Kybernetik und Transformation: Regelung und Kommunikation in Organisation und Gesellschaft. Wissenschaftliche Jahrestagung der Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialkybernetik am 13. und 14. Oktober 2015 in Vallendar am Rhein [1 ed.] 9783428551934, 9783428151936

Der Sammelband umfasst die Beiträge zur Jahrestagung der Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialkybernetik e.V. vom Okt

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Kybernetik und Transformation: Regelung und Kommunikation in Organisation und Gesellschaft. Wissenschaftliche Jahrestagung der Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialkybernetik am 13. und 14. Oktober 2015 in Vallendar am Rhein [1 ed.]
 9783428551934, 9783428151936

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Wirtschaftskybernetik und Systemanalyse Band 31

Kybernetik und Transformation Regelung und Kommunikation in Organisation und Gesellschaft Wissenschaftliche Jahrestagung der Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialkybernetik vom 13. bis 14. Oktober 2015 in Vallendar am Rhein

Herausgegeben von

Sven-Volker Rehm und Thomas Fischer

Duncker & Humblot · Berlin

Sven-Volker Rehm / Thomas Fischer (Hrsg.)

Kybernetik und Transformation

Wirtschaftskybernetik und Systemanalyse Herausgegeben von Prof. Dr. Thomas Fischer †, Denkendorf Prof. Dr. Meike Tilebein, Stuttgart

Band 31

Kybernetik und Transformation Regelung und Kommunikation in Organisation und Gesellschaft Wissenschaftliche Jahrestagung der Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialkybernetik vom 13. bis 14. Oktober 2015 in Vallendar am Rhein

Herausgegeben von

Sven-Volker Rehm und Thomas Fischer

Duncker & Humblot · Berlin

Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialkybernetik e. V. Sekretariat: Deutsche Institute für Textil- und Faserforschung Denkendorf Zentrum für Management Research Körschtalstr. 26, D-73770 Denkendorf Tel. + 49 711 93 40 238 / Fax + 49 711 93 40 415

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 2017 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0947-2452 ISBN 978-3-428-15193-6 (Print) ISBN 978-3-428-55193-4 (E-Book) ISBN 978-3-428-85193-5 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Dieser Tagungsband „Kybernetik und Transformation“ umfasst die Beiträge der wissenschaftlichen Jahrestagung 2015 der Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialkybernetik e. V. (GWS). Die Tagung fand am 13. und 14. Oktober 2015 an der WHU – Otto Beisheim School of Management in Vallendar am Rhein statt und wurde vom dortigen Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik und Informationsmanagement unter der Leitung von Prof. Dr. Thomas Fischer und Jun.-Prof. Dr.-Ing. Sven-V. Rehm ausgerichtet. Traditionell gedacht als eine Plattform für den interdisziplinären Austausch über wirtschafts- und sozialkybernetische Fragestellungen stand die Tagung in diesem Jahr unter dem Leitthema: Kybernetik – oder Regelung und Kommunikation in Organisation und Gesellschaft. Norbert Wiener würde über diese aktualisierte Abwandlung des Titels seines grundlegenden Werkes Cybernetics or Control and Communication in the Animal and the Machine aus dem Jahre 1948 wohl schmunzeln. Auch er würde heute gewiss die Erforschung und Analyse der Bedeutung und Funktionsweise kybernetischer Prinzipien und Modelle nicht (mehr) auf Lebewesen und Maschine beschränken. Vielmehr gilt es herauszufinden, wie Prinzipien der „Regelung und Steuerung“ sowie Methoden und Instrumente der Kommunikation in heutiger Zeit mit heutigen Technologien unser Leben und unsere Arbeit beeinflussen. Insbesondere die derzeit diskutierte sogenannte Digitale Transformation bietet Anlass dazu, Fragen zur Gestaltung einer Umwelt zu stellen, in welcher neue Technologien kontinuierlich neue Realitäten in Bezug auf unser soziales und wirtschaftliches Leben und Handeln schaffen. Liefert die Kybernetik Erkenntnisse und Hinweise dazu, wie die heutigen Formen und Technologien der Kommunikation die Intentionen der Organisationen – der markt- und gewinnorientierten Unternehmen ebenso wie der gesellschaft­ lichen Gruppierungen  – beeinflussen und ob und wie dies zu einer Verbesserung der Lebensumstände beitragen könnte? Gibt es Ansätze und Beiträge der Kybernetik, die soziale Dimension von Wissen zu bereichern bzw. eine ökonomisch-soziale Nutzung von Information zu gestalten und zu fördern? Diese und weitere Fragen wurden auf der Jahrestagung diskutiert. Die Wirtschafts- und Sozialkybernetik sieht sich dabei vor der Aufgabe, (neue) Realitäten mit ihren vielfältig verschachtelten und interagierenden Systemen in ihrer ganzen Diversität systematisch zu beschreiben und zu

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Vorwort

modellieren. Es geht vor allem darum, relevante Ansätze und hilfreiche Instrumente bereitzustellen, die es der Praxis erlauben, systematisch wesentliche und zielführende Gestaltungsoptionen zu entdecken und umzusetzen – auch wenn diese gegebenenfalls der herrschenden Meinung und Intuition zuwiderlaufen. Es stellen sich auch neue Fragen nach der Zielsetzung und dem Selbstverständnis von Organisationen. In einem Open Space der Tagung, einer Fortführung des erstmals 2013 auf der Jahrestagung in Bern veranstalteten World Cafés, wurden Stimmen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer dazu gesammelt, welcher Themen sich die Wirtschafts- und Sozialkybernetik annehmen sollte, um einen Dialog zwischen Wissenschaft und Praxis auf­ leben lassen zu können. Dabei traten zwei Dinge zutage: Erstens bedarf es auf beiden Seiten verstärkt der Aufnahme interdisziplinärer Fragestellungen, insbesondere um die Fragen nach Zusammenhängen, Auswirkungen, zukünftigen Entwicklungen und möglichen Anpassungsprozessen zu diskutieren. Als Beispiele hierfür wurden genannt: das Verstehen radikaler Umbrüche in Politik und Gesellschaft; der Umgang mit der zunehmenden Abhängigkeit von Technologie; die Entwicklung von Normen, Rollen und Kon­ trollstrukturen für Unternehmen und politische Institutionen; die Nutzung trans-disziplinärer Ansätze, Wirkungsorientierung und Einbindung des Bürgers bei sozialen und politischen Maßnahmen; der Entwurf einer Idee von Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit in den Kontexten Gesundheit, Diversität oder Ressourcenknappheit; und andere mehr. Zweitens wurde deutlich, dass auch in Zeiten Internet-gestützter sozialer Netzwerke der persönliche Dialog unentbehrlich ist, um Erkenntnisse über den Nutzen kybernetischer Denkund Handlungsweisen zu vermitteln, sei es an Entscheidungsträger der Wirtschaft und der Politik oder Wissenschaftler anderer Disziplinen. Kybernetikerinnen und Kybernetiker sind heute mehr denn je als Brückenbauer gefordert. Zusammen geben diese auf der Tagung diskutierten Aspekte das Bild von sich abzeichnenden Transformationen in Wirtschaft und Gesellschaft. Die dortigen Organisationen werden sich verstärkt als Teil ihrer Umwelt  – ja sogar vieler und vielfältiger Umwelten  – verstehen und neu begreifen müssen, um lebensfähig zu bleiben und weiterhin sinnvolle gesellschaftliche Beiträge leisten zu können. Auch die Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialkybernetik wird sich in diesem Lichte neu positionieren müssen. Die Beiträge dieses Tagungsbandes greifen verschiedene Aspekte dieses Leitthemas auf und unterstreichen das breite Spektrum kybernetischer Ansätze zur Bearbeitung aktueller Herausforderungen. Allen Autoren und Referenten sei an dieser Stelle ausdrücklich gedankt für ihr Engagement und die interessanten Diskussionen im Anschluss an die Vorträge. Drei Keynotes



Vorwort

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gaben Impulse für die Tagung: Iris Junglas, Professorin am College of Business der Florida State University, präsentierte Studien zu den Auswirkungen aktueller Informationstechnologien. Kristina Lahl, Forschungsgruppenleiterin der Wirtschafts- und Sozialkybernetik am Institutscluster IMA / ZLW & IfU der RWTH Aachen betrachtete Aspekte der Ritualisierung und Selbstvergewisserung des Menschen im digitalisierten Zeitalter. Und Christian Scholz, Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Organisation, Personal- und Informationsmanagement an der Universität des Saarlandes berichtete aus einem Projekt zur University Governance vom Nutzen der Organisationskybernetik. Dank gilt denjenigen, die zum Gelingen der Tagung beigetragen haben. Zunächst Frau Benita Otte für die Tagungsorganisation im Vorfeld und auf dem Campus sowie bei der Vorbereitung dieses Tagungsbandes. Besonderer Dank gilt den Mitgliedern des Programmkomitees aus Wissenschaft und Praxis für die Unterstützung der Sichtbarkeit der Tagung sowie für die Sichtung der eingereichten Abstracts. Mitglieder im Bereich Wissenschaft waren: Prof. Dr. Stefan Grösser, Berner Fachhochschule; Prof. Dr. Andreas Größler, Radboud University, Nijmegen School of Management; Prof. Iris Junglas, PhD, Florida State University College of Business; Prof. Dr. Peter Milling, Universität Mannheim; Prof. Dr. Bernd Schiemenz, Philipps-Universität Marburg; Prof. Dr. Markus Schwaninger, Universität St. Gallen; Prof. Dr. Meike Tilebein, Universität Stuttgart; Prof. Dr. Falko E.P. Wilms, FH Vorarlberg. Mitglieder im Bereich Praxis: Dr. Edin Arnautovic, Robert Bosch AG; Dr. Werner Boysen, Dr. Boysen Management + Consulting GmbH; Dr. Thomas V. Fischer, Zentrum für Management Research der DITF Denkendorf; Dr. Susanne Krichel, Festo AG & Co. KG; Dr. Armin Lau, Schaeffler Technologies AG & Co. KG; Dr. Christoph von Mühlendahl, MAHLE Behr GmbH & Co. KG; Dr. Tobias Winkler, Linde AG. Nur wenige Monate nach der Tagung verstarb Prof. Dr. Thomas Fischer nach schwerer Krankheit im Mai 2016. Zu seinem Gedenken ist auf den nächsten Seiten ein stiller Gruß des Vorstands der Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialkybernetik e. V. an die Mitglieder abgedruckt. Sein langjähriges Wirken und seine vielfältigen Beiträge haben die Wirtschafts- und Sozialkybernetik nachhaltig geprägt. Stuttgart, im Juli 2016

Sven-V. Rehm

Prof. Dr. Thomas Fischer * 06.06.1946 – † 08.05.2016

Stiller Gruß Sehr geehrte Mitglieder und Freunde der Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialkybernetik e. V., am Sonntag, dem 8.  Mai 2016 ist Prof. Dr. Thomas Fischer in Stuttgart verstorben. Er hat lange in bewundernswerter Art und Weise gegen seine Krankheit gekämpft. Wir durften ihn als profunden und weisen Gesprächspartner, als ausnehmend liebenswerten Menschen und als offenen und starken Kollegen erleben. Thomas Fischer war über 16 Jahre Vorstandsvorsitzender der GWS e. V. Die Ansätze der Systemtheorie und Kybernetik waren stets Grundlage für seine Überlegungen und Forschungsarbeiten und er hat sie in seinen Projekten in der unternehmerischen Praxis lebendig werden lassen. Von 1984 bis 2011 leitete er als dessen Gründer das Zentrum für Management Research der Deutschen Institute für Textil- und Faserforschung (DITF) in Denkendorf bei Stuttgart. Über 20 Jahre hatte er außerdem den Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik und Informationsmanagement an der WHU – Otto Beisheim School of Management inne. Gleichzeitig war er bis zum Sommer 2011 für das Fach Wirtschaftskybernetik in Forschung und Lehre in der Fakultät Konstruktions-, Produktions- und Fahrzeugtechnik der Universität Stuttgart verantwortlich. In seiner über 35-jährigen Hochschularbeit führte er weit mehr als 30 Wissenschaftler zur Promotion und betreute unzählige Diplom-, Studien-, Master- und Bachelorarbeiten. Die enge, auch persönliche Bindung zu seinen Dok­toranden / -innen und Mitarbeiter / -innen zeigte sich jedes Jahr auf seinem Kesseldorffest, zu dem stets viele Ehemalige mit der ganzen Familie ins ­Elsass kamen. Er war Forscher mit Leib und Seele. Persönliche Kontakte zu Partnern in ganz Europa waren ihm immer besonders wichtig. Sein Tod erfüllt uns mit tiefer Trauer und unsere Anteilnahme gilt insbesondere seiner Familie und allen ihm nahestehenden Personen. Mit stillem Gruß Der Vorstand der GWS e. V. im Mai 2016

Meike Tilebein, Andreas Größler, Sven-V. Rehm

Inhaltsverzeichnis I. Keynotes Kybernetik und Digitale Transformation Von Sven-Volker Rehm und Iris Junglas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Der Mensch und die künstliche Intelligenz. Ritualisierung und soziales Selbstverständnis in der ‚Industrie 4.0‘ Von Kristina Lahl, René Vossen und Sabina Jeschke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 University Governance: Ein Plädoyer für System Dynamics und den universitären Korporatismus Von Christian Scholz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 II. Kybernetik in der Praxis Systemdynamische Modelle bei der Deutschen Telekom AG – ein Beispiel für die Etablierung innovativer Prognoseansätze in einem Großkonzern Von Thorsten Theisinger und Fabio Squillante . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 Einfluss von Gruppeneffekten auf die Bewertung schwer erfassbarer Größen am Beispiel der nutzenorientierten Wirtschaftlichkeitsschätzung Von Stephan Printz, Lana Plumanns, Kristina Lahl, René Vossen und Sabina Jeschke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 III. Kybernetische Konzepte und Organisation Modellierung dynamischer Aspekte von Team-Diversität  – Ein Methodenvergleich Von Anja Kreidler und Meike Tilebein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 Ansätze zur Bewertung organisationaler Resilienz Von Simeon Vogt und Meike Tilebein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 Business Excellence Von Louis Klein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131

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Inhaltsverzeichnis IV. Didaktik

Dynamiken im Triple P-Konzept – ein Simulationsmodell für die universitäre Ausbildung in nachhaltigem Management Von Andreas Größler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 V. System Dynamics und Märkte Not Seeing is Believing  – How Established Premium Automotive Manufacturers Could have Better Identified Competitive Blind Spots Regarding Tesla’s Rise with Qualitative System Dynamics By Florian Kapmeier and Philipp Pölz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 VI. Kybernetik in sozialen Systemen Neigen leistungsorientierte Menschen bei negativem Feedback zu einer stärkeren Selbsterhöhung? Eine empirische Studie zur Lern- und Leistungszielorientierung Von Lana Plumanns, Kristina Lahl, René Vossen und Sabina Jeschke . . . . . 195 Die Systemtheorie im St. Galler Management-Modell Von Falko Wilms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 Autorenverzeichnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223

I. Keynotes

Kybernetik und Digitale Transformation Von Sven-Volker Rehm und Iris Junglas

I. Einleitung1 Die Erforschung kybernetischer Prinzipien und der Funktionsweise kybernetischer Modelle ist schon seit langem nicht mehr – wie in den Anfängen der Kybernetik als Forschungsrichtung und -perspektive – auf Lebewesen und Maschinen beschränkt. Entlang verschiedener Entwicklungsrichtungen wie etwa Wirtschafts-, Organisations-, Management- und Sozialkybernetik wird untersucht, wie Prinzipien der „Regelung und Steuerung“ im weitesten Sinne sowie Methoden, Instrumente und Technologien der Kommunikation unser Leben und unsere Arbeit beeinflussen. Dazu nutzen die einzelnen Forschungsrichtungen und -paradigmen jeweils eigene Sichtweisen auf die durch proprialisierte Systemdefinitionen beschriebenen Systeme. Unbeschadet von signifikanten und teils bahnbrechenden Neu- und Weiterentwicklungen von Informations- und Kommunikationstechnologien konnten innerhalb dieser Forschungsbereiche bzw. deren Sprach- und Literaturdomänen relativ stabile Systemdefinitionen und Perspektiven herausgearbeitet werden, deren Bearbeitung heute erfolgreich in dem Sinne fortgeführt wird, dass entsprechende Domänen- bzw. disziplinär relevante Wissensbeiträge in diesen Literaturbereichen generiert werden. In der jüngeren Vergangenheit, etwa seit den 2010er-Jahren, konnten wir das Aufkommen eines gesellschaftlichen Diskurses zu den Möglichkeiten, den Gefahren und der Rolle neuer Technologien in Leben und Arbeit mitverfolgen.2 Begriffe wie das Internet der Dinge, Industrie 4.0, Smart Cities, Autonomes Fahren usw. haben breites Interesse geweckt und versprechen 1  Dieser Beitrag präsentiert Gedanken zu den Auswirkungen aktueller und zukünftiger Informations- und Kommunikationstechnologien auf Organisationen und das Organisieren im Hinblick auf neue kybernetische Methoden und Gestaltungsansätze. Er entstand im Nachgang zur Jahrestagung der Gesellschaft für Wirtschaftsund Sozialkybernetik e. V. am 13. und 14. Oktober 2015 in Vallendar am Rhein und umfasst eine Diskussion der Leitfragen der Tagung aus Sicht der Tagungsorganisatoren sowie Hinweise aus dem Eröffnungsvortrag von Iris Junglas. 2  Die technischen Grundlagen der im weiteren genannten Begriffe sind zu einem signifikanten Teil bereits seit den 1990er-Jahren fester Bestandteil wissenschaftlicher und industrieller Forschung.

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Sven-Volker Rehm und Iris Junglas

nach derzeitig vor allem positiver Rezeption3 ökonomisch, ökologisch und auch gesellschaftlich gewinnbringende und teils erstaunliche Veränderungen. Einen wesentlichen Anteil an den bereits beobachtbaren sowie antizipierten Veränderungen, aber auch an der Rezeption des gesellschaftlichen Diskurses, haben Informations- und Kommunikationstechnologien (IuKTechnologien) und die von ihnen ermöglichten Anwendungen. Sie bieten die technischen Grundlagen zur Digitalisierung von Informationsdienstleistungen, zur Automatisierung maschineller Kommunikation sowie zur Eingliederung von Mensch-Maschine-Kommunikation in alltägliche Umgebungen, v. a. in Form der Einbettung4 in uns umgebende Dinge. Die hierdurch neu geschaffenen Möglichkeiten befeuern derzeit vor allem die Entwicklung neuer Anwendungen für die Wirtschaft sowie auch für die Gesellschaft5. Organisationen überprüfen ihre Wertschöpfungsprozesse in diesem Zuge auf Potenziale zur Digitalisierung, Effizienzsteigerung, Automatisierung, Vernetzung und insbesondere zur Anpassung und Neuentwicklung von (digitalen6) Geschäftsmodellen.7 Gleichzeitig wird gesehen, dass die Nutzung neuer Technologien neue Formen der zwischenmenschlichen Kommunikation mit sich bringt und signifikanten Einfluss auf den sozialen Bereich der Arbeit nehmen kann, was wiederum Fragen im Hinblick auf das Organisieren von Arbeit aufwirft.8 In der Forschung werden entsprechende Strukturveränderungen diskutiert, u. a. in Bezug auf die Lebensgestaltung des Einzelnen, die Organisationsformen der Wertschöpfung, industrielle Strukturen, das Auftreten neuer Wirtschaftssysteme (bspw. Sharing Economy), die Wirtschaftspolitik sowie globale volkswirtschaftliche Konsequenzen.9 Insgesamt werden diese Entwicklungen derzeit mit dem Schlagwort der Digitalen Transformation belegt.10 Dieses geht mithin über die Sichtweise 3  (Einmal abgesehen von der breiten Diskussion zu Ängsten in Bezug auf die Sicherung des Rechts zur informationellen Selbstbestimmung und den aus neuartigen Möglichkeiten zur Informationsverwendung und -auswertung u. U. entstehenden persönlichen und ggf. gesellschaftlichen Nachteilen). 4  D. h. Sensor- und Aktor-gesteuerte Interaktion mit menschlichen und maschinellen Nutzern. Vgl. hierzu auch die Literatur zu sog. Cyber-Physical Systems, etwa Lee / Bagheri / Kao (2015) oder Lasi et  al. (2014). 5  Bspw. im Rahmen von Social Innovation, vgl. etwa Mulgan et  al. (2007) oder Pol / Ville (2009). 6  Z. B. Matt / Hess / Benlian (2015) und Bharadwaj et al. (2013) sowie die weiteren Beiträge in diesem Special Issue der Zeitschrift MISQ. 7  Becker / Knop (2015). 8  Z. B. Botthof / Hartmann (2015); Kane (2015). 9  Z. B. Bounfour (2016); Brühl (2015). 10  Z. B. Majchrzak / Markus / Wareham (2016) sowie die weiteren Beiträge in diesem Special Issue der Zeitschrift MISQ.



Kybernetik und Digitale Transformation

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einer rein Technologie-induzierten Veränderung im Sinne von Digitalisierung bzw. der „Digitalen Revolution“ hinaus. Versteht man Transformation als Veränderung einer grundlegenden Eigenschaft einer Sache, zum Beispiel der Form eines Gegenstandes, umfasst dieses Schlagwort nicht nur Veränderungen auf technischer Ebene, sondern auch strukturverändernde Effekte auf organisatorischer, gesellschaftlicher und ökologischer Ebene sowie auch im zwischenmenschlichen Bereich und dem Bereich unseres individuellen Empfindens. Bei dem Wort Transformation schwingt dabei mit, dass man sich wohl auf andersartige Formen und ein andersartiges Verständnis charakteristischer Eigenschaften von Organisationen und des Organisierens etwa in Bezug auf menschliche Nähe, Freiheit, Freizeit, Führung, Erfolg, Teilnahme und Partizipation, Konsum (von Produkten sowie Informationsund anderen Dienstleistungen), Transparenz, oder auch auf das Zeitwahrnehmen – und mithin auch auf wiederkehrende Veränderungen dieser – einstellen muss. Da diese Transformationen auch relativ stabile bzw. langfristige Strukturen wie etwa große Organisationen oder Verträge betreffen, muss man gleichzeitig von einer anwachsenden und anhaltenden Pluralität und Parallelität von unterschiedlichen Formen, Verständnissen und Veränderungen ausgehen. Wie wir bspw. im Bereich der Sozialen Medien in den vergangenen Jahren erlebt haben, entstehen Wechselwirkungen zwischen neuen Technologien bzw. Anwendungen, ihrer sozialen Rezeption (Adoption) und den daraus resultierenden Effekten für die Kommunikation (bspw. die Kommunikation in Gruppen). Es liegt daher nahe, nicht von „der“ digitalen Transformation zu sprechen, sondern von Transformationen (im Plural), die ggf. Technologie-induziert sind, jedoch mithin unvorhergesehene Effekte auf andere „Systemelemente“ wie etwa auf die Bereitschaft zur Nutzung von Geräten, die Veränderung von Kommunikationsmustern und -kanälen, die Koordination zwischen Mitarbeitern, usw. haben. Dieses Verständnis von „Digitaler Transformation“ hat nach Meinung der Autoren dieses Beitrages einige interessante Implikationen für die kybernetische Auseinandersetzung mit den mit diesem Thema zusammenhängenden Beobachtungen, Fragen und Aufgaben. Im Zentrum unseres Interesses steht daher die Frage, wie Organisationen, die sich mithilfe einer Pluralität und Parallelität von Ausprägungen ihrer charakteristischer Eigenschaften und Strukturen organisieren, auf zukünftige Arten von Veränderungen einstellen können, insbesondere im Hinblick auf ihre Beobachtbarkeit, Lenkbarkeit bzw. Steuerbarkeit. Ein zentraler Bestandteil wirtschafts- und sozialkybernetischer Beiträge ist im allgemeinen die Bildung von Erklärungsmodellen auf Basis der Untersuchung der wesentlichen Eigenschaften, der Struktur und des Verhaltens von dynamischen soziotechnischen Systemen. Ein weiterer Bestandteil sind Diagnose- und Gestaltungsmodelle, die es Akteuren in Organisationen er-

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lauben, die relative Position (Positionierung) von Systemelementen wie bspw. Aufgaben, Personen oder Situationen in Bezug auf tatsächliche zeitlich-sachliche Zielsetzungen zu interpretieren und geeignete Handlungen abzuleiten11. Grundlage für die Entwicklung dieser Modelle sind jedoch (a) die Formulierung einer geeigneten12 Systemdefinition, (b) die Festlegung der Systemgrenzen, (c)  das Erkennen der Systemstruktur, d. h. Systemelemente und ggf. Teilsysteme sowie deren Beziehungen, (d) das Erkennen der (möglichen) Beziehungen zur Umwelt bzw. der Einflüsse auf das System von extern, (e)  die Prüfung der Beobachtbarkeit des Systems und der zu seiner Diagnose wesentlichen Größen sowie im Hinblick auf die Gestaltung ggf. (f) die Möglichkeit zur nachhaltigen Beeinflussung von Systemelementen und deren Beziehungen sowie von Struktur-relevanten internen und externen Größen bzw. Parametern. Hierbei ist anzumerken, dass es kybernetische Ansätze insbesondere unter Ungewissheit, bspw. Nicht-Beobachtbarkeit oder Nicht-Messbarkeit bestimmter Größen aufgrund des Erkennens der Systemdynamik erlauben, Handlungs- oder Gestaltungsempfehlungen zu entwickeln. Dies bezieht in der Kybernetik 2. Ordnung auch das rekursive Prinzip der Beobachtung der Beobachtung mit ein. Die Autoren gehen davon aus, dass durch die mit der „Digitalen Transformation“ zusammenhängenden Veränderungen in Bezug auf Organisationen neue Modellierungsansätze erforderlich sein werden. Hierzu soll im weiteren Verlauf des Beitrages zunächst anhand von Beispielen aufgezeigt werden, welche Arten von Veränderungen auftreten können. Anschließend wird der Versuch unternommen, die Modellierbarkeit und Gestaltbarkeit sich „digital transformierender“ Systeme zu diskutieren.

II. Beispiele für durch IuK-Technologien verursachte Veränderungen 1. Verschwinden von IuK-Systemen: IT-Katastrophen-Management nach dem Hurrikan Katrina 2005 Hurrikan Katrina suchte Ende August 2005 die südöstlichen Teile der USA, insbesondere die dortige Golfküste heim. Mehr als 1.500 Menschen kamen durch den Sturm und seine Folgen ums Leben. Die Sachschäden beliefen sich auf über 108 Milliarden USD. Im Gebiet von New Orleans 11  Hierbei ist es sowohl denkbar, dass Systeme zielgerecht gelenkt werden als auch, dass sich Systeme selbst entsprechend lenken. 12  D. h. den Zielen und Zwecken des betrachteten teleologischen Systems angemessenen Definition.



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führten zwei Brüche im Deichsystem dazu, dass bis zu 80 Prozent des Stadtgebietes mehrere Meter unter Wasser standen. Die Schäden hatten sowohl negative Auswirkungen auf die Umwelt als auch wirtschaftliche und soziale Konsequenzen: Durch die Rationierung von Treibstoff wegen ausgefallenen Raffineriekapazitäten in der Region stiegen die Treibstoffpreise weltweit stark an. Fehlende Straßen- und andere Infrastruktur führte zu Versorgungsmangel und in der Folge zu Gewalt wie u. a. Plünderungen, Diebstählen und Morden. Auch gab es langfristige Auswirkungen auf die Sozialstruktur in New Orleans beispielweise aufgrund unbewohnbar gewordener Häuser, da Investitionen in Neubebauung und Renovierung nicht getätigt und Versicherungsleistungen oft nur unzureichend geleistet wurden. Mehrere hunderttausend Menschen verließen die Stadt und kehrten auch nach Jahresfrist nicht zurück. Ein wesentlicher Bestandteil der zerstörten Infrastruktur waren die IuKSysteme öffentlicher Einrichtungen sowie von privaten Kommunikationsdienstleistern, Firmen und privaten Haushalten. Die Firma Northrop Grumman liefert ein Beispiel dafür, wie eine Organisation mit dem Verschwinden der kompletten IuK-Infrastruktur umgegangen ist.13 Northrop Grumman, ein Zulieferer für militärische Güter wie etwa Kampfflugzeuge, Drohnen, Flugzeugträger und U-Boote, unterhielt zur Zeit von Hurrikan Katrina eine Werft in Pascagoula, ungefähr 50 Meilen von New Orleans entfernt. Mit dem Einbruch von orkanartigen Winden und sintflutartigen Regenfällen wurde die Werft komplett zerstört. Alles, was nicht aus Stein gebaut war, wurde entweder weggeblasen oder weggeschwemmt. Nur ein U-Boot, das nahe der Fertigstellung war und in der Werft vor Anker lag, überlebte die Katastrophe nahezu unbeschädigt. Die IuK-Systeme, die in einem Steingebäude untergebracht waren, funktionierten noch für ungefähr drei Tage, da sie mit Stromaggregaten ausgestattet waren. Durch das zunehmende Eindringen von Salzwasser in das Gebäude jedoch wurden auch diese Systeme schließlich lahmgelegt. Daten-Backups wurden täglich zu verschiedenen Örtlichkeiten verschickt. Eine dieser Örtlichkeiten lag im Jahr 2006 100 Meilen weit entfernt im Osten und damit auch im Einflussbereich des Hurrikans. Es war daher nicht überraschend, dass in den Nachwehen von Katrina entschieden wurde, den Wiederaufbau der IuK-Systeme ins Landesinnere nach Dallas zu verlagern. Dallas ist auch heute noch der zentrale Sitz von Northrop Grumman’s ITAbteilung. Wie wurde nach der Katastrophe reagiert? Northop Grumman nahm telefonisch Kontakt zu seinen IT-Zulieferern auf und bestellte die gleichen IT13  Junglas / Ives

(2007); Ives / Junglas (2006).

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Systeme noch einmal, die sie in den vergangenen zwei Jahren bestellt hatten. Die historischen Daten der IT-Lieferanten wurden also dazu genutzt, die Infrastruktur wiederherzustellen. Innerhalb von 10 Tagen war die Firma wieder online und konnte den Arbeitsbetrieb wiederaufnehmen. Als einer der größten Arbeitgeber der Region hatte dies Symbolcharakter dahingehend, dass die Mitarbeiter wieder an ihre Arbeitsplätze zurückkehren konnten, Gehälter auf Scheck-Basis ausbezahlt wurden und somit ein Schritt in Richtung ‚Normalität‘ aufgezeigt werden konnte. Diese und ähnlich gelagerte Fallbeispiele in der Folge katastrophaler Einschnitte in Systeme und Infrastrukturen offenbaren eine Reihe von offenen Fragen für deren Gestaltung und Management. (1)  Es muss davon ausgegangen werden, dass auch die Einhaltung üblicher Vorkehrungen im Rahmen eines Katastrophen- und Risikomanagements (die oftmals gesetzlich vorgeschrieben sind) niemals umfassend sein können in dem Sinne, dass eine existierende Infrastruktur und / oder Daten unabhängig von Umwelteinflüssen (ab-)gesichert werden können. (2)  Gleichzeitig ist es jedoch möglich, IuK-Technologien zu nutzen, um spezifische IuK-Systeme / -Infrastrukturen wiederaufzubauen. (Wie dies im Falle von Northrop Grumman unter Zuhilfenahme telefonischer Order und von historischen Vertragsdaten geschehen ist). (3)  Wie gehe ich also als Organisation im Sinne eines Katastrophen-übergreifenden Organisierens damit um, dass Teile der eigenen IuK-Infrastruktur / der IuK-Systeme ausfallen können oder unbrauchbar werden? Sowie (4), wie bereite ich mich als Unternehmen (bzw. Gesellschaft oder Gruppe) auf ein solches Ereignis vor? 2. Erscheinen neuer sozialer Interaktionsformen: Analyse von Online-Reviews des Voice-over-IP-Services Skype Durch das in den letzten Jahren verstärkte Auftreten neuer Kommunikations- und Informationsdienste über das Internet hat sich auch das Kommunikationsverhalten bei den privaten und beruflichen Nutzern dieser Dienste insgesamt signifikant verändert. Populäre Beispiele sind quasi-öffentliche Kurznachrichten (z. B. Twitter), Reputations-Mechanismen für die Bewertung von Konsumgrößen (z. B. Tripadvisor), soziale Netzwerke zu beruflichen und privaten Zwecken (z. B. Facebook, LinkedIn) und andere mehr. Im Bereich der Telefonie hat der Dienstanbieter Skype durch sein TelefonieAngebot über das Internet (Voice-over-IP) starken Zulauf erhalten. Die Firma Skype (Microsoft Corporation) ist jedoch auch ein Beispiel dafür, wie sich die Entwicklung von Anwendungssoftware selbst verändert. Im Rahmen ihres Softwareentwicklungsprozesses ermöglicht Skype es den Kunden (Dienstnutzern), ein direktes Feedback an die Entwickler zu



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senden. Im Rahmen einer Studie wurden u. a. von der Autorin mehr als 50.000 Online-Reviews der Skype-App von 2009 bis 2015 untersucht, wobei Techniken der Textanalyse (Analytics) für große Datenmengen („Big Data“) zum Einsatz kamen.14 Untersucht wurde, welches die häufigsten Themen sind, die in den Reviews angesprochen werden. Ein Augenmerk lag darauf, welche Stimmung bzw. Tonalität (Sentiment) in den einzelnen Beiträgen ihren Ausdruck fanden. Im Verlauf der Studie wurde deutlich, welche Aussagekraft Analysetechniken des eingesetzten (neuen) Typs haben, wenn auf große Datenmengen zugegriffen werden kann. Es zeigte sich, dass auch kleine Textabschnitte erstaunlich ergiebig sein können, wenn man sie analysieren kann bspw. bzgl. Inhalt (Content) und / oder Sentiment. Bei kontinuierlichem Einsatz etwa im Bereich der Kunden-(Daten-)Analyse wird bspw. ein Reagieren auf Marktveränderungen quasi in Echtzeit möglich. Im Falle von Kundenfeedback, welches einen direkten Einfluss auf die Produkt- / Dienstentwicklung nehmen kann, kann dies sogar dazu führen, dass sich der Dienst aufgrund der Daten eines Analysesystems „selbst“ (teilautomatisiert) verbessert. Ein IuK-System nutzt dann ein anderes IuK-System, um sich zu verändern (verbessern). Beide angesprochenen Aspekte, verändertes Kommunikationsverhalten auf der einen und automatisierte Veränderung von IuK-System (auf Basis von Analysedaten und automatisierten Auswertungen) auf der anderen Seite, werfen Fragen im Hinblick auf den Umgang mit ausschließlich IuK-basierter Kommunikation auf. (1)  Mehr als je zuvor stellt sich heute die Frage, wie ich mit „zu viel“ Information und Kommunikation als Mensch und als Unternehmen umgehe? (2) Wie kommuniziere / adressiere ich Informationen „richtig“, also an Menschen (Kollegen) oder Maschinen (manuell oder automatisiert); und wer entscheidet darüber, was die „richtigen“ Informationen für den jeweiligen Fall sind, bzw. wer trifft die Auswahl? (Dies betrifft auch die Informationen, die mich erreichen).15 (3) Inwieweit kann bestimmt werden, zu welchem Grad die „automatische“ Anpassung von Produkten und Dienstleistungen auf Basis automatisierter Datenauswertungen tatsächlich den normativen, strategischen und operativen Ansprüchen eines Unternehmens zuträglich ist?16 14  Zu dem eingesetzten Instrument vgl. minemytext.com; vgl. Müller et  al.; Debortoli et al. 15  Zu diesen Fragen gehören auch die Diskussionen um Bevorzugung bzw. Sperrung von Nachrichten und Datenverkehr durch Dienstanbieter sozialer Netzwerke, Internet-Infrastrukturanbieter u. a. 16  Diese Frage betrifft u. a. sowohl die Nutzung von Cyber-Physischen Systemen, die in hohem Maße selbst-gesteuert in Produktionsprozesse eingreifen können (sollen) sowie auch Modelle der Daten-Teilung zwischen einzelnen im Einsatz befindlichen

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3. Auftreten alternativer Formen des Organisierens: IT-Consumerization IT-Consumerization wird im Allgemeinen definiert als der Trend, das eigene IuK-System  – also etwa Laptop, Smartphone oder andere mobile Endgeräte usw. – an den Arbeitsplatz im Unternehmen mitzubringen und für die berufliche Tätigkeit zu nutzen. Viele Firmen bieten heute die Möglichkeit, nicht nur am Heimarbeitsplatz, sondern auch an der Arbeitsstelle, das (IP-basierte) Firmen-IuK-Netzwerk zu nutzen. Hierzu gehören mithin auch die auf den (privaten) Endgeräten verfügbaren Dienste wie bspw. CloudSpeicherdienste (z. B. Dropbox, Google Drive), Kommunikationsdienste (z. B. Skype) oder Kollaborationsdienste (z. B. Google Docs u. a.). Dieses auf den ersten Blick harmlose Verhalten hat gravierende Folgen für das IT-Management.17 Beispielsweise in Bezug auf die eingesetzten Datenverarbeitungsressourcen trifft nun ggf. der Mitarbeiter Entscheidungen, die bisher der IT-Organisation vorenthalten waren. Anders ausgedrückt  – das Machtverhältnis im Unternehmen ändert sich. Mit der Einführung bzw. Duldung entsprechender Freiheiten obliegt es unter Umständen dem Mitarbeiter darüber zu entschieden, welches IuK-System bzw. Anwendungssoftware am besten zu seiner / ihrer Arbeit passt. In vielen Fällen wird dies aus Mitarbeitersicht begrüßt, und man geht davon aus, dass Effizienzund Effektivitätssteigerungen resultieren können. Viele Mitarbeiter empfinden ihre persönliche IT-Ausstattung mithin als nützlicher als das, was ihnen das Unternehmen bereitstellt. Hierzu kommt der Faktor, dass die IT-Organisation oft als unzugänglich wahrgenommen wird. Ein weiterer Aspekt ist der Umstand, dass Mitarbeiter in großem Masse zufriedener sind, wenn sie die Werkzeuge, die sie im Alltag nutzen, auch während ihrer bzw. für ihre Arbeit nutzen können. Insgesamt kann darüber hinaus festgestellt werden, dass im Vergleich zur Nutzung von betrieblicher Anwendungssoftware noch vor wenigen Jahren das Wissensniveau der Mitarbeiter in Bezug auf Nutzung und Konfiguration ‚ihrer‘ privaten IuK-Systeme angestiegen ist. Hierzu trägt sicher auch eine Annäherung der Nutzeroberflächen betrieblicher und privater Software bei. Das Management spricht heute „tech“ wie auch die Mitarbeiter, was zu deren „Empowerment“ beiträgt. Bei einem Blick auf die weltweite Verbreitung der IT-Consumerization fällt auf, dass in manchen Wirtschaftsräumen wie in Indien, Mittel- und Südamerika oder Asien die Nutzung privater IT in Unternehmen bereits 2012 bis zu 40 % betrug. Konsumgütern (Verbraucherprodukte) wie sie etwa vom Autobauer Tesla zwischen Fahrzeugen zur Kartendaten- und Fahrleistungsoptimierung angeboten wird. 17  Harris / Ives / Junglas (2012); Junglas / Harris (2013).



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Im Hinblick auf das (in Unternehmensgrenzen stattfindende) Organisieren von Arbeit ist mithin zu konstatieren, dass der Trend insgesamt wohl nicht aufzuhalten ist. (1)  Wie können in diesem Kontext die Kontrolle der Unternehmenskommunikation und der Unternehmensdaten gewährleistet werden, etwa im Rahmen von Audits und Zertifizierungen? Wie wird der IT-Support für die Mitarbeiter aussehen? (Werden bspw. einzelne Mitarbeiter aus ‚nicht-IT‘ Fachabteilungen als Ansprechpartner für Insellösungen dienen und akzeptiert werden oder gar externe Personen?) (2)  Welche Wert- bzw. Nutzenpotenziale ergeben sich für die Unternehmen durch die Bereitstellung und Verfügbarkeit von Ressourcen, die für das Unternehmen im Prinzip18 keine direkten Kosten verursachen? (3)  Welche Konsequenzen resultieren, wenn sich ein Unternehmen auf diese Art der Infrastruktur verlässt und diese plötzlich unter geänderten Randbedingungen betrieben werden muss, etwa aufgrund von sich ändernden gesetzlichen Bestimmungen oder der Einführung von Gebührenpflicht für bestimmte private Programme?

III. Charakterisierung von Veränderungen durch Digitale Transformation aus Systemsicht Die oben angeführten Fallbeispiele aus dem Bereich der Wirtschaft sollen illustrieren, wie unterschiedlich sich die mit der Digitalen Transformation zusammenhängenden Veränderungen und Herausforderungen präsentieren. Allen drei Beispielen ist dabei gemein, dass die erfahrenen Veränderungen ungeplant (ungewollt) und z. T. unvermittelt auftraten. Gleichzeitig werfen Sie Fragen nach dem Umgang mit sogenannten ‚digitalen Technologien‘ (hier insbesondere IuK-Technologien) auf, die die grundlegenden Bereiche von Organisationsstrukturen und des Organisierens betreffen. Die in der Einleitung angeführten Elemente einer Systembetrachtung sollen als Orientierungsrahmen eine Charakterisierung aus Systemsicht ermöglichen, die im Folgenden versucht wird. Dabei werden für jeden Aspekt (a) bis (f) jeweils charakteristische Veränderungen durch Digitale Transformation aus Systemsicht formuliert und ein Beispiel angeführt. a)  Systemdefinition: Die Wechselbeziehungen zwischen verschiedenen ‚Sphären‘ des Systems ‚Organisation‘19 treten stärker zutage. Die Betrachtung dezidierter Aspekte des Systems wird hierdurch erschwert, und es 18  Außer

bspw. den Energiekosten für die Ladung von Akkugeräten u. dergl. Sphären werden bspw. beschrieben durch Entscheidungshierarchien, organisatorische, funktionale oder zeitlich-sachliche Hierarchien, soziale und Gruppeneffekte, ökonomische (normative, strategische, operative) und soziokulturelle Rahmenbedingungen usw. 19  Solche

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müssen verstärkt Aspekte mehrerer Sphären in die Beschreibung und Modellierung einbezogen werden. Beispiel IT-Consumerization: Emotionalität und Routinen im Umgang mit privaten Geräten beeinflussen die Adoption und die Gruppendynamik in Organisationen, was auf die Effektivität von IT-Management-Prozessen einwirkt.

b) Systemgrenzen: Verstärkt tritt ein Wandel zu offenen Systemgrenzen zutage, die Elemente umfassen, welche außerhalb der originären Systemgrenzen liegen und nicht unbedingt direkt beeinflussbar sind (bspw. Ressourcen bei ökonomischen Systemen, die nicht zum Unternehmen gehören). Systemgrenzen verschieben sich innerhalb kurzer Zeitspannen, die u. U. innerhalb des Betrachtungszeitraumes einer kybernetischen Analyse liegen, d. h. die Beschreibung muss mit variablen Systemgrenzen arbeiten.20 Beispiel Servitization: Ein Unternehmen geht schrittweise von einer Produkt- zu einer Dienstleistungs-basierten Wertschöpfung über, wobei sich Grad, Form und Intensität der Kundeninteraktion dynamisch verändern.

c)  Systemstruktur: Das Erkennen der Systemstruktur, d. h. einzelner System­elemente und ggf. Teilsysteme sowie deren Beziehungen untereinander wird schwieriger. Mehr Aufwand ist erforderlich, um Beschreibungsebenen (Abstraktions-, Entscheidungs-, Organisationsebenen) und deren Elemente zu definieren. Zielstrukturen unterliegen u. U. einer höheren Dynamik und Managementfunktionen müssen verstärkt verteilt werden (operative, strategische und normative sowie Aspekte der Kontrolle und das Ethos betreffend)21. Netzwerkartige Systemstrukturen treten verstärkt auf. Beispiel Agile Organisationsformen: Ein Unternehmen nutzt verstärkt temporäre Teams, die sich selbst organisieren (inkl. Ihrer Kommunikations-Infrastruktur) und sich selbstständig dynamisch mit externen Partnern verknüpfen.

d) Beziehungen zur Umwelt: Das Erkennen der möglichen Beziehungen zur Umwelt wird aufgrund stärkerer Vernetzung von Individuen erschwert, und die Erfassung der möglichen Einflüsse auf das System von extern bedarf neuer (rechtlich und ethisch vertretbarer) Ansätze der Beobachtung. Eine stärkere Orientierung an den Organisationsumwelten und die Einbeziehung von (zu erwartenden) Trends werden unumgänglich. Beispiel Vernetzte Arbeit: Ein Unternehmen ermöglicht seinen Mitarbeitern eine größere Autonomie bei der Auswahl von (temporären) Kooperationspartnern, die aus dem individuellen Netzwerk des Mitarbeiters stammen, bspw. in Entwicklungsprozessen.

e)  Beobachtbarkeit des Systems: Größere Autonomie und bessere Kommunikationsmöglichkeiten von Individuen und Maschinen verändern den 20  Z. B. 21  Z. B.

Rehm / Gross (2015). Schwaninger (2006a, 2006b).



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Umfang und die Bandbreite (Kommunikationskanäle, Modi) von Kommunikation. Gleichzeitig besteht eine größere Bereitschaft, an der Analyse etwa individueller Arbeitsbedingungen aktiv zu partizipieren, was die Beobachtbarkeit unterstützen kann. Beispiel Business Analytics: Ein Unternehmen nutzt analytische Verfahren, um sich schnell an sich ändernde Rahmenbedingungen anzupassen, bspw. im Bereich der Produktionsdurchführungsplanung; die automatisiert getroffenen / vorbereiteten Entscheidungen müssen jeweils dokumentiert und einer Risikoabschätzung unterworfen werden.

f)  Beeinflussung von Systemelementen und Parametern im Hinblick auf die Gestaltung: Dem traditionellen, ökonomisch motivierten Ansatz, eher stabile Organisations- und Koordinationsformen zu implementieren, werden parallele (und später ggf. alternative) und dynamische Formen gegenübergestellt. Die Bildung und Adaption von Organisations- und Koordinationsformen innerhalb und zwischen Unternehmen erfordern die verstärkte Nutzung von Managementinstrumenten zur Implementierung rekursiver, selbstähnlicher Strukturen (zwischen Unternehmen!) sowie zur Vernetzung, Navigation und Wissensteilung.22 Beispiel Wertschöpfungsnetzwerke: Ein Unternehmen operiert in dynamischen Netzwerken, bei denen Partnerschaften mit Zulieferern, Koopera­tionspartnern usw. flexibel gebildet, gestaltet und aufgelöst werden können.

IV. Fazit: Aufgaben der Kybernetik im Hinblick auf Digitale Transformation Wo beginnt die ‚Kybernetik‘ der Digitalen Transformation? Die in diesem Beitrag formulierte Charakterisierung legt nahe, dass Digitale Technologien substanzielle Veränderungen im ‚System Organisation‘ bewirken. Diese Veränderungen betreffen weitestgehend die Rolle, Infrastrukturen und Wirkungsprinzipien von Kommunikation und Regelung in Organisationen oder mit anderen Worten den primären Betrachtungsgegenstand der Wirtschaftsund Sozialkybernetik. Die Disziplin steht somit vor der Aufgabe, ihre bewährten Modelle, d. h. Konzepte, Methoden und Instrumente zur Analyse, Beschreibung, Modellierung, Diagnose und Simulation von Organisationen entweder auf die neuen, veränderten Systemrealitäten anzuwenden und anzupassen, oder aber gänzlich neue Modelle zu entwickeln. Solche angepassten oder neuen Modelle werden mit Sicherheit in stärkerem Masse als bisher Fragen der Strukturvarianz und -pluralität, der Beobachtbarkeit und der Entdeckung von Problemen 2. Ordnung beantworten müssen. Gleichzeitig werden Anstrengungen in Bezug zur Entwicklung geeigneter Gestaltungsan22  Z. B.

Schwaninger (2006a, 2006b); Rehm (2009); Rehm / Fischer (2005).

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sätze und ‑methoden vonnöten sein, wenn aus der Disziplin heraus sichtbare (in die Wissenschaft) und hilfreiche (in die Praxis) Beiträge entstehen sollen.23 Dabei hat die Wirtschafts- und Sozialkybernetik den Vorteil, dass sie die notwendigen Untersuchungsaspekte aus anderen Disziplinen entleihen und diese für ihre eigenen Modelle nutzen kann. Auf der einen Seite wird es bei einem solchen Unterfangen hilfreich sein, sich auf bisher weithin nur unzureichend aufgenommene Ansätze zu besinnen, etwa die Bateson’schen „patterns that connect“24 oder die Betrachtungen zu spontanen Ordnungen wie etwa Ilya Prigogines Theorie der dissipativen Strukturen oder denen von Ashby, Turing u. a.25 Diese könnten neue Stimuli im Hinblick auf größere Freiheiten und neue Modi der Kommunikation sowie der Strukturpluralität und Struktur-Mehrdimensionalität liefern. Auf der anderen Seite werden Modellierungs- und insbesondere Simulationsverfahren  – auch bei einer verstärkten Unterstützung wissenschaftlicher Modellierungen durch analytische und großzahlige Verfahren („Big Data“) – eine stärkere Einbindung der Menschen als Teil der (sich verändernden) Systemrealität versuchen müssen. Bei wiederholten Transformationen beispielsweise müssen die System-bestimmenden Faktoren (immer wieder) in rekursiv-hierarchischen Findungsprozessen analytisch bestimmt werden, u. U. unter aktiver Mitwirkung des Kybernetikers (also ggf. vermehrt als Action Research-Ansatz26). Aber auch systematische Spiele zur kreativen Entwicklung von Szenarien können hier beitragen, entweder als Mittel gestaltungsorientierter Forschung  – oder als echtes Managementinstrument mit welchem Organisationen spielerisch und temporär Szenarien für Organisationsmodelle testen anstatt diese linear-planerisch und ‚pathologisch‘ zu institutionalisieren. Hierdurch hätte die Kybernetik die Chance, wieder in der Praxis anzukommen.

23  Vgl. auch den Hinweis von Schiemenz (1982) zu „Kybernetik als Disziplin  … die versucht, die Wirksamkeit von Aktionen dadurch zu verbessern, daß sie gestaltungsbezogene Erkenntnisse aus anderen wissenschaftlichen Teildisziplinen transferiert.“ 24  Bateson (1979 / 2002). Heute geht es auch um ‚Muster‘, die sich dynamisch verändern. 25  Turing (1952); Ashby (1966); Malik (1996). 26  Z. B. Baskerville (1999).



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Der Mensch und die künstliche Intelligenz. Ritualisierung und soziales Selbstverständnis in der ‚Industrie 4.0‘ Von Kristina Lahl, René Vossen und Sabina Jeschke

I. Die Kränkung des Menschen durch die Künstliche Intelligenz Seit das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) 2011 die Industrie 4.0 als technologisches und wirtschaftliches Ziel für den Wirtschaftsstandort Deutschland ausgerufen hat,1 ist sie in aller Munde. Als zentrale Pfeiler des industriellen Fortschritts gelten sogenannte Cyber‑Physical Systems (CPS), vernetzte Systeme, die intelligent, dezentral und autonom agieren können. Die Optimierung der bereits heute schon extrem leistungsstarken Künstlichen Intelligenz2 ist hierbei für die erfolgreiche Interaktion dieser Systeme von herausragender Bedeutung. Und tatsächlich ist die Entwicklung auf diesem Gebiet rasant, die Technik verspricht in der Zukunft vernetzte Agenten, die selbständig lernen sowie viel umfangreichere Prozesse antizipieren und verarbeiten können als der Mensch. Somit können sie nicht nur mechanische Arbeiten des Menschen ersetzen, sondern auch wissensstärker und objektiver entscheiden. Zu großen Teilen sind Geräte mit derartiger Künstlicher Intelligenz bereits in unseren Alltag eingeflossen und es ist zu erwarten, dass diese Entwicklung sich noch deutlich beschleunigen und bislang ungeahnte Dimensionen annehmen wird. Und doch fehlt der Künstlichen Intelligenz eine Komponente, die der Mensch für eine selbstbestimmte Interaktion als unabdingbar ansieht: „Robots and virtual agents are beginning to permeate people‘s lives. The biggest obstacle today is their lack of sociality.“3 Roboter mögen zwar Daten auf sehr viel schnellere und umfangreiche Art bewäl1  Vgl. https: / / www.bmbf.de / de / zukunftsprojekt-industrie-4-0-848.html (04.01. 2016). 2  Nath fasst die Definitionen von Künstlicher Intelligenz folgendermaßen zusammen: „(i) Systems that think like humans. (ii) Systems that act like humans. (iii) Systems that think rationally. (iv) Systems that act rationally.“ (Nath (2009), S. 22). 3  Hofstede et  al. (2014), S. 9.

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tigen können als der Mensch, das Soziale ist jedoch ein Aspekt, der als genuin menschlich (bzw. tierisch) angesehen wird. Dies ist eine aktuelle Herausforderung der interdisziplinären Robotikforschung und es gibt bereits Bemühungen, Künstliche Intelligenzen sozial zu machen.4 Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich vor diesem Hintergrund nicht mit der technischen Umsetzbarkeit des Vorhabens der Industrie 4.0, sondern mit der Frage, welche kulturellen Auswirkungen die Entwicklung von sozialen Künstlichen Intelligenzen hat. Denn bei der Einführung eines künstlichen Wesens, das ‚intelligenter‘ agieren und handeln kann als der Mensch, erscheint es als eine anthropologische Notwendigkeit, die Frage, was der Mensch ist, neu zu stellen und unser Selbstverständnis immer wieder neu zu reflektieren: „In the western cultural tradition, artefacts and models play a pivotal role in our understanding of what we are. Technological progresses challenge our specificity and invite us to specify more clearly the crucial differences that exist between the machines we build and our views of liv­ ing organisms, animals and humans in particular.“5 Diese Herausforderung ist nicht neu. Auch durch andere technische oder naturwissenschaftliche Erkenntnisse wurde die Menschheit immer wieder dazu gezwungen, ihre Weltsicht und vor allen Dingen ihren Standpunkt in der Welt zu hinterfragen und neu zu evaluieren. Sigmund Freud spricht in diesem Zusammenhang 1917 von den drei Kränkungen des Menschen, der Kosmologischen (Kopernikus, der Mensch ist nicht Mittelpunkt des Universums), der Biologischen (Darwin, der Mensch stammt von Tieren ab) und der Psychologischen (Freud, der Mensch ist nicht Herr über seine Psyche).6 Man könnte im Rahmen der Industrie 4.0 und der rasanten Entwicklung von Künstlicher Intelligenz auch von einer Intellektuellen Kränkung sprechen  – es gibt auf Erden intelligentere ‚Organismen‘ als den Menschen.7 Durch Big Data und die damit gegebene Möglichkeit zu Deep Learning werden Künstliche Intelligenzen in den nächsten Jahrzehnten nicht nur einen massiven Aufschwung erleben, sie sind darüber hinaus auch nicht mehr an den Menschen als Vorbild gekoppelt. Die Chancen dieser Entwicklung sind im technischen, wirtschaftlichen und salutogenen Kontext naheliegend, doch welche Bedeutung haben sie gesamtgesellschaftlich im Hinblick auf menschliche Kommunikation, Wahrnehmung und Identität, die sie zweifellos von Grund auf verändern? Um eine produktive und sichere Mensch4  Weltweit haben sich zahlreiche Labore und Institute genau auf diesen Aspekt spezialisiert, vgl. z. B. in Glasgow http: / / glasor.inp.gla.ac.uk / , in Yale http: / / scazlab. yale.edu / und Freiburg http: / / srl.informatik.uni-freiburg.de / home. 5  Kaplan / Hafner, S. 161 f. 6  Freud (1917). 7  Vgl. in Bezug auf den Computer auch Turkle, S. 279 ff.



Der Mensch und die künstliche Intelligenz

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Maschine-Interaktion auf Dauer zu gewährleisten, müssen die Auswirkungen einer „cyber‑physischen Revolution“ auf anthropologische, soziale und gesellschaftliche Systeme im Detail erforscht werden.

II. Kulturelle und soziale Herausforderungen in der Mensch-Maschine-Interaktion 1. Der Mensch und die Technik Dass Technik zunehmend in unser Leben einfließt, ist nichts Neues und hat nicht zu einer grundsätzlichen Verunsicherung des Menschen in Hinblick auf existentielle Fragen geführt. Die Geschichte des Menschen ist eng mit der Technik verbunden und er entwickelt sich mit seinen Schöpfungen weiter. Der Mensch als Homo Sapiens Faber oder Homo Technicus integriert die Technik in sein alltägliches Leben und optimiert sich durch sie, et vice versa. Dies lässt sich bereits an zahlreichen Alltagsgegenständen ablesen: an der Kleidung, die getragen wird, um sich vor Umweltfaktoren wie Kälte oder Sonneneinstrahlung zu schützen; an der Verbesserung des Gesundheitszustands zum Aufhalten des biologischen Verfalls etwa durch Prothesen; an der Ordnung der Welt durch Strukturierungsmechanismen wie Uhren. Aktuell zeigt insbesondere die Brille in ihrer Entwicklung von der reinen Sehhilfe hin zu Google Glasses auch die Evolution des Menschen mit der Technik, indem er sich zunächst mithilfe optischer Gläser nur innerhalb seiner biologischen Grenzen optimiert hat, mittlerweile jedoch eine Transzendenz anstrebt, indem er durch Augmented Reality neue Sinne nutzbar macht, die er ohne dieses Hilfsmittel biologisch nicht wahrnehmen könnte. Bereits der Philosoph Helmuth Plessner hat die Affinität zur Technik und den Drang zur Selbstoptimierung als essentiellen Bestandteil des menschlichen Seins formuliert: „Dass der Mensch mit seinen natürlichen Mitteln seine natürlichen Triebe nicht befriedigen kann, dass er nicht zur Ruhe kommt in dem, dass er ist, und mehr sein will, als er ist und dass er ist, dass er gelten will und zur Irrealisierung in künstlichen Formen des Handelns, in Gebräuchen und Sitten, unwiderstehlich hingezogen wird, hat seinen letzten Grund nicht im Trieb, im Willen und in der Verdrängung, sondern in der exzentrischen Lebensstruktur, im Formtypus der Existenz selber.“8 Kunst und Kultur haben diese ‚Cyborgisierung‘9 des Menschen auf mannigfaltige Weise aufgegriffen, kommentiert und auf die Spitze getrieben. So 8  Plessner, 9  Spreen

S. 316. (2010).

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hat der griechisch-australische Performancekünstler Stelarc in mehreren, teilweise mehrere Jahre einnehmenden Experimenten die Unauflösbarkeit von Mensch und Technik illustriert. Eines seiner Projekte beinhaltet die Installation eines dritten Roboterarms als Extension seines Körpers, den er über seine rechte Hand, aber auch durch die Bewegung seiner Beine steuern konnte.10 In einem Experiment konnten über das Internet verbundene Teilnehmer den Arm fernsteuern und somit den Kontrollverlust über den und die Entfremdung vom eigenen Körper durch die Technik versinnbildlichen. Hierbei dient die Technik als eine Erweiterung der Handlungsoptionen des Körpers, und ist, analog z. B. zum Auto, ein Hilfswerkszeug außerhalb des Körpers. Mithilfe technischer Weiterentwicklung wird der Mensch jedoch zunehmend selbst technisiert, indem einzelne Körperteile ersetzt oder aufgewertet werden. In einem aktuelleren Projekt hat sich Stelarc ein drittes Ohr auf den linken Oberarm operieren lassen. Das Ohr besteht aus menschlichem Gewebe und Knorpeln und ist mit Sensoren, WiFi und GPS ausgestattet, die das Gehörte sowie die Position aufzeichnen und der Netzgemeinde zugänglich machen.11 Ähnliche Experimente führt der Kybernetiker Kevin Warwick durch, der sich einen Computerchip in den Arm transplantieren ließ und damit sein Nervensystem mit einem Computer verband.12 Als Künstler entlarven Strelarc und Warwick auf diese Weise Natur und Biologie als Konstruktionen, die von Technologie bestimmt werden. Doch es ist mehr als dies; es findet eine Verschmelzung von menschlichem Körper und Künstlicher Intelligenz statt, innerhalb derer der menschliche Körper zunehmend irrelevant wird und die Künstliche Intelligenz als steuerndes und denkendes Organ an Bedeutung gewinnt: „The body is obsolete.“13 Der Mensch ist somit ein technisches Wesen und wird durch die Technik maßgeblich bestimmt. Technik bedingt unseren Alltag auf vielfältige Art und Weise. Das ‚Natürliche‘, das Anthropologisch-Spezifische ist gerade seine Schöpfung und Interaktion mit Technik, die der Mensch zwar selbst erschafft, die ihn aber wiederum formt. Die Entwicklung der Technik verläuft dabei nicht schrittweise, sondern exponentiell.14 Zudem finden extreme Entwicklungssprünge statt, die unser Verständnis von und unseren Umgang mit Technik revolutionieren. Technische, soziale oder wirtschaftliche Innovationen bedingen hierbei Strukturumwälzungen, die nicht nur den unmit10  Vgl.

http: / / stelarc.org / ?catID=20265 (04.01.2016). http: / / stelarc.org / ?catID=20242 (04.01.2016). 12  Vgl. http: / / www.kevinwarwick.com / (22.01.2016). 13  Nayar, S. 255. 14  Das wohl bekannteste Beispiel hierfür ist das Mooresche Gesetz, das besagt, dass sich die Komplexität integrierter Schaltkreise alle 1–2 Jahre verdoppelt. 11  Vgl.



Der Mensch und die künstliche Intelligenz

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telbaren Entstehungskontext betreffen, sondern das gesamte sozio-technische System. So haben etwa die Erfindung des mechanischen Webstuhls15 oder des Fließbandes16 in der Ersten, respektive der Zweiten Industriellen Revolution nicht nur die unmittelbare Produktionsumgebung verändert, sondern vielmehr ganze soziale Systeme ausgehebelt und neu geordnet, während die Digitalisierung im Rahmen der Dritten Industriellen Revolution Kommunikationsstrukturen im beruflichen wie im privaten Bereich von Grund auf veränderte. Ebenso wird auch die antizipierte Vierte Industrielle Revolution und mit ihr der enorme Anstieg an Künstlicher Intelligenz, sowohl in der Masse als auch ihren Fähigkeiten, massive Auswirkungen auf das soziale und kulturelle System haben, die es zu antizipieren gilt. In Bezug auf die Entwicklung von Künstlicher Intelligenz befinden wir uns in einem Zustand der Liminalität, einem Schwebezustand, den Victor Turner in seinem berühmten Essay mit dem eingängigen Begriff Betwixt and Between ausgedrückt hat. Ursprünglich wurde er als Zustand in Ritualen bezeichnet, die bereits begonnen, aber noch nicht abgeschlossen sind  – z. B. Rituale des Übergangs ins Erwachsenenalter, in dem sich das Subjekt zwischen Kindheit und Erwachsensein befindet. Zunehmend wurde er auch für Schwellensituationen in Gesellschaften genutzt, so z. B. während eines Konflikts, einer Revolution oder eines Kriegs. In Hinsicht auf die Interaktion mit Künstlichen Intelligenzen ist der Mensch, zumindest in der westlichen Tradition des Umgangs mit Automaten und Robotern,17 zwischen zwei Paradigmen gefangen, die das vom japanischen Robotikforscher Masahiro Mori erstmals formulierte Uncanny  Valley‑Phänomen anschaulich illustriert. Dieses besagt, dass die menschliche Akzeptanz gegenüber Künstlichen Intelligenzen und anthropomorphen Robotern bis zu einem gewissen Punkt stetig zunimmt, dann jedoch rapide einbricht, wenn der Roboter dem Menschen zu ähnlich wird. Das Unheimliche, das Freud als etwas zugleich Vertrautes und seltsam Unvertrautes Rammert, S. 46 ff. König, S. 75 ff. 17  In anderen Kulturräumen verhält es sich wiederum anders, was die massive Bedeutung institutioneller und normeller Einflüsse auf die Entwicklung (z. B. in Bezug auf das Aussehen oder die Fähigkeiten) und auf den Umgang mit Robotern verdeutlicht. Es ist z. B. von der Forschung wiederholt festgestellt worden, dass die japanische Kultur weniger Berührungsängste mit Künstlichen Intelligenzen besitzt als die westliche Kultur und dass sich dies sowohl im alltäglichen Umgang mit Künstlichen Intelligenzen, die auch anders entwickelt und beworben werden, äußert als auch in der kulturellen Aufarbeitung, indem z. B. japanische Science-FictionFilme seltener die Dystopie einer von Robotern kontrollierten Menschheit als Topos nutzen (vgl. hierzu z. B. Kaplan). 15  Z. B. 16  Z. B.

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definiert, ist hier die Künstliche Intelligenz in einem Zustand der Liminalität, in dem sie weder nur Maschine noch ganz Mensch ist: „The uncanny results when standard categories used to classify the world disappear.“18 Dabei strebt der Mensch danach, den Roboter so anthropomorph wie möglich zu gestalten, und fürchtet gleichzeitig die mögliche Konsequenz der Existenz eines vom Menschen nicht mehr unterscheidbaren bzw. ihm überlegenen Wesens. Aus anthropologischer Sicht ist der Traum der Menschheit, ein Wesen nach seinem Ebenbild zu erschaffen, so alt wie die menschliche Kultur selbst. Insbesondere die griechische Mythologie ist reich an Motiven, ein dem Menschen vollwertiges oder überlegenes Wesen zu erschaffen, so etwa in den Mythen um Pygmalion oder Prometheus. Doch neben dieser Bestrebung und dem Anspruch der perfekten Schöpfung dringt immer wieder ein Moment des Unheimlichen durch, sichtbar in zahlreichen Science  Fiction‑Fantasien, in denen Menschen nicht mehr von Cyborgs zu unterscheiden sind und der künstliche Mensch sich schließlich gegen seinen Schöpfer auflehnt.19 Der Fortschritt der interdisziplinären Forschung in Bezug auf die Optimierung Künstlicher Intelligenz auf zahlreichen verschiedenen Ebenen und die Möglichkeiten, Roboter nicht nur optisch, sondern auch in Bezug auf ihr soziales und kulturelles Verhalten immer mehr dem Menschen anzunähern bzw. diesen sogar zu überflügeln, ist enorm. Während die ersten Industrieroboter wie der Unimate in den 1970er Jahren noch ausschließlich für repetitive und stationäre Tätigkeiten im Produktionssektor unter klaren Anweisungen von Menschen eingesetzt wurden,20 sind Künstliche Intelligenzen bereits heute in der Lage, autonom zu agieren, sich frei im Raum zu bewegen sowie individualisiert Entscheidungen zu treffen und werden darüber hinaus zunehmend im Alltag zum ständigen Begleiter und Unterstützer des Menschen: „[A]gents are more and more seen as partners for humans rather than tools.“21 Visionäre sehen die Entwicklung so weit gehen, dass Roboter nicht nur in der Lage sind, sich gegenüber Menschen sozial zu verhalten und Emotionen zu empfinden und zu verarbeiten, sondern antizipieren gar die Entwicklung eigener (Gegen-)Kulturen und (Parallel-)Gesellschaften durch Künstliche Intelligenzen: „[A]s robots become advanced enough to become 18  Dawson,

S. 250. etwa die Filme Bladerunner; R: Ridley Scott; USA 1982; I, Robot; R: Alex Proyas; USA 2004 oder Terminator; R: James Cameron; USA 1984. 20  Z. B. Pruvot: „[Robots] will certainly be used for repetitive tasks where their versatility allows them to carry on without the need of making a new study for every task.“ (Pruvot, S. 21). 21  Dignum et  al., S. 1161. 19  Vgl.



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autonomous, it is safe to assume that they will build communities of themselves, developing their own unique culture.“22 Abgesehen davon, dass die Sicherheit, mit der diese Vorhersage getroffen wird, befremdlich wirkt, stellen sich doch vor dem Hintergrund eines solchen Szenarios grundsätzliche Fragen, welche die Wesenseigenschaften des Menschen ebenso betreffen wie den zukünftigen Umgang mit und die Entwicklung von Künstlichen Intelligenzen: Wie ähnlich sollen uns Roboter sein? Wie unterscheiden wir uns von Wesen, die uns ähnlich sind, und die all das können, was wir können, nur eventuell besser, schneller, effektiver? Was macht den Kern des Menschen aus? Müssen wir unser Selbstverständnis revidieren? 2. Das Ritual als soziokultureller Faktor Eine Antwort auf die Frage, was den Menschen auszeichnet, ist Kultur. Doch Kultur ist äußerst komplex und äußert sich in zahlreichen verschiedenen Faktoren und Spielarten. Zur Betrachtung der Selbstvergewisserung des Menschen im Angesicht von Künstlicher Intelligenz bietet sich eine besondere Ausformung der Kultur an: das Ritual. Das Ritual findet sich in allen Bereichen menschlicher Kultur. Es steht an der Schnittstelle der Interaktion zwischen den Elementen, die Kultur ermöglichen und konstituieren; zwischen Denken und Handeln, zwischen übergeordneten Ordnungsdispositionen und individuellem Empfinden und Teilhabe, zwischen der Welt, wie sie imaginiert oder utopisch antizipiert wird, und der Welt, wie sie gelebt wird. Es ermöglicht die Produktion kollektiver Erinnerung und Selbstvergewisserung, von Ordnungs- und Sinnkonzeptionen und die Vereinbarkeit sich widersprechender Welt- und Wertvorstellungen etwa der Wissenschaft und der Religion. Rituelle Handlungen zeichnen sich durch Wiederholung aus, sie sind performative Akte, die zwar intentional sind, sich aber an der Schwelle zum unbewussten Handeln bewegen. Sie sind also durch einen hohen Grad automatisiert und schaffen, besonders in Zeiten der Transformation von Individuum und Gesellschaft, Ordnung und dienen als Kompensationsmechanismen undurchschaubarer, komplexer Systeme. Dabei erscheinen Rituale kollektiv und ohne externe Steuerung zu entstehen, häufig zwar im Rahmen hierarchischer Ordnungssysteme, wobei jedoch die rituelle Handlung diese vorgegebene Ordnung unterlaufen und hierdurch wiederum neue Strukturen des Denkens und Wissens produzieren kann. Gleichzeitig kann das Ritual Macht auch zementieren und potentiell friedliches Zusammenleben und Fortschritt verhindern. 22  Samani

et  al., S. 3.

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Kritik an überkommenen Ritualen, De-Ritualisierung und darauf folgende Re-Ritualisierung treten vermehrt in gesellschaftlichen Krisen-, Schwellenund Übergangszeiten auf,23 da Rituale eine bedeutende Rolle bei der Konsolidierung, Bestätigung, Verinnerlichung und Repräsentation der sozialen Ordnungsstrukturen einnehmen.24 Es ist davon auszugehen, dass gesellschaftliche Rituale sich auch in den sozialen Umbrüchen und Unsicherheiten, die die antizipierte Vierte Industrielle Revolution und mit ihr der Aufstieg der Künstlichen Intelligenzen mit sich bringen, bedeutende Transformationen erfahren. Und es liegt ebenso nahe, dass anhand der Art und Weise, wie sich menschliche Rituale im Umgang mit Automaten und Robotern wandeln, bedeutende Aussagen über die Selbstvergewisserung des Menschen im Angesicht von Künstlicher Intelligenz und damit zusammenhängend auch über zukünftig erfolgreiche Mensch-Maschinen-Interaktion getroffen werden können. Aufgrund der Wesenseigenschaften und Wirkmacht von Ritualen ergeben sich im vorliegenden Kontext zwei Kernfragen: 1. Wenn mit der Weiterentwicklung von Künstlicher Intelligenz und der Einführung von vernetzten Systemen im beruflichen wie privaten Bereich enorme Umwälzungen im Bereich des Selbstverständnisses des Menschen, seiner Kommunikation, der Definition von Arbeit u. a. einhergehen, welche Rituale begleiten dann diesen Prozess, um die damit einhergehende Komplexität zu bewältigen? Entstehen neue Rituale in der Interaktion mit anderen Menschen, um sich von Künstlichen Intelligenzen abzusetzen? Oder solche gerade in Gemeinschaft zwischen Menschen und technischen Systemen? Welche anderen Rituale entwickeln sich in der Interaktion mit Künstlichen Intelligenzen, um ihre komplexen Prozesse, die für den Menschen nicht in Echtzeit zu bewältigen sind, nachvollziehbar und für den Menschen handhabbar zu machen? 2. Durch ihre Charaktereigenschaften als automatisierte Akte, die das Element der Wiederholung aufweisen, lassen sich Strukturen von Ritualen bereits heute relativ problemlos in Mensch-Maschine-Interaktionen integrieren. Doch ist es Künstlichen Intelligenzen möglich, selbst Rituale zu entwickeln? Und ermöglichte dies dann auch eine neue Art der gleichberechtigten Kommunikation mit dem Menschen? Gegeben den Fall, man definiere Rituale als „[c]ollective activities that are technically super­ fluous to reach desired ends but that, within a culture, are considered Braungart, S. 105. Handlungen können als Verbindungsmechanismus „der Ordnungskonzeptionen eines Volkes und ihrer Handlungsdispositionen (Stimmungen und Motivationen)“ gelten. (Vgl. Bell, S. 44.) 23  Z. B.

24  Rituelle



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socially essential“25  – besitzt eine Künstliche Intelligenz, die Ritualen folgt, diese versteht und weiterentwickelt, dann Kultur analog zur menschlichen Kultur? Und wäre eine solche Kultur, die ‚intelligenter‘ handelt, dann eine ethischere, weil sie gerechter, fortschrittlicher und diskriminierungsfrei agierte? Der Mensch kennt Rituale aus zahlreichen verschiedenen Zusammenhängen des Lebens, ob im Alltag oder bei festlichen Anlässen, ob durch Sprache, Bewegung oder Handlung manifestiert. Die Forschung zum Ritual ist Legion, es gibt sehr genaue Abgrenzungen zum Ritus, zu Bräuchen oder Gewohnheit, die dann wiederum unterlaufen oder durchlässig werden.26 Rituale sind nicht nur archaische Formen, sondern haben sich selbstverständlich mit der Zeit transformiert. Die Technik als ständiger Begleiter unseres Lebens ist mittlerweile fester Bestandteil unserer täglichen, monatlichen oder jährlichen Rituale. Diese formen die Identität des modernen Menschen und haben ähnliche Bedeutungen bzw. Funktionen wie indigene Rituale. Die Technik ist dabei vollkommen in Rituale integriert und erfüllt unser Bedürfnis nach Gesellschaft (z. B. durch gemeinsames Kochen), nach Statusabgrenzungen (z. B. beim Autowaschen vor dem Haus), nach kulturellen Gemeinsamkeiten, festlichen Anlässen und dem Beschließen eines Abschnitts (z. B. das gemeinsame Sehen von bestimmten Fernsehserien zum Jahresende) sowie religiöser Sinnsuche (z. B. virtuelle Pilgerfahrten). Hier ist jeweils die Technik Bestandteil des Rituals. Doch wie äußern sich Rituale in Verbindung mit autonom handelnder Technik, also mit Künstlicher Intelligenz? Wenn davon auszugehen ist, dass Rituale an der Schnittstelle dessen stehen, was den Menschen konstituiert  – an der Schwelle zwischen Denken und Handeln, zwischen Rationalität und Emotionalität  –, was geschieht dann, wenn Künstliche Intelligenzen in zwischenmenschliche Rituale integriert werden und diese durch Handeln und Denken, durch ihre Rationalität und (vorbehaltlich ihrer Entwicklung) Emotionalität mitprägen? Ergibt sich daraus eine ganz neue Notwendigkeit, den Menschen konkret von technisch produzierten Intelligenzen abzugrenzen? 3. Betwixt and between Hinweise hierauf ergeben künstlerische Auseinandersetzungen mit dem Topos, indem hierin die Realität als Konstrukt widergespiegelt und produ25  Hofstede

(2013), S. 3 f. Überblicksdarstellungen und Essaysammlungen widmen sich der breiten interdisziplinären Auseinandersetzung mit dem Phänomen des Rituals. Eine Anthologie der wichtigsten Aufsätze aus der internationalen Ritualforschung bieten Belliger / Krieger. 26  Zahlreiche

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ziert wird. Kulturelle und künstlerische Artefakte verdeutlichen das Selbstverständnis des Menschen und der Kultur, sie bilden seine Identität ab und bedingen sie gleichzeitig. Aus diesem Grunde werden zur ersten Annäherung an die oben formulierten Forschungsfelder zwei fiktionale Beispiele gewählt, an denen das Spektrum des Umgangs mit Künstlichen Intelligenzen deutlich wird, das genau diese Aspekte der Identitätsfrage illustriert. Ein Beispiel hierfür findet sich in einer der ersten deutschen fiktionalen Aufarbeitungen eines Automaten, nämlich in E.T.A. Hoffmanns „Der Sandmann“ aus dem Jahr 1816: Der Student Nathanael wird fern von seiner Familie und seinen Freunden durch die Erscheinung eines Händlers an der Universität von einer Kindheitserinnerung eingeholt, die er mit dem Tod seines Vaters und dem damit einhergehenden Trauma verbindet. Er wird zunehmend von einer düsteren Stimmung gepackt, die sich auch in seinen schriftstellerischen Bemühungen äußert. Regelmäßig hat er zuvor seiner Freundin Clara vorgelesen, doch nun missfallen ihr seine neuen, dunklen, beinahe schon wahnsinnigen Erzählungen: „Nathanael  – mein herzlieber Nathanael!  – wirf das tolle  – unsinnige  – wahnsinnige Märchen ins Feuer.“ Da sprang Nathanael entrüstet auf und rief, Clara von sich stoßend: „Du lebloses, verdammtes Automat!“27

Clara wird, obwohl sie menschlich handelt, also als Automat betrachtet, da sie unmittelbar die Empfindungen des Protagonisten nicht teilt. Interessant wird diese Stelle allerdings erst in Gegenüberstellung mit einer anderen: Nathanael, von seiner Freundin und der Welt, die ihn und seine Geschichten nicht versteht, enttäuscht, fühlt sich angezogen von der vermeintlichen Tochter seines Professors, Olimpia. Olimpia ist allerdings eine Holzpuppe, ein tatsächlicher Automat, der mit einem rudimentären Sprechund Bewegungsrhythmus ausgestattet ist. Dies erkennt Nathanael jedoch nicht, sondern vermeint in ihr die einfühlsame, perfekte Frau zu sehen. Aber auch noch nie hatte er eine solche herrliche Zuhörerin gehabt. Sie stickte und strickte nicht, sie sah nicht durchs Fenster, sie fütterte keinen Vogel, sie spielte mit keinem Schoßhündchen, mit keiner Lieblingskatze, sie drehte kein Papierschnitzchen, oder sonst etwas in der Hand, sie durfte kein Gähnen durch einen leisen erzwungenen Husten bezwingen  – Kurz!  – Stundenlang sah sie mit starrem Blick unverwandt dem Geliebten ins Auge, ohne sich zu rücken und zu bewegen und immer glühender, immer lebendiger wurde dieser Blick. Nur wenn Nathanael endlich aufstand und ihr die Hand, auch wohl den Mund küßte, sagte sie: „Ach, Ach!“ – dann aber: „Gute Nacht, mein Lieber!“ – „O du herrliches, du tiefes Gemüt“, rief Nathanael auf seiner Stube: „nur von dir, von dir allein wird‘ ich ganz verstanden.“28 27  Hoffmann, 28  Ebd.,

S. 24. S. 34.



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Olimpia agiert nach Nathanaels Vorstellungen, und dies innerhalb eines sprachlichen Rituals, das zumindest Nathanael, aber auch die patriarchale Gesellschaft seiner Zeit als die optimierte Haltung der Frau erwartet. Es ist dies das Ritual der devoten Zuhörerin, die lediglich ihren Emotionen innerhalb von leichten Seufzern Raum gibt. Nathanael leidet an einer Projektion seiner rituellen Vorstellungen und ihrer Transfiguration in einer Frau, die vermeintlich perfekter ist als das reale Frauenbild. Die Geschichte endet tragisch. Die Holzpuppe Olimpia wird, kurz bevor Nathanael ihr einen Heiratsantrag machen möchte, vor seinen Augen von ihren Schöpfern zerrissen, die sich um sie streiten. Einen Nachhall hat dies jedoch, und dieser Nachhall zielt insbesondere auf die Selbstvergewisserung des Menschen ab, nämlich genau auf die Frage, was einen Menschen ausmacht, selbst wenn ein Automat verschiedene Rituale besser verkörpern kann als ein menschliches Wesen: Aber viele hochzuverehrende Herren beruhigten sich nicht dabei; die Geschichte mit dem Automat hatte tief in ihrer Seele Wurzel gefaßt und es schlich sich in der Tat abscheuliches Mißtrauen gegen menschliche Figuren ein. Um nun ganz überzeugt zu werden, daß man keine Holzpuppe liebe, wurde von mehrern Liebhabern verlangt, daß die Geliebte etwas taktlos singe und tanze, daß sie beim Vorlesen sticke, stricke, mit dem Möpschen spiele usw., vor allen Dingen aber, daß sie nicht bloß höre, sondern auch manchmal in der Art spreche, daß dies Sprechen wirklich ein Denken und Empfinden voraussetze. […] In den Tees wurde unglaublich gegähnt und niemals genieset, um jedem Verdacht zu begegnen.29

Im Endeffekt ist es hierbei die Unberechenbarkeit, das arituelle Verhalten des Niesens oder Gähnens, die den Menschen auszeichnen, bzw. das Unperfekte des Menschen, das den Unterschied zwischen menschlicher und künstlicher Intelligenz markiert. Eine gänzlich andere Herangehensweise an das rituell unterschiedliche Verhalten zwischen Mensch und Maschine thematisiert Steven Spielberg in seinem Film AI (Artificial Intelligence) aus dem Jahre 2001. Hier wird eine Welt gezeigt, in der die Menschheit aufgrund des klimatischen Wandels auf wenige Individuen beschränkt ist. Fortpflanzung muss explizit genehmigt werden, stattdessen übernehmen künstliche Intelligenzen, die wie Menschen aussehen und agieren, allerdings keine Emotionen empfinden können, viele Aufgaben des alltäglichen Lebens. In der Entwicklung befindet sich ein Roboterkind, dem Liebe einprogrammiert werden kann und das sich dadurch für die zahlreichen kinderlosen Familien anbietet. Ein Prototyp wird an einer Familie getestet, deren einziges Kind im Koma liegt. Das Roboterkind wird über einen Code an die Mutter gebunden und empfindet daher Liebe. 29  Ebd.,

S. 37 f.

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Die Diskrepanz zwischen Mensch und Maschine wird anhand ihres Umgangs mit alltäglichen Ritualen deutlich, so z. B. in einer Szene, in der das Roboterkind, das selbst keine Nahrung zu sich nehmen muss, in schallendes Gelächter ausbricht, als der Mutter beim Abendessen ein Stück Spaghetti aus dem Mund hängt. Die Unsinnigkeit menschlicher Rituale für die künstliche Intelligenz äußert sich in dieser Szene, die jedoch in einer anderen gespiegelt wird, die nach der Codierung der Maschine stattfindet. Das Roboterkind empfindet nun Emotionen und erkennt die soziale Sinnhaftigkeit kultureller Handlungen. Kurz danach erwacht jedoch das leibliche Kind aus dem Koma und ein Konflikt zwischen den beiden Kindern entsteht. Das Abendessen stellt sich nun als extrem unterschiedlich dar, indem das Ritual vom Roboter nicht mehr als Zwang bzw. als unverständlich lächerliche Situation empfunden wird, sondern der soziale Charakter des Rituals in solch einer Art wahrgenommen wird, dass die reine Nahrungsaufnahme nicht mehr dem Zweck dient, sondern auch von der Künstlichen Intelligenz als sozialer und kultureller Akt aufgefasst wird, an dem sie teilhaben möchte. Es beginnt ein Wettbewerb um die Liebe der Mutter, in dem das menschliche und das Roboterkind sich gegenseitig provozieren und sich Essen in den Mund stecken, was dem Roboter schließlich so schadet, dass er sich dadurch fast zerstört. Das Ritual, dessen Handlung nicht zielführend im Sinne einer unmittelbaren Verknüpfung von Handlung und Zweck ist, sondern das einen kulturellen und sozialen Sinn produziert, hat für rationale Maschinen keine Bedeutung. Die Abgrenzung zwischen Mensch und Künstlicher Intelligenz verläuft daher in dem Film A.I. auch entlang der rituellen Handlung. Der menschliche Junge ist durch die Einbettung in das Essensritual in die Familie integriert, der Roboter dagegen bleibt ein Fremdkörper. Durch die „Einprogrammierung“ von Emotionen ist jedoch die Grenze zwischen Mensch und Roboter verwischt, was sich auch im Rahmen des Rituals zeigt, denn der Roboter ist sich der Wirkmacht und Sinnhaftigkeit des Rituals als sozialer Faktor bewusst, wird jedoch von ihm ausgeschlossen. Der Roboterjunge befindet sich in einem Zustand der Liminalität, betwixt and between zwischen Mensch und Künstlicher Intelligenz, was zu Konflikten führt. Ebenfalls zu Konflikten führt die Einprogrammierung von Ritualen in die Maschine, die dann nicht mehr vom Menschen unterschieden werden kann. Dies ist im Sandmann der Fall, indem das sprachliche und Verhaltensritual der devoten Zuhörerin, selbstverständlich auch eine Persiflage an das vorherrschende geschlechtliche Rollenverhältnis im frühen 19. Jahrhundert, von Olimpia perfekt ausgeführt wird. Möglich ist dies nur aufgrund der inneren Struktur des Rituals, das sich durch Wiederholung auszeichnet. Aufgrund des Automatismus des sozialen Rituals lässt es sich relativ problemlos in den Automaten integrieren. Auch hier wird dadurch die Grenze zwischen



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Mensch und Maschine verwischt, auch hier führt dies zu Konflikten, im Rahmen derer Nathanael schließlich wahnsinnig wird und Selbstmord begeht. 4. Künstliche Intelligenz = Mensch ± X Künstliche Intelligenzen, grundsätzlich vom Menschen für den Menschen erschaffen, werden im Stadium der Liminalität zu einer Bedrohung für den Menschen. Ein kulturelles Artefakt, das die Grenze zwischen Mensch und Maschine markiert, deren Überschreitung Konflikte hervorruft, scheint das Ritual zu sein. In ihm verkörpert sich dasjenige, was der Mensch bei aller Kontingenz als anthropologische Konstante und dadurch als ein Wesensmerkmal seiner selbst wahrnimmt. Der Naturalist Arno Holz hat 1891 die Formel

Kunst = Natur  – X  30

geprägt, um den Unterschied zwischen Natur und Kunst definieren zu können. Daraus ließe sich, um das Wesen der Menschlichen im Gegensatz zur Künstlichen Intelligenz zu beschreiben, die Formel

Künstliche Intelligenz = Menschliche Intelligenz + / – X

ableiten. Doch wie auch schon Arno Holz thematisierte, nutzt diese Formel wenig, wenn sie nicht mit mehr Inhalt gefüllt wird: „Damit locke ich noch keinen Hund hinterm Ofen vor! Gerade um dieses x handelt es sich ja! Aus welchen Elementen es zusammengesetzt ist!“31 Dieses X zu identifizieren, zu analysieren und evtl. zu verkleinern, ist eine der zentralen Herausforderungen in der Erforschung der Optimierung von Mensch-Maschine-Interaktionen in der Industrie 4.0. Ein Bestandteil dieses X als Unterschied zwischen Mensch und Künstlicher Intelligenz, das hierbei wertfrei (d. h. nicht als dezidiert positiver oder negativer Faktor) verstanden werden soll, ist das Ritual als nicht zielgerichtete Handlung, als kultureller und sozialer Sinnstifter. Ebenfalls ein Ritual ist hierbei bereits der Umgang des Menschen mit der Überschreitung der Grenze zwischen Mensch und Maschine, die den Menschen kränkt, denn das Gekränktsein als Nachhall der Kränkung des Menschen durch die Künstliche Intelligenz ist ein Ritual des Leidens, das den Menschen wiederum von ihr abhebt: Auch wenn die Roboter die Seele im technischen Zeitalter davon überzeugt haben werden, dass sie nicht sein kann, wofür sie sich einst halten 30  Holz, 31  Ebd.,

S. 112 ff. S. 115.

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wollte, so bleibt der entsubstanzialisierten Seele der Stolz, an dieser Kränkung diskret zu leiden. Ihr Kummer ist ihr Seinsbeweis. Auf der Spitze der maschinistischen Modernität wiederholt sich in manchen Individuen die Geburt der Menschlichkeit aus dem Wissen von der Verletzbarkeit des Lebens inmitten der fortgeschrittensten Sicherheitsarchitekturen.32

III. Automatum, quo vadis? Dieser Beitrag konnte nur einen kleinen Einblick geben in die kulturellen Herausforderungen, die mit der Entwicklung Künstlicher Intelligenzen im Rahmen der Industrie 4.0 einhergehen. Die Frage, wie sich Künstliche Intelligenzen und ihre Interaktion mit dem Menschen in Zukunft weiterentwickeln, ist neben der technischen ebenso sehr eine kulturelle, soziologische und psychologische. Ebenso wird die Beantwortung der in Abschnitt II.2. thematisierten Forschungsfragen ein interdisziplinäres Unterfangen sein. In der Industrie 4.0 werden in der untenstehenden Matrix zur Entwicklung von Künstlichen Intelligenzen (Abbildung 1) die Faktoren Subjektivität (im Sinne von Emotionalität und sozialem Handeln), Objektivität (als rationale Entscheidungen z. B. mithilfe von Big Data) und Koexistenz (als Gleichberechtigung zwischen Mensch und Maschine) stärker in den Blickwinkel rücken als die hierarchische Hoheit des Menschen über die Maschine. Maschinen als reines Werkzeug oder Spielzeug des Menschen werden hierdurch in den Hintergrund rücken, während sie entweder als gleichberechtigte soziale Wesen oder als Entscheidungsträger zum Einsatz kommen werden. Unterschiedliche Funktionen und Verhaltensweisen von Maschinen werden jedoch auch verschiedene Interaktionsformen zwischen Mensch und Maschine erfordern, welche es notwendig machen, die Rollen und Aufgaben des Menschen sowie seine Selbstwahrnehmung neu zu hinterfragen und auszuloten. Hierbei werden auch Rituale eine entscheidende Rolle spielen, die sich jeweils in der Interaktion mit trivialen und nicht-trivialen Systemen unterscheiden werden: Triviale Systeme sind zumeist auf Automatismen ausgelegt. Künstliche Intelligenzen haben in aller Regel heutzutage keine Probleme mehr, auch sich wandelnde Bedingungen zu berechnen und dementsprechend zu agieren. Denkbar wäre auf dieser Ebene die Adaption von automatisierten Ritualen zur Verbesserung der Mensch-Maschine-Interaktion im Alltag. Dies wäre eine vom Menschen gesteuerte, einseitige Sinnzuschreibung des Rituals zur ergonomischen und komplexitätsreduzierenden Verbesserung der Arbeitszusammenhänge für den Menschen. Nicht-triviale Systeme wären dagegen in Bezug auf Kultur und Rituale durch ein Selbstorga32  Sloterdijk,

S. 366.



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Quelle: Eigene Darstellung.

Abbildung 1: Matrix der Funktionen Künstlicher Intelligenz

nisationsprinzip Künstlicher Intelligenzen dazu in der Lage, subversiv oder affirmativ zu agieren, Veränderungen herbeizuführen und Sinn aktiv zu produzieren. Somit ist es denkbar, dass hierbei eigene, nicht allein vom Menschen ausgehende Rituale entstünden und sozialer wie kultureller Sinn synergetisch produziert wird. Die Zukunft der Entwicklung von Robotik und Künstlichen Intelligenzen ist dabei keine rein technische Aufgabe. Um den Zustand der Liminalität zwischen Mensch und Maschine in ihrer Interaktion und den diese gestaltenden Ritualen zu überwinden, bedarf es eines interdisziplinäres Spielfelds, auf dem nur die enge Zusammenarbeit zahlreicher verschiedener Forschungsrichtungen diese Entwicklung nachhaltig, verantwortlich und zielführend voranbringen kann. Literaturverzeichnis Bell, C. (2008): Ritualkonstruktion. In: A. Belliger / D. J. Krieger (Hrsg.), Ritualtheorien. Ein einführendes Handbuch. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 37–47. Belliger, A. / Krieger, D. J. (Hrsg.) (2008): Ritualtheorien. Ein einführendes Handbuch. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Braungart, W. (1996): Ritual und Literatur. Tübingen: Max Niemeyer.

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University Governance: Ein Plädoyer für System Dynamics und den universitären Korporatismus1 Von Christian Scholz

I. Ausgangslage: Universitäten als Problemfall Universitäten unterliegen einem stetigen Veränderungsprozess, der in Deutschland spätestens seit dem im Jahre 1999 eingeleiteten Bologna-Prozess an Fahrt aufgenommen hat. Dieser Veränderungsprozess betrifft zunehmend auch immer mehr Leitungsstrukturen der Universitäten.2 Gleichzeitig mehren sich die Stimmen, die in den aktuellen Organisationsdefiziten nicht nur ein marginal-partikulares Problem sehen, sondern eine strategische Gefahr für den Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort Deutschland.3 Bei dieser „University Governance“4 ist die Ausgestaltung der Machtverhältnisse zwischen den zentralen Akteuren, also zwischen Professoren, Dekanen und Universitätspräsidenten, eine wichtige Stellgröße. Trotzdem wird das Thema „Macht“ sowohl in der Forschung über Universitäten als auch in der Praxis von Universitäten nur selten explizit angesprochen5, was dazu führt, dass es kaum theorie- oder empiriebasierte Vorschläge dazu gibt, wie Steuerungssysteme in Universitäten idealerweise aussehen sollten.6 Es stellt sich also im Rahmen der umfassenden Problematik der Organisation von Universitäten die spezifische Frage nach dem anzuwendenden Governance-System, also die Frage danach, wie letztlich im „System Universität“ die Macht zwischen Präsident, Dekan und Professor idealerweise aufzuteilen ist. 1  Dieser Artikel ist Teil des Forschungsprojekts „Korporatismus als ökonomisches Gestaltungsprojekt für Universitäten (KORFU)“, www.kor-fu.de. Der Autor dankt dem deutschen Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) für die Finanzierung dieses Projekts sowie dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) als Projektträger. 2  Wernstedt / John-Ohnesorg (2010). 3  Vehrkamp (2006). 4  Edwards (2000). 5  Scholz / Stein (2014a). 6  Scholz / Stein (2015a).

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Aber auch wenn selten explizit an Universitäten über Governance-Systeme gesprochen wird, geht es Universitäten aktuell stark um Verschiebungen und Verschiebungsversuche von Macht.7 Ein kleines, aber konkretes und wirksames Beispiel: Wird ein Universitätsgesetz dahingehend verändert, dass die Wiederbestellung einer Frauenbeauftragten nicht durch Ausschreibung, sondern alleine durch Entscheidung des Universitätspräsidenten erfolgt8, so vergrößert dies seine Macht und die Loyalität der Frauenbeauftragen, weil schließlich er es ist, der über ihre Vertragsverlängerung entscheidet. Das bedeutet jetzt nicht, dass daraus resultierende Entscheidungen schlechter für die Universität sind, als wenn es eine Ausschreibung gegeben hätte. Es zeigt aber, wie scheinbar kleine Gesetzesänderungen konkrete Machtveränderungen produzieren. Zudem zeigt es, dass Politiker aktuell ein Governance-System mit präsidial-zentraler Steuerung präferieren.

II. Simulation: Auf dem Weg zur Verwissenschaftlichung Warum aber entscheidet sich im zuvor geschilderten Fall der Gesetzgeber letztlich für eine verstärkte Hinwendung zum präsidialen Zentralismus? Stecken dahinter umfangreiche Studien oder gesichertes Wissen? Offensichtlich ist lediglich, dass dahinter eine gewisse Intuition steckt, was irgendwie richtig sein könnte  – egal, woher diese Intuition auch kommt. Zudem gibt es mehr oder weniger mächtige Interessengruppen, die ihr intuitiv gewonnenes „Bild“ einer zukunftsfähigen Universität durchzusetzen versuchen. Im Bereich der Hochschulen ist hier speziell die Hochschulrektorenkonferenz als extrem erfolgreicher Lobbyverein der Rektoren und Präsidenten zu nennen.9 Natürlich gibt es Alternativen zu Intuition und Macht. Eine denkbare Alternative ist die empirische Forschung. Sie hat allerdings einen zentralen Nachteil: Empirische Forschung kann ausschließlich bestehende Organisa­ tionsformen bewerten und diese in einen situativen Kontext setzen. Neu­ artige und innovative Varianten sind ex definitione in der Praxis kaum oder gar nicht vertreten, also auch nicht empirisch bewertbar. Zudem sind auch bestehende Organisationsformen ausschließlich in bekannten  – also empirisch nachweisbaren  – Kontexten bewertbar. 7  Paradeise

et  al. (2009). des Gesetzes Nr. 1556 über die Universität des Saarlandes (Universitätsgesetz  – UG) in seiner zuletzt durch das Gesetz vom 12.  Juli 2006 (Amtsbl. S. 1226) geänderten Form. 9  Scholz / Stein (2014c). 8  § 4



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Deshalb bietet die Systemsimulation eine interessante Methode zur Bewertung von Modellen der Universitätssteuerung. Dies gilt vor allem dann, wenn die Systemsimulation eingebettet wird in eine umfangreiche theoriegeleitete Grundlagenforschung zu Steuerungsformen an Universitäten, wie sie das Projekt KORFU der Universität des Saarlandes und der Universität Siegen darstellt10: KORFU steht für „Korporatismus als ökonomisches Gestaltungsprinzip für Universitäten“ und befasst sich als universitäres Forschungsprojekt mit innovativen Steuerungsalternativen für Universitäten. Es konzentriert sich dabei  – in Abgrenzung zu der in Deutschland vorherrschenden zentralistisch-planwirtschaftlichen Universitätssteuerung  – auf dezentrale und demokratische („korporatistische“) Managementmodelle für moderne Universitäten. KORFU will eine Alternative zur aktuellen Entscheidungszentralisierung aufzeigen, da diese überwiegend negative Konsequenzen mit sich bringt: ausufernde Bürokratie, Zunahme ineffizienter Stellen bei der Hochschulleitung, absinkende Entscheidungsqualität, eskalierende Demotivation von Hochschulangehörigen, Zerstörung eines innova­ tiven Universitätsklimas bis hin zur dramatischen Schwächung des Wirtschafts- und Wissenschaftsstandortes Deutschland samt Aufgabe der „akademischen Tradition“. Während diskrete Modelle im Rahmen der Systemsimulation eher Warteschlangenprobleme thematisieren, erlauben stetige Modelle eine Analyse von kybernetischen Systemen.11 Eine spezielle Variante der stetigen Simulation ist System Dynamics.12 System Dynamics baut auf einem Level-Rate-Konzept auf: Durch das System fließen Ströme, die an Quellen (source) in das System eintreten und dieses System nach einer durch Regler der Stromstärke (rate) hervorgerufenen Verzögerung wieder verlassen. Dabei bilden sich im System zwischen den Rates jeweils Bestände (level). Der aktuelle Inhalt eines bestimmten Levels berechnet sich aus dem Anfangszustand sowie den kumulierten Zuund Abgängen. Vor diesem Hintergrund berichtet der vorliegende Beitrag über ein Simulationsprojekt, bei dem zentrale Steuerungssysteme in ein System DynamicsModell überführt und daraus Aussagen zur Sinnhaftigkeit spezieller Steuerungssysteme abgeleitet wurden.13 Bei dieser Studie wurde die STELLA Modeling & Simulation Software benutzt, die im Umgang mit System Dynamics eine beträchtliche Tradition hat.14 Der Quellcode des Modells ist 10  Scholz / Stein

(2014d), Scholz / Stein (2015b). (1998). 12  Niemeyer (1977); Sterman (2010); Karnopp / Rosenberg (1975). 13  Scholz et  al. (2015). 14  Bossel (1994). 11  Rubinstein / Melamed

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im Anhang des diesem Aufsatz zugrundeliegenden Arbeitspapiers15 abgedruckt  – verbunden mit der expliziten Bitte um Weiterentwicklung.

III. Grundlage: Bilder von Universitäten Als theoretische Basis für das gesamte Projekt und als abzubildende Governance-Systeme dienen sechs verschiedene „Bilder von Universitäten“16: Die Fakultären Silos sehen das Primat des Handelns bei den Fakultäten. Deshalb organisieren die Universitätsprofessoren ihre Fakultät und positionieren sie im Gefüge der Universität: Gleichzeitig sehen sie sich als Fakultät gemeinsam im Wettbewerb um Studierende und Ressourcen. Dem Bild der Fakultären Silos liegt ein föderalistisches Verständnis zugrunde, bei dem die Fakultäten weitgehend unabhängig voneinander agieren. Dem von den Fakultäten gewählten Präsidenten kommt die Rolle eines Moderators zu, der die Universität im Sinne einer Selbstverwaltung nach außen repräsentiert und als Schlichter in Streitfällen agiert. Der Akademische Kindergarten ist eine Metapher für die Beziehung zwischen Professoren und Universität in einem wenig kompetitiven akademischen Umfeld. Das Verhältnis wird dabei hauptsächlich von den opportunistisch motivierten Verhaltensweisen des Einzelnen beeinflusst, denen auf der organisationalen Seite aufgrund mangelnden Wettbewerbs ein geringes Maß an normativer Kraft gegenübersteht. Dadurch ergibt sich für die Professoren als Kernkompetenzträger der akademischen Leistungserstellung ein erheblicher Verhaltensspielraum. Der Präsidiale Feudalismus sieht eine zentrale Rolle des Universitätspräsidenten. Dieser übernimmt einen großen Teil  der Verfügungsrechte des Ministeriums, der Fakultäten und der Lehrstühle, wodurch sich für ihn eine beeindruckende Machtfülle ergibt. Die Entscheidungsmacht liegt folglich in der Hand eines einzelnen Akteurs. Er kann direkt (also alleine) oder indirekt (also mit Hilfe von lenkbaren Ausschüssen und ihm zugeordneten zentralen Einrichtungen) über Verwaltungsaspekte und Personalfragen, aber auch und vor allem über Mittelvergabe, Berufungslisten, Fakultätsgliederungen, Studienfächer, Lern- und Forschungsinhalte sowie Entwicklungsrichtungen ent­ schei­den.17 Bei der Dekanautokratie liegt die zentrale Macht beim Dekan, wobei es keine Rolle spielt, von woher und auf welchem Wege er diese Macht be15  Scholz

et  al. (2015). (2010), Scholz / Stein (2014b). 17  Scholz (2014). 16  Scholz / Stein



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kommen hat. Er entscheidet über Budgets, Berufungen und Forschungsrichtungen. Er führt Zielvereinbarungsgespräche mit den Professoren und kon­ trolliert Leistungen aller Mitglieder der Fakultät. Gleichzeitig legt er die strategische Richtung der Fakultät fest, vereinbart externe Kooperationen und vertritt die Fakultät nach außen. Falls derartige Dekane gleichzeitig noch Professoren an ihrer Fakultät sind, können sie zudem den eigenen Aktivitätsschwerpunkt forcieren, unliebsame Konkurrenz eliminieren und opportunistisch die Fakultät in ihre persönliche Richtung transformieren. Im Individuellen Verhandlungsdschungel beginnen die Professoren, ihr Verhalten anzupassen, um so ihre Stellung beziehungsweise Machtposition innerhalb der universitären Umwelt zu optimieren. Als Konsequenz zeichnet sich eine Machtverteilung ab, die sich tendenziell weiterhin zugunsten des Präsidenten gestaltet, aber gleichzeitig eine Metamorphose von Professoren hin zu verfahrenssicheren, opportunistischen und auf Individualinteressen fixierten „Berufsprofessoren“ mit sich bringt. Das Ergebnis ist ein stetiger Fluss von Individualverhandlungen, der im Extremfall die Universität als Ganzes lahmlegt. Der Universitäre Korporatismus orientiert sich als dezentrales BottomUp-System am klassischen Gedanken des Korporatismus.18 Die zentrale Rolle spielen sowohl die Fakultäten also auch die Professoren als Kernkompetenzträger. Anders als bei den Fakultären Silos gibt es hier ein hohes Maß an (nicht zentral-gesteuerter) Interdisziplinarität, die als Wettbewerbsfaktor der zukünftigen universitären Konkurrenz gilt. Entscheidend ist hier also das Bewusstsein um die Notwendigkeit einer Verzahnung zwischen den Fakultäten und den dafür notwendigen Bemühungen der Professoren um ein gemeinsam geteiltes Verständnis von „Universität“ als Korporatismus – wobei Korporatismus nicht mit dem im englischen Sprachraum üblichen „Corporatism“ zu verwechseln ist, der eine zentral gesteuerte Universität unterstellt, die sich an zentralistischen Unternehmen orientiert.19 Diese Bilder als Varianten möglicher Governance-Strukturen beschreiben detailliert die vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Organisationsprinzipien im Sinne von Entwicklungsstadien innerhalb der Universitätslandschaft, die sowohl zeitlich als auch logisch aufeinanderfolgen. Im Rahmen dieses Beitrags geht es dabei nicht um eine theoriebasierte Konzeptualisierung, sondern ausschließlich um die Machtverteilung innerhalb der jeweiligen Governance-Struktur. Deshalb sollen die alternativen Govern­ ance-Systeme im Zeitablauf in ihrem Aktions- und Reaktionsverhalten verglichen werden. 18  Alemann 19  Weßels

(1981). (2000).

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IV. Modellstruktur: System Dynamics Zentraler Angelpunkt des Modells sind drei Arten von Akteuren in der universitären Governance, also Professor, Präsident und Dekan (Abbildung 1). Die Professoren investieren ihre Zeit in Lehre, Administration sowie Forschung  – und zwar vereinfachend angenommen in dieser Reihenfolge. Ist also nicht mehr genug Zeit für Forschung vorhanden, entfällt diese. Neben der Arbeitsanforderung und der damit verbundenen Aufgabenerfüllung der Professoren spielen die Anforderungen an Dekan und Präsidenten eine wichtige Rolle. Vereinfachend wird angenommen, dass diese beiden Akteure lediglich administrative Aufgaben übernehmen. Eine modelltheoretische Besonderheit besteht darin, dass bei Über- oder Unterforderung dieser beiden Akteure Aufgaben (also zu erledigende Arbeitseinheiten) an „untergeordnete“ Instanzen weitergegeben werden können. Der Präsident kann also Aufgaben an den Dekan delegieren und dieser wiederum an die Professoren. Dabei wird eine lineare Proportionalität unterstellt. Die zugrundeliegende Überlegung für den Fall einer Überforderung erscheint insofern trivial, als dass in dieser Situation versucht wird, sich durch die Delegation von Aufgaben (Top-Down) zu entlasten. Für den Fall der Minderauslastung versucht der Akteur seinen eigenen Tag durch die Schaffung von neuen (jedoch fraglichen) Arbeitsaufgaben für formal „Untergebene“ auszufüllen. Insofern ergibt sich ein v-förmiger Verlauf der beiden zugrundeliegenden Funktionen des Dekans und des Präsidenten. Bei Abweichung von der normalen Arbeitsauslastung nach oben oder nach unten werden Arbeitseinheiten an untergebene Instanzen delegiert. Zur Zahl der Professoren kommt dann noch die Zahl der Studierenden, die sich unter anderem aus der Qualität von Forschung und Lehre, aber auch aus der Qualität der Administration ergibt. Diese „Qualität“ der Governance-Struktur ist damit nicht nur ein wichtiger Hebel, sondern auch der zentrale Effektivitätsindikator. Die Effektivität ergibt sich in einem zweistufigen Verfahren: Zunächst werden spezifische Qualitätskennzahlen in den Bereichen Lehre, Administration und Forschung ermittelt. Dabei liegt die Qualität in den Bereichen Lehre und Forschung ausschließlich im Einflussbereich der Professoren. Die Qualität der Administration hingegen ist ein gewichtetes arithmetisches Mittel der Verwaltungsleistung aller Akteure, bei dem die Tätigkeiten von Dekan und Präsident als zentrale Administratoren höher gewichtet sind. Danach erfolgt eine Aggregation der einzelnen Qualitätskennzahlen zu einer einzigen zentralen Qualitätskennzahl. Ein wesentlicher Aspekt der Modellierung ist die Art der Aufgabenerfüllung. Deshalb werden mit der Leistungsbereitschaft von Professoren und Studenten (Commitment), dem Arbeitsumfeld im Sinne der Kommunika­ tionsbeziehungen (Context) und der Bindungsbereitschaft der Akteure (Re-



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Abbildung 1: Submodell „Lehre-Administration-Forschung“

tention) motivationale Faktoren berücksichtigt. Diese Komponenten stammen aus der Saarbrücker Formel, mit Hilfe derer das Humankapital einer Organisation bestimmt werden kann, und in welcher die Motivation aus Commitment im Sinne von Leistungsbereitschaft („wollen“), Context im Sinne von Arbeitsbedingungen („können“) und Retention im Sinne von Bindungsbereitschaft („werden“) zusammengesetzt wird.20 Hinsichtlich der Studierenden (Abbildung 2) wird angenommen, dass die Anzahl neuer Immatrikulationen zum einen durch die Gesamtqualität der Fakultät beeinflusst wird, zum anderen durch die praktizierte Bindungswirkung (Retention) bei Studierenden und Professoren. Aus Vereinfachungsgründen wurde bezüglich der Abgangsrate von Studierenden angenommen, dass sich diese als prozentualer Anteil des Bestandes ergibt. Sofern Studierende also einmal eingeschrieben sind, werden sie auch bei abnehmender Qualität trotzdem versuchen, ihr Studium an der jeweiligen Universität zu beenden. Der Ein- und Austritt der Professoren in die beziehungsweise aus der Universität als wesentliche Einflussfaktoren auf die finanzielle Situation 20  Scholz / Stein / Bechtel

(2011).

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Abbildung 2: Submodell „Studierende-Professoren“

der Universität folgen in ihrer Entwicklung mit zeitlicher Verzögerung proportional zur Studierendenanzahl. Der Austritt wird dabei mit zeitlicher Verzögerung zusätzlich durch die Qualität in der Forschung und durch das Commitment der Professoren beeinflusst. Professoren mit einer höheren Leistungsbereitschaft werden also eher in der Universität bleiben. Abbildung 3 zeigt die Grundstruktur des Modells mit den dominanten Wirkungsbeziehungen. Gleichzeitig wird deutlich, dass in diesem Modell die „Machtverteilung“ als allein ausschlaggebende endogene Variable relevant ist. Aus der Machtverteilung zwischen den drei Akteuren folgt somit die entsprechende Governance-Struktur. Anders formuliert: Durch die Verteilung von „100 Prozent Macht“ auf die drei Akteure lassen sich alle sechs vorgestellten Governance-Systeme (sowie diverse Zwischenformen) über einfache Parametrisierung simulieren. Diese Machtverteilungen (Tabelle 1) folgen der Annahme, dass im Akademischen Kindergarten, im Präsidialen Feudalismus und in der Dekanautokratie jeweils ein Akteur eine den anderen Akteuren gegenüber herausragende Machtposition hat. Diese wird repräsentiert durch einen Machtanteil von 90 %, wohingegen sich die restliche Macht zu gleichen Teilen auf die beiden anderen Akteure verteilt (jeweils 5 %). Im Individuellen Verhandlungsdschungel haben die Dekane wenig Macht (5 %), wobei sich die restliche Macht mit einer Tendenz zum Präsidenten (55 %) verteilt. Im Universitären Korporatismus ist der Präsident der schwache Akteur (5 %) und die Professoren mit 55 % stärker. Im Szenario der Fakultären Silos gelten die gleichen prozentualen Anteile. Der Präsident als schwacher Ak-



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Abbildung 3: Darstellung der Wirkungsbeziehungen im Gesamtmodell

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Christian Scholz Tabelle 1 Typische Machtverteilung der Governance-Strukturen Macht Professoren

Macht Dekane

Macht Präsident

Fakultäre Silos

40 %

55 %

  5 %

Akademischer Kindergarten

90 %

  5 %

  5 %

Präsidialer Feudalismus

  5 %

  5 %

90 %

Dekanautokratie

  5 %

90 %

  5 %

Individueller Verhandlungsdschungel

40 %

  5 %

55 %

Universitärer Korporatismus

55 %

40 %

  5 %

teur hat ebenfalls lediglich 5 % der Macht, wobei der Dekan mit 55 % entsprechend stark ist.

V. Simulationsläufe: Zwei Gewinner Im direkten Vergleich (Abbildung 4) zeigt sich mit Blick auf die Qualität eine klare Überlegenheit der Fakultären Silos (FS) und des Universitären Korporatismus (UK) gegenüber den alternativen Governance-Strukturen. Wenngleich die Fakultären Silos relativ konstant auf einem entsprechend hohen Qualitätsniveau sind, zeigt sich im direkten Vergleich mit dem Universitären Korporatismus die eindeutige Überlegenheit des Korporatismus, dessen Gesamtqualität quasi unverändert über die gesamte Simulation hinweg auf dem Ausgangsniveau verbleibt. Zwar ist die Qualität im späteren Verlauf des Akademischen Kindergartens (AK), des Präsidialen Feudalismus (PF) und des Individuellen Verhandlungsdschungels (IV) ebenfalls tendenziell stabil, diese Stabilität stellt sich jedoch erst nach einer enormen Reduktion des Niveaus zu Beginn der Simulation ein. Diese Qualitätsreduktion ist in der Dekanautokratie (DA) zwar nicht so stark ausgeprägt, dafür ist die Qualität jedoch über den gesamten Verlauf der Simulation hinweg starken Schwankungen unterworfen. Des Weiteren sinkt die Qualität nahezu über den gesamten Simulationsverlauf hinweg sukzessiv ab. Retention sowie Commitment ähneln im Verlauf gerade der jeweiligen Qualitätsentwicklung, sodass sich hierdurch keine von den getätigten Ausführungen abweichende



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Abbildung 4: Entwicklung der Qualität

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Abbildung 5: Entwicklung der Personenbestände



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Gestaltungsimplikation ergibt. Die Überlegenheit des Universitären Korporatismus wird gestützt. Die Betrachtung der Personenzahlen (Abbildung 5) untermauert die unter Berücksichtigung der Gesamtqualität bereits getätigten Ausführungen. Das Ausgangsniveau bildet eine mittelgroße deutsche Hochschule. Hierbei ergibt sich jedoch im Vergleich der Fakultären Silos und des Universitären Korporatismus keine Tendenzaussage in Richtung einer dieser beiden Strukturen. Vielmehr verlaufen die Personenbestände über den Zeitraum der Simulation hinweg nahezu identisch. Insofern bezieht sich das erwähnte Stützen der Argumentation auf die Überlegenheit dieser beiden Strukturen gegenüber den vier alternativen Gestaltungsoptionen. Die Dekanautokratie sticht erneut durch ein ebenfalls nicht allzu geringes Niveau heraus, ist jedoch auch in diesem Bereich nicht durch sonderlich ausgeprägte Stabilität gekennzeichnet. Indes ergeben sich auch im Bereich der Personenbestände starke Schwankungen, wenngleich die Studierendenzahl zunächst ansteigt, im Zeitverlauf dann aber wieder sinkt. Eine ähnliche Bewegung ergibt sich im Präsidialen Feudalismus, wobei die Tendenz im weiteren Verlauf sinkend ist. Akademischer Kindergarten und Individueller Verhandlungsdschungel fallen durch ein generell starkes Absinken der Personenbestände auf. Insofern sind der Universitäre Korporatismus und die Fakultären Silos den anderen Governance-Strukturen auch mit Blick auf die Personenbestände überlegen und es ergibt sich im Zusammenspiel mit der Qualitätsbetrachtung erneut eine klare Gestaltungsempfehlung in Richtung des Universitären Korporatismus. Insgesamt gibt es mit den Fakultären Silos und dem Universitären Korporatismus zwei klare Sieger, während Akademischer Kindergarten und Individueller Verhandlungsdschungel eindeutige Verlierer im Hinblick auf alle untersuchten Kriterien sind.

VI. Schock-Verhalten: Ein (knapper) Sieg Schließlich kann und muss man die verschiedenen Governance-Strukturen auch in ihrem Anpassungsverhalten bei veränderten externen Einflüssen bewerten. Unser Modell wurde in seiner Reaktion bei zwei Impulsarten („Schocks“) getestet (Abbildung 6): In einem ersten Test wurde im Bereich „Context“ eine Kommunikationskrise simuliert, die zu einer Verschlechterung der Aufgabenerfüllung führt. Hierfür wurde eine Stufenfunktion eingegeben, die über einen Zeitverlauf von vier Jahren die zu absolvierenden Arbeitsstunden der Organisationsakteure aufaddiert. Nach Ablauf des Intervalls werden die Arbeitsstunden in gleicher Weise subtrahiert und die Störung wieder abgebaut. In einem zweiten Test wurde die

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Abbildung 6: Simulation von zwei Schock-Arten

Arbeitsbelastung der Akteure durch mehrere Pulsfunktion geschockt. Diese pulsartigen Hinzurechnungen zur regulären Arbeitszeit sind Anfangs recht gering und selten, nehmen jedoch im Zeitverlauf an Häufigkeit und Stärke zu. Vergleicht man das Anpassungsverhalten, so schneiden beim Contextschock (erneut) die Fakultären Silos und der Universitäre Korporatismus besonders gut ab. Beim Arbeitsbelastungsschock gewinnen Präsidialer Feudalismus und Universitärer Korporatismus. Dies ist plausibel: Der Präsidiale Feudalismus erlaubt ein rasches Durchgreifen von Oben nach Unten. Aus diesem Grund setzen gerade in Krisen zum Beispiel Kultusministerien oder Universitätsräte verstärkt auf den Ausbau der Machtbasis des Präsidenten. Interessant ist aber gerade der Universitäre Korporatismus: Er verbindet eine intrafakultäre Abstimmung mit einer horizontalen und selbstorganisierenden Interfakultätsabstimmung.

VII. Bewertung: Limitationen und Konsequenzen Der vorliegende Aufsatz geht im Kern zwei Fragestellungen nach: Zum einen soll geprüft werden, ob System Dynamics generell eine sinnvolle Methode zur Abbildung und Analyse von Steuerungsstrukturen an Universitäten ist. Zum anderen geht es  – sofern die erste Frage positiv zu beantworten ist  – um die eigentliche Fragestellung, nämlich die Bewertung von Steuerungsstrukturen an Universitäten.



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Abbildung 7: Konsequenzen simulierter Schocks

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Zur ersten Frage: Sie ist eindeutig positiv zu beantworten. Die sechs Modelle der universitären Governance lassen sich in ihrer Unterschiedlichkeit differenziert abbilden (deskriptive Funktion) und insofern auch differenziert bewerten, da eindeutig Vor- und Nachteile der jeweiligen Modelle offenkundig werden (präskriptive Funktion). Wie bei allen Modellen kann man über die Sinnhaftigkeit der gewählten Annahmen und die Korrektheit ihrer Übertragung in das Modell nachdenken. Dies gilt speziell für eine situative Differenzierung. So wurde im genutzten Modell beispielsweise hinsichtlich der Größenkriterien eine Universität mittlerer Größe angenommen. Es ist denkbar, dass Entwicklungen, wie sie etwa im Individuellen Verhandlungsdschungel aufgezeigt wurden, sich bei konstanter Anzahl von Präsidenten und steigender Anzahl und Anonymität von Professoren zusätzlich verstärken. Zugleich sind bei kleineren Universitäten aufgrund einer eher familiär anmutenden Organisationskultur und des damit verbundenen „Wir-Gefühls“ andere Parameterkonstellationen für die Context-Faktoren denkbar. Für zukünftige Betrachtungen  – insbesondere von konkreten Universitäten  – könnte eine Anpassung der Macht-Parameter im Zeitverlauf erfolgen. Dann wäre auch ein „gleitender Übergang“ zwischen den sechs GovernanceStrukturen möglich. Alternativ könnte man darüber nachdenken, „Macht“ aus der Rolle eines ausschließlich exogenen Faktors herauszunehmen: Bisher ist Macht (beziehungsweise korrekter die Machtverteilung auf die drei Akteure) eine vorgegebene Konstante. Sie würde sich aber auch als eine Variable simulieren lassen: In diesem Fall würden Lernprozesse dazu führen, dass Macht und Verantwortung zwischen den Ebenen verschoben werden. Man könnte sogar im Zeitablauf diskrete Veränderungen durch neue Hochschulgesetze mit stetigen Prozessen durch Lernprozesse kombinieren und dann den Verlauf einer real existierenden Universität simulieren. Wie eine solche Simulation über verschiedene Governance-Strukturen aussehen könnte zeigt Abbildung 8, bei der aber keine stetigen Machtanpassungen erfolgen, sondern in regelmäßigen Abständen eine neue Struktur gewählt wird. Die in diesem Fall rudimentär und fiktiv abgebildete Universität steht aktuell im Übergang von Präsidialem Feudalismus und Dekanautokratie. Individueller Verhandlungsdschungel und Universitärer Korporatismus sind also Ausdruck einer Fortschreibung in die Zukunft mit je einer erwarteten sowie erhofften Änderung der Machtverteilung. Zusätzliches Potenzial zur Gewinnung weiterer Ergebnisse bietet eine bedarfsmäßige Anpassung des Detaillierungsgrades der Subsysteme. Liegt beispielsweise ein besonderes Augenmerk auf der Entwicklung der Studierendenzahlen vor dem Hintergrund der jeweiligen Governance-Struktur, so



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Abbildung 8: Entwicklung der Gesamtqualität über verschiedene Governance-Strukturen

könnte das Modell an dieser Stelle durch eine Erweiterung der Komponenten etwa in Form von Übergangswahrscheinlichkeiten zwischen Bachelorund Masterstudiengängen sensitivere Daten zur Analyse bereitstellen. Zur zweiten Frage: Bei allen sich aufdrängenden Kritikpunkten an der gewählten Form der Modellierung und auch an den zugrundeliegenden Governance-Strukturen (die ebenfalls Modelle und damit Vereinfachungen der Realität darstellen) zeigt sich eine gewisse Tendenz zum Universitären Korporatismus und zu Fakultären Silos. Beides überrascht, weil es definitiv nicht den aktuellen Trend an deutschen Hochschulen  – beobachtbar ist eine extreme Bewegung hin zum Präsidialen Feudalismus gepaart mit einer Dekanautokratie – widerspiegelt. Allerdings muss unsere Simulation auch nicht die Wahlentscheidungen der Politik abbilden, die ja durchaus falsch sein können. Es ist sogar wahrscheinlich, dass sie bezogen auf Leistung und Erfolg als Effektivitätskriterien von Universitäten falsch sind, weil sie selber das Produkt realer Macht darstellen. Umso wichtiger sind eine Versachlichung und eine Verwissenschaftlichung der Entscheidung über die Formen universitärer Governance.

VIII. Ausblick: It’s just the Beginning Mit dem hier präsentierten Modell lässt sich das hoch komplexe System „Universität“ abbilden und untersuchen. Konkret wurden sechs Modelle simulativ umgesetzt und damit – soweit erkennbar – zum ersten Mal in den direkten Vergleich gebracht. Resultat ist ein tieferes Verständnis dieser Mo-

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delle. Hinter den hier präsentierten Alternativen stecken vollkommen unterschiedliche Organisationsstrategien. Sie manifestieren sich in Qualitätswerten, Studierendenzahlen und in diversen anderen Indikatoren. Auch wenn bisher im vorliegenden Beitrag nur einige und teilweise auch nur implizit formulierte Strategien berücksichtigt werden, wird klar, dass sich jetzt auch weitreichende Strategien vernünftig abbilden lassen. Diese Möglichkeit zur Simulation bedeutet, dass man nicht mehr eine Million Studierende aufgrund eines politisch oder zeitgeistgetriebenen Vorschlages zu Versuchskaninchen und Opfern macht, sondern sich vorher und vor dem Verschwenden von horrenden Summen an Steuergeldern überlegt, welche Konsequenzen mit den verschiedenen Gestaltungsmodellen von Hochschulen verbunden sind. Gegenwärtig haben wir die Situation, dass Präsidenten und Politiker, ohne im Detail ihre Alternativen begründen zu können und zu wollen, weitreichende Strukturentscheidungen treffen, ohne dass sie auch nur ansatzweise wissen, wie diese auf wichtige Key-Performance-Indikatoren, wie Studierendenzahlen, Drittmittelhöhe, Motivation von Mitarbeitern oder Qualität der Arbeit und Ausbildung, wirken. Dieser bedenklichen Form gegebener Praxis könnte insofern Abhilfe geschaffen werden. Für die Forschung bedeutet dies aber vor allem die Notwendigkeit zur Weiterentwicklung unseres Simulationsmodells auch durch Verwendung zusätzlicher empirischer Daten: Im Extremfall müsste man so weit kommen, dass jede Universität ihre eigene Spezifizierung des Simulationsmodells entwickelt. Letztlich will der vorliegende Beitrag weniger Antworten geben, als vielmehr zur Weiterführung dieser Gedanken anregen: Universitäten brauchen endlich mehr als den stochastischen Wildwuchs von Strukturexperimenten „am lebenden Objekt“. Systemtheoretiker können Antworten geben, sollten sich dazu aber in einem größeren Verbund mit diesem komplexen Thema beschäftigen. Also: Nicht über die Universitätsentwicklung jammern, sondern sie gemeinschaftlich und wissenschaftsbasiert beeinflussen. Literaturverzeichnis Alemann, U. v. (Hrsg.) (1981): Neokorporatismus, Campus, Frankfurt / New York. Bossel, H. (1994): Modellbildung und Simulation. Konzepte, Verfahren und Modelle zum Verhalten dynamischer Systeme, 2. Auflage, Springer Vieweg, Braunschweig /  Wiesbaden. Edwards, M. (2000): University Governance: A Mapping and Some Issues, Research Paper presented at LifeLong Learning Network National Conference, Canberra.



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Karnopp, D. / Rosenberg, R. C. (1975): System Dynamics: A Unified Approach, Wiley, New York. Niemeyer, G. (1977): Kybernetische System- und Modelltheorie: System Dynamics, Vahlen, München. Paradeise, C. / Reale, E. / Bleiklie, I. / Ferlie, E. (Hrsg.) (2009): University Governance. Western European Comparative Perspectives, Cité Descartes / Rom / Bergen / London. Rubinstein, R. Y. / Melamed, B. (1998): Modern Simulation and Modeling, Wiley, New York. Scholz, C. (2014): Klammheimlicher Umbau, in: Handelsblatt Nr. 133 vom 15.07. 2014, S. 19. Scholz, C. / Kollitz, R. / Reichstein, M. / Schäfer, J. (2015): Universitäre Governance  – Vergleich alternativer Rollenmodelle auf Basis von System Dynamics, KORFUArbeitspapier Nr. 20, Siegen / Saarbrücken. Scholz, C. / Stein, V. (2010): Bilder von Universitäten  – Ein transaktionsanalytischagenturtheoretischer Ansatz, in: Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis 62 (2 / 2010), S. 129–149. – (2014a): Die Ohnmacht der Dekane, KORFU-Arbeitspapier Nr. 13, Siegen / Saarbrücken. – (2014b): Erweitertes Stadienmodell der Universitätssteuerung: Konzeption und Diagnose, KORFU-Arbeitspapier Nr. 15, Siegen / Saarbrücken. – (2014c): Permanente Novellen von Landeshochschulgesetzen: Der beklemmende Drang zur zentralen Planwirtschaft, KORFU-Arbeitspapier Nr. 17, Siegen / Saarbrücken. – (Hrsg.) (2014d): The Dean in the University of the Future, Rainer Hampp Verlag, München / Mering. – (2015a): Institutionalizing University Governance in the University of the Future, KORFU-Arbeitspapier Nr. 18, Siegen / Saarbrücken. – (2015b): KORFU 2011–2014: Ein Projektresümee, das hoffentlich aufrüttelt, KORFU-Arbeitspapier Nr. 18, Siegen / Saarbrücken. Scholz, C. / Stein, V. / Bechtel, R. (2011): Human Capital Management. Raus aus der Unverbindlichkeit!, 3. Auflage, Luchterhand, Köln. Sterman, J. D. (2010): Business Dynamics. Systems Thinking and Modeling for a Complex World, McGraw Hill, New York. Vehrkamp, R. (2006): Der Bologna-Prozess. Deutschlands Universitäten im globalisierten Bildungsmarkt, in: Empter, Stefan / Vehrkamp, Robert B., Wirtschaftsstandort Deutschland, VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. Wernstedt, R. / John-Ohnesorg, M. (Hrsg.) (2010): 10 Jahre nach Bologna. Ziele und Umsetzung der Studienstrukturreform, bub Bonner Universitäts-Buchdruckerei, Berlin. Weßels, B. (2000): Die Entwicklung des deutschen Korporatismus, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Bundeszentrale für politische Bildung, B 26–27 / 2000, S. 16–21.

II. Kybernetik in der Praxis

Systemdynamische Modelle bei der Deutschen Telekom AG – ein Beispiel für die Etablierung innovativer Prognoseansätze in einem Großkonzern1 Von Thorsten Theisinger und Fabio Squillante

I. Einführung 1. Erfolgreicher Etablierungsprozess systemdynamischer Modelle Der vorliegende Beitrag schildert den Prozess der Etablierung system­ dynamischer Simulationsmodelle innerhalb der DTAG. Dabei wird auf die aktuell entwickelten und eingesetzten Modelle eingegangen, wobei der Fokus auf der Fragestellung liegt, wie es gelang, ein auf systemdynamischer Basis inhouse entwickeltes Simulationsmodell im Konzern zu verankern. Ein wesentlicher Aspekt des Beitrags ist der Vergleich des erfolgreichen Etablierungsprozesses des systemdynamischen Ansatzes mit dem nur in Teilen erfolgreichen Etablierungsprozess des bis 2014 innerhalb der DTAG verfolgten agentenbasierten Ansatzes. 2. Ausgangssituation: Problematiken bei der Einführung eines agentenbasierten Modellansatzes Von 2011 bis 2014 entwickelte die DTAG-interne Abteilung Business Analytics, die für die Etablierung innovativer Prognoseansätze verantwortlich zeichnet, unter wissenschaftlicher Begleitung der Humboldt-Universität zu Berlin ein agentenbasiertes dynamisches Marktmodell, mit dem es möglich ist, die Entwicklung des deutschen Breitband / Festnetz-Privatkundenmarktes im Zeitraum der jeweils drei nächsten Jahre anhand von Szenarien zu simulieren. In dem Modell kommunizieren Agenten  – Identifikations1  Nachfolgend wird durchgehend die Abkürzung DTAG für Deutsche Telekom AG verwendet. Es wird im Folgenden nicht unterschieden zwischen der Deutschen Telekom AG und der Telekom Deutschland GmbH.

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Thorsten Theisinger und Fabio Squillante

Quelle: Interne Roadshow-Präsentation der DTAG 2015.

Abbildung  1: Reporting-Ebene des agentenbasierten dynamischen Marktmodells

nummern mit sozio-demografischen Daten, die Haushalte repräsentieren  – untereinander über ihre Einschätzungen sowie über sogenannte Relevanzen bezüglich zum Beispiel Markenwahrnehmung, Tarifpreis oder Tarifleistung. Die Logik des Modells basiert auf mathematisch-statistischen Kalkulationen, auf dynamischen, agentenbasierten Interaktionen und auf einer Tarifdatenbank, die sämtliche aktuellen Tarife im deutschen single play, double play und triple play Markt2 beinhaltet. Jeder Tarif, der gewissermaßen die „Umgebung“ der Agenten darstellt,3 umfasst 38 Attribute, die modifiziert werden können  – zum Beispiel hinsichtlich Bandbreite, monatlichem oder einmaligem Entgelt, Hardware- Preis oder inkludierter Telefonieminuten. Indem Tarife modifiziert oder neue Tarife kreiert werden, werden Szenarien simuliert, die den Impact der vorgenommenen Tarifmodifikationen auf verschiedenste Kennzahlen aufzeigen, so zum Beispiel auf Kundenbestand, Neukunden, Wechsler, Up- und Downgrader. Dabei können Auswertungen auf verschiedenen Ebenen  – u. a. auf der Ebene von Bandbreiten-Clustern, auf Anbieter-Ebene oder auf Layer-Basis (single play, double play, triple play)  – generiert werden. 2  Single play beinhaltet Telefonie-Anschluss und -Tarif; double play umfasst Telefonie- und Internet-Anschluss und  -Tarif. Triple play schließlich beinhaltet Telefonie-, Internet- sowie TV-Anschluss und  -Tarif. 3  Epstein / Axtell (1996), S. 5. sowie Ferber (1999), S. 262 f. und Klügl (2001), S.  16 f.



Systemdynamische Modelle bei der Deutschen Telekom AG

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Trotz einer intensiven Roadshow innerhalb des DTAG-Konzerns zur Publikmachung des agentenbasierten Modells, eigens angebotener kostenfreier Halbtages-Trainings inklusive Aushändigung eines Handbuchs für potenzielle Nutzer des Modells und großer Anerkennung von verschiedenen Seiten fand das agentenbasierte Modell letztlich keine nachhaltige Anwendung im Konzern. Hauptgrund hierfür war der Umstand, dass das agentenbasierte Marktmodell – gleichwohl wissenschaftlichen Ansprüchen genügend,4 leicht zu bedienen und von großem Mehrwert  – teilweise als black box empfunden wurde, deren ca. 27.000 Java-basierte Programmcodezeilen trotz aller Erklärungen der dahinter liegenden Logik als nicht nachvollziehbar empfunden wurde. Nachvollziehbarerweise stellte die sich im Hintergrund befindliche komplexe Programmierung vereinzelt eine gewisse Hürde für die Bereitschaft dar, sich intensiv mit dem Modell auseinander zu setzen.5 3. Hintergrund der Abteilung Business Analytics und wissenschaftliche Begleitung Das sechsköpfige Team Business Analytics hatte langjährige Erfahrungen in der Modellierung und Prognose des breitbandig generierten InternetTraffic im Festnetz- und Mobilfunkbereich. Zudem verfügte die Abteilung über Expertise im Umfeld von Conjoint- und Portfolio-Analysen. Seit 2011 hatte sich das Team fundierte Kenntnisse in der Entwicklung agentenbasierter Modellierung erworben, was in der eingangs erwähnten Modellierung des agentenbasierten dynamischen Marktmodells mündete. Sowohl bei der Entwicklung des agentenbasierten Modells als auch bei der Erstellung systemdynamischer Modelle war die Abteilung stets auf wissenschaftliche Begleitung bedacht, um höchsten Ansprüchen einer State-ofthe-art‑Modellierung von Szenario‑Simulationen zu genügen. So ließ man sich hinsichtlich der agentenbasierten Modellierung wissenschaftlich von der Humboldt Universität zu Berlin begleiten und beraten und stand darüber hinaus in regelmäßigem Kontakt u. a. zur RWTH Aachen sowie zu Professoren der Berner Fachhochschule und der Fachhochschule Aalen. Bei der Entwicklung systemdynamischer Modelle wurde die Abteilung Business Analytics von der Frankfurt School of Finance & Management begleitet  – sowohl in Form begleitender Beratung durch Professor Dr. Jürgen Stroh­ 4  Die hohe Qualität des Modells wurde von der Humboldt-Universität zu Berlin in Form eines Gutachtens bestätigt. 5  Eine ausführliche Beschreibung des erwähnten agentenbasierten dynamischen Marktmodells der DTAG inklusive einer Darstellung der Herausforderungen bei der Einführung und Etablierung des agentenbasierten Ansatzes im Konzern der DTAG findet sich bei Theisinger / Squillante (2014).

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Thorsten Theisinger und Fabio Squillante

hecker, dem Vorsitzenden (President) der System Dynamics Society,6 als auch in Form einer von dessen Studenten erarbeiteten Fallstudie zu einem Teilaspekt eines systemdynamischen Modells zum TelekommunikationsMarkt (TK-Markt).

II. Entwicklung und Etablierung systemdynamischer Modelle 1. Auf dem Weg zu System Dynamics Um nicht das sprichwörtliche tote Pferd weiter zu reiten, stellte die Abteilung Business Analytics Anfang 2014 die Aktualisierung und Pflege des erstellten agentenbasierten Marktmodells ein und fokussierte sich auf den systemdynamischen Ansatz, mit dem die Abteilung im Laufe der Zeit zunehmend in Berührung gekommen war: Inhalt einer von der Abteilung Business Analytics eigens veranstalteten Konferenz im November 2013 war neben der agentenbasierten Modellierung7 der Ansatz der Crowd Intelligence8 sowie System Dynamics.9 Zu allen drei Ansätzen gab es auf der Konferenz Vorträge und Gespräche zwischen Professoren und Mitarbeiter / innen der DTAG. Unabhängig von den Vorzügen einer agentenbasierter Modellierung und dem Ansatz der Crowd Intelligence war das Team von dem Mehrwert der systemdynamischen Modellierung schnell überzeugt.10 Zunächst sind die Vorzüge der systemdynamischen Herausarbeitung komplexer Zusammenhänge auch und vor allem bei non-linearen Entwicklungen gerade bei einer Vielzahl von Treibern unbestritten.11 Zudem werden die Zusammenhänge und Sensitivitäten einzelner Treiber schon in der Modellierung in der jeweils eingesetzten Software fassbar und begreifbar, was für die Akzeptanz des Ansatzes von nicht zu unterschätzender Bedeutung war. Schließlich ist an dieser Stelle der Vorteil zu erwähnen, dass im Unterschied zu einer programmier­technisch eher starren agentenbasierten Modellierung der modulare Aufbau systemdynamischer Modellierung einen deutlichen Vorteil an Flexibilität und damit einhergehender Schnelligkeit birgt. 6  Zur

System Dynamics Society vgl. http: /  / www.systemdynamics.org / . (2009), S. 183 ff. sowie Epstein / Axtell (1996), S. 1 ff. 8  Die bei der DTAG im Einsatz befindlichen Telekom Prognosemärkte nutzen die „Intelligenz der Crowd“, in diesem Fall einiger Tausend Mitarbeiter / innen der DTAG, um Fragestellungen vornehmlich zu Produktideen und -entwicklungen der DTAG zu begleiten. 9  Strohhecker / Sehnert (2008), S. 35 ff. 10  Romeike / Spitzner (2013), S. 124 u. 133 f. 11  Romeike / Spitzner (2013), S. 126 ff. 7  Wooldridge



Systemdynamische Modelle bei der Deutschen Telekom AG

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2. Roadshow Die Abteilung Business Analytics machte im Jahr 2014 den systemdynamischen Ansatz im Rahmen einer Roadshow innerhalb des Konzerns bekannt und stieß dabei auf größtes Interesse. Dabei wurde der Ansatz anhand fünf recht simpler Folien dargestellt, auf denen im Wesentlichen der group modelling Prozess, ein konkretes historisches Beispiel aus der systemdynamischen Praxis in den USA sowie Beispiele für systemdynamische Anwendungsfelder dargestellt wurden.

Quelle: Interne Roadshow-Präsentation der DTAG 2015.

Abbildung 2: Was ist System Dynamics?

Quelle: Interne Roadshow-Präsentation der DTAG 2015.

Abbildung 3: Beispiel: US Navy vs. Ingalls

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Thorsten Theisinger und Fabio Squillante

Quelle: Interne Roadshow-Präsentation der DTAG 2015.

Abbildung 4: Einsatzgebiete von System Dynamics

Aufbauend auf dieser in der Regel etwa 20–30-minütigen Einführung wurden die praktischen Vorzüge systemdynamischer Modellierung dargestellt, indem die Entwicklung der bundesdeutschen Bevölkerung anhand einiger weniger Treiber und Flussgrößen mit Hilfe der System DynamicsSoftware Vensim dargestellt wurde – ohne Anspruch auf Vollständigkeit, mit dem Fokus auf live durchgeführte Sensitivitätsanalysen, Schieberegler und dynamische Entwicklungen.

Quelle: Interne Roadshow-Präsentation der DTAG 2015, Modellierung der Bevölkerungsentwicklung anhand der Simulationssoftware Vensim.

Abbildung 5: System Dynamics Software



Systemdynamische Modelle bei der Deutschen Telekom AG

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Die Adressaten wurden schon im Rahmen der Roadshow im Sinne des Group Modeling-Prozesses12 aktiv in die Modellierung eingebunden, indem sie zum einen gefragt wurden, wie sich nach ihrer Einschätzung die Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland langfristig entwickelt, wenn  – um die Fragestellung pointiert und so einfach wie möglich zu gestalten ohne Berücksichtigung von Zu- und Auswanderung  – Geburtenrate und durchschnittliche Lebenszeit unverändert bleiben. Zum anderen wurden neben dem Szenario, in dem Geburtenrate und Lebenszeit den historischen Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre abbilden, zwei weitere Szenarien simuliert: einerseits wurde die Geburtenrate verdoppelt bei gleichbleibender durchschnittlichen Lebenszeit, andererseits wurde die durchschnittliche Lebenszeit verdoppelt bei gleichbleibender Geburtenrate. Bevor die Simula­ tionsergebnisse gezeigt wurden, gaben die Adressaten ihre Einschätzung darüber ab, was einen größeren Impact auf die Bestandsgröße Bevölkerung hat: eine Verdoppelung der Geburtenrate oder aber die Verdoppelung der Lebenszeit. Der darauf folgende, stets angeregt verlaufende Diskurs über den Grund des größeren Impacts der Verdoppelung der Geburtenrate machte in allen Workshops deutlich, welch großen Mehrwert systemdynamische Modellierung schon im Anfangsstadium des Group Modeling-Prozesses und der Modellierung hat: Austausch, fachliche Erkenntnisse, Aufweichen tradierter Bauchgefühle und festgefahrener Positionen sowie Entwicklung des Verständnisses für sich verstärkende respektive beschränkende Kausalzusammenhänge. Die im Live-Modus durchgeführten Sensitivitätsanalysen trugen wesentlich dazu bei, die Adressaten der Roadshow von dem enormen Mehrwert systemdynamischer Modellierung zu überzeugen. 3. Mehrwert des systemdynamischen Ansatzes unter dem Aspekt der Etablierung im Konzern: Nachvollziehbarkeit und Identifikation Für den Zweck der Etablierung des innovativen systemdynamischen Prognoseansatzes entscheidend war, dass dieser den engen Einbezug der Fachseite per se von Beginn an vorsieht und voraussetzt. Eindringlich appelliert Sterman zu Recht: „Avoid black box modeling. […] Involve the clients as early and as deeply as possible. Show them the model. Encourage them to […] criticize the model. Work with them to resolve their criticisms to their satisfaction.“13 Die Beherzigung des Ster­man’schen Ratschlags hatte zwei eng miteinander zusammenhängende positive Folgen, die 12  Vennix (1996), S. 4 ff.; Vennix / Richardson / Andersen (1997), S. 103 ff.; Morecroft / Sterman (1994), S. 291 ff. 13  Sterman (2000), S. 80.

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Thorsten Theisinger und Fabio Squillante

Quelle: Interne Roadshow-Präsentation der DTAG 2015, Erläuterung des Group Modeling Prozesses.

Abbildung 6: System Dynamics Software

sich für den Erfolg der nachhaltigen Etablierung der entwickelten Modelle als entscheidend erweisen sollten: Zum einen anerkannten die an der Entwicklung des Telekommunikations-Modells beteiligten Mitarbeiter / innen verschiedenster Fachbereiche das Modell als nachvollziehbar, valide und verständlich, da sie mit ihrem fachlichen Input an dem Modellierungsprozess  – wenn auch in unterschiedlicher Intensität in den verschiedenen Entwicklungsphasen  – durchgängig beteiligt waren. Zum anderen identifizierten sich die Mitarbeiter / innen als potenzielle Nutzer durch ihr Mitwirken bei der Eruierung der qualitativen Wirkzusammenhänge sowie bei der Befüllung der Variablen mit quantitativen Daten von Beginn an mit dem Modell und seinen Ergebnissen, nahmen das Modell als Produkt ihrer eigenen Arbeit wahr und stellten den Mehrwert der Nutzung des Modells nicht im Nachhinein in Frage. 4. Vom Piloten zum Modell Um den systemdynamischen Ansatz im Marketing-Bereich der DTAG zu erproben, wurde ein Projektteam aus Modellierern seitens der Abteilung Business Analytics und aus Experten verschiedener Fachbereiche für die



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Eruierung der qualitativen Wirkzusammenhänge zusammengestellt. Zudem wurde das Pilotprojekt in allen Phasen der Modellentwicklung wissenschaftlich begleitet. Das Modell sollte Antworten auf die Frage liefern, welchen Impact die Einführung neuer Produkte im TK-Markt unter bestimmten Voraussetzungen hinsichtlich Preis, Leistung und anderer Kriterien hat.14 Hierfür standen zwölf Wochen zur Verfügung, innerhalb derer die qualitativen Zusammenhänge gemeinsam mit den Fachseiten zu ermitteln, die Modellierung zu bewerkstelligen sowie die Treiber mit quantitativen Daten zu befüllen waren. Auf Basis der aus der Gruppenphase resultierenden Kausaldiagramme wurden die qualitativen Wirkzusammenhänge systemdynamisch modelliert sowie mit IST-Daten, Herleitungen und ggf. „Best Guess“‑Expertenannahmen quantifiziert. Zudem wurde ein Management‑Cockpit erstellt, das es ermöglicht, verschiedene Szenarien anhand der Betätigung von Schiebereglern für Preis, Leistung und weiteren Kriterien für die DTAG und ihre Wettbewerber zu simulieren und Sensitivitätsanalysen durchzuführen. Darüber hinaus wurde ein Wargaming‑Cockpit erstellt, durch das Marktentwicklungen noch realistischer abgebildet und deren Auswirkungen prognostiziert werden können. Sehr schnell gewann das Pilotprojekt eine Eigendynamik, da die in dem Modell abgebildete Fragestellung eine das Unternehmen umtreibende Thematik darstellte, so dass immer mehr Fachbereiche an dem Ergebnis inte­ ressiert waren. Dies führte dazu, dass mit bislang nicht involvierten Bereichen eine neuerliche Validierung der Modelldaten vorgenommen wurde und die Ergebnisse des Modells rasch auf hoher Managementebene vorgestellt und diskutiert wurden. Das Management beauftragte  – von dem Mehrwert des Modells überzeugt  – dessen Weiterentwicklung, Aktualisierung und Validierung. Daraufhin wurde u. a. eine Differenzierung des Wettbewerbs nach einzelnen Wettbewerbern sowie weitere Erweiterungen der Modellgrenzen vorgenommen und in einem Folgeprojekt an der Weiterentwicklung und Optimierung des Modells  – abermals im Rahmen eines Projekts unter Beteiligung verschiedener Fachbereiche und mit wissenschaftlicher Begleitung von Professor Jürgen Strohhecker  – gearbeitet. Wesentliche Parameter respektive Treiber des Modells sind hinsichtlich der im Telekommunikations-Markt offerierten Tarife insbesondere Preis, 14  Aus Vertraulichkeitsgründen soll an dieser Stelle nicht näher auf die Inhalte des Modells eingegangen werden. Mit dem Hinweis darauf, dass der Fokus des vorliegenden Artikels auf dem Prozess der Etablierung systemdynamischer Modelle und weniger auf deren Inhalten liegt, bitten die Autoren des vorliegenden Beitrags um Verständnis.

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Thorsten Theisinger und Fabio Squillante

Quelle: Interne Roadshow-Präsentation der DTAG 2015.

Abbildung 7: Management Cockpit des System Dynamics basierten Pilotmodells der DTAG (fiktive Daten)

Leistung und Vertriebsfokus. Jeder dieser Parameter ist mit einer bestimmten Relevanz für die Kunden behaftet, wobei die jeweilige Relevanz nunmehr nicht statisch, sondern dynamisch ist. Um dem Modell die rechte Balance zwischen generischer und detaillierter Modellierung zu geben, wurden die Tarife sowohl der Deutschen Telekom als auch der Wettbewerber nach Einstiegs-, Standard- und Premiumangeboten geclustert, und zwar in jedem TK-Markt‑relevanten Feld wie Mobilfunk, Festnetz u. a. Insbesondere das im Marketing angesiedelte Produktmanagement arbeitete tatkräftig an dem Modell mit und war und ist von dem Mehrwert der Modellnutzung in Form von Analysen und Simulationsszenarien überzeugt. Zum Zeitpunkt der Erstellung des vorliegenden Artikels befindet sich die Erstellung des Modells in der finalen Phase. Die Projektbeteiligten sehen der nutzenbringenden Anwendung des Modells sehr zuversichtlich entgegen.



Systemdynamische Modelle bei der Deutschen Telekom AG

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III. Resümee 1. Status quo Für das Management stellt das Modell die Möglichkeit dar, sich durch Sensitivitätsanalysen sowie per Schieberegler justierbare Simulationsszenarien rasch einen Überblick zu verschaffen über die Auswirkungen verschiedenster Entscheidungen auf eine Vielzahl an Kennzahlen. So können Preisänderungen, Tarifleistungsänderungen (z. B. hinsichtlich Bandbreite) und eine Vielzahl weiterer Tarifmodifikationen simuliert werden, deren Einfluss auf Kundenbestand, Umsatz und andere Kennzahlen durch das Modell binnen Sekunden übersichtlich im Rahmen eines Management‑Cockpits dargestellt werden. Darüber hinaus arbeitet Business Analytics an der Entwicklung eines generischen TK-Marktmodells, mit dessen Hilfe es ermöglicht werden soll, in Wargaming-Szenarien die Auswirkungen umfassender TK-Marktentwicklungen qualitativ zu antizipieren und zu quantifizieren. Mittel- bis langfristig ist angedacht, verschiedene Fragestellungen mit Hilfe modular aufgebauter systemdynamischer Modelle zu beantworten respektive verschiedene TK-Markt-relevante pro- und reaktive Szenarien modelltechnisch zu simulieren. Schließlich sei darauf hingewiesen, dass nach oben beschriebener Vorstellung des systemdynamischen Ansatzes bei Human Resources seit Anfang 2015 auch im Personalbereich ein System Dynamics‑basiertes Modell entwickelt wurde und mit großem Erfolg angewandt wird. 2. Lessons learned Eine erste Erkenntnis ist der Umstand, dass eine einfach nachvollziehbare Darstellung des Prognoseansatzes in Verbindung mit einem praktischen Beispiel, im Rahmen dessen die Adressaten, die für den Prognoseansatz interessiert werden sollen, einbezogen werden, ein überaus probates – wenn nicht unabdingbares  – Mittel ist, um den berühmten „Fuß in die Tür“ von Entscheidungsträgern zu bekommen. Die wichtigste Lektion jedoch, die im Laufe der jahrelangen Beschäftigung mit Modellentwicklungen und deren Etablierung im Konzern der DTAG gelernt wurde, ist der Umstand, dass auch eine minutiös modellierte, wissenschaftlich fundierte, einfach bedienbare Lösung wie das agentenbasierte dynamische Marktmodell nur sehr schwer zu nachhaltiger Anwendung gelangt, wenn die potenziellen Nutzer das Ergebnis „nur“ präsentiert bekommen anstatt von Beginn an zumindest in bestimmte Teilen und Phasen

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Thorsten Theisinger und Fabio Squillante

der Modellierung einbezogen zu sein. Dieser Erkenntnis wurde durch die Pilotierung des systemdynamischen Ansatzes Rechnung getragen, indem Experten verschiedener Fachbereiche von Beginn an eng in die Eruierung der Kausalzusammenhänge und im Weiteren in Teile der Modellierung einbezogen wurden, wodurch eine hohe Akzeptanz des Ansatzes sowie eine starke Identifizierung mit dem Modell und dessen Ergebnissen erreicht wurde. Für den Erfolg eines systemdynamischen Modellierungsprojekts von hohem Nutzen ist es, wenn die an dem Projekt neben den Modellierungsexperten beteiligten Fachexperten ein hohes Commitment sowie ein großes Maß an Modellierungsaffinität mitbringen. Das Commitment ist unabdingbar für einen kontinuierlichen Projektverlauf, in dem das Modell im Mittelpunkt steht; Modellierungsaffinität ist vonnöten, um so banale Wahrheiten wie die Tatsache, dass jedes Modell die Wirklichkeit nur unzureichend darzustellen vermag, auszuhalten und die Modellentwicklung durch das Aufwerfen konstruktiv-kritischer Fragen voran zu treiben. 3. Fazit und Ausblick Als Fazit darf festgestellt werden, dass die Einführung und Etablierung von Prognose- und Simulationsmodellen auf systemdynamischer Basis bei der DTAG eine Erfolgsgeschichte darstellt. Zunächst ist zu erwähnen, dass conditio sine qua non für die Bekanntmachung des systemdynamischen Ansatzes der unermüdliche persönliche Einsatz bei enormem zeitlichen Einsatz des Teams Business Analytics war: In Eigeninitiative eignete man sich das entsprechende theoretische und modelltechnische Know-How an. Türöffner war die Anschaulichkeit der Vorstellung des Simulationsansatzes, indem man sich auf wenige, anschaulich konzipierte und lebendig vorgestellte Folien beschränkte. Darauf aufbauend hatte die gemeinsam mit dem jeweiligen Adressatenkreis vorgenommene Modellierung der Bevölkerungsentwicklung stets einen deutlichen Aha-Effekt, was gleichermaßen für Verständnis des Modellansatzes und für Interesse an der Nutzung systemdynamischer Modelle für die Beantwortung fachlicher Fragen sorgte. Die in diesem Zusammenhang im Live-Modus durchgeführten und diskutierten Sensitivitätsanalysen trugen wesentlich dazu bei, den Mehrwert des systemdynamischen Ansatzes zu verdeutlichen. Die wissenschaftliche Begleitung der Modellierung unterstützte selbstredend die Qualität der Modelle und hatte zudem den Vorteil, dass man sich auf ausgewiesene Experten berufen konnte.



Systemdynamische Modelle bei der Deutschen Telekom AG

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Letztlich stand und steht der nachhaltige Erfolg bei der Etablierung systemdynamischer Modelle im Konzern der DTAG mit der Qualität der eruierten qualitativen Kausalzusammenhänge sowie mit der Qualität der InputDaten. Beides – Eruierung der Zusammenhänge ebenso wie die Ermittlung der Input-Daten  – ist auf hohem Niveau nur fachbereichsübergreifend möglich. Und hier ist neben den modelltechnischen Aspekten des systemdynamischen Ansatzes dessen Group Modelling-Prozess entscheidend, der bei entsprechender Vorbereitung und Moderation aus Mitgliedern einzelner Fachbereiche ein Projektteam macht, das seine individuellen Stärken und Expertisen in das gemeinsame Modellergebnis fließen lässt. Literaturverzeichnis Epstein, J. M. / Axtell, R. (1996): Growing Artificial Societies, Washington. Ferber, J. (1999): An Introduction to Distributed Artificial Intelligence, Harlow. Klügl, F. (2001): Multiagentensimulation. Konzepte, Anwendung, Werkzeuge, München. Morecroft, J. / Sterman, J. (1994): Modeling for Learning Organizations, Portland, Oregon. Romeike, F. / Spitzner, J. (2013): Von Szenarioanalyse bis Wargaming. Betriebswirtschaftliche Simulationen im Praxiseinsatz, Weinheim. Sterman, J. D. (2000): Business Dynamics. Systems Thinking and Modeling for a Complex World, Boston. Strohhecker, J. / Sehnert, J. (Hrsg.) (2007): System Dynamics für die Finanzindustrie, Frankfurt a. M. Theisinger, T. / Squillante, F. (2014): Das agenten-basierte Dynamische Marktmodell der Deutschen Telekom AG als Beispiel modellbasierten Managements. In: S. N. Grösser / M. Schwaninger / M. Tilebein / T. Fischer / S. Jeschke (Hrsg.), Modell­ basiertes Management. Konferenz für Wirtschafts- und Sozialkybernetik KyWi 2013 vom 4. bis 5.  Juli 2013 in Bern. Berlin: Duncker & Humblot. Vennix, J. (1996): Group Model Building: Facility Team Learning Using System Dynamics, Chichester, England. Vennix, J. / Richardson, G. / Andersen, D. (1997): Group model building, System Dynamics Review (special issue) 13 (2), New York. Wooldridge, M. (2009): An introduction to multiagent systems, Liverpool.

Einfluss von Gruppeneffekten auf die Bewertung schwer erfassbarer Größen am Beispiel der nutzenorientierten Wirtschaftlichkeitsschätzung Von Stephan Printz, Lana Plumanns, Kristina Lahl, René Vossen und Sabina Jeschke

I. Einführung Die nutzenorientierte Wirtschaftlichkeitsschätzung (NOWS) kombiniert die klassische ökonomische Analyse monetärer Werte mit der Analyse nichtmonetärer Größen. Neben quantitativen Faktoren werden auch qualitative Einflussgrößen wie Qualität, Flexibilität oder Mitarbeitermotivation in die Investitionsentscheidung integriert. Die Analyse der Wirtschaftlichkeit beruht auf der Einschätzung eines sowohl unternehmensinternen als auch -externen interdisziplinären Expertenteams. Diese Vorgehensweise stellt die Erfassung von Aspekten aus unterschiedlichen Bereichen, wie z. B. dem Rechnungswesen, der Beschaffung oder der Produktion sicher. Hierdurch wird eine ganzheitliche Bewertung der betrachteten Investitionsalternativen ermöglicht. In einer Langzeitevaluation des NOWS-Verfahren aus den letzten 10 Jahren haben Printz / Lahl / Vossen / Jeschke (2015) die allgemeine Funktionalität des beteiligungsorientierten Verfahrens nachgewiesen1. Jedoch wurden bei der Analyse der, für diesen Review benötigten, Workshop-Daten auch Anhaltspunkte zum Einfluss von Gruppeneffekten auf die Ergebnisqualität identifiziert. Auf dieser Ausgangslage wurden Untersuchungen in den Workshops des letzten Jahres (2015) durchgeführt um die wahrgenommenen Gruppeneffekte bzw. Risikofaktoren aus dem Langzeitreview zu validieren. Die Ergebnisse der durchgeführten Beobachtungsstudien werden in diesem Artikel näher beschrieben. Zum einen dienen diese Beobachtungen als erste Validierung und Nachweis der Gruppeneffekte und zum anderen wird das bereits in zahlreichen Workshops erprobte NOWS-Verfahren um verhal­ tenspsychologische Kenntnisse erweitert. Diese Untersuchung liefert den 1  Printz / Lahl / Vossen / Jeschke

(2015).

84

S. Printz, L. Plumanns, K. Lahl, R. Vossen und S. Jeschke

Grundstein für die Entwicklung eines Forschungsdesigns für eine großangelegte Studie mit Teilnehmern aus Industrie und Praxis. Neben einem wissenschaftlichen Diskurs zu den beobachteten Gruppeneffekten werden das NOWS-Verfahren und die Auswirkungen der Gruppeneffekte auf das Ergebnis beschrieben. Abschließend wird ein Ausblick zur Weiterentwicklung des NOWS-Verfahrens durch die Kombination der Vorteile der Bewertung schwer erfassbarer Größen und der Eliminierung unerwünschter Gruppeneffekte gegeben.

II. Wirtschaftlichkeitsanalyseverfahren Der wirtschaftliche Erfolg von Investitionsprojekten ist u. a. von Entscheidungen des Managements abhängig. Zur Bestimmung dieses wirtschaftlichen Erfolges wird die „Wirtschaftlichkeit“ als das Verhältnis von Nutzen und Aufwand gemessen (1)2: Wirtschaftlichkeit = Nutzen Aufwand

(1)

Sowohl der Nutzen als auch der Aufwand werden als monetäre Zielgröße bzw. quantitative Faktoren definiert3. Eine Investition gilt als vorteilhaft, sobald der Quotient größer als Eins ist4. Heutige Investitionsentscheidungen sind von einer Vielzahl von Aspekten und Einflussgrößen abhängig5. Investitionsprojekte bestehen in der Realität nicht nur aus zwei Zahlungsströmen zu Beginn und zum Abschluss eines Projektes, sondern aus zeitlich variablen Ein- und Auszahlungen über die gesamte Projektlaufzeit. Die Erfassung und Bewertung dieser variablen Zahlungsströme stellt die größte Herausforderung für Entscheidungsträger dar. Aus verhaltensökonomischer Sicht maximiert jeder rationale Agent durch sein Handeln bzw. seine Entscheidungen seinen individuellen Erwartungsnutzen6. Hierbei werden Entscheidungen auf Grundlage quantitativer und qualitativer Faktoren getroffen. Während quantitative Faktoren messbare Werte aus beispielsweise der Buchhaltung bzw. dem Rechnungswesen sind, stellt die Bewertung qualitativer Faktoren eine weitere Herausforderung von Entscheidungsträgern dar. Beispiele für qualitative Faktoren sind die Mitarbeitermotivation, Qualität der Produkte und Dienstleistungen oder das Inno2  Mrosik

(1996).

3  Laux / Gillenkirch / Schenk-Mathes

(2014). (1997). 5  Gorzeń-Mitka / Okręglicka (2014). 6  Picot / Reichwald / Wigand (2013). 4  Gluchowski / Gabriel / Chamoni



Einfluss von Gruppeneffekten auf schwer erfassbare Größen

85

vationspotential oder Branding des Unternehmens. Insbesondere durch die Integration dieser qualitativen Faktoren steigt die Qualität der Wirtschaftlichkeitsanalyse7. Bei Vernachlässigung dieser qualitativen Daten steigt langfristig die Wahrscheinlichkeit von Fehlentscheidungen8. Zur Beherrschung der Komplexität und Unsicherheit sowie der realitätsnahen Bewertung von Investitionsprojekten besteht ein Bedarf an effizienten und strukturierten Methoden zur Informationssuche und Bewertung9. Traditionelle Wirtschaftlichkeitsanalyseverfahren, wie die Kapitalwertmethode oder die Nutzwertanalyse, erfassen keine quantitativen Einflussfaktoren zur Bewertung der Investitionsalternative10. Einen Ansatz zur Bewältigung der aktuellen Herausforderungen bieten beteiligungsorientierte, erweiterte Wirtschaftlichkeitsanalyseverfahren. Neben der Erfassung variabler Zahlungsströme und Erfassung und Bewertung qualitativer Faktoren erfordern diese Verfahren einen geringen zeitlichen Aufwand der Durchführung11. Aufgrund der Involvierung interner und externer Experten in den Entscheidungsprozess wird ein differenziertes und umfassendes Abbild der Realität geschaffen. Aus diesem Grund werden für zahlreiche Entscheidungen in Unternehmen Teams eingesetzt12. Auch beteiligungsorientierte Verfahren setzen auf diese Art der Entscheidungsfindung. Als ein Beispiel für ein beteiligungsorientiertes Verfahren, das sowohl schwer erfassbare Kosten als auch schwer erfassbare Nutzen in die Investitionsentscheidung miteinbezieht, wird das NOWS-Verfahren vorgestellt13.

III. Das NOWS-Verfahren Das Verfahren zur nutzenorientierten Wirtschaftlichkeitsschätzung (NOWS-Verfahren) ist ein wirtschaftskybernetischer Ansatz zur Analyse und Auswertung der Kosten und Nutzen einer Investition. NOWS basiert auf der Nutzenanalyse von IBM aus den 1980er Jahren. Ursprünglich von Dirk Weydandt am Institut für Unternehmenskybernetik e. V. (IfU) der RWTH  Aachen entwickelt14, wurde das NOWS-Verfahren im originären 7  Frank / Souza / Ribeiro / Echeveste

(2013). (1998). 9  Baines (2004), Frank / Souza / Ribeiro / Echeveste (2013), Rothärmel (2015), Wöhe / Döring (2013). 10  Socea (2012). 11  Kidane (2012), Pittermann (1998), Printz / Vossen / Jeschke (2015). 12  Bonito (2014). 13  Printz / Lahl / Vossen / Jeschke (2015), Printz / Vossen / Jeschke (2015). 14  Nagel (1988), Ott (1993), Weydandt (2000). 8  Pittermann

86

S. Printz, L. Plumanns, K. Lahl, R. Vossen und S. Jeschke

Sinn zur Bewertung von technischen Investitionen eingesetzt15. Durch die praktische Anwendung in zahlreichen Forschungs- und Dienstleistungsaufträgen wurde das Verfahren über die Jahre optimiert. NOWS kombiniert die klassische ökonomische Analyse monetärer Werte mit der Analyse nicht-monetärer Größen. Neben den harten quantitativen Variablen werden auch weiche, qualitative Einflussgrößen wie Qualität, Flexibilität oder Mitarbeitermotivation einbezogen. Die Analyse der Wirtschaftlichkeit wird von einem interdisziplinären Expertenteam durchgeführt, sodass Aspekte unterschiedlicher Bereiche, wie z. B. des Rechnungswesens, der Beschaffung und der Produktion berücksichtigt werden. Hierdurch wird eine ganzheitliche Bewertung der betrachteten Investitionsalternativen ermöglicht. Die NOWS-Methode wird in sieben Phasen unterteilt (vgl. Abbildung 1)16. 1. Zusammensetzung des interdisziplinären Teams, 2. Ist-Analyse, 3. Soll-Analyse, 4. Sammlung von Maßnahmen, 5. Investitionsbewertung, 6. Handlungsplan und Umsetzung, 7. Reflexion. Im ersten Schritt wird das interdisziplinäre Team zusammengestellt. Das Projektteam bildet im Idealfall das gesamte sozio-technische System des Unternehmens bzw. des Projektes ab und ist repräsentativ für das KnowHow aus allen Bereichen und Hierarchieebenen. Das Team ist verantwortlich für die Durchführung aller Schritte der Bewertung, Umsetzung und Reflexion (Schritte  2  bis  7)17. In Schritt 2, der Analyse des Ist-Zustandes, werden alle verfügbaren Informationen und Teilaspekte der Situation vor der Investitionsentscheidung zusammengetragen. Die Ist-Analyse stellt exemplarisch alle Aspekte des Entscheidungsproblems dar. Die Sammlung der Aspekte erfolgt durch Expertenberichte der Teammitglieder, Befragungen oder Gruppentreffen. Grundlagen der Analysen sind sowohl quantitative und qualitative Faktoren18. Bei der Definition des Soll-Zustands (Schritt  3) werden Anforderungen an das Projekt identifiziert und nach ihrer Notwendigkeit klassifiziert. Hier15  Weydandt (2000), Strina / Uribe / Henning (2003), Jursch / Bischoff / Hauck / Flachskampf / Henning / Jeschke (2010), Koch / Hauck / Isenhardt (2013). 16  Strina / Uribe / Henning (2003), Strina / Uribe (2004). 17  Weydandt (2000). 18  Weydandt (2000).



Einfluss von Gruppeneffekten auf schwer erfassbare Größen

87

Quelle: Uribe (2004).

Abbildung  1: Vorgehen bei der Nutzen-Orientierten Wirtschaftlichkeits-Schätzung

bei sind sämtliche Lösungsansätze und Alternativen zur Erreichung des Soll-Zustandes zu erfassen und dokumentieren. Das Resultat dieses Schrittes ist ein Zielsystem von Anforderungen und Alternativen19. In Schritt 4 werden Maßnahmen zur Umsetzung der im vorherigen Schritt definierten Ziele gesammelt. Die Maßnahmen werden im Team mithilfe verschiedener Kreativtechniken wie Brainstorming, Mindmapping oder Morphologischen Kästen entwickelt. Der fünfte Schritt, die eigentliche Investitionsbewertung, ist unterteilt in  vier Teilschritte (vgl. Abbildung  1). Zunächst erfolgt die Einordnung der Maßnahmen in die Kosten-Nutzen-Matrix (Schritt  5a). Hierfür werden die auftretenden Kosten und Nutzen in Einflussarten eingeteilt (vgl. Abbildung 2). Die Kategorisierung in „direkte“, „indirekte“ und „schwer erfassbare“ Einflüsse wird durch das Expertenteam vorgenommen. Direkte Kosten und Nutzen stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit der Maßnahme und 19  Weydandt

(2000).

S. Printz, L. Plumanns, K. Lahl, R. Vossen und S. Jeschke

Einflussart

Nutzenmatrix

Eintrittswahrscheinlichkeit

Kostenmatrix

hoch mittel niedrig

direkt

9

7

4

indirekt

8

5

2

schwer erfassbar

6

3

1

Einflussart

88

Eintrittswahrscheinlichkeit hoch mittel niedrig

direkt

1

3

6

indirekt

2

5

8

schwer erfassbar

4

7

9

Quelle: Eigene Darstellung.

Abbildung 2: Kosten- und Nutzenmatrix

sind durch buchhalterische Daten quantifizierbar. Hierzu gehören z. B. Beschaffungskosten oder monetäre Gewinne. Indirekte Kosten und Nutzen sind mittelbar mit der Maßnahme verknüpft. So gelten z. B. die Steigerung der Qualität oder externe Beratungskosten zu dieser Kategorie. Schwer erfassbare Kosten und Nutzen sind lediglich per Schätzung quantifizierbar. Dieser Kategorie sind z. B. die Mitarbeitermotivation oder Stress zuzuordnen20. Im nächsten Schritt  5b werden die Maßnahmen bewertet und quantifiziert. Hierfür werden den identifizierten Kosten und Nutzen Eintrittswahrscheinlichkeiten zugeordnet. Unterschieden wird qualitativ in „hohe“, „mittlere“ und „niedrige“ Eintrittswahrscheinlichkeiten21. In Kombination mit den Ergebnissen aus Schritt  5a werden die Kosten und Nutzenaspekte in einer Matrix dargestellt (vgl. Abbildung 2). Neben der Zuordnung zu den Matrixfeldern werden die Kosten und Nutzen in diesem Schritt quantifiziert. In Abhängigkeit der Maßnahme erfolgt die Quantifizierung mithilfe des Barwertes oder mittels Schätzungen per heuristischen Verfahren22. Durch vordefinierte Risikostufen ( j) werden die Kosten- und Nutzenaspekte kumuliert. Die Risikostufen der Kostenmatrix werden beginnend bei direkten Kosten mit hoher Eintrittswahrscheinlichkeit absteigend aufgetragen. Die Gesamtkosten (Km) werden durch die Summation der Einzelkosten (kj) gebildet (2). Die Risikostufen der Nutzenmatrix werden aufsteigend von direktem Nutzen mit hoher Eintrittswahrscheinlichkeit aufgetragen23. Die Berechnung des Gesamtnutzens (Nn) für jede Risikostufe wird durch Addition der Einzelnutzen (nj) gebildet (3)24. 20  Strina / Uribe / Henning

(2003), Ott (1993). (2000), Ott (1993). 22  Ott (1993). 23  Strina / Uribe / Henning (2003). 24  Printz / Vossen / Jeschke (2015). 21  Weydandt



Einfluss von Gruppeneffekten auf schwer erfassbare Größen Km =

(2)

89

(9-m)+1

å

kj

j =1 9

N n = ån j

(3)

j =1

Die kumulierten Kosten und Nutzen werden im nächsten Teilschritt (Schritt  5c) visualisiert und als Kurven aufgetragen (vgl.  Abbildung  3). Durch die zuvor definierten Risikostufen ergeben sich zwei gegenläufige Kurvenverläufe. Die Nutzenkurve steigt stetig, während die Kostenkurve stetig fällt. Die zu dem Schnittpunkt zugehörige Risikostufe ist ein Maß für die Vorteilhaftigkeit der Investition. Liegt der Schnittpunkt im Bereich der Risikostufe 1 so sind alle potentiellen Kosten bereits durch den direkten Nutzen mit einer hohen Eintrittswahrscheinlichkeit gedeckt. Für steigende Werte der Risikostufe des Schnittpunktes nimmt die Vorteilhaftigkeit der Investition ab. Es werden stetig unwahrscheinlichere Nutzeneffekte mit geringer Einflussart in der Kalkulation benötigt, um wahrscheinlicher werdende Kosten mit einem stärkeren Einfluss auszugleichen (vgl. Abbildung  3). Falls sich die Kosten- und Nutzenfunktion nicht schneiden, ist eine differenzierte Betrachtung erforderlich. Befindet sich die Kostenkurve über der Nutzenkurve, so ist die Investition strikt abzulehnen. Dominiert hingegen die Nutzenkurve die Kostenkurve, ist die Investition uneingeschränkt zu tätigen.

Quelle: Eigene Darstellung.

Abbildung  3: Visualisierung der Kosten- und Nutzenkurven

90

S. Printz, L. Plumanns, K. Lahl, R. Vossen und S. Jeschke

Im sechsten Schritt wird die Umsetzung der Investition geplant und letztlich durchgeführt. Verantwortlichkeiten und Zeithorizonte werden festgelegt und die Fortschritte des Projektes mithilfe verschiedener Projektmanagementwerkzeuge überwacht25. Im letzten (siebten) Schritt werden die Entscheidung und der Entscheidungsprozess vom interdisziplinären Team reflektiert. Die Erfahrungen und Ergebnisse werden ausgewertet und Handlungsempfehlungen für das betrachtete Investitionsprojekt und zukünftige Entscheidungssituationen abgeleitet.26

IV. Einfluss von Gruppeneffekten im NOWS-Verfahren Anhand der für die Langzeitevaluation untersuchten NOWS-Workshop Dokumentation ergaben sich Anhaltspunkte für den Einfluss von Gruppeneffekten auf die Investitionsbewertung27. Da diese Effekte bzw. Einflüsse von Gruppeneffekten insbesondere bei der Kategorisierung der schwer erfassbaren Größen zu verzerrten oder gar falschen Entscheidungen führen können, wurden diese in einer neuen Studie eingehender untersucht. Anhand der vorliegenden historischen Dokumentationen wurden Variablen identifiziert, die basierend auf wissenschaftlicher Fundierung Einfluss auf Gruppenentscheidungen und insbesondere die Bewertung schwer erfassbarer Größen nehmen können. Zur Validierung der identifizierten Einflussgrößen wurden Beobachtungen in drei Workshops aus dem Jahr 2015 durchgeführt. Die Beobachtungen wurden im Rahmen von laufenden AiF Forschungsprojekten durchgeführt: − AutoHD 18264 N  – Automatisiertes Handhaben und Drapieren von Verstärkungstextilien für mehrachsig gekrümmte Faserverbundstrukturen (www.auto-hd.de) − RegelTuft 18535 N  – Erstellung eines Regelkreises für die Garnzuführung einer Tuftingmaschine zur Reduzierung der Rüstkosten (www.regel tuft.de) − AutoNCF 494 Z  – Durchgehende Qualitätsüberwachung und -sicherung bei der Serienfertigung von Multiaxialgelegen (www.auto-ncf.de) Allgemein konnte in transparenten Gruppenarbeiten, wie dem NOWSVerfahren, das leistungssteigernde Phänomen des sozialen Wettbewerbs beobachtet werden. Der soziale Wettbewerb beschreibt einen Effekt während 25  Jakoby

(2010), Sell / Schimweg (2002). (2000). 27  Printz / Lahl / Vossen / Jeschke (2015). 26  Weydandt



Einfluss von Gruppeneffekten auf schwer erfassbare Größen

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Gruppenaufgaben, bei denen die individuellen Beiträge identifizierbar sind. Als Resultat versuchen sich die Teilnehmer gegenseitig zu übertreffen, was in moderater Ausprägung zu einer produktiven Arbeitsatmosphäre beiträgt und neben der multiperspektivischen Betrachtung von Problemstellungen einen Vorteil von Gruppenverfahren ausmacht. Jedoch ließen sich anhand der Analyse der Dokumentationen und Protokolle der vorangegangenen Workshops auch potentiell negative Einflussvariablen aufgrund der Gruppenstrukturen erkennen, welche die Entscheidungsfindung beeinflussen können. Bei diesen potenziellen Einflussvariablen handelte es sich um Variablen welche in mehreren der Dokumentationen erwähnt bzw. zu identifizieren waren und deshalb einer besonderen Betrachtung gebührten. Aufbauend auf dieser Untersuchung und einer anschließenden Literaturanalyse wurden die identifizierten Einflussvariablen bzw. Gruppeneffekte zu sogenannten Risikofaktoren geclustered. Diese Faktoren werden zunächst chronologisch anhand der Phase ihres Auftretens bzw. der Schritte des NOWS-Verfahrens erläutert. Darauf werden potentielle Auswirkungen bei Nichtbeachtung der Faktoren genannt und erste Lösungsansätze zur Vermeidung der gruppendynamisch verzerrten Einflussnahme auf das weitere Verfahren skizziert. 1.  Risikofaktor „Hierarchische Beeinflussung“: Bereits durch Zusammensetzung des interdisziplinären Teams (Schritt 1) besteht Konfliktpotenzial, welchem Rechnung getragen werden muss. Durch das Aufeinandertreffen von Personen aus unterschiedlichen Hierarchieebenen und verschiedenen soziotechnischen Systemen der Unternehmen zeigten sich Machtkämpfe und -gefälle, welche bei Nichtbeachtung und entsprechender Gegenmaßnahme durch Moderatoren zu Verzerrungen der Entscheidungen führen. So zeigte sich ein tendenziell negativer Zusammenhang zwischen der hierarchischen Diversität der Workshop Teilnehmer und integrativer Teamarbeit, der sich daran zeigte, dass Workshop Teilnehmer niedrigerer Hierarchieebenen aus den Diskussionen zurückzogen, sobald Experten oder ranghöhere Personen anwesend waren. Die Anwesenheit einer bzw. mehrerer Personen mit Leitungsposition ging mit einer geringeren Teamarbeit einher, da die Person(en) mit Leitungsfunktion bereits zu Anfang die Rolle des Entscheidungsnehmers übernahm(en). Dies ist ein Befund, der kongruent zu früheren Forschungsergebnissen der Interaktionsforschung ist28 und auf ein Machtgefälle im Entscheidungsteam zurückzuführen ist. Ebenfalls birgt die Anwesenheit einer Führungsperson das Risiko des sogenannten Herdenverhaltens (Herding), das Fehlentscheidungen ermög28  Jaeggi

(1983).

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licht, indem (fehlerhafte) Meinungen und Ideen von Einzelpersonen der Gruppe unkritisch angenommen werden29. Auch das Phänomen des Gruppendenkens (engl.:  groupthink), das übermäßige Suchen nach Übereinstimmung und Harmonie innerhalb der Gruppe, schließt an diesen Effekt an und unterbindet die kritische (Selbst-)Reflektion der Entscheidung30. Um die Risiken der ungewünschten hierarchischen Beeinflussung zu minimieren, empfiehlt sich bereits zu Beginn des NOWS-Verfahrens eine neutrale Moderation durch Externe. 2.  Risikofaktor „Verbale Beeinflussung“: Bei der Ist- und der Soll-Analyse (Schritte 2 und 3) zeigte sich weiteres Konfliktpotential. Da die Vorgaben und Vorstellungen des Controllings bzw. des Managements und der Belegschaft z.  T. nicht miteinander vereinbar sind, ist die Konsensfindung, wie vom Verfahren gewünscht, durch Diskussionen und Kompromissen geprägt. Diese Form der verbalen Auseinandersetzung ermöglicht auf der einen Seite eine multidimensionale Betrachtungsweise der Problematik, auf der anderen Seite eröffnet dies jedoch auch Spannungsfelder zwischen den Beteiligten. Durch das jeweilige Verständnis der Firmenphilosophie(n) kommt es zu unterschiedlichen Definitionen von Ist- und Soll-Zustand und damit verbundenen indirekten Beeinflussungsversuchen, um den jeweils eigenen SollZustand im Sinne einer individuellen Nutzenmaximierung der Entscheidung zu erreichen. So zeigt sich sowohl in der Analyse sowie in der direkten Beobachtung dieser Phase u. a. eine Form des Framing-Effektes. Der Framing-Effekt besagt, dass die Wahrnehmung der Gruppenmitglieder durch die gewählte Präsentation der Informationen manipulierbar ist. So neigten verschiedene Akteure in dieser Phase zu einer Darstellung des Verlustes, welcher durch das Nicht-Einsetzen der von ihnen erstrebten Maßnahme entstehen würde. Dass jegliche Art der Verlustdarstellung generell effizienter ist als die alleinige Gewinndarstellung, ist bereits bekannt und auf die menschliche Verlustaversion zurück zu führen und wurde in früheren Forschungen mehrfach bestätigt31. Der Begriff der Risikoaversion beschreibt die Tendenz von Entscheidern, bei der Wahl mehrerer Alternativen gleichen Erwartungswertes die Alternative mit dem geringeren Risiko zu wählen. Dieser Effekt führt zu einer Verzerrung einer ansonsten neutralen Entscheidungsfindung. Auch hier wirkt eine externe Moderation zunächst unterstützend, um Missverständnisse, (ungewollte) Manipulationen und Diskrepanzen zu unterbinden. Auch 29  Alexakis / Xanthakis

(2008), Bradley (2010), Frederick (2005). (1972). 31  Jones / Sinclair / Courneya (2003). 30  Janis



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bei der Sammlung von Maßnahmen (Schritt 4) zeigen sich im Zuge der Kreativtechniken wie Brainstorming, Mindmapping oder Diskussionen auffällig häufig verbale Beeinflussungsversuche, welche sich bis in die Bewertung und Quantifizierung der Maßnahmen (Schritt 5) fortsetzen, wenn sie nicht unterbunden werden. Eine externe Moderation kann hier Abhilfe schaffen, indem sie objektive Fakten protokolliert und so die valide Ergebnisfindung sowie die Erstellung eines Handlungsplans (Schritt 6 und Schritt  7) unterstützt. 3.  Risikofaktor „Sozialpsychologische Effekte“: Neben den zwei Hauptrisikofaktoren des NOWS-Verfahrens wurden in persönlichen Gesprächen und Erfahrungsberichten von Teilnehmern zudem verschiedene Facetten und Effekte der Sozialpsychologie wiedergefunden. Ein Beispiel für diese Effekte sind zum Beispiel entscheidungsirrelevante Kosten bzw. irreversible Kosten (sunk cost-Effekt). Dies sind Kosten, die bereits getätigt wurden, weshalb Menschen geneigt sind, an dieser (mentalen) Investition festzuhalten, obwohl die bereits getätigten Kosten rational keinen Einfluss mehr auf die weitere Entwicklung dieser Investition haben bzw. eine positive Entwicklung nicht garantieren. Beispiele dafür finden sich in der menschlichen Angst, Maßnahmen vor Beendigung abzubrechen, obwohl der Gewinn dieser Maßnahme bei weiterer Durchführung keinen objektiven Mehrwert beinhaltet bzw. verspricht. Dies ist eine Verhaltensneigung, welche in vielen der bisherigen Dokumentationen protokoliert wurde. Wissenschaftliche Belege dieser Verhaltensweise finden sich bspw. auch in Bezug auf Börsengeschäfte32. Die nachfolgend beschriebenen Risikofaktoren sind wissenschaftlich anerkannte Faktoren, jedoch konnten diese Effekte in den drei Validierungsbeobachtungen nicht bestätigt werden. 4.  Risikofaktor „Anonymität durch zu große Gruppen“: Zu große Gruppen (> 12 Personen) stehen mit den sozialpsychologische Effekte Social Loafing (deutsch: soziales Faulenzen) und Free Riding (deutsch: das Trittbrettfahren). Social Loafing bezeichnet einen Effekt, der auftritt, sobald Individuen im Kollektiv arbeiten und dabei ihre Einzelleistung nicht bekannt wird33. Auch das Phänomen des Free Riding, einer Leistungsreduktion, die auftritt, wenn der persönliche Beitrag für das Gruppenergebnis als nicht relevant angenommen wird, schließt daran an. 5.  Risikofaktor „Homogene Gruppen“: Heterogene Gruppen werden oft gemieden, da mit zunehmender Heterogenität der Gruppenzusammensetzung negative Emotionen und Konflikte sowie koordinative Anforderungen zu32  Schaub

(1999).

33  Aronson / Wilson / Akert

(2010).

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nehmen, welche die Abläufe stören34. Die durchgeführten Beobachtungen haben unter der Annahme einer angemessenen Moderation positive Aspekte (moderat) heterogener Gruppen hervorgebracht. So weisen heterogene Gruppen neben der erhöhten Innovationsfähigkeit und der gesteigerten Kreativität einen enormen Vorteil auf, da die Vereinheitlichung des Gruppenverhaltens, (siehe u. a. der Herdeneffekt) wesentlich später eintritt als bei homogeneren Gruppenzusammensetzungen. Der Köhler-Effekt schließt an die Vorteile moderat heterogener Gruppenzusammensetzungen und Leistungsniveaus an und hängt von der relativen Leistungsstärke der individuellen Gruppenmitglieder ab35. Bei geringer Differenz der individuellen Leistungsstärke erbringen Gruppen höhere Leistungen als die Summe der individuellen Beiträge, wobei sehr ähnliche oder sehr unterschiedliche individuelle Leistungsstärken eine niedrigere Gruppenleistung bewirken. Auch ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Männer und Frauen ist dabei wünschenswert; zwar sind die Risikofaktoren an sich geschlechtsunspezifisch, jedoch ließen sich in Dokumentationen der vorangegangenen Workshops sowie den darauf aufbauenden Untersuchungen einige Effekte verstärkt bei männlichen Teilnehmern beobachten, wie beispielsweise das Ausspielen der Machtposition. Wie gezeigt wurde, sind die beobachteten Effekte u. a. von Interaktion, Normvorstellung, Rollendifferenzierungen, Personenzahl, sowie unterschiedlichen Interessen abhängig. Insbesondere im Hinblick auf die Bewertung schwer erfassbarer Größen, welche auf Schätzungen und nicht allgemeingültigen Annahmen beruhen, nehmen die zuvor diskutierten Risikofaktoren einen potentiellen Einfluss auf das Ergebnis. Daher sind die Risikofaktoren durch eine konzeptionelle Anpassung zu eliminieren und die bereits diskutierten positiven Eigenschaften zu stärken.

V. Fazit und Ausblick Im Kontext des NOWS-Verfahrens zur Bewertung von Investitionsentscheidungen konnten ausgehend von den Arbeiten der letzten zehn Jahre Anhaltspunkte für Gruppeneffekte identifiziert und durch Beobachtungen aktueller NOWS-Workshops validiert werden. Basierend auf wissenschaftlicher Fundierung wurde der Einfluss auf Gruppenentscheidungen und insbesondere der Einfluss auf die Bewertung schwer erfassbarer Größen diskutiert. Zur Minimierung der Risikofaktoren sind eine konzeptionelle bzw. methodische Anpassung sowie eine weitere Verfahrensoptimierung wün34  Brodbeck / Guillaume

(2010). (1996), Kerr / Messé / Park / Sambolec (2005).

35  Stroebe / Diehl / Abakoumkin



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schenswert. Hinsichtlich des konzeptionellen Aufbaus sollte das Verfahren durch einen objektiven, geschulten Moderator geleitet werden. Zudem sollten die Gruppenteilnehmer schon vor Beginn des Verfahrens über potenzielle Einfluss- und Risikofaktoren aufgeklärt werden, um diese bewusst vermeiden zu können. In den nächsten Schritten wird zudem auf Grundlage der bisherigen Forschungen und Dokumentationen ein Kriterienkatalog über die einzelnen Variablen der Risikofaktoren erstellt, welcher neben der qualitativen Analyse der Einflüsse durch Gruppeneffekte auch erste Einblicke in die quantitativen Auswirkungen dieser ermöglicht. Durch weitere Anpassungen des Verfahrens wie zusätzliche unbeeinflusste Einzelinputs im Sinne eines paarweisen Vergleiches, ist zudem auch die weitere Reduzierung negativer Einflüsse bspw. des Herdeneffektes möglich. Der Einsatz des paarweisen Vergleiches ist auf die Bewertung von Kosten- und Nutzenaspekten beschränkt. Die Einzelgewichtungen sind durch eine Aggregation in einen Konsens zu bringen. Zur Vermeidung von Inkonsistenzen in der Aggregation ist ein softwaregestütztes Entscheidungssystem zu entwickeln. Durch eine Softwareunterstützung werden individuelle Präferenzen gleichgewichtet und eine Konsensentscheidung ohne potentielle negative Gruppeneffekte erzielt. Als potentielle Lösungsvarianten sind Fuzzy Logic-Ansätze, bzw. Bayessche Netze zu nennen. Die hinterlegten Gewichtungsvorschriften beruhen hierbei auf den aus dem paarweisen Vergleich gewonnen Erkenntnissen und stellen ein gruppenrepräsentatives Meinungsbild dar. Insbesondere bei der Bewertung schwer erfassbarer Größen ist eine ganzheitliche Betrachtung im Sinne einer hohen Informationsdichte erforderlich. Im weiteren Prozess der Erweiterung des Verfahrens besteht daher der Bedarf nach „intelligenten“ Algorithmen (generischer Algorithmus, Big Data) zur Informationsbeschaffung und -verarbeitung. Somit wird eine weitere Reduzierung potentieller negativer Einflüsse von Gruppeneffekten innerhalb des NOWS-Verfahrens erzielt.

VI. Danksagung Die IGF-Vorhaben (18264  N, 18535  N, 494  Z) der Forschungsvereinigung Institut für Unternehmenskybernetik e. V. wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.

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III. Kybernetische Konzepte und Organisation

Modellierung dynamischer Aspekte von Team-Diversität – Ein Methodenvergleich Von Anja Kreidler und Meike Tilebein

I. Einführung Diversität in Teams, die Vielfalt der Teammitglieder hinsichtlich unterschiedlichster Attribute, hat teils gegensätzliche Auswirkungen auf die Kreativität, Innovationsfähigkeit und Leistung eines Teams. Vorhandene empirische Studien, die diese Zusammenhänge untersuchen, sind jedoch meist Querschnittsstudien, die keine Aussage über den zeitlichen Verlauf der Effekte machen können. Deshalb wird Simulation als ergänzende Methode zur Klärung der Auswirkungen von Diversität herangezogen. In diesem Beitrag wird untersucht, in wie weit die beiden Simulationsmethoden System Dynamics und agentenbasierte Modellierung geeignet sind, die komplexen Strukturen eines Teams aufzugreifen und die widersprüchlichen, dynamischen Effekte von Diversität darzustellen. Dazu wird zunächst näher erläutert, wie Diversität in Teams kategorisiert werden kann. Darauf aufbauend werden die Auswirkungen von Diversität auf die Kreativität, Innovationsfähigkeit und Leistung eines Teams aufgezeigt. Das folgende Kapitel geht näher auf Simulation als alternative Methode zu empirischen Studien ein und beschreibt die beiden Simulationsmethoden System Dynamics und agentenbasierte Modellierung. Daraufhin folgt ein Vergleich der beiden Methoden mit Bezug auf die Auswirkungen von Diversität in Teams. Darauf basierend wird aufgezeigt, wo die Stärken der beiden Simulationsmethoden liegen und für welche Aspekte der Problemstellungen sie geeignet sind. Somit soll eine Entscheidungshilfe gegeben werden, um bei einer konkreten Fragestellung zu Diversitätseffekten in Teams eine geeignete Simulationsmethode auszuwählen.

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Anja Kreidler und Meike Tilebein

II. Diversität in Teams Diversität oder Heterogenität beschreibt allgemein die Verschiedenheit von Personen in einer Gruppe.1 Dabei kann sich Diversität auf verschiedene Dimensionen beziehen, wie etwa Geschlecht, kulturelle Werte, Ausbildung oder Fachdisziplin. Demografische Diversitätsdimensionen beschreiben dabei die leicht erkennbaren, gut messbaren Attribute. Darunter fallen Merkmale wie Geschlecht, Alter, Ethnizität und Nationalität. Kognitive Diversitätsdimensionen dagegen sind schwer messbar, nicht leicht erkennbar und oft nicht eindeutig messbar. Weiter unterteilen lassen sich kognitive Dimensionen in Wertvorstellungen, Wissen und Fähigkeiten sowie Zugehörigkeiten. Wertvorstellungen beschreiben dabei bspw. Personalität, kulturelle Werte oder den sozioökonomischen Hintergrund. Unter Wissen und Fähigkeiten fallen Attribute wie fachlicher und funktionaler Hintergrund, Disziplin, Ausbildung und Industrie- bzw. Arbeitserfahrung. Zugehörigkeiten beziehen sich auf die Dauer der Arbeit im Betrieb oder Team sowie die Hierarchieebene.2 In Teams hat (kognitive) Diversität zwei grundsätzliche, scheinbar gegensätzliche Auswirkungen:3 Zum einen ist Diversität eine Ressource, die durch ein breiteres Spektrum an Wissen und Fähigkeiten sowie Erfahrungshintergründen dazu beitragen kann, dass ein Team eine verbesserte Problemlösefähigkeit hat, kreativer arbeiten kann und die Innovationsfähigkeit des Teams steigt. Zum anderen kann hohe Diversität zu einem Risiko werden, indem die Kommunikation im Team erschwert wird und unerwünschte Konflikte auftreten können, die verhindern, dass das Team in der Lage ist, erfolgreich zusammen zu arbeiten. Zusätzlich zeigen empirische Studien Hinweise auf eine Veränderung der genannten positiven und negativen Effekte im Zeitverlauf. So gleichen sich bspw. im Laufe der Zusammenarbeit die Teammitglieder in ihren Denkweisen immer mehr aneinander an.4 Dadurch werden einerseits die negativen Diversitätseffekte abgemildert, andererseits geht aber auch das kreative Potenzial des Teams verloren. Weitere Studien zeigen ein nichtlineares Verhalten von Diversitätseffekten auf.5 Beispielsweise finden Chi et  al. (2009) einen U-förmigen Zusammenhang von Diversität in der Betriebszugehörigkeitsdauer und Innovationsfähigkeit des Teams. Auch Subgruppenbildung 1  Gebert

(2004), Tilebein / Stolarski (2008), Kreidler / Tilebein (2011). (1996). 3  Stolarski / Tilebein (2009), Guillaume et  al. (2013), Kreidler / Tilebein (2013a), Blindenbach-Driessen (2015) und Chen et  al. (2015). 4  Perry-Smith / Shalley (2003). 5  Chi et  al. (2009) und Chen et  al. (2015). 2  Milliken / Martins



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und Grenzlinien treten mit einer höheren Wahrscheinlichkeit in Teams mit moderater Diversität als in Teams mit niedriger oder hoher Diversität auf.6 Zusammenfassend lassen sich drei grundsätzliche Befunde bei der Untersuchung von Diversitätseffekten in Teams unterscheiden: 1. Widersprüchliche Ergebnisse:7 Diversität wird einerseits als hilfreich, andererseits als hinderlich für die Innovationsfähigkeit eingestuft. 2. Dynamisches Verhalten:8 die genannten Effekte können sich im Laufe der Zusammenarbeit verändern. 3. Nichtlineare Effekte:9 es gibt Hinweise auf nichtlineares Verhalten einzelner Diversitätsdimensionen.

III. Kategorisierung von Diversitätseffekten Durch das breite Spektrum an Wissen, von Erfahrungen und individuellen Fähigkeiten ist ein Team mit hoher Diversität besser in der Lage, potentiell innovative Ideen und Lösungen zu erarbeiten.10 Andererseits wird die Kommunikation im Team erschwert, da unerwünschte Konflikte zwischen Teammitgliedern auftreten können.11 Die Auswirkungen von Diversität auf die Kreativität, Innovationsfähigkeit und Leistung eines Teams lassen sich dabei in verschiedene Kategorien unterteilen: Zum einen gibt es die direkten Auswirkungen auf die Kreativität, Innovationsfähigkeit und Leistung eines Teams. Zum anderen treten indirekte Auswirkungen über Konflikte und Kommunikation im Team sowie Auswirkungen auf die Emotionen der Teammitglieder auf, die über diesen Umweg ebenfalls Kreativität, Innovationsfähigkeit und Leistung beeinflussen. Dabei können sich die Auswirkungen unterscheiden, je nachdem, welcher Aspekt von Diversität betrachtet wird. Auch sind unterschiedliche Diversitätsdimensionen möglicherweise nicht unabhängig voneinander zu untersuchen.12 Im Folgenden werden die genannten Kategorien und auftretenden Effekte genauer erläutert: 6  Lau / Murnighan

(1998) und Hilf (2016), S. 49. (2008), Stolarski / Tilebein (2009) und Kreidler / Tilebein

7  Tilebein / Stolarski

(2011). 8  Perry-Smith / Shalley (2003). 9  Chi et  al. (2009). 10  Milliken / Martins (1996) und Gebert et  al. (2006). 11  Gebert et  al. (2006). 12  Nielsen (2009).

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Kreativität: Durch eine Perspektivenvielfalt der Teammitglieder kann bei guter Zusammenarbeit die Anzahl und Qualität der entwickelten Ideen im Team gesteigert werden, was zu einer höheren Kreativität des Teams als gesamtes führen kann.13 Konflikte und Kommunikationsbarrieren im Team können die Zusammenarbeit jedoch soweit erschweren oder behindern, dass das Team das Potential aus der Diversität nicht nutzen kann.14 Innovation: Ähnliche Strukturen wie auf die Kreativität wirken auch auf die Innovationsfähigkeit eines Teams. Diversität kann als Ressource oder Risiko die Innovationsfähigkeit verbessern oder behindern.15 Auch der Einfluss auf die Radikalität der Innovationen wird in Studien untersucht.16 Leistung: Studien bescheinigen Diversität eine positive, negative oder neutrale Auswirkung auf die Leistung eines Teams.17 Dabei wird beziehen sich Studien oft entweder auf die kreative Leistung eines Teams, auf die Leistung eines neuen Produktes oder auf die Unternehmensleistung.18 Kreativität, Innovationsfähigkeit und kreative Leistung eines Teams sind jedoch schwer direkt messbar. Deshalb wird in Studien oft bspw. der Neuheitsgrad einer Idee oder eines Produktes sowie die Vielfalt und Anzahl neuer Ideen und Lösungen untersucht. Indirekt wirkt sich die Diversität eines Teams auf seine Innovationsfähigkeit aus, indem Konflikte auftreten können oder die Kommunikation erschwert wird. Auch emotionale Auswirkungen beeinflussen die Zusammenarbeit im Team und damit die Innovationsfähigkeit. Team-Informationen / -Wissen: Diversität der Teammitglieder führt zu einer verbesserten Informationsaufnahme im Team, zu mehr und unterschiedlicheren verfügbaren Informationen, auf die das Team zugreifen kann, und zu größerem Wissen im Team.19 Im Gegensatz zur Diversitätsausprägung Wissen / Fähigkeiten bezieht sich dieser Effekt auf das verfügbare Wissen im Team und nicht auf die Ausprägung bei den einzelnen Teammitgliedern. Konflikte: Durch eine hohe Diversität im Team kann es zu verschiedenen Konflikten zwischen den Teammitgliedern kommen.20 Nicht alle davon Akgün et  al. (2008) und Bunduchi (2009). et  al. (2006) und Kreidler / Tilebein (2012). 15  Z. B. Ancona / Caldwell (1992) und West (2002). 16  Cabrales et  al. (2008). 17  Z. B. Leenders et  al. (2003), Kratzer et  al. (2004), Homberg / Bui (2013) und Blindenbach-Driessen (2015). 18  Z. B. Leenders et  al. (2007), Homberg / Bui (2013) und Chen et  al. (2015). 19  Akgün et  al. (2008) und Bunduchi (2009). 20  Gebert et  al. (2006). 13  Z. B.

14  Gebert



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sind jedoch hinderlich für die Zusammenarbeit. Ziel-, Beziehungs- und Wertkonflikte beziehen sich auf die emotionale Ebene zwischen den Teammitgliedern und wirken hinderlich auf die Innovationsfähigkeit des Teams.21 Sach- und Aufgabenkonflikte hingegen können, sofern sie konstruktiv ausgetragen werden, dazu führen, dass neue Ideen und Lösungen im Team entstehen.22 Grenzlinien zwischen Subgruppen innerhalb eines Teams treten mit erhöhter Wahrscheinlichkeit in Teams mit moderater Diversität auf.23 Durch Subgruppenbildung können Konflikte verstärkt werden, was sich wiederrum negativ auf die Zusammenarbeit des Teams auswirkt.24 Grenzlinien können abhängig von der Art der Diversität positive oder negative Effekte auf die auf die Informationsverarbeitung und Leistung eines Teams haben.25 Kommunikation: (Synergistische) Kommunikation ist entscheidend für die Zusammenarbeit in einem Team.26 Kommt es in einem Team zu Kommunikationsbarrieren, sei es aufgrund von Konflikten und emotionalen Spannungen oder aufgrund von unterschiedlichen (Fach-)Sprachen, kann das Team nicht sein volles innovatives Potenzial entfalten.27 Auch der Einfluss von externer Kommunikation auf die Kreativität, Innovationsfähigkeit und Leistung eines Teams wird in Studien als wichtig erachtet.28 Emotionen:29 Emotionale Auswirkungen auf einzelne Teammitglieder sind beispielsweise Zufriedenheit mit den Arbeitsbedingungen und Motivation sich ins Team einzubringen und erfolgreich an einem gemeinsamen Ziel mitzuarbeiten. Auch das Vertrauen zwischen den Teammitgliedern und in die Teamleitung sowie die Integration in das Team spielen eine wichtige Rolle für eine gute Teamzusammenarbeit. Diese emotionalen Faktoren beeinflussen die Kreativität, Innovationsfähigkeit und Leistung eines Teams und können sich positiv oder negativ auf auswirken. Nicht nur die Diversität der Teammitglieder, auch die gegebenen Rahmenbedingungen im Unternehmen bzw. Team beeinflussen die Kreativität, Innovationsfähigkeit und Leistung des Teams. In der Literatur relevante Rahmenbedingungen sind beispielsweise: Teamgröße, Teamführung, Perso21  Jehn / Mannix

(2001), Jehn / Bezrukova (2004) und Gebert et  al. (2006). et  al. (2006) und Kreidler / Tilebein (2012). 23  Lau / Murnighan (1998) und Hilf (2016), S. 49. 24  Hilf (2016), S. 52. 25  Hutzschenreuter / Horstkotte (2013). 26  Gebert et  al. (2006). 27  Gebert (2004), Gebert et  al. (2006) und Kreidler / Tilebein (2011). 28  Ancona / Caldwell (1992) und Vissers / Dankbaar (2002). 29  Milliken / Martins (1996). 22  Gebert

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Anja Kreidler und Meike Tilebein

Quelle: Eigene Darstellung, nach Milliken / Martins (1996), Gebert et  al. (2006) und Kreidler / Tilebein (2011).

Abbildung 1: Auswirkungen von Diversität

nalmanagement, Kommunikationsklima, Einstellung zu Diversität und kreativer Spielraum vs. starre Prozesse.30 Abbildung 1 zeigt die Auswirkungen von Diversität im Team auf die genannten Kategorien. Dabei wird zwischen der direkten Wirkung der Diversität auf die Kreativität und Innovation sowie der indirekten Wirkung darauf über Team-Informationen / -Wissen, Konflikte, Kommunikation und Emotionen unterschieden. Im Laufe der Zusammenarbeit verändern sich die Auswirkungen von Diversität jedoch, die Teammitglieder nähern sich in ihren Denkweisen immer mehr aneinander an.31 Dadurch werden die Auswirkungen der Diversität gemildert. Die erwünschten und unerwünschten Konflikte werden weniger, die synergistische Kommunikation wird verbessert. Dadurch verbessert sich einerseits die Teamzusammenarbeit, andererseits geht das kreative Potenzial des Teams verloren. Diese Rückkopplungseffekte sind in Abbildung 1 ebenfalls dargestellt. Vorhandene empirische Studien sind größtenteils Querschnittstudien, die jeweils nur einen Momentausschnitt aus der Teamzusammenarbeit zeigen, 30  Amabile (1998), Paulus (2000), Vissers / Dankbaar (2002), Kreidler / Tilebein (2011). 31  Perry-Smith / Shalley (2003).



Modellierung dynamischer Aspekte von Team-Diversität

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aber nicht alle sich widersprechenden Effekte beleuchten.32 Deshalb wird im Folgenden untersucht, in wie weit sich Simulation im Allgemeinen und System Dynamics bzw. agentenbasierte Modellierung im Speziellen eignet, die komplexen Zusammenhänge von Diversität und Kreativität / Innovationsfähigkeit abzubilden und zu untersuchen.

IV. Simulation Simulation kann insbesondere bei Problemen unterstützend angewendet werden, deren Hintergründe durch Empirie nicht ausreichend geklärt werden können, die dynamisches und nichtlineares Verhalten sowie Rückkopplungen aufweisen und deren Effekte durch einen Zielkonflikt oder ein Spannungsfeld gekennzeichnet sind.33 Bestehen bereits ausreichend theoretische Grundlagen, die jedoch noch genug Freiheiten offen lassen, um neue Theorien zu entwickeln und testen, so eignen sich diese Problemstellungen besonders für die Untersuchung mit Hilfe von Simulationsmodellen.34 In vorherigen Beiträgen35 wird gezeigt, dass sich das Phänomen Diversität in Teams grundsätzlich dazu eignet, mit Hilfe von Simulationsmodellen untersucht zu werden. Davis et al. (2007) bieten eine Roadmap, um Simulation als methodische Unterstützung in der Managementforschung einzusetzen. Schritt drei der Roadmap „Choose a simulation approach“, die Wahl eines Simulationsansatzes, soll im Folgenden in Bezug auf die oben genannte Problemstellung zu Diversität in Teams näher betrachtet werden. Dazu sollen die beiden Simulationsmethoden System Dynamics und agentenbasierte Modellierung verglichen werden. Ereignisdiskrete Modellierung als dritte etablierte Simulationsmethode wird in diesem Beitrag nicht betrachtet. Das ereignisdiskrete System selbst ist unveränderlich und reagiert nur durch Einflüsse von außen.36 Deshalb ist es nicht geeignet, die Widersprüche und die Dynamik von Diversität in Teams abzubilden.

32  Kreidler / Tilebein

(2013a). et  al. (2007), Stolarski / Tilebein (2009), Kreidler / Tilebein (2013b) und Happach / Tilebein (2015). 34  Davis et  al. (2007). 35  Stolarski / Tilebein (2009), Tilebein / Stolarski (2009) und Kreidler / Tilebein (2013b). 36  Tilebein / Stolarski (2009). 33  Davis

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Anja Kreidler und Meike Tilebein

System Dynamics37 weist einen großen Einfluss der System Theorie und Kybernetik auf. Die Grundstruktur eines System Dynamic Modells untersucht die kausalen Zusammenhänge und Strukturen eines Problems. Die dynamischen Veränderungen und Rückkopplungen innerhalb des Systems können dabei mit Hilfe von Differentialgleichungen beschrieben werden. Agentenbasierte Modellierung38 basiert auf den Grundlagen der künstlichen Intelligenz. Hierbei werden individuelle Agenten modelliert. Aggregierte Effekte und emergente Phänomene auf übergeordneter Ebene werden nicht modelliert. Die Agenten besitzen festgelegte individuelle Verhaltensund ggf. Lernregeln und sind in der Lage auf Basis dieser Regeln mit anderen Agenten zu interagieren und zu kommunizieren.

V. Vergleich im Kontext Diversität in Teams Die drei in Kapitel II. genannten Effekte von Diversität in Teams, widersprüchliche Ergebnisse, dynamisches Verhalten und nichtlineare Effekte, lassen sich grundsätzlich sowohl mit System Dynamics als auch mit agentenbasierter Modellierung abbilden. Tabelle 1 zeigt einen Vergleich der beiden Simulationsmethoden System Dynamics und agentenbasierte Modellierung in Bezug auf die drei Effekte. Tabelle 1 Vergleich von System Dynamics und agentenbasierter Modellierung im Hinblick auf die grundlegenden Effekte von Diversität in Teams System Dynamics

Agentenbasierte Modellierung

Widersprüche

Durch den Einfluss unterschiedlicher Variablen (dominantes Verhalten verändert sich).

Durch unterschiedliche Einflüsse bei der Zusammenarbeit einzelner Agenten.

Dynamik

Durch Rückkopplungs­ schleifen.

Durch Veränderungen in den einzelnen Agenten und den Beziehungen untereinander.

Nichtlinearität

Durch das Zusammenspiel unterschiedlicher Variablen (dominantes Verhalten verändert sich).

Durch Verhaltensregeln bzgl. der Beziehungen zu anderen Agenten.

37  Sterman (2000), Schieritz / Milling (2003), Simon et  al. (2008), Stolarski / Tilebein (2009) und Happach / Tilebein (2015), Harrison (2007). 38  Schieritz / Milling (2003), Simon et  al. (2008), Stolarski / Tilebein (2009) und Happach / Tilebein (2015).



Modellierung dynamischer Aspekte von Team-Diversität

109

Im Folgenden werden System Dynamics und agentenbasierte Modellierung in Hinblick auf die Zusammenarbeit im Team untersucht. Dabei werden die Vor- und Nachteile beider Methoden im Kontext der Problemstellung hervorgehoben. Während mit System Dynamics die grundlegende Struktur einer Problemstellung modelliert werden können, eignet sich agentenbasierter Modellierung dazu, die einzelnen Teammitglieder auf Mikro-Ebene zu betrachten. In Bezug auf die Fragestellung, welche Effekte von Diversität in F&ETeams auftreten können, bietet System Dynamics die Möglichkeit, die zugrunde liegenden Phänomene auf Team-Ebene zu modellieren und zu simulieren.39 Die zwei vorherrschenden gegensätzlichen Effekte  – Diversität als Ressource und Diversität als Risiko  – mit dem oben beschriebenen Rückkopplungseffekt der Angleichung der Teammitglieder bei fortschreitender Zusammenarbeit können auf der Ebene des Teams modelliert werden. In vorherigen eigenen Beiträgen,40 zeigt ein stark vereinfachtes System Dynamics Modell, wie Diversität und ihre Auswirkungen in einem F&ETeam dargestellt werden können. Hier werden die widersprüchlichen Effekte  – Diversität als Risiko und Ressource für Innovationsfähigkeit  – auf Teamebene dargestellt. Das dynamische Verhalten der Effekte wird im Simulationsmodell ebenfalls betrachtet. Die Simulationsergebnisse spiegeln die Erkenntnisse aus empirischen Studien wider. In diesen Studien wird in der Regel nicht betrachtet, welche Teammitglieder welche individuellen Eigenschaften haben und in das Team mit einbringen, sondern es werden die genannten Effekte auf der Teamebene untersucht. Die Einstellungen, persönlichen Erfahrungen und individuellen Konflikte zwischen Teammitgliedern spielen dabei eine untergeordnete Rolle zu den übergeordneten Teamstrukturen und -verhaltensweisen.41 System Dynamics ist hingegen weniger gut geeignet, um das Verhalten der einzelnen Teammitglieder innerhalb eines diversen Teams zu untersuchen, bspw. um Rückschlüsse auf den Einfluss der Netzwerkposition von Teammitgliedern zu ziehen oder um aufzuzeigen, wo Grenzlinien auftreten können. Agentenbasierte Modellierung bietet die Möglichkeit, die einzelnen Personen in einem Team und ihre individuellen Verhaltensweisen abzubilden. Teameffekte lassen sich nur als Funktion der Verhaltensweisen einzelner Agenten darstellen. So kann beispielsweise die Innovationsfähigkeit eines Teams nur aus der Innovationsfähigkeit einzelner Teammitglieder als 39  Schieritz / Milling (2003), Stolarski / Tilebein (2009) und Happach / Tilebein (2015). 40  Kreidler / Tilebein (2013a) und Kreidler / Tilebein (2013b). 41  Kreidler / Tilebein (2013b).

110

Anja Kreidler und Meike Tilebein

Agenten abgeleitet werden, direkt jedoch keine Aussage über das Team als gesamtes gemacht werden. Tilebein und Stolarski (2009) zeigt ein agentenbasiertes Simulationsmodell zu Diversität und ihren Auswirkungen auf den Entscheidungsprozess eines Top Management Teams. In diesem Modell werden die Mitglieder des Teams als Agenten dargestellt. Diese haben auf Grund ihrer individuellen Erfahrungen und Überzeugungen unterschiedliche Wahrnehmungen, Interpretationen und Präferenzen, welche Strategie sie bevorzugen. Im vorgestellten Simulationsmodell versuchen einzelne Teammitglieder, die anderen von ihrer Entscheidung zu überzeugen, bis sich das Team als gesamtes auf eine Strategie geeinigt hat. Die individuellen Einstellungen, die Vorlieben und die persönliche Informationsverarbeitung spielen dabei ebenso eine Rolle wie der Einfluss auf andere.42 Die beiden Beispiele zeigen auf, dass prinzipiell sowohl System Dynamics als auch agentenbasierte Modellierung dazu geeignet sind, Diversität und Diversitätseffekte in Teams zu simulieren. Der Fokus liegt bei den beiden Methoden jedoch auf unterschiedlichen Ebenen: System Dynamics eignet sich eher dafür, die Problemstrukturen auf Makroebene abzubilden, die Stärke von agentenbasierter Modellierung liegt auf der Darstellung individueller Verhaltensweisen auf Mikroebene. Tabelle 2 zeigt auf, wo der Modellierungsfokus von System Dynamics und agentenbasierter Modellierung liegen kann, in Hinblick auf die oben erläuterten Auswirkungen von Diversität in Teams. Tabelle 2 Schwerpunkte der Simulationsmethoden in Bezug auf die Effekte von Diversität System Dynamics

Agentenbasierte Modellierung

Diversität

Verteilung der Diversität im Team. Keine individuelle Zuordnung möglich.

Individuelle Diversitäts­ attribute wie Wissen, Fähigkeiten, Zugehörigkeiten und demografische Aspekte.

TeamInformationen /  -Wissen

Wissen / Informationen, die dem gesamten Team zu Verfügung stehen (Anzahl, Diversität). Teamintelligenz, Perspektivenvielfalt.

Wissen / Informationen der einzelnen Teammitglieder. Teamintelligenz

42  Tilebein / Stolarski

(2009).



Modellierung dynamischer Aspekte von Team-Diversität

111

System Dynamics

Agentenbasierte Modellierung

Konflikte

Konflikte im Team, Team­ zusammenhalt

Subgruppenbildung, Grenz­ linien, Konflikte zwischen einzelnen Personen

Kommunikation

Kommunikation im Team

Kommunikation zwischen einzelnen Personen

Emotionen

Teamattribute wie Vertrauen insgesamt, Motivation und Zufriedenheit des gesamten Teams

Individuelle Attribute wie Zufriedenheit, Motivation

Kreativität

Teamkreativität, Anzahl und Qualität der Ideen

Individuelle Kreativität, Anzahl und Qualität der Ideen

Innovation

Innovationsfähigkeit des Teams, Radikalität der Innovation

Innovationsfähigkeit einzelner, individueller Agenten

Rahmenbedingungen

Bspw. Berücksichtigung der Teamgröße oder Einfluss des Kommunikationsklimas als Variable.

Bspw. Teamgröße als Anzahl der Agenten, Einfluss des Kommunikationsklimas durch Anpassung der Regeln zur Interaktion zwischen Agenten.

VI. Zusammenfassung In diesem Beitrag wurde untersucht, ob und in wie weit sich Simulation als alternative Methode zu empirischen Studien dazu eignet, Diversität in Teams und die daraus entstehenden Auswirkungen zu untersuchen. Dafür wurden zunächst die auftretenden Effekte von Diversität in Teams kategorisiert und erläutert. Die beiden Simulationsmethoden System Dynamics und agentenbasierte Modellierung wurden vorgestellt und in Bezug auf die Fragestellung nach den Auswirkungen von Diversität in Teams auf ihre Eignung untersucht. Beide Methoden eignen sich prinzipiell um die Auswirkungen von Diversität in einem Team zu untersuchen, haben jedoch unterschiedliche Schwerpunkte. Mit Hilfe von System Dynamics können die übergeordneten Problemstrukturen auf Makroebene untersucht werden, während der Fokus von agentenbasierte Modellierung auf der Modellierung einzelner Teammitglieder und deren Verhaltensweisen auf Mikroebene liegt. Je nach Fokus des Untersuchungsgegenstandes ist abzuwägen, welche Methode besser geeignet ist. So kann bspw. für die Untersuchung von Grenzli-

112

Anja Kreidler und Meike Tilebein

nienverläufen und Subgruppenbildung ein agentenbasiertes Modell besser in der Lage sein, die Zusammenhänge abzubilden. Ebenso, kann ein agentenbasiertes Modell z. B. die Netzwerkpositionen einzelner Teammitglieder gut darstellen, wenn diese für die Fragestellung wichtig sind. Sollen hingegen Zusammenhänge wie bspw. die strukturellen Auswirkungen von Diversität auf Kommunikation und Innovationsfähigkeit untersucht werden, kann ein System Dynamics Modell besser geeignet sein. Dieser Beitrag soll eine Hilfestellung leisten, bei einer konkreten Fragestellung im Bereich Diversität in Teams zu eruieren, welche der beiden Simulationsmethoden – System Dynamics oder agentenbasierte Modellierung  – besser geeignet ist, um die Effekte mit Hilfe von Simulation zu untersuchen. Tabelle 3 fasst die Schwerpunkte der beiden Methoden hinsichtlich Modellierungsebene und vorhandener Datenbasis zusammen. Es werden Beispiele aufgezeigt, für welche Aspekte von Diversität in Teams die Methode geeignet sein kann.

Tabelle 3 Zusammenfassung und Anwendungsbeispiele

Ebene

System Dynamics

Agentenbasierte Modellierung

Problemstrukturen, strukturelle Zusammenhänge. Dynamische Effekte, Rückkopplungen und Nichtlinearitäten können modelliert werden.

Individuelle Agenten und Interaktionen untereinander. Aussagen über Team nur als Funktion einzelner Agenten möglich. Aggregierte Effekte und emergente Phänomene auf übergeordneter Ebene können nicht modelliert werden. Messbare Effekte in einem agentenbasierten Modell auf einer validen Basis darzustellen ist schwierig.

Aussagen über das Verhalten einzelner Teammitglieder nicht möglich, wenn die übergeord­ neten Strukturen modelliert werden.

Datenbasis

Viele empirische Studien untersuchen das Verhalten eines Teams und zeigen die grundsätzlichen Zusammenhänge zwischen Diversität und Kreativität / Innovationsfähigkeit auf. Dadurch ist eine ausreichende Datenbasis für Modellierung vorhanden.

Effekte auf das Verhalten einzelner Personen werden in empirischen Studien zu (kognitiver) Diversität in Teams kaum untersucht. Weitere Studien zu individuellem Verhalten in Teams müssen herangezogen werden.



Modellierung dynamischer Aspekte von Team-Diversität System Dynamics

113

Agentenbasierte Modellierung Weitere Einflussfaktoren müssen in Betracht gezogen werden: bspw. muss überprüft werden, ob (tagesabhängige) Stimmungen, individuelle Verhaltens­ weisen, Einfluss von Selbst- und Fremdbild die Zusammenarbeit im Team beeinflussen.

Geeignet für

Untersuchung von grundlegenden Strukturen und Verhaltensweisen von Diversität, Kommunikation und Konflikten. Beispiele: Einfluss von Kommunikationsstrukturen auf Teamebene auf die Zusammenarbeit.

Untersuchung von Verhaltens­ weisen einzelner Teammitglieder und Kommunikation / Konflikte zwischen einzelnen Team­ mitgliedern. Beispiele: Untersuchung von Grenzlinien und Subgruppenbildung. Darstellung der (dynamische) Netzwerkpositionen einzelner Teammitglieder.

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Ansätze zur Bewertung organisationaler Resilienz Von Simeon Vogt und Meike Tilebein

I. Resilienz im Unternehmensumfeld Unternehmen sind ständig mit Ereignissen konfrontiert, die störend oder sogar zerstörend auf sie einwirken. Diese Störereignisse (engl.: disruptive events) oder Schocks können innere oder äußere Ursachen haben. Innere Bedrohungen können beispielsweise Unfälle oder Streiks sein, von außen treffen Marktveränderungen, Branchenkrisen oder Umweltkatastrophen die Unternehmen.1 Wie Unternehmen auf derartige Schocks reagieren, hat einen entscheidenden Einfluss auf ihr Fortbestehen. Die Überlebensdauer von (großen) Unternehmen ist in den letzten Jahrzehnten deutlich gesunken.2 Gleichzeitig hat sich die Volatilität des Erfolges erhöht.3 In solch turbulenten Zeiten und turbulenten Umfeldern können sich Unternehmen nicht mehr nur auf erprobte Verhaltensmuster verlassen.4 Unternehmen können aber von einem hohen Maß an Wandlungsfähigkeit profitieren.5 Es können verschiedene Ansätze verfolgt werden, um mit unerwarteten Ereignissen umzugehen und ein Unternehmen vor dem Kollaps zu bewahren. Einer dieser Ansätze besteht darin, das Unternehmen resilient zu machen. In einem weit gefassten Verständnis ist Resilienz die Fähigkeit eines Systems, trotz hoher Beanspruchung oder großer Veränderungen ohne Schaden weiter zu funktionieren und zu bestehen.6 Ein resilientes System kann adäquat auf unerwartete Ereignisse reagieren. Obwohl es die bevorstehenden Ereignisse nicht kennt, ist es vorbereitet. Bei der Erzeugung von Resilienz ist ein wichtiger Faktor das Wissen, dass Systeme versagen können. In Systemen, die soziale Akteure beinhalten, spielt außerdem der gemeinsame Glaube an die Wirksamkeit des proaktiven Verhaltens eine große Rolle.7 Die positive 1  Hu / Li / Holloway

(2008). (December 2012). 3  Hamel / Välikangas (2003). 4  Tilebein (2005). 5  Spath / Hirsch-Kreinsen / Kinkel (2008). 6  Erol / Sauser / Mansouri (2010). 7  Sutcliffe / Vogus (2003). 2  Gilbert / Eyring / Foster

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Simeon Vogt und Meike Tilebein

Grundhaltung und Überzeugung sind die „Soft Skills“ von Resilienz, die sie vom Risikomanagement oder Betrieblichen Kontinuitätsmanagement (engl.: business continuity management, BCM) unterscheiden. Beim Risikomanagement werden Risiken identifiziert und analysiert und konkrete Maßnahmen abgeleitet. Der Gegensatz liegt in der Aufarbeitung von positiven Eigenschaften oder Ereignissen auf der einen Seite und negativen auf der anderen Seite.8 Aber auch im Bereich des Resilienzmanagements ist es ein häufig angewendetes Prinzip, wie beim Risikomanagement die Risiken oder Vulnerabilitäten in den Kategorien „Eintrittswahrscheinlichkeit“ und „(Schadens-) Ausmaß“ zu klassifizieren.9 Die resultierenden zweidimensionalen Grafiken erlauben eine konkrete Veranschaulichung der identifizierten Risiken. Burnard und Bhamra heben hervor, dass Resilienz im Besonderen die Ereignisse mit hohem Ausmaß und geringer Eintrittswahrscheinlichkeit bewältigen hilft.10 Im Gegensatz zum Risikomanagement ist das Ziel von Resilienz auch der Umgang mit unbekannten Risiken. Resiliente Systeme können nicht nur auf Störungen wie Unfälle, Anschläge oder Katastrophen reagieren. Sie besitzen auch die Eigenschaft, sich an langsame Veränderungen (wie bspw. Klimawandel oder Marktveränderungen) anpassen zu können. Ein weiterer Vorteil von resilienten Organisationen ist die Fähigkeit, aus einer sich (schnell) ändernden Situation einen Vorteil abzuleiten.11 Die flexible Verwendung von Ressourcen macht es etwa resilienten Unternehmen möglich, innovativer zu sein oder sich den Zugang zu neuen Geschäftsfeldern zu öffnen. Das wiederum erhöht die Wettbewerbsfähigkeit.12 Häufig werden die Phasen des Erzeugens, Erreichens und Erhaltens von Resilienz als Zyklus beschrieben (s. Abb. 1), der die fünf Elemente Vorbereiten (Prepare), Verhindern / Vorsorgen (Prevent), Schützen (Protect), Reagieren (Respond) und Wiederherstellen / Regenerieren (Recover) enthält. Die Phasen sind als Kreislauf beschrieben, sie müssen aber nicht zwingend als konsekutiv angesehen werden. Auf dem Weg zur Verbesserung der Resilienz eines Unternehmens steht zunächst die Frage, wie resilient das Unternehmen bereits ist. In der Literatur wird die große Bedeutung des Bewertens und Messens von Resilienz mit der Wissensbildung, der Überwachung des Betriebszustandes und der Fundierung von Managemententscheidungen begründet.13 Eine quantitative 8  Masten

(2001). Jr. (2005). 10  Burnard / Bhamra (2011). 11  Spath / Hirsch-Kreinsen / Kinkel (2008). 12  Sheffi / Rice Jr. (2005). 13  Allen / Davis (2010), S. 1; Woods / Hollnagel (2006); Erol / Sauser / Mansouri (2010). 9  Sheffi / Rice



Bewertung organisationaler Resilienz

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Abbildung 1: Der Resilienzzyklus14

oder qualitative Bewertung von Resilienz ermöglicht zum einen die Verwendung einer betriebswirtschaftlichen Kennzahl (engl.: key performance indicator, KPI) zur Beurteilung von Sachverhalten und Zusammenhängen in Unternehmen. Zum andern ermöglicht die Bewertung von Resilienz entsprechende Szenarioanalysen oder Analysen von Simulationen. Dabei können bspw. die Auswirkungen von Veränderungen der Geschäftsprozesse oder der Strategie eines Unternehmens untersucht werden. In der aktuellen Forschung auf dem Gebiet der resilienten Organisationen gibt es bereits Ansätze zur Resilienz-Bewertung. Diese Ansätze haben unterschiedliche Ausprägungen, von einer ganz allgemeinen, unspezifischen Beschreibung der Resilienz bin hin zu algebraischen Auswertungen im Produktionsumfeld. Im vorliegenden Beitrag werden die Begriffe Messen und Bewerten synonym und im Sinne von „quantitativ oder qualitativ erfassen“ verwendet. Anhand von Beschreibungen und Definitionen organisationaler Resilienz in der Literatur wird in diesem Beitrag herausgearbeitet, welche Anforderungen an die Bewertung von organisationaler Resilienz gestellt werden (Abschnitt II.  – „Resilienz bewerten“). Die vorhandenen Ansätze zur Messung und Bewertung werden in vier Kategorien unterteilt und auf ihre Eignung und ihre Einsatzmöglichkeiten hin untersucht (Abschnitt III.  – „Methoden“). Dafür werden die Charakteristika der vorhandenen Methoden im Einzelnen benannt und analysiert und die Methoden auch im Hinblick auf ihre Schwächen bzw. Grenzen dargestellt. Darauf aufbauend wird her14  Thoma

(2014).

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Simeon Vogt und Meike Tilebein

ausgearbeitet, wie die vorhandenen Ansätze und Konzepte zur besseren Praxistauglichkeit geführt werden könnten. In einem abschließenden Fazit und Ausblick werden die Analysen und Resultate zusammengefasst und Ausblicke auf weiteren Forschungsbedarf skizziert.

II. Resilienz bewerten Die Bewertung von Resilienz dient  – wie bereits oben einleitend erwähnt – erstens der Erfassung des Ist-Zustandes der Resilienz oder einzelner Aspekte von Resilienz. Dafür ist es notwendig, sich mit den Zusammenhängen von Resilienz allgemein wie auch im betrachteten konkreten Fall auseinanderzusetzen.15 Die Analyse des Ist-Zustandes hilft wiederum, die unternehmensinternen Prozesse besser zu verstehen, welche zur Erhöhung von Resilienz führen. Die statische Analyse der organisationalen Resilienz ermöglicht den Vergleich mit ähnlichen Systemen. Des Weiteren können durch wiederholte Beobachtung über die Zeit Veränderungen der Resilienz eines Unternehmens wahrgenommen werden. Zweitens kann die Bewertung von Resilienz zur Erstellung und Validierung von Modellen, Szenarioanalysen und Simulationen dienen. Hierbei steht die Prognose unter Einbeziehung von möglichen Störereignissen im Vordergrund. Beide Anwendungsfälle der Bewertung von Resilienz dienen letztlich zur Fundierung unternehmerischer Entscheidungen. 1. Anforderungen Zunächst ist es hilfreich, allgemeine Anforderungen an das Messen festzulegen. Allen und Davis schlagen hierfür vier Schritte vor:16 1. Ziele oder Schlüsselfragen festlegen 2. Informationsbedarf ermitteln, um das Ziel einzuhalten oder die Frage zu beantworten 3. Informationsbedarf wenn möglich quantifizieren 4. Messungen analysieren: Wurde das Ziel erreicht bzw. die Frage beantwortet? Konsens ist hierbei, dass ein klares Ziel Grundvoraussetzung für das Messen von Resilienz ist.17 Die Grundfrage kann etwa lauten: „Was will ich 15  Thoma

(2014), S. 90. (2010), S. 7. 17  Allen / Davis (2010), S. 7; Erol / Sauser / Mansouri (2010). 16  Allen / Davis



Bewertung organisationaler Resilienz

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erkennen?“ Kritisiert wird in der Literatur ein Messen um des Messens willen, das besonders kostenintensiv wird, wenn unnütze Daten erhoben werden.18 Als Anforderungen an das Messen in Bezug auf organisationale Resilienz werden aufgeführt:19 •• Einfache und effektive Methoden zur Bewertung und Verbesserung der Resilienz •• Gemeinsame Terminologie zur besseren internen und externen Kommunikation •• Aussagekräftige und direkt relevante Metriken ausgerichtet auf die Ziele des Unternehmens 2. Ablauf Die Beziehung zwischen dem formalisierten Ziel einer Bewertung und den dafür notwendigen Messungen lässt sich generisch beschreiben. Allen und Davis präsentieren zu diesem Zweck eine fünfstufige Beziehungskette (s.  Abb. 2), die top-down oder bottom-up beschrieben werden kann. Diese Darstellung basiert auf der Norm ISO / IEC 15939 „Systems and software engineering  – Measurement process“.20 Aus der Perspektive des Gesamtziels gesehen steht an oberster Stelle ein Informationsbedarf. Dieser benötigt eine Kombination aus Kennzahlen oder Messwerten, die es zu interpretieren gilt. Eine Kennzahl wendet ihrerseits Entscheidungskriterien auf Basiswerte oder abgeleitete Werte an. Abgeleitete Werte wenden einen Algorithmus oder eine Funktion auf einen oder mehrere Basiswerte an. Ein Basiswert weist einem Attribut einen quantitativen Wert zu. Ein Attribut stellt schließlich die Charakteristik eines Services oder eines Resilienzprozesses dar. Das auf dieser Beziehungskette fußende konkrete Gesamtkonzept muss passend zum Zweck erarbeitet werden, die Auswahl an Maßnahmen und Messungen muss jeweils zum Informationsbedarf passen.21

18  Allen / Davis

(2010), S. 7. (2004); Erol / Sauser / Mansouri (2010). 20  ISO / IEC (01.08.2007). 21  ISO / IEC (01.08.2007); Allen / Davis (2010). 19  Dalziell / McManus

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Simeon Vogt und Meike Tilebein

Abbildung 2: Beziehungen bei der Messung22

III. Methoden Die in der Literatur genannten Methoden zur Messung von organisationaler Resilienz lassen sich in vier Kategorien einteilen.23 Eine Übersicht der Kategorien und der zugeordneten Literatur ist in Tab. 1 dargestellt. Die Kategorien gliedern sich in einfache zweidimensionale Verfahren, mathematische Verfahren, die Betrachtung von Ressourcen und Kombinationen aus den vorgenannten Verfahren. In den nachfolgenden Abschnitten werden die Kategorien jeweils näher erläutert. 1. Zweidimensionale Verfahren Bei den zweidimensionalen Verfahren werden Kennwerte oder Funktionen über die Zeit aufgetragen. Daraus lassen sich leicht Schaubilder erzeugen. Tierney und Bruneau beschreiben ein Schaubild, in dem die Qualität von Infrastruktur über die Zeit aufgetragen ist.24 Nach einem plötzlichen Qualitätsverlust ist nach einer gewissen Zeitdauer das ursprüngliche Qualitätsni22  ISO / IEC

(01.08.2007); Allen / Davis (2010). (18.08.2015). 24  Tierney / Bruneau (2007). 23  Laarousi



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Tabelle1 Übersicht der betrachteten Methoden zur Bewertung von Resilienz Kategorie

Anmerkung

Verwendete Quellen

Zweidimensionale Verfahren

Kennwerte oder Funktionen über die Zeit aufgetragen

Tierney und Bruneau (2007) Dalziell und McManus (2004) Sheffi und Rice Jr. (2005)

Mathematische Verfahren

Ausführlichere ­Mathematische Verfahren

Hu, Li und Holloway (2008) Wang, Gao und Ip (2010) Aleksić, Stefanović, Arsovski und Tadić (2013)

Betrachtung der Ressourcen

Statistisches Verfahren

Richtnér und Löfsten (2014)

Kombinierte Methoden

Kombination

Erol, Sauser und Mansouri (2010) Allen und Davis (2010)

Eigene Darstellung.

veau wiederhergestellt. Das entstandene „Resilienz-Dreieck“25 gibt dann Aufschluss über die Resilienz des Systems. Dalziell und McManus stellen das Verfahren etwas allgemeiner dar, indem sie die Vulnerabilität eines Systems als Fläche unter einer PerformanceKurve beschreiben (s. Abb. 3).26 Die Performance wird von einer Kennzahl repräsentiert, die sich durch ein Störereignis vom gewünschten Niveau entfernt, welches aber nach einer Zeitspanne wieder erreicht wird. Ebenfalls ein zweidimensionales Verfahren, bei dem aber der zeitliche Aspekt nicht implementiert ist, wird u. a. von Sheffi und Rice Jr. beschrieben. Sie präsentieren eine Vulnerabilitätskarte, die Ereignisse innerhalb der Kategorien Störungswahrscheinlichkeit und Konsequenzen bewertet.27 Ein derartiger Ansatz ist bereits von den Methoden des Risikomanagements bekannt. Eine Dynamisierung ist hier aber denkbar, indem die Bewertung der Vulnerabilitäten zu verschiedenen Zeitpunkten (auch zu vergangenen oder zukünftigen) vorgenommen wird.

25  Das „Resilienz-Dreieck“ könnte treffenderweise auch als „VulnerabilitätsDreieck“ bezeichnet werden. 26  Dalziell / McManus (2004). 27  Sheffi / Rice Jr. (2005).

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Simeon Vogt und Meike Tilebein

Abbildung 3: Auswirkung eines Ereignisses auf eine Kennzahl28

Die zweidimensionalen Verfahren eignen sich zur Bewertung von einfachen Zusammenhängen, da zum Treffen von Aussagen nur wenige Kennzahlen oder Parameter benötigt werden. Darin liegt aber auch die Kritik an diesen Verfahren begründet. Die Vorgehensweise ist nicht detailliert dargestellt. Es bleibt daher unklar, wie die komplexen Zusammenhänge in Bezug auf Resilienz bei diesen Verfahren sinnvoll repräsentiert werden können. Die vorhandenen Ansätze sind somit (noch) nicht praxistauglich. Eine Anwendbarkeit ist jedoch denkbar. Weitere Forschungsarbeiten könnten bspw. überprüfen, ob solche simplen Verfahren überhaupt in der Lage sind, eine aussagekräftige Bewertung von Resilienz vorzunehmen. Des Weiteren steht die Entwicklung geeigneter Indikatoren, mit denen Resilienz gemessen werden kann, noch am Anfang. Und nicht zuletzt könnten weitere Forschungsarbeiten darauf abzielen, die Wirkung von betrieblichen Prozessen auf die Resilienz besser herauszuarbeiten. 2. Mathematische Verfahren Im Vergleich zu den im vorherigen Abschnitt präsentierten zweidimen­ sionalen Verfahren zur Bewertung von Resilienz existieren in der Literatur auch Vorschläge zu ausführlicheren mathematischen Verfahren. Hu, Li und Holloway stellen ein Verfahren vor, in dem produktionsbasierte Prozesse betrachtet werden.29 Hierbei werden Elemente in der Produk­ tionskette (Produkte und Zwischenprodukte) mit Vektoren und Matrizen dargestellt. Die angewendeten mathematischen Operationen stellen physische Transformationen, Transporte oder zeitliche Effekte dar. Innerhalb der 28  Dalziell / McManus 29  Hu / Li / Holloway

(2004). (2008).



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Berechnungen können Störereignisse eingebaut werden und deren Auswirkungen simuliert werden. Wang, Gao und Ip beziehen sich in ihrer Forschungsarbeit auf ein „Enterprise Information System“ oder ein „Service System“.30 Das System besteht hier aus Funktionen, die Ressourcen benötigen. Berechnet wird die Wiederherstellungsfähigkeit nach einem Schaden (Ausfall von Funktionen) anhand von gewichteten Bewertungen der Wiederherstellungszeiten. Die vorgeschlagene Methode wird von den Autoren mit der Produktionsplanung verglichen, hat aber einen höheren Optimierungsumfang durch mehr Parameter im Vergleich zu einfachen Methoden der Produktionsplanung. Speziell für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) in der Prozessindustrie stellen Aleksić, Stefanović, Arsovski und Tadić ein Fuzzy-Modell vor.31 Sie sehen die Besonderheit von KMU im begrenzten Zugang zu Ressourcen. Die Evaluierung wird von einem Team des Managements durchgeführt. Bewertet werden Kombinationen aus Geschäftsprozessen und Resilienzfaktoren. Im Gegensatz zu den anderen beiden mathematischen Verfahren ist hierbei vorgesehen, auch linguistische Bewertungen zu erfassen.32 Die vorgestellten mathematischen Verfahren eignen sich für technische Systeme oder gut quantifizierbare Systeme. Die Verfahren sind auf Produktionsprozesse oder Informationssysteme ausgelegt. Durch die mathematischen Berechnungen eignen sie sich auch zur Modellierung und Simulation. Kritisch zu sehen ist, dass hierbei die Wiederherstellung eines Zustandes mathematisch immer möglich ist. Es ist zu hinterfragen, ob die Methoden die realen Systeme gut genug abbilden können, insbesondere bei der Anwendung auf Systeme, die nicht rein technisch sind. Des Weiteren basieren die vorgestellten Verfahren auf einem reinen Gleichgewichts-Verständnis von Resilienz, bei dem Wiederherstellung und Resistenz eine große Rolle spielen. Diesem reduzierten Verständnis fehlt jedoch der evolutionäre, dynamische und adaptive Charakter von Resilienz. Wie dynamische Zielfunktionen aussehen könnten, ist entsprechend noch zu erforschen. 3. Betrachtung von Ressourcen In einer Studie stellen Richtnér und Löfsten einen positiven Einfluss von organisationaler Resilienz auf die Kreativität eines Unternehmens fest.33 Die 30  Wang / Gao / Ip

(2010).

31  Aleksić / Stefanović / Arsovski / Tadić 32  Aleksić / Stefanović / Arsovski / Tadić 33  Richtnér / Löfsten

(2014).

(2013). (2013).

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Simeon Vogt und Meike Tilebein

von ihnen präsentierte Methode zur Bewertung von Resilienz ist ein statistisches Verfahren. Sie unterteilen die Ressourcen eines Unternehmens in vier Gruppen, die organisationale Resilienz ermöglichen und organisationale Kreativität beeinflussen:34 •• Strukturelle Ressourcen, •• Kognitive Ressourcen, •• Relationale Ressourcen, •• Emotionale Ressourcen. Die Ressourcen werden in kleinere Elemente aufgeteilt, die Bewertung erfolgt durch strukturierte Interviews über eine Likert-Skala. Zuletzt wird eine Korrelations- und Regressionsanalyse der erfassten Daten durchgeführt. Die Betrachtung der Ressourcen kann relativ breit für die Bewertung der organisationalen Resilienz eingesetzt werden. Die gewählten Ressourcen decken alle Unternehmensbereiche ab. Durch die Verwendung der LikertSkala können auch immaterielle Ressourcen erfasst werden. Die statistische Auswertung von Werten und Korrelationen kann die verschiedenen Einschätzungen von vielen Personen bündeln. Als Kritik an diesem Verfahren ist anzumerken, dass für die generische Verwendung dieses Verfahrens nicht festgelegt ist, welche Personen die Bewertung durchführen. Außerdem ist eine geeignete Wahl der Skalen und Gewichtungen notwendig, um die Schlüsselfragen zweifelsfrei beantworten zu können. 4. Kombinierte Methoden In der Literatur werden auch kombinierte Methoden zur Bewertung von Resilienz vorgestellt. Diese Methoden basieren jeweils auf einem Datensatz, in dem Ereignisse oder Prozesse enthalten sind. Erol, Sauser und Mansouri schlagen zwei verschiedene Vorgehensweisen zur Messung von organisationaler Resilienz vor.35 Die erste Methode bezieht sich auf Störereignisse und klassifiziert mögliche Bedrohungen und deren Konsequenzen. In die Datenbank mit den entsprechenden Datensätzen können zudem passende Aktionen / Reaktionen aufgenommen werden. Je nach Perspektive (vor einem Störereignis, währenddessen oder danach) bietet sich eine entsprechende Metrik an. Damit lassen sich Szenarien modellieren und bewerten und Handlungsmöglichkeiten zur Gestaltung von 34  Richtnér / Löfsten

(2014). (2010).

35  Erol / Sauser / Mansouri



Bewertung organisationaler Resilienz

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Resilienz ableiten. Eine Betrachtung über Unternehmensgrenzen hinweg steigert die Anzahl der Verknüpfungen und Szenarien deutlich.36 Die zweite von Erol, Sauser und Mansouri vorgeschlagene Methode bezieht sich auf die Anpassungsfähigkeit und Zeitdimension eines Systems.37 Hierbei ist das Ziel, mit geeigneten Metriken, die über übliche Kennzahlen hinausgehen, das dynamische Verhalten des Systems zu erfassen. Das dynamische Verhalten kann beispielsweise das zeitliche Antwortverhalten sein, auch über Organisationsgrenzen hinweg. Falls reale zeitliche Effekte für die Bewertung wirklich notwendig sind, ergeben sich dadurch zwei Nachteile: Zum einen sind Erkenntnisse erst nach Messung der Auswirkungen verfügbar. Und zum anderen kann es sogar notwendig sein, „Testsignale“ zu erzeugen, was die Stabilität des Systems oder die Akzeptanz der Methode beeinträchtigen könnte. Andererseits könnten dadurch auch unerwartete Erkenntnisse gewonnen werden, wenn bisher nicht bedachte oder nicht formalisierte Effekte auftreten. Einen Bewertungsrahmen in Bezug auf operationale Resilienz stellen Allen und Davis vor.38 Auf Basis von sogenannten „Templates“ werden die Implementierung, Effektivität und Performance von Prozessen betrachtet. Die Templates sind als Maßnahmenkatalog mit dazugehörigen Meta-Informationen vorstellbar und sind in einen übergeordneten Prozess zur Erreichung der Geschäftsziele eingebettet.39 Sie können bei entsprechenden Ereignissen aufgerufen werden und enthalten u. a. Informationen zu Eingangsgrößen (z. B. Messwerten) und Anweisungen zur Einleitung von Maßnahmen. Dadurch ist eine Wiederholbarkeit und Wiederverwendbarkeit von Maßnahmen gewährleistet. Mit den hier vorgestellten kombinierten Methoden ist das übliche Verhalten eines Systems gut zu erfassen und Standardprozesse lassen sich gut integrieren. Die Grenzen der Einsatzmöglichkeiten liegen bei der Erfassung des dynamischen Verhaltens, z. B. nach bisher unbekannten Störereignissen. Die kombinierten Methoden eignen sich gut zur formalisierten Erfassung von Prozessen mit Resilienzbezug. Die gemeinsame Auseinandersetzung innerhalb einer Organisation ermöglicht eine Sensibilisierung auch für unbekannte Ereignisse. Je mehr Daten in einer Datenbank quantifiziert oder ontologisch beschrieben sind, desto eher eignen sie sich zur Modellierung und Szenarioanalyse. Wie schon erwähnt, steigt mit der Größe des Betrachtungsrahmens jedoch auch der Umfang der Bewertung, insbesondere wenn der Blick über die Unternehmensgrenzen hinweggeht. 36  Erol / Sauser / Mansouri 37  Erol / Sauser / Mansouri 38  Allen / Davis 39  Allen / Davis

(2010). (2010).

(2010). (2010), S. 23.

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IV. Diskussion Die vorgestellten Verfahren zur Messung von organisationaler Resilienz haben unterschiedliche Zielsetzungen und Eigenschaften und daher auch unterschiedliche Stärken und Schwächen. In der Resilienzforschung wird noch über einheitliche Verfahren diskutiert.40 Dabei geht es beispielsweise um die Frage, wo ein statisches und wo ein dynamisches Verständnis von Resilienz zugrunde gelegt werden sollte oder die Frage, ob quantitative oder qualitative Bewertungen (oder Mischungen daraus) genutzt werden.41 Dennoch lassen sich auch Aussagen über die Verfahren in ihrer Gesamtheit treffen. Folgender Nutzen lässt sich feststellen: •• Mithilfe der vorgestellten Verfahren können Kennzahlen errechnet werden, die als Grundlage für Entscheidungen dienen. •• Durch die Systematisierung und Quantifizierung können die Methoden auch als Grundlage für Szenarioanalysen oder Simulationen dienen. Als problematisch kann festgehalten werden:42 •• Die Vergleichbarkeit der Methoden untereinander oder innerhalb einer Zusammenstellung an gleichartiger Messungen ist schwierig. Die Analyse­ einheiten, Indikatoren, Daten oder Ziele können unterschiedlich sein. •• Die Nichtverfügbarkeit von Daten kann Probleme bereiten. •• Resilienz ist eher ein Verhalten als ein Zustand. Daraus leitet sich die Frage ab, ob der dynamische Aspekt der Resilienz mit geeigneten Verfahren erfasst werden kann. •• In einem evolutionären Verständnis von Resilienz sollte ein resilientes System lernen können. In einem engeren Sinne könnte eine Bewertung der Zustände vor und nach dem Durchlaufen eines Resilienzzyklus stattfinden. In einem weiteren Sinne muss sich die Bewertung jedoch dem sich ändernden System anpassen. •• Der Zusammenhang zwischen einer Bewertung des Gesamtsystems und der Bewertung von Teilsystemen muss weiter erforscht werden. •• Wie die Inhalte der Bewertungsverfahren vermittelt werden, ist in der Forschung noch nicht geklärt. Dafür fehlt ein gemeinsames Verständnis von den Charakteristika und Wirkungsweisen, die organisationale Resi­ lienz ermöglichen. 40  Thoma

(2014), S. 36, 90, 124 ff. (2014), S. 36, 90, 124 ff. 42  Thoma (2014), S. 36, 76 ff. 41  Thoma



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V. Fazit und Ausblick In diesem Beitrag wurde für den Begriff „organisationale Resilienz“ der aktuelle Stand der Forschung dargestellt. Der potentielle Nutzen aus einer Bewertung von Resilienz zur Erreichung unternehmerischer Ziele wurde argumentativ begründet. Methoden zur Bewertung von Resilienz wurden vorgestellt, in vier Kategorien gegliedert und mit ihren jeweiligen Stärken und Schwächen dargelegt. Zuletzt wurden die Ergebnisse diskutiert und dabei auf Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Methoden hingewiesen. Ein möglicher Ansatzpunkt für weitere Forschung ist eine Verknüpfung der Untersuchungen zur Messung von Resilienz („Wie misst man Resi­ lienz?“) mit anderen strukturierenden Untersuchungen der organisationalen Resilienz („Wie entsteht Resilienz?“). Dabei sind allgemeine und gemeinsame Charakteristika zu identifizieren und zu analysieren.43 Einige der vorhandenen Methoden sind bisher nicht validiert oder für anwendungsorientierte Studien eingesetzt worden. Für unterschiedliche Anwendungszwecke könnten jeweils passende Methoden entwickelt werden. Würden diese dann innerhalb des Anwendungszweckes einheitlich eingesetzt, ließen sich Vergleichsgruppen bilden. Wie bereits im vorigen Kapitel erwähnt, bilden die bisher bekannten Methoden den dynamischen und adaptiven Aspekt von Resilienz noch nicht ab. Diesen generell zu abstrahieren und dann in geeigneter Weise in die Methodenentwicklung einfließen zu lassen, ist sicherlich eine der anspruchsvollsten Aufgaben für die weitere Forschung zur Bewertung organisationaler Resilienz. Literaturverzeichnis Aleksić, Aleksandar / Stefanović, Miladin / Arsovski, Slavko / Tadić, Danijela: An assessment of organizational resilience potential in SMEs of the process industry, a fuzzy approach, in: Journal of Loss Prevention in the Process Industries, Heft  6, 2013, S. 1238 ff. Allen, Julia H. / Davis, Noopur: Measuring Operational Resilience using the CERT Resilience Management Model, Carnegie Mellon University 2010. Burnard, Kevin / Bhamra, Ran: Organisational resilience: development of a conceptual framework for organisational responses, in: International Journal of Production Research, Heft  18, 2011, S. 5581 ff. Dalziell, E. P. / McManus, S. T.: Resilience, Vulnerability, and Adaptive Capacity: Implications for System Performance, Stoos, Switzerland 2004. 43  Thoma

(2014), S. 77.

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Erol, Ozgur / Sauser, Brian J. / Mansouri, Mo: A framework for investigation into extended enterprise resilience, in: Enterprise Information Systems, Heft  2, 2010, S.  111 ff. Gilbert, Clark / Eyring, Matthew / Foster, Richard N.: Two Routes to Resilience, in: Harvard Business Review, December 2012. Hamel, Gary / Välikangas, Liisa: The Quest for Resilience, in: Harvard Business Review, Heft  9, 2003, S. 52 ff. Hu, Yao / Li, Jingshan / Holloway, Larry: Towards Modeling of Resilience Dynamics in Manufacturing Enterprises: Literature Review and Problem Formulation, in: 2008 IEEE International Conference on Automation Science and Engineering (CASE 2008) 2008, S. 279 ff. ISO / IEC: Systems and software engineering  – Measurement process, Switzerland 01.08.2007, ISO / IEC 15939:2007, URL:  iso.org​ / ​obp / ​ui / ​, zuletzt geprüft am: 17.02.2016. Laarousi, Rihab: Resilience: Concept and Measurement, Seminararbeit, Stuttgart 18.08.2015. Masten, Ann S.: Ordinary magic: Resilience processes in development, in: American Psychologist, Heft  3, 2001, S. 227 ff. Richtnér, Anders / Löfsten, Hans: Managing in turbulence: how the capacity for resilience influences creativity, in: R&D Management, Heft  2, 2014, S. 137 ff. Sheffi, Yossi / Rice Jr., James B.: A Supply Chain View of the Resilient Enterprise, in: MIT Sloan Management Review, Heft  1, 2005. Spath, Dieter / Hirsch-Kreinsen, Hartmut / Kinkel, Steffen (Hg.): Organisatorische Wandlungsfähigkeit produzierender Unternehmen. Unternehmenserfahrungen, Forschungs- und Transferbedarfe, Stuttgart 2008. Sutcliffe, Kathleen M. / Vogus, Timothy J.: Organizing for resilience, in: Positive organizational scholarship: Foundations of a new discipline, 2003, S. 94 ff. Thoma, Klaus: Resilien-Tech. „Resilience-by-Design“: Strategie für die technologi­ schen Zukunftsthemen 2014, URL: acatech.de​ / ​fileadmin / u ​ ser_​upload / ​Baumstruk tur_​nach_​Website / ​Acatech / ​root / ​de / ​Publikationen / ​Stellungnahmen / ​acatech_​STU DIE_​RT_​WEB.pdf, zuletzt geprüft am:  08.09.2014. Tierney, Kathleen / Bruneau, Michel: Conceptualizing and Measuring Resilience. A Key to Disaster Loss Reduction, in: TR News, 2007, S. 14 ff. Tilebein, Meike: Nachhaltiger Unternehmenserfolg in turbulenten Umfeldern. Die Komplexitätsforschung und ihre Implikationen für die Gestaltung wandlungsfähiger Unternehmen, Frankfurt am Main, New York 2005. Wang, J. W. / Gao, F. / Ip, W. H.: Measurement of resilience and its application to enterprise information systems, in: Enterprise Information Systems, Heft 2, 2010, S.  215 ff. Woods, David D. / Hollnagel, Erik: Prologue: resilience engineering concepts, in:  Hollnagel, Erik / Woods, David D. / Leveson, Nancy (Hg.): Resilience engineering. Concepts and precepts, Aldershot 2006, S. 1 ff.

Business Excellence Von Louis Klein

I. Erst Praxis dann Theorie Business Excellence ist integriert oder schon im Ansatz zum Scheitern verurteilt. Business Excellence ist ein vielgehörtes Schlagwort. Business Excellence will jeder. Wie aber kann Business Excellence gelingen? Gute Ansätze gibt es zu Hauf. Eine überzeugende ganzheitliche Perspektive, ein integriertes Gesamtbild ist jedoch noch zu liefern. Damit, wie eine erfolgreiche Integration von Business Excellence gelingen kann, befasst sich der vorliegende Text. Antworten, erfolgversprechende wie erfolgreiche, kommen aus der Praxis. Ausgangspunkt der Überlegungen bildet eine praxeologische Reflexion der Change Management- und Organisationsentwicklungsarbeit. Für das Thema Business Excellence wurden insbesondere die Erfahrungen im Energiegroßanlagenbau zur Referenz neuer Ideen und Entwicklungen ausgewertet. Integration braucht Reflexion. Und Reflexion braucht eine leistungsfähige Theorie. Die Dynamik der Welt ist multikausal und interdependent. Damit konfrontiert kommt man um systemisch-kybernetische Ansätze nicht herum. Sie liefern Beobachtungsinstrumente, Modelle und Methoden, mittels derer sich Lern- und Entwicklungspfade beschreiben lassen, die im Total-QualityManagement (TQM) ihren Anfang nehmen und von der Operational Excellence der Produktion zur Project Excellence führen. Es wird weiter zu zeigen sein, dass für erfolgreiche Organisational Excellence in Produktion und Projekten ein ebenso exzellentes Widerlager in den managerialen Governance-Prozessen erforderlich ist. Unter Berücksichtigung der Zeit und des unumgänglichen Wandels wird dann aus dem Wechselspiel von Organisa­ tional Excellence und Change Excellence etwas Integriertes, das den Namen Business Excellence verdient, doch nur zum Preis neuer blinder Flecke, wie zum Beispiel Sales.

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Louis Klein

II. Die Idee der Business Excellence 1. Business Excellence? Im Norden Südafrikas, dort wo sich das Highveld in Richtung Botswana neigt, gibt es reiche Kohlevorkommen. Hier stehen einige der größten Kohlekraftwerke der Welt. Hier versucht die aufstrebende südafrikanische Na­ tion einen Großteil ihres Energiehungers zu stillen. Im global lokalem Zusammenspiel nationaler und internationaler Konsortien wird unter großer politischer Aufmerksamkeit Energiegroßanlagenbau betrieben. Was hier zu besichtigen ist, ist nicht weniger als der globale State of the Art des Anlagenbaus. Die Parameter sind ambitioniert, ihre Umsetzung ist eine Herausforderung. In diesen Kontexten artikuliert sich sehr schnell und dringlich der Wunsch nach Business Excellence und erfährt sogleich eine große Ernüchterung. Die Idee, die Erfolge des Total-Quality-Managements aus der Produktion hier auf der Skala sogenannter Megaprojekten zu wiederholen, scheint ins Leere zu laufen. Das, was man auf den Baustellen vorfindet, ist alles, nur nichts, was an Excellence erinnert. Das, was man unter der Überschrift Construction Excellence zu realisieren versucht, scheint nicht gemein zu haben mit den Erfolgsgeschichten der Automobilindustrie. Der Wissenstransfer scheint ebenso zu scheitern wie der Versuch, eine an Six Sigma oder Lean orientierte Praxis zu etablieren. Es stellt sich die Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit der Exzellenz auf der Baustelle, im Projekt, im Geschäft. So entsteht aus dem Wunsche nach Business Excellence die Notwendigkeit und die mitunter unangenehme Aufgabe, die eigene Praxis und Weltsicht auf den Prüfstand zu stellen. Business Excellence adressiert Execution. Business Excellence zielt auf die Umsetzung, die Realisierung und Verwirklichung von Geschäftsmodellen. Excellence orientiert sich dabei vornehmlich an der Erfolgsperspektive des Total-Quality-Managements und blendet um von Ergebnis auf Prozesse.1 Es ist diese tief in den Managementdiskursen verankerte Erfahrung, dass exzellente Prozesse die Vorbedingung für exzellente Ergebnisse sind. An genau diesem Punkt aber stellt sich erneut die Frage, inwiefern die Erfolgsgeschichte des Total-Quality-Managements erfolgreich auf Geschäftsbereiche außerhalb der industriellen Produktion und Massenfertigung angewendet werden kann. Was bedeutet Excellence für Projekte, für das Management und das ganze Geschäft?

1  Forbes / Ahmed (2010), Langmaier (2014), Malorny (1998), Oackland (2014), Zink (1998).



Business Excellence

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Die Theorie der Business Excellence ist ambitioniert.2 Ihre Praxis bleibt weit hinter diesen Ambitionen zurück. Die Theorie scheitert in der Praxis und das, was in der Praxis funktioniert, entzieht sich der Theorie. So zumindest erscheint es in den Managementdiskursen. Die Welt funktioniert nicht so wie sie soll, und Schuldige sind schnell gefunden. Der Faktor Mensch steht ganz oben auf der Liste. Das kennt man. Neu und zunehmend prominent ist ein anderer Schuldiger. Es ist die Welt selbst, die im Konzept der VUCA World als volatil, unsicher, komplex und mehrdeutig erkannt wird.3 Der Faktor Menschen muss trainiert werden und die Komplexität der Welt gilt es wissenschaftlich zu durchdringen, um sie zu reduzieren. So verkürzt klingt es auf jeden Fall, wenn man dem Mainstream der Managementdiskurse lauscht. Dass diese Schnellschüsse im Kern nichts anderes versuchen, als der Herausforderung mit mehr desselben zu begegnen, wird spätestens auf den zweiten Blick deutlich. Das International Centre for Complex Project Management (ICCPM) in Canberra wurde von der Defense Material Organisation der australischen Armee ins Leben gerufen, um der Problematik des Scheiterns der großen Beschaffungsprojekte des Militärs ein neues Denken entgegenzusetzen. Wenn Komplexität das Problem ist, so der Ausgangspunkt der Überlegungen, wie könnten dann anschlussfähige Lösungen aussehen und wo wäre danach zu suchen? Die Versuche in der Chaostheorie und in der Komplexitätstheorie fündig zu werden, scheiterten. Beide Theoriestränge haben ihre Stärken in der Beschreibung der Problemlagen, bieten aber wenig praktisch Verwertbares zur Bewältigung der Herausforderung. Erst eine Beschäftigung mit systemtheoretischen und kybernetischen Ansätzen versprach die Möglichkeit, im Orientierungsprozess des ICCPM von Problem auf Lösung umblenden zu können. Mit dem Blick auf die zeitgenössischen Managementdiskurse war auch sehr schnell klar, dass hiermit nicht weniger als ein Paradigmenwechsel im Management adressiert sei.4 Besorgt um die eigene Anschlussfähigkeit wurde dann der Weg ins Training gewählt und ein MBA-Programm für komplexes Projektmanagement ersonnen. Business Excellence ist also nur zum Preis eines Paradigmenwechsels zu haben. Und dies gilt nicht nur für die Managementtheorie und -praxis, sondern konsequenterweise ebenfalls für die Managementforschung und die Art und Weise wie Managementwissen entsteht. In diesem Kontext 2  Dalal (2011), Duggan (2011), Gorecki / Pauthsch (2014), Langmaier (2014), Malorny (1998), Oackland (2014), Pyzdek / Keller (2013), Rehben / Yurdakul (2005), Thill (2006), Zink (1998). 3  Hicks Stiehm (2010), Bennett / Lemoine (2014). 4  Jackson (2000, 2002).

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scheint es ratsam, eine sehr alte Forschungsperspektive zu aktualisieren5, der es aber erst in den letzten zwanzig Jahren gelang, als attraktive Alternative in der Managementforschung wahrgenommen zu werden. Es geht um Praxeologie. 2. Praxeologie Praxeologie ist die Theorie der Praxis.6 Praxeologie bezieht sich weniger auf ontologische Kategorien sondern ist in ihrem Kern explizit epistemologisch. Es geht darum zu ergründen, wie eine Praxis als solche Erkenntnisse über sich selbst gewinnt. Das klingt erst einmal zirkulär und suggeriert, dass nicht weniger als ein systemisch-kybernetisches Instrumentarium überhaupt in der Lage sein könnte nachzuvollziehen, worum es hierbei tatsächlich geht.7 Praxeologie schaut darauf, wie die Beteiligten einer Praxis eben jene Praxis beobachten und beschreiben, und wie sich darin ein Referenzrahmen für eben jene Praxis herauskristallisiert, der für alles Weitere limitierend und stabilisierend funktioniert. In der Managementforschung ließe sich auf dieser Grundlage ein Einblick gewinnen, welche Selbstbeschreibungen vom Management für das Management handlungsleitenden Charakter gewinnen und damit beschreiben, was im Weiteren möglich und unmöglich wird.8 Aus einer forscherischen Perspektive ließe sich das als Diskurspraxisanalyse beschreiben. Dabei läge dann im Gegensatz zu einer Diskursanalyse der Fokus darauf, wie Management‑Praxis tatsächlich in beobachtbaren, realen Managementkontexten thematisiert, debattiert und letztlich beschlossen wird. Es geht also weniger um eine Managementtheorie als vielmehr um die Rezeption von Theorie und um praktische Deutungsgenese.9 Ein solch praxeologischer Ansatz folgt auf den Spuren jenes Wissens, das sozialwissenschaftlich als Meaning Creation und Sensemaking beschrieben wird.10 Beobachtungsgegenstand sind dann vornehmlich, wie die Forschungstradition des Critical Narrative Inquiry vorschlägt,11 die Vielzahl der Geschichten, die Menschen erzählen und referenzieren, um sich in der Welt zu orientieren. Die Kohärenz der Geschichten ist dabei von untergeordneter Bedeutung. Was zählt, ist vielmehr der Nutzen, den diese Ge5  Hodgson

(1870). (1972), Bredillet (2010), Hodgson (1870), Klein et  al. (2015), Ryan et  al. (2002), Schatzki et  al. (2001). 7  Klein (2013a, 2002). 8  Klein (2009). 9  Bayard (2007). 10  Berger / Luckmann (1967), Boje (2007), Klein (2013b), Weick (1995). 11  Boje (2001), Jorgensen / Largacha-Martinez (2014). 6  Bourdieu



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schichten in den jeweiligen Alltagssituationen stiften. Es geht also um situative Daseinsbewältigung und weniger um kohärente Weltbilder. Daran knüpft die Referenzrahmentheorie12 an, die, in der Tradition der Mead’schen Rollentheorie13, beschreibt, wie in unterschiedlichen Situationen und in unterschiedlichen Rollen die jeweiligen Akteure unterschiedliche Referenzrahmen adressieren, um die jeweilige Situation zu bewältigen. In der einen Situation bin ich Manager, in der nächsten bin ich Vater und in der übernächsten Weinliebhaber. Und auch wenn Rollen spezifische Referenzrahmen stimmiger erscheinen lassen als andere, stehen dem Akteur in den jeweiligen Situationen komplette Universen der Weltdeutung zur Verfügung. Selbst für eine vermeintlich klare Rolle wie der des Managers ist nicht zwingend vorgegeben, welche Idee von Management in den jeweiligen Kontexten zu aktualisieren wären. Es wird dem Individuum vielmehr eine Heterogenität des Referenzrahmenmanagements zugemutet. Das heißt, selbst in der Engführung einer Rolle, in diesem Fall als Manager, ist situativ auszuhandeln, welcher manageriale Referenzrahmen in der jeweils spezifischen Situation derjenige sein soll, auf den sich die Akteure verständigen. Dabei ist im Weiteren das Nichtverstehen der Akteure, stochastisch betrachtet, der wahrscheinliche Fall.14 Change Projekte sind praxeologische Versuchslabore. Selten wird das Nachdenken des Managements über sich selbst, über die eigene Orientierung und Möglichkeiten so virulent wie in Situationen expliziten unternehmerischen Wandels. Im Nachdenken darüber, was sein könnte, oder besser im Gespräch darüber, was sein könnte, wird nicht nur ein Zukunft kontingent gestellt, sondern auch die Gegenwart hinterfragt. Eine Begleitung solcher Veränderungsprozesse kann daher grundsätzlich als eine Situation des Action Research verstanden werden. Die forscherische Besonderheit liegt dann vornehmlich darin, dass Beobachtungen in einer Situation möglich sind, in denen die Zukunft noch offen ist. Das heißt, anders als bei einer Case Study läuft der Forscher nicht strukturell Gefahr, auf der Grundlage des Wissens um den Ausgang der Geschichte, alles Vorherige auf das tatsächlich eingetretene Ergebnis hin zu rationalisieren. Im Action Research ist der Lauf der Welt noch ergebnisoffen. Die andere Besonderheit dieser Forschung liegt darin, dass die jeweilige beraterische Intervention aus einer forscherischen Perspektive als Experiment betrachtet werden kann, das die jeweilige Situation analysierend qualifiziert. Praxis interessiert sich in der ersten Linie für Praxis. In diesem Sinne schließt die Praxis nicht an Theorie an, sondern verhandelt ihre Weltsicht in 12  Neitzel / Welzer

(2011), Klein (2013b). (1934). 14  Luhmann (1984). 13  Mead

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ihrem eigenen Modus. Eine praxeologische Herangehensweise ermöglicht beraterisch wie forscherisch eine Brücke zu schlagen und das Primat der Praxis, jenseits managerialer Folklore, auch wissenschaftlich ernst zu nehmen und zu verstehen. Business Excellence ist eine praxeologische Selbstbeschreibung einer auf den Grundlagen ihrer vergangenen Erfolge selbstbewussten und ambitionierten Managementpraxis. Auf einem zur Erörterung der Business Excellence relevanten Entwicklungspfad führte der Weg von der Automobilindustrie über Schienenverkehrssysteme und den Anlagenbau in den erneuerbaren Energien hin zum Großanlagenbau. Die Praxis wählt sich ihre Referenz selbst. In diesem Sinne sind Qualitätsmanagementansätze oder Exzellenzmodelle praxeologisch nur insofern bedeutsam als ihnen die Praxis selbst Bedeutsamkeit zumisst. Im Folgenden bedeutet dies jedoch, dass zum Beispiel die Qualitätsmanagementansätze TQM, Lean und Six Sigma in erster Linie Praxis determinierend legitimieren und nur beiläufig die Welt erklären. Auch Exzellenzmodelle wie das EFQM Modell, Baldrige oder das IPMA Project Excellence Modell werden weniger aus einer technischen Perspektive heraus rezipiert als vielmehr aus einer kulturellen und insbesondere einer politischen Perspektive. Praktisch geht es bei der Wahrheit immer um Macht. 3. Integrative Perspektiven Wenn Komplexität das Problem ist, liefern systemisch-kybernetische Perspektiven die Lösung. Insofern ist Integration nur zum Preis des Perspektivenwechsels zu haben. Bernhard Scotts Principles of Observation definieren dabei so etwas wie den Grundschritt systemisch-kybernetischer Epistemologie.15 Scotts These ist es, dass es zu jeder beliebigen Beobachtung, erstens, jeweils einen größeren Rahmen gibt, dass es, zweitens, jeweils eine weitere Detailebene gibt, und dass es, drittens, jeweils alternative Perspektiven gibt. Theoretisch ließe sich an dieser Stelle noch einmal differenzieren zwischen Beobachtung erster und zweiter Ordnung.16 Dabei verweisen Beobachtungen erster Ordnung auf eine materialistisch ontologische Betrachtungsweise während Beobachtungen zweiter Ordnung eine konstruktivistisch epistemologische Qualität beigemessen werden könnte. Ein systemisch-kybernetischer Bezugsrahmen erlaubt es sehr gut, zwischen den beiden Ebenen zu wechseln und in Orientierung an Scotts Principles mal das eine, mal das andere einzublenden. 15  Scott 16  von

(2009). Foerster (1982, 2002).



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Nur was ich messen kann, kann ich verbessern, sagte William Edwards Deming,17 und fundamentierte damit eine der Grundannahmen des TotalQuality-Managements. An dieser Stelle könnte man von einem beobachtungstheoretischen Schulterschluss zwischen Deming und einer systemischkybernetischen Perspektive sprechen. Systemisch und kybernetisch zu beobachten erlaubt es, mehr zu sehen und vor allem nicht nur ontologisch zu beobachten, sondern ebenso die Epistemologie sozialer Systeme in den Blick zu bekommen. In der Beobachtung der Regulation der Organisation durch manageriale Intervention kann dabei dann nicht nur von dem Was auf das Wie umgeblendet werden, sondern es kommt zusätzlich die Bedingungen der Möglichkeit einer Praxis in den Blick und damit nicht nur der Kontext selbst, sondern zudem dessen Kontingenz und Veränderbarkeit. Operations Research ermöglichte die materielle Integration komplexer Produktionssysteme. Systems Research ermöglicht die konstruktivistisch epistemologische Integration sozialer Systeme.

III. Business Excellence Execution 1. Operational Excellence Total-Quality-Management ist eine Erfolgsgeschichte.18 William Edwards Deming gilt dabei zu Recht als eine der zentralen Figuren, die die Ideen des Operations Research in die Praxis industrieller Massenproduktion überführten. Die großen Losgrößen und die hohen Repetitionsfrequenzen, zum Beispiel in der Automobilindustrie, ermöglicht die Anwendung statistischer Verfahren, um Produktionsprozesse technisch weiter und weiter zu entwickeln und im Sinne kontinuierlicher Verbesserungsanstrengungen nicht nur die Produktqualität, sondern auch die Durchlaufzeiten weiter und weiter zu optimieren. Letztlich praxeologisch, entwickelte sich das in westlichen Industriestaaten nach dem zweiten Weltkrieg entstandene Total-Quality-Management quasi selbstorganisiert aus der Praxis heraus weiter und verdichtete sich in Produktions- und Qualitätsmanagementansätzen wie Six Sigma und Lean Manufacturing.19 Man könnte den Prozess als einen Verbesserungsprozess aus der Praxis für die Praxis verschlagworten. Im Zentrum steht dabei eine Qualitätsphilosophie die von Inspektion auf Prävention umblendet. Damit einher geht eine Fokusverschiebung, weg von der eigentlichen Produktqualität hin zur Analyse und Optimierung der Produktions17  Deming

(1984, 2012), Lepore / Cohen (1999), Pyzdek / Keller (2013). (2011), Mitchell (2015), Oakland (2014), Pyzdek / Keller (2013). 19  Dalal (2011), Forbes / Ahmed (2010), Gorecki / Pautsch (2014), Oackland (2014), Pyzdek / Keller (2013), Rehben / Yurdakul (2005). 18  Duggan

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prozesse. In diesem Sinne liefern TQM, Six Sigma und Lean Reifegradmodelle und Prozessrahmenwerke, die auf die Optimierung repetitiver Routinen fokussieren und selbst für Störfallmomente noch standardisierte Handlungsund Analyseanweisungen vorhalten. Die technische Komplexitätsreduktion des Total-Quality-Managements begründet den flächendeckenden Erfolg im Rahmen kommerzieller Qualifizierung-, Auditierungs- und Zertifizierungsangebote. Operational Excellence findet im TQM seine praxeologische Form. TQM wird darin zum präferierten pragmatischen Referenzrahmen nicht nur für industrielle Produktion, sondern für all jenes, was sich im Rahmen betrieblicher Tätigkeiten unter dem Begriff der Operations einsortieren lässt. Dabei widerfährt dem TQM genau jenes, was Thomas Kuhn (1962 / 70) für die Entwicklung erfolgreicher Paradigmen beschreibt. Ein erfolgreiches Paradigma, ein erfolgreicher Referenzrahmen, wird ausgeweitet und weitergetragen und in den unterschiedlichsten Kontexten zur Anwendung gebracht. Über die Zeit könnte man dabei von sich marginalisierenden Grenznutzen sprechen. Es wird auch dort noch versucht das Paradigma unverändert zur Anwendung zu bringen, wo die Vorbedingungen und Kontexte dazu nicht hinreichend oder gar nicht mehr vorhanden sind. Dies wirft insbesondere dort Probleme auf, wo es wie im Anlagenbau statt großer Losgrößen und hoher Repititionsfrequenenz nur geringe Stückzahlen in niedriger Repititionsfrequenz gibt, oder dort, wo wir wie bei Megaprojekten mit der Losgröße Eins ohne weitere Wiederholung konfrontiert sind. Aber nicht nur dort gibt es Grenzen. Eine Herausforderung andere Art erfährt das TQM Paradigma in der Anwendung auf nicht technisch dominierter Aktivitäten. Der Versuch der Übertragung von TQM auf Managementprozesse ist solch ein Fall. Die Anwendung von TQM in Projekten und im Management scheitert. Erst mit der Reflexion der Bedingungen der Möglichkeit erfolgreichen TQMs kommen Transfermöglichkeiten in den Blick. Wie das funktionieren könnte und worin die Brüche eigentlich bestehen, ist schon in der eigentlichen Entwicklung von TQM hin zu Six Sigma und Lean angelegt. Dies illustriert sich insbesondere dort, wo in Six Sigma unter der Überschrift „Soft Sigma“ ein Sammelbecken eröffnet wird, in dem sich all das wiederfindet, was es an Soft Facts und Soft Skills braucht um in sozialen Systemen handlungsfähig zu bleiben.20 Der Faktor Mensch taucht wieder auf und wird nachgereicht. Quality Management wird zur Philosophie. Oder anders formuliert, TotalQuality-Management wird zu einer paradigmatischen Referenz der Qualifizierung einer holistischen Perspektive des gesamten Unternehmens. Seinen 20  Asefeso

(2014), Taylor (2008).



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Niederschlag findet diese Philosophie in Reifegradmodellen wie EFQM und Baldrige.21 Im Kern jedoch bleiben diese Reifegradmodelle hinter dem Erfolg des Total-Quality-Managements zurück, unter anderem weil sie weniger instrumentell ausgestaltet sind. In erster Linie organisieren sie die für das TQM relevanten Selbstbeobachtung und Selbstbeschreibungsperspektiven entlang einer Differenzierung zwischen Befähigen und Resultaten. Über eine disparate Zusammenstellung der relevanten Perspektiven kommen sie dabei nicht wirklich hinaus. Augenscheinlich wird dies besonders in dem Moment, in dem Unternehmen ihre Geschäfte in der Form von Projekten organisieren. 2. Project Excellence Der Geburtsfehler des Projektmanagements ist die Fokussierung auf Komplexitätsreduktion. Ausgangspunkt des zeitgenössischen Projekt­manage­ ments ist die Bestrebung des Projektmanagement Instituts (PMI) für das Projektmanagement einen sogenannten Body of Knowledge zusammenzutragen und diesen im sogenannten Project Management Book of Knowledge (PMBOK) als homogenen Wissensbestand vorzulegen.22 Die Idee war es, auf diese Art und Weise Projektmanagement zu kodifizieren, zu standardisieren und als spezifische Managementpraxis zu skalieren. In diesem Streben nach Standardisierungsgewinnen folgt das Projektmanagement dem Muster des TQM. Und genau in gleicher Hinsicht scheitert das so kodifizierte Projektmanagement immer dort, wo sich sein Gegenstand der Komplexitätsreduktion entzieht. Dies gilt insbesondere für den Faktor Mensch. Wenn man den Abstand nur weit genug wählt, passen die Dinge wieder zusammen. Der Weg vom TQM zu den Projekten führt über die Gesamtunternehmensperspektive von EFQM und Baldridge und wird im Projektmanagement als Gesamtprojektperspektive zum Beispiel im Project Excellence Modell der International Project Management Association (IPMA) wiedereingeführt.23 Das ist in erster Linie pragmatisch. Auch ist praktisch ein Orientierungsgewinn nicht zu bestreiten. Das IPMA Project Excellence-Modell teilt darin aber das Schicksal aller praktisch erfolgreichen Modelle, Methoden und Instrumente. Sie werden als Werkzeuge in einem Werkzeugkoffer gesammelt und kommen immer dann zur Anwendung, wenn sie passen, wenn man sich daran erinnert oder wenn nichts Anderes zur Hand ist. Sie organisieren als paradigmatische Referenz Praxis situativ, erlauben aber keine wirkliche generische und letztlich praxeologische Weiterentwicklung. 21  Brown

(2013). (2013). 23  Szalajko et  al. (2016). 22  PMI

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Die Verbesserung der Praxis kommt aus der Praxis. Aus einer praxeologischen Perspektive wäre der Blick auf die Selbstbeobachtung und Selbstbeschreibung der Praxis als solche zu richten. Folgt man diesem, so bekommt man für das Projektmanagement zwei sich verändernde, streng abgrenzende Ansätze in den Blick. Zum einen ist das das traditionelle, auch als konventionell beschriebene, Projektmanagement, das sich an den Vorgaben des Projektmanagement Instituts und der IPMA orientiert. Es ist ein komplexitätsreduzierendes Projektmanagement, das die Gesamtkomplexität eines Projekts wasserfallartig in komplexitätsreduzierte Komponenten kaskadiert. Seit den frühen Tagen des kodifizierten Projektmanagements wird an genau dieser Vorgehensweise Kritik geübt.24 Dabei steht weniger die Komplexitätsreduktion im Vordergrund als vielmehr die Tendenz des kodifizierten Projektmanagements, das nicht kodifizierbare auszugrenzen, so zum Beispiel den Faktor Mensch. Um in der Praxis, konfrontiert mit Komplexität, dennoch handlungsfähig zu bleiben, entwickelte sich das agile Projektmanagement25 als pragmatischer Gegenentwurf zum traditionell kodifizierten Projektmanagement. Die Idee ist hier, von Reflexionspunkt zu Reflexionspunkt zu schreiten, von Scrum Meeting zu Scrum Meeting und die Intervalle zwischen den Reflexionen in sogenannten Sprints zu beschreiben. Damit ist ein pragmatisch phänomenologischer Weg eingeschlagen. Komplexität wird als Komplexität nicht beobachtet, sondern nur phänomenologisch wahrgenommen und situativ ein pragmatischer Umgang damit verabredet. 3. Governance Excellence Total-Quality-Management im Management ist möglich. Das war zumindest die Auffassung der Qualitätsmanager in den 1990er Jahren. Ein an Profitabilität gerichtetes Qualitätsmanagement lernt, dass der kaufmännische Effekt der kontinuierlichen Verbesserung sich über die Zeit sehr schnell marginalisiert. Wenn sich nun das Qualitätsmanagement auf der Grundlage einer kaufmännischen Logik als ein auf Dauer angelegter betrieblicher Bestandteil legitimieren soll, richtet sich der Blick des Qualitätsmanagers berechtigter Weise auch auf Managementprozesse. Dort lägen immense Potentiale, heißt es. Der Schulterschuss der Gemeinkosten-Wert-Analyse ist dann sehr schnell hergestellt. Der Business Case der Anwendung von TotalQuality-Management auf Managementprozesse weckt Begehrlichkeiten. Auf eine systematische Umsetzung der Idee warten wir noch heute. 24  Bredillet 25  Cohen

(2010). (2010), Medinilla (2014), Moran (2015).



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Managementprozesse sind keine Produktionsprozesse. Das klingt trivial und doch ein wenig wie eine Entschuldigung des Managements, sich die TQM Ansätze vom Leib zu halten. Am Ende scheint es dann aber nur eine Frage der Macht zu sein, dass dem Management dieses Ansinnen gelingt. Allerdings ist das zugleich die Bestätigung des Arguments. Das Management einer Organisation ist immer das Management eines sozialen Systems. Die dominierende Logik ist somit eine soziale, eine politische und kulturelle. Es geht um Macht und Deutungshoheit, nicht um Technik. Management ist nicht gleich Management. Und nicht erst seit Stafford Beers Viable System Model26 und dem St. Galler Modell integrierten Managements27 gehört die Dreiteilung des Managements in operatives Management, strategisches Management und normatives Management zum Kleinen Einmaleins der Managementliteratur. Der populäre Studienabschluss des Masters of Business Administration wird für seine prominente Ausrichtung auf operatives Management schon seit langem kritisiert. Es gibt in der Human Ressource Management Literatur eine klare Frontstellung zwischen Management auf der einen Seite und Leadership auf der anderen Seite, zwischen dem administrativ-technischen und dem visionärkulturstiftenden.28 Und da man im 21. Jahrhundert weiß, dass Manager tendenziell Bürokraten und visionäre Führer tendenziell Träumer sind, richtet sich jetzt der Blick auf Entrepreneurship, auf den strategischen Manager der als Unternehmer im Unternehmen Risiken eingehen und verantworten soll. Management oder Governance Excellence, um die organisationale Perspektive zu wählen, scheint demnach in der klugen Orchestrierung dieser drei Managementfacetten begründet zu sein. Das Viable System Model und das St. Galler Modell integrierten Managements machen Vorschläge wie das gelingen könnte. Ein praxeologischer Spin und damit praktische Anschlussfähigkeit scheint jedoch bis heute bei beiden Modellen zu fehlen. Das Wissen einer Organisation findet sich in ihren Prozessen.29 Das legt einen Schulterschluss zwischen systemischem Wissensmanagements und Ansätzen des Total-Quality-Managements nah. Unterstellt man Pareto-optimale Standardisierungsgewinne, so ließe sich vermuten, dass sich mit einer Standardisierung von 20 % der Geschäftsvorfälle im Management 80 % des Geschäftsvolumens versorgen ließen. Der verbleibende Rest bietet ausreichend Raum für identitätsstiftende, manageriale Einzelfallentscheidungen. 26  Beer

(1979, 1982, 1985), Espejo / Harden (1989). (1991), Rüegg-Stürm (2004). 28  Klein / Popp (2009). 29  Willke et  al. (2001). 27  Bleicher

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Diese Grundannahme, wie sie beispielsweise dem Process Execution Index zugrunde liegt30, erlaubt so etwas wie einen praxeologischen Fortschritt der Organisation auf dem Weg zur Management Excellence und Business Excellence. Management ist People Management. Es klingt wie eine Binse, wenn man konstatiert, dass Führung immer die Führung von Menschen ist. Es geht um die Entwicklung von Menschen und Teams, um klare Ziele, Rollen und Verantwortlichkeiten, um das Management von Stakeholdern innerhalb und außerhalb der Organisation. Praxeologisch betrachtet geht es um die Aktivitäten, um das Operating Model einer erstrebenswerten Managementpraxis. Und im Sinne einer Governance Excellence ginge es darum, im Sinne dieser erstrebenswerten Managementpraxis ein organisationales Gefüge zu schaffen, das die prozeduralen, strukturellen und personalen Implikationen einer erstrebenswerten Managementpraxis so konfiguriert, dass eben jene Praxis stabilisiert und befördert würde. 4. Organisational Excellence Soziale Systeme sind keine Organismen. Auch Organisationen sind keine Organismen. Organisationen sind soziale Systeme. Organisationen sind das Ergebnis und die Determinante organisationaler Selbstbeobachtungs- und Selbstbeschreibungsaktivitäten. Organisationen sind emergente Entitäten, Ganzheiten, die mehr sind als die Summe ihrer Teile. Hinsichtlich einer Organisational Excellence scheint es daher naheliegend, diese erst einmal als die Summe aus operationaler und managerialer Excellence zu konzipieren und sich dann auf Emergenz einzulassen. Wenn Produktion, Projekte und Management exzellent sind, dann müsste es doch auch ihre Summe sein. Überzeugende Konzeptionen dazu scheint es aber bislang noch nicht zu geben. Was es gibt sind Exzellenzmodelle, die aus einer Qualitätsmanagementperspektive die Gesamtorganisation in den Blick nehmen, und management-kybernetische Ansätze wie das Viable System Model, die aus einer kybernetischen Perspektive die Organisation als Reglungszusammenhang zu fassen trachten. Beide Ansätze erfreuen sich einer gewissen Beliebtheit, werden aber nur selten handlungsleitend ins betriebliche Geschehen von Organisationen integriert. Der Regelfall der Anwendung ist der der Selbst- oder Fremdbewertung, um auf der Grundlage dieser Modelle veränderungs-, respektive verbesserungsorientierte Interventionen zu konzipieren. Eine praxeologische Komponente und damit eine betriebliche Anschlussfähigkeit fehlt jedoch beiden Modelltypen. 30  Raue / Weiland

(2014).



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Organisationale Exzellenzmodelle erzeugen in der Praxis eine Paradoxie. Sie zielen auf Integration, Stabilisierung und Homöostase, werden aber vornehmlich eingesetzt, wenn es um Veränderung geht. Und genau dafür, für Veränderung, sind die bekannten organisationalen Exzellenzmodelle nicht wirklich ausgelegt. EFQM und Baldrige fassen organisationale Aufmerksamkeitsfoki zusammen und bleiben die praktische Seite der Koordination der Einzelelemente schuldig. Koordination der unterschiedlichen Foki jenseits der einzelnen Elemente ist explizit nicht vorgesehen. Ganz anders ist es im Viable System Model, in dem operationale und manageriale Systeme ganz explizit über ein Koordinationssystem, das heißt über Koordinationsaktivitäten und Prozesse miteinander verknüpft sind. Veränderung ist der blinde Fleck der gegenwärtigen Modelle organisationaler Exzellenz. Anders als soziale Systeme sehen Organismen ihre eigene Transformation nicht vor. Lebende Systeme sind dadurch gekennzeichnet, dass sie ihre eigene Existenz in der Form von Lebendigkeit weitreichend stabil über die Zeit bringen und sterben. Es ist ihnen nicht gegeben, sich zu transformieren oder sich selbst komplett neu zu erfinden. Der Geburtsfehler organisationaler Exzellenzmodelle liegt in der Orientierung am Total-Quality-Management. Die Idee kontinuierlicher Verbesserungsprozesse steht distinktionstheoretisch in Opposition zur Idee der Innovation. Die Verbesserung des bereits Verbesserten führt zu abnehmenden Grenzerträgen. Die Idee der Innovation setzt im Gegensatz darauf, dass Gewinne nicht aus der Verbesserung des Bestehenden zu erzielen seien, sondern dadurch, dass neue Dinge anders getan werden. Ein illustratives Beispiel aus der Wirtschaftsgeschichte ist der Fall von General Electric (GE). Nachdem sich GE in den 1980er und 1990er Jahren nach eigener Beschreibung zu einer Six Sigma Company entwickelte hatte, war eine befriedigende Marktposition am Ende nur durch einen Strategiewechsel hin zur Fokussierung von Innovation zu erhalten. Aus einer systemisch-kybernetischen Perspektive heraus stellt sich allerdings die Frage, ob in der Gegenüberstellung von kontinuierlicher Verbesserung und Innovation tatsächlich eine Präferenz zugunsten der Innovation ausgesprochen werden kann, denn den abnehmenden Grenzerträgen kontinuierlicher Verbesserung stehen beim Umblenden auf Innovation Lernkurvenverluste gegenüber. Eine Ba­ lance der beiden Seiten scheint naheliegend und ratsam.31 Doch auch damit ist die Veränderungsfähigkeit als organisationales Vermögen noch nicht hinreichend in die Modelle organisationaler Exzellenz integriert. Change steht auf einem anderen Blatt.

31  Klein / Wong

(2012).

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5. Change Excellence Prozessberatung galt lange Zeit als der Goldstandard des Change Management. Jenseits der Phasenmodelle Lewins32 oder Kotters 7-schrittigem Modell (1996) gelang es Edgar Schein (2004; 1999) mit der Idee des Process Consultancy, die Vorstellung von Veränderungsmanagement wieder näher an die betrieblichen Tatsächlichkeiten zu führen. Eine dominant technische Perspektive, die sich an der 2-Stufigkeit von Modell und Realisierung, von Plan und Durchführung orientiert, scheitert wie alle anderen aus einer technischen Perspektive formulierten Versuche darin, soziale Systeme zu managen. Soziale Komplexität, Politik und Kultur, sind unausweichlich. Wir sprechen von Change in der Form von Projekten. Nichts ist so beständig wie der Wandel. Daher sind organisationale Bestrebungen, sich zu verändern immer damit konfrontiert, dass Veränderung schon stattfindet. Das ist paradox oder rekursiv. Man könnte aus einer systemisch-kybernetischen Perspektive die Situation reformulieren und von einem Change des Change, von einem Wandel des Wandels, sprechen. Das hieße aber zu unterstellen, dass Change, so wie er in betrieblichen Kontexten artikuliert wird, immer schon Change zweiter Ordnung ist. Das ist praktisch wie theoretisch ein wenig verwirrend. Im Kern ist es jedoch ebenso pragmatisch wie klug. Eine Veränderung als Veränderung auszuflaggen ist in erster Linie eine kommunikative Fokussierung. Die betriebliche Aufmerksamkeit wird auf eine besondere, zusätzliche Anstrengung gelenkt und in der Regel in der Form eines Projekts so konfiguriert, dass man allem Weiteren mit den bekannten Modellen, Methoden und Instrumenten des Managements begegnen kann. Prozessberatung ist im Kern Projektmanagement. Change ist also weder Fisch noch Fleisch, oder beides. Aber das kann man aushalten. Es gibt in einem Projekt Prozesse und es ist möglich Prozessschritte in der Form von Projekten zu interpunktieren. Solange man sich darauf einigt, dass es hierbei nicht um Ontologie geht, liegt in diesem Changieren zwischen Projekt und Prozess ein sehr praktischer epistemologischer Erkenntnisgewinn. Dies ließe sich dann für die Praxis fruchtbar machen. Die Praxis aber beklagt erst einmal das Scheitern von Change Projekten an sozialer Komplexität. Change Excellence ist integrativ, oder zum Scheitern verurteilt. Soll es gelingen, so kommt man um systemisch-kybernetische Perspektiven nicht herum. Es ist die wiederholte Anleitung zum Ebenenwechsel. Es ist die Verschiebung von der Ontologie zur Epistemologie, von der Beobachtung erster Ordnung zur Beobachtung zweiter Ordnung, von der Tatsächlichkeit 32  Lewin

(1951, 1948 / 1951), Burns (2004).



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zur Möglichkeit. Nicht nur der Erkenntnistheoretiker ahnt es bereits. Die beruhigende Vertrautheit mit einer wissenschaftlich positivistischen Weltsicht erklärt, warum der Apfel nicht weit vom Stamme fällt. Sie hilft zu beobachten, was ist und wird bestenfalls stochastisch, wenn es darum geht zu beschreiben, was sein könnte. Erst im Umblenden auf Epistemologie gelingt es, neue Handlungsspielräume und Gestaltungsoptionen zu öffnen. Wenn sich das jetzt ein wenig unangenehm anfühlt, weiß man, man befindet sich mitten im Change.

IV. Business Excellence revisited Business Excellence ist mehr als die Summe organisationaler Exzellenz und Change Excellence. Business Excellence, so wie sie uns in den zeitgenössischen Managementdiskursen, begegnet, ist von der Execution her gedacht. Inspiriert vom Total-Quality-Management geht es im Kern um das umblenden von Ergebnissen auf Prozesse und damit um eine Annäherung an die Organisation als Regelsystem. Was dabei nicht in den Blick kommt, ist die Organisation als soziales System sowie all jenes, was sich klassisch weder unter Operations noch unter Management fassen lässt. Operational Excellence und mit Abstrichen Project Excellence und Government Excellence lassen sich auf der Grundlage einer Orientierung an der Execution instrumentell und ertragreich fassen. Die Integration dieser Elemente zu einer Organisational Excellence ebenso wie die Hinwendung zu einer Change Excellence entziehen sich dem und lassen das Problem der Integration umso virulenter werden. Aber Integration ist im größeren Rahmen betrachtet nicht das alleinige Problem. Der Business Excellence fehlt vor allem das Business. Es fehlt vor allem das Geschäftsmodell, und es fehlt der Verkauf. Ein Businessmodell verhandelt Möglichkeiten. Natürlich ist es möglich, dass alle Tätigkeiten, die im Rahmen der Erarbeitung von Businessmodellen anfallen, am Business Case, am Rentabilitätskalkül, ausgerichtet werden. Die Planung von Produkten und Abläufen, die Strategieplanung, die Budgetplanung, die Kalkulation des Business Case und all die anderen Tätigkeiten werden durch die Brille der Execution betrachtet. Natürlich lässt sich ein Tätigkeitsmodell der Geschäftsplanung standardisieren und optimieren, aber im Kern geht es bei der Geschäftsmodellierung um das Verhandeln von Möglichkeiten. Und letztlich geht es dabei um nicht viel weniger als um die Verhandlung des Sinn- und Existenzgrundes der Organisation als soziales System.33 An dieser Stelle, um es philosophisch zu formulieren, transzen33  Rieckmann

(1997).

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diert sich die Organisation selbst. Auch das kann sie dann in einer exzellenten Art und Weise tun, und auch dafür gibt es Beispiele, aber es bleibt die Frage offen, wie eine gelingende Integration in das, was wir als Business Excellence beschreiben, aussehen könnte. Der Verkauf ist der blinde Fleck industrieller Paradigmen. Der Fokus auf Execution entspringt einer industriellen Denke. Natürlich lässt sich im Rahmen von Geschäftsprozessstandardisierung auch die Serviceindustrie und generell Serviceprozesse abbilden. Aber wie schon mehrfach betont, wird es immer dann wackelig, wenn dieses industrielle Paradigma mit dem Faktor Mensch konfrontiert ist. Und letztlich geht es in Sales und Verkauf, um nichts anderes als um menschliches und allzu menschliches.34 Es geht, systemtheoretisch formuliert, um Erwartungen und Erwartungserwartungen, um einen gleichermaßen delikaten wie hochkomplexen Zusammenhang, ein multikausales und interdependentes Wechselspiel.35 Es ließe sich sicherlich mit einem empirischen Blick auf Tätigkeiten und Aktivitäten, zumindest der infrastrukturelle, organisationale Rahmen des Verkaufs sinnvoll mit einem Fokus auf Execution verbinden. Das eigentliche Verkaufen hingegen, die Tätigkeit als Ereignis, entzieht sich dieser Logik. Hier öffnet sich ein weites Feld für weitere, insbesondere systemische-kybernetischer Forschung. Emergenz und Integration sind die neuralgischen Punkte nicht nur der Business Excellence, sondern jeglicher sozialer Systeme. Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile, was aber ist dann das Ganze? Wie ist es geworden? Wie verändert es sich? Und was hält es zusammen? Was inte­ griert es? Auf der Suche nach Excellence zeigt sich, dass wir jenseits aller technischer Errungenschaften immer wieder zurückgeworfen sind auf den Faktor Mensch. Und dabei geht es, in Anlehnung an die Argumentation Niklas Luhmanns, weniger um das einzelne Individuum als vielmehr um das, was wir mit dem Begriff der sozialen Komplexität zu beschreiben versuchen. Es geht um Politik und Macht. Es geht um Kultur und Deutungshoheit. Da gibt es noch einiges zu forschen, und es ist nicht notwendig, das allein den Soziologen zu überlassen. Excellenz ist eine Qualität. Und ganz im Sinne des Total Quality Managements sind wir gut beraten, wenn wir vom Ergebnis auf Prozesse umblenden, bzw. auf die Aktivitäten und Tätigkeiten, die in ihrem Zusammenspiel das hervorbringen, was wir im Ergebnis als Exzellenz oder nicht Exzellenz qualifizieren. Und wir sind eingeladen umzublenden von der Tatsächlichkeit auf die Möglichkeit. In diesem Sinne ist Exzellenz eine Ausrichtung von Möglichkeiten. In ihrer Realisierung, im Kontext eines 34  Strauss

(2005). (1984).

35  Luhmann



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steten Wandels, lässt sich lernen, was zu tun bleibt, wenn sich mit jeder Realisierung neue Möglichkeiten eröffnen. In diesem Sinne ist Business Excellence nicht weniger als ein fortlaufendes Erkenntnisprogramm. Literaturverzeichnis Asefeso, A. (2014): Six Sigma Service (2nd ed.). North Charleston: CreateSpace. Bayard, P. (2007): Wie man über Bücher spricht, die man nicht gelesen hat. (L. Künzli, Trans.) (Ed. 2009). München: Goldmann Verlag. Beer, S. (1972): Brain of the Firm (2nd ed., 1981). Chichester: Wiley. – (1979): The Heart of Enterprise (reprint with corrections, 1988). Chichester: Wiley. – (1985): Diagnosing the system for organizations. Chichester: Wiley. Bennett, N. / Lemoine, J. (2014): What VUCA Really Means for You. Harvard Business Review, 92(1 / 2), 27. Berger, P. L. / Luckmann, T. (1967): The social construction of reality: a treatise in the sociology of knowledge. Garden City, N.Y.: Doubleday. Bleicher, K. (1991): Das Konzept Integriertes Management. Frankfurt / New York: Campus Verlag. Boje, D. M. (2001): Narrative Methods for Organizational & Communication Research. Thousand Oaks, CA: Sage Publications. – (2007): Storytelling Organizations. Thousand Oaks, CA: Sage Publications. Bourdieu, P. (1972): Entwurf einer Theorie der Praxis: auf der ethnologischen Grundlage der kabylischen Gesellschaft. (B. Schwibs & C. Pialoux, Trans.) (2. Aufl., 2009). Frankfurt, M.: Suhrkamp Verlag. Bredillet, C. N. (2010): Blowing hot and cold on project management. Project Management Journal, 41(3), 4–20. Brown, M. G. (2013): Baldrige Award Winning Quality – 18th Edition: How to Interpret the Baldrige Criteria for Performance Excellence (18th, revised ed.). Productivity Pr Inc. Burnes, B. (2004): Kurt Lewin and the Planned Approach to Change: A Re-appraisal. Journal of Management Studies, 41(6), 977–1002. Cohen, G. (2010): Agile Excellence for Product Managers: A Guide to Creating Winning Products with Agile Development Teams. Cupertino, CA: Super Star Press. Dalal, A. F. (2011): The 12 Pillars of Project Excellence: A Lean Approach to Improving Project Results. Boca Raton, FL: Productivity Press. Deming, W. E. (1984): Some Theory of Sampling. New York: Dover Publication. – (2012): The Essential Deming: Leadership Principles from the Father of Quality. New York: McGraw-Hill.

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IV. Didaktik

Dynamiken im Triple P-Konzept – ein Simulationsmodell für die universitäre Ausbildung in nachhaltigem Management Von Andreas Größler

I. Einführung Das bekannte Triple-P-Konzept der Nachhaltigkeit propagiert drei Säulen der organisationalen Nachhaltigkeit: profit, people, planet1, d. h. Unternehmen sollen neben ökonomischen auch soziale und umweltbezogene Ziele verfolgen. Als größter Kritikpunkt des Konzepts stellt sich dabei heraus, dass mit Ausnahme extrem wirtschaftsliberaler Autoren kaum jemand nicht prinzipiell damit übereinstimmt, dass Organisationen alle drei Ziele verfolgen sollten. Probleme entstehen aber dann, wenn konkrete Entscheidungen getroffen werden müssen, weil Zielkonflikte auftreten. Dabei kommt es zu vielfältigen Fragestellungen mit inhärenter Dynamik, die das statische Triple-P-Konzept nicht auflöst. Das Ziel dieses Beitrags ist die Beschreibung, wie solche Zielkonflikte mittels eines System-Dynamics-Modells für Studierende erfahrbar gemacht werden können. Dabei handelt es sich um Bachelorstudenten an einer niederländischen Universität der Fachrichtung Betriebswirtschaftslehre im zweiten Studienjahr, die einen verpflichtenden Kurs (Business Analysis for Responsible Organisations) belegen müssen. Das übergeordnete Lernziel des Kurses besteht in einer Kombination von inhaltlicher Ausbildung in nachhaltigem Management und methodischer Ausbildung in System Dynamics. Bei dem verwendeten Simulationsmodell handelt es sich um die Abbildung der wirtschaftlichen Nutzung eines Waldes. Dabei ist zum einen die ökologische Struktur des Systems abgebildet, die aus einer Alterungskette von Bäumen besteht, die  – je nach Altersstufe  – unterschiedliche Charakteristika aufweisen. Die Bäume werden durch Holzfällung durch ein Unternehmen ökonomisch nutzbar, wobei die Nutzung einerseits von der Nachfrage nach Holz abhängt und andererseits mit Kosten einhergeht. Ein Teil  des wirtschaftlichen Ertrags verbleibt dabei (etwa über Arbeitslöhne 1  Elkington

(1997).

154

Andreas Größler

und Steuern) in der sozialen Umwelt des Unternehmens. Über eine vereinfachte Benutzeroberfläche können Studierende unterschiedliche Entscheidungsregeln in ihren Konsequenzen auf die Triple-P-Bereiche ausprobieren und versuchen, Abhängigkeiten zwischen diesen aufzulösen. Darüber hinaus kann diskutiert werden, inwiefern die gewählten Ziele und Operationalisierungen sinnvoll sind und wo Einflussmöglichkeiten von politischen wie unternehmerischen Entscheidungsträgern bestehen. Der Beitrag stellt zunächst das Triple-P-Konzept und die Kritik aus dynamischer Perspektive dar. Anschließend wird das Simulationsmodell ausführlich beschrieben und erläutert, in welchem Kontext es bisher eingesetzt wurde. Hinweise auf die konkrete didaktische Einbindung und mögliche Erweiterungen schließen den Beitrag ab.

II. Hauptteil 1. Zielkonflikte im Triple-P-Konzept Das Triple-P-Konzept der Nachhaltigkeit (auch „triple bottom line“2) besagt, dass organisationale Nachhaltigkeit drei Dimensionen umfasst: ökonomische („profit“), soziale („people“) und umwelt-bezogene („planet“). Das Konzept gibt damit in präskriptiver Weise vor, dass Unternehmen neben ökonomischen auch soziale und umweltbezogene Ziele verfolgen sollen. Allerdings stellt sich heraus, dass nur wenige Unternehmer, Manager und wissenschaftliche Autoren nicht damit übereinstimmen, dass Organisationen diese drei Zieldimensionen verfolgen sollten: dass Unternehmen für die Umwelt, in der sie agieren verantwortlich sind, wird vielfach als offensichtlich angesehen.3 In der praktischen Anwendung entstehen aber dann Probleme, wenn konkrete Entscheidungen bezüglich Prioritäten von Maßnahmen getroffen werden müssen, weil es regelmäßig zu Zielkonflikten zwischen den drei Dimensionen kommt. Dabei treten eine Reihe dynamischer Fragestellungen auf, die das statische Triple-P-Konzept nicht aufzulösen vermag: •• zwischen ökonomischen, sozialen und umweltbezogenen Zielen existieren „trade-offs“, d. h. nicht alle Ziele lassen sich jederzeit (oder gar grundsätzlich) in gleicher Weise verfolgen und erreichen, so dass von Dilemmata und einem Trilemma der Zielerreichung auszugehen ist; •• zwischen den drei Zieldimensionen gibt es verstärkende und behindernde Wechselwirkungen, die häufig nicht berücksichtigt werden, nicht bekannt sind und eventuell auch grundsätzlich schwer zu durchschauen sind; 2  Elkington

3  Friedman

(1997). (1970), Mulligan (1986).



Dynamiken im Triple P-Konzept

155

•• Ziele aus den drei Dimensionsbereichen lassen sich oft nur in sehr unterschiedlichem Zeitrahmen verwirklichen, z. B. werden ökonomische Effekte häufig vor sozialen und umweltbezogenen sichtbar; •• welche Ziele verfolgt werden und wie sie operationalisiert werden, unterliegt einem sozialen und politischen Abstimmungsprozess und wird von realen Machtverhältnissen beeinflusst; •• die Evaluation der Zielerreichung basiert oftmals auf nur wahrgenommenen (und nicht notwendigerweise objektiven) Größen. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Kernaussage des TripleP-Konzepts (Unternehmen sollten soziale und umweltbezogene Ziele nicht vernachlässigen) intuitiv verständlich ist und ihren festen Platz in der ­Unternehmensführung einnimmt. Demgegenüber steht eine Vielzahl an Fallstudien, die Fälle aufzeigen, in denen Unternehmen beispielsweise Sozialleistungen unterbieten oder Umweltverschmutzung hervorrufen. Sehr wahrscheinlich kennen und unterstützen die Manager solcher Unternehmen durchaus das Triple-P-Konzept und sind daher nicht einfach opportunistische Entscheider. Das Problem liegt stattdessen darin, dass das Triple-P-Konzept bei praktischen Entscheidungen wenig Unterstützung bietet, wie die auftretenden Zielkonflikte zu lösen sind. An der Radboud University in Nijmegen wurde daher eine Computersimulation entwickelt, die Zielkonflikte zwischen den drei Dimensionen nachhaltigen Wirtschaftens an einem Beispiel darstellt und interaktiv erfahrbar macht. 2. Ein Simulationsmodell zum Erfahren der Zielkonflikte des Triple-P-Konzepts Modellierung und Simulation stellen geeignete Werkzeuge zum Verständnis komplexer und dynamisch interdependenter Phänomene dar.4 Bei dem verwendeten Simulationsmodell zum nachhaltigen Management handelt es sich um die Abbildung der wirtschaftlichen Nutzung eines Waldes („Logging-Model“). Dabei ist zum einen die physische oder ökologische Struktur des Systems abgebildet, die aus einer Alterungskette von Bäumen besteht, die  – je nach Altersstufe  – unterschiedliche Charakteristika (wie Lebenszeiten oder Fortpflanzungsraten) aufweisen. Die Bäume werden durch Holzfällung durch ein Unternehmen ökonomisch nutzbar, wobei diese Nutzung von der Nachfrage nach Holz abhängt und Umsätze generiert. Natürlich geht die Holzfällung und -verarbeitung aber auch mit Kosten einher. Während ein Teil des wirtschaftlichen Ertrags als wirtschaftlicher Gewinn den Unternehmenseignern zum Konsum oder zur Reinvestition zur Verfügung steht, 4  Pidd

(2003), Law (2014).

156

Andreas Größler

Abbildung 1: Schematische Darstellung des Simulationsmodells

verbleibt ein anderer Teil (etwa über Arbeitslöhne und Steuern) in der sozia­ len Umwelt des Unternehmens. Abbildung  1 zeigt schematisch die Grundstruktur des System-Dynamics-Modells,5 in dem auch die den drei Ziel­ dimensionen des Triple-P-Konzepts zugeordnete Modellstruktur illustrativ identifiziert ist. Das Modell wird in der Regel gemeinsam mit Studierenden interaktiv entwickelt. Abbildung  2 zeigt dabei den ersten Schritt in einer Reihe von Modellentwicklungsschritten und die zugehörige und resultierende Modellstruktur. Nachdem das Gesamtmodell entwickelt ist, können Studierende über eine vereinfachte Benutzeroberfläche unterschiedliche Entscheidungsregeln in ihren Konsequenzen auf die Triple-P-Bereiche ausprobieren und versuchen, Abhängigkeiten zwischen diesen aufzulösen. Abbildung  3 zeigt dazu das „Entscheidungscockpit“: In der oberen Reihe ist das Verhalten der wichtigsten Modellvariablen dargestellt. Darunter finden sich Schieberegler, die Policy-Optionen abbilden, d. h. Einflussmöglichkeiten von legislativer oder unternehmenspolitischer Seite. Die unterste Reihe ermöglicht SzenarioEinstellungen, d. h. Einflussgrößen, die von außen auf das System einwirken und weder vom Unternehmen noch von den lokalen politischen Gestaltern zu beeinflussen sind. 5  Forrester

(1961), Sterman (2000).



Dynamiken im Triple P-Konzept

157

Abbildung 2: Erster Schritt bei der interaktiven Entwicklung des Modells

Wie oben erwähnt, liegt eines der Probleme des Triple-P-Konzepts darin, dass Dilemmata auftreten, also eine Zieldimension nur auf Kosten einer anderen erreicht werden kann. Im Beispiel in Abbildung  4 ist links ein solches Dilemma abgebildet, das der Ausgangssituation in der Simulation entspricht: Die ökonomische (operationalisiert durch die finanziellen Ressourcen des holzverarbeitenden Unternehmens) und die soziale Dimension (operationalisiert durch die finanzielle Situation des lokalen Gemeinwesens) entwickeln sich positiv, aber zu Lasten der ökologischen Ziele (operationalisiert durch die Anzahl noch vorhandener Bäume). Rechts in der Abbildung ist ein Szenario zu erkennen, das zumindest langfristig die Zielverbesserung in allen drei Dimensionen darstellt. Deutlich ist allerdings die dynamische

Abbildung 3: „Entscheidungscockpit“ des Modells

158

Andreas Größler

Abbildung 4: Dynamiken zweier Szenarien im Logging-Modell

Komponente dieser Entwicklung zu erkennen, die sich u. a. in dem „Worsebefore-better“-Effekt widerspiegelt.6 Darüber hinaus kann mithilfe des Simulationsmodells diskutiert werden, inwiefern die gewählten Ziele und Operationalisierungen sinnvoll sind und wo Einflussmöglichkeiten von politischen wie unternehmerischen Entscheidungsträgern bestehen. Außerdem lassen sich Annahmen und Verkürzungen im Modell identifizieren und mögliche Erweiterungen ausprobieren. 3. Einsatz des Simulationsmodells in der universitären Ausbildung Mittels der Simulation können die vielfältigen Zielkonflikte im Triple-PKonzept für Studierende erfahrbar gemacht werden. Dies ist umso wichtiger, da bei einer bloßen Vorstellung des Konzepts leicht der Eindruck entstehen kann, dass es sich entweder um eine Trivialität handelt, auch nicht-ökonomische Zieldimensionen in unternehmerische Entscheidungen einzubringen, oder – falls die soziale und umwelt-bezogene Dimension ignoriert wird – es sich schlicht um moralisch fragwürdiges Verhalten der Entscheider handelt. Mittels der Simulation wird klar, dass auch bei bester Intention häufig Kompromisse eingegangen werden müssen oder (zumindest zeitweilig) negative Entwicklungen zu erwarten sind. In den letzten fünf Jahren wurde das Logging-Modell in der betriebswirtschaftlichen Ausbildung an der Radboud University in Nijmegen (Nieder6  Größler

(2008).



Dynamiken im Triple P-Konzept

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lande) erfolgreich eingesetzt. Im Rahmen eines verpflichtenden Kurses im zweiten Bachelorjahr (Business Analysis for Responsible Organisations) hatten die Studierenden die Gelegenheit, erste Erfahrungen mit den Zielkonflikten im Triple-P-Ansatz zu machen. Das übergeordnete Lernziel des Kurses besteht in einer Kombination von inhaltlicher Ausbildung in nachhaltigem Management7 und methodischer Ausbildung in System Dynamics.8 Die gemeinsame und interaktive Entwicklung der Simulation ist dabei für das Lernziel System Dynamics von Relevanz; der inhaltliche Fokus auf nachhaltiges Management steht beim Experimentieren mit der Simulation und beim Interpretieren der Ergebnisse im Fokus. In den vergangenen Jahren hatten so knapp eintausend Studierende Kontakt mit der Computersimulation zum Triple-P-Konzept.

III. Fazit und Ausblick Das Triple-P-Konzept nachhaltigen Wirtschaftens verdeutlicht, dass Unternehmen neben ökonomischen auch soziale und umwelt-bezogene Ziele verfolgen sollten, um als nachhaltig zu gelten. In der Unternehmenspraxis erwachsen aus der gleichzeitigen Zielverfolgung in diesen drei Dimensionen eine Reihe von Konflikten, die nicht standardisiert gelöst werden können. Ein mittels System-Dynamics-Ansatz erstelltes Computersimulationsmodell hilft solche Konflikte zu erkennen und potenzielle Lösungen zu evaluieren. Das Modell repräsentiert die wirtschaftliche Nutzung eines Waldes und die daraus für das Unternehmen, das lokale Gemeinwesen und die Natur erwachsenden Vor- und Nachteile. Natürlich ist das Modell in der vorliegenden Form stark abstrahiert und bezieht sich auf eine spezielle wirtschaftliche Situation. Deswegen steht im Rahmen der Ausbildung die Modellkritik im Vordergrund; als Lernziel sollten die Studierenden erkennen, was am vorliegenden Modell verbessert werden könnte, aber auch was der Nutzen abstrahierter Modelle im Allgemeinen ist. Auch der Transfer auf andere Wirtschaftszweige wird thematisiert. Es ist offensichtlich möglich, das Modell schon in der Grundversion zu erweitern. Dem steht aber die Möglichkeit der interaktiven Modellierung mit Studierenden und das relativ einfache Verstehen der abgebildeten Struktur gegenüber. Der Einsatz des Modells (und die zunächst erforderliche Modellierung mit System Dynamics) hat sich in der Lehrpraxis als gewinnbringend erwiesen. Das Triple-P-Konzept wird beispielhaft operationalisiert; beim Simulie7  Daly

8  Ford

(1990), Costanza (1991). (2010).

160

Andreas Größler

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V. System Dynamics und Märkte

Not Seeing is Believing – How Established Premium Automotive Manufacturers Could have Better Identified Competitive Blind Spots Regarding Tesla’s Rise with Qualitative System Dynamics By Florian Kapmeier and Philipp Pölz

I. Tesla Motor’s Rise in the US Premium Automotive Industry The premium car segment is a highly profitable and innovative sub-industry of the automotive industry. Customers are willing to pay a price premium for high-quality, luxurious and innovative products.1 In recent years, innovations have included, for instance, new driving assistance systems, electrification of vehicles and new materials for lightweight construction. Usually, a new technology is first offered in premium class vehicles to quickly generate returns before being diffused among product lines of other segments. With about 1.7 million cars sold, the US premium automotive market was the world’s largest premium car market in 2012.2 Sales numbers in this market have increased by more than 62 % since 2009, and sales are estimated to further increase.3 The combination of size and growth makes the premium segment equally important and attractive for car manufacturers. The two German premium car manufacturers Mercedes-Benz and BMW lead the US premium car industry with a market share of 17.5 % each, followed by Lexus (16.1 %), Cadillac (8.8 %), Audi (9,4 %) and Acura (8,7 %).4 These manufacturers have dominated the market for decades, with the Japanese brands Acura (by Honda) and Lexus (by Toyota) being the latest entrants.

1  Boston

(2015). (2013). 3  Levy (2014). 4  Statista (2015). 2  Statista

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Florian Kapmeier and Philipp Pölz

Source: Own illustration based on data from Statista, 2015.

Figure 1: Within Three Years, Tesla has Managed to be the Third-largest Car Seller for Luxury Sedans in the United States

Tesla Motors is a newcomer in the premium automotive industry with its vision to “accelerate the advent of sustainable transport by bringing compelling mass market electric cars to market as soon as possible.”5 Tesla presented its first product, the full-electric Tesla Roadster, in 2006. It had relatively high driving performance and quickly increased the company’s brand recognition. Still, only very few units were sold, mainly due to issues with production and technology, and its relatively high price of about $  100,000. After some organizational and market performance difficulties,6 Tesla has gone through an extreme boom phase. In 2012, Tesla introduced its first battery electric luxury sedan, the Model S. It is positioned to compete with luxury cars such as the Mercedes-Benz S-Class, the BMW 7-Series, or the Lexus LS. When comparing Tesla’s total sales numbers to the ones of established premium producers, Tesla’s market share is relatively low. Yet, considering the number of units sold of luxury sedans in the US premium automotive market in 2013, Tesla sold more cars of a single model, the Model S, than any other brand during that year.7 Moreover, within only three years and six months, Tesla has sold 100,000 Model S worldwide.8 Sales in the United States boom (see Figure 1) mainly due to 5  Musk

(2013).

6  Fasse / Schnell 7  Bay

(2014a). 8  Cobb (2015).

(2014).



Not Seeing is Believing

165

demand in California where battery electric vehicles (BEVs) are heavily subsidized.9 Tesla thus has become an essential market-player over a relatively short time period, reaching a market share of 2.5 % in the US premium market in 2014. Industry leaders have evaluated and handled both the development in the field of electrification and Tesla’s growth differently. Daimler AG, for instance, invested $50 million for a 9 % share of Tesla in May 2009. Daimler and Tesla initiated a cooperation with Tesla delivering electric powertrains for the Mercedes-Benz B-Class. After selling its shares for more than €600 million however in 2014, Daimler canceled the cooperation.10 BMW incarnated the role of the pioneer for BEVs in the premium segment. In addition to launching two electric models, the fully electric multipurpose vehicle i3 and the hybrid super sport vehicle i8 in 2013, BMW created an organizational sub-unit detached from the established organization that particularly focuses on the development of BEVs and connected mobility services. Sales numbers have been relatively low and BEVs are seen as a long-term investment.11 Volkswagen AG’s premium brand Audi started to develop the electrified super sport wagon Audi R8 e-tron in 2010. Yet, the project was stopped shortly before market entry.12 After all, Audi did not react to Tesla’s market entry until 2015. Audi then announced a product campaign with two BEVs being introduced by 2018, with one of them positioned as a direct competitor to Tesla’s new Model X.13 Audi, however, is criticized for having underestimated the market challenge created by Tesla.14 Currently, no premium car manufacturer has a BEV in its portfolio to successfully compete against the Tesla Model S, Model X and the recently announced Model 3. It seems as if managers misinterpreted Tesla’s rise in their strategic analyses and their strategic decision making. In the following we analyze possible underlying explanations for this misinterpretation. We base our analysis on the case of Audi, the German premium brand of Volks­ wagen AG. In particular, we review the competitive blind spot literature to better understand strategic decision making. We identify blind spots for the particular case of Audi. We review literature and newspaper articles, and 9  Baer (2014). The same applies to the Swiss market, yet without any subsidies for BEVs. Fasse (2016d). 10  Pankow (2015). 11  Eisert (2014a). 12  Rees (2014). 13  Reuters (2014), Rauwald (2014). 14  Fasse / Schnell (2014).

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Florian Kapmeier and Philipp Pölz

use qualitative data from semi-structured interviews.15 We conducted the interviews after previous testing in fall 2015 with two Audi managers. For reasons of confidentiality we do not disclose the interviewees’ names and positions. We refer to Interviewee A and Interviewee B for quotations. We then categorize strategic management tools and briefly lay out established tools’ limitations for identifying competitive blind spots. We finally show how a qualitative system dynamics model could have helped to identify these blind spots. The paper closes with reflections on the analysis and a summary.

II. Competitive Blind Spots Within the Strategic Decision Making Process While strategic decision making processes represent a major field in strategy research, their understanding is still mainly based on descriptive studies and empirically unproven assumptions.16 As Moore and Urbany note, the topic of competitive reactions has become an increasing field of research in strategic management, especially in relation to mature and oligopolistic markets, such as the US premium automotive market. It appears as if decision makers have difficulties considering the breadth of possible and realistic options of competitive responses and their long-term effects.17 As a consequence, competitive blind spots may occur. Scholars study blind spots from an organizational behavior dynamics, a cognitive psychology, and a strategic management perspective.18 In strategic management, competitive blind spots have been defined from different viewpoints, as laid out in the following. Porter, for instance, relates competitive blind spots to competitors’ actions. Companies that identify “areas where a competitor will not see the significance of events at all, will perceive them incorrectly, or will perceive them slowly.”19 Consequently, they might be able to gain a significant advantage in the competitive environment. Shifting focus to a company-internal perspective, Zajac and Bazerman point out that a firm’s internal competitive blind spots have to be investigated, as otherwise the “utilization of 15  Vennix

(1998), p. 115–117. Bateman / Zeithaml (1989); Eisenhardt / Zbaracki (1992); Abdollahi / Kenari / Rezaei (2015). 17  Moore / Urbany (1994); Sterman (2000). 18  E. g. March (1999) for behavioral dynamics, Tversky / Kahneman (1974) and Russo / Schoemaker (1992) for cognitive psychology and Zahra / Chaples (1993) for strategic management. 19  Porter (1980), p. 59. 16  E. g.



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Source: Own illustration following Zahra / Chaples, 1993 and Zajac / Bazerman, 1991. Blind spots in italic are laid out in more detail in the text.

Figure 2: Blind Spots in Competitive Analysis and Decision Making

prescriptive advice [could be inhibited].”20 They interpret blind spots as “the failure of the competitive actor to sufficiently consider the contingent decisions of the opponent.”21 As strategic decisions are made by firms’ top management teams, executives should have a clear picture of their companies’ capabilities and competitive environments in order to make decisions. Ng et  al. note that decisions makers’ view of rivals can be blinded due to interpretative biases. In this context, they define blind spots as “flaws in [a top management team]’s interpretation of the attributes and groupings of its competitive rivals.”22 Condensing the different point of views, we understand competitive blind spots as strategic decision makers’ misperceptions or ignorance regarding developments in the competitive environment, the attributes and groupings of competitive rivals, and the consideration of competitor’s contingent decisions. Competitive blind spots might occur in two areas (see Figure 2). Firstly, they might appear while conducting a competitive analysis, for which Zahra and Chaples identify six blind spots. Secondly, four competitive blind spots may occur in the strategic decision making process itself, as many 20  Zajac / Bazerman

(1991), p. 40. (1991), p. 40. 22  Ng et  al. (2008), p. 351. 21  Zajac / Bazerman

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organizations lack a conceptual integration of competitive intelligence and decision making processes.23 In the following, we describe competitive blind spots for both the competitive analysis and the decision making process for Audi’s strategic decision making with regard to Tesla. We start with laying out three blind spots in competitive analysis: poor identification of competition, overemphasis on competitors’ visible competences, and faulty assumptions about the competition. Poor Definition of Competition (Blind Spot 2) First, according to Zahra and Chaples, decision makers may have difficulties in unmistakably identifying competition. One of the underlying reasons may be that established companies focus their competitive analysis on “well-known competitors while ignoring other potential viable organiza­ tions.”24 Decision makers might misleadingly assume that primarily resource similarity of a specific competitor group can harmfully affect the own business model.25 Executives thus develop cognitive taxonomies or classifications of their competitive environment focusing on companies with goals and resources similar to the own. This does not only predefine the number of competitors but also ignores potential market entrants or less known rivals with different organizational forms. Also, “incorrect attributions about environmental and competitive shifts”26 contribute to competitive blind spots, because of two cognitive factors. On the one hand, according to the discounting principle, niche players are often overseen because decision makers tend to focus on the most dominant rivals while ignoring the remaining ones. On the other hand, the augmentation principle states that “when two factors simultaneously affect a particular outcome, the stronger factor will receive a greater attention.”27 Therefore, competition with technologies and products in the current core business might receive more focus than innovative technologies and products outside the core business. With reference to Tesla, the global premium automotive industry has been dominated by the three German manufacturers Audi, BMW, and MercedesBenz in the last decades. Their main strategic focus lies on outperforming 23  Zahra / Chaples (1993). decision making process see 24  Zahra / Chaples (1993), 25  Bergen / Peteraf (2002). 26  Zahra / Chaples (1993), 27  Zahra / Chaples (1993),

For competitive analysis see Porter (1980) and for the Mintzberg / Raisinghani / Theoret (1976). p. 13. p. 14. p. 15.



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the other two competitors in terms of volume and profit,28 with their common goal being to become the number one premium automobile manufacturer. Consequently, they dive into a race for the moon29 and performance of other industry players falls victim to the discounting principle, as long as they do not perform outstandingly. Tesla has only reached low total production numbers and then produced its only product, a high-priced sedan, with net loss.30 The industry entrant further has an organizational form with few physical resources which differs from established car manufacturers. It further focuses on a powertrain technology that established manufacturers have assessed as being too expensive for mass production.31 It seems as if Tesla thus has just not been in the focus of the established manufacturers’ competitive analyses. We find further evidence for this blind spot in our interviews. Interviewee A questions “whether they [Tesla] will be able to manage the complexity that is required when building more than just one car”, thus Tesla still does not seem to be regarded as a full and serious competitor. Brazel argues in the same direction, when stating that Tesla will need to increase capacity utilization and optimize processing-time when producing three models to stay competitive.32 And, at the same time Interviewee A states that “we have underestimated how Tesla produces such a car”, acknowledging that they have not paid full attention to the newcomer. Moreover, KPMG asked global executives in the automotive industry in 2013 about relevant future topics in their industry for the upcoming five years. More than 80 % of respondents decided for electric and battery technology.33 While most leading car manufacturers have incorporated electrification in their product strategies, they have not successfully introduced BEVs in the market to compete against Tesla – and it seems as if they have been surprised by Tesla’s development, as mentioned by Interviewee A. However, executives might have recognized their cognitive taxonomy in 2013, when the Model S was outselling competitive internal combustion engine (ICE) premium vehicles in the US. Interviewee A confirms that ­“Tesla has surprised us with everything it is doing.”

28  Eisert

(2014b). (2015). 30  SEC (2014). Since fall 2015, Tesla sells its second model, the Model X, a premium SUV. Delivery of the Model 3, a middle-class sedan is planned to start in the end of 2017. Bay / Postinett (2016). 31  Fasse (2013). 32  Quoted in Bay / Postinett (2016). 33  KPMG (2013). 29  Boston

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Overemphasis on Competitors’ Visible Competences (Blind Spot 3) Second, when conducting competitive analyses, it occurs that decision makers mainly focus on viable resources, such as pricing, strategic plans, or market share. Considering less visible and intangible resources, however, may be of high relevance for strategic decision making, too.34 Moreover, many traditional strategic management tools tend to overlook intellectual capital and less official processes, e. g. proprietary processes instead of patents. In most cases, awareness of the misjudgment rises after the specific blind spot has occurred.35 With regard to the real-world case, it is difficult to assess on available secondary data whether this blind spot occurred in Audi’s competitive analysis. However, as industry leaders in the premium automotive industry mainly compete on the number of cars sold and profitability,36 it seems that Tesla did not appear as a serious competitor. Tesla originally had hardly any market share, a limited production capacity, and did not make any profit. Additionally, Tesla might have also been ignored as its visible functions, such as the product, did not appear competitive to Audi’s decision makers: as Interviewee A states, “when you closely look at a Tesla, it has many weaknesses considering processing, functionality, and so on.” Or, as Interviewee B notes: “There are obvious areas in a Tesla which are clearly not ‘premium’  – that is simply the production quality.” Faulty Assumptions About the Competition (Blind Spot 5) Third, there can be critical consequences for a company if competitive actions are based on faulty assumptions about competitors. Assumptions about competitors are inaccurate if there is a significant discrepancy between decision makers’ expectations and competitors’ actual actions. Especially established players tend to reinforce their long-hold believes and become less accurate in detecting changes in the industry. This flaw in decision makers’ perception of competitors may lead to underestimating their capabilities and market position.37 In the context of the real-world study, it appears as if Audi had several misleading assumptions about Tesla because, as Interviewee A summarizes, “the Tesla [Model S actually] is a highly attractively designed car.” Audi’s 34  Cohen / Levinthal

(1990); Teece / Pisano (1994); Lane / Lubatkin (1998). (1993). 36  Fasse et  al. (2016). 37  Zahra / Chaples (1993). 35  Zahra / Chaples



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decision makers canceled their BEV projects in 2013 due to commercial reasons. The battery technology was still too expensive, which would have resulted in a price too high for Audi’s customers to accept.38 Second, even though battery prices are rapidly declining,39 batteries still are one of the major cost drivers of BEVs. While established car manufacturers prefer automotive cells, Tesla uses commodity cells to store power. As latter cells are also used in laptops and many other consumer goods, producers realize economies of scale. This also enables Tesla to calculate with a relatively low battery price – which eventually leads to a highly competitive price for its cars. Prices are expected to drop even further after Tesla’s Gigafactory will start production.40 Still, Interviewee A states that “I believe that the decision to install consumer cells in cars will eventually lead to failure.“ Third, a general sales argument against BEVs is the cars’ low range. Many industry experts assumed that Tesla’s cars would suffer from range anxiety. In other words, the range of one full battery does not meet the requirements of premium car buyers. This perception is confirmed by one of our interviewees (A) when stating that “you have to offer a spatially inclusive and comprehensive infrastructure.” Yet, “by designing a relatively large sedan with a big battery pack, Tesla has diminished range anxiety  – one version can do 310 miles (500 km) between charges.”41 In addition, by investing in battery charging infrastructure itself, Tesla has “proved that they are able to build up an infrastructure which allows drivers to supercharge their cars,” as Interviewee B acknowledges. In areas with well-established charging infrastructure, such as California, the Tesla Model S has become an attractive substitute to ICE-powered premium automobiles – despite the fact that, according to Interviewee B, “[Tesla] has a large problem in California because of the long queues at the supercharging stations as [Tesla S owners] don’t charge their cars at home,” as supercharging at Tesla’s stations is free-of-charge. Finally, another reason for Tesla’s success is the Model S’ product quality. After production start, some units sold had issues with batteries catching fire while driving. Tesla relatively quickly solved the issue by integrating a titanium shield around the battery in order to prevent such incidents.42 While in 2014, Ferdinand Piёch, Volkswagen’s former chairman of the supervisory board, stated that he does not perceive Tesla as a competitor as long as there are incidents such as burning batteries, Tesla had already sold about 23,000 vehicles of the Model S alone.43 In addition, the 38  Rother

(2013). (2016). 40  Ayre (2015). 41  The Economist (2014), p. 1. 42  Bay (2014b). 43  Bay (2014a). 39  Randall

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Tesla Model S achieved 99 out of 100 points, the highest score for an automobile for several decades in a widely acknowledged and respected automobile test.44 In addition to the flaws in identifying blind spots in competitive analyses, Zajac and Bazerman identify multiple ‘dysfunctional judgmental effects’ that can occur during decision making in a competitive context.45 In the following, we lay out two of them which we identify as crucial in the underlying case: non-rational escalation of commitment and overconfidence in judgment. Non-rational Escalation of Commitment (Blind Spot 7) First, “individual and organizational decision makers tend to make decisions to justify their earlier charted directions […] and competitive situations aggravate this tendency.”46 Therefore, small disputes can lead to major conflicts between competitive parties, resulting in an escalation of competitive situations. With regard to the real-world case, Audi stepped into this trap of nonrational escalation of commitment after cancelling the introduction of the electrified series R8 and A2. According to Interviewee A, a prevalent opinion within Audi is that “we have to build cars with ICEs, because we have always done so. And we have invested billions in production capacity, and we have thousands of employees working in [ICE] production and [ICE] development.” Subsequently, Audi did not focus their R&D activities on BEVs as intensively as it could have done.47 However, Audi eventually redefined its strategy and intends to expand its product portfolio into BEVs, as mentioned above. Overconfidence in Judgment (Blind Spot 8) Second, as decision makers are guided by their personal perception of the environment  – their mental models48  – they tend to be improperly optimistic about their company’s position in the competitive arena and further presume a comparable level of overconfidence in their rival’s behavior.49 44  Consumer

Reports (2013). (1991). 46  Zajac / Bazerman (1991), p. 42. 47  Cobb (2012). 48  Forrester (1961). 49  Zajac / Bazerman (1993); Schwenk (1986); Zahra / Chaples (1993); Russo / Shoemaker (1992). 45  Zajac / Bazerman



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Such overconfidence leads to competitive blind spots as it “limits managers’ ability to question […] assumptions and beliefs, which leads to a restrictive interpretation of their competitive environment.”50 Managers further lack understanding of the underlying flaws of overconfidence. Considering the real-world case, as stated above, the German premium automotive manufacturers Audi, BMW and Mercedes-Benz mainly focus on comparing each other on similar success indicators.51 In many cases, they do not tend to consider other competitors, although latter might outperform the three industry leaders in other areas. It seems as if Audi’s executives could not imagine that a start-up company was able to establish a premium BEV  – a car that none of the industry leaders was able to successfully introduce to the market. One explanation for this might be path dependency.52 “Our company has more than 100 years of automotive history and experience in our backpack – and thus we have decision makers who have – very successfully  – worked with ICE technology for more than 40 years”, as Interviewee A observed. In the same line, Volkswagen’s former Chairman Ferdinand Piёch stated that Tesla is no competitor at all for Volkswagen.53 Audi has “surely underestimated market acceptance and customers’ acceptance” of Tesla, as Interviewee A observes, and further believes that “when you look closely at a Tesla [Model S], it has many weaknesses considering processing, functionality, and so on.” Flaws in competitive analysis, confirming existing assumptions, further contribute to managers’ overconfidence. Tesla was the first market entrant for decades that was able to establish a high brand-reputation and reach relevant sales volume in the premium automotive industry. Thus, there might have also been confirmation biases among the decision makers, leading to the assumption that Tesla is just another failure among potential entrants. In general, several challenges arise in the process to detect competitive blind spots. For one, the existence of flawed strategic decisions is influenced by various types of competitive blind spots. Blind spots can occur sequentially or simultaneously. However, certain types of competitive blind spots can also trigger the creation of other types. A wrong definition of the competitive arena might lead to a situation where a potential rival will not be considered in competitive analyses and consequently strategic decisions might become flawed. Thus, top management teams and competitive intelligence departments appear to be in need of tools assisting them in the identification of particular blind spots in competitive analysis and decision making. 50  Ng

et  al. (2009), p. 351. (2014b), Fasse et  al. (2016). 52  Teece / Pisano (1994). 53  Bay (2014a). 51  Eisert

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III. Tools for Identifiying Competitive Blind Spots? Several tools support decision makers in analyzing companies’ competitive environments and both internal strengths and weaknesses. Furrer and Thomas, for example, classify these tools in a two-dimensional matrix (see Figure 3).54 The first dimension, ‘nature of the environment’, determines whether the environment is predictable or uncertain. A high level of predictability states that the situation is likely to change in what Courtney et al. consider as clear-enough futures or alternate futures.55 Yet, a high level of uncertainty is characterized by unregularly occurring Schumpeterian shocks, which results in ranges of future or true ambiguity.56 Whereas Furrer and Thomas name the second dimension ‘number of decision variables’57, we rather refer to ‘focus of strategic decision’ in order not to confuse it with the term ‘variable’ in the diagram developed in the next section. A specific scope focuses on certain strategic problems, such as a market entry or capacity expansion. A generic scope is broader and refers to a more general strategic decision-situation. First, in situations with a generic strategic focus and a certain environment, strategic models58 focus on rivals’ moves in a predictable competitive landscape. War game logics, based on the assumption that continuous disruptions of the current situation lead to a competitive advantage,59 can deliver significant guidance to analyze the situation. Second, industrial organizational economics and its frameworks, such as Porter’s five forces,60 are helpful for analyzing uncertain environments in a more generic strategic setting. Third, game theory allows decision makers to model strategic interactions between rivals in a rather predictable situation with set rules.61 Outcomes apply to a predictable environment with a narrow strategic focus. Fourth, scenarios, simulations and system dynamics modeling are identified as helpful tools and approaches to support strategic decision making for specific strategic decisions in uncertain environments. All three approaches are “based on the study of interaction between a limited number of known variables in situations of uncertainty, interdependence, and complexity.”62 54  Furrer / Thomas

(2000). et  al. (1997). 56  Furrer / Thomas (2000); Courtney et  al. (1997). 57  Furrer / Thomas (2000). 58  E. g. Chen (1996). 59  Lengnick-Hall / Wolff (1999). 60  Porter (1979, 1980, 1981). 61  Camerer (1991a, 1991b). 62  Furrer / Thomas (2000), p. 620. 55  Courtney



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Source: Own Illustration, following Furrer / Thomas (2000), p. 620.

Figure 3: Classification of Approach to Analyze Competitive Situations

As new technologies keep on emerging, markets keep on changing, and customers become more demanding, we interpret competitive analyses in the automotive industry as taking place in an uncertain and dynamic environment. According to Interviewee A, Audi’s strategic management department has been applying traditional strategic management tools, including customer interviews and scenario analysis. Decision makers have thus followed a more generic decision focus in their analysis. Warren reasons that these tools, as many other traditional management tools, are widely used for guiding strategy and policy as they seem to provide value to management.63 When we infer that Audi had some competitive blind spots with regard to Tesla, using established tools has apparently failed to identify them. Kapmeier et al. argue that traditional management tools oftentimes neglect the existence of time delays, interrelations between variables, intensities of influences between variables, feedback structures, and over-time behavior.64 System dynamics is a powerful approach to meet the above requirements for solving dynamic problems.65 In the following we argue how a systems approach, by conducting a qualitative system dynamics analysis, could have revealed the blind spots by focusing on a more specific view with a systems approach.

IV. System Dynamics for Better Tracking Down Blind Spots System dynamics is particularly useful for modeling the interaction of variables of a specific problem on an overall system level.66 As a systems 63  Warren

(2004). et  al. (2011). 65  Warren (2004); Kapmeier / Salge (2010). 66  Forrester (1961) and Sterman (2000). 64  Kapmeier

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Figure 4: The Subsystem Diagram Describing the Overall Structure of the Model

approach to model complex and dynamic managerial challenges, system dynamics offers the possibility to analyze a system’s behavior over time and its underlying causal structures. It takes into account the complexity, internal feedback loops, time delays, and nonlinearities embedded in socialeconomic systems,67 like competitive landscapes. While system dynamics contains qualitative and quantitative modeling, we illustrate the interplay of variables for our study in a qualitative causal loop diagram (CLD). Qualitative CLDs oftentimes provide enough valuable insight for decision making.68 They elucidate positive or negative polarities between variables. A positive link means that when a cause increases, so does the effect above what it would otherwise have been and vice versa. A negative link describes that if a cause increases, the effect decreases below what it would otherwise have been and vice versa.69 These links close feedback loops with either positive or negative polarities. Positive feedback loops reinforce a behavior and are indicated with an R, and negative feedback loops show a balancing behavior and are symbolized with a B. We further indicate stocks (with boxes) and flows which increase or decrease stocks. Stocks are accumulations, characterizing the state of the system.70 67  Sterman

(2000), (2000), 69  Sterman (2000), 70  Sterman (2000), 68  Sterman

pp. 137, 409, and 551. p. 137, Repenning / Sterman (2002), and Azoulay et al. (2010). p. 139. pp. 142 and 191–201.



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In Figure 4 we present an aggregated view of the interrelations of variables in a subsystem diagram. It illustrates the model’s overall architecture, and serves as a high-level overview.71 The overall structure can be divided into four areas. First, there are two markets, one for cars with ICEs and one for BEVs. For both, we consider the fleet  – or installed base  –, word of mouth, and infrastructure coverage. Second, established premium car manufacturers serve both markets, yet, primarily the ICE market. We consider production, production capacity, financial assets, quality, innovations, and body design for both types of power trains. Finally, we model Tesla’s business model with the same variables and concepts as the established premium car manufacturers’. The basic structure of the qualitative CLD representing established car manufacturers is depicted in Figure 5. It is based on Sterman’s representation of innovation diffusion and company growth.72 We start with explaining the structure for established premium car manufacturers. Note that many variables indicate relative positions which are also noted with the index ‘BEV to ICE’ as we describe the situation from the view of BEVs. More­ over, we highlight blind spots with hexagons and the respective blind-spot number. As can be seen in Figure 5, ‘potential customers’ buy either BEV or ICE-powered cars, increasing the respective installed bases. There is one installed base for BEV and one for ICE-powered cars, shown by the two boxes behind each other. For an existing technology such as ICE-powered cars, the ‘adoption from word of mouth’ is rather small as the technology is already diffused in markets. Word-of-mouth is more important for new technology platforms such as BEVs. This reinforcing feedback loop explains that the more people talk positively about their experience with a BEV, for instance, the more people actually buy BEVs (R1  – WoM). The second reinforcing loop (R2  – Economies of Scale) describes that with higher sales of BEVs, car manufacturers produce more BEVs. This increases cumulative production experience and decreases both unit costs and price due to economies of scale. A lower price increases relative attractiveness of BEVs compared to ICE-powered cars, and thus further increases sales of BEVs. Multiple reinforcing loops connect to the above mentioned ‘cumulative experience’. With an increasing ‘cumulative experience’, product ‘quality’ and thus ‘relative attractiveness’ increases which further boosts sales (R3  – Learning). At the same time, with more ‘sales’, everything else equal, 71  Sterman 72  Sterman

(2000), pp. 99–102. (2000), pp. 325–406.

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Figure 5: CLD Explaining Established Car Manufacturer’s Business Model Offering Two Power Train Options, ICE and BEV

‘revenues’ from BEVs increases, allowing managers to reason to invest more in this technology, either in R&D or ‘production capacity’. First, ‘R&D investments’ can be used to increase ‘quality’ (R4 – Quality improvement), to generate ‘innovations’ (R5  – R&D), to design more and different model types (R6  – More variance), or to increase ‘perceived design and body style’ (R7  – Nice car!). All variables increase the relative attractiveness of BEVs over ICE-powered cars. Second, when ‘production capacity’ of BEVs increases, more BEVs can be build  – and when more cars are being built, there is pressure to further increase ‘production capacity’ (R8 – We want more). As pointed out above, established premium car manufacturers kept on investing in R&D and more product variances with ICEs. For example, there was the strong objective to keep on improving diesel technology among Audi, Mercedes-Benz, and BMW,73 and all three of them introduced more product lines and more product variances with ICE technology.74 Yet, there are some limiting aspects to consider. First, there is the obvious market saturation which reduces sales as the number of potential customers declines (B0  – Market saturation). Moreover, while a decreasing ‘price’ increases ‘relative attractiveness’ of BEVs on the one hand, ‘revenues’ de73  Eisert 74  Fasse

(2014b). (2016a).



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crease on the other hand, everything else equal (B1  – Growth adjustment). This leads to fewer investments, slowing down the above mentioned reinforcing loops. Established car manufacturers have an investment dilemma, similar to the exploitation or exploration dilemma of organizations.75 Managers weigh between investing more in highly profitable products, which in the long-run have difficulties meeting countries’ emission regulations. Or, they invest in a product with low current market demand, and uncertain market forecasts, little infrastructure, varying state subsidies, but lower (local) emissions. Established car manufacturers have so far decided on further improving ICEs, as noted by Interviewee A. BMW, for example, has recently stated to now invest more in luxury cars with ICEs. In the future, they will use the profit they generate from these investments to invest in BEVs.76 Thus, while ‘sales’ with established ICE-powered cars are still high, investments in BEVs for now stay relative small, limiting investments in ‘quality’, ‘innovations’, etc., again slowing down the reinforcing loops that drive BEV sales (B2  – Cobbler, stick to thy last). Referring to Audi’s possible blind spots in this CLD, we identify hints for blind spot 8 (Overconfidence in judgment). Audi has kept on investing in the existing technology (ICE), as this technology is (more) profitable.77 We find locations for this blind spot at different variables, including ‘investments’ in ICE-powered cars, ‘innovations’, and ‘breadth of product line’. Tesla’s business model shows a very similar causal loop structure as established OEMs’, yet without the investment dilemma, as Tesla only produces BEVs (see Figure 6). In addition, as Tesla heavily depends on outside funding, its ‘financial assets’ not only stem from ‘revenues’ but also from ‘shareholder investments’.78 Shareholders invest in Tesla if expected sales increase (R9 – Investment attractiveness). As Tesla is perceived as a start-up company, expectations on profit were low among investors. Consequently, Tesla’s managers were able to completely focus on designing and producing battery electric vehicles (BEVs) and not on profitability.79 Whereas the blind spots identified above are more internal to Audi, the following blind spots refer to ones that Audi, considering statements from interviews and press, could have overseen at Tesla. First, the fact that Audi’s and Volkswagen’s managers did not perceive Tesla as a serious competitor can be regarded as a blind spot at the stock of Tesla’s fleet in the market 75  Tushman / O’Reilly 76  Fasse

(2016b). 77  Fasse (2016a). 78  SEC (2014). 79  Musk (2012).

(1996) and Rahmandad / Repenning / Henderson (2015).

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Figure 6: CLD Explaining Tesla’s Business Model Offering BEV Only

(blind spot 2  – Poor definition of competition). This observation affects all feedback loops indicated in Figure 6. Further, Audi might have overseen Tesla’s potential production capacity (R8 – We want more! and B1 – Growth adjustments).80 Yet, there are some limiting aspects to consider. First, there is the obvious market saturation which reduces sales as the number of potential customers declines (B0  – Market saturation). Moreover, while a decreasing ‘price’ increases ‘relative attractiveness’ of BEVs on the one hand, ‘revenues’ decrease on the other hand, everything else equal (B1  – Growth adjustment). This leads to fewer investments, slowing down the above mentioned reinforcing loops. Established car manufacturers have an investment dilemma, similar to the exploitation or exploration dilemma of organizations.81 Managers weigh between investing more in highly profitable products, which in the long-run have difficulties meeting countries’ emission regulations. Or, they invest in a product with low current market demand, and uncertain market forecasts, little infrastructure, varying state subsidies, but lower (local) emissions. Established car manufacturers have so far decided on further improving ICEs, as noted by Interviewee A. BMW, for example, has re80  Tesla started delivery of the Model X in January 2016 and announced delivery of the Model 3 in late 2017, for which Tesla generated 276,000 pre-orders within the first day. Bay / Postinett (2016). 81  Tushman / O’Reilly (1996) and Rahmandad / Repenning / Henderson (2015).



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cently stated to now invest more in luxury cars with ICEs. In the future, they will use the profit they generate from these investments to invest in BEVs.82 Thus, while ‘sales’ with established ICE-powered cars are still high, investments in BEVs for now stay relative small, limiting investments in ‘quality’, ‘innovations’, etc., again slowing down the reinforcing loops that drive BEV sales (B2  – Cobbler, stick to thy last). As the market players’ decision making affects each other, we connect the two business model structures with each other, as shown in Sterman.83 This leads to more reinforcing feedback loops (see Figure 7).84 Firstly, ‘total attractiveness of electrified vehicles’ is the sum of the attractiveness’ of electrified vehicles of both, Tesla and the established OEMs (R10  – Share attractiveness).85 Higher attractiveness leads to higher ‘total demand for electrified vehicles’, which leads established OEMs and Tesla to invest in production capacity for BEVs, or R&D for BEVs, increasing BEVs’ attractiveness even further. Also, while ‘attractiveness’ and ‘sales’ increase, ‘Tesla fleet’ and the installed base of BEVs of established OEMs increase. As more people are driving BEVs, demand increases for more ‘infrastructure coverage’.86 Top managers of German OEMs and German politicians, for instance, discuss possible infrastructure investments or subsidies to increase BEV attractiveness.87 At any case, it takes time to build up this infrastructure, which is indicated by the two lines crossing the arrow be­ tween the variables. Once infrastructure is installed, customers increasing­ ly perceive BEVs more attractive as it ensures to travel longer distances  – consequently, they buy more BEVs from both, Tesla and established premium car manufacturers (R11  – Infrastructure-demand driver).88 Moreover, when ‘total attractiveness of BEVs’ increases, ‘total demand’ increases. As both, established premium car manufacturers and Tesla perceive this development, they consequently invest more in BEVs (R12  – Lobbyism).89 Lastly, another reinforcing feedback loop describes that established premium car manufacturers perceive Tesla as a threat, based on the ‘expected sales’ numbers. When the ‘perceived threat of Tesla’ increases, established 82  Fasse

(2016b). hereby follow Sterman (2000), p. 393. 84  Note that for simplicity, some of the reinforcing loops described above are hidden in this view. 85  Following the causal loop diagram indicating the total sum of a market depicted in Sterman (2000), p. 393. 86  Struben (2006); Struben / Sterman (2008); Keith (2012), p. 138; Delhaes (2015); Delhaes / Fasse (2016); Schnell / Stratmann / Fasse (2016); Fasse (2016c). 87  Dalhaes / Fasse (2016). 88  Bay (2014a); Fasse (2016c). 89  Fasse (2016a). 83  We

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Figure 7: CLD Explaining Tesla’s and Established OEMs’ Interactions with Simplified Basic Structures

car manufacturers finally increase their investment in BEVs in order to fight the competition (R13  – Let’s catch up!)  – as happened when Audi announced the development of new BEVs in the fall of 2015 to be introduced to the market in 2018.90 Through increasing investments in BEVs, established premium car manufacturers’ BEVs become more attractive. This increases ‘sales’ and the BEVs’ ‘installed base’. As the established premium car manufacturers have invested more in the new technology, the demand for better ‘infrastructure coverage’ increases91, which makes BEVs more attractive, including Tesla’s models. Consequently, Tesla’s sales increase, and so do ‘expected sales’, finally closing this reinforcing loop. The feedback loops reveal further blind spots, which are depicted in Figure 7. First, Audi underestimated the ‘perceived threat’ of Tesla, indicating blind spot 3  – Overemphasis on visible competence and blind spot 8 – Overconfidence in judgment. These affect one reinforcing feedback loop directly, namely R13  – Let’s catch up!. Second, Audi did not regard Tesla as a serious competitor. Audi did not expect Tesla to sell so many units of 90  Dörner (2015). Similarly, referring to other car brands, Postinett / Kerkmann (2016). 91  Fasse (2016a).



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only one car (blind spot 2  – Poor definition of completion). This affects feedback loop R10  – Share attractiveness and R13  – Let’s catch up!.

V. Managerial Implications of Our Findings In this paper, we claim that a competitive analysis with new players entering a market requires a specific and systems-based analysis. System dynamics provides such an approach. We infer from our study that established premium automobile manufacturers could have identified a possible threat by a newcomer like Tesla earlier with using system dynamics. In particular, we postulate that a feedback view supports decision makers to better understand the significance of competitive information and perceive information faster and more reliably.92 Or, following Zajac and Bazerman, a feedback view helps decision makers to consider contingent decision of competitors more adequately.93 Our analysis has managerial implications which we lay out in the following. Blind Spots are Revealed Through Closing Feedback Firstly, grounding a strategic analysis on event-oriented and more static tools such as traditional strategy analysis tools may lead to overlooking details and interrelationships between variables that eventually end up in competitive blind spots. These tools might provide important data for single variables but cut off fundamental feedback loops, time delays, and nonlinearities.94 Despite the lack of quantification and internal consistency, the CLD provides a dynamic hypothesis of companies’ competitive actions from a systems perspective. As can be seen from Figure 7, some of Audi’s blind spots are located within many of the feedback loops. Even with such a qualitative CLD, decision makers would have eventually stumbled over these variables. They might have analyzed them more closely as they would have understood their impact on both companies’ business models, such as the Tesla S’ attractive body design (blind spot 5), or the underestimated market acceptance (blind spot 8).

92  Porter

(1980), p. 59. (1991), p. 40. 94  Sterman (1991); Kapmeier et  al. (2011). 93  Zajac / Bazerman

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A Particular Blind Spot Can be Located in Different Areas of Business Models Secondly, as can be seen in Figures 5, 6, and 7, a system dynamics analysis reveals that the same blind spot might impact feedback loop structures in different areas. For example, we identify five areas exclusively for blind spot 8 (Overconfidence in judgment), which are spread over the entire feedback loop structure. In other words, when a blind spot is not identified, it may affect the understanding of the underlying problem at different areas. This is especially crucial in case the structure is mostly determined by reinforcing feedback loops, such as in the Tesla case. Here we identify, for instance, eight interacting reinforcing loops to explain Tesla’s business model alone. Reinforcing feedback loops, once initiated and not slowed down by balancing loops initially, become increasingly strong over time. They produce exponential growth,95 which we observe in the reference mode for Tesla’s units sold (see Figure 2). People are often surprised when they observe exponential growth as they erroneously assume that nothing has happened for a very long period of time and then something changes in the underlying system structure resulting in the strong increase of a particular variable (e. g. sales, customers, or downloads in the smartphone app industry).96 So, when blind spots are located within reinforcing feedback loops, they first stay undetected; only to later surprise competitors even more. Understanding reinforcing feedback loops and their drivers thus is crucial for assessing the rise of new market entrants.97 These drivers can then be attentively followed and evaluated – to reduce the risk of overlooking blind spots. Traditional strategy tools cannot capture reinforcing dynamics as they mostly cut off feedback loops and do not capture time-delays or nonlinearities that the real-world consists of. Blind Spots are Interlinked and Affect Each Other Through Feedback Loops Finally, we demonstrate by the example of Audi that different blind spots are interlinked. While the literature only states that blind spots might trigger each other, we concretely display possible interlinkages of blind spots in a 95  Sterman (2000), pp. 264–268. Eventually, reinforcing processes will come to an end as we live on a planet with finite resources and no real quantity can grow forever. Sterman (2000), p. 270. Note that we refer to initial growth phases of new businesses. 96  Sterman (2000), pp. 269–272. 97  Sterman (2000), pp. 349–403.



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CLD. When considering Tesla’s heavy investment in R&D and innovations (blind spots 3 and 5), its cars become more attractive, leading to more sales (blind spots 2 and 3). This eventually leads to higher infrastructure coverage (blind spots 5 and 6) and a higher perceived risk of Tesla (blind spots 3 and 8), etc. As a consequence, blind spots might influence each other through feedback loops. If undetected, their existence will eventually surprise decision makers. As traditional strategy tools cannot capture feedback loops, they miss interacting blind spots. Detecting and understanding feedback loops is central for strategic decision making.

VI. Suggestions for Further Research We acknowledge that the model was developed in hind-sight. Even if the model had been available for Audi’s decision makers, they would not necessarily have decided differently than they actually have. They might have assessed the strength of the reinforcing feedback loops as rather weak. Secondly, the case is based on secondary data and two expert interviews. In order to increase model validity, we recommend grounding the case in data from more interviews and company internal documents. Finally, our analysis is qualitative. In order to overcome flaws of qualitative CLDs98, quantification becomes necessary. Moreover, model quantification with rigorous model validation and calibration is valuable when the stakes are high – like in this case. It would further improve the understanding of the market99 and make competitive blind spots not only with reference to future new market entrants even easier to identify, and thus to prevent. References Abdollahi, H. / Kenari, M. J. / Rezaei, M. (2015): Study Impact of Business Environment Dimensions and Boards of Directors Characteristics on Involvement in Strategic Decision-Making, in: Strategic Management Review, 9, 2015, 1, pp. 113–126. Ayre, J. (2015): Tesla Gigafactory & Battery Improvements Could Cut Battery Costs 50 %, September 21, 2015. Retrieved from http: / / cleantechnica.com / 2015 / 09 /  21 / tesla-gigafactory-battery-improvements-could-cut-battery-costs-70 / . Access­ed: March 5, 2016. Azoulay, P. / Repenning, N. P. / Zuckerman, E. W. (2010): Nasty, Brutish, and Short: Embeddedness Failure in the Pharmaceutical Industry, in: Administrative Science Quarterly, 55, 2010, 3, pp. 472–507. 98  Richardson 99  Sterman

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VI. Kybernetik in sozialen Systemen

Neigen leistungsorientierte Menschen bei negativem Feedback zu einer stärkeren ­Selbsterhöhung? Eine empirische Studie zur Lern- und Leistungszielorientierung Von Lana Plumanns, Kristina Lahl, René Vossen und Sabina Jeschke

I. Einführung „Wer immer tut, was er schon kann, bleibt immer das, was er schon ist“. So sagte es Henry Ford vor über 60 Jahren; doch seine Aussage hat seither nicht an Aktualität verloren. Die stetige Weiterentwicklung ist nicht nur essenziell für ein langfristiges Wohlbefinden und ein Gefühl des inneren Wachstums1, auch im Arbeitskontext herrschen zusehends größere Ansprüche kontinuierlich neue Fähigkeiten aufzubauen. Eine Variable, die in diesem Zusammenhang zunehmend an Bedeutung gewinnt, ist die Zielorientierung des Individuums. Diese spiegelt die Zielpräferenz wieder, die Personen in Leistungssituationen verfolgen2. Dabei wird zwischen zwei Klassen unterschieden: Leistungs- und Lernziele3. Während Lernzielorientierte sich tendenziell auf den Wissenserwerb und die Entwicklung neuer Fähigkeiten konzentrieren, legen Menschen, die primär leistungsorientiert sind, ihren Fokus auf eine positive Bewertung. Leistungszielorientierte Personen fokussieren sich somit prinzipiell darauf, in Leistungssituationen besser abzuschneiden als andere, um ihre Kompetenz darzustellen und ihren Selbstwert durch externe Bewertung zu validieren4. Aufgrund der unterschiedlichen Konsequenzen dieser Orientierungen in Bezug auf das Arbeitsleben wird dieser Variable innerhalb der Arbeits- und Organisationspsychologie und in vielen Feldern des Personal-Managements eine wichtige Bedeutung zugesprochen5. So zeigten VandeWalle et al.6, dass 1  Maslow

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2  Payne / Youngcourt / Beaudien

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die Lernzielorientierung positiv mit selbstregulierenden Konstrukten wie Zielsetzung, Planung und Einsatz zusammenhängt, während Kozlowski et al.7 die Vorteile der Lernzielorientierung beim Erlernen neuer Fähigkeiten hervorhoben. Eine stärkere Ausprägung der Leistungsorientierung hingegen weist nach u. a. Payne et  al. überwiegend negative Konsequenzen für die Arbeitsleistung auf8. Auch im Hinblick auf die Wahrnehmung und Reaktion auf Feedback ließen sich Unterschiede zwischen den Orientierungen erkennen9. So zeigten VandeWalle und Cumming10, dass die Lernzielorientierung mit einer höheren Wertschätzung von Feedback und dem aktiven Suchen nach konstruktiver Rückmeldung einherging, während die Leistungszielorientierung in einem negativen Zusammenhang mit der Suche nach Feedback stand. Ein Befund, den Park et  al.11 mit der verstärkten Wahrnehmung nachteiliger Aspekte von Feedback, wie Kritik der Leistung und der daraus folglich schlechteren Selbstdarstellung bei primär Leistungszielorientierten begründeten. Und obwohl bereits verschiedene Studien den Einfluss von Feedback auf die nachfolgende Performanz untersuchten12, gibt es bisher wenige Erkenntnisse darüber, welche Implikationen Feedback je nach Zielorientierung für den Selbstwert der Teilnehmer darstellt. Bisherige Studien stellten zwar Vermutungen darüber auf, welchen Einfluss negatives Feedback je nach Zielorientierung auf den Selbstwert der Teilnehmer haben könnte13, doch inwieweit sich dies auf die Wiederherstellung des Selbstwertgefühls auswirkt, wurde bislang noch nicht untersucht. Eine Variable, die oft in Verbindung mit der Aufrechterhaltung und Wiederherstellung des Selbstwertgefühls gebracht wird, ist die Selbsterhöhung oder auch die selbsterhöhenden Tendenzen. Diese beschreibt eine Tendenz, die sich dadurch kennzeichnet, dass Menschen generell dazu neigen, sich positiver einzuschätzen als den Durchschnitt. Dass Menschen zu dieser verzerrten Urteilsstrategie neigen, ist seit Längerem bekannt14. Auch gibt es Ergebnisse darüber, dass diese Tendenz bei Bedrohungen des Selbstwerts verstärkt wird15. 7  Kozlowski

et  al. (2001), S. 21.

8  Fisher / Minibashian / Beckmann / Wood

(2013), S. 12 ff.; Payne et al. (2007), S. 122. (2007), S. 138; VandeWalle / Cummings (1997), S. 397; VandeWalle / Ganesan / Challagalla / Brown (2000), S. 1000 ff. 10  VandeWalle / Cumming (1997), S. 394 ff. 11  Park et  al. (2007), S. 134 ff. 12  Vgl. u. a. Cianci / Klein / Seijts (2010), S. 620 f.; VandeWalle / Cron / Slocum (2001), S. 631. 13  Vgl. u. a. Dweck / Legett (1988), S. 257 ff.; VandeWalle (2003), S. 599 ff. 14  Brown (1986), S. 353 ff. 15  Brown (2012), S. 216. 9  Park / Schmidt / Scheu / DeShon



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Die Tendenz, seinen Selbstwert durch den Mechanismus der Selbsterhöhung zu stärken, wird jedoch mit negativen Konsequenzen für die Arbeitsleistung sowie das langfristige Wohlbefinden in Verbindung gebracht wozu unter anderem ein reduzierter Arbeitseinsatz sowie eine schlechte Performanz und eine geringere Arbeitszufriedenheit zählen16. Im arbeitsbezogenen Kontext kann eine Bedrohung des Selbstwertes je nach Auffassung beispielsweise eine negative Rückmeldung zur Leistung sein. Dass die Wahrnehmung von Feedback durch die Zielorientierung beeinflusst wird, wurde bereits in vorrangegangenen Studien gezeigt17. Doch wie selbsterhöhende Tendenzen mit der Zielorientierung zusammenhängen, wurde bis jetzt noch nicht untersucht. Ziel der in diesem Beitrag vorgestellten Studie ist somit die Analyse der Frage, wie sich normatives Feedback (positiv / negativ / kein Feedback) je nach individueller Zielorientierung (Leistungs- vs. Lernziel­ orientierung) und Temperament (Annäherungs- vs. Vermeidungstemperament) auf die Selbsterhöhung der Teilnehmer auswirkt. Um diese Fragestellung beantworten zu können, wurde eine Onlinestudie entworfen, welche verschiedene psychologische Methoden aus den drei Forschungsbereichen (Zielorientierung, Feedback, Selbsterhöhung) umfasst und die Daten dieser mithilfe multivariater Verfahren analysiert.

II. Theoretischer Hintergrund 1. Zielorientierung Das Konstrukt der Zielorientierung hat seinen Ursprung in den späten 70er Jahren. Zu dieser Zeit wurde das Konstrukt größtenteils unabhängig voneinander von den Wissenschaftlern James Arthur Eison18, Carole und Russell Ames19, Carol Dweck20 und John Nicolls21 untersucht. Eison (1979) entdeckte als einer der Ersten, dass es zwei Orientierungen unter Studenten gibt. Studenten die studieren, um zu lernen und jene, die es taten, um gute Noten für ihre Leistung zu erhalten. Erstere nannte er lern- und letztere notenorientiert. Nicolls (1984) untersuchte die Zielsetzungen bei Schulkindern und differenzierte zwischen Ego‑ und Aufgaben‑orientierten Menschen. Die zwei u. a. Crocker / Park (2014), S. 397 ff. u. a. Park et al. (2007), S. 134 f.; Cianci / Klein / Seijts (2010), S. 620; VandeWalle / Cron / Slocum (2001), S. 631 ff. 18  Eison (1979). 19  Ames / Ames (1984). 20  Dweck (1986). 21  Nicolls (1984). 16  Vgl. 17  Vgl.

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Orientierungen unterschieden sich darin, dass aufgabenorientierte Personen ihre Fähigkeiten in Bezug zu ihren bisherigen Erfolgen messen und egoorientierte ihre eigene Leistung anhand der Leistung anderer Personen beurteilen. Ames (1984) nannten diese Richtungen task-mastery und abilityevaluative, und Dweck (1986) differenzierte zwischen learning und performance goals. Aufgrund der terminologischen Konvergenz der verschiedenen Zweiteilungen der Wissenschaftler wurde im Laufe der Jahre entschieden, sie zu vereinen, was zur einheitlichen Trennung zwischen Lern- und Leistungszielorientierung führte22. Doch diese zwei Orientierungen unterschieden sich nicht alleinig durch andere Zielsetzungen. Das Konzept der Leistungsziele geht auch davon aus, dass beide Orientierungen aus unterschiedlichen Einstellungen bezüglich der eigenen Fähigkeit stammen und somit das Erleben von Leistungssituationen sowie die Reaktion zu Misserfolg steuern23. Carol Dweck, die sich zu Beginn ihrer Studien auf die Entwicklungs­ pädagogik fokussierte, stellte fest, dass einige Kinder nach einer negativen Rückmeldung zur Bearbeitung einer schwierigen Aufgabe manchmal das Gefühl von Hilflosigkeit entwickelten und sich folglich weniger anstrengten, während andere Kinder mit einem vergleichbaren Leistungsvermögen dieses Verhaltensmuster nicht zeigten. So vermutete Dweck, dass dieses Verhalten auf die unterschiedliche Zielsetzung der Kinder zurückzuführen ist, deren Ursprung sie in der persönlichen Sichtweise, genauer in der eigenen impliziten Theorie der Intelligenz, dem sogenannten view of ability vermutete. Demnach wählen Menschen, die von einer schrittweisen, inkrementell wachsenden Form der Intelligenz ausgehen, also glauben, dass Intelligenz sich durch Übung steigern lässt, Lernziele, während solche, die an eine ganzheitliche, sich nicht entwickelnde Form der Intelligenz glauben, vorrangig Leistungsziele verfolgen. Aufgrund dieser unterschiedlichen Sichtweisen sehen Leistungsorientierte negative Rückmeldung als ein Zeichen mangelnder Kompetenz, was mit Gefühlen wie Hilflosigkeit und Angst einhergeht, während Lernorientierte diese als Mittel zur Weiterentwicklung sehen24. Auch die Konzeption des Konstruktes Zielorientierung änderte sich mit der Zeit. So gingen verschiedene Wissenschaftler zu Beginn der Forschung im Bereich der Zielorientierung davon aus, dass es sich bei der Zielorientierung um ein „eindimensionales“ Konstrukt mit zwei entgegengesetzten Polen handele25. Eine Person war entweder lern- oder leistungsorientiert, sodass es unmöglich erschien, gleichzeitig beide Arten der Zielsetzung zu verfolgen. Spä22  Ames / Archer

(1988), S. 263 ff. (1988), S. 260 f. 24  Payne et  al. (2007), S. 129. 25  Payne et  al. (2007), S. 130 ff. 23  Dweck / Legett



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tere Studien widerlegten dies jedoch und zeigten, dass die Orientierungen weder exklusiv noch gegenteilig sind26. Auch wurde die Zielorientierung anfangs alleinig anhand ihrer positiven Aspekte bzw. Wertigkeit (Valenz) definiert27. Während der Lernzielorientierung dabei tendenziell positive Eigenschaften zugesprochen wurden, zeigten sich bei einer ausgeprägten Leistungszielorientierung jedoch zunehmend auch nachteilige Aspekte. So zeigten unter anderem Dweck und Legett28, dass die Lernzielorientierung vorrangig mit adaptiven Verhaltensweisen wie Persistenz und Freude am Arbeitseinsatz einherging, während die Leistungszielorientierung sowohl mit adaptiven als auch nicht-adaptiven Verhaltensweisen zusammenhing. Ausgehend von diesen Befunden betonte u. a. Elliot die Relevanz der Valenz im Rahmen der Leistungszielorientierung. Die Wahrnehmung der Valenz eines Ziels führte er auf das individuelle Temperament des Teilnehmers zurück, welches somit die Zielsetzung beeinflusst29. Er unterschied zwischen zwei Arten von Temperament: Annäherungstemperament bezeichnete er als einen genotypischen Charakterzug, durch welchen Menschen eine starke Sensitivität zu positiven Stimuli aufweisen, während ein ausgeprägtes Vermeidungstemperament Menschen sensitiv für mögliche negative Ereignisse macht. Die Relevanz der Unterteilung des Leistungsziels anhand des Temperaments wurde in verschiedenen Studien belegt30. Doch nicht nur bei der Leistungszielorientierung zeigte sich die Berücksichtigung des Temperamentes von Relevanz. Die Aufteilung in vier Faktoren (Annäherungslernziel, Vermeidungslernziel, Annäherungsleistungsziel und Vermeidungsleistungsziel) ließ sich in verschiedenen Faktoranalysen bestätigen31 und wies sich von Relevanz für die nachfolgende Performanz aus32. Elliot und McGregor33 ordneten die Leistungsziele in einer 2 × 2-Matrix an (Abbildung 1). So streben Personen mit einem starken Annäherungslernziel in Leistungssituationen zum Beispiel danach, eine Aufgabe vollständig zu beherrschen und ihre Leistung kontinuierlich zu verbessern. Dem entgegen sind Personen mit einem ausgeprägten Vermeidungslernziel primär darauf bedacht, keine Rückschritte in ihrer Weiterentwicklung zu verzeichnen, also nicht schlechter zu werden als sie in der Vergangenheit waren. Dies 26  Button / Mathieus / Zajac

(1996), S. 34 f. (2011), S. 633 ff. 28  Dweck / Legett (1988), S. 263 ff. 29  Elliot (1999), S. 169 ff. 30  Vgl. u. a. Middleton / Midgle (1997), S. 715 f. 31  Baranik / Barron / Finney (2007), S. 12  ff.; Elliot / McGregor (2001), S. 501. 32  Vgl. u. a. Van Yperen / Elliot / Anseel (2009). 33  Elliot / McGregor (2001), S. 502. 27  Elliot / Murayama / Pekrun

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Quelle: nach Elliot und McGregor (2001), S. 502.

Abbildung  1: Matrix der Leistungsziele

geschieht laut Elliot und McGregor aus einer inneren Motivation des Wissenserwerbs, welcher auf den intrapersonalen Fokus der Lernzielorientierten zurückzuführen ist. Das Streben von Lernzielorientierten ist somit dem Modell zufolge weitestgehend unabhängig von externer Bewertung. Personen mit ausgeprägten Leistungszielen hingegen nutzen normative Standards zur Einschätzung ihrer Leistung und sind daher auf eine positive Beurteilung in Leistungssituationen fokussiert. Bei einem dominanten Annäherungsleistungsziel spiegelt sich diese Fokussierung durch das Bestreben wider, eine bessere Bewertung zu erhalten als andere, während Personen mit einem dominanten Vermeidungsleistungsziel primär darauf bedacht sind, keine schlechtere Bewertung als andere zu erhalten. Die Matrix der Leistungsziele (Abbildung 1) stellt die Differenzierung der Leistungsziele anhand des Temperaments bildlich dar. An dieser Unterteilung wurde sich auch in der vorliegenden Studie orientiert. Die Differenzierung nach Leistungszielen und Temperament wurde in dieser Studie jedoch einzeln vorgenommen, da die Leistungsziele nicht nur erhoben, sondern auch anhand von Priming erzeugt wurden. Als Priming bezeichnet man die Beeinflussung der kognitiven Verarbeitung durch Darbietung eines bestimmten Reizes, welcher implizite Gedächtnisinhalte aktiviert und somit Einfluss auf die weitere Performanz nimmt34. Da das Priming im Bereich der Zielorientierung bereits erfolgreich eingesetzt 34  Bargh / Gollwitzer / Lee-Chai / Barndollar / Trötschen

(2001).



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wurde, wurde es auch in dieser Studie verwendet35. Nicolls zeigte bereits im Jahre 1984, dass Menschen durch die gesteuerte Instruktion zu einer Aufgabe hinsichtlich der jeweiligen Zielorientierungen „geprimt“ werden können. So führte eine Instruktion, welche das Entwicklungspotenzial der Fähigkeiten hervorhob, zu einer Lernzielorientierung, während eine Leistungszielorientierung durch den bewertenden Vergleich mit anderen erzeugt wurde36. Bargh et al. (2001) demonstrierten, dass eine geprimte Zielorientierung so effektiv ist, dass sie situationsbedingt das dominierende Leistungsziel darstellt, was die Wirksamkeit von Priming betonte. Aufgrund dieser Befundlage wurde in der vorliegenden Arbeit auch mit dieser Methode gearbeitet. Diese Art der Herstellung des situationsbedingten Leistungsziels eignete sich aufgrund der Teilung ähnlich großer Gruppen besonders gut, um in nachfolgenden Gruppenvergleichen die Reaktion zu Feedback genauer zu untersuchen. Im Folgenden werden der theoretische Hintergrund von Feedback und die bisherigen Untersuchungen im Bereich der Lern- und Leistungsziele näher erläutert. 2. Feedback Die bereits dargelegten Befunde lassen Vermutungen über die Reaktion zu Feedback je nach Zielorientierung zu. So betonte unter anderem Nicolls (1984)37 in seinen Studien zur Zielorientierung die Wirkung des sozial vergleichenden Feedbacks und auch Rawsthrone und Elliot (1999) hoben die Bedeutung der normativen Evaluation hervor, um Verhaltensunterschiede zwischen den Zielorientierungen zu verdeutlichen. Auch weitere Studien38 zeigten, dass sich die Wahrnehmung von Feedback je nach dominanter Zielorientierung unterscheidet. So zeigten Cron et  al. (2005), dass Menschen mit einem dominanten Vermeidungsleistungsziel nach negativem Feedback eine stärkere Angst empfanden als Menschen mit Lern- oder Annäherungsleistungszielen, was sich auch auf die weiteren Zielsetzungen auswirkte. Befunde, welche die Annahme weiter stützte, dass Leistungsorientierte negatives Feedback als eine Bedrohung des Selbstwertes wahrnehmen, während Misserfolg bei Lernorientieren einen Teil  des Weiterbildungsprozesses ausmacht. Die hier dargestellten Befunde lassen Vermutungen über die Implikation von Feedback je nach Zielorientierung zu und leiten über zum nächsten Punkt, der Rückkoppelung durch selbsterhöhende Tendenzen. 35  Bargh / Gollwitzer / Lee-Chai / Barndollar / Trötschen (2001); Kozlowski et al. (2001); Seijts et  al. (2004); Steele-Johnson / Beauregard / Hoover / Schmidt (2000). 36  Vgl. u. a. Chartrand / Bargh (1996), Steele-Johnson et  al. (2000). 37  Nicolls (1984), S. 230 ff. 38  Vgl. u. a. Cron et  al. (2005), S. 57 ff.

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3. Selbsterhöhende Tendenzen Die Motivation, ein positives Selbstbild zu erhalten, ist in jedem Menschen verankert39. So neigen Menschen unter anderem nicht nur zu einem unrealistisch optimistischen Blick in die Zukunft40 und zu sozial wünschenswerten Antworttendenzen, um ihren Selbstwert zu schützen41, sondern auch in Bezug auf den sozialen Vergleich lässt sich eine selbsterhöhende Neigung erkennen42. Diese Tendenz trägt den Namen „Better than the average“‑Effekt. Der „Better than the average“‑Effekt (BTA-Effekt) wird definiert als eine „motivationell verzerrte, selbstwertdienliche Urteilsstrategie“43. Der BTAEffekt ist ein robustes Phänomen der sozial vergleichenden Bewertung, der sich darin zeigt, dass Menschen sich tendenziell positiver einschätzen als die meisten anderen44. Diese selbsterhöhende Tendenz, auch Überdurch­ schnitt­lichkeits­syndrom genannt, reflektiert den Wunsch, sich selbst in einem positiven Licht zu sehen. Das Interesse an diesem Effekt kam vor etwa 30 Jahren auf45. Seitdem sucht man nach Variablen, die diesen Effekt moderieren, um Erklärungen dafür zu finden, warum Menschen dazu neigen sich besser darzustellen46. Bisherige Studien stellten bereits erste Untersuchungen an. So zeigte Alicke (1985), dass dieser Effekt stärker auf kontrollierbaren Charakterzügen zum Vorschein kommt, als auf solchen, die als nicht veränderbar wahrgenommen werden. Brown (2012) zeigte zudem, dass auch die Relevanz eine Rolle spielte. So kam der Effekt auf persönlich relevanten Charakterzügen stärker heraus als auf nicht relevanten. Zudem konnte gezeigt werden, dass diese Tendenzen noch weiter verstärkt werden, wenn eine Bedrohung den Selbstwert der Teilnehmer gefährdet47. Doch keiner der Autoren nahm in seiner Studie eine Differenzierung von Lern- und Leistungsorientierung vor. So wurde weder die ideologische Meinungsverteidigung noch die Selbsterhöhung anhand der Selbsteinschätzung in Hinblick auf die jeweilige Zielorientierung untersucht. Dass die Zielorientierung individuelle Unterschiede in der Performanz der Teilnehmer erklä39  Hepper / Gramzow / Sedikides

(2010), S. 781 ff. (2009), S. 1165 ff. 41  Paulhus (1991), (2002). 42  Alicke / Sedikides (2009); Klein / Weinstein (1997). 43  Kirchler (2011), S. 67. 44  Brown (2012), S. 209 f.; Kanten / Teigen (2008), S. 343 f. 45  Alicke (1985); Brown (1986). 46  Brown (2012), S. 209 ff. 47  Brown (2012), S. 211. 40  Wilson / Gunn / Ross



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ren kann, wurde bereits in vorherigen Studien gezeigt48, weshalb diese Variable in der hier vorliegenden Studie aufgegriffen wurde, um Unterschiede in der Selbsterhöhung zu untersuchen. Dass Leistungsziele durch Priming effektiv erzeugt werden können, wurde bereits gezeigt. Ebenso, dass diese so effektiv sind, dass sie situationsbedingt das dominierende Leistungsziel darstellen, weshalb diese Methode in der hier vorliegenden Studie verwendet wurde, um Unterschiede aufgrund der Zielorientierung in der Reaktion zu Feedback auf die Selbsterhöhung untersuchen.

III. Methodik Die bisherigen Forschungsergebnisse lassen Vermutungen über die Zusammenhänge von Leistungszielen, Temperament und Selbsterhöhung zu, aus denen Hypothesen abgeleitet wurden. Um die Gültigkeit der Hypothesen zu überprüfen, wurde in der vorliegenden Studie ein Online-Fragebogen entworfen, bei welchem die Teilnehmer nach der Erhebung bzw. Herstellung der Zielorientierung aus vorgegebenen Wörtern Sätze bilden mussten. Bei dem Entwurf der Priming-Methodik wurde sich an bereits existierenden Verfahren orientiert49. Auf die Satzbildung folgte ein randomisiertes Feedback (positives Feedback: „Sie waren effektiver als 90 % der anderen Teilnehmer“; negatives Feedback: „Sie waren effektiver als 25 % der anderen Teilnehmer“; kein Feedback), welches ebenfalls durch frühere Studien validiert wurde50. Nach dem Feedback folgte der Erhebung der selbsthöhenden Tendenzen der Teilnehmer. Die Stärke der selbsterhöhenden Tendenzen wurde basierend auf der Studie von Teigen und Kanten (2008) anhand der Selbstevaluation der Teilnehmer hinsichtlich positiver Eigenschaften (u. a. ehrlich, zuverlässig) und negativer Eigenschaften (u. a. selbstbezogen, unehrlich) gemessen. An dieser Studie nahmen 576 Teilnehmer (Studenten sowie Berufstätige) teil, deren Daten aufgrund vollständiger Bearbeitung verwendet werden konnten. Die Studie wurde online durchgeführt und startete im April 2014. Zur Teilnahme wurde den Probanden ein Link zugesendet. Der Erhebungszeitraum belief sich auf 17 Tage. Die durchschnittliche Bearbeitungsdauer des Fragebogens lag dabei bei 16,7 Minuten (Standardabweichung (SD)=2,1). Basierend auf vorangegangen Studien und Forschungsansätzen wurde die Zielorientierung der Teilnehmer erhoben wie auch mit Priming gearbeitet. Die Daten wurden mithilfe multi-faktorieller Varianzanalysen (MANOVAs) berechnet. u. a. Cron et  al. (2005), S. 67 ff. u. a. Cianci et  al. (2010); Eitam / Hassin / Schul (2008); Kozlowski et al. (2001); Stajkovic / Locke / Blair (2006). 50  Nicolls (1984). 48  Vgl. 49  Vgl.

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IV. Ergebnisse Es zeigte sich in der Auswertung, dass negatives Feedback nicht generell zu einer signifikanten Erhöhung der selbsterhöhenden Tendenzen führte. So zeigte sich lediglich ein marginal signifikanter Effekt von negativem Feedback im Vergleich zu keinem Feedback, was bedeutet, dass die Teilnehmer sich generell nach negativem Feedback marginal weniger schlecht einschätzen als nach keinem Feedback, wenn die zugrundeliegende Zielorientierung nicht betrachtet wurde. Im Weiteren wurde die Annahme untersucht, ob die Zielorientierung Einfluss auf die Reaktion zu Feedback hat in dem Sinne, dass Teilnehmer, die hinsichtlich der Leistungszielorientierung geprimt wurden, nach negativem Feedback stärkere selbsterhöhende Tendenzen zeigen als Lernziel-geprimte. Es zeigte sich, dass Teilnehmer des Leistungsziel-Primes sich nach negativem Feedback signifikant weniger schlecht einschätzten als Lernzielorientierte. Auch zeigten Teilnehmer des Leistungsziel-Primes nach negativem Feedback tendenziell höhere Werte hinsichtlich des Mittelwertes der erstrebenswerteren Eigenschaften, doch dieser Effekt war nicht signifikant. Auch die Annahme, dass das Temperament eine wichtige Rolle im Konstrukt der Zielorientierung spielt, konnte anhand der selbsterhöhenden Tendenzen bestätigt werden. So war ein signifikanter Unterschied im Antwortverhalten der Leistungszielorientierten zu erkennen, wenn nach dem Temperament der Versuchspersonen differenziert wurde. Das gefundene Ergebnis zeigt, dass sowohl die Unterteilung anhand der Leistungsziele sowie die Unterteilung anhand des Temperaments von Bedeutung sind. 1. Stärken und Einschränkungen Das in dieser Studie verwendete Design zeichnet sich durch verschiedene Stärken aus. Zum einen wurden die Anregungen früherer Studien aufgegriffen, zum anderen wurde soweit wie möglich auf bereits erprobte Methoden gesetzt und dies an einer repräsentativen Stichprobe getestet. Bei der Entwicklung der Primingkonditionen wurde sich an Beispielen aus mehreren Studien orientiert, welche in der Vergangenheit die situationellen Zielorientierungen erfolgreich geprimt hatten51. Dies beinhaltet sowohl die Art der benutzen Instruktion sowie die zum Primen verwendeten Wörter. Da die Effektivität der einzelnen Primes in der Vergangenheit bereits bestätigt wurde, wird vermutet, dass die verwendeten Primings auch in dieser Studie den gewünschten Effekt hatten. Aufgrund der sehr starken positiven Beziehung 51  Vgl.

u. a. Bargh et  al. (2001).



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zwischen der dispositionellen und der erzeugten Zielorientierung52 kann man davon ausgehen, dass die hier erzeugten PrimingErgebnisse auf ähnlich starke dispositionelle Ausprägungen der jeweiligen Leistungsziele übertragbar sind. Eine Anregung für nachfolgende Studien bildet das dargebotene Feedback: Da es sich bei dieser Studie um eine Onlinestudie handelte, konnte auf die Umgebung und den Leistungskontext nur begrenzt Einfluss genommen werden. Als Anregung für nachfolgende Studien bietet sich ein experimentelles Design mit einem stark leistungsbezogenem Kontext und Aufgabenstellung, wie bspw. der Arbeitsplatz an. Sowohl die Aufgabe wie auch die Umgebung könnten die Reaktionen verstärken und weitere Einblicke in den Zusammenhang und die Rückkoppelungseffekte der Variablen Zielorientierung, Reaktion zu Feedback und Selbsterhöhung geben. Bei dieser Studie handelte es sich um eine anonymisierte Studie, sodass keine Rückschlüsse auf einzelne Personen oder Unternehmen gezogen werden können. 2. Fazit und Ausblick In den vorangegangenen Abschnitten wurden verschiedene Aspekte aufgezeigt, welche für zukünftige Studien von besonderer Relevanz sein könnten. Insgesamt konnte gezeigt werden, dass Leistungsorientierte tendenziell zu einer positiveren Selbstzuschreibung neigen als Lernzielorientierte. Auch die Bedeutung des Temperaments innerhalb des Konstrukts konnte in Bezug auf die Selbsterhöhung bestätigt werden. Es zeigte sich, dass negatives Feedback die Selbsterhöhung verstärkt, obschon diese Ergebnisse ohne Differenzierung der zugrundeliegenden Zielorientierung nicht signifikant wurden. Es bestätigte sich die Annahme, dass die Differenzierung nach Leistungszielen und Temperament auch in Bezug auf die Selbsterhöhung von Bedeutung ist. Es wurde gezeigt, dass Selbsterhöhung ein natürlicher Mechanismus ist, welcher den Selbstwert schützt und somit zumindest kurzfristig einen Vorteil bietet. Doch auf lange Sicht überwiegen die Nachteile, denn die Möglichkeit, seinen Selbstwert auf diese Weise zu erhöhen, geht mit einer Reduzierung der Lernbereitschaft einher53, welche insbesondere heutzutage zunehmend an Bedeutung gewinnt54. Und auch wenn es sich anhand dieser Studie nur 52  Bargh

et  al. (2001); Payne et  al. (2007). (2004). 54  Vgl. u. a. Bösenberg / Küppers (2011); Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2015). 53  Crocker / Park

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tendenziell zeigte, so bleibt doch anzunehmen, dass Menschen mit einer ausgeprägten Leistungszielorientierung bei bedeutungsvollerem negativen Feedback wie beispielsweise am Arbeitsplatz mit einer stärkeren Selbsterhöhung reagieren, um ihren Selbstwert zu schützen. Die Vorteile der Lernzielorientierung in Bezug auf die Arbeitswelt wurden in dieser Studie vermehrt hervorgehoben. Dass diese Orientierung erzeugt werden kann, belegen verschiedene Studien55. Unternehmen sollten deshalb im Umgang mit Angestellten ihr Entwicklungspotenzial betonen und diese fördern, um die gewünschte Adaption im Sinne der Weiterbildung zu erzielen, um nicht zuletzt auch die Selbstwirksamkeit der Mitarbeiter, besonders im Hinblick auf eine anhaltende Mitarbeiterzufriedenheit und ein gesundes Arbeitsklima, zu stärken. Literaturverzeichnis Alicke, M. D. (1985): Global self-evaluation as determined by the desirability and controllability of trait adjectives. Journal of Personality and Social Psychology, 49(6), 1621–1630. doi: 10.1037 / 0022-3514.49.6.1621. Alicke, M. D. / Sedikides, C. (2009): Self-enhancement and self-protection: What they are and what they do. European Review of Social Psychology, 20(1), 1–48. doi: 10.1080 / 10463280802613866. Ames, C. / Ames, R. (1984): Systems of Student and Teacher Motivation: Qualitative Definition. Journal of Educational Psychology, 76(4), 536–556. doi: 10.1037 / 00220663.76.4.535. Ames, C. / Archer, J. (1988): Achievement goals in the classroom: Students’ learning strategies and motivation processes. Journal of Educational Psychology, 80(3), 260–267. doi: 10.1037 / 0022-0663.80.3.260. Baranik, L. E. / Barron, K. E. / Finney, S. J. (2007): Measuring Goal Orientation in a Work Domain: Construct Validity Evidence for the 2 × 2 Framework. Educational and Psychological Measurement, 67(4), 697–718. doi: 10.1177 / 0013164406 292090. Bargh, J. A. / Gollwitzer, P. M. / Lee-Chai, A. / Barndollar, K. / Trötschel, R. (2001): The Automated Will: Nonconscious Activation and Pursuit of Behavioral Goals. Journal of Personality and Social Psychology, 81(6), 1014–1027. doi: 0.1037 /  0022-3514.81.6.1014. Bösenberg, C. / Küppers, B. (2011): Im Mittelpunkt steht der Mitarbeiter: Was die Arbeitswelt wirklich verändern wird. Freiburg: Haufe. Brown, J. D. (2012): Understanding the Better Than Average Effect Motives (Still) Matter. Personality and Social Psychology Bulletin, 38(2), 209–219. doi: 10.1177 /  0146167211432763. 55  Cianci

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Die Systemtheorie im St. Galler Management-Modell Von Falko Wilms

I. Einführung Im aktuellen St. Galler Management-Modell läuft Führung hinaus auf das Gestalten von Kommunikationen, in denen gemeinsam eine verbindliche und verbindende Auffassung über die wirksame Wirklichkeit kommunikativ ausgehandelt wird. Der Beitrag entfaltet mit einer sozialkybernetischen Analyse die systemtheoretischen Grundlagen dieses Modells.

II. Sozialkybernetik Die Wirtschaftskybernetik versteht Unternehmen als dynamische kyberneti­sche Systeme und analysiert Strukturen sowie Prozesse auf der Grundlage der klassischen Regelungs- und Systemtheorie mit dem Ziel, Wertschöpfungsprozesse mit kybernetischen Methoden zu planen, zu gestalten und zu steuern. Dem gegenüber befasst sich die Sozialkybernetik mit der Analyse von Strukturen und Prozessen in sozialen Systemen auf der Grundlage der Kybernetik / Sys­temtheorie zweiter Ordnung1 mit den Hauptaxiomen •• alles Gesagte wird von2 einem Beobachter zu3 einem Beobachter gesagt, •• jedes Beobachtungsergebnis verweist mehr auf die Operation der Beobachtung als auf das Objekt der Beobachtung4. Sozialkybernetische Analysen knüpfen daran an, dass ein soziales System ein selbstreferentieller Prozess aus anschlussfähigen Kommunikationen ist5 und dass Kommunikation zustande kommt, wenn im Kontext von Unterscheidungen bestimmte Bezeichnungen getroffen werden.6 Die Laws of 1  v.

Foerster (1985), S. 77 ff. (1982), S. 8; angelehnt an: Maturana (1980), S. 5–58. 3  v. Foerster (1993), S. 84 f.; v. Foerster (1979), S. 5–8. 4  Willke (1996), S. 167 f. 5  Luhmann (2008), S. 41. 6  Shannon (1948). 2  Maturana

212

Falko Wilms

form (Gesetze der Form) von George Spencer-Brown7 entfalten mittels einer operativen Logik einen Formbegriff, um eine Unterscheidung zu benennen und dann pragmatisch zu berücksichtigen. Daher eignet sich diese Logik für Analysen von sozialen Systemen. Zugleich ermöglicht diese Logik, die wesentlichen Grundlagen des aktuellen St. Galler Management-Modells8, das Sensemaking, kompatibel zur Systemtheorie 2. Ordnung zu erfassen und viele Anknüpfungspunkte für interdisziplinäre Ansätze der Managementforschung zu liefern. 1. Notation der Form Eine vom Beobachter getroffene Unterscheidung (distinction) zwischen einer Innenseite (marked space) und einer zum gleichen Zeitpunkt unbestimmten Außenseite (unmarked space) dokumentiert Spencer-Brown9 mit dem Symbol

und die sich ergebende Form einer Unterscheidung (form) besteht dann aus einem marked space, einem unmarked space und einer distinction (die beide Bereiche voneinander trennt und miteinander verbindet). Die sich ergebende Form wird dokumentiert mit Form = marked space

  unmarked space

Jede Unterscheidung wird innerhalb eines implizit immer mitzudenkenden Kontextes getroffen und mit einem unwritten cross notiert. Und eine in einem Raum / Kontext getätigte Unterscheidung wird dem entsprechend mit

notiert.10 So kann man auf der linken Seite die Benennung der Innenseite notieren, ganz rechts den (impliziten) Kontext der Unterscheidung benennen 7  Spencer-Brown

(1969). (2014). 9  Spencer-Brown (1997), S. 3. 10  v. Kibéd / Matzka (1993), S. 85. 8  Rüegg-Stürm / Grand



Die Systemtheorie im St.  Galler Management-Modell

213

und in der Mitte das bestimmen, was von der benannten Innenseite ausgeschlossen wird. So wird eine Beobachtung der beiden Seiten der verwendeten Unterscheidung in einem impliziten Kontext möglich. In der Notation der ganzen Form der Unterscheidung wird daher das unwritten cross rechts neben dem unmarked space positioniert. Es macht darauf aufmerksam, dass im Vorhandensein eines space die grundlegende Bedingung der Möglichkeit für die Unterscheidung vorausgesetzt wird.

Form =

marked space

unmarked space

space

In den Laws of Form ist eine Variable a immer nur als Negation und Determination ihrer selbst im Medium der Implikation einer Variable b zu bestimmen.11 Wir haben es hierbei mit einem iterativ endlosen NotationsArrangement zu tun, deren Auflösung entweder auf ein

oder aber auf ein „

}

2       “ “

1    „

hinausläuft. Wir müssen beides für grundsätzlich möglich halten.12 Die Notation der Form gründet auf der Operation der Beobachtung, bestehend aus dem anfänglichen Treffen von Unterscheidungen und dem nachfolgenden Benennen des dadurch Unterschiedenen. In der deutschen Übersetzung wird verkürzt einfach von einem „Beobachter“ gesprochen. Das Englische „to observe“ hingegen ist mehrdeutig und vereint so verschiedene Bedeutungen wie „etwas beobachten“, „(Regeln / Anweisungen) beachten bzw. befolgen, berücksichtigen“ oder „bemerken, feststellen, anmerken (der Folgen eigener Tätigkeiten)“. Der Begriff „Beobachten“ (to observe) meint also, mit einer Unterscheidung (distinction) etwas (marked space) von anderem (unmarked space) abzugrenzen und das Unterschiedene durch eine Bezeichnung (indication) zu markieren. 11  Spencer-Brown

12  Spencer-Brown

(1997), S. 90 ff. (1997), S. 45 ff.

214

Falko Wilms

Das hier skizzierte Kalkül kann somit als eine Art Formalismus für Kommunikationsprozesse (genau das sind soziale Systeme)13 verwendet werden.14 Die so verstandene Operation der Beobachtung ist somit ein brauchbares Konzept für die Analyse sozialer Systeme. Es können auch rekursive Beobachtungsobjekte beobachtet und einer Notation zugeführt werden. Es ergibt sich dann die Einheit der Differenz, wobei weder die Unterscheidung noch eine der beiden Seiten bevorzugt wird. Und da verschiedene Beobachter ihre verschiedenen Unterscheidungen in ihren Kontexten mit ihren Benennungen verwenden, kommunizieren letztlich einander beobachtende Beobachter in einer poly-kontexturellen Welt.15 Die Notation der Form eines Systems kann die Rekursivität die Einheit der Differenz von System und Umwelt erfassen: Jedes System rechnet bestimmte Aspekte, Eigenschaften oder Operationen sich selber oder der Umwelt zu. In dieser Oszillation zwischen Selbst- und Fremdreferenz beschreibt sich das System selbst.16 Die Notation der Form der Einheit der Differenz von System und Umwelt sieht in der Notation von Spencer-Brown so aus: System =

System

Umwelt

und weil jede Oszillation einer Einheit der Differenz, die innerhalb eines impliziten Kontextes (unwritten cross) operiert, lautet die vollständige Notation

System =

System

Umwelt

Kontext

Damit haben wir alle Komponenten der Notation von Spencer-Brown zusammen, um die Schlüsselkategorien und den grundlegenden Prozess des Sensemaking (Abb. 1) im aktuellen St.  Galler Management-Modell der 4. Generation mit den Mitteln des Kalküls der Form darzustellen.

13  Luhmann

(1992), S. 271. (2007), S. 79. 15  Wilms (2014), S. 46. 16  Luhmann (2006), S. 36. 14  Baecker



Die Systemtheorie im St. Galler Management-Modell

215

2. Das aktuelle St. Galler Management-Modell Im St.  Galler Management-Modell der 4.  Generation bilden Umwelt, Organisation und Management eine untrennbare, rekursive Einheit mit 3 Elementen. Die rekursive Einheit der Differenz von Umwelt, Organisation und Management sieht in der Notation von Spencer-Brown so aus:

Einheit =

Umwelt

Organisation

Management

Da es sich um drei gleichgewichtige Komponenten einer oszillierenden Opera­tion handelt, können grundsätzlich verschiedene Notationen gegeben werden, je nachdem, welche der drei Schlüsselkategorien bei einer Betrachtung in den Vordergrund gestellt und im Lichte der beiden anderen analysiert wird. Im hier Gezeigten liegt die Umwelt auf der Innenseite der Unterscheidung, die Organisation liegt auf der Außenseite der Unterscheidung und das Management wirkt als (impliziter) Kontext der Unterscheidung. So wird die Unterscheidung von Umwelt und Organisation im (impliziten) Kontext des Managements notierbar. Die drei Schlüsselkategorien des St. Galler Management-Modells der 4.  Ge­neration sind: •• Umwelt17 als das, was das Management (kommunikativ) für die Wertschöpfung als ‚bedeutsam‘ einstuft, •• Organisation18 als eine kommunikative Bestimmung einer Wertschöpfung für die relevante Umwelt, •• Management19 als eine reflexive (kommunikative) Gestaltung der Weiterentwicklung Wertschöpfung. Es fällt auf, dass die rekursive Einheit der Differenz dieser Schlüsselkategorien in starkem Maße auf Kommunikationen beruht, die durch ihre wechselseitige Anschlussfähigkeit einen selbstreferentiellen Prozess ergeben, der als soziales System20 anzusehen ist. Im Zentrum der Kommunikationen des Managements stehen kollektive Sensemaking-Prozesse21, in denen bestimmte Ereignisse als Prämissen für spätere Kommunikationen etikettiert werden. 17  Rüegg-Stürm / Grand

(2014), (2014), 19  Rüegg-Stürm / Grand (2014), 20  Luhmann (2008), S. 41. 21  Rüegg-Stürm / Grand (2014), 18  Rüegg-Stürm / Grand

S. 42. S. 78. S. 128. S. 82.

216

Falko Wilms

3. Sensemaking Der Kommunikationsprozess, mit dem die Mitglieder einer Organisation den aufgenommenen Erlebnisstrom in sinnvolle Ereignisse gliedern und ihm durch die Einordnung in einen Gesamtzusammenhang eine Bedeutung zuordnen, wird Sensemaking22 genannt. Die Art und Weise des durchgeführten Sensemakings bewirkt dann die ‚Erklärung‘ „“ bzw. das ‚Verständnis‘ der Ereignisse. Der interaktive Prozess des Sensemaking (Abb. 1) wird ausgelöst durch die Wahrnehmung eines Ereignisses, das so nicht erwartet wurde und durchläuft folgende Phasen: (1) Eine unerwartete Diskontinuität abseits der Routine im Alltag wird als eine Art „Rohmaterial“ aus dem Erlebnisstrom als ein zu deutendes (d. h. ein mit Bedeutung zu belegendes) Ereignis eingeklammert und damit markiert. (2) Aus den an sich möglichen Bedeutungszuordnungen wird dann anhand eines für alle Beteiligten vertrauten Referenzrahmens bzw. einer Interpretationsgewohnheit aus speziellen, immer wieder herangezogenen Bezugspunkten (z. B Kundennutzen, Liefertreue, Qualitätsstandards, Kostensenkung, Kostensätze oder Deckungsbeiträge) eine als plausibel eingestufte Deutung herausgefiltert und damit die an sich gegebene Mehrdeutigkeit auf eine Bedeutungszuordnung reduziert. (3) Diese Reduktion erfolgt maßgeblich anhand des immer wieder benutzten Reservoirs an zusammenhängenden mentalen Modellen oder kognitiven Vorstellungen, die letztlich der verfügbaren Wissenslandkarte der Organisation (oder Auszügen daraus) entsprechen.

Quelle: In Anlehnung an Dalucus (2014), S. 65, Weick (1979), S. 132.

Abbildung 1: Der Sensemaking-Prozess 22  Weick

(1995).



Die Systemtheorie im St.  Galler Management-Modell

217

Quelle: eigene Darstellung.

Abbildung 2: Sensemaking als Handlungsvorbereitung

Mit dieser Art der Reduktion von der an sich gegebenen Mehrdeutigkeit wird zugleich auch sichergestellt, dass die neuen Bedeutungszuordnungen zu einzelnen überraschenden Ereignissen stimmig in den bisherigen Vorrat an mentalen Modellen bzw. in die bisherige Wissenslandkarte hineinpassen, die z. B. durch Datenmasken und Kennzahlen konkretisiert werden können. Vergleicht man den im Routinealltag beobachteten Ereignisstrom mit dem Betrachten einer projizierten Filmrolle, dann ist eine unerwartete Diskontinuität abseits der Routine mit einer unerwarteten Filmsequenz vergleichbar, die von zwei Filmschnitten eingeklammert bzw. markiert wird (s. Abb. 2). Aus den möglichen Bedeutungen, die der Zuschauer dieser Sequenz zuordnen kann, wird er mit seiner Interpretationsgewohnheit anhand der ihm vertrauten Bezugspunkte (z. B. „der Held ist gut, der Schurke ist hinterhältig  …“) eine für ihn plausible Deutung herausfiltern. Insbesondere in der späteren Besprechung des Filmes wird er dann mit Freunden oder Bekannten die an sich gegebene Mehrdeutigkeit auf eine Bedeutung reduzieren. Dabei werden die Beteiligten ein ihnen vertrautes Reservoir an zusammenhängenden mentalen Modellen oder kognitiven Vorstellungen benutzen, die

218

Falko Wilms

letztlich einem verfügbaren Hintergrundwissen entspringen. Das Ziel des kommunikativen Sensemaking-Prozesses ist eine gemeinsame als verbindlich eingestufte Verständigung. Im Rahmen der Organisationsentwicklung können so die Beteiligten also durch das Absprechen von dem, was als „Wirklichkeit“ gelten soll, ein gemeinsames Verständnis von ihrer (organisationsintern zu verantwortenden) Wertschöpfung im Kontext des ökonomischen Prinzips erarbeiten. Daher halten insbesondere in örtlich / zeitlich verteilten Wertschöpfungsprozessen die Prozessbeteiligten durch die persönliche direkte Teilnahme an solchen Sensemaking-Prozessen einen wirksamen (Gedanken-)Kontakt zu ihrer Organisation (bzw. Organisationseinheit) und deren Verständnis über die zu verantwortenden Wertschöpfungsprozesse23, deren Schnittstellen und Phasen. Bricht dieser Kontakt ab, ist der einzelne Beteiligte allein auf sein individuelles Denkmuster angewiesen und das Ableiten übergreifender Handlungen wird so gut wie unmöglich. Dieser Prozess des Sensemaking wird folgendermaßen in die Systemtheorie Luhmann’scher Prägung überführt: Ein beobachteter Unterschied wird benannt und anhand von einem System von Bezugspunkten eine Bedeutung zugerechnet. Diese Zuordnungsoperation dient der Generierung neuer, konsistent in das aktuelle Verständnis der (optimierten) Wertschöpfung passende Versatzstücke. Sensemaking wird dabei verstanden als die oszillierende Operation der Einheit der Differenz von Verständnis der (optimierten) Wertschöpfung einerseits und dem benannten beobachteten Unterschied, dem anhand eines Systems von Bezugspunkten eine Bedeutung zugerechnet wird. Diese Oszillation innerhalb des implizit mitlaufenden Kontextes des ökonomischen Prinzips (der einzusetzende Input ist mit dem zu erwartenden Output ins Verhältnis zu setzen und gemäß bestimmter Präferenzen eine rationale Nutzen- bzw. Gewinnmaximierung anzustreben). Die dazugehörende Notation gemäß dem Kalkül der Form lautet

Sensemaking =

beobachteter Unterschied

System aller Bezugspunkte

Verständnis der Wertschöpfung

Quelle: eigene Darstellung.

Abbildung 3: Sensemaking als oszillierende Operation 23  Dalucus

(2014), S. 65.

das ökonomische Prinzip



Die Systemtheorie im St. Galler Management-Modell

219

In einem Sensemaking-Prozess verwenden verschiedene Beteiligte in i­ hren Beobachtungen und deren Versprachlichung subjektive Unterschei­ dungen in ihren subjektiv gesetzten Kontexten mit ihren subjektiven Benennungen. Sozialkybernetisch ausgedrückt: Zwischen einander beobachtenden Beobachtern werden in einer an sich poly-kontexturellen Welt subjektive Beobachtungsergebnisse kommuniziert.

III. Fazit und Ausblick Die hier skizzierte sozialkybernetische Analyse der systemtheoretischen Grundlagen des aktuellen St. Galler Management-Modells entfaltete den Gedankengang zu folgenden Notationen: (1)  Die Form der Unterscheidung: Form = marked space

  unmarked space

(2)  Die vollkommene Form der Unterscheidung:

Form =

marked space

unmarked space

space

(3)  Die Form der rekursiven Einheit der System / Umwelt-Differenz: System =

System

Umwelt

(4) Die vollkommene Form der rekursiven Einheit der System / UmweltDiffe­renz:

System =

System

Umwelt

Kontext

(5)  Die Form der rekursiven Einheit der Schlüsselkategorien:

Einheit =

Umwelt

Organisation

Management

220

Falko Wilms

(6)  Die Form der rekursiven Einheit des Sensemaking-Prozesses:

Sensemaking =

beobachteter Unterschied

System aller Bezugspunkte

Verständnis der Wertschöpfung

das ökonomische Prinzip

Dieser der Sozialkybernetik verpflichtete Gedankengang erfasste die grundlegenden Schlüsselkategorien und den grundlegenden SensemakingProzess des St.  Galler Management-Modells der 4.  Generation kompatibel zur Systemtheorie 2. Ordnung. Damit sind viele Anknüpfungspunkte für interdisziplinäre Ansätze in der wirtschafts- und sozialkybernetischen Managementforschung geliefert. Genau das war das Ziel des Beitrags. Diese Anknüpfungspunkte sind nötig, denn: Jede wirtschafts- und sozialkybernetische Diskursarena wird von Fachexperten bevölkert, die in ihren Beobachtungen und deren Versprachlichung subjektive Unterscheidungen in ihren subjektiv gesetzten Kontexten mit ihren subjektiven Benennungen verwenden. Die Akteure sind einander beobachtende Beobachter, die sich in einer poly-kontexturelen Welt subjektive Beobachtungsergebnisse kommunizieren. Mit sozialkybernetischen Analysen können die in diesen inter- und intradisziplinären Diskursen und Diskussionen benutzten Unterscheidungen und ihre Kontexte dokumentiert werden, um wenigstens für die Zeit des Gespräches die wirksame Poly-Kontexturalität soweit abzumildern, dass zugleich integrative, konsistente und theoretisch fundierte Brücken zwischen den beteiligten Fachdisziplinen erarbeitet werden können. Damit würden bislang wirksame Trennungslinien zwischen sozial- und ingenieurwissenschaftlichen Fachdisziplinen überwunden. Literaturverzeichnis Baecker, D. (2007): Form und Formen der Kommunikation, Frankfurt am Main. Dalucus, E. (2014): Organisation und Fiktion. Zur sinnstiftenden Gestaltung unternehmerischer Realität, Diss. Nr. 4340 der Universität St.  Gallen, St.  Gallen. Foerster, H. v. (1993): KybernEthik, Merve: Berlin. – (1985): Sicht und Einsicht, Braunschweig / Wiesbaden. – (1979): Cybernetics of Cybernetics, in: K. Krippendorff (Ed.): Com­munication and Control in Society, Gordon and Breach: New York, S. 5−8.



Die Systemtheorie im St. Galler Management-Modell

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Kibéd, V. v. / Matzka, R. (1993): Motive und Grundgedanken der Gesetze der Form, in: D. Baecker (1993) (Hrsg.), Kalkül der Form, Frankfurt, S. 58−85. Luhmann, N. (2008): Wie ist das Bewusstsein an Kommunikation beteiligt?, in: ders.: Soziologische Aufklärung 6, Wiesbaden (3. Aufl.), S. 38–54. – (2006): Organisation und Entscheidung, 2. Aufl., Wiesbaden. – (1992): Die Wissenschaft der Gesellschaft, Frankfurt am Main. Maturana, H. (1982): Erkennen. Die Organisation und Verkörperung von Wirklichkeit, Vieweg: Braunschweig; angelehnt an: Maturana, H. (1980), Biology of Cognition, Biological Computer Laboratory Research Report BCL 9.0., Urbana IL: University of Illinois, 1970. As Reprinted in: Autopoiesis and Cognition: The Realization of the Living Dordecht: D. Reidel Publishing Co., S. 5–58. Rüegg-Stürm, J. / Grand, S. (2014): Das St. Galler Management-Modell. 4. Genera­ tion, Bern u. a. 2014. Shannon, C. L. (1948): A mathematical theory of communication, in: Bell System Technical Journal, Vol. 27, S. 379−423 u. S. 623−656, Juli und Oktober 1948. Spencer-Brown, G. (1969): Laws of form, London. – (1997): Laws of Form. Gesetze der Form, Lübeck 1997. Weick, K. E. (1995): Sensemaking in Organizations. Foundations for Organizational Sciences, London. Willke, H. (1996): Systemtheorie I: Grundlagen, 5. Aufl., Stuttgart: Lucius & Lucius, S. 167 f. Wilms, F. E. P. (2014): Unterscheidung als Grundoperation in sozialen Systemen. In: S. N. Grösser / M. Schwaninger et  al. (Hrsg.), Modellbasiertes Management. Berlin, S. 35–49.

Autorenverzeichnis Größler, Andreas, Prof. Dr., Universität Stuttgart BWI, Keplerstraße 17, 70174 Stuttgart, [email protected] Andreas Größler hat 2016 die Leitung des neu-gegründeten Lehrstuhls für ABWL und Produktionswirtschaft an der Universität Stuttgart übernommen. Zuvor war er neun Jahre als Associate Professor an der Radboud University in Nijmegen (NL) tätig, wo er u. a. einen Erasmus-Mundus-Studiengang von vier europäischen Universitäten leitete. Prof. Größler wurde an der Universität Mannheim habilitiert (2006) und promoviert (2000). Dort und an der Aristoteles Universität in Thessaloniki hat er Wirtschaftsinformatik studiert. Prof. Größler ist Editor der System Dynamics Review und der Operations Management Research. Er hat eine leitende Position bei der European Operations Management Association, der System Dynamics Society, der Deutschen Gesellschaft für System Dynamics und der Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialkybernetik inne. Junglas, Iris, Dr., Associate Professor of Management Information Systems, Florida State University, College of Business, Department of Business Analytics, Informa­ tion Systems and Supply Chain, 821 Academic Way, Tallahassee, FL 32306-1110 USA, [email protected] Iris Junglas ist Associate Professor of Management Information Systems am Department of Analytics, Information Systems and Supply Chain der Florida State University. Sie studierte Informatik (Dipl.-Inf.) an der Universität Koblenz-Landau und promovierte an der University of Georgia (Ph.D.) in Wirtschaftsinformatik. Vor ihrer akademischen Karriere war Dr. Junglas für mehrere internationale ITBeratungsunternehmen, u. a. PricewaterhouseCoopers und Accenture, tätig. Ihr Forschungsschwerpunkt ist das breite Spektrum Technologie-getriebener Innovation. Dies umfasst die Bereiche Ubiquitous Commerce, medizinische Informationssysteme, Consumerization sowie Business Analytics mit Schwerpunkt Textanalyse. Dr. Junglas ist Autor von mehr als 60 begutachteten Journal- und Konferenz-Artikeln. Diese erschienen u. a. im European Journal of Information Systems (EJIS), Information Systems Journal (ISJ), Journal of Strategic Information Systems (JSIS), Journal of the Association for Information Systems (JAIS), Management Information Systems Quarterly (MISQ). Dr. Junglas ist zudem Senior Associate Editor für das European Journal of Information Systems (EJIS) und Mitglied der Editorial Boards von JSIS, MIS Quarterly Executive (MISQE) sowie den Communications of the Association for Information Systems (CAIS). Kapmeier, Florian, Prof. Dr., ESB Business School, Hochschule Reutlingen, Alteburgstr. 150, 72762 Reutlingen, [email protected] Florian Kapmeier is professor for strategy and international project management at the ESB Business School of Reutlingen University, where he teaches system

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dynamics in Bachelor and Master study programs. Prior to that, he has worked on analyzing strategic questions with system dynamics at PA Consulting Group. He is a founding member and currently voted to be the President of the Deutsche Gesellschaft für System Dynamics e. V., the German Chapter of the System Dynamics Society, and a member of the GWS. He received his PhD from the University of Stuttgart and has taught system dynamics at different universities in Germany, France, and Egypt. He was a visiting scholar with MIT’s System Dynamics Group in Cambridge, MA. Klein, Louis, Dr., Systemic Excellence Group, Marienstraße 20, 10117 Berlin, [email protected] Dr. Louis Klein is a leading expert in the field of systemic change and complex project management on a global, cross-cultural stage. He is the founder of Systemic Excellence Group and since 2001 Consortial Partner & President. Dr. Klein studied management sciences, cybernetics, sociology, anthropology, psychology, philosophy, politics and economics at universities in Germany and the UK. Dr. Klein holds a PhD in systems theory-based sociology. He is chairman of the Focus Group on Social and Cultural Complexity with the International Center for Complex Project Management (ICCPM). He serves currently as Vice President of the International Society for the Systems Sciences (ISSS) and director at the World Organisation of Systems and Cybernetics (WOSC). He is member of the German Society for Political Consultants (degepol). He served as Head of Project Studies at HUMBOLDT-VIADRINA School of Governance, and at the faculty of the Berlin School of Creative Leadership. Kreidler, Anja, Universität Stuttgart  – Institut für Diversity Studies in den Inge­ nieurwissenschaften, Pfaffenwaldring 9, 70569 Stuttgart, [email protected] Anja Kreidler studierte Technische Kybernetik an der Universität Stuttgart. Während des Studiums vertiefte sie unter anderem das Fach „Wirtschaftskybernetik“. Seit 2010 ist Anja Kreidler wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin am Institut für Diversity Studies in den Ingenieurwissenschaften (IDS) der Universität Stuttgart. Anja Kreidlers Arbeitsschwerpunkte am IDS und in ihrer Dissertation sind die Modellierung und Simulation von Kreativität und Innovationsfähigkeit heterogener Forschungs- und Entwicklungsteams. Lahl, Kristina, Dr., IMA / ZLW & IfU, RWTH Aachen University, Dennewartstr. 27, 52068 Aachen, [email protected] Kristina Lahl studierte Germanistik, Anglistik und Geschichte in Köln, Prag und Cambridge. Als Stipendiatin der im Rahmen der Exzellenzinitiative geförderten a.r.t.e.s. Graduate School for the Humanities Cologne promovierte sie über Identitätsentwürfe im transkulturellen Raum am konkreten Beispiel der deutschsprachigen Literatur Böhmens und Mährens in der Zeit der Ersten Tschechoslowakischen Republik. Im Rahmen ihrer Lehrtätigkeiten an den Universitäten in Köln und Olmütz sowie in ihren Publikationen beschäftigte sich Kristina Lahl vor allen Dingen mit soziokulturellen Bezügen in der deutschsprachigen Literatur von der Aufklärung bis zur Gegenwart mithilfe transdisziplinärer Ansätze. Seit März 2015



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übernimmt sie die Forschungsgruppenleitung der Wirtschafts- und Sozialkybernetik am Institutscluster IMA / ZLW & IfU der RWTH Aachen. Plumanns, Lana, IMA / ZLW & IfU, RWTH Aachen University, Dennewartstr. 27, 52068 Aachen, [email protected] Lana Plumanns studierte Psychologie mit dem Schwerpunkt Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität Maastricht, der RWTH Aachen University sowie der Concordia University, Montreal. Der Schwerpunkt ihrer Forschung liegt im Bereich Mensch-Maschine Interaktion, Change- und Innovationsmanagement. Pölz, Philipp, Reutlingen University, Kastanienweg 24, 78549 Spaichingen, philipp. [email protected] Philipp Pölz holds a B. Sc. degree in International Business from ESB Business School at Reutlingen University. In his thesis, he focused on analyzing management approaches and tools with regard to competitive blind spot identification. During his studies, he gained experience with automotive manufacturers and strategy consultancies. Printz, Stephan, IMA / ZLW & IfU, RWTH Aachen University, Dennewartstr. 27, 52068 Aachen, [email protected] Stephan Printz studierte Wirtschaftsingenieurwesen mit der Fachrichtung Maschinenbau an der RWTH Aachen University. Im Rahmen seiner Dissertation liegt der Forschungsschwerpunkt auf der Entwicklung einer Methodik zur Quantifizierung von Unsicherheiten im Beschaffungsprozess produzierender KMU. Rehm, Sven-Volker D., Dr.-Ing., WHU  – Otto Beisheim School of Management, Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik und Informationsmanagement, Campus Vallendar, Burgplatz 2, 56179 Vallendar, [email protected] Sven-V. Rehm ist Lehrstuhlvertreter des Lehrstuhls für Wirtschaftsinformatik und Informationsmanagement an der WHU – Otto Beisheim School of Management in Vallendar am Rhein seit Oktober 2016. Zuvor war er seit 2007 an der WHU als Juniorprofessor tätig. Seine Forschung betrachtet Informations-, Wissens- und Innovationsmanagement in Unternehmensnetzwerken und umfasst qualitative empirische sowie gestaltungsorientierte Ansätze. Er publiziert zur Wirtschaftsinformatik und Managementkybernetik. Dr. Rehm studierte Technische Kybernetik an der Universität Stuttgart wo er 2006 zu einem Thema der Managementkybernetik promovierte und habilitierte sich 2014 an der WHU. Er nimmt Lehraufträge an der Universität Stuttgart und der Universität Straßburg wahr. Er ist Vorstandsmitglied der Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialkybernetik (GWS e. V.). Seit mehr als 15 Jahren ist er in der anwendungsorientierten Forschung im Rahmen von industriellen Gemeinschaftsforschungsprojekten tätig und hat als Experte für die Europäische Kommission im Bereich der Technologieintegration für industrielle Anwendungen gearbeitet.

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Scholz, Christian, Prof. Dr., Universität des Saarlandes, Campus A54, 66123 Saarbrücken, [email protected] Nach seinem Studium und seiner Assistententätigkeit an der Universität Regensburg sowie Forschungsaufenthalten an der Harvard Business School ist Univ.Prof. Christian Scholz seit 1986 Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Organisation, Personal- und Informationsmanagement an der Universität des Saarlandes. Prof. Scholz war im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Personalführung, publiziert in wissenschaftlichen Zeitschriften und schreibt regelmäßig Kolumnen, beispielsweise für die WELT, für manager-magazin.de sowie im STANDARD und bloggt als „Per Anhalter durch die Arbeitswelt“. Er war 25 Jahre He­rausgeber der Zeitschrift für Personalforschung und ist Autor von „Spieler ohne Stammplatzgarantie“ (2003), „Hochleistung braucht Dissonanz“ (2010), „Generation Z“ (2014) und „Schizo-Wirtschaft“ (2015). Prof. Scholz wurde sechsmal in Folge auf die Liste der „40 führenden Köpfe im Personalwesen“ gewählt und 2015 in die personalwirtschaftliche „Hall of Fame“ aufgenommen. Squillante, Fabio, Telekom AG GmbH, PG1030, Landgrabenweg 151, Bonn, c / o Postfach 1763, 49007 Osnabrück, [email protected] Fabio Squillante ist Stellvertretender Leiter der Abteilung Business Analytics im Bereich Marketing Intelligence bei der Telekom Deutschland GmbH. Herr Squillante ist seit neun Jahren für die Deutsche Telekom AG tätig. Aktuell verantwortet er die Themen Markt- und Portfolio-Analyse und arbeitet zudem in verschiedenen Projekten im System Dynamics Umfeld mit. Theisinger, Thorsten, Telekom AG GmbH, PG1030, Landgrabenweg 151, Bonn, c / o Postfach 1763, 49007 Osnabrück, [email protected] Thorsten Theisinger ist Leiter der Abteilung Business Analytics im Bereich Marketing Intelligence bei der Telekom Deutschland GmbH. Nach nunmehr fünfzehnjähriger Konzernzugehörigkeit in verschiedenen Positionen verantwortet Herr Theisinger aktuell neben Portfolio-Analysen und dem Peak Traffic Forecast für den Netzausbau die Etablierung innovativer Prognoseansätze im Konzern der DTAG. Tilebein, Meike, Prof. Dr., Institut für Diversity Studies in den Ingenieurwissenschaften, Universität Stuttgart, Pfaffenwaldring 9, 70569 Stuttgart, meike.tilebein@ ids.uni-stuttgart.de Meike Tilebein absolvierte ein Studium der Technischen Kybernetik an der Universität Stuttgart und promovierte dort an der wirtschafts- und sozialwissenschaft­ lichen Fakultät. Als Juniorprofessorin für Innovationsmanagement an der European Business School in Oestrich-Winkel leitete Meike Tilebein anschließend das dortige Competence Center Innovation Management für anwendungsorientierte Innovationsforschung. Ende 2009 wurde Meike Tilebein als Leiterin des neu eingerichteten Instituts für Diversity Studies in den Ingenieurwissenschaften (IDS) an die Universität Stuttgart berufen. Im Fokus der Arbeiten am IDS an der Schnittstelle von Ingenieur- und Wirtschaftswissenschaften stehen die Wirkung und Gestaltung von Aspekten der Vielfalt in komplexen sozio-technischen Systemen. Im Jahr



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2011 übernahm Meike Tilebein zusätzlich die Leitung des Zentrums für Management Research (DITF-MR) der Deutschen Institute für Textil- und Faserforschung Denkendorf. Meike Tilebein ist Autorin zahlreicher Veröffentlichungen in den Themenfeldern Strategisches Management, Complexity Science, Innovationsmanagement, produktnahe Dienstleistungen sowie Diversität und Innovation. Vogt, Simeon, Institut für Diversity Studies in den Ingenieurwissenschaften, Universität Stuttgart, Pfaffenwaldring 9, 70569 Stuttgart, [email protected] Simeon Vogt studierte Technische Kybernetik an der Universität Stuttgart. Während des Studiums vertiefte Simeon Vogt unter anderem das Fach „Wirtschafts­ kybernetik“. Seit 2013 ist Simeon Vogt wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand am Institut für Diversity Studies in den Ingenieurwissenschaften (IDS) der Universität Stuttgart. In kleinerem Umfang ist Simeon Vogt außerdem wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für Management Research (DITF-MR) der Deutschen Institute für Textil- und Faserforschung Denkendorf. In seiner Dissertation wird sich Simeon Vogt mit der Frage auseinandersetzen, wie die Resilienz von Unternehmen erhöht werden kann. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der Vermittlung der Zusammenhänge zur Erhöhung der organisationalen Resilienz. Wilms, Falko E. P., Prof. Dr., FH Vorarlberg, Hochschulstr. 1, A-06850 Dornbirn, [email protected] Falko E. P. Wilms ist promovierter Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler. Er ist seit 1995 in der Beratung tätig und seit 1998 Hochschullehrer an der Fachhochschule Vorarlberg. Er ist Berater für Führungskräfte im Profit  – sowie im NONProfit- Bereich, ist Administrator des Wikipedia-Portals Organizational Behaviour, dem österreichischen Beitrag zum Wikipedia Education Programm und ist außerdem als Autor, Redner sowie Herausgeber einer Fachzeitung tätig.