Krieg mit dem Wort: Türkenpredigten des 16. Jahrhunderts im Alten Reich 3110427850, 9783110427851

Der Fall Konstantinopels (1453) und die Belagerung Wiens (1529) durch das Osmanische Heer lösten im Alten Reich Reaktion

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Krieg mit dem Wort: Türkenpredigten des 16. Jahrhunderts im Alten Reich
 3110427850, 9783110427851

Table of contents :
Inhalt
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Fragestellung
1.2 Die Quellen
1.3 Zeitliche Eingrenzung
1.4 Forschungsüberblick
1.4.1 Arbeiten zur Türkengefahr im 15. und 16. jahrhundert
1.4.2 Arbeiten zur Türkenpredigt im 16. jahrhundert
1.5 Aufbau der Arbeit
2 Reichspolitik und Kirche. Aufrufe zum „geistlichen Kampf“ gegen die Türken im 16. Jahrhundert
2.1 Die Reichstage
2.2 „Alle tag umb zwölff Uhren“ - Die Türkenglocke
2.2.1 Die Einführung der Türkenglocke unter Papst Calixt III
2.2.2 Das Türkenläuten in den evangelischen Kirchenordnungen und Türkenpredigten
2.3 „Mit dem Gebet wider den Feind streiten“ - Türkengebete
2.3.1 Martin Luthers Vermahnung zum Gebet wider den Türken (1541) und Vermahnung an die Pfarrherrn in der Superattendenz Wittenberg (1543)
2.3.2 Andreas Osianders Unterricht / und vermanung / wie man wider den Türcken peten und streyten soll (1542)
2.3.3 Veit Dietrichs Wie man das volck zur Buß, und ernstlichem gebet wider den Türcken auff der Cantzel vermanen sol (1542) und Der XX. Psalm Davids (1542)
2.3.4 Gebete wider „den Türken“ in den evangelischen Kirchenordnungen
2.3.5 Türkengebete als obrigkeitliche Erlasse
2.3.6 Türkengebetbücher
2.4 Türkengottesdienste
2.4.1 Katholische Prozessionen und Bittfahrten wider die Türken
2.4.2 Evangelische Betstunden und Gottesdienste wider die Türken
2.4.3 Hausandachten
2.5 Zusammenfassung
3 Die Autoren der Türkenpredigten
3.1 Ausbildung und soziale Stellung der Türkenprediger
3.2 Predigt als Expertise: Gelehrtes Wissen über „den Türken“ in den Predigten
3.2.1 Biblisch-exegetisches Wissen: „Der Türke“ in der Bibel
3.2.2 Prophetisches Wissen: Prognostiken über die Türken als Wissensquelle
3.2.3 Religionskundliches Wissen: Der Koran in den Türkenpredigten
3.2.4 Ethnographisches Wissen: Die Reiseberichte des 15. und 16. Jahrhunderts
Exkurs: Primož Trubars Befragung türkischer Gefangener in Krain (1567)
3.2.5 Historiographisches Wissen: Chroniken und Kosmographien
3.3 Zusammenfassung
4 Die evangelischen Türkenpredigten des 16. Jahrhunderts
4.1 Anleitungen zur Predigt wider die Türken
4.1.1 Martin Luthers Vom Kriege wider die Türken (1529) und Heerpredigt wider die Türken (1529)
4.1.2 Johannes Brenz' Grundtlicher bericht (1526) und Wie sich Prediger und Laien halten sollen (1531)
4.1.3 Theophilus Glasers Turcken Büchlein (1594)
4.2 Formale Aspekte der evangelischen Türkenpredigten
4.2.1 Predigttexte
4.2.2 Aufbau und Methode
4.2.3 Adressaten
4.2.4 Regionen
4.3 Exemplarische Türkenpredigten
4.3.1 Johannes Brenz' Homiliae viginti duae (1532)
4.3.2 Heinrich von Efferhens XIII Christenliche Predigten (1571)
4.3.3 Johannes Lauchs Ein und Dreißig Türcken Predigten (1598)
4.4 Deutungen der Türken und des Islam
4.4.1 Gesetz und Buße – Die Türken als Geißel Gottes
4.4.2 Krieg und Waffen – Die Frage der Legitimierung des Türkenkrieges
4.4.3 Antichrist und Weltende – Apokalyptische Deutungen der Türkengefahr
4.4.4 Konfession und Islam – Die „Turkisierung“ der innerchristlichen Gegner
4.5 Zusammenfassung
5 Die katholischen Türkenpredigten des 16. Jahrhunderts
5.1 Anleitungen zur Predigt wider die Türken
5.1.1 Friedrich Nauseas Pro Concionatoribus ad milites in bello contra Hostes infideles […] (1542)
5.1.2 Georg Scherers Ein trewhertzige Vermahnung (1595)
5.2 Formale Aspekte der katholischen Türkenpredigten
5.2.1 Predigttexte
5.2.2 Aufbau und Methode
5.2.3 Adressaten
5.2.4 Regionen
5.3 Exemplarische Türkenpredigten
5.3.1 Johann Fabris Sermones consolatorii […] (1532)
5.3.2 Augustin Nesers Ein newe Catholische Predig. Auff des Türcken Niderlag […] (1572)
5.3.3 Michael Anisius' Türkenpredigten: Klagpredig (1595) und Siben Catholische Predigen (1599)
5.4 Deutungen der Türken
5.4.1 Discordia oder Concordia? – Die Türkengefahr als Zeichen der Zerrissenheit der Christenheit
5.4.2 Sieg oder Niederlage? – Die Türken als Kriegsgegner
5.5 Zusammenfassung
6 Schluss
Anhang 1: Biogramme der Türkenprediger
1 Evangelische Türkenprediger
2 Katholische Türkenprediger
Anhang 2: Transkribierte Handschriften
1. Johannes Brenz' Grundtlicher bericht (1526)
2. Johannes Brenz' Homelia contra Turcam (1526)
Literaturverzeichnis
1 Quellen
1.1 Türkenpredigten
1.2 Weitere Quellen
2 Sekundärliteratur
Personenregister
Ortsregister
Sachregister
Bibelstellenregister

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Damaris Grimmsmann Krieg mit dem Wort

Arbeiten zur Kirchengeschichte

Begründet von Karl Holl † und Hans Lietzmann † Herausgegeben von Christian Albrecht und Christoph Markschies

Band 131

Damaris Grimmsmann

Krieg mit dem Wort

Türkenpredigten des 16. Jahrhunderts im Alten Reich

ISBN 978-3-11-042785-1 e-ISBN (PDF) 978-3-11-042859-9 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-042870-4 ISSN 1861-5996 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2016 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Printing: CPI books GmbH, Leck ♾ Printed on acid-free paper Printed in Germany www.degruyter.com

Meiner Familie

Vorwort Es kommt nur selten vor, dass die Aktualität eines historischen Themas nicht eigens erwähnt werden muss. Bei der Lektüre meiner Quellen wurde mir deutlich: Auch die lange Zeit von 500 Jahren scheint nicht auszureichen, um so manche tief sitzenden Denkmuster und Ängste zu überwinden. Die vorliegende Studie widmet sich Predigten, die von katholischen und evangelischen Theologen gehalten und gedruckt wurden, um vor den Türken und / oder ihrer Religion zu warnen. Denn in der militärischen Auseinandersetzung mit dem Osmanischen Reich wurde insbesondere im 16. Jahrhundert der Einsatz von „geistlichen Waffen“ immer wichtiger. Die Türkenprediger bedienten sich also der Waffe, die sie am besten beherrschten: Der Waffe der Predigt – der Waffe des Wortes Gottes. Obwohl es an Literatur zur Türkenfrage in Mittelalter und Früher Neuzeit nicht mangelt, beschäftigt sich noch keine Studie mit der massenhaften Publikation von Türkenpredigten. Diese Lücke soll die vorliegende Arbeit schließen. Sie wurde im Jahr 2014 von der Theologischen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen als Dissertation angenommen und von mir verteidigt. Prof. Dr. Thomas Kaufmann und Prof. Dr. Dr. h.c. Martin Tamcke erstellten hierfür dankenswerterweise die Gutachten. Für die Aufnahme in die Reihe der Arbeiten zur Kirchengeschichte danke ich Prof. Dr. Christian Albrecht und Prof. Dr. Dres. h.c. Christoph Markschies. Dr. Albrecht Döhnert und Stefan Selbmann vom Verlag De Gruyter hatten für alle meine Fragen nicht nur offene Ohren, sondern stets schnelle und kompetente Antworten parat. Dass ich einmal ein Vorwort zu meiner eigenen Doktorarbeit schreiben würde, hätte ich mir selbst wohl am wenigsten vorstellen können. Diese Vorstellungskraft besaßen andere: Allen voran der damalige Göttinger Assistent im Fach Kirchengeschichte, Dr. Anselm Schubert, der die Neugier der Erstsemesterin erkannte und sich von ihren stümperhaften Fußnoten nicht beirren ließ. Dass ich mich am Lehrstuhl schnell zuhause fühlte und stetig dazu lernen konnte, habe ich Prof. Dr. Thomas Kaufmann zu verdanken. Auch er besaß einige Jahre später die Vorstellungskraft, dass aus der historischen Neugier seiner studentischen Hilfskraft mehr werden könnte, und dass sich mir mit der Thematik des Türkendiskurses im 16. Jahrhundert ein Feld aufgetan hatte, auf dem zu arbeiten sich lohnen würde. Als Doktorvater, der diese Bezeichnung mehr als verdient, begleitete Prof. Dr. Thomas Kaufmann meine Forschungen an den Türkenpredigten mit Interesse, Geduld, Offenheit, Ehrlichkeit und Vertrauen. Er verstand es, seiner Doktorandin den nötigen Freiraum zum Forschen zu geben und, wenn erforderlich, für sie einzustehen.

VIII

Vorwort

Neben meinem Doktorvater verdanke ich auch meinen „Doktorgeschwistern“, Steffie Schmidt, Christoph Schönau und Lars Röser, die Hoffnung, dass aus den vielen Ideen zum Thema einmal ein fertiges Buch werden könnte. Mit unvergessener Hilfsbereitschaft diskutierten sie meine Fragen, lasen meine Texte, dachten mit und weiter. Mein besonderer Dank gilt Steffie Schmidt, die die Mühe des Korrekturlesens auf sich nahm und akribisch Kapitel für Kapitel bearbeitete. Für die Finanzierung meines Forschungsvorhabens danke ich der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Als Stipendiatin des Göttinger Graduiertenkollegs „Expertenkulturen des 12. bis 16. Jahrhunderts“ hatte ich die Möglichkeit, an meinen kirchenhistorischen Fragestellungen im interdisziplinären Austausch zu arbeiten. Für anregende Diskussionen in Teeküche und Kolloquium, für kritische Nachfragen und aufrichtiges Interesse danke ich meinen „Expertinnen und Experten“ des Kollegs – den Dozentinnen und Dozenten sowie meinen Kolleginnen und Kollegen. Stellvertretend für sie alle nenne ich Esmeray Ergel, Annika Goldenbaum, Mona Knorr, Sebastian Dümling, Dr. Björn Reich, Dr. Matthias Roick, Dr. Johannes Schütz, Dr. Piotr Wittmann und Ingo Trüter. Für die Möglichkeit eines fünfmonatigen Forschungsaufenthalts in Princeton, N.J., danke ich ebenfalls der DFG sowie dem Princeton Theological Seminary, die mich finanziell unterstützten. Mein Dank gilt außerdem Prof. Dr. Kenneth Appold, der mir als Ansprechpartner vor Ort Einblicke in die angloamerikanische Reformationsgeschichtsforschung gewährte, für mein Forschungsvorhaben großes Interesse zeigte und mir die Möglichkeit von Gesprächen in meiner Muttersprache schenkte. Vier Jahre lang Türkenpredigten zu lesen,wäre ohne die Unterstützung meiner Göttinger Freunde nicht möglich gewesen: Dr. Christina Costanza, Dr. Sebastian Sievers, Friederike Neumann, Olga und Karsten Höpting, Kim und Christoph Seifert verschafften mir Pausen an den richtigen Stellen und Freiräume zum Arbeiten durch bereitwilliges Babysitten. Am Ende denke ich an die wichtigsten Menschen, ohne die es wohl nie zu diesem Buch gekommen wäre: An meine Eltern, Siegfried und Heidrun Schneider, die mir die Neugier und das Vertrauen in mein Vorhaben schenkten; an meine Geschwister, Anne und Tobias Schneider, die mir zeigten, dass es neben den Türkenpredigten des 16. Jahrhunderts auch noch andere Gesprächsthemen gibt; an meinen Mann Michael Grimmsmann, der mich mit Humor und Liebe ge- und ertragen hat und an meine Tochter Elsa, die mich mit ihren lachenden Augen immer wieder ins Hier und Jetzt befördert hat. Euch allen gebührt mein größter Dank. Euch, meiner Familie, sei dieses Buch gewidmet. Bramsche / Ueffeln, am Sonntag Jubilate 2015.

Inhalt Abkürzungsverzeichnis

XIII

 Einleitung 1 . Fragestellung 3 4 . Die Quellen . Zeitliche Eingrenzung 10 . Forschungsüberblick 12 .. Arbeiten zur Türkengefahr im 15. und 16. Jahrhundert 17 .. Arbeiten zur Türkenpredigt im 16. Jahrhundert . Aufbau der Arbeit 20 

13

Reichspolitik und Kirche. Aufrufe zum „geistlichen Kampf“ gegen die 22 Türken im 16. Jahrhundert . Die Reichstage 24 28 . „Alle tag umb zwölff Uhren“ – Die Türkenglocke .. Die Einführung der Türkenglocke unter Papst Calixt III. 28 .. Das Türkenläuten in den evangelischen Kirchenordnungen und 32 Türkenpredigten . „Mit dem Gebet wider den Feind streiten“ – Türkengebete 36 .. Martin Luthers Vermahnung zum Gebet wider den Türken (1541) und Vermahnung an die Pfarrherrn in der Superattendenz Wittenberg 38 (1543) .. Andreas Osianders Unterricht / und vermanung / wie man wider den Türcken peten und streyten soll (1542) 43 .. Veit Dietrichs Wie man das volck zur Buß, und ernstlichem gebet wider den Türcken auff der Cantzel vermanen sol (1542) und Der XX. Psalm Davids (1542) 46 .. Gebete wider „den Türken“ in den evangelischen 52 Kirchenordnungen .. Türkengebete als obrigkeitliche Erlasse 54 .. Türkengebetbücher 58 . Türkengottesdienste 66 .. Katholische Prozessionen und Bittfahrten wider die Türken 67 .. Evangelische Betstunden und Gottesdienste wider die Türken 69 .. Hausandachten 73 . Zusammenfassung 76

X

Inhalt

 Die Autoren der Türkenpredigten 78 80 . Ausbildung und soziale Stellung der Türkenprediger . Predigt als Expertise: Gelehrtes Wissen über „den Türken“ in den Predigten 85 .. Biblisch-exegetisches Wissen: „Der Türke“ in der Bibel 87 .. Prophetisches Wissen: Prognostiken über die Türken als 94 Wissensquelle 97 .. Religionskundliches Wissen: Der Koran in den Türkenpredigten .. Ethnographisches Wissen: Die Reiseberichte des 15. und 16. Jahrhunderts 103 Exkurs: Primož Trubars Befragung türkischer Gefangener in Krain 109 (1567) .. Historiographisches Wissen: Chroniken und Kosmographien 113 117 . Zusammenfassung  Die evangelischen Türkenpredigten des 16. Jahrhunderts 119 120 . Anleitungen zur Predigt wider die Türken .. Martin Luthers Vom Kriege wider die Türken (1529) und Heerpredigt wider die Türken (1529) 122 .. Johannes Brenzʼ Grundtlicher bericht (1526) und Wie sich Prediger 130 und Laien halten sollen (1531) .. Theophilus Glasers Turcken Büchlein (1594) 137 . Formale Aspekte der evangelischen Türkenpredigten 140 141 .. Predigttexte .. Aufbau und Methode 145 .. Adressaten 152 .. Regionen 154 . Exemplarische Türkenpredigten 157 .. Johannes Brenzʼ Homiliae viginti duae (1532) 158 .. Heinrich von Efferhens XIII Christenliche Predigten (1571) 163 .. Johannes Lauchs Ein und Dreißig Türcken Predigten (1598) 166 . Deutungen der Türken und des Islam 170 .. Gesetz und Buße – Die Türken als Geißel Gottes 171 .. Krieg und Waffen – Die Frage der Legitimierung des Türkenkrieges 182 .. Antichrist und Weltende – Apokalyptische Deutungen der Türkengefahr 187 .. Konfession und Islam – Die „Turkisierung“ der innerchristlichen Gegner 191 . Zusammenfassung 197

Inhalt

 Die katholischen Türkenpredigten des 16. Jahrhunderts 200 201 . Anleitungen zur Predigt wider die Türken .. Friedrich Nauseas Pro Concionatoribus ad milites in bello contra Hostes infideles […] (1542) 202 .. Georg Scherers Ein trewhertzige Vermahnung (1595) 207 210 . Formale Aspekte der katholischen Türkenpredigten .. Predigttexte 210 213 .. Aufbau und Methode .. Adressaten 218 .. Regionen 221 223 . Exemplarische Türkenpredigten .. Johann Fabris Sermones consolatorii […] (1532) 224 .. Augustin Nesers Ein newe Catholische Predig. Auff des Türcken 228 Niderlag […] (1572) .. Michael Anisiusʼ Türkenpredigten: Klagpredig (1595) und Siben Catholische Predigen (1599) 232 235 . Deutungen der Türken .. Discordia oder Concordia? – Die Türkengefahr als Zeichen der Zerrissenheit der Christenheit 236 .. Sieg oder Niederlage? – Die Türken als Kriegsgegner 241 247 . Zusammenfassung 

Schluss

250

Anhang 1: Biogramme der Türkenprediger 255  Evangelische Türkenprediger 255  Katholische Türkenprediger 269 Anhang 2: Transkribierte Handschriften 277 . Johannes Brenzʼ Grundtlicher bericht (1526) 277 . Johannes Brenzʼ Homelia contra Turcam (1526) 280 Literaturverzeichnis 285  Quellen 285 . Türkenpredigten 285 . Weitere Quellen 289  Sekundärliteratur 293 Personenregister

306

XI

XII

Inhalt

Ortsregister

310

Sachregister

313

Bibelstellenregister

316

Abkürzungsverzeichnis Die Abkürzungen in dieser Arbeit folgen, soweit hier nicht anders erwähnt: Siegfried M. Schwertner, IATG. Internationales Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete. Zeitschriften, Serien, Lexika, Quellenwerke mit bibliographischen Angaben (Berlin / New York, 2. Aufl., 1994). Folgende Abkürzungen enthält Schwertners Abkürzungsverzeichnis nicht: Abschn. Abschnitt. Verweis auf einen Abschnitt innerhalb dieser Arbeit. AOG Andreas Osiander Gesamtausgabe, Bd.  – , hg. von Gerhard Müller, Gütersloh  – . Bibl. Bibliotheca Palatina. Druckschriften, hg. von Leonard Boyle und Elmar Mittler, (MünPalat. chen ). BSB Bayerische Staatsbibliothek München (Quellen, deren Ex. hierher stammt, stehen als Digitalisate online zur Verfügung). COS Joannis Calvini Opera Selecta, Vol. I, hg. von Petrus Barth (München , ND ). DBE Deutsche Biographische Enzyklopädie, Bd.  – , hg. von Walther Killy unter Mitarbeit von Dietrich von Engelhardt (München  – ). Ex. Exemplar. GWLB Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek Hannover. HAAB Herzogin Anna Amalia Bibliothek Weimar. HAB Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel. LAELKB Landeskichliches Archiv der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern. MF Micro-Fiche aus der Sammlung: Hans-Joachim Köhler, Flugschriften des späteren . Jahrhunderts, Serie  –  (Leiden  – ). r recto. SBB Staatsbibliothek zu Berlin. SLUB Sächsische Landesbibliothek, Staats- und Universitätsbibliothek Dresden. SUB Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen. ThLUB Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek. ULB Universitäts- und Landesbibliothek Halle (Saale) (Quellen, deren Ex. hierher stammt, stehen als Digitalisate online zur Verfügung). v verso. VD  Bayerische Staatsbibliothek München – Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel (Hgg.). Verzeichnis der im deutschen Sprachbereich erschienenen Drucke des XVI. Jahrhunderts (Stuttgart  – ) (http://www.vd.de). VD  Das Verzeichnis der im deutschen Sprachraum erschienenen Drucke des . Jahrhunderts: http://www.vd.de. VTS Vereinigte Theologische Seminare Göttingen

1 Einleitung Lieber, wenn schon der christlich glaube nichts were, so ists dennoch not, das wir streiten wider die türken, umb unser weib und kind willen. […] Darumb sollen prediger die leute vermanen, gott zu bitten, das er uns für solchen wütenden leuten behüte. Und sollen die leute unterrichten, wie es ein rechter gottesdienst sei, wider solche streiten, aus befelh der öbrickeit.¹

Die Aufforderung zum Kampf und zur Predigt gegen die Türken, die in dem von Melanchthon unter Mitwirkung Luthers verfassten Unterricht der visitatoren an die pfarrherrn im kurfürstenthum zu Sachsen (1528) zu finden ist, überrascht. Was hat eine derartige Anweisung in einer Schrift zu suchen, welche die strittigen Themen des sich neu formierenden Kirchenwesens in Sachsen verbindlich regeln sollte? Wie passt ein Abschnitt „Vom turken“² in den Zusammenhang von Abhandlungen zur rechten Lehre, die das lutherische Verständnis der zehn Gebote, der Taufe, des Abendmahls und des freien Willens darlegen? Zunächst spiegelt die Aufnahme der Türkenthematik in den Unterricht die Präsenz des Themas Mitte der 1520er Jahre wider: Die türkische Expansionswut, wie sie bereits seit der Eroberung Konstantinopels 1453 massenmedial kommuniziert worden war, beschäftigte längst alle Bevölkerungsschichten; die Nachrichten über Kriegsverläufe und Gräueltaten des Feindes erreichten sämtliche Regionen des Alten Reichs. Das Bild, das die sog. Turcica vom „Erbfeind“³ malten, war das der unzähmbaren Bestie, die der europäischen Christenheit immer näher

 EKO /, .  EKO /, .  Vgl. zum Begriff „Erbfeind“: Winfried Schulze, Reich und Türkengefahr im späten . Jahrhundert. Studien zu den politischen und gesellschaftlichen Auswirkungen einer äußeren Bedrohung (München ),  – , hier: : „Dieses Gesamtbild lief hinaus auf die Formel vom ‚Erbfeind‘, d. h. dem geborenen Feind, bei dem es keines aktuellen feindseligen Akts bedurfte, um ihn zum Feind zu erklären. Türke zu sein, genügte, um Feind der Christenheit zu sein. Seine ideologische Überhöhung fand dieser ‚Erbfeind‘ im Bild des ‚Anti-Christ‘ in der katholischen wie in der lutherischen Auffassung.“ Thomas Kaufmann, „Türckenbüchlein“. Zur christlichen Wahrnehmung „türkischer Religion“ in Spätmittelalter und Reformation, FKDG  (Göttingen ),  sieht in der Verwendung „des Erbfeindepithetons“ für die Türken im . Jahrhundert einen „quantitative[n] und qualitative[n] Schwerpunkt“ im Vergleich zur Deutung der Franzosen als Erbfeinde. Schon auf den Titelblättern der Türkenpredigten findet sich dieser Terminus. Vgl. hierzu nur Kaspar Macer, Ein Bittpredig; Augustin Neser, Ein newe Catholische Predig; Friedrich Mütel, Krieg Predigt; Zacharias Rivander, Heerpredigt; Johannes Rupertus, Zwo Predigten; Michael Anisius, Concio Threnodica; Valentin Leucht, Wieder den Erbfeindt.

2

1 Einleitung

kam. Der Krieg mit „dem Türken“⁴ blieb als Drohkulisse im gesamten 16. Jahrhundert präsent und gehörte für die Bewohner des Alten Reiches zu jenen politischen Konstanten, die ihr Leben beeinflussten: Steuern mussten gezahlt und Krieger an die Front geschickt werden. Auf den Reichstagen warben Kaiser Karl V. und nach ihm Ferdinand I., Maximilian II. sowie Rudolf II. um die Gunst der Reichsstände, die zur Zahlung der Türkensteuern aufgefordert wurden und die im Gegenzug Zugeständnisse in der Religionsfrage bewirkten. Weiterhin zeigt die Aufnahme des Themas in den Unterricht die Brisanz, welche die Türkengefahr auch im Bereich der Kirche hatte. Denn tatsächlich waren die türkischen Expansionsbestrebungen kein allein auf politischer Ebene diskutiertes Thema, was schon die bekannte Formel der Türken als „Erbfeind der Christenheit“ deutlich macht. Die Kriege dieses Heeres wurden mithin eben auch als Angriff auf die christliche Kirche, ja auf Christus selbst, verstanden.Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass sich mit Vehemenz auch Theologen zur Türkenthematik zu Wort meldeten. Sie verfassten Berichte und Traktate, in denen sie Wissenswertes über den Feind aus der Heiligen Schrift, aus Reiseberichten, Chroniken oder Zeitungen zusammentrugen. Sie veröffentlichten Gebete, Lieder, Predigten und pastorale Anweisungsliteratur zum sog. geistlichen Kampf gegen die Türken. Schließlich veranschaulicht die Aufnahme der Türkenfrage in den Unterricht aber auch die kontroverstheologische Sprengkraft, welche die Fragen nach dem angemessenen Verhalten im Umgang mit der türkischen Gefahr und nach deren heilsgeschichtlicher Deutung vom Beginn der Reformation an bargen. Denn seit Luthers Beurteilung der Türken als virga in den Resolutiones seiner Ablassthesen von 1518⁵ hatte es besonders von römischen Kontroverstheologen Kritik gehagelt. Sie warfen dem Wittenberger und seinen Anhängern Opportunismus und Pazifismus vor. Doch entgegen dieser Vorhaltungen und seiner eigenen Türkendeutung von 1518 stand für den Reformator die Rechtmäßigkeit eines militärischen Eingreifens im Sinne seiner Zwei-Reiche-Lehre nie zur Diskussion. Denn obwohl er  Mit der Formulierung „der Türke“ (Sg.!) bediene ich mich der Sprache der Autoren des . Jahrhunderts – deshalb auch die Verwendung von doppelten Anführungszeichen. War die Rede von „dem Türken“, so konnten sich die Verfasser der Turcica der Implikationen, welche dieses Stereotyp hervorrief, sicher sein: „Der Türke“ war nichts weniger als ein grausames, menschenverachtendes und zudem häretisches ‚Monster‘, gegen das es zu kämpfen galt. In dieser Arbeit verwende ich gelegentlich diese Wendung, um Sprache und Denken der Autoren deutlicher vor Augen zu führen.  „Licet plurimi nunc et iidem magni in ecclesia nihil aliud somnient quam bella adversus Turcam, scilicet non contra iniquitates, sed contra virgam iniquitatis bellaturi deoque repugnaturi, qui per eam virgam sese visitare dicit iniquitates nostras, eo quod nos non visitamus eas.“ (WA , , – ).

1.1 Fragestellung

3

zeitlebens größte Zweifel an einem Sieg wider „den Türken“ als „Gottes Rute und Zorn […] über die Welt“⁶ hatte, war für ihn ein militärisches Vorgehen der weltlichen Obrigkeiten legitim.⁷ Eine ganz und gar pazifistische Haltung gegenüber dem Osmanischen Reich – wie sie etwa in täuferischen und schwärmerischen Kreisen vorherrschte⁸ – resultierte demnach aus Luthers skeptischer Haltung nicht. Dennoch setzten sich bis ins 17. Jahrhundert Theologen sämtlicher Konfessionen mit diesen Vorwürfen auseinander und rangen um die Konkretion der eigenen Position und die Verwerfung der gegnerischen Ansichten. Der Krieg mit dem Osmanischen Reich wurde mit sämtlichen Waffen geführt – mit weltlichen, aber auch mit geistlichen. Die vorliegende Arbeit widmet sich dieser zweiten Art des Krieges, die vornehmlich auf die Macht des Wortes setzte. Neben Gebeten und liturgischen Ausdrucksformen der Türkenabwehr stehen in dieser Studie die als Drucke vorliegenden Türkenpredigten im Vordergrund.

1.1 Fragestellung Am Beginn meiner Recherchen stand eine Überraschung: Auf der Suche nach Turcica verschiedenster Theologen der Frühen Neuzeit begegneten mir unzählige Drucke von Predigten und Gebeten gegen „den Türken“ aus dem 16. Jahrhundert. Eine derart hohe Anzahl hatte ich nicht erwartet. Die erste Frage war damit schnell gestellt: Was war der Grund für diese ab den späten 1520er Jahren einsetzende Praxis und Publikation von Kanzelreden gegen die Türken? Waren sie allein ereignisgeschichtlich, also aufgrund der massiven türkischen Expansionsbestrebungen, zu erklären? Eine gewisse Skepsis gegenüber den bereits vorliegenden Studien⁹ ließ mich diese Frage erneut an meine Quellen stellen. Da bisher noch keine Arbeit ausführlich die Türkenpredigten des 16. Jahrhunderts untersucht

 WA.B , Nr. ,  f., hier: ,. Luther äußert z. B. in dem an den Kammerdiener Georg Weiß adressierten Brief vom . .  seine Zweifel an einem Sieg gegen die Türken: „Darum sage ich abermal: ich sehe nicht gerne, daß man gute Leute, wie bisher etzlichmal geschehen, also vergeblich auf die Fleischbank opfert und Summa: ich hab so gar kein Herz noch Hoffnung dazu, daß ich auch nicht beten kann um Sieg wider den Türken, sondern allein soviel, daß Gott wollt erretten, die zu erretten sind, und davon helfen.“ (WA.B , Nr. , , – ).  Vgl. zu Luthers Zwei-Reiche-Lehre in Bezug auf die Türkenfrage auch: Hartmut Bobzin, Martin Luthers Beitrag zur Kenntnis und Kritik des Islam, NZSTh  (),  – , hier:  und  f. sowie: Karl Dietrich Erdmann, Luther über den gerechten und ungerechten Krieg, Berichte aus den Sitzungen der Joachim Jungius-Gesellschaft der Wissenschaften e.V. / (Göttingen ),  – .  Zur Türkenfrage in der „radikalen Reformation“ s. Kaufmann, Türckenbüchlein,  – .  Vgl. hierzu unten Abschn. ..

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1 Einleitung

hatte¹⁰, stellte sich anschließend auch die Frage nach den Verfassern. Wer waren diese Türkenprediger?¹¹ Über welchen Ausbildungsgrad verfügten sie und was wussten sie über diejenigen, gegen die sie predigten? Ließen sich spezifische Wissensbestände ausmachen und Deutungsmuster beschreiben? Besonders vor dem Hintergrund der unterschiedlichen konfessionellen ‚Lager‘, denen die Autoren entstammten, schienen mir diese Fragen relevant. Davon ausgehend musste die Frage nach den spezifischen Merkmalen der Türkenpredigt geklärt werden: Wie waren die Predigten liturgisch eingebettet? Welcher Rahmen stand den Predigern zur Verfügung? Welche Predigttexte legten sie aus? Wie kommunizierten die Autoren ihr Wissen und was war die dahinter stehende Absicht? Inwiefern unterschieden sich Turcica evangelischer Autoren von denen katholischer Theologen hinsichtlich ihrer literarischen Form, des rhetorischen Gestus, des Selbstverständnisses der Akteure und der theologischen Inhalte? Anhand dieser Reihe von Fragen, die in letzter Instanz auf die Beschreibung einer weiteren Gattung der textbezogenen Kasuspredigt – eben der Türkenpredigt – zielen, formulierte ich folgende Leitfragen für diese Arbeit: Wie deuteten die Autoren von Türkenpredigten im 16. Jahrhundert die Türken und den Islam theologisch? Welche Deutungsmuster tradierten sie und welche stellten sie stärker als andere Turcica-Autoren in den Vordergrund? Lassen sich hinsichtlich der Anzahl der Turcica, ihrer Inhalte und Semantiken spezifische konfessionelle Profile konstruieren?

1.2 Die Quellen Den Kern meiner Untersuchung bilden die im 16. Jahrhundert im deutschen Sprachraum des Alten Reiches erschienenen Drucke von Türkenpredigten.¹² Die

 S. hierzu u. Abschn. ..  Die Bezeichnung der Autoren als Türkenprediger darf nicht fälschlicherweise – etwa im Sinne der Kreuzzugsprediger – so verstanden werden, als habe es im . Jahrhundert Theologen gegeben, deren vorrangige Aufgabe es gewesen wäre, über die Türken und deren Religion zu predigen. Vielmehr handelt es sich bei den Autoren der Türkenpredigten um Theologieprofessoren, Superintendenten, Pfarrer oder Diakone, die sich punktuell der Deutung der Türkengefahr widmeten (vgl. hierzu besonders Abschn. .).  Unter Türkenpredigten verstehe ich Predigten, die gehalten und in den Druck gegeben wurden, um die eigenen Gemeinden vor den Türken und deren Religion zu warnen. Bei dem ausgewerteten Corpus handelt es sich durchweg um Themapredigten, die größtenteils trotzdem einen biblischen Text zur Grundlage hatten. Häufig tragen sie Titel wie Predigten vom Türcken, Heerpredigten, Siegund Trostpredigten oder Predigten wider den Erbfeind. Die implizierten Adressaten waren häufig die „daheimgebliebenen Christen“ – also lesekundige Bürger und Adlige, Hausmütter und -väter

1.2 Die Quellen

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Schriften stammen also durchweg aus den Federn der Prediger selbst und keine einzige von ihnen ist beispielsweise auf die Mitschrift eines Gemeindegliedes zurückzuführen.¹³ Obgleich es reizvoll gewesen wäre, Aussagen über die Art und Weise der ehedem mündlich gehaltenen Predigten im Zeitalter der Reformation treffen zu können und somit dem ‚Originalton‘ der Verkündigung nahezukommen, können derartige Versuche nur zum Scheitern verurteilt sein. Selbst wenn Mitschriften oder vom Prediger verfasste Notizen vorliegen – wie etwa bei den Predigten Johannes Ecks¹⁴ – stellen diese doch immer eine bestimmte Selektion des Schreibers dar. Allein die Tatsache, dass handschriftlich vorliegende Stichpunkte von den Predigern häufig auf Latein verfasst wurden, diese aber gewöhnlich auf Deutsch predigten, zeigt die Unmöglichkeit einer authentischen Wiedergabe der mündlichen Predigt. Auch wenn auf den Titelblättern der meisten hier bearbeiteten Predigten ein Datum bzw. ein bestimmter Sonntag verzeichnet ist, an dem sie den Gemeinden vorgetragen wurden, verstehe ich mündliche und gedruckte Predigten – Kanzelrede und Predigtdruck – als zwei unterschiedliche Gattungen eines Mediums. Obgleich diese Annahme nicht über den Befund hinwegtäuschen darf, dass einige der ausgewerteten Predigten dem einst mündlichen Vortrag näher stehen als andere, sollen die Drucke als verschriftete Predigten ernst genommen und nicht der Versuch einer Rekonstruktion einer mündlichen Fassung unternommen werden. Ein derartiges Unternehmen würde die Intentionen der Autoren selbst desavouieren. Schließlich wiesen einige der Prediger in ihren Vorreden dezidiert auf vorgenommene Änderungen hin¹⁵, ja sie reflektierten und beabsichtigten die sowie Pastoren und Prädikanten, die selbst zum Abhalten von Türkenpredigten aufgefordert waren –, allerdings begegnen auch explizite Heerpredigten oder Kriegspredigten, die sich an Söldner, Oberste oder Feldprediger richteten.  Somit unterscheiden sich die dieser Arbeit zugrunde gelegten Predigten beispielsweise von den überlieferten Predigten Martin Luthers, die größtenteils auf Nachschriften zurückgehen (vgl. hierzu auch Johannes Wallmann, Prolegomena zur Erforschung der Predigt des . Jahrhunderts, in: ders., Pietismus und Orthodoxie. Gesammelte Aufsätze III [Tübingen ],  – , hier:  f.)  Vgl. hierzu die Arbeit von August Brandt, Johann Ecks Predigttätigkeit an U. L. Frau zu Ingolstadt ( – ), RGST / (Münster ).  Ein Beispiel für die Reflexion eines Autors über die Veränderungen gegenüber der mündlichen Predigt gibt Urban Sagstetter, der die Predigten nur aus dem Gedächtnis wiedergab und deshalb wohl auch mit der Herausgabe der Predigten zögerte: „Da dann ferner auch jemands an dem mangel hett / daß diese ding pro contione auff der Cantzel etwas außführlicher und weitleuffiger tractirt worden als in diesem Büchlein / das kan ich nicht wol widersprechen / sonder ist eben / wie ich mich hieob beklagt / meiner nit geringsten bedencken ains gewesen / warumb ich mit diesen Predigen nicht gern an den tag komen / nemblich daß ich dieselben im anfang dahin gar nie gemaint noch gericht / derhalben ich auch nicht den fleiß / als wol die notturfft erfordert wenn

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1 Einleitung

regionale und soziale Ausweitung ihres Rezipientenkreises, der sich häufig von der eigenen Gemeinde vor Ort unterschied. Mehr oder weniger intensiv veränderten die Autoren ihre mündlich gehaltenen Predigten; sie kürzten ganze Abschnitte oder integrierten erläuternde Passagen, partiell fügten sie Randglossen ein, die teilweise auch mit bibliographischen Angaben versehen sein konnten, oder sie veröffentlichten die Predigten auf Latein. Die Konzentration auf das Massenmedium Druck eröffnet die Chance, am „Schnittpunkt“¹⁶ von mündlicher und schriftlicher Kommunikation zwischen Prediger und Gemeinde bzw. potentiellen Lesern den Praxisbezug der theologischen Lehre offen zu legen. Die gedruckten Predigten sind bereits das Produkt einer ersten Reflexion des Predigers mit seiner Gemeinde und seinen potentiellen Lesern. Die Tatsache, dass die gedruckten Predigten üblicherweise auch an interessierte Laien adressiert und somit nicht allein Bestandteil eines Gelehrtendiskurses waren, ermöglicht den Blick auf die den Predigern zentralen Hauptanliegen der theologischen Lehre. Anhand der einschlägigen Bibliographien¹⁷ von Drucken des 16. Jahrhunderts und Turcica aus dieser Zeit habe ich ein Corpus von 43 Druckschriften von 38 Autoren ausgewertet. Zumeist handelt es sich hierbei um Predigtsammlungen, sodass sich die Anzahl der Einzelpredigten insgesamt auf 299 beläuft. In der Publikation von Türkenpredigten waren die lutherischen Autoren eifriger als die katholischen Theologen – 26 evangelischen stehen 12 katholische Prediger gegenüber, was sich jedoch in dem Verhältnis von 185 evangelischen zu 114 katholischen Predigten nicht exakt widerspiegelt.Verfasser der Predigten waren zum einen namhafte Theologen wie Johannes Eck, Jakob Andreä oder Johannes Brenz und zum anderen unbekannte Pfarrer, deren Türkenpredigt-Serie durchaus ihre einzig überlieferte Quelle sein konnte. Bei der Verteilung der Erstdrucke und erneuten Auflagen von Türkenpredigten im 16. Jahrhundert fällt auf, dass sich diese Gattung vor allem in den 1590er Jahren

man ein ding in druck läßt außgehn / darauff gewendt / sonder allein mein gedechtnuß damit erhalten wöllen.“ (Urban Sagstetter, Gaistliche Kriegsrüstung, ‫ג‬r-‫ג‬v).  „Beide Seiten, der Prediger wie seine Zuhörer, beeinflussen sich wechselseitig, ein geistiger Gärungsprozess, der seinen Niederschlag nicht zuletzt in den gedruckten Musterpredigten findet. Am Schnittpunkt von oraler und schriftlicher Kommunikation angesiedelt, werfen sie ein Licht auf unreflektierte Denkkonventionen und Orientierungen, aber auch Ängste und Sehnsüchte der Prädikanten und ihres Publikums.“ (Martin Hille, Providentia Dei, Reich und Kirche. Weltbild und Stimmungsprofil altgläubiger Chronisten  – , SHKBA  [Göttingen ], ).  Folgende Bibliographien und Sammlungen von Drucken des . und beginnenden . Jahrhunderts habe ich zur Recherche verwendet: VD , VD , Carl Göllner, Turcica, Bd.  –  (Bukarest, Baden-Baden  – ); Hans-Joachim Köhler, Bibliographie der Flugschriften des . Jahrhunderts, Teil , Bd.  –  (Tübingen  – ).

1.2 Die Quellen

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Abb. 1 Drucke von Türkenpredigten im 16. Jahrhundert

großer Beliebtheit erfreute, der Zeit des sog. Langen Türkenkrieges (1593 – 1606) zwischen dem Osmanischen Reich und den Habsburgern. Weitere Konjunkturen ergeben sich für den Zeitraum um 1529, als das türkische Heer Wien belagerte, und für die Jahre nach der Eroberung der ungarischen Festung Sziget von 1566. Die Verteilung der Türkenpredigten verhält sich damit proportional zur Verteilung aller Turcica im 16. Jahrhundert, wie sie Carl Göllner ermittelt hat.¹⁸ Entsprechend dieser drei Hochphasen, in denen vermehrt Türkenpredigten publiziert wurden, spreche ich in meiner Arbeit häufig von den drei Phasen der Türkenpredigtdrucke. So war diese Beobachtung beispielsweise bei der Auswahl der in den Abschnitten 4.3 und 5.3 vorgestellten exemplarischen Türkenpredigten von Relevanz, in denen jeweils eine der Predigten aus den drei Phasen der Türkenpredigten vorgestellt wird. Bei der Recherche nach Türkenpredigten im 16. Jahrhundert fiel weiterhin auf, dass sich keiner der Autoren dem reformierten Bekenntnis zuordnen ließ.¹⁹ Obwohl sich freilich manche Autoren – wie z. B. der des „Kryptocalvinismus“ bezichtigte Neckarsteinacher Pfarrer Johann Christoph Flurer – eher im Randbereich

 Übersicht bei: Carl Göllner, Turcica, Bd. , Die Türkenfrage in der öffentlichen Meinung Europas im . Jahrhundert, BBAur  (Bukarest, Baden-Baden ), .  Diesen Befund erhebt auch Norbert Haag, „Erbfeind der Christenheit“ – Türkenpredigten im . und . Jahrhundert, in: Gabriele Haug-Moritz / Ludolf Pelizaeus (Hgg.), Repräsentationen der islamischen Welt im Europa der Frühen Neuzeit (Münster ),  – , hier:  f.

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1 Einleitung

der lutherischen Konfession ansiedelten und ich deshalb die Wendung „evangelische Türkenpredigten“ vorziehe, ist dieser Befund auffällig. So fanden sich beispielsweise auch keine Türkenpredigten, die in der seit 1563 dem calvinistischen Bekenntnis zugeführten Kurpfalz gehalten und später in den Druck gegeben wurden. Selbst in Schweizer Gebieten, auf die ich ebenfalls zeitweise die Recherche ausdehnte, fanden sich keine derartigen textbezogenen Themapredigten, welche von den Türken und/oder dem Islam handelten. Die Gründe hierfür sehe ich sowohl in der homiletischen Praxis der reformierten Konfession als auch in den politischen Positionen der jeweiligen Landesherren, nicht jedoch in der geographischen Situation der reformierten Territorien. So ist zunächst auffällig, dass sich bis auf wenige Ausnahmen²⁰ die Tradition der textgebundenen Themapredigt im Reformiertentum nicht etablierte. Vielmehr sahen sich die reformierten Pfarrer der seit 1519 von Zwingli geforderten Auslegung in Form der lectio continua verpflichtet. Eine weitere Erklärung gründet sich auf die Beobachtung, dass sich die reformierten Territorien – hier insbesondere die Kurpfalz – explizit gegen die auf den Reichstagen beschlossenen Türkensteuern stellten und somit kein Interesse an einer von kirchlicher Seite durchgeführten Werbung für einen mit erheblichen Geldern verbundenen Krieg gegen das Osmanische Reich hatten. Die in den Reichstagsabschieden formulierten Aufforderungen zum Einsatz von sog. geistlichen Waffen im Kampf gegen die Türken, die aus Glockengeläut, Gebet, Andacht und Predigt bestehen sollten, ignorierten die reformierten Territorien weitestgehend. Die Tatsache, dass sich m.W. in den Territorien der Schweizer Eidgenossenschaft ebenfalls keine Form des geistlichen Widerstandes gegen die Türken im 16. Jahrhundert etablierte²¹, zeigt schon am Beginn dieser Arbeit den engen Zusammenhang zwischen reichsrechtlicher Gesetzgebung und kirchlicher Umsetzung an. Obgleich das Fehlen reformierter Türkenpredigten bemerkenswert ist, darf dies nicht zu der fälschlichen Annahme führen, reformierte Theologen hätten

 S. hierzu etwa die Nachweise über die in Zürich gehaltenen und publizierten Teuerungs-, Hunger- und Pestpredigten Ludwig Lavaters (Wolfgang Behringer, Die Krise von . Ein Beitrag zur Krisengeschichte der Neuzeit, in: Manfred Jakubowski-Tiessen / Hartmut Lehmann [Hgg.], Um Himmels Willen. Religion in Katastrophenzeiten [Göttingen ],  – , hier: ) sowie die Hinweise bei Martin Sallmann, „Innerlichkeit“ und „Öffentlichkeit“ von Religion. Der Fast- und Bettag von  in Basel als offizielle religiöse Bewältigung der Kriegsbedrohung, in: Manfred Jakubowski-Tiessen / Hartmut Lehmann (Hgg.), Um Himmels Willen. Religion in Katastrophenzeiten (Göttingen ),  – , hier:  zu den in Basel im Jahr  gehaltenen Predigten Johann Grossʼ über die Erscheinung von drei Sonnen.  S. hierzu z. B. die beiden Bände zu den Baseler und Zürcher Kirchenordnungen: Emidio Campi / Philipp Wälchli (Hg.), Basler Kirchenordnungen  – , (Zürich ) sowie dies. (Hg.), Zürcher Kirchenordnungen  – ,  Bde (Zürich ).

1.2 Die Quellen

9

generell zur Türkenfrage geschwiegen.²² Das Gegenteil ist der Fall. Sie bedienten sich lediglich anderer Gattungen als die lutherischen und katholischen Theologen und gaben ihr Wissen über die Türken und den Islam in Form von Gelegenheitsschriften, Berichten oder Kommentaren weiter. Und selbstverständlich äußerten sich auch reformierte Theologen schon aufgrund der aktuellen politischen Lage in ihren Predigten zur Türkengefahr – allein von der Gattung der Türkenpredigt nahmen sie Abstand.²³ Neben den Türkenpredigten habe ich außerdem die größtenteils ediert vorliegenden Deutschen Reichstagsakten und Evangelischen Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts in Bezug auf die Verordnungen der „geistlichen Waffen“ gegen die Türken untersucht. Obrigkeitliche Erlasse, die als Einzeldrucke vorliegen, ergänzten außerdem das Corpus. Um eine Darstellung des liturgischen Settings der Türkenpredigten leisten zu können, habe ich ebenfalls Türkengebete analysiert. Diese konnten als obrigkeitliche Verordnungen oder als von Theologen verfasste Einzel- bzw. Sammelwerke (Türkengebetbüchlein) vorliegen. Keine der analysierten Türkenpredigten liegt bislang ediert vor. Allerdings konnte ich zu einem beträchtlichen Teil auf die Digitalisate der Bayerischen Staatsbibliothek zurückgreifen. Die übrigen Quellen befinden sich größtenteils in der Herzog-August-Bibliothek in Wolfenbüttel oder stehen in Hans-Joachim Köhlers Flugschriftensammlungen zur Verfügung. Nur in Einzelfällen musste die Recherche auf andere Bibliotheken ausgedehnt werden. Die im Anhang dieser Arbeit transkribierten Schriften, die einer Sammlung von handschriftlich überlieferten Predigten des Schwäbisch-Haller Reformators Johannes Brenz entnommen sind,wurden mir von der Nürnberger Stadtbibliothek zur Verfügung gestellt.²⁴

 Dieser Eindruck entsteht bei Norbert Haags Erklärung des Fehlens von reformierten Türkenpredigten. Er äußert zudem die These, dass „der Calvinoturcismus der er und er Jahre, der im Kontext der Niederlage des Pfälzischen Kurfürsten Friedrich V. im Zeichen der Abgrenzung zum papistischen Antichristen dezidiert die Annäherung an das Osmanische Reich suchte, im Schweigen reformierter Theologen zur Türkengefahr einen Vorläufer hat.“ (Haag, Erbfeind, ).  Vgl. hierzu auch meinen Aufsatz zur Deutung der Türken und des Islam bei Heinrich Bullinger ausgehend von dessen Predigtwerk, den Dekaden (Damaris Grimmsmann, Heinrich Bullingers Deutung der Türkengefahr und des Islam, in: ARG  [],  – ) sowie zur Deutung der Schweizer Reformatoren generell: Victor Segesvary, L’Islam et la Réforme. Etude sur l’Attitude des Réformateurs Zurichois Envers l’Islam,  –  (San Francisco ).  Nähere Informationen zur Handschrift im Anhang der Arbeit.

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1 Einleitung

1.3 Zeitliche Eingrenzung Die in dieser Arbeit vorgenommene zeitliche Begrenzung der analysierten Türkenpredigten auf das 16. Jahrhundert – genauer: auf die Jahrzehnte zwischen 1520 und 1606, dem Ende des sog. Langen Türkenkrieges – ist erklärungsbedürftig. Schließlich predigten auch schon in den Jahrhunderten vorher Kreuzzugsprediger landauf und landab gegen die vermeintliche Bedrohung, die sie vom Osmanischen Reich ausgehen sahen. Und auch im 17. Jahrhundert kam die Produktion von Türkenpredigten nicht etwa abrupt zum Stillstand. Die Erklärung für die Wahl dieses Zeitraums stützt sich zunächst auf die beabsichtigte Konzentration auf das Medium der gedruckten Predigt. Obwohl die durch die Erfindung des Buchdrucks möglich gewordene massenmediale Verarbeitung der Eroberung Konstantinopels im Jahr 1453 heftigen Niederschlag in Form von Turcica aller Couleur fand, sind gedruckte Türkenpredigten aus dieser Zeit noch nicht überliefert. Tatsächlich fand erst im Zuge der Reformation, welche die Predigt in ihr Zentrum stellte und als Predigtbewegung begann²⁵, allmählich die Hinwendung zum Predigtdruck statt, der im 17. und 18. Jahrhundert zur dominierenden Form theologischer Literatur avancierte.²⁶ Aus diesem Grund war die Suche nach Türkenpredigten erst ab etwa 1520 sinnvoll. Die ersten gedruckten textbezogenen Themapredigten zur Türkenthematik verließen infolge der Belagerung Wiens im Jahr 1529 die Offizinen des Reichs. Luthers Heerpredigt und Predigt wider die Türken aus diesem Jahr wirkten nachhaltig auf die vermehrte Drucklegung von gehaltenen Türkenpredigten ein.²⁷ Im Jahr 1532 hielten erstmals gedruckte Türkenpredigten auf dem Buchmarkt Einzug. Neben dem Schwäbisch Haller Reformator Johannes Brenz waren es gleich drei katholische Autoren – Johannes Eck, Johann Fabri und Matthias Kretz –, die ihre vormals mündlich gehaltenen Predigten in den Druck gaben. Sie alle nahmen auf die Belagerung Wiens Bezug und wurden in deren zeitlichem Kontext den Gemeinden mündlich vorgetragen, bevor die Prediger ihre Kanzelreden verschriftet zum Druck freigaben.  Vgl. hierzu nur die grundlegende Arbeit von Bernd Moeller und Karl Stackmann: dies., Städtische Predigt in der Frühzeit der Reformation: Eine Untersuchung deutscher Flugschriften der Jahre  bis , AAWG.PH  (Göttingen ).  S. hierzu nur den Aufsatz Wallmanns zur Erforschung der Predigt im Zeitalter der Orthodoxie: Wallmann, Prolegomena.  Beide Schriften werden allerdings im Rahmen dieser Arbeit nicht zum eigentlichen Kern, dem Corpus der Türkenpredigten gezählt, sondern werden als Anweisungsliteratur im Kampf gegen die Türken verstanden. Schließlich handelt es sich bei diesen Schriften nicht um ehemals mündlich vorgetragene Predigten, sondern um Anleitungen für Prediger im geistlichen Kampf gegen die Türken (vgl. hierzu u. Abschn. IV.).

1.3 Zeitliche Eingrenzung

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Die zeitliche Begrenzung meiner Analyse auf Türkenpredigten im 16. Jahrhundert bezieht sich freilich nicht auf sämtliche dieser Arbeit zugrunde liegenden Quellen. Schließlich lassen sich gewisse liturgische Formen der Türkenabwehr, wie z. B. die Türkenglocke und das Türkengebet, nur vor dem Hintergrund bereits im 15. Jahrhundert etablierter Formen und Erlasse erläutern.²⁸ Und auch bei der Analyse der Wissensbestände der Autoren²⁹, die größtenteils aus den seit der Mitte des 15. Jahrhunderts weit verbreiteten Reiseberichten und Chroniken schöpften, ist der Blick in die Überlieferungen der Jahrzehnte und Jahrhunderte vorher unerlässlich. Erst auf dieser Grundlage können Traditionen von Innovationen in den Deutungsmustern unterschieden werden. Die Untersuchung endet im Jahr 1606. Es stellt in der Auseinandersetzung des Alten Reiches mit den Osmanen gleichsam eine Zäsur dar. Schließlich herrschte seit dem Friedensschluss von Zsitvatorok zwischen den verfeindeten Gegnern Habsburg und Osmanisches Reich bis zum erneuten Ausbruch des Krieges im Jahr 1663 über einen vergleichsweise langen Zeitraum Waffenruhe. Im Reich verlagerte sich der Fokus bald auf den im eigenen Land schwelenden Dreißigjährigen Krieg. Die Lieder und Gebete, die einst gegen die Türken gesungen und gesprochen wurden,wurden nun zu Bitten um Frieden umformuliert. Die Glocken, die seit dem Aufruf Calixt III. im Jahr 1456 zur Andacht und geistlichen Abwehr der Feinde aus dem Osmanischen Reich gerufen hatten, riefen nun zum friedlichen Miteinander auf. Erst mit dem neuen Aufbranden der kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Osmanen begegnen wieder gehäuft Türkenpredigten. Theologiegeschichtlich betreten wir damit den Raum des Pietismus und mit ihm einer neuen Form und Ausformung der Predigt. Diese Werke zu analysieren steht noch aus, sie erfolgt nicht im Rahmen dieser Arbeit. Somit ist der zeitliche Rahmen gesteckt und umfasst einen Zeitraum, der mit den beiden „Etappen“³⁰ der Reformation und dem konfessionellen Zeitalter³¹ in

 S. hierzu u. Abschn. ..  S. hierzu u. Abschn. ..  Vgl. hierzu: Thomas Kaufmann, Konfession und Kultur. Lutherischer Protestantismus in der zweiten Hälfte des Reformationsjahrhunderts, SuR N.R.  (Tübingen ), : „‚Reformation‘ und ‚konfessionelles Zeitalter‘ sollten deshalb historiographisch als zwei zwar zu unterscheidende, aber untrennbar miteinander verbundene historische Etappen innerhalb einer Epoche der Frühen Neuzeit behandelt werden.“  Es kann hier nicht der Platz für eine ausführliche Bibliographie zur Konfessionalisierungsforschung sein. Im Folgenden liste ich deshalb all jene Arbeiten auf, die einerseits einen guten Einblick in die zentralen Fragestellungen geben und die andererseits auch weiterführende bibliographische Angaben zur weiteren Recherche beinhalten. Zum Konfessionalisierungsparadigma allgemein vgl. immer noch Ernst Walter Zeeden, Die Entstehung der Konfessionen. Grundlagen und Formen der Konfessionsbildung im Zeitalter der Glaubenskämpfe (München, Wien

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1 Einleitung

der Forschung breit beschrieben worden ist. Allein die quantitative Analyse der Quellen zeigt, dass die Türkenpredigt nicht ein Bestandteil einer „Konfessionskultur“³² war, sondern sie sowohl im Luthertum als auch im Katholizismus Verbreitung fand. Die Fragen, wie nah oder fern sich lutherische und katholische Türkenpredigten standen, welche eigenen konfessionskulturellen Eigenarten sie verarbeiteten und schufen, sollen in dieser Arbeit beantwortet werden. Die Tatsache, dass der Großteil der analysierten Türkenpredigten aus den 1590er Jahren stammt, einer Zeit also, in der die Konfessionskulturen bereits auf eigene Traditionen zurückgreifen konnten, veranschaulicht die Relevanz einer Fokussierung auf den beschriebenen Zeitraum.

1.4 Forschungsüberblick Eine Arbeit, die sich der Analyse von Türkenpredigten des 16. Jahrhunderts widmet, muss sich im Kreis der bereits geleisteten Arbeiten im Bereich der Türkenliteratur (Turcica) allgemein und den wenigen Arbeiten speziell zu den Türkenpredigten im 16. Jahrhundert positionieren. Auf die Forschungen, die im Bereich der evangelischen und katholischen Homiletikgeschichte wegweisend und für mein Thema insbesondere im Hinblick auf die Fragen nach Form, Gestus und Impetus der Predigten gewinnbringend waren, wird in den entsprechenden Kapiteln eingegangen.³³ Im folgenden Abschnitt sollen deshalb in Auswahl zunächst die für diese Arbeit unverzichtbaren profan- und kirchenhistorischen Forschungen zur Türkenfrage im 16. Jahrhundert besprochen werden, bevor in einem ) sowie Thomas Kaufmann, Die Konfessionalisierung von Kirche und Gesellschaft. Sammelbericht über eine Forschungsdebatte, in: ThLZ  (),  – ;  – . Zur katholischen Konfessionalisierung vgl. den Sammelband von Wolfgang Reinhard / Heinz Schilling (Hgg.), Die katholische Konfessionalisierung. Wissenschaftliches Symposion der Gesellschaft zur Herausgabe des Corpus Catholicorum und des Vereins für Reformationsgeschichte , SVRG  (Münster ) sowie Andreas Holzem, Religion und Lebensformen. Katholische Konfessionalisierung im Sendgericht des Fürstbistums Münster  – , Forschungen zur Regionalgeschichte  (Paderborn ). Zur reformierten Konfessionalisierung vgl. Heinz Schilling (Hg.), Die reformierte Konfessionalisierung in Deutschland – Das Problem der zweiten Reformation. Wissenschaftliches Symposion des Vereins für Reformationsgeschichte , SVRG  (Gütersloh ) und zur lutherischen Konfessionalisierung vgl. Kaufmann, Konfession und Kultur, hier besonders zur Weiterführung des Konfessionalisierungsparadigmas im Hinblick auf die lutherische Konfessionskultur, sowie Hans-Christoph Rublack (Hg.), Die lutherische Konfessionalisierung in Deutschland. Wissenschaftliches Symposion des Vereins für Reformationsgeschichte , SVRG  (Gütersloh ).  Zum Begriff der Konfessionskultur vgl. Kaufmann, Konfession und Kultur,  – .  Vgl. hierzu v. a. Abschn. . und ..

1.4 Forschungsüberblick

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nächsten Schritt eine Darstellung der Arbeiten zur Türkenpredigt des 16. Jahrhunderts erfolgt.

1.4.1 Arbeiten zur Türkengefahr im 15. und 16. Jahrhundert Die Auseinandersetzung mit den Türken und ihrer Religion im 16. Jahrhundert wurde erstmals in ihrer beeindruckenden Bandbreite von Carl Göllner in den Jahren 1961– 1979 vorgestellt. Anhand einer ausführlichen Bibliographie brachte er die unterschiedlichen Gattungen der Türkenbüchlein, Neuen Zeitungen, Gebete, Lieder, Berichte, Predigten etc. zusammen und bot hiermit den Ausgangspunkt für sich anschließende Forschungen. Göllner selbst legte mit dem dritten Band seiner Turcica eine Arbeit über „Die Türkenfrage in der öffentlichen Meinung Europas im 16. Jahrhundert“ vor – ein Werk, das an stichhaltigen Analysen und Interpretationen so reich ist, dass in den Jahren danach kaum noch etwas in diesem Bereich publiziert wurde. Göllner beabsichtigte mit seiner Arbeit anhand der Fülle der Textgattungen nichts weniger als eine Darstellung des „Bild[es] des Türken in seiner Vielgestaltigkeit,wie es in diesem Jahrhundert in Europa lebendig war.“³⁴ Besonders der enorme Umfang der Quellen, die Göllner zur Analyse heranzog, ist beeindruckend. Dass er im Gegenzug auf eine tiefergehende Bearbeitung einzelner Schriften verzichtete, mag wenig überraschen.Vielmehr vermochte Göllner mit seiner Arbeit auf Felder zu verweisen, in denen noch einiges an Forschungsarbeit zu leisten war. Nur ein Jahr nach Göllners drittem Band seiner Turcica erschien Winfried Schulzes Arbeit Reich und Türkengefahr im späten 16. Jahrhundert. Schulze zielte mit seiner Arbeit vornehmlich auf „eine Analyse der gesamten politisch-gesellschaftlichen Ordnung […]“³⁵ und richtete sein Werk damit stärker strukturgeschichtlich aus. Die Auswirkungen, welche die äußere Bedrohung der Türkengefahr auf die „politische und soziale Ordnung des Reiches“³⁶ nach sich zogen, untersuchte er anhand einer Vielzahl von Quellen.³⁷ Für die Arbeit an Türkenpredigten sind Schulzes Ergebnisse besonders im Hinblick auf seine Analyse der

 Göllner, Turcica, Bd. , .  Schulze, Reich und Türkengefahr, .  Schulze, Reich und Türkengefahr, .  Neben Reichstagsakten analysierte Schulze auch Traktate zur Türkengefahr: Die TurcicaDrucke waren für ihn hauptsächlich erforderlich, „um den durch die türkische Belagerung ausgelösten Kommunikationsprozeß zu belegen, der die Voraussetzung für die Existenz eines politischen Wirkungsfaktors bildete, der auf allen politischen und gesellschaftlichen Ebenen wirksam werden konnte.“ (Schulze, Reich und Türkengefahr, ).

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1 Einleitung

Türkengefahr als „öffentliches Problem“³⁸ wichtig. Schulze unterschied hierin drei Funktionen der öffentlich geführten Diskussion über die Türkengefahr: Die informative³⁹, die diskursive⁴⁰ sowie die propagandistische⁴¹ Funktion. Obwohl die Türkenpredigten letztlich allen drei Kategorien zugeordnet werden könnten, betonte Schulze für die gesamte geistliche Literatur ihre propagandistische Funktion. Sämtliche für diesen Bereich herangezogenen Quellen – und somit eben gerade auch die Türkenpredigten – interpretierte er als „Instrument zur willigen Zahlung von Steuern, zur Abgabe von Almosen, zum Gehorsam und zum Vertrauen in die Obrigkeiten“⁴² und erkannte in ihnen die Absicht einer „Stabilisierung der bestehenden politisch-sozialen Ordnung“⁴³. Schulzes Arbeit hatte, ähnlich wie die Göllners, das Interesse einer Beschreibung des öffentlichen Meinungsbildes über die Türkengefahr im 16. Jahrhundert. Anders als dieser richtete Schulze jedoch den Fokus stärker auf die vielfältigen kommunikativen Prozesse und den Einfluss der Reichstage auf die Deutung der Türkengefahr. Obgleich Schulze auch evangelische und katholische Predigten zu seiner Arbeit heranzog, wurden diese lediglich in ihrem funktionalen Charakter wahrgenommen und nur am Rande auf ihre theologischen Inhalte hin befragt. Schulzes Analyse war für meine Arbeit besonders bei der Bearbeitung der Reichstagsakten,  Schulze, Reich und Türkengefahr,  ff.  Zunächst konstatierte Schulze einen infolge der Türkengefahr erhöhten Informationsbedarf über Kriegsverläufe und die türkische Kultur, der über sog. Neue Zeitungen, aber auch über die Publikation von türkischen Kriegserklärungen, Reise- und Gefangenenberichte gedeckt wurde. Doch auch die Institutionen des Reiches, also das kaiserliche Amt, die Reichsfürsten und -tage gewannen im Zuge der Auseinandersetzung mit dem Osmanischen Reich neue Bedeutung und provozierten das Interesse der Öffentlichkeit. (Vgl. Schulze, Reich und Türkengefahr,  – ).  Mit der diskursiven Funktion der Türkengefahr beschrieb Schulze all jene öffentlichen Überlegungen, die sich aus der informativen Funktion ergaben – nämlich über die Konsequenzen für die Reaktionen des Reiches, seine Führungsschicht und die Bevölkerung. Die neue Form der „Neuen Zeitung“ rief Reaktionen und Diskussionen in der Öffentlichkeit hervor, wie etwa eine Abwehr der Türken erfolgen könne, und erreichte breite Bevölkerungsschichten. Die diskursive Ebene hatte zum einen die Funktion einer Stabilisierung des Vertrauens in den ‚Reichsapparat‘ und sie sollte zum anderen Zweifel der Bevölkerung über die „Wirksamkeit der politischen Ordnung des Reiches“ zerstreuen (Schulze, Reich und Türkengefahr,  – , hier: ).  Mittels der propagandistischen Funktion verfolgten die politischen Instanzen – nicht selten vermittelt durch die kirchlichen Organe – die Absicht, die Funktionsweise der ständischen Gesellschaftsordnung zu stabilisieren. Schulze nahm für diesen Bereich der öffentlichen Diskussion über die Türkengefahr hauptsächlich Quellen in den Blick, die an eine breite Öffentlichkeit adressiert waren. Neben der Publikation von Reichstagsmandaten waren dies sämtliche im kirchlichen Bereich verfassten mündlichen und schriftlichen Stellungnahmen (Schulze, Reich und Türkengefahr,  – ).  Schulze, Reich und Türkengefahr, .  Ebd.

1.4 Forschungsüberblick

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der obrigkeitlichen Erlasse und der evangelischen Türkenordnungen, wie sie in meiner Arbeit in Kapitel 2 dargestellt wird, eine unverzichtbare Basis. Im Jahr 1995 erschien nach längerer Pause in der Auseinandersetzung mit der Türkengefahr im 16. Jahrhundert erstmals ein Werk, das die Anfänge der Arabistik und Islamkunde in diesem Zeitraum beschrieb. Hartmut Bobzin stellte in seiner Untersuchung Der Koran im Zeitalter der Reformation detailliert die öffentliche Rezeption dieser Urkunde dar. Nach der ausführlichen Beschreibung des Verhältnisses Martin Luthers zum Koran und der mittelalterlichen Koranrezeption in Europa werden hier die beiden Korandrucke von Basel und Nürnberg und ihre Herausgeber sowie Guillaume Postels Excussio alcorani (1544) vorgestellt. Bobzin bestritt die Ansicht, dass sich im 16. Jahrhundert in wenig „origineller“ Weise die mittelalterliche Polemik gegenüber dem Islam lediglich fortgesetzt habe: „[S]elbst wenn die Theologen der Reformationszeit (und zwar auf protestantischer wie auf katholischer Seite) ihre wesentlichen Argumente gegen den Islam aus den Arsenalen mittelalterlicher, ja byzantinischer Islampolemik bezogen […], so ließen diese Argumente vor dem völlig neuen Hintergrund der Glaubensspaltung ganz neue Deutungen und Interpretationen zu […].“⁴⁴ Diese Neuinterpretation der traditionellen Polemik sowie das neue Interesse am Quellenstudium machten das 16. Jahrhundert, so Bobzin, für „die orientalische Forschungsgeschichte so interessant“⁴⁵. Bobzins Arbeit beschreibt auf einzigartige Weise ausführlich die Koranrezeption im 16. Jahrhundert und konnte in meiner Arbeit besonders im Hinblick auf die islamkundlichen Wissensbestände fruchtbar gemacht werden. Für die Frage nach genuin ethnographischem Wissen über die Osmanen im 15. und 16. Jahrhundert ist Almut Höferts Arbeit Den Feind beschreiben. ‚Türkengefahr‘ und europäisches Wissen über das Osmanische Reich 1450 – 1600 von 2003 einschlägig. Die Autorin formulierte die These, dass die Entstehung der epistemologischen Konfiguration eines europäischen Grundmusters zur Klassifizierung und Beschreibung von Gesellschaften im 15. und 16. Jahrhundert gründe und bis ins 21. Jahrhundert reiche.⁴⁶ Entscheidende Impulse habe jene Konfiguration durch die europäischen Auseinandersetzungen mit den Osmanen erhalten.⁴⁷ Höfert untersuchte primär sog. Reiseberichte, die ein auf empirischem Wege erlangtes ethnographisches Wissen über das soziale Leben einer fremden Gesell-

 Hartmut Bobzin, Der Koran im Zeitalter der Reformation. Studien zur Frühgeschichte der Arabistik und Islamkunde in Europa, Beiruter Texte und Studien  (Beirut ), V.  Bobzin, Koran, VI.  Almut Höfert, Den Feind beschreiben. „Türkengefahr“ und europäisches Wissen über das Osmanische Reich  – , Campus historische Studien  (Frankfurt / Main ), .  Höfert, Feind, .

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1 Einleitung

schaft ermöglichten.⁴⁸ Die Turcica dienten demnach, den Americana ähnlich, der „europäischen Horizonterweiterung im 16. Jahrhundert“⁴⁹. Für meine Arbeit war Höferts Darstellung besonders für die Frage nach den Wissensbeständen der Prediger, wie sie in Kapitel 3 behandelt wird, von Bedeutung. In den kirchenhistorischen Arbeiten des vergangenen Jahrhunderts wurde die theologische Deutung der Türken und des Islam vornehmlich anhand von Luthers Schriften untersucht. Da meine Arbeit zwar auf die Islam- und Türkendeutungen des Reformators Bezug nimmt, diese aber größtenteils im Hinblick auf ihre Rezeption durch die Türkenprediger bearbeitet werden, sei an dieser Stelle einzig auf die Arbeit Johannes Ehmanns Luther, Türken und Islam aus dem Jahr 2008 verwiesen. Ehmann, der selbst einen ausführlichen Forschungsüberblick über die bisher geleisteten Arbeiten gibt, stellte in seinem Werk die Genese von Luthers theologischer Türken- und Islamdeutung dar, in deren Zentrum die Verlegung des Alcoran (1542) gerückt wird. Allen auf Luthers Islamdeutung fokussierten Arbeiten ist allerdings gemeinsam, dass sie – ganz der Tradition der Luthereditionen folgend – die Rezeption der Lutherdrucke nach dem Tod des Reformators weitestgehend außer Acht lassen. Welche Konvergenzen und eventuellen Divergenzen sich aber über das Islambild des Reformators bei den Theologen in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts ergaben, wird mehrheitlich vernachlässigt.Vor diesem Hintergrund wird meine Arbeit eine Lücke füllen. Der christlichen Wahrnehmung des Islam in Spätmittelalter und Reformationszeit wendete sich in den letzten Jahren verstärkt auch Thomas Kaufmann zu. In seinem im Jahr 2008 erschienenen Türckenbüchlein analysierte der Kirchenhistoriker sämtliche Textsorten der im 15. und 16. Jahrhundert entstandenen Turcica, die sich um eine christliche Deutung der türkischen Religion bemühten. Kaufmann untersuchte die Predigten, Traktate, „Neuen Zeitungen“, Lieder etc. und zeichnete die historischen Dynamiken des Türkenbildes im 15. und 16. Jahrhundert nach. Neben sprachlichen, argumentativen und konzeptionellen Mustern bedienten sich die Türkenexperten ⁵⁰ auch der „traditionelle[n] apologetische[n] und häresiologische[n] Wahrnehmungskonventionen“⁵¹ sowie aktueller Erfahrungen. Die Bedrohung der abendländischen Christenheit durch das Osmanische Reich im 16. Jahrhundert fungierte Kaufmann zufolge einerseits als Motor der Ausbildung

 Höfert, Feind, .  Höfert, Feind, .  Kaufmann prägte den Begriff der Türkenexperten. Er stellte fest, dass die „Präsenz von ‚Expertenwissen‘ über den Türken […] die unmittelbare Folge eines Informationsbedarfs“ gewesen sei, der „über die traditionellen Mechanismen des Transfers des Gelehrtenwissens nicht zu decken war.“ (Kaufmann, Türckenbüchlein, ; vgl. außerdem Kapitel  in dieser Arbeit).  Kaufmann, Türckenbüchlein, .

1.4 Forschungsüberblick

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eines durch den Terminus „christlich“ geprägten Europabegriffs⁵² und sie vermochte andererseits im Alten Reich den reformatorischen Anliegen Nachdruck und Plausibilität zu verleihen. Neben der Darstellung der Deutungsmuster, welcher sich die christlichen Theologen im Hinblick auf die türkische Religion bedienten, zeigte Kaufmann aber auch die binnenchristliche Sprengkraft auf, welche die türkische Bedrohung barg. In Kaufmanns Türckenbüchlein zeigt sich, dass die christliche Türkenpublizistik vor allem auch vor dem Hintergrund der konfessionellen Auseinandersetzungen interpretiert werden muss. Häufig dienten die negativen Beschreibungen der türkischen Religion einer Abwertung des konfessionellen Gegenübers, das häufig auf dessen „Turkisierung“⁵³ hinauslief. Es mag kaum überraschen, dass eine am Lehrstuhl von Thomas Kaufmann entstandene Dissertation auf dessen bereits geleisteter Arbeit aufbauen wird. So konnte ich mich beispielsweise auf Kaufmanns ausführliche Beschreibung der „Phänomenologie der ‚türkischen Religion‘“⁵⁴ in den von ihm untersuchten Turcica stützen und auf mein untersuchtes Quellencorpus hin fokussieren. Deutlicher als in Kaufmanns Türckenbüchlein wird diese Arbeit – bedingt durch die bearbeitete Gattung der Predigt – schwerpunktmäßig die Inanspruchnahme der Wissensbestände für die christliche Verkündigung bearbeiten und die (kirchen‐) politischen Kontexte für die liturgischen Formen der Türkenabwehr darstellen. Da die Quellenauswahl in ihrem Kern auf Predigten beschränkt wurde, können zudem die einzelnen Autoren im Hinblick auf ihre soziale Stellung sowie ihre Wissensbestände hin befragt werden.

1.4.2 Arbeiten zur Türkenpredigt im 16. Jahrhundert Forschungen zur Türkenpredigt im 16. Jahrhundert sind Mangelware. Die erste (und einzige) ausführliche Arbeit, die sich genuin der Analyse von Türkenpredigten widmete, war die im Jahr 1949 erschienene Dissertation des Wiener Historikers Emil Knappe. Der Autor schrieb eine Geschichte der Türkenpredigt in Wien und zeichnete stark deskriptiv anhand der einzelnen bearbeiteten Schriften ein Bild der Türkenpredigt durch vier Jahrhunderte (15.–18. Jahrhundert) nach. Anhand der einzelnen Wiener Prediger lieferte Knappe teilweise detaillierte Inhaltsangaben über deren Äußerungen zur Türkengefahr in mündlichen und schriftlichen Predigten. Die Arbeit atmet an vielen Stellen den Zeitgeist des Ver-

 Kaufmann, Türckenbüchlein,  – .  S. hierzu: Kaufmann, Türckenbüchlein,  – .  Kaufmann, Türckenbüchlein,  – .

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fassers, sodass der Autor die Prediger als „unsere geistlichen Vorkämpfer“⁵⁵ bezeichnen und selbstsicher den „Sieg der abendländischen Kultur und des christlichen Geistes über die asiatische Barbarei“⁵⁶ postulieren konnte. Ob diese deutlich patriotisch gefärbte Bewertung der Türkenpredigten dazu führte, dass Knappes Arbeit nie in den Druck gegeben wurde, sei dahingestellt. Als bibliographische Orientierung zur Türkenpredigt in Wien diente sie allemal und sollte in dieser Arbeit wenigstens Erwähnung gefunden haben, da sich sonst keine ausführlichen Arbeiten zur Türkenpredigt in Mittelalter und/oder Früher Neuzeit finden. Eine aktuelle Studie, die Norbert Haag im Sammelband Repräsentationen der islamischen Welt im Europa der Frühen Neuzeit veröffentlichte, beschäftigt sich ebenfalls mit der Türkenpredigt im 16. und 17. Jahrhundert.⁵⁷ Der Autor, der durch seine Arbeit über Ulmer Predigten im 17. Jahrhundert bekannt wurde⁵⁸, hebt in seinem Aufsatz deutlich den Zusammenhang von Konfessionskultur und Türkenpredigt hervor. Anhand seines quantitativen Befundes, aber vielmehr anhand exemplarischer Türkenpredigten zum Türkenkrieg Maximilians II. in den Jahren 1565/66 und der erfolgreichen Seeschlacht der „Heiligen Liga“ von Lepanto beschreibt Haag fundiert Gemeinsamkeiten und Unterschiede von lutherischen und katholischen Türkenpredigten. Der Zusammenhang, den der Autor zwischen Türkenpredigten und Türkenkrieg sieht, wird an dieser Darstellungsweise sichtbar. Auf die Reichstagsbeschlüsse und obrigkeitlichen Verordnungen, wie sie in dieser Arbeit zur Grundlage genommen werden, bezieht sich Haag nicht. Gleichwohl zielt seine Arbeit auf eine Schärfung des konfessionskulturellen Profils. Die Gemeinsamkeit aller Türkenpredigten sieht Haag in ihrer sinnstiftenden Funktion in Bezug auf die „gesellschaftspolitische Bewältigung einer äußeren Bedrohung.“⁵⁹ Unterschiede machte er insbesondere in den Formen der Bewältigungsstrategien aus, welche die katholischen Autoren mit deutlichen „innerweltlichen Handlungsmöglichkeiten“⁶⁰ skizziert und die lutherischen Autoren stärker in ein apokalyptisches Szenario eingeordnet hätten.

 Emil Knappe, Die Geschichte der Türkenpredigt in Wien. Ein Beitrag zur Kulturgeschichte einer Stadt während der Türkenzeit, Diss. masch. (Wien ), .  Knappe, Geschichte, .  Haag, Erbfeind.  Norbert Haag, Predigt und Gesellschaft. Die lutherische Orthodoxie in Ulm  – , VIEG  (Mainz ).  Haag, Erbfeind, .  Ebd.

1.4 Forschungsüberblick

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Neben Johannes Brenz⁶¹ und Urban Sagstetter⁶² ist Jakob Andreä der einzige Autor von Türkenpredigten, der bisher häufiger Gegenstand (kirchen‐) historischer Forschung war. Der Tübinger Professor und Propst der Stiftskirche hatte im Jahr 1568 seine Dreyzehen Predigen vom Türcken veröffentlicht. Siegfried Raeder⁶³ und Susan Boettcher⁶⁴ widmeten mit ihren Arbeiten einem schon zu seiner Zeit prominenten Theologen ihr Augenmerk. Neben den ausführlichen Schilderungen des historischen Kontextes und den Analysen der Quellen konstatierte Raeder für die Predigten allgemein und für die Türkenpredigt im Besonderen zwei typische Themenbereiche⁶⁵: Einer theoretischen Einordnung des Themas, welche „das Phänomen ‚des Türken‘ sowohl [zu] beschreiben als auch [zu] deuten und [zu] beurteilen“⁶⁶ suchte, folgte ein praktischer Themenbereich, der auf die ethischen Konsequenzen der dogmatischen Unterweisungen zielte. Susan Boettchers Arbeit German Orientalism in the Age of Confessional Consolidation: Jacob Andreae’s Thirteen Sermons on the Turk, 1568 setzt sich zunächst mit der von Edward Saids Werk Orientalism (1978) ausgehenden Debatte am Ende der 1970er Jahre ausführlich und kenntnisreich auseinander. Schließlich gründen die von Said postulierten Phantasien der Überlegenheit Europas gegenüber dem Orient im Gefühl der Ohnmacht gegenüber dem Osmanischen Reich um 1500, so Boettcher.⁶⁷ Unter dem Begriff des „Lutheran Orientalism“ fasst sie die Deutungen lutherischer Theologen über die Türken und/oder den Islam zusammen und beschreibt im Gegensatz zu Saids Modell die intendierte Innenwirkung lutherischer Turcica: „Construction of knowledge about the Turk by Lutherans simply could not support nonexistant attempts to dominate Islam. Instead, it was the tool of an

 Siegfried Raeder, Johannes Brenz und die Islamfrage, in: BWKG  (),  – .  Christine M. Gigler, „Gaistliche Kriegsrüstung“. Die Türkenpredigten des Gurker Bischofs Urban Sagstetter (/), in: Marlene Kurz / Martin Schuetz u. a. (Hgg.), Das Osmanische Reich und die Habsburgermonarchie. Akten des internationalen Kongresses zum -jährigen Bestehen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung. Wien, .–. September , MÖIG.E  (Wien, München ),  – .  Siegfried Raeder, Die Türkenpredigten des Jakob Andreä, in: Martin Brecht (Hg.), Theologen und Theologie an der Universität Tübingen, Contubernium  (Tübingen ),  –  und ders., Tübinger Türkenpredigten, in: Rolf-Dieter Kluge (Hg.), Ein Leben zwischen Laibach und Tübingen. Primus Truber und seine Zeit. Intentionen, Verlauf und Folgen der Reformation in Württemberg und Innerösterreich, Sagners slavistische Sammlung  (München ),  – .  Susan R. Boettcher, German Orientalism in the Age of Confessional Consolidation: Jacob Andreae’s Thirteen Sermons on the Turk, , in: Comparative Studies of South Asia, Africa and the Middle East / (),  – .  Vgl. hierzu Raeder, Tübinger Türkenpredigten, .  Ebd.  „But Germans around  hardly felt politically or militarily superior to the Ottomans – on the contrary, in varying degrees, they were terrified.“ (Boettcher, Orientalism, ).

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1 Einleitung

inner campaign to discipline Christian lives.“⁶⁸ Vor diesem Hintergrund verdeutlicht die Autorin die Absicht Andreäs, mit seiner Darstellung der Türken und ihrer Religion eben nicht die fremde Kultur als solche zu desavouieren, sondern nachgerade das eigene lutherische Bekenntnis mithilfe der Konstruktion dieses „Feindbildes“⁶⁹ zu konsolidieren. Susan Boettchers Ergebnisse gaben mir Anlass zur Weiterarbeit. Die Idee, dass die Türkenprediger die Türken als didaktisches Mittel funktionalisierten, um eine Festigung der eigenen Konfessionskultur zu erreichen, ließ mich auf die Suche nach weiteren Türkenpredigten aller Konfessionen gehen.

1.5 Aufbau der Arbeit Am Beginn meiner Untersuchung stehen die Ergebnisse, die ich anhand der Reichstagsakten und Kirchenordnungen erheben konnte (Kapitel 2). Denn obgleich den Autoren ein eigenes Interesse bzw. eine individuelle Motivation zum Abfassen ihrer Türkenpredigten keinesfalls abgesprochen werden kann, sind ihre Arbeiten ganz klar auch als ‚Auftragsarbeiten‘ zu verstehen, die aufgrund von Reichstagsbeschlüssen verfasst und schließlich durch die Druckereien vervielfältigt wurden (Abschnitt 2.1). Der gesamte Komplex der sog. geistlichen Waffen im Kampf gegen die Türken wird in jenem ersten Schritt näher beleuchtet, sodass die Predigten als ein Bestandteil dieses Ensembles verstanden und somit kontextualisiert werden können. Denn neben dem Aufruf zur Predigt waren es die Erlasse zum Läuten der Türkenglocken (Abschnitt 2.2), zum öffentlichen und privaten Gebet (Abschnitt 2.3) sowie zu Gottesdiensten, Prozessionen und privaten Andachten, die der geistlichen Abwehr des „Erbfeindes“ dienen sollten. Dieser Kontextualisierung, die politische und liturgische Rahmenbedingungen und Entwicklungen in Bezug auf die geistliche Türkenabwehr bietet, folgt in einem nächsten Abschnitt eine Engführung auf die untersuchten Predigten. Zunächst werden hier die Akteure – sprich: die Autoren selbst – in den Blick genommen. So ist es meiner Meinung nach für eine angemessene Hermeneutik der Quellen unerlässlich, sich die sozialen und institutionellen Voraussetzungen vor

 Boettcher, Orientalism, .  „While boundary-drawing ist clearly one of the activities that took place in confessional sermons, Andreae’s Türkenpredigten suggest that the process by which the borders are marked is less immediately straightforward than usually recognized. It is not wrong to think of the sermons as creating a Feindbild, or image of the opponent, intended to support Lutheran confessional identity. The techniques for creating this image, however, were quite complex.“ (Boettcher, Orientalism, ).

1.5 Aufbau der Arbeit

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Augen zu führen, welche die Prediger mitbrachten. Deshalb werden die Autoren zunächst hinsichtlich ihres kirchlichen bzw. akademischen Ranges befragt, den sie zum Zeitpunkt der Veröffentlichung ihrer Predigten erlangt hatten (Abschnitt 3.1). Darauf aufbauend werden die unterschiedlichen Wissensbestände der Prediger in Bezug auf die Türken und den Islam beschrieben, die sich – angefangen bei den biblisch-exegetischen Kenntnissen der Autoren – auch auf die Bereiche der Prognostik, Religionskunde, Ethnographie und Historiographie erstreckten (Abschnitt 3.2). Im Anhang der Arbeit finden sich zusätzlich Biogramme aller 39 Autoren, welche die in Kapitel 3 getroffenen Ergebnisse veranschaulichen. Die Tatsache, dass die Autoren ihr Wissen in den Predigten kommunizierten, führt sogleich zum letzten großen Komplex, der die evangelischen und katholischen Türkenpredigten umfassend analysiert (Kapitel 4 und 5). Beide Kapitel sind parallel aufgebaut und beschreiben zunächst die für die Schriften prägende pastorale Anweisungsliteratur zur Predigt wider „den Türken“, die von kirchlichen Autoritäten verfasst und in den Druck gegeben wurde (Abschnitte 4.1 und 5.1). In einem weiteren Schritt werden die Quellen in formaler Hinsicht analysiert und gegenüber anderen Predigtarten abgegrenzt (Abschnitte 4.2 und 5.2). Es ist der Pragmatik und der Anschaulichkeit im Umgang mit der großen Anzahl der Schriften geschuldet, dass in einem Zwischenschritt exemplarische Predigten ausführlicher zu Wort kommen (Abschnitte 4.3 und 5.3). Die Beispiele veranschaulichen die bereits vorgestellten Ergebnisse und leiten schließlich in die abschließenden Abschnitte über, die sich der Leitfrage dieser Arbeit widmen: Wie werden Türken und Islam in den Quellen gedeutet? Die Türkenpredigten selbst betonten konfessionell je unterschiedliche Aspekte der Deutung und erhielten auch in diesem Hinblick erst ihr spezifisches Profil (Abschnitte 4.4 und 5.4). Eine Zusammenfassung (Kapitel 6) wird die erhobenen Ergebnisse konzentriert noch einmal darstellen und einen Blick über das Alte Reich hinaus wagen.

2 Reichspolitik und Kirche. Aufrufe zum „geistlichen Kampf“ gegen die Türken im 16. Jahrhundert Woher kompts / daß man muß heutigs tags Türckensteur haben / wes ist die schuld? Warlich nicht deiner Obrigkeit / danck hab dir selbst und deinen Sünden / daß du die Gebot des HErrn verachtest / und so dapffer sündigst / Siehe / damit machstu den Türcken so gewaltig / daß man mus wider jhn haben Türckensteur […].¹

Die Antwort auf die Frage nach dem Grund der Abgabe von Türkensteuern gab Johannes Paul Sutorius, „Ecclesiasten unnd Mathematicum“² der oberpfälzischen freien Herrschaft Wolfstein, in der ersten seiner acht Türkenpredigten selbst: Schuld sei nicht die Obrigkeit, sondern jeder Einzelne, der durch seine Sündhaftigkeit die Macht der Türken allererst verschuldet hätte. Sutoriusʼ Begründung für die Notwendigkeit von Türkensteuern überrascht nicht. Sie fügt sich ein in das obrigkeitsaffirmative Bild, das in den meisten Türkenpredigten vorherrscht.³ Zwar ordnete bereits Winfried Schulze diese Gattung der „propagandistischen Nutzung der ‚Türkengefahr‘“⁴ zu, allerdings wird in den einschlägigen Darstellungen zu theologischen Türkendrucken des 16. Jahrhunderts dieser Aspekt nahezu ausgeblendet. Häufig wird in den Arbeiten lediglich auf die allgemeine politische Lage verwiesen, welche die Prediger auf die Kanzeln drängte.⁵ Freilich ist diese Beobachtung nicht falsch, sie greift jedoch m. E. zu kurz. Denn konkret waren es die Reichstage, die den Impuls dafür gaben,

 Sutorius, Acht Christliche […] Predigten, v.  Sutorius, Acht Christliche […] Predigten, r.  S. hierzu z. B. auch Nigrinus, Ernste Bußpredigten,  f.: „Zum . müssen wir auch das Gut auff und zuzusetzen bereit seyn / das ist / wir müssen nicht verdrossen / sondern williglich zulegen die erforderte Stewer Schatzung / welche die Oberkeit begert und foddert in diesem Fall. Dann kriegen ohn Geldt ist fliegen ohn Feddern / das Geld wird nicht vergeblich genannt Nervus Belli.“  Schulze, Reich und Türkengefahr, .  So schon Hartmut Brenner, Protestantische Orthodoxie und Islam. Die Herausforderung der türkischen Religion im Spiegel evangelischer Theologen des ausgehenden . und des . Jahrhunderts, Diss. masch. (Heidelberg ), : „Obwohl sie gelegentlich lebhafte Klage über den Überdruß an der Predigt führen, können die Theologen des ausgehenden . und des . Jahrhunderts, wenn sie sich mit dem Islam und den Türken beschäftigen, lebhaften Interesses auf Seiten der Hörer und Leser versichert sein. Das Thema ist aktuell. Das erschreckte Volk, immer von neuem an die Bedrohung erinnert, verlangt schließlich jedoch eine Erklärung der ‚Zeichen der Zeit‘, das heißt aber, man erwartet eine biblische Begründung.“ Doch auch Haag, Erbfeind,  und Boettcher, Orientalism,  postulieren dieses Stimulans für die Verbreitung von Türkenpredigten.

2 Reichspolitik und Kirche

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dass nahezu überall im Reich Türkenpredigten gehalten und publiziert wurden. Vermittelt durch die einzelnen Territorialstaaten sollte durch den Einsatz von „geistlichen Waffen“ – also das verordnete Läuten von Türkenglocken, die Einführung von Gebeten, Predigten, Prozessionen und Gottesdiensten gegen die Türken – erreicht werden, dass die schier ins Unermessliche steigenden Türkensteuern und die mit dem Krieg verbundenen „Opfer“ gesellschaftsfähig wurden.⁶ Mit der Annahme, dass die Aufrufe zum geistlichen Kampf gegen die Türken gesellschaftliche Anerkennung den Türkenkrieg betreffend befördern sollten, wird gleichzeitig die Frage nach einer staatlich verordneten Disziplinierung durch die Kirchen gestellt.⁷ In diesem Kapitel wird zunächst in makrohistorischer Perspektive dargestellt, wie von staatlicher Seite – zunächst auf Reichsebene mithilfe von Reichstagsbeschlüssen und nachfolgend auf territorialer Ebene in Form von obrigkeitlichen Anordnungen und Kirchenordnungen – auf die jeweilige Frömmigkeitspraxis Einfluss genommen wurde.Weiterhin sollen die Schriften einzelner theologischer Autoritäten das kirchliche Interesse an einer konfessionsspezifischen liturgischen und theologischen Vereinheitlichung der Gebete und Predigten wider „den Türken“ zeigen. Infolge dessen entwickelten sich aber auch im privaten Bereich spezielle liturgische Formen, wie z. B. Hausgebete und -andachten, zum geistlichen Kampf gegen die Türken. Dieser mikrohistorische Blick wird zeigen, dass die institutionell vorgeschriebenen Maßnahmen ihrerseits konfessionsspezifische Eigendynamiken hervorriefen und durch die einzelnen Gemeinden angeeignet und modifiziert wurden. Bisher wurde es versäumt, die Verordnungen zum geistlichen Kampf gegen die Türken von staatlicher und kirchlicher Seite eingehender zu untersuchen. Ab wann setzte man in der Auseinandersetzung mit dem türkischen Reich auf den Einsatz von Gebet und Predigt? Wie erfolgte die Umsetzung der Anordnungen bzw. erfolgte sie überhaupt? Welche Formen dieses „geistlichen Kampfes“ lassen sich ausmachen? Lassen sich Modifizierungen im Laufe des 16. Jahrhunderts erkennen? In diesem Abschnitt soll der Weg nachgezeichnet werden, den die Verord-

 Vgl. zum gesamten Komplex Türkenkrieg – Reichs- bzw. Kreistage, v. a. für die zweite Hälfte des . Jahrhunderts: Schulze, Reich und Türkengefahr,  – ; vgl. auch die Übersicht über die „Bewilligungen der Reichstage für den Türkenkrieg zwischen  und “: ders., a.a.O.,  f.  Ich beziehe mich diesbezüglich hauptsächlich auf die beiden Aufsätze: Heinz Schilling, Disziplinierung oder „Selbstregulierung der Untertanen“? Ein Plädoyer für die Doppelperspektive von Makro- und Mikrohistorie bei der Erforschung der frühmodernen Kirchenzucht, in: HZ  (),  – , hier:  –  und Heinrich Richard Schmidt, Sozialdisziplinierung? Ein Plädoyer für das Ende des Etatismus in der Konfessionalisierungsforschung, in: HZ  (),  – , bes.  – .

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2 Reichspolitik und Kirche

nungen auf den Reichstagen zum geistlichen Kampf wider „den Türken“ nahmen. Die Türkenpredigten selbst waren nur ein Teil im gesamten Komplex der „geistlichen Waffen“ wider die Türken. Deshalb werden in diesem Kapitel nach der Darstellung der Verordnungen der Reichstage zunächst die Verordnungen zum Türkenläuten, zum Abhalten der Türkengebete und Türkengottesdienste untersucht. Es wird sich zeigen, dass diese Beschlüsse Auswirkungen bis in die private Frömmigkeitspraxis hinein hatten: Am Ende des 16. Jahrhunderts waren sog. Türkengebetbücher und Predigtsammlungen zum Kampf gegen das Osmanische Reich für die Benutzung in den privaten Hausandachten weit verbreitet.

2.1 Die Reichstage „Wann man nun auff dem Reichstag zusamen kompt / so ist das erst / daß man unsern Herrn Jesum Christum zur Rhattür hinauß weiset / dann der hat nichts in disem Rhat zuschaffen / hat auch kein Stimm / sonder muß vor der Thür daraussen warten / was die Herren darinnen beschlossen haben.“⁸ Die Kritik Jakob Andreäs an den Reichstagen seines Jahrhunderts ist innerhalb der Türkenpredigten einzigartig. Der Tübinger Universitätskanzler störte sich vor allem an der (Über‐) Betonung, den die Türkenfrage zulasten der Religionsfrage erhalten hatte. Außerdem gingen ihm die Verordnungen zum „geistlichen Kampf“ gegen die Türken nicht weit genug. Eigentlich – so war sich Andreä sicher – gehe es den Verantwortlichen nur um Geld, Waffen und Menschen, auf die sie in dem Konflikt mit dem Osmanischen Reich setzten.⁹ Siegreich könne man jedoch nur sein, wenn das Problem an der Wurzel gepackt und „der Türke“ als Gottes Strafe für die „Abgötterei“¹⁰ des Papsttums erkannt werde. Erst wenn dieses Grundübel behoben sei, könne man friedlichen Zeiten entgegen gehen. Die Einschätzung Andreäs zu den Reichstagen und den beschlossenen Mitteln des geistlichen Kampfes gegen die Türken steht konträr zu allen anderen Türkenpredigten des 16. Jahrhunderts. Denn die übrigen Prediger unterstützten die Verordnungen der Reichstage, zitierten teilweise die obrigkeitlichen Erlasse, die auf den Reichstagen zum Abhalten von Türkengottesdiensten, zum Läuten der Türkenglocke etc. verabschiedet worden waren, und warben für deren Umsetzung und die Zahlung der Türkensteuern.¹¹ Gemeinsam ist den Predigten Andreäs und

 Andreä, Dreyzehen Predigen, .  Andreä, Dreyzehen Predigen, .  Andreä, Dreyzehen Predigen, .  S. hierzu z. B. Hoë von Hoënegg, Sechs Türcken Predigten,  f.

2.1 Die Reichstage

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der anderen Theologen jedoch, dass sie die Bedeutung der Reichstagsbeschlüsse für das kirchliche Leben und die private Frömmigkeit widerspiegeln. Bereits im Kontext des Nürnberger Reichstags von 1522 begegnet der erste Hinweis zum Einsatz von „geistlichen Waffen“ gegen die Türkengefahr. Hier, wo „vom widderstand gegen dem Turken zu rathschlagen und zu handeln“¹² war, erging am 28. März ein „Regimentsmandat an alle Stände: wegen der Türkengefahr einen allgemeinen Bußtag auszuschreiben“.¹³ Demnach sollten die weltlichen Obrigkeiten ihren Geistlichen befehlen, das Volk zur Teilnahme an den Bußtagen und Prozessionen zu animieren sowie von den Kanzeln das allgemeine Gebet wider „den Türken“ anzumahnen.¹⁴ Weiterhin wurde die Rückbesinnung auf die längst bekannte Praxis des Läutens der Türkenglocke ¹⁵ verfügt und den Pfarrern der Auftrag erteilt, „das auch allen tag zu mittagszeit in jeder stat, flecken und dorf durch ein sonder glock geleutet werde, dadurch das gemein volk zu furbit gegen got zu ermanen und zu erinnern, seinen gefasten zorn fallen lassen und den christglaubigen menschen gegen dem Türken sig und glück zu geben.“¹⁶ Der Reichsabschied ordnete daraufhin an, dass die Prediger ihre Gemeindeglieder über die Sündhaftigkeit aufklären, zur Besserung des Lebens ermahnen und das Gebet für einen Sieg gegen die Türken einschärfen sollten.¹⁷ Obwohl die Reichs DRTA.J.R., Bd. , , f.  DRTA.J.R., Bd. ,  – .  S. hierzu die „Protokollarische Aufzeichnung über den Beginn des Reichstags“ (DRTA.J.R., Bd. , , – ) sowie die Beschlüsse des Nürnberger Rats das Mandat betreffend, DRTA.J.R., Bd. , , – : „. Die gedruckten Mandate und christliche Vermahnung den Türken betreffend soll man in beide Pfarrkirchen, die Spital- und Klosterkirchen überantworten, mit dem Befehl, Ostern während der Predigt dieselben zu verkünden und am folgenden Tage eine Prozession zu halten. Dieselben Zettel soll man in die andern Ortschaften der Stadt schicken.“ Das Mandat sah vor, „auf einen nemlichen tag ein heilig ampt einer betmeß pro peccatis mit gepurenden eren zu singen oder zu lesen, darzu andechtige procession an heilige stet zu thun und die underthanen jeder stiften und pfarkirchen […] uber die canzeln zu erfordern und zu ermanen […], samentlich bei solichem ambt der heiligen meß und procession zu erscheinen und zu sein, den almechtigen mit andacht irer herzen anzurüffen und zu pitten […]. Das auch uber solichs alles nichts desteminder alle sontag und gebant feirtage das gemain gebet von den christglaubigen durch alle pfarher uber die canzel nach gethaner predige gesonnen werde, fur die, so wider den Türken des christlichen glaubens halber streiten, das der almechtig inen gnade und sig geben und die, so ir blut umb des namens Christi willen vergiessen, mit der freude der ewigen seligkeit belonen wölle.“ (DRTA.J.R., Bd. , , – ,).  S. hierzu u. Abschn. ..  DRTA.J.R., Bd. , , – .  DRTA.J.R., Bd. , , §: „Es soll auch allen predigern bevolhen werden, dem volk uber die canzel wol zu ercleren und zu sagen, welicher massen got der almechtig oft die sunde der menschen mit dem schwert irer veinde schwerlich gestrafft hat, und darumb sie zu besserung ires lebens zu vermanen, und das sie auch zu abwendung solicher verschulten straff und dabei umb

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tage der 1520er und 30er-Jahre zum großen Teil von den Auseinandersetzungen um die Türkenhilfe geprägt waren, ergingen in den Reichsabschieden keine weiteren Erlasse zu Gebeten oder Predigten gegen die Türken.¹⁸ Erst der Einnahme Ofens im August 1541 folgten in den Abschieden der Speyerer Reichstage von 1542 und 1544 Erlasse, die zum Läuten, Beten und Predigen gegen den Feind aufriefen. Für das gesamte Reich wurde verbindlich festgelegt, „das auch derwegen in einer jeden pfarkirchen alle tag ein glock umb zwolf uhren geleuth und das volck durch die prediger underwiesen werde, sich alsdan des christlichen kriegsvolcks zu erinnern und den Allmechtigen umb abwendung seins zorns und verleihung seiner gnaden und siegs in jren gepetten anzurueffen.“¹⁹ 1544 wurde noch ausführlicher auf den Inhalt der pastoralen Ermahnungen hingewiesen und angeordnet, daß die Pfarrherrn und Prediger alle Sonntag / […] nothdürfftiglich wollen berichten, der grausamen viehischen Dienstbarkeit und Beschwerden / darinn des Türcken selbst Unterthanen, besonder aber gemeinlich alle Christen-Menschen gehalten werden / die in des Türcken Gewalt seyn / und darauf ihre Pfarr-Verwandten treulich vermahnen, Gott den Allmächtigen um Abwendung seines Göttlichen Zorns / und Besserungs unsers sündlichen Lebens / […] von Hertzen anzuruffen und zu bitten, auch die nothwendige Anlag und Steuer zu solchem christlichen Werck fürgenommen, und ihnen auferlegt, aus schuldiger christlicher Liebe / die sie gegen den beschwerten Christen Landen und Leuten tragen sollen, gutwillig und förderlich erlegen / damit auch sie, und ihre Weiber und Kinder, vor solcher erschröcklicher Gefahr, und Verlust ihrer Seelen / Leib / Ehren und Güter / desto besser erhalten werden mögen.²⁰

Zudem ordnete man erneut das Läuten der „Betglocke“ an, die an das Gebet gegen die Türken erinnern sollte.²¹ gnedigen sick widder gemelten argen veind Christi von got (in dem allein unser heile steet) demutiglich und embsiglich bitten.“  Allerdings begegnet im Landtagsabschied von Ansbach  die Forderung, dass die Prediger das Volk zum Gebet für die Christenheit, Frieden und „Widerstand“ gegen die Türken vermahnen sollten (EKO XI/, ). Der Landtag war  zusammengekommen, um Regelungen für die Zeit der Abwesenheit Markgraf Kasimirs in Ungarn zu treffen, wo nach dem Einfall der Türken König Ludwig von Ungarn gefallen war und Kasimir auf kaiserliches Geheiß die Nachfolge vor Ort klären sollte (EKO XI/, ). S. hierzu auch den Unterricht Melanchthons und Luthers () – s. o. Abs. ..  DRTA.JR, Bd. ,, , §.  Senckenberg, Reichs-Abschiede, Bd. ,  f.  Der Reichsabschied von  sah vor, „daß durch das gantze Reich aus, alle Tag zu zwölff Uhren / eine Bet-Glocken geleut werde / und alle und jede Christen-Menschen zu Zeiten, wann dieselbig Glock geleut wird, ihr andächtig Gebet zu dem Allmächtigen sprechen, auch das also zu

2.1 Die Reichstage

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Der Reichstag in Augsburg im Jahr 1566, auf dem die bis dahin höchste Türkenhilfe verabschiedet worden war, beschloss, dass „alle Oberkeiten in jhren gebieten, den Pfarherrn vnd Predicanten aufflegen vnnd beuehlen [sollten], das sie die vnderthanen zu buß vnd besserung vnnd embsigem gebett zu Gott dem almechtigen ernstlich vermanen vnd anweisen sollen.“²² Außerdem wurde verordnet, dass „teglich in Stetten, Flecken, Marckten vnnd Doerffern zu mittags zeiten ein glocken geleutet vnd das volck von den Cantzlen vnderwisen vnd vermant werde, zur selbigen zeit wie auch sonst Gott den Almechtigen vmb Sieg vnd vberwindung gegen dem Erbfeindt, auch abwendung Gottes gerechten zorns vnnd der vorstehenden grausamen straff mit hertzlicher andacht an zu ruffen vnd zu bitten.“²³ Ein Jahr später wurden auf dem Reichstag in Regensburg diese Paragraphen nahezu wortwörtlich übernommen.²⁴ Die Reichsabschiede der Jahre 1594, 1598 und 1603 riefen erneut die Bestimmungen zum „geistlichen Kampf“ von 1566 im Wortlaut ins Gedächtnis und ermahnten zu Buße, Besserung des Lebens, Gebet und Geläut gegen die Türken.²⁵ thun von ihren Pfarrherrn und Predigern, fleißig unterwiesen und vermahnt werden.“ (Senckenberg, Reichs-Abschiede, Bd. , ).  DRTA: Reichsversammlungen, Augsburg , Bd. , , §.  DRTA: Reichsversammlungen, Augsburg , Bd. , , §.  Vgl. DRTA: Reichsversammlungen, Reichstag Regensburg und Erfurt , , § f. Kurfürst August von Sachsen nahm mit seinem Mandat vom . Juni  (Lünig, Codex Augusteus,  – ) auf den Reichstagabschied Bezug, ermahnte die Bevölkerung zu einem „stillen Leben“ () und forderte sie zur Abkehr von „Fluchen, Schweren, auch Unzucht, Mörderey, Saufferey, Fresserey, übermäßige[r] Kleidung und ander, unzeitig, unerbar, leichtfertig Wesen und Wandel“ () auf. Stattdessen solle man Buße tun, sich bessern und ein christlich sittliches Leben führen. Dazu wurden sowohl die Pfarrer als auch die Kirchgänger eingehend ermahnt. Um die Einheitlichkeit und Regelmäßigkeit des Gebets gegen die Türken zu gewährleisten, verwies das Mandat auf ein formuliertes Türkengebet, das „alle unsere Superattendenten, Pfarrherr, Prediger und Seelsorger, nach allen und jeden Predigten, den Pfarr-Kindern und Zuhörern deutlich fürlesen, und […] durch sie mit hertzlicher Andacht und Seuffzen zu GOtt inniglichen nachgesprochen“ werden sollte ( f.). Dazu sollte mittags um ein Uhr in allen Städten und Dörfern eine Glocke geläutet und wenigstens ein bzw. zwei Mal in der Woche „die Letania mit guter Andacht in Beyseyn und Vorsamlung alten und jungen Volcks […] gebetet und gesungen werden.“ ().  : Senckenberg, Reichs-Abschiede, Bd. , , § . Der Superintendent von Velburg, Johannes Lauch, zitiert ein fürstliches Mandat von , das auf Initiative des Reichstages von  erlassen worden war und das zu Predigten, Gebeten und Läuten der Glocken wider die Türken aufforderte (Lauch, Ein und Dreißig Türcken Predigten, Av ff.). Auch der Bürgerschaft in Heidelberg wurde in einem Mandat zur Institution und Sonntagsheiligung vom . Februar  die entsprechende Anordnung des Regensburger Reichstages vorgetragen und entsprechende Gottesdienste und deren regelmäßiger Besuch angemahnt (vgl. EKO XIX/,  ff.). : Senckenberg, Reichs-Abschiede, Bd. , , §. Allerdings wurde hier der Paragraph mit dem Zusatz versehen, dass diese Anordnung „desto eyfferiger unnd ernster anzustellen [sei], weil ohne

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Neu war seit dem Reichstag von Regensburg 1594, dass vor den Kirchen „besondere Stöck / Kasten oder Truhen auffgesetzt“²⁶ werden sollten. An allen Sonnund Feiertagen sollten die Pfarrer ihre Gemeinden zu Spenden für die Verwundeten, Kranken und Spitäler animieren. Zweifellos sollte das Geld in die leeren Kassen des Langen Türkenkriegs fließen – die Pastoren auf dem Land und in den Städten sollten dafür in ihren Predigten werben. Das erneute Einfordern von Türkengebeten und -glocken im gesamten Reich fügt sich in die Strategie der weltlichen Obrigkeiten, die Kirchen zu nutzen, um Vertrauen und Akzeptanz für die Türkensteuern zu stiften.

2.2 „Alle tag umb zwölff Uhren“ – Die Türkenglocke 2.2.1 Die Einführung der Türkenglocke unter Papst Calixt III. Die Idee zur Anordnung von Gottesdiensten, Gebeten, Predigten und Glocken gegen die Feinde aus dem Osmanischen Reich war im 16. Jahrhundert keineswegs neu.²⁷ Bereits die Belagerung und schlussendliche Eroberung Konstantinopels im Mai 1453 durch die türkischen Truppen hatte den römischen Stuhl zu diesen

dasselbig, und da kein Besserung, Buß, Reu und Leyd vorhanden, man sich auch keiner glücklichen oder sieghafften Uberwindung zu versehen hat.“ (ebd.) Auch Sutorius erwähnt das Reichstagsmandat in seiner Predigt (vgl. Sutorius, Acht Christliche […] Predigten, r-v). : Senckenberg, Reichs-Abschiede, Bd. , , §.  : Senckenberg, Reichs-Abschiede, Bd. , , §: „Wir wollen, ordnen und setzen darneben auch, daß in allen Landen und Orten der Teutschen Nation vor den Pfarrkirchen, in Stätten und auf dem Land, besondere Stöck / Kasten oder Truhen auffgesetzt / und das Volck alle Sonn-/Feyer- und andere Tage, durch die Pfarrherren und Prediger ermahnet werden, ihre Hülff und Allmosen zu besserer Unterhaltung der Verwundten / Krancken und Spitäler, / so sich vor die gemeine Christenheit in Sturm, Feld-Lägern und Schlachten, und sonst redlich gebrauchen lassen, aus Christlicher lieb und gutem Eyfer etwas, wie ihnen der Allmächtig ermahnen möchte, zu reichen, welche Truhen oder Stöck durch die Obrigkeit und Amptleut, in Beyseyn etlicher ehrbarer Personen auffgethan, und die Gefälle der Obrigkeit alle drey Monat in die verordnete Legstädt absonderlich geschickt, und denen darzu Deputirten eingehändiget, und ordentliche Rechnung darüber gethan werden soll.“ : Senckenberg, Reichs-Abschiede, Bd. , , §; : Senckenberg, a.a.O., , §.  Vgl. hierzu auch: Thomas Kaufmann, Kontinuitäten und Transformationen im okzidentalen Islambild des . und . Jahrhunderts, in: Lothar Gall / Dietmar Willoweit (Hgg.), Judaism, Christianity, and Islam in the Course of History: Exchange and Conflicts, Schriften des Historischen Kollegs, Kolloquien  (München ),  – , hier:  – . Die Aussage Brenners, wonach erst seit dem ausgehenden . Jahrhundert die Türkenglocken läuteten (Brenner, Orthodoxie, ), ist zu falsifizieren.

2.2 „Alle tag umb zwölff Uhren“ – Die Türkenglocke

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Anordnungen bewegt. Am 30. September 1453 erließ Papst Nikolaus V. eine große Kreuzzugsbulle²⁸, in der er die gesamte Christenheit zum Kreuzzug aufforderte.²⁹ Diejenigen, die ab Februar des Jahres 1454 für sechs Monate am heiligen Krieg teilnahmen oder einen Krieger stellten, sollten vollkommenen Ablass erhalten.³⁰ Nikolaus V. entsandte Legaten und Prediger, die für eine Teilnahme am Heiligen Krieg werben und den sog. Türkenzehnten eintreiben sollten. Doch alles Werben brachte nicht den erhofften Erfolg und die Kreuzzugsidee fand nur wenige Anhänger.³¹ Nach dem Tod Papst Nikolaus V. im März 1455 wurde am 8. April 1455 Calixt III. als dessen Nachfolger gewählt. Dieser machte es sich ebenfalls zur Aufgabe, den Krieg gegen die Türken siegreich zu Ende zu führen und Konstantinopel zurückzuerobern.³² So erließ er, wie sein Vorgänger, am 15. Mai 1455 eine Bulle³³, die den Inhalt der Kreuzzugsbulle von 1453 wiederholte und zum Kreuzzug ab dem 1. März 1456 aufrief. Auch Calixt III. entsandte Kreuzzugsprediger nach ganz Europa, die für den Krieg und die Türkensteuer werben sollten.³⁴ Offenbar hatten diese Prediger nun weitaus größere und nachhaltigere Erfolge für das Vorhaben zu verzeichnen. Zumindest berichteten Chronisten in Nord- und Süddeutschland für die Jahre 1456/1457 von der Tätigkeit der Prediger; für die Jahre 1453/54, direkt nach der Eroberung Konstantinopels, fehlen diese Einträge.³⁵ Für Deutschland hatte der  Raynaldus, Annales ecclesiastici, Teil :  – , Nr.  – ,  – .  Vgl. zu den Kreuzzugsablässen der Päpste des Spätmittelalters: Nikolaus Paulus, Geschichte des Ablasses am Ausgang des Mittelalters (Darmstadt, . Aufl., ),  – ; zu den Kreuzzugsablässen Nikolaus V. und Calixt III.: bes.  ff.  Vgl. zur Kreuzzugsbulle Nikolaus V.: Ludwig von Pastor, Geschichte der Päpste im Zeitalter der Renaissance bis zur Wahl Pius II., Bd. , Martin V. Eugen IV. Nikolaus V. Calixtus III. (Freiburg / Breisgau, .–. Aufl. ),  ff. und Göllner, Turcica, Bd. ,  ff.  Pastor, Geschichte der Päpste, .  Vgl. zu Calixts Engagement im Türkenfeldzug: Götz-Rüdiger Tewes, Die römische Kurie und die europäischen Länder am Vorabend der Reformation, BDHIR  (Tübingen ),  – . Tewes stellt jedoch deutlich heraus, dass Calixts Interessen im Krieg gegen die Türken von den deutschen Fürsten nicht erwidert wurden: „Aus Deutschland dagegen nur Lethargie und Widerstand!“ (Tewes, a.a.O., ) – konstatiert Tewes nach Durchsicht der Kurialbreven. Stattdessen wandte sich Calixt den mehr Unterstützung versprechenden Gebieten Italiens, Frankreichs und Spaniens zu (Tewes, a.a.O., ).  Raynaldus, Annales ecclesiastici, , Nr. ,  f.  Von Pastor berichtet davon, dass Calixt III. Kreuzzugsprediger und Türkenzehntsammler nach Spanien, Deutschland, Portugal, Polen, Dalmatien, Norwegen, Dänemark, Schweden, Schottland und Irland entsandte (Pastor, Geschichte der Päpste, ).  „Vom heil.Vater war darauf neuerdings ein Cardinallegat in Teutschland aufgetreten, der eine Menge Kreuzprediger mit sich geführt, welche, sobald sie den teutschen Boden betreten, gleich Bienenschwärmen, aller Orten sich angelegt, in Märkten und Dörfern das Zeichen des hl. Kreuzes errichtet, und den Leuten Lappen in Form des Kreuzes auf die Kleider genäht und geheftet hatten.“

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Papst durch ein Breve³⁶ am 20. September 1455 den Erzbischof von Trondheim (Norwegen), den aus Koblenz stammenden Dominikaner Heinrich Kalteisen (um 1390 – 1465)³⁷, mit der Kreuzzugswerbung beauftragt.³⁸ Kalteisen sollte die Kreuzzugspropaganda organisieren und andere Prediger zu Kreuzzugspredigern ernennen. Er selbst predigte vor allem in Österreich und Süddeutschland, zuletzt auch in seiner rheinischen Heimat. Hermann Degering schließt aus einer Dan-

(aus: Carl Theodor Gemeiner, Stadt Regensburgische Jahrbücher vom Jahre  bis zum Jahre  aus der Urquelle, den Königlichen Archiven und Registraturen zu Regensburg [Regensburg ], ).  Diplomatarium Norvegicum ,, Nr. ,  f.  Vgl. über ihn: Reinhard Tenberg, Art. Kalteisen, Heinrich OP, in: BBKL III (),  f.; Pastor, Geschichte der Päpste, ; Hermann Degering, Zur Geschichte und Sprache der Türkenbulle, in: Paul Schwenke (Hg.), Die Türkenbulle Papst Calixtus III. Ein deutscher Druck von  in der ersten Gutenbergtype, Seltene Drucke der Königlichen Bibliothek zu Berlin  (Berlin ),  –  und Paulus, Geschichte der Päpste,  ff.  Die Erzählung von der Predigttätigkeit des Kreuzzugspredigers Heinrich Kalteisen gibt der Regensburger Stadtchronist Carl Theodor Gemeiner aus dem Ratsbuch der Stadt „beinahe wörtlich“ wieder: „Es war aber schon früher, nämlich am Ertag nach Georgi dieses Jahrs, der ehrwürdig Herr Heinrich Kalteisen, Doctor, Prediger, Ordens, Erzbischof zu Nydrosen in Norwegen, von Coblenz gebürtig,vor dem Rath gekommen, nachdem er am Sontag zuvor im Dom eine Predigt des Kreuzes, und zwei in seines Ordens Kloster bei den Dominikanern gehalten hatte […] Als ermahne er, wie ihm befohlen sei, den Rath der Stadt, dem heil. Vater, Pabst Callistus, gehorsam zu seyn, damit dem Türken Widerstand werd. Denn ihm bedünke, daß mit dem Anschlag, als der vorgenommen sey, unsern Seelen nicht genug beschehe. Es hätten die Hungarn  Mann Hülfe begehrt, damit sie mit Gottes Hülfe den Türken wohl aufhalten wollten, nämlich  Mann zu Fuß und  zu Pferd. […] Der Türk habe  Mann. Er ermahne daher die Herren vom Rath in der Kraft des heiligen Geistes mehr und über Vermögen zu thun. […]“ Gemeiner stellt resümierend über den Erfolg der Predigt Kalteisens fest: „Aber den Einwirkungen der Kreuzpredigten war schwerer Einhalt zu thun. So wenig der Redner zum Herzen zu reden vermochte, so wurde doch allenthalben der große Volkshaufe durch die Geberden des bald in Thränen zerfließenden, bald von wahrer Wuth ergriffenen Kreuzpredigers bethört und veranlaßt, dem aufgerichteten Kreuz zuzulaufen, und unter demselben den Feinden des Gekreuzigten ewige Rache zu schwören. Eine Menge solcher tollkühner Haufen kamen, von einem Fahnenträger angeführt, von allen Enden nach Regensburg, um sich hier einzuschiffen.“ (Gemeiner, Regensburgische Jahrbücher,  f.). Vgl. hierzu auch den Bericht über die Tätigkeit Kalteisens in Nürnberg, in: Bayerische Akademie der Wissenschaften / Historische Kommission (Hg.), Die Chroniken der fränkischen Städte, Bd. , Nürnberg, CDtS  (Göttingen, . Aufl., ), ,  – : „Item  jar kom gen Nurmberg ein cardinal zum heiltum nach ostern und prediget auf dem Newen spital kirchof und andern enden, auch zu den predigern, von den Türken, wie sie die cristenhait so ser wolten drücken, und verkundet vergebung aller sünd von pein und schuld, wer das creutz an sich neme oder wer steur und hilf darzu geb.“ Auch Hasso Pfeiler, Das Türkenbild in den deutschen Chroniken des . Jahrhunderts, Diss. masch. (Frankfurt / Main ),  –  verweist auf Kalteisens Wirksamkeit im Spiegel der Chroniken des . Jahrhunderts.

2.2 „Alle tag umb zwölff Uhren“ – Die Türkenglocke

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kesbulle³⁹ des Papstes an Kalteisen vom 7. Januar 1457, dass dieser mindestens das gesamte Jahr 1456 als Kreuzzugsprediger aktiv war. Wohl unter dem Eindruck der bevorstehenden Belagerung Belgrads (4.– 22. Juli 1456) ließ Papst Calixt III. am 29. Juni 1456 eine Bulle⁴⁰ an alle Patriarchen, Erzbischöfe, Bischöfe, Äbte und ihre Gemeinden ausgehen, die Ablass auch denen versprach, die „geistlich“ gegen die Türken kämpften. Schließlich meinte man, die Gebete des Heiligen Vaters hätten die Niederlage der Osmanen in Belgrad bewirkt.⁴¹ Der Papst verfügte, dass in allen Städten und Dörfern zwischen Non und Vesper eine bzw. mehrere Glocken, ähnlich dem abendlichen Ave-Maria-Läuten, drei Mal geläutet werden sollten. Währenddessen sollten drei Vaterunser und drei Ave Maria auf den Knien gebetet werden, um dafür maximal 100 Tage Ablass zu erhalten. Außerdem verfügte Calixt III., dass am ersten Sonntag jedes Monats eine Prozession gegen den Erbfeind zu halten sei, bei der die Prediger das Volk erbauen und ermahnen sollten, die Zuversicht auf Gott zu richten. Auf diese Weise sollten nun auch zum Kreuzzug Untaugliche, insbesondere Mittellose und Frauen, in den Kampf gegen das türkische Heer einbezogen werden, um für eine höhere Akzeptanz der Kreuzzugsidee im Allgemeinen und den Türkenzehnt im Besonderen zu werben.⁴²

 Diplomatarium Norvegicum ,, Nr. ,  f.  Raynaldus, Annales ecclesiastici, , Nr. .  Vgl. hierzu die Äußerungen in katholischen Türkenpredigten: „Platina achtet Calixtus der drit hab mit seinem gemeinen gepet so (wie oben gesagt / aus seinem befelch über all beschehen) umb got erworben den grossen wunderbarlichen sig / so die Christen / der selben zeit wider den Türcken gehabt haben bey Kriechischen weyssenburg / Cassanus hat auch / nach dem sig / dem Calixto / der jm zum kriegen bewegt het solchs bekent unn zu geschrieben.“ (Kretz, Sermon, Ar). S. hierzu auch Neubeck, Zwo Christliche Sieg und LobPredigten, v: „Als zur zeit Bapst Calixti III. Anno Domini . Usumcassanus ein Künig in Persien und Armenien wider den Türcken gekriegt / ansehnliche Sieg gar offt erobert / und dem Türcken vil schaden zugefügt / solle er zu dem Bapst geschriben haben / er habe zwar die Victori / aber durch das Gebet / so der Bapst zu Gott dem Herrn than / erhalten / deßhalben er dem Römischen Bischoff gedanckt / mit vermelden / daß er solcher wolthat / welche mehr Göttlich dan Menschlich wölle ingedenck sein.“  Vgl. hierzu Degering, Geschichte, bes.  f.  erschien ein Gutenberg-Druck der Bulle in deutscher Übersetzung. Degering kommt aufgrund sprachlicher Analysen zu dem Schluss, dass der Übersetzer „in einem Kreise zu suchen [sei], der Predigt und kirchliche Propaganda als Lebensaufgabe betrachtete […]“ (Degering, a.a.O., ) und man „mit ziemlicher Gewißheit“ davon ausgehen könne, dass Heinrich Kalteisen selbst die Übersetzung vorgenommen hatte (Degering, a.a.O., ). Zusammen mit dem sog. Türkenkalender aus dem Jahre  (Eyn manung der cristenheit widder die durken, Mainz ), der ebenfalls in Gutenberg-Type gedruckt wurde, stellt die deutsche Übersetzung der Bulle einen der ersten bekannten deutschsprachigen Drucke aus der Gutenberg-Presse dar.

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2 Reichspolitik und Kirche

Das heute noch vielerorts als 12-Uhr-Läuten bekannte Glockengeläut wurde mit der Türkenbulle Calixts III. institutionalisiert. In Gebrauch war das Mittagsläuten wohl schon vor der Bulle gewesen, wie Sieber-Lehmann zumindest für Gebiete Oberdeutschlands und der Eidgenossenschaft nachgewiesen hat.⁴³ Allerdings diente es hier wohl noch nicht der Türkenabwehr. Der Papst nahm das bekannte Brauchtum auf und definierte seine Bedeutung neu. Dass den Menschen die Verbindung von Glockengeläut und Türkengefahr bewusst war, kann aufgrund der umfassenden Propaganda Calixts III. angenommen werden.⁴⁴

2.2.2 Das Türkenläuten in den evangelischen Kirchenordnungen und Türkenpredigten Infolge der Belagerung und anschließenden Eroberung Belgrads (1521) erinnerte man sich 1522 wieder an die über ein halbes Jahrhundert zurückliegenden Bestimmungen Papst Calixts III. hinsichtlich der Türkenglocke. Erneut rief man nun das mittägliche Läuten als Ermahnung zum Gebet gegen die Türken ins Bewusstsein der Menschen.⁴⁵ In die Reichsabschiede, obrigkeitlichen Erlasse und Kirchenordnungen hielten die Anordnungen zum Läuten der Türkenglocken – wohl als Reaktionen auf die Eroberungen Ofens (1541) und Szigets (1566) – aber erst später flächendeckend Einzug.⁴⁶ Dem Erlass des Speyerer Reichstages vom April 1542 kam z. B. Joachim von Bieberstein in seiner Kirchenordnung nach, der auf allen Kanzeln verlesen ließ, man solle mittwochs und freitags fasten und Gott bitten, dass er Glück und Sieg wider „den Türken“ bringe. Außerdem sollte mittags die große Glocke geläutet werden. Musik, Tanz, Spiel und Alkohol wurden aufs Schärfste untersagt.⁴⁷

 Claudius Sieber-Lehmann, „Teutsche Nation“ und Eidgenossenschaft, in: HZ  (),  – , hier: ; zu derselben Einschätzung kommt auch: Georg Schreiber, Deutsche Türkennot und Westfalen, in: WF  (/), S.  – ,  und ders., Das Türkenmotiv und das deutsche Volkstum, in: Volk und Volkstum: Jahrbuch für Volkskunde  (),  – , hier: .  So auch Sieber-Lehmann, „Teutsche Nation“,  f., der außerdem das Beispiel des Festes der Verklärung des Herrn anführt, um auf ein bestehendes Brauchtum hinzuweisen, das nachträglich in den Dienst der Türkenpropaganda gestellt wurde (ebd.).  DRTA.J.R., Bd. , , –  (s.o. Abschn. ..). Ernst Walter Zeeden wies darauf hin, dass die „vorreformatorischen Gewohnheiten […] des Ave-Läutens“ (gemeint ist das Türkenläuten) in den meisten Gegenden gebilligt wurden, aber häufig nicht unumstritten waren: Ernst Walter Zeeden, Konfessionsbildung. Studien zur Reformation, Gegenreformation und katholischen Reform, SMAFN  (Stuttgart ), .  S. hierzu o. Abschn. ..  EKO III,  f.

2.2 „Alle tag umb zwölff Uhren“ – Die Türkenglocke

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Als Reaktion auf die Eroberung Szigets und die Bestimmungen des Reichstages in Augsburg 1566 wurden flächendeckender als je zuvor, häufig mittags um 12 Uhr⁴⁸, die Türkenglocken geläutet: So beispielsweise im Herzogtum PfalzZweibrücken⁴⁹, Kursachsen⁵⁰ und Vorderösterreich⁵¹, wo Erzherzog Ferdinand durch ein Mandat das Läuten der Glocke in allen Pfarreien anordnete. Im Februar 1588 wurde in der Grafschaft Hohenlohe unter Graf Wolfgang zunächst ein täglicher Gebetsgottesdienst aus Anlass der Besetzung der Grafschaft Mömpelgard durch Truppen des Herzogs von Lothringen eingeführt.⁵² Am 28. Februar schrieb Wolfgang an die Grafen von Neuenstein, Langenburg und Waldenburg, dass er gewillt sei, in seinem Herrschaftsgebiet täglich um 12 Uhr die Betglocke läuten zu lassen und zeitgleich dazu Lied und Gebet zu verordnen. Das tägliche Gebet sollte auch im Falle der Befreiung aus der Not aus Dankbarkeit erfolgen.⁵³ Hofprediger und Türkenprediger Johann Assum hatte auf Geheiß Graf Wolfgangs ein Bedenken verfasst, „ob die christliche Obrigkeit in der Notzeit eine bestimmte Stunde den Untertanen zum gemeinsamen Gebet in der Kirche be-

 Der lutherische Pfarrer Johannes Paul Sutorius erwähnt, dass auf der Oberen Sülzburg, in der Nähe von Neumarkt in der Oberpfalz, bereits morgens um sieben Uhr die Türkenglocke geläutet wurde „und als balden darauff die woche uber teglichs umb die bestimmte uhr die Betglocke in der Obern S. Michaelis Pfarrkirchen geleuttet unnd jedermenniglich zum Gebet wider den Türken angemahnet worden“ sei (Sutorius, Acht Christliche […] Predigten, r).  EKO XVIII, : „…wie man vor ettlich jharen unnd vieleicht noch zu ailff uhren geleutet, das solchs nun hinfurtter biß uff weittern beschaidt nitt mehr zu ailff, sonder zu zwelff uhren zu mittag geschehe.“  Befehl und Ermahnung churfürsts Augusti zu Sachsen zu einem stillen Leben, wegen Einfall des Türcken, auch von Religions-Gezänck daraus abzustehen, den . Junii Anno , in: Johann Christian Lünig, Codex Augusteus, Sp.  (vgl. hierzu auch: EKO I, , S.). Es handelt sich hierbei um einen Bericht über die beim Reichstag beschlossene Türkensteuer. Das ruchlose und sündhafte Leben erfordere Buße, weshalb Seelsorger und Pfarrer ein moralisch einwandfreies Leben führen sollten. Täglich um  Uhr sollte in Städten und Dörfern die Glocke geläutet werden. In Städten sollte mindestens zwei Mal, in Dörfern ein Mal die Litanei gebetet und gesungen werden.  Mandat abgedruckt in: Schilling, Einführung der Türkenglocke, : „Unnd das auch bey allen Pfarrkirchen, Täglichen zuo Mittag zeit umb zwelf Ur, mit der grossen Gloggen, ain besonder zaichen geleüt werde, darunter ein Jeder Mensch, Jung und Alt, es sey zuo Kirchen, oder Straß, zuo Hauß, oder auf dem Veld […] die solches leüten begreyfft, mit gepogenen Knyen, in erkandtnus Rew und absteen der Sünden, mit aller andacht und innigkait, den Almächtigen umb seines geliebten Sons […] dancksagen, und verrer mit andechtigem Christenlichem gebet, zuo Gott rüeffen und bitten, das sein Allmechtigkait seinen gerechten zorn, straffen und plagen, von seiner Christenhait gnediglichen abwenden […].“  EKO XV, .  EKO XV, .

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2 Reichspolitik und Kirche

fehlen dürfe“⁵⁴. Gräfin Anna hatte in Neuenstein bereits zu Beginn des Monats Andachten „zur zeit der kriegsleuf und feindesnot“⁵⁵ angeordnet und das Läuten der Glocken auf 12 Uhr festgesetzt, das zu Gebet und Kirchgang ermahnen sollte.⁵⁶ Als Reaktion auf den „Langen Türkenkrieg“ wurden die Bestimmungen von 1588 schließlich erneut ins Gedächtnis gerufen und im Jahr 1594 das tägliche Läuten einer Türkenglocke und das Abhalten von Türkengebeten in der Grafschaft verfügt.⁵⁷ Nachdem im Sommer 1593 das Osmanische Reich den Habsburgern den Krieg erklärt hatte, wurde ebenfalls in Görlitz am 24. Oktober 1593 verfügt, dass täglich um 12 Uhr die Türkenglocke geläutet und alles Musizieren und Tanzen eingestellt werden sollte.⁵⁸ Auch in Münster, so weiß Georg Schreiber aus einem Protokoll des Domkapitels zu berichten⁵⁹, wurde am 22. Januar 1594 beschlossen, dass täglich um 12 Uhr die Türkenglocke zu läuten und das Volk zum Gebet in Predigten zu ermahnen sei. Ebenso finden sich in den Türkenpredigten Hinweise über den Brauch der Türkenglocke.⁶⁰ Die Prediger mahnten häufiger die Ernsthaftigkeit des Gebets während des Läutens der Türkenglocken an und empfahlen, von ihnen vorfor-

 EKO XV, .  A.a.O., .  Befehl an die Kirchendiener wegen eines Gebets in den Gottesdiensten und des täglichen Gebets vom . Februar  (EKO XV,  – ): „Und nachdem wir auch unsern ambtsdienern bevelch zukommen laßen, teglichen umb zwelf uhrn zu mittag ein glocken zur anmahnung zum gebett leuten zu laßen, auch ernstlichen daran zu sein, das zum wenigsten auß jedem haus ein person sich, sobald man außgeleutet, zur kirchen verfugen, aldo dem gemeinen psalmen und gebett mit andacht beywohnen solle […].“ (a.a.O., ). Der erwähnte Befehl nimmt Bezug auf den „Befehl an die Amtsdiener wegen der Freitagspredigten, des täglichen Gebets und der Abschaffung von Fressen und Saufen vom . Februar “, in: EKO XV,  f.  Befehl an die Kirchendiener wegen Läutens der Türkenglocken und des täglichen Gebets vom . August  (EKO XV,  – ) und Befehl an die Amtsdiener wegen Läutens der Türkenglocken, des täglichen Gebets und der Abschaffung von Fressen und Saufen vom . August  (a.a.O.,  f.).  Vgl. hierzu: EKO III,  und Edmund Brückner, Die Glocken der Oberlausitz, in: Neues lausitzisches Magazin  (), : „Am . Oktober  wurde in der Kirche St. Petri (zu Görlitz) verkündet, daß man von dannen täglich um  Uhr vor Mittags die Glocke zum Türkengebete läuten und alles musiciren sambt dem tanzen einhalten würde. Als man nu folgenden Montag um ¾ auf  die Türkenglocke, nemlich mit der Alten Susanna, zum Gebet geläutet, ist der Klöppel gesprungen.“ (zitiert nach: Annales Sculteti [Lus I ] – Manuskript in der Bibliothek der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften).  Schreiber, Türkennot, .  S. hierzu z. B. Brenz (Brenz / Coccius, Zwo und zwaintzig Predig, Av), der seine Predigten an diejenigen richtete, „die als sonderlich person / daheym bleiben / und mit der glocken zusamen in die Kirchen zu gemainem gepet berufft und versamelt werden.“

2.2 „Alle tag umb zwölff Uhren“ – Die Türkenglocke

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mulierte Gebete zu sprechen. So forderte beispielsweise der lutherische Pfarrer Friedrich Mütel alle Familien auf, täglich beim Klang der Türkenglocke Erhalt uns Herr bei deinem Wort und Verleih uns Frieden zu singen. Danach sollte ein Gebet wider „den Türken“ und ein Vaterunser folgen.⁶¹ Im Anhang der Predigten finden sich sodann auch zwei Gebete Mütels⁶², wovon das erste täglich beim Klang der Türkenglocke, das andere im Feldlager gelesen werden sollte. Auch der Jenaer Theologieprofessor Georg Mylius schärfte Buße und Gebet gegen die Türken ein und kritisierte, dass man häufig nur zwei Mal pro Woche die Türkenglocke läuten würde.⁶³ Auch Barthololomäus Horn, Hofprediger in Altenbruchhausen, kritisierte die distanzierte Haltung seiner Gemeinde zur Türkenglocke: Dies Jenaer seien der Ansicht, „[m]an solte die Leute fur der Zeit nicht unnötiger weise mit den Glocken schlagen / und Türcken gebeten so furchtsam / kleinmütig unnd verzagt machen / und erschrecken / die Noth ist noch so gros nicht / die Pfaffen fürchten jhrer Haut / die Obrigkeit jrer Lande und Herrschafft.“⁶⁴ Außerdem verspreche man sich in der Bevölkerung wenig Erfolg von der Einrichtung des Glockengeläuts gegen die Türken und man sei der Ansicht, dass „der Türcke wird fur unserem Glocken leuten und Beten / nicht sehr erschrecken / noch viel danach fragen.“⁶⁵ Demgegenüber betonte Horn die Macht des Gebets zur Besänftigung von Gottes Zorn. Gleich wie „die Kinder den zornigen Eltern mit jhrem Gebete die Ruthe aus der Handt nehmen / und Jhnen das Hertze erweichen und abgewinnen / das jhrer straffe verschonet wird […]“⁶⁶, werde auch Gott nicht unbeeindruckt von den innigen Gebeten eines jeden Christen und Hausvaters „so offt er des Morgens / Mittags und Abents / die Türckenglocke schlagen und leuten höret“⁶⁷ bleiben. Kritischer schätzt der Tübinger Kanzler der Universität, Jakob Andreä, das Läuten der Kirchenglocken wider die Türken ein: Sprichstu / Ja wir thuns / dann man leut vermög deß Reichs Abschid all tag ein Glock / dardurch meniglich zum Gebett unnd zu der Buß vermanet werden soll. Aber ich halt daß dise Türckenglock eben so ein grosse Krafft hab / als zum Wetter oder den Todten leutten.

 Brenz / Coccius, Zwo und zwaintzig Predig, Av.  Mütel, Krieg Predigt, Dv ff.  „Hilff Gott / das kalte und lohe beten wider den Türcken / das wir Christen zu grossem theil gebrauchen / das kann nichts ausrichten und schaffen. Denn in der Wochen kaum ein oder zweymal der Türcken glocken / damit wir zum Gebete ermanet werden / wargenommen / wil geschweigen von sich selbst teglich unnd stündlich wider den Tücken gebetet.“ (Mylius, Zehen Predigten, v).  Horn, Trost Spiegel, )(v.  Ebd.  Horn, Trost Spiegel, Ev.  Ebd.

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2 Reichspolitik und Kirche

Dann der grösser theil braucht es zu seinem Abgöttischen Gebett / das sie zu allen Heiligen thun / darmit Gott auff das hefftigst erzürnet würdt / Der ander theil hat sein Gespött / und gehet also fast alle andacht uber unnd mit der Glocken auß. Wir müssen aber liebe Freund / neben diser Türckenglocken ein andere Sturmglocken unsers Hertzens anzihen / nämlich ein wahrhafftige Rew / daß wir recht erkennen / unnd hertzlich berewen alle unsere Sünde / besonders aber die Abgötterey und falschen Gottesdienst / wölcher alle anderen Sünde ubertrifft.⁶⁸

Eine generelle Ablehnung gegenüber dem Brauch des Läutens der Türkenglocken von lutherischer Seite ergibt sich nach Sichtung der Türkenpredigten allerdings nicht. Vielmehr scheinen einige Prediger das institutionalisierte Geläut als Ermahnung zum wachsamen Gebet gegen die Türken verstanden und ihren Gemeinden eingeschärft zu haben. Mit den Verordnungen zum mittäglichen Läuten gegen die Türkengefahr wurde im 16. Jahrhundert also traditionelles Brauchtum wieder aufgenommen. Denn dass weder Papst Calixt III. 1456 noch die Reichstage im 16. Jahrhundert eine völlig neue Institution ins Leben riefen, kann als sicher gelten. Die vielerorts als Betglocke bzw. Pacem-Läuten bekannte Einrichtung des mittäglichen Läutens war in zahlreichen Gebieten längst im Gebrauch. Großartige Bedenken – gerade auf lutherischer Seite – zeigten sich in den Türkenpredigten kaum.Vielmehr schienen die Türkenprediger das Türkenläuten als eine Waffe zum geistlichen Kampf gegen die Türken wahrzunehmen und ihren Gemeinden ans Herz zu legen. Nach Sichtung der Erlasse und Türkenpredigten ist mit Georg Schreiber davon auszugehen, dass das „oberdeutsche Gebiet, auch Schlesien, stärker als der Westen mit dem Brauchtum [der Türkenglocke] verbunden“⁶⁹ waren. Hinzuzufügen sind dieser Auflistung noch Kursachsen und Böhmen⁷⁰, wo ebenfalls von obrigkeitlichen Erlassen zum Läuten der Türkenglocke berichtet wird.

2.3 „Mit dem Gebet wider den Feind streiten“ – Türkengebete Mit dem Läuten der Türkenglocken wurde die Bevölkerung von den weltlichen und kirchlichen Obrigkeiten sowie von den Pfarrern selbst dazu aufgefordert, „mit dem Gebet wider den Feind [zu] streiten“⁷¹. Der in Folge des Augsburger Religionsfriedens 1555 hervorbrechende und von Winfried Zeller konstatierte „neue Typus

   

Andreä, Dreyzehen Predigen, . Schreiber, Türkennot, . Vgl. hierzu die Türkenpredigt von Mütel, Krieg Predigt, Er. Flurer, Das Lied Mosis, Av.

2.3 „Mit dem Gebet wider den Feind streiten“ – Türkengebete

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der Gebetsliteratur“⁷² lässt sich in besonderem Maße auch für die Publikation von Gebeten wider „den Türken“ feststellen.⁷³ Das obrigkeitliche Verordnen dieser Gebete nahm diese frömmigkeitsspezifische Tendenz auf und verstärkte sie. Die Folge war ein rasanter Anstieg von edierten Türkengebeten in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts.⁷⁴ Carl Johann Cosack sah am Ende des 19. Jahrhunderts in den Türkengebeten des 16. Jahrhunderts ausgesprochen, „was in einer großen allgemeinen deutschen Christenangelegenheit […] Ansicht und Meinung, Sorge und Angst, Trost und Hoffnung war […].“⁷⁵ Wie im von Papst Clemens VIII. 1592 angeordneten 40-stündigen Gebet gegen die „Häretiker und […] Türken“ zu sehen,⁷⁶ rief auch die römische Kirche zum geistlichen Kampf gegen den „Erbfeind“ auf. Allerdings fanden explizite Türkengebete v. a. in den evangelischen Kirchen Verbreitung. Anschaulich wird dies an der großen Anzahl der Einzeldrucke von verordneten Türkengebeten in den protestantischen Territorien und den zumeist ebenfalls evangelischen Türken-

 Winfried Zeller, Der Protestantismus des . Jahrhunderts, KlProt  (Bremen ), XXI.  Einen umfangreichen und detaillierten Einblick in die schier unerschöpfliche Literatur der Türkengebete hat bereits Carl Johann Cosack, Zur Literatur der Türkengebete im . und . Jahrhundert, in: Bernhard Weiss (Hg.), Zur Geschichte der evangelisch ascetischen Literatur in Deutschland (Basel / Ludwigsburg ),  –  geliefert.  Bartholomäus Horn berichtete in seiner Vorrede „An alle Christliche / Gottselige / fleissige Leser“ von der gewaltigen Menge an Gebeten, welche er in Vorbereitung auf die Drucklegung seiner Predigten rezipiert und darin eingearbeitet hatte: „Bin ich erpötig / vermöge des H. Geistes regierung / hülffe und beistand / und wo ich durch fromer Christen befördrung und Handreichung zu den unkosten rathen kan / euch nach dieser zeit auch einen geistlichen Krieg und Streit / sampt Weren und Waffen der Christen wieder den Türcken (das ist neben den Psalmen Davids […] Auch die vornemsten . andechtigen Beichten / Krieges gebete / und Dancksagungen fur erhaltenem Sieg / so in H. Göttlicher schrifft zu finden / unn noch andere . Türcken gebete Alte und Newe / uber dz noch . Collecten / oder kleine und kurtze Gebetlein (derer in Summa .) welche in der Christenheit hinn und wider in diesen geferlichen und betrübten Zeiten […] täglich gesprochen und gelesen werden / und ich alls aus . ausgetruckten […] Autoribus / vielen Kirchen und Betordnungen / Betebüchern / und zeitungen so viel ich derer zukeuffen und durch zulesen hab bekommen können […]) durch den offenen druck mit zuteilen / in die Hende und fur augen zustellen.“ (Horn, Trost Spiegel, ()v-()r).  Cosack, Türkengebete, .  Papst Clemens VIII. hatte in der Bulle Graves et Diuturnae im November  ein -stündiges Gebet „zur friedlichen Beilegung der in Frankreich ausgebrochenen Unruhen und zur Abwendung der schweren Drangsale, welche der Kirche von Seiten der Häretiker und der Türken drohten“ angeordnet (Kraft, Gebet, vierzigstündiges, in: Heinrich Joseph Wetzer / Benedikt Welte [Hgg.], Kirchen-Lexikon oder Encyklopädie der katholischen Theologie und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. , Felix-Heimsuchung [Freiburg/Breisgau ],  f.).

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2 Reichspolitik und Kirche

gebetbüchern, sodass in diesem Abschnitt vorrangig die protestantische und größtenteils deutschsprachige Türken-Gebetsliteratur Beachtung finden soll.⁷⁷

2.3.1 Martin Luthers Vermahnung zum Gebet wider den Türken (1541) und Vermahnung an die Pfarrherrn in der Superattendenz Wittenberg (1543) Unter dem Eindruck des Todes des ungarischen Königs Johann Zapolya (1540) und der Eroberung Ofens durch die Truppen des osmanischen Heeres 1541 verfasste Martin Luther auf Veranlassung Kurfürst Johann Friedrichs seinen Traktat Vermahnung zum Gebet wider den Türken, den er bei Nickel Schirlentz in Wittenberg⁷⁸ herausgab. Vermutlich am 8. September desselben Jahres hatte der Kurfürst ein Schreiben an Luther und Bugenhagen adressiert, in dem er sie zunächst über die politische Entwicklung in Ungarn informierte und aufforderte, aus diesem Grund nun die Prediger zu Predigten und Gebeten wider die Türkengefahr anzuhalten: „[…] so begern wir mit sonderlicher genedigem vleiß, Jr wollet den predigern in vnserm churfurstenthumb zu Sachsen, in Eur superatendenz gehorig, furderlich vnd vnuorzuglich beuelhen, das sie das volk in allen predigten zu dem gebete obberurter des Turken furstehenden nodt vnd tirannisch handelung halben mit hochstem ernst wollen ermanen […].“⁷⁹ Ein Brief Luthers an Wenzeslaus Link⁸⁰ vom selben Tag ähnelt inhaltlich schon zu großen Teilen der Vermahnung, deren

 Auch in folgenden Türkenpredigtreihen finden sich Gebete wider „den Türken“: Roth, Fünff Türckenpredigten, Gv-Gv; Gigas, Vom Türcken und Sterben, Er-Ev; Praetorius, Handbüchlein, Bv-Cr; Heidenreich, XII. Turcken Predigten, Cr-Cr; Er-Er; Gr-Gr; Ir-Ir; Kv-Kr; Lr-Lr; Mv-Mr; Nv-Nr; Ov-Ov; Pv-Pr; Qv-Rv; Sr-Sr; Fabricius, Türcken Predigt, Cv-Cr; Mütel, Krieg Predigt, Dv-Dv; Sutorius, Acht Christliche […] Predigten, v-v; Lauch, Ein und Dreißig Türcken Predigten, Vv-Vr.  Martin Luther, Vermanunge zum Gebet / Wider den Türcken, Wittenberg: Nickel Schirlentz, , Ex. BSB München Asc. r, VD  L ; für die Zitation wird die Edition der WA herangezogen: WA ,  – . Instruktive Erläuterungen zu Luthers Vermahnung finden sich bei: Johannes Ehmann, Luther, Türken und Islam. Eine Untersuchung zum Türken- und Islambild Martin Luthers ( – ), QFRG  (Gütersloh ),  – ; Martin Brecht, Luther und die Türken, in: Bodo Guthmüller / Wilhelm Kühlmann, Europa und die Türken in der Renaissance (Tübingen ),  – , hier:  – ; Mark U. Edwards, Luther’s Last Battles: Politics and Polemics  –  (Leiden ),  – ; Peter von der Osten-Sacken, Martin Luther und die Juden: neu untersucht anhand von Anton Margerithas „Der gantz Jüdisch glaub“ (/) (Stuttgart ),  –  und Eduard Simons, Die evangelische Buß- und Bettagsfeier in Deutschland bis zum dreißigjährigen Krieg, in: Philothesia. Paul Kleinert zum . Geburtstag (Berlin ),  – , hier:  – .  WA.B , Nr. , , – .  WA.B , Nr. ,  – .

2.3 „Mit dem Gebet wider den Feind streiten“ – Türkengebete

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kurfürstlicher Auftrag zur Publikation den Reformator jedenfalls später erreicht haben muss.⁸¹ Die Fertigstellung des Traktats wird allgemein um den 25. September 1541 veranschlagt, an dem Luther einen Brief an den Pirnaer Superintendenten Anton Lauterbach verfasste, in dem er z. B. die Feinde des Evangeliums – genau wie in der Schlusspassage der Vermahnung – nach Gen 6,4 als „Nephilim“ bezeichnete.⁸² Bereits 1539 hatte Luther Ein Vermanung D. Martini an alle Pfarrhern ⁸³ herausgegeben, in der er schon vor dem Zorn Gottes in Gestalt der Türken gewarnt und zum Gebet aufgerufen hatte: „So sey from unnd bete,wer da kan, das Gott die hand nicht abethu und uns bezemen lasse, nach verdienst unser beiderseit schweren sunden.“⁸⁴ In der Vermahnung von 1541 prangerte Luther zunächst die vermeintlichen Ursachen für die unüberwindbare Stärke des türkischen Heeres an: Seine Schelte richtete sich gegen die „boese[n] Secten und Ketzerey […], als Muentzer, Zwingeler, Widerteuffer und viel mehr“⁸⁵, weiterhin kritisierte Luther Geiz und Wucher⁸⁶, die in allen gesellschaftlichen Schichten zu beklagen seien.⁸⁷

 Überhaupt scheint Luther die kurfürstliche Nachricht über die Niederlage der Truppen in Ungarn nicht überrascht zu haben – seine Briefwechsel im August und September  zeugen davon.Vgl. z. B. Luthers Brief vom . .  an Kammerdiener Georg Weiß, der als Krieger gegen die Türken zog, was bei dem Reformator auf größte Skepsis stieß (WA.B , Nr. ,  f.) oder Luthers Brief an Justus Jonas vom . . , in dem er besorgt mitteilte: „Ex Hungaria tamen scribitur, nostros vicissim diripuisse oppidum Turcis et Ungaris adversariis plenum, et ipsum tyrannum adventare incredibili exercitu.“ (WA.B , Nr. , , hier: Z.  – ).  WA.B , Nr. ,  f., hier: , – : „De Turca, ut video, audisti omnia illa tristia, et verum dicis, Apud nos patimur Turcas satis intolerabiles, Heintzios, Meintzios, Vsurarios, Niphleos.“ Vgl. hierzu die Passage der Vermahnung: „Und gleich wie sie itzt singen: ‘Wo ist nu ewer Gott’, Wollen wir widerumb ein mal singen: Wo ist nu Meintz, Heintz, Georg und jre Gesellen. Des gleichen wil ich und kan auch nicht getroestet haben unsere Niphlim, die Tyrannen,Wucherer und Schelmen unter dem Adel […]“ (WA , , – ). Vgl. hierzu auch die Einleitung zur Vermahnung (a.a.O., ) und Ehmanns detaillierte Ausführungen zum Abfassungszeitraum der Schrift (Ehmann, Luther, Türken und Islam,  – ).  WA ,  – .  A.a.O., , f.  WA , , – .  Schon  hatte Luther in seinem Traktat An die Pfarrherrn wider den Wucher zu predigen (WA ,  – ) Prediger dazu aufgefordert, den Wucher auf den Kanzeln zu kritisieren und diesen als die größte Sünde überhaupt entlarvt: „Und so man die Strassenreuber, Moerder oder bevheder redert und koepffet, Wie viel solt man alle Wucherer Redern und Edern, Und alle Geitzhelse veriagen, verfluchen und koepffen, sonderlich die, so mutwillige theurung stifften, wie itzt Adel und Baur thun auffs aller mutwilligst.Wolan las sie faren, und sihe du, Pfarrherr, zu,wie droben gesagt, das du dich jrer sunden [n]icht teilhafftig machest, Lassest sie sterben wie die hunde, und den Teuffel fressen mit leib und seele, Lassest sie nicht zum Sacrament, zur Tauffe, noch zu einiger Christlichen gemeinschafft. Denn wird eine plage uber deutsch land gehen, als nicht lange kan

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Zudem sei das Kammergericht, die „Teuffelshure“⁸⁸, parteiisch und der Wucher nehme überhand. Dass lutherische Pfarrer aufgrund ihrer praktizierten Sittenkritik verfolgt worden seien, beklagte der Reformator aufs Schärfste und wandte sich entschieden gegen die Vorwürfe, diese seien vom Geiz besessen.⁸⁹ Luther sah sich selbst in der Position des Propheten, der schon seit langer Zeit auf die Missstände hingewiesen und vor einer Bestrafung durch die Türken gewarnt hatte.⁹⁰ Auf die Frage, was man gegen „den Türken“ ausrichten könne, antwortete Luther pragmatisch knapp: „Nemlich, das man […] Gott anfienge zu furchten und auff seine guete zu trawen.“⁹¹ Dabei sei „der Tuerck auch unser Schulmeister und mus uns steupen und leren, Gott furchten und beten, sonst verfaulen wir gantz in sunden und aller sicherheit, wie bisher geschehen.“⁹² Klagen sei aussichtslos, allein Buße und Besserung des Lebens sollten wirksame Waffen sein. Dazu hielt er Pfarrer und Prediger an, ihre Gemeinden zu ermahnen und die Laster und Sünden zu strafen, denn „rechte Christen hoerens gern, das man sie schilt und strafft mit Gottes wort.“⁹³ Auch die Heerprediger sollten die Soldaten ermahnen, das Lästern zu unterlassen und stattdessen das Vaterunser und das Credo zu beten.⁹⁴ Neben der Vermahnung zur Buße war das Gebet die zweite Aufgabe der Prediger. Sowohl sie selbst als auch das Volk sollten im Gebet Gott um Vergebung

nach bleiben, So wird Geitz und Wucher die heubt tod sunde sein, darumb wir alle werden leiden mussen Gottes zorn und rute, darumb das wir solche verdampte leute bey uns gelidden, nicht gestrafft noch geweret, sondern mit jnen gemeinschafft gehabt haben.“ (WA , , – ,; Hervorhebung D.G.).  WA , .  WA , ,.  WA ,  f.  WA , . Auch in Luthers Vermahnung an alle Pfarrherrn von  hatte er auf seine eigenen Prophezeiungen verwiesen: „Jst derhalben an alle Pfarhern (damit ich das meine thu) gar gutliche bitte, wolten jr volck treulich vermanen, und jnen mit vleiß diese zwo ruthen Gottes furbilden, damit sie sich fuerchten und frommer werden, denn es ist kein schertz, und mir grauet ubel fur unsern Sunden, Bin auch nicht gern Prophet, Denn es pfleget zu kommen gemeiniglich, was ich weissage.“ (WA , , – ).  WA , , f.  WA , , – .  WA , ,.  WA , . Auch in seinem Brief an Kammerdiener Weiß hatte Luther diese beiden eisernen Rationen empfohlen: „So soll ein Krieger sich Gott befehlen und die zwei große Heiligtum ins Herz fassen, das erste den Glauben (Credo), das ander das Vater Unser. Hiemit ist er genug gerüstet geistlich, er sterbe oder bleibe lebendig.“ (WA.B , Nr. , , – ).

2.3 „Mit dem Gebet wider den Feind streiten“ – Türkengebete

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ihrer Sünden bitten. Anschließend an diese Ausführungen folgt ein skizzierter liturgischer Ablauf für einen Gebetsgottesdienst wider die Türken.⁹⁵ Damit aber das Volck zur andacht und ernst gereitzet wuerde durch offentlich Gebet in der Kirchen, Liesse ich mir gefallen, wo es den Pfarherrn und Kirchen auch gefiele, das man am Feiertage nach der Predigt […] den LXXIX. Psalm sunge, ein Chor umb einander, wie gewonet. Darnach trete ein wol gestimpter Knabe fur den Pult in jrem Chor und singe allein die Antiphon oder tract: ‚Domine, non secundum‘. Nach dem selben ein ander Knabe den andern tract: ‚Domine, ne Memineris‘. Und darauff der gantze Chor, Kniend: ‚Adiuva nos, Deus‘. […] Darauff (wo man wil) mag der Leye singen: Verleihe uns frieden, Oder das deudsche Vater unser. Den Lxxix. mocht man abwechseln mit dem xx. Psalm, welcher betet fur die Oberkeit und die, so im Streit erbeiten. Wo aber solch gesang wolt nach der Predigt zu lang sein, kuendte man alles an stat des Jntroitus oder auch wol unter der Communion singen. Solchs were zum offentlichen Gebet (neben der Lytania) Ceremonien auff diese not gnug.⁹⁶

Für das Gebet zu Hause empfahl Luther das Vaterunser oder ein Türkengebet. Dieses beginnt mit einem Schuldeingeständnis des Beters: „Wir haben dir gesuendigt und deine Gebot nicht gehalten etc. Aber du weissest, Allmechtiger Gott Vater, das wir dem Teuffel, Bapst, Tuercken nichts gesuendigt haben, sie auch kein recht noch macht haben, uns zu straffen, Sondern du kanst und magest jr brauchen als deiner grimmigen Ruten wider uns, die wir an dir gesundigt und alles unglueck verdienet haben.“⁹⁷ Der Beter ist davon überzeugt, dass er keine Sünde wider „den Türken“ getan habe, sondern dass dieser ihn verfolge, weil er am Bekenntnis zu Gott dem Vater, Sohn und Heiligen Geist festhalte. Würde man diesen Gott verleugnen, so wäre auch die erlittene Verfolgung beendet und „Teuffel, Welt, Bapst und Tuercke“⁹⁸ würden die „wahrhaft“ Gläubigen in Frieden lassen. Das erlittene Unrecht gelte – dessen ist sich der Beter sicher – eher Gott selbst als den Menschen, ja die Türken „hassen, schlahen und straffen“⁹⁹ ihn. Abschließend ruft der Beter flehend Gott zu: „Darumb wache auff, lieber HERR Gott, und heilige deinen Namen, den sie schenden.“¹⁰⁰ Luthers Gebet überrascht. Die eigene Sündhaftigkeit des Beters wird nur eingangs knapp erwähnt. Größeren Raum nimmt die Aufforderung ein, Gott solle „aufwachen“ und die Feinde bekämpfen, die eigentlich gegen ihn höchstpersönlich ins Feld gezogen seien. Somit setzt das Gebet einen anderen Schwerpunkt als der argumentative Teil des Traktats. Waren vorher noch die sündhaften Laster,

 WA ,  – .  WA , , – ,.  WA , , – .  WA , ,.  WA , ,.  WA ,  f.

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wie Geiz und Wucher, sowie die Zerrissenheit der Christenheit als „Ursachen“ für das Erstarken der Türken benannt worden, findet sich in Luthers Gebet ein reduziertes Schuldeingeständnis. Der Hinweis auf die Bekenntnistreue des Beters und die Bitte um Gottes rettende Hand nehmen weiten Raum ein, sodass der Aspekt der Türken als „Zuchtruthe Gottes“ in den Hintergrund tritt. In den Formulierungen des Gebets zeigt sich m. E. am deutlichsten Luthers apokalyptische Wahrnehmung der eigenen Gegenwart, in der er zum einen sich selbst in die Tradition alttestamentlicher Propheten stellte¹⁰¹ und derart um Gottes Eingreifen in das Weltgeschehen bitten und die Feinde zu göttlichen Feinden stilisieren konnte.¹⁰² Gleichzeitig lässt sich anhand des Gebets Luthers pessimistische Haltung gegenüber einem militärischen Eingreifen gegen die Türken erkennen.Waren schon in den Briefwechseln vor Abfassung des Traktats Luthers Zweifel und Befürchtungen im Hinblick auf den Erfolg des Reichsheeres gegen die türkischen Truppen laut geworden, so schien dem Reformator die Lage nun wohl derart aussichtslos, dass er nur noch um Gottes direktes Eingreifen bitten konnte. Zwei Jahre später verfasste Luther noch einmal auf Veranlassung Kurfürst Johann Friedrichs einen Traktat zum Umgang der Kirchen mit der türkischen Bedrohung. Die zusammen mit Johannes Bugenhagen herausgegebene Schrift verließ als Vermahnung an die Pfarrherrn in der Superattendenz Wittenberg ¹⁰³ 1543 die Offizin Joseph Klugs.¹⁰⁴ Grund war ein erneuter Rückschlag der eigenen Truppen unter der Führung Joachims II. ein Jahr vorher – der Feldzug des Reichsheeres gegen die Türken war vollkommen gescheitert und nach Ausbruch der Pest abgebrochen worden. In Wittenberg war man über die politischen Entwicklungen gut unterrichtet und dementsprechend besorgt. In ihrem Schreiben an die Pfarrer Wittenbergs schärften die beiden Theologen erneut Buße und Gebet wider „den Türken“ ein, da das gut zwei Jahre vorher verordnete Gebet offensichtlich fehlgeschlagen sei, „als das Gott nicht horen wolt, Weil nicht allein kein Busse gefolget ist, Sondern wuchern, stelen, ubersetzen, allerley mutwill in allen

 „Solchs und der art Gebet ist,wie gesagt, aller Propheten,wie du sihest im Jesaia, Jeremia und Psalter, Die jmerdar jre suende Gott bekennen, Aber doch gegen jre Feinde sich unschueldig, ja from, gerecht und heilig sich rhuemen, nicht jrer werck oder suende halben, Sondern das sie den rechten Gott haben, anbeten, anruffen und bekennen.“ (WA , , – ).  So ebenfalls Edwards: „In this Admonition Luther explicitly saw himself, and his fellow pastors, performing the same role as the prophets in the Old Testament […] In all this there was a strong apocalyptic and eschatological undertone. Luther identified the Turk as the beast of Revelation, and he predicted the imminent Day of Judgement.“ (Edwards, Luther’s Last Battles, ).  WA ,  – .  Vgl. hierzu auch: Ehmann, Luther, Türken und Islam,  f.; Edwards, Luther’s Last Battles,  f. und Brecht, Luther und die Türken, .

2.3 „Mit dem Gebet wider den Feind streiten“ – Türkengebete

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Stenden […]“¹⁰⁵. Das Gebet sollte deshalb ohne Unterlass erfolgen, in der Hoffnung, dass sich das Blatt noch wenden werde: „So solt jr auch das Mittags leuten mit der Glocken lassen hinfurt an stehen [sc. unterlassen], Da fur in der Kirchen nach der predigt, da das Volck bey samen, ernstlich beten helffen, und in Heussern auch die Kinder lassen beten.“¹⁰⁶ Diese letzte Schrift Luthers, die sich mit der türkischen Bedrohung auseinandersetzt, wirkt ganz und gar ernüchtert. Der Reformator hatte zusehends die Zuversicht in einen militärischen Sieg gegen die Türken verloren und auch keine Hoffnung mehr auf eine Kehrtwende durch umfassende Buße, sodass er am Schluss der Vermahnung pragmatisch knapp feststellte: „Wer nicht hoeren wil, den wird Gott wider nicht hoeren. Aber wir, so predigen und beten, sind entschuldigt.“¹⁰⁷

2.3.2 Andreas Osianders Unterricht / und vermanung / wie man wider den Türcken peten und streyten soll (1542)¹⁰⁸ Seit der Eroberung Ofens durch die Osmanen im Sommer 1541 hatte der Nürnberger Rat in mehreren Ratsbeschlüssen die Prediger immer wieder aufgefordert, ihre Gemeinden zu Gebeten wider die Türken zu ermahnen.¹⁰⁹ Außerdem verordnete er am 26. April 1542 durch ein Mandat das tägliche Läuten der Türkenglocke zur Mittagszeit in den Kirchen der Stadt, bei dem „ein yegtlicher haußvater / solche erschröckenliche not und obligen gemainer Christenheyt / für sich selbst mit rechtem hertzen bedencken / auch sein Weyb / Kinder und Eehalten zu solchem ernstlichen vermanen“ sollte. Es wurde verfügt, dass „inn einhelligkeyt und rechtem ernst anzurüffen und zu petten [sei]/ das Got der Allmechtig seinen

 WA , , f.  WA , , – .  WA , , f.  Von Osianders Unterricht ist bisher einzig folgender Druck bekannt: Andreas Osiander, Vnterricht vnd vermanung wie man wider den Tuercken peten vnd streyten soll […], Nürnberg: Johann Petreius, , VD  O . Zur Zitation wird die Andreas Osiander Gesamtausgabe zugrunde gelegt: AOG , Nr. ,  – . Zu Osianders Traktat s. auch die Einleitung zur Schrift von Martin Hein (AOG ,  – ) und Ute Monika Schwob, Kulturelle Beziehungen zwischen Nürnberg und den Deutschen im Südosten im . bis . Jahrhundert, BSHK  (München ),  f.  Vgl. die Nachweise für die Ratsbeschlüsse bei: Bernhard Klaus, Veit Dietrich. Leben und Werk, EKGB  (Nürnberg ),  und die Ergänzungen von Gottfried Seebaß, Das reformatorische Werk des Andreas Osiander, EKGB  (Nürnberg ), , Anm. .

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göttlichen […] zorn gnediklichen abwenden / und gemayne Christenheyt von dieses erschröcklichen feinds grausamen tyranney entledigen“ werde.¹¹⁰ Beauftragt vom Rat der Stadt verfassten die beiden Nürnberger Pfarrer Andreas Osiander (1498 – 1552) und Veit Dietrich (1506 – 1549)¹¹¹ ihre pastoraltheologischen Schriften über den Umgang mit der türkischen Bedrohung. Osianders Unterricht und Dietrichs Vermahnung erschienen im Juni 1542 in Nürnberg und entstanden somit nach dem Reichstag in Speyer¹¹², der von Februar bis April getagt hatte, und vor dem Reichstag in der eigenen Stadt, der im Juli zusammenkommen sollte. Beide Schriften sind nicht allein aufgrund ihrer geographischen und chronologischen Nähe zueinander in Beziehung zu setzen, sondern auch in Bezug auf Anlass, Form und Inhalt. Andreas Osiander setzte sich in seinem Traktat Unterricht / und vermanung / wie man wider den Türcken peten und streyten soll nicht das erste Mal mit der türkischen Gefahr auseinander. Die Predigten des Jahres 1542 zeugen von einer regen Anteilnahme des Reformators am militärischen Geschehen seiner Zeit.¹¹³ Die Türken waren, dessen war sich der Reformator sicher, eine Geißel Gottes, welche die Vergehen der Deutschen strafen sollte. Deshalb wurde den Gemeindegliedern das Einhalten des Dekalogs und strenge Buße ans Herz gelegt, sonst kämen „die gottlosen Türcken […], schlagen die alten tod, fieren das jung volck hinweg, schenden unsere weib und kind, spissen unsere seugling und, das am allerergesten ist, […] das wier vom rainen wort Gottes und rechten glauben abfallen und wier also gwarten miessen verderbnuß baide leibs und der seele.“¹¹⁴ Die Adressaten des Unterrichts waren diejenigen, „bey denen der Türck schon angriffen und schaden gethon und sie desselben noch alle tag gewertig sein müssen.“¹¹⁵ Damit wandte sich Osiander also hauptsächlich an die von den Türken Bedrohten im Südosten Europas¹¹⁶, wobei er aber auch die eigene Ge-

 NStaatsA: Nürnberger Mandate, Bd. A,  – ,  f., Gebet wider den Türcken; zitiert nach: Klaus, Veit Dietrich, .  S. u. Abschn. ...  S. hierzu: DRTA.J.R., Bd. , /.  Vgl. hierzu v. a. die Fastenpredigten des Jahres , so z. B. die Predigten über die Zehn Gebote (AOG , Nr. ,  – ), die Palmsonntagspredigt (a.a.O., Nr. ,  – ) und die Gründonnerstagspredigt über Joh  (a.a.O., Nr. ,  – ). S. aber auch die Sieben Predigten über Daniel (a.a.O., Nr. ,  – ), die Osiander im Zeitraum zwischen November  und Januar  hielt.  Osiander, Unterricht, , – .  Osiander, Unterricht, , – .  Vgl. hierzu die Ausführungen Schwobs, die auf Nürnbergs Rolle als Nachrichtenzentrum hingewiesen hat, sodass davon auszugehen ist, dass die Prediger Osiander und Dietrich durch

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meinde nicht aus dem Blick verlor.¹¹⁷ Der Unterricht beginnt mit einer Schilderung der türkischen Gräueltaten. Dem Leser bietet sich das Bild eines Tyrannen, der einzig die Vernichtung der Christenheit im Sinn hat und „wie ein unsinniger wütrich und mörder, von dem laydigen teuffel getriben, tobt und wüt […] wider Gott und unsern lieben herrn Jesum Christum und wider alles christglaubigs unschuldigs blut.“¹¹⁸ Nachdem er Kinder von ihren Eltern, Frauen von ihren Männern und gute Freunde getrennt habe, deportiere „der Türke“ sie ohne Rücksicht auf deren Würde in das Osmanische Reich, „darinne sie in hunger und kummer, hitz und frost, unter der rutten und gayseln allerley unmenschliche arbeyt müssen thun und allen muthwillen leyden, biß sie zuletzt elendigklich und trostloß darin ersterben oder aber durch ungedult und verfürische anreytzung der gottlosen Türcken unsern lieben herrn Jesum Chriustum […] verlaugnen und des verzweyffelten Machmeds teufflische lügen annemen […].“¹¹⁹ Die Ursache der Erfolge des türkischen Heeres liegen weder in der Weisheit noch in der Stärke der Türken begründet, sondern einzig und allein in dem Zorn Gottes, der durch die tiefe Sündhaftigkeit der Christen hervorgerufen worden sei.¹²⁰ Die begangenen Sünden seien von derartiger Intensität, dass sie drohten, den christlichen Glauben auszurotten.¹²¹ In einem ausführlichen Lasterkatalog, der in einem ersten Teil die Vergehen gegen den „wahren“ christlichen Glauben tadelt und schließlich moralische Laster aufdeckt, wird den Lesern die eigene Sündhaftigkeit wie ein Spiegel vorgehalten.¹²² Da weder Einsicht noch Besserung

Briefzeitungen und Neue Zeitungen bestens über die politischen Entwicklungen im Südosten Europas unterrichtet waren (Schwob, Beziehungen, bes.  – ).  Osiander, Unterricht, .  Osiander, Unterricht, , – .  Osiander, Unterricht, , – .  Osiander, Unterricht, .  Osiander vergleicht die Bestrafung der „falschen Christen“ durch die Türken mit der Degradierung eines „Edelmanns“ vor der Vollstreckung des Urteils: „Darumb, wenn Gott den Türcken also uber die christen lest walten und wüten, so thut er nichts anders, dann das er den falschen christen, die Christum durch ein wild, roh und haidnisch leben lengest veracht und durch falsche leer schon verlorn und verstossen haben, den heyligen christlichen namen, den sie unpillich noch behalten und füren, mit gewalt lest abziehen und abreissen, gleichwie man vor der welt einem edelmann, der durch straßrauben, ehbrechen, junckfrauschwechen, brieff und sigel brechen, auffrhur, maynayd, mordbrennen oder dergleichen laster alle adeliche tugent verloren und den ritterstand verwürcket hat, zuletzt die kleinod, ketten, schwert und sporn, die er unpillich tregt und füret, auch abzeucht und abgürtet und in darnach nicht als ein edelmann, sonder als ein ubeltheter den züchtiger zu strafen uberantwort.“ (Osiander, Unterricht, , – ).  Osiander, Unterricht,  f.

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erfolgt seien, „so dörfen wir uns nit verwundern, das Gott der herr so hefftig uber uns erzürnet ist“¹²³. Den einzigen Ausweg sah Osiander in „gepet und waffen“¹²⁴. Erst wenn die Christen erkannten, dass die Türken als „scharpfe, starcke, eyserne ruten“¹²⁵ aufgrund des Zornes Gottes agierten, werde Gott – gleich der Rettung Noahs und seiner Familie in der Sintflut – die Seinen befreien. Eindringlich ermahnte der Reformator die Leser, ihr Leben zu bessern und durch Buße und Gebet Gottes „väterlich hertz“¹²⁶ zu erweichen. Alle Geistlichen, also Bischöfe, Prediger und Lehrer, forderte der Nürnberger Reformator auf, das Evangelium zu verkündigen, sündhafte Laster in den Gemeinden aufzudecken und selbst als vorbildliches Beispiel tugendhafter Christen zu dienen. Die weltliche Obrigkeit ermahnte Osiander zur Unterwerfung unter das Wort Gottes und zum Schutz der Gläubigen und Schwachen. Auf diese Weise werde der christlichen Gemeinde ein Boden bereitet, auf dem diese wieder wachsen und sich das geschwächte Reich Gottes wieder ausbreiten könne. Ein formuliertes Gebet oder eine Liturgie, wie sie sich etwa in Luthers Vermahnung findet, lässt Osianders Unterricht vermissen. Stattdessen endet der Traktat in der schlichten Aufforderung, das Vaterunser zur Bekämpfung der Türken und zum Wiederaufbau des Reiches Gottes zu beten. Damit erinnert Osianders Schrift nun doch an Luthers Vermahnung, in der dieser zwar ein Gebet formulierte, dieses aber ebenfalls mit dem Hinweis beendete: „Sihe, solche gedancken geben dir die wort im Vater unser, wenn du sie recht ansihest: Geheiliget werde dein Name, Dein Reich kome, Dein wille geschehe etc. Darumb soltu auch solche gedancken in dein Vater unser fassen.“¹²⁷

2.3.3 Veit Dietrichs Wie man das volck zur Buß, und ernstlichem gebet wider den Türcken auff der Cantzel vermanen sol (1542) und Der XX. Psalm Davids (1542) Hilf uns doch, O Herre Gott, durch deines namens ehre! Errett uns jetzt aus diser not, dem Türcken, o Herr, wehre! Es habens unser sündt verschuldt:

    

Osiander, Unterricht, , f. Osiander, Unterricht, ,. Osiander, Unterricht, ,. Osiander, Unterricht, ,. WA , , – .

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Ach Gott, deck sie mit deiner huld, thus durch deins namens ehre, ach gott, dem feind jetzt wehre.¹²⁸

Veit Dietrichs Lied Der lxxix. Psalm. Deus venerunt Gentes in hereditatem tuam ¹²⁹, das erstmals in dem Straßburger New Auserlesen Gesangbüchlin ¹³⁰ von 1545 nachgewiesen und dessen 6. Strophe hier zitiert wurde, trägt in der Ausgabe von 1547 den Zusatz „Wider den Türcken zu beten oder zu singen“¹³¹. Das Lied Dietrichs reiht sich in seine Anweisungen zu Gebet und Predigt wider die Türken seit den Erlassen des Nürnberger Rates von 1542 ein. Dietrich, der seit 1535 Pfarrer an St. Sebald in Nürnberg war, hatte 1542 mit seiner Vermahnung und der Auslegung Der XX. Psalm Davis zwei Traktate verfasst, in welchen er die Prediger zu Predigt und Gebet wider die Türken ermahnte. Ein Jahr später veröffentlichte er in seinem Agendbüchlin ein Türkengebet (s.u.). Aus erster Hand hatte Dietrich von dem Griechen Franz Magera, der bei ihm 1541 zu Gast war, von der Situation unter den Türken erfahren. Da sein Bruder in türkische Gefangenschaft geraten war, versuchte Magera, Hilfe bei der Beschaffung des Lösegeldes in Deutschland zu erhalten. Sowohl in Nürnberg als auch in Wittenberg, wo Melanchthon für den Griechen ein Empfehlungsschreiben verfasst hatte, fand Magera Unterstützung. Kennengelernt hatte man sich wohl auf dem Reichstag in Regensburg, wo Melanchthon, Dietrich und Magera im selben Quartier untergekommen waren.¹³² Auf den 7. Juni 1542 datierte Dietrich seine Vermahnungsschrift Wie man das volck zur Buß, und ernstlichem gebet wider den Türcken auff der Cantzel vermanen

 Philipp Wackernagel, Das deutsche Kirchenlied von der ältesten Zeit bis zu Anfang des XVII. Jahrhunderts. Mit Berücksichtigung der deutschen kirchlichen Liederdichtung im weiteren Sinne und der lateinischen von Hilarius bis Georg Fabricius und Wolfgang Ammonius, Bd.  (Leipzig ), Nr. , , Strophe .  Vollständiger Titel: Der lxxix. Psalm. Deus venerunt Gentes in hereditatem tuam. Ein Clag und Bett Psalm, Von der zerstörung und verwüstung des volcks Christi von gottlosen Lehrern und Tyrannen, beide den falschen Christen und den Türcken, Und umb hilff und rettung von solchem ellend und jamer (Lied ed. bei: Wackernagel, Kirchenlied, Nr. ).  Ein New Auserlesen Gesangbüchlin, Straßburg: Wolfgang Köpfel, ,VD  N . Dieser Druck sowie der von  (VD  N ) sind nur nachgewiesen bei Wackernagel, Bibliographie, Nr. ; . Um  erschien in Regensburg noch folgende Ausgabe des Liedes: Der neün vnd sibentzig Psalm. DEVS venerunt gentes, Durch M. Vitum Dieterich / wider den Türcken zu betten oder zu singen / verteütschet. Jm Thon deß Lj: Psalms / Erbarm dich mein O Herre Gott (Regensburg: Johann Burger, ), VD  D ; s. hierzu auch: Klaus, Veit Dietrich,  f.  Wackernagel, Kirchenlied, Nr. , .  Ausführlicher dazu: Klaus, Veit Dietrich, .

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soll. ¹³³ Er widmete sie Martin Pfintzing (1490 – 1552), dem „verordnete[n] Obersten / uber der stadt Nurmberg Kriegß volck wider den Türcken“¹³⁴. Die Schrift besteht aus fünf Teilen: Nach einer kurzen „vermanung […] für die einfeltigen Pfarrherrn“¹³⁵ und einer längeren „vermanung zur besserung / und gebet wider den Türcken“¹³⁶ folgt die Widmung¹³⁷, an die sich ein „kurtzer unterricht“¹³⁸ über das Türkengebet anschließt. Den umfangreichsten und letzten Teil bildet Dietrichs Auslegung von Ps 79¹³⁹. Mithilfe der Aufzählung von sündhaften Lastern schärfen die beiden vorangestellten Vermahnungen dem Leser die Notwendigkeit von Buße und Besserung des Lebens auf das Dringlichste ein. Gott habe gar nicht anders gekonnt, als die Türken zur Strafe für sein Volk zu schicken, „[d]enn was wolltest du doch thun / mit einem knecht / magd / oder kind im hauß / das gar nichts umb dich geben / unn dir alles zu wider thun wolt? Ist es nit war / gute wort würdest du sparen / und dafür / ruten prugel / unn stangen in die hand nemen / und zu schmeissen / oder zuletz gar zum haus unn vom erb hinauß stossen?“¹⁴⁰ Veit Dietrichs Anweisung zum Gebet formuliert aus, was bei Luther und Osiander bisher nur angeklungen war: Für den Sebalder Pfarrer war ebenfalls das Vaterunser¹⁴¹ das passendste Türkengebet, denn „es reyme sich so fein und artlich / als were es allein auff dise Türcken not gemacht / und gestellet“¹⁴². Zeile für Zeile wird dem Leser vor Augen geführt, wie sich das Vaterunser auf die aktuelle Si-

 Zur Zitation habe ich den einzig bekannten Druck herangezogen: Dietrich, Wie man das Volck […]. Dietrichs Auseinandersetzung mit der Türkengefahr ist anschaulich dokumentiert und aufgearbeitet bei: Klaus, Veit Dietrich,  –  und Schwob, Beziehungen,  – . Vgl. über ihn auch: AOG , , Anm.  und AOG , , Anm. .  Dietrich, Wie man das Volck […], bv.  Dietrich, Wie man das Volck […], ar-ar.  Dietrich, Wie man das Volck […], av-bv.  Dietrich, Wie man das Volck […], br-cr.  Dietrich, Wie man das Volck […], cv-cr.  Dietrich, Wie man das Volck […], cv-ir.  Dietrich, Wie man das Volck […], av.  S. hierzu auch Dietrichs ein Jahr später veröffentlichte Schrift Einfeltiger unterricht, wie man das Vater unser beten soll, die etliche Nachdrucke erfuhr und ebenfalls auf die Türkengefahr Bezug nahm: „Wer wolte nu nicht lust und liebe zum beten haben? Sonderlich wenn die not dermassen für fellet / das wir des bettens nicht können gerathen / Wie jetzundt da der Teuffel in aller Welt so tobet / uns gern durch böse Exempel / von dem gehorsam unnd Wort Gottes abfüren wolte. Er wolte gerne durch den Türcken alle Regiment / und durch den Bapst und seinen hauffen / alle Kirchen / da Gottes Wort innen ist / zerrütten / wüst machen unnd umbkeren.“ (Dietrich, Wie man das Volck […], Br-v). „Der Türcke“ wird in dieser Vaterunser-Auslegung Dietrichs auf eine Ebene mit den „Ketzereien“ Heiden-, Juden- und Papsttum gestellt (Cv). Die Bitte um das tägliche Brot schließt – wie in Dietrichs Vermahnung – die Bitte um Frieden mit den Türken ein (Cr; Dr).  Dietrich, Wie man das Volck […], cv-cr.

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tuation beziehen lasse. So deute beispielsweise die Bitte um die Heiligung des Gottesnamens auf die Lästerungen durch die Türken und das Papsttum hin, die Bitte um das tägliche Brot auf das Leid in den von den Osmanen eroberten Gebieten und die Bitte um Erlösung von dem Bösen auf die Befreiung vom türkischen Joch allgemein. An Dietrichs Deutung des Vaterunsers als Türkengebet schließt sich eine ausführliche Auslegung von Ps 79 an, damit „der selbe Psalm auch von einfeltigen und ungelerten / wider den feind den Türcken / mit Verstand möge gebetet werden“¹⁴³. Der Theologe gliederte den Psalm in die beiden Teile „Klage“ und „Gebet“. In der Klage werden u. a. die Gräuel der Türken beschrieben – immer wieder wird der biblische Text mit der aktuellen Situation verbunden. Doch die gegenwärtige Not verweise nicht etwa auf die Rechtgläubigkeit der Türken, sondern auf die eigene Sündhaftigkeit: „Dann das es uns ubel geht / ist nit des Christlichen glaubens oder unser tauff / sonder unser sünden schult / welche Gott darumb auff solche weysse straffet / das wir davon ablassen und uns bessern sollen.“¹⁴⁴ Der zweite Teil, der die Verse als Gebet begreift, beschreibt die rechte Weise zu Gott wider die Türken zu beten.Vorbild ist immer der biblische Beter. Im Gebet solle man deshalb nicht nur bitten, von den Türken erlöst zu werden, sondern „daß Gott uns unsere sunde vergeben und schencken wölle.“¹⁴⁵ Dabei komme auch der weltlichen Obrigkeit eine bedeutende Rolle zu, indem sie die evangelischen Prediger ihr Amt ungehindert ausüben lasse und „allen falschen Gottes dienst (des im Bapsthumb unzelich vil ist) abschaffen / unnd den gottlosen verkerten Bischoven nit lenger ins maul sehen […]“¹⁴⁶. Abschließend verwies Dietrich auf einen Leitfaden für Türkenpredigten des Wiener Bischofs Friedrich Nausea (um 1496 – 1552), den dieser ebenfalls 1542 veröffentlicht hatte.¹⁴⁷ Dietrich kritisierte den Bischof, da dieser „nit mit einem wort / die leut dahin weyset / das uns Gott umb Christus willen / erhören und helffen wölle.“¹⁴⁸ Den Inhalt des Glaubens zu lehren, sah Dietrich als vordergründige Aufgabe der Pastoren, sodass Nausea als abschreckendes Beispiel dienen konnte: „So ists nit wunder / das ein Papist die leute leret betten / un doch nichts vom glauben leret / oder selb nit betten kan […].“¹⁴⁹

 Dietrich, Wie man das Volck […], cr.  Dietrich, Wie man das Volck […], ev.  Dietrich, Wie man das Volck […], gv.  Dietrich, Wie man das Volck […], gr.  Nausea, Pro Concionatoribus ad milites in bello contra Hostes infideles […]. S. ausführlich hierzu u. Abschn. ...  Dietrich, Wie man das Volck […], iv.  Dietrich, Wie man das Volck […], ir.

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2 Reichspolitik und Kirche

Die Schrift Nauseas war sodann auch Anlass für Dietrichs zweite Türkenschrift des Jahres 1542: Der xx. Psalm Davids / Wie man für unser Kriegsvolck recht betten / und sie sich Christlich wider den Türcken schicken und kriegen sollen. Nachdem der Sebalder Pfarrer in seiner Vermahnung Ps 79 ausgelegt hatte, folgte nun die Auslegung von Ps 20, welche er auf den 11. September¹⁵⁰ datierte. Schließlich hatte Friedrich Nausea ebenfalls beide Psalmen seinem Leitfaden zugrunde gelegt. Dietrich widmete die Schrift Georg Vogler (1486 – 1550), dem Ansbacher Altkanzler, denn dieser habe „auch ein hertzliches mitleyden darab […] / das die gotlose welt / so gar sich nicht bessern / und nach Gottes wort halten will […]“¹⁵¹. Die Widmungsschrift ist durchdrungen von der Kritik Dietrichs an dem Wiener Bischof. Demnach sei dieser seinem Amt nicht gerecht geworden, da er auf die katechetische Unterweisung verzichtet habe. Einem „weisen erfarnen Man“¹⁵² gleich sei dieser lediglich auf die Gefahren und Herausforderungen des Krieges eingegangen. Dietrich, dessen Kritik an Nausea seinen eigenen Anspruch auf Autorität deutlich macht, empfahl allen „trewe[n] diener[n] Christi und seines Euangelions“, die Ehre Christi auch gegen Widersacher zu verteidigen und die „reyne lehre in jren Kirchen“ zu erhalten. Die Türkengefahr als theologische und politische Anfrage tritt auch in der eigentlichen Auslegung ganz und gar in den Hintergrund. Dem Ansuchen des Rates der Stadt Nürnberg um eine Ermahnung zum Gebet war Dietrich schließlich schon mit seiner Vermahnung nachgekommen, sodass diese Türkenschrift nun voll und ganz von der Auseinandersetzung mit dem altgläubigen Wiener Bischof geprägt ist. Dietrich richtete den Fokus auf das Gebet für die Obrigkeit und die christlichen Soldaten auf dem Schlachtfeld. So sei der Psalm ein Bet- und Lehrpsalm gleichermaßen, indem er zum Gebet für die Obrigkeit ermahne und diese lehre, „wie sie in der sachen sich recht / unn gotselig sollen schicken.“¹⁵³ Ohne das Gebet könne man gegen das osmanische Heer schlechterdings nichts ausrichten, das habe man bisher am eigenen Leib erfahren. Grund hierfür sei die Tatsache, dass bisher „den meisten teyl Papisten gewest / und nit betten haben können“¹⁵⁴. Deren Gebet musste fehlgehen, da sie „nit allein on glauben betten, sondern stecken in grossen sünden.“¹⁵⁵ Juden und Türken könnten ebenfalls nicht rechtmäßig beten, da sie die Sohnschaft Jesu Christi ablehnten und somit den Got-

     

Dietrich, Der xx. Psalm Davids […], ar. Ebd. Dietrich, Der xx. Psalm Davids […], ar. Dietrich, Der xx. Psalm Davids […], bv. Dietrich, Der xx. Psalm Davids […], bv. Dietrich, Der xx. Psalm Davids […], bv.

2.3 „Mit dem Gebet wider den Feind streiten“ – Türkengebete

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tesnamen lästerten.¹⁵⁶ Erst durch Buße, Besserung des Lebens und Vertrauen auf die Gnade Gottes sei rechtes Gebet möglich. So müsse auch ein christlicher Krieger sich immer wieder auf das Gebet besinnen und andere an Gottes Wort erinnern und ermahnen, sodass er als Krieger gleichzeitig die priesterlichen Aufgaben des Gebets und der Predigt übernehmen könne.¹⁵⁷ Dietrich formulierte in seiner Auslegung zu Ps 20 kein Gebet, das zu Hause für die Obrigkeit oder auf dem Schlachtfeld gebetet werden konnte. Einzig der Hinweis auf das Vaterunser begegnet erneut. So lebt Dietrichs Traktat hauptsächlich von der Auseinandersetzung mit den „Papisten“, die er in der Gestalt des Wiener Bischofs vor sich sah. Die Kritik an dessen Schrift¹⁵⁸ und die Verankerung in der Zwei-Reiche-Lehre sind der Motor der gesamten Auslegung. Inhaltlich bringt sie in Bezug auf die Türkengefahr oder das Gebet dagegen nichts Neues. Als letztes Gebet in einer Sammlung von Kollektengebeten findet sich in Dietrichs 1543 erschienenem Agendbüchlein ¹⁵⁹ schließlich doch ein Gebet Wider den Türcken, welches er den Pfarrern auf dem Land zu beten empfahl: Herr Got hymlischer Vater / Wir bekennen alle für dir / das wir durch unsere missethat und langen ungehorsam / den Türcken / und allerley unglück wol verdienet haben / Aber doch bitten wir dich / du wöllest umb deines namens willen unser gnedigklich verschonen / dem

 Dietrich, Der xx. Psalm Davids […], cv; vgl. hierzu auch Dietrichs  erschienene Schrift Wie man zum gebet sich recht schicken soll, in der er ebenfalls auf die Unmöglichkeit des rechtmäßigen Gebets von Türken, Juden und „Papisten“ verweist: „Wie wir von Türcken und Juden / und zwar von allen Papisten auch mit der warheyt können sagen / wenn sie gleych betten und Gott anruffen […] so ist es doch unmüglich / das sie köndten gewiß sein / Got wolte sie erhören. Sie müssen jr gebet in wind schlagen / und auff ein gerats wol betten / Denn gleich als wenig sie got kennen / weyl sie Christum nicht recht kennen / und derhalb nicht wissen wen sie anruffen / eben so wenig können sie gewiß hoffen / Gott werde sie erhören.“ (Dietrich, Wie man zum gebet, av).  „Das heist nu feine Krieger machen / die nit allein das schwert außziehen können / und umb sich schlagen / solchs können Türcken und Heyden auch / und sonst nichts mer / würden auch derhalb langsam sygen / wo wir nit durch unsere sünd unn unbußfertiges leben / jhnen den syg in die hand stecketen. Sonder die auch können beten / und nit allein betten / sondern jhnen selb und andern leuten Predigen / das ist / auß Gottes wort sich erinnern und ermanen / und auff Gottes zusag die sachen freidig angreiffen.“ (Dietrich, Der xx. Psalm Davids […], cr+v); vgl. hierzu auch fv: „Also wurdt darnach ein unterschiedt zwischen Türcken und Christen. Bede liegen sie zu feldt / zucken bede das schwerd /und schlagen umb sich. Aber der Christ thut solches also / das er wayß / es sey Gott im hymel damit gedienet / wenn man dem greulichen Tyrannen / seiner abgötterey und mordens wehre / versihet sich derhalb gewisser hilff zu Gott durch Christum / und bittet umb hilff.“  Vgl. hierzu z. B. den ausführlichen Abschnitt zur Thematik der guten Werke bzw. des Opfers: Dietrich, Der xx. Psalm Davids […], dr-fv.  S. hierzu Klaus, Veit Dietrich,  – , EKO XI,  –  (Einleitung) und Nibergall, Agende, .

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schedlichen feind wehren / und dein arme Christenheyt wider jhn beschützen / Auff das dein wort jm fride weyter auß gepredigt / und wir uns drauß bessern / un in rechtem gehorsam gegen dir wandeln mögen […].¹⁶⁰

Damit nahm Dietrich eine Veränderung zur 1533 erschienenen BrandenburgNürnbergischen Kirchenordnung von Osiander und Brenz vor, in der auf ein Türkengebet in diesem Abschnitt noch verzichtet worden war. Veit Dietrich kam den Aufforderungen des Rates von 1542 nach Gebet und Predigt wider die Türken sowohl musikalisch als auch in drei maßgeblichen Schriften der Jahre 1542/1543 nach. Zusammen mit Osianders Unterricht lassen Dietrichs Veröffentlichungen darauf schließen, dass spätestens ab 1542 – also in Folge der Verfügungen des Reichstags von 1541 und der daraus resultierenden Erlasse des Nürnberger Rates – sog. Türkengottesdienste mit dem Läuten der Türkenglocke, Gebeten und Predigten gegen den Feind zur liturgischen Praxis in Nürnberg und den „kleinen Städten und Dörfern der an Nürnberg verpfändeten, ehemals oberpfälzischen Gebiete[n]“¹⁶¹ gehörten.

2.3.4 Gebete wider „den Türken“ in den evangelischen Kirchenordnungen Bei der Durchsicht der Evangelischen Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts fällt auf, dass Veit Dietrichs Kollektengebet¹⁶² Wider den Türcken von 1543 zu den am weitesten verbreiteten gottesdienstlichen Türkengebeten der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts gehörte. Indem das Agendbüchlein des Nürnbergers auf weitere Kirchenordnungen des Alten Reichs einwirkte, hielt auch sein Türkengebet ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts häufig in die Verordnungen Einzug. In den unterschiedlichen Sammlungen von Kollektengebeten findet sich das Gebet Dietrichs u. a. im Wormser Agendbüchlein (1560)¹⁶³, in der Kirchenordnung von Leiningen-Westerburg (1566)¹⁶⁴, in der Christlichen Kirchen-Agenda des Erzherzogtums Österreichs (1571)¹⁶⁵, in der 1577 neu aufgelegten kurpfälzischen Kirchenordnung¹⁶⁶, in der Hohenloher Kirchenordnung (1578)¹⁶⁷, in der Kirchen-

 Dietrich, Agendbüchlein, dv.  Klaus, Veit Dietrich, .  Vgl. zu den Kollektengebeten im deutschsprachigen Gottesdienst des . Jahrhunderts: Frieder Schulz, Art. Gebet VII: Das Gebet im deutschsprachigen evangelischen Gottesdienst, in: TRE  (),  – , hier:  – .  EKO XIX/, .  EKO XIX/, .  Christliche Kirchen Agenda, CLXXIXv.  EKO XIV,  A.

2.3 „Mit dem Gebet wider den Feind streiten“ – Türkengebete

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agenda […] für die prediger der grafschaft Mansfeld (1580)¹⁶⁸, in der Kirchenordnung des Fürstentums Grubenhagen (1581)¹⁶⁹ und des Fürstentums Niedersachsen (1585)¹⁷⁰. Auch Martin Luthers Türkengebet aus seiner Vermahnung zum Gebet wider den Türken (1541) wurde in die Kirchenordnungen des Herzogtums PfalzZweibrücken (1570)¹⁷¹, in die Christliche Kirchen-Agenda der Erzherzogtums Österreichs von 1571¹⁷² sowie in die Lauenburgische Kirchenordnung (1585)¹⁷³ aufgenommen, wenngleich es aufgrund seiner Länge seltener als Kollektengebet rezipiert wurde. Bereits 1537 wurden im Rahmen der Augsburger Kirchenordnung unter dem Abschnitt Fürbitt für die gemeinen stend ¹⁷⁴ zwei Gebete Wider den türken und die verfolger des evangelions ¹⁷⁵ veröffentlicht. Zusammen mit dem Dekalog, den „articul unsers christlichen glaubens“¹⁷⁶ und einer offenen Beichte wurden die Fürbitten „vor der Sontägigen Predig“¹⁷⁷ verlesen. Als letzte Gebete in der Reihe der Fürbitten leiteten die Türkengebete zum Vaterunser über. In ihnen wird Gott eindringlich um die Zerschlagung des Feindes gebeten, damit sein „nam sampt dem glauben Christi in uns […] durch [s]einen Hailigen Gaist erweitert und ausgebrait und der feind durch Christum Jesum abgetriben werde“.¹⁷⁸ Das gebet wider den Türken ¹⁷⁹ und die gemeine formb, zu bitten vor die not der ganzen cristenheit ¹⁸⁰ aus der Wertheimer Kirchenordnung von 1555 fanden die Herausgeber der Evangelischen Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts noch vor dem Titelblatt einsortiert. Das lässt darauf schließen, dass man „aus rein prak-

 EKO XV, .  EKO II, .  EKO VI/, .  Kirchenordnung Lauenburg, .  EKO XVIII,  f.  Christliche Kirchenagenda, CLXXXr+v.  Kirchenordnung Lauenburg,  – .  EKO XII,  f.  EKO XII, .  EKO XII, .  EKO XII, .  „Du wöllest auch, o getreuer Gott und Vater, dem gewalt des tyrannischen, widerchristischen reichs des Türken, so wider Christum frävenlich setzt, sampt aller abgötterei, tyrannei und gotlosem wesen mit deiner almechtigen kraft weeren und zum schämel deiner füß Christi stürzen, damit nit dein göttlicher nam sampt dem glauben Christi in uns von dem unglaubigen volk und feinden der warheit verspottet und geschmächt, sonder durch deinen Hailigen Gaist erweitert und ausgebrait und der feind durch Christum Jesum abgetriben werde. […]“ (EKO XII, ).  EKO XI,  f.  EKO XI, .

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2 Reichspolitik und Kirche

tischen Gründen“¹⁸¹ so verfuhr – die Gebete also häufig in den Gottesdiensten Verwendung fanden. Das eigentliche Türkengebet erinnert zu Beginn an ein allgemeines Schuldbekenntnis, das erst im letzten Teil auf die Türkengefahr hin fokussiert wird. Der Beter bittet Gott um „gnädigen fried und ruhe“ für die gesamte christliche Kirche. In der Kirchenordnung der Landgrafschaft Hessen von 1574 finden sich ebenfalls zwei Gebete, die sich auf die Türkengefahr beziehen. Das erste Gebet wider den bapst und türken ist aus Johann Habermanns Christliche Gebet für alle Not und Stände der ganzen christenheit entnommen, das zweite Gebet entstammt dem Betbüchlein für allerlei gemein anliegen, einem jeden Christen sonderlich zu gebrauchen (1543). Schließlich findet sich in der Frankfurter Kirchenordnung von 1599 Ein Christlich Gebet für alle Stände, Noht unnd Anligen der Christenheit, täglich zu sprechen, Auff gegenwertige Zeit des Türckenzugs gerichtet. Das Frankfurter Gebet umfasst mehrere Gebetsanliegen, die an die Sammlungen von Kollektengebeten in den anderen Kirchenordnungen erinnern. Eine längere und eine kürzere Form standen den Pfarrern zur Auswahl. Beide Gebete erinnern an Luthers Türkengebet von 1541. Auch dort wurde auf die eigentliche Schuldlosigkeit des Beters verwiesen. Hier wie dort konnte er Gott anflehen: „So wache nun auff, lieber Vatter, unnd rette deine Ehr unnd Namen, welchen der verfluchte Mahomet wie denn auch der Bapst sampt seinem Hauffen schänden […].“¹⁸²

2.3.5 Türkengebete als obrigkeitliche Erlasse Mit der Einführung von Betstunden und Gottesdiensten wider die Türken wurden neben den Türkengebeten in Kirchenordnungen auch zahlreiche separate Anweisungen mit Gebeten gegen die Feinde aus dem Osmanischen Reich veröffentlicht. Exemplarisch seien an dieser Stelle einige der verordneten Gebete vorgestellt. So ergingen z. B. am 13. Juli 1565¹⁸³ und am 16. August 1566¹⁸⁴ für das Herzogtum Pfalz-Zweibrücken Fürbittenmandate gegen die Türken. Das erste Gebet richtete sich gegen Türken und „Schwärmer“ gleichermaßen, damit die „Cristenhait nit so zerstrewet, betriebt unnd verfurt werde, sonndern inn stiller Rhue unnd friden ime, unserm lieben gott unnd vatter aller Barmhertzigkhait,

 EKO XI, .  EKO IX, . Luthers Formulierung war: „Darumb wache auff lieber herr Gott und heilige deinen namen, den sie schenden […].“ (WA , ,  f.).  EKO XVIII, .  EKO XVIII,  f.

2.3 „Mit dem Gebet wider den Feind streiten“ – Türkengebete

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allain dienen unnd in alle zeit loben und preisen moge“¹⁸⁵. Das Gebet, das „nach ainer jeden gehaltenen Predig zuverlessen“¹⁸⁶ war, zeugt noch von der Hoffnung eines Sieges gegen das türkische Heer. Das Gebet gegen den Türken, das ein Jahr später verordnet wurde und sich eng an die auf dem Augsburger Reichstag beschlossene Verordnung von Türkengebeten und -glocken hielt¹⁸⁷, vergleicht die Situation mit der des Volkes Israel im Exil. So wie Gott sein Volk aus der Gefangenschaft befreite, sollte er auch jetzt eingreifen und die Seinen retten.¹⁸⁸ Im Bistum Freising erging 1566 der Befehl an alle Pfarrer und Prediger, das Gebet wider die Türken an allen Feiertagen öffentlich von der Kanzel vorzulesen „und darneben [zu] schaffen / daß ein jeder in seinem hauß / sonderlich umb Mittag / wann man zu dem gemainen Gebett läutet / sein andacht demütiglich erzeige“¹⁸⁹. Die Schrift enthält zwei Gebete – eines für den gottesdienstlichen Gebrauch, eines für die tägliche Hausandacht. Die Gebete unterstreichen die Sündhaftigkeit der Betenden und erbitten Gottes Eingreifen und Schutz des Kaisers und seiner Heere. Aus Niederösterreich, wo Erzherzog Ferdinand den Befehl zum Läuten der Türkenglocke, zu Predigten und Gebeten gegen den nahenden Feind aus dem Osmanischen Reich verordnet hatte¹⁹⁰, ist bei Crispin Scharffenberg in Breslau die Schrift Zwey Christliche schöne Gebet/ aus bevelh unnd verordnung der Röm: Kay: May: etc. in Nider Osterreichischen Landen aus dem Jahr 1566 überliefert. Die Gebete waren auf Befehl der Obrigkeit „teglich under dem Geleutt der Türckenglocken / wider den Erbfeind der Christenheit / mit andacht zu sprechen.“¹⁹¹ Es handelt sich um ein Hausgebet und ein kürzeres, von der Kanzel abzulesendes, öffentliches Gebet. Beide Gebete erbitten Gottes Hilfe und den Sieg gegen die Türken.¹⁹² Im Zusammenhang mit der Einrichtung von Gebetsstunden mit Glockengeläut gegen die Türkengefahr in der Grafschaft Hohenlohe 1588 verfügte als Erste Gräfin

 EKO XVIII, .  Ebd.  Vgl. hierzu die Anordnungen zum öffentlichen Gebet und Türkenläuten mittags um  Uhr in der Vorrede zum Gebet (EKO XVIII, ) – zum Türkenläuten vgl. o. Abschn. ..  EKO XVIII, .  Wider den laydigen Türcken, Av.  S. hierzu das edierte Mandat Erzherzog Ferdinands bei: Schilling, Die Einführung der Türkenglocke in Vorderösterreich, in: FDA  (),  – .  Zwey Christliche schöne Gebet, Ar.  Beide Gebete sind außerdem in dem ebenfalls  in Nürnberg erschienenen Druck Ein Bitgesang zu Got Vater Son vnd Heiligen Geist Jn gegenwertiger Tuercken not […] enthalten. Sodann findet sich das Hausgebet in der Christlichen Anordnung des Kaisers von  (Der Röm: Keis: Maiest., Ar-Ar; s.u.).

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2 Reichspolitik und Kirche

Anna in Neuenstein ein Christlich gebett zur zeit der kriegsleuf und feindesnot ¹⁹³. Sie ordnete an, dass das Gebet „furohin am freytag alweg nach der letaney und volgents an sontag und feyertagen nach der frue- oder morgenpredig mit andacht“¹⁹⁴ der Gemeinde vorgetragen werden sollte. Das Gebet beginnt mit einem Schuldeingeständnis des Beters, der die Missachtung des gepredigten Wortes Gottes einsieht und Gottes Zorn nun als verdiente Strafe hinnimmt. Ganz allgemein wird von dem „einfall und uberfall der feind und frembden völker“¹⁹⁵ gesprochen, vor denen Gott seine Christenheit behüten möge. Damit erhielt das Neuensteiner Gebet und die gesamte Gottesdienstliturgie einen bedeutungsoffeneren Charakter, sodass die Gottesdienste auch noch in anderen Situationen kriegerischer Bedrohung mit der verfügten Liturgie abgehalten werden konnten. Graf Wolfgang führte in seiner Teilherrschaft ebenfalls das Läuten der Türkenglocke ein und beauftragte seinen Hofprediger und späteren Türkenprediger Johann Assum, ein Gebet wider „den Türken“ zu verfassen.¹⁹⁶ In diesem Zeitraum entstand wohl auch das Türkengebet des Generalsuperintendenten David Meder aus Öhringen (Grafschaft Hohenlohe). Obwohl die Bayerische Staatsbibliothek den Druck auf „ca. 1580“ datiert, ist m. E. aufgrund des Titelzusatzes „in Schulen und Heusern unter dem leuten der Türckenglocken zu sprechen“¹⁹⁷ davon auszugehen, dass Meder dieses Gebet im Kontext der Einführung des Türkenläutens 1588 in der Grafschaft Hohenlohe veröffentlichte. Eine prominente und häufig rezipierte Anordnung zum regelmäßigen Türkengebet ist das Gebet / Wieder die vorstehende Noth und Gefahr der Christenheit wegen des Türcken. Es handelt sich dabei um das verordnete Türkengebet des Kurfürstentums Sachsen aus dem Jahr 1592.¹⁹⁸ Ihm folgten mindestens fünf Nachdrucke. Das ausführliche Gebet schildert, wie Gottes Zorn im Himmel und auf der Erde heraufbeschworen wurde und schließt die Bitte für die Obrigkeit ein. Im Kontext des Regensburger Reichstags 1594 lässt sich eine große Anzahl verordneter Türkengebete für einzelne Kurkreise, Fürstentümer, Reichsstädte etc. finden. Exemplarisch sei an dieser Stelle zunächst auf zwei von den Kanzeln abzulesende Gebete des Magdeburger Hofpredigers Simon Gedicke (1551– 1631)¹⁹⁹ verwiesen, der diese 1593 zusammen mit Schriftworten aus Joel 2 und Ez 33 für das

 EKO XV,  f.  EKO XV, .  EKO XV, .  S. hierzu EKO XV,  f.  Meder, Ein Christlichs Gebet, Ar.  Auf das Gebet verweisen bzw. zitieren es wörtlich: z. B. Leyser, Zwo Christlicher Predigten, Fv und Jr+v (Zitat); Hoë von Hoënegg, Sechs Türcken Predigten, Ar.  Auch Cosack, Türkengebete,  erwähnt ihn.

2.3 „Mit dem Gebet wider den Feind streiten“ – Türkengebete

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Erzstift Magdeburg unter dem Titel Ein Christlichs andechtiges Gebet / wieder den Türcken herausgab. „Der Türke“ als Gottes Zuchtrute sollte den Christen eine „Bußpredigt“ sein, die sie zur sittlichen Besserung anspornen sollte.²⁰⁰ Ebenfalls 1593 erschien in Passau bei Mattheus Nenninger ein Türkengebet, das täglich beim Klang der Türkenglocke zu beten war. In diesem Gebet, das neben dem verordneten niederösterreichischen von 1566 eines der wenigen katholischen Türkengebete darstellt, vergleicht sich der Beter mit den biblischen Figuren des verlorenen Sohnes, der Maria Magdalena und dem Schächer am Kreuz – allesamt Personen, denen trotz ihres sündhaften Verhaltens Gnade zuteil wurde. Auch der niedersächsische Generalsuperintendent, Pfarrer von Lauenburg und Türkenprediger Johannes Rupertus, verfasste 1594 ein verordnetes Gebet für das Fürstentum Niedersachsen, „als der durchleuchtige hochgeborne Fürst und Herr / Herr Frantz Hertzog zu Sachsen / Engern und Westphalen / von Röm. Key. Mayt. zum Kriegs Obristen bestelt / sampt E.F.G. jungen Herrn Hertzog Augusto / wider unsern Erbfeind den Türcken / mit 4000 Reisigen in Ungern gezogen“²⁰¹. 1594 erging sodann auch der Befehl, im Fürstentum Lüneburg jeden Mittwoch beim Läuten der Glocke Betstunden gegen die Türkengefahr abzuhalten. Christoph Fischer (1518 – 1598), Generalsuperintendent in Celle, verfasste dazu Ein andechtiges sehnliches Gebet […] wider den vermaledeiten schand Türcken. Die Schrift war für „Special Superintendenten und Pastorn“²⁰² des Fürstentums bestimmt und enthält innerhalb der sehr ausführlichen Vorrede den liturgischen Ablauf einer Betstunde²⁰³ sowie ein Kollektengebet²⁰⁴ und ein Gebet wider den schand Türcken ²⁰⁵. Neben der Bitte um Gottes Gnade und Eingreifen in die Kriegsläufe ersuchten die Beter um den Schutz des in den Krieg gegen die Türken gezogenen Herzogs August I. von Braunschweig-Lüneburg und alles weiteren Kriegsvolks des Regenten. Im Hinblick auf den Reichstag erschien 1594 sodann ein Gebet zu gemeiner Christenheit wolfahrth / für die vorstehende Reichsversammlung / und noth des gemeinen Vaterlandes wegen des Türcken. Das sich in der Ratsschulbibliothek Zwickau befindliche Gebet trägt keinen Verweis auf Autor oder Drucker. Dem

 Gedicke, Ein Christlichs andechtiges Gebet, Av-Ar: „[…] gedenck inn deinem gerechten Zorn an deine barmhertzigkeit / Gib uns deinen heiligen Geist / das wir uns diese Rute lassen eine ernste Buspredig sein / von unsern Sünden und bösen wegen abstehen / uns von Hertzen zu dir bekeren / und hinfordt in deinem gehorsam wandeln.“  Rupertus, Gebet, Ar.  Fischer, Ein andechtiges sehnliches Gebet, Ar.  Fischer, Ein andechtiges sehnliches Gebet, Bv-Br.  Fischer, Ein andechtiges sehnliches Gebet, Br-Bv.  Fischer, Ein andechtiges sehnliches Gebet, Br-Dr.

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2 Reichspolitik und Kirche

Gebetstext ist allerdings zu entnehmen, dass der Verfasser – aufgrund der Bitte um langes Leben und Gesundheit für „unsern gnedigsten Herrn / dem Churfürstlichen Vormünden / der Churfürstlichen Wittwen / Jungen Herrschaft und Frewlein / und dem ganzen hochlöblichen Hause Sachsen“ – im Umfeld des kursächsischen Hofes zu suchen ist. Das Gebet erscheint als eine Art Kollektengebet, da es neben den Bitten um Gottes Beistand und Weisheit bei der Reichsversammlung sowie Sieg im Kampf gegen die Türken auch um das Gedeihen der „Früchte der Erden“ beten und für all jene bitten kann, die sich in existentiellen Anfechtungen (Krankheit, Kindesbanden, Armut, Trübsal) befinden. Den Aufforderungen der Reichstage zum Gebet gegen die Türken wurde in den Kirchenordnungen und obrigkeitlichen Erlassen v. a. ab 1566 zahlreich entsprochen. Die Anzahl der Drucke stieg sodann lawinenartig im Kontext des „Langen Türkenkriegs“ und des Regensburger Reichstags von 1594 an.Während die Gebete gegen die Türken in den Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts häufig als Kollektengebete in knapper Form gehalten waren, nahmen die von den Kanzeln abzulesenden obrigkeitlich verordneten Türkengebete aufgrund ihres Umfangs weit mehr Raum in den Gottesdiensten und Betstunden ein, wenngleich sie theologisch keine neuen Aspekte im Vergleich zu den Kollektengebeten aufweisen. Beide Gebetsformen weisen analoge Strukturen auf: Dem Schuldeingeständnis des Beters, dem häufig eine „Erinnerung“ an Gottes Gnadentaten folgt, schließen sich die Bitten um Vergebung und Sieg gegen die Widersacher an. In nahezu allen Gebeten wird „der Türke“ als Gottes Zuchtrute geschildert und Gottes Barmherzigkeit und Schutz erbeten.

2.3.6 Türkengebetbücher Die von Johannes Wallmann als „literarische Hauptgattung der nachreformatorischen Orthodoxie“²⁰⁶ bezeichneten Gebetbücher ²⁰⁷ finden sich auch im Bereich der Turcica wieder. Obwohl „Gebete wider den Türken […] schon längst zu den

 Johannes Wallmann, Zwischen Herzensgebet und Gebetbuch. Zur protestantischen deutschen Gebetsliteratur im . Jahrhundert, in: Ferdinand von Ingen / Cornelia Niekus Moore (Hgg.), Gebetsliteratur der Frühen Neuzeit als Hausfrömmigkeit, Wolfenbütteler Forschungen  (Wiesbaden ),  – , hier: .  S. zu den Gebetbüchern seit der Reformation: Paul Althaus d.Ä., Forschungen zur Evangelischen Gebetsliteratur (Gütersloh ); Wallmann, Herzensgebet, Frieder Schulz, Art. Gebetbücher III: Reformations- und Neuzeit, TRE  (), S.  – .

2.3 „Mit dem Gebet wider den Feind streiten“ – Türkengebete

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festen Bestandteilen der Gebetbücher [gehörten]“²⁰⁸, entstanden eigens auf die Türkengefahr hin ausgerichtete Gebetsammlungen. Diese Türkengebetbücher – die mit Paul Althaus auch als „Kriegsgebetbücher“²⁰⁹ bezeichnet werden können – verstehe ich als Sammlungen von Gebeten mit der teilweisen Beigabe von erbaulichen Liedern und Litaneien für die spezielle Situation der Bedrohung durch die Türken.²¹⁰ Diese waren v. a. in den 1590er Jahren verbreitet.²¹¹ Doch auch schon um das Jahr 1566 hatten sich die Bücher mit Gebeten zur Türkengefahr großer Beliebtheit erfreut²¹², sodass sich für die Türkengebetbücher die gleichen Konjunkturen wie für die Türkendrucke im Allgemeinen und die Türkenpredigten im Besonderen beschreiben lassen.²¹³ Exemplarisch seien in diesem Abschnitt sechs Türkengebetbücher vorgestellt, die m. E. besonders anschaulich vor Augen führen, wie sich die Gebetbücher im Laufe des Jahrhunderts zu wahren „Gebets-Kompendien“ entwickelten. Die Gebete, die in den Türkengebetbüchern ediert sind, lassen sich in drei Gruppen einteilen: Zunächst sei auf jene Gebete verwiesen, die für den kirchlichen Gebrauch bestimmt waren und deren Adressatenkreis zumeist Pfarrer waren, die Gebete für die neu eingerichteten Türkengottesdienste benötigten. Als zweite Gruppe begegnen die „Hausgebete“, also jene Gebete, die zur häuslichen Andacht den Familien und dem Gesinde vorgetragen werden sollten. Innerhalb dieser Gruppe findet sich eine kleinere Anzahl von „Kindergebeten“, die – meist in

 Althaus, Gebetsliteratur, . Besonders Luthers Türkengebet aus seiner Vermahnung zum Gebet wider den Türken von  (s. hierzu o. Abschn. ..) wurde in den Gebetbüchern häufig rezipiert (ebd.).  Althaus, Gebetsliteratur, .  In Anlehnung an Paul Althausʼ Definition von Gebetbüchern als „Sammlungen von Gebeten für die vornehmsten Anliegen des individuellen Lebens.“ (Althaus, Gebetsliteratur, ).  Diese Beobachtung teilt ebenfalls Cosack, Türkengebete, : „Außerdem ist uns bis in die neunziger Jahre, also während eines Vierteljahrhunderts nichts Weiteres von erbaulicher Literatur der in Rede stehenden Gattung bekannt geworden. Da aber fluthet dieselbe mit einem Male in den Jahren  –  reichlich.“  S. hierzu die weiter unten bearbeiteten Türkengebetbücher Esaias Tribauers sowie das Naw Betbüchlein. Ebenfalls  erschien Andreas Gyglers Gebetbüchlein wider den Türcken, das knapp  Jahre später von Johann Michael Dilherr in Nürnberg erneut ediert und erweitert wurde. Es besteht aus vier Teilen, in denen Türkengebete unterschiedlicher Autoren und Territorien verzeichnet sind, und es enthält außerdem Gebete unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen (Obrigkeiten, Befehlshaber, Krieger, Hausväter, Hausmütter, Witwen, Jungfrauen, Kinder). Ein Frage-Antwort-Katalog klärt über die ‚wichtigsten‘ Topoi in der Auseinandersetzung mit der Türkenfrage auf. In einem letzten Teil sind Türkenlieder aufgenommen. Cosack, Türkengebete,  –  nahm bereits eine ausführliche und gründliche Bearbeitung dieses Gebetbuchs vor, sodass in diesem Abschnitt nicht eigens darauf eingegangen wird.  S. o. Abschn. ..

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Reimform gehalten – wohl dem Diktum Luthers Rechnung trugen, dass das Gebet der Kinder wirksamer gegen die Türken sei als Wälle, Büchsen und Fürsten²¹⁴. Die unbescholtenen Kinderseelen – so die allgemeine Ansicht – würden Gottes Zorn am ehesten mildern.²¹⁵ Diese beiden ersten Gruppen von Gebeten entsprechen der von Wallmann ebenfalls beobachteten „doppelten Bestimmung des Gebetbuchs, für das Haus und für die Kirche“²¹⁶. Drittens folgen Gebete für die Krieger im Kampf gegen die Türken, die ich in Anlehnung an Luthers Heerpredigt als „Heergebete“ bezeichnen möchte. Diese Gebete wurden den Soldaten auf dem Schlachtfeld zu sprechen empfohlen; sie waren des Öfteren Adligen gewidmet, die im Aufbruch zu einer Schlacht begriffen waren. An dieser Stelle sei auf einen frühen Einzeldruck eines deutschsprachigen Türkengebets aus dem Kontext der Wiener Belagerung 1529 verwiesen, der sich nicht so recht in die vorgenommene Einteilung von Kollektengebeten, obrigkeitlich verfügten Türkengebeten oder Türkengebetbüchern einordnen lassen will. Das Gebet wurde zusammen mit einem Türkenlied 1529 in der Druckerei der Kunigunde Herrgott in Nürnberg verlegt und entstammt der Feder von Jörg Dappach, einem Liederdichter, der bereits um 1522 ein Türkenlied verfasst haben soll²¹⁷, über dessen Person aber keine weiteren Angaben mehr möglich sind. Die Schrift trägt den Titel Ein Lied gemacht wie es im Osterland ergangen ist / Jn dem  „Betet! Quia non est spes amplius in armis, sed in Deo.Wenn dem Turcken imant soll thun, so werdens die armen kindrichen thun, die beten das Vatter vnser etc. Unser wall und buchsen und alle fursten, die werden in wol ungeheit lassen.“ (WATR , Nr. ). Vgl. außerdem die Anordnung Luthers in seiner Vermahnung an die Pfarrherrn gegen die Türken, „in Heussern auch die Kinder lassen beten“ (WA , ,) sowie die Aufforderung zum Katechismus-Unterricht der Kinder für den Fall einer Gefangennahme durch die Türken in seiner Vermahnung zum Gebet wider den Türken (WA , , f.). / entstand dann auch das bekannte Kinderlied Luthers Erhalt uns Herr bei deinem Wort, das „wider die zween Ertzfeinde Christi und seiner heiligen Kirchen, den Bapst und Türcken“ (WA ,  f.) zu singen war.  Vgl. hierzu auch die Aussage des Türkenpredigers Heinrich Roth: „Unserer Kinder hoffen wir / wollen wir am meisten geniessen / denn ihre Hende sind noch nicht so voll Frevels / und jhre Hertzen nicht so voll boßheit“ (Roth, Fünff Türckenpredigten, Cv-Cr).  Wallmann, Herzensgebet, .  Emil Weller, Repertorium typographicum. Die deutsche Literatur im ersten Viertel des sechzehnten Jahrhunderts (Nördlingen ), Nr.  verzeichnet folgendes Türkenlied: Ain schön lied New gemacht von dem türckenn. Auß der propheci daruon man lang gesagt hat. Den Schluss des Liedes zitiert er wie folgt: „Der unns das liedlein hat gemacht / auß der prophecey gar wol betracht / Jörg Dappach thut er sich nennen / ir frummen lantzknecht seyd vnuerzagt / Daß türkisch her zu trennen.“ Da mir der Druck dieses Liedes nicht vorliegt, kann nur gemutmaßt werden, dass das Lied von  die Vorlage des  neu aufgelegten Türkenliedes Dappachs ist. Denn die letzte Strophe lautet hier: „Der uns das Liedleyn hat gedicht von newem hatt ers zugericht / Jörg Darpach thut er sich nennen / Heiligs Reych sey unverzagt / unn laß dich nit zutrennen / ia zutrennen.“ (Dappach, Lied, Bl. v, Hervorhebungen D.G.).

2.3 „Mit dem Gebet wider den Feind streiten“ – Türkengebete

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thon / Es geet ein frischer summer daher. Darnach ein gebet zů Got wider den Türcken und befindet sich in einem Sammelband der Ratsschulbibliothek Zwickau. Während das Lied die Gräueltaten des osmanischen Heeres im „Wiener Wald“²¹⁸ in dunklen Farben schildert, ist das angehängte Türkengebet ein Gebet für den Sieg des Kaisers und seiner Truppen gegen die Türken. Doch trotz aller kriegerischer Bemühungen ist sich der Beter sicher, dass „der sig nicht ist in der menig des volcks / sondern die stercke wirdt von hymel herab gegeben […].“²¹⁹ Gebet und Lied gehören am ehesten in den Kontext der Heergebete – ja, es lässt sich sogar vermuten, dass der Autor selbst ein zurückgekehrter Söldner des kaiserlichen Heeres war. In der Offizin des Ulmer Druckers Hans Varnier erschienen 1541 anonym Ettliche nutzlyche Gebet, ein Türkengebetbuch, das vermutlich für den kirchlichen Gebrauch bestimmt war. Die Sammlung umfasst lediglich drei Türkengebete sowie eine Teütsch Letaney ²²⁰, die von zwei Chören im Wechsel zu sprechen war. An die Litanei sind drei weitere Kollektengebete „für die sünd“²²¹ und „umb frid“²²² angefügt. Im ersten Türkengebet²²³ nehmen die Schilderung der eigenen Sündhaftigkeit und die Bitte um Bekehrung und Rettung breiten Raum ein. Mit dem Verweis auf das alttestamentliche Motiv der Bitte der wenigen Gerechten für die vielen Sünder erinnert der Beter Gott an seine Gnadentaten, die er dem Volk Israel immer wieder zuteilwerden ließ. Die Bitten für die Obrigkeiten, die sich im „eusserlichen streit mit dem Türcken“²²⁴ befinden, und für die „bruder und schwestern / die schon yetzund von disem grausamen feind verjagt / gefangen / oder sunst beängstiget seynd“²²⁵ schließen das erste Gebet mit dem Hinweis auf die Taufe und die damit verbundene Zugehörigkeit zum Reich Gottes ab. Das zweite sehr kurze Türkengebet²²⁶ zu Gott, dem „stiffter des fridens und liebhaber der liebe“²²⁷, erinnert an die kurzen Kollektengebete der Agenden und erbittet Gottes Schutz vor dem „anlauffen der Türcken“²²⁸. Das dritte und letzte eigentliche

          

Dappach, Lied, Bl. r. Dappach, Lied, Bl. r. Ettliche nutzlyche Gebet, Ar-Ar. Ettliche nutzlyche Gebet, Av. Ebd. Ettliche nutzlyche Gebet, Av-Av. Ettliche nutzlyche Gebet, Av. Ebd. Ettliche nutzlyche Gebet, Av. Ettliche nutzlyche Gebet, Av. Ebd.

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Türkengebet der Sammlung ist das 1537 dem Türckenbüchlein Johannes Brenzʼ hinzugefügte Gebet wider den Türcken ²²⁹. Eine Gebetsammlung, die sich ganz in die Rubrik der Heergebete einordnen lässt, ist die im Jahr 1566 veröffentlichte und bereits ein Jahr vorher entstandene Schrift Schöne Gebet wider den Türcken des Briger Diakons Esaias Tribauer. Dieser widmete sein Gebetbüchlein Wolf von Oppersdorf zu Schedlau, da dieser „etliche Jahr in des Türcken viehischer dienstbarkeit gewesen / und unter seinem Joch habe […] ziehen / und viel Gottslesterung [habe] hören müssen […].“²³⁰ Tribauer kritisierte die moralisch völlig inakzeptablen Zustände im deutschen Heer und sah sich veranlasst, Gebete für die Kriegsleute und die Daheimgebliebenen zu verfassen bzw. zu sammeln.²³¹ Mit Anklängen an Luthers Heerpredigt schilderte Tribauer, dass Christianus und Maximilianus gegen die Türken kämpfen sollten – zuerst Christianus mit Buße und Gebet und im Anschluss daran Maximilianus, der Kaiser, der mit Waffen „den Türken“ in die Flucht schlagen werde.²³² So sollte denn Wolf von Oppersdorff auch das Gebetbüchlein „unter die Kriegsleute fördern helffen“²³³, damit diese „im krieg / mit uns zu gleich beten / und einmüttig zu Gott schreyen wolten […].“²³⁴ Das Naw Betbüchlein, das ebenfalls im Jahr 1566 publiziert und bei Matthes Stöckel d.Ä. in Dresden verlegt wurde, beinhaltet acht Gebete wider die Türken sowie einen Lobgesang zu Gott in aller Not. Die Gebete lassen sich nicht eindeutig dem kirchlichen oder häuslichen Bereich zuschreiben, sodass man von einer doppelten Verwendung des Naw Betbüchleins ausgehen kann. Die Hälfte der Gebete orientiert sich an biblischen Gebetstexten. Eine Kompilation aus Texten des Pentateuchs, des Buches Daniel und des Psalters²³⁵ sowie Ps 79²³⁶ und das „Gebet Manasses“²³⁷ werden hier als Türkengebete interpretiert. Der als Gebet

 S.u. Abschn. ...  Tribauer, Schoene Gebet, Av.  „Dann das wir daheim mit unsern Kinderlein für sie beten und bitten sollen / Sie aber im kriege / unsern HErrn Gott mit allerley erschrecklichen fluchen lestern und schenden wolten / toll und voll sein / unzucht treiben / allen mutwillen an den armen Mitchristen uben / und das Beten anstehen lassen / das wird den Türcken lang nicht schlahen.“ (Tribauer, Schoene Gebet, Av).  „Sollen wir nun dem Türcken obsiegen / so mus Christianus an der spitze gehen / und den ersten angriff thun / Das ist / man mus zuvor Bussen / und Gott versunen / und als dann die augen auff / und die hand zuthun / und weidlich drein schlahen. Wil aber jemand drüber kriegen / und diese ordnung nicht halten / der wage sein abenthewer.“ (Tribauer, Schoene Gebet, Ar+v).  Tribauer, Schoene Gebet, Ar.  Tribauer, Schoene Gebet, Av.  Naw Betbüchlein, Br-Bv.  Naw Betbüchlein, Bv-Br.  Naw Betbüchlein, Br-Br.

2.3 „Mit dem Gebet wider den Feind streiten“ – Türkengebete

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Joschaphats (2Chr 20) in „gesang weis“²³⁸ und somit als „interpretierendes Bibellied“²³⁹ deklarierte Liedtext des Wittenberger Stadtpfarrers und Generalsuperintendenten Paul Eber (1511– 1569) Wenn wir in höchsten Nöten sein ²⁴⁰ wurde hier noch ohne Verweis auf den Autor vermutlich zum ersten Mal abgedruckt.²⁴¹ Die Einbettung in ein Türkengebetbuch sowie die ursprünglich vorgeschlagene Melodie von Luthers 1541 im Angesicht der Türkengefahr gedichtetem Lied Erhalt uns Herr bei deinem Wort charakterisieren Ebers Lied ebenfalls als Türkenlied. Neben den biblischen Gebetstexten werden dem Leser des Naw Betbüchleins noch vier weitere Gebete zeitgenössischer Autoren präsentiert. Das einzige Gebet, das einen Hinweis auf den Autor trägt, ist das Türkengebet Luthers von 1541. Der angehängte Lobgesang zu Gott in aller not / trübsal unnd verfolgung ²⁴², der nur die Autoren-Initialen „D.W.L.“ trägt, ließ sich als das Türkenlied O Gütiger Gott in Ewigkeit Wenzeslaus Lincks (1483 – 1547) identifizieren, das dieser wohl ebenfalls im Kontext der Türkenbedrohung 1541 gedichtet hatte. Aus der langen Reihe der Gebetbücher der 1590er Jahre sei an dieser Stelle auf drei Türkengebetbücher hingewiesen, die im Kontext des Regensburger Reichstags von 1594 erschienen.²⁴³ In einem Druck des Jahres 1593, der als Christliche Anordnung des Kaisers und etlicher Churfürsten / und Stendt des H. Reichs Teutscher Nation ausging²⁴⁴, stößt der Leser neben den Türkengebeten Luthers und Brenzʼ auf die verfügten Gebete und teilweise beigefügten Litaneien wider die Türken für Niederösterreich²⁴⁵, für das Kurfürstentum Brandenburg²⁴⁶ und das Herzogtum Württemberg²⁴⁷ sowie für die Städte Wittenberg²⁴⁸, Freiberg²⁴⁹, Leipzig²⁵⁰, Ulm und

 Naw Betbüchlein, Cr.  Wolfgang Herbst, Ilsabe Seibt (Hgg.), Handbuch zum Evangelischen Gesangbuch, Bd. , Liederkunde zum Evangelischen Gesangbuch, Heft , Göttingen , .  EG , einen ausführlichen Kommentar zum Lied bieten: Herbst / Seibt, Liederkunde,  – .  Zu dieser Ansicht kommen auch: Cosack, Türkengebete,  sowie Herbst / Seibt, Liederkunde, .  Naw Betbüchlein, Cv-Cr.  Nicht bearbeitet werden hier die folgenden Türkenschriften, die aufgrund der Disparität des Materials streng genommen nicht als „Türkengebetbücher“ zu verstehen sind, auf die aber dringend hingewiesen werden muss: Rosinus, Antiturcica Lutheri,  –  verzeichnet allein  Türkengebete; Erythropel, Weckglock,  –  bietet  Gebete und Kollekten wider die Türken und Glaser, Türcken-Büchlein, ar-ar beinhaltet acht weitere Gebete.  Der Röm: Keis: Maiest., Ar.  Der Röm: Keis: Maiest., Ar-Ar – zum Türkengebet in Niederösterreich s.o.  Der Röm: Keis: Maiest., Bv-Bv.  Der Röm: Keis: Maiest., Cr-Cv.  Der Röm: Keis: Maiest., Ar –Br; das Gebet ist identisch mit dem verordneten Gebet im Kurfürstentum Sachsen.

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Augsburg²⁵¹. Den Gebeten ist der Reichstagsbeschluss des Jahres 1566 vorangestellt und gibt diesem Türkengebetbuch eher den Charakter einer Sammlung von obrigkeitlichen Verordnungen als den einer erbaulichen Schrift. Es überrascht deshalb, dass die Christliche Anordnung – trotz beigefügter Litaneien für öffentliche Betstunden – primär für „alle Gottselige[n] Haußväter und Haußmütter / Auch Kinder unnd Gesindt“²⁵² bestimmt war. Das Türkengebetbuch Contra Turcam […] des Gregor Perlitz, das 1593 in Wittenberg bei Chrisoph Axin erschien, ist die letzte nachweisbare Schrift des wegen des Verdachts des „Krypto-Calvinismus“ 1592 nach Luckau versetzten ehemaligen Offizials der Stadt Lübben.²⁵³ Perlitz präsentierte seinen Lesern ein zweisprachiges Werk, das dem ersten deutschen Teil einen weitgehend identischen zweiten lateinischen Teil folgen ließ. Der neue Luckauer Superintendent schuf mit seinem Türkengebetbuch ein wahres Kleinod, da er die zumeist alten Türkengebete als Elegien in Reimform quasi neu erfand.²⁵⁴ Luthers altbekanntes Türkengebet von 1541 erscheint hier nun als Gedicht auf Deutsch²⁵⁵ und Latein²⁵⁶ und auch so wenig poetische Texte wie die verordneten Türkengebete Kursachsens und Brandenburgs werden zweisprachig als Klagegedichte wiedergegeben. Insgesamt 18 dieser Elegien formulierte bzw. übersetzte Perlitz neu – bei den meisten ohne Quellenangaben versehenen Gebeten müssen die ursprünglichen Formen leider im Dunkeln bleiben. Den Elegien folgen zwei Türkenlieder. Das erste ist das bereits aus dem Naw Betbüchlein bekannte Lied Wenzeslaus Lincks, das zweite Lied ist eine Variation zu Psalm 79. Da Perlitz sein Gebetbuch besonders der Jugend zu lesen empfahl, finden sich für diese Zielgruppe im Anhang Gebete für den Morgen, für den Abend, zur Vorbereitung auf das Abendmahl sowie zur Ein-

 Der Röm: Keis: Maiest., Br-Bv.  Der Röm: Keis: Maiest., Bv. Das Gebet ist identisch mit dem verordneten Gebet im Kurfürstentum Sachsen.  Der Röm: Keis: Maiest., Cv-Cv (für Ulm und Augsburg zusammen).  Der Röm: Keis: Maiest., Ar.  Vgl. über Perlitz die allseits spärlichen Angaben bei: Destinata Literaria IX,  – ; Christian Adolph Pescheck, Zur Geschichte des Krypto-Calvinismus in der Lausitz, in: Neues Lausitzisches Magazin  (),  – , hier:  f.  In seiner als „Occasion und Gutdünken deß Autoris“ deklarierten Vorrede lässt Perlitz seine Leser wissen: „Weil auch diese [sc. Martin Luther und Paul Eber] / und dergleichen mehr thewre Menner / solche ihre Gebete / Gesenge / und andere Memoralien in gewisse Numeros und Reime geordnet haben / also das jederman sie müsse passieren lassen / verhoff ich / das keine Sünde sey / wenn ich in gegenwertigen meinen Versionen / diese hohe leute imitieret habe / zu Gottes Ehren und bequemern nutz des nehesten.“ (Perlitz, Contra Turcam, Av).  Perlitz, Contra Turcam, Av-Br.  Perlitz, Contra Turcam, Gv-Gv.

2.3 „Mit dem Gebet wider den Feind streiten“ – Türkengebete

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stimmung und Beendigung des Studierens. Bevor der lateinische Abschnitt folgt, werden summarisch die verordneten Gebete Sachsens, Brandenburgs und Magdeburgs im Wortlaut sowie weitere biblische und zeitgenössische Gebete wider die Türken aufgeführt. Ferner schließen drei weitere Elegien und die prophetische Weissagung „Das Römische Reich muß entlich siegn / Der Türck wird grewlich unterliegn“ den deutschen Teil des Perlitzschen Gebetbuchs Contra Turcam ab. Der lateinische Teil entspricht, abgesehen von der Beigabe weiterer Türkengebete, dem deutschen. Die didaktische Methode, bereits existierende Türkengebete zu Elegien in Reimform umzuwandeln, die Fokussierung des Autors auf die „liebe Jugendt“²⁵⁷ sowie die Zweisprachigkeit des Gebetbuches²⁵⁸ lassen den Schluss zu, dass die Perlitzschen Gebete am ehesten für schulische Zwecke bzw. für die häusliche Andacht bestimmt waren. Als letztes Beispiel sei das über 200 Blatt starke Betbuch des Matthäus Leudtholdt erwähnt²⁵⁹, das dieser 1595 bei Nicolaus Voltz in Frankfurt / Oder drucken ließ. Der „Thumb-Probst und Prediger der Stiefft kirchen zu Cöllen an der Sprew“²⁶⁰ schuf damit einen wahren Almanach der im 16. Jahrhundert erschienenen Türkengebete, denn „hier findet sich das Bedeutsamste, was in dem Reformationsjahrhundert an Gebeten und Liedern für die Türkennot verfasst worden ist, beisammen.“²⁶¹ Das Betbuch umfasst zum einen biblische Gebete sowie verschiedenste Türkengebete zeitgenössischer Verfasser und zum anderen Lieder, die im Rahmen einer Betstunde²⁶² zu singen empfohlen wurden. Die Liste der Autoren der Türkengebete ist lang und umfasst u. a. Joachim II. von Brandenburg, Martin Luther, Johannes Bugenhagen, Andreas Musculus, Nicolaus Selnecker, Esaias Heidenreich, Johann Avenari (bzw. Habermann), Ludwig Rabus, Peter Glaser, Joachim Mynsinger, Nicolaus von Eppen und Michael Bapst. Leudtholdt widmete sein Werk den Kindern von Kurfürst Johann Georg von Brandenburg und dessen dritter Ehefrau Elisabeth von Anhalt-Zerbst und sah das Buch für den Gebrauch in den verordneten Betstunden im Kurfürstentum vor. Sowohl die fürstliche Familie²⁶³ als auch die Prediger und Hausväter im gesamten Herrschaftsgebiet waren  Perlitz, Contra Turcam, Ar.  Wallmann stellt in Bezug auf das Beten in der Frühen Neuzeit fest, dass das lateinische Beten ein fester Bestandteil der Schulbildung war, welches v. a. die Gebildeten weiterhin praktizierten. Demnach sei Latein „[a]uch nach der Reformation […] die Sprache des Gebets“ geblieben, sodass Wallmann folgert: „Neben der volkssprachlichen Gebetsliteratur gibt es das ganze . Jahrhundert hindurch eine umfangreiche lateinische Gebetsliteratur.“ (Wallmann, Herzensgebet,  ff.).  Ausführlicher widmet sich Cosack, Türkengebete,  –  dem Betbuch Leudholdts.  Leudtholdt, Betbuch, gv.  Althaus, Gebetsliteratur, .  Leudtholdt, Betbuch, Vvv-Xxr.  Leudtholdt, Betbuch, gv.

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aufgefordert, beim Klang der Betglocke die Gebete „nicht alleine in der gemeine und in der Kirchen / Sondern auch in den Heusern zu lehren / zu sprechen und zu Beten.“²⁶⁴ Mit dieser doppelten Bestimmung ist Leudtholdts Gebetbuch ein typischer Vertreter seiner Gattung, ja es greift sogar noch darüber hinaus. Denn außer den Gebeten für den Gottesdienst und die Hausandacht komplettieren noch Heergebete für die Krieger im Kampf und etliche Kindergebete das Werk Leudtholdts. Die hier vorgestellten evangelischen Türkengebetbücher können nur einen ersten Einblick in die im 16. Jahrhundert publizierten Drucke dieser Gattung geben. Einerseits konservierten sie bereits existierende Türkengebete und stellten andererseits neue Gebete zur Verfügung. Die Adressaten ließen sich in den meisten Fällen nicht konkret eingrenzen – zumeist sollten sowohl Pfarrer als auch Hausväter die Gebete in den Gottesdiensten bzw. häuslichen Andachtsstunden verwenden. Am Beispiel der „Heergebete“, Kindergebete und Gebete für die Jugend ließ sich zudem die schon von Althaus beobachtete „zunehmende Individualisierung der Gebete“²⁶⁵ erkennen. Die Übernahme katholischer – vornehmlich jesuitischer – Gebete und der Einfluss mittelalterlicher Mystik in die evangelischen Gebetbücher, die Althaus konstatierte²⁶⁶, lässt sich für die Türkengebetbücher nicht verifizieren. Demgegenüber fielen der konstante Aufbau und die gleichbleibenden Gebetsstrukturen der Türkengebete im Verlauf des 16. Jahrhunderts auf.

2.4 Türkengottesdienste Im Angesicht der Türkengefahr fanden sowohl im öffentlichen Raum als auch privatim Türkengottesdienste statt. Ihre Ausgestaltung variierte von Region zu Region und von Konfession zu Konfession. So wurden im öffentlichen Raum die Gottesdienste angesichts der Türkengefahr im Rahmen außerordentlicher Bußbzw. Bettage abgehalten, die zumeist von den territorialen Obrigkeiten für das gesamte Herrschaftsgebiet angeordnet wurden. Katholischerseits fanden Messen und öffentliche Prozessionen mit Predigten wider die Türken statt.²⁶⁷ Auf pro-

 Leudtholdt, Betbuch, gr.  Althaus, Gebetsliteratur, .  Althaus, Gebetsliteratur, .  Vgl. zu den in katholischen Territorien durchgeführten Messen im Angesicht der Türkengefahr z. B. die abgedruckte Anordnung in Johannes Wilds Bußpredigten, die vermutlich für das gesamte Mainzer Erzbistum galt: „Und damit ihr in solchen nöten gemeiner Christenheit / und bevorab Teutscher Nation / unsers Vatterlandts / ewer andechtig Gebett zu dem Allmechtigen

2.4 Türkengottesdienste

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testantischer Seite favorisierte man hingegen die neue regelmäßige Institution der Betstunden und Litaneien, die in den einzelnen Städten bzw. Superintendenturen zentral durchgeführt wurden. Alle drei Typen waren im Alten Reich weit verbreitet und prägten lokal unterschiedliche Muster aus. Da Eduard Simons seinerzeit bereits eine detaillierte und m. E. erschöpfende Analyse der „evangelischen Bußund Bettagsfeier in Deutschland bis zum dreißigjährigen Krieg“ geleistet hat²⁶⁸, soll im Folgenden der Blick auf die reichsweite Einführung der öffentlichen Türkengottesdienste, wie sie in Form von Prozessionen, Betstunden und Litaneien stattfanden, gerichtet werden. Ein weiterer Abschnitt wird sich den vor allem im Protestantismus etablierten privaten Hausandachten widmen. Schließlich gaben die Autoren der Türkenpredigten nicht selten als Grund für die Drucklegung ihrer Kanzelreden exakt diesen Verwendungszweck an. Die Hausväter und -mütter, die angehalten waren, mit Kindern und Gesinde gegen „den Türken“ zu beten und zu singen, sollten mittels der Predigten zum einen Motivation zur Durchführung derartiger Veranstaltungen im Hause und zum anderen ein Musterexemplar zum Vorlesen daheim erhalten.

2.4.1 Katholische Prozessionen und Bittfahrten wider die Türken E.F.G. haben neülich aus lassen geen ain Mandat / das man durch das gantz bistumb / halten sol / Procession / Fasten und petten / für Kayserlich Maiestat / und alle jenige so yetz wider den Türcken außzihen / das in der almechtig got wölle gluck unn hayl verleihen / Es hat auch / e.f.g. solch procession und gots dienst / selbs personlich mit sampt der gantzen Erwirdigen priesterschafft zu Freysing / löblich und eerlich verpracht unn außgericht mit solchem fleyß /

desto bequemer thun mögen / und umb so viel mehr / darzu erinnert und gemahnet werden / So ist es von unser Oberkeyt verordnet / daß alle Wochen auff einen benanten tag / umb genad und sieg wider den Türcken / von Gott unserm Herren zu erlangen / ein ampt der H. Meß gesungen oder zum wenigsten ein Meß gelesen werde / Welches man hie wochenlich auff N. tag halten wirt / und darzu wirdt man auch alle tag umb zwölff uhr in dieser Pfarrkirchen ein Glock leutten lassen / zu welcher zeit sich ein jeder in die Kirch verfügen / oder doch bey dem Glocken leutten / des Christlichen Kriegßvolcks sich erinnern / unn / als obstehet / umm genad unn sieg zu Gott getrewlich unn andechtiglich ruffen / unn bitten sol / und daß jr auch uber die ordenliche anlag unn stewr so durch das gantz Reich Teutscher Nation zu widerstandt des Türcken / von allen hohen und niders stands / Geistlichen und Weltlichen personen / nach einess jeden vermögen / laut des Jüngsten Speyrischen Reichs Abschiedts / und derhalb außgegangener Königlicher Mandata eingezogen werden sol.“ (Wild, Bußpredigten, XLVIIIr).  Simons, Buß- und Bettagsfeier. Auch die neu edierten Kirchenordnungen Straßburgs (EKO XX) bestätigen Simonsʼ Untersuchungen.

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ernst / andacht / unnd seiner ordnung das sich menigs verwundert hat / das E.F.G. solche müe so lang hat mügen erzeigen unnd ubersteen.²⁶⁹

Während sich in den protestantischen Territorien eigens eingerichtete Türkengottesdienste großer Beliebtheit bei den Verantwortlichen der Kirche erfreuten, wurden in den katholischen Gebieten Prozessionen und Bittfahrten wider „den Erbfeind“ unternommen. Matthias Kretzʼ Sermon von dem Turckenzug steht exemplarisch für einen Großteil der katholischen Türkenpredigten, die in ihrer mündlichen Vorform Bestandteil derartiger Prozessionen waren und sodann für den Druck vorbereitet wurden.²⁷⁰ Außer im Bistum Freising fanden auch andernorts bereits in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts katholische Türkenprozessionen statt. So versammelte man sich in München und Ingolstadt bereits ab ca. 1526 zu gemeinsamen Bittfahrten, wie August Brandt seinerzeit bei seiner Analyse von Predigtskripten Johann Ecks festgestellt hatte. In der am 7. Oktober 1526 verlesenen Publicatio berichtete der Prediger von der bereits in München abgehaltenen Prozession, der Herzog Wilhelm selbst beiwohnte, und ordnete derartige Processiones contra Thurcas auch für Ingolstadt an. Demnach sollte man künftig immer freitags zur Frühmesse die „großen glocken“ leuten, zur Pfarrkirche St. Moritz gehen, von dort weiter ins Barfüßerkloster der Stadt und danach wieder zurück zur St. Moritz-Kirche, um dort zu Predigt und Messe zusammenzukommen.²⁷¹ Auch noch am Ende des Jahrhunderts scheint sich in katholischen Gegenden der Brauch der Türken-Prozession immer noch regen Interesses erfreut zu haben. So berichtet im Jahr 1599 der einstige Bamberger Prediger Michael Anisius von den abgehaltenen Bittfahrten in seiner Stadt anlässlich derer er seine Predigten verfasste: „Bevorauß hab ich / bey gemeinen bittfarten wider den Türcken mich dessen beflissen / darzu das Volck inn grosser menig kommen / da man

 Kretz, Sermon, Av.  Vgl. hierzu auch Hille, Providentia Dei,  f.  „Auß diesen notwendigen ursachen ist unnser loblicher lantfürst h[erzog] W[ilhelm] auß Bairn auß christenlichen gmiet (wie allweg) bewegt worden, und auff Freitag verschinen zu Minchen, ain erlich, loblich, christenlich procession da gehalten mit versamlung aller geistlichkeit, er selbs in aigner person mit seiner ritterschafft und gantzen burgerschafft. Ditz haben erwogen ain ersamer rat und seelsorger diser stat, und auch auff aim Freitag künfftig etc. Under der friemeß wirt man leuten die großen glocken und die pfar von sant Mauritzen hirauff geen, nachmals ins kloster, darnach mit ainander in s. mauritzen; do wirt predigen und ampt haben.“ (zit. nach: Brandt, Predigttätigkeit, ). Zu Ecks Bezügen zur Türkengefahr in seinen in Unser Lieben Frau gehaltenen Predigten vgl. ebenfalls Brandt, a.a.O.,  – .

2.4 Türkengottesdienste

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menigklich zur Buß / Meydung der Sünden / unn Versönung mit Gott vermahnet.“²⁷² Über den Ablauf der Prozessionen und Bittfahrten schweigen die Quellen – abgesehen von Ecks Publicatio – weitestgehend. Es scheint, als sei diese Art des geistlichen Kampfes auf katholischer Seite ein bekannter Brauch gewesen, der nur noch wiederbelebt werden musste. Schließlich war die Form der Prozession angesichts der Türkengefahr ja spätestens seit Calixts III. Erlassen infolge der Eroberung Konstantinopels in Übung gewesen, weshalb deren Restitution durch den Reichstagsbeschluss 1522, wie es scheint, keine Probleme darstellte. Und doch finden sich in den katholischen Türkenpredigten auch kritische Töne. So klagte z. B. der Mainzer Domprediger Johannes Wild über die Nachlässigkeit der Geistlichkeit, die seiner Meinung nach die angeordneten Frömmigkeitsübungen nicht ernst genug nahmen: „Noch eins ist das der gemein hauff fürwirfft / nemlich das die Oberherrn / so uns solchs aufflegen unnd von uns fordern / die greiffens selbs mit dem geringsten finger nicht an. Da bekenne ich unnd muß es thun / das solche klage nur zu viel wahr ist. Dann allenthalb sehen wir den mangel / das die so solten fürgehen / die thun am wenigsten was sie selbst gebieten. Es werden satzung geben / man gebeut fasten / man sagt gemeine Proceßionen unnd gebett an / etc. Aber under allen achtet solches niemand weniger denn die / so die ersten sein solten / etc. Diese unordnung der fürsteher unnd Prelaten ärgert denn gemeinen Mann nit wenig / der gewißlich etwan gern volgen würde / wann er sehe das die Priester und Prelaten fürgiengen.“²⁷³

2.4.2 Evangelische Betstunden und Gottesdienste wider die Türken Mit einer Bitt der Kirchendiener zu Hall an den Rath daselbst, Christenliche ordnung furzunehmen ²⁷⁴ verlangten im Jahr 1529 Johannes Brenz und drei weitere Geistliche Schwäbisch-Halls²⁷⁵ eine grundlegende Veränderung der sittlichen Zustände in der Stadt. Die Feinde aus dem Osmanischen Reich waren immerhin bis vor Wien gekommen und die vier Geistlichen waren sich sicher, die Ursache für die Stärke des „Turckischen Tyrannen“²⁷⁶ gefunden zu haben: Die eigentliche Wurzel allen

 Anisius, Sieben Catholische Predigten, (:)r.  Wild, Bußpredigten, LXXIXv-LXXXr.  Ed. in: Theodor Pressel (Hg.), Anecdota Brentiana. Ungedruckte Briefe und Bedenken von Johannes Brenz (Tübingen ),  – .  Johan Isenman (Pfarrer zu St. Michael), Nicolaus Trabant (Helfer in St. Michael) und Michel Greter (Pfarrer zu St. Katharina).  Brenz, Bitt der Kirchendiener, .

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2 Reichspolitik und Kirche

Übels sahen sie in der sittlichen Verkommenheit des „gmeinen pobels“²⁷⁷ und stellten fest, „das weder zucht noch ordnung, wollen geschweigen christlich besserung des lebens on stete empsige anweysung gotlichs worts an jnen erlangt und erholet werden mogen“²⁷⁸. Die noch jungen reformatorischen Gemeinden schienen in den Augen ihrer Verantwortlichen erhebliche Defizite in der ethischen Umsetzung des neuen Bekenntnisses aufzuweisen. So baten sie den Rat, in dieser Situation „allen jren underthonen ernstlich [zu] gebieten, […] kein offenliche hochzeit zubegen, kein offenlichen Tantz zuhaben, kein offenliche gemein zech auff den Stuben oder wirtzheussern zuhalten, Oder zum wenigsten, das am feyertag all offenliche zech zur vesper zeit ein end sollten haben und menigklich in die kirchen zur Letaney zugen vermanet werden.“²⁷⁹ Hinderlich für den Kampf gegen die Türken waren in den Augen der Kirchendiener weiterhin die immer noch stattfindenden „Bepstlich mess“ in zwei Kirchen der Stadt. Der Rat sollte sein Möglichstes tun, „mit fuglichen mitel, sovil einer Christenlichen Oberkait muglich,“²⁸⁰ die Reformresistenten in die Schranken zu weisen. So erbaten die Antragsteller die Erlaubnis des Rates, „all Sontag zur vesper und all donnerstag zum tag ampt ein Christenlich Litanei, das ist Gemein gebet zusingen sampt vorgender predig wider den Turcken“²⁸¹. Die Bitt der Kirchendiener Schwäbisch Halls kann als einer der ersten Nachweise für die Praxis von eigens eingerichteten regelmäßigen Türkengottesdiensten bzw. sog. Betstunden oder Litaneien in den Kirchen der Reformation gelten. Auch für die Durchführung von anlassbezogenen Buß- oder Bettagen vor 1529 findet sich kein Anhaltspunkt, obwohl schon 1522 per Regimentsmandat der Befehl erlassen wurde, wegen der Türkengefahr einen allgemeinen Bußtag auszuschreiben. Erst für das Jahr 1532 lässt sich sicher belegen, dass in Straßburg auf obrigkeitlichen Befehl hin aufgrund der Türkengefahr der erste evangelische Bußtag abgehalten wurde.²⁸² Bis zum Ende des 16. Jahrhunderts hatte sich die Institution von öffentlichen Betstunden etabliert. Deutlich macht dies die Klage Jonas Rivanders, der im schlesischen Greiffenberg 1594 resigniert feststellte: Ach es mangelt hinden und fornen an Gottseligkeit / Man helt zwar Betstunden in vorstehender Türckennoth / mit was ernst / eyffer / und andacht sie von vielen verrichtet werden /

 Brenz, Bitt der Kirchendiener, .  Ebd.  Brenz, Bitt der Kirchendiener, .  Brenz, Bitt der Kirchendiener, .  Ebd.  Vgl. hierzu ausführlich Simons, Buß- und Bettagsfeier,  f. und ders., Anfänge,  ff. sowie Karl Dienst, Art. Buß- und Bettage, in: RGG  (. Aufl., ),  – , hier:  f.

2.4 Türkengottesdienste

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das weis Gott / der ein Hertzenkundiger ist.Viel Leut beten kaldt / und schleffrig ding / gehen zur Kirchen nur aus gewonheit. Das alles macht / das die Leut meinen / der Türcke sey noch weit / er könne so bald in diese Land nicht kommen.²⁸³

Öffentliche Betstunden, Litaneien und Gottesdienste wurden spätestens ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts überall im Reich zur Überwindung des Feindes aus dem Osmanischen Reich abgehalten. Ihre Ausformungen und Häufigkeit variierten von Region zu Region. Für das Gros der Gemeinden kann aber angenommen werden, dass die Litaneien häufig mehrmals in der Woche bzw. sogar täglich beim Klang der Türkenglocken in den Kirchen abgehalten wurden.²⁸⁴ Verantwortlich für die musikalische Ausgestaltung der Litaneien waren vielerorts die Schulmeister bzw. Kantoren mit dem örtlichen Knaben- bzw. Schulchor.²⁸⁵ Thematische Gottesdienste mit eigens verfassten Türkenpredigten scheinen seltener stattgefunden zu haben und wurden vielfach passend zum liturgischen Charakter der jeweiligen Sonntage gefeiert.²⁸⁶ Häufig verwiesen die Prediger auf die obrigkeitlichen Erlasse zum Abhalten der Betstunden. Polycarp Leyser betonte überdies in seiner Türkenpredigt, die er anlässlich der Einführung von Betstunden  Rivander, Heerpredigt, Ar-Av.  Esaias Heidenreich verwies in seinen XII Turcken Predigten auf die täglichen Betstunden in den Schulen, Häusern und Kirchen seiner Gemeinde (Heidenreich, XII Turcken Predigten, Bv) und gab an, er habe seine Predigten zusätzlich zu diesen aufgrund der großen Not donnerstags „im vorgangenen Sommer“ gehalten (Heidenreich, XII Turcken Predigten, Av). Polycarp Leyser berichtete in seiner Türkenpredigt von der Einführung von Türkengottesdiensten in Kursachsen  und zitierte die obrigkeitliche Anordnung. Die abgedruckte Predigt stellt mithin die erste in Wittenberg gehaltene Türkenpredigt im Rahmen der angeordneten Betstunden nach dem kurfürstlichen Erlass dar: „Dieses ist / Geliebte im HERRN Christo / die ursach / warumb auff diesen tag die gantze Gemein extraordinarie in die Kirchen zusammen gefordert ist. Das nun E. L. so fleißig und mit solcher anzahl erschienen / daran haben sie Christlich und wol gethan / und das jenige verrichtet / das ihnen Gottseligen / frommen und gehorsammen unterthanen gebüret / ja auch / das ihnen und ihren Kindern zum besten gereichen kann.“ (Leyser, Zwo Christlicher Predigten, Fv). Johannes Lauch erwähnte in seinen Ein und Dreißig Türcken Predigten ebenfalls die regelmäßigen Betstunden „in der Kirchen / oder daheym in den Häusern“ beim Klang der Türkenglocke und ermahnte seine Hörer, „nicht allein am Freytag fleissig zur Kirchen“ zu den Türkenpredigten zu kommen, sondern regelmäßig wider „den Türken“ zu beten. (Lauch, Ein und Dreißig Türcken Predigten, r).  Vgl. hierzu etwa die Anweisungen zu den Betstunden in Wittenberg: „Es sol Erstlich alle Tag der Custos oder Glöckner eines jeden Orts umb zehen uhr die Leut durch ein Glockschlag zum Gebet anmahnen / und als bald darauff den Schulmeister oder Cantor mit seinen Knaben in der Kirchen der volgenden Psalmen einen singen: Ich ruff zu dir Herr Jesu Christ. Allein zu dir Herr Jesu Christ: Aus Tieffer noth Schrey ich zu dir. Es wol uns Gott gnedig sein. Wenn wir in Höchsten Nöten sein.“ (Der Röm: Keis: Maiest., Ar).  So hielt beispielsweise Jakob Andreä fünf seiner Dreyzehen Predigten wider den Türcken an den Passionssonntagen des Jahres .

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2 Reichspolitik und Kirche

gegen die Türkengefahr 1592 hielt, dass die Anordnung zum Einsatz von geistlichen Waffen in letzter Instanz kein Befehl der Obrigkeit, sondern Gottes Auftrag sei: „Es ist nicht der Keiser / es ist auch nicht der Herr Administrator / oder S.F.G. Räth / die es anordnen und befehlen / das wir teglich Betstunden halten sollen / Sondern es ist Gott selbs / der es für etlich tausent Jahren durch seinen Propheten [sc. Joël] hat fürschreiben lassen.“²⁸⁷ Mit der Einnahme Ofens 1541 beginnt die Überlieferung von Litaneien, wie sie in den einzelnen Gegenden des Reichs abgehalten wurden. Die weiteste Verbreitung fand Luthers Litanei, die er auf Basis der mittelalterlichen AllerheiligenLitanei – veranlasst durch die türkische Bedrohung Südosteuropas – 1528/1529 verfasst hatte.²⁸⁸ Sie erschien zunächst auf Latein, aber noch 1529 folgte eine deutsche Übersetzung. In seiner Schrift Vom Kriege wider die Türken (1529)²⁸⁹ wandte sich Luther sodann auch gegen das Abhalten von Prozessionen oder das Anrufen von Heiligen. Mehr versprach sich der Reformator hingegen von den Litaneien: „Das mocht aber etwas thun, so man, es were unter der Messe, Vesper odder nach der predigt, ynn der Kirchen die Letaney sonderlich das iunge volck singen odder lesen liesse.“²⁹⁰ Obwohl die Litanei Luthers keine dezidierte „Türken-Litanei“ war, schienen ihr die Pastoren und Diakone auch im späteren 16. Jahrhundert den Vorrang vor seinem 1541 vorgeschlagenen liturgischen Ablauf einer Betstunde in der Vermahnung zum Gebet wider den Türcken zu geben. Luthers Litanei von 1529 findet sich als Teütsch Letaney auch in dem Türkengebetbuch Ettliche nutzliche Gebet (1541).²⁹¹ Der anonyme Autor gibt wortgetreu die Vorlage des Reformators wieder, ergänzt und aktualisiert sie jedoch: „Besonder dem blutgirigen yetz wütenden erbfeind der Christenhait/ dem Türcken wehren | Allen so in diser unnd aller not und gefar des Türcken seind / mit hilff erscheinen.“²⁹² Auch Johannes Paul Sutorius gibt in seinen Acht Christlichen […] Predigten (1595) Einblick in die „Ordnung der Betstunde wider den Erb unnd Ertzfeinde des Christlichen Namens den Türcken / in der Freyen Herrschaft Wollfstain zur Obern

 Leyser, Zwo Christlicher Predigten, Jr.  S. hierzu auch: Gerhard Hahn / Jürgen Henkys (Hgg.), Handbuch zum Evangelischen Gesangbuch, Bd. , Liederkunde zum Evangelischen Gesangbuch, Heft / (Göttingen ),  – , Theodor Kliefoth, Zur Geschichte der Litanei (Güstrow ),  –  und Brecht, Luther und die Türken, .  Ausführlicher dazu u. Abschn. ...  WA /, , – .  S.o. Abschn. ...  Ettliche nutzlyche Gebet, Av.

2.4 Türkengottesdienste

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Sultzburg“.²⁹³ Die dort übliche Teutsche Lytaney ²⁹⁴ entspricht im Wesentlichen ebenfalls Luthers Litanei von 1529, wurde allerdings um einige Bitten gekürzt. Öffentliche Betstunden gegen den Feind aus dem Osmanischen Reich fanden nicht nur in den gefährdeten Teilen des Reiches in der Nähe türkisch eroberter Gebiete statt. So predigte man z. B. auch in Mecklenburg gegen den Türken. Dietrich Schröder edierte in seiner Kirchen-Historie des evangelischen Mecklenburgs eine Anleitung zu einer Betstunde wider die Türken aus dem Jahr 1542. Diese sollte „alle Frydage edder Myddewecken jnn allenn Kercken im Lande tho Meckelnborch“²⁹⁵ abgehalten werden. Mittelpunkt der Andachten waren allerdings weder die Litanei noch eigens formulierte Türkengebete als vielmehr die Predigt. Nach dem Verlesen von Ps 90 sollte „de Predicker thom volcke düsse vormaninge don“²⁹⁶. Die ausformulierte Predigt weist auf die Mächtigkeit des Gebets hin, wie sie schon Mose und Samuel erfahren hätten. Obwohl die Gemeinden in Mecklenburg „ferne syn van dem Tyrannen der Christenheit, Ock van synem groten Legher unnd Heere, und syn nicht im stride mith unsen lyven“, war sich der Prediger sicher, dass Gebete dem Feind „mehr schaden unnd weher don“ als Schwerter und Kriegsrüstungen.²⁹⁷ Mit dem Gesang zweier Jungen sollte die Betstunde mit einer Antiphon beschlossen werden.

2.4.3 Hausandachten Das vielerorts praktizierte Läuten der Türkenglocken erinnerte sowohl an die öffentlichen Türkengottesdienste in der Kirche als auch an das Türkengebet zu Hause. Denn zu den öffentlich abgehaltenen Türkengottesdiensten traten – wie z. B. in Nürnberg²⁹⁸ – die angeordneten Andachten bzw. Betstunden im privaten

 Sutorius, Acht Christliche […] Predigten, r.  Ebd.  Schröder, Kirchen-Historie, .  Ebd.  Schröder, Kirchen-Historie, .  S. hierzu die vermutlich aus dem Kontext der Eroberung Szigets  stammende Ermahnung des Nürnberger Rats zum Abhalten von privaten „Türkenandachten“: „So wil demnach ein Erbar Rath alle jr Burger / Innwohner / unnd Verwandten / derselben ursachen hiemit widerumb erinnert / und sie darbey vermahnet haben / wann sie angeregte Glocken hören leuten / das ein jeglicher Haußvater solche erschröckliche noth unn anliegen gemeiner Christenheit / für sich in seinem Hauß / mit unnd neben seinem Weib / Kinde und Gesind / mit ernst zu gemüth führen / und Gott den HErrn in einheiligkeit anruffen und bitten wöllen / das sein Allmächtigkeit seinen gerechten / und durch uns wolverdienten Zorn / gnediglich abwenden / und gemeine Christenheit

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2 Reichspolitik und Kirche

Raum. Das lutherische Ideal des Hausvaters, der Familie und Gesinde im Wort Gottes unterwies²⁹⁹, schlug sich im späteren 16. Jahrhundert sowohl auf die Kirchenordnungen³⁰⁰ als auch auf die protestantische Frömmigkeitspraxis³⁰¹ nieder. Zu privaten Betstunden war es da nur noch ein kleiner Schritt. In seinem umfassenden Werk Weckglock / darinnen die schlafende Teutschen wider die wachende Türcken auffgewecket werden beschrieb der Hannoveraner Prediger Rupertus Erythropel 1595 den Ablauf einer solchen Türkenandacht im Haus: Und was also in der Kirchen geschicht / soll daheim auch geschehen / da es wol stehet / daß in den Häusern / da eine zimliche Haußhaltung ist / die Eltern / Herrn unn Frauwen / jr Kinder und Gesindlein zusammen in ein Stüblein fordern / und lassen etwa zwey Knäblein oder Mägdlein die Litaney³⁰² vorsingen / und die Noth fürtragen wider den Türcken / da denn die andern fein auff antworten / Behüt uns lieber HERR Gott. Hilff uns lieber HERR Gott. Erhör uns lieber HERR Gott. Da soll denn der Vatter oder die Mutter die Collecten drauff singen / wie ich solchs zum offternmal mit meines Hertzen Frewd und Lust gesehen / gehöret und auch mit gesungen habe zu Leiptzig […].³⁰³

von des erschröcklichen Feindes grausamen Tyranney erretten wöllen.“ (Der Röm: Keis: Maiest., Br).  Wie z. B. aus den einzelnen Überschriften von Luthers Kleinem Katechismus (WA /,  – ) zu ersehen ist, hatte die katechetische Unterweisung ihren primären Platz zu Hause,wo es die Aufgabe des „Hausvaters“ war, seinem Gesinde die Kernstücke des Glaubens (Dekalog, Credo, Taufe, Abendmahl, Morgen- und Abendsegen, Tischgebete) zu lehren. hierzu auch: Gotthardt Frühsorge, Luthers Kleiner Katechismus und die ‚Hausväterliteratur‘, in: PTh  (),  – , hier:  f.  Vgl. hierzu Paul Graff, Geschichte der Auflösung der alten gottesdienstlichen Formen in der evangelischen Kirche Deutschlands bis zum Eintritt der Aufklärung und des Rationalismus (Göttingen ),  f.  Patrice Veit untersuchte die Hausandacht im deutschen Luthertum vornehmlich anhand von Leichenpredigten und kam zu dem Ergebnis, dass zu „dem Kanon der religiösen Pflichten, an deren Erfüllung ein ‚guter‘ Lutheraner gemessen“ wurde, häufig das Abhalten von „Hausgottesdiensten“ gehörte. Auch der Begriff „Hauskirche“ falle in diesem Zusammenhang, sodass „das Haus gleichsam in den Rang einer ‚religiösen Zelle‘ erhoben“ wurde. Der Hausvater wurde vielerorts durch die Bezeichnung als „Hausprediger“ in die Nähe des Pfarrers gestellt (Patrice Veit, Die Hausandacht im deutschen Luthertum: Anweisungen und Praktiken, in: Ferdinand von Ingen / Cornelia Niekus Moore [Hgg.], Gebetsliteratur der Frühen Neuzeit als Hausfrömmigkeit, Wolfenbütteler Forschungen  [Wiesbaden ],  – , hier:  f.).  Die „Litaney“, auf die Erythropel verweist, ist die von Luther in seiner Vermahnung zum Gebet wider den Türcken () entworfene Fassung. Denn die „Processiones“, die man schon  abgehalten habe, seien „geschehen auff unnütze Heydsche Weise unter den Bäpstischen“, weshalb Luther „unser Litanias reyn unnd klar […] gesäubert und gereyniget“ habe (). Obwohl auch Erythropel davon überzeugt war, dass das Vaterunser „oratio orationis“ () sei, findet sich auch in der Weckglock eine Reihe von gebräuchlichen Türkengebeten und -liedern ( –  und  f.).  Erythropel, Weckglock, .

2.4 Türkengottesdienste

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Der Hinweis des Hannoveraner Pfarrers auf die Praxis von privaten Türkenandachten „zu Leiptzig“ sowie der bereits erwähnte Hinweis des Brandenburger Pfarrers Matthäus Leudtholdt auf die Betstunden im Hause³⁰⁴ und die Christliche Anordnung von 1593 für „alle Gottselige[n] Haußväter und Haußmütter / Auch Kinder unnd Gesindt“³⁰⁵ sprechen für ein im Reich verbreitetes Phänomen frühneuzeitlicher Hausfrömmigkeit. Die Belege für private Türkenandachten in den 1590er Jahren spiegeln die für den Protestantismus belegte Intensivierung häuslicher Frömmigkeit gegen Ende des Jahrhunderts wider. Sie entwickelten sich aus den von den weltlichen Obrigkeiten und kirchlichen Verordnungen verfügten Hausgebeten, wie sie flächendeckend seit spätestens 1566 beim Läuten der Türkenglocken in Gebrauch waren.³⁰⁶ Anstoß dafür waren wohl nicht zuletzt Luthers Hinweise in seiner Vermahnung zum Gebet wider den Türken (1541) und der Vermahnung an alle Pfarrherrn in der Superattendenz Wittenberg (1543), wo er zum einen auf das Gebet „da heimen“³⁰⁷ verwies und zum anderen dazu aufforderte, die Kinder in den Häusern beten zu lassen.³⁰⁸ Außerdem verwiesen auch die Türkenprediger auf die häuslichen Andachten.³⁰⁹ So riet z. B. der lutherische Pfarrer Friedrich Mütel aus dem böhmischen Deckau seinen Lesern, sie sollten „alle tag wenn man die Türckenglocken leuttet /daheim mit [ihren] Kindern singen: Erhalt uns HERR bey deinem Wort / und stewr des Bapsts unnd Türcken mordt / etc. Item, Verleyh uns Frieden gnediglich / etc. […] Und darauff beten das Türcken gebet: Unnd ein gleubiges Vater Unser“³¹⁰. Auch der Superintendent von Velburg, Johannes Lauch, nahm auf die Hausandachten Bezug und erklärte, er habe seine Ein und Dreißig Türcken Predigten (1599) in den Druck gegeben, damit seine Zuhörer „daheim in jhren Häusern / was jnen auß Gedechtnus entfallen / repetieren und widerholen / unnd sich zu diesen gfährlichen zeitten desselben tröstlich gebrauchen köndten.“³¹¹ Eine völlige Ver-

 S.o. Abschn. ..; Leudtholdt, Betbuch, gr.  Der Röm: Keis: Maiest., Ar.  Vgl. hierzu z. B. die Hausgebete, die im Bistum Freising und im Erzherzogtum Österreich  (s.o. Abschn. ..) verordnet wurden, und die in den Türkengebetbüchern ebenfalls zahlreich begegnen (s.o. Abschn. ..).  WA , , .  WA , ,  – .  So z. B. Lange, Christliche außlegung, Bv-Br.  Mütel, Krieg Predigt, Cr.  Lauch, Ein und Dreißig Türcken Predigten, Av. Auch Sutorius gibt als Grund für die Drucklegung seiner Predigten an: „Denn es haben sich etliche guthertzige funden / die nicht allein die Predigten mit fleiß angehört / und zur besserung angenommen / sondern auch ein Abschrifft oder offentlichen Druck derselben an mich begeren lassen / damit sie solche Bußpredigten auch daheim mit den jhren zu Hauß lesen / besser in das gedechtnuß fassen / und darnach ir gantz

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2 Reichspolitik und Kirche

innerlichung der Türkenandacht findet sich schließlich bei Johannes Paul Sutorius. Zwar sei das gemeinsame Gebet in der Kirche zu bevorzugen, „aber dieweil die Sach also mit uns auff dem Land beschaffen / daß wir für der Feldarbeit / nicht alle tag können zusammen kommen / soll dannoch zum wenigsten ein jeder / wenn man mit dem glockenschlag ein zeichen gibt / teglichs / oder ja auch sonsten / wann jhme Gott rufft und das hertz rüret / zu hause / oder im Feld / wo er denn ist / bey den Leuten / uberall an allen orten beten / unnd mit gemeiner Christenheit sein Vater unser nach Himmel schicken.“³¹²

2.5 Zusammenfassung Am Beispiel der Aufrufe zum Kampf mit „geistlichen Waffen“ gegen die Türken wird der enge Konnex zwischen Reichspolitik und Kirche im 16. Jahrhundert besonders anschaulich vor Augen geführt. Die auf den Reichstagen getroffenen Verordnungen sollten in der gesamten Bevölkerung Akzeptanz für die umstrittenen und von Mal zu Mal ansteigenden Kosten für den Türkenkrieg stiften. Der Einbezug der gesamten Lebenswelt in die politische Auseinandersetzung zeigt eine enge Verschränkung des öffentlichen und privaten Bereichs und nicht zuletzt eine Vereinnahmung des letzteren. Denn das tägliche Läuten und damit verbundene konfessionsübergreifende Gebet, ob auf dem Feld oder zu Hause, sorgte dafür, dass auch im kleinsten Dorf fernab der Kriegsfronten der politische Konflikt mit dem Osmanischen Reich präsent war. Der Zusammenhang von Reichstagen und theologischen Türkenschriften des 16. Jahrhunderts wurde in den Arbeiten zur Thematik häufig übergangen. Die Recherche der Reichstagsakten, Kirchenordnungen, obrigkeitlichen Erlasse, gedruckten Türkengebete, -gebetbücher und -predigten ergab diesbezüglich jedoch ein eindeutiges Bild: Die Theologen verfassten ihre Schriften, weil sie den Auftrag dazu erhalten hatten. Ob sie sich der Thematik eingehender widmeten oder ihr eigenes Wissen über den „Erbfeind“ erweiterten, war den Autoren selbst überlassen. Auffällig ist hierbei, dass sie die gesamte Palette der ihnen bekannten literarischen und liturgischen Ausdrucksmittel für den Kampf gegen die Türken ausschöpften: Auslegungen, Berichte, Gebete, Predigten, Lieder und Gedichte wurden von den Theologen verfasst bzw. gesammelt und neu ins Gedächtnis gerufen, um den Krieg mit dem Wort zu führen.

leben in der gegenwertigen noth richten und reguliren köndten.“ (Sutorius, Acht Christliche […] Predigten, r).  Sutorius, Acht Christliche […] Predigten, v.

2.5 Zusammenfassung

77

Ohne Zweifel nutzten die Autoritäten des Reichs die Macht der Kirchen, um stärkeren Einfluss auch auf das private Leben ausüben zu können. Diese Aufgabe der Disziplinierung, also der „Normierung und Formierung von Verhalten, Glauben, Denken und Empfinden“³¹³, nahmen die Kirchen, vermittelt durch die Pfarrer vor Ort, flächendeckend wahr. Der enge Zusammenhang von Landesherrschaft und landesherrlichem Summepiskopat war besonders für den Protestantismus kennzeichnend.³¹⁴ Einwände oder Zweifel gegenüber dieser Vereinnahmung scheinen seitens der Kirchen – das machen insbesondere die Türkenpredigten, aber auch die Schriften Luthers, Osianders und Dietrichs deutlich – nicht geäußert worden zu sein. Ausgehend von dieser „Auftragsarbeit“ der Theologen entwickelten sich jedoch auch eigenständige Formen von Türkenandachten und -gebeten. Besonders im Protestantismus schlugen sich konfessionsspezifische Gattungen auch auf den Bereich der Türkengefahr nieder. Die private Andacht mit Gesängen und Gebeten der Erwachsenen und Kinder gegen den „Erbfeind“, die zu Hause unter der Leitung des Hausvaters stattfand, scheint besonders im Luthertum ein verbreiteter konfessioneller liturgischer Typus gewesen zu sein.

 Schilling, Disziplinierung, .  Die Deutung des Landesfürsten als „pater patriae“ findet sich ebenfalls in den Türkenpredigten. S. hierzu z. B. die erste Türkenpredigt des Seeburger Pfarrers Nikolaus Möring, Unüberwindlicher Christen Schutz, Ar+v: „Durch diesen ernsten Göttlichen Befehl / ist unser gnedigster Churfürst und Herr / so wol als aus trewer lieb und vorsorge gegen seine Unterthanen / wie ein rechter pater patriae nach dem Exempel des gottseligen Königs zu Ninive / bewogen worden / allen Predigern seiner Herrschafft / gebietend zu erinnern / das si nechst der Dancksagung für den herrlichen mitgeteilten Sieg / wider den Türcken / jre befohlene Pfarkinder und Christliche zuhörer / zur Busse und besserung jres Lebens vermanen / und das sie mit dem gleubigen Gebet zu Gott jmmerdar anhalten sollen / damit er für uns streiten / den Rachgirigen und Blutsdurstigen Feind von uns abtreiben und vertilgen / und seine Christliche Kirche / biß zu seiner zukunfft / am ende der Welt / in warem glauben unn bestendigem guten fried erhalten wolle“ (Hervorhebung D.G.).

3 Die Autoren der Türkenpredigten Möcht aber jemand sagen / was bedarff es diser erzehlung auff der Cantzel […] was gehet uns an / waher der Mahometh kommen / oder was sein Glaub unnd Religion gewesen seie? Hie ist zu antworten / daß man ja auff der Cantzel nichts dann Gottes Wort predigen soll / aber weil man dasselbig nicht allein lesen / sonder auch außlegen und erklären muß / so ist von nöten gewesen / die Geschicht von dem Mahometh zuerzehlen [und] dardurch die Weissagung deß Propheten Daniels zuerklären […].¹

Die Autoren der Türkenpredigten setzten die Erlasse der Reichstage massenhaft um und führten den Krieg mit den ihnen zur Verfügung stehenden Waffen. Die meisten Prediger sahen es als ihre Aufgabe an, ihr Wissen über die Türken und den Islam Gemeinden und Lesern zu kommunizieren, um auf diese Weise ein gesellschaftliches Bewusstsein für die Notwendigkeit eines Krieges zu erreichen. Als universitär ausgebildete Theologen hatten sie ohnehin den Rang des Experten für die fundamentalen Fragen des Glaubens und nach der Sinngebung der Welt inne. Wie bei kaum einer anderen akademisch gebildeten Gruppe stand bei den Theologen die Kommunikation von gelehrtem Wissen und experientia im Zentrum ihrer Tätigkeit: Wer sonst, als der gelehrte Theologe im Ort, hätte die Aufgabe der Gottes- und Weltdeutung besser erfüllen können? Nicht selten predigten die Pastoren heute über die Türken und morgen über das beängstigende Unwetter, unerklärliche kosmische Erscheinungen oder Pestepidemien. Auf diese Weise festigten sie ihre Expertenrolle vor Ort und verliehen den rätselhaften Vorkommnissen einen Sinn im Leben jedes einzelnen Gläubigen.²

 Andreä, Dreyzehen Predigen,  f.  Die folgende Verwendung des Begriffs ‚Experte‘ entstammt den Arbeiten des Göttinger Graduiertenkollegs „Expertenkulturen des . bis . Jahrhunderts“. (Vgl. hierzu den bereits erschienenen Sammelband: Björn Reich / Frank Rexroth / Matthias Roick [Hgg.], Wissen, maßgeschneidert. Experten und Expertenkulturen im Europa der Vormoderne, HZ.B  [München ],  – ). Die – nach Ansicht des Kollegs – sich bereits ab dem . Jahrhundert immer stärker ausdifferenzierenden Expertenkulturen spiegeln auch im . Jahrhundert einen gesellschaftlichen Bedarf an ‚Experten‘ bzw. „Experten für Experten“ (Peter L. Berger / Thomas Luckmann, Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Eine Theorie der Wissenssoziologie [Frankfurt/Main, . Aufl., ]  f.) wider.Weiterhin wird angenommen, dass ‚der Experte‘ sich nicht allein über wie auch immer bestimmte (Spezial‐) Wissensbestände definieren lässt, sondern auch aufgrund einer speziellen Kommunikationssituation, in der dieser als ‚Experte‘ wahrgenommen wird. Auch die universitär ausgebildeten Theologen, die als Autoren von Türkenpredigten in Erscheinung traten, fanden sich in derartigen Kommunikationszusammenhängen vor: Sie wurden von den Obrigkeiten und ihren Gemeinden auf ihre Expertise die Türken und den Islam betreffend befragt. Vgl. hierzu auch: Thomas Kaufmann, Geschichte der Reformation (Frankfurt/Main / Leipzig ), : „Mit der ‚Politisierung‘ der Reformation seit den dreißiger Jahren ging auch eine ‚Experti-

3 Die Autoren der Türkenpredigten

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Auch in Bezug auf die Interpretation der Türkengefahr fanden sich die Prediger – bedingt durch die Erlasse ihrer territorialen Obrigkeiten sowie durch die Anfragen ihrer Gemeinden selbst – in einer speziellen Nachfragesituation vor: Sie sollten die türkischen Invasionen in den göttlichen Heilsplan einordnen und zum geistlichen Kampf gegen die Osmanen aufrufen. Die Prediger scheuten diesen Auftrag nicht, denn sie besaßen nach eigener Ansicht sowohl das Wissen als auch die Autorität dazu und scheinen in dieser Expertenrolle – so kann zumindest für das 16. Jahrhundert geurteilt werden – weitgehend unangefochten gewesen zu sein. Als Primärquelle galt den Autoren zunächst die Heilige Schrift selbst, in der sie die Antworten für die scheinbar unüberwindbare Stärke des türkischen Heeres zu finden glaubten: Die Siege, die der Feind aus dem Osmanischen Reich errungen hatte, waren schlechterdings Gottes Strafe für die Sünden der Christen. Beispiele hierfür fanden die Prediger massenhaft im Alten Testament, wo Gott sich häufiger anderer Völker als „Zuchtrute“ für das eigene Volk bediente. Spätestens 1529 hatte man lutherischerseits „den Türken“ sogar im Alten Testament gefunden³ – sola scriptura galt den Predigern somit auch in der theologischen Beschäftigung mit den Türken als oberstes Prinzip. So ging das Wissen vieler Türkenprediger über die fremde Religion häufig kaum über biblisch Fundiertes und allgemein Bekanntes hinaus, die meisten von ihnen hatten wohl nie im Koran gelesen, geschweige denn je einen Muslim zu Gesicht bekommen. Damit unterschieden sie sich schon von vornherein von den ‚Türkenexperten‘, die Erfahrungs- und Reiseberichte verfasst hatten und ihr Wissen sozusagen aus erster Hand weitergeben konnten. Die meisten Autoren der Türkenpredigten wurden somit nicht hinsichtlich ihrer speziellen Wissensbestände zu ‚Experten‘, sondern aufgrund der speziellen Nachfragesituation. Obwohl das Gros der Prediger auf die christliche Bibel als Wissensquelle zurückgriff, lassen einige Sammlungen von Türkenpredigten mithin eine tiefere

sierung‘ der Kommunikanten einher: Es schrieben verstärkt die, die das Vertrauen der weltlichen Obrigkeiten besaßen und denen die Verantwortung für den Aufbau evangelischer Kirchentümer und der Kampf gegen ‚Papisten‘ und ‚Schwärmer‘ oblagen.“ Zu Theologen als ‚Türkenexperten‘ vgl.: Kaufmann, Türckenbüchlein, : „Denn selbst in Predigten und Traktaten, in die ‚Wissen‘ etwa aus den Schilderungen des Georg von Ungarn genannten Mühlbachers oder des Georgijević eingeflossen ist, wirkte der durch experientia gesteigerte Authentizitäts- und Autoritätsgestus nach. Die auffällige Präsenz von ‚Expertenwissen‘ über den Türken war die unmittelbare Folge eines gesteigerten Informationsbedarfs, der sich aus den akuten militärischen Bedrohungen ergab und über die traditionellen Mechanismen des Transfers des Gelehrtenwissens nicht zu decken war. Nicht zuletzt durch die ‚Türkenexperten‘ erhielt die phänomenologische Anschauung der ‚Türkischen Religion‘ Kontur, Farbigkeit und Bizarrerie.“  Vgl. hierzu u. Abschn. ...

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3 Die Autoren der Türkenpredigten

Beschäftigung des Autors über das generierte biblische Wissen hinaus, sozusagen eine Spezialisierung auf die Thematik Islam oder die türkische Kultur, erkennen: Manche Theologen verschafften sich mittels der Lektüre einer der lateinischen Koranausgaben oder von Reiseberichten, „Neuen Zeitungen“ sowie Chroniken zusätzliche Informationen über die Türken und ihre Religion. Auch die bekannten Prognostiken, welche „den Türken“ als Zeichen des nahe bevorstehenden Weltendes deuteten, flossen in die Türkenpredigten ein. In Tübingen ging Jakob Andreäs Wissensdrang sogar so weit, dass er den sich im württembergischen Exil befindenden slowenischen Reformator Primož Trubar mit einer Befragung türkischer Gefangener in seiner alten Heimat beauftragte.⁴ In der Aneignung der fremden Wissensbestände zeigte diese Gruppe der Türkenprediger sich also derart engagiert, dass auf sie das Prädikat des Türkenexperten auch hinsichtlich ihres Sonderwissens zutrifft.

3.1 Ausbildung und soziale Stellung der Türkenprediger Die Türkenprediger schöpften ihr Wissen über die Türken und den Islam vorrangig aus der Heiligen Schrift, denn einzig hier, so ihre Überzeugung, ließen sich Antworten auf die Fragen nach der Bedeutung und den Konsequenzen der scheinbar nicht enden wollenden türkischen Übermacht finden. Damit blieben sie ihrer Profession als Ausleger der Heiligen Schrift treu und wendeten ihr universitär erlerntes Wissen an. In der Form der Predigt hatten die Theologen ein Medium gefunden, das ihnen die Möglichkeit bot, sowohl das nötige Wissen über das fremde und eigene Bekenntnis zu kommunizieren als auch auf die ethische Dimension ihrer Bußappelle einzugehen. Anhand der biographischen Hinweise in den einschlägigen Nachschlagewerken und der akademischen Titelzusätze, welche die Autoren ihren Namen auf den Titelblättern und in den Vorreden hinzufügten, zeigt sich, dass alle in dieser Arbeit behandelten Türkenprediger ein Universitätsstudium absolviert hatten.⁵ Dies ist nicht sonderlich verwunderlich, da für die Mehrheit der Prediger – nämlich die mit lutherischem Bekenntnis – im Zuge der Reformation die universitäre theologische Ausbildung sukzessive als Einstellungsvoraussetzung etabliert worden war. Besonderes Augenmerk galt im 16. Jahrhundert der Praxisbezogenheit ihres Theologiestudiums, sodass „der Bibelexegese der Vorrang in der

 S. u. Abschn. . (Exkurs).  S. hierzu auch den Abschnitt „Biogramme“ im Anhang der Arbeit.

3.1 Ausbildung und soziale Stellung der Türkenprediger

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theologischen Ausbildung zukam“⁶. Bereits im 16. Jahrhundert boten die Fakultäten Veranstaltungen an, die auf die spätere Predigttätigkeit der Studenten vorbereiten sollten. Hier wurden exemplarische Predigten der Perikopen behandelt und bereits Probepredigten gehalten.⁷ Aus dem hohen Anteil promovierter Geistlicher unter den katholischen Autoren lässt sich schließen, dass diese ihren biblisch-exegetischen Wissensbeständen nach den evangelischen Türkenpredigern mindestens gleichzusetzen waren. Insofern kann für alle Autoren der Türkenpredigten ein hohes Niveau theologischen und insbesondere exegetischen Fachwissens angenommen werden, was sich in ihren an den Predigttexten konzentrierten Auslegungen schließlich auch niederschlug. Folgende quantitative Aussagen lassen sich hinsichtlich der Ausbildung und sozialen Stellung der Türkenprediger treffen: Die Autoren der Türkenpredigten durchliefen allesamt eine universitäre Ausbildung und bekleideten im Anschluss daran kirchliche bzw. universitäre Ämter. Zum Zeitpunkt der Drucklegung ihrer Türkenpredigten waren von den insgesamt 38 katholischen und evangelischen Predigern zwei als Diakone tätig⁸ und 13 von ihnen versahen Prediger- bzw. Pastorenstellen⁹. Drei wirkten als Hofprediger¹⁰, weitere vier hatten die Universitätslaufbahn eingeschlagen und Professuren inne¹¹. Neun der lutherischen Theologen versahen das Amt eines General-, Spezial- bzw. Superintendenten¹²,

 Kaufmann, Konfession und Kultur, . Vgl. zur theologischen Ausbildung der evangelischen Pfarrer: Luise Schorn-Schütte, Evangelische Geistlichkeit in der Frühneuzeit. Deren Anteil an der Entfaltung frühmoderner Staatlichkeit und Gesellschaft. Dargestellt am Beispiel des Fürstentums Braunschweig-Wolfenbüttel, der Landgrafschaft Hessen-Kassel und der Stadt Braunschweig, QFRG  (Gütersloh ),  – ; Thomas Kaufmann, Universität und lutherische Konfessionalisierung. Die Rostocker Theologieprofessoren und ihr Beitrag zur theologischen Bildung und kirchlichen Gestaltung im Herzogtum Mecklenburg zwischen  und , QFRG  (Gütersloh ),  – ; ders., Konfession und Kultur,  –  und Susan C. Karant-Nunn, Luther’s Pastors. The Reformation in the Ernestine Countryside, Transactions of the American Philosophical Society / (Philadelphia ). Konfessionell unterschiedliche Bildungsprofile nimmt folgender Sammelband in den Blick: Herman J. Selderhuis / Markus Wriedt (Hgg.), Bildung und Konfession. Theologenausbildung im Zeitalter der Konfessionalisierung, SuR N.R.  (Tübingen ).  S. hierzu: Kaufmann, Konfession und Kultur, .  Melchior Fabricius (ev.) und Johannes Paul Sutorius (ev.).  Prediger: Johannes Brenz (ev.), Johann Gigas (ev.), Matthias Kretz (kath.), Nikolaus Möring (ev.), Augustin Neser (kath.), Zacharias Praetorius (ev.), Heinrich Roth (ev.); Pfarrer: Rupert Erythropel (ev.), Johann Christoph Flurer (ev.), Esaias Heidenreich (ev.), Valentin Leucht (kath.), Friedrich Mütel (ev.), Jonas Rivander (ev.).  Bartholomäus Horn (ev.), Abraham Lange (ev.), Georg Scherer (kath.).  Jakob Andreä (ev.), Salomon Gesner (ev.), Georg Mylius (ev.), Johannes Eck (kath.).  Johann Assum, Heinrich von Efferhen, Hoë von Hoënegg, Johannes Lauch, Polycarp Leyser, Zacharias Rivander, Johannes Rupertus, Jakob Schopper.

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3 Die Autoren der Türkenpredigten

Abb. 2 Ämter der Türkenprediger insgesamt

vier katholische Autoren wirkten als Domprediger¹³ und drei als Bischöfe¹⁴. Von den 26 evangelischen Autoren hatten neun in Wittenberg und acht in Tübingen an den theologischen Fakultäten studiert.¹⁵ Von den elf katholischen Türkenpredigern gehörten fünf einem Orden an.¹⁶ Insgesamt 15 der 37 Theologen hatten bis zum Zeitpunkt ihrer Türkenpredigten entweder die theologische Doktorwürde oder den Grad eines Doktors beider Rechte inne.¹⁷ Auffällig ist zunächst die große Anzahl von Theologen, die Prediger- bzw. Pfarrstellen innehatten, als sie ihre Türkenpredigten in den Druck gaben. Mehr als ein Drittel aller Autoren gehörte dieser Gruppe an, die sich aus zehn evangelischen und drei katholischen Predigern und Pfarrern zusammensetzt. Drei von ihnen (Matthias Kretz, Augustin Neser und Esaias Heidenreich) besaßen zudem einen

 Kaspar Macer, Johann Wild, Michael Anisius, Johannes Nas.  Johann Fabri, Johann Caspar Neubeck, Urban Sagstetter.  Wittenberg: Rupert Erythropel, Melchior Fabricius, Johann Christoph Flurer, Johann Gigas, Hoë von Hoënegg, Zacharias Praetorius, Jonas Rivander, Zacharias Rivander und Johannes Paul Sutorius; Tübingen: Jakob Andreä, Johann Assum, Heinrich von Efferhen, Johannes Lauch, Polycarp Leyser, Georg Mylius, Johannes Rupertus und Jakob Schopper.  OFM: Johann Wild, Michael Anisius, Johannes Nas; SJ: Valentin Leucht, Georg Scherer.  Evangelisch: Jakob Andreä (Dr. theol.), Heinrich von Efferhen (Dr. theol.), Salomon Gesner (Dr. theol.), Esaias Heidenreich (Dr. theol.), Hoë von Hoënegg (Dr. theol.), Polycarp Leyser (Dr. theol.), Georg Mylius (Dr. theol.), Zacharias Rivander (Dr. theol.), Jakob Schopper (Dr. theol.); römischkatholisch: Johannes Eck (Dr. theol.), Johann Fabri (Dr. jur.),Valentin Leucht (Dr. theol.), Matthias Kretz (Dr. theol.), Kaspar Macer (Dr. jur.), Johann Caspar Neubeck (Dr. theol.).

3.1 Ausbildung und soziale Stellung der Türkenprediger

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Abb. 3 Ämter der ev. Türkenprediger

Abb. 4 Ämter der kath. Türkenprediger

akademischen Doktorgrad. Bis auf den Neckarsteinacher Pfarrer Johann Christoph Flurer, der sich in seiner Türkenpredigt als Lizenziat der Theologie zu erkennen gibt¹⁸, absolvierten die anderen Pfarrer bzw. Prediger ihre Universitätslaufbahn bis zum Erreichen des Magistergrades. Der einzig ‚prominente‘ und mithin auflagenstärkste Theologe unter ihnen ist Johannes Brenz, die anderen zwölf Autoren traten schriftstellerisch nur selten weiter in Erscheinung. So mag dieser Befund

 Flurer, Das Lied Mosis, Ar.

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3 Die Autoren der Türkenpredigten

zum einen ein Hinweis darauf sein, dass die Drucker nicht allein nach dem Bekanntheitsgrad eines Autors entschieden, ob sie ein Werk für den Druck annahmen, sondern vor allem aufgrund der Aktualität und Brisanz eines Themas ihr Urteil fällten. Da Türkenpredigten obrigkeitlich verordnet waren, gingen die Drucker zudem kein großes Risiko ein, dass das jeweilige Werk durch die Zensur verboten werden könnte. Die Tatsache, dass es sich bei den Drucken nicht allein um die Türkenpredigten der namhaften Theologen der ersten Reihe handelt, sondern in großem Maße eben auch der Pfarrer fernab der theologischen Zentren, zeichnet die Gattung der Türkenpredigt aus und verdeutlicht die Breitenwirkung, die mit den Erlassen der Reichstage und den Verordnungen der territorialen Obrigkeiten erzielt wurde. Die zweite große Gruppe bilden mithin die acht lutherischen General-, Spezial- bzw. Superintendenten, von denen einer – nämlich Johann Assum in der Grafschaft Hohenlohe – auch als Hofprediger fungierte. Immerhin fünf von ihnen besaßen den theologischen Doktorgrad.¹⁹ Häufig intendierten sie mit ihren Predigten eine Anleitung der ihnen zugeordneten Prediger und Pfarrer, welche dazu angehalten waren, die angeordneten Türkenandachten in die Tat umzusetzen. Der beabsichtigte Vorbildcharakter klingt häufig an, die Abschnitte der Wissensvermittlung über die Türken und den Islam nehmen wesentlich breiteren Raum ein als bei der Gruppe der Prediger und Pfarrer und auch die Ausführungen über die Inhalte des eigenen Bekenntnisses fallen ausführlicher aus. Die übrigen Autoren verteilen sich auf die Gruppen der Hof- und Domprediger, der Bischöfe und Professoren. Die Predigten der drei bzw. – mit Johann Assum – vier (unpromovierten) Hofprediger lassen sich inhaltlich mit den Auslegungen der Superintendenten vergleichen. Die Predigten der Universitätsprofessoren Andreä, Gesner, Mylius und Eck kennzeichnet erwartungsgemäß ein hoher Grad an theologischen und islamkundlichen Wissensbeständen. Die katholischen Domprediger und Bischöfe, die ebenfalls Türkenpredigten verfassten, können – schon aufgrund ihrer Positionen – durchaus zu den ‚prominenten‘ katholischen Predigern gezählt werden, die häufig auch als Verfasser konfessioneller Streitschriften in Erscheinung traten. Im Unterschied zu den katholischen fällt bei den evangelischen Autoren auf, dass hier die Gruppe der Prediger bzw. Pfarrer dominiert, während sich die katholischen Türkenprediger – abgesehen von nur einem Professor – weniger auf eine bestimmte Gruppe eingrenzen lassen, sondern Prediger bzw. Pastoren, Domprediger und Bischöfe in nahezu gleichem Verhältnis vertreten sind.Während

 Heinrich von Efferhen, Hoë von Hoënegg, Poycarp Leyser, Zacharias Rivander und Jakob Schopper.

3.2 Predigt als Expertise: Gelehrtes Wissen über „den Türken“ in den Predigten

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evangelischerseits die eher unbekannten Pfarrer und Prediger die Türkenpredigten repräsentieren, gaben von den katholischen Geistlichen vorrangig die ‚prominenten‘ Prediger ihre Auslegungen in den Druck. Vermutlich spiegelt sich in diesem Befund aber auch die Tatsache wider, dass das Medium der gedruckten Predigt besonders im Luthertum verbreitet war und hier die Autoren einem deutlich geringeren Legitimationsdruck ausgesetzt waren als die katholischen Verfasser von Türkenpredigten. Während bei den einen die Prominenz eines Themas für die Entscheidung zur Publikation ausreichte, scheint bei den anderen die Prominenz des Autors deutlicher im Vordergrund gestanden zu haben.

3.2 Predigt als Expertise: Gelehrtes Wissen über „den Türken“ in den Predigten So stehet uns zu / das wir solchen grewel lernen kennen / dafür fliehen. Es mus schwartz und weis kegen einander gehalten und conferiret werden / sollen wir die farben recht unterscheiden. Also das wir Christi und des Teuffels Reich desto bas können abteilen / müssen wir finsternis und liecht kennen / das wir dem liecht als dem besten theil desto mehr nach setzen. Solch finsternis / Irrthumb und Grewel wird erfunden in des Türcken Religion / diese recht zu fliehen / sollen wir Christen derhalben capita errorum die vornemen stücke des Irrthumbs erfragen.²⁰

Besonders die lutherischen Türkenprediger nutzten die Form der Predigt zur Kommunikation von Informationen über den Feind aus dem Osmanischen Reich.²¹ Dabei ist ihren Auslegungen eigen, dass sie diese in den Dienst der Festigung des eigenen Bekenntnisses stellten: Wer über die „Abgründigkeit“ des Feindes Bescheid wusste, konnte schlechterdings gar nicht mit dem Islam oder einer Herrschaft der Osmanen im Alten Reich sympathisieren. Die meisten Türkenprediger gaben derartige Informationen in ihren Predigten weiter. Dabei war ihnen die Beschreibung der Feinde auf Basis des biblischen Zeugnisses wichtig – nicht ohne Grund war Ez 38 f., die beiden prophetischen Kapitel über den Fürsten Gog aus Magog, der meist ausgelegte Predigttext. Hier, sowie in Dan 7, fanden sie die Beschreibungen des Wesens Mohammeds und der Stärke des Osmanischen Reiches.²² Doch gehen die Darstellungen der Türken und

 Heidenreich, XII Turcken Predigten, Br-Bv.  In Bartholomäus Horns Predigtsammlung findet sich zu Beginn sogar ein Register mit  Autoren, die er in seinen Türkenpredigten rezipierte. Auffällig ist die große Anzahl von evangelischen Türkenpredigern. So hatte der Hofprediger mindestens  der in dieser Arbeit untersuchten evangelischen Türkenpredigten bearbeitet. (vgl. hierzu: Horn, Trost Spiegel, ()v-()v).  S. hierzu u. Abschn. ...

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3 Die Autoren der Türkenpredigten

des Islam bei einigen Predigern über das in der christlichen Bibel vermeintlich Prophezeite und allgemein Bekannte²³ deutlich hinaus: So finden sich in manchen Predigtsammlungen etymologische Abhandlungen über den Begriff „Türke“²⁴, Beschreibungen der Vita Mohammeds²⁵ und der Geschichte des Osmanischen Reiches²⁶. Außerdem beschrieben einige Autoren die „Genese“ des Korans, dessen vermeintlich synkretistisches Gepräge sie betonten. Manche Prediger gaben außerdem Aufschluss über die religiöse praxis pietatis der Türken.²⁷ Häufig verbanden die Autoren die Schilderung muslimischer Bräuche mit der Vermittlung theologischer Einsichten bestimmter christlicher Rituale: Auf diese Weise konnte man z. B. die rituellen Waschungen im Islam mit dem eigenen Taufverständnis vergleichen²⁸ und die Lehren des Koran mit den „Irrlehren“ des

 Als „allgemein bekannt“ hatten mithin die vermeintliche Grausamkeit der Türken und ihr Umgang mit christlichen Gefangenen zu gelten. Das barbarische Verhalten wurde z. B. in der Legende über eine Frau veranschaulicht, die aus Angst vor den Türken lieber ihre Söhne selbst umbrachte als sie in die Hände der Feinde zu geben. Diese Legende wurde schon überliefert in Melanchthon / Brenz, Wie sich prediger und leien halten sollen, Ar. Auch der Türkenprediger Johannes Paul Sutorius erwähnt sie – in abgewandelter Form: „Zu Rodis hat ein ehrliche Matron lieber an ihren zweyen jungen Sönen die sie unter jrem Hertzen getragen / jhrem eigenen fleisch und Blut selbst / wollen ein schreckliche mordthat begehen / dann dieselben lassen dem grausamen Feind zu theil werden. Denn als sie gesehen / daß die Türcken würden die Statt erobern / hat sie die Knaben selbst mit eigener Hand erstochen / darnach sich auff die Mauren gemacht / und redlich geweret / biß sie auch ist umbkommen. Dann sie hat verstanden / was der Türck für ein Feind sey […].“ (Sutorius, Acht Christliche […] Predigten, r-v).  So z. B. der Seeburger Pfarrer Nikolaus Möring: „Den Namen Türcke […] haben sie empfangen / wie etliche meinen / von dem schnellen Fluß Türcke / der aus dem Berge der Circassorum inn das Hireanische Meer floust. Etliche / wie der Herr Phlippus Melanthon / unnd andere erkleren / das wort Türcke von seiner wirckung / das er mit den seinen alles zerrucket / verwüstet / unn in grund verdirbet. Sie die Türcken / wollens als einen sonderlichen Ehrentitel vertheidigen / und sagen / Es sey corrupt, und komme von den Griechischen Theoricus, welchs heist einen Rechtverstendigen / der das rechte ware Erkentnis der Göttlichen Warheit habe […].“ (Möring, Christen Schutz, r). Eine Vielzahl von etymologischen Herleitungen bietet auch Heidenreich, XII Predigten vom Turcken, Cv-Cv. Ausführlich zu Etymologien in den Turcica bei Kaufmann, Türckenbüchlein, ;  – .  S. u. Abschn. ...  Ebd.  S. u. Abschn. ...  Lauch, Ein und Dreißig Türcken Predigten, v-r: „Darauß wir dann verstehn künden / was für arme blinde Leüt die Türcken seind / weil sie in dem falschen wahn stecken / das durch das eüsserlich waschen und baden / die Sünde von den Menschen solte hinweck genommen werden. Dann wir Christen wissen auß dem wort Gottes / daß das gantz Mee / und alle Wasser in der Welt / für sich selbs kein solche krafft und eygenschafft habe / die aller geringste Sünd an einem Menschen abzuwaschen / sonder es muß ein solch Wasser sein / welches ist inn Gottes Gebott

3.2 Predigt als Expertise: Gelehrtes Wissen über „den Türken“ in den Predigten

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Katholizismus gleichsetzen²⁹. Nicht zuletzt diente einigen Türkenpredigern der muslimische Eifer im Einhalten von Gebetszeiten, Gottesdienstbesuchen und Ritualen auch der Anprangerung christlicher Missstände. Auch der vielfach beschworene Kampfgeist und die Disziplin im türkischen Heer wurden den eigenen Soldaten als Spiegel des eigenen Versagens vorgehalten.³⁰ Mit der Vermittlung dieser Wissensbestände verliehen die Prediger ihren Auslegungen Farbe und Authentizität, die konkret vorgehaltene perhorreszierende Folie muslimischer Anschauungen sollte zur ethischen Verbesserung des christlichen Lebens verhelfen.

3.2.1 Biblisch-exegetisches Wissen: „Der Türke“ in der Bibel Was ist das Türckisch Reich? Die Türckey oder das Türckische Reych / ist das letzte reych der welt vor dem Jüngsten tage / welches als ein klein hörnlein wechst herauß zwischen den 10. hornern des Römischen Reychs / unn stost ein groß horn das ist / ein Königreich nach dem andern hinweg […]. Was ist für ein glaube in der Türckey? Daniel sagt von disem horn / Es habe Augen / wie ein menschen augen / unnd ein Maul das redet grose ding. […] Menschen augen bedeutten sonder zweyfel den Alcoran oder heilig schrifft der Türcken / welche ist auff des menschen vernunfft und mutwillen gerichtet […].³¹

So wie Zacharias Praetorius in seiner Türkenpredigt im Frage-Antwort-Stil die wichtigsten Informationen über die Türken und ihre Religion zum großen Teil aus biblischen Belegen zusammentrug, verfuhren die meisten der Autoren von Türkenpredigten. Besonders in den lutherischen Türkenpredigten begegnet dem Leser immer wieder ein bestimmter Kanon von Bibelstellen, anhand dessen die Autoren meinten, Informationen über den „Erzfeind“ und seine Religion gewin-

verfaßt / und mit Gottes wort verbunden. Ein solches Wassser ist die H. Tauff […].“ (Lauch, a.a.O., v).  S. hierzu u. Abschn. ...  So z. B. Georg Mylius, der besonders den Alkoholkonsum im deutschen Heer anprangert: „Von den Türcken schreibet man / wie verruchtes Gesindlin man sonsten auch unter jnen finden möge / noch wenn sie zu feld ziehen / so legen sie ire unaert und Bubenleben ab. Wir Deudschen / und Christen fast in gemein / nemen erst alle schalckheit und Buberey an / wann wir zu Feld / unnd wider den Türcken in Krieg ziehen wollen. Bey den Türcken muss alles im Lager fein still / in gutter Ordnung unnd stettiger bereitschafft sein / und jeder Türck seiner schantz wol warnemen. In unserem Lager sollte gemeiniglich bey tag und nacht nur rumoren / poldern / fluchen / spilen / balden / fressen / sauffen unn andere leichtfertigkeit und frevelswesen / und fast so bald ein freyfraw mit reverentz zumelden / als ein dapferer Kriegsman zusehen sein.“ (Mylius, Zehen Predigten, r).  Praetorius, Handbüchlein, Cr-Cr.

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3 Die Autoren der Türkenpredigten

nen zu können.³² So fügte auch der Greifenberger Pfarrer Jonas Rivander seiner Heerpredigt eine Zwölf-Punkte-Liste mit einschlägigen Bibelstellen an, die „von diesem mechtigen Erb und Ertzfeindt der Christenheit dem Türcken / seinem glück und auch untergang handele[n] unn zeuge[n]“³³. Auch Georg Nigrinus kombinierte in seiner Ernsten Bußpredigt über Dan 7 die Informationen aus den Historien mit dem Wissen über die Türken, das er aus dem Predigttext zog.³⁴ Die Prominenz und Einheitlichkeit dieses Kanons lassen sich zweifellos auf die Autoritäten in Wittenberg zurückführen. Hier hatten Gelehrte um Melanchthon und Luther spätestens ab 1529 nach exegetischen Wegen gesucht, „den Türken“ in die Heilsgeschichte einzuordnen. Martin Luther sorgte mit seinen auflagenstarken Schriften – insbesondere seiner Heerpredigt ³⁵ und der Deutschen Bibel – für die generationenübergreifende Kommunikation dieses Wissens. Die Mehrzahl der Autoren, die ja erst in den 1590er Jahren ihre Predigten hielten und in den Druck gaben, fanden diese einschlägigen Texte gebündelt in den nun vorliegenden Luther-Ausgaben vor. Ihre Ausbildung an den Theologischen Fakultäten des Reichs hatte zudem für die Verstetigung dieses Kanons gesorgt. Ohne Zweifel gehören zu den prominenten biblischen Textbelegen, aus denen die Autoren ihr Wissen schöpften, die alttestamentliche Weissagung von den vier Weltreichen in Dan 7, in der das Emporkommen des kleinen Horns das Aufsteigen des Osmanischen Reiches symbolisieren sollte sowie die zwei Kapitel aus dem Ezechielbuch (Ez 38 f.) über den Fürsten Gog aus Magog, den man mit dem osmanischen Sultan identifiziert hatte. Auch 2Thess 2, die Vorhersage des Antichrist, blieb nicht ohne Auswirkung auf die Deutung der Türken. Der neutestamentliche Referenztext zu Ez 38 f. in Apk 20 ergänzte den Kanon. Schlichtweg jeder der 26 evangelischen Türkenprediger verwies in seinen Auslegungen auf mindestens einen dieser Texte, auch wenn sie nicht immer als Predigttext fungierten.³⁶ Die katholischen Prediger vermieden Bezüge auf diese von evangelischer Seite propagierten ‚Türkentexte‘. Die in Folge der Belagerung Wiens im Jahr 1529 immer deutlicher spürbare Ohnmacht gegenüber der Stärke des osmanischen Heeres rief die Wittenberger Theologen auf den Plan. Sie legten erneut die prophetische Weissagung der vier Königreiche, wie sie in Dan 7 überliefert ist, aus. Gemäß altkirchlicher Tradition setzten die Exegeten die durch vier mystische Tiere symbolisierten Reiche mit dem Babylonischen Reich, dem Perserreich, dem Reich Alexanders des Großen und

    

Vgl. hierzu auch Abschn. .. zu den verwendeten Predigttexten. J. Rivander, Heerpredigt, Fv. Nigrinus, Ernste Bußpredigt, bes.  f. S. hierzu u. Abschn. ... S. hierzu u. Abschn. ...

3.2 Predigt als Expertise: Gelehrtes Wissen über „den Türken“ in den Predigten

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dem Römischen Reich gleich. Auch die Assoziierung der zehn Hörner des vierten Tieres mit zehn Königreichen innerhalb des Römischen Reiches übernahmen die Wittenberger. Neu war ihre Interpretation des kleinen Horns, das nach Dan 7,8 am Ende emporsteigen und drei Hörner bzw. drei Königreiche vernichten werde. Hier nun war das Osmanische Reich in der Bibel gefunden. Die „Menschenaugen“ des Horns sowie sein Maul, „das große Dinge redete“, setzten die Ausleger mit dem Koran bzw. Mohammed gleich. Dies entsprach nicht zuletzt einer Abkehr von der traditionellen Auslegung, die seit Hieronymus Dan 7,8 allgemein auf den Antichristen gedeutet hatte, wie er auch in 2Thess 2 beschrieben wird. Die Tatsache, dass die Türken – analog der Überlieferung in Dan 7 – drei Königreiche, nämlich Ägypten, Asien und zuletzt durch die Eroberung Konstantinopels 1453 Griechenland, erobert hatten, bestätigte ihre Annahme. Gleichzeitig schlussfolgerten die Gelehrten daraus aber auch, dass der Macht der Türken eine göttliche Grenze gesetzt war. Schließlich waren nach der biblischen Überlieferung die drei besiegten Königreiche die einzigen ‚Kollateralschäden‘, die das kleine Horn anrichten würde. Danach folge das Weltgericht, das dem kleinen Horn die Macht entziehen werde. Den ersten gedruckten Niederschlag fand diese Erkenntnis in Melanchthons König Ferdinand gewidmeter Vorrede zu seinem – erst 1543 erschienenen – Danielkommentar im April/Mai 1529³⁷. Später nahm Luther die Deutung in seine Heerpredigt auf: „Weil denn nu das gewis ist und keinen zweiffel hat, das auff erden sol das Römisch reich das letzte sein, […] So mus das draus folgen, das der Türck ym Römsichen keiserthum sein wird und ym vierden thier mus begriffen sein, Denn das ist beschlossen, weil das Römisch keiserthum das letzte ist, so wird und kan der Türcke nymer so mechtig werden, als das Römisch reich gewesen ist […].“³⁸ In seiner Vorrede über den Propheten Daniel (1530) lässt Luther jedoch eine eingehende Bezugnahme auf die Türken vermissen. Seine Ausführungen entsprechen denen der Heerpredigt bzw. fallen sogar noch spärlicher aus.³⁹ We-

 MBW  (), , Nr.  und MBW.T  (),  – , Nr. ; s. zu Melanchthons Daniel-Kommentar auch: Heinz Scheible, Melanchthons Verständnis des Danielbuchs, in: Katharina Bracht / David S. du Toit (Hgg.), Die Geschichte der Daniel-Auslegung in Judentum, Christentum und Islam. Studien zur Kommentierung des Danielbuches in Literatur und Kunst, BZAW  (Berlin / New York ),  –  und Hans Volz, Beiträge zu Melanchthons und Calvins Auslegungen des Propheten Daniel, in: ZKG  (/),  – , hier:  – . Zur Deutung des danielischen „Kleinen Horns“ bei den Wittenbergern vgl. außerdem: Kaufmann, Türckenbüchlein,  f. und  f.  WA  II, , – .  S. zu Luthers Daniel-Vorrede: Ehmann, Luther, Türken und Islam,  – ; Stefan Strohm, Luthers Vorrede zum Propheten Daniel in seiner Deutschen Bibel, in: Katharina Bracht / David S. du Toit (Hgg.), Die Geschichte der Daniel-Auslegung in Judentum, Christentum und Islam. Studien

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3 Die Autoren der Türkenpredigten

sentlich detaillierter nimmt sich hingegen die von Justus Jonas unter Mitwirkung von Philipp Melanchthon geleistete Auslegung in dem Traktat Das siebend Capitel Danielis (1530) aus. Die Schrift umfasst eine Übersetzung und Exegese des entscheidenden Kapitels.⁴⁰ Die enorme exegetische Produktivität, die in Wittenberg seit 1529 eingesetzt hatte, setzte sich mit Luthers Übersetzung und Auslegung von Ezechiel 38 und 39 im Jahr 1530 fort, die als Das XXXVIII. und XXXVIX. Capitel Hesechiel vom Gog ⁴¹ erschien. Die angeklungene Identifizierung der Türken mit dem Gogiten in Melanchthons und Jonasʼ Das siebend Capitel Danielis übernahm und überarbeitete der Reformator und widmete der Auslegung eine eigene Schrift, wegen der er sogar seine Übersetzungstätigkeit der Prophetenbücher unterbrach.⁴² Die stark apokalyptisch geprägte Schrift zielt auf „Trost und Buße, Seufzen und Gebet“ – inhaltlich erscheint sie jedoch häufig „abstrakt“ und lässt schlüssige Argumentationen vermissen.⁴³ Trotzdem schien Luther mit bewährtem publizistischem Scharfsinn die Notwendigkeit einer weiteren biblischen Fixierung der Türken in der Bibel erkannt zu haben.⁴⁴ Sie sorgte nicht zuletzt dafür, dass die beiden Kapitel aus dem Ezechielbuch zum meist gepredigten Text der Türkenpredigten insbesondere der 1590er Jahre werden konnten.⁴⁵ Als neutestamentlicher Referenztext zu Ez 38 f. galt schon den Reformatoren Apk 20,7– 10. So begann Luther seine Vorrede zu seiner Auslegung von Ez 38 f. mit folgendem Verweis: „Weil ynn der offenbarunge Sanct Johannis am zwentzigsten

zur Kommentierung des Danielbuches in Literatur und Kunst, BZAW  (Berlin / New York ),  –  und Peter Martin, Martin Luther und die Bilder zur Apokalypse. Die Ikonographie der Illustrationen zur Offenbarung des Johannes in der Lutherbibel  bis , VB  (Hamburg ),  – .  Vgl. zur Freundschaft Melanchthons und Justus Jonasʼ: Heinz Scheible, Melanchthon und Justus Jonas, in: Irene Dingel (Hg.), Justus Jonas ( – ) und seine Bedeutung für die Wittenberger Reformation, Leucorea-Studien zur Geschichte der Reformation und der Lutherischen Orthodoxie  (Leipzig ),  – . Zur Schrift Das siebend Capitel Danielis s.: ders., Verständnis,  f.  WA /II,  – .  Ehmann, Luther, Türken und Islam,  – .  Ehmann, Luther, Türken und Islam,  f.  S. hierzu Will-Erich Peuckert, Gog und Magog, in: Gereon Sievernich / Hendrik Budde (Hgg.), Europa und der Orient  – . Lesebuch zur Ausstellung Europa und der Orient:  –  (Berlin ),  – , : „So werden die Türken […] von Luther zu Gog und Magog, zu dem letzten und eschatologischen Feinde – wie der Papst zum Antichrist – gemacht. Mit dieser Erklärung hat er die Atempause, die sich die Menschen des ausgehenden Jahrhunderts einst geschaffen haben, wieder fortgenommen. Es gibt kein Atemholen mehr, die Zeit will weiter, schreitet weiter, immer weiter, ohne Gnade, ohne diesen Menschen etwas nachzulassen.“  S. hierzu u. Abschn. ...

3.2 Predigt als Expertise: Gelehrtes Wissen über „den Türken“ in den Predigten

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Capitel der Gog wird beschrieben, wie er mit grossem heer, wie sand am meer unzelich, widder die Christenheit streiten und endlich mit feur vom himel zerstöret werden sol, Welchen wir fur den Türcken halten, Habe ich mir, weil ich hie so müssig sitze, furgenommen, die zwey Capitel Hesechiel […] auch zu verdeudschen, welche fast gleich mit der offenbarung stimmen, und sihet, als hab es Sanct Johannes aus Hesechiel genomen und weise uns hieher ynn den Propheten Hesechiel, der ein wenig weiter davon redet.“⁴⁶ Dass am Ende der Zeiten der Satan aus seinem Gefängnis ausbrechen, die Heiden – sprich: Gog und Magog – versammeln und mit ihnen gegen die Heiligen kämpfen werde, untermauerte zum einen die apokalyptische Weltsicht der Wittenberger und bestätigte zum anderen die aus der Gegenwart gedeutete biblische Exegese, anhand derer man sicher war, nun die Türken in das heilsgeschichtliche Szenario einordnen zu können. Bereits im Februar 1530 – also noch vor Herausgabe seiner Auslegung von Ez 38 f. – gab Luther eine neue Ausgabe des Neuen Testaments mit einer Erweiterung der Vorrede zur Johannesapokalypse heraus.⁴⁷ Im Gegensatz zur Ausgabe von 1522, in welcher der Reformator noch seine Abneigung gegen das apokalyptische Schrifttum zum Ausdruck gebracht hatte, erkannte er hierin nun die Auslegung der alttestamentlichen Propheten.⁴⁸ Denn auch der neutestamentliche Autor der Johannes-Apokalypse gibt der Hoffnung auf eine Rettung der Heiligen durch das endzeitliche Gericht Raum. Dem Aufruf zur Buße und zur Hoffnung auf Gnade gilt Luthers eigentliches Augenmerk – ein rhetorisches wie seelsorgliches Mittel, das die Türkenprediger allesamt übernahmen. Als weiterer apokalyptischer Text wurde 2Thess 2 insbesondere von den evangelischen Türkenpredigern rezipiert. Gemäß diesem Text ist ein Zeichen des bevorstehenden Weltendes das Auftreten des Antichristen. Die Auslegungstradition dieser endzeitlichen Figur ist lang. Analog zum Leben Christi verfasste z. B. um das Jahr 950 Adso von Montier-en-Der eine noch die Volksfrömmigkeit des Spätmittelalters prägende Biographie des Antichristen.⁴⁹ Martin Luther setzte sich in seiner Antichristologie von dieser Art der exegetischen Tradition jedoch ab,  WA /II, , – .  WADB ,  – .Vgl. zu Luthers Verhältnis zur Johannes-Apokalypse auch: Martin, Luther, bes.  –  und Hans-Ulrich Hofmann, Luther und die Johannes-Apokalypse. Dargestellt im Rahmen der Auslegungsgeschichte des letzten Buches der Bibel und im Zusammenhang der theologischen Entwicklung des Reformators, BGBE  (Tübingen ).  S. hierzu auch Ehmann, Luther, Türken und Islam,  – .  S. hierzu umfassend: Volker Leppin, Der Antichrist bei Adso von Montier-en-Der, in: Mariano Delgado / ders. (Hgg.), Der Antichrist. Historische und systematische Zugänge, Studien zur christlichen Religions- und Kulturgeschichte  (Fribourg / Stuttgart ),  –  und ders., Antichrist und Jüngster Tag. Das Profil apokalyptischer Flugschriftenpublizistik im deutschen Luthertum  – , QFRG  (Gütersloh ),  – .

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3 Die Autoren der Türkenpredigten

indem er – so Volker Leppin – „diesen Begriff kriterienhaft, nicht-biographisch“⁵⁰ fasste. Er löste sich also von der mittelalterlichen Anschauung des Antichristen als einer realen irdischen Person und erweiterte den Begriff, sodass er die gesamte Institution des Papsttums hierin wiederfand.⁵¹ Luthers Identifizierung des gesamten Papsttums mit dem Antichrist wurde – insbesondere durch die Aufnahme in die Apologie der Confessio Augustana⁵² und in die Schmalkaldischen Artikel⁵³ – bald zum protestantischen Allgemeinplatz.⁵⁴ In Folge der 1529 in Wittenberg geleisteten Exegese von Dan 7 erweiterte auch Luther – zumindest zeitweise – seine Antichristkonzeption. Schließlich war seit Hieronymus das kleine Horn mit dem Antichrist assoziiert worden. Jetzt, wo man hierin das Türkenreich wiederfand, war es zur Gleichsetzung von Antichrist und Türkenreich nur noch ein kleiner Schritt. Doch obwohl sich in Luthers Heerpredigt Anklänge an die Idee eines doppelten Antichristen finden⁵⁵, wie sie der späte  Leppin, Antichrist und Jüngster Tag, .  So auch schon bei Hans Preuß, Die Vorstellungen vom Antichrist im späteren Mittelalter, bei Luther und in der konfessionellen Polemik. Ein Beitrag zur Theologie Luthers und zur Geschichte der christlichen Frömmigkeit (Leipzig ), : „Das Mittelalter sah im Endchrist eine noch künftige Einzelperson, in der alle in der Geschichte aufstrebende Christusfeindschaft zusammengeschlossen werde. […] Indem aber Luther das Papsttum als den Antichrist bezeichnete, wie es im hellen Lichte der Geschichte und der Gegenwart vorlag, verwarf er mit einem Schlage all die phantastischen bunten Flitter des mittelalterlichen Antichristbildes, die ja nur auf ein individuelles Personleben paßten.“ Vgl. außerdem zu Luthers Antichristkonzeption: Gottfried Seebaß, Art. Antichrist IV. Reformation und Neuzeit, in:TRE  (),  – , hier: ; Ingvild Richardsen, Die protestantische und die römische Idee des Antichristen in der Konfessionspolemik, in: Mariano Delgado / Volker Leppin (Hgg.), Der Antichrist. Historische und systematische Zugänge, Studien zur christlichen Religions- und Kulturgeschichte  (Fribourg / Stuttgart ),  –  und Leppin, Antichrist und Jüngster Tag,  – .  Z. B.: BSLK , und , –  (hier: „Ita et papatus erit pars regni antichristi […]“, Z. ).  BSLK ,; , – .  Zur „Anwendung der Antichristidentifikation im konfessionellen Luthertum“: Leppin, Antichrist und Jüngster Tag,  – .  „Denn die schrifft weissagt uns von zweyen grausamen Tyrannen, welche sollen fuer dem iuengsten tage die Christenheit verwuesten und zurstoeren, Einer geistlich mit listen odder falschem Gotts dienst und lere widder den rechten Christlichen glauben und Euangelion, Davon Daniel schreibt am eylfften Capit. das er sich sol erheben uber alle Goetter und uber alle Gottes dienst etc. Welchen auch Sanct Paulus nennet den Endchrist ynn der ander Epistel zu den Thessalon. am andern Capit. Das ist der Babst mit seinem babstum, davon wir sonst gnug geschrieben. Der ander mit dem schwerd leiblich und eusserlich auffs grewlichst, davon Daniel am siebenden Capit. gewaltiglich weissagt Und Christus Matthej am vier und zwentzigsten Cap. von einem truebsal, des gleichen auff erden nicht gewest sey, das ist der Tuercke, Also mus der teuffel, weil der welt ende fuerhanden ist, die Christenheit zuvor mit beyder seiner macht auffs aller grewlichst angreiffen und uns die rechte letze geben, ehe wir gen himel faren.“ (WA /II, , – ).

3.2 Predigt als Expertise: Gelehrtes Wissen über „den Türken“ in den Predigten

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Melanchthon vertrat⁵⁶, scheute er sich vor dieser konkreten Identifizierung. So sehr er auch von der zerstörerischen Macht des Türkenreiches überzeugt war und es in ein apokalyptisches Szenario einzuordnen vermochte, der eigentliche Antichrist als Widersacher im Innern des Christentums blieb für ihn das Papsttum: „Und ich halt den Mahmet nicht fur den Endechrist, Er machts zu grob und hat einen kendlichen schwartzen Teuffel, der weder Glauben noch vernunfft betriegen kan, Und ist wie ein Heide, der von aussen die Christenheit verfolget, wie die Römer und andere Heiden gethan haben.“⁵⁷ Diese Zurückhaltung Luthers in Bezug auf die Deutung der Türken als Antichrist ist wohl dafür verantwortlich, dass dieser Topos nur selten von den Türkenpredigern aufgegriffen wurde. Zwar waren sich die meisten darin einig, dass die Türken und ihre Religion „vom Teufel“⁵⁸ seien und dem christlichen Glauben ganz und gar widersprechen, eine direkte Identifizierung mit dem Antichristen – wie etwa Johann Gigas, Johannes Lauch und Hoë von Hoënegg sie vornahmen⁵⁹ – unterließen sie jedoch in den meisten Fällen. Häufig verfuhren die evangelischen

 S. hierzu: Seifert, Rückzug, .  WA , , – .  So z. B. Heidenreich, XII Turcken Predigten, Hv und Mylius, Zehen Predigten, , der die Herkunft des Papsttums und des Islam mit dem Bild einer Zwillingsschwangerschaft des Teufels im . Jh. wiedergab: „Ist also der erste ursprung des Mahometischen Reichs gefallen eben auff die zeit / da das Antichristische Bapsttumb in der Welt auch seinen anfang genomen hat: Und jenes zwar in Orient und gegen Auffgang: Dieses aber gegen Nidergang: Also das der Teuffel damalen mus gar gros schwanger / unnd mit schwerem Leib gegangen sein / das er ein bar Zwilling gesetzet und ausgehecket / und in Orient mit Mahomet den Alcoran / in Occident mit Bapst Gregorio und Bonifacio / Bepstische Meß und Primat gezüglet und außgebrütet hat.“  Gigas, Vom Türcken und Sterben, Av: „Geliebten freund in Christo / die heilige schrifft / die uns in diesem jamer und finstern thal fürleuchtet / zeiget hell und klar an / das in den letzten zeiten / die ware Kirche / vom Antichrist / das ist vom Bapst und Türcken / mit betrug / tiranney und mordt / aufs höchste sol angegriffen nd geengstiget werden […].“ (Hervorhebung D.G.). S. außerdem: Lauch, Ein und Dreißig Türcken Predigten, r: „Jedoch so lehrt uns die H. Göttlich Schrifft / fürnemlich von zweyen grossen Ertz: und Erbfeinden Christi und seiner lieben Christenheit / Einer / der da soll im Tempel oder Kirchen Gottes sitzen / und sich uberheben uber alles / was Gott und Gottsdienst heist […] welchs augenscheinlich an dem Papst zu Rom erfüllet. In massen solches durch vil Schrifften unnd Bücher der unsrigen Sonnenklar und nach notturfft erwiesen ist. Der ander Erbfeind aber / oder antichrist / sagt der H. Geist / soll nicht in der Kirchen Gottes sitzen / und sich fälschlicher weiß für ein Statthalter Christi außgeben / sonder sich allezeit für ein offentlichen abgesagten Feind aller der jenigen bekennen / die sich Christen nennen / oder auff den Namen Jesu Christi getaufft sein / der auch Tag und Nacht nichts anders dicht und tracht / dann wie er mit Kireg / Mordt und Brandt die Christenheit möchte außrotten und vertilgen. Diß hat bey Tausent Jarn der Türck gethon / und thuts noch auff den heütigen tag.“ Und schließlich Hoë von Hoënegg, Sechs Türcken Predigten, : „Dann der Türck […] hat auch eben lang außgedauret / ja so lang als der Bapst: Sintemal der Antichrist im Orient und Occident zugleich angefangen haben.“

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3 Die Autoren der Türkenpredigten

Theologen wie seinerzeit Martin Luther und erkannten in der Papstkirche den Antichrist.⁶⁰ Der Jenaer Professor und Prediger Georg Mylius wandte sich in seinen Zehen Predigten vom Türcken sogar dezidiert gegen die Anwendung des AntichristBegriffes für die Türken⁶¹ und verwies dabei auf das besagte Luther-Nachwort der Verlegung des Alcoran ⁶², das er in der Jenaer Ausgabe noch unter dem Titel fand: „Trewe Warnung D. M. L. für des Mahmets oder Türcken grewlicher Lere und Glauben / Und das nicht der Mahmet / Sondern der Bapst der Endchrist sey.“⁶³ Insbesondere die lutherischen Türkenprediger übernahmen die vornehmlich von Wittenberg aus publizierten Deutungen der Türken und ihrer Religion.Weitere Informationen, welche ihnen etwa in Form von Prognostiken, Reiseberichten oder „Neuen Zeitungen“ zugänglich waren, reicherten ihre Berichte an.

3.2.2 Prophetisches Wissen: Prognostiken über die Türken als Wissensquelle Die andern Wülfischen weltkinder / underfahen sich Poeten / für Propheten und Prediger außzugeben / wollen andere lehren / unnd künnen sich selbst von irrthumb nit bekeren / verachten der Catholischen Münch thun […] / unnd doch der falschen Münch der meineidigen Apostaten träum unnd wunsch für Propheceyungen außruffen / Als sie jetzt mit des Buben Johann Hilden Rachgirigkait / oder Prophecey umbgehn. Dann diser Apostata hat geweissagt / wie auch der Luther / es muß das gantz Teutschland noch des Türcken werden / Darmit sie allen Teutschen Kriegsleuten / dz hertz und gemüt nemen / unnd sie also verzagt machen […].⁶⁴

Dass insbesondere die evangelischen Türkenprediger einen Hang zu den Vatizinien ihrer Zeit hatten, beschrieb der Brixener Domprediger Johannes Nas in eindrücklicher Weise. Nasʼ Analyse ist insofern zutreffend, als tatsächlich einige der protestantischen Autoren auf derartige Prognostiken als Wissensquelle über die

 So z. B. Gesner, Funffzehen Predigten, : „[…] der Papst und die Römische Antichristliche Liga […]“ und Efferhen, XIII Christenliche Predigten,yr: „Also auch zu unsern zeitten / haben gleichwol viel Fürsten unnd Ständ in nider unnd hoch Teutschlanden / unnd Franckreich / auch etliche König angefangen die gebott und decreta des Bapsts / als des rechten Widerchrists / der da sitzt und wütet in dem tempel Gottes / zu verwerffen und aus zuschlagen / und seinnen Bann zu verachten. […] Es wird aber Gott der Herr sein volck von dißem schwerdt / welchs der Widerchrist / so im tempel Gottes / oder mitten unter dem volck Gottes sitzt / eingefüret hat / erlösen / ehe das er diß drit / und letzte / auch aller größeste Wehe oder trubsal [sc. die Türken] uber sein volck daher schicken wird.“  Mylius, Zehen Predigten, r.  WA ,  – .  Luther, Der Achte Teil, v-r (Hervorhebung, D.G.).  Nas, Ein schöne Tröstliche Kriegs- und Sigspredig, Ar-Av.

3.2 Predigt als Expertise: Gelehrtes Wissen über „den Türken“ in den Predigten

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Türken zurückgriffen, während die katholischen Geistlichen mit derartigen Vorhersagen für ihre Türkenpredigten nichts anzufangen wussten. Schließlich begegnete man katholischerseits generell den apokalyptischen Endzeitszenarien, wie sie etwa evangelische Flugschriftenautoren boten, eher zurückhaltend. Das Weltende war für Katholiken weiter entfernt als für Protestanten. Neben dem Vatizinium Johannes Lichtenbergers⁶⁵ (†1503), der als Hofastrologe Friedrichs III. tätig gewesen war, wurden insbesondere die Vorhersagen des Franziskaners Johannes Hilten († um 1500) von protestantischen Türkenpredigern am häufigsten rezipiert. In seiner Prognosticatio (1488), die zu großen Teilen aus der Apokalypse des Methodius ⁶⁶ schöpfte, sagte Lichtenberger eine zeitweilige Herrschaft der Türken in Deutschland voraus. Allerdings würden diese nach achtjähriger Herrschaft in Köln umkommen. Lichtenbergers Prophetie fand im 16. Jahrhundert reißenden Absatz⁶⁷ und wurde besonders im Hinblick auf die Frage nach der Ankunft des „Erbfeindes“ in Deutschland und seines Endes in Köln – teilweise auch kritisch⁶⁸ – von den Türkenpredigern rezipiert.⁶⁹

 Vgl. hierzu: Dietrich Kurze, Johannes Lichtenberger (†). Eine Studie zur Geschichte der Prophetie und Astrologie, HS  (Lübeck ).  S. zur Aufnahme der Apokalypse des (Pseudo‐)Methodius bei Lichtenberger: Peuckert, Gog und Magog.  Zur Druckgeschichte seit  vgl. WA ,  ff. und Kaufmann, Türckenbüchlein,  f.  Kritisch äußerten sich z. B. Johannes Lauch und Rupert Erythropel in ihren Türkenpredigten: „Es ist aber nicht gläublich […] / das der Türck zu Cölln in der Pfaffengassen (wie mans nennt) soll erschlagen werden: dieweil daselbst heüttigs tags nit die Berg Israels seind / sondern noch der zeit die Bäpstische Abgötterey iren fortgang hat. […] Darumb wann wir diese Weissagung von deß Türcken Niderlag in Teütschland hören / sollen wir uns nicht die gedanken machen / als werd ihn Gott gleich alsbald […] zu boden schlagen. Nein / er wirdt ihn wol lassen herein kommen / und […] auch uber die / so mitten im Landt wohnen: und wirdt den Teütschen ein solch zittern und schrecken einiagen / das […] vor zittern die Mauren sollen zuboden fallen. Und eben darumb das wir nicht sollen so sicher in unseren Sünden dahin leben / sondern ein iedes ort im Teutschland / fürnemblich aber wir euangelischen […] rechtschaffene Buß thun […].“ (Lauch, Ein und Dreißig Türcken Predigten, r-r). Erythropel kritisierte hingegen die Heranziehung astrologischer Kenntnisse Lichtenbergers und schlussfolgerte: „Seine Weissagung ist nit ein Geistliche Offenbarung / denn dieselbig geschicht ohn die Sternkunst / und ist auch der Sternkunst unterworffen / sonder ist ein alte Heydnische Kunst / die bey den Römern unn auch zuvor bey den Chaldeern gar gemein war / aber sie konnten den König zu Babylon seine Träum nit sagen noch deuten.“ (Erythropel, Weckglöcklein, ).  So z. B.: Mylius, Zehen Predigten, r: „Wo aber / wie oder auff was weisse / und wenn solches alles geschehen werde / davon ist weder uns noch einigem Menschen jchtwas bewust. Aus Methodio werden etliche Weissagungen umbgetragen / wie auch M. Schiltenberg [vermutlich ist hier Lichtenberger gemeint, Anm. D.G.] unnd andere dergleichen sollen geweissagt haben da diesem Feind dem Türcken nicht gesteuret werde / so werde er mitten in Deutschland kommen und entlich erst vor Cölln am Rhein geschlagen und erleget werden.“ S. außerdem: Lauch, Ein und Dreißig

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3 Die Autoren der Türkenpredigten

Während anhand der Prognosticatio Aussagen über den Ort des Endes der Türken getroffen werden konnten, wurde mittels der Prognose Hiltens der Zeitpunkt dafür vorhergesagt.⁷⁰ So hatte der Eisenacher Franziskanermönch für das Jahr 1516 einen Gegner des Mönchtums prophezeit und für das Jahr 1600 die totale Eroberung durch die Türken angekündigt, bevor im Jahr 1651 der Jüngste Tag schließlich hereinbrechen sollte. Diese auch von Luther und Melanchthon rezipierte Prophetie⁷¹ vermochten die Türkenprediger – insbesondere der 1590er Jahre – für ihre Predigten ebenfalls fruchtbar zu machen. Denn „die Vorstellung, daß Türcken Predigten, r: „Wo aber / und an welchem ort oder Fürstenthumb inn Teütschland es geschehen soll / kan man nicht eygentlich wissen: und scheindt doch / als wöll der Prophet [sc. Ezechiel] solchen ort auch anzeygen […] Die Statt soll genennt werden Hamona / das ist auff Teütsch / Meng / oder hauffen. Diese wort verstehen etliche von den Gräntzen / und Frontiern deß under oder nider Teütschlands / welches sich umb Cöln am Rhein anhebt. Dann daselbsten / sagen sie / könn man Reysen vom Meer der Niderteütschen gegen Morgen / und stehet eben gegen der Sonnen auffgang zu / neben der seyten gegen Mitternacht / da dann der Türck herziehen soll. Darumb auch etliche durch die Statt Hamona / verstehen die Refier unnd Gegent der Statt Cölln / wie Merlinus vor . Jarn: Item Ioan. Hilten und Liechtenberger davon geschriben haben.“ Erythropel, Weckglöcklein, : „Es ist ein alte Weissagung / welche einer mit Namen Johannes Liechtenberg hat hinter sich gelassen / welche also lautet: Wo die teutschen Fürsten nicht werden eins seyn mit dem grossen Adler / und unter sich einländische Krieg fürgeben und anzünden / so wirdt der Türck kommen / unnd wirdt verwüsten Polen / Meissen / Thüringen / Hessen / Preussen / und wirt in Pickardei reissen / Brabant und Flandern / Aber bey dem gülden Apffel zu Cöln wirdt er umbkommen und erwürget werden.“ Außerdem Horn, Trost Spiegel, Cv: „Johannis Liechtenberger / welcher anzeiget Cap. . Der Türcke solle die Piccardey / Polen / Preusen / Meissen / Thüringen / Brabant / Flandern / Hessen / Deutschland unnd Welschland durchziehen / unnd bis Cölln an Rein kommen.“  S. zur Rezeption der Hilten-Prophetie besonders im späten . Jahrhundert: Kaufmann, Konfession und Kultur,  – .  So soll Luther in seiner Studierstube im Wittenberger Augustinerkloster die Hiltensche Prophezeiung mit Kreide sogar an die Wand geschrieben haben: „Millesimo Sexcentesimo veniet Turcus / Totam Germaniam devastaturus“ (vgl. hierzu: Johannes Ficker, Eine Inschrift Luthers im Lutherhause, in: ThStKr  [],  – ). Jonas Rivander nahm diese Prophetie und die Aneignung durch Luther in seine Heerpredigt auf, die sich allerdings in der ihm überlieferten Version auf das Jahr  bezog: „Es ist eine alte Prophecey vorhanden / des teuren Mannes Herrn Lutheri seliger gedechtnus / die er zu Wittenberg im Kloster in seinem Musaeo angeschrieben. Anno Millesimo sexcentesimo secundo, Turca late dominabitur in Germania. Wenn man wird schreiben . so wird der Türcke fast gantz Deutschland innen haben. Fürwar es sind gemeiniglich dem Manne Gottes seine Propheceyungen war worden / wie er selbsten bekennet und schreibet. Ich weissage von hertzen ungern / denn ich offt erfahren / das es allzuwar worden.“ (J. Rivander, Heerpredigt, Er). Auch Bartholomäus Horn verwies auf Luthers bedeutungsschweren Satz in seiner Studierstube, datierte aber ebenfalls auf : „Er [sc. Luther] sol auch zu Wittenberg in seiner Studier kammer mit Kreiden angeschrieben haben dise nachfolgende Worte. Anno millesimo Sexcentesimo Secundo Turca potenter dominabitur in Germania. Der Türcke werde im Jare . in Deutschland gewaltig regieren […].“ (Horn, Trost Spiegel, Cr).

3.2 Predigt als Expertise: Gelehrtes Wissen über „den Türken“ in den Predigten

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das Jahr 1600 ein Wendejahr eschatologischen Ausmaßes sei, war den Kindern der Reformation von ihren Vätern Luther und Melanchthon mit prophetischem Geltungsanspruch überliefert.“⁷² So übernahm beispielsweise der Velburger Superintendent Johannes Lauch die Prophetie Hiltens in seine Türkenpredigten: Dann es ist 30. Jar vor deß Herren Lutheri seligen ankunfft / ein frommer alter Mann / und Barfüsser Münch / in der Statt Eysennach / im Land zu Türingen / mit Namen Johannes Hilten / gewesen / der hat nicht allein / da er von seinen Brüdern ins Gefängknuß geworffen worden / geweissagt / das umb das Jar 1516. Gott ein Mann erwecken werde / der das Pabstumb und die Münch reformiren soll: welches dann durch D. Lutheri geschehehn: Sondern er hat auch zugleich Propheceyt / wann man nach Christi geburt 1600. Jar schreiben werde / so werde der Türck uber Teütsch und Welschland regieren: darauff hetten wir nicht uber 5. Jar. Und leßt sich allerdings bey den jetzigen Läufften dahin ansehen / als solt solches mit der zeit erfüllet werden.⁷³

Einige der Theologen verhielten sich zu den Prophezeiungen über den endgültigen Sieg der Türken in Deutschland jedoch eher zurückhaltend, da sie – der biblischen Überlieferung aus Dan 7 folgend – davon ausgingen, dass nicht „der Türke“, sondern Gott am Ende der Zeiten siegreich aus dem Kampf hervorgehen würde. Als Schreckensszenario dienten diese Vatizinien jedoch allemal und verstärkten die Bußappelle, die auf ein Eingreifen Gottes in den Weltenlauf setzten.

3.2.3 Religionskundliches Wissen: Der Koran in den Türkenpredigten Machomet das er seine land und leute mit mord eröbert / desto gewisser erhalten möcht in einigkeit / schreibet er jnen eine sonderliche Religion für […] / und nennet solch Buch den Alcoranum / welchs die Türcken noch auff heutigen tag in jren samlungen mit der eusserlichen reverentz / ehrerbietung / demut und andacht handeln / lesen / verwaren / mit welcher kein Christ die heilige Biblia / die Göttliche geschrifft handelt. […] Vor wenig jaren ist der Alcoran zu Basel gedruckt / und mit Gottseliger Menner fleis widerlegt ausgangen.⁷⁴

 Kaufmann, Konfession und Kultur, .  Lauch, Ein und Dreißig Türcken Predigten, v und auch: Mütel, Krieg Predigt, Ar: „So ist zu besorgen / Es möge gehen nach der Prophecey des Mönchen Johan Hilten: Wenn man werde schreiben . So werde der Türck ein mechtiger Herr sein / in Deutsch und Welschen Landen.“ S. ebenfalls: J. Rivander, Heerpredigt, Cv-Cr: „An unsern mangeln kaum zehen Jahr / so ist die zeit auch gleich / und trifft Hiltenij Weissagung mit ein / das im . Jahr ein allgemeine Enderung geschehen sol / Die helt man nun / entweder daß das Orientische Reich Constantinopel dem Türcken wieder genommen / und zum Occidentischen bracht […] oder das unser lieber Herr und HEyland Jesus Christus zum Jungsten Tage kommen / oder beydes geschehen werde […].“ Der Verweis auf Hiltens Prophetie auch bei: Horn, Trost Spiegel, Cv.  Heidenreich, XII Turcken Predigten, Cr.

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3 Die Autoren der Türkenpredigten

Wie Esaias Heidenreich war wohl den meisten Predigern bewusst, dass es seit 1542/1543 eine breiter zugängliche lateinische Koranausgabe gab. Vermutlich hatten jedoch nur wenige die Möglichkeit, tatsächlich einen Blick in das Kompendium zu werfen. Trotzdem beschrieben sie teilweise ausführlich und äußerst scharfzüngig – wohl in Kenntnis anderer Turcica, Chroniken etc. – die Entstehung des Korans⁷⁵ und dessen Lehren⁷⁶, wobei die Autoren besonders auf die Stellung Jesu im Koran und die Unterschiede zum christlichen Bekenntnis abhoben. So betonte beispielsweise Jakob Andreä in einer seiner Dreyzehen Predigen vom Türcken: Wiewol nun derselben [sc. Lästerungen] vil sein im Alcoran / will ich doch allein die fürnembste erzehlen. Die fürnembste Lösterung aber ist dise / da in seinem Alcoran geschriben stehet / am 29. Capitel: Wann einer sag / daß Gott ein Son habe / das sey so ein schandtliche Rede / umb wölcher willen Himmel unnd Erden in einander brechen / und die Berg einfallen sollen […] Dise Lösterung würdt durchauß im gantzen Alcoran getriben / unnd nicht bald ein Capittel funden / darinn sie nicht widerholet ist/ so hoch ist dem Teuffel daran gelegen / daß die Menschen nicht glauben sollen / daß Christus ein warhafftiger ewiger Son Gottes deß Vatters seie.⁷⁷

Jedoch zitierten bzw. verwiesen in ihren Werken immerhin sieben Türkenprediger – Jakob Andreä, Salomon Gesner, Hoë von Hoënegg, Johannes Lauch, Georg Mylius, Georg Scherer und Johannes Paul Sutorius – explizit auf Koran-Suren.⁷⁸ Jakob Andreä verfolgte mit seinen Dreyzehen Predigen vom Türcken mithin nichts weniger als eine Widerlegung des Korans, da ihn „ettlich fürneme guthertzige Leut“⁷⁹ darum gebeten hatten: „[Z]um dritten und letsten / wöllen wir solche

 Hoë von Hoënegg, Sechs Türcken Predigten,  f.; Lauch, Ein und Dreißig Türcken Predigten, rr; Mylius, Zehen Predigten, v-v.  So z. B. die Schilderungen der Glaubensinhalte des Islam bei: Andreä, Dreyzehen Predigen,  –  (.–. Predigt); Gesner, Funffzehen Predigten,  – ; Heidenreich, XII Turcken Predigten, Br-Er; Hoë von Hoënegg, Sechs Türcken Predigten,  – ;  – ; Lauch, Ein und Dreißig Türcken Predigten, r-r (.–. Predigt); Möring, Christen Schutz, v-v; Mylius, Zehen Predigten, v-v (. und . Predigt); Praetorius, Handbüchlein, Cv-Cr; Rivander, Heerpredigt, Dr-Dr (Rivander führt  Punkte an, die die Lehren des Islam beschreiben).  Andreä, Dreyzehen Predigen,  – , hier:  f. Die gleiche Argumentation z. B. auch bei: Lauch, Ein und Dreißig Türcken Predigten, r-v.  So z. B. Andreä, Dreyzehen Türcken Predigen,  – ; ;  – ; ; ; ; ; ;  – ;  f.;  – ;  –  (.–. Predigt); Gesner, Funffzehen Predigten, ; Hoë von Hoënegg, Sechs Türcken Predigten,  – ;  – ; Lauch, Ein und Dreißig Türcken Predigten, rr; Mylius, Zehen Predigten, v; v; v; v (. Predigt); Scherer, Fünffzehen Predigen, ; ; ;  – ;  f.;  –  und Sutorius, Acht Christliche […] Predigten, v.  „Diser jamer hat on alle zweifel ettlich fürneme guthertzige Leut bewegt / dz sie vor diser zeit mich / beides schrifftlich und mündtlich ersucht / unnd ersuchen lassen / daß ich mich diser müh

3.2 Predigt als Expertise: Gelehrtes Wissen über „den Türken“ in den Predigten

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Artickel nicht allein mit heiliger Göttlicher Schrifft / sonder auch mit des Alcorans selbst eignen Zeugnussen widerlegen / darzu der Herr sein gnad verleihen wölle.“⁸⁰ Anhand des in Tübingen vorhandenen Exemplars des Korans⁸¹ hatte Andreä Unterschiede christlicher und islamischer Religion offenlegen bzw. die muslimischen Anschauungen widerlegen können.⁸² Der Wiener Hofprediger und Jesuit Georg Scherer veröffentlichte im Jahr 1613 seine im Jahr 1594 in Wien gehaltenen Fünffzehen Predigen / wider den Mahomet und sein Alcoran […], in denen er einzelne Koransuren zitierte, um diese zu entkräften. Scherers Absicht, mittels einer Widerlegung „beständiger in unserm wahren Christlichen Glauben [zu] verharren“⁸³, erinnert an die Zielsetzungen der evangelischen Prediger, den Islam auf Basis seiner heiligsten Urkunde zu entmachten. Tatsächlich stellen Scherers Predigten die einzige katholische Auseinandersetzung mit dem Koran im Rahmen der Gattung der Türkenpredigt dar. Bevor im Jahr 1543 mit der Baseler Koranausgabe eine der breiteren Öffentlichkeit zugängliche Übersetzung vorlag, hatte auch Luther mehrfach den Wunsch geäußert, diesen zu lesen.⁸⁴ In seiner Vorrede zum Libellus de ritu et moribus Turcorum von 1530 äußerte er dieses Anliegen,⁸⁵ denn die ihm bis dahin bekannten Schriften, die eine nähere Korankenntnis behaupteten, waren Nikolaus von Kues’ Cribratio Alcorani und Ricoldus’ Confutatio Alcorani, die jedoch beide keine

unnd arbeit underfangen / und ein grundtliche Widerlegung deß Alcorans stellen wolt / deren sich die Christen in gemein / besonders aber / so an der Türckischen Gräntz täglich under den Türcken wohnen / sich hetten nutzlich zugebrauchen […].“ (Andreä, Dreyzehen Predigen, *v). S. zu Andreäs Türkenpredigten außerdem: Boettcher, Orientalism.  Andreä, Dreyzehen Predigen, .  Nach Siegfried Raeder hatte Andreä zur Abfassung seiner Dreyzehen Predigen vom Türcken die Koranausgabe Biblianders, wohl in der zweiten Auflage von , vorliegen: Raeder, Tübinger Türkenpredigten,  und ders., Türkenpredigten, .  Auch der württembergische Hofprediger Lukas Osiander d.Ä. hatte  eine Widerlegung des Korans unternommen und diese  als Bericht / was der Türcken Glaub sey […] bei Ulrich Morhart herausgegeben. Aufgrund der Predigten Andreäs hegte Osiander zunächst Zweifel, „dise […] ringfügig Arbeit […] an den Tag zugeben“, da er sie inzwischen „für unnotwendig geachtet“ hatte. Schließlich habe Andreä jedoch „darfür gehalten, daß dise […] gestelte Widerlegung des Alcorans / auch in den Truck zuverfertigen were.“ (Osiander, Bericht, )(v). Zur Veröffentlichung gleich zweier „Widerlegungen“ des Korans in Tübingen  hatte ohne Zweifel die Anwesenheit des slowenischen Reformators Primus Truber ( – ) beigetragen, der seit  regelmäßig in Tübingen geweilt hatte. Ihn hatten die Theologen sodann auch dazu aufgefordert, auf einer seiner Reisen in die Heimat Befragungen bei türkischen Gefangenen hinsichtlich ihrer Glaubensinhalte durchzuführen (s. hierzu auch u. Abschn. . [Exkurs]).  Scherer, Fünffzehen Predigen, .  Vgl. ausführlich zum Verhältnis Luther – Koran: Bobzin, Koran,  – .  „Alkoranum vero etiam num frustra cupio legere“ (WA  II, ,).

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3 Die Autoren der Türkenpredigten

durchgängigen Übersetzungen des Korans boten.⁸⁶ Beide Schriften wurden von Luther allerdings als nicht empfehlenswert eingeschätzt, da diese den Islam derart negativ darstellten, dass „das gut / das darinn ist / sie eintwedder vber gehen onuerlegt / oder mit fleyß verhalten“, sodass diese Schriften bei den Lesern „wenig glaubens vnnd ansehens haben“⁸⁷. Obwohl die Bewertung dieser Schriften in der Vorrede von 1530 noch äußerst negativ ausfiel, gab Luther zwölf Jahre später eine deutsche Übersetzung des Ricoldus-Traktats heraus.⁸⁸ So berichtete er noch in der Einleitung des Traktats, er habe „itzt diese Fastnacht […] den Alcoran gesehen Latinisch, doch seer ubel verdolmetscht, das ich noch wünschet einen klerern zusehen“⁸⁹. Obwohl sowohl Luthers Koranabschrift als auch die Darstellung des Ricoldus Mängel aufzeigten, traute er nun der Herausgabe des Büchleins zu, „[d]as doch bey uns deudschen auch erkand werde, wie ein schendlicher Glaube des Mahmets Glaube ist, Da mit wir gesterckt werden in unserm Christlichen Glauben“⁹⁰. Bereits im Frühjahr 1542 hatte die dreibändige Koranausgabe des Zürcher Gelehrten Theodor Bibliander (1509 – 1564)⁹¹ die Offizin des Baseler Buchdruckers Johannes Oporinus verlassen. Das Werk umfasst im ersten Band das Corpus Toletanum, das im Kontext des zweiten Kreuzzuges auf Veranlassung des Abtes Petrus Venerabilis (1092– 1156) in Toledo angefertigt worden war. Neben der ei „Hactenus enim cum vehementer cuperem nosse religionem et mores Mahometistarum, nihil offerebatur quam quaedam confutatio Alcorani et item Cribratio Alcorani N. de Cusa […].“ (WA  II, , f.).  Carl Göllner (Hg.), Chronica und Beschreibung der Türkei. Mit einer Vorred D. Martini Lutheri, SLKS  (Köln / Wien ), .  Ediert in: WA ,  –  und Johannes Ehmann (Hg.), Confutatio Alcorani (). Kommentierte lateinisch-deutsche Textausgabe (Würzburg ). Zur Verlegung vgl. außerdem: Bobzin, Koran,  –  und die Arbeit Ehmanns, der seine Darstellung zum Verhältnis Luther – Türken – Islam anhand der Verlegung des Alcorans entfaltet: Ehmann, Luther, Türken und Islam, bes.  –  und  – .  WA , , f. Bei diesem Exemplar wird es sich vermutlich um eine Koran-Abschrift gehandelt haben, die erst seit kurzem im Besitz der Wittenberger Universität war (Bobzin, Koran,  äußert diese These). Nach deren Durchsicht scheint Luther seine zwölf Jahre alte Auffassung gleichwohl revidiert zu haben, wenn er schreibt: „So viel aber daraus gemarckt, das dieser Bruder Richard sein Buch nicht ertichtet, Sondern gleich mit stimmet. Und das kein falscher wohn hie sein kan […]“ (WA , , – ).  WA , , – ,.  Vgl. über ihn: Emil Egli, Analecta Reformatoria II. Biographien: Bibliander, Ceporin, Johannes Bullinger (Zürich ); Moser, Theodor Bibliander; Hans-Martin Kirn, Humanismus, Reformation und Antijudaismus: Der Schweizer Theologe Theodor Bibliander (/ – ), in: Achim Detmers / J. Marius J. Lange van Raavenswaay (Hgg.): Bundeseinheit und Gottesvolk. Reformierter Protestantismus und Judentum im Europa des . und . Jahrhunderts, Emder Beiträge zum reformierten Protestantismus  (Wuppertal ),  – .

3.2 Predigt als Expertise: Gelehrtes Wissen über „den Türken“ in den Predigten

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gentlichen Übersetzung des Korans (Lex Saracenorum), die der Engländer Robert von Ketton unternommen hatte, enthält das Corpus apologetische Schriften⁹² sowie Quellenschriften, die der islamischen Hadith-Literatur zuzuordnen sind.⁹³ Außerdem fügte Bibliander seiner Koran-Ausgabe im zweiten Band theologische Schriften von Autoren des 14. und 15. Jahrhunderts hinzu. Hier finden sich u. a. die innerhalb der Islam-Kontroverse des 16. Jahrhunderts häufig zitierten Werke des Ricoldo da Monte Croce (Confutatio Alcorani) und des Nicolaus von Kues (Cribratio Alcorani). Der dritte Band der Baseler Koranausgabe beinhaltet ausschließlich zeitgenössische Turcica, die dem Werk den Status einer „Encyclopédie de l’Islam“⁹⁴ verschafften. Dass der Baseler Koran eine „weit über das 16. Jahrhundert hinausreichende Bedeutung“⁹⁵ erhalten sollte, war nicht von vornherein abzusehen. Der Herausgabe des dreibändigen Werkes ging ein zäher Streit voraus, in dem um die Rechtmäßigkeit der Sache gerungen wurde. Wegen Umgehung der Zensurbestimmungen der Stadt kam der Drucker Oporin sogar für kurze Zeit in Haft.⁹⁶ In dem Konflikt boten beide Seiten prominente Vertreter der Baseler Kirche und Universität auf, die Gutachten für bzw. gegen die Herausgabe des Werks verfassen sollten. Da „dis buch ein schantlich, schädlich, ergerlich, verfürisch und nit allein kätzerisch, sunders ein gruoben oder kisten aller kätzereien“⁹⁷ sei, votierten Wolfgang Wyssenburg, Jakob Truckenbrot und Sebastian Münster gegen eine Veröffentlichung des Korans. Ein juristisches Gutachten⁹⁸ des einflussreichen Dr. Bonifatius Amerbach gab wohl den Ausschlag, dass sich der Rat zunächst gegen die Drucklegung entschied. Für den Druck der Ausgabe stimmten der Baseler  Neben einer von Petrus verfassten Summa der Hauptlehren des Islam samt deren Widerlegung beinhaltet das Corpus noch eine Epistola Petri Cluniacensi ad Bernardum Claaevallum sowie eine Übersetzung der sog. Apologie des al-Kindi, vgl. zum Corpus Toletanum ausführlicher: Bobzin, Koran,  – .  Dem Corpus Toletanum stellte der Herausgeber Vorreden Melanchthons und Luthers sowie eine eigene Apologia pro editione Alcorani (zur genauen Titulierung der Texte vgl. Bobzin, Koran,  f.) voran.  Bobzin, Koran, .  Bobzin, Koran, .  Nähere Informationen zu den Zensurbestimmungen der Stadt sowie Einzelheiten zur Haft Oporins finden sich bei: Martin Steinmann, Johannes Oporinus. Ein Baseler Buchdrucker um die Mitte des . Jahrhunderts (Basel ),  –  und Bobzin, Koran,  – .  Separat-Gutachten in Sachen des Alcoran, von Wolfgang Wyssenburg, Jakob Truckenbrot und Sebastian Münster (Rudolf Hagenbach, Luther und der Koran vor dem Rathe zu Basel [mit einem bisher ungedruckten Briefe Luthers], in: BVG  [],  – , hier: ).  Juridisches Gutachten von Dr. Bonif. Amerbach in Sachen des Koran (Hagenbach, Luther und der Koran,  – ).

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3 Die Autoren der Türkenpredigten

Antistes Oswald Myconius, Pfarrer Marcus Bersius, Professor Martin Borrhaus und der Diakon Jakob Imeli.⁹⁹ Auch diese vier Gelehrten wiesen in ihrem Gutachten ausdrücklich auf die ketzerischen Äußerungen des Korans hin, doch im Kampf gegen den Koran hielten sie es für unumgänglich, ihn aus sich selbst auszulegen und so als Grundlage der Streitschriften heranzuziehen.¹⁰⁰ Auch nach der eigentlichen Ratsentscheidung vom 30. August gegen die Drucklegung kehrte in Basel er keine Ruhe ein. Immer mehr Theologen von Straßburg bis Wittenberg sprachen sich für die Drucklegung aus. Erst als im Dezember 1542 ein den Druck empfehlender Brief Martin Luthers den Rat zu Basel¹⁰¹ erreichte, lenkten die Verantwortlichen ein und bewilligten die Herausgabe des dreibändigen Werks. Allerdings stellte der Rat die Bedingung, dass die Koranausgabe nicht unter Oporins Namen ausgehen sollte, sondern „er yemanden von andern oberkeiten, gelerten oder truckerherren, finden möge, der im ditz buch abnemmen und das under sinem titell und namen mit vor- und schlußreden ußgan und also […] ouch sollich buch nit hie, sonder usserhalb unsern obrigkeiten verkouffen wollte […]“¹⁰². Der Drucker erreichte es, dass Bibliander „die sach ferantworten“¹⁰³ wollte, da er sich mit seinen „lieben herren und brüederen, denn dieneren der kilchen Zürich deß offentlich protestiert und embotten“¹⁰⁴ hatte. Zur Unterstützung und Bestätigung von Biblianders Veröffentlichung seines Namens auf der Koran-Ausgabe sandten Bullinger und einige seiner Kollegen einen weiteren Brief an Oporin¹⁰⁵, in dem sie sich geschlossen hinter den befreundeten Gelehrten stellten. Die Unterzeichner des Briefes wären sogar damit einverstanden gewesen, dass „ouch unsere namen darfür gesetzt wurdint“¹⁰⁶. Am 11. Januar 1543 konnte endlich der Verkauf der Exemplare beginnen. Obwohl das Werk aufgrund seiner lateinischen Übersetzung zwar nur für Gebildete, vornehmlich Theologen

 Gutachten von Myconius (in Gemeinschaft mit Bersius, Borrhaus und Immeli) den Koran betreffend, in: Hagenbach, Luther und der Koran,  – .  „Wir hand fürer bedacht, daß wir unsers radtschlags vorgänger hand allte und unserer zyt. Die allten sind, die da verschafftet hand, das der alcoran inß Latin kumen […] und Latinisch und Arabisch hin und wider inn die bibliotheken ist ußgetheilt.Worumb? Das er da läge? Nein, sonnder daß man ich bruchte, sich selb zu widerlegen und confutationen dawider zu stellen […]“ (Hagenbach, Luther und der Koran, ).  WA.B ,  – . Der Wittenberger Reformator äußert hierin sein Unbehagen über die Behinderung der Drucklegung seitens des Rates.  Zitat nach: WA.B , , – . Der Brief ist außerdem ed. bei: Hagenbach, Luther und der Koran,  f.  Hagenbach, Luther und der Koran, .  Ebd.  Ed. in: Egli, Analecta Reformatoria II,  –  und in: HBBW , Nr. ,  – .  HBBW , .

3.2 Predigt als Expertise: Gelehrtes Wissen über „den Türken“ in den Predigten

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und Pastoren¹⁰⁷, zugänglich war, stand nun erstmals einem breiten Publikum der Koran als Quelle des Wissenserwerbs zur Verfügung.

3.2.4 Ethnographisches Wissen: Die Reiseberichte des 15. und 16. Jahrhunderts Zu dem so hab ich auch bewegliche ursachen von disem Erbfeind zu reden / zu schreiben und zu predigen / dann ich selbs in meiner Kindthait in seinen Tyrannischen henden gewesen / da er mich meines alters ongefehrlich im dritten oder vierdten Jar meiner lieben Eltern beraubt / die ich auff diese stund nie mehr gesehen / mich aber hat Gott zu zwaien malen gantz wunderbärlicher weiß / auß seinem blutdurstigem rachen ohn alle verletzung meines leibs gerissen unn erhalten / on zweiffel daß ich nachmals für mich selbs mit dem Gebet / weil ich zu dem eisnen waffen nicht berufft wider disen Bluthund fechten und kempffen / und andere darzu vermanen solt.¹⁰⁸

Auf eigene Begegnungen mit dem „Erbfeind“, wie Urban Sagstetter sie in seinen Türkenpredigten schilderte, konnten andere Türkenprediger nicht zurückgreifen. Auch auf eine Befragung gefangener türkischer Soldaten über die Inhalte ihrer Religion, wie sie Jakob Andreä dem slowenischen Reformator Primož Trubar bei seiner Reise in die alte Heimat aufgetragen hatte¹⁰⁹, konnte kein anderer Autor verweisen. Und auch die vielerorts umherziehenden Bettler, die sich als entlaufene Gefangene des osmanischen Heeres ausgaben und schauerliche Geschichten zum Besten gaben, konnten den Predigern nicht als sichere Quelle für Informationen über den „Erbfeind“ dienen.¹¹⁰ Dennoch einte die meisten Autoren von Türkenpredigten der Wunsch, stichhaltige Informationen sozusagen aus erster Hand über die Türken und ihre Religion zu erhalten. Dieses Anliegen teilten sie auch mit ihren Gemeinden und Lesern und nicht zuletzt die im 16. Jahrhundert explosionsartig steigende Anzahl von Reiseberichten spiegelt diesen Trend wider¹¹¹: Auf authentische Zeugnisse aufbauend erhoffte man sich vermeintlich objektive Informationen über den Feind

 Diesen Adressaten entnehme ich der Vorrede Luthers zur Baseler Koranausgabe, wo er sich selbst als „Martini Lutheri Doctoris Theologiae et Ecclesiastis ecclesiae Wittenbergensis“ (WA , , f.) bezeichnet.  Sagstetter, Gaistliche Kriegsrüstung, ‫ג‬r.  S. hierzu u. . (Exkurs).  Vgl. z. B. zu Münster: Ronnie Po-chia Hsia, Gesellschaft und Religion in Münster  – , QFGSM  (Münster ), .  Zur Verteilung der Drucke von Reiseberichten aus dem Osmanischen Reich vgl. nur Höfert, Feind,  f.

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3 Die Autoren der Türkenpredigten

aus dem Osmanischen Reich. Anhand dieser vielfach publizierten und gut zugänglichen Reiseberichte, welche den meisten Türkenpredigern vorlagen, aber auch mithilfe der „Neuen Zeitungen“¹¹², die aktuelle Informationen über die Kriegsverläufe boten, erhoben die Prediger ihr Wissen – besonders über die Sitten und Rituale, die praxis pietatis des Islam –, das sie in Form der Kanzelrede und des Drucks weiter kommunizierten.¹¹³ Ohne Zweifel ist der prominenteste Reisebericht, den die Türkenprediger rezipierten, ein aus dem 15. Jahrhundert stammender Traktat, der im historischen Kontext der türkischen Belagerung Wiens (1529) neue Beliebtheit erlangte: Der aus dem siebenbürgischen Mühlbach stammende Georg von Ungarn bot in seiner Schrift Tractatus de moribus, condicionibus et nequicia turcorum (1480)¹¹⁴ sozusagen Erfahrungen aus erster Hand¹¹⁵ über die Türken in Form eines Reiseberichts. Der Siebenbürgener wurde ca. 1422 geboren und geriet im August 1438 in türkische Gefangenschaft. Nach eigenen Angaben verbrachte er hier 20 Jahre, wurde insgesamt siebenmal verkauft und unternahm mehrere Fluchtversuche. Der Autor schildert, wie er als junger Dominikanernovize extremen Glaubenszweifeln durch die Attraktivität der muslimischen praxis pietatis ausgesetzt war. „[S]chlichte

 So z. B. Urban Sagstetter, der in seiner Vorrede auf die jeweils unterschiedliche Stimmung in den einzelnen Türkenpredigten hinwies, die aus den verschiedenen Nachrichten über den Kriegsverlauf in den „Zeitungen“ resultierte: „Uber das alles möchte gleichwol ettliche nit allein befrembden / sonder auch etwas irrig machen / daß diese Predigen und Vermanungen in argumento nicht allweg gleich / sonder dermassen beschaffen seind / daß jemals die zuhörer geschreckt / und dann widerumb getröst werden. Darzu aber hat mich fürnemblich das geursacht / daß auch die zeitungen von unserm Kriegswesen nicht jederzeit gleich gewesen / derhalben ich auch die Predigen also gestellt und gericht / darnach ich die gemüter der Zuhörer befunden / wie mir dann nit gebürt / wann sich unsere gemüter zu vil auf die eusserlich gegenwehr verlassen / unnd derowegen umb so viel vermessener worden / die Leuth in solcher sicherhait zu stercken: Also hab ich entgegen auch nicht underlassen sollen / wann sich das glück von uns gewendt / und uns etwas zaghafft gemacht / die betrübten hertzen widerumm auffzurichten und zuerholen.“ (Sagstetter, Gaistliche Kriegsrüstung, ‫ג‬v, Hervorhebung D.G.). Vgl. zu den „Neuen Zeitungen“ auch: Göllner, Turcica, Bd. ,  f.  Berichte über die religiösen Sitten z. B. bei: Heidenreich, XII Turcken Predigten, Cv-Dv; Hoë von Hoënegg, Sechs Türcken Predigten,  f.; Praetorius, Handbüchlein, Cv-Cr.  Ed. in: Reinhard Klockow (Hg.), Georgius de Hungaria. Tractatus de moribus, conditionibus et nequicia Turcorum. Traktat über die Sitten, die Lebensverhältnisse und die Arglist der Türken. Nach der Erstausgabe von , SLKS  (Köln / Weimar / Wien ). Vgl. zum Reisebericht Georgs außerdem: Höfert, Feind,  – ; Reinhard Klockow, Georg von Ungarn und die verführerische Vorbildlichkeit der Türken, in: Gereon Sievernich / Hendrik Budde (Hgg.), Europa und der Orient  – . Lesebuch zur Ausstellung Europa und der Orient:  –  (Berlin ),  –  und Göllner, Turcica, Bd. , .  Zur Verwendung des experientia-Begriffes bei Georg vgl. nur Kaufmann, Türckenbüchlein,  f.

3.2 Predigt als Expertise: Gelehrtes Wissen über „den Türken“ in den Predigten

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Lebensweise und eine Abneigung gegen jeglichen Pomp, militärische Disziplin, Stille und ehrfürchtige Andacht in den Kirchen sowie innere und äußerliche Reinlichkeit in Haus und Körper“¹¹⁶ bei den Muslimen fochten den jungen Siebenbürgener an. Für kurze Zeit vertiefte sich Georg von Ungarn so sehr in die Geschichte und Überlieferungen des Islam und übernahm die muslimischen Bräuche dergestalt, dass er de facto zum muslimischen Bekenntnis konvertierte – wenn auch ohne den Ritus der Beschneidung. Nach seiner Rückkehr zum Christentum gelang ihm 1458 mittels eines Freibriefes die Rückkehr nach Europa. Hier wurde er Mitglied des Dominikanerordens und zum Priester geweiht. Im Jahr 1502 starb Georg von Ungarn in Rom. Obwohl die Veröffentlichung des Traktats bereits Jahrzehnte zurücklag, erinnerte man sich in Wittenberg im Anschluss an die erste Belagerung Wiens (1529) wieder an den Bericht des Siebenbürgeners. So hatte sein Reisebericht zunächst inhaltlich in Luthers Heerpredigt (1529) Einzug gehalten¹¹⁷ und wurde wenig später als Libellus de ritu et moribus Turcorum (1530) bei Hans Lufft erneut herausgegeben. Luther förderte den Wittenberger Druck des lateinischen Büchleins und versah ihn mit einer empfehlenden Vorrede.¹¹⁸ Im selben Jahr fertigte Sebastian Franck eine deutsche Übersetzung des Reiseberichts an, der als Chronica unnd beschreibung der Türckey die Druckpresse Friedrich Peypusʼ in Nürnberg verließ. Der authentische, durchaus auch positive Aspekte der islamischen praxis pietatis anerkennende, autobiographische Bericht sollte die trotz aller Furcht vor den Türken bestehenden „Türkenhoffnungen“ eliminieren und die Augen der Leserschaft für den verführerischen Schein „des Türken“ schärfen. Mit der Neuauflage dieses autobiographischen Berichts wollte man vor möglichen Konversionen und unbedachtem Umgang mit dem Feind hinter der schönen Maske warnen. In Folge der Wittenberger Neuauflage erfuhr der Reisebericht des Siebenbürgeners zahlreiche Nachdrucke¹¹⁹ und war Bestandteil des dritten Bandes der Baseler Koranausgabe. Auf diese Weise wurde der Tractatus de moribus, condicionibus et nequicia turcorum das „zeitweilig erfolgreichste Buch zur Sache.“¹²⁰  Höfert, Feind, .  Über die Aufnahme des Tractatus in die Heerpredigt vgl. Ehmann, Luther, Türken und Islam,  – .  Vorrede Luthers zum Libellus de ritus et moribus Turcorum in: WA  II,  – . Nach ihm publizierte Sebastian Franck die Schrift in einer deutschen Version: Franck, Chronica unnd beschreibung der Türckey […], , ed. in: Hans-Gert Roloff (Hg.), Sebastian Franck. Sämtliche Werke. Kritische Ausgabe mit Kommentar, Bd. , Frühe Schriften (Bern ),  – . Zu Luthers Vorrede vgl. nur: Ehmann, Luther, Türken und Islam,  –  und Bobzin, Koran,  – .  Vgl. zur Druckgeschichte des Tractatus: Kaufmann, Türckenbüchlein,  f. und Klockow, Georgius,  f.  Kaufmann, Türckenbüchlein, .

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3 Die Autoren der Türkenpredigten

Auch die Türkenprediger verwiesen in ihren Schriften auf den Reisebericht Georgs bzw. schöpften ihr Wissen über die muslimischen Bräuche aus seinem Bericht. Esaias Heidenreich d.Ä. zitierte in seiner zweiten Türkenpredigt in ausführlicher Weise sogar ganze Passagen des Tractatus auf Latein¹²¹, „damit wir noch wenig vernemen / was vor Jamer da verhanden sein mus / wollen wir hören eines gefangenen Christen klagschrifften / der in Ungern zu Müllenbach in diese Tyrannische dienstbarkeit gestossen / und ehe denn Constantinopel ist eingenommen worden / unter den Türcken gelebt: Dabey leichtlich abzunemen / es sey heut erger wesen vorhanden / weil sonst alle bosheit steiget.“¹²² Weitere Informationen über die Inhalte des muslimischen Glaubens und der religiösen Sitten des Islam entnahmen die Türkenprediger außerdem häufig den Reisebeschreibungen des Bartholomäus Georgejevic.¹²³ Der Ungar mit kroatischen Wurzeln wurde zwischen 1505 und 1510 geboren und stammte vermutlich aus adligen Kreisen. In den Wirren der Schlacht von Mohács geriet er in türkische Gefangenschaft, wurde – wie Georg von Ungarn – etliche Male als Sklave verkauft und arbeitete die meiste Zeit im landwirtschaftlichen Bereich. Im Jahr 1535 gelang ihm die Flucht und er kehrte über Damaskus, Jerusalem, Santiago de Compostela und Rom wieder in seine alte Heimat zurück. Bald nach seiner Ankunft begann Geogejevic, seine Zeit der Gefangenschaft zu Papier und zum Druck zu bringen. Infolgedessen entstanden fünf Hauptschriften, die über die Gebräuche und Sitten der Türken und die Inhalte ihres Glaubens Aufschluss zu geben versprachen. Vermutlich bestritt der Ungar seinen Lebensunterhalt sogar mit der Vermarktung seiner Gefangenschaft, die ihm durch Widmungen in den Drucken bares Geld einbrachte. Georgejevics Reisebeschreibungen avancierten zu wahren ‚Bestsellern‘, die auch in die Baseler Koranausgabe Einzug hielten.¹²⁴ Die günstigen Zugangsvoraussetzungen zu den Wissensbeständen des Bartholomäus Georgejevic sorgte nicht zuletzt dafür, dass die Türkenprediger – häufig ohne explizite Nennung des Werks – die Erfahrungen des Reisenden weitergaben. ¹²⁵ Dass Augenzeugenberichte von jenen „welche in der Türckey gewesen“¹²⁶ als geeignetes didaktisches Mittel zur Vermittlung des Wissens über die Türken und  Heidenreich, XII Turcken Predigten, Er-Er. Auch Lauch, Ein und Dreißig Türcken Predigten und Mylius, Zehen Predigten, z. B. v; r nehmen häufig auf Georg Bezug.  Heidenreich, XII Turcken Predigten, Dv-Er.  Ausführlicher zu Georgejevic vgl. Höfert, Feind,  – .  So Bobzin, Koran,  f.  Esaias Heidenreich, Bartholomäus Horn, Johannes Lauch, Johann Caspar Neubeck und Georg Scherer gaben die Werke Georgejevics jedoch explizit an: Heidenreich, XII Turcken Predigten, Dv; Horn, Trost Spiegel, ()v; Lauch, Ein und Dreißig Türcken Predigten, Bv; Neubeck, Zwo Christliche Sieg und LobPredigten, v und Scherer, Fünnfzehen Predigen, .  Lauch, Ein und Dreißig Türcken Predigten, Bv.

3.2 Predigt als Expertise: Gelehrtes Wissen über „den Türken“ in den Predigten

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den Islam angesehen wurden, zeigt die Verwendung noch weiterer Reise- bzw. Erlebnisberichte. So rezipierten z. B. Johannes Lauch und Georg Scherer neben Bartholomäus Georgejevics Schriften auch den Reisebericht des Botanikers und Arztes Leonhard Rauwolf (1535 – 1596), der 1582 mehrere Reisebeschreibungen seiner Orientreise, die er von 1573 – 1576 unternommen hatte, in den Druck gegeben hatte.¹²⁷ Johannes Paul Sutorius bediente sich außerdem der Erfahrungen eines Ritters namens Grio Mallui, der sich 1572 im kaiserlichen Heer in Konstantinopel aufgehalten hatte. Dieser habe „bezeugt und gesehen“¹²⁸, wie rätselhafte Naturereignisse in Verbindung mit göttlichen Wunderzeichen die Türken eingeschüchtert und auf den Fortbestand der christlichen Religion verwiesen hätten. Malluis Wahrhaffte beschreibung ¹²⁹ (etwa 1571) erschien in Augsburg bei Hans Rogel als illustriertes Flugblatt und war an den Papst adressiert.¹³⁰ Auch der Jesuitenprediger Georg Scherer verwies in seiner 1595 erschienen Türkenpredigt Ein trewhertzige Vermahnung ¹³¹ auf den Brief eines im Osmanischen Reich wohnhaften Deutschen, den dieser an seinen Vetter schrieb.¹³² Der auf den 1. März 1526

 Rauwolf, Beschreibung. Vgl. zu Rauwolfs Reisebericht auch: Fritz Junginger, Leonhard Rauwolf, ein schwäbischer Arzt, Botaniker und Entdeckungsreisender des . Jahrhunderts, Schwäbische Lebensläufe  (Heidenheim ) und Karl H. Dannenfeldt, Leonhard Rauwolf: SixteenthCentury Physician, Botanist, and Traveler, Harvard Monographs in the History of Science (Cambridge ). Die Hinweise in den Türkenpredigten bei: Lauch, Ein und Dreißig Türcken Predigten, Bv und Scherer, Fünffzehen Predigen, .  Sutorius, Acht Christliche […] Predigten, r.  Das Flugblatt ist abgedruckt bei Harms, Flugblätter, Nr. ,  f. und Kaufmann, Türckenbüchlein,  f.  Sutorius, Acht Christliche […] Predigten, v-r: „Anno . den . Martij ist zu Constantinopel auff ein groß Erdbidem ein Marmelstein gefunden worden / auf welchem des Türckischen Keysers bildnuß gehawen gewesen / mit einer Hebreischen Schrifft / welche also mag gedeutschet werden: Die zeit ist vorhanden / es wird nicht mehr denn ein Hirt / unn ein Schaffstall / und ein gemeine durch die Tauffe und widergeburt. Dir gebiete ich / daß du dich lassest Tauffen / das ist der ewige wille. Aus diser Geschicht / welche bezeugt und gesehen hat / ein Ritter Grio Malvij, ist offenbar / daß der Christlich Glaub soll ewig weren / dagegen aber wird des Blutdürstigen Türcken Reich / und Mahometischer aberglaub außgereutet werden / und endlich ein ende nemen.“  Vgl. hierzu u. Abschn. ...  „Es schreibet ein Teutscher Haußgesäßner zu Adrianopel / Anno Domini . den ersten Martij datiert / under anderen von Türcken dise Wort: Hie ist ein grosser Gehorsamb / wann der Türckisch Kayser sagt / Gehe von Weib unnd Kindern / Zeuch in dise oder jene Insel / wirffe dich ins Meer / so geschichts. Der Türckische Kayser hat vor einer Christenlichen Bottschafft sechs betagte grawe Männer für sich lassen erforderen / welche nackend erschinen mit einem Säbel am Arm / unnd als sie dem Kayser die gebürliche Underthänigkeit mit Niderfallen erzaiget / wolten sie wissen / was der Cayser von jhnen begeret / Da gebott der Kayser / daß ein jeder mit seinem

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3 Die Autoren der Türkenpredigten

datierte und vermutlich noch im selben Jahr in Augsburg gedruckte anonyme Auszug aynes Brieffes: wie ainer so in der Türckey wonhafft / seynem freünd in dise land geschriben / und angezaygt / was das Türckisch Regiment unnd wesen sey […]¹³³ beschreibt auf eindrückliche Weise „was der gebrauch in der Türckey mit der Regierung sey / und wie unser Kayser seiner underthone / auch die land so er von newen zu sich bringt / pflegt zuhalten […].“¹³⁴ Der (fingierte) Adressat, ein Ulmer Handwerker, der über Ungarn ins Osmanische Reich gelangte, dort eine Familie gründete und zu beeindruckendem Reichtum gelangte, schildert die unfreie Lebensweise der Untertanen des türkischen Kaisers. Sowohl das eigene Hab und Gut als auch die Ehefrauen und Kinder gehörten samt und sonders der Obrigkeit. Aus Angst, selbiges bei einer Rückkehr in die Heimat zu verlieren, bleibe der Anonymus vorerst lieber in der Fremde.¹³⁵ Verglichen mit den biblischen Texten und den Koranausgaben boten die Reiseberichte den Türkenpredigern das Wissen derer, die das anhand der Schriften gewonnene Urteil mit eigenen Erfahrungen stützen sollten. Sämtliche Informationen über das Wesen und die Religion des „Erbfeindes“ wurden auf diese Weise farbenfroh illustriert und erhielten den Schein des Authentischen. Dass das auf den Quellen beruhende exegetische Urteil eben auch in der Praxis vermeintlich Bestätigung fand, ja dass die muslimischen Bräuche scheinbar tatsächlich den Geboten des Korans entsprachen, verlieh der Verwerfung des Islam, wie sie die Türkenprediger vornahmen, Plausibilität und Akzeptanz.

Schwerdt sich soll durchstechen. Das ist nun alßbald geschehen / unnd man hat sie tod hinwegk getragen.“ (Scherer, Vermahnung, Dv-Dr; er bezieht sich hier auf: Auszug, Ar).  Im Jahr  wurde der Brief erneut abgedruckt. Das Titelblatt trägt denselben Holzschnitt wie der im selben Jahr erschienene Wittenberger Druck von Johannes Brenzʼ Türckenbüchlein, der einen Türken mit Turban, Bart und teurem Gewand zeigt. Sicher erschien der Auszug ebenfalls in Wittenberg, ob in der Druckerei Georg Rauhs (wie das Türckenbüchlein) oder bei Josef Klug (wie im VD  angegeben) muss offenbleiben. Vgl. über den Auszug auch: Kaufmann, Türckenbüchlein, .  Auszug, Ar.  „Das alles hab ich dir / als meinem lieben vettern / auff dein ainfeltig beger / unangezaygt nitt wöllen lassen / du wurdest villeycht in kürtz unsers thuns / soll anders unsers Kaysers zug fürsich geen / mer dannich hie hab anzaygt / wissens empfahen. Gott wolt das ich mit sicherhait meins leybs / meins weybs und kinder / mitt der zeyt widerumb in Teutsche land kommen / und alda ain Christ sein möcht / es gieng mir gleych am gut / und sunst wie es möcht / allain das die seele erhalten wurd / und darumb bitt ich Gott alle tag von hertzen / und gar offt mit grossem wainen / das er mich auß disem ellend wöll erledigen […]“ (Auszug, r).

3.2 Predigt als Expertise: Gelehrtes Wissen über „den Türken“ in den Predigten

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Exkurs: Primož Trubars Befragung türkischer Gefangener in Krain (1567) Für seine Dreyzehen Predigen vom Türcken (1568) konnte der Tübinger Universitätskanzler Jakob Andreä auf eine Wissensquelle ganz besonderer Art zurückgreifen: Er hatte dafür gesorgt, dass der sich im württembergischen Exil befindende slowenische Reformator Primož Trubar (1508 – 1586) auf einer seiner Reisen in die alte Heimat eine Befragung unter den gefangenen türkischen Soldaten durchführte: Zu disem Christlichen und hochnotwendigen Werck / hat sich der Ehrwirdig Herr Primus Truber verschin Jars nicht ohne gfahr seines Leibs und Lebens gebrauchen lassen / deßhalben / und sonst keiner andern vrsach halben / sich an die ende unnd ort vervügt / da die gefangenen Türcken anzutreffen / mit denselben Sprach gehalten / unn durch andere mehr dises Handels verstendige halten lassen […] / daß wir nun auff das allergewissest unnd eigentlichst wissen / was deß Türcken Glaub und Religion seie […].¹³⁶

Die Ergebnisse seiner Umfrage teilte Trubar sowohl Jakob Andreä als auch Lukas Osiander d.Ä. mit, die daraufhin ihre Schriften zur Widerlegung des Korans ausarbeiteten.¹³⁷ Primož Trubar (1508 – 1586), slowenischer Reformator und Wegbereiter der Verschriftlichung der slowenischen Sprache, hielt sich seit 1564 regelmäßig in Württemberg auf. Der aufgrund seiner Abkehr von der römischen Lehre in seiner habsburgischen Heimat Krain vertriebene Theologe war im Alter von 40 Jahren das erste Mal ins Exil nach Deutschland gekommen. Dort erhielt er zunächst Zuflucht in Nürnberg, wegen eines Predigtverbotes des Rates der Stadt wurde ihm sodann eine Pfarrstelle in Rothenburg ob der Tauber zugeteilt. Den Kontakt mit Württemberg stellte der Reformator aufgrund seines Druckvorhabens her. In Tübingen, wo das Druckverbot protestantischer Schriften infolge des Interims äußerst nachsichtig behandelt wurde, druckte der Verleger Morhart 1550 Trubars Catechismus in der Windischen Sprach’. Diesem ersten Buch mit fixierter slowenischer Sprache folgten bald weitere Übersetzungen in Trubars Muttersprache wie z. B. dessen Ta pervi deil tiga Noviga Testamenta (1557) oder seine gesamte Übertragung

 Andreä, Dreyzehen Predigen, **r-v.  Auch Lukas Osiander zielte mit seinem Bericht / was der Türcken Glaub sey […] () auf eine Widerlegung des Korans (s. hierzu o. Anm. ) und verwies ebenfalls auf die Befragung Trubars: „Und damit man ja der Sachen gewiß were / ob diß der Türckisch Alcoran vnnd Glaub sey / haben verstendige / gutherzige / gelehrte Leut / keinen Kosten / Mühe oder Gefahr sich abschrecken lassen / vnnd des verschinen siben vnd sechtzigsten Jars / mit ettlichen Türcken / sich obgemelts Alcorans halben / besprachet / vnnd befunden / daß es eben der Alcoran ist / darauff die Türcken jren Glauben gründen […].“ (Osiander, Bericht, )()( v).

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3 Die Autoren der Türkenpredigten

des Neuen Testaments Ta celi Novi Testament (1582). Nachdem Trubar sich noch einmal von 1560 bis 1564 in seiner Krainer Heimat aufgehalten und dort das Amt des Superintendenten versehen hatte, musste er aufgrund von Differenzen mit dem Erzherzog von Österreich erneut ins deutsche Exil fliehen. In Stuttgart angekommen erhielt er Unterstützung durch Herzog Christoph, der ihn zunächst auf eine Pfarrstelle in Lauffen am Neckar vermittelte. Trubars letzte Station wurde das nahe Tübingen gelegene Dorf Derendingen, wo ihm 1567 eine Pfarrstelle zugewiesen wurde und er die nötigen Kontakte zu Druckerei und Universität pflegen konnte. In Derendingen angekommen begab sich Trubar sogleich wieder auf eine heimliche Reise nach Krain. Anlass dazu hatte ihm der von Christoph von Württemberg in seinem Unternehmen unterstützte¹³⁸ Jakob Andreä gegeben, der hoffte, über Trubar an Informationen von türkischen Kriegsgefangenen zu gelangen.¹³⁹ Trubars Auftrag lautete, „wo immer möglich, bey den gefangenen Türcken eigentlich zuerkundigen / ob nicht der Türckisch Alcoran zur handen gebracht / vnnd auß demselben bey den gefangenen Türcken erkundigt werden möcht / was jhr vermeinter Glaub unnd Religion / unnd welches die rechte Dollmetschung des Alcorans seie […]“¹⁴⁰. In der alten Heimat hielt sich Trubar vermutlich nur wenige Wochen auf ¹⁴¹, in denen er, neben der Organisation einer Synode für die dortige Kirche, auch dem Auftrag Andreäs entsprach. Zunächst traf Trubar auf den im Laibacher Schloss inhaftierten bosnischen Pascha Usraim-Beg, der ein Jahr vorher von Herbart von Auersperg bei Novigrad gefangen genommen worden war.¹⁴² Danach reiste er nach Ribinica, wo er Auskünfte bei einem türkischen Geistlichen suchte und türkische

 Trubar führte ein Empfehlungsschreiben des Württemberger Herzogs mit sich, das besagte, dass „Truber […] nicht etwa entgegen dem Befehl des Erzherzogs zurück [kehre,] sondern zu anderen Geschäften“ (Rupel, Primus Truber, ). Auch in der Einleitung zu Andreäs Leichenpredigt weist Sakrausky auf die herzogliche Unterstützung des Unternehmens hin (vgl. Oskar Sakrausky, Primus Truber. Deutsche Vorreden zum slowenischen und kroatischen Reformationswerk [Wien ],  – ; Jacob Andreae, Christliche Leichpredig / Bey der Begräbnus des Ehrwürdigen vnd Hochgelehrten Herrn / Primus Trubern […] [Tübingen: Gruppenbach ], hier: ).  „Zu disem Christlichen vnd hochnotwendigen Werck / hat sich der Ehrwirdig Herr Primus Truber verschin Jars nicht ohne gfahr seines Leibs vnd Lebens gebrauchen lassen / deßhalben / vnd sonst keiner andern vrsach halben / sich an die ende vnnd ort vervügt / da die gefangenen Türcken anzutreffen / mit denselben Sprach gehalten / vnn durch andere mehr dises Handels verstendige halten lassen […] / daß wir nun auff das allergewissest vnnd eigentlichst wissen / was deß Türcken Glaub vnd Religion seie […].“ (Andreä, Dreyzehen Predigen, [Vorrede] **r-v).  Zit. nach: Sakrausky, Vorreden, .  S. hierzu die Darstellung in: Rupel, Primus Truber,  und Sakrausky, Vorreden, .  Rupel, Primus Truber,  und Sakrausky, Vorreden, .

3.2 Predigt als Expertise: Gelehrtes Wissen über „den Türken“ in den Predigten

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Gefangene in Črnomelj („Tscherneml“) durch einen Mitbruder befragen ließ.¹⁴³ Diese Befragungen fanden offensichtlich anhand „eines genau ausgearbeiteten Fragebogens statt“, auf Grund dessen man sich „ein Bild über die mohammedanische Frömmigkeit anhand des Korans machen und das politisch-kulturelle Bild, welches sich im Laufe der Zeit der Westen über die Türken gebildet hatte, überprüfen und vielleicht auch korrigieren“¹⁴⁴ konnte. Nachdem Andreä die nötigen Informationen von Trubar zugespielt worden waren¹⁴⁵, verfasste er seine Dreyzehen Predigen vom Türcken und schickte sie mit einem Empfehlungsschreiben Trubars an die eigentlichen Adressaten – die Landstände in Krain: „Genadig, gebietund und günstig herrn. Auff des herrn doctor Jacoben Andree verordnung werden e. g. und h. etlich seine gedruckhte büecher ungepunten […] durch h. Jorgen Saerle und Kirchperger empfahen. Er hat die predigten wider den alcoran einer e.l. in Crein allein decidiren wöllen […]. Die predigten wider den Türckhen sind scharff und gewaltig, so wol wider die pabstisch meß, alls den alscoran […].“¹⁴⁶ Schon vor seiner Reise in die Krainer Heimat hatte sich Trubar zu Beginn der 1560er Jahre mit dem „Türkenproblem“ seiner Heimat beschäftigt.¹⁴⁷ Seine Waffe im Kampf gegen die Türken war „die Macht des Wortes Gottes“¹⁴⁸: So hatte der Reformator die Absicht, mit der Übersetzung von Bibel und Katechismen ins  Rupel, Primus Truber, : Andreä berichtet über Trubars Türken-Befragung in der Krainer Heimat Folgendes: So hat sich „mehrgedachter Herr Primus selbst widerumb in das Land begeben / vnd ettliche gefangene Türcken zu Laybach / da ein Türckischer Wascha / wie ein Türckischer Pfaff zu Tscherneml / vnd andere mehr Türcken / auff den Gräntzhäusern gefangen gehalten / mit fleiß jres Glaubens / vnnd des Türckischen Alcorans halben befragt. […] Deßwegen denn / nachdem er auff dem Schloß zu Laybach / wie auch zu Reiffnitz den Türckischen Pfaffen selbst / vnnd zu Tschernemel durch einen sein Mitbruder /die gefangene Türcken auff den Alcoran examiniert / vnnd mit fleiß befragt / ist er [mit einem Esel] kurtz außgerissen […].“ (Sakrausky, Vorreden, ).  Sakrausky, Vorreden, .  „Darmit aber niemandt einichen zweiffel an dem Türckischen Alcoran hette / vnd wir deß zum besten versichert sein möchten / […] hab ich nicht underlassen / durch Mittelperson / […] bey den gefangenen Türcken zuerfaren / was heuttigs Tags der Türcken Religionen vnd Glaub seie […] / deren Antwort / gegen jhnen unvermeldet / was in unserm Alcoran stehe / fleißig auffgeschrieben / vnnd mir zugeschickt worden.“ (Andreä, Dreyzehen Predigen, *v-**r).  Theodor Elze, Primus Trubers Briefe: mit den dazugehörigen Schriftstücken, BLVS  (Tübingen ),  f.  Vgl. zu Trubars Plänen zur Türkenmission: Andreas Müller, „damit dem Herrn Christo vnder den Crobaten, Wenden, ja den Türken ein Kirch gesamelt …“. Zum Reformationswerk des Primus Truber unter den Südslawen, in: ZKG  (),  –  und Ernst Benz, Wittenberg und Byzanz. Zur Begegnung und Auseinandersetzung der Reformation und der östlich-orthodoxen Kirche (Marburg ),  – .  Müller, Reformationswerk, .

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3 Die Autoren der Türkenpredigten

Slowenische, Muslime von der Gottessohnschaft Christi und der Trinität Gottes zu überzeugen, sie also mit christlicher Literatur in ihrer Muttersprache zu missionieren.¹⁴⁹ Besonders in Württemberg traf Trubar auf Unterstützer dieses Unternehmens: Neben dem Uracher Drucker Hans von Ungnad war dies nicht zuletzt Herzog Christoph, der die Missionsbestrebungen unterstützte. In der Mission der Türken sah der Slowene schlechterdings die einzige sinnvolle Waffe. Trubars feste Überzeugung von der Macht des Wortes, das „bereits den Papst gefällt [hatte], den man für unüberwindlich hielt“, führte ihn zu der Schlussfolgerung, dass „das Wort schließlich auch den Türken fällen [würde], wenn es nur erst einmal in seine Sprache übersetzt ist und im gleichen sprachlichen Gewand gewissermaßen mit den eigenen Waffen dem türkischen ‚gesatz puech‘ im offenen Kampfe gegenübertritt.“¹⁵⁰ Das Verfahren, Urkunden und Quellen des eigenen Glaubens zu übersetzen und auf diese Weise andere Religionen bzw. Konfessionen von der Wahrheit des lutherischen Bekenntnisses zu überzeugen,wurde in Tübingen noch einmal in den Jahren von 1573 bis 1581 angewandt: In dem acht Jahre währenden Briefwechsel mit Jeremias II., dem Patriarchen von Konstantinopel, hatten führende württembergische Theologen eine griechische Übersetzung der Confessio Augustana an die Hohe Pforte gesandt, um nichts weniger als die Mission der orthodoxen Griechen zu erreichen.¹⁵¹ Die Ähnlichkeiten zu Trubars Missionsstrategie in Slowenien sind frappierend und scheinen nicht ohne Wirkung auf die württembergischen Theologen geblieben zu sein.¹⁵² Der Einfluss des slowenischen Reformators, der bisher nicht auf den Briefwechsel mit Konstantinopel bezogen wurde, ist m. E. mit Händen zu greifen.

 Müller, Reformationswerk,  f.  Benz, Wittenberg und Byzanz, .  Diese Korrespondenz, die Andreä und Osiander von der Heimat aus unterstützten, andere, wie z. B. Stephan Gerlach, vor Ort durchführten, wurde umfassend untersucht von: Dorothea Wendebourg, Reformation und Orthodoxie. Der ökumenische Briefwechsel zwischen der Leitung der Württembergischen Kirche und Patriarch Jeremias II. von Konstantinopel in den Jahren  – , FKDG  (Göttingen ).  Auch der Einfluss des Ungnad-Kreises auf beide Unternehmungen macht deutlich, dass diese in deutlichem Zusammenhang zu sehen sind. (vgl. hierzu: Wendebourg, Reformation und Orthodoxie,  –  und Benz, Wittenberg und Byzanz,  ff.).

3.2 Predigt als Expertise: Gelehrtes Wissen über „den Türken“ in den Predigten

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3.2.5 Historiographisches Wissen: Chroniken und Kosmographien Polybius ein berümter Historicus / so etwan 40. Bücher von der Römer geschicht geschrieben / da er von anschlegen eines trewen Feldheubtmans redet / sagt er: Optimum Ducem non modo vires, sed etiam ingenia sensusque hostium, nosse oportere: Einen Obersten im feld / ist nötig nicht allein des feindes hauffen / wehr und rüstung / Sondern auch seine art / sinn / fürhaben und anschlege / aus zuverkundschaffen […].¹⁵³

Wie Esaias Heidenreich sahen es auch einige andere – vornehmlich lutherische – Prediger als ihre Aufgabe an, historiographische Wissensbestände über den „Erbfeind“ zu vermitteln. Aus diesem Grund fügten sie in ihre Predigten nicht selten historische Abrisse zur Geschichte des Osmanischen Reiches ein, die bis in die eigene Gegenwart reichten.¹⁵⁴ Auch teilweise in derbe Polemik ausartende Darstellungen der Vita Mohammeds wurden zu Bestandteilen der Türkenpredigten.¹⁵⁵ Heinrich von Efferhen nutzte die Gelegenheit des Drucks seiner Predigten sogar, um eine mehr als 90 Seiten umfassende Historia / oder einverleibte geschichten / von dem gantzen Regiment unnd Reich deß Mahomets / welches in dem 7. Cap. Danielis / bey dem kleinen horn verstanden wird ¹⁵⁶ zu bieten. Ihr Wissen über die Geschichte und das Wesen des Osmanischen Reiches schöpften die Autoren aus Chroniken und Kosmographien.¹⁵⁷ Neben antiken und mittelalterlichen Historien standen den Theologen im 16. Jahrhundert auch zeitgenössische Werke zur Verfügung. Die Schlacht von Mohács (1526) und die Belagerung Wiens (1529) hatten für eine verstärkte Wahrnehmung der Türken und des Osmanischen Reichs gesorgt, „die unter anderem in der städtischen und überlokalen Gegenwartschronistik greifbar wird. Auf einmal wird sehr viel ausführlicher über das Geschehen an der Türkenfront berichtet […].“¹⁵⁸ Im Jahr 1532 erschien bei Georg Rhau in Wittenberg die Chronica Johannes Carions (1499 – 1537). Das Werk entstand unter Mitwirkung Philipp Melanchthons

 Heidenreich, XII Türcken Predigten, Br.  So z. B. bei: Gigas, Vom Türcken und Sterben, Ar-Av; Möring, Christen Schutz, v-r; Mylius, Zehen Predigten, v-r; r-r; Efferhen, XIII Christenliche Predigten, gv-sr.  So z. B. Andreä, Dreyzehen Predigen,  – ; Gesner, Funffzehen Predigten,  f.;  – ; Heidenreich, XII Turcken Predigten, Cr-Cr; Hoë von Hoënegg, Sechs Türcken Predigten,  f.; Lauch, Ein und Dreißig Türcken Predigten, r-v (mit ausführlichen Quellenangaben); Mylius, Zehen Predigten, v-v; r-v; Praetorius, Handbüchlein, Cv-Cv. Zu den unterschiedlichen Darstellungen der Vita Mohammeds vgl. nur Brenner, Orthodoxie,  – .  Efferhen, XIII Christenliche Predigten, gv-sr.  Vgl. etwa zum Türkenbild der Chroniken des . Jahrhunderts: Pfeiler, Türkenbild, bes.  – .  Hille, Providentia Dei, .

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3 Die Autoren der Türkenpredigten

und wurde etliche Male nachgedruckt.¹⁵⁹ Im Jahr 1537 wurde es das erste Mal von Hermann Bonnus, dem Lübecker Superintendenten, ins Lateinische übersetzt, 1555 legte Melanchthon Carions Chronica seinen eigenen Vorlesungen zu Grunde. Carion, der sein Werk anhand der Vier-Reiche-Lehre strukturierte, stellte in den Abschnitten „Von Mahomet und der Sarracener Reich“¹⁶⁰ und „Von Türcken“¹⁶¹ äußerst knapp das Wesen der Osmanen dar. Unter Einbeziehung von Dan 7, Ez 38 f. und Apk 20 betonte der Autor, „das wir wissen sollen / das es [sc. das Reich der Türken] des Teuffels reich sey“¹⁶². Um Einigkeit im Land herzustellen, habe Mohammed schließlich auch eine neue Religion erfunden: „Denn die Kirchen waren zerrissen durch viel Ketzereien […] Wo nu die gewissen irre sind und inn zweivel stehen / werden sie der lahr Christi feind / und fallen leichtlich gantz davon. Also fand Mahomet die hertzen bereit zum abfal / darumb stellet er ein newen glauben / darinne hube er auff alle hohe Artikel von Christo […].“¹⁶³ Auffällig an Carions Darstellung ist der Bezug auf die Apokalypse des Pseudo-Methodius, der für die Türken den Begriff der „roten Juden“ verwendet habe: Methodius hat dis volck genennet rote Juden / darumb das sie etliche Ceremonien von Juden nemen würden / Es sind aber nicht rechte Juden / sondern rote Juden / darumb das es bluthund sind / odder darumb / das Mahomet von Edom aus Arabia komen ist / Gog und Magog sey hinter dem Caspien gebirg / das ist Caucasus / verschlossen gewesen / und ein fuchs werde ihn ein loch machen / Dieser fuchs ist Mahomet / denn durch das gesetz Mahomets / sind sie heraus gelocket / und also mechtig worden.¹⁶⁴

Vermutlich verdankt sich dieser Verweis Melanchthon, der die Wendung ebenfalls in Johannes Brenzʼ Türkenbüchlein einfügte.¹⁶⁵ Auch Georg Mylius rezipierte den Ursprungsmythos der Türken als „roten Juden“, die von Alexander dem Großen hinter dem Kaukasus eingeschlossen waren.¹⁶⁶

 S. hierzu nur: Peter Gemeinhardt, Das Chronicum Carionis und die Überarbeitung durch Philipp Melanchthon, in: Martin Wallraff (Hg.), Welt – Zeit. Christliche Weltchronistik aus zwei Jahrtausenden in Beständen der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (Berlin / New York ),  – .  Carion, Chronica, r-v.  Carion, Chronica, v-r.  Carion, Chronica, v.  Carion, Chronica, v.  Ebd.  S. hierzu u. Abschn. ...  Mylius, Zehen Predigen, v: „Türcken bringen ihre ankunfft von den Scythen her / unnd sind vor alters allem anzeigen nach / ein Volck gewesen mit den Tatern / welche man die roten jüden genennet hat.“

3.2 Predigt als Expertise: Gelehrtes Wissen über „den Türken“ in den Predigten

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Dass Carions Werk von protestantischen Autoren gern rezipiert wurde, mag kaum verwundern. Umso erstaunlicher ist die Verwendung der Chronica bei katholischen Theologen: So verwies beispielsweise der Mainzer Domprediger Johann Caspar Neubeck auf die Schrift des Wittenbergers und das ganz ohne polemische Zuspitzung: „Wider dise unchristliche unmenschliche Gottslose Tyranney deß Türckischen Kaysers Mahomets Amuratis Sohn / exclamiert und schreyet nit unbillich der Scribent / welcher sich Joannem Carionem nennet / und spricht / solche Exempel und dergleichen mehr / grewliche unthaten der Türcken / solten billich der Christen Hertzen auffmanen / unnd uns antreiben / daß wir doch mit ernst handleten wider diese Feindt […]“¹⁶⁷ Neben Johannes Carions Chronica war es wohl die Cosmographia ¹⁶⁸ Sebastian Münsters (1488 – 1552), welche die Türkenprediger über die historische Genese des Osmanischen Reiches informierte. Im Jahr 1544 erschien die erste Ausgabe des Werks, das sechs Bücher umfasst. „Von der Türcken anfang / und von iren keysern und was sie gethan haben“¹⁶⁹ ist ein 15-seitiger illustrierter Bericht im fünften Buch über den Aufstieg des Osmanischen Reiches, der mit Osman I. einsetzt. Auch Münsters Darstellung ist geprägt von der Gewissheit, „das auß dem Mahometischen verfluchten glauben vil secten unnd onraths erstanden ist.“¹⁷⁰ Dennoch war der Autor um eine ausgewogene Darstellung der Geschichte bemüht und stellte auch unterschiedliche Überlieferungstraditionen dar. Seine Darstellung bewegte sich in den gängigen Traditionen der mittelalterlichen Chroniken. Auch der Abschnitt „Mahumets ursprung“¹⁷¹ beschreibt in bekannten Stichworten die Herkunft des Religionsstifters und betont das synkretistische Gepräge des Korans. Anhand weniger markanter Sitten umriss Münster das Wesen des Islam, mithilfe derer Mohammed „dz gemein toll volck“¹⁷² an sich gezogen habe. Auch Münsters Darstellung zielte auf die Illustration des osmanischen Expansionsdrangs durch die Jahrhunderte hinweg. Im Gegensatz zu Carion verzichtete er hierbei völlig auf eine biblische Fixierung der Türken. Doch auch katholische Autoren verzichteten nicht voll und ganz auf die Weitergabe von historischen Wissensbeständen über die Türken. So rekurrierte

 Neubeck, Zwo Christliche Sieg und LobPredigten, r.  Zu Münsters Werk s.: Matthew McLean, The Cosmographia of Sebastian Münster: Describing the World in the Reformation, St. Andrews Studies in Reformation History (Aldershot / Hampshire ) und Günther Wessel, Von einem, der daheim blieb, die Welt zu entdecken: die Cosmographia des Sebastian Münster oder Wie man sich vor  Jahren die Welt vorstellte, (Frankfurt/Main ).  Münster, Cosmographia, dlxxiii.  Ebd.  Münster, Cosmographia, dcxvi-dcxvii.  Münster, Cosmographia, dcxvii.

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3 Die Autoren der Türkenpredigten

beispielsweise der Regensburger Domprediger Kaspar Macer auf die ihm in deutscher Übersetzung vorliegenden Türckischen Historien, die Heinrich Müller unternommen und zusammengestellt hatte.¹⁷³ Das aus drei Büchern bestehende Werk ist eine Kompilation aus unterschiedlichen Chroniken und Beschreibungen vornehmlich italienischer und spanischer Gelehrter. Müller gab seine drei Bände erstmals 1563 in Frankfurt/Main bei Georg Rabe heraus und fügte dem Werk Martin Luthers Vom Kriege wider die Türken ¹⁷⁴ an. Es erschien unter dem Titel: Türckische Historien. Von der Türcken Ankunfft / Regierung / Königen / und Keysern / Kriegen / Schlachten / Victorien und Sigen / wider Christen und Heiden […]. Macer beschrieb auf Basis der Türckischen Historien den barbarischen Umgang der Türken mit christlichen Gefangenen, wobei diese inhaltlich auf die Erfahrungen des Bartholomäus Georgejevic zurückgingen¹⁷⁵. Item das auch der blutdürstige Creützfeind der laydige Türck also gehauset habe / unnd noch heütigs tag / mit der Christenhait / anderst nit hauß oder umgehe / bezeügen uns aller handt Historien […]. Dann under andern finden wir das under den Türcken seyen Lanisten oder Mangones / das ist / menschen kauffer unnd verkauffer / die füren mit sich an langen ketten allerlay gefangene Christen / und müssen allwegen dem Türckischen Kayser / oder seinem Obersten Veldtherrn / den zehenden gekauften Christen raichen / mit den andern mögen sie jres gefallens / und Tyrannischem viehischem gemüt nach / handlen und vortfaren.¹⁷⁶

Es mag den katholischen Leser der Predigt Macers vermutlich überrascht haben, dass dieser auf das Werk eines „Neugläubigen“ zurückgriff und in der Tat überrascht es auch den Leser von heute. Da aber das Werk Müllers keinerlei polemische Zuspitzungen in Bezug auf die römisch-katholische Theologie birgt und lediglich Luthers angehängte Schrift die konfessionelle Ausrichtung des Übersetzers erahnen lassen, scheint es, dass die konfessionellen Gräben hier noch nicht so tief waren und der Autor aufgrund des Inhalts zu Müllers Türckischen Historien griff. Anhand einer Reihe von antiken, mittelalterlichen und zeitgenössischen Chroniken und Kosmographien konnten die Türkenprediger weitere Einblicke in  „Etwas merers von dem ellendt und jammer der gefangenen Christen findest inn der Türckischen Hystorie / von Hainrichen Miller auß Italienischer sprach in unsere Teütsche verdolmetscht […].“ Macer, Bittpredig, XIIIr.  Müller, Türckische Historien, Hr-Lv.  Zu Georgejevic s. o. Abschn. ... Heinrich Müller, der Übersetzer des Werks, gab in seiner Vorrede selbst Bartholomäus Georgejevic als Wissensquelle an: „Diese Prophecey unnd Capitel sind auß deß Bilgrams Bartholomei Georgen Witzen Büchlein / welches bey unsern vorigen zweyen Büchern auch in Italiänischer Sprach mit angehengt gewesen / gezogen / und von mir auß dem Italiänischen verteutscht.“ (Müller, Türckische Historien, Sr).  Macer, Bittpredig, Cv-Dr. In den Türckischen Historien findet sich diese Schilderung hier: Müller, Türckische Historien, Tv.

3.3 Zusammenfassung

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die historische Genese des Osmanischen Reiches erhalten und „den Türken“ in die Heilsgeschichte einordnen. Nur selten gingen die Abrisse in den Chroniken jedoch über das hinaus, was in den Reiseberichten oder Koranausgaben enthalten war. Die Türkenprediger schilderten entweder die Geschichte des Osmanischen Reiches, die sie meist mit der Darstellung der Vita Mohammeds eröffneten, oder sie rekapitulierten die türkischen Kriege der Vergangenheit und Gegenwart. Die Darstellungen dienten zum einen als historischer Prüfstein, der die biblische VierMonarchien-Lehre und die aus Dan 7 gewonnenen Einsichten vom Osmanischen Reich als dem kleinen Horn bestätigen sollte. Zum anderen verbanden die Türkenprediger mit ihren historischen Abrissen die Absicht, die Grausamkeit und den Expansionsdrang der Türken zu illustrieren: „Und damit solch seufftzen der armen gefangenen desto mehr euch bewege / so leset euch selbs zur Warnung / das ir nicht in gleich seufftzen aus Gottes verhengnis kommen möget / im Chronico Munsteri, wie der Türcke mit den armen gefangenen Christen pflege zugebaren und umbzugehen / […].“¹⁷⁷

3.3 Zusammenfassung Dass die Vermittlung von Wissen über den Feind aus dem Osmanischen Reich elementarer Bestandteil einer Türkenpredigt zu sein habe, war für den Großteil der Prediger unzweifelhaft. Als erstes Zwischenergebnis hat der Befund zu gelten, dass nahezu ausschließlich die lutherischen Prediger weiterreichende Informationen über die Türken, ihre Religion und Rituale weitergaben. Ähnliche Belege katholischer Türkenpredigten fehlen. Katheder und Kanzel, Wissensvermittlung und Wort Gottes waren in den evangelischen Türkenpredigten untrennbar miteinander verbunden. Schließlich sollten die Gemeinden selbst zur Auslegung des Wortes Gottes befähigt werden – die Hausväter und -mütter sollten ihre Aufgabe der Unterweisung des Hauses wahrnehmen können. Auch wenn von nachträglichen Bearbeitungen der Predigten für die Drucklegung ausgegangen werden muss und insbesondere die weiterreichenden Informationen den Lesegewohnheiten eines gelehrten Publikums angepasst wurden, muss aufgrund der Vielzahl der Belege die Vermittlung eines gewissen Grundwissens über die Türken und ihrer Religion angenommen werden. Doch auch die Erweiterungen, welche die Predigten erfuhren, zeugen von dem vornehmlich lutherischen Anspruch, die eigene Bekenntnisbildung – und hier: in Abgrenzung zum fremden Bekenntnis – voranzubringen.

 Roth, Fünff Türckenpredigten, Gr.

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3 Die Autoren der Türkenpredigten

Quantitativ und qualitativ unterschieden sich die Informationen über den „Erbfeind“ in hohem Maße. Häufig rezipierten die Türkenprediger die vorrangig in Wittenberg geleistete Exegese zu den Funden der Türken in der Bibel. In einigen Fällen ging die Beschäftigung mit „dem Erbfeind“ jedoch auch wesentlich weiter – die Befragung türkischer Gefangener durch den slowenischen Reformator Primož Trubar im Auftrag der Württemberger Theologen scheint hier das weitreichendste und ambitionierteste Beispiel zu sein. Doch gleich welchen Aufwand die Türkenprediger trieben, sie einte der Anspruch, die türkische Bedrohung einerseits in der Heilsgeschichte zu verorten und aufgrund des erhobenen status quo das eigene Bekenntnis zu vermitteln. Denn so schillernd zitierte Koransuren oder lateinische Zitate aus Reiseberichten wirken – wesentlich ausführlicher und breiter wurden in den Türkenpredigten die theologischen Implikationen der Türkengefahr diskutiert. Das Wissen über die Türken und ihre Religion wurde seinerseits Vehikel für die apokalyptisch gefärbten Bußaufrufe, die ethischen Legitimierungen des Türkenkrieges und nicht zuletzt für die Sicherung des eigenen Bekenntnisses.

4 Die evangelischen Türkenpredigten des 16. Jahrhunderts Man prediget jetziger zeit fast auff allen Cantzlen von dem Türcken / und vermahnt die Leut zur Buß und Gebet: Aber es wirdt wenig besserung gespürt / also daß die Leut schier nur ärger und sicherer werden.¹

Die Klage des Superintendenten Johannes Lauch aus Velburg (Oberpfalz) in der letzten seiner Ein und Dreißig Türcken Predigten, die er wohl im Jahre 1596 gehalten hatte, spiegelt neben der Frustration über die Uneinsichtigkeit der Gemeinden eine am Ende des Jahrhunderts allgemein anerkannte Praxis des Predigens von „dem Türcken“ im Protestantismus wider. Türkenpredigten waren aufgrund der auf den Reichstagen beschlossenen Türkenabwehr in Form der „geistlichen Waffen“ zum Massenphänomen geworden. Dabei sollten die Prediger einerseits moralisch auf die Bevölkerung einwirken, um dem Türkenkrieg zu Akzeptanz und Unterstützung zu verhelfen, und sie sollten andererseits gezielt auf die Spendenund Leidensbereitschaft ihrer Gemeinden dringen. Ihr Wissen über die Türken und deren Religion stellten die Prediger in den Dienst der Vermittlung der Glaubensinhalte des eigenen Bekenntnisses. Die lutherischen Türkenprediger folgten den Erlassen ihrer Obrigkeiten massenhaft und verfassten für die eigens eingerichteten öffentlichen Betstunden und Türkengottesdienste Predigten. Einige von ihnen gaben diese in den Druck und erreichten damit ein größeres und überregionales Laien- und Gelehrtenpublikum. Auf diese Weise nahmen die Predigten der Pastoren, Superintendenten und Theologieprofessoren Einfluss sowohl auf öffentliche Predigten als auch auf private Andachten, da sie „in der Druckfassung als eine Art Handbuch zur Predigtvorbereitung dien[t]en“². Die Predigt als das bevorzugte Medium religiöser Kommunikation war vor allem im Luthertum fest verwurzelt. Damit trugen die Theologen zum einen dem Grundanliegen des Reformators Rechnung, der seinerzeit – aufbauend auf einer konsequenten Wort-Gottes-Theologie – „die Predigt in das Zentrum kirchlicher Praxis“³ gerückt hatte, andererseits taten sie exakt das, wofür sie an den Universitäten ausgebildet wurden und worauf in den vielfach

 Lauch, Ein und Dreißig Türcken Predigten, r.  Sabine Holtz, Predigt: Religiöser Transfer über Postillen, in: Europäische Geschichte Online (EGO), hg. vom Institut für Europäische Geschichte (IEG) (Mainz  –  – ): http://www.iegego.eu/holtzs--de [ –  – ], Abs. .  Albrecht Beutel, Art. Predigt VIII. Evangelische Predigt vom . bis . Jahrhundert, in: TRE  (),  – , hier: .

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4 Die evangelischen Türkenpredigten des 16. Jahrhunderts

eingesetzten Visitationen streng geachtet wurde. Somit ist es unmöglich, die Türkenpredigten losgelöst von der Homiletik und Predigtpraxis ihrer Zeit zu analysieren. Immer wieder werden deshalb in diesem Kapitel Bezüge zu anderen (Kasus‐) Predigten hergestellt, wobei sich teilweise große Schnittmengen, aber auch gattungsspezifische Eigenheiten ausmachen lassen. Um die in den Türkenpredigten vorhandenen konfessionellen „Codes, Bilder oder Zeichen“⁴ verstehen zu können, kommen im vorliegenden Kapitel häufig die von den Theologen vielfach rezipierten Äußerungen Luthers selbst zur Sprache. Diese Verweise sind m. E. unerlässlich, da sich die Türkenprediger entweder an ihnen abarbeiteten oder sie stillschweigend übernahmen. So lebten „einige Feindbilder und bestimmte Frontstellungen […] als mentale Mitgift und verpflichtendes kulturelles Erbe auch in der zweiten Hälfte des Refomationsjahrhunderts fort und wieder auf.“⁵ Besonders die Predigten – und im besonderen Fall gerade die Türkenpredigten – geben von der gelebten lutherischen Memorialkultur, wie sie im Luthertum besonders der 1590er Jahre gepflegt wurde, Zeugnis.⁶ Doch obwohl die Türkenprediger sich nur selten eine Gelegenheit entgehen ließen, an der geeigneten Stelle Luther selbst zu zitieren, schufen sie z. B. mittels der Verwendung alttestamentlicher Predigttexte oder konkreter ethischer Impulse gattungsspezifische Eigenheiten, wie sie der Reformator selbst nicht impliziert hatte.

4.1 Anleitungen zur Predigt wider die Türken Noch bevor die ersten Drucke von Türkenpredigten die Offizinen des Reiches verließen, wurden in Wittenberg und Schwäbisch Hall bereits Anleitungen zur Predigt gegen die Feinde aus dem Osmanischen Reich verfasst. Martin Luthers und Johannes Brenzʼ Texte⁷ können als derartige pastoraltheologische Schriften verstanden werden.Während Brenzʼ Schriften von vornherein Prediger als Adressaten in den Blick nahmen, entwickelten sich die Schriften Luthers aus dem Jahr 1529 erst infolge ihrer Rezeption zu Musterpredigten gegen die Türken und deren Religion. Besonders am Ende des Jahrhunderts besannen sich lutherische Autoren erneut auf die Worte des Wittenbergers, der gleich einem Propheten die Abgründe des Konfliktes mit dem Osmanischen Reich erkannt und schon seinerzeit auf die theologischen Konsequenzen, die mit dem Auftreten des türkischen Heeres ver   

Kaufmann, Konfession und Kultur, . Kaufmann, Konfession und Kultur, . Zur Dominanz lutherischer Memorialkultur in den er Jahren vgl. u. Abschn. .. S. u. Abschn. .. und ...

4.1 Anleitungen zur Predigt wider die Türken

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bunden waren, aufmerksam gemacht hätte. Die für das Luthertum des späten 16. Jahrhunderts typischen Formen einer Memorialkultur⁸, die den Wittenberger zum Übervater der eigenen Konfession stilisierten, ihn „zu einer bestimmenden, identitätsbildenden Macht“⁹ werden ließen und seine Worte und Texte weiter tradierten, wurden auch auf den Bereich der Türkengefahr übertragen. In diesem Sinne wurden die einschlägigen Schriften des Reformators erneut verlegt oder man gab ganze Luther-Sammelbände heraus, die sämtliche Äußerungen und Texte des Reformators wider die Türken beinhalten sollten. Damit glichen die pastoraltheologischen Kompendien den Türkengebetbüchlein¹⁰, die ihrerseits aber eher für ein Laienpublikum konzipiert waren. Theophilus Glasers Turcken Buchlein ¹¹ soll exemplarisch für jene Anweisungsliteratur stehen, die am Ende des Jahrhunderts vorrangig Verwendung fand: Es waren die Texte der ersten Generation der Reformatoren – hier Luther und Brenz –, die nun so aktuell wie nie zuvor erschienen. Die schematische Trennung von Anweisungsliteratur und Türkenpredigten dient lediglich der Ordnung des Materials, denn die Übergänge zwischen beiden Textsorten waren fließend. Es muss davon ausgegangen werden, dass die Sammlungen von Türkenpredigten häufig ebenso für ein theologisches Fachpublikum, also Pastoren, die selbst über die Türken zu predigen hatten, bestimmt waren wie für den privaten Gebrauch. Letztlich sind sie damit den in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts explosionsartig in die Höhe schnellenden Drucken von Postillenpredigten gleichzusetzen, welche den Predigern als Vorlagen für ihre Sonntagspredigten dienen sollten.¹² Exemplarisch sei auf die Türkenpredigt Eine Christliche/ vnd hertzlich wolmeinende Heerpredigt hingewiesen, die Jonas Rivander im schlesischen Greiffenberg am sechsten Sonntag nach Trinitatis 1594 gehalten und noch im selben Jahr bei Nikolaus Schneider in Liegnitz in den Druck

 So untersuchte z. B. Thomas Kaufmann die Lutherdrucke der Magdeburger „Herrgotts Kanzlei“ (Thomas Kaufmann, Das Ende der Reformation. Magdeburgs „Herrgotts Kanzlei“ [ – /], BHTh  [Tübingen ],  – ) und machte dabei auf das Lutherbild der Auftraggeber aufmerksam: Der Reformator wurde – so Kaufmann – einerseits als „Schriftausleger, Prediger und Tröster“, andererseits als „unbeugsame[r] Warner und Prophet, der vor Lehrverirrungen warnt und mit seinen Magdeburger Herausgebern gegen ‚Leisetreterei‘ und falsche Kompromisse gegenüber dem antichristlichen Papsttum streitet“ wahrgenommen (Kaufmann, a.a.O., ). Zur lutherischen Memorialkultur besonders im Hinblick auf Luther-Bildnisse instruktiv: Robert W. Scribner, Incombustible Luther: the Image of the Reformer in Early Modern Germany, in: ders., Popular Culture and Popular Movements in Reformation Germany (London ),  – .  Kaufmann, Konfession und Kultur, .  S. o. Abschn. ...  S. u. Abschn. ...  S. hierzu: Holtz, Postillen.

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4 Die evangelischen Türkenpredigten des 16. Jahrhunderts

gegeben hatte. In seiner Vorrede machte Rivander explizit auf die Verwendung seiner Predigt auch für Prediger aufmerksam. So habe er diese in den Druck gegeben, „damit ich nur gelertern / mehr erfahrnen und versuchten Leuten anleitung gebe / in gleicher Materien durch Predigen / schreiben / und beten / ihr Ambt auch zubedenken / und sich also neben mir und meiner Christlichen gemein dem gerechten zorn des allerhöchsten Gottes mit warer bus und besserung des lebens […] entgegen zusetzen / und demselben zu wehren / befleissigen wolten.“¹³ Ein der Predigt angehängter Zwölf-Punkte-Bericht, der die Leser darüber informiert, „was nemlich Gottes wares und unwandelbares wort / Alt unn New Testament von diesem mechtigen Erb und Ertzfeindt der Christenheit dem Türcken / seinem glück und auch untergang handele unn bezeuge“¹⁴, unterstreicht die beabsichtigte pastoraltheologische Dimension der Predigt.

4.1.1 Martin Luthers Vom Kriege wider die Türken (1529) und Heerpredigt wider die Türken (1529) „Wir andern alle sind doch nur Lallende Kinder gegen Luthero gerechnet: Und wo wir am besten sein wöllen / müssen wir seine Schuler sein […].“¹⁵ So formulierte es 1592 der lutherische Prediger im österreichischen Urbersdorf, Marcus Volmarius, in der Vorrede zu der von ihm herausgegebenen Heerpredigt Martin Luthers. Die Prägekraft von Luthers 1529 erschienenen Traktaten zur Türkengefahr ist für die gesamte Türkenpredigtliteratur des 16. Jahrhunderts unübersehbar. Häufig wurden sie von den Predigern als Musterbeispiele ihrer Predigten angesehen. Die Heerpredigt widern Türcken (1594) des Bischofswerdaer Superintendenten Zacharias Rivander, Eine Christliche / und hertzlich wolmeinende Heerpredigt (1594) von dessen Bruder, dem schlesischen Pastor Jonas Rivander sowie die Christliche Heerpredigt (1597) des angriffslustigen Jesuitenpredigers Georg Scherer sind nur drei Beispiele für die Rezeption der Türkenschriften des Reformators. Nicht nur im Titel, sondern auch im Hinblick auf die Argumentationsmuster wirkten Luthers Schriften v. a. in lutherischen aber auch in katholischen Türkenpredigten fort und wurden ihrerseits bis weit ins 17. Jahrhundert hinein weiter ediert. Martin Luther verfasste seine beiden Schriften im Schicksalsjahr 1529 – dem Jahr, in dem „der Türke“ vor Wien stand und die Gefahr so nah wie nie gekommen war. Bereits ein Jahr vorher hatten Melanchthon und Luther im Unterricht der

 J. Rivander, Heerpredigt, Br.  J. Rivander, Heerpredigt, Fv.  Luther / Volmarius, Heerpredigt, Av.

4.1 Anleitungen zur Predigt wider die Türken

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visitatoren an die pfarrherrn im kurfürstenthum zu Sachsen den weltlichen und geistlichen Kampf gegen die Türken angemahnt. Luthers Türken-Schriften des Jahres 1529 waren aber auch und immer noch von der Diskussion, die um seine Deutung der Türken als virga in den Resolutiones zu seinen Ablassthesen entbrannt war, geprägt. Somit sind Luthers Schriften Vom Kriege wider die Türcken und seine Heerpredigt zwar durch die äußere Bedrohung veranlasst, sie führten aber immer noch die Kontroverse um die Legitimation eines Krieges gegen den „Erbfeind“ fort. Luthers Schrift Vom Kriege wider die Türcken ¹⁶ verließ die Presse von Hans Weiß am 16. April 1529 – also noch vor der Belagerung Wiens. Durch ein Versehen in der Druckerei waren bereits im Oktober fertiggestellte Textteile verloren gegangen, sodass sich der Druck erheblich verzögert hatte.¹⁷ Motiviert wurde der Traktat bereits fünf Jahre vor seiner Abfassung, als an Luther die Bitte herangetragen wurde, sich zum Türkenkrieg zu äußern. Direkter Auslöser war dann im Herbst 1528 die für das Reich kriegspolitisch äußerst bedrohliche Situation in Ungarn¹⁸ sowie persönliche Schicksalsschläge Luthers, wie der Tod seiner Tochter Elisabeth im Sommer¹⁹ und körperliche Beschwerden²⁰. Für den Reformator war klar, dass der Jüngste Tag kurz bevorstand. In dieser apokalyptischen Naherwartung schlossen sich für ihn Buße und Gebet auf der einen und Krieg gegen den „Erbfeind“ auf der anderen Seite keineswegs aus. Luther widmete seine Ermahnung

 WA /II,  – . Ausführlich zu Entstehung,Veranlassung und theologischer Systematik von Luthers erster Türkenschrift: Ehmann, Luther, Türken und Islam,  – ; Rudolf Mau, Luthers Stellung zu den Türken, in: Helmar Junghans (Hg.), Leben und Werk Martin Luthers von  bis . Festgabe zu seinem . Geburtstag,  Bde (Göttingen ),  –  und Brecht, Luther und die Türken,  – .  S. WA /II, .  „Es haben mich wol fur funff iaren ettliche gebeten, zu schreiben vom kriege widder den Tuercken und unser leute dazu vermanen und reitzen. Und itzt, weil eben der Tuerck uns nahe koempt, zwingen mich solchs auch meine freunde zuvolenden, Sonderlich weil ettliche ungeschickte Prediger bey uns Deudschen sind (als ich leider hoere), die dem pobel einbilden, man solle und musse nicht widder die Tuercken kriegen, Ettliche aber auch so toll sind, das sie leren, Es zyme auch keinem Christen, das weltlich schwerd zu furen odder zu regiern.“ (WA /II, , – ).  Luther berichtet in einem Brief vom . August  Nikolaus Haußmann u. a. vom Tod seiner Tochter und von dem Vorhaben, über die Türken zu schreiben (WA.B , Nr.: ): „De Turcico bello institui quidem scribere, sed non erit (spero) inutile. Defuncta est mihi filiola mea Elisabethula; mirum quam aegrum mihi reliquerit animum paene muliebrem, ita misericordia eius moveor; quod nunquamcredidissem antea, sic paternos animos mollescere in prolem. Tu pro me ora Dominum, in quo bene vale. Wittembergae  quinta Augusti.“ (WA.B , Nr.: , – ).  Vgl. hierzu: Ehmann, Luther, Türken und Islam,  – .

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4 Die evangelischen Türkenpredigten des 16. Jahrhunderts

dem einflussreichen Landgrafen Philipp von Hessen und erhoffte sich dadurch größere Aufmerksamkeit für seine Schrift.²¹ Obwohl als Adressatenkreis in der Vorrede vornehmlich „Fürsten und Herren“ angesprochen werden, bestätigt ein Blick in den Traktat die bereits erwähnte Bedeutung für Pfarrer und Prediger: Mehr als zehn Mal verwies der Reformator auf die Aufgaben der Theologen im geistlichen Kampf gegen die Türken.²² Luther nahm die Kritik seiner Gegner zum Ausgangspunkt seiner theologischen Argumentation. Dabei ging er von dem Vorwurf der Bannandrohungsbulle aus, in der dem Wittenberger Mönch vorgeworfen worden war, er lehne prinzipiell einen Krieg gegen das Osmanische Reich ab. Provokant verteidigte Luther seine Position auch noch zehn Jahre später: Wären die theologischen und politischen Verhältnisse dieselben wie 1518 gewesen, hätte er diese Aussage auch jetzt genauso wieder getroffen. Doch die Zeiten hatten sich geändert. Erstaunlicherweise argumentierte Luther nicht mit der zunehmenden Bedrängung durch das osmanische Heer, sondern rekurrierte – nicht ohne Eigenlob – auf seine eigenen Erkenntnisse hinsichtlich des Verhältnisses von Staat und Kirche innerhalb der letzten Dekade: So stunds aber dazu mal: Es hatte niemand geleret noch gehoeret, wuste auch niemand etwas von der weltlichen oeberkeit, woher sie keme, was yhr ampt odder werck were odder wie sie Gott dienen solt. […] Also war dazumal der Bapst und die geistlichen alles ynn allen, uber allen und durch alle wie ein Gott ynn der welt, und lag die weltliche oeberkeit ym finstern, verdruckt und unbekand. […] Uber den zwey stuecken hub sichs, denn ich erbeitet dazumal ynn der lere so die Christen und gewissen betraff, hatte auch selbs noch nichts von der weltlichen oeberkeit geschrieben, also das mich die Papisten einen heuchler der Fuersten scholten, weil ich allein von geistlichem stande handelt, wie sie Christen sein musten, und nichts von dem weltlichen, gleich wie sie mich nu auffrurisch schelten, nach dem ich von der weltlichen oeberkeit also herlich und nuetzlich geschrieben habe, als nie kein lerer gethan hat, sint der Apostel zeit (Es were denn S. Augustin): des ich mich mit gutem gewissen und mit zeugnis der welt rhuemen mag.²³

 „Jch habs aber fur gut angesehen solch buechlin unter E. F. G. als eines beruembten mechtigen Fuerstens namen aus zulassen, damit es deste ein besser ansehen gewuenne und deste vleissiger gelesen wuerde, obs ein mal dazu keme, das man von eym zug widder den Tuerken handeln wuerde, die Fuersten und herrn eine gemeine erynnerunge hetten.“ (WA /II, , – ).  So ermahnte Luther die Prediger, das Volk zu Buße und Gebet zu rufen (WA /II, , – ; , – ; , – ) und schärfte deren große Bedeutung für den geistlichen Kampf ein (a.a.O., , – ; , – ; , – ), er definierte ihre Aufgaben (a.a.O., , – ; , – ,; , – ) und gab konkrete Anleitungen zur Predigt wider die Türken (a.a.O., , – ,; , – ,).  WA /II, , – ,.

4.1 Anleitungen zur Predigt wider die Türken

125

Zur Wende in der ethischen Beurteilung über die Rechtmäßigkeit eines Krieges gegen die Türken hatte somit Luthers eigene Auseinandersetzung um die zwei Reiche geführt, die in der Obrigkeitsschrift ²⁴ von 1523 erstmals systematisch entfaltet worden war, und nicht die veränderten Machtverhältnisse in Südosteuropa! Auch in Vom Kriege wider die Türcken steht die Beschreibung der beiden Reiche im Mittelpunkt, ja sie bildet den argumentativen Rahmen des Traktats. Kennzeichnend ist Luthers Unterscheidung von Christianus und Carolus – den beiden Symbolfiguren der Zwei-Reiche-Lehre, die häufig auch in die Türkenpredigten Einzug hielten.²⁵ Im Namen Christi – also als „Christlicher hauffe“²⁶ – sei ein Krieg zwecklos. Deshalb gehörten nach Luthers Ansicht auch keine Geistlichen auf das Schlachtfeld,²⁷ „denn die Kirche sol nicht streitten noch mit dem schwerd fechten. […]“ und „darff sich ynn des Keysers odder Fuersten kriege nicht mengen“²⁸. Im Namen Christi konnte der Kampf nur aus Buße und Gebet bestehen, um den apokalyptischen Mächten standzuhalten.²⁹ Im Namen der weltlichen und von Gott

 „Von weltlicher Obrigkeit“, in: WA ,  – .Vgl. hierzu und ausführlich zur lutherischen Zwei-Reiche-Lehre:Volker Mantey, Zwei Schwerter – Zwei Reiche. Martin Luthers Zwei-Reiche-Lehre vor ihrem spätmittelalterlichen Hintergrund, SuR N.R.  (Tübingen ),  – .  S. hierzu z. B. die Predigt des Altenburger Hofpredigers Abraham Lange ( – ) aus dem Jahr : „So balde aber durch rechtschaffene buß und gebet den feinden dieser starcke hinderhalt abgestrickt wird / müssen sie in die flucht geschlagen werden / wann gleich der sichtbarliche wiederstand offt gar schwach für augen. Darumb auch der heilige Man Gottes D. Luther geschrieben hat / das zweene Helden den grawsamen Ertzfeind den Türcken schlagen müssen / . Christianus mit busse und gebet. . Carolus mit wehr und waffen. […]“ (Lange, Christliche außlegung, Br). Auch Rupert Erythropel (Rothut) übernahm die lutherische Rhetorik, aktualisierte jedoch die Figur des Kaisers: „Das haben wir auß Lutheri Schrifften zusammen gesucht / und angezeigt / daß wider den Türcken zween Männer streiten / Herr Christian / und Keyser Rudolphus.“ (Erythropel, Weckglöcklein, Av). S. auch: Roth, Fünff Türckenpredigten, Cv: „Also verstehen wir nu / warumb es das Gebet thun müsse / und nicht Gewalt. Ein Christianus, und nicht ein Garstianus.“  WA /II, ,.  „Und wenn ich Keyser, Koenig odder Fuerst were, ym zug widder den Tuercken wolt ich meine Bisschoff und Pfaffen vermanen, das sie daheymen blieben, yhrs Amts mit beten, fasten, lesen, predigen und armer leute warteten,wie sie nicht alleine die heilige schrifft, sondern auch yhr eigen geistlich recht leret und foddert.“ (WA /II, , – ).  WA /II, , – .  „Die Pfarher und prediger sollen ein iglicher sein volck auffs aller vleyssigst vermanen zur busse und zum gebet. Die busse sollen sie treiben mit anzeigen unser grossen unzelichen sunde und undanckbarkeit, da durch wir Gottes zorn und ungnade verdienet, das er uns dem Teueffel und Tuercken billich ynn die hende gibt. Und auff das solche predigt deste stercker eingehe, mus man die Exempel und sprueche der schrifft einfueren, als von der sintflut, von Sodom und Gomorren, von den kindern Jsrael und wie greulich und manich mal Gott die welt, land und leute gestrafft hat, und wol austreichen wie es nicht wunder sey, so wir wol schwerer denn ihene

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4 Die evangelischen Türkenpredigten des 16. Jahrhunderts

eingesetzten Obrigkeit (Carolus) zu kämpfen, sei hingegen göttlicher Wille, ja ethische Pflicht eines jeden Christenmenschen, sofern es sich um einen Verteidigungskrieg handele³⁰: Und Erstlich, so man widder den Turcken kriegen wil, das man dasselbige thu unter des Keysers gebot, panir und namen. Denn da kan ein iglicher sein gewissen sichern, das er gewislich ym gehorsam Goettlicher ordnung gehet, weil wir wissen, das der Keyser unser rechter Oberherr und heubt ist, Und wer yhm ynn solchem fal gehorsam ist, der ist auch Gott gehorsam, Wer yhm aber ungehorsam ist, der ist Gott auch ungehorsam. Stirbet er aber ym gehorsam, so stirbt er ynn gutem stande und wo er sonst gebuesset hat und an Christum gleubt, so wird er selig.³¹

Die Unterscheidung der beiden Reiche und der jeweils damit verbundenen Aufgaben im Kampf sah Luther in genau dieser vorgestellten Reihenfolge: Zuerst musste die Religion der Türken, der „Tuercken Gott (das ist der Teuffel)“³², geschlagen werden, bevor das osmanische Heer mit kriegerischen Mitteln besiegt werden konnte. Dies sei bisher unterblieben, weshalb der „Erbfeind“ so große Macht erlangen konnte. Erst wenn Buße und Gebet zuerst erfolgten, sei ein Sieg möglich. Wohl um etwaigen Sympathien mit der Lehre Mohammeds zu wehren, finden sich in Vom Kriege wider die Türken neben der ausführlichen Darstellung von Luthers Zwei-Reiche-Lehre auch Wissensbestände über die Türken und den Islam. Luther gab an, selbst „etlich stueck“³³ des Korans zu besitzen. Doch da er selbst erst 1542 in der Verlegung des Alcoran ³⁴ darauf aufmerksam machte, dass er diesen erst kurz vorher gesehen habe³⁵, ist mit Ehmann davon auszugehen, dass die „Stücke“, auf die Luther sich bezieht, einzelne Überlieferungen sind, „wie die Confutatio sie vermeintlich für den Koran authentisch bot“³⁶. Luther erwähnte das

sundigen, ob wir auch erger denn sie gestrafft werden.“ (WA /II, , – ). Luther dachte auch hier schon an das Abhalten von Litaneien zum geistlichen Kampf gegen die Türken (a.a.O., , – ), denn im selben Zeitraum (/) war seine eigene Litanei entstanden, die vielerorts in den Betstunden wider die Türken zur Anwendung kam (s.o. Abschn. ..).  Vgl. WA /II, .  WA /II, , – ,.  WA /II, ,  – .  WA /II, ,.  WA ,  – .  „Aber itzt diese Fastnacht hab ich den Alcoran gesehen Latinisch, doch seer ubel verdolmetscht, das ich noch wuenschet einen klerern zusehen.“ (WA , , f.).  Ehmann, Luther, Türken und Islam, .

4.1 Anleitungen zur Predigt wider die Türken

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fehlende Christus-Bekenntnis des Korans³⁷, kritisierte die Stilisierung Mohammeds zu einer christusähnlichen Figur³⁸ und das synkretistische Gepräge des Islam³⁹. Auch das „weltlich Regiment“⁴⁰ der Türken unterzog er der Kritik. Besonders verurteilte der Wittenberger den angeblich brutalen Charakter des Korans: „Denn sein Mahomet (wie gesagt ist) befilhet mit dem schwerd zu walten, und ist das meiste und furnemest werck ynn seinem Alkoran das schwerd. Und ist also ynn der warheit der Turck nichts denn ein rechter moerder odder strassen reuber, wie denn auch die that fur augen beweiset.“⁴¹ Als dritten Kritikpunkt führte Luther die vermeintlich propagierte Polygamie des Islam an. Sowohl Religion als auch Wesen „des Türcken“ ließen Luther zu dem Schluss kommen, dass „der Tůrck der leibhafftige Teuffel“⁴² sei. Einigkeit der Könige und Fürsten sowie Gebete im Kampf gegen die Türken waren Luthers letzte Hoffnung auf einen Sieg gegen das Osmanische Reich: „Denn wo unser Koenige und Fuersten eintrechtiglich einander beystunden und huelffen, dazu der Christen man auch fur sie bettet, Wolt ich unverzagt und groesser hoffnung sein, der Turcke solte sein toben lassen und einen man an Keiser Carol finden, der yhm gewachssen were.“⁴³ Luthers berühmteste Türkenschrift ist zweifellos seine Heerpredigt wider die Türken ⁴⁴ vom Oktober 1529. Sie erschien in erster Auflage bei Nickel Schirlentz in Wittenberg und wurde bis zum Ende des „Langen Türkenkrieges“ (1606) in mindestens 16 weiteren Auflagen⁴⁵ herausgegeben. Anlass war nun die Belage-

 „Erstlich so lobt er wol Christum und Mariam fast seer, als die alleine on sunde seyn, Aber doch helt er nichts mehr von yhm denn als von eim heiligen Propheten, wie Heremias odder Jonas ist, Verleugnet aber das er Gottes son und rechter Gott ist. Dazu helt er auch nicht, das Christus sey der welt heyland, fur unser sunde gestorben, sondern habe zu seiner zeit gepredigt und sein ampt ausgericht fur seinem ende, gleich wie ein ander Prophet.“ (WA /II, , – ).  „Daher halten die Tuercken viel hoeher und groesser von yhrem Mahomet denn von Christo, Denn Christus Ampt habe ein ende Und Mahomeths Ampt sey itzt ym schwang. Daraus kan nu ein iglicher wol mercken, das der Mahometh ein verstoerer ist unsers Herrn Christi und seines reichs.“ (WA /II, , – ).  „Also ists ein glaube, zu samen geflickt aus der Juden, Christen und Heiden glauben.“ (WA /II, , f.).  WA /II, ,.  WA /II, , – .  WA /II, ,.  WA /II, , – .  WA /II,  – , s. hierzu ausführlich und die besonders im Hinblick auf die Rezeption von Georg von Ungarns Tractatus de moribus […] detaillierte Analyse: Ehmann, Luther, Türken und Islam,  – .  Vgl. hierzu die Angaben im VD : . Auflage  bei Nickel Schirlentz in Wittenberg (VD  L ), sechs Drucke im Jahr  in Marburg (Franz Rhode: VD  L ), Nürnberg

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4 Die evangelischen Türkenpredigten des 16. Jahrhunderts

rung Wiens,von der Luther auf seiner Rückreise vom Marburger Religionsgespräch erfahren hatte.⁴⁶ Der Reformator forderte sogleich seine Freunde Nikolaus von Amsdorf in Magdeburg und Nikolaus Hausmann in Zwickau auf, ihre Gemeinden zu Buße und Gebet zu mahnen: „Tu ergo Ecclesiam vestram ad poenitentiam et orationem admoneto. Tempus est, necessitas urget.“⁴⁷ Schon eine Woche später erhielt Luther die Meldung, dass die Osmanen ihre Belagerung abgebrochen hatten. Trotzdem setzte er sein Vorhaben, noch einen Traktat über die Türken zu verfassen, fort: „Doch habe ich bey meinen lieben deudschen die gnade, das sie mir widder glauben noch hoeren […]. Niemand wolt gleuben, was ich vom Tuercken schreib, bis das wirs nu mit so grossem iamer erfaren und so viel tausent menschen ynn so wenig tagen erwuerget und weg gefueret gesehen haben.“⁴⁸ Luthers Heerpredigt ist keine Predigt im strengen Sinne: Wenngleich er sich im Abfassungszeitraum in Wittenberg auf der Kanzel ebenfalls zum Thema äußerte,⁴⁹ ging der Schrift weder eine direkte mündliche Version voraus, noch stilisierte er den Traktat als Predigt, indem er beispielsweise einen Predigttext zugrunde legte. Obwohl die Schrift ursprünglich nicht allein an Krieger im kaiserlichen Heer, sondern an all jene „ynn deudschen landen“ adressiert war, „die das wort lieben“, legt der Titel der Heerpredigt die Deutung des Traktats als Kriegspredigt nahe. Tatsächlich sah Luther schlechterdings alle Christen im endzeitlichen Kampf gegen die Türken und deren Religion, sodass er deutlicher noch als in Vom Kriege wider die Türken die Rechtmäßigkeit des Krieges verteidigte. Die Heerpredigt gliedert sich in zwei Teile: Nach der Unterweisung der „Gewissen“⁵⁰ erfolgt eine Vermahnung der „Faust“⁵¹. Der erste Teil „dienet wol zur-

(Friedrich Peypus:VD  L  und Johann Stuchs:VD  L  – ) und Wittenberg (Nickel Schirlentz: VD  L ); ein Druck  in Wittenberg (Georg Rhau: VD  L ); vier Drucke  in Augsburg (Heinrich Steiner:VD  L ), Straßburg (Hans Preussen:VD  L ) und Wittenberg (Nickel Schirlentz:VD  L  – ); zwei Drucke  ohne Ortsangabe (VD  L  und die Ausgabe des Marcus Volmarius: VD  L ), ein Druck , als Anhang zu den Türkenpredigten des Johannes Phlydius (Oberursel: Nikolaus Heinrich d.Ä.,VD  L ) und ein Druck in Frankfurt/Main  (VD  F ).  WA /II, .  WA.B , Nr.: , , f. (an Amsdorf); weitere Briefe an Hausmann und Amsdorf im Kontext der Heerpredigt: WA.B , Nr.:  (an Amsdorf), WA.B , Nr.:  (an Hausmann) und WA.B , Nr.:  (an Hausmann).  WA /II, , – .  S. hierzu Luthers Predigten im zeitlichen Umfeld der Abfassung der Heerpredigt: Predigten am . Sonntag nach Trinitatis (. . ; WA , bes. , – ,), . Sonntag nach Trinitatis (. . ;WA , bes. , – ,) und am . Sonntag nach Trinitatis (. . ; WA , bes. , – , [Exhortatio contra Turcam]).  WA /II, , – ,.  WA /II, , – ,.

4.1 Anleitungen zur Predigt wider die Türken

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sachen, das man gewis sey,Was der Tuercke sey und wofuer er zurhalten sey nach der schrifft.“⁵² Demnach weissage die Schrift vor Hereinbrechen des Jüngsten Tages zwei Tyrannen – der eine sei der Papst, der andere der Türke. Den Schwerpunkt des ersten Teiles bildet Luthers Interpretation von Dan 7.⁵³ Er rezipierte damit die im Jahr 1529 von Melanchthon und Justus Jonas entwickelte und 1530 herausgegebene Deutung der Türken als dem „kleinen Horn“ (Dan 7,8).⁵⁴ Das Reich der Türken würde sodann von Gott selbst gestürzt – nach ihnen komme kein Königreich mehr. Die Türken seien die letzte Anfechtung vor dem Jüngsten Tag, ja „der iuengst tag muesse fuer der thuer sein“⁵⁵, dessen war sich Luther sicher. Erneut nahm er Bezug auf seine bereits in Vom Kriege wider die Türken vertretene Position der Rechtmäßigkeit eines Krieges gegen das osmanische Heer im Sinne der Zwei-Reiche-Lehre. Der erste Teil der Schrift endet sodann mit einem Aufruf zu Buße und Gebet, man solle „sich bekeren und sein leben bessern und also mit furcht und ernstlichem gebet zu solchem trost und trotz komen.“⁵⁶ Im zweiten Teil seiner Schrift kam Luther erneut auf die Rechtmäßigkeit eines Krieges zu sprechen und begründete dies vorrangig mit der Schilderung der türkischen Gräueltaten. Im Zuge dessen widmete sich der Reformator der Problematik christlicher Gefangener im Osmanischen Reich. Er ermahnte sie, an ihrem Bekenntnis festzuhalten und den Dekalog, das Vaterunser und das Credo zu memorieren. Besonders am zweiten Artikel als dem Herzstück der christlichen Religion war Luther gelegen, „denn dieser artickel macht uns zu Gottes kinder und Christus bruder, das wir yhm ewiglich gleich und mit erben werden.“⁵⁷ Gewiss ist die Betonung des Bekenntnisses auch im Zusammenhang mit den Katechismen Luthers zu sehen, die ebenfalls 1529 in den Druck gingen. Die Schärfung des Bekenntnisses erfolgte nachgerade in der Abgrenzung zu anderen Lehren. Somit waren die Schilderungen der muslimischen Bräuche und Gräueltaten keineswegs reiner Selbstzweck, sondern sollten als didaktisches Mittel auf die Wahrheit des eigenen Bekenntnisses weisen.⁵⁸ Im Anblick des Kampfes der apokalyptischen Mächte verschärfte Luther in seiner Heerpredigt im Vergleich zu Vom Kriege wider die Türken noch einmal den Ton. Dabei verhalf ihm die in Wittenberg geleistete Exegese von Dan 7 zur Legitimation und Konkretion seines Aufrufes, gegen die Türken zu kämpfen. Die

      

WA /II, , – ,. WA /II, , – ,. Jonas / Melanchthon, Das siebend Capitel Danielis. WA /II, , f. WA /II, , f. WA /II, , – . Vgl. hierzu auch u. Abschn. ...

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Heerpredigt geht dabei bis an den Rand menschlicher Einflussnahme auf das göttliche Handeln, ja sie „[droht] die Grenze zur menschlichen Vollstreckung des göttlichen Urteils am apokalyptischen Kampf gegen Türken und Islam zu verwischen […], womit die Unterscheidung der Reiche und Regimente ihre Stringenz und Konsequenz verlöre.“⁵⁹ Trotzdem oder gerade deshalb gehörte Luthers Heerpredigt zu seinen am häufigsten rezipierten Schriften und nicht zuletzt die Türkenprediger nahmen sie als Musterpredigt dankend an.

4.1.2 Johannes Brenzʼ Grundtlicher bericht (1526) und Wie sich Prediger und Laien halten sollen (1531) Im Jahr 1531 verließ eine weitere Türkenschrift die Offizin einer Wittenberger Druckerei. Sie erschien bei Georg Rhau⁶⁰, führte den Württemberger Reformator Johannes Brenz als Autor an und trug den Titel: Wie sich Prediger und Leyen halten sollen / so der Türck das Teutsch land uberfallen würde / Christliche und noturfftige unterricht / Johannis Brentij Predigers zu Hall in Schwaben. Seit 1537 erschien die Schrift unter dem bekannteren Titel Türcken Bůchlein und stellt die wohl am weitesten verbreitete Türkenschrift des Haller Predigers dar. Schon seit 1529 wurden in Schwäbisch Hall Türkengottesdienste abgehalten, für die Johannes Brenz (1499 – 1570) eigens Türkenpredigten verfasst hatte. Dass dem Türckenbüchlein eine Handschrift zugrunde lag, die Brenz Philipp Melanchthon zukommen ließ, ist längst bekannt. Sie trägt den Titel: Grundtlicher bericht und beschluß aus der heiligen geschrifft gezogen das keinem Christen under dem Romischen reich begriffen / gepüre oder gezyme da von abzufallen und sich dem turken oder anderer frembder herrschafft ergeben. Der Bericht ist zusammen mit der Homilia contra Turcam in einer Sammlung kleinerer Arbeiten des Reformators enthalten, die sich in der Nürnberger Stadtbibliothek befindet (s. hierzu auch die Transkription der Handschriften im Anhang). Der Grundtliche bericht ist auf das Jahr 1526 datiert und umfasst 7,5 Seiten. Brenz griff darin die aktuelle türkische Bedrohung, die mit der Schlacht von Mohács immer größere Brisanz erhalten hatte, auf und beantwortete die Frage, wie sich Prediger und Laien in dieser Situation zu verhalten hätten. Die Handschrift legt die Verwendung als Predigt nicht allein aufgrund ihrer Eingliederung in die Sermones Brencij nahe,

 Ehmann, Luther, Türken und Islam, .  Vgl. zu Georg Rhau u. a.: Henning Wendland, Martin Luther – seine Buchdrucker und Verleger, in: Herbert G. Göpfert / Peter Vodosek u. a. (Hgg.), Beiträge zur Geschichte des Buchwesens im konfessionellen Zeitalter, Wolfenbütteler Schriften zur Geschichte des Buchwesens  (Wiesbaden ),  f.

4.1 Anleitungen zur Predigt wider die Türken

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sondern vor allem wegen ihrer inhaltlichen Fokussierung auf die Auslegung von Dan 7 und deren aktueller lebensweltlicher Interpretation. Die Deutung der vier apokalyptischen Tiere (Dan 7,1– 8) als den vier von Gott eingesetzten Weltreichen, an deren Ende der Jüngste Tag anbreche, ließ Brenz zu der Schlussfolgerung kommen, dass auch „der gwallt des Romischen Kaysers aus gott ist / und ein gottliche ordnung der auch besteen / soll bis an das end der wellt.“⁶¹ Selbst wenn der Kaiser ein „doppellter heid“⁶² wäre, sei ihm Gehorsam zu leisten. Ähnlich der Lutherschriften drei Jahre später fragte auch schon Brenz nach der korrekten Verhaltensweise eines Christen in der Auseinandersetzung mit dem Osmanischen Reich. Sollte man gegen „den Türken“ kämpfen oder „ym gleich thur und thor auff sperren / wenn er da / her feert“⁶³? Damit spielte Brenz auf den theologischen Konflikt mit dem Täufertum seiner Zeit an.⁶⁴ Denn die Beantwortung jener Frage resultierte nicht zuletzt aus Entscheidungen, die man hinsichtlich der ethischen Beurteilung der weltlichen Obrigkeit getroffen hatte.⁶⁵ In den Prozessakten gegen Michael Sattler (um 1490 – 1527)⁶⁶ ist eine der bekanntesten Ansichten bezüglich der Türkenfrage im Kreise täuferischer Theologie überlie-

 Brenz, Grundtlicher bericht, v, – .  Brenz, Grundtlicher bericht, v,.  Brenz, Grundtlicher bericht, r, – .  Dies mag kaum überraschen, da der Türkendiskurs der er Jahre viel häufiger von der Auseinandersetzung mit den Theologien der radikalen Reformation geprägt war als in den späteren Jahrzehnten (vgl. hierzu: Kaufmann, Türckenbüchlein, ).  Vgl. zum gesamten Komplex Täufertum – Obrigkeit – Kriegsdienst: Hans Joachim Hillerbrand, Die politische Ethik des oberdeutschen Täufertums. Eine Untersuchung zur Religions- und Geistesgeschichte des Reformationszeitalters, BZRGG  (Leiden / Köln ),  – .  Michael Sattler (um  – ) war eine der prägendsten Gestalten der ersten Täufergeneration. Der geborene Staufener (Breisgau) war zunächst Mönch im Benediktinerkloster St. Peter im Schwarzwald. Nach dem Austritt aus dem Kloster heiratete er seine Frau Magarethe.  hielt sich Sattler zusammen mit Grebel, Mantz und Blaurock in Zürich auf, von wo er allerdings ausgewiesen wurde. Vermutlich ließ er sich zwischen Sommer und Herbst  taufen. Ende  gelangte Sattler mit seiner Frau über Horb und Rottenburg nach Straßburg,wo er auf Capito, Bucer und Denck traf. In Folge der Ausweisung der Täufer aus Straßburg kehrte Sattler in die Gegend um Horb und Rottenburg zurück. Im Februar  fand in Schleitheim die Bekenntnissynode schweizerischer Täufer statt. Die von Sattler verfassten Schleitheimer Artikel stellen die erste täuferische Bekenntnisschrift dar. Zusammen mit seiner Frau wurde Sattler am . Mai  der Prozess gemacht. Sein Martyrium endete mit Verbrennung, Sattlers Frau wurde im Neckar ertränkt. S. ausführlich über Biographie und theologische Standpunkte Sattlers u. a.: C. Arnold Snyder, The Life and Thought of Michael Sattler, SAMH  [i. e. ] (Scottdale, Pa. ) und Daniel Heinz, Art. Sattler, Michael, in: BBKL VIII (),  – .

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fert.⁶⁷ Unter Anklagepunkt neun wurde dem gebürtigen Staufener vorgeworfen: „[E]r hat gesagt: Wenn der Türk ins land keme, solt man im kein widerstant tun, und wenn kriegen recht wär, wolt er lieber wider die Christen zihen, dan wider die Türken, welchs doch ein groß ding ist, unsers heiligsten glaubens grösiste feind wider uns zu ziehen.“⁶⁸ Bezugnehmend auf diesen Vorwurf habe Sattler „unerschrocken“⁶⁹ geantwortet: „Wen der Türk kompt, sol man im kein widerstand tun, dan geschriben stat, du solt nit töten. Wir sollen uns des Türken und anderer unserer verfolger nit erwereen, sonder mit strengem gebet gegen Gott anhalten, das er weer und widerstand tu.“⁷⁰ Wahrscheinlich wurde Brenzʼ Grundtlicher bericht von täuferischen Aussagen ähnlich derer Sattlers veranlasst, ja es lässt sich vermuten, dass der Haller Reformator den Kreis um Sattler bzw. diesen selbst im Auge hatte, als er jene Zeilen formulierte.⁷¹ Sowohl die geographische Nähe Sattlers⁷² als auch seine theologische Einordnung der Türkengefahr⁷³ lassen  Vgl. hierzu auch: Ernst Laubach, „… kain obrigkait zu erkhennen und sich dem turkhen anhengig zu machen…“ Zu einer Stigmatisierung der Täufer im . Jahrhundert, in: ZHF  (/ ),  – , hier:  f.  Nach: Lydia Müller (Hg.), Glaubenszeugnisse oberdeutscher Taufgesinnter, QFRG / (Leipzig ), .  Müller, Glaubenszeugnisse, .  Müller, Glaubenszeugnisse, . Den Bezug allein auf das fünfte Gebot hält Hillerbrand in jedem Fall für untypisch in der täuferischen Argumentation: „Von dem vermutlichen Verfasser des Schleitheimer Bekenntnisses würde man eine stärkere Betonung neutestamentlicher Schriftstellen erwarten. Es ist anzunehmen, dass dies auch der Fall war, der Protokollant jedoch nur das prägnanteste Zitat festgehalten hat. Jedenfalls entspricht eine derartige alttestamentliche Begründung nicht der allgemein täuferischen Argumentation.“ (Hillerbrand, Ethik, ).  Schon Kaufmann deutet diesen Zusammenhang an, wenn er davon spricht, dass sich Brenzʼ Türkenbüchlein gegen „Positionen wie die Sattlers“ richtete (Kaufmann, Türckenbüchlein, ).  Vgl. hierzu auch: Claus-Peter Clasen, Die Wiedertäufer im Herzogtum Württemberg und in benachbarten Herrschaften. Ausbreitung, Geisteswelt, Soziologie, Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, Reihe B, Forschungen,  (Stuttgart ),  f. Clasen konstatiert für die Reichsstadt „niemals eine größere Täufergemeinde“. Allerdings „scheinen Ende der er Jahre einige Täufer in der Gegend von Schwäbisch Hall aufgetaucht zu sein, mit denen sich Brenz beschäftigen mußte.“ (Clasen, a.a.O., ). Im Jahr  erstellte der Reformator ein Gutachten, das vermutlich für Nürnberg bestimmt war (so Gottfried Seebaß, An sint persequendi haeretici? Die Stellung des Johannes Brenz zur Verfolgung und Bestrafung der Täufer, in: BWKG  [],  – , hier: ), mit dem Titel: Vom unterschid der widertäufer (ed. in: Brenz, Frühschriften ,,  – ). Vgl. zur Beurteilung der Täufer durch Brenz u. a. folgende Schriften: Seebaß, Stellung und James M. Estes, Christian Magistrate and State Church. The Reforming Career of Johannes Brenz (Toronto ),  – .  Denn dass die theologischen Einordnungen der Türkengefahr und der zu ziehenden Konsequenzen ein durchaus disparates Bild ergeben, zeigte bereits Kaufmann, Türckenbüchlein,  –  ( – ). Appelle wie jene Hans Huts etwa, welche die Getauften zur Flucht nach Ungarn animieren sollten, um nach dem erfolgten Türkensturm die Überlebenden zu vernichten und so

4.1 Anleitungen zur Predigt wider die Türken

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diesen Schluss zu. Damit wäre der Grundtliche bericht die erste bekannte Schrift des Reformators, die sich mit den theologischen Standpunkten der Täufer auseinandersetzte. Im Sinne der Zwei-Reiche-Lehre befürwortete Johannes Brenz den Kriegsdienst für Christen im Allgemeinen und den Krieg gegen das Osmanische Reich im Besonderen. Zunächst sollten die Prediger jedoch ihre Gemeinden zur Buße ermahnen, denn da die Deutschen das Evangelium verschmäht hätten, sei Gottes Strafe verdient.⁷⁴ Ähnlich der Predigten Noahs, Loths, Aarons, Moses, Jonas, Christi, der Apostel und der Kirchenväter Ambrosius und Augustin, durch welche die Kirche immer wieder vor Katastrophen bewahrt worden sei⁷⁵, sollten auch jetzt die Prediger ihre Gemeinden zuerst zur Buße auffordern: „[S]o gepurt es einem prediger sein volck zu ermanen / das sy sich bessern. Und von den greulichen sunden ablassen.“⁷⁶ Danach seien auch Fürsten und Untertanen an ihre Verpflichtungen gegenüber dem Kaiser zu erinnern: Darumb seien wir von gottes ordnung / und von ayds wegen schuldig dem Romischen Keyser in solchem welltlichen regiment gehorsam zu leisten bis in todt hinein / für yn zu streiten und zu fechten: wider den Turcken: und welcher also ummkompt und erwürgt wurt / vom Turcken / der darff sich solcher handlung halb (wenn er sunst frumm ist) nichts jm gwissenn besorgen. dann er stirbt Im gehorsam von gott gepotten und verordnet.⁷⁷

Die Argumentation um die Rechtmäßigkeit des Kriegsdienstes bettete Brenz in seine Auslegung zu Dan 7 ein. Auf die fiktive Frage eines Lesers; „Was sagt dan Daniel .7. von einem Kunig der nach dem Romischen Reich soll auffstehn und sterker sein / denn die vorigen der auch drey kunig under sich soll bringen […],“ antwortete der Prediger: „Es meynen ettlich diser kunig Davon Daniel und Ezechiel sagen sey der Entchrist Aber wie dem allem / so wollen wir yn gleich den Turcken lassenn sein.“⁷⁸ Somit hatte schon 1526 Johannes Brenz in Schwäbisch Hall die im Türkendiskurs ab 1529 viel traktierte Daniel-Passage (Dan 7,8) auf „den Türken“ und nicht auf den Antichristen allgemein gedeutet, was einer Abkehr von der Autorität des Hieronymus entsprach.⁷⁹ Breite Rezeption erfuhr diese Deutung den Jüngsten Tag zu erwarten, scheint Brenz in seinem Grundtlichen bericht nicht im Sinn gehabt zu haben (vgl. zu Huts Bewertung der Türkenfrage ebenfalls Kaufmann, a.a.O.,  f. [ – ]).  Brenz, Grundtlicher bericht, r, – .  Brenz, Grundtlicher bericht, v-r.  Brenz, Grundtlicher bericht, v, – .  Brenz, Grundtlicher bericht, v, – .  Brenz, Grundtlicher bericht, v, –  und  – .  So auch Stefan Strohm, Die fraglich gewordene Integrität der Homilien zu Daniel von Johannes Brenz, in: Martin Brecht / Gerhard Schäfer / Frieda Wolf (Hgg.), Johannes Brenz, Frühschriften,

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jedoch erst in Folge der Wittenberger Exegese, die ihren Niederschlag in Martin Luthers Heerpredigt (1529) und in Justus Jonasʼ zusammen mit Philipp Melanchthon herausgegebenem Traktat Das siebend Capitel Danielis (1530) fand.⁸⁰ Die Erkenntnis vom prophezeiten Türken in Dan 7,8 führte Brenz in seiner Argumentation zu der Forderung, gegen diesen Feind Christi den letzten Kampf zu führen: „Der halben niemant mit gutem gewissenn frevelich [i. e. freiwillig] sich in seinen gwallt ergeben kan. Und von dem herren der von gott ist ein gesetzt abfallen.“⁸¹ Somit stellte Brenz seine Erkenntnisse aus der Daniel-Exegese unter das Postulat der Subordination unter die Obrigkeit im Sinne von Röm 13. Mit der Ermahnung, sich nicht,wie von Jeremia gefordert, dem feindlichen König zu ergeben (Jer 34), schließt der Grundtliche bericht. Erst fünf Jahre später, im Jahr 1531, erreichte die Handschrift des Württemberger Reformators Wittenberg. Die Gründe für die späte Übersendung müssen im Dunkeln bleiben – eventuell erfolgte sie in Folge der Rezeption der Wittenberger Daniel-Exegese durch Brenz. Am 28.7.1531⁸² schrieb Melanchthon seinem Freund⁸³ Johannes Brenz: „Quidam mendicus sacerdos voluit hic tuum libellum de Turcis edere, hunc ego mutavi plusquam dimidia operis parte tuo nomine. Feci id nostra fretus amicitia, et spero te probaturum esse.“⁸⁴ Es ist davon auszugehen, dass Melanchthon in seinem Schreiben an Brenz im Juli 1531 mit dem „Büchlein über die Türken“, das ein Priester ihm gebracht habe, jenen Text meinte, der in der Handschrift des Grundtlichen berichts überliefert ist.⁸⁵ Nachdem Melanchthon den Text bei Georg Rauh unter dem Titel Wie sich Prediger und Laien halten sollen herausgegeben hatte, wurde er noch im selben Jahr in Nürnberg bei Kunigunde Hergot verlegt und bis zur Jahrhundertwende mindestens fünf weitere Male in

Teil  (Tübingen ),  – , hier:  ff. Mit dieser Deutung habe Brenz „schon im Jahr  vollzogen, was sich bei Melanchthon  erst anbahnt,  im April deutlicher hervortritt, von Luther aber erst  aufgenommen wird.“ (Strohm, a.a.O., ). Strohm legt in seiner Einleitung zu Brenzʼ Daniel-Homilien die Exegese von Dan , des Haller Predigers in dessen Grundtlichem bericht frei, vergleicht sie mit der Interpretation Melanchthons, die dieser in die Vorlage eingebracht hat, und beschreibt die Abhängigkeiten der Daniel-Auslegungen der Reformatoren (Strohm, a.a.O.,  – ).  S. hierzu ausführlicher o. Abschn. ...  Brenz, Grundtlicher bericht, r, – .  CR , Sp.  f., Nr.  (MBW, Bd. , Nr. ).  S. zur engen Freundschaft zwischen Melanchthon und Brenz: Christian Peters, Melanchthon und Brenz. Eine Freundschaft in Briefen, in: Johanna Loehr (Hg.), Dona Melanchthoniana. Festgabe für Heinz Scheible zum . Geburtstag (Stuttgart / Bad Cannstatt ),  – .  CR , Sp. .  So z. B. auch Raeder, Brenz, ; Strohm, Integrität,  f. und ders., Vorrede, .

4.1 Anleitungen zur Predigt wider die Türken

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Wittenberg, Nürnberg, Augsburg und Magdeburg nachgedruckt.⁸⁶ Ab 1537 wurden den Ausgaben weitere liturgische Texte bzw. Anweisungen beigefügt, die den Traktat von 1531 zur Musterpredigt einer Türkenandacht werden ließen. So endet beispielsweise die Augsburger Ausgabe mit dem Hinweis: „Volget das Da pacem Domine Teutsch / mit schönen Collecten zu bitten umb zeytlichen und ewigen frid“. Im Anschluss daran sollte die erste Strophe des Lutherchorals Verleih uns Frieden gnädiglich gesungen und ein Gebet um Frieden gesprochen werden. Die Wittenberger Ausgabe desselben Jahres lässt diesen liturgischen Hinweisen noch ein Türkengebet folgen. Die Änderungen, die Melanchthon vornahm, gehen jedoch deutlich über kleinere Korrekturen hinaus: Zwar stimmen die ersten drei Seiten des Drucks nahezu wörtlich mit den ersten 4,5 Seiten der Handschrift überein, insgesamt kürzte Melanchthon die Ausführungen des Haller Predigers allerdings um knapp die Hälfte und fügte sie an den Anfang der Druckausgabe. Die restlichen elf Seiten stimmen teilweise zwar inhaltlich mit den Aussagen Brenzʼ überein,Wortwahl und Argumentationsgang sind jedoch Ausführungen des Wittenbergers. „Was gar zu sehr nach Luther aussieht […], stammt von Melanchthon“⁸⁷, entschied schon Stefan Strohm. Zunächst geht der von Siegfried Raeder konstatierte „klare Gedankenaufbau“⁸⁸ des Türkenbüchleins ganz auf die Feder des Wittenbergers zurück. Außerdem stellte er die bei Brenz zwar angelegte, aber argumentativ bruchstückhaft bleibende, Zwei-Reiche-Lehre breiter dar. Hierbei wird der Leser tatsächlich an Luthers Vom Kriege wider die Türken erinnert – neue Aspekte ergeben sich nicht. Den in der Handschrift des Grundtlichen berichts stillschweigend vorausgesetzten Anspruch aus Röm 13 führte Melanchthon explizit aus, spitzte diesen zunächst allerdings auf die Fürsorgepflicht der Obrigkeiten zu und nahm sie in die Pflicht: „Denn jede Oberkeit ist vor Gott schuldig friden zuerhalten / land und leut / widder unrechten gewalt / und mörderey zuschützen / wie S. Paulus leret Rom. xiii.“⁸⁹ Dass die Türken „nit anders den offentliche mörder sein“⁹⁰, wies Melanchthon anhand des muslimischen Gesetzes und der Taten der Türken nach: Mohammed selbst rufe schließlich zum Angriffskrieg auf und habe seine Anhänger in dem Glauben gelassen, „die hoheit und gewalt auff erden“⁹¹ zu besitzen. Außerdem

     

S. hierzu die verzeichneten Drucke im VD : VD  B  – . Strohm, Integrität, . So z. B. Raeder, Brenz,  Melanchthon / Brenz, Wie sich prediger und leien halten sollen, Ar. Melanchthon / Brenz, Wie sich prediger und leien halten sollen, Av. Ebd.

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beweise das osmanische Heer seine „mörderey auch schrecklich mit der that“⁹², die Melanchthon in den vermeintlichen Gewalttaten, die die Türken schon 1453 nach der Eroberung Konstantinopels und 1522 nach der Eroberung von Rhodos verübt hätten, bestätigt sah. Die Verpflichtung eines Christen zum Widerstand gegen das türkische Heer begründete er wie Brenz mit Dan 7. Da dort der Türke als Gottes Feind bezeichnet werde, sei es christliche Pflicht, zu kämpfen. Umgekehrt mache sich jeder der Sünden der Türken teilhaftig, „der sich mutwillig unter den Turcken ergibt“⁹³. Da die Wiederbelebung der Kreuzzugsidee den Reformatoren stets widerstrebte, überrascht an dieser Stelle Melanchthons Rekurs auf Bernhard von Clairvauxʼ Kriegspropaganda, der die Kreuzzüge als „sanctam et tutam miliciam“ bezeichnet habe. Der ungarische Heeresführer Johan Hunyadi und dessen Sohn König Matthias von Ungarn sowie König Alfons II. sollten wegen ihrer viel beschworenen Erfolge gegen die Türken Kaisern, Königen und Fürsten zum Vorbild christlichen Gehorsams im Kriegsdienst dienen. Wie schon Brenz in seinem Grundtlichen bericht so nahm auch Melanchthon den vermutlich täuferischen Einwand auf, man solle den Türken die Tore öffnen, wie auch Jeremia König Zedekia dazu aufforderte, sich dem babylonischen König Sanherib zu ergeben (Jer 34). Melanchthon entgegnete, dass in der aktuellen Situation kein derartiger Auftrag Gottes ergangen sei. Damit nahm er zwar den theologischen Einwand Brenzʼ auf, veränderte aber dessen Argumentationsgang.⁹⁴ Explizit setzte sich der Wittenberger mit täuferischen Einwänden gegen den Kriegsdienst auseinander und verlagerte das Tötungsverbot des Dekalogs sowie das Vergeltungsverbot der Bergpredigt in den privaten Bereich. Ausführungen über die Rechtmäßigkeit des Krieges gegen die „roten Juden“⁹⁵ sowie  Melanchthon / Brenz, Wie sich prediger und leien halten sollen, Av.  Melanchthon / Brenz, Wie sich prediger und leien halten sollen, Br.  Brenzʼ Argumentation bestand aus drei Punkten: .: Die Menschen zu Jeremias Zeiten seien nicht bußfertig gewesen, .: Zedekia sei durch Eid mit dem babylonischen König verbunden gewesen, den dieser jedoch gebrochen habe, .: Der König von Babylon sei von Gott selbst zum König der Welt eingesetzt worden.  „Wenn die not also fur fallet / so helfft manlich die rotten Juden / ihr morden weren / denn Methodius nennet die Türcken rodte Jüden / derhalben das Mahomet sich rhümet er habe die verheissung Abrahe / und wil der recht same Abrahe sein / und hat viel Jüdischen ceremonien angenommen / Aber es sind rotte Jüden / das ist blut hunde und morder / verfolgen den rechten samen Abrahe / und Methodius spricht Alexander hab sie verschlossen hinder dem Caspien gebirg / aber ein fuchs solle ihnen ein loch weisen dadurch sie hernach eraus komen / damit hat Methodius angezeigt / was er fur leute meine / nemlich die Turcken […].“ (Melanchthon / Brenz, Wie sich prediger und leien halten sollen, Br). Siegfried Raeder weist plausibel nach, dass Melanchthons Begriff der „roten Juden“ wohl der  in Wittenberg bei Georg Rhau herausgegebenen Chronik Johann Carions entstammte, wo die Bezeichnung ebenfalls auf Methodius zurückgeführt wird (Carion, Chronica, r). In der griechischen Methodiusʼ Apokalypse sei der Begriff jedoch

4.1 Anleitungen zur Predigt wider die Türken

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Aufgaben und Pflichten der weltlichen Obrigkeiten und ihrer Untertanen schließen den Wittenberger Erstdruck ab. Der Vergleich der Handschrift mit der Wittenberger Ausgabe führt m. E. deutlich vor Augen, dass in den ursprünglichen Brenz-Text massiv eingegriffen wurde. Die Annahme einer Allein-Autorschaft des Haller Predigers ist daher unmöglich geworden. Aufgrund des Briefes, den Melanchthon im Juli 1531 schrieb und in dem er selbst von Veränderungen sprach, die er am Text vorgenommen hat, ist er als einziger (Ko)autor anzunehmen. Die enorme Rezeption dieses Gemeinschaftswerks spricht für sich. Offensichtlich besaß man in Wittenberg ein Gespür für die Herausgabe publikumswirksamer Schriften. Die Bedeutung, die Brenz aufgrund „seines“ Türkenbüchleins in der Forschung erhielt, wäre ohne Melanchthons Zusätze wohl kaum denkbar gewesen.

4.1.3 Theophilus Glasers Turcken Büchlein (1594) Der Dresdener Superintendent Theophilus Glaser (1554 – 1603)⁹⁶ gab im Jahr 1594 ebenfalls ein Turcken Büchlein ⁹⁷ in den Druck. Das 160 Seiten umfassende Werk kann als Ausweis der enormen Rezeption von lutherischer Anweisungsliteratur zur Türkengefahr am Ende des 16. Jahrhunderts verstanden werden. Es enthält neben Luthers Heerpredigt ⁹⁸ auch das Türkenbüchlein ⁹⁹ Melanchthons und Brenzʼ sowie eine weitere Türkenpredigt, die den Titel trägt: Vom Türcken / Wie man sich

nicht nachweisbar (Raeder, Islamfrage,  f.). Zum Begriff der „roten Juden“ umfassend, aber das Türkenbüchlein von Brenz und Melanchthon nur am Rande erwähnend: Andrew Colin Gow, The Red Jews. Antisemitism in an Apocalyptic Age  – , SMRT  (Leiden / New York u. a. ),  – .  Biographisches: Theophilus Glaser wurde  im sächsischen Reinersdorf bei Großenhain als Sohn des späteren Dresdener Kreuzkirchenpfarrers Peter Glaser ( – ) geboren. Zum Wintersemester / immatrikulierte sich Glaser zum Studium in Wittenberg, das er  mit dem Magister artium abschloss. Er erhielt – wohl auf Initiative seines Paten Georg Fabricius, der Rektor der Fürstenschule in Meißen war – ein Stipendium des kursächsischen Hofes. Nach seiner Ordination in Wittenberg am . .  war Glaser bis  in Reinhardsgrimma bei Dippoldiswalde als Gemeindepfarrer tätig.  übernahm er in Dresden das Amt des Superintendenten, das er bis zu seinem Tod am . .  innehatte. (S. ausführlicher zur Biographie Glasers: HansPeter Hasse, Kirche und Frömmigkeit im . und frühen . Jahrhundert, in: Karlheinz Blaschke [Hg.], Geschichte der Stadt Dresden, Bd. , Von den Anfängen bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges [Stuttgart ],  – , hier:  – ).  Glaser, Turcken Büchlein.  Glaser, Turcken Büchlein, br-iv.  Glaser, Turcken Büchlein, ir-lv.

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4 Die evangelischen Türkenpredigten des 16. Jahrhunderts

wider denselben rüsten sol / Mit einem Bussfertigem leben und dem lieben Gebet. ¹⁰⁰ Diese Predigt, die als Verfassernamen Johannes Brenz trägt, gibt zunächst Rätsel auf, da sie auf den ersten Blick mit keiner bekannten Türkenpredigt des Haller Predigers identisch ist. Bei genauerem Hinsehen entpuppt sie sich jedoch als die erste Türkenpredigt der Homiliae viginti duae ¹⁰¹ des Haller Reformators. Wohl inspiriert durch die Arbeit an seinem Turcken Büchlein gab Glaser ein Jahr später eine deutsche Version aller 22 Brenz-Predigten heraus, die unter dem Titel erschienen: Etzliche Buss Predigten Aus den schrecklichen Historien von der Sündfluth/ vnd dem Exempel des Zorns Gottes vber die zu Sodom vnd Gomorra / Durch D. Ioannem Brentium Lateinisch gestellet … Deutsch von Theophilo Glasern. Die „Übersetzung“ der ersten Predigt Brenzʼ weist zahlreiche Einschübe des Dresdener Superintendenten auf, in denen er den Brenz-Text weiter ausschmückte und ihm einige weitere biblische Beispiele hinzufügte: Die Seitenanzahl der Glaser-Ausgabe von 45,5 Seiten (8°) gegenüber der Coccius-Übersetzung¹⁰² von 25,5 Seiten (8°) illustriert den enormen Eigenanteil Glasers.Vermutlich wollte Glaser auf diese Weise Brenzʼ Predigten an den in seiner Zeit üblich gewordenen größeren Umfang von Predigten angleichen. Im Hinblick auf die Genauigkeit und Qualität der Übersetzung ist Glasers Version des Brenz-Textes mit der Übersetzung, die Sebastian Coccius 1532 anfertigte, jedoch nicht vergleichbar: Der Dresdener Superintendent lieferte eine wesentlich freiere und ungenauere Übersetzung des lateinischen Originals. Neben den Predigten der beiden Reformatoren finden sich in dem Sammelband noch die kaiserliche Anordnung zum Gebet wider die Türken von 1566¹⁰³, ein Türkenlied auf die Melodie Aus tiefer Not schreiʼ ich zu dir, das vor der Predigt gesungen werden sollte¹⁰⁴, sowie Türkengebete unterschiedlicher Couleur und Autoren des gesamten 16. Jahrhunderts.¹⁰⁵ Mit seinem Sammelband setzte Glaser eine Tradition seiner eigenen Familie fort, denn schon sein Vater hatte sowohl 1557 Hundert und zwanzig Proheceyunge

 Glaser, Turcken Büchlein, mr-rv.  S. hierzu u. Abschn. ...  Abschn. ..  S. auch o. Abschn. ..; hier: Glaser, Turcken Büchlein, rr.  Glaser, Turcken Büchlein, rv-sr.  Es finden sich ein „Christliches Gebet / wider den Erbfeind den Türcken“ (sr-sr), „Ein HausGebet / täglich unter dem Geleute der Türcken Glocken zu sprechen“ (sr-sr), ein „Ander Gebet wider den Türcken“ (sr-sv), ein „Gebetlein für die kleinen Kinder“ in Reimform (sr-sv), „Ein ander Gebet wider den Türcken“ Peter Glasers (tr-tr), „Ein ander Gebet in nöthen / wegen der gantzen Christenheit“ (tr-tv), „Ein Gebet zu gemeiner Christenheit Wolfarth / für die vorstehende Reichsversammlung / und noth des gemeinen Vaterlands wegen des Türcken“ (tr-vr) und Veit Dietrichs Türkengebet zum Abschluss (ebd.).

4.1 Anleitungen zur Predigt wider die Türken

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als auch 1574 Zweihundert Prophezeiungen ¹⁰⁶ Martin Luthers in den Druck gegeben. Außerdem demonstrierte der Superintendent auf diese Weise seine lutherische Gesinnung, an der keiner der Leser des Turcken Büchleins zweifeln konnte: Nun ist auch das gewis / unn durch den seligen thewren Man Gottes / D. Martinum Lutherum aus der H. Göttlichen schrifft / in vielen Büchern erwiesen / erstritten unnd erhalten (Gott sey danck) das wier die rechte Christliche Kirche sind / nicht die Juden / Heiden / Papisten / Türcken / Widerteuffer / Jesuwiter und Sacramentirer / oder ihr anhang / Sie rühmen sich gleich und werffen sich auff mit ihren reformatis Ecclesijs,wie sie wöllen. Denn die Biblia und Gottes wort sampt dem rechten gebrauch der H. Sacrament stehet bey uns.¹⁰⁷

Glaser veröffentlichte seine Sammlung von Predigten, Liedern und Gebeten, „[d]amit nun einfeltige fromme Pastores und Christen / so es nicht besser wissen / ein gewis Formular haben möchten / darnach sie […] ihr Ampt ernstlich und trewlich verrichten köndten […].“¹⁰⁸ Seine Dresdener Gemeinde habe er mittels der „ordentlichen Predigten über den Psalter“ und der im Sammelband begriffenen Predigten „auff muntern und auff wecken“¹⁰⁹ wollen. Da er davon erfahren hatte, dass auch andere „Christliche Lehrer“ derartige Anweisungsliteratur in den Druck gegeben hatten und „ihr Bett und Weckglöcklein wider den Erbfeind des Christlichen Namens / allbereit haben bey ihren Pfarrkindern / hören und schallen lassen“¹¹⁰, wollte der Dresdener Superintendent nach dem paulinischen Grundsatz „Estote imitatores“ (Eph 5,1) deren Arbeit gleichsam „imitieren“.¹¹¹ Glaser spielte damit wohl auf das Weckglöcklein des Hannoveraner Kreuzkirchenpastors Rupert Erythropel (Rothut, 1556 – 1626) an, der unter diesem Titel im selben Jahr

 Zwischen Vorrede und erster Predigt (av) ließ Theophilus Glaser eine Imitation des bekannten Luther-Bildnisses von Lukas Cranach (um ) mit der Bildunterschrift „VIDE & LEGE“ abdrucken. Daran schließt sich der Hinweis auf das Werk Peter Glasers an: „Zweyhundert Propheceyung oder Weissagung des thewren Mannes D. Martini Lutheri, von allerley straffen / sonderlich der Türcken / etc.Welche Deudschland nach seinem tode / wegen der vielfeltigen und grossen sünden / uberfallen werden. M. Petri Glaseri Ecclesiast: Dresdensis, piae memor.“ – s. hierzu die Ausgabe des Druckes in der Bibliotheca Palatina: Glaser, Zwey hundert Propheceyunge, Bibl. Palat. F -F. Das verwendete Luther-Bildnis war in der Zeit des ausgehenden . Jahrhunderts eine der beliebtesten Darstellungen des Reformators und fand besonders häufig in Katechismen- und Flugblattdrucken Verwendung (s. hierzu: Scribner, Incombustible Luther,  – ).  Glaser, Turcken Büchlein, Av (im Druck sind Ar-Av ans Ende zwischen vv und vr geheftet).  Glaser, Turcken Büchlein, ar.  Ebd.  Ebd.  Ebd.

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4 Die evangelischen Türkenpredigten des 16. Jahrhunderts

Predigten über Ez 38 f. veröffentlicht hatte und bereits an einer weitaus umfangreicheren Ausgabe arbeitete, die ein Jahr später als Weckglock erschien. Theophilus Glasers Turcken Büchlein spiegelt exemplarisch die Resonanz wider, welche die Werke der Reformatoren am Ende des 16. Jahrhunderts erfuhren. Die Texte zur Türkengefahr, welche die Väter der Reformation verfasst hatten, erfreuten sich nach wie vor großer Beliebtheit und wurden zur (Selbst‐) Vergewisserung der dogmatisch „reinen“ Lehre weiter tradiert und konserviert. Und dennoch erschöpften sich die Sammelbände nicht immer in der Wiedergabe der alten Texte. Theophilus Glasers Turcken Büchlein markiert mit seinen angefügten Gebetstexten die aktuelle Umsetzung der gewonnenen Einsichten aus der Lektüre der Reformatoren: Der Gebetstext seines Vaters Peter Glaser¹¹² sowie das verordnete Gebet im Kurfürstentum¹¹³ können als Ausweis der zeitgemäßen Aneignung und Anwendung bis in die private Frömmigkeit hinein gelten.

4.2 Formale Aspekte der evangelischen Türkenpredigten Um spezifische Merkmale der Gattung Türkenpredigt definieren zu können, sollen im folgenden Abschnitt die Predigttexte, homiletischen Methoden, Adressaten und Regionen der Türkenpredigt-Sammlungen im Zentrum stehen. Um die Türkenpredigten im Kontext der homiletischen Praxis ihrer Zeit darstellen zu können, wird deshalb nicht selten unter Rekurs auf Arbeiten zur Predigtpraxis und lutherischen Homiletik in der Frühen Neuzeit ein Vergleich mit anderen (Thema‐) Predigten angestellt. Es wird sich zeigen, dass sich die Türkenprediger im Hinblick auf Aufbau, Methode und Adressaten ihrer Predigten im Bereich ihrer homiletischen Traditionen und Gepflogenheiten bewegten. Mit ihrem Fokus auf alttestamentliche Predigttexte und der deutlich als „obrigkeits-affirmativ“ zu beurteilenden Rhetorik der Predigten, die sich auch anhand ihrer regionalen Verteilung politisch begründen lässt, werden jedoch formale Kriterien gefunden, welche die Türkenpredigten von anderen Predigtgattungen unterscheiden und als deren Charakteristika zu gelten haben.

 Glaser, Turcken Büchlein, tr-tr.  Glaser, Turcken Büchlein, tr-vr.

4.2 Formale Aspekte der evangelischen Türkenpredigten

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4.2.1 Predigttexte Die lutherischen Türkenprediger legten ihren Predigten unterschiedliche Texte des Alten und Neuen Testaments zugrunde. Anhand ihrer Auswahl lässt sich zunächst nachweisen, dass die Türkenpredigten nur von wenigen Predigern im sonntäglichen Hauptgottesdienst gehalten wurden, denn die Predigttexte entsprechen nur selten den durch das Perikopensystem vorgeschriebenen Predigttexten der Sonntage.¹¹⁴ Die meisten Autoren hielten ihre Türkenpredigten wohl in den Wochengottesdiensten – genauer: in den vielerorts eigens eingerichteten Türkengottesdiensten¹¹⁵ vermutlich an den klassischen Bußtagen Mittwoch und Freitag¹¹⁶ – bzw. in den Nebengottesdiensten am Sonntag.¹¹⁷ Denn anders als Zwingli, der schon 1519 die Predigt neutestamentlicher Texte in der lectio continua forderte, ließ der auf altkirchlicher Überlieferung beruhende „Perikopenzwang“¹¹⁸  Ausnahmen sind: Hoë von Hoënegg, Sechs Türcken Predigten (.–. Sonntag nach Trinitatis); J. Rivander, Heerpredigt, Ar: „Sondern auch auf den . Sonntag nach Trinitatis eine Heerpredigt gethan wieder den bluthundt den Türcken.“ S. außerdem: Z. Rivander, Heerpredigt (Predigt über Lk  am zweiten Adventssonntag); Rupertus, Zwo Predigten, Er ff. (Zweite Predigt am Sonntag Invokavit). Außerdem kann bei neun der Dreyzehen Predigen Jakob Andreäs mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass sie in einem sonntäglichen Hauptgottesdienst gehalten wurden, weitere zwei wurden ebenfalls an einem Sonntag – evtl. aber nicht in einem Hauptgottesdienst – gehalten: . Predigt: Keine Angabe zum Predigtsonntag (Am ), .: Invocavit (Dan ), .: Oculi (Lk , Hauptgottesdienst), .: Laetare (Joh , Hauptgottesdienst), .: Judica (Joh , Hauptgottesdienst), .: Palmsonntag (Mt , Hauptgottesdienst), .: Jubilate (Joh , Hauptgottesdienst), .: Kantate (Joh , Hauptgottesdienst), .: Vocem Iucunditatis (= Rogate, Joh , Hauptgottesdienst), .: Himmelfahrt (Mk , Hauptgottesdienst), .: Exaudi (Joh +, Hauptgottesdienst), .: Trinitatis (Ez ), .: Keine Angabe zum Predigtsonntag (Ps ).  S.o. Abschn. ... Dank der präzisen Angaben jeweils in der Randglosse der einzelnen Predigt, können Bartholomäus Horns fünf Trostpredigten wider die Türken auf den ., ., . (Bartholomäustag), . und . August (Tag Johannes des Täufers)  datiert werden. Die abgedruckten Predigten waren wohl nicht die einzigen Türkenpredigten, die in Altenbruchhausen gehalten wurden. So rekurrierte der Autor bereits am Beginn seiner ersten Predigt auf die vorausgegangenen Wochenpredigten über „den Türken“: „Geliebten und Andechtigen im Herrn Christo / Nach deme wir inn gegenwertigen Kriegsleufften und Christlichem / notwendigem Feld und Heerzuge der Christen wider die Türcken / . unterschiedliche Puncta vom Türcken in unsern gewöhnlichen Wochenpredigten zuhandeln für uns genommen […]. So haben wir biß anhero durch Gottes gnade und deß heiligen Geistes beystand / hülffe […] und erleuchtung von den . gemelten Stücken / die ersten  in . unterschiedlichen Predigten gehandelt / und dieselbigen zum ende gebracht.“ (Horn, Trost Spiegel, Av-Ar).  S. hierzu Graff, Auflösung, .  S. allg. zu den „Nebengottesdiensten“: Graff, Auflösung,  – .  Vgl. zur Perikopenordnung in der Reformationszeit: Herwarth von Schade, Perikopen. Gestalt und Wandel des gottesdienstlichen Bibelgebrauchs, Reihe Gottesdienst  (Hamburg ),  – .

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4 Die evangelischen Türkenpredigten des 16. Jahrhunderts

bei den Lutheranern zumindest für die Hauptgottesdienste am Sonntag wenig Spielraum für Themenpredigten wie sie z. B. die Türkenpredigten darstellen. Somit bewegten sich die Türkenprediger in der Auswahl des Predigttextes in dem Rahmen, den die altkirchliche Tradition ihnen vorgab und den Martin Luther in seinen drei thematisch einschlägigen Schriften, den Traktaten Von Ordnung Gottesdiensts in der Gemeinde ¹¹⁹, Formula missae et communionis ¹²⁰ (beide 1523) sowie der Deutschen Messe ¹²¹ (1526), konkretisiert hatte. Demnach sollte im Hauptgottesdienst am Sonntag die Evangelienlesung ausgelegt werden, in den morgendlichen Wochengottesdiensten hatten Predigten über die Texte des Alten Testaments ihren Platz.¹²² Dass der Perikopenzwang jedoch zu einer „Einschränkung der Individualität des Predigers“¹²³ geführt habe, kann anhand der Analyse der Türkenpredigten nicht verifiziert werden. Schließlich hatten die Prediger mehrmals wöchentlich zu predigen und waren zumindest bei der Auswahl der Predigttexte für die Wochengottesdienste weniger stark an das Perikopensystem gebunden.¹²⁴ Die große Mehrheit der Predigttexte – rund 90 % – entstammt dem Alten Testament.¹²⁵ Die heilsgeschichtlichen Erkenntnisse aus der Geschichte Gottes mit

 WA ,  f.  WA ,  – .  WA ,  – .  In der Woche sollten morgens Lektionen und deren anschließende Auslegung ihren Platz haben: „Diße Lection soll aber seyn aus dem alten Testament, nemlich das man eyn buch fur sich neme und eyn Capitel odder tzwey odder eyn halbes leße, bis es aus sey, dar nach eyn anders fur nemen, und so fort an, bis die gantze Biblia aus gelesen werde, und wo man sie nicht verstehe, das man fur uber fare und got ehre.“ (WA , , – ). S. zum Inhalt der Wochenpredigten auch Graff, Auflösung, : „Gepredigt wurde entweder über die Epistel […], über den Katechismus […], über biblische Bücher oder über selbsterwählte Texte […]“. Obwohl Luther an der altkirchlichen Perikopenordnung festhielt, betonte Schade zudem dessen Offenheit für die lectio continua außerhalb des sonntäglichen Hauptgottesdienstes durch die Einführung von Metten und Vespern, „deren Ordnung die lectio continua der ganzen Bibel und deren Auslegung“ vorsah. (Schade, Perikopen, ).  Hans Martin Müller, Art. Homiletik, in: TRE  (),  – , hier: .  S. hierzu Beutel, Predigt, : „Zu den spezifischen Bedingungen der Predigt gehört ferner deren immense, von den meisten Kirchenordnungen der Zeit festgeschriebene Häufigkeit. In Städten galten zwei bis drei Sonntags- sowie mehrere Wochenpredigten als normal. Durchschnittlich hatte ein Pfarrer des späten . und . Jh. jährlich  Predigten zu halten, die gewöhnlich ein bis zwei Stunden, bei Leichenpredigten bis zu drei Stunden dauerten.“  Dieser Befund scheint nicht allein für die Sonderform der Türkenpredigten, sondern allgemein für Predigten des Konfessionellen Zeitalters zu gelten. Bereits Sabine Holtz arbeitete für Predigten von Tübinger Theologen zwischen  und  heraus, dass „besonders das Alte Testament und seine Lebensauffassung Einfluß auf die Gestaltung frühneuzeitlichen Alltagslebens“ hatte (Sabine Holtz, Theologie und Alltag. Lehre und Leben in den Predigten der Tübinger

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Abb. 5 Predigttexte der ev. Türkenpredigten

dem Volk Israel übertrugen die Prediger auf ihre aktuelle Situation: Genauso wie Gott mit den Israeliten verfuhr, würde er nun auch mit den Deutschen verfahren. Indem dieser sich fremder Völker und Mächte bediente, strafte er sein Volk und brachte es auf diese Weise zur Umkehr. So wählte schon Johannes Brenz in seinen Homiliae viginti duae (1532) die Geschichten von der Sintflut, von Sodom und Gomorrah und die Exodus-Erzählungen des Volkes Israel als Grundlage seiner Predigten.¹²⁶ Die Kritik des Propheten Amos an den „Stolzen zu Zion“ (Am 6)

Theologen  – , SuR N.R.  [Tübingen ], ). Obwohl auch in Württemberg die Perikopenordnung „keine sonntäglichen Predigten über alttestamentliche Texte vor[sah]“, wurden diese in großem Umfang sowohl den Wochen- als auch Kasualpredigten zu Grunde gelegt (Holtz, a.a.O., ).  S. u. Abschn. ...

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4 Die evangelischen Türkenpredigten des 16. Jahrhunderts

wählten Jakob Andreä und Georg Mylius für jeweils eine ihrer Predigten aus.¹²⁷ Die prophetischen Texte boten den Predigern sowohl in hermeneutischer als auch in rhetorischer Hinsicht ein unvergleichliches Repertoire, aus dem sie schöpfen konnten. Die eigene Gegenwart konnte aufgrund der exegetischen Erkenntnisse in ein apokalyptisches Szenario eingeordnet werden, was einer Dynamisierung der eigenen Anliegen gleichkam. Als populärster Predigttext hat mithin Ez 38 f. zu gelten: Immerhin 78 der 185 lutherischen Predigten traktieren diese alttestamentliche Weissagung von Gog aus Magog, den man als Türken entlarvt hatte. Bezeichnenderweise stammen die meisten dieser Predigten aus den 1590er Jahren, obwohl spätestens schon 1529 Luther diese exegetische „Entdeckung“ in seiner Heerpredigt in großem Stil kommuniziert hatte.¹²⁸ Offenbar gingen die Türkenprediger der 1560er Jahre homiletisch andere Wege. Zwar legte auch Heinrich von Efferhen seinen XIII Christenlichen Predigten Ez 38 f. zugrunde¹²⁹, doch eine vergleichbare Dichte wie in den 1590er Jahren findet sich auch in den 1560er Jahren nicht. Ab 1594 widmeten sich immerhin vier komplette Predigtsammlungen den beiden Kapiteln aus dem Ezechielbuch, was insgesamt schon 60 Predigten entspricht. Als erster hatte Rupert Erythropel (Rothut) im „Langen Türkenkrieg“ 1593 in Hannover sein Kleines Weckglöcklein klingen lassen und die beiden alttestamentlichen Kapitel in zwölf Predigten ausgelegt.¹³⁰ Ihm folgten 1596 Salomo Gesners Funffzehen Predigten Vom Türcken sowie Jakob Schoppers GOttes Weissagung / Vom Türcken. Nikolaus Mörings Unüberwindlicher CHristen Schutz ein Jahr später sowie Johannes Lauchs Ein und Dreißig Predigen vom Türcken (1598) widmeten sich ebenfalls den beiden Kapiteln. Am zweithäufigsten wurde Ps 79 in den Predigten ausgelegt. Luthers Aufruf zum Beten des Psalms in seiner Vermahnung zum Gebet wider den Türken (1541)¹³¹ hatte offenbar Früchte getragen – insgesamt 28 Predigten diente der Psalm als Predigttext: Bereits 1567 veröffentlichte Esaias Heidenreich d.Ä. seine XII. Tůrcken Predigten uber den 79. Psalm und 27 Jahre später gab Peter Lagus die bereits 1565 von Heinrich Roth gehaltenen Fünff Türckenpredigten über Ps 79 heraus. Ein Jahr  Andreä, Dreyzehen Predigen,  –  und Mylius, Zehen Predigten, r-v.  S. hierzu o. Abschn. ...  Zu Efferhens Predigten ausführlicher u. Abschn. ...  Im Vorwort seines Weckglöckleins verwies Erythropel sodann auch auf die ihm bekannten Auslegungen von Ez  f., auf die er sich mithin bezog: „Diese Erklärung aber / uber das . und . Capitel gethan / ist nicht allerding mein eygene Außlegung / noch auß meinem Gehirn gesponnen / sonder auß Doctoris Henrici Epherhen Predigten / Osiandri und ander Gottesgelehrter Männer Büchern / die uber Ezechielem außgangen / colligirt und genommen.“ (Erythropel, Weckglöcklein, Av).  S. hierzu o. Abschn. ...

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später stellte Johann Assum seine Türckenpredigten uber den LXXIX. Psalmen (1595) fertig. Die im Türkendiskurs des Jahrhunderts prominent gewordene Exegese von Dan 7, die 1529 von Wittenberg ausgehend weite Kreise gezogen hatte, schlug sich als Predigttext nur auf sechs Predigten nieder: Als erster hatte Jakob Andreä in der zweiten seiner Dreyzehen Predigen vom Türcken (1568) an Invocavit 1568 die alttestamentliche Weissagung vom kleinen Horn in der Tübinger Stiftskirche ausgelegt.¹³² Georg Mylius widmete der Perikope drei Predigten¹³³, Johannes Paul Sutorius beschrieb das Wesen der Türken anhand von Dan 7 in zwei seiner Predigten¹³⁴. Präferenzen in Hinblick auf die Auswahl neutestamentlicher Predigttexte zeigen sich bei den lutherischen Predigern nicht. Nicht eine Perikope wird von mehreren Predigern verwendet. Da Jakob Andreä vier Predigten der Auslegung von Joh 16 widmete, kann die Ankündigung des Parakleten als die am häufigsten traktierte neutestamentliche Passage gelten. Es überrascht, dass die Aussagen aus 2Thess 2 über den Antichrist nicht in einer einzigen Türkenpredigt ausgelegt wurden. Auch die Ansage des letzten Kampfes vor dem Weltgericht in Offb 20 wurde nur von Johann Gigas 1566 in seiner Türkenpredigt Vom Türcken und Sterben verhandelt. Nur wenige Prediger legten die Evangelientexte des jeweiligen Sonntags ihren Predigten zugrunde.¹³⁵ Überraschend ist die Textgrundlage in Melchior Fabriciusʼ Türcken Predigt (1592): Der Nördlinger Diakon verglich die aktuelle Gefahr durch das türkische Heer mit der Verfolgung der Christenheit durch Saulus. Die Auslegung des Damaskuserlebnisses (Apg 9) sollte den Hörern das Mitleiden Gottes mit den Christen und die Hoffnung auf sein Eingreifen in den Weltenlauf versichern.

4.2.2 Aufbau und Methode Während die Prediger mit der Auswahl der Predigttexte durchaus gattungsspezifische Eigenheiten schufen, orientierten sie sich beim Aufbau und der Methode der Predigten an den homiletischen Vorgaben und Veränderungen ihrer Zeit. Im

 Andreä, Dreyzehen Predigen,  – .  Mylius, Zehen Predigten, r-r u. v-r.  Sutorius, Acht Christliche […] Predigten, v-v.  S. hierzu z. B. die Sechs Türcken Predigten () des Plauener Superintendenten Hoë von Hoënegg, in denen er die Evangelien des . bis . Sonntages nach Trinitatis auslegte sowie einige der Predigten Andreäs (vgl. Anm. ) und Z. Rivander, Heerpredigt (Predigt über Lk  am zweiten Adventssonntag).

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4 Die evangelischen Türkenpredigten des 16. Jahrhunderts

Großen und Ganzen bestätigen die Türkenpredigten die bereits von Alfred Niebergall herausgearbeitete Wandlung der „Methode der Predigt“, die bei Luther noch die Auslegung des Textes „nach Art einer Homilie“ umfasste, später jedoch im Sinne Melanchthons immer mehr „die in dem Text vorhandenen theologischen loci herausarbeitete“ und bis zum Ende des Jahrhunderts „immer deutlicher das Gepräge der Lehrpredigt“ erhielt.¹³⁶ Neuere Arbeiten zur Predigt der Frühen Neuzeit, wie sie z. B. von Sabine Holtz vorgelegt wurden¹³⁷, sollen in der folgenden Betrachtung ebenso einbezogen werden. Festzustellen ist zunächst, dass sich den drei konstatierten Phasen der Türkenpredigten entsprechend drei unterschiedliche Predigtstile zuordnen lassen, die sich ihrerseits auch auf den Aufbau der Predigten auswirkten. Johannes Brenzʼ Homiliae viginti duae stellen mithin die erste gedruckte evangelische Türkenpredigtsammlung im 16. Jahrhundert dar.¹³⁸ Verteilt auf die Predigten 2– 22 legte der Haller Reformator sechs alttestamentliche Historien aus. Am Beispiel der zweiten Predigt, die im Rahmen der ersten Historie, der Sintfluterzählung, Gen 6,1– 3 auslegt, sollen im Folgenden Aufbau und Methode der brenzschen Türkenpredigten vorgestellt werden. Zu Beginn der Predigt erklärte und verteidigte der Haller Prediger seine Vorgehensweise. Auf die fiktive Frage eines Hörers, welchen Aktualitätsbezug die vorgetragenen Exempel des Alten Testaments hätten, folgt die Rechtfertigung des Predigers anhand neutestamentlicher Aussagen zum Verständnis alttestamentlicher Passagen im Allgemeinen und der Erzählung von der Sintflut im Besonderen.¹³⁹ Es mag kaum

 Alfred Niebergall, Die Geschichte der christlichen Predigt, in: Karl Ferdinand Müller / Walter Blankenburg (Hgg.), Leiturgia, Bd. , Gestalt und Formen des evangelischen Gottesdienstes. I. Der Hauptgottesdienst (Kassel ),  – , .  Holtz, Theologie und Alltag.  Ausführlich zu Brenzʼ Homiliae viginti duae u. Abschn. ...  „Denn wiewol ich ewer liebe des offt erinnert / noch dannoch das mit nit yrgents ainer furwerff / was geet den Türcken die gschicht von Noe und dem sündfluß an / du wilt uns von des Türcken angriff predigen / und hellts uns Noes geschicht für / wie sol sich das reymen? Das mir kainer solchs unverschämpt entgegen werffen möcht / hat mich für not an gesehen kürtzlich widerumb anzuzeygen / das der heyligen geschrifft geschicht uns am meesten zugehören. Dann Paulus / da er zu den Röm. schreybt / sagt er also. Alles was vorgeschriben ist / das ist uns zu einer leer geschrieben. […] Ferner zeygt Christus an / das nit allein alle ding der heyligen gschrifft / sonder auch die geschicht vom sündfluß zu Noe zeyten geschehen / uns zur leer geschrieben sey / da er also sagt im Luca.Wie es zu Noe zeytten war / also wirts auch sein in den tagen des suns des menschen […].“ (Brenz / Coccius, Zwo und zwaintzig Predig, Cr-Cv). „Tametsi enim de hoc saepe caritatem vestram admonuerimus, tamen ne nunc quisoiam nobis importune obij ciat, quid ad Turcam historia Noe et diluvij? de Turcarum incursione nobis concionaturus, historiam Noe proponis, que conventio? Haec inquam, nequis impudenter obijciat, necessarium duxi, ut iterum paucis astendam, scripturae sacrae historias, maxime omnium ad nos pertinere. Etenim Paulus

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überraschen, dass die theologische Erkenntnis scriptura sui ipsius interpres auch bei Johannes Brenz dazu führte, dass er die biblischen Texte im sensus literalis sive historicus interpretierte. Anschließend legte der Prediger die ersten drei Verse von Gen 6 aus, indem er zwar nicht Vers für Vers, wohl aber Abschnitt für Abschnitt zunächst den biblischen Text zitierte, um sodann dessen historische Deutung auszuführen. Erst am Ende der Predigt erfolgt die Anwendung des biblischen Textes auf die gegenwärtige Situation: „Es ist aber yetzund zeit / das wir das wesen der welt / so vorm sündfluß gewesen / unser zeit vergleichen / das wir aus frembder gefar lerne erachten / was uns vor augen sey.“¹⁴⁰ Die Feststellung von Missständen in Handwerk und Gewerbe und die Reduzierung auf sexuelle Triebe in Gesellschaft und Ehe, bei Geistlichen und Laien ließ Brenz zu der Schlussfolgerung kommen: „Dann der Türck verderbt schon Osterreich yetz auch / unn wie dz geschrey laut / verschont er weder weib noch kindt. Mit welcher that uns der Herr nicht anders in die ohrn schreit / dann sein alt lied. Besser dich / dann wirstu dich nit bessern / sihe / so hab ich schon das gantz Teutsch land in der Türcken hend geben.“¹⁴¹ Brenzʼ Predigtweise entspricht der von Niebergall bereits für Luther festgestellten Vorliebe für Homilien.¹⁴² Thema-Predigt und die Auslegung in homilienartiger Form widersprachen sich bei Brenz demnach nicht. Dies wurde vor allem aufgrund der freien Wahl des Predigttextes möglich. Gut 35 Jahre später, in der zweiten Phase der Türkenpredigten, konnten die Theologen der „zweiten Generation“ bereits auf Homiletiken, die in Folge der Einflüsse Luthers und Melanchthons entstanden waren, zurückgreifen. Allen gemeinsam war nach wie vor die Konzentration auf die Schriftgemäßheit der Predigt. Mehr und mehr forderte man jedoch die stärkere Fokussierung auf einzelne theologische Topoi ein. Antike Rhetorik wurde mit Erkenntnissen aus der reformatorischen Rechtfertigungslehre verknüpft.

Romanis scribens, ita inquit, Quaecumque: praescripta sunt, in nostram doctrinam prescripta sunt. […] Iam cum omnia sacrarum literarum, tum vero praecipue historiam de diluvio Noe temporibus facto, in nostri doctrinam scriptam esse Christus indicat, sic apud Lucam dicens. Sicut accidit in diebus Noe, ita erit et in diebus filij hominis.“ (Brenz, Homiliae viginti duae, Cr-Cv).  Brenz / Coccius, Zwo und zwaintzig Predig, Cr. „Sed nunc tempus est, ut qaecumque; de conditionibus illius saeculi quod paulo ante diluvium fuit, audivimus, nostro saeculo, quantam fieri potest, accommodemus, ut ex alienis periculis, quid nobis futurum immineat, arbitremur.“ (Brenz, Homiliae viginti duae, Cr).  Brenz / Coccius, Zwo und zwaintzig Predig, Cv. „[…] longus nunc prolata est, devastat enim nunc Turca Austriam, et ut fama fert, nec mulieribus, nec infantibus parcit. Quo facto nihil aliud Dominus nobis in aures nostras clamat, quam vetus illud suum dictum. Resipisce, nisi enim resipueris, ecce totam Germaniam in manus Turcarum tradidi.“ (Brenz, Homiliae viginti duae, Dv).  Niebergall, Geschichte, .

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Als „erste[r] Homiletiker der evangelischen Kirche“¹⁴³ gilt gemeinhin Andreas Hyperius (1511– 1564), der für die Predigt drei Dinge forderte: Sie sollte docere, delectare et flectere. In seiner Schrift De formandis concionibus sacris (1553) entwarf er fünf Genera der Predigt, die er aus 2 Tim 3,16 und Röm 15,4 gewann: Doctrina (Lehre), Redargutio (Widerlegung), Institutio (Mahnung), Correctio (Strafe) und Consolatio (Trost). Während jedoch Hyperius diese Genera als unterschiedliche Predigtarten verstand, wurden sie späterhin „als Prinzipien für die Auslegung und Anwendung des Textes innerhalb einer Predigt empfohlen“¹⁴⁴, sodass auf diese Weise das Genus zum Usus wurde.¹⁴⁵ Die Grenzen für die einzelnen Predigtmuster sind fließend, sodass sich keine exakten Daten für das eine oder andere Modell treffen lassen. Besonders im späteren 16. Jahrhundert orientierte sich die Gliederung der Predigten häufig an dem Schema antiker Rhetorik, wonach dem Exordium die Abschnitte der Propositio und Applicatio (hier erfolgte zumeist die Anwendung der fünf Genera) folgten, die von einer Conclusio und häufig einem Epilogus abgeschlossen wurden.¹⁴⁶ Allerdings konnten sämtliche Gliederungselemente auch ausgetauscht werden bzw. teilweise entfallen, „ihre Anordnung [wurde] nicht starr gebraucht“¹⁴⁷. Auch in Tübingen wurden von Lukas Osiander ¹⁴⁸ und Jakob Andreä ¹⁴⁹ neue Akzente in der Homiletik gesetzt. Aufbauend auf Hyperius erarbeitete Osiander ein viergliedriges Predigtschema, das aus Exordium, Narratio, Propositio und Explicatio bestand. Im letzten Teil sollte die Loci-Methode Melanchthons Anwendung finden, die jedoch eher im ethischen denn im dogmatischen Sinne aufgenommen wurde.¹⁵⁰ Andreä, dessen Werk erst posthum von Polycarp Leyser herausgegeben wurde, legte seinen Predigten das osiandrische Modell zugrunde, wobei jedoch die Confirmatio der Explicatio Osianders entsprach.¹⁵¹ Als Beispiel für Methode und Aufbau von Türkenpredigten der zweiten Phase soll die erste von Heinrich von Efferhens (1530 – 1590) XIII Christenlichen Predigten

 Ernst Christian Achelis, Lehrbuch der Praktischen Theologie, Bd.  (Leipzig, . Aufl. ), ; zur Homiletik des Andreas Hyperius außerdem: Martin Schian, Die Homiletik des Andreas Hyperius, ihre wissenschaftliche Bedeutung und ihr praktischer Wert, in: ZPrTh  (),  –  und  (),  –  und  – ; Niebergall, Geschichte,  f.; Müller, Homiletik,  f. und Holtz, Theologie und Alltag, .  Niebergall, Geschichte, .  Holtz, Theologie und Alltag, .  Ebd.  Ebd.  Osiander, De Ratione.  Leyser, Methodus Concionandi.  Holtz, Theologie und Alltag, .  Holtz, Theologie und Alltag, .

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dienen.¹⁵² Zu Beginn der Predigt steht das Exordium, das von Efferhen bewusst knapp gehalten wurde. Nach der Benennung des Themas in Ez 38 f., das die „besondere […] und treffliche […] zerstörung und verwüstung des volckes Gottes“ bis hin zur „wunderbarlichen erlösung“ umfasste, erfolgte die Formulierung des Predigtziels: Nichts weniger als die Ursache der „zerstörung und verwüstung des volcks Gottes“¹⁵³ zu erkennen, sie zu „vermeiden“ oder – sofern man doch schon „der algemeinen verachtung deß Göttlichen worts unnd der welt unzucht und boßheit halben auch darein gerathen“¹⁵⁴ wäre – Buße zu tun, waren die erklärten Ziele von Efferhens. In der Art einer Narratio folgt die biblische Begründung für die Ausrottung des Volkes Gottes: Sie geschehe aufgrund „der grossen verachtung deß Göttlichen worts / unreinigkeit / abgötterey / und boßheiten des volcks“¹⁵⁵. Deshalb sei der Zorn Gottes entbrannt, durch den „Gog mächtig unnd gewaltig“ wurde – ja, der Satan selbst sei in ihm. Doch von Efferhen sah auch die Möglichkeit des göttlichen Schutzes für diejenigen, die „von den lastern sich unbefleckt gehalten / und Gott […] geförcht haben“¹⁵⁶. Mit diesem Trost leitete der Prediger sodann zur knappen Propositio über, die lediglich die folgende Gliederung der Explicatio vorstellt. Bestehend aus drei Teilen zeigt sie auf, „wer diser Prophet Ezechiel seye“¹⁵⁷, dass „noch nit erfüllet sey / was in disen zweyen Capiteln geweissaget worden“¹⁵⁸ und „wann und zu welcher zeit / dise Prophecey erfüllet werde“¹⁵⁹. Fast schon schulmäßig entsprechen diesen Teilen die Elemente der Doctrina, Institutio und Correctio. Eine knappe Conclusio ¹⁶⁰ sowie ein Epilogus ¹⁶¹ schließen die erste der XIII Christenlichen Predigten ab. Von Efferhens Predigtweise steht exemplarisch für die Türkenpredigten der zweiten Phase: Die Konzentration auf die Schriftgemäßheit der Interpretation und das gleichzeitige Interesse daran, zentrale theologische Loci des Textes herauszufiltern und für die Hörer – häufig mit ethischem Impetus – fruchtbar zu machen, kennzeichnen die Türkenpredigten dieser Zeit. Am Beispiel der ersten der Sechs Türcken Predigten (1606) des Plauener Superintendenten und späteren Dresdener Oberhofpredigers Matthias Hoë von Hoënegg (1580 – 1645) soll im Folgenden der Predigtstil der Türkenpredigten der          

S. ausführlich zu von Efferhens Predigten u. Abschn. ... Abschn. ... Efferhen, XIII Christenlichen Predigten, bv. Ebd. Ebd. Efferhen, XIII Christenlichen Predigten, bv-cr. Efferhen, XIII Christenlichen Predigten, cr-cr. Efferhen, XIII Christenlichen Predigten, cr-dv. Efferhen, XIII Christenlichen Predigten, dv-dr. Efferhen, XIII Christenlichen Predigten, dr.

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dritten Phase analysiert werden. Der „umstrittenste“, „gefürchtetste“ und „vielleicht auch überschätzteste“¹⁶² Kontroverstheologe seiner Zeit inszenierte schon in seinen früheren Werken nicht ohne Angriffslust die konfessionellen Auseinandersetzungen seiner Zeit. Dies trifft auch auf seine Sechs Türcken Predigten zu. An sechs aufeinander folgenden Trinitatis-Sonntagen – vermutlich im Hauptgottesdienst – hielt der Superintendent wohl im Jahr 1605 seine Predigten, die er 1606 bei Abraham Lamberg in Leipzig herausgab. Die Vorrede ist datiert auf den 1. Januar 1606 und Herzog Johann Georg von Sachsen, dem späteren sächsischen Kurfürsten, gewidmet. Als Predigttext diente dem Prediger die erste Antithese der matthäischen Bergpredigt (Mt 5,20 – 26). Nach dem Verlesen des Predigttextes folgte im Exordium ¹⁶³ die Benennung des Themas der Predigt, das jedoch nicht aus dem Predigttext, sondern aus Eph 5 und Röm 12 entnommen wurde. Paulus vermahne dazu, „das man sich in die Zeit schicken solle / zumal wenn dieselbe etwan böß und gefehrlich ist / welche Vermanung dann wir auch jetzo / den schwebenden läufftend er Welt nach wol zu Hertzen und Ohren nemen und fassen sollen.“¹⁶⁴ Angesichts der aktuellen Weltläufte, die durch die osmanische Bedrohung geprägt seien, sei es notwendig, „das wir uns in die Zeit schicken / und derselben trewlich warnemen […] / darmit wir etlicher massen unsers Theils vor dieser mächtigen Straff mögen gesichert werden.“¹⁶⁵ Nach der Bekanntmachung des fürstlichen Mandats, wonach das Türkengebet wieder eingefordert wurde und Betstunden wider den „Erbfeind“ abzuhalten waren, folgt in der Propositio ¹⁶⁶ die Hinführung zur folgenden Predigt und den weiteren Türkenpredigten. Ausführlich beschrieb Hoë von Hoënegg innerhalb der Explicatio ¹⁶⁷ seiner Predigt die Argumente für das militärische Eingreifen gegen die Türken. Eingehend wird über die „gegnerischen“ Argumente – hier: der Calvinisten, „Wiedertäufer“ und Katholiken – „informiert“, um sodann die lutherische, als einzige den Krieg befürwortende, Konfession präsentieren zu können. Der Prediger nutzte die in der Auslegungsgeschichte von Mt 5 virulente Frage nach der christlich-ethischen Legitimation eines Krieges und verband sie mit der paulinischen These, sich „in die Zeit zu schicken“. Nachdem der Prediger herausgestellt hatte, dass ein Krieg nicht nur

 Thomas Kaufmann, Dreißigjähriger Krieg und Westfälischer Friede. Kirchenhistorische Studien zur lutherischen Konfessionskultur, BHTh  (Tübingen ), . Vgl. zu Hoë zuletzt: Baum, Islam und Wolfgang Sommer, Die lutherischen Hofprediger in Dresden. Grundzüge ihrer Geschichte und Verkündigung im Kurfürstentum Sachsen (Stuttgart ),  – .  Hoë von Hoënegg, Sechs Türcken Predigten,  – .  Hoë von Hoënegg, Sechs Türcken Predigten, .  Hoë von Hoënegg, Sechs Türcken Predigten, .  Hoë von Hoënegg, Sechs Türcken Predigten,  f.  Hoë von Hoënegg, Sechs Türcken Predigten,  – .

4.2 Formale Aspekte der evangelischen Türkenpredigten

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erlaubt, sondern in dieser speziellen Situation sogar Gottes Wille¹⁶⁸ sei, schloss er seine Predigt mit einem Epilogus ¹⁶⁹ in Form eines Türkengebets aus verschiedenen Psalm-Versen ab. Beispielhaft zeigt diese späte Predigt die Veränderung der Predigtweise im Laufe des gesamten Reformationsjahrhunderts. Die XIII Christenlichen Predigten Hoës von Hoënegg bestätigen einerseits das eingangs zitierte Bild Niebergalls einer immer lehrhafter werdenden Predigt im Zeitalter der Orthodoxie, die sich von der Form der Homilie und der Textgebundenheit verabschiedet zu haben schien.¹⁷⁰ Doch andererseits ist damit nur die Methode der Predigt umschrieben, nicht ihr Ziel. Sabine Holtz stellte für die ihrer Arbeit zugrunde liegenden Tübinger Predigten heraus, dass es das Ziel lutherischer Predigt nicht erst im Pietismus, sondern schon in der Orthodoxie war, „wahren Glauben und rechtes Leben“¹⁷¹ zu vermitteln. Damit stand beides, Lehre und Ethik – Theologie und Alltag – im Zentrum. Und obwohl es sich bei den meisten der Türkenpredigten dieser Zeit um Lehrpredigten im klassischen Sinne handelte, drangen die Prediger stets auf die Anwendbarkeit der Predigt im Alltag ihrer Leser.¹⁷² Häufig forderten sie als

 Bezeichnenderweise wandte der Plauener Superintendent die Kreuzzugsrhetorik, den Schlachtruf der Kreuzfahrer „Deus vult“, auf seine Gegenwart an: „Deus vult, ist auch jetzo die losung / und auff solches wort kan getrost das Netz außgeworffen / der Pantzern angezogen / die Sturmhauben auffgesetztet / die Geschütz geladen / die Schwerter außgezogen / unnd auf den Türcken eingestürmet werden.“ (Hoë von Hoënegg, Sechs Türcken Predigten, ).  Hoë von Hoënegg, Sechs Türcken Predigten, .  Salomo Gesners Funffzehen Predigten Vom Türcken widerstrebten diesem Trend: Der Prediger legte nacheinander die einzelnen Verse von Ez  f. aus. Jedoch ist das Verhältnis von Auslegung und thematischer Engführung auf vorrangig konfessionelle Konflikte unausgewogen, sodass die Exegese nur etwa / der jeweiligen Predigt ausmachte.  Holtz, Theologie und Alltag,  (Hervorhebung D.G.).  Auch Albrecht Beutel interpretiert die Predigt des konfessionellen Zeitalters auf diese Weise: „Aufs Ganze gesehen hat freilich die Predigt des konfessionellen Zeitalters die ihr aufgetragene, von akademischer Theologie auf lebenspraktische Frömmigkeit zielende Transferleistung durchaus bewältigt. Bis auf wenige spektakuläre Ausnahmen blieb sie nicht etwa im unfruchtbaren theologisch-homiletischen Theorienstreit stecken, sondern vollzog eine weniger an den dogmatischen loci als an Bibel und Katechismus orientierte, erfahrungsbezogene, lebensnahe, auf die Verbindung von wahrem Glauben und rechtem Leben zielende Elementarisierung.“ (Beutel, Predigt, ).Vgl. hierzu auch den kritischen Hinweis des Pfarrers Johann Christoph Flurer, der in der zweiten seiner sechs Predigten über Ex  im Jahr  vor einer Selbstinszenierung des Predigers auf der Kanzel warnte und einen deutlichen Hörerbezug einforderte: „[…] also will noch allen Lehrern und Predigern gebüren / das sie nicht fürwitzige fragen spinnen / hohe und subtile disputationes auff die Cantzel bringen / und unnötige gezenke suchen: sondern von solchen notwendigen Lehrpuncten den einfeltigen hauffen trewlich und fleisig unterrichten / auff das sie den trost haben können / wann gleich der Sathan hernachmals durch seine instrumenta friede

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praktische Konkretisierung das Gebet und die Andacht zu Hause ein. Auch Hoë von Hoënegg verfuhr so und forderte seine Gemeinde auf: „So lasset uns dargegen von Haus aus / zu Geistlichen Wehren und Waffen begeben / zu dem lieben Gebet / welches die rechte Cardaune ist / wenn sie mit Andacht und Glaub geladen wird / darmit dem Feind mächtiger abbruch geschehen kan.“¹⁷³

4.2.3 Adressaten In dem Moment, in dem die Predigt die Offizin des Druckers verließ, änderten sich unwillkürlich ihre Adressaten. Die Prediger sorgten selbst dafür, dass ihre Arbeiten ein größeres, überregionales und häufig auch gebildeteres Publikum erreichten. Eine derartige Ausweitung der geographischen und sozialen Reichweite wäre im Stadium der mündlichen Predigt unmöglich gewesen. Da Nachrichten von Rezipienten fehlen, müssen anhand der Vorreden der einzelnen Predigtsammlungen die von den Theologen ins Auge gefassten Adressaten bestimmt werden. Zunächst kommen hierbei die Widmungen in den Blick. Zum überwiegenden Teil widmeten die Prediger ihre Schriften Angehörigen des niederen bzw. hohen Adels. Sie sprachen damit in den meisten Fällen persönliche Mäzene an, die sie bereits in der Vergangenheit finanziell und/oder im Hinblick auf ihre Karriere gefördert hatten.¹⁷⁴ Auch Adligen, die eine besondere Funktion innerhalb des und unruhe / und mancherley ergerniß anrichtet / das sie dennoch daran nicht schuldig seyen / sondern friede und warheit von hertzen gesucht haben.“ (Flurer, Das Lied Mosis, Er+v).  Hoë von Hoënegg, Sechs Türcken Predigten, .  S. hierzu z. B. die Vorrede zu Johannes Lauchs Ein und Dreißig Türcken Predigten, in welcher der Velburger Superintendent seinem Pfalzgrafen Philipp Ludwig für mannigfaltige Unterstützung dankt: „Nachmalen soll gegen E.F.G. ich mich billich auch dermalen eins mit underthenigem danck erweisen / Dieweil dieselben nicht allein meinen lieben Eltern seligen / und andern geschwistrigten jedesmal hochrhümliche Fürstliche miltigkeyt erzeiget: Sondern auch mich fünff Jar in dem Fürstlichen Collegio zu Laugingen / unn vierthalb Jar lang auff der Universitet zu Tübingen gnädig underhalten / mich nachmalen mit Diensten versehen / unn bißher mir mit allen Gnaden gewogen gewesen. Wie dann solches darauß erscheinet / das E.F.G. kurtz verfloßner zeit / von wegen besserung meiner besoldung / an einen Ehrsamen Rhat allhie gnädige Intercession ergehn lassen / derer ich würcklich genossen / und E.F.G. dafür die tag meins lebens underthenig zudancken hab.“ (Lauch, Ein und Dreißig Türcken Predigten, Av-Br). Auch Zacharias Praetorius widmete sein Handbüchlein wieder den Türcken einem „gnedigen herren und Mecenaten“. Der Prediger hatte von Graf Eck von Salm und Neuburg am Inn „die gröste woltat in Osterreich empfangen“, sodass er diesem die Predigten widmete und ins Feldlager schickte (Praetorius, Handbüchlein, Ar). S. auch Gesner, Funffzehen Predigten, )( v – )( r: „Das aber E.F.G. Ich diese meine wenige Predigten habe zuschreiben unn jn unterthenigkeit zuschicken wollen / ist solches

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Türkenkrieges einnahmen und hier als Ritter, Hauptmänner, Oberste oder Kriegsräte fungierten, galten die Widmungen.¹⁷⁵ Zum Teil seien die Adligen selbst bei den Predigten anwesend gewesen¹⁷⁶. Andere Widmungen galten persönlichen Vertrauten der Prediger, die zwar nicht dem Adel angehörten, wohl aber häufig bedeutende Funktionen innerhalb der Stadt oder des Fürstentums innehatten.¹⁷⁷ Eine nicht unbeträchtliche Anzahl der Predigten war sodann bestimmten Gruppen gewidmet – häufig den Gemeinden, welchen schon die mündlich vorgetragenen Predigten galten.¹⁷⁸ Doch auch die christlichen Gemeinden in den Kriegsgebieten wurden von den Predigern bedacht.¹⁷⁹ Die in den Widmungen angesprochenen Einzelpersonen oder Gruppen decken sich selbstverständlich nicht mit der vom Prediger anvisierten Adressatengruppe. Ihr Kreis war deutlich größer und umfasste sowohl Theologen als auch interessierte lesekundige Laien des gesamten Reichsgebietes – Hausväter und Lehrer, Söldner und Kriegsoberste, Adlige und Bürger. Zumeist dehnten die Prediger die Gruppe der Adressaten auf die Gesamtheit aller Christen aus, welcher die Predigten zur Überwindung des übermächtigen Feindes dienen sollten. Indem die

keiner anderen ursachen halben geschehen / als das Ich meine schuldige danckbarkeit für die grossen und manchfaltigen wolthaten / so E.F.G. neben derselben hertzgeliebten Herrn Gemahl […] mir und den meinen zu Stetin erzeiget haben gegen E.F.G. etlicher massen im offentlichen Druck hiemit bezeugete / mit andechtigem teglichen Gebet / das der ewige Allmechtige Gott E.F.G. bey guter und langwiriger gesundheit / friedsamen und Glückseligem Regiment gnediglich erhalten unnd wider allen anlauff des leidigen Teufels Väterlich beschützen wolle.“  So z. B. die Predigten von Mütel, Krieg Predigt, Ar; Flurer, Das Lied Mosis, Ar; Praetorius, Handbüchlein, Av; J. Rivander, Heerpredigt, Ar; Rupertus, Zwo Predigten, Ar und Assum, Türckenpredigten, Ar.  Friedrich Mütel, der seine Krieg Predigt „der Edlen /viel unn Ehrentugendsamen Frawen Euae, Des Edlen / Gestrengen und Ehrenvesten Herrn Adam Steimpach / von Steimpach / auff Hockaw / Deckaw / und Strogtitz / etc. Ehelichen Gemahl / Meiner lieben Frawen Gefatterin“ widmete, verwies darauf, dass der „Herr Gevatter“ die Predigten „sampt ihrem Frawenzimmer selbst persönlich angehört“ habe (Mütel, Krieg Predigt, Ar).  So z. B. in der auf das Jahr  datierten Widmung der Predigten Johannes Gigasʼ an den einflussreichen Danziger Kaufmann Caspar Göbel, einem „freund und förderer“ des Predigers. (Gigas, Vom Türcken und Sterben, Ar).  Heinrich von Efferhen widmete seine XIII Christenliche Predigten „Den Ehrhafften / Fürsichtigen / Ersamen / Vogt / Burgermeistern / Gericht und Rath zu Bietigkheim / seinen günstigen lieben Herren“, welche die Predigten selbst gehört hätten (Efferhen, XIII Christenliche Predigten, Ar).  So z. B. bei Jakob Andreä, der seine Dreyzehen Predigen vom Türcken „den Wolgebornen / Edlen / Gestrengen / Ehrnvesten /Erbarn und Weisen / Herrn / Herrn / Graven / Freyherren / Herren / denen vom Adel / unnd Burgerschafft / auch allen Gottseligen Christen Hochs und Niderstands in den Landen und Fürstenthumben Crain / Steyr /Kärenten unnd Oesterreich / an den Türckischen Gräntzen gesessen“ widmete. (Andreä, Dreyzehen Predigen vom Türcken, *r).

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Sammlungen der Türkenpredigten auf dem Buchmarkt zugänglich waren, entschieden die Käufer selbst, welchen Adressatenkreis die Prediger erreichten.¹⁸⁰ Die starke Zunahme von Türkenpredigtdrucken am Ende des 16. Jahrhunderts lässt sich mit dem enormen Anstieg der Gebetsliteratur in dieser Zeit vergleichen.¹⁸¹ Mehr und mehr wurden auch die Sammlungen der Türkenpredigten Bestandteil der lutherischen Hausfrömmigkeit und hatten einen festen Platz bei den privaten Andachten gefunden. Die Vermutung liegt nahe, dass sich der Rezipientenkreis der Türkenpredigtdrucke im Laufe des Jahrhunderts von einem gelehrten Publikum hin zu einem interessierten „Laien“- Leserkreis verschob, der – neben den Gebetbüchlein – auch Predigtsammlungen für die häuslichen Andachten verwendete.

4.2.4 Regionen Die dieser Arbeit zu Grunde liegenden Türkenpredigten enthalten in aller Regel entweder auf den Titelblättern oder in den Vorreden Angaben über den Ort und die Gemeinde, in denen sie gehalten wurden. Die Predigten verteilen sich mithin auf die Kurfürstentümer Brandenburg¹⁸² und Sachsen (albertinische und ernestinische Territorien)¹⁸³, die Herzogtümer Württemberg¹⁸⁴, Bayern¹⁸⁵ und SachsenLauenburg¹⁸⁶, die Fürstentümer Calenberg¹⁸⁷, Pfalz-Neuburg¹⁸⁸ und Oberpfalz¹⁸⁹

 Von dem Erfolg seiner XIII Christenlichen Predigten wollte z. B. Heinrich von Efferhen es abhängig machen, ob er seine Daniel-Predigten ebenfalls in den Druck geben sollte: „So ich nuhn vermercken werd / das solch mein geschäft dir [sc. dem christlichen Leser] angenem unnd dienstlich / will ich mit der zeyt / die predigten uber den Daniel / unn was mich sunst zu gegenwürtigen läufften heilsam und nützlich sein / bedunckt / durch den Truck dir auch freundtlich mittheilen“. Die Leser entschieden wohl anders und es kam nie zu einem derartigen Predigtdruck. Ohne Zweifel sorgten die besonders gegen Ende des Jahrhunderts immer stärker an Einfluss gewinnenden Buchmessen in Frankfurt /M. und Leipzig für eine stärkere Ausdifferenzierung des Buchmarktes (s. hierzu: Hans Widmann, Geschichte des Buchhandels vom Altertum bis zur Gegenwart, Teil I, Bis zur Erfindung des Buchdrucks sowie Geschichte des deutschen Buchhandels [Wiesbaden, . Aufl., ],  – , hier:  – ).  S.o. Abschn. ...  Möring, Christen Schutz (Seehausen).  Leyser, Zwo Christlicher Predigten (Wittenberg); Gesner, Funffzehen Predigten (Wittenberg); Mylius, Zehen Predigten (Jena); Lange, Christliche außlegung (Altenburg); Z. Rivander, Heerpredigt (Bischofswerda) und Hoënegg, Sechs Türcken Predigten (Plauen).  Efferhen, XIII Christenliche Predigten (Bietigheim) und Andreä, Dreyzehen Predigen (Tübingen).  Praetorius, Handbüchlein (Orth / heute Österreich).  Rupertus, Zwo Predigten (Lauenburg).

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sowie die Grafschaften Mansfeld¹⁹⁰, Hoya¹⁹¹ und Hohenlohe¹⁹². Außerdem wurden Türkenpredigten in den Reichsstädten Schwäbisch-Hall¹⁹³ und Nördlingen¹⁹⁴, in der freien Herrschaft Wolfstein¹⁹⁵ sowie in Neckarsteinach im Odenwald gehalten.¹⁹⁶ Vier Predigtsammlungen entstammen dem Königreich Böhmen¹⁹⁷ bzw. den der böhmischen Krone unterstellten schlesischen Erbfürstentümern Glogau¹⁹⁸ und Schweidnitz-Jauer¹⁹⁹. Die Deutung der geographischen und politischen Verteilung der Türkenpredigten kann selbstverständlich nur Tendenzen wiedergeben. Denn zum einen spiegeln die dem Corpus zugrunde liegenden Drucke nur einen verschwindend geringen Bruchteil der tatsächlich gehaltenen Türkenpredigten im Alten Reich zwischen 1529 und 1606 wider und zum anderen repräsentieren die Ortsangaben der Prediger nicht einmal annähernd die tatsächliche Verbreitung der Predigten als Drucke. Trotzdem scheint für die evangelischen Türkenpredigten der Befund erhoben werden zu können, dass sich ihre regionale Verteilung an der tatsächlichen bzw. empfundenen Nähe zu den Kriegsfronten und dem daraus resultierenden Engagement des jeweiligen Landesherren in Bezug auf die kaiserliche Türkenpolitik bemisst. Da Türkenpredigten auf obrigkeitlichen Befehl hin gehalten und zusammen mit Gebeten und Gottesdiensten wider die Türken zu gesellschaftlicher Akzeptanz der Türkenabwehr führen sollten, können sie als ein Indikator der jeweiligen Türkenpolitik des Landesherren gelten. Die Vehemenz, mit der sich die Obrigkeiten in den militärischen Konflikt mit dem Osmanischen Reich einbrachten, spiegelt sich also auch in der regionalen Verteilung der Türkenpredigten wider. Bereits Winfried Schulze benannte Herrschaftsgebiete, die sich aufgrund ihrer geographischen Nähe besonders der Türkenabwehr verschrieben: „Betroffen

 Erythropel, Weckglöcklein (Hannover).  Lauch, Ein und Dreißig Türcken Predigten (Velburg).  Schopper, Gottes Weissagung (Amberg).  Roth, Fünff Türckenpredigten (Sangerhausen).  Horn, Trost Spiegel (Altenbruchhausen / heute Bruchhausen-Vilsen).  Assum, Türckenpredigten (Weikersheim).  Brenz, Homiliae viginti duae.  Fabricius, Türcken Predigt.  Sutorius, Acht Christliche […] Predigten (Ober-Sulzbürg).  Flurer, Das Lied Mosis; Neckarsteinach war dem Reichsrittergeschlecht der Freiherren von Landschad unterstellt.  Mütel, Krieg Predigt (Deckau / heute Tachov [Tschechien]).  Gigas, Vom Türcken und Sterben (Freystadt / heute Kozuchów [Polen]).  J. Rivander, Heerpredigt (Greiffenberg / heute: Gryfów Slaski [Polen]) und Heidenreich, XII Turcken Predigten (Schweidnitz / heute: Swidnica [Polen]).

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fühlten sich vor allen Dingen Sachsen und Brandenburg, wo man den Einbruch eines türkischen Heeres von Ungarn über Böhmen und Mähren in diese ungeschützten Länder für wahrscheinlich hielt.“²⁰⁰ Je weiter entfernt und sicherer sich die einzelnen Territorien fühlten, desto schwächer sei das Interesse an einer Unterstützung eines Krieges gegen das Osmanische Reich gewesen, so Schulze, wenngleich „sich bei allen Reichsständen, auch etwa am Rhein oder in Norddeutschland, ein starkes Interesse an einer effektiven Türkenpolitik ausmachen“ lasse, gründete sich „diese Haltung eher auf einen mehr oder weniger präzise formulierten Reichspatriotismus als etwa bei den Fürsten, die sich als erste Opfer einer etwaigen türkischen Aggression betrachten mussten“²⁰¹. Tatsächlich wurden sechs der in dieser Arbeit ausgewerteten 25 evangelischen Türkenpredigtsammlungen, also insgesamt 40 Predigten, auf kursächsischem Gebiet während des „Langen Türkenkrieges“ (1593 – 1606) gehalten und gedruckt. Weitere Türkenpredigten aus anderen Territorien und weitere Auflagen der kursächsischen Predigten wurden ebenfalls hier gedruckt. Das kursächsische Engagement im Konflikt mit dem Osmanischen Reich hatte sich also deutlich auch auf den Bereich der geistlichen Abwehr niedergeschlagen. Der kurfürstliche Erlass zum Türkengebet 1592, wie er im Gebet / Wieder die vorstehende Noth und Gefahr der Christenheit wegen des Türcken ²⁰² formuliert worden war, und auch schon die Ermahnungen Martin Luthers für die Pastoren und Prediger²⁰³ geben hiervon Beispiel. Doch auch in weiter entfernten Territorien predigte man wider die Türken. Nachdem der niedersächsische Kreis im April 1593 eine Sonderhilfe von 13 Römermonaten für die Türkenabwehr zur Verfügung gestellt hatte²⁰⁴, hielt z. B. auch der niedersächsische Generalsuperintendent und Pfarrer von Lauenburg, Johannes Rupertus, am 10. und 17. 2.1594 seine zwei Türkenpredigten. Im selben Jahr verfasste er außerdem ein Türkengebet für das gesamte Fürstentum.²⁰⁵ Die Predigten sind in hohem Maße von der bevorstehenden Abreise des Landesherren, Herzog Franz, geprägt. Nach der zweiten Predigt, die Rupertus „früe gethan“ habe, sei der Landesvater nach Ungarn in den Krieg gezogen.²⁰⁶ In der zweiten Predigt, in welcher der Prediger die Perikope von Jesu Versuchung (Mt 4) auslegte, versicherte er den Kriegern und ihren daheimgebliebenen Verwandten Gottes Schutz

      

Schulze, Reich und Türkengefahr, . Schulze, Reich und Türkengefahr, . S. ausführlich hierzu o. Abschn. ... S. ausführlich hierzu o. Abschn. .. sowie Abschn. ... Schulze, Reich und Türkengefahr, . Ausführlicher zum verordneten Gebet in Niedersachsen o. Abschn. ... Rupertus, Zwo Predigten, Er.

4.3 Exemplarische Türkenpredigten

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auf dem Schlachtfeld. Mit „gutem Gewissen“²⁰⁷ könne man gegen den Feind ins Feld ziehen, Gott werde seinen Segen geben.

4.3 Exemplarische Türkenpredigten An dieser Stelle sollen drei Beispiele von Türkenpredigt-Sammlungen die in Abschnitt 4.2 vorgestellten Ergebnisse verdeutlichen und die in Abschnitt 4.4 folgende Darstellung der thematischen Schwerpunkte der Türkenpredigten des 16. Jahrhunderts vorbereiten. Die Auswahl basierte auf chronologischen und inhaltlichen Gesichtspunkten. So repräsentieren die drei Sammlungen von Türkenpredigten zunächst die drei Phasen, in denen vermehrt Turcica und somit auch Predigten gegen die Türken die Druckoffizinen des Reichs verließen.²⁰⁸ Johannes Brenzʼ 1532 in den Druck gegebenen Homiliae viginti duae, die als erste bekannte Sammlung von Türkenpredigten und im Zeitraum bis 1565 als einziges derartiges Dokument zu gelten haben, werden im folgenden Abschnitt zuerst bearbeitet. Ihnen folgen Heinrich von Efferhens XIII Christenliche Predigten, die dieser 1571 in den Druck gegeben hatte. Die noch während seiner Zeit in Bietigheim gehaltenen Predigten können in die zweite Hochphase der Turcica eingeordnet werden und sind als Reaktion auf die Erlasse zum Einsatz von geistlichen Waffen, wie sie auf den Reichstagen von 1566 und 1567 getroffen wurden, zu verstehen. Die in der letzten Dekade des 16. Jahrhunderts explosionsartig in die Höhe schnellende Anzahl von Türkenpredigt-Sammlungen, die den allgemeinen Trend der Verbreitung von Turcica noch übertraf, hat in Johannes Lauchs Ein und Dreißig Türcken Predigten schließlich einen Repräsentanten gefunden. Mit ihrer Erstveröffentlichung im Jahr 1598 haben sie mithin als einer der spätesten Drucke zu gelten. Auch thematisch sind die ausgewählten Predigten charakteristisch für ihre jeweilige Epoche. Dieweil sich die den evangelischen Türkenpredigten des 16. Jahrhunderts gemeinsamen Anliegen nach Buße und ethischer Disziplinierung der Gemeinden wie ein roter Faden durch die exemplarischen Predigten ziehen, zeigen sich z. B. im Hinblick auf den Umgang mit dem biblischen Text und der Vermittlung von Informationen über die Türken und den Islam deutliche Verschiebungen.Während z. B. Heinrich von Efferhen in seinen Predigten über Ez 38 f. konzentriert die genealogische Verbindung der Osmanen zu dem im biblischen  Die niedersächsischen Fürsten, die in den Krieg nach Ungarn zogen, „haben sich auch in diesem wolbefugten / rechtmessigem / Christlichen zuge / Göttlichen schutzes / hülffe / glückes / sieges / und eines guten Gewissens […] zu getrösten“ (Rupertus, Zwo Predigten, Fv).  Vgl. o. Abschn. ..

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Text beschriebenen Fürsten Gog aus dem Stamm Magog herstellte, kam gut 30 Jahre später Johannes Lauch in seiner Auslegung desselben Predigttextes stärker auf die Inhalte des Islam zu sprechen und zog den Predigttext weniger intensiv zu Rate. Dass die evangelischen Türkenpredigten des 16. Jahrhunderts ein breiteres thematisches Spektrum bieten, als diese drei Sammlungen zu repräsentieren in der Lage sind, versteht sich von selbst. Es soll jedoch im folgenden Abschnitt der Versuch unternommen werden, konkret und anschaulich darzustellen, was unter dem Phänomen der Türkenpredigt zu verstehen ist – und das anhand der Quellen selbst.

4.3.1 Johannes Brenzʼ Homiliae viginti duae (1532) Die Türkenpredigten von Johannes Brenz stehen am chronologischen Beginn der langen Reihe von Türkenpredigten, die im 16. Jahrhundert gedruckt wurden. 1532 hatte Karl V. Schwäbisch Hall um Hilfe im Kampf gegen die Türken gebeten. In diesem Kontext verließen unter dem lateinischen Titel Homiliae viginti duae sub incursionem Turcarum in Germaniam im selben Jahr Brenzʼ Predigten die Offizin des Wittenberger Druckers Johannes Weiß. Noch im selben Jahr fertigte Sebastian Coccius (1505 – 1562), der seit 1527 Schulmeister in Schwäbisch Hall war, die erste deutsche Übersetzung der Predigtreihe an.²⁰⁹ Sie wurde von dem Nürnberger Drucker Friedrich Peypus verlegt und trägt den Namen Zwo und zwaintzig Predig den Türckischen krieg / und ander zufallend unfäll betreffend […]. Mithin wurden Brenzʼ Türkenpredigten bis zum Ende des 16. Jahrhunderts sowohl im lateinischen Original als auch in deutschen Übersetzungen insgesamt zwölf Mal gedruckt.²¹⁰ Dass Brenz die Predigten tatsächlich gehalten hat, unterliegt m. E. keinem Zweifel. Darauf deutet zunächst der lateinische Titelzusatz „ad populum dictae“²¹¹

 Weitere deutsche Übersetzungen fertigten  der Weißenfelser Prediger Johannes Pollicarius (VD  B  –  und Nachdruck : VD  B ),  der Subrektor der Schneeberger Lateinschule Peter Lemmel (VD  B ) und im selben Jahr der Dresdener Superintendent Theophilus Glaser (VD  B , s. ausführlicher zu Glaser o. Abschn. ..) an.   bei Johann Setzer in Hagenau (lat., VD  B ), bei Hans Weiss in Wittenberg (lat., VD  B ) und Friedrich Peypus in Nürnberg (dt., VD  B );  bei Johann Setzer in Hagenau (lat., VD  B ) und Hans Weiss in Wittenberg (lat., VD  B );  bei Peter Braubach in Frankfurt/Main (lat.,VD  B );  bei Gervasius Stürmer in Erfurt (dt.,VD  B  – );  und  bei Peter Braubach in Frankfurt/Main (lat., VD  B  und );  bei Urban Gaubisch in Eisleben (dt., VD  B ) und  bei Johann Beyer in Leipzig (dt., VD  B ) und Gimel Bergen d. Ä. in Dresden (dt., VD  B ).  Brenz, Homiliae viginti duae, Ar.

4.3 Exemplarische Türkenpredigten

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hin sowie Wendungen, die z. B. auf die Predigt „gestern“²¹² verweisen und nicht zuletzt Cocciusʼ Hinweis auf diejenigen, „so diese predig vormals mündtlich von jm gehört“²¹³ haben. Wahrscheinlich wurden die Predigten, wie auch Siegfried Raeder annimmt, „im Herbst 1529 vorgetragen“²¹⁴. Dies legen hauptsächlich die Abschnitte nahe, in denen der Prediger auf die Belagerung Wiens und die Teileroberung Ungarns einging. Spätestens seit 1529, wenn nicht gar seit 1526²¹⁵, fanden in Schwäbisch Hall Türkengottesdienste statt. Dies belegen sowohl eine Bitt der Kirchendiener zu Hall […]²¹⁶ an den Rat der Stadt als auch ein Gutachten zur Türkengefahr ²¹⁷ des Haller Reformators beim Städtetag zu Esslingen vom 25. November 1529. In seinem Gutachten setzte er auf die Einigkeit im Bekenntnis der Reichsstädte, da „ainigkait des burgerlichen wesens stark und widerstandsfähig“²¹⁸ mache. Außerdem zielte der Haller Prediger auf die Ermahnung der Bevölkerung zur Buße durch Pfarrer und Prediger nach alttestamentlichem Vorbild, denn dies wäre „ain sterkere mauren wider den Turcken dann sunst etlich hundert wolgemaurter stett.“²¹⁹ Der Bittbrief, der ganz die Handschrift Brenzʼ trägt, beinhaltet bereits in komprimierter Form, was er später in seinen Türkenpredigten ausführlicher darlegte: Dem Prediger ging es darum, die Gemeinde zur Buße zu rufen und eine sittliche Besserung zu bewirken. In einem klaren Tun-Ergehen-Zusammenhang wurde die Ursache für die erschreckend starke Macht der Türken in menschlichem Fehlverhalten gefunden. Erst die Behebung des Grundübels sollte eine Verbesserung des Allgemeinzustandes bewirken. Dieselbe argumentative Stoßrichtung beinhalteten schon Handschriften des Grundtlichen berichts ²²⁰ sowie die Homelia contra Turcam, die der Haller Prediger wohl im Jahr 1526 verfasst hatte. Den Türkenpredigten des Johannes Brenz sind im lateinischen Erstdruck eine Vorrede Martin Luthers,²²¹ die durchaus „als eigene Türkenschrift gelten“²²² kann,

 Brenz / Coccius, Zwo und zwaintzig Predig, Dr; Brenz, Homiliae viginti duae, Dr.  Brenz / Coccius, Zwo und zwaintzig Predig, Ar.  Raeder, Islamfrage, .  Vgl. hierzu die beiden Handschriften Brenzʼ (Grundtlicher bericht und Homelia contra Turcam) im Anhang dieser Arbeit, die auf das Jahr  datiert werden können und die auf die Praxis von Türkengottesdiensten bereits vor  hindeuten.  Brenz, Bitt der Kirchendiener,  – . S. hierzu ausführlicher o. Abschn. ...  DRTA.J.R. VIII/,  – .  DRTA.J.R. VIII/, .  DRTA.J.R. VIII/,, .  S. o. Abschn. ...  Brenz, Homiliae viginti duae, Av-Av. Zu Luthers Vorrede s. auch: Ehmann, Luther, Türken und Islam,  f. Ehmann weist darauf hin, dass die Vorrede Luthers ganz auf die bußtheologische Begründung und die aus der Obrigkeits- und Ständelehre gewonnenen Argumente für einen

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und eine Widmung an den Nürnberger Reformator Veit Dietrich (1506 – 1549)²²³ vorangestellt. Der deutschen Übersetzung von Sebastian Coccius geht zusätzlich eine Vorrede des Übersetzers voraus.²²⁴ Dieser widmete die Predigten Georg Vogler, dem Kanzler und Förderer des lutherischen Bekenntnisses am Ansbacher Hof. Luther lobte in seiner Vorrede die Türkenpredigten des Haller Predigers und stellte fest: „Demnach gefallen mir diese predig / und vermanung herr Johansen Brentzen uber die massen wol / unn haben sie durch den truck lassen außgehn.“²²⁵ Fast schon resigniert stellte der Wittenberger fest, dass „den verstockten hertzen alles predigen / und vermanen vergeblich geschicht. […] Ich besorg aber / solch hartte köpff / und verstockte hertzen / werden in kürtz / unser weyssagung all zu war machen / und das schendtlich Rewliedlein müssen singen / Ich het es nit gemaint / noch geglaubt.“²²⁶ Gleichwohl dürfe man „darumb nicht ablassen zu […] zu vermanen“²²⁷, sodass er „allen frummen Christen“²²⁸ diese Predigten zu lesen empfahl. Als Grund für die Drucklegung seiner Predigten gab Brenz die Belagerung Wiens durch die Türken 1529 und eine als „englischer Schweiß“ bezeichnete grassierende Krankheit an.²²⁹ Diese als Ausdruck von Gottes Zorn wahrgenommenen Übel wollte der Prediger anhand biblischer Historien seinen Lesern und Hörern vor Augen führen „und den rolosen / verruchten / sichern frävelern / den zorn Gottes darinn anzeyg[en], jnen ein schrecken damit einzuiagen. Herwiderumb den erschrockenen / bekümmerten die gnad Gottes für augen hielte / sie

Türkenkrieg abhebt. Damit zeige sich, dass diese Begründungsmuster von Luther „zeitlich parallel zur apokalyptischen Schriftauslegung, zur Geschichtsdeutung und zur Wahrnehmung der türkischen Religion, eben des Islam, weitergeführt werden.“ (ebd.).  Ehmann, Luther, Türken und Islam, .  Brenz, Homiliae viginti duae, Ar-Av; s. zu Dietrich oben Abschn. ...  Brenz / Coccius, Zwo und zwaintzig Predig, Ar-Av.  Brenz / Coccius, Zwo und zwaintzig Predig, Av; „[…] quare adhortarorij hi sermones D. Iohannis Brentij valde mihi placent et omnino dignos iudicavi, qui aderentur […].“ (Brenz, Homiliae viginti duae, Av).  Brenz / Coccius, Zwo und zwaintzig Predig, Av-Ar; „Quanquam omniseruditio et admonitio frustra sit apud induratos homines […] Quanquam vereor ne frustra sit conatus noster, et indurati ac pertinaces illi, brevi nostram Prophetiam de futura calamitate, quam nunc rident, aut secure negligunt sint confirmaturi, et turpe illud poenitentie carmen cantaturi, Non putaram, Non crederam.“ (Brenz, Homiliae viginti duae, Av-Ar).  Brenz / Coccius, Zwo und zwaintzig Predig, Av; „[…] nos tamen qui in offitio docendi sumus non debemus vel a docendo vel movendo cessare […].“ (Brenz, Homiliae viginti duae, Av).  Brenz / Coccius, Zwo und zwaintzig Predig, Av; „Commendo autem hunc libellum omnibus piis Christianis ut eum diligenter legant.“ (Brenz, Homiliae viginti duae, Av).  Brenz / Coccius, Zwo und zwaintzig Predig, Av; „[…] peregrinae pestis, quam Anglicam vocant.“ (Brenz, Homiliae viginti duae, Ar).

4.3 Exemplarische Türkenpredigten

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damit zu trösten / ja inen anlayttung gebe / wie sie ir hayl in disem zerrütten / ellenden wesen erretten möchten.“²³⁰ In den biblischen Geschichten sah Brenz ein geeignetes didaktisches und homiletisches Mittel, die Sünder wachzurütteln. Er hoffte, damit seine Gemeinde für den geistlichen und weltlichen Krieg gegen „den Türken“ gerüstet zu haben. Die erste Predigt gleicht einer thematisch konzentrierten Zusammenfassung aller folgenden Predigten, in denen Brenz beabsichtigte, „von weyß und weg sagen / wie der grausamen Tyranney des Türcken […] zu entrinnen were / auch wie man jn vertreyben und veriagen möcht.“²³¹ Der Prediger zeichnete das Bild eines Feindes, der immer näher zu kommen schien: „der grawsam Türck benügt sich nit / das er in nechst verschinen jaren / den König von Ungern ja merlich ermördt / dem landt mercklichen schaden zugefügt hat / er understeht sich auch / das gantz Teutsch land zu kriegen hat yetzund schon die stad Wien […] umlägert / tröwt nicht allein dem gantzen Römischen Reych / sonder auch / wie er wöl den gantzen Christlichen glauben zu verderben / unn außrewten.“²³² So sollten sich die Predigten vor allem an jene richten, „die als sonderlich person / daheym bleiben / und mit der glocken zusamen in die Kirchen zu gemainem gepet berufft und versamelt werden“²³³. Das unbußfertige Leben sei es, das den Feind stärke und die eigene Situation schwäche. In einem Lasterkatalog förderte der Bußprediger die Sünde der Gemeinde zutage, wobei die Missachtung des Evangeliums das höchste aller Laster darstellte. Es sei Gottes Zorn, der in der türkischen Besatzung anschaulich werde. Dass „der Türke“ so grausam handle, lasse sich nur mit Gottes Zorn begründen. Brenz sah die Schuld ganz bei den Christen, die aus ihrem Gott einen Gott der Türken gemacht hätten. Sobald man sündige, stärke man ihr Heer. Somit werde jeder Einzelne Freund und Feind „des Türken“ zugleich, Ratgeber und Verräter des

 Brenz / Coccius, Zwo und zwaintzig Predig, Ar; „[…] et securis quidem adhuc, terrorem, ostensa ira Dei, incuterem, territos autem, clementia Dei ob oculos posita, consolarer, adeoque rationem eis demonstrarem, qua saluti suae, in tanta omnia rerum turba et calamitate consulerent.“ (Brenz, Homiliae viginti duae, Ar).  Brenz / Coccius, Zwo und zwaintzig Predig, Av; „[…] de ineunda aliqua via ac ratione, qua crudelitatem Turce […] evitare, ac propellere possimus.“ (Brenz, Homiliae viginti duae, Br).  Brenz / Coccius, Zwo und zwaintzig Predig, Av-Ar; „[I]ta crudelissimus Christiani nominis hostis, non hoc contentus, que proximis annis, Rege Ungariae trucidato, eam Regionem gravissimis malis affecerit, nunc etiam Germaniae bellum infert, Urbem Austrae, Viennam […] obsidet, adeoque ferocia sua, non tam toti Romano imperio, quam universae Christianae religioni exitium minatur.“ (Brenz, Homiliae viginti duae, Br+v).  Brenz / Coccius, Zwo und zwaintzig Predig, Av; „Sed iis, qui privati sunt, et domi remanent, ac tintinnabuli pulsu vocati, ad comunes ecclesiae preces in templo congregantur.“ (Brenz, Homiliae viginti duae, Br).

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4 Die evangelischen Türkenpredigten des 16. Jahrhunderts

eigenen Vaterlandes. Der einzige Ausweg aus dieser Situation sei die Buße. Allein dadurch lasse sich der Krieg gegen das türkische Heer gewinnen, ja „aller last diß kriegs […] wird auff ewern achseln ligen“²³⁴, ermahnte der Prediger seine Gemeinde und stimmte auch die Leser auf die folgenden Bußpredigten ein. In den weiteren 21 Predigten legte Brenz sechs Historien aus dem Pentateuch ²³⁵ aus , anhand derer er Lesern und Hörern Gottes Zorn und seine Bereitschaft zur Gnade vor Augen führte. Das Vorgehen ist in den meisten Predigten gleich: Stück für Stück wird die biblische Geschichte nacherzählt und das menschliche Fehlverhalten thematisiert. Dass Gottes Zorn gegen die Menschen entbrennen musste, erscheint dann nur allzu verständlich. Abgesehen von Gen 6 war es immer dem Bitten und Flehen Einzelner zu verdanken, dass nicht das gesamte Volk umkam. Diese Buße sollte Vorbild für die Gemeinde sein. Immer wieder sprach sich Brenz auch gegen eine falsche, äußerliche Buße aus, wie er sie bei den Altgläubigen identifizierte. Ähnlich der Bittschrift der Kirchendiener zu Hall betonte Brenz immer wieder den „falschen Götzendienst“, der als Missachtung des Evangeliums die höchste Sünde darstelle: Warum haben wir dann gesundiget? Einer sagt / wir haben uns daran versundiget / das wir die Päbstisch Meß underlassen / das wir flaysch in der vasten essen / das wir nit wallen wie von alten her / das wir nit bestimpte pettle sprechen / und ander narn werck mehr. Aber es ist vorlangest angezeigt durch das Euangelion Jesu Christi / dz der Meß opffer ein grewliche lesterung wider das leiden Christi sey.²³⁶

Johannes Brenz gab seinen Lesern nur wenige Informationen über die Türken und ihre Religion an die Hand. Allein die weitverbreiteten Schreckensbilder der Gewalttaten, wie sie das türkische Heer bei der Eroberung Ungarns und der Belagerung Wiens verübt haben sollte, fanden in den Predigten Erwähnung. Eine nähere Beschreibung des „Erbfeindes“ anhand biblischer Prophetien oder von Reiseberichten, wie sie andere Autoren von Türkenpredigten bevorzugten, erfolgte

 Brenz / Coccius, Zwo und zwaintzig Predig, Cv; „Proinde, amici in Christo dilectissimi, memineritis omnem huius belli, quod cum crudelisimo hoste nunc geritur, molem, in humeros vestros incumbere […]“ (Brenz, Homiliae viginti duae, Cr).  Brenz predigte über Gen  (Auftrag zum Bau der Arche), Gen  f. (Sodom und Gomorrha), Ex  (das Goldene Kalb), Num  (Murrgeschichten), Num  f. (Kundschaftergeschichten) und Num  (die eherne Schlange).  Brenz / Coccius, Zwo und zwaintzig Predig, Rv; „In quo ergo peccavimus? Alius quidem peccatum nostrum dicit esse, quod Missas papisticas intermittamus, quod vescamur carnibus tempore quadragesimali, quod non pro more ad dicorum templa peregrinemur, quod statas preces non obferuemus, et alias plures id genus nugas. At iam dudum per Euangelion Iesu Christi ostensum est Sacrificia missatica esse impias in Christi passionem blasfemias.“ (Brenz, Homiliae viginti duae, Qv).

4.3 Exemplarische Türkenpredigten

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in den Predigten von Johannes Brenz nicht. Im Zentrum der Predigten stehen somit nicht die Türken, sondern die eigene christliche Gemeinde. Ihr sittliches Verhalten zu bessern und das neue Bekenntnis einzuschärfen, waren die vorrangigen Ziele des Haller Bußpredigers. „Der Türke“ wurde von Brenz als eine Art Naturkatastrophe neben anderen wahrgenommen, deren theologische Deutung und Einordnung in die Heilsgeschichte er als seine vorrangige Aufgabe ansah.

4.3.2 Heinrich von Efferhens XIII Christenliche Predigten (1571) Im Jahr 1571 erschienen in der Straßburger Druckerei Theodosius Rihels eine lateinische und eine deutsche Version der XIII Christenlichen Predigten Heinrich von Efferhens.²³⁷ Diese hatte er wohl noch während seiner Zeit als Spezialsuperintendent und Stadtpfarrer in Bietigheim gehalten, worauf zunächst die Widmung an „Den Ehrhafften / Fürsichtigen / Ersamen / Vogt / Burgermeistern / Gericht und Rath zu Bietigkheim“²³⁸ hindeutet sowie die Verweise darauf, dass die Bietigheimer die Predigten von Efferhens aus dessen „mundt selbs vernommen habe[n]“²³⁹ und er diese ihnen nun „in stäte und frische gedächtnuß bringen“²⁴⁰ wollte. In Bietigheim war von Efferhen von 1557 bis 1570 tätig gewesen, danach wurde er als Superintendent in Mömpelgard eingesetzt. Die Predigten von Efferhens sind im Zusammenhang mit den auf den Reichstagen in Augsburg und Regensburg 1566 und 1567 getroffenen Erlassen zum Einsatz von geistlichen Waffen gegen die Türken zu sehen.²⁴¹ Offenbar wurden diese im Herzogtum Württemberg rege umgesetzt, denn auch der Tübinger Universitätskanzler Jakob Andreä hatte 1568 mit seinen Dreyzehen Predigen vom Türcken auf die Beschlüsse der Reichstage reagiert und seine Predigten „bey der Christlichen Gemein allhie zu Tübingen […] gehalten.“²⁴² Mehrfach erwähnte der Tübinger Theologe in seinen Auslegungen die Verordnungen der Reichstage und die daraufhin eingeführten Bußpredigten, Gebete und Glockenschläge gegen die Türken, wie sie offenbar im Herzogtum verbreitet waren.²⁴³ Wie aus seiner Vorrede

 S. zu von Efferhens erster Türkenpredigt ausführlich o. Abschn. ...  Efferhen, XIII Christenliche Predigten, ar.  Efferhen, XIII Christenliche Predigten, bv.  Efferhen, XIII Christenliche Predigten, br.  S. hierzu o. Abschn. ..  Andreä, Dreyzehen Predigen, *v.  S. hierzu o. Abschn. .. und Abschn. .. sowie Andreä, Dreyzehen Predigen, ;  f; .

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4 Die evangelischen Türkenpredigten des 16. Jahrhunderts

„An den Christlichen Leser“²⁴⁴ hervorgeht, hatte von Efferhen in Bietigheim außerdem noch weitere Türkenpredigten über Dan 7 gehalten, die er – abhängig vom Erfolg seiner Predigten über Ez 38 f. – ebenfalls in den Druck zu geben beabsichtigte, was allerdings nie geschah. Von Efferhens Predigten werden von einer ausführlichen Historia / oder einverleibte geschichten / von dem gantzen Regiment unnd Reich deß Mahomets / welches in dem 7. Cap. Danielis / bey dem kleinen horn verstanden wird ²⁴⁵ unterbrochen. Der geschichtliche Abriss entstammte wohl den Vorarbeiten seiner Predigten über Dan 7. Der Abschnitt enthält neben der Geschichte der osmanischen Sultane und ihrer militärischen Erfolge auch eine kurze Darstellung über die Religion der Türken:²⁴⁶ So habe sich Mohammed zu Unrecht zum Propheten stilisiert und sich somit Mose und Jesus gleichgesetzt. Jenem aber habe er die Gottessohnschaft und den Kreuzestod „umb unser sünd willen“²⁴⁷ abgesprochen und stattdessen eine Satisfaktion nach menschlichen Werken proklamiert. Auch die muslimische Kriegsethik und die vermeintlich im Koran geforderte Polygamie verwarf von Efferhen aufs Schärfste. Die islamische Theologie erschien ihm zutiefst suspekt, sodass er seiner Gemeinde schließlich empfahl: „Darumb sollen auch wir ob der grossen hoffart / ehrgeitz unnd gottslesterung diß menschens [sc. Mohammeds] uns verwundern / und darob ein grewel unnd abschewen haben und tragen.“²⁴⁸ Die Predigten legen in konzentrierter Weise die beiden Kapitel über Gog von Magog aus dem Ezechielbuch aus, wobei ihr Fokus auf der detaillierten Identifizierung der Türken in den biblischen Texten – und hier besonders auf ihrer geographischen und genealogischen Herkunft – liegt. Von Efferhen bemühte sich in seiner Predigtsammlung um einen gebildeten Sprachstil, vermittels dessen er – dies führt schon die lateinische Version der Predigten vor Augen – ein gelehrtes Publikum zu erreichen suchte. Der Prediger schien besonders andere Theologen als Adressaten im Blick zu haben, die ebenfalls aufgrund des Reichstagsmandats über die Türken zu predigen beabsichtigten.²⁴⁹ Als Quellen seines Wissens²⁵⁰ über  Efferhen, XIII Christenliche Predigten, ar.  Efferhen, XIII Christenliche Predigten, gr-sr.  Efferhen, XIII Christenliche Predigten, hv-hv.  Efferhen, XIII Christenliche Predigten, hv.  Efferhen, XIII Christenliche Predigten, hv.  So verwies z. B. der Hannoveraner Superintendent Rupert Erythropel im Vorwort seines Weckglöckleins () auf die Predigten von Efferhens: „Diese Erklärung aber / uber das . und . Capitel gethan / ist nicht allerding mein eygene Außlegung / noch auß meinem Gehirn gesponnen / sonder auß Doctoris Henrici Epherhen Predigten […].“ (Erythropel, Weckglöcklein, Av).  Vgl. hierzu von Efferhens Angaben über seine Quellen in seiner zweiten Predigt: Efferhen, XIII Christenliche Predigten, dv-fv.

4.3 Exemplarische Türkenpredigten

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die Türken und den Islam zog der Bietigheimer Stadtpfarrer u. a. das Werk des hellenistischen Astrologen Berossos sowie die Argonautica des Apollonius von Rhodos, die Naturalis Historia des Plinius und De situ orbis des antiken Kosmographen Pomponius Mela heran. Auch die Expertisen Ottos von Freising und Nikephoros Gregorasʼ sowie der humanistischen Gelehrten Bartolomeo Platina, Flavio Biondo, Martino Segono, Caspar Peucer und Philipp Melanchthon machte von Efferhen für seine Predigten fruchtbar. Neben diesen größtenteils historischen und kosmographischen Schriften rezipierte der Prediger auch Luthers Heerpredigt ²⁵¹ sowie dessen Vorrede zu Ez 38 f.²⁵² und die Vorrede des Wittenbergers zu Brenzʼ Homiliae viginti duae. ²⁵³ Stück für Stück legte der Bietigheimer Theologe die beiden Kapitel des Ezechielbuches in seinen Predigten aus. Obwohl er stärker als andere Autoren an den genealogischen Verbindungen der Türken mit Gog aus Magog interessiert war und seine Exegese in den Dienst einer konkreten Verortung des „Erbfeindes“ in der Bibel stellte, zeigen die Predigten von Efferhens eine klare Fokussierung auf den Aufruf zur Buße. Mittels alttestamentlicher Beispiele, in denen Gott von seiner Strafe wegen der Buße seines Volkes abließ, ermahnte auch von Efferhen seine Gemeinde zum Gebet und zur Umkehr vom falschen Weg: „So wird Gott durch dißen feind [sc. die Türken] uns vil härter unnd strenger straffen / auff das wir nun diße erschröckliche exempel / welche durch die macht unnd grawsame tyrannei der Türcken an den Christen geübt worden / ernstlich bedencken unnd durch ware Buß zu dem Herren uns bekeren […].“²⁵⁴ Die in den meisten lutherischen Türkenpredigten nicht selten anzutreffende konfessionelle Polemik gegen täuferische bzw. schwärmerische Kreise und römisch-katholische Theologie begegnet in von Efferhens Predigten erstaunlich selten. Die Polemik weicht einer auf die konkrete Situation konzentrierten Auslegung der beiden Kapitel (Ez 38 f.) und dem Einschärfen eines von Umkehr und rechtem Lebenswandel bestimmten Lebens.²⁵⁵ Mit der Aussicht auf eine Vernichtung der Türken, wie sie durch die Dramaturgie des Ezechielbuches bereits vorgegeben war, enden auch die Predigten des Bietigheimer Pfarrers mit der Hoffnung auf ein siegreiches Eingreifen Gottes im endzeitlichen Kampf gegen die Türken: Danach werde „Christus der Herr bald darauff […] das algemeine gericht

 Efferhen, XIII Christenliche Predigten, Dr-Dv und Dr. Zu Luthers Heerpredigt auch o. Abschn. ...  Efferhen, XIII Christenliche Predigten, zr.  Efferhen, XIII Christenliche Predigten, zr. S. zu Brenzʼ Homiliae viginti duae auch o. Abschn. ...  Efferhen, XIII Christenliche Predigten, rv.  S. hierzu auch o. in Abschn. .. meine Ausführungen zur ersten Predigt von Efferhens.

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4 Die evangelischen Türkenpredigten des 16. Jahrhunderts

besitzen / unnd seine außerwelte Heiligen also mit dem Heiligen Geist begaben […] / das sie in ewigkeit nicht mehr sündigen werden / noch etwas handeln / das er solte sein vätterlichs unnd freundtlichs angesicht vor ihnen verbergen.“²⁵⁶ Heinrich von Efferhen legte als erster Theologe Ez 38 f. in gedruckten Türkenpredigten aus.Wie der Hannoveraner Superintendent Rupert Erythropel sahen die Türkenprediger der 1590er Jahre in diesen Auslegungen eine Fundgrube historischer, genealogischer, kosmographischer und nicht zuletzt fundierter exegetischer Wissensbestände, die sie selbst für ihre Türkenpredigten fruchtbar machten. Die Rezeption der Predigten von Efferhens sowie die in den 1590er Jahren ohnehin verstärkt auftretende Dichte von Türkenpredigten sorgten dafür, dass die beiden Kapitel aus dem Ezechielbuch zur meist traktierten Perikope der Türkenpredigten im 16. Jahrhundert avancierten.²⁵⁷

4.3.3 Johannes Lauchs Ein und Dreißig Türcken Predigten (1598) Einer derjenigen, die in den 1590er Jahren erneut begannen, über Ez 38 f. zu predigen, war der Superintendent des oberpfälzischen Städtchens Velburg, Johannes Lauch. Dieser hatte in den Jahren 1595 und 1596 seine Ein und Dreißig Türcken Predigten gehalten und sie 1598 bei Sebastian Müller von Augsburg in Lauingen drucken lassen, bevor dieser sie ein Jahr später erneut herausgab. Lauch widmete seine Predigten Philipp Ludwig, dem Pfalzgraf bei Rhein und Herzog in Bayern, der Lauchs Familie und ihn selbst stets gefördert habe.²⁵⁸ In der Vorrede zitierte der Türkenprediger ausführlich das fürstliche Mandat von 1595 zum Läuten der Türkenglocken und zum Abhalten von Türkenandachten.²⁵⁹ Täglich sollten die Schüler um 12 Uhr mit Gesang in die Kirche gehen und dort das „bekannte“ Türkengebet und das Vaterunser sprechen, um danach wieder in die Schule zurückzukehren. Die von ihm gehaltenen Predigten habe der

 Efferhen, XIII Christenliche Predigten, Mv.  S. zu den Predigttexten auch o. Abschn. ...  „Nachmalen soll gegen E.F.G. ich mich billich auch dermalen eins mit underthenigem danck erweisen / Dieweil dieselben nicht allein meinen lieben Eltern seligen / und andern meinen geschwistrigten jedesmal hochrhümliche Fürstliche miltigkeyt erzeiget: Sondern auch mich fünff Jar in dem Fürstlichen Collegio zu Laugingen / unn vierthalb Jar lang auff der Universitet zu Tübingen gnädig underhalten / mich nachmalen mit Diensten versehen / unn bißher mir mit allen Gnaden gewogen gewesen.Wie dann solches darauß erscheinet / das E.F.G. kurtz verfloßner zeit / von wegen besserung meiner besoldung / an einen Ehrsamen Rhat allhie gnädige Intercession ergehn lassen / derer ich würcklich genossen / und E.F.G. dafür die tag meins lebens underthenig zudancken hab.“ (Lauch, Ein und Dreißig Türcken Predigten, Av-Br).  Lauch, Ein und Dreißig Türcken Predigten, Av-Av.

4.3 Exemplarische Türkenpredigten

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Superintendent veröffentlicht, um den Zuhörern die Möglichkeit zu geben, die Predigten selbst zu Hause zu repetieren: „Jedoch weil meine liebe Zühörer embsig und vielmal gebetten / ihnen solche [sc. Predigten] mitzutheilen / damit sie daheim in ihren Häusern / was ihnen auß Gedechtnus entfallen / repetieren unnd widerholen / unnd sich zu diesen gfährlichen zeitten desselben tröstlich gebrauchen köndten: Hab ich mich dazu bewegen lassen […] dises Werck derselben Hochlöblichen / Fürstlichen Herren Theologorum und Kirchenräthen Censurae unnd Iudicio [zu] undergeben.“²⁶⁰ Darnach sohab ich […] die zwey tröstliche Capitel / nemlich das 38. und 39. deß H. Propheten Ezechielis / von des Türckischen Reichs letzten verfolgungen und dessen darauff nahenden undergang / […] genommen / und in Außlegung derselben dahin gesehen / damit der gmein Mann ein kurtzen einfeltigen Bericht bekommen möcht / von deß Türcken herkommen und ursprung: Von seinem Alcoran oder Religion / mit einfeltiger widerlegung desselben auß den 6. Hauptstucken deß Christlichen Catechismi: Item von seinem Weltlichen Regiment:Von den ursachen alles Kriegs und langwirigen Siegs wider die Christenheit: Wie auch von seinem grossen letzten Feldzug / schröcklichen Niderlag / und endlichem undergang: Und dann von dem bald darauff folgenden Jüngsten tag und ewigem Leben.²⁶¹

Damit ist ziemlich präzise wiedergegeben, was der Leser der Ein und Dreißig Türcken Predigten zu erwarten hat: Den Informationen über den Feind und die Glaubensinhalte seiner Religion folgen im gleichen Atemzug die Widerlegungen durch das christliche (lutherische!) Bekenntnis. Die theologische Deutung der Kriege und Siege des türkischen Heeres versprach der Prediger ebenfalls zu bieten – sie erfolgte auf Grundlage seiner Exegese von Ez 38 f. Als Adressaten seiner Predigtsammlung nahm Lauch – wohl im Gegensatz zu von Efferhen – den „gemeinen Mann“²⁶² in den Blick. So ermahnte der Velburger Prediger häufig explizit die Hausväter und -mütter, ihre Aufgabe der Katechese an Familie und Gesinde wahrzunehmen.²⁶³ Ebenso wichtig erschien es ihm, seiner Gemeinde den regelmäßigen Kirchgang einzuschärfen. Wenigstens einer aus jedem Haus sollte an

 Lauch, Ein und Dreißig Türcken Predigten, Av.  Lauch, Ein und Dreißig Türcken Predigten, Av-Ar.  Lauch, Ein und Dreißig Türcken Predigten, Av.  „Derwegen / welcher Vatter oder Mutter Gott und sein Kind lieb hat / der wöll dasselbig / ja auß dem grossen fewer allerley falscher Lehr und Irrthumb damit die gantze Welt jetzt angesteckt ist / erretten / und es durchauß von keiner Catechismi predig oder Kinderlehr abhalten / Ja die Eltern wöllen auch selbs / so viel ihnen möglich ist / dazu kommen / damit sie ire Kinder nachmals in der forcht Gottes / und allen Christlichen Tugenden daheim underrichten […].“ (Lauch, Ein und Dreißig Türcken Predigten, Er).

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Sonn- und Werktagen sowie zum Türkengeläut in der Kirche erscheinen und auch freitags bei der Türkenandacht nicht fehlen.²⁶⁴ Nachdem Lauch in den ersten drei Predigten grundlegende Fragen in Bezug auf die exegetische Legitimierung von Ez 38 f. als Beleg für die Existenz „des Türken“ in der Bibel, die Bedeutung des Predigens gegen die Türken und Fragen in Bezug auf die Grundlagen muslimischer Lehre geklärt hatte, stellte er in den folgenden neun Predigten jeweils einen Aspekt islamischer Lehre oder Praxis ins Zentrum: Der Prediger informierte zunächst über die Inhalte der muslimischen Tradition, um sodann dieselbe mit dem christlichen Bekenntnis zu vergleichen und sie – wenn möglich – mit den theologischen Inhalten der konfessionellen Gegner gleichzusetzen. Die Predigten 13 – 23 handeln sodann von dem letzten Kampf der Christen gegen die Türken und der Frage nach der Rechtmäßigkeit dieses Unterfangens. Der deutlich apokalyptische Ton dieser Predigten verdankt sich nicht zuletzt der Rhetorik des auszulegenden Bibeltextes selbst und mündet in zwei „Türckische Leichenpredigten“ (Predigten 22 und 23), die den Untergang des „Erbfeindes“ beschwören. Die folgenden sieben Predigten fokussieren wieder stärker den Predigttext und die Aussicht auf das ewige Leben, bevor in der letzten Predigt, der „Beschlußpredigt“, wesentliche Inhalte der vorangegangenen 30 Türkenpredigten zusammenfassend dargelegt werden. Die Ein und Dreißig Türcken Predigten des Johannes Lauch sind in vielerlei Hinsicht für die Türkenpredigten der 1590er Jahre repräsentativ: Neben der Auswahl des Predigttextes ist es vor allem die für lutherische Türkenprediger typische Rezeption der einschlägigen Texte Luthers, die Lauchs Predigten so charakteristisch erscheinen lassen. So wird z. B. bei der Behandlung der Frage nach der Rechtmäßigkeit eines Krieges gegen die Türken²⁶⁵ oder der Qualifizierung des Vaterunsers als Türkengebet²⁶⁶ die Autorität des Reformators deutlich, die diesem

 „So schick doch ein jeder an Sonn und wercktägen / wie auch zu mittag umb . uhr / wann man die Türckenglocken leüttet / auffs wenigst ein einigen Menschen auß seim hauß zur Predig und Türckengebet / das wir ja mit einmüttigem Geist und hertzen Gott den Herrn anruffen und bitten / das er uns nit allein vor des Türcken Tyranney / und falscher Lehr / sondern auch allem zeitlichen und ewigen unglück gendigklich bewaren […] wölle […].“ (Lauch, Ein und Dreißig Türcken Predigten, Dv). „Wöllet derowegen hinfort nit allein alle Freytag fleissig zur Kirchen kommen / sonder auch / so offt ihr die Türckenglock leutten hört / da in der Kirchen / oder daheym in den Häüsern / umb starcke hilff wider den Türcken / Bapst / und alle andere Rotten und Secten zu GOTT ruffen und schreyen / das sie nicht uberhand nemmen […]“ (Lauch, Ein und Dreißig Türcken Predigten, Er).  S. hierzu v. a. die . Predigt: Lauch, Ein und Dreißig Türcken Predigten, Rv-Sv.  S. hierzu v. a. Lauch, Ein und Dreißig Türcken Predigten, Vv-Xv: „Dieweil wir dann sehen / wie die fürstehende not / von wegen deß Türcken / im H. Vatter unser so artlich begriffen ist / so kan ein jeder Christ ohn all müh und arbeyt / weil er sonsten das Vatter unser zubeten schuldig ist /

4.3 Exemplarische Türkenpredigten

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offenbar gerade im letzten Jahrzehnt des Reformationsjahrhunderts zuteil wurde. Auch die von Lauch vorgetragene Konfessionspolemik, die sich nicht allein gegen die „Papisten“ richtete, sondern in besonderem Maße auch gegen „Calvinisten“, „Zwinglianer“, „Schwenkfelder“ und „Täufer“²⁶⁷, ist charakteristisch für das Vorgehen der meisten Türkenprediger: Anhand der Gleichsetzung muslimischer Lehren mit den Anschauungen der innerchristlichen Gegner meinte man, das eigene Bekenntnis als das einzig wahre plausibel machen zu können. Schließlich ist auch Lauchs Verteidigung der Türkensteuern ein Allgemeinplatz in den Türkenpredigten. Den Forderungen der territorialen Obrigkeiten folgend, fungierten die Prediger und Pastoren als Multiplikatoren der landesherrlichen Erlasse und warben für ein kollektives Einheitsbewusstsein im Kampf gegen den „Erbfeind“: Denn da hören wir das rechte Deus vult / Gottes willen / der rufft dem Schwerdt auff allen Bergen / und will / das man mit gantzem Gwalt und macht / den armen / betrangten Christen zuhülff kommen / und wider den Türcken streitten soll.Welche aber daheymen bleyben / die sollen nit allein fleissig beten / sonder auch willig und gern die Türckensteür geben / dadurch das Kriegs volck muß underhalten werden […] Und damit solches desto besser geschehen möge / soll jedermenigklich / hohes und nidern Stands / billich zu dieser zeit allen ubermässigen pracht / in Kleydung und Pancketieren / oder anderer Hoffart / einstellen / und zu solchem Türckenzug / so viel ihm immer müglich ist / gern helffen und rathen.²⁶⁸

Bemerkenswert und somit ‚untypisch‘ sind die fundierten Wissensbestände über die Türken und den Islam, die der Velburger Superintendent seinen Lesern an die Hand gab. Ausführlich beschrieb er die Herkunft und Biographie Mohammeds und bewies eine umfangreiche Quellenlektüre antiker und mittelalterlicher Quellen zur Vita Mahumeti sowie zu den Glaubensinhalten des Islam. So handelte Lauch z. B. in der dritten Predigt „Von des Türcken Religion […]“²⁶⁹ und beschrieb den Aufbau des Korans, welchen er – das wird anhand der Randglossen und der Verweise auf einzelne Koransuren deutlich – als Primärquelle heranzog und zitierte. Dabei betonte er zunächst infolge seiner Rezeption des Traktats Georgs von Ungarn – wie seinerzeit schon Luther – den schönen Schein des Korans, der nur vorgebe, die christliche Lehre zu ehren. Ebenso gab der Prediger detailliert Aufschluss über die praxis pietatis des Islam und formulierte daraus den Vorwurf der

dasselbig allemal oberzelter massen wider den Türcken sprechen. Dann es seind alle Türckengebet / die man jetzund hin und wider braucht / anders nichts denn ein außlegung des H. Vatter unsers.“ (hier: Xr).  S. hierzu die Verweise auf Lauchs Predigten u. in Abschn. ...  Lauch, Ein und Dreißig Türcken Predigten, Sv.  Lauch, Ein und Dreißig Türcken Predigten, Dv-Er.

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Werkgerechtigkeit. Auf diese Weise konnte er nicht nur Muslime, sondern auch „Altgläubige“ und „Calvinisten“ der falschen Lehre überführen. Johannes Lauchs Ein und Dreißig Türcken Predigten sind sowohl in ihrem Umfang als auch in Hinblick auf die vermittelten Wissensbestände herausragend. Durch die Koranlektüre des Velburger Superintendenten und die umfassende Rezeption antiker und mittelalterlicher Autoren zur Geschichte und Religion der Türken vermochte er es, seinen Lesern umfassende und durchaus dem Stand der damals gegenwärtigen Islamkunde entsprechende Kenntnisse zu vermitteln. Hinsichtlich des herausragenden Sachverstands sind die Predigten des Superintendenten einzig mit den Türkenpredigten der Theologieprofessoren Georg Mylius und Jakob Andreä vergleichbar. Im Gegensatz zu von Efferhens Predigten über denselben Predigttext knapp 30 Jahre früher fällt die stärker hervortretende Fokussierung auf einzelne Themen auf, die zwar ebenfalls – wie bei von Efferhen – in eine ethische Konkretion münden, jedoch stärker vom Thema herkommen als vom biblischen Text.

4.4 Deutungen der Türken und des Islam Neben der Vermittlung von Informationen über den türkischen „Erbfeind“ und seine Religion²⁷⁰ stellten die Prediger ihre Türkenpredigten auch in den Dienst der Vermittlung von Orientierungswissen, also der Vergewisserung des eigenen (lutherischen) Bekenntnisses sowie der ethischen Konkretion und Disziplinierung ihrer Gemeinden. Die aktuelle Türkengefahr erschien den Predigern als hervorragend geeignetes didaktisches Mittel, um diese Ziele Hörern und Lesern einzuschärfen. In den Predigten wird deutlich, dass die Theologen mittels ihrer Kanzelrede mehr wollten, als die gängigen „Berichte über die Türken“ oder „Neuen Zeitungen“ es leisteten. Zusätzlich zu den Wissensbeständen über Herkunft, Geschichte und Glaubenspraxis der Osmanen und ihrer Religion waren es vor allem die katechetische Unterweisung und konfessionelle Standortbestimmung, die den Predigern am Herzen lag. So wurde nicht selten – ganz im Sinne Luthers – „der Türke“ zur Geißel in der Hand Gottes, mit der dieser seine Kinder wieder auf die rechte Bahn zu bringen vermochte. Als biblisches Vorbild galten den Predigern mithin die alttestamentlichen Erzählungen von Plagen und fremden Völkern, mittels derer Gott das Volk Israel immer wieder diszipliniert hatte. Den biblischen Propheten gleich warnten auch die Türkenprediger ihre Gemeinden vor der Strafe

 S.o. Abschn. ..

4.4 Deutungen der Türken und des Islam

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Gottes, die mit den Türken nun auch ein Gesicht bekommen hatte. Auf diese Weise konnten die Prediger einerseits ihre eigene Autorität festigen und andererseits ihren Ermahnungen zur sittlichen Besserung des Lebens und dem Einschärfen konfessioneller Standpunkte Plausibilität verleihen. Die in diesem Abschnitt bearbeiteten vier Themenkreise spiegeln die zentralen Deutungen der Türken und des Islam wider, wie sie sich in nahezu allen Türkenpredigten finden lassen. Dahinter verbergen sich nicht zuletzt die theologischen Anliegen, die in ihrem Kern nichts oder nur wenig mit der eigentlichen Türkenthematik zu tun hatten, sondern diese lediglich zum Anlass nahmen, um die zumeist für die konfessionelle Identität wichtigen Topoi zu kommunizieren.

4.4.1 Gesetz und Buße – Die Türken als Geißel Gottes Aber hie sehet ihr / was die rechte ursach sey / daß Gott zürnt und der Türck hat glücke / und nimbt gewaltig zu / nicht der Pfaff / nicht sein Predigen / nicht sein straffen und vermahnen / sondern dein Abgötterey / verfelschung reiner Lehr / verachtung Gottes Worts / dein hartneckigkeit / daß du leßt in dich reden wie ein stock oder glotz / unnd thust dannoch wie dich gelüstet / das sind die rechten blaßbelg / damit man den zorn Gottes uber ein gantz land anzündet / und damit der Teuffel weidlich zublaset und sein freud hat.²⁷¹

Johannes Paul Sutorius schien den Grund für die Bedrohung durch das osmanische Heer gefunden zu haben: Das sündhafte Verhalten der Christenheit hätte dafür gesorgt, dass Gott die Türken als Strafe schickte. Der Einsatz von Kriegsgeräten und Waffen bringe hingegen rein gar nichts, folgerte der Prediger, wenn nicht zuvor Besserung und Buße der Christen Einzug hielten: In grossen Städten pflegt man wol den Türcken an die Häuser zumalen / und hinder jhme her ein Deutschen oder ein Hungern / die jhn auff die Haut schiessen / aber der Türck lest sich nicht also auff die Haut schiessen / dann er ist Gottes Ruthe. Werden wir uns nicht bessern und waare busse thun […] / so wird der Türck und alles unglück tag zu tag nur mechtiger werden / unnd wird endlich Gott kommen / unnd die bösen Kinder / sampt der Ruthen ins Hellich Feur werffen.²⁷²

Mit seiner Deutung reihte sich der oberpfälzische „Ecclesiast unnd Mathematicum“²⁷³ in die in allen lutherischen Türkenpredigten und dem Großteil der Tur-

 Sutorius, Acht Christliche […] Predigten, v.  Sutorius, Acht Christliche […] Predigten, v.  Sutorius, Acht Christliche […] Predigten, r.

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cica ²⁷⁴ des 16. Jahrhunderts vorherrschenden Deutungsmuster für die Erfolglosigkeit im Krieg gegen das Osmanische Reich ein: Nach alttestamentlichem Vorbild suchten die Prediger die Schuld für das Unglück beim Volk Gottes und stilisierten sich somit als biblische Propheten. Wie diese bedienten sie sich der Bußpredigt, deren Erfolg sich in der sichtbaren Umkehr des Volkes zeigte. So besserten sich z. B. die Einwohner der Stadt Ninive und taten Buße, nachdem der Prophet Jona das Ende der Stadt prophezeit hatte. Türkenpredigten sind Bußpredigten. In Kenntnis der biblischen Erzählungen hofften die Prediger auf eine sittliche Besserung der Christenheit, die durch ihr Fehlverhalten die türkische Gefahr zwar heraufbeschworen hätte, die aber immernoch in der Lage war, das Blatt zu wenden. Auch in anderen Katastrophenzeiten²⁷⁵, wie z. B. bei Wetter- und Flutkatastrophen²⁷⁶, Pestepidemien²⁷⁷, Hungerund Teuerungsperioden²⁷⁸, deuteten die Prediger das erlittene Unglück als Strafe

 S. hierzu Kaufmann, Türckenbüchlein, : „Ein Großteil der Publizisten zur Türkenfrage stimmte darin überein, daß sie das sittliche Fehlverhalten der Christenheit für die wesentliche Ursache des ‚Erfolgs‘ der türkischen Aggressoren hielten. Gott habe den Sieg der Türken als Strafe über die verkommene christianitas und als Appell zur Buße initiiert und ermöglicht.“  Die Reaktionen und Deutungen dieser Krisenzeiten sind für die Frühe Neuzeit besonders für die mit der sog. Kleinen Eiszeit verbundenen Katastrophen dokumentiert (s. hierzu: Wolfgang Behringer, Kulturgeschichte des Klimas. Von der Eiszeit bis zur globalen Erwärmung [München ],  –  und den Sammelband Behringer / Lehmann / Pfister, Konsequenzen).  Manfred Jakubowski-Tiessen stellte im Hinblick auf die Sturmfluten des . bis . Jh. fest: „Das Erklärungsmodell war einfach: Die Sturmflut war über die Nordseeländer hereingebrochen, weil Gott aus Zorn über die Sünden der Menschen zu seiner Strafrute greifen musste. Gottes Handeln sei, so wurde argumentiert, in der Absicht geschehen, die Menschen zur Umkehr von ihren Sünden und zur wahren Buße zu bewegen.“ (Manfred Jakubowski-Tiessen, Gotteszorn und Meereswüten. Deutungen von Sturmfluten vom . bis . Jahrhundert, in: Dieter Groh / Michael Kempe / Franz Mauelshagen [Hgg.], Naturkatastrophen. Beiträge zu ihrer Deutung, Wahrnehmung und Darstellung in Text und Bild von der Antike bis zum . Jahrhundert, Literatur und Anthropologie  [Tübingen ],  – , hier: , zur Deutung der Flutkatastrophe von  s. auch: ders., Wasserflut).  Besonders die Pest und ihre unzähligen Toten forderten spätestens seit der großen Pestpandemie Mitte des . Jahrhunderts Gelehrte, Mediziner und Prediger zu Deutungen heraus. Die Krankheit war seit dem Mittelalter als „Strafe Gottes für sündhaftes Leben gedeutet“ worden, „was aus vielen Beispielen aus dem Alten Testament abzuleiten war“. Im Laufe des . Jahrhunderts habe diese Argumentation „deutlich an Gewicht [gewonnen].“ (Neithard Bulst, Die Pest verstehen. Wahrnehmungen, Deutung und Reaktionen im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit, in: Dieter Groh / Michael Kempe / Franz Mauelshagen [Hgg.], Naturkatastrophen. Beiträge zu ihrer Deutung, Wahrnehmung und Darstellung in Text und Bild von der Antike bis zum . Jahrhundert, Literatur und Anthropologie  [Tübingen ],  – ; hier: ).  S. hierzu z. B. im Hinblick auf „die Krise von “ (extrem kalter Winter, Teuerung, Hunger): Behringer, Krise (bes. , hier verweist der Autor auch auf Predigten als „Krisentexte“ jener Zeit).

4.4 Deutungen der Türken und des Islam

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Gottes und ermahnten ihre Gemeinden zur Buße und Gebet: „Ganz im Sinne des Alten Testaments wurden Klimaextreme, Hagelstürme, Wasserfluten, Missernten, Pestilenz, Teuerung und Hungersnot in der Frühen Neuzeit von Theologen aller Konfessionen als Strafe Gottes für die Sünden der Menschen interpretiert.“²⁷⁹ Das siegreiche Vordringen der Osmanen wurde von den Predigern nun ebenfalls als eine Art Naturkatastrophe gedeutet, die Gott geschickt hatte, um sein Volk zurück auf den rechten Weg zu bringen. Die Deutungsmuster und Bewältigungsstrategien hinsichtlich der Türkengefahr entsprechen nicht selten dem Umgang mit derartigen Krisen, die als Momente menschlicher Ohnmacht empfunden wurden. Anschaulich wird die Gleichsetzung der Katastrophen z. B. in den Predigten des Nürnberger Diakons Johannes Paul Sutorius: „Denn Gott hat mehr plagen / will eine nicht helffen / So nimbt er eine andere. Die jar her hat er uns gestrafft mit Pestilentz / darnach mit theurung und hungers not / jetzt kompt er mit dem Türcken / und schickt Blutvergiessen.“²⁸⁰ Das Krisenmanagement der Theologen setzte häufig auf die Buß- und Gesetzespredigt, um die vermeintliche Wurzel des Übels zu beseitigen: Das sündhafte Verhalten der Gemeinde. Auch der lutherische Prediger Johannes Gigas (1515 – 1581) stellte die Türken auf eine Stufe mit der Bedrohung durch die Pest und verfasste zwei Bußpredigten. In seinem Predigtband Vom Türcken und Sterben, der eine Türken- und eine Pestpredigt enthält, führte der Theologe die Ursache allen Elends auf die Sündhaftigkeit der Christenheit zurück: Aber diß sind ewre sünde / viel unter euch haben böse / gifftige zungen / sind eigennützig / fortelhafftig / neidisch / hessig / rachgirig /etc. solches rede ich aus erfarung / denn ich nu 21. jhar / ewer prediger gewesen bin / etc. Derwegen greiffe ein jeder in seinen busen / sehe in sein register / kere für seiner thür / beseuftze hertzlich seine sünde / und halte dem Himlischen Vater / sein wort und zusage für / bitte umb gnad umb Christi willen / so wirt er dem vorterber wol weren / denn Er ist barmhertzig / gnedig unnd rewet jn bald der straffe […].²⁸¹

Als Spezifikum der Türkenpredigten kann ihr klarer Fokus auf Buße, der Möglichkeit zur Umkehr, gelten. Die Prediger beschränkten sich also nicht auf die reine  Behringer, Kulturgeschichte, .  Sutorius, Acht Christliche […] Predigten, v. Auch Johannes Brenz hatte in seiner Widmungsvorrede an Veit Dietrich die türkische Bedrohung vor Wien  sowie ein grassierendes Schweißfieber („peregrinae pestis, quam Anglicam vocant“) und eine Hungersnot als Anlass seiner Homiliae viginti duae angegeben (Brenz, Homiliae viginti duae, Ar). Auch Friedrich Mütel nannte die türkische Bedrohung in einem Atemzug mit anderen Katastrophen: „Allhier hören wir / Zu wem wir in all unseren nöthen fliehen sollen / sonderlich wenn Gott Thewrung / Pestilentz / kranckheit / Kriege und dergleichen uns zuschicket / Nemllich zu dem ewigen / Allmechtigen GOtt / der hilfft allein in nöthen.“ (Mütel, Krieg Predigt, Bv-Br).  Gigas, Vom Türcken und Sterben, Er-Ev.

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Predigt des Gesetzes, das in lutherischer Tradition den Menschen seiner eigenen Sündhaftigkeit überführte, um ihn sodann durch das Evangelium wieder aufzurichten, sondern sie erreichten durch die Mahnung zur Buße sogleich eine ethische Konkretion ihrer Predigt. Die Prediger suchten stets nach praxisnahen Handlungsanweisungen, durch welche die Gläubigen an Gottes Gnade appellieren konnten: Das (tägliche) Gebet um Vergebung der eigenen Sünden erschien ihnen als konkrete Umsetzung der Predigt im Alltag. Die Bußrhetorik der Predigt schlug sich auch auf deren liturgische Verortung nieder. Zumeist wurden die Türkenpredigten in den eigens eingerichteten Türkengottesdiensten gehalten, die häufig an den traditionellen wöchentlichen Bußtagen Mittwoch und Freitag stattfanden²⁸² oder an den aufgrund der Türkengefahr installierten Buß- und Bettagen. Der Tübinger Universitätskanzler Jakob Andreä hielt fünf seiner Dreyzehen Predigen vom Türcken sogar an Sonntagen in der Passionszeit 1568, der klassischen Bußzeit im Kirchenjahr. In dieser Hinsicht ist auch Manfred Jakubowski-Tiessens Ergebnis zu werten, der anhand von Kirchenordnungen und Postillenpredigten nachwies, dass in Folge der großen Katastrophen am Ende des 16. Jahrhunderts eine liturgische und frömmigkeitsspezifische Aufwertung des Karfreitags im Protestantismus stattfand, die in dieser Weise von den Reformatoren nicht impliziert war.²⁸³ Die Listen der ethischen Verfehlungen in den Predigten sind lang, denn „[i]m späteren 16. Jahrhundert wurde es insbesondere bei den Lutheranern selbstverständlich, den im Türken ergehenden Zorn Gottes mit den sittlichen Mängeln […] in der eigenen Konfessionsgesellschaft zu begründen.“²⁸⁴ Die Prediger scheuten die Offenlegung der sündhaften Laster ihrer Gemeinden nicht, wenngleich sie sich deshalb wohl nicht selten unbeliebt machten.²⁸⁵ So prangerten sie sowohl sittliche

 S. hierzu o. Abschn. ...  Manfred Jakubowski-Tiessen, Das Leiden Christi und das Leiden der Welt. Die Entstehung des lutherischen Karfreitags, in: Wolfgang Behringer / Hartmut Lehmann / Christian Pfister (Hgg.), Kulturelle Konsequenzen der „Kleinen Eiszeit“. Cultural Consequences of the „Little Ice Age“, VMPIG  (Göttingen ),  – .  Kaufmann, Türckenbüchlein, .  So ermahnte z. B. Jakob Andreä die Prediger: „Eben also möcht man auch zu diser zeit Leut finden / die […] von uns den Evangelischen Predigern reden / wir können anders nichts / dann allein von Unglück sagen / unnd man höre gar selten in unsern Predigen von Glück und Wolfart / wölchs dann die Welt nicht gern höret / sonder vil lieber von Friden / wolfeiler Zeit /Frewd unnd Wollust höreten reden. […] Aber wann ein Volck sich an seinem Gott versündiget / unnd noch nicht Buß thut / da kan ein Prediger nicht anders reden / dann wie der Herr redet / unnd die Straff der Sünden anzeigen / will er anderst als ein trewer Diener deß Herren erfunden werden.“ (Andreä, Dreyzehen Predigen, Av-Ar). Auch der Magdeburger Domprediger Siegfried Sacci, der die Vorrede zu Nikolaus Mörings Türkenpredigten verfasste, ging auf die Reaktionen der Bußpredigten

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Missstände als auch religiöse Verfehlungen ihrer Gemeinden an, die vom Zechen im Wirtshaus bis hin zum Abfall vom rechten Bekenntnis reichten.²⁸⁶ Als Hauptursache machten die Theologen jedoch v. a. die konfessionellen Spaltungen aus, die dafür gesorgt hätten, dass die Christenheit in sich zerrissen wäre und die somit keine einheitliche Front gegen die Osmanen zustande bringen konnte.²⁸⁷ Georg Mylius ermunterte deshalb in der neunten seiner Zehen Predigten vom Turcken seine Gemeinde: „Wenn wir Christen einig weren / so würden die Türcken ein: „Dann da wir Prediger im anfang des jetzigen Türckenkriegs / unsere Zuhörer von des Türckens grawsamkeit unterrichtet / zur Busse und zum ernsten Gebet / vermanet / sind wir von etlichen Epicurern zum schimpflichsten ausßgelacht worden / welche fürgeben / das es lauter Phantasey / Man wolte die Leute betrüben / als wann der Türck vorhanden sein solte / do es doch alles erlogen were. Obs aber Lügen oder Warheit gewesen / das hat die erfahrung gegeben.“ (Möring, Christen Schutz, )(r).  Die ausführlichste Aufzählung der Verfehlungen seiner Gemeinde bietet wohl Johannes Lauch. Anhand des Dekalogs wies er die Vergehen sämtlicher Bevölkerungsschichten gegen die ersten acht Gebote nach. Hierbei kamen religiöse Verfehlungen genauso wie zwischenmenschliche Konflikte und sittliche Verrohung zur Sprache (Lauch, Ein und Dreißig Türcken Predigten, v-r). Seine Ausführungen enden summarisch mit dem Hinweis: „Sehet liebe Christen / wir haben nur ein wenig inn unsers Herrn Gotts Kalender und Register herumb geblättert / und / leyder soviel gefunden / das ein jeder geringverständiger ihm leichtlich wirdt die rechnung machen könden / es sey eben umb die zeit / da Gott durch den Propheten allhie weissagt / da wir sicher wohnen / ohne Mauren /Rigel / und Thor /das ist / durch unser sündigs / sichers / Gottloß wesen und leben /thun wir dem Türcken selbs Thor und Rigel auff / und machen ihm ein freyen Paß / das Gott sein Angesicht für uns verbirgt / gibt uns inn die Händ der Widersacher / unnd laßt uns durch das Schwerdt fallen […].“ (Lauch, a.a.O., r). Auch der Eislebener Pfarrer Heinrich Roth nahm in der ersten seiner fünf Türkenpredigten auf die sündhaften Laster seiner Gemeinde Bezug: Neben der „Abgötterey“ des Papsttums und der fehlenden Gottesfurcht kritisiert er vor allem das moralische Laster der „Hurerey“, das nicht einmal von der Obrigkeit gestraft werde: „Man bekömpt ein Huren Kindlein uber das ander zu teuffen. Dencke ihm doch nur ein vernünfftig Hertz nach / obs nicht wird eintreffen / daß das Kindlein etwa für . Wochen / mitten in der zeit der Pestilentzischen Seuche durch Unzucht gezeuget sey? Was soll denn Gott darzu sagen? Wer es auch Wunder / ob Gott nicht allein Türcken / sonder dem Teuffel selbs verhienge? Noch bleibet solchs alles fein ungestrafft / und werden Huren und Buben geheget darzu.“ (Roth, Fünff Türckenpredigten, Cr); weitere Beispiele für die Aufzählung von sittlichen und religiösen Lastern in den Gemeinden u. a. bei: Andreä, Dreyzehen Predigen,  f.; Assum, Türckenpredigten,  – ; Efferhen, XIII Christenliche Predigten, bv-bv; Flurer, Das Lied Mosis, Mr-Nr; Gesner, Funffzehen Predigten, Cv-Cv; Bbv-Ccr; Ddv-Eer; Heidenreich, XII Turcken Predigten, Hr und Rupertus, Zwo Predigten, Cr-Cv.  S. hierzu z. B. Rupertus, Zwo Predigten, Gr-Gv: „Und weil der Türck durch diese zwen wege der Christenheit den grössesten abbruch gethan / Erstlich das die Christen zertrennet / nicht zusammen gehalten. Wie denn auch die Türcken teglich bitten / das Gott die Christen nicht wolle lassen einig werden / dann sonst sey es mit dem Türckischen Reich geschehen. Und wie ein Türckischer Legat gesagt / wenn wir Christen zusamen hielten / sie hetten nicht so viel raum für uns / das sie sich gürten könten.“ Vgl. hierzu auch Kaufmann, Türckenbüchlein, .

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kaum so viel raum und zeit haben / das sie sich gürten köndten. […] So viel desto mehr hetten wir ursach / unsere inheimische streitte ine zeitlang bey seits zu legen / und dem gemeinen Feind mit gesampter hand widerstand zu thun.“²⁸⁸ Häufig begegnet in den Türkenpredigten auch die Qualifizierung des sittlichen Fehlverhaltens als „türkisch“, indem vermeintlich muslimische Anschauungen und Bräuche als barbarisch gebrandmarkt und auf die Missstände in den eigenen Gemeinden übertragen wurden.²⁸⁹ Johannes Brenz trieb seinen Bußappell sogar so weit, dass er „den Türken“ in jedem Einzelnen vorfand: Durch Buße sollte der „haustürcke / den ein yetlicher im busen tregt“²⁹⁰, bezwungen werden. Auch der Pastor im schlesischen Schweidnitz, Esaias Heidenreich d.Ä. (1532– 1589), charakterisierte jeden Einzelnen als „türkisch“: Wollen wir nu heute uber und wider den Türcken schreien / er zerstöre Kirchen unn Kirchengüter / so klagen und beten wir wider uns selber / uber unsern eigen Hals und Seele. Das ist die ursache / darüber wir uns engsten / wie es komme / das wir an unserm teil kein Glück wider den Türcken haben / Wir sind selber Türckisch / und leben Türckisch / darumb kan und wil uns Gott nicht gnedig sein.²⁹¹

Vereinzelt klangen auch kritische Töne in Bezug auf die territorialen Obrigkeiten an, die von den Predigern ermahnt wurden, ihre Aufgaben als status politicus wahrzunehmen.²⁹² So forderte z. B. Superintendent Johannes Lauch unter Rekurs

 Mylius, Zehen Predigten, r-v.  S. hierzu z. B. Sutorius, Acht Christliche […] Predigten, v-r: „Was wir meinen / daß Türcken / Moscawitern / Spaniern / und andern grausamen Völckern / wol anstehe / wollen wir nachthun. Man siehets an Türckischen und Moscowitischen spitzhüten / schnautz und Knebelbärten / unnd anderer seltzamer außlendischer / leichtfertiger und Unchristlicher tracht und Kleidung / die jetzund wider alle Deutsche und Christliche gravitet und libertet bey manchem fratzen gemein sind. Das junge Bürßlein will in allen pfitzen baden / Eheleut halten ihr Ehe wie der Hund sein fasten / unnd leben in solcher Türckischer unsauberkeit und schande / daß sich Sonne und Mond drob entferben möcht.“  Brenz / Coccius, Zwo und zwaintzig Predig, br. „Erras, si existimaveris alia via salutem parari posse, conscribe vel sexcentos adversus Turcam exercitus, para in numera belli instrumenta, et exequere omnia quae sunt vel strenui militis vel boni Imperatoris officia, nihil tamen proversus Turcam, nos qui domi remanemus, domesticum nostrum Turcam, quem unusquisque in sinu suo gestat, perdomemus et mortificemus, hoc est, nisi peccatorum nostrorumque.“ (Brenz, Homiliae viginti duae, Bv, Hervorhebung D.G.).  Heidenreich, XII Turcken Predigten, Gr (Hervorhebung D.G.).  Vgl. hierzu auch den Ansatz des DFG-Projekts „Religion und Politik in protestantischen Predigten des . und . Jahrhunderts im thüringisch-sächsischen Raum“, in dem besonders auf die obrigkeitskritischen Töne der Predigten abgehoben wird. Zum Projekt bisher erschienen: Philip Hahn / Kathrin Paasch / Luise Schorn-Schütte (Hgg.), Der Politik die Leviten lesen. Politik von der Kanzel in Thüringen und Sachsen,  – . Begleitband zur Ausstellung des Lehrstuhls für

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auf die Drei-Stände-Lehre in einer seiner Ein und Dreißig Türcken Predigten: „Wolan so thue ein jeder in seim Standt das best dabey: Die Prediger / mit trewhertzigem warnen und vermahnen / Die Obrigkeit / mit abstellung alles Gottlosen / Leichtfertigen / wesens und lebens / Die Haußvätter mit fleissiger Haußzucht und guter disciplin […].“²⁹³ Auch Jakob Andreä forderte alle drei Stände auf, ihren Pflichten nachzukommen: „Die Oberkeit soll gedachte verdampte Abgötterey abschaffen / die Baals Meßaltär abbrechen / die abgöttische Wallfarten abschaffen / die Abgöttischen Feldkirchen umbreissen / den rechten Gottesdienst widerumb nach dem heiligen Euangelio auffrichten / unnd neben demselben uber der Gerechtigkeit / Erbarkeit / und Christlicher Zucht mit ernst halten / unnd in solchem allem dem Volck ein gut Exempel fürtragen.“²⁹⁴ Johann Christoph Flurer, Pfarrer in Neckarsteinach, ermahnte die Obrigkeiten: Sie sollten das Predigtamt fördern und nicht allein auf Waffen setzen.²⁹⁵ Der Superintendent von Bischofswerda, Zacharias Rivander, äußerte sich schon deutlicher. Seine Kritik richtete sich zunächst gegen die „Räthe“ der Regenten. Diese seien „untrew und unglückhafftig“²⁹⁶ und es sei allgemein bekannt, dass „der grossen Potentaten fürnemeste Räthe ihre ergste Verrehter“²⁹⁷ seien. Aber auch die eigentlichen Machthaber kritisierte er. Rivander warf ihnen vor, an den siegreichen Eroberungen der Osmanen nachgerade selbst schuldig zu sein, da sie auf den Reichs-

neuere allgemeine Geschichte unter besonderer Berücksichtigung der Frühen Neuzeit der JohannWolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main und der Universitäts- und Forschungsbibliothek Erfurt/Gotha im Spiegelsaal der Forschungsbibliothek Gotha auf Schloss Friedenstein. . August bis . Oktober  (Gotha ). Die Obrigkeitskritik außerhalb der Predigten nimmt außerdem in den Blick: Luise Schorn-Schütte, Kommunikation über Herrschaft: Obrigkeitskritik im . Jahrhundert, in: Lutz Raphael (Hg.), Ideen als gesellschaftliche Gestaltungskraft im Europa der Neuzeit: Beiträge für eine erneuerte Geistesgeschichte (München ),  – .  Lauch, Ein und Dreißig Türcken Predigten, Rr.  Andreä, Dreyzehen Predigen, .  „Dis Exempel sollen alle Regenten offt betrachten / und daran lernen / wie sie jre Land und Leute wider frembde Gewalt schützen sollen / Nemlich also / das sie niht allein das Schwerdt wider die Feinde zücken / sondern auch Gott umm glück und sieg anruffen / Dazu denn von nöten sein wil / das sie leute haben / die im fall der not den Harnisch anziehen / und dem Feinde unter augen treten dürffen. Furnemlich aber / das sie auch in jren Landen und Gebieten das Predigtampt recht bestellen. Denn wo Gottes wort nit recht gepredigt wird / da kan auch keine ware anruffung geschehen / wie S. Paulus Rom. . sagt: Wie sollen sie aber anruffen / an den si nit gleuben? Wie sollen sie aber gleuben / von dem sie nichts gehört haben / Wie sollen sie aber hören ohne Prediger? Derwegen auch jetziger zeit des Kriegs wider den Türcken die not erfordert / das man nit allein draussen mit dem Schwerdt / sondern auch daheimen mit dem Gebet wider den Feind streite.“ (Flurer, Das Lied Mosis, Ar-Av).  Z. Rivander, Heerpredigt, Br.  Ebd.

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tagen die Zeit mit Diskutieren verstreichen ließen.²⁹⁸ Schließlich mahnte der Superintendent die Unterordnung der Fürsten unter den Kaiser an und sparte nicht mit Kritik an ihnen: „Aber [d]er Keyser Ferdinandus sey ein König der Könige / dann die Fürsten des Reichs geben nichts auff den Keyser / wollen selber Keyser / und ein jeglicher in seinem Lande König sein. Aber dennoch sey er ihr Keyser. Darumb sich des Reichsstende hieraus wol spiegeln / und zu rücke dencken möchten / daß / wie sie gehorsam von ihren Underthanen haben wollen / sie in gleichem deselben auch den Römischen Keyser zu leisten schuldig sein.“²⁹⁹ Georg Mylius prangerte zudem die mangelnde Kritikfähigkeit sowohl der Obrigkeiten als auch der Gemeinden an. Für die meisten Prediger bedeutete schließlich ihre Kritik an den Fürsten das Ende ihrer Karriere, so Mylius: „Aber greiffet man ein wenig die Personen an / unnd saget ihnen in specie, wo jnen die Sonne auffgehe / da ist Fewr in allen Gassen / daa wil man aus der Haut farhen / und vom Pfaffen kurtzumb ungehoffmeistert und unreformieret sein. Trotz sage jtzt ein Prediger einem Fürsten / er thue unrecht / das er dem unmessigen sauffen / dem unzeitigen jagen / hötzen / spielen und pancketieren ergeben sey.Wie bald würde urlaub vorhanden sein / unnd der Thurn nach dem Pfaffen schnappen.“³⁰⁰ Meist verhallten die Bußappelle jedoch ungehört. Ziemlich enttäuscht berichteten einige Türkenprediger von der Wirkungslosigkeit ihrer Predigt oder der fehlenden Ernsthaftigkeit im geistlichen Kampf gegen die Türken. So stellte Nikolaus Möring, Prediger aus Seeburg in der Alten Mark Brandenburg, in der dritten seiner sechs Predigten resigniert fest: „Und da sie durch trewhertzig Bußprediger darumb gestraffet werden / sprechen sie trotziglich / Man habe wol ehe den Teuffel so zornig / die Tyrannen so schrecklich / unnd die Hölle den Leuten so heis vorgebildet / und von vorstehender straffe gedrewet. Aber es sey gleich wol nichts darauß geworden / sie wollens dißmal auch erfahren / sehen / und fühlen gehe vor hören und sagen.“³⁰¹

 „Darumb haben sich unsere Christliche Potentaten und Heupter wol fürzusehen / das mit langem delibieren die Sache nicht erger werde / und des schrecklichen Urtheils execution dermahl eines uber sie ergehen möchte […].“ (Z. Rivander, Heerpredigt, Br).  Z. Rivander, Heerpredigt, Cr.  Mylius, Zehen Predigten, v.  Möring, Christen Schutz, Hv. Auch Johannes Paul Sutorius resümierte resigniert: „Ist das nicht ein greuliche blindheit. Man sing / man sag / man predig wz man wol / ein jeder thut / was jn gelüstet / eben als wen kein not da wer. […] Dann wanns dahin kompt / daß man Gottes Wort veracht / und umbsonst warnen und predigen lest / oder wol gar ein gespött drauß macht / da ist nichts bessers zugewarten / den es mus endlich brechen. Gleicher weiß als wann ein Kind sein Vater veracht und verlacht / das kan nicht auffkommen / es muß verderben / und dem Hencker zu theil werden.“ (Sutorius, Acht Christliche […] Predigten, r-v).

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Schon Martin Luther hatte die Bußrhetorik in die Auseinandersetzung mit den Türken eingebracht. Im Gegensatz zu den Kreuzzugsideen der Päpste des späten 15. und beginnenden 16. Jahrhunderts, die seit dem Fall Konstantinopels Heerscharen von Kreuzzugspredigern durch Europa geschickt hatten, um für den „Türkenzehnten“ und weitere Söldner zu werben,³⁰² akzentuierte der Wittenberger die Türkenfrage bußtheologisch.³⁰³ In den Resolutiones seiner Ablassthesen hatte er die Türken als „Geißel Gottes“ gedeutet und einem mit Ablassgeldern finanzierten Kreuzzug widersprochen.³⁰⁴ Die lutherischen Autoren übernahmen infolgedessen die Bußrhetorik des Reformators und deuteten die militärischen Erfolge der Türken als Strafe für die begangenen Sünden der Christenheit.³⁰⁵ Somit hallte noch das gesamte Jahrhundert hindurch nach, was Luther zu Beginn seiner Auseinandersetzung mit der Papstkirche und deren forcierter Ablasspraxis formuliert hatte. In seinen 1529 erschienenen Schriften Vom Kriege wider die Türken und seiner Heerpredigt hatte Luther schließlich explizit die Prediger zu Bußpredigten aufgefordert und zu besonderer Ernsthaftigkeit in der Auseinandersetzung mit dem Osmanischen Reich gemahnt.³⁰⁶ Die Fokussierung lutherischer Predigten auf Gesetz und Buße im konfessionellen Zeitalter, wie sie beispielsweise von Karl Holl beschrieben wurde³⁰⁷, trifft  S. hierzu o. Abschn. ..  S. hierzu auch: Thomas Kaufmann, Aspekte christlicher Wahrnehmung der „türkischen Religion“, in: Ludger Grenzmann / Thomas Haye u. a. (Hgg.), Wechselseitige Wahrnehmung der Religionen im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit II. Kulturelle Konkretionen, AAWG N.F.  (Berlin / Boston / Göttingen ),  – , hier:  f. und ausführlich: Ehmann, Luther, Türken und Islam,  –  (bes.  – ). Auf die Implikationen der lutherischen Interpretation der Türken als „Geißel Gottes“ im Hinblick auf die Frage nach der Rechtmäßigkeit eines Krieges gegen das Osmanische Heer s.u. Abschn. ...  Zu Luthers Verständnis der Türken als „Geißel Gottes“ s. auch: Markus Wriedt, „Die Sicht des Anderen“ – Luthers Verständnis des „Türken“ als „Zuchtruthe Gottes“ und „Geißel der Endzeit“, in: LuJ  (),  – .  S. hierzu z. B. Rupertus Erythropel in seinem Weckglöcklein, der „die Geißel Gottes“ mit der Arbeit eines Zimmermanns verglich: „Gott der HERR wirdt den Türcken brauchen / wie der Zimmermann ein Axt oder Segen braucht / damit er etwas zerhauwet oder zerschneidet […]: Also thut Gott der HERR auch / wir sollen seyn gerade Bäume der Gerechtigkeit wie Esaias sagt / Aber wir sind nun verwildet / in die Krümme gewachsen / und bringen keine Früchte / da muß Gott behobeln / besebeln / und als grobe Höltzer behauwen / dazu braucht er nun den Türcken / als eine Axt oder Segen […] / die Ruhte uber uns ist gebunden / die Axt geschlieffen und geschärpffet / welche der HERR dem unfruchtbaren Baum an die Wurtzel legen wirdt.“ (Erythropel, Weckglöcklein, ).  Zu den beiden Schriften Luthers ausführlicher o. Abschn. ...  Für den Dreißigjährigen Krieg formulierte z. B. Karl Holl: „Bußstimmung hat der Krieg in der evangelischen Bevölkerung geweckt, sobald und so oft man die drohende Gefahr ernsthaft verspürte. Die Bußtage, die regelmäßig und in wachsender Zahl von den Regierungen ausgeschrieben

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folglich in besonderem Maße auf die Türkenpredigten zu. Das Repertoire der vornehmlich alttestamentlichen Predigttexte, mittels derer die Prediger die Türken als Strafe Gottes deuteten, sorgte nicht zuletzt dafür, dass die christlichen Leser nicht als Individuen, sondern als Gemeinschaft angesprochen wurden.³⁰⁸ Einzelne „Sündenböcke“ wurden nicht gesucht, sondern die gesamte Christenheit wurde für die Krise verantwortlich gemacht.³⁰⁹ Auf diese Weise beschworen die Prediger ein Zusammengehörigkeitsgefühl im Kampf gegen die Türken, das auf die Integration aller Christen – auch der Daheimgebliebenen – in die kriegerische Auseinandersetzung mit den Osmanen setzte. Das gängige Deutungsmuster, Katastrophen jeglicher Art als Strafen Gottes zu interpretieren, implizierte durch die Bußrhetorik sogleich eine praxeologische Ausrichtung der Türkenpredigt. Die Bußappelle der Prediger und die mancherorts vorgenommene „Turkisierung“³¹⁰ der Christen zielten weiterhin auf die ethische Disziplinierung der Gemeinden, die von den Obrigkeiten häufig unterstützt wurde.³¹¹ Zweifellos sollte sich der Kampf werden, die Bußpredigten, zu denen sie überall Anlaß geben, und die starke Beteiligung des Volks an ihnen legen dafür hinreichendes Zeugnis ab.“ (Karl Holl, Die Bedeutung der großen Kriege für das religiöse und kirchliche Leben innerhalb des deutschen Protestantismus, in: ders., Gesammelte Aufsätze zur Kirchengeschichte, Bd. , Der Westen [Tübingen ],  – , hier: ). Auch Alexander Bitzel beschrieb dies im Hinblick auf das konfessionelle Zeitalter: „Man hat den – nicht immer gern vernommenen – Ruf zur Umkehr verschiedentlich als ein prägendes Merkmal des konfessionellen Zeitalters beschrieben. Das ist nicht weiter verwunderlich, weil es lutherischen Theologen jener Jahre ganz geläufig war, Krieg und Not als Bußpredigten Gottes zu deuten.“ (Alexander Bitzel, Anfechtung und Trost bei Sigismund Scherertz. Ein lutherischer Theologe im Dreißigjährigen Krieg, SKGNS  [Göttingen ], ).  So auch Sabine Holtz, die für die Zeit der lutherischen Orthodoxie die Inanspruchnahme alttestamentlicher Predigttexte dafür verantwortlich machte, dass hier eher an das gesellschaftliche Gewissen als an das individuelle appelliert wurde. Dieser scheinbare Widerspruch in Holtzʼ Argumentation, die ja eine Betonung des Individuums bereits für die lutherische Orthodoxie nachweisen wollte, wird durch „[d]ie verstärkte Heranziehung neutestamentlicher Beispiele unter pietistischem Einfluss“ scheinbar gelöst (Holtz, Theologie und Alltag, ).  Auf diese Weise verfuhr man im Übrigen auch bei den anderen Predigten zu unerklärbaren Naturphänomenen: „Die Sündenökonomie, die von den Theologen als wichtigstes Interpretament der Klimaverschlechterung eingeführt wurde, suchte in der Regel keinen Sündenbock. Vielmehr wollten die zeitgenössischen Moralapostel eine Änderung des Verhaltens der großen Masse der Gläubigen erreichen.“ (Behringer, Kulturgeschichte, ).  S. hierzu auch Kaufmann, Türckenbüchlein, : „Die ‚Turkisierung‘ der Christenheit zeigte sich in ihrer sittlichen Verwahrlosung […].“  Auf die sozialdisziplinierende Funktion der Predigt in der Frühen Neuzeit wies bereits Sabine Holtz hin. Zu Recht machte sie jedoch darauf aufmerksam, dass der Begriff der Sozialdisziplinierung nicht ausreiche „um das Verhältnis von Obrigkeit und Untertanen bzw. zwischen Prediger und Laien zu beschreiben“ (Holtz, Theologie und Alltag, ).Vielmehr gehe es um die Ausweitung des „zunächst einseitig von ‚oben‘ nach ‚unten‘ verlaufenden Prozesses […] ins Gewissen des

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mit „geistlichen Waffen“ nicht allein finanziell auf den Türkenkrieg auswirken, sondern auch in moralischer Hinsicht.³¹² So suchten z. B. in Schwäbisch Hall Johannes Brenz und drei weitere Theologen die Hilfe des Stadtrates bei der Eindämmung sittlicher Missstände. Konkret baten sie die Ratsherren, „allen jren underthonen ernstlich [zu] gebieten, […] kein offenliche hochzeit zubegen, kein offenlichen Tantz zuhaben, kein offenliche gemein zech auff den Stuben oder wirtzheussern zuhalten, Oder zum wenigsten, das am feyertag all offenliche zech zur vesper zeit ein end sollten haben und menigklich in die kirchen zur Letaney zugen vermanet werden.“³¹³ In Nürnberg erließ der Rat ein Mandat, das neben dem Läuten der Türkenglocke und der Aufforderung zum häuslichen Gebet wider den „Erbfeind“ auch die sittliche Disziplinierung der Bürger forderte: Es wurde verfügt, „das auch ein yegtklicher haußvater sein Weyb, Kinder, Eehalten und gesynde von allem Gots schwern / zutrincken / und allen laßtern und leychtvertigkeyten ab [halten sollte] / und zu einem züchtigen erbern wandel und wesen weysen wöll[te].“³¹⁴ „[W]en diser jamer / den der Türck in der Christenheit on aufhören treibt / nicht zu der Buß vermanet / dem weiß ich nit / was man predigen solt / dardurch er zur Buß getriben werden möchte“³¹⁵, schlussfolgerte Jakob Andreä. Mittels der Bußpredigten gelang den Predigern die Sensibilisierung, Identifizierung und Disziplinierung der Gemeinden in Bezug auf den Türkenkrieg einerseits und in Bezug auf das sittliche Verhalten der gesamten christlichen Gesellschaft ande-

einzelnen Menschen.“ (ebd.). Auch Wolfgang Behringer machte im Zusammenhang der Krisendeutungen des . Jahrhunderts auf das Zusammenspiel von Regierung und Geistlichkeit aufmerksam: „Im Zentrum der Interpretation stand der Zusammenhang von Sünde und Buße. Dies hatte Folgen für das ‚moralische Regime‘ des Zeitalters, das in Reglementierungsversuche mündete bzw. diese verschärfte […]. Die Regierungen und die Geistlichkeit versuchten massiv, die emotionale Unruhe, die aus den Krisenerscheinungen erwuchs, für ihre politischen bzw. religiösen Ziele zu instrumentalisieren und massiv auf die Lebensgewohnheiten der Bevölkerung einzuwirken, mit nachhaltigen Konsequenzen für Kleidermode, das Sexualverhalten und die Lebensgewohnheiten und Verhaltensweisen ganz allgemein.“ (Behringer, Krise, , vgl. hierzu auch Behringers Abschnitt „Sündenökonomie und Kleidung“ in: ders., Kulturgeschichte,  – ).  Sabine Holtz beschrieb den Zusammenhang von Gesetzespredigt und Betonung des Gewissens, den sie bereits in den Predigten der lutherischen Orthodoxie vorfand und der später zu Individualisierungstendenzen geführt habe, wie sie sich im Zeitalter des Pietismus zeigten (Holtz, Theologie und Alltag,  – ).  Brenz, Bitt der Kirchendiener, .  Zit. nach: Klaus, Veit Dietrich,  f.  Andreä, Dreyzehen Predigen, . Parallel hierzu auch Mylius, Zehen Predigten, v: „Wen aber die Türckenpredigten nicht zur Buß bringen und bewegen könden / dem wüste ich meines teils in Warheit nicht / was man predigen müßte / dadurch er zur Buß möchte bewogen werden.“

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rerseits. Vermutlich ist in dieser Doppelfunktion der Türkenpredigten ein Grund für das Massenphänomen Türkenpredigt gefunden.

4.4.2 Krieg und Waffen – Die Frage der Legitimierung des Türkenkrieges Darffen Christen mit gutem gewissen wieder den Türcken streiten? Ja / denn er ist ein offentlicher reuber und landverwüster / trachtet uns nach leib und leben / gedenckt unsere Schulen / Kirchen / Policeien und regiment / gar zuverstören / […] wie man nu einem tollen hunde oder strassenreuber und mörder / billig weret und steuret / also dürffen wir auch one verletzung unseres gewissens / wieder den Türcken streiten / uns / unsere weib und kinder und lieben nachbarn und glaubensgenossen schützen und erretten / und ob wir wol guth und blut darüber lassen / ists uns doch rümlich / denn unser lieber Gott mancherley merterer hat.³¹⁶

Die Frage nach der Rechtmäßigkeit eines Krieges gegen die Osmanen begegnet so gut wie in jeder evangelischen Türkenpredigt.³¹⁷ So wie Johann Gigas (1515 – 1581) in seiner Türkenpredigt einen militärischen Abwehrkampf ethisch legitimierte, argumentierten die meisten anderen Türkenprediger auch. Häufig führten die Prediger zudem Röm 13 als Argumentationsbasis der Zwei-Reiche-Lehre an und rekurrierten auf Luthers Darlegungen in seinen Schriften Vom Kriege wider die Türken und in seiner Heerpredigt. ³¹⁸ Offenkundig sahen sich die lutherischen Prediger des gesamten 16. Jahrhunderts genötigt, die Fragen im Hinblick auf die ethische Legitimierung eines Krieges sowie ihre Positionierung zur Obrigkeit zu rechtfertigen. Grund für die thematischen Häufungen in den Türkenpredigten waren nicht zuletzt die Äußerungen Luthers zu Beginn des Ablassstreits. Insofern hallte noch das gesamte Jahrhundert hindurch Luthers Deutung der Türken als virga nach, die er in den Resolutiones seiner Ablassthesen geäußert hatte. Diese von römisch-katholischer Seite oft als

 Gigas, Vom Türcken und Sterben, Bv-Br.  Neben Gigas s. hierzu z. B.: Brenz / Coccius, Zwo und zwaintzig Predig, Ar-Av (Brenz, Homiliae viginti duae, Ev-Er); Heidenreich, XII Turcken Predigten, Hr-Hr; Hoë von Hoënegg, Sechs Türcken Predigten,  – ; Lange, Christliche außlegung, Br; Lauch, Ein und Dreißig Türcken Predigten, r-[]r; Möring, Christen Schutz, r-r; Mylius, Zehen Predigten, v-v (. Predigt); J. Rivander, Heerpredigt, Dv-Ev; Z. Rivander, Heerpredigt, Cv-Dv; Rupertus, Zwo Predigten, Fr-Fv; Roth, Fünff Türckenpredigten, Fr-Fv.  Ausführlicher zu Luthers Zwei-Reiche-Lehre in Vom Kriege wider die Türken und in seiner Heerpredigt: o. Abschn. ... Zu Luthers Kriegsethik vgl. einführend auch: Svend Andersen, Macht der Liebe. Zur Rekonstruktion einer lutherischen politischen Ethik (Theologische Bibliothek Töpelmann ), Berlin / New York ,  – ; Erdmann, Krieg und Mantey, Schwerter,  – .

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Aufruf zum Pazifismus (miss‐) verstandene Bestimmung der Türken als „Geißel Gottes“ durch den Reformator sorgte im konfessionellen Disput immer wieder für Zündstoff,³¹⁹ denn man hielt Luther und seinen Anhängern vor, sie lehnten ein militärisches Vorgehen gegen das türkische Heer prinzipiell ab, ja sie paktierten gar mit den Türken.³²⁰ Auch wurden die Siege des osmanischen Heeres von altgläubigen Theologen nicht selten den Lutheranern angelastet.³²¹ Die von Luther ursprünglich beabsichtigte Absage an den Kreuzzugsgedanken, wie er von Rom aus propagiert worden war, übernahmen die Prediger stillschweigend.³²² Der  Diese Konfessionspolemik hielt noch bis weit ins späte . Jahrhundert an. Vgl. z. B. die Türkenpredigt des Regensburger Dompredigers Caspar Macer, der gegen „Lutherus, Oecolampadius, et alij.“ wetterte: „Und soll uns gar nit verhindern / das etwa unsere widersacher geprediget und geschrieben haben / man soll dem Türcken nit widerstand thun / dann man streyt wider den willen des gaists Gottes / wölcher unsere sünden unn boßhait / durch jhne den Türcken / heymsucht und strafft.Wann dem / jr geliebten / also sein solte / so folget entlich darauß / dz wir kein artzney / allerlay kranckhayten zuvertreyben / gebrauchen dörfften.“ (Macer, Ein Bittpredigt, Bv).  Obwohl der Reformator zeitlebens größte Zweifel an einem Sieg wider „den Türken“ als „Gottes Rute und Zorn […] über die Welt“ (WA.B , Nr.: , ,) hatte, war für ihn im Sinne der Zwei-Reiche-Lehre ein militärisches Vorgehen der weltlichen Obrigkeit jedenfalls legitim. S. hierzu auch Luthers Äußerungen in Vom Kriege wider die Türcken (s.o. Abschn. ..): „Wir wollen nu vom Keyser reden Und Erstlich, so man widder den Turcken kriegen wil, das man dasselbige thu unter des Keysers gebot, panir und namen. Denn da kan ein iglicher sein gewissen sichern, das er gewislich ym gehorsam Goettlicher ordnung gehet, weil wir wissen, das der Keyser unser rechter Oberherr und heubt ist, Und wer yhm ynn solchem fal gehorsam ist, der ist auch Gott gehorsam, Wer yhm aber ungehorsam ist, der ist Gott auch ungehorsam. Stirbet er aber ym gehorsam, so stirbt er ynn gutem stande und wo er sonst gebuesset hat und an Christum gleubt, so wird er selig.“ (WA  II, , – ,). Vgl. zu Luthers Zwei-Reiche-Lehre in Bezug auf die Türkenfrage auch: Bobzin, Beitrag,  und  f. sowie Erdmann, Krieg,  – .  Vgl. hierzu z. B. die Klage Johann Assums: „Ja nicht allein die Türcken als Heyden / sondern auch unsere Mitchristen / nemlich viel auß den Papistischen Geistlichen / schmähen uns daruber auff das allereusserste / in dem sie die Schuldt alles Türckischen Jammers uns auffdrehen wöllen / darumb / daß wir ihrer Abgötterey nit / sonder allein dem Euangelio von Christo wöllen zugethan seyn / dörffen auch wol sich vernemen lassen / da man uns Euangelische vorlängst außgerottet heiste / durch Strick / Schwerdt / Fewer und Wasser / so hette es der Türck in der Christenheit nimmermehr so weit gebracht.“ (Assum, Türckenpredigten, Dv). S. auch: Sutorius, Acht Christliche […] Predigten, r+v.  Aufgrund seiner „Kreuzzugsrhetorik“ fällt der lutherische Superintendent Hoë von Hoënegg aus dem Rahmen der sonst üblichen lutherischen Argumentationsmuster. Obwohl er aufs Schärfste die Zwei-Reiche-Lehre und das militärische Vorgehen gegen die Osmanen verteidigte, bediente er sich der Rhetorik der Kreuzzüge, indem er auf die Synode von Clermont  und das legendäre „Deus vult“ rekurrierte, das als Antwort des Volkes auf die Predigt Papst Urban II. zum Schlachtruf der Kreuzfahrer geworden war: So sei ein „Concilium zu Claremont in franckreich versamlet worden / auff welchem Concilio eine solche einigkeit der Gemüter und solche gleichstimmung bey menniglichen also bald gespüret worden / das sich niemand dißfals widerspenstig

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Echzeller Superintendent Georg Nigrinus hingegen drehte rhetorisch den Spieß um und legte den Päpsten die Türkenkriege zur Last: Ja man besehe und durchlese alle Historien von den Türcken Zügen / auß der Bäpste anregung erstanden / auch in nachfolgenden Jaren / so wirdt sichs gewißlich finden / daß es der Papisten schuldt ist / das der türcken Tyranney so gewachsen unnd zugenommen hat. Dann wann sie schon gern Frieden gehalten hetten / so kondten doch die Bäpst nicht feyern / bewegten und erregten die Potentaten und Herrn / unter dem schein der Religion / und brachten also viel hundert tausent Menschen umb den Hals mutwilliglich […].³²³

Doch die wesentlich vehementer verteidigte konfessionelle Demarkationslinie verlief innerhalb der protestantischen Lager selbst³²⁴: Denn auch auf Seiten der Anhänger Calvins sparte man nicht mit Kritik an der lutherischen Zwei-ReicheLehre und der damit verbundenen Einstellung zum militärischen Widerstand gegen das Osmanische Reich.³²⁵ Des Weiteren hatten sich die lutherischen Preerzeiget / sondern einmütig dahin geschlossen haben / man solle der Türckischen Tyranney widerstand thun / mit angehengter dieser Ursach / welche sie allesampt mit einerley Wort / nicht anders als ob es ihnen Gott vom Himmel eingeben / außgesprochen haben: Deus vult: Es ist Gottes wille / das die arme Christenheit wider den Erb- und Ertzfeind gerettet: Es ist Gottes wille / das der Krieg wider ihn geführet werde.“ (Hoë von Hoënegg, Sechs Türcken Predigten, ).  Nigrinus, Ernste Bußpredigt, .  S. hierzu auch Kaufmann, Türckenbüchlein, , der in Bezug auf die katholische Position feststellte, dass „sich gleichwohl konfessionsdogmatische trennscharfe Legitimationsmuster für den Türkenkrieg nicht ausmachen [lassen].“  So vertrat Calvin die Ansicht, dass man den Türken gegenüber Milde walten lassen sollte. In der ersten Fassung seiner Institutio () formulierte er: „Itaque, tametsi familiarius versari, aut interiorem consuetudinem habere cum excommunicatis, per ecclesiasticam disciplinam non liceat, debemus tamen contendere quibus possumus modis, sive exhortatione ac doctrina, sive clementia ac mansuetudine, sive nostris ad Deum precibus, at ad meliorem frugem conversi, in societatem ac unitatem ecclesiae se recipiant. Neque ii modo sic tractandi sunt, sed Turcae quoque ac Saracei, ceterique verae religiones hostes: tantum abes ut probandae sint rationes, quibus eos ad fidem nostram adigere multi hactenus moliti sunt, dum aqua et igni, communibusque elementis illis interdicunt, cum omnia illis humanitatis officia denegant, cum ferro et armis persequuntur.“ (COS , , – , Hervorhebungen D.G.). „Von […] kriegerischen Tönen distanzierte sich Calvin entschieden, er wollte nicht nur von Kriegen, sondern auch von der Bedeutung des Evangeliums für die Türken sprechen.“ (Göllner, Turcica, Bd. , ). Diese Einstellung zog in letzter Instanz auch den Gedanken einer Mission unter den Türken nach sich, sodass Calvin für ein missionarisches Bemühen unter den Feinden des christlichen Glaubens votierte. S. zu Calvins Position gegenüber einem militärisch motivierten Krieg gegen die Türken: Jacques Pannier, Calvin et les Turcs, in: RH  (),  – . Zu den thematisch einschlägigen Äußerungen der Schweizer Reformatoren s. auch: Segesvary, L’Islam et la Réforme und meinen Aufsatz: Grimmsmann, Deutung, S.  f. Unter den Türkenpredigern nahm z. B. Lauch, Ein und Dreißig Türcken Predigten, v auf die Position der „Calvinisten“ Bezug: „Neyn / wir müssen das Schwerdt

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diger mit den pazifistischen Positionen der sog. radikalen Reformatoren auseinanderzusetzen, die eine christliche Legitimierung des Krieges von vornherein ausschlossen.³²⁶ Die Entscheidung für oder gegen ein militärisches Vorgehen gegen die Türken war zum konfessionellen Identitätsmarker geworden, dessen sich auch die Türkenprediger bedienten. Sie nutzten die konkrete politische Situation, um – in Abgrenzung zu anderen theologischen Einsichten – die eigene Lehre zu vermitteln und somit letztlich zu perpetuieren. Die lutherischen Autoren sahen sich in der Pflicht, Luthers Interpretation der osmanischen Expansionsbestrebungen zu verteidigen und eine Richtigstellung zu bewirken, wo der Vorwurf des Pazifismus gegen das Luthertum laut wurde. Wie konnten einerseits die Osmanen als von Gott verfügte „Geißel Gottes“ zur Buße mahnen und andererseits als dessen Feinde militärisch bekämpft werden? Die Prediger bedienten sich – ebenso wie seinerzeit Luther – eines argumentativen Zweischritts: Erst wenn die Christen ernsthaft Buße getan und ihr Leben gebessert hätten, wäre ein militärischer Sieg gegen die Übermacht aus dem Osten möglich und ein Krieg gerechtfertigt. „So paradox es scheinen mag: Daß der Türke die Geißel war, mit der Gott die unbußfertige Christenheit strafte, verhinderte nicht, strategisch-kalkuliert gegen ihn vorzugehen.“³²⁷ Die Prediger übernahmen häufig die Interpretation des Reformators, wie er sie in seiner Schrift Vom Kriege wider die Türken 1529 vorgelegt hatte. Demnach mussten zwei „Heerführer“ gegen die

in die hand nemmen / und drein schlagen. […] Unn eben das ist auch die Antwort auff ein andere einred / da etliche fürgeben / weil der Türck ein straff und ruthen Gottes sey / damit er seine Christen heymsuche / so sey das streitten wider den Türcken eben so viel / als sich der vätterlichen züchtigung Gottes widersetzen / und ziehen zu dessen behelffen an / das exempel Jeremiae / durch den Gott dem König zu Jerusalem / unnd allem Volck sagen ließ / sie solten sich dem Feind ergeben […].“  S. hierzu Kaufmann, Türckenbüchlein,  – . So gab z. B. Georg Mylius in der achten seiner Zehen Predigten vom Turcken die Ansichten einiger „Wiedertäufer“ wieder und widerlegte sie sogleich: „Der erste hauffe wendet seiner meinung zu stewr fur / das Christenthumb und Gottes wort / und beruffet sich fürnemlich auff die wort Christi im Euangelio / Ich sage euch / das ir nicht widerstreben solt dem ubel: Sondern so dir jemand einen Streich gibt auff den rechten Backen / dem biete den andern auch dar […] Denn die Waffen unserer Ritterschafft sind nicht fleischlich / Sondern mechtig für Gott. Dieses sage ich / ist ein Schwermerischer Irrthumb und Aberglaub / darmit Wiederteuffer und Gartenbrüder / und was sonsten dieses gelichters sein mag / behafftet ist. […] Ob nun wol den privat Personen Krieg zuerwecken / unnd für sich selb zu füren nicht geziemet: Dennoch aber / wenn die von Herrschafften und Oberkeiten auffgemanet und geforderet werden / wil inen anderst nicht gebüren / denn das sie willig und gehorsam sich gebrauchen lassen / sonderlich in Zügen wider den Erbfeind den Türcken.“ (Mylius, Zehen Predigten, r-v). Ebenso argumentierten auch: Hoë von Hoënegg, Sechs Türcken Predigten,  und Lauch, Ein und Dreißig Türcken Predigten, r.  Kaufmann, Türckenbüchlein, .

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Feinde kämpfen: Carolus und Christianus. ³²⁸ Abraham Lange, der seit 1593 als Hofprediger im kursächsischen Altenburg eingesetzt war und wohl im Jahr 1595 seine sieben Türkenpredigten gehalten hatte, argumentierte auf dieselbe Weise: „So balde aber durch rechtschaffene buß und gebet den feinden dieser starcke hinderhalt abgestrickt wird / müssen sie in die flucht geschlagen werden / wann gleich der sichtbarliche widerstand offt gar schwach für augen. Darumb auch der heilige Man Gottes D. Luther geschrieben hat / das zweene Helden den grawsamen Ertzfeind den Türcken schlagen müssen / 1. Christianus mit busse und gebet. 2. Carolus mit wehr und waffen. […]“³²⁹ Im Rahmen der Argumentation für eine christliche Legitimierung des militärischen Einsatzes begegnet nicht zuletzt bei einigen Türkenpredigern die Entfaltung einer eigenen Kriegsethik.³³⁰ So beschrieb z. B. Friedrich Mütel in seiner Krieg Predigt in sieben Punkten zunächst das militärische Vorgehen gegen die Türken als christliche Tat, die zur Ehre Gottes geschehe.³³¹ Sodann ermahnte er die Soldaten, fleißig zu beten und sich daran zu erinnern, für wen sie kämpften.³³² Sie sollten das sechste und siebte Gebot befolgen, bei Zügen durch Österreich und Ungarn die christlichen Brüder und Schwestern nicht überfallen und „nicht Hurerey / Ehebruch oder Unzucht treiben […]. Damit nicht Gott durch diese oder ander Sünde beweget / uns den Sieg alleine nicht gebe […]“³³³. Schließlich ermahnte der Prediger die Soldaten, sich nicht auf ihre eigene Kraft zu verlassen, sondern Vertrauen in Gottes Hilfe zu setzen. Wer in den Krieg zog, sollte sich getrost in Gottes Hände begeben und unbesorgt Frau und Kind zu Hause lassen.³³⁴ Die evangelischen Türkenprediger waren sich einig, dass ein militärisches Vorgehen gegen die Feinde aus dem Osmanischen Reich nicht nur möglich, sondern nach ergangenem Befehl der weltlichen Obrigkeiten vornehmste christliche Pflicht war. Mit „gutem Gewissen“³³⁵ sollte der „Erbfeind“ bekämpft und in die Flucht geschlagen werden. Es mag kaum überraschen, dass sich unter den

 S. hierzu ausführlich: o. Abschn. ...  Lange, Christliche außlegung, Br.  So z. B. bei: Heidenreich, XII Turcken Predigten, Hr; Lauch, Ein und Dreißig Türcken Predigten, r; Möring, Christen Schutz, r-v; J. Rivander, Heerpredigt, Ev-Ev.  Mütel, Krieg Predigt, Bv.  Mütel, Krieg Predigt, Cr-Cr.  Mütel, Krieg Predigt, Cr-Cv.  Mütel, Krieg Predigt, Cr-Cr.  Es fällt auf, dass die Türkenprediger im Kontext dieser Fragestellung erstaunlich oft vom „Gewissen“ bzw. „guten Gewissen“ sprachen, dessen sich die Krieger sicher sein konnten: So z. B.: Gigas, Vom Türcken und Sterben, Bv-Br; Mütel, Krieg Predigt, Bv-Cr; Hoë von Hoënegg, Sechs Türcken Predigten, . Vgl. hierzu auch Mantey, Schwerter,  f. und Holtz, Theologie und Alltag,  – .

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Türkenpredigern keine Kritiker in Bezug auf die Kriegsthematik finden lassen. Als Auftragsarbeiten der weltlichen Obrigkeiten, die auf den Reichstagen den Türken den Kampf nicht nur mit Soldaten und Waffen angesagt hatten, sondern auch zur geistlichen Abwehr riefen, bedienten die Türkenpredigten den Erwartungshorizont ihrer Auftraggeber. Dies konnte ihnen konfessionspolitisch nicht schwer fallen, denn schon Martin Luther hatte durch die Ausformung seiner Zwei-ReicheLehre die Argumentationsbasis geschaffen, welche die Theologen das gesamte Jahrhundert hindurch übernahmen. Diese „mentale Mobilmachung“³³⁶ der Gemeinden zielte nicht zuletzt auf ein kollektives Identitätsgefühl durch die Bekämpfung des gemeinsamen „Erbfeinds“.³³⁷

4.4.3 Antichrist und Weltende – Apokalyptische Deutungen der Türkengefahr Aus angezogenen unnd erklerten gründen Ezechielis / Danielis / des Herren Christi / S. Pauli und S. Johannis vornehmen wir / das das Türckische Regiment tausend Jahr gewehret / und zum ende lauffe. Dieweil denn der leidige Satan weis das er wenige zeit hat […] so wütet er desto hefftiger / und ist eben zu der gegenwertigen zeit gantz und gar ausgelassen / das er alle seine macht vorsamle in einem streit / welcher zahl ist wie der sand am Meer. Nun ist gewißlich vor der thür was S. Johannes weissaget: und sie traten / spricht er / auff die breite der erden / und umbringeten das heerlager der heiligen / und die geliebte Stadt […].³³⁸

Dass das mächtige Auftreten der Osmanen keine zufällige Episode im Weltenlauf darstellte, sondern in die Heilsgeschichte eingeordnet werden musste, ja dass es nichts weniger als auf das Ende der Welt deutete, dessen waren sich die lutherischen Türkenprediger einig. Wie Salomo Gesner begründeten sie das apokalyptische Endzeitszenario mit biblischen Schriftbelegen³³⁹, aber auch mit zeitgenössischen prophetischen Weissagungen³⁴⁰ und astrologischen Berechnungen sowie unerklärlichen Naturphänomenen, die man als Vorboten des Endes der Welt deutete. Die türkische Bedrohung hatte in alledem ihren Platz – nicht zuletzt

 Kaufmann, Türckenbüchlein, .  „Als wesentliches ideologisches Integrations- und Mobilisierungsinstrument im Kontext der ‚Türkengefahr‘ fungierte das ‚Vaterland‘ bzw. das ‚heilige Reich‘ oder die ‚deutsche Nation‘. Im Horizont der innerchristlichen Dissonanzen und Konflikte der lateineuropäischen christianitas stellte sich die Türkenfrage also als eine Art Katalysator für die Ausbildung eines auf die Nation gegründeten Integrations- und Identitätsmodells dar.“ (Kaufmann, Türckenbüchlein, ).  Gesner, Funffzehen Predigten, v-r.  „Prominente“ biblische Textbelege sind: Ez  f.; Dan ; Mt  (par. Lk ; Mk ); Thess  und Apk . S. hierzu auch o. Abschn. ...  S. hierzu o. Abschn. ...

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dadurch, dass „der Türke“ seit spätestens 1529 von den Wittenbergern als das danielische kleine Horn (Dan 7,8) in der Bibel entdeckt worden war.³⁴¹ Auch wenn die evangelischen Türkenprediger zum großen Teil einer Identifizierung „des Türken“ mit dem in der Bibel vorhergesagten Antichrist skeptisch gegenüberstanden, war ihnen anhand der zeitgenössischen Prognostiken eines Johannes Lichtenbergers und Johannes Hiltens die Brisanz der türkischen Übermacht durchaus bewusst.³⁴² Wie auch andere Krisen nach Meinung der Theologen nicht ohne Vorankündigung über die Menschen hereinbrachen, so deuteten einige der Türkenprediger die sonderbaren Erscheinungen am Himmel und auf der Erde, die sich im zeitlichen Umfeld der Türkenkriege zugetragen hatten, als Vorboten des Sieges oder der finalen Niederlage.³⁴³ Obwohl die Inanspruchnahme astro-

 S. hierzu o. Abschn. ...  S. hierzu o. Abschn. ...  So berichtete z. B. Zacharias Rivander von merkwürdigen „Zeichen“, die den früheren Türkenzügen vorangegangen waren: „Man hat in vorigen Zügen / kurtz zuvorn / und hernach / grosse zeichen / so wol auch Finsternüssen an Sonn unnd Monden gehabt / wie beym ersten geschehen. Beym Andern ist das gewesen / das zu Weyhenachten ein Regenbogen sampt zweyen Creutzen zu Merseburg gesehen worden / wie auch ein Wetter zu Jerusalem auff dem Oelberge eingeschlagen / und inn Gebannischen Kreisse sich ein grosser Wolff herfür gethan / der bey dreissig Menschen zurissen. […] So ist eben domals in Polen ein Kind jung worden / das alle Zeene gehabt / und flugs deutlich geredet / biß es getauffet worden / alsdenn hat es Zeene unnd Sprache verloren. […] Derhalben lasset euch alles trewlich unnd fleissig befohlen sein / verachtet das nicht / was ihr höret und sehet / darmit es euch hernach nicht gerewet / etc.“ (Z. Rivander, Heerpredigt, Dr-Dr). Friedrich Mütel sah in zwei Erdbeben der vorangegangenen Jahre die Vorboten für einen Sieg der Türken im Jahr : „Gott hat uns vergangenes / auch vor zweyen Jahren / einen Predigstuhl / in Wolcken des Himels auffgericht / Und auch ein schrecklich Erdbeben / durch gantz Böhmen / Mähern / welches auch in Osterreich grossen schaden gethan / ergehen lassen.“ (Mütel, Krieg Predigt, Ar). Wahrscheinlich bezog sich Salomo Gesner auf dasselbe Ereignis, das er der Sündhaftigkeit der Christenheit zuschrieb: „Es ist noch unvorgessen wie Gott für sechs Jahren / Anno . in Oesterreich / Behmen / Schlesien / und andern orten Deutschenlandes die Grundfeste der Erden beweget / das sie für seinem zorn gezittert und erbebet. Lieber was mag wol die ursache solches zittern gewesen sein? freylich nichts anders / denn unsere manichfaltige Sünden / und besonders die Papistische grewel an einem und die Calvinischen Corruptelen und schwermereyen auff dem andern theil / damit die benambten und damals vom Erdbeben bewegte Landtschafften vor anderen beschmitzet seint.“ (Gesner, Funffzehen Predigten, Lr-Lv). S. hierzu auch: Sutorius, Acht Christliche […] Predigten, v-r: „Den . Septembris am tag Mattei / das des abends der Mond auffgangen mit einer langen hellen Seul durchzogen. Den vierdten Octobris hat sich ein schwartze dicke wolcken / gerad uber uns / am Himel zwischen dem Schloß und Pfarrhauß / gestemmet unnd zusammen geben / voller hellen weissen striemen / in gestalt der Geissel unn Ruthen / schrecklich anzusehen / und ist bey einer stund still gestanden / darnach fortgangen von mitternacht gegen Mittag. Den . Octobris ists umb Mitternacht / gehling hell unnd liechtworden / dabey jedermenniglich groß sumpern in der Lufft vernommen / als weren grosse Büchsengeschoß in der ferne abgangen. Was bedeut das anders / den daß der reyhe / auch schier

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logischer Erkenntnisse bei den meisten Predigern strikt abgelehnt wurde³⁴⁴, stützten einige andere – legitimiert durch die Aussage über das Kommen des Menschensohns in Lk 21,25 ff. – ihre Argumente auf die kosmischen Erscheinungen.³⁴⁵ Theologische Apokalyptik und Astrologie schlossen sich also keineswegs aus. Besonders in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurde insbesondere für das Luthertum eine „massive Vermehrung der apokalyptischdrohenden Literatur und Zeitdeutung“ konstatiert, „die mit der Astrologie argumentierte“³⁴⁶. Diese, die Astrologie positiv beurteilende Gruppe der Theologen, die

werd an uns sein / und daß Gottes grim unnd zorn / wie ein fewer entbrandt sey / wider gantz Deutschland?“. Sutorius wusste auch von Zeichen in Konstantinopel zu berichten, die ein gewisser „Ritter Grio Malvij“ gesehen hatte: „Anno . den . Martij ist zu Constantinopel auff ein groß Erdbidem ein Marmelstein gefunden worden / auff welchem des Türckischen Keysers bildnuß gehawen gewesen / mit einer Hebreischen Schrifft / welche also mag gedeutschet werden: Die zeit ist vorhanden / es wird nicht mehr denn ein Hirt / unn ein Schaffstall / und ein gemeine durch die Tauffe / und widergeburt. Dir gebiete ich / daß du dich lassest Taufen / das ist der ewige wille.“Auch Esaias Heidenreich d.Ä. erläuterte „offenbare“ und „heimliche“ Zeichen, anhand derer man Gottes Zorn erkennen könne: Heidenreich, XII Turcken Predigten, Nv-Nr.  Diese Ablehnung resultierte nicht selten aus Luthers mehrfach formulierten Bedenken gegenüber der Einbeziehung der Astrologie in die Theologie: S. z.B. seine Vorrede der LichtenbergerProphetie, in: WA ,  – . Auch der Türkenprediger Friedrich Mütel bestritt in seiner „Kriegs Predigt“ astrologisches Wissen als adäquate Problemlösung: „Zum Ersten: Woher Krieg komme: Erstlich sol ewer Lieb wissen / Das Krieg nicht komme aus der Himlischen Influenz, wie etliche Curiose Astrologi fürgeben / prognosticiren und sagen: Das Mars, der sieben Planeten einer / Wenn derselbe stehe in diesem / in jenem hause des Himmels / zusammengefügt / mit diesem oder jenem Planeten / da drewe er diesem oder jenem Land Kriege […]. Es dürffen ihnen fromme Christen keinen Grawen machen / Ob schon die Calenderschreiber viel von Kriegen setzen / denn der HERR / der lebt noch / Der im Streit Josuae auff sein bitten die Sonne still stehend gemacht. Dürfen derwegen die Ursach des Krieges / nicht aus dem Himmlischen gestirn oder desselben Wirckung suchen: Sondern wie wir hernach hören werden / Wir sind selbst schuldig dran.“ (Mütel, Krieg Predigt, Br+v).  Vgl. zum gesamten Komplex Astrologie–Theologie im . Jh.: Leppin, Antichrist und Jüngster Tag,  – ; Helga Robinson Hammerstein, The Battle of the Booklets: Prognostic Tradition and Proclamation of the Word in Early Sixteenth-Century Germany, in: Paola Zambelli (Hg.), Astrologie hallucinati. Stars and the End of the World in Luther’s Time (Berlin / New York ),  –  und Smolinsky, Deutungen; vgl. zu Luthers Verhältnis zur Astrologie: Ingetraut Ludolphy, Luther und die Astrologie, in: Paola Zambelli (Hg.), Astrologie hallucinati. Stars and the End of the World in Luther’s Time (Berlin / New York ),  –  sowie Klaus Lämmel, Luthers Verhältnis zu Astronomie und Astrologie (nach Äußerungen in Tischreden und Briefen), in: Gerhard Hammer / Karl-Heinz zur Mühlen (Hgg.), Lutheriana. Zum . Geburtstag Martin Luthers von den Mitarbeitern der Weimarer Ausgabe (Köln / Wien ),  –  und zu Melanchthon: Stefano Caroti, Melanchthon’s Astrology, in: Paola Zambelli (Hg.), Astrologie hallucinati. Stars and the End of the World in Luther’s Time (Berlin / New York ),  – .  Smolinsky, Deutungen, .

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sich in der Tradition Melanchthons und seiner „astronomisch-astrologischen Vorlieben“ bewegten³⁴⁷, hat in der rein auf kosmischen Konstellationen beruhenden Heerpredigt des Bischofswerdaer Superintendenten Zacharias Rivander einen vehementen Vertreter. Der lutherische Theologe hatte am zweiten Advent 1593 in Bischofswerda über Lk 21 gepredigt und „mit kurtzer zusammenziehung aus den Astronomis und Astrologis Eigenschafften der Sonn und Mondes auch bericht [ge]geben von den Zeichen / so daran vor seiner [sc. des Menschensohns] Wiederkunfft geschehen sollen“³⁴⁸. Die – nach eigenen Angaben – 45-minütige Predigt³⁴⁹ sieht Sonne und Mond als Symbole des Römischen Reiches bzw. der christlichen Kirche. Genauso wie von der Sonne alle anderen Planeten abhängen, verhalte es sich auch mit dem römischen Kaiser und den ihm untergeordneten Herrschern. Die übrigen Planeten im Sonnensystem wurden von Rivander ebenfalls gedeutet und auf die aktuelle Lebenswelt bezogen: So sei Mars der Kriegsplanet, Jupiter sei von der Sonne zum Regieren bestellt, Saturn führe als Generaloberst die Aufsicht über alle Planeten,Venus sei der Kammermeister der Sonne und Merkur ihr Kanzler. Die Missstände in allen durch die Planeten symbolisierten administrativen Bereichen sowie die bereits ergangenen „Zeichen“³⁵⁰ deuteten auf den Jüngsten Tag, so Rivander. Einen Sieg gegen die Türken hielt er durchaus für möglich, jedoch nur, wenn alle zusammenhielten und eifrig am Gebet festhielten. Die Tatsache, dass „der Türke“ den Mond, als Symbol der Christenheit, in seiner Flagge trägt, bedeutete für Rivander, dass dieser schon immer der „Erbfeind“ der Christenheit gewesen sei. Am Ende werde jedoch auch dieser Feind besiegt werden: „Derhalben es nicht anders / als der Jüngste Tag müsse nun kommen / welcher / weil er prechtig und Mayestetisch geschehen wird / sol ein jeder zusehen / das er sich mit beten und wacker sein darauff gefast mache / und sich für allen Sünden hüte.“³⁵¹ Die Einbindung der Türken in das apokalyptische Endzeitszenario vermochte den Predigten Aktualität und Brisanz zu verleihen: Die Türkenprediger waren sich sicher, dass der Jüngste Tag kurz bevorstand, dies machten schon allein die unzähligen Eroberungen des osmanischen Heeres deutlich. Inner- und außerbiblische Prophetien, die den Türken eine Rolle im endzeitlichen Kampf zuschrieben, sowie „Zeichen“ am Himmel und auf der Erde verhalfen den Predigern zu mehr Glaubwürdigkeit und zur Dynamisierung ihrer eigenen Anliegen. Auf diese Weise verbanden sich die Buß- und Kriegsappelle der Prediger mit der apokalyptischen

    

Smolinsky, Deutungen, . Z. Rivander, Heerpredigt, Av. Ebd. S. hierzu o. Anm. . Z. Rivander, Heerpredigt, Er.

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Rhetorik bzw. wurden durch diese allererst aktiviert. Insbesondere im Luthertum war man davon überzeugt, dass der Jüngste Tag kurz bevor stand – apokalyptische Flugschriften, Predigten etc. wurden von ihnen reihenweise in den Druck gegeben. Auch hier verbanden sich nicht selten Aufrufe zur Buße mit den endzeitlichen Deutungsmustern.³⁵² Nicht zwangsläufig musste der Jüngste Tag jedoch als ‚Schreckgespenst‘ erscheinen. Besonders bei lutherischen Predigten schwingt bei allen Bußappellen nicht selten Vorfreude mit. So konnte z. B. Zacharias Rivander am Ende seiner Heerpredigt aufmunternd zurufen: „Wil aber jemand des Trostes geniessen / daß sein Erlösertag sein sol / der sey wacker alle zeit / und bete / so wird er wirdig werden zu entfliehen alle dem bösen / und zu stehen mit Ehren / Freude / Wonne und Seligkeit für des Menschen Sohn / unserm lieben HERRN und Heyland Jesu Christo / welchem sey Lob / Ehr und Preiß in Ewigkeit / Amen.“³⁵³

4.4.4 Konfession und Islam – Die „Turkisierung“ der innerchristlichen Gegner Demnach dann nit allein der Türck / sondern auch der Bapst / die Calvinisten sampt den Schwenckfeldischen unn Widertäufferischen Irrgeystern uns zu disen letzten und gefehrlichen zeyten / vom Hellen und klaren wort Gottes auff Menschensatzung / eigene vernunfft / allerley Träum / und Gesicht begern abzuführen. […] Und damit ein jeder einfältiger Christ wissen mög / wie der Türck / Bapst / unn die Calvinisten / mit ihrem grewlichen Irrthum / die Kirch Gottes auffs aller grewlichst verwüstet / unn unserm Christlichen Catechismo entgegen und zuwider sein / soll dasselbig in etlichen nachfolgenden Türckenpredigten durch Gottes gnad deütlich angezeigt werden.³⁵⁴

Türkenpredigten und konfessionelle Polemik gehören zusammen. Anhand der teilweise umfassenden Darstellungen der muslimischen Lehren, welche den Predigern nicht selten aus eigener Koranlektüre bekannt waren³⁵⁵, disqualifizierten sie zugleich die theologischen Ansichten ihrer innerchristlichen Gegner.³⁵⁶ Bereits Luther war so verfahren und hatte seine Wissbegierde in Sachen Islam stets in den Dienst der Enthüllung „der Feinde im Innern der Kirche [gestellt]: das sind in erster Linie das Papsttum zu Rom, und in zweiter Linie die Anhänger

 So Leppin, Antichrist und Jüngster Tag,  – .  Z. Rivander, Heerpredigt, Ev. So auch bei Sutorius, Acht Christliche […] Predigten, v-v.  Lauch, Ein und Dreißig Türcken Predigten, v-r.  S. hierzu o. Abschn. ...  Vgl. hierzu auch den Abschnitt „Die ‚Turkisierung‘ des innerchristlichen Gegners“ bei: Kaufmann, Türckenbüchlein,  – .

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Thomas Müntzers, die Wiedertäufer und die Antitrinitarier.“³⁵⁷ Da der Großteil der Türkenpredigten in den 1590er Jahren verfasst wurde, kam als konfessioneller Widerpart der von den lutherischen Predigern aufs Schärfste bekämpfte und mit den Lehren Mohammeds verglichene „Calvinismus“ noch hinzu. Das eigene – lutherische – Bekenntnis sollte in Abgrenzung zu diesen „Irrlehren“ als das einzig wahre erscheinen und an Plausibiliät gewinnen, schließlich gab ihnen – so ihre Überzeugung – die erfahrene Unüberwindbarkeit des osmanischen Heeres Recht: Dann da wir Prediger im anfang des jetzigen Türckenkriegs / unsere Zuhörer von des Türckens grawsamkeit unterrichtet / zur Busse und zum ernsten Gebet / vermanet / sind wir von etlichen Epicurern zum schimpflichsten ausßgelacht worden / welche fürgeben / das es lauter Phantasey / Man wolte die Leute betrüben / als wann der Türck vorhanden sein solte / do es doch alles erlogen were. Obs aber Lügen oder Warheit gewesen / das hat die erfahrung gegeben.³⁵⁸

Die Vorwürfe, die sich in den Türkenpredigten gegen den römischen Katholizismus richteten, äußerten sich zum einen als Kritik am konkreten Umgang mit der Türkengefahr und zum anderen als Kritik an den theologischen Überzeugungen der Papstkirche. Im Hinblick auf die erste Kategorie kommt besonders die Frage nach der Rechtmäßigkeit eines Krieges gegen die Türken in den Blick: Aufgrund der Äußerungen Luthers nahmen die Türkenprediger nicht selten eine Verteidigungshaltung gegenüber den altgläubigen Theologen ein.³⁵⁹ Auch der geläufige Vorwurf, die Siege des osmanischen Heeres seien von den Lutheranern zu verantworten, wurde von den evangelischen Predigern vehement bestritten bzw. an die „Altgläubigen“ zurückgegeben.³⁶⁰ So sah beispielsweise der Tübinger Uni Bobzin, Koran, .  So Siegfried Sack (Turmprediger des Erzstifts Magdeburg), der Nikolaus Mörings Türkenpredigten eine empfehlende Vorrede voranstellte: Möring, Christen Schutz, )(r‐)(v, hier: )(v.  S. hierzu auch o. Abschn. .  So nahm z. B. der Plauener Superintendent Hoë von Hoënegg in der ersten seiner Sechs Türcken Predigten direkt Bezug auf die Kritik Robert Bellarmins: „Es dienet ferner dieser Bericht zur widerlegung der Bäpstischen lesterlichen Lüge / darmit sie uns beschweren wollen. Dann sie schreiben im offentlichen Druck / und namentlich ihr fürnembster Cardinal einer Robertus Bellarminus, das es an uns Lutherischen liege / das dem Türcken nicht widerstand gethan werde. Sintemal Lutherus widerrathen hab / das man den Türcken nicht bekriegen / und sich wider ihn nicht setzen solle. Welches aber im Grund darvon zureden eine offenbare Unwarheit ist / die nimmermehr auff uns kan beygebracht und außgeführet werden / wie solte doch der thewre Mann Gottes beschuldiget werden / das er den Krieg wider den Erbfeindt simpliciter unn schlechtweg widerrathen habe / da er doch so gewaltig das gantz heilige Römische Reich / ja die gantze werthe Christenheit / dem Türcken widerstand zu thun angemahnet / derentwegen auff offentlicher Cantzel etliche Türcken und Heer Predigten gehalten / und selbige so bald in Druck und ans tageliecht hat kommen lassen.“ (Hoë von Hoënegg, Sechs Türcken Predigten, ). S. auch die

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versitätskanzler Jakob Andreä in der achten seiner Dreyzehen Predigen vom Türcken die Ursache der militärischen Überlegenheit des osmanischen Heeres in den immer noch weit verbreiteten „römischen Praktiken“ in der Türkenabwehr: „Was wöllen wir uns dann vil verwundern / oder vil fragen / warumb der Herr dem Türcken so vil Jar her / so ein starcken Sige / und stehtigs Glück wider die Christenheit geben habe. Dann wa der Türck her zeucht / da ziehen wir ihme mit allen Teuffeln entgegen / mit Meß lesen / mit Heiligen anruffung / mit Creutzgengen / mit Procession wöllen wir ihn vertreiben / so wir jm darmit Thür und Thor auffthun.“³⁶¹ Weiterhin griffen die lutherischen Türkenprediger das römische Bußwesen an. Dieser Kritikpunkt lag aufgrund der Bußrhetorik der Predigten derart nahe, dass die Prediger auch hier mit polemischen Vorwürfen nicht sparten.³⁶² Viel ausführlicher führten die Theologen die Diskussionen um die „rechte Lehre“. Die in den meisten Predigtsammlungen enthaltenen Abhandlungen über die Inhalte des Islam³⁶³ steuerten in letzter Konsequenz fast zwangsläufig auf die Gleichsetzung mit dem katholischen Bekenntnis hin. Hauptkritik- und Anknüpfungspunkte waren vor allem die Rolle der Heiligen Schrift und der Legenden sowie eine vermeintliche Unterminierung des Christusbekenntnisses und die rituellen Praktiken, denen nicht selten derselbe „schöne Schein“ wie den muslimischen Bräuchen attestiert wurde.³⁶⁴ So wetterte z. B. der Eislebener Pfarrer Aufnahme des Vorwurfs u. a. bei: Assum, Türckenpredigten, Dv; Mylius, Zehen Predigten, r und Sutorius, Acht Christliche […] Predigten, r.  Andreä, Dreyzehen Predigen, .  So z. B.: Mütel, Krieg Predigt, Br: „Allhier hören wir / zu wem wir in all unseren nöthen fliehen sollen […] / Nemlich zu dem ewigen Allmechtigen Gott / der hilfft allein in nöthen. Dieses wollen aber unser Leut nicht glauben: Wenn sie Gott heimsucht mit einer Plage / Da gelobt der eine ein Walfarth in ein Kloster / zum Ritter S. Georgen / oder in ein anders […].“ Weitere Kritik am römisch-katholischen Bußwesen auch bei Andreä, Dreyzehen Predigen,  – .  S. o. Abschn. .. – .  Eine „Verachtung“ der Heiligen Schrift im Papsttum und Islam konstatierte z. B.: Roth, Fünff Türckenpredigten, Ev: „Also der Bapst / verbrendt die Bibel mit Johan Huß / unnd D. Luthern / unnd alle die die Bibel in ihren rechten verstand erkleren / setzt seinen Maosim und Meß an Christi und seines Abendmals stat / und treibet Geistlich und Leiblich Hurerey auch in den Tempeln / wie ihre schöne Legenden bezeugen.“ Den hohen Stellenwert, den die Legenden um die Heiligenviten im Katholizismus erhielten,verurteilte z. B. Lauch, Ein und Dreißig Türcken Predigten, v: „Was ist denn ihr [sc. der Muslime] Fundament und Grund? Nichts anders alß Fabeln / Gedicht / Träum unnd erdichte Wunderwerck. Dessen haben wir nicht allein ein Exempel an dem Mahomet und seinen glaubens Genossen / sondern eben diß hat sich auch befunden unter dem Bapstum / da man zu bestettigung falscher Lehr und Gottesdienst / eben so ungereümbt ding hat fürgeben / als von dem Mahomet geschehen / dessen uns dann zu satter beweisung die einig Legenda Francisci genugsam sein kan. Dan gleich wie Mahomet uber alle Propheten / unnd Apostel gesetztet / und

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Heinrich Roth in einer seiner Fünff Türckenpredigten: „Also der Bapst und seine Bubenschule / ob sie wol den Artickel der Dreyfaltigkeit nit leugnen / doch erkennen sie Christum nit für den einigen vollkommenen Erlöser und Seligmacher. Denn wie könten sie sonst auff ihren Stand / Opffermeß / Heiligen verdienst unnd Anruffung trotzen. Derhalben brauchen wir billich diese Carthaune / wider den Bapst und den Türcken.“³⁶⁵ Die Angriffe, die sich gegen Calvinisten in den Türkenpredigten richteten, stammen größtenteils aus den 1590er Jahren. Große Aufmerksamkeit fand die Geschichte des Heidelberger Theologen Adam Neuser (um 1530 – 1576)³⁶⁶, der nach dem kurpfälzischen Wechsel hin zum reformierten Bekenntnis in den Verdacht des Antitrinitarismus geraten und über Umwege ins Osmanische Reich geflüchtet war, wo er schließlich zum Islam konvertierte. Damit war insbesondere für lutherische Theologen eine Symbolfigur gefunden, „die es ihnen erlaubte, ihre ob er wol Christum hoch rhümet / doch demselben sich auch für zeucht/ und immer seinen Mahometischen Namen / neben Gottes Namen stellet / und solches mit sonderbaren Gesichten / erweisen will: Also ist es auch mit Francisco zu gangen […].“ Kritik an der vermeintlichen Missachtung des zweiten Artikels des Credos übte z. B.: Gesner, Funffzehen Predigten, : „Gleich wie auch […] der Bapst und Mahumet den HERREN Christo nicht die ehre gönnen / das den Menschen Sohn alleine sol macht haben Sünde zuvorgeben auff Erden […]. Sondern der Bapst absolvieret auch die so umb der Sünden willen im fegfewer sitzen / allermassen wie auch Mahumet vorgibt / das er am Jüngsten tage die jenigen Sünder und auch dem teuffel selbs bey Gott loßbitten und ausquitiren wolle / welche weder Moses noch Christus von Sünden haben absolviren können.“ Ebenso Roth, Fünff Türckenpredigten, Fv: „Zum andern / müssen wir darumb bitten / umb deines Namens willen / denn der Name ists / dem beyde Bapst unn Türcke in uns feind seyn.War ists / wir sind grosse Sünder / das leugnen wir nicht / Aber nicht umb unser Sünde willen sind sie uns gram / sondern umb deß Namens Gottes und seines Sons Jesu Christi willen / das wir den nicht wollen lassen fahren / unnd ihren Alcoran und Abgötterey billichen.“ Kritik an den katholischen „Praktiken“ übte Hoë von Hoënegg, Sechs Türcken Predigten,  und hier : „Aber meine geliebte / wem ist unbekand / wie schreckliche Lesterungen wider dasselbe Göttliche wort im Bapsthumb außgegossen / wie allerley grewliche Abgötterey / zuwieder der Stimme deß allerhöchsten eingeführet / wie die Menschen von dem einigen Gott zu stummen Götzen und Klöstern / zu den verstorbenen heiligen / von dem einigen Heiland Christo Jesu / zu Maria / zu Francisco / zum Verdienst der Mönche und Pfaffen / zum Ablaß und Butterbriefen / und dergleichen Phantaseyen mehr an und abgeleitet und verführet werden? Meinet ihr nicht / dadurch werde dem Türcken das Schwert eben sehr gewetzet?“. Weitere Türkenpredigten, die Kritik an der Papstkirche und dem Islam verbanden, sind: Gesner, Funffzehen Predigten,  – ; Lauch, Ein und Dreißig Türcken Predigten, r+v; Schopper, Gottes Weissagung, Dr.  Roth, Fünff Türckenpredigten, Fv.  Vgl. zu Neuser: Raoul Motika, Adam Neuser. Ein Heidelberger Theologe im Osmanischen Reich, in: Sabine Prätor / Christoph K. Neumann (Hgg.), Frauen, Bilder und Gelehrte. Studien zu Gesellschaft und Künsten im Osmanischen Reich. Festschrift Hans Georg Major, Bd.  (Istanbul ),  –  und Christopher J. Burchill, The Heidelberg Antitrinitarians, BiDi  (BadenBaden ),  – .

4.4 Deutungen der Türken und des Islam

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These einer grundsätzlichen Affinität von Reformiertentum und ‚Mahometismus‘ zu plausibilisieren und zu illustrieren.“³⁶⁷ Besonders die christologischen Differenzen, die in der Debatte um die zwei Naturen Jesu zwischen Lutheranern und Calvinisten zutage getreten waren, wurden von den Türkenpredigern verarbeitet. Der calvinistischen Position wurde dabei schnell der Stempel des Arianismus aufgedrückt: Die theologischen Überzeugungen in der calvinistischen Christologie wurden nicht selten mit der muslimischen Anschaung über Jesus Christus gleichgesetzt. So schlussfolgerte z. B. der Jenaer Professor Georg Mylius aus seinem Vergleich der calvinistischen mit der muslimischen Christologie: „So mache nun jeder Christ selb die Rechnung / wie weit Calvinismus vom Arrianismo unnd dem Alcoran selbs sey. Einmal / der unselige Calvinismus ist anders nichts / denn eine vorbereitung / darmit dem Türcken unnd Alcoran der weg und die bahn bereitet wird. […].“³⁶⁸ Weiterhin wurden aber auch das unterschiedliche Sakramentsverständnis sowie die Vorbehalte in der Trinitätslehre von den Predigern thematisiert und mit den muslimischen Lehren verglichen.³⁶⁹

 Kaufmann, Türckenbüchlein, . Auf die Figur Adam Neusers nahmen in ihren Türkenpredigten Bezug: Gesner, Funffzehen Predigten,  f.; Hoë von Hoënegg, Sechs Türcken Predigten, ; Lauch, Ein und Dreißig Türcken Predigten, v-r und Mylius, Zehen Predigten, r.  Mylius, Zehen Predigten, v. Weitere Vergleiche der calvinistischen Christologie mit dem Islam finden sich bei Gesner, Funffzehen Predigten, : „Das es den Calvinisten zuwider sey und sie hoch verdriesse / wenn man ihre Lehre mit Mahumetischen Gotteslesterungen vorgleichet / ist kein zweiffel / es mus aber gleichwol die warheit gesagt unnd den leuten zur warnung vor augen gestellet werden. Denn was gegenwertigen streit zwischen uns und ihnen belanget / so stehet im Alcoran Azoara . geschrieben das Gott also solte Mahumet gesagt haben […] Gott hat die anderen Propheten mit hohen gaben gezieret und ausgerüstet / Christo aber / Marien Sohn hat er SEINE EIGNE SEELE eigentlich gegeben und ihme krafft und gewalt für allen andern mitgetheilet. Das dieses bekentnus von Christo im Alcoran Gottslesterlich sey / dieweil es den Heern Christum nicht als den wesentlichen und ewigen Sohn Gottes / sondern als einen Propheten und Menschen einführet / ist ohne das offenbar / gleichwol aber mus der leidige Satan / welcher den Alcoran dictiret hat / auch wider seinen eignen willen bekennen / das Gott dem Menschen Jesu […] seine eigne Seele / Göttliche krafft und allmacht mitgetheilet habe / welches doch unsere widersacher die Calvinisten vorneinen […].“ S. ebenfalls: Lauch, Ein und Dreißig Türcken Predigten, r-r, hier: r: „Da hören wir / wie der Teuffel die Calvinisten von einer Staffel zur andren führt / biß das sie Christum gar verleügnen / unnd eintweder zu offentlichen Mamelucken / oder welche nit besser sein / zu Arianern werden.“  Im Abschnitt über die muslimischen rituellen Waschungen kritisiert Johannes Lauch nicht nur die Praxis des Weihwassers im katholischen Gottesdienst, sondern auch die calvinistische Tauflehre (Lauch, Ein und Dreißig Türcken Predigten, v-r, hier: v): „Wie nun die Türcken und Papisten ihrem schlechten / blossen und bezauberten weywasser ubernatürliche krafft / und solche wirckung zuschreiben / dazu es von Gott nit ist verordnet. Also wöllen hergegen die Calvinisten unnd Zwingler dem H. Tauffwasser die krafft und würckung / dazu es von Gott eingesetzt worden / aller dings entziehen und nemmen.“ Salomon Gesner griff in seinen Funffzehen

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4 Die evangelischen Türkenpredigten des 16. Jahrhunderts

Deutlich weniger wetterten die lutherischen Prediger gegen die Anhänger der „radikalen Reformation“. Während sich noch Luther und Brenz in ihren Schriften gegen die pazifistischen Tendenzen der Täufer zur Wehr gesetzt hatten³⁷⁰, verlief die konfessionelle Front bei den größtenteils in den 1590er Jahren entstandenen Türkenpredigten vor allem zwischen Luthertum und Calvinismus bzw. Luthertum und Katholizismus. Sofern die „Schwärmer“, „Täufer“, „Schwenkfelder“ und „Antitrinitarier“ durch polemische Äußerungen diskreditiert wurden, dann entweder in Bezug auf ihre Vorbehalte gegen ein militärisches Eingreifen in den Konflikt mit dem Osmanischen Reich³⁷¹ oder in Bezug auf ihre vermeintliche Vorgänger-Funktion für den Calvinismus. So erkannte z. B. Salomon Gesner, Professor an der Wittenberger Universität, in Andreas Karlstadt den „Ertzvater aller Calvinisterey“³⁷² und der lutherische Prediger Zacharias Praetorius verglich in seinem Handbüchlein wider den Türcken sogar Thomas Müntzer und Jan van Leiden mit Mohammed: „Als er [sc. Mohammed] viertzig Jar gewesen / hat er sich auffgeworffen zum Obersten und ein anhang gemacht / wie zu unser zeit Thomas Müntzer im Bawrn krieg / und Hans von Leyden zu Münster der Widerteuffer König / ein Stat nach der andern erobert.“³⁷³ Esaias Heidenreich verglich gar die etymologische Herleitung des Begriffs „Türke“ mit dem Wesen der „Schwenkfelder“: So erwähne Georg von Ungarn in seinem Bericht „das die klügsten Türcken wollen Theorici heissen / darumb das sie mit sonderlichen tieffsinnigen gedancken umgehen / ein sonderlichen glauben füren / der da besser sey denn aller ander Völcker.“³⁷⁴ Daraus schloss Heidenreich: „Und nach dieser deutung werden die Schwenckfeldischen Enthusiastae und Speculativi mit irer Theodidascalia und

Predigten die calvinistische Abendmahlslehre an (Gesner, Funffzehen Predigten,  – ) und kritisierte, hier werde „menschliche blinde vernunfft höher denn gottes wort erhaben / und die unendliche unbegreifliche allmacht Gottes umbcirclet unnd weiter nicht / denn unsere fünff sinnen begreiffen können.“ Zur Kritik am calvinistischen Abendmahlsverständnis s. auch: Lauch, Ein und Dreißig Türcken Predigten, r-r. Dass die calvinistische Lehre nichts weiter als verzagte und ängstliche Gemüter hervorbringe, schärfte Zacharias Rivander seiner Gemeinde ein: Z. Rivander, Heerpredigt, Er-Er. Weitere Attacken gegen calvinistische Anschauungen finden sich ebenfalls bei: Gesner, Funffzehen Predigten,  – ; Hoë von Hoënegg, Sechs Türcken Predigten,  f.; Lauch, Ein und Dreißig Türcken Predigten, v-r; r-v; v-r; r-v; v-r und Schopper, Gottes Weissagung, Dr-Ev.  Vgl. zur theologischen Einordnung der Türkengefahr in der „radikalen Reformation“ sowie den (lutherischen) Reaktionen darauf: Kaufmann, Türckenbüchlein,  –  sowie Laubach, Stigmatisierung.  So z. B. bei Hoë von Hoënegg, Sechs Türcken Predigten, ; Lauch, Ein und Dreißig Türcken Predigten, r und Mylius, Zehen Predigten, r-v.  Gesner, Funffzehen Predigten, .  Praetorius, Handbüchlein, Cr.  Heidenreich, XII Turcken Predigten, Cr.

4.5 Zusammenfassung

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gantzer Religion dem Türcken nahende zugethan sein / Und wer am liecht jr leben / werck der lesterung / neids / wuchers / Kirchenreuberey / schendung trewer Lehrer und Prediger / fleisig wird ansehen / wird sie nicht weit auch in thatten und früchten des Geistes / so der Teuffel selber ist / von einander unterscheiden können.“³⁷⁵ Die Theologen nutzten die Türkenpredigten als Plattform für ihre Auseinandersetzungen mit den konfessionellen Gegnern. Nicht selten bedienten sie sich dabei der Lehren des Islam, um deren vermeintliche Häresie nachweisen zu können. Mittels der Predigten wurden somit neue Feindbilder geschaffen und alte tradiert, und dem kollektiven Gedächtnis wurden die Kennzeichen, an denen man die „falsche“ Lehre zu erkennen glaubte, eingeschärft. Auf diese Weise wurde das muslimische Bekenntnis zum Antibekenntnis, das als perhorreszierende Folie für die Vermittlung der eigenen Anschauungen dienen sollte. Denn diese waren – bei aller konfessionellen und antimuslimischen Polemik – der eigentliche Fokus der Türkenpredigten und unterschieden sich in dieser Funktion in keiner Weise von den üblichen Predigten der Autoren. Die lutherischen Türkenpredigten dienten wie alle anderen lutherischen Predigten ihrer Zeit der konfessionellen Identitätsbildung. Zumeist fühlten sich die Prediger dem theologischen Vermächtnis Luthers so stark verpflichtet, dass sie basierend auf der Exegese des jeweiligen Predigttextes die grundlegenden Loci herausarbeiteten und im Sinne der lutherischen Bekenntnistradition auslegten. Um Anfechtungen widerstehen zu können, müsse jeder einzelne Christ deshalb seines Bekenntnisses gewiss und aussagefähig sein. So ermahnte Jakob Andreä seine Gemeindeglieder: „Dann weder der Teuffel noch der Mahometh / sich mit deiner Eltern Glauben geschweigen noch abtreiben lassen / sonder es muß ein jeder für sich selber / unn sein eigen Person glauben / unn seines Glaubens Rechenschafft geben können / soll er anderst in anfechtungen bestehn.“³⁷⁶

4.5 Zusammenfassung Die infolge der Reichstagsbeschlüsse massenhaft gehaltenen und publizierten Türkenpredigten bilden aufgrund ihrer quantitativen Dichte und ihrer thematischen Einheit eine Unterkategorie der Kasuspredigten und weisen – dies haben die Analysen innerhalb dieses Kapitels ergeben – gattungsspezifische Eigenheiten auf. Zunächst muss für die lutherischen Türkenpredigten die Autorität der Texte

 Heidenreich, XII Turcken Predigten, Cr-Cv.  Andreä, Dreizehen Predigten, .

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4 Die evangelischen Türkenpredigten des 16. Jahrhunderts

des Reformators betont werden. Ihnen konnte sich anscheinend keiner der Türkenprediger entziehen, denn die missverständlichen Äußerungen Martin Luthers zu Beginn des Ablassstreits über die Türken als Gottes Geißel prägten auch noch die Kinder und Enkel des Reformators und seine wortgewaltigen Schriften erschienen insbesondere in den 1590er Jahren so attraktiv wie nie zuvor. Die verstärkte Herausgabe von Luthers Schriften und seinen aus den Tischreden entnommenen Äußerungen über die Türken und den Islam war, wie der „Boom“ von Lutherflorilegien und Postillenpredigten in der letzten Dekade des Reformationsjahrhunderts³⁷⁷, ein Ausdruck neu aufflammender lutherischer Memorialkultur. Die Anziehungskraft des Reformators, der nun wieder – wie schon in den 1520er Jahren – zum „Heilige[n], Prediger und Prophet[en]“³⁷⁸ stilisiert und zur Identifikationsfigur des Luthertums wurde, scheint besonders von Wittenberg bzw. Kursachsen aus im Sinne einer „orthodox-lutherischen Offensive“³⁷⁹ im Anschluss an die Auseinandersetzungen mit den Philippisten propagiert worden zu sein. Schon die Tatsache, dass alle dieser Arbeit zugrunde liegenden kursächsischen Türkenpredigten in den 1590er Jahren gehalten und in den Druck gegeben wurden, spricht für diese Interpretation. Neben der Autorität der Schriften Luthers ist v. a. eine Dominanz von alttestamentlichen Predigttexten für die Türkenpredigten des 16. Jahrhunderts kennzeichnend. Diese war möglich geworden, da die Prediger nicht selten in den Wochengottesdiensten bzw. in den eigens aufgrund der Reichstagserlasse eingerichteten Türkengottesdiensten ihre Predigten hielten und somit fern vom „Perikopenzwang“ eine gewisse Freiheit in Bezug auf die Auswahl ihrer Predigttexte walten lassen konnten. Dass Ez 38 f. zum meist ausgelegten Türkenpredigttext werden konnte, ist wiederum auf die Exegese Luthers zurückzuführen, der die Perikope einst ebenfalls auf die Türken gedeutet hatte. Einzig Heinrich von Efferhen predigte bereits in den 1560er Jahren über Ez 38 f., doch erst die Prediger der letzten Dekade des 16. Jahrhunderts sorgten für die Prominenz dieses Textes. Das Ende des Jahrhunderts vor Augen schien der dramatisch apokalyptische Text

 S. hierzu: Ernst Koch, Lutherflorilegien zwischen  und . Zum Lutherbild der ersten nachreformatorischen Generation, in:ThV  (),  –  und Robert Kolb, Martin Luther as Prophet, Teacher, and Hero. Images of the Reformer,  –  (Grand Rapids ).  Matthias Pohlig, Zwischen Gelehrsamkeit und konfessioneller Identitätsstiftung. Lutherische Kirchen- und Universalgeschichtsschreibung  – , SuR N.R.  (Tübingen ), .  Matthias Pohlig, Luthers Thesenanschlag von  (!) und seine prophetische Legitimation. Georg Myliusʼ Gedenkpredigt von , in: Susanne Rau / Birgit Studt (Hg.), Geschichte schreiben. Ein Quellen- und Studienhandbuch zur Historiografie (ca.  – ) (Berlin ),  – , hier: .

4.5 Zusammenfassung

199

geradezu programmatisch auf das gegenwärtige Endzeit-Szenario anwendbar zu sein. Mit ihren Auslegungen zielten die Prediger auf zweierlei: Sie wollten zum einen – sowohl auf Basis ihrer exegetischen Expertise als auch ihrer eigens erworbenen „islamkundlichen“ Kenntnisse – Informationen über den „Erbfeind“ und seine Religion bereitstellen. Zum anderen verhalf die Form der Predigt den Theologen zu einer Funktionalisierung ihrer Wissensbestände: Mittels einer in allen Predigten anzutreffenden Bußrhetorik schien die Kommunikation von Orientierungswissen das eigentliche Ziel der Autoren zu sein. So forderten sie die sittliche Besserung ihrer Gemeinden und die Identifikation mit dem eigenen (lutherischen) Bekenntnis. Dieses wurde häufig in Abgrenzung zu den Lehren des Korans erneut ins Gedächtnis gerufen und gegen andere konfessionelle Theologien – zum Teil in derber Polemik – abgegrenzt. Schließlich sind auch die obrigkeitsaffirmativen Aufrufe zur Akzeptanz der auf den Reichstagen beschlossenen Türkensteuern und Söldnerheere charakteristischer Bestandteil der Türkenpredigten. Denn die zu einem Großteil den adligen Patronen und Landeshoheiten gewidmeten Predigten hatten nichts weniger als den mit geistlichen Schwertern geführten Kampf gegen die Türken im Sinn. Die Prediger waren sich darin einig, dass dieser Krieg nur durch die Besinnung auf das wahre Bekenntnis gewonnen werden konnte, was dazu führte, dass in den lutherischen Türkenpredigten katechetische Unterweisung und politische Propaganda problemlos Hand in Hand gehen konnten. Scheinbar so disparate Themen wie z. B. die Erläuterungen zum „richtigen“ Abendmahlsverständnis und der Aufruf zum (gerechtfertigten) Kampf gegen das osmanische Heer schlossen sich nach Meinung der Autoren also keineswegs aus, denn sowohl das wahre Bekenntnis als auch die tatkräftige Unterstützung waren lutherischerseits die Aufgaben eines jeden Christen im Kampf gegen das türkische Heer.

5 Die katholischen Türkenpredigten des 16. Jahrhunderts In diesen dingen allen hett ich gleichwol gern einen andern den ich imitieren hett mögen […] für mich genommen / so haben jr gar wenig ausser Johann Fabri / unnd Friderico Nausea / weiland Bischoffen alhie zu Wienn / und Johanne Fero / Thummprediger zu Maintz sälige / von dergleichen Materien zu unseren zeiten geschriben: Ich wolt aber dennoch mit diesem klainen anfang andern gelerten gern ursach unnd anraitzung geben mehr darvon zuschreiben / dann zubesorgen / man werde mit der zeit einer Kriegs oder Feldpostill so wol als der Kirchen Postilln bedürffen.¹

Als Urban Sagstetter im Jahr 1567 seine Gaistliche Kriegsrüstung, eine Sammlung von 23 Türkenpredigten, in den Druck gab, tat er dies aufgrund des empfundenen Mangels an gedruckten katholischen Türkensermonen. Anders also als im Luthertum, wo massenhaft Sammlungen von Predigten und eben auch Türkenpredigten die Druckoffizinen des Reiches verließen, verhielt man sich katholischerseits zurückhaltender. So deckt sich das Urteil Sagstetters mit dem quantitativen Befund dieser Arbeit: 27 evangelischen Türkenpredigern stehen 12 katholische gegenüber. Dabei ist die geringere Anzahl wohl nicht auf eine weniger stark ausgeprägte Predigtpraxis zurückzuführen, ganz im Gegenteil. Schließlich kamen die Prediger katholischer Territorien den Verordnungen zum Gebrauch von „geistlichen Waffen“, wie sie 1522 auf dem Reichstag von Nürnberg getroffen worden waren, vermutlich weitaus bereitwilliger nach als die evangelischen Pastoren, Prädikanten und Superintendenten. Denn der Brauch von Türkenprozessionen mit anschließender Predigt war immer noch im Bewusstsein der katholischen Gemeinden und brauchte lediglich erneut ins Gedächtnis gerufen zu werden.² So ist das von Sagstetter konstatierte Defizit also nicht auf einen Mangel an mündlich gehaltenen Predigten zurückzuführen, sondern auf eine im Katholizismus weniger stark ausgeprägte Praxis der gedruckten Predigt. Dessen ungeachtet gaben dennoch einzelne katholische Prediger ihre einst mündlich vorgetragenen Predigten in den Druck. Die quantitative chronologische Verteilung entsprach in etwa proportional den evangelischen Drucken von Türkenpredigt-Sammlungen. Wie bereits in Abschnitt 3.1 dargestellt, begegnen katholischerseits meist Autoren, die bereits über einen gewissen Bekanntheits- bzw.

 Sagstetter, Gaistliche Kriegsrüstung, ‫ג‬v-‫ג‬r.  S. hierzu o. Abschn. ...

5.1 Anleitungen zur Predigt wider die Türken

201

Karrieregrad verfügten und die häufig bereits vorher publizistisch in Erscheinung getreten waren.

5.1 Anleitungen zur Predigt wider die Türken Auch auf katholischer Seite wurde man hinsichtlich der Anweisung zum geistlichen Kampf gegen die Türken produktiv. Offensichtlich sahen sich die verantwortlichen Bischöfe mit dem Problem konfrontiert, dass viele ihrer Prediger von der Aufgabe, gegen den „Erbfeind“ zu predigen, überfordert waren. So lässt sich vermuten, dass die „kleynverständigen Priester […] und Predicanten“³ aus Mangel an altgläubigen Alternativen zu den evangelischen Predigtsammlungen und pastoraltheologischen Schriften griffen, die zudem in der Volkssprache erhältlich waren.⁴ Denn auf eine vergleichsweise publizistisch und theologisch so wirkungsreiche Figur, wie der Protestantismus sie in Martin Luther gefunden hatte, traf man im römischen Katholizismus des 16. Jahrhunderts nicht. Weder ein Johannes Eck noch ein Wiener Bischof wie Johann Fabri konnten eine derartige Uniformität der Predigten in Methode, Stil und Inhalt in ihrer Kirche erreichen. So liegt es in der Natur dieser Gegebenheit, dass die beiden hier analysierten Werke sich in besonderer Weise gegen die protestantische Theologie allgemein und ihren Umgang mit der Türkenfrage wandten. Besonders die vermeintliche lutherische Abwehrhaltung gegenüber einem militärischen Vorgehen gegen das osmanische Heer wurde als neuralgischer Punkt des innerchristlichen Gegners ausgemacht und mit aller Macht rhetorisch bekämpft. Die beiden Anweisungsschriften des Wiener Bischofs Friedrich Nausea und des Hofpredigers Georg Scherer unterscheiden sich in ihrer ursprünglichen Intention. Während Nausea von vornherein ein Werk schuf, das auf die Bedürfnisse katholischer Prediger abgestimmt war, die auf der Suche nach einer Anleitung zum Predigen wider die Türken waren, war Georg Scherers Schrift zunächst nicht ausschließlich pastoraltheologisch ausgerichtet. Erst infolge der Rezeption durch den Wiener Dompropst und Generalvikar Niederösterreichs, Melchior Klesl (1552–

 Nausea, Pro Concionatoribus, av (deutsch); Av (lateinisch).  Aus diesem Grund hatte beispielsweise Johannes Eck in den Jahren  –  dem Auftrag der bayerischen Herzöge entsprochen und volkssprachige Predigten für sämtliche Sonn- und Feiertage, die Heiligenfeste, die Sakramente sowie die Zehn Gebote herausgegeben. Diese Musterpredigten waren für Priester und Prädikanten bestimmt und sollten für eine gewisse Uniformität der katholischen Predigt sorgen. Vgl. hierzu z. B. Erwin Iserloh, Art. Eck, Johannes ( – ), in: TRE  (),  – , hier: .

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5 Die katholischen Türkenpredigten des 16. Jahrhunderts

1630), und seiner Fürsprache beim Passauer Bischof Urban von Trennbach (1525 – 1598) wurde Scherers Predigt zum Musterexemplar katholischer Türkensermone, das den „einfältigen“ Predigern – also insbesondere dem niederen Klerus – zur Richtschnur dienen sollte.

5.1.1 Friedrich Nauseas Pro Concionatoribus ad milites in bello contra Hostes infideles […] (1542) Derhalben […] so ist es kommen / das ihr etlichs male […] von uns emsiglich begeret habt / das wir den kleynverstendigen Priestern / und sonderlich den Predicanten / so do haym oder im krieg seyndt / dermassen ein gemeine Exemplar predige sambt etlichen gepetten zu Got / mit leichter und kurtzer redes art nach gelegenheit der zeit und statt / wölten stellen und begreiffen / auf das sie ires vermogens / die / so dahaym bleyben / und auch die / so im krieg seyndt / zu warer gottseligkeit und fürstlicher geschicklichkeit stathafftiglich möchten vermanen / unn dieselben auch zu Gottes almechtigen lob und preyß […] wider die erschreckliche und trützige feind / glückselige Siger und uberwinder machen.⁵

Als Friedrich Nausea im Jahr 1542 seine Anleitung zur Predigt gegen die Türken unter dem Titel Pro Concionatoribus ad milites in bello contra Hostes infideles exemplaris utriusque, tam Latinae videlicet quam Germanicae linguae cum pijs aliquot […] precationibus Homilia bei Johann Singriener in Wien herausgab, war die erste Gefahr, die vom osmanischen Heer für Österreich ausging, bereits gebannt. Die Bedrohung war mittlerweile nicht mehr akut, sondern chronisch geworden: Der Krieg hatte bereits Opfer gefordert und einige von Nauseas Landsleuten waren selbst Teil des kaiserlichen Heeres. Ein Jahr vorher hatten die Osmanen Buda und Pest erobert und somit einen Teil des Landes unter ihre Herrschaft gebracht. Nausea verfasste seine Musterpredigt in seiner Funktion als Bischof von Wien. Bereits in den Jahren vorher – als Hofprediger Ferdinands I. und Koadjutor des Bischofs Johann Fabri – hatte er immer wieder auf die Türkengefahr in Predigten und thematischen Traktaten Bezug genommen. So waren bereits 1537 seine Homiliatica pro salutione angelica adversum schismaticos Apologia und 1539 seine Metaphrasis in LXXVIII Psalmum: Deus venerunt gentes erschienen. Beide Schriften widmen sich der türkischen Bedrohung und heben auf den Einsatz von „geistlichen Waffen“ im Kampf gegen die Türken ab. Nauseas Musterpredigt Pro Concionatoribus richtet demgegenüber den Fokus auf die Rechtmäßigkeit eines Krieges mit militärischen Waffen.

 Nausea, Pro Concionatoribus, av (deutsch); Av (lateinisch).

5.1 Anleitungen zur Predigt wider die Türken

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Der Traktat Nauseas beinhaltet zum einen die angekündigte Musterpredigt und zum anderen weitere Türkengebete. Die Schrift erschien von vornherein zweisprachig: Einem lateinischen Teil folgt eine deutsche Version, wobei einzig dieser Abschnitt das Gebet zu Ps 20 enthält. Die Tatsache, dass die Schrift auch in der Volkssprache erschien, spiegelt Nauseas Anliegen einer alle Schichten erreichenden Verkündigung und Unterweisung wider. Schließlich hatte er als Bischof von Wien zur Überprüfung des Klerus eigens Pfarrvisitationen eingeführt und ebenfalls 1542 eine Erklärung des Vaterunsers auf Deutsch verfasst. Ein Jahr später erschien sein sechsbändiger Katechismus, der zahlreiche Neuauflagen erfuhr.⁶ Der Wiener Bischof widmete seine Schrift Ritter Markus Beck von Leopoldsdorf (1491– 1553), der seit 1539 Kanzler Niederösterreichs war. Dieser habe ihn um eine derartige Musterpredigt samt Gebeten ersucht, da er – so Nausea – der Ansicht gewesen sei, „dz man den feyndt weder mit weybischen clagen / noch mit gifftigen verfluchungen / noch mit materlichen waffen alleyn / aus unsern gegenden und lannden moge vertreyben / sonder das man jn vil ehe moge flüchtigen und veriagen mit gotseligen gebeeten zhu Gott dem herrnn […].“⁷ Adressaten der Schrift waren die „kleynverstendigen Priester […] / und […] Predicanten / so do haym oder im krieg seyndt“⁸. Thematisch konzentrierte sich der Bischof jedoch weniger auf die Buße und das Gebet als vielmehr auf die „dinge […] / so in kriegssachen den kriegßhaubtleütten unn den kriegsknechten vast nöttig zu wissen […]“⁹ seien. Die Prediger wurden mithin von dem Autor dazu ermuntert, das ihnen an die Hand gegebene Material an die jeweilige Situation anzupassen und individuell zu kürzen oder zu ergänzen: „Die leser aber unn die Prediger und die zuhörer / so sie wöllen / mögen das jhenig / so von uns in abgestolenden stunden erfunden oder beschrieben ist / weit leüffiger außbraitten oder enger und kürtzer zu sammenschliessen und machen / unn vorbemelte predig / in mherere oder wenigere thail nach gelegenheit der sachen / zeyt und stat / wie es jnen für gut wirt angesehen / theilen und stellen.“¹⁰ Die „gemein predig zu denn Krießleütten / so wider die Unglaubigen kriegen unnd strytten söllen und wöllen“¹¹ gliederte Nausea in fünf Abschnitte: Der erste Teil beschränkt sich auf die Lesung „des heiligen Euangelions / so man zu der zeit

 S. hierzu: Bäumer, Nausea, .  Nausea, Pro Concionatoribus, ar (deutsch); Ar (lateinisch).  Nausea, Pro Concionatoribus, av (deutsch); Av (lateinisch).  Nausea, Pro Concionatoribus, av (deutsch); Av (lateinisch).  Nausea, Pro Concionatoribus, av-ar (deutsch); Av (lateinisch).  Nausea, Pro Concionatoribus, br (deutsch); Br (lateinisch).

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5 Die katholischen Türkenpredigten des 16. Jahrhunderts

des Kriegs pflegt zu lesen“¹², womit die Ansage der Vorzeichen vom Kommen des Menschensohns in Lk 21,9 – 11 gemeint war. Der zweite Teil widmet sich der Frage nach der ethischen Legitimation eines Krieges, anschließend wird der Grund für einen militärischen Einsatz geliefert. Viertens wird derjenigen gedacht, die gegen die Türken in den Kampf ziehen, und schließlich folgen im fünften Abschnitt umfangreiche Tugendkataloge für Hauptleute und Kriegsknechte. Der Duktus der Musterpredigt ist als durchweg argumentativ zu beschreiben. So legitimierte Friedrich Nausea beispielsweise die Rechtmäßigkeit eines (Verteidigungs‐) Krieges anhand sechs unterschiedlicher – zumeist biblischer – Argumente. Bereits die Geschichte des Volkes Israel zeuge schließlich davon, dass Gott das Mittel des Krieges gegen die Unterdrückung des Pharaos einsetzte. Außerdem habe er selbst Israel zum Krieg in Ri 3 aufgefordert und nicht zuletzt die paulinische Aussage in Röm 13 untermauere die Pflicht zum Krieg, wenn kein Friede möglich sei und insofern Gott selbst oder die Obrigkeit den Auftrag dazu gebe. Etliche Beispiele der „heiligste[n] menner des alten und newen Testaments“¹³, die ebenfalls gegen die Feinde in den Krieg zogen, sowie die Tatsache, dass Gott durchaus christlichen Kriegern Erfolg verliehen habe, belegen nach Nauseas Ansicht die Rechtmäßigkeit des militärischen Einsatzes für Christen. Den Personenkreis der Krieger leitete Nausea klassischerweise von der DreiStände-Lehre ab und schränkte ihn somit auf Männer und „weltlich leüte“¹⁴ ein. Die Aufgabe der Geistlichen im Krieg sei hingegen das „leren / vermanen / predigen / und denen so recht unn billich kriegen / die heylige sacrament raichen / unnd jnen geistlichen beystand thun“¹⁵. Frauen seien „von natur erschrocken / blöde unn förchtsam“¹⁶ und aus diesem Grund für das Kriegswesen gänzlich ungeeignet. Biblische Frauenfiguren wie Judith und Esther, die sich in kriegerische Auseinandersetzungen einmischten, oder das mythische Beispiel der Amazonen seien lediglich als Ausnahmesituationen zu verstehen. Auch diejenigen, die „der arbait nit leydig noch geübt seindt“¹⁷, seien für den Kriegsdienst unbrauchbar. Umfangreiche Tugendkataloge für beide Berufsgruppen, welche die Standhaftigkeit der Person im Alltag, im Krieg und im Glauben betonen, folgen auf diese Zuordnung. Am Ende beschließt der Hinweis auf die Werke des Glaubens die Predigt, von denen das Gebet das größte sei:

     

Nausea, Pro Concionatoribus, bv (deutsch); Br (lateinisch). Nausea, Pro Concionatoribus, br (deutsch); Br (lateinisch). Nausea, Pro Concionatoribus, bv (deutsch); Br (lateinisch). Nausea, Pro Concionatoribus, bv-cr (deutsch); Br (lateinisch). Nausea, Pro Concionatoribus, cr (deutsch); Br (lateinisch). Nausea, Pro Concionatoribus, cr (deutsch); Br-Bv (lateinisch).

5.1 Anleitungen zur Predigt wider die Türken

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Diweil aber nhun der glaub un der vertraw jn Gott on die werck todt ist / und ein gotseligs gebet zu Gott undter den wercken des glaubens gar leichtlich das gröst werck ist / und nichts stathaftiger zu erlangung des Sygs wider die feyndt gesein mag / dan das gebet […] / derhalben so wöllen wir alle tag ayn oder zway gebeet aus desselbigen psalms [sc. Ps 79] gebeten […] zu Gott dem almechtigen andechtigklich und jnniglich sprechen.¹⁸

Im Anschluss sind im deutschen Teil zwei Gebetsreihen zu Ps 79¹⁹ und Ps 20²⁰ abgedruckt, die jedem einzelnen Vers ein Gebet folgen lassen. Gebete „Zur zeit des Krieges“²¹, „So man in krieg zeucht“²², „Für ein jgliche stadt / und sunderlich für die so von feinden belegen ist“²³ sowie ein Gebet „So man sieget wider die feinde“²⁴ beschließen die Schrift. Die Musterpredigt Nauseas, die vielfach fälschlicherweise als „Heerpredigt“²⁵ oder „Predigt an das Militär“²⁶ bezeichnet wurde und auf diese Weise als Adressaten vornehmlich Angehörige des Heeres anstatt Prediger und Priester in den Blick gerieten, blieb nicht ohne Reaktion. Sowohl altgläubige Türkenprediger²⁷ als auch protestantische Theologen – hier in der Person Veit Dietrichs in Nürnberg – nahmen auf Nauseas Schrift zur Türkenthematik Bezug. Der Nürnberger Prediger, der noch im selben Jahr zwei pastoraltheologische Schriften zur Türkengefahr veröffentlichte²⁸, sah in den Anweisungen Nauseas nicht mehr als die Ermahnung eines „Weltweisen erfarnen Man[s]“²⁹ und schätzte sie als eines Bischofs unwürdig ein. So hätte jeder erfahrene Kriegsmann besser über die Tugenden im Militär sprechen können als jener Bischof von seinem Schreibtisch aus.³⁰ Vermutlich

 Nausea, Pro Concionatoribus, cv (deutsch); Cv (lateinisch).  Nausea, Pro Concionatoribus, cv-gr (deutsch); Cr-Dv (lateinisch).  Nausea, Pro Concionatoribus, gv-hv (deutsch, keine lateinische Version).  Nausea, Pro Concionatoribus, hr (deutsch); Er (lateinisch).  Nausea, Pro Concionatoribus, hr-hv (deutsch), Ev-Er (lateinisch).  Nausea, Pro Concionatoribus, hv-hr (deutsch); Er-Ev (lateinisch).  Nausea, Pro Concionatoribus, hr (deutsch); Ev-Ev (lateinisch).  So Dietrich, Der xx. Psalm Davids […], ar.  Bäumer, Nausea, .  S. hierzu z. B. Urban Sagstetter, der in seiner Vorrede auf die ihm bekannten ‚Türkenprediger‘ Johann Fabri, Friedrich Nausea und Johann Wild Bezug nimmt (Sagstetter, Gaistliche Kriegsrüstung, ‫ג‬v-‫ג‬r).  Zu Dietrichs Türkenschriften des Jahres  s.o. Abschn. ...  Dietrich, Der xx. Psalm Davids […], ar.  „Denn dazu darff man keines Bischoffes / das man predige / wie ein fehrlich böses ding es sey / wo ungehorsam unter dem Kriegßvolck ist / wie man mannhafft sein / den feindt getrost angreiffen / und sich keiner müh / fahr / noch arbeyt verdriessen lassen sol. Solchs werden Hannibal / Scipio / Alexander / unn andere tapffere Kriegßleut / so vil bey solchen sachen geweßt / unn mit der Hand sich als Helden bewisen haben / vil bas können bey dem Kriegßvolck außrichten / dann die /

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5 Die katholischen Türkenpredigten des 16. Jahrhunderts

hatte Dietrich erst kurz vor der Fertigstellung seiner Auslegung zu Ps 79 von Nauseas Traktat erfahren und diese als Anlass seiner zweiten Schrift, der Auslegung Der xx. Psalm Davids […], genommen.³¹ Vorrangig nahm Dietrich Anstoß an Nauseas deutschem Gebet zu Ps 20, das er als Anhang seiner Musterpredigt veröffentlicht hatte.Wie Nausea legte nun auch der Nürnberger den Psalm aus und kritisierte vorrangig die Opfertheologie des Wiener Bischofs, die ohne Bezug auf Jesus Christus schließlich reine Abgötterei sei.³² Die Kontroverse, die Dietrich einseitig mit Nausea führte und die ohne Reaktion des Bischofs blieb, verdeutlicht den brisanten Konflikt, welcher um die Deutungshoheit der exegetisch einschlägigen Texte zur Türkenthematik entstanden war. Um Differenzen in der Türkenfrage selbst war es Dietrich schließlich schon lange nicht mehr gegangen. Kritik übte der Nürnberger Prediger an grundsätzlichen theologischen Standpunkten römischer Theologie. Denn ohne Zweifel wird Nauseas auf Deutsch erschienene Musterpredigt auch bei Anhängern der Reformation – und hier vor allem bei Predigern – nicht ohne Zuspruch geblieben sein. Anders lässt sich Dietrichs Auslegung und die darin enthaltene scharfe Polemik schlechterdings nicht erklären: „Und umb solcher ursach willen / hab ich den .20.Psalm auch für mich genommen / und den selben / etwas anderst denn Bischoff Nausea gehandlet / bin auch gentzlicher zuversicht / er soll mer frucht unter den leuten schaffen / denn die Bebstische und gantz unbischoffliche Predigt / oder gebät / welches Nausea auß solchem Psalm / wie sein druck außweyset / genommen.“³³

so nie bey Kriegen gewesen und allein davon in Büchern gelesen haben.“ (Dietrich, Der xx. Psalm Davids […], Ar).  Die Drucklegung von Dietrichs Schrift Wie man das volck zur Buß, und ernstlichem gebet wider den Türcken auff der Cantzell vermanen sol […] lässt sich durch eine Anmerkung der Drucker Johann vom Berg und Ulrich Neuber auf den . Juni  datieren (Dietrich, a.a.O., ir). Die Tatsache, dass Nauseas Vorwort seines Traktats Pro Concionatoribus […] den . Mai  ausweist (Nausea, Pro Concionatoribus, av [deutsch]; Av [lateinisch]), zeigt, dass beide Schriften fast zeitgleich die Offizinen ihrer Druckereien verließen.  „Hie sihest du / was der Papisten opffer sind / und wie sie davon leren. Wol ist es war / das gebet ist ein Opffer / und das fürnemste Opffer / wie wir oben auch haben gehört. Aber doch mit dem geding / so der gehorsam dabey ist / das ist / so das gebett geschicht im namen Christi Jesu. Aber da sihe aller Papisten collecten / und gebett an / wie woll sie es nach rechter gewonheit der Apostolischen ersten Kirchen schliessen / mit dem Herrn Christo / so mengen sie doch ymmer da des Teuffels geschmeiß unn abgötterey mit ein / das Gott diß und jhenes heyligen fürbitt / und verdienst ansehen / und sie darumb erhören wölle.“ (Dietrich, Der xx. Psalm Davids […], ev).  Dietrich, Der xx. Psalm Davids […], ar.

5.1 Anleitungen zur Predigt wider die Türken

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5.1.2 Georg Scherers Ein trewhertzige Vermahnung (1595) Ende Juni 1595 erreichte den Wiener Dompropst und Generalvikar Niederösterreichs Melchior Klesl ein Schreiben des Passauer Bischofs Urban von Trennbach. Darin forderte er diesen auf, eine Predigt des Jesuiten Georg Scherer nachzudrucken „und bey allen Pfarren unsern Nidern Osterreichischen Officialats publicieren [zu] lassen / mit dem ernstlichen Befelch / solche dem Volck vonn der Cantzel eyfferig und fleissig fürzuhalten / zupredigen / und mennigklichen auß erzöhlung alles darinnen außführlichen angedeutten / unwiderbringlichen Leibs und der Seelen / schadens und Verderbens / vor angeregter Gottloser Huldigung zuwarnen […]“³⁴. Die Predigt, auf die sich der Passauer Bischof bezog, war Georg Scherers Invokavit-Predigt, die dieser im selben Jahr auf Schloss Preßburg in Ungarn gehalten und bereits bei dem Wiener Drucker Franziskus Kolbe in Auftrag gegeben hatte. Klesl, der durch den Einfluss Georg Scherers einst zum Katholizismus konvertiert war, hatte dem Passauer Bischof ein Exemplar übersandt. Beeindruckt von dem Werk des Jesuitenpredigers verfügte dieser nun die Verlesung und Nachahmung der Schererschen Predigt in Niederösterreich. Versehen mit den Vorreden Klesls und von Trennbachs erschien die Predigt im selben Jahr erneut bei Franziskus Kolbe. Zwei Jahre später erschien eine weitere Ausgabe in Dillingen bei Johannes Meyer. Sowohl dem Erstdruck der Predigt als auch dem um die zwei Vorreden der kirchlichen Funktionäre erweiterten Wiener Druck fügte Georg Scherer einen an den „Christlichen Leser“ adressierten Bericht bei.³⁵ Dieser enthält die einschlägigen Äußerungen Martin Luthers zur Türkengefahr und sollte zeigen, dass nachgerade der Reformator es war, der den „weg zum Türckenthumb bereitet / und zu freywilliger Huldigung jederman gereitzet“³⁶ habe. Mittels dieser angefügten Handreichung mit den entscheidenden konfessionellen Differenzen in der Beurteilung der Türkengefahr hatte schon Georg Scherer selbst katholische Prediger als Adressaten in den Blick genommen. Durch die bischöfliche Verordnung zum Abhalten der Predigt im gesamten niederösterreichischen Gebiet war aus der Predigt des Jesuiten Anweisungsliteratur zur Türkenpredigt geworden. Die Predigt Scherers legt die Evangelienlesung des Sonntags Invokavit, die Versuchung Jesu (Mt 4,1– 11), aus. So sei es das Wesen des Satans, die Menschen zu versuchen „und sich mit den Versuchungen nach eines jeden Humor / Art und Aigenschafft auch nach Gelegenheit der Zeit / zurichten und zuschicken […]“³⁷.    

Scherer / Klesl, Vermahnung, Av. Scherer, Vermahnung, Fv-Gr; Scherer / Klesl, Vermahnung, Hr-Hv. Scherer / Klesl, Vermahnung, Hr. Scherer / Klesl, Vermahnung, Br.

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5 Die katholischen Türkenpredigten des 16. Jahrhunderts

Auch zur gegenwärtigen Zeit sei man Versuchungen ausgesetzt, denn der Teufel verbreite das Gefühl, alles Kämpfen gegen die Türken sei sinnlos: Das ist die HauptTentation und Versuchung deß arglistigen Sathans / mit der er an vilen Orten jetzt anklopffet und beyfall suchet / darneben verhaisset er denen / die jhme volgen / guldine Berg / wie man sie nemblich under dem Türckischen joch wol halten / auff den Händen tragen / bey ihrem Hauß unnd Hof / Weib und Kindern schirmen und schützen / auch groß Geldt und Gut samblen lassen werde. Summa / der Sathan zaiget jhnen alle Reich der Welt sampt jhrer Herrligkeit / und sagt: Dises alles will ich euch geben / wann jhr niderfallet / und mich anbettet.³⁸

Den Hauptteil seiner Predigt gliederte der Prediger in acht Abschnitte, die Mittel und Wege aufzeigen sollten, der Versuchung der Kollaboration mit dem „Erbfeind“ zu widerstehen. Zunächst riet Scherer zum regelmäßigen und aufrichtigen Gebet, um den Versuchungen standzuhalten. Schon im Vaterunser sei diese Bitte schließlich ausgedrückt. Weiterhin solle man sich niemals freiwillig den Türken ergeben, denn von den gefangenen Christen in der Türkei wisse man schließlich, dass diese auf vielfältige Weise gegen ihr Gewissen das Morden an Christen unterstützen müssten: So würden diese gezwungen, ihr Vermögen zu veräußern, das zur Finanzierung des Krieges verwendet werde. Außerdem würden die gefangenen Christen nicht selten dazu verpflichtet, in den Schlachten in erster Reihe zu marschieren, um auf diese Weise gegen ihre eigenen Brüder zu kämpfen. Gefangene Handwerker stellten Kriegsgerät und Munition her, christliche Jungen würden zu Janitscharen ausgebildet. So sei es für einen Christen schlechterdings unmöglich, sich als Gefangener des türkischen Heeres ein reines Gewissen zu erhalten. Drittens könne man anhand der Erfahrungen des Volkes Israel lernen: „[D]en Kindern Gottes und Glaubigen ist niemals wol gangen under dem Joch und Dienstbarkeit der Unglaubigen / haben alle zeit / so offt sie darunter gerhaten / von Leib und Leben widerumb darvon getrachtet / und so lang zu Gott umb Erlösung geschryen / biß sie jhres Gebetts erhöret und gewähret worden […].“³⁹ Viertens seien die Türken von Natur aus verschlagen und unehrlich. Im fünften Abschnitt warnte der Prediger gerade Ritter und Adel vor einer Kollaboration mit dem „Erbfeind“, denn es sei allgemein bekannt, dass die Türken insbesondere Adlige verachteten. Weiterhin entferne das Leben unter Muslimen die christlichen Gefangenen von Christus: „Denn erstlich müssen die Christen täglich in jhre Ohren hören der Türcken Gottlösterliche Reden wider Christum / wider die Heylige Dreyfaltigkeit / wider die Tauff und andere Sacramenta / wider das Leyden unnd

 Scherer / Klesl, Vermahnung, Bv-Br.  Scherer / Klesl, Vermahnung, Cr.

5.1 Anleitungen zur Predigt wider die Türken

209

Sterben Christi / und wider seine Aufferstehung / wider den Artickel vonn Vergebung der Sünden / unnd von unser Erlösung / Gerecht und Seligmachung […].“⁴⁰ Anhand historischer Beispiele von Zerstörungen christlicher Kirchen belegte der Prediger zudem die sukzessive Verdrängung des Christentums, die es dem einzelnen Christen unter türkischer Vorherrschaft immer schwerer machte, seinen Glauben zu praktizieren.⁴¹ Siebtens nehme „der Türke“ Hab und Gut, achtens vergewaltige oder verschleppe er Frauen und Töchter. Auch die eigenen Söhne seien vor der vermeintlich praktizierten Sodomie der Türken nicht sicher.⁴² Im Schlussteil seiner Predigt rief Scherer schließlich zum beherzten Kampf gegen das türkische Heer auf. An die ungarische Gemeinde adressiert forderte er: „Setzet zusammen / liebe hungern / erbarmet euch ewers Vatterlands / lasset dasselbige nit gantz und gar verwüstet werden / jhr gewisset wie hoch diß Königreich für andern Königreichen in der gantzen Christenheit von Gott gesegnet und begabt ist […]. Diese und dergleichen Gaaben Gottes allein / sollen euch Hungern begirig und eyferig machen / für das Vatterland zukriegen / dabey Leib und Leben zulassen […].“⁴³ Georg Scherer zielte mit seiner Predigt auf die Zerstreuung eventueller Sympathien mit dem „Erbfeind“ in der ungarischen Bevölkerung. Da auch andere Türkenprediger vor derartigen Tendenzen warnten, scheinen diese Befürchtungen vor allem in den Grenzgebieten nicht unbegründet gewesen zu sein. Scherers deutliche Absage an eine Kapitulation trifft seiner Ansicht nach auch den Kern der Auseinandersetzung mit protestantischen Theologen um die Frage nach der Legitimität eines Krieges mit dem Osmanischen Reich. Auch der angehängte Bericht über die Positionen Luthers in der Türkenfrage zielt in dieselbe Richtung. Auf diese Weise schuf Scherer mit seiner Predigt ein Musterexemplar der katholischen Türkenpredigt, die auf die Umsetzung der obrigkeitlichen Befehle im Kampf gegen die Türken drängte und die eigene konfessionelle Position in der Frage der

 Scherer / Klesl, Vermahnung, Er-Ev.  „Summa / der Christlich Glaub hat under unnd bey den Türcken / so vil anstoß unnd anfechtungen / daß kain Jar auß dem Himmel hinweg gehet / da nit vil hundert Christen zu Mammalucken und Türcken werden / so gar inn eusserster Gefahr schwebet allda die Christliche Religion.“ (Scherer / Klesl, Vermahnung, Fv).  Die von Scherer präsentierten Wissensbestände über das Osmanische Reich und das Wesen der Türken zog er hauptsächlich aus dem erstmals in Augsburg veröffentlichten Auszug aynes Brieffes: wie ainer so in der Türckey wonhafft / seynem freünd in dise land geschriben / und angezaygt / was das Türckisch Regiment unnd wesen sey […] (s. hierzu auch o. Abschn. ..). Scherer nahm auf diese Schrift explizit Bezug und lehnte insbesondere seine Darstellungen über das osmanische Regiment und die Übergriffe auf die Familien (Frauen, Töchter, Söhne) an die anonyme Darstellung an.  Scherer / Klesl, Vermahnung, Gr-Gv.

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5 Die katholischen Türkenpredigten des 16. Jahrhunderts

Kriegsethik schärfte. Indem der Passauer Bischof seinerseits die Predigt Scherers in allen Kirchen Niederösterreichs verlesen ließ, sorgte er für die Konsolidierung und Normierung der Inhalte katholischer Türkenpredigt. Über 50 Jahre nach Nauseas Anleitung zur Türkenpredigt schien ein erneuter nachdrücklicher Aufruf zum Kampf gegen den „Erbfeind“ von den Kanzeln Niederösterreichs nötig geworden zu sein.

5.2 Formale Aspekte der katholischen Türkenpredigten Die bereits den evangelischen Türkenpredigten zugrunde gelegten formalen Charakteristika sollen nun auch der Beschreibung der katholischen Türkenpredigt dienen. Selbstverständlich unterscheiden sich die Türkenpredigten von Lutheranern und Katholiken. Es wird sich jedoch zeigen, dass die konfessionellen Gegensätze zwar vorhanden, aber nicht derart ausgeprägt waren, wie man annehmen könnte. Abgesehen von der regionalen Verbreitung der gedruckten Predigten und der verwendeten Predigttexte sind – besonders gegen Ende des 16. Jahrhunderts – kaum formale Unterschiede zu den protestantischen Kanzelreden zu verzeichnen.

5.2.1 Predigttexte Die Predigttexte, welche die katholischen Autoren ihren Türkenpredigten zugrunde legten, entstammen größtenteils dem Alten Testament. Nur 20 der insgesamt 114 katholischen Türkenpredigten behandeln einen Text des Neuen Testaments, welcher dem Sonntags-Evangelium entsprach. Wie bei den evangelischen Türkenpredigten muss somit auch bei den katholischen von einem freieren Umgang mit der Perikopenordnung ausgegangen werden. Dies ist vor allem auch dem Umstand geschuldet, dass ein Großteil der Predigten nicht sonntags zum Hauptgottesdienst, sondern in den Wochengottesdiensten bzw. anlässlich der Prozessionen gehalten wurde, die katholischerseits aufgrund der Türkengefahr eingeführt worden waren.⁴⁴ Von den 73 Türkenpredigten, in denen ein alttestamentlicher Text ausgelegt wird, traktieren 39 Predigten 2Chr 32. Den größten Teil machen davon Johann Fabris 37 Türkenpredigten über 2Chr 32, 7 f. aus.⁴⁵ Die Lage Jerusalems zur Zeit der

 S. hierzu o. Abschn. ...  Fabri, Sermones.

5.2 Formale Aspekte der katholischen Türkenpredigten

211

Abb. 6 Predigttexte der kath. Türkenpredigten

Belagerung durch den assyrischen König Sanherib verglich der Wiener Bischof mit der Situation Wiens.⁴⁶ So wie Gott dereinst das Blatt Hiskias und der Jerusalemer wendete, werde er auch jetzt der bedrohten Christenheit zum Sieg gegen den „Erbfeind“ verhelfen. Nach Fabri legten auch Urban Sagstetter⁴⁷ und Johann Caspar Neubeck⁴⁸ jeweils einer ihrer Türkenpredigten den Text aus dem zweiten Chronikbuch zugrunde. Auffällig ist weiterhin die große Zahl von Predigten, in denen kein bestimmter Bibeltext ausgelegt wurde. Sie entstanden entweder noch vor dem Trienter Konzil oder kurz nach dessen Abschluss. Demgegenüber weisen die späten Türkenpredigten der 1590er Jahre alle auf einen konkreten Predigttext hin. Die im Triden-

 „Viriliter agite et confortamini nolite timere nec paveatis regem Assyriorum et universam multitudinem quae est cum eo multo enim plures nobiscum sunt quam cum illo cum illo est brachium carneum nobiscum Dominus Deus noster qui auxiliator est noster pugnatque pro nobis.“ (Fabri, Sermones, r).  Sagstetter, Gaistliche Kriegsrüstung, Pr-Qr.  Neubeck, Zwo Christliche Sieg und LobPredigten, v-v.

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5 Die katholischen Türkenpredigten des 16. Jahrhunderts

tinum verfügte Predigtreform und die damit verbundene neue Betonung der Heiligen Schrift führte demnach – so kann anhand der Türkenpredigten geurteilt werden – tatsächlich zu einer stärkeren Konzentration auf die Auslegung von Bibeltexten. Als Beispiele dieser vortridentinischen Türkenpredigten ohne expliziten biblischen Textbezug können mithin Johann Ecks fünf Türkenpredigten Sperandam esse in brevi victoriam adversus Turcam […] herangezogen werden. Zwar eröffnete der Ingolstädter Prediger jede seiner Predigten mit dem Psalmwort „Filia Babylonis misera, beatus qui retribuet tibi retributionem quam retribuisti nobis“ (Ps 137,8), allerdings fungiert dieses als Vorspruch bzw. Thema der Predigt, das den Hören und Lesern „als Leit- und Kerngedanke der Einleitung oder auch wohl […] als Richtlinie für die ganze Predigtentfaltung dienen sollte.“⁴⁹ Anders als in Johann Fabris Türkenpredigten spielt der Vorspruch in den Eckschen Predigten keine weitere Rolle. Und auch das Evangelium, dessen Lesung innerhalb der Predigt seinen Platz hatte und von Eck eigens vermerkt wurde, findet in der weiteren Predigt keine Aufnahme. Abgesehen von Augustin Nesers und Johann Caspar Neubecks Predigten über das Siegeslied Moses in Ex 15 wurden alle weiteren Predigttexte nur von jeweils einem Prediger verwendet. Anders als bei den evangelischen Predigten anlässlich der Türkengefahr, in denen größtenteils Ez 38 f. und Ps 79 ausgelegt wurden, finden sich also derartige Mustertexte bei den katholischen Predigten nicht. Die vornehmlich von Wittenberg propagierte Fixierung der Türken in der Bibel⁵⁰ und die daraufhin folgenden Predigten vorzugsweise über Ez 38 f. fanden katholischerseits demnach keinen Widerhall – auch nicht in polemischer Abgrenzung dazu. Obwohl die evangelischen Türkenpredigten von den katholischen Autoren sehr wohl rezipiert wurden, ignorierten sie schlichtweg die biblischen Textbezüge des konfessionellen Gegenübers. Einzig der Regensburger Domprediger Kaspar Macer hielt seine Bittpredig über Ps 79, jedoch verzichtete auch er auf eine Diskussion um die Auslegung des Textes. Seine Polemik gegenüber der lutherischen Beschäftigung mit der Türkengefahr beschränkte sich lediglich auf den gängigen Vorwurf des Pazifismus, zudem traktierte er die unterschiedlichen Positionen im Streit um die Willensfreiheit. So lassen sich in der Betrachtung der verwendeten Predigttexte auf katholischer Seite folgende Besonderheiten festhalten: Die vornehmlich dem Alten Testament entnommenen Texte wurden von den Predigern individuell ausgewählt, ein vorherrschender oder typischer Predigttext kann nicht ausgemacht

 Brandt, Predigttätigkeit, .  Vgl. o. Abschn. ...

5.2 Formale Aspekte der katholischen Türkenpredigten

213

werden. Gleichwohl lassen sich vortridentinische und nachtridentinische Predigten anhand der Verwendung von Predigttexten unterscheiden. Während die Prediger vor dem Konzil häufig auf einen explizit zugrunde gelegten Text verzichteten, legten sie nach Trient in ihren Predigten konsequenter biblische Texte aus. Die neu verordnete Institutionalisierung der Predigt bewirkte somit auch eine Intensivierung ihrer Schriftbezogenheit.⁵¹ Dabei galt das Augenmerk der Prediger den biblisch bezeugten historischen Analogien mit der gegenwärtigen Situation und nicht der Fixierung der Türken in den biblischen Texten.

5.2.2 Aufbau und Methode Auch in Aufbau und Methode orientierten sich die katholischen Türkenprediger an den homiletischen Grundsätzen ihrer Kirche.⁵² Im Vergleich mit den evangelischen Türkenpredigten lassen sich für die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts insbesondere Unterschiede in der Methodik beschreiben. Während die ersten gedruckten evangelischen Predigten von Johannes Brenz 1532 sich streng an die Form der Homilie hielten und so dem evangelischen Prinzip scriptura sui ipsius interpres entsprachen,⁵³ fühlten sich die Autoren katholischer Türkenpredigten im frühen 16. Jahrhundert vornehmlich scholastischem Erbe verpflichtet und folgten dem Aufbau der Themapredigt. Doch auch die katholische Homiletik war im Laufe des 16. Jahrhunderts Veränderungen unterworfen, die im Zuge der Predigtreformen des Trienter Konzils

 S. hierzu auch: Gottfried Bitter, Art. Predigt VII. Katholische Predigt der Neuzeit, in: TRE  (),  – , hier:  f.  Die Erforschung der katholischen Predigt in Mittelalter und Früher Neuzeit erfolgte bisher nur anhand einiger weniger Arbeiten. Nach wie vor grundlegend sind: Johann B. Schneyer, Geschichte der katholischen Predigt (Freiburg/Breisgau ) und Werner Schütz, Geschichte der christlichen Predigt, SG  (Berlin / New York ), hier bes.  – . Zur Predigt im Mittelalter vgl. immer noch: Rudolf Cruel, Geschichte der deutschen Predigt im Mittelalter, ND der Ausgabe Detmold  (Darmstadt ) und für die scholastische Predigt Johann B. Schneyer, Die Erforschung der scholastischen Semones und ihre Bedeutung für die Homiletik. Ein Hinweis auf die scholastischen Sermones für die Theologie, in: Schol. /,  – . Zur Predigt in der Frühen Neuzeit vgl. Eybl, Gebrauchsfunktionen; John M. Frymire, The Primacy of the Postils. Catholics, Protestants, and the Dissemination of Ideas in Early modern Germany, SMRT  (Leiden / Boston ), bes.  –  und  –  und ders., „Der rechte Anfang zur vollkommenen Reformation der Kirchen“. Johann Wild und die katholische Predigt im Anschluss an das Augsburger Interim, in: Gudrun Litz, Heidrun Munzert, Roland Liebenberg (Hgg.), Frömmigkeit – Theologie – Frömmigkeitstheologie. Contributions to European Church History. Festschrift für Berndt Hamm zum . Geburtstag, Studies in the History of Christian Traditions  (Leiden ),  – .  S. hierzu o. Abschn. ...

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5 Die katholischen Türkenpredigten des 16. Jahrhunderts

zutage traten.⁵⁴ Obwohl schon in den Jahrzehnten vorher – so z. B. auf dem 5. Laterankonzil 1516⁵⁵ – und noch vor dem Auftreten Martin Luthers die Wichtigkeit der Predigt und der Auslegung der Heiligen Schrift eingeschärft worden waren, erlangten erst die tridentinischen Bestimmungen ein höheres Maß an Umsetzungswillen durch die einzelnen Bischöfe und Pfarrer. Die neue Betonung der Predigt, die nun „nach evangelischem Vorbild (!) zum unverzichtbaren Medium der Internalisierung des neuen römisch-katholischen Lehrgebäudes“⁵⁶ wurde, zeigte sich an der Verpflichtung der Bischöfe auf ihr Predigtamt sowie an der Verordnung, dass in jeder Gemeinde zumindest an Sonn- und Feiertagen gepredigt werden müsse.⁵⁷ Auch auf die theologische Ausbildung der Priester wurde nun größeres Augenmerk gerichtet. In der Folge veränderte sich die Gestalt der Predigten, was zum einen an der größeren Anzahl von Predigtdrucken am Ende des Jahrhunderts und zum anderen an der vermehrten Veröffentlichung der Kanzelreden in der Volkssprache sichtbar wurde. Auch in Duktus und Aufbau veränderten sich die Predigten und folgten nun stärker „humanistischem, erasmianischem Ideengut“⁵⁸. In der Folge glichen sich die Predigtstile beider Konfessionen an, sodass Unterschiede fast nur noch auf inhaltlicher Ebene auszumachen sind.⁵⁹ Die katholische Predigt des 16. Jahrhunderts wurde in der Predigtforschung häufig in die beiden Richtungen apologetisch / polemisch und vermittelnd unterteilt.⁶⁰ Diese Beobachtung ist zwar einerseits zutreffend, greift andererseits aber zu kurz. Auf diese Weise werden die Predigten allein im Hinblick auf ihre konfessionelle Rhetorik und weniger in Bezug auf die für die katholische Homiletik wichtigen Merkmale in Methode und Aufbau wahrgenommen. Im Folgenden sollen zwei Beispiele vor- und nachtridentinischer Predigtweise analysiert werden: Ecks erste Predigt seiner 1532 erschienenen Predigtsammlung Sperandam esse in brevi victoriam adversus Turcam sowie Valentin Leuchts Türkenpredigt

 Vgl. hierzu hauptsächlich die Bestimmungen in Sessio V cap.  und Sessio XXIV cap. .  Vgl. hierzu Schneyer, Geschichte, .  Bitter, Predigt, .  Vgl. hierzu Schneyer, Geschichte,  und Bitter, Predigt, .  Bitter, Predigt, .  So stellt beispielsweise Martin Hille im Hinblick auf katholische Türkenpredigten fest: „[D]er klassische rhetorische Dreisatz von exordium, confirmatio und elogium findet sein Pendent in der Ausmalung der osmanischen Gräueltaten, ihrer straftheologischen Interpretation sowie dem weitere[n] Appell zur Umkehr und Buße. Divergenzen zwischen katholischen und lutherischen Sermonen lassen sich nur insoweit erkennen, soweit es um die Erörterung der tieferen Ursachen der Heimsuchungen geht.“ (Hille, Providentia Dei,  f.).  So z. B. bei Schütz, Geschichte,  – .

5.2 Formale Aspekte der katholischen Türkenpredigten

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Wieder den Erbfeindt (1595) werden im Hinblick auf ihren Aufbau und die zugrunde gelegte Methode der Predigt untersucht. Johannes Ecks fünf Predigten über die Türkengefahr erschienen im Jahr 1532 bei Alexander Weißenhorn in Augsburg.⁶¹ Er widmete sie dem Fürstbischof und Kardinal Bernhard von Cles (1485 – 1539), der als Berater König Ferdinands fungierte.⁶² Dieser hatte den Ingolstädter Professor selbst dazu aufgefordert, die Predigten für die öffentlichen Litaneien und Prozessionen zu verfassen. Eck hielt die vorliegenden Predigten nach eigener Aussage in Ingolstadt⁶³, denn mit seiner Professur an der Universität verband sich auch die Predigttätigkeit am Liebfrauenmünster der Stadt, welcher er gewissenhaft nachkam. Das Werk wurde insgesamt sechsmal in Ingolstadt und dreimal in Köln aufgelegt⁶⁴ und stellt somit die am meisten publizierte katholische Türkenpredigtsammlung im 16. Jahrhundert dar. Spätestens seit der für die kaiserlichen Truppen verloren gegangenen Schlacht von Mohács im Jahr 1526 fanden in Ingolstadt regelmäßig von der Obrigkeit verordnete Prozessionen anlässlich der Türkengefahr statt.⁶⁵ Die Bedrohung, die vom Osmanischen Reich ausging, verarbeitete Eck seither regelmäßig in seinen Predigten.⁶⁶ Ecks fünf Türkenpredigten Sperandam esse in brevi victoriam adversus Turcam sowie seine vier Jahre später erschienenen zwei Predigten Umb den grossen sig Kaiserlicher Maiestat / in Thunis verlihen (1536) sind klassische thematische Predigten⁶⁷, weshalb sie auch keines expliziten Predigttextes bedurften. Die erste Predigt der lateinischen Predigtsammlung beginnt mit dem Votum und dem sich anschließenden Thema (thematis assignatio) bzw. Vorspruch aus Ps 137,8.⁶⁸ Das

 Vgl. zu Weißenhorn auch u. Abschn. .. mit den Anm.  und .  Eck, Sperandam esse […], Ar.  „Addo amplitudinem tuam, mihi primum huius cogitationis ansam prebuisse: dum iussu Regio mihi demandares, ut ad declamandum me pararem, quando D.D.Caesar et Rex supplicationes publicas, letanias habituri essent, rogaturi Deum pro victoria: quod etsi per intempestivam meam abitionem neglexerim, ante reditum meum processione absoluta: nolui tamen mente concepta deperire, sed ea Ingoldstadij ad plebem succisivis horis declamavi, et in hanc formam redegi, in consolationem fidelium sub praelo calcagraphi aedenda.“ (Eck, Sperandam esse […], Ar-Av).  Vgl. hierzu u. Anm.  und .  Vgl. hierzu Brandt, Predigttätigkeit,  –  und o. Abschn. ...  Die Hinweise hierfür hat seinerzeit Brandt anhand von Randnotizen Ecks ausgemacht: Brandt, Predigttätigkeit, .  Die Angabe auf dem Titelblatt „Homiliae V“ darf nicht auf die angewendete Methode gedeutet werden, denn Eck verlieh sämtlichen gedruckten Predigten die Bezeichnung „Homilia(e)“, im Gegenzug gab er seinen „Gesamtpredigten den Namen ‚Sermones‘ […]“ (Brandt, Predigttätigkeit, ).  S. hierzu auch o. Abschn. ...

216

5 Die katholischen Türkenpredigten des 16. Jahrhunderts

Exordium beinhaltet die Erläuterung des Themas sowie seines Aktualitätsbezuges und wird mit dem Vaterunser abgeschlossen.⁶⁹ Anstelle der Grußformel beginnt die Predigt mit einer Art Prothema: „Iustus est Deus, puniens peccata nostra.“⁷⁰ Im Anschluss folgt die Aufnahme des Fremdgötterverbots und die Ansage der göttlichen Ahndung von Vergehen bis in die dritte und vierte Generation in Ex 20,5 sowie die Beschreibung des göttlichen Zorns auf sein Volk, wie er in Hos 4,1 geschildert wird. Mittels dieser alttestamentlichen Bezüge, die auf Gottes konsequentes Strafen seines Volkes abzielen, vergegenwärtigte der Prediger den Aktualitätsbezug seiner Predigt: Seit beinahe 800 Jahren ergehe nun die Geißel Gottes in Personifizierung der Türken. In Bezugnahme auf Jes 5,24 f. wird sogleich die Stoßrichtung der gesamten Predigt und damit Ecks Einschätzung der Türkengefahr klar. Der Prediger folgerte: „Abiecerunt legem domini: ideo iratus est furor domini in populum suum, et percussit eum: percussit Deus Christianos, quoque tot millia Turcicus gladius perdidit: tot millia in perpetuam servitutem abduxit: tot millia cum omni posteritate in perfidiam Mahumeticam et aeternam damnationem seduxit.“⁷¹ Der an biblischen Bildern und Belegen angefüllten Einleitung folgt nach der Verlesung des Evangeliums (Lk 19) ein an vornehmlich alttestamentlichen Vergleichen noch reicherer Hauptteil. Hierin führte der Prediger seine Deutung der Türken als „flagella […] irati dei“⁷² aus und verglich die erlittenen Niederlagen in Geschichte und Gegenwart mit biblischen Erzählungen über den Zorn Gottes. Nach der Bitte um Gottes Beistand, der nur durch die Besserung des Lebenswandels erfahrbar werden könne, endet die Predigt mit einer Warnung, die sich an eine Vermahnung Jeremias in Jer 44 anschließt: „Iam si campana pulsatur ad orandum adversus Turcas, pro ridiculo habetur, et centesimus non orat pro populo Christiano, tanta sumus corrupti in divino ministerio, acedia: ideo ni preteritis malis, cautio res facti, emendemus in melius, quo peccavimus, maiora mala sicut Hierusalem expectare debemus.“ Obwohl sich Ecks Predigtweise klar von der protestantischen Auslegung etwa eines Johannes Brenz aus demselben Jahr unterscheidet, muss eine deutliche Fixierung der Predigt auf das gewählte Thema festgehalten werden. Trotz der Heranziehung einer Fülle von biblischen Belegen, kann der Predigt keineswegs ein „Mangel an Einheit“⁷³ attestiert werden. Der Zusammenhang wird hier vom Thema hergestellt, nicht vom Text.

    

Eck, Sperandam esse […], Br. Eck, Sperandam esse […], Br. Eck, Sperandam esse […], Bv. Eck, Sperandam esse […], Br. Brandt, Predigttätigkeit, .

5.2 Formale Aspekte der katholischen Türkenpredigten

217

Valentin Leuchts Türkenpredigt Wieder den Erbfeindt den Türcken […] erschien im Jahr 1595 bei Heinrich Brem in Mainz. Der in Frankfurt/Main an St. Bartholomäus tätige Pfarrer und spätere Bücherkommissar veröffentlichte häufiger Predigten sowie polemische Schriften. Im Anhang zur Predigt finden sich außerdem zwei Türkengebete, die wohl aus der Feder Leuchts persönlich stammen. Sie können als knappe Zusammenfassungen der ausführlichen Predigt verstanden werden und lassen auf die in Frankfurt gängige Praxis von Türkenprozessionen bzw. -andachten schließen. Die Predigt Leuchts ist eine Bußpredigt. So lautet ein zentraler Satz seiner Kanzelrede: „Die Tyrannen / und insonderheit die Türcken seindt Gottes Geissel / damit die Sünd der Menschen gestraffet und gezüchtiget werden / sie seindt auch deß Teuffels Knecht unnd Werckzeug / damit er die arme geengstigte Christen anfechtet […].“⁷⁴ Die Predigt, in welcher der Autor selbst die Gliederungselemente markierte, beginnt mit einem Exordium, das in drastischen Farben die Grausamkeit „des Türken“ schildert: „Er [sc. ‚der Türke‘] hat die kleine zarte Kinder von den Brüsten jhrer Mütter abgerissen / wieder die Wendt geschlagen / daran Milch unn Bludt zugleich hangend blieben / mit Füssen auff sie gesprungen / unnd jämmerlich zertretten / solche an die Spiß gestecket / grossen unergründtlichen Mutwillen darmit getrieben / an die Zewn gehenget / darnach gezielet / geschossen.“⁷⁵ Auf diese Weise führte der Prediger die unmittelbare Relevanz des Predigttextes aus Jer 6 seinen Hörern und Lesern vor Augen. Ebenso wie „Krieg / Blutvergiessen / Auffrhur / Zwitracht / Verwüstung herrlicher Stätt / Festungen und Flecken / Uneinigkeit / Zerrüttung / tewre Zeit / Hunger / Kummer / Mißjhar / Pestilentz und mancherley Kranckheiten […]“⁷⁶ die Menschen heimsuchten, sei es nun auch noch „der Türke“, der das Leben beschwere. So sei Jeremias Bußaufruf nicht als vergangenes Ereignis zu verstehen, sondern gelte der Christenheit der Gegenwart: „Dann was den Juden gesagt unn zugestanden / daß wiederfähret uns gleicher gestalt / ebener weise / und seind einerley Ursachen […].“⁷⁷ Nachdem Leucht die Relevanz des Bibeltextes für die eigene Gegenwart verdeutlicht hatte, stellte er sodann in der Propositio die Gliederung des Hauptteils vor. Zunächst arbeitete der Prediger erneut heraus, „wie die Propheceyen unn Weissagungen auff uns gehen“⁷⁸ und stellte den Expansionsdrang der Osmanen anhand historischer Ereignisse bis in die eigene Gegenwart dar.⁷⁹ In einem zweiten Abschnitt⁸⁰

     

Leucht, Wieder den Erbfeindt, Fv. Leucht, Wieder den Erbfeindt, Bv. Leucht, Wieder den Erbfeindt, Br. Leucht, Wieder den Erbfeindt, Cr. Leucht, Wieder den Erbfeindt, Cv. Leucht, Wieder den Erbfeindt, Cr-Fr.

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5 Die katholischen Türkenpredigten des 16. Jahrhunderts

beschrieb Leucht die Ursachen des Türkenkrieges, die er in ethischen Verfehlungen wie Faulheit, Geiz und Abfall vom wahren Glauben erkannte. Von seiner Kritik nahm er keinen Stand und keine Konfession aus, auch die eigenen katholischen Schwestern und Brüder wurden im Hinblick auf ihren laxen Umgang in Bezug auf den Besuch der Heiligen Messe kritisiert. In einem letzten Punkt⁸¹ des Hauptteils formulierte der Prediger sodann die ethische Konkretion seiner Kanzelrede: „[W]ann der Türckenkrieg ebener massen wegen unserer Sünden angangen / sollen wir uns jm billich in die Buß einstellen / unser Leben besseren / die Gebott Gottes und der Catholischen Kirchen trewlich halten und bewaren / Processiones und Bettäge anstellen / zu Gott ruffen und schreien.“⁸² Ein kurzer „Beschluß“⁸³ fasst das Wesentliche der Predigt nochmals zusammen und endet mit der Friedensverheißung, die auf die Bußleistungen folgen werde. Valentin Leuchts Türkenpredigt lässt anhand des Aufbaus und der angewandten Methoden keine gravierenden Unterschiede zu lutherischen Predigten aus derselben Zeit erkennen. Die schlichte Gliederung der Predigt anhand der an die antike Rhetorik angelehnten Abschnitte Exordium, Propositio, Explicatio und Conclusio findet sich ebenfalls bei zeitgenössischen evangelischen Autoren.⁸⁴ Auch die auf den Predigttext konzentrierte Auslegung, die sich um eine biblische Verortung des Textes und seinen Gegenwartsbezug bemüht, fällt auf. Die schon bei den evangelischen Predigten beobachtete Fokussierung auf die ethische Konkretion der Predigt macht sich auch bei Leuchts Bußpredigt anhand der vielen Aufrufe zur Besserung des Lebens bemerkbar.

5.2.3 Adressaten Nachdem die katholischen Geistlichen ihre Predigten den Gemeinden vorgetragen hatten, entschieden sie sich – teilweise mehr, teilweise weniger überzeugt⁸⁵ – für

 Leucht, Wieder den Erbfeindt, Fr-Jv.  Leucht, Wieder den Erbfeindt, Jv-Kv.  Leucht, Wieder den Erbfeindt, Kv.  Leucht, Wieder den Erbfeindt, Kr-Kr.  S. hierzu o. Abschn. ...  Besonders fraglich schien z. B. die Publikation der Türkenpredigten Urban Sagstetters gewesen zu sein: „Dieweil ich mich aber ichtes [sc. dieser Dinge, Anm. D.G.] in druck zu geben biß daher enthalten / in bedencken / daß die ding so under so vil Leuth außgetailt werden sollen / ains grossen fleiß und mühe / auch guter fürsichtigkait wol bedürfftig […] hab ich solchem gleichwol guthertzigem und eifferigen begeren statt zu thun / nit allein damals und in anfang ettliche wichtige bedencken gehabt: sondern auch hernach / als ich mich schon so weit eingelassen / daß sich ettliche Quatern angeregter meiner Signaturen aufflegen unnd drucken lassen / alsbald

5.2 Formale Aspekte der katholischen Türkenpredigten

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deren Drucklegung. Der Adressatenkreis, den die katholischen Türkenprediger nun in den Blick nahmen, ist ähnlich weit gestreut wie bei den evangelischen Autoren. Die Widmungen der Predigten galten zum Großteil Einzelpersonen. Neben adligen Gönnern wurden in den katholischen Türkenpredigten nicht selten auch geistliche Würdenträger bedacht. So widmete beispielsweise Johannes Eck seine zwei Predigten Umb den grossen sig Kaiserlicher Maiestat / in Thunis verlihen (1536) dem Salemer Abt Johannes Fischer, der seit 1534 der Zisterzienserabtei vorstand. Auch seine fünf Predigten Sperandam esse in brevi victoriam adversus Turcam (1532) hatte er bereits einem Geistlichen gewidmet: Bernhard von Cles war Fürstbischof und Kardinal. Michael Anisius schließlich widmete seine Klagpredigt (1595) dem Bamberger und Würzburger Dompropst Wolfgang Albrecht, der diesem nun bereits zum zweiten Mal seine „Sawerbrünnischen Curen […] auß Christlichem mitleiden spontè offerendo“⁸⁶ finanziert hatte. Matthias Kretz widmete seine Predigt Herzog Philipp (1480 – 1541), der als Pfalzgraf bei Rhein, Bischof von Freising und Administrator von Naumburg fungierte. Dieser sei bei den anlässlich der Türkengefahr eingeführten Prozessionen und Gottesdiensten in Freising selbst anwesend gewesen und beeindruckte den Prediger mit seinem „fleiß / ernst / andacht und feinder ordnung“⁸⁷. Weltlichen Obrigkeiten widmeten z. B. Augustin Neser⁸⁸, Johann Caspar Neubeck⁸⁹ und Georg Scherer⁹⁰ ihre Predigten. Valentin Leucht bedachte seinen „großgünstigen Herren / und mächtigen förderern“⁹¹, den Würzburger Freiherrn und Rat Valentin Echter von Mespelbrunn (1550 – 1624), mit seiner Bußpredigt.

zwischen der lebendigen Stimm und dem todten Buchstaben ain solche merckliche unterschied befunden / daß es mich selbst für ain gantz frembd ding angesehen / also daß ich nicht übel bedacht gewest / wenns nach meinem willen hinauß gehen sollen / von solchem fürnemen nachmals abzu lassen. Nach dem aber auch andere so zuvor allerlay in Druck gegeben / unnd in disem fall ain besser Iudicium haben […] / dieselben gedruckten Quatern bey mir gesehen unn gelesen / haben sie noch embsiger als zuvor je angehalten / ich wolt mit dem übrigen auch verfaren / und auff dem fall / da ich s nicht wolte drucken lassen / wolten sie es anderer orten schicken / damit es gedruckt würde […].“ (Sagstetter, Gaistliche Kriegsrüstung, ‫א‬r-‫א‬r).  Anisius, Klagpredig, Ar. Vermutlich bezog sich Anisius hierbei auf Kuren, die er im österreichischen Kurort Sauerbrunn verbracht hatte.  Kretz, Sermon, Av.  Neser widmete seine Predigt dem bayerischen Herzog Wilhelm, Pfalzgraf bei Rhein (Neser, Catholische Predig, Ar).  Neubeck widmete seine zwei Predigten dem österreichischen Erzherzog Ferdinand ( – ). S. hierzu Neubeck, Zwo Christliche Sieg und LobPredigten, (:)r.  Scherer bedachte mit seiner Lob- und Dankpredigt den österreichischen Erzherzog Maximilian ( – ). S. hierzu Scherer, Lob und DankPredig, Ar.  Leucht, Wieder den Erbfeindt, Ar.

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5 Die katholischen Türkenpredigten des 16. Jahrhunderts

Neben Einzelpersonen widmeten Michael Anisius und Urban Sagstetter Personengruppen ihre Predigten. So schrieb der mittlerweile in Passau als Domprediger tätige Anisius seine Siben Catholischen Predigten (1599) den „Ehrnvesten / ersamen und Weisen Herren / Burgermeistern und gantze[n] Rath / der Löblichen Bischöflichen Hauptstadt Bamberg“⁹² zu. Urban Sagstetter dachte seine Gaistliche Kriegsrüstung (1567) den Bürgern der Stadt Wien zu, denn hier hatte er 20 Jahre vorher seine erste öffentliche Predigt gehalten.⁹³ Einzig Georg Scherer nahm in seiner HeerPredig die Angehörigen des kaiserlichen Heeres als Adressaten in den Blick. Er widmete sie den „KriegßObristen / Hauptleuthen / Bevelchshabern etc. unn dem gantz Christlichen Kriegßvolck / so sich der zeit in Hungern wider die Türcken gebrauchen lassen […]“⁹⁴. Wie bei den evangelischen Türkenpredigten repräsentieren die in den Widmungsvorreden bedachten Personen nicht zwingend den von den Predigern anvisierten Adressatenkreis. Obwohl die Autoren besonders nach dem Tridentinum in ihren auf Deutsch verfassten Predigten häufig die jeweilige Gemeinde bzw. die gesamte Christenheit ansprachen, scheinen die Sammelbände nur selten als Erbauungsliteratur für Laien wahrgenommen worden zu sein.Vielmehr konzipierten die Autoren ihre Predigten für Kleriker, insbesondere für Prediger, die zum Abhalten von Türkenpredigten angehalten waren. Nicht selten betonten die Türkenprediger das Fehlen gedruckter katholischer Türkenpredigten und kritisierten die große Anzahl lutherischer Schriften zum Thema. So gab z. B. Michael Anisius als Anlass seiner Predigten an: „Warumb aber mit ermelten Predigten ich ans Liecht komme ist die Ursach / daß die säctische Predicanten / jhre Scheinpredigten wider den Türcken zu etlich tutzend inn druck außsprengen. Scheinpredigten sag ich / dann sie müssen großer Schand halber etwas thun und nur auß Forcht deß Türckischen Säbels unnd Gewalts / da sie doch simpliciter dem Türcken nicht so gar feindt seyn […] / solten aber die Catholischen / welche von

 Anisius, Siben Catholische Predigen, (:)v.  „[…] dieweil ich alhie in ewrem Burgerspital mein erste Mündtliche Predig vor zwaintzig Jaren gethan / und mein Kirchenampt und dienst / darzu ich von Gott dem Allmechtigen wunderbarlich ohn all mein verdienst unnd gantz unwirdig berufft worden / angefangen / hab ich euch auch den ersten Druck meiner in schrifft verfasten Predigen zuschreiben unn dediciren wöllen / und in solchen allen mein getrew gemüt und hertz / so ich zu euch samentlich trag […] vor aller menniglich dermassen erklären wöllen / daß ich euch nicht allein mit meinen mündtlichen Lehren und Predigen / sonder auch mit Schrifften / und in all andere mügliche weg zum hail und aller wolfart dienen wolte.“ (Sagstetter, Gaistliche Kriegsrüstung, ‫ב‬r – ‫ב‬v).  Scherer, HeerPredig, Ar.

5.2 Formale Aspekte der katholischen Türkenpredigten

221

anfang wider den Machomet zufeld gelegen / solchen ungeraumbten Predicantischen Ploderwerck so gar stillschweigend zusehen?“⁹⁵

5.2.4 Regionen Auf den Titelblättern und Vorreden der einzelnen Türkenpredigten gaben die Autoren auch die Gemeinden an, in denen sie ihre Türkenpredigten hielten. Auffällig ist hierbei zunächst die regionale Konzentration der katholischen Türkenpredigten auf den Südosten des Reiches: So hielt ein Großteil der Theologen seine Türkenpredigten in den Donaustädten Ingolstadt (Johannes Eck), Regensburg (Kaspar Macer), Wien (Johann Fabri, Johann Caspar Neubeck, Urban Sagstetter und Georg Scherer) und Pressburg, heute Bratislava (Georg Scherer). Lediglich die Predigten Michael Anisiusʼ in Bamberg, Valentin Leuchts in Frankfurt/ Main und Johannes Wilds in Mainz wurden nördlich der Donau gehalten und auch Johann Fabri hielt eine seiner Türkenpredigten im St.-Veits-Dom in Prag. Augustin Neser (Landsberg), Johannes Nas (Innsbruck) und Matthias Kretz (Mosburg an der Isar) hingegen predigten südlich der Donaugrenze. Somit sah die Aufteilung der Predigten auf der politischen Landkarte wie folgt aus: Der Großteil der Predigten wurde im Herzogtum Bayern⁹⁶ und dem Erzherzogtum Österreich⁹⁷ gehalten und veröffentlicht. Die weiteren Predigten galten Gemeinden im Königreich Böhmen⁹⁸, im Erzstift Mainz⁹⁹, in den Hochstiften Bamberg¹⁰⁰ und Brixen¹⁰¹ sowie in den Reichsstädten Frankfurt/Main¹⁰² und Regensburg¹⁰³. Georg Scherer predigte so-

 Anisius, Siben catholische Predigen, (:)r. Vgl. außerdem z. B. Sagstetter, Gaistliche Kriegsrüstung, ‫ג‬v-‫ג‬r: „In diesen dingen allen hett ich gleichwol gern einen andern den ich imitieren hett mögen […] für mich genommen / so haben jr gar wenig ausser Johann Fabri / unnd Friderico Nausea / weiland Bischoffen alhie zu Wienn / und Johanne Fero [sc. Johann Wild, Anm. D.G.] Thummprediger zu Maintz sälige von dergleichen Materien zu unseren zeiten geschriben: Ich wolt aber dennoch mit diesem klainen anfang andern gelerten gern ursach unnd anraitzung geben mehr darvon zuschreiben / dann zubesorgen / man werde mit der zeit einer Kriegs oder Feldpostill so wol als der Kirchen Postilln bedürffen.“  Eck, Sperandam esse (Ingolstadt); Neser, Ein newe Catholische Predig (Landsberg); Kretz, Sermon (Mosburg).  Fabri, Sermones consolatorii (Wien); Neubeck, Zwo Christliche Sieg und LobPredigten (Wien); Sagstetter, Gaistliche Kriegsrüstung (Wien) und Scherer, Lob und Danck-Predig (Wien).  Fabri, Sermo […] pro foelici victoria adversus infideles (Prag).  Wild, Bußpredigten (Mainz).  Anisius, Klagpredig (Bamberg) und ders., Siben Catholische Predigen (Bamberg).  Nas, Ein schöne Tröstliche Kriegs- und Sigspredig (Brixen).  Leucht, Wieder den Erbfeindt.  Macer, Bittpredig.

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5 Die katholischen Türkenpredigten des 16. Jahrhunderts

wohl seine Trewhertzige Vermahnung als auch seine HeerPredig in Pressburg, das seit der Schlacht bei Mohács (1526) und der erfolgten Dreiteilung des Königreiches nun als „königliches Ungarn“ der Dynastie der Habsburger unterstand. Die Druckorte der katholischen Türkenpredigten befanden sich größtenteils in den Territorien, in denen sie auch gehalten wurden. Mit neun Ausgaben wurden in Wien die meisten Schriften gedruckt¹⁰⁴, acht Mal wurden auch in Augsburg¹⁰⁵ katholische Türkenpredigten verlegt. Des Weiteren fanden sich Druckereien in Erfurt¹⁰⁶, Dillingen¹⁰⁷, Ingolstadt¹⁰⁸, Köln¹⁰⁹, Konstanz¹¹⁰, Landshut¹¹¹, Mainz¹¹², München¹¹³ und Prag¹¹⁴, welche die altgläubigen Predigten veröffentlichten. Die Bedeutung Wiens für die katholische Türkenpredigt wurde seinerzeit schon von Emil Knappe betont. Schließlich war hier die Türkengefahr für sämtliche Bevölkerungsschichten real nachvollziehbar geworden und spätestens seit der ersten Belagerung der Stadt im Jahr 1529 übte hier die osmanische Präsenz „nachhaltigen Einfluss auf das Leben […] in Mentalität, Sitte, Brauchtum und Religion“¹¹⁵ aus. In seinen Funktionen als Hauptstadt des Erzherzogtums und

 Druckerei Johann Singriener d.Ä.: Fabri, Sermones consolatorii (: VD  F ); Druckerei Kaspar Stainhofer: Sagstetter, Gaistliche Kriegsrüstung (: VD  S ); Druckerei Leonhard Formica: Neubeck, Zwo Christliche Sieg und LobPredigten (: VD  ZV ), Scherer, HeerPredig (: VD  S ; : VD  ) und Scherer, Lob und Danck Predig (: VD  S +); Druckerei Franz Kolbe: Scherer, Ein treuhertzige Vermahnung (: VD  S +).  Druckerei Alexander Weißenhorn: Eck, Sperandam esse (: VD  E ; : VD  E +; : VD  E +), Eck, Umb den grossen sig (: VD  E ) und Fabri, Sermo […] pro felici victoria adversus infideles (: VD  F ); Druckerei Michael Manger: Scherer, Lob vnd Danck Predig (: VD  S ).  Druckerei Zacharias Zimmer: Scherer, Lob und Danckpredig (: VD  ZV ).  Druckerei Johann Mayer: Anisius, Klagpredig (: VD  A ) und Scherer, Ein treuhertzige Vermahnung (: VD  S ).  Druckerei Alexander II. und Samuel Weißenhorn: Macer, Ein Bittpredig (: VD  M ); Druckerei Alexander Weißenhorn III.: Nas, Ein schöne Tröstliche Kriegs- und Sigspredig (: VD  N ); Druckerei Elisabeth Eder: Scherer, Lob und Danckpredig (: VD  S ).  Druckerei Jaspar von Gennep: Eck, Sperandam esse (:VD  E ; :VD  E ); Druckerei Gottfried Hittorp: Eck, Sperandam esse (/: VD  E ); Druckerei Peter Quentel: Fabri, Sermones fructuosissimi (: VD  F ).  Druckerei Leonhard Straub: Scherer, Lob und Danckpredig (: VD  S ).  Druckerei Johann Weißenburger: Kretz, Sermon (: VD  K ; : VD  K ).  Druckerei Heinrich Breem: Leucht, Wieder den Erbfeindt (: VD  L ).  Druckerei Adam Berg: Neser, Ein newe Catholische Predig (: VD  N ) und Anisius, Siben Catholische Predigen (: VD  A ).  Druckerei Johannes Coluber: Fabri, Sermo […] pro felici victoria adversus infideles (: nicht im VD  gelistet).  Knappe, Türkenpredigt, .

5.3 Exemplarische Türkenpredigten

223

Bischofssitz gingen von Wien entscheidende Impulse für die Abwehr des osmanischen Heeres aus. So nimmt es nicht wunder, dass von neun Wiener Bischöfen in der Zeit von 1529 bis 1606 vier als Autoren von Türkenpredigten in Erscheinung traten. Georg Scherer als Dom- und Hofprediger nutzte ebenfalls regelmäßig die Kanzel des Wiener Stephansdoms zur Predigt gegen den „Erbfeind“. Die Druckereien Johann Singrieners d.Ä., Kaspar Stainhofers, Franz Kolbes und Leonhard Formicas sorgten für die überregionale Verbreitung der Predigten ihrer Wiener Autoren, Türkenpredigten anderer Autoren im Reich verlegten sie nicht. Auch im Vergleich zu den Druckorten evangelischer Türkenpredigten steht Wien an der Spitze. Weder in Wittenberg, Leipzig oder Frankfurt/Main wurden so viele Türkenpredigten verlegt wie hier. Außer in Wien wurde auch in Augsburg ein Großteil der katholischen Türkenpredigten gedruckt. So erschienen in der Offizin Alexander Weißenhorns allein sechs der insgesamt neun Ausgaben von Johannes Ecks in den Jahren 1532 und 1536 erschienenen Türkenpredigten. Dieser Befund mag wenig überraschen, druckte doch Weißenhorn hauptsächlich die Werke des Ingolstädter Professors.¹¹⁶ Doch auch Johann Fabris Sermo […] pro felici victoria adversus infideles (1537) erschien in seiner Druckerei. Michael Manger als zweiter katholischer Drucker in Augsburg verlegte sodann gut 60 Jahre später eine Ausgabe von Georg Scherers Lob vnd Danck Predig (1598). Anhand der ausgewerteten Predigten lässt sich der Schluss ziehen, dass die regionale Verbreitung katholischer Türkenpredigten im Vergleich zu den evangelischen in einem relativ fest umrissenen Raum im Südosten des Alten Reiches stattfand. Wien, das als diplomatisches Zentrum der habsburgischen Osmanenabwehr und Brennpunkt des Konfliktes fungierte, bot mit seinen Kanzeln und Druckereien in jeder Hinsicht Anlass für Predigten gegen den „Erbfeind“.

5.3 Exemplarische Türkenpredigten Am konkreten Beispiel sollen nun auch die katholischen Türkenpredigten illustriert werden. Die Auswahl der Predigten, die durchaus exemplarischen Charakter haben, erfolgte aufgrund unterschiedlicher Kriterien: So entstammen alle drei Predigten bzw. -sammlungen unterschiedlichen Zeiträumen des 16. Jahrhunderts. Außerdem hielten und veröffentlichten die drei Geistlichen ihre Predigten an je-

 S. hierzu: Künast, Augsburger Buchdruck,  f. und Ingrid Eiden / Dietlind Müller, Der Buchdrucker Alexander Weissenhorn in Augsburg  – , in: AGB  (),  – , hier:  – .

224

5 Die katholischen Türkenpredigten des 16. Jahrhunderts

weils unterschiedlichen Orten und waren hinsichtlich ihres Bildungsstands und Ranges innerhalb der Kirche unterschiedlich verortet. So fiel die Wahl auf Johann Fabris Sermones consolatorii […] (1532), auf Augustin Nesers Ein newe Catholische Predig. Auff des Türcken Niderlag […] (1572) und auf die Türkenpredigten (1595 und 1599) des Bamberger Predigers und späteren Dompredigers von Passau, Michael Anisius.Wie die evangelischen waren auch die katholischen Türkenpredigten über die Jahre Veränderungen der Rhetorik und der vermittelten Inhalte unterworfen.

5.3.1 Johann Fabris Sermones consolatorii […] (1532) Die Auseinandersetzung mit dem Osmanischen Reich begleitete den späteren Wiener Bischof Johann Fabri spätestens seit dem Nürnberger Reichstag 1523, auf dem er als Generalvikar des Konstanzer Bischofs zugegen war. Die hier verfügte Wiederaufnahme der „geistlichen Waffen“ im Kampf gegen die Türken setzte der bischöfliche Vertreter in Form eines bischöflichen Hirtenschreibens im Juli 1523 in die Tat um und ordnete das Abhalten von Türkengebeten und Bußtagen im Bistum an.¹¹⁷ Im selben Jahr erfolgte Fabris Berufung an den Hof des Erzherzogs Ferdinand I. als dessen Diplomat und Hofrat. Spätestens jetzt war er auch in die politische und diplomatische Dimension des Türkenkriegs eingebunden. Schließlich waren „Glaubensfrage und Türkenabwehr […] die beiden Hauptaufgaben, mit denen Fabri […] befaßt war“¹¹⁸ und so zog er im Namen des Erzherzogs durch dessen Länder und ins Ausland, um Unterstützung in der Abwehr der Türken zu erhalten. Bei der Einwerbung von Spenden war der Ratgeber Ferdinand I. nicht erfolglos: Seine im Frühjahr 1525 unternommene Reise in die Klöster und Prälaturen des Territoriums¹¹⁹ brachte dem Erzherzogtum 43600 Gulden ein¹²⁰, die für die Türkenabwehr eingesetzt werden konnten.

 Ed. in: Simler, Sammlung,  – . Fabri, der im Auftrag Bischof Hugos von Konstanz das Schreiben verfasst hatte (davon gehen auch Leo Helbing, Dr. Johann Fabri, Generalvikar von Konstanz und Bischof von Wien,  – , Beiträge zu seiner Lebensgeschichte, RGST  – , [Münster ],  und Willburger, Bischöfe,  aus), ordnete „orationes & obsecrationes“ (Simler, a.a.O., ) zur Überwindung der inneren Streitigkeiten der Christenheit („intestine seditioni ac extraneo bello“ [ebd.]) und der Türkengefahr an.  Herbert Immenkötter, Art. Fabri, Johann ( – ), in: TRE  (),  – , hier: .  „Die Reise führte ihn von Salzburg über Lambach, St. Florian bei Linz, Kremsmünster, Garsten, Spital, Baumgartenberg, Schlegel, Wilhering, Waldhausen, Ardaker, Seitenstetten, Säusenstein, Gaming, Melk, St. Pölten, Herzogenburg, Göttweig, Zwettl, Altenburg, St. Bernhard, Klosterneuburg, Ansbach nach Wien.“ (Helbing, Fabri, ).

5.3 Exemplarische Türkenpredigten

225

Noch dringender wurde der Bedarf an finanziellen und militärischen Mitteln, als ein Jahr später infolge eines Vorstoßes der osmanischen Truppen unter Sultan Süleyman I. die ungarische Festung Mohács fiel, der ungarische König Ludwig II. starb und das ungarische Königreich größtenteils unter osmanische Besatzung, teilweise unter habsburgische Vorherrschaft, geriet. Nach Auseinandersetzungen um den Königsthron mit dem Siebenbürgener Johann Zápolya wurde Ferdinand I. ein Jahr später in Stuhlweißenburg zum ungarischen König gekrönt. Infolge des Todes seines Schwagers Ludwig II. war der Habsburger nun schlagartig zum König Böhmens und Ungarns geworden, was de facto der Übernahme der akuten Kriegsschauplätze des Alten Reiches gleichkam. Die Suche nach weiteren Verbündeten veranlasste Ferdinand I., seinen Rat Johann Fabri samt weiteren Gesandten im Jahr 1527 nach England zu Heinrich VIII. zu schicken.¹²¹ Zweifellos stellte die Reise ins Empire den Höhepunkt von Fabris diplomatischer Tätigkeit dar, wenn er auch außer „persönlichem Prestigegewinn“¹²² nichts weiter erreichte. In einer Rede vor dem englischen König bei einer Audienz am 14. März hatte der königliche Gesandte „Sinn und Zweck ihrer [sc. der habsburgischen Diplomaten] Englandreise zu erklären.“¹²³ Obgleich Fabri und seine Kollegen ohne finanzielle Hilfen oder diplomatische Zusagen aus England zurückkehrten, wurde Fabris Rede vor Heinrich VIII. ein Jahr später in Wien und Köln gedruckt. Die Oratio de origine, potentia ac tyrannide Turcorum ad Henricum Angliae Regem beschreibt auf eindrückliche Weise die beiden Feinde der Kirche: Luthertum und Türken. Ebenso schlagkräftig wie der englische König gegen die Lutheraner kämpfte, sollte er nach Ansicht des Autors nun auch gegen die Türken kämpfen, um die wahre Kirche zu retten. Fabris Schrift ist besonders von einer scharfen Polemik gegenüber Luther und seinen Anhängern geprägt und bedient sich des bekannten Vorwurfes, der Wittenberger sei generell gegen ein militärisches Vorgehen im Konflikt mit dem Osmanischen Reich, ja er verbiete den christlichen Untertanen und Obrigkeiten gar das Kämpfen.¹²⁴

 Helbing, Fabri, .  Die Reise der Habsburger Diplomaten nach England ist eingehend dokumentiert bei: Goehlert, Gesandtschafts-Berichte und bei von Kraus, Diplomatie. Auf die Reise nimmt außerdem ausführlicher Bezug: Helbing, Fabri,  – .  Christoph Dittrich, Die vortridentinische katholische Kontroverstheologie und die Täufer. Cochläus – Eck – Fabri, EHS.G  (Frankfurt/Main u. a. ), .  Helbing, Fabri, .  Fabri, Oratio, Cv: „Non enim tam impius et crudelis in suos etiam Hungaros et Croatos esse voluit ut sese praecipitet in damnatißimam Lutheri novam et inauditam haeresum, qua pro suo more pertinaciter per insaniam affirmat, quomodo Christinis contra Turcos bellare non liceat, sed Turcis omnes aperire portas Christianum et Euangelicum principem conveniat.“ Vgl. zu Fabris Oratio auch: Kaufmann, Türckenbüchlein, ;  und Doernberg, Henry VIII and Luther, .

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5 Die katholischen Türkenpredigten des 16. Jahrhunderts

Infolge von Fabris Wechsel auf den bischöflichen Stuhl in Wien im Jahr 1530 schwand zwar sein diplomatischer Einfluss auf die Geschicke im Land¹²⁵, gleichwohl nutzte er nun die Kanzeln und Druckereien zur Verbreitung seiner Anliegen. So verwundert es nicht, dass der einst mit der Türkenfrage betraute Rat Ferdinands I. im Jahr 1532 seine 37 Türkenpredigten in den Druck gab, um Untertanen und Obrigkeiten auf den Kampf gegen den „Erbfeind“ einzuschwören. Fabris Sermones consolatorii […]¹²⁶ stehen am Beginn der in Wien einzigartigen Tradition der bischöflichen Türkenpredigten. Auch Fabris Nachfolger Friedrich Nausea, Urban Sagstetter (als Verwalter des Bistums) und Johann Caspar Neubeck gaben ihre im Stephansdom gehaltenen Predigten gegen den „Erzfeind“ in den Druck. Fabri hatte seine Predigten innerhalb zweier Monate gehalten¹²⁷, sie erschienen zunächst als Einzeldruck bei Johann Singriener d.Ä. 1532 in Wien, fünf Jahre später gab Peter Quentel in Köln einen Sammelband mit Predigten des Wiener Bischofs heraus (Sermones fructuosissimi), in dem die Türkenpredigten unter dem Titel Sermones de victoria contra Turcas erneut abgedruckt wurden. Fabri widmete seine Predigten Bernhard von Cles (1485 – 1539), der als Bischof von Trient und Kardinal (seit 1530) einer der bedeutendsten Männer seiner Kirche war und als Berater Ferdinands I. bedeutenden Einfluss auch auf die politischen Geschicke in Habsburg ausübte. In der Frage der Übernahme der Bischofswürde hatte der Geistliche seinerzeit Fabri abgeraten. Nun widmete dieser seine Predigten von Cles – in Form der gedruckten Predigten führte der Autor die prekäre Lage der Wiener Bevölkerung vor Augen und demonstrierte auf diese Weise die wichtige Bedeutung, die ihm als Seelsorger und Prediger zukam.¹²⁸ Die erst drei Jahre zurückliegende Belagerung ihrer Stadt durch das osmanische Heer stand

Zweifelsohne ist die starke konfessionelle Polemik Fabris auch im Zusammenhang der seit  schwelenden Auseinandersetzung Luthers mit Heinrich VIII. zu sehen. Sie war in den Jahren / erneut aufgeflammt und von Fabri mit einem Unterricht und Gegenantwort über die zornige Lästerschrift Martin Luthers […] kommentiert worden (vgl. hierzu: Adolf Laube [Hg.], Flugschriften gegen die Reformation [ – ] [Berlin ],  f.).  Trotz seines Wechsels auf den Bischofssitz warb Fabri – wohl aufgrund seines Erfolges  – auch in den Jahren ,  und  weitere Gelder für den Türkenkrieg ein (vgl. hierzu Helbing, Fabri,  mit Anm. ).  Zu den Predigten Fabris vgl. außerdem: Wenzel Feierfeil, Die Türkenpredigten des Wiener Bischofs Johannes Fabri aus dem Jahre , in: Jahresbericht des Kaiserlich-Königlichen StaatsObergymnasiums in Teplitz-Schönau (/),  –  und Knappe, Geschichte,  – .  Fabri, Sermones consolatorii, r: „Tumultuarios hos sermones candide Lector, mediis in tumultibus et intra bimestre natos, habitos, atque editos […].“ (Hervorhebung: D.G.).  S. hierzu auch Fabris erste Predigt, in der er mit Bezug auf Dtn  betont: „AB hoc exemplo ego functionis pastor & Sacerdos, permittere nolui ut non malagma consolationis adhibere, & erigendi animi caussa veluti frigidum suffunderem.“ (Fabri, Sermones consolatorii, v).

5.3 Exemplarische Türkenpredigten

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den Wiener Bürgern noch lebhaft vor Augen und hatte ihre Spuren hinterlassen. So lag der Vergleich mit der Belagerung Jerusalems durch Sanherib, wie sie in 2 Chr 32 geschildert wird, nahe. Die alttestamentliche Bibelstelle diente dem Prediger als Grundlage seiner Predigten, Vers 7 („Seid getrost und unverzagt, fürchtet euch nicht und verzaget nicht […]“) galt jeder Predigt als Kanzelspruch. Fabri sah sich selbst in der Rolle des Hirten, der sich um seine Herde kümmern und diese vor den Wölfen schützen musste, schließlich hatte er sein neu übertragenes Bistum in einem bedauernswerten Zustand vorgefunden.¹²⁹ Erneut fanden sich die Wiener Bürger der Gefahr eines Ansturms der Osmanen ausgesetzt und das Zusammenleben mit Flüchtlingen und Soldaten unterschiedlicher Nationen führte nicht selten zu Auseinandersetzungen. Die Predigten Fabris beschreiben auf eindrückliche Weise seine Wahrnehmung der Lage sowie die seiner Meinung nach zu treffenden Maßnahmen, um aus dem Krieg mit dem Osmanischen Reich siegreich hervorgehen zu können. Fabris Türkenpredigten sind Bußpredigten. Hauptübel und Ursache der Erfolge des osmanischen Heeres sah er in der Sündhaftigkeit der eigenen Bevölkerung. Charakteristisch für die Predigten des Wiener Bischofs ist die Vielzahl biblischer Belege, anhand derer er z. B. in der ersten Predigt die Möglichkeit der Gnade Gottes nach erfolgter Buße der Gläubigen belegte. Sündhaftes Verhalten fand er in sämtlichen Bevölkerungsschichten vor, wenn auch seine Ausführungen nicht selten die Missstände im Militär in den Blick nehmen: Besonders die unbedachte Mordlust¹³⁰ und eine überhandnehmende Trunksucht¹³¹ kritisierte der Prediger aufs Schärfste. Die türkischen Widersacher beschrieb er in den dunkelsten Farben und bediente sich dabei der aus den Turcica des Spätmittelalters bekannten grausamen Bilder der Osmanen. Ohne explizit die Namen Luthers und anderer Reformatoren zu nennen, kommt der Autor auch auf die Frage nach der Rechtmäßigkeit des Kriegsdienstes für einen Christen zu sprechen: „Sed inventi sunt nostris temporibus non nulli de se multa praesumentes, qui etiam suis editis libris ac tractatibus, ausi sunt in publico docere, nemini Christiano licere praeliari  „Sed quum oculis animi mei Viennensis dominici gregis mihi commissi pericula intuerer, rapiebar toto impetu, meumque diutius offitium desyderari pari non potui, ferreus enim vere sim oportet, quum Turcorum Tyrannum Lupum videam truculentissimum: rapacissimis facinorosissimisque stipatum agminibus hianti ore, ovile mihi creditum obambulantem, ovibusque meis exicium parantem, nisi arrepto pedo me illi obiicerem, praesertim qui sciam, qua truculentia, immanis ac dira belua haec triennio ante, dentes in innocentissimorum hominum stragibus ac Obsidione inclitae Viennensis Urbis exercuerit, ritum foedissimi oris, pio sanguine imbueris, Nulla neque sexus neque aetatis ratione habita, adeo, ut infantem ne matris quidem lactantis viscera vel ubera, adversus efferatam beluae rabiem tuerentur.“ (Fabri, Sermones consolatorii, v-r).  „De temerario homicidio“ (Fabri, Sermones consolatorii, r-v).  Fabri, Sermones consolatorii, r-r.

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5 Die katholischen Türkenpredigten des 16. Jahrhunderts

contra Turcos, quoniam omne bellum, quod contra Turcos moveatur, euangelio contrarietur.“¹³² Selbstredend verurteilte der Bischof derartige Äußerungen und schwor seine Gemeinde auf den gebotenen Gehorsam gegenüber der Obrigkeit und die damit verbundene Pflicht zum Kriegsdienst ein. Alles in allem sah Fabri die Möglichkeit, das Blatt zu wenden und hegte die Hoffnung, dass es den Wiener Bürgern ebenso wie dereinst den von Sanherib belagerten Jerusalemern gelingen könnte, durch die Hilfe Gottes befreit zu werden. Das Anliegen des Bischofs liegt gleichsam auf der Hand: Mittels seiner Predigten wollte er einerseits zur Buße mahnen und sittliche Missstände aufdecken. Andererseits nutzte er die biblisch detailliert begründete Möglichkeit der Buße zum Trost seiner bedrängten Gemeinde. Schließlich hatte jeder Einzelne die Möglichkeit, etwas für den Frieden im Land zu tun und war nicht tatenlos den Erfolgen und Niederlagen des eigenen Heeres ausgesetzt. Die Predigten des Bischofs sind reich an biblischen Belegen, die Vermittlung von speziellen Wissensbeständen hingegen – etwa über die Herkunft und Religion der Osmanen – fehlt ganz und gar. Obwohl Fabris Predigten auf Latein erschienen, lassen sie den Leser sehr deutlich das Gefühl einer ehemals mündlich gehaltenen Kanzelrede bekommen. Erfolg schien den Predigten Fabris jedenfalls beschieden gewesen zu sein, denn schließlich attestierte er selbst seinen Zuhörern eine Besserung ihrer Verhaltensweisen infolge der Predigten.¹³³

5.3.2 Augustin Nesers Ein newe Catholische Predig. Auff des Türcken Niderlag […] (1572) Nachdem über ein Jahrhundert lang das osmanische Heer als unüberwindbar gegolten hatte und ein Sieg des Alten Reiches unmöglich schien, erhoffte man sich aufgrund des militärischen Erfolgs der „Heiligen Liga“ im Golf von Lepanto im Oktober des Jahres 1571 die Wende. Die auf Mariä Lichtmess des Jahres 1572 datierte Vorrede zur Predigt des Landsberger Predigers Augustin Neser ist voll und ganz durchdrungen von der Euphorie, die den Geistlichen infolge des Sieges der alliierten Mächte zur Feder greifen ließ. Neser widmete seine Predigt dem bayerischen Herzog Wilhelm, Pfalzgraf bei Rhein, und berichtete von den in Landsberg eingerichteten Prozessionen, die freitags stattfanden und welche die katholische Litanei sowie eine

 Fabri, Sermones consolatorii, r.  Fabri, Sermones consolatorii, v.

5.3 Exemplarische Türkenpredigten

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Messe samt Predigt umfassten.¹³⁴ Der Geistliche veröffentlichte seine Predigt bei Adam Berg in München und fügte einen Traktat an, den er bereits 1566 für den Augsburger Reichstag verfasst hatte und der den Titel trägt: Wie man dem grimmen Wüterich / und Christlichen bluts durstigen Tyrannen / in allweg widerstand thun möchte. ¹³⁵ Am Schluss des Büchleins findet sich Ain Christlichs Gebet / in der noth wider den Türcken. ¹³⁶ Der angefügte Traktat Nesers beschreibt im Sinne der DreiStände-Lehre für jede einzelne Gruppe Aufgaben und Handlungsfelder, welche im Krieg gegen die Türken die Wende bringen sollten.¹³⁷ Nesers Predigt liegt das Siegeslied Moses nach dem Durchzug durch das Rote Meer, wie es in Ex 15 überliefert ist, zugrunde. In einem Dreischritt erklärte der Prediger, warum Gott die Türken als Zuchtrute über sein Volk verhängte (1.), ob man gegen diese kämpfen dürfe (2.) und schließlich (3.), wie die Gläubigen Gott nach seinem Eingreifen angemessen danken könnten. Zunächst zählte Neser die neun Hauptlaster auf, durch die Gottes Zorn heraufbeschworen worden war. Neben der Verachtung der göttlichen Gebote¹³⁸ und der Missachtung des göttlichen Namens¹³⁹ waren dies vor allem Hoffart¹⁴⁰, Unkeuschheit¹⁴¹, Ehebruch¹⁴²,

 „Ey welche Catholische Zung / solte nit geng sein (sc. flink sein / plappern, Anm. D.G.) Gottes wunderwerck außzusprechen / und menigklich zu lob und dancksagung anzurichten? […] Daher dann auch / zwar untuchtiger und unwürdiger nach / von Gott dem Herren / dem heiligen drifachen Bundt / wider den erbfeindt Christlichs namens / glaubens / unnd bluts / den Türcken /zuvor unerhörten / zu Meer verlihner Victori unnd sieg / Ich in ettlichen predigen / meine liebe Landsperger ermanet habe / das wir auch wochentlich am freytag ein Procession, mit der Catholischen Litania, ein Ampt von der aller heiligsten Trifeltigkeit / unn mit einer predig / nit allein zuhalten angestelt / sonders Continuirn […].“ (Neser, Ein newe Catholische Predig, Ar).  Neser, Ein newe Catholische Predig, Er-Qr sowie ders., Wie man dem grimmen Wüterich. Zu Nesers Traktat vgl. Alexander Schmidt, Vaterlandsliebe und Religionskonflikt. Politische Diskurse im Alten Reich ( – ), SMRT  (Leiden / Boston ),  – .  Neser, Ein newe Catholische Predig, Qv-Qr bzw. ders., Wie man dem grimmen Wüterich, vr.  Vgl. hierzu auch Schulze, Reich und Türkengefahr,  –  und ders., Gesellschaft, . „Das Wunschbild ist auch hier eine konfliktfreie Gesellschaftsordnung, in der jeder Stand seinen festen Platz hat, eine feste Aufgabe zu erfüllen hat und damit zugleich automatisch das Wohl des Ganzen bewirkt.“ (ders., Reich und Türkengefahr, ). So fasste Neser die Aufgaben der drei Stände wie folgt zusammen: „Der Gaistlich stand mit fleiß bet / lehr / Der Kaiser / Ritterschaft / bald wehr / Der Bawr und Burgerschaft ernehr / Sein hertz zu Gott doch jeder kehr / Uns all Herr Jesu Christ erhör / Behüt ja vor des Türcken hör / All Christen auff dem Land und Meer / Dem Römischen Kaiser sieg bescher / Von jm dein hand / Herr / nimmer kehr / Dir sey / Gott / ewig lob und ehr.“ (Neser, Ein newe Catholische Predig, Qr).  Neser, Ein newe Catholische Predig, Av.  Neser, Ein newe Catholische Predig, Bv.  Neser, Ein newe Catholische Predig, Bv.  Neser, Ein newe Catholische Predig, Bv.

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5 Die katholischen Türkenpredigten des 16. Jahrhunderts

Hurerei¹⁴³, Wucher¹⁴⁴, Geiz¹⁴⁵ und die Unterdrückung der Armen¹⁴⁶. Diese Auflistung zeige auf überzeugende Weise, „warumb Gott der Herr uns Gaisel / ruth / ja straffe zu sende […].“¹⁴⁷ Gleichwohl sei es möglich, dieser Rute zu wehren. So widmet sich Nesers zweiter Gliederungsabschnitt der Frage nach der Rechtmäßigkeit des Krieges gegen das osmanische Heer. Ohne lange Umschweife kommt der Autor auf die Position Luthers zu sprechen: „Das man dem Türcken nit widerstand soll thun / hat Luther offentlich gepredigt unn geschriben / wie er auch ein weil nit wöllen / das man der auffrürischen empörung der Bauren nit mit gegenwehr begegnen solle / doch als er sahe das sich das bletlein wendt / predigt und schrib er das widerspill.“¹⁴⁸ Vielmehr sei es christliche Pflicht, gegen diese Geißel Gottes vorzugehen: „Gott der Herr […] schicket Gaisel / straff / unn ruth / die leider wol verwürckt und verdient seind. Aber solche könden wol abgelainet / der straff unnd Instrumenten derselben begegnet werden.“¹⁴⁹ Auch auf den Vorwurf Luthers, „das die Römischen (versteht Bäpst) grewlicher als der Türck selber seyen“¹⁵⁰, reagierte der Landsberger Prediger und schilderte den Einsatz einer Vielzahl von Päpsten in der Auseinandersetzung mit den Sarazenen bzw. Türken. Jeder der Päpste habe auf seine Weise zum Schutz der Christenheit beigetragen und die Feinde der Christenheit in die Schranken gewiesen. Nesers Auflistung stellt eine Wiedergabe der entsprechenden Textpassage der 1523 erschienenen Schrift Assertionis Lutheranae Confutationis dar, die der Rochester Bischof John Fisher (1469 – 1535) einst verfasst hatte.¹⁵¹ Schließlich stand für Neser fest, dass Luther selbst es war, der den Bauernkrieg und den Schmalkaldischen Krieg „angezündet“ hatte.¹⁵² Calvin und Theodor Beza hingegen hätten den Französischen Krieg des Jahres 1552 zu verantworten: „Calvinus und Theodoricus Boeza, haben auch das best / ja böß gethon / nach art der ketzer / fewr eingelegt / Niderlandt unn Frankreich […].“¹⁵³ Doch nun, da die Türken eine herbe Niederlage erlitten hatten, sei es an den Gläubigen, Gott wei-

           

Neser, Ein newe Catholische Predig, Bv. Neser, Ein newe Catholische Predig, Bv. Neser, Ein newe Catholische Predig, Cr. Neser, Ein newe Catholische Predig, Cv. Neser, Ein newe Catholische Predig, Cr. Neser, Ein newe Catholische Predig, Cr. Neser, Ein newe Catholische Predig, Cv. Neser, Ein newe Catholische Predig, Cr. Neser, Ein newe Catholische Predig, Cv. Vgl. hierzu Fisher, Assertionis,  f. Neser, Ein newe Catholische Predig, Dv. Neser, Ein newe Catholische Predig, Dr.

5.3 Exemplarische Türkenpredigten

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terhin zu besänftigen. So widmet sich der letzte Abschnitt der Frage nach dem Umgang mit der gewährten Gnade: Neben aufrichtiger Reue sei Einigkeit der Christenheit vonnöten: „O hetten wir die einhelligkeit / doch nach diser gelegnen zeit / solte uns mitler gnaden Gottes / auch unser Türckischer Pharao / mit seinem Heer zu wasser unnd Meer versenckt und ertrenckt / auch zu Landt zum fahl und niderlag gedrengt werden.“¹⁵⁴ Nesers Türkenpredigt steht exemplarisch für die seit dem Sieg bei Lepanto wiedergewonnene Zuversicht, aus dem Krieg mit dem Osmanischen Reich doch noch als Sieger hervorzugehen.¹⁵⁵ Sie findet sich auch bei dem Brixener Domprediger Johannes Nas, wenn auch in schwächerer Ausprägung.¹⁵⁶ Das Beschwören der Einheit der Christenheit gegenüber dem „Erbfeind“ und die gleichzeitige implizite Schuldzuweisung an die Konfessionen der Reformation sind ein weiteres Element katholischer Rhetorik in Bezug auf die Türkengefahr in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts. Eine besondere Hinwendung zu Maria, die infolge des Seesieges als Ursache des Erfolgs von Rom aus proklamiert worden war¹⁵⁷, findet sich bei Neser jedoch nicht. Dieser hielt anlässlich des Triumphes vielmehr „ein Ampt von der aller heiligsten Trifeltigkeit“¹⁵⁸ und schrieb den Sieg Jesus Christus zu: „Nun möchte nach solchem allem / ein einfeltiger fragen: Woher doch disem heiligen drifachen Bundt / so ein herrlicher / zuvor unerhörter sieg / von oben herab wider den Türcken gegeben seye. Dem antwort ich: […] Christus / der so die porten der hellen zerstört / solchen sieg verlihen hat.“¹⁵⁹

 Neser, Ein newe Catholische Predig, Dv.  S. hierzu u. Abschn. ...  Nas schilderte in seiner Predigt ausführlich den Ablauf der Schlacht (Nas, Kriegs- und Sigspredig, Dr-Ev) und den Sieg, der allein Gott zu verdanken sei: „Nun wiewol sich die Christen / inn disem Schifkrieg all samptlich und sunderlich / vom höchsten biß auff den nidersten sich ritterlich gehalten haben / darob auch Edel und unedel etlich zu boden gangen / und on zweyffel umb Christi willen / als märterer sälig worden. So ist doch augenscheinlich die hand Gottes da gewest / der jhnen den sig geben / und di feind gestürtzt hat / die sich auch so grewlich gewert / also das Ochial der Künig von Algier / sich durch die Christen hinauß gehawt / unn mit ein . Schiffen / nach dem er etlich Malteser gefangen / und fanen gewunnen / darvon geflohen / letstlich nur mit . Schiffen darvon kommen.“ (Nas, Kriegs- und Sigspredig, Er).  S. hierzu u. Abschn. ...  Neser, Ein newe Catholische Predig, Ar.  Neser, Ein newe Catholische Predig, Dr-Dv.

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5 Die katholischen Türkenpredigten des 16. Jahrhunderts

5.3.3 Michael Anisiusʼ Türkenpredigten: Klagpredig (1595) und Siben Catholische Predigen (1599) In den Jahren 1687– 1692 erschienen in vier Bänden die Predigen zu zeit des Türken Kriegs des Jesuiten Balthasar Knellinger (1634– 1696). In seiner Vorrede machte der Prediger auf zwei katholische Türkenprediger des vergangenen Jahrhunderts aufmerksam, die er rezipiert hatte: Neben Georg Scherer war dies Michael Anisius, „ein sehr helles Licht auß dem Orden deß grossen Ertzstiffters Francisci Seraphici, und damahlen Thum-Prediger zu Passau […]“¹⁶⁰. In seinen Predigten habe Anisius „stark getrungen auff die Buß / und Außtilgung der von den Schwirmeren neueingeführten Irrlehren / wodurch die wahre Andacht / und Gottes Forcht bey dem Christlichen Volk / under dem Schein der Kirchen Gottes widerum jhren vorigen Glantz zugeben / stark gehemmet wurde.“¹⁶¹ Dass der Jesuit auf Anisiusʼ Predigten verwies, überrascht, denn schließlich wären doch weitaus prominentere Autoren von katholischen Türkenpredigten infrage gekommen. Anscheinend überzeugten den Prediger Anisiusʼ Ausführungen derart, dass sie ihn zur Nachahmung anstifteten. Michael Anisius hatte in den Jahren 1595 und 1599 seine Türkenpredigten veröffentlicht. Der erste Druck, die Klagpredigt, stellt eine Einzelpredigt über Dan 3 dar, vier Jahre später folgte eine Predigtsammlung unter dem Titel Siben Catholische Predigen / Bey gemeinen Processionen / Kirch unnd Bittfahrten wider deß Christlichen Namens Erbfeind dem Türcken. In den Vorreden zu beiden Ausgaben erwähnte der Prediger die Praxis von Bittfahrten, Prozessionen und Fürbitten wider die Türken in Bamberg und anderen Kirchen. Hierbei habe er stets „zur Buß / Meydung der Sünden / unn Versönung mit Gott vermahnet.“¹⁶² Auch habe er insgesamt häufiger über die Türken gepredigt, sodass seine TürkenpredigtSammlung lediglich eine Auswahl darstellte.¹⁶³ Seine Klagpredigt hatte Anisius bei Johann Meyer in Dillingen drucken lassen. Er widmete sie dem Dompropst Bambergs und Würzburgs Wolfgang Albrecht, der selbst „diser trawrigen declaration beygewohnt“¹⁶⁴ hatte. Nach Angaben des Predigers sei die anwesende Gemeinde, das „Bambergisch Völcklein“, von der

 Knellinger, Predigen, )(v.  Ebd.  Anisius, Siben Catholische Predigen, (:) r.  „Unn obs schon mich / gleichwol mehr als sibenmal bey dergleichen Fürbitt wider den Türcken unn in unterschiedlichen Kirchen / zupredigen betroffen hab ich doch in siben Predigten das nötigst und fürnemist schrifftlich verfassen wöllen / biß die ubrig Brocken auch einmahl im Korb kommen.“ (Anisius, Siben Catholische Predigen, (:) v).  Anisius, Siben Catholische Predigen, Av.

5.3 Exemplarische Türkenpredigten

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Predigt so gerührt gewesen, „daß es ohn nasse Augen nicht abgangen“ sei.¹⁶⁵ Offenbar war der Prediger von seinem Werk selbst so überzeugt, dass er sie erneut in seinen Siben Catholische Predigen abdrucken ließ.¹⁶⁶ Nach der Verlesung des Predigttextes folgt im Exordium ¹⁶⁷ zunächst die Einordnung in den biblischen Kontext sowie die Formulierung des Themas der Predigt: „Dann sie [sc. die ‚Worteʼ aus dem Danielbuch] begreiffen in sich / und geben uns gleichsamb in händen / drey so wichtige und starcke mittel / das […] Gott der Allmechtig unns sonders zweyfel erhören / und vom gewalt des grausamen mächtigen Türckischen Bluthunds gar wol erretten möcht.“¹⁶⁸ Diese drei „Mittel“ seien zunächst die Einsicht in Gottes Gerechtigkeit, sodann die Einsicht der eigenen Sündhaftigkeit und schließlich die Bereitschaft zur Buße. Die Gliederung des Hauptteils, die im Exordium angekündigt wird, erfolgt anhand dieses Dreischritts. Der erste Abschnitt¹⁶⁹ handelt ausführlich von der Sündhaftigkeit der Deutschen, die nach Ansicht des Predigers die Ursache für die Siege der Türken darstellte. Neben allgemeinen Lastern benannte Anisius ausdrücklich die religiösen Spaltungen, die aufgrund der Reformation offen zutage getreten waren und sich nun verstetigt hatten. Der zweite Teil ¹⁷⁰ widmet sich der Hoffnung auf Christus, der für den Untergang der Türken sorgen werde. In Anlehnung an den endzeitlichen Kampf zwischen dem Lamm und dem siebenköpfigen Drachen (Apk 5 und 12) gliederte der Autor die Heilsgeschichte anhand der sieben Widersacher Christi. Als letzter Widerpart werde schließlich der Antichrist auferstehen, den Christus aber ebenfalls vernichten werde. Im letzten Abschnitt ¹⁷¹ schließlich rief der Prediger zur Buße auf, indem er jedem der drei Stände seine Sündhaftigkeit einschärfte und an seine Aufgaben erinnerte. Der Beschluss¹⁷² der Predigt ist knapp gehalten und stellt erneut einen Bußaufruf an die christliche Gemeinde dar. Vier Jahre nach Anisiusʼ Erstlingswerk erschienen bei Adam Berg in München erneut Türkenpredigten des Franziskanerbruders. Der inzwischen in Passau als Domprediger tätige Anisius gab die Siben Catholische Predigen / Bey gemeinen

 Anisius, Siben Catholische Predigen, Av.  Sie ist die erste der sieben Predigten: Anisius, Siben Catholische Predigen, Ar-Fr. Anisius gibt als Erklärung für die erneute Drucklegung der Predigt an: „Die erste Predig zwar ist gleichwol im nechstverlossnem . Jar im druck geben / weil aber gar wenig Exemplaria gen Bamberg kommen / unn sonst ein par Klämperle / weiß nicht von weme hinein geschmitzt worden / hab ich sie auffs new gleich lassen mitlauffen.“ (Anisius, Siben Catholische Predigen, (:) v).  Anisius, Klagpredig, Ar-Bv.  Anisius, Klagpredig, Ar.  Anisius, Klagpredig, Bv-Dr.  Anisius, Klagpredig, Dr-Fr.  Anisius, Klagpredig, Fr-Gr.  Anisius, Klagpredig, Gv.

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5 Die katholischen Türkenpredigten des 16. Jahrhunderts

Processionen / Kirch unnd Bittfahrten wider deß Christlichen Namens Erbfeind dem Türcken heraus, um der Masse der lutherischen Türkenpredigten – Anisius rekurrierte hier v. a. auf die Predigten von Georg Mylius¹⁷³ – eine katholische Stimme entgegenzusetzen: „[S]ollten aber die Catholische / welche von anfang wider den Machomet zufeld gelegen / solchen ungeraumbten Predicantischen Ploderwerck so gar stillschweigend zusehen?“¹⁷⁴ Die Stoßrichtung der Predigten wird somit gleich in der Vorrede klar: Der konvertierte Prediger beabsichtigte, eine konfessionell klar unterscheidbare Türkenpredigt zu liefern, welche anderen Predigern gleichsam als Muster dienen konnte. Abgesehen von der ersten Predigt sind die weiteren sechs Predigten Erstveröffentlichungen. Anisius legte in der zweiten Predigt das Drohwort aus Joël 1,2 – 5 aus und enthüllte die Laster der Christenheit. Rhetorisch packend kritisierte er die Laxheit der Kindererziehung und den Alkoholkonsum seiner Zeitgenossen.¹⁷⁵ Der dritten Predigt legte Anisius die Verse 6 – 8 aus Joël 1 zugrunde, in welchen der Prophet „ein starck unn unzählich Volck“¹⁷⁶ prophezeite, das zerstörerische Macht besitze. Gegen dieses Volk könne mit Buße und Gebet unzweifelhaft besser gekämpft werden als mit Spießen und Säbeln, weshalb der Prediger auch zum eifrigen Abhalten der Türkenandachten aufforderte.¹⁷⁷ In der anschließenden vierten Predigt diente dem Geistlichen Joël 2,12– 14 als Predigttext, der einen Aufruf zur Buße darstellt. Ausführlich stellte der Autor die Werke der Buße (Fasten, Weinen, Klagen) vor und betonte deren Notwendigkeit in Abgrenzung zu den „Irrthumb der newen Predicanten“¹⁷⁸. Die Frage des freien Willens diskutierte der Theologe in diesem Zusammenhang ebenso engagiert. In den letzten drei Predigten legte

 „Der Bapst ist bey jhnen mehr ein Antichrist und Teuffelßkind / als Machomet der Türcken Pseudoprophet: unn geben offentlich für (wie Godel Müller zu Jena inn seinen zehen Türckenpredigten) es sey ein sinderbar vätterliche Schickung Gottes […].“ (Anisius, Siben Catholische Predigen, (:) r).  Anisius, Siben Catholische Predigen, (:) r.  Anisius, Siben Catholische Predigen,  – .  Anisius, Siben Catholische Predigen, .  „So seyt vermant nun unnd allweg O lieben christen zum unnachläßlichen Gebett / bildet euch für / als offt man euch zum Gebett wider den Türcken ansagt / man ruffe euch zu Wehr und Waffen / als offt jhr die Türckenglock höret / man blase euch zum Lärm / zum Sturm / zum Scharmützel / zur Schildtwacht. Wir / die in Hungern wider den Türcken leiblich nicht streiten / können daheim mit geistlichem Kriegßzeug gerüstet / inn geistlicher Schlachtordnug gestellet / dem Feind mehr Abbruch und Schaden thun / als unsere Kriegßleut unten mit Spissen und Stangen / mit Lot unnd Kraut / mit Schantzen unnd Bolwercken: erschlagen sie tausent / wöllen wir zehen tausent erschlagen / wor haben zween gute Obristen daheimb / einen dz Gebett / den andern die Buß / mit disen behalten wir Gott zum Freund / mit diesen wöllen wir unsern Kriegßleuten guten Succors thun.“ (Anisius, Siben Catholische Predigen, ).  Anisius, Siben Catholische Predigen,  – .

5.4 Deutungen der Türken

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Anisius sodann Hos 7 aus. Auch hier betonte er die Sündhaftigkeit des eigenen Volks – auch der Obrigkeiten¹⁷⁹ – und forderte zu inniger Buße und Besserung des Lebens auf. In der sechsten Predigt unterstrich Anisius die Notwendigkeit der Einigkeit in der Auseinandersetzung mit den Türken. Schließlich hätten die Konfessionen der Reformation die Eintracht der Religion gestört und somit den Türken Raum gegeben.¹⁸⁰ Es war die tiefe Überzeugung des Predigers, dass Momente der Uneinigkeit im Christentum den Türken immer neue Siege bescherten.¹⁸¹ Im Stil eines Berichts¹⁸² erörterte der Autor sodann die Frage der Rechtmäßigkeit eines militärischen Vorgehens. Die letzte Predigt widmet sich erneut der Zerrissenheit unter den Christen und fordert Einigkeit im Bekenntnis. Mit einer Bitte an Maria und Jesus Christus, die katholische Christenheit vor den Türken zu beschützen, endet die letzte Predigt und leitet auf diese Weise zu zwei Psalmgebeten (Ps 46 und 79) über¹⁸³, die als Türkengebete interpretiert werden. Anisius schuf mit seinen Türkenpredigten eine Art Nachschlagewerk für das katholische Profil in der Auseinandersetzung um die Deutung der Türkengefahr. Dieses begriff er hauptsächlich in Abgrenzung zu den vermeintlichen Positionen der innerchristlichen Gegner und verwies auf die seiner Ansicht nach zerstörerische Wirkung der Uneinigkeit. In der Darstellung der Positionen bezieht sich Anisius ausführlich auf biblische Belege und stellt häufig die gegnerischen Positionen als Kontrast dar. Anisiusʼ Predigten sind Bußpredigten durch und durch. Sie haben die Gemeinden im Blick und arbeiten an deren sittlicher Besserung. Abhandlungen über muslimische Sitten oder Inhalte des Korans sucht der Leser auch bei Anisius vergebens. Die Bekämpfung der Laster erfolgt durch deren Offenlegung, nicht durch die Beschreibung vermeintlicher muslimischer Irrlehren.

5.4 Deutungen der Türken Dass die Türken eine Geißel in der Hand Gottes waren, um die Christenheit für begangene Sünden zu strafen, war über alle Konfessionen hinweg unstrittig. Die propagierten Lösungswege des Türkenproblems waren hingegen unter den Predigern extrem umstritten und wurden nicht selten zum konfessionellen Identitätsmarker.

    

Anisius, Siben Catholische Predigen, . Anisius, Siben Catholische Predigen,  –  sowie  – . Anisius, Siben Catholische Predigen,  – . Anisius, Siben Catholische Predigen,  – . Anisius, Siben Catholische Predigen,  – .

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5 Die katholischen Türkenpredigten des 16. Jahrhunderts

Während die Gegensätze zu evangelischen Predigten in der formalen Analyse der katholischen Türkenpredigten weniger signifikant ausfielen, zeigen sich erhebliche konfessionelle Unterschiede in ihrer inhaltlichen Ausrichtung. Zunächst kommt hierbei die Bandbreite der gebotenen Deutungsmuster in den Blick. Während die protestantischen Theologen alles aufboten, was sie an Wissen über die Türken und deren Religion in Erfahrung bringen konnten, finden sich bei den meisten katholischen Türkenpredigten, wenn überhaupt, nur chronologische Aufzeichnungen über gewonnene und verlorene Schlachten in der Auseinandersetzung mit dem osmanischen Heer. Und während die evangelischen Türkenprediger ihre unterschiedlichen Wissensbestände über den „Erbfeind“ auch auf ihre innerchristlichen Gegner deuteten, äußerten sich die katholischen Prediger zwar nicht weniger polemisch,wohl aber deutlich fixierter auf die Frage nach der Legitimierung eines Türkenkrieges. Auch die den evangelischen Predigten eigene apokalyptisch gefärbte Rhetorik in Bezug auf die Türkengefahr findet sich bei den katholischen Kanzelreden nicht. Es mag verwundern, dass dieser Abschnitt nicht – wie bei den evangelischen Türkenpredigten geschehen – die katholischen Deutungen des Islam, sondern allein der Türken in den Blick nimmt. Die Antwort bietet schlicht die Tatsache, dass katholische Geistliche – abgesehen von den Fünffzehen Predigen von Machomet und seinem Reich des Jesuitenpredigers Georg Scherer – so gut wie nie eine Auseinandersetzung mit den muslimischen Glaubensinhalten oder gar eine Deutung derselben boten. Die wenigen Autoren, die sich beispielsweise auf die Reiseberichte eines Georg von Ungarn oder Bartholomäus Georgejevic beriefen, taten dies um der Illustration der vermeintlichen Grausamkeit „des Türken“ willen.

5.4.1 Discordia oder Concordia? – Die Türkengefahr als Zeichen der Zerrissenheit der Christenheit Haben nun die Ketzer Christum / die Kirch / die Geschrifft / die Sacrament / Andacht und den Himmel hinweg gefressen / wie solten sie dann die Welt in jhrer Ordnung / unzerrütt / unverletzt / unnd unbefressen gelassen haben? Dann die Welt hat kein Ordnung mehr ist ein Chaos, ein Mißmasch / ein Verwirrung / ist ein rechte Höll / da kein Ordnung und Richtigkeit nicht ist […].Was ist mehr für ein unterschiedlicher Respect zwischen geistlich unnd weltlich? Zwischen Eltern und Kinder / zwischen Obrigkeit unnd Unterthanen? das weltlich empört sich wider das geistlich / die Kinder wider die Eltern / die Bawren wider den Adel / der Adel wider die Fürsten/ die Fürsten wider den Keyser. Also ist jetziger Lauff / jn sonderheit deß Teutschen Reichs beschaffen. Christus hat das prae verlohren / er regieret nimmer in diser Welt / Christus ist ein Rex pacificus ein Friedreicher König / wo nicht Fried und Einigkeit ist /

5.4 Deutungen der Türken

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da regiert Christus nicht / sondern der Teuffel. Die Verwirrung in Religionßsachen hat allen Unfried inn die Welt gebracht.¹⁸⁴

Michael Anisiusʼ Analyse der gegenwärtigen Situation malt ein düsteres Bild: Die Welt scheint aus den Fugen geraten zu sein, das Chaos regiert. Schuld an diesem apokalyptisch anmutenden Szenario war seiner Ansicht die „Verwirrung in Religionßsachen“, sprich: die infolge der Reformation entstandenen neuen Konfessionen. Anisius stand mit seiner Auffassung und Schuldzuweisung besonders an die Lutheraner nicht allein; die Anklage wurde von einem ganzen Chor der katholischen Türkenprediger erhoben. Bereits Johannes Eck erkannte in den Spaltungen, die durch die reformatorische Ketzerei zutage getreten waren, den Ursprung allen Übels: „Alterum vero malum, quod Turcam animatiorem reddit adversus Germanos, est recens ortum, tanta videlicet animorum dissensio, tot nata schismata, ut verendum sit plus periculi imminere nobis ex bellis intestinis, quam a Turca, aut quocunque hoste. Tot intra paucos annos per summam praedicandi licentiam, orti sunt in Germania errores, schismata, haereses, ut nec ex equo Troiano, plures prodierint bellatores.“¹⁸⁵ Auch andere Türkenprediger begriffen die Zerrissenheit als Einfallstor der christianitas: So bat Johannes Nas Gott um Hilfe für die aufgrund der Religionsfrage zerstrittenen Reichsstände¹⁸⁶ und Urban Sagstetter fragte: „Wann seind […]

 Anisius, Siben Catholische Predigen, .  Eck, Sperandam esse […], Ar. Zu Ecks Verurteilung der Lehren Luthers und Zwinglis s. auch: Eck, a.a.O., Cr. Auch in seiner vier Jahre später erschienenen Sammlung zweier Türkenpredigten Umb den grossen sig Kaiserlicher Maiestat in Thunis verlihen warnt Eck die Deutschen vor inneren Spaltungen: „Hüt dich teütsch land / unnd laß dieß ain witzung sein / heb auff so vilfeltig spaltung jmm glauben / das Christus nit erzürnt werde / unn von dir hinnemm dz reich seinß hailigen glauben […].“ (Eck, a.a.O., Cv).  „O das der liebe Gott / auch die zustrayten Reichsständ / wider in ainigkait brächt / dann darvor werden sie wenig außrichten / wie bißher laider geschehen ist / dann wer mit Gott im rechten Glauben nit recht daran ist / der zerstrayt.“ (Nas, Kriegs- und Sigspredig, Er). Weiterhin hielt der Brixener Domprediger in Bezug auf die Schlacht von Lepanto fest: „In summa der Türck hat das . Jar weit uber hundertmaltausent Mann verloren / auch seiner besten ältesten Kriegßleut beraubt / und einen schaden erlidten / den er mit vilen Künigreichen nit ersetzen wirt / im fall die Christen zusam halten / und ainig bleiben […].“ (Nas, a.a.O., Ev). So ähnlich auch Wild, Bußpredigten, LIXr: „Der stende uneinigkeit (sagt etwan ein Römer) ist dieser Statt gifft. Unnd es ist auch in der warheit also / dann wie durch einigkeit auch wenige ding zunemmen unnd wachssen / also gehen durch zwitracht auch die gröste ding zuschanden. Es auch nichts je die fürnembsten Stett / Reich / Herrschafften / etc. mehr verderbet / dann heußliche unnd innerliche uneinigkeit. Diß ist das Fewr / so jetzo vor lengest hat angefangen zu füncklen in unserem Teutschen landt / ist aber jetzo inn vielen orthen außgebrochen / und dermassen / das wir uns mehr darfür zuförchten haben / als vor dem Türcken.“

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5 Die katholischen Türkenpredigten des 16. Jahrhunderts

so viel von Gott / seiner Kirchen unnd Christenlichen gemain abgefallen / sich in allerlay frembde / und zuvor in der Christenhait unerhörte lehren begeben / dann zu unseren zeiten?“¹⁸⁷ Auch der Mainzer Domprediger Valentin Leucht sah die Türken als göttliche Strafe für die konfessionellen Streitigkeiten: [D]ann mit dem Wort Gottes treibt man einen Spot / unn fürnemblich bey den newern Consorten den falschen Clamanten und Predicanten / die es umb und umb trehen / jhr gespöt und gelächter darmit treiben / so ist es bey den Zuhörern in solche verachtung kommen / daß sie es mit grossem verdruß annemen / unnd ob sie darzu gezwungen werden / doch solches nit fassen wollen: Wo dan Gottes Wort also verachtet / sein Dienst verseumet / sein Opfer vernichtet wirdt / folget anders nicht alß sein grimmiger Zorn / ernst und gewisse Straffe.¹⁸⁸

Die meisten katholischen Türkenprediger erkannten die Spaltungen sowohl im Bereich der Gesellschaft als auch der Religion. Diese gesellschaftlichen Gräben taten sich ihrer Meinung nach besonders in Hinblick auf die Sittlichkeit ihrer Gemeinden auf, bei denen die Sündhaftigkeit vermeintlich überhandgenommen hätte. Wie die evangelischen Türkenpredigten waren die katholischen Sermone nicht zuletzt von ausgedehnten Lasterkatalogen geprägt, die auf die Missstände in allen Ständen aufmerksam machten.¹⁸⁹ Als Ursache machten die meisten Prediger die religiösen Spaltungen aus. So kritisierte beispielsweise Valentin Leucht als Folge der Spaltungen das Laster des Geizes: Also bringet der Geitz / welcher ist ein unordentliche Lieb / Gelt und Gut zu haben und zubekommen / jtzunder die Menschen / die Widersacher unnd newe Christen dahin einzunemen / zu sich zu rauffen / was jnen nicht gebühret / als Kirchengüter / Gülden und Silberne Monstrantzen / Rauchfässer / Kelch / Creütz / Pateen / Meßgewandt / Chorkappen / Altartücher / Pacifical / Meßkändel / und was sonsten mehr zum Kirchen Geschmeidt gehöret / Gott dem Allmächtigen dedicirt / consecrirt zugeeignet unn ubergeben worden / das braucht man zu allerley Weltlicher uppigkeit unn frewden Spielen […].¹⁹⁰

Die Situationsanalyse der katholischen Prediger, die auf eine stete Verschlechterung der Sittlichkeit der Gemeinden hinauslief, einte sie gewissermaßen mit ihren protestantischen Gegnern. Schließlich zeichneten auch die lutherischen Türkenpredigten durch ihre ausgeprägten Lasterkataloge und polemischen An-

 Sagstetter, Gaistliche Kriegsrüstung, XXIIIIv.  Leucht, Wider den Erbfeindt, Cv.  Derartige Lasterkataloge finden sich in etlichen Türkenpredigten. So z. B. bei Neser, Ein newe Catholische Predig, IIIIv-XIr. Der Mainzer Domprediger Johannes Wild lieferte beispielsweise eine umfassende Kritik aller Stände von den Kindern bis zu den Alten (Wild, Bußpredigten, LXIIIrLXVIIr sowie LXXr-LXXIIIv).  Leucht, Wider den Erbfeindt, Gv-Gr.

5.4 Deutungen der Türken

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schuldigungen in Bezug auf „Papisten“, „Calvinisten“ und „Täufer“ das Bild einer auseinander gebrochen Gesellschaft.¹⁹¹ Viel stärker als dies jedoch bei den evangelischen Predigten der Fall war, kombinierten die katholischen Autoren die religiöse Zerrissenheit mit dem Verlust einer nationalen Einheit. Die einzige Chance auf einen Ausweg aus der Zerrissenheit – so waren sich die meisten katholischen Türkenprediger einig – konnte allein der Zusammenhalt der Religion bzw. der Nation bieten. Bereits Winfried Schulze konstatierte den „Topos der Einheit“ für alle Türkendrucke des späten 16. Jahrhunderts, ja der Begriff der concordia sei in jener Zeit zum wahren „Zauberwort“ geworden.¹⁹² Und tatsächlich begegnet diese Idee auch in den katholischen Türkenpredigten. Als eine Form der geistlichen Waffen forderte so z. B. der Wiener Bischof Johann Caspar Neubeck: „Uber solches […] müssen wir auß dem Geistlichen Zeughauß noch eine gute armatur und Kriegßrüstung zu und an uns nemen / die heisset Concordia, Einhelligkeit. Dise Tugendt ist so notwendig in unserm Krieg wider den Erbfeindt / daß wo sie abgeht und manglet / wenig glück zugewarten ist / dann zwitracht und uneinigkeit / deren so angefochten und belegert / ist des Feindts Hertz unnd krafft.“¹⁹³ Obgleich Neubeck und die anderen Autoren in ihren Einheitsforderungen insbesondere die religiöse Einheit als Ideal vor Augen hatten, darf dies selbstverständlich nicht mit einer Art vormodernem Toleranzgedanken gegenüber anderen Konfessionen bzw. Religionen verwechselt werden.¹⁹⁴ Ganz gleich, wie stark sich die Prediger für die concordia der christlichen Religion aussprachen, gemeinsam war ihnen die Überzeugung, dass Einheit nur unter dem Dach der Papstkirche möglich wäre.¹⁹⁵

 S. hierzu o. Abschn. ...  Vgl. hierzu Schulze, Reich und Türkengefahr, .  Neubeck, Zwo Christliche Sieg und LobPredigten, .  Vgl. hierzu auch Schmidt, Vaterlandsliebe, : „Die Begriffe Einigkeit und Eintracht signalisierten dabei noch nicht per se religiöse Toleranz. Im Gegenteil konnten die konfessionellfundamentalen Wahrheitsansprüche und das zeitgenössische Ideal des religiös homogenen Gemeinwesens duldsames Verhalten gegenüber Andersgläubigen als schwach, ja sogar gefährlich erscheinen lassen. Einigkeit meinte hier schnell Homogenität statt Pluralität. […] Die Ansichten einiger Kontroversschriftsteller wie Anisius, Fickler oder Erstenberger lassen sich weitgehend auf die Formel ‚ein Reich – ein Glaube‘ reduzieren.“  Eine Ausnahme unter den katholischen Predigern scheint Johannes Wild darzustellen: Der Mainzer Domprediger forderte die Einheit der Konfessionen um der gemeinsamen Sache der Türkenabwehr willen: „Aber ich höre noch ergers. wir solten itzt am aller ersten unn fürnemlich / under und gegen einander frieden haben / damit wir desto baß / auß gefelliger hülff und sterck / dem gemeinen Feindt könten widerstand thun / unn darzu seind wir auch vermanet worden / ja also ahben wirs auff dem Speyrischen Reichstag versprochen / aber da werden auch under den Christlichsten / unn die am meisten wöllen Euangelisch sein / innerliche Krieg erwecket / vergessen des gemeinen Feindts / verachten die gethane zusag / unn richten nur alle sach dahin / das

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5 Die katholischen Türkenpredigten des 16. Jahrhunderts

Die starke Forderung nach Einigkeit, die auch bei protestantischen Predigten zu beobachten ist¹⁹⁶, führte bei den katholischen Autoren zur Forderung nach Vaterlandsliebe bzw. Nationalgefühl. Sie beschworen die gemeinsame Sorge um das „Vaterland“ bzw. die patria und „Nation“, die sie gegenwärtig vermissten.¹⁹⁷ Der Topos vom starken germanischen Krieger verlieh ihren Forderungen nach einem am Gemeinwohl ausgerichteten Kampf gegen die Osmanen zudem Nachdruck. Dass dieses Stereotyp „zuerst im Umfeld der Türkenkriegsrhetorik des der fürgenommen Türckenzug / und angestelt gutes / daran so viel gelegen / verhindert werd unn zu nichts gemacht. Da last sich aber das scheuslichst Thier sehen / daran sie so lang gezogen haben / da scheinen die früchten / die anzeigen wie der Baum geschaffen ist.“ (Wild, Bußpredigten, LIIIIr).  S. hierzu Kaufmann, Türckenbüchlein, , der für die gesamte religiöse Türkenpublizistik feststellte: „Auch wenn die Schuldzuweisungen hinsichtlich der Ursachen, die zur deplorablen Entzweiung der Christenheit geführt haben sollen, bei den unterschiedlichen Autoren erheblich divergierten und nach der Reformation konfessionelle Färbungen aufwiesen, verdient die als leitmotivisches Ideal verwendete Vorstellung einer notwendigen ‚Einheit der Christenheit‘ unbedingte Beachtung. Denn der liminalen Erfahrung der türkischen Bedrohung kam offenbar eine ähnlich stimulierende Bedeutung für die Postulation einer unitas christianorum zu, wie sie seit  im Wiedervereinigungsgebot des Reichsreligionsrechts im Modus einer regulativen Idee kodifiziert wurde. Die Vorstellung jedenfalls, daß die Spaltung der Christenheit ein unerträgliches Skandalon sei, war in der Rhetorik der abendländischen christianitas aus äußeren wie aus inneren Gründen lebendig.“  Die Sorge um das „Vaterland“ findet sich z. B. bei: Sagstetter, Gaistliche Kriegsrüstung, IIIv: „Derhalben es recht und wol zubedencken / was mercklicher schaden und nachtail nicht allein disen Landen / sonder der edlen Teütschen Nation / ja auch der gantzen Christenhait ervolgen würde / da Gott wider uns sein sollt […].“ Sogar „die Heiden“ stünden für ihr Vaterland ein: „Vorzeiten hieltens die Haiden für die höchste schmach, wann sich ainer gewaigert hat für das Vatterlandt zu streitten / hergegen aber für die höchste Ehr / wann man leib und leben / haab und gut für das Vatterland gesetzt und gewagt / daher sie dann auch ain guten namen und rhum erlangt haben daß man sie Patres patriae genendt hat. Haben nun das die Haiden gathan / so kain erkantnuß des waren Gottes gehabt haben / wie vil mehr sollen wir Christen zu rettung des Vatterlands / ain jeder nach seinem Stand und vermügen / alles das laisten unnd thun / was man in solchen nöten schuldig unnd pflichtig ist zu thun / mit Robot [sc. Frohndienst, Anm. D.G.] / Zinß / stewr / unnd was des dings mehr ist / ja wans die not erforderet auch unsern leib dranstecken / auff daß wir gegen dem Vatterland nit undanckbar erfunden werden.“ (Sagstetter, a.a.O., LXIIv). Der Terminus „Vaterland“ begegnet bei Sagstetter außerdem hier: Sagstetter, a.a.O., ‫א‬r; XIr; LXIIr. Auch Johannes Wild sorgt sich um sein „Vaterland“: „Teutschlandt hat ubeler nie gestanden / von der zeit an / das sie den Glauben hat angenommen / als jetzt: Und wann wir so furt fahren wie wir angefangen haben / mit gestopfften ohren / beschlossenen augen / unglaubigen hertzen / unn müssigen henden / uff beyde seiten zu schlaffen / wirt es umb Teutschlandt gethan sein / wirt unser Vatterlandt gestanden haben.“ (Wild, Bußpredigten, XLIXv). Auch Neubeck beschwört die ‚deutsche Einheit‘: „Wären wir Christen recht einig / wir Germani unn Teutsche / sag ich / weren wir einig / so hetten wir uns vor keinem Feindt zuentsetzen / dann der Teutschen Macht alle andere Nationen fürchten.“ (Neubeck, Zwo Christliche Sieg und LobPredigten, v).

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späten 15. Jahrhunderts ‚erfunden‘ wurde“, sei – so folgert Alexander Schmidt – „sicherlich kein Zufall“¹⁹⁸. Schließlich hatten schon Enea Silvio Piccolomini und Giovanni Antonio Campano im Umfeld der Eroberung Konstantinopels auf den Heldenmut der Deutschen verwiesen, um diese zum Türkenkrieg zu motivieren.¹⁹⁹ Während die evangelischen Prediger die Forderung ihrer territorialen Obrigkeiten nach Rückhalt für den Türkenkrieg in der Bevölkerung also mittels der Zwei-Regimente-Lehre umzusetzen suchten, setzten die katholischen Geistlichen auf den Patriotismus jedes Einzelnen. Die Schilderungen der Grausamkeit des Feindes aus dem Osmanischen Reich sollten bei altgläubigen Hörern und Lesern jenes Identitätsgefühl evozieren und die Vaterlandsliebe wachrütteln. Bei den evangelischen Predigten fungierten die Türken bzw. vielmehr deren Religion als perhorreszierende Folie, vor der das eigene Bekenntnis besser einleuchten konnte. Setzten also die einen vermehrt auf das Vaterland als identitätsstiftendes Moment, war es bei den anderen das Bekenntnis, das den Zusammenhalt gegen den „Erbfeind“ stiften sollte.

5.4.2 Sieg oder Niederlage? – Die Türken als Kriegsgegner Haben dan / nür ainzelig kunig dem Türcken so vil dranngs unnd widerstands mögen thun / was solt dan yetz geschehen so unser bayde obriste haubter / Bapst Clemens unn kaiser Carel / mit sampt seinem bruder Ferdinando Romischen / Ungarischen / und Behemischen kunig / und schier der gantzen teutschen nation / so treülich zusamen setzen / sich so wol unn Christlich zu dem Türcken zug schickenn? on allen zweyfel got der almechtig / wirt in geben gluck un hail / das sy werden groß sachen außrichten / ewigen rum erlangen / und verdienen dy Cron der ewigen säligkait. Amen.²⁰⁰

Dass „der Türke“ als Feind der Christenheit unbedingt besiegt werden müsse, war Konsens unter sämtlichen Türkenpredigern, ganz gleich welcher Konfession sie angehörten. Die Frage jedoch, wie dieser Sieg herbeigeführt werden sollte, beantworteten die einzelnen Autoren durchaus unterschiedlich. Sollte allein Gott die Feinde seines Namens vernichten oder war es die Pflicht eines jeden Christen, gegen den „Erbfeind“ ins Feld zu ziehen? Seit dem Beginn der Auseinandersetzungen Luthers mit der Papstkirche war die Positionierung für oder gegen ein militärisches Eingreifen im Krieg mit dem Osmanischen Reich zum konfessionellen Identitätsmarker geworden. So hielt sich seit Luthers Absage an einen  Schmidt, Vaterlandsliebe, .  S. hierzu ebenfalls Schmidt, Vaterlandsliebe, . Zu Piccolominis Türkenreden vgl. ferner: Knappe, Geschichte,  – .  Kretz, Sermon, Bv.

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durch Ablassgelder finanzierten Kreuzzug gegen die Türken hartnäckig die besonders von altgläubiger Seite aus propagierte Meinung, dass sich die Anhänger der Reformation grundsätzlich gegen einen bewaffneten Widerstand in der Auseinandersetzung mit dem osmanischen Heer aussprachen. Lutherischerseits führte dies dazu, dass die Autoren in ihren Türkenpredigten dieses ‚Missverständnis‘ zu beseitigen suchten und im Sinne des Obrigkeitsgehorsams befürworteten. An der Legitimität eines Krieges hatte mithin keiner der altgläubigen Autoren gezweifelt. Das einheitliche Ja der Papstkirche war der Abgrenzung von vermeintlich lutherischen Positionen sehr zuträglich. So boten nahezu alle der katholischen Türkenprediger eine Abwehr der Ansichten Luthers zum Krieg gegen die Türken. Ziel dieser Darstellungen war nicht selten die Lieferung eines Beweises für das subversive und ketzerische Wesen des Luthertums. So wetterte beispielsweise der Wiener Bischof Johann Caspar Neubeck gegen den Wittenberger: Es kan auch der Christenmensch / der mit unverfinstern affecten urtheilet / hierauß leichtlich ermessen / ob es einem rechten Christglaubigen zime und gebüre / deß Türcken Tyrannisch Regiment mit lob zuerheben / der Christlichen Fürsten und Potentaten fürzuziehen / insonderheit aber der Christen Krieg wider den Erbfeindt zu dissuadieren, zu mißrathen [sc. abzuraten] und einen Krieg nennen / darinn man wider Gott krieget / Solches aber hat sich Martinus Lutherus offentlich zu schreiben / und zu spargieren [sc. zu verbreiten] understanden / unnd welches einmal zu vil ist / sich nicht entsetzt / sagen unnd schreiben dörffen: […] Wider Türcken kriegen / heist GOtt widerstreben / als der unsere Sünden durch die Türcken heimbsucht: Also sagt Luther / ein gewester Augustiner Münch.²⁰¹

Doch auch wenn das Gros der katholischen Prediger von der Richtigkeit eines militärischen Vorgehens gegen die Osmanen überzeugt war, zeugen längst nicht alle ihrer Türkenpredigten von einer unerschütterlichen Siegesgewissheit. Stärker als dies bei protestantischen Predigten der Fall war, lässt sich anhand der ent Neubeck, Zwo Christliche Sieg und LobPredigten, r. S. hierzu auch Neser, Ein newe Catholische Predig, XIr-XIv: „Das man dem Türcken nit widerstand soll thun / hat Luther offentlich gepredigt unn geschriben / wie er auch ein weil nit wöllen / das man der auffrürischen empörung der Bauren / nit mit gegenwehr begegnen solle / doch als er sahe das sich das bletlein wendt / predigt und schrib er das widerspill.“ S. hierzu auch Nas, Ein schöne Tröstliche Kriegs- und Sigspredig, Av: „Also werden die Secten erst langsam [sc. spät] den Türcken angreiffen / dann Luder der Ertzmomeluck / dem Türcken zu gut / solches verbotten hat.“ Nas ging sogar noch einen Schritt weiter und verglich die Anhänger der Reformation mit den Türken: „Was bedarff es vil mühe / daß das Teutschland gar Türckisch werd? Was ist Türckisch sein / dann Momeluckisch / ein verlaugneter Christ sein / dahin habens die falschen Propheten allberait gebracht / so haben sie auch allberait gelehrt das zwischen jnen und dem Türckischen Gesatz / nur noch ein einiger span sey / So helffen sie lieber dem Türcken / dann dem Künig auß Hispanien.“ (Nas, a.a.O., Av; ein weiterer Beleg Dr).

5.4 Deutungen der Türken

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weder euphorischen oder eher ernüchterten Rhetorik der katholischen Kanzelreden auf die jeweils aktuelle politische Lage in der Auseinandersetzung mit dem Osmanischen Reich schließen. Die Predigten Urban Sagstetters bieten ein eindrückliches Beispiel, wie sich der Ton sogar von Predigt zu Predigt verändern konnte. Dem Prediger war dies selbst bewusst und er wies darauf explizit in der Vorrede zu seinem Werk hin. Grund für die wechselnde Stimmung waren aktuelle Nachrichten von den Kriegsverläufen gewesen, die den Prediger nicht unbeeindruckt ließen.²⁰² Deutlichstes Beispiel für einen rhetorischen Umschwung in den Predigten ist zweifelsohne der Sieg der „Heiligen Liga“²⁰³ im Jahr 1571 im Golf von Lepanto. Der Mythos der Unbesiegbarkeit des „Erbfeindes“ war nun endlich gebrochen und besonders die katholischen Gläubigen sahen in dem Erfolg einen Beleg für die Stärke ihrer Kirche. Schließlich galt der Bewältigung der Türkengefahr das Hauptaugenmerk Papst Piusʼ V. (1566 – 1572): Während seines kurzen Pontifikats hatte er den Kampf gegen die Osmanen zum heiligen Krieg erklärt, „[d]rei Tage in der Woche fastete er; Tag für Tag betete er mehrere Stunden für den Sieg. In fünf oder sechs Kirchen ließ der Papst Ewiges Gebet halten, um von Gott den Sieg zu erflehen.“²⁰⁴ Die Allianz der Mittelmeermächte hatte den gewünschten Erfolg gebracht, das Beten hatte geholfen und der Kampf im Namen Christi, wie ihn auch die roten Banner mit dem gekreuzigten Christus auf den Schiffen symbolisierten, war gewonnen. Infolge von Lepanto wurde vor allem von katholischer Seite alles aufgeboten, was zur Verbreitung des glorreichen Sieges beitrug: Eine Vielzahl von Flugblättern wurde in Umlauf gebracht²⁰⁵, militärische Feiern und Ehrungen vollzogen,

 „Uber das alles möchte gleichwol ettliche nit allein befrembden / sonder auch jrrig machen / daß diese Predigen und Vermanungen in argumento nicht allweg gleich / sonder dermassen beschaffen seind / daß jemals die Zuhörer geschreckt / und dann widerumb getröst werden. Darzu aber hat mich fürnemblich das geursacht / daß auch die zeitungen von unserm Kriegswesen nicht jederzeit gleich gewesen / derhalben ich auch die Predigen als gestellt und gericht / darnach ich die gemüter der Zuhörer befunden / wie mir dann nit gebürt / wann sich unsere gemüter zu vil auff die eusserlich gegenwehr verlassen / unnd derowegen umb so viel vermessener worden / die Leuth in solcher sicherhait zu stercken: Also hab ich entgegen auch nicht underlassen sollen / wann sich das glück von uns gewendt / und uns etwas zaghafft gemacht / die betrübten hertzen widerumm auffzurichten und zuerholen.“ (Sagstetter, Gaistliche Kriegsrüstung, ‫ג‬v.).  Die sog. Heilige Liga bestand aus den Seemächten Venedig, Genua, Savoyen, Spanien und dem Vatikan.  Schreiner, Abwehrkämpfe, .  S. hierzu die Hinweise bei Kaufmann, Türckenbüchlein,  und Gerhard Hölzle, „MARIA die Sieges=Frau“. Die literarische Marienverehrung in Bayern im Zuge der Lepanto-Schlacht, in: JVABG  (), S.  – , hier:  – .

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5 Die katholischen Türkenpredigten des 16. Jahrhunderts

Dankgottesdienste und Prozessionen abgehalten und Kunstwerke in Auftrag gegeben.²⁰⁶ Eine weitere Folge der gewonnenen Schlacht stellte eine Intensivierung der Marienverehrung dar, denn schließlich sei an der Seite der Krieger sie die eigentliche Helferin gewesen. Diese nun neu entdeckte Marienfrömmigkeit lässt sich zurückführen auf den Anführer der Bündnisflotte, Don Juan d’Austria, der als Standartenspruch „Sancta Maria succurre miseris“ führte und zudem ein Gelöbnis vor der Gottesmutter abgelegt hatte, diese im Falle eines Sieges am Wallfahrtsort Loreto zu verehren.²⁰⁷ Die Tatsache, dass die römische Rosenkranzbruderschaft am Tag des Sieges Bittgänge abhielt, verstärkte den Eindruck einer direkten Einflussnahme der Gottesmutter auf den Verlauf der Schlacht. Nach Eintreffen der Nachricht vom Sieg am Golf von Lepanto hielt Papst Pius V. ein feierliches Hochamt ab.²⁰⁸ Fortan wurde Maria auf Schlachtgemälden²⁰⁹ und Gedenkmünzen als tapfere Kämpferin verewigt und erhielt von Pius V. den Titel auxiliatrix christianorum, der ab 1576 in die Lauretanische Litanei aufgenommen wurde.²¹⁰ Ab 1573 wurde das Rosenkranzfest zum Dank für den Sieg von Lepanto auf den 7. Oktober gelegt.²¹¹ In jeder Kirche, die über eine Rosenkranzkapelle verfügte, sollte das Fest abgehalten werden – an manche Kirchen wurde diese extra angebaut.²¹² Auch die katholischen Prediger zeigten sich von dem errungenen Sieg der „Heiligen Liga“ nicht unbeeindruckt. Die Türkenpredigten Johannes Nasʼ und Augustin Nesers sind als unmittelbare Reaktionen auf Lepanto zu verstehen und geben Zeugnis von der neuen Siegesgewissheit im Kampf gegen den „Erbfeind“.²¹³ Allerdings lässt sich die beschriebene Fokussierung auf Maria als göttliche Hel-

 Zur Kommunikation des Seesieges instruktiv: Schilling, Lepanto; Isolde Döbele, Die Künstler und die Seeschlacht von Lepanto () im . und . Jahrhundert, in: Gereon Sievernich / Hendrik Budde (Hgg.), Europa und der Orient  – . Lesebuch zur Ausstellung Europa und der Orient:  –  (Berlin ),  – , hier:  –  (für Venedig),  f. und Hölzle, Marienverehrung, bes.  – .  S. hierzu Schreiner, Abwehrkämpfe,  und Schilling, Lepanto, . Zu Loreto als Wallfahrtsort vgl. Anne Conrad, Nähe und Distanz – katholische Frauen im Spannungsfeld der frühneuzeitlichen Mariologie, in: Claudia Opitz / Hedwig Röckelein u. a. (Hgg.), Maria in der Welt. Marienverehrung im Kontext der Sozialgeschichte .–. Jahrhundert, Clio Lucernensis  (Zürich ),  – , hier:  f.  So Mechthild Müller, Art. Lepanto, in: Remigius Bäumer / Leo Scheffczyk (Hgg.), Marienlexikon, Bd.  (St. Ottilien ),  f.  Beispiele hierzu bei Müller, Lepanto, .  So Schreiner, Abwehrkämpfe,  und Hölzle, Marienverehrung,  f.  S. hierzu ausführlicher Döbele, Künstler,  f.  Vgl. hierzu Müller, Lepanto und Bruno Kleinheyer, Maria in der Liturgie, in: Wolfgang Beinert / Heinrich Petri (Hgg.), Handbuch der Marienkunde (Regensburg ),  – , hier: .  Die Predigten dieser beiden katholischen Theologen erwähnt auch Hölzle, Marienverehrung,  – .

5.4 Deutungen der Türken

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ferin von Lepanto anhand ihrer Predigten nicht verifizieren. Obgleich Johannes Nas ebenfalls die alliierten Galeeren-Banner mit Maria und dem Gekreuzigten schilderte²¹⁴, schrieb er den Sieg im Mittelmeer allein Gott zu, der die Feinde selbst gestürzt habe.²¹⁵ Mit ihren Predigten reagierten die beiden Geistlichen aber auch auf pessimistische und polemische Töne aus dem lutherischen Lager. Demnach hätten die „neuen Prädikanten“ den Sieg von Lepanto dem Teufel und nicht Gott zugeschrieben, womit sie de facto erneut die Papstkirche desavouierten: Die weil nun ye gewiß / das Gott disen grossen Sig geben hat / das er sich das gebet / seiner einigen Kirchen / erwecken lassen hat / des frummen alten Däytil / Bäpst: Hail: begirden erfüllt hat […] So thut es mir im hertzen weh / das die welt so teuffelhäfftig ist und solches werck / an statt des dancks / lästern darffe / als mir dann etlicher Euangelosen Predicanten Iudicium unn urthail zukommen / die sagen dürffen / es hab der teuffel aber ein wunderzaichen gethon / einer den andern geschlagen etc.²¹⁶

Die Freude über den Sieg in Lepanto währte nicht allzu lang. Die Predigten, die gut 20 Jahre später zur Zeit des sog. Langen Türkenkrieges erschienen, spiegeln nicht selten eine gewisse ernüchterte Routine im Umgang mit der permanenten Türkengefahr wider. Während insbesondere die österreichischen Türkenprediger Johann Caspar Neubeck und Georg Scherer den Siegeswillen zu stärken beabsichtigten und die errungenen Teilerfolge publikumswirksam mittels ihrer Predigten in Szene setzten, waren andere Prediger, wie z. B. der Mainzer Domprediger Valentin Leucht, deutlich skeptischer. Anders als die beiden Wiener Prediger konstatierte er

 Nas, Ein schöne Tröstliche Kriegs- und Sigspredig, Dr-Dv.  „So ist doch augenscheinlich die hand Gottes da gewest / der jhnen den sig geben / und die feind gestürtzt hat / die sich auch so grewlilch gewert / also das Ochial der Künig von Algier / sich durch die Christen hinauß gehawt / unn mit ein . Schiffen / nach dem er etlich Malteser gefangen / und fanen gewunnen / darvon geflohen / letstlich nur mit . Schiffen darvon kommen.“ (Nas, Ein schöne Tröstliche Kriegs- und Sigspredig, Er).  Nas, Ein schöne Tröstliche Kriegs- und Sigspredig, Ar-Av. Vgl. hierzu auch Nesers Schilderung dieses Vorwurfs: „Dann einer neulich gepredigt hat / da er solte das volck zu dancksagung / von wegen der herrlichen vor unerhörten victori und sieg / so Gott de almechtig […] Dem heiligen drifachen Bund Bäpstlicher heiligkeit / der kron Hispanien / und den tewren Venedigern verlihen / ermanen / da hat er schlecht unn oben an / wie die Grindige einander lausen / zu der dancksagung ermanet / gar bald Invehiert / Inn die recht wehr Catholischer kirchen / unnd derselben vorstehender / mit nit Euangelischen worten / nämlich: So alle blätter an den Bäumen zungen weren / so könden sie Bäpstlich Tyraney unn grewel / sonderlich der Meß / nit erzelen. Es hab auch ja / wider des Türcken / zu Meer Niderlag / der Bapst gezaubert / etc. Im namen Beelzebub die Teuffel außgetrieben. Das wölle Gott erbarmen / das die werck Gottes son / dem Teuffel durch die newen (so sich Euangelisch nennen) zugeschriben sollen werden.“ (Neser, Ein newe Catholische Predig, Cv-Cr).

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5 Die katholischen Türkenpredigten des 16. Jahrhunderts

den „trawrigen Zustandt der Christenheit“²¹⁷. In einer langen Liste zählte der Autor die durch die Türken eingenommenen Städte und Festungen auf. Die einzige Möglichkeit, von den Feinden verschont zu werden, sei die Buße, die bei Leucht weniger als „geistliche Waffe“, sondern vielmehr als letzte Chance verstanden wurde: Also solten wir billich von allen den obgenanten Königreichen / Nationen / Stätten und Flecken / so der Türck anhero eingenommen ein Exempel schöpfen / unser Leben zu bessern / unsere Sünden zubüssen / uns zur Andacht / zum Gebett / zum Gottesdienst / zum Fasten unnd Wachen ernstlich zuschicken / damit GOTTES Zorn unnd wolverdiente Straffe abgewendet […] / unnd wir nicht gleicher weise von demselben Bluthundt ubereylet / unnd jhme zum Raub gemacht würden.²¹⁸

Während die Türkengefahr im Luthertum in hohem Maße apokalyptisch gefärbt wurde und so einerseits zwar bedrohlich wirkte, andererseits aber auch zeitlich begrenzt, fehlte in der katholischen Tradition ein derartiges Deutungsmuster. Die Türken waren zwar Gottes Strafe für begangene Sünden bzw. die Uneinigkeit in der Christenheit, der Krieg gegen sie war alles in allem jedoch ein weltlicher und kein endzeitlicher. Ob der Kampf gegen das Osmanische Reich am Ende gewonnen oder verloren gehen würde, war ungewiss, auch wenn die meisten Prediger sich des Schutzes der Kirche durch Gott sicher waren. Sieg oder Niederlage lagen nach Interpretation der katholischen Theologen bei Gott und bei den Menschen, die durch Bußübungen und ritterliches Kämpfen die göttliche Rettung bewirken konnten. Es wäre nicht überraschend gewesen, wenn die katholischen Prediger des 16. Jahrhunderts zur Wiederbelebung des Kreuzzugsgedankens aufgerufen hätten, um ihre Gemeinden für den Krieg zu mobilisieren und die Türkengefahr teleologisch auszurichten. Und obwohl die Kriege des Vatikans mit dem Osmanischen Reich, wie z. B. die Seeschlacht der „Heiligen Liga“ in Lepanto, von vornherein zu Heiligen Kriegen erklärt worden waren, fand diese Rhetorik in den entsprechenden Predigten auf deutschsprachigem Boden so gut wie kein Echo. Besonders in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts war der Krieg mit den Türken längst säkularisiert worden, und der „Vorstellung, der Papst habe eine Führungsrolle im Kampf gegen die Türken zu spielen, kam selbst bei römisch-katholischen Autoren kaum mehr eine Bedeutung zu.“²¹⁹ So setzten also auch die katholischen Prediger auf die Buße als wirksame Strategie im Türkenkampf und stimmten mit dem Urteil

 Leucht, Wider den Erbfeindt, Av.  Leucht, Wider den Erbfeindt, Ar-Av.  Kaufmann, Türckenbüchlein, .

5.5 Zusammenfassung

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des Wiener Bischofs Johann Caspar Neubeck überein: „Nun weiß aber und sihet jederman / das di eusserliche waffen nichts schaffen den Teuffel zuvertreiben / auch nichts thun Gott zu versönen / sonder dienen allein wider die Menschen.Wir müssen weit andere Kriegßrüstung und waffen haben wider den Teuffel unnd Gottes zorn. Fragstu was solche waffen seyen? Die Buß ist es / Die müssen wir ergreiffen.“²²⁰

5.5 Zusammenfassung Einen Krieg mit der geistlichen Waffe der Predigt führten auch katholische Geistliche. Anlässlich der auf den Reichstagen verordneten Prozessionen, Bittfahrten und Messen verfassten sie ebenso wie die protestantischen Prediger Gebete und Predigten. Der Befund, dass katholische Prediger seltener ihre Kanzelreden in den Druck gaben, darf nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass katholischerseits mindestens ebenso eifrig und regelmäßig über den „Erbfeind“ gepredigt wurde. Im Gegensatz zu den protestantischen Territorien mussten die katholischen Bistümer jedoch keine neue liturgische Form der Türkenabwehr ‚erfinden‘, denn sie konnten auf die bereits zu Zeiten Calixt III. etablierten liturgischen Formen der Prozessionen, Gebete und Predigten als Ausdruck des geistlichen Kampfes gegen das osmanische Heer zurückgreifen. Vornehmlich ‚prominente‘ Prediger wie Johann Eck, Johann Fabri oder Georg Scherer gaben ihre einst mündlich vorgetragenen Kanzelreden in den Druck. Die meist als Sammlungen vorliegenden Türkenpredigten zielten stärker als im Protestantismus auf die Rezeption durch Prediger und Pfarrer, die ebenfalls zur regelmäßigen Predigt wider den „Erbfeind“ angehalten waren. Offensichtlich bestanden diesbezüglich im niederen Klerus Unsicherheiten, sodass vermutlich nicht selten aus Mangel an katholischen Alternativen zu evangelischen Türkenpredigten gegriffen wurde. Die Rezeption der Predigten durch Laien scheint bei den meisten Predigern weniger im Blick zu sein, was auch der Tatsache geschuldet war, dass die Form der privaten Türkenandacht im Katholizismus nicht verbreitet war. Die katholische Türkenpredigt zeigte sich nicht unbeeindruckt von den Bestimmungen, die auf dem Konzil von Trient in Bezug auf die neue Betonung der Predigt getroffen wurden. Fortan legten die Autoren ihren Predigten verstärkt biblische Predigttexte zugrunde, die vornehmlich dem Alten Testament entsprangen. Ebenso wie die evangelischen Autoren von Türkenpredigten sahen sie

 Wild, Bußpredigten, LVv.

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5 Die katholischen Türkenpredigten des 16. Jahrhunderts

in der Geschichte Gottes mit dem Volk Israel große Parallelen zur Deutung der eigenen Gegenwart. Auch die katholischen Geistlichen sahen in den Türken die im Alten Testament geweissagte Gottesgeißel (Jos 23,13 und Jes 10,5.26), die zur Buße mahnen sollte. Waren einst dem Volk Israel fremde Völker zur Zuchtrute geworden, so seien es nun die Türken, welche die christlichen Gemeinden im Auftrag Gottes bedrohten. Anders als bei den evangelischen Türkenpredigten akzentuierten die katholischen Autoren die Türkengefahr allerdings nicht apokalyptisch. Der Krieg mit den Türken war zwar eine Gottesstrafe, er musste jedoch in der Welt ausgefochten werden. Die Waffen in dieser Schlacht sollten sowohl weltlich als auch geistlich sein. So befürworteten sämtliche katholische Türkenprediger – ebenso wie die protestantischen Theologen – ein militärisches Vorgehen gegen das Osmanische Reich. Wesentlich stärker appellierten sie jedoch an die Vaterlandsliebe bzw. das Nationalgefühl des Einzelnen. Der Appell an die „Deutsche Nation“ sollte Einigkeit über territoriale und teilweise auch konfessionelle Grenzen hinweg stiften. Bei protestantischen Türkenpredigern verlangte hingegen der Gehorsam gegenüber der weltlichen Obrigkeit den Kriegsdienst. Obgleich sich Gehorsam und Vaterlandsliebe nicht ausschlossen, akzentuierten beide Konfessionen die Befürwortung des Krieges jeweils unterschiedlich.Während katholischerseits Einigkeit über den Topos der Nation hergestellt wurde, appellierten Protestanten verstärkt an die Bekenntnistreue ihrer Gemeinden. Die Rhetorik der Türkenpredigten konnte aufgrund der unterschiedlichen Kriegsverläufe stark variieren. Eine erfolgreiche Schlacht wie die der „Heiligen Liga“ in Lepanto konnte durchaus auch die Bußprediger deutlich optimistischer stimmen. Doch die breite Masse der Prediger propagierte die Angst vor der Überwältigung der christianitas durch die Türken und beschrieb die Grausamkeit, der die christlichen Gefangenen im Osmanischen Reich ausgesetzt waren, mittels erschreckender Bilder. Trotz aller Angst riefen die Türkenprediger nicht zum bellum sacrum auf. Überhaupt dachte besonders gegen Ende des Jahrhunderts keiner der Prediger an eine vollständige Vernichtung der Türken und ihrer Religion, sei es durch Missionierung oder Kreuzzug. Der Krieg gegen das Osmanische Reich war stets ein innerweltlicher geblieben und allein die Zurückdrängung aus den eigenen europäischen Regionen kam einem Mammutunternehmen gleich. Einen deutlichen Unterschied zu den evangelischen Türkenpredigten stellt der Verzicht auf eine ausführliche Deutung des Islam bei den katholischen Sermonen dar. Abgesehen von Georg Scherers Fünffzehen Predigen wider Machomet und sein Alcoran boten die Prediger keine Darstellungen der muslimischen Lehren und keine nähere Beschäftigung mit dem Koran. Die Gründe hierfür sind meiner Meinung nach in der katholischen Deutung der Türkengefahr generell zu finden: Da diese nicht apokalyptisch gedeutet wurde, musste auch nicht das verführeri-

5.5 Zusammenfassung

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sche Wesen eines danielischen kleinen Horns nachgewiesen werden, wie es die protestantischen Prediger taten. Außerdem stand die Vermittlung von Wissen über die Inhalte des eigenen Bekenntnisses – anders als bei den evangelischen Schriften – nicht im Zentrum des Interesses. Somit war auch kein wie auch immer geartetes ‚Antibekenntnis‘ zur Illustration vonnöten. Die Deutung der Türkengefahr erfolgte somit weniger facettenreich als dies im Protestantismus der Fall war: Sie diente den katholischen Geistlichen zur Mobilisierung ihrer Gemeinden in Bezug auf deren sittliche Besserung und ihres Kampfgeistes für die eigene Nation.

6 Schluss Fraget euch jemand daheime / was man heute geprediget / so sprechet / das Euangelium von Zeichen vor dem Jüngsten Tage […] Darinnen sonderlich wol zu mercken / das der Türcke zuvorn werde geschlagen / und ihme Constantinopel wieder genommen werden […]. Derhalben es nicht anders / als der Jüngste Tag müsse nun kommen / welcher / weil er prechtig und Mayestetisch geschehehn wird / sol ein jeder zusehen / das er sich mit beten und wacker sein darauff gefasst mache / und sich für allen Sünden hüte. Der liebe Gott helffe / das wir unser Leben danach richten und anstellen / Amen / Herr Jesu Christe / Amen / A M E N.¹

Den Krieg mit „dem Türken“ führten die Autoren der Türkenpredigten mit dem Wort. Sie fochten ihn mit den Waffen des Gebets, des Liedes und mit der Predigt. Am Ende einer Arbeit, die sich mit den Türkenpredigten vornehmlich lutherischer, aber auch katholischer Autoren beschäftigte, sollen die Ergebnisse noch einmal gebündelt vor dem Hintergrund der anfangs formulierten Leitfragen dargestellt werden. Spätestens seit dem Erlass Calixts III. im Jahr 1456 läuteten in sämtlichen europäischen Ländern zur Mittagszeit die Glocken zur Abwehr des „Erbfeindes“. Die Reichstage, die sich zu Beginn des 16. Jahrhunderts erneut mit einem Krieg gegen die Osmanen konfrontiert sahen, besannen sich auf diese Form des „geistlichen Kampfes“ und verfügten das Läuten der Glocken, das Durchführen von Prozessionen sowie das Abhalten von Predigten und Gottesdiensten im gesamten Alten Reich. Vermittelt durch die territorialen Obrigkeiten und die kirchenleitenden Instanzen folgten evangelische und katholische Pastoren den Erlassen massenhaft. Während sich in den altgläubigen Gemeinden die Form der Türkenprozession großer Beliebtheit erfreute, etablierten sich insbesondere im Luthertum bis zum Ende des Jahrhunderts die öffentlichen und privaten Türkenandachten. Das lutherische Ideal des Hausvaters, der Familie und Gesinde im Wort Gottes unterwies, schlug sich somit auch auf den Bereich der Türkenabwehr nieder. Sowohl bei den katholischen Prozessionen als auch bei den evangelischen Andachten gehörte die Predigt konstitutiv dazu. Der quantitative Befund, der eine deutliche Überlegenheit evangelischer Predigten zeigte, darf nicht über die Tatsache hinweg täuschen, dass vermutlich mit ähnlicher Intensität auch in den katholischen Kirchen gegen die Türken gepredigt wurde. Allerdings suchten diese Prediger weit seltener die Druckereien des Reichs auf, um ihre Kanzelreden zu veröffentlichen. Ohne Zweifel beabsichtigten die weltlichen Autoritäten eine Einflussnahme der Prediger auf die Bevölkerung, der die Notwendigkeit eines  Z. Rivander, Heerpredigt, XXXIIIIf.

6 Schluss

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Krieges sowie die damit verbundenen finanziellen und persönlichen Einbußen deutlich gemacht werden sollten. Es vermag kaum zu überraschen, dass die Prediger den obrigkeitlichen Anordnungen massenhaft nachkamen. So spiegeln die Türkenpredigten nicht zuletzt den engen Konnex zwischen Reichspolitik und Kirche im 16. Jahrhundert wider. Anhand der Aufrufe der Reichstage zum Kampf mit „geistlichen Waffen“ zeigt sich die enge Verschränkung des öffentlichen und privaten Bereichs. Denn das tägliche Läuten und damit verbundene Gebet, ob auf dem Feld oder zuhause, sorgte dafür, dass auch im kleinsten Dorf fernab der Kriegsfronten der Konflikt mit dem Osmanischen Reich präsent war. Die Autoritäten des Reichs nutzten die Expertise und die Macht der institutionell verfassten Kirchen, um stärkeren Einfluss auch auf das private Leben ausüben zu können. Durch Zuschreibungsprozesse wurden die Pfarrer zu Multiplikatoren der politischen Anliegen einerseits und des Wissens über die Türken andererseits, denn sie besaßen das Vertrauen und die Autorität dazu. Die Autoren der behandelten Türkenpredigten waren allesamt studierte Theologen. Während im Luthertum die Zahl der Prediger überwog, unter denen zum großen Teil etliche weitestgehend unbekannt waren, dominierten unter den katholischen Autoren die ‚prominenten‘ Vertreter der Kirche. Gemeinsam ist den Predigern der Anspruch, Wissen über die Türken bzw. den Umgang mit der türkischen Gefahr weiterzugeben. Die Intensität der Aneignung von speziellen Wissensbeständen unterschied sich zwischen den Konfessionen, aber auch zwischen den einzelnen Autoren erheblich. Aufgrund der speziellen Nachfragesituation wurden die Türkenprediger als Türkenexperten wahrgenommen. Die Obrigkeiten und die Gemeinden schrieben ihnen diese Rolle zu. Die Theologen nahmen diese Aufgabe wahr, denn sie waren der festen Überzeugung, dass sie sowohl das Wissen als auch die Autorität besaßen, die Erfolge des türkischen Heeres zu deuten: Allein in der Heiligen Schrift ließen sich die Antworten dafür finden. Genauso wie an mehreren aufeinander folgenden Sonntagen der Pastor einer Stadt seine Expertise über die Türken seiner Gemeinde vorstellen konnte, waren es zu anderen Zeiten Predigten über Unwetter, kosmische Erscheinungen, Todesfälle etc., die ihn zum Experten für die Deutung der Welt werden ließen. Beim Vergleich der konfessionell unterschiedlichen Türkenpredigten ließen sich zunächst Gemeinsamkeiten feststellen. Diese fanden sich besonders im bußtheologischen Gestus der Predigten. Sowohl evangelische als auch katholische Türkenprediger betonten in ihren Predigten mit allem Nachdruck die Notwendigkeit der Umkehr vom sündhaften Leben. Zahlreiche und teilweise ausführliche Lasterkataloge prägen die Schriften. So übernahmen nahezu alle

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6 Schluss

Prediger die bekannte Formel der Türken als einer „Zuchtrute Gottes“², mit welcher dieser die gesamte Christenheit züchtigte. Nach dem Vorbild alttestamentlicher Propheten riefen die Prediger deshalb ihre Gemeinden zur Umkehr und Besserung ihres Lebens auf. Dieser gemeinsame Aspekt evangelischer und katholischer Türkenpredigten stellt zugleich einen Unterschied zu den übrigen Textsorten der Auseinandersetzung mit den Türken dar. Die Form der Predigt beschwor geradezu diesen rhetorischen Gestus herauf und ließ ihn zum konfessionsübergreifenden Gattungsmerkmal werden. Besonders in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts ähnelten sich die Predigten beider Konfessionen im Aufbau sehr stark. Im Anschluss an das Trienter Konzil legten nun auch katholische Autoren ihren Predigten biblische Texte zugrunde, welche sie mehr oder weniger intensiv in ihren Predigten auslegten, und auch die Methodik der Predigten ähnelte sich stark. Schließlich war die Nutzung der Predigt als Plattform für kontroverstheologische Auseinandersetzungen bzw. für polemische Diffamierungen des konfessionellen Gegners bei sämtlichen Türkenpredigten zu beobachten. Allerdings gingen hierbei die lutherischen Prediger häufig weiter als ihr katholisches Gegenüber und beabsichtigten nicht selten eine Gleichsetzung der Türken und der Altgläubigen bzw. der Lehren beider. Die theologische Deutung der Türken und des Islam prägte jedoch auch spezielle konfessionelle Muster aus, die sich anhand der Gattung der Türkenpredigten besonders gut nachvollziehen lassen. Unterschiede beider Konfessionen ließen sich zunächst hauptsächlich in der heilsgeschichtlichen Verortung „des Türken“ feststellen. So spiegeln die Predigten lutherischer Autoren insbesondere das nah erwaretete Ende der Welt wider. Diese im gesamten lutherischen Schrifttum anzutreffende apokalyptische Deutung der eigenen Gegenwart schlug sich mit aller Wucht gerade auch auf die lutherischen Türkenpredigten nieder. Schließlich hatte man in Wittenberg „den Türken“ spätestens seit 1529 auch biblisch fixiert und ihn im danielischen „kleinen Horn“ als letzten Vorboten der Apokalypse ausgemacht. Diese Deutung konnte nicht ohne Konsequenzen für den Umgang mit den Türken bleiben. Einen Krieg gegen diesen letzten Feind hielten zwar dennoch alle lutherischen Prediger für notwendig, allerdings nur im Sinne des Gehorsams gegenüber der weltlichen Obrigkeit. Den letzten Krieg werde jedoch der Menschensohn selbst kämpfen und siegreich daraus hervor gehen. Katholischerseits fehlen die Stimmen, die ihre Leser auf das herbeigekommene Ende einschworen. Trotzdem oder gerade deshalb wurden die altgläubigen

 Im Übrigen kann auch die Verwendung des „Erbfeind“-Stigmas für die Türken konfessionsübergreifend konstatiert werden, was auf eine gesamtgesellschaftliche Nutzung des Begriffs schließen lässt.

6 Schluss

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Theologen nicht müde, ebenfalls für einen Krieg gegen die Osmanen zu werben. Die Motivation hierfür stellten sie jedoch stärker als ihre protestantischen Gegner über den Gemeinsamkeit stiftenden Faktor der Vaterlandsliebe her. Besonders für die zweite Hälfte des Jahrhunderts ist deutlich geworden, dass die Aussichten für den Erfolg eines Kreuzzuges im Sinne einer Missionierung der Muslime als gescheitert angesehen wurden. Vielmehr appellierten die Prediger nun an das Nationalgefühl, das die Zustimmung für einen Verteidigungskrieg evozieren sollte. Den Sieg würde schließlich die Einigkeit der Christenheit bringen. Schließlich hatte – so die Analyse der katholischen Autoren – die Zerrissenheit, die sie besonders den Anhängern der Reformation anlasteten, den Feinden aus dem Osmanischen Reich allererst Tür und Tor geöffnet. Die Prägekraft, die Martin Luther auf die lutherischen Türkenpredigten insbesondere der 1590er Jahre ausübte, ist unvergleichbar. Nicht einer der katholischen Theologen des 16. Jahrhunderts leistete annähernd ein ähnliches Identifikationspotential wie es der Wittenberger bei seinen Enkeln vermochte. Befeuert durch den neu auflodernden Krieg mit dem Osmanischen Reich (1593 – 1606) und einer besonders im Luthertum aufgewärmten apokalyptischen Endzeitstimmung, die durch den nahen Jahrhundertwechsel ausgelöst wurde, besannen sich die Autoren in bisher ungekanntem Maße auf die Schriften des Reformators. In diesem Sinne gaben sie erneut Luthers Türkenschriften heraus oder fügten sie an eigene Türkenpredigten und -gebete an. Grundlegend Neues findet sich in der Frage der Deutung der Türken und des Islam demgemäß kaum. Vielmehr wirkten die Äußerungen und Schriften Luthers identitätsstiftend auf diese Konfessionskultur ein und zeitigten aufgrund der Sprachgewalt des Reformators immer noch nahezu uneingeschränkte Beliebtheit. Ein weiteres Merkmal lutherischer Türkenpredigten stellte die Funktionalisierung der vermittelten Wissensbestände über die Türken und ihre Religion dar. Hierin liegt womöglich auch der Grund, warum protestantische Theologen in wesentlich größerem Ausmaß auf eine Kommunikation spezifischen Sonderwissens bauten als dies im Katholizismus der Fall war. Lutherischerseits diente „der Türke“ sozusagen als didaktisches Negativbeispiel.Was Muslime glaubten, wurde mancherorts in beeindruckender Kenntnis wiedergegeben, nicht jedoch ohne am Ende die Abscheulichkeit dieses oder jenes Glaubensinhaltes oder Brauches des Islam herauszustellen. Von dieser Negativfolie hoben die Autoren das eigene lutherische Bekenntnis ab, dessen Festigung und Etablierung ihnen am Herzen lag. Mit dem Ende des „Langen Türkenkrieges“ im Jahr 1606 verstummten für etwa ein halbes Jahrhundert auch die Türkenpredigten. Andere Themen waren nun virulenter geworden und schon bald forderte der Dreißigjährige Krieg die Pastoren in ihrer Funktion als Seelsorger mehr denn je. Dennoch blieben die Formen des Gebets und der Predigt gegen „den Türken“ erhalten, ja, sie waren bereits Be-

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6 Schluss

standteil der Liturgien in anderen europäischen Ländern geworden.³ Den Krieg mit dem Wort führten die Theologen nicht nur gegen die Türken. Sie nutzten diese Waffe der Predigt immer dann, wenn sie in ihrer Profession als Ausleger der Heiligen Schrift angefragt wurden. Schließlich war diese Waffe ihr Monopol.

 Hiermit erschließt sich gleichsam das neue Forschungsgebiet der liturgischen Türkenabwehr in anderen europäischen Ländern. Hinweise finden sich für Dänemark bei: Janus Møller Jensen, Denmark and the Crusades,  – , The Northern World  (Leiden / Boston ),  – ;  –  sowie für England: Matthew Dimmock, New Turks. Dramatizing Islam and the Ottomans in Early Modern England (Aldershot / Hampshire ),  f.;  – .

Anhang 1: Biogramme der Türkenprediger Sämtliche Angaben fußen auf den gängigen biographischen Nachschlagewerken ADB, NDB, DBE, AGL sowie BBKL. Sollten diese keine oder unzureichende Beiträge zu dem entsprechenden Türkenprediger enthalten, verweisen die Fußnoten auf weiterführende Literatur.

1 Evangelische Türkenprediger Jakob Andreä (1528 – 1590) Der spätere Professor und Kanzler der Tübinger Universität, Jakob Andreä, wurde im Jahr 1528 in Waiblingen als Sohn des Schmieds Jakob Andreä und seiner Frau Anna (geb.Weißkopf) geboren. Nach seiner Schulzeit in Waiblingen und Stuttgart immatrikulierte er sich 1541 mit einem herzoglichen Stipendium an der Universität Tübingen, wo er 1545 zum magister artium promoviert wurde. Ein Jahr später schloss er sein Theologiestudium ab. Anschließend wurde Andreä Diakon in Stuttgart, 1553 wurde ihm die Pfarrei und Superintendentur Göppingen und im gleichen Jahr die Generalsuperintendentenstelle übertragen. Im selben Jahr wurde er zum Dr. theol. promoviert. In dieser Zeit wirkte Andreä auf die Abfassung etlicher Kirchenordnungen ein und führte Visitationen durch. 1562 wurde er schließlich zum Kanzler und Professor der Tübinger Universität und zugleich zum Propst der Stiftskirche ernannt. Diese Ämter hatte der Theologe bis zu seinem Tod im Jahr 1590 inne. Andreä war vielfach als Vertreter der württembergischen Kirche in Disputationen, Universitäts- und Kirchenreformen einbezogen und prägte diese mit seiner auf den Autoritäten Brenz und Luther aufbauenden Theologie. Seine Türkenpredigten hielt Andreä im Jahr 1568 in der Tübinger Stiftskirche. Sie sind Ausdruck einer stärkeren Beschäftigung der Tübinger Theologen (so auch z. B. Lukas Osiander d.Ä.) mit dem Islam, die in Folge des in Tübingen weilenden exilierten slowenischen Reformators Primož Trubar (1508 – 1586) begonnen hatte. Dieser hatte auf einer seiner heimlichen Reisen in die alte Heimat gefangene türkische Soldaten nach dem Inhalt ihres Glaubens befragt und war offensichtlich auf große Bekenntnissicherheit gestoßen, welche die Tübinger zu beeindrucken schien.¹

 S. hierzu o. Abschn. . (Exkurs) und Boettcher, Orientalism.

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Anhang 1: Biogramme der Türkenprediger

Johann Assum (1552 – 1619) Johann Assum wurde 1552 in Nürtingen am Neckar geboren. Nach seinem Studium, das er 1571 in Tübingen begonnen hatte, wirkte er als Klosterpräzeptor in Adelberg und ab 1576 als Diakon in Stuttgart. Zwei Jahre später nahm er eine Pfarrstelle in Groß-Bottwar an, bevor er schließlich auf Empfehlung Jakob Andreäs ab 1581 bis zu seinem Tod im Jahr 1619 als Hofprediger und Superintendent in Weikersheim (Grafschaft Hohenlohe) tätig war. Assum hielt die letzte seiner sieben Türkenpredigten im Jahre 1591 kurz vor dem Aufbruch Graf Wolfgangs zum Feldzug nach Frankreich, die weiteren sechs Predigten hielt er im Jahr 1595 in der Weikersheimer Pfarrkirche. Die Predigten sind im Kontext der Einführung des Läutens der Türkenglocke und des täglichen Gebets in der Grafschaft zu sehen.²

Johannes Brenz (1499 – 1570) Geboren wurde Brenz 1499 in Weil der Stadt in der Nähe von Stuttgart. Ab 1514 studierte er in Heidelberg, wo er 1518 vermutlich den Grad des magister artium erwarb. Brenz sympathisierte mit den reformatorischen Anliegen des Wittenberger Professors Martin Luther und eignete sich dessen theologische Standpunkte an, obwohl er nie an der kursächsischen Universität studiert hatte. Seit 1522 war Brenz Prediger an St. Michael in Schwäbisch-Hall und wurde dort bald in die Organisation der Reformation eingebunden. Ende der 1520er Jahre fungierte er als Berater bei der Durchführung der Reformation süddeutscher Territorien, war 1535 auch an der reformatorischen Umgestaltung des Herzogtums Württemberg beteiligt und 1537/38 in die Reform der Universität Tübingen eingebunden. 1548 musste Brenz Schwäbisch-Hall in Folge des Interims verlassen. Seit 1553 wirkte er als Propst in der Stuttgarter Stiftskirche, sodass der Prediger spätestens jetzt aufgrund seines Postens zum wichtigsten Reformator des Herzogtums wurde. 1570 starb er in Stuttgart. Auf Brenz gehen mehrere Kirchenordnungen und ein oberdeutscher Katechismus zurück.Weiterhin sind von ihm etliche Kommentare sowie Predigten überliefert. Seine Homiliae viginti duae haben als erste gedruckte evangelische Türkenpredigtsammlung zu gelten und sein Türkenbüchlein wurde als Anweisungsliteratur zur Predigt wider „den Türken“ häufig rezipiert.³

 S. hierzu o. Abschn. .. und EKO XV,  – .  Zu Brenz s. ausführlich o. Abschn. .. sowie ...

1 Evangelische Türkenprediger

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Heinrich von Efferhen (1530 – 1590) Von Efferhen war ein schwäbischer Theologe, der aus einer adligen Familie stammte. Nach seinem Studium in Paris und Tübingen war er ab 1550 als erster Archidiakon in Schorndorf tätig. Später war er Reformator und Prediger der Klöster Lorch und Herbrechtingen. Nach erlangter Doktorwürde war von Efferhen ab 1557 Spezialsuperintendent und Stadtpfarrer in Bietigheim. Ab 1570 wirkte er als Superintendent in Mömpelgard und von 1578 – 1590 als Stadtpfarrer in Winnenden, wo er starb. Von Efferhens Türkenpredigten erschienen 1571 in der Druckerei Theodosius Rihels in Straßburg – auf eine lateinische Ausgabe folgte seine deutsche Version der XIII Christenlichen Predigten. ⁴

Rupert Erythropel (1556 – 1626) Rupert Erythropel (Rothut) wuchs als Sohn des Tuchmachers Heinrich Rothut in Schmallenberg (Sauerland) auf. Nachdem Erythropel Schulen in Soest, Wetter, Marburg, Gronau und Hildesheim besucht hatte, gelangte er schließlich nach Braunschweig, wo er auf Martin Chemnitz traf, der ihn als Famulus anstellte. Nach einem Treffen mit dem Leipziger Theologieprofessor Nikolaus Selnecker begleitete er diesen in die Pleißestadt und begann hier – mit finanzieller Unterstützung von Leipziger Kaufleuten – sein Studium. Nach vier Jahren in Leipzig immatrikulierte er sich im Jahr 1585 an der Universität Wittenberg, wo er im selben Jahr zum magister artium promoviert wurde. Im selben Jahr wurde er auf Empfehlung Martin Chemnitzʼ Conrektor in Braunschweig und schon ein Jahr später wurde er Prediger an der Kreuzkirche in Hannover. Hier hatte er auch seine Türkenpredigten gehalten, die 1594 bei Johann Spieß in Frankfurt am Main gedruckt wurden. Im Jahr 1596 übernahm Erythropel das Pfarramt der Marktkirche, das er bis zu seinem Tod im Jahr 1626 innehatte.⁵  Ausführlich zu den Predigten von Efferhens o. Abschn. .. sowie ...  Vgl. zu Erythropels Biographie die hauptsächlich aus seiner Leichenpredigt zusammengetragenen Hinweise bei: Sabine Wehking, Die Inschriften der Stadt Hannover, Die Deutschen Inschriften , Göttinger Reihe . Band (Wiesbaden ),  f. sowie Fritz Roth, Restlose Auswertungen von Leichenpredigten und Personalschriften für genealogische und kulturhistorische Zwecke, Bd. , Behandelte Personen mit den Nummern R -R  (Boppard / Rhein ),  f. und Heinrich Wilhelm Rotermund, Das gelehrte Hannover oder Lexikon von Schriftstellern und Schriftstellerinnen, gelehrten Geschäftsmännern und Künstlern die seit der Reformation in und außerhalb den sämtlichen zum jetzigen Königreich Hannover gehörigen Provinzen gelebt haben und noch leben, aus den glaubwürdigsten Schriftstellern zusammen getragen, Bd.  (Bremen ),  f.

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Anhang 1: Biogramme der Türkenprediger

Melchior Fabricius (1551 – 1626) Melchior Fabricius (Faber) wurde 1551 in Wiesenthal geboren und immatrikulierte sich 1565 an der Universität Leipzig. Drei Jahre später wechselte er nach Wittenberg und schloss dort sein Studium mit der Magisterprüfung ab. Die nächste Spur von Fabricius findet sich 1577 im österreichischen Völkermarkt, wo er drei Jahre lang als Pfarrer tätig war. Danach wechselte er 1579 auf eine Pfarrstelle in Wien, bevor er ab 1577 das Diakonat bis zum Jahr 1612 in Nördlingen versah. Hier galt er als strenger Verfechter der Hexenverfolgungen. Auch seine Türcken Predigt hatte er hier, vermutlich 1592, gehalten.⁶

Johann Christoph Flurer (*/† unbekannt) Johann Christoph Flurer stammte gebürtig aus Oettingen und studierte ab 1581 in Heidelberg. Später immatrikulierte er sich in Wittenberg, wo er 1590 Lizentiat der Theologie wurde. Im Jahr 1591 wurde Flurer nach dem Weggang Gregor Schönfelds Superintendent in Delitzsch. Des „Kryptocalvinismus“ bezichtigt musste Flurer jedoch schon ein Jahr später seinen Posten räumen, auf den ihm Nikolaus Selnecker im Dezember 1592 folgte. Vermutlich gelangte Flurer im Jahr 1595 nach Neckarsteinach, wo er nach eigenen Angaben zumindest im Jahr 1597 als Pfarrer tätig war und wo er auch seine Türkenpredigten hielt. Im Jahr 1600 wurde Flurer von Markgraf Ernst Friedrich nach Durlach berufen, dort zum Superintendenten und Hofprediger eingesetzt und sollte bei dem Versuch, das Land dem reformierten Bekenntnis zuzuführen, tätig werden. Als weitere Stationen Flurers kamen von 1604 bis 1616 eine Pfarr- und Inspektorenstelle in Simmern sowie im Jahr 1616 das Pfarramt in Sobernheim hinzu. Zuletzt ist Flurer im Jahr 1626 in Hundsbach bei Kusel belegt, wo er vermutlich auch starb.⁷

 S. zu Fabricius: Rolf Häfele, Die Studenten der Städte Nördlingen, Kitzingen, Mindelheim und Wunsiedel bis . Studium, Berufe und soziale Herkunft, Teil , Trierer historische Studien / (Trier ),  und Helene Burger / Hermann Erhard / Hans Wiedemann, Pfarrerbuch BayerischSchwaben (ehemalige Territorien Grafschaft Oettingen, Reichsstädte Augsburg, Donauwörth, Kaufbeuren, Kempten, Lindau, Memmingen, Nördlingen und Pfarreien der Reichsritterschaft in Schwaben) (Neustadt /Aisch ),  (Nr. ).  Zur Biographie Flurers insbes. zu seinen Stationen in Baden: Heinrich Neu, Pfarrerbuch der evangelischen Kirche Badens von der Reformation bis zur Gegenwart, Bd. , Das alphabetische Verzeichnis der Geistlichen mit biographischen Angaben, VVKGB / (Lahr / Baden ), . Zu den Auseinandersetzungen in Delitzsch vgl. Johann Gottlieb Lehmann, Chronik der Stadt Delitzsch von den ältesten Zeiten bis zum Anfange des . Jahrhunderts. Aus dem Nachlasse des G. Lehmann hg. von Hermann Schulze (Delitzsch ),  – .

1 Evangelische Türkenprediger

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Johann Gigas (1514 – 1581) Johann Gigas (Heune) wurde im Jahr 1514 in Nordhausen geboren. Johann Spangenberg, Pastor in Nordhausen, unterrichtete den jungen Gigas, wurde auf ihn aufmerksam und förderte ihn. Gigas studierte in Wittenberg und Leipzig und schloss seine Studien mit dem Magister ab. Im Jahr 1541 wurde er Rektor des Gymnasiums in Joachimsthal (Böhmen), ein Jahr später in der sächsischen Bergstadt Marienberg und 1543 an der fürstlichen Landesschule in Pforta (Saale). Drei Jahre später wurde er Prediger im niederschlesischen Freystadt (heute: Kożuchów, Polen), wo er 27 Jahre lang wirkte. In diese Zeit fällt auch die Herausgabe seines Büchleins Vom Türcken und Sterben, beide Predigten hatte er ebenfalls in seiner Freystädter Gemeinde gehalten. Im Jahr 1570 begann Gigas in Schweidnitz (heute: Świdnica, Polen) als Prediger seinen Dienst, wo er im Jahr 1581 verstarb. Neben Predigten veröffentlichte Gigas außerdem Lieder und Gedichte.⁸

Salomon Gesner (1559 – 1605) Salomo Gesner wurde 1559 als Sohn eines lutherischen Subdiakons in Bunzlau geboren. Nach dem frühen Tod seiner Eltern besuchte er die Schulen in Troppau, Bunzlau und Breslau. Eine zunächst begonnene Goldschmiedelehre brach Gesner ab und ging von Schlesien aus auf Wanderschaft. 1576 gelangte er nach Straßburg, wo er fünf Jahre lang am Wilhelmskolleg tätig war. Im Jahr 1581 erwarb er das Baccalaureat, 1583 wurde er zum Magister der Philosophie an der Universität Straßburg promoviert. Von Straßburg aus kehrte er nach Bunzlau zurück, wo er zunächst als Hauslehrer, später als Rektor tätig war. 1589 trat er sodann das Rektorat des Gymnasiums in Stettin an. In Pommern setzte er sich vehement für die Durchsetzung der Konkordienformel ein, was ihm den Ruf eines erbitterten Kämpfers gegen den „Calvinismus“ einbrachte, der sich bis Wittenberg herumsprach. Nach einem Umweg über eine Professur am Stralsunder Gymnasium wurde Gesner 1593 auf eine Professur nach Wittenberg berufen. Im selben Jahr noch wurde er dort zum Doktor der Theologie promoviert. Seit 1595 versah er zudem die Ämter des Superintendenten und Hofpredigers an der Schlosskirche in Wittenberg, wo er im Jahr 1596 seine Türkenpredigten hielt. Im zeitlichen Kontext der Predigten hielt Gesner drei Disputationen De Turca (1595/1596) über Ez 38 f. Im

 S. zu Gigasʼ Biographie und Predigten: Wilhelm Beste, Die bedeutendsten nachreformatorischen Kanzelredner der lutherschen Kirche des XVI. Jahrhunderts, in Biographien und einer Auswahl ihrer Predigten (Leipzig ),  – .

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Anhang 1: Biogramme der Türkenprediger

Jahr 1605 starb er beim Predigen in Wittenberg in Folge eines Blutsturzes. Gesner publizierte eine Reihe von Kommentaren zum Alten Testament und Predigten.

Esaias Heidenreich (1532 – 1589) Esaias Heidenreich d.Ä. wurde 1532 als Sohn des Zittauer Pfarrers Laurenz Heidenreich im niederschlesischen Löwenberg (heute: Lwówek Śląski, Polen) geboren. Nach seiner Schulzeit in Greifenberg (heute: Gryfów Śląski, Polen) und Zittau immatrikulierte er sich 1548 in Frankfurt/Oder. Nach Beendigung seines Studiums mit dem Magistergrad im Jahr 1551 fand Heidenreich eine Anstellung als Diakon in Görlitz. Nach seiner Promotion zum Doktor der Theologie in Frankfurt/ Oder und seiner Ordination im Jahr 1555 in Wittenberg wirkte er ab 1556 als Pastor im schlesischen Schweidnitz (heute: Świdnica, Polen). In der hiesigen Klosterkirche hielt er im Sommer 1566 seine Türkenpredigten, die ein Jahr später als XII Turcken Predigten uber den 79. Psalm die Druckerpresse Hans Rambaus d.Ä. in Leipzig verließen und 1582 bei Georg Deffner ebenfalls in Leipzig neu aufgelegt wurden. Im Jahr 1568 zog er nach Breslau, wo er als Pfarrer und Professor des Gymnasiums, als Inspektor der Kirchen und Schulen sowie Assessor des Konsistoriums wirkte. Im Jahr 1589 starb er in Breslau. Heidenreich hinterließ vornehmlich Predigtsammlungen über die alttestamentlichen Propheten und den Psalter sowie Leichenpredigten. Der Türkenthematik widmet sich außerdem ein Kinder Gebetlein, das Heidenreich für die Breslauer Kirche 1587 verfasste.⁹

Matthias Hoë von Hoënegg (1580 – 1645) Hoë von Hoënegg wurde 1580 in Wien als Sohn einer lutherischen Adelsfamilie geboren. Im Jahr 1597 immatrikulierte er sich in Wittenberg, wo er Philosophie, Jura und Theologie studierte. Zu seinen theologischen Lehrern zählten Hunnius, Runge und Hütter. 1601 wurde er Lizentiat der Wittenberger Universität, ein Jahr später erhielt er – wohl auf Empfehlung Polycarp Leysers – die dritte Hofpredigerstelle in Dresden. Im Jahr 1604 wurde er zum Dr. theol. promoviert, im selben Jahr wurde er Superintendent im vogtländischen Plauen. Hier hielt er 1606 seine Sechs Türken Predigten. Das Amt des Superintendenten bekleidete Hoë von Ho Nähere Informationen s. auch bei: Siegismund Justus Ehrhardt, Presbyterologie des Evangelischen Schlesiens, Bd. , Welcher die Protestantische Kirchen- und Prediger-Geschichte der Hauptstadt und des Fürstenthums Breslau wie auch des Ramslauer Kreißes in sich fasset (Liegnitz ),  – .

1 Evangelische Türkenprediger

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ënegg bis zu seinem Wechsel an die lutherische deutsche Gemeinde in Prag 1611. Zwei Jahre später wurde er auf die erste Hofpredigerstelle in Dresden berufen, die er bis zu seinem Tod 1645 innehatte. Zeit seines theologischen Schaffens war Hoë von Hoënegg in kontroverstheologische Auseinandersetzungen verwickelt und galt als polemischer Streiter der lutherischen Lehre v. a. in Lehrstreitigkeiten mit den Calvinisten.¹⁰

Bartholomäus Horn (*/† unbekannt) Über Bartholomäus Horns Biographie ist nur wenig bekannt. In der Vorrede zu seinen Türkenpredigten findet sich die Information, Horn sei in „Schwartzburgk […] zur Welt geboren und erzogen“¹¹. Nachweise über seine theologische Ausbildung sind nicht überliefert. Bevor Horn Hofprediger in Altbruchhausen (Fürstentum Hoya, heute Bruchhausen-Vilsen) wurde, war er als Hofprediger in Nienburg tätig. Die längste Zeit seines Lebens verbrachte er jedoch in den Diensten Gräfin Katharinas von Oldenburg (1538 – 1620), der Witwe des Grafen Albrecht von Hoya (1526 – 1563). In den Jahren 1563 – 1620 residierte sie im Bruchhausener Schloss, welches ihr – zusammen mit dem Kloster Heiligenberg – von ihrem Mann als Leibgedinge überschrieben worden war. In der Leichenpredigt, die Bartholomäus Horn im Jahr 1620 auf die Gräfin hielt, findet sich der Vermerk, dieser sei „41. jahr […] hofprediger zu Alten Bruchhausen [gewesen]“¹². Somit wirkte Horn ab spätestens 1579 in Altbruchhausen als Hofprediger. Neben Horns fünf Türkenpredigten, die er 1594 in Altbruchhausen hielt, sind außerdem zwei seiner Leichenpredigten, eine Sammlung von neun Pestpredigten und ein Trostbuch als Drucke überliefert.¹³

 S. zu Hoë von Hoënegg o. Abschn. ...  Horn, Trost Spiegel, )(v.  Horn, Leichenpredigt, Ar.  Hinweise auf die Tätigkeit Horns in Bruchhausen finden sich bei: Philipp Meyer, Die Pastoren der Landeskirchen Hannovers und Schaumburg-Lippes seit der Reformation, Bd. , Abbensen bis Junker-Wehningen (Göttingen ),  (hier fälschlicherweise als „Hocnus“ wiedergegeben) und Heinrich Gade, Historisch-geographisch-statistische Beschreibung der Grafschaften Hoya und Diepholz mit den Ansichten der sämtlichen Kirchen und Kapellen beider Grafschaften (Hannover ),  – , hier: .

262

Anhang 1: Biogramme der Türkenprediger

Abraham Lange (1565 – 1615) Als Sohn des Bürgers und Messerschmieds Paul Lange wurde Abraham Lange 1565 in Dresden geboren. Nach dem frühen Tod seiner Eltern wuchs er in Altenburg zunächst bei seinem Onkel und nach dessen Tod bei einem Freund der Familie auf. Lange besuchte die Schule in Altenburg und erhielt Privatunterricht. Im Jahr 1583 immatrikulierte er sich an der Universität Jena und beendete sein Artes-Studium 1586 mit dem Magistergrad. Im Jahr 1588 fand er eine Anstellung als Diakon in Altenburg, ein Jahr später wurde er in Weimar ordiniert. 1593 berief ihn Herzog Johann von Sachsen zum Hofprediger in Altenburg, wo er 1595 auch seine sieben Türkenpredigten hielt. Lange bekleidete sein Amt in Altenburg 20 Jahre und wurde 1613 Pfarrer der Stadtkirche und Generalsuperintendent in Weimar. Drei Jahre vor seinem Tod (1612) erlangte Lange noch die theologische Doktorwürde, die Kosten hierfür hatten größtenteils die Fürstin und ihre Söhne getragen. Lange starb im Alter von 50 Jahren 1615 in Weimar. Sein Werk umfasst hauptsächlich gedruckte Leichenpredigten sowie Predigtsammlungen.¹⁴

Johannes Lauch (1560 – 1599) Als Sohn eines Mundkochs wurde Johannes Lauch 1560 in Neuburg geboren. Er besuchte die Schulen in Neuburg und Lauingen und war Alumnus Palatinus. Zum Wintersemester 1579 immatrikulierte sich Lauch an der Universität Tübingen, wo er 1580 zum Baccalaureus und ein Jahr später zum Magister promoviert wurde. Seine erste Anstellung fand Lauch als Pfarrer in Sinning, wo er von 1583 bis 1593 tätig war. Danach zog er nach Velburg, wo er von 1593 bis 1597 zunächst Pfarrer und sodann für ein Jahr auch Superintendent war. In seine Velburger Zeit fallen mithin seine Ein und Dreißig Türcken Predigten, die er 1595 und 1596 ebenda hielt. Sie erschienen 1598 und erneut 1599 bei Sebastian Müller von Augsburg in Lauingen. Im Jahr 1598 wechselte Lauch auf die Pfarrstelle nach Dinkelsbühl, wo er ein Jahr später an der Pest starb.¹⁵

 Die ausführlichsten biographischen Angaben zu Lange finden sich bei Fritz Roth, Restlose Auswertungen von Leichenpredigten und Personalschriften für genealogische und kulturhistorische Zwecke, Bd. , Behandelte Personen mit den Nummern R -R  (Boppard / Rhein ),  f. (R ).  Nach: Maximilian Weigel / Joseph Wopper / Hans Ammon, Neuburgisches Pfarrerbuch (Kallmünz ),  f. (Nr. ). S. ausführlich zu Lauchs Türkenpredigten o. Abschn. ...

1 Evangelische Türkenprediger

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Polycarp Leyser (1552 – 1610) Polycarp Leyser wurde 1552 als Sohn des Pfarrers und Superintendenten Caspar Leyser in Winnenden geboren. Nach dessen Tod im Jahr 1554 heiratete seine Mutter den späteren württembergischen Hofprediger Lukas Osiander. Leyser besuchte die Klosterschule von Blaubeuren und das Pädagogicum in Stuttgart, bevor er im Jahr 1566 sein Studium an der Universität Tübingen begann, wo Jakob Andreä, Jakob Heerbrand und Theodor Schnepf seine Lehrer waren.Vier Jahre später wurde er dort zum Magister promoviert. Nach seiner Ordination im Jahr 1573 wurde Leyser Pfarrer im niederösterreichischen Gellersdorf, wo er bis zu seiner Promotion zum Doktor der Theologie im Jahr 1576 wirkte. Im selben Jahr wurde er vom sächsischen Kurfürsten nach Wittenberg berufen, wo er als Generalsuperintendent, Theologieprofessor und Assessor des Konsistoriums tätig war. Nach dem Tod Kurfürst Augusts 1586 und dem mit dem Regierungsantritt seines Sohnes Christian I. verbundenen religionspolitischen Wandel in Kursachsen wechselte Leyser im Jahr 1587 nach Braunschweig, wo er zunächst als Koadjutor des Stadtsuperintendenten und ab 1589 als Superintendent tätig war. Die Türkenpredigt Leysers, die auf den 1. Dezember 1592 datiert ist, fällt in eine Art Übergangszeit, in der Leyser sein Amt in Braunschweig zwar noch innehatte, er aber schon wieder – aufgrund der erneuten religionspolitischen Veränderungen in Kursachsen – in kursächsischen Diensten in Wittenberg stand. Auf Betreiben von Kurfürstin Sophie wurde Leyser 1594 das Dresdner Hofpredigeramt übertragen, das er bis zu seinem Tod 1610 bekleidete.¹⁶

Nikolaus Möring († 1611) Nikolaus Möring wurde in Stendal geboren und immatrikulierte sich 1583 an der Universität in Frankfurt/Oder. Das Studium schloss er mit dem Magistergrad ab. Von 1597 bis 1607 hatte Möring die zweite Pfarrstelle in Seehausen (Altmark) inne. Hier hielt er auch seine sechs Türkenpredigten, die 1597 die Presse des Magdeburger Druckers Johann Frank verließen. Siegfried Sack¹⁷, der erste lutherische Domprediger in Magdeburg,versah das Büchlein mit einer empfehlenden Vorrede.

 Vgl. zu Leysers Biographie: Sommer, Hofprediger,  –  und Christian Peters, Polycarp Leyser d.Ä. in Wittenberg, in: Irene Dingel / Günther Wartenberg (Hgg.), Die Theologische Fakultät Wittenberg  bis . Beiträge zur . Wiederkehr des Gründungsjahres der Leucorea, Leucorea-Studien zur Geschichte der Reformation und der Lutherischen Orthodoxie  (Leipzig ),  –   Zu Sack: Beste, Kanzelredner,  f.

264

Anhang 1: Biogramme der Türkenprediger

Im Jahr 1607 wurde Möring zweiter Domprediger in Stendal und starb ebenda im Jahr 1611.¹⁸

Friedrich Mütel (*/† unbekannt) Die einzigen spärlichen Informationen über Friedrich Mütel lassen sich aus seiner Krieg Predigt ermitteln, seinem einzigen gedruckten Werk: Nach den Angaben auf dem Titelblatt stammte er aus dem fränkischen Wertheim und hatte den Magistergrad erworben. Seine Predigt hielt er 1594 im böhmischen Deckau (heute: Děkov, Tschechien), wo er auch Pfarrer war. Noch im selben Jahr verließ sie die Druckpresse Georg Hoffmanns im sächsischen Freiberg.

Georg Mylius (1548 – 1607) Georg Mylius wurde 1548 in Augsburg als Sohn eines Zimmermanns geboren. Mylius erhielt Privatunterricht von einem Großonkel und begann sein Studium in Tübingen. Später immatrikulierte er sich in Marburg und Straßburg, wo er sein Studium abschloss. Seine erste Anstellung fand der junge Mylius 1572 in Augsburg als Diakon und predigte dort auffallend polemisch gegen Jesuiten, die zahlreich in der Stadt vertreten waren. 1579 wurde der Augsburger Prediger sodann in Tübingen zum Doktor der Theologie promoviert, woraufhin er in Augsburg die Pfarrstelle an St. Annen erhielt und kurze Zeit später die Superintendentur übertragen bekam. Infolge des Kalenderstreits, der den Superintendenten sogar kurzzeitig in Haft brachte, flüchtete er nach Ulm. Dort heiratete Mylius erneut, denn seine erste Frau Barbara war noch in Augsburg an den Folgen einer Frühgeburt gestorben. Nachdem sich Mylius ein Jahr lang in Ulm aufgehalten hatte, erging an ihn der Ruf auf eine Professur nach Wittenberg, die er im Juni 1585 annahm. Aufgrund der konfessionellen Verschiebungen, die sich in Wittenberg im Anschluss an den Tod Kurfürst Augusts ergeben hatten, wechselte Mylius im Jahr 1589 an die Universität Jena. Hier hielt er schließlich auch seine Zehen Predigten vom Türcken (1595). Nach dem Tod Kurfürst Christians I. wirkte er an der Restauration der Wittenberger Universität durch die Berufung einiger konkordientreuer Theologen wie Polycarp Leyser (s.o.) und Ägidius Hunnius mit. Nach

 Die Angaben zu Möring beziehen sich auf: Uwe Czubatynski, Evangelisches Pfarrerbuch für die Altmark. Biographische Daten und Quellennachweise als Hilfsmittel zur kirchlichen Ortsgeschichte der Mark Brandenburg und der Provinz Sachsen (Rühstädt, . Aufl., ), .

1 Evangelische Türkenprediger

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dessen Tod im Jahr 1603 kehrte Mylius noch einmal nach Wittenberg zurück, wo er im Mai 1607 schließlich verstarb.¹⁹

Georg Nigrinus (1530 – 1602) Das Leben des späteren Echzeller Superintendenten Georg Nigrinus war zu zunächst von großer Armut und Wanderschaft geprägt. Seine Schulbildung erhielt der aus Wetter stammende Nigrinus hauptsächlich in Frankenberg und Kassel. Die Idee, Mönch zu werden, ließ er schnell wieder fallen und besuchte stattdessen weiter die Schule – nun in Schweinfurt. Infolge des Interims wurde Nigrinus von hier allerdings im Jahr 1549 vertrieben und gelangte nach Joachimsthal, wo er u. a. auf Johannes Matthesius traf und auch Melanchthon kennen lernte. Nach Jahren der Wanderschaft empfahl ihn Melanchthon sodann nach Marburg an den dortigen Superintendenten. Hier begann er schließlich im Jahr 1555 mit dem Studium, das er parallel zu seiner Anstellung als Pfarrer im Umkreis von Marburg absolvierte. Bereits ein Jahr später wurde Nigrinus in Homberg a. d. Ohm zum Pfarrer gewählt, acht Jahre später wurde ihm die Stadtpfarreri in Gießen übertragen. Beeindruckt von der Theologie des Ägidius Hunnius unterschrieb auch Nigrinus die Konkordienformel und wurde überzeugter Lutheraner. Von 1580 bis 1601 amtierte er schließlich als Superintendent von Alsfeld und Nidda mit Sitz in Echzell. Im Jahr 1608 starb er schließlich ebenda. Bekannt wurde Nigrinus zunächst mit Übersetzungswerken und Predigtdrucken, in seinen späteren Jahren verschrieb er sich jedoch mehr und mehr der Kontroversistik. Seine Ernste[n] Bußpredigten erschienen im Jahr 1592 in Frankfurt /Main.

Zacharias Praetorius (1535 – 1575) Der Dichter und Prediger Zacharias Praetorius wurde 1535 als Sohn des Ratsherrn Sebastian Breither in Mansfeld geboren. Nach seiner Schulzeit ebendort studierte er ab 1553 in Wittenberg. Im Jahr 1557 wurde Praetorius zum Magister mit Auszeichnung promoviert. Unterstützung erhielt er in Wittenberg besonders von

 Zur Biographie und den konfessionellen Auseinandersetzungen um das Leben des Kontroverstheologen vgl.: Kenneth Appold, Der Fall Georg Mylius. Biographie als Mittel konfessioneller Identitätsbildung, in: Irene Dingel / Günther Wartenberg (Hgg.), Die Theologische Fakultät Wittenberg  bis . Beiträge zur . Wiederkehr des Gründungsjahres der Leucorea, LeucoreaStudien zur Geschichte der Reformation und der Lutherischen Orthodoxie  (Leipzig ),  – .

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Anhang 1: Biogramme der Türkenprediger

Philipp Melanchthon, der ihn 1556 an der Leucorea zum Poetus Laureatus ernennen ließ. Im Jahr 1559 wurde Praetorius in Eisleben an der St. Andreas Kirche zum Prediger und Diakon ernannt, vermutlich erfolgte im selben Jahr seine Ordination. Ab 1564 war der Mansfelder im österreichischen Orth als Prediger tätig. Hier hielt er auch seine Türkenpredigten, deren Herausgabe allerdings 1566 in Regensburg erfolgte,wo er im Anschluss auch als Prediger wirkte. Im Sommer 1569 kehrte Praetorius wieder in die Grafschaft Mansfeld zurück und schrieb sich im Wintersemester 1570/71 an der Universität Jena ein, wo er vermutlich als Dozent tätig war. Nach seiner Rückkehr nach Mansfeld starb Praetorius am 22. Dezember 1575 in Eisleben.²⁰

Jonas Rivander (1563 – 1594) Jonas Rivander (Bachmann), der jüngere Bruder Zacharias Rivanders, der ebenfalls als Autor einer Türkenpredigt in Erscheinung trat (s.u.), wurde 1563 im sächsischen Leisnig oder in der Bergstadt Lößnitz geboren. Er studierte in Wittenberg und schloss das Studium mit dem Magistergrad ab. Seine erste Pfarrstelle trat Rivander 1588 im böhmischen Jung-Bunzel (heute Mladá Boleslav, Tschechien) an.Vermutlich war er hier auch als Hofprediger der Adelsfamilie Lobkowicz tätig. Vier Jahre später übernahm er das Pfarramt im schlesischen Greiffenberg (heute: Gryfów Slaski, Polen), wo er auch seine Heerpredigt / Wieder den abgesagten Erb und Ertzfeind Christliches Namens den Türcken im Jahr 1594 hielt. Kurz darauf, am Martinstag 1594, starb der Greiffenberger Pastor. Neben seiner Heerpredigt gab er außerdem eine Taufpredigt (1593) sowie eine Himmelfahrts-Predigt (1594) in den Druck.²¹

Zacharias Rivander (1553 – 1594) Der ältere Bruder Jonas Rivanders, Zacharias Rivander (Bachmann), wurde 1553 geboren. Auch bei ihm unterscheiden sich die Angaben des Geburtstorts, der entweder mit Leisnig oder mit Lößnig – beide in Sachsen – wiedergegeben wird. Rivander studierte in Leipzig und Wittenberg bevor er im Jahr 1575 seine erste

 Vgl. ausführlich zur Biographie Praetoriusʼ: Berndorff, Prediger,  – .  Informationen zur Biographie Jonas Rivanders bei: Siegismund Justus Ehrhardt, Presbyterologie des Evangelischen Schlesiens, Bd. /, Die Protestantische Kirchen- und Prediger-Geschichte der Stadt und des Fürstenthums Jauer (Liegnitz ),  f. und Johannes Gotthelf Luge, Chronik der Stadt Greiffenberg in Schlesien (Greiffenberg ),  f.

1 Evangelische Türkenprediger

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Anstellung als Diakon in Borna fand. Zwei Jahre später trat er eine Pfarrstelle in Oberschlema an, 1578 wirkte er als Diakon in Großsalza (bei Magdeburg). Ab 1581 versah Rivander eine Pfarrstelle in Luckenwalde, bevor ihm im Jahr 1586 die Superintendentur in Forst übertragen wurde. Im Jahr 1592 trat er schließlich das Amt des Superintendenten in Bischofswerda an. Hier hielt er am zweiten Advent 1593 auch seine Heerpredigt. Im November 1594 starb Rivander ebenda. Ob der Superintendent jedoch tatsächlich zusammen mit seiner Frau und einem seiner Kinder einem Auftragsmord zum Opfer fiel, dürfte äußerst fraglich sein. Nach Jöchers Darstellung (AGL) habe Rivanders „calvinistischer“ Gegner, der Sorauer Superintendent Peter Streuber, den Hauslehrer der Familie gegen Geldzahlung dazu beauftragt, Rivander samt seiner Familie durch einen vergifteten Karpfen umzubringen.

Heinrich Roth († 1575) Über Heinrich Roths Lebensdaten ist nur Weniges bekannt. Als gesichert kann gelten, dass er bis zum Jahr 1567 als Prediger in Sangerhausen in der Grafschaft Mansfeld tätig war, von wo er jedoch vertrieben wurde. Anschließend war er als Pfarrer an St. Annen in Eisleben tätig und wurde nach dem Tod von Andreas Theobaldus 1569 auf die Stelle des Archidiakons an die St. Andreas Kirche in Eisleben berufen, wo er im Jahr 1575 starb. Neben Roths Türkenpredigten Aus dem 79. Psalm (1594) erlangten seine mehrmals aufgelegten Sangerhäuser Pestpredigten einige Beliebtheit, welche – ebenso wie die Türkenpredigten Roths – der Querfurter Archidiakon Petrus Lagus in den 1590er Jahren posthum herausgab. Aufgrund der Datierung der Predigten auf das Jahr 1565 durch Lagus hielt Roth seine Predigten vermutlich noch während seiner Zeit in Sangerhausen. Der Titelzusatz „durch M. Heinrich Roth, zu S.Andres in Eißleben Pfarherrn“ lässt zwar Eisleben als Predigtort vermuten, er bildet jedoch lediglich den letzten und bekanntesten Karriereschritt Roths ab.²²

Johannes Rupertus († 1605) Der spätere lauenburgische Generalsuperintendent Johannes Rupertus stammte aus dem Herzogtum Württemberg, sein Geburtsjahr ist unbekannt. Nach seiner Schulzeit im Kloster Maulbronn studierte er in Tübingen. Hier wurde er auch zum

 S. die wenigen Information zu Roth bei: Berndorff, Prediger,  f.

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Anhang 1: Biogramme der Türkenprediger

Magister promoviert und 1569 ordiniert. Das Herzogtum entsandte ihn nach Wolfenbüttel, wo er als Hofprediger und Generalsuperintendent tätig war. Anschließend ging er nach Thüringen und hatte hier das Amt des Superintendenten inne. Schließlich gelangte er im Jahr 1592 zurück nach Niedersachsen, wo er am 14. Oktober zum Pastor und Generalsuperintendenten von Lauenburg eingesetzt wurde und bis zu seinem Tod 1605 in diesen Ämtern tätig war. Seine Türkenpredigten hielt Rupertus am 10. und 14. Februar 1594 im Niedersächsischen Haus in Lauenburg „[a]ls der […] Herr Frantz Hertzog zu Sachsen von Röm. Kay. Mayt, zum General Obersten […] und ferner […] Hertzog Augustus Zellischen teils / zum Obersten und Hertzog Carol Jochim von Wolffenbüttel / zum Fenrich bestelt […] wider den Türcken in Ungern zu kriegen / aussgezogen.“²³

Jakob Schopper (1545 – 1616) Der lutherische Theologe Jakob Schopper wurde im Jahr 1545 im schwäbischen Biberach geboren. Nach dem Besuch des Gymnasiums in Memmingen und seinem Studium in Tübingen (1559 – 1563), das er mit dem Magisterexamen an der ArtesFakultät abschloss, trat er seine erste Stelle als Prediger in Biberach an (1566 – 1571). In den Jahren 1571 bis 1579 war Schopper als Lehrer am Gymnasium und Pfarrer in Hornbach tätig. Zwei Jahre später (1581) wurde ihm die Dogmatik-Professur an der Theologischen Fakultät in Heidelberg übertragen, an die auch das Pfarramt an der Heiliggeist-Kirche gebunden war. Ein Jahr später wurde Schopper ebenda zunächst zum Lizenziaten und sodann zum Doktor der Theologie promoviert. Von 1582 bis 1584 war er neben seinen Tätigkeiten als Professor und Pfarrer außerdem zweiter Hofprediger des Markgrafen Georg Friedrich. Nach seiner Entlassung, die der Kuradministrator Johann Casimir aufgrund konfessioneller Differenzen aussprach, ging Schopper nach Heideck, wo er bis 1588 als Superintendent tätig war. Von 1588 bis 1593 hatte der lutherische Theologe das Dekanat in Lehrberg (bei Ansbach) inne, danach wirkte er vier Jahre als Pfarrer und Superintendent im oberpfälzischen Amberg. Schoppers Türkenpredigten über Ez 38 f., die 1596 bei Zacharias Bärwald in Leipzig die Druckerpresse verließen, stammen aus seiner Amberger Zeit, vermutlich hielt er sie auch ebenda. Auch in Amberg wurde Schopper aufgrund konfessioneller Differenzen entlassen

 Rupertus, Zwo Predigten, Ar. Zu den spärlichen Angaben über Rupertusʼ Biographie vgl. die Hinweise bei Johann Friedrich Burmester, Beiträge zur Kirchengeschichte des Herzogthums Lauenburg (Ratzeburg ),  f. und die bei Wichmann von Meding, Aufgehobener Glaube. Kirchengeschichte des Herzogtums Niedersachsen im heutigen Bundesland Schleswig Holstein (Herzogtum Lauenburg) (Frankfurt/Main ),  – .

2 Katholische Türkenprediger

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und so gelangte er 1598 als Adjunkt an die Theologische Fakultät in Altdorf, wo er 1599 den Ruf auf eine Professur annahm, die er bis zu seinem Tod 1616 innehatte.²⁴

Johannes Paul Sutorius († 1599) Der Astronom und Kalendermacher Johannes Paul Sutorius (Schuster) studierte ab 1578 Theologie in Altdorf, ab 1580 in Wittenberg. Nach Pfarrstellen in Rasch, Puschendorf (bei Fürth) und Sulzbürg wurde er 1595 Diakon an der Egidienkirche in Nürnberg. Ab 1597 hielt er die Mittagspredigt in der Jakobskirche, ab 1598 dort auch die Frühpredigt. Im Jahr 1599 starben er, seine Frau und zwei seiner Töchter an der Pest. Seine Acht Christliche […] Predigten hielt er 1594 auf der oberen Sülzburg als „der freyen Herrschafft Wolffstein Ecclesiasten und Mathematicum“. Ein Jahr später ließ er sie in Nürnberg bei Alexander Philipp Dietrich drucken.²⁵

2 Katholische Türkenprediger Michael Anisius († 1601) Biographische Angaben über den späteren Passauer Domprediger Michael Anisius schienen in der Vergangenheit nur aus seinen späten Schriften der 1590er Jahre erhoben werden zu können. Neuere Forschungen zum Leben und Werk des Franziskaners brachten jedoch interessante Ergebnisse auch aus dessen Frühzeit zutage: Demnach stammte der spätere fränkische Ordensmann aus Zerbst, wo er vermutlich auch seine Schulausbildung erhielt. Michael Anisius Servestanus immatrikulierte sich im Jahr 1568 an der Wittenberger Universität und es lässt sich annehmen, dass er zu dieser Zeit noch Anhänger des evangelischen Bekenntnisses war, was auch eine 1570 erschienene Brautliedersammlung nahe legt, die Anisius zusammen mit zwei anderen protestantischen Theologen Hieronymus Mörlin und dessen Frau widmete und mit Hochzeitswünschen versah. In den 1570er Jahren, so scheint es, konvertierte Anisius zum Katholizismus. Sein Weg führte über Salzburg, wo er als katholischer Priester nachgewiesen wurde, nach Braunau am Inn, wo er sich von 1579 bis 1582 als katholischer Pfarrer für die Rekatholisierung des Ortes einsetzte. Anisius trat vermutlich 1584 in den Franziskanerorden in Mün Die ausführlichsten Informationen zu Schopper bei: Dagmar Drüll, Heidelberger Gelehrtenlexikon  –  (Berlin u. a. ),  f.  Matthias Simon, Nürnbergisches Pfarrerbuch. Die evangelisch-lutherische Geistlichkeit der Reichsstadt Nürnberg und ihres Gebietes  – , EKGB  (Nürnberg ),  f.

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Anhang 1: Biogramme der Türkenprediger

chen ein, wo er bis 1586 blieb. Seit 1590 schließlich wirkte Anisius in Bamberg als Prediger und später als Kaplan an „Unser Lieben Frau“. Im Jahr 1597 bzw. 1598 wechselte er sodann in den Passauer Konvent, wo er zum Domprediger berufen wurde. Seine Türkenpredigten – die Klagpredig und die Siben Catholische[n] Predigen – hielt er allesamt in den Jahren 1594 und 1595 in Bamberg, letztere Predigtsammlung veröffentlichte er schon als Domprediger in Passau. ²⁶

Johannes Eck (1486 – 1543) Als Sohn des Dorfamtmanns Michael Maier wurde Johannes Eck 1486 in Egg an der Günz geboren. Nach Privatunterricht bei seinem Onkel Martin Maier, Pfarrer in Rottenburg am Neckar, immatrikulierte sich Eck bereits in seinem zwölften Lebensjahr an der Universität Heidelberg (1498). Ab 1499 studierte Eck an der Universität Tübingen und erwarb zwei Jahre später den Magistergrad. Ab 1501 studierte er Theologie in Köln, ab 1502 in Freiburg im Breisgau. Im Jahr 1508 wurde Eck in Straßburg zum Priester geweiht, 1510 erhielt er die theologische Doktorwürde. Im selben Jahr erhielt er den Ruf auf die Theologieprofessur in Ingolstadt, wo er bis zu seinem Tod im Jahr 1543 tätig blieb. Mit seiner Professur verband sich sogleich die Funktion des Domherrn in Eichstätt, ab 1512 amtierte Eck als Prokanzler der Universität. Der Ingolstädter Theologieprofessor wurde besonders durch seine Gegnerschaft zu Martin Luthers Theologie bekannt. Sie erreichte ihren Höhepunkt in der Leipziger Disputation 1519 und Ecks anschließendem Eintreten für die Ausstellung der päpstlichen Bannandrohungsbulle im Jahr 1520 durch Leo X. In den folgenden Jahren trat Eck als entschiedener Vertreter der römischen Theologie und als energischer Disputator hervor. Auch hinsichtlich der Türkengefahr trat Johannes Eck publizistisch in Erscheinung. Seine Türkenpredigten gehören in den Kontext der Durchführung von Prozessionen und Andachten, wie sie reichsweit verfügt und in Ingolstadt ab 1526 stattgefunden haben. Im Jahr 1532 veröffentlichte er seine Predigten unter dem Titel Sperandam esse in brevi victoriam adversus Turcam, Iohan, Eckij Homiliae V. ex Byblia desumptae […] bei

 Zu Anisius besonders instruktiv und ausführlich: Fred G. Rausch, Konfessionelle Streit- und Lehrschriften aus dem frühneuzeitlichen Bamberg. Leben und Werk des Franziskaners Michael Anisius († ), in: Heidrun Alzheimer (Hg.), Bilder – Sachen – Mentalitäten: Arbeitsfelder historischer Kulturwissenschaften. Wolfgang Brückner zum . Geburtstag (Regensburg ), ‐. Rausch nimmt weiterhin Bezug auf Theo van Oorschot, Art. Anisius, Michael, in: Hans-Gert Roloff / Jörg Jungmayer (Hgg.), Die deutsche Literatur, Reihe II, Die deutsche Literatur zwischen  und , biographisches und bibliographisches Lexikon, Bd. A, . Lieferung  (), Abt. A. Autorenlexikon, Bd. ,  – . Zu Anisiusʼ Türkenpredigten vgl. o. Abschn. ...

2 Katholische Türkenprediger

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Alexander Weissenhorn in Augsburg.²⁷ Der Ausgabe sollten sieben weitere Auflagen im 16. Jahrhundert folgen. Ecks Türkenpredigten stellen – zusammen mit Johann Fabris Sermones consolatorii und Kretzʼ Ein sermon von dem Turckenzug – die ersten gedruckten römisch-katholischen Sammlungen dieser Art dar.

Johann Fabri (1478 – 1541) Johann Fabri wurde 1478 als Sohn des Schmieds Peter Heigerlin in Leutkirch (Allgäu) geboren. Er begann sein Studium 1506 in Tübingen und immatrikulierte sich 1509 in Freiburg im Breisgau, wohl aus Konstanz kommend²⁸. Im Jahr 1511 wurde er zum Doktor beider Rechte promoviert. Auf eine erste Stelle in Lindau folgte 1514 das Pfarramt in Leutkirch. Anschließend wurde er zum Kanonikus und Offizial in Basel ernannt. Im Jahr 1518 folgte sodann die Ernennung zum Generalvikar des Bistums Konstanz, 1523 wurde Fabri Ratgeber Ferdinands I. und später dessen Beichtvater. Im Jahr 1524 erfolgte sodann Fabris Ernennung zum Koadjutor des Bischofs von Wiener Neustadt. In den Jahren 1527 und 1528 reiste er im Auftrag Kaiser Karls V. nach England und Spanien, um von Heinrich VIII. und Karl V. Unterstützung im Krieg gegen die Türken zu erhalten. Im selben Jahr folgte die Berufung nach Ofen, wo er als Propst amtierte. Auf dem Augsburger Reichstag 1530 gehörte Fabri der Kommission zur Überprüfung der Confessio Augustana an. Seit 1530 hatte er schließlich die Bischofswürde von Wien inne, bis 1538 war er zudem Administrator des Bistums Wiener Neustadt. Im Jahr 1541 starb er in der Nähe von Wien. Fabris Sermones consolatorii erschienen 1532 bei Johann Singriener d.Ä. in Wien, sein Sermo pro foelici victoria, adversus infidelis (1537), den er im Prager St.-Veits-Dom gehalten hatte, wurde ebenda und in Augsburg verlegt. Johannes Ecks, Matthias Kretzʼ und Johann Fabris Türkenpredigten haben als die ersten gedruckten römisch-katholischen Sammlungen ihrer Art zu gelten.²⁹

 Vgl. hierzu ausführlich o. Abschn. ...  S. die Matrikel aus Tübingen: Heinrich Hermelink (Hg.), Die Matrikeln der Universität Tübingen, Bd. , Die Matrikeln von  –  (Stuttgart ),  und Freiburg im Breisgau: Hermann Mayer, Die Matrikel der Universität Freiburg i.Br. von  – , Bd. , Einleitung und Text (Freiburg im Breisgau ), .  Zu Fabri vgl. auch: Immenkötter, Fabri und Dittrich, Kontroverstheologie,  – . Zu seinen Türkenpredigten s. o. Abschn. ...

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Anhang 1: Biogramme der Türkenprediger

Matthias Kretz (um 1480 – 1543) Um das Jahr 1480 wurde Matthias Kretz (auch Gretz) in Haunstetten nahe Augsburg geboren. Im Jahr 1504 immatrikulierte er sich an der Universität Wien, später setzte er seine Studien in Tübingen fort, wo er 1512 den Grad des Magisters erwarb. Im Jahr 1513 wurde er zum Präzeptor im Augustiner-Kloster Polling ernannt. Nach drei Jahren im Amt setzte er sein Studium in Ingolstadt fort. Hier wurde er 1519 zum Doktor der Theologie promoviert. Kretz war als Regens in Ingolstadt und als Domprediger in Eichstätt und Augsburg tätig. Im Jahr 1531 wurde er zum Stiftsdekan in Moosburg berufen, 1533 zum Dekan in München. Hier wirkte er weitere zehn Jahre, bis er 1543 in München starb. Kretz gab zahlreiche Predigten in den Druck und machte sich als Kontroverstheologe, der die polemische Zuspitzung nicht scheute, einen Namen. Im Jahr 1532 veröffentlichte er Ein sermon von dem Turckenzug, der zusammen mit Ecks und Fabris Türkenpredigt-Sammlungen zu den frühesten römisch-katholischen Werken dieser Art zählt.

Valentin Leucht (um 1550 – 1619) Valentin Leucht wurde ca. 1550 im fränkischen Hollstadt geboren. Nach seinen Studien am Würzburger Jesuitenkolleg und der Universität Mainz wurde er hier zum Magister und später zum Doktor der Theologie promoviert. 1576 erhielt er die Priesterweihe ebenfalls in Mainz. Seine erste Anstellung fand er in Neustadt/Main als Lehrer, zwei Jahre später im oberlausitzschen Bernstadt, Erfurt und Neustadt/ Saale als Seelsorger. Im Jahr 1589 gelangte er nach Frankfurt/Main, wo er eine Pfarrstelle an der St. Bartholomäus Kirche innehatte. Hier veröffentlichte er auch seine Türkenpredigt Wider den Erbfeindt, die er 1595 bei Heinrich Brem in Mainz drucken ließ. Seit 1597 fungierte Leucht außerdem als kaiserlicher Bücherkommissar. In dieser Funktion hatte er die Frankfurter Buchmesse zu visitieren und Bücher zu zensieren sowie die katholischen Messkataloge herauszugeben. Leucht veröffentlichte, unter anderem auch unter dem Pseudonym Theodorus Cygnaeus, vorrangig Predigten und polemische Schriften.³⁰

 Zu Leucht vgl. außerdem: Wolfgang Brückner, Der kaiserliche Bücherkommissar Valentin Leucht. Leben und literarisches Werk, in: Archiv für die Geschichte des Buchwesens  (),  – ; hier:  –  und Hille, Providentia Dei,  f.

2 Katholische Türkenprediger

273

Kaspar Macer (um 1530 – nach 1572) Kaspar Macer wurde um das Jahr 1530 im oberfränkischen Weismain geboren. 1547 immatrikulierte er sich an der Universität Ingolstadt, wo er zum Doktor beider Rechte promoviert wurde. Ab 1559 lehrte er als Professor für Rhetorik ebenda. Im Jahr 1562 ging er als Prediger nach Regensburg, wo er die Dompredigerstelle innehatte. Seine Bittpredig / Wider den grausamen erschröcklichen erbfeind […] den Türcken hielt er ebenfalls in Regensburg und ließ sie 1567 bei Alexander und Samuel Weissenhorn in Ingolstadt in den Druck ausgehen.

Johannes Nas (1534 – 1590) Johannes Nas wurde 1534 in Eltmann bei Bamberg geboren. Nach seiner Schneiderlehre ging er auf Wanderschaft und gelangte so nach Nürnberg, Regensburg, Augsburg und München. Der zunächst der lutherischen Theologie zugewandte Nas konvertierte 1552 aufgrund seiner Lektüre von Thomas von Kempens De imitatione Christi zum Katholizismus. Infolgedessen trat Nas dem Franziskanerorden bei und legte 1553 in München sein Gelübde ab,wo er weiterhin als Schneider arbeitete. Nachdem er 1557 die Priesterweihe empfangen hatte, zog er 1559 nach Ingolstadt. Hier immatrikulierte er sich im selben Jahr und studierte Theologie. Im Jahr 1566 übernahm er das Predigtamt in Straubing, ein Jahr später wurde er als Prediger nach Dillingen berufen. Weitere Predigtstellen in Ulm und Bruck an der Ammer folgten, bevor er nach Würzburg kam und dort 1569 Custos der Straßburger Ordensprovinz wurde. Im Jahr 1571 wurde Nas Domprediger in Brixen, im selben Jahr nahm er auch am Generalkapitel der Franziskaner in Rom teil. Im Jahr 1572 verließ seine Schöne Tröstliche Kriegs- und Sigspredig die Druckpresse Alexander Weissenhorns in Ingolstadt. Zwei Jahre später wurde Nas die Stelle des Hofpredigers in Innsbruck übertragen. Im Jahr 1580 wurde er Weihbischof von Brixen, zwei Jahre später Brixener Fürstbischof. Im Jahr 1590 starb er schließlich in Innsbruck. Neben Predigtsammlungen ließ Nas vor allem polemische Streitschriften sowie einen katholischen Katechismus in den Druck ausgehen.

Augustin Neser (*/† unbekannt) Folgende biographische Stationen Augustin Nesers sind bekannt: Er stammte ursprünglich aus Fürstenberg und absolvierte sein Studium in Freiburg im Breisgau, das er mit dem Magistergrad abschloss. Anschließend wirkte Neser als

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Anhang 1: Biogramme der Türkenprediger

Prediger in Basel, Hagenau und Dillingen, bevor er Fürstlich Bayerischer Kaplan und Prediger in Landsberg am Lech wurde. Dass er anschließend im Jahr 1564 oberster Stadtpfarrer in Ingolstadt wurde, dort 1565 die theologische Doktorwürde erhielt und ab 1567 in Hagenau eine Pfarrstelle innehatte, wie Mayer und Freninger es in den Matrikeln der Universitäten Freiburg und Ingolstadt verzeichnen³¹, muss womöglich falsifiziert werden: Nesers Türkenpredigt Ein newe Catholische Predig. Auff des Türcken Niderlag aus dem Jahr 1572 weist ihn als Magister und Candidatum Theologiae, als Kaplan und Prediger von Landsberg aus.³²

Johann Caspar Neubeck (um 1545 – 1594) Der spätere Wiener Bischof Johann Caspar Neubeck wurde um 1545 in Freiburg im Breisgau geboren. Hier besuchte er Schule und Universität, erlangte 1561 den Grad des Baccalaureus und 1563 den Magistergrad. Zwei Jahre später wurde Neubeck zum Priester geweiht. Im Jahr 1570 wurde er zum Doktor der Theologie promoviert und wirkte anschließend als Professor an der Freiburger Universität. Hier war er zudem Hofprediger. Erzherzog Ferdinand empfahl Neubeck seinem Bruder Kaiser Maximilian II., der den Freiburger 1574 zum Hofprediger ernannte. Ein Jahr später erfolgte die Weihe zum Bischof von Wien. Von Kaiser Rudolf II. wurde Neubeck 1583 außerdem zum Rat ernannt. In seinem Amt als Wiener Bischof war Neubeck bis zu seinem Tod im Jahr 1594 tätig. Neubeck veröffentlichte hauptsächlich Predigten: Neben seinen Zwo Christliche[n] Sieg und LobPredigten, die er anlässlich eines Sieges gegen das osmanische Heer 1593 verfasst hatte, sind hier seine Zwo Catholische Predigten anlässlich eines Erdbebens (1590) und seine Predigten auf Fürst Leopold (1591; 1593 und 1594) zu nennen.

Urban Sagstetter (1529 – 1573) Urban Sagstetters Biographie ist eng mit der Bedrohung durch die Türken verbunden. Der vermutlich aus Niederösterreich stammende spätere Bischof verlor im Alter von etwa drei Jahren seine Eltern, die beim Vorstoß der Osmanen ums Leben kamen. Er wurde in Pfaffstätten (Niederösterreich) gefunden und von Johann Sagstetter, der Pfleger des Schlosses Gutenstein war, adoptiert und aufge Mayer, Matrikel,  und Franz Xaver Freninger (Hg.), Das Matrikelbuch der Universität Ingolstadt-Landshut-München: Rectoren, Professoren, Doctoren  – ; Candidaten  –  (München ), .  Neser, Catholische Predig, Ar sowie Av.

2 Katholische Türkenprediger

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zogen.³³ Nach seiner schulischen Ausbildung in Wien immatrikulierte sich Sagstetter 1545 unter dem Namen Urbanus Häckstetter an der Universität ebendort. Zwei Jahre später erhielt er eine Anstellung als Prediger am Bürgerspital in Wien. Nach seiner Priesterweihe im Jahr 1550 nahm er ein Jahr später die Domprädikatur in Passau an. Im Jahr 1553 wurde Sagstetter zusätzlich zum Weihbischof ernannt und fungierte als Offizial für das Land Österreich ob der Enns. Drei Jahre später schließlich wurde Sagstetter zum Bischof von Gurk geweiht und wurde außerdem Hofprediger und königlicher Rat König Ferdinands in Wien. Diesen begleitete er fortan regelmäßig auf Land- und Reichstage. Im Jahr 1561 trat Sagstetter auf Drängen Ferdinands die Stelle eines Hofpredigers bei dessen Sohn, Erzherzog Maximilian, an. Ein Jahr später legte er sein Amt aus gesundheitlichen Gründen nieder und blieb weiter Gurker Bischof. Dem Drängen Ferdinands, Sagstetter solle das Wiener Bischofsamt übernehmen, gab dieser nur teilweise nach: Bis zum Jahr 1564 verwaltete er lediglich das vakante Amt, übernahm es aber nicht. Seit 1566 schließlich war Sagstetter mit der Betreuung der Bevölkerung hinsichtlich der Türkengefahr betraut, er hielt Andachten und Predigten und wirkte als Seelsorger. Während dieser Zeit entstanden auch Sagstetters Türkenpredigten, die er im Jahr 1566 regelmäßig freitags hielt. Sie verließen ein Jahr später die Druckerei Caspar Steinhofers in Wien unter dem Titel Gaistliche Kriegsrüstung. Ab 1569 wirkte Sagstetter schließlich als Geheimer Rat und Statthalter Erzherzog Karls II. und war auf diese Weise mit dessen Religionspolitik betraut worden. Im Jahr 1573 starb er in Gurk.³⁴

Georg Scherer (1540 – 1605) In der Tiroler Ortschaft Schwaz wurde Georg Scherer 1540 geboren. Mit einem Stipendium des Wiener Stadtrats erhielt er seine Ausbildung am dortigen Jesuitengymnasium. Im Jahr 1559 trat er der Societas Jesu bei. Scherer studierte in Wien und wurde noch als Student ab 1561 (bis 1589) Hauptprediger des Jesuitenkollegs. Er beendete sein Studium mit dem Magistergrad im Jahr 1564 und wurde ein Jahr später zum Priester geweiht. Von 1567 bis 1599 war Scherer Domprediger an St. Stephan, von 1577 bis 1600 wirkte er als Hofprediger und von 1590 bis 1594 war er Rektor des Wiener Jesuitenkollegs. Als Prediger und Superior der Missionsstation in Linz fungierte Scherer schließlich von 1600 bis zu seinem Tod im Jahr

 S. hierzu Sagstetters Selbstzeugnis in: Sagstetter, Gaistliche Kriegsrüstung, ‫ג‬r.  Ausführliche Informationen über Sagstetters Biographie und dessen Türkenpredigten sowie weiterführende Literaturhinweise bei: Gigler, Türkenpredigten.

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Anhang 1: Biogramme der Türkenprediger

1605. Georg Scherer trat maßgeblich als Predigtautor in Erscheinung. Seine Türkenpredigten hatte er in den Jahren 1595 und 1598 in Wien bzw. auf Schloss Pressburg in Ungarn gehalten.³⁵

Johannes Wild (1495 – 1554) Johannes Wild wurde 1495 vermutlich im schwäbischen Burgau an der Donau geboren. Im Jahr 1513 immatrikulierte er sich an der Universität Heidelberg, zwei Jahre später trat er in den Franziskanerorden ein. Nach Abschluss seines Studiums, das Wild wohl mindestens mit dem Magistergrad abgeschlossen hatte, war er als Lektor des Tübinger Konvents tätig. Im Jahr 1528 wurde er zum Lektor der Artes und zum Konventsprediger nach Mainz berufen und elf Jahre später (1539) beauftragt, die vakante Domprädikatur in Mainz zu vertreten. Im Jahr 1540 erhielt er schließlich die endgültige Anstellung als Mainzer Domprediger, 1548 wurde er zum Guardian gewählt. Im Jahr 1554 schließlich verstarb Wild in Mainz. Ab 1552 fanden die Predigten Wilds ihren Weg auch in die Druckpresse. Seine Türkenpredigten sind Bestandteil der 1564 posthum herausgegebenen Gemeine[n] Christliche[n] und Catholische[n] Bußpredigen […].³⁶

 Vgl zu Scherer außerdem: Hille, Providentia Dei,  f. mit weiterführenden Literaturhinweisen.  Zu Wild s. Thomas Berger, Johannes Wild ( – ), in: Heribert Smolinsky / Peter Walter (Hgg.), Katholische Theologen der Reformationszeit, Bd. , Katholisches Leben und Kirchenreform im Zeitalter der Glaubensspaltung  (Münster ), S.  – ; Rolf Decot, Der Einfluß der Reformation auf die Predigt im Mainzer Dom – von Capito bis Wild, in: ders., Luthers Reformation zwischen Theologie und Reichspolitik. Aufsätze herausgegeben von Hans Josef Schmitz (Frankfurt/ Main ),  – , hier:  – ; John M. Frymire, Der rechte Anfang und Nikolaus Paulus, Johann Wild. Ein Mainzer Domprediger des . Jahrhunderts, VGG  (Köln ).

Anhang 2: Transkribierte Handschriften Die vorliegenden Transkriptionen entstammen einer unter dem Titel Sermones Brencij zusammengefassten Sammlung von handschriftlichen Predigten des Haller Predigers Johannes Brenz. Sie befindet sich in der Nürnberger Stadtbibliothek und führt dort die Signatur 75 Theol. 4°909. Das Konvolut kann auf das Jahr 1529 datiert werden. Bereits 1961 veröffentliche Friedrich Wilhelm Kantzenbach einen Beitrag im Archiv für Reformationsgeschichte, der sich mit dieser Handschriftensammlung befasste.¹ Als Schreiber scheidet Brenz, so Kantzenbach, jedoch aus, sodass von einem Schreibgehilfen ausgegangen werden kann, der die Reinschrift der Brenz-Texte anfertigte.² Die erste Hälfte der Sammlung umfasst deutsche, die andere Hälfte lateinische Texte des Predigers. Die beiden hier vorgestellten Schriften wurden mir von der Nürnberger Stadtbibliothek digitalisiert zur Verfügung gestellt. Es handelt sich hierbei um eine Transkription und keine Edition der Texte. Es wurde versucht, den Text der Handschrift so detailgetreu wie möglich wiederzugeben und gleichzeitig auf eventuelle Lesehemmnisse, wie Abkürzungen, Virgel etc. zu verzichten und diese weitestgehend aufzulösen. Die Interpunktion wurde heutigen Gepflogenheiten angepasst. Da die Verwendung der Groß- und Kleinschreibung in den Handschriften nicht einheitlich verwendet wurde bzw. an einigen Stellen nur schwer eindeutig zu identifizieren war, habe ich deren Tendenz zur Großschreibung von Eigennamen übernommen sowie Wörter am Beginn eines Satzes ebenfalls groß geschrieben. Alle übrigen Wörter erscheinen klein geschrieben. Dieser Eingriff in den Text erschien mir verträglich, eine komplette Angleichung an die heutigen Regeln der Groß- und Kleinschreibung schien mir demgegenüber unangemessen.

1. Johannes Brenzʼ Grundtlicher bericht (1526) fol. 99r Gruntlicher bericht und beschluss aus der heligen geschrifft gezogen, das keinem Christen under dem Romischen Reich begriffen, gepure oder gezymme, da von abzufallen und sich dem Türcken oder anderer frembder herrschafft ergeben. Anno 1526

 Vgl. hierzu: Friedrich Wilhelm Kantzenbach, „Sermones Brencij“. Mitteilungen über eine gleichbetitelte Handschrift zur Ergänzung der Bibliographia Brentiana, in: ARG  (),  – .  Kantzenbach, Sermones, .

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Anhang 2: Transkribierte Handschriften

Die helig geschrifft Danielis 7 zeigt under fol. 99v vilerley gestallt der wilden thier an: Wie das allein iiij kunigreich uff erdreich bis zu end der wellt sein sollen und under dem vierdten soll der Entchrist geoffenbart werden und das jüngst gericht kommen. Das erst kayserthom ist das Babilonisch oder Assyrisch. Nach dem aber das selbig zergangen ist angetretten das ander keyserthom der Persier und Meder wie Daniel am 5. geschrieben ist. Nach den Persiern hat das dritt Keyserthom angefangen, nemlich des grossen Alexandrj reich und der Griechen. Nach dem selbigen ist das vierd reich eingetretten der Romer, welchs keyserthom das letst sein soll und der jüngst tag ergreyffen wurt. Auß disem wurt kunthbar, das der gwallt des Romischen Kaysers aus Gott ist und ein gottliche ordnung der auch besteen soll bis an das end der wellt. Der halben wenn schon die person eins Romischen Keysers ein doppellter heid were so ist doch ein iglicher Gott forchtiger schuldig solchem keyserthum underthenig zu sein in denen stücken, die ein keyser als ein keyser zu gepieten hatt und der seel seligkeit nitt betreffendet. Die weil aber nun das gemein fol. 100r geschraij ist, der Turck fare da heer, sey stercker und mechtiger denn unser herr keyser, woll das gantz teutsch land uber fallen: Wie sollen ym die prediger auch ander gotsforchtige leut thon? Sollen sy predigen, das man sich mit gewerter handt wider den Turcken stelle, oder ym gleich thur und thor auff sperren, wenn er da her feert wie Hieremias thet zu Hierusalem? Dann da der babilonisch keyser fur Hierusalem zoch, predigt Hieremias in der statt, man sollt sich ergeben, oder die statt wurd zerschlaifft werden etc. Antwort: Das Teutschland steckt voller boßheit und hatt alle buberey sehr uberhanndt genommen bey oberkeit und underthon. Dar zwischen ist ds euangelion dem Teutschen Land geoffenbart, welches hoch geschmecht und als ketzerey geschendet wurt. Darumb will unser herr Gott seiner alten gewonheit nach faren. So ist uber das Teutschland ein merhrige grosse straff vorhandenn und zukunfftig, dann es ist Gottis gewonheit allwegen gewesen, das er zu vor einem landt, so mit boßheit erfullt war, hatt lassen das wort Gottes verkundigen. Und so es kein nutz geschafft, sonder vil mehr verschmecht ist worden, fol. 100v hatt er sein straff dar auff geschickt. Also thet er vor dem sintflus. Die wellt war bos, er schickt yn Noe, der ward mit seinem euangelio veracht.Vor der verderbung Sodome und Gomorre schickt er den frummen Loth. Vor dem unfall Egipti schickt er Mosen und Aaronem. Vor der ersten zerstörung Hierusalem schickt er die propheten. Vor der andern sendet er Christum und die Apostel und nach Christo, als das Welsch Land sollt verderbt werden, schickt er Hieronimum, Augustinum, Ambrosium und andere frumme leut, die predigten all zu mal der wellt jr sundt

1. Johannes Brenzʼ Grundtlicher bericht (1526)

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und missethat, fermanten, man sollt sich bessernn oder Gottes zorn wurd nit aussbleiben. Also auch die weil eben ytzundt der gleichen sich in Teutschen Landen begibt, das sund und laster kein schand mer ist. Und das euangelion geoffenbaret, den gotzforchtigen zu gut, so gepurt es einem prediger, sein volck zu ermanen, das sy sich bessern und von den greulichen sunden ablassen. Dann nach anzeigung aller ding sey ein straff vor handen, welche wol mag gewennt werden durch besserung des lebens. Wie man ym Iona lisst, welcher predigt, die statt Ninjve wurd zu grundt geen in 40 tagen. Da aber der kunig und das volck sich besserten, ward der herr yn gnedig, lies fol. 101r die statt nit verderben. Und Ezechielis 22 beclagt sich Gott selbs, das er gern hett gewellt den zorn ablassen, wenn er ein mann hett gefunden, der ein zaun hett furgebawen unnd were gegen ym gestanden, seinem zorn zu werren, das ers land nit zerschlaifft. Darzu Exod 32, als Gott ein straff furgenommen wider die Israeliter, ward sy durch Moisen abgetragen mit glauben und bitten. Besserung, aber dar auff man dz volck vermanen soll, ist hie mit zuverstehn. Dz wallen oder andere aposteutzlerey, sonder sich richten nach dem wort und gepott gottes. Dar zu muß man alwegen bitten, man bedarff keins wallens gar nit dar zu. Auch bringt das bitten kein nutz, es fließ dann aus glauben, dz ist aus einem gepesserten leben. Was ist aber das wallen anders dann ein bitt des munds und bleibt dar neben das leben ungebessert? So nun die besserung dem volck gnugsam furgehallten und dann ein gotzforchtiger furst unnd underthon fragt, ob er auß glauben und gutem gewissen mocht wider die Turcken streittenn, ist ym leichtlich aus den vorgesagten dingen zu antworten nemlich: Wie da das Romisch Kayserthum von Gott sey eingesetzt und soll fol. 101 v nit zu grundt gehn bis zu endt der wellt. Darzu seien wir Teutschen dem selbigen keyser mit ayd eingeleibt. Darumb seien wir von Gottes ordnung und von ayds wegen schuldig, dem Romischen Keyser in solchem welltlichen regiment gehorsam zu leisten, bis in todt hinein für yn zu streiten und zu fechten wider den Turcken. Und welcher also ummkompt und erwürgt wurt vom Turcken, der darff sich solcher handlung halb (wenn er sunst frumm ist) nichts jm gwissenn besorgen. Dann er stirbt im gehorsam von Gott gepotten und verordnet. Frag: Was sagt dan Daniel 7 von einem kunig, der nach dem Romischen Reich soll auffstehn und sterker sein denn die vorigen, der auch drey kunig under sich soll bringen? Es mocht einer gedenken, solcher kunig were der Turk, als auch Ezechielis 38 und 39 von Gog und Magog verstanden mocht werden. Antwort: Es meynen ettlich, diser kunig, davon Daniel und Ezechiel sagen, sey der Entchrist. Aber wie dem allem, so wollen wir yn gleich den Turcken lassenn sein. Dann es reympt sich auch wol auff

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Anhang 2: Transkribierte Handschriften

yn. Es steht ye von dem kunig geschribenn, Daniel 7, er wurt wider den höchsten reden fol. 102r unnd zerknyschen die heligen der höchstenn. Er wirt meynen, das alle ding zu seinem gwallt stehn etc. So schreibt der Turck in seinem titell (ist er anders war), das er sey ein herre des hymels und der erdenn und wo er seine fuß hinstellt, da zittert die erde und was er redt, das mus für geen. Gleich wie Sanherib lestert gegen dem Ezechia, Esa 37,4, Regnum 19, 2 Chroni 32. Aber solche prophecey soll darumb uns nitt hindern von dem Romischen Reich abtrinnig zu werden. Dann diser kunig oder Turck, von dem Daniel sagt, thut unrecht wie auch der Entchrist, ob er wol mechtig ist. Der halben niemant mit gutem gewissenn frevelich sich in seinen gwallt ergeben kan und von dem herren, der von gott ist ein gesetzt, abfallen. Dann ob wol Gott will straffen, so weis doch niemant, ob er durch den Turcken werd straffen, oder durch ein andern hern. Und laß gleich den Türcken sein, so wurt es doch kein bestand mit ym haben, die weil ye das Romisch Reich das letst reich sein soll. Das aber Hieremias fol. 102v ermant hatt das volck zu Hierusalem, es soll sich dem Babilonischen Kunig ergeben hat dreyerley ursach. Zum ersten: Das volck hett sich nach der Propheten wort nicht gepessert. Zum andern: So war Zidekias, der kunig Iuda, mit ayd dem Keyser zu Babilon verbunden und ward von ym abtrunnig, 4 Regnum 24. Zum dritten: So war der Kayser auss Babel von Gott zu einem kunig und herrn der wellt eingesetzt.Welche drey ursach yetz bey unserm Kayser nit so gar erfunden werden. Die erst ist zwar boß gnug, man bessert sich allgemach. Aber mit den andern ist es gar ungleich. Dann unser Keyser ist dem Türcken nitt mit ayd verpunden. So ist auch der Turck nicht aus gnedigem gunst Gottes von Gott uff geworffen, sonder auß zorn. Darumb dörffen wir ytzundt uns des exempels Hieremie nit annemen und fürnemlich, die weil wir noch nit also vil von der besserung gepredigt habenn. finis.

2. Johannes Brenzʼ Homelia contra Turcam (1526) fol. 156r Homelia contra Turcam Ioh. B. Anno domini 1526 Numquam existimassem (in christo dilectissimi) hunc rerum eventum. Ut et ego rogerer contra Turcum in militiam proficisci. Nam cum conditionem meam excutio.Video michi potingus bellum indictum esse contra libros non contra Turcam sed cum ratio officij mej postulet. Ut et michi nunc non solum contra libros. Sed et

2. Johannes Brenzʼ Homelia contra Turcam (1526)

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contra turcum bellandum sit. Agite producam illum gladium quo adsuetus sum. Nempe verbum domini et attingam me in prelium. Non carnale sed spirituale. Neque est quod hoc prelium videas fol. 156v quando quidem plane persuasum habeo si in hoc spirituali Turcam vicero. Esse et eum carnaliter victum. Iam ingressuro hoc praelium occurrunt Turce. Non unius genere. Domestici et externi. Nam hactenus veram video fuisse communem famam qua dictum est: Turcam illum externum. Non posse profligari, nisi ante Ungari proflugantur. Ita de nobis vere posset dici externum Turcam non posse reprimi, nisi prius internus (domesticus) prohibitus sit. Porro domestici Turce (der verlorn hauff) cum quibus michi prius congressus sunt: Qui Turcam illum extraneum in suum principem et regem. Summis votis exoptant de adventu eius gratulantur et hunc solum veluti moderatum regem futurum sperant. Exhorrescerem si in hoc numero multi comprehenderentur. Spero pauciores esse qui hoc optent. Quid eum posset incivilius et in patriam magis Impium cogitarj. Quam regem, regione et fide extraneum optare. Natura hec non fert quandoquidem inter bestias eram num hic adfectus maneat, quod Imperatorem non, nisi e suo grege eligant Apex regem habent apium quem sequuntur. Grues ducem habent fol. 157r gruem: Et homo alterius generis, alterius nationis alterius fidej ducem optare potest? Sed inquis Turcam opto. Quia spero moderatius eius Imperium futurum, insanum et hoc fuerit cogitare nedum sentire. Putasne Turcam adventurum ut te dicet, ut tibi moderate Imperetur. Quandoquidem si omnino multos dura ditare vellet et moderate Imperium gerere. Habere in sua dicione multos egenos et pro moderatione sui Imperij, neque de alterius Imperij finibus cogitaret. Ad hec quotquot hactenus Turca regiones occupavit. Eas devastavit, aut saltem protrivit in maximam inhabitantum perniciem. Postremo exemplis scripture notum est. Quod plerumque externi reges crudelius dominati sunt in Israelitas. Quam domestici Tyrannj ut de Pharaone et Nebucadnesare legitmus: Qui maiorj tyrannide populum Israel tractarunt, quam domesticus eorum tyrannus Robeam. Quid igitur aliud conicere liceret de Turca. Qui ut moderatissime Imperium gubernet, non potest tamen fieri ut mitius gubernet domestico tyranno. Proinde irrationabile et insanum fuerit, tantis votis Turce fol. 157v adventum exoptare optatur enim nostra ipsorum pernicies et perditio. Nam quid aliud posset accidere nobis. Turcam regem optantibus quam Israelitis. Reijcientibus Samuelem et filios eius, 1. Regum 8. Nostro igitur conmodo prohibet mandatum imperiale: Ne tale facimus plerique inter subditos audiant et exoptent sibi alienum regem. Ut si quis non velit vobis deum abedire quo iubetur ut suo legittimo magistratui obediat gladio coerceatur. Sed ut michi videtur in mandato

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Anhang 2: Transkribierte Handschriften

imperiali aliquid huc mjnime incommodum omissum est. Atqui ut vere dixero nihil plane omissum est. Nam in fine mandat Imperator ut magistratus curet ergo subditos ne fides in deum et obedientia: Ac pax eterna collatur. Igitur cum ante subditis inhibuerit ne exoptent alienum regem nunc mandat magistratibus suis et optimalibus germanie ne Immoderatis suis Imperijs vulgo occasionem dent, alienum regem postulandi confer enim quorundam Imperia. Quomodo administrent ea. Primum prohibent subditis Euangelion. Hoc est spoliant eos armis spiritualibus. Dein et abstulerunt carnalia ad hec exigunt fol. 158r et exugunt omnis subditorum nummos postremo ita Imperium administrant. Ut subditorum, nec substantie nec vite parcant. Ad hec cum ego concioner: Non est quod dissidium inter subditos et magistratus seminem: Verbum enim concionatore in hac re nullum odium excitat inter subditum et magistratum sed impium magistratum impium factum / a se abalienat subditi animum. Ut Hieremias praedicans cap. 23: Ve pastoribus qui dispergunt et dilaterant gregem pascue mee dicit dominus. Ideo ego visitabo super eos malitiam studiorum vestrorum etc. Hec inquam praedicans non excitavit odium in subditos. Erga suos reges / ut eum quidam calumniabantur. Sed odium antea per tyrannidem excitatum, conabatur verbum dominum restringere et ei mederi: Ita quod nunc palam concioner Impium esse subditum, qui optat alienum regem et impium magistratum qui ad hanc rem sua tyrannide. Occasionem dat non hac causa fit ut maius odium excitetur. Sed ut ostenso morbo. Medium queratur. Quia igitur magistratus ad hec subditorum votum magnam occasionem praestitit. Nunc curet moderatibus imperijs et deposita tyrannide. Ut non solum iuxta divinum praeceptum sed etiam iuxta mandatum imperiale pax et subditorum obedientia conservetur: Atque hii potissimum duo Turce fol. 158v sunt abigendi. Primum impium votum subditorum e corde deponendum est. Deinde Tyrannus magistratus abijcienda est. Tertius Turca idolatria missa in templis nostris deponendum est. Sunt vero plerique Calamitatem nostri tempore. Ascribenter nono, ut vocant euangelio. Quemadmodum Israelite apud Hieremiam cap. 44. At certo constat ex verbo domini / quod propter veterem idolatriam. Hanc iram super nos futuram, meriti sumus. Id quod abunde manifestum fiet. Modo animadvertas. Scriptura nobis scripta est in eruditionem. Ea tradit, Israhelitas ideo a domino: Devastatas et e regno eiectos esse quod primum in templis recesserant a deo et verbo eius. Erigentes novos dei cultus, excelsa, et lucas. Postea a deo alienati, abalienabantur etiam a propria. Magistratus iam non curabat que subditorum sunt. Vulgus et breviter tota cohors avaricie studebat primussquem autem dumque voluerat devastare regionem, mittebat propfetas. Qui admonerent sacerdotes ut ab impijs cultibus desisterent. Sed hereseos accusabantur principes.

2. Johannes Brenzʼ Homelia contra Turcam (1526)

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Ut ab exactionibus populi recederent. Sed seditionis culpabantur, vulgum ut syrophantias canerent. Sed ab his odio prosequebantur. Cum itaque nemo verbum domini obtemperabat fol. 159r venit devastatio totius et populi et terre. Hec omnia inquam in nostri doctrinam scripta sunt ut ex hoc facto discamus: Quid germanie futurum sit, nisi resipiscamus. Nam primum recessimus in templis a vero deo, prophanantes sacramentum suum. Quam enim indigne ferat dominus sacramentum suum prophanari.Vel hinc coniiti potest. Quod indigne ferret imperator: Si ego has litteras quas manum fero. Dissiparem et pedibus conculcarem: Quanto magi indignatur deus si con- turbetur sacramentum suum. Dein extra templum a caritate recesserunt: Et magistratus et subditus magistratus accusat seditionis, si quis verus eorum tangat. Subdici veniunt in omnibus malorum generibus. Nihil enim proficit eis impera belli pena, rursum comminantur, rursum insaniunt. Sic istis revertuntur ad dominum percutiente se. Quid igitur ex his aliud consertaneum nobis germanis esset quam quod Israhelite contigit. Devastanda est terra nostra. Exhorrescitur sed demonstrabo viam. Qua possis effugere et liberari ab iminenti ira domini. Si resipiscas et derelinquas impietatem, imperiamque tuam vitam et ores dominum deum tuum in fide avertet dominus iram suam. Sic Ionas predicavit Ninivite. Adhuc quadraginta dies et Ninive subvertetur. Resipiuit non solum populus. Sed et fol. 159v rex et dominus ignovit. Sic Israelitas erat dominus puniturus Exod 32. Sed avertebatur fideli oratione Mosi et Ezech 22 dicitur: Populi terre calumniabantur calumniam. Et quesivi virum qui interponeret sepem. Et staret oppositus contra me pro terra etc. Oratio sepes est. Sed que non quevis sed illa que ex fide. Hoc est resipiscentia fluit. Nam aliam non prodesse.Vel hinc liquet. Quod pharao iubebat afflictus Mosen pro se orare: Iam cum pharao non resipuerit. Quid profuit ei oratio Mosi. Hieremie 7. Noli orare pro populo, nec adsumas pro eis et orationem, nec absistas michi, quia non exaudiam te: Nonne vides quid isti faciant tur etc. Ut igitur oratio prosit: Resipisce etc. Sed ut certo credere possis et resipiscere: Declarabo e verbo domini, fidem tuam non irritam esse. Nam Danielis 7 enumerantur quatuor regna sibi invicem succedentia post que finiendus erit orbis. Primum est Babilonicum seu Asyricum. Secundum est Persarum et Medorum: Tertium est Grecorum Alexandri magnj. Quartum est Romanorum ultimum in hoc mundo sub quo revelandus est anthichristus et extremus indicii dies. Hoc regnum praecipue sibi rarum, decharat Christus quod fol. 160r sub eo nasci voluit (nihil hic de personis imperatorum dicitur: sed de regno ipso) Dein multa ante sub Babilonico regno, de eo praesens prophetavit. Ultimum id est in terris fore. Proinde quicumque pius sub hoc regno fuerit et imperatorem ro-

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Anhang 2: Transkribierte Handschriften

manum in huius multi rebus dominum suum agnoveri,t in fide et obedentia dei, potest contra Turcam impium pugnare. Atque etiam occidatur, in obedentia occiditur. Iam si quis volverit hac ratione persuaderi ut obediat imperatorj in his que fidei non officiunt, persuadeatur saltem misericordia suorum liberorum et sue familie valde eium timen – dum est, ne si quis ab Imperatore deficiat ad Turcam: Deficiat etiam a fide. Nam et in Israelitis factum est quorum decem tribus a stirpe Davidis, cuius familia in regnum inaugurata erat a domino deficiebat ad Hierabeam. Sed simul etiam defecerant a fide. Ut habes in duabus vitulis. Ita et quecumque regiones hactenus ad Turcam defecerunt, etiam a fide defererunt. Ut Grecia quondam christianis clarissima nunc vero plane Impia. Nam etiam si Turca neminem fidem abnegare rogat. Aufertur tamen supplicio dei christus et fides ab hiis qui deficiunt a Romana Imperatore proinde in christo amicissimj resipiscamus fol. 160v ab impia nostra vita et obediamus in hac re imperatorj nostro. Non tam hoc nomine quia dominus iubeat et Romanum Imperium in finem inter duraturum sit, quam illo. Ut non una cum rege nostro terreno, perdamus et regem aeternum. Si igitur sequamini recta monentem. Iam victimus sin vero abominati fueritis, piam hanc monitionem. Ve vobis: Dominus nos custodiat. Amen. Finis huius homelie.

Literaturverzeichnis 1 Quellen 1.1 Türkenpredigten Andreä, Jakob. Dreyzehen Predigen vom Türcken. In wölchen gehandelt würdt von seines Regiments Ursprung / Glauben und Religion / Vom Türckischen Alcoran / unnd desselben grundtlicher Widerlegung […] (Tübingen: Ulrich Morharts Witwe, 1569), VD 16 A 2614; Ex. Bibl. Palat. E 543/544. Anisius, Michael. Concio Threnodica. Das ist: Ein Klagpredig / bey gemainer Proceszion und Bittfahrt / wider unserem allgemainen Erbfeindt dem Türcken […] (Dillingen: Johann Mayer, 1595), VD 16 A 2868; Ex. BSB Res / 4 Asc. 1180. Anisius, Michael. Siben Catholische Predigen / Bey gemeinen Processionen / Kirch unnd Bittfahrten wider deß Christlichen Namens Erbfeind dem Türcken […] (München: Adam Berg, 1599), VD 16 A 2878; Ex. MF 151 – 153, Nr. 302. Assum, Johann. Türckenpredigten uber den LXXIX. Psalmen. IN welchen gründtlich und außführlich gehandelt wirdt von dem grausamen / […] Krieg deß Türcken wider die heylige Christenheit: […] Sampt angehenckter kurtzen Außlegung deß XLVI. Psalmens: […] (Frankfurt/Main: Johann Spieß, 1595), VD 16 A 3919; Ex. MF 169 f., Nr. 330. Brenz, Johannes. Homiliae viginti du[a]e, Sub incursionem Turcarum in Germaniam ad populu[m] dict[a]e, Autore Ioanne Brentio, Cum Praefatione D. Martini Lutheri (Wittenberg: Hans Weiss, 1532), VD 16 B 7671; Ex. BSB Hom. 224. Brenz, Johannes / Sebastian Coccius, Zwo und zwaintzig Predig den Türckischen krieg / und ander zufallend unfäll betreffend / sampt aim bericht / weß sich darinn zuhalten / durch Johan Brentzen gepredigt. Mit einer vorrhed D. Martin Luthers. Newlich durch Sebastian Coccyum verteütscht (Nürnberg: Friedrich Peypus, 1532), VD 16 B 7677; Ex. SBB Luth. 9255. Eck, Johannes. Sperandam esse in brevi victoriam aduersus Turcam, Iohan, Eckij Homiliae V. ex Byblia desumptae […] (Augsburg: Alexander Weißenhorn I., 1532), VD 16 E 427; Ex. BSB 4Hom. 480. Eck, Johannes. Umb den grossen sig Kaiserlicher Maiestat/ in Thunis verlihen / Got zu dancken / zwu predig, […] Hierin findestu / wie die teutschen kayser / künig / und fürsten / auch ander potentaten / vil meerfart wider die unglaubigen gethon haben […] (Augsburg: Alexander Weißenhorn I., 1536), VD 16 E 436; Ex. BSB Res/4 Sc.mil. 6. Efferhen, Heinrich von. XIII Christenliche Predigten auß dem XXXVIII. und XXXIX. Capitel Ezechielis. Von Gog unnd Magog / oder den Türcken. In welchen angezeiget wird / daß das Mahometische Reich / […] zu straff den Christen erweckt / […] (Straßburg: Theodosius Rihel, 1571), VD 16 E 564; Ex. Bibl. Palat. F1901-F1903. Erythropel, Rupert. Kleines Weckgloecklein. Darinnen die schlaffende Teutschen wider die wachende Tuercken auffgemundert werden Genommen auß der Weissagung deß Propheten Ezechielis von Gog vnd Magog im 38. vnd 39. Capitel […] (Frankfurt/Main: Johann Spieß, 1594), VD 16 R 3314; Ex. HAAB M 1926. Fabri, Johann. Sermo Ioannis Fabri […] pro foelici victoria, adversus infideleis […] (Augsburg: Alexander Weißenhorn I., 1537), VD 16 F 231; Ex. BSB 4 Hom. 611.

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Literaturverzeichnis

Fabri, Johann. Sermones consolatorii: Reverendiss. in Christo Patris, ac Domini, Domini Ioannis Fabri Episcopi Viennensis. habiti ad plebem eius, ac Christi milites, super immanissimi Turcorum Tyranni altera imminenti obsidione Inclytae ubris Viennensis (Wien: Johann Singriener d.Ä., 1532), VD 16 F 233; Ex. MF 2717 – 2719, Nr. 4130. Fabricius, Melchior. Türcken Predigt / das ist: Wie man sich wider desselbigen gewalt und grausame Tyranney trösten / und in diesem ietzt schwebenden gantz gefährlichen zustand […] verhalten solle. Donnerstags vor der lieben Engel Fest zu Nördlingen in S. Georgen Kirchen gehalten / und […] in Truck verfertiget […] (Nürnberg: Katharina Gerlach, 1592), VD 16 F 447; Ex. MF 625, Nr. 1187. Flurer, Johann Christoph. Das Lied Mosis. Exod. 15. In jetzigem Zustand des Krieges wider den Türcken, allen Christen nützlich vnd tröstlich zu betrachten, In Sechs Predigten ausgelegt, zu Steinach am Necker […] (Schmalkalden: Michael Schmuck, 1597), VD 16 F 1741; Ex. HAB A: 230.17 Theol. 9. Gigas, Johann. Vom Türcken und Sterben / zwo kurtze Predigten, Iohannis Gigantis (Frankfurt/Oder: Johann Eichorn, 1566), VD 16 H 3249; Ex. HAB A: 420.6 Theol. 4. Gesner, Salomon. Funffzehen Predigten Vom Türcken Uber das 38 und 39 capitel Ezechielis / in welchen der ursprung des Mahometischen Blutreiches / neben der grausamen Tyranney und dem Alcoranischen unglauben […] dargethan / widerlegt und gestrafft wirdt […] (Wittenberg: Wolfgang Meißner, 1596), VD 16 ZV 6587; Ex. SLUB Pred.192/1. Heidenreich, Esaias. XII. Turcken Predigten uber den 79. Psalm / Herr es sind Heiden in dein Erbe gefallen / etc. Auff itzige vorstehende not und fahr wider die grawsame Tyranney des Türcken gestellet […] (Leipzig: Hans Rambau, 1567), VD 16 ZV 7545; Ex. SLUB 4.A.5352. Hoënegg, Matthias Hoë von. Sechs Türcken Predigten / In welchen außführlich gehandelt wird: Ob der Krieg wider den Türcken mit gutem gewissen / von den Christen geführet werde: Warauff man die Victori gründen solle / Was der Türck / in / und außwendig / seiner Ankunfft / Lehr / Leben und Thun nach sey / Woher solcher langwiriger Türckenkrieg komme / Und wie der gantzen Christenheit wieder diesen Erb und Ertzfeind zu rathen und zu helffen stehe (Leipzig: Abraham Lamberg, 1606), VD 17 14:079527N; Ex. SLUB Hist. Turc. 478. Horn, Bartholomäus. Trost Spiegel Inn fuenff Christlichen Predigten. DArinnen Vierzehenerley Stuecke mit fleiß zusammen gebracht […] wider die Tuercken in gegenwertigem […] Tuerckenzuge bestendiglich zu troesten […] (Erfurt: Martin Wittel, 1599), VD 16 H 4974; Ex. HAB H: Yv 937.8 Helmst. 1. Kretz, Matthias. Ein sermon von dem Turckenzug. Durch. D. Mathiam Kreczii […] (Landshut: Johann Weißenburger, 1533), VD 16 K 2365; Ex. BSB 4 Hom. 978. Lange, Abraham. Christliche außlegung Des LXXIV. Psalms Davids / DArinnen Christliche hertzen ermahnet und underwiesen werden / wie sie in diesen letzten / bösen unn gefehrlichen zeiten wider den Türcken / den blutdurstigen grawsamen Feind der Christenheit / zu Gott ruffen / und andechtiglich beten sollen: In sieben Predigten verfasset / Durch M. Abraham Langen Fürst. Sächs. Hoffprediger zu Aldenburgk (Leipzig: Michael Lantzenberger, 1595), VD 16 ZV 23026; Ex. ULB AB 154974. Lauch, Johannes. Ein und Dreißig Türcken Predigten / uber das 38. und 39. Capitel des H. Propheten Ezechielis. Von Gog vnnd Magog: Inn welchen gehandelt wirdt von deß Türcken herkommen und Ursprung / von seiner Religion und Alcoran / sampt einfältiger widerlegung desselbigen […] (Lauingen, Sebastian Müller, 1598), VD 16 L 682; Ex. BSB ESlg/4 Hom. 994.

1 Quellen

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Leucht, Valentin. Wieder den Erbfeindt, den Türcken, ein christliche Warnung und Bußpredigt, uber das sechste Capitel deß Propheten Jeremie: darinnen klärlich außgeführet wirdt die grawsame Tyranney deß Türcken […] (Mainz: Heinrich Breem, 1595), VD 16 L 1357; Ex. BSB Res/4 Asc. 663. Leyser, Polycarp. Zwo Christlicher Predigten, Eine Uber das Evangelium am 25. Sontag nach Trinitatis, Die Ander Uber das ander Capitel des Propheten Joels: Daraus genommen ist ein Christliche vermanung zu wahrer Buss und eiferigem Gebet wider den Türcken […] (Wittenberg: Simon Grönenberg, 1593), VD 16 L 1430; Ex. BSB Res/Hom. 2096. Macer, Kaspar. Ein Bittpredig / Wider den grausamen erschröcklichen erbfeind / und durchächter des hailigen Christlichen glaubens / und namens / den Türcken / vnd andere der Catholischen kirchen lästerer / und verfolger […] (Ingolstadt: Alexander und Samuel Weißenhorn, 1567), VD 16 M 24; Ex. MF 2090, Nr. 3393. Möring, Nikolaus. Unüberwindlicher CHristen Schutz und Sieg / wider des Türcken arglistige anschlege / […] In Sechs Predigten erkleret und außgelegt […]. Mit einer Vorrede Herrn Doctoris Siegfridi Sacci / Thumbpredigers zu Magdeburgk (Magdeburg: Johann Francke, 1597), VD 16 M 5857; Ex. MF 2091 – 2092, Nr. 3397. Mütel, Friedrich. Krieg Predigt. Aus dem 68. Psalm. Der Herr leget uns eine Last auff / etc. Nach dem der […] Röm. Keyser / Rudolphus II. In Ungern und Böhmen König / etc. Unser Allergnedigster Herr / in Böhmen den Zehenden Man auffbieten lassen / mit Heereskrafft zu begegnen / dem Blutdürstigen Erbfeind dem Türcken / Seinen Pfarkindern zum Trost / zur vermahnung / fleissig zu beten und ihr Leben zu bessern […] (Freiberg: Georg Hoffmann, 1594), VD 16 ZV 11235; Ex. ThLUB 8 MS 30658, 4. Mylius, Georg. Zehen Predigten vom Turcken IN welchen gehandlet wird vom ursprung unnd Anfang / Glauben und Religion / unfug und Tyranney / beharrlichen Sieg unnd langwirigem Glück des Türcken wider die Christenheit / von eigentlichen ursachen desselbigen / auch vom entlichen fall unnd abnemen des Mahometischen oder Türckischen Grewelreichs […] (Jena: Tobias Steinmann, 1595), VD 16 M 5406; Ex. BSB 4 Asc. 312. Nas, Johannes. Ein schöne Tröstliche Kriegs- und Sigspredig […] Mit gewiser erzelung, der gewaltigen victori, welche Gott seinen glaubigen, den Catholischen Christen, wider den grewlichen Türcken, und Ertzfeind der Christenhait gnedigst verliehen hat […] (Ingolstadt: Alexander Weißenhorn III., 1572), VD 16 N 138; Ex. BSB Hom. 1066. Neser, Augustin. Ein newe Catholische Predig. Auff des Türcken Niderlag / mit hülff Gottes / durch den drifachen heiligen Catholischen Bundt / beschehen […] (München: Adam Berg, 1572), VD 16 N 545; Ex. BSB Res / 4 Asc. 663. Neubeck, Johann Caspar. Zwo Christliche Sieg und LobPredigten / wegen etlich ansehlicher Victorien wider den Türcken […] (Wien: Leonhard Formica, 1594), VD 16 ZV 11455, Ex. BSB 4 Hom. 907. Nigrinus, Georg. Ernste Bußpredigten Vom Türcken Krieg / und andern dergleichen gefährlichen und beschwährlichen Kriegßläufften / so sich jetzund zu dieser unserer letzten Zeit / zu grossem Unheyl der gantzen Christenheit / auch Kirchen und Schulen / vielfältig erräugen und zutragen […] (Frankfurt/Main: Johann Spieß, 1592), VD 16 S 4631, Ex. HAB A: 374.1 Theol. 1. Praetorius, Zacharias. Handbüchlein wieder den Türcken […] (Regensburg: Johann Burger, 1566), VD 16 P 4696; Ex. SLUB Hist. Turc. 1417. Rivander, Jonas. Eine Christliche / und hertzlich wolmeinende Heerpredigt / Wieder den abgesagten Erb und Ertzfeind Christliches Namens den Türcken, Uber einen Text des 4.

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Literaturverzeichnis

Capitels im Ersten Buch der Maccabaeer, Wessen sich hohe Potentaten / Obersten / und alle / so sich zum streit wieder diesen Tyrannischen Feind gebrauchen lassen / […] (Liegnitz: Nikolaus Schneider, 1594), VD 16 ZV 20990, Ex. SLUB Hist. Siles.120.c, misc. 2. Rivander, Zacharias. Heerpredigt wiedern Türcken, Christliche und Trewhertzige Erinnerung von denen Zeichen / welche / wie unser lieber HErr und Heyland Jesus Christus saget / an der Sonnen dem Römischen Reich / und dem Mond der Christlichen Kirchen / vor seiner herzunahenden letzten und herrlichen Zukunfft geschehen sollen, Item / Von dem jetzigen Kriege in Ungern […] (Dresden: Matthes Stöckel d.J., 1594), VD 16 ZV 19030; Ex. BSB Res/Hom. 2096 r. Roth, Heinrich. Aus dem 79. Psalm / Fünff Türckenpredigten / Darin bericht geschiehet / wofür wir Christen den Türcken ansehen / auch wie wir jhm mit Gottes hülffe / durch Busse / Gebet und Gegenwehr / rechten Wiederstandt thun mögen […] (Leipzig: Zacharias Bärwald, 1594), VD 16 R 3237; Ex. ULB Il 7437, 10. Rupertus, Johannes. Zwo Predigten / Von des Mahometischen Türckischen Reichs steigen und fallen / auch wie Christliche Fürsten und Kreigsleute wider diesen friedbrüchigen Erbfeind getrost kriegen […] Als der […] Fürst und Herr / Herr Frantz Hertzog zu Sachsen […] von Röm. Kay. Mayt. zum General Obersten uber 4000. Reisige und ferner […] Hertzog Augustus Zellischen teils / zum Obersten uber 1000. und Hertzog Carol Jochim von Wolffenbüttel / zum Fenrich bestelt […] wider den Türcken in Ungern zu kriegen / auffgezogen / Gethan auffm F. Niedersächsischen Haus Lawenburg / den 10. und 17. Febru-arij, Anno 94 […] (Uelzen: Michael Kröner, 1594), VD 16 R 3810; Ex. ULB AB 155087, 25. Sagstetter, Urban. Gaistliche Kriegsrüstung / Das ist / Christliche Buss unnd Trostpredigen / sampt angehefften vermanungen zu embsigem unn andechtigen Gebet / wider […] den Türcken unn desselben Blutdurstigs fürnemen / damit Er die Christenhait im verschinen M D LXVI Jar an den Osterreichischen Gräntzen abermals mit Heereskrafft überzogen […] (Wien: Kaspar Stainhofer, 1567), VD 16 S 1311; Ex. BSB ESlg / Polem. 3109. Scherer, Georg. Ein trewhertzige Vermahnung/ Daß die Christen dem Türcken nicht Huldigen / sondern Ritterlich wider ihn streitten sollen […] (Wien: Franz Kolbe, 1595), VD 16 S 2739, Ex. BSB Hom. 2103p. Scherer, Georg. Fünffzehen Predigen / wider Machomet und sein Alcoran / gehalten zu Wien durch Georgium Scherer […] [1594], in: ders., Georgen Scherers von Schwatz / der Societet IESU Theologi, Ander Theil / Begreifft neben einem außfürlichen und der zeit hochnützlichen Catechismo ein und sibentzig Predigen von underschidlichen Materien […] (München: Niclas Heinrich, 1613), VD 17 1:047162 L, Ex. HAB A: 173.1 Theol. 2, S. 239 – 307. Scherer, Georg. Lob und Danck Predig / Wegen Glückseliger und Ritterlicher Eroberung der Haubtvestung Raab […] (Wien: Leonhard Formica, 1598), VD 16 S 2715; Ex. BSB 4 Polem. 832. Schopper, Jakob. GOttes Weissagung / Vom Türcken / Das ist: Erklerung der Prophecey deß heiligen Propheten Ezechielis / welche er in seinem 38. und 39. Capitel von Gog und Magog / das ist / vom Türcken und seinem Anhang gethan […] (Leipzig: Zacharias Bärwald, 1596), VD 16 S 3907; Ex. enthalten in: Jutta R. M. Çıkar, German books on Islam from the 16th century to 1900, Pt. 1.: Religion and Theology, Law and Customs (München 2002 – 2003); MF 550 – 551. Sutorius, Johannes Paul. Acht Christliche und in Gottes wort wolgegründte Predigten / wider den schendlichen gottlosen Bluthund und Creutzfeind den Türcken. In diesen schweren

1 Quellen

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zeiten / gantz tröstlich und nützlich zulesen. Gehalten zur obern Sultzburg. Durch M. Iohannem Paulum Sutorium. Noribergensem, der freyen Herrschafft Wolffstein Ecclesiasten unnd Mathematicum daselbst (Nürnberg: Alexander Philipp Dietrich, 1595), VD 16 S 10317; Ex. LAELKB Fen. II, 45,12. Wild, Johannes. Gemeine, Christliche und Catholische Bußpredigten […] (Mainz: Franziskus Behem, 1564), VD 16 W 2958; Ex. BSB 2 Hom. 543.

1.2 Weitere Quellen Brenz, Johannes. Bitt der Kirchendiener zu Hall an den Rath daselbst, Christenliche ordnung furzunehmen, in: Theodor Pressel (Hg.), Anecdota Brentiana. Ungedruckte Briefe und Bedenken von Johannes Brenz (Tübingen 1868), 88 – 92. Brenz, Johannes. Grundtlicher bericht und beschluß aus der heiligen geschrifft gezogen das keinem Christen under dem Romischen reich begriffen / gepüre oder gezyme da von abzufallen und sich dem turken oder anderer frembder herrschafft ergeben, in: HS Semones Berencij, Ex. Stadtbibliothek Nürnberg 75 Theol. 4°909, 99r-102v. Brenz, Johannes. Ob eyn weltliche Oberkeyt … möge die Widerteuffer … zum Tod richten lassen, in: Martin Brecht / Gerhard Schäfer / Frieda Wolf (Hgg.), Johannes Brenz. Frühschriften, Teil 2 (Tübingen 1974), 472 – 498. Brenz, Johannes / Melanchthon, Johannes. Wie sich Prediger und Leyen halten sollen / so der Turck das Teutsch land uberfallen würde / Christliche und noturfftige unterricht / Johannis Brentij Predigers zu Hall in Schwaben (Wittenberg: Georg Rhau, 1531), VD 16 B 7985; Ex. MF 147. Carion, Johann. Chronica durch Magistrum Johan Carion / vleissig zusamen gezogen / meniglich nützlich zu lesen (Wittenberg: Georg Rhau, 1532), VD 16 C 998; Ex. ULB Halle PON Vg 4104. Christliche Kirchen Agenda, wie die von den zweyen Ständen der Herrn und Ritterschafft im Ertzherzogthumb Oesterreich unter der Enns gebraucht wirdt (o.O., 1571), VD 16 ZV 196; Ex. SUB Gö 4 J STAT I, 2444. Dappach, Jörg. Ein Lied gemacht wie es im Osterland ergangen ist / Jn dem thon / Es geet ein frischer summer daher. Darnach ein gebet zů Got wider den Türcken (Nürnberg: Kunigunde Hergott, 1529), VD 16 ZV 20731; Ex. Ratsschulbibliothek Zwickau, Sign. 30.5.20 (11). Der Röm: Keis: Maiest. Auch etlicher Churfürsten / vnd Stendt des H. Reichs Teutscher Nation / Christliche anordnung. Welcher gestalt in gegenwertigem kleglichem vnd elenden zustandt des Türckischen einfalß in Crabaten / Vngern vnd sonst / alle Gottselige Haußväter […] teglich jr Gebet wider denselbigen Erbfeindt […] zu Gott thun […] sollen / etc. (Frankfurt/Main: Paul Brachfels, 1593), VD 16 ZV 13320; Ex. SUB 4 H TURC 712, 25. Destinata literaria et fragmenta Lusatica, d. i. Unternehmungen der Gelehrten und gesammlete alte auch neue zur Nieder-Lausitzischen Historie und Gelehrsamkeit gehörige Stücke, P. IX (Bd. 1,9) (Lübben 1738). Dietrich, Veit. Agend-Büchlein für die Pfar-Herren auff dem Land (Nürnberg: Johann vom Berg, Ulrich Neuber, 1543), VD 16 A 637; Ex. BSB 4 Liturg. 192 a.

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Literaturverzeichnis

Dietrich, Veit. Der xx. Psalm Dauids / Wie man für unser Kriegszvolck recht betten / und sie sich Christlich wider den Türcken schicken/ und glückselig kriegen sollen (Nürnberg: Johann vom Berg, Ulrich Neuber, 1542), VD 16 D 1689; Ex. BSB Exeg. 1361 v. Dietrich, Veit. Einfaltiger Unterricht wie man das Vater unser betten sol (Nürnberg: Johann vom Berg, Ulrich Neuber, 1543), VD 16 ZV 4539; zitierte Ausgabe: Einfeltiger unterricht, wie man das Vater unser beten soll (Nürnberg: Valentin Neuber, 1568), VD 16 D 1562; Ex. BSB Catech. 263b. Dietrich, Veit. Wie man das volck zur Buß, vnd ernstlichem gebet wider den Türcken auff der Cantzel vermanen sol / Sambt einer vnterricht vom gebet / Vnd einer kurtzen außlegung des LXXIX. Psalmen (Nürnberg: Johann vom Berg, Ulrich Neuber, 1542), VD 16 D 1678; Ex. BSB 4 Asc. 252 d. Dietrich, Veit. Wie man zum gebet sich recht schicken soll / auß der Hystori von dem Heidnischen Freulein (Nürnberg: Johann vom Berg, Ulrich Neuber, 1545), VD 16 D 1685; Ex. BSB Res/Hom. 364. Ein Bitgesang zu Got Vater Son vnd Heiligen Geist Jn gegenwertiger Tuercken not. Jnn dem Thon: Aus tieffer not zu singen. Sampt Zweyen schoenen Christlichen Gebeten gegen dem Erbfeind dem Tuercken Got vmb huelff anzuruffen etc. (Nürnberg: Salomo Neuber, 1566), VD 16 ZV 9741; Ex. Bibl. Palat F 706. Erythropel, Rupert. Weckglock darinnen die schlaffende Teutschen wider die wachende Türcken auffgewecket werden d. i. gründtliche Beschreibung in was Noht vnd Bedrängnuß Teutschland umb der Sünde willen durch Gog vnd Magog d. i. den Türcken kommen werde […] (Frankfurt/Main: Spies, 1595), VD 16 R 3315; Ex. BSB 4 Asc. 312. Ettliche nutzlyche Gebet zů Gott vmb Syg Wider den grawsamen Erbfeind vnnsers Hayligen Christenlichen Glaubens den Türcken. Mit angehenckter teütscher Letaney (Ulm: Hans Varnier, 1541), VD 16 ZV 24486; Ex. Bibliothek Otto Schäfer Schweinfurt, OS 1446, 03. Fabri, Johann. Oratio de origine, potentia ac tyrannide Thurcorum. Ad Serenissimum et potentissimum Henricum Angliae et Franciae Regem. etc. Eius nominis Octavum. Dicta Londini a D. Ioanne Fabro (Wien: Johann Singriener d.Ä., 1528), VD 16 F 220; Ex. MF 1052; Nr. 2661. Fischer, Christoph. Ein andechtiges sehnliches Gebet im Fuerstenthumb Lueneburgk gestelt wider den vermaledeiten schand Tuercken des lebendigen allerhoechsten Gottes vnd aller Christen geschwornen abgesagten Feind das seine allmacht dem Gottesschenderischen Moerder Auffrhuerer vnd vnzuechtigen Ertzboeswicht krefftiglich durch vnser Kriegsvolck […] stuertzen […] (Uelzen: Michael Kröner, 1594), VD 16 V 1594; Ex. GWLB, Sign. C 20059. Fisher, John. Assertionis Lutheranae Confutatio, per reverendum patrem Ioannem Roffensem Episcopum, academiae Cantabrigensis Cancellarium (Köln: Peter Quentel, 1523), VD 16 F 1215; Ex. BSB, Sgn.: 4 Polem. 1632 m. Gedicke, Simon. Ein Christlichs andechtiges Gebet wieder den Tuercken: Auff des Durchlauchtigsten […] Herrn Joachim Friederich Postulirten Administratorn des […] Ertzstieffts Magdeburg Marggraffen zu Brandenburg Hertzogen in Preussen etc. […] Befehl inn seiner Fuerstlichen Gnaden Landen vnd Kirchen von der Cantzel abzulesen vnd […] zu beten an geordenet (Magdeburg: Johann Francke, 1593), VD 16 ZV 6433; Ex. ULB Il 7437 (5). Glaser, Peter. Hundert und zwanzig Propheceyunge / oder Weissagung / des Ehrwirdigen Vaters Herrn Doctoris Martini Luthers / von allerley straffen, so nach seinem tod uber Deutschland von wegen desselbigen grossen / und vielfaltigen Sünden kommen solten […] (Eisleben: Urban Kaubisch, 1557), VD 16 L 3484; Ex. BSB 4 Asc. 602.

1 Quellen

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Glaser, Peter. Zwey hundert Propheceyunge oder weissagunge, des tewren Mans D. Martini Lutheri, von allerley Straffen, welche Deutschland noch seinem Tode, von wegen desselbigen vielfaltigen vnd grossen Sünden vberfallen sollen / Aus seinen Büchern zusammen gezogen (Bautzen: Michael Wolrab, 1574), VD 16 L 3534; Ex. Bibl. Palat. F 1119 – 1120. Glaser, Theophilus. Türcken-Büchlein: wie sich Prediger und Zuhörer halten sollen, so der Türcke das arme Deudschlandt überfallen wuerde […] (Dresden: o.D., 1594), VD 16 G 2173; Ex. SLUB Theol.ev.asc.246. Gygler, Andreas. Gebet-Büchlein wider den Türken: Von jedes Standes Personen / insgemein / und absonderlich / in und auser dem Krieg / andächtig zugebrauchen / Anfänglich A. 1566 / bey währendem Türkenzug / gestellet durch Andream Gygler / […] nachmals A. 1596. verbässert durch D. Balthasar. Müllern […]; Itzo aber aufs neu / mit vilerlei Gebeten / so in unterschiedlichen Fürstenthümern / Herrschaften und Städten / bey überhandnehmender Türckengefahr sind angeordnet […] / von Johann Michael Dilherrn / Predigern und Professorn in Nürnberg (Nürnberg: Michael und Johann Friedrich Endter, 1664), VD 17 23:317861N + VD17 39:156221H; Ex. Klosterbibliothek Loccum Pract. 3923. Horn, Bartholomäus. Christliche Leiche und Ehrengedächtnis predigt / Welche bey […] gräflichem Begräbnis dero weyland […] Fraw Catharinae / geborner zu Oldenburg un[d] Delmenhorst / gräffinne zur Hoja und Bruchhausen / witwen […] gehalten (Bremen: Villerianus, 1620), VD 17 23:314194D; Ex. HAB M: Db 2189. Jonas, Justus / Melanchthon, Philipp. Das siebend Capitel Danielis / von des Tuercken Gottes lesterung vnd schrecklicher morderey / mit vnterricht Justi Jonae (Wittenberg: Hans Lufft, 1530), VD 16 ZV 26521; Ex. SBB Ui 2116/1. Kirchen-Ordnung Des weiland Durchleuchtigen und Hochgebornen Fürsten und Herrn, Herrn Frantzen, Hertzogen zu Sachsen, engern und Westphalen, Wie es (vermittelst Göttlicher Gnaden) in dero Landen, mit Christlicher Lehre, Außspendung der heiligen hochwürdigen Sacramenten, Vocation, Ordination, und Verhaltung der Kirchen- und SchulDiener, auch Visitation, Consistorio, und andern hiezu gehörigen Sachen vermüge heiliger Göttlicher Schrifft, hinfüro gehalten soll werden, in: Lauenburgische Verordnungen-Sammlung, Bd. 2: Die Lauenburgische Kirchenordnung von 1585 enthaltend (Ratzeburg 1866); Ex. SUB Gö 8 J STAT VI, 4568:2. Knellinger, Balthasar. Predigen Zu Zeit deß Türken-Kriegs Von Anno 1683: In welchen das Christen-Volk Zur Buß, und Andacht, Dann auch Zu Lob- und Dank-Sprechung Auffgemahnet worden (München: Sebastian Rauch, 1687), VD 17 12:628470D; Ex. BSB 4 Hom. 951 – 1. Leudtholdt, Matthäus. Betbuch. Von Vielen Schoenen Ausserlesenen […] Gebeten aus den Psalmen und Biblischen Historien derer sich die Koenige Fuersten vnd Propheten im alten Testament gebrauchet sampt vielen andern so aus […] Gelehrter Leut Schrifften vnnd Bethbuechern zusammen gezogen sein auch etzlichen Christlichen Gesengen Collecten vnd Kirchen Gebeten (Frankfurt / Oder: Nikolaus Voltz, 1595), VD 16 L 1361; Ex. BSB Asc. 5553 z. Lünig, Johann Christian. Codex Augusteus, Oder Neuvermehrtes Corpus Juris Saxonici: […], Erster Theil (Leipzig 1724); Ex. SUB 2 J STAT II, 2728:1. Luther, Martin. Der Achte Teil und letzte aller Buecher und schrifften des thewren seligen Mans Gottes / Doctoris Martini Lutheri / vom XLII. Jar an bis auffs| XLVII. geschrieben / vnd im Druck ausgangen / Zum dritten mal gedruckt / allerding dem vorigen Druck gleich / On

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Literaturverzeichnis

was nach Ordnung der zeit etwas geendert ist (Jena: Donat Richtzenhan und Thomas Rebart, 1568); VD 16 L 3369, Ex. ULB Ib 3305 y, 4, 8,1. Luther, Martin / Volmarius, Marcus. Heerpredigt D.Martin Luthers / wider den Türcken/ sampt einer Vorrede M.Marci Volmarij (o.O., o.D., 1593), VD 16 L 4927; Ex. BSB Catech. 443 m. Meder, David. Ein Christlichs Gebet wider den Tuercken in Schulen vnd Heuesern vnter dem leuten der TuerckenGlocken zu sprechen / Fuer die Kirche zu Oringew gestellt Durch: Davidem Mederum Der Graueschafft Hohenloe Superintendentem generalem / vnd Predigern zu Oringew (Nürnberg: Valentin Fuhrmann, o. J.), VD 16 M 1846; Ex. BSB Asc. 3156. Müller, Heinrich. Türckische Historien. Von der Türcken Ankunfft / Regierung / Königen / und Keysern / Kriegen / Schlachten / Victorien und Sigen / wider Christen und Heiden […] (Frankfurt/Main: Georg Rabe, 1563), VD 16 D 1382; Ex. HAB A: 179 Hist. 2°. Nausea, Friedrich. Pro Concionatoribus ad milites in bello contra Hostes infideles exemplaris utriusque, tam Latinæ videlicet quam Germanicæ linguæ cum pijs aliquot … precationibus Homilia (Wien: Johann Singriener d.Ä., 1542), VD 16 N 263; Ex. HAB A: 472.2 Quod. 4. Neser, Augustin. Wie man dem grimmen Wüterich vnd Christlichen bluts durstigen Tyrannen, in allweg widerstand thun möchte Tröstlicher, nutzlicher vnnd notwendiger bericht an alle Ständ. In wölchem angezaigt wirdt, wie sich in diser fürgefallner Kriegßnoth ein yeder halten soll (Ingolstadt: Alexander II. und Samuel Weißenhorn, 1566), VD 16 N 546; Ex. BSB, Sgn.: 4 Mor. 360. Naw Betbuechlein. Etliche schoene Gebet, wider die fuerstehende not des Tuercken, vnd anderer Landplagen halben (Dresden: Matthes Stöckel, 1566), VD 16 N 1158; Ex. Bibl. Palat F3867. Osiander, Andreas. Unterricht und vermanung wie man wider den Tuercken peten vnd streyten soll […] (Nürnberg: Johann Petreius, 1542), VD 16 O 1116, ed. in: Andreas Osiander d.Ä. Gesamtausgabe, Bd. 7, Schriften und Briefe 1539 bis März 1543, hg. von Gerhard Müller und Gottfried Seebaß (Gütersloh 1988), Nr. 282, S. 469 – 485. Osiander, Lukas. De Ratione Concionandi […] (Tübingen: Alexander Hock, 1582), VD 16 O 1255; Ex. VTS Gö Sb 64. Osiander, Lukas. Bericht / was der Türcken Glaub sey / gezogen auß dem Türckischen Alcoran / sampt desselben Widerlegung (Tübingen: Ulrich Morhart, 1570); VD 16 O 1182; Ex. MF 1839 f. Nr. 3046. Perlitz, Gregor. Contra Turcam propugnaculi, tum religiosi, tum politici, evidens demonstratio. Das ist: Ein gewisse anweisung zur unüberwindlichen Festung / deß lieben Gebetts zu Gott / wider den Erb vnd Ertzfeind Christliches Namens / den Tuercken. […] (Wittenberg: Christoph Axin, 1593), VD 16 ZV 16288; Ex. ULB AB 154287(5). Rauwolf, Leonhard. Leonharti Rauwolfen, der Artzney Doctorn, vnd bestelten Medici zu Augspurg. Aigentliche beschreibung der Raiß, so er vor diser zeit gegen Auffgang inn die Morgenländer, fürnemlich Syriam, Iudaeam, Arabiam, Mesopotamiam, Babyloniam, Assyriam, Armeniam [et]c. nicht ohne geringe mühe unnd grosse gefahr selbs volbracht : neben vermeldung vil anderer seltzamer und denckwürdiger sachen, die alle er auff solcher erkundiget, gesehen, und obseruiert hat […] (Lauingen: Leonhart Reinmichel, 1582), VD 16 R 430; Ex. Bibl. Palat. E194/E195. Rosinus, Johannes. ANTITURCICA LUTHERI: Das ist / Vom Kriege / und Gebet wider den Tuercken / und von desselben Alcoran; etliche Schrifften / […] Doctoris Martini Lutheri (Leipzig: o.D., 1595), VD 16 L 3593; Ex. ULB AB 52 6/i, 10.

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Personenregister Albrecht, Wolfgang 219, 232 Alexander der Große 114, 136 Ammerbach, Bonifatius 101 Amsdorf, Nikolaus von 128 Andreä, Jakob 6, 19, 24, 35 f., 78, 80 – 82, 84, 98 f., 103, 109 – 113, 141, 144 f., 148, 153 f., 163, 170, 174 f., 177, 181, 193, 197 Anisius, Michael 1, 68, 82, 219 – 222, 224, 232 – 235, 237 Anna, Gräfin zu Hohenlohe-Neuenstein 34, 56 Assum, Johann 33, 56, 81, 82, 84, 145, 153, 155, 175, 183, 193 Auersperg, Herbart von 110 August I., Herzog von Braunschweig-Lüneburg 57 August, Kurfürst von Sachsen 27 Avenari, Johann 65 Axin, Christoph 64 Bapst, Michael 65 Beck, Markus 203 Bellarmin, Robert 192 Berg, Adam 222, 229, 233 Bergen, Gimel 158 Berossos 165 Bersius, Marcus 102 Beyer, Johann 158 Beza, Theodor 230 Bibliander, Theodor 99 – 102 Bieberstein, Joachim von 32 Biondo, Flavio 165 Blaurock, Jörg 131 Bonnus, Hermann 114 Borrhaus, Martin 102 Braubach, Peter 158 Brem, Heinrich 217, 222 Brenz, Johannes 6, 9 f., 19, 34, 52, 62, 69, 81, 83, 86, 108, 114, 120 f., 130 – 138, 143, 146 f., 155, 157 – 163, 165, 173, 176, 181 f. 196, 213, 216 Bucer, Martin 131 Bugenhagen, Johannes 38, 42, 65 Bullinger, Heinrich 9, 102

Calixt III., Papst 11, 28 – 32, 36, 69, 247, 250 Calvin, Johannes 89, 184, 230 Campano, Giovanni Antonio 241 Capito, Wolfgang 131 Carion, Johannes 113 – 115, 136 Christoph, Herzog von Württemberg 110, 112 Clairvaux, Bernhard von 136 Clemens VIII., Papst 37, 241 Cles, Bernhard von 215, 219, 226 Coccius, Sebastian 138, 158 – 160 Coluber, Johannes 222 Cranach, Lukas 139 Dappach, Jörg 60 f. D’Austria, Don Juan 244 Denck, Hans 131 Dietrich, Veit 44, 46 – 52, 77, 138, 160, 173, 205 f. Dilherr, Johann Michael 59 Eber, Paul 63 f. Echter von Mespelbrunn, Valentin 219 Eck, Johannes 3, 5 f., 10, 68 f., 81 f., 84, 201, 212, 214 – 216, 219, 221 – 223, 237, 247 Eder, Elisabeth 222 Efferhen, Heinrich von 81 f., 84, 94, 113, 144, 148, 153 f., 157, 163 – 167, 170, 175, 198 Elisabeth von Anhalt-Zerbst 65 Eppen, Nicolaus von 65 Erythropel, Rupert 63, 74, 81 f., 95 f., 125, 139, 144, 155, 164 f., 179 Fabri, Johann 10, 82, 200 – 202, 205, 210 – 212, 221 – 228, 247 Fabricius, Melchior 38, 81 f., 137, 145, 155 Ferdinand I., Kaiser 2, 89, 178, 202, 215, 224 – 226, 241 Ferdinand II, Erzherzog von Österreich 33, 55, 110, 219 Fischer, Christoph 57 Fischer, Johann 219 Fisher, John 230

Personenregister

Flurer, Johann Christoph 7, 36, 81 – 83, 151 – 153, 155, 175, 177 Formica, Leonhard 222 f. Franck, Sebastian 105 Franziskus (Heiliger) 193 f. Freising, Otto von 165 Friedrich III., Kaiser 95 Friedrich V., Kurfürst von der Pfalz 9

307

Imeli, Jakob 102 Isermann, Johann 69 Jeremias II., Patriarch von Konstantinopel 112 Joachim II., Kurfürst von Brandenburg 42, 65 Johann Friedrich, Kurfürst von Sachsen 38, 39, 42 Johann Georg, Kurfürst von Brandenburg 65 Johann Georg, Herzog von Sachsen 150 Jonas, Justus 39, 90, 129, 134

Gaubisch, Urban 158 Gedicke, Simon 56 Gennep, Jaspar van 222 Georgejevic, Bartholomäus 106 f., 116, 236 Gerlach, Stephan 112 Gesner, Salomon 81 f., 84, 94, 98, 113, 144, 151 f., 154, 175, 187 f., 194 – 196 Gigas, Johann 38, 81, 72, 93, 113, 145, 153, 155, 173, 182, 186 Glaser, Peter 63, 65, 137, 138, 140, 158 Glaser, Theophilus 121, 137 – 140 Göbel, Caspar 153 Grebel, Konrad 131 Gregoras, Nikephoros 165 Greter, Michel 69 Gross, Johann 8 Gutenberg, Johannes 31 Gygler, Andreas 59

Kalteisen, Heinrich 30 f. Karl V., Kaiser 2, 61, 158, 241 Karlstadt, Andreas 196 Kasimir, Markgraf von Brandenburg-Kulmbach 26 Ketton, Robert von 101 Klesl, Melchior 201, 207 Klug, Josef 42, 108 Knellinger, Balthasar 232 Kolbe, Franz 222 f. Kretz, Matthias 10, 68, 81 f., 219, 221 f. Kolbe, Franziskus 207 Konstanz, Hugo von 224 Kues, Nikolaus von 99, 101

Hausmann, Nikolaus 128 Heidenreich, Esaias 38, 65, 71, 81 f., 85 f., 93, 97 f., 104, 106, 113, 144, 155, 175 f., 182, 186, 189, 196 f. Heinrich VIII., König von England 225 f. Hergott, Kunigunde 60, 134 Hieronymus 89, 92, 133 Hilten, Johannes 95 – 97, 188 Hittorp, Gottfried 222 Hoënegg, Matthias Hoë von 24, 56, 81, 82, 84, 93, 98, 104, 113, 141, 145, 149 – 152, 154, 182 – 186, 192, 194 – 196 Horn, Bartholomäus 35, 37, 81, 85, 96 f., 106, 141, 155 Hunyadi, Johan 136 Hus, Jan 193 Hut, Hans 132 Hyperius, Andreas 148

Lagus, Peter 144 Lamberg, Abraham 150 Lange, Abraham 75, 81, 125, 154, 182, 186 Lauch, Johannes 27, 38, 71, 75, 81 f., 86 f., 93, 95, 97 f., 106 f., 113, 119, 144, 152, 155, 157 f., 166 – 170, 175 – 177, 182, 185 f., 191, 193 – 196 Lauterbach, Anton 39 Lavater, Ludwig 8 Leiden, Jan von 196 Lemmel, Peter 158 Leucht, Valentin 1, 81 f., 214, 217 – 219, 221 f., 238, 245 f. Leudtholdt, Matthäus 65 f., 75 Leyser, Polycarp 56, 71, 81 f., 84, 148, 154 Lichtenberger, Johannes 95 f., 188 f. Linck, Wenzeslaus 38, 63 f. Ludwig, König von Ungarn 26, 225

308

Personenregister

Lufft, Hans 105 Luther, Martin 1 – 3, 5, 10, 15, 38 – 43, 46, 48, 53 f., 59 f., 62 – 65, 72 – 75, 77, 88 – 91, 93 f., 96 f., 99 – 102, 105, 116, 119 – 124, 126, 129, 134 f., 135, 137, 139, 142, 144, 147, 156, 159 f., 165, 168 – 170, 179, 182 f., 185 – 187, 189, 191 – 193, 196 – 198, 201, 207, 209, 214, 225 – 227, 230, 237, 241, 242, 253 Macer, Kaspar 1, 82, 116, 183, 212, 221 f. Magera, Franz 47 Mallui, Grio 107, 189 Manger, Michael 222 f. Mantz, Felix 131 Matthias, König von Ungarn 136 Maximilian, Erzherzog Österreich 219 Maximilian II., Kaiser 2, 18 Meder, David 56 Mela, Pomponius 165 Melanchthon, Philipp 1, 47, 86, 88 – 90, 93, 96 f., 101, 113 f., 122, 129 f., 134 – 137, 146 – 148, 165, 189 f. Methodius 95, 114, 136 Meyer, Johannes 207, 222, 232 Mohammed 54, 78, 85, 89, 93, 97, 113 f., 117, 126 f., 136, 164, 169, 192 – 194, 196 f., 221, 234 Monte Croce, Ricoldo da 101 Montier-en-Der, Adso von 91 Morhart, Ulrich 99, 109 Möring, Nikolaus 77, 81, 86, 98, 113, 144, 154, 174 f., 178, 182, 186, 192 Müller, Heinrich 116 Müller, Sebastian 166 Münster, Sebastian 101, 115 Müntzer, Thomas 39, 192, 196 Musculus, Andreas 65 Mütel, Friedrich 1, 35 f., 38, 75, 81, 97, 153, 155, 173, 186, 188 f., 193 Myconius, Oswald 102 Mylius, Georg 35, 81 f., 84, 87, 93 – 95, 98, 113 f., 144 f., 154, 170, 175 f., 178, 181 f., 185, 193, 195 f., 234 Mynsinger, Joachim 65

Nas, Johannes 82, 94, 221, 222, 231, 237, 242, 244, 245 Nausea, Friedrich 49, 50, 200, 201, 202, 203, 204, 205, 206, 226 Nenninger, Matthäus 57 Neser, Augustin 1, 81, 212, 219, 221 f., 224, 228 – 231, 238, 242, 244, 245 Neubeck, Johann Caspar 31, 82, 106, 115, 211 f., 219, 221 f., 226, 239 f., 242, 245, 247 Neuser, Adam 194 f. Nigrinus, Georg 22, 88, 184 Nikolaus V., Papst 29 Oecolampad 183 Oporin, Johannes 100 – 102 Oppersdorf zu Schedlau, Wolf von 62 Osiander, Andreas 43 – 46, 48, 52, 77 Osiander, Lukas 99, 109, 112, 148 Osman I. 115 Perlitz, Gregor 64 f. Peucer, Caspar 165 Peypus, Friedrich 105, 128, 158 Pfintzing, Martin 48 Philipp, Herzog und Pfalzgraf bei Rhein 219 Philipp Ludwig, Pfalzgraf 152, 166 Philipp von Hessen, Landgraf 124 Phlydius, Johannes 128 Piccolomini, Enea Silvio 241 Pius V., Papst 243, 244 Platina, Bartolomeo 165 Plinius 165 Pollicarius, Johannes 158 Polybius 113 Postel, Guillaume 15 Praetorius, Zacharias 38, 81, 82, 87, 98, 104, 113, 152, 153, 154, 196 Preussen, Hans 128 Quentel, Peter 222, 226 Rabe, Georg 116 Rabus, Ludwig 65 Rauwolf, Leonhard 107 Rhau, Georg 108, 113, 128, 130, 134, 136 Rhodos, Apollonius von 165

Personenregister

Ricoldus 99 f. Rihel, Theodosius 163 Rivander, Jonas 70 f., 81 f., 88, 96 – 98, 121 f., 141, 153, 155, 182, 186 Rivander, Zacharias 1, 81 f., 84, 122, 141, 145, 154, 177 f., 182, 188, 190 f., 196, 250 Rogel, Hans 107 Roth, Heinrich 38, 60, 81, 117, 125, 144, 155, 175, 182, 193 f. Rudolf II., Kaiser 2 Rupertus, Johannes 1, 57, 81, 82, 141, 153 f., 156 f., 175, 182 Sacci, Siegfried 174, 192 Saerle, Jorgen 111 Sagstetter, Urban 5, 6, 19, 82, 103 f., 200, 205, 211, 218 – 222, 226, 237, 240, 243 Sattler, Michael 131 f. Scharffenberg, Crispin 55 Scherer, Georg 81 f., 98 f., 106 – 108, 122, 201, 207, 208 – 210, 219 – 223, 232, 236, 245, 247 f., Schirlentz, Nickel 38, 127 f. Schneider, Nikolaus 121 Schopper, Jakob 81, 82, 84, 155, 194, 196 Segono, Martino 165 Selnecker, Nicolaus 65 Setzer, Johann 158 Singriener, Johann 202, 222 f., 226 Stainhofer, Kaspar 222 f. Steinbach, Adam 153 Steiner, Heinrich 128 Stöckel, Matthes d.Ä. 62 Straub, Leonhard 222 Stuchs, Johann 128 Stürmer, Gervasius 158

309

Süleyman I., Sultan 225 Sutorius, Johannes Paul 22, 28, 33, 38, 72, 75 f., 81 f., 86, 98, 107, 145, 155, 171, 173, 176, 178, 183, 188, 189, 193 Trabant, Nicolaus 69 Trennbach, Urban von 202, 207 Tribauer, Esaias 59, 62 Trubar, Primož 80, 99, 103, 109, 112, 118 Truckenbrot, Jakob 101 Ungarn, Georg von 104 – 106, 169, 196, 236 Ungnad, Hans von 112 Urban II, Papst 183 Usraim-Beg, Pascha 110 Varnier, Hans 61 Venerabilis, Petrus 100 Vogler, Georg 50, 160 Volmarius, Marcus 122, 128 Voltz, Nicolaus 665 Weiß, Georg 3, 39, 40 Weiß, Hans 123, 158 Weißenburger, Johann 222 Weißenhorn, Alexander 215, 222 f. Weißenhorn, Alexander II. 222 Weißenhorn, Alexander III. 222 Weißenhorn, Samuel 222 Wild, Johannes 66, 69, 82, 200, 205, 221, 237 – 240, 247 Wilhelm, Pfalzgraf bei Rhein 228 Wilhelm IV., Herzog von Bayern 68, 219 Wolfgang, Graf von Hohenlohe 33 Wyssenburg, Wolfgang 101 Zápolya, Johann 38, 225 Zimmer, Zacharias 222 Zwingli, Huldrych 141, 237

Ortsregister Adrianopel 107 Ägypten 89 Alexandrinisches Reich 88 Altenburg 125, 154 Altenbruchhausen 35, 141, 155 Altes Reich 1 – 4, 11, 17, 21, 52, 67, 71, 85, 221, 223, 225, 228, 250 Amberg 155 Ansbach 26, 50, 160 Armenien 31 Augsburg 27, 33, 36, 53, 55, 64, 107 f., 128, 135, 163, 215, 222 f., 229 Babylonisches Reich 88 Bamberg 68, 219 – 221, 224, 232 f., Basel 8, 15, 97, 101 – 106 Bayern, Herzogtum 154, 221 Belgrad 31 f. Bietigheim 153 f., 157, 163 – 165 Bischofswerda 122, 154, 177 Böhmen, Königreich 36, 155 f., 188, 221 Brabant 96 Brandenburg, Kurfürstentum 63 – 65, 154, 156 Brandenburg-Nürnberg 52 Breslau 55 Brig 62 Brixen 94, 221, 231, 237 Budapest 202 Calenberg, Fürstentum 154 Celle 57 Clermont 183 Cölln (an der Spree) 65 Črnomelj 111 Dalmatien 29 Damaskus 106 Dänemark 29, 254 Deckau 75, 155 Derendingen 110 Dillingen 207, 222, 232 Dresden 62, 137 – 139, 149, 158

Echzell 184 Edom 114 Eisenach 96 Eisleben 158 England 225, 254 Erfurt 27, 158, 222 Flandern 96 Frankfurt/Main 54, 116, 128, 154, 158, 217, 221, 223 Frankfurt/Oder 65 Freiberg 63 Freising, Bistum 55, 67 f., 75, 219 Freystadt 155 Genua 243 Glogau, Erbfürstentum 155 Görlitz 34 Greiffenberg 70, 88, 121, 155 Griechenland 47, 89 Grubenhagen, Fürstentum 53 Habsburg 11, 226 Hagenau 158 Hannover 74 f., 139, 144, 155, 164, 166 Heidelberg 27, 194 Hessen, Landgrafschaft 54, 96 Hohenlohe, Grafschaft 33, 52, 55, 84, 155 Horb 131 Hoya, Grafschaft 155 Ingolstadt 68, 212, 215, 221 – 223 Innsbruck 221 Irland 29 Jena 35, 94, 154, 195, 234 Jerusalem 106, 188, 210, 227 Kärnten 153 Kaspisches Gebirge 136 Kaukasus 114 Koblenz 30 Köln 95, 215, 222, 226

Ortsregister

Konstantinopel 1, 10, 28 f., 69, 89, 106 f., 112, 136, 179, 189, 250 Konstanz 222, 224 Krain 109 – 111, 153 Kurpfalz 8 f., 52 Landsberg 221, 228 f. Landshut 222 Lauenburg 53, 57, 154, 156 Lauingen 152, 166 Lauffen (Neckar) 110 Leiningen-Westerburg 52 Leipzig 63, 75, 150, 154, 158, 223 Lepanto 18, 228, 231, 237, 243 – 248 Liegnitz 121 Loreto 244 Lübben 64 Lübeck 114 Luckau 64 Lüneburg, Fürstentum 57 Magdeburg 56 f., 65, 128, 135, 174, 192 Mähren 156 Mainz 66, 69, 115, 200, 217, 221 f., 238 f., 245 Mansfeld, Grafschaft 53, 155 Mecklenburg 73 Meißen 96, 137 Merseburg 188 Mohács 106, 113, 130, 215, 222, 225 Mömpelgard, Grafschaft 33, 163 Mosburg (Isar) 221 Mühlbach 106 München 68, 222, 229, 233 Münster 34, 103, 196 Naumburg 219 Neckarsteinach 7, 83, 155, 177 Neuenstein, Grafschaft 33 f. Neumarkt (Oberpfalz) 33 Niederösterreich 55, 63 Niedersachsen, Fürstentum 53, 57 Ninive 77 Nördlingen 145, 155 Norwegen 29 f.

311

Novigrad 110 Nürnberg 9, 15, 25, 30, 43 f., 46 f., 52, 55, 59 f., 73, 105, 109, 130, 132, 134 f., 158; 160, 173, 200, 205 f., 224 Oberlausitz 34 Oberpfalz, Fürstentum 22, 154 Oberursel 128 Ofen 26, 32, 38, 43, 72 Öhringen (Grafschaft Hohenlohe) 56 Orth 154 Osmanisches Reich 8, 10 f., 14, 16, 19, 23, 28, 34, 45, 54, 69, 71, 73, 76, 79, 85 f., 89, 103 f., 107 f., 113, 115, 117, 120, 124, 129, 131, 133, 155, 156, 172, 179, 184, 194, 196, 209, 215, 224 f., 227, 231, 243, 246, 248, 251, 253 Österreich, Erzherzogtum 30, 52, 53, 75, 147, 152 f., 188, 221 Österreich-Ungarn 34 Passau 57, 202, 207, 210, 220, 224, 233 Persien 31 Persisches Reich 88 Pfalz-Neuburg, Fürstentum 154 Pfalz-Zweibrücken, Herzogtum 33, 53 f. Pikardei 96 Pirna 39 Plauen 145, 149, 151, 154, 192 Polen 29, 96, 188 Portugal 29 Prag 221 f. Pressburg 207, 221 f. Preußen 96 Regensburg 27 f., 30, 47, 56, 58, 63, 116, 163, 183, 212, 221 Reinersdorf 137 Reinhardsgrimma 137 Rhodos 136 Rochester 230 Rom 105 Römisches Reich 65, 89, 190, 192 Rothenburg (o.d. Tauber) 109

312

Ortsregister

Sachsen, Kurfürstentum 1, 33, 36, 38, 56, 58, 63 – 65, 71, 140, 154, 156, 198 Sachsen-Lauenburg, Herzogtum 154 Salem 219 Sangerhausen 155 Santiago de Compostela 106 Savoyen 243 Schleitheim 131 f. Schlesien 36, 188 Schneeberg 158 Schottland 29 Schwäbisch-Hall 9, 10, 69, 70, 120, 130, 132 f., 137 f., 146, 155; 158, 160, 163 Schweden 29 Schweidnitz-Jauer, Erbfürstentum 155, 176 Schweiz 8 f. Seeburg 77, 178 Seehausen 154 Slowenien 80, 99, 109, 112 Spanien 29, 243 Speyer 26, 32, 44, 239 Staufen (Breisgau) 131 f. Stettin 153 Straßburg 47, 70, 102, 128, 131, 163 Stuhlweißenburg 225 Stuttgart 110 Sziget 7, 32 f., 73 Thüringen 96 Toledo 100 Trient 226 Trondheim 30 Tübingen 19, 24, 35, 80, 82, 99, 109 f., 148, 151 f., 154, 163, 166, 174, 192

Ulm 61 – 64 Ungarn 26, 38, 39, 57, 106, 108, 123, 132, 156 f., 162, 207, 220, 234 Urach 112 Urbersdorf 122 Vatikan 243 Velburg 75, 119, 152, 155, 170 Venedig 243 Vorderösterreich 33 Waldenburg, Grafschaft 33 Weikersheim 155 Weißenfels 158 Wertheim 53 Wien 7, 10, 49 – 51, 60 f., 69, 99, 104 f., 113, 122, 160, 162, 173, 200 – 203, 206 f., 220 – 228, 239, 242, 245, 247 Wittenberg 38, 42, 47, 63 f., 71, 75, 82, 88, 92, 94, 96, 102, 105, 113, 115, 120, 127 f., 130, 134 – 137, 145, 154, 158, 160, 179, 188, 196, 198, 212, 223, 252 Wolfenbüttel 9 Wolfstein 22, 72, 155 Worms 52 Württemberg, Herzogtum 63, 109, 112, 118, 130, 134, 143, 154 Würzburg 219, 232 Zsitvatorok 11 Zürich 8, 100, 131 Zwickau 57, 61, 128

Sachregister Abendmahl 1, 74, 193, 196, 199 Ablass 29, 31, 179 Alkoran, s. Koran Altes Testament 79 Antichrist 89 – 94, 133, 145, 187 f., 233 Antitrinitarier, Antitrinitarismus 192, 194, 196 Anweisungsliteratur 2, 21 Apokalyptik 18, 80, 90 f., 93, 95 – 97, 118, 123, 125, 127 – 131, 160, 168, 187, 189 f., 198 f., 233, 236 f., 246, 248, 252 f. Astrologie 95, 187, 189 f. Arianismus 195 Bekenntnis 7 f., 12, 80, 118 f., 129, 159, 167, 169 f., 175, 192, 194, 197, 199, 241 Bekenntnis, Schleitheimer 132 Bericht 9, 76, 170 Besserung (des Lebens) 27, 40, 51, 218, 235, 252 Bettag, s. Bußtag Bibel, s. Heilige Schrift Buchdruck 10 Buße 27, 40, 42 f., 51, 90 f., 118, 123 – 125, 128 f., 133, 149, 157, 159, 162, 165, 171 – 174, 176, 178 – 181, 185 f., 190 – 192, 199, 203, 214, 217 f., 227, 233 – 235, 246 – 248, 251 f. Bußtag 25, 70, 174, 179, 218, 224 Calvinismus, s. reformiert / Reformiertentum Chroniken, Chronistik 2, 11, 80 Confessio Augustana 92, 112 Credo 40, 74, 129 Dekalog 1, 53, 74, 129, 136, 175, 201 Disziplinierung 23, 77, 157, 170, 180 f. Dreieinigkeit, s. Trinität Drei-Stände-Lehre 177, 204, 229 Dreißigjähriger Krieg 11 Einheit (d. Christenheit), Nationalgefühl 169, 175, 187, 231, 239 f., 248 f., 253 Endchrist, s. Antichrist

Endzeit, s. Apokalyptik Erbfeind 1 f., 20, 27, 31, 37, 55, 57, 68, 72, 76 f., 93, 95, 103, 108, 113, 118, 123, 126, 138, 150, 165, 168 – 170, 181, 186 f., 190, 199, 201, 208 f., 211, 226, 236, 241, 243, 247, 250, 252 Ethnographie 21 Experte 16, 78 – 80, 251 Fakultät, Theologische 81 f., 88 Familie 35, 59, 74, 167, 209, 250, Freier Wille 1, 234 Frühe Neuzeit 3, 11, 18, 65, 75, 140, 146, 172 f., 180, 213, Geißel Gottes, s. Zuchtrute Gewissen 114, 124, 126, 128, 134, 157, 180 – 183, 186, 208, Glaubensbekenntnis, s. Credo Gnade Gottes 51, 58, 91, 162 Gottesname 49 – 51 Gottessohnschaft 50, 112 Hausvater, -mutter 59, 64, 67, 74 f., 77, 117, 153, 167, 177, 181, 250 Heilige Liga 18, 228, 243 f., 246, 248 Heilige Schrift 79 f., 86, 97, 111, 129, 139, 142, 193, 214, 251 Heiliger Krieg, s. Kreuzzug Heilsgeschichte 187 Historiographie 21 Islam 93, 130, 158, 160, 169, 191, 193 f., 197 f., 248, 252 f. Jugend 64 Jüngster Tag 123, 129, 131, 133, 167, 190 f., 194, 250 katholisch / Katholizismus, römischer 4, 6, 9f., 12, 14, 18, 21, 31, 57, 66–69, 81f., 84f., 95, 99, 115–117, 122, 182, 193–195, 200–202, 207, 209–223, 231, 235–253 Karfreitag 174,

314

Sachregister

Katechese, Katechismus 111, 129, 139, 142, 167, 191 Kinder 59, 64, 67, 75, 138, 236 Kirchenordnung 20, 52, 54, 74 Kommentar 9 Konfessionskultur 12, 18, 20, 253 Konfessionelles Zeitalter 11, 142, 151, 179 f. Koran 15, 79 f., 89, 93, 97 – 103, 105 f., 108 f., 115, 118, 126, 127, 164, 167, 169, 191, 195, 235 Kreuzzug 29, 31, 100, 136, 151, 179, 183, 242, 246, 248, 253 Kreuzzugsprediger 10, 179 Laster, Lasterkatalog 45, 161, 238 Lectio continua 8, 141 f., lutherisch / Luthertum 1, 6, 8, 12, 18 – 20, 36, 74, 79 f., 85, 87, 94, 112 f., 117, 119 f., 125, 137, 145, 150 f., 154, 165, 167 f., 170 f., 179 f., 182, 184 f., 187, 191 f., 194, 196 – 199, 201, 212, 218, 220, 234, 242, 245, 250 – 254 Mission 111 f., 184, 248, 253 Mystik, mittelalterliche 66 Nation, Nationalgefühl, s. Einheit (der Christenheit) Neue Zeitungen 2, 14, 45, 80, 104, 170 Obrigkeit 14, 22, 25, 28, 33, 35, 37, 50 f., 59, 66 f., 72, 77, 79, 84, 108, 119, 131, 133, 135, 137, 140, 155, 159, 169, 175, 176 – 178, 180, 182, 186 f., 199, 215, 219, 225 f., 235 f., 241 f., 248, 250 – 252 Papst, Papstkirche, Papsttum 24, 48 f., 90, 92 – 94, 112, 129, 175, 179, 184, 191 – 194, 239, 241 f., 245 f. Pietismus 11, 151 Polemik, konfessionelle 165, 191, 197, 199, 212, 226 Polygamie 127, 164 Prognostik 21, 94 – 97

Rechtfertigungslehre 147 reformiert / Reformiertentum 7 – 9, 39, 169 f., 191 – 196, 239 Reich Gottes 46, 61 Reichsstände 2, 156, 178, 237, Reichstag 14, 22, 24 – 28, 33, 36, 44, 55 f., 58, 63, 76, 78, 157, 163, 177 f., 187, 199 f., 224, 229, 239, 247, 250 f. – -abschied 8, 25 f., 35 – -akten 14, 20 – -beschluss 23 f., 197 f. – -mandat 14, 164 Reiseberichte 2, 11, 14, 79 f., 104, 106 Religionsgespräch, Marburger 128 Religionskunde 21 Satan 91, 93, 149, 153, 175, 187, 195, 207 f., 245, Schmalkaldische Artikel 92 Schwenkfelder 169, 191, 196 Sünde, Sündhaftigkeit 22, 25, 45, 79, 161, 173, 227, 233, 235 Strafe Gottes 79, 238, 248 Studium 80 f., 214, 251 Synkretismus 127 Taufe 1, 39, 61, 74, 86, 195, 208 Täufer 39, 131 f., 139, 150, 169, 185, 191 f., 196, 239 Teufel, s. Satan Trienter Konzil, Tridentinum 211, 213, 220, 247, 252 Trinität 112, 208, 229, 231 Türkenandacht 8, 20, 23, 54, 67, 70, 154, 166, 168, 217, 250 Türkenexperte, s. Experte Türkengebet 2 f., 8, 11, 20, 23, 25, 27 f., 34, 35, 37, 46, 48, 59, 67, 76, 123 – 125, 128, 138 – 140, 152, 155 f., 163, 165 f., 181, 190, 192, 203 – 205, 217, 224, 229, 232, 234 f., 247, 250 f., 253 – 40-stündiges 37 Türkengebetbücher 9, 58, 59, 154 Türkengedicht 76 Türkenglocke 8, 11, 20, 24 – 36, 43, 66 f., 71, 138, 163, 166, 168, 181, 250 f.

Sachregister

Türkengottesdienst, -betstunden 23 f., 54, 67 f., 70 f., 119, 155, 159, 174, 198, 219, 244, 247 Türkenkrieg, Langer 7, 10, 28, 58, 127, 144, 156, 245, 253 Türkenlied 2, 11, 59, 76, 139, 250 Türkenlitanei 70 f. Türkenprozession 20, 23, 25, 31, 67 f., 200, 210, 215, 217 – 219, 228 f., 232, 244, 247, 250 Türkensteuern 2, 22 – 24, 28 f., 169, 179, 199 Türkentruhe 28 Türkenzehnt 29, 31, 179 Universität

152, 166, 196, 215

315

Vaterunser 40, 48, 53, 129, 166, 168, 208 Vier-Monarchien-Lehre 114, 117, 131 Weltende, s. Apokalyptik Zehn Gebote, s. Dekalog Zensur 84, 101, 167 Zorn Gottes 45 f., 56, 60, 149, 160, 161 f., 171, 174, 188, 216, 229, 247 Zuchtrute 42, 58, 79, 171, 179, 182, 183, 185, 188, 198, 216, 217, 229 f., 235, 248, 252 Zwei-Reiche-Lehre 2 f., 51, 125 f., 129 f., 133, 135, 182 – 187, 241 Zwinglianer, s. reformiert / Reformiertentum

Bibelstellenregister Gen 6 Gen 6, 1 – 3 Gen 18 f. Ex 15 Ex 20,5 Ex 32 Lev 26 Num 11 Num 13 f. Num 21 Dtn 20 Jos 13 Ri 3 2Chr 14 2Chr 20 2Chr 32 Ps 20 Ps 46 Ps 68 Ps 74 Ps 79 Ps 80 Ps 83 Ps 90 Ps 94 Ps 137,8 Jes 5,24 f. Jes 10 Jes 36 Jes 37 Jer 4 Jer 5 Jer 6 Jer 8 Jer 18 Jer 34 Jer 44 Ez 33 Ez 38 f. Dan 3

143, 147, 162 146 143, 162 143, 151, 211 f. 216 142, 162 143 143, 162 143, 162 143, 162 211, 226 248 204 143 63 210 f., 227 46, 50 f., 203, 205 f. 143, 235 143 143 47 – 50, 62, 64, 143 – 145, 205 f., 211 f., 235 143 143 73 143 212, 215 216 248 211 211 211 211 211, 217 143 211 134, 136 216 56 85, 88, 114, 140 f., 143 f., 151, 157, 164, 166 – 168, 187, 212 211

Dan 7

Dan 7,8 Hos 4,1 Hos 7 Joel 1 Joel 2 Am 6

78, 85, 87 f., 97, 114, 117, 129, 131, 136, 141, 143, 145, 164, 187, 249, 252 133 f. 216 211, 235 211, 234 143, 211, 234 143

Sir 40 1Makk 4

143 143

Mt 4 Mt 5 Mt 5,20 – 26 Mt 7 Mt 5 – 7 Mt 8 Mt 9 Mt 18 Mt 20 Mt 21 Mt 22 Mt 24 Mk 8 Mk 13 Mk 16 Lk 8 Lk 11 Lk 16 Lk 18 Lk 19 Lk 21 Lk 21, 9 – 11 Joh 2 Joh 4 Joh 6 Joh 8 Joh 15 f. Joh 16 Joh 20 Apg 9 Röm 10

143, 156, 207 143 150 143 136 211 211 211 211 141, 143 211 92, 187 143 187 141, 143 211 141, 143 143 143, 211 143, 216 187, 190, 211 204 211 211 141, 143 141, 143 141 141, 143, 145 211 143, 145 177

Bibelstellenregister

Röm 12 Röm 13 Röm 15,4 Eph 5 Eph 5,1 2 Thess 2

150 134 f., 204 148 150 139 88, 92, 145, 187

1Tim 2 2Tim 3,16 1Petr 3 Apk 13 Apk 20

143 148 211 143 88, 114, 143 f., 187

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