Kurze kritische Untersuchung des neuen „Ordo Missae"

Breve esame critico del Novus Ordo Missae Bref examen critique du nouvel Ordo Missae

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Kurze kritische Untersuchung des neuen „Ordo Missae"

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KURZE KRITISCHE UNTERSUCHUNG DES NEUEN »ORDO MISS.JE«

Übersetzung aus dem Italienischen: Inge Köck

Rom, den 25. September 1969 Heiliger Vater! Nach dem wir den »Novus Ordo Missre «, der von den Experten des »Consilium ad exequendam Constitutionem de Sacra Liturgia« vorbereitet wurde, selbst geprüft haben und prüfen ließen, fühlen wir uns nach langem Nachdenken und Gebet verpflichtet, die folgenden Überlegungen auszusprechen: 1. Wie die beiliegende kurze Untersuchung- das Werk einer Gruppe von Theologen, Liturgiewissenschaftlern und Seelsorgern - hinlänglich zeigt, stellt der »Novus Ordo Missre« mit seinen neuen, verschieden interpretierbaren Elementen, die darin indirekt oder ausdrücklich deutlich werden, sowohl im Ganzen wie in den Einzelheiten ein auffallendes Abrücken von der katholischen Theologie der heiligen Messe dar, wie sie in der XXII. Sitzung des Konzils von Trient formuliert wurde. Durch die endgültige Festlegung der »Canones« des Ritus wurde damals eine unüberschreitbare Barriere errichtet gegen jede Häresie, die die Integrität des Mysteriums verletzen könnte. 2. Die zur Rechtfertigung eines so überaus gravierenden Bruches angeführten pastoralen Gründe erscheinen nicht hinreichend, selbst wenn ihnen gegenüber dogmatischen Erwägungen eine Existenzberechtigung zuerkannt wird. Was in dem »Novus Ordo Missre« an Neuem erscheint und was dagegen an zeitlos Gültigem einen geringeren Rang oder ganz anderen Platz erhält, könnte die Vermutung, die sich leider in vielen Kreisen insgeheim ausbreitet, zur Gewißheit werden lassen, Wahrheiten, die vom christlichen Volk immer geglaubt wurden, könnten ohne Untreue gegenüber dem heiligen Depositum der Lehre, an das der katholische Glaube für immer gebunden ist, geändert oder verschwiegen werden. Die kürzlich vollzogenen Reformen haben hinreichend bewiesen, daß weitere Neuerungen in der Liturgie zu nichts anderem führen würden als zur totalen Verwirrung der Gläubigen; diesen merkt man bereits an, daß sie die Änderungen nicht mehr ertragen können und an der Glaubenssubstanz unzweifelhaft Schaden leiden. Unter den Besten des Klerus zeigt sich dies in einer quälenden Gewissenskrise, wofür uns täglich zahlreiche Zeugnisse zugehen. 3. Wir sind sicher, daß diese Überlegungen, ausgedrückt in der lebendigen Stimme der Hirten und des gläubigen Volkes, nicht ohne

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Echo bleiben können im Vaterherzen Eurer Heiligkeit, das so tief um die geistlichen Nöte der Kinder der Kirche besorgt ist. Zu jeder Zeit hatten die Untergebenen, zu deren Wohl ein Gesetz gedacht ist, dann, wenn dieses Gesetz sich im Gegenteil als schädlich erweist, nicht nur das Recht, sondern sogar die Pflicht, mit kindlichem Vertrauen von dem Gesetzgeber die Abschaffung des Gesetzes zu erbitten. Zu einem Zeitpunkt, wo Glaube und Einheit der Kirche so schmerzhafte Risse zeigen, die in der Stimme des gemeinsamen Vaters täglich ein schmerzliches Echo finden, flehen wir deshalb Eure Heiligkeit inständig an, uns nicht die Möglichkeit zu nehmen, auch in Zukunft das Missale Romanum des heiligen Pius V. zu verwenden, das sich in seiner unversehrten Gestalt als so fruchtbar erwiesen hat, von Eurer Heiligkeit mit so hohem Lob bedacht wurde und von der ganzen katholischen Welt so tief verehrt und geliebt wird.

Alfredo Card. Ottaviani Antonio Card. Bacci

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KURZE KRITISCHE UNTERSUCHUNG DES NEVEN

»ORDO MISSJE«

I Auf der Bischofssynode, die im Oktober 1967 in Rom stattfand, wurden die Teilnehmer zu einem Urteil über die experimentweise Zelebration einer sogenannten »Normativmesse« aufgefordert, die vom Consilium ad exequendam Constitutionem de Sacra Liturgia konzipiert worden war. Diese Messe erregte unter den Synodenteilnehmern groBtes Befremden; es gab eine starke Opposition (43 non placet), sehr viele und wesentliche Vorbehalte (62 iuxta modum) und 4 Stimmenthaltungen bei insgesamt 187 Stimmen. Die internationale Nachrichtenpresse sprach von »Ablehnung« der vorgeschlagenen Messe durch die Synode. Die Blatter mit neuerungsfreudigen Tendenzen schwiegen sich aus. Ein bekanntes Periodikum, das für Bischofe bestimmt ist und deren Verlautbarungen enthalt, faBte sein Urteil über den neuen Ri tus folgendermaBen zusammen: »(Hier) will man mit der gesamten Theologie der Messe >tabula rasa< machen. lm Grunde nahert man sich hier der protestantischen Theologie, die das MeBopfer zerstort hat. « In dem neuen Ordo Missœ, der soeben durch die Apostolische Konstitution Missale romanum promulgiert wurde, finden wir leider diese »Normativmesse« in ihrer Substanz wieder. Und es hat nicht den Anschein, daB die Bischofskonferenzen als solche in der Zwischenzeit in dieser Sache befragt worden sind. In der Apostolischen Konstitution wird bestatigt, daB das alte, durch den heiligen Pius V. am 13. Juli 1570 promulgierte, aber zum groBen Teil auf Gregor den GroBen und in noch altere Zeit 1 zurück1

»Die Gebete unseres Kanons finden sich in dem Traktat >De Sacramentis< (Ende des 4. oder 5. Jh.) ... Unsere Messe reicht ohne wesentliche Ànderung bis in die Zeit zurück, in der sie sich aus der altesten gemeinsamen Liturgie entwickelte. Sie bewahrt noch den Duft jener ursprünglichen Liturgie aus den Tagen, wo die Caesaren die Welt regierten und den christlichen Glauben hofften auslëischen zu konnen, aus jenen Tagen, als unsere Viiter sich vor Tagesanbruch versammelten, um Christus als ihrem Gott einen Hymnus zu singen (vgl. Plin. d. J., Ep. 96) ... Es gibt im ganzen Christentum keinen so ehrwürdigen Ritus wie die romische Messe« (A. Fortescue). ---+

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reichende Missale vier Jahrhunderte lang für die Priester des lateinischen Ritus die Norm für die Feier des Opfers war und daß, da es über alle Länder verbreitet wurde, »innumeri prreterea sanctissimi viri animorum suorum erga Deum pietatem, haustis ex eo sive Sacrarum Scripturarum lectionibus sive precationibus copiosius aluerunt« (»zahllose, sehr heilige Männer ihre Herzensfrömmigkeit gegen Gott durch die aus ihm geschöpften biblischen Lesungen und Gebete reich genährt haben«). Und trotzdem soll die Reform, welche dieses Missale definitiv außer Gebrauch setzt, notwendig geworden sein, »ex quo tempore latius in christiana plebe increbescere et invalescere ccepit sacrre fovendre liturgire studium« (»seit unter dem christlichen Volk die Bemühung um die Pflege der heiligen Liturgie häufiger und stärker zu werden begann«). In dieser Behauptung wird ein schweres Mißverständnis offenbar. Denn wenn jemals ein Verlangen des Volkes sich äußerte, dann in der Zeit, als dieses - vor allem durch das Wirken des großen heiligen Pius X. - die echten und ewigen Schätze seiner Liturgie zu entdecken begann. Nie und nimmer hat das Volk zum Zweck des besseren Verständnisses eine veränderte oder verstümmelte Liturgie gefordert. Es verlangte vielmehr nach dem besseren Verständnis einer unveränderlichen Liturgie, von der es nie gewollt hatte, daß sie sich ändere. Dem römischen Missale des heiligen Pius V. begegnete man mit religiöser Ehrfurcht; es war dem Herzen der Katholiken, Priester wie Laien, überaus teuer. Man sieht nicht ein, inwiefern der Gebrauch dieses Missale bei richtiger Katechese eine stärkere Teilnahme an der heiligen Liturgie und ihre bessere Kenntnis verhindern könnte und warum man es bei dem vielen und hohen Lob, das ihm gezollt wurde, nicht für würdig hält, die liturgische Frömmigkeit des christlichen Volkes auch weiterhin zu nähren. Nachdem dieselbe »Normativmesse«, die uns heute als der Novus Ordo MissrE noch einmal präsentiert, ja auferlegt wird, durch die Bischofssynode im Wesentlichen abgelehnt worden ist; nachdem sie niemals dem kollegialen Urteil der Bischofskonferenzen vorgelegt wurde; »Der römische Kanon geht, so, wie er heute ist, auf den heiligen Gregor den Großen zurück. Es gibt weder im Orient noch im Okzident ein eucharistisches Gebet, das bis in unsere Tage in Gebrauch geblieben ist und sich eines so hohen Alters rühmen könnte! Diesen Kanon wegzuwerfen würde nicht nur in den Augen der Orthodoxen, sondern auch der Anglikaner, ja sogar derjenigen Protestanten, die noch in gewissem Grad einen Sinn für die Tradition haben, dem Verzicht der römischen Kirche auf jeden Anspruch gleichkommen, noch weiter die wahre katholische Kirche darzustellen« (P. Louis Bouyer).

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nachdem niemals vom Volk (und schon gar nicht in den Missionen) eine Reform der heiligen Messe gewünscht worden war, vermag man die Motive der neuen Gesetzgebung nicht zu begreifen, welche eine Überlieferung umstürzt, die, wie die Konstitution selber zugibt, seit dem 4. oder 5. Jahrhundert unverändert in der Kirche besteht. Da also keine Motive zur Begründung einer solchen Reform vorhanden sind, erscheint diese Neuerung jeder sinnvollen Grundlage beraubt; ohne eine solche Rechtfertigung kann die Reform aber dem Volke nicht annehmbar gemacht werden. Wohl hatte das Konzil in§ 50 der Konstitution Sacrosanctum Concilium den Wunsch ausgesprochen, daß die verschiedenen Teile der Messe neu geordnet werden möchten, »ut singularum partium propria ratio necnon mutua connexio clarius pateant« (»auf daß der eigentliche Sinn der einzelnen Teile und ihr wechselseitiger Zusammenhang deutlicher zutagetrete«). Wir werden sogleich sehen, wie der kürzlich promulgierte Ordo diesen Leitgedanken gerecht wird, von denen schließlich nichts mehr übrigbleibt. Eine ins Einzelne gehende Untersuchung des N ovus Ordo offenbart Änderungen von solcher Tragweite, daß für ihn dasselbe Urteil gerechtfertigt erscheint, das über die »Normativmesse« abgegeben wurde. Wie diese ist auch er so beschaffen, daß er in vielen Punkten die liberalsten Protestanten zufriedenzustellen vermag.

II Beginnen wir mit der Definition der Messe, welche in§ 7, zu Anfang des zweiten Kapitels »De structura Missre« der dem Novus Ordo vorangehenden »Institutio generalis« erscheint. »Cena dominica sive Missa est sacra synaxis seu congregatio populi Dei in unum convenientis, sacerdote prtEside, ad memoriale Domini celebrandum 2 • Quare de sanctre ecclesire locali congregatione eminenter valet promissio Christi> Ubi surrt duo vel tres congregati in nomine 2

In der Anmerkung wird für diese Definition auf zwei Texte des II. Vatikanischen Konzils verwiesen. Wenn man jedoch diese beiden Texte liest, so findet man nichts, was eine solche Definition rechtfertigen könnte. Der erste Text (Dekret »Presbyterorum Ordinis«, Nr. 5) lautet so: »... Die Priester werden von Gott durch das Ministerium des Bischofs geweiht, um die heiligen Geheimnisse als Diener dessen zu feiern, der sein priesterliches Amt allezeit für uns

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meo, ibi sum in medio eorum< « (Mt. 18, 20; »Das Herrenmahl oder die Messe ist die heilige Zusammenkunft oder die Versammlung des Volkes Gottes, das unter dem Vorsitz eines Priesters zusammenkommt, um das Gedächtnis des Herrn zu feiern. Deshalb gilt von der örtlichen Versammlung der heiligen Kirche in hervorragendem Maß die Verheißung Christi: >Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, dort bin ich mitten unter ihnenTut dies zu meinem AndenkenHoc facite< etc. Christum non instituisse Apostolos sacerdotes, aut non ordinasse, ut ipsi aliique sacerdotes offerrent corpus et sanguinem suum: anathema sit« (Can. 2; DB, 949; »Wenn jemand sagt, daß Christus mit jenen Worten: >Tut dies< usw. die Apostel nicht als Priester eingesetzt oder nicht angeordnet habe, daß sie selbst und die übrigen Priester seinen Leib und sein Blut darbringen sollten: der sei ausgeschlossen«). 3. Das Meßopfer ist ein wahres Sühnopfer und NICHT ein » bloßes Gedenken an das am Kreuz vollbrachte Opfer«. »Si quis dixerit Missre sacrificium tantum esse laudis et gratarium actiones aut nudam commemorationem sacrificii in cruce peracti, non autem propitiatorium; vel soli prodesse sumenti, neque pro vivis et defunctis, pro peccatis, pamis, satisfactionibus et aliis necessitatibus offerri debere, anathema sit« (Can. 3; DB, 950; »Wenn jemand sagt, das Meßopfer sei nur Lob und Danksagung oder ein bloßes Gedenken des am Kreuze vollbrachten Opfers, nicht aber ein sühnendes, oder es nütze nur dem, der es genießt, aber es dürfe nicht für die Lebenden und Verstorbenen, für die Sünden, Strafen, Genugtuungen und anderen Anliegen dargebracht werden, anathema sit«). Man erinnere sich ferner an Can. 6: »Si quis dixerit Canon Missre errores continere ideoque abrogandum esse, a. s.« (DB, 953; »Wenn jemand sagt, daß der Kanon der Messe Irrtümer enthalte und deshalb abzuschaffen sei, a. s.«) und an Can. 8: »Si quis dixerit Missas, in quibus solus sacerdos sacramentaliter communicat, illicitas esse, ideoque abrogandas, a.s.« (DB, 955; »Wenn jemand sagt, daß die Messen, bei welchen nur der Priester sakramental kommuniziert, unerlaubt und deshalb abzuschaffen seien, a. s. «).

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Diese gewollte Auslassung kommt ihrer »Überwindung« und daher, wenigstens in der Praxis, ihrer Negation gleich4 • Im zweiten Teil desselben Paragraphen wird, die schwerwiegende Umdeutung noch verschlimmernd, behauptet, daß für diese Versammlung die Verheißung Christi »in hervorragender Weise« gilt: »Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen« (Mt. 18, 20). Diese Verheißung, die nur die geistige Gegenwart Christi mit seiner Gnade betrifft, wird - abgesehen von der stärkeren Intensität - qualitativ auf dieselbe Ebene gestellt wie die substanzielle und physische Gegenwart bei der sakramentalen eucharistischen Präsenz. Unmittelbar darauf (Nr. 8) folgt eine Unterteilung der Messe in Liturgie des Wortes und eucharistische Liturgie, wobei man behauptet, daß in der Messe der Tisch des Wortes Gottes ebenso wie der des Leibes Christi bereitet werde, damit die Gläubigen »instituantur et reficiantur« (»unterrichtet und erquickt werden«), eine ganz und gar illegitime paritätische Gleichstellung der beiden Teile der Liturgie, als wären es zwei Zeichen mit gleichem Symbolwert; darauf werden wir später noch zurückkommen. Die Benennungen der Messe sind zahllos: alle akzeptabel, wenn in relativer Weise gebraucht, alle abzulehnen, wenn sie, wie es hier geschieht, isoliert und absolutgesetzt gebraucht werden. Nennen wir einige davon: Actio Christi et populi Dei, Cena dominica sive Missa, Convivium Paschale, Communis participatio mensHostiam et oblationem noluisti: corpus autem aptasti mihi«< (Ps. XL, 7-9, in: Hebr. 10, 5; »Als er in die Welt kam, sprach er: >Opfer und Gabe hast du nicht gewollt, einen Leib aber hast du mir bereitettranssignificatione< et >transfinalisationeTranssignifikation< oder >Transfinalisation< beschränken«). Die Einführung von neuen Formulierungen oder von Ausdrücken, die zwar in den Texten der Kirchenväter und der Konzilien sowie in den Dokumenten des Magisteriums vorkommen, jedoch jetzt in einseitigem Sinn verwendet werden, ohne Unterordnung unter die Doktrin, mit welcher sie eine unteilbare Einheit bilden (z.B. »spiritualis alimonia«, »cibus spiritalis«, »potus spiritalis« - »geistliche Nahrung«, »geistliche Speise«, »geistlicher Trank« usw.), ist in der Enzyklika »Mysterium Fidei« ausführlich genannt und verurteilt. Paul VI. schickt voraus: »Servata Fidei integritate, aptus quoque modus loquendi servetur oportet, ne indisciplinatis verbis utentibus nobis falsffi, quod absit, de Fide altissimarum rerum suboriantur opiniones« (»Bei Wahrung der Unversehrtheit des Glaubens ist es auch notwendig, eine exakte Ausdrucksweise beizubehalten, damit bei Gebrauch unpassender Worte uns nicht, was Gott verhüte, falsche Ansichten bezüglich des Glaubens an die tiefsten Geheimnisse in den Sinn kommen«). Dann zitiert er den heiligen Augustinus: »Nobis

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Bei der Vorbereitung des Opfers wurde eine ähnliche Verfälschung vorgenommen durch die Abschaffung der beiden wunderbaren Gebete. Das Gebet »Deus, qui humame substantire dignitatem mirabiliter condidisti et mirabilius reformasti« (»O Gott, der du die Würde der menschlichen Natur wunderbar begründet und noch wunderbarer erneuert hast«) war ein Hinweis auf den alten Unschuldszustand des Menschen und auf seinen gegenwärtigen Zustand eines mit dem Blute Christi Losgekauften - eine andeutungsweise, knappe Rekapitulierung der ganzen Ökonomie des Opfers von Adam bis auf den gegenwärtigen Augenblick. Die abschließende, der Sühne dienende Darbringung des Kelches, der »cum odore suavitatis« (»mit lieblichem Duft«) zum Angesicht der göttlichen Majestät emporsteigen sollte, deren Milde man anflehte, bekräftigte auf wunderbare Weise diese Ökonomie. Nachdem im Eucharistischen Gebet die dauernde Bezugnahme auf Gott abgeschafft ist, gibt es jetzt keinen Unterschied mehr zwischen göttlichem und menschlichem Opfer. Wenn man den Schlußstein des Gewölbes entfernt, muß man ein Gerüst einziehen; wenn man die wirklichen Zwecke abschafft, muß man Scheinzwecke erfinden. Hierher gehören die Gesten, die die Einheit zwischen Priestern und Gläubigen und zwischen den Gläubigen untereinander unterstreichen sollen, hierher die (sicher bald lächerlich wirkende) Art, wie das Opfer für die Armen und für die Kirche gegenüber der Darbringung der zu opfernden Hostie herausgehoben wird. tarnen ad certam regulam loqui fas est, ne verborum licentia etiam de rebus, qure significantur, impiam gignant opinionem« (De Civit. Dei, X 23, Migne PL 41, 300; »Wir hingegen müssen eine festgelegte Ausdrucksweise befolgen, um zu vermeiden, daß ein zu freier Gebrauch der Worte eine verwerfliche Ansicht verursache auch über das, was sie bedeuten«). Er fährt dann fort: »Regula ergo loquendi, quam Ecclesia longo sreculorum labore non sine Spiritus Sancti munimine induxit et Conciliorum auctoritate firmavit, qureque non semel tessera et vexillum Fidei orthodoxre facta est, sancte servetur, neque eam quisquam pro lubitu vel prretextu novre scientire immutare prresumat ... Eodem modo ferendus non est quisquis formulis, quibus Concilium Tridentinum Mysterium Eucharisticum ad credendum proposuit, suo marte derogare velit« (A. A. S. LVII, 1965, p. 758; »Die Norm, die die Kirche in jahrhundertelanger Arbeit mit dem Beistand des Heiligen Geistes festgelegt und durch die Autorität der Konzilien bestätigt hat, und die mehr als einmal Kennzeichen und Banner der Rechtgläubigkeit geworden ist, muß heilig gehalten werden. Niemand wage es, sie nach seinem Gutdünken oder unter dem Vorwand einer neuen Wissenschaft zu ändern ... Ebensowenig ist zu dulden, daß jeder auf eigene Faust die Formeln antasten kann, mit denen das Konzil von Trient das eucharistische Geheimnis zu glauben vorgestellt hat«).

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Die uranfängliche Einzigartigkeit dieser Darbringung wird dadurch verwischt sein; aus der Teilnahme an der Opferung des Schlachtopfers wird eine Versammlung von Philantropen und ein Wohltätigkeitsessen werden.

IV Kommen wir nun zum Wesen des Opfers. Das Geheimnis des Kreuzes ist nicht mehr ausdrücklich ausgesprochen, sondern auf dunkle, verschleierte, für das Volk unkenntliche Weise 9 • 1. Der im neuen Ordo der sogenannten »Prex eucharistica« gegebene Sinn ist, »ut tota congregatio fidelium se cum Christo coniungat in confessione magnalium Dei et in oblatione sacrificii« (Nr. 54, Ende; »daß die ganze Versammlung der Gläubigen sich mit Christus vereinige im Bekenntnis der Großtaten Gottes und in der Darbringung des Opfers«). Um was für ein Opfer handelt es sich dabei? Wer ist der Opfernde? Diese Fragen finden keine Antwort. Die Definition »in limine« der »Prex euchaistica« ist folgende: »Nunc centrum et culmen totius celebrationis initium habet, ipsa nempe Prex eucharistica, prex scilicet gratiarum actionis et sanctificationis« (Nr. 54, Anfang; »Jetzt beginnt die Mitte und der Gipfel der ganzen Feier, nämlich das eucharistische Gebet, d. h. das Gebet der Danksagung und der Heiligung«). Die Wirkungen sind also an die Stelle der Ursachen gesetzt, und von diesen wird nicht ein einziges Wort gesagt. Der ausdrückliche Hinweis auf den Zweck des Opfers, der im »Suscipe« stand, ist durch nichts ersetzt. Die Änderung der Formulierung offenbart die Änderung der Lehre. 2. Die Ursache dafür, daß der Opfergedanke nicht klar zum Ausdruck gebracht wird, liegt in nichts anderem als im Unterdrücken der zentralen Realpräsenz, die in der eucharistischen Liturgie so leuchtend hervortrat. Sie findet eine einzige Erwähnung - übrigens die einzige Zitierung des Konzils von Trient, und diese in einer Anmerkung-, und zwar bezieht sich diese Erwähnung auf die Realpräsenz als Nahrung

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In klarem Widerspruch zu der Vorschrift von Vaticanum II (Sacros. Gone., Nr. 48).

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(Nr. 241, Anm. 63). Auf die wirkliche und dauernde Gegenwart Christi nach Leib, Blut, Seele und Gottheit in den transsubstantiierten Gestalten wird nirgends hingewiesen. Sogar das Wort Transsubstantiation wird absolut vermieden. Die Aufhebung der Anrufung der dritten Person in der Heiligsten Dreifaltigkeit ( »Veni sanctificator«), damit sie auf die Opfergaben herabsteige, wie sie einst in den Schoß der Jungfrau herabgestiegen ist, um dort das Wunder der göttlichen Gegenwart zu vollbringen, paßt in dieses System schweigender Leugnungen und fortschreitender Abschwächungen der Realpräsenz. Die Abschaffung sodann o der Kniebeugen (es bleiben nur drei Kniebeugen des Priesters und eine, noch dazu Ausnahmen zulassende, des Volkes bei der Wandlung), o der Reinigung der Finger des Priesters im Kelch, o der Reinigung der Gefäße, die nicht sogleich und nicht auf dem Corporale zu geschehen braucht, o der Palla zum Schutz des Kelches, o der inneren Vergoldung der heiligen Gefäße, o der Weihe des transportablen Altars, o des heiligen Steines und der Reliquien im transportablen Altar und auf der »Mensa«, wenn die Meßfeier nicht an einem heiligen Ort geschieht (diese Unterscheidung enthält die Erlaubnis zu »eucharistischen Mählern« in Privathäusern), o der drei Altartücher, die auf ein einziges reduziert werden, o der Danksagung im Knien (die durch eine groteske Form der Danksagung von Priester und Gläubigen im Sitzen ersetzt wird, in der die stehende Kommunion ihre abwegige Vollendung findet), o sämtlicher bisherigen Vorschriften für den Fall, daß die konsekrierte Hostie hinunterfällt; sie sind auf ein fast sarkastisches »reverenter accipiatur« (»sie möge ehrfürchtig aufgehoben werden«) reduziert (Nr. 239), ist alles in allem nichts anderes als eine unerhörte Unterstreichung der stillschweigenden Verwerfung des Glaubens an das Dogma der Realpräsenz. 3. Die dem Altar zugewiesene Funktion (Nr. 262). Der Altar wird fast dauernd mensa genannt10 . » Altare, seu mensa dominica, qure 10 Einmal (Nr. 259) wird seine primäre Funktion anerkannt: »Altare, in quo sacrificium

crucis sub signis sacramentalibus prmsens eflicitur« (»der Altar, auf dem das Kreu-

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centrum est totius liturgire eucharisticre« (Nr. 49, Ziff. 262; »der Altar oder der Tisch des Herrn, der das Zentrum der ganzen eucharistischen Liturgie ist«). Des Näheren wird gesagt, daß der Altar frei stehen muß, damit man darum herumgehen und die Zelebration zum Volk hin geschehen kann (Nr. 262); es wird ausgeführt, daß er den Mittelpunkt der Versammlung der Gläubigen bilden muß, so daß sich die Aufmerksamkeit von selber auf ihn richtet (ebd.). Die Gegenüberstellung von Nr. 262 und 276 scheint jedoch auszuschließen, daß das Allerheiligste Sakrament auf diesem Altar aufbewahrt werden kann. Dies wird eine irreparable Zweiteilung bedeuten zwischen der im zelebrierenden Priester vorhandenen Gegenwart des höchsten und ewigen Priesters und derselben, sakramental verwirklichten Gegenwart. Ursprünglich war beides eine einzige GegenwartP. Ferner wird empfohlen, das Allerheiligste an einem abgesonderten Ort aufzubewahren, damit sich dort die private Andacht der Gläubigen entfalten kann, als ob es sich um irgendeine Reliquie handle, so daß beim Betreten der Kirche nicht mehr der Tabernakel es ist, der die Blicke sogleich auf sich zieht, sondern ein leerer und bloßer Tisch. Dadurch wird wiederum private Frömmigkeit und liturgische Frömmigkeit einander gegenübergestellt und Altar gegen Altar errichtet 12 • Durch die dringende Empfehlung, bei der Kommunion die in derselben Messe konsekrierten Gestalten auszuteilen, ja sogar ein Brot von großem Ausmaß zu konsekrieren13 , so daß der Priester es wenigstens mit einem Teil der Gläubigen teilen kann, wird die mißachtende Haltung gegen den Tabernakel wie gegen die gesamte eucharistische Frömmigkeit außerhalb der Messe bekräftigt - ein weiterer großer Riß, der dem Glauben an die Realpräsenz, die so lange dauert wie die konsekrierten Gestalten, zugefügt wird14 .

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zesopfer unter den sakramentalen Zeichen gegenwärtig gemacht wird«). Dies dürfte schwerlich hinreichen, um die andere, dauernd gebrauchte Benennung aufzuwiegen. »Den Tabernakel vom Altar trennen bedeutet zwei Dinge zu trennen, die kraft ihrer Natur vereint bleiben müssen« (Pius XII., Ansprache an den Internationalen Liturgiekongreß, Assisi-Rom, 18.-23. Sept. 1956). Vgl. auch Mediator Dei, I, 5 (s. S. 24, Anm. 27). Altar hier im erweiterten Sinne gebraucht; etymologisch heißt altare »der Aufsatz«. Bei den Kirchenvätern bedeutet es u. a. auch »der Thron Gottes« (Anm. d. Übers.). Selten wird im Novus Ordo das Wort »hostia« verwendet, das mit seiner genauen Bedeutung von »Schlachtopfer« in den liturgischen Büchern traditionell ist. Dies gehört ebenfalls zu der systematisch durchgeführten Absicht, ausschließlich die Aspekte des »Mahls« und der »Speise« ins Licht zu rücken.

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4. Die Konsekrationsformeln. Die alte Konsekrationsformel war eine ausgesprochen sakramentale und nicht erzählende Formel. Dies zeigte sich vor allem an drei Momenten: a) dem nicht buchstäblich genau verwendeten Schrifttext; der paulinische Einschub »mysterium fidei« war ein sofort erfolgendes Bekenntnis des Glaubens des Priesters an das von der Kirche vermittels ihres hierarchischen Priestertums verwirklichte Geheimnis; b) Interpunktion und Charakter der Typographie, das heißt die andere Art der Absetzung, welche den Übergang vom Erzählenden zum Sakramentalen und Affirmativen bezeichnete, sowie die Schreibung der sakramentalen Worte in größeren Lettern in der Mitte der Seite und häufig in einer anderen Farbe, so daß sie von dem historischen Kontext deutlich abgesetzt waren. Dies alles gab der Formel in bewußter Weise einen eigenen, einen selbständigen Wert; c) der Anamnesis ( »Hrec quotiescumque feceritis, in mei memoriam facietis«), was auf griechisch lautet: »eis ten emu anamnesin auf mein Andenken hingewandt«. Sie bezog sich auf den handelnden Christus und nicht auf das bloße Andenken an ihn oder an das Ereignis: eine Aufforderung, sich an das zu erinnern, was er getan hat (»hrec ... in mei memoriam facietis« - »so oft ihr dies tut, sollt ihr es zu meinem Gedächtnis tun«) und wie er es getan hat, und nicht nur an seine Person oder an das Mahl. Die paulinische Formel, die heute an die Stelle der alten gesetzt ist (»Hoc facite in meam commemorationem « - »Dieses tut zur Erinnerung an mich«) wird, wenn sie so jeden Tag in den Volkssprachen verkündet wird, unausbleiblich im Geist der Zuhörer den Akzent auf das Gedächtnis Christi als das

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Durch das gebräuchliche Phänomen der Ersetzung und Auswechslung einer Sache durch eine andere wird die Realpräsenz der Gegenwart im Wort gleichgestellt (Nr. 7, 54). Diese ist jedoch in Wirklichkeit von ganz anderer Natur, da sie keine Realität hat als in usu (im Gebrauch), während die andere ist, und zwar ständig, objektiv, unabhängig von ihrer Mitteilung, die im Sakrament geschieht. Typisch protestantisch die Formulierungen: »Deus populum suum alloquitur ... Christus per verbum suum in medio fidelium pnBsens adest« (Nr. 33; vgl. Sacros. Gone., Nr. 33 und 7; »Gott redet sein Volk an ... Christus ist durch sein Wort inmitten der Gläubigen gegenwärtig zugegen«), was streng genommen keinen Sinn hat, weil die Gegenwart Gottes im Worte mittelbar ist, an einen geistigen Akt sowie an die spirituelle Verfassung des Einzelnen gebunden und in der Zeit begrenzt. Der Irrtum bleibt nicht ohne die tragischsten Folgen, nämlich die Behauptung, oder Insinuierung, daß die Realpräsenz an den usus gebunden sei und mit ihm ende.

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Ziel der eucharistischen Handlung verlegen, während es in Wirklichkeit ihr Anfang ist. Der abschließende Gedanke einer Gedächtnisfeier wird gar bald den Platz des Gedankens der sakramentalen Handlung einnehmen15 . Der erzählende Modus wird weiter unterstrichen durch die Formel »narratio institutionis« (Nr. 55 d; »Erzählung der Einsetzung) und bekräftigt durch die Definition der Anamnesis, in der es heißt, daß »Ecclesia memoriam ipsius Christi agit« (Nr. 55 c; »die Kirche das Andenken Christi begeht«). Kurz, die in der Epiklesis vorgebrachte Theorie sowie die Änderung der Konsekrationsworte und der Anamnesis haben den Effekt, den modus significicandi der Konsekrationsworte zu verändern. Die Konsekrationsformeln werden jetzt vom Priester als geschichtliche Erzählung vorgetragen und nicht mehr als Ausdruck eines kategorischen und affirmativen Urteils dessen gesprochen, in dessen Person der Priester handelt: »Hoc est Corpus meum « (und nicht etwa: »Hoc est Corpus Christi« )16 • Die Akklamation, die sofort nach der Konsekration dem Volk zugewiesen ist (»Martern tuam annuntiamus, Domine, etc., donec venias«) bringt, durch Eschatologismus verkleidet, wieder eine der vielen Zweideutigkeiten hinsichtlich der Realpräsenz hinein. Ohne Unterbrechung der Kontinuität wird die Erwartung der zweiten Ankunft Christi am Ende der Zeiten verkündigt, ausgerechnet in dem Augenblick, wo er substantiell gegenwärtig ist auf dem Altar - so als ob nur jene, und nicht auch diese, ein wahres Kommen wäre. Noch stärker ist dies in der fakultativen Akklamationsformel Nr. 2 (Anhang) betont: »Quotiescumque manducamus panem hunc, et calicem bibimus, martern tuam annuntiamus, Domine, donec venias«. 15

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Die sakramentale Handlung bei der Einsetzung wird so präzisiert, als ob sie dadurch erfolgt wäre, daß Jesus den Aposteln seinen Leib und sein Blut unter den Gestalten von Brot und Wein »zu essen« gab, und nicht durch die Handlung der Konsekration und die in ihr vollzogene mystische Trennung des Leibes und des Blutes, welche das Wesen des eucharistischen Opfers bildet (vgl. das ganze Kapitel I »Der eucharistische Kult« des zweiten Teiles der Enzyklika Mediator Dei). Die Wandlungsworte, wie sie in den Kontext des Novus Ordo eingefügt sind, können gültig sein kraft der Intention des Priesters. Sie können auch ungültig sein, weil sie nicht mehr gültig sind ex vi verborum (aus der Kraft der Worte) oder genauer kraft des »modus significandi«, den sie bis jetzt in der Messe hatten. Werden die Priester, die die traditionelle Ausbildung nicht mehr erhalten haben (was in nächster Zukunft der Fall sein wird) und sich, um »das zu tun, was die Kirche tut«, auf den Novus Ordo verlassen, gültig konsekrieren? Man darf daran zweifeln.

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Hier erreicht die Unklarheit hinsichtlich der verschiedenen Wirklichkeiten der Opferung und des Essens sowie der Realpräsenz und der zweiten Ankunft Christi ihren Gipfel17 •

V Kommen wir nun zur Verwirklichung des Opfers. Seine vier Elemente waren der Reihe nach: 1. Christus, 2. der Priester, 3. die Kirche, 4. die Gläubigen. Im neuen Ordo ist die den Gläubigen zugeteilte Stellung autonom (absolut) und somit vollkommen falsch - beginnend mit der einleitenden Definition »Cena dominica sive Messa est sacra synaxis seu congregatio populi« (»Das Herrenmahl oder die Messe ist die heilige Zusammenkunft oder die Versammlung des Volkes«) bis hin zum Gruß des Priesters an das Volk, durch den der versammelten Gemeinde die »Gegenwart« des Herrn bekundet werden soll (Nr. 28): »Qua salutatione et populi responsione manifestatur ecclesire congregatre mysterium« (»Durch diesen Gruß und die Antwort des Volkes wird das Geheimnis der versammelten Kirche manifestiert«). Wahre Gegenwart Christi, gewiß - aber doch nur geistig; und Mysterium der Kirche, aber doch nur als der Versammlung, welche diese Gegenwart manifestiert und hervorruft. Dies wiederholt sich überall: in der hartnäckigen Betonung des Gemeinschaftscharakters der Messe (Nr. 74 bis 152); in der unerhörten Unterscheidung zwischen »Missa cum populo « und »Missa sine populo « (Nr. 203-231); in der Definition der »oratio universalis seu fidelium« (Nr. 45), die nochmals das »priesterliche Amt« des Volkes unterstreicht (»populus sui sacerdotii munus exercens« - »das sein Priesteramt ausübende Volk«) und in falscher Weise darstellt, da seine Unterordnung unter das Amt des Priesters verschwiegen wird und dies, obwohl der Priester im Te igitur und den beiden Memento in seiner Eigenschaft als geweihter Mittler alle Intentionen des Volkes vor Gott vertritt.

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Man sage nicht, nach dem bekannten Vorgehen der protestantischen Kritik, daß diese Worte demselben Kontext der Schrift angehören. Die Kirche hat allezeit das Danebensetzen oder Darübersetzen dieser Worte vermieden, gerade um die Verwechslung der verschiedenen durch diese Texte ausgedrückten Realitäten zu beheben.

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In der »Prex eucharistica III« ( »Vere sanctus «, S. 12 3) wird geradezu zum Herrn gesprochen: »populum tibi congregare non desinis, ut a solis ortu usque ad occasum oblatio munda offeratur nomini tuo« (»du hörst nicht auf, dir ein Volk zu versammeln, damit von Sonnenaufgang bis Untergang deinem Namen eine Opfergabe dargebracht werde«) - wobei das »damit« glauben macht, daß das zur Zelebration unentbehrliche Element das Volk sei und nicht der Priester; und nachdem auch hier nicht angegeben ist, wer der Darbringende ist 18 , erscheint das Volk selbst mit autonomen priesterlichen Gewalten bekleidet. Von diesem Passus aus gesehen wäre es nicht zu verwundern, wenn in einiger Zeit das Volk ermächtigt würde, sich im Sprechen der Konsekrationsworte mit dem Priester zu verbinden (was übrigens bereits hier und dort zu geschehen scheint). 2. Die Stellung des Priesters ist minimalisiert, entstellt, verfälscht: erstens in Bezug auf das Volk, als dessen Bruder oder im besten Falle bloßer Vorsitzender er charakterisiert wird, statt als geweihter Amtsträger, der in persona Christi zelebriert. Sodann in Bezug auf die Kirche - als ein »quidam de populo« (»einer aus dem Volke«). In der Definition der Epiklesis (Nr. 55 c) werden die Anrufungen anonym der Kirche zugeschrieben; die Rolle des Priesters ist aufgelöst. In dem kollektiv gewordenen Confiteor ist er nicht mehr Richter, Zeuge und bei Gott für uns Eintretender; es ist deshalb logisch, daß ihm die Erteilung der Absolution nicht mehr zugestanden wird, die auch in der Tat abgeschafft ist. Er ist in die Brüder »integriert«. Sogar der Ministrant nennt ihn so im Confiteor der »Missa sine populo«. Bereits vor dieser letzten Reform war die bedeutsame U nterscheidung zwischen der Kommunion des Priesters - dem Augenblick, in welchem sozusagen der höchste und ewige Priester und der, der in seiner Person handelte, sich zu innigster Einheit (und damit Erfüllung des Opfers) verbanden - und der der Gläubigen abgeschafft. Kein Wort mehr jetzt über seine Gewalt als Opferpriester, über seinen Wandlungsakt, über die durch ihn verwirklichte eucharistische 18

Zu der Behauptung der Lutheraner und Kalvinisten, daß alle Christen Priester und deshalb Darbringer des Mahles seien, siehe A. Tanquerey: Synopsis theologiCE dogmaticCE, Bd. III, Desclee 1930: »Omnes et soli sacerdotes sunt, proprie loquendo, ministri secundarii sacrificii missai. Christus est quidem principalis minister. Fideles mediate, non autem sensu stricto, per sacerdotes offerunt.« (»Alle Priester, und nur sie, sind im eigentlichen Sinn sekundäre Vollzieher beim Meßopfer. Christus ist nämlich der Haupt-Vollzieher. Die Gläubigen opfern mittelbar, aber nicht im strengen Sinn, durch die Priester«; vgl. Conc. Trid. Sess. XXII, Can. 2).

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Gegenwart. Er unterscheidet sich in nichts mehr von einem protestantischen Religionsdiener. Das Verschwinden bzw. der fakultative Gebrauch vieler Paramente (in gewissen Fällen genügen Albe und Stola - Nr. 298) verflüchtigen die ursprüngliche Gleichförmigkeit mit Christus noch mehr. Der Priester ist nicht mehr mit all seinen Kräften bekleidet, er ist ein einfacher »Graduierter«, den ein oder zwei Abzeichen kaum von der Masse unterscheiden19 ( »ein wenig mehr Mensch als die andern«, um die unfreiwillig komische Formulierung eines modernen Predigers zu zitieren 20 • Wieder, wie bei der Gegeneinanderstellung der Altäre, trennt man das, was Gott vereint hat: das einzige Priestertum des Göttlichen Wortes. 3. Schließlich die Stellung der Kirche gegenüber Christus. In einem einzigen Fall, bei der »Missa sine populo«, geruht man zuzugeben, daß die Messe »Actio Christi et Ecclesire« ist (Nr. 4, vgl. Presb. Ord. Nr.13), während im Fall der »Missa cum populo« kein anderer Zweck genannt wird als der, »Christi zu gedenken« und die Anwesenden zu heiligen. »Presbyter celebrans ... populum ... sibi sociat in offerendo sacrifico per Christum in Spiritu Sancto Deo Patri« (Nr. 60; »Der zelebrierende Priester ... vereint das Volk mit sich ... bei der Darbringung des Opfers durch Christus im Heiligen Geist an Gott Vater«), statt das Volk mit Christus zu vereinen, der sich selbst »per Spiritum Sanctum Deo Patri« opfert. In diesen Zusammenhang gehören: die sehr schwerwiegende Auslassung der Schlußformel »Per Christum Dominum nostrum« als Gewähr der Erhörung, welche der Kirche aller Zeiten gegeben ist (Jo. 14, 13-14; 15, 16; 16, 23-24); der gleichsam fanatische »Paschalismus« - als ob die Mitteilung der Gnade nicht auch andere, ebenfalls wichtige Aspekte böte; der dubiose, manische Eschatologismus, der die Vermittlung der Gnade, einer Wirklichkeit, welche dauernd und überzeitlich ist, auf die Dimension der Zeit reduziert: Volk auf dem Wege, pilgernde Kirche (man beachte: nicht mehr streitende gegen die potestas

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Eine unvorstellbare und psychologisch verheerende Neuerung: der Karfreitag in roten statt in schwarzen Gewändern (Nr. 308 b) - also das Gedächtnis irgendeines Martyrers statt der Trauer der gesamten Kirche um ihren Stifter. Vgl. Mediator Dei, I, 5 (s. S. 25, Anm. 27). P. Roquet OP vor den Dominikanerinnen von Bethanien in Plesschenet.

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tenebrarum) hin zu einer Zukunft, die nicht mehr an die Ewigkeit (also auch nicht an das gegenwärtig Ewige) gebunden ist, sondern nur mehr eine zeitliche Zukunft darstellt. Die Kirche als solche - Una, Sancta, Catholica et Apostolica wird herabgesetzt in der Formel, die in der »Prex eucharistica IV« an die Stelle des Gebetes im römischen Kanon »pro omnibus orthodoxis atque catholicre et apostolicre fidei cultoribus« getreten ist. Jetzt sind diese nicht mehr und nicht weniger als »omnes qui te qurerunt corde sincero« (»alle, die dich mit reinem Herzen suchen«). Ebenso sind im Memento der Verstorbenen diese nicht mehr abgeschieden » cum signo fidei et dormiunt in somno pacis«, sondern einfach »obierunt in pace Christi tui« (»sie verschieden im Frieden deines Christus«); ihnen fügt sich bei - wieder auf Kosten des Begriffs der Einheitlichkeit und Sichtbarkeit der Kirche - die Schar »omnium defunctorum quorum fidem tu solus cognovisti« (»aller Abgeschiedenen, deren Glauben nur du kennst«). Sodann findet sich in keiner der drei neuen Preces, wie bereits gesagt, auch nur der leiseste Hinweis auf den Leidenszustand der Abgeschiedenen, in keiner die Möglichkeit eines speziellen Memento, wodurch wiederum der Glaube an die sühnende und erlösende Kraft des Opfers geschwächt wird 21 • Durch entsakralisierende Auslassungen wird an vielen Stellen das Geheimnis der Kirche herabgesetzt. So erscheint sie nicht mehr als heilige Hierarchie: Engel und Heilige sind im zweiten Teil des kollektiven Confiteor zur Anonymität reduziert bzw. als Zeugen und Richter aus seinem ersten Teil mit dem Erzengel Michael verschwunden 22 . Verschwunden sind ferner (zum ersten Mal!) die verschiedenen Hierarchien der Engel aus der neuen Präfation der »Prex II«. Abgeschafft ist im Communicantes das Gedächtnis der heiligen Päpste und Martyrer, auf die die Kirche von Rom gegründet ist, die ohne Zweifel die Übermittler der apostolischen Überlieferungen waren und diese zu dem vervollständigten, was später unter dem heiligen Gregor zur römischen Messe wurde. Abgeschafft ist im Libera nos die Erwähnung 21

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In einigen Übersetzungen des römischen Kanon wurde der »locus refrigerii, lucis et pacis« (»der Ort der Kühlung, des Lichtes und des Friedens«) wiedergegeben als einfacher Zustand (»Seligkeit, Licht, Frieden«). Und was soll man zu dem Verschwinden jedes ausdrücklichen Hinweises auf die leidende Kirche sagen? Mitten im Kürzungsfieber eine einzige Bereicherung: Bei der Sündenanklage im Confiteor wird die Unterlassung ausdrücklich erwähnt.

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der Allerseligsten Jungfrau, der Apostel und aller Heiligen; ihr Eintreten für uns wird also nicht mehr verlangt, auch nicht im Augenblick der Gefahr. Die Einheit der Kirche wird kompromittiert, nicht zuletzt durch die unerträgliche, für den ganzen Ordo einschließlich der drei neuen »Preces« (und mit einziger Ausnahme des Communicantes im römischen Kanon) geltende Auslassung der Namen der Apostel Petrus und Paulus, der Gründer der Kirche von Rom, wie auch der Namen der anderen Apostel, die Fundament und Zeichen der einzigen und universalen Kirche bilden. Ein klares Attentat auf das Dogma von der Gemeinschaft der Heiligen ist die Abschaffung aller salutationes und des Segens am Schluß der Feier der Messe ohne Meßdiener, sowie des Ite, Missa est?-3, das sogar in der Messe mit einem Meßdiener fehlt. Das doppelte Confiteor zeigte den Priester, wie er im Gewande des Dieners Christi und in tiefer Verneigung sich der hohen Aufgabe, des »tremendum mysterium«, das er zu feiern sich anschickte, ja sogar des Eintretens in das Heiligtum der Heiligtümer (im Aufer a nobis) als unwürdig bekannte und (im Oramus, te Domine) die Vermittlung der Verdienste der Martyrer anrief, deren Reliquien der Altar umschloß. Beide Gebete sind abgeschafft. Hierher gehört auch das, was oben über das doppelte Confiteor und die doppelte Kommunion gesagt wurde. Profaniert sind die äußeren Umstände des Opfers als Zeichen des Heiligen, vgl. z.B. die Zelebration außerhalb des heiligen Ortes, in welchem Fall der Altar durch einen einfachen » Tisch« ohne geweihten Stein und ohne Reliquien, mit nur einem Tuch bedeckt, ersetzt werden kann (Nr. 260, 265). Auch hier gilt, was bereits bezüglich der Realpräsenz gesagt wurde: »convivium« und Abendmahlsopfer werden von ihr getrennt. Die Desakralisierung erreichte einen Höhepunkt in den neuen, seltsamen Modalitäten der Darbringung: Brot statt ungesäuertem Brot; die sogar den Ministranten (ja bei der Kommunion sub utraque specie sogar den Laien) gegebene Erlaubnis, die heiligen Gefäße zu berühren (Nr. 244 d); die unwahrscheinliche Atmosphäre, die in der Kirche 23

Bei der Pressekonferenz, in welcher der Ordo vorgestellt wurde, sprach P. Lecuyer in einer Art Glaubensbekenntnis zum reinsten Rationalismus davon, daß man die salutationes in der »Missa sine populo« umwandeln müsse in »Dominus tecum«, »Ora, frater« usw., »... auf daß nichts verbleibe, was nicht der Wahrheit entspricht«.

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entstehen wird mit dem pausenlosen Wechsel von Priester, Diakon, Subdiakon, Sänger, Kommentator (der Priester selbst scheint ja zum Kommentator geworden zu sein, da er dauernd aufgefordert wird, das zu »erklären«, was er vollziehen soll), Lektoren (Männer und Frauen), Klerikern oder Laien, die die Gläubigen an der Tür empfangen und zu ihren Plätzen geleiten, die Kollekte halten, Opfergaben bringen und ordnen; und schließlich bei aller Begeisterung für Schriftgemäßheit die anti-alttestamentliche, antipaulinische Anwesenheit der »mulier idonea«, welcher zum erstenmal in der Überlieferung der Kirche das Recht erteilt werden wird, die Lesungen vorzutragen und auch andere »ministeria qure extra presbyterium peraguntur« (Nr. 70; »Dienste, die außerhalb des Presbyteriums durchgeführt werden«) zu erfüllen. Als Letztes die Konzelebrations-Manie, die die eucharistische Frömmigkeit des Priesters vollends zerstören sowie die zentrale Gestalt Christi, des einzigen Priesters und Schlachtopfers, verdunkeln und in der kollektiven Gegenwart der Konzelebration auflösen wird.

VI Wir haben uns auf eine summarische Untersuchung des neuen Ordo in seinen wichtigsten Abweichungen von der Theologie der katholischen Messe beschränkt und nur besonders typische Beobachtungen aufgeführt. Eine vollständige Wertung der Fallstricke, Gefahren und spirituell sowie psychologisch destruktiven Elemente, die dieses Dokument sowohl in den Texten als in den Rubriken und Instruktionen enthält, würde eine weit umfänglichere Arbeit erfordern. Da die neuen Kanones, deren zweiter 24 die Gläubigen sofort durch seine Kürze schockierte, bereits mehrfach und von kompetenter Stelle sowohl nach Form als Gehalt kritisiert wurden, sind wir nur kurz darauf eingegangen. Über diesen zweiten Kanon wurde unter anderem geschrieben, daß er in voller Gewissensruhe von einem Priester gefeiert werden könne, der weder an die Transsubstantiation noch an den Opfercharakter der Messe mehr glaubt, und daß er sich daher auch bestens für die Feier eines protestantischen Religionsdieners eignen würde. 24

Den man als »Kanon des Hippolytus« vorgestellt hat, obwohl er von diesem Kanon höchstens einen gewissen Wortanklang bewahrt.

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Das neue Missale wurde in Rom als »reiches pastorales Material«, als »mehr pastoraler denn juridischer Text« präsentiert, mit dem die Bischofskonferenzen nun je nach den Umständen und dem Geist der verschiedenen Völker arbeiten könnten. Übrigens wird die Sektion 1 der neuen »Kongregation für den Gottesdienst« für die »Herausgabe und dauernde Revision der liturgischen Bücher« verantwortlich sein. So heißt es in der Mai-Nummer des offiziellen Blattes der Liturgischen Institute von Deutschland, der Schweiz und Österreich: »Man muß aus dem Latein in die Sprachen der Völker übersetzen; übersetzen aus dem Römischen in das Je-Eigene der örtlichen Kirchen; übersetzen aus dem Überzeitlichen ins Konkrete, aus dem Universalen ins einzelne, aus dem Buch in das lebendige Leben der Weltkirche und ihrer vielen Gemeinden.« 25 Die Apostolische Konstitution selbst gibt der Universalsprache den Gnadenstoß (im Gegensatz zum ausdrücklichen Willen des 2. Vatikanischen Konzils) und behauptet unumwunden, daß » in tot varietate linguarum una (?) eademque cunctorum precatio ... quovis ture fragrantior ascendat« (»daß in der Verschiedenheit so vieler Sprachen ein (?) und dasselbe Gebet Aller ... duftender als jeder Weihrauch emporsteigen möge«). Der Tod des Latein gilt also als besiegelt, und der des gregorianischen Chorals, den doch das Konzil als »liturgire romanre proprium« (Sacros. Gone. Nr. 116; »der römischen Liturgie eigen«) anerkannte durch die Anordnung, daß er »principem locum obtineat« (ebd.; »den ersten Platz einnehme«), folgt logisch daraus - unter anderem schon durch die freie Wahl der Texte des Introitus und Graduale. Der neue Ritus wird also von vornherein als pluralistisch und experimentell präsentiert, gebunden an Zeit und Ort. Nachdem so die Einheit des Kultes zerstört ist, worin soll nun jene Einheit des Glaubens bestehen, die aus ihr folgte und von der man immer gesprochen hat als von dem »Wesentlichen«, das es kompromißlos zu verteidigen gelte? Es ist offensichtlich, daß der N ovus Ordo nicht mehr den Glauben von Trient darstellen will. An diesen Glauben jedoch ist das katholische Gewissen für immer gebunden. Der wahre Katholik sieht sich also durch die Promulgation des neuen Ordo in ein tragisches Dilemma verstrickt. 25

»Gottesdienst«, Nr. 9, 14. Mai 1969.

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VII Die Konstitution weist ausdrücklich auf einen Reichtum der Frömmigkeit und der Lehre hin, den der neue Ordo von den Kirchen des Ostens entliehen habe. Das Resultat scheint geeignet, den Gläubigen des orientalischen Ritus tief zu befremden, so sehr ist der Geist des neuen Ordo von diesem Ritus nicht nur entfernt, sondern geradezu ihm entgegengesetzt. Worin bestehen also diese ökumenischen Anleihen? Im Wesentlichen in der Mehrheit der Anaphoren (aber gewiß nicht in ihrer Schönheit und ihrem Reichtum), in der Anwesenheit des Diakons und in der Kommunion unter beiden Gestalten. Dafür scheint es, als ob man absichtlich alles habe beseitigen wollen, was in der römischen Liturgie der orientalischen am nächsten stand 26 , und gleichzeitig, unter Verleugnung ihres unverwechselbaren, uralten römischen Charakters, all das abschaffen, was für diesen besonders charakteristisch und spirituell am kostbarsten war. Das alles wurde ersetzt durch Elemente, die die römische Liturgie nur bestimmten reformierten Riten (und nicht einmal den dem Katholizismus am nächsten stehenden) annähern und sie dadurch herabmindern, während sie sie dafür vom Orient entfernen, was durch die jüngst erfolgten Reformen bereits eingeleitet wurde.

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Man denke, um nur an die byzantinische Liturgie zu erinnern, an die so langen, inständigen, oft wiederholten Bußgebete; an die feierlichen Riten beim Ankleiden des Zelebranten und des Diakons; an die einen bereits in sich kompletten Ritus darstellende Vorbereitung der Opfergaben bei der Proskomidie; an die für die Gebete und sogar für die Darbringung geltende ständige Gegenwart der Allerseligsten Jungfrau, der Heiligen und der Engel-Hierarchien (die beim »Einzug mit dem Evangelium« geradezu als unsichtbar Mitfeiernde angerufen werden und mit denen sich der Chor im Cherubicon identifiziert); an die Ikonostase, die deutlich das Heiligtum vom Tempel, den Klerus vom Volk trennt; an die verborgene Wandlung, deutliches Symbol des Unerkennbaren, auf den die gesamte Liturgie hinweist; an die Stellung des Zelebranten versus ad Deum und niemals versus ad populum; an die immer vom Zelebranten allein ausgeteilte Kommunion; an die dauernden, tiefen Zeichen der Anbetung, die man den heiligen Gestalten bezeigt; an die wesentlich kontemplative Haltung des Volkes. Der Umstand, daß diese Liturgien auch in ihren weniger feierlichen Formen mehr als eine Stunde dauern, sowie die immer wiederkehrenden Bezeichnungen im Text (»schauererregende und unaussprechliche Liturgie«, »schauererregende, himmlische, lebendigmachende Mysterien« usw.) sagen bereits alles. Und sowohl in der Liturgie des heiligen Johann Chrysostomus wie in der des heiligen Basilius scheint der Begriff des »Mahles« oder »Gastmahles« dem des Opfers deutlich untergeordnet, ebenso wie es in der römischen Messe bisher der Fall war.

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Dies wird andererseits alle jene Gruppen erfreuen, die, am Rande der Apostasie stehend, die Kirche Gottes zerstören, indem sie ihren Organismus vergiften und die Einheit der Lehre, der Liturgie, der Moral und der Disziplin angreifen in einer religiösen Krise, die in der Kirchengeschichte ohne Vorbild ist.

VIII Der heilige Pius V. besorgte die Herausgabe des »Missale romanum«, damit es (wie die darauf bezügliche Konstitution sagt) ein Instrument der Einheit unter den Katholiken werde. In Übereinstimmung mit den Vorschriften des Konzils von Trient sollte es im Kult jede Gefahr von Irrtümern gegen den Glauben ausschließen, der damals durch die Reformation bedroht war. So schwerwiegend waren die Motive des heiligen Papstes, daß die feierliche Formel, mit der die Promulgationsbulle seines Missale schließt, niemals so gerechtfertigt, ja gleichsam prophetisch erscheint wie in diesem Falle: »Si quis autem hoc attentare prcesumpserit, indignationem Omnipotentis Dei ac beatorum Petri et Pauli Apostolorum eius se noverit incursurum« (»Quo primum«, 13. Juli 1570; »Wenn aber jemand sich herausnehmen sollte, dies anzutasten, so soll er wissen, daß er den Unwillen des allmächtigen Gottes und seiner heiligen Apostel Petrus und Paulus herausfordert«) 27 • Bei der offiziellen Übergabe des Novus Ordo in der »Sala Stampa« des Vatikans hatte man die Kühnheit zu behaupten, daß die Gründe des Tridentinum nicht mehr existieren. Diese bestehen jedoch nicht nur weiter, sondern - wir zögern nicht, es zu sagen - unendlich schwererwiegende machen sich heute geltend. Gerade im Widerstand gegen die hinterhältigen Gefahren, die Jahrhundert für Jahrhundert die 27

In der XIII. Sitzung (Dekret über die Heiligste Eucharistie) bekundet das Konzil von Trient seine Absicht, »ut stirpitus convelleret zizania execrnbilium errorum et schismatum, qure inimicus homo ... in doctrina fidei, usu et cultu Sacrosanctre Eucharestire superseminatvit (Mt. 13, 25 ss.) ... quam alioqui Salvator noster in Ecclesia sua tamquam symbolum reliquit eius unitatis et caritatis, qua Christianos omnes inter se coniunctos et copulatos esse voluit« (DB, 873; »das Unkraut fluchwürdiger Irrlehren und Schismen mit Stumpf und Stiel auszureißen, welche ein feindseliger Mensch ... in der Glaubenslehre hinsichtlich Gebrauch und Verehrung der hochheiligen Eucharistie dazwischengesät hat ... die noch dazu unser Erlöser in seiner Kirche als Zeichen ihrer Einheit und Liebe hinterlassen hat, durch die nach seinem Willen alle Christen untereinander verbunden und verknüpft sein sollen«).

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Reinheit des empfangenen Depositum bedrohten (»depositum custodi, devitans profanas vocum novitates« - »bewahre das anvertraute Gut und gehe den unheiligen neuen Sprüchen aus dem Weg«; I Tim 6, 20), mußte die Kirche es mit einer Schutzmauer umgeben, die aus ihren dogmatischen Definitionen und Lehrverkündigungen gebildet war. Diese fanden unmittelbare Auswirkung auf den Kult, der das vollständige Denkmal ihres Glaubens wurde. Diesen Kult um jeden Preis auf seine früheste Form zurückschrauben zu wollen und in der Retorte das künstlich herzustellen, was in der Frühzeit den Zauber ursprünglicher Spontaneität besaß - genau jener »ungesunde Archäologismus«, den Pius XII. im richtigen Moment so hellsichtig verurteilte28, - heißt, wie wir leider sehen mußten, ihn nicht nur aller durch die Jahrhunderte hin angesammelten Schönheiten 29 , sondern auch all 28 »Ad sacrre liturgire fontes mente animoque redire sapiens profecto ac laudabilissima res est, cum disciplinre huius Studium, ad eius origines remigrans, haud parum conferat ad festorum dierum significationem et ad formularum, qure usurpantur, sacrarum creremoniarum sententiam altius evidentiusque pervestigandam: non sapiens tamen, non laudabile est omnia ad antiquitatem quovis modo reducere. Itaque, ut exemplis utamur, is ex recto aberret itinere, qui priscam altari velit mensre formam restituere; qui liturgicas vestes velit nigro semper carere colore; qui sacras imagines ac statuas e templis prohibeat; qui divini Redemptoris in Crucem acti effigies ita conformari iubeat, ut corpus eius acerrimos non referat, quos passus est, cruciatus ... Hrec enim cogitandi agendique ratio nimiam illam reviscere iubet atque insanam antiquitatum cupidinem, quam illegitimum excitavit Pistoriense concilium, itemque multiplices illos restituere enititur errores, qui in causa fuere, cur conciliabulum idem cogeretur, quique inde non sine magno animorum detrimento consecuti sunt, quosque Ecclesia, cum evigilans semper exsistat >fidei depositi< custos sibi a Divino Conditore concrediti, iure meritoque reprobavit« (Mediator Dei, I, 5; »Mit Geist und Herz zu den Quellen der heiligen Liturgie zurückzukehren ist sicher weise und sehr lobenswert, da das Studium dieses Wissenszweiges durch Zurückgreifen auf dessen Anfänge nicht wenig dazu beiträgt, die Bedeutung der Feste und den Sinn der verwendeten heiligen Texte und Zeremonien tiefer und genauer zu erforschen; dagegen ist es nicht weise und nicht lobenswert, alles um jeden Preis auf das Altertum zurückzuführen. So würde z. B. vom rechten Weg abirren, wer dem Altar die alte Form des Tisches wiedergeben wollte; wer die liturgischen Gewänder nie in Schwarz haben wollte; wer die Heiligenbilder und Statuen aus den Kirchen entfernen wollte; wer die Nachbildung des gekreuzigten Erlösers so machen ließe, daß sein Leib die bitteren Qualen, die er erduldete, nicht zum Ausdruck brächte ... Diese Denk- und Handlungsweise läßt jene übertriebene und ungesunde Altertumssucht wiederaufleben, der die ungesetzliche Synode von Pistoja Auftrieb gegeben hat, und ebenso trachtet sie die vielfachen Irrungen wieder auf den Plan zu rufen, welche die Ursache zur Berufung jener Synode waren, aus ihr zum großen Schaden der Seelen sich ergaben, und welche die Kirche, die immer treue Hüterin des ihr von ihrem Stifter anvertrauten Glaubensgutes, mit vollem Recht verworfen hat«).

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seines theologischen Schutzes zu berauben, und dies ausgerechnet in einem der kritischsten, vielleicht in dem kritischsten Augenblick, den die Geschichte der Kirche jemals erlebt hat. Es wird heute offiziell zugegeben, daß Spaltungen und Schismen nicht nur außerhalb, sondern sogar innerhalb der katholischen Kirche vorhanden sind 30 ; die Einheit der Kirche ist nicht mehr nur bedroht, sondern bereits in einer tragischen Weise aufs Spiel gesetzt 31 und die Irrlehren gegen den Glauben werden durch- gleichermaßen zugegebene32 - liturgische Mißbräuche und Abirrungen nicht nur nahegelegt, sondern bereits aufgedrängt. Das Aufgeben einer liturgischen Überlieferung, die vier Jahrhunderte lang Zeichen und Unterpfand der Einheit des Kultus war (und ihre Ersetzung durch eine andere Liturgie, die unausbleiblich ein Zeichen der Spaltung sein wird durch die zahllosen Freizügigkeiten, die sie mittelbar autorisiert, und die schon an sich von zahlreichen geheimen oder offenen Verstößen gegen die Reinheit des katholischen Glaubens durchsetzt ist), erscheint, um es auf die mildeste Weise auszudrücken, als unabsehbarer Fehlgriff.

Fronleichnam 1969 29

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»... Lassen wir uns nicht täuschen von der Idee, das Gebäude der Kirche, das zur Ehre Gottes groß und majestätisch geworden ist wie eines ihrer prächtigen Gotteshäuser, auf ihre anfänglichen beschränkten Proportionen reduzieren zu wollen, so als wären nur diese die wahren und guten ... « (Paul VI., Ecclesiam suam). »Ein praktisch schismatisches Ferment teilt, spaltet und zerreißt die Kirche« (Paul VI., Predigt am Gründonnerstag 1969). »Es gibt auch unter uns jene >SchismenSpaltungen