Mahé Hermès II 102111). 17 So lieÿe sich das Vergilzitat kürzen, die Sibyllenzitate in Ÿ 13 und Ÿ 14 überschneiden sich. 18 Dazu insbesondere Buchheit Goldene Zeit ; ders., Der Zeitbezug in der Weltalterlehre des Laktanz (inst. 5,56), Historia 28 (1978) 472486; ders., Jupiter als Gewalttäter. Laktanz (inst. 5,6,6) und Cicero, RhM 125 (1982) 338342. Zur Rezeption von Laktanz' Darstellung des Goldenen Zeitalters in der Renaissance jetzt D.J. Nodes, Restoring the Golden Age from Lactantius (ca. 240  ca. 325) to Egidio of Viterbo (1469  1532), StudUmanistPiceni 20 (2000) 221236. 19 Zitate aus Ciceros und Germanicus' AratÜbersetzungen sowie aus Ovid (met. 1,111), siehe auch unten 561 Anm. 33. 20 Ÿ 9 wie 5,5,2; 5,7,2; 5,8,3. 21 Ÿ 9 und 5,5,3 Saturno regnante. 22 Ÿ 7 und 5,5,7 (Zitat Ov. met. 1,111).

Kommentar

554

er es hier als Irrtum der Dichter, die Goldene Zeit in die Vergangenheit zu datieren, und erläutert das Zustandekommen dieses Fehlers ausführlich (ŸŸ 9f.). Er stellt sogar fest, dass die Goldene Zeit sich homine regnante gar nicht hätte ereignen können (Ÿ 10), sondern der Gottesherrschaft auf Erden vorbehalten ist, während im fünften Buch an die Herrschaftszeit des menschlichen Königs Saturn (vgl. 5,5,9; 1,13,814) gedacht ist, deren Segnungen die Menschen sich durch Gerechtigkeit und rechte Gottesverehrung wieder erwerben könnten (5,8,3). Auch der Blickwinkel unterscheidet sich in den beiden Darstellungen: Im fünften Buch geht es Laktanz insbesondere um die gesellschaftlichen Verhältnisse, für die er die Dichterzitate als Quellentexte heranzieht, hier hingegen um die wunderbare Verwandlung der Natur in der kommenden Heilszeit 23 .  Beide Deutungen des Goldenen Zeitalters (als vergangene Epoche des Monotheimus und der Gerechtigkeit oder als kommendes Tausendjähriges Gottesreich) stehen also gedanklich unverbunden, letztlich sogar widersprüchlich nebeneinander. Laktanz knüpft zweimal in unterschiedlichem Zusammenhang an denselben Mythos an und interpretiert ihn antipolytheistisch oder eschatologisch24 , jeweils nach den apologetischen Erfordernissen. Diese Umwertung des Goldenen Zeitalters stellt auch ein unüberwindliches Hindernis dafür dar, die Goldene Zeit des fünften Buches als politischen ( )25 oder 26 gesellschaftlichen ( ) Zukunftsentwurf des Laktanz zu verstehen.

Fisher

Digeser

23 Ein ethischer Aspekt ist zwar vorhanden (Ÿ 7 Beseitigung der sittlichen Missstände), steht aber im Hintergrund, so richtig Swift Golden Age 153155. 24 Swift (Golden Age, hier 155) spricht von einem polemical pragmatism bei Laktanz' Behandlung des Mythos vom Goldenen Zeitalter und verweist auf das ethical element als verbindende Gröÿe: Goldene Zeit und sittliche Ordnung gehören bei Laktanz zusammen. Ganz ähnlich geht Loi (Lattanzio 243f.) davon aus, dass das Goldene Zeitalter per ni apologetici (243) jeweils als Interpretament des christlichen Glaubens herangezogen wird. 25 Nach Digeser (Lactantius 4045) spreche sich Laktanz für eine Rückkehr zum Prinzipat aus, das er mit der Herrschaft des Saturn, also der Goldenen Zeit, gleichsetze. Unvereinbar mit einem solchen Verständnis ist aber die Aussage Ÿ 9 quae utique eri complerique non poterant homine regnante. 26 A.L. Fisher, Lactantius' ideas relating Christian truth and Christian society, JHI 43 (1982) 355377, v.a. 374376, erklärt die unterschiedlichen Konzeptionen des Goldenen Zeitalters redaktionsgeschichtlich: Das Goldene Zeitalter im älteren und ursprünglich eigenständigen fünften Buch sei eine Gesellschaftsutopie, im siebten Buch werde unter dem Druck der Verhältnisse die Goldene Zeit in das Tausendjährige Reich verlegt. Das Goldene Zeitalter des fünften Buches habe er nun bei der Erweiterung an seinem Platz gelassen, als in a vision of a new intermediate era, less remote, less fantastic, and perhaps in some ways only a consoling utopian extension of what he could see or imagined that he saw in the Christian community around him (376).  Die Unvereinbarkeit der beiden Deutungen des Goldenen Zeitalters ist damit aber nicht ausgeräumt, und die Bereitschaft des Laktanz, beide nebeneinander stehen zu lassen, ist mit apologetischem Pragmatismus (Swift, Loi: siehe vorige Anm.) plausibler erklärt als mit einer nachträglichen Umdeutung auf die Christengemeinde (Fisher), die dem paganen Leser natürlich unverständlich

555

24,7

24,7

tenebrae illae . . . caelum: Mit illae bezieht sich Laktanz auf die 16,8f. geschilderte Vernsterung der Sonne (16,8 solis tenebrae ) und das Verlöschen der Gestirne (16,10 caelum omne caecum ); zu oundetur vgl. 16,9 luna [...] perpetuo sanguine ousa ; zu occaecabitur caelum Vet. Lat. Matth. 24,29 (Iunil. 2,24) sol occaecabitur (ThLL IX,2 329,22.). Das Futur I im Relativsatz betont in absolutem Tempusgebrauch (statt Vorzeitigkeit durch Futur II) das Bevorstehen jener Ereignisse aus der Perspektive des Lesers bzw. Sprechers.

Wörtlich nach Jes 30,26 LXX (über den Tag, an dem Gott sein Volk errettet; vgl. Hen(aeth) 91,16): kaÈ êstai tä fÀc t¨c selènhc ±c tä fÀc toÜ ™lÐou kaÈ tä fÀc toÜ ™lÐou êstai áptaplˆsion. Dass der Mond nicht mehr abnimmt ( nec minuetur ulterius, zur Formulierung 2,5,18), könnte eingefügt sein nach Jes 60,20 LXX (an das eschatologische Jerusalem): ™ sel nh soi oÎk âkleÐyei (vgl. 340). Lediglich der Vergleichspunkt quam nunc est (wiederum aus der Perspektive des Lesers bzw. Sprechers) scheint ergänzt zu sein. An entsprechender Stelle epit. 67,4 per idem tempus et stellae candidiores erunt et claritas solis augebitur et luna non patietur deminutionem folgt ein weiteres freies Prophetenzitat (Joel 2,23f. über den Frucht bringenden Regen), worin vielleicht ein Indiz dafür liegt, dass Laktanz hier nicht von einer thematischen Testimoniensammlung abhängen muss, sondern auch selbst biblische Zeugnisse zusammentragen kann. luna . . . clarior et:

Volz

Seit Plautus (Amph. 943 etc.) erscheint der Ausdruck bis (Plaut. Pers. 152 ter ) tanto [...] quam (vgl. LHS II 593; Bell. Afr. 19,4 quater, ohne quam ), er wird aber in der Kunstprosa gemieden. Laktanz könnte die Formulierung aus der Vetus Latina (Is. 30,26 ed. Sabatier aber: septempliciter ) übernommen haben; vgl. Hier. in Ezech. 14,45,1825 l. 321. septies tanto quam nunc:

Dass die Erde selbst ihre Fruchtbarkeit önet`, ist eine ungewöhnliche Vorstellung (anders etwa 3,25; 5,12; Tert. adv. Herm. 29,1), hier zeigt sich darin die Freude der ganzen Schöpfung (siehe unten zu mundus . . . ). Zu aperire vgl. Cens. 22,11 nominaterra [...] aperiet fecunditatem suam:

tum [...] Aprilem [...] ab aperiendo, quod tunc ferme cuncta gignantur et nascendi claustra aperiat natura

; ThLL II 214,22.

bleiben muss. Auf apologetisches Kalkül weist auch der Vergleich mit der Epitome hin: Dort ist vom vergangenen Goldenen Zeitalter als Phase des ursprünglichen Monotheismus (epit. 20,1), nicht aber von dessen Wiedererreichung die Rede; das endzeitliche Goldene Zeitalter (vgl. epit. 67,4f.) ist nicht mehr erwähnt. Das Goldene Zeitalter bleibt also in der Kurzfassung dort stehen, wo es ein strukturell wichtiges religionsgeschichtliches Interpretament darstellt, und fällt dort weg, wo es als Beleg und zur Illustration der Seligkeit im Tausendjährigen Reich dient.

556

Kommentar

uberrimas fruges sua sponte generabit:

Sowohl zur biblischapokalyp-ti-schen Heilszeit (Lev 26,4f.; Jes 4,2; Am 9,13; or. Sib. 3,581; 630.; 387f.) als auch zur paganen Vorstellung vom Goldenen Zeitalter gehört die überreiche Fruchtbarkeit (Zusammenstellung 229), insbesondere zum Ertrag sua sponte etwa Hes. op. 117f.; Lucr. 2,1157f.; Verg. georg. 2,501; Aen. 7,203f.; Ov. met. 1,90; 101f.; 109. Dieses Motiv ndet sich ebenso wie das folgende vom Überieÿen von Wein, Milch und Honig im Vergilzitat 24,11 und im Sibyllenzitat 24,13.

Volz

Gatz

rupes . . . inundabunt:

Sudare intransitiv ( von etwas schwitzen`) wie etwa Lucr. 5,1129; Liv. 22,2,18; vgl. OLD s.v. 1b; inundare wie Verg. Aen. 11,382 inundant sanguine fossae ; vgl. ThLL VII,2 250,20.  Ein Überuss an Honig, Wein und Milch (bildhaft für Wohlstand Plat. Gorg. 493e), die in unnatürlicher Weise hervortreten, ist Heilszeichen sowohl in biblisch apokalyptischem Denken als auch im paganen Mythos vom Goldenen Zeitalter (Zusammenstellungen 387f.; 229): Im biblischen Schrifttum nden sich der Honig aus dem Felsen (Dtn 32,13 LXX; Ps 81,17; or. Sib. 5,282), Ströme von Milch in der Wendung vom Land, in dem Milch und Honig ieÿen (Ex 3,8.17; 13,5; Ijob 20,17; Jer 11,15; 4 Es 2,19), und von den Rebhängen herabquellender Wein ist angedeutet in ‚postalˆxei t€ írh glukasmìn (Am 9,13; Joel 4,18; vgl. Tert. adv. Marc. 3,5,3). Quellen, aus denen Wein, Milch und Honig kommen, sind angekündigt or. Sib. 2,318; 3,622; 8,211. Zur paganen Topik des Goldenen Zeitalters gehören Flüsse von Wein (etwa Verg. georg. 1,132; Hor. carm. 2,19,10; Lucian. Sat. 7) und Milch (etwa Verg. georg. 3,308310; Ov. met. 1,111, zitiert 5,5,7) sowie aus Bäumen ieÿender Honig (etwa Verg. ecl. 4,30, zitiert 24,11; Hor. carm. 2,19,11f.; Tib. 1,3,45). Der Honig aus dem Felsen ist also eher in der biblischen, der Fluss von Wein eher in der paganen Vorstellungswelt zuhause, Laktanz scheint dies aber ganz bewusst zusammenzufügen.

Volz

Gatz

mundus . . . laetabitur: Die Freude des Kosmos (ThLL VI,1 1208,19.;

VII,2 881,72.) über die Heilszeit ist biblischchristliches (1 Chr 16,31; Ps 96,11; 97,1; Jes 42,10; vgl. Ambr. Hel. 21,80; Hier. in Is. 12,44,24) und paganes (Verg. ecl. 4,52 aspice, uenturo laetantur ut omnia saeclo ) Motiv, so heiÿt es schon h.Ap. 118 über die Reaktion der Welt auf die Geburt des Apollon: meÐdhse dà gaØ+ Ípènerjen , vgl. H.J. , Ein Pngstwunder im Apollonhymnos, ZRG 27 (1975) 2239, hier 38f. Ähnlich wie Laktanz formuliert Commodian apol. 863f. (über den endzeitlichen Einzug der Erwählten; vgl. instr. 1,42,35): Omnia uirescunt ante illos, omnia gaudent, / excipere sanctos ipsa creatura laetatur.

Tschiedel

liberata dominio . . . erroris: Die Freiheit der Welt von der Herrschaft

(dominium wie 6,13,5 peccati und sonst selten mit Genitivus subiectivus; vgl. Sen. dial. 6,2,2 non [...] dedit longum in se malis suis dominium , ThLL

557

24,8

V,1 1894,3.) des Bösen, Gottwidrigen, Verbrecherischen und Falschen gehört sowohl zur biblischen Heilszeit (etwa Jes 11,9; Hab 2,14; or. Sib. 2,33; 3,376380; 5,429f.; 332f.) als auch zum paganen Goldenen Zeitalter (etwa Arat. 105107; Ov. met. 1,9193; vgl. Hes. op. 118120; 22f.).

Volz

Gatz

24,8 non bestiae . . .

placida erunt omnia: Der Tierfriede ist ein Heilsmotiv in biblischem Denken (Jes 11,68; 65,25; or. Sib. 3,788795, die Verse 788791.794 zitiert Laktanz 24,12; ApcBar(syr) 73,6; Phil. praem. 8590) und der paganen Vorstellung vom Goldenen Zeitalter (etwa Verg. ecl. 4,22.24, vgl. das Zitat unten 24,11; Hor. epod. 16,51f.; Tib. 1,10,10; 171174); V. , Tierfriede in der Antike, WJA 12 (1986) 143167; ders. Tierfriede, v.a. 22f.

Gatz

Buchheit

ludet: Die Beispiele für den Tierfrieden entnimmt Laktanz der viel zitierten (Iren. haer. 5,33,4; Clem. Alex. Strom. 6,50,2; Tert. adv. Herm. 11,3; adv. Marc. 4,24,9) Passage Jes 11,68, wiedergegeben auch or. Sib. 3,788795. Tatsächlich entspricht ad praesepe genau or. Sib. 3,791 (zitiert unten 24,12) par€ fˆtnù (ohne Gegenstück bei Jesaja). Andererseits können die Sibyllenorakel auch nicht alleinige Quelle sein, da Laktanz in zwei Punkten näher bei Jesaja liegt als diese: Während der Löwe or. Sib. 3,791f. (die Verse 792f. sind im Zitat 24,12 ausgelassen) nur ±c boÜc Gras frisst, aber nicht mit einem Rind, entspricht simul bei Laktanz ‰ma Jes 11,7; und während or. Sib. 3,794 Schlangen bei Säuglingen schlafen (ein Anklang an die Heraklessage?), kommt bei Laktanz und Jes 11,8 ein Säugling beim Spielen in Kontakt mit den Schlangen. Laktanz benutzt also neben or. Sib. 3,788795 vor allem Jes 11,68: leones . . .

Ÿ8

Jes 11,68 LXX

leones et uituli ad praesepe simul stabunt,

lupus ouem non rapiet,

(6)

[...]

mosqˆrion

kaÈ

taÜroc

kaÈ

lèwn

‰ma

bo-

skhj sontai [...]

(7)

[...] kaÈ lèwn kaÈ boÜc ‰ma fˆgontai Šqura.

(6)

kaÈ sumboskhj setai lÔkoc met€ ‚rnìc [...]

(6)

kaÈ

sumboskhj setai

mosqˆrion

kaÈ

taÜroc kaÈ lèwn ‰ma boskhj sontai, kaÈ paidÐon mikrän

non

kaÈ

‚rnìc,

cipitres

aquilae

ârÐfú,

met€

pˆrdalic

et

sunanapaÔsetai

lÔkoc

canis non uenabitur, ac-

kaÈ

Šxei aÎtoÔc; (7) kaÈ boÜc kaÈ Šrkoc ‰ma boskhj sontai,

nocebunt,

kaÈ ‰ma t€ paidÐa aÎtÀn êsontai. infans ludet.

cum

serpentibus

(8)

kaÈ paidÐon n pion âpÈ tr¸glhn ‚spÐdwn kaÈ âpÈ

koÐthn âkgìnwn ‚spÐdwn t˜n qeØra âpibaleØ.

Laktanz verkürzt durch Zusammenfassungen (Löwen nur einmal; neben dem Kalb nicht auch Stier und Rind; Spielen des Kindes) und Auslassungen. Auÿerdem ersetzt er die Paare Panther/Böcklein und Kuh/Bären durch (eher auf die Alltagserfahrung seiner Leser abgestimmte?) Aussagen

Kommentar

558

über die Wesensänderung beim Hund (wohl nicht wegen ihrer Aggressivität, sondern wegen der häug erwähnten Verwendung zur Jagd, vgl. 1,10,2; Varro rust. 2,9,5) sowie Habicht (sprichwörtliche Raubgier, vgl. Plaut. Pers. 409; Varro Men. 289; in dichterischer Bildersprache etwa Lucr. 3,752; Verg. Aen. 11,721f.) und Adler (in dichterischer Bildersprache etwa Verg. ecl. 9,13; zusammen als Beispiele für Greifvögel etwa Colum. 8,4,6; Sil. 5,282284). (172) sieht in der Wortwahl serpens statt aspis bei Laktanz eine Annäherung an Verg. ecl. 4,24 occidet et serpens. Auch Löwe/Kalb kommen nahe an Verg. ecl. 4,22 non metuent armenta leones .

Gatz

praesepe: Neben dieser von den meisten Handschriften überlieferten ge-

läugsten und klassischen Form (ThLL X,1 806,45.; 807,10.; vgl. Ov. fast. 1,663) ist auch das von B gebotene praesepium (ThLL X,1 807,15.) zu erwägen (zu praesepem ThLL X,1 860,72.). Keinen Aufschluss bietet 4,11,12, wo in einem Bibelzitat (Vet. Lat. Is. 1,3) 27 die Überlieferungsbefund praesepium (DVPKSR) und praesepem (B und HM vor Rasur) bietet. Letztlich ist nicht sicher zu entscheiden, ob die divergierenden Formen von B als ein hinreichendes Indiz für seine Zuverlässigkeit gegen die übrigen Handschriften anzusehen sind.

24,9 aureis temporibus: Siehe oben zu 24,714. quorum error . . . eri ac terminari: Dass biblische Prophezeiungen in

der Vergangenheit formuliert sein können, aber trotzdem auf die Zukunft zu beziehen sind, ist ein häug ausgesprochener Grundsatz frühchristlicher Bibelhermeneutik, so etwa Justin. dial. 114,1; Iren. epid. 67; Tert. adv. Marc. 3,5,2 futura interdum pro iam transactis enuntiantur ; Hier. in Is. 2,5,25 l. 36; in Ezech. 6,19 l. 736; Aug. in psalm. 84,3; 125,10; in psalm. 103 serm. 2,7; epist. 199,12; civ. 20,30; Bible I 58. Durch diese Sichtweise können auch in der Vergangenheit gehaltene Prophetenäuÿerungen auf Christus hin gedeutet werden (so wie etwa 4,12,8.10.12), wie es einem Kerninteresse der Patristik entspricht, vgl. 1620. Entsprechend stellt Laktanz auch bei seiner Wiedergabe aus der Johannesoenbarung, die zwischen allen drei Zeitstufen schwankt, konsequent das Futur her, dazu oben 468 Anm. 13. Umgekehrt beruft sich Laktanz aber auch auf das wörtliche Verständnis des überlieferten Tempus, so 4,14,13 aut propheta de praeteritis loquebatur potius quam futuris .  Bemerkenswert im Rahmen des bekannten bibelhermeneutischen Musters ist die einfühlsame psychologisierende Erklärung, die Laktanz dafür gibt, dass die Propheten ihre uisiones (vgl. etwa den Beginn des Jesajabuchs Vet. Lat. Is. 1,1 [cod. 50]: uisio quam uidit Isaias.) in der Vergangenheit niederschreiben.

Monat

Dassmann

27 Auch die direkte und weitere indirekte Überlieferung der Vetus Latina (Vetus Latina 12/1: Esaias, ed. R. , Freiburg 19871993, 4346) bietet -e, -ium und -em.

Gryson

559

24,10  24,11

sic [...] quasi iam peracta: Zur Korrelation sic [...] quasi und zum verkürzten Vergleichssatz mit quasi vgl. LHS II 674f. spiritu: Siehe oben zu 3,11 spiritum. 24,10 uaticinia: Siehe oben 441 Anm. 69. uulgasset: Zur Kurzform siehe oben zu 1,25 uiolarunt. profani a sacramento: Präpositionalkonstruktion mit ab wie 2,15,2; 2,16,13 (nur für Laktanz belegt: ThLL X,2 1663,46.), mit Genitiv 26,8 ueri profanos, dazu unten, jeweils nicht eingeweiht`. Profanus verwendet Laktanz sonst ohne Ergänzung für Dinge ( unheilig`, 1,21,12; 2,8,70; 4,10,11; 5,10,14; epit. 38,4; 58,2) und Personen ( gottlos`, 1,21,18; 4,27,5; opif. 13,2; mort. pers. 10,3). Zu sacramentum siehe oben zu 3,14. 24,11 Beleg aus Vergils vierter Ekloge:

Als Beleg für das poetische Goldene Zeitalter, hinter dem, das missverstandene Wissen um die Heilszeit des Tausendjährigen Reiches stehe (24,9f.), zitiert Laktanz aus Vergils vierter Ekloge. Darin kündigt der Dichter ein glückliches, goldenes Weltzeitalter an, das mit der Geburt eines Knaben (ecl. 4,8; zur umstrittenen Deutung Clausen 119130) anbreche. Eingeleitet wird das Zitat durch einen den ersten beiden Vergilversen untergeordneten cum Satz, der den Rahmen vorgibt: Beseitigung der falschen Götterverehrung und des Verbrechens, 28 Unterwerfung der Erde unter Gottes Herrschaft. Das aus Hauptsätzen im Futur bestehende Zitat ist bruchlos in die Syntax eingebunden und lediglich durch Versmaÿ und poetische Diktion erkennbar. Auch das eingeschobene tunc et gehört in den parataktischen Zusammenhang Vergils, nicht etwa zu einem ausgefallenen Verbum dicendi. Laktanz erwartet vom Leser die Kenntnis von Autor und Text. Die Reihenfolge, in der Laktanz die Verse wiedergibt, weicht ab von derjenigen der Vergilüberlieferung: Zusatz:

Zitat:

cum . . . terra, tunc et

cedet . . . arator.`

molli . . . mella.`

nec uarios . . . agnos.`

ipsae . . . leones.`

Verg. ecl. 4 3841 2830 4245 21f.

Doch ist darin nicht, wie Monteleone annimmt, die ursprüngliche Reihenfolge bewahrt,29 vielmehr stellt Laktanz selbst die Verse absichtsvoll 28 Einen Zusammenhang zischen der Verfall der Religion und der Sittlichkeit stellt Laktanz auch 5,8,5 her. 29 C. , L'Egloga quarta da Virgilio a Costantino. Critica del testo e ideologia, Manduria 1975, und Sul testo dell'Egloga quarta di Virgilio, QuadFoggia 2/3 (1982/83) 3374, glaubt, aus den Zitaten bei Laktanz und anderen Bezugnahmen auf die vierte Ekloge folgende ursprüngliche Versfolge ableiten zu können: 1820.

Monteleone

560

Kommentar

um30 : Laktanz lässt diejenigen Verse (1820; 2327; 3137) weg, in denen auf den Knaben und auf Historisches oder Mythisches angespielt wird. Diese Motive würden in der Schilderung des eschatologischen Gottesreichs nur stören. Was bleibt, sind die heilvollen Naturphänomene in ihrer Rückwirkung auf den Menschen. Deren Darstellung bringt Laktanz in eine natürliche Abfolge: Am Anfang steht die grundsätzliche Aussage omnis feret omnia tellus (39) mit ihren Konsequenzen für das menschliche Leben (3841): Dadurch, dass die Erträge der Natur nun von sich aus zur Verfügung stehen, entfällt die Notwendigkeit, Handel und Landwirtschaft zu betreiben. Darin liegt die Bekräftigung des oben (22,7 terra uero aperiet fecunditatem suam ) auf der Basis biblischer Heilsankündigungen Ausgesagten. Abgegrenzt (tunc et ) sind die Veränderungen in Panzen- (2830) und Tierwelt (4245; 21f.). Auch dabei werden wichtige Motive aus 22,7 mit teilweise kleinen Veränderungen aufgegrien: zunächst (2830) Feldfrüchte und Wein, die ohne Anbau wachsen (28f.), und der Honig, der aus den Steineichen (22,7: Felsen) ieÿt (30), dann (21f.) der Überuss an Milch und der Tierfriede. Indem Laktanz die Verse 42 bis 45 (Schafe färben ihre Wolle durch das Fressen entsprechender Panzen selbst) dazwischen schiebt, gestaltet er den Übergang von der Panzen- zur Tierwelt bruchlos. Zugleich illustriert dieses ungewöhnliche Detail das Wohlleben der Gerechten im Tausendjährigen Gottesreich, wie es in den Augen des Laktanz vielleicht auch in den biblischen Texten Wein, Milch und Honig tun.31 Auälligerweise liegt in der hier zitierten Vergilstelle gerade nicht die falsche Datierung des Goldenen Zeitalters in die Vergangenheit vor, die 23. 2627. 3141. 2830. 4245. 21f. 24f. Die überlieferte Reihenfolge sei erst im Zusammenhang mit der christlichen Ausdeutung durch Konstantin in der Oratio ad sanctorum coetum entstanden und in die Überlieferung gelangt (Egloga 75 91; Testo 5264).  Das ist aus den folgenden Gründen sehr unwahrscheinlich: (1) Die Vergleichstexte (v. a. Stat. Theb. 1,582; Verg. georg. 2,150154; Hor. epod. 16,4352; Tib. 1,3,3550; Ov. met. 1,109112; Symm. or. 3,9; Claud. 3,380386) nehmen jeweils nur einzelne Motive aus der vierten Ekloge in einen anderen Zusammenhang auf. Dass es dabei zu Auslassungen und in Einzelfällen zu einer anderen Abfolge kommt, besagt nichts. (2) Es erscheint kaum glaubhaft, dass Symmachus im Jahr 369 und Claudian um das Jahr 400 noch die richtige` Reihenfolge gekannt haben sollen, während alle Vergilhandschriften, auch diejenigen aus dem vierten Jahrhundert (vgl. Büchner 392), bereits die falsche` überliefern. (3) Es ist beinahe auszuschlieÿen, dass sich eine vor allem in einer griechischen Übersetzung verbreitete Umstellung in der gesamten breiten Vergilüberlieferung durchsetzt und die ältere Tradition spurlos verdrängt. (4) Als Einschub in ein fortlaufendes Zitat wäre das tunc et bei Laktanz unsinnig. 30 In diese Richtung gehen beispielsweise Courcelle Exégèses 294f.; Swift Golden Age 154 Anm. 32; Monat Bible I 60; Wlosok Cumaeum Carmen 303; Bryce 290. 31 Zu Wein, Honig, Milch und Getreide, die von selbst hervorkommen, siehe oben zu 24,7 uberrimas . .. und rupes . .. .

24,11

561

Laktanz soeben (24,9) ausführlich erläutert hat, denn die Passage ist als Heilsankündigung im Futur gehalten. 32 Laktanz schweigt zu dieser Unstimmigkeit, insbesondere hebt er nicht etwa Vergil als einen der Wahrheit besonders nahe kommenden poeta hervor. Wahrscheinlich sollen die übereinstimmenden Motive in der Prophetenparaphrase, dem Eklogenausschnitt und den Sibyllenzitaten für sich sprechen. Die Erläuterung der Fehldatierung ermöglicht die Einbeziehung des Topos vom Goldenen Zeitalter insgesamt. Vergil erscheint also zwar als ein besonders geeigneter Zeuge dieses im Heidentum überlieferten Wissens um das Tausendjährige Reich, soll aber nicht als einzelne Autorität hervortreten, sondern die Tradition insgesamt repräsentieren. Laktanz steht hier zwar am Anfang der breiten christlichen Rezeption von Vergils vierter Ekloge 33 , beschränkt sich aber darauf, anhand des entsprechend ausgewählten und angeordneten Textes die Vorstellung von einer Heilszeit zu belegen 34 . Eine christliche Umdeutung bietet freilich erst35 Konstantins Rede an die heilige Versammlung` 36 , wo Vergils puer 32 Eine Korrektur Vergils müsste vielmehr bei der Datierung in der unmittelbaren Zukunft (ecl. 4,4 uenit iam [...] aetas ) einsetzen. Zu kurz greift Buchheit (Tierfriede 23), der postuliert, von der Erläuterung zum falschen Tempus bei den Propheten sei sicher Vergil mitbetroen. 33 Grundlegend zur Rezeptionsgeschichte der vierten Ekloge im Christentum Courcelle Exégèses ; Übersicht über die Texte bei S. Benko, Virgil's Fourth Eclogue in Christian Interpretation, ANRW II 31,1 (1980) 646705.  Frühere christliche Bezugnahmen auf die vierte Ekloge sind sehr zweifelhaft: Zu der Courcelle Exégèses 294 Anm. 2 und Nazzaro 51 angesprochenen Stelle Cypr. hab. virg. 14 vgl. Freund Vergil 384, wo der Verweis auf hiesige Stelle fehlt. Ferner sieht Buchheit (Goldene Zeit 219222) als Vorlage für 5,7,1f. deus [...] adpropinquante ultimo

tempore nuntium misit, qui uetus illud saeculum fugatamque iustitiam reduceret [...]. rediit ergo species illius aurei temporis. Verg. ecl. 4,4 ultima [...] uenit [...] aetas, 7 iam noua progenies caelo demittitur, 9 iam redit et uirgo, redeunt Saturnia regna. Doch muss sehr fraglich erscheinen, ob das gemeinsame Vorkommen der überaus gebräuchlichen Vokabeln ultimus, (de)mittere und redire als bewusste

Anspielung oder Bezugnahme des Laktanz gedeutet werden kann. Auch widerspräche ein solches Vorgehen der von Hagendahl (Methods ) treend charakterisierten Zitiertechnik des Laktanz. 34 Dass Vergil hier nicht etwa christlich (um)gedeutet werde, betonen zu Recht beispielsweise Courcelle (Exégèses 295) und ausführlich Buchheit (Goldene Zeit 219221, mit Doxographie). 35 Ungenau beispielsweise Antonio V. Nazzaro, La IV Bucolica di Virgilio nell'antichità cristiana, in: Omaggio Sannita a Virgilio, a cura di Antonio V. Nazzaro, S. Giorgio del Sannio 1983, 4784, hier 52. 36 Die bei Euseb im Anhang zur Vita Constantini überlieferte Rede zum Karfreitag gilt in der neueren Forschung als authentisch (anders aber beispielsweise M.R. Cataudella, Constantino, Giuliano e l'Oratio ad sanctorum coetum, Klio 83 [2001] 167181: nicht vor der Zeit Kaiser Julians), das heiÿt von Konstantin lateinisch abgefasst und dann ins Griechische übersetzt, die Datierung schwankt zwischen 324 (M.J. Edwards, The Arian heresy and the Oration to the saints, VChr 49 [1995] 379387), 325 (T.D. Barnes, Constantine's Speech to the assembly of the saints.

562

Kommentar

(ecl. 4,8) auf Christus und die noua progenies (ecl. 4,7) auf die Seligen der Endzeit bezogen werden. 37 Allerdings geht wahrscheinlich von Laktanz die Anregung zu dieser Vergilbenutzung in Konstantins Rede aus. 38 Weitere christliche Deutungen dürften durch die vorliegende Laktanzstelle angestoÿen sein.39

omnis feret omnia tellus: Die ähnlich lautende, aber in der Vergangen-

heit gehaltene Aussage Verg. georg. 1,127f. (126f. zitiert Laktanz 5,5,5) ipsaque tellus / omnia liberius nullo poscente ferebat zitiert Tert. nat. 2,13,14 in seiner Darstellung des Goldenen Zeitalters unter Saturn.

auescet: Ein Teil der Vergilhandschriften ( gRbf) hat auescit, doch folgen Editoren Ribbeck und Mynors sicher zu Recht den Codices cder, die wie bei den umgebenden Prädikaten (ecl. 4,1145) Futur bieten.

Place and date of delivery, JThS 52 [2001] 2636) und 328 (B. Bleckmann, Ein Kaiser als Prediger. Zur Datierung der Konstantinischen Rede an die Versammlung der Heiligen, Hermes 125 [1997] 183202). 37 Const. or. s.c. 1921, dazu insbesondere Courcelle Exégèses 297308; G. Radke, Die Deutung der 4. Ekloge Vergils durch Kaiser Konstantin, in: R. Chevallier (éd.), Présence de Virgile, Paris 1978, 147174, moniert Oberächlichkeit in Auslegung und Übersetzung, anders mit Recht Wlosok (Beispiele 444455) und L. Coronati, Osservazioni sulla traduzione greca della IV Ecloga di Virgilio, CCC 5 (1984) 7184; nichts Neues bringt G. Bernardi Perini, Virgilio, il Cristo, la Sibilla. Sulla lettura messianica della quarta egloga, AAPat 112 (1999/2000) 115124, der 119 für die Vergilbenutzung folgenlos und unbegründet das gesamte siebte Buch der Diuinae institutiones als gleichzeitig mit der Kaiseranrede 26,117 (dazu unten) datiert; zur umfangreichen älteren Literatur Courcelle Exégèses 296 Anm. 1; W. Suerbaum, Hundert Jahre VergilForschung, ANRW II 31,1 (1980) 2358, hier 312315.  Den Unterschied zwischen der Vergilbenutzung bei Konstantin und bei Laktanz (dazu auch De Decker 88) bringt Monat (Bible I 60f.) auf den Punkt (61): Vergil erscheine bei Konstantin als prophète messianique, bei Laktanz nur als témoin complémentaire d'une annonce eschatologique. 38 Dass durch die vorliegende Laktanzstelle die Aufmerksamkeit Konstantins auf die vierte Ekloge gelenkt wurde, vermuten etwa Kurfess Sibylle 12; Konstantin 42f.; W. Schmid, Bukolik`, RAC 2 (1954) 786800, hier 791f.; nach Wlosok (Beispiele 454f.) regt Laktanz die kryptochristliche Deutung bei Konstantin an. Ein Einuss des Laktanz auf die Inhalte der Rede gilt als sicher, so etwa De Decker 7981; C.M. Odahl, God and Constantine: Divine sanction for imperial rule in the rst Christian emperor's early letters and art, CHR 81 (1995) 327352; H.R. Seeliger, LACL (20023 ) 440. Monat (Bible I 59; 61) sieht einen Widerspruch darin, dass die vierte Ekloge zwar auf Anregung des Laktanz in der Oratio ad sanctorum coetum aufgenommen, epit. 68,3 aber weggelassen sei, und sieht darin ein Indiz für die Unechtheit der Epitome. Das Einsparen von Zitaten gehört aber zum Prinzip der Epitomierung bei Laktanz, dazu epit. praef. 3; Heck/Schickler 3133 (mit weiterer Literatur); grundsätzlich gegen Monats These, dass die Epitome Laktanz abzusprechen sei, M. Perrin, L'authenticité lactancienne de l'Épitomé des Institutions divines. À propos d'un livre récent, REAug 32 (1986) 2240. 39 Dazu insbesondere J. Doignon, Nous bons hommes de foi: Cyprien, Lactance, Victorin, Optat, Hilaire (Augustin, De doctrina christiana IV,40,61), Latomus 22 (1963) 795805.

24,12

563

molli: Hier wie öfter bei Vergil Attribut von Teilen reifender Panzen (ecl. 2,50.72; 3,45; ThLL VIII 1371,28), ohne besonderen inhaltlichen Akzent (so Clausen 136).

24,12 poeta: Siehe oben zu 1,14 poeta. secundum Cymaeae Sibyllae carmina: Laktanz versteht Verg. ecl.

4,4f. (ultima Cumaei uenit iam carminis aetas / magnus ab integro saeclorum nascitur ordo.) so, dass sich Vergil auf ein Orakel der Sibylle von Cumae beziehe, vgl. F. Dornseiff, Die sibyllinischen Orakel in der augusteischen Dichtung, in: J. Irmscher/K. Kumaniecki (Hrsg.), Römische Literatur der augusteischen Zeit, Berlin 1960, 4351; Wlosok Cumaeum Carmen ; R.G.M. Nisbet, Virgil's Fourth Eclogue: Easterners and Westerners, BICS 25 (1978) 5978. Hier liegt also ein konkreter Fall für die 22,19 allgemein erläuterte Überlieferung von Einzelwahrheiten in der Dichtung vor. Ebenso wird ira 23,6 ein Ovidzitat eingeführt, das auf mehrere Sibyllenzitate folgt (vgl. Ingremeau Colère 365).

prolocutus est: Anders als 5,4; 4,26,8 ( aussprechen`) hier für die Vorhersage von Zukünftigem (ThLL IX,2 1836,21f.). šdà . . . koim sontai : or. Sib. 3,788791.794. Die Laktanz vorliegen-

de Version der Sibyllinen weicht zum Teil von der direkten Überlieferung ab: In Vers 788 bietet sie ân dè statt šdè und Šmmic (F) bzw. ‰ma (Y) statt Šmmig+ (poetische Form zum Adverb ‚nˆmiga vermischt`, vgl. LSJ s.v.; auch or. Sib. 3,146), in Vers 789 hat die Handschriftengruppe Y boskhj sontai (zum Versus spondiacus in den or. Sib. siehe oben zu 19,9 êrga . . . ); Vers 790 lautet: Šrktoi sÌn mìsqoic nomˆdec (nomˆdion Y) aÎlisj sontai. In Vers 791 ist Šquron fˆget+ ân fˆtnù (âpÈ fˆtnhc Y) überliefert; das bei Laktanz gebotene lange -ai im Hiat stellt keinen Anstoÿ dar (vgl. Nieto Ibáñez 9093), kann also auf die Laktanz vorliegende Version zurückgehen. In Vers 794 haben Handschriften der Sibyllenorakel kaÈ brefèessi (F) bzw. brefèessÐ te (Y) statt sÌn brèfesÐn te und ‰ma sfÐsi statt ‰m+ Šspisi, das Stadtmüller (bei Brandt, vgl. dort I p. XCVI) sicher richtig (vgl. Jes 11,8 LXX) aus dem in den Laktanzhandschriften Überlieferten rekonstruiert hat.  Die bei Laktanz nicht zitierten Verse 792f. lauten (nach Jes 10,6f.): ±c boÜc; kaÈ paØdec mˆla n pioi ân desmoØsin / Šxousin (éxousin F); p ron g€r âpÈ qjonÈ j¨ra poi sei. Wahrscheinlich lässt er den mühelosen Umgang mit dem Tier weg, da das darin angesprochene landwirtschaftliche Arbeiten das erhabene Szenario des eschatologischen Tierfriedens in den Sibyllenorakeln (nach Jes 11,69, siehe oben zu 24,8) beeinträchtigen würde; die Fruchtbarkeit der Natur, die menschliche Arbeit unnötig macht, wird im folgenden Zitat geschildert. Auch die im Zusammenhang redundante Aussage, dass Gott die Tiere harmlos macht, stört die Folge eindrücklicher Bilder.

564

Kommentar

24,13

ubertate rerum: Ciceronische (leg. 1,25; div. 2,30; vgl. leg. agr. 1,18) Junktur für eine von der Natur zum Nutzen des Menschen hervorgebrachte Fülle.

kaÈ . . . pˆntwn: or. Sib. 3,619623. Vers 618 zitiert Laktanz 19,9. In der

direkten Sibyllenüberlieferung endet Vers 620 Šspeta poÐmnia m lwn. Das statt dessen bei Laktanz zu ndende jrèmmata gaÐhc meint wohl Schafe oder Ziegen (vgl. LSJ s.v. jrèmma 1, Bauer/Aland s.v.) als Milchlieferanten, die aber ohne landwirtschaftliche Haltung in der Natur vorkommen (gaÐhc). Zum von selbst entstehenden Wein, Honig, Milch und Getreide siehe oben zu 24,7 uberrimas . . . und rupes . . . .

qˆrmhn: Die epische Kampfeslust` (oder auch Kampf`, vgl. LSJ s.v. qˆrmh (A); nur hier in den Sibyllinen) stört hier, ist aber auch im Zusammenhang der Vorlage nicht gut verständlich: Die kriegerischen Auseinandersetzungen sind dort bereits beendet, in den drei vorhergehenden Versen (or. Sib. 3,616618) wird die allgemeine Verehrung Gottes geschildert (vgl. Buitenwerf 267). Vielleicht steht aber auch qˆrmh (metri causa?) für qˆrma

Freude` (LSJ s.v. II; auch or. Sib. 3,583.770; 8,468). Laktanz jedenfalls muss, möglicherweise ohne sich der lexikalischen Schwierigkeit bewusst zu sein, ein auch für den Leser eindeutiges Freude` (sein Beleg für die Freude des Kosmos 24,7?) verstehen, sonst hätte er den syntaktisch selbständigen Vers wohl weggelassen. 24,14 eÎsebèwn . . . dikaÐoic : or. Sib. 5,281283. Theosoph. Sib. 15,406 408 werden die Verse oensichtlich nach Laktanz zitiert, die direkte Sibyllenüberlieferung weicht in einigen Punkten ab: Vers 281 lautet dort