Interkulturelle Kooperation: Wissenschaftliche Jahrestagung der Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialkybernetik vom 6. und 7. Oktober 2005 in Greifswald [1 ed.] 9783428522569, 9783428122561

Vorteile der "Globalisierung" sind auf interkultureller Zusammenarbeit begründet. Interkulturalität bedeutet i

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Interkulturelle Kooperation: Wissenschaftliche Jahrestagung der Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialkybernetik vom 6. und 7. Oktober 2005 in Greifswald [1 ed.]
 9783428522569, 9783428122561

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Wirtschaftskybernetik und Systemanalyse Band 24

Interkulturelle Kooperation Wissenschaftliche Jahrestagung der Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialkybernetik vom 6. und 7. Oktober 2005 in Greifswald

Herausgegeben von

Ricarda B. Bouncken

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

RICARDA B. BOUNCKEN (Hrsg.)

Interkulturelle Kooperation

Wirtschaftskybernetik und Systemanalyse Herausgegeben von

Prof. Dr. Jörg Baetge, Münster/Westfalen Prof. Dr. Heribert Meffert, Münster/Westfalen Prof. Dr. Karl-Ernst Schenk, Hamburg Prof. Dr. Bernd Schiemenz, Marburg Band 24

Interkulturelle Kooperation Wissenschaftliche Jahrestagung der Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialkybernetik vom 6. und 7. Oktober 2005 in Greifswald

Herausgegeben von

Ricarda B. Bouncken

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialkybernetik e. V. Frankfurt am Main Sekretariat: Institut für Textil- und Verfahrenstechnik Postfach D-73766 Denkendorf Tel. ++ 49 711 93 400 Fax ++ 49 711 93 40 297

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten # 2006 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-6992 ISBN 3-428-12256-9 978-3-428-12256-1 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Internationalisierung und Globalisierung sind in aller Munde – und nicht ohne Grund. Vorteile, Nachteile und sogar Bedrohungen sind vielfältiger Natur und werden aus unterschiedlichster Perspektive ausgedehnt diskutiert. Auch Konsequenzen internationaler Kontakte innerhalb von Unternehmen und zwischen Unternehmen sind breit und weit reichend. Internationalisierung bietet für die verschiedenen Beteiligten in Unternehmen insbesondere dann Vorteile, wenn die Zusammenarbeit stärker Elemente von Kooperation, denn von Konkurrenz trägt. Bei kooperativer Zusammenarbeit werden die jeweiligen Leistungsbeiträge im Regelfall nicht exakt vereinbart, sondern indirekt durch den Beziehungskontext reguliert und im Konsens durch Selbststeuerung der Akteure abgestimmt. Gerade auf den kooperativen Umgang, noch stärker als im Rahmen der Internationalisierung ohnehin, wirkt allerdings die national geprägte kulturelle Zugehörigkeit der interagierenden Personen. Unterschiedlich geprägte Verhaltensweisen und Werte treffen aufeinander und nehmen bei einer gemeinsamen Aufgabenbewältigung Einfluss auf den Prozess und das Ergebnis. Der an einem nationalen Kontext angelehnte Kulturbegriff ist jedoch multidimensional und recht vielfältig konzeptionalisiert. Populär sind im internationalen Kontext vor allem vier Kulturmodelle, die Überschneidungen aufweisen: Hofstede, Turner und Trompenaars, Hall & Reed-Hall sowie Schwarz. Hofstede unterscheidet vorrangig vier Kulturdimensionen: (1) Unsicherheitsvermeidung, (2) Maskulinität versus Femininität, (3) Machtdistanz sowie (4) Individualismus versus Kollektivismus. Hall & ReedHall prägen die Unterscheidung von Kontext-, Raum- und Zeitorientierung sowie Informationsgeschwindigkeit. Turner & Trompenaars gehen von sechs Kulturdimensionen aus: (1) Universalismus versus Partikularismus, (2) Individualismus versus Kollektivismus, (3) Affektivität versus Neutralität, (4) Spezifität versus Diffusität, (5) Statuszuschreibung versus Statuserreichung sowie (6) polychrones versus monchrones Zeitverständnis. Schwarz bildet drei Dimensionen: (1) Soziale Einbindung versus Autonomie, (2) Hierarchie versus Egalität, (3) Beherrschung versus Harmonie mit der natürlichen und sozialen Umwelt. Interkulturelle Kooperation hat also nicht nur eine hohe Relevanz, sondern bietet umfangreich Raum für Untersuchungen in und zwischen Unternehmen.

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Vorwort

Diese Relevanz griff das Thema „Interkulturelle Kooperation“ der Tagung der Wirtschafts- und Sozialkybernetik vom 6.–7. Oktober 2005 an der Universität Greifswald auf. Aus einer Vielzahl von Beitragsvorschlägen im Vorwege der Tagung wurden 30 Vorträge ausgewählt, die auf ein reges Interesse bei den Tagungsteilnehmern stießen. Die Vorträge verdeutlichten die Aktualität und Breite der Thematik „Interkulturelle Kooperation“. Aus guter Tradition wurden die Beiträge in dem Ihnen vorliegenden Tagungsband zusammengefasst, um eine breitere Öffentlichkeit an den Ergebnissen teilhaben zu lassen. Der diesjährige Tagungsband, mittlerweile Band 24, der Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialkybernetik befasst sich mit dem System interkultureller Kooperation aus unterschiedlichsten Perspektiven. Vierundzwanzig Beiträge, strukturiert in sechs Teile, geben Auskunft über verschiedene Problemfelder und Lösungsmöglichkeiten. Reflektionen über Kultur, mit starken Bezügen zur Systemtheorie und Kybernetik, bietet der Teil A. Auf die Kooperation in dem interkulturellen System gehen die Beiträge in Teil B ein. Die Ausführungen sind dabei theoretischreflektierend und empirisch durch Fallstudien angereichert. Die Koordination von Mitarbeitern, Kompetenzen und Tochtergesellschaften im System der internationalen Unternehmung wird in Teil C untersucht. Interkulturelle Kooperation mit all ihren Problemen wird besonders offenbar, wenn Menschen unterschiedlicher kultureller Couleur eng zusammenarbeiten – insbesondere in Teams. Teil D liefert unterschiedliche Betrachtungen zur direkten Zusammenarbeit in globalen Teams. Die Findung und Durchsetzung von neuen Ideen, die durch internationale Märkte aber auch Kreativitätsprozesse durch eine Zusammenarbeit von Menschen mit interkulturellen Hintergründen getrieben werden kann, wird in Teil E behandelt. Verschiedene Konzepte und Beispiele über Institutionalisierungen und Instrumente liefern die Beiträge in Teil F. Mein Dank gilt verschiedenen Stakeholdern der Tagung: Referenten, Sitzungsleitern und Tagungsteilnehmern, insbesondere den Mitarbeitern des Lehrstuhls Organisation, Personal sowie Innovationsökonomie, die mit viel Engagement zum Erfolg der Tagung beigetragen haben. Greifswald, im April 2006

Ricarda B. Bouncken

Inhaltsverzeichnis Teil A: Reflektionen über Kultur und Interkulturalität Marie-Theres Albert Was ist Interkulturelle Kompetenz? Was ist Interkulturalität? .............................. 13 Hellmut Loeckenhoff Transcultural Transdisciplinarity: A Systems Issue? ............................................. 21 Louis Klein Kultur, Führung und Kontingenz: Von der primären Kontingenzerfahrung zur Cultural Mastery.............................................................................................. 35 Falko E. P. Wilms Umgang mit unscharfen Informationen ................................................................. 47

Teil B: Interkulturelle Zusammenarbeit Marion A. Weissenberger-Eibl und Patrick Spieth Intercultural Co-operation: A Consequence of Cultural Constraints in Managing Knowledge ........................................................................................... 61 Amei Koll-Stobbe Natural and Social Language in Intercultural Cooperation ................................... 77 Sven-Volker Rehm und Thomas Fischer Ausprägung, Rolle und Bewahrung von Individualität in Kulturen der Kooperation........................................................................................................... 89 Margret Richter Kommunikative Konflikthandhabung .................................................................. 101 Kristjan Ambroz and Camilo Olaya Failure to Learn from Cross-cultural Interaction: Lessons from a Simulation Model of the Greenland Norse Colony................................................................. 115

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Marco Waage und Manfred Bornewasser Kooperationserfahrungen und Sicherheitsempfinden im Kontext der europäischen Integration ............................................................................................. 129

Teil C: Globale Unternehmen Lilia Waehlert Unternehmensethik als Problemfeld und Chance interkultureller Kooperationen – betrachtet aus systemtheoretischer Sicht ............................................. 147 Paul Flachskampf und Christiane Michulitz Zum Management internationaler Tochtergesellschaften ..................................... 157 André Stoffels und Andreas Altemark Kybernetisches Modell des Kompetenzmanagements .......................................... 169 Jürgen Deller and Anne-Grit Albrecht Expatriate Success................................................................................................ 181

Teil D: Globale Teams Michael Busch Bedeutung und Gestaltung von Situation Awareness in virtuellen Teams ........... 197 Meike Tilebein Eine strukturwissenschaftliche Betrachtung von Diversity Management ............. 213 Jörg Müller-Lietzkow und Ricarda B. Bouncken Internationalisierung in der Computer- und Videospielindustrie: Erfolg durch interkulturelle Teams? ................................................................................ 227

Teil E: Innovation und Gründung im interkulturellen Kontext Thorsten Teichert and Thomas Lechler Innovation Failure in an International Joint Venture: Exploring the Need for a Global Innovation Strategy .......................................................................... 243 Birgitte Snabe, Andreas Größler and Peter M. Milling Policies and Politics of Establishing R&D Capacity in Low-Cost Locations....... 257

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Ricarda B. Bouncken and Keith J. Perks Founder Team Perceptions in Cross-Cultural Start-ups ....................................... 269

Teil F: Institution und Kultur Markus Schwaninger Das virtuelle Klassenzimmer – eine interkulturelle Brücke?................................ 281 Reinhard Tietz Kausaldiagramme als Kooperationsinstrument – Zusammenhänge zwischen Studiengebühren, Wehrpflicht und Rentensanierung ........................... 291 Bernhard Kroll Bedingungen und Grenzen sozioökonomischer Strategien für die Europäische Union – einige systemtheoretisch fundierte Überlegungen.............. 305 Rolf Pfeiffer International Best Factory Awards (IBFA) – Ein interkulturelles Benchmarking-Kooperations-Projekt? ................................................................. 317

Teil A Reflektionen über Kultur und Interkulturalität

Was ist Interkulturelle Kompetenz? Was ist Interkulturalität? Von Marie-Theres Albert

A. Einführung „Was ist Interkulturelle Kompetenz?“ „Was ist Interkulturalität?“ Komplexe Fragen erfordern komplexe Antworten. Ich möchte daher meinen Beitrag mit einer Geschichte einleiten. Eine englische Katzenmutter spaziert mit ihren Kids gemächlich über die Straßen einer englischen Kleinstadt; so wie Katzen eben herumspazieren, miauend und schnurrend, als sie sich plötzlich einem deutschen Rottweiler gegenüberstehen sehen. Dieser Hund scheint ein besonders katzenfeindliches Exemplar seiner Gattung zu sein. Er sieht die Katzenfamilie wild an, und es scheint so, als würde er sich auf sie stürzen und ein Massaker anrichten. Die Katzenmutter flüstert ihren Kids etwas zu, und plötzlich prescht die gesamte Familie vor und bellt. Die Mutter bellt woof, woof. Die Kids geben Töne ab, die zwischen wau wau und wauuuu wauuuu alles beinhalten, wozu Katzen in der Lage sind, wenn sie Hundegebell intonisieren müssen. Der Rottweiler erschrickt. Er stellt sich auf die Hinterbeine und sucht das Weite. Seht ihr, sagt die Katzenmutter zu ihren Kids, es ist von Vorteil, eine Fremdsprache zu sprechen. Jedoch muss man auch in der Fremdsprache wissen, zu wem man was, in welcher Situation, wie und mit welcher Intonation sagt. Die Geschichte enthält mehrere Ebenen von Interkultureller Kompetenz, die sich in Laufe der kulturellen und technologischen Entwicklungen von Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft als Qualifizierungs- und Handlungsbedarf an jeweils lokale, regionale und internationale Institutionen im Prozess der Globalisierung heraus gebildet haben (Albert 2003, Stiglitz 2002). Die erste Ebene ist die im Kontext der Internationalisierung von Lebensbereichen notwendige Ausweitung und Vertiefung fremdsprachlicher Kompetenzen. Fremdsprachenkenntnisse in mehreren Sprachen sind heute für alle Berufsfelder unabdingbar geworden und gelten schon seit vielen Jahren als notwendige Soft Skills und damit als immanente Einstellungsvoraussetzungen für Führungskräfte. Die zweite Ebene ist die der Fachsprachenkompetenzen bezogen auf den jeweiligen fachlichen und disziplinären Kontext, in dem Führungskräfte tätig

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sind. Fachsprachenkenntnisse sind nicht gleichzusetzen mit Englisch als Lingua Franca, wenngleich auch bei der Anwendung von Fachsprachen die Durchsetzung des Englischen zu beobachten ist. Dennoch sind Fachsprachenkenntnisse an die Entwicklungen eines jeweiligen Faches oder einer Disziplin geknüpft. Sie erfordern somit Kenntnisse von solchen Sprachen, in denen fachliche Entwicklungen stattfinden. Das betrifft zum Beispiel Deutschkenntnisse bspw. in der Umwelttechnologie oder Italienischkenntnisse bspw. im Produktdesign. Die dritte Ebene ist die der Interkulturellen Kompetenz als Handlungskompetenz. Handlungskompetenz ist mehr noch als Sprachkompetenz zu einer unersetzbaren Schlüsselqualifikation geworden. Sie beruht weniger auf erlernten Fertigkeiten und Kenntnissen als mehr auf Fähigkeiten und persönlichem Verhalten. Handlungskompetenz ist deswegen durch formalisierte Lernprozesse schwer zu vermitteln. Vielmehr benötigt die Herausbildung von Handlungskompetenz ein Spektrum an Lernmöglichkeiten und Lernorten, in denen Prozesse des Erfahrungslernens stattfinden (Albert/Epstein 2005) Greift man vor diesem Hintergrund das Beispiel der bellenden Katzen wieder auf, dann hatte sich die Interkulturelle Kompetenz der Katzenmutter darin ausgedrückt, dass sie in der Lage gewesen war, dem Rottweiler eine Botschaft zu vermitteln, die er in der von ihr gewünschten Weise verstanden und beantwortet hat. Mit anderen Worten: es war ihr gelungen, die für die Familie bedrohliche Situation positiv zu wenden, indem sie den Hund hatte veranlassen können, das Weite zu suchen. Welche Kenntnisse, welche Fähigkeiten und Fertigkeiten hatte sie dazu benötigt? Sie musste in ausreichender Weise die Hundesprache kennen, um sich verbal und nonverbal verständlich machen zu können, da der Hund die Katzensprache nicht beherrschte. Sie musste wissen, welches verbale mit welchem nonverbalen Verhalten in welcher Situation korrelieren würde, um erfolgreich zu sein. Das heißt, sie benötigte ausreichende Vorstellungen und ein entsprechendes Wissen über die verbalen und nonverbalen Kommunikationsformen von Hunden im Allgemeinen und von diesem Rottweiler im Besonderen. Sie benötigte weiterhin Einschätzungsfähigkeiten bezogen auf potenzielle Handlungen des Hundes. Sie musste wissen, wodurch der Rottweiler zu veranlassen war, das Feld zu räumen. Das heißt, sie benötigte Empathie für die Gefühlswelt des Hundes, die sie befähigte, eine Situation zu erzeugen, die ihn zur Flucht veranlasste. Kenntnisse zur Lösung dieses Konfliktes benötigte sie aber auch in Hinblick auf ihre Kids. Sie hatte nämlich auch noch ihre verängstigten Kids für die gemeinsame Aktion gewinnen müssen. Allein hätte sie möglicherweise den Hund nicht in die Flucht schlagen können.

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Nicht zuletzt musste sie selbst über die wichtige Voraussetzung der Ambiguitätstoleranz verfügen, das heißt, sie musste fähig sein, in dieser gefährlichen Situation zu handeln, ohne das Ergebnis ihres Handelns wirklich zu kennen. Es hätte auch sein können, dass ihre Handlung keine positiven Folgen gezeigt hätten. Insofern musste sie mit der Uneindeutigkeit der Situation umgehen.

B. Was ist Interkulturelle Kompetenz? Interkulturelle Kompetenz, wie sie am Beispiel dieser Katzenfamilie verdeutlicht wurde, ist eine besondere Schlüsselqualifikation, die situationsangemessene Kommunikationen und Aktionen sowie das Denken und Verhalten von Menschen unter den Bedingungen der Globalisierung steuert (Albert 2002, Han 2005). Das heißt, interkulturelle Kompetenz wird Individuen und Gruppen in der Regel in kulturell unbekannten Situationen abverlangt. Das Kriterium der Situationsangemessenheit muss dabei als eine wichtige Voraussetzung für Interkulturelle Kompetenz verstanden werden (Albert 2006). Interkulturelle Kompetenz als situationsangemessenes Verhalten setzt auf der intellektuellen Ebene Kenntnisse über die reale oder zu erwartende Situation voraus. In der Folge davon erfordert Interkulturelle Kompetenz neben Faktenwissen über Kulturen eine gewisse Empathie und Antizipationsfähigkeit im Hinblick auf mögliche Einschätzungen von Situationen und Interpretationen von Abläufen. Auf der affektiven Ebene erfordert Interkulturelle Kompetenz die Fähigkeit, sich trotz der unbekannten Rahmenbedingungen sicher verhalten zu können; also Ambiguitätstoleranz. Ambiguitätstoleranz, Empathie und Antizipation kann von einzelnen wie von Gruppen innerhalb der eigenen sozialen und kulturellen Räume oder Kontexte erwartet werden. Für die Herausbildung dieser Fähigkeiten sorgen die Prozesse der Wert- und Normenbildung in der frühkindlichen Sozialisation und Enkulturation, die jeder einzelne durchläuft (Claessens 1979). Vergleichbare Verhaltensweisen für fremde kulturelle Kontexte zu erwarten, die auf einer Umsetzung fremder Werte und Normen beruhen, widerspricht jedoch den strukturellen Möglichkeiten von Sozialisations- und Enkulturationsprozessen selbst. Alle Sozialisations- und Enkulturationsprozesse sind kulturspezifisch angelegt und zielen darauf ab, eine kulturelle Persönlichkeit auszubilden. Die Fähigkeit, kulturell erlernte und verinnerlichte Wertmaßstäbe auch kulturübergreifend einzusetzen, wird in den genannten Prozessen nicht vermittelt; selbst dann nicht, wenn kulturelle Vielfalt ein Motiv der Ausbildung von Werten ist (Albert 2006). Wann ein Verhalten richtig ist und wann falsch, ob die Intensität, mit der etwas kommuniziert wird, richtig ist oder falsch, hängt damit nur bedingt von den Maßstäben desjenigen ab, der kulturelles Verhalten einer bestimmten Gruppe von außen beobachtet oder der sich als Externer in eine neue kulturelle Gruppe

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begibt. Wann ein Verhalten in einer fremden Gruppe richtig ist und wann falsch, wird in aller Regel von den Angehörigen der Fremdgruppe definiert; und zwar immer unter Einbeziehung der jeweils eigenen geschichtlichen, sozioökonomischen, politischen und kulturell-religiösen Wertmaßstäbe der Fremdgruppe. Es sind die historisch, kulturell herausgebildeten Wertmaßstäbe der Fremdgruppe, mit denen ein richtiges oder ein falsches Verhalten eines neu Hinzugekommenen bestimmt wird. Es sind damit die Wertmaßstäbe, die kulturimmanent in den Prozessen, der Sozialisation und Enkulturation der Menschen herausgebildet worden sind, die individuelles oder auch das Verhalten von Gruppen nachhaltig prägen (Jouhy 1985). Interkulturelle Kompetenz wird deswegen aus einem Spannungsfeld heraus entwickelt. Auf der einen Seite stehen die sozialisationsbedingten Werte und Normen der eigenen Kultur. Es stehen die eigene Sprache sowie deren Kategoriensystem und die kulturelle Identität des Einzelnen im Zentrum. Auf dieser Seite steht ein Spektrum an abrufbaren verbalen und nonverbalen Handlungskompetenzen zur Verfügung. Auf der anderen Seite steht das neue, das Unbekannte, für das die sozialisationsbedingten Erfahrungen fehlen. Und dennoch sind es in interkulturellen Situationen die kulturfremden Verhaltensweisen, die situationsbedingt erforderlich sind und die deswegen „richtiges“ Verhalten und damit Erfolg in der fremden Kultur sichern. Insofern beruht der Erwerb von Interkultureller Kompetenz darauf, Lernprozesse zu initiieren, die den Einzelnen für und in fremden Kulturen handlungsfähig machen. Und das heißt, Lernprozesse zu initiieren, die Kulturen, kulturelle Werte und Normen oder kulturelle Praktiken strukturell und inhaltlich vermitteln. Die Vermittlung von Interkultureller Kompetenz bedeutet damit, den Einzelnen, das Team, die Gruppe oder auch ganze Subkulturen zu befähigen, das Spannungsverhältnis zwischen eigenen Erfahrungen und den Herausforderungen der fremden Welt konstruktiv in Verhalten zu integrieren und es als Bestandteil der Lebenswirklichkeit in der Globalisierung zu begreifen.

C. Was ist Interkulturalität? Die Beantwortung dieser Frage ist einfach und schwierig zugleich. Einfach lässt sich sagen, dass es die Interkulturalität nicht gibt. Interkulturalität umfasst eine Vielzahl disziplinärer Spezialisierungen und Forschungsrichtungen. Diese zu identifizieren und wissenschaftlich bzw. praktisch zu werten, darin besteht eine Schwierigkeit. Interkulturalität ist ein Feld, das interdisziplinär und international jeweils auf der Grundlage eines disziplinären oder nationalen Kategoriensystems bearbeitet wird (Holzbrecher 2004).

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Das Konzept von Interkulturalität entstand in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts im Zuge der weltweiten Arbeitsmigration. Es hat seither viele Deutungsmuster durchlaufen. Deren Grundlage waren allerdings immer die globalen und internationalen Entwicklungen und ihre Einflüsse auf die Lebens-, Arbeitsund Forschungszusammenhänge. Das Gemeinsame der meisten Ansätze von Interkulturalität ist, dass sie sich mit den Ambivalenzen der Globalisierung auseinander setzen. Die Interkulturelle Forschung untersucht auch die Auswirkungen der Internationalisierung auf Gesellschaften, auf den einzelnen oder auch auf Unternehmen. Die Fragestellungen und entsprechenden Methodologien sind unterschiedlich. So werden zum Beispiel die Auswirkungen von Internationalisierungsprozessen sowohl innerhalb von Unternehmen aber auch als äußere Einflussfaktoren untersucht. Untersuchungen, die sich mit internationalen Einflüssen innerhalb von Unternehmen beschäftigen, untersuchen zum Beispiel einen realen Bedarf an Kompetenz in Unternehmen mit Firmensitzen in verschiedenen Ländern und haben festgestellt, dass neben Sprachkompetenzen, Empathie und Toleranz für vielfältige und sehr verschiedene Arbeits- und Produktionsrhythmen (Köppel 2002) erforderlich sind, angeeignet werden müssen. Arbeitnehmer in solchen Unternehmen benötigen aber auch die Fähigkeit, ihre eigenen Erfahrungen so weitgehend zu reflektieren, dass sie in der Lage sind, das Spektrum an Differenzen zwischen dem Eigenen und dem Fremden zu erfassen. Untersuchungen zur äußeren Wirkung der Internationalisierung auf Unternehmen thematisieren Interkulturalität im Kontext internationaler Standards von Qualifikationen und ihren jeweiligen Anforderungen an Arbeitsplätze sowie an die Ausbildung und das Know how von Arbeitnehmern. Auch der Bedarf an Fach- und sozialen Kompetenzen wird durch Prozesse der Internationalisierung und Globalisierung dauerhaft verändert (Chaney 2000). Nicht zuletzt werden Anpassungsprozesse der Gesellschaften an sich verändernde Kommunikationsstrukturen untersucht; umgekehrt werden die Rückwirkungen auf diese Prozesse erforscht. Beliebte Forschungsprojekte sind Untersuchungen zu Verhaltensweisen von Menschen in internationalen Teams. Forschungsergebnisse werden für die Erarbeitung von Bildungsprogrammen zur Herstellung interkultureller Kompetenz genutzt. Gerne thematisieren interkulturelle Forscher dabei individuelle Denk- und Handlungsweisen ihrer Untersuchungsgruppen im Kontext ihrer institutionellen Einbindungen. Fast alle Autoren der vorausgehend benannten Literatur zur Interkulturalität beschäftigen sich darüber hinaus mit den kulturellen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen interkulturellen Handelns und damit nicht zuletzt mit den Prozessen sozialer und kultureller Veränderungen im Kontext der Globalisierung und Internationalisierung selbst.

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Interkulturalität fasst in diesem Verständnis ein komplexes System von Kunst und Alltag, von Wissenschaft und Technik, von Politik und Bildung in einem dynamischen Wechselverhältnis und beruht dabei auf folgenden Annahmen: Die erste ist: Menschen, Gesellschaften sowie die Produkte und Entwicklungen, die sie hervorbringen, haben neben genetischen oder biologischen, stofflichen oder physikalischen Bestandteilen immer auch kulturelle Elemente. Diese prägen die Werte und Normen der Gesellschaften und sind die Unterscheidungsmerkmale zwischen der eigenen Kultur und anderen Kulturen. Aus dieser Annahme ergibt sich ein Verständnis von Interkulturalität, das in einem engen Zusammenhang mit Interdisziplinarität steht. Beide Elemente, Interkulturalität und Interdisziplinarität gehören unabdingbar zusammen. Die Vermittlung von beidem muss in Prozessen der Interkulturellen Bildung, wie das beispielhaft im Studiengang World Heritage Studies an der BTU Cottbus durchgeführt worden ist (Albert/Epstein 2005), genauso beachtet werden wie in Interkulturellen Trainings (Köppel 2002). Die zweite Annahme ist: Menschen und Gesellschaften treten miteinander in eine kommunikative Beziehung. In der Regel realisiert sich diese Beziehung über Sprache. Sprache ist konstituierender Bestandteil von Kultur, und Sprachkompetenz ist die Fähigkeit, die an Sprache geknüpften Denksysteme zu beherrschen. Denksysteme unterscheiden sich von Kultur zu Kultur und innerhalb dieser noch einmal durch Subkulturen. Die Unterscheidungen allerdings sind weniger struktureller als inhaltlicher Art. Die dritte Annahme zur Interkulturalität beruht auf der Tatsache, dass Kulturen über ein strukturelles System verfügen, das es ihnen erlaubt, Werte und Normen zu generalisieren und zu transformieren. Werte und Normen werden jedoch gleichzeitig und immer ausschließlich kulturspezifisch herausgebildet. Sie sind deshalb von Kultur zu Kultur unterschiedlich. Insofern besitzen Werte und Normen Potenziale in zwei Richtungen. In ihrer kulturspezifischen Prägung repräsentieren sie Kulturen in ihren Besonderheiten. Als System ermöglichen sie die Verallgemeinerung solcher Besonderheiten (Jouhy 1985). Die Schwierigkeit, die sich für interkulturelle Prozesse aus dieser besonderen Relevanz von Werten ergibt ist die, dass Werte, die in Prozessen der Sozialisation und Enkulturation verinnerlicht worden sind, in ihrer kulturellen Begrenztheit nicht bewusst sind. Sie sind als verinnerlichtes System wie selbstverständlich vorhanden und beanspruchen als solche grenzüberschreitende Wirkung und damit allgemeine Aussagekraft und Gültigkeit. Die Folge ist, dass dadurch kulturspezifische Perspektiven zu allgemeinen Perspektiven werden. Einsicht darin zu schaffen, gilt als eine Voraussetzung für das Verständnis interkultureller Prozesse insgesamt (Albert 2005). Daraus folgt die vierte Annahme zur Interkulturalität, die davon ausgeht, dass alle Kulturen etwas Besonderes sind und dass sie auf den oben schon skiz-

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zierten Werten beruhen. Kulturelle Ausdrücke manifestieren sich in der kulturellen Identität und sind damit Thema für die Interkulturelle Forschung. Ernest Jouhy hat dieses Phänomen folgendermaßen formuliert: „Wo icke bin, is richtig!“. „Identitätsbildung“ erfolgt kulturspezifisch und beruht auf folgender Voraussetzung: „Damit einer sagen kann, ,wo icke bin, is richtig‘ (oder falsch, d. Verf.), bedarf es zweier Voraussetzungen. Das Individuum muss sich als ,icke‘ sehen und muss über einen Maßstab verfügen, der ihm erlaubt, das Richtige vom Falschen zu unterscheiden. In wissenschaftlicher Terminologie trägt die erste Voraussetzung die Bezeichnung ,Ich-Identität‘ und die zweite die der ,Werturteilsfähigkeit‘. Beide Voraussetzungen werden in der individuellen Entwicklung … erworben.“ (Jouhy 1985). Individuelle Entwicklung erfolgt im kulturellen Kontext, unabhängig davon, inwieweit der Kontext selbst multikulturell beeinflusst ist. Individuelle Identität und kulturelle Identität unterscheiden sich daher nicht faktisch. Der Grund ist ein anthropologischer: „Ohne Ausbildung ethnischer und individueller Identität, ohne Bewusstsein vom abgegrenzten Selbst gibt es keine produktive, zielgerichtete Tätigkeit.“ (Jouhy 1985). Menschen brauchen also Identität, um zielstrebig handeln zu können. Sie müssen wissen, wer sie sind, was richtig und was falsch ist. Dass eine kulturelle Identität nur als individuelle existieren kann, und dass jedes Individuum auf seinen kulturellen Kontext zur Identitätsentwicklung angewiesen ist, ist deswegen selbstverständlich und muss eigentlich nicht näher erläutert werden. Dennoch hat diese Feststellung für Interkulturalität eine zentrale Bedeutung. Diese liegt darin, dass Interkulturalität immer sowohl den eigenen als den fremden Standort bewusst machen muss um erfolgreich zu sein. Und das setzt für eine Didaktisierung von Interkulturalität einen intrakulturellen Prozess als Lernprozess voraus.

Literaturverzeichnis Albert, Marie-Theres: Dialektische Vernunft als methodisches Prinzip in der Interkulturellen Kommunikation, in: Albert, Marie-Theres / Herter, Jürgen (Hrsg.), Querschnitte 4, Frankfurt 2002. – Lernen mit multimedialen Lernprogrammen – Zur Aktualität des Situationsansatzes, in: Haberkorn, Rita (Hrsg.), Anstiftung. Auf den Spuren ungewöhnlichen Lernens, Weinheim, Basel, Berlin 2003. Albert, Marie-Theres / Epstein, Norbert: Internationalität, Interkulturalität und Diversität im Studium – Curriculumentwicklung im internationalen Studiengang World Heritage Studies, in: Albert, Marie-Theres / Herter, Jürgen (Hrsg.), Querschnitte 5, Frankfurt 2005. – Évidences dans la communication interculturelle, in: Hess, Remi / Weigand, Gabriele (ed.), L’observation participante, Paris 2006. Chaney, Lian H. / Martin, Jeanette S.: Intercultural Business Communication, 2. Edition, Prentice-Hall, Inc. New Jersey, USA.

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Claessens, Dieter: Familie und Wertsystem, in: Claessens, Dieter u.a. (Hrsg.), Soziologische Abhandlungen, Berlin 1979. Han, Byung-Chul: Hyperkulturalität, Berlin 2005. Holzbrecher, Alfred: Interkulturelle Pädagogik, Berlin 2004. Jouhy, Ernest: Bleiche Herrschaft – Dunkle Kulturen, Frankfurt 1985. Köppel, Petra: Kulturerfassungsansätze und ihre Integration in interkulturelle Trainings, Trier 2002. Stiglitz, Joseph: Die Schatten der Globalisierung, Berlin 2002.

Transcultural Transdisciplinarity: A Systems Issue? By Hellmut Loeckenhoff

Prologue: The Transcultural/Transdisciplinary Challenge The quest for a transdisciplinary foundation of disciplinary sciences in general and of science of science in particular has emerged in parallel with science itself. The search for new, more appropriate paradigms and the often obstinate defending of the actual ones runs throughout history from theology to physics, to biology and complexity. The old paradigms, if often degenerated to ‘isms’ (see physicism for example), pertain as the proverbial never quite dead horse. Necessarily so: not accounting for excesses of scientific inertia, the specified approach per se remains indispensable to understand the specific nature of the disciplinary detail research. Indispensable also disciplinary research will stay in the future as to explore specific indigenous phenomena. The quest coming up is not to replace these attempts, but to understand disciplinary paradigms as meticulously defined subtypes of a virtually comprehensive transdisciplinary paradigm. How and how far this ideal picture can and will become operational must remain open here. Transculturality in particular demands a transdisciplinary view if it is not to end with clichés. As the recently, e.g. with globalization and migration, growing concern on a sound concept of culture corroborated, culture ought even if in a simpler understanding constrained to static analysis be nonetheless multidimensional and transdisciplinary. The conclusion can be derived from all prevailing definitions of culture. Culture itself, in the context of this paper, may be described very broadly as the comprehensive system of a ‘life style and the world around’. That means a distinct mode of societal life and its underlying value systems, attitudes, behaviors, its structures, processes, its qualia and institutions etc. connected. For the case of transdisciplinarity three main lines of argument may be distinguished. The first concerns a facilitation of interdisciplinary co-operation. Accepted basic models, methods and procedures behind will further interchangeable,comparable research results. Shared semiotics only will permit a dialogue

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free from aggravating misunderstandings. Synergy effects are to be expected. As pointed to afore, the second argument arises from the practice challenge. An increasingly dynamic, fundamental and global development creates historically unique and new issues to follow, fresh tasks to accomplish and complex problems to solve. The nature of these challenges can be described as highly complex in dynamics, in detail, in structure, within (historical) likewise complex environmental systems in complex co-reaction. The cause for transdisciplinarity argues from practice compulsion. Complex problems need be solved from a multitude of (disciplinary) attempts as to stay without too aggravating side effects and remain sustainable. Transdisciplinarity is expected to deliver the scientific base for the requisite holistic and comprising inquiry, analysis, exploration, evaluation, making operational, implementing and controlling the results. There is a third advantage to be gained from transdisciplinarity. It ought stimulate if not shake too specified, sometimes ossified approaches within a discipline and between disciplines towards a reconsideration of conceptual and methodical attempts. This paper will focus on the pragmatic challenge, emphasizing transdisciplinarily based innovation. As the failure of reforms sticking to historically obsolete structures shows, adaptation to the abundantly described challenges of the 21st century needs be creative, developing and replacing existing concepts with novel ones. Again, this applies to the necessity to re-think the concept of culture in the global context of social, economic and not least ideological and religious (Islam) movements. Culture by nature presents a topic for a structured multitude of scientific attempts, e.g. from geo- and psycho-history to anthropology and the humanities, both analytical and historical. Recently even algorithms in the realms of culture are developed. As will be shown, the primary point of departure for transdisciplinarity is indicated be the systems approach: culture as a system. Systems are open for any disciplinary approach, whether actually (in situ) or in evolution. Systems encourage distinction, identification and controlled transfer, bridging between disciplinary models and provide a transparent base for comprising and flexible transdisciplinary models.

A. Transdisciplinary Science: History, Culture, Worldview, Economics Paradigms, that is basic assumptions referring to ‘man in his world’, to models derived and to the appropriate methodology, have, in the European culture, been changing e.g. from philosophy in Classical Greece and Roma, via theology (including magic) in Christian Europe to Post-Renaissance physics, biology, etc. to systems and systemic thinking. Rather a different picture is drawn when

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looking into the Non-European parts of the world: e.g. China under the influence of mainly but not solely of Confucius and Tao, parts of the Asian continent following Buddha, or parts of Asia and (Northern and Middle) Africa under the impact of Islam. As has been shown, the historical emergence and up to recent centuries the development of science is essentially bound to geography, climate, and to the sequential migrations of early hominids and homo sapiens sapiens. It is also closely linked with religious or quasi-religious beliefs shaping the attitudes to the world: just accepting or exploring and changing the world. Science is shaped by the culture growing from these preconditions; by the pre-history and historical peoples movements in competition for life space and resources. Science is, historically seen, a result of cultural development and to a substantial degree formed by the particular cultures science has arisen within (as the cultures themselves have been influenced by geography, climate and the particularity of the thus given resources and contexts). For the previous roughly 500 years, beginning with exploration of the hitherto white spots of the world and the partial, temporal colonization following, conquest and exploitation culminate in the 19th century and end roughly with the aftermath of WWI and WWII. In this first historical phase of globalization also emerging Western sciences spread setting standards worldwide. During this process Renaissance initially revived the classical roots from Greek and Roman culture. In parallel, though often rather incremental and tied to worldview and cultural exchange, science understanding from China, Japan, the Arabian areas and of India/Pakistan were observed and if partially integrated in Western science. They provided but early basic contributions e.g. in mathematics (algebra and geometry), medicine, and of course philosophy, ‘Weltanschauung’. This transfer only in more philosophical domains continued. However, in a broader view attempts to understand European history also as Eurasian history set on to explore the emergence of science also as in certain aspects an Eurasian development in the widest meaning. In the roughly last hundred years Natural Sciences have grown worldwide predominantly following the stakes set by Western Scientist as Newton, Planck, Einstein, Feynman and others. To do justice e.g. to the ‘Tao of Physics’ the influence of a wealth of Non-European thoughts recently have tacitly permeated Western science, covering tacitly domains of research programs, research methods and procedures. So far they never gained predominance. But recently a continuing process of mutual exchange stimulates a dialogue in assimilating and evaluating contributions from different cultures towards the evolution of science. So far, if incrementally, science itself provides the most salient example of trans-, inter- and cross-cultural co-operation. Generally this holds true also for the anthropologies, with sometimes substantial restrictions also for the humanities. In philosophy, and even more in theology, differing and controversial if not adverse concepts are discussed – or still waiting for a discourse if no dia-

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logue is possible yet. The troubles to establish a sustainable, carrying discourse with Islam in all its religious, societal, cultural, political and power related aspects seem but symptomatic. Symptom especially for the crucial question whether and under which preconditions indigenous myths, convictions, beliefs and values systems can creatively adapt to a science (Western) and technology based civilization and its democratic constitution. But democracy, science based technology and democracy, personal freedom build the magic triangle of a science based, innovative society. Science must be understood as the crucial means to co-act with the world for survival and development. It serves an instrument to gain and retain power, to form alliances and to fight. It is used as means to cultural contest and to cooperation, for competition and synergy. While in science competition comes not always openly, economic and in particular business relations are obviously designed both competitive and cooperative by nature. In the latter domain, but consequently, cultural differences may tend to be instrumentalized as means of economic and business play for power. Rules and regulations, business customs and business usances trail a long history of such (mis-)use. In the domain of cultural co-operation if not of co-living, the influence of history and tradition proves particularly strong. Whatever the field, it appears good advise to be aware of the differences and the misunderstanding which may arise there from. Adoption of certain modes in life style, adaptation to the methods of Western science does not necessarily indicate a basic congruence concerning the ‘culture’ behind. As in language and in logics or mathematics the formal logic at the roots of the systems approach may again serve as common base and a bridge.

B. Transdisciplinary Base Models: Systems, Evolution, Complexity … (Omnia scientia necessitate fiat ratio systemia?! Does Science necessarily rest on systems thinking?!) Redirecting the focus from culture to science (including economics and business as socio-cultural sciences): where to attempt a transdisciplinary paradigm from? Trivially, the essential base is provided by the formal sciences as order theory, mathematics (including non-linear math), by logics and their even more fundamental pre-forms as e.g. pre-logic and pre-geometry. In differing degrees also within disciplines, with the alteration of models also terminology and semiotics changed. Thus the shift in base mathematical semiotics from ‘number’ to ‘group’ has to be noted, as well as the recent implications of fuzzy sets, probability theory and complexity science at large. For pragmatic and practice em-

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ploy, however, the next scientific layer in terms of closeness to ‘reality’ ought be approached predominantly. Taking count of the actual ‘basic’ sciences, a quaternion or even a pentad of fundamental approaches may be discerned. Following the historical emergence which is also an indication for the mutual entwinement, as the first and fundamental point of departure for transdisciplinary models Systems and Systemics may be scrutinized. It should be recalled here that the systems approach has widely spread in application (see hyphen-disciplines like systems biology) as it gained depth researching its principles. The latter efforts join attempts in ‘pre-’ sciences as pre-geometry, pre-logics or turning to basic relations, connections and ‘distinctions which make a distinction’. Systems, then, first qualifies since it allows to discern the ‘differences which make the difference’ (G. Bateson). They relate e.g. to space and time as the fundamental categories of perception and observation, of system and environment, of form and function, of informality and institution, of structure and process. Embracing potentially any ordered structure, systems apply to physical systems as well as to living and conscious systems irrespective of their complexity. An ontology may be established (being carefully obeying the rule to focus on methodology before ontology); identification, classification and a taxonomy can be derived. Evolution, second, in this context, can be seen as a) the ‘dynamization’ of the systems concept b) ‘embodied’ in space and time (!) in the authentic and actual case life. The evolution model opens the transgress to biological systems, helps to understand life systems and connecting concepts as e.g. Viable Systems and Artificial life, Artificial Intelligence. Quite a wealth of research testifies the potentials of the approach and its connection to systems, e.g. to ‘life systems’ (Miller et alii). As e.g. Edelman points to, the evolution model, though connected and driven mainly by biology, may be generalized. The path of evolution is not specific to biology: it’s transferable. As early as in the late 50th and 60th of the previous century the evolution concept has been transferred to economics (Dopfer) and also to business administration and management. A mayor point of departure has been strategy planning and control. Systems and systems evolution established, Complexity research, third, investigates the in particular formal structures, modes and courses of evolution and development. For example evolution in cosmos can be described as the rising of ever more complex (life) units over time in interaction with environments: from crystals to macromolecules to prions, from viruses to homo sapiens sapiens, from most simple re-actions to a simple environment to societal coevolution. The emergence process leads to culture, Consciousness and higher Consciousness. In parallel mere sensory perception developed into awareness, mental pictures into worldviews, into convictions, beliefs, ideologies and religions.

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In the course of the emergence of relatively stable systems eventually a simplicity of complex functions and forms may be observed resulting from complexity. Complexity, as Systems and Evolution, constitutes as a third fundamental model, adding a basic model of the co-action and co-evolvement between formal, material and life (embodiment) in evolution. Information and its dynamic connection to meaning act as the touchstone for the consequentially next candidate of a transdisciplinary basic models set. As the author well is aware of, it still means stepping on scientific quicksand. By old (e.g. Jacob von Uexküll, around 1900) and recent research in biosemiotics including information models it but seems fairly grounded to hypothesize Semiodynamics as a fourth basic model. (The author apologies for the clumsy working term he proposes). Systems, evolution and complexity inhere the constituting sine qua non phenomenon ‘semiotic interconnection’, the meaningful exchange of life preserving information. Semiotics deal with the emergence and the functions of meaning as a life constituting element. In that context, in particular cybernetics II … explore information, focused e.g. on the ‘observer’ and ‘control’ dealing with the meaning of the observed. ICT – Information and Communication Technology – is extending from the originally technological origin to a comprising research on the role of information, of its semiotics and of communication in the anthropological domain. Adding new concepts to previous ideas exploring e.g. biology systems, information and language research (as ‘biology of language’) and ‘Umwelt’ [environment] studies recently led to biosemiotics constituting as a distinct discipline. Systems, evolution, complexity and semiotics (language in the extended meaning) spawned among others new research into consciousness as e.g. Edelman’s ‘Matter of the Mind’. (See also the ongoing discourse discussing the ‘Free Will’ of human beings as ongoing between neuro-physiology, philosophy, psychology, but also cybernetics and complexity science and others.) With higher consciousness and its proposed emergence essentially from societal interaction, during history (!) the dynamics of information networks within languages open the scientific gates to connected ‘rare normal phenomena’ and ‘phenomena beyond’. These highly subjective and situational ‘Qualia’ (mainly subjective ‘feelings’, awareness of an atmosphere) in focus comprise e.g. spirituality and display para-phenomena usually most carefully not acknowledged and/or separated from science. However, the phenomena of religion, beliefs and convictions extending in the spiritual domain cannot be eliminated, even not successfully be ignored. As examples may serve the variety of ‘mental spheres’ from e.g. dreaming to phenomena mass psychology, to ‘Zeitgeist’, to ethical conviction and to religious beliefs. Teilhard de Chardin named the domain of such a hypothesized fifth model ‘Noo-sphere; the domain of knowledge and knowing. But as aforementioned: that may, if obvious, yet rendered widely quicksand for research. It certainly poses a rather difficult topic ‘to make meas-

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urable what cannot be measured yet’ (quote Galilee) when tied to the (still) prevailing actual if often obsolete since too specific conventions of science. Which should and must not mean to overlook and discard the spiritual phenomena. Even in business economics the soft systems approach acknowledges such Qualia and attempts to explore their causes. Knowledge needs be complemented by Knowing. Though on rather different levels and from differing aspects, the above discussed models constitute and share qualities basic for transdisciplinarity. Even if the models are coherent and connected by logic and experiential pragmatics, the list comes non-conclusive. It presents but a formal model skeleton leading to transparent, gradual embodiments, to mind and consciousness and beyond. It provides a flexible base for identification, classification and taxonomies necessary (see actual biology and hyphen biology, e.g. biosemiotics). However frail yet, it may act a stimulus to re-think certain axioms of science, of metamethodology and of mythology. And, perhaps most important: to reconcile scientific openness. That is to rethink the rules of scientific discovery (quote Sir Karl Popper), of scientific inquiry systems (C. West Churchman). Openness which includes the hypothesizing of an additional basic model or the focusing of the above proposed sequence. Such openness will gradually grow when additional sufficiently theory grounded and experimentally based knowledge will be retractable and testable, necessarily with flexibly adapted methods of testing, and scientific prove. An example provides mathematic prove after computer.

C. Transcultural Potentials: Purpose, Prognosis and Strategy Following systems methodology, transcultural co-operation grows from a twofold support. The one claims the – practical and therefore trans-disciplinary – knowing of, if not familiarity with, the geographical and historical roots as well as of the actual states of the cultural system. The other asks for a shared issue, purpose, interest. The first aspect will focus preponderantly, but not only, on cultural differences to account for; the second centers on general, on common grounds and actual specific stakes, targets and strategies. As any joint venture intentions towards transcultural success – from co-living to co-development, co-evolution – ought command a sufficient knowledge of potentials existing or expected to rise. Complementary knowledge of how to approach and actualize these potentials within a learning process is demanded. Such knowledge and its transfer into acknowledged behavioral propensities and correlating political measures is by nature practice oriented and multi-aspectual. It poses is a definite case for trans-disciplinarity. To cope with the high degree of complexity both e.g. in aspects and in dynamics a multi-level, multi-value, multi-level approach is indicated. In addition,

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the research needs be in depth and strategic. Both parties should be aware of not only the positive, but in particular also of the negative potentials. All aspects are carefully be weighted against each other, the range of possible balance and their dynamics need be scrutinized. Modes and methods of actual co-operation ought be specified as will their limits and their eventual development. Seemingly close concepts and ways to act may, in the cultural context, carry rather different meanings. Therefore the semiotics and semiodynamics, that is the semiotic development connected with the actual developmental phase, need closely be observed and adapted. Not least, cultural co-operation carries to good measure the qualities of an experiment. To lead it to a success will presuppose flexibility gained from potentiality knowledge. On the communication level a shared language needs be found, a dictionary at least where critical concepts can be compared and connected with a set of shared ‘cultural universals’. Such a transcultural concept of cultural universals as part of a transdisciplinary model of culture provides a frame of reference for actual cases. Grounded notions of universals constitute a necessary base of transcultural learning: analysis, prognosis of option and action space, implementation and control. A thorough knowledge of such qualities universal to culture will help to spot the differences, to explain and accordingly to overcome them. – A note to caution: a shared societal, cultural and educational level may, but will not always be advantageous in the practice of co-operation. It seems most important that cultural knowledge is complemented by the more intimate knowing of ‘qualia’ on the cultural and on the personal level. Acceptance on the surface may still contradicted by deeper fundamental often religious convictions and the ‘Weltanschauung’ grown from that base. Trans-cultural co-operation will, if it does not fail, experience critical moments. Professional project management, which is imperative, has to agree beforehand on the means and modes of conflict resolution. Intercultural cooperation means to overcome the natural resistance to change and, as any change knows winners and loosers, to balance. Last not least rules for the dissolution of e.g. a joint venture need be contracted as to cause minimum harm and leave the chance for new endeavors open. For prognosis in case of trans-cultural projects, a thorough transparency of the potentials, positive and negative, needs be implied. Most important, procedures to resolve the unavoidable misunderstandings must be prepared. Also in the domain of direct human interaction, for example gestures can be understood and reacted upon controversially. Different ways of doing business and the supposed ethics behind pose but one example of many relating to the private as to the institutional level. More serious, contradicting value systems may lead to misinterpretation of intent and personality disposition. Shortcomings come very costly, as the Iraq exemplifies. More peaceful if negative examples are provided

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by the EU constitution rejected, and by the EU membership of Turkey forced politically against serious counter arguments. As another well known transcultural failure, developmental aid has turned out, not only but in particular in Africa. Decennia and hundreds of billons of USD have been wasted and are wasted by lacking or ideologically twisted concepts, missing the systemic as well as the cultural aspects. The uncritical application of Western development models by the World Bank has been criticized even from within the bank. Again: Trans-cultural co-operation resembles a critical learning and metalearning process, both following and inducing change. Its success depends on a strategy: for understanding culture, for learning and for adapting the stakes, the methods; if necessary for the whole co-operation setup. Sophisticated models for transcultural learning, in particular models of prognosis for modeling and simulation have been dealt with elsewhere. E.g. using the phase space model (Poincaré) they relay on transdisciplinary modeling, systems biology (natural drift), the Bayesian Syllogisms and complexity concepts.

D. Transcultural Investment for Innovation/Development: Cultural Identity How to guide and control transcultural co-operation? Not always the partners are fully conscious of the necessity of cultural change connected. Cooperation needs to adapt and to change, on a shared base, but nevertheless change ones indigenous cultural traits. Nor are they conscious of the difficulties arising and the urgent quest for (trans-)cultural competence. Awareness of the cultural particularity of many if not most everyday features has to be revived yet. It needs be acknowledged that any cultural change or even adaptation affects directly the personal social cultural identity. Identity may be a most vulnerable point when living within non indigenous cultures and most difficult to approach. When identity seems threatened or is actually weakened or lost anomie of all kinds is the likely result. Authoritarian regimes of all kinds and to all times try to destroy or to twist identity as a policy to gain power. It must be noted here, that however peaceful, the meeting and in particular the immigration of a foreign culture from a certain point is experienced as potential threat of ones own identity, the roles and the position held in ones indigenous culture. An attitude of cautiousness, of keeping distance, of closing against non-indigenous cultural impacts can be traced to the protection and preservation of identity. The reaction is but a normal social reaction to be expected. According reactions are to expected from the other side; the danger of mutual antagonism rising. To prevent growing tensions and to pave the path to a dialogue these processes and the underlying forces needs be understood, trans-

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disciplinarily and comprehensively. Simply stating and accusing ‘xenophobia’, the fear and the enmity if not hostility of the foreign, will turn out demagogy, destroying the base of transcultural co-existence. Transcultural understanding ought make aware and accepted the differences which make the cultural difference in a continuous dialogue. Trans-cultural activities demand an investment per se. Rather substantial investments into trans-cultural projects are necessary and unavoidable, not only under auspices of globalization. How far and how deep the range of imperative investments penetrate is scarcely reflected in the mostly but shallow political discussion and in legislation. Adverse and aggravating qualities may show up as e.g. some ‘anti-discrimination’ discriminating laws, as they are euphemistically called. Cultural and social differences must be accepted, not be ignored. As the old song tells, the Colonels Lady and Judy O’Grady are sisters under the skin – but as certainly not above the skin. That has to be accounted for. To overcome political blindness and the loss of ‘reality’ (not arguing here constructivism) reconsiderations need be multifaceted. Referring to the methods side, some social and societal transition-models must be agreed upon. Which properties, qualities establish, possibly worldwide, a society? Which activities enable a society to remain stable and developing, and which destroy its foundations? Which are the actual societies, which the actual government systems to by distinguished before the frame of such general models? As not only the German case indicates, a salient factor appears again identity. Identity both stabilizes the societal position and conditions for trans-cultural negotiations. Grounded identity, shared societal identity, and the faculty of the identity to adapt without losing binding strength builds the fundament for sustainable trans-culturality. From this point of view the quoted ‘clash of cultures’ appears as a measuring of identities against each other and a struggle for predominance. Democracy for example precludes a certain identity felt and lived, as tells the experience in Iraq. Co-operation will succeed only when the identities are respected mutually. But merely to give in destroys co-operation as effectively as to insist on ones own positions, as growing tensions in the course of world wide migration indicate. Variatis variandis that holds true also for business relations, for managing or for negotiation. China, India, Latin America and recently more pronounced also the USA amply provide examples. They concern in particular property rights, patenting and business ethics. A positive sign can be seen in the gradual silencing of the scarcely if at all qualified talk on multi-culturality. Mostly emotional and otherwise unfounded it obliterated more than it cleared to put the salient questions. How far, and under which conditions will non-European cultures by religion, societal organization and ideology be willing to support a technology based culture and civilization?

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Under which conditions will they be able to do so sustainably? Can and will they join their particular faculties to co-operate creatively? Which investments in money and particularly in time, what kind of learning will be necessary? Which lessons do geography, climate, and history tell? What can be learned from these and other transdisciplinary attempts for the design of a sustainable policy? What needs be done to establish and further a process of mutual learning and meta-learning? Within a global learning process covering all levels and aspects, gradually models of trans-cultural co-operation are forming. One of the insights gained pertains that trans- or multicultural co-operation depends from a continuous rebalancing identities and interests. Towards, in the best case, gradually to grow together. Shared identity bases and common interests demand continuous investments into the cause as well as into the partner. Investment used but to uphold the existing state of funds will only further competition for the bigger share, not to enlarge resources disposable. Energy should be invested into new ideas and their transfer into innovation. From innovation only the resources at disposal will rise such that both parties will profit according to their contribution. Shared innovation will also strengthen a shared identity, emerging from shared performance, from shared learning and success. To add a pensive remark: A transcultural approach seems much needed also in the indigenous domains of a (national?) society. National cultures need understand themselves not as the only superior culture but as one under others. On that base a culture of societal trans-ideological and trans-level discourse will pave the path to the fundamental reforms overdue inside the indigenous culture thus furthering an transcultural dialogue. Ideologies, manipulation, emotionalisation and enthnisation will restrict and quench such attempts. Transculturality, as its twin transdisciplinarity, requests an open society, an open democracy.

Epilogue: Guided Evolutional Control Learning [GECL] Summing up: Sustainable trans-cultural co-operation presumes a transcultural scientific base. The concept chosen to begin with is Systems Thinking in the most extended meaning; comprehending also the close, gradually connecting with the in themselves independent and autonomous concepts of Evolution, of Complexity, of Semiodynamics and the realms of the Noosphere. The last in particular appears condition sine qua non when dealing with the many facets e.g. of Islam, Buddhism or Hinduism. Together these models constitute the base of transdisciplinary, of transcultural learning as to prepare and support the societal/cultural change unavoidable.

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The transdisciplinary/transcultural models gained will provide a models frame against which the differences will be visible, which make aware the differences between to cultures so that they can be identified, analyzed and reconciled. By critical comparison the differing identities of the protagonists can eventually be understood, mutually respected and weighted against each other. The result should not so much turn out merely a compromise over the existing structures but actively a heading for shared interests and shared development. All implied parties need be well aware that investments are demanded. Investments that aim at a better understanding and co-operation by growing the common domain from shared interests, shared experiences and shared resources gained by co-operation. As emphasized, successful, sustainable co-operation amounts to continuous learning and meta-learning. A rapidly and in virtually all aspects dynamically changing world requests in particular the trans-cultural co-operation to be conscious, inventive and innovative. Different worldviews may prove an advantage, when dissolving ossified thinking and, when clashing, stimulating new ideas. Inter-, trans- and cross-cultural activities need be innovative as well by force of the inner tensions as by the impact of a changing environment and the need for global co-operation. The trans-cultural learning process can be depicted, by the trans-disciplinary cycle (dynamically: helix) of learning. By its definition this particular learning model employs the systems, the evolution and the complexity concept combined with information dynamics (see also evolutionary concepts of information). Developed from experiences in strategy controlling in industry, the cycle (arbitrarily) begins with (1) the orientation phase, exploring and analyzing the present position, the likely developments of the relevant referent environment and its future potentials. The result provides a prognosis of option and action fields. (2) the directional phase decides on the target and objectives area for the actual controlling cycle. (3) The planning phase transfers targets/objectives into measures and measure programs, into what is e.g. called the Business Plan covering 1 year (direct controlling), 3–5 years (investment/divestment controlling) and the strategy controlling (5–20 years depending from the branch and the technology/market future). (4) The plan is executed in the implementation phase, parallel to implementation controlling. (5) Controlling within the yearly (small) cycle detects and analyses differences between result and plan, enforcing corrective measures. – The afore described ‘small’ controlling cycle constitutes by yearly repetition the long term controlling helix. Its transdisciplinary strategy version integrates in particular the concepts of evolution research from biology to language and mind, to social and societal phenomena, providing a transdisciplinary model of evolutional learning. In essence Transdiciplinarity and Transculturality are part of and constitute the scientific and societal evolution.

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Authors note: This paper was completed in May, 2005. Nov 15, 2005, Tamito Yoshida, member of the Japan Academy and Professor Emeritus of Tokyo University, held a keynote report for the First International Congress of IFSR2005, Kobe, Japan. Its topic ‘The Second Scientific Revolution in Capital Letters – Informatic Turn – tries new approaches to transdisciplinarity. Though it could not be included in this paper, the keynote is referred to.

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Kultur, Führung und Kontingenz: Von der primären Kontingenzerfahrung zur Cultural Mastery Von Louis Klein

A. Interkulturalität und Führung Die kulturellen Erfahrungsräume für ein globales Management werden immer weiter. Das Agieren in einem angloamerikanischen Sprachraum gehört heute zur Alltäglichkeit und auch die Auseinandersetzung mit den B-R-I-C-Staaten, Brasilien, Russland, Indien, China, stellt keine wirkliche Novität dar. Menschen unterschiedlicher Kultur zu führen ist eine Herausforderung, die schon lange nicht mehr nur dem Topmanagement überlassen bleibt. Dabei ist der Raum der Anforderungen an manageriale Kulturkompetenz viel weiter, als es auf den ersten Blick scheint. Natürlich denken wir zuerst an das Management vor und mit dem Hintergrund unterschiedlicher Ethnien, Nationen und Religionen, wir denken an internationale und crosskulturelle Führung. Aber bei genauer Hinsicht zeigt sich mitunter, dass der Ingenieur aus Stuttgart mit dem Ingenieur aus Tokio wesentlich besser klar kommt und produktiver arbeitet als mit dem Kaufmann oder Vertriebsspezialisten aus der Nachbarabteilung. Unterschiedliche Professionen bilden unterschiedliche Kulturen heraus. Und die größten, folgenschweren kulturellen Zusammenstöße im Wirtschaftsleben sahen wir in den letzten Jahren in Mergers, Acquisitions und Fusionen. Regelmäßig förderte diese Postmerger-integrationphase zu Tage, wie kulturell unterschiedlich Firmen der gleichen Branche seien können. Der Handlungsbedarf für Interkulturalität und Führung scheint klar und doch verschwimmt er schnell vor diesem Hintergrund. Als Ausgangspunkt für die nachfolgenden Überlegungen möchte ich nicht Interkulturalität wählen, sondern eine systemtheoretische Perspektive auf Kontingenzerfahrungen. Kontingenz beschreibt verkürzt gesprochen, dass das, was ist, auch anders sein könnte. Kontingenzerfahrung ist dann als eine Bewusstwerdung oder Reflektion auf gesteigerte Komplexität zu verstehen. Es lässt sich zwischen einer primären, sekundären und einer postmodernen Kontingenzerfahrung unterscheiden. Als primäre Kontingenzerfahrung könnte man das bezeichnen, was man erlebt, wenn man sich erstmalig außerhalb der Kulturräume bewegt, in denen man aufgewachsen ist, zum Beispiel bei einer ersten Reise in ein Nachbarland oder gar bei einer Fernreise auf einen anderen Kontinent. Im Vor-

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dergrund steht die Erfahrung, dass Menschen in dem anderen Kulturkreis anders sind als ich bzw. anders sind als wir. Als gängige Strategie der weiteren Orientierung greift hier die Bildung von Stereotypen: die Deutschen, die Franzosen, die Amerikaner, die Inder, die Chinesen, die Afrikaner, etc. Entlang diverser Attributebündel wird die Differenz zwischen dem eigenen Kulturkreis und dem unvertrauten fremden Kulturkreis ausgelotet. Ist dies geschehen, ist fürs Erste wieder Stabilität und Orientierung hergestellt. Als sekundäre Kontingenzerfahrung könnte dann die Frustration beschrieben werden, die sich einstellt, wenn man feststellen muss, dass die Stereotypen unzuverlässig sind, das heißt man erlebt, dass sich Vertreter des anderen Kulturkreises anders verhalten als erwartet. Herr Lee ist anders als ein richtiger Chinese und Herr Wong auch. Die sekundäre Kontingenzerfahrung markiert dann auch zugleich die Grenze standardisierter interkultureller Trainings. Gerne wird an dieser Stelle die interkulturelle, beraterische Kompetenz von Training auf Coaching oder Beratung umgeblendet. Ohne im Weiteren auf die Folgelastigkeit dieser primären und sekundären Kontingenzerfahrung für die eigene Identität einzugehen, ließe sich dann eine weitere Kontingenzerfahrung als eine postmoderne beschreiben. Diese postmoderne Kontingenzerfahrung ließe sich dahingehend pointieren, dass alles anders sein könnte und es auch ist. Spätestens an diesem Punkt wird deutlich, warum Management in einer postmodernen, globalen Weltwirklichkeit allein mit Überlegungen zur Interkulturalität Kontingenzerfahrungen nicht begegnen kann. In einer Welt, in der alles geht, wird Orientierung zunehmend schwierig und Management nahezu unmöglich.1 Die These lautet nun, dass in einem Umblenden auf eine systemtheoretisch beobachtungslogische Perspektive2 Kontingenz in den Blick kommt und Management wieder möglich wird. Es geht also nicht darum, Interkulturalität zu erklären, sondern in kontingenten Räumen Handlungsfähigkeit zu erhalten. Ziel des Essays soll es sein, alternative Handlungsspielräume für das interkulturelle Management bzw. für das Managen in interkulturellen Räumen zu beschreiben. In dem Bestreben um die Ergründung alternativer Möglichkeitsräume möchte ich im Folgenden kurz aus einer systemtheoretischen Perspektive die Dimensio___________ 1 Dass alles, was ist, auch anders sein könnte, ist eine Alltagserfahrung geworden. Die großen Welterklärungssysteme, Religion und Wissenschaft, und selbst die Leitdiskurse der modernen Gesellschaft, Politik und Wirtschaft, versagen Stabilität und Orientierung. Es folgt, was Richard Sennet in seinem Buch „Der flexible Mensch“ als Drift beschreibt. Das Individuum schwimmt in der Suche nach Sinn und Orientierung dahin. Kein sicherer Hafen ist in Sicht. Der Einzelne ist in seiner Welterklärung auf sich selbst gestellt. Er ist gefordert und am Ende maßlos überfordert. „Das erschöpfte Selbst“, wie es Alain Ehrenberg formuliert, verfällt in Depression und mit ihm, wie es scheint, der gesamte abendländische Kulturkreis. Vgl. auch Beyes (Kontingenz und Management). 2 Zur Grundlage der systemtheoretisch beobachtungslogische Perspektive vgl. Luhmann (Systeme, 1984) und Willke (Systemtheorie, 1993).

Kultur, Führung und Kontingenz

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nen von Kultur (B) und Führung (C) ausleuchten, um danach auf Strategien im Umgang mit Kontingenz (D) einzugehen. Am Ende der Ausführungen stehen einige Überlegungen dazu, was Cultural Mastery (E) in Anlehnung an Personal Mastery und Organisational Mastery sein könnte.

B. Kultur Systemtheoretisch beobachtet ist Kultur ein Selbstbeobachtungs- und Selbstbeschreibungsformat sozialer Systeme.3 Kultur konstruiert Identität.4 Aufschlussreich für die Konstruiertheit von Kultur ist an dieser Stelle ein Exkurs auf die Differenz eines angloamerikanischen und eines kontinentaleuropäischen Kulturbegriffs. Während gerade auch im deutschen Sprachraum Kultur die Dimension einer Soll-Kultur konnotiert, reflektiert der englische Begriff culture die Beschreibung einer Ist-Kultur. Culture in einem angloamerikanischen Verständnis ist demnach eine Beschreibung der Art und Weise, in der Dinge in bestimmten Kontexten getan werden. In einem kontinentaleuropäischen Verständnis des Begriffs Kultur geht es darum, wie die Dinge in spezifischen Kontexten getan werden sollten. Bleibt diese Differenz unreflektiert, kann es zu interessanten Eigendynamiken kommen, wie zum Beispiel beim Thema der Unternehmenskultur. In einem Fall, dem angloamerikanischen, ist Unternehmenskultur dann eine Analysekategorie für einen Ist-Zustand. In einem kontinentaleuropäischen Sprachgebrauch wird die Unternehmenskultur sehr schnell zu einer SollKategorie und ist damit einer Vision oder einem normativen Leitbild näher. Gleich bleibt dennoch, dass es sich beim Begriff der Kultur letztlich um ein Selbstbeobachtungs- und Selbstbeschreibungsformat handelt. Nur die Perspektive variiert. Als ein nützliches Diagnose- und Interventionsinstrument möchte ich an dieser Stelle das systemische Kulturdreieck (Abbildung 1) vorstellen. Das systemische Kulturdreieck stellt die beiden unterschiedlichen, einmal wertebasierten und einmal praxisfokussierten, Kulturverständnisse zueinander in Bezug und ergänzt sie um eine dritte Dimension, um ein institutionenorientiertes Kulturverständnis. Es entsteht ein Dreieck aus Werten, Praxis und Institutionen einer Kultur. Kulturen neigen dazu, sich über Werte zu beschreiben. Das entspricht einem kontinentaleuropäischen Kulturverständnis. Es werden moralische Verhaltenspräferenzen formuliert, die im Weiteren darlegen, was ein präferiertes, also gutes Verhalten, und was ein nicht-präferiertes, also schlechtes Verhalten ist. Pünktlichkeit ist gut, Regelbefolgung ist gut, Eigeninitiative ist nicht gut, ___________ 3 Eine intensive systemtheoretischen Ausleuchtung des Kulturbegriffs liefert Baecker (Kultur, 2003) auch Nassehi, (Geschlossenheit und Offenheit, 2003). 4 Zur systemtheoretischen Perspektive auf Identität und Selbstthematisierung s. Hahn (Identität und Selbstthematisierung, 1987).

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Selbständigkeit ist gut oder schlecht, je nachdem. Wir sprechen in dieser Dimension von den Werten einer Kultur. Demgegenüber steht die Praxis einer Kultur. Zugrunde liegt hier ein angloamerikanisches Kulturverständnis, das heißt die Selbstbeschreibung einer Kultur über empirisch beobachtbares Verhalten. Diese Dimension kann auch ethnographisch verstanden werden. Es geht darum, was tatsächlich getan wird.

Werte

Institutionen

Praxis Abbildung 1: Das systemische Kulturdreieck

Schon in dieser ersten Gegenüberstellung von Werten und Praxis zeigt sich Potential zum Konflikt. Bleiben wir beim Thema Unternehmenskulturwandel. Solange Werte und Praxis konsistent sind, ist eine Kultur sozusagen in gutem Kontakt mit sich selbst. Das Auseinanderfallen der beiden Dimensionen führt allerdings regelmäßig zum Konflikt, sei es nur, dass Mitarbeiter nicht das tun, was sie sollen, oder dass ein Wertekanon formuliert wird, an den sich selbst diejenigen nicht halten, die ihn formuliert haben. Die Aufforderung walk the talk beschreibt gerade dieses Auseinanderdriften von Gesagtem und Getanem und setzt Konsistenz in den Rang eines Imperativs. Aus der Perspektive des Unternehmenskulturwandels gibt es dann zwei Interventionsdimensionen: zum einen auf der Seite der Werte, das heißt, ein neuer Wertekanon wird formuliert, oder zum anderen auf Seiten der Praxis, indem ein verändertes Verhalten gezeigt oder verschrieben wird. Diese Gegenüberstellung allerdings greift zu kurz. Gerade die Intervention in Unternehmenskultur über das Reformulieren und Kommunizieren von Werten in der Form von Vision, Mission und Guiding Principles liefert regelmäßig nicht das gewünschte Ergebnis. Die Dynamik wird als ein Versanden des Veränderungsansatzes beschrieben, die Veränderungsintention erreicht den Mitarbeiter nicht bzw. wird erst gar nicht geglaubt.

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An dieser Stelle sei aus systemtheoretischer Perspektive eine dritte Dimension eingeführt, die Dimension der Institutionen einer Kultur. Mit Institutionen sind die expliziten und impliziten Regelwerke einer Kultur, einer Gesellschaft oder einer Gruppe gemeint. Gerade darin, die Institutionen einer Kultur zu beobachten, liegt der Schlüssel zu Kulturverständnis und die Möglichkeit zur Intervention. Als nahezu klassisches Beispiel für diesen Zusammenhang sei das Thema Teamwork angeführt. Immer wieder werden Mitarbeiter von Organisationen dazu aufgefordert, mehr Teamgeist an den Tag zu legen und der Arbeit in Teams mehr Wert beizumessen. Das gewünschte Ergebnis bzw. die gewünschte Verhaltensänderung der Mitarbeiter stellt sich allerdings regelmäßig nicht ein. Weder ein Appell an die Werte noch vermehrte Trainingsmaßnahmen helfen dort weiter. Was als Nicht-Verstehen, Nicht-Können oder Nicht-Wollen thematisiert wird, erklärt sich häufig aus den Anreiz- und Bonussystemen, aus den Regelwerken der jeweiligen Unternehmungen. Tatsächlich ist häufig der Fall zu beobachten, dass, obwohl Teamarbeit als kultureller Wert hochgehalten wird, in erster Linie und mitunter ausschließlich die individuelle Leistung honoriert wird. Es gibt keine geregelten Anreize oder Boni für Teamleistungen. Teamleistungen besitzen keinen tatsächlichen Wert. Dieses vertraute Beispiel verdeutlicht noch einmal die Dynamik dieser drei Dimensionen des systemischen Kulturdreiecks. Nur in der gewogenen Betrachtung aller drei Dimensionen erschließt sich Kultur und nur darin kommen tatsächliche und authentische Handlungsmöglichkeiten für das Management von Kultur in den Blick. Aus systemtheoretischer Perspektive geht es dabei nicht so sehr darum, ein Erklärungs- oder Interventionsmodell vorzulegen, sondern darum, für die praktischen Konditionen des Beobachtens und Beschreibens zu sensibilisieren. Das systemische Kulturdreieck verdeutlicht drei Dimensionen der Selbstbeobachtung und Selbstbeschreibung und bezieht sie aufeinander. Spannend ist es dann zu ergründen, wie die Praxis dieses Selbstbeobachtens und Selbstbeschreibens aussieht und wie eine alternative Praxis des Selbstbeobachtens und Selbstbeschreibens aussehen könnte. Darin liegt der Schlüssel zur Veränderbarkeit. Es geht um die Folgelastigkeit von Selbstbeobachtung und Selbstbeschreibung, sei sie nun bewusst oder unbewusst. Die Praxis des Beobachtens und Beschreibens verändert den zu beobachtenden oder zu beschreibenden Gegenstand genau durch dieses Beobachten und Beschreiben.5 Beobachtung und Beschreibung sozialer Systeme ist immer eine Intervention. Wer beobachtet, kann nicht-nicht intervenieren. Die Trennung zwischen Analyse und Intervention ist artifiziell und meist wenig zielführend. ___________ 5 Zur Folgelastigkeit von Beobachtung und Beschreibung s. Kieserling (Selbstbeschreibung und Fremdbeschreibung, 2004) und Hahn (Konstruktionen des Selbst, 2000).

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C. Führung Es gibt systemtheoretisch betrachtet nur Kontextsteuerung und Selbststeuerung. Alles andere ist Irritation auf der Grundlage struktureller Kopplung.6 Was es nicht gibt, ist direktive Intervention auf der Grundlage mechanistischer InputOutput-Verhältnisse.7 Aus A folgt nicht B, sondern in Abhängigkeit von dem jeweiligen Systemzustand sind unterschiedliche Ergebnisse denkbar, C, D, E oder doch auch B.8 Um beim Bild des systemischen Kulturdreiecks zu bleiben, kann man nun von Kontextsteuerung als von einer Steuerung sprechen, die an den Institutionen einer Kultur ansetzt. Selbststeuerung ist dann eine Form von Steuerung, die Praxis reflektiert. Kontextsteuerung ist eine Steuerung über Rahmensetzung. Genau darin besteht der Bezug zu den Regelwerken einer Organisation oder einer Kultur. Die Regelwerke beschreiben Korridore erwünschten Verhaltens. So man möchte, kann man hier auf das St. Galler Unternehmensmodell Bezug nehmen, das für Unternehmen die drei Perspektiven a) Strategie, b) Strukturen und Prozesse sowie c) Human Resources Management anbietet. Die Strategie liefert ein Leitbild und eine gewünschte Entwicklungsrichtung. Die Dimension der Strukturen und Prozesse sorgt für Rollenklarheit, zeitliche Erwartbarkeit und formuliert kluge Routine. Im Human Resources Management sind Sanktions- und Anreizsysteme hinterlegt.9 Selbststeuerung korreliert mit lokaler Autonomie.10 Hierbei geht es um die Beobachtung und Beschreibung von Praxis. In dem Maße, wie dies bewusst geschieht, kann hier auch von einer supervisorischen Form der Führung gesprochen werden. Eine solch supervisorische Selbststeuerung rückt in ihrer Wirkweise sehr nah an das, was man in den letzten Jahren als Personal Mastery zu beschreiben begann.11 Dabei geht es um Dualität als Selbsterkenntnis und Selbstschöpfung, wie sie auch im Coaching instrumentalisiert wird. Charismatische Führung12 scheint sich einer solchen Vorstellung von Kontextsteuerung und Selbststeuerung zu entziehen. Herausragende Führungspersönlichkeiten scheint die Systemtheorie nicht vorzusehen. Tatsächlich ist aber gerade die charismatische Führungspersönlichkeit ein herausragendes Beispiel ___________ 6

Willke (Intervention, 1994; Steuerung, 1995). Dazu Klein (Corporate Consulting, 2002, 2006). 8 Zum Unterschied von Trivialmaschinen und Nicht-Trivialmaschinen s. Foerster (Sicht und Einsicht, 1985). 9 Zum St. Galler Management Modell s. Bleicher (Konzept Integriertes Management, 1991). 10 Zu Aspekten der Local Autonomy s. Beer (Heart, 1979; Brain, 1972). 11 Zur Personal Mastery vgl. Butler-Bowdon (Selbsthilfe, 2003). 12 In Anlehnung an Webers Begriff der charismatischen Herrschaft (Wirtschaft und Gesellschaft, 1972). 7

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für strukturelle Kopplung. Die viel thematisierte Möglichkeit oder Ohnmacht des Einzelnen, Einfluss zu nehmen, wird hier verständlich. Soziale Systeme wie Organisationen, Gesellschaften oder Gruppen sind als Kommunikationssysteme strukturell an psychische Systeme gekoppelt. Soziale und psychische Systeme stellen sich wechselseitig Komplexität zur Verfügung.13 So sind sie strukturell gekoppelt; so üben sie Einfluss aufeinander aus. Dass soziale Systeme psychische Systeme prägen, ist ohne weitere Ausführung leicht einsichtig. Strukturelle Kopplung beschreibt aber auch den umgekehrten Fall. Alltagssprachlich könnte man formulieren, soziale Systeme haben sensible Druckpunkte dort, wo sie an psychische Systeme gekoppelt sind. Der Einzelne kann einen Unterschied machen, auch wenn es manchmal nicht danach aussieht. Instruktive Intervention bleibt allerdings unmöglich. Aus der Perspektive des sozialen Systems ist das, was an diesem sensiblen Druckpunkt passiert, Irritation, die in der einen oder anderen Richtung weiterverarbeitet werden kann, aber nicht muss. Der Einzelne macht einen Unterschied, welchen, kann man erst hinterher sagen. Die Wirkweise der Einflussnahme verbleibt im Dunkel der operativen Geschlossenheit sozialer Systeme. Als Zwischenfazit ließe sich hier formulieren, dass interkulturelle Führung dort gelingen kann, wo sie über Kontextsteuerung Regelsysteme etabliert und dort, wo sie über supervisorische Formate der Selbststeuerung zu einer reflektierten Praxis anleitet. Eine Führung über das Reformulieren und Postulieren von Werten scheint aus dieser Perspektive eher wenig erfolgversprechend.

D. Strategien im Umgang mit kultureller Kontingenz Bevor wir wieder zu den Überlegungen zur Cultural Mastery kommen, möchte ich an dieser Stelle auf einige Strategien im Umgang mit kultureller Kontingenz eingehen. Historisch betrachtet unterscheidet man Strategien der Kulturbegegnung in Strategien des Kulturkontakts und Strategien der Kulturverflechtung.14 Mehr oder weniger vertraut sind uns die Strategien des Kulturkontakts aus der Historie der europäischen Expansion und der Kolonialisierungsgeschichte. Kulturberührung, Kulturzusammenstoß und Kulturbeziehung werden hier sozusagen als Idealtypen des Kulturkontakts benannt. Die Kulturberührung beschreibt ein Nebeneinanderher zweier Kulturen, die in sich unverändert bleiben. Man lebt nebeneinander her, man bleibt so wie man war, und an den Berührungspunkten arrangiert man sich. Ein kolonialhistorisches Beispiel wären die Handelsbeziehungen der Portugiesen in Afrika. Jen___________ 13

Zur strukturellen Kopplung s. Luhmann (Soziale Systeme, 1984). Zu den nachfolgenden Ausführungen über Kulturkontakt umfangreich Bitterli (Alte Welt – neue Welt, 1986). 14

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seits der Berührungspunkte bleibt alles beim Alten. Ein Beispiel aus der Unternehmenswelt sind Postmergerintegrationen in Form einer Holding. Die einzelnen Unternehmenskulturen verbleiben wie gehabt, und nur im Rahmen der Gewinnabführung und Globalstrategie gibt es einige wenige Berührungspunkte, die alles weitere weitgehend unbeeinflusst lassen. Der Kulturzusammenstoß beschreibt das Extrem der feindlichen Übernahme. Eine Kultur unterwirft die andere und lässt nichts der unterworfenen Kultur bestehen. Ein kolonialhistorisches Beispiel sind die Christianisierungsfeldzüge der Spanier auf Hispaniola. Die unterlegene Kultur wird vernichtet. Beispiele solch radikaler feindlicher Übernahmen sind auch aus der Unternehmenswelt bekannt. Der Käufer baut das gekaufte Unternehmen nach eigenem Vorbild um. Die ursprüngliche Unternehmenskultur des gekauften Unternehmens hat keine Geltung mehr. Die dritte Form des Kulturkontakts ist die Kulturbeziehung. Beide Kulturen treten in Beziehung zueinander und übernehmen wechselseitig Elemente der jeweils anderen Kultur. Ein kolonialhistorisches Beispiel dafür ist die französische Jesuitenmission in Nordamerika und China. Wobei an diesem Beispiel bemerkenswert ist, dass die Nordamerikamission daran scheiterte, dass neben dem Christentum auch europäische Viren von den Indianern übernommen wurden, an denen ein Großteil der Menschen starb. Im Falle Chinas verlagerte sich die Kulturdebatte innerhalb der Jesuiten von China nach Europa, da nach europäischem Verständnis die Jesuitenmönche in China sich zu weit der chinesischen Kultur annäherten. Ein Pendant dazu findet sich in der Unternehmenswelt mit Merger of Equals, in denen man versucht, Kulturen miteinander in Beziehung zu bringen und wechselseitig voneinander zu lernen. Besonders interessant am Modell der Kulturbeziehung ist, dass sie ein dichotomes Denken, wir hier, die dort, nicht überwindet und sich die Möglichkeiten wechselseitigen Lernens in der Praxis regelmäßig als sehr beschränkt erweisen. Ein weiteres Beispiel dafür sind die Bemühungen europäischer Unternehmungen, in Südostasien Fuß zu fassen. Auch hier beschränken sich die gedanklichen Modelle häufig auf eine Dichotomie, die dann nur in den Dimensionen von Export oder Produktion in Billiglohnländern thematisiert wird. Neben die unterschiedlichen Formen des Kulturkontakts tritt die Kulturverflechtung. Die Kulturverflechtung definiert sich darüber, dass im Kontakt zweier Kulturen eine neue Kultur entsteht und Raum gewinnt. Kolonialhistorisch stehen dafür Entwicklungen des Spät- und Postkolonialismus. Gerade in Indien und Südafrika, in Kolonien britischer Prägung, entwickelten sich über die Zeit Ansätze eines Neuen, einer Kultur, die ein neues Gemeinsames begründete und sich klar von den Ursprungskulturen differenzierte. Historisch betrachtet lassen sich diese Entwicklungen heute nicht wirklich als Erfolgsgeschichten der Kolonialzeit erzählen. Allerdings lässt sich beobachten, wie nach und nach ein Bewusstsein dafür erwächst, dass sich hier etwas entwickelt, was sich den bekann-

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ten Beschreibungs- und Beobachtungsdimensionen und -traditionen entzieht. Mit einem Blick in die Unternehmenswelt lässt sich heute davon sprechen, dass sich gerade in der nachhaltigen Auseinandersetzung mit den Boommärkten in Südostasien eine Sensibilität dafür einstellt, dass sich mit den tradierten Mustern auch und gerade in Hinsicht auf das intendierte Geschäft wenig erreichen lässt. So wird heute daran geforscht, zu verstehen, was denn eigentlich in dieser Kulturverflechtung an Neuem entsteht und welche Möglichkeiten des Geschäfts jenseits von Export und Produktion daraus erwachsen können. Die Frage verschiebt sich also von der Frage danach, wie man Kulturkontakt bzw. die Kulturbegegnung managt, zur Frage, was denn eigentlich an Neuem in der Kulturbegegnung entsteht. Das gilt nicht nur für die Kulturbegegnung auf einer geschäftlichen organisationalen Ebene. Auch in der Thematisierung individueller Kulturkompetenz wird die Kompetenzskala neu definiert und nach oben geöffnet. Nicht mehr das Zuhausesein in zwei unterschiedlichen Kulturen gilt demnach als der oberste Grad der Kulturkompetenz, sondern die reflektierte Persönlichkeitsentwicklung und der Transfer des jeweils Gelernten in die jeweils anderen kulturellen Kontexte. Mit den unterschiedlichen Strategien des Kulturkontakts ist eine Blaupause beschrieben, um bewusst mit Kontingenz umzugehen. Wenn interkulturelle Führung gelingen kann, dann nur auf dieser Grundlage des bewussten Umgangs mit Kontingenz.

E. Cultural Mastery Die Leit-These der Cultural Excellence speist sich aus der Beobachtung der Erfolge der Personal Mastery und der Organisationsentwicklungsberatung15. Irgendetwas wird dort geleistet, was in einer kontingenten postmodernen Problemsituation als sehr hilfreich erlebt wird. Irgendetwas wird dort sehr richtig gemacht und als Lösung empfunden. Das, was gelingt, erinnert an das altgriechische „gnóthi seautón“, erkenne dich selbst. Erkenne dich selbst ist die Aufforderung zur Selbstbeobachtung. Es ist eine Anleitung zur Selbstbeschreibung, die kybernetisch gewendet das, was sie beobachtet und beschreibt, in und mit dieser Beobachtung und Beschreibung verändert. Die Personal Mastery geht noch einen Schritt weiter und paart die Selbstbeobachtung mit Selbstschöpfung, mit einem Wollen und Entscheiden. Wiederholt über die Zeit, erzeugt der Wechsel von Selbstbeobachtung und Selbstschöpfung Stabilität und sinnhafte Orientierung. Als Leit-These ließe sich Folgendes formulieren: Die Kernkompetenz der Postmoderne und damit die Antwort auf die Kontingenzproblematik ___________ 15 Zu den Ausführungen zur Personal Mastery vgl. Butler-Bowdon (Selbsthilfe, 2003); zur Organisationsentwicklung Schein (Process Consultation, 1969) und Ten Have/Ten Have/Stevens/Van der Elst (Management-Modelle, 2003).

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ist eine Prozesskompetenz im Changieren zwischen den beiden Polen von Selbsterkenntnis und Selbstschöpfung. Und das gilt für Individuen, also für psychische Systeme, ebenso wie für soziale Systeme, für Interaktionen, Organisationen und Gesellschaften. Führung vor und mit dem Hintergrund von Kontingenz ist in erster Linie Selbst-Steuerung auf der Grundlage von Selbst-Erkenntnis und SelbstSchöpfung. Das ist zuerst als changierender Prozess gedacht, hat aber auch strukturelle Konsequenzen. Es geht um die Gestaltung selbstreferenzieller und fremdreferenzieller Beobachtung und deren Folgen. Es geht um die Gestaltung von Sozialtechniken und damit schlussendlich um Social Design16, um Antworten auf die Problematik der Unausweichlichkeit des Anderen. – Interkulturelle Führung kann gelingen, aber nicht auf der Grundlage eines ontologisierenden Kulturvergleichs, sondern auf der Grundlage einer soziokybernetischen Heuristik, die im Sinne von Sozialtechnikfolgenabschätzung17 für die Implikationen der Beobachtung des Beobachters sensibilisiert und darin instrumentelle Zugänge eröffnet.

Literaturverzeichnis Baecker, Dirk (2003): Wozu Kultur?, Kadmos, Berlin. Beer, Stafford (1972): Brain of the Firm, 2nd ed. 1981, Wiley, Chichester. – (1979): Heart of Enterprise, Wiley, Chichester. Beyes, Timon (2003): Kontingenz und Management, Kovac, Hamburg. Bitterli, Urs (1986): Alte Welt – neue Welt, Beck, München. Bleicher, Knut (1991): Das Konzept Integriertes Management, Campus Verlag, Frankfurt a. M. Butler-Bowdon, Tom (2003): 50 Selbsthilfe Klassiker, Aufl. 2004, mvgVerlag, Frankfurt. Ehrenberg, Alain (2004): Das erschöpfte Selbst – Depression und Gesellschaft der Gegenwart, Campus Verlag, Frankfurt/New York. Foerster, Heinz von (1985): Sicht und Einsicht, Vieweg, Braunschweig. Hahn, Alois (1987): Identität und Selbstthematisierung, in: Hahn, Alois / Kapp, Volker (Hrsg.): Selbstthematisierung und Selbstzeugnis – Bekenntnis und Geständnis, Suhrkamp, Frankfurt a. M. – (2000): Konstruktionen des Selbst, der Welt und der Geschichte, Suhrkamp, Frankfurt a. M.

___________ 16 Social Design stellt in Anlehnung an Mau (Massive Change, 2004) Möglichkeiten und Verantwortungen menschengemachter Gestaltung von sozialem Miteinander gegenüber. 17 Zu Sozial- und Kulturfolgenabschätzung Klein (Kulturfolgenabschätzung, 2005).

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Kieserling, André (2004): Selbstbeschreibung und Fremdbeschreibung: Beiträge zur Soziologie soziologischen Wissens, Suhrkamp, Frankfurt a. M. Klein, Louis (2005): Social Innovation and „Kulturfolgenabschätzung“, in: International e-Journal of Abstracts for Cybernetics and Systems Research, http://abstracts.ifsr.org – (2002, 2006): Corporate Consulting – Eine systemische Evaluation interner Beratung, 2. überarbeitete und erweiterte Auflage, Carl-Auer-Systeme Verlag für systemische Forschung, Heidelberg. Luhmann, Niklas (1984): Soziale Systeme, Suhrkamp, Frankfurt a. M. Mau, Bruce (2004): Massiv Change: The Future of Global Design, Phaidon Press. Nassehi, Armin (2003): Geschlossenheit und Offenheit – Studien zur Theorie der modernen Gesellschaft, Suhrkamp, Frankfurt a. M. Schein, Edgar H. (1969): Process Consultation, Vol. 1 – Its Role in Organization Development, Ed. 1988, Addison Wesley, Reading, Mass. et al. Sennett, Richard (1998): Der flexible Mensch – Die Kultur des neuen Kapitalismus, 2. Aufl., 2000, Siedler Verlag, Berlin. Ten Have, Steven / Ten Have, Wouster / Stevens, Frans / Van der Elst, Marcel (2003): Handbuch Management-Modelle, Wiley-VCH, Weinheim. Weber, Max (1922, 1972): Wirtschaft und Gesellschaft, 5. Auflage, Mohr Siebeck, Tübingen. Willke, Helmut (1993): Systemtheorie I – Eine Einführung in die Grundprobleme der Theorie sozialer Systeme, 4. Auflage, UTB Gustav Fischer, Stuttgart. – (1994), Systemtheorie II: Interventionstheorie – Grundzüge einer Theorie der Intervention in komplexe Systeme. UTB Gustav Fischer, Stuttgart. – (1995): Systemtheorie III: Steuerungstheorie – Grundzüge einer Theorie der Steuerung komplexer Sozialsysteme, UTB Gustav Fischer, Stuttgart.

Umgang mit unscharfen Informationen Von Falko E. P. Wilms

A. Einleitung Kultur ist zugleich Ausdruck und Bedingung handlungsleitender Erwartungsbzw. Begründungsstrukturen von Akteuren in einer bestimmten Gruppe, sei es eine Gesellschaft oder eine (marktfähige) Organisation. Vor diesem Hintergrund wird gezeigt, wie handlungsleitende Erwartungs- bzw. Begründungsstrukturen so erfasst werden können, dass auch unscharfe Informationen berücksichtigt werden.

B. Anknüpfungspunkt Seit Gutenberg ist der Forschungsgegenstand der betriebswirtschaftlichen Theorie die Unternehmung1, die als eine (wissenschaftliche) Als-ob-Konstruktion angesehen wird: Man bedient sich der Prämisse, dass das betriebswirtschaftliche Endziel der langfristig effizienten Verzinsung des eingesetzten Kapitals durch eine rationale Ziel-Mittel-Relation (= der Unternehmung) realisiert wird.2 Über das Postulat der Wertfreiheit wird dabei von einer Trennung zwischen Zielen und Mitteln ausgegangen, jedes Ziel als gegebenes Datum angesehen und die Optimierung der Ziel-Mittel-Relationen angestrebt.3 Fragen nach der Zielfunktion, nach dem Zielsystem und dem Zielbildungsprozess in der Unternehmung werden dann in der Entscheidungstheorie4 behandelt. ___________ 1 Vgl.: Gutenberg, E.: Die Unternehmung als Gegenstand betriebswirtschaftlicher Theorie, Berlin u. a. 1929, S. 11ff.; Walger, G.: Produktive Produktion. Ein Beitrag zur Rekonstruktion Betriebswirtschaftslehre als ökonomische Theorie, Bern u. a. 1993, S. 109 ff. 2 Man beachte: Es wird eine finalisierte Begründungsstruktur unterstellt. 3 Vgl. Kirsch, W.: Unternehmenspolitik und strategische Unternehmensführung, München 1990; Weber, M.: Wissenschaft als Beruf, Stuttgart 1995, S. 28. 4 Vgl. Heinen, E.: Die Zielfunktion der Unternehmung, in: Koch, H. (Hrsg.): Zur Theorie der Unternehmung, Wiesbaden 1962; ders.: Das Zielsystem der Unternehmung, Wiesbaden 1966; ders.: Grundfragen der entscheidungsorientierten Betriebswirtschaftslehre, München 1976.

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Die deskriptive Entscheidungstheorie5 beschreibt Verfahren, mit dem ein Individuum seine Ziele bei gegebenen Rahmenbedingungen gut erreichen kann, und bezieht die Entwicklung von Zielen und die Konstruktion des Entscheidungsfeldes mit ein. Dementsprechend ist die deskriptive Entscheidungstheorie sozialwissenschaftlich und psychologisch unterlegt und orientiert.6 Als Entscheidung bezeichnet man die bewusste Wahl aus einer Menge an möglichen Verhaltensweisen, die einem Entscheidungsträger zur Realisierung seines Zieles zur Verfügung stehen.7 Wenn mehrere solcher Entscheidungen ineinander greifen, inhaltlich zusammengehören und dem gleichen Endziel verpflichtet sind, kann man von einer Strategie sprechen. Entscheidend für den hier entfalteten Ansatz ist, dass für das Erreichen eines langfristigen Endzieles zunächst mehrere kurzfristig erreichbare Zwischenziele zu verwirklichen sind und dass das Erreichen eines Zwischenzieles ein Mittel zur Verwirklichung eines nächsten Zwischenzieles ist, das selbst wiederum ein Mittel zur Erreichung eines dahinter liegenden Zieles ist. Auf diese Weise verwandeln sich Ziel-Mittel-Relationen in mehrstufige Ketten entlang des Zeitstrahls, die ihrerseits wiederum miteinander in Beziehung stehen können. In Workshops im Rahmen von Strategieberatungen zeigt sich immer wieder, dass Praktiker zumeist davon irritiert sind zu erkennen, dass formulierte Ziele eigentlich Mittel sind, dass jeder formulierte Endzweck letztlich nichts anderes ist als eine Finalisierung der eigenen Begründungsstruktur, dass die Formulierung eines Endzweckes immer die Folge einer vorausgehenden Entscheidung ist und dass rückbezügliche Relationen auf dem Weg zu einem Ziel zumeist die traditionelle Zuordnung von Argumenten und Gegenargumenten in ihrem Geltungsanspruch deutlich reduziert. Praktiker umgehen die sich daraus ergebenden Schwierigkeiten dadurch, dass sie gewohnte Hierarchien in das strategische Denken einführen, um eine Finalisierung der Begründungsstruktur zu erlangen.

C. Ausgangspunkte Entscheidungsverhalten ist geprägt von den subjektiven Vorstellungen8 der Entscheidungsträger in Form von Mentalen Modellen9 bzw. von kognitiven ___________ 5 Zur deskriptiven Entscheidungstheorie mit der Frage, wie Entscheidungen in der Praxis tatsächlich getroffen werden siehe Martin, A. / Bartscher, S.: Ergebnisse der Deskriptiven Entscheidungsforschung, in: Bartscher, S. / Bomke, P. (Hrsg.): Unternehmungspolitik, 2., überarb. u. erw. Aufl., Stuttgart 1995, S. 95–143. 6 Als Beispiel einer deskriptiven Entscheidungstheorie mit sozialwissenschaftlicher Öffnung siehe Kahle, E.: 5. Aufl., München u. a. 1998. 7 Vgl. z. B.: Sieben, G. / Schildbach, Th.: Betriebswirtschafliche Entscheidungstheorie, 2. Aufl. Düsseldorf 1980, S. 1. 8 Vgl.: Thomas, W. I.: The Child in America, New York 1932.

Umgang mit unscharfen Informationen

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Landkarten.10 Das Verständnis eines Managers von seinem Verantwortungsbereich hängt somit von dem Detaillierungsgrad seiner Modellvorstellungen ab11 und von seiner Fähigkeit, diese Vorstellungen hinsichtlich der Erwartungs- bzw. Begründungsstrukturen zu dokumentieren und anderen zugänglich zu machen. Dabei kommt Kommunikationsprozessen bezüglich des Aufbaus gemeinsamer – zumeist kulturimmanenter – Bedeutungsinhalte (sensemaking) eine besondere Bedeutung zu.12 Die Dokumente unterstützen dann Kommunikationsprozesse13 bei der Planung, verstanden als eine systematische Informationssuche und Informationsauswertung zur Entscheidungvorbereitung.14 Im Rahmen der Entscheidungvorbereitung fixiert der Praktiker zumeist ein langfristig angestrebtes Ziel und plant entlang des Zeitstrahls die nötigen Zwischenschritte zur Zielerreichung. Danach werden erkannte Rückbeziehungen integriert und in einer Kombination aus Vorwärts- und Rückwärtsplanung ein Wirkungsgefüge15 erarbeitet, in dem die als problemrelevant erachteten Zwischenschritte zum Ziel mit ihren begrifflichen Nennungen und deren wirksame Beziehungen durch Pfeile dokumentiert werden.16 Ein solches Wirkungsgefüge zeigt, dass Ziele oftmals selber Mittel sind und dass die vielen Rückkopplungen den Gültigkeitsanspruch vieler Argumente und Gegenargumente deutlich beschränken!

___________ 9

Vgl.: Johnson-Laird, P. N.: Mental Models, New York 1983; Johnson-Laird, P. N.: The computer and the mind, Cambridge 1988; Norman, D. A.: Some Observations in Mental Models; in: Gentner, D. / Stevens, A. L. (Eds.): Mental Models, Hilsdale, N. J. 1983, pp. 7–14. 10 Vgl.: Calori, R.: Markets and Managers, in: Calori, R. / Lawrence, E. (Eds.): The Business of Europe – Managing Chance, London et al. 1991; Taylor, J. R. / Lerner, L.: Making Sense of Sensemaking: How Managers Construct Their Organization Through Their Talk, in: Studies in Cultures, Organizations and Societies, 1996, Vol. 2.2, S. 259 ff. 11 Vgl.: Conant, R. C. / Ashby, W. R.: Every good regulator of a system must be a model of the system; in: International Journal of System Science 1/1970, No 2, S. 89–97. 12 Vgl.: Weick, K. E.: Sensemaking in Organizations, Sage 1995. 13 Vgl.: Pask, G.: Conversation Theory, Amsterdam 1976. 14 Vgl.: Kahle, E.: Betriebliche Entscheidungen, 5. Aufl., München u. a. 1998, S. 41. 15 Der Begriff wurde von Vester eingeführt in: Ballungsgebiete in der Krise: Eine Anleitung zum Verstehen und Planen menschlicher Lebensräume mit Hilfe der Biokybernetik, Stuttgart 1976. 16 Dies ist der Ansatz des vernetzten Denkens (Vester, F. / Hesler, A. v.: Sensitivitätsmodell, Frankfurt 1980; Vester, F.: Die Kunst vernetzt zu denken, Stuttgart 1999), der insbesondere von Vertretern der St. Galler Schule (z. B.: Gomez, P. / Probst, G.: Die Praxis des ganzheitlichen Problemlösens, Bern u. a. 1998) in die Betriebswirtschaftslehre eingeführt worden ist verschiedene Erweiterungen (z. B. Kahle, E. / Wilms, F. E. P.: Der Helidem, Aachen 1998) erfahren hat.

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Wenn sich mehrere Akteure bei der Ableitung von handlungsleitenden Erwartungs- bzw. Begründungsstrukturen wechselseitig aufeinander beziehen, ergeben die Kommunikationsstrukturen ein soziales System17.

D. Systemtheoretischer Hintergrund Gemäß George Spencer Brown18 grenzt eine Unterscheidung (distinction) eines Beobachters (observer) etwas (content) von etwas anderem (context) ab und ermöglicht Beobachtung. Das vom Rest Unterschiedene (marked space) wird durch eine Bezeichnung (indication) markiert. Der Rest (unmarked space) und die Unterscheidung können dabei nicht mitbenannt werden, siehe Abbildung 1.

content (marked space)

distinction

context (unmarked space)

to cross (observe)

observer

Abbildung 1: Die Systemidee

Der englisch verfasste Ansatz ist u. a. deshalb so komplex, weil das Englische „to observe“ unterschiedlich übersetzt werden kann. Beobachten ist ebenso möglich wie befolgen einer/mehrerer Regel/n, (z. B.: „Treffe eine Unterscheidung“) oder bemerken der bewirkten Folgen. Jede Benennung (z. B. von einem Ziel oder einem Zwischenziel) wird als Überschreitung (cross) einer Unterscheidung (distinction) angesehen, wobei die Innenseite von der Außenseite unterschieden wird.19 Die verwendete Unterscheidung wirkt als eine Innen-/ Außen-Differenz, die das Erkennungsmerkmal eines Systems ist.20 ___________ 17 Vgl.: Luhmann, N.: Soziale Systeme, Frankfurt a. M. 1984; ders.: Die Gesellschaft der Gesellschaft, Frankfurt 1999. 18 Spencer Brown, G.: Laws of form, London 1969. 19 Vgl.: Baecker, D.: Im Tunnel, in: Baecker, D. (Hrsg.): Kalkül der Form, Frankfurt a. M. 1993, S. 12–37, insb. S. 22. 20 Vgl.: Luhmann, N.: Zweckbegriff und Systemrationalität, Tübingen 1968, S. 120.

Umgang mit unscharfen Informationen

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E. Fuzzy Logik Gemäß der Logik von Aristoteles21 können Aussagen nur binäre Werte annehmen, z. B. wahr oder unwahr, gefüllt oder ungefüllt. Gemäß der auf Zadeh22 zurückgehende Fuzzy Logik können die Aussagen beliebig viele Zwischenstufen einnehmen. Wird beispielsweise das Alter eines Menschen mit den Werten jung, mittelalt oder alt beschrieben, kann jedem in Lebensjahren angegebenen realen Wert für jede linguistische Variable (jung, mittelalt, alt) eine Zugehörigkeitsfunktion (m) zwischen 0 und 100 zugewiesen werden. Es zeigt sich, dass nicht nur binäre Mengenzugehörigkeiten (x  M, x  M) möglich sind! Die linguistische Interpretation von an sich scharfen, messbaren Werten (hier: Lebensalter) nennt man Fuzzifizierung23 und ist an subjektive Begebenheiten gebunden: Ein Zwanzigjähriger wird einen Vierzigjähigen eher als mittelalt einstufen, ein Achzigjähriger wird denselben Vierzigjährigen eher als jung bezeichnen.

F. Der Fuzzy-Strategy-Finder I. Die Fragestellung Wird ein Sachzusammenhang mit einer Graphik aufgezeigt, in der die Einflussgrößen durch Begriffe und deren Beziehungen durch Pfeile dargestellt sind, spricht man von einem Wirkungsgefüge24. Ein solches Wirkungsgefüge kann darüber hinaus auch das relative Zustandsniveau der einzelnen Einflussgrößen beinhalten und die einzelnen Beziehungen hinsichtlich ihrer Wirkungsintensität, ihrer Wirkungsfristigkeit und ihres (dynamischen) Verlaufes dokumentiert werden. Die auf Plausibilität und Konsens basierende Konstruktion des Wirkungsgefüges25 der Problemsituation basiert insbesondere auf der anfänglichen Einigung auf eine grundlegende Zeiteinheit (z. B. Monate) und ermöglicht eine tiefe Durchdringung der Komplexität eines gegebenen Sachzusammenhangs. Der ___________ 21 Die logischen Schriften des Aristoteles (384–322 v. Chr.) sind unter dem Titel Organon (Werkzeug des wissenschaftlichen Erkennens) zusammengefasst und haben die weitere Entwicklung der Logik entscheidend beeinflusst. 22 Vgl.: Zadeh, L. A.: Fuzzy sets, in: Information and Control, 8/1965, pp. 338–353. 23 In rechnerischen Verfahren der Fuzzifizierung werden Messwerte nacheinander in die Funktionsgleichungen der Zugehörigkeitsfunktionen aller Fuzzy-Sets der linguistischen Variablen eingesetzt und so die jeweilige Zugehörigkeit ermittelt. 24 Vester, F.: Ballungsgebiete in der Krise, Eine Anleitung zum Verstehen und Planen menschlicher Lebensräume mit Hilfe der Biokybernetik, Stuttgart 1976. 25 Zur Konstruktion eines qualitativen Wirkungsgefüges siehe Wilms, F. E. P.: Systemorientiertes Management, Wiesbaden 2001, S. 147–162 und S. 173–176.

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Wert solcher Wirkungsgefüge liegt weniger in der Perfektion der Prozesserfassung als in der präzisen Formulierung eigener Annahmen, Gedanken und Erkenntnisse hinsichtlich der Möglichkeit, einen Prozess möglichst detailliert abzubilden.26 Ausgehend davon, dass qualitative Wirkungsgefüge eher verbale Aussagen generieren und dass quantitative Wirkungsgefüge so streng mathematisch zu formulierten sind, dass tiefe Mathematik- und Software-Anwenderkenntnisse benötigt werden, lautete unsere Eingangsfrage: Wie kann man mit unscharfen Informationen ein Wirkungsgefüge erstellen, das konkrete Aussagen ermittelt? Auf der Basis27 von Fuzzy Logic und Approximate Reasoning haben wir eine plattformunabhängige Möglichkeit geschaffen, mit deren Hilfe simulationsfähige Bedingungsgefüge soweit analysiert werden können, dass konkrete Handlungsempfehlungen entwickelt werden können. Entscheidungsträger sollen über verschiedene Ziel-Mittel-Relationen der Unternehmung hinweg einen effizienten Weg zu einem langfristig angestrebten Ziel finden können.

II. Das Vorgehensmodell Die aus Sicht des Managements zu erreichenden Zwischenziele zur Erreichung eines strategischen Ziels sollen durch eine multipersonelle Konstruktion eines Wirkungsgefüges28 erfolgen, das nicht etwa empirisch gesicherte Datenbestände einbezieht oder eine rational begründbare Modellstruktur darstellt, sondern die wirksamen Erwartungs- bzw. Begründungszusammenhänge29 der Beteiligten erfasst. Damit sollen die beteiligten Manager dem Gegenüber eigene Vorstellungen eines Sachverhaltes zugänglich machen können, eine gegenseitig nachvollziehbare Plausibilität ihrer Vorstellungen entwickeln und konsensorientiert zu einer gemeinsamen Sicht gelangen. Das dabei zugrunde gelegte Vorgehensmodell basiert auf einer anfänglichen Festlegung der zugrunde gelegten Zeiteinheit, zumeist sind dies Monate. Nach dieser Festlegung folgen die Phasen Ziel abgrenzen und formulieren, Wir-

___________ 26

Vgl.: Forrester, J. W.: World Dynamics, Cambridge 1971, S. 77 ff. Vgl.: Kahlert J. / Frank, H.: Fuzzy-Logic und Fuzzy-Control, Braunschweig 1994. 28 Vgl.: Wilms, F. E. P.: Multipersonelle Konstruktion von Wirkungsgefügen; in: Milling, P. (Hrsg.): Entscheiden in komplexen Systemen, Berlin 2002 S. 287–301. 29 Hier bestehen Anknüpfungspunkte zu kognitiven Orientierungsmustern wie z. B. den subjektiven Theorien, den Skripts und kognitiven Landkarten, deren Unterschiede in den Akzenten zu finden sind, vgl.: Biedermann, C.: Subjektive Führungstheorien – Die Bedeutung guter Führung für Schweizer Führungskräfte, Stuttgart 1989, S. 81. 27

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kungsgefüge erstellen, Übertragung der Ergebnisse in den PC und rechnerische Analyse sowie Interpretation der ermittelten Ergebnisse. 30 Zunächst wird auf der rechten Seite einer Pinnwand das/die formulierte/n Ziel/e notiert. Davon ausgehend wird dann von rechts nach links in einer Kombination aus Vorwärts- und Rückwärtsplanung ein zielführendes Bedingungsgefüge erarbeitet, das aus Elementen, aus deren Mittel Zweck-Relationen (nicht Kausalitäten!) besteht. Abschließend werden am linken Rand verschiedene, möglichst konkrete Maßnahmen fixiert, deren Umsetzung direkt auf das erstellte Bedingungs-Gefüge einwirken würde.

III. Das quantitative Wirkungsgefüge Es wird also ein Ziel(e)-Mittel-Diagramm aufgebaut, dessen Wirkungen von links nach rechts dokumentiert werden: Die ermittelten Ziel-Mittel-Relationen bilden mehrstufige Wirkungsketten entlang eines durch eine grundlegende Zeiteinheit definierten Zeitstrahls, bestehend aus einem/mehreren Endziel/en, aus zeitlich davor zu erreichenden Zwischenzielen und aus Handlungsalternativen am Anfang des Zeitstrahls.31 Bei einer realitätsnahen Konstruktion eines Ziel(e)-Mittel-Diagramms werden auch unbeabsichtigte Nebenwirkungen der an sich erwünschten Maßnahmen integriert. Sie üben zumeist einen negativen Effekt auf die Zielerreichung aus und sind als Nebenbedingungen wirksam. Die Berücksichtigung dieser Nebenbedingungen fordert den Prozessbeteiligten bewusste Entscheidungen ab, verbessert aber deren Grundlage und deren Akzeptanz sehr stark. Das erstellte Wirkungsgefüge (Abbildung 2) in der Form eines Ziel-MittelDiagramms besteht aus verschiedenen Input-Variablen (das sind die Handlungsalternativen), aus Inter-Variablen (sie ergeben in ihrem Zusammenspiel mehrstufige Wirkungsketten) und aus einem/mehreren Output-Variable/n (das ist/sind die strategischen Ziele). Die Input-Variablen auf der linken Seite des erstellten Wirkungsgefüges stellen die Handlungsalternativen des Akteurs dar und werden in linguistische Variablen überführt und fuzzifiziert. Die Fuzzifizierung der Eingangsgrößen erfolgt mit Hilfe von linguistischen Variablen (siehe hierzu Kapitel 3), wobei die ___________ 30 Vgl.: Wilms, F. E. P.: Planung mit unscharfen Informationen, in: Fischer, Th. (Hrsg.): Kybernetik und Wissensgesellschaft, Berlin 2004, S. 165–178. 31 Insofern geht es in unserem Ansatz nicht um die Konstruktion eines Wirkungsgefüges wie im vernetzten Denken (Vester, F.: Ballungsgebiete in der Krise: Eine Anleitung zum Verstehen und Planen menschlicher Lebensräume mit Hilfe der Biokybernetik, Stuttgart 1976) oder eines Feedbackdiagrammes wie im System Dynamics Ansatz (Sterman, J. D.: Busines Dynamics, Bosten u. a. 2000, S. 293 ff.).

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Zugehörigkeitsfunktionen in einem eigenen Editierfenster und der Startwert der Eingangsgrößen in einem eigenen Benutzerfenster nach Wunsch erfolgt.32 Die Inter-Variablen nehmen die Mitte des erstellten Wirkungsgefüges ein. Sie verbinden mit den von ihnen unterhaltenen Relationen die Handlungsalternativen des Akteurs mit dem/den von ihm verfolgten strategischem/n Ziel/en.

Abbildung 2: Das quantitative Wirkungsgefüge

Im erstellten Bedingungsgefüge können die vorhandenen Wirkungen nur vier unterschiedliche Ausprägungen (--, - , +, ++) einnehmen und es gibt nur vier verschiedene Startwerte der Einflussgrößen (Small, SmallMedium, LargeMedium, Large). Durch die Beschränkung auf lediglich vier verschiedene Merkmalsausprägungen sind die Beteiligten gehalten, sich bewusst zu entscheiden, da kein Mittelwert möglich ist. Bei einer Simulation werden die Einzelergebnisse der Relationen wahlweise über eine von drei Fuzzy-Aggregationsmethoden33 zu einem Zwischenergebnis berechnet und an interessierte Komponenten im Wirkungsgefüge weiterpropagiert. Die Output-Variable auf der rechten Seite des erstellten Wirkungsgefüges repräsentiert das verfolgte strategische Ziel des Akteurs. Bei einer Simulation ___________ 32

Die Randbereiche der linguistischen Variablen sind variabel. Die oberen und unteren Werte sind rein informativ und haben keinen Einfluss auf das Modell. 33 Es handelt sich dabei um Fuzzy-AND, Fuzzy-OR und Fuzzy-COMPENSATION (Mittelwert), vgl.: Kahlert / Frank (1994): Fuzzy-Logic und Fuzzy-Control, Braunschweig, S. 21–28, S. 43–52, S. 101–102.

Umgang mit unscharfen Informationen

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werden die verwendeten Fuzzy-Sets mit der Center of Gravity Methode34 zu scharfen Werten defuzzifiziert. Genau wie bei der Fuzzifizierung der Startwerte der Eingangsgrößen werden hierbei die linguisitischen Variablen Small, SmallMedium, LargeMedium und Large verwendet. Die Ergebnisse der Output-Variable wird in einer Analyse des Wirkungsgefüges durch eine von uns entwickelte Software generiert, die einen optimalen Weg von den Input-Variablen (= Maßnahmen) über die Inter-Variablen (= das Bedingungs-Gefüge) bis hin zur Output-Variable (= strategisches zum Ziel) errechnet. Diese Analyse erfolgt durch die Suche nach den im Sinne der Zielerreichung optimalen Maßnahmen-Kombination. Bei diesem Grundansatz handelt es sich aus mathematischer Sicht um ein Problem der diskreten Optimierung, für das verschiedene mathematische Algorithmen zur Verfügung stehen. Die bei Simulationen ermittelten Ergebniswerte für die Output-Variable geben Ergebniswerte für jede einzelne linguistische Variable an.

IV. Die Optimierung Die Optimierung der Zielerreichung über das erstellte Bedingungs-Gefüge hinweg ist mit dem Fuzzy Strategy Finder in unterschiedlichen Weisen möglich: • Grundsätzlich stellt sich die Optimierungsfrage: Wie viele Zwischenschritte sollen im Wirkungsgefüge bis zum Endziel berücksichtigt werden? In diesem Zusammenhang stehen viele Einzelfragen hinsichtlich des methodischen Vorgehens bei der Konstruktion des Wirkungsgefüges. • Soll lediglich ein strategisches Ziel (Output-Variable) verwendet werden, so bieten sich folgende Optimierungsfragen an: Bei welchen Werten der InputVariablen ergibt sich die beste Ausprägung der Output-Variable? • Sollen hingegen mehrere Ziele (Output-Variablen) zugleich verfolgt werden, könne folgende Optimierungsfrage bearbeitet werden: Bei welchen Werten der Input-Variablen sind die Output-Variablen zueinander in Konkurrenz? Für die qualitative Optimierung der Konstruktion eines Wirkungsgefüges kommen viele Instrumente und Vorgehensweisen aus der Moderation, der Metaplan-Technik und aus gruppendynamischen Prozessen in Frage. Für die rein quantitative Optimierung der Werte im Wirkungsgefüge kommen alle deterministischen Verfahren in Frage, die mit Unstetigkeiten in der Zielfunktion zu Recht kommen. Einfachste Variante: Vollständige Enumeration, ___________ 34 Vgl.: Kahlert / Frank (1994): Fuzzy-Logic und Fuzzy-Control, Braunschweig, S. 21–28, S. 43–52, S. 101–102.

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die den Suchraum durch geordnetes Evaluieren aller Punkte im Suchraum nach einer optimalen Lösung absucht. Bei dieser Methode findet man unter Garantie ein globales Optimum, jedoch unter proportionaler Zeit zur Größe des Suchraumes.

G. Resumée Nach Spencer Brown erfolgt das Lernen stets durch das Befolgen bestimmter Anweisungen und durch die anschließende Beobachtung der sich ergebenden Ergebnisse, um daraus Erkenntnisse zu gewinnen.35 Unsere Regeln lauten: • Konstruiere (Vorwärts- und Rückwärtsplanung) ein Gefüge aus Input-Variablen, Inter-Variablen und Output-Variable(n). • Erstelle die Regeln für die Relationen. • Analysiere welche Werte der Input-Variablen den besten Wert der einzigen Output-Variable ergibt oder bei welchen Werten der Input-Variablen die zu optimierenden Output-Variablen in einem Konkurrenz-Verhältnis stehen. • Interpretiere die Analyseergebnisse.

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___________ 35

Vgl.: Spencer Brown, G.: Laws of form, Gesetze der Form, Lübeck 1997.

Umgang mit unscharfen Informationen

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– Grundfragen der entscheidungsorientierten Betriebswirtschaftslehre, München 1976. Johnson-Laird, P. N.: Mental Models, New York 1983. – The computer and the mind, Cambridge 1988. Kahle, E.: Betriebliche Entscheidungen, 5. Aufl., München u. a. 1998. Kahlert J. / Frank, H.: Fuzzy-Logic und Fuzzy-Control, Braunschweig 1994. Kirsch, W.: Unternehmenspolitik und strategische Unternehmensführung, München 1990. Luhmann, N.: Die Gesellschaft der Gesellschaft, Frankfurt 1999. – Soziale Systeme, Frankfurt a. M. 1984. – Zweckbegriff und Systemrationalität, Tübingen 1968. Martin, A. / Bartscher, S.: Ergebnisse der Deskriptiven Entscheidungsforschung, in: Bartscher, S. / Bomke, P. (Hrsg.): Unternehmungspolitik, 2., überarb. u. erw. Aufl., Stuttgart 1995, S. 95–143. Norman, D. A.: Some Observations in Mental Models, in: D. Gentner / A. L. Stevens (Eds.): Mental Models, Hilsdale, N. J. 1983, pp. 7–14. Pask, G.: Conversation Theory, Amsterdam 1976. Sieben, G. / Schildbach, Th.: Betriebswirtschafliche Entscheidungstheorie, 2. Aufl., Düsseldorf 1980, S. 1. Spencer Brown, G.: Laws of form, London 1969. Sterman, J. D.: Business Dynamics, Boston 2000. Taylor, J. R. / Lerner, L.: Making Sense of Sensemaking: How Managers Construct Their Organization Through Their Talk, in: Studies in Cultures, Organizations and Societies, 1996, Vol. 2.2, p. 259ff. Thomas, W. I.: The Child in America, New York 1932. Vester, F.: Die Kunst vernetzt zu denken, Stuttgart 1999. – Ballungsgebiete in der Krise. Eine Anleitung zum Verstehen und Planen menschlicher Lebensräume mit Hilfe der Biokybernetik, Stuttgart 1976. Vester, F. / Hesler, A. v.: Sensitivitätsmodell, Frankfurt 1980. Walger, G.: Produktive Produktion. Ein Beitrag zur Rekonstruktion Betriebswirtschaftslehre als ökonomische Theorie, Bern u. a. 1993. Weber M.: Wissenschaft als Beruf, Stuttgart 1995, S. 28. Weick, K. E.: Sensemaking in Organizations, Sage 1995. Wilms, F. E. P.: Planung mit unscharfen Informationen, in: Fischer, Th. (Hrsg.): Kybernetik und Wissensgesellschaft, Berlin 2004, S. 165–178. – Multipersonelle Konstruktion von Wirkungsgefügen, in: Milling, P. (Hrsg.): Entscheiden in komplexen Systemen, Berlin 2002 S. 287–301. – Systemorientiertes Management, Wiesbaden 2001. Zadeh, L. A.: Fuzzy sets, in: Information and Control, 8/1965, 338–353.

Teil B Interkulturelle Zusammenarbeit

Intercultural Co-operation: A Consequence of Cultural Constraints in Managing Knowledge Von Marion A. Weissenberger-Eibl und Patrick Spieth

A. Ausgangssituation Unternehmen haben im Zuge ihrer Internationalisierungsaktivitäten die politisch-rechtlichen, die wirtschaftlichen sowie die sozio-kulturellen Rahmenbedingungen der jeweiligen Gastländer zu berücksichtigen (vgl. Welge/Holtbrügge 2003, S. 1 ff.). Studien zeigen, dass international tätige Unternehmen häufig die kulturellen Rahmenbedingungen nicht ausreichend berücksichtigen (vgl. Elenkov 2005, S. 665) und die Bedeutung von Kultur als einen kritischen Einflussfaktor auf das Wissensmanagement unterschätzen. Bhagat/Kedia (2002) stellen fest, dass die Unternehmenskultur einen erheblichen Einfluss auf den Erfolg des Wissenstransfers ausübt (vgl. Bhagat/Kedia 2002, S. 204 ff.). Sie stellen den Erfolg des Wissenstransfers als eine Funktion aus der Wissensart, der Unternehmensstrategie und dem kulturellen Hintergrund dar. Verschiedene Autoren (vgl. Holden (2001), Moffett et al. (2002), Glisby/Holden (2003), Holden/Von Kortzfleisch (2004)) bezeichnen die Unternehmenskultur als einen Schlüsselfaktor für das Management von Wissen. Diese Ansätze haben gemein, dass sie die Bedeutung der Unternehmenskultur für den Transfer von Wissen erkannt haben. Jedoch liefert die bisherige Literatur nur unzureichende Antworten auf die Frage, welche Einflüsse Kultur auf das Wissensmanagement hat und welche Lösungsansätze für die Behebung dieser Interkulturalitätsproblematik bei Wissensmanagement denkbar sind. An dieser Stelle setzt der Beitrag an. Betrachtet man die nationale Kultur, die Unternehmenskultur und die Gruppenkultur im Kontext der Internationalisierung, so fällt auf, dass diese drei Ebenen in wechselseitiger Abhängigkeit stehen (vgl. Thomas et al. 2003, S. 32 ff.). Nach Thomas (1996) beeinflusst Kultur das Wahrnehmen, Denken, Werten und Handeln aller Mitglieder der jeweiligen Gesellschaft (vgl. Thomas 1996, S. 1 ff.). Es lässt sich folgern, dass die Kulturebenen direkt und indirekt auf das Individuum wirken. Treffen Unternehmen im Zuge internationaler Geschäftsbeziehungen aufeinander, können die einzelnen Kulturen konvergent, kompatibel oder gar different sein. Sehr unterschiedliche Unternehmenskulturen können zu kulturellen Differenzen führen. Kultur hat durch das Individuum als Wissensträger einen Einfluss auf das implizite Wis-

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sen, weil Werte zum einen von der Kultur geprägt sind und zum anderen das implizite Wissen nach Definition von Polanyi (1966) unter anderem auf Werten basiert. Wird die Annahme getroffen, dass das von der Kultur geprägte implizite Wissen die Rolle der Eingangsvariable beim Wissenstransfer übernimmt, so lassen sich eine Reihe kulturbedingter Varianten des Erfolgs von Wissenstransfers erahnen. Dem Beitrag liegt die Arbeitshypothese zugrunde: Die Unternehmenskultur ist der kritische Einflussfaktor für ein erfolgreiches Wissensmanagement. Die Zielsetzung des Beitrags beinhaltet neben einem deskriptiven Ziel ein heuristisches sowie ein pragmatisches Ziel. Es werden zunächst die Bausteine Kultur, Wissensmanagement sowie interkulturelle Kooperationen definiert. Ferner soll sowohl der Einfluss von Kultur auf das Wissensmanagement als auch die besondere Rolle von interkulturellen Kooperationen aufgezeigt und beschrieben werden (deskriptives Ziel). Darauf aufbauend werden Hypothesen formuliert, die den Zusammenhang von Kultur, Wissensmanagement und interkulturellen Kooperationen darstellen (heuristisches Ziel). Schließlich werden Handlungsempfehlungen abgeleitet, die ein erfolgreiches Wissensmanagement durch interkulturelle Kooperation erwarten lassen (pragmatisches Ziel).

B. Stand der Forschung I. Wissensmanagement Im Bereich des Wissensmanagements sind die Arbeiten von Probst et al. (2003), Carlsson (2003), Al-Laham (2003), Bendt (2000), Edvinsson (2000), Weissenberger-Eibl (2004b, 2005, 2006), Schreyögg (1996, 2001), Rehäuser/Krcmar 1996, Nonaka/Takeuchi (1995, 1997), Kirsch (1991) und Polanyi (1966, 1985) wesentliche Grundlagenliteratur. Es ist festzustellen, dass es keine allgemein gültige Definition von Wissen gibt. Nach Probst et al. (2003) und Carlsson (2003) kann Wissen definiert werden als die Gesamtheit der Erkenntnisse und Fähigkeiten, die Individuen für die Lösung von Problemen einsetzen (vgl. Probst et al. 2003, S. 22). „Dies umfasst sowohl theoretische Erkenntnisse als auch praktische Alltagsregeln und Handlungsanweisungen. Wissen stützt sich auf Daten und Informationen, ist im Gegensatz zu diesen jedoch immer an Personen gebunden. Es wird von Individuen konstruiert und repräsentiert deren Erwartungen über Ursache-WirkungsZusammenhänge.“ (Probst et al. 2003, S. 22). Die Unterscheidung von implizitem und explizitem Wissen geht auf Polanyi (1966) und Nonaka/Takeuchi (1995) zurück. Explizites Wissen ist durch formale Methoden kodifizierbar, in Handbüchern oder Zeichnungen dokumentierbar

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und dadurch leicht transferierbar. Implizites Wissen umfasst persönliche, wertbasierte Intuitionen und Erfahrungen, die nur schwer artikulierbar sind und aufgrund ihrer hohen situativen Gebundenheit verbal nur schwer zu vermitteln sind (vgl. Polanyi 1966, S. 4 ff.). Wissensmanagement beinhaltet in Anlehnung an Weissenberger-Eibl (2004b, 2005, 2006) die Reflexion, die operative Wirksamkeit sowie die Ambivalenz harter und weicher Wissensmodi (implizites, explizites, internes und externes Wissen). Ein weit verbreitetes Modell des Wissensmanagements haben Nonaka/Takeuchi (1995, 1997) entwickelt. Dabei können vier Formen der Wissenstransformation, die den Transfer und die Erweiterungen von implizitem und explizitem Wissen umfassen, unterschieden werden: Kombination, Internalisierung, Externalisierung und Sozialisation.

II. Unternehmenskultur Im Bereich der kulturvergleichenden Managementforschung existieren Standardwerken wie von Thomas et al. (2003), Hofstede (2001), Fahrenhorst (2000), Rothlauf (1999), Schmid (1996), Hall (1995), Trompenaars (1993), Triandis (1989), Schein (1984, 1991). Jedoch sind seit diesen Untersuchungen kaum neue Erkenntnisse festzustellen. Darüber hinaus liegt in der Literatur ein heterogenes Verständnis der Begriffe Kultur, Unternehmenskultur, Kulturdimensionen und Kulturstandards sowie der dazugehörigen Konzepte vor. Kultur lässt sich nach Hofstede (1993, 1991, 2001) definieren als kollektives Bewusstsein. Kultur strukturiert ein für die Bevölkerung spezifisches Handlungsfeld, das von geschaffenen und genutzten Objekten bis hin zu Institutionen, Ideen und Werten reicht (vgl. Thomas et al. 2003, S. 22). Nach Thomas (1996) beeinflusst Kultur das Wahrnehmen, Denken, Werten und Handeln aller Mitglieder der jeweiligen Gesellschaft (vgl. Thomas 1996, S. 1 ff.). Forscher sind sich in weiten Teilen einig, dass Kultur einen Bereich umfasst, der von vom Menschen hergestellten Gegenständen und Werkzeugen über Werte, Ideen, Weltbilder, Sprache und Philosophien bis hin zur Art und Weise des Umgangs mit belebten und unbelebten Dingen, Subjekten wie Objekten, reicht (vgl. Thomas (2003a, S. 22). Bei der Betrachtung von kulturellen Unterschieden ist es entscheidend, die Begriffe Kultur und Unternehmenskultur zu differenzieren. Schein (1984, 1991) definiert die Unternehmenskultur als die erlernte Art des Wahrnehmens, Denkens und Fühlens, die die Organisationsmitglieder teilen und untereinander weitergeben (vgl. Schein 1984, 1991). Das bedeutet, dass die Unternehmenskultur im Gegensatz zur Unternehmensstrategie festlegt, auf welche Art und Weise die Unternehmensziele erreicht werden. Die Unternehmenskultur wird nach Thomas et al. (2003) als Kultur, die ein Muster gemeinsamer Grundprämissen bein-

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haltet, verstanden. Das Muster hat die Gruppe bei der Bewältigung ihrer Probleme externer Anpassung und interner Integration erlernt, es hat sich bewährt und gilt somit als bindend, und wird daher an neue Mitglieder als rational und emotional korrekter Ansatz für den Umgang mit diesen Problemen weitergegeben (vgl. in Anlehnung an Thomas et al. 2003, S. 32 ff.). Kulturdimensionen beschreiben Grunddimensionen menschlichen Verhaltens. Im Bereich der Kulturdimensionen gibt es vier grundlegende Modelle der Kulturdimensionen: Hofstede (1991, 2001), Hall/Hall (1990), Trompenaars (1993) und Demorgon (1996). Hofstede gilt als Pionier in der Kulturforschung. In seinem Modell beschreibt er das Verhalten anderer Kulturen durch das Aufstellen von fünf Kulturdimensionen: Individualismus/Kollektivismus, Machtdistanz, Unsicherheitsvermeidung, Maskulinität/Feminität und Langzeitorientierung. Die Anwendung der Kulturdimensionen ist jedoch fraglich und birgt Risiken. Die Eindimensionalität der Modelle sowie die Analyseperspektive können aufgrund von Kulturvorurteilen zu verfälschten Ergebnissen führen. Darüber hinaus findet sich in der Literatur ausreichend Kritik an der kulturvergleichenden Managementforschung. So stellen Welge/Holtbrügge (2003) heraus, dass es Sprachen, Variablen, Messungen und Stichproben an internationaler Äquivalenz fehlt (vgl. Welge/Holtbrügge 2003, S. 44 ff.). Daher sind nach Thomas (2002) Vergleiche von Kulturen mit Hilfe von universalistischer, kulturübergreifender Methoden und Dimensionen grundsätzlich nicht möglich (vgl. Thomas 2002, S. 27 ff.). Schmid (1996) und Welge/Holtbrügge (2003) sprechen in diesem Zusammenhang von einer Inkommensurabilität von verschiedenen Kulturen (vgl. Schmid 1996, S. 288 ff.; Welge/Holtbrügge 2003, S. 45). Das bedeutet, dass Kulturen miteinander nicht vergleichbar sind, da objektive Bewertungen aufgrund von kulturzentrischen Vorurteilen – so genannter cultural biases – kaum möglich sind. Thomas et al. (2003) stellt fest, dass Nationalkultur und Unternehmenskultur im Kontext der Internationalisierung zu betrachten sind. Das Individuum ist mit den Ebenen Gruppenkultur, Nationalkultur und Unternehmenskultur in einer wechselseitigen Beziehung verflochten. Es beeinflusst und gestaltet diese Kulturen aktiv mit, ist im Verlauf der individuellen Sozialisation in sie hineingewachsen und hat ihre sozialrelevanten Werte, Normen und Verhaltensmuster verinnerlicht und nutzt die entsprechenden kulturellen Orientierungssysteme zur eigenen Sinnbestimmung und Bedeutungszuschreibung. Zudem beeinflussen sich die verschiedenen intrakulturellen Ebenen gegenseitig. Werte, die seit Jahrzehnten in einem Unternehmen verhaltensbestimmend sind, die propagiert und praktiziert werden, haben Einfluss auf die Gruppenkultur in Unternehmen und sind zugleich im nationalkulturellen Kontext verankert, zumindest so lange, wie das Unternehmen eine in Theorie und Praxis nationalkulturelle Orientierung aufweist. Dies kann sich ändern, wenn Mitarbeiter und Führung international zu-

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sammengesetzt sind sowie wenn Geschäftsaktivitäten sich international ausrichten (vgl. Thomas et al. 2003, S. 32 ff.). Synergetische Organisationskulturen begreifen kulturelle Unterschiede als weltweit nutzbare Ressource (vgl. Welge/Holtbrügge 2003, S. 192 ff.). Demnach gibt es drei unterschiedliche Arten des Umgangs mit Multikulturalität in international tätigen Unternehmen (vgl. Schmid 1996, S. 220 ff.; Welge/ Holtbrügge 2003, S. 193; Bergemann/Sourisseaux 2003, S. 3 ff.): Strategie der Integration, Strategie der Differenzierung und Strategie der Ambiguität.

III. Interkulturelle Kooperationen Die Forschung im Bereich Kooperationen ist im Wesentlichen gekennzeichnet durch die Erkenntnisse von Kogut (2000), Sydow (2001), WeissenbergerEibl (2000, 2001, 2006), Thomas et al. (2003) und Becker (2005). Nach Sydow (2001) können Kooperationen definiert werden als eine formalisierte und langfristige Zusammenarbeit rechtlich und wirtschaftlich selbstständiger Unternehmen mit dem Ziel, gemeinsam die individuellen Ziele zu erreichen (vgl. Sydow 2001, S. 279 ff.). Kooperationen können anhand ihrer Richtung (horizontal, vertikal und lateral) sowie anhand ihrer Form (vertragliche Kooperation, Joint Venture und Fusion) unterschieden werden. Auch in diesem Bereich fehlt eine ausreichende Betrachtung der kulturellen Perspektive. Der Begriff Kooperation in Verbindung mit kulturellen Aspekten ist in der Literatur kaum zu finden. Ausschließlich Thomas et al. (2003) weist darauf hin, dass „man in der interkulturellen Kooperation bei all diesen […] Prozessen als Voraussetzung für eine effektive Kooperation mit zum Teil erheblichen kulturbedingten Varianten rechnen muss“. Von entscheidender Bedeutung für eine effektive interkulturelle Kooperation ist das wechselseitige Vertrauen (vgl. Thomas et al. 2003, S. 106 ff.; Pemberton et al. 1996, 953 ff.; Weissenberger-Eibl 2001, S. 203 ff.; Weissenberger-Eibl 2004b, S. 313 ff.; Weissenberger-Eibl 2006, S. 47 ff.). Interkulturelle Kooperationen erfordern eine ausreichend hohe Leistungsfähigkeit im Bereich der interkulturellen Wahrnehmung und der interkulturellen Kommunikation (vgl. Thomas et al. 2003, S.112 ff.; Thomas 1989, S. 186 ff.). Interkulturelle Wahrnehmung beginnt damit, dass Menschen, die aufeinander aufmerksam werden und in gewisser Weise füreinander Bedeutung erlangen, sich Ihrer kulturellen Zugehörigkeit bewusst werden. Interkulturelle Kommunikation umfasst alle Arten von Kommunikation von Personen aus unterschiedlichen Kulturen. Das schließt den Gebrauch verbaler und non-verbaler Symbole ein. Thomas et al. (2003) kommt zu folgendem Schluss: „Optimieren lässt sich interkulturelle Kooperation nicht allein durch learning by doing […], sondern nur in Verbindung mit Ausbildung, Training und reflexiver Kompetenz.“ (vgl.

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Thomas et al. 2003, S. 115). Für den Erfolg des Bestandes von interkulturellen Kooperationen sind neben der frühen Einbindung der Partner transparente Methoden zur Erfolgmessung von besonderer Relevanz. Bemerkenswert ist, dass die Rolle von interkulturellen Kooperationen zur Lösung interkultureller Probleme sowie die spezielle Bedeutung für das Wissensmanagement weitgehend unberücksichtigt bleiben (vgl. Weissenberger-Eibl 2000, S. 197. ff., 2006). Die Diskussion in der Literatur zeigt, dass die drei Felder Wissensmanagement, Unternehmenskultur und interkulturelle Kooperationen erörtert werden. In der Literatur wird der Einfluss von Kultur auf Wissen, Wissensgenerierung und Wissenstransformation weitgehend unberücksichtigt. Lediglich Holden (2001), Bhagat/Kedia (2002), Moffet et al. (2002), Glisby/Holden (2003) und Holden/Von Kortzfleisch (2004) zeigen erste Ansätze. Insbesondere Moffet et al. (2002) beschreibt die Unternehmenskultur als einen Schlüsselfaktor für das Management von Wissen (vgl. Moffett et al. 2002, S. 237 ff.). Holden (2001), Glisby/Holden (2003) und Holden/Von Kortzfleisch (2004) beschreiben Variationen von Wissenstransformationen aufgrund unterschiedlicher kultureller Hintergründe (vgl. Holden 2001, S. 155 ff.; Glisby/Holden 2003, S. 29 ff.; Holden/Von Kortzfleisch 2004, S. 127 ff.). Bhagat/Kedia (2002) stellen ein theoretisches Modell auf, das die Kultur und die Unternehmensstrategie als Determinanten für die Effektivität von Wissensmanagement berücksichtigt (vgl. Bhagat/Kedia 2002, S. 204 ff.). Gupta/Govindarajan (2000) beschreiben den Wissensfluss innerhalb von multinationalen Unternehmen (vgl. Gupta/Govindarajan 2000, S. 473 ff.), liefern jedoch keine Hinweise auf deterministische Funktion von kulturellen und nationalen Unterschieden.

C. Kulturelle Einflüsse auf den Wissenstransfer und der Beitrag von interkulturellen Kooperationen Aus dem analysierten Forschungsstand der drei Bereiche Wissensmanagement, Unternehmenskultur und interkulturelle Kooperationen ergeben sich die Zielsetzungen und Potenziale für ein Konzept, das Kultur als kritische Einflussgröße offensichtlich macht und die Besonderheit von interkulturellen Kooperationen berücksichtigt: (1) Aufzeigen der Bedeutung von Unternehmenskultur für das Management von Wissen, (2) Analyse der kulturellen Ansatzpunkte bei der Wissenstransformation, (3) Ableiten von Handlungsempfehlungen für den interkulturellen Wissenstransfer hinsichtlich der Sensibilisierung für den Faktor Unternehmenskultur und der Darstellung von Methoden und Instrumenten und (4) Darstellung der Besonderheit von interkulturellen Kooperationen für die Minderung der Interkulturalitätsprobleme.

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I. Hypothesenmodell: Wissensmanagement, Unternehmenskultur und interkulturelle Kooperationen These 1: Gegensätzliche Kulturdimensionen haben negativen Einfluss auf den Transfer von implizitem Wissen. Unter implizitem Wissen versteht man persönliche, wertbasierte Intuitionen und Erfahrungen (vgl. Nonaka/Takeuchi 1995). Unterschiedliche Kulturdimensionen können verschiedene Wertvorstellungen beinhalten. Da – wie sich im Folgenden ergeben wird – das implizite Wissen in kollektivistischen und individualistischen Kulturen grundsätzlich anders gehandhabt wird, wird sich die folgende Betrachtung auf die Kulturdimension „Individualismus/Kollektivismus“ konzentrieren. Dem gegenüber stehen vier Transformationsprozesse, die den Transfer von implizitem und explizitem Wissen beinhalten. Die Generierung von implizitem Wissen wird nach der Wissensspirale von Nonaka/Takeuchi (1995) durch die Prozesse Externalisierung und Sozialisation abgebildet. Im Rahmen der Externalisierung wird implizites Wissen in explizites Wissen umgewandelt. Dies geschieht zum Beispiel durch die schriftliche Fixierung von zunächst implizit befolgten Verhaltensregeln in einem Verhaltenskodex. Die Sozialisation beinhaltet die Erweiterung des impliziten Wissens durch den Austausch von Erfahrungen aus zum Beispiel unterschiedlichen Unternehmenseinheiten oder Kulturen. Das implizite Wissen ist das Wissen, das am meisten durch den kulturellen Hintergrund beeinflusst werden kann (vgl. Bendt 2000). Legt man das Kulturmodell von Hofstede (1991, 2001) und seine erste Dimension „Individualismus/Kollektivismus“ zugrunde, so fällt auf, dass sich die Wertvorstellungen von individualistischen Kulturen grundsätzlich von den Wertvorstellungen der kollektivistischen Kulturen unterscheiden. Bezogen auf die Kulturdimensionen mit den Polen Individualismus und Kollektivismus lassen sich Wertvorstellungen einer individualistischen und einer kollektivistischen Kultur ausdifferenzieren. Die Wertvorstellungen individualistischer Kulturen beinhalten (1) Überzeugung von Einzelentscheidungen, (2) Autonomie, Wohlgefallen, individuelle Sicherheit, (3) Streben nach Führung und Vielfalt, (4) Befürwortung individueller Initiative, (5) Universalismus, (6) Notwendigkeit spezieller Beziehungen und (7) moderne, zeitgemäße Muster. Die Wertvorstellungen kollektivistischer Kulturen sind gekennzeichnet durch (1) Überzeugung von Gruppenentscheidungen, (2) fachliche Kompetenz der Gruppe, Prestige, (3) Streben nach Ordnung und Konformität, (4) Missbilligung individueller Initiative, (5) Partikularismus (Ingroup vs. Outgroup), (6) Soziale Bindung nur innerhalb der Gruppe und (7) traditionelle Muster.

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Je gegensätzlicher die Wertvorstellungen sind, desto größer ist die kulturelle Distanz. Je größer die kulturelle Distanz ist, desto unterschiedlicher ist die Auffassung des impliziten Wissens, das auf persönlichen und wertbasierten Intuitionen und Erfahrungen basiert. Nach der Definition des impliziten Wissens hat dies infolgedessen Auswirkungen auf den Wissenstransformationsprozess. Aufgrund der unterschiedlichen Wertvorstellungen ergibt sich, dass eine Externalisierung von Wissen am vorteilhaftesten ist, wenn dieser Prozess von einem Wissensträger kollektivistischen Hintergrunds zu einem Individualist vollzogen wird. Die Externalisierung von Wissen, die von einem Individualist zu einem Kollektivist stattfindet, wird hingegen als die schwierigste Richtung der Wissenstransformation beurteilt. Für die Sozialisation ergibt sich, dass ein Erfahrungsaustausch und eine Sozialisation innerhalb kollektivistischer Kulturen am einfachsten ist, wohingegen innerhalb individualistischer Kulturen die Sozialisation als schwierig zu beurteilen ist. Diese Ergebnisse werden durch eine Studie von Bhagat/Kedia (2002) gestützt. Man kann festhalten, dass die Kultur durch Werte auf verschiedene Art und Weise das implizite Wissen definiert und daher die Transformationsprozesse unterschiedlich effektiv gestaltet. Die Effektivität des Wissenstransfers hängt folglich von der Wissensart und des kulturellen Hintergrunds der an der Wissenstransformation Beteiligten ab. These 2: Der Strategie-Fit der Kooperationspartner wirkt sich positiv auf deren Verhalten und somit auf den Erfolg der interkulturellen Kooperation aus. Kooperationen setzen sich zum Ziel, gemeinsam die individuellen Ziele der Kooperationspartner zu erreichen. Unternehmen verfolgen in der Kooperation individuelle Strategien. Eine Strategie kann als ein geplantes Maßnahmenbündel des Unternehmens zur Erreichung der langfristigen Ziele (vgl. Welge/AlLaham 2003, S. 12ff.) definiert werden. Es existieren drei Strategien im Umgang mit Multikulturalität in international tätigen Unternehmen: die Strategie der Integration, die Strategie der Differenzierung und die Strategie der Ambiguität (vgl. Schmid 1996, S. 220 ff.; Welge/Holtbrügge 2003, S. 193; Bergemann/Sourisseaux 2003, S. 3 ff.). Jeder Kooperationspartner hat ein Strategiebündel zur Verfügung, um Multikulturalität handhaben zu können. Besteht ein Strategie-Fit – also sind die individuellen Strategien und die Maßnahmen konsistent – wirkt dies positiv auf das Verhalten der Kooperationspartner. Die Strategien ermöglichen die Unternehmenskultur als Koordinations- und Steuerungsinstrument in interkulturellen Kooperationen zu nutzen. Jedoch steht dem das häufig in der Literatur kontrovers diskutierte Problem der Beeinflussbarkeit von Unternehmenskulturen entgegen.

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Die Strategien führen bei den Kooperationspartnern zu Verhaltensweisen, die sich in Form jeglicher Art menschlichen Agierens ausdrücken. Die sich ergebenden individuellen Verhaltensweisen beinhalten Ursachen für den Umgang mit Wissenstransfer. Im Rahmen der Primärkategorien von Ursachen mit unmittelbarem Einfluss auf das Verhalten lassen sich die ökonomische Denkschule sowie die psychologische Denkschule unterscheiden: Die ökonomische Denkschule besagt, dass Wissensteilung und -aufnahme extrinsisch motiviert und abhängig vom Eigeninteresse der beteiligten Individuen sind. Die psychologische Denkschule vertritt die Auffassung, dass Wissenteilung und -aufnahme intrinsisch motiviert sind. Individuelle und soziale Werte beeinflussen die Bereitschaft, Wissen zu teilen und aufzunehmen. Im Einzelfall können zusätzliche extrinsische Anreize die intrinsische Motivation negativ beeinflussen. Neben den Primärkategorien existieren Sekundärkategorien von Ursachen mit mittelbarem Einfluss auf das Verhalten. Dazu zählen zwei Ansätze: die soziale Schule und die interpretative, kognitive Denkschule. Die soziale Denkschule ist der Ansicht, dass Wissensteilung und -aufnahme von der sozialen Einbindung und der Beziehung zwischen den betroffenen Akteuren abhängig sind. Die interpretative, kognitive Denkschule geht davon aus, dass Wissensteilung und -aufnahme von der subjektiven Wahrnehmung und dem Sinn, den die beteiligten Aktoren damit verbinden, abhängig sind. Diese Verhaltensweisen bedingen den Erfolg der interkulturellen Kooperation. Für den Erfolg der interkulturellen Kooperation ist die Partnerwahl entscheidend. Es lassen sich Erfolgsfaktoren für eine interkulturelle Kooperation unterscheiden: die Kompatibilität der Zielsetzungen, die Ressourcenkongruenz, die kulturelle Kompatibilität als auch das Größenverhältnis. Darüber hinaus fördern interkulturelle Kooperationen die prozessuale Gerechtigkeit, die direkt und indirekt den Wissenstransfer unterstützt. Nach Goerzen/Beamish (2005) bildet wechselseitiges Vertrauen die Grundvoraussetzung. Interkulturelle Kooperationen können die Hürden des Markteintritts in andere Kulturen begünstigen. Nach Weissenberger-Eibl (2000, 2001, 2004b, 2006) verbinden Unternehmensnetzwerke – also auch interkulturelle Kooperationen –, Hierarchie und Markt. Vertrauen wirkt sich positiv auf die Bereitschaft aus, Wissen weiterzugeben und fremde Ideen zu akzeptieren (vgl. Weissenberger-Eibl 2000, 2006; Weissenberger-Eibl/Kelm 2005). Dies bedeutet nicht, dass die Kultur in den Hintergrund tritt, sondern dass aufgrund von Kongruenz der einzelnen Strategien eine Annäherungen der Kulturen stattfinden kann und sich somit die kulturelle Distanz in der Regel der Unternehmenskultur und der nationalen Kultur potenziell verringern kann. Eine Verminderung der kulturellen Distanz wirkt sich insbesondere positiv auf die Externalisierung von Wissen von individualistischen zu kollektivistischen Kulturen aus. Interkulturelle Kooperationen unterstützen dies, indem sie sowohl die

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interkulturelle Wahrnehmung als auch die interkulturelle Kommunikation der Partner fördern. These 3: Interkulturelle Kooperationen nutzen die Vorteile der individuellen Rollenmuster der Partner für die Behebung von Problemen der Interkulturalität. Gupta/Govindarajan (2000) und Soekijad/Andriessen (2003) weisen auf individuelle Rollenmuster der Unternehmungseinheiten multinationaler Unternehmen hin. Das Management von Wissen wird in großen Teilen als strategische Voraussetzung für den Erfolg von Kooperationen gesehen. Die idealtypischen Rollenmuster lassen sich auf interkulturelle Kooperationen übertragen und erklären unterschiedliche Transferströme von Wissen. Unternehmensinterne Wissensflüsse umfassen den Transfer sowohl von Expertise als auch von Marktwissen. Diese Wissensflüsse lassen sich nach dem Umfang und nach deren Richtung differenzieren. Wissenszufluss beschreibt das Ausmaß, in dem ein Netzwerkpartner Wissen von anderen Netzwerkpartnern nutzt. Wissensabfluss bezeichnet das Ausmaß, in dem ein Netzwerkpartner anderen Netzwerkpartner Wissen zur Verfügung stellt. Als Rollenmuster lassen sich lokale Innovatoren, globale Innovatoren, Integrierer und Implementierer identifizieren (vgl. Gupta/Govindarajan, 2000). Aufgrund ihrer Eigenschaft haben die lokalen Innovatoren eine geringe Bedeutung für den Wissenstransfer und werden daher in der folgenden Betrachtung ausgeblendet. Externalisierung und Sozialisation von Wissen sind in den drei übrigen Rollenmustern aufgrund von Kulturunterschieden mehr oder weniger effektiv. Aus den beiden Transformationsmodi ergibt sich, dass Implementierer explizites Wissen als Ergebnis der Externalisierung von implizitem Wissen anderer Netzwerkpartnern erhalten. Demnach ist diese Transformation von Wissen am einfachsten, wenn sich der Implementierer in einer individualistischen Kultur befindet. Die Voraussetzung dafür ist, dass sich der Wissenssender in einer kollektivistischen Kultur befindet. Globale Innovatoren geben in diesem Modell Wissen ab. Aus Konsequenz für das Modell ergibt sich, dass globale Innovatoren einen kollektivistischen Hintergrund aufzuweisen haben, um effektiv Wissen an Netzwerkpartner aus individualistischen Kulturen senden und transformieren zu können. Integrierer transformieren ihr Wissen am effektivsten, wenn sie einen kollektivistischen Hintergrund haben. Das bedeutet im Fall der Externalisierung von Wissen, dass der Wissensempfänger ein Individualist sein sollte. Im Falle der Sozialisation sollte der Wissensempfänger einen kollektivistischen Kulturhintergrund aufweisen, um eine hohe Effektivität der Wissenstransformation gewährleisten zu können.

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Durch Orientierung an positiven Handlungsergebnissen für den Partner können interkulturelle Kooperationen einen positiven Beitrag sowohl für den Wissenszufluss als auch für den Wissensabfluss leisten. Die treibenden Kräfte nach Thomas et al. (2003) sind (1) Überzeugung über das Verhalten des Partners, (2) Merkmale der Beziehung, (3) interpersonelle Disposition und (4) soziale Normen. Die Überzeugung über das Verhalten des Partners basiert auf Vorinformationen, Erwartungen, Beobachtungen der Partnerreaktionen auf eigene Kooperationsangebote, einer angenommenen Zielerwartungslogik in der Art, wie verbal kommuniziert wird. Die Merkmale der Beziehung beruhen auf persönlicher Zufriedenheit mit der Partnerbeziehung, dem Ausmaß an Vertrauen und Bereitschaft zu wechselseitiger Bindung und Verpflichtung. Die interpersonelle Disposition beruht auf individuellen Wertorientierungen sowie Vertrauen, Ehrlichkeit, Antizipation zukünftiger Konsequenzen. Soziale Normen herrschen in einer Gesellschaft und Kultur vor (bspw. Verteilungsgerechtigkeit, prozessuale Gerechtigkeit, Gleichheitsnormen, Beitragsnormen und Bedürftigkeitsnormen). Nach Übertragung des Konzepts von Gupta/Govindarajan (2000) auf die individuellen Kooperationspartner der interkulturellen Kooperation, kann festgehalten werden, dass durch die Kooperation die Vor- und Nachteile der individuellen Rollen egalisiert und die Probleme des interkulturellen Managements eingegrenzt werden können. Darüber hinaus kann dies einen kulturellen Wandel initiieren.

II. Methoden, Instrumente und Gestaltungsansätze Um den Einfluss von Kultur auf das Management von Wissen angemessen berücksichtigen zu können, sind Methoden, Instrumente und Gestaltungsansätze für ein kulturbewusstes Wissensmanagement denkbar. Im Wesentlichen stehen zwei Ziele im Vordergrund: (1) Sensibilisierung für das Thema Unternehmenskultur und (2) Aufzeigen von Instrumenten und Methoden, um den Transfer impliziten Wissens effektiver zu gestalten. Um die kulturelle Sensibilität zu erhöhen, sollten die einzelnen Netzwerkpartner und deren Mitarbeiter neben der Sprache (Vokabeln und Syntax) kulturelle Werte (Bräuche und Tabus) sowie persönliche Kommunikation und kreative Teamprozesse (Konflikthandhabung, Problemlösung) erlernen. Dies kann durch Sprachkurse, Cultural Awareness Training, interkulturelles Kommunikationstraining und interkulturelles Interaktions- und Handlungstraining erfolgen. Um den Transfer von implizitem Wissen effektiver zu gestalten, gibt es nach Welge/Holtbrügge (2003) eine Vielzahl an Instrumenten und Methoden. Diese hängen von der Reichweite des Wissenstransfers sowie von der Kodifizie-

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rungsmöglichkeit des Wissens ab. Dazu zählen insbesondere für den Transfer von implizitem Wissen: Personaltransfers, Training-on-the-job, informelle Besuche, Seminare und Kurse, interne Beratung und interkulturelle Teams. Nach einer Studie von Weissenberger-Eibl (2001) legen Unternehmen ihre Prioritäten im Wissensmanagement im Wesentlichen auf den Wissenstransfer sowie auf die Nutzung von implizitem Wissen. Als Methoden des Managements von implizitem Wissen wurden Erfahrungsaustauschzirkel, Kreativitätstechniken sowie Workshops und Projektmanagement genannt. Die Stichprobe ergab, dass die befragten Unternehmen die Eignung dieser vier Methoden gleich bewertet habe. Auffällig jedoch ist, dass die Anwendung von Kreativitätstechniken geringer ausfällt als die Anwendung der übrigen Methoden für das Management von implizitem Wissen. Darüber hinaus sind fünf Maßnahmen von der Initialisierung bis hin zur Institutionalisierung eines kulturbewussten Wissensmanagement erforderlich, die einen interkulturellen Wissenstransfer unterstützen sollen: (1) Verstehen und Nachvollziehen, an welchen Stellen Wissen verloren geht. (2) Den Transfer von Wissen in das Unternehmensleitbild integrieren. (3) Manager agieren als Vorbild und bauen so kulturelle Vorurteile (cultural biases) ab. (4) Auf kulturelle Einflüsse und Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeit aufmerksam machen. (5) Interkulturelle Netzwerke bilden.

D. Zusammenfassung und Ausblick Vor dem Hintergrund der Problemstellung lässt sich die Ausgangsthese bestätigen. Die Unternehmenskultur ist ein kritischer Einflussfaktor für ein erfolgreiches Wissensmanagement. Die Unternehmenskultur kann die Effektivität von Wissensmanagement beeinflussen. Der Zusammenhang von Unternehmenskultur und Wissensmanagement lässt sich wie folgt zusammenfassen: (1) Implizites Wissen beruht auf unterschiedlichen Wertvorstellungen und ist daher besonders von kulturellen Distanzen betroffen. (2) Die Externalisierung von Wissen ist am effektivsten, wenn der Wissenstransfer von Kollektivisten zum Individualisten erfolgt. (3) Ein gleicher kultureller Hintergrund ist Voraussetzung für eine effektive Sozialisation von Wissen. Interkulturelle Kooperationen können die Probleme der Interkulturalität egalisieren, so dass ein interkulturelles Wissensmanagement möglich wird. Dabei sind sowohl die interkulturelle Wahrnehmung als auch die interkulturelle Kommunikation entscheidende Erfolgsfaktoren. Diese Erfolgsfaktoren haben neben einem Strategie-Fit der Kooperationspartner einen positiven Einfluss auf das Verhalten und den Wissenstransfer der Partner.

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Unternehmen haben aufgrund der fortschreitenden Internationalisierung zunehmend die kulturellen Rahmenbedingungen zu berücksichtigen. Das Management vor allem von implizitem Wissen sowie die kooperative Zusammenarbeit in Form von interkulturellen Kooperationen werden zukünftige Kernkompetenzen erfolgreicher Unternehmen.

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Natural and Social Language in Intercultural Cooperation By Amei Koll-Stobbe

A. Linguistic Conceptions of Language: Natural Language and Social Language Languages form the essence of verbal communication processes and communication lies at the heart of social interactions. The study of communication is potentially an enormous undertaking that can draw on a wide range of disciplines such as psychology, social psychology, sociology, linguistics, sociolinguistics, philosophy and literary criticism (Hogg/Vaughan 2002: 568). Today there are two major conceptions of language underlying linguistic theories of language. One is centred on natural language and the other on social language (Coulmas 2005: 1). What Coulmas categorizes as natural language can be related to what formal linguists following Chomsky’s theoretical framework may encode as internal language. Language, claims the cognitive scientist Pinker, is a distinct piece of the biological makeup of our brains. Language is a complex, specialised skill which develops in the child without conscious effort or formal instruction and is distinct from more general abilities to process information or behave intelligently (Pinker 1994: 18). For these reasons some cognitive scientists have described language as a psychological faculty or a mental organ. Cognitive linguistics as a relatively new linguistic paradigm assumes that language reflects certain fundamental properties and design features of the human mind, and to study language, its systematicity, structure and functions means studying conceptualisation (Evans/Green 2006: 5). Cognitive linguistics forms a programme in distinct but overlapping though often competitive theories that react to models of language as a specialised and encapsulated innate cognitive subsystem (à la Chomsky and Pinker) with the fundamental hypothesis that language consists of symbolic assemblies of pairings of form and meaning (Langacker 1987) emerging from two general socio-cognitive abilities, the pattern-finding ability and the intention-reading ability (Tomasello 2003).1 ___________ 1 Generalising Tomasello’s abstractions from his first language acquisition studies. An important aspect of the theoretical controversy between universal grammar and cognitive linguistics is methodological divergence: “A notable achievement of the cognitive

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Mentalist linguists may reject the conception of language as a cultural artefact. If Pinker and Chomsky argue that the faculty of language can be regarded as a language organ (Chomsky 2000: 4), linguists who focus on social language may ask: If the faculty of language is part of our genetic heritage and an organ of the body, why does it come in so many vastly different guises? Why are languages so much more different than lungs and adrenalen glands? The sobering fact is that there is no convincing answer to this question unless we open our eyes to the other side of language; the social one … Society is built on language. There is no human society that does not speak and use language as its central instrument of organisation … Being socialized means learning the ways of one’s society including its language (Coulmas 2005: 3f.).

Taking language as a social fact not only implies that languages are learnt through social interaction. Natural language learning also means constructing a grammar and lexicon as a resource for socio-culturally appropriate practices. The currently most fascinating question is implied in what Coulmas paraphrases as “human societies use language as its central instrument for organisation” (see quote above). Does that imply that language shapes our way of organising concepts into linguistic categories and basic discursive organisational patterns (as narrative patterns, descriptive patterns)? The so-called Sapir/Whorf hypothesis on linguistic relativism in its strong form claims that language shapes human’s conceptual categories and the way he or she thinks. In its weak form it might be rendered as permitting language users to communicate more easily about those aspects of the physical or social environment that are important or salient in a culture. Basically all concepts in a given language culture can be translated into other languages, but lexical gaps (that is lexical convergence versus divergence in different languages) may facilitate or complicate equivalent lexical or grammatical choices in the other language (witness e.g. the concept of “consumption of food” encoded divergently in German essen [+ animate, + human] versus fressen [+ animate, – human], but as convergence in English eat [+ animate, + – human].2 Acknowledging differences and preferences for specific discursive routines or varying differentiation of lexical fields (such as culture-specific words for snow or colour adjectives) as customary differences implies acceptance of the historical development and change as well as diversity in languages. ___________ linguistics enterprise has been to refocus interest on the empirical perspective, and thus to reopen channels of investigation into language and mind that take into account embodiment, experience and usage” (Evans / Green 2006: p. 778). 2 Linguistic relativism is a controversial topic in linguistics and sociolinguistics, since, as Coulmas following Stubbs summarises “linguistic and cultural relativity often imply moral relativity” (Coulmas 2005: p. 39). Based on Humboldian thought, linguistic relativism is strongly associated with the work of Benjamin Lee Whorf and Edward Sapir, American anthropologists in the first half of the 20th century.

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The divergent approach to natural versus social language and what is considered the objective field of study has a long-standing tradition going back to de Saussurean (langue vs. parole) and Chomskyan (competence versus performance) dichotomies. The study of parole and performance (or in Chomsky’s more recent terminology external language, witness Chomsky 2000) had been transferred to psychology, sociology, communication and media studies. Only in the last couple of decades interdisciplinary subfields of linguistics were (re-)established that focus on situated language use as social and cognitive activity. Linguistic inter-disciplines such as sociolinguistics, psycholinguistics and pragmatics incorporate the psychological, social and cultural contexts of communicative processes both within and across national boundaries into their studies of language in social interaction. From the perspective of systems theory one may link the structuralist and generativist concepts of langue and competence to the study of languages as closed systems, abstracting from social contexts and situated language use, whereas parole and competence capture languages as adaptive communicative systems that are open to change and variable uses dependent on cultural context and norms, communicative settings and domains, goals and communicator intentions and skills (Koll-Stobbe 2000). Whereas on the one hand the theoretical framework of systems theory shapes our conception of what languages are, it is on the other hand social constructionism that shapes our conception of language use as a culturally grounded activity constructing discursive based social knowledge (Burr 20032). As language plays a crucial role in social interactions (be they intra- or cross-cultural interactions, be they verbal and/or non-verbal communicative processes) a vast research paradigm has developed in order to scientifically study social groups and individuals in action and interactions both quantitatively and qualitatively (Stangor 2004). Linguistic studies tend to be descriptive abstractions based on inductive reasoning, or data driven within an observational research framework. The social psychologist Robinson criticises the lack of integrative research programmes: It seems to be a strange characteristic of social scientists that they have a propensity to classify each other with labels rather than ask what are the most sensible ways of investigating sensible questions. … Historically, too many social psychologists have been cavalier in their use of terms and prone to rush into the use of quickly administered and cheap measuring instruments, using readily available participants in premature experiments. The field has been too heavily driven by the cultural imperatives imposed on academics, and too little by the academic issues (Robinson 2004: XIV).

There are only a few textbook-length treatments of language as a social process taking an integrative approach (Robinson 2003, Coulmas 2005), and reflections on natural language that integrate philosophical, psychological and linguistic theories are breaking new ground (Cummings 2005; Evans/Green 2006). However, the recent integrative treatments of natural and social language may eventually provide models of what language and communication is for disci-

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plines other than those that see the scientific study of communicative processes as their primary objectives.

B. Intercultural Cooperation: Pluricentric Norms In making linguistic choices language users perform social actions. The success of intercultural cooperation depends on understanding the social dimensions of the language cultures in contact and cooperation (Grice 1975, Hall 1976, Hofstede 20052). Socially adequate behaviour depends on the adaptation of general principles of cooperative behaviour to culture-based norms or expectancy frames. The skill to select linguistic forms and their meanings in a socioculturally appropriate way is a prerequisite for successful communicative interactions – not only in intercultural, but also in intra-cultural cooperation. We will claim in accordance with social psychology that norms can be developed and changed via communication (Stangord 2004: 301). The story of English as the numerically, geographically and functionally most important world language of our time shows that in language based cooperative activities the dispersed users of the language adhere to different norms depending on the medial context (spoken or written language use; medium used to transmit verbal messages), regional contexts and prestige of a variety (British English or American or Australian English; standard varieties vs. substandard or vernacular English), functional contexts (Business English; English as a lingua franca; technical jargons). English is considered to be a pluricentric language (Clyne 1992) with several reference points and different regulatory norms established in the (national and sub-national) institutional and educational curricula (as e.g. language policy in the US that led to the status of English as one of the de iure official languages in some of the federal states of the USA). Especially following the decolonisation in African and Asian nation states a multiplication of standards have been acculturated with their own sets of rules (Coulmas 2005: 229). English as used in Australia or Kenya is shedding off its stigma as deficient or inferior English, distant from the British standard and deteriorated by its colonial settler legacy or transfer and interference from local languages.3 Platt refers to four types of English language users or interlocutors resulting form the differentiation of English:

___________ 3

From an outsider’s (non-English) perspective, however, the factor of international prestige and economic power may be crucial for the preference of particular national varieties as learner varieties (such as American English as potential link language to global business).

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1. E-interlocutors: speakers of more established varieties of English with their own E-system of communicative rules related to their cultural, social and educational background. 2. EF-interlocutors: speakers of English as a foreign language, with a fully developed system of communicative rules related to their own cultural and social background, and having in addition an E-system of communicative rules, which is rarely complete and usually based on the upper social and educational norms of an E-group. 3. ES-interlocutors: speakers of English as a second language. All of these would be using English in at least one domain of their every day activities, e.g. in the workplace, but often in more than one domain. The typical ES-interlocutor is an immigrant to an E-country, e.g. a Chinese immigrant to Australia. The constellation of communicative competence systems would be similar to that of the EF-type but if the E-system of rules has not been aquired formally, it may be based on lower social norms. 4. NE-interlocutors: These would be members of a speech community which uses an indigenized English, a New English … as one of their codes. For some of them the NE has become a native language, being used for all everyday needs. These NE-interlocutors could have three or more communicative systems, e.g. one or more systems relating to local languages and cultures, … one NE-system … and sometimes an E-system (Platt 1989: 15f.). E-interlocutors in contact with EF-interlocutors thus can accommodate and adapt their communicative rule systems to the intercultural setting of interlocutors who use English as a link language with interferences both on the level of grammar and vocabulary and the level of social language, as will be shown in a close-up on politeness in the section below. Cultures with focused norms (such as the UK, the US) select the respective standard language as the default norm for all domains of public life, whereas switches to vernaculars are accepted in domains of privacy or leisure activities. Diffuse regional or ethnically-grounded norms can be found in many post-colonial anglophone ES-cultures and in every day communicative interactions in urban E-language cultures. Acceptance of domain-specific and medial norms (e.g. in meetings and conferences versus bulletins or business files) can be negotiated on the basis of preferred leadership styles in intercultural cooperation. Acceptance of domain-dependent standard or vernacular norms (just as variable dress-codes) may function as an integrating and motivating strategy for cooperation partners from cultures with more diffused sets of behavioural norms. Multilingual communities and corporations vary with regard to tolerance of variability of behavioural norms. Speakers or interlocutors are able to choose from more than one code or sub-codes and adapt linguistic choices to functions and contexts of verbal interactions. In communication speakers take into account normative expectations which allow them to anticipate the consequences of their linguistic choices. However,

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choices are restrained by so-called politeness conventions. The standard and substandard/dialect continuum is a potential dimension of politeness gradation, because from a historical perspective the geographical centre of the standard was always the centre of power. One dimension of linguistic politeness is thus to keep everyone in place and maintain asymmetric power relations as well as constrain linguistic choices (Coulmas 2005: 101).

C. Intercultural Communication: Politeness Behavioural norms surface in social language through the filter of politeness, an integral part of all human interaction that regulates dimensions of social status, power, distance and formality with the help of linguistic choices. Politeness is the practice of organizing linguistic action so that it is seen as inoffensive and conforming to current social expectations regarding the trouble-free management of communication (Coulmas 2005: 84). As deference, politeness is encodable through choices in the pronoun system of so-called T/V languages such as German and French, witness the overt grammatical differentiation between an intimate and a formal form of address in the pronoun system of the second person: French: tu, vous

German: Du, Sie

To infer from the convergence of the second person pronominal system in English that behavioural norms are more egalitarian, would mean falling into a synchronic trap, since from a historical viewpoint the English pronoun you developed from the polite form of address.4 Honorifics constitute grammatical choices for deference in some Asian languages as Japanese and Korean (but see evidence for European languages in Hickey/Stewart 2005, e.g. Huszcza 2005 for Polish) and as potential markers of social difference and inequality conventionalised in the morphological system of natural language. Within a sociolinguistic framework politeness patterns are best understood as culture-specific linguistic choices that are highly conventional and based on a presumed universal principle of cooperative behaviour (Grice 1975, Leech 1983).5 Currently there is an explosion of interest in interactional pragmatics ___________ 4

The interculturally divergent preferences for polite versus intimate forms of address (titles, surnames and titles, first names, nicknames, pronouns) in Scandinavian versus West-European versus East-European national and domain-specific use contexts constitute a major research interest in interactional pragmatics, see Hickey / Stewart (Eds.) 2005. 5 In fact this principle is in some theories regarded as a context-dependent principle that can be located within the operation of the mind’s pragmatic central system (see Cummings 2005: pp. 147).

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with a proliferation of empirical studies though the state of the art has still to be seen as providing an empirical snapshot of politeness in various language cultures6 following Brown/Levinson’s groundbreaking theoretical framework on rationality and face as postulated universal variables of politeness (Brown/ Levinson 1987). However, Brown/Levinson’s model gives little guidance on the three sociological variables power, distance and weight that vary from culture to culture (see Hickey/Stewart 2005, Introduction, p. 5). Hall’s theory (1976) provides an instrument for the organizational structure of differences in the linguistic organization of interpersonal relationship based on ‘high context’ versus ‘low context’, which means that, in the latter, relationships have to be negotiated linguistically, whereas in ‘high context’ cultures the context does the work (as Grundy 2000: 116 summarises informally). In various data-collecting settings of conversational interactions of German and English native speakers House 2005 found a consistent pattern: Germans tend to interact as though belonging to a ‘low-context culture’, that is verbose, explicit, direct and an orientation towards self – or in Hofstede/Hofstede’s 20052 model individualistic cultures – whereas the English tend to follow behavioural norms more typically found in ‘high context cultures’ such as implicitness, indirectness and orientation towards other – as in collective cultures. Does that imply that the English interactive behaviour can be related to Asian cultures and that Germans are less polite than the English? House’s studies show first of all that behavioural norms are culture-specific and based on conventional linguistic choices. Her findings document cross-cultural differences and preferences in linguistic means to realise politeness. The preoccupation with negative politeness structures in the Brown/Levinson’s framework may be grounded in an ethnocentric bias of E-interlocutor data in many of the influential studies on politeness (see Hickey/Stewart (Eds.) 2005, House 2005). However, House herself takes the standard as the unmarked behavioural norm and gives little information about her informants apart from identifying them as native speakers. As we have seen above, both German and English language cultures are pluricentric and informants in follow-up studies could be divided into E- or G-standard and substandard interlocutor categories to receive a more complex picture of conversational behaviour of English and German speaking groups of people.7 An important result of House’s studies is the documented transfer of the pragmatic variable interactive verbal routines. Germans tend not to rely to a considerable degree on conversational routines and are less willing to engage in ___________ 6

Hickey / Stewart (eds.) 2005 in the introduction to their volume on politeness in Europe. 7 See with regard to German as a pluricentric language some observations regarding North-South differences in linguistic choices in Clyne, M. (1992): German as a pluricentric language. In: M. Clyne (Ed.) (1992), 117–147.

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small talk, whereas there is an extensive stock of phatic formulae in Anglophone languages. Germans tend to transfer the concept of verbal routines to their conversational styles. House gives the examples “man sieht sich”, “wir telefonieren”, “Hi”, “Hallo” and “Sorry” (as an example of lexical transfer) (House 2005: 23). Following close intercultural contact a politeness pattern as discursive style marker may be transferred, and in the case of verbal routines turn into a popular encoding choice with younger Germans. This transfer may be symptomatic of accommodation to a prestigious speech style in a (internationally) dominant language culture (see Bourhis/Giles/Leyens/Taifl 1979). Knowledge of cultural preferences for linguistic choices in social language is important to ensure effective intercultural cooperation in what Platt terms sensitivity areas, such as engaging (starting a conversation), disengaging (ending a verbal exchange), requesting something from someone to do something, (positive or negative) responding to an offer or an invitation (Platt 1989: 19). A considerable part of intercultural behaviour as interpersonal behaviour is to establish temporary role relationships and a degree of closeness or intimacy to facilitate good working conditions. What is appropriate cooperative behaviour goes far beyond a simple knowledge of the “dos” and “donts” as appropriate choices in predictable communicative settings and conversational routines.

D. Intercultural Cooperation: Natural Language and Information Transfer For successful intercultural cooperation it is important that social language ensures the culture-specific organisation of the social framework for role relationship and work relationship control. However, it is natural language as a conceptual mental system that ensures adequate cognitive information transfer or construction in cooperative interactions.8 Being able to communicate rests on knowledge of a lexicon (linking concepts to words) and a grammar to encode or decode words. In order to master intercultural challenges, interlocutors have to control not only the knowledge system of their first language, but probably also a knowledge system of a second, foreign or link language (such as English), and adjust encodings and decodings of words to culture-specific or conventional reference frames. Natural language shapes our customary way of perceiving things and our customary way of categorizing information into structured chunks of knowledge and linguistic categories – or words – as the basic building block of information transfer. The basic matrix for conceptual information ___________ 8 The discussion in this section is based on Koll-Stobbe 2000: ch. 6, 7 and Evans / Green 2006: 8 and 10, using material on categorization taken from the groundbreaking studies by E. Rosch.

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processing is the categorisation system, which is organised as a taxonomic three-level system. Witness for instance an (incomplete) taxonomic system for vehicle: Superordinate

Basic level

Subordinates

Vehicle

car

vintage car sports car

bus

city bus

cross-country bus

truck

pick-up truck

tractor-trailer truck

It is the basic level at which humans are best able to list a cluster of common attributes for a category so that it is the most inclusive and thus most informative level. Basic level categories or words thus constitute the customary, culture-specific way to perceive the world. As we see in the above matrix it is the level of subordinates that provides additional (that means domain-specific or user-specific) knowledge, since pick-up truck may be related to a particular E-variety of English (American English), and EF-Germans may rather not know the E-subcategory vintage car due to interference of the indigenised category “oldtimer” (pseudo-anglicism). The example serves to illustrate that intercultural cooperation requires adequate shared knowledge of basic categories of natural languages involved in communicative encounters and domain-specific knowledge of subordinated categories and the taxonomic hierarchy. Do members of all cultures or speech communities categorize in this way? Given that all humans share the same cognitive apparatus, it would be surprising if the answer to this question were ‘no’. The question takes up a debate we outlined in section A: Are the same basic level categories evident in all cultures? Basic objects for an individual, subculture, or culture must result from the interaction between a potential structure provided by the world and the particular emphases and state of knowledge of the people who are categorizing. However, the environment places constraints on categorizations (Rosch et al. 1976: 430).

This view of categorisation entails that while the three-level organisation of conceptual categories may be universal, the level at which particular categories appear may be not. What counts as a basic-level category may vary from one culture to another. Therefore we stated with reference to the linguistic relativeity-hypothesis that language may shape our customary way of thinking. Learning processes evoke a re-organisation of the conceptual system when specialised knowledge may reshuffle the taxonomy. The same holds for the acquisition of a new language whose taxonomic system does not have to be identical to the first language. When using languages in intercultural cooperation it is essential to be aware of categorial convergence or divergence to control adequate in-

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formation transfer. Intercultural cooperation that encounters inadequate conceptualisations of domain-specific categorial information can be inefficient and costly. Natural language therefore provides categorially adequate information transfer or cognitive organisation of the communicative process, whereas social language ensures behavioural adequacy of intercultural cooperation. That culture-specific knowledge is crucial to effective communicative interaction shows the example of lexical ambiguity. Most lexical categories or words have more than one meaning, that is they are polysemous. Polysemy and homonymy enable adaptive shifts from customary thinking if exploited for comic effect, punch lines or punning, as in the example “The policeman reported sex between two cars” that may be decoded as two readings due to the polysemy of the preposition between (with the meaning as a spatial coordinator more in accordance with our encyclopaedic knowledge than the interpretation based on the meaning of between as indicator of a relationship). Effective control of polysemy may also prevent the misperception of socioculturally grounded secondary meanings, or connotations as in the following excerpt from a document in the context of EF-interlocutors (see section A): The fourth research area concerns the emergence of collective, cross-border identities on the basis of increasing intercourse. This example illustrates that misinterpretation of a secondary meaning based on polysemy (the meaning of intercourse as sexual intercourse) may result in unintended humorous effect on the reader and reflects categorial imbalance of EF-cultures versus E-cultures (see section A above) due to different sociocultural knowledge of lexical categories. Effective communicative interactions are based on natural and social language and framing of the conceptual system as natural and social component of language. Language policy in the EU has started to take differentiated aspects of language competence and plurilingualism seriously. Trying to develop a shared educational culture it published a Common European Framework of Reference for Languages (2001) as a programme built on a conception of language as social language: Languages represent culturally marked opportunities for expression. They … can become both an instrument for the demarcation of exclusion of countries, cultures and individuals and an occasion for encounter, contact and cooperation. Training authorities must ensure that the teaching and learning of languages … are directed at encounter, understanding and agreement between different cultures, and thus with neighbouring cultures (Raasch 2002).

Successful communication between human beings incorporates encoding, production, transmission, reception and decoding within shared frames of reference, both on the level of shared frames of socio-cultural reference and the level of conceptual reference, as I have tried to outline in this paper. In the so-called

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information and information technology age the possibility of providing access to adequate knowledge of natural and social language and languages in educational contexts should be a major political objective. Information is transmitted and constructed via language-based activities. Knowledge of the complexity of natural and social language may sharpen our awareness that linguistic and communicative skills as prerequisites for intercultural cooperation have to be accomplished as life-long learning. References Bourhis, R. / Giles, H. / Leyens, J. P. / Taifl, H. (1979): Psycholinguistic distinctiveness: Language divergence in Belgium, in: Giles, H. / Clair, R. S. (Eds.): Language and Social Psychology. Oxford: Blackwell, (158–185). Brown, P. / Levinson, S. (1987): Politeness: Some Universals in Language Usage. Cambridge: Cambridge University Press. Burr, V. (2003²): Social Constructionism. London: Routledge. Chomsky, N. (2000): New Horizons in the Study of Language and Mind. Cambridge: Cambridge University Press. Clyne, M. (Ed.) (1992): Pluricentric Languages. Berlin, New York: Mouton de Gruyter. Coulmas, F. (2005): Sociolinguistics. Cambridge: Cambridge University Press. Cummings, L. (2005): Pragmatics. A Multidisciplinary Approach. Edinburgh: Edinburgh University Press. –

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Ausprägung, Rolle und Bewahrung von Individualität in Kulturen der Kooperation Von Sven-Volker Rehm und Thomas Fischer Kooperation in unterschiedlichsten organisatorischen Formen ist seit jeher Gegenstand betriebswirtschaftlicher Forschung und Entwicklung. Stets spielen dabei die Aspekte Kommunikation und Information, Wissensteilung und Wissensbewahrung eine entscheidende Rolle. Die aktuelle technische Entwicklung trägt zwar zu einer signifikanten Verbesserung der diesbezüglichen Möglichkeiten bei, verschärft aber auch die Auseinandersetzung über die angemessene Gestaltung der Kooperationsmechanismen und ihrer Bedeutung für eine Kultur der Kooperation. Gemäß ihrer Forschungstätigkeit nähern sich die Autoren mit diesem Beitrag aus dem Blickwinkel technologisch-methodischer Voraussetzungen für Kooperation der Kultur der Kooperation an, identifizieren aber letztendlich den Menschen als Gestalter einer Kultur der Kooperation. Ausgehend von Definitionen für Kultur und für Kooperation werden die Gestaltungselemente einer Kooperationskultur über die Orientierung an dem Leitgedanken des „Konzeptionellen Gutes“ in Sozialen Systemen hergeleitet. Das Individuum und insbesondere der Aspekt der Individualität sind hierbei von besonderer Bedeutung. Es wird abschließend eine erste Definition einer Kultur der Kooperation versucht, welche die Aspekte der Gestaltung und der Entwicklung von Kooperationskultur als evolutionärem Kulturraum berücksichtigt.

A. Annäherung an eine „Kultur der Kooperation“ Die vergangene Tagung der Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialkybernetik, zu deren Tagungsband auch dieser Beitrag gehört, stand unter dem Thema „Interkulturelle Kooperation“ – ein Thema, welches im Laufe der vergangenen zwei Jahrzehnte durch das Zusammenwachsen Europas und durch die sich ständig vertiefende Kooperation des westlichen Europa mit den ehemaligen Ostblockstaaten im europäischen Rahmen besondere Aufmerksamkeit hervorgerufen hat. Kooperation zwischen Kulturen ist jedoch ein Thema, dessen Aktualität auch weltweit durch fortschreitende Globalisierung und eine sich rasant weiter entwickelnde Informations- und Kommunikationstechnologie ungebrochen ist,

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dies sowohl im Rahmen politisch- und sozialwissenschaftlicher als auch wirtschaftlich-technischer Betrachtungen. Im politisch-sozialwissenschaftlichen Rahmen stehen hierbei die Gesellschaftskulturen und deren Interaktionen als soziale Verhaltensweisen unter Beobachtung: Das soziologische Verhalten in Kooperationen steht im Mittelpunkt.1 Um Gesellschaften zu beschreiben, werden Netzwerke Sozialer Systeme betrachtet, und einzelne Soziale Systeme werden auf konkrete Zielsetzungen hin untersucht, indem man ihre inhärenten Prozesse analysiert und ihre Entwicklungen und Interaktionen mit weiteren jeweils relevanten, tangierten Sozialen Systemen aufzeigt. Die Erlebenswelt und das Verhalten des Individuums spielen dabei eine entscheidende Rolle und werden im Rahmen des jeweiligen sozialen Umfeldes soziologisch und psychopathologisch durchleuchtet.2 Die Organisation von Kooperation hingegen fokussiert die wirtschaftlichkonzeptionelle Gestaltung von Kooperation im Rahmen von Organisationskulturen, etwa über Beschreibung unterschiedlicher Organisationsformen für bestimmte Zielsetzungen der Kooperation. Auch hier wird das Individuum bei der Betrachtung von Unternehmenskulturen in den Vordergrund gerückt. Aus der Identifikation des Individuums mit seiner Organisation aus Selbst- und Fremdsicht3 sollen etwa geeignete Organisationsstrukturen für die Entwicklung günstiger Organisationsformen und -kulturen erarbeitet werden. Als strukturbildende Grundlage dieser beiden oben genannten Betrachtungsweisen wird in diesem Beitrag ein technologisch-methodischer Blickwinkel auf den Begriff der Kooperation eingenommen (vgl. Abbildung 1). Es sollen technologisch-methodische Voraussetzungen für Kooperation erarbeitet werden oder – in anderen Worten – die Elemente einer interorganisatorischen Kooperationskultur als Teil einer Kultur des Managements sollen entwickelt werden. Bevor Elemente einer Kooperationskultur über die Betrachtung Sozialer Systeme im Abschnitt B erarbeitet werden, soll hier zunächst eine grundlegende Definition der Begriffe Kultur und Kooperation gegeben werden.

___________ 1

Vgl. etwa Schädler / Freimuth 2005. Hejl 1992. 3 Vgl. etwa Scholz / Stein 2005, S. 90. 2

Individualität in Kulturen der Kooperation

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Soziologisches Verhalten in Kooperation

Organisation von Kooperation

Technologisch-methodische Voraussetzungen für Kooperation

Abbildung 1: Einordnung des Blickwinkels des Beitrages

Der Begriff Kultur bezeichnet das (geteilte) Konzeptionelle Gut eines Sozialen oder Wirtschaftlichen Systems. Jedes Individuum in einem solchen System ist dabei Träger eines eigenen, individuellen Konzeptionellen Gutes. In das (geteilte) Konzeptionelle Gut des Sozialen Systems bringen die am System teilnehmenden Individuen dieses ihnen eigene Konzeptionelle Gut über Inferenzprozesse sozialer Interaktionen ein. Der Begriff Konzeptionelles Gut (der später noch genauer zu betrachten sein wird) entstammt hierbei der Übersetzung von Marvin Minskys Ausdruck conceptual treasure: „This is what we call culture – the conceptual treasures our communities accumulate through history.“4 Der Begriff Kooperation kann verstanden werden als eine bestimmte Ausprägung – ein Prozeß – von Kommunikation und von koordiniertem, zielorientiertem Gemeinschaftshandeln innerhalb eines Sozialen oder Wirtschaftlichen Systems.

___________ 4

Minsky 1985, S. 236.

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B. Zu Ausprägung und Rolle von Individualität in Sozialen Systemen Bevor der Begriff des Konzeptionellen Gutes näher beleuchtet werden kann, soll hier – in Anlehnung an Hejl5 – ein kurzer Abriss über die Eigenschaften Sozialer Systeme gegeben werden. Danach lassen sich die grundlegenden Eigenschaften von Sozialen Systemen (Sozialsystemen) vereinfacht wie folgt darstellen: Sozialsysteme konstituieren sich aus Individuen, die am System „freiwillig“ teilnehmen. Diese Individuen bringen sich stets in eine Mehrzahl von Sozialsystemen ein. Im Gegensatz zu selbsterhaltenden Systemen konstituieren Sozialsysteme ihre Komponenten nicht selbst und im Unterschied zu selbstreferentiellen Systemen organisieren Sozialsysteme nicht alle Zustände der Komponenten, d.h. die „Systemrealität“ ist nicht die einzige Realität der Individuen. Darüber hinaus ist es Sozialsystemen eigen, dass alle Komponenten Zugang zur Umwelt des jeweiligen Sozialsystems haben. Eine für uns wichtige Schlussfolgerung über Soziale Systeme aus den oben genannten Eigenschaften ist daher die notwendige Ausbildung von parallelisierten Zuständen der interagierenden Individuen, d.h. Realität, Sinn und Bedeutung sind zu verstehen als jeweils individuelles Ergebnis sozialer Interaktionen. Es entsteht darüber hinaus eine gemeinsame Realität als Handlungsgrundlage (Handlungsrepertoire) des Sozialsystems. Individuen beeinflussen einander über Interaktionen, die eine Parallelität von Verhaltensmodifikationen zur Folge haben, welche jedoch unter Umständen nur von externen Beobachtern bemerkbar sind. Letztendlich geschehen Veränderungen von Sozialsystemen durch bewusste oder unbewusste Koevolution der diese konstituierenden Individuen. Was ist nun unter dem Begriff Konzeptionelles Gut zu verstehen? Minskys conceptual treasure kann man auch als „Wissensschatz“ eines Individuums in dessen Sozialsystem interpretieren6. Diesem Gedanken folgend wird deutlich, dass die grundlegende Ausbildung dieses Gutes der Konzeptualisierung bedarf, in anderen Worten der Spezifizierung von Rolle, Sinn und Bedeutung von Wörtern (Sprache) oder in weiterem Sinne – des Schaffens von Wissen. ___________ 5

Hejl 1992. Diese Interpretation betont nur einen Teilaspekt des Begriffs „Konzeptionelles Gut“. So wird dieser Wissensschatz als technisch-methodische Größe etwa durch die Individualität einer Person ergänzt, z.B. durch die jeweiligen Charaktereigenschaften die bedingen, wie der Wissensschatz von einer Person in ein Sozialsystem eingebracht werden kann. 6

Individualität in Kulturen der Kooperation

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Insofern liegt es nahe, an diesem Punkt jedem Sozialen System eine Wissensdomäne zuzuordnen, welche eine ganze Reihe von unterschiedlichen Wissensarten umfasst und für ihr gutes Funktionieren benötigt, dies sind etwa Erfahrungswissen (unter Beachtung des Aspekts der Historizität von Individuen) und Handlungswissen (verstanden als Handlungsrepertoire des Sozialsystems) sowie insbesondere Wissen über eigene Werte und die Werte anderer. Diese Wissensarten, die sich als das tatsächliche Wissen der Individuen eines Sozialsystems ausprägen, definieren ein dem Sozialsystem eigenes Wertesystem i.S.v. parallelisierten Zuständen der interagierenden Individuen mit jeweils eigener Interpretation von Realität, Sinn und Bedeutung sowie außerdem einem eigenen Begriffssystem. Diese werden durch Handlungserfahrungen ergänzt. Handlungserfahrungen umfassen dabei Wissen über (vergangene) Interaktionen und (Wissen über) Regeln für die Interaktionen im jeweiligen Sozialsystem, auch i.S.v. Organisationshandeln.7 Der hier benutzte Begriff der Kultur manifestiert sich somit insbesondere innerhalb des Sozialsystems (als Rahmen bzw. Systemgrenze) durch das Zusammenspiel von Individuum bzw. den Individuen als konstituierenden Elementen und deren Konzeptionellem Gut als herausragender kultureller Eigenschaft. Zu Ausprägung und Rolle von Individualität in Sozialen Systemen ist festzuhalten, dass neben der phänomenologischen Betrachtung des Individuums als konstituierender Komponente und als eigenes System vor allem das Verhältnis von Individuum und System hinsichtlich Interaktionen, hinsichtlich Wissen und Wissensteilung, hinsichtlich Werten und hinsichtlich der Ausprägung eines individuellen und gemeinsamen Konzeptionellen Gutes zu betrachten ist, um Individualität zu beschreiben. Die bei Hejl zu findende Feststellung, dass Systemveränderungen sich durch Koevolution der Individuen manifestieren, wird bei späteren Betrachtungen der Gestaltung und der Entwicklung von Kooperationskultur als evolutionärem Kulturraum von Interesse sein.

___________ 7

Dies geschieht im Rahmen des sog. „Aktiven Konservatismus“ (vgl. Hejl 1992, S.142) als Handlungserfahrungen einzelner Systemmitglieder und als Handlungserfahrungen von Systemen. Im weiteren Verlauf des Beitrages werden Handlungserfahrungen als Teil des Wertesystems behandelt, da das Individuum auch diese Handlungserfahrungen interpretiert und somit in sein Werte- und Begriffssystem einfließen lässt. („Erfahrung“ ist mehr als eine bloße Begrifflichkeit).

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C. Zu Ausprägung und Rolle von Individualität in Kooperationen: Kooperationsprozesse und Wissen Welche Schlussfolgerungen aus den vorangegangenen Betrachtungen zu Sozialsystemen lassen sich nun für die Gestaltung von Kooperation innerhalb solcher Systeme ziehen – unter Beachtung der angeführten Elemente? Eine systematische Gestaltung von Kooperation – oder in anderen Worten ein Ansatz für die Schaffung einer Kooperationskultur – bedarf demnach zunächst der Ausbildung und Nutzbarmachung der eingangs genannten zentralen Facetten einer Kultur, dies sind • Systematische Gestaltung der Interaktionen zwischen Teilnehmern einer Kooperation, • Systematische Gestaltung der Wissensteilung zwischen diesen Teilnehmern sowie • Systematische Entwicklung eines gemeinsamen Konzeptionellen Gutes. Später bedarf die Aufrechterhaltung der geschaffenen Kooperationskultur der Anpassung und Veränderung – Evolution – dieser Facetten. Wie prägen sich diese einzelnen Facetten der Kultur aber aus, wie werden sie koordiniert, repräsentiert und wie verhalten bzw. entwickeln sie sich? Um diese Frage zu beantworten, werden nachfolgend zum einen die Wissensteilung in Kooperationsprozessen und zum anderen der Prozess von Konzeptualisierung und Konsens näher beleuchtet.

I. Wissensteilung in Kooperationsprozessen Im Rahmen der heute verfolgten Ansätze zu der Organisation von Kooperation existiert eine Vielzahl an Konzeptionen, Methoden und Technologien für die Gestaltung von Kooperationsprozessen. Dies sind auf der Seite der organisatorischen Konzeptionen vor allem wissensorientierte Ansätze mit dem Ziel, Wissen zu teilen. Diese Wissensteilung wird dabei jeweils dem Umfeld, den Kooperationszielen und den Mitgliederstrukturen eines Sozialsystems entsprechend gestaltet. Methoden der Wissensrepräsentation werden für die Nutzbarmachung von Wissen für Individuen zur Organisation des Gemeinschaftshandelns durch wissensbasierte Informationssysteme für die Koordination von Kommunikationsprozessen eingesetzt. Die Ausgestaltung und Eignung solcher Konzeptionen, Methoden und Technologien orientiert sich an dem Erfolg der angestrebten Wissensteilung, die sich letztendlich über eine (wirtschaftlich) effiziente und effektive Interaktion (als

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Teil der Kooperation) messen lässt. Ob der Einsatz dieser Mittel jedoch zur Schaffung eines gemeinsamen Konzeptionellen Gutes und somit zur Gestaltung einer Kooperationskultur beiträgt, ist noch unklar – denn neben der Teilung von Wissen ist nach der oben angeführten Erkenntnis, dass neben der Definition einer systemeigenen Wissensdomäne auch ein systemeigenes Wertesystem definiert werden muss, ein weiterer Prozess notwendig, der im Folgenden unter den Stichworten Konzeptualisierung und Konsens betrachtet wird und beschreiben soll, wie denn nun das gemeinsame Konzeptionelle Gut entstehen kann8.

II. Konzeptualisierung und Konsens Neben der Wissensteilung ist also ein weiterer Prozess notwendig, um ein gemeinsames Konzeptionelles Gut zu schaffen. Die zwei grundlegenden, kritischen Aspekte für die Ausbildung, die Nutzbarmachung und die Fortentwicklung dieses Gutes sind die Motivation für den Aufbau und der Erfolg der Nutzung einer Wissensbasis (welche in gleichem Maße als Grundlage für die Teilung von Wissen genutzt werden kann). Die Motivation zu dem bewussten und disziplinierten Einbringen von individuellem Wissen in eine Wissensbasis und zu der aktiven systematischen Nutzung, Bewahrung und Pflege dieses Wissens der Mitglieder, etwa in einem festgelegten Wissens-Metaprozess, wie von vielen Ansätzen vorgeschlagen wird, hängt von der günstigen Integration des (Wissens des) Individuums ab: Der Ausdruck günstig beschreibt hierbei die Tatsache, dass das Individuum vom Einbringen seines eigenen Wissen im Rahmen seiner Teilnahme an dem Sozialen System profitiert9 – zum Beispiel lernt – und dies auch so wahrnimmt. Wie kann ein Individuum nun dieses gemeinsame Wissen für sich nutzbar machen? Die Antwort auf diese Frage liefern Ansätze für den systematischen Aufbau gemeinsamer Begriffsräume, wie sie heute etwa unter dem Begriff Ontology Engineering subsummiert und umgesetzt werden. Diese Ansätze basieren auf Konsens über die im System benutzten Begrifflichkeiten – d.h. Sinn und ___________ 8 Es ist zu beachten, dass in diesem Beitrag die Untersuchung eines „gemeinsamen Konzeptionellen Gutes“ aus methodisch-technischer Sicht beschrieben wird. Weiter gefasste Ansätze der Philosophie nähern sich diesem Begriff etwa im Umfeld der MetaSystem-Transition im Rahmen der Untersuchung von „Memes“ (von Individuen getragene Informationsreplikatoren, die informationelle Muster und Bedeutung als hervorragende Eigenschaften aufweisen) (vgl. Heylighen 1992). Luhmann nähert sich dem Phänomen geteilter Werte bei der Betrachtung der Kopplung autopoietisch operierender Systeme, indem er als Hilfsmittel das „Medium“ als Wahrnehmungsraum eines Individuums definiert. Medien können dann auch von verschiedenen Individuen als gemeinsame Wahrnehmungsräume (sic!) geformt werden (vgl. Krause 2005, S. 68–88). 9 „Profitieren“ hier nicht im Sinne wirtschaftlichen Profits, sondern im Sinne einer Bestätigung der freiwilligen Teilnahme am Sozialen System.

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Bedeutung werden zum gemeinsamen Gut. Dies bedarf der Selektion der für die Kooperation wichtigen Begriffe über eine sogenannte Konzeptualisierung und der Festlegung von Regeln für das Gemeinschaftshandeln. Es entsteht eine gemeinsame Sprache. Das individuelle Mitglied muss diese gemeinsamen Begriffe/Konzepte nun wieder für sich individuell spezifizieren (als Spezifizierung der Konzeptualisierung, einer sog. Ontologie). Unter der Vorbedingung des Konsens entsteht somit ein Raum geteilter Wertvorstellungen. Diese gemeinsamen Begriffsräume müssen dann über Mechanismen der Navigation nutzbar gemacht werden, um als Hilfsmittel für das Gemeinschaftshandeln in dem neuen Kulturraum auf Basis der gemeinsamen Sprache und innerhalb des Rahmens geteilter Wertvorstellungen dienlich sein zu können. Zu dem komplizierten Prozess der Navigation im Rahmen von Kooperation sind in der vorliegenden Reihe von Tagungsbänden weitere Aufsätze der Autoren erschienen.10 Zu Ausprägung und Rolle von Individualität in Kooperationen ist also festzuhalten, dass geteiltes Wissen, eine gemeinsame Sprache und ein auf dieser Grundlage gemeinsam gestaltetes Handeln, für die Ausprägung und Entwicklung eines gemeinsamen Kulturraumes notwendig sind. Dieses Wissen, die Sprache und die Wertvorstellungen müssen jedoch für jedes Mitglied individuell über Navigationsmechanismen spezifizierbar und praktisch greifbar werden, um als gemeinsamer Kulturraum wahrgenommen werden und Bestand haben zu können.

D. Bewahrung von Individualität – oder doch Entwicklung? Im Rahmen der hier angestellten Betrachtungen muß die (kritische) Frage nach der organisatorischen Identifikation, Identität und Individualität – sowie deren Veränderung und Weiterentwicklung – gestellt werden. Da weiter zu fassende Betrachtungen von Identifikation und Identität des Individuums nicht im Blickwinkel dieses Beitrages liegen, soll hier nur ein Vorschlag für Fragen nach dem Einbringen und der Veränderung organisatorischer Individualität aufgezeigt werden. Insbesondere muss während der Entwicklung eines Kulturraumes gefragt werden: • Welches Wissen muss ich/will ich/brauche ich nicht teilen? ___________ 10

Rehm / Bender 2004 und Rehm / Fischer 2005.

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• Welche Hierarchien und Heterarchien von ontologischen Begriffsräumen müssen beachtet werden und welche Inferenzen bestehen? • Was lerne ich als Individuum/als Organisation aus Kooperationen i.S.d. Entwicklung des ontologischen Begriffsraumes? • Wohin verändert sich das Wertesystem des Sozialsystems? (Dies ist u.U. nur von externen Beobachtern zu erkennen). • Wie verändert sich meine eigene Organisationskultur bei Kooperationen und was bedeutet dies für meinen „internen“ Kulturraum der Kooperation? Aus diesen wenigen Fragen wird klar, dass die in diesem Beitrag beschriebenen Elemente eines Kulturraumes nur die konstituierenden Gestaltungselemente eines Zustandsraumes für Kooperationen sind. Diese unterliegen über die Interaktionen innerhalb des Sozialsystems (und zwischen den Sozialsystemen/ Kulturräumen) ständigen Veränderungen, und ihr Zustand lässt sich für einen bestimmten Zeitpunkt nur ansatzweise „messen“. Es existieren darüber hinaus vielfältige weitere soziologische Phänomene und Prozesse, die innerhalb des Kulturraumes ablaufen. Eine Beschreibung der Evolution des Kulturraumes bedarf somit weiterführender Untersuchungen.

E. Versuch einer Definition der „Kultur der Kooperation“ Nach obigen Ausführungen soll nun eine Definition des Begriffs Kooperationskultur versucht werden: Der Begriff Kooperationskultur bezeichnet die spezifische Ausprägung eines Sozialen Systems als Kulturraum, in dem Individuen Prozesse der Kommunikation und des koordinierten Gemeinschaftshandelns ausführen. Unter einem Kulturraum wird dabei formal der Zustandsraum verstanden, innerhalb dessen sich der Evolutionsprozess eines Sozialen Systems vollzieht, indem • Individuen interagieren, ihr Wissen einbringen, miteinander teilen und lernen und somit • auf Basis eines individuellen Konzeptionellen Gutes von eigenen Werten, Sinndefinitionen sowie Bedeutungsinterpretationen und -spezifikationen • über Methoden der Integration, der Konzeptualisierung, des Konsens, der Selektion und der Spezifizierung ein • gemeinsames Konzeptionelles Gut in Gestalt einer gemeinsamen Wissensbasis und eines gemeinsamen Begriffsraumes für Werte, Sinndefinitionen und Bedeutungsinterpretationen und -spezifikationen • selbst gestalten, d.h. erschaffen und verändern.

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Abbildung 2 fasst diese Definition grafisch und betont insbesondere den evolutionären Aspekt der Entwicklung des Kulturraumes: Wissen, Werte und Sprache stehen als Säulen im Mittelpunkt des Kulturraumes, welcher sich evolutionär (hier durch die zyklische Drehung11 der „System-Spiraldrehscheibe“ dargestellt) verändert und dabei über den Gestaltungsprozess mit Konzeptualisierung, Spezifikation, etc. (als Verbindungsstück der Spiraldrehscheibe mit der zentralen Säule) aus dem individuellen ein gemeinsames Konzeptionelles Gut schafft. Die gestrichelte Linie skizziert den Zustand des Systems zu einem bestimmten Zeitpunkt, in dem die Kooperationskultur eine bestimmte Ausprägung annimmt. Individuum Wissen

Individualität

Individuelles Konzeptionelles Gut : In t eg r at i o n Ko n zep t u al i si er u n g

Wissen 90 Werte Sprache

Gemeinsame Wissensbasis, Gemeinsamer Begriffsraum, Geteilt e Werte, Gemeinsame Sinndefinit ionen/ Bedeutungsint erpret ationen/ Bedeutungsspezifikationen:

Spiraldrehung: Evolutionsprozess des Sozialen Systems

Eigene Werte, Sinndefinition, Bedeutungsint erpretation, Bedeutungsspezifikation Sp e z i f i z i e r u n g

Se l e k t i o n K o n se n s

Geteiltes Konzeptionelles Gut Gemeinsame Sprache Gemeinsames Handeln Geteiltes Wissen

Ko o

Kooperationskultur als Zustand des Sozialen Syst ems

pe ra t io

ns ku

Kulturraum

lt u

r

Abbildung 2: Gestaltungselemente der Kooperationskultur

F. Schluss Der Aufbau einer „echten“ Kooperationskultur nach obiger Definition wird nur möglich über die systematische Gestaltung eines neuen Kulturraumes unter Beachtung von Aspekten der • Interaktionen zwischen Teilnehmern einer Kooperation, der • Wissensteilung zwischen diesen Teilnehmern sowie der • Entwicklung eines gemeinsamen Konzeptionellen Gutes. ___________ 11

Wobei die Zyklizität besonders für das Individuum bemerkbar wird, wie Henry Miller formuliert hat: „Individuality expressed itself for me as a life with roots. Efflorescence meant culture – in short, the world of cyclical development.“ (Miller 1963, S. 313).

Individualität in Kulturen der Kooperation

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Man muss sich dabei der Schwierigkeiten bewusst sein, die die Notwendigkeit mit sich bringt, in – oftmals heterogenen – Gruppen Konsens herzustellen und Definitionen und Selektionen von Begriffen und Werten durchzuführen. Ontologien oder Semantische Netze sind hierbei für sich genommen stets nur äußerst rudimentäre Werkzeuge und werden dem zuvor skizzierten Begriff eines gemeinsamen konzeptionellen Gutes nur äußerst unvollkommen gerecht. Auch ein fester Rahmen für eine Kooperationskultur kann niemals vorab festgelegt werden, sondern kann sich erst selbstgestaltend durch systematisches Vorgehen unter aktiver Mithilfe der Mitglieder entwickeln, was gleichzeitig eine unbedingte Orientierung am Individuum fordert. Wie die Mitglieder eines Sozialsystems selbst (i.S.d. Koevolution) unterliegt auch die Kooperationskultur dabei einem ständigen Evolutionsprozess. Dies bedeutet jedoch, dass es letztlich keine „Interkulturelle Kooperation“ gibt, bei der interkulturell als vornehmlich technologisch-methodisch interkulturell verstanden wird. Man kann demnach ausschließlich sprechen von der Gestaltung neuer und Evolution bestehender Kooperationskulturen, unter zu Hilfenahme von (stets unvollkommenen) Instrumenten der Informations- und Kommunikationstechnologie. Der Mensch bleibt Eigentümer und Mittler seines eigenen Konzeptionellen Gutes, das er in Kulturen der Kooperation als Individuum einbringt. „This, I believe, is the ultimate precept a theory of organization can give: not a manual for dictators of any denomination more efficiently to subjugate human beings by the scientific application of Iron Laws, but a warning that the Leviathan of organization must not swallow the individual without sealing its own inevitable doom.“ (Bertalanffy 1968, S. 53).

Literaturverzeichnis Bertalanffy, L. von: General System Theory. Foundations, Development, Applications. George Braziller, New York, 1968 (Revised Edition 2003). Fischer, T. / Rehm, S.-V.: Wissensbasierte Koordination der Planung in Wertschöpfungsnetzwerken. Ein kybernetischer Ansatz, in: Fischer, T. (Hrsg.), Kybernetik und Wissensgesellschaft, S. 11–30. Duncker & Humblot, Berlin, 2004. Hejl, P. M.: Konstruktion der sozialen Konstruktion. Grundlinien einer konstruktivistischen Sozialtheorie, in Gumin, H. / Meier, H. (Hrsg.), Einführung in den Konstruktivismus, S. 109–146. Piper, München, 1992. Heylighen, F.: Evolution, Selfishness and Cooperation. Selfish Memes and the Evolution of Cooperation, in: Journal of Ideas, Vol 2, No. 4, S. 70–84, 1992. Krause, D.: Luhmann-Lexikon. Lucius & Lucius, Stuttgart, 2005. Miller, H.: Plexus. Grove Press, New York, 1963. Minsky, M.: The society of mind. Simon & Schuster, New York, 1985.

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Sven-Volker Rehm und Thomas Fischer

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Kommunikative Konflikthandhabung Von Margret Richter

A. Einleitung Die Zahl multinational agierender Unternehmen wächst kontinuierlich. Die Grenzen der regionalen Handlungsräume sind aufgehoben und bedingen globalen Wettbewerb. Kommunikations- und Transportnetzwerke verbinden Menschen und Unternehmen weltweit. Die multinational operierende Unternehmung stößt in ihrer neuen Umgebung auf eine fremde Umwelt, die kulturelle Unterschiede birgt. Diese sind zu überbrücken, da auch kulturelle Faktoren erfolgsrelevant sind.1 Interkulturell agierende Manager benötigen die Fähigkeiten, die kulturelle Andersartigkeit zu verstehen und damit umgehen zu können.2 Somit stellt die Kommunikation eine der größten Herausforderungen für international agierende Unternehmen dar, denn der multikulturelle Kontext birgt ein großes Konfliktpotenzial. Vor diesem Hintergrund wird gezeigt, wie sich Konflikte lösen und vermeiden lassen. Dann wird die Andersartigkeit nicht als Bedrohung empfunden, sondern als Bereicherung erlebt und trägt zum Unternehmenserfolg bei.

B. Systemtheoretischer Hintergrund Unternehmen sind komplexe, vieldimensionale, offene und dynamische Systeme.3 Wie jeder Organismus besteht ein System aus mehreren verschiedenen Teilen (Organen). Diese stehen in einer bestimmten dynamischen Ordnung zueinander und sind zu einem Wirkungsgefüge vernetzt. Das Netz muss nicht unbedingt sichtbar sein. Es kann auch aus Wirkungen bestehen, die durch reinen Informationsaustausch und durch Kommunikation zustande kommen. Reale ___________ 1 Vgl.: Hofstede, G.: Interkulturelle Zusammenarbeit: Kulturen – Organisationen – Management, Wiesbaden 1993. 2 Vgl.: Marr, R.: Euro-strategisches Personalmanagement – eine neue Herausforderung für personalwirtschaftliche Forschung und Praxis oder nur ein neues Etikett? In: R. Marr (Hrsg.): Euro-strategisches Personalmanagement, Band 1, München/Mering 1991. 3 Vgl.: Ulrich, H.: Gesammelte Schriften, Band 1, Die Unternehmung als produktives soziales System, Bern/Stuttgart/Wien 2001.

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Systeme sind immer offen und erhalten sich durch ständigen Austausch mit der Umwelt. Wird in ein System eingegriffen, ändert sich die Beziehung aller Teile zueinander und damit der Gesamtcharakter des Systems.4 Aus der Perspektive der systemorientierten Managementlehre besteht die Aufgabe des Managements darin, komplexe dynamische Systeme zu gestalten und zu lenken. Je höher die Komplexität eines Unternehmens ist, je stärker seine Vernetzung und Interaktivität sind, desto schwieriger ist es, das Unternehmen robust, funktionsfähig und sicher in die Zukunft zu steuern.5 Komplexität und Heterogenität des Unternehmensumfeldes wachsen durch multikulturelle Aktivitäten stark an. Das Ausmaß der kulturellen Verflechtung hängt von vielen Wirkungsgrößen ab und kann jeweils nur situativ beurteilt werden. Sie ist bei funktionaler Internationalisierung mit zum Beispiel Importund Exportgeschäften geringer als bei institutioneller Internationalisierung. Hier sind Managementaufgaben in allen betrieblichen Funktionsbereichen unmittelbar vor Ort durchzuführen, so dass meistens Interaktionsbeziehungen unter fremdem Kultureinfluss zustande kommen.6 Die Komplexität und Heterogenität des Unternehmensumfeldes zu beherrschen, stellt das Hauptproblem des interkulturellen Managements dar. Voraussetzung dafür ist, dass Manager ihr Unternehmen im multikulturellen Umfeld erfassen, sein Verhalten verstehen und adäquat mit ihm umgehen. Dann können sie die Chancen der Internationalisierung nutzen und die damit verbundenen Risiken minimieren.

C. Interkulturelles Management Das interkulturelle Management überprüft, inwieweit erfolgreiche Unternehmenskonzepte des angestammten Marktes auf ausländische und damit fremde Kulturbereiche übertragen werden können. Unter Berücksichtigung der kulturellen Unterschiede entwickelt es neue strategische und funktionale Konzepte für ausländische Märkte.

___________ 4

Vgl.: Vester, F.: Neuland des Denkens, München 1986, S. 17. Vgl.: Malik, F.: Strategie des Managements komplexer Systeme; Bern/Stuttgart/ Wien 2002. 6 Vgl.: Dülfer, E.: Internationales Management in unterschiedlichen Kulturbereichen, 3. Aufl., München/Wien/Oldenburg 1995, S. 119 ff. 5

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Die anthropologische, soziologische und betriebswirtschaftliche Literatur bietet mehrere hundert verschiedene Definitionen des Kulturbegriffs an.7 Anthropologen wie Hall haben drei Charakteristika von Kultur festgestellt: Kultur ist nicht angeboren, sondern wird durch wichtige Erfahrungen erlernt und in signifikanten Situationen durch die Anwendung vertieft. In jeder Kultur sind die verschiedenen Facetten miteinander vernetzt; bei einer Berührung schwingt, wie bei einem Spinnennetz, jedes Element und jede Verbindung mit. Kultur wird von den Mitgliedern einer Gruppe getragen und definiert die Grenzen zu anderen Gruppen, Werten und Interpretationswelten.8 Nach Hofstede ist Kultur die kollektive Programmierung des Geistes, die Mitglieder einer Gruppe von Menschen von einer anderen unterscheidet.9 Kultur besteht somit aus Mustern von Denken, Fühlen und Handeln, die hauptsächlich erworben und durch Symbole übertragen sind und die einschließlich deren Verkörperung durch Artefakte die Charakteristika bestimmter Gruppen von Individuen bilden. Der Kern der Kultur besteht aus traditionellen Ideen und insbesondere deren zugehörigen Wertvorstellungen. Die Quellen für diese mentalen Programme liegen im sozialen Umfeld des jeweiligen Individuums. Zur Stabilisierung der kulturellen Muster tragen auch ökologische und natürliche Faktoren bei.10 Die Umwelt angemessen berücksichtigen zu können, stellt laut Dülfer das Hauptproblem des Managements in fremden Kulturbereichen dar. In seinem Schichtenmodell11 differenziert er die verschiedenen Umweltaspekte und strukturiert damit gedanklich die Interaktionsbeziehungen zwischen dem Auslandsmanager und der Umwelt. Wie aus Abbildung 1 zu erkennen ist, unterscheidet Dülfer natürliche und menschgemachte Umwelten. Diese stellt er in Schichten dar. Er unterscheidet drei verschiedene Arten von Kultur. ___________ 7 Vgl.: Mead, Richard: International Management: Cross Cultural Dimensions, Cambridge/Oxford 1994. 8 Vgl.: Hall, E.T.: Beyond Culture, New York 1977; zit. nach: Treichel, D. / Dorn, C.: Interkulturelles eBusiness-Design, in: M. Lehner / F. E. P. Wilms: Problemsituationen als Gefüge von Wirkungen, Berlin 2001, S. 126. 9 Vgl.: Hofstede, G.: Culture’s Consequences: Comparing values, behaviors, institutions and organizations across nations, 2. Aufl., Newbury Park 2001. 10 Vgl.: Hofstede, G.: Interkulturelle Zusammenarbeit: Kulturen – Organisationen – Management, Wiesbaden 1993, S. 18. 11 Vgl.: Dülfer, E.: Internationales Management in unterschiedlichen Kulturbereichen, 3. Aufl., München/Wien/Oldenburg 1995, S. 216 ff.

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Management Unternehmen

Kulturen

im Gastland „Aufgaben-Umwelt“ Rechtlich-politische Normen Soziale Beziehungen und Bindungen

I II

Kulturell bedingte Wertvorstellungen III Stand der Realitätserkenntnis und Technologie Natürliche Gegebenheiten

Abbildung 1: Vertikalschnitt des Schichtenmodells nach Dülfer12

Der Stand der Realitätserkenntnis und Technologie stellt die tragende Schicht der kulturellen Umwelt dar. In diesem Zusammenhang spielen die Sprache und die Ausbildung beziehungsweise die Erziehung eine sehr große Rolle. Diese Problematik trifft in international operierenden Unternehmen für Kommunikation auf jeder Ebene zu. Die nächste Schicht im kulturellen Bereich betrifft die kulturell bedingten Wertvorstellungen. Dazu zählen Normen, die nur für das betroffene Individuum gelten wie religiöse Glaubensinhalte, ethische Normen, überlieferte Verhaltensvorschriften und ideologische Postulate, individuelle Motive und Lebensziele sowie Erziehungsgrundsätze.13 Zur folgenden Schicht gehören die sozialen Beziehungen und Bindungen, die sich aufgrund der kulturell bedingten Wertvorstellungen bilden und verändern. Das verdeutlicht die hohe gegenseitige Abhängigkeit der beiden letztgenannten Schichten. Zu erwähnen sind in diesem Zusammenhang die mit der jeweiligen Sozialstruktur verknüpften besonderen Verhaltensregeln und Tabus. Die kulturspezifischen rechtlich-politischen Normen ergeben die letzte man-made-Schicht. Danach folgt als letzte die Aufgaben-Umwelt der internen und externen Interaktionspartner. Der Kern des Schichtenmodells wird vom Unternehmen mit seinem Management gebildet, das von den umgebenden Schichten beeinflusst wird. ___________ 12 Vgl.: Dülfer, E.: Internationales Management in unterschiedlichen Kulturbereichen, 3. Aufl., München/Wien/Oldenburg 1995, S. 218. 13 Vgl.: Dülfer, E.: Internationales Management in unterschiedlichen Kulturbereichen, 3. Aufl., München/Wien/Oldenburg 1995, S. 270.

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Das Schichtenmodell von Dülfer zur Umweltdifferenzierung zeigt sehr deutlich die wechselseitigen Einwirkungen der verschiedenen Schichten sowie die damit verbundene Dynamik. Es impliziert, dass im interkulturellen Management neben dem Unternehmensumfeld auch die Unternehmenskultur und der kulturelle Hintergrund der Individuen zu berücksichtigen sind. Das in diesem Zusammenspiel enthaltene Konfliktpotenzial ist offensichtlich. Es verdeutlicht zudem, dass die Kommunikation eines der Hauptprobleme der interkulturellen Unternehmen darstellt.14

D. Interkulturelle Kommunikation I. Definitionen Watzlawick15 versteht unter Kommunikation nicht nur die Sprache beziehungsweise die gesprochenen Worte (digitale Modalität), sondern auch alle paralinguistischen Phänomene wie zum Beispiel Tonfall, Sprachgeschwindigkeit, Pausen, Lachen, Seufzen. Einbezogen in den Kontext wird auch die Körpersprache mit Körperhaltung, Mimik und Gestik (analoge Modalität). Das bedeutet, dass jegliches Verhalten Kommunikation ist, da jede Verhaltensweise in einer zwischenmenschlichen Situation immer auch Mitteilungscharakter hat. In diesem Zusammenhang postuliert Watzlawick sein metakommunikatives Axiom: „Man kann nicht nicht kommunizieren.“16 Sein zweites Axiom lautet: „Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt, derart, dass letzterer den ersten bestimmt und daher eine Metakommunikation ist.“ Der Inhaltsaspekt vermittelt die Daten, der Beziehungsaspekt weist an, wie diese Daten aufzufassen sind. Da der Beziehungsaspekt eine Kommunikation über eine Kommunikation darstellt, ist er identisch mit der Metakommunikation. Die Fähigkeit zur Metakommunikation ist eine Conditio sine qua non aller erfolgreichen Kommunikation. Sie ist darüberhinaus für jeden Menschen eng mit dem großen Problem hinlänglichen Bewusstseins seiner selbst und der anderen verknüpft. Sprachliche Mitteilungen, denen eine eindeutige metakommuni___________ 14

Vgl.: Dülfer, E.: Internationales Management in unterschiedlichen Kulturbereichen, 3. Aufl., München/Wien/Oldenburg 1995, S. 412 ff. 15 Watzlawick, P. / Beavin, J. H. / Jackson, D. D.: Menschliche Kommunikation, Formen, Störungen, Paradoxien, 8. Aufl., Bern/Stuttgart/Toronto 1990. 16 Watzlawick, P. /Beavin, J. H. / Jackson, D. D.: Menschliche Kommunikation, Formen, Störungen, Paradoxien, 8. Aufl., Bern/Stuttgart/Toronto 1990, S. 50.

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kative Verstehensanweisung fehlt, können geformt werden.17 Führen mehrdeutige Aussagen bereits unter Menschen gleicher Sprache und Kultur oft zu Kommunikationsproblemen, so bergen sie im interkulturellen Kontakt ein noch größeres Konfliktpotenzial.

II. Anforderungen Die Kultur der Gruppe bestimmt, wie ihre Mitglieder die Welt wahrnehmen und ihre Probleme lösen. Ihre Wahrnehmung und ihre Handlungen mögen Mitgliedern anderer Gruppen irrational erscheinen, doch in Bezug auf ihre eigene Kultur sind sie logisch und verständlich.18 Wahrnehmung ist ein Prozess der internen Informationsverarbeitung, durch den ein Erkenntnissubjekt unter Vermeidung einer Informationsüberlastung unter Einfluss externer Reize eine individuelle Deutung des Erkenntnisobjekts vollzieht. Das Ergebnis der Wahrnehmung ergibt kein objektives Abbild der äußeren Realität, sondern vielmehr eine subjektgebundene, kognitive Vorstellung über die Wirklichkeit.19 Die Herausforderung der interaktiven Verständigung über kulturelle Grenzen hinweg liegt darin, den verwendeten Begriffen und Handlungen auf beiden Seiten der Grenze trotz eines unterschiedlichen, zum Teil widersprechenden Satzes an Grundwerten, Interpretationen und Normen eine gemeinsame, konfliktfreie Bedeutung zu geben. Es geht um Bedeutungsdimensionen und Bewegungskorridore. Denn jeder interkulturelle Kommunikationsakt hat mehrere, gleichzeitig wirksame Ebenen, die sich gegenseitig konditionieren. Wichtig ist, sich mit den Bedeutungen im Zusammenhang auseinander zu setzen. Normalerweise wird aus diesem Bedeutungsnetzwerk die handlungsentscheidende Wirkung der Kommunikation abgeleitet.20 Ungestörter Informationstransfer und echte Kommunikation sind abhängig von den Eigenschaften, der Funktionsweise und der Selbststeuerung der einzelnen Organe. Echte Kommunikation ist mehr als ein gegenseitiger Informationsaustausch und mehr als eine gegenseitige Verständigung. Bei einer echten Kommunikation versteht man die Motive des anderen. Die Motivation hat oft emotionale Gründe. Kommunikatives Verstehen erfordert, sich mit wacher Aufmerksamkeit und ohne Vorurteil auf den anderen einzustellen. Dann ist es mög___________ 17 Watzlawick, P. / Beavin, J. H. / Jackson, D. D.: Menschliche Kommunikation, Formen, Störungen, Paradoxien, 8. Aufl., Bern/Stuttgart/Toronto 1990, S. 53 ff. 18 Vgl.: Mead, R.: Cross-Cultural Management Communication, Chichester 1990. 19 Vgl.: Wilms, F. E. P.: Systemorientiertes Management, München 2001, S. 23. 20 Vgl.: Treichel, D. / Dorn, C.: Interkulturelles eBusiness-Design, in: M. Lehner / F. E. P. Wilms: Problemsituationen als Gefüge von Wirkungen, Berlin 2001, S. 131.

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lich, nicht nur zu hören, was der andere sagt, sondern aus dem Gesamteindruck auch zu spüren, warum er es sagt und was seine Motive sind. Die richtige Deutung der Körpersprache hilft ebenfalls, den Gesprächspartner emotional zu verstehen. Die Körpersprache ist nicht in erster Linie eine Einstellung dem anderen gegenüber, sondern gegenüber sich selbst. Sie drückt den eigenen Zustand aus. Diesen Zustand des anderen zu verstehen, ist der Zweck der emotionalen Kommunikation.21

III. Konfliktpotenziale Werden die Motivationen und Demotivationen der Menschen nicht beachtet, kommt es zu einem Widerstreit der Motive und damit zu einer Konfliktsituation, in der die Regelkreise aufgrund des gestörten Informationstransfers nicht mehr einwandfrei funktionieren. Abbildung 2 zeigt Faktoren, die zur Blockade oder Verfälschung des Informationstransfers im interkulturellen Kontext führen können. Dann fühlen sich Menschen demotiviert und sind verärgert, beleidigt, unzufrieden oder enttäuscht. Mängel in der Arbeitssprache

Fehlendes psychisches Gleichgewicht

Regler

Mangelnde Fachkompetenz

Mangelnde Empathie Mangelnde Akzeptanz

Mängel in der Arbeitsstruktur

Unklare Sach- und Beziehungsebene

Vorurteile

Stellglied

Intoleranz Kulturhaftigkeit

Konstant zu haltender Zustand

Stereotypen Mangelndes Fremdverstehen

Abbildung 2: Störfaktoren des Informationstransfers

Kommunikatives Missverstehen kommt auch dadurch zustande, dass die vier Aspekte einer Botschaft nicht wahrgenommen werden, die jede Äußerung gewollt oder ungewollt enthält: eine Sachinformation (worüber der Sender informiert), eine Selbstkundgabe (was der Sender von sich zu erkennen gibt), einen Beziehungshinweis (was der Sender von dem Empfänger hält und wie der Sen___________ 21 Lüscher, M.: Aber ich muss nicht ... verärgert sein, beleidigt sein, enttäuscht sein, unzufrieden sein, München 1991, S. 15 ff.

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der zum Empfänger steht) und einen Appell (was der Sender beim Empfänger erreichen möchte).22 Den Sachinhalt spricht der Sender meist explizit an. Im professionellen Kontext sollte er die Hauptrolle spielen. Für den Beziehungshinweis besitzt der Empfänger oft ein besonders sensibles Ohr. Damit entscheidet er, wie er sich durch die Art des Gesprächs behandelt fühlt. Wer mit jemandem redet, will den Anderen nicht nur „erreichen“, sondern er will auch etwas „bei ihm erreichen“. Mit einem „Nein“ auf der Inhaltsebene ist einfacher umzugehen, wenn es mit einem „Ja“ auf der Beziehungsebene verknüpft wird.23 Die Selbstkundgabe kann explizit in Form von Ich-Botschaften erfolgen, wie zum Beispiel: „Ich freue mich.“ oder „Ich bin besorgt.“ Sie kann auch implizit mitgeteilt werden. In diesem Fall kann der Empfänger aktiv zuhörend, die in der Botschaft enthaltene Selbstkundgabe akzeptierend spiegeln.24 Dadurch fühlt sich der Gesprächspartner sowohl in seiner inhaltlichen Position als auch in seinen Gefühlen verstanden. Oft genug ist das nicht der Fall und die Gesprächspartner geraten in einen Teufelskreis. Jeder sucht die Ursache seines Verhaltens in dem des Partners. Jedes Ereignis ist gleichzeitig Reiz, Reaktion und Verstärkung.25 Wie jeder Organismus kann auch ein interkulturelles Unternehmen oder Team Störfaktoren bis zu einem gewissen Grad kompensieren, ohne dass das System krank wird. Erst wenn die Kompensationsfähigkeit erschöpft ist, manifestieren sich die Symptome und Konflikte treten auf. Eine Konfliktsituation kann somit definiert werden als gestörter Informationstransfer und gestörte Kommunikation. Als Folge davon kommt es zu einer Störung der Regelkreisfunktionen des Teams und des Unternehmens. Verläuft der Informationstransfer einwandfrei und werden die Motivationen beachtet, ist die Situation konfliktfrei. Die Regelkreise funktionieren einwandfrei, und der Organismus ist gesund.

___________ 22

1981. 23

Vgl.: Schulz von Thun: Miteinander reden. Störungen und Klärungen, Reinbek

Vgl.: Schulz von Thun, F. / Ruppel, J. / Stratmann, R.: Miteinander reden: Kommunikationspsychologie für Führungskräfte, Reinbek 2000, S. 33 ff. 24 Holzheu, H.: Gesprächspartner bewußt für sich gewinnen, Düsseldorf 1984; Holzheu, H.: Aktiv zuhören, besser verkaufen, Landsberg 1989. 25 Watzlawick, P. / Beavin, J. H. / Jackson, D. D.: Menschliche Kommunikation, Formen, Störungen, Paradoxien, 8. Aufl., Bern/Stuttgart/Toronto 1990, S. 57 ff.

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E. Konfliktvermeidung und Konfliktlösung I. Die Psyche als Regulationssystem Nicht durch die symptomatische, sondern durch die ursächliche Behandlung kann ein Organismus das erforderliche dynamische Gleichgewicht erneut gewinnen und wieder voll funktionsfähig werden. Ansatzpunkt zur Konfliktlösung beziehungsweise zur Konfliktvermeidung ist das psychische Gleichgewicht jedes einzelnen Gruppenmitglieds. Wie die Psyche der Teilnehmer, so der Zustand im Team beziehungsweise im Unternehmen und umgekehrt. Die Psyche ist die Steuerung der Energie und der Körper ist der Zustand der Energie. Lüscher26 definiert die Psyche als Regulationssystem, das nach mathematischen Gesetzmäßigkeiten funktioniert. Die Psyche ist etwas Ähnliches wie ein Thermostat. Die Außentemperatur kann mit der Umwelt und mit den anderen Menschen verglichen werden. Die Heizung entspricht dem eigenen Körper. Die Psyche reguliert den eigenen Körper und die Einflüsse aus der Außenwelt. Sie sorgt für den Ausgleich und das Gleichgewicht zwischen Körper und Umwelt. Bei vielen Menschen ist der Thermostat falsch eingestellt. Wenn es draußen frostig und unfreundlich ist, stellen sie ihren Regler auch auf kalt. Wenn es in der Umwelt hitzig und aggressiv zugeht, stellen sie ihren psychischen Regler ebenfalls auf heiß. Diese Menschen verhalten sich geistig falsch. Die Psyche steuert die Verbindungen zwischen Gefühlen und Gedanken. Richtige Verbindungen schaffen ein sinnvolles Harmonie-Gefüge. Falsche Beziehungen erzeugen Irrtümer und Konflikte. Wie sich Konflikte vermeiden und lösen lassen, wird in den folgenden Ausführungen anhand der Regulationspsychologie nach Lüscher dargestellt.

II. Die vier Selbstgefühle Das innere Gleichgewicht eines Menschen und sein Wohl hängen nach Lüscher von seinen normalen Selbstgefühlen ab: Zufriedenheit, Selbstachtung, Selbstvertrauen und innere Freiheit. Der Zufriedene ordnet sich in die gegebenen Möglichkeiten ein. Er besitzt die Bereitschaft zu verzichten und zu geben. Die Selbstachtung wird verkörpert vom Edelmann. Wer mit seiner Selbstachtung im Gleichgewicht ist, besitzt Sta___________ 26

Lüscher, M.: Das Harmoniegesetz in uns, Düsseldorf 1993; Lüscher, M.: Der 4-Farben Mensch oder der Weg zum inneren Gleichgewicht, München 1977; Lüscher, M.: Die Harmonie im Team, Kommunikation durch Umkehr-Denken, Düsseldorf/Wien/ New York 1988.

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bilität und innere Festigkeit. Die Selbstachtung wirkt als innerer Kompass, als Steuermann im Menschen. Selbstachtung ist das Endprodukt des Bemühens um Echtheit und Wahrhaftigkeit gegenüber sich selbst. Wenn sich ein Mensch so verhält, wie es seine Überzeugung von ihm verlangt, fühlt er seine Identität und seinen Wert. Wer nach bestem Wissen und Gewissen handelt, verhält sich wie ein Edelmann. Selbstvertrauen hat, wer durch seine Aktivität und tatsächliche Leistung von sich erfährt, welches seine wirklichen Fähigkeiten sind. Durch Leistungsbereitschaft und Gefordertsein gewinnt er Selbstvertrauen, das zu seiner Selbstverwirklichung notwendig ist. Innere Freiheit besitzt derjenige, der sich frei und unabhängig fühlt, der jeden Besitz preisgeben kann und unter allen Möglichkeiten diejenige wählt, die für seine Situation die beste ist und dadurch am meisten Freude macht.

III. Kommunikatives Verstehen Die Psyche als Regulationssystem strebt ein harmonisches Gleichgewicht an. Das psychische Gleichgewicht läßt sich mit einer Balkenwaage vergleichen, die in der Mitte, beim Drehpunkt, aufliegt. Der Balken kann im Gleichgewicht sein und sich schaukelnd bewegen. Leichte Pendelbewegungen im Mittelbereich sind normal und symbolisieren das dynamische Gleichgewicht. Der Balken kann auch völlig aus dem Gleichgewicht geraten, so dass das eine Ende unten und das andere oben fixiert bleibt. Fixiert und nicht im Gleichgewicht sind jene Menschen, die übertriebene oder keine spontanen Reaktionen haben, die durch übersteigerte oder fehlende Reaktionen auffallen. So kann das Gefühl, ständig unterlegen und hilflos zu sein, einerseits spontane Reaktionen unterbinden und andererseits eine dauernde aggressive Haltung bewirken. Diese aggressive Haltung wird benötigt, um sich trotz der Hilflosigkeit überlegen zu zeigen und damit ein scheinbares Gleichgewicht zu empfinden. Geht die eine Seite des Balkens stark hoch, ist die andere tief unten. Einer Wut scheint immer ein Gefühl der Enttäuschung vorauszugehen. Trotz scheint nach einem Gefühl der Zurückweisung aufzutreten. Heftige Aggressionen sind ohne vorangehende Frustrationsgefühle nicht denkbar. Wer sich als Angeber aufspielt, mit dessen Selbstsicherheit kann es nicht weit her sein. Je größer das heimliche Gefühl der eigenen Bedeutungslosigkeit, der geistigen und gesellschaftlichen Wertlosigkeit ist, desto größer, desto provozierender oder arroganter ist die Angeberei oder Wichtigtuerei. Je mehr einer übertreibt, um so unsicherer ist er. Fixierte Einstellungen sind immer zugleich Überbewertungen als auch Unterbewertungen. Die Überbewertung äußert sich als übersteigerter Anspruch. Die Unterbewertung erscheint als Abwehr, Verleugnung, Angst oder Hemmung, siehe dazu Abbildung 3 mit den Abnormitäten der Selbstgefühle.

Kommunikative Konflikthandhabung

Normales Selbstgefühl

Selbstüberbewertung

Selbstunterbewertung

Zufriedenheit

Selbstverleugnung

Selbstunzufriedenheit

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(Ich bin unzufrieden) Selbstachtung

Selbstüberschätzung

Selbstzweifel (Ich bin beleidigt)

Selbstvertrauen

Selbstübersteigerung

Selbstmitleid (Ich bin verärgert)

Innere Freiheit

Selbstflucht

Selbstzwang (Ich bin enttäuscht)

Abbildung 3: Die Abnormitäten der Selbstgefühle

Das Gleichnis des Waagebalkens zeigt sich nicht nur als Verhalten nach außen. Es beschreibt vor allem die inneren Gefühle sich selbst gegenüber, die Selbstgefühle. Es besteht ein Gleichgewichtsverhältnis zwischen der Überbewertung und der Unterbewertung. Die Überbewertung ist abhängig von der Unterbewertung und umgekehrt. Die Emotionen stehen somit in einer gesetzmäßigen Abhängigkeit zueinander. Die Gegenseite ist deshalb oft nicht auffällig, weil sie zum bewußten Ich-Bild nicht paßt und darum verleugnet wird.

IV. Kommunikative Unterstützung Nach dem kommunikativen Verstehen muss die kommunikative Unterstützung kommen. Wer mit der Regulationspsychologie vertraut ist, erkennt die Ursachen der Fehlsteuerungen und weiß, was zu tun ist, um das notwendige Gleichgewicht wiederzufinden. Um das Motiv bei sich selbst zu entdecken, muss sich der Betroffene zuerst selbst fragen, ob er mit seiner Zufriedenheit, seiner Selbstachtung, seinem Selbstvertrauen und seiner inneren Freiheit im Gleichgewicht ist. In dem Augenblick, da der Betreffende erkennt, dass er selbst es ist, der das falsche Selbstgefühl erzeugt, ist er davon befreit: • dann entwertet er sich nicht und fühlt sich nicht mehr beleidigt; • dann tut er, wozu er fähig ist, aber fühlt sich nicht mehr überfordert; • dann sagt er, womit er nicht zufrieden ist, aber wendet sich nicht mehr aus Unzufriedenheit ab;

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• dann sieht er ein, dass er sich selbst getäuscht hat, aber beschuldigt nicht mehr den anderen, dass er ihn enttäuscht habe. Zur Konfliktlösung ist es wichtig, das Problem unter den Betreffenden darzulegen. Dann müssen sie überzeugt werden, dass es notwendig ist, das Problem zu lösen. Es kann genügen, nach den vier Grundhaltungen der Demotivation zu fragen: • Ist der Betreffende mit den Gruppenmitgliedern so unzufrieden, dass er das Engagement und die innere Zusammengehörigkeit gekündigt hat? • Ist er in seiner Selbstachtung beleidigt? • Ist er durch die Zumutungen überfordert und in seinem Selbstvertrauen verunsichert, so dass er sich ärgert? • Ist er innerlich so unfrei, dass er über die Enttäuschung nicht hinwegkommt? Wer weiß, wie das Regulationssystem der Psyche funktioniert, kann viel leichter durchschauen, was er selbst oder ein anderer falsch macht. Er versteht die Zusammenhänge zwischen der Situation und den Menschen. Hat jemand das psychische Gleichgewicht mal erlangt, ist das keine Garantie, es für den Rest des Lebens zu behalten. Man muss sich jeden Tag neu darum bemühen.

Resumée Wer mit dem Regulationssystem der Psyche vertraut und mit sich im Gleichgewicht ist, beachtet die Motivationen seiner Gesprächspartner und vermeidet Demotivationen. Er ist fähig, Vorurteile und Stereotypen abzubauen, Intoleranz und die eigene Kulturhaftigkeit zu überwinden, Fremdverstehen, Akzeptanz und Empathie zu fördern. Er kann mit anderen Störeinflüssen leicht umgehen und einen konstruktiven Beitrag zu deren Beseitigung leisten. Er ist nicht enttäuscht, wenn ihm Vorurteile entgegengebracht werden. Er ist nicht beleidigt, wenn jemand mangelndes Verständnis für seine Kultur zeigt. Herstellung des psychischen Gleichgewichts ist ein ursächlicher Ansatzpunkt zur kommunikativen Konflikthandhabung. Behandlung oder Prävention von Konflikten bleiben gleich. Persönlichkeitsentwicklung mit dem Ziel, ein psychisches Gleichgewicht zu erlangen, stellt eine wesentliche Komponente der interkulturellen Kompetenz dar. Sie schafft die Voraussetzungen, um unvoreingenommen die kulturellen Unterschiede und Ähnlichkeiten wahrzunehmen, sich mit den eigenen kulturbedingten Werten, Normen und Verhaltensweisen auseinander zu setzen und die Kommunikationsfähigkeit zu verbessern. Auf dieser Basis kann die kulturelle Andersartigkeit als Bereicherung erfahren werden und sich positiv auf die Unternehmensergebnisse auswirken.

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Failure to Learn from Cross-cultural Interaction: Lessons from a Simulation Model of the Greenland Norse Colony By Kristjan Ambroz and Camilo Olaya1

A. Introduction In this paper the effects of the lacking cross-cultural interaction between the Inuit (Eskimos) and the Norse (Vikings) in medieval Greenland are examined. The vanishing of the Greenland Norse colony in the 1400s has been debated for years; sometimes it has even been labeled as a mystery (Persson, 1969; Wilson, 1992). In spite of this the case was chosen, as it is well documented. In addition to the basic case, later interactions between the Inuit and the Norse descendants (the Danish) showed totally different behavior patterns, enabling us to make a comparison of outcomes. While the lack of capability in the intercultural problem solving is unlikely to endanger the survival of a whole civilization nowadays, we still believe that there are valuable lessons to be learned from this historical example that are as valid today as they have been 500 years ago, when the Norse had to suffer the consequences of failing to learn them. In addition, a case over 500 years old is less likely to engender emotional reactions in defense of one’s worldview than a current example. The paper will use a System Dynamics simulation model to emulate the real case and to enable simulation of other possible scenarios. While the use of System Dynamics modeling does not look for point precision in prediction, it is generally very reliable when it comes to generating correct patterns of behavior, which might be explained by the underlying structure of the system; such models of overshoot and collapse have been developed for similar situations (Sterman, 2000). The validated model will be the basis of a scenario analysis, where we can test for results of different policies of the actors, which are linked with their cultural values. This kind of “what if” analysis allows us to understand the powerful effects of cross-cultural collaboration. After this short introduction the next section presents an overview of the case at hand, i.e. the collapse of the Norse colony in Greenland; the third section presents the point to be upheld in this paper, that is, the definitive effect of the failure of cooperation because of Norse cultural values that led them to extinction. The ___________ 1

University of St. Gallen, Dufourstraße 40a, CH-9000 St. Gallen, Switzerland.

116

Kristjan Ambroz and Camilo Olaya

fourth section introduces the simulation model that was used for representing the mentioned thesis and the relevant results of some scenarios. The final section summarizes important lessons of the case.

B. Overshoot and Collapse of a Society In A.D. 984 the Norseman Erik the Red headed to current Greenland after being banned from Iceland. He planned to build a new colony, calling the country “Greenland” for he argued that men would be drawn to go there, if the land had an attractive name (Wilson, 1992). Two Settlements with 300 people were the start of the Viking presence in this new land, where abundant resources were available. Around A.D. 1100 the Inuit migrated from Alaska to Greenland. Although sharing the same territory there was scarce contact between both groups. The Norse colony reached a peak around A.D. 1200 but after this point the population dropped in 300 years to total extinction. This pattern of overshoot and collapse in the Norse population in Greenland is shown in Fig. 1. Norse Population in Greenland 4500 4000 3500 3000 2500 2000 1500 1000 500

10 00 10 50 11 00 11 50 12 00 12 50 13 00 13 50 14 00 14 50 15 00

0

Own estimation based on McGhee, 1984; Wilson, 1992; Carlson, 2001.

Figure 1: Norse Population in Greenland

Such patterns are typical in diverse historical communities, where the populations exhausted the resources available, Easter Island being another example (Diamond, 2005); various simulation models have been developed to address such cases (Sterman, 2000). Several factors are attached to the vanishing of the Norse colony in Greenland. The first and natural aspect to consider in this particular case is climate change – when they arrived the climate was mild. In fact when the first Norse colonizers arrived to Greenland

Failure to Learn from Cross-cultural Interaction

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5

4

3

2

1489

1458

2

1427

1396

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1303

1272

1241

1210

1179

1148

1117

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1055

1024

993

962

931

0

900

1

R = 0.2734

-1

-2

-3

2

1.5

1

0.5

0

900

975

1050

1125

1200

1275

1350

1425

1500

-0.5

-1

Own calculations based on: Dahl-Jensen et al., 1998; Vinther et al., 2003; Mandia, 2005.

Figure 2: Temperature Drop Between Medieval Warm Period and the Little Ice Age

the northern part of Europe was under what is known as the Medieval Warm Period, an unusually warm time lasting from about the 10th century to about the 14th century. The weather was so optimal at the time of the arrival of the Norse immigrants that it allowed them to establish a seemingly stable colony. However, at some point the temperature started to fluctuate significantly. Little they knew that from 1350 and onwards they would have to face what has been

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Kristjan Ambroz and Camilo Olaya

labeled as the “Little Ice Age”, a period of cooling lasting approximately from the 14th to the mid-19th centuries (see Fig. 2). Such climatic change constituted the strongest challenge that the colony would have to face. Would they be able to cope with it?

C. The Case: Failure of Cross-cultural Cooperation According to Diamond (2005) there is a set of five main factors that may explain major collapses of societies. The case in hand involves all of them, namely damage of the environment, climate change, hostility among neighbors, loss of friendly contact with the homeland, and the type of response (in this case unsuitable) of the society to these challenges. Some of these aspects were beyond the influence of either the Norse or the Inuit; hence they cannot explain the lack of intercultural cooperation and the consequences thereof. They were just factors, accelerating the demise of the Norse. However, facing the sudden climatic challenge of the Little Ice Age the presence of the Inuit represented a survival opportunity for the Norse. In spite of sharing Greenland for various centuries the failure of cooperation between both groups sealed their destiny: the Inuit survived in this harder environment, while the Norse became extinct. We will briefly describe each one of the five factors introduced by Diamond (2005) and then focus on the failure of cross cultural cooperation specifically. Starting with the damage to the environment, this seems to be a standard factor that invariably arises when a population inhabits a new ecosystem (Diamond, 2005). This grim situation arises as it seems to be almost impossible to predict the long term effects of one’s activity on the environment. In many areas, such as Iceland or Australia the first colonists were met by lush vegetation, which required millennia to grow. Given that the re-growth rates were very different from those the colonists knew from their native lands, the natural consequence was overuse. In the case of the Greenland Norse this involved the cutting down of all available forest (in a very short period of time) and depleting the soil fertility by over-use for fodder production. The climate change is rather self explanatory, given that most cultures are specifically adapted to a specific climate. The occurrence of the Little Ice Age suited the Inuit much better than the Norse, as they were used to cold environments already (Diamond, 2005). Had the climate changed for warmer, many technologies the Inuit employed would no longer be so beneficial and some might not even have worked at all in such a changed climate. Before the advent of the Little Ice Age the Norse way of food generation was more reliable than the hunting favored by the Inuit. The loss of friendly contact with the homeland was especially pronounced in the Greenland case for several reasons. Since the navigational season was short

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with the then current technology, few ships could reach Greenland annually. In addition the monopoly on ship contact to Greenland granted to the Norwegian King reduced this even further (Diamond, 2005). Shipping accidents could mean no contact for several years. As the interest for exotic products from Greenland (polar bears and walrus ivory) waned, so did the interest in sending expeditions to Greenland. The consequences for the Norse were severe. Many essential products, such as wood and iron could not be obtained locally. Both the hostility of neighbors and the responses of the Norse to the challenges they were presented with in the latter part of their Greenland colony came as a result of the Norse culture, which will be described next. The culture has been addressed by several researchers as part of the story because of the choices made by the Norse (McGovern 2000). Overall, “The Norse starved in the presence of abundant unutilized food resources” (Diamond, 2005: 274)2. This was their decision. Why? The answer is deeply attached to the cultural values and the worldview of the Norse. Sporadic contacts of the Norse and the Inuit are accounted for in archaeological records (McGhee, 1984; 1994); however, they were not of the cooperative profitable kind but marred by conflict (for a list of sources see Diamond, 2005). The Viking society in a glance can be described as communal, violent, hierarchical, conservative, and Eurocentric. Several consequences from these characteristics might explain the failure of cooperation3: • They arrived with their cultural values and preferred lifestyle: they saw themselves as dairy farmers, Christians, Europeans, and Norse. The unconscious message by adhering tight to their European worldview is: “We are Europeans, we are Christians, God forbid that anyone could confuse us with the Inuit” (Diamond, 2005: 246). • The conservative attitude led them to uphold traditional values in spite of their total unsuitability. Their Eurocentric stance also increased the suboptimal use of resources in an increasing process of cultural re-affirmation. • Damage to the environment (trees exhaustion, turf cutting, soil erosion). This reaction is also linked to cultural roots, an approach known as human ecology. Vail (1998) addresses the Norse values in the Greenland environment supporting such a thesis. • The Norsemen saw Inuit as pagans or savages. • The Norse saw themselves as natives and the Inuit as interlopers (they arrived later from northwestern Greenland). A similar view was later shared ___________ 2

Fish, ringed seals, several species of whales. Unless stated otherwise, these factors are developed in the work of Diamond (2005). 3

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Kristjan Ambroz and Camilo Olaya

by the Afrikaners, the descendants of Dutch colonists in South Africa, whose arrival predated that of the black population in the area as well. Inter-cultural marriage was not a valid option in the Norse worldview, even if religious values were to be left out, e.g. an Inuit wife wouldn’t be good at weaving wool. Failure to trade with the Inuit, e.g. the valued ringed seals, whale meat, blubber for fuel etc. Although this point is challenged by some researchers it is clear that there is no cultural assimilation involved, on the contrary, the Norse looked for re-affirming their own identity (Slack, 2002). The Norse refused to learn from the Inuit. For instance, they did not learn Inuit technologies – kayaks, harpoons, dogsleds, igloos, etc. – hunting techniques, use of blubber for fuel, light and heat, use of sealskins, and several food possibilities; some of these aspects demand life-time training such as the use of a harpoon in a kayak for whale hunting, building the kayaks in the first place, dog training, and so on. Other habits are deeply entrenched in the culture – for instance the importance of seals in diet selection within Inuit culture re-affirmation (Borre, 1991), which might not be easy to adhere to by a foreign group (or as in this case it might be explicitly rejected based on a refusal to learn or interact). In a parallel fashion the Norse raised cattle, which was totally unsuited to the Greenland environment, as it presented the preferred meat in their culture (Diamond, 2005). Political system: Power was at the top; “there were many innovations that might have improved the material conditions of the Norse, such as importing more iron and fewer luxuries, allocating more boat time to Markland journeys for obtaining iron and timber, and copying (from the Inuit) or inventing different boats and different hunting techniques. But those innovations could have threatened the power, prestige and narrow interests of the chiefs. In the tightly controlled, interdependent society of Norse Greenland, the chiefs were in a position to prevent others from trying out such innovations … Norse society’s structure created a conflict between the short-term interests of those in power, and the long-term interests of the society as a whole. Much of what the chiefs and clergy valued proved eventually harmful to the society” (Diamond, 2005: 276).

These aspects, linked with their hierarchical condition, shaped a very closed society, where processes like innovation and learning were slow and very limited. After 450 years of establishment in the south of Greenland, the Norse colony vanished completely. Sharing the same land with the skilled Inuit didn’t play a role in increasing their chances of survival, as they largely failed to recognize the need of collaborative efforts with them. Closed to their own worldview, challenges presented by the climate change and the long-run problems that started to appear after centuries of non-sustainable practices led them to extinction. In addition, the cultural values of the Norse led them into conflict

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with the Inuit already from the beginning. While the Norse were militarily superior at the start, employing iron weaponry, this advantage waned when they no longer had sufficient amounts of iron for weapon production. While the Inuit cannot be solely blamed for exterminating the Norse, they contributed to the demise significantly, both through combat and through cutting off access to food sources to the Norse (Diamond, 2005). As a final note, the story was not only one sided, though. While the Inuit managed to survive without cooperation, they could have profited from the technology of the Norse as for instance in farming, sheep raising and so on. Is it sound to support the thesis of the failure of cross-cultural cooperation in ancient Greenland as a major explanation for the extinction of the Norse? With the aid of computer simulation we have modeled this historical case in order to explore and to represent such theory. We are interested in checking the reliability of the basis of this position and in examining diverse conditions and alternative scenarios for the mentioned thesis; this is presented in the next section.

D. Model and Simulation System Dynamics is a way to approach complex situations using computer simulation. It was developed by Jay Forrester at the M.I.T. 40 years ago and it has been used widely for studying diverse complex systems – that is, circumstances where the interaction of multiple factors creating feedback loops with important delays – determine macro-behaviors of relevant variables. A main premise with this approach is that macro-structures are responsible for important macro-behaviors (see Forrester, 1961); for the case of the Norse colony the main structure for explaining the dynamics of the Norse population is shown in Fig. 3. This connection between the structure and the resultant behavior, i.e. the depletion of the Norse population as a result of lacking interaction, is the dynamic hypothesis presented in this paper. We will first look at the structure of the model and then briefly present the validation steps and possible alternative scenarios. The feedback loop of Figure 3 can be a virtuous or a vicious circle. On the one hand, as long as the Norse interact with the Inuit they would learn vital survival skills within a process that can be labeled as “learning by interaction”; and as long as these skills are developed then they would have been able to make a better use of the surrounding resources and therefore they would have had better chances of survival. On the other hand, as long as they fail to recognize the need of collaborative efforts then this would lead to a reinforcement of their own cultural values and a decrease in their chances of survival because of a sub-optimal use of the resources around them; this last situation is the central point to present here.

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Kristjan Ambroz and Camilo Olaya

- Norse cultural values

Inuit survival skills learnt by Norse +

Interactions with Inuit

Figure 3: Learning by Interaction as Dependent of the Cultural Values

A simulation model of interacting populations was built based on this context which includes: the sudden changes in key environmental variables (in particular the temperature drop, see Figure 2), the resources available, the decision rules of the actors, which are based on the cultural values of each group, the possibilities of interaction, and the outcomes of such actions for the development of the populations. The simulation model is formed into four main sectors: two aging chains representing both populations, the resources available and the interactions of both populations, whose main premise is that the higher the number of interactions with the Inuit, the better developed are the survival skills of the Norse, which in turn decreases the closed cultural frame of mind of the Norse (Figure 3).4 The aging chains of the populations are important in several respects. First of all, a reasonably accurate depiction of the age of the population enables us do divide the population into groups of less or more productive individuals and to allocate their time to the resource generation, respectively5. On the other hand the division of the population into an aging chain is very important in this case, since cultural values only undergo changes in generations – cohort effect. This means changes in cultural values are even slower than they would have been, had this effect not been considered. ___________ 4

The full model with its equations is available upon request. While fodder production and livestock herding can be performed by youngsters, hunting involves only older people, reproduction also only being restricted to a specific part of the population. 5

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The resource generation module has the following resources: cows, sheep, seals, ringed seals, whales, fish, and fodder. Their generation requires various amounts of labour on the one hand, and skill and technology on the other. This means that some of those resources are not available to the Norse (whales, ringed seals, fish) and others not to the Inuit (sheep, cows). Cultural interaction makes all the resources available to both populations over time. These interactions are of primary importance to the model. They have been modeled as a function of the frequency of contacts and the benefits of them. Those decrease the cultural rigidity of both peoples and increase the probability of further interactions. This completes the overview of the model. The validation aspect was of extreme importance in order to be able to present well founded simulation findings. Several modifications to the initial model were needed in order to get it fit for the purpose of this research project. In spite of us modeling a situation over 500 years old, the available data appear to be excellent. The climate, population, resource and diet data can be determined down to an annual basis (for sources and methods see Diamond, 2005). The population development now closely matches the historical one, similar matches have been achieved for resources. The only slight discrepancy remaining is in the cow population, which dies out sooner in the model than in reality. This is a result of the strong meaning of beef in the Norse cultural reaffirmation that has not been modeled (Diamond, 2005). Since this slight discrepancy does not have a negative effect on other model variables nor does it provide additional insight, we decided not to increase model complexity. Several scenarios have been examined with the model; in short, the power of the feedback loops is seen in two main aspects: the reinforcement of cultural worldview and the depletion of resources. The main two generic scenarios will be shown here. A first one that represents a vicious circle in Fig. 3, where the number of interactions is not sufficient for the Norse in order to develop a wider worldview, and a second one that represents a virtuous circle, where survival skills are developed based on a sustainable number of fruitful interactions with the Inuit. This in turn allows a more flexible worldview for the Norse. (See Figs. 4, 5, starting year: A.D. 1100)6. The Norse fail to improve their survival skills in the Greenland environment in the default scenario and deplete the resources just like in the historical example. Even in the alternative scenario significant improvements to the Norse situation only start arriving after over 350 years into the simulation (4200 months, that is A.D.1450). ___________ 6

The default scenario is denoted by ‘1’ on the curves, the alternative scenario by ‘2’.

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Kristjan Ambroz and Camilo Olaya 2 1.5 1

2

0.5 12

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2 1

1

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1

0 0

990

1980

2970 3960 Time (Month)

4950

5940

Actual Norse Survival skills for cold weather conditions : Norse vs Inuit 1 Actual Norse Survival skills for cold weather conditions : Norse vs Inuit 2

Curve 1: Vicious Circle. Curve 2: Virtuous Circle

Figure 4: Norse “Survival” Skills for Cold Weather Conditions

The downward slide in their population numbers is reversed as their survival skills gradually improve. As the cultural interactions represent a reinforcing loop, the improvement is almost exponential up to the point where they reach level similar to the Inuit. The use of resources for the Norse changes towards a more sustainable use, with no cattle, a number of sheep that can be 4,000 1

3,000 2

2,000

12

1

2

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1,000

12

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1

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0

1

0

660

1320

1980

2640 3300 3960 Time (Month)

Total Norse Population : Norse vs Inuit 1 Total Norse Population : Norse vs Inuit 2

1

1 2

1 2

1 2

4620 1

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1 2

1

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5280 1 2

1

5940 1

2

2

2

2

1 2

6600 people people

Curve 1: Vicious Circle. Curve 2: Virtuous Circle

Figure 5: Norse Population

environmentally supported in the long run and a preeminence of food sources previously not, or seldomly used (whales, ringed seals, and fish). The total Greenland population decreases somewhat over that in the default scenario, as the Norse still consume more resources per person (differences in body size

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play a part (Diamond, 2005)) – meaning a lower carrying capacity of the environment. The scenario testing successfully shows that a survival was possible for both cultures, had the intercultural cooperation been more successful. The results also compare favourably to the actual development in the 18th and 19th centuries, when the Danes again “colonized” Greenland. Their higher willingness to cooperate met a very favorable response from the Inuit. With this we will progress to the lessons learned from the research.

E. Lessons A pair of populations sharing the same environment is a basic example of a complex system, in which the interactions, the decisions, and the overall structure explain the aggregated behavior of key variables. The failure of recognizing, tracking, and regulating essential variables represented in the longrun meant the end of the Norse; in the short-run the Norse seemed to adjust to their new surroundings but a longer – and more relevant – time frame (450 years) shows the opposite – the failure of developing a sustainable adaptive behavior. On the contrary, a self-reinforcing dysfunction was on its way from the very beginning. The value of a potential dialogue between both groups in order to develop an adaptive behavior is easy to recognize: • It might have fueled better ways for the Norse in order to deal with the increasing variety implied by the new surrounding; intercultural cooperation represents a powerful means to attenuate variety in this case. • Such collaboration might have helped the Norse to draw vital new distinctions. However, this is not straightforward; here understanding ‘culture’ as a system of distinctions, the case shows the difficulty of embodying new distinctions, when those are strongly opposed to the own culture, which is reproduced and self-maintained from generation to generation re-affirming the own identity in new scenarios. When major changes are required it is not easy to deal with this autopoietic characteristic that seems locked in a characteristic path dependence condition. Furthermore, important changes are under the pervasive effects of delays that neither allow recognition of changes in external key variables (e.g. climate), nor of the state of essential conditions for survival (e.g. own worldview). It is emphasized here that cultural change is slow; and it can be promoted by relative discohesion; such a process is shaped and driven by our actions. The strong reinforcement of own cultural values may inhibit adaptation.

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Kristjan Ambroz and Camilo Olaya

Intercultural dialogue has proven to be tough; even today this key factor for collective learning based on effective interaction is a matter of research7 (Christakis and Brahms, 2003; Christakis and Harris, 2004). The role of world-view, i.e. Weltanschauung, in shaping our actions and decisions is still underestimated. The collective world-view of the Norse, which can be seen deeply connected with their human values – as Hebel (1999) suggests – was powerful enough in order to hinder them from seeing and acting according to the amount of opportunities they had for surviving, related mainly to the possibilities of the natural environment and the presence of the Inuit culture. Nowadays we seem to fail in recognizing the richness and the fruitfulness of cross-cultural dialogue, and worse, we don’t seem to notice how vital sometimes this can be. This paper showed a practical example of a situation that took place hundreds of years ago; social systems with similar structures abound even nowadays.

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___________ 7 Such intercultural dialogue might lead to fruitful academic exchange also as for example nowadays with eastern cultures’ methodologies (Midgley / Wilby, 2000; Gu / Nakamori / Zhu, 2002).

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Kooperationserfahrungen und Sicherheitsempfinden im Kontext der europäischen Integration Von Marco Waage und Manfred Bornewasser1 Seit dem 1. Mai 2004 hat die Europäische Union zehn neue Mitgliedstaaten. Gerade die deutsch-polnische Integration erfährt mit den formellen Beschlüssen zur EU-Osterweiterung eine neue Qualität. Bestehende Verbindungen werden auf eine neue Basis gestellt und vielfältige neue Beziehungen werden geschaffen und entwickelt. Für Mecklenburg-Vorpommern erwachsen dabei neue Herausforderungen und Chancen in der grenznahen Zusammenarbeit mit dem Nachbarn. Die Erweiterung der EU mit der Aussicht auf vielfältige Kooperationen fand auch in Mecklenburg-Vorpommern breite Unterstützung, allerdings waren auch Bedenken, Vorbehalte und sogar offene Ablehnung zu registrieren. Diese negativen Einstellungen auf Seiten der Deutschen haben ihre Ursachen zum einen in einer sehr lange gepflegten Abgrenzung gegenüber den östlichen Nachbarn, insbesondere Polen, zum anderen in der tief greifenden Befürchtung, die Integration der osteuropäischen Länder führe langfristig zu wirtschaftlicher Benachteiligung und einem gesteigerten Kriminalitätsaufkommen. Es sind solche ablehnenden Einstellungen, die sowohl den vertrauensvollen Umgang mit Angehörigen der fremden Länder im privaten als auch die professionelle Zusammenarbeit im öffentlichen Bereich z. B. zwischen Polizeien erschweren. Sie führen zu ausgeprägter Unsicherheit, zu Misstrauen und Furcht, die den vorbehaltlosen Umgang, den kommunikativen Kontakt und die Kooperation be- oder sogar verhindern. In diesem Sinne ist davon auszugehen, dass gerade im deutsch-polnischen Verhältnis • in erheblichem Umfang negativ bewertete Vorannahmen, Stereotype und Vorurteile bestehen, • ein hohes Kriminalitätsrisiko gegenüber Angehörigen osteuropäischer Länder, insbesondere Polen, wahrgenommen wird

___________ 1 Universität Greifswald, gefördert durch den Landesrat für Kriminalitätsvorbeugung des Innenministeriums des Landes Mecklenburg-Vorpommern.

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Marco Waage und Manfred Bornewasser

• und ein starkes Unsicherheitserleben Kontakt und Kooperation mit Angehörigen und Institutionen dieser Länder beeinträchtigt. Diese Vorbehalte betreffen auch die Sicherheitsbehörden und ihre Einrichtungen und entwerten vielfältige Bemühungen um korrektes und unvoreingenommenes Verhalten. Dabei stellt sich empirisch die Frage, ob diese Vorbehalte beidseitig oder nur einseitig bestehen oder ob gar seitens der Angehörigen osteuropäischer Länder verstärkt positive Voreinstellungen zu registrieren sind. Grund hierfür könnte der unterschiedlich wahrgenommene Status der Länder sein: Ablehnungen und Befürchtungen bestehen aus Sicht der statushöheren Gruppe, die sich in Frage gestellt oder gar bedroht sieht, Anerkennung und Bewunderung sind seitens der statusniedrigeren Gruppe zu konstatieren, die sich durch die Integration Vorteile erhofft. Die wechselseitigen Erwartungen der „alten“ und „neuen“ Mitgliedstaaten sind dabei wahrscheinlich von stereotypen Vorstellungen geprägt, welche das konkrete Kontakt- und Kooperationsverhalten bzw. die Kontaktaufnahme- und Kooperationsbereitschaft beeinflussen. Diese prägen gegebenenfalls auch die Vorstellung darüber, welche Kriminalitätsgefährdungen von den jeweiligen Nachbarn ausgehen und somit auch das allgemeine Sicherheitsgefühl und das Wohlbefinden in der jeweiligen Region. Die im Folgenden in ihren zentralen Punkten abgehandelte Untersuchung sollte die wechselseitigen Erwartungen und Vorstellungen bezüglich sicherheitsrelevanter Dimensionen sowie Kooperations- und Kontakterfahrungen bei den Bevölkerungen und bei Institutionen und Behörden im Bereich von Ordnung und Sicherheit (Landespolizei, Bundespolizei, Zoll) in den grenznahen kriminalgeografischen Räumen ermitteln. Aufgrund der geografischen Lage der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald ergab sich als Untersuchungsbereich der Ostseeraum als Region interkultureller Kontakte und wirtschaftlicher und administrativer Kooperationen. Als kritische Untersuchungsregion wurde die nördliche deutsch-polnische Grenze (Ahlbeck bis Pomellen) gewählt, als Kontrollbereich diente ein Abschnitt der Grenze zu Tschechien (Bereich Erzgebirge) sowie die deutsch-dänische Grenze. Gerade die Unterschiede an den Grenzen „alter“ Mitgliedstaaten (Deutschland und Dänemark) und den Grenzen zwischen „alten“ und „neuen“ Mitgliedstaaten (Deutschland, Polen und Tschechien) standen im Zentrum der Analyse.

A. Theoretischer Hintergrund Untersuchungsgegenstand des Projektes ist neben einer konzeptuellen Klärung der zentralen Begriffe und ihrer Beziehungen zueinander die Frage nach der Wirkung von sozialen Kategorisierungen auf evaluative Wertungen (Stereotype) und Affekte (Vorurteile) im Kontext interkultureller Kontakte und Koope-

Kooperationserfahrungen und Sicherheitsempfinden

131

rationen. Von zentraler Bedeutung ist hier der Aspekt der Kontakterfahrung als Voraussetzung und Vermittler für eine positive Gestaltung interkultureller Interaktionen und Kooperationen sowie der Schaffung gemeinsamer Identität (vgl. Amir, 1976). Einen weiteren Untersuchungsaspekt bildet die Entwicklung von Vertrauen als eine Kontakte und Kooperation vermittelnde Größe (vgl. Coulson, 1998). Auf den Einfluss des Vertrauens wird in der vorliegenden Arbeit nicht detaillierter eingegangen. Die Theorien der sozialen Identität (SIT; Tajfel/Turner, 1986) und der Selbst-Kategorisierung (SCT; Turner, 1987) liefern eine abstrakte kognitive Grundlage der Beschreibung interkultureller Kommunikation und Kontakte. Kategorisierungsprozesse führen aus Sicht dieser Theorien, vermittelt über eine grundlegende schematische Ordnung der wahrgenommenen Umwelt, zur Abgrenzung von sozialen Gruppierungen, die mittels sozialem Vergleich die eigene Überlegenheit sichern und zur Entwicklung einer positiv bewerteten sozialen Identität beitragen. Das Konzept der sozialen Identität wird definiert als „the individual’s knowledge that he belongs to certain social groups together with some emotional and value significance to him of the group membership“ (Tajfel, 1972, p. 31). Tajfel (1982) nimmt an, dass Personen sich im Intergruppenkontext qualitativ anders verhalten als im interpersonalen, womit interpersonale Theorien sich nicht unverändert auf intergruppales Verhalten anwenden lassen. Folglich kommt er zu dem Schluss, interpersonales und intergruppales Verhalten zu trennen und nimmt ein Kontinuum an, dessen Extrempunkte durch „rein“ interpersonales und „rein“ intergruppales Verhalten gekennzeichnet sind. „Rein“ interpersonales Verhalten liegt immer dann vor, wenn alle Interaktionen zwischen den Beteiligten durch ihre persönlichen Beziehungen und ihre individuellen Charakteristika bestimmt werden. „Reines“ Intergruppenverhalten liegt dann vor, wenn jegliches Verhalten der Interaktionspartner durch ihre Mitgliedschaft in unterschiedlichen sozialen Gruppen oder Kategorien begründet ist. Die Bedeutung intergruppalen Verhaltens unterstreicht Tajfel mit dem Hinweis, man könne „sich keine soziale Interaktion zwischen zwei Personen vorstellen, die nicht zumindest minimal durch ihre gegenseitige Zuordnung zu einer Vielzahl sozialer Kategorien beinflusst wird, die die Erwartungen der Interaktionspartner bezüglich ihrer Merkmale und ihres Verhaltens beeinflussen“ (Tajfel, 1982, S. 84). Zeichnet sich der soziale Kontext durch hohe Interpersonalität aus (romantische Beziehung), tritt die personale Identität in den Vordergrund. In Situationen mit einem stark gruppalen Kontext (Fußballfans verschiedener Vereine), wird die soziale Identität handlungsbestimmend. Die Abnahme der personalen Identität ist somit nicht als Identitätsverlust, sondern als Verlagerung in Richtung der sozialen Identität zu verstehen. Die Self Categorization Theory (SCT; Turner, 1987) thematisiert in diesem Zusammenhang verstärkt die kognitiven Grundlagen des Verhaltens in und zwi-

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Marco Waage und Manfred Bornewasser

schen Gruppen. Zentral für den Ansatz ist das Verständnis des Selbstkonzeptes. Oakes und Turner (1990, pp. 113) definieren es wie folgt: „The self-concept comprises any number of self-categorizations, cognitive groupings of the self as identical to some class of stimuli in contrast to some other class of stimuli“. Rückt die soziale Identität ins Zentrum des Interesses, so kommt es zu einer Depersonalisierung, die mit der Definition der eigenen Person als Gruppenmitglied einhergeht. Dies führt zu einer verstärkten Wahrnehmung der Ähnlichkeit und Austauschbarkeit der eigenen Person mit anderen Mitgliedern der eigenen Gruppe. Die Wahrnehmung der eigenen Person und anderer basiert nicht mehr auf der Basis individueller Eigenschaften, sondern ist verbunden mit der Selbstdefinition als Gruppenmitglied. Diese stereotype Wahrnehmung der eigenen Person im Sinne der salienten Gruppenmitgliedschaft wird als Selbststereotypisierung bezeichnet. Turner (1984) definiert diesen Prozess folgendermaßen: „Self-stereotyping produces the depersonalization of the self, i.e., the perceptual interchangeability or perceptual identity of oneself and others in the same group on relevant dimensions. It is the cognitive redefinition of the self – from unique attributes and individual differences to shared social category memberships and associated stereotypes – that mediates group behaviour“ (p. 528). In dem Maße, wie sich eine Person mit einer Gruppe identifiziert, bilden Stereotype aus dieser Perspektive eine Basis der Selbstinterpretation und dienen der Orientierung in der sozialen Wirklichkeit. Dieser Vorgang führt dementsprechend zu einer verstärkt wahrgenommenen Ähnlichkeit des eigenen Selbst zu den Mitgliedern der Ingroup, einer verstärkt wahrgenommenen Ähnlichkeit der Ingroup-Mitglieder untereinander und einer verstärkt wahrgenommenen Typikalität der eigenen Person für die Ingroup. Turner (1987) misst dabei der Wirkung des sozialen Kontextes eine hohe Bedeutung zu. Je nach sozialem Kontext kommt es zur Kategorisierung des eigenen Selbst auf unterschiedlichen Ebenen. Aufbauend auf den Annahmen Bruners (1957) zur Salienz, schlägt Oakes (1987) die Konzepte der kognitiven Verfügbarkeit (accessibility) und der Passung (fit) vor. Accessibility beschreibt die Prädisposition, einen Stimulus in eine bestimmte Kategorie einzuordnen. Das Ausmaß der Verfügbarkeit hängt dabei z.B. von der Bedeutsamkeit der Kategorie für das Selbstkonzept und der aktuellen emotionalen oder wertbezogenen Bedeutung der Unterscheidung in Eigen- und Fremdgruppe, ab. Passung definiert Oakes (1987, S.128) als „match between actual stimulus characteristics and category specifications“, also die Passung zwischen den wahrgenommenen Merkmalen des Objekts oder der Person und den gespeicherten Merkmalen der Kategorie. Die Anwendung bestimmter Kategorien hängt also sowohl von situativen als auch personalen Faktoren ab. Eine positive soziale Identität stellt sich nun ein, indem sich Personen in eine evaluativ und affektiv positive Relation zur Eigengruppe bringen, sich identifizieren bzw. Bindung (commitment) (Ellemers/Spears/Doosje, 2003) entwi-

Kooperationserfahrungen und Sicherheitsempfinden

133

ckeln. Die o.g. Theorien implizieren als Folge der kognitiven Kategorisierungsprozesse (vgl. Macrae/Bodenhausen, 2000) aber nicht nur Prozesse der affektiven Bindung an die eigene Gruppe, sondern auch Prozesse der evaluativ (Stereotyp) und emotional (Vorurteile) geprägten (ablehnenden oder diskriminierenden) Orientierung hin zu anderen Gruppen und fremden Kulturen (vgl. Bornewasser/Geng/Waage, 2000). Die Charakteristika der eigenen Gruppe (z.B. Hautfarbe, Reichtum oder Armut, Status) erhalten den Großteil ihrer Bedeutung erst in Relation zu wahrgenommenen Unterschieden zu anderen Gruppen. Die Merkmale der Eigengruppe werden dabei überwiegend günstiger bewertet als die fremder Gruppen (ingroup-bias), um den eigenen Selbstwert zu sichern. Dabei liegt der Schwerpunkt der bisherigen empirischen Arbeiten auf den Bereichen der Abwertung fremder Gruppen, also inwieweit die Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Gruppen wechselseitiges Misstrauen und gegenseitige Ablehnung begünstigt oder fördert. In der Konsequenz kommt es zu einer Reduktion positiv bewerteter Kontakte und Kooperationen (vgl. Bornewasser/Waage, 2006). Der Kontakt zwischen Angehörigen unterschiedlicher Kulturen kann aber unter bestimmten Bedingungen zum Aufbau von Vertrauen und Kooperation führen (Hewstone/Rubin/Willis, 2002). Aus den Ansätzen der SCT und SIT entwickelten sich verschiedene Konzepte der Verbesserung von Intergruppenbe-

Re-Categorization

Inklusive level of Self-Categorization

„We“

IntergroupCategorization

Intergroup Level

„They“ Outgroup

„We“ Ingroup

De-Categorization

Interpersonal Level Other Individual

Other Individual

„I “

Other Individual

Other Individual

Quelle: Gaertner et al., 1993

Abbildung 1: Ebenen der Selbstkategorisierung

134

Marco Waage und Manfred Bornewasser

ziehungen. So wird etwa unter dem Konzept der Dekategorisierung (Brewer/ Miller, 1984) ein Vorgehen verstanden, welches einen Kontakt der Vertreter unterschiedlicher Gruppen auf der individuellen Ebene ermöglicht. Unter Rekategorisierung, dem „common ingroup identity model“ (Gaertner/Mann/Murrel/ Dovidio, 1989; Gaertner/Dovidio/Anastasio/Bachman/Rust, 1993) wird die neue Kategorisierung verschiedener Gruppierungen auf höherer Ebene verstanden (z.B. die Europäische Union als übergeordnete Kategorie für Vertreter Deutschlands und Polens). Abbildung 1 zeigt die zentralen Ebenen der Selbstkategorisierung zur Verdeutlichung auf, wobei hier auch auf die Aspekte der De- und Re-Kategorisierung eingegangen wird. Über positiven Kontakt geschaffene Gemeinsamkeiten erleichtern die Interaktion und Kommunikation zwischen Gruppen und Kulturen, schaffen Sicherheit und Vertrauen, ermöglichen die Bildung übergeordneter gemeinsamer Identitäten (Gaertner/Dovidio/Anastasio/Bachman/Rust, 1993) und geben die Basis für vertrauensvolle Kooperationen (z.B. vermittelt über wechselseitige Vertragstreue). Entscheidend kommt es also darauf an, mit welchen (inklusiven oder exklusiven) Kategorien Ordnungs- und Orientierungsprozesse gestaltet werden. Aus diesen theoretischen Überlegungen ergeben sich für die vorliegende Untersuchung die folgenden Hypothesen: – Wir gegen Euch: Einstellungen zum „alten“ EU-Mitgliedsstaat (Dänemark) sollten positiver ausfallen als die zu den „neuen“ Mitgliedsstaaten (Polen, Tschechische Republik). – Hoher vs. geringer Status: Deutsche Untersuchungsteilnehmer sollten ausgeprägtere Vorurteile gegenüber den Einwohnern der neuen Mitgliedsstaaten aufweisen als vice versa. – Bedrohung: Deutsche Untersuchungsteilnehmer (an den Grenzen zu Polen und der tschechischen Republik) sollten ausgeprägtere Kriminalitätsfurcht aufweisen als die Einwohner der neuen Mitgliedstaaten. – Gemeinsame Identität: Untersuchungsteilnehmer mit intensiven Kontakten zum Nachbarland und einer ausgeprägten Bindung an Europa sollten insgesamt positivere Einstellungen aufweisen und Kooperationen aufgeschlossener gegenüberstehen.

B. Methodik der Untersuchung Die Einstellungen und Erwartungen wurden über Fragebögen und Interviews mit Bürgern und Beamten in den jeweiligen Grenzregionen kurz vor der EUOsterweiterung (Ende 2003) erhoben. Die anvisierte Stichprobengröße konnte dabei leicht überschritten werden (n = 1074), wobei dies vor allem auf die gute

Kooperationserfahrungen und Sicherheitsempfinden

135

Kooperation mit den Behörden von Landes- und Bundespolizei und den Jugendämtern in Vorpommern zurückzuführen war. Einige Stichprobenanteile (z.B. die der tschechischen Beamten) konnten nicht gänzlich im vorgesehenen Umfang rekrutiert werden, was sich auf die Gesamtinterpretation der Studie jedoch nicht gravierend auswirkt. Daneben ist die Verteilung der Geschlechter ungleich (aufgrund der Zusammensetzung der Beamtenstichprobe) und es lässt sich ein leichtes Übergewicht an höheren Bildungsabschlüssen feststellen. Einen Überblick über die Stichprobenzusammensetzung gibt Tabelle 1. Tabelle 1 Zusammensetzung der Stichprobe Stichprobenumfang Geschlecht Alter

Bildung/Abschluss

Gruppierung Grenzregion

Frauen Männer k. A. unter 25 25–39 40–55 über 55 k. A. keinen Hauptschule Realschule Abitur Hochschule k. A. Jugendliche Bürger Beamte Grenze Polen Grenze Dänemark Grenze Tschechien Polen Dänemark Tschechien

Häufigkeit 1074 367 626 81 254 312 265 57 186 13 84 425 286 195 71 169 443 462 305 117 113 351 94 94

Prozent 100 34,2 58,3 7,5 23,6 29,1 24,7 5,3 17,3 1,2 7,8 39,6 26,6 18,2 6,6 15,8 41,2 43,0 28,3 10,9 10,5 32,6 8,8 8,9

Der Fragebogen setzte sich aus unterschiedlichen erprobten Skalen, wie der Blatant-Subtle Skala (Pettigrew/Meertens, 1995) zur Messung offener und subtiler Vorurteile, den Skalen zur nationalen Identifikation und der Identifikation mit Europa (Mlicki & Ellemers, 1996) und der Subskala zur allgemeinen Ausländerfeindlichkeit der Allgemeinen Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften (ALLBUS; Zick, 1997) sowie verschiedenen modifizierten Skalen zum Sicherheitsempfinden, zum Kontaktverhalten sowie zur Bewertung von Koope-

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Marco Waage und Manfred Bornewasser

rationen mit der Polizei im Nachbarland zusammen. Die Reliabilität (Cronbachs Alpha) lag dabei durchgehend auf zufrieden stellendem Niveau (>.70).

C. Zentrale Befunde Im Folgenden sollen kurz die zentralen Befunde des Projektes berichtet und anhand einiger beispielhafter Variablen verdeutlicht werden. Zunächst ließ sich feststellen, dass zwischen den Untergruppen der Jugendlichen (unter 18 Jahren), der erwachsenen Bürger und der Vertreter der verschiedenen Sicherheitsorgane kaum nennenswerte Unterschiede in den Erwartungen, Bewertungen und im konkreten Kontaktverhalten nachweisen lassen. Auch die regionale Differenzierung in eher ländliche, eher touristisch geprägte und eher vom Transitverkehr geprägte Gebiete führte nicht zu bedeutsamen Unterschieden in den Bewertungen der Befragten. Demgegenüber erwies sich die Differenzierung hinsichtlich der verschiedenen Grenzgebiete als äußerst bedeutsam. Über fast alle Themenbereiche hinweg ließen sich statistisch bedeutsame Unterschiede zwischen den Bewohnern der verschiedenen Grenzgebiete finden. Aus diesem Grunde soll vor allem auf diesen Bereich in der hier nur auszugsweise möglichen Darstellung der Gesamtergebnisse eingegangen werden. Entsprechend der Hypothesen, dass sich die Einstellungen der Befragten im Sinne eines „Wir gegen Euch“ und der bereits angedeuteten Statusunterschiede differenzieren lassen, werden in den geäußerten Vorurteilen (Blatant-SubtleSkala) gegenüber den Bewohnern der jeweiligen Nachbarländer klare Unterschiede deutlich, F (5,972) = 36,58; p < .001; 2 = .16. Es zeigt sich, dass die Deutschen an der Grenze zu Dänemark die Bewohner des Nachbarlandes wesentlich positiver bewerten als die Deutschen an den Grenzen zu Polen und der Tschechischen Republik. Die Deutschen an den Grenzen zu Polen und Tschechien attestieren ihren Nachbarn z. B. geringere Gesetzestreue als ihren Landsleuten (s. Abbildung 2). Demgegenüber halten Polen und Tschechen die Deutschen für gesetzestreuer, während die Befragten an der deutsch-dänischen Grenze keine wechselseitigen Unterschiede angeben. Es wird hier und auch in anderen Teilbereichen der Untersuchung deutlich, dass die Befragten aus Polen und Tschechien ein im Vergleich zu den deutschen Befragten eher positives Bild des Nachbarlandes haben, während die Deutschen an diesen Grenzen eher skeptisch gegenüber ihren Nachbarn sind und an der Grenze zu Dänemark kaum deutlich voneinander abweichende Bewertungen abgegeben werden. Dies ist im Sinne der Theorie der sozialen Identität zu erwarten, da der Statusunterschied (z. B. in wirtschaftlicher Hinsicht) dieses Gefälle in der gegenseitigen Wahrnehmung begünstigt.

Kooperationserfahrungen und Sicherheitsempfinden

5

M

4

3,2

137

Vorurteile gegenüber der Bevölkerung 5,52 5,3 4,47 4,49 Polnische Grenze 3,39 Tschechische Grenze

3

Dänische Grenze Polen

2

Tschechien Dänemark

1

Abbildung 2: Einzelitem: „Wie ähnlich sind sich die Bewohner hinsichtlich ihrer Bereitschaft, sich an Recht und Gesetz zu halten?“

Betrachtet man den Bereich der Kriminalitätsfurcht der Untersuchungsteilnehmer, zeigt sich der Einfluss der wahrgenommenen Bedrohung durch den statusniedrigeren Nachbarn, F (5,989) = 69,13; p < .001; 2 = .26. Einen Überblick (auf Ebene der einzelnen Items) über die Bewertung der deutschen Befragten im Hinblick auf die Gefahr, Opfer einer Straftat im jeweiligen Nachbarland zu werden, gibt Abbildung 3. 7

6

deutsch-dänisch

1

deutsch-polnisch

2

deutsch-tschechisch3 5

2 3

4

3

1 2

1 betrogen

bestohlen

abschätzig behandelt

verletzt

genötigt/ vergewaltigt

beraubt

Auto gestohlen

Eigentum beschädigt

Abbildung 3: Befürchtung, Opfer einer Straftat im Nachbarland zu werden (deutsche Seite)

Vor allem die Delikte Betrug, Diebstahl, Raub und Autodiebstahl werden von den Deutschen an der polnischen und tschechischen Grenze deutlich stärker als potenzielle Gefahren im Nachbarland betont als an der Grenze zu Dänemark. Das Ausmaß der Differenzen zwischen den Angaben der Befragten im

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Marco Waage und Manfred Bornewasser

Hinblick auf den wahrscheinlichen Einfluss sozial erwünschten Antwortverhaltens ist hier bemerkenswert. Diese Befürchtungen stellen reale Hindernisse für einen unvoreingenommenen Kontakt und Austausch über die Grenzen hinweg dar. So kann etwa die Befürchtung eines Autodiebstahls eine Reise ins Nachbarland mit dem eigenen Pkw als wenig attraktiv erscheinen lassen oder die Befürchtung, auf der Straße bestohlen zu werden, den ungezwungenen Kontakt mit den Einheimischen grundlegend belasten. Um einen Einblick in die Durchlässigkeit der Grenzen, den konkreten Austausch und Kontakt über die Grenzen hinweg zu gewinnen, wurden Fragen zu privaten Aufenthalten oder Urlauben, zu Verwandten und Freunden im Nachbarland bis hin zu den eigenen Sprachkenntnissen der jeweiligen Landesprache gestellt. Hier zeigten sich die ebenfalls erwarteten Differenzen zwischen den verschiedenen Grenzregionen, F (5,1012) = 33,37; p < .001; 2 = .18. Abbildung 4 (s. S. 10) gibt einen Gesamtüberblick (Kontaktindex). Die Grenze zwischen Dänemark und Deutschland weist insgesamt eine höhere „Durchlässigkeit“ auf als die Grenzen zu Polen und Tschechien. Es ist anzunehmen, dass diese geringe Kontaktrate in deutlichem Zusammenhang mit den übrigen Befunden der Erhebung steht.

Kontakt und Austausch

M

2

2,72

2,59

3

1,75

1,89

2,12 1,84

Polnische Grenze Tschechische Grenze Dänische Grenze Polen Tschechien

1

Dänemark

Abbildung 4: Konkreter Austausch und Kontakt über die Landesgrenze hinweg

Gruppiert man z. B. die befragten Beamten nach ihrem konkreten Kontaktverhalten und ermittelt dann die Wirkung auf die Bewertung der behördlichen Kooperation über die Landesgrenze hinweg, wird die Wirkung der Kontaktrate deutlich, F (3,423) = 20,21; p < .001; 2 = .13 (s. Abbildung 5).

Kooperationserfahrungen und Sicherheitsempfinden

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Wirkung des Kontaktverhaltens auf die Bewertung der behördlichen Kooperation 4,39

5

4,69 kaum

3,71 4

wenig

3,14

viel 3

sehr viel

2

Abbildung 5: Wirkung des Kontaktverhaltens auf die Kooperation mit den Behörden des Nachbarlandes

Der Kontakt zum Nachbarland, vermittelt über Besuche, Bekanntschaften und die (möglicherweise auch nur rudimentäre) Kenntnis der Landessprache lässt auch die behördliche Kooperation in gänzlich anderem Licht erscheinen. Unter diesen Gesichtspunkten ist zu bedenken, dass der kurzfristige Einsatz von Beamten an verschiedenen Landesgrenzen der behördlichen Kooperation hinderlich sein kann. Der Erwerb der Sprache des Nachbarlandes und der private Kontakt zur Region jenseits der Grenze bilden eine wichtige Voraussetzung für eine gelungene Kooperation mit den Kollegen im Nachbarland. Befragt man die Bewohner der verschiedenen deutschen Grenzregionen danach, wie sie zukünftigen Kontakten und Kooperationen (z. B. den Kontakten zu den Einheimischen des Nachbarlandes, dem Ausbau der Verkehrswege oder

Tabelle 2 Regressionsanalyse zur Wirkung von Vorurteilen und Identifikation auf die Bewertung zukünftiger Kontakte und Kooperationen Variable Blatant-Subtle-Skala Identifikation mit Europa Kontakt und Austausch mit dem Nachbarland Beteiligung der Einwohner des Nachbarstaates an hiesiger Kriminalität ALLBUS (allg. Fremdenfeindlichkeit) Sicherheitsgefühl im Nachbarland Identifikation mit der eigenen Nation Bewertung des EU-Beitritts Anmerkungen: N = 392, *p < .01, **p < .001



T

R2

-.466** .164** .117* -.089

-.9.65 3.72 .2.46 -1.76

.30 .32 .34 -

-.078 .023 .008 .001

-1.53 .424 .171 .014

-

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der Zusammenarbeit im Tourismus) gegenüberstehen, wird mittels Regressionsanalyse (stepwise) ersichtlich, dass einerseits bestehende Vorurteile eine deutliche Belastung für die Bewertung der zukünftigen Zusammenarbeit darstellen. Andererseits zeigt sich aber auch, dass die Wahrnehmung einer gemeinsamen Identität und bestehende Kontakte eine positive Wirkung entfalten können (s. Tabelle 2).

D. Diskussion und Ausblick Aufgrund des Untersuchungsdesigns und der generellen Schwierigkeiten in der Feldforschung lassen sich die Richtungen der Zusammenhänge zwischen den erhobenen Variablen nicht zweifelsfrei bestimmen. Aus der theoretischen Sicht der SIT und SCT lassen sich einige Ergebnisse aber weiter aufklären. Es zeigt sich, dass die eigene nationale Zugehörigkeit einen erheblichen Einfluss auf die Bewertung anderer Nationen ausübt. Die Salienz der sozialen Kategorien ist gerade im Kontakt mit Bewohnern fremder Nationen hoch und eine Aktivierung der sozialen Identität ist damit sehr wahrscheinlich. Diese prägt die Interaktion nachhaltig. Die stereotype Wahrnehmung und Bewertung des Fremden, basierend auf in der Sozialisation erworbenen Einstellungen und gemachten Erfahrungen, kann nun zu einem Hindernis des unvoreingenommenen Kontaktes werden. Ausgeprägte Vorurteile und Befürchtungen, die zu einem Mangel an Vertrauen führen, erschweren den Kontakt und mögliche Kooperationen (vgl. Hewstone/Rubin/Willis, 2002). Statusdifferenzen und mögliche Gefühle der Bedrohung begünstigen diesen Prozess zusätzlich. Der Einfluss kann dabei auch subtil, den Interaktionspartnern kaum oder nicht bewusst sein. Stereotype werden automatisch aktiv und prägen die Wahrnehmung des Gegenüber (vgl. Waage, 2005). Positive Kontakte können hier helfen, bestehende Vorurteile und Stereotype zu modifizieren und neue positive Eindrücke zu schaffen. Es handelt sich hierbei jedoch, gerade wenn stabile negative Vorurteile vorhanden sind, um einen langwierigen Prozess, der der Unterstützung durch Autoritäten oder besonderer Gelegenheiten bedarf, da die aktive Suche nach Kontakt aus eigenem Antrieb nicht erfolgt (vgl. Amir, 1976). Die Widrigkeiten im Prozess der Veränderung bestehender Vorurteile können hier nicht weiter ausgeführt werden. Die Ergebnisse machen aber den generell positiven Einfluss des Kontaktes über die Landesgrenzen hinweg deutlich. Gerade auf der Ebene der behördlichen Kooperation sollten Mittel und Wege gefunden werden, Situationen zu schaffen, die zu Kontakten führen, sowie die Beamten in ihren eigenen Bemühungen (wie dem Erwerb der Sprache) zu unterstützen und zu fördern (z. B. durch gemeinsame Einrichtungen, Streifen oder Führungsseminare).

Kooperationserfahrungen und Sicherheitsempfinden

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Weiterhin zeitigt der allgemeine Prozess der Einigung Europas positive Folgen. Die positive Wirkung der Identifikation mit Europa auf die Antizipation zukünftiger Kontakte und Kooperationen sowie die Ergebnisse an der deutschdänischen Grenze, die eine weitgehend entspannte und positive Einstellung zu den Nachbarn im vereinten Europa ausweisen, unterstreichen dies. Im Sinne des „common ingroup identity model“ (Gaertner/Mann/Murrel/Dovidio, 1989) kann dies als die Ausbildung einer übergeordneten gemeinsamen Identität verstanden werden, die eine negative Wahrnehmung des Anderen im Sinne einer Fremdgruppe weniger wahrscheinlich macht. Die EU-Osterweiterung stellt einen weiteren Schritt zu einer Annäherung der Beitrittsländer mit den „alten“ Mitgliedstaaten und damit auch Deutschland dar. Es zeigt sich aber, dass die vorhergesagten stereotypen Vorstellungen und Erwartungen durchaus vorhanden sind und sich als eine Belastung für die Integration herausstellen können. Im Gesamtergebnis ist festzustellen, dass die Integration der neuen Mitgliedstaaten am Anfang steht. Im Vergleich zur Grenze zu Dänemark stimmen die Ergebnisse zunächst skeptisch. Es ist aber zu berücksichtigen, dass der Prozess der Annäherung zwischen Deutschland und Dänemark sich über Jahrzehnte langsam zum heutigen Stand entwickelt hat, wobei in der Nachkriegszeit von einem zunächst höchst gespannten Verhältnis ausgegangen werden kann. Diese Annäherung der Nachbarn hat dabei nicht zum gänzlichen Abbau der Stereotype und Vorurteile geführt, gerade die Ergebnisse zum konkreten Kontakt und Austausch an der Grenze zeigen jedoch ein positives Bild, welches als ein anzustrebendes Ziel an den Grenzen zu den neuen Mitgliedstaaten Polen und Tschechien dienen kann. Dies gilt sowohl für die Bevölkerung als auch für die Zusammenarbeit und gegenseitige Wertschätzung der Sicherheitsbehörden. Die Erleichterung des Güter- und Personenverkehrs und die damit wachsende Permeabilität der Grenzen werden hier sicher mittel- bis langfristig für eine weitere Verbesserung sorgen. Bezogen auf die notwendigen grenzüberschreitenden Kooperationen der Institutionen und Behörden im Sicherheitsbereich können die praktischen Erfahrungen an der deutsch-dänischen Grenze genutzt werden, um bereits bestehende oder sich anbahnende Kooperationen an der deutsch-polnischen und der deutsch-tschechischen Grenze zu optimieren bzw. optimal vorzubereiten. Auch andere Modellregionen, wie etwa die deutsch-französische Grenze, mit den zahlreichen Bemühungen und konkreten Maßnahmen zur Kooperation über die Landesgrenzen hinweg, können als Vorbilder und Ideengeber fungieren. Erfahrungen mit möglichen Hindernissen in der Zusammenarbeit und erfolgreichen Lösungsansätzen aus diesen Regionen sollten mittels Informationsaustausch über „good practices“ für die zukünftig wachsenden Kooperationen mit den neuen Mitgliedstaaten nicht ungenutzt bleiben. Gerade die grenzüberschreitende Kriminalität stellt neue Herausforderungen an die Sicherheitsbehörden der Länder und ihre Kooperation. Eine Behinderung der Zusammenarbeit durch über-

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Marco Waage und Manfred Bornewasser

kommene Vorurteile und gegenseitige Befürchtungen darf hier nicht im Wege stehen.

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Teil C Globale Unternehmen

Unternehmensethik als Problemfeld und Chance interkultureller Kooperationen – betrachtet aus systemtheoretischer Sicht Von Lilia Waehlert1

A. Problemstellung, Ziel und Gegenstand des Beitrags Ein zentrales Merkmal interkultureller Kooperationen ist das Aufeinanderprallen verschiedener Unternehmenskulturen, die wiederum vom jeweiligen gesellschaftlichen Umfeld geprägt sind. Oft ist die Rede von interkulturellen Barrieren, die wirksam sind, und zu Ineffizienzen, Reibungsverlusten etc. in der Zusammenarbeit führen. Versteht man die Unternehmenskultur als Ausdruck des gelebten Werte- und Sinnsystems eines Unternehmens, so basieren diese interkulturellen Barrieren auf unterschiedlichen Wertvorstellungen, Interpretations- und Handlungsmustern, die zu Dissonanzen zwischen den Kooperationspartnern führen können. Das Finden, Analysieren und Reflektieren einer gemeinsamen Wert-, Handlungs- und Sinnbasis, welche sich wiederum in der Unternehmenskultur niederschlägt, kann in einem allgemeinen Sinne als Gegenstand der Unternehmensethik bezeichnet werden. Vor diesem Hintergrund ist es das Ziel des Beitrags, Folgendes zu zeigen: 1. dass die Unternehmensethik einen wichtigen Aspekt für interkulturelle Kooperationen darstellt, da sie sich mit Werten und ihren Folgen beschäftigt, 2. die in der aktuellen Unternehmensethikdebatte diskutierten Lösungen jedoch aus Sicht der systemtheoretischen Perspektive, die hier gewählt wird,2 zu kurz greifen und den gegebenen Ansätzen der Unternehmensethik eine andere Sicht auf unternehmensethische Probleme gegenübergestellt werden soll, 3. vor diesem Hintergrund gezeigt werden soll, inwiefern die Unternehmensethik selbst als Problemfeld, aber auch als Chance für interkulturelle Kooperationen betrachtet werden kann. ___________ 1

Priv.-Doz. Dr. Lilia Waehlert, Universität Trier. Es wird sich hauptsächlich auf die Theorie sozialer Systeme von Luhmann bezogen. Wenn in der Folge von der Systemtheorie gesprochen wird, ist diese gemeint. 2

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B. Definition der Unternehmensethik und Skizze der aktuellen Unternehmensethikdebatte Es existiert eine Reihe von Definitionen der Unternehmensethik.3 Gemeinsam ist diesen Definitionen jedoch, dass sie sich mit der Analyse und Begründung von Werten und Folgen des wirtschaftlichen Handelns beschäftigen, mit dem Ziel, hieraus konkrete Vorschläge für die Unternehmenspraxis abzuleiten.4 Als gemeinsames Ziel kann dabei die Vorstellung einer „besseren“ Wirtschaft5 identifiziert werden, die sich darin manifestiert, moralische und soziale Interessen zu vereinbaren mit ökonomischen, wobei Umfang, Art und Weise, wie dies zu geschehen hat, erheblich variieren. In der Folge kann man drei zentrale Ansätze der Unternehmensethik unterscheiden: vertragsorientierte, wertorientierte und diskurstheoretische Modelle. Vertragstheoretische Modelle lassen sich auf Adam Smith zurückführen, der vom Eigeninteresse des Menschen als Grundannahme ausgeht, welches als positiv zu bewertendes Selbsterhaltungsinteresse betrachtet wird.6 Dieses Eigeninteresse führt dazu, dass der Mensch bestrebt ist, seine Bedürfnisse zu befriedigen; es entwickelt sich ein Tauschverhältnis von Angebot und Nachfrage.7 Moderne vertragstheoretische Ansätze greifen nun das Problem auf, dass die Möglichkeit für opportunistisches Verhalten besteht bzw. Marktineffizienzen existieren, was zum einseitigen Ausnutzen und damit auf Kosten des Allgemeinwohls gehen kann. Vor diesem Hintergrund steht in diesen Ansätzen das Ziel im Mittelpunkt, solche institutionellen Regeln zu definieren, die die Wirtschaftsakteure binden und Verhalten wider die Regel verhindern.8 Wertorientierte Ansätze hingegen gehen davon aus, dass es gute und richtige Werte gibt. Folglich geht es darum, die einzelnen Wirtschaftsakteure dazu zu bringen, entsprechend dieser Werte zu handeln. Unternehmensethiken sind in diesem Sinne als Führungsethiken zu verstehen, bei denen die Entwicklung von Führungsleitlinien im Vordergrund steht.9 ___________ 3 Diese unterscheiden sich insbesondere bzgl. ihrer Annahmen zum grundsätzlichen Verhältnis von Markt und Moral sowie der Frage, wie eine Ethik zur Wirtschaftspraxis kommt. Vgl. hierzu Ulrich 1994, S. 79 ff.; Kreikebaum 1996, S. 18; Neugebauer 1994, S. 90 f. 4 Vgl. Neugebauer 1994, S. 2; Kreikebaum 1996, S. 21. 5 Vgl. Ulrich 1991, S. 193. 6 Vgl. Smith 1976, S. 212, 218 ff. 7 Aufgrund der Fähigkeit des Menschen zur Objektivierung von Sachverhalten findet nach Smith eine Rationalisierung wirtschaftlicher Beziehungen statt, die zum Allgemeinwohl führt. Vgl. hierzu die Begriffe des neutralen Beobachters sowie der invisible hand bei Smith 1976, S. 110 ff., S. 184. 8 Vgl. zu den vertragstheoretischen Modellen Homann 1994, insbesondere die S. 113 ff. sowie Rawls 1979, S. 19 ff. 9 Vgl. etwa Marsden / Andriof 1999, S. 34–41; Rebstock 1988.

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Diskurstheoretische Modelle gehen wie auch vertragstheoretische Modelle von einer Werterelativität aus. Anders als diese sind sie jedoch der Meinung, dass nur dann eine bessere Wirtschaft erreicht werden kann, wenn es gelingt, solche Werte zu finden, die von den beteiligten Akteuren im Diskurs gefunden und getragen werden können. Die Existenz von Freiräumen und Eigenverantwortung wird hierbei als zentral erachtet. Die Unternehmensethik wirkt dabei entweder als situatives Korrektiv10 oder als grundsätzliche Reflexion der Wirtschaftsweise eines Unternehmens11. Betrachtet man die vorgestellten Modelle, so kann man zwei grundsätzliche Perspektiven oder Herangehensweise ausmachen: entweder wird eine sozialethische Lösung gewählt, d.h. man geht von den gesellschaftlich wünschenswerten Ergebnissen aus und legt aus dieser Top down-Sicht Regeln des Verhaltens fest. Schwierigkeiten dieser Sicht ergeben sich, da so nicht sichergestellt werden kann, dass sich der Einzelne tatsächlich im Sinne der aufgestellten Regeln verhält. Anders formuliert, die sozialethische Sicht krankt am Problem der Nichtbefolgung von Regeln oder allgemeiner an der menschlichen Entscheidungsfreiheit. Die andere Alternative ist die individualethische Perspektive, die vom Menschen ausgeht, da es letztlich immer nur Menschen sind, die werten und handeln; hier jedoch stellt sich die Frage, wie man dann zu allgemein verbindlichen Werten kommen kann. Aus individualethischer Perspektive ist man also mit der (Un-)Verbindlichkeit von Werten konfrontiert. Die Schwierigkeit, denen sich alle genannten Konzepte ausgesetzt sehen, liegt folglich in einer Ableitungslücke12 zwischen individual- und sozialethischer Perspektive, die sich aus der Differenz von Individuum und Gesellschaft ergibt.13 Die Diskursethik versucht nun, dieses grundsätzliche Dilemma zu überbrücken, indem sie sowohl sozial- als auch individualethische Momente vereinbart. Zum einen nimmt sie an, dass Werte grundsätzlich relativ sind, fokussiert somit auf den Einzelnen, zum anderen versucht sie jedoch durch die Betonung einer verfahrensorientierten Lösung, nämlich den Einsatz des Diskurses zur Erzeugung eines Konsenses, gemeinsame Regeln zu finden, die von den Beteiligten akzeptiert werden können. ___________ 10

Vertreter dieser Sicht sind Steinmann / Löhr 1994. Vertreter des integrativen Ansatzes der Unternehmensethik ist Ulrich 1994, S. 75–107. 12 In Anlehnung an von Schweitzer, der verdeutlicht, dass eine Sozialethik nicht aus der Individualethik ableitbar ist und umgekehrt. Vgl. von Schweitzer 1996, S. 275, 302, 314. 13 Daraus resultieren zwei Lager: das eine, welches eine Unternehmensethik ablehnt. Die Ökonomie sei die bessere Moral. Vgl. hierzu z.B. Friedman 1970, S. 32. Das andere Lager sieht diese Schwierigkeiten auch, hält jedoch aufgrund von Marktmängeln sowie der Existenz von Werturteilen als Bestandteil der menschlichen Lebenswelt eine Integration von Moral und Fragen der Ethik in die Ökonomie für angebracht (siehe die angesprochenen Modelle). 11

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In der Folge soll jedoch genau hier angesetzt werden: zwar scheint die Diskursethik der einzig gangbare Weg zur Lösung der Ableitungslücke zu sein, jedoch ergibt sich aus systemtheoretischer Sicht, dass in der Lösung, die die Diskursethik anbietet, nämlich im Diskurs und im Finden eines Konsenses, die eigentliche Ursache für das Aufkommen ethischer Konflikte zu sehen ist.

C. Systemtheoretische Perspektiven einer Unternehmensethik Betrachtet man die gegebene Problemlage aus systemtheoretischer Sicht, so ist zunächst anzumerken, dass diese einen grundsätzlich anderen Ausgangspunkt hat: Der Systemtheorie betrachtet nicht die Herstellung gemeinsamer Werte, vielmehr fragt sie allgemeiner nach den Mechanismen der Entstehung von Sinn. Hintergrund hierfür ist die Annahme der Abgeschlossenheit von Systemen14, was sowohl ihre Bildung und Erhaltung in einem geschlossenen Prozess bedeutet als auch verantwortlich für eine grundlegende Systemautonomie15 ist. Es besteht eine Grenze zwischen System und Umwelt, d.h. Umweltinformationen werden nicht 1:1 übernommen, sondern das System muss diese zunächst in seine „Sprache“ übersetzen. Die Grenze ist dabei nicht substanzhaft zu verstehen, sondern meint Sinngrenzen.16 Sinn und damit auch Zwecke sind systemspezifische Leistungen, die kein Korrespondent in der Realität haben.17 Das permanente Aufrechterhalten und Neujustieren dieser Sinngrenze verleiht dem System Identität und hält es „am Leben“. Dass Systeme Grenzen bilden und erhalten müssen, liegt wiederum in der Umwelt begründet, die sich durch höhere Komplexität auszeichnet, so dass ein „Zwang zur Selektion“18 entsteht, den man als Zwang zum Verstehen der Umwelt bezeichnen kann. Umweltkomplexität und eine grundlegende Unsicherheit, bedingt durch die Möglichkeit, dass die Umwelt immer auch anders sein kann als gedacht, bilden in der Konsequenz Grund und Motor dafür, sich weiter mit der Umwelt auseinanderzusetzen.19 ___________ 14 Gemeint sind hier soziale, lebende und Bewusstseinssysteme, für die gleichermaßen die Autopoiese-These gilt. Vgl. Luhmann 1988b, S. 48. Vgl. zur Autopoiese und Abgeschlossenheit von Systemen Varela 1990, S. 121; Maturana 1990, S. 94. 15 Zum Autonomiebegriff vgl. Varela 1990, S. 119, 124; Roth 1990, S. 258. 16 Für dieses System hat jenes diesen Sinn, für ein anderes System mag es einen ganz anderen Sinn entfalten. Sinngrenzen sind also Abgrenzungen von der Umwelt, die jeweils nur systemspezifisch gelten. Luhmann spricht auch von der Exklusions/ Inklusions-Differenz. Vgl. Luhmann 1988a, S. 73, 112. 17 Aus diesem Grunde ist die Theorie sozialer Systeme dem Konstruktivismus zuzurechnen. Vgl. zum Gedanken des Konstruktivismus z.B. Nassehi 1992, S. 62; Luhmann 1990, S. 37. 18 Luhmann 1988a, S. 47. 19 Die Umwelt ist konstitutiv für Systeme und umgekehrt. Vgl. Luhmann 1988a, S. 242.

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Zurückkommend auf die Unternehmensethik findet damit eine Umkehrung der Problemlage statt: setzt die Diskursethik Verständigung und Konsens als Lösung voraus, stellen hier umgekehrt Verständigungs- bzw. Verstehensdefizite den „Normalfall“ dar.20 Verständigungsdefizite sind Ausgangslage und Antrieb für Kommunikation und den Aufbau sozialer Systeme. Dadurch werden das Scheitern von Verständigung und die Schwierigkeiten, einen dauerhaften Sinnzusammenhang auszubilden, explizit mit berücksichtigt. Verständigung(sprobleme) stellen somit ein Dauerthema von Unternehmen dar. Folglich kann es aus systemtheoretischer Sicht nicht um die Frage nach richtig oder falsch gehen und auch nicht um Lösungswege zur Herstellung von Werten, sondern ihre Perspektive ist eine funktionsorientierte, wertneutrale Sicht auf die Entstehung von Sinnzusammenhängen.21 Denn was richtig oder falsch ist, ist aus systemtheoretischer Sicht gar nicht entscheidbar,22 da Sinn grundsätzlich systemspezifisch zustande kommt, d.h. nicht allgemeingültig sein kann. Es gibt nichts anderes als die subjektive Perspektive.23 Vor diesem Hintergrund macht dann ein Wahrheitskonzept auch keinen Sinn mehr, für das System ist Wahrheit nicht erkennbar. Von Foerster zieht daraus den Schluss, dass es folglich nicht um das Finden gemeinsamer Werte gehen kann, sondern allgemeiner um das Verstehen von Verstehen.24 Vielmehr geht es darum, Umwelt bewältigbar zu machen, sie zu begreifen und in die eigenen Sinn- und Wertschemata einzubeziehen. Damit ist auch klar, dass Verstehen nicht minder schwierig ist, wie die Suche nach Wahrheit. Hahn spricht gar von der „Unmöglichkeit völligen ___________ 20

Systembildung ist unwahrscheinlich (vgl. Luhmann 1988a, S. 162, 165 ff.). Insofern mag die systemtheoretische Betrachtung der Unternehmensethik verwundern, denn mit der Theorie sozialer Systeme von Luhmann wird gerade das Fehlen von Moral verbunden, da Moral kein Thema sozialer Systeme ist, sondern sich auf Individuen beschränkt. Andererseits erscheint es insofern legitim, da sich durch die Systemtheorie eine andere Perspektive auf unternehmensethische Fragen eröffnet, die den Blick frei gibt auf eine grundsätzliche Problematik, die (u. a.) hinter ethischen Konflikten steht. Des weiteren ist der Zusammenhang zwischen Individuum und Gesellschaft, der in Punkt 2 als Hauptknackpunkt für die Unternehmensethik herausgestellt wurde, wesentlicher Gegenstand der Systemtheorie Luhmanns, der auf spezifische Art und Weise gelöst wird, nämlich durch die konsequente Verlagerung des Individuums in die Umwelt von sozialen Systemen. Die Reproduktion von Gesellschaft findet bei Luhmann folglich anonym, „typisch unter Abwesenden“ statt, wie dies Schütz formuliert (Schütz 1999, S. 110). Dies jedoch geht auf Kosten einer lebensweltlichen Betrachtung sozialer Systeme. Aus diesem Grunde wird die analytisch-formale Perspektive der Theorie sozialer Systeme im weiteren Verlauf um eine individuelle Perspektive ergänzt, worauf an den entsprechenden Stellen verwiesen werden soll. 22 Vgl. von Foerster 1992, der von einer „in principle undecidable question“ spricht (von Foerster 1992). 23 Realität ist erlebnisjenseitig, wie Roth dies ausdrückt. Vgl. Roth 1992, S. 129; Schmidt 1990, S. 35, der den Konstruktivismus deshalb als „epistemologischen Solipsismus“ bezeichnet. 24 von Foerster 1992. 21

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Fremdverstehens“25. Daraus ergibt sich, dass neben Werten möglicherweise ganz andere Faktoren für das Zusammenarbeiten und -leben relevant sind, z.B. das Vertrauen, der Glaube etc.26 Damit ist bereits der nächste Aspekt angedeutet, auf den die Systemtheorie zu verweisen scheint:27 Die Diskursethik baut sehr stark auf die Vernunft bzw. die vernunftmäßige Argumentation und die vernünftige Einsicht der beteiligten Akteure und unterstellt damit in gewisser Weise einen entsprechenden Handlungsautomatismus.28 Dies sollte zumindest ergänzt werden durch einen weiteren, wichtigen Aspekt, der Handlungen beeinflusst: nämlich das gefühlsmäßige Erleben und Bewerten von Sachverhalten. Neben der Vernunft ist vor allem das Gefühl entscheidend dafür, wie gehandelt wird.29 Damit ist gemeint, dass, egal wie sehr der gefundene Konsens oder Wert auch überzeugen mag, er dennoch immer auch gebrochen wird am individuellen Erleben.30 Denn ebenso wie für soziale Systeme gilt für Individuen, dass sie in Anschauung der Umwelt auf sich selbst zurückgeworfen werden und sich somit als Singularität inmitten einer komplexen Umwelt erfahren, die sinnhaft erschlossen werden muss und innerhalb derer sie sich behaupten müssen. Die Art und Weise, wie die beteiligten Akteure die Umwelt erleben, entscheidet aus dieser Sicht, wie sie sich verhal___________ 25

Vgl. Hahn 1989, S. 347, 349. Vgl. von Foerster 1992. Vertraue ich jener Partei oder der anderen? Vertraue ich meinem Kooperationspartner oder nicht? Glaube ich an den Erfolg einer Kooperation oder tue ich es nicht? 27 Wobei angemerkt werden soll, dass sich die folgenden Überlegungen auf die vorgeschlagene lebensweltliche Interpretation sozialer Systeme beziehen. 28 Wenn also ein Argument vernünftig ist und deshalb überzeugt, handeln die Akteure auch entsprechend. Vgl. zur Stellung und Bewertung der Vernunft in der Diskursethik z.B. Wuchterl 1999, S. 272; Ulrich 1987, S. 6. 29 Vgl. z.B. Hume 1976, S. 79f., 96f., 140; Smith, 1976, S. 11ff.; Bentham 1966, S. 4, die verdeutlichen, dass der Mensch seine Handlungen danach ausrichtet, inwiefern sie ihm ein positives Gefühl verleihen. 30 Auch diese Aussage mag zunächst verwundern, da die Systemtheorie Luhmanns ohne Individuum auskommt. Soziale Systeme bestehen ja gerade nicht aus Individuen, sondern bilden sich aus einer „Produktion von Produkten“, d.h. aus aneinander anschließenden Handlungsresultaten (Luhmann 1988a, S. 79). Dennoch, zwar bestehen soziale Systeme nicht aus Menschen, trotzdem brauchen sie Menschen, die es am Leben halten, und zwar in dem Sinne, dass ein soziales System nur in einem Fluss zweckgerichteter Handlungsresultate Existenz entfaltet. Das System handelt jedoch nicht, handeln tun nur Menschen. Ohne Menschen findet keine Kommunikation statt und auch kein Kommunikationsabbruch (vgl. hierzu auch Türk 1978, S. 23). Durch diese Sichtweise wird somit versucht, eine teilnehmende, da individuelle Perspektive zu reintegrieren, ohne jedoch die Autopoiesethese aufzugeben. Grundgedanke ist folglich der, die Selbsterzeugung des sozialen Systems der Selbsterzeugung des Individuums gegenüberzustellen und zwar in dem Sinne, dass die Art und Weise, wie sie ihre Umwelt erleben, entscheidet, wie sie sich verhalten, d.h. was sie an Kommunikations- und Handlungsanschlüssen einbringen (gleiches gilt auch umgekehrt: das soziale System beeinflusst die Sinnerzeugung ebenso). 26

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ten. Neben die in der Systemtheorie propagierte Leitdifferenz von System und Umwelt, die zur Verständigungsproblematik führt, tritt aus dieser lebensweltlichen Interpretation eine weitere hinzu, die Differenz von Verstand und Gefühl, die sich im Ich-Erleben manifestiert und entscheidend beeinflusst, wie und ob Sinnsysteme gelebt werden. Damit ergeben sich aus systemtheoretischer Sicht zwei zentrale Aspekte: Zum einen mag es vernünftig sein, Einigung und Kompromisse zu erzielen, dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Verstehen nicht selbstverständlich ist, sondern einen dauerhaften, immer wieder neu zu erzeugenden Aspekt von Systemen darstellt. Damit findet eine Dynamisierung der Unternehmensethik statt, da Verständigungsversuche einen Grundmechanismus von Systemen bilden. Zum anderen wurde das Augenmerk darauf gelenkt, dass Werte und Sinndifferenzen individuelle Relevanz entfalten, d.h. Werte sind kein Problem von sozialen Systemen (Unternehmen sind morallos), sondern des einzelnen Akteurs.

D. Unternehmensethik als Problemfeld und Chance interkultureller Kooperationen Wenn man die hier vorgestellte Perspektive teilt, d.h. wenn man im Verstehen und der Verständigung den Kern und Gegenstand einer Unternehmensethik sieht, dann kann man sagen, dass die Unternehmensethik selbst ein Problemfeld für Unternehmen darstellt. Dies gilt für interkulturelle Kooperationen in verstärktem Maße, da hier angenommen werden kann, dass kulturelle Differenzen, unterschiedliche Wert-, Sinn- und Handlungsschemata, Verfahren, Methoden und Abläufe existieren, die die aufgezeigte Verständigungsproblematik noch verschärfen. Denn letztlich geht es auch bei interkulturellen Kooperationen um die Bildung und Erhaltung eines sozialen Systems, so dass die genannten Konflikte, die aufgrund der Abgeschlossenheit zwischen System/Individuum und Umwelt und der daraus resultierenden Notwendigkeit, sich aufeinander beziehen zu müssen, entstehen, hier in besonderem Maße gelten. Die Frage nach dem Verstehen des Kooperationspartners, nach Mechanismen und Prozessen, wie dies geschieht, wo Defizite liegen, die sich in Ineffizienzen, Vertrauensabbrüchen, Fehlern etc. äußern, stellen vor diesem Hintergrund für interkulturelle Kooperationen ein wichtiges Problem- und vor allem auch Handlungsfeld dar. Andererseits ist durch den Einsatz einer so verstandenen Unternehmensethik31 die Möglichkeit gegeben, ein Bewusstsein für die zugrunde liegende Verständigungsproblematik zu schaffen, so dass hiermit ein Anstoß gegeben ist, ___________ 31

Wenn man hier überhaupt noch von einer Unternehmensethik sprechen möchte.

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bestehende Wert- und Sinndifferenzen aufzulösen. Durch die Anwendung einer Unternehmensethik erfolgt eine Öffnung der Kooperationspartner in Richtung Verstehen-Wollen, die wiederum Bestandteil der Unternehmenskultur und dann wiederum als eine Art Katalysator für weitere Verstehensprozesse fungieren kann. Darüber hinaus ist aus analytischer Sicht ein Erklärungsmuster gegeben, welches dazu beitragen kann, das Scheitern und den Erfolg von Kooperationen besser zu verstehen, was wiederum zu konkreten Anwendungen und Vorschlägen zur Handhabung von Kooperationen führen kann. Zum dritten verweist diese Sicht auf die Bedeutung der beteiligten Akteure und ihr gefühlsmäßiges Erleben im Rahmen von Kooperationen, welche es zu erkennen und zu beachten gilt, denn letzten Endes handeln immer nur Menschen. Dabei, so wurde deutlich, sind neben Wert- und Sinndifferenzen auch andere Faktoren, wie zum Beispiel das Vertrauen, zu berücksichtigen, die den Erfolg von Kooperationen beeinflussen. Zusammenfassend ist zu sagen, dass versucht wurde, das Augenmerk darauf zu lenken, dass Verstehen und Verstehensprozesse nicht nur für Unternehmen, sondern auch für interkulturelle Kooperationen relevant sind. Im Auflösen und Ansetzen an Mechanismen, die Verständigung und Verstehen hindern und fördern, liegt damit ein Ansatzpunkt zur erfolgreichen Handhabung von Kooperationen. Was richtig oder falsch ist, so wurde deutlich, ist dabei nur eine Möglichkeit. Wesentlich erscheint vielmehr, dass es vor allem darum zu gehen scheint, dem Fremden die Fremdheit zu nehmen, d.h. Vertrauen zwischen den Kooperationspartnern herzustellen, wobei der Einsatz einer Unternehmensethik hilfreich sein kann. Zum anderen sollte darauf hingewiesen werden, dass zur Handhabung von Kooperationen eine lebensweltliche Betrachtung notwendig erscheint, da soziale Systeme auf das Individuum bezogen bleiben und umgekehrt. Maßnahmen zum Führen und Durchführen von Kooperationen entfalten insofern im Ich-Erleben Relevanz. Insofern kann man von einer Ausweitung der Unternehmensethik sprechen, die nicht mehr nur auf ethische und auch nicht nur auf ökonomische Fragen beschränkt bleibt, sondern nach allgemeinen Prozessen des Zusammenhalts bzw. der Abgrenzung zwischen Individuum und Gesellschaft sucht. Somit besteht nicht einfach eine Ableitungslücke zwischen Individual- und Sozialethik, die es zu überbrücken gilt, wie in Punkt 2 gezeigt wurde, sondern aus dieser Sicht wird angenommen, dass eine Sozialethik nicht aus einer Individualethik ableitbar ist und umgekehrt,32 denn die Frage der Ethik ist nicht entscheidbar. Vielmehr steht am Anfang und am Ende das individuelle Leben und Erleben,33 das in allen sozialen Zusammenhängen und eben auch interkulturellen Kooperationen wirkt. ___________ 32 33

Vgl. von Schweitzer 1996, S. 275, 302. Was wiederum Grund für die Ethik ist.

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Zum Management internationaler Tochtergesellschaften Von Paul Flachskampf und Christiane Michulitz1

A. Einleitung In Zeiten der Internationalisierung der Märkte und einer Globalisierung der Anbieter ist die Kooperation von Unternehmen mit Partnern im In- und Ausland sowie die Angliederung von Tochtergesellschaften entscheidend für den mittelund langfristigen Unternehmenserfolg und die Konkurrenzfähigkeit. Erfolgreiche Unternehmen haben die Notwendigkeit zur Internationalisierung ihres Geschäfts früh erkannt und konsequent vorangetrieben. So wurden im Laufe der Zeit aus traditionsreichen, auf den heimischen Markt begrenzte, große international operierende Unternehmen mit weltweiten Tochtergesellschaften (z. B. Henkel, Zentis, Grünenthal, etc.). Immer wieder hört man aber gleichzeitig von grandios gescheiterten Internationalisierungsversuchen von Unternehmen, die Unsummen an Geld verschlangen, erfolglos abgebrochen werden mussten und im Anschluss daran das Unternehmen in eine Existenz bedrohende Krise stürzten (z. B. OBI-Expansion nach China). Ursachen für dieses Scheitern liegen unter anderem in der, für ein mit herkömmlichen Methoden ausgestattetes Management, nicht mehr beherrschbaren Komplexität international operierender Unternehmen (vgl. Behr 2001). Denn mit steigender Komplexität der Unternehmensprozesse, bedingt sowohl durch Umwelteinflüsse, als auch durch die Vielzahl der in einem wachsenden Unternehmen bestehenden Relationen, werden Entscheidungen für das Management immer komplizierter. Ein umfangreiches Komplexitätsmanagement scheint hier für den langfristigen Unternehmenserfolg zwingend erforderlich. Dieser Artikel betrachtet das Management von internationalen Tochtergesellschaften aus einer unternehmenskybernetischen2 Sicht: Unternehmen werden als ___________ 1 Drs. MIB Paul Flachskampf und Dr. phil. Christiane Michulitz, Institut für Unternehmenskybernetik e. V. (IfU), RWTH-Aachen, Schurzelterstr. 25, 52074 Aachen. 2 Strina 2006: 40, definiert Unternehmenskybernetik als die anwendungsorientierte und integrativ angelegte, also transdisziplinäre Wissenschaftsdisziplin, die Unternehmen und Organisationen als offene, sozi-technische, ökonomische und vielfältig vernetzte Systeme betrachtet; aufgrund dieses ganzheitlichen, systemischen Ansatzes werden sowohl für die Beschreibung und Erklärung beobachteter Phänomene als auch zur Ableitung von Lenkungs- und Gestaltungsempfehlungen Methoden verschiedener Diszipli-

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offene, sozio-technische und ökonomische Systeme erfasst. Durch diese Sichtweise soll dem Leser eine Perspektive eröffnet werden, um neue Erkenntnisse und Herangehensweisen an das Problem Komplexität in international operierenden Unternehmen mit Tochtergesellschaften zu gewinnen.

B. Problemstellung Um langfristig im globalen Wettbewerb bestehen zu können, haben erfolgreiche Unternehmen eine konsequente Internationalisierung ihres Geschäftes betrieben. Die Motivation der Unternehmen liegt z. B. in der Erweiterung des Kundenkreises und einem damit verbundenen größeren Absatzmarkt, sowie in der Ausweitung der Produktpalette. Die bestehenden Risiken durch die vollständige Abhängigkeit des Heimatmarktes sollen gemindert werden (Kostenund Risikostreuung). Teilweise ist die Erschließung und Weiterentwicklung eines Marktes durch die Expansion ins Ausland möglich und wirtschaftlich, da eventuell Ressourcen nur im Ausland (oder zumindest viel günstiger) vorhanden sind und nur dort Forschung und Entwicklung auf dem neuesten Stand gehalten werden können. Trotz des starken Trends zur Internationalisierung bringt dieser Prozess große Risiken mit sich, wie das folgende Beispiel verdeutlichen soll. Einer der größten deutschen und europäischen Anbieter auf dem Do-ItYourself-Markt hat Anfang des Jahres 2000 den ersten Baumarkt in China eröffnet und seither die Expansion stark vorangetrieben. Etwa fünf Jahre später berichten Konzernsprecher, dass der Expansionskurs in Asien wieder abgebrochen und zurückgefahren würde. Die Angliederung der neuen internationalen Geschäfte war anscheinend ein äußerst komplexer Prozess, der nicht zum Vorteil des Unternehmens gesteuert werden konnte. Das europäische Geschäftsmodell war nur bedingt auf den asiatischen Markt übertragbar und eine schnelle Anpassung wurde durch Konflikte und mangelhafte Kommunikation zwischen dem Management vor Ort und der Konzerleitung verhindert (vgl. Wirtschafts Woche 2005). Hieraus ergeben sich zwei grundsätzliche Fragen: Wie ist es Managern heute möglich, angesichts von Komplexität und Dynamik der Wirtschaft ihr Unternehmen entsprechend zu steuern, und welche Modelle können sie dabei unterstützen? Offensichtlich kann der Aufbau von internationalen Tochtergesellschaften sowohl positive als auch negative Folgen für das gesamte Unternehmen haben. Mit zunehmender Vergrößerung des Unternehmens steigt auch die Anzahl der unternehmensrelevanten Faktoren. Der Wahrnehmungsraum ist für die Ver___________ nen, insbesondere aus Ingenieurs-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften angewendet und zusammen mit kybernetischen Methoden zu integrierten Methodenmodulen kombiniert.

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antwortlichen immer schwieriger zu überblicken (vgl. Henning/Marks 2000). Bei dem Aufbau von internationalen Tochtergesellschaften wird die Wahrnehmungsfähigkeit z. B. durch die Erschließung neuer Märkte vergrößert, die Handlungsfähigkeit ist bei zunehmender Komplexität des Unternehmens jedoch typischerweise eingeschränkt und steigt nicht im gleichen Maße (vgl. Abbildung 1).

Quelle: In Anlehnung an Henning/Marks 2000

Abbildung 1: Entwicklung von Wahrnehmungsraum, Wahrnehmungsfähigkeit und Handlungsfähigkeit

Ziel eines Managers muss es sein, die Handlungsfähigkeit so weit wie möglich an die Wahrnehmungsfähigkeit anzugleichen. Dieses Ziel kann durch eine funktionierende Kooperation der internationalen Tochtergesellschaften erreicht werden. Sind die Kommunikationsstrukturen der internationalen Partner an die Ziele der Kooperation angepasst, erleichtert dies den für eine funktionierende Kooperation notwendigen Informationsfluss – ein Muss für das Management komplexer Strukturen. Die Folgen einer Kooperation zweier oder mehrerer Unternehmen ex ante abzusehen und von vorneherein so zu steuern, dass ein funktionierender Zusammenschluss stattfindet, ist eine große Herausforderung für die Verantwortlichen. Die damit verbundene Organisationsentwicklung ist aber gerade heute für Unternehmen notwendig, um auf die von den Kunden geforderte Angebotsvielfalt entsprechend reagieren zu können (vgl. Lotter 2006).

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Ein weiteres Problem des Managements von internationalen Tochtergesellschaften ist die mangelnde Betrachtung des gesamten Unternehmens als ein System. Häufig ist die Fokussierung lokal auf die einzelnen Unternehmensteile oder Standorte begrenzt (vgl. Abbildung 2).

Abbildung 2: Lokale Fokussierung auf einzelne Unternehmensteile/Standorte

Diese Sichtweise greift deutlich zu kurz und ist ein Beispiel für unangemessene Komplexitätsreduktion, die man häufig in Unternehmen findet. Real existieren vor allem bei standortübergreifender Wertschöpfung viele Bindungen und Beziehungen zwischen Mutter- und Tochtergesellschaften (vgl. Abbildung 3). Mit der internationalen Expansion von Unternehmen steigt die Komplexität ihrer Prozesse und des Managements exponentiell (vgl. Rieckmann 1991). Durch die internationalen Tochtergesellschaften bilden sich im ursprünglichen System neue Strukturelemente und Relationen heraus: Abteilungen werden überflüssig (redundant), Produktionsstandorte werden zusammengelegt bzw. getrennt, logistische Abläufe werden vereinheitlicht, neue Koordinationsaufgaben entstehen etc. In Abbildung 3 sind schematisch einige neue Relationen aufgezeigt.

Abbildung 3: Standortübergreifende, systemische Sichtweise auf Unternehmensteile/Standorte

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Diese Vorgänge sind als unternehmenskybernetische Prozesse in dem Sinne zu verstehen, dass sie durch ihre hochgradige Vernetztheit das komplexe und dynamische Wirkungsgefüge in den beteiligten Unternehmen zwischen sozialen, ökonomoischen und technischen Teilprozessen ausmachen (vgl. Strina 2006). Das Management dieser Prozesse ist für eine erfolgreiche Kooperation zwischen internationalen Tochtergesellschaften entscheidend. Einerseits muss, um effektiv zu bleiben, die Handlungsfähigkeit in den für sich schon komplexen Subsystemen (Standorte) erhalten und ausgeweitet werden, andererseits müssen verschiedene soziale Systeme, Kulturen, Organisationsformen, Prozesse und ITLandschaften zusammengeführt und die Kommunikation zwischen den Standorten gefördert werden, um ein positives Ergebnis für das gesamte Unternehmen zu erzielen.

C. Eine unternehmenskybernetische Betrachtung Die Komplexität steigt bei der Expansion eines Unternehmens von traditionellen Kleinbetrieben, über einzelne Organisationen, bis hin zu regelrechten Netzwerken exponentiell. Trotzdem erfordert die Umwelt und die durch die Konkurrenz vorgegebene Schnelllebigkeit eine ebenso hohe Dynamik, um am Markt flexibel reagieren zu können und wenn möglich immer noch einen Schritt

„Chaos-Mauer“

Quelle: In Anlehnung an Rieckmann 1991

Abbildung 4: Zusammenhang zwischen Komplexität und Dynamik

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schneller als die Mitstreiter zu sein. Diesen Zusammenhang zwischen Dynamik und Komplexität bezeichnet man als Dynaxity (vgl. Rieckmann 1991). In Abbildung 4 ist ein solcher Verlauf schemenhaft dargestellt. Mit steigender Dynamik und Komplexität steigt auch die Dynaxity3. Allerdings ist nur ein gewisses Maß an Dynaxity überschaubar, koordinierbar und zum Vorteil des Unternehmens steuerbar. Alles was hinter der „Chaos-Mauer“ (siehe Abbildung 4) liegt, liegt außerhalb der Wahrnehmungs- und Handlungsfähigkeit. Das Management von internationalen Tochtergesellschaften erreicht häufig ein kritisches Dynaxity Level (Zone IV), welches eine zu hohe SystemUmwelt-Differenz aufweist (vgl.Abbildung 4). Anzeichen hierfür sind u. a. der Verlust von Kontrolle und mangelhafte Kommunikation (vgl. Michulitz 2005). Um die Situation beherrschbar zu machen, muss die Komplexität im System dimensioniert werden, damit das Management wieder handlungsfähig wird und die in Kapitel 2 beschriebenen Herausforderungen systematisch angegangen werden können. Um der Verschiedenartigkeit der in Kapitel 2 genannten Herausforderungen Rechnung zu tragen, liegt es nahe, unterschiedliche Perspektiven zusammenzuführen (vgl. Strina 2006). Dies geschieht gemäß einer unternehmenskybernetischen Perspektive nach dem „MOT-Ansatz“ (Mensch, Organisation und Technik; vgl. z. B. Strina/Hartmann 1992; Henning/Marks 2000; Hartmann 2005). Im Kontext von Unternehmen mit internationalen Tochtergesellschaften verlangt dies eine mehrdimensionale MOT-Sichtweise, da die einzelnen Tochtergesellschaften sich in den MOT-Ausprägungsmerkmalen stark unterscheiden können (Abbildung 5). Diese Sichtweise verdeutlicht die sich exponentiell erhöhende Komplexität bei Unternehmen mit internationalen Tochtergesellschaften, da immer mehr Systemelemente miteinander in Wechselwirkung treten, sobald z. B. eine weitere Tochtergesellschaft in die bestehende Unternehmensgruppe integriert werden muss. Es treffen unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen aufeinander, sowie andere Organisationsstrukturen, Prozesse und Techniken, die zusammen ein funktionierendes System bilden müssen. Häufig werden jedoch zur Verbesserung des Managements internationaler Tochtergesellschaften Maßnahmen ergriffen, die sich nur auf die Technik- oder Organisations-Dimension des MOT-Ansatzes beziehen (vgl. Davenport 2000). Z. B. wird neue Software (Technik) zur Standortvernetzung implementiert ohne den Umgang damit entsprechend zu vermitteln. Eine Nischenlösung auf der reinen Technik- oder Organisationsebene kann jedoch keine angemessene und optimale Lösung bringen, da der Mensch als Individuum sowohl Technik als auch Organisation verstehen, annehmen und nutzen muss, damit die gewonnenen Er___________ 3 Dynaxity beschreibt die sich gegenseitig verstärkende Wechselwirkung von zunehmender Dynamik und steigender Komplexität. Dynaxity ist also ein Resultat aus Dynamik und Komplexität.

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kenntnisse überhaupt sinnvoll verwendet werden können (vgl. Hartmann 2005). Der Mensch muss somit im Mittelpunkt der Betrachtungen stehen und Organisation, sowie Technik müssen ausgehend vom Menschen entwickelt werden.

Abbildung 5: MOT bei Unternehmen mit internationalen Tochtergesellschaften

Ein bewährtes und in der Praxis oft angewandtes kybernetisches Unternehmensmodell, das den Menschen in den Mittelpunkt stellt, ist das OSTOSystemmodell (Abb. 6). OSTO steht dabei für offene soziotechnische ökonomische Systeme. Das Modell stellt eine Landkarte und eine Unterstützung für die Diagnose und das Redesign komplexer Unternehmen dar. Hierbei werden Unternehmen als lebende Systeme erfasst (vgl. Henning/Marks 2000).

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Quelle: Henning/Marks 2000

Abbildung 6: OSTO-Systemmodell

Diese Darstellung verdeutlicht, dass sich im Innenleben eines Unternehmens verschiede Gestaltungskomponenten identifizieren lassen, die wiederum durch ihre Wechselwirkungen untereinander und mit der Umwelt bestimmt werden (vgl. Strina 2006). Die Gestaltungskomponenten stehen hierbei für: Aufgaben, Technik, Organisationsstruktur, Entwicklungs-/Erneuerungssysteme, Informationssysteme, Entscheidungssysteme, Belohnungs-/Kontrollsysteme und Menschen. Die Erfahrung hat gezeigt, dass das OSTO-Systemmodell ein hilfreiches Instrument für das Management komplexer Systeme darstellt. Im Kontext von Unternehmen mit internationalen Tochtergesellschaften kann das Modell dem Management als Orientierungshilfe und Instrument dienen, um die Kooperation zwischen den einzelnen Gesellschaften zu fördern.

D. Implikationen für das Management Auf Basis der in Kapitel 2 und 3 gestellten Überlegungen werden im Folgenden einige Gestaltungshinweise, die sich bereits in der Praxis bewährt haben, formuliert und nach den MOT-Dimensionen sowie den Gestaltungskomponenten des OSTO-Systemmodells verortet.

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Mensch: Eine Möglichkeit, die Kooperation internationaler Tochtergesellschaften zu fördern, ist die Zusammenstellung von internationalen Teams. Im Sinne der Gestaltungskomponenten nach dem OSTO-Systemmodell bedeutet das in erster Linie gravierende Änderungen für die Menschen (gewerbliche Arbeitnehmer, Angestellte, Manager, etc.; Ausbildungsniveaus, Qualifikationen, Motivationen, etc.) im Organisationssystem, dass sich vor allem ihre bisherigen Aufgaben (Jobs/Arbeitsplätze in Abteilungen, Arbeitsinhalte, Erwartungen und Rollen, Stellenbeschreibungen, etc.) ändern und erweitern. Weiterhin bedarf es auch einer Anpassung des Entwicklungs- und Erneuerungssystems, (Entstehung neuer Produkte und/oder Dienstleistungen, Patente, Innovationen, Ideenwerkstätten etc.; alle Methoden und Verfahren zur Verbesserung der Innovations-, Lern- und Anpassungsfähigkeit der Menschen und des Systems an neue Herausforderungen) damit das bestehende Personal auch entsprechend der internationalen Anforderungen befähigt werden kann. Ist dies erfolgreich vollzogen, werden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den internationalen Teams für andere, nur lokal tätige Mitarbeiter, als Multiplikatoren und Vermittler dienen und den Austausch weiter fördern können. Da die Teammitglieder aus verschiedenen Ländern mit verschiedenen Kulturen stammen werden, ist ein gutes Diversity-Management ein weiterer kritischer Erfolgsfaktor bei der Zusammenstellung und Arbeit mit und in internationalen Teams (vgl. Uribe/Strina/Preuschoff 2003). Organisation: Als erstes ist wichtig zu erwähnen, dass Unternehmen mit internationalen Tochtergesellschaften viele Eigenschaften und Merkmale mit Netzwerkorganisationen gemeinsam haben (vgl. Sydow 1992; Snow u.a. 1992). Diese internen Netzwerke existieren typischerweise in Unternehmen mit alternativen und komplementären Möglichkeiten zur Produktion an vielen verschiedenen Standorten und anderen unterstützenden Einrichtungen, wie Warenhäusern oder Verteilungszentren. Diese als Netzwerke zu verstehenden Strukturen entwickeln und verändern sich im Laufe der Zeit. Dafür ist es wichtig, die verschiedenen Phasen der Netzwerkentwicklung zu beachten (Schmette/Geiger/ Franssen 2003). Das Management muss analysieren, welche unternehmenskybernetischen Prozesse kritisch für den gesamten Unternehmenserfolg sind und damit einer erhöhten Aufmerksamkeit und Kontrolle bedürfen. Um Konflikte zwischen den Standorten/Business-Units zu vermeiden, kann eine zentralisierte Planung und Steuerung der unternehmenskybernetischen Prozesse notwendig sein. Diese Reorganisationsmaßnahmen würden Änderungen in der Organisationsstruktur (Abläufe, Prozesse, Delegationen, Hierarchie, Funktionen, Stellen, Abteilungen, etc.), der Entscheidungssysteme (Verfahren, Prozeduren, „Spielregeln“, Ordnungen, Richtlinien, Institutionen, Bestimmungen für das Zustandekommen und Entscheidungen) und auch der Belohnungs- und Kontrollsysteme (Bezahlungssystem, Lob, Privilegien etc.; Aufstiegs- und Karrieremuster, Sanktionen, Bestrafungssystem, Kontrollen, Überwachungen etc.) nötig machen, um ihre volle Wirkung zu entfalten.

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Technik: Menschen in Unternehmen sowie die Wirkungsfähigkeit von Prozessen hängen nicht zuletzt von richtigen Informationen ab. Fehlen diese Informationen oder sind nur schwer abrufbar, wird die Effektivität und Effizienz des gesamten Systems leiden (vgl. Henning/Kutscha 2003). Bei fehlender Prozesstransparenz von Material, Information und Geldfluss im gesamten Unternehmen (mit allen Tochtergesellschaften), wird jede Einheit versuchen, den besten Outcome für das eigene lokale System zu erreichen, was zu suboptimalen Ergebnissen für den ganzen Betrieb führen wird (vgl. Simchi-Levi/Kaminsky 2000). Um diese Kooperation (z. B. durch Teilen von Informationen) zwischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern innerhalb der Geschäftsstellen zu aktivieren und die notwendigen neuen, überarbeiteten Prozesse zu unterstützen, müssen die handelnden Personen mit entsprechenden Informationen versorgt werden. Dies kann ein integriertes Informationssystem leisten, dass jedem Mitarbeiter mit den gleichen unternehmensweiten Informationen z. B. über Materialien, Aufträge, Anfragen und Finanzen versorgen kann. Im Sinne der Gestaltungskomponenten des OSTO-Systemmodells würden Veränderungsmaßnahmen in der Technik (Maschinen, Geräte, Hilfsmittler, Gebäude, Innenarchitektur, Verfahren, arbeitstechnische Methoden, Computer etc., mit denen die Aufgaben zu erledigen sind; Hilfs- und Betriebsstoffe materieller und immaterieller Art, die zur Aufgabenerfüllung gebraucht werden z. B. Finanzen, Energie, Materialien, etc.) und der Informationssysteme (Verteilung, Zugang, Qualität und Struktur von Informations- und Kommunikationsflüssen, -systemen; -strukturen) erforderlich sein, um einen ganzheitlichen Ansatz abzurunden.

E. Fazit Das Management von Unternehmen mit internationalen Tochtergesellschaften ist ein äußerst komplexes und vielschichtiges Thema. Da eine Internationalisierung in der heutigen Zeit gerade auch von Unternehmen verlangt wird, die sich bisher auf einen Markt beschränken konnten, ist es für die Verantwortlichen umso wichtiger, die nötigen Qualifikationen zu erwerben, die eine internationale Karriere erfordert. Komplexität und Dynamik lässt sich nicht aus den Unternehmen wegdenken. Jeder Versuch das zu tun ist von vornherein zum Scheitern verurteilt. Deshalb ist der richtige Umgang und die Auseinandersetzung mit Komplexität für erfolgreiche Manager zu einer Schlüsselqualifikation geworden. Dabei hat sich gezeigt, dass der MOT-Ansatz und das OSTOSystemmodell sinnvolle Hilfestellungen bieten können. Diese unternehmenskybernetischen Betrachtungsweisen können helfen, einige typische Fallen, wie z. B. die zu starke Gewichtung von technischen oder organisatorischen Aspekten beim Management von internationalen Tochtergesellschaften, zu vermeiden. Diese Modelle sind selbst genügend vielschichtig, um die komplexe unternehmerische Umwelt hinreichend abzubilden.

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Kybernetisches Modell des Kompetenzmanagements Von André Stoffels und Andreas Altemark1 Die zielgerichtete Identifikation und Bewirtschaftung von Kernkompetenzen stellt für Unternehmen zunehmend einen kritischen Wettbewerbsfaktor dar. Dies gilt vor allem für die international aufgestellte und über eine vielfältige Wertschöpfungsstruktur verfügende Automobilindustrie. Vor diesem Hintergrund wird in diesem Beitrag ein praxisorientiertes Managementmodell vorgestellt, mit dessen Hilfe die Kernkompetenzen eines Automobilherstellers identifiziert und konsequent weiterentwickelt werden können. Aufbauend auf den Erkenntnissen der kybernetischen Managementforschung werden dabei sowohl die Vielfalt als auch die Dynamik der vorhandenen Kompetenzen als auch deren Abhängigkeiten vom jeweiligen kulturellen Kontext berücksichtigt.

A. Kompetenzbegriff Unternehmen sind heute zunehmend in einem von ständiger Diversifikation und Globalisierung geprägten Wettbewerbsumfeld tätig. In dieser Situation verlangt die Erwirtschaftung einer ausreichenden unternehmerischen Rendite die Konzentration auf diejenigen Geschäftsfelder und Aktivitäten, in denen sich das Unternehmen signifikant vom Wettbewerb unterscheiden und Kunden ein überlegenes Angebot unterbreiten kann. Basis dafür bilden ein geeignetes und unternehmensspezifisches Kompetenzgerüst sowie im Besonderen die erfolgskritischen Kernkompetenzen (Prahalad 1990). Die Kompetenzen eines Unternehmens umfassen sowohl die vorhandenen Ressourcen als auch die Fähigkeiten bzw. das Wissen der Organisation. Ressourcen lassen sich unterteilen in materielle (tangible) und immaterielle (intangible) Aktivposten (Wernerfelt 1984). Materielle bzw. tangible Ressourcen umfassen physische und finanzielle Vermögenswerte wie Produktionsanlagen, Ge___________ 1

Dr.-Ing. André Stoffels ist Mitglied des Oberen Managementkreises der AUDI AG, Ingolstadt, mit dem Aufgabenschwerpunkt „Strategische Unternehmensplanung“. Andreas Altemark ist Consultant bei der internationalen Unternehmensberatung Simon, Kucher und Partners, Bonn.

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bäude oder EDV-Systeme. Typischerweise sind materielle Ressourcen relativ frei am Markt handelbar. Intangible Ressourcen umfassen im Gegensatz dazu unsichtbare Aktivposten, wie z.B. das Unternehmensimage, Patente, die Unternehmenskultur und gebundene Werte, deren Ursprünge nicht offen zu Tage liegen und deshalb nicht einfach imitierbar und transferierbar sind. Auch für das Wissen lässt sich, in Abhängigkeit vom „wissenstragenden“ Subjekt, eine Einteilung vornehmen, nämlich in personen- oder organisationsgebundenes Wissen. Personengebundenes Wissen umfasst v. a. persönliche Qualifikationen und Erfahrungen der einzelnen Mitarbeiter eines Unternehmens. Organisationsgebundes Wissen ist im Gegensatz dazu in Strukturen und Prozessen gebunden (Knaese 1996). Mit dem Wissen verhält es sich ähnlich wie mit den intangiblen Ressourcen. Es trägt in hohem Maße zum Unternehmenserfolg bei und ist in seinem direkten Einfluss eher unsichtbar. In der unternehmerischen Praxis fällt vor allem den Kernkompetenzen eine besondere Bedeutung zu. Als Kernkompetenzen können diejenigen Kompetenzen betrachtet werden, die dem Unternehmen einen dauerhaften und wirtschaftlich attraktiven Wettbewerbsvorteil bilden. Wesentliche Erkennungsmerkmale von Kernkompetenzen sind dabei deren Flexibilität, Einzigartigkeit, Kundennutzen und Wirtschaftlichkeit. Flexibilität stellt z. B. sicher, dass eine Kernkompetenz Ausgangspunkt für eine Vielzahl von Produkten ist. Einzigartigkeit ist wesentliche Grundlage für das Aufrechterhalten eines nachhaltigen Wettbewerbsvorteils, da der Konkurrenz nur mit hohem Aufwand ein Aufholen des vorhandenen Rückstands möglich ist. Kundennutzen und Wirtschaftlichkeit stellen schließlich sicher, dass die Kernkompetenzen auch den Bedürfnissen des Marktes entsprechen und damit dem Unternehmen eine ausreichende Rendite erwirtschaften.

B. Interkulturelle Herausforderungen des Kompetenzmanagements I. Kontextabhängigkeit von Kompetenzen Aufbauend auf dieser Begriffsfassung liegt unter dem Gesichtspunkt des interkulturellen Managements das wesentliche Augenmerk auf den wissensbasierten bzw. fähigkeitsgebundenen Kompetenzen. Im Gegensatz zu den Ressourcen, die weitestgehend unabhängig von ihrem Kontext zu betrachten sind, ist Wissen in einem erheblichen Maße vom jeweiligen (kulturellen) Kontext abhängig (Stoffels 2001). Konkret bedeutet dies, dass der Wert und die Einsatzweise des Wissens, sowohl im personen- als auch organisationsgebundenen Zustand, sich stark am jeweiligen strukturellen, mental-sozialen oder technischen Kontext

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orientieren. Analysen zeigen deutlich, wie sich die daraus resultierenden Herausforderungen zwischen einzelnen Industrien und Ländern unterscheiden. Während z. B. in japanischen Kulturkreisen auf Grund eines breiten Einsatzes von Job Rotation und starker Unternehmensidentität Wissen trotz Personengebundenheit erfolgreich transferiert wird, kämpfen individualistisch geprägte westliche Kulturkreise sehr stark mit einem „Einzelkämpfertum“ von Experten. Auch haben beispielsweise unterschiedliche (mentale) Anreizsysteme zwischen technischen und kundennahen Fachbereichen einen hohen Einfluss auf die Art und Weise, wann und in welcher Konsequenz Wissen zur Anwendung und z.B. ein „Not-Invented-Here“-Effekt zum Tragen kommt (Katz/Allen 1982). Von dieser Komplexität sind natürlich in besonderem Maße international agierende Großunternehmen betroffen, bei denen sich kulturelle Unterschiede und Konflikte auf allen Ebenen beobachten lassen: zwischen einzelnen Landesgesellschaften, unterschiedlichen Fachfunktionen oder verschiedenen Produktgruppen. Neben dieser Vielfalt an kulturellen Kontexten sind Großunternehmen mit einem vielfältigen Produkt- bzw. Technologiespektrum und Kunden- bzw. Marktumfeld auch von der Dynamik der einzelnen kulturellen Kontexte betroffen. Regionale Diskontinuitäten durch starke Veränderungen in Kunden oder Produktpräferenzen müssen betrachtet und im vorhandenen Kompetenzspektrum des Unternehmens abgebildet werden. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, wie wichtig es ist, bei der Ausgestaltung eines Modells des Kompetenzmanagement auf die Werkzeuge der Kybernetik zurückzugreifen. Die hohe Komplexität der kulturellen Kontexte, sowohl auf Grund ihrer Vielfalt als auch ihrer Dynamik, verlangen nach einem zielgerichteten Vorgehen, das die Besonderheiten des Kontextes ständig überprüft und in die Managemententscheidungen integriert. Eine Umfrage unter 300 deutschen Unternehmen des produzierenden Gewerbes und des Dienstleistungssektors macht zudem deutlich, dass vorhandene Modelle bisher nicht den Anforderungen der Praxis entsprechen. Während 96% der Befragten ein gezieltes kompetenzorientiertes Management übereinstimmend als wichtig bzw. sehr wichtig einstufen, wird deutlich, dass nur wenige Unternehmen mit der Nutzung des vorhandenen Wissens und dem Wissenstransfer zwischen Mitarbeitern und Abteilungen (20% bzw. 23% der Befragten) zufrieden sind (Bullinger et al. 1997). Allgemein kann verzeichnet werden, dass bestehende Managementinstrumentarien hinsichtlich der Bewirtschaftung von Wissensressourcen nicht die Erwartungen der Unternehmen erfüllen (u.a. Hinterhuber 1999). Lösungsansätze beschränken sich oft auf einzelne Symptome bzw. Problemfelder oder beschränken sich auf allgemeingültige, allerdings wenig praxisgerechte Handlungsanweisungen.

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II. Interkulturelle Herausforderungen der Automobilindustrie Die beobachtete Komplexität des Wissenskontexts gilt besonders für die Automobilindustrie, die seit einiger Zeit in internationalen Märkten aktiv ist. Beschaffungs- und Absatzmärkte sowie in zunehmendem Maße auch die Arbeitsmärkte sind dabei wesentliche Faktoren. Diese Internationalisierung zieht sich durch alle (organisatorischen) Wertschöpfungsstufen: Sie gilt für die Hersteller (OEMs) genauso wie für die vorgelagerten Zulieferunternehmen. Die Produkte werden weltweit hergestellt und sie bedienen die verschiedensten nationalen Märkte. Um ein Produkt über einen wettbewerbsintensiven Markt zu verkaufen, ist eine genaue Kenntnis der spezifischen Begebenheiten, z.B. der Struktur und der Besonderheiten der Nachfrageseite, erforderlich. Um in diesem spezifischen Umfeld bestehen zu können, stehen die Unternehmen so vor der ständigen Herausforderung, international und damit auch über kulturelle Grenzen hinweg erfolgreich mit dem Markt kommunizieren zu müssen. Auch internationale Kooperationen – in diesem Sinne eher in Richtung der Zulieferer – müssen kulturellen Barrieren widerstehen können. Sie werden nötig, da die gesamte automobile Wertschöpfung in erheblichem Maße auf verschiedene Unternehmen aufgeteilt ist. Damit stellt sich auch die schwierige Frage nach einer optimierten Gestaltung der Unternehmensgrenzen. Aber nicht nur im Bezug auf ihr Umfeld stellen sich derartige Herausforderungen. Diese leiten sich auch von der Internationalität der Produktionsstandorte ab. Unternehmensstandorte der Automobilbauer sind in der Montage oft modellbezogen konzipiert: so steht das Daimler-Chrysler Werk in Rastatt für die Produktion der A-Klasse oder das Opel Werk in Bochum für die Produktion der Modelle Signum und Vectra. Standortentscheidungen werden aber auch abhängig von speziellen, u. a. technologiegetriebenen Aufgaben konzipiert. So steht das Audi Werk Györ in Ungarn für Motorenbau, am Standort Neckarsulm ist die Aluminium-Leichtbau-Kompetenz angesiedelt. Die Entscheidung für geografisch verschiedene Standorte basiert auf der potenziellen Nutzung der spezifischen lokalen Vorteile. Allerdings müssen die den Werken zugeordneten Aktivitäten mit zunehmender Anzahl von Standorten auch immer aufwendiger, d.h. zeit- und kostenintensiver, koordiniert werden. Daher gilt auch aus interner Unternehmenssicht die Notwendigkeit, internationale und damit interkulturelle Kommunikation zu ermöglichen und zu fördern, um so vorhandene personenbezogene Kompetenzen sinnvoll zu verknüpfen. Bei einer solchen Unternehmensstruktur muss es möglich sein, anfallende Aufgaben in übergreifenden, interkulturellen Teams zu lösen. Ein erfolgreiches Kompetenzmanagement muss daher der internen systematischen Verknüpfung von personenbezogenen Kompetenzen als Erfolgsfaktor Rechnung tragen.

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C. Ziele des Kompetenzmanagements in der Automobilindustrie Es ist nicht neu, dass von den Automobilherstellern heutzutage erwartet wird, ein Auto mit immer mehr integrierten Produkteigenschaften bei gleichem Preisniveau anzubieten. Dies geschieht in einem Markt, der in vielen Ländern als nahezu gesättigt angesehen wird. Die Unternehmen sind in diesem Zusammenhang ständig bemüht, ihre operative, kostenmäßige Exzellenz weiter voranzutreiben. Dabei hat sich herausgestellt, dass eine reine Kostenoptimierung tendenziell Argumenten Vorschub leistet, Wertschöpfungsschritte fremd zu beziehen. Darin birgt sich langfristig die Gefahr, in Abhängigkeit von den Zulieferern zu gelangen. Ein Lösungsansatz ist, die Wertschöpfung entlang von Kernkompetenzen auszurichten. Das reine Kostenkalkül behält darin seine naturgegebene Wichtigkeit bei, die Sourcingentscheidung wird aber um einige essenzielle Gesichtspunkte erweitert. So verfolgt Kompetenzmanagement das Ziel, den langfristigen Erfolgs eines Unternehmens zu sichern und die gesteckten Renditeziele zu erreichen. Daneben gibt es weitere Aspekte, die beim Kompetenzmanagement besonders in der Automobilindustrie eine Rolle spielen. So müssen neben der Berücksichtigung von heute bestehenden Strukturen vom Topmanagement bewusst definierte langfristige strategische Unternehmensziele und weitere Nebenbedingungen integriert werden. Zu den strategischen Zielen zählen definierte Renditeerwartungen und eine emotionale Platzierung über bestimmte Markenwerte. Unter Nebenbedingungen fallen beispielsweise Zusagen an die Belegschaft über den Fortbestand von Arbeitsplätzen. Diese Beschäftigungsgarantien erfordern eine Auslastung der Humanressource. Die menschliche Arbeitskraft kann daher unter solchen Bedingungen in der Realität nicht so flexibel angepasst werden, wie es teilweise erforderlich wäre. Zudem gilt es, Kompetenzen innerhalb eines festgelegten Zeithorizonts zu managen. Alle Handlungsempfehlungen, die sich aus fehlenden Kompetenzen oder aus zu hohen Kompetenzen ergeben, müssen innerhalb eines bestimmten zeitlichen Rahmens realisierbar sein. Angeregte Veränderungen müssen mit Blick auf einen definierten Zeitpunkt umzusetzen sein. Nur so kann Kompetenzmanagement das Unternehmen effizient ausrichten. Zusammenfassend lässt sich damit festhalten, dass das Kompetenzmanagement unternehmensexternen- und internen Gesichtspunkten genügen muss und dass dies in einem ausgesprochen internationalen und damit interkulturellen Umfeld geschieht. Weiterhin muss die Methode dynamische Veränderungen anregen und sich gleichzeitig in einem strategischen langfristigen und daher beständigen Kontext bewegen.

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D. Modell des Kompetenzmanagements I. Kybernetisches Managementmodell Aus diesen Anforderungen und der oben erläuterten Vielfalt und Dynamik der kulturellen Kontexte leitet sich eine methodische Entwicklung in Anlehnung an die Kybernetik ab. Die Kybernetik bezeichnet die Wissenschaft von der Struktur und Steuerung komplexer Systeme über einen rückgekoppelten Regelkreis. Dabei passt sich eine beeinflussbare Größe einem vorgegebenen Zielwert an (Fraaß 2003). Nachfolgend sind die grundlegenden Elemente eines Regelkreises entsprechend Abbildung 1 erläutert. Gegenstand der Untersuchung ist die Regelstrecke. Der Beobachter (1) nimmt den Zustand der Regelstrecke wahr und gibt diesen an den Regler weiter. Die Führungsgröße (2) gibt das gewünschte Systemverhalten vor. Der Regler (3) vergleicht die Führungsgröße mit dem derzeitigen Zustand der Regelstrecke und leitet Maßnahmen ab, die Regelstrecke im Sinne der Führungsgröße zu verändern. Zielbildung: strategisch/ langfristig 2 Führungsgröße

Entscheidung: Wertschöpfungsarchitektur 3 Regler

Regelstrecke

Beobachter 1 Kontrolle: Grundkonzept des Kompetenzfeldes

Abbildung 1: Kybernetisches Managementmodell

Übertragen auf das Kompetenzmanagement bedeutet das: Das Unternehmen bzw. seine kompetenzorientierte Wertschöpfungsarchitektur stellt die Regelstrecke dar. Dazu muss ein Beobachter entwickelt werden, der den aktuellen Stand der Kompetenzen registriert. Gleichzeitig muss eine Führungsgröße ermittelt werden, aus deren Abgleich mit dem Beobachter sich Handlungsbedarf aufzeigen und Handlungsempfehlungen ableiten lassen. Die Führungsgröße

Kybernetisches Modell des Kompetenzmanagements

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muss so gebildet werden, dass sie strategischen Unternehmensvorgaben Rechnung trägt. Damit folgt sie einer Top-Down-Perspektive. Der Beobachter hingegen muss bestehende Strukturen erkennen und Veränderungen wahrnehmen können. Er folgt einer Bottom-Up-Perspektive. Beide (Führungsgröße und Beobachter) müssen so konzipiert sein, dass sie einen Abgleich der beiden Perspektiven und damit eine Verbindung von Unternehmensbasis und Unternehmensstrategie zulassen. Unter Berücksichtigung eines strategischen Zeithorizonts kann auf diese Weise ein iteratives Nähern an eine optimale Kompetenzstruktur und daraus abgeleitet an eine optimale Wertschöpfungsarchitektur sichergestellt werden. Einen derartigen Zeithorizont stellt in der Automobilindustrie ein Zeitraum von ca. 10 Jahren dar. Innerhalb dieser Zeitspanne können langfristige Ziele umgesetzt werden. Sie laufen gleichzeitig nicht Gefahr wegen geänderter Rahmenbedingungen obsolet zu werden.

II. Elemente des Managementmodells Die methodischen Elemente Beobachter, Führungsgröße und Regler werden nun detailliert erläutert. Der Beobachter (Abbildung 1, Punkt (1)) muss in der Lage sein, die aktuelle Kompetenzsituation des Unternehmens zu erfassen. Daher muss er das Unternehmen aus einer kompetenzorientierten Sicht adäquat abbilden und eine Bewertung ermöglichen. Dahinter stehen die Fragen, • an welcher Stelle im Unternehmen Kompetenzen zu identifizieren sind und • wie man sie bewerten kann. Der zielgerichtete Ressourceneinsatz manifestiert sich in erfolgreichen Produkten. Für ein technologiegetriebenes und hochkomplexes Produkt wie das Auto bietet es sich daher an, dieses zu modularisieren und so in überschaubare Teilbereiche zu zerlegen. Mit dem methodischen Ziel, Aussagen über die Optimierung der Wertschöpfungsarchitektur treffen zu können, müssen nun Überlegungen über die wertschöpfenden Aktivitäten auf den Modulen angestellt werden. Das Ergebnis ist eine Kompetenzfeldmatrix (s. Abbildung 2), die in horizontaler Sicht die verschiedenen Produktmodule und in vertikaler Sicht die wertschöpfenden Aktivitäten auflistet. Ein Kreuzungspunkt heißt Kompetenzfeld. Das könnte am Beispiel des Autos z.B. die Montage (als wertschöpfende Aktivität) des Motors (als Produktmodul) sein. Das Aufstellen einer allgemein unterstützten Kompetenzfeldmatrix stellt eine große Herausforderung dar, weil in diesem Schritt der mögliche Rahmen für die Beobachtung der aktuellen Kompetenzstärke gesteckt wird.

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André Stoffels und Andreas Altemark

Mod. s

...

Mod. s-1

...

Mod. r

Mod. 2

Wertschöpfende Aktivitäten

Mod. 1

Fahrzeugmodule

Akt. 1 Akt. 2 ... Akt. m ... Akt. n

Kompetenzfeld

Abbildung 2: Kompetenzfeldmatrix

In Anlehnung an den Kompetenzbegriff muss darüber hinaus die Frage beantwortet werden, wie Kompetenzfelder zu bewerten sind. Wenn Kompetenzen auf Ressourcen und Wissen aufbauen, gilt es deren in einem Kompetenzfeld existierenden Ausprägungen zu bewerten. Eine zentrale Bewertungsgröße ist dabei das persönliche Wissen und der Aspekt der Wissensverknüpfung und -vernetzung. Weitere Größen können eine Prozess- und Technologiebewertung darstellen Sind alle Kompetenzfelder der Kompetenzfeldmatrix bewertet worden, liegt eine detaillierte Analyse der aktuellen Kompetenzsituation eines Unternehmens vor. Der Beobachter ist damit hinreichend beschrieben. Um eine spätere Schnittstelle zur Führungsgröße sicherzustellen, wird gemäß der Bottom-UpPerspektive über die wertschöpfenden Aktivitäten oder alternativ über die Module aggregiert. Es liegen nun Kompetenzbewertungen für die Produktmodule oder alternativ für die wertschöpfenden Aktivitäten vor. Die Führungsgröße (Abbildung 1, Punkt (2)) muss die strategische Grundausrichtung des Unternehmens berücksichtigen. Eine strategische Platzierung über Markenwerte und Produktziele kann nach (Mercer 2004) für einen Automobilbauer in den folgenden drei Dimensionen geschehen: • Premiummarke vs. Volumenmarke, • Qualität vs. Preis und • Sportlichkeit vs. Komfort. Aufbauend auf einer Topmanagemententscheidung für den zeitlichen Horizont von 10 Jahren muss diese grundsätzliche Platzierung auf ein Niveau detailliert werden (Top-Down-Perspektive), welches die Herleitung der strategischen Be-

Kybernetisches Modell des Kompetenzmanagements

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Abbildung 3: Strategische Bedeutung

deutung der Produktmodule oder alternativ der wertschöpfenden Aktivitäten erlaubt. Damit steht dem beobachteten Ist-Zustand eine Soll-Perspektive gegenüber (Abbildung 3). Markenwerte und Produktziele platzieren ein Unternehmen über sein Produkt am Markt. Aufgrund der Markenwerte lassen sich Autos für den Kunden emotionalisieren. Besonders in der Automobilindustrie wird die Emotionalisierung als ein Schlüsselfaktor für eine erhöhte Kundenbindung gesehen. Damit ist die Herleitung der strategischen Bedeutung klar marktorientiert vorzunehmen und richtet sich daher nach den Bewertungsgrößen Kundennutzen und Wettbewerbsdifferenzierung. Auch hier spielt wieder die genaue Kenntnis über die verschiedenen Erwartungen und Nutzenvorstellungen von Kunden in verschiedenen nationalen Märkten eine zentrale Rolle. Das Unternehmen muss das originäre Kundenbedürfnis kennen, also die eigentliche Motivation für das Suchen nach Lösungen seitens des Kunden (Hinterhuber 2003). Unter Berücksichtigung der Bewertungsgrößen Kundennutzen und Wettbewerbsdifferenzierung müssen die Markenwerte und Produktziele detailliert werden bis sie eine Bewertung der Produktmodule zulassen. Alternativ und in Bezug auf die methodische Entwicklung des Beobachters, kann diese Herangehensweise auch für die Prozessziele und Kernaktivitäten vorangetrieben werden. Ist beim Beobachter die Aggregation über die wertschöpfenden Aktivitäten gelaufen, so liegen dort Kompetenzbewertungen der Produktmodule vor. Dann müssen für die Führungsgröße über die Marktsicht Produktziele und Markenwerte detailliert werden, um die strategische Bedeutung für die Module zu er-

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André Stoffels und Andreas Altemark

mitteln. Falls beim Beobachter die Aggregation über die Produktmodule erfolgte, so liegen dort Kompetenzbewertungen der wertschöpfenden Aktivitäten vor. Dann müssen für die Führungsgröße über die Marktsicht Prozessziele und Kernaktivitäten detailliert werden, um die strategische Bedeutung für die wertschöpfenden Aktivitäten zu ermitteln. Damit ist nun auch die Führungsgröße definiert. Es liegen damit sowohl eine Ist-Bewertung als auch ein entsprechender Zielzustand der Kompetenzen vor. Damit ist ein Abgleich der beiden Größen und die Ableitung von Handlungsempfehlungen im Regler (Abbildung 1, Punkt (3)) möglich. Der Regler muss den Input von Beobachter und Führungsgröße vergleichen und daraus Vorgaben an die Regelstrecke, das Unternehmen, ableiten, damit sich diese iterativ an den optimalen Zustand annähern kann. Als Input liegen Kompetenzen vor, die mit der aktuellen Kompetenzstärke und der strategischen Bedeutung bewertet sind. Diese zwei Dimensionen bilden das sogenannte Kompetenzportfolio (s. Abbildung 4), in das die Kompetenzen eingetragen werden. Kompetenzportfolios sind auch in der Literatur, z.B. bei (Rose 2000) behandelt worden. Abhängig von ihrer Positionierung im Portfolio lassen sich nun die folgenden Bereiche unterscheiden: • Kernkompetenzen sind analog der obigen Begriffsfassung Kompetenzen, mit denen sich das Unternehmen schon heute gut platziert hat und die zukünftig erhebliches strategisches Potenzial bergen. • Kompetenzpotenziale sind derzeit starke Kompetenzen, die für die derzeitige Geschäftstätigkeit des Unternehmens aber keine zentrale Rolle spielen. • Kompetenzlücken sind schwache Kompetenzen, die aber strategisch relevant sind. • Basiskompetenzen besitzen keine Priorität und sind erst in einem nächsten Schritt zu optimieren. Während Kernkompetenzen geschützt und geschärft werden müssen, gibt es für Kompetenzpotenziale und Kompetenzlücken erheblichen Handlungsbedarf mit der Tendenz: • Die interne Wertschöpfung für Kompetenzpotenziale abzubauen (Outsourcing) oder mit diesen Potenzialen einen neuen Geschäftszweig aufzubauen. • Die interne Wertschöpfung für Kompetenzlücken auszubauen (Insourcing). Dieser tendenzielle Handlungsbedarf muss nun konkretisiert werden, um Handlungsempfehlungen zur Optimierung der Wertschöpfungsarchitektur zu erhalten. Dies geschieht für einen Automobilbauer unter Berücksichtigung von den Kriterien Zeithorizont, Innovationsfähigkeit, Abhängigkeit, Auslastung der Humanressource und Qualität. Für eine Kompetenzlücke bzw. für ein Kom-

Strategische Bedeutung

Kybernetisches Modell des Kompetenzmanagements

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Kompetenzlücke

Kernkompetenzen

Basiskompetenzen

Kompetenzpotenzial

IST-Kompetenz

Abbildung 4: Kompetenzportfolio

petenzpotenzial können dann mittels der Kriterien Entscheidungsbäume abgeleitet werden, die in Handlungsempfehlungen für die Ausgestaltung der Wertschöpfungsarchitektur münden. Nach Ableitung der Handlungsempfehlungen müssen diese implementiert werden und deren Umsetzung nach einer bestimmten Zeit vom Beobachter, der Kompetenzfeldmatrix, aufgenommen werden. Damit ist der Regelkreis vollständig definiert.

E. Ausblick Der hier vorgestellte Ansatz des Management von Kompetenzen in der Automobilindustrie ermöglicht einen Abgleich zwischen Unternehmensstrategie und Unternehmensbasis. Durch die iterative Abstimmung von Bottom-Up- und Top-Down-Perspektive ist der Weg für eine effiziente Unternehmenssteuerung geebnet. Die erfolgreiche Anwendung von Kompetenzmanagement in der Automobilindustrie hängt von einigen wesentlichen Faktoren ab. Zunächst erfordern internationale Produktionsstandorte eine hohe Wissens- und Kompetenzvernetzung der Mitarbeiter über kulturelle Grenzen hinweg. Kompetenzmanagement muss dem Rechnung tragen, um erfolgreich zu sein. Darüber hinaus fordert die globale Präsenz der Automobilhersteller eine detaillierte Kenntnis der verschiedenen Kundenanforderungen. Schließlich können die Handlungsempfehlungen interne wie externe Kooperationen zwischen Abteilungen, zu Zulieferern und Abneh-

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André Stoffels und Andreas Altemark

mern nahe legen. Diese müssen kulturelle Unterschiede nicht als Barrriere, sondern als Bereicherung verstehen. Daneben gibt es andere erfolgsdeterminierende Faktoren. So muss das Kompetenzmanagement mit Nachdruck verfolgt werden, auch gegenüber kulturellen Vorbehalten, damit eine gemeinsame Sicht auf die derzeitige Kompetenzlandschaft und auf die zukünftige strategische Bedeutung geworfen werden kann. Im Unternehmen muss eine Kultur gefördert werden, die Veränderung und Weiterentwicklung des Kompetenzportfolios als Chance und nicht als Bedrohung erkennt. Auf dieser Grundlage kann ein kybernetisches Modell des Kompetenzmanagement einen entscheidenden Beitrag zur Zukunftssicherung des unternehmerischen Erfolgs, nicht nur in der Automobilindustrie, leisten.

Literaturverzeichnis Bullinger, H.-J. / Wörner, K. / Prieto, J.: Wissensmanagement heute – Daten, Fakten, Trends, Stuttgart, Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation, 1997. Fraaß, M.: Begriffe der DIN 19226 – Regelung und Steuerung; Online im Internet: http://www.tfh-berlin.de/~fraas/MRTII-Umdrucke.pdf; Abfrage: 18.05.05. Hinterhuber, H. H.: Kundenzufriedenheit durch Kernkompetenzen – Eigene Potenziale erkennen, entwickeln, umsetzen, Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler / GWV Vachverlage GmbH, 2003, Wiesbaden, S. 23. Katz, R. / Allen, T. J.: Investigating the Not Invented Here (NIH) syndrome: A look at the performance, tenure, and communication patterns of 50 R&D project groups, Research & Development Management, 12 (1982) 1, S. 7–19. Knaese, B.: Kernkompetenzen im strategischen Management von Banken: der „Resource-based-view“ in Kreditinstituten, Gabler Verlag, Wiesbaden, 1996. Mercer Management Consulting: Future Industry Structure (FAST) 2015 – die neue Arbeitsteilung in der Automobilindustrie, Verband der Automobilindustrie, 2004, S. 38. Prahalad, C. K. / Hamel, G.: The Core Competence of the Corporation, Harvard Business Review, May–June 1990, S. 79–91. Rose, P. M.: Analyse ausgewählter Methoden zur Identifikation dynamischer Kernkompetenzen, Rainer Hampp Verlag, 2000, München, S. 180. Stoffels, A.: Wissensorientiertes Management der Produkt- und Prozessentwicklung: Ein systemischer Modellentwurf für produzierende Unternehmen, Diss., Shaker Verlag, Aachen 2001. Wernerfelt, B.: A Resource-based View of the Firm, Strategic Management Journal, 5 (1984), S. 171–180.

Expatriate Success By Jürgen Deller and Anne-Grit Albrecht1

A. Introduction According to the latest figures, the number of international assignments is expected to continue to increase2. But not all assignments are successful. Although there is considerable debate on the percentage of those assignments that fail3, there is broad consensus in that failures are costly. There is also some agreement, that failures can not only be defined as returning home early, but that it encompasses a broad array of aspects, ranging from low performance during the assignment and damage to overseas business relationships to personal dissatisfaction with the assignment by the expatriate or family4. For organizations, well-performing expatriates are especially important in light of increasing investments across borders, cross-border mergers, acquisitions, joint ventures, and alliances, and the potentially large amount of profit made overseas. There is a lot at stake for expatriates and their families as well, taking into account the strains and personal consequences that can result from not adjusting well to a foreign environment5. Hence, any measure that validly assesses adjustment and performance of expatriates, as well as any measure that validly predicts these two aspects will be of high value for both, organizations and expatriates. This article refers to two presentations at the “Tagung Interkulturelle Kooperation der Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialkybernetik e.V.“. Due to the limited space in this publication we will focus on discussing the findings on the two criteria and only briefly discuss the predictor side of this study.

___________ 1

University of Lüneburg, Germany. Cf. PriceWaterhouseCoopers, p. 3. 3 Cf. Harzing, p. 458; cf. Forster, p. 415. 4 Cf. Briscoe/Schuler, p. 243. 5 Cf. Deller. 2

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Jürgen Deller and Anne-Grit Albrecht

B. Theoretical Background The following section will briefly define the terms expatriate and culture, as these two are pivotal to the framework of this study. Subsequently, the two criteria, adjustment and performance, as well as the predictors applied in this study will be explained.

I. Defining the Framework Recent studies indicate that organizations are becoming more flexible in managing expatriation. Among other aspects, expatriation occurs in a broad span in terms of length of the assignment6, as well as permanent moves and localizations of employees7. Taking into account these changes, in this study we refer to an expatriate as an employee of an organization, that is working in a country other than his/her own, with the prospect of at least a one-year assignment in that country. “The number of definitions of culture is notoriously large …”8. As we will refer to the GLOBE (Global Leadership and Organizational Behavior Effectiveness) Research Program in distinguishing between cultural dimensions, we will also refer to their definition of culture: “For project GLOBE, culture is defined as shared motives, values, beliefs, identities, and interpretations or meanings of significant events that results from common experiences of members of collectives that are transmitted across generations”9. The complexity of expatriate jobs does not only stem from having to understand and accept practices and values that are different from one’s own personal experiences. Since culture is ultimately reflected in behavior, in order to be successful in another culture one will also have to change one’s own way of doing things to some extent. Again, this adds to the complexity of working as an expatriate.

II. Criteria The two criteria of adjustment and performance are described in the following section. The main two predictors used in this study are personality variables and cognitive ability. Regarding personality, this study refers to the model of ___________ 6

Cf. Fenwick, p. 366. Cf. PriceWaterhouseCoopers, p. 4. 8 Hofstede/McCrae, p. 58. 9 House/Javidan, p. 15. 7

Expatriate Success

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the Big Five personality factors Emotional Stability, Agreeableness, Openness, and Conscientiousness10. Cognitive ability is referred to as General Mental Ability11. However, as mentioned above, these will not be explained in detail in this article. 1. Adjustment Adjustment, for the purpose of research on international assignments, can be defined as “… the degree of psychological comfort the respondent feels regarding the new situation”12. Adjustment is described as a multi-faceted phenomenon13. Stroh and colleagues named its constituent dimensions work adjustment, interaction adjustment, and general adjustment14. The three dimensions which go with it are defined as follows: Work adjustment describes the extent to which the expatriate feels psychological comfort with his/her new work role and working environment15. Interaction adjustment refers to the degree to which the expatriate feels comfortable in interacting with host country nationals. Finally, general adjustment refers to adjustment regarding the general non-work environment, such as adjustment to food, transportation, health care, entertainment, and other issues16. Caligiuri states that cross-cultural adjustment is an internal, psychological, emotional state that should be measured from the perspective of the individual experiencing the foreign culture17. Brewster18, however, argues that many studies claiming to measure adjustment as a state of psychological well-being frequently develop into measures of the extent to which expatriates have been able to adapt their behavior to the host environment. Actually, we consider it more appropriate to measure adjustment in subjective as well as in ‘objective’ terms. The subjective measure reflects the degree to which the expatriate feels comfortable in his/her new environment, while the ‘objective’ ratings measure the degree to which others (e.g., host nationals) perceive the expatriate to be adjusted which will obviously be a rating of adapted behavior. Subjective and objective ratings of an expatriates’ adjustment might differ to quite a large degree. Black19, too, states that adjustment “… can be viewed as both a subjec___________ 10

Cf. Costa/McCrae, pp. 13. Cf. Johnson/Bouchard, p. 393. 12 Gregersen/Black, p. 463. 13 Cf. Aycan, p.1; Black, relationship, p. 120; Robie/Ryan, p. 518. 14 Cf. Black, transitions, p. 279; Black/Stephens, p. 532; Stroh/Black/Mendenhall/ Gregersen, pp. 100. 15 Cf. Black, transitions, p. 278. 16 Cf. Stroh et al., pp. 100. 17 Cf. Caligiuri, p. 63. 18 Cf. p. 116. 19 Cf. Black, transitions, p. 278. 11

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Jürgen Deller and Anne-Grit Albrecht

tive and an objective concept. Subjectively, it is the degree of comfort the person feels in the new role and the degree to which he or she feels adjusted to the role requirements. Objectively, it is the degree to which the person has mastered the role requirements and is able to demonstrate that adjustment via his or her performance”. However, although adjustment and performance might be related to each other, adjustment is not only reflected in performance (cf. the three dimensional model). Also, there is more to performance than adjustment, as will be discussed in the following. 2. Job Performance Aspects related to expatriate job performance, the second criterion in this study, are discussed in the following section, as “adjustment is not an end in itself, but rather a part of a process that allows the expatriate to be able to focus on and carry through the tasks of the job that he/she has been send to perform”20. For defining the measure of job performance in this study, we selected three studies proposing models of expatriate job performance, which all hold to the above statement: Arthur and Bennett21, Caligiuri22, and Ones and Viswesvaran23: Arthur and Bennett used factor analytic measures in testing several models of expatriate performance. They concluded that an eight-factor solution, based on Campbell’s job performance factors, provided the best relative fit for the international assignee data. However, in attempting to match the contents of their eight factors and those postulated by Campbell’s theory, no perfect fit was obtained. In assessing the data, expatriates were asked to rate attributes according to their contribution to effectiveness of an international assignee. In fact, in this case one might conclude that predictors and actual performance categories are partially mis-assigned. Although the importance of single components of the eight factors may vary for different types of jobs, it is somewhat striking to find factors named family situation, openness, and tolerance in a model of international assignee job performance. Caligiuri24 draws from Borman and Motowidlos’25 model of technical and contextual performance, splitting the contextual domain in prosocial performance (i.e., organizational commitment, motivation, carrying out additional task ___________ 20

Sinangil/Ones, p. 433. Cf. pp. 141. 22 Cf. pp. 117. 23 Cf. pp. 63. 24 Cf. p. 121. 25 Cf. Borman/Motowidlo, pp. 71. 21

Expatriate Success

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activities) and managerial performance (i.e., maintaining good working relationships among employees, training and developing subordinates, representing the organization to customers and the public). Caliguiri adds the dimension of expatriate specific performance, including behaviors such as replacement planning, transferring information, language and cultural proficiency. However, correlating the different performance dimensions with data from 115 expatriates, 87 peers, and 82 leaders, intercorrelations between the dimensions were so high that their uniqueness is questioned by Caligiuri. The model proposed by Ones and Viswesvaran26 largely draws from previous research on job performance in the domestic context conducted by the authors, and includes dimensions similar to those proposed by Campbell. The components are: 1. Productivity, 2. Quality, 3. Leadership, 4. Interpersonal relations, 5. Communication competence, 6. Administrative competence, 7. Effort and initiative, 8. Job knowledge, and 9. Compliance with/acceptance of authority. There were three considerations for developing a new model of expatriate job performance. First, by including dimensions that appear in more than one of the models, a more profound theoretical basis should exist, compared to simply adopting one of the models. Second, factors that may be predictors but not aspects of performance itself should be excluded. And third, as mentioned above, critical incidents, but not the overall taxonomy of job performance changes when studying performance for a specific type of jobs. Therefore, a specific expatriate performance dimension should not be included in the model. To develop the measure of job performance, the three models described above have been compared by five business psychology students, all working simultaneously on a research project examining expatriate success. Dimensions that were conceptually similar were grouped together, which was done independently by the five student raters. Again, in the following discussions, those dimensions relating to adjustment rather than performance were excluded. The resulting eight performance dimensions are: 1. Task proficiency refers to the quality in which the expatriate performs the technical tasks that are part of his/her core duties. Ones and Viswesvaran27 refer to this dimension as Quality; Caligiuri28 as Technical Performance. 2. Job Knowledge measures the technique- and culture-related knowledge that is important to carry out the expatriates’ job29. This dimension would be included in Caligiuris’30 technical performance dimension, too. ___________ 26

Cf. pp. 77. Cf. p. 77. 28 Cf. p. 123. 29 Cf. Ones/Viswesvaran, p. 78. 27

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Jürgen Deller and Anne-Grit Albrecht

3. Administrative Competence refers to the expatriates’ proficiency in coordinating activities among local units and between local unit and home office31. 4. Communication Competence refers to the degree to which the expatriate gathers and shares information32. 5. Leadership refers to expatriates’ performance in supporting and developing subordinates in the local unit33. 6. Effort and Initiative measures the degree to which the expatriate engages in tasks additional to his/her core duties, and to which the expatriate persists under adverse conditions34. 7. Interpersonal Facilitation, or Interpersonal Relations35, refers to the degree to which the expatriate sponsors team work and peer performance in his/her area of responsibility. It relates to the contextual/managerial dimension of Caligiuris’36 model. 8. Finally, Integrity refers to aspects such as punctuality or consistency of performance, or, as Ones and Viswesvaran put it “the extent to which counterproductive behaviors at work are avoided”37. Caligiuri38 termed this factor Personal Discipline.

C. Method The following part describes the methodological aspects of this study. First, the present sample is described. Second, the measures for both independent and dependent variables applied in this study are explained. Third, data analysis procedures are outlined. I. Research Participants To recruit participants for the study, emails were sent to German speaking expatriates (Germans and Austrians) working in South Korea. The email addresses were mainly obtained through the membership list of the GermanKorean Chamber of Commerce. Other sources were German corporate head___________ 30

Cf. p. 122. Cf. Ones/Viswesvaran, p. 78. 32 Cf. Caligiuri, p. 123; Ones/Viswesvaran, p. 77. 33 Cf. Ones/Viswesvaran, p. 77. 34 Cf. Arthur/Bennett, p. 155; Ones/Viswesvaran, p. 78. 35 Cf. Ones/Viswesvaran, p. 77. 36 Cf. p. 122. 37 Cf. p. 78. 38 Cf. p. 124. 31

Expatriate Success

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quarters providing the names of their expatriates in South Korea, an internet platform for professional contacts, and the snow-ball system. Of the 135 expatriates contacted via email, 66 agreed to take part in the study, resulting in a response rate of 48.9%. Of the rest of the contacted expatriates, 37% either refused to take part or did not respond to our emails, 11.1% of the emails could not be delivered, and 3% of the expatriates were no longer in South Korea. The average age of participants was 42 (ranging from 26 to 66 years), 88% of the sample were male. Eighty two percent were married or reported to have a significant other, and 92.6% of these individuals were accompanied by their partners. In all aspects, participants of this study resemble a typical expatriate sample39. Of the total sample, 56.1% had children living with them in Korea; only one expatriate reported to have children staying in their home country. The highest educational level of the expatriates surveyed was divided into: 14% having a high school degree, 57% holding a diploma or equivalent university degree, 18% having a doctoral degree, and 11% having had other kinds of professional training or education. The average time spent working in Korea at the time of the interview was three years (with a minimum of one month and a maximum of 12 years), while the average tenure with their current employer was 11 years (minimum seven month; maximum 41 years); accounting for quite a heterogeneous sample in these two aspects. Of the interviewees, 30% were CEOs of local subsidiaries, 55% held a managerial position, and 15% were skilled workers. Although the majority (75.8%) were employed on a fixed-term contract we found a tendency to deviate from the traditional expatriate contract, resulting in indefinite, or continuously prolonged contracts, or in hiring on local conditions. Likewise, 13% of the expatriates were employed especially for the assignment in South Korea and had no previous experience with their current employer.

II. Measures A structured interview-guideline was developed to assess demographics as well as previous international experience, language abilities, cross-cultural training related aspects, organizational support, and family related issues, and repatriation prospects. Additionally, the standardized psychometrical instruments described in the following were used to assess predictors.

___________ 39

Cf. Dowling/Welch, p. 86; PriceWaterhouseCoopers, p. 12.

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1. Adjustment Measure The adjustment measure for this study was designed following the three dimensional model of Stroh and colleagues40. Each dimension was assessed with one item. Items were phrased as, for example, “Compared to the average German working in Korea that you know: How well did you adjust to work processes and procedures in Korea?” („Verglichen mit dem Durchschnitt der in Korea arbeitenden Deutschen die Sie kennen: Wie gut haben Sie sich an die Arbeitsabläufe in Korea angepasst?“). One item was added to measure overall adjustment, resulting in a 4-item measure of adjustment (see Appendix A1 for the self-ratings, Appendix A2 for the other-rating measure, and Appendix A3 for the English version of the adjustment rating). The four adjustment questions were termed slightly differently for otherratings. Items were framed as, for example, “Compared to the average German working in Korea that you know: How well did the expatriate adjust to work processes and procedures?” (“Im Vergleich zu dem Durchschnitt der in Korea lebenden Deutschen, die Sie kennen, wie gut hat sich der Expatriate an die Arbeitsabläufe angepasst?”). 2. Performance Measure The model of expatriate performance described above was translated into a 17-item questionnaire. All items were rated on a 5-point Likert scale. For those items where it seemed helpful, behavioral anchors were given for both the extreme and the neutral ratings. The item “How self-sufficient is the expatriate?” (“Wie eigenständig arbeitet der Expatriate?”), for example, was anchored 1 = “The expatriate doesn’t need guidance to work well”, 3 = “The expatriate usually performs better, when some guidance is provided”, 5 = “The expatriate doesn’t work well without guidance” (1 = “Der Expatriate braucht keine Anleitung, um gut zu arbeiten”, 3 = “Der Expatriate arbeitet normalerweise besser, wenn Anleitung gegeben wird.”, 5 = “Der Expatriate arbeitet ohne Anleitung nicht gut”). Like the adjustment measure, performance items were slightly rephrased to fit self-ratings; “How self-sufficient are you?”, with the respective anchors of 1 = “I don’t need guidance to work well”, 3 = “I usually work better when some guidance is provided”, and 5 = “I don’t work well without guidance”. In the case that the person rating the expatriates’ performance and adjustment wasn’t fluent in German, an English version of the related questions was prepared using the back translation method41. ___________ 40 41

Cf. Stroh et al., pp. 100. Cf. Brislin, p. 431.

Expatriate Success

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3. Predictor Measures General Mental Ability was measured using the Wonderlic Personnel Test42. The Big Five were assessed by applying the NEO-PI-R43. Both measures were administered in German.

III. Procedure During the interview, demographics were assessed on the basis of a structured interview-guideline. Following the interview part, Wonderlic Personnel Test44, and NEO-PI-R45 were administered. Subsequently, participants rated their adjustment and performance. Ultimately, interviewees were asked to name someone other than themselves who was sufficiently knowledgeable and could rate their adjustment and performance. If they agreed on doing so, other-ratings were obtained either by emailing the questionnaire to the named person, handing over the questions to the named person, or having the expatriates themselves give the questions to the named person. Anonymity was guaranteed to both, expatriates and raters, especially in terms of data that could be of interest to their employer.

D. Results In this section results on the measures assessing adjustment and performance will be presented first. Following, results on criterion-predictor relationships will be presented.

I. Results on Adjustment As described above, the adjustment model encompasses three separate dimensions (work, interaction, and general adjustment). These dimensions were measured with one question each; one item regarding the overall adjustment was added. All questions have been given to the expatriates as well as their nominated ‘other-rater’. ___________ 42

More information on this test can be found in the test manual, Wonderlic Inc. Cf. Costa/McCrae, pp. 1; Ostendorf/Angleitner, pp. 1; for a German review of this test see Muck, pp. 203. 44 Cf. Wonderlic Inc., pp. 1. 45 Cf. Costa/McCrae, pp. 1; Ostendorf/Angleitner, pp. 1. 43

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As can be seen in table 1, all self-ratings of adjustment correlate quite high with the overall adjustment measure (from r = .71 for work adjustment to r = .82 for general adjustment). This is not very surprising as the three singleitem-scales are part of the overall measure. The intercorrelations between the three self-ratings of the dimensions of work, interaction, and general adjustment are all of medium size. Intercorrelations of other-ratings have a similar pattern. All three dimensions correlate high with the overall measure. For other-ratings equally, the three single-item measures are part of the overall adjustment scale. The three dimensions also correlate to a medium degree with each other. The exception is the correlation between interaction and general adjustment, which is rather small (r = .19; 95% confidence interval includes zero). No remarkable correlations emerged between self-ratings and other-ratings of any of the adjustment measures. Table 1 Intercorrelation of Adjustment Measures Variable 1. Overall adjustment self-rating (n) 2. Work adjustment self-rating (n) 3. Interaction adjustment self-rating (n) 4. General adjustment self-rating (n) 6. Overall adjustment other-rating

1

2

3

4

5

6

7

8

1

.71

.72

.82

.28

.31

.25

.16

(65)

(63)

(65)

(65)

(25)

(25)

(25)

(25)

1

.30

.39

.25

.20

.17

.18

(63)

(63)

(62)

(25)

(25)

(25)

(25)

1

.46

.31

.32

.15

.22

(65)

(65)

(25)

(25)

(25)

(25)

1

-.02

-.04

.05

-.05

(65)

(25)

(25)

(25)

(25)

1

.80

.73

.71

(25)

(25)

(25)

(25)

7. Work adjustment other-rating 8. Interaction adjustment other-rating 9. General adjustment

1

.45

.37

(25)

(25)

(25)

1

.19

(25)

(25) 1

other-rating (n)

(25)

II. Results on Performance Seven of the eight performance dimensions show small (r = .24 for administrative competence) to moderate (r = .70 for leadership) correlations with over-

Expatriate Success

191

all performance, and do not include zero in their 95% confidence interval when rated by the expatriates themselves. Only self-ratings of the integrity dimension (r = .11) do not show noteworthy correlations with the overall measure of performance. All other-ratings show moderate to large correlations with the overall measure ranging from r = .58 for job knowledge and overall performance, to r = .88 for effort and initiative and overall performance. All correlations of otherratings of the dimensions and the overall measure do not include zero in their 95% confidence intervals. Note that in both cases, of self- and other-ratings, the overall ratings were a composite of the single dimensions.

III. Results on Adjustment and Performance Ratings As can be seen in table 2, self-ratings of performance correlate with selfratings of adjustment (r = .38) and show a smaller correlation with the Alienation Adjustment Scale (r = .24). Table 2 Intercorrelations of Main Criteria Variable

1

1. Performance self-rating 95% CI for r

Lower bound Upper bound (n)

2. Performance other-rating 95% CI for r

4

1

.33

.38

.33

1

-.02

.17

-.03

1

.68

.59

.69

(64)

(26)

(64)

(25)

1

-.01

.52

1

-.40

.23

Upper bound

1

.38

.81

(26)

(26)

(25)

1

.28

Lower bound

1

-.09

Upper bound

1

.65

(65)

(25)

(n)

(n) 4. Adjustment other-rating 95% CI for r

3

Lower bound

3. Adjustment self-rating 95% CI for r

2

1 Lower bound

1

Upper bound

1

(n)

(25)

192

Jürgen Deller and Anne-Grit Albrecht

Likewise, performance other-ratings correlate moderately with other-ratings of adjustment. All correlations between self-ratings and other-ratings of performance include zero in the 95% confidence interval.

IV. Results on Predictors Surprisingly, no relationship was found between General Mental Ability and any of the criteria. Regarding personality variables, promising results emerged with regard to some of the personality variables: e.g., Conscientiousness correlated positively with self-ratings of performance and Emotional Stability correlated positively with other-ratings of adjustment.

E. Discussion The large intercorrelations between the dimensions of work, interaction, and general adjustment in both types of ratings could be a further motivation to investigate whether the dimensions are truly independent factors. However, as they were assessed with single items only, no secure statement can be made from the present data. Factor analysis should be applied with a larger sample and a multi-item measure to confirm the three-dimensional model. The fact that self- and other-ratings of adjustment do not appear to be correlated may indicate that adjustment from the individual’s perspective and from an observer’s perspective indeed refer to different aspects of the adjustment framework (i.e., psychological comfort with being in the different country for the individual and adaptation of behavior for observers). Furthermore, as far as other-ratings are concerned, future studies should try to predominantly use ratings from host country nationals. Host country nationals should be the best source to judge on adaptation of behaviors. The high mean and small variance of adjustment ratings could be due to sampling error in that only those expatriates agreed to take part in the study that are very well adjusted. The generalizability of the results to other samples or the overall expatriate population is therefore questionable.

F. Conclusion This study explicitly used adjustment and performance as the two criteria of expatriate success, and clearly distinguished between these two constructs. At the same time, it suggests that one should understand adjustment as a construct which differs depending on the perspective one applies, the expatriate’s or an

Expatriate Success

193

observer’s perspective. By doing so, this study contributed to untangling the laundry list of criteria frequently used in expatriate research

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Jürgen Deller and Anne-Grit Albrecht

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Teil D Globale Teams

Bedeutung und Gestaltung von Situation Awareness in virtuellen Teams Von Michael Busch

A. Räumliche Distanz als Merkmal moderner Teamarbeit Teams werden in modernen Unternehmen auf ganz unterschiedlichen Ebenen (z. B. Top Management, operativer Bereich, interorganisationale Zusammenarbeit) und in ganz unterschiedlichen Feldern (z. B. Fertigung, Vertrieb, Projektarbeit) eingesetzt. Der Trend zur Teambildung hat sich seit Ende der 70er Jahre verstärkt, seit Anfang der 90er Jahre ermöglichen moderne Informations- und Kommunikationstechnologien überdies die enge Zusammenarbeit auf Distanz. Dadurch lassen sich hierarchische und funktionale Schranken leichter überwinden, aber auch Organisations-, Branchen- und Landeskulturgrenzen können unkomplizierter überschritten werden. Die Teamzusammensetzung wird als Folge davon heterogener, so dass im Zuge des sog. Diversity-Management mitgliederbezogene Differenzen wie landeskulturelle oder organisationale Eigenheiten auszutarieren sind. Teams, in denen überwiegend technologiebasierte Kommunikation an die Stelle von Face-to-Face(F2F)-Kommunikation tritt und die dabei häufig eine oder mehrere der genannten Grenzen überschreiten, werden als virtuelle Teams bezeichnet. Der Begriff der Virtualität bezieht sich dabei allein auf die technologische, nicht auf die „existentielle“ Dimension, schließlich sollen auch virtuelle Teams reale Ziele erreichen. Virtualität und F2F-Kommunikation bilden Pole eines Kontinuums, wobei beide Reinformen nur selten anzutreffen sein dürften, da selbst Teams, die in Großraumbüros zusammengefasst sind, bspw. auf E-Mails oder gemeinsame Datenbanken bei wechselseitigen Abstimmungen zurückgreifen und umgekehrt auch die Mitglieder „rein“ virtueller Teams sich zu Beginn der Teamarbeit oft in einem vertrauensaufbauenden Kick off-Meeting persönlich zusammenfinden oder gemeinsam an teamentwickelnden Trainingsmaßnahmen teilnehmen. Einschränkend und präzisierend werden daher nur solche virtuellen Teams als „echt“ betrachtet, von denen mehr als die Hälfte der Mitglieder geographisch verteilt sind, die also räumlich so weit voneinander entfernt arbeiten, dass sie sich nicht ohne weiteres „zu Fuß“ erreichen können. Als Team soll hier eine Arbeitsgruppe dann bezeichnet werden, wenn sie zur Erreichung eines ge-

198

Michael Busch

meinsamen Ziels (z. B. Strategiefindung, Restrukturierung) – häufig heterogenes – Mitgliederwissen in engen wechselseitigen Abstimmungen in unterschiedlichem Ausmaß, doch insgesamt kontinuierlich, zu bündeln hat, sei es in einem zeitlich befristeten, sei es in einem zeitlich dauerhaften Rahmen. Ein Team weist also als Sonderform der Arbeitsgruppe eine höhere Interaktionsdichte auf, die zumeist auch ein ausgeprägteres Wir-Gefühl erfordert bzw. zur Folge hat. Ursächlich hierfür ist der sich aus der Gesamtaufgabe ergebende hohe Interdependenzgrad, der eine schnittstellenfreie Modularisierung, also die Bildung individuell realisierbarer Arbeitspakete, nur zum Teil zulässt. Im F2F-Kontext können hier Fußballmannschaften, eine Ruderequipe oder ein Orchester genannt werden. Bei geographischer Verteilung sind etwa Frachtabstimmungen zwischen zwei Standorten derselben Spedition oder die Anfertigung eines wissenschaftlichen Aufsatzes durch zwei Forscher, die unterschiedlichen Universitäten angehören, zu nennen. Bei hoher Aufgabeninterdependenz stellt sich aus kybernetischer Sicht die Frage der zeitlichen, räumlichen und inhaltlichen Optimierung der Abstimmung der einzelnen Mitgliederaktivitäten im Hinblick auf das Gesamtziel.1 Die zu erbringende Koordinationsleistung ist zwar innerhalb eines herkömmlichen Teams prinzipiell dieselbe wie die innerhalb eines virtuellen Teams, die räumliche Distanz führt jedoch dazu, dass viele Selbstverständlichkeiten des unmittelbaren Kontakts verloren gehen und deswegen gesondert aufzubauen sind, um vermehrt auftretenden Prozessverlusten und Konflikten entgegenzuwirken. Aus den Vorteilen räumlicher Nähe ergeben sich spiegelbildlich die Defizite geographisch verteilter Zusammenarbeit. Anhand des Konzepts „Situation Awareness“ (SA), worunter ganz allgemein die Kenntnisnahme dessen, was um einen herum passiert und das daraus gewonnene handlungsleitende Wissen verstanden wird, lässt sich aufzeigen, wie die koordinativen Unzulänglichkeiten der räumlichen Verteilung durch entsprechende Gestaltungsmaßnahmen ausgeglichen werden können. Weitgehend unhinterfragt bleibt die Grundannahme, dass es sich bei der F2F-Kommunikation um den überlegenen „Goldstandard“ handelt, an dem sich die technologievermittelte Kommunikation zu messen hat. Fragen der ergonomischen Arbeitsplatzgestaltung und der architektonischen Raumaufteilung reichen zurück bis in die frühe Handelslehre und den Taylorismus. Das Interesse richtete sich hier aber stets auf Organisationsmitglieder, die an nur einem Standort vereint waren. Erst mit dem Aufkommen von standortverteilt operierenden Telearbeitern hat die Führung, Koordination und Kontrolle aus räumlicher Entfernung betriebswirtschaftliche Relevanz erlangt. Die Theorie der Führungssubstitution sieht in räumlicher Distanz einen Faktor, der die Führung von Mitarbeitern zwar nicht unmöglich macht, aber doch er___________ 1

Zu einer detaillierten kybernetischen Einordnung vgl. Fischer / Rehm 2004, S. 12ff.

Bedeutung und Gestaltung von Situation Awareness in virtuellen Teams

199

schwert. Mit dem Aufkommen virtueller Teams wird die Frage der standortverteilten Koordination zu einer Kernfrage wettbewerbsfähigen Organisierens. Um die durch räumliche Distanz bewirkten Produktivitätseinbußen zu veranschaulichen, werden zunächst Forschungsergebnisse im Bereich der computervermittelten Kommunikation (vgl. I.) sowie eine empirische Untersuchung über die Funktionsweise und Vorteilhaftigkeit enger Zusammenarbeit bei räumlicher Nähe betrachtet (vgl. II.). Dem folgt die abschließende Darstellung der Bedeutung und Gestaltung von Situation Awareness (vgl. III.).

I. Computervermittelte Kommunikation Computervermittelte Kommunikation ist eine Sonderform technologiebasierter Zusammenarbeit auf Distanz.2 Hierzu zählen sämtliche via Internet ablaufenden Kontakte standortverteilter Mitarbeiter (z. B. E-Mail, Instant Messaging, verteilte Text- und Dokumentbearbeitung, Computerkonferenz), sei es über einen standortgebundenen Rechner (stationäres Gerät), sei es über einen mobil einsetzbaren Laptop (portables Gerät). Untersuchen lassen sich auf der einen Seite rein technische Funktionsweisen und Möglichkeiten (z. B. Reichhaltigkeit übermittelter Signale, Vertraulichkeit, Benutzerfreundlichkeit, Synchronizität, Speicher- und Überarbeitbarkeit), auf der anderen Seite die sich aus der Interaktion Mensch-Maschine ergebenden sozialpsychologischen Implikationen. Bei diesen werden negative Effekte wie größere Anonymität, gefühlsärmere Kommunikation, Flaming-Phänomene (z. B. enthemmte Normverletzungen, antisoziales Verhalten), Fehlattributionen bzw. Projektionen, idealisierte Selbstdarstellung und Abschwächung der organisationalen Einbindung genannt; es finden sich aber auch positive Effekte wie die Tendenz zur Verschriftlichung (Kodifizierung von Wissen), erhöhte Aufgabenorientierung und Professionalisierung, Verwischung hierarchiebedingter Rangunterschiede, Abbau kategorialer Merkmale wie Geschlecht, Kleidung oder Hautfarbe, rascher (jedoch brüchiger) Vertrauensaufbau zu Beginn der Arbeit (swift trust) sowie die Abmilderung möglicher Antipathien, die konträren Charakteren die Zusammenarbeit erleichtert. Insgesamt sind die bisherigen sozialpsychologischen Forschungsergebnisse äußerst gemischt, teils widersprechen sie sich sogar oder erschöpfen sich in einzelfallbezogenen Erlebnisberichten, so dass sich kaum generalisierbare Aussagen entwickeln lassen. Dies dürfte auch daran liegen, dass unterschiedliche, ergebnisverzerrende Kontextbedingungen vorliegen (z. B. Dauer der Zusammenarbeit, bearbeitete Aufgabe, vorherige Vertrautheit der Kooperationspartner bzw. Erst- und/oder Einmaligkeit der Zusammenarbeit, Teamzusammensetzung, Telepräsenz und Motivationskraft der Teamführung). Mögen die sozialpsycho___________ 2

Die Literatur ist kaum mehr zu überschauen, vgl. Hartmann 2004.

200

Michael Busch

logischen Erkenntnisse zwar durchaus erhellend wirken, so fällt es aufgrund der genannten fehlenden Verallgemeinerbarkeit und der zahlreichen intervenierenden Kontextvariablen allerdings schwer, zu Gestaltungsvorschlägen zu gelangen, die über das Niveau von Binsenweisheiten hinausreichen. Es macht daher aus betriebwirtschaftlicher Sicht mehr Sinn, sich den rein technischen und aufgabenbezogenen Fragen der Zusammenarbeit zu widmen.

II. Team Rooms als Extremform räumlicher Nähe Team Rooms stellen so etwas wie eine Reinform der F2F-Zusammenarbeit dar und wurden in einer von Olson et al. geleiteten Langzeitstudie untersucht3. In einer Art Konferenzraum, der die Arbeitsplätze der Teammitglieder, einen Tisch in der Mitte sowie Whiteboards und Flipcharts umfasst, arbeitet das Team während des gesamten Arbeitsprozesses zusammen. Nur für Phasen, die höchste individuelle Konzentration erfordern, ist die Separierung einzelner Teammitglieder vom Rest des Teams vorgesehen. Die Mitglieder stehen dabei ausschließlich dem Team zur Verfügung und besitzen keine anderen Büros. Eine solche Arbeitsplatzgestaltung wies augenscheinliche Vorteile auf: Die Teams entwickelten zahlreiche Flipcharts, die bestimmte Problemlösungen, Diagramme, To-Do-Listen oder Strukturpläne beinhalteten. Auf diese Visualisierungen des Arbeitsfortschritts konnte jederzeit zugegriffen und deiktisch verwiesen werden; Veränderungen, auf die man sich geeinigt hatte, wurden sichtbar fixiert (alte Lösungen waren dennoch weiterhin zugänglich). Daneben war ein hoher Grad der Interaktivität gegeben, Missverständnisse ließen sich durch sofortiges Feedback leicht klären. Oft bildeten sich spontane Gesprächszirkel. Ein beiläufiges „Aufschnappen“ von Informationen, eine wechselseitige Fortschrittskontrolle und die Wahrnehmung der Anwesenheit der anderen waren möglich. Als Folge davon entstand zügig eine gemeinsame Verständigungsbasis, die auf gegenseitigem Wissen über die jeweiligen Kompetenzen, Arbeitsstile, augenblicklichen Arbeitsbeanspruchungen oder Stimmungen beruhte und insgesamt zu einer Verbesserung der Koordinationsprozesse führte. Dies alles resultierte letztlich aus der größeren Reichhaltigkeit der kommunikativen Situation, die die Wahrnehmung verbaler und non-verbaler Signale zuließ, imitatives Lernen unterstützte und damit die Entscheidungsqualität verbesserte. Zusammen genommen führten diese Merkmale von Team Rooms zu einem hohen Maß an Situation Awareness unter den Teammitgliedern. SA bedeutet soviel wie „Situationserfassung“ oder „Kontextverständnis“; Awareness kann auch mit Wachsamkeit, Bewusstsein, Wahrnehmung oder Kenntnis(nahme) übersetzt werden.4 ___________ 3 4

Olson et al. 2002. Vgl. zu dem Absatz von der Oelsnitz / Busch 2005, S. 240.

Bedeutung und Gestaltung von Situation Awareness in virtuellen Teams

201

Letztlich geht es hier um den Abgleich mentaler Repräsentationen von Teammitgliedern (subjektive Wirklichkeitswahrnehmungen) mit der Umwelt (objektive Realität): Stimmt das Umweltabbild mit den tatsächlichen Gegebenheiten des „Urbildes“ überein? Virtuelle Zusammenarbeit ist also darauf hin zu prüfen, inwiefern sie in der Lage ist, eine dergestalte Situation Awareness zwischen den Teammitgliedern zu ermöglichen. Nachfolgend werden die Hintergründe, Anwendungsfelder, Aufgabenkonstellationen und Komponenten dieses Konzepts näher betrachtet.

III. Situation Awareness Der Ursprung von Situation Awareness liegt im militärischen Bereich und wurde insbesondere durch die Technologisierung der Kriegsführung vorangetrieben. Heutige Soldaten werden nicht mehr darauf getrimmt, pure Kampfmaschinen zu sein, die auf Knopfdruck zu funktionieren haben, sondern sie sind zunehmend technische Spezialisten, von denen Mitdenken im Kampfgeschehen erwartet wird. So werden Daten (Beobachtungen, Bewertungen) aus dem Frontbereich mittels Laptop via Satellit an eine womöglich auf der anderen Seite des Globus liegende Kommandozentrale gemeldet, die diese dann zu einem situativen Gesamtbild integriert, aus dem heraus – im Einklang mit den strategischen Zielen – Befehle erteilt werden. Unabhängig von dem Virtualitäts- und Interdependenzgrad aufgabenbezogener Zusammenarbeit lässt sich die Bedeutung von SA in ganz unterschiedlichen Anwendungsfeldern aufzeigen. Neben der Koordinierung des Vorgehens innerhalb einzelner militärischer Kampfeinheiten (z. B. Panzerbesatzung, Cockpit Crews) und der übergeordneten Steuerung zwischen den an Kampfhandlungen beteiligten Truppengattungen gibt es auch für den zivilen Bereich zahlreiche Beispiele, wo der Aufbau von SA (überlebens)notwendig ist: Bei der Überwachung technischer Anlagen (z. B. Kernkraftwerke, Wasser- und Stromversorgung), in Dienstleistungsbetrieben (z. B. Schwimmbäder, Kaufhäuser), an öffentlichen Orten (wie Bahnhöfen oder Flughäfen), im Krisenmanagement (z. B. Einsatz von Polizei, Feuerwehr und Rettungskräften bei Geiselnahmen, Naturkatastrophen oder Verkehrsunfällen), bei ambulanten und stationären Eingriffen in der Medizin, bei der koordinierten Luftraumüberwachung und der Satellitenkontrolle, in der Raumfahrt, in Großküchen (z. B. Organisation eines Großbanketts), bei der Qualitätskontrolle in der Nahrungsmittelindustrie sowie ganz allgemein bei der Koordination von Einzel- und Großprojekten. Aber nicht nur auf Teamebene ist der Aufbau von SA wichtig, sondern auch im individuellen Bereich (z. B. Autofahren, Säuglingsbetreuung).

202

Michael Busch

„In each of these settings, information from many different sources needs to be assimilated into an overall ,big picture‘ in order to decide what to do next5“. Entsprechend definiert Endsley SA ganz allgemein als „the perception of the elements in the environment within a volume of time and space, the comprehension of their meaning, and the projection of their status in the near future6“. Auf die Teamebene übertragen beinhaltet SA damit „at least in part the shared understanding of a situation among team members at one point in time7“. Zwar gibt es bisher noch keine allgemein anerkannte Definition von SA, einig ist sich die Forschung jedoch darin, dass zum einen der Prozess der Informationssammlung und -verarbeitung (Achtsamkeit gegenüber Umweltsignalen, Wahrnehmen, Erkennen, Einordnen, Verbalisieren), zum anderen das Ergebnis dieses Prozesses, auf dessen Basis dann adäquate Verhaltensreaktionen erfolgen, zu unterscheiden sind. Teilweise wird der vorgelagerte Prozess hin zu einer korrekten Situationswahrnehmung auch als Situation Assessment bezeichnet. In den aufgeführten Beispielen handelt es sich in allen Fällen um komplexe Aufgabenstrukturen, die durch Interdependenz gekennzeichnet sind, also zahlreiche Schnittstellen aufweisen. Es schälen sich sodann zwei idealtypische Aufgabenkonstellationen heraus, in denen der Aufbau von SA geboten erscheint: Zum einen Aufgabenstrukturen mit akutem Lösungsbedarf, zum anderen Aufgabenstrukturen mit mittelfristigem Lösungsbedarf.

1. SA in Aufgabenstrukturen mit akutem Lösungsbedarf Der Großteil der Literatur zum Thema SA befasst sich mit diesem Aufgabentypus, bei dem das Feedback aus der Umwelt unmittelbar erfolgt. Übersieht die Cockpit Crew eines Jagdbombers ein Flugabwehrgeschoss, so führt dies unmittelbar zum Abschuss der Maschine. Hier geht es vor allem darum, dass sich korrekte kollektive Wahrnehmungen von teamexternen Umweltveränderungen bilden („heedful interrelating“, K. Weick), so dass richtige, d.h. situationsangemessene Maßnahmen ergriffen werden können. Es ist also zu prüfen, inwiefern sich die Umweltwahrnehmungen einzelner Teammitglieder überschneiden („Überlappungsanalyse“) und inwiefern die intersubjektiven Wahrnehmungen mit den objektiven Gegebenheiten übereinstimmen („adaequatio rei et intellectus“). Gesetzt den Fall, dass es sich um die Teammitglieder A und B handelt, sind drei Überlappungen der individuellen SA denkbar8: ___________ 5

Wellens 1993, S. 270. Endsley 1995, S. 36. 7 Salas et al. 1995, S. 131. 8 Vgl. Endsley / Bolté / Jones 2003, S. 197 f. 6

Bedeutung und Gestaltung von Situation Awareness in virtuellen Teams

203

A und B haben dieselbe Wahrnehmung eines Geschehens, und beide Wahrnehmungen sind korrekt. Dies ist der beste Zustand, bei dem im engeren Sinne „Team-SA“ vorliegt. Die Mitglieder eines Reorganisastionsteam müssen bspw. Signale auftretenden personalen Widerstands frühzeitig erkennen und durch Einbindung der betroffenen Akteure so weit wie möglich reduzieren. Beide haben unterschiedliche Wahrnehmungen, die von A ist korrekt, die von B inkorrekt bzw. unvollständig. Die Diskrepanz muss hier durch kommunikative Verständigung ausgeglichen werden. Bleibt diese aus, kann es zu gefährlichen Entwicklungen kommen, wenn etwa B die Informationen benötigt, über die A verfügt. So hatten bei einem Flugzeugabsturz Flugbegleiter und Passagiere von der Vereisung der Tragflächen gewusst, nicht aber der Pilot. SA war also vorhanden, aber an der falschen Stelle. Auch der Flugzeugabsturz bei Überlingen am 1. Juli 2002 ist auf abweichende Situationswahrnehmungen, in diesem Fall zwischen Mensch und Maschine, zurückzuführen: Während die bordeigenen Systeme zur Kollisionsverhinderung der sich aufeinander zubewegenden Maschinen korrekt reagierten (Sink- bzw. Steigflug), waren die Anweisungen der Flugsicherung inkorrekt (Aufforderung an die steigende Tupolev, in den Sinkflug überzugehen), was zu den fatalen Folgen führte. Beide haben inkorrekte Wahrnehmungen, gehen jedoch von einer korrekten Wahrnehmung aus. Diese Situation weist die höchste Brisanz auf, da hier auch Kommunikationsprozesse vergebens sind bzw. den Mechanismen des Groupthink folgen. Oft werden sich die Akteure erst durch Unfälle oder andere Zwischenfälle der „Lock-in-Situation“ bewusst. Einzuordnen sind solche dynamischen Aufgabenkonstellationen mit Gegenwartsbezug in das übergeordnete Forschungsfeld des Naturalistic Decision Making; dieses befasst sich mit wirklichkeitsnaher Entscheidungsfindung, also Entscheidungen unter Echtzeitbedingungen, die sich durch folgende situativen Randbedingungen kennzeichnen lassen: Schlecht-strukturierte Probleme; dynamische und unsichere Umwelt; wechselnde, unklare oder konkurrierende Ziele; häufige Feedbackschleifen (kontinuierliche Verhaltensanpassungen); Zeitdruck; hohe und riskante Einsätze; Beteiligung mehrerer Akteure; Einbindung der Beteiligten in organisationale Ziel- und Normvorgaben.9

2. SA in Aufgabenstrukturen mit mittelfristigem Lösungsbedarf Während in Unternehmen – abgesehen von der Überwachung technischer Anlagen (z.B. Störungsmanagement von Produktionssystemen) – Situationen mit akutem Problemlösungsbedarf nur bei der außeralltäglichen Bewältigung ___________ 9

Orasanu / Connolly 1993, S. 7.

204

Michael Busch

von Krisen auftreten, sind Aufgabenstrukturen mit mittelfristigem Lösungsbedarf regelmäßige Erscheinungen, bspw. in Form von Projektarbeit. Ein international zusammengesetztes Team, das im Zuge einer Fusion eine konzernübergreifende Marketing-Konzeption zu entwickeln hat, bekommt für gewöhnlich erst mit zeitlicher Versetzung die Rückmeldung aus der Umwelt, die Aufschluss darüber gibt, ob die entwickelte Lösung ein Erfolg oder Misserfolg war. Dasselbe gilt für Teams, die eine Produktvariation durchführen. Auch hier lässt sich erst im Anschluss an die eigentliche Projektarbeit anhand der Entwicklung des Absatzvolumens der Erfolg der getroffenen Maßnahmen ablesen. Situation Awareness bezieht sich hier auf die Zeit der Lösungsfindung (Projektdauer), während derer vorrangig teaminterne Umweltveränderungen korrekt wahrzunehmen sind, d.h. das Team hat zu erkennen, welche Informationsverknüpfungen erforderlich sind, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Nur wenn sinnvolle Kombinationen von Teilbeiträgen erfolgen, kann eine effektive Teamleistung erbracht werden. Der Integrationsbedarf richtet sich nach dem Grad der Interdependenz. Wenngleich es schwer fällt, im Vorfeld, Zeitpunkt und Dauer von Schnittstellen festzulegen bzw. die Überscheidungen der Aufgabenbereiche der einzelnen Teammitglieder präzise zu bestimmen, lassen sich doch drei Basismuster der Interdependenz bei einer Mindestgröße von drei Teammitgliedern unterscheiden: Teaminterdependenz: A, B und C müssen sich abstimmen. Hierbei ist es notwendig, dass sich alle Teammitglieder zusammenfinden, um die weitere Vorgehensweise zu klären bzw. die Einzelaktivitäten teamzielgerichtet zu koordinieren. Eine solche Situation wird besonders am Anfang, gegen Ende sowie bei strategisch wichtigen Grundsatzentscheidungen auftreten. Interdependenzcluster: A und B, B und C oder A und C müssen sich abstimmen, während das jeweils dritte Mitglied autonom arbeiten kann; bspw. kann in einem multinationalen Team, das ein globales PR-Konzept entwickeln soll, ein kulturspezifisches Problem durch zwei demselben Kulturkreis angehörende Mitglieder gelöst werden, ohne dass dazu die Konsultation desjenigen Teammitglieds erforderlich ist, das einem anderen Kulturkreis entstammt. Autonomie: Hierbei ist individueller, schnittstellenfreier Aufgabenvollzug möglich, d.h. A, B und C können isoliert voneinander arbeiten, ohne dass dies zu einer Beeinträchtigung der Erreichung des Gesamtziels führen würde. Solche Phasen sind selbst bei Teamaufgaben mit hohem Integrationsbedarf denkbar. Erfahrungswerte aus der Vergangenheit können in die Beurteilung mit einfließen. Zugleich wird hieran auch die tragende Rolle der Teamführung deutlich, die als aufgabenzuweisende, wissensintegrierende und motivationale Instanz fungiert und stetig Impulse zu liefern hat. In einem Team Room kann sie sich viel stärker auf die selbstorganisationalen Kräfte des Teams verlassen, bei räumlicher Verteilung hingegen besteht immer die Gefahr, einander und das

Bedeutung und Gestaltung von Situation Awareness in virtuellen Teams

205

Gesamtziel aus den Augen zu verlieren. Gegenüber der F2F-Situation fehlt eben der gemeinsame Kontext: „the ease and naturalness of collaboration is lost, making remote collaboration awkward, inefficient, and clumsy compared with face-to-face work10”. Die zielbezogene Informationsproduktion kann bei räumlicher Verteilung also nur durch die Schaffung eines gemeinsamen virtuellen Arbeitskontexts („workspace“) erreicht werden, der die Basis für den Aufbau von SA bildet. Geographisch verteilte Teammitglieder müssen also über die Möglichkeit verfügen, zur Kenntnis nehmen zu können, wer wann was wie tut.11

3. Komponenten von Situation Awareness Um die teaminterne Verarbeitung und Integration von Informationen zu gewährleisten, ja den Integrationsbedarf überhaupt erst erkennen zu können, sind innerhalb des Teams bestimmte Awareness-Komponenten aufzubauen12: Personale Awareness bezeichnet zunächst die Kenntnis der Verfügbarkeit der anderen im Allgemeinen, also ihre prinzipielle Ansprechbarkeit über bestimmte Kommunikationskanäle (E-Mail-Adressen, Telefonnummern, ICQ etc.), sowie ihre Verfügbarkeit im Speziellen (sog. Präsenz), in der die jeweilige momentane Beanspruchung oder der emotionale Zustand einzelner Teammitglieder zum Ausdruck kommen. Diese ist wichtig für fortlaufende Abstimmungsprozesse: Ist der Kollege anwesend und kann ich ihn stören? In engem Zusammenhang damit steht der wichtigste Bestandteil von SA: das Wissen über das von den anderen hervorgebrachte Wissen, d.h. die Herstellung von Transparenz im Hinblick auf die Informationsproduktion einzelner Teammitglieder und den Arbeitsfortschritt des Gesamtteams. Es sollte allen erkennbar sein, wer gerade an welchem Problem arbeitet und zu welcher (vorläufigen) Lösung gelangt ist, hängt hiervon doch die Fähigkeit sinnvoller Informationsverknüpfungen ab. Temporale Awareness beinhaltet die Kenntnis der Zeitvorgaben für das Team als Ganzes und die der Geschwindigkeit der Aufgabenerfüllung für das einzelne Teammitglied (z. B. die Festlegung von Meilensteinen). Für die Ablaufplanung einzelner Mitgliederaktivitäten und ihre zeitliche Passung zu anderen Mitgliederaktivitäten (z. B. Übergabezeiten von Zwischenprodukten) existieren formalisierte Verfahren wie die Netzplantechnik oder Balkendiagramme, die allerdings weitgehend schnittstellenfreie Aufgabenmodule voraussetzen. In interdependenten Arbeitsphasen ist das Wissen, bei wem wann mit welchen Er___________ 10

Gutwin / Greenberg 2004, S. 179. IBM hat zusammen mit Steelcase den Prototyp eines ergonomisch und technologisch idealen Büros zur vernetzten Zusammenarbeit entwickelt („BlueSpace“). 12 Vgl. von der Oelsnitz / Busch 2005, S. 241f. 11

206

Michael Busch

gebnissen zu rechnen ist, möglichst selbstorganisierend innerhalb des durch die Teamführung vorgegebenen Zeitrahmens aufzubauen. Kontextuelle Awareness umschreibt die Kenntnis organisationaler und landeskultureller Spezifika: Welche Arbeits- und Urlaubszeiten herrschen? In welchen Zeitzonen bewegen sich die Teammitglieder? Welche Feiertage gibt es? Welche Ressourcenausstattung herrscht „vor Ort“? Sind die IT-Systeme kompatibel? Gibt es unterschiedliche Gebühren, die manche Mitglieder zu einem restriktiven Gebrauch von Kommunikationsmedien zwingen oder können Mitglieder nur zu festgelegten Zeiten auf bestimmte Medien zugreifen? Welche kulturellen Eigenheiten bestehen (z. B. Beachtung von Etiketten, Feedbackverhalten)? Hierzu gehört ferner das Wissen um veränderte kontextuelle Rahmenbedingungen der Teamarbeit (z. B. Zielstellung, individuelle Kompetenzen, Budget, Teamzusammensetzung, Wünsche externer Partner).

4. Gestaltung von Situation Awareness Grundlage der Ermöglichung einer hohen SA ist eine funktions- und anpassungsfähige sowie benutzerfreundliche und die Vertraulichkeit von Informationen wahrende IuK-Architektur, die auch sog. Computer Supported Cooperative Work-Tools und Decision Support Systems umfasst.13 Zum Aufbau personaler Awareness können Präsenz und Identität mit Hilfe eines Buddy-Systems vermittelt werden. Dieses dient der Darstellung der im Arbeitsbereich anwesenden und nicht anwesenden Personen. Eine Liste enthält hier die Namen aller Teammitglieder, die einstellen können, ob sie zur Verfügung stehen oder gerade nicht gestört werden möchten. Die Urheberschaft beschreibt die Zuordnung einer Handlung zu einer Person. Um herauszufinden, wer eine bestimmte Aufgabe erledigt oder Veränderungen an einem gemeinsamen Arbeitsobjekt (z. B. Dokument, technische Zeichnung) vorgenommen hat, kann jedem Mitarbeiter eine Farbe zugeordnet werden. Statt einer solchen Visualisierung können natürlich auch persönliche Mitteilungen, Begründungen oder Anfragen an andere Mitglieder erfolgen (z. B. Kommentar im Dokument, Notiz per E-Mail, Telefonanruf). Wenn es um die Visualisierung der derzeitigen Handlungen von Mitgliedern geht, lassen sich Konferenz-Systeme verwenden. Durch die synchrone Verbindung der Kommunikationspartner können im direkten Austausch die Aktivitäten der Teammitglieder erfragt (text- und audiobasierte Konferenzsysteme) oder auch unmittelbar beobachtet werden (Video-Konferenzsysteme). So besteht etwa die Möglichkeit, in einem Ansichtsfenster die Erstellung einer Zeich___________ 13 Schwaninger / Hechenblaickner 2002, S. 69f. nennen als zentrales Anforderungsmerkmal „Anschaulichkeit“ und zeigen dies im Übergang vom fremdlenkungsorientierten „Decision Room“ zum selbstlenkungsorientierten „Management Cockpit“.

Bedeutung und Gestaltung von Situation Awareness in virtuellen Teams

207

nung durch ein Teammitglied direkt zu verfolgen (was zusätzlich durch einen Telepointer unterstützt werden kann). Wichtig ist auch, dass vergangene Aktivitäten und Lösungen gespeichert werden und allen zugänglich bleiben. Die Möglichkeit eines solchen Teamgedächtnisses, das auch die Rekonstruktion und personale Zuordnung entwickelter Ideen zulässt, bietet ein Bulletin-Board-System: Dateien können hier eingestellt und abgerufen werden, Diskussionsforen lassen sich bilden sowie E-Mails senden und empfangen. Ergänzt werden kann dies durch eine teameigene Homepage, die Kontextinformationen vermittelt (z. B. Unternehmensdaten; Erfahrungsberichte, organisationale Einbindung, Arbeitsplatzgestaltung und Kompetenzprofile von Mitarbeitern; Neuigkeiten). Die Aufgabenzuweisung, Terminierung und Sequenzierung von Arbeitsschritten (temporale Awareness) lässt sich neben der unmittelbaren Abstimmung durch asynchrone Koordinationssysteme (Workflow-ManagementSysteme, Gruppenterminkalender) steuern. Die Zustandsveränderung von bearbeiteten Objekten oder Teilaufgaben ist durch Symbole („Icons“) visualisierbar; Arbeitsfortschritte können über die Veränderung der Größe angezeigt werden. Auch näher rückende Deadlines können auf diese Art auf dem Bildschirm sichtbar gemacht werden (etwa durch kleiner oder farblich intensiver werdende Balken). Insbesondere bei Echtzeit-Entscheidungen sind solche visuellen, akustischen oder haptischen Signale an Apparaturen („Cues“) von Bedeutung; diese zeigen Umweltveränderungen an und sollten – innerhalb der Grenzen menschlicher Informationsverarbeitungsfähigkeit – entsprechend ihrer Dringlichkeit angeordnet sein. Die Beherrschung technischer Anlagen und Geräte bzw. der Aufbau von Medienkompetenz im Hinblick auf die verwendete Groupware ist im Vorfeld zu entwickeln. Daneben ist auch die korrekte Einschätzung sich verändernder Umweltzustände („Recognition of Cue Patterns“) durch entsprechende Einweisungen (z. B. Simulationen, Planspiele, Übungen, Workshops) vor realen Einsätzen gezielt anzutrainieren.14 In welchem Umfang und in welcher Regelmäßigkeit das Team auf einzelne Unterstützungssysteme und Kommunikationsmittel zurückgreift, hängt neben den Erfahrungen einzelner Mitglieder auch von deren unterschiedlichen Präferenzen bei der Techniknutzung ab. Wenn unterschiedliche Tools über die gleiche Leistungsfähigkeit im Aufbau einzelner SA-Komponenten verfügen, sollte die Nutzung von Zeit- und Kostenerwägungen beeinflusst werden. Ob Informationen in überwiegend schriftlicher oder mündlicher Form zu übermitteln sind, steht in Verbindung mit der übergeordneten Frage der Speicherungspolitik im Team (Personalisierung vs. Kodifizierung von Wissen). Schließlich gibt es landeskulturelle Differenzen, die darin bestehen, dass die Angemessenheit der Nutzung bestimmter Technologien ganz unterschiedlich wahrgenommen wird. ___________ 14

Vgl. Salas et al. 2001, S. 174ff.

208

Michael Busch

Diese durch technologievermittelte Kommunikation aufgeworfenen prinzipiellen Fragen und Implikationen verweisen auf die notwendige Ergänzung der ITSysteme durch allgemein akzeptierte Verhaltensregeln und Leistungsnormen: Welche Art von Information soll über welches Medium kommuniziert werden (z. B. rotes Telefon)? Welche Speicherungsvorgaben sollen beachtet werden (Informationsaufbereitung)? In welchen Abständen sind E-Mails zu beantworten? Welches Arbeitstempo wird erwartet? Wie frühzeitig soll die eigene Abwesenheit angekündigt werden? Zu welcher Tageszeit sollen Telekonferenzen abgehalten werden? Es hat sich gezeigt, dass das Übersehen vermeintlicher Alltäglichkeiten oft zu ungewollten Konflikten und unnötigen Prozessverlusten führt15: Unbeantwortete E-Mails werden als Ablehnung oder Ignoranz interpretiert, obwohl hierfür ein Feiertag „verantwortlich“ war. Mitglieder sind unaufmerksam in einer Video-Konferenz, weil sie sich aufgrund unterschiedlicher Zeitzonen gerade in ihrem biorhythmischen Tief befinden. Daten werden nicht abgelegt, weil man glaubt, die mündliche Absprache per Telefon reiche aus. Der Teamführung kommt es zu, zentrale Anlaufstelle für auftretende Probleme dieser Art zu sein, Regeln zu überwachen und Feedback zu geben. Sie hat sowohl Signale aus der Umwelt als auch Signale aus dem Team rechtzeitig zu erkennen, damit notwendige Korrekturen durch gegensteuernde Maßnahmen initiiert werden können. Ihr stehen hier neben den bekannten Instrumenten des Projektcontrollings auch sehr praxisnahe Instrumente wie der After Action Review zur Verfügung. Dieser stellt eine strukturierte und zeitnahe, ca. 10 bis 20 Minuten dauernde Manöverkritik dar: Was waren unsere Ziele? Was haben wir (nicht) erreicht? Welche Gründe gab es hierfür? Was können wir in Zukunft besser machen? Anhand solcher in Foren oder Telekonferenzen durchzugehender Leitfragen lässt sich in kurzen Abständen projektbegleitend überprüfen, welche Arbeitsfortschritte das Team erreicht hat und wo Probleme bei der Zusammenarbeit aufgetreten sind. Gerade auch Schwierigkeiten im Aufbau von SA sowie kommunikative Missverständnisse lassen sich auf diese Weise rasch aufdecken. Verbesserungen können unmittelbar in nachfolgende Handlungen umgesetzt und in erneuten After Action Reviews überprüft werden. Im Idealfall entsteht so ein Lernzyklus, der auch auf andere virtuelle Teams übertragbare Lessons Learned hervorbringt. Trotz der Möglichkeit, über Technologien Kenntnis von den anderen Teammitgliedern zu erlangen und über Verhaltensstandardisierungen sowie regelmäßige Feedbacks Berechenbarkeit in die Arbeitsabläufe zu bekommen, bleibt die wechselseitige Kenntnis der jeweiligen Gegebenheiten vor Ort dennoch rudimentär, indem zumeist nur ein kleiner Ausschnitt des Arbeitsplatzes des Gegenübers oder sterile Konferenzräume sichtbar werden. Selbst wenn die Technik weiter Fortschritte macht („Immersive Environments“, „Ubiquitous Compu___________ 15

Vgl. Cramton 2001.

Bedeutung und Gestaltung von Situation Awareness in virtuellen Teams

209

ting“), können doch die Zusammenkünfte vor Ort in ihrem Wert auch fernerhin nicht hoch genug eingeschätzt werden. Zum einen sind sie unentbehrlich im Aufbau von Vertrauen („Trust needs touch“, C. Handy), zum anderen können durch sie auch Fehlattributionen und möglicherweise aufkeimende Kategorisierungen vermieden werden. Amerikaner, die einmal die hochwertige technologische Ausstattung ihrer mexikanischen Geschäftspartner inspiziert haben, werden anschließend kaum mehr an Sombrero und Tequila in heruntergekommenen Baracken denken. Den Erkenntnissen der Teamentwicklungsforschung folgend ist es sinnvoll, F2F-Treffen möglichst zu Beginn und in der Mitte des Projekts anzuberaumen. Auch rotierende Standortbesichtigungen sind denkbar. Schließlich sollten persönliche Begegnungen mit der Frage der Aufgabenanalyse verküpft werden. Insbesondere bei zu erwartenden Phasen der Teaminterdependenz kann eine temporäre Vereinigung des Gesamtteams an nur einem Standort hilfreich sein, um dadurch Arbeitsstockungen, die durch langwierige Prozessabstimmungen entstehen, entgegenzuarbeiten. Natürlich sind auch budgetäre Beschränkungen zu berücksichtigen, aber die Vorstellung, in virtuellen Teams ohne Reisekostenplanung auskommen zu können, greift zu kurz.

B. Schlussbetrachtung Durch die räumliche Verteilung von Teammitgliedern in interdependenten Aufgabenzusammenhängen erfährt die zu erbringende Koordinationsleistung im Vergleich zur herkömmlichen Zusammenarbeit vor Ort nochmals eine Komplexitätssteigerung. Abbildung 1 fasst die zuvor entwickelten Erkenntnisse graphisch zusammen. Es macht Sinn, die jeweils zu bearbeitende Aufgabenstruktur genauer zu analysieren. Prinzipiell sollte in Unternehmen auf Teamarbeit verzichtet werden, wenn die Aufgabe in schnittstellenfreie Module zerlegt werden kann. Wenn die Aufgabe allerdings einen hohen Interdependenzgrad aufweist, sollte wiederum genau geprüft werden, ob es tatsächlich notwendig ist, eine virtuelle Zusammenarbeit zu initialisieren. Kommt es dann zu dieser Form der Zusammenarbeit, so sollten die Mitglieder möglichst frühzeitig über die Notwendigkeit des Aufbaus von SA aufgeklärt werden, um ein Klima der professionellen Zielorientierung sicherstellen zu können.

210

Michael Busch Bedarf an gesondertem und gezieltem Aufbau von Situation Awareness

Virtualitätsgrad der Zusammenarbeit Aufgaben mit akutem Lösungsbedarf

Aufgaben mit mittelfristigem Lösungsbedarf

Identifikation und korrekte Verknüpfung relevanter Parameter („Überlappungsanalyse“)

Identifikation notwendiger Informationsverknüpfungen („Interdependenzanalyse“)

Teaminterne Signale Teamexterne Signale Personale Awareness

Temporale Awareness

Kontextuelle Awareness

Abbildung 1: Zusammenhang zwischen Situation Awareness, Virtualität und Aufgabenstruktur

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Bedeutung und Gestaltung von Situation Awareness in virtuellen Teams

211

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Eine strukturwissenschaftliche Betrachtung von Diversity Management Von Meike Tilebein

A. Einführung Der Begriff „Diversity“ bzw. „Diversität“ bezeichnet die Verschiedenheit oder Heterogenität von Personen einer Gruppe. Das Konfliktpotential großer Gruppenheterogenität ist seit langem bekannt. Diesem versucht Diversity Management als gezielte Gestaltung von Verschiedenheit entgegenzuwirken. Doch neben den möglichen Problemen werden verstärkt auch die Chancen von Diversität, wie z.B. verbesserte Kreativität und Innovationsfähigkeit in heterogenen Gruppen, erkannt. Die zunehmende Internationalisierung, der starke Innovationsdruck und die hohe Aufgabenkomplexität in vielen Branchen erfordern ein Diversity Management, das insbesondere diese chancenorientierten, positiven Effekte von Heterogenität gezielt nutzt. Diese positiven Effekte basieren hauptsächlich auf kognitiver Diversität, die Unterschiede in der Informationsverarbeitung beschreibt. Doch kognitive Diversität ist nicht per se innovationsförderlich. Mit zunehmender Diversität einer Gruppe nimmt zwar deren Wissenspotential zu, gleichzeitig bauen sich jedoch auch immer mehr Nutzungsbarrieren für den vergrößerten Wissenspool auf.1 Wo und unter welchen Umständen Diversität ihr positives Potential entfalten kann, wird aktuell untersucht und kontrovers diskutiert.2 Dabei sind die grundsätzlichen positiven oder negativen Auswirkungen von Diversität ebenso umstritten wie die Art dieser Effekte und ihre möglichen Interdependenzen. Solange diese Fragen ungeklärt sind, fehlt jedoch die Basis für ein fundiertes Konzept des Diversity Management, das die positiven Wirkungen der Diversität gezielt fördert. Mit dem vorliegenden Beitrag sollen strukturtheoretische Überlegungen aus der Komplexitätstheorie zu der aktuellen Diskussion beitragen. Dabei werden zunächst relevante Aspekte der Diversity-Forschung dargestellt. Diesen werden Erkenntnisse der Komplexitätsforschung gegenübergestellt, die Auswirkungen ___________ 1 2

Vgl. Scholl (2004), S. 115. Vgl. z.B. Gebert (2004) und Stock (2005).

214

Meike Tilebein

von Diversität auf die Informationsverarbeitung in Netzwerken aufzeigen. In einem dritten Schritt werden dann Ansatzpunkte für eine Anwendung dieser Erkenntnisse im Diversity Management diskutiert. Ziel ist es, mit Hilfe grundlegender strukturtheoretischer Betrachtungen zur Identifikation von Möglichkeiten und Grenzen eines zielgerichteten Managements kognitiver Diversität beizutragen.

B. Diversity Management Unterschiede zwischen Personen in einer Gruppe können in einer Vielzahl von Merkmalen bestehen, wie z. B. in Ausbildung, Haarfarbe, Alter, Nationalität, Geschlecht, Religion, Wertvorstellungen, Dauer der Zugehörigkeit zur betrachteten Gruppe, Funktion im Unternehmen etc. Derartige Unterschiede können zwei großen Kategorien von Diversität, der demographischen und der kognitiven Diversität, zugeordnet werden.3 Während die demographische Diversität die Unterschiede in gegebenen, sichtbaren Merkmalen wie bspw. Alter, Herkunftsland, Religion oder Geschlecht betrachtet, beschreibt die kognitive Diversität Unterschiede in Bezug auf Wahrnehmung und Informationsverarbeitung. Diese Unterschiede beruhen auf nicht direkt wahrnehmbaren Merkmalen wie bspw. fachliche oder funktionale Diversität, Gruppenzugehörigkeit, Wertvorstellungen sowie persönlichen Erfahrungen und Fähigkeiten der Individuen.4 Dabei bezieht sich fachliche Diversität (Interdisziplinarität) auf fachspezifische Unterschiede zwischen Personen in Bezug auf deren Ausbildung. Funktionale Diversität (Crossfunktionalität oder Multifunktionalität) betrachtet die Zusammensetzung einer Gruppe aus Mitgliedern unterschiedlicher Funktionsbereiche eines Unternehmens, interorganisationale oder institutionelle Diversität betrachtet die Gruppenzusammensetzung aus Mitgliedern unterschiedlicher Unternehmen. Neben der Team- und Betriebszugehörigkeitsdauer gelten insbesondere fachliche und funktionale Diversität als wichtige Aspekte der kognitiven Diversität einer Gruppe.

I. Gegenstand und Ziele von Diversity Management Diversity Management bezeichnet die Aufgabe der zielorientierten Gestaltung und Lenkung von Verschiedenheit.5 Der Begriff wurde in den 1960er Jah___________ 3

Vgl. Gebert (2004), S. 422f. Zur Unterscheidung erkennbarer und nicht erkennbarer Aspekte der Diversität vgl. Milliken / Martins (1996). 5 Vgl. Jung (2003), S. 95. 4

Diversity Management

215

ren in den USA geprägt. Er umfasste – ausgehend von Problemen der Diskriminierung von Frauen und nichtweißen Männern am Arbeitsplatz – zunächst nur Überlegungen zum Umgang mit ausgewählten Aspekten der demographischen Diversität in Unternehmen. Diese Überlegungen, welche auf die Abschaffung diskriminierender Praktiken und die Entschärfung von Konfliktpotentialen zielten, die mit Verschiedenheit einhergehen, haben mittlerweile vielerorts auch Eingang in gesetzliche Regelungen gefunden. Diesem gesellschaftlich geprägten Verständnis von Diversity Management als moralischer Verpflichtung entsprach ein ökonomisches Verständnis von Diversity als problemträchtige Gruppeneigenschaft. Diversity Management diente entsprechend dazu, mit demographischer Vielfalt einhergehende Probleme abzumildern. Neben dem beschriebenen Verständnis von Diversity Management als Maßnahmenbündel, um Probleme abzumildern, die aus der Zusammenarbeit von verschiedenartigen Individuen entstehen, wird Diversity aber zunehmend nicht mehr nur als Konfliktpotential, sondern auch als Erfolgspotential angesehen. In dieser Strömung der Diversity-Forschung wird Vielfalt als wertvolle Ressource begriffen, die sich als Basis für Wettbewerbsvorteile eignet. Wettbewerbsrelevante Argumente für Diversität und Diversity Management sind in diesem Zusammenhang6 • die Notwendigkeit, sich frühzeitig auf eine demographisch bedingt veränderte Beschäftigtenstruktur mit mehr älteren, weiblichen und internationalen Arbeitskräften einzustellen, um in Zeiten knapper hochqualifizierter Arbeitskräfte ein effizienteres Personalmarketing betreiben zu können; • Kauf- und Anlageentscheidungen von Investoren mit vermehrter Berücksichtigung ethischer Gesichtspunkte, zu denen neben Umweltschutzaspekten auch soziale Belange zählen, wie sie im Diversity Management berücksichtigt werden; • Kostenvorteile durch die Integration unterschiedlicher Beschäftigter, die zu Motivation, Zufriedenheit und geringeren Reibungsverlusten führt; • Marketingvorteile aufgrund der besseren Ansprache kulturell unterschiedlicher Kundengruppen durch eine ebenso kulturell vielfältige Belegschaft mit entsprechendem Wissen; • Vorteile bei der Internationalisierung, da bei einer diversen Belegschaft bereits kulturelles Verständnis und Sprachkompetenz vorhanden sind; • erhöhte Flexibilität im Umgang mit komplexen Situationen durch weniger Konformitätsdruck und Betriebsblindheit bei gleichzeitig starker Unternehmenskultur; • eine verbesserte Qualität von Entscheidungsprozessen und Problemlösungen durch heterogene Managementteams und Beschäftigtengruppen und ___________ 6

Vgl. Sepehri (2002), S. 154–161.

216

Meike Tilebein

• mehr Kreativität und Innovation, da die unterschiedlichen Hintergründe der Individuen in heterogenen Gruppen ein breites Spektrum verschiedener Sichtweisen und Aspekte eines Themas zutage fördern. Aktuelle Begriffsbestimmungen des Diversity Managment berücksichtigen daher auch explizit dieses positive Potential von Vielfalt: „Diversity Management beschreibt als Management- oder Führungsaufgabe die Gesamtheit der Maßnahmen, die darauf zielen, dass Unterschiedlichkeit in den personalen Merkmalen von Organisationsmitgliedern als eigenständiger Wert anerkannt und in ihren Potentialen für den Erfolg einer Organisation genutzt wird.“7 Da insbesondere Komplexitätsbewältigung, Innovationsfähigkeit und Problemlösungskompetenz zu entscheidenden Erfolgsfaktoren im Wettbewerb vieler Unternehmen geworden sind, stehen die entsprechenden Leistungen von Gruppen und deren Zusammenhang mit kognitiver Diversität im Fokus aktueller Fragestellungen des Diversity Management. Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich daher auf die Erkenntnisse der Diversity-Forschung zu den Wirkungen von heterogener Informationsverarbeitung in Gruppen.

II. Erkenntnisse und offene Fragen zu Diversitätseffekten Die Forschung zu Diversität speist sich aus einem großen Spektrum an Teildisziplinen, wie bspw. Organisationswissenschaften, Personalmanagement, Marketing, Gender- und Race-Studies sowie Psychologie. Entsprechend breit gefächert sind die Forschungsansätze und -ergebnisse zu der Frage, wie sich Diversität auf die Informationsverarbeitung von Gruppen auswirkt. Innerhalb der Diversity-Forschung werden die Vor- und Nachteile von kognitiver Diversität für die Leistung im Sinne von Innovationsfähigkeit, Effizienz und Kreativität einer Gruppe kontrovers diskutiert. Als positive Effekte der Verschiedenheit werden, wie oben dargestellt, z.B. größere Kreativität, Problemlösungskompetenz und Innovationsfähigkeit gesehen. Diesen positiven Folgen der Diversität können jedoch negative Effekte in Form von Kommunikations- und Kooperationshindernissen entgegenwirken, die umso gravierender sind, je größer die Verschiedenheit ist. Während der Zusammenhang zwischen funktionaler Diversität und Kommunikationsbarrieren durch verschiedene Untersuchungen eindeutig empirisch belegt wird,8 sind die empirischen Befunde zum Zusammenhang von Diversität und Teaminnovativität in unterschiedlichen Studien nicht durchgehend signifi___________ 7

Jung (2003), S. 97. Vgl. die Zusammenstellungen bei Högl / Gemünden (2001), S. 49 und Gebert (2004), S. 415ff. 8

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217

kant positiv.9 Eine umfassende Meta-Analyse zentraler Arbeiten zur kognitiven Diversität konstatiert dementsprechend ein inkonsistentes Bild der Forschung zu den Auswirkungen dieser Diversität auf die Teamleistung.10 Die Gegenläufigkeit positiver und negativer Effekte der Vielfalt bedeutet für die Innovationsfähigkeit eines Teams z. B., dass mit zunehmender kognitiver Diversität zwar eine Erweiterung der Perspektiven und der Erfahrungen der Gruppe einhergeht, was bei der Ideengenerierung in Form eines vergrößerten Ideenpools und einer größeren Menge an komplementärem, neu kombinierbarem Wissen positiv wirken könnte. Dieses verbesserte Potential kann jedoch nicht ausgeschöpft werden, wenn zugleich die Diversität als Kommunikationsbarriere wirkt und die tatsächliche Nutzung des Potentials daher unterbleibt, oder wenn die Diversität die Effizienz der Innovationsprozesse beeinträchtigt.11 Unter welchen Umständen die positiven bzw. negativen Auswirkungen in diesem Spannungsfeld überwiegen, ist jedoch noch nicht geklärt. Aus einer Auswertung verschiedener Studien zu den Effekten von Diversität leitet Stock einen nichtlinearen, umgekehrt U-förmigen Zusammenhang zwischen der Teamheterogenität und der Prozessqualität der Entscheidungsfindung her: während im Bereich geringer Heterogenität eine Diversitätssteigerung noch zusätzliche Verbesserungen bringt, erreicht die Prozessqualität bei weiterer Diversitätserhöhung ein Maximum. Steigerungen der Diversität über diesen Wert hinaus verschlechtern die Prozessqualität, da jenseits dieses Wertes die negativen Diversitätswirkungen überhand nehmen. Dabei ist jedoch die Position dieses Maximums und damit die optimale Teamdiversität offenbar abhängig von der Aufgabenstellung des jeweiligen Teams.12 Zusammenfassend kann festgehalten werden: darüber, wie sich Diversität im Einzelnen auf die Gruppenleistung konkret auswirkt, besteht in der Forschung noch keine Einigkeit. Verschiedene, zumeist empirische Untersuchungen kommen zu widersprüchlichen Ergebnissen in Bezug auf die leistungssteigernde oder innovationsförderliche Wirkung von kognitiver Diversität. Umstritten ist zum einen grundsätzlich, ob Diversität in bestimmten Merkmalen positiv oder negativ wirkt, zum anderen herrscht im Detail keine Einigkeit über die genauen linearen oder nichtlinearen Wirkungszusammenhänge und über mögliche Interdependenzen zwischen verschiedenen Diversitätsaspekten. Die Komplexitätsforschung bietet einen allgemeinen theoretischen Erklärungsansatz zum Zusammenhang von Diversität und Informationsverarbei___________ 9

Vgl. die Analyse verschiedener empirischer Untersuchungen bei Gebert (2004), S. 413f. 10 Vgl. Stock (2005), S. 137ff. 11 Vgl. Gebert (2004), S. 415f. 12 Vgl. Stock (2005), S. 139ff.

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Meike Tilebein

tungskapazität von Netzwerken. Im nächsten Abschnitt soll daher das Spannungsfeld positiver und negativer Auswirkungen von kognitiver Diversität aus dieser abstrakten strukturwissenschaftlichen Perspektive betrachtet werden.

C. Strukturwissenschaftliche Erkenntnisse der Komplexitätsforschung zur Diversität Die Komplexitätsforschung als Strukturwissenschaft bietet grundlegende Erkenntnisse darüber, wie sich die Diversität der Informationsverarbeitung vernetzter Akteure auf die Informationsverarbeitungskapazität des resultierenden Netzwerks auswirkt. Im Fokus dieses interdisziplinären Forschungsgebiets stehen komplexe adaptive Systeme. Diese Systeme sind große nichtlineare selbstorganisierte Systeme aus vielen Elementen, die als Gesamtsystem große Leistungs- und Anpassungsfähigkeit besitzen, ohne dass sie dabei über eine zentrale Steuerung verfügen. Beispiele für derartige Systeme sind Ökosysteme, Vogelschwärme, Städte oder Märkte. Die Fähigkeiten des Gesamtsystems wie Flexibilität und Innovation entstehen hier jeweils emergent und ungeplant aus der Interaktion der Systemelemente, die untereinander jeweils lokal vernetzt sind. Diese aktiven Elemente, die ein komplexes adaptives System ausmachen, werden als Agenten bezeichnet.13 Die Emergenzphänomene komplexer adaptiver Systeme beruhen im Wesentlichen auf Informationsflüssen zwischen den Agenten.14 Der Art und Weise, wie die Agenten Informationen verarbeiten und wie sie zu diesem Zweck mit anderen Agenten vernetzt sind, kommt daher in komplexen adaptiven Systemen besondere Bedeutung zu.15 Basis der Informationsverarbeitung eines Agenten ist ein Satz von Regeln, ein sog. Schema, auf dem das individuelle Verhalten des Agenten beruht und mit dem er die Informationen verarbeitet, die er von seinen Interaktionspartnern erhält.16 Verschiedene Agenten innerhalb eines komplexen adaptiven Systems können unterschiedlichen Schemata gehorchen. Die Diversität der Agenten hat wiederum Auswirkungen auf die emergenten Eigenschaften des Gesamtsystems.

___________ 13

Vgl. Holland (1995), S. 6f., der den Agentenbegriff im Zusammenhang mit der Untersuchung komplexer adaptiver Systeme prägte. 14 Vgl. Langton (1992), S. 41. 15 Vgl. zu den folgenden Ausführungen auch Tilebein (2005), S. 85ff. 16 Vgl. Gell-Mann (1994), S. 53.

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I. Boolesche Netzwerke Wichtige Erkenntnisse über den Zusammenhang von Agentendiversität und Informationsverarbeitungskapazität des Gesamtsystems gewinnt die Komplexitätsforschung bei Experimenten mit Netzwerken aus wechselwirkenden Schaltelementen, die Informationen auf unterschiedliche Weise verarbeiten. Diese Booleschen Netzwerke sind diskrete dynamische Systeme binärer Variabler, deren Zustand („ein“ oder „aus“ bzw. 1 oder 0) zu einem bestimmten Zeitpunkt sich als Output einer Booleschen Funktion ergibt, welche als Input die Zustände verschiedener anderer Variabler des Systems zum unmittelbar vorhergehenden Zeitpunkt verwendet.17 Aus Versuchen mit Booleschen Netzen konnte Kauffman grundlegende Zusammenhänge zwischen der Diversität der Agenten bei der Informationsverarbeitung, der Verknüpfungsdichte des Netzwerks und der Informationsverarbeitungskapazität des gesamten Netzwerkes ableiten.18 Dies impliziert Empfehlungen zur optimalen Gestaltung eines komplexen adaptiven Systems, die auch zur Diskussion um die Wirkungen von kognitiver Diversität in Teams beitragen könnten. Nach ihren Modellparametern, der Anzahl N der Agenten und der Anzahl K der Inputs oder Interaktionspartner jedes Agenten, werden Boolesche Netzwerke auch als NK-Modelle bezeichnet. Sie lassen sich als Glühlampennetze vorstellen, in denen jede einzelne Lampe von einer Booleschen Funktion an- oder ausgeschaltet wird. Abbildung 1 zeigt ein einfaches Boolesches Netz aus N=3 Agenten, von denen jeder mit K=2 anderen Agenten verbunden ist.

2 0 0 1 1

3 0 1 0 1 „UND“

1 0 0 0 1

000

1

3

1 0 0 1 1

2 0 1 0 1 „ODER“

2

3 0 1 1 1

1 0 0 1 1

3 0 1 0 1 „ODER“

2 0 1 1 1

1 0 0 0 0 1 1 1 1

t 2 0 0 1 1 0 0 1 1

3 0 1 0 1 0 1 0 1

1 0 0 0 1 0 0 0 1

t+1 2 0 1 0 1 1 1 1 1

001 3 0 0 1 1 1 1 1 1

Quelle: Kauffman (1998), S. 118 oder derselbe (1993), S. 189

Abbildung 1: Boolesches Netzwerk

___________ 17 18

Vgl. Kauffman (1993), S. 182. Vgl. Kauffman (1993).

010

100

110

011

101

111

220

Meike Tilebein

Neben den Agenten in der obigen Abbildung sind jeweils ihre zugehörigen Schalttafeln angegeben, die auf der linken Spalte die Zustände der beiden anderen als Inputs enthalten und in der rechten Spalte den resultierenden Output des betrachteten Agenten zeigen. In der Mitte der Abbildung werden diese Schalttafeln zusammengefügt, rechts werden die möglichen Schaltfolgen (Zyklen) und Endzustände (Attraktoren) dieses sehr einfachen Systems aufgeführt.

II. Informationsverarbeitung in Netzwerken Komplexe adaptive Systeme müssen, um als Ganzes innovativ und anpassungsfähig zu sein, Informationen optimal verarbeiten, d.h. sowohl speichern als auch transportieren können. Dabei ist für die Speicherfunktion Stabilität erforderlich, wohingegen die Transportfunktion auf Dynamik basiert. In Experimenten mit Booleschen Netzwerken hat sich gezeigt, dass die Kombination dieser widersprüchlichen Eigenschaften in einem komplexen adaptiven System zum einen von der Homogenität der Agenten und zum anderen von der Kopplungsdichte zwischen den Agenten beeinflusst wird. Anhand der Anzahl der Attraktoren, ihrer jeweiligen Zykluslänge und der Stabilität des Systems gegenüber Störungen kann die Informationsverarbeitungskapazität eines Booleschen Netzwerks charakterisiert werden.19 Ein Maximum an Dynamik und damit chaotisches Verhalten weisen Systeme auf, bei denen jedes Element mit allen anderen Elementen verbunden ist (K=N).20 Die physikalische Realisierung eines derartigen Systems mit Glühlampen würde in einem unkoordiniert blinkenden Netz resultieren. Ist jeder Agent dagegen nur von jeweils einem anderen Agenten abhängig, erstirbt die Systemdynamik und das System fungiert als starrer Speicher. In einem entsprechenden Glühlampennetz ergäbe sich ein großer ‚eingefrorener‘ Bereich, der nur von wenigen blinkenden Glühlampen durchzogen wird.21 Seine größte Informationsverarbeitungskapazität erreicht ein System in einem ausbalancierten Zwischenzustand. Hier ist im Spannungsfeld zwischen Stabilität und Instabilität ausreichend ‚Raum für Neuerung‘ vorhanden, ohne dass das System dauerhaft in Chaos verfällt.22 Dieser Zwischenzustand ist der Rand des Chaos. In zufällig erstellten Booleschen Netzen, bei denen der Zufall sowohl die zu verbindenden Elemente als auch deren jeweilige Boolesche Funktion bestimmt, ist bei K=2 die maximale Informationsverarbeitungskapazität erreicht. Wird jedoch Einfluss auf die Homogenität der Informationsverar___________ 19

Vgl. Kauffman (1998), S. 126 oder derselbe (1993), S. 190. Vgl. Kauffman (1993), S. 193f. 21 Vgl. Kauffman (1998), S. 139. 22 Vgl. Stacey (1997), S. 63ff. 20

Diversity Management

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beitung der Agenten genommen, können auch Systeme mit einer höheren Verknüpfungsdichte maximale Informationsverarbeitungskapazität erreichen. Um dies zu zeigen, verwendet Kauffman den Abweichungsparameter P, welcher die interne Homogenität einer Booleschen Funktion definiert als der Anteil der Nullen bzw. Einsen – je nachdem, welcher Output häufiger vorkommt – am gesamten Output der betrachteten Funktion.23 P kann somit zwischen 0,5 (beide Zustände sind gleich oft als Ausgabewert definiert) und 1 liegen (die zugehörige Boolesche Funktion erzeugt ausschließlich Nullen bzw. Einsen). Ein dicht geknüpftes Netz mit einem P-Wert von 0,5 befindet sich in einem chaotischen Regime, während es in einem System mit P=1 nur Elemente gibt, die entweder immer 1 oder immer 0 ausgeben; jede Dynamik erstirbt in diesem geordneten Regime sofort. Infolge einer Steigerung der internen Homogenität P durch Veränderung der Booleschen Funktionen der Elemente kann jedoch auch ein dicht geknüpftes Netzwerk an den Chaosrand gebracht werden, an dem die Informationsverarbeitungskapazität maximal wird. Zu jeder Netzwerkdichte existiert ein eigener charakteristischer Homogenitätswert.24 In den NK-Modellen gibt es somit verschiedene Paarungen von K- und PWerten, die ein System an den Chaosrand bringen: Systeme mit stark einheitlicher Informationsverarbeitung können eine viel stärkere Vernetzung bewältigen, ohne ins Chaos abzugleiten, als Systeme mit zufällig generierter Informationsverarbeitung der einzelnen Agenten, bei denen sich ein Wert von K=2 als grenzwertig erweist. Andersherum kann ein System mit gegebener Vernetzung durch Veränderung des Homogenitätsparameters in einen Bereich maximaler Informationsverarbeitungskapazität überführt werden. Die dargestellten Erkenntnisse der Komplexitätstheorie weisen darauf hin, dass die Leistungsfähigkeit eines Netzwerks aus verbundenen Agenten nicht nur von der Diversität der Informationsverarbeitung der Agenten abhängig ist, sondern zugleich auch von der Vernetzung der Agenten. Erst in der gemeinsamen Betrachtung beider Parameter ergeben sich Rückschlüsse auf die Informationsverarbeitungskapazität des gesamten Netzwerks. Analog zu diesen Erkenntnissen wird auch in der neueren Literatur zur Diversität von Teams angeregt, Diversitätsaspekte in einem größeren Zusammenhang mit Sozialkapital und Kommunikationsstrukturen in Gruppen zu betrachten.25

___________ 23

Vgl. Kauffman (1993), S. 194ff. Vgl. Kauffman (1998), S. 132. 25 Vgl. Reagans / Zuckerman (2001). 24

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Meike Tilebein

D. Übertragung der strukturwissenschaftlichen Erkenntnisse auf das Diversity Managament In einer direkten Anwendung der dargestellten NK-Modelle untersucht Boisot Strategieprozesse in Unternehmen.26 Basis der Strategiefindung sind Prozesse, in denen Agenten Informationen unterschiedlich interpretieren und ihr Wissen mit anderen Agenten teilen. Der Prozess der Datenverarbeitung beschreibt dabei die Strukturierung der Informationen durch die einzelnen Agenten, der Prozess der Datendiffusion beschreibt den Informationsfluss zwischen den Agenten. Neue Strategien sind in dieser Perspektive das emergente Ergebnis dieser beiden Prozesse. Die Datendiffusion hängt von der Interaktionsstruktur der verbundenen Agenten ab und wird durch den Anteil der Agenten bestimmt, an den in einer Zeiteinheit eine bestimmte Information übermittelt werden kann. Dieser Aspekt wird in einem NK-Modell durch den Parameter K der Agentenvernetzung erfasst und als relationale Komplexität bezeichnet. Die Datenverarbeitung dagegen wird von der kognitiven Komplexität der Daten beeinflusst. Sie hängt zum einen von der Kodifizierung der Daten und zum anderen von deren Abstraktion ab. Kodifizierung erlaubt eine Zuordnung von Daten zu klaren Kategorien, die für alle Agenten gleich sind, nach eindeutigen Regeln und beschleunigt den Datenverarbeitungsprozess. Ebenso erhöht die Abstraktion der Daten die Effizienz der Datenverarbeitung. Abstrakte, kodifizierte Daten weisen somit die geringste Verarbeitungskomplexität auf, während nicht kodifizierbare und zugleich konkrete, d.h. nicht abstrahierbare Daten größte Verarbeitungskomplexität erfordern und von Agenten unterschiedlich interpretiert werden können. In Boisots Konzept korrespondiert die kognitive Komplexität mit dem Homogenitätsparameter P der Kauffmanschen NKModelle.27 Boisot konstatiert folgenden Zusammenhang zwischen kognitiver und relationaler Komplexität: Je besser Daten abstrahiert und kodifiziert werden können, desto schneller und problemloser lassen sie sich auch an eine Vielzahl von Agenten verteilen. Als Beispiel wird hier der Wertpapierhandel angegeben, bei dem Informationen vollständig in Preisen und Mengen kodifiziert sind und in Sekundenschnelle global an zahllose Agenten verteilt werden, deren Handlungen z. T. automatisiert sind. Kognitiv komplexes Wissen dagegen braucht zur Übermittlung viel Zeit und kann nur an wenige Agenten weitergegeben werden, wie es das extreme Beispiel eines Zen-Meisters und seiner Schüler illustriert, ___________ 26 Zu den folgenden Ausführungen vgl. Boisot / Child (1999) sowie Boisot (2000) und die zusammenfassende Darstellung bei Tilebein (2005). 27 Vgl. Boisot / Child (1999), S. 242 und Boisot (2000), S. 124f.

Diversity Management

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dessen Wissen persönlich und implizit ist und nur durch Beispiel und Erfahrung weitergegeben werden kann und entsprechend von den anderen Agenten langwierig interpretiert und erlernt werden muss.28 Ähnliche Zusammenhänge zwischen der Netzwerkstruktur, kognitiven Unterschieden und der Aufgabenstellung ergeben Untersuchungen zu sozialen Netzwerken, in die auch Überlegungen zu kognitiver Diversität einfließen.29 So weisen Reagans/Zuckerman auf die Notwendigkeit hin, die Struktur sozialer Netzwerke und die Diversität in Gruppen gemeinsam zu betrachten, um Schlussfolgerungen auf die Gruppenleistung ziehen zu können.30 Diese beiden Dimensionen sind jedoch nicht unabhängig voneinander. Aufgrund von Präferenzen für gleichartige Personen bei der Wahl von Interaktionspartnern entstehen soziale Netzwerke in Gruppen vornehmlich selbstorganisiert. Bei großer Heterogenität der Gruppenmitglieder kann es dabei zur Ausbildung sog. struktureller Löcher kommen, die die Gruppenleistungsfähigkeit beinträchtigen, weil einzelne Individuen nicht oder nur schlecht in das Netzwerk eingebunden werden. Cross et al. untersuchen soziale Netzwerke, die sich auf Informations- und Kommunikationstechnologie stützen.31 Ausgehend von dem verstärkten Trend zu Kooperationssoftware in Unternehmen, mit deren Hilfe alle Beschäftigten zu Kommunikations- und Kooperationszwecken untereinander verbunden werden können, untersuchen sie die Frage, wann welche Vernetzungsstruktur sinnvoll ist. Die Autoren unterscheiden drei Arten sozialer Netzwerke mit unterschiedlichen Vernetzungsstrukturen, die jeweils für bestimmte Aufgabenstellungen besonders geeignet sind (vgl. die Darstellung in Abbildung 2). In Routinenetzwerken entsprechen die Verbindungen zwischen den Personen den festgelegten und den Personen zugewiesenen Arbeitsabläufen. Derartige Netzwerke entfalten ihre Stärke in der effizienten Bearbeitung bekannter, standardisierter Aufgaben. Eine weiter gehende interne oder externe Vernetzung würde keinen positiven Beitrag bringen, sondern die angestrebte Effizienz stören. Ein Beispiel für diesen Netzwerktyp ist die Arbeit in einem Callcenter. In modularen Netzwerken erfolgt die Vernetzung dagegen rollenbezogen. Derartige Netzwerke eignen sich für die Bearbeitung von ebenso modular zerlegbaren Problemen, deren einzelne Komponenten jeweils von Expertengruppen bearbeitbar sind, die aufgabenspezifisch zusammenfinden. Eine lockere ___________ 28

Vgl. Boisot (2000), S. 118f. Es gibt somit bei der Kombination von kognitiver Komplexität P und relationaler Komplexität K nur eine begrenzte Menge sinnvoller Paarungen, denen vier verschiedene organisationale Formen (Bürokratie, Markt, Lehensorganisation und Clan) zugeordnet werden können, vgl. Boisot / Child (1999), S. 241ff. sowie Boisot (2000), S. 119ff. 29 Vgl. z.B. Reagans / Zuckerman (2001) oder Cross et al. (2005). 30 Vgl. Reagans / Zuckerman (2001). 31 Zu den folgenden Ausführungen vgl. Cross et al. (2005).

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Meike Tilebein

Modulares Netzwerk

Individuelles Netzwerk

intern

intern

intern

intern

intern

intern

extern

extern

extern

Routinenetzwerk

Quelle: Cross et al. (2005), S. 79

Abbildung 2: Drei Arten sozialer Netzwerke

Vernetzung der einzelnen Module zum Zwecke der Koordination über Rollen, die bedarfsgerecht und aufgabenspezifisch verschiedenen Netzwerkmitgliedern zugewiesen werden können, ist das Charakteristikum eines solchen modularen Netzwerks. Es eignet sich besonders für komplexe Probleme mit bekannten Bestandteilen, die in nicht vorhersehbarer Reihenfolge auftreten, wie bspw. bei der Flugsicherung. Das individuelle Netzwerk schließlich ist zur Bearbeitung innovativer Aufgaben besonders sinnvoll. Hier sind die Netzwerkverbindungen zwischen den Gruppenmitgliedern und nach außen sehr dicht, um uneingeschränkten Informationsaustausch zu ermöglichen. Jedes Gruppenmitglied verfügt über einzigartige spezifische Fähigkeiten, die in der Kombination innovative Lösungen hervorbringen können. Ein Beispiel für den sinnvollen Einsatz einer solchen Netzwerkform ist die Medikamentenentwicklung.

E. Fazit und Ausblick Damit Diversität leistungssteigernd und innovationsförderlich wirken kann, muss sie in ein adäquates Beziehungsnetz eingebettet sein. Gelingt dies nicht, ist die Gefahr groß, dass die negativen Diversitätswirkungen überwiegen. Diversity Management als gezielte Gestaltung und Lenkung von Diversität kann Diversität somit nicht als singuläre Stellschraube begreifen, sondern muss die komplexen Strukturen berücksichtigen, in denen Diversität ihre Wirkung entfaltet. Die Komplexitätsforschung liefert theoretische Einsichten in das Zusammenwirken von Diversität und Interaktionsstrukturen in Netzwerken in Bezug auf deren Informationsverarbeitung. Diese Interdependenz von Diversität, Ver-

Diversity Management

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netzung und Aufgabenkomplexität von Teams sollte in den Mittelpunkt zukünftiger innovationsorientierter Diversity-Forschung gestellt werden. Entsprechend sollte Diversity Management Diversität und Interaktionsstrukturen gemeinsam gestalten. Erkenntnisse der Komplexitätstheorie können die Basis zu einer solchen kombinierten Betrachtung von Strukturen und kognitiver Diversität in Gruppen bilden. Sie können hier als Integrationsrahmen für die interdisziplinäre Forschung zum Diversity Management dienen. Es bietet sich an, dabei die Simulationsmodelle der Komplexitätsforschung zur Ergänzung empirischer Forschung und zur experimentellen Theoriebildung heranzuziehen.

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Internationalisierung in der Computer- und Videospielindustrie: Erfolg durch interkulturelle Teams? Von Jörg Müller-Lietzkow und Ricarda B. Bouncken1

A. Einleitung Nur wenige Branchen sind noch als Wachstumsbranchen aufzufassen. Zu diesen zählt die Computer- und Videospielindustrie. Mit stetigen Wachstumsraten zwischen 5–10 % p. a. hat sich die Branche zu einem der größten Teilmärkte der gesamten Medienindustrie entwickelt – und das weltweit. Es lässt sich beobachten, dass sich der globale 30 Mrd. US-$ Markt (ELSPA & Screen Digest, 2004) in drei wesentliche Kulturräume anhand des TriadeKonzeptes von Thurow (1993) teilt: Amerika, Asien (insb. Japan, Korea und China) und Europa. In Europa entwickeln Franzosen, Briten, Spanier und Deutsche sehr unterschiedliche Spielkonzepte. Der osteuropäische Raum (Tschechien, Russland, Polen) bietet typische „Mee-too“-Produkte an, die Kopien international erfolgreicher Produktionen darstellen, vielfach aber nicht deren Erfolg erreichen. Diese starke Ausdifferenzierung kultureller Unterschiede findet sich deutlich weniger bei Produktionen aus Nordamerika oder Asien. Gemeinsam ist allerdings allen Kulturräumen, dass nur ein Bruchteil aller großen Spielprojekte weltweit gleichmäßig erfolgreich ist. Asiatische Spiele im Anime- und Manga-Stil sind ebenso wenig in Europa erfolgreich, wie komplexe Wirtschaftssimulationen aus Deutschland in Amerika oder Asien „punkten“ können. Es stellt sich die Frage, ob interkulturelle und internationale Entwicklungsteams einen weltweiten Erfolg der global agierenden Computer und Videospielindustrie sicherstellen können? Die These lautet: Nur interkulturelle (virtuelle) Teams schaffen in einer globalisierten Welt der Computer- und Videospiele internationale Erfolge. Die Antithese lautet, dass auch klar auf einen Kulturraum begrenzte, nationale Entwicklungsteams international dauerhaft Erfolg haben.

___________ 1

Mit freundlicher Unterstützung durch Frank Sliwka.

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Jörg Müller-Lietzkow und Ricarda B. Bouncken

In Bezug auf interkulturelle Zusammenarbeit in den Produktionsunternehmen bietet die Literatur keine Informationen. Schaut man in Marc Menchers (2002) Insiderbuch über Karrieren in der Computer- und Videospieleindustrie, finden sich zahlreiche präzise Beschreibungen, welche Arten von Berufsfeldern innerhalb dieser Industrie zu besetzen sind. Ähnliche Beschreibungen finden sich auch bei Gershenfeld et al. (2003), die darüber hinaus auf einem allgemein gehaltenen Niveau auch einige Aussagen über das „Zusammenspiel“ der einzelnen Akteure leisten. Handbücher zur Programmierung und Entwicklung von Computer- und Videospielen gehen auf die Zusammensetzung von Teams überhaupt nicht ein (z. B. Dobrovka et al., 2003). Eine Ausnahme bildet der Reader von Laramée (2005), in dem zumindest einige Aufsätze Hinweise auf Teamarbeit liefern. Auch die Praktikerliteratur bietet kaum Empfehlungen zur Zusammensetzung. Lediglich im Kontext des Themas Game Producing wird auf das Management von Teams (relativ unspezifisch) eingegangen. Insgesamt beurteilt, bietet aber die Literatur zu dieser Industrie keinerlei Hinweise, welche Rolle Internationalität und Interkulturalität im Zusammenhang mit der Entwicklung von Computer- und Videospielen heute spielen. Zumindest gelten Computerspiele als Kulturgut in Deutschland (Griefhahn, 2004; Behrmann 2005) und unterliegen dementsprechend auch kulturellen Einflüssen. Es stellt sich also die Frage, welche Einflüsse durch Interkulturalität auf den Wertschöpfungsprozess in der Computer- und Videospielindustrie vorliegen und wie ein Umgehen mit den Unterschieden zu integrieren ist. Wären internationale Teams vorteilhaft, dann könnten auf einer strategischen Handlungsebene Empfehlungen für internationale Mediengroßproduktionen gegeben werden und auf politischer Ebene ein Beitrag zur Frage der Subventionierung der nationalen Entwicklung von Computer- und Videospielen (Behrmann, 2005) geleistet werden. Bei Vorteilen durch nationale Teams würde dennoch sehr vieles für eine nationale Förderung von Computer- und Videospielen, jenseits ökonomischer Interessen (Arbeitsplätze, Standortfrage etc.) vor dem Hintergrund der Förderung von Kulturgütern sprechen. Bei allen Überlegungen ist zu berücksichtigen, dass das Erfolgskriterium international dabei ein ökonomischer und nicht ein publizistischer Erfolg ist. Ausgangspunkt unserer Überlegungen ist der deutsche Entwicklungsmarkt, der international eher als kleiner Markt wahrgenommen wird (Deutschland: ca. 170 Entwicklungsstudios; USA: ca. 8.500 Entwicklungsstudios).

B. Grundlegende Branchenstruktur Die Computer- und Videospielindustrie wird von zwei dominierenden Gruppen gebildet. Dies sind zum einen die Entwickler (Developer) und zum anderen die Verleger (Publisher), die teilweise eigene Entwicklungsabteilungen oder

Internationalisierung in der Computer- und Videospielindustrie

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-töchter besitzen (Bouncken, R. B./Müller-Lietzkow, J. (2005). Im Rahmen einer ersten Untersuchung haben Bouncken & Müller-Lietzkow (2004) eine deutliche, oszillierende Machtasymmetrie zwischen Developern & Publishern festgestellt. Weiterhin konnte gezeigt werden, dass diese Machtasymmetrie auch sehr viel mit der internationalen Positionierung des Publishers zu tun hat. International renommierte Publisher, wie z. B. Electronic Arts oder Take 2 Interactive sind dabei in wesentlich stärkeren Positionen als z. B. ein primär deutscher Publisher, wie z. B. Koch Media oder Frogster.

Grafik

Presse

Künstl. Int.

Engines (Vorprodukte)

Internet

Label

Produzent/ Entwickler

Publisher (Marketing) PR

Musik Qualität

Online

Leveldesign

Großhandel

Sammlungen

Illegal

Handel

Prosument/ Konsument

Presse

Addon Maps

Quelle: Bouncken/Müller-Lietzkow 2004

Abbildung 1: Wertkettenverflechtung in der Computerspieleindustrie

Die deutsche Entwicklerszene ist kreativ, aber zersplittert und relativ klein. Nur wenige Firmen erreichen eine Größe von über 50 Mitarbeitern, die aber für internationale Spitzenproduktionen notwendig ist. Die deutschen Entwicklungsproduktionen sind darüber hinaus meist zu stark am deutschen Markt orientiert. Der deutsche Markt selbst zeichnet sich gegenüber dem internationalen Markt durch eine Dominanz von PCs als Plattformen sowie Strategie- und Aufbausimulationen als Spielgenres aus. International haben dagegen Konsolen ca. zweidrittel Marktanteil (bzw. rechnet man die Kleinkonsolen mit hinzu 75%). Bei ihnen ist vor allem das Risiko der Softwarepiraterie noch deutlich geringer als bei PC-Spielen und somit eigentlich das interessantere Feld für Hersteller. Weiterhin zeichnet sich der deutsche Markt durch eine geringere Nachfrage nach „Shootern“ bzw. gewalthaltigen Spielen aus. Stattdessen werden stärker Strategiespiele und Simulationsspiele, die höhere Investitionen in das Zeitbudget der

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Jörg Müller-Lietzkow und Ricarda B. Bouncken

Spieler zum Erlernen des Spiels erfordern, als in anderen Märkten nachgefragt (vgl. VUD-Daten 2000–2004). Die Anbietersituation ist durch die sehr starke nationale Orientierung der Spiele gekennzeichnet. Diese finden selten im Weltmarkt Anklang. Deutsche Entwicklungsstudios haben es schwer, internationale Publisher für Spitzentitel zu finden. Internationale Publisher legen großen Wert auf global verkaufbare Produkte, kosten die Produktionen doch bis zu 35 Mio. US-$ (z. B. Enter the Matrix (Atari, 2004); World of Warcraft (Blizzard, 2005)). Insbesondere, wenn die Macht des Publishers sehr groß ist, werden daher nicht selten, in rein nationale Teams internationale Elemente integriert (z. B. Co-Produzenten oder Controller). Dies haben international erfolgreiche Entwicklungsteams schon vor längerer Zeit erkannt. Nicht selten finden sich heute schon bei Großproduktionen, die auf den globalen Markt ausgerichtet sind, Menschen aus allen drei Kulturräumen der Triade, zumindest aber amerikanische und asiatische Teammitglieder. In Deutschland hat die Firma Crytek aus Coburg mit großem international kommerziellen Erfolg auf dieses Konzept gesetzt. Das Produkt war international konkurrenzfähig und traf weltweit (vorrangig Amerika und Europa) den Geschmack der Konsumenten.

C. Virtuelle Teams in der Spieleentwicklung Die Produktion von Computer- und Videospielen hat viele Elemente der Softwareproduktion und bietet damit Raum für virtuelle Produktion und virtuelle Teams. „Virtualität spezifiziert also ein konkretes Objekt über Eigenschaften, die nicht physisch, trotzdem ihrer Leistungsfähigkeit nach vorhanden sind.“ (Scholz, 1997, S. 321). Durch den digitalen Charakter, lässt sich Software nach dem erweiterten virtuellen Paradigma und weltweit entwickeln. Dabei müssen Softwareentwickler nicht permanent an einem Ort zusammenarbeiten, vor allem wenn Software kein nationales Produkt ist. Virtuelle Teams bilden auf der Mikroebene virtuelle Organisationsstrukturen ab und ermöglichen die Zusammenstellung von Spezialistenteams sowie eine hohe Flexibilität bzgl. der Projektgestaltung. Virtuelle Teams bieten somit eine strategische Alternative zu bisherigen Teamstrukturen (Lipnack & Stamps, 1998; Müller, 2001; Rittenbruch et al., 2001; Konradt & Hertel, 2002). Virtuelle Teams sind eine Gruppe von Menschen, die mittels voneinander abhängiger – interdependenter – Aufgaben, die durch einen gemeinsamen Zweck verbunden sind, interagieren. Im Gegensatz zu konventionellen Teams arbeiten virtuelle Teams durch die Nutzung moderner IuK-Technologien gemäß dem erweiterten virtuellen Paradigma. Die räumliche und zeitliche Entgrenzung ist vor allem deshalb von Bedeutung, weil einige Merkmale klassischer Teamarbeit (z.B. Rosenstiel, 1992,

Internationalisierung in der Computer- und Videospielindustrie

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S. 306 ff.; Krystek et al., 1997, S. 57 ff.; Jost, 2000, S. 407 ff.) in Frage gestellt werden. Hierbei geht es insbesondere um starke Gruppenkohäsion einerseits und Teamgeist andererseits sowie relativ intensive wechselseitige Beziehungen im Team. Daraus folgt: Virtuelle Teamarbeit ist nicht für alle Aufgabenstellungen, für viele aber besonders gut geeignet ist. Allerdings spricht nichts dagegen, in der Teamarbeit „reale“ und „virtuelle“ Phasen miteinander zu verknüpfen und damit alle Kommunikationskanäle (Multikanalansatz) zu nutzen (Kostner, 1998). Teamarbeit, ob virtuell oder am selben Ort, wird bei internationalen Mitgliedern durch deren kulturellen Hintergrund beeinflusst. Kulturelle Unterschiede wurden bereits von Studien untersucht. Bekannt sind vor allem Hofstede (1993), Hampden-Turner/Trompenaars (2000) sowie Hall/Reed-Hall (1990). Deren Kulturtypologien sind allerdings uneinheitlich in ihren Dimensionen. Hofstede (1993) unterscheidet vorrangig vier Kulturdimensionen: (1) Unsicherheitsvermeidung, (2) Maskulinität versus Femininität, (3) Machtdistanz sowie (4) Individualismus versus Kollektivismus. Hall & Hall (1990) prägen die Unterscheidung von Kontext-, Raum- und Zeitorientierung sowie Informationsgeschwindigkeit. Hampden-Turner&Trompenaars (2000) gehen von sechs Kulturdimensionen aus: (1) Universalismus versus Partikularismus, (2) Individualismus versus Kollektivismus, (3) Affektivität versus Neutralität, (4) Spezifität versus Diffusität, (5) Statuszuschreibung versus Statuserreichung sowie (6) Zeitverständnis. Deutlich wird allein durch das Aufspannen dieser unterschiedlichen Dimensionen, dass interkulturelle Zusammenarbeit Vorteile, aber auch Problemfelder durch unterschiedliche Wertesysteme und Handlungsmuster der Teammitglieder hat. Die Vorteile unterschiedlichen in die Arbeit eingebrachten Wissens über Technologien oder Märkte kann leicht aufgebraucht werden, wenn die Teams hohe interindividuelle Konflikte haben. Unterschiedliche Arbeitsstile führen zumindest dazu, dass Arbeitsprozesse in anderer Weise und mit anderem Zeitverständnis durchgeführt werden. So können sehr unterschiedliche verinnerlichte Auffassungen darüber existieren, ob Aufgaben parallel (polychrones Zeitverständnis) oder hintereinander (monochrones Zeitverständnis) durchgeführt werden. Schon dies zeigt, dass unterschiedliche Auffassungen zu Störungen von Erwartung und Erfüllung führen können, die wiederum Konflikte auslösen. Ein weiteres Beispiel sind divergente Auffassungen zum Inhalt der Kommunikation. Kommunikation kann stark faktenbasiert ablaufen. Dann wird vorausgesetzt, dass alle Informationen, die zur Erstellung der Teamarbeit erforderlich sind, direkt übermittelt werden. Innerhalb des Teams wird dann klar, sehr deutlich und umittelbar über Aufgaben gesprochen oder es werden sogar Aufgaben schriftlich fixiert. Anders kann Kommunikation stärker umfeldbezogen und ungerichtet und auf der Basis von stillschweigendem Wissen ablaufen. In einem Entwicklungsteam treten demzufolge Spannungen auf, weil zu viele oder wenige

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Jörg Müller-Lietzkow und Ricarda B. Bouncken

Details transferiert werden. Mitarbeiter sind dann entweder überinformiert, nicht ausreichend informiert und somit unzufrieden mit der Teamarbeit. Noch drastischer wird dies angesichts von virtuellen Teams. Kernmitglieder arbeiten dann unter Ko-Präsenz direkt zusammen und sind in der Lage kodifiziertes und stillschweigendes (implizites) Wissen auszutauschen. Konflikte werden schneller offenbar und mittels integrierten Konfliktmanagements sichtbar. Mitglieder, die entfernt davon arbeiten, können ein starkes Defizit an implizitem Wissen empfinden und Konflikte erst dann spüren und bewältigen, wenn sie sehr stark und offenbar sind. In der Computer und Videospielindustrie sind heute virtuelle Teams typisch. Die Frage ist nur, ob es sich um internationale/interkulturelle oder nationale Teams handelt. Der Faktor der Interkulturalität sowie der Einfluss internationaler virtueller Teams auf die Endprodukte kann Einfluss auf den Markterfolg haben.

D. Entwicklungs- und Produktionsprozesse Eine genauere Beschäftigung mit dem Produktionsprozess verdeutlicht, warum die Integration virtueller Teams ein sehr relevantes Thema für die international ausgerichteten Unternehmen ist. Im Wesentlichen gibt es zwei Produktionsphasen nach der Ideenfindung. Die erst reicht bis zur Entwicklung eines Prototypen bzw. einer Demoversion. Diese Phase versuchen die Teams relativ kostengünstig zu gestalten. Hier bietet sich die Arbeit mit freien Kräften an. Des Weiteren, sollte ein Projekt fortgeführt werden, benötigt man internationales Know-How. Auch hier bietet es sich, sollten diese Kräfte nicht unmittelbar verfügbar sein, an, auf virtuelle, interkulturell gemischte Teamstrukturen zurückzugreifen. Abbildung 2 veranschaulicht diesen Prozess. In der jüngsten Ausgabe des Entwicklermagazins „Gamesstar/dev/“ schildert der freiberufliche Spieleproduzent Michael Hengst genau diese Notwendigkeit der internationalen Ausrichtung in flexiblen Teamstrukturen einprägsam am Beispiel der Konkurrenzprodukte Sacred (Ascaron 2004) und Spellforce (Phenomic 2004). Im Gegensatz zu Spellforce, welches international nur mäßig erfolgreich war, schaffte man mit Sacred über einen solchen interkulturellen, internationalen Ansatz auch ein in den USA erfolgreiches Produkt zu generieren (über 250.000 Stück Absatz in den USA). Eine ganz zentrale Rolle im Rahmen der hier skizzierten Produktionsmethodik nimmt dabei der Produzent (wie z. B. der gerade zitierte Michael Hengst) eines Spieles ein. Ähnlich aber nicht gleich dem Produzenten eines Spielfilms ist er der Manager konkreter Projekte und dementsprechend auch für die Steuerung virtueller, interkultureller Teams verantwortlich. Entsprechend gestaltet er

Internationalisierung in der Computer- und Videospielindustrie

Gold Master Prototyp Setup-/ Seed-Phase

Lokale Teams

Preproduktion

Lokale Teams & Freelancer

Pre-Produkte (z.B. Engines)

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Publisher

Beta Master Alpha Produktion

Lokale oder virtuelle Teams

Postproduktion

Lokale Teams

Outsourcing (z.B. Musik)

Abbildung 2: Wertschöpfung und Teams

Produktionspläne, ist verantwortlicher Human Resources Manager und zumindest in Teilen auch für das Qualitätsmanagement verantwortlich. Er kann als „Boundary Spanner“ in den Produktionsnetzwerken der Spieleentwicklung gesehen werden (vgl. Irish, 2005; Laramée, 2005). Produzenten koordinieren also als Orchestratoren (Heuskel, 1999) den gesamten Produktionsprozess. Faktisch entscheiden sie indirekt durch die Teamzusammensetzung und die Arbeitsorganisationsform auch über Erfolg und Misserfolg in internationalen Märkten durch den entsprechenden kulturellen Einfluss (wesentlich ist hierbei anzumerken, dass Erfolg hier ausschließlich ökonomische Kenngröße zu interpretieren ist). Ein Mitglied eines deutschen Entwicklungsstudios (Master Creating) beschreibt, wie a) die virtuelle Integration international renommierter Experten gelungen ist und b) gleichzeitig aus ehemals fluiden Verbindungen inzwischen ein interkulturell aufgebautes internationales Entwicklungsunternehmen entstanden ist (Gamesstar/dev/). Insbesondere das ehemalige Unternehmen Rauser Advertainment nutzte virtuelle Teams für Entwicklungsprozesse. Torsten Rauser hat schon Ende der 90er Jahre die Vorteile telekooperativer Arbeitsorganisationsformen sowie die Potenziale der Integration internationaler Spitzenexperten erkannt und ein Netzwerk von weltweit über 100 Freelancern bei einem festen Personalstamm von lediglich 5 Angestellten als Produzent von Werbecomputerspielen erfolgreich gesteuert (vgl. Wüthrich et al., 1997; MüllerLietzkow, 2003).

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Jörg Müller-Lietzkow und Ricarda B. Bouncken

Interkulturelle, virtuelle Teammodelle können helfen, die Märkte besser zu bedienen. Vorteile liegen in der Verringerung des Mangels an Wissen über internationale Märkte.

E. Empirische Ergebnisse I. Methodik In dieser Studie geht es darum, festzustellen, ob und wie in dieser Industrie internationale oder interkulturelle Teams eingesetzt werden. Dazu wurden halbstandardisierte Interviews mit Geschäftsführern in der Computer- und Videospielbranche geführt. Unsere Interviewpartner können durchweg als hochrangige Vertreter mit internationalen Blockbuster-Erfolgen gesehen werden. Zum einen wurden mit Publishern acht halb-standardisierte Interviews geführt (u. a. Electronic Arts Codemasters, Aruba-Studios). Diese wurden zunächst als Fälle für sich allein interpretiert und danach wurde ein Vergleich der Einzelfälle angestellt (Eisenhardt, 1989; Yin, 1984). Darüber hinaus haben wir international zehn sehr erfolgreiche Entwickler mittels halb-standardisierter Interviews während der Games Convention Developer Conference in Leipzig im August 2005 befragt. Wenn man nach kulturellen Einflüssen bei Spielen fragt, muss man berücksichtigen, dass vor dieser Frage gegebenenfalls die Frage nach Genrepräferenzen zu klären ist, da selbst wenn man davon ausgeht, dass man kulturelle Einflüsse bei einem Spiel berücksichtigt hat, ein Produkt vollständig am Markt vorbeigehen kann. Es würde allerdings den Rahmen sprengen, hier eine globale Präferenzanalyse durchzuführen und es sind nicht grundsätzlich die präferierten regionalen Genres, welche weltweite Erfolge verzeichnen können. MüllerLietzkow et al. (2006) haben allerdings belegt, dass es global drei verschiedene Präferenzräume gibt, die sich im Rahmen eines Triadekonzepts beschreiben lassen: • Nordamerika: Ego-Shooter, Action, Echtzeitstrategie, • Asien: Beat’em’Ups, Anime, Action-Adventure, • Europa: Sport, Echtzeitstrategie, Simulation, Casual Games. Darüber hinaus soll angemerkt werden, dass regionale Präferenzen nicht Grundlage von internationalen Erfolgen sein müssen, sondern internationale Erfolge vor allem durch gute Verständlichkeit, hohe Qualität und internationale Kompatibilität gekennzeichnet sind. Nicht selten werden dabei Verbindungen zu Lizenzen aus Film, Fernsehen und Sport gesucht, die den Transfer von Spielkonzepten erleichtern. Ein signifikantes Beispiel mag z. B. sein, dass das erfolg-

Internationalisierung in der Computer- und Videospielindustrie

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reichste Fußballspiel „Fifa“ aus Kanada kommt, einer Nation, die eher im internationalen Fußballgeschäft unbekannt ist. Gerade amerikanische Studios haben dabei den Vorteil einer großen Nähe zur US-Kinoproduktionsfabrik Hollywood. Umgekehrt bedeutet dies, dass interkulturelle Teams vor allem die Wahrscheinlichkeit globaler Erfolgsprodukte heben können, nicht aber unbedingt immer gleichzeitig für alle drei angesprochenen Präferenzräume gleichmäßig erfolgreich arbeiten können.

II. Ergebnisse Es zeigte sich vor allem, dass die US-Entwicklungsstudios eine andere Ausgangsbasis als die deutschen haben. Erstens gibt es sehr viele Asiaten in Amerika, die als Entwickler zur Verfügung stehen. Zweitens gibt es insgesamt wesentlich mehr Computer- und Videospielentwickler und daher eine höhere Qualifikationsbreite und -tiefe. Daher, so u. a. Bob Bates (ehemals Studiochef Legend, heute Vorsitzender der IGDA (wichtigster weltweiter Entwicklerverband), „sei eine Integration interkultureller Mitarbeiter in Entwicklerteams wesentlich leichter und es wäre nicht erforderlich dies unbedingt von außen durch global agierende virtuelle Teams zu tun“. Gerade Bob Bates aber verwies darauf, dass er derzeit selbst als virtuelles Teammitglied bei einer europäischen Produktion mitwirken würde. Hier hat sich die interkulturelle Integration im virtuellen Team als stark vorteilhaft erwiesen. Seine Prognose lautete, dass es „eben vor allem für europäische Teams eine gute Gelegenheit sei, bisherige Nachteile im Vergleich zu us-amerikanischen oder asiatischen Teams auszugleichen“. Gerald Köhler (Electronic Arts): „Immer wenn deutsche Studios in der Vergangenheit Erfolg hatten, haben sie gleich die Nerven verloren und das verdiente Geld für Unfug ausgegeben. Dementsprechend sind die Firmen fast alle wieder verschwunden. So konnte sich hier keine längerfristige Struktur etablieren. Zudem beschränkten sich die meisten Studios darauf, sich abzuschotten und nur für Deutschland zu entwickeln. Dem Wettbewerb hat man sich nie wirklich gestellt. Erschwerend kommt hinzu, dass die Finanzierung von Games in Deutschland sehr schwierig ist und war.“ Nur wenige deutsche Entwicklerstars, wie Gerald Köhler oder Julian Eggebrecht schaffen es, über die nationalen Grenzen heraus bekannt zu werden. Gerald Köhler verantwortet heute die Entwicklung des äußerst erfolgreichen Fußballmanagers der Firma Electronic Arts und Julian Eggebrecht hat sich schon vor Jahren in den USA mit seinem Unternehmen Factor 5 und Star Wars Lizenztitel einen Namen gemacht. Fragt man nun, warum deutsche Teams weniger erfolgreich sind, als weltweit andere, so gibt Köhler eine sehr klare Antwort, die kein besonders gutes Licht auf die deutsche Entwicklungsgemeinschaft wirft. Eggebrecht sieht auch, trotz hoher Sympathie für Deutschland, weniger

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Jörg Müller-Lietzkow und Ricarda B. Bouncken

Chancen für sein Unternehmen, als dies in Amerika möglich ist. Sehr interessant ist gerade bei Eggebrechts Unternehmen, dass er zunächst zwar nicht die Organisation oder die Teamzusammensetzung verändert hat, aber mit seinem kompletten Team in die USA gegangen ist. Implizit fließen dann naturgemäß (inter)kulturelle Einflüsse auf die Produktentwicklung ein. Darüber hinaus herrscht in den USA die größere Konsolenkompetenz und das Team von Eggebrecht ist genau hierauf fixiert und entsprechend (interkulturell) gewachsen. Bei den deutschen Entwicklungsstudios sahen alle internationalen Experten, dass es zumindest in den Bereichen Storytelling und Game Design vorteilhaft wäre, sich internationaler auszurichten. Allerdings geht es weniger um kulturelle Differenzen als um Zugänglichkeiten zum Spieler. Der Grund ist, dass Wissenslücken über die Entwicklung von internationalen Triple A-Titeln herrschen. Es wurde kritisiert, dass das deutsche Spielverständnis zu komplex sei und die Userinterfaces entsprechend schwierig erlernbar sind. Gerade Amerikaner seien es aber gewohnt leicht zugängliche Interfaces zu haben. Hier schlug ein Interviewpartner vor, amerikanische Spezialisten zumindest in der Qualitätssicherungsphase (virtuell) einzubinden. Dass Teams nicht zwingend groß sein müssen, belegt eine Aussage von Bill Roper im Rahmen der GC Developer Conference (August 2005), dem vielleicht weltweit erfolgreichsten Entwickler aller Zeiten (u. a. Diablo, Warcraft). Kernteams können heute seiner Meinung nach sehr schlank gehalten werden. Dies schont einerseits Budgets und zum anderen hat es den Vorteil, dass sehr zielgerichtet Top-Spezialisten temporär in virtuelle Teams integriert werden können. Dies deckt sich mit der Einschätzung anderer Experten, dass virtuelle Teams immer mehr die Normalität in der Computer- und Videospielentwicklung sind. Ansonsten lieferten die Experten bei den Spieleentwicklern (insgesamt 10) sehr unterschiedliche Antworten auf andere Fragen nach interkulturellen Teams. Aus einer amerikanischen Perspektive meinte z. B. Bill Anker (ehemaliger VicePresident Activision), dass dort national ein hinreichender kultureller Pluralismus herrsche. Dem widersprach Bob Wallace insofern, als dass er anmerkte, dass es durchaus inzwischen einige Spezialisten in Deutschland gäbe, die nicht in den USA leben würden, aber der US-Produktentwicklungen gut tun würden. Diese Fallbeispiele zeigen, dass bei Mediengroßproduktionen mit internationalem Anspruch, interkulturelle (virtuelle) Teams prinzipiell erfolgreichere Produkte entwickeln als rein auf einen (kleinen) Kulturraum beschränkte nationale, kulturell gleichförmige Teams. Wie die Auswertung der Experteninterviews gezeigt hat, sind virtuelle interkulturelle Teams sicher nicht der alleinige Erfolgsschlüssel für deutsche Entwicklungsstudios um zukünftig im internationalen Geschäft erfolgreich zu sein. Aber gerade die Aussagen der US-amerikanischen Experten zeigen, dass durch interkulturelle Teams die Wahrscheinlichkeit, den internationalen Geschmack

Internationalisierung in der Computer- und Videospielindustrie

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zu treffen erheblich ansteigt. Interkulturelle bzw. virtuelle Teams werden innerhalb der Computer- und Videospielindustrie in Asien und Amerika ohnehin als gegeben angesehen. Zunehmend wird dies auch, so Bill Anker, für Europa gelten.

F. Schlussfolgerungen und Fazit Virtuelle Teams stellen eine gute Möglichkeit für Unternehmen, auch Start Ups, in der Computer- und Videospielindustrie dar. Dabei können durch virtuelle Teams sowohl Wissensvorteile als auch kulturelle Unterschiedlichkeiten genutzt werden, ohne dass man gleich zahlreiche internationale Kräfte an einem Ort bündeln muss. Insbesondere bei schnell wachsenden Studios gibt es zunächst einen gewissen Zwang zur Virtualisierung. Dies hängt einerseits mit den relativ raren Human Ressourcen für Spezialfähigkeiten innerhalb der Branche insgesamt zusammen und andererseits mit der Notwendigkeit für internationale Märkte zu produzieren. Mittelfristig hat es sich allerdings gezeigt, dass der Aufbau eines lokalen Kernteams unumgänglich für größere Produktionen ist. Interkulturalität spielt hier insofern eine große Rolle, weil interkulturelle (virtuelle) Teams zwar nicht zwingende Voraussetzung sind, wohl aber eine Chance auch für kleinere Nationen bieten, international konkurrenzfähige Titel zu entwickeln. Gerade das Beispiel Deutschland zeigt, dass der Zugang zu den amerikanischen und erst recht den asiatischen Märkten nahezu nicht mit eigenen Möglichkeiten zu schaffen ist. Daher wird es, so bestätigten auch zahlreiche Experten in den einzelnen Interviews, um den internationalen Anschluss herzustellen, für deutsche Teams sehr wichtig werden, internationale Spitzenexperten einzubinden – egal ob virtuell oder lokal. Diese zentralen Erkenntnisse bleiben zugleich auch Ausgangspunkt der weiteren Forschung. Wenn interkulturelle Einflüsse die ökonomischen Erfolgsaussichten von Projekten in der Computer- und Videospielindustrie erhöhen, welche Auswirkungen hat dies dann auf die Qualität, die Vielfalt und auch die kulturelle Identität von Computer- und Videospielen? Dann aber verwandelt sich die bisher ökonomische geprägte Fragestellung in eine medien- und kommunikationswissenschaftliche. Darüber hinaus ist zu klären, ob alle Funktionen der Computer- und Videospielentwicklung durch virtuelle Teammitglieder besetzbar sind? Dies muss wahrscheinlich negiert werden. Es gibt zu lange Phasen, trotz des Projektcharakters, die eine lokale Präsenz erfordern. Andererseits zeigte das Beispiel Rauser Advertainment in den 90er Jahren, dass theoretisch ein solches Konstrukt denkbar ist (vgl. Wüthrich et al., 1997; Müller-Lietzkow, 2003). Des Weiteren stellt sich vor dem Hintergrund der weiteren Forschung die Frage, ob die interkulturelle (virtuelle) Kooperation automatisch eine Qualitäts-

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Jörg Müller-Lietzkow und Ricarda B. Bouncken

veränderung oder gar -verbesserung von Computer- und Videospielen impliziert. Hier kommt man allerdings unweigerlich in die Problematik der Bestimmung des Qualitätsverständnisses bei Medienprodukten (vgl. Müller-Lietzkow, 2006). Eine Antwort muss an dieser Stelle offen bleiben. Schließlich ist nicht klar, ob die durch eine interkulturelle Kooperation ausgelöste Homogenisierung von Computer- und Videospielen mit dem Weltmarkt wünschenswert ist. Verlieren Computer- und Videospiele damit nicht ihren kulturellen Anspruch?

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Teil E Innovation und Gründung im interkulturellen Kontext

Innovation Failure in an International Joint Venture: Exploring the Need for a Global Innovation Strategy By Thorsten Teichert and Thomas Lechler

A. Introduction Companies and researchers are struggling with the daunting challenges of both radical as well as global collaborative innovation. First, joining different corporate cultures inherently increases diversity. Second, spatial disparity is affected once an international R&D collaboration relies on services provided by distant partners. In order to create synergies, integration of inputs and processes are needed. While isolated bottom-up project activities may lead to single market hits in a less interrelated environment, a much more strategic approach to innovation is needed to ensure a long-term competitive advantage in the global competition. Thus, the importance of a global innovation strategy increases. From a process perspective, a global innovation strategy transforms the overarching corporate vision into objectives at the program and the project level. This process integration has to be complemented by a purposeful integration of activities, resources and competencies to enable knowledge integration to occur on a day-to-day basis of project work. We argue that this importance of a global innovation strategy has been undervalued in the past: While the integration of objectives constitutes a widely recognized and well researched issue in strategic planning literature, there are few research efforts that analyze innovation strategy as a key linkage between corporate strategy and innovation portfolio. We question whether past research addresses the very causes or only the symptoms of day-to-day problems in global innovation management. We pose the question: Do cultural issues really constitute major innovation barriers or are they the consequences of insufficient process integration? An alignment of objectives and means-ends relations is clearly a necessary precondition before any type of interface management can contribute to successful process integration. We analyze Concert, a joint venture between AT&T and BT that started out with a global innovation vision and ended in a failure with US$ 5 billion reported losses. We analyze the innovation processes and conceptualize generic problems above and beyond the joint venture setting. We focus on the problemsof goal, information and structural integration across different organizational

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Thorsten Teichert and Thomas Lechler

units located in different countries, international markets and complex technologies connected to radical high-tech innovations. In particular we analyze connections between three different conceptual levels: process, structure and strategy.

B. Study Design A conceptual framework was developed to structure and analyze information at two different points in Concert’s lifecycle. The framework focuses on Concert’s innovation goals and their implementation in the global context. We started with a basic framework representing the integration and transformation problems within innovation processes. Our basic assumption is that innovation success depends on the extent of the achieved integration between planned innovation goals and organizational structures supporting the implementation of these goals. The mission and vision statements of an organization represent the latent goals. The strategy operationalizes these goals into planned project portfolios and integrates organizational structures and resources, which together enable the implementation processes. Feedback should lead to iteration to keep the strategy current and implementation processes appropriately targeted and resourced. The problem is that discrepancies between integration need and integration potential cannot be directly compared and can only be observed on the process and output levels (see figure 1). If the results on the process level are not congruent with the innovation goals, management has two choices: to adapt the innovation goals or to choose different instruments. Both alternatives aim to close the integration gap. Goal setting and problem solving are interdependent for innovation processes (Hauschildt, 1977). Due to the premature status of global innovation research we used a case study approach to analyze the dynamics of Concert. The data collection was organized in three distinct phases: Phase 1: In phase one, we analyzed a broad range of secondary data from four perspectives: The first category consists of reports published in magazines and journals about the telecom industry in general (Sussan and Oh, 1996; Waverman and Sirel, 1997; Sarkar et al., 1999; Anon., 1999; Woodgate, 2000; Cave and Prosperetti, 2001; Hagemann, 2001; Dukart, 2001; or Mina, 2003). Specific press articles about Concert constitute the second category. Information was gathered from special magazines targeting the telecom industry, as Telephony or Telecommunications, and from business sources as the Wall Street Journal and the Financial Times (Gerwig, 1998; Greene, 1998; Naik et al.,

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Concert Mission Global Innovation Strategy

Project Portfolio

Innovation Process (Integration)

Structure Resources

Innovation Output

Figure 1: Conceptual Case Study Framework

2000; Lynch, 2000; Latour and Ascarelli, 2001; Weber, 2001; or DeZoysa, 2001). The third category includes internal source information: general and factual information was gained from press releases and published business numbers (AT&T, 1998, BT 1999, or AT&T et al., 2000), additional information about stated strategy and pursued NPD projects was gained by documents with semi-official status such as customer presentations, in-depth reflections and procedural information derived from internal working papers or teaching material from internal workshops (White Paper, 1998; and Network Presentation, 1998). A final category of secondary data stems from third party authors as governmental organizations: Rich information was found in the releases of the FCC and the European Commission which dealt with the joint venture approval. In addition, NGOs were publishing about Concert (FCC, 1999; and European Commission, 1999). Phase 2: In phase two we contacted nine key members of the former management board from diverse functional areas of Concert (among them are the VP of Engineering, different project managers, the VP of Architecture and Strategy, and the COO). Interviews were conducted by telephone conference, lasting 45 to 90 minutes. The interview partners received preparation material, which was similar for all of the interviewees although adapted to the specific role of the interviewee in Concert. The interview technique can be described as focused interview (Millward and Freeman, 2002.). The interviews were open discussions, guided with a list of questions, communicated prior to the interview. For every interview a report was written which was sent back to the interviewee for approval. In total eighteen in-depth interviews were conducted. Phase 3: In the third phase, a questionnaire was sent to all interviewees. Eighty percent answered and returned the questionnaire.

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The different data sources allowed us to verify information gathered from interviewees. Objectivity was also assured that one member of the research team was herself a former employee of Concert and familiar with many issues. Even though, some information was not available since Concert was terminated 3 years after its launch with serious impact on both parental companies and especially on the employees of the JV. In some instances interviewees were not willing or able to talk about sensitive issues like budget dimension.

C. Results I. Timeline of Key Concert Events In the first step of the data collection process we identified specific critical events over the life cycle of Concert. These events were then used to define two distinctive points in time to compare the global innovation management status.

Jul 98: constituti ng agreeme nt

Dec 98: acquisitio n of the IBM network

Jan 00: internal kick-off

Apr 00: official launch

Oct 01: announcem ent of unwinding

4Q00: CEO change

4Q01

3Q01

2Q01

1Q01

4Q00

3Q00

2Q00

1Q00

4Q99

3Q99

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1Q99

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2Q98

t

transition phase

Figure 2: Timeline of Critical Events in Concert’s Lifecycle

The first point in time we have chosen for the comparison is the official start of Concert in the beginning of 2000. All preceding activities cumulate at this date and represent the end of the transition phase. The deficits of the integration efforts could be explored in later stages. The second point in time we refer to is just 12 months later at a time when the CEO changed and when the failure of Concert was internally discussed and expected and both partner companies began to withdraw resources. It was also the time when the innovation goals were significantly changed; in particular the project portfolio came under pressure due to the new situation.

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II. Analysis at Point One: Beginning of 2000 Our analysis follows the conceptual levels of the framework. Starting with the initial mission and vision of Concert, we investigate the defined project portfolio, the resource allocation and the organizational structures and we ask whether a complementary innovation strategy was defined. We do not focus on the goals or strategy of the operations. We investigate the instruments applied to implement the strategic objectives. Finally, the ongoing processes of collaborative research activities are analyzed to assess the knowledge integration.

1. Vision and Strategy The initial concepts for Concert were identified in 1996-1998 when the “new economy” was seen as a competitive threat to traditional businesses. Both AT&T and BT recognized a strategic opportunity together to strengthen their competitive positions. They saw the potential for a new communication technology based on internet protocol (IP) which could provide a first-mover advantage against other players, at large scale. They colaborated to share the risks of such a breakthrough innovation and to exhibit the critical mass needed for diffusion once a technological solution was achieved. Thus, Concert can be characterized as an attempt to manage a radical innovation. This vision was established by Concert with a technology-based mission, which was largely agreed upon and even served as mission for the entire company: “This goal was very clear. Concert had to be an IP company.” Once the IP technology was established as a substitute for the traditional telephone technology, it was understood that the parent companies would also need to adopt the IP direction. The technological solutions were meant to be used in the business operations of the parent companies. The corporate mission of IP was translated directly into innovation objectives for a system innovation at two layers: On the lower layer, an overall IP architecture was needed to establish a sophisticated operational platform. This includes a physical IP backbone, which spans all relevant locations of Concert’s customers and a software platform (analogous to a PC “operating system”) which links the physical network with the IP applications. The creation of specific value-added services was then the objective at the second, higher layer. Here the objective was to “create, deploy, monitor and manage an ever increasing number of interoperable services” (White Paper, 1998). In accordance, the objectives of Concert Technologies (CT), the innovation unit of Concert, were twofold: to create the IP architecture and to create new IP services. While the entire IP architecture was to be designed at CT, it was not intended to locate all R&D tasks at CT. Instead, Concert had to specify only an

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initial set of new IP services, which would be completed by developments in the R&D organizations of the parent companies. Overall, the goals for Concert’s products were corresponding to the architectural goals. The new architecture was the core of the technological change on which all partners are able to develop new applications. The development of initial new products in CT did serve to establish an architecture that could efficiently support the fast new product development (NPD) process and the operations of the new products. By this means, it was intended to simultaneously realize a standardization of a common product platform and a customization to different customer needs (Barczak, McDonough; 2003). This two-sided innovation strategy was very promising, as it would allow for a joint realization of economies of scale as well as scope: The joint pursuit of the global IP architecture provided the chance to immediately realize economies of scale: operating costs were intended to be reduced quickly by common global network standards and maintenance operations.

2. Structures (Resources and Knowledge) As far as structure is concerned, the architecture and requirements were to be resourced and executed directly within Concert and the subsequent development activities were to be allocated to development resources in AT&T and BT. The Concert people were located in the UK, east coast US and west coast US. The development BT employees were in England and Scotland, the AT&T employees were all over the US and Asia; including the newly acquired IBM global network personnel. However, the initial structural setting revealed incomplete specifications. At first, boards and responsibilities were not clearly arranged, as two interviewed managers described: “There are lots of management boards and lots of people who think they are on the management board” (r2). “Boards [that set the innovation goals] had various names at various stages” (r5). Secondly, resources were not in place as foreseen: “We just didn’t win the hearts of minds and there weren’t resources to pull it on.” (r4). Furthermore, goal setting included statements of results, i.e., technical properties that were to be established, but rarely inputs necessary to realize these planned outcomes. The IP network needed to be innovated, since there were initially only pieces that could be interconnected. Furthermore, CT was not able to access all the knowledge developed over the years in the parent companies. Thirdly, and a major impediment, the joint venture served as a separate marketing unit, while the R&D function was not fully integrated into CT. This caused competition at the operational level. Here, the structural problem was that the alliance did not establish a separate new product management organization responsible for new innovative services/products.

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The initial goals can therefore be viewed as too innovative, they created an integration need that was impossible to overcome. These problems of the identified gap between old and new businesses became in the later stages obvious.

3. Projects/Products Within the vision statement, the goal for the products is stated as dependent on the customer needs: “servicing the complete communication needs of MNCs […] around the world.” (Network Presentation, 1998). The core of the initial idea is a set of products with global reach and broad functionality range based on the IP architecture. However, given that IP was conceived as radically new, Concert perceived difficulties to recognize true customer requirements; in particular, to assess future requirements which were not consciously known by the customers themselves. To overcome this uncertainty about customer needs, the range of services was originally very broadly defined as an “end-to-end global set of products” (r8) “including user profile/account; ubiquous access to company data; communication possibilities as multimedia, conferencing, file sharing, etc.” (White Paper, 1998). The full range of known products was to be offered based on the new IP architecture. One of the product lists includes the following six services: Intranet (www, email, news); VoIP; universal messaging; Security privacy, management (Private Data Networks); Transactions (e-Commerce); Global Access (Roaming). To provide benefits against already existing products, it was intended to position the new products as “uniform products across borders, seamless in nature, consistent and reliable” (Customer Presentation, 1998). To implement such an interdependent product offering, the platform strategy was based on the idea of “brokering across databases management systems and user logic” (White Paper, 1998). This again resulted in complex requirements for the products. “Common global network standards” had to be defined and implemented. The architecture had to be generally open for all established and emerging kinds of products. Furthermore, flexibility was seen as a key feature of the platform architecture. It had to be ensured both in respect to the hardware and applications in order to be “flexible enough to provide features and applications independent of ultimate carrier” (White Paper, 1998). A long-term stagegate approach towards innovation was needed for implementing such a complex undertaking. According to the interviewed experts, the creation of the architecture would have required coordinated efforts over more than five years (r11), as many telecommunication services needed even more time to get positive revenues, e.g. the 1-800-services were a substantial revenue generator only after the mid-1980’s, although developed in the late 1970’s (r6).

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Systematic research about customer demand patterns for truly global products was not undertaken. Given that customer priorities remained unknown, Concert was not able to focus its development on a few “killer applications”. The pursuit of a broad range of incremental developments resulted both in an increase of complexity and in tight time requirements. Thus, the new product program seems to have suffered from a complexity trap. Since the resulting complexity was not resolved, decisions had to be made in a decentralized fashion, which led to actions that were not aligned.

4. Processes A program office was established within Concert Technologies to ensure that project processes were put in place. The approach consisted of a document driven requirement process, a budgeting process to include Concert, AT&T and BT, a project resource allocation, and a project tracking and issue resolution. “The Technology Unit of Concert was supposed to coordinate all of the technology owners – but it became impossibly difficult.” (r10). CT’s approach to reducing implementation complexity was to assign specific product or platform projects to individual development teams either in BT or AT&T, according to which of both had the closest match in their existing products or capabilities. This localized the development and left the task of “globalizing” to the later phase of platform integration. As a consequence, severe interface problems occurred: “Concert had to source some parts of the development by the parents. This did not work smoothly, especially with AT&T. This was an awkward situation because there was no mechanism built into the AT&T labs to deal with external work.” (r11). "It was very hard to get agreements on working together […]. So, shame on us. That was probably the biggest problem in the whole Concert story.” (r6).

5. Innovation Outcomes The major innovation efforts of Concert were focused on implementing the IP platform. At that time several product development projects were on their way but none was ready to be offered and sold to customers. On the operations side Concert had the carrier business, which was to generate cash to finance the more innovative IP services. The operations were going into the red zone after one year of operations (r4): “The problem was that the carrier services business declined very rapidly. […] So consequently Concert […] came under a lot of financial pressure which caused a lot of tension between AT&T and BT”.

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III. Analysis at Point Two: Beginning of 2001 Many environmental factors enhanced the financial pressure on Concert: prices in the industry dropped, some customers suffered under the recession and the general optimism of the new economy boom was lost. Both parent companies were affected: AT&T top-management needed a success after depreciating two other failed big ventures and facing hard competition in its domestic market. Moreover, BT was in serious debt problems and decided to cut expenses significantly. This caused an increasingly ambiguous situation for Concert: The parents had financial expectations towards Concert, and did not fund its longterm tasks and the expectations increased to achieve short term financial results. The consequences of these contextual changes led to an ambiguous situation for Concert, in which revenue was the only certain expectation. Concert was in the middle of conflicts of interest between AT&T and BT, in which each party was looking for their own payoff without having Concert’s benefit in mind. One interviewee stated an even more extreme opinion that AT&T and BT did not want to have the venture work, because it only served as a means not to loose control of the market. The situation of the two parent organizations had a direct influence on the direction and the mission of Concert and the available resources to implement the innovation goals.

1. Vision and Strategy The ambiguous activities and the competitive situation of the parent companies during the year 2000 disguised Concert’s vision. They made it less and less probable that Concert would be the first step to a merger between AT&T and BT. The following statement describes the situation of Concert and the implicit change of the mission at that time (r9): “You know that was a great idea guys, back in ‘98, but that was when we thought that the two companies are merging. Now it’s not so clear anymore, that we were going to merge our companies – it looks like it’s going to be three companies here.” Although the participating parties perceived the changes to Concert’s mission, there was no official announcement of new goals, neither externally nor internally, officially they were not changed. An innovation strategy was not explicitly defined in phase two and thus the innovation goal changes were not made consciously but rather ad hoc with several significant consequences. “The initial idea of the advanced IP services platform, though it was in the original plans of Concert, developers were very quickly put to one side.” (r4). “So, the original vision the CTO (of AT&T) had, I am afraid, died before the JV really got underway.” (r12). As a consequence of dropping the platform, the customer proposition of quality, reach and scope

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was given up. The new focus was dictated by short-term cash flow goals that translated to the delivery of product capabilities that could immediately deliver service to customers and revenue to Concert. The nature of the new goals did not result from a coordinated attempt to revise the goals from top-down, rather the initial goals remained on the paper but were changed in every decision maker.

2. Structures (Resources and Knowledge) The amount of resources needed to implement the visionary innovative goals was no longer given. The integration gap between the initial goals and the available resources was increasing. There had been common will between the parents when Concert’s vision was defined, but when time came to make the efforts, the parents withheld some of the promised resources. The resources needed to implement the innovations were not integrated into Concert. This was done to enhance efficiency by sourcing some parts of the development in the parent R&D organizations. However, this did not work smoothly. Since innovation processes were carried through in parallel in the three companies and in different locations, there was limited knowledge exchange across these borders. Collocated teams were employed with the knowledge they had. Customers were confused about the offers of the different companies, because the alliance did not establish a common sales force. Another problem caused by the organizational structure was related to the decision processes. Even after one year of operation the teams seemed to be arranged by the relation of the members to either one of the parent companies. The most critical symbol of the division of resources and interests within Concert was that Concert managers did not move out of the offices they had in their parent companies. “Everybody was trying to preserve instead of thinking what was best for the company in future.” (r8). Team processes were difficult to implement and often failed. Finally the time horizons were not aligned. BT and AT&T had asynchronous planning cycles that complicate cooperation. AT&T and Concert started their financial year in January, whereas BT’s cycle turned at the beginning of April. Due to the limited availability of resources and unfavorable structures to coordinate the innovation efforts, integration gaps could not been significantly filled. As one respondent described (r2): “Everything turned out to be more complex/more difficult than believed!” Thus, the innovation goals were adapted to the specific resource situation.

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3. Projects/Products Concert itself could not fund the innovations with the carrier services revenues and therefore had to make money with the IP services in a short timeframe. The new objectives were much more specific with a clear structured function. Overall the innovation goals shifted to less innovative products driven by the market pressures. The initial major objective, the interoperability between the products, was completely dropped, as every innovation project became a ‘stand-alone product’ to generate revenue as soon as possible. Finally, Concert decided to use the existing infrastructure of BT and AT&T to bring their products to the market Global cover was still a goal but in dropping the integrated IP platform, Concert adapted known products towards the recent customer requirements and the parent technologies instead of developing universal new products. It was the insight that the defined goals were too complex within the joint venture setting as one respondent described (r10): “We came in touch with the fact that if we were responsible for delivering the Concert services and the AT&T and BT services that we would fail. There was no way we could do that. One reason is: it was impossibly difficult. It was really hard. ”. Driven by the parent companies and the innovation outcomes the innovation goals changed from long-term, radical projects to short-term projects based on the existing products; and from almost out of reach to limited projects that could successfully be implemented. The innovation goals for the re-defined products were consisting of revenue focus, short time-frame, easy to implement, stand-alone, limited reach, not truly seamless, and as one interviewee (r6) summarized in one phrase: “low-hanging fruit”.

4. Processes The innovation processes were not changed within the two points in time that we considered. Concert’s solution to implement its innovation projects was: pick one local culture and corporate culture. There were ineffective attempts to coordinate the number of different innovation activities. Process integration was only achieved on a low level by self-selection of the people working on innovations. Mostly the projects were carried through by personal coalitions that existed within the companies, before the time of Concert. The implemented organizational structures and decision processes did not really support the necessary knowledge integration for the planned products. Neither knowledge integration nor process integration was reached in Concert, relating to the initial innovation goals.

254

Thorsten Teichert and Thomas Lechler

5. Innovation Outcomes In summary the different product development projects were collocated in the parent organizations and Concert did not innovate globally. Two new services/capabilities were introduced to the market: the IP VPN service was developed and the IP backbone was expanded. The rest of innovation activities were abandoned compared to the architecture vision or were parallel developments to other existing new products or made only a marginal contribution to the customer value (as adding features). In the end Concert was a brand on some badges and products from AT&T, BT and former Concert.

D. Global Innovation Strategy vs. Culture Our analysis of the innovation processes reveals several important insights for the management of global innovation. Cultural diversity and its positive and negative impact on the innovation performance emphasized by several authors did not play a major role in the Concert case. This could be related to the two parent companies that had similar languages and were rooted on quite similar ethnical cultures. As key finding of our case study, innovation activities failed due to the missing global innovation strategy that coordinates and allocates the resources with the planned innovation goals. Goal planning processes were not guided by a global innovation strategy that balanced the integration need of the innovation goals with the integration potential of adequate resources and organizational structures. Furthermore, Concert never built its own development capabilities. What started with a technical vision ended with ad hoc defined objectives. There was no planned strategy, just an emerged one (Mintzberg, 1987). The leadership did not passionately support the (abstract) goals. It is important to recognize the new goals were implicit and bottom-up in nature. The experience of trying to develop the competence and the anticipation of the complexity ultimately led to giving up these challenges. The implicitly constructed new goals were, in contrast, oriented towards the actual capabilities. Besides the change in the innovation goals there is also a trend to state that the innovation goals lost importance relatively to revenue goals. “Innovation impacted by reality of affordability” (r4). As a result the implemented products achieved only low levels of innovativeness. A long-term time horizon and adequate resources should have been provided to overcome the obstacles of the innovation processes. It would support coordination of resources across different locations and would be a focal point for resource allocation within a complex multinational environment. Furthermore, the long-term mission should have been translated into interim objectives. Instead,

Innovation Failure in an International Joint Venture

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Concert’s mission was formulated on a high level of abstraction and it was left to the managers to break them down into sub-goals. As a consequence, the transformation was not perceived as clearly having a direction. Everything was perceived as changing and instable, doubt and rumors were common. In sum, the findings manifest the need for a global innovation strategy in a global setting like Concert’s undertakings. A global innovation strategy could have balanced technological and marketing perspectives in the goal setting process.

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Policies and Politics of Establishing R&D Capacity in Low-Cost Locations By Birgitte Snabe, Andreas Größler and Peter M. Milling

A. Introduction The purpose of the paper is to present a case study, in which a company’s efforts of implementing and refining a location strategy are described. The company’s goal is to balance the continued utilisation of existing high-cost R&D locations with a strong growth of low-cost R&D locations in countries like India, China, and Eastern Europe. The case study was conducted as a starting-point in a more comprehensive research project. After describing the case in detail, the last section of the paper contains some brief remarks on the usefulness of modelling and simulation in strategy implementation as well as some issues for further research. The approach used in the case study is an extension and elaboration of the conventional system dynamics modelling approach (Forrester, 1961; Sterman, 2000) that we call ‘targeted participative modelling’, where system dynamics modelling is adapted to support strategy implementation interventions in organisations. Traditionally, system dynamics modelling in organisations has been applied to identify strategic objectives, to explore potential strategic behaviour modes and, ultimately, to formulate improved organisational policies to achieve strategic advantage. The targeted participative modelling approach is to be used in a different context, emphasising transfer of the underlying understanding and insights to the people being responsible for the implementation, as well as supporting the refinement and concrete decision-making necessary to implement the strategy. The approach builds upon prevalent participative modelling concepts (Vennix, 1996; Anderson et al., 1997) with the extension of increased emphasis on intervention planning, stakeholder management, and structured implementation. As the finding of this paper can be identified that system dynamics modelling is helpful for strategy implementation, when concrete actions are planned and taken, not only for strategy formulation (where most system dynamics studies are situated).

258

Birgitte Snabe, Andreas Größler and Peter M. Milling

B. Case Study Description I. Case Situation The case study company is a major, international company, which is a market leader in its main product area. Research and development (R&D) is a large and critical part of the company’s sustainable competitive advantage, reflected by the fact that approximately every third employee works in R&D. The company has a strong tradition for employee empowerment and is a relatively unhierarchical organisation. The case study is carried out in one of the major R&D divisions, consisting of a number of rather different R&D business units. The problem regards the development of a balanced strategy and implementation plan for the number of R&D employees placed in high-cost countries (e.g. the USA and Western Europe) vs. the number of R&D employees placed in low-cost countries (e.g. India, China, Eastern Europe). Today, the company has significant more R&D employees in high-cost countries with the consequence of relatively high development costs compared to potential competitors. The cost of an R&D employee in a high-cost country is approximately four times the cost of an R&D employee in a low-cost country. It is a sensitive issue due to the fear among employees in high-cost countries that the future could bring reductions of staff in high-cost locations as is seen in many other companies in the USA and Western Europe. The situation at this company, though, includes strong growth expectations and the company does not intend to weaken existing high-cost locations concerning the absolute numbers of employees. The extension of low-cost R&D locations should reflect a worldwide growth of the R&D to gain speed in time-to-market – the motivation is not only increased capacity and cost-efficiency, but also an objective to have local presence in these growing markets with increased future sales in sight. New employees in lowcost countries are primarily supposed to take over tasks currently being carried out in high-cost countries. This way the company wants to free capacity of experienced senior R&D employees in high-cost countries to be used in new, challenging R&D projects. The objective of the modelling project is to understand the most influential parameters in building up capacity in low-cost locations, with special focus on productivity and costs. The model should be used to define the ‘ideal’ strategy, balancing board expectations regarding a reduced cost/capacity ratio with an effective and realistic implementation plan. The strategy (which has been decided on earlier in the board of the company) is intended to work as depicted in Figure 1. As such, modelling is not seen as a measure to identify and formulate a new corporate strategy, but to implement it in the best possible way and to gain commitment and understanding from the key implementers. Thus, the system

Policies and Politics of Establishing R&D Capacity in Low-Cost Locations

259

dynamics project is rather a “strategy implementation” project than a “strategy formulation” project. strengthening low-cost locations without reducing high-cost locations + + + improved reduced unit-price maintained motivation in high-cost locations time-to-market of R&D

+ company growth +

+

improved competitiveness

+

+

Figure 1: The Reinforcing Growth Loop Underlying the Intervention

1

II. Project Policies and “Political” Challenges Due to the sensitivity of the problem, the company board clearly stated the project policy number one, being that there will be no lay-offs in high-cost locations due to the location strategy. As mentioned before, this is expected to be possible due to the current growth of the organisation. To target and frame the project, a number of objectives and policies were outlined in regard to how the board wanted the location strategy to be implemented. These board guidelines provided target levels for the future fraction of low-cost employees out of the total number of employees, cost restrains, capacity requirements and also requirements for the business plans to be developed by each business unit. The political challenges facing the project were many and diverse. The location strategy not only created a general fear of job reductions; like all other significant organisational changes it started a game of individual positioning and maintaining power-bases. Although middle management in general could expect more resources as a direct result of the location strategy, it would also mean that their local power base at the high-cost location would maybe decrease. A natural conclusion could be that – in line with the fact that most humans try to resist change – “they know what they have, but they don’t know what they will get”. In the meetings and workshops an often-discussed topic was centred on the motivation, loyalty, and quality of work to be expected from the future colleagues in low-cost locations. Logically the managers responsible for implementing the strategy agreed that the low-cost colleagues in general have the same educa___________ 1

Causal-loop diagrams are normally made in a way that the variable names do not indicate the direction of change. In Figure 1 the variable names include the direction, e.g. company growth, reduced unit-price etc. This is made for communication purposes, emphasising how the reinforcing growth loop is intended to work.

260

Birgitte Snabe, Andreas Größler and Peter M. Milling

tional level, and that the decreased productivity due to lover average experience in the field would be more than counterbalanced with the increased number of people. Emotionally, however, it is a longer journey requiring continued success in the corporation and personal relationships between the members of the lowcost and high-cost locations.

III. The Intervention Process The location strategy project was first initiated with a project team in each of the five business units in the Division, but due to lack of consistency and efficiency, and lack of structure in the coordination and communication between the teams, it was decided to develop a shared, formal model on an abstract and highly aggregated level, aiming at: • creating a structured and ‘objective’ frame for the rather emotional and diverse discussions; • establishing a forum for exchange of experiences and best practices; • refining and making operational the strategy outlined by the board; • improving the change process effectiveness. The change imperative was stated as: “right now is the right time to hire people in the low-cost locations, because right now it can be done without staff reduction at high-cost locations, and the expected results are improved competitiveness and further company growth, also securing jobs at high-cost locations in the future”. This was a difficult message to communicate because of the fear of jobs moving from high-cost to low-cost locations. An external facilitator from Mannheim University was brought in as process coach and modelling facilitator, based on a targeted participative modelling approach. For system dynamics modelling, the Vensim modelling environment was used. Targeting and planning the intervention involved initially a discussion with the project owners about the problem, the business objectives, the intervention objectives, the dynamic hypotheses, and the suitability of applying system dynamics to the problem. A preliminary model was built with the purpose to (1) justify that applying system dynamics would increase project effectiveness, and (2) for the project owners to feel confident that major learnings from the model were within the frame set by the over-all strategy. This preliminary model was the basis for the decision to move forward with modelling. The modelling intervention was coordinated with other projects, most importantly the business planning and budgeting process, in which detailed excel-

Policies and Politics of Establishing R&D Capacity in Low-Cost Locations

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models existed in each business unit. Project planning included the establishment of roles and responsibilities in the project. The most important stakeholders were involved in modelling or simulation workshops. The modelling process took place in system dynamics traditions (Forrester, 1994) – with additional attention to change management disciplines.

IV. The Model The model purpose is to find an effective and realistic plan for reducing the cost/capacity ratio under board guidelines of (1) cost growth only due to inflation in high-cost and low-cost countries, and (2) increase from 10% to 25% of low-cost headcount of the total headcounts of the division. The two main strategic assumptions are that there is growth of the total number of employees as well as that replacements are not being made in high-cost but in low-cost.2 The basic structure of the model is based on two separate aging chains (see Figure 2), each being an extended version of Sterman’s (2000) “two-level promotion chain”.3 The right hand side aging chain represents the high-cost locations; the left side aging chain represents the low-cost locations. On each aging chain this model has three basic stages: “New hired FTE”, who are newly hired employees (FTE = Full Time Equivalents) spending their time in class-room training learning the development tools of the company; “Rookie FTE”, who are employees working on development projects with reduced productivity, and then finally “Productive FTE”, who are fully productive employees. In the lowcost aging chain, an additional stock was added: a stock containing Rookies spending time on taking over tasks from high-cost countries, which will be the case for all new employees in low-cost who are not merely replacing people who have left a position at a LC location. This stock is called H-O-R FTE (Hand-Over-Rookies). These employees have zero productivity and, as they are spending time physically with those HC employees, whose tasks they are taking over, they furthermore tax time from fully productive employees in high-cost countries in the process of knowledge transfer.

___________ 2 No employees in high-cost locations are about to be laid-off as effect of the location strategy. Due to the non-replacements the number of employees can lower in some locations. However, the total number of employees in high-cost locations will roughly stay stable due to necessary hiring in other functions in the division. 3 Sterman (2000) operates with only two levels in his promotion chain, with employees leaving both levels. The location strategy model operates with 3 respectively 4 levels, with employees only leaving the latest stage as this reflects the historical data well.





handover capacity reduction

Rookie FTE LC

LC quit

LC ONGOING TRAVEL COST

Productive FTE LC

LC QUIT FRACTION

REPLACEMENT IN HC VS. LC HC TRAINING TIME

total FTE HC

Figure 2: The Location Strategy Model

HC TRAINING COST

HC PERSON COST INCREASE RATE

cost per month handover travel costs

HC ROOKIE TIME

HC ROOKIE PRODUCTIVITY

HC CAPACITY USE ON HAND-OVER

Rookie New hired Productive FTE HC HC FTE HC HC FTE HC HC job-trained trained hire

LC person cost HC person cost

LC HAND-OVER TRAVEL COST

LC TRAINING COST

HC quit

HC QUIT FRACTION

production per month

LC PERSON COST INCREASE RATE

LC 2b

LC 1c

LC ROOKIE PRODUCTIVITY

LC PRODUCTIVITY REDUCTION

total FTE LC

LC new hire LC H-O-R LC 1b New hired 1a FTE LC FTE LC LC repl. hire LC 2a

ADDITIONAL GROWTH

LC replacing HC quit

262 Birgitte Snabe, Andreas Größler and Peter M. Milling

Policies and Politics of Establishing R&D Capacity in Low-Cost Locations

263

The two main decision points in the model are: • the rate “HC hire”, where only a share of the employees leaving high-cost locations will be replaced at a high-cost location, depending on the factor called “replacement in HC vs. LC”. Those not being replaced in HC will be replaced in LC. • the rate “LC new hire”, consisting partly of those HC quits that are being replaced in LC, and partly of the additional new employees joining the division. All additional new employees are allocated to low-cost countries, based on a growth factor relative to the stock of experienced employees in lowcost.4 It is important to notice that tasks will be moved from high-cost to low-cost locations in bulks. Employees in high-cost locations, who have transferred their tasks to low-cost locations, will either take over tasks from a person leaving the division or take part in new R&D projects within the Division. The stocks in the model are initialised in equilibrium (hire rate = quit rate) through a distribution of the total number of employees for both low-cost and high-cost countries to their respective stocks of newly hired, rookies and experienced FTE’s (the number of newly hired + rookies + experienced FTE = total number of employees). The distribution into the three categories is a calculation based on quit rate, training time and rookie time. In the modelling process, the facilitation and communication function was given priority over model preciseness; especially in terms of using parameters directly useful in the budgeting process, and in keeping the model as small as possible to avoid a ‘black box’ effect. For this reason, and to make the model more intuitively acceptable for the modelling participants, compromises were made in regards to system dynamics traditions of endogenous policy modelling and avoiding rate-on-rate-modelling. Figures 3 to 5 show the behaviour of selected variables for four simulation runs: • INI: No changes in number of employees in low-cost or high-cost (hire rate = quit rate), • Base run: Replacement in HC vs. LC = 0.2 in the first 36 months; then 1; Additional Growth = 3% per month year 1, then linear decreasing to 0 after 36 months, ___________ 4

In Sterman’s (2000) “two-level promotion chain” the growth factor is based on the total number of employees, but in the location strategy model it makes more sense to base the growth on fully productive FTE’s, due to ramp-up limitations (ratio between experienced staff and new staff).

264

Birgitte Snabe, Andreas Größler and Peter M. Milling

• 40% HC replacement: As base run, but Replacement in HC vs. LC = 0.4 instead of 0.2, • Faster training and hand-over: As base run, but with reduced time to training and hand-over.

0.4

0.2 4 4 23 1 12 3 1

23 4 2 34 1

2 4 23 4 3

1

1

1

4 2 3 4 2 34 2 234 23 4 23

1

1

1

1

42

48

54

1

0 0

6

12

18

24

30 36 Months

60

LC FTE fraction of total FTE : INI 1 Dmnl 1 1 1 1 1 LC FTE fraction of total FTE : base run 2 2 2 2 2 Dmnl LC FTE fraction of total FTE : 40% HC replacement 3 3 3 Dmnl LC FTE fraction of total FTE : faster training and hand-over 4 4 Dmnl

Figure 3: Fraction of Employees in Low-Cost Countries

V. Learning from the Modelling Process To some extent, it is always a subjective exercise to interpret model results. Particularly in this case, how much each input-parameter can realistically vary is a matter of argumentation and consensus within the group of participants. The following is a description of the core group’s understanding of key results: • Hand-over efforts have a “worse-before-better” effect on productivity, and action must be taken to optimise this process – even if this results in higher travel costs. Although this insight did not have much ‘newness’ value to the business units, it was very valuable to have a model that distinctly and clearly ‘proved’ the matter. A workshop was arranged with corporate controlling, to make the point clear that even though the division receives a relatively large number of additional employees in year 1, the division will have no additional productivity in year 1, but rather a slightly reduced productivity due to hand-over efforts.

Policies and Politics of Establishing R&D Capacity in Low-Cost Locations

1.2 1.15 1.1 1

1

1

1

1

3 3 2 4 2 4

3 1 3 3 2 4 1 3 23 2 3 2 2 2 3 4 4 4 3 2 4 4 41 2 4 1 4 1 23 6 12 18 24 30 36 42 48 0 Months

1.05

1

1

54

INDEX cost per production : INI 1 1 1 1 1 INDEX cost per production : base run 2 2 2 2 2 INDEX cost per production : 40% HC replacement 3 3 INDEX cost per production : faster training and hand-over 4 4

60 Dmnl Dmnl Dmnl Dmnl

Figure 4: Development of Cost-Index for an Average Productive Unit

1.15 1.1 4 3 4 3 2 4 23 2

1.05

4 3 2 1 12 1 3 41 2 3 1 1 34 2 0.95 0

6

12

18

1

24

4 23

1

30 36 Months

1

4 23

4 4 2 3 23

4

1

1

1

1

42

48

54

60

INDEX production per month : INI 1 1 1 1 1 Dmnl INDEX production per month : base run 2 2 2 2 Dmnl INDEX production per month : 40% HC replacement Dmnl 3 3 INDEX production per month : faster training and hand-over 4 4 Dmnl

Figure 5: Development of Productivity Index for an Average Unit

265

266

Birgitte Snabe, Andreas Größler and Peter M. Milling

• Not replacing all headcounts in high-cost locations for a 3 years period is the only practical way to build up resources at low-cost locations in a (fairly) cost-neutral scenario. This was a political sensitive discussion. The model helped making the discussion more objective compared to the very emotional und unstructured discussions taking place regarding this topic before the modelling part of the project was introduced. • Reducing training time has an accumulative productivity effect. With the large number of new employees, investments should be made to optimise their training – even if this results in higher training and travel costs. The list above concentrates on the insights directly supported by model simulation. Additionally, learning also took place in a more indirect way due to the discussions during model refining and parameter setting. Examples are: • Alignment of actual numbers underlying the business case (Excel-models). The business cases were often large ‘black-box’ models. By having a system dynamics model on a highly aggregated level, the most important parameters were made transparent. An example is the employee turn-over rate in low cost countries that in the business cases was set to be in the range from 10% to 25%, but based on historical figures showed to be approximately 7%. • The strategy can be accelerated by a shift in the entire company from headcount orientation towards cost orientation. • Detailed transfer planning is a critical success factor. Especially the aftertransfer solution for involved high-cost location employees is important in order to secure motivation and morale. Furthermore, to plan for replacements in high-cost locations being made by colleagues who have handed over tasks to low-cost locations is crucial. • A number of best practice experiences were exchange between the business units, because some units already had more experience in building up capacity in low-cost locations. The modelling sessions also served as a forum for the discussion of topics like bridge-heads, hiring strategies, practical aspects of getting new employees productive as quick as possible etc.

C. Implications for Research and Practice Traditionally, system dynamics is used in organisations to explore problems and support strategy and policy formulation. The case study illustrates an untypical use of system dynamics with its dual focus on transferring a strategy and underlying insights from decision-makers to implementers as well as refining rather than exploring a strategy. The case study serves as a planned change intervention in an action research tradition giving inspiration and providing ex-

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267

amples in the research of how to utilise system dynamics modelling in the implementation of strategic decisions. Evaluation is based on interviews, observations, and post-study questionnaires, all indicating the usefulness of the approach especially with regards to: effectiveness in the intervention, the model serving as a cognitive framework for discussing and understanding the problem, correcting misperceptions people had even regarding factual numbers, provoking best-practice discussions, and simulation-supported learning (“seeing is believing”). The entire process supports the alignment and challenging of mental models among the participants as well as the refinement of strategy into actual decisions on implementation actions. Nevertheless, due to the project set-up there are no tests conducted whether an alternative approach had yielded even better results. In regards to policies and politics of establishing R&D capacity in low-cost locations, the model and the modelling process effectively illustrate some of the significant attributes of the new location strategy: the worse-before-better effect, how few non-replacements in high-cost locations can finance a large build-up in low-cost locations, the significance in reducing training time, importance of cost focus rather than headcount focus, and the critical need for detailed transfer planning. Additionally, the modelling sessions surfaced a number of questions both relevant to research and practice: • How should cognitive and affective elements being addressed in the handling of fear among employees for losing jobs due to low-cost employments? • What are the most important levers to secure morale and motivation in highcost locations in times with recruitments in low-cost locations? • What are the most effective coordination strategies between low-cost and high-cost locations (bridge-heads, support centres, support systems, etc.)? Future research will concentrate on these issues and on the evaluation of system dynamics modelling and simulation as a means to support strategy implementation. References Andersen, D. F. / Richardson, G. P. / Vennix, J. A. M.: “Group Model Building: Adding More Science to the Craft”, System Dynamics Review, Vol. 13, No. 2, 1997, pp. 187–201. Forrester, J. W.: Industrial Dynamics, Cambridge, 1961. – “System Dynamics, Systems Thinking, and Soft OR”, System Dynamics Review, Vol. 10, No. 2/3, 1994, pp. 245–256. Sterman, J. D.: Business Dynamics – Systems Thinking and Modeling for a Complex World, Boston, 2000. Vennix, J. A. M.: Group Model Building, Chichester, 1996.

Founder Team Perceptions in Cross-Cultural Start-Ups By Ricarda B. Bouncken1 and Keith J. Perks2 Our paper explores the perception of cultural diversity in young firms in Germany and Britain. Through the use of case-studies of cross-cultural start-ups we explore monochromic/low-context/high-space cultural backgrounds and compare them with polychronic-high context/low-space cultural backgrounds of founder entrepreneurs. We find that there are two major advantages of cultural diversity in ownership in the progress of start up firms. The first are the benefits of divergent but complementary roles performed by founders from variegated cultural backgrounds. The second advantage is the benefit of intensified communication with customers and access to new market segments by founders from polychronic-high context/low-space cultures. We recommend that new ventures formed by entrepreneurs from culturally diverse backgrounds recognise the diversity and use this as a basis for new ideas, access to new markets and competitive advantage.

A. Introduction Cross-cultural influences are important in the internal and external processes of firms. Entrepreneurs can use their connections with other national cultures to identify ideas for start-ups and transfer new concepts, products and services from one country to another. For example the transfer of franchise systems across countries can stimulate new venture formation. Nevertheless, the study of the impact of cross-cultural start-up teams has been neglected. We define culture as the representation of people with different group affiliations that are socialized by cultural attitudes and behaviour. We argue that cross-cultural startups can benefit from different frames of reference, ideas and market knowledge (Cox, 1994). However, we also explore the possibility that cross-cultural differences can result in communication problems (Pelled, Eisenhardt & Xin, 1999). Therefore our study aims to explore the possible positive or negative effects of cross-cultural backgrounds on start-up teams. ___________ 1 2

Ernst-Moritz-Arndt University Greifswald. University of Brighton, Brighton Business School.

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Ricarda B. Bouncken and Keith J. Perks

From a theoretical point of view we build on a combination of entrepreneurship theory and on typologies of national cultures. Entrepreneurship studies analyse the process of new venture creation (Bygrave, 1989; Lee, Smith, Grimm, & Schomburg, 2000). Entrepreneurs explore and exploit new opportunities (Cooper, Folta, & Woo, 1991) building upon the invention and utilization of ideas for technical or business solutions benefiting from creativity. We define new ventures as recently founded or potential start-ups by independent entrepreneurs. We do not include corporate entrepreneurship (Sathe, 2003) in our study which can provide the young firm with additional resources, rather we explore independent new ventures which are fraught with risks and resource constraints (Greve, 2003). A new venture requires a variety of human, technical, financial resources and services. Personal traits such as risk taking, openness, and goal orientation may influence the success in starting up a new venture (Low & MacMillan, 1988). Some studies show a considerably better performance of venture teams than single entrepreneurs (Keeley & Knapp, 1994; Mellewigt & Späth, 2002) as they benefit from diverse resources and competencies of the individuals (Garcia-Prieto, Bellard, & Schneider, 2000; Harrison, Kenneth, Gavin, & Florey, 2002; Kilduff, Angemar, & Mehra, 2000). A team can contribute diverse and heterogeneous knowledge, skills, competencies, funding, contacts which expand the resource base of the new venture. Values, norms, and attitudes are the soft aspects of knowledge that can provide entrepreneurs with unique capabilities. These soft factors are related to cultural backgrounds of individuals and groups. Cultural differences can induce cognitive, educational, or value related diversity and stimulate creativity by competing attitudes, working profiles, and cognitions (Hopkins & Hopkins, 2002; Ripollés, Menguzaato, & Borra, 2001; Zahra, Hayton, Marcel, & O´Neill, 2001). However, with cultural diversity the choice of the evoked set of new ideas due to different frames of references can foster conflicts in entrepreneurial teams. Diverse cultural backgrounds can lead to misunderstandings and misinterpretation of words, gestures, ideas articulated, and other behaviour that may induce conflicts. Scholars in the field of intercultural management explicate different dimensions of cultural diversity. Hampden-Turner and Trompenaars (2000) introduce universalism versus particularism, individualism versus communitarianism, specificity versus diffuseness, achieved versus ascribed status, inner versus outer direction and sequential versus synchronous time. Hall and Reed Hall (1990) identify three primary dimensions of cultural diversity; context, space, and time. Context is bound up with the meaning and context of an event and is contingent on whether it is grounded in a high or low-context culture. Highcontext communication cultures use messages wherein most of the information is implicit. High-context cultures rely on extensive information networks in close personal relationships that do not require the transfer of coded informa-

Founder Team Perceptions in Cross-Cultural Start-Ups

271

tion in communication. In contrast low-context cultures communicate by explicitly verbalizing most information oriented towards a goal. Low-context cultures compartmentalize personal relationships and tasks and inter-personal communications are mainly concerned with work and goal related issues. Consequently, low-context cultures have less understanding of the others personal backgrounds. Hence, embedded implicit meaning in conversation requires higher degrees of coded and background information for people to understand each other. Therefore, communication between people from different contextual backgrounds might result in misunderstandings due to either the use of too much or too little information. Space deals with visible physical boundaries of territoriality and personal space (Hall & Reed Hall, 1990). Time is how we perceive and use time. In monochronic cultures people see time as precise, following schedules and controlled linear tasks. This differs from polychromic cultures and the use of time which is imprecise with individuals able to cope with simultaneous less scheduled operations. We therefore propose that founders striving to manage these often risky stages can benefit from the various knowledge, education, skills, and mental models of actors in an intercultural founder team. We also acknowledge that cultural diversity can cause communication problems leading to group or team conflicts.

B. Method Qualitative methodology we consider as appropriate for the exploration, theory building and understanding of an embedded or complex phenomenon (Eisenhardt, 1989). For our study a qualitative methodology was purposeful as we explore in-depth, often and somehow unconscious internalized knowledge, perceptions, and behaviour that preclude large-sample, standardized quantitative research. Our research is exploratory aiming to develop understanding and knowledge grounded in the experiences of founder entrepreneurs and the literature on entrepreneurship and cross-cultural studies. Cases were selected according to the research context, namely the firms were owned by independent entrepreneurs. Further the founders were still in the company and the organizations were at different stages of the venture process. The headquarters of the new ventures are located in Germany and the UK. Indepth interviews of 1–2 hours duration with 28 questions (semi-structured questionnaire) were carried out with founders and managers of new ventures at their location. The personal interviews focus on different stages of the entrepreneurial process and on different themes surrounding creativity and cultural diversity. Questions also probe the personal networks of the entrepreneurs.

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Ricarda B. Bouncken and Keith J. Perks

In total we carried out twelve interviews in seven new ventures in March and April of 2003 (Germany) and May 2005 in the UK. Multiple cases were chosen to assist generalizations (Yin, 1984). Secondary data was retrieved from the internet supplemented by other archival data. We recorded and transcribed the interviews and analysed the data using techniques such as word order and meaning grounded in the data (Strauss & Corbin, 1990) starting with with-in case analysis. For cultural analysis we mainly used word counts and interpretation of word order and expression, which were noted during the interviews. After developing an impression of the single cases we applied cross-case analysis. Crosscase analysis is understood to promote insights and generalization (Eisenhardt, 1989). Cross-case analysis aims at finding similarities and dissimilarities between the cases.

C. Description of the Cases We analysed new ventures with specific attributes in different stages of their entrepreneurial process. The new ventures concentrate on technology and innovation. The following table gives an overview of the cases. With the exclusion of Cases IV and VII the new ventures are in the information technology sector. Table 1 Overview of the Seven Cases Analyzed Case I Data server

Contacts German

Technology Swiss

Management both

Case II Software

Sales Nigerian

R&D German

Management German

Case III Computers

Strategy German

Operations business network Taiwanese

Management German & Chinese

Case IV Record distribution

Innovation and sales Afghan

Operations German

Management both

Case V Software

Contacts and finance German

R&D Iraqi

Management Austrian

Case VI IT Applications

Marketing Greek

Operations Greek

Management Greek & Iranian

Case VII Office space/Inet services

Organization British

Business Development Dutch

Management & innovation both

Founder Team Perceptions in Cross-Cultural Start-Ups

273

D. Discussion and Implications Culturally diverse teams can benefit from specific advantages as team members from different cultures provide a variety of information, resources, and skills. Different frames of references (e.g. polychronic versus monochromic behaviour) influence communications and inform and amplify new ideas (Hage & Hollingsworth, 2000; Kilduff et al., 2000). This mechanism is even more intense in teams with culturally diverse people as cross-cultural teams are open to various new ideas from their members that facilitate creativity of idea generation and implementation. On the other hand cross-cultural start-up teams face increased likelihood of the problems of misunderstanding and conflicts. Cultural diversity can hamper the development of strong internalized rules and norms in close relationships within teams during early and later stages of the new venture process. Problems from misunderstanding, conflicting interactions and insufficient tight social connectedness limits collaboration (Lawrence, 1994; Lawrence & Lorsch, 1967; Sing & Huu Phuong, 1996). Thus, diversity can reduce mutual understanding among team members. Consequently, when entrepreneurs experience conflicts arising from culturally based misunderstandings during the idea generation stage, they might be less inclined to found an entrepreneurial team and to progress to the pre-growth and early-growth stage. We assume if multicultural teams proceed they will experience difficulties in teamwork because when transferring codified and in particular tacit knowledge (e.g. monochronic versus polychronic) they are confronted with differing communication practices and time use. Insufficient or too much information can be communicated and misunderstood. Information pathologies trigger communication disturbances and conflicts, which hinders the development (exploration) and utilization (exploitation) of new ideas. Interestingly we find that all of the venture teams define responsibilities and tasks in order to benefit from the heterogeneous skills and knowledge of the members. A common theme we identify was that the entrepreneurs regard contacts with other firms, persons and improvements in innovations as major tasks for the new venture throughout the whole process. We learn from the case studies different tasks vary in importance during the progress of the venture. Hence, the definition of roles is important in cross-cultural teams, for example monochronic/low-context/high-space founders take over the responsibility of operations and the structuring of work. The specific strength of monochromic/lowcontext/high-space founders lies in developing, structuring, and controlling of schedules, tasks, and rules. From cross-case analysis we find that entrepreneurs from polychronic/high-context/low-space cultures often deliver contacts and intense communication, which can improve idea generation and sales. This finding is also consistent with the literature (Mcleod et al., 1996). Poly-

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Ricarda B. Bouncken and Keith J. Perks

chronic/high-context/low-space cultures communicate intensively with people about various topics that includes their private life. If founders enjoy communicating they tend to have strengths in marketing and sales. Moreover, the broad communication develops a more open, information-rich, and trustful relationship with customers simplifying the transfer of information, preferences, and suggestions for new solutions. A majority of the entrepreneurial teams build on social networks that bring additional resources and knowledge about the external partner’s skills. Interestingly only one of the founders (case III) states that external networks are important for radical innovations from research and development. Generally, the entrepreneurs use external networks for incremental innovations in additional services, to identify new customer segments, or to improve the implementation of a technical solution. Thus the origins of radical new technological ideas originate in the team rather than external networks. Nevertheless, contacts to customers provide new ideas for product improvements, thereby fostering creativity. Besides utilizing external ideas for improvements, the ventures benefit from the diverse skills of the founders and their core staff. Polychronic/high-context/lowspace founders promote intensified communication procedures with external parties and within the team. They take on the role of gatekeepers who bring new external information into the venture forming the basis for new ideas and procedures. Therefore, polychronic/high-context/low-space founders are more likely to bring in external contacts to the cultural diverse founder team than monochromic/low-context/high-space founders resulting in the assimilation of customer information and new ideas into the venture. Interestingly, some of the founders perceive influences from cultural diversities on innovativeness and business behaviour to be important while other founders do not. For example, in case I although Swiss and German entrepreneurs belong to monochromic/low-context/high-space cultures with an apparent similar understanding of space, context, and time use their behaviours differ. The German tends to behave similarly to people from polychronic and high context cultures in comparison to the Swiss. The German is confident that they are both aware of the cultural difference and regard the combination of the differences as beneficial for the new venture. On the other hand in case II the statements of the monochromic/low-context/high-space German founder suggest that he did not perceive the potential of using the different, ethnically minted mindset of the Nigerian in the team. Whilst our findings do provide some evidence to support the cultural typologies of Hall and Reed Hall (1990), they also highlight how complex the issue is. Rather the behaviour of entrepreneurs born, raised and educated in monochronic or polychronic cultures did not, in some cases, match the cultural stereotypes. For example one German born entrepreneur was strong in networking and communications but not in formalized standardized procedures. A Chi-

Founder Team Perceptions in Cross-Cultural Start-Ups

275

nese born entrepreneur educated in a German university adopted many of the cultural attributes of a monochronic culture. Thus there are more complex influences on an entrepreneur’s mindset other than national culture. This we suggest is a result of an individual’s behaviour changing over time due to different life experiences. Generally, differences could be a matter of the person’s individual history, technical education, specific business environment, or experiences with other cultures. However, the monochronic background that stresses standard rules decreases the chances of the perception of the benefits of cross-cultural backgrounds. Contrary to some of the literature we find limited evidence of conflict or problems caused by culturally diverse backgrounds of founders. Several of the respondents suggest that any conflicts were dealt with and generally resulted in positive outcomes leading to new ideas, operational efficiency or growth. For example the founders in case VII were clear to emphasize the positive and important role that constructive criticism and conflict play in the start-up, implementation and growth of their services business. The entrepreneurs in case III said that whilst there were cultural conflicts it generally results in new ideas and innovations. Other entrepreneurs (case I) in recognition of cultural differences basis manage their conflicts and misunderstandings by being tolerant and aware of the differences.

E. Conclusions The purpose of our paper was to investigate the cultural diversity effects on creativity and innovations in new venture teams. In order to explore cultural differences our study uses the classification of Hall & Reed Hall (1990). They present a framework of different cultural dimensions; context, space, and time which give a clear understanding of work related cognitions and behaviour. Our exploratory research strives to identify influences from cultural diversity in different categories of innovations in new founder teams. In all cases we find a mixture of diverse cultural backgrounds of the founders, which were more or less recognized by monochronic/low-context/high-space founders and had an impact on idea generation and implementation. Additionally, we find new ventures consciously and unconsciously define responsibilities. These responsibilities seem to be connected with skills that benefits from the founders cultural socialization and education. An unexpected finding occurred in that some of the monochromic/lowcontext/high-space founders’ realize and perceive the benefits of cultural diversity. On the other hand some founders neglect diversity and rely on a business style, which is separated from the person’s internalised behaviour. We suggest

276

Ricarda B. Bouncken and Keith J. Perks

that this finding is a result of the monochromic/low-context/high-space individual’s business environment, prior experiences, and professional education. The empirical findings of the study are limited in terms of generalization due to the case-study nature of the research. Further, we only interviewed entrepreneurs who operate in Germany and the UK. Moreover, we were not able to interview all entrepreneurs in all instances. This limits our understanding of the whole team and the team procedures from different perspectives. Despite these limitations what we learn, however, is the management of cultural diversity in new ventures requires recognition that there are multiple levels to the cultural construct. New ventures should understand this diversity and recognize it offers potential benefits and needs to be managed. A practical recommendation for realizing cross-cultural diversity is to define responsibilities and promote tolerance of dissimilar attitudes, cognitions, and behaviour. Although problems from the diverse cultural backgrounds were not present in the short versions of the case studies here, we point out that communication plays a dominant role in the culturally diverse team performance. Through improved communication firms can enhance the generation of new ideas and radical and incremental solutions. Establishing patterns of communication to improve the ability to deal with poor understanding and uncertainty of the others behaviour might be a strategy for coping in monochromic/low-context/high-space cultures. However, people from polychronic/high-context/low-space cultures might dislike stable patterns and rules tending to ignore them. Therefore, people from monochromic/low-context/high-space cultures lack of understanding of the importance of rule recognition requires knowledge and tolerance from individual’s from polychromic/high-context/high space cultures. To close as the literature is still incomplete in this area there is a need for further theoretical development and empirical studies. For the future we suggest the development of typologies of culture and measures for cultural profiles. We also recommend quantitative analyses on the basis of the measures. The quantitative analyses could be further improved by longitudinal studies.

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Founder Team Perceptions in Cross-Cultural Start-Ups

277

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278

Ricarda B. Bouncken and Keith J. Perks

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Teil F Institution und Kultur

Das virtuelle Klassenzimmer – eine interkulturelle Brücke? Von Markus Schwaninger1

A. Grundlagen Das Erfordernis interkultureller Koordination besteht seit langem. Das virtuelle Klassenzimmer erscheint als eine neue Möglichkeit, Brücken zwischen Kulturen zu bauen. Ist es ein Vehikel für die interkulturelle Kooperation? Dieser Frage geht der vorliegende Beitrag nach. Dabei sollen anhand einer Fallstudie exemplarisch die Funktionsweise, die Möglichkeiten und Grenzen des virtuellen Klassenzimmers beleuchtet werden. Es liegen zwar viele konzeptionelle Schriften und empirische Arbeiten zum Stand des E-Learning vor (z.B. Karrasch et al. 2004, Euler/Seufert 2005, Hoppe 2005, DeRouin/Fritzsche/Salas 2005). Untersuchungen unter dem interkulturellen Gesichtspunkt fehlen aber noch. Zudem wird von Experten stipuliert, die Didaktik sei im E-Learning „bis jetzt vernachlässigt worden“ (Luchsinger 2005). Die vorliegende Arbeit kann einen Beitrag zur Kompensation dieses zweifachen Defizits leisten. Was ist unter einem virtuellen Klassenzimmer zu verstehen? Das Adjektiv virtuell stammt vom lateinischen Begriff virtus. Dieser steht für Tugend, Tüchtigkeit, Kraft und Stärke. Als virtuell bezeichnen wir etwas, das der Kraft, Möglichkeit oder Anlage nach vorhanden ist. Mit andern Worten geht es um ein Potential, das noch nicht aktualisiert ist. Die Tugend des virtuellen Klassenzimmers besteht darin, dass es nicht da und doch vorhanden ist. Genauer, die Komponenten sind an unterschiedlichen Orten verfügbar, aber so konstelliert, dass sie rasch und mit wenig Aufwand ein System ergeben, das wie ein Klassenzimmer funktioniert. Wann trifft das Attribut interkulturell zu? Dies ist dann der Fall, wenn sich die beiden Kulturen, zwischen denen die „Brücke“ gebaut werden soll, signifikant voneinander unterscheiden. Im vorliegenden Fall ging es um eine Verbindung zwischen sozialen Akteuren in Kolumbien und der Schweiz. Laut einer Reihe von empirischen Studien differieren die Kulturen dieser beiden Länder ___________ 1

Universität St. Gallen.

282

Markus Schwaninger

signifikant (Inglehart 2002, Hofstede 1991). Damit trifft das Attribut interkulturell im vorliegenden Fall zu, wie sich auch an der in diesem Beitrag zu schildernden Lehrveranstaltung im virtuellen Raum zeigen wird. Die weiteren Abschnitte befassen sich mit dem Hintergrund der Fallstudie (Abschnitt B.), dem Ablauf der Lehrveranstaltung (Abschnitt C.). Des Weiteren werden die Infrastruktur (Abschnitt D.) sowie der Kommunikationsprozess im Rahmen der Lehrveranstaltung untersucht (Abschnitt E.). Der Beitrag schließt mit zwei Abschnitten über die Ergebnisse der Lehrveranstaltung (Abschnitt F.) und die aus dieser Fallstudie gewonnenen Erkenntnisse (Abschnitt G.).

B. Fallstudie – Hintergrund Der Verfasser sollte im Sommer 2002 als Gastprofessor an der Universidad de los Andes, Bogotá, Kolumbien wirken. Vorgesehen war ein Kurs über die Modellierung und Simulation mit System Dynamics. System Dynamics (SD) ist eine systemtheoretisch fundierte Methodik für die Modellierung und Simulation komplexer Systeme. SD wurde von Professor Jay Forrester, Massachusetts Institute of Technology, erfunden. Diese Systemmethodik wird heute in vielfältigen Bereichen eingesetzt, beispielsweise in der Unternehmungsführung, in der Ökologie, im Bildungswesen sowie für Systemstudien unterschiedlichster Art. Die Modellierung und Simulationen erweisen sich dabei als sehr leistungsfähige Hilfen nicht nur für den Zweck der Diagnose, sondern auch für die Gestaltung komplexer Systeme. Siehe dazu im Einzelnen: Forrester 1961, 1968, Sterman 2000. Die geplante Lehrveranstaltung sollte ein Kurs für Fortgeschrittene sein, der durch einen Grundkurs vorzubereiten war. Kurzfristig war es dann dem Verfasser wegen politischen Unruhen nicht möglich, die Reise anzutreten. Er kam aber auf die Idee, die damals neue und noch in der Testphase befindliche Lernplattform der Universität St. Gallen, bezeichnet als „virtuelle HSG“2 zu nutzen und das Seminar auf Distanz, in virtueller Form zu realisieren. Die vor Ort für das Seminar zuständige Leitung der Fakultät für Industrial Engineering der Universidad de los Andes begrüßte dieses Vorhaben. Also wurde das Projekt in Angriff genommen. In Bogotá wurden die Teilnehmer zunächst im Rahmen eines Basiskurses mit den konzeptionellen Grundlagen und mit der Methodik der Modellierung und Simulation mit System Dynamics vertraut gemacht. Dies unter Verwendung einer leicht einzusetzenden Software, mit der sich die Teilnehmer im handwerkli___________ 2

HSG steht für Universität St. Gallen.

Das virtuelle Klassenzimmer – eine interkulturelle Brücke?

283

chen Sinne vertraut machten. Dieser Vorbereitungskurs wurde durch Herrn Camilo Olaya, Assistenzprofessor an der Universidad de los Andes, geleitet. Der zweite, vom Autor geleitete Kurs erfolgte dann auf Distanz. Da es sich um die erste Veranstaltung dieser Art überhaupt handelte, war die technologische Ungewissheit noch ziemlich hoch. Deshalb wurde die Seminardurchführung von zwei Technikern der IBM begleitet. Vor Ort in Bogotá stand Assistenzprofessor Camilo Olaya den Studierenden als Koordinator zur Verfügung. Er war auch zuständig für die lokale Organisation des Seminars, einschließlich der Bereitstellung der technischen Infrastruktur. Am Seminar nahmen 23 Studierende, ein lokaler Koordinator (Assistenzprofessor) und der Seminarleiter teil.

C. Ablauf der Lehrveranstaltung

Coaching, einschliesslich detaillierter Unterstützung bei Modellierung und Simulation

Formierung Teams Bestimmung Themen Konzeptualisierung Datenbeschaffung

Selektive Unterstützung

Online-BlockVeranstaltung

Vorbereitung: Basiskurs

Online-BlockVeranstaltung

Coaching, Inputs via lokalen Koordinator

Offizieller Abschluss

St. Gallen

KonzeptionellMethodische Inputs

Zunächst ein Überblick zum Ablauf des Prozesses, wie er geplant war und auch tatsächlich ablief (Abbildung 1). Deshalb wird der Ablauf im Folgenden im Präsens geschildert.

Modellbildung, Simulation, Validierung der Modelle, Exploration von Szenarien

Finalisierung der Modelle und Schlusberichte

Bogotá

Abbildung 1: Ablauf des Kurses

Auf den Grundkurs in System Dynamics folgt eine Phase, in der sich die Teams (fünf Teams zu 4–5 Personen) formieren. Mit Hilfe des lokalen Assistenzprofessors suchen und bestimmen die einzelnen Gruppen Themen, die sie bearbeiten möchten. Dabei geht es darum, jeweils eine Problemstellung zu identifizieren, die in der Folge konzeptualisiert und modelliert werden soll. An die-

284

Markus Schwaninger

ser Stelle beginnen Konzeptionalisierung und Datenbeschaffung. Kommunikation und Coaching laufen hier im Wesentlichen zwischen Seminarleiter und lokalem Koordinator ab. Die Kontakte zwischen Seminarleiter und Teams sind in dieser Phase noch selten. An der ersten Blockveranstaltung, welche on-line abläuft, werden durch den Seminarleiter konzeptionell-methodische Inputs vermittelt. Zudem gibt es Diskussionen und interaktive Bausteine für Fragen und Antworten. In der nächsten Phase werden in den Teams Simulationsmodelle erarbeitet und validiert. Die Interaktion zwischen Bogotà und St. Gallen ist in dieser Phase intensiv und hochfrequent. Die einzelnen Teams übersenden Modellentwürfe. Diese werden durch den Seminarleiter studiert, worauf er Kommentare und Anregungen gibt. Auf diese Weise werden Modelle in unterschiedlichen Stadien der Ausarbeitung und Perfektionierung auch mehrmals übersandt und konvertiert. Bestimmte Detailfragen werden auch in Gesprächen mit dem lokalen Koordinator gelöst. Dank hoher Motivation und großem Engagement der Beteiligten entstehen bis zur nächsten Blockveranstaltung fünf Modelle. Zu Beginn der Veranstaltung liegen bereits vier kompakte Modelle erstaunlich hoher Qualität vor. Sie sind nicht nur lauffähig, sondern produzieren auch plausible Ergebnisse. Teilweise sind sie schon mit Cockpits, d.h. Computer-Anwender-Schnittstellen (Interfaces), welche die Simulation erleichtern, ausgestattet. Ein weiteres Modell ist etwas größer, aber noch nicht ganz lauffähig. Die zweite Blockveranstaltung wird vornehmlich der Präsentation der Modelle und ihrer Besprechung gewidmet. In der Folge finalisieren die Studierenden ihre Modelle. Dabei werden zum Teil noch sehr attraktive Interfaces für die einzelnen Modelle gestaltet. In dieser Phase ist die notwendige Unterstützung durch den Seminarleiter beschränkt. Am Schluss werden alle Modelle durch die Dozierenden – Seminarleiter und lokaler Koordinator – abgenommen. Das Seminar wird in Bogotá offiziell abgeschlossen.

D. Die Infrastruktur Die Infrastruktur des Seminars wird im Folgenden schematisch dargestellt (Abbildung 2). Sie ist zentriert um einen Kommunikationskanal zwischen Bogotà und St. Gallen. An beiden Enden sind Computer zur Unterstützung der Beteiligten. In Bogotà sitzen 23 Studierende und der koordinierende Assistenzprofessor in einem Raum, in St. Gallen der Seminarleiter, unterstützt von zwei Technikern. Jede beteiligte Person hat ihren eigenen Computer. Im Prinzip sind mit jedem Computer eine Kamera und ein Mikrofon verbunden, damit eine direkte Kommunikation sowohl via Audio als auch via Videokanal gewährleistet ist. Allerdings wurden in Bogotà eine Großleinwand sowie eine große,

Das virtuelle Klassenzimmer – eine interkulturelle Brücke?

285

schwenkbare Kamera verwendet, damit die Bilder jeweils nicht auf einen Kopf beschränkt waren, sondern man auch ganze Personen oder Gruppen von Menschen im Blickfeld haben konnte. Die Technik ermöglichte sechs verschiedene Kommunikationskanäle, resp. Verbindungen: Audio-, Video, Application Sharing, Chatfunktion, E-Mail, Telefon.

Kolumbien Framing/Ziel Verändern (V)

Schweiz

Virtuelles Klassenzimmer

Modellieren (M)

Inhalt („Content“)

Gestalten (G)

6. Telefon

Beurteilen (B)

Zusammenhang („Context“)

Leinwand 3. Application Sharing 4. Chat-Funktion 5. E-mail

1. Audio 2. Video

Kamera Fr a m mi

Ve r ä nd e r n ( V)

/

M od el ile r en (M )

Inh a lt ( „ Co n te n t

“)

G es tal ten (G )

Be u r teile n ( B)

Zus a mme n h a ng („ Con tex t

“)

Mikrophon

?Y como se aplica eso?

Computer

Abbildung 2: Organisation des virtuellen Klassenzimmers

Es ist zu betonen, dass der Kommunikationsprozess in keiner Phase dysfunktional oder gar chaotisch verlief. Die Interaktion war intensiv. Sie lief geordnet ab, hatte aber auch Raum für Spontaneität. Notwendig und hilfreich waren zweifellos verschiedene Spielregeln der Kommunikation: • Es spricht immer nur ein Akteur. • Es ist immer ersichtlich, wer gerade spricht (Kennzeichnung auf dem Panel, rechts unten im Bildschirm). • Technisch ist es immer nur möglich, in die eine oder andere Richtung zu sprechen. Dies waren die einzigen formalen Spielregeln, sie waren weitgehend technisch vorgegeben.

286

Markus Schwaninger

E. Der Kommunikationsprozess Der Audio- und der Video-Kanal wurden in den Vorträgen, Präsentationen und Diskussionen intensiv eingesetzt. Das Application Sharing ist eine Funktion, die über die gemeinsame Plattform, welche auf einem HSG-Server verankert war, ermöglicht wurde. Mit Application sind Anwenderprogramme gemeint. In unserem Fall waren dies die Power-Point-Software für Präsentationen und IThink sowie Vensim, zwei leistungsfähige Programme für die Modellierung und Simulation mit System Dynamics. Mit Sharing ist gemeint, dass das jeweils laufende Programm auf beiden Seiten, Bogotà und St. Gallen, gleichzeitig verfügbar ist. Praktisch heißt dies, dass an beiden Orten jeweils dasselbe Bild und dieselbe Bewegung erscheinen, resp. ablaufen. Wenn beispielsweise der Seminarleiter mit der Maus ein Wort in der Bildschirmpräsentation ansteuert, so ist der Zeiger simultan in Bogotà und St. Gallen sichtbar. Wenn eine animierte Simulation abläuft, so sind auf beiden Seiten dieselben Vorgänge gleichzeitig zu beobachten. Die Chat-Funktion ist eine Einrichtung, mit der Fragen und Kommentare schriftlich vermittelt werden können. In der Praxis waren dies vor allem Fragen an den Dozierenden seitens der Studierenden, welche den laufenden Vortrag oder die Diskussion nicht unterbrechen wollten. Zudem wurden auf diesem Weg am Ende des Seminars Rückmeldungen gegeben. Ansonsten erfolgten die Fragen und Antworten im Normalfall über den Audio- und den Video-Kanal. Das E-Mail wurde nicht nur in den Zwischenphasen verwendet, zwecks Übermittlung von Modellen, Daten und Kommentaren. Zwischen Kolumbien und der Schweiz bestand eine Zeitdifferenz von sechs Stunden. Deshalb war das E-Mail in diesen Zwischenphasen sehr wichtig für eine reibungslose Interaktion. Es wurde aber auch in einer Sitzung gebraucht, als eine Gruppe die in letzter Minute vor der Präsentation noch aktualisierte Version ihres Modells übermittelte. Das Telefon war ein robuster Kanal als Reserve. Es erleichterte die Koordination unmittelbar vor dem Beginn der Sitzungen. Darüber hinaus stand es für den Fall von Störungen der Kommunikation auf den anderen Kanälen bereit. Bei der einzigen, kurzen Unterbrechung, die de facto auftrat, leistete das Telefon wertvolle Dienste. Diesem Multikanal-Layout des Seminars kommt große Bedeutung für die Ergebnisse des Seminars zu. Zum Einsatz kommende mehrfache Medien (z. B. auditiv und visuell) verstärken sich gegenseitig oder ein Medium kompensiert die Schwächen eines anderen. Der Einsatz multipler Medien erhöht damit die Wirksamkeit des Wissenstransfers (Argote 1999). Dies gilt vor allem dann,

Das virtuelle Klassenzimmer – eine interkulturelle Brücke?

287

wenn es um komplexes Wissen geht, wie bei Deng und Agarwal (2005) anhand einer Feldstudie gezeigt wird.

F. Die Ergebnisse Dieses Seminar im virtuellen Raum war eine für alle Beteiligten sehr erfolgreiche Lehrveranstaltung. Die Qualität der erarbeiteten Inhalte war hoch. Die Studierenden erzielten innerhalb der kurzen Zeit des Seminars hervorragende Resultate. Der Lerneffekt war enorm, wie sich aus den erarbeiteten Simulationsmodellen ablesen lässt. Teilweise waren die Simulationsmodelle zu „Mikrowelten“, also benutzerfreundlichen, dedizierten Simulationsmodellen ausgebaut. Ein Auszug aus einem entsprechenden Interface findet sich in Abbildung 3. Mindestens eines der erarbeiteten Modelle war in der Unternehmung, welcher zwei der entsprechenden Gruppenmitglieder angehörten, direkt verwendbar.

SIMULACION MODELO DE VENTAS PROPUESTO MAXROSOFT COLOMBIA Fracci—n Productividad Gerentes de cuenta Socios de Negocios

Ingreso Real ?

0.41 0.40

2 ? 0

Ingreso Deseado

5 5

?

0.0000 U

1: Gerentes de cuenta 1: 2: 3: 4:

0.80

0

10

2: Ingreso Real

Ingreso Real

SF 34'978'71É SF 15'000'00É

3: Ventas

4

10 40000000 6000000 1

8

Ingreso Deseado

7

U 0.00

x 10

0.1500

4 x 10

SF 34'978'71É

1.0000

?

4: Gerentes de Cuenta É

4 3

Graph 1

3 1

1 3

2 1: 2: 3: 4:

8 20000000 3000000 1

1: 2: 3: 4:

5 0 0 0

3 1

2

2 1 0.00

2

4 2.00

Page 1

4.00 Quarters

6.00 18:30

4 8.00 Mon, 6. Feb 2006

Ventas, Ingreso Real, Gerentes de cuenta y gerentes de cuenta temporalÉ

Modelo de Niveles y Flujos

Parámetros de la Gráfica

Run

Abbildung 3: Computer Interface aus einem der erarbeiteten Modelle

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Markus Schwaninger

Die am Schluss des Seminars durch die Teilnehmenden über die Chatfunktion abgegebenen Kommentare zeigen, dass die Teilnehmer das Seminar hoch einschätzten. Alle meldeten über die Feedback-Kanäle (Chat-Funktion am Ende der zweiten Blockveranstaltung und Rückmeldungen an den lokalen Koordinator bei Seminarende), der Kurs sei exzellent gewesen. Die Beteiligten hatten enthusiastisch kooperiert und als leistungsfähige Teams gearbeitet. Man darf den Enthusiasmus nicht allein der technologisch-innovativen Form der Kursabwicklung zuschreiben. Die Studierenden hatten ihre eigenen Themen ausgesucht und bearbeiteten damit sie interessierende Fragestellungen auf der Grundlage einer Systemmethodik, welche vor und während des Seminars vermittelt wurde. Diese Methodik entspricht dem natürlichen Denken und sie ist hochwirksam für den Umgang mit komplexen Fragestellungen. Nicht zuletzt ist zu erwähnen, dass es unmöglich gewesen wäre, das Seminar erfolgreich zu realisieren, ohne auf die ausgezeichnete Unterstützung durch die beiden Techniker von IBM zählen zu können.

G. Erkenntnisse Diese Fallstudie führt zur Erkenntnis, dass mit dem virtuellen Klassenzimmer sehr wohl eine virtuelle Brücke gebaut werden kann. Die Technik der virtuellen Interaktion ist hiefür eine notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzung. Im vorliegenden Fall fand das Seminar über den Ozean und über verschiedene Zeitzonen hinweg statt. Zudem überschritt es die Grenzen zweier Länder und zweier Kulturen, einer europäischen und einer lateinamerikanischen. Es wurden also nicht nur zeitliche und räumliche Distanzen mit Erfolg überwunden, sondern auch eine kulturelle Differenz. Dabei kamen unter anderem folgende günstige Faktoren zum Tragen: 1. Die Studierenden waren hoch motiviert. 2. Sie waren durch einen Grundlagenkurs sehr gut vorbereitet. 3. Die Disziplin und die Kommunikationsfähigkeit seitens der Studierenden waren sehr hoch. 4. Der Dozent war mit der kolumbianischen Kultur relativ gut vertraut. 5. Unterricht und Diskussionen erfolgten in der lokalen Sprache (Spanisch). 6. Die Verfügbarkeit und glückliche Hand des lokalen Koordinators absorbierte ein hohes Maß an Komplexität. 7. Die technische Unterstützung war einwandfrei. Alle diese Faktoren waren der Effizienz und Effektivität der Lehrveranstaltung förderlich. Diese Einflussgrößen halfen einerseits, die Komplexität der

Das virtuelle Klassenzimmer – eine interkulturelle Brücke?

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Situation in dem Sinn zu dämpfen, dass die Lage überschaubar wurde und eine zielführende Kommunikation stattfinden konnte (Dämpfung von Fremdkomplexität). Andererseits halfen diese Faktoren, das Verhaltensrepertoire der Beteiligten zu erhöhen (Verstärkung von Eigenvarietät).3 Auf dieser Basis konnte auf hohem Niveau interagiert und letztlich gelernt werden. Dieses Lernen war nicht ein einseitiges, es war vielmehr kooperativ und gegenseitig. Zudem war es, angesichts des Unterschiedes der Kulturen der Beteiligten und auch der erwähnten Gegenseitigkeit, ein interkulturelles Lernen. Abschließend stellt sich die Frage nach den komparativen Vorteilen des virtuellen Seminars. Ist diese Form der Seminarabwicklung ein vollwertiger Ersatz für ein Seminar mit dem Dozierenden vor Ort? Im Fall eines Blockseminars kann das virtuelle Klassenzimmer sehr gut funktionieren, wie die Fallstudie zeigt. Das schließt nicht aus, dass ein Seminar im physischen Klassenzimmer, in dem der Dozierende „vor der Klasse steht“ und direkt mit den Studierenden interagiert, im Prinzip höherwertig ist. Dies, weil die Interaktion erleichtert ist und die Wahrnehmung auf beiden Seiten – bei Dozierenden und Studierenden – eine wesentlich höhere Kapazität hat. Im Falle großer räumlicher Distanzen und erheblichen Zeitdifferenzen, die durch die Dozierenden zu überwinden sind, kann eine Präsenz vor Ort zu aufwändig werden. Dies gilt auch dann, wenn mehrere Veranstaltungen mit jeweils großem Zeitabstand voneinander abzuwickeln sind. In solchen Fällen kann das virtuelle Klassenzimmer im hier dargestellten Sinn ein adäquater Ersatz sein. Dasselbe gilt für Situationen, bei denen Teilnehmer über große Distanzen untereinander respektive vom räumlichen Zentrum getrennt sind. Zusammenfassend hat das in dieser Fallstudie rekonstruierte Experiment signifikante Ergebnisse und Einsichten gezeitigt. Es war ein Pilotprojekt in dem beide Seiten, Dozenten und Studierende, über kulturelle Grenzen hinweg viel lernten. Genauer, sie verschmolzen zu einem Team, das gemeinsam einen wertvollen Lernprozess verwirklichte.

Literaturverzeichnis Argote, Linda (1999): Organizational Learning: Creating, Retaining and Transferring Knowledge, Boston, MA: Kluwer Academic Publishers. Deng, Xufei Nancy / Agarwal, Ritu (2005): Knowledge Sharing in Software Development and Software Defects: A Field Study, Working Paper, Pittsburgh, PA: Tepper School of Business, Carnegie Mellon University.

___________ 3

Siehe hiezu die Ausführungen zum „Varietäts-Engineering“ bei Schwaninger 2006.

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Markus Schwaninger

DeRouin, Renée E. / Fritzsche, Barbara A. / Salas, Eduardo (2005): E-Learning in Organizations, in: Journal of Management, Vol. 31, No. 6, S. 920–940. Euler, Dieter / Seufert, Sabine (Hrsg.) (2005): E-Learning in Hochschulen und Bildungszentren, München: Oldenbourg Wissenschaftsverlag. Forrester, Jay W. (1961): Industrial Dynamics, Cambridge, MA: MIT Press. – (1968), Principles of Systems, Cambridge, MA: MIT Press. Hofstede, Geert (1991): Cultures and Organizations. Software of the Mind, London: McGraw-Hill. Hoppe, Gabriela (2005): Entwicklung strategischer Einsatzkonzepte für E-Learning in Hochschulen, Köln: Josef Eul Verlag. Inglehart, Ronald (2002): Kultur und Demokratie, in: Harrison, Lawrence E. / Huntington, Samuel P. (Hrsg.) Streit um Werte, Hamburg: Europa Verlag, S. 123–144. (Englisches Original: Culture Matters). Karrasch, Hartmut / Krautgartner, Clara / Prowaznik, Bruno (2004): E-Learning – Wunschtraum oder Realität?, Wien: Infothek Verlag. Luchsinger, Nico (2005): Mehr Didaktik, weniger Technik. E-Learning an Universitäten noch in den Kinderschuhen, in: Neue Zürcher Zeitung, Nr. 256, 2. November 2005, S. B13. Schwaninger, Markus (2006): Intelligent Organisations, Berlin: Springer (in Druck). Sterman, John D. (2000): Business Dynamics. Systems Thinking and Modeling for a Complex World, Boston, MA: Irwin / McGraw-Hill.

Kausaldiagramme als Kooperationsinstrument – Zusammenhänge zwischen Studiengebühren, Wehrpflicht und Rentensanierung Von Reinhard Tietz

A. Einleitung1 Das Thema der diesjährigen Tagung der Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialkybernetik „Interkulturelle Kooperation“ weist darauf hin, daß die wachsende internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit, die gerne unter dem Stichwort „Globalisierung“ als Chance angepriesen und als Schreckgespenst verteufelt wird, Probleme aufwerfen kann, deren Ursachen zum Teil im unterschiedlichen kulturellen Hintergrund der Kooperationspartner zu suchen sind. Solche Probleme betreffen nicht nur die ökonomischen Auswirkungen der Globalisierung, sondern treten auch schon bei der Planung und Durchführung – z. B. innerhalb und zwischen Unternehmen – auf. Pläne müssen koordiniert und abgestimmt werden. Verträge sind abzuschließen. Die kulturellen Unterschiede sind nicht nur durch die oft unterschiedlichen Muttersprachen, sondern auch durch politische, gesellschaftliche oder religiöse Denkgewohnheiten bedingt. Für den Erfolg einer Kooperation scheint es wichtig, daß über Ziele und die Mittel und Wege dorthin eine gewisse Übereinstimmung erzielt wird oder zumindest die unterschiedlichen Ausgangspositionen deutlich gemacht werden. Aber auch innerhalb eines Landes muß man mit interkulturellen Verständigungsproblemen rechnen, etwa zwischen unterschiedlichen Religionen, politischen oder wirtschaftlichen Interessen, z. B. zwischen Mieter und Vermieter, zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer oder zwischen unterschiedlichen politischen Parteien. Wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Kooperation sind weitgehend übereinstimmende, gemeinsame Vorstellungen über mögliche Kausalzusammenhänge zwischen Entscheidungsvariablen oder Instrumenten auf der einen ___________ 1

Die im Vortrag verwendeten Folien lassen sich hier nicht alle wiedergeben. Sie sind im Internet auf der Seite www.wiwi.uni-frankfurt.de/profs/tietz unter „Schriften ab 2000“ oder „Vorträgen“ – dort auch farbig – einzusehen. Hinweise auf diese Folien werden im Text in eckigen Klammern [F.] aufgeführt [Gliederung F. 2].

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Reinhard Tietz

Seite und Zielen auf der anderen Seite. Um dies zu erarbeiten, bieten sich Kausaldiagramme als methodisches Instrument an. Gegenüber ökonometrischen Modellen sind qualitative Kausaldiagramme zwar ungenauer, sie erlauben aber die Berücksichtigung komplexerer Zusammenhänge. Die Einbeziehung schwer meßbarer Größen oder Verzicht auf eine präzise zeitliche Zuordnung erlaubt umfassendere Darstellungen. Durch Verzicht auf numerische Einzelheiten gewinnt man Einsichten in strukturelle Details. Der Verzicht auf strukturelle Vereinfachung erlaubt mehr Komplexität.2 Auf Grund der eigenen Erfahrungen an öffentlichen und privaten Hochschulen werde ich das Vorgehen am Beispiel der qualitativen Zusammenhänge zwischen Studiengebühren, Wehrpflicht und der Rentensanierung darstellen. Wurden doch die Diskussionen über die Wiedereinführung von Studiengebühren oder die Abschaffung der Wehrpflicht oft zu vordergründig geführt, indem nur deren unmittelbare Auswirkungen analysiert werden. Politische Entscheidungen sollten auch die mittelbaren und längerfristigen (ökonomischen) Auswirkungen berücksichtigen, die bspw. darin liegen, daß beide Themen mit dem Zeitpunkt des Berufseintrittes auch das Problem der Rentensanierung betreffen. Die angestellten Überlegungen sollen zur Berücksichtigung der mittel- und längerfristigen Folgen beitragen.

B. Mehrstufiges Verfahren zur kooperativen Erstellung von Kausaldiagrammen Wir nehmen an, daß mehrere Personen oder Interessengruppen mit unterschiedlichen Vorstellungen über die relevanten Wirkungszusammenhänge eine Kooperation anstreben und zur Klärung von möglichen Interessenkonflikten Kausaldiagramme einsetzen wollen. Es bietet sich ein 5-stufiges Verfahren an.

I. Erste Stufe: Erstellung individueller Kausaldiagramme Jeder Beteiligte erstellt zunächst unabhängig voneinander ein eigenes Kausaldiagramm. Es sollten vorher nur die wichtigsten Ziele und Mittel allen bekannt sein. Durch die getrennte Vorbereitung wird vermieden, daß die Beteiligten sich gegenseitig beeinflussen und vielleicht schon am Anfang wichtige eigene Interessen und Vorstellungen – oft unbewußt – unterdrücken.

___________ 2

Vgl. zum Einsatz in Lehre und Forschung: Tietz, Reinhard (1994), hier S. 284f.

Kausaldiagramme als Kooperationsinstrument

293

1. Schritt: Sammlung verbaler Argumente für mögliche Wirkungszusammenhänge Zunächst werden in schriftlicher Form Argumentationsketten aufgeschrieben, die mögliche Zusammenhänge zwischen jeweils zwei Variablen erfassen. Dabei ist schon eine gewisse Gliederung nach Sachbereichen vorzunehmen [F. 3-6]3. 2. Schritt: Übertragung in eine Einflußmatrix Um für die Diagrammerstellung eine übersichtliche Vorlage zu haben, empfiehlt es sich zunächst die verbalen Argumente mit ihren Einflußwirkungen von einer auf eine andere Variable in einer quadratischen Tabelle (Matrix) einzutragen. Positive Einflüsse, d. h. die Aussage: „Wenn A steigt, steigt auch B.“ werden z. B. mit „1“ oder „+“ codiert, negative Einflüsse, bei denen das Gegenteil der Fall ist: „Wenn A steigt, dann fällt B.“ codiert man mit „-1“ oder auch nur mit „–“. Die verbalen Argumente zu unserem Thema wurden so in eine ExcelTabelle übertragen [F. 7-8]. 3. Schritt: Aufbau eines individuellen Kausaldiagramms Mit Hilfe dieser Matrix erstellt man nun das Kausaldiagramm, wobei man entweder oben bei den exogenen Einflüssen oder unten bei den Zielen beginnt. Der angesprochene Problembereich wird hier durch zwei Kausaldiagramme veranschaulicht (s. Abb. 1 und 2 im Abschnitt D und [F. 9-13]). In ihnen gibt es zwei Arten von ökonomischen Veränderlichen, abhängige Variable, die von anderen Variablen beeinflußt werden (einfacher Rahmen), und Entscheidungsvariable, d. h. meistens unabhängige Variable, über die – hier politisch – entschieden wird (doppelter Rahmen). Ein positiver, gleichgerichteter Einfluß wird durch ausgezogene Pfeile und ein negativer, die Wirkungsrichtung umkehrender Einfluß durch unterbrochene Pfeile charakterisiert. Längerfristige Einflüsse sind durch dünnere Pfeile angedeutet. Die Pfeile geben mögliche und wahrscheinliche Einflüsse an, die in ihrem Zusammenwirken später noch in Stufe 4 gegeneinander abgewogen werden müssen. Es sind weitere Einflüsse denkbar. Zwei hintereinandergeschaltete negative Einflüsse ergeben als multiplikative Verknüpfung wieder einen positiven Wirkungszusammenhang. Taucht eine Variable in mehreren Kausaldiagrammen (in gleicher oder abweichender Abgrenzung) auf, so ist dies durch eine diagonale Linie im Textfeld angedeutet. Man kann sich das als vertikale Verbindung zweier Kausaldiagramme vorstellen. ___________ 3

s. Erläuterungen in Fußnote 1.

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Reinhard Tietz

II. Zweite Stufe: Zusammenführung zu einem gemeinsamen Kausaldiagramm möglicher Einflüsse In der zweiten Stufe werden die individuellen Kausaldiagramme zu einem gemeinsamen Diagramm zusammengeführt, das seinerseits aus Teildiagrammen bestehen kann. Dabei sind zunächst die Begriffsinhalte, d. h. die Variablendefinitionen auf Übereinstimmung zu prüfen. Gegebenenfalls sind Abweichungen durch entsprechende Variablennamen zu kennzeichnen. Die Überprüfung sollte erst in dieser Phase erfolgen, um Innovationen vorher nicht zu verhindern und abweichende Begriffsinhalte offenzulegen. Es ist eine Zweckmäßigkeitsfrage, ob die Zusammenführung der Diagramme auf direktem Wege graphisch oder über den tabellarischen Umweg erfolgen soll. Wichtig ist, daß unterschiedliche Ansichten über Wirkungszusammenhänge in dieser Phase erhalten bleiben und in den Diagrammen ihren Niederschlag finden.4

III. Dritte Stufe: Festlegung von Zielen und Entscheidungsvariablen In Stufe 3 werden gemeinsame Ziele und die zur Erreichung dieser Ziele geeignet erscheinenden Veränderungen von Entscheidungsvariablen festgelegt. Im Beispiel sind als Ziele die Sanierung der Rentenversicherung und ein erhöhter Beschäftigungsgrad anzusehen [F. 11-13]. Unabhängige Entscheidungsvariable sind die 8 Variablen, von denen nur Pfeile wegführen. (Der Beitragssatz nimmt hier eine Sonderstellung ein, weil die Vorraussetzungen zu seiner Senkung mit berücksichtigt werden.) Wird ein Steigen oder Fallen einer Variablen angenommen, so wird dies durch einen entsprechend gerichteten schwarzen bzw. grauen Pfeil im Variablenfeld angedeutet. Ausgehend von den Entscheidungsvariablen lassen sich so auch die Veränderungen der abhängigen Variablen bestimmen, solange es nicht zu einem Widerspruch beider Richtungen kommt. Felder, in denen gegenläufigen Wirkungsketten zusammentreffen, sind durch das einen „Widerspruch“ ausdrückende Symbol (Eieruhr) gekennzeichnet. Diese Widersprüche werden erst in der folgenden 4. Stufe beseitigt, so daß die Änderungsrichtungen erst dort für alle Variablen bestimmt werden können. Die Variablen lassen sich bei fehlenden (oder wenigen) Rückkoppelungen so sortieren, daß die Einflußmatrix (fast) nur oberhalb der Hauptdiagonalen besetzt ist [F. 14-16]. ___________ 4

Da das vorliegende Beispiel alleine erstellt wurde, fehlt hier Stufe 2.

Kausaldiagramme als Kooperationsinstrument

295

IV. Vierte Stufe: Ausgleich des Kausaldiagramms Die Betrachtung gegenläufiger Wirkungsketten führt zu kognitiven Dissonanzen.5 Solche Dissonanzen werden als unangenehm empfunden und deshalb nach Möglichkeit vermieden und oft unbewußt abgebaut. Bei Kausaldiagrammen spricht man von unausgeglichenen Kausaldiagrammen. Abelson und Rosenberg haben schon 1958 eine Theorie des strukturellen Ausgleichs entwickelt.6 In Deutschland hat sich vor allem der Nobelpreisträger Reinhard Selten mit Kausaldiagrammen und deren Ausgleich beschäftigt.7 Während bei den genannten Autoren eher der implizit und unbewußt vorgenommen Ausgleich von Kausalstrukturen im Vordergrund steht, soll in unserem Falle, wo wir das Kausaldiagramm als Methode zum kooperativen Interessenausgleich betrachten, der Ausgleich explizit vorgenommen werden, wobei wir zwei Vorgehensweisen betrachten. Man kann einmal an den Stellen, wo ein Widerspruch auftritt entscheiden, welchem Einfluß in der betrachteten aktuellen Situation die größere Bedeutung beizumessen ist und welcher vernachlässigt werden kann. Dies wird durch einen Querstrich (  ) auf dem vernachlässigten Verbindungspfeil angedeutet. Sind zum Ausgleich durch Schwächung eines widersprechenden Einflusses institutionelle (z. B. gesetzliche) Regelungen angebracht oder notwendig, so ist dies durch einen Doppelstrich (  ) gekennzeichnet. Die hier dargestellten Kausaldiagramme sind durch entsprechende Annahmen bereits in diesem Sinne ausgeglichen. Die Wirkung der Entscheidungsvariablen kann im ausgeglichenen Kausaldiagramm dann für alle Variablen bestimmt werden, soweit nicht alle auf eine Variable wirkenden Einflüsse abgeschnitten wurden. (So wurde bei den Studienfinanzierungen durch vorherige oder gleichzeitige Erwerbstätigkeit vorgegangen (s. Abb. 2 u. [F. 13]) Andere Möglichkeiten des Ausgleichs bestehen darin, quantitative Abschätzungen der Einflüsse vorzunehmen. Auch mit Hilfe von Korrelations- oder Regressionsanalysen kann man die Stärke der Einflüsse ermitteln und gegeneinander aufrechnen, soweit die Daten situationsspezifisch genug sind.8

___________ 5

Festinger, Leon (1957). Abelson, Robert P. / Rosenberg, Milton J. (1958). 7 Selten, Reinhard (1967, 2004). 8 s. Williamson, Maureen R. / Wearing, Alexander J. (1996); Hart, Peter M. / Wearing, Alexander J. (2000). 6

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V. Fünfte Stufe: Lösung des Interessenkonfliktes Da es mehrere Möglichkeiten zur Erreichung ausgeglichener Kausaldiagramme gibt, muß in einer abschließenden Stufe geklärt werden, welchen Entscheidungen, ergänzt durch welche Ausgleichsmaßnahmen, der Vorzug zu geben ist und als Interessenausgleich von allen Teilnehmern akzeptiert wird. Dadurch, daß die unterdrückten Einflüsse im Diagramm dokumentiert bleiben, können die kognitiven Dissonanzen jederzeit deutlich gemacht werden. Fragliche Zusammenhänge können genauer untersucht werden. Die umfassende Darstellung der möglichen Zusammenhänge erlaubt es auch in geänderten Situationen schnell zu reagieren. Läßt sich der Interessenkonflikt nicht lösen, so erlaubt das Kausaldiagramm doch immerhin, die sachlichen Gründe genauer zu bestimmen, die eine Einigung verhindert haben.

C. Diskussion der Methode Selten9 schließt in seiner Definition von Kausaldiagrammen Rückkoppelungen aus. Er bezieht sich dabei auf Beobachtungen von Axelrod, daß Rückkoppelungen in qualitativen Argumentationen durchweg fehlen.10 Bei dem Einsatz des Kausaldiagramms als Instrument der Kooperationsverbesserung sollte man Rückkoppelungen jedoch gerade nicht ausschließen. Der Kybernetiker weiß, daß ohne negative Rückkoppelungen ein kybernetisches System kaum stabil sein kann. Das Vorhandensein negativer Rückkoppelungen ist Vorraussetzung für eine Homöostase, eine Bewegung innerhalb gewisser Grenzen. Man kann sich deshalb fragen, warum negative Rückkoppelungen in wirtschaftspolischen Argumentationen meistens fehlen. Hier bieten sich mehrere Gründe an: 1. Sie führen beim Autor zu kognitiven Dissonanzen und machen das ganze Konzept unstimmig. 2. Negative Rückkoppelungen reduzieren die Überzeugungskraft der vorgetragenen Argumente. 3. Das Weglassen von negativen Rückkoppelungen vereinfacht die Argumentation. Ihr Einbau würde das qualitative Modell der dargestellten Zusammenhänge schwerer durchschaubar machen. ___________ 9

Selten, Reinhard (2004), S. 3. Axelrod, Robert (1976).

10

Kausaldiagramme als Kooperationsinstrument

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4. Das Fehlen negativer Rückkoppelungen zeigt, daß wirtschaftspolitische Argumentationen implizit situationsspezifisch sind. Es wird auf Abfragen bezüglich der aktuellen Situation verzichtet. Sie könnten dem Modell zwar größere Allgemeingültigkeit geben, würden es aber erheblich komplizieren. Das Kausaldiagramm gilt nur lokal in der Nähe des status quo. Die Maßnahmen werden von vorneherein implizit auf einen Bereich eindeutiger Wirkung beschränkt. 5. Durch Rückkoppelungen generell, auch durch positive, läßt sich nicht mehr eindeutig zwischen Mitteln und Zielen unterscheiden. Eine Periodisierung würde das Kausaldiagramm komplizierter machen. Eine Verkürzung der betrachteten Zeiträume würde zwar Rückkoppelungen reduzieren helfen, aber auch den Gültigkeitsanspruch verringern. Auch in unserem Kausaldiagramm fehlen negative Rückkoppelungen. Die einzige positive Rückkoppelung (der negative Einfluß von den Beitragseinahmen zum Beitragssatz) kann auch weggelassen werden, weil er das Ergebnis nicht beeinflußt. Die beiden Pfeile zum Beitragssatz sollen auch eher andeuten, daß eine Erhöhung der Beitragseinnahmen, ebenso wie eine Senkung der auszuzahlenden Rentensumme eine Senkung des Beitragssatzes erlauben. Man kann deshalb im ausgeglichenen Kausaldiagramm diese positive Rückkoppelung auch weglassen. Da Kausaldiagramme hier als Methode zur Erleichterung und Verbesserung von Kooperation verstanden werden, sollte auf Rückkoppelungen nicht grundsätzlich verzichtet werden, sondern man sollte gerade nach ihnen suchen. In unserem Diagramm fehlen z. B. Rückkoppelungen aus dem Kreislaufzusammenhang, etwa die positive Rückkoppelung von dem Steueraufkommen zurück zur öffentlichen Hochschulfinanzierung.11

D. Beispiel: Studiengebühren, Wehrpflicht und die Rentensanierung Die zu erwartende demographische Entwicklung wirft für die langfristige Finanzierung der Rentenversicherung große Probleme auf. Die Kürzung der Rentenbezugsdauer ebenso wie eine Verlängerung der Versicherungseinzahlungszeit können hier eine gewisse Entlastung bringen. So kann das tatsächliche Renteneintrittsalter (REA) durch Heraufsetzung des gesetzlichen Renteneintrittsalters erhöht werden (Abb. 1, unten links u. [F. 11-12]). Höhere Zu- und Abschläge bei Abweichung des tatsächlichen REA vom gesetzlichen REA können ___________ 11 Interpretiert man das ausgeglichene Kausaldiagramm als Gleichungssystem, so läßt es sich – bei fehlenden Rückkoppelungen – rekursiv lösen. Vgl. [F.17–20].

VersicherungsEintrittsalter (VEA)

gesetzliches Renteneintrittsalter

tatsächliches Renteneintrittsalter (REA)

„später“ Zivildienst durch „Frührentner“

„früher“ Zivildienst

Studiengebühren

Beitragssatz

Zuschußbedarf der RV.

technischer Fortschritt

Berufseintrittsalter

Lohnabgaben

Lohnnebenkosten

Familiengründungsalter

Arbeitsnachfrage

Produktivität

Beitragseinnahmen

Bildungspotential der nächsten Generation

Studienabschlußalter

Schwarzarbeit (Volumen)

Beschäftigungsgrad

Beitragszahler

Lohnkosten /Stück

Abb. 1: Kausaldiagramm zu Studiengebühren, Wehrpflicht und Rentensanierung

Zu- und Abschläge gemäß REA

Rentensumme (Auszahlung)

Innovationen

Studiendauer

Arbeitsangebot

Steueraufkommen (ESt)

Kinderzahl

Wehrpflicht

Schulzeit

298 Reinhard Tietz

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die Anreize für einen späteren Rentenbeginn verstärken. Bleibt diese Wirkung aus (ceteris paribus-Annahme), so erhöhen die Zuschläge die auszuzahlende Rentensumme, während höhere Abschläge auch direkt die Rentensumme reduzieren. Sinkt die Rentensumme, so kann der Beitragssatz gesenkt werden, da weniger Beitragseinnahmen gebraucht werden. Eine Senkung des Beitragssatzes führt über den Arbeitgeberbeitrag zu einer Verringerung der Lohnnebenkosten, was sich in einer steigenden Arbeitsnachfrage und steigendem Beschäftigungsgrad auswirken wird. Fallen die Abgaben auf das Lohneinkommen, so geht der Anreiz zur Schwarzarbeit zurück, die ihrerseits mit dem Beschäftigungsgrad auch direkt in negativer Beziehung steht. Nicht zu übersehen ist, daß eine Erhöhung des Renteneintrittsalters einem steigenden Arbeitsangebot gleichkommt, was den Beschäftigungsgrad senken und die Schwarzarbeit erhöhen kann. Steigt das tatsächliche REA, so steigt gleichzeitig die Zahl der Beitragszahler, was über steigende Beitragseinnahmen auch auf der Einnahmeseite zu einer Entlastung führt und den Zuschußbedarf der Rentenversicherung reduziert. In der unterschiedlichen Wirkungsgeschwindigkeit beider Einflüsse liegt die Hauptcrux der bisherigen Frühverrentung. Die Frühverrentung wirkte nämlich sofort durch Angebotsreduktion arbeitsmarktentlastend. Dagegen erfolgte die notwendige Erhöhung des Beitragssatzes erst verzögert nach Auftreten der Finanzierungslücke. Die an Kostenrelationen orientierten Entscheidungen über Rationalisierungsinvestitionen oder Produktionsverlagerungen erfolgen erfahrungsgemäß mit einer weiteren Verzögerung von etwa zwei Jahren. Mit geringeren Verzögerungen ist bei einem Prozeß in umgekehrter Richtung zu rechnen. Eine Erhöhung des Renteneintrittsalter wirkt – ähnlich wie die aktuelle Verlängerung der Wochenarbeitszeit – kurzfristig zwar als Erhöhung des Arbeitsangebots; wenn die Senkung des Beitragssatzes – insbesondere für den Arbeitgeberanteil – schnell vorgenommen wird, so kommt sie kurzfristig den Gewinnen zugute und macht keine Umdispositionen (und Investitionen) notwendig, da unter den alten Bedingungen günstiger weiterbeschäftigt werden kann. Die Substitution von heimischer Arbeit durch Kapital oder ausländische Arbeit bleibt aus. Die Nachfrage dürfte in dieser Richtung also kurzfristiger reagieren und den Angebotsanstieg kompensieren. Gleichwohl: Auch wenn die Nachfrage zögerlich reagieren sollte, darf man nicht aus Angst vor einem kurzfristigen Angebotsüberschuß die internationale Wettbewerbssituation der deutschen Arbeitskräfte durch steigende Lohnnebenkosten immer weiter verschlechtern. Steigt der Beschäftigungsgrad und geht die Schwarzarbeit zurück, so steigt das Steueraufkommen aus der Einkommensteuer (ESt), was der Finanzierung versicherungsfremder Leistungen des Rentensystems zugute kommen kann; ebenso steigen die Anzahl der Beitragszahler und damit auch die Beitragseinnahmen.

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Eine Senkung des Versicherungseintrittsalters (VEA) erhöht die Zahl der Beitragszahler und damit die Beitragseinnahmen; es erlaubt deshalb eine Senkung des Beitragssatzes. Da das Versicherungseintrittsalter mit dem Berufseintrittsalter zusammenfällt, steigt natürlich hierdurch auch das Angebot am Arbeitsmarkt. Im Zuge der fallenden Halbwertzeit des gültigen Wissens auf vielen Gebieten kommt einer berufsbegleitenden Weiterbildung zunehmend eine größere Bedeutung zu als einer überlangen vorberuflichen Ausbildung. Vieles spricht dafür, daß die Innovationsfähigkeit mit zunehmendem Lebensalter abnimmt. Mit niedrigerem Berufseintrittsalter wird die innovativste Lebensphase nicht mehr im Wartesaal der Ausbildung verbracht, sondern kommt direkt im beruflichen Alltag zum Tragen. Ein früherer Berufseintritt führt deshalb zu einer Beschleunigung des technischen (und organisatorischen) Fortschritts, der mit Produktivitätssteigerungen verbunden ist. Die Produktivitätssteigerungen führen zwar kurzfristig zu einer geringeren Arbeitsnachfrage, sie senken aber die Lohnkosten pro Stück, wodurch die Nachfrage nach Arbeit stimuliert wird. Aus Angst vor einem Angebotsüberhang Fortschritt zu verbieten, ist wohl kaum eine zukunftsträchtige Lösung. Wegen des höheren Innovationspotentials von Hochschulabgängern ist eine Senkung des Studienabschlußalters für den technischen Fortschritt von besonderer Bedeutung, worauf noch ausführlicher einzugehen ist. Beim Berufseintrittsalter liegt Deutschland deutlich über den Werten vergleichbarer anderer Länder. Eine Senkung des Berufseintrittsalters kann durch eine Verkürzung der Schulzeit, durch Wegfall der Wehrpflicht und des Zivildienstes und durch ein niedrigeres Studienabschlußalter erreicht werden. Leider ist die Chance, durch Übernahme der 12-jährigen Schulzeit der DDR eine Verkürzung der Schulzeit im Zuge der Wiedervereinigung zu erreichen, verpaßt worden. Immerhin sind inzwischen Verkürzungen der Schulzeit in mehreren Bundesländern beschlossen worden. Die Abschaffung der Wehrpflicht und ihr Ersatz durch eine Freiwilligen- und Berufsarmee werden erfreulicherweise zur Zeit diskutiert. Der hohe Grad der Waffentechnisierung läßt eine Kurzausbildung Wehrpflichtiger nur noch wenig sinnvoll erscheinen. Auch ist eine Verpflichtung zum weltweiten Einsatz nur für Berufssoldaten vertretbar. Schließlich ist nicht einzusehen, warum die wichtige erzieherische Aufgabe zum Staatsbürger nur „in Uniform“ und nicht auch in anderen Erziehungseinrichtungen (Schulen und Hochschulen) geleistet werden kann und warum Frauen diese Staatsbürgererziehung vorenthalten werden soll. Über die erzieherischen Qualitäten des „frühen“ Zivildienstes junger Männer mag man geteilter Meinung sein. Da immer mehr Menschen bei guter Gesundheit ein höheres Alter erreichen, wäre es im Interesse des früheren Berufs- und späteren Renteneintrittes eher sinnvoll, den sogenannten Frührentner mit Aufgaben des Zivildienstes zu betrauen. Ein solcher „später“ Zivildienst kann eine

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durchaus befriedigende Aufgabe in der Zeit des Übergangs vom vollen Berufsleben zum Ruhestand sein. Er würde das Renteneintrittsalter (und die Zahl der Beitragszahler) erhöhen und die benötigte Rentensumme reduzieren. Ein niedrigeres Berufseintrittsalter ist auch eine wichtige Voraussetzung für ein niedrigeres Familiengründungsalter.12 Ein niedrigeres Familiengründungsalter erlaubt dann auch eine höhere Kinderzahl, womit langfristig schließlich auch wieder die Anzahl der Beitragszahler steigt und das Generationenproblem entschärft wird. Nimmt das Studienabschlußalter stärker als das durchschnittliche Berufseintrittsalter bei konstanter Kinderzahl ab, so steigt wegen der besseren Qualifikation der Eltern das Bildungspotential der nächsten Generation, was wieder den Innovationen und dem technischen Fortschritt zugute kommen wird. Das Kausaldiagramm zum Problem Studiengebühren ist in Abbildung 2 [F. 13] wiedergegeben. Es wäre unverantwortlich, der jüngeren Generation die Möglichkeit vorzuenthalten, über Studiengebühren auch für das Erststudium eine bessere Ausbildung zu erlangen. Treten neben die (immer noch unzureichende) öffentliche Hochschulfinanzierung Studiengebühren, so steigt die gesamte Hochschulfinanzierung. Dies erlaubt eine bessere Sachmittelausstattung und günstigere Betreuungsverhältnisse (Lehrintensität). Studiengebühren dürften vor allen Dingen die Qualität der Lehre und ihre Kontrolle ebenso verbessern wie die Lernintensität und Lerneffizienz. Gegebenenfalls kombiniert mit einer Verkürzung der Regelstudienzeit ließe sich so die Studiendauer und damit das Studienabschlußalter deutlich reduzieren, was sich, wie schon gezeigt, auch günstig auf die Rentensanierung auswirken würde. Natürlich muß eine sozialverträgliche Finanzierungsform für die Studiengebühren und die Lebenshaltungskosten aufgebaut werden. Neben der Studienfinanzierung durch (SFd) Studienkredite, deren spätere Rückzahlung auch einkommensabhängig erfolgen kann13, bieten sich Stipendien an, die z. T. wieder aus Studiengebühren finanziert werden können. Die gleichzeitige Studienfinanzierung durch Erwerbstätigkeit würde dagegen die Studiendauer und damit das Studienabschlußalter ebenso erhöhen wie eine vorherige Erwerbstätigkeit. Die anderen Finanzierungsformen sind deshalb so attraktiv zu gestalten, daß die Erwerbstätigkeit zur Studienfinanzierung nicht gewählt wird. Auch eine dem Studium vorgeschaltete Berufsausbildung (Lehre) ist unter einzel- und gesamtwirtschaftlichen Aspekten kritisch zu sehen. Die Finanzierung durch die Eltern wird weiterhin eine Hauptfinanzierungsquelle der gesamten Studienkosten bleiben. Immerhin ist anzunehmen, daß die Zahlungsbereitschaft der Eltern für eine gute Ausbildung der eigenen Kinder höher sein ___________ 12 13

Vgl. „Lange Ausbildungszeiten wirken wie Verhütungsmittel“, FAZ vom 21.8.05. Vgl. „Erster Bildungsfonds für ganz Deutschland“, FAZ vom 18.3.05.

SFd Eltern

SFd vorherige Erwerbstätigkeit

SFd gleichzeitige Erwerbstätigkeit

SFd Stipendien

Studienfinanzierung durch (SFd) Studienkredite

Studiengebühren

öffentliche Hochschulfinanzierung

Zahlungsbereitschaft der Eltern

gesamte Hochschulfinanzierung

Qualität und Kontrolle der Lehre

Forschungsqualität

Studiendauer

Abb. 2: Kausaldiagramm zu Studiengebühren

Oberflächlichkeit des Studiums

Lernintensität und -effizienz

Sachmittelausstattung

BetreuungsVerhältnis, Lehrintensität

Regelstudienzeit

Kinderzahl

Familiengründungsalter

Produktivität

Bildungspotential der nächsten Generation.

Innovationen

technischer Fortschritt

Studienqualität

Studienabschlußalter

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Kausaldiagramme als Kooperationsinstrument

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wird als die für eine durch Steuern erzwungene (sozial unausgewogene) Beteiligung an den Ausbildungskosten fremder Kinder, die durch bessere Ausbildung später höhere Einkommen erzielen. Daß Studiengebühren auch in Deutschland zu einer Verkürzung der Studienzeit führen, zeigen die privaten Hochschulen. Trotz hoher Studiengebühren übersteigen hier die Bewerberzahlen um ein Vielfaches die verfügbaren Studienplätze, die in Auswahlverfahren vergeben werden. Gleichzeitig ist die Regelstudienzeit verkürzt worden, ohne daß die Absolventen anschließend Beschäftigungsprobleme haben. Eine aus finanziellen Gründen erzwungene Verkürzung der Studienzeit birgt natürlich auch die Gefahr in sich, daß nur noch „examensrelevant“ und oberflächlich studiert wird und die Persönlichkeitsbildung auf der Strecke bleibt. Hierunter würde zumindest die Forschungsqualität leiden, was sich auf den technischen Fortschritt negativ auswirken kann, so daß eine bessere Finanzausstattung verpufft. Bei entsprechender Verwendung der Studiengebühren – und der zu erhöhenden öffentlichen Hochschulfinanzierung – kann man jedoch davon ausgehen, daß die Studienqualität nicht abfällt sondern verbessert wird und somit die Studiendauer und damit das Studienabschlußalter zurückgehen wird (so auch in Abb. 1). Die Senkung des Studienabschlußalters dürfte auf die Steigerung von Innovationen, technischem Fortschritt und Produktivität einen deutlich stärkeren Einfluß haben als die Senkung lediglich des durchschnittlichen Berufseintrittsalters Insgesamt kann man festhalten: Gelingt es, das Versicherungseintrittsalter deutlich zu senken und das Renteneintrittsalter merklich zu erhöhen, so ist auch mit einer Senkung der Lohnkosten und einer Abnahme der Arbeitslosigkeit zu rechnen, zumal für die anderen Zweige der Sozialversicherung ähnliche Wirkungszusammenhänge gelten. Dabei kommt der Senkung des Arbeitgeberanteils – vor allen Dingen bei Versicherungen für einkommensunabhängige Leistungen wie Kranken- und Pflegeversicherung – besondere Bedeutung zu. Die kalkulatorischen Lohnkosten sind entscheidend für die Nachfrage am Arbeitsmarkt. Daneben wird man – ähnlich wie beim internationalen Besteuerungswettbewerb – an einer Harmonisierung auch durch Leistungskürzungen nicht vorbeikommen, um die Attraktivität für Zuwanderungen in das vergleichsweise vorteilhaftere Sozialsystem abzuschwächen. Ergänzende Bemerkung: In der vorstehenden Darstellung sind Verschiebungen der Nachfragestruktur, die sich durch die angesprochenen Maßnahmen ergeben würden, noch vernachlässigt. Private Studiengebühren, die sofort oder später von den privaten Haushalten finanziert werden müssen, sind mit einem Rückgang von Konsumausgaben und/oder Ersparnissen verbunden. Ein Rückgang der Konsumgüternachfrage kann mit einem Rückgang der Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt für Beschäftigte der „Konsumgüterindustrie“ verbunden sein.

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Dem steht gegenüber, daß die unterstellte steigende gesamte Hochschulfinanzierung (Studiengebühren zuzüglich öffentlicher Mittel) über ein besseres Betreuungsverhältnis zu einer steigenden Nachfrage nach in der Lehre eingesetzten Akademikern führt. Die Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt verlagert sich also strukturell hin zu Berufen mit höherem Bildungsgrad. Ein Rückgang der Ersparnisse der privaten Haushalte kann zu einer Zinssteigerung führen. Knappere und (verstärkt durch den Kreditbedarf für Studienkredite) teurere Finanzierungsmittel können investitionshemmend wirken, falls die attraktiveren Zinsen nicht hinreichend für einen Kapitalzustrom aus dem Ausland sorgen.

Literaturverzeichnis Abelson, Robert P. / Rosenberg, Milton J.: Symbolic Psycho-Logic: A Model of Attitudinal Cognition, Behavioral Science, 3 (1958), S. 1–13. Axelrod, Robert: The Analysis of Cognitive Maps, in: Axelrod, Robert (ed.), Structure of Decision, The Cognitive Maps of Political Elites, Princeton, N. J. 1976. Festinger, Leon: A Theory of Cognitive Dissonance, Stanford, Cal. 1957. Hart, Peter M. / Wearing, Alexander J.: Using Employee Opinion Surveys to Identify Control Mechanisms in Organizations, in: Perrig, Walter J. / Grob, Alexander (Eds.): Control of Human Behavior, Mental Processes; and Consciousness, Mahwah, N.J. / London 2000, S. 520–539. Selten, Reinhard: Investitionsverhalten im Oligopolexperiment, in: Sauermann, Heinz (Hrsg.): Beiträge zur experimentellen Wirtschaftsforschung (Bd. 1), Tübingen 1967, S.60–102, hier S. 89–96. – Boundedly Rational Qualitative Reasoning on Comparative Statics, in: Huck, Steffen: Advances in Understanding Strategic Behaviour, Game Theory, Experiments and Bounded Rationality, Essays in Honour of Werner Güth, Houndmills u. a. 2004, S. 1–8. Tietz, Reinhard: Vereinfachung und Komplexität – Das Dilemma der Wirtschaftstheorie, Übersetzung eines auf der internationalen Tagung „Economy and Culture“, Monash University, Melbourne 1.–3. Oktober 1993 gehaltenen Vortrages, in: Schiemenz, Bernd (Hrsg.), Interaktion – Modellierung, Kommunikation und Lenkung in komplexen Systemen –, Wirtschaftskybernetik und Systemanalyse in komplexen Systemen, Bd. 17, Berlin 1994, S.237–261. Williamson, Maureen R. / Wearing, Alexander J.: Lay people’s cognitive models of the economy, Journal of Economic Psychology 17 (1996), S. 3–38.

Bedingungen und Grenzen sozioökonomischer Strategien für die Europäische Union – einige systemtheoretisch fundierte Überlegungen Von Bernhard Kroll Die Entwicklung der Europäischen Union hat durch den erfolgten Beitritt von 10 neuen Mitgliedsstaaten und die sich ankündigende Einbeziehung von weiteren Mitgliedern, wie Bulgarien, Rumänien, die Nachfolgestaaten Jugoslawiens, die Türkei und die Ukraine eine atemberaubende Dynamik erhalten. Es vollzieht sich ein Zwangslauf, getragen von der Globalisierung, von sicherheitspolitischen Konstellationen, vom wissenschaftlich-technischen Fortschritt und von wirtschaftlichen Interessen. In der Vergangenheit waren Ereignisse von dieser Dimension immer auch Anlass für eine Aufbruchstimmung in den sozialwissenschaftlichen Theorien, in der Suche nach Methoden und Instrumentarien, wie man eine solche neue Entwicklung beschreiben und prognostizieren kann. Diese Aufbruchstimmung kann zumindest auf wirtschaftstheoretischem Feld nicht beobachtet werden. Die Erklärungsbemühungen laufen der europäischen Entwicklung hinterher. Der mündige Bürger sucht vergeblich nach Antworten auf Fragen, die ihn bewegen. Woran fehlt es? Viele Theoretiker sind der Auffassung, es fehle nicht an Theorieangeboten, die Politik müsse sie einfach nur zur Kenntnis nehmen und umsetzen. Wenn man die Palette der Theorieangebote aber unter die Lupe nimmt, zumindest jene mit einem komplexen Anspruch und mit einer relativ hohen Wertschätzung (ihrer Autoren), so fällt auf, dass sie über einen bunten Mix aus verbaler Erklärung und statistischer Beweisführung nur selten hinaus kommen, was leider auch für die sog. „Lissabonner Strategie“ aus dem Jahre 2000 gilt. Es fehlt an qualitativ und quantitativ begründeten Aussagen über innere Zusammenhänge, die beweiskräftig genug sind, um das schrittweise Zustandekommen bestimmter Resultate verständlich zu machen (vgl. Rudolph 2005). Unter den klassischen Ökonomen war dieser naturwissenschaftlich geprägte Anspruch selbstverständlich; heute gerät er zuweilen in den Verdacht der „Anmaßung von Wissen“ (vgl. v. Hayek 1983 u. Popper 1992). Wenn man aber eine Negation der Möglichkeiten des Wissenserwerbs an den Anfang eines Forschungsprozesses stellt, kann naturgemäß kein großer Erkenntnissprung dabei heraus kommen. Insofern kann es auch nicht befriedigen, wenn der inzwischen gescheiterte EU-Verfassungsvertrag (vgl. EG 2005)

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– keine klaren Aussagen über das Ziel des europäischen Integrationsprozesses und über die Wege dorthin trifft und – allzu nebulös auf Ergebnis-Offenheit setzt: Man möge den europäischen Binnenmarkt nur wirken lassen und es werde sich steigender Wohlstand einstellen. Der Autor möchte mit diesem Beitrag einige Grundgedanken darüber entwickeln, was man über das Heute und die Zukunft der Europäischen Union durchaus wissen sollte und welcher Erkenntnisnutzen sich dabei aus der allgemeinen Systemtheorie ziehen lässt. Anknüpfungspunkt dieser Überlegungen sind die allgemeinen Eigenschaften von lebenden Systemen, wozu als höchste Form auch die sozioökonomischen Systeme gehören. Nun ist das die EU als Gemeinwesen nur in Konturen vorhanden. Die vielfach geäußerte Frage, ob sie nicht überfordert, überladen bzw. überdehnt sei, lässt sich eigentlich nur beantworten, wenn man zuvor ihre Funktion, d. h. vor allem ihren Existenzzweck richtig erkannt hat. Man muss sich also auf eine – von den Bürgern gewollte – Identität einigen, von der aus dann die Funktionsfähigkeit beurteilt werden kann, indem die Kybernetik ihren wertvollen Selbstorganisationsgedanken ins Feld führt: Bei gegebenem Existenzzweck muss das System über die Fähigkeit verfügen, sich in einer komplexer werdenden relevanten Umwelt zu erhalten und weiterzuentwickeln. Die Grenzen, auch die des EU-Gemeinwesens, liegen also dort, wo es sich nicht mehr selbst organisieren bzw. regulieren kann. Auf vielen Feldern funktionierte diese Selbstorganisation auch in der „EU der 15“ noch nicht. Die Zwischenberichte zur Lissabonner Strategie nennen u. a. – einen Verlust an Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den USA und Asien, vor allem in der Industrie und in den Dienstleistungen (EG 2004b, S. 14), – mangelnde Investitionen in Forschung und Entwicklung, vor allem in Wissen und Netze (EG 2004a S. 24); dabei vor allem ein enttäuschend niedriger Anstieg der industriefinanzierten Forschung und Entwicklung (EG 2003, S. 3), – unzureichende Antworten auf die „Alterung der europäischen Bevölkerung“ (EG 2004a, S. 20), – negative Entwicklungen der Luft- und Wasserqualität, Bodenerosionen, – Rückgang biologischer Vielfalt usw. (EG 2004b, S. 16) und – kommunale Abfallberge, die schneller wachsen als die Produktion (EG 2003, S. 34). Durch den Beitritt von 10 neuen Mitgliedern ist das wirtschaftliche Potential der EU – eine weitere Systemeigenschaft – nur wenig, wenn man das Bruttoinlandsprodukt zugrunde legt, gerade mal um 5 % gestiegen (vgl. EG 2004b,

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S. 16). Entsprechend niedrig ist wohl auch der unmittelbare Zugewinn an Selbstorganisationsfähigkeit ausgefallen1. Unterstellt, die Europäische Union in ihren gegebenen Grenzen sei ein zur Selbstorganisation fähiges Gemeinwesen – was aber noch auf dem Prüfstand steht – so stellt sich die Frage: Wohin kann sich dieses Gemeinwesen EU entwickeln und wer lenkt und steuert diese Entwicklung? Mit dieser Frage sind wir bei der Betrachtung von Strukturen – einer weiteren Systemeigenschaft – angelangt. Systemtheoretisch kann man unter Strukturen Kräftebeziehungen verstehen. Zwischen leistungsfähigen Elementen wirken anziehende und abstoßende Kräfte und sorgen so für den Gesamterhalt, die Balance des Systems. Es geht kurz gesagt um Wettbewerb. Innerhalb Europas ist ein solcher Wettbewerb mindestens auf zwei Ebenen zu finden, auf der Ebene der nationalstaatlichen (Volks-)Wirtschaften und auf der Ebene der Unternehmen. Wenn sich der Autor im Folgenden vor allem der Länderebene zuwendet, geschieht dies aus folgenden Gründen: a) Gegenüber der Unternehmensebene werden auch die kulturellen, politischen (inklusiven militärischen) und sozialen Wirkungen, die überwiegend von nationaler Art sind, berücksichtigt (vgl. Dunn 2004). b) Es werden auch die Bedürfnisse und konsumtiven Verbrauchsgewohnheiten der Bevölkerung, wie sie sich in den privaten und öffentlichen Haushalten niederschlagen, in Relation zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erfasst. c) Es findet die unterschiedliche Ausprägung des allgemeinen Lebensniveaus in den einzelnen Ländern Berücksichtigung, was selbst bei gleicher technischer Ausstattung nicht nur eine Frage guter oder schlechter Bezahlung ist, sondern mit kulturell-normativen Werten und Traditionen, bis hin zu religiösen Besonderheiten zusammenhängt (vgl. Rudolph 2005); Samuelson (2004) hat dies kürzlich veranlasst, den schrankenlosen Freihandel kritischer zu sehen. d) Letztlich spiegelt sich in der Leistungsfähigkeit und Wohlfahrt eines Landes ohnehin – gewissermaßen als Resultante – die Leistungsfähigkeit seiner Unternehmen wider, d.h. wenn die eigenen Unternehmen überwiegend Positionsgewinne oder -verluste hinnehmen müssen, steigt oder sinkt auch die internationale Bedeutung der jeweiligen nationalen Wirtschaften. Welche Bedingungen und Kräfte stecken nun in den Wirtschaften der einzelnen Länder, um der Europäischen Union insgesamt eine gewollte Entwicklung verleihen zu können? Ohne Zweifel knüpfen sich die großen Erwartungen der EU an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der sog. „Kernländer“, vor allem an die wirtschaftliche Kraft Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens. ___________ 1 „Die Erweiterung der EU, so willkommen sie auch sein mag, hat die europaweite Realisierung der Ziele von Lissabon noch weiter erschwert“ (EG 2004b, S. 13).

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Von ihnen wird erwartet, dass sie das für die Weiterentwicklung der Europäischen Wirtschaft notwendige evolutive Potential in Form von akkumulierten Wert-Überschüssen (Ersparnissen), Wissens-Vorräten (Know-how) und Handlungsgewissheit gewährenden Rechtsstrukturen zu einem überwiegenden Teil inkorporiert haben und zum Wohle aller zur „Entladung“ bringen können. Wie ist es nun um das Entwicklungspotential der „Etablierten“ bestellt? Aus systemtheoretischer Sicht findet sich ein theoretischer Zugang, dieses Potential zu bewerten, in zweifacher Hinsicht: a) ausgehend von seiner wirtschaftlich-materiellen Seite und b) ausgehend von seiner wissensmäßigen Seite, zu der ja auch die institutionellrechtlichen Beschaffenheiten gehören. In Abbildung 1 ist skizzenhaft ein Gesamtbild beider Seiten dargestellt; hierzu einige Anmerkungen: In der Entwicklungsbilanz findet die wirtschaftlichmaterielle Seite ihr abstraktes Abbild; sie umfasst folgende saldierbaren Bestandteile im Wertausdruck: – einen Selbsterwirtschaftungssaldo, der für die Eigenerwirtschaftung des wirtschaftlichen Verbrauches steht und insofern den produktiven Kapitalstock einer Wirtschaft charakterisiert, – einen Saldo, der für temporäre Auslagerungen aus dem Wirtschaftssystem in andere wirtschaftliche oder in nicht wirtschaftliche, z.B. in politische, inklusive militärische, oder kulturelle Bereiche, und für ihre Wiedereingliederung bzw. Mobilisierung im Bedarfsfall steht, und – einen Saldo der unentgeltlichen Zu- und Abflüsse einer Wirtschaft – von „Schenkungen“ bis hin zu Verlusten jedweder Art. Wenn die Summe aus diesen Salden positiv ist, hat man es mit generativen Prozessen (Höherentwicklung) und im negativen Fall mit degenerativen Prozessen (Niedergang) zu tun. Eine Saldensumme 0 steht für stationäre Prozesse, also für ein Fließgleichgewicht im systemtheoretischen Sinne. Die etablierten Wirtschaften der Europäischen Union verfügen ohne Zweifel über einen produktiven Kapitalstock, der über die Eigenerwirtschaftung des wirtschaftlichen Verbrauchs hinaus einen Überschuss, also Gewinn erzielt, vor allem dank leistungsfähiger Unternehmen und günstiger Beschaffungsbedingungen für zahlreiche Produktionsfaktoren, darunter Importe, aber auch eigene menschliche Arbeit; sie profitieren in hohem Maße von den Ländern, die bei gleicher Produktivität geringere Löhne zahlen. Allerdings ist der wirtschaftliche Kapitalstock auch Schrumpfungs- bzw. Abbauprozessen ausgesetzt, die sich in den beiden anderen Salden niederschlagen.

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Abbildung 1: Entwicklungsbilanz und Inkonsistenz bei etablierten EU-Mitgliedern

Die wissensmäßige, inklusive institutionell-rechtliche Seite des Potentials findet ihren Ausdruck in der Konsistenz bzw. Inkonsistenz der Strukturen. Inkonsistenz manifestiert sich dabei in Strukturbrüchen zwischen der wirtschaftlich-materiellen Handlungsebene und den verselbständigten Wissensebenen und zwischen letzteren selbst. Zu strukturellen „Schieflagen“ führen hier: – die Abwanderung von Kapital ins Ausland; immer mehr Produktionen verliert Europa aktuell an Fernost,

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– die Auslagerung von Humankapital in die Arbeitslosigkeit oder in den Vorruhestand, wodurch Arbeit brach liegt, – die Umwandlung von (einstiger) Arbeitszeit in Freizeit; Blanchard (2004) analysiert, dass die Produktivitätsentwicklung in Europa und den USA annähernd gleich war und ist, Europa das Wachstum an Produktivität aber verwendet hat, um die Freizeit schneller wachsen zu lassen als das Einkommen, während die USA es umgekehrt gemacht hat (vgl. S. 4), – ein die wirtschaftliche Leistungskraft überfordernder, rechtlich jedoch garantierter Sozialkonsum bis hin zu Rentenversprechen (vgl. Willgerodt 1998); der Sozialkonsum erreichte in Deutschland 2003 die Rekordmarke von 665,5 Mrd. Euro, etwa ein Drittel des Bruttoinlandsproduktes (vgl. Bundesministerium 2005), – ein administrativ-bürokratischer Bereich, der der Wirtschaft einerseits viele Ressourcen entzieht, andererseits zunehmend größere Schwierigkeiten hat, die wirtschaftlichen Prozesse vernünftig und effizient zu gestalten; man denke an komplizierte Steuergesetze, die zunehmend weniger Akzeptanz genießen, und – die Übernutzung der Natur (abnehmende Wasser- und Luftqualität, Waldsterben, sinkende Artenvielfalt usw.), subventionierte Verschwendung („Milchseen“, „Zuckerberge“ usw.), Ressourcenabflüsse in „Rent-SeekingAktivitäten“ (Korruption usw.), wie auch positiver zu sehende „Nettozahlungen“ für gemeinsame Fonds, Hilfeleistungen usw. Dem Wirtschaftskreislauf werden hochwichtige Ressourcen entzogen, eine Situation, die in Bezug auf die antike Tempelwirtschaft als „Ökonomie der toten Hand“ bezeichnet wird (vgl. Kloft 1996). Im Sinne eines Fazits sei hypothetisch formuliert: Die aktuelle Entwicklungsbilanz könnte negativ ausgehen. Der von den alten Mitgliedern noch immer erwirtschaftete Überschuss kann den außerhalb der betreffenden Wirtschaftssysteme auftretenden Mehrverbrauch sowie die unwiederbringlichen Verluste kaum noch decken. Anders ausgedrückt: Die etablierten Länder investieren ihre Überschüsse in Dinge, die generative Prozesse verhindern. Sie sind in diesem Sinne offenbar am Ende ihrer Kraft und werden die von den neuen Mitgliedern erwartete materielle Unterstützung nicht leisten können. Die Nichterfüllung des Stabilitätspaktes durch Kernländer der EU, vor allem die Höhe der Haushaltsdefizite und der Staatsverschuldung betreffend (vgl. Deutsche Bundesbank 2005, S. 7*), sind Indikatoren dieser Lage. Man kann auch von einer Leistungs- und Strukturschwäche sprechen, die diese Länder nachhaltig in ihrer Entwicklung hemmt. Das Problem hierbei ist nicht die Inkonsistenz als solche – Konsistenz ist ohnehin nur ein theoretischer Idealfall –, sondern die Verfestigung der Schieflagen gemäß Abbildung 1, die darin zum Ausdruck kommt, dass sich die Ebenen nicht mehr von selbst ausbalancieren können.

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Wenn nun mehrere inkonsistente Strukturen der alten Mitgliedsstaaten zusammen gehen, wird daraus – wie Abbildung 2 symbolisieren soll – keine konsistente Struktur innerhalb der EU entstehen können. Viele Inkonsistenzen sind leider schon in gesamteuropäische Institutionen übergegangen, setzen sich dort fort: Agrarsubventionen, die 40% der Ausgaben des EU-Haushaltes ausmachen oder der sog. „Brittenrabatt“ (vgl. Deutsche Bundesbank, S. 17 ff.).

Abbildung 2: Inkonsistente nationale Strukturen treffen aufeinander

Inkonsistente EU-Gemeinschaftsstrukturen werden beispielsweise auch in der Weise offenkundig, dass vorhandenes Regelwerk von den Einzelstaaten oft nur in dem Maße umgesetzt wird, wie es – charakterisierbar als „Wirtschaftspatriotismus“ – dem eigenen Wohl dient. Regelungen laufen leer, bleiben wirkungslos2. Die alten nationalen Probleme haben nur ein neues Gewand bekommen. Auch die neuen Mitgliedsländer haben überwiegend positive Eigenerwirtschaftungssalden. Dazu tragen ihr Reichtum an natürlichen Ressourcen ebenso bei wie die günstige Tauschrelation in Bezug auf den Produktionsfaktor Arbeit (niedrige Entlohnung, verbunden mit entsprechend niedrigem privaten Konsum). Relativ hohe Gewinne ermöglichen so ein rasches Wachstum. Die Entnahmen in den nichtwirtschaftlichen Bereich sind relativ gering (obzwar viele gewachsene Versorgungsansprüche heute als hohe Belastung empfunden werden); ein Ausdruck dessen sind die niedrigen Steuern. Einige Staaten können offenbar vollends auf Unternehmensbesteuerung verzichten und sich so einen Standortvorteil für fremdes Kapital verschaffen (wozu bisher auch die klassi___________ 2 Ein Beleg hierfür ist die geringe Umsetzungsquote für die Richtlinien, die den europäischen Binnenmarkt betreffen: Für 40 von der EU erlassene Richtlinien war Ende 2003 die Umsetzungsfrist verstrichen; die Umsetzungsquote betrug lediglich 58,3 %. Nur 7 der 40 Richtlinien wurden von sämtlichen Mitgliedern umgesetzt. (vgl. EG 2004b, S. 16f.).

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schen Regional- und Strukturförderprogramme und die Subventionierung der Landwirtschaft seitens der EU beitragen). Es bauen sich für die Neuen jedoch zahlreiche Entwicklungsfallen hin zu gravierenden Strukturbrüchen auf: – Die Bürger werden sich schnell an die konsumtiven Verbrauchsgewohnheiten der Etablierten angleichen wollen. Früher oder später werden die Löhne steigen müssen und zugleich jene Bedürfnisse Fuß fassen, die dazu führen können, dass auch diese Länder konsumtiv mehr verbrauchen als sie selbst erwirtschaften können. – Hinzu kommt, dass die neuen Mitglieder in den EU-Raum Produktionen einbringen, die es in den etablierten Ländern durch harte Konkurrenz auf höchstem Niveau bereits gibt. Solche Strukturvergleiche sucht man heute aber vergebens! Eigene Unternehmen werden – durch den Euro beschleunigt – im Wettbewerb mit den Kapitalgesellschaften der Etablierten unterliegen. Die wirtschaftlichen und sozialen Folgen dieser Marktbereinigung werden für die Neuen gravierend sein. – Wachsende Forderungen nach Transferleistungen werden die Folge sein; der Wettbewerb um verteilbare Ressourcen wird sich verschärfen. Welche strategischen Möglichkeiten hat die Europäische Union? Die Systemtheorie kennt zwei grundlegende Evolutionsmuster von Systemen: 1. Die Evolution eines gegebenen Systems, also eines Systems, dass seine Funktion/Identität beibehält, sich jedoch in seiner Struktur, in seinem Potential und seinem Verhalten wandelt, und 2. die Evolution als sukzessive Abfolge verschiedenartiger Systeme mit jeweils unterschiedlichen Funktionen bzw. Identitäten (vgl. Kroll 1999, S. 191 ff.). Die Europäische Union fügt sich nur schwer in diese Evolutionsmuster ein. Die nationalen Wirtschaften haben noch immer ihre eigenen Identitäten. Ein EU-Wirtschaftssystem mit eigenem Aufgabenfeld und eigenem Regelwerk ist nur in Konturen vorhanden. Man kann auf die Europäische Wirtschaft also nur aus der Sicht der nationalen Wirtschaften fokussieren. In ihnen sind offenbar Merkmale heran gewachsen, die sie für ein Hineinfließen in ein neuartiges System reif gemacht haben. Der berühmte Glockenschlag, der eine eigene Identität einläutet, hat aber noch nicht stattgefunden, hätte wohl auch mit einem ratifizierten Verfassungsvertrag noch nicht stattgefunden. Definiert man gemäß Abbildung 3 das evolutive Potential der EU-Mitgliedsländer für einen aktuellen Basiszustand Qt=0, so lassen sich hypothetisch folgende strategische Möglichkeiten herausfiltern:

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1. Die bisherige und weitere Entwicklung der Europäischen Union ist nicht so offen, wie sie in einem Modell der „offenen Gesellschaft“ von Popper (1992) abstrakt beschrieben ist und im Verfassungsvertrag ebenso wie in der Lissabonner Strategie unterstellt wird. Die EU wird sich aus eigener Kraft und Entscheidung nur in einem materiell finanzierbaren, institutionell erlaubten und wissensmäßig vorbereiteten Spielraum bewegen können. Auch dieser Spielraum ist etwas, was man wissen kann. Für große Sprünge ist das in ihr verankerte evolutive Potential aber nicht angelegt. Die möglichen Schwanzfedern sind sehr dünn. Die nationalen Wirtschaften haben (noch) zu wenig Kraft, Vorauswissen und Zukunfts- bzw. Handlungsgewissheit für eine gravierende qualitative und quantitative Veränderung. 2. Die bisherige und weitere Entwicklung wird zudem sehr stark kanalisiert durch die Irreversibilitäten, die in den materiellen und institutionellen Strukturen der Mitgliedsländer stecken. Irreversible Prozesse, so sagen die Physiker, „laufen von selbst nur in eine Richtung“ (Wehrt 1979; S. 124) und für die Biologen sind es „Kanalisierungen, die das Etablierte wieder und wieder zu etablieren vermögen“ (Riedl 1975, S. 143). Sie führen letztlich zur „völligen Fixierung und folglich zum Aussterben erstarrter Systeme, wenn diese nicht mehr in der Lage sind, die vom Außenmilieu geforderte Adaptierung mitzumachen“ (ebenda, S. 221). Die Inkonsistenzen in Abbildung 1 sind in nicht geringem Maße solchen Irreversibilitäten geschuldet. Auch über sie und ihre Wirkungen kann man mehr wissen! 3. Die nationalen Wirtschaften, vor allem jene der alten EU-Mitglieder, werden in den nächsten Jahren im günstigsten Fall eine Phase durchlaufen, die systemtheoretisch als stationär bzw. fließgleichgewichtig bezeichnet werden kann. Ihre Merkmale sind eine annähernd konstante Wertbindung und Leistungsfähigkeit. In dieser stationären Phase müssen sie sich reformieren, d.h. ihre inneren Kräfte umgruppieren und effiziente Alternativen zu jenen Erstarrungen und Verfestigungen aufbauen, die sie unbeweglich machen. Die EU muss auf diesen Umbau in den Mitgliedsstaaten Einfluss nehmen, ihn regeln und in gewünschte Bahnen lenken, dabei ihre eigenen Regelungen mit Blick auf eine höhere Ordnungskraft hin überarbeiten, vereinfachen und gegebenenfalls streichen. In dem Maße, wie es den Mitgliedsstaaten darüber hinaus gelingt, eine bestimmte – momentan noch fehlende – kritische Masse an evolutivem Potential in erforderlicher Güte und Dimension aufzubauen (Überschüsse zu erwirtschaften, Wissen, also auch Strategien zu produzieren und Sozialtechnologien zu entwickeln, die den Akteuren mehr Handlungs gewissheit geben), wird ein kontinuierlicher Sprung zu einem neuen und hö heren Ordnungszustand mit mehr wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit (etwa Q1,1) folgen können. Erst durch sukzessive Anhäufung von Wissen und Kapital wird ein Entwicklungssprung möglich.

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Abbildung 3: Varianten der Evolution des EU-Wirtschaftssystems 4. Eine große Unbestimmte in den bisherigen Überlegungen sind die Wirtschaften der neuen Mitglieder. Auch sie verfügen – trotz ihrer beachtlichen Wachstumsdynamik – nicht über das evolutive Potential, um der EU zu einem qualitativen Sprung verhelfen zu können.3 Die Neuen sind vielmehr auf das Potential der Etablierten angewiesen, das – wie oben skizziert ist – vielen Irreversibilitäten unterworfen ist. Insofern muss man auch darüber nachzu___________ 3 Dafür gibt es zahlreiche Belege: „Die Beitrittsländer haben einen deutlichen Rückstand auf die bisherigen Mitgliedstaaten beim Übergang zur wissensbasierten Wirtschaft“ (EG 2003, S. 3). Sie „bieten sowohl hinsichtlich F&E insgesamt als auch hinsichtlich der unternehmensfinanzierten F&E als Anteil am BIP ein schwaches Bild“ (ebenda).

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denken, ob sich die EU wirtschaftlich in eine Sackgasse begeben haben könnte. In einem solchen Fall muss sie sich zum Zwecke der Selbstreparatur daraus zurück ziehen und verjüngen, also gewissermaßen eine Phase der Gesundschrumpfung in ihrem Entwicklungspfad durchlaufen. Es wäre dies ein „Rückzug“ auf die Kernländer der EU. Dem würde das Bild des Zickzackkurses der Evolution (Koestler 1989) entsprechen, das mit dem Schwanzfederntheorem in Abbildung 3 in Einklang gebracht werden kann (Dick markierte Linie: linker Pfeil: generative Phase; rechte Pfeil: degenerative Phase). Nach Schumpeter (1993/1934) geht es in einem solchen Fall des Gesundschrumpfens – im Gegensatz zum Untergehen oder Absterben – darum „Segel einzuziehen und zu versuchen in fortan bescheidener Stellung zu überleben“ (S. 355). Es scheint so als würde dieser Weg uns heute auch in einem anderen Sinne gut tun, nämlich im Überdenken unserer Bedürfnisstrukturen und Verbrauchsgewohnheiten, die ja letztlich der Auslöser vieler Erstarrungen sind – das aber ist ein eigenes Thema. Das „Haus Europa“ braucht einen Bauplan, der sagt, wie es in seinem fertigen Zustand – eingerichtet für die Bedürfnisse der Völker – aussehen soll, in welchen Schritten und mit welchen Mitteln es gebaut wird. Für diesen Bauplan bedarf es einer gründlichen Analyse und einerdarauf aufbauenden strategischen Vorausschau, also einer Theorie, für die dieser Beitrag einige Anregungen geben will.

Literaturverzeichnis Blanchard, O. (2004): „The Economic Future of Europe“, in: Journal of Economic Perspectives, Volume 18, Number 4. Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (2005): „Sozialbudget 2003“. Deutsche Bundesbank (2005): „Monatsbericht“, Nr.10 (Oktober), Frankfurt am Main. Dunn, M. (2004): „Ist der Freihandel passe?“, Vortrag, gehalten in Wien am 1. Juli 2004 anlässlich der Tagung des Ausschusses für Evolutorische Ökonomik des Vereins für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Europäische Gemeinschaften (EG 2003): Entscheidung für Wachstum: Wissen, Innovation und Arbeit in einer auf Zusammenhalt gegründeten Gesellschaft, Bericht für die Frühjahrstagung des Europäischen Rates am 21. März über die Lissabonner Strategie zur wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Erneuerung, Luxemburg. – (EG 2004a): Die Lissabonner Strategie realisieren. Reformen für die erweiterte Union, Bericht der Kommission für die Frühjahrstagung des Europäischen Rates am 26. März 2004, Luxemburg. – (EG 2004b): Bericht der Hochrangigen Sachverständigengruppe unter Vorsitz von Wim Kok: „Die Herausforderung annehmen“. Die Lissabon-Strategie für Wachstum und Beschäftigung, November 2004, Luxemburg. – (EG 2005): „Vertrag über eine Verfassung für Europa“, Luxemburg.

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Bernhard Kroll

Hayek, F. A. von (1983): „Evolution und spontane Ordnung“, Vortrag im Rahmen des Zyklus „Fragen der Zeit“ der Bank Hofmann AG, Zürich. Kloft, H. (1996): „Untergang oder Übergang?“ Zur Rolle der Ökonomie in der Endphase des römischen Reiches“, Manuskript eines Vortrages an der Universität Jena im Juli 1996. Koestler, A. (1989): „Der Mensch Irrläufer der Evolution“, Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch. Kroll, B. (1999): „Leistungsfähigkeit und Evolution von Wirtschaftssystemen – Grundzüge einer Evolutorischen Ökonomik aus systemtheoretisch-integrierender Sicht“, Marburg: Metropolis. – (2004): „Ungewissheit in der Wirtschaft und notwendiger Wissenstransfer“, in Fischer, Th. (Hrsg.): Kybernetik und Wissensgesellschaft, Berlin: Duncker & Humblot. Popper, K. (1992): „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“, Band I, Tübingen: Mohr. Riedl, R. (1975): „Die Ordnung des Lebendigen“, Hamburg und Berlin: Paray. Rudolph, J. (2005): „Über die Werttheorie und über die Nationalökonomie als exakte Wissenschaft“, Manuskript, Berlin. Samuelson, P. A. (2004): „Where Ricardo and Mill Rebut and Confirm Arguments of Mainstream Economists Supporting Globalization“, in: Journal of Economic Perspectives, Volume 18, Number 3. Schumpeter, J. (1993/1934): „Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung“, Berlin: Duncker & Humblot Wehrt, H. (1974): „Über Irreversibilität, Naturprozesse und Zeitstruktur“, in: Weizsäcker, E. von (Hrsg.): Offene Systeme I, Stuttgart: Klett. Willgerodt, H. (1998): „Gedeckte und ungedeckte Rechte“, in: Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik 76, 2, 1998.

International Best Factory Awards (IBFA) – Ein interkulturelles Benchmarking-Kooperations-Projekt? Von Rolf Pfeiffer

A. Das International Best Factory Awards (IBFA)-Projekt

I. Die Kooperations-Partner Schon seit 1992 führt die Cranfield School of Management in Großbritannien (GB) das IBFA Benchmarking-Projekt durch. 1996 haben wir an der Hochschule in Reutlingen das System übernommen, angepasst und in ganz Deutschland eingeführt. 1998 kamen die Kollegen der SDA Bocconi in Mailand, Italien (I) hinzu, so dass heute 3 Kooperations-Partner in Europa nach dem gleichen System Benchmarking betreiben. Drei weitere Projekte zur Einführung des gleichen Benchmarking-Systems laufen in Australien, Brasilien und in der Ukraine.

II. Die Teilnehmer In allen 3 Ländern werden Unternehmen gezielt, aber auch über Anzeigen angesprochen. Dies ist notwendig, um eine ausreichende Anzahl von Unternehmen aus allen produzierenden Bereichen zur Teilnahme zu bewegen. Die Zahl der Teilnehmer und deren Beschäftigtenzahl variiert in allen drei Ländern ziemlich stark. Zwei Gründe sind: die „Offenheit“ der Manager zur Weitergabe hoch sensibler Daten und das Interesse, den Wettbewerb zu gewinnen. Zur Ergänzung ist zu sagen, dass hinter der Offenheit auch die Meinung steckt, der Konkurrent kann mit den Daten nicht allzu viel anfangen und hinter dem Interesse eine Art sportliche Sicht. Beides führen wir hauptsächlich auf Mentalitätsunterschiede zurück. Entscheidend ist aber auch die Unterstützung der Zeitschriften in den Ländern, also „Markt und Mittelstand“ in Deutschland, der „Il Sole24Ore“ in Italien und von „Management Works“ in Großbritannien. Die Zahl der Teilnehmer liegt in GB am höchsten mit durchschnittlich 200 Teilnehmern, in Italien bei ca. 70 und in Deutschland bei ca. 30.

318

Rolf Pfeiffer

B. Der Ablauf des IBFA-Projekts Die Grundidee des IBFA Benchmarking Wettbewerbs ist, die Prozesse in den produzierenden Unternehmen unterhalb der „Geldwerte“ der Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung, u.a., in Zentimeter, Kilogramm, Minuten, … aufzuzeigen und diese Werte mit denen anderer Unternehmen der Industrie zu vergleichen (1),(3). Dabei werden alle wichtigsten Prozesse vom Einkauf über die Produktion bis zum Verkauf und den Management-Prozessen erfasst und verglichen. Die Unternehmen erhalten dafür auf Anforderung einen Fragebogen mit über 230 Fragen, deren Antworten in über 80 Grafiken ausgewertet und in einem (vertraulichen) Benchmarking-Report (Abbildung 1) an die Unternehmen zurückgegeben werden. Momentane Innovationsrate (in den letzten 3 Jahren) für neue Produkte / Sortimente Units: Prozent Decile

1

Responses: 32

Non-responses: 5

InnovationsInnovationsrate nach Unternehmensklassen rate Innovationsrate (%) Niedriger 80,0 0,00 900% 9,0

2

13,0

70,0

0,00

1298%

3 4

16,0 20,6

60,0

0,00

1598%

5 6

25,0 29,7

7 8 9

40,0 46,6 65,9

10

69,0

Höher Case Data: 24,0

50,0 40,0 30,0 20,0 10,0 0,0

0,00

2060%

25,00

2500%

0,00

2974%

0,00

4000%

0,00 9,0

13,0

69,0

46,6 40,0

20,6

25,0

29,7

4664%

0,00 0,00 1

16,0

65,9

6591% 2

6900% 3

Mean Average:29,8

4

5

6

7

8

9

10

Median Average:25,0

Quelle: Eigene Auswertung

Abbildung 1: Beispiel für eine Auswertung von Prozessen mit Vergleich

In einer weiteren Auswertung werden mit Hilfe der Daten aus den Fragebogen (den 33 wichtigsten Prozesskriterien) die besten 3 Unternehmen bestimmt. Aus diesen 3 Unternehmen wird dann von einem Audit-Team das beste Unternehmen ausgewählt und in einem Festakt mit dem „Award“ geehrt. Dieser Ablauf wiederholt sich jedes Jahr. Da er grundsätzlich in allen 3 Ländern gleich verläuft, ergeben sich viele Vergleichsmöglichkeiten (6), (7), (8), (9), (10), (11). Die Aspekte der Interkulturalität sollen in der nachfolgenden Analyse aufgezeigt werden.

International Best Factory Awards (IBFA)

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Die 3 besten Unternehmen im letzten Jahr 2004 waren Kautex Textron GmbH & Co, KG in Mallersdorf (hat den Award gewonnen), Drilbox Georg Knoblauch GmbH in Giengen und Linnig Trucktec GmbH in Markdorf.

C. Internationalität und Interkulturalität Der Wettbewerb läuft in der analogen Form in 3 verschiedenen Ländern/Nationen ab. Doch sind das auch 3 verschiedene Kulturen, damit man von „interkulturell“ sprechen kann? Gibt es noch eine britische, italienische und deutsche Kultur im Rahmen der Europäischen Union? Da das soziokulturelle Umfeld geprägt wird durch die Sprache, die Bildung, die Religion, durch Werte und Einstellungen gegenüber Zeit, Leistung, Arbeit, Frauen, Wettbewerb, … sowie durch die sozialen Schichten mit der Verteilung des Vermögens, liegen hier drei verschiedene Kulturen vor (2). Innerhalb dieser ist die Kooperation zwischen den Benchmarking-Partnern etabliert. Auch bei Verwendung der heute sehr üblichen Unterscheidung zwischen Surface Cultur – alles was sichtbar, riechbar, hörbar, spürbar ist – und Deep Cultur – nicht unmittelbar erkennbar, wie Umgang mit der Macht, Unsicherheit, Zeit, Menschen und Umwelt – ist eine verschiedene Kultur klar erkennbar. Die Zusammenarbeit in dem Projekt ist doch so intensiv, dass der Umgang mit den Kriterien der Deep Cultur klar zum Vorschein kommen und die Verschiedenheit aufzeigen. Besonders deutlich zeigt sich die verschiedene Kultur bei den produzierenden Unternehmen, da es mit verschiedenen Schwerpunkten eine mehrere Hundert Jahre dauernde Tradition des „Produzierens“ in jedem Land gibt. Dies drückt sich deutlich in den Ergebnissen des IBFA-Benchmarking-Projekts aus. In solchen Projekten wie das IBFA-Projekt gibt es keinerlei Probleme, „international“ zu agieren, zu vergleichen, Schlussfolgerungen zu ziehen. Doch in jedem Land verlaufen die IBFA-Wettbewerbe anders, abhängig von der dort vorliegenden „Kultur“. Insgesamt kann man schon hier sagen, dass die Arbeits- und Abstimmungssitzungen im IBFA-Projekt immer international und interkulturell verlaufen sind.

D. Die interkulturellen Aspekte im IBFA-Projekt Die interkulturellen Aspekte können wir einteilen in: • Verhalten bei der Abwicklung des IBFA-Benchmarking-Wettbewerbs, • Ergebnisse in den Prozesswerten, • Verhalten der Benchmarking-Partner (Hochschulen) und deren Sponsoren.

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Rolf Pfeiffer

I. Verhalten bei der Abwicklung des IBFA-Benchmarking-Wettbewerbs Vor allem die kleinen und mittleren Unternehmen verhalten sich sehr verschieden, wenn es um die Herausgabe der sensiblen Daten des Unternehmens geht. Daraus resultiert dann eine sehr verschiedene Teilnahmerate. Vor allem in GB sehen die Unternehmen das Ganze als einen sportlichen Wettbewerb, bei dem man nur profitieren kann. Daher ist dort auch die Teilnahmerate ungefähr dreimal so hoch wie in Italien und Deutschland. Hier in D geschieht es auch, dass ein Unternehmer einen Besuch wegen Problemen mit dem Fragebogen wünscht und dann stellt sich heraus, dass er lediglich den Projektleiter des IBFA kennenlernen wollte, um seine Seriosität und Ehrlichkeit zu prüfen. Weiter ist festzustellen, dass viele Unternehmen die Kosten-GewinnChancen des Wettbewerbs abwägen, allerdings in den 3 Ländern in ganz verschiedener Form. Wichtig: Die Fragebogen haben in den 3 Ländern eine ganz verschiedene Form, obwohl das Gleiche abgefragt wird. Besonders interessant verlaufen die Zeremonien zur Übergabe der Preise in den 3 Ländern. In GB findet die Veranstaltung mit viel Prominenz und Politikern im ehrwürdigen Savoy-Hotel in London statt. Die Bekanntgabe der Gewinner erfolgt mit viel Überraschung, wird aber dann mit Begeisterung (mit Springen auf die Stühle) zur Kenntnis genommen. Die Politiker geben regelmässig ein sehr gutes und fundiertes Statement ab (vgl. die 7 Pillars, Tab. 2). Im Gegensatz dazu verläuft alles in D, auch mit politischer Prominenz, sehr ruhig und gediegen und sehr sachlich mit fachlichen Vorträgen. In Italien jedoch wird das Ganze in einen wissenschaftlichen Kongress eingebettet und mehr distanziert und analysierend verpackt.

II. Sicht der Ergebnisse in den Prozesswerten Wir haben mit den wichtigsten Prozesswerten eine Tabelle erstellt, um die Werte zwischen den 3 Ländern zu vergleichen. Die Werte in Klammer geben den Durchschnittswert der besten 25% an. Die Prozesswerte liegen bei den besten 25% der Unternehmen in D an der Spitze, im Durchschnitt aber mehr die italienischen und britischen Unternehmen. (Tabelle 1)

International Best Factory Awards (IBFA)

321

Tabelle 1 Vergleich der Prozesswerte in I, GB und D IBFA Gesamt-Vergleich D/GB/I Durchschnitt und Top25% Leistungsdaten Lagerumschlagshäufigkeit

Fehlzeit

Einheit

D

GB

I

#

7,0

9,7

8,3

(13,9)

(10,8)

(9,4)

5,0

3,3

4,7

(2,3)

(2,1)

(2,5)

12,4

13,6

18,9

(30,0)

(21,7)

(20,0)

4,6

4,7

4,0

(10,1)

(5,0)

(5,0)

89,8

86,3

84,9

(99,0)

(97,5)

(96,0)

%

Weiterbildungstage

Tage

(Neueinstellungen) Weiterbildungstage

Tage

(Mitarbeiter) Liefergenauigkeit

Monate

Quelle: Eigene Auswertung

Die Reaktionen auf die Werte sind in den 3 Ländern in etwa so zu charakterisieren: GB: Wir müssen die aufgezeigten Defizite sofort in Angriff nehmen, um im neuen Jahr besser zu sein. D: Sind die Werte in den Defizit-Bereichen auch vergleichbar? Sollen wir etwas tun? I: Wir müssen noch eine Konferenz einberufen, danach können wir in unseren Defizit-Bereichen etwas tun.

III. Verhalten der Benchmarking Partner (Hochschulen) und deren Sponsoren Die Sponsoren sind in D nur sehr schwer zu gewinnen und für das Projekt zu überzeugen, in GB ist sogar die Regierung als Sponsor zu finden (siehe die 7 Pillars, Tab. 2). In Italien steht bei den Projektpartnern mehr das ForschungsInteresse im Vordergrund. Besonders interessant sind die Organisation und der

322

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Ablauf der Verleihungs-Zeremonie für die Awards bei Beteiligung von Regierungs-Mitgliedern. Tabelle 2 Die 7 Pillars der britischen Regierungspolitik Pillar 1: macro-economic stability Pillar 2: investment Pillar 3: science and innovation Pillar 4: best practice Pillar 5: raising skills and education levels Pillar 6: modern infrastructure Pillar 7: the right market framework Quelle (4)

Die erstaunlichen Reaktionen in den 3 Ländern sollen hier verkürzt charakterisiert werden: GB: Der Chef und das Team werden enthusiastisch gefeiert, indem man auch mal auf den Tisch und die Stühle des ehrwürdigen Hotels springt. D: Verhaltenes Klatschen und Händeschütteln, Vermarktung der Awards in systematischer und stolzer Form I: Ähnlich wie in D (erstaunlich), mit großem Interesse an allen Ergebnissen. Prima wäre eine Kooperation zwischen den Siegern in den 3 Ländern. Dies wurde von den britischen Unternehmern einmal vorgeschlagen, konnte aber wegen des Desinteresses der deutschen Unternehmen nicht verwirklicht werden. Eine Tochter-Firma eines deutschen (schwäbischen) Unternehmens hat in GB einmal 3 Preise (von 8) in GB gewonnen und in Deutschland wusste (fast) niemand etwas davon. Ein Mitarbeiter einer deutschen Tochtergesellschaft eines italienischen Unternehmens hat an der EA studiert, von dem IBFA erfahren, in Italien eine Teilnahme initiiert und das Unternehmen hat in Italien gewonnen. Das deutsche Tochter-Unternehmen konnte er bisher nicht zu einer Teilnahme überreden. Dies wird noch eines unserer interessantesten Projekte sein, europaweite Workshops mit den erfolgreichen Unternehmen zu veranstalten, um Kooperationen zu erreichen. In GB sind schon sehr interessante Workshops mit den nationalen Gewinnern gelaufen.

International Best Factory Awards (IBFA)

323

E. Fazit Das Benchmarking-Projekt in den Ländern GB, I und D ist in der Tat neben vielen anderen interessanten Aspekten ein spannendes und lehrreiches interkulturelles Projekt, dessen Kooperation bisher nur zwischen den durchführenden Hochschulen abläuft. Gründe: Interkulturelle Unterschiede und internationaler Wettbewerb

Literaturverzeichnis Camp, Robert C.: Benchmarking, München, Wien 1994. Dorison, F. / Goehlich, V.: Interkulturelle Begleitung – Besonderheiten DeutschFranzösischer Wirtschaftsbeziehungen, in „Der Betriebswirt“, Nr. 4/2004, 45. Jg., S. 19–24. Karlöf, Bengt / Östblom, Svante: Das Benchmarking Konzept, Wegweiser zur Spitze leistung in Qualität und Produktivität, 1994. o. V.: Management Today Awards for Manufacturing 2002. Pfeiffer, Rolf: Die Findung des besten Unternehmens in einem Benchmarking-Wettbewerb, Sonderdruck aus „Entscheiden in komplexen Systemen“, herausgegeben von Peter Milling, Band 20, Duncker & Humblot, Berlin 2002, S. 235–242. – „Wettbewerbsvorteile durch Benchmarking in der Automobilindustrie“, Top Career Guide Automotive 2006, S. 95–98. Pfeiffer, Rolf / Rösler, Peter: Mit den Besten lernen durch Benchmarking, in Gemeinsam gewinnen. Die Rose Plastic Erfolgsstory, 2003, S. 64–81. Pfeiffer, Rolf / Szwejczewski, Marek / Goffin, Keith / New, Colin / Lohmüller, Bertram: Vergleich der Leistungsdaten von Unternehmen: Großbritannien/Deutschland in: Der Betriebswirt, Nr. 4/1998, S. 22–25. – „Standort Deutschland: A Systematic Comparison of Manufacturing Performance in Germany and the UK“, in ZfB Zeitschrift für Betriebswirtschaft, Nr. 11, 2001, S. 1333–1351. – Vergleich betrieblicher Leistungen für Unternehmen des Sektors Maschinenbau aus Großbritannien und Deutschland, Zeitschrift Führung+Organisation(zfo), Stuttgart, Heft 5/1999, S. 260–264. Pfeiffer, Rolf / Szwejczewski, Marek / Goffin, Keith / New, Colin / Lohmüller, Bertram / Beretta, Sergio: Key trends in European manufacturing, in Management Today, Manufacturing Exellence, Issue 13, Jan. 2000, S. 4–9.