Krankheiten in der Schwangerschaft: Handbuch der Diagnosen von A–Z 9783110226935

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Krankheiten in der Schwangerschaft: Handbuch der Diagnosen von A–Z
 9783110226935

Table of contents :
Abkürzungen
Adipositas permagna
Adrenogenitales Syndrom (AGS)
Akute Fettleber
Allergie
Amnioninfektionssyndrom (AIS)
Anämie
Anämie, hämolytische
Anämie, megaloblastäre
Antiphospholipid-Syndrom (APS)
Aortendissektion
Aorteninsuffizienz
Aortenisthmusstenose (AIST)
Aortenstenose (AS)
Appendizitis
Asthma
Autoimmun-Hepatitis (AIH)
Bakterielle Vaginose (BV)
Behçet-Krankheit (BK)
Blasensprung, vorzeitiger
Borreliose
Bronchitis (Erkältungskrankheiten)
Brucellose
B-Streptokokken-Infektion (GBS)
Budd-Chiari-Syndrom (BCS)
Candidose
Chlamydieninfektion
Cholezystolithiasis
Colitis ulcerosa
Coma diabeticum und diabetische Ketoazidose
Depression in graviditate
Depression, postpartal
Dermatomyositis (DM)
Diabetes insipidus
Diabetes mellitus Typ I
Diabetes mellitus Typ II
Diarrhoe
Ehlers-Danlos-Syndrom (EDS)
Eisenmangelanämie
Eisenmenger-Syndrom
Eklampsie
Endokarditis
Epilepsie
Epstein-Barr-Virus-Infektion (EBV)
Fallot-Tetralogie
Fruchtwasserembolie
Frühgeburt, drohende
FSME (Frühsommer-Meningo-Enzephalitis)
Gastritis
Gestationsdiabetes (GDM)
Glaukom
Haarausfall nach der Geburt
Habituelle Abortneigung
Hämorrhoiden
Harnwegsinfektion
HELLP-Syndrom
Herpes gestationis
Herzklappenprothesen
HIV (Human Immunodeficiency Virus)
Hyperaldosteronismus
Hyperemesis gravidarum
Hyperparathyreoidismus
Hyperthyreose
Hypertonie, chronische
Hypophyseninsuffizienz
Hypothyreose
Hypotonie
Idiopathische thrombozytopenische Purpura (ITP)
Impfungen in der Schwangerschaft
Influenza H1N1 (Schweinegrippe)
Influenza-Virus-Infektion
Kardiomyopathie, dilatative
Kardiomyopathie, hypertrophe
Karpaltunnelsyndrom
Klippel-Feil-Syndrom
Kunstliche (mechanische) Herzklappen
Lebertransplantation
Leberzirrhose
Listeriose
Malaria
Mammakarzinom
Marfan-Syndrom
Masern
Menière-Krankheit
Meralgia paraesthetica
Migräne
Milz-Arterien-Aneurysma
Mitralinsuffizienz, erworbene
Mitralstenose, erworbene
Morbus Addison
Morbus Crohn
Morbus Cushing
Morbus Wilson
Multiple Sklerose (MS)
Mumps
Myasthenia gravis (MG)
Myokardinfarkt
Neurodermitis
Nierenersatztherapie (Dialyse, Nierentransplantation)
Obstipation
Ösophagusvarizen
Osteoporose
Pankreatitis
Paroxysmale supraventrikulare Tachykardie (PSVT)
Perikarditis
Phäochromozytom
Pneumonie
Porphyrie
Posturales orthostatisches Tachykardie Syndrom (POTS)
Präeklampsie
Primär biliäre Zirrhose (PBC)
Primar sklerosierende Cholangitis (PSC)
Prolaktinom
Psoriasis
Raynaud-Syndrom
Restless-Legs-Syndrom
Rheumatoidarthritis
Röteln
Rückenschmerzen
Sarkoidose
Scabies
Schilddrüsenkarzinom
Schizophrenie
Schlaganfall
Schwangerschaftscholestase
Schwangerschaftsdermatose
Sjögren-Syndrom (SS)
Sklerodermie
Struma
Systemischer Lupus erythematodes (SLE)
Thromboembolie, venose
Thrombophilie
Thrombotisch-thrombozytopenische Purpura (TTP) und hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS)
Thyreoiditis
Toxische epidermale Nekrolyse (TEN)
Toxoplasmose
Tuberkulose
Varikosis
Varizellen
Vaskulitiden
Virushepatitis
Von-Willebrand-Jürgens-Syndrom
Vorhofflimmern
Wegener-Granulomatose (WG)
Zervixkarzinom und Zervixdysplasie
Zystische Fibrose (CF)
Zytomegalie
Register

Citation preview

Briese • B o l z • R e i m e r K r a n k h e i t e n in der S c h w a n g e r s c h a f t

Volker Briese · Michael Bolz · Toralf Reimer

Krankheiten in der Schwangerschaft Handbuch der Diagnosen von A bis Ζ

DE GRUYTER

Autoren Prof. Dr. med. Volker Briese Universitätsfrauenklinik und Poliklinik am Klinikum Südstadt Rostock Südring 81 18059 Rostock [email protected]

PD Dr. med. Toralf Reimer Universitätsfrauenklinik und Poliklinik am Klinikum Südstadt Rostock Südring 81 18059 Rostock toralf.reimer@ kliniksued-rostock.de

Dr. med. Michael Bolz Universitätsfrauenklinik und Poliklinik am Klinikum Südstadt Rostock Südring 81 18059 Rostock [email protected]

Das Buch enthält mehrere Tabellen.

ISBN 978-3-11-022692-8 Bibliografische Information der Deutschen

Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Copyright 2010 by Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, 10785 Berlin. - Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Der Verlag hat für die Wiedergabe aller in diesem Buch enthaltenen Informationen (Programme, Verfahren, Mengen, Dosierungen, Applikationen etc.) mit Autoren bzw. Herausgebern große Mühe darauf verwandt, diese Angaben genau entsprechend dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes abzudrucken. Trotz sorgfältiger Manuskriptherstellung und Korrektur des Satzes können Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autoren bzw. Herausgeber und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benutzung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen davon entsteht. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen und dergleichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass solche Namen ohne weiteres von jedermann benutzt werden dürfen. Vielmehr handelt es sich häufig um gesetzlich geschützte, eingetragene Warenzeichen, auch wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind. Projektplanung und -durchführung: Dr. Petra Kowalski Lektorat: Simone Pfitzner Herstellung: Marie-Rose Dobler Gesamtherstellung: Druckhaus „Thomas Müntzer", Bad Langensalza.

Vorwort

Schon wieder ein neues Buch über Erkrankungen in der Schwangerschaft? Wenn man über ein Buchprojekt nachdenkt, stellt man sich immer die Frage, warum zu den schon vorhandenen Werken ein weiteres hinzugefügt werden soll. Die Idee zu diesem Handbuch entstand, weil in den großen Lehrbüchern in der Regel sehr umfangreiche physiologische und pathophysiologische Darstellungen von maternalen Erkrankungen in der Schwangerschaft vorhanden sind; der schnelle Zugriff auf Hinweise zur konkreten Diagnostik und Therapie in der akuten Situation jedoch häufig schwierig ist. Das alphabetische Handbuch soll die Akzeptanz für Klinik und Praxis erhöhen. Außerdem sind zahlreiche Aspekte zu beachten, die ein erneutes Update der mütterlichen Erkrankungen in der Schwangerschaft erfordern. • Infolge besserer Diagnostik und multimodaler Therapiekonzepte werden heute mehr Frauen mit Vorerkrankungen in die Lage versetzt, das fertile Alter zu erreichen und die Chance auf eine erfolgreiche Schwangerschaft zu bekommen. Als Beispiel können Frauen mit angeborenen Herzfehlern oder einer zystischen Fibrose genannt werden. • Zahlreiche onkologische Krankheitsbilder werden heute differenzierter behandelt werden als noch vor einigen Jahren. • Erinnert sei auch an große Fortschritte bei der Behandlung internistischer (z. B. Rheumatoidarthritis) und neurologischer Erkrankungen (z. B. multiple Sklerose). • Für einige Medikamente (z. B. Immunsuppressiva) gibt es basierend auf den klinischen Erfahrungen der letzten Jahre neue Risikobewertungen hinsichtlich Embryotoxizität und Teratogenität. • Zunehmend wird der Geburtshelfer mit Problempatientinnen konfrontiert, die in den bisherigen Standardwerken noch keine Berücksichtigung fanden (z. B. junge Frauen mit Zustand nach bariatrischer Chirurgie bei morbider Adipositas). Das vorliegende Buch versucht eine klare Stellungnahme zu geben, inwieweit sich eine bestehende Grunderkrankung durch die Schwangerschaft bessert, verschlechtert oder gar eine Kontraindikation für eine Schwangerschaft besteht. Die gegebenen Empfehlungen können zur Betreuung der Schwangeren aber auch zur umfassenden Aufklärung vor einer geplanten Schwangerschaft genutzt werden. Hinsichtlich der zitierten Literatur war es das Bestreben der Autoren, Leitlinien, Reviews, Cochrane-Analysen und Empfehlungen der DGGG, ACOG und BCOG zu erfassen. Der Blick in das vorliegende Handbuch kann und soll den häufig notwendigen interdisziplinären Diskurs im konkreten Fall nicht ersetzen, sondern eine Anregung zum weiteren Vorgehen geben. Die Autoren waren gezwungen, eine Auswahl an Krankheitsbildern zu treffen, und haben sich entsprechend der klinischen Häufigkeit und der Erfahrungen in einer großen Klinik mit ca. 4000 Intensivschwangerenberatungen pro Jahr und mehr als 2700 Entbindungen pro Jahr orientiert. Rostock, im Februar 2010

Volker Briese, Michael Bolz, Toralf Reimer

Inhalt

Abkürzungen Adipositas permagna Adrenogenitales Syndrom (AGS) Akute Fettleber Allergie Amnioninfektionssyndrom (AIS) Anämie Anämie, hämolytische Anämie, megaloblastäre Antiphospholipid-Syndrom (APS) Aortendissektion Aorteninsuffizienz Aortenisthmusstenose (AIST) Aortenstenose (AS) Appendizitis Asthma Autoimmun-Hepatitis (AlH) Bakterielle Vaginose (BV) Behçet-Krankheit (BK) Blasensprung, vorzeitiger Borreliose Bronchitis (Erkältungskrankheiten) Brucellose B-Streptokokken-Infektion (GBS) Budd-Chiari-Syndrom (BCS) Candidose Chlamydieninfektion Cholezystolithiasis Colitis ulcerosa Coma diabeticum und diabetische Ketoazidose Depression in graviditate Depression, postpartal Dermatomyositis (DM) Diabetes insipidus Diabetes mellitus Typ I Diabetes mellitus Typ II Diarrhoe Ehlers-Danlos-Syndrom (EDS) Eisenmangelanämie

XI 1 4 7 10 13 17 20 25 27 29 31 33 36 38 40 43 45 47 49 53 57 60 62 64 66 70 72 74 76 80 83 86 88 91 96 98 100 103

Vili

Inhalt

Eisenmenger-Syndrom Eklampsie Endokarditis Epilepsie Epstein-Barr-Virus-Infektion (EBV) Fallot-Tetralogie Fruchtwasserembolie Frühgeburt, drohende FSME (Frühsommer-Meningo-Enzephalitis) Gastritis Gestationsdiabetes (GDM) Glaukom Haarausfall nach der Geburt Habituelle Abortneigung Hämorrhoiden Harnwegsinfektion HELLP-Syndrom Herpes gestationis Herzklappenprothesen HIV (Human Immunodeficiency Virus) Hyperaldosteronismus Hyperemesis gravidarum Hyperparathyreoidismus Hyperthyreose Hypertonie, chronische Hypophyseninsuffizienz Hypothyreose Hypotonie Idiopathische thrombozytopenische Purpura (ITP) Impfungen in der Schwangerschaft Influenza H1 N1 (Schweinegrippe) Influenza-Virus-Infektion Kardiomyopathie, dilatative Kardiomyopathie, hypertrophe Karpaltunnelsyndrom Klippel-Feil-Syndrom Künstliche (mechanische) Herzklappen Lebertransplantation Leberzirrhose Listeriose Malaria Mammakarzinom Marfan-Syndrom Masern Menière-Krankheit Meralgia paraesthetica Migräne

105 108 111 114 117 119 121 123 128 130 133 136 138 140 143 146 148 152 154 156 159 161 1 64 1 68 171 174 176 178 1 80 1 84 185 187 191 193 196 198 200 202 204 207 210 213 216 219 221 223 225

Inhalt

Milz-Arterien-Aneurysma Mitralinsuffizienz, erworbene Mitralstenose, erworbene Morbus Addison Morbus Crohn Morbus Cushing Morbus Wilson Multiple Sklerose (MS) Mumps Myasthenia gravis (MG) Myokardinfarkt Neurodermitis Nierenersatztherapie (Dialyse, Nierentransplantation) Obstipation Ösophagusvarizen Osteoporose Pankreatitis Paroxysmale supraventrikuläre Tachykardie (PSVT) Perikarditis Phäochromozytom Pneumonie Porphyrie Posturales orthostatisches Tachykardie Syndrom (POTS) Präeklampsie Primär biliäre Zirrhose (PBC) Primär sklerosierende Cholangitis (PSC) Prolaktinom Psoriasis Raynaud-Syndrom Restless-Legs-Syndrom Rheumatoidarthritis Röteln Rückenschmerzen Sarkoidose Scabies Schilddrüsenkarzinom Schizophrenie Schlaganfall Schwangerschaftscholestase Schwangerschaftsdermatose Sjögren-Syndrom (SS) Sklerodermie Struma Systemischer Lupus erythematodes (SLE) Thromboembolie, venöse Thrombophilie

| IX

228 230 233 235 238 241 244 246 249 251 254 256 259 262 265 267 270 273 275 278 280 283 287 289 293 295 297 299 302 304 306 310 312 315 317 319 321 324 327 329 331 333 335 337 340 345

Χ I

Inhalt

Thrombotisch-thrombozytopenische Purpura (TTP) und hämolytischurämisches Syndrom (HUS) Thyreoiditis Toxische epidermale Nekrolyse (TEN) Toxoplasmose Tuberkulose Varikosis Varizellen Vaskulitiden Virushepatitis Von-Willebrand-Jürgens-Syndrom Vorhofflimmern Wegener-Granulomatose (WG) Zervixkarzinom und Zervixdysplasie Zystische Fibrose (CF) Zytomegalie

350 353 355 357 362 365 368 371 373 376 378 380 382 384 387

Register

389

Abkürzungen

AC ACT H ADH AK ANA ApoC II aPTT ASS BSG EKG FSH HCG HIV HVL HHL HWS lg LH KDa KH MRT NYHA PTH pHPT sHPT SSW TIA TMD TNP

Amniozentese Adrenocorticotropes Hormon Antidiuretisches Hormon Antikörper Antinukleäre Antikörper Apolipoprotein II aktivierte partielle Thromboplastinzeit Acetylsalizylsäure Blutsenkungsgeschwindigkeit Elektrokardiographie Follikelstimulierendes Hormon Humanes Choriongonatotropin Human Immunodeficiency Virus Hypophysenvorderlappen Hypophysenhinterlappen Halswirbelsäule Immunglobulin Luteinisierendes Hormom Kilodalton Kohlenhydrate Magnetresonanztomographie New York Heart Association Parathormon primärer Hyperparathyreoidismus sekundärer Hyperparathyreoidismus Schwangerschaftswochen Transitorisch ischämische Attacke Tagesmaxi maldosis Tages-Nacht-Profil

Memor esse

daran denken

Adipositas permagna Definition BMI > 4 0 kg/m 2 , Komorbidität entspricht dem metabolischen Syndrom (Dyslipidämie, diabetische Stoffwechsel läge, Hypertonus), d. h., kommen zum Risikofaktor Adipositas noch Risikofaktoren Diabetes mellitus (Nüchtern-BZ-Werte >110 mg/dl), Fettstoffwechselstörungen (Triglyceride >150 mg/dl und HDL-Cholesterin 130 mm/Hg systolisch und >85 mm/Hg diastolisch) hinzu, besteht zusätzlich eine deutlich höhere Gefahr für eine Herzkreislauferkrankung. Eine Erhöhung des C-reaktiven Proteins (CRP) stellt einen weiteren Risikofaktor dar. In der Schwangerschaft ist die Hypertonie-Inzidenz um das 8-fache erhöht. Die Prävalenz in der Schwangerschaft beträgt 0 , 6 - 1 %. Die wesentlichen Komplikationen stehen im Zusammenhang mit dem metabolischen Syndrom. Ätiopathogenese: 9 0 % alimentär bedingt (Adipositas-Familien, fetale Programmierung). Schwangerschafts- und Geburtsrisiken: Kardiale Belastungssituation (Myokardinfarkt, pulmonale Hypertonie), Präeklampsie, Eklampsie, thromboembolische Komplikationen, Gestationsdiabetes, erhöhte Abort-, Fehlbildungs (Neuralrohrdefekte)- und Totgeburtenrate, erhöhte Makrosomierate des Neugeborenen (>30%), Schulterdystokierate 5 - 1 0 % , neonatologische Störungen der Adaptation, erhöhte Kaiserschnittrate (40%), anästhesiologische Komplikationen, Wundheilungsstörungen, Atonie. Uterus dehiszenz und Uterusruptur bei Zustand nach Sectio caesarea und morbider Adipositas (BMI > 40) um das 5-10-fache erhöht. Die Trias Adipositas, neonatale Makrosomie und prolongierte Austreibungsperiode ist ein Riskofaktor für Stressinkontinenz im Wochenbett.

Klinik Präkonzeptionelle Beratung: Diagnostik des metabolischen Syndroms, Folatsubstitution. Belastungs-EKG, 24-Stunden-Blutdruck (nächtliches „dipping"). Prävention: Präkonzeptionelle Gewichtsreduktion erfolgt interdisziplinär zunächst mit konservativen Maßnahmen. Bei Applikation von Medikamenten, wie Orlistat (Xenical®) und Sibutramin (Reductil®) auf optimale Kontrazeption achten. Neuerdings kann auch der Cannabinoid-Rezeptor-Antagonist Rimonabant (Accomplia®) einen Beitrag zur Therapie leisten. Adipositas permagna ist eine Indikation für chirurgische Interventionen zur prägraviden Gewichtsreduktion, ζ. B. „gastric banding". Folatsubstitution 1 mg/die bereits präkonzeptionell zur Fehlbildungsprophylaxe. Vitamin D-Supplementation bei zunehmender Inzidenz einer mütterlichen Vitamin D-Magel Situation. Differentialdiagnosen: Endokrinopathien, genetische Ursachen (10%), Crouzon Syndrom.

Therapie Keine Gewichtsreduktion in der Schwangerschaft, Gewichtszunahme in der Schwangerschaft < 1 0 kg. Die Gewichtszunahme richtet sich nach dem BMI vor der Schwangerschaft. Hier gelten folgende Empfehlungen (DGE 2009):

2 I

Adipositas permagna



12,5 bis 18 kg für Frauen mit e i n e m B M I unter 19,8 k g / m 2



11,5 bis 16 kg für Frauen mit e i n e m B M I z w i s c h e n 19,8 u n d 2 6 , 0 k g / m 2

• 7 bis 11,5 kg für Frauen mit e i n e m B M I z w i s c h e n 26,1 u n d 2 9 , 0 k g / m 2 •

mindestens 6 kg für Frauen mit e i n e m B M I über 2 9 , 0 k g / m 2

D i e w e r d e n d e n M ü t t e r sollten keinesfalls „für z w e i " essen (qualifizierte Ernährungsberatung), 2 0 0 bis 3 0 0 kcal zusätzlich p r o Tag ausreichend, Fett-Protein-Kohlenhydrat Ratio n i c h t entscheidend.

Kohlenhydratzufuhr

4000 g sollte den Empfehlungen des Gestationsdiabetes folgend eine Sectio-lndikation sein. Re-Sectio bei Zustand nach Sectio caesarea großzügig (Cave: Uterusruptur!). Wochenbett: Kein Ergometrin (Cave: Eklampsie bei Risikopatienten), Wundheilungsstörungen, Stressinkontinenz häufiger. Bei Adipositas ist bereits präkonzeptionell häufiger eine Stressinkontinenz zu verzeichnen, die auch im Wochenbett vorwiegend konservativ behandelt werden kann. Merke: Bei morbider Adipositas und Zustand nach Sectio caesarea erhöht sich das Risiko einer Uterusruptur um das 5-10-fache. Zu beachten sind eine erhöhte Totgeburten· und Atonierate sowie die Gefahren einer Schulterdystokie. Bei Präeklampsie Ergometrin post partum vermeiden. Literatur: 1. Hibbard JU, Gilbert S, Landon MB, Hauth JC, Leveno KJ, Spong CY, Yarmer MW, Caritis SN, Harper M, Wapner RJ, Serokin Y, Miodovnik M, Carpenter M, Peaceman AM, O'sullivan MJ, Sibai BM, Langer O, Thorp JM, Ramin SM, Mercer BM, Gabbe SG: Trial of labor or repeat cesarean delivery in women with morbid obesity and previous cesarean delivery. Obstet Gynecol 2006; 108: 125-133. 2. Moebus S, Hanisch J, Bramlage Ρ, Lösch, CH, Hauner H, Wasem J, Jockel KH: Regional unterschiedliche Prävalenz des metabolischen Syndroms. Daten zur primärärztlichen Versorgung in Deutschland. Dtsch. Ärztebl 2008; 105: 207-213. 3. Sacks F, Bray G, Carey V, Smith S, Ryan DH, Anton S, McManus K, Champgne C, Bishop L, Laranjo NBA, Leboff M, Rood J, dejonge L, Greenway F, Loria C, Obarzanek E, Williamson DA: Comparison of Weight-Loss with different Compositions of Fat, Protein, and Carbohydrates. Ν Engl J Med 2009; 360: 859-873.

4 I

Adrenogenitales Syndrom (AGS)

Adrenogenitales Syndrom (AGS) Definition AGS bezeichnet eine adrenale Hyperplasie. Es handelt sich um eine hereditäre Erkrankung der Steroidsynthese. Dabei kann einer von 5 enzymatisch gesteuerten Synthesestufen, die für die Konversion Cholesterol-Kortisol notwendig sind, gestört sein. Bei Störungen der Steroidsynthese in der Nebennierenrinde handelt es sich um autosomal rezessive Enzymdefekte: • 21-Hydroxylase-Defekt (90% der Fälle, 1 :10.000 Neugeborene) • 11 ß-Hydroxylase-Defekt • 3ß-Hydroxysteroiddehydrogenase-Defekt Es resultieren verminderte Glukokortikoid- und Mineralokortikoidsynthese. Bei etwa 7 0 % der Patienten mit 21-Hydroxylasemangel ist auch die Aldosteronsynthese eingeschränkt. Der gestörte Feed back-Mechanismus führt zu einer verstärkten Androgensynthese. Die Infertilitätsrate ist erhöht. Eine Virilisierung ist in jedem Lebensalter möglich. Fallbericht: Testikulärer Ovarialtumor bei einer 36-jährigen Patientin mit AGS. Schwangerschaftskomplikationen: Metabolische Alkalose (erhöhter pH und erhöhtes Plasma Bikarbonat), Hypokaliämie und Hypochlorämie, Salzverlustsyndrom, Gestationshypertonie. In der Schwangerschaft ist die Abortrate erhöht. Rate der Mangelgeburten etwas erhöht. Maskulinisierung der neugeborenen Mädchen bleibt bei optimaler medikamentöser Einstellung der Mutter weitestgehend aus.

Klinik Klassifikation nach Klinik: • salzverlierendes AGS • einfachvirilisierendes AGS • nichtklassisches, lateonset AGS Symptome: Salzverlust Differentialdiagnosen: Kongenitales adrenales Hyperplasie Syndrom, 21-HydroxylaseDefekt bei „nonclassic adrenal hyperplasia".

Therapie Die meisten AGS-Formen müssen lebenslang zur Aufrechterhaltung der Feed backMechanismen mit Glukokortikoiden (Prednison, Hydrokortison oder Dexamethason), bei Salzverlust ergänzend mit Mineralkortikoiden, adäquat behandelt werden. Einige Autoren empfehlen, Hydrocortison in der Schwangerschaft nicht einzusetzen; Umstellung auf Dexamethason. In der Schwangerschaft ist eine Steigerung der Glukokortikoiddosierung in der Regel nicht erforderlich. Notfall: 0,1 Ν HCI-lnfusion bzw. Bikarbonat Dialyse bei metabolischer Alkalose. Prävention/genetische Beratung: Ehepartner auf Heterozygotie für AGS untersuchen. Im Falle einer Heterozygotie beträgt das Risiko 2 5 % (autosomal rezessiver Erbgang),

Adrenogenitales Syndrom (AGS)

|5

dass ein Kind ein nichtklassisches oder klassisches A G S bekommt; pränatale Therapie mit Dexamethason indiziert.

Heterozygote Trägerschaft der „werdenden" Eltern klären, bei • Eltern, die schon ein AGS-Kind haben • Frauen, die selbst AGS-Patientinnen sind

• Partner, die AGS-Patienten sind • bekannten Geschwistern mit A G S der Eltern Pränataldiagnostik: Chorionzottenbiopsie (8-10 S S W ) , Amniozentese, DNA-Analyse,

Karyotypisierung, Steroidnachweis im Fruchtwasser (17-Hydroxy-Progesteron, Andros-

tendion stark erhöht). Pränatale Diagnose eines A G S nach 12 S S W :

• Diskrepanz zwischen sonographischem und genetischem Geschlecht • 1 7-Hydroxy-Progesteron, Androstendion im Fruchtwasser erhöht

Die pränatale AGS-Diagnose ist keine Indikation zum Schwangerschaftsabbruch. Pränatale Therapie: Dexamethason, 3-mal 0,5 mg/die (oder 20 ng/kg/die), passiert

die

Plazenta

und

inhibiert

die

andernfalls

enthemmte

ACTH-Ausschüttung

mit

nachfolgendem Androgenexzess. Bei einem weiblichen homozygoten Feten erfolgt

die Therapie vom 1. Trimenon (Therapiebeginn unbedingt vor 12 S S W ! ) bis zur Geburt.

Dexamethason-Prävention,

3-mal 0,5 mg/die, perikonzeptionell mit weiteren Ent-

scheidungen nach bekanntem Ergebnis der Chorionzottenbiopsie: • Weiblicher Fet mit klassischem A G S : Dexamethason weiter bis zur Geburt, Therapiefortsetzung post partum. • Weiblicher Fet ohne A G S oder mit einer nicht-klassischen AGS-Form: Fetale Therapie über die Mutter kann beendet werden. • Männlicher Fet mit oder ohne AGS: Fetale Therapie über die Mutter kann beendet werden. • Männlicher Fet mit klassischer AGS-Form: In diesem Falle muss das männliche Neugeborene nach der Geburt sofort intensiv überwacht bzw. therapiert werden, um eine lebensbedrohliche Salzverlustkrise zu verhindern.

Geburtshilfliches Management Entbindungsmodus: Primäre Sectio caesarea medizinisch nicht indiziert. Dennoch be-

trägt die primäre Sektiorate 5 0 % aufgrund der mütterlichen Belastungssituation und einer optimalen Geburtsplanung (kleine Fallzahlen). Wochenbett: Adäquate mütterliche Substitution. Stillen: Keine Einschränkungen. Merke: Bei mütterlichem AGS, welches sehr selten vorkommt, erfolgt die pränatale Diagnostik mittels Chorionzottenbiopsie; DNA-Diagnostik, Karyotypisierung. Bei einem weiblichen AGS-Feten mit klassischem A G S erfolgt die Dexamethason-Therapie vom 1. Trimenon bis zur Geburt. Schwangerschaftsverlauf in der Regel problemlos. Dexamethason muss diesbezüglich unbedingt vor 12. S S W beginnen.

6 I

Adrenogenitales Syndrom (AGS)

Literatur: 1. Al-Ahmadie HA, Stanek J, Liu J, Mangu PN, Niemann T, Young RH: Ovarian tumor of the adrenogenital syndrome: the first reported case. Am J Surg Pathol 2001; 25: 1443-1450. 2. Carlson AD, Obeid JS, Kanellopoulou N, Wilson RC, New Ml: Congenital adrenal hyperplasia: update on prenatal diagnosis and treatment. J Steroid Biochem Mol Biol 1999; 69: 19-29. 3. Khanna A, Kurtzman NA: Metabolic alkalosis. J Nephrol 2006; 19 Suppl 9: S86-96. 4. Referenzzentrum AGS: Prof. Dr. Helmut G. Dörr Abt. Endokrinologie der Universitätskinderklinik Loschgestr. 1 5 91054 Erlangen Telefon 09131/8533732 Hinweis: Prof. Dr. Dörr sammelt bundesweit Daten von Schwangerschaften, in denen AGS-Kinder vorgeburtlich behandelt wurden. Die Therapie gilt nach wie vor als experimentell und nicht standardisiert. AGS-Eltern- und Patienteninitiative e. V., www.ags-initiative.de.

Akute Fettleber

7

Akute Fettleber Definition Auffällige Leberfunktionstests kommen in 3 - 5 % der Schwangerschaften vor. Neben bereits existierenden Lebererkrankungen während der Schwangerschaft, wie Cholezystolithiasis oder virale Hepatitis, entstehen die meisten Leberfunktionsstörungen durch schwangerschaftsassoziierte Lebererkrankungen: Präeklampsie, HELLP-Syndrom, akute Schwangerschaftsfettleber, Hyperemesis gravidarum, intrahepatische Cholestase. Schwangerschaftsfettleber ist definiert als eine schwangerschaftsinduzierte, feintropfige, panlobuläre Verfettung der Leber unter Aussparung der periportalen Region. Die Erkrankung beginnt im dritten Trimenon. Die akute Schwangerschaftsfettleber kommt häufiger bei Erstgebärenden und Mehrlingsschwangerschaften vor. Die Prävalenz der Schwangerschaftsfettleber beträgt 1 :7000-1 :15.000 Schwangerschaften. Das durchschnittliche Schwangerschaftsalter bei Beginn ist 34 SSW. Die Ursachen der akuten Schwangerschaftsfettleber beruhen möglicherweise auf einem gestörten Fettsäuremetabolismus in den fetalen Mitochondrien. Verantwortlich ist ein Mangel an Long-chain 3-Hydroxyacyl-Coenzym A Dehydrogenase (LCHAD). L C H A D ist Teil eines Enzymkomplexes, mitochondrial Afunctional protein (MTP), der an der inneren Mitochondrienmembran lokalisiert ist. Mutationen G1528C und E474Q am MTP führen zu einem LCHAD-Mangel. Unter normalen Umständen leidet ein Individuum, das heterozygot für Enzymmutationen in der Fettsäureoxidation belastet ist, an keiner abnormalen Fettsäureoxidation. Bei einer homozygoten fetalen Belastung akkumulieren die fetalen Fettsäuren und reinfundieren in den maternalen Kreislauf. Nachfolgende maternale Triglyzerid-Akkumulation in der Leber beeinträchtigt sukzessive deren Funktion. Schwangerschaftskomplikationen: Schwerwiegende mütterliche Komplikationen sind Hypoglykämie in 4 0 % , Koagulopathie in 50%, Enzephalopathie in 3 0 % und Nierenversagen in 4 0 % . Das maternale outcome bei akuter Schwangerschaftsfettleber hat sich während des letzten Jahrzehnts sehr stark verbessert. Dieses resultiert aus früher Diagnosestellung, rechtzeitiger Beendigung der Schwangerschaft und intensivmedizinischer Behandlung der Komplikationen. Die fetale Mortalität beträgt 66%. Frauen, die einmal eine akute Fettleberepisode in der Schwangerschaft hatten, sollten auf das Wiederholungsrisiko während der nächsten Schwangerschaft hingewiesen werden.

Klinik Symptomatik und Differentialdiagnose: Übergewicht und viszerale Fettkumulation gefährden die Leberfunktion und stellen Risikofaktoren insbesondere im Zusammenhang mit der Präeklampsie für die akute Schwangerschaftsfettleber dar. Die ersten klinischen Symptome umfassen unspezifische gastrointestinale Beschwerden wie Übelkeit, Erbrechen und Druck im rechten Oberbauch. Im weiteren Verlauf können sich Präeklampsie, ein transitorischer Diabetes insipidus, Aszites, Ikterus, Fieber und Bewusstseinseintrübung bei Hypoglykämie entwickeln. 10-fache Erhöhung der Aminotransferasen (ASAT, ALAT) der Gamma-GT, 5-10-fache Erhöhung des Bilirubinwertes, Harnstoff-Retention, Kreatininanstieg im Serum, deutli-

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Akute Fettleber

che Leukozytose mit Linksverschiebung, ausgeprägte protrahierte Hypoglykämie, Hämolysezeichen, Thrombozytopenie (normale Thrombozytenwerte möglich), verlängerte Prothrombinzeit und Proteinurie sind deutliche Alarmsignale. Ikterus gehört zur primären Manifestation. Auch können Polydipsie und Polyurie vorausgehen und zunächst zur Diagnose eines Diabetes insipidus führen. Es kommt dann zu einer rasch progredienten Verschlechterung. Aufgrund des Symptomenkomplexes Gerinnungsstörung, Leberwerterhöhung und Nierenbeteiligung wird dann die Diagnose Schwangerschaftsfettleber gestellt. Die hepatische Enzephalopathie ist eine häufige Komplikation. Disseminierte intravaskuläre Koagulopathie, Hypofibrinogenämie, Proteinurie und verminderte Prothrombinaktivität sind unabhängige Risikofaktoren für die maternale Mortalität. Als Differentialdiagnosen sind abzugrenzen: Präeklampsie, HELLP-Syndrom, akute virale Hepatitis; medikamenteninduzierte Hepatopathie, Lupus erythematodes, BuddChiari-Syndrom, thrombotisch-thrombozytopenische Purpura und Hämolytisch-urämisches Syndrom. Differentialdiagnosen: Autoimmunhepatitis, Virushepatitis, eclampsia sine eclampsia.

Therapie Die frühzeitige Entbindung ist die Therapie der Wahl. Eine Verzögerung ist für die hohe mütterliche Mortalität verantwortlich. Nach sofortiger Beendigung der Schwangerschaft bildet sich die Lebererkrankung schnell zurück. Der postpartale Plasmaaustausch (Plasmapherese) bei Schwangeren mit akuter Fettleber ist ein neues Konzept. Die Plasmapherese wird nach ersten Erfahrungen 2 - 4 - m a l in 2 4 - 4 8 Stunden-Intervallen durchgeführt. Plasmapherese-assoziierte Komplikationen sind nicht zu erwarten. Eine Prognose-Verbesserung kann auch mit Infusionen von fresh frozen plasma erreicht werden. Parallel zur akuten Schwangerschaftsfettleber können sich eine akute Pankreatitis und ein multiples Organversagen entwickeln. In diesen Fällen ist die Substitution von Pankreasenzymen indiziert.

Geburtshilfliches Management Entbindungsmodus: Primäre sofortige abdominale Kaiserschnittentbindung in Intubationsnarkose. Wochenbett: Drei Monate postpartum erfolgt eine internistische Kontrolluntersuchung mit zumeist normalisierten Laborparametern. Eine genetische Untersuchung der Kinder hinsichtlich einer Störung des Fettsäuremetabolismus sollte durchgeführt werden. Stillen: Keine Einschränkungen. Merke: Die akute Fettleber der Schwangerschaft ist eine seltene, jedoch lebensbedrohliche Erkrankung. Die Pathogenese wurde in den letzten Jahren stärker erforscht und neue Therapieverfahren entwickelt. Zusammenhänge zwischen Adipositas und der Entwicklung einer akuten Fettleber bei Schwangeren werden vermutet. Umgehende Entbindung und Plasmapherese sind die entscheidenden Optionen.

Akute Fettleber

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Literatur: 1. Ibdah JA: Acute fatty liver of pregnancy: an update on pathogenesis and clinical implications. World J Gastroenterol 2006 14; 12: 7397-7404. PMID: 17167825. 2. Jayanthi V, Udayakumar N: Acute liver failure in pregnancy: an overview. Minerva Gastroenterol Dietol 2008; 54: 7 5 - 8 4 . PMID: 18299670.

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Allergie

Allergie Definition Veränderungen im Hormonhaushalt während der Schwangerschaft können eine Rhinitis allergica verstärken. In der Gravidität erweitern sich die Blutgefäße der Nasenschleimhaut. Jede fünfte Schwangere leidet in der Folge an einer gestörten Nasenatmung, besonders zu Beginn des zweiten Schwangerschaftstrimenons. Schwangerschaftskomplikationen: Quinke-Ödem, Dyspnoe, anaphylaktoide Reaktionen, Somnolenz, anaphylaktischer Schock. Während der Schwangerschaft können Allergien rückläufig sein. Auch Erstmanifestationen sind möglich.

Klinik Diagnostik: Die üblichen Hauttests sind in der Schwangerschaft kontraindiziert; Gefahr eines allergischen Schocks. Differentialdiagnose: Hereditäres Angioödem (HAE).

Therapie 100-200 (1000) mg Prednisolut oder Celestan® solubile 4 - 2 0 mg und/oder Tavegil®Injektionslsg. 1 Amp. (5 ml) Igs. i.V., 1 ml Fenestil® Injektionslösung pro 10 kg KG Igs. i.v. (1 Amp./2 min) als Notfalltherapie. Unter den Antihistaminika finden sich keine nachgewiesenen teratogenen Substanzen. Dennoch z. Zt. keine abschließenden Aussagen. Nebenwirkungen bei Langzeitbehandlung sind Schläfrigkeit, Diarrhoe, Zittrigkeit. Es ist keine Teratogenität bekannt für: • Chlorphenamin (Antihistaminika enthaltende Grippemittel), Grippostad® C Hartkapseln, Rote Liste Gr. 9, 1 Kapsel enthält Paracetamol 200 mg, Ascorbinsäure 150 mg, Coffein 25 mg, Chlorphenaminmaleat 2,5 mg, Dosierung: 3-mal 2 Kps./die • Chlorphenoxamin, Systral® Creme/Gel, 1 g enthält Chlorphenoxamin-HCI 15 mg, mehrmals tgl. auftragen • Clemastin, Rote Liste Gr. 1, Tavegil®; Tavegil®-Gel mehrmals tgl. auftragen, TavegiI®-Tabletten, 1 Tbl. entspr. 1 mg Clemastin, 2-mal 1 Tbl./die; Tavegil®-lnjektionslsg., 1 Amp. (5 ml) enth. 2 mg Clemastin, 1 Amp. Lgs. i. v. • Dimetinden, Fenestil®-24 h-Retardkapseln (1 Kps. enth. 4mg Dimentindenmaleat), 1 Retardkps. abends, Fenestil® Drg. (1 Kps. enth. 1mg Dimetindenmaleat), 3-mal tgl. 1 - 2 Drg, Fenestil® Injektionslösung (1 Amp. - 4 ml - enth. Dimetindenmaleat 4 mg), 1 ml pro kg KG Igs. i. v. • Diphenhydramin, Dolestan®-/forte Tabletten, 1 Tbl. enth. Diphenhydramin-HCI 25 mg/50 mg, 1 Tbl. abends • Hydroxydn, Rote Liste Gr. 4, A H 3® Ν Tabletten, 1 Tabi. enth. Hydroxyzin-2HCI 25 mg, 1 - 3 Tbl./die In der Phase der Embryogenese sollten die o. g. „älteren" Präparate bevorzugt werden. Nach 12 SSW können auch Fexophenadin, Cetirizin, Loratadin und Cromoglicinsäure verordnet werden:

Allergie

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• Telfast® 30 mg/120 mg/180 mg, Rote Liste Gr. 4, 3-mal 1 Tbl. • Ceterifug®, 1 Filmtbl. enth. Cetiricin-2HCI 10 mg, Rote Liste Gr. 4, 10 mg/die. • Desloratadin, Rote Liste Gr.4, AERIUS® 2,5/-5 mg Schmelztabletten/Filmtabletten, 2-mal 2,5 mg/die; Loraderm Tabletten 10 mg, 10 mg/die. • Allergoval® Kapseln, Rote Liste Gr. 2, 1 Kaps. enth. Natriumcromoglicat 100 mg, 4-mal 200 mg/die. Rhinitis allergica: Kochsalzlösung als Nasenspray (NasenSpray PUR Ratiopharm®) oder Dexpanthenol bzw. Bepanthen-Augensalbe. Nasensprays, die etwas Kortison enthalten. Anaphylaktischer Schock: • 0,3-0,5 mg Epinephrin-Lsg. (1 :1000) i. m. • bei liegender i.v. Kanüle: Verdünnen von 1 ml Epinephrin-Lsg. (1: 1000) auf 10 ml oder Epinephrin-Fertigspritze 1:10 000 Igs. i.V., cave: Herzrhythmusstörungen • Volumensubstitution. Vollelektrolytlsg., physiologische Kochsalzlsg., Hydroxyäthylstärke (HES) • Applikation von Sauerstoff, inhalatives Adrenalin • Antihistaminika i. v., ζ. Β. Dimetinden 0,1 mg/kg KG oder Clemastin 0,02 mg/kg KG Igs. i. v., bei Nichtansprechen +H2-Blocker (Cimetidin 5 mg/kg KG od. Ranitidin 1 mg/kg KG) • 250-1000 mg Prednisolon i.v. Prävention: Allergieanamnese zu Beginn der Schwangerschaft! Es gibt Hinweise, dass Schwangere mit hohen Folsäure-Blutspiegeln seltener an Allergien in ihrer Schwangerschaft leiden (Evidenzgrad III). Grenzwerte können noch nicht benannt werden. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt unabhägig von einer Allergieanamnese eine tägliche Folsäuresubstitution von 800 ^ig bereits 4 Wochen prae conceptionem; 1-2 mg/die wären aus unserer Sicht ebenso möglich (off label use). Prospektive Erfahrungen stehen noch aus. Cromoglicinsäure verhindert die Freisetzung von Histamin aus Mastzellen, in Ausnahmefällen geeignet zur Prävention allergischer Beschwerden der Bronchien, der Nase, der Augen und des Darmes. Bei Schwangeren sollte mit einer Hyposensibilisierung nicht neu begonnen werden. Tritt während der Hyposensibilisierung eine Schwangerschaft ein, kann die Therapie in graviditate fortgesetzt werden. Meidung von Alkohol und Nikotin in der Schwangerschaft. Prävention des Neugeborenen: Stillen ist die beste Prävention. Auf eine notwendige Medikation müssen Allergikerinnen und insbesondere Asthmatikerinnen während der Stillzeit nicht verzichten. Wenn Stillen nicht möglich ist: Ernährung des Kindes mit hypoallergener Säuglingsnahrung. Omega-3-Fettsäuren wirken möglicherweise hypoallergen. Jedoch gibt es keine abschließenden und gesicherten Hinweise, dass eine hypoallergene maternale Ernährung das Neugeborene vor der Entwicklung allergischer Erkrankungen (Atopie, Neurodermitis, Allergie, Asthma) schützt. Stillen: Diphenhydramin und Hydrozin sind relativ kontraindiziert, da insbesondere diese Präparate das Neugeborene sedieren können. Merke: Eine initiale Hyposensibilisierung ist in der Schwangerschaft kontraindiziert. Die Therapie von Allergien kann mit ausgewählten Präparaten während der gesamten Schwangerschaft bzw. vorzugsweise im 2. und 3. Trimenon erfolgen. Notfall: Kortikoide, Fenestil, Tavegil.

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Allergie

Literatur: 1. Allergie und Schwangerschaft. Ärzteverband Deutscher Allergologen e.V.; Deutsche Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie e.V.; Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie und U m w e l t m e d i z i n e. V., April 2006. Datum der Erstellung: 13. 07. 06. 2. Schäfer T, Borowski C: Allergieprävention, Evidenzbasierte und konsentierte Leitlinie, M ü n chen 2005, Urban & Vogel G m b H . 3. Pali-Schöll I, Renz H, Jensen-Jarolim E: Update on allergies in pregnancy, lactation, and early childhood. J Allergy Clin Immunol 2009; 123: 1 0 1 2 - 1 0 2 1 . Epub 2 0 0 9 Feb 26. 4. Rote Liste 2009, Hrsg. Rote Liste Service G m b H , Frankfurt/Main.

Amnioninfektionssyndrom (AIS)

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Amnioninfektionssyndrom (AIS) Definition Mit einem Amnioninfektionssyndrom werden alle prä- und subpartal auftretenden Infektionen der Eihäute, des Fruchtwassers, der Plazenta und auch des Kindes zusammengefasst. Als Synonyme gelten Chorioamnionitis, intrauterine aszendierende Infektion oder Fruchtwasser!nfektion und - mit Einschränkungen - Fieber unter der Geburt. Je nach Schwangerschaftszeitpunkt spricht man vom febrilen Abort (bis zur 24. Schwangerschaftswoche) oder vom Amnioninfektionssyndrom (AIS). In 2 - 4 % aller Geburten ist mit einem Amnioninfektionssyndrom zu rechnen. Bei einer drohenden Frühgeburt ist in 5 - 1 0 % eine intrauterine Infektion bereits in einem frühen Stadium anzunehmen. Um diese Fälle bei Risikopatientinnen rechtzeitig zu erkennen, können SchneiItest-Untersuchungen aus dem Fruchtwasser (Grampräparat, Leukozytenzahl, Elastase, Zytokine und Glukosekonzentration), gefolgt von einer bakteriellen Kultur, versucht werden. Die Diagnose bzw. der klinische Verdacht auf ein AIS basiert auf dem Nachweis des Fiebers (axillär >37,5 °C; rektal >38,0 °C) und der Pulsbeschleunigung. Das C-reaktive Protein (CRP) gilt noch immer als ein entscheidender Laborparameter. Ätiopathogenetisch für die intrauterine Infektion spielen die Interleukine IIT, ll6 und ll8 sowie der Tumonekrosefaktor eine Rolle. Weitere Risikofaktoren sind eine Anämie der Mutter, ungünstige sozioökonomische Verhältnisse, Schwangerschaften bei jugendlichen Primipara unterhalb von 18 Jahren sowie Nikotin- und Alkoholabusus. Schwangerschaftskomplikationen: Mütterliche Sepsis (septischer Schock!) und fetale Infektion mit intrauteriner Beteiligung des Zentralnervensystems belasten Morbidität und Mortalität. Werden die Warnsymptome übersehen, besteht die Gefahr der lokalen und systemischen Ausbreitung: Myometritis, Endomyometritis, Peritonitis, hämatogene Streuung mit früher septischer Pneumonie oder Schocklunge. Bei Streptokokken der Gruppe Β besteht auch die Gefahr einer mütterlichen Meningitis.

Klinik Klinik besitzt oberste Priorität. Druckschmerzhafter Uterus (nur bei fortgeschrittenem AIS!), Risikofaktoren beachten: Urogenitalinfektionen, bakterielle Vaginose, Zervixinsuffizienz, drohende Frühgeburt, vorzeitiger Blasensprung, Fieber, maternale und fetale Tachykardie, Unwohlsein. Inwiefern die Langzeittokolyse auch einen Risikofaktor für das Amnioninfektionssyndrom darstellt ist umstritten. Tokolytisch nicht beeinflussbare Wehen im Zusammenhang auch mit einer leichten fetalen Tachykardie stellen ein Warnsymptom dar. Insbesondere unterhalb der 32. Schwangerschaftswoche kann eine Abnahme der FHR (fetal heart rate)-Variabilität ein frühes Zeichen eines AIS sein. Mütterliche Symptome des Praeschocks können diskret sein! Das C-reaktive Protein (CRP) gilt gegenwärtig als ein entscheidender Laborparameter. Erhöht sind CRP-Serumkonzentrationen oberhalb von 10 mg/l. Leukozytose mit Linksverschiebung (frühzeitige Neutropenie prognostisch ungünstig!). Bei Verdacht auf AIS ist immer eine Gerinnungsdiagnostik zur Früherkennung einer Verbrauchskoagulopathie durchzuführen. Bereits Thrombozytenwerte 38 °C oder 90 Schläge/min, Atemfrequenz >20/min oder PaC0 2 12 Gpt/I oder 4 cm Durchmesser sollte operiert werden. Therapie bzw. Soforttherapie einer arteriellen Hypertonie (Hypertonie in der Schwangerschaft nicht obligat!): • Betarezeptorenblocker (Dociton®, Beloc®) Dociton®, 1 mg/min i. v., max. 10 mg, Reaktionsvermögen oft beeinträchtigt, Atmungskontrolle; Beloc®, 1 mg/min i.V., max. 20 mg, nach je 5 mg 10 Minuten Pause, Reaktionsvermögen oft beeinträchtigt • Urapidil (Ebrantil®) Infusion (10 Amp. = 250 mg Urapidil in 500 ml NaCI-Lösung)

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Aortendissektion

20 ml/h (Dosierung an RR anpassen), Fortsetzung 9 mg/h Bei Notwendigkeit Bolusinjektion: 12,5-25 mg über 2 min bis diastolischer RR 80-100 mm Hg evtl. Boluswiederholung, frühestens jedoch nach 5 min Maximaldosis: Innerhalb von 2 h nicht mehr als 400 mg • Labetalol Kompetitiver a1-Rezeptorantagonist, ß1- und ß2-Blockade, 1 Amp. zu 20 ml enth. 100 mg, Dos.: 50-200 mg i.V., Reaktionsvermögen oft vermindert, Bradykardien können mit Atropin therapiert werden, Bronchospasmus kann mit Inhalation von ß2-adrenergen Substanzen durchbrochen werden • Nitroprussid-Natrium (nipruss® Trockensubstanz) Anwendung bei hypertonen Krisen, 1 Amp. enth.: Nitroprussidnatrium 52,75 mg, Dos.: Initial 0,2 ^ig/kg KG/min, Dosissteigerung in Abständen von 3-5 Minuten bis 10 Hg/kg KG/min (Blutdruck - Monitoring!), ζ. B. bei einer Schwangeren mit einem Gewicht von 70 kg: 14 ^ig/min bis 700 ^ig/min, max. Gesamtdosis 1,5 mg/kg KG Massivtransfusionen können notwendig sein. Bei einem Gefäßdefekt oberhalb des Abgangs der Arteriae renales kann es nach Anlegen eines Aortenkompressoriums zu irreversiblen Schäden der Nieren und des Rückenmarks kommen. Prävention/präkonzeptionelle Beratung: Schwangerschaft bei Zustand nach akuter Aortendissektion in vorausgegangener Schwangerschaft mit kardiochirurgischer Intervention nach 28 SSW mit Sectio caesarea möglich (Kasuistik).

Geburtshilfliches Management Entbindungsmodus: Nach 24 SSW kardiochirurgische Intervention plus Sectio caesaWochenbett: Intensivmedizinsiche Überwachung. Stillen: Abstillen. Merke: Eine Dissektion in der Schwangerschaft entwickelt sich trotz normaler Blutdruckwerte, meistens ante und post partum. Therapie der 1. Wahl ist die sofortige kardiochirurgische Intervention bei einer Aortendissektion >4 cm. Literatur: 1. Crowley R, Corniea J, Chavez D, Ho JK, Mahajan A: Intraoperative Diagnosis of Aortic Dissection in Pregnancy. J Cardiothorac Vase Anesth 2009 May 15. (Epub ahead of print).

2. Rodrigues C, Pinto L, Clode N, Almeida AC, Cardoso C, Craca LM: Pregnancy after a previous gestation complicated by an acute aortic dissection. J Matern Fetal Neonatal Med 2009 1: 1 -2. (Epub ahead of print).

3. Shihata M, Pretorius V, MacArthur R: Repair of an acute type A aortic dissection combined

with an emergency cesarean section in a pregnant woman. Interact Cardiovasc Thorac Surg 2008; 7: 938-940. Epub 2008 Jun 26.

Aorteninsuffizienz

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Aorteninsuffizienz Definition Urache einer erworbenen Aorteninsuffizienz AS in der Schwangerschaft sind meist rheumatische Erkrankungen. Die Aorteninsuffizienz kann aber auch bei Endokarditis, Marfan-Syndrom, Kollagenosen und Aortendissektion auftreten. Schwangerschaftsrisiken: Trotz Anstieg des Herz-Minuten-Volumens in der Schwangerschaft kommt es nicht zu einer Erhöhung des Regurgitationsrisikos, weil der systemische Widerstand sinkt. Akut auftretende schwere Insuffizienzen führen zu einer bedrohlichen Kreislaufinsuffizienz (ζ. B. Endokarditis oder Aortendissektion mit Segelausriss). Die Gefahr einer schweren Insuffizienz ist insbesondere im III. Trimenon gegeben. Frauen mit einem Beschwerdebild NYHA III oder IV sowie Patientinnen mit deutlich eingeschränkter linksventrikulärer Funktion haben ein deutlich erhöhtes Risiko für Komplikationen in der Schwangerschaft und sollten bereits präkonzeptionell einem herzchirurgischen Eingriff unterzogen werden (primär rekonstruktive Verfahren). Maternale Risiken: • Leichte AS (NYHA I): selten Rhythmusstörungen • Mittelschwere AS (NYHA II): erhöhtes Risiko für Herzinsuffizienz, Herzrhythmusstörungen • Schwere AS (NYHA 111-1V): stark erhöhtes Risiko für Herzinsuffizienz, Herzrhythmusstörungen, Endokarditis Fetale Risiken: • Leichte AS (NYHA I): keine • Mittelschwere AS (NYHA II): erhöhtes Risiko für IUGR, niedriges Geburtsgewicht • Schwere AS (NYHA 111-1V): erhöhtes Risiko für IUGR, niedriges Geburtsgewicht, Frühgeburt

Klinik Symptome: Bei geringer bis mäßiger Insuffizienz sind die Patientinnen häufig asymptomatisch. In schweren Fällen steht die Belastungsdyspnoe im Vordergrund. Weitere Symptome können Orthopnoe, paroxysmale nächtliche Dyspnoe und gelegentlich Angina perctoris sein. Diagnostik: • Auskultation • Pulsus celer et altus • EKG • Echokardiografie

Therapie

• frühzeitige Vorstellung der Patientin in der Entbindungsklinik (Perinatalzentrum) • interdisziplinäres Konsil (Geburtshelfer, Anästhesist, Kardiologe, Neonatologe)

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Aorteninsuffizienz

• im III. Trimenon kann es erforderlich sein, insbesondere bei Dyspnoe, Diuretika, Digitalis und Vasodilatatoren (Dihydralazin, Kalziumantagonisten, Nitrat) anzuwenden • ACE-Hemmer und Angiotensin-Rezeptor-Blocker sind kontraindiziert • Kochsalzrestriktion • Ggf. vorzeitige Entbindung nach vorheriger fetaler Lungenreifeinduktion mit Betamethason Geburtshilfliches M a n a g e m e n t Abhängig von der Klinik normale Entbindung und Stillen möglich. Merke: Hauptursache der Aorteninsuffizienz in der Schwangerschaft sind rheumatische Erkrankungen. Die Patientinnen müssen frühzeitig im Pennatalzentrum vorgestellt werden und bedürfen einer engmaschigen interdisziplinären Betreuung.

Literatur: 1. Regitz-Zagrosek V, Gohlke-Bärwolf C, Geibel-Zehender A, Haass M, Kaemmerer H. Krück l, Nienaber C: Herzerkrankungen in der Schwangerschaft (Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie- Herz- und Kreislaufforschung e. V. (DGK)). Clin Res Cardiol 2008; 97: 1 - 3 6 .

Aortenisthmusstenose (AIST)

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Aortenisthmusstenose (AIST) Definition Coarctatio aortae, Stenose oder Atresie in Höhe des Aortenisthmus bei tubulärer Hypoplasie des Aortenbogens. Nur bei ca. 2 0 % besteht ein präisthmisch normal weiter Aortenbogen; selten nur eine tubuläre Hypoplasie ohne Stenose. Anatomisch werden prä- und postduktale AIST unterschieden. Unter angeborenen Vitien ohne Kurzschlussverbindung zwischen Körper- und Lungenkreislauf ist die AIST oder Koarktation der Aorta eine der häufigsten kardialen Fehlbildungen. Etwa 9 % aller angeborenen Angiokardiopathien sind AIST. Als komplizierte Form ist die AIST mit weiteren kardiovaskulären Fehlbildungen kombiniert, am häufigsten mit einem Ventrikelseptumdefekt. Aortenisthmusstenose (Erwachsenenform): • Stenose der Aorta distal des Abgangs der Arteria sublclavia sinistra • Stenosegrad: Lumenverminderung bis Atresie • hoher Blutdruck im prästenotischen Körperkreislauf • Linksherzhypertrophie • Kollateralkreislauf über die Arteria thoracica interna und über Interkostalarterien • frühzeitige prästenotische arteriosklerotische Gefäßveränderungen Komorbiditäten: • Hypertonie (Leitsymptom) • Endokarditis • Pfropfpräeklampsie • Migräne Schwangerschaftskomplikationen: Mutter: Letalität 3 , 5 - 7 , 6 % . Disposition zur infektiösen Endokarditis an der Stenose oder bicuspiden Aortenklappe, Pleuraerguss, Aortendissektion, Aortenruptur, Hirnblutungen (zerebrovaskulärer Insult), Linksherzinsuffizienz, Lungenödem. 8 0 % der Aorten rupture η ereignen sich vor der Geburt im 3. Trimenon oder im Wochenbett. NYHA-Klassifikation: Die mütterliche Letalität liegt unabhängig von der Grunderkrankung bei Patientinnen der Klasse N Y H A I und II bei 0,4%, in Klasse III und IV bei 6,8%. Pulmonale Hypertonie bzw. Eisenmenger Reaktion haben die ungünstigste Prognose. Neugeborenes: Hohe Abort- und Frühgeborenenraten. Perinatale Mortalität 1 3 - 2 5 % .

Klinik Symptome: Diskrepanz hypertensiver Blutdruckwerte an den Armen, abgeschwächte oder fehlende Femoralispulsationen, kaum messbare Blutdruckwerte an den Beinen, leises spätsystolisches Geräusch, kurz in die Diastole hineindauernd, Linksherzhypertrophie. Weitere Symptome sind Kopfschmerzen, Sehstörungen, leichte Ermüdbarkeit der unteren Extremitäten beim Laufen. Ζ. T. bleibt die AIST bis zum Erwachsenenalter symptomfrei, so dass u. U. erstmals in der Schwangerschaft der Verdacht auf AIST geäußert wird; Leitsymptom ist die Hypertonie. Diagnostik: Transthorakale Echokardiographie, Duplex-Sonographie der Aortenklappe und des Aortenbogens in der Schwangerschaft, MR-Angiographie, Herzkatheter-Untersuchung: Systolischer Druckgradient >20 mm Hg.

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Aortenisthmusstenose (AIST)

Differentialdiagnosen: Bicuspide Aortenklappe.

Therapie: Bei asymptomatischem Verlauf: Operation im 2. bis 6. Lebensjahr, früher bei Symptomen. D. h., nach Möglichkeit sollte eine AIST vor Eintritt einer Gravidität korrigiert sein: • Resektion der Stenose mit End-zu-End-Anastomose • Patch-Erweiterungsplastik • Bypass-Transplantat • Angioplastie, Ballondilatation, Stenteinlage Bei unkomplizierter AIST: konservativ medikamentöse Behandlung, ggf. Antihypertensiva: • Methyldopa, Dopegyt® Tabletten, 0,25-2 g/die • Dihydralazin, Depressan® Tabletten, 2-mal 25 mg/die Bei Komplikationen bzw. intragravider Erstdiagnose kann eine kardiochirurgische Intervention in der Schwangerschaft notwendig werden. Indikationen für eine kardiochirurgische Intervention sind: • Aortenklappeninsuffizienz • Aortenaneurysma mit Dissektion >4 cm • antibiotisch nicht beherrschbare Inflammation im Stenosebereich Auch nach operativer Behandlung bestehen weiter die Risiken: Persistierende Hypertonie, Aortendissektion, Aortenruptur, Ruptur eines cerebralen Aneurysmas. Prävention: Körperliche Belastung einschränken, kurzfristige Blutdruckkontrollen.

Geburtshilfliches Management Präkonzeptionelle Beratung/Genetische Beratung: Bei bekannter AIST sollten Indikationen für eine kardiochirurgische Intervention vor Eintritt der Schwangerschaft abgeklärt werden. Präkonzeptionelle Normalisierung der Hypertonie. Hat die Mutter ein kongenitales Vitium, besteht ein Fehlbildungsrisiko für das Kind zwischen 2 , 5 % und 18%, im Mittel 6,7%. Besteht beim Vater ein angeborener Herzfehler, liegt das genetische Risiko des Kindes zwischen 1,5% und 3 % , im Mittel 2,1 % . Entbindungsmodus: Primäre Sectio caesarea in Periduralanästhesie bei NYHA lll/IV, Herzkatheterisierung sub partu zur prä- und poststenotischen Druckmessung (hämodynamisches Monitoring mittles Rechtsherzkatheter), Oxytozin kontraindiziert. Vaginale Entbindung in Linksseitenlage zur Vermeidung des Cava-Kompressionsysndroms; Periduralanästhesie, vaginal-operatvie Entlastung. Endokarditisprophylaxe mit 3-mal 2 g Cefuroxim über 3 Tage; weitere Präparate sind Penicillin, Gentamycin, Vancomycin, Metronidazol, Clindamycin. Thromboseprophylaxe mit niedermolekularem Heparin. Wochenbett: Unmittelbar post partum Steigerung des Schlagvolumens und Herzminutenvolumens, weiterhin Gefahr der Aortenruptur, intensivmedizinische Betreuung über 48 Stunden. Stillen: Keine Einschränkungen. Merke: 8 0 % der Aortenrupturen ereignen sich vor der Geburt im 3. Trimenon oder im Wochenbett. Ggf. hämodynamisches Monitoring mittels Rechtsherzkatheter. Endokarditisprophylaxe mit 3-mal 2 g Cefuroxim über 3 Tage.

Aortenisthmusstenose (AIST)

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Literatur: 1. Borin C, Troost E, Thijs V, Moons Ρ, Budts W: Migraine and coarctation of the aorta: prevalence and risk factors. Acta Cardiol 2008; 63: 4 3 1 - 4 3 5 . 2. Curtis SL, Marsden-Williams J, Sullivan C, Sellers SM, Trinder J, Scrutton M, Stuart AG: Current trends in the management of heart disease in pregnancy. Int J Cardiol 2009 20; 133: 6 2 - 6 9 . Epub 2008 Feb 1. 3. Rao PS: Coarctation of the aorta. Curr Cardiol Rep 2005; 7: 4 2 5 - 4 3 4 . 4. Walhout RJ, Suttorp MJ, Mackaij GJ, Ernst JM, Plokker HW: Long-term outcome after balloon angioplasty of coarctation of the aorta in adolescents and adults: Is aneurysm formation an issue? Catheter Cardiovasc Interv 2009 1; 73: 5 4 9 - 5 5 6 .

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Aortenstenose (AS)

Aortenstenose (AS) Definition Eine während der Schwangerschaft auftretende Aortenstenose ist ein relativ seltenes Ereignis und häufig kongenital, weniger häufig rheumatisch verursacht. Etwa 3 - 1 0 % aller Menschen mit angeborenen Herzfehlern leiden an einer Obstruktion des linksventrikulären Ausflusstraktes, die valvulär ( 6 0 - 7 5 % ) , subvalvulär ( 1 5 - 2 0 % ) oder supravalvulär ( 5 - 1 0 % ) auftreten kann. Schwangerschaftsrisiken: Bei leichten und mittelschweren A S verläuft die Schwangerschaft meist unauffällig. Bei schwerer A S (Aortenklappenöffnung 10 Gpt/I in 9 5 % , >15Gpt/l in 70%; 4 9 % der Patientinnen haben eine Neutrophilie von 80-90%, 4 7 % eine Neutrophils von >90%. Fieber gilt als unsicherer Indikator in der Schwangerschaft. Symptome einer vorzeitigen Wehentätigkeit können sich Symptomen der Appendizitis überlagern. Flankenschmerz rechts bei retrozoekaler Appendizitis. CRP mäßig bis deutlich erhöht (20 bis >100 mg/l). Neben einem sofortigen chirurgischen Konsil sind Abdominalsonographie und MRT Abdomen bedeutungsvoll. Die Spezifität der sonographischen Diagnostik beträgt 4 0 % . Der Verdacht jedoch ist ein nahezu 100%iger Prädiktor. Chirurgische Entscheidung steht immer über der geburtshilflichen Entscheidung. Differentialdiagnosen: Pyelonephritis, rechtsseitige Harnstauung, Harnleiter-Konkremente, Pankreatitis, Cholezystitis, vorzeitige Wehentätigkeit, vorzeitige Lösung der Plazenta, Uterusruptur, HELLP-Syndrom, Ovarialzyste, ektopische Gravidität im ersten Schwangerschaftstrimenon.

Appendizitis

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Therapie In der Schwangerschaft erfolgt die Appendektomie im 2. und 3. Trimenon bei einem retrospektiv unauffälligen Befund in 3 6 % der Verdachtsfälle. Andererseits zeigte sich: Je größer das Intervall zwischen den initialen Symptomen und der Appendektomie, desto größer die Rate der perforierten Appendices, einschließlich maternaler und neonataler Morbidität. Es gilt immer noch die Regel: • Bei begründetem Verdacht auf Appendizitis innerhalb von 24 Stunden operieren! • Das Risiko der Operation ist gering im Vergleich zum Risiko einer Appendicitis perforata. Nach Appendektomie und Erhalt der Schwangerschaft erfolgt eine Antibiotikatherapie mit einem Breitbandpenicillin oder einem Cephalosporin über 5 Tage. Häufig kommt es kurzzeitig zu Kontraktionen. Betamimetika sind in der Regel nicht indiziert. Antibiotika: • Tazobac®, 4 g Piperacillin/0,5 g Tazobactam, Dos.: 2-mal 4 g • Cefuroxim Fresenius 250-1500 mg, Dos.: 2-mal 750 mg

Geburtshilfliches Management Entbindungsmodus: Nach 32 SSW pimäre Sectio caesarea plus Appendektomie. Bis 32 SSW individuelle Entscheidung zum Erhalt der Schwangerschaft. In diesem Fall gilt es, den Uterus so wenig wie möglich zu manipulieren. Wochenbett: Bei Appendizitis im Wochenbett fehlt die Abwehrspannung. Prävalenz 6 - 1 9 % aller Appendidizitis-Fälle in der Schwangerschaft und im Wochenbett. MRT Abdomen zeigt freie Flüssigkeit parakolisch und subphrenisch. Klinisch imponieren milde bis ausgeprägte Unterbauchschmerzen rechts. Leukozyten unauffällig. Stillen: Keine Einschränkungen. Merke: Bei unklarer Klinik MRT Abdomen auch in der Schwangerschaft und im Wochenbett sehr sinnvoll. Das Differentialblutbild ist der wichtigste Laborparameter. Im 2. und 3. Trimenon sowie im Wochenbett ist die klinische Diagnostik der akuten Appendizitis besonders schwierig. Literatur: 1. Gerstle RK: Postpartum appendicitis presenting as R U Q pain. Am Fam Physician 2008; 77: 282.

2. Seintsch I: Perforierte Appendizitis in der Schwangerschaft. Frauenarzt 2006; 47: 98-99. 3. Zhang Y, Zhao YY, Qiao J, Ye RH: Diagnosis of appendicitis during pregnancy and perinatal outcome in the late pregnancy. Chin Med J (Engl) 2009; 122: 521-524.

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Asthma

Asthma Definition Asthma ist die häufigste chronische Erkrankung in der Schwangerschaft (Prävalenz 4 - 8 % ) . Der Verlauf in der Schwangerschaft ist nicht vorhersehbar. Bei einem Drittel der Schwangeren bleibt der Schweregrad des Asthmas unverändert, bei jeweils einem Drittel tritt eine Verschlechterung oder Verbesserung der Erkrankung ein. Häufiger ist eine Zustandsverschlechterung bei Schwangeren mit bekannter schwerer Asthmaerkrankung zu erwarten. Eine Exazerbation kann meist zwischen der 24. und 36. S S W beobachtet werden. Risikofaktoren dafür sind virale Infekte der oberen Luftwege und die Nichteinnahme der inhalativen Kortikosteroide. Ein unzureichend kontrolliertes Asthma vor der Schwangerschaft ist ein Risikofaktor für das Auftreten eines Hypertonus bzw. einer Präeklampsie in der Schwangerschaft. Ein Zusammenhang zwischen Asthma in der Schwangerschaft und intrauteriner Wachstumsretardierung (1UGR) ist nicht eindeutig geklärt. Es besteht keine Notwendigkeit, einer Asthmatikerin von einer Schwangerschaft abzuraten.

Besonderheiten bei Schwangeren mit Asthma: • • • • • • • • •

optimale Kontrolle des Asthmas während der Schwangerschaft notwendig aggressives Management von Exazerbationen Vermeidung von Verzögerungen bei Diagnostik und Therapie regelmäßige Kontrolle des Medikamentenbedarfs und der Compliance, Asthmaschulung adäquate Behandlung von Co-Morbiditäten (ζ. B. Rhinitis, Refluxkrankheit) Motivierung zur Raucherentwöhnung Lungenfunktionstest (Spirometrie) monatlich potentielles Risiko für Präeklampsie und 1UGR kein Beginn einer Hyposensibilierung während der Schwangerschaft (selten Anaphylaxie)

Klinik Zu den Symptomen gehören nächtliche Atemnot, auskultatorisch obstruktive Phänomene (Giemen, Pfeifen und Brummen) und eine partielle oder komplette Reversibilität der Atemwegsobstruktion nach Inhalation von ß2-Sympathomimetika. Klassischerweise geht Asthma mit einer schweren Unverträglichkeit gegenüber ß-Blockern einher.

Die wichtigsten Differentialdiagnosen bei Schwangeren mit Dyspnoe sind: • Asthma (oft Anamnese und Triggerfaktoren bekannt, Diagnose durch Lungenfunktionstest) • physiologische Schwangerschaftsdyspnoe (Hyperventilation bedingt durch erhöhtes Progesteron in der Frühschwangerschaft, kein Bezug zu Tagesaktivitäten) • Lungenembolie • Lungenödem

Asthma

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• peripartale Kardiomyopathie (letzter Schwangerschaftsmonat bis 6 Monate postpartum, Diagnose per Echokardiographie) • Fruchtwasserembolie (meist während Entleerung des Uterus)

Therapie Die generellen Behandlungsstrategien unterscheiden sieht nicht zwischen schwangeren und nicht-schwangeren Frauen. Beim Auftreten von Exazerbationen in der Schwangerschaft gelten folgende Regeln: • rasches Handeln, enges Monitoring von Mutter und Fetus • Erhalt der Sauerstoffsättigung > 9 5 % (nasale 0 2 - G a b e n mit 2 - 4 l/min) • vermeide PaC0 2 >40 mmHg • Lagerung in Linksseitenlage • wenn Trinken nicht möglich, ausreichende Hydratation mit Infusion von NaCI 0 , 9 % (125 ml/h) • vermeide Hypotension • Adrenalin nur bei anaphylaktischer Reaktion • Intubation frühzeitiger als gewöhnlich erwägen (kann technisch schwierig sein!) Die Pharmakotherapie bei Asthmaanfall muss nach Schwere und klinischem Ansprechen eskaliert bzw. deeskaliert werden. Der Asthmaanfall einer Schwangeren ist eine Indikation zur stationären Behandlung. Therapieempfehlung bei Asthmaanfall Substanzgruppe

Dosierung

ß2 -Mimetika (inhalativ)

2 - 4 Inhalationen eines rasch-wirksamen ß2-Mimetikums (ζ. B. Salbutamol, Reproterol); ggf. nach 10-15 Minuten wiederholen

ß2 -Mimetika (systemisch)

s. c. oder i. v. Gabe: Terbutalin 0,25-0,5 mg s. c. alle 4 Stunden; ζ. B. Reproterol 0,09 mg (= 1 ml Amp.) über Perfusor (5 Amp./50 ml) mit 2 - 1 0 ml/h

Kortikosteroide

5 0 - 1 0 0 mg Prednisolon äquivalent i. v. (ggf. in 4 - 6 Stunden wiederholen)

Theophyllin

5 mg/kg KG als i. v. Kurzinfusion, Erhaltungsdosis 0,5-0,7 mg/kg/h

Ipratropiumbromid

0,5 mg durch Vernebelung (besser Kombinationspräparat mit ß2Mimetikum)

Die Einwände gegen ein Fortsetzen der Pharmakotherapie des Asthmas bei Eintritt einer Schwangerschaft sind nicht gerechtfertigt. Es ist eindeutig sicherer, die Asthmamedikation fortzusetzen, als einen unkontrollierten Verlauf in der Schwangerschaft zu riskieren. Zahlreiche Studien und systematische Reviews zeigten, dass inhalative Glukokortikoide, Theophyllin und kurzwirksame ß2-Mimetika das Risiko für fetale Malformationen, Präeklampsie, Frühgeburt oder IUGR nicht erhöhen. Eine Dosisanpassung muss für diese Arzneimittel in der Schwangerschaft nicht erfolgen. Orale Glukokortikoide im ersten Trimenon sind mit einem erhöhtem Risiko für fetale Lippen- oder Gaumenspalten assoziiert ( 0 , 1 - 0 , 3 % ) . Zusätzlich besteht bei systemischen Glukokortikoiden ein erhöhtes diabetogenes Risiko; trotzdem sollten sie bei le-

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Asthma

bensbedrohlichen Situationen und schwerem Asthma eingesetzt werden. Inhalative Kortikosteroide sind der Eckpfeiler in der Therapie des persistierenden Asthmas. Die Anwendung in der Schwangerschaft ist sicher, die meisten Daten liegen zu Budenosid vor. Eine Kombination mit lang-wirksamen ß2-Agonisten scheint trotz spärlicher Datenlage sicher zu sein. Theophyllin ist ungefährlich in der Schwangerschaft in der empfohlenen Dosis (cave: schwächstes bronchodilatatives Medikament, höchstes Nebenwirkungspotential). Beim Einsatz von Theophyllin ist auf Grund der geringen therapeutischen Breite eine Bestimmung des Serumspiegels notwendig. Antihistaminika, Leukotrienrezeptorantagonisten und IgE-Antikörper (Omalizumab) sind während der Schwangerschaft nicht indiziert.

Geburtshilfliches Management Als Entbindungsmodus gilt die Spontangeburt. Bedingt durch die endogene Kortisolausschüttung ist ein Asthmaanfall unter der Geburt relativ selten. Im Falle der Exazerbation ist die respiratorische Alkalose für den Feten wegen der arteriellen Vasokonstriktion des Uterus gefährlich. Besonderheiten unter der Geburt: • Fortführung der Medikation (kurzwirksame ß2-Agonisten +/- Kortikosteroide) • intravenöse Flüssigkeitssubstitution • Evaluation von Lungenfunktion und Sauerstoffsättigung, wenn notwendig • Periduralanästhesie für optimales Schmerzmanagement (senkt Bronchospasmus) • Stressdosis eines Glukokortikoids (20 mg Methylprednisolon alle 8 Stunden über 1-2 Tage) wenn in den letzten Monaten bereits Einnahme von systemischen Glukokortikoiden • Vermeidung von Bronchokonstriktoren (z. B. Prostaglandin F i J zur Weheninduktion bzw. bei Therapie der postpartalen Blutung; Gabe von Prostaglandin E 2 oder E, ist möglich Postpartal passt sich der Schweregrad des Asthmas innerhalb von drei Monaten dem Zustand vor der Schwangerschaft an. Die meisten Asthmamedikamente sind sicher während der Stillperiode. Theophyllin und Antihistaminika können zur Schläfrigkeit und zu Irritationen bei gestillten Neugeborenen führen. Merke: Die Prognose bzw. das Outcome für Mutter und Kind sind sehr günstig, wenn die Asthmaerkrankung durchgehend optimal kontrolliert ist. Exazerbationen können somit meist vermieden werden; sollten sie auftreten, muss aggressiv therapiert werden. Literatur: 1. A C O G Practice Bulletin: Asthma in pregnancy. Obstet Gynecol 2008; 111: 457-464. 2. GMIissen A, Worth H: Asthma in der Schwangerschaft. Dtsch Med Wochenschr 2008; 133: 1977-1980. 3. Rey E, Boulet LP: Pregnancy plus: Asthma in pregnancy. BMJ 2007; 334: 582-585. 4. Schatz M, Dombrowski MP: Asthma in pregnancy. Ν Engl J Med 2009; 360: 1862-1869.

Autoimmun-Hepatitis (AlH)

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Autoimmun-Hepatitis (AlH) Definition Eine Hepatitis, die länger als 6 Monate besteht, wird in der Regel als chronisch definiert. Neben der viral bedingten, chronischen Hepatitis (Hepatitis-B-Virus, -C-Virus) sind viele Fälle idiopathisch. Ein hoher Anteil dieser idiopathischen Fälle zeigt Formen der immunvermittelten Schädigung von Leberzellen (Autoimmun-Hepatitis, AlH): • Vorhandensein von serologischen Immunmarkern • Assoziation mit typischen Histokompatibilitätshaplotypen (AlH Typ 1) • Vorherrschen von T-Lymphozyten und Plasmazellen im geschädigten Lebergewebe • Assoziation mit anderen Autoimmunkrankheiten (ζ. B. Rheumatoidarthritis; bei jungen Patienten jedoch selten) • erfolgreiches Ansprechen auf Kortikosteroide und Immunsuppressiva Der Verlauf einer AlH in der Schwangerschaft ist nicht vorhersehbar. Für eine Verbesserung der AlH spricht das Shifting der T-Helferzellen vom Typ 1 zum Typ 2. Eine Exazerbation der AlH in der Schwangerschaft tritt jedoch bei einer signifikanten Anzahl von Patientinnen auf: • Schub intra partum 12,5-21 % • Schub post partum 1 2 , 5 - 8 6 % Für eine Verschlechterung der AlH in der Schwangerschaft sind möglicherweise veränderte Hormonkonzentrationen oder spezifische Autoantikörper verantwortlich: • anti-soluble liver antigen/liver-pancreas (SLA/LP) Antikörper • anti-Ro/SSA Antikörper Frauen mit einer AlH sollten eine Schwangerschaft nur planen, wenn die Erkrankung gut kontrolliert ist. Schwangere müssen engmaschig überwacht werden (auch postpartal). Es besteht bei AIH-Schwangeren eine erhöhtes Risiko für Aborte (17%) und intrauterinem Fruchttod (IUFT, 14-24%). Die lUFTs sind hauptsächlich durch Frühgeburtlichkeit und Wachstumsretardierung bedingt. Aufgrund der Gefahr einer Exazerbation der AlH sollte die Gabe von Immunsuppressiva in der Schwangerschaft fortgesetzt werden. Nach dem 3. Schwangerschaftsmonat kann die immunsuppressive Dosis meist reduziert werden (Normalisierung der Leberwerte), muss jedoch typischerweise vor der Entbindung und postpartal wieder angehoben werden. Schwangere mit einer AlH werden oft mit einer Kombination aus Glukokortikoiden und Azathioprin behandelt. Azathioprin hat teratogene Effekte in der Maus bzw. Ratte und kann die Plazenta passieren. Neuere Daten erbrachten jedoch kein erhöhtes fetales Risiko durch Azathioprin oder durch seine Metaboliten.

Klinik Das klinische Bild ist sehr unterschiedlich: • Appetitmangel, Müdigkeit • subfebrile Temperaturen, Missempfindungen im rechten Oberbauch • Zeichen der Cholestase Ein Ikterus besteht in der Regel nicht, viele Patienten sind asymptomatisch. Besonders bei jungen Frauen mit einer AlH können die Manifestationen jedes Organsystem betreffen:

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Autoimmun-Hepatitis (AlH)

• Akne, Amenorrhoe, Arthralgie • Colitis ulcerosa, pulmonale Fibrose, Thyreoiditis, Nephritis • hämolytische Anämie Die Diagnose erfolgt durch folgende Befundkonstellationen: • erhöhte Leberwerte (Transaminasenerhöhung charakteristisch, ALT > AST) • Erhöhung der Serumimmunglobuline (nicht beweisend) • Nachweis bestimmter Antikörper-Titer: gegen Zellkerne (ANA), gegen glatte Muskulatur, gegen Leber-Niere-Mikrosom 1 (anti-LKM1; A l H Typ 2 bei Kindern) • Leberbiopsie notwendig Die A l H spricht meist gut auf eine Therapie an, nur in einzelnen Fällen entwickelt sich eine fortschreitende Fibrose und eventuell eine Zirrhose. Therapie Kortikosteroide allein oder in Kombination mit Azathioprin erhöhen die Überlebens• initiale Prednison-Dosis 3 0 - 4 0 mg oral einmal täglich • Dosisreduktion bis auf die Dosis mit gerade noch normalen Leberwerten (Transaminasen) • initial Azathioprin 1 - 1 , 5 mg/kg oral einmal täglich, bei Wirkeintritt Dosisreduktion (entweder primär in Kombination oder nur zusammen mit Prednison, wenn kein ausreichender Effekt durch Prednison allein) Bei den meisten Patienten ist eine niedrig dosierte Dauertherapie erforderlich (Rezidiv ohne Medikamente 3 0 - 5 0 % ) . Im Endstadium der Erkrankung ist eine Lebertransplantation indiziert. Geburtshilfliches Management Generell scheinen maternale und fetale Komplikationen leicht erhöht zu sein, obwohl die Datenlage nicht beweisend ist. Die Sectiorate bei AIH-Patientinnen ist höher als in der Normalpopulation ( 1 6 , 1 - 4 3 % ) . Die mütterliche Komplikationsrate lag in einer Studie sogar bei 9 % (u.a. ein Todesfall durch septischen Abort mit Multiorganversagen, ein fulminantes Leberversagen mit Notfall-Lebertransplantation und Hysterotomie). Merke: Der Verlauf einer A l H in der Schwangerschaft ist nicht vorhersehbar (enges Monitoring notwendig). Die immunsuppressive Therapie (Prednison +/- Azathioprin) muss meist auch in der Schwangerschaft und postpartal fortgesetzt werden. Literatur: 1. Czaja AJ: Autoimmune liver disease. Curr Opin Gastroenterol 2007; 23: 2 5 5 - 2 6 2 . 2. Lee NM, Brady CW: Liver disease in pregnancy. World J Gastroenterol 2009; 15: 8 9 7 - 9 0 6 . 3. Tan J, Surti B, Saab S: Pregnancy and cirrhosis. Liver Transpl 2008; 14: 1081-1091.

Bakterielle Vaginose (BV)

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Bakterielle Vaginose (BV) Definition Bakterielle Störung der Vaginalflora mit Verminderung der H 2 0 2 -produzierenden Laktobazillen sowie einer Vermehrung einer fakultativ pathogen aerob-anaeroben Mischflora, wie Gardnerella vaginalis, Mobiluncus species, Prevotella spezies sowie Mycoplasma hominis und Ureaplasmen. Gardnerella gilt als Marker der Erkrankung. Die vaginale Dysbiose wird als Vorstufe der BV angesehen. Bei BV erhöht sich die Keimzahl der Gardnerellen um das 100-fache. Abnahme der Laktobazillen von 8 χ 106/ml auf 3 χ 106/ml. Erhöhung des TNF-a im Serum und in der Vagina, insbesondere bei Gen-Polymorphismen; TNF2-Allel. Bei alleiniger Trägerschaft des TNF2-Allels erhöht sich bereits ohne BV die Frühgeburtenrate auf das 2-fache; kommt die BV hinzu, verzehnfacht sich das Risiko. Möglicherweise gibt es Zusammenhänge zwischen bakterieller Peridontose und bakterieller Vaginose, einschließlich kausaler Zusammenhänge zur Frühgeburtlichkeit. Angaben zu Prävalenz der BV in der Schwangerschaft zwischen 3,54%, 9 , 8 - 2 0 % . Bei Patientinnen, die regelmäßig die Schwangerenberatung in Anspruch nehmen, dürfte die Prävalenz nach neueren Angaben eher unterhalb von 5 % liegen. Bei Frauen, die wegen sexuell übertragener Erkrankungen betreut werden, beträgt die BV-Rate ca. 3 0 % . Schwangerschaftskomplikationen: Höhere Abort- und Frühgeburtenraten. Weitere Komplikationen sind vorzeitiger Blasensprung und postpartale Endomyometritis.

Klinik Symptome: Über 5 0 % der Schwangeren mit BV sind beschwerdefrei. Bei diesen Frauen fehlen auch lokale Entzündungszeichen. D. h., eine BV verursacht keine Rötung der Vaginalwände im Vergleich zu Aerobierkolpitiden. Symptome sind vermehrter homogener, grauweißer, dünnflüssiger Fluor. Wahrgenommen werden ein fischiger Geruch sowie ein unangenehmes Nässegefühl. Diagnostik: Die Diagnostik erfolgt anhand typischer Kriterien. Obligat für die Diagnose einer BV sind drei von vier Kriterien: • Dünnflüssiger, grauweißer Fluor • Vaginaler pH-Wert >4,5 • Amin-/Fischgeruch des Fluors nach Alkalisierung mit 10%iger KOH-Lösung • Nativpräparat: Nachweis von Clue-cells bei > 2 0 % der Epithelzellen, keine Leukozyten • Metylenblaupräparat: Clue-cells mit Bakterien Auszuschließen sind: Neisseria gonorrhoea, Chlamydien, Trichomonas vaginalis

Therapie Antiseptika bei vaginaler Dysbiose (nur pH >4,5): • Octenisept® intravaginal • Albothyl® Konzentrat Vaginallsg., Rote Liste Gr. 4 • Albothyl® Vaginalsupp., 1 Supp. enth. Policresulen 90 mg, Dos.: Tgl. 1 Supp. über 6 Tage

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Bakterielle Vaginose (BV)

Therapie der BV nach Möglichkeit vor 15. SSW: • Orale Clindamycin-Therapie, Clindamycin-ratiopharm® 300 mg, Dos.: 2-mal 300 mg/die über 7 Tage • Clindamycin-Creme intravaginal für 7 Tage, tgl. intravaginal 5 g 2 %ige Clindamycin Creme; 100 mg Clindamycin; Sobelin® Vaginalcreme, 1 g enth. 20 mg Clindamycin Clindamycin soll bei einer BV 10,0

keine Änderung (evtl. f 1 Einheit) 1 2 - 4 Einheiten t 4 - 6 Einheiten > 8 Einheiten

Wechselwirkungen: Verminderung der Blutzuckersenkung durch Chlorprothixen, Diazoxid, Heparin, Lithiumsalze, Phenolphthalein, Phenytoin, Schilddrüsenhormone, Sympathomimetika, trizyklische Antidepressiva, Glukokortikoide. Verstärkung der Blutrzuckersenkung durch α-Rezeptorenblocker, Amphetamine, anabole Steroide, Phosphamide, MAO-Hemmer, Methyldopa, Tetrazykline. Kurzwirksame Insuline (Wirkd.: bis max. 8 h): Applikationszeit: prä- und postprandial, Spritz-Ess-Abstand 0 - 3 0 min, Dosierung: 1 bis max. 20 (24) I. E. s. c. u./o. i. m. • Berlinsulin® H Normal U-40/-Normal Pen/-Normal 3 ml Pen; Zus.: 1 ml enth.: Insulin human, gentechnisch aus E. coli Κ 12 über Proinsulin 40 I. E./100 I. E., Dos.: Normal U-40: Einzeldosis bis 20 l. E. s. c. oder i. m., höhere Dosen nur i. v., Normal Pen s. c. • H-Insulin 100 Hoechst® für Optipen®; Zus.: 1 ml enth.: Insulin human 100 I.E. hochgereinigt (Normal-(Alt.)insulin - 100% gelöstes Insulin). Dos.: individuell s. c. od. ausnahmsweise i. m. • Η-Insulin Hoechst®; Zus.: 1 ml d. neutralen Inj.-Lsg. enth.: Insulin human 40 I. E., hochgereinigt (Normal-(Alt-)insulin - 100% gelöstes Insulin), Dos.: bis max. 24 I. E. s. c. oder ausnahmsweise i. m., höhere Dosis i. ν. oder als Infusion, Zumischung zu Basal-H-lnsulin Hoechst®

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• H-Tronin® 40/-100; Zus.: 1 ml d. neutralen Inj.-Lsg. enth.: Insulin human 40 I. E./100 I. E., Dos.: s. c., i. v. in tragbaren Insulin-Spritzenpumpen (ζ. B. H-Tron Vod. C) • Humininsulin® Normal 40/-Normal 100/-Normal für Pen 1,5 ml/-für Pen 3 ml/Human Ject Normal; Zus.: 1 ml enth.: Insulin human gentechnisch aus E. coli K12 40 I. E./100 I. E.. Dos.: Einzeldosis bis 20 I. E. s. c. od. i. m., höhere Dosen i. v. • Insulin Actrapid® H M 40 I. E./ml; Zus.: 1 ml enth.: Insulin human 40 I. E. (Normalinsulin), Dos.: individuell s. c. od. i. m., höhere Dosen i. v., in jedem Verhältnis mit Protaphan® und Insulatard® mischbar • Insulin Actrapid® H M NovoLet® 1,5 ml/3ml 100 I. E./ml • Insulin Actrapid® H M Penfill® 1,5 ml/3 ml 100 I. E./ml; Zus.: 1 ml enth.: Insulin human 100 I. E. Intermediär wirksame Insuline (Wirkd.: bis max. 16 (24 h), 1 bis 2 Injektionen pro Tag): Applikationszeit: morgens und abends, ζ. B. 30-45 min vor dem Essen oder nach dem Abendessen zwischen 20 Uhr und 23 Uhr Dosierung: max 40 (60) l. E./die. • Basal-H-Insulin 100 Hoechst®; Zus.: 1 ml enth: Insulin human 100 I. E., hochgereinigt (Verzögerungsinsulin, 100% kristallines NPH-Insulin). • Basal-H-Insulin Hoechst®; Zus.: 1 ml enth.: Insulin human 40 l. E. hochgereinigt (Verzögerungsinsulin, 100% kristallines NPH-Insulin). • Huminsulin Basal® (NPH) 40 /-Basal® (NPH) 100/-Basal® (NPH) für Pen 1,5 ml/-für Pen 3,0 ml/Humaject Basal; Zus.: 1 ml enth.: Insulin human, gentechnisch aus E. coli Κ 12: 40 I. E./100 I. E. • Insulin Protaphan® H M 40 I. E./ml, Protaphan® H M NovoLet® 100 I. E./ml, Protaphan® H M Penfill® 100 I. E./ml; Zus.: Insulin human (Verzögerungsinsulin). • Insulin Monotard® HM, 40 I. E./ml Zus.: 1 ml enth.: Insulin hum 40 l. E. (Verzögerungsinsulin) Kombinationsinsulin (kurzwirksames plus intermediäres Insulin): Applikationszeit: 15-30 min morgens und abends vor dem Essen Dosierung: Max.: 40-50 l. E. s. c. • Insulin Actraphane® H M 30/70 (Normal-/Verzögerungsinsulin), 40 l. E./ml, Insulin human • Insulin Mixtard® 30/70 Human, 40 I. E./ml • Komb-H-Insulin Hoechst®, 40 I. E./ml • Insulin human, 5 0 % Normal- und 5 0 % kristallines NPH-Verzögerungsinsulin Langwirksame Insuline (Wirkd.: >24-36 h): • Humininsulin Ultralong® 100; Zus.: Insulin human, gentechnisch aus E. coli Κ 12, 100 I. E./ml • Insulin Ultratard® H M 40 l. E./ml; Zus.: 1 ml enth.: Insulin human 40 l. E. (Verzögerungsinsulin) Diagnostik: Nach einer Mikroalbuminurie ist insbesondere im 1. Trimenon zu fahnden. Die Anwendung der Kardiotokographie erfolgt zunächst wöchentlich ab 26 SSW, parallel dazu ab 26 SSW in 2 bis 4 wöchentlichen Abständen die Dopplerflusssonographie. Die Fetalbiometrie wird ab 28 SSW in 2 wöchentlichem Abstand zur Früherkennung der Makrosomie durchgeführt. Patientinnen mit erhöhtem Risiko wer-

Diabetes mellitus Typ 1

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den ggf. nach 32 SSW stationär beobachtet: Lebensalter über 30 Jahre, Diabetesdauer über 10 Jahre, schwere Begleiterkrankungen (ζ. B. Niereninsuffizienz, proliferative Retinopathie), nicht optimal geführter Diabetes während der Schwangerschaft. Frühzeitige Laserkoagulation bei proliferativer Retinopathie in der Schwangerschaft. Nach einer neueren Ansicht ist der negative Einfluss auf die Progredienz der diabetischen Retinopathie überbewertet worden. Bei vorbestehender Nephropathie ist die Eiweißausscheidung im 24-Stunden-Urin wöchentlich zu kontrollieren. In einzelnen Fällen wird über Proteinurien zwischen 10 und 20 g im 24-Stunden-Urin berichtet. Ein Frühzeichen der Nephropathie stellt die Mikroalbuminurie (>300 mg/24 h-Urin) dar. Die Nephropathie wiederum begünstigt das Auftreten einer Präeklampsie.

Geburtshilfliches Management Entbindungsmodus: Im Allgemeinen wird eine Entbindung auf vaginalem Wege angestrebt. Dabei wird bei ungestörtem Schwangerschaftsverlauf der terminierten Geburt der Vorrang gegeben. Bei Patientinnen mit erhöhtem Risiko ist die vorzeitige Entbindung unter Beachtung der üblichen geburtshilflichen Kriterien einer Risikoschwangerschaft angezeigt. Die Indikation zur Sectio wird großzügig gestellt. Grundsätzlich keine vaginal-operativen Entbindungen aus Beckenmitte; cave: Hoher Schultergeradstand! Neonatologie: Glukosebestimmungen sind im Nabelschnurblut und in den ersten 6 Stunden mehrfach, in den folgenden 3 Tagen 6-stündlich angezeigt. Elektrolytverschiebungen, insbesondere Hypokalzämien und Hypomagnesiämien, sowie Bilirubinanstieg im Serum sind häufiger nachzuweisen. Wochenbett: Verminderter Insulinbedarf bis ca. 7 Tage post partum (individuell verschieden!). Danach entspricht der Insulinbedarf in etwa dem nach 12 SSW. Stillen: Keine Einschränkungen. Merke: Die präkonzeptionelle Normoglykämie (HbA1c 4000 g. Wochenbett: Regelmäßige Blutzuckerkontrollen, ggf. kurzfristig auf Antidiabetika verzichten.

Diabetes mellitus Typ 11 Stillen: Abstillen bei M e t f o r m i n - A p p l i k a t i o n e n . Metformin tritt in d i e über. K e i n e a u s r e i c h e n d e n Erfahrungen. G l y b u r i d : K e i n e Erfahrungen.

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Muttermilch

M e r k e : O r a l e A n t i d i a b e t i k a (Metformin, G l y b u r i d ) s i n d in der S c h w a n g e r s c h a f t bei D i a b e t e s mellitus T y p 2 m ö g l i c h . Bei u n z u r e i c h e n d e r T h e r a p i e „ s w i t c h i n g " auf Insulin.

Literatur: 1. Hebert MF, Ma X, Naraharisetti SB, Krudys KM, Umans JC, Hankins G D , Caritis SN, Miodovnik M, Mattison DR, Unadkat JD, Kelly EJ, Blough D, Cobelli C, Ahmed MS, Snodgrass WR, Carr DB, Easterling TR, Vicini P; Obstetric-Fetal Pharmacology Research Unit Network: Are we optimizing gestational diabetes treatment with glyburide? The pharmacologic basis for better clinical practice. Clin Pharmacol Ther 2009; 85: 6 0 7 - 6 1 4 . Epub 2009 Mar 18. 2. Mühlhausler BS: Nutritional models of type II diabetes mellitus. Methods Mol Biol 2009; 560: 19-36. 3. Reusens B, Ozanne SE, Remacle C: Fetal determinants of type II diabetes. Curr Drug Targets 2007; 8: 9 3 5 - 9 4 1 .

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Diarrhoe

Diarrhoe Definition Diarrhoe bezeichnet häufige, dünnflüssige und ζ. T. blutige Stühle. Unterschieden wird zwischen akuter und chronischer Diarrhoe. Die chronische Diarrhoe bezeichnet Durchfälle über 4 Wochen. Die Ursachen können recht unterschiedlich sein: • Virale (ζ. B. Noro, Adeno-, Astroviren) bakterielle (Salmonellen, Shigellen, Campylobacter, Yersinien, Clostridien) und parasitäre (Giardia lamblia, Amöben) Infektionen • Diarrhoen im Zusammenhang mit Antibiotika-Applikationen, Antibiotika-assoziierte Colitis durch Clostridium difficile • Lebensmittelintoxikationen (häufig Toxine aus Staphylococcus aureus) • Allergie und Nahrungsmittelunverträglichkeiten • Reisediarrhoe (traveler's diarrhea), Risikogebiete: ζ. Β. Risiko 8 - 2 0 % bei Reisen nach China, Südeuropa, Israel, Südafrika, Nordafrika, Mittelasien, Indien, Russland, den Karibische Inseln • Chronisch entzündliche Darmerkrankungen, unspezifische Colitis • Stoffwechselerkrankungen: Hyperthyreose, Diabetes mellitus Typ 1 • Reizdarm: Alternierend Obstipation und Diarrhoe Schwangerschaftskomplikationen: resultieren hauptsächlich aus dem Wasser- und Elektrolytverlust (Hypokaliämie!). Bakterielle Vaginose durch Schmierinfektion. Megakolon bei akuter Colitis möglich. Klinik Symptome: Häufig gehen die Durchfälle mit Erbrechen, krampfartigen Bauchschmerzen, reduziertem Allgemeinzustand und Fieber einher. Diagnostik: Bei persistierender Symptomatik mikrobielle Stuhluntersuchungen. Labor: Blutbild, CRP, Transaminasen, Haptoglobin, Amylase. Bei persistierenden Diarrhoen ante und post partum ist immer an eine Clostridieninfektion zu denken. Differentialdiagnosen: Bei Oberbauchschmerzen immer HELLP-Syndrom ausschließen! Reizdarm, Colitis ulcerosa, Morbus Crohn, Pankreatitis, Appendizitis, Hepatitis A, Typhus, Cholera, enterotoxische E. coli-lnfektion (ETEC), Listeriose, Darmtumoren. Therapie Bei akuter Diarrhoe stehen Flüssigkeitsersatz und Aufrechterhalten des Elektrolythaushaltes im Vordergrund. Orale Rehydration mit oralen Glukose-Elektrolytlösungen mit Elotrans® und Oralpädon®. Parenterale Rehydration bei schweren Verläufen. Akut wirkende Antidiarrhoika: Loperamid (Imodium®) 2 mg ggf. mehrmals tgl. p. o. Loperamid ist in der Schwangerschaft Mittel der 1. Wahl. Leberfunktionsstörungen werden als relative Kontraindikation angegeben. Bei parasitären Infektionen wurden Perforationen der Darmwand beschrieben. Die Tagesmaximaldosis wird mit 16 mg angegeben. Eine

Diarrhoe

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retrospektive schwedische Populationsanalyse verweist auf einen moderaten Anstieg von Minor-Fehlbildungen und Hypospadie bei Loperamid-Applikationen im 1. Schwangerschaftstrimenon. Loperamid nicht bei Fieber und blutigen Durchfällen anwenden. Reisediarrhoe: Azithromycin 1-mal 500 mg über 3 Tage; Rifaximin, Rote Liste Gr. 4, Anw. bei nichtinvasiven enteropathogenen Bakterien, Xifaxan® Filmtabletten, 1 Filmtbl. enth. Rifaximin 200 mg, Dosierung: 3-mal 200 mg/die über 3 Tage. Sommerdiarrhoe: Gastraretin® Ν Tropfen, 100 g enth. kolloid. Silber 0,25 g, 99,3 g wässriger Auszug (1 :65) aus Kamillenblüten und Pfefferminzblättern, Dos.: 3-4-mal tgl. 20 Tr., früher als Rollkur bekannt. Kontraindiziert: Opium und Diphenoxylat (mit Atropin in Reasec®). In Ausnahmesituationen können Opiate gezielt eingesetzt werden, um insbesondere unerträgliche krampfartige Schmerzen zu lindern. Adsorbenzien, Darmantiseptika, Adstringenzien und Medikamente mit physiologischer Bakterienflora sind in der Schwangerschaft nicht geeignet. Prävention: Hygienische Maßnahmen, Risikogebiete für Reisediarrhoen meiden.

Geburtshilfliches Management Nur chronische Verläufe im Zusammenhang mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen können die Schwangerschaftsdauer und den Entbindungsmodus beeinflussen. Merke: Bei akuten Diarrhoen in der Schwangerschaft sind umgehend Flüssigkeitsund Elektrolytverluste auszugleichen, wobei auch orale Rehydrationen mit Elektrolytlösungen appliziert werden können. Loperamid ist Mittel der 1. Wahl im 2. und 3. Trimenon. Eine Reisediarrhoe kann mit Azithromycin (1. Wahl) oder Rifaximin therapiert werden. Literatur: 1. Källen B, Nilsson E, Otterblad Olausson P: Maternai use of loperamide in early pregnancy and delivery outcome. Acta Paediatr 2008; 97: 541-545.

2. Shah SB, Hanauer SB: Treatment of diarrhea in patients with inflammatory bowel disease: concepts and cautions. Rev Gastroenterol Disord. 2007; 7 Suppl 3: S3-10.

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Ehlers-Danlos-Syndrom (EDS)

Ehlers-Danlos-Syndrom (EDS) Definition Das Ehlers-Danlos-Syndrom charakterisiert eine heterogene Gruppe erblicher Störungen des Bindegewebes; autosomal-dominanter, autosomal-recessiver und X-chromosomal gebundener Erbgang. Seltene Erkrankung mit einer Prävalenz von ca. 1/10.000 bis 1/25.000 ohne ethnische Prädisposition. Es ist davon auszugehen, dass der mildere klassische EDS-Typ (Typ II), häufig nicht diagnostiziert, den am häufigsten vorkommenden EDS-Typ darstellt. Etwa 5 0 % der klassischen EDS-Fälle erfolgen durch Vererbung von einem Elternteil. 5 0 % erkranken durch Neumutationen. Der vaskuläre Typ IV (EDS IV, autosomal dominant) macht 5 - 1 0 % aller EDS-Fälle aus. Unter Berücksichtigung der Manifestation werden nach Villefranche 6 Hauptgruppen unterschieden. Ehlers-Danlos-Syndrom (EDS), Klassifikation: • Klassischer Typ (Synonyme/frühere Bezeichnung: EDS Typ l, EDS Typ II, EDS Typ 1, EDS Typ 2) • Hypermobiler Typ (Synonyme/frühere Bezeichnung: EDS Typ III, EDS Typ 3) • Vaskulärer Typ (Synonyme/frühere Bezeichnung: EDS Typ IV, EDS Typ 4) • Kyphoskoliotischer Typ (Synonyme/frühere Bezeichnung: Okulär-skoliotischer Typ, EDS Typ VI, EDS Typ VIA, EDS Typ VIB, EDS Typ 6, EDS Typ 6A, EDS Typ 6B) • Arthrochalasie Typ (Synonyme/frühere Bezeichnung: EDS Typ VIIA, EDS Typ VIIB, EDS Typ 7A, EDS Typ 7B) • Dermatosparaxis Typ (Synonyme/frühere Bezeichnung: EDS Typ VllC, EDS Typ 7C) • Seltene Formen (X-gebundener Typ des EDS, EDS Typ V, EDS Typ 5; Periodontitis-Typ, EDS Typ VIII, EDS Typ 8; EDS mit Fibronektin-Mangel, EDS Typ X, EDS Typ 10) Schwangerschaftskomplikationen: Hämorrhagische Diathesen. Dissektion großer Gefäße: Aorta, thorakale und abdominale Gefäßabgänge, Vena cava inferior, Beckenarterien, A. carotis interna. Beschrieben wurden Darm (Colon sigmoideum)-, Leber- und Uterusrupturen (Ruptur der Leber- und Uterinagefäße) im 3. Schwangerschaftstrimenon. In der Schwangerschaft häufiger sind Zervixinsuffizienz sowie Hämorrhoiden. Kasuistik: Ruptur der A. iliacalis comm. dextra mit mütterlichem Todesfall, Hemiplegie nach akuter Okklusion des proximalen Astes der A. carotis interna. Hohe mütterliche Mortalität bei Ehlers-Danlos-Syndrom des vaskulären Typs IV (EDS IV). Das akute Auftreten von Thoraxschmerzen und Dyspnoe kann einen Spontanpneumothorax anzeigen. Starke Kopfschmerzen und Hervortreten eines oder beider Augen sowie Pulsationen im Kopf sind Zeichen einer arterivenösen Fistel zwischen Arteria carotis und Venen im Kopfbereich.

Klinik Symptome: Unklare Aneurysmata, Kyphoskoliose, Dyskoordination. Typische Symptome beim Ehlers-Danlos-Syndrom sind die Hyperelastizität und leichtes Einreißen der Haut. Die Gelenke sind überstreckbar. Weitere Befunde sind Muskelschwäche, Pseudotumore der Haut, Hämatomneigung, Gelenkdyslokationen. Diagnostik: Die Diagnose erfolgt anhand molekulargenetischer oder elektronenmikroskopischer Untersuchungen von Hautbiopsien. Molekulargenetische Diagnostik.

Ehlers-Danlos-Syndrom (EDS)

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Differentialdiagnosen: Generalisierte Gelenkhypermobilität, progressive Skoliose, kongenitale Hüftluxation, Marfan-Syndrom, Cutis laxa Syndrom, Occipital Horn Syndrom. Schwangerenbetreuung: Engmaschige klinische und geburtshilfliche Untersuchungen, maternale Echokardiographie, MRT- und sonographisches Gefäßmonitoring (Typ IV) (1. Priorität in der Schwangerschaft!). Frühzeitige stationäre Überwachung im 3. Schwangerschaftstrimenon. Kasuistik: Nach Hemiplegie in der ersten Schwangerschaft erfolgreich ausgetragene 2. Schwangerschaft bei kontinuierlichem sonographischen Gefäßmonitoring. Therapie Physiothérapie, Schmerztherapie, Orthesen. Prävention/präkonzeptionelle Beratung: Beim Ehlers-Danlos-Syndrom Typ IV ist eine intensive präkonzeptionelle Aufklärung notwendig. Gefäßrupturen in der Schwangerschaft können lebensgefährlich sein. Kasuistische Beiträge über erfolgreiche Schwangerschaftsverläufe bei Typ IV-Patientinnen liegen vor (Gefäßmonitoring in der Schwangerschaft!); dennoch hohe mütterliche Mortalität beachten. Der Genotyp III ist mit geringeren antenatalen und peripartalen Komplikationen verbunden. Im Vordergrund stehen Dysautonomie und orthostatische Dysbalancen. Genetische Beratung: Ist die familiäre Mutation bekannt, so kann mit einem genetischen Test bei einem Kind eine Wiederholung der Erkrankung nachgewiesen oder ausgeschlossen werden. Eine Pränataldiagnostik ist möglich. Eine frühzeitige Diagnose eines EDS vom klassischen Typ hat keine unmittelbare therapeutische Konsequenz. Die molekulargenetische Analyse des klassischen Typs des EDS erfolgt durch den Nachweis der Gene COL5A1 und COL5A2. Geburtshilfliches Management Entbindungsmodus: Medizinisch indizierte Frühgeburt durch primäre Sectio caesarea Anämieprophylaxe • 20.-25. SSW: 200 mg Eisensaccharose i. v. • 28.-32. SSW: 200 mg Eisensaccharsoe i. v. • 34.-37. SSW: 200 mg Eisensaccharose i. v. Die Anämietherapie sollte Hämoglobinadaptiert erfolgen. • Hb > 6,8 mmol/l (>11,0 g/dl): keine Anämie • Hb 6,20-6,8 mmol (10,0-11,0 g/dl): Eisen oral • Hb < 6,20 mmol/l (110 mm Hg (42%). In 1 4 % gibt es keine eindeutigen Prodromalsymptome. In Einzelfällen sind eine initiale bzw. progrediente Proteinurie sowie erhöhte Harnsäure-Plasmaspiegel zu verzeichnen. Differentialdignosen: Schlaganfall, Hirnembolie, intrakranielle Blutungen, Subarachnoidalblutung, Status epilepticus, Coma diabeticum, Erstmanifestation von cerebralen Neoplasien.

Therapie Magnesiumsulfat ist das Antikonvulsivum der 1. Wahl; es folgen Diazepam, Phenytoin. Magnesiumsulfat: • Initial Magnesiumsulfat (z. B. Magnorbin®) 4 - 6 g als Infusion ( 5 % Dextrose) über 20 min • Magnesiumsulfat-Erhaltungsdosis: 1 - 2 g/h; Inf. Vol. 4 0 - 6 0 ml/h, Therapie mit Magnesiumsulfat bis 24 h post partum bzw. 24 h nach einem eklamptischen Anfall • Kontraindikationen: Herzerkrankungen, akutes Nierenversagen • Monitoring: Magnesiumspiegel 2(-3) mmol/l, Reflexstatus positiv (Prüfe Armreflexe bei Periduralanästhesie!), Pulsoxymetrie, Atemfrequenz >16(14)/min • Dosisreduktion: Oligurie (10 mmol/l, Alaninaminotransferase (ALT) >250 IU/I erfordert 2-stündliche Magnesiumspiegel-Kontrollen • Magnesiumsulfat-Toxizität Bei 4 - 5 mmol/l: Reflexverlust (Patellarsehnen- und Bizepsreflex), Flush, Somnolenz, Übelkeit, Doppelbilder, Hypotonie, Hypothermie)

Eklampsie

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• Magnesiumsulfat-Toxizität bei 6 - 7 , 5 mmol/l: Paralyse der Muskulatur, Atemstillstand • Magnesiumsulfat-Toxizität bei >12 mmol/l: Herzstillstand • Toxizität sehr wahrscheinlich/sicher: Calciumgluconat 1 g in 0 , 9 % NaCI-Lsg. bzw. 10 ml 1 0 % über 10 min • Therapieeffekt mit Magnesiumsulfat unzureichend: Diazepam 10 mg i.v. in 10-15-minütigen Abständen sehr langsam „Steigt der Blutdruck, so droht der Anfall, fällt der Blutdruck, so droht der Kollaps". Pschyrembel 1966 Weitere Therapiemaßnahmen: • Zurückhaltung bei Volumensubstitution: 5 0 0 - 1 0 0 0 ml kolloidale Lsg. (HAES 1 0 % ) bzw. Ringerlaktat (75 ml/h) • Blutdrucksenkung vorzugsweise mit Urapidil (Ebrantil®) ( 6 - 2 4 mg/h über Perfusor), initiale Bolusinjektion mit 6,25-12,5 mg über 2 min • kein Heparin bei aktiver Blutung oder Blutungsgefahr • Diazepam (ζ. B. Valium®) 1 0 - 3 0 (40) mg sehr langsam(!) i.v., Wiederholung nach 3 - 4 h (Tagesmaximaldosis 120 mg) • Relaxation und Beatmung, bei Lungenödem Überdruckbeatmung mit endexpiratorischem Überdruck • Diureseförderung mit Furosemid nur nach Behebung der Hämokonzentration Medikamente der 2. Wahl: • Phenytoin (Epanutin®, Phenhydan®): 3 - 4 - m a l 1 Amp. = 250 mg sehr langsam i.V., Nebenwirkungen: Asystolie, Kammerflimmern • Distraneurin®: Initial 5 0 - 1 0 0 ml (max. 1500 ml/die) Notfall-Therapie: Venösen Zugang legen (Ringer/Glucose 5 % ) und sedieren: Diazepam (langsam 5 - 1 0 mg i.v.), Gummibeißkeil bei Krämpfen. Der Blutdruck, falls notwendig, sollte mit Nepresol oder Adalat gesenkt werden (Kollapsgefahr!). Als bessere Alternative bietet sich Urapidil an: Bei hypertensiver Krise 25 mg (5 ml) Urapidil i. v., Wiederholung nach 5 Minuten möglich. Prävention: Intravenöse Magnesiumsulfat-Therapie (1 g/h) bei schwerer Präeklampsie reduziert Eklampsierisiko um 5 0 % in diesen Fällen (schwere Präeklampsie geht Eklampsie nur in 1 3 % voraus!). Prävention bei milden Präeklampsieformen umstritten. Wir empfehlen in jedem Fall eine Kombination der antihypertensiven Therapie mit Magnesiumsulfat. Dennoch kann sich eine Eklampsie auch unter therapeutischen Magnesiumspiegeln entwickeln.

Geburtshilfliches Management Entbindungsmodus: Nach Stabilisierung der Patientin (Überwindung des akuten Zustandes) - primäre Sectio caesarea. Bei günstigen Voraussetzungen (Kopf Beckenmitte/Beckenboden) vaginale Entbindung. Ergometrin/Oxytocin = kontraindiziert. Wochenbett: Neurologische Kontrolluntersuchung nach 6 - 1 2 Wochen. Stillen: Grundsätzlich in Abhängigkeit der antihypertensiven Therapie sowie der klinischen Stabilisierung möglich.

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Endokarditis

Merke: Eine Präeklampsie geht einer Eklampsie nur in 6 0 % der Fälle voraus (schwere Präeklampsie nur in 13%!). Nahezu 2 0 % der Eklampsien können nach dem gegenwärtigen Risikospektrum präventiv nicht erfasst werden. Magnesiumsulfat ist das Antikonvulsivum der 1. Wahl. Nebenwirkungen der Magnesiumsulfat-Therapie: Atonie, Atemdepression, verminderte neuromuskuläre Transmission. Eine Überdosierung kann zum mütterlichen Tod führen. Literatur: 1. Fischer T, Klockenbusch W, Rath W: Diagnostik und Therapie hypertensiver Schwangerschaftserkrankungen. Frauenarzt 2008; 49: 9 5 0 - 9 5 4 . 2. Katz VL, Farmer R, Kuller JA: Preeclampsia into eclampsia: toward a new paradigm. Am J Obstet Gynecol 2000; 182: 1389-1396. 3. Duley L: The global impact of pre-eclampsia and eclampsia. Semin Perinatal 2009; 33: 130-137.

Endokarditis

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Endokarditis Definition Die bakterielle Endokarditis lässt sich entsprechend ihrer Verlaufsformen in eine subakute und eine akute Form unterteilen. Geschädigt, durch entzündliche Veränderungen, werden vor allem die Herzklappen. Häufige Erreger sind Streptokokken (Streptococcus viridans, pneumoniae, pyogens) und Staphylococcus aureus; Chlamydien, Clostridien, Pseudomonas, Salmonellen sind seltene Erreger. Die Inzidenz der infektiösen Endokarditis in der Schwangerschaft beträgt 0,006%. B-Streptokokken verursachen 1 0 % der Endokarditiden in der Gravidität. Eine B-Streptokokken-Endokarditis (GBS-Endokarditis) kann auch im Wochenbett vorkommen. Mögliche Herde in der Schwangerschaft sind: Aborte, Myome, dentale Infektionen, Harnwegsinfektionen, zervikovaginale Infektionen. Neben der bakteriellen Endokarditis gibt es die postinfektiöse Endokarditis, die durch Immunkomplexablagerungen ausgelöst wird. Die postinfektiöse Endokarditis gehört zu den Erscheinungsformen des rheumatischen Fiebers, das in Folge einer Streptokokkeninfektion auftreten kann. Seltene Formen sind die nosokomiale infektiöse Endokarditis (NIE, Methicillin resistente Staphylokokken) und die nicht bakterielle durch einen Thrombus ausgelöste „non-bacterial thrombotic endocarditis" (NBTE). Schwangerschaftskomplikationen: Schweres Krankheitsbild mit Kreislaufversagen, periphere septische Embolien (Hirninfarkte, Niereninfarkte, Milzinfarkte), septische pulmonale Thromben (Embolie), metastatische Infektionen (Milz-, Nieren-, ZNS- und Gelenkabszesse), hämatogene Amnioninfektion, Pleuritis, Pleuraerguss. Kutane Manifestationen: Petechien, Osler-Knoten. Die bakterielle Endokarditis, im Zusammenhang mit bereits rezidivierenden Sptikämien, ist in der Schwangerschaft mit einer hohen mütterlichen (22,1 %) und fetalen Mortalität (14,7%) belastet.

Klinik Symptome: Die Symptome der bakteriellen Endokarditis können sehr unspezifisch sein oder gar fehlen; subfebrile Temperaturen, unklare Fieberschübe mit fieberfreien Intervallen, Tachykardie, Leukozyten >15 Gpt/I. Der Verdacht auf eine infektiöse Endokarditis besteht bei neu auftretenden Herzgeräuschen, Thoraxschmerzen, unklarem Fieber, und einem suspekten echokardiografischen Befund. Akutes Krankheitsbild: Schüttelfrost, septische Temperaturen, Dyspnoe, Tachypnoe, Tachykardie, Hypotonie. Diagnostik: Sinustachykardie im EKG, Echokardiografie, Pulmonal-CT, Differentialblutbild, Urinkulturen, CRP (häufig 906 nmol/l während der Embryogenese, kombinierte Applikation von Folsäure und 5-Methyltetrahydrofolat (5-MTHF) (Femibion®). Schwangerenberatung: Pränatale Diagnostik D E G U M II/III. Falls mit Carbamazepin, Phenytoin oder Phénobarbital therapiert wird, erfolgt in den letzten 4 Schwangerschaftswochen eine zusätzliche Applikation von täglich 10 mg Vitamin K, Phytomenadion, Konakion® M M 10 mg Lösung ( 1 0 - 2 0 mg/die).

Epilepsie

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Therapie Die Gefahr einer Schädigung des Kindes durch rezidivierende generalisierte tonischklonische Krampfanfälle überwiegt das Fehlbildungsrisiko, verbunden mit Antikonvulsiva-Applikationen. Während der Schwangerschaft ist eine Reduktion der Medikation nicht angezeigt. Aufgrund des erhöhten maternalen Plasmavolumens ist in Einzelfällen eine Dosisanpassung notwendig (Blutspiegel-Bestimmungen). Nach dem 1. Trimenon ist, falls notwendig, ein „switch" auf Präparate mit höherem Fehlbildungsrisiko möglich. Bei den Standardantiepileptika (Carbamazepin, Ethosuximid, Phenobarbital/Primidon, Phenytoin, Valproinsäure) sind regelmäßige Laborkontrollen (Blutbild, Leberwerte) erforderlich. Gabapentin und Valproinsäure wirken adipogen. Antikonvulsiva und Risiken: Carbamazepin (Finlepsin®, Carbamazepin STADA®, Tegretal®, Timonil®): Neuralrohrdefekte, Herzfehler, Fehlbildungen des urogenitalen Systems, Veränderungen an den Augenbrauen, verbreiterter Nasenrücken. Benzodiazepine (Clobazam, Frisium®; Clonazepam, Rivotril®; Diazepam, Valium®; Lorazepam, Tavor®): Führen nicht sicher zu Fehlbildungen. Berichtet wird über Anpassungsstörungen, Floppy Infant. Benzodiazepine sind in erster Linie Notfallmedikamente,· geeignet für das 1. Trimenon. Valproinsäure (Convulex®, Ergenyl®, Leptilan®, Orfiril®): Neuralrohrdefekte, Herzfehlbildungen, Lippen-Kiefer-Gaumenspalten, Extremitäten-Fehlbildungen. Hinweise auf mögliche Entwicklungsverzögerung liegen vor. Das Fehlbildungsrisiko für Valproinsäure wird höher eingeschätzt als dasjenige für Carbamazepin, Phenytoin und Lamotrigin. Babiturate (Phénobarbital, Phenaemal®; Primidon, Mylepsinum®): Atemdepression, Entzugssymptome, Herzfehler, kleinere Gesichtsfehlbildungen, Entwicklungsverzögerungen, Antriebsschwäche des Neugeborenen. Ethosuximid (Suxinutin®): Lippen-Kiefer-Gaumenspalten. Phenytoin (Phenhydan®): Herzfehler, Lippen-Kiefer-Gaumenspalten, kleinere Gesichtsfehlbildungen, Fehlbildungen an Händen und Fingern, vermehrt small for gestational age Neugeborene (SGA). Lamotrigin (Lamictal®, Lamotriax®): Fehlbildungsrate etwa 4%, Kombination von Lamotrigin und Valproinsäure erhöht Fehlbildungsrisiko, z. B. des Zentralnervensystems und Verdauungsapparates. Bisherige Erfahrungen unzureichend für Cabapentin (Neurontin®), Topiramat (Topamax®), Levetiracetam (Keppra®), Tiagabin (Gabitril®), Pregabalin (Lyrica®), Zonisamid (Zonegran®). Therapie der generalisierten Epilepsie: • Mittel der 1. Wahl: Valproinsäure 1200-1800 mg/die p. o. • Mittel der 2. Wahl: Ethosuximid, Suxilep® (bei Absencen) 15-30 mg/kg KG/die; Phenobarbital/Primidon, Myelepsinum® (bei Impuls-petit-mal) 0,75-1,5 g/die; Phenobarbital/Primidon oder Carbamazepin (400-1200 mg/die) und Phenytoin 100-300 mg/die (bei Aufwach-Grand-mal) Therapie der fokalen Epilepsie: • Mittel der 1. Wahl: Carbamazepin 400-1200 mg p. o./die, vorzugsweise als Retardpräparat

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Epilepsie

• Mittel der 2. Wahl: Valproinsäure 1 2 0 0 - 1 8 0 0 mg/die p. o., Phenytoin 1 0 0 - 3 0 0 mg/ die, Phenobarbital/Primidon, Myelepsinum® 0 , 7 5 - 1 , 5 g/die • Mittel der 3. Wahl sind neuere Antiepileptika; Lamotrigin 1 0 0 - 2 0 0 mg/die, Gabapentin 9 0 0 - 2 4 0 0 mg/die, aufgeteilt auf 3 Einzeldosen

Geburtshilfliches Management Entbindungsmodus: Kein Einwand gegen vaginalen Entbindungsmodus. Aus epileptologischer Sicht besteht die Notwendigkeit z u einem Kaiserschnitt nur dann, wenn während der Wehen wiederholt Anfälle (selten!) auftreten. Häufiger indizierte Geburt (Geburt unter kontrollierten Bedingungen). Neugeborenes: U m Blutungen beim Neugeborenen vorzubeugen, sollte unmittelbar nach der Geburt Vitamin Κ oral oder subkutan gegeben werden. Wochenbett: Erhöhte Inzidenz von Stimmungsschwankungen, Wochenbettdepressionen oder Wochenbettpsychosen (widersprüchliche Angaben). Dosisanpassung der Antiepileptika erforderlich. Schlafmangel begünstigt epileptische Anfälle. Stillen: Grundsätzlich wird z u m Stillen geraten. Antiepileptika treten in die Muttermilch über. Nebenwirkungen sind nicht bekannt. Ausnahmen sind Levetiracetam und Phénobarbital. Hier sind Trink- und Antriebsschwäche des Neugeborenen zu berücksichtigen. Indikation z u m Abstillen: Epileptische Anfälle der Mutter mit Bewusstseinsstörungen während des Stillvorgangs. Merke: Die Gefahr einer Schädigung des Kindes durch rezidivierende generalisierte tonisch-klonische Krampfanfälle überwiegt das Fehlbildungsrisiko, hervorgerufen durch Antikonvulsiva. Empfehlung: Präkonzeptionelle Optimierung der Medikation. Antikonvulsiva in der Schwangerschaft nicht absetzen. Valproinsäure sollte im 1. Trimenon vermieden werden. Ein wesentliches Element der Prävention ist die Folsäure-Prophylaxe. Prophylaxe eines Vitamin K-Mangels für Schwangere, die Antikonvulsiva einnehmen: 1 0 - 2 0 mg/die. Literatur: 1. www.uniklinik-ulm.de. Beratungsstelle Epilepsie und Schwanger-/Mutterschaft. Epilepsieambulanz: Tel. 0731/500-63011 oder 500-63010. 2. Europäisches Register für Schwangerschaften unter Antiepileptika (EURAP). www.Eurap.de. 3. Harden CL, Meador KJ, Pennell PB, Hauser WA, Gronseth GS, French JA, Wiehe S, Thurman D, Koppel BS, Kaplan PW, Robinson JN, Hopp J, Ting TY, Gidal B, Hovinga CA, Wilner AN, Vazquez Β, Holmes L, Krumholz A, Finnell R, Hirtz D, Le Guen C; American Academy of Neurology; American Epilepsy Society: Management issues for women with epilepsy-Focus on pregnancy (an evidence-based review): II. Teratogenesis and perinatal outcomes: Report of the Quality Standards Subcommittee and Therapeutics and Technology Subcommittee of the American Academy of Neurology and the American Epilepsy Society. Epilepsia 2009; 50: 1237-1246.

Epstein-Barr-Virus-lnfektion (EBV)

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Epstein-Barr-Virus-Infektion (EBV) Definition Das Epstein-Barr-Virus (EBV) ist weltweit verbreitet. EBV ist ein Herpesvirus. Die Durchseuchungsrate beträgt 8 0 - 9 0 % , so dass nur wenige Schwangere für eine Infektion anfällig sind. Die Übertragung erfolgt über den Speichel. Reaktivierungen sind insbesondere bei Immunsuppression möglich. Die maternofetale Transmission gilt als gesichert. EBV-Infektionen kommen häufiger bei HIV-Infektionen, multipler Sklerose und Morbus Castleman vor. Schwangerschaftskomplikationen: Selten sind thrombozytopenische Purpura, Anämie, Milzruptur, Enzephalitis, Guillan-Barre-Syndrom. Angaben zu erhöhten Abort- und Frühgeborenenraten sind widersprüchlich. Deziduitis und Villitis sind ein Indiz für plazentare Infektionen. Teratogene Effekte bei seltenen primären EBV-Infektionen betreffen das Herz, die Leber und die Augen. Kongenitale Infektionen mit EBV gelten als Risikofaktor für ein späteres Hodenkarzinom der männlichen Neugeborenen. Mütterliche EBV Reaktivierung in der Schwangerschaft stellt einen Risikofaktor für eine akute Leukämie die Neugeborenen in der Kindheit dar.

Klinik Symptome: Die meisten Infektionen verlaufen inapperent. Die infektiöse Mononukleose (Pfeiffersches Drüsenfieber) gilt als typisches Krankheitsbild: • Angina • Lymphadenopathie • Hepatosplenomegalie • nukleäre Lymphozytose Diagnostik: IgG- und IgM-Antikörper-Nachweis im Serum, EBV-DNA aus dem Rachenabstrich. Differentialdiagnosen: Herpes-Virus-Infektionen, Zytomegalie.

Therapie Keine Prävention: Keine

Geburtshilfliches Management Entbindungsmodus: Kein Einfluss. Wochenbett: Kein Einfluss. Stillen: EBV tritt in die Muttermilch über. Bei gesicherter mütterlicher Infektion - Abstillen.

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Epstein-Barr-Virus-Infektion (EBV)

Merke: Epstein-Barr-Virus-Infektionen in der Schwangerschaft sind selten. Neuere epidemiologische Untersuchungen verweisen auf Zusammenhänge zwischen mütterlichen Reaktivierungen und Tumorerkrankungen der Neugeborenen im weiteren Leben. Neue Studienergebnisse zeigen keine teratogenen Effekte des EBV. Andere Angaben bezeichnen Herz-, Leber- und Augenfehlbildungen. Literatur: 1. Avgil M, Diav-Citrin O, Shechtman S, Arnon J, Wajnberg R, Ornoy A: Epstein-Barr virus infection in pregnancy - a prospective controlled study. Reprod Toxicol 2008; 25: 4 6 8 - 4 7 1 . Epub 2008 Apr 30. 2. Holl Κ, Surcel HM, Koskela Ρ, Dillner J, Hallmans G, Wadell G, Kaasila M, Olafsdottir G H , Ogmundsdottir HM, Pukkala E, Stattino Ρ, Lehtinen M: Maternal Epstein-Barr virus and cytomegalovirus infections and risk of testicular cancer in the offspring: a nested case-control study. APMIS 2008; 116: 8 1 6 - 8 2 2 . 3. Tedeschi R, Bloigu A, Ogmundsdottir HM, Marus A, Dillner J, dePaoli P, Gudnadottir M, Koskela P, Pukkala E, Lehtinen T, Lehtinen M: Activation of maternal Epstein-Barr virus infection and risk of acute leukemia in the offspring. Am J Epidemiol 2007 15; 165: 1 3 4 - 1 3 7 . Epub 2006 Sep 27.

Fai lot-Tetra logie

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Fallot-Tetralogie Definition Die meisten kongenitalen kardialen Anomalien sind muskuläre Ventrikelseptumdefekte, membranose Ventrikelseptumdefekte und Vorhofseptumdefekte. Die Prävalenzen betragen 27,5; 10,6 und 10,3 auf 10.000 Geburten. Die Fallot-Tetralogie ist die häufigste zyanotische angeborene Herzfehlbildung; Prävalenz 4,7/10.000 Geburten. Erstbeschreibung des Herzfehlerkomplexes durch Etienne Louis Arthur Fallot 1888: Rechtsventrikuläre Ausflusstraktobstruktion (Pulmonalstenose), konsekutive rechtsventrikuläre Hypertrophie, Ventrikelseptumdefekt, das Ventrikelseptum überreitende Aorta. In 1 7 % der Fälle besteht ein zusätzlicher Vorhofseptumdefekt. Nach der Geburt kommt es ab dem 3. Lebensmonat zu hypoxämischen Anfällen. Konservative und interventionelle Therapien überbrücken den Zeitraum bis zur operativen Korrektur, z. B. arterio- bzw. aortopulmonale Anastomosen (Blalock-Taussig-Anastomose). Weitere Korrekturen sind: Ventrikelseptumdefekt- Patchverschluss, subvalvulärer Patch nach Infundibulektomie, transvalvulärer Patch, klappentragender extrakardialer Conduit. Nach einer Korrekturoperation nach 5 Lebensjahren überleben 9 3 % der Patienten; überwiegend NYHA l-ll. Pathophysiologie: Zunahme des Blut- und Plama- und Herzzeitvolumens. Eine Erweiterung des Gefäßbettes führt zu Blutdruckabfällen, Vergrößerung der Blutdruckamplitude, Tachykardie, Tachypnoe. Hämatokritwerte > 6 0 % sind für Mutter und Kind prognostisch ungünstig. Unter der Geburt zu berücksichtigen sind Blutdruckabfälle durch die Anästhesie sowie ein venöses pooling mit einem wellenartigen zentralen Rückstrom. Eine plötzliche Gefäßdilatation kann Ursache für den mütterlichen Tod sein.

Klinik Postoperative Morbidität und körperliche Leistungsfähigkeit sind abhängig von der Pulmonalinsuffizienz und von der Widerstandserhöhung im Pulmonalkreislauf. Eine Fallot'sche Tetralogie sollte vor Eintritt der Schwangerschaft korrigiert werden. Mütterliche und fetale (Abort, Wachstumsretardierung, Totgeburt) Komplikationen, Schwangerschafts- und Geburtsrisiken sind nach operativer Korrektur wesentlich geringer. Korrekturen sind auch bei Rest- und Folgezuständen angezeigt: Rest-Ventrikelseptumdefekte mit einem Verhältnis von 1,5:1 zwischen Lungen- und Systemfluss, rechtsventrikulärer Druck >60 mm Hg, Rechtsherzinsuffizienz durch Pulmonalinsuffizienz. Die subpulmonale kardiale Beanspruchung steigt in der Schwangerschaft erheblich an. Bei pulmonaler Regurgitation erhöht sich das fetale Risiko deutlich. Unabhängige Risikofaktoren für einen ungünstigen Schwangerschaftsverlauf sind die NYHA-Klassen III und IV, Rechtsherzdilatation und pulmonale Hypertonie. Eisenmenger-Reaktion stellt eine absolute Kontraindikation für eine Schwangerschaft dar; Empfehlung zum frühzeitigen Schwangerschaftsabbruch. In den Fällen einer fortgesetzten Schwangerschaft beträgt die maternale Letalität 30-70%. Plötzlicher Herztod, Hypovolämie, therapierefraktärer Schock bei Blutungen peripartal, Rupturen der Pulmonalarterien und Hirnabszesse sind hauptsächliche Todesursachen.

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Fallot-Tetralogie

Geburtshilfliches Management Engmaschige Maßnahmen zur Überwachung, wie Blutbildkontrollen, Blutgasanalysen, EKG sowie haemodynamisches Monitoring sind peripartal von größter Bedeutung. Hypovolämie und Blutdruckabfälle sind zu vermeiden. Ein abnehmender peripherer Gefäßwiderstand kann zu einem Rechts-Links-Shunt führen. Synkopen und Haemoptysen können folgen. Entbindungsmodus: Die vaginale Entbindung, Spontangeburt bzw. Entlastung von Beckenboden, ist aus kardialer Sicht zu bevorzugen. Die Austreibungsperiode kann bei Fallot'scher Tetralogie verkürzt sein. In der Praxis wird aus Gründen der geplanten Intensivtherapie die primäre Sectio caesarea eher angestrebt. Ein individuelles interdisziplinäres Protokoll-Verfahren und Teamerfahrung sind unabdingbare Voraussetzung für die Entbindung. Schmerztherapien dürfen nicht zu einer Vasodilatation führen. Die Epiduralanästhesie wird kontrovers diskutiert. Post partum Oxytocin und Ergometrin-Präparate vermeiden. Fallberichte hinsichtlich erfolgreicher Schwangerschaften nach Vorhofumkehroperationen, Conduit-Operationen und Fontan-Operationen liegen vor. Merke: Wegen der bestehenden Thrombose- und Embolieneigung wird auch bei unkomplizierten Fällen während der letzten antepartalen 8-10 Wochen und postpartal innerhalb der ersten 6 Wochen eine Antikoagulation empfohlen. Eisenmenger-Reaktion gilt als Kontraindikation für die Schwangerschaft. Herz-Kreislaufmonitoring hat oberste Priorität. Blutdruckabfälle unter der Geburt sind lebensbedrohlich. Literatur: 1. Celson E, Gatzoulis M, Steer PJ, Lupton M, Johnson M: Tetralogy of Fallot: maternal and neonatal outcomes. B J O G 2008; 115: 398-402.

Fruchtwasserembolie

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Fruchtwasserembolie Definition 1926 beschrieb Meyer erstmals eine Lungenembolie durch Fruchtwasser. Prävalenz 1:10.000 bis 1:70.000 Geburten. Durch einen zunächst erhöhten intrauterinen Druck sowie eine folgende plötzliche Druckentlastung der Vena cava können Fruchtwasserbestandteile in eröffnete maternale Gefäße „eingepresst" bzw. „mitgerissen" werden. Prädisponierende Faktoren sind: Vorzeitiger Blasensprung, vorzeitige Plazentalösung, Plazenta praevia, ältere Mehrgebärende, Sectio caesarea. Eine Fruchtwasserembolie ohne Wehentätigkeit ist unwahrscheinlich. Bei vaginaler Entbindung tritt die Fruchtwasserembolie vorwiegend am Ende der Eröffnungsperiode und in der Austreibungsperiode auf. Die Fruchtwasserembolie verläuft in 2 Phasen: • Schockphase, Gefäßspasmus, Serotoninfreisetzung, pulmonale Hypertonie, akutes Cor pulmonale, Rechtsherzversagen, Abnahme des Herz-Minuten-Volumens, akutes Cor cardiale, allgemeine Hypoxämie • disseminierte intravasale Gerinnungsstörung, Hypo- und Afibrinogenämie, Lysekoagulopathie, hämorrhagische Diathese Schwangerschaftskomplikationen: Anaphylaktoide Reaktion, kardiopulmonale Dekompensation, Verbrauchskoagulopathie. Angaben zur mütterlichen Mortalität betragen 3 0 - 9 0 % . 5 0 % der Patientinnen versterben in der ersten Stunde nach Beginn der Symptomatik. Häufig sind auch hypoxiebedingte irreversible neurologische Defizite. Für das Neugeborene stehen Neugeborenenasphyxie und eine sehr hohe perinatale Mortalität. Die Mortalität des Feten beträgt bis zu 60%.

Klinik Diagnose: Unspezifische Vorzeichen sind Unruhe, Übelkeit, Erbrechen, panikartiger Zustand der Patientin, Sehstörungen, Dyspnoe, Hyperventilation, pektanginöse Beschwerden. Es folgen sehr schnell Schocksymptome („Sekunden-Atem- und Kreislaufinsuffizienz") und nicht beherrschbare Blutungen (Blut klinisch ungerinnbar!). Differentialdiagnosen: Thromboembolie, Myokardinfarkt, Apoplexie, Hirnembolie, Hirnsinusthrombose, intrakranielle Hirnblutung sub partu, Subarachnoidalblutung, Aspiration Eklampsie, Epilepsie.

Therapie Der Verdacht rechtfertigt die Therapie — sofortige Einleitung intensivmedizinischer Maßnahmen zur „Bekämpfung" von „Drei Insuffizienzen": Herzinsuffizienz (Herzstillstand), Ateminsuffizienz (Atemstillstand), Gerinnungsinsuffizienz (Verbrauchskoagulopathie). Optimale Oxygenierung zur Vermeidung einer kardialen und cerebralen Ischämie. Kreislaufunterstützung: Dobutamin 200 ^ig/min, Rechtsherzunterstützung Adrenalin 10 ^ig/min. Intensivstation: Ausgedehntes Monitoring incl. Pulmonaliskatheter. Ggf. frühzeitige Applikation extrakorporaler Membran Oxygenation.

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Fruchtwasserembolie

„Amniotic Fluid Embolism remains unpredictable, unpreventable and without specific treatment." Therapie der Hämorrhagie: (Massiv)-Transfusionen mit Erythrozyten-Konzentraten, Fresh Frozen Plasma (FFP) und Thrombozytenkonzentraten. Substitution isolierter Gerinnungsfaktoren: Fibrinogen 4 g, Prothrombinkomplex 3000 I. E.. Bei persistierender diffuser Blutung Applikation des rekombinanten Faktors Vila (NovoSeven) 4,8 mg. Laparotomie: Operative Verfahren zur Uteruskompression (B-Lynch-Naht, horizontale und vertikale Kompressionsnähte nach Pereira) bzw. subtotale (supravaginale) Hysterektomie; evtl. straffe intraabdominale und vaginale Tamponaden.

Geburtshilfliches Management Conditio sine qua non: Sofortige Einleitung intensivmedizinischer Maßnahmen bereits bei Verdacht auf Fruchtwasserembolie. Entbindungsmodus: Notfallmäßige operative Entbindung per Sectio caesarea; außer Koinzidenz der Ereignisse Fruchtwasserembolie/vaginale Geburt. Gleichzeitigkeit der mütterlichen Reanimation ist unabdingbare Voraussetzung für das mütterliche Überleben! Wochenbett: Neurologisch auffälliges Outcome bei 11-41 % der Mütter. Stillen: Möglich, psychosomatische Stabilität vorausgesetzt. Merke: Daran denken! Sofortige Entbindung und Stabilisierung der maternalen Kreislaufsituation bei Fruchtwasserembolie sub partu (velocitas optima est!). Gleichzeitiges Bekämpfen von „Drei Insuffizienzen": Herz- und Ateminsuffizienz, disseminierte intravasale Gerinnung. Literatur: 1. Ho CH, Chen KB, Liu SK, Liu YF, Cheng HC, W u RS: Early application of extracorporeal

membrane oxygenation in a patient with amniotic fluid embolism. Acta Anaesthesiol Taiwan

2009; 47: 99-102.

2. Spiliopoulos M, Puri I, Jain NJ, Kruse L, Mastrogiannis D, Dandolu V: Amniotic fluid embolism-risk factors, maternal and neonatal outcomes. J Matern Fetal Neonatal Med 2009; 22:

439-444.

Frühgeburt, drohende

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Frühgeburt, drohende Definition Syndrom der drohenden Frühgeburt; die Auslösung einer vorzeitigen Wehentätigkeit ist multifaktoriell bedingt. Anamnestische Risikofaktoren sind ebenso bedeutungsvoll wie inflammatorische Prozesse. Zwei Drittel aller Frühgeburten sind auf vorzeitige Wehen, vorzeitigen Blasensprung und eine Zervixinsuffizienz zurückzuführen. Wichtige Risikofaktoren sind: • Lokale und systemische Infektion • vorausgegangene Tot-, Früh- und Fehlgeburten • chronische mütterliche Erkrankungen • soziale Problemsituationen Die verbesserten Möglichkeiten der Neonatologie erlauben zunehmend das Überleben von sehr frühen Frühgeborenen unterhalb 28 SSW. Bei sehr frühen Frühgeborenen zählt jeder hinzugewonnene intrauterine Tag unter der Annahme, dass im Bereich 22-28 SSW die tägliche Überlebensrate um 3 °/o zunimmt. Schwangerschaftskomplikationen: Mutter: Amnioninfektionssyndrom, Sepsis. Risiko eines Lungenödems in einer Frequenz von 1/425 Fällen bei Anwendung einer Tokolyse mit Betamimetika. Neugeborenes: Sehr frühe, frühe, mäßig frühe Frühgeburt.

Klinik Symptome: Subjektiv bemerkte vorzeitige Wehentätigkeit, Rückenschmerzen, vaginale Blutungen, Fluor vaginalis. Diagnostik: Vaginale Inspektion, vaginale pH-Metrie, Bakteriologie, Pilzdiagnostik, Fibronektin, vaginale und/oder abdominale Sonographie, Kardiotokographie (CTG), ggf. Amnicheck®. Diagnose der spontanen frühzeitigen Wehentätigkeit — klinisch: • Palpable und schmerzhafte Kontraktionen mit einer Dauer von >30 sec viermalig innerhalb von 20 min • Veränderung der Zervix im Sinne von Position, Konsistenz, Länge und/oder Dilatation. Im Falle eines negativen Fibronektin-Wertes und einer Zervixlänge >2,5 cm handelt es sich um ein „low risk"-Kollektiv, und es kann auf eine tokolytische Therapie weitestgehend verzichtet werden. Auch kann mit Hilfe der Diskriminanz „low risk"- und „high risk"-Kollektiv für die „low risk"-Gruppe die Hospitalisationsdauer verkürzt werden. Für die „high risk"-Gruppe favorisieren die Autoren eine frühzeitige Verlegung in ein Perinatalzentrum sowie eine tokolytische Erstversorgung. Die Tokolyse verfolgt 2 Ziele: • Sistieren der Wehentätigkeit zur Gewährleistung einer kompletten Applikation von Glukokortikoiden • Sistieren der Wehentätigkeit zur Reduktion der perinatalen Mortalität und Morbidität Für die Diagnostik einer aszendierenden und klinischen Infektion wird folgendes vorgeschlagen: • Differentialblutbild, CRP • Diagnostik oder Ausschluss einer Bakteriurie im Mittelstrahlurin

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Frühgeburt, drohende

• oberer Vaginalabstrich zur Anfertigung einer bakteriellen Kultur einschließlich Sensitivität • unterer Vaginalabstrich und Rektalabstrich für den zusätzlichen Nachweis von Streptokokken der Gruppe Β

Therapie Keine Antibiotikaprophylaxe, Antiinfektiva (Octenisept®) bei vaginaler Dysbiose, Clindamycin bei bakterieller Vaginose, ggf. Antibiotika und/oder Fungistatika nach Antibiogramm, fetale Lungenreifeinduktion (Celestan 12 mg an 2 Tagen; 2 4 - 3 3 SSW), 48-Stunden-Tokolyse. Basierend auf einer Metaanalyse von 18 randomisierten Studien, reduzieren antenatal applizierte Kortikosteroide das neonatale Atemnotsyndrom (OR 0,53), die neonatale Mortalität (OR 0,6), intraventrikuläre Blutungen, diagnostiziert nach Autopsie (OR 0,29), intraventrikuläre Blutungen, diagnostiziert durch Ultraschall (OR 0,48). Die Glukokortikoid-Applikation besteht aus 12 mg Betamethason i. m. im Abstand von 24 h oder aus 4 Dosen von je 6 mg Dexamethason i. m. im Abstand von 12 h. In Ausnahmefällen kann Betamethason im Abstand von 12 h zu je 12 mg appliziert werden. Für Langzeittokolysen gibt es keine Evidenz. Eine tokolytische Effektivität von Magnesiumsulfat gilt nicht als erwiesen. Aufgrund der zahlreichen Nebenwirkungen von Fenoterol sollte Atosiban als Medikament der 1. Wahl zur Wehenhemmung eingestuft werden. Entsprechend einer systematischen Übersicht einschließlich Kostenvergleich ist Atosiban nicht Kosten intensiver. Bei Diabetikerinnen und IVF-Schwangerschaften mit Frühgeburtsbestrebungen sollte Atosiban unbedingt das Tokolytikum der Wahl sein. Das Gleiche gilt für Mehrlingsschwangerschaften, da diese mit einem erhöhten Plasmavolumen und einem sekundären Hyperaldosteronismus einhergehen. Nifedipin ist noch als „off label use"-Therapie zu bewerten, wobei eine Wehenhemmung gut dokumentiert ist. Thromboseprophylaxe: • Physiothérapie bei Immobilisation • Thromboseprophylaxe mit niedermolekularem Heparin (NMH): — Enoxaparin (Clexane®, 2 0 - 4 0 mg/die) - Dalteparin (Fragmin®), 2 5 0 0 - 5 0 0 0 I. E./die) • Überprüfung der Heparindosierung durch die Anti-Xa-Aktivität 4 Stunden nach der subkutanen Injektion; Zielwert 0 . 2 - 0 . 4 I. E./ml in der Schwangerschaft zur Prophylaxe Tokolyse mit Oxytozin-Rezeptorantagonisten (Atosiban, Tractocile® Injektion): • 7,5 mg/ml Injektionslösung, 1 Durchstichflasche enth.: Atosiban 6,75 mg, 7,5 mg Atosibanacetat • 7,5 mg/ml Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung • initiale Bolus-Applikation: 6,75 mg (0,9 ml) i. v. über 1 min mit Tractocile® 7,5 mg/ ml Inj.Lsg. • hochdosierte Erhaltungs-Infusion 300 ^ig/min, 18 mg/h über 3 h mit Tractocile® 7,5 mg/ml Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung • niedrigdosierte Erhaltungs-Infusion 100 μι^ιηιη, 6 mg/h über 45 h mit Tractocile® 7,5 mg/ml Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung

Frühgeburt, drohende

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• Wiederholung des Therapiezyklus nach gleichem Schema möglich: Herstellung der Infusionslösung: Das 7,5 mg/ml Konzentrat (5 ml Durchstichflasche) mit 0,9%iger isotoner NaCI-Lösung, Ringer-Laktatlösung oder Glukose (5%) verdünnen; 10 ml der jeweiligen 100 ml-lnfusionsflasche verwerfen und durch 10 ml des 7,5 mg/ml Konzentrats (entspricht 75 mg Atosibanacetat) ersetzen. Damit erhält man eine Konzentration von 75 mg Atosiban/100 ml; 18 mg/h = 24 ml/h und 6 mg/h = 8 ml/h Nebenwirkungen, geringe Nebenwirkungsrate: • Gastrointestinale Beschwerden • Kopfschmerzen • Hyperglykämie • Tachykardie und Hypotonie Beta2-Sympathomimetika, Fenoterol, Partusisten®-Tokolyse: Wirkung: • Bronchodilatation • Mittel der 1. Wahl als Bedarfsmedikation bei Asthmaerkrankung und chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (chronic obstructive pulmonary disease, COPD) • Vasodilatation • Hemmung der Histaminfreisetzung • geringe βτ-vermittelte Stimulation • erhöhte Reninfreisetzung • ß2-Stimulation der Skelettmuskulatur Nebenwirkung: • Tachykardie, Arrhythmie • Angina pectoris • Hyperglykämie • Hypokaliämie • erhöhtes Risiko für Hypokaliämie durch Diuretika, Laxanzien und Glukokortikoide • Toleranzentwicklung • feinschlägiger Tremor • Rhabdomyolyse in Einzelfällen • Hypoglykämie bei Neugeborenen Kontraindikationen: • Hypertrophe obstruktive Kardiomyopathie • paroxysmale supraventrikuläre Tachykardie • Verlängerung des QT-Intervalls • Aortenstenose, Aortenisthmusstenose • Mitralstenose, Mitralinsuffizienz • Herzklappenprothesen • pulmonale Hypertonie • Hypertonie • Phäochromozytom • Engwinkelglaukom • Hyperthyreose Die Wasserretention erhöht sich bei hypertensiven Erkrankungen in der Schwangerschaft unter Tokolyse mit Fenoterol um ca. 30%:

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Frühgeburt, drohende

• Gewichtszunahme bei normaler Schwangerschaft und Tokolyse 1,1 kg und bei Betamimetika plus Hypertonie 1,6 kg • Dihydralazin erhöht die Wasserretention über eine Steigerung des Herz-Zeit (HZV)Volumens • Glukokortikoide steigern ebenfalls die interstitielle Flüssigkeitsvermehrung. Verlaufskontrolle bei Fenoterol-Tokolyse: • mütterliche Kreislaufkontrolle (Puls und Blutdruck) im Abstand von 15 min, Toleranzgrenze für Tachykardie 120 (130)/min • Thoraxauskultation 4-stündlich • bei Stenokardien, Präparat unverzüglich absetzen und EKG-Kontrollen • Blutzucker-Bestimmungen 4-stündlich • exakte Bilanzierung von Ein- und Ausfuhr • tägliche mütterliche Gewichtskontrolle • EKG vor Therapiebeginn • Labor: Elektrolyte, Harnstoff, Kreatinin im Serum, Hb, Hk im Abstand von 24 h • Kardioprotektion: Beloc-Zok® 1 χ 1 á 95 mg Dosierung: Bolustokolyse (ζ. Β. Perfusor Bolustokolyse) mit Fenoterol: • 50 ml-Spritze mit 100 ^ig Fenoterol, physiol. Kochsalzlösung oder Glukoselösung (5 %) • 3 - 7 ng Fenoterol in bestimmten Zeitintervallen (2, 3, 6, 12, 24 min) und entsprechend dem Körpergewicht; maximale Dosis 3,5 μι^ιηιη • Beginn in 3-minütigen Intervallen unter CTG-Kontrolle, Dosisreduktion bei nachlassender Wehentätigkeit auf 6-minütige Intervalle, nach 12 h 12-minütige Intervalle, nach 24 h 24-minütige Intervalle • Dosierungsschema der Bolustokolyse nach Gewicht: 80 kg (5 ng/Bolus) Dosierung: kontinuierliche i. v.-Tokolyse mit Fenoterol: • Fenoterol 1,8-3,0 ^ig/min Nifedipin (Rote Liste: Kontraindiziert in der Schwangerschaft, da keine ausreichenden Erfahrungen): Dosierung: Oral: Beginn 30 mg, dann 20 mg alle 4 - 6 h • ζ. Β. Nifedipin-ratiopharm® 5/-10/-20 Weichkapseln. Nebenwirkung: Übelkeit, Flush, Kopfschmerz und Palpitationen. Kontraindikationen: Linksventrikuläre Dysfunktion, koronare Herzerkrankung, kongenitale Herzfehler, Hypotonie. Bei Anwendung von Nifedipin als Tokolytikum in Kombination mit Magnesiumsulfat wird vor den Gefahren eines mütterlichen Herzinfarktes gewarnt. Prävention: Anamnestischen Risikofaktoren beachten (Risikokatalog), vaginale pH-Metrie >12 SSW.

Geburtshilfliches Management Entbindungsmodus: • 24-32 SSW: Großzügige Sektio-Indikation, Spontanpartus in Abhängigkeit vom klinischen· bzw. Geburtsverlauf • 3 2 - 3 6 SSW: Spontanpartus, zwischen 32 und 34 SSW prophylaktische Episiotomie • 1 500 Metern Höhe gefunden. Schwangerschaftskomplikationen: Nervenentzündungen, Lähmungen, Schäden des Zentralnervensystems (5-10%). Letalität 1 - 2 % .

bleibende

Klinik Symptome: Die meisten Fälle der FSME verlaufen „gutartig", asymptomatisch. 3 0 % der Infizierten erkranken. Verlauf der Erkrankung: 2 Wochen (Inkubationszeit) nach Zeckenstich grippeartige Symptome, eine weitere Woche später erste Nervenentzündungen oder Lähmungen (Meningitis, Enzephalitis). Wenn die folgenden Symptome auftreten, sollte eine weiterführende Diagnostik durchgeführt werden: Hautrötungen, die sich kreisförmig ausbreiten (Erythema migrans), Lähmungen im Gesicht und grippeähnliche Krankheitszeichen, wie Gelenk- und Kopfschmerzen (siehe auch Kapitel Borreliose). Diagnostik: Die Anamnese sollte Impfungen gegen Gelbfieber oder Japanische Enzephalitis berücksichtigen. Nach abgelaufenen Dengue-Erkrankungen fragen. In diesen Fällen können falsch positive Ergebnisse im FSME-ELISA resultieren. Die Untersuchung der Serum- und Liquorproben sollte in einem virologischen Labor mit Erfahrungen in der FSME-Diagnostik erfolgen, ζ. B. Konsiliarlaboratorium für FSME am Robert Koch-Institut.

FSME (Frühsommer-Meningo-Enzephalitis)

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Therapie Keine bekannt. Prävention: FSME-Impfung (Encepur" Erwachsenen - Suspension zur Injektion, FSMEAdsorbat-Impfstoff, Impfstoff FSME IMMUN®) besonders wichtig, da keine effizienten Therapieempfehlungen. Um die Bevölkerung wirksam vor FSME zu schützen, müssten in Risikogebieten Durchimpfungsraten von 90 Prozent angestrebt werden. Das ist gegenwärtig nur in Österreich der Fall. Impfung in der Schwangerschaft möglich. Evtl. muss die Grundimmunisierung in der Schwangerschaft abgeschlossen werden. Es genügt eine Impfung, wenn zwei Impfungen vorab erfolgten und weniger als 5 Jahre nach der zweiten Impfung vergangen sind. Erwachsene im Alter unter 50 Jahre und Kinder brauchen nur noch alle fünf Jahre einen Booster. Grundimmunisierung: Tag 0 0,5 ml Nach 1 - 3 Monaten 0,5 ml Nach 9 - 1 2 Monaten 0,5 ml Neu: Die zweite Impfung kann auch 14 Tage nach der ersten erfolgen. Auffrischimpfung: 3 Jahre nach Abschluss der Grundimmunisierung. Schnellschema: Tag 0 0,5 ml Tag 7 0,5 ml Tag 21 0,5 ml Frühestmögliche Serokonversion ist ab 14 Tagen nach der 2. Impfung zu erwarten. Erste Auffrischimpfung nach 12 bis 18 Monaten. Expositionsprophylaxe umfasst das Meiden endemischer Gebiete, helle und durchgehende Kleidung, Repellenten. Zeckenentfernung: Mit einer Pinzette Zecke nahe der Haut fassen, um diese ohne Quetschung zu entfernen. Merke: Nur die rechtzeitige FSME-Impfung schützt. Endemiegebiete breiten sich weiter nach Norden aus. Literatur: 1. FSME-Hotline für Ärzte: Das Deutsche Grüne Kreuz e.V. (DGK), Tel. 06421 293-120.

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Gastritis

Gastritis Definition Akute und eine chronische Gastritis stehen pathogenetisch im engen Zusammenhang mit Sodbrennen, Refluxösophagitis und Ulkuskrankheit. Anatomische Veränderungen in der Schwangerschaft begünstigen eine Refluxösophagitis. Die häufigsten Ursachen einer akuten Gastritis sind: • Schwangerschaft • übermäßiger Alkoholkonsum • Gastroenteritis • Analgetika und Glukokotikoide • Helicobacter pylori Infektion • virale Infektionen, z. B. Herpes-simplex-Virus-Gastritis • Lebensmittelvergiftungen (Toxine). Die häufigste Ursache der chronischen Gastritis ist: • Infektion mit Helicobacter pylori Schwangerschaftskomplikationen: Gastroösophageale Refluxkrankheit, Ulcus ventriculi, Magenblutung, Pangastritis, phlegmonöse Gastritis.

Klinik Symptome: Reflux, Oberbauchschmerzen, Teerstuhl, Hämatemesis, Koliken Diagnostik: Sichere Diagnose nur durch Biopsie und Gastroskopie, Ösophagogastroduodenoskopie. Bei anhaltendem Erbrechen in der Schwangerschaft ist in ca. 6 0 % der Fälle mit einem positiven Helicobacter pylori-Befund zu rechnen. Differentialdiagnosen: HELLP-Syndrom, Ösophagitis, Hyperemesis gravidarum, Pankreatitis, Cholelithiasis, Cholezystitis, Gastroenteritis, multifokale atrophische Gastritis, erosive Pangastritis, Diaphragma-Hernie

Therapie Akute Gastritis heilt meist spontan aus. Therapie der 1. Wahl: ^-Rezeptorenblocker, Ranitidin 75 mg 1A Pharma. Protonenpumpenhemmer sind die Therapie der 2. Wahl; auch möglich sind weitere Ranitidin-Präparate, Sulcralfat und Schüßler-Salze: • ^-Rezeptorenblocker: • Cimetidin, Cimetidin 400 mg/-800 mg Filmtabletten, Akutbehandlung: 800 bis 1000 mg/die; weitere Präparate: Cimetidin AL 200/400/800, Cimetidin STADA®, CimLich, H 2 Blocker ratiopharm® • H2 Blocker ratiopharm® 200 mg/2 ml Injektionslösung, 5 mg/kg KG, max. 400 mg Igs. i. v. • Protonenpumpenhemmer: • Lansoprazol, Rote Liste Gr. 4, Agopton® 15mg/-30mg Kapseln mit magensaftresistenten Granula — Eradikation von Helicobacter pylori: 2-mal 30 mg Agopton über 7 Tage plus 2-mal tgl. 250-500 mg Clarithromycin plus 2-mal tgl. 1 g Amoxizcillin oder

Gastritis

— — — —

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2-mal tgl. 250-500 mg Clarithromycin plus 2-mal tgl. 500 mg Metronidazol (Eradikationsraten ca. 9 0 % ) Rezidivprophylaxe: 1-mal tgl. 15-30 mg Agopton symptomatische gastroösophageale Refluxkrankheit: 1 -mal tgl. 15-30 mg Agopton, Zollinger-Ellison-Syndrom: 1-mal tgl. 60 mg Agopton weitere Präparate: Lansoprazol AbZ, Lansoprazol-Actavis, Lansoprazol AL, Lansoprazol-CT, Lansoprazol HEXAL®, Lansoprazol-ratiopharm®, Lansoprazol Sandoz, Lansoprazol STADA, Lanso Q, Lanso TAD®, jeweils 15 mg/-30 mg

• Pantoprazol, Rote Liste Gr. 4, Pantozol® 20 mg/-40 mg magensaftresistente Tabletten, — leichte Refluxkrankheit: 1-mal tgl. 20 mg — Rezidivprophylaxe der Refluösophagitis: 1-mal tgl. 20 mg, bei Rezidiv 1-mal tgl. 40 mg — bei kontinuierlicher Behandlung mit Antiphlogistika: 1-mal tgl. 20 mg — Ulcus duodeni, Ulcus ventriculi, schwere Formen der Refluxösophagitis: Pantozol® i. v., 1-mal tgl. 40 mg oder rifun®, 1-mal tgl. 40 mg — Eradikation von Helicobacter pylori: ZacPac®, Kombinationspräparat mit Pantoprazol, Amoxicillin und • Ranitidin: — Ranitidin 75 mg 1A Pharma, Rote Liste Gr. 1 , 1 - 2 Tbl. tgl., — Ranibeta® 150/-300 mg Filmtabletten, Rote Liste Gr. 4, 2-mal tgl. 150 mg oder 1-mal tgl. 300 mg, besondere Indikation: Verhütung der Säureaspiration sub partu mit 1 -mal 1 50 mg — weitere Präparate: Ranicux®, Rani-nerton®, Raniprotect®, RANI-PUREN® (Akuttherapie: 300 mg vor dem Schlafengehen) — Sodbrennen: Ranitic® 75 mg akut bei Sodbrennen — Ranitic® injekt., 5 ml enth.: 50 mg Ranitidin, 3-4-mal tgl. 5 ml Inj.-Lsg., max. 200 mg/die, Igs. i. v. oder als Kurzinfusion über 2 Stunden, Dauerinfusion: 0,125-0,250 mg/kg KG nach initial 50 mg i.V.; gleiche Dosierung für Sostril® Injektionslösung • Sucralfat: — Sucrabest® Granulat, 1 Btl. enth. Sucralfat 1000 mg, entspr. Aluminium 190 mg, Dos.: 1-mal tgl. 1 Btl. Granulat — Sucrabest® Tabletten, Dos.: 4-mal tgl. 1 Tbl. — Sucralfat-ratiopharm® 1000 mg Tabletten, Rote Liste Gr. 4, Dos.: 4-mal tgl. 1 Tbl. — Ulcogant®-IC Suspension, 5 ml Suspension enth. Sucralfat 1 g, entspr. Aluminium 190 mg, Anw. bei stressbedingten Schleimhautläsionen, Dos.: 6-mal tgl. 5 ml

• Antacida: — Tepilta® Suspension, 5 ml enth.: Oxetacain 10 mg, Aluminiumhydroxid 291 mg, Magnesiumhydroxid 98 mg, 1. Trimenon kontraindiziert, Rote Liste Gr. 2, 4-mal tgl. 5 - 1 0 ml • Gastraretin® Ν Tropfen, 100 g enth. kolloid. Silber 0,25 g, 99,3 g wässriger Auszug (1 :65) aus Kamillenblüten und Pfefferminzblättern, Dos.: 3-4-mal tgl. 20 Tr.; früher als Rollkur bekannt

Prävention: Tierische Fette reduzieren, kleine Portionen.

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Gastritis

Geburtshilfliches Management Entbindungsmodus: Kein Einfluss. Wochenbett: Akute Exazerbation möglich, ggf. Gastroskopie. Stillen: Keine Einschränkungen. Merke: Sodbrennen, Gastritis, Ulcus ventriculi und Ulcus duodeni können mit gleichartigen Medikamenten behandelt werden. H2-Blocker sind Therapie der 1. Wahl; Therapie der 2. Wahl sind Protonenpumpenhemmer, Ranitidin. Literatur: 1. Bagis T, Gumurdulu Y, Kayaselcuk F, Yilmaz ES, Killicadag E, Tarim E: Endoscopy in hyperemesis gravidarum and Helicobacter pylori infection. Int J Gynaecol Obstet 2002; 79: 105-109.

2. Debby A, Golan A, Sadan O, Glezerman M, Shirin H: Clinical utility of esophagogastroduodenoscopy in the management of recurrent and intractable vomiting in pregnancy. J Reprod Med 2008; 53: 347-351.

3. Candelli M, Carloni E, Armuzzi A, Cammarota G, Ojetti V, Pignataro G, Santoliquido A, Pola

R, Pola E, Gasbarrini G, Gasbarrini A: Role of sucralfate in gastrointestinal diseases. Panminerva Med 2000; 42: 55-59.

Gestationsdiabetes (GDM)

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Gestationsdiabetes (GDM) Definition Als Gestationsdiabetes ( G D M ) wird jede Form des Diabetes bezeichnet, die erstmals während der Schwangerschaft diagnostiziert wird. Der G D M stellt ein genetisch hete-

rogenes Krankheitsbild mit variierendem Schweregrad und die häufigste Stoffwechsel-

erkrankung in der Schwangerschaft dar, die nach Angaben der Deutschen DiabetesGesellschaft bei 1 - 5 % und nach Angaben der American Diabetes Association in

etwa 4 % aller Schwangerschaften auftritt. International schwanken die Angaben zur Häufigkeit des G D M von 25.000

Schwangeren bei denen ein 75 g oraler Glukosetoleranztest (OGTT) durchgeführt wur-

de. Mütterliche Glukosewerte korrelierten mit dem Geburtsgewicht des Kindes.

Strittig bleibt jedoch, ob erhöhte mütterliche Blutzuckerspiegel unterhalb der Di-

abetesgrenze ebenfalls neonatale Risiken hervorrufen.

Klinik Risikofaktoren für G D M :

• maternale Adipositas

• hereditärer Diabetes, Familienanamnese für Diabetes bei Verwandten ersten Grades • Anamnestische Risiken w i e Fehlgeburten, Totgeburten und Fehlbildungen • Mütterliches Alter >30 Jahre

• bekannter G D M in vorausgegangener Schwangerschaft

• ethnischer Hintergrund mit hoher Diabetes-Prävalenz (ζ. B. Asiaten) • mütterliches Geburtsgewicht >4000 g

Zur Erfassung aller Fälle von Gestationsdiabetes wird ein generelles Screening gefordert. Bei einem selektiven Einsatz des Suchtests basierend auf Risikofaktoren werden

3 0 - 4 0 % der Gestations-Diabetikerinnen nicht erfasst. Der Urintest auf schwanger-

schaftsbedingten Urinzucker ist nicht mehr zeitgemäß. GDM-Screening und -Verifizierung erfolgt am sichersten mit dem 75 g OGTT. Bewertet werden die Blutglukose-

Messergebnisse des 75 g O G T T vor dem Test (nüchtern) sowie eine und zwei Stunden

nach Ende des Trinkens der Testlösung. Ein G D M liegt nach dieser z. Zt. weit verbrei-

teten Definition vor, wenn mindestens zwei der folgenden drei Grenzwerte erreicht oder überschritten werden:

134

Gestationsdiabetes ( G D M )

Messzeitpunkt

kapilläres Vollblut

venöses Plasma

(mg/dl)

(mmol/l)

(mg/dl)

(mmol/l)

nüchtern

>90

>5,0

>95

>5,3

nach einer Stunde

>180

>180

>10,0

nach zwei Stunden

>155

>10,0 >8,6

>155

>8,6

Erreicht oder überschreitet nur ein Wert die oben angegebenen Grenzen, so liegt definitionsgemäß eine eingeschränkte Glukosetoleranz (impaired glucose tolerance, IGT) vor; diese wird, bezogen auf die Behandlungsbedürftigkeit, wie ein diagnostizierter GDM gewertet. Wenn Risikofaktoren für einen GDM vorliegen, sollten Frauen gleich nach Feststellung der Schwangerschaft einen 75 g OGTT bekommen. Fällt dieser normal aus, sollte er in der 24.-28. SSW wiederholt werden. Ansonsten gilt für alle Schwangeren ein Screening per 75 g OGTT zwischen der 24.-28. SSW.

Therapie Die betroffenen Frauen müssen intensiv beraten und geschult werden (Erlernen der Blutzuckerselbstmessung, körperliche Aktivität hat günstigen Einfluss). Die Therapie des GDM erfolgt primär mit einer geeigneten Diät. Dabei sollen am besten sechs Mahlzeiten gleichmäßig über den Tag verteilt eingenommen werden, um ungünstige postprandiale Blutzuckerspitzen sowie Ketonkörperbildung in Nüchternphasen zu vermeiden. Behandlungsziel: Blutzuckerkonzentration präprandial 90 mg/dl (5,0 mmol/l), postprandial 140 md/dl (6,8 mmol/l). Das Blutzucker Tages-Nacht-Profil sollte im Durchschnitt 100 mg/dl (5,5 mmol/l) nicht überschreiten; HBA 1c 28 Jahre), indiziert bei antipartalen Antikörpern, bei W S A plus systemischer Lupus erythematosus, präkonzeptioneller Therapiebeginn bis 1. Trimenon, Dos.: 0,2 kg/KG Experimenteller Therapiansatz: • Tumornekrosefaktor-lnhibitoren, TNF Inhibitor Etanercept (Enbrel®) oder Adalimumab (Humira®)

Geburtshilfliches Management Entbindungsmodus: Primäre Sectio caesarea bei totalem Zervixverschluss. Wochenbett: Bei thrombophilen Erkrankungen Thromboseprophylaxe adjustieren. Stillen: Keine Einschränkungen. Merke: Wiederholte spontane Aborte (WSA) haben ein sehr heterogenes Ursachengefüge. Genetische Ursachen sind gegenwärtig nicht zu therapieren. In den Vordergrund rücken mikrobiologische und pathologische Gerinnungsfaktoren. Das frühzeitige Erkennen einer vaginalen Dysbiose sowie die Applikation niedermolekularer Heparine sind aktuelle Empfehlungen. Immunglobuline und Metformin sollten noch in Studien angewendet werden.

142 I

Habituelle Abortneigung

Literatur: 1. Bao SH, Wang XP, Lin QD, Di W, Xu L, Ding CW: The investigation on the value of repeat and combination test of ACA and anti-beta2-GPl antibody in women with recurrent spontaneous abortion. Am J Reprod Immunol 2008; 60 (4): 3 7 2 - 3 7 8 . 2. Pandey MK, Rani R, Agrawal S: An update in recurrent spontaneous abortion. Arch Gynecol Obstet 2005; 272: 9 5 - 1 0 8 . 3. Winger EE, Reed JL: Treatment with tumor necrosis factor inhibitors and intravenous immunoglobulin improves live birth rates in women with recurrent spontaneous abortion. Am J Reprod Immunol 2008; 60: 8 - 1 6 .

Hämorrhoiden

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Hämorrhoiden Definition Hämorrhoiden gehören zu einer Gruppe proktologischer Erkrankungen mit unspezifischen Beschwerden. In der Schwangerschaft kommt es häufiger zu Stauungen des Plexus haemorrhoidalis superior, der den arterio-venösen Schwellkörper proximal der Linea dentata darstellt. Es handelt sich um 3 fibrovaskuläre Schwellkissen, die in einem Scherengitter aus Bindegewebe verankert sind. Die Strukturen aus Bindegewebe stehen mit dem Sphincter ani in Verbindung. Jedes Schwellkissen beinhaltet einen venösen Plexus mit arteriovenösen Anastomosen. Diese flexible Gitterstruktur ist für die Erhaltung der Kontinenz verantwortlich. Die Schwellkissen können bei Dehnung der Regio analis auseinanderweichen; sie liegen dextroanterior, dextroposterior und sinistrolateral. Infolge zerstörter Gitterstrukturen kommt es zur Plexusdeszendenz mit Verminderung des venösen Rückflusses und zur Vergrößerung und Anschwellung dieses WeichteilGefäßkomplexes. Es folgen Entzündungen, Erosionen und Blutungen. Prädestiniert sind die Bereiche 3, 7 und 11 Uhr des SchwelIkörpers, da in diesen Arealen die Äste der Arteria rectalis superior einmünden. Ein erhöhter Sphinctertonus liegt in der Schwangerschaft nicht vor. Prävalenz in der Schwangerschaft ca. 2 0 % (4,4-36,4%), Verlauf meist asymptomatisch. Klassifikation nach der Klink: • Hämorrhoiden nur proktoskopisch darstellbar (Grad 1) • Prolaps beim Stuhlgang mit Spontanretraktion (Grad 2) • Prolaps nur manuell reponierbar (Grad 3) • Reposition des Prolaps nicht möglich (Grad 4) Schwangerschaftskomplikationen: Prolaps, unvollständige Defäkationen, Obstipation.

Prolaps-Inkarzeration,

Thrombosierung,

Klinik Symptome: Hämorrhoiden entwickeln sich über Jahre. Ausgelöst werden die Beschwerden durch Reizzustände des Anoderms. Unspezifische Symptome sind Pruritus, Nässen, Blutungen, Schmerzen beim Stuhlgang und beim Sitzen, intraanales Druckund Fremdkörpergefühl. Indirekte Zeichen sind hypertrophe Analpapillen und eine Vorpostenfalte. Schmerzen treten erst in fortgeschrittenen Stadien im Zusammenhang mit Reizzuständen auf. Beim Krankheitsgrad 3 ist das erweiterte Gefäßpolster nach dem Stuhlgang sichtbar, kann aber selbstständig reponiert werden; beim Grad 4 bleiben die Hämorrhoiden prolabiert und bilden einen Locus minoris resistentiae für Erosionen und Entzündungen. Diagnostik: Gezielte Befragung nach Beschwerden, Inspektion der Perianalregion, rektale Untersuchung in der Schwangerschaft mit äußerster Vorsicht. Weiterführende Diagnostik: Prokto- und Rektoskopie führen zur definitiven Diagnosestellung. Differentialdiagnosen: Marisken (mit Haut überzogene Knötchen ohne Krankheitswert), Condylomata acuminata, Analfissuren, perianale Abszesse, perianale Fisteln,

144

Hämorrhoiden

Perianalvenenthrombose, Varicosis vulvae. Plötzlich auftretende „Pseudohämorrhoiden", insbesondere mit Schmerzen, sprechen für eine Analvenenthrombose.

Therapie Chirurgische Intervention nach Möglichkeit erst post partum. Vorzugsweise sollte in der Schwangerschaft nach strenger Indikationsstellung, ab Grad 3, die Haemorrhoidopexie nach Longo bei einem zirkulären Hämorrhoidalprolaps durchgeführt werden. Im 4. Stadium kann die Sklerosierung palliativ angewandt werden. In der Schwangerschaft ist zunächst vorrangig für eine verbesserte Darmpassage zu sorgen (siehe auch Kapitel Obstipation): • Leinsamen, Flohschalensamen • Lactulose, Bifinorma® Sirup, Bifiteral® Sirup, 7,5-15 ml (5-10 g) 1-2-mal tgl. • Lacitol, Importal® Pulver, Rote Liste Gr. 4, 20 g/die Topische Therapiemaßnahmen sind: • Hamamelis, Hamamelis-Salbe Ν LAW, Hametum® Creme • topische Steroide, Dexamethason Salbe LAW, 1-mal tgl. auftragen Keine Langzeitanwendung lokaler Präparate, da sich Ekzeme des Anoderms bilden können. Orale Medikation: Semisynthetische Flavonoide (Rutosid). Es soll zur Hemmung der Prostaglandinsynthese kommen. Ausgewiesen als Antihämorrhagicum und Venentherapeuticum. Placebo kontrollierte Studie in der Schwangerschaft liegt vor. Rutin-Kapseln, 1 Kapsel enth. Rutosid 50 mg, in der Schwangerschaft strenge Indikationsstellung, Dos.: 1 -mal tgl. 1 Kps., Bestandteile des Rutosids sind Lezithin, Raps- und Sojaöl. Weder für orale medikamentöse Ansätze, ζ. B., Rutosid (Rutin Kapseln), noch für topische Therapieverfahren gibt es gegenwärtig eine Evidenz zur Empfehlung in den Stadien Grad 1, 2, 3 und 4. Prävention: Der effektivste Weg, Hämorrhoiden zu vermeiden ist, Obstipation zu vermeiden. Ballaststoffreiche Kost, täglich reichlich Flüssigkeit zuführen, ausreichende körperliche Aktivität. Rasche Darmpassagen führen auch zur Druckentlastung im Plexus haemorrhoidalis und beugen einem zu starken Pressvorgang vor. Bei bekannten Stuhlgangsbeschwerden können vorsichtige mechanische Analdehnungen, einmal täglich mit Doloposterine® und einem zugehörigen Analdehner, die Ausbildung krankund schmerzhafter Hämorrhoiden verhindern. Diese Maßnahmen, einschließlich einer Salbenbehandlung, führen nur zu einer Reduktion entzündlicher Begleitreaktionen und besitzen keinen kausalen Therapiecharakter. Zur Prävention von Komplikationen gehören des Weiteren Hygiene (spezielle Reinigungstücher)- und Ernährungsberatung. Tägliche Beckenbodenübungen, Seitenlage beim Schlafen können das Fortschreiten der Erkrankung verhindern. Wichtig ist die Aufklärung: Hämorrhoiden verschwinden oft von selbst bis 6 Wochen nach der Schwangerschaft.

Geburtshilfliches Management Entbindungsmodus: Bei Hämorrhoiden Grad 4 ist eine primäre Sectio caesarea zu erwägen.

Hämorrhoiden

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Wochenbett: Nach der Geburt ist ein Bidet am angenehmsten für die Reinigung. Stillen: Keine Einschränkungen. Merke: Aufklärung, Hygiene- und Ernährungsberatung sind die wichtigsten Instrumente zur Prävention des voll ausgeprägten Krankheitsbildes in der Schwangerschaft. Symptome sind gewöhnlich mild und transient. Häufig werden Hämorrhoiden erst unter der Geburt sichtbar. Von einer Spontanremission ist in den meisten Fällen auszugehen. Literatur: 1. Forner M : Proktologische Erkrankungen in der gynäkologischen Praxis. Frauenarzt 2006; 47: 102-106. 2. Gojnic M , Dugalic V, Papic M , Vidakovic S, Milicevic S, Pervulov M : The significance of detailed examination of hemorrhoids during pregnancy. Clin Exp Obstet Gynecol 2005; 32: 183-184. 3. Longo A: Treatment of haemorrhoids disease by reduction of mucosa and haemorrhoidal prolapse with a circular suturing device: a new procedure. In: 6th W o r l d Congress of Endoscopic Surgery. Rome, 3 - 6 June 1998. 4. Quijano CE, Abalos E: Conservative management of symptomatic and/or complicated haemorrhoids in pregnancy and the puerperium. Cochrane Database Syst Rev 2005; Jul (83)20: CD004077.

146 I

Hamwegsinfektion

Harnwegsinfektion Defintion Von der asymptomatischen Bakteriurie (asymptomatische Harnwegsinfektion) können Zystitis und Pyelonephritis (symptomatische Harnwegsinfektion) abgegrenzt werden. Die Prävalenzen betragen 2 - 1 0 % bzw. 1 - 4 % . In der Schwangerschaft entwickelt sich aus einer asymptomatischen Bakteriurie in 3 0 % eine symptomatische Pyelonephritis; gefürchtete Komplikation: Urosepsis. Schwangerschaftskomplikationen: Frühgeburt, fetale Wachstumsretardierung, Präeklampsie, Septikämie, Sepsis.

Klinik Diagnostik: Für eine Zystitis charakteristisch und beweisend sind: Schmerzhafte Miktion (Dysurie), Hämaturie, trüber und abnorm riechender Urin. Urinkultur nur dienlich für Keim- und Resistenzanalysen. Leukozyturie häufig. Typische Symptome für die Pyelonephritis sind: Flankenschmerz, klopfschmerzhaftes Nierenlager und Fieber >38 °C (septische Temperaturen möglich). Koliken können ebenfalls ein Symptom der Pyelonephritis sein. Unabhängig von den Mutterschaftsrichtlinien (4-wöchentlich Eiweiß, Zucker, Sediment) sollte 1-2-mal (nach 16 und 28 SSW) die Urinkultur zum Ausschluss einer asymptomatischen Bakteriurie durchgeführt werden. Bei Positivität reduziert eine zweite Probe mittels Katheterurin falsch positive Raten um 4 0 % . Streifentests sind ungeeignet. Sonographie: Ausschluss einer Harnstauungsniere oder von Restharn. Keimspektrum: E. coli-Stämme (75%), Enterococcus faecalis, Staphylococcus saprophytics, Klebsiella pneumoniae, Proteus mirabilis (jeweils 4%). Es folgen mit 1 % Enterobacter Spezies, Citrobacter Spezies und Pseudomonas aeruginosa. Mit zunehmenden Resistenzen uropathogener Keime gegenüber Antibiotika ist zu rechnen: Ca. 3 0 % der Erreger sind gegen Ampicillin und Cotrimoxazol resistent. Für Cephalosporine wurden Res i sten ζ rate η zwischen 1,4% und 10,8% ermittelt.

Therapie In der Schwangerschaft sind Penicilline und Cephalosporine Antibiotika der ersten Wahl. Vorzugsweise sind Cephalosporine anzuwenden. Aufgrund eines erhöhten Plasmavolumens (Verteilungsvolumen) in der Schwangerschaft ist eher eine höhere Dosierung zu bevorzugen. Relativ kontraindiziert in der Schwangerschaft sind (nur im Ausnahmefall bei vitalen Indikationen einsetzbar): Fluorchinolone, Tetrazykline (nach 16 SSW kontraindiziert), Aminoglykoside, Sulfonamide (kurz vor Entbindung kontraindiziert), Nitrofurantoin (kurz vor Entbindung bei angeborenem Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenasemangel kontraindiziert). Alternative bei akuter Zystitis: Fosfomycin-Trometamol (Infectofos®, Monuril®). Wirkspektrum von Fosfomycin: Escherichia coli, Citrobacter, Enterobacter, Klebsiella, Serratia und Enterococcus spp. Keine Wirksamkeit gegen Pseudomonas.

Harnwegsinfektion

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Nach antibiotischer Behandlung in der Schwangerschaft Keimeradikation durch Urinkultur prüfen. Therapie der akuten Zystitis: • Cefuroxim 2-mal 250 mg über 5 Tage • Fosfomycin-Trometamol (3 g p. o.) als single shot • Cephalosporine der 2. und 3. Generation für empirische und initial parenterale Therapie, Therapie der asymptomatischen Bakteriurie • Therapie nach Antibiogramm als single shot oder über 4 - 7 Tage Therapie der akuten Pyelonephritis • Breitbandantibiotikum (Cephalosporin der 2. oder 3. Generation) empirisch • Je nach Schweregrad und Therapieerfolg Kombination mit Gentamicin (2-mal 380 mg in 48 h) möglich • Gezielte Antibiotikatherapie für mindestens 14 Tage • Kein Therapieerfolg nach 3 - 5 Tagen, Nierenabszess (Drainage!) möglich • Unbehandelt führt der Nierenabszess zur Urosepsis Therapie der Harnstauungsniere • Symptome sind: Flankenschmerz, Koliken und/oder Fieber • Analgetika, Spasmolytika • Suffiziente Harnableitung mittels Drainage durch eine Doppel-J-Schiene (DJ) oder Nephrostomie • Titanisierte DJ-Schienen besser verträglich • Nephrostomie indiziert, wenn DJ nicht möglich Prävention: Trinkmenge 2 l/die, Cranberry-Extrakt.

Geburtshilfliches Management Bei Harnwegsinfektionen kommt es häufiger zur vorzeitigen Wehentätigkeit. Langzeittokolysen vermeiden (Cave: Amnioninfektionssyndrom!). Entbindungsmodus: Primäre Sectio caesarea bei gleichzeitiger operativer Therapie der Urosepsis bzw. erfolgloser konservativer Therapie der progredienten Harnstauung. Wochenbett: Urinkulturen bzw. Fortsetzung einer vorbestehenden Antibiotikatherapie. Stillen: Abstillen nicht erforderlich. Literatur: 1. Watermann D: Harnwegsinfekte in der Schwangerschaft. Frauenarzt 2009; 50: 448-453.

148 I

HELLP-Syndrom

HELLP-Syndrom Definition Hämolyse, Leberfunktionsstörung, Thrombozytopenie; HELLP (H = Haemolysis, EL = Elevated Liver enzymes, LP = Low Platelets). Tennessee-Klassifikation des HELLP-Syndroms: Hämolyse mit erhöhtem LDH (>600 U/l), ca. 3-fach erhöhte Transaminasen, Thrombozyten 3 mmol/l) bedarf der umgehenden kalziumsenkenden Therapie und der weiteren Diagnostik. Grundsätzlich wird bei p H P T e i n e operative Sanierung, möglichst vor der Schwangerschaft, angestrebt. Eine Adenomentfernung ist auch in der Schwangerschaft durchführbar. Das 2. Trimenon wird als optimaler Operations-Zeitpunkt angegeben. Die Operation ist auch im 3. Trimenon möglich, weist aber ein höheres Risiko auf.

166 I

Hyperparathyreoidismus

Bei früherer Diagnosestellung in der Schwangerschaft müssen symptomatische Maßnahmen beginnen, wenn der Kalziumspiegel oberhalb des Normbereichs liegt. Zur Förderung der Diurese ist eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr notwendig (mindestens 2 - 3 I/Tag) wobei auf Milch und kalziumhaltige Getränke verzichtet werden muss. Ziel ist es, den Kalziumspiegel unter 3 mmol/l zu halten. Symptomatische Therapiemaßnahmen in der Schwangerschaft Maßnahme

Dosis

Wirkungsmechanismus

Kommentar

reichlich trinken

mindestens 2 - 3 I/Tag

Kalziurie f

Volumenbelastung Cave: Schwangere mit Hypertonie

0,9%ige NaCI-Lösung intravenös

4—6{—10) I/Tag

Kalziurie f

Hypokaliämie, Volumenbelastung

Furosemid (+ Flüssigkeitszufuhr!)

2 0 - 4 0 - 5 0 0 mg/Tag Oder 100ml/h über 24 Stunden

Diurese Î

Hypokaliämie, Hypomagnesämie Gravidität: Kontraindikation, Fet wird ausgeschwemmt!

Bisphosphonat

ζ. B. 15-60 mg Pamidronat/1 Liter Infusionslösung i. v. über 2 Stunden

Osteolyse gehemmt, Wirkung lang andauernd

Gravidität: Kontraindikation

Kalzitonin

200-500 I. E ./Tag

Osteolyse gehemmt

Übelkeit Gravidität: möglich, insbesondere wenn andere Maßnahmen nicht ausreichen

Glukokorticoide

50 mg Prednison/Tag

Hemmung der Kalziumaufnahme

latrogener Cushing Gravidität: möglich, Verschlechterung der Glucosetoleranz

Kalzium- und Vitamin-D-arme Ernährung

2,65 mmol/l bedarf einer sorgfältigen Klärung. Im Wesentlichen bleibt die Therapie symptomatisch, die operative Adenomentfernung in der Schwangerschaft die Ausnahme. Literatur: 1. Pothiwala P, Levine SN: Parathyroid surgery in pregnancy: review of the literature and localization by aspiration for parathyroid hormone levels. J Perinatal 2009; 29: 779-784.

2. Schnatz PF, Curry SL: Primary hyperparathyoidism in pregnancy: evidence based management. Obstet Gynecol Surv 2002 Jun; 57 (6): 365-376.

168 I

Hyperthyreose

Hyperthyreose Definition Schilddrüsenüberfunktion mit einer Inzidenz von 0,2 bis 3 - 4 % aller Schwangeren. Hauptursache in der Schwangerschaft sind schilddrüsenstimulierende Antikörper (Anti-TPO-AK) und der Morbus Basedow (TRAK). ß-HCG

besitzt eine schwache TSH-rezeptorstimulierende

Wirkung

und führt bei

1 0 - 2 0 % aller Schwangeren zu einer transienten subklinischen oder (milden) klinisch manifesten Hyperthyreose. Schwangerschaftsrisiken: • Abort (bis 85 % )

• vorzeitige Plazentaablösung

• erhöhtes Risiko für Präeklampsie (bis 22 % ) • erhöhtes Infektionsrisiko

• Tachykardie, — kardiale Dekompensation, thyreotoxische Krise (bis 9 % ) • Frühgeburt ( 7 - 2 5 % )

• Wachstumsretardierung (bis 1 3 % )



IUFT

• Schilddrüsenantikörper sind plazentagängig, daraus resultiert über eine Stimulation der fetalen Schilddrüse eine fetale bzw. neonatale Hyperthyreose; hohe mütterliche

L-Thyroxinspiegel supprimieren die fetale Schilddrüse und bedingen eine fetale

bzw. neonatale Hypothyreose Besonderheit:

• hCG-induzierte Hyperthyreose bei Blasenmole oder Chorionkarzinom

• häufig mit weiteren Endokrinopathien vergesellschaftet (Diabetes mellitus/Gestationsdiabetes)

Klinik Symptome:

• mangelnde mütterliche Gewichtszunahme bzw. Abnahme, Schwitzen, Wärmeintoleranz, motorische Unruhe, Nervosität, Diarrhoe, Myopathie, weiches dünnes Haar, Haarausfall

• mütterliche bzw. fetale Tachykardie (diese ist bei TRAK >5-fach der Norm zu erwarten), evtl. auch maternale Herzrhythmusstörungen

• Struma, Zeichen der endokrinen Orbitopathie (Exophthalmus) Diagnostik:

• Anamnese (Rezidiv des M. Basedow), Klinische Symptomatik • TSH, T P O , TRAK, fT3, fT4 im Serum, Elektrolyte (Kalium) • Schilddrüsensonografie

• EKG, evtl. Langzeit-EKG

• Szintigrafie kontraindiziert

Hyperthyreose

| 169

Therapie • eine Hyperthyreose ist auch in der Schwangerschaft eine behandlungspflichtige Erkrankung • zur Anwendung kommen Thyreostatika (Thiamazol 5-20 mg/die; Propylthiouracil 50-200 mg/die) sowie ß-Blocker (Propanolol) • Thiamazol-Dosen >7,5 mg/die erhöhen das Risiko für eine fetale Hypothyreose, initial wird bei manifestem Morbus Basedow mit 15 mg Thiamazol/die begonnen, nach Absinken der Schilddrüsenwerte Dosisreduktion, Auslassversuch im 2. Trimenon bei gutem Ansprechen möglich • Propylthiouracil ist mit einem geringeren Risiko für die Induktion einer fetalen Hypothyreose behaftet • bei bekanntem Morbus Basedow sollte die Schwangerschaft erst nach Remission bzw. Ende der thyreostatischen Therapie „geplant" werden • Therapieüberwachung: unter Thyreostatika, Blutbild (Gefahr der Agranulozytose) und Transaminasen wöchentlich, Schilddrüsenfunktionsparameter alle 4 Wochen • Therapieziel: Beseitigung der klinischen Symptome, fT3 unfT4 in der oberen Norm, TSH supprimiert • bei endokriner Orbitopathie im Einzelfall Therapie mit Glucocorticoiden • operative Therapie nur in Ausnahmefällen • Radiojodtherapie: kontraindiziert • cave: keine Jodidapplikation in der Schwangerschaft • Notfall: Thyreotoxische Krise: Übernahme der Patientin auf die Intensivstation, Favistan 160-200 mg/die i. v.; evtl. Plasmapherese, ß-Blocker, symptomatische Therapie: Elektrolyt-, Flüssigkeits- und Kalorienzufuhr (3000-4000 kcal/die), Glucocorticoide (wegen der relativen Nebenniereninsuffizienz, hemmen die Konversion von T3 zu T4), Thromboembolieprophylaxe, evtl. Temperatursenkung, evtl. Sedativa, Entbindung • die Anwendung von Thyreostatika stellt weder eine medizinische Indikation für einen Schwangerschaftsabbruch dar, noch erfordert sie eine invasive Pränataldiagnostik (Amniozentese) • regelmäßige sonografische/dopplersonografische Überwachung des Feten

Geburtshilfliches Management • Entbindung am Termin, keine primäre Sectioindikation, Partusisten sub partu möglich • auch bei thyreostatischer Therapie Stillen erlaubt (bis max. 10 mg Thiumazol pro die), Thyreostatikakonzentration ca. 1 0 % der mütterlichen Serumkonzentration • TPO und TRAK können p. p. 6-12 Wochen persistieren, daher sollten die Neonatologen informiert werden • Rezidivrisiko bei M. Basedow im Wochenbett beachten Merke: Die Hyperthyreose ist in der Schwangerschaft eine seltene, unbedingt aber therapiepflichtige Erkrankung. Thyreostatika sollten in der niedrigst möglichen Dosis gegeben werden. Stillen ist erlaubt.

170 I

Hyperthyreose

Literatur: 1. Karger S, Führer-Sakel D: Schilddrüsenerkrankungen und Schwangerschaft. Med Klin 2009; 104(6): 4 5 0 - 4 5 6 . 2. Lauerberg P, Bournaud C, Karmisholt J, Orgiazzi J: Management of Graves' hyperthyreoidism in pregnancy: focus on both maternal and foetal thyroid function, and caution against surgical thyroidectomy in pregnancy. Eur J Endocrinol 2009 Jan; 160(1): 1 - 8 . 3. Management of Thyroid Dysfunction during Pregnancy and Postpartum: An Endocrine Society Clinical Practice Guideline. J Clin Endocrinol Metab 92 (8) (Supplement). S1-47, 2007. 4. Marx H, Amin Ρ, Lazarus JH: Hyperthyreoidism and pregnancy. BMJ 2008 Mar 22; 336(7645): 663-667.

Hypertonie, chronische

| 1 71

Hypertonie, chronische Definition Chronische Hypertonie, chronische Nierenerkrankungen und Hypertonie und/oder Proteinurie sind bereits vor der Schwangerschaft bzw. vor der 20. SSW nachweisbar. Pfropfpräeklampsie: Chronische Hypertonie mit Proteinurie zur vorbestehenden Hypertonie nach 20 SSW. Diastolischer Blutdruck >/= 90 mm Hg, reproduzierbar nach 4 stündigem Intervall. Einmalige Messung >110 mm Hg. Schwere Hypertonie: Diastolischer Blutdruck >/= 110 mmHg, nach 4 stündigem Intervall reproduzierbar. Einmaliger diastolischer Blutdruck >/=120 mmHg. Die Prävalenz hypertensiver Erkrankungen in der Schwangerschaft beträgt 6 , 7 % bis 8,1 %. Schwangerschaftskomplikationen: Pfropfpräeklampsie und chronische Plazentainsuffizienz sind die häufigsten mütterlichen und fetalen Komplikationen. Insbesondere zwischen 28 und 32 SSW kann es zum intrauterinen fetalen Fruchttod (IUFT) kommen. Der Übergang von der chronischen zur akuten Plazentainsuffizienz kann dabei sehr rasch erfolgen. Weitere mütterliche Komplikationen sind: Disseminiertes intravasales Gerinnungs-Syndrom, Lungenödem (Cave: Tokolyse mit Betamimetika).

Klinik Diagnostik: Chronische Hypertonien machen wöchentliche Blutdruckkontrollen in der Schwangerschaft erforderlich. Blutdruck-Selbstkontrollen sind möglich. Großzügig 24-Stunden-Blutdruckprofile ermitteln. Eine mögliche Proteinurie (Urin-Stick) wird zweiwöchentlich geprüft. Bei vorbestehenden Nierenerkrankungen Ermittlung der Creatinin-Clearence mindestens einmal in jedem Trimenon. Dopplersonographie der Aa. uterinae nach 20 SSW obligat. Rasch zunehmende Ödeme stellen bei chronischer Hypertonie, bei vorbestehenden Nierenerkrankungen und bei Propfpräeklampsie ein ungünstiges maternales und fetales Prognosekriterium dar.

Therapie Die Einleitung einer medikamentösen Therapie in der Schwangerschaft sollte in der Klinik unter kontrollierten Bedingungen erfolgen. Die Notwendigkeit einer medikamentösen Blutdrucksenkung sollte nach Möglichkeit präkonzeptionell entschieden werden. Im Gegensatz zur Gestationshypertonie sollen Blutdruckwerte >140 m m H g systolisch und >90 mmHg diastolisch nicht überschritten werden. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass eine kontinuierliche antihypertensive Therapie in der Schwangerschaft zur fetalen Wachstumsrestriktion führen kann. Aus diesem Grunde besteht auch die Meinung, bei vorbestehendem Hochdruck oder Pfropfpräeklampsie (präexistente Nierenerkrankung, Diabetes mellitus, Adipositas) erst ab Blutdruckwerten = 160/100 mm Hg eine antihypertensive Therapie in der Schwangerschaft einzuleiten. Langzeitbehandlung mit oralen Antihypertensiva (entnommen aus: Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft Schwangerschaftshochdruck/Gestose, DGGG)

1 72 I

Hypertonie, chronische

Medikament

Anmerkungen

geeignet:

Alpha-Methyldopa

Mittel der 1. Wahl

eingeschränkt geeignet:

Nifedipin

nicht indiziert im 1. Trimenon aufgrund teratogener Effekte im Tierversuch erhöhtes Risiko fetaler Wachstumsrestriktion (Metoprolol als Mittel der 2. Wahl) Reflextachykardie, Kopfschmerzen; Tachyphylaxie

Selektive ß-1 Rezeptorblocker Dihydralazin nicht geeignet:

Diuretika

ACE-Hemmer

AngiotensinAT1 -Antagonisten alle anderen Antihypertensiva

potentielle Beeinträchtigung der uteroplazentaren Perfusion durch zusätzliche Plasmavolumenreduktion Ausnahme: Gabe möglich bei Frauen mit einer mittelschweren und schweren Hypertonie, die bereits eine ausreichende Zeit vor Eintritt einer Schwangerschaft (>3 Monate) in einer Kombinationstherapie effektiv mit einem Thiaziddiuretikum eingestellt waren akutes Nierenversagen bei Neugeborenen; Oligohydramnion, Schädelkalottendefekte, teratogene Effekte (1. Trimenon) oligohydramnios Schädelknochenhypoplasie. Im Analogieschluss zu ACE-Hemmern potentiell teratogen und nephrotoxisch für das Neugeborene ungenügende Informationen über Anwendung in der Schwangerschaft

Prävention: Präkonzeptionell Einstellung des Blutdrucks nach Ermittlung von 24-stündigen Druckprofilen. Nephrologische Untersuchung und Kontrolle des Augenhintergrundes, ggf. Belastungs-EKG und Echokardiographie. Nephrotisches Syndrom und diabetische Nephropathie können je nach Schweregrad Kontraindikationen für eine Schwangerschaft darstellen.

Geburtshilfliches Management Eine vorzeitige Entbindung auch vor 30 SSW kann sowohl aus mütterlicher als auch aus fetaler Indikation notwendig werden. Begrenzende Faktoren sind vor allem die Pfropfpräeklampsie, drohendes Nierenversagen, ζ. B. nephrotisches Syndrom und diabetische Nephropathie, und die chronische Plazentainsuffizienz. Entbindungsmodus: Primäre Sectio caesarea bei vorzeitiger Entbindung. Wochenbett: Pfropfpräeklampsie, Eklampsie und HELLP-Syndrom möglich. Proteinurie kann persistieren. Zu beachten sind auch puerperale zerebrovaskuäre Erkrankungen. Stillen: Keine Einschränkungen. In der Stillzeit können auch Verapamil, Captopril, Enalapril angewandt werden. Merke: Präkonzeptionelle Einstellung der Hypertonie für die mütterliche und kindliche Prognose entscheidend. Als sehr gefährlich muss die Propfpräeklampsie eingeschätzt werden. Methyldopa: 1. Wahl, Dihydralazin, Betablocker (Metoprolol): 2. Wahl.

Hypertonie, chronische

| 173

Literatur: 1. Kuklina EV, Ayala C, Callaghan W M : Hypertensive Disorders and Severe Obstetric Morbidity in the United States. Obstet Gynecol 2009; 113: 1299-1306. 2. Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft Schwangerschaftshochdruck/Gestose der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V. (DGGG). Diagnostik und Therapie hypertensiver Schwangerschaftserkrankungen, www.uni-duesseldorf.de/awmf/ll/015-018.html, aufgerufen am 1 9 . 5 . 2 0 0 9 .

174 I

Hypophyseninsuffizienz

Hypophyseninsuffizienz Definition Als Hypophyseninsuffizienz bezeichnet man den Ausfall eines, mehrerer oder aller Hypophysenvorderlappenhormone (HVL), gegebenenfalls auch der Hypophysenhinterlappenhormone (HHL). Den kompletten Funktionsverlust bezeichnet man als Panhypopituitarismus. Zahlreiche Ursachen sind möglich. 1. funktionelle hypothalamische Ursachen: GnRH-Ausfall bei Kallmann-Syndrom, Prader-Willi-Syndrom, Laurence-Moon-Biedl-Syndrom, Diabetes mellitus u. a. 2. morphologische hypothalamische Ursachen: Entzündungen, Trauma, Operation, Radiatio, Kraniopharyngeom 3. funktionelle hypophysäre Ursachen: isolierter Ausfall von LH, FSH, ACTH, TSH, A D H mit den Folgen Hypogonadismus, Nebenniereninsuffizienz, Hypothyreose, Diabetes insipidus zentralis 4. morphologische hypophysäre Ursachen: hormonaktive Hypophysenadenome (Akromegalie, Prolaktinom, TSHom), hormoninaktive Hypophysentumore, maligne Hypohysentumore (sehr selten, dann meist malignes Prolaktinom), Syndrom der „empty sella", immunologisch bedingte Hypophysitis, Hypophysenentzündungen anderer Genese (Sarkoidose, Histiozytose, Tuberkulose, Lues, HIV, Meningitis), Einblutung (Hypophysenapoplexie, peripartales Sheehan-Syndrom), Trauma, Radiatio, Metastasen Ursachen der Hypophyseninsuffizienz in der Schwangerschaft können eine lymphozytäre Hypophysitis bzw. antepartale Nekrose sein. Eine seltene Sonderform stellt das sog., 1965 von Sheehan erstmals beschriebene Sheehan-Syndrom (Häufigkeit 1 :10.000 Geburten) dar. Darunter versteht man eine postpartale Einblutung und Nekrose. Klinische Folgen entstehen aber erst, wenn etwa 7 5 % des HVL zerstört sind. Klinik Symptome: Die Symptome bzw. klinischen Folgen resultieren aus dem Mangel des jeweils betroffenen Hormons. Ausgefallene Partialfunktion

Klinische Folge

LH; FSH

Amenorrhoe, Infertilität, Libido- und Potenzverlust

ACTH

Nebenniereninsuffizienz mit Cortisol- und Aldosteronmangel

TSH

Hypothyreose mit fT3- und fT4-Mangel

Prolaktin

keine Laktation

STH

Kinder: Minderwuchs Erwachsene: Störungen im Muskel-, Knochen- und Fettstoffwechsel sowie psychische Störungen

ADH

Diabetes insipidus zentralis

Schwangerschaftsrisiken, Diagnostik, Therapie: Siehe dazu auch die Kapitel Hypothyreose, Mb. Addison, Diabetes insipidus.

Hypophysen ¡nsuffizienz

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Schwangerschaftsadaptierte Substitution Hormon Primäre NNR-Insuffizenz • Cortisol (z. B. Hydrocortison) oder • Cortisonacetat Aldosteronmangel zusätzlich 9a-Fluor-Cortisol Hypothyreose L-Thyroxin Diabetes insipidus A D H (Desmopressin)

Wachstumshormonmangel Rekombinantes H G H (bei nachgewiesenem Mangel!)

Nichtschwangere

Schwangere

20-30 mg/Tag

30-40 mg/Tag*

25-37,5 mg/Tag

40-50 mg/Tag*

0,05-0,2 mg/Tag

0,3-0,6 mg/Tag

100 ng/Tag**

150 ^ig/Tag**

1-2-mal tgl. 1 Hub Nasenspray (0,1 ml = 10 ng) parenteral 1,0-4,0 ng i. v/Tag oral 100-800 ng/Tag

analog Nichtschwangere

0,01-0,02 IU/kgKG s. c/lag

Therapiestudien bei Schwangeren mit erworbenem Wachstumshormonmangel liegen bisher nicht vor

* sub partu 100 mg Hydrocortison iv., dann weitere 100-200 mg/24 Stunden ** individuelle Dosisanpassung nach TSH-Spiegel

Geburtshilfliches Management Bei partieller oder vollständiger Hypophyseninsuffizienz muss eine sorgfältige Überwachung der entsprechenden Laborparameter erfolgen. Die Dosis der zu substituierenden Medikamente muss der Schwangerschaft angepasst werden. Merke: Bei partieller oder globaler Hypophyseninsuffizienz muss eine sorgfältige Überwachung und ständige Dosisanpassung der z u substituierenden Hormone erfolgen. Der besonderen Stresssituation unter der Geburt ist insbesondere bei Notwendigkeit einer Gluko- bzw. Mineralokortikoid-Substitution Rechnung z u tragen. Literatur: 1. Molitch ME: Pituitary diseases in pregnancy. Semin Perinatal 1998 Dec; 22 (6): 457-70. 2. Rationelle Therapie in der Endokrinologie. Hrsg. Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie. Thieme. Stuttgart-New York. 1996.

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Hypothyreose

Hypothyreose Definition Die Schilddrüsenunterfunktion (latente bzw. manifeste) tritt in der Schwangerschaft mit einer Inzidenz von ca. 2 , 5 % auf (4-10%). Das maternale Alter ist als Risikofaktor anzusehen. Hauptursache der Hypothyreose ist eine Autoimmunthyreoiditis (Hashimoto-Thyreoiditis). Weiterhin sind der Z. n. Strumaresektion und nach Radiatio; Anwendung von Thyreostatika, sowie die sekundäre, hypothalamisch-hypohysär bedingte Hypothyreose, die Post-Partum-Thyreoiditis sowie die subakute Thyreoiditis de Quervain (viral bedingt) bekannt. Es ist zu beachten, dass eine latente Hypothyreose eine häufige Sterilitätsursache darstellen kann und behandlungspflichtig ist. In diesem Fall sollte perikonzeptionell der maternale TSH-Spiegel zwischen 1-2 mU/ml liegen.

Schwangerschaftsrisiken: • Maternal: höheres Risiko für Präeklampsie • Fetal: höheres Risiko für Abort und Frühgeburt • Schilddrüsenhormonmangel beeinflusst die cerebrale Entwicklung in utero ungünstig und es werden eine höhere Rate an Cerebralparesen, mangelnde neurologische Reife, Intelligenzdefekte und Störungen der kognitiven Funktionen beobachtet Besonderheit: • eine bekannte Endometriose erhöht das Risiko für eine assoziierte thyreoidale Autoimmunität auf 2,3 • Schwangere mit Diabetes mellitus Typ I haben ein 3-fach höheres Risiko für eine antikörperbedingte Schilddrüsenfunktionsstörung während der Schwangerschaft und im 1. Jahr p. p., daher wird bei Typ-I-Diabetikerinnen ein Screening für TSH und Anti-TPO-AK möglichst im 1. Trimenon empfohlen • eine postpartale Hypothyreose kann durch Insuffizienz der Hypophyse (SheehanSyndrom) bedingt sein

Klinik Symptome: Müdigkeit, Gewichstzunahme, Kälteempfindlichkeit, Obstipation, Verlangsamung, Hypotonus Diagnostik: fT4, (fT3), TSH, TPO-AK, TRAK, CRP (de Quervain), Blutdruck, Sonografie

Therapie • L-Thyroxin; TSH sollte im mittleren Normbereich liegen • Initial kann bei einer Thyreoiditis die Anwendung von ß-Blockern notwendig werden.

Geburtshilfliches Management Keine besonderen Empfehlungen.

Hypothyreose

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M e r k e : D i e H y p o t h y r e o s e ist insbesondere mit B l i c k auf d i e ungestörte fetale Entw i c k l u n g e i n e therapiepflichtige Erkrankung.

Literatur: 1. Management of Thyroid Dysfunction during Pregnancy and Postpartum: An Endocrine Society Clinical Practice Guideline. J Clin Endocrinol Metab 92 (8) (Supplement). S1-47, 2007.

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Hypotonie

Hypotonie Definition Rund 2,5 Millionen leiden in Deutschland an niedrigem Blutdruck; vorübergehender oder dauerhafter Abfall der systolischen und diastolischen Blutdruckwerte 20 mm Hg, diastolischer Blutdruck sinkt, Herzfrequnz bleibt gleich • hypertone Reaktion: Systolischer Blutdruck kann steigen, diastolischer Blutdruck steigt, Amplitude sinkt, Herzfrequenz steigt. Differentialdiagnosen: Es handelt sich um sekundäre Hypotonien bei Primärerkrankungen, wie vaskuläre, neurogene, endokrine Erkrankungen, Infektionen: • Vaskuläre Hypotonie; Myokardinfarkt, Herzrhythmusstörungen, Aortenstenose, Mitralstenose, Herzinsuffizienz, Myokarditis, Karotissinus-Syndrom, Aortenbogensyndrom, Aortenisthmusstenose • neurogene Hypotonie; Polyneuropathie mit Befall des autonomen Nervensystems • endokrine Hypotonie; Addison-Krankheit, Hypophysenvorderlappeninsuffizienz (Sheehan-Syndrom), Hypothyreose, adrenogenitales Syndrom, Diabetes insipidus • infektiös-toxisch bedingte Hypotonie

Hypotonie

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Therapie Kausale Therapie bei sekundärer arterieller Hypotonie. Stufentherapie der primären arteriellen Hypotonie: • Stufe 1: Kompressionsstrümpfe, körperliche Aktivität, Konditionierung, physikalische Therapie zur Verbesserung des venösen Rückstroms aus der Peripherie. In der Schwangerschaft geeignete Sportarten sind langsames Laufen, Schwimmen, Walking und Radfahren. • Stufe 2: Medikamentöse Therapie mit Etilefrin nur in Ausnahmefällen im 2. und 3. Trimenon: • Thomasin®-Tabletten, Dos.: 2 - 3 - m a l tgl. 1 Tbl. • Thomasin®-Tropfen, Dos.: 2 - 3 - m a l tgl. 30 Tr. Prävention: Körperliche Aktivität, Gymnastik, ζ. B. Heben und Senken der Beine.

Geburtshilfliches Management Entbindungsmodus: Cave: Periduralanästhesie senkt den Blutdruck! Bei Sectio caesarea — low-dose Spinalanästhesie. Oxytozin bei ausgeprägter Hypotonie kontraindiziert. Wochenbett: Kein Einfluss. Stillen: Keine Einschränkungen. Merke: In den meisten Fällen handelt es sich um eine orthostatische Hypotonie mit, für die Patientin, unangenehmen Begleitsymptomen. Eine medikamentöse Therapie ist nur selten indiziert. Gesteuerte low dose Periduralanästhesie sub partu möglich.

Literatur: 1. Emmett RS, Cyna AM, Andrew M, Simmons SW: Techniques for preventing hypotension during spinal anaesthesia for caesarean section. Update in: Cochrane Database Syst Rev 2002; (3): CD002251. 2. Hohmann M, Künzel W: Niedriger Blutdruck und Schwangerschaft. Ζ Geburtshilfe Neonatal 2007; 211: 4 5 - 5 3 . 3. Roofthooft E, Van de Velde M: Low-dose spinal anaesthesia for Caesarean section to prevent spinal-induced hypotension. Curr Opin Anaesthesiol 2008; 21: 2 5 9 - 2 6 2 .

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Idiopathische thrombozytopenische Purpura (ITP)

Idiopathische thrombozytopenische Purpura (ITP) Syn. Morbus Werlhof

Definition Die idiopathische thrombozytopenische Purpura (ITP) ist eine Autoimmunerkrankung mit einer Thrombozytopenie. Voraussetzung für die Diagnose der ITP ist der Ausschluss einer sekundären Thrombozytopenie durch andere Erkrankungen. Typischerweise ist bei der ITP die Megakaryopoese im Knochenmark normal oder vermehrt. Die ITP tritt als akute Form vor allem im Kindesalter oder als chronische Verlaufsform mit einer Dauer über 6 Monaten auf. Die chronische ITP wird hauptsächlich im Erwachsenenalter mit einem mittleren Erkrankungsalter von 5 5 - 6 0 Jahren beobachtet (Frauen häufiger betroffen als Männer). Die jährliche Inzidenz beträgt ca. 5 - 6 Fälle pro 100.000 Einwohner. Die ITP beruht auf humorale und zelluläre Immunmechanismen. Bis heute sind die Antigene, die die Autoimmunität auslösen und aufrechterhalten, unbekannt. Als Ausdruck der humoralen Immunreaktionen finden sich im Serum bzw. auf den Thrombozyten von 5 0 - 7 0 % der ITP-Patienten thrombozytäre Autoantikörper. Die verschiedenen Immunmechanismen führen letztlich zu einer Zerstörung von Thrombozyten durch direkte Zytotoxizität oder über FcyR-vermittelte Phagozytose im retikuloendothelialen System von Milz, Leber und Knochenmark. In 6 - 1 0 % aller Schwangerschaften tritt eine Thrombozytopenie auf. Die schwangerschaftsassoziierte Thrombozytopenie ist dabei die häufigste Form. Bei Werten < 7 0 - 8 0 χ 10 9 Thrombozyten/I ist diese Form jedoch selten, so dass andere Ursachen in Betracht kommen.

Klinik Häufig tritt eine ITP bei jungen Frauen (20-30 Jahre) auf; die Symptomatik ist in Abhängigkeit von der Thrombozytenzahl unterschiedlich: • >50 χ 10 9 Thrombozyten/I: oft Zufallsbefund ohne klinische Blutungszeichen (50% der Fälle) • 3 0 - 5 0 χ 10 9 Thrombozyten/I: Hämatomneigung • 1 0 - 3 0 χ 10 9 Thrombozyten/I: kleinfleckige Kapillareinblutungen in die Haut (nichtpalpable Purpura) mit Tendenz der Größenzunahme • 0,1 Gy erhöht. Eine Strahlenexposition im 2. u n d 3. Trimenon hat eine erhöhte Inzidenz für hämatologische Neoplasien u n d solide Tumoren in der ersten Lebensdekade zur Folge. Eine axilläre Sentinel-Lymphknotenbiopsie (Radion u k l i d m a r k i e r u n g mit m a x i m a l 4,3 m G y Strahlenbelastung; keine Blaumarkierung) kann in der Schwangerschaft durchgeführt w e r d e n ; j e d o c h ist mit einer erhöhten Rate nodal-positiver Fälle zu rechnen (ca. 5 6 - 8 3 % ) . Für die M e h r h e i t der Patientinnen mit e i n e m schwangerschaftsassoziierten M a m m a k a r z i n o m ist aufgrund des fortgeschrittenen Tumorstadiums die Indikation für eine Chemotherapie gegeben. Grundsätzlich muss v o n einer Chemotherapie im ersten Trim e n o n abgeraten w e r d e n (Risiko für fetale Fehlbildungen von 1 6 % versus 1 , 3 % nach

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Mammakarzinom

dem ersten Trimenon). Im zweiten bzw. dritten Trimenon erhöhtes Risiko für IUGR und Frühgeburtlichkeit. Folgende Substanzen stehen zur Verfügung: • Anthrazykline (Substanz mit besten Nutzen-Risiko-Verhältnis; meiste Daten zur FAC-Dreierkombination mit einer Adriamycin-Dosis von nur 50 mg/m2 alle 3 Wochen, fetale Kardiotoxität kann nicht ausgeschlossen werden) • Folsäureantagonisten wie Methotrexat sind streng kontraindiziert • Antimetabolit 5-Fluorouracil (unauffällige Verläufe bis hin zum IUFT; in 11 % der Fälle IUGR) • Alkylanz Cyclophosphamid (Einsatz ab 2. Trimenon möglich; IUFT bei Kombinationen beschrieben; 7 % der Fälle mit IUGR) • Taxane (wenig Daten von 15 Fällen, [Paclitaxel = 9, Docetaxel = 6] im 2. und 3. Trimenon ohne Komplikationen) • Vincaalkaloid Vinorelbin (wenig Daten, in 6 Fällen im 2. und 3. Trimenon ohne Komplikationen) • Platinderivate (strenge Indikationsstellung, da Gefahr von fetalem Gehörverlust und ZNS-Fehlentwicklungen) Die Durchführung einer Chemotherapie erfordert in der Regel den Einsatz von supportiven Medikamenten: • Antiemetika: Metoclopramid, Antihistaminika und Ondansetron ohne Hinweise auf Teratogen i tät • Antibiotika: Penicillin, Cephalosporine, Erythromycin Mittel der Wahl • Antimykotika: Amphotericin Β (ggf. erhöhtes Risiko für Aborte und IUGR), Fluconazol (multiple Fehlbildungen bei hoher Dosierung von 400-800 mg/d, wahrscheinlich sicher bei Dosierung 20 g/1000 kcal). Neben den „klassischen" Cortisonformen stehen auch „moderne" lipophile Cortisonpräparate (ζ. B. Beclomethason, Dipropionat, Budesonid) zur Verfügung, die sich durch hohe lokale Wirkungsaktivität und niedrige systemische Bioverfügbarkeit auszeichnen. Budesonid (Entocort®) ist besonders im terminalen Ileum und im Colon ascendens wirksam. Zur Erhaltung der Remission werden 5-Aminosalizylsäure-Präparate (Mesalazin, Sulfasalazin, Olsalazin), ζ. B. 2 mg Mesalazin/die, und Budenosid 6 - 9 mg/die empfohlen. In der Schwangerschaft auch möglich sind Azathioprin (1-3 mg/kg/KG/die) und Infliximab (Anti-TNFa). Infliximab kann ζ. B. zur Fistelrevision bereits im ersten Trimenon angewandt werden. Eine Dosis von 5 mg/kg KG wird als intravenöse Infusion über einen Zeitraum von 2 Stunden verabreicht, gefolgt von weiteren Infusionen mit 5 mg/ kg KG in Woche 2 und 6 nach der ersten Infusion, danach alle 8 Wochen. Methotrexat ist kontraindiziert. Topische Applikationsformen von Corticosteroiden werden vor allem bei Entzündungen im Enddarmbereich eingesetzt. Eine in der Schwangerschaft notwendige Antibiotikatherapie sollte immer mit Perenterol (600-800 mg/die) kombiniert werden, um die Darmflora nicht zu schädigen. Insbesondere bei Kombination von M. Crohn und Hyperemesis gravidarum bzw. schwerer Präeklampsie und Eklampsie kann die totale parenterale Ernährung nach Ausschöpfung aller konservativen Möglichkeiten von großem Nutzen sein (siehe Kapitel Colitis ulcerosa). Indikationen zur chirurgischen Therapie: Stenosen, therapierefraktäre Enterocolitis Crohn (erfolglose mehrwöchige hohe Kortisongaben von ca. 50 mg Prednisolon/die), intraabdominale Abszesse.

Geburtshilfliches Management Entbindungsmodus: Die Indikation zur Sectio ist nur selten gegeben: Beteiligung von Perineum, Cervix und Vagina am chronischen Entzündungsgeschehen, Zustand nach rektovaginaler Fistel. Die erhöhte Zahl der abdomianlen Entbindungen (primäre Sectio caesarea) resultiert zumeist aus Gründen der Entlastung der Mütter. Stillen: Azathioprin kontraindiziert; kann in geringen Mengen in die Muttermilch übergehen. Spätfolgen für das Kind nicht auszuschließen. 5-Aminosalizylsäure-Präparate und Prednison stellen keine Kontraindikationen für das Stillen dar. Merke: Die Anwendung von Sulfasalazin und Corticosteroiden in der Schwangerschaft erhöht nicht die fetale Morbidität und Mortalität. Bei Morbus Crohn-Patientinnen mit hohem Aktivitätsindex ist häufiger mit Komplikationen zu rechnen (Spontanaborte, Totgeburten, Frühgeburten). Akute Exazerbationen in der Schwangerschaft werden mit Glukokortikoiden, Spasmolytika behandelt. Bei heftigsten Schmerzen können Morphinderivate eingesetzt werden. Primäre Sectio caesarea bei perianalen Fisteln und Abszessen.

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Morbus Crohn

Literatur: 1. Beaulieu DB, Ananthakrishnan AN, Issa M, Rosenbaum L, Skaros S, Newcomer JR, Kuhlmann RS, Otterson MF, Emmons J, Knox J, Binion DC: Budesonide induction and maintenance therapy for Crohn's disease during pregnancy. Inflamm Bowel Dis 2009; 15: 2 5 - 2 8 . 2. Reddy D, Murphy SJ, Kane SV, Present DH, Kornbluth AA: Relapses of inflammatory bowel disease during pregnancy: in-hospital management and birth outcomes. Am J Gastroenterol 2008; 103: 1203-1209. 3. Zachos M, Tondeur M, Griffith AM: Enteral nutritional therapy for induction of remission in Crohn's disease. Cochrane Database Syst Rev 2007; 24: CD000542.

Morbus Cushing

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Morbus Cushing Syn. Cushing-Syndrom

Definition Die klinischen Auswirkungen des chronischen Hyperkortisolismus oder eine Langzeittherapie mit unphysiologischen Glucocorticoiddosen bezeichnet man als CushingSyndrom. Davon abgegrenzt versteht man unter Cushingscher Krankheit oder Morbus Cushing (Cushings disease) das hypothalamisch hypophysäre Cushing-Syndrom. Ursachen sind: 1. ACTH-abhängiges (zentrales) Cushing-Syndrom: — ACTH-sezernierendes Adenom der Hypophyse (= M. Cushing) — hypothalamischer CRH-Exzess

— ektope ACTH-Sekretion — alkoholinduziertes Cushing-Syndrom (Pseudo-Cushing-Syndrom)

2. ACTH-unabhängiges Cushing-Syndrom: — NNR-Adenom oder NNR-Karzinom

— selten mikronoduläre NNR-Hyperplasie — selten makronoduläre NNR-Hyperplasie Schwangerschaftsrisiken: Das Cushing-Syndrom wird selten in der Schwangerschaft beobachtet. Derzeit sind weltweit etwa 150 Fälle publiziert. Die Diagnosestellung ist schwierig, weil schwangerschaftsbedingte Veränderungen des Hormonprofils zu beachten sind (zirkadiane Rhythmik bei Schwangeren weniger ausgeprägt, bei M. Cushing aufgehoben). Der normale Cortisolspiegel liegt bei Schwangeren zwischen 552-828 nmol/l. In der Schwangerschaft entwickelt sich ein physiologischer Hyperkortisolismus. Die Abgrenzung der klinischen Befunde ist ebenfalls häufig schwierig. Gewichtszunahme, Hirsutismus, Akne, Schwangerschaftsstreifen, Hypertonie, Hyperglykämie, Hyperpigmentation und Nävi sind besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Die Erkrankung wird in der Schwangerschaft in der Regel eine Verschlechterung erfahren. Nur selten kommt es zur Remission im Wochenbett. Die maternale und fetale Morbidität und Mortalität sind erhöht. Bei bekanntem Cushing-Syndrom sollte eine adäqute Therapie unbedingt bereits präkonzeptionell erfolgen. Mütterliche und kindliche Komplikationen bei Cushing-Syndrom Mütterliche Komplikationen

Kindliche Komplikationen

Hypertonus

hohe Abortrate

gestörte Glucosetoleranz/ gestationsdiabetes

Frequenz des intrauterinen Fruchttods nimmt zu

thromboembolische Ereignisse

Anstieg der Frühgeburtenrate Hypotrophe Neugeborene (insbesondere bei Fehlen der plazentaren 11 -ß-Hydroxysteroiddehydrogenase-11 ß-HSD2)

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Morbus Cushing

Mütterliche Komplikationen thromboembolische Ereignisse

Kindliche Komplikationen passagere Nebenniereninsuffizienz (auch bei therapeutischer Anwendung von Clucocorticoiden in der Schwangerschaft (ζ. B. bei Multipler Sklerose, Lupus erythematodes visceralis, Antiphospholipid-Syndrom u. a.))

Die kindliche Fehlbildungsrate scheint nicht erhöht. Klinik Symptome: Die Symptomatik ist vielgestaltig und umfasst klinische und metabolische Veränderungen. • klinische Veränderungen: Vollmondgesicht (Tomatengesicht), Hautrötung, Gewichtszunahme, Adipositas, Stammfettsucht, „Büffelhöcker" des Nackens, Hirsufismus und Alopezie Kopf (androgenbedingt), Hypertonie (aldosteronbedingt), sekundäre Amenorrhoe (Sterilitätsproblematik), Striae rubrae distensae, schlechte Wundheilung, Plethora, psychische Alterationen (Depressionen), Glaukom, Blutungsneigung, Thromboembolien (Anstieg der Gerinnungsfaktoren 11, V, VIII), Pilzbefall der Haut (Tinea versicolor), Infekthäufung, bei Kindern Wachstumsverzögerung oder -stillstand • metabolische und paraklinische Veränderungen: pathologische Glukosetoleranz/ Diabetes mellitus, Hypokaliämie (bis zu 10%), Polyglobulie, leichte Granulozytose, Lymphopenie, EKG-Veränderungen (weiter QRS-Komplex, inverse T-Welle) Diagnostik: • klinisch-körperliche Untersuchung, Blutdruck • ACTH-Bestimmung im Serum • Cortisoltagesprofil, Cortisolbestimmung im 24-h-Sammelurin • hochdosierter Dexamethasonhemmtest • Insulinhypoglykämietest, CRH-Test (nicht in der Schwangerschaft) • Ultraschall Nebennieren • M R T Kopf (Hypophyse), CT Nebennieren (in der Schwangerschaft kein Kontrastmittel und CT darüber hinaus restriktiv!)

Therapie Jedes Cushing-Syndrom stellt unabhängig vom Lebensalter eine Therapieindikation dar. Therapie der Wahl ist dabei die transsphenoidale Adenomentfernung beim zentral bedingten Cushing-Syndrom. Bei erfolglosem neurochirurgischen Eingriff ist die bilaterale Adrenalektomie zu diskutieren. Diese operative Therapie ist auch in der Schwangerschaft, am besten im II. Trimenon, möglich. Eine spezielle medikamentöse Therapie (u. a. Etomidate, Ketokonazol, Metyrapon, Aminoglutethimid, Mitotan) ist in der Schwangerschaft grundsätzlich kontraindiziert. Metyrapon wird zur Cortisolsynthesehemmung eingesetzt, ist außerhalb Deutschlands

Morbus Cushing

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in einigen Staaten zugelassen und wird auch für die Anwendung in der Schwangerschaft vorgeschlagen. Bei Komplikationen orientiert sich die Therapie am Symptom. Symptomatische Therapie bei Komplikationen in der Schwangerschaft Problem

Therapieoption

Hypertonus

Antihypertensiva (Methyl-Dopa, Dihydralazin, ß-Blocker)

gestörte Glucosetoleranz/ Gestationsdiabetes

Diät, Insulin

thromboembolische Ereignisse

Prävention durch Kompressionstrümpfe,, risikoadaptiert auch Anwendung von NMH (auch bei einem BMI ab 30)

zentrales Cushing-Syndrom

Operation

peripheres Cushing-Syndrom

Operation

Geburtshilfliches Management Sorgfältige interdisziplinäre Schwangerenbetreuung, Entbindung am Zentrum. Stillen ist möglich. Merke: Eine Schwangerschaft bei aktivem Morbus Cushing ist ein seltenes Ereignis. Es bestehen zahlreiche mütterliche (z. B. Präeklampsie, thromboembolische Komplikationen, Gestationsdiabetes) und kindliche Risiken (z. B. Wachstumsrestriktion, Frühgeburt), welche die Betreuung der Schwangeren am Perinatalzentrum erfordern. Literatur: 1. Lindsay JR, Nieman LK: The hypothalamic-pituitary-adrenal axis in pregnancy: challenges in disease detection and treatment. Ender Rev 2005 Oct; 26(6): 775-799 2. Vilar L, Freitas Mda C, Lima LH, Lyra R, Kater CE: Cushing's disease in pregnancy: an overview. Arg Bras Endocrinol Metabol 2007 Nov; 51(8): 1293-302

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Morbus Wilson

Morbus Wilson Definition Als Morbus Wilson bezeichnet man eine seltene autosomal-rezessiv vererbte Kupferspeicherkrankheit, die durch eine Defektproteinämie, den Coeruloplasminmangel charakterisiert ist. Die Inzidenz wird auf 1 :30.000 bis 1 :100.000 geschätzt. Der heterozygote Trägerstatus beträgt 1 :180. Infolge des Coeruloplasminmangels wird Kupfer im Blut vermindert gebunden und wandert einerseits in die Gewebe ab, andererseits wird die renale Ausscheidung gesteigert. Bei gleichzeitig erhöhter enteraler Resorption entsteht eine positive Kupfer-Bilanz. Die Krankheit verläuft in 4 Stadien: Stadium I (asymptomatisch): Kupfer akkumuliert bis zur Sättigung in den Hepatozyten Stadium II: intrahepatische Rückverteilung und Freisetzung in das Blut mit der akuten Gefahr der Hämolyse und Leberzellnekrose Stadium III: Entwicklung von Leberfibrose und Zirrhose, extrahepatische Kupferakkumulation (Gehirn, Kornea, Niere) Stadium IV: Kupferbalance unter kontinuierlicher Therapie Schwangerschaftsrisiken: Unbehandelt stellt die Erkrankung häufig eine Sterilitätsursache dar. Die Erkrankung verschlechtert sich nicht, sie kann sich im Gegenteil sogar in den ersten Schwangerschaftsmonaten bessern, weil durch den ansteigenden Östrogenspiegel die Proteinsynthese, also auch von Coeruloplasmin, stimuliert wird. Darüberhinaus ist der Kupferbedarf des Feten zu beachten. Der Morbus Wilson stellt keine Kontraindikation für eine Schwangerschaft dar.

Klinik Symptome: 1 0 - 3 0 % der Patientinnen entwickeln meist zwischen dem 10. und 30. Lebensjahr eine chronisch aktive Hepatitis, selten eine fulminante Hepatitis mit akuter Hämolyse. 3 0 - 4 0 % der Patienten fallen nach dem 20. Lebensjahr mit neurologischen Störungen (extrapyramidale oder cerebelläre Dyskinesien) auf, 1 0 % mit psychiatrischer Symptomatik. Diagnostik: • klinische Symptomatik • freies Kupfer im Serum erhöht, Coeruloplasmin vermindert, Kupferausscheidung in 24 Stunden erhöht • Augenarzt: Frage nach dem Kayser-Fleischer-Kornealring (Spaltlampenmikroskop)

Therapie Die Therapie erfolgt außerhalb der Schwangerschaft mit Chelatbildnern (D-Penicillamín, Trientine) oder Zink und ist lebenslang notwendig. Bei fulminanter Hepatitis, dekompensierter Leberzirrhose oder progressiver neurologischer Symptomatik kann als ultima ratio eine Lebertransplantation erfolgen. In der Schwangerschaft ist die Therapie mit Zink zu präferieren. D-Penicillamin ist wegen seiner Teratogenität (Cutis laxa) kontraindiziert und sollte nur bei vitaler Indi-

Morbus Wilson

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kation zur Anwendung gelangen. Trientinhydrochlorid ist im Tierversuch (Ratten) teratogen und kontrollierte Studien über die Anwendung beim Menschen fehlen, so dass es in der Schwangerschaft nur gegeben werden sollte, wenn der erwartete Benefit für die Mutter die potentiellen Risiken für den Feten aufwiegt. Das teratogene Risiko für D-Penicillamin wird mit 5 % , für Trientinhydrochlorid geringer angegeben. Die Dosis muss so gewählt werden, dass der Fet keinen Zinkmangel erleidet und ständig angepasst werden. Die Dosis von Chelatbildnern sollte im letzten Trimenon auf 2/3 reduziert werden. Idealerweise sollte die Patientin mit Kinderwunsch bereits präkonzeptionell entkupfert sein und eine Umstellung auf Zinkmedikation erfolgen. Therapieziele: 1. freies Kupfer im Plasma 50% dabei asymptomatisch): • unerklärlichen pathologischen Leberwerten (typisches Cholestasemuster) • zusätzlichen entzündlichen Darmkrankheiten (geht oft der PSC voraus) • Nachweis von Antikörpern gegen glatte Muskulatur ( 2 0 - 6 0 % der Fälle) und pANCA (ca. 8 0 % der Fälle) • kein Nachweis antimitochondrialer Antikörper (AMA typisch für primär biliäre Zirrhose) Diagnostik: Die Diagnose beruht auf der Darstellung der Gallenwege mittels Cholangiographie (endoskopisch retrograde oder Magnet-Resonanz Cholangiopancreatographie [ERCP, MRCP]). Eine Leberbiopsie ist in der Regel nicht nötig (ggf. bei Abgrenzung zur Autoimmun-Hepatitis). Der Zeitraum zwischen Diagnose und dem Leberversagen beträgt 10-18 Jahre. Asymptomatische Patienten werden lediglich überwacht (Klinik, Leberwerte). Ursodeoxycholsäure (UDCA) vermindert den Juckreiz und verbessert die Leberwerte. Die chronische Cholestase und Zirrhose erfordern eine Behandlung: • Antibiotika bei rezidivierenden Cholangitiden • endoskopische Dilatation von höhergradigen Stenosen (mit Bürste η Zytologie) • Lebertransplantation bei Komplikationen im Endstadium (möglicherweise kurativ) Die PSC wird durch eine Schwangerschaft in der Regel nicht beeinflusst. Bisher liegen nur Daten zu wenigen Kasuistiken vor (13 Schwangerschaften in 10 Patientinnen). Eine engmaschige Überwachung ist in der Schwangerschaft erforderlich:

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Primär sklerosierende Cholangitis (PSC)

• regelmäßige Laborkontrollen (Serum-Bilirubin, Transaminasen) • bei Symptomatik durch Obstruktion der Gallenwege Sonographie, ggf. auch MRCP Therapie Die orale Gabe von U D C A bei PSC in der Schwangerschaft ist umstritten. Die Mindest-Dosis liegt bei 14 mg/kg Körpergewicht pro Tag. Für das erste Trimenon besteht eine Kontraindikation für U D C A (möglicherweise teratogen im Tierversuch, FDA pregnancy category Β). Stillen unter U D C A wird nicht empfohlen. Geburtshilfliches Management Aus den wenigen Kasuistiken sind keine speziellen Empfehlungen zum peripartalen Management ableitbar. Patientinnen mit biliärer Zirrhose (Stadium IV) gelten geburtshilflich als Hochrisiko-Patient: • Risiko der Ösophagusvarizenblutung (2. Trimenon, unter Wehen); Gastroskopie im 2. Trimenon empfohlen, ggf. ß-Blocker-Therapie; bei akuter Blutung keine Vasopressingabe in der Schwangerschaft • Risiko der Leberdekompensation, Thrombozytopenie, Ruptur eines Milzaneurysmas • bevorzugt Sectio als Entbindungsmodus, um Erhöhung der portalen Hypertension und frische Varizenblutung zu vermeiden Ein Zustand nach Lebertransplantation schließt eine nachfolgende Schwangerschaft nicht aus (günstig >2 Jahre nach Transplantation). Merke: Die PSC wird durch eine Schwangerschaft in der Regel nicht negativ beeinflusst. Eine engmaschige Überwachung ist in der Schwangerschaft erforderlich. Literatur: 1. Hay JE: Liver disease in pregnancy. Hepatology 2008; 47: 1067-1076. 2. Silveira MG, Lindor KD: Clinical features and management of primary sclerosing cholangitis. World J Gastroenterol 2008; 14: 3 3 3 8 - 3 3 4 9 .

Prolaktinom

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Prolaktinom Definition Prolaktinsezernierende Adenome des H V L werden als Prolaktinom bezeichnet. Es handelt sich dabei um eine sehr häufige endokrinologische Erkrankung. Mikround Makroprolaktinome werden unterschieden, wobei diese Einteilung diagnostischbildgebenden Kriterien folgt und keine Rückschlüsse auf die Höhe des Prolaktinspiegels zulässt. Definitionsgemäß sind Makroprolaktinome größer als 10 χ 10 χ 10 mm. Prolaktinome sind benigne Tumore, maligne Prolaktinome sind als Rarität einzustufen. Schwangerschaftsrisiken: Eine Hyperprolaktinämie führt über eine Suppression der Gonadotropinsekretion zur chronischen Anovulation, letztlich zur Amenorrhoe und damit zur Infertilität. Insofern wird eine Schwangerschaft immer erst nach medikamentöser Senkung des Prolaktinspiegels eintreten. In der Schwangerschaft kommt es zu einem Anstieg des Östrogenspiegels. Dadurch kann ein Prolaktinom stimuliert werden und eine sorgfältige Überwachung in der Schwangerschaft ist erforderlich. Insbesondere bei Makroprolaktinomen sollte die Schwangerschaft sorgfältig interdisziplinär geplant werden. Während der Schwangerschaft kommt es physiologisch zu einer Hyperplasie und Hypertrophie der Hypophyse, verbunden mit einem Prolaktinanstieg. Dieser Aspekt muss bei der Interpretation von Prolaktinwerten Beachtung finden.

Klinik Symptome: • sekundäre Amenorrhoe, Galaktorrhoe, Mastodynie, Infertilität • Kopfschmerzen • Gesichtsfeldausfälle Die klinische Symptomatik bei Prolaktinomwachstum in der Schwangerschaft kann unspezifisch sein. Diagnostik: Wie oben ausgeführt, ist der Eintritt einer Schwangerschaft bei vorliegender Hyperprolaktinämie/Prolaktinom unwahrscheinlich. Insofern wird die Diagnosestellung in der Regel immer vor einer Schwangerschaft erfolgen. Die unverzichtbare Basisdiagnostik umfasst: • Prolaktin im Serum • Perimetrie, Ausschluss einer Stauungspapille (Augenarzt) • MRT Kopf (Röntgen Sella obsolet!) • Zytologie, Mammasonografie/Mammografie bei Mammasekretion/Galaktorrhoe

Therapie Die primäre Therapie der Wahl beim Prolaktinom ist immer die Prolaktinsenkung durch Anwendung eines Dopaminagonisten. Das gilt auch für Makroprolaktinome. Die operative Behandlung bleibt therapierefraktären Prolaktinomen oder Situationen mit akuter Hirndrucksymptomatik bzw. Gesichtsfeldausfällen vorbehalten und die Ausnahme.

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Prolaktinom

Geburtshilfliches Management Die Therapie mit Dopaminagonisten sollte nach derzeitiger Empfehlung mit Eintritt bzw. Feststellung der Schwangerschaft beendet werden. Negative Einflüsse auf die Embryo- bzw. Fetogenese sind nicht bekannt. Insofern ergibt sich bei Weitereinnahme der Dopaminagonisten auch keine Indikation zum Schwangerschaftsabbruch. Gleichwohl stellt das Prolaktinom keine Kontraindikation für eine Schwangerschaft dar. Das Prolaktinom bedarf in der Schwangerschaft keiner speziellen Überwachung. Aus Sorgfaltsgründen wird die Durchführung einer Perimetrie 1-mal pro Trimenon empfohlen. Die Schwangere sollte auf Kopfschmerzen (mgl. Zeichen des Prolaktinomwachstums) achten. Die Entbindung kann normal erfolgen. Stillen ist möglich, allerdings wurde über eine verminderte Milchleistung bei Wöchnerinnen mit Prolaktinom berichtet. Merke: Ein Prolaktinom stellt keine Kontraindikation für eine Schwangerschaft dar, bedarf aber einer sorgfältigen Überwachung der Schwangeren. Insbesondere Frauen mit einem Makroprolaktinom sollten Ihre Schwangerschaft sorgfältig „planen" und präkonzeptionell interdisziplinär beraten werden. Literatur: 1. Bolz M: Weitere endokrine Erkrankungen in der Schwangerschaft. In: Erkrankungen in der Schwangerschaft. Hrsg. Rath W und Friese K. Thieme. Stuttgart-New York. 2005. S. 284-288.

Psoriasis

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Psoriasis Definition Chronische Hautkrankheit, epidermale Hyperproliteration, an der genetische, immunologische und Umweltfaktoren beteiligt sind. Stress und Infektionskrankheiten können die Krankheitsaktivität erhöhen. Diskutiert wird auch eine Störung des VitaminD-Stoffwechsels. Sonderformen sind psoriatrische Erythrodermie, Psoriasis pustulosa, Psoriasis arthropathica. Genetisches Risiko: 8 % bis 1 5 % , wenn ein Elternteil an Psoriasis erkrankt ist, 5 0 % bis 6 0 % , wenn beide Elternteile betroffen sind. Krankheitsaktivität in der Schwangerschaft: Verbesserung der Psoriasis in 3 0 % bis 4 0 % zumeist im 1. Trimenon, Verschlechterung in 2 0 % , keine Veränderung in 4 0 % bis 5 0 % . Schwangerschaftskomplikationen: Symptomatik einer Psoriasis-Arthritis kann sich in der Gravidität verstärken. Impetigo herpetiformis als schwere Form der Psoriasis pustulosa; erhöhte Abort-, Totgeburten- und Frühgeborenenraten sowie Raten fetaler Wachstumsrestriktion. Diese gefährliche Verlaufsform kann sich im 2./3. Trimenon entwickeln. Zugehörige maternale Komplikationen können Nausea, Erbrechen, Diarrhoe, Delir, Dehydratation, Hypokalzämie und tetanische Krämpfe sein. Triggerung der Impetigo herpetiformis durch Hyperparathyreoidismus und Zustand nach Thyreoidektomie.

Klinik Symptome: Die Krankheit breitet sich in der Schwangerschaft verstärkt in den Hautfalten aus. Es handelt sich um rote Beläge (erythematosquamöse Plaques) mit Pruritus. Prädilektionsstellen: Kopfhaut, Extremitätenstreckseiten, Lumbosakralregion. Eine symmetrische Ausbreitung, ζ. B. auf Bauch und Regio inguinalis, ist möglich. Auch Schleimhäute können befallen sein. Pusteln auf erythematosquamösen Plaques migrieren von zentral, Nekrosen hinterlassend, nach peripher. Impetigo herpetiformis kann mit Fieberschüben einhergehen. Diagnostik: Hautbiopsie bei Verdacht auf Impetigo herpetiformis. Labor: Leukozytose, Neutrophilie, erniedrigte Kalzium- und Phosphatspiegel im Serum, Eisenmangelanämie. Differentialdiagnosen: Herpes gestationis, bullöse Dermatosen, Dermatitis herpetiformis Duhring, Pemphigus vulgaris.

Therapie Kontraindiziert sind Vitamin-A-Derivate (Isotretinoin, Etretinat), Acitretin, Methotrexat, Mofetil (Mycophenolat). Patientinnen sollten mehrere Monate nach Abschluss der Behandlung ( 1 - 2 Jahre bei Acitretin und vier Monate bei Methotrexat) nicht schwanger werden. Mofetil sollte mindestens 6 Wochen vor einer geplanten Schwangerschaft abgesetzt werden. Vitamin-A-Präparate sind auch bei topischer Anwendung kontraindiziert. Kontraindiziert ist auch auch eine PUVA-Therapie (Psoralen + UV-Α). Ausgewählte systemische Therapieformen sollten bei problematischen

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Verläufen in der Schwangerschaft nicht abgesetzt bzw. angesetzt werden. Glukokortikoide (60-80 mg/die) sind bei Impetigo herpetiformis die Therapie der 1. Wahl; Ciclosporine Therapie der 2. Wahl. Ciclosporine zeigten bisher keine teratogenen Wirkungen. Systemische Therapie: • Dimethylfumarat, Fumaderm® initial/Fumaderm®, 1 Tbl. enth. Dimethylfumarat 30 mg/120 mg, Rote Liste Gr. 4, Dos.: 1-3-mal 1 Tbl./die, max. 3-mal 2 Tbl., Ind.: Schwere Formen der Psoriasis • Ciclosporin, Cicloral® HEXAL® 25 mg/-50 mg/-100 mg Kapseln, Rote Liste Gr. 4, Dos.: 2,5 mg/kg/KG; Ciclosporin 25 mg/-50 mg/-100 mg 1A-Pharma® Kapseln, Ciclosporin Sandoz 25 mg/-50 mg/-100 mg Kapseln • Glukokortikoide 15-30 mg/die (0,25-0,5 mg/kg KG) • Monoklonale Antikörper, Infliximab, Remicade® 100 mg Pulver für ein Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung, Rote Liste Gr. 4, Literatur s. u., Ind.: Generalisierte Psoriasis pustulosa, Dos.: 3 mg/kg KG i. ν Topische Therapie: • UVG-Behandlung: Schmalspektrum-UVB-Therapien • Vitamin-D-Derivate, Calcipotriol-1 A Pharma® 0,05 mg/g Salbe, Rote Liste Gr. 4, Dos.: 1-2-mal tgl., max 100 g/Woche; Calcipotriol HEXAL® 0,05 mg/g Salbe; Calcipotriol Sandoz 0,05 mg/g Salbe, Daivonex® 0,05 mg/g Creme/Salbe, Psorcutan® 0,005% Creme/Salbe/Lsg. (max. 5 mg bzw. 60 ml/Woche), Ind.: Leichte bis mittelschwere Formen der Psoriasis • Vitamin-D-Derivate, Tacalcitol, Curatoderm® Salbe/Emulsion, Rote Liste Gr. 4, 1 g enth. 4,17 μg Tacalcitol, Dos.: 2-3,5 g Salbe/die, Ind.: Leichte bis mittelschwere Formen der Psoriasis • Vitamin-D-Derivate, Calcitriol, Silkis® 3 ng/g Salbe, Rote Liste Gr. 5, Ind.: Leichte bis mittelschwere Formen der Psoriasis, Dos.: Max. 30 g Salbe/die, nicht länger als 6 Wochen • Methoxsalen, Meladinine® Lösungskonzentrat 0 , 3 % Badezusatz, Rote Liste Gr. 5, 1 ml enth. Methoxsalen 3 mg • Dithranol, Micanol® 1 % - 3 % Crème, Rote Liste Gr. 4, 1-mal tgl. anwenden, nach 30 min abspülen (Kurzkontakttherapie) • harnstoffhaltige Präparate, Psoradexan® mite/Psoradexan®/-forte Creme, kontraind. bei großflächiger Anw., 1 g enth. Dithranol 0,5 mg/1 mg/2 mg und Harnstoff 170 mg, Dos.: 2-mal tgl., Ind.: Subakute und chronische Formen der Psoriasis • salizylsäurehaltige Präparate, Psoralen® MT 0,5 %/-1 %/-2 %/-3 % Salbe, 100 g enth. Dithranol 0,5 g/1 g/2 g/3 g und Salizylsäure 2 g, Rote Liste Gr. 4, Dos.: 1-mal tgl., nach 10-20 min abspülen (Kurzkontakttherapie), • Glukokortikoide, Prednicarbat, Dermatop® • Linderungsmittel: beruhigende und feuchtigkeitsspendende Cremes Prävention/präkonzeptionelle Beratung: Sehr bedeutungsvoll, da teratogene Medikamente abgesetzt werden müssen. Zink-Substitution, besonders bei Patienten mit Psoriasis-Arthritis.

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Geburtshilfliches Management Entbindungsmodus: Aus mütterlicher Belastungssituation resultiert möglicherweise der Wunsch zur primären Sectio caesarea. Wochenbett: Schwangerschaftsassoziierte Psoriasis pustulosa im Wochenbett; 8 2 % sind Erstgebärende. Häufiges Wiederauftreten bei nachfolgenden Schwangerschaften. In den ersten drei Monaten nach der Entbindung sind Psoriasis-Schübe in 88 % zu verzeichnen. Impetigo herpetiformis kann Ursache postpartaler febriler Verläufe sein. Stillen: Keine Einschränkungen. Erfahrungen mit Ciclosporin und Stillen: Keine negativen Auswirkungen auf das Kind.

Merke: Schwangere mit Psoriasis dürfen nicht untherapiert bleiben. Ausgewählte systemische Therapieformen sollten bei problematischen Verläufen in der Schwangerschaft nicht abgesetzt werden. Ciclosporine zeigten bisher keine teratogenen Wirkungen. Notfalltherapien: Glukokortikoide, Infliximab. Literatur: 1. Briggs G G , Freeman RK, Yaffe SJ: Drugs in Pregnancy and Lactation (Eight Edition). Wolters Kluwer, Lippincott Williams & Wilkins, 2008. 2. Buell C, Koo J: Long-term safety of mycophenolate mofetil and cyclosporine: a review. J Drugs Dermatol 2008; 7: 7 4 1 - 7 4 8 . 3. Lam J, Polifka JE, Dohil MA: Safety of dermatologie drugs used in pregnant patients with psoriasis and other inflammatory skin diseases. J Am Acad Dermatol 2008; 59: 2 9 5 - 3 1 5 . 4. Sheth N, Greenblatt DT, Acland K, Barker J, Teixeira F: Generalized pustular psoriasis of pregnancy treated with infliximab. Clin Exp Dermatol 2009; 34: 5 2 1 - 5 2 2 .

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Raynaud-Syndrom

Raynaud-Syndrom Definition Das Raynaud-Syndrom ist ein Vasospasmus in Teilen der Hand als Antwort auf Kälte, emotionalen Stress und verursacht ein reversibles Unbehagen und Farbveränderungen (Blässe, Zyanose, Erythem oder eine Kombination) in einem oder mehreren Fingern. Gelegentlich sind andere Akren (ζ. B. Nase, Zunge) betroffen. Die Prävalenz des Raynaud-Syndroms ist bei Frauen doppelt so hoch wie bei Männern und liegt bei 3-5%. Das primäre Raynaud-Syndrom ist viel häufiger (>80% der Fälle) als das sekundäre: es tritt ohne Symptome anderer Krankheiten auf. Es tritt in 7 5 % der Fälle sporadisch auf, kann aber familiar gehäuft sein. Etwa 1 5 - 2 0 % der Patienten mit einem primären Raynaud-Syndrom entwickeln eine schwerere systemische Krankheit. Das sekundäre Raynaud-Syndrom ist assoziiert mit verschiedenen Zuständen, hauptsächlich Bindegewebskrankheiten wie ζ. B. Sklerodermie oder Sjögren-Syndrom. Auch Nikotin trägt häufig dazu bei.

Klinik Die oben beschriebenen Veränderungen sind häufig symmetrisch. Das Raynaud-Syndrom tritt nicht proximal des Metakarpophalangealgelenkes auf; es betrifft am häufigsten die drei Mittelfinger und selten den Daumen. Der Vasospasmus kann Minuten bis Stunden anhalten, ist aber selten stark genug, um einen Gewebeverlust zu bewirken. Die Diagnose wird klinisch gestellt, ebenso die Differenzierung in primäre oder sekundäre Formen. Unterstützend in der Diagnostik sind die Nagelfalzkapillarmikroskopie und Blutuntersuchungen (ζ. B. ANA, Rheumafaktor, anti-SCL-70-Antikörper).

Geburtshilfliches Management Die Mehrzahl der Schwangeren berichtet über keine Veränderung der Symptomatik in der Schwangerschaft. Bei etwa einem Viertel der Schwangeren kommt es sogar zu einer Besserung der Beschwerden. Folgende Zustände sind bei Frauen, die ein Raynaud-Syndrom entwickeln, vermehrt beschrieben: • Infertilität • Konzeptionsverzögerung • erhöhte Frühgeburtenrate • niedrigeres Geburtsgewicht der Kinder Die Therapie ist symptomatisch und schließt das Meiden von Kälte, die Nikotinabstinenz und, falls Stress ein auslösender Faktor ist, Entspannungstechniken mit ein. Die medikamentöse Therapie umfasst: • topische Anwendung einer Nitroglycerinsalbe im Anfall • vasodilatierende Kalziumantagonisten (ζ. B. Nifedipin mit langer Freisetzung 4 0 - 8 0 mg/d) Vasokonstriktiva (ζ. B. ß-Blocker) sind kontraindiziert. Die Behandlung der sekundären Formen fokussiert sich auf die zugrunde liegende Krankheit.

Raynaud-Syndrom

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Merke: Bei medikamentöser Behandlung muss eine Nutzen-Risiko-Abwägung hinsichtlich der fetalen Risiken bei dem meist harmlosen Charakter des Raynaud-Syndroms durchgeführt werden. Literatur: 1. Mosca M, Tani C, Bombardieri S: A case of undifferentiated connective tissue disease: is it a distinct clinical entity? Nat Clin Pract Rheumatol 2008; 4: 3 2 8 - 3 3 2 .

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Restless-Legs-Syndrom

Restless-Legs-Syndrom Definition Neben dem idiopathischen Restless-Legs-Syndrom gibt es symptomatische Formen bei Polyneuropathie, Rheumatoidarthritis und in der Schwangerschaft. Die Prävalenz des Restless-Legs-Syndroms bei Frauen beträgt ca. 6 % . Sowohl Adipositas als auch das Restless-Legs-Syndrom sind mit einer Hypofunktion der Dopamin-Signalübertragung im Zentralnervensystem verbunden. Ein Alter der Frauen zwischen 18 und 21 Jahren erhöht zusätzlich zum BMI >30 kg/m2 die Prävalenz des Restless-Legs-Syndroms. Die Prävalenz in der Schwangerschaft wird für das 3. Trimenon mit fast 25 % angegeben.

Klinik Im Vordergrund stehen unangenehme Missempfindungen in den Beinen. Diese imponieren als Taubheit, Kribbeln, Reißen, Ziehen, Brennen, bis hin zu rezidivierenden Schmerzen. Das Besondere besteht darin, dass die Missempfindungen und Schmerzen immer dann auftreten, wenn die Betroffenen zur Ruhe kommen. Das betrifft sowohl Ruhephasen im Sitzen als auch im Liegen. Das Restless-Legs-Syndrom ist somit mit Schlafstörungen verbunden. Besonders beim Einschlafen gesellt sich zu den Missempfindungen ein unangenehmer Bewegungsdrang. Diagnostik: Die Diagnose wird unter klinischen Gesichtspunkten gestellt. Durch klinisch-neurologische Untersuchungen können symptomatische Formen, wie bei Polyneuropathie im Zusammenhang mit Diabetes, ausgeschlossen werden. Frauen mit einem Restless-Legs-Syndrom zeigen deutlich höhere Estradiolspiegel während der Schwangerschaft (>30 pg/ml). Die periodischen Beinbewegungen der Patientinnen mit einem Restless-Legs-Syndrom sind durch Polysomnographie nachweisbar.

Therapie Aufklärung und Beruhigung der Patientin stehen im Vordergrund. Ein schwangerschaftsassoziiertes Restless-Legs-Syndrom sistiert nach Beendigung derselben. Bei stärker ausgeprägter Symptomatik ist ein Therapieversuch mit Folsäure (max. 5 mg/die) indiziert. L-Dopa kombiniert mit dem Decarboxylasehemmer Benserazid ist in der Schwangerschaft kontraindiziert. • Kompressionstherapie tgl. ca. 1 Stunde • Kompressionsstrümpfe Klasse 3, 4 • Kompressionsmanschetten, die einen Druck von 40 cm H 2 0 aufbauen, sobald sich Symptome ankündigen

Geburtshilfliches Management Bei erheblichen Beschwerden kann eine vorzeitige Entbindung notwendig werden. Wochenbett: Folsäure-Substitution post partum fortsetzen. L-Dopa kombiniert mit dem Decarboxylasehemmer Benserazid ist bei anhaltenden Beschwerden indiziert; in diesem Fall muss abgestillt werden.

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Merke: Das Restless-Iegs-Syndrom sistiert nach der Schwangerschaft. Symptomatisch kann Folsäure (max. 5 mg/die) verabreicht werden. Literatur: 1. Dzaja A, Wehrle R, Lancel M, Pollmächer T: Elevated estradiol plasma levels in women with Restless legs during pregnancy. Sleep 2009; 32: 1 6 9 - 1 7 4 . 2. Gao X, Schwarzschild MA, Wang H, Ascherio A: Obesity and Restless legs Syndrome in men and women. Neurology 2009; 72: 1255-1261. 3. Lee KA, Zaffke ME, Baratte-Beebe Κ: Restless legs Syndrome and sleep disturbance during pregnancy: the role of folate and iron. J Womens Health C e n d Based Med 2001; 10: 335-341. 4. Lettieri CJ, Eliasson A H : Pneumatic compression devices are an effective therapy for restless legs syndrome: a prospective, randomized, double-blinded, sham-controlled trial. Chest 2009; 135: 7 4 - 8 0 .

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Rheumatoidarthritis

Rheumatoidarthritis Syn. rheumatoide Arthritis, chronische Polyarthritis

Definition Die rheumatoide Arthritis ist ein chronisches Syndrom, charakterisiert durch eine unspezifische, gewöhnlich symmetrische Entzündung peripherer Gelenke, die zur progredienten Zerstörung artikularer und periartikulärer Strukturen führen kann, mit oder ohne generalisierte Manifestation. Ungefähr 1 % der Gesamtbevölkerung ist erkrankt. Frauen erkranken 2- bis 3-mal häufiger als Männer. Die Krankheit kann in jedem Lebensalter einsetzen, tritt aber am häufigsten zwischen 25 und 50 Jahren auf. Die Ätiologie ist unbekannt.

Klinik Die Krankheit beginnt gewöhnlich schleichend, mit fortschreitender Gelenkbeteiligung, kann aber auch abrupt mit gleichzeitiger Entzündung multipler Gelenke einsetzen. Die Schmerzempfindlichkeit in allen entzündeten Gelenken ist der bezeichnendste Befund. Die symmetrische Beteiligung der kleinen Gelenke ist typisch, aber die Krankheit kann sich in jedem Gelenk manifestieren. Extraartikuläre Manifestationen zeigen sich insbesondere in Form von subkutanen Rheumaknoten bei bis zu 3 0 % der Patienten an Stellen die chronischen Irritationen ausgesetzt sind (ζ. B. an der Streckseite des Unterarms). Subkutane Rheumaknoten sind unspezifische, nekrobiotische Granulome und sind für gewöhnlich keine frühe Manifestation. Viszerale Knötchen, Vaskulitiden, die Ulzera der Beine oder Mononeuritis multiplex verursachen, Pleura- oder Perikardergüsse, Lymphadenopathie, Felty-Syndrom, Sjögren-Syndrom oder Episkleritis sind weitere extraartikuläre Manifestationen. Die Diagnose einer rheumatoiden Arthritis ist vorwiegend aufgrund anamnestischer Angaben sowie klinischer Untersuchungsbefunde zu stellen. Ein für die Erkrankung pathognomonischer Labortest konnte bisher nicht entwickelt werden. Die bei der Mehrzahl der Patienten im Serum nachweisbaren Rheumafaktoren sind Autoantikörper gegen körpereigenes IgG. In den meisten Laboratorien wird ein Titer von 1 :160 im Latexfixationstest als der niedrigste positive Wert für die Diagnose einer rheumatoiden Arthritis angesehen.

Therapie Die Therapie der rheumatoiden Arthritis besteht aus einen kombinierten Einsatz von Physiothérapie und Pharmakotherapie. Die konventionellen physiotherapeutischen Maßnahmen, einschließlich der lokalen Kälte- und/oder Wärmetherapie, fördern den Funktionserhalt, dienen der Krankheitsstabilisierung und der Schmerzlinderung und haben, angepasst an die individuelle Belastbarkeit der Mutter, keinen negativen Einfluss auf die fetale Entwicklung. Für die Pharmakotherapie der rheumatoiden Arthritis stehen sehr unterschiedliche Substanzgruppen zur Verfügung. Einige Antirheumatika sollten vor einer geplanten Schwangerschaft prophylaktisch abgesetzt werden.

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Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR): Ein Absetzen von Substanzen dieser Gruppe vor der Planung einer Schwangerschaft wird nicht empfohlen. Für ihren Einsatz während der Schwangerschaft gibt es keine absoluten Kontraindikationen. Dennoch können Risiken der NSAR für die frühe Embryogenese nicht ausgeschlossen werden, so dass eine Therapie im 1. Trimenon eine strenge Nutzen-Risiko-Abwägung erfordert. Am Ende der Schwangerschaft können NSAR die Entbindung prolongieren (Einsatz von Indomethazin als Tokolytikum) und für eine mütterliche und fetale Blutungsneigung verantwortlich sein. Hinsichtlich der fetalen Entwicklung kann es im 3. Trimenon unter NSAR zu einem Verschluss des Ductus arteriosus Botalli kommen. Daher sollten NSAR ab der 32. SSW abgesetzt werden (Alternative: Paracetamol). Obwohl Salicylate plazentagängig sind und unter anderem mit der Muttermilch ausgeschieden werden, verursachen sie nur in seltenen Fällen Schäden beim Neugeborenen (bei hoher Konzentration) hämorrhagische Diathesen. Da eine Reaktivierung der rheumatoiden Arthritis post partum die Regel ist und für gewöhnlich eine Behandlung erfordert, kann diese mit der Laktation interferieren. Trotz geringgradig unterschiedlicher Wirkungsprinzipien zwischen den einzelnen Substanzen sollten die beschriebenen Risiken der NSAR gleichartig gewertet werden. Ob die selektiven COX-2-lnhibitoren (ζ. B. Celecoxib) ein anderes Risikoprofil zeigen, wird derzeit untersucht. Die Kurzzeitgabe von Celecoxib über 48 Stunden als Tokolytikum erbrachte keine maternalen oder fetalen Nebenwirkungen. Kortikosteroide: Kortikosteroide sind die am deutlichsten spürbar wirkenden Mittel mit kurzzeitig entzündungshemmender Eigenschaft. Ein Absetzen der Kortikosteroide ist zumindest bei niedriger Dosierung vor einer Schwangerschaftsplanung nicht erforderlich. Hinsichtlich der mütterlichen Toxizität kann eine niedrige Dosis von Kortikosteroiden durch die gesamte Schwangerschaft beibehalten werden, sofern Glukosestoffwechsel und Blutdruck regelmäßig kontrolliert werden. Hinsichtlich der fetalen Effekte besteht das Risiko einer intrauterinen Wachstumsretardierung. Von den verschiedenen Glukosteroiden sollte Prednisolon bevorzugt werden, da es am wenigsten auf den Feten übergeht. Bei mono- oder oligoartikulären Synovitiden bietet sich eine intraartikuläre Kortikosteroidapplikation an. Diese Therapieoption mit Depotkortikosteroiden (ζ. B. Triamcinolonhexacetonid) kann wegen der geringen systemischen Nebenwirkungen während der zweiten Schwangerschaftshälfte angewandt werden. Langsam wirkende Substanzen (Basistherapeutika): Für alle Basistherapeutika (ζ. B. Gold, Hydroxychloroquin, Sulfasalazin, Penicillamin) besteht wegen der Auswirkungen auf die Fertilität die Notwendigkeit des Absetzens vor einer Schwangerschaftsplanung. Da für praktisch alle Substanzen insbesondere fetale Risiken bei Gabe während der Schwangerschaft nachgewiesen wurden, sollte im Hinblick auf die lange Halbwertzeit dieser Substanzen ein frühzeitiges Absetzen vor Eintritt einer Schwangerschaft erwogen werden (3-6 Monate vorher). Bei ungeplanter Schwangerschaft sollte die Gabe der Basistherapeutika unterbrochen werden. Zytostatika oder Immunsuppressiva wie Methotrexat, Azathioprin und Ciclosporin kommen bei der schweren aktiven rheumatoiden Arthritis zunehmend zum Einsatz. Für alle Substanzen sind zum Teil schwerwiegende, vorwiegend fetale Toxizitäten beschrieben und sie sollten deshalb insbesondere in der frühen Schwangerschaft nicht zum Einsatz kommen. Stillen unter einer immunsuppressiven Therapie ist eventuell zu

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vertreten, da nur minimale Konzentrationen von Azathioprin und Methotrexat in der Muttermilch nachgewiesen werden konnten. Antikörpertherapie: Ist das Ansprechen auf Basistherapeutika, einschließlich Methotrexat, unzureichend, ist die Gabe von Etanercept und Infliximab zur Behandlung der aktiven rheumatoiden Arthritis möglich. Etanercept ist ein humanes Tumornekrosefaktor-Rezeptor (TNFR)-Fusionsprotein und wird zweimal wöchentlich in einer Dosis von 25 mg subcutan appliziert. Infliximab ist ein monoklonaler Antikörper gegen TNF-a mit hoher Affinität zur löslichen und transmembranen Form von TNF-a. Infliximab wird bei Erwachsenen intravenös verabreicht. Wegen der TNF-a-Hemmung könnte durch die Anwendung von Infliximab während der Schwangerschaft die normale 1mmunantwort des Neugeborenen beeinflusst werden. O b diese Substanzen die Fertilität, den Schwangerschaftsverlauf oder die fetale Entwicklung negativ beeinflussen, ist jedoch noch ungenügend dokumentiert. Gegenwärtig ist von einer Gabe dieser Substanzen während der Schwangerschaft abzura-

Geburtshilfliches Management Aufgrund der Häufigkeit der rheumatoiden Arthritis und der genannten Alters- und Geschlechtsverteilung sind Frauen im gebährfähigen Alter relativ häufig betroffen (Häufigkeit 1 :1000 Schwangerschaften). Die Schwangerschaft selbst beeinflusst die rheumatoide Arthritis nicht nachteilig. Es werden im Gegenteil häufig deutliche Besserungen der klinischen Aktivität, eine Verringerung der Zahl schmerzhaft befallener Gelenke und der Entzündungsaktivität beobachtet. Bei ca. 7 5 % aller Schwangeren wird eine Besserung der Beschwerden beobachtet, wohingegen die verbleibenden Patientinnen keine Änderung oder ca. 5 % der Frauen eine Verschlechterung der Symptomatik berichten. Insbesondere im I.Trimenon berichten 5 0 % der Schwangeren über einen positiven Effekt der Schwangerschaft auf ihre rheumatische Erkrankung. Nach einem positiven Einfluss der vorausgegangenen Schwangerschaft kann in der Nachfolgeschwangerschaft wiederum von einem positiven Effekt ausgegangen werden. Auf die fetale Entwicklung übt die rheumatoide Arthritis keinen negativen Einfluss aus. Der günstige Einfluss einer Schwangerschaft wird durch die Effekte von schwangerschaftsabhängigen Hormonen und Peptiden vermutet, die während der Schwangerschaft eine hemmende Wirkung auf die zelluläre Immunreaktivität ausüben. Dies bedeutet andererseits, dass es nach der Entbindung nicht selten zu einer Exazerbation der Krankheitsaktivität kommt. Innerhalb der ersten zwei Monate postpartum erreichen zwei Drittel der Wöchnerinnen wieder eine Krankheitsaktivität wie vor der Schwangerschaft. Das Stillen oder Wiedereinsetzen der Regelblutung hat darauf keinen Einfluss. Merke: Der Verlauf einer rheumatoiden Arthritis bessert sich meist durch eine Schwangerschaft. Wenn eine medikamentöse Therapie notwendig ist, sollte diese kontinuierlich durchgeführt werden (meiste Erfahrungen für Acetylsalicylsäure und Indomethazin).

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Literatur: 1. Chambers C, Koren G, Tutuncu ZN, Johnson D, Jones KL: Are new agents used to treat rheumatoid arthritis safe to take during pregnancy? Can Fam Physician 2007; 53: 4 0 9 - 4 1 2 . 2. Märker-Hermann E, Bauer H, Gromnica-lhle E: Rheumatische Erkrankungen in der Schwangerschaft. Dtsch Med Wochenschr 2008; 133: 2 4 1 0 - 2 4 1 4 .

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Röteln

Röteln Syn. Rubella; Engl.: German measles

Definition Virusinfektion (Rötelnvirus), Genus Rubivirus, Familie der RNA-Togaviren, Übertragung durch Tröpfcheninfektion, Inkubationszeit 1 4 - 2 1 Tage, hohe intrafamiliäre Ansteckungsgefahr. Infektiosität: Letzte W o c h e der Inkubationszeit und erste W o c h e des Exanthems. Ziel der W H O ist es, die Prävalenz der Rötelnembryopathie bis 2010 auf 1 Fall pro 100.000 Lebendgeburten zu senken; aktuelle Prävalenzstudie aus London zur Seronegativität bei Schwangeren ( 2 0 0 0 - 2 0 0 7 ) : 39,3/1000 (19-103/1000); Deutschland: 2 - 3 ( 9 ) % (Erhebung Labor Prof. Enders, Stuttgart). Schwangerschaftskomplikationen: Rötelnembryopathie (Letalität 1 3 - 2 5 % ) . Klassissches Gregg-Syndrom: Augenfehlbildungen (Katarakt, Glaukom), Innenohrschwerhörigkeit, Taubheit, Herzfehlbildungen (offerner Ductus Botalli). Im erweiterten Sinne gehören z u m Rötelnsyndrom u. a. Mikrozephalie, mentale und statomotorische Retardierung, fetale Wachstumsrestriktion, Hepatosplenomegalie, Myokarditis, Thrombozytopenie, late - onset disease und Spätmanifestationen in der Adoleszenz. Rötelnembryopathierisiko: Hohes Risko bei mütterlicher Infektion im 1. Trimenon, im 2. Trimenon dominieren Hördefekte. Das Infektions- und Embryopathierisiko w i r d aus unserer Sicht überschätzt. Neue Erhebungen gibt es nicht. • Risikogruppe infektion • Risikogruppe • Risikogruppe • Risikogruppe

1: Bis 11 Wochen post menstruationem: Hauptrisiko für fetale Röteln2: 1 2 - 1 7 Wochen post menstruationem: geringes Risiko, Hördefekte 3: >17 Wochen post menstruationem: Kein Risiko 4: Reinfektionen in der Frühschwangerschaft: Kein Risiko

Klinik Symptome: Rötelnexanthem nur in 2 0 % bis 3 0 % bei Erwachsenen, arthralgische und grippeähnliche Symptome bei 3 0 % bis 6 0 % . Diagnostik: Hämagglutinationstest (HAH, positiv >1 :16), IgM- und IgG-ELISA, IgGAvidität, IgG-lmmunoblotting. • HAH-Titer < 1 : 8 = fehlende Immunität, Konsequenz: Titerkontrolle bis 17 SSW • HAH-Titer > 1 :32 = Immunität, Ausnahme: kürzlicher Rötelnkontakt (IgM-Ak-Test); IgM kann kann in 2 - 3 % über Jahre persistieren • HAH-Titer 1 : 8 bis 1 : 6 4 = Immunität wahrscheinlich; Konsequenz: Bestätigungstest: IgG-ELISA, Immunität bei > 1 5 lU/ml, falls 2 mval/l (Hämodialyse ab 4 - 5 mval/l)

Schizophrenie

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Depotpräparate: • Fluphenazindecanoat, Dapotum® D Inj.Lsg., Rote Liste Gr. 4, Dos.: 12,5-100 (250) mg i. m., Appi.-Intervall 2 Wochen, Lyogen® Depot 50/100, Rote Liste Gr. 4, Dos.: 2 5 - 1 0 0 mg i. m., Appi.-Intervall 2 - 4 Wochen • Perphenazinenantat, Decentan® Depot, Rote Liste Gr. 3, Langzeittherapie und Rezidivprophylaxe b. schizophrenen Psychosen, Dos.: 50-200 mg i. m., Appi.-Intervall 2 Wochen • Fluspirilan, Fluspi® Stechampullen, Rote Liste Gr. 4, 1 Amp. enth. 6 ml = 12 mg, Dos.: 4 - 1 2 mg i. m., Appi.-Intervall wöchentlich • Flupentixoidecanoat, Fluanxol Depot 2 % 0,5 ml/1 ml (10-20 mg), Rote Liste Gr. 1, Dos.: 0,5-3 ml i. m., Appi.-Intervall 2 - 4 Wochen Geburtshilfliches Management Entbindungsmodus: Bei schizophrenen Frauen wurden häufiger Schnittentbindungen, vaginal-operative Entbindungen, Amniotomie und medikamentös induzierte Geburtseinleitungen durchgeführt (retrospektive Populationsanalysen). Niedrigere Apgar-Scores bei Neugeborenen von Frauen mit Schizophrenie. Wochenbett: Prävalenz psychotischer Störungen post partum innerhalb von 90 Tagen 1-2/1000 Geburten. Gefahr der Suizidalität. Höheres mütterliches Alter erhöht das Risiko, Diabetes und höheres Geburtsgewicht (>4500 g) verringern das Risiko von first-onset Psychosen im Wochenbett. Stillen: Abstillen bei Clonazepin und Lithiumsalzen empfohlen.

Merke: Zur Langzeittherapie und Rezidivprophylaxe auch in der Schwangerschaft können Depotpräparate vorteilhaft sein. Es besteht keine Indikation, antipsychotische Medikamente in der Schwangerschaft abzusetzen. Lithiumsalze sind im 1. Trimenon, Sulprid während der gesamten Schwangerschaft kontraindiziert. Literatur: 1. Brown AS, Bottiglieri Τ, Schaefer CA, Quesenberry CP Jr, Liu L, Bresnahan M, Süsser ES: Elevated prenatal homocysteine levels as a risk factor for schizophrenia. Arch Gen Psychiatry 2007; 64: 3 1 - 3 9 . 2. Howard L, Webb R, Abel K: Safety of antipsychotic drugs for pregnant and breastfeeding women with non-affective psychosis. BMJ 2004 23; 329 (7472): 9 3 3 - 9 3 4 . 3. Newport DJ, Calamaras MR, DeVane CL, Donovan J, Beach AJ, Winn S, Knight BT, Gibson BB, Viguera AC, Owens MJ, Nemeroff CB, Stowe ZN: Atypical antipsychotic administration during late pregnancy: placental passage and obstetrical outcomes. Am J Psychiatry 2007; 164: 1214-1220. 4. Watkins ME, Newport DJ: Psychosis in pregnancy. Obstet Gynecol 2009; 113: 1349-1353.

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Schlaganfall

Schlaganfall Zu den kardiovaskulären Ereignissen zählt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die koronare Herzkrankheit (KHK) und Herzinfarkte, zerebrovaskuläre Erkrankungen wie die Apoplexie, Hypertonie, die periphere arterielle Verschlusskrankheit (paVK), rheumatische und kongenitale Herzkrankheiten, Herzinsuffizienz, tiefe Venenthrombosen und Lungenembolie.

Definition Apoplexie (syn. zerebrovaskuläre Insuffizienz, ischämischer Insult) wird definiert als umschriebene arterielle Durchblutungsstörung im Gehirn hauptsächlich auf der Basis arteriosklerotischer Gefäßveränderungen. Die zweithäufigste Ursache sind Thromboembolien (20-30%), ζ. B. infolge des Vorhofflimmerns. Adipositas ist mit einer reduzierten zerebralen Blutflussgeschwindigkeit und einem erhöhten zerebralen Gefäßwiderstand verbunden. Für die Schwangerschaft relevante Risikofaktoren: • Adipositas • chronische Hypertonie • Migräne • Diabetes mellitus • Nikotinabusus • Hyper- und Dyslipidämie • Thrombophilie • Thrombozytopenie • systemischer Lupus erythematodes • Sichelzellenkrankheit Schwangerschaftsassoziierte Risikofaktoren: • Präeklampsie, Eklampsie • Septikämie, Sepsis • schwangerschaftsassoziierte intrazerebrale Hämorrhagien • Postpartale Hämorrhagie • Postpartale Infektionen

Klinik Schlaganfälle während der Schwangerschaft treten überwiegend postpartal auf (48%); bei der Geburt sind es 41 %, ante partum 11 %. Die Inzidenz in der Schwangerschaft beträgt 34 pro 100.000 Geburten. Die Inzidenz steigt bei 35-39-jährigen Frauen auf 58 pro 100.000 Geburten. Afro-amerikanische Frauen haben ein höheres Risiko. Symptome: Meistens treten eine Halbseitenlähmung, Sehstörungen und Sprachschwierigkeiten auf. Zur Diagnosesicherung wird in der Schwangerschaft bevorzugt eine Kernspintomographie durchgeführt. Differentialdiagnosen: Intrakranielle Hirnblutung sub partu (Prävalenz 0,01-0,05%), Fruchtwasserembolie, Hirnembolie, Subarachnoidalblutung.

Schlaganfall

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Therapie Die Therapie richtet sich entsprechend nach Pathogenese und Ausmaß des Schlaganfalls und folgt den allgemeinen Therapierichtlinien (Lyse-Therapie darf in der Schwangerschaft nur nach Einzelfallprüfung angewandt werden): • Ausgeprägte Blutung innerhalb des Hirngewebes: Operation zur Beseitigung des Blutergusses • Kleine Blutung innerhalb des Hirngewebes: konservativ • Verlegung einer Gehirnarterie durch einen Thrombus: Heparin-Therapie • Riss in einer (Hals-)Arterie: Hemmung der Blutgerinnung durch das Medikament Heparin • Akuter thrombotischer Verschluss der Arteria basilaris: Innerhalb von 6 Stunden intraarterielle Lyse • Akuter thrombotischer Verschluss der Arteria basilaris: Außerhalb des 6 h-Zeitfensters PTT-wirksame Heparinisierung • Durchblutungsstörung ohne erkennbare Ursache: Gabe des Gerinnungshemmers Acetylsalicylsäure in niedriger Dosierung (täglich 100 mg) • Infarkt eines großen Gehirnabschnitts durch Verstopfung einer größeren Gehirnarterie mit der Folge eine ausgeprägten Hirnödems: Operative Druckentlastung durch Entfernung eines Teiles des Schädelknochens (welches aufbewahrt und später wieder eingesetzt werden kann) Prävention: Frauen mit einer anamnestisch bekannten Apoplexie erhalten eine Aspirin-Prophylaxe 100 mg/die während der gesamten Schwangerschaft, peripartal und im Wochenbett. Für die Sekundärprophylaxe kann auch Heparin angewandt werden. Die allgemeine Prävention umfasst die Kontrolle von Blutdruck, Cholesterol- und Triglyzeridspiegel, Diabetes, Echokardiographie und Belastungs-EKG (Vorhofflimmern!). Zielvorgaben für eine optimale präkonzeptionelle Einstellung sind: LDL-Cholesterin unter 70 mg/dl, H D L über 50 mg/dl, Triglyzeride unter 150 mg/dl und ein Blutdruck von 120/80 mm Hg.

Geburtshilfliches Management Nach Schlaganfall in der Schwangerschaft und Stabilisierung der Patientin ist die vaginale Entbindung möglich; großzügige Sectioindikation. Blutdruckschwankungen peripartal sind zu vermeiden. Die Regionalanästhesie ist für die Senkung des Blutdrucks geeignet. Zu beachten ist ein erhöhtes Schlaganfall-Risiko im Wochenbett. Grundsätzlich ist die Antikoagulation fortzusetzen. Bei postpartaler Marcumar-Therapie erfolgt das Abstillen.

Merke: Die Therapie des Schlaganfalls in der Schwangerschaft folgt den allgemeinen Therapieempfehlungen. Bei anamnestisch bekannter Apoplexie erfolgt in der Schwangerschaft eine AspirinProphylaxe. Lyse-Therapie darf in der Schwangerschaft nur nach Einzelfallprüfung angewandt werden.

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Schlaganfall

Literatur: 1. Bateman BT, Schumacher HC, Bushnell CD, Pile-Spellman J, Simpson LL, Sacco RL, Berman MF: Intracerebral hemorrhage in pregnancy: frequency, risk factors, and outcome. Neurology 2006; 3: 4 2 4 - 4 2 9 . 2. Helms AK, Drogan O, Kittner SJ: First Trimester Stroke Prophylaxis in Pregnant Women With a History of Stroke. Stroke 2009; 40: 1158-1161.

Schwangerschaftscholestase

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Schwangerschaftscholestase Definition Als Cholestase bezeichnet man eine Störung der Gallensekretion. Die Mechanismen der Gallenproduktion und -Sekretion sind außerordentlich komplex. Man unterscheidet eine primäre oder intrahepatische Cholestase, bei der die Störung der Gallensekretionsvorgänge die Leber selbst betreffen, von einer sekundären oder extrahepatischen Cholestase, bei der mechanisch-obstruktive Vorgänge im Bereich der Gallenwege eine ursächliche Rolle spielen. Das vieldeutige klinisch-biochemische Syndrom der Cholestase ist charakterisiert durch eine verminderte biliäre Sekretion gallenpflichtiger Substanzen (Bilirubin, Gallensäuren, Phospholipide, Cholesterin). Hierdurch kommt es zu einem Anstieg des Bilirubins und der Gallensäurekonzentration im Serum; bei schwerer Cholestase sind auch Phospholipide und Cholesterin im Serum erhöht. Klinische Symptome sind hierbei der Ikterus und der Pruritus und bei schwerer Cholestase Xanthelasmen oder Xanthome. Die Schwangerschaftscholestase (intrahepatic cholestasis of pregnancy, ICP) w i r d in Mitteleuropa bei 0 , 1 - 1 % der Schwangerschaften beobachtet und tritt im 3. Trimenon auf. Pathogenetisch spielt die cholestatische W i r k u n g der weiblichen Sexualhormone (Östrogen, Progesteron) eine wichtige Rolle. Weitere mögliche auslösende Faktoren einer ICP sind: • Progesterontherapie im 3. Trimenon • Selenmangel • Hepatitis C (Virus vermindert Expression der Bilirubin- und Konjugat-Exportpumpe MRP2 [multidrug resistance-related protein 2]) • nicht-alkoholtoxische Leberzirrhose • Gallensteine/Cholezystitis • Erhöhung der Darmpermeabilität • genetische Polymorphismen von Galletransportsystemen (z. B. Defekt in der Phospholipid-Exportpumpe MDR3 (multidrug resistance protein 3) bei 1 5 % aller ICPFälle)

Klinik Das klinische Leitsymptom ist der Juckreiz (Beginn meist zwischen der 2 5 . - 3 2 . SSW), der zuerst vor allem im Bereich der Handflächen und Fußsohlen auftritt. Ein Ikterus tritt in ca. 1 0 - 2 5 % der Fälle auf, meist erst 1 - 4 Wochen nach Erstmanifestation des Pruritus. Mitunter leiden die Frauen auch an Übelkeit, Erbrechen und Oberbauchschmerzen. Laborchemisch findet sich eine Erhöhung der Transaminasen (gering bis 1 0 - 2 0 - f a c h e der oberen Norm) mit diskreter Erhöhung der Cholestasefermente alkalische Phosphatase (cave: physiologische Erhöhung in der Schwangerschaft durch Plazenta-Isoenzym) und Leucinaminopeptidase. Eine leichte GGT-Erhöhung ist meist bei gleichzeitiger MDR3-Mutation zu verzeichnen. Typischerweise sind die Serumgallensäuren erhöht (>10 μιιηοΙ/Ι; Werte >40 μπιοΙ/Ι sind prognostisch ungünstig [intrauteriner Fruchttod]), jedoch routinemäßig meist nicht verfügbar.

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Schwangerschaftscholestase

Differentialdiagnose: Differentialdiagnostisch kommen folgende Zustände in Betracht: • Virushepatitis/Autoimmun-Hepatitis • Cholezystolithiasis • chronische Lebererkrankungen (ζ. B. primär sklerosierende Cholangitis) • arzneimittelbedingte Lebertoxizität Therapie Das Management einer ICP umfasst zwei Säulen: • symptomatische Therapie für die Mutter • engmaschiges fetales Monitoring und frühzeitige Entbindung Die orale Gabe von Ursodeoxycholsäure ( U D C A ; 1 0 - 1 5 mg/kg Körpergewicht täglich, ζ. B. 1 g/d über 3 Wochen) lindert den Juckreiz, hat einen günstigen Effekt auf die Transaminasen und vermindert die Frühgeburtlichkeit. Alternativ zur U D C A - G a b e steht Dexamethason (ζ. B. 12 mg/d über eine Woche) zur Auswahl (gleichzeitig fetale Lungereifeinduktion), jedoch war die Dexamethasontherapie im direkten Vergleich gegenüber U D C A weniger effektiv. Die Verabreichung von Colestyramin ( 6 - 8 g oral zweimal täglich) kann z u einer potentiellen Verschlechterung des Vitamin-K-Mangels führen. Colestyramin sollte nicht mit U D C A kombiniert eingenommen werden (Resorptionsstörung von U D C A ) . Bei für die Patientin unerträglichen Juckreiz ist die Plasmapherese eine Option; die Gallensäurespiegel fallen sofort. Nach einigen Tagen kann jedoch wieder Juckreiz und erhöhte Gallensäurespiegel auftreten, so dass die Plasmapherese wiederholt werden muss. Geburtshilfliches Management Die ICP ist nach der Entbindung rasch (innerhalb von 2 4 - 4 8 Stunden) reversibel, wodurch die Diagnose einer ICP letztendlich bestätigt wird. Somit ist die Entbindung die kausale „Therapie" der ICP. Bei Vitamin-K-Mangel ist das Risiko einer postpartalen Blutung erhöht. Das Rezidivrisiko in einer nachfolgenden Schwangerschaft beträgt 4 5 - 7 0 % . Für den Fetus besteht das Risiko der Plazentainsuffizienz, der Frühgeburt ( 2 0 % der Fälle) und des intrauterinen Fruchttodes ( 1 - 2 % ; wahrscheinlich bedingt durch erhöhte fetale Gallensäurespiegel). Merke: Nach der Virushepatitis ist die Schwangerschaftscholestase die zweithäufigste Ursache für ein Ikterus in der Schwangerschaft. Literatur: 1. Hay JE: Liver disease in pregnancy. Hepatology 2008; 47: 1067-1076. 2. Hepburn IS: Pregnancy-associated liver disorders. Dig Dis Sci 2008; 53: 2334-2358. 3. O'Leary JC, Pratt DS: Cholestasis and cholestatic syndromes. Curr Opin Gastroenterol 2007; 23: 232-236. 4. Trauner M, Fickert P, Pertl B: Schwangerschaftsspezifische Lebererkrankungen. Dtsch Ärztebl 2004; 101: A3416-3425.

Schwangerschaftsdermatose

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Schwangerschaftsdermatose Engl. Pruritic urticarial papules and plaques of pregnancy, Abk. PUPPP

Definition PUPPP ist die häufigste spezifische Schwangerschaftsdermatose. Sie tritt vor allem im 3. Trimenon auf (durchschnittlich 35. SSW) und zeigt einen benignen Verlauf. Die Inzidenz liegt bei 1 :130 bis 1 :300 Schwangeren. Vorwiegend sind Erstgebärende betroffen. Mehrlingsschwangerschaften scheinen das Risiko zu erhöhen: • ein PUPPP-Fall auf 200 Einlingsschwangerschaften • 7,9 PUPPP-Fälle auf 200 Mehrlingsschwangerschaften Die Ätiologie der Erkrankung ist unbekannt. Die Überdehnung der Haut (insbesondere bei Mehrlingen) scheint eine Rolle zu spielen. Eine familiäre Komponente ist möglich. PUPPP sind nicht mit gehäuften Schwangerschaftskomplikationen assozi-

Klinik Die Hautveränderungen sind polymorph: • stark juckende Papeln • urtikarielle Plaques • Begleitödem • initial im Bereich der abdominalen Striae gravidarum, später Ausbreitung auf andere Körperteile (Gesicht wird ausgespart) Das klinische Bild ist typisch und wegweisend. Laborveränderungen und Histopathologie sind unspezifisch; die Immunfluoreszenz und Serologie sind negativ. Differentialdiagnostisch kommen der Herpes gestationis und ein Arzneimittelexanthem in Betracht.

Therapie Therapeutisch sind orale Antihistaminika (ζ. B. Fenistil®, Tavegil®) und lokale Kortikosteroide ausreichend. Bei schweren Verläufen ggf. systemische Gabe notwendig (Prednison 2 0 - 4 0 mg pro Tag oral).

Geburtshilfliches Management Eine vorzeitige Entbindung in therapierefraktären Fällen hat keinen zusätzlichen Effekt und ist nicht indiziert. Rückbildung der Symptomatik meist 1 - 2 Wochen nach Entbindung. Das Neugeborene ist von den PUPPP nicht betroffen. Merke: PUPPP ist die häufigste spezifische Schwangerschaftsdermatose. Sie tritt vor allem im 3. Trimenon auf und zeigt einen benignen Verlauf (keine gehäuften Schwangerschaftskomplikationen).

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Schwangerschaftsdermatose

Literatur: 1. Kroumpouzos C, Cohen LM: Specific dermatoses of pregnancy: an evidence-based systematic review. Am J Obstet Gynecol 2003; 188: 1 0 8 3 - 1 0 9 2 . 2. Tunzi M, Gray GR: Common skin conditions during pregnancy. Am Fam Physician 2007; 75: 211-218. 3. Weisshaar E, Witteler R, Diepgen TL, Luger TA, Ständer S: Pruritus in der Schwangerschaft: Eine häufige diagnostische und therapeutische Herausforderung. Hautarzt 2005; 56: 4 8 - 5 7 .

Sjögren-Syndrom (SS)

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Sjögren-Syndrom (SS) Definition Das Sjögren-Syndrom (SS) ist eine relativ häufige autoimmune Bindegewebskrankheit, es tritt am häufigsten bei Frauen mittleren Alters in Erscheinung. Dabei handelt es sich um einen chronischen, systemisch-entzündlichen Prozess mit unbekannter Ätiologie, gekennzeichnet durch Sicca-Symptomatik in Mund, Augen und anderen Schleimhäuten. Die Krankheit kann in primärer Form oder sekundär assoziiert mit anderen Bindegewebskrankheiten auftreten. Beim primären SS scheint die Schwangerschaft keinen Einfluss auf den Krankheitsverlauf zu haben. Im Falle eines sekundären SS fokussiert man sich auf die assoziierte Erkrankung (meist systemischer Lupus erythematodes). Schwangere mit einer Kombination von beiden Formen müssen besonders sorgfältig überwacht werden.

Klinik Das SS betrifft anfänglich (und manchmal als einzige Manifestation) oft Augen und Mund. Die Trockenheit der Augen kann Reizzustände und Lichtempfindlichkeit hervorrufen. In fortgeschrittenen Fällen kommt es zu einer Schädigung der Hornhaut. Die Verminderung der Speichelproduktion (Xerostomie) führt zu Schwierigkeiten beim Kauen und Schlucken, sekundärer Candidiasis, Zahnverfall und Steinbildung in den Speichelgängen. Bei etwa einem Drittel der Patientinnen kommt es zu einer Parotisvergrößerung mit geringer Druckschmerzhaftigkeit. Eine Arthritis tritt ebenfalls in einem Drittel der Fälle in ähnlicher Form wie bei einer Rheumatoidarthritis auf. Die Diagnose wird anhand von sechs Kriterien gestellt (wahrscheinlich bei >3 und definitiv bei > 4 vorhandenen Kriterien): • Augen- und Mundsymptome • Augenuntersuchungen (z. B. Schirmer-Test) • Speicheldrüsenbefall • Autoantikörpernachweis • Histopathologie Serologisch liegt auch aus geburtshilflicher Sicht das Augenmerk auf den Nachweis von anti-SS-A (anti-Ro)- und anti-SS-B (anti-La)-Antikörpern. Mehr als 7 0 % der SS-Patienten sind Rheumafaktor-positiv.

Therapie Eine spezifische Therapie des SS gibt es nicht. Pulmonale Infektionen und Nierenversagen können zu schweren Komplikationen führen. Von der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie e. V. existieren Empfehlungen zur supportiven Therapie der SiccaSymptomatik bei SS: • Tränenersatzmittel (ab einer Tropffrequenz von 4 χ täglich unkonservierte Substanzen) • künstlicher Speichel • Tränengangsocclusion als lokal-mechanische Maßnahme • Lokaltherapie mit autologem Serum

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Sjögren-Syndrom (SS)

• Pilocarpin oral (keine Erfahrung in der Schwangerschaft!) • Bromhexin 3-4-mal täglich 8 mg oral (strenge Indikationsstellung in der Schwangerschaft da Plazentapassage) Bei schweren systemischen Manifestationen kommen Glukokortikoide oder Immunsuppressiva zum Einsatz. Geburtshilfliches Management Das Risiko für die Ausbildung eines kongenitalen Herzblocks beim Feten (congenital heart block, CHB) ist insbesondere beim Nachweis von anti-SS-A/B-Antikörpern erhöht. Da die fetale Prognose eines CHB schlecht ist, wird die Doppler-Echokardiographie alle 1 - 2 Wochen während der vulnerablen Phase zwischen der 16. und 28. SSW empfohlen. Bei einer high risk-Situation für ein CHB (vorausgegangene Schwangerschaft mit CHB, pathologische fetale Echokardiographie) sollte eine Therapie mit Dexamethason, Azathioprin und/oder Plasmapherese diskutiert werden. Bei einer fetalen Herzfrequenz 9 0 % der Fälle nachzuweisen. Patienten mit diffuser Sklerodermie zeigen häufiger Anti-Scl-70-Antikörper. Schwangerschaftskomplikationen: Die Sklerodermie hat die ungünstigste neonatale Prognose von allen Kollagenosen. Das Abortrisiko bei der Sklerodermie wird bis zu 2 0 % angegeben, eine Inzidenz an Totgeburten zwischen 3 und 6 % . Eine Gestationshypertonie kommt häufiger vor (bis 30%). Ursächlich für das Abort- und Gestationshypertonie-Risiko wird eine Intimaverdickung der Nierenarterien diskutiert. Vasospasmen im Bereich der fetoplazentaren Einheit sollen bei der Sklerodermie für eine erhöhte Rate an fetalen Wachstumsretardierungen verantwortlich sein. In der Schwangerschaft ist insbesondere auf die Nierenbeteiligung der Erkrankung zu achten. Eine ZNS-Beteiligung kommt selten vor. Neuere Studien ergaben, dass bei einem hohen Anteil von Fällen (60-88%) die Erkrankung klinisch stabil bleibt. Eine Verschlechterung oder Besserung des Zustandes ist seltener und jeweils etwa gleich häufig (5-20%). Mütterliche Todesfälle können die Folge einer nicht beherrschbaren Hypertonie und des Nierenversagens bevorzugt im 3. Trimenon sein. Patientinnen mit einer „diffusen" Sklerodermie haben auch in der Schwangerschaft eine ungünstigere Prognose. Ein Schwangerschaftsabbruch ist bei kardiopulmonalen und renalen Komplikationen zu erwägen (z. B. bei Kardiomyopathie mit Ejektionsfraktion < 3 0 % , restriktiver Ateminsuffizienz, Vitalkapazität < 5 0 % des Normalwertes, Malabsorption oder Niereninsuffizienz). Andernfalls ist eine sehr sorgfältige Überwachung notwendig.

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Sklerodermie

Therapie Vorzeitige Schwangerschaftsbeendigung aus mütterlicher Indiktion bei Hypertonie, Herzbeteiligung und nephrologischen Komplikationen (Proteinurie!). Symptomatische Therapie mit Paracetamol, Indomethazin, Diclofenac. Kortikoide sind bei Myositiden indiziert (cave: Steroide können eventuell eine renale Krise auslösen). Obwohl die Wirksamkeit der immunsuppressiven Therapie noch nicht eindeutig erwiesen ist, ist die Fortsetzung der Behandlung mit D-Penicillamin oder Ciclosporin in der Schwangerschaft bei neu aufgetretener, diffuser Sklerodermie zu empfehlen. Renale Komplikationen können ein schwerwiegendes Ereignis in der Schwangerschaft darstellen. Eine Therapie mit ACE-Hemmern ist trotz bekannter fetaler Risiken unbedingt indiziert, da sonst bei unbehandelten Patientinnen eine Dialysepflicht besteht („aggressive" Therapie mit ACE-Hemmern). Merke: Patientinnen mit einer „diffusen" Sklerodermie haben in der Schwangerschaft ein erhöhtes Risiko für schwere kardiopulmonale und renale Komplikationen, so dass die Verzögerung einer Schwangerschaft bis zur Stabilisierung der Sklerodermie (über mindestens 4 Jahre) empfohlen wird.

Literatur: 1. Doria A, laccarino L, Chirardello A, Arienti S, Zampieri S, Rampudda ME, Tincani A, Todesco S: Seltene a u t o i m m u n e rheumatische Erkrankungen in der Schwangerschaft. Ζ Rheumatol 2006; 65: 2 0 0 - 2 0 8 . 2. Steen V D : Pregnancy and scleroderma. Rheum Dis Clin North A m 2007; 33: 3 4 5 - 3 5 8 .

Struma

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Struma Definition Die Struma (Struma diffusa oder nodosa) ist in Deutschland mit 3 0 - 5 0 % die häufigste endokrine Erkrankung überhaupt. Alimentärer Jodmangel ist in > 9 0 % der Fälle als Ursache zu benennen. Langdauernder Jodmangel begünstigt die Knotenbildung innerhalb der Struma. Schwangerschaftsrisiken (maternal): • Während der Schwangerschaft besteht eine besondere Empfindlichkeit gegenüber einem Jodmangel und damit für die Ausbildung einer Struma diffusa oder nodosa • Darüber hinaus wird die Empfindlichkeit der Schilddrüse gegenüber Strahlen verstärkt • Bei malignen Schilddrüsenknoten besteht kein Zusammenhang zum Jodmangel Besonderheit: Bei überwiegend retrosternaler Entwicklung einer Struma Verlegung der mütterlichen Atemwege möglich; cave: Intubationshindernis bei Notfallentbindung.

Klinik Symptome: • Kloß- und Druckgefühl im Hals, Schluckbeschwerden, häufiges Räuspern. • bei großer Struma: Luftnot, Stridor, Einflusstauung - selten! Diagnostik: • Sonografie (möglichst farbcodiert) • Labor (TSH, fT4, TPO) • Bei suspekten Knoten ggf. Feinnadelbiopsie (ideal sonografisch gestützt) • Laryngoskopie zur Beurteilung der Beziehung Struma/Atemwege (alternativ auch Röntgenaufnahme Thorax möglich - 2. Wahl!) Prävention: • Jodidprophylaxe: Supplementation von 150 μg Jodid/die • bei Z. n. Struma-OP Substitution von L-Thyroxin

Therapie • Kombination Jodid mit L-Thyroxin ( 5 0 - 1 0 0 ^ig/die) • T S H soll nicht supprimiert werden.

Geburtshilfliches Management • Grundsätzlich normale Geburt möglich • Eine große Struma kann im Einzelfall ein Intubationshindernis, insbesondere bei Notfallentbindung, darstellen, hier sollte die primäre Sectio caesarea, ggf. auch mit fiberoptischer Intubation (alternativ Regionalanästhesie) erwogen werden

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Struma

Merke: Zur Vermeidung der Strumabildung bzw. zur Verlangsamung des weiteren Schilddrüsenwachstums in der Schwangerschaft wird die Supplementation von 150-200 ng Jodid/die empfohlen bzw. bei vorbestehender Struma Substitution von L-Thyroxin. Literatur: 1. Rezig K, Diar N, Benabidallah D, Dardel A: Goiter and pregnancy: a cause of difficult intubation. Ann Fr Anesth Reanim 2001 Aug; 20(7): 639-642. 2. Zimmermann MB: Iodine deficiency. Endocrin Rev 2009 Jun; 30(4): 376-408.

Systemischer Lupus erythematodes (SLE)

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Systemischer Lupus erythematodes (SLE) Definition Der systemische Lupus erythematodes ist eine entzündliche Autoimmunerkrankung, die zahlreiche Organe betreffen kann. Autoantikörper und zirkulierende Immunkomplexe führen zur Kapillarschädigung viszeraler Strukturen. Vorkommen: Ein systemischer Lupus erythematodes tritt bei Frauen im Verhältnis 10:1 häufiger als bei Männern auf. Die Erkrankung beginnt häufig in jungen Jahren nach der Pubertät; Prävalenz 1 :1.700 bei Frauen zwischen 15 und 64 Jahren. Ätiopathogenese: Autoantikörper und zirkulierende Immunkomplexe führen zur Schädigung der Kapillarwände viszeraler Strukturen. D i e Antiphospholipid-Antikörper sollen eine direkte abortive Wirkung besitzen. Desweiteren werden sowohl Vaskulopathie-bedingte, plazentare Durchblutungsstörungen als auch eine verminderte Prostazyklinsynthese des Endothels mit nachfolgender Vasokonstriktion und Bildung von Mikrothromben diskutiert.

Klinik Die wesentlichen Manifestationen des SLE äußern sich in einer Hyperkoagulabilität, Haut („Schmetterlingserythem")- und Nierenbeteiligung und Arthritis. Primär kommt es bei 9 0 % der Patienten zur Gelenkmanifestation. Selten kommt es zur ZNS-Beteiligung (ZNS-SLE, Enzephalopathie). Bei schweren Verlaufsformen findet man Myokarditis, Hypertonie, neurologische Symptome, Nephritis, restriktive Lungenerkrankung. Das Vorhandensein von Antiphospholipid-Antikörpern geht häufiger mit Schwangerschaftskomplikationen einher. Labor: Fluoreszenztest auf antinukleäre Faktoren ( > 9 8 % positive ΑΝΑ-Tests, noch spezifischer Anti-DNS-Antikörper), Komplementverminderung, Thrombozytopenie, Leukopenie, positiver Coombs-Test, Hämaturie, zelluläre Bestandteile im Urin positiv, erhöhtes Serum-Kreatinin. Das Risiko für die Entwicklung eines SLE-„Flares" ist im Verlauf einer Schwangerschaft nicht erhöht. Antikörperbestimmungen: Antiphospholipid-Antikörper (Anti-Cardiolipin-Antikörper), Anti-Ro (Anti-SSA), Anti-LA (Anti-SSB), Anti-Sm (hochspezifisch). Falsch positive LuesTests bei 5 - 1 0 % der SLE-Patienten. Schwangerschaftskomplikationen: Die meisten Patientinnen mit einem systemischen Lupus erythematodes können eine Schwangerschaft erfolgreich austragen. Es existieren Kontraindikationen für eine Schwangerschaft bei SLE in bestimmten Konstellationen, nämlich in Fällen einer aktiven Lupus-Nephritis 3 - 6 Monate vor Konzeption, eines nephrotischen Syndroms, einer mittleren bis schweren Hypertonie, einem deutlich erhöhten Kreatinin sowie bei aktiven ZNS-Befall. Die routinemäßige Applikation von Glukokortikoiden bei schwangeren SLE-Patientinnen ist nicht erforderlich. Eine sogenannte Stressdosierung (100 mg Hydrocortison alle 8 Stunden, insgesamt 3 Applikationen) sollte allen SLE-Patientinnen unter der Geburt verabreicht werden, die im abgelaufenen Jahr Glukokortikoide zur SLE-Therapie erhielten. Ein systemischer Lupus erythematodes kann unverändert in der Schwanger-

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Systemischer Lupus erythematodes (SLE)

schaft im Vergleich zur präkonzeptionellen Situation verlaufen, aber auch eine Exazerbation ist jederzeit möglich. In der Schwangerschaft kann es zu einer Exazerbation eines SLE (Hypertonie, Proteinurie in Kombination mit einem Multiorganversagen) mit einer aktiven Begleitnephritis kommen. Die Symptome entsprechen denen einer schweren Präeklampsie. Bei 5 0 % der Patientinnen mit Nephritis kann es in der Schwangerschaft zur Exazerbation kommen. Es gibt keine Hinweise dafür, dass neurologische Symptome in der Schwangerschaft häufiger vorkommen. Der Schlaganfall ist eine bekannte SLE-Komplikation. Kopfschmerzen können durch venöse Thrombosen bedingt sein. Beschrieben wurde auch eine Chorea gravidarum in Assoziation mit dem Antiphospholipidsyndrom. Im Zusammenhang mit der Langzeit-Steroidtherapie sind Psychosen und Depressionen besonders beim Nachweis von Antikörpern gegen das ribosomale Protein Ρ beschrieben worden. Laborparameter mit prädiktivem Vorhersagewert gibt es bisher nicht. Rezidivierende Aborte (vor allem im 1. Trimenon) korrelieren mit hoher Krankheitsaktivität zum Konzeptionszeitpunkt insbesondere beim Nachweis von Antiphospholipid-Antikörpern. Beim SLE werden Abortraten zwischen 4 - 3 5 % und Totgeburtenraten zwischen 3 - 2 9 % angegeben. Das Gestationshypertonierisiko beträgt bei SLE 2 0 - 3 0 % . Mit einer Verschlechterung des Krankheitsbildes in der Schwangerschaft ist in 1 3 % der Fälle zu rechnen. Häufiger tritt auch die Pfropfpräeklampsie auf sowie in ca. 2 3 % der Fälle von Schwangerschaften bei SLE eine fetale Wachstumsretardierung. Die Azidosehäufigkeit ist bei SLE erhöht, meistens im Zusammenhang mit nachweisbaren Antiphospholipid-Antikörpern. Bei Feten von an SLE erkrankten Müttern und nachgewiesenen Anti-Ro-Antikörpern (anti-52 kD SS-A/Ro antibodies) kann es zur Ausbildung eines kompletten kongenitalen AV-Blocks [congenital complete heart block (CCHB)] kommen. Das Risiko beträgt dann 5 % und erhöht sich auf 3 5 % , falls bereits ein Kind mit C C H B geboren wurde. Neben dem kompletten AV-Block können Lupusdermatitis, Thrombozytopenie und Cholestase vorkommen. Differentialdiagnose: Differenzierung eines SLE-„Flares" von einer Präeklampsie und vom nephrotischen Syndrom.

Therapie Bei unkompliziertem Schwangerschaftsverlauf soll der Geburtstermin nicht überschritten werden. Fetale und maternale Gefahrenzustände, wie intrauterine Mangelversorgung des Feten oder hypertensive Schwangerschaftskomplikationen, machen eine vorzeitige indizierte Geburt erforderlich (häufig iatrogene Frühgeburt). Bei nachweisbaren Antikörpern (Anti-Ro) sollten bereits im 2. Trimenon (ab der 12. SSW) Glukokortikoide eingesetzt werden, da es möglicherweise eine Antikörper-induzierte Herzfehlbildung (AV-Block) gibt. Hinsichtlich Plasmapherese liegen nur wenige Erfahrungen vor. Auch beim Nachweis von Anti-Cardiolipin-Antikörpern sollten ab der 12. SSW 40 mg Prednison und 6 0 - 8 0 mg ASS/Tag appliziert werden. Einige Autoren empfehlen ASS 6 0 - 8 0 mg/Tag in Kombination mit Prednison 2 0 - 8 0 mg/Tag sowie zusätzlich eine niedermolekulare Heparin-Prophylaxe, die günstiger ist als eine Heparin-low-dose-Anwendung. Im Falle einer Exazerbation sollte mit 6 0 - 8 0 mg Prednison täglich bis zur klinischen Besserung begonnen werden. Bei ausbleibender Remission kann eine immunsuppressive

Systemischer Lupus erythematodes (SLE)

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Therapie mit Azathioprin erwogen werden. Unklar ist ζ. B., ob nach Plazentapassage dieser zytotoxischen Substanz für die Neugeborenen ein höheres Risiko besteht, an Neoplasien zu erkranken. Schwangere Lupuspatientinnen mit einem nephrotischen Syndrom und Hypertonie sollten mit Thiaziden therapiert werden. Angiotensin-converting-Enzym (ACE)-Hemmer sind aufgrund der Beeinflussung der fetalen Nierenfunktion erst in 2. Linie anzuwenden. Für die Therapie der Hypertonie eignet sich Nifedipin. Bei Kopfschmerzen werden trizyklische Antidepressiva (Amitriptylin, Imipramin) bevorzugt. Kongenitale Anomalien sind kasuistisch beschrieben worden. Für Fluoxetin und Sertralin gibt es bisher keine teratogenen Hinweise. Eine notwendige antikonvulsive Therapie erfolgt entsprechend den Hinweisen bei Epilepsie; Dosierung kontinuierlich und individualisiert, ζ. B. Phenytoin. Weitere Indikationen für eine Prednison-Therapie bei SLE und Schwangerschaft: • Perikarditis • Myokarditis • Pleuritis • Nephritis • Hämolytische Anämie • Thrombozytopenie • Leukopenie • ZNS-Beteiligung Merke: Eine Schwangerschaft sollte in einer inaktiven Krankheitsphase bei bekanntem SLE geplant werden. Patientinnen mit normalem Blutdruck und normaler Nierenfunktion können einen unkomplizierten Schwangerschaftsverlauf aufweisen. Eine Patientin mit SLE sollte spätestens am Termin entbunden werden. Literatur: 1. D'Cruz DP, Khamashta MA, Hughes GRV: Systemic lupus erythematodes. Lancet 2007; 369: 587-596. 2. Märker-Hermann E, Bauer H, Gromnica-Ihle E: Rheumatische Erkrankungen in der Schwangerschaft. Dtsch Med Wochenschr 2008; 133: 2410-2414.

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Thromboembolie, venöse

Thromboembolie, venöse Definition Lungenembolie und tiefe Venenthrombose (TVT) sind die beiden Komponenten der venösen Thromboembolie. Prävalenz: 0,076-0,17% TVT in der Schwangerschaft (andere Angaben: 0,08-0,29%). 4-fach erhöhtes Risiko im Vergleich zur nichtschwangeren Population. Zwei Drittel aller tiefen Venenthrombosen ante partum, verteilt auf alle Trimena. 4 3 - 6 0 % der Lungenembolien erfolgen post partum. TVT-Prädisposition des linken Beins (70-90%). Prävalenz einer isolierten TVT der Vv. iliacae in der Schwangerschaft erhöht. 5 0 % der TVT in der Schwangerschaft haben eine Assoziation zu heriditären und erworbenen Thrombophilien. 3 0 % der Lungenembolien in der Schwangerschaft resultieren aus silenten tiefen Venenthrombosen. Bei Patienten mit TVT-Symptomen kommen silente Lungenembolien in 4 0 % vor. Bei einem klinischen Verdacht auf TVT wurden in 1 0 % venöse Thromboembolien beobachtet. Risikofaktoren: Verstärkte Gerinnungsbereitschaft in der Schwangerschaft durch Zunahme plasmatischer Gerinnungsfaktoren, Fibrinogen, Faktor II, V, VII, Vili, IX, Χ, XII, sowie v. Willebrand-Faktor, Prothrombin Fragment 1 + 2, D-Dimer und Abnahme der Protein S-Konzentration (Kofaktor für Protein C), Protein C, Antithrombin, t-PA. Es kommt zur Verminderung der fibrinolytischen Aktivität sowie zur Steigerung der antifibrinolytischen Aktivität. Schwangerschaft: Gerinnungshemmkörper erniedrigt, Fibrinolysehemmer erhöht. Reduktion des venösen Blutflusses in den Beinen um 5 0 % nach 25 Schwangerschaftswochen bis 6 Wochen post partum. Bei Schwangeren mit >3 Tagen Bettruhe erhöt sich das TVT-Risiko auf 1,56%. Weitere Risikofaktoren: Hereditäre und erworbene Thrombophilien, Thrombosen in der Anamnese, Anti-Phospholipid-Syndrom, kardiovaskuläre Erkrankungen, SichelzellAnämie, Diabetes mellitus, Adipositas, systemischer Lupus erythematodes, Budd-Chiari-Syndrom, Rauchen, Mehrlingsschwangerschaft, mütterliches Alter >35 Jahre, Notfall-Sectio caesarea. Faktor-V-Leiden-Mutation (FVL, FV: Q506-Mutation, aktivierte Protein C-Resistenz, APC-Resistenz): APC-Resistenz: Aktiviertes Protein C kann Faktor V nicht abbauen. FVL-Prävalenz in der Schwangerschaft ca. 3 % (5-10%). FVL wird in 2 0 - 6 0 % bei Patienten mit TVT beschrieben. Die heterozygote Form ist mit einem 5-10-fach erhöhten Thromboserisiko, die homozygote mit einem 50-100-fach erhöhten Thromboserisiko verbunden. Das höchste Risiko besteht bei einem kombinierten Gendefekt: FVL + Prothrombin-Mutation (G2021 OA-Polymorphismus) sowie im Wochenbett. AngeboreneThrombophilie • APC-Resistenz (überwiegend Faktor-V-Leiden-Mutation) • Gerinnungsinhibitor-Mangel: ATill Mangel, Protein C Mangel, Protein S Mangel

Thromboembolie, venöse

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• Prothrombinmutation • Dysfibrinogenämie Familiäre Thrombosen kommen vor bei: • Plasminogenmangel • Plasmi nogen-Aktivator-Mangel • Plasmi nogen-Aktivator-Inh ibitor-Überschuss • a 2 -Antiplasmin-Überschuss Adipositas mit weiteren potenzierenden Risikofaktoren. Diese sind: • Alter 35 Jahre • Rauchen (10-30 Zigaretten/die) • Diabetes • Hypertonie • Mehrlingsschwangerschaft • Immobilität • ln-vitro Fertilisation • Sectio caesarea • Postpartale Blutung (>1000 ml) (mit chirurgischer Intervention 12-fach erhöhtes Risiko!) • Infektion (bei vaginaler Geburt 20-fach erhöhtes Risiko!) • Präeklampsie Komplikationen: Mütterliche Todesfälle durch Lungenembolien werden zwischen 1,1-1,5 per 100.000 Geburten angegeben. (The National Institute for Clinical Excellence 2003, The Confidential enquiry into maternal and Child Health, CEMACH 2007.)

Klinik Symptome: Rückenschmerzen, venöse Stauung des gesamten Beines, meist linksseitig, isolierte TVT der Vv. iliacae. Klassische Zeichen der tiefen Thrombose: • Plötzlicher ziehender Schmerz in der Wade, Kniekehle und Fußsohle, manchmal Ähnlichkeit mit rheumatischem Schmerz oder Muskelkater • Spannung in der Wadenmuskulatur (Homann-Zeichen: Schmerzen bei Dorsalflexion) • Plötzliche Schwellung im Knöchelbereich. Dann zunehmende Schwellung im ganzen Bein (Knöchel, Unter- und Oberschenkel) • Dumpfer, ziehender Schmerz im ganzen Bein (Rössle Zeichen: Venendruckschmerz am entspannten Bein) • Kniekehlenschmerz (Tschmarke Zeichen) • Schmerzen entlang der betroffenen Venen entlang der medialen Tibiakante (Meyer Druckpunkte) • Schmerzen nach Aufpumpen einer Blutdruckmanschette >100 mm Hg (LowenbergMay-Test) • Blauverfärbung des Beines beim Herabhängenlassen • Schmerzen beim Auftreten auf den Fuß (Payr Zeichen: Tibialer Fußsohlenschmerz; Deneke Zeichen: Tibialer Fußsohlenschmerz spontan)

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• • • • •

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Schmerz im Bein beim Husten (Louvel Zeichen) Glänzende Hautvenen an vorderer Schienbeinkante (Pratt-Warnvenen) Leistenschmerz (Rielander Zeichen) Uncharakteristische Bauchschmerzen (Beckenvenenthrombose) Manchmal Allgemeinsymptome, ζ. B. leichter Anstieg der Körpertemperatur bis 38 Grad.

Diagnostik: Klinische Routine: Quick, aPTT, Fibrinogen, Thrombozytenzahl. Verdacht auf Thrombophilie: Routineteste, ATill, ProteinC (?), ProteinS (?), APC-Resistenz, Prothrombinvariante, Homocystein, Lupus antikoagulans, Plasminogen, D-Dimer (1., 2. Trimenon). Thrombophilie-Screening limitiert auf Schwangere mit akuter TVT (bedeutungsvoll für postpartales und späteres präkonzeptionelles Management). Sonographie: Kompressions-Sonographie (Sensitivität 97%, Spezifität 94%, unsicher bei venöser iliakaler Thrombose), Duplex-Sonographie. Ausnahmen: MRT, Ventilations-Perfusions-Szintigraphie, CT-pulmonale Angiographie (CTPA). D-Dimer-Test: Falls negativ - negativer Prädiktionswert im 1. und 2. Trimenon nahezu 100%. Die D-Dimer-Bestimmung erleichtert in 3 Monaten post partum die Entscheidung hinsichtlich Fortsetzung einer Antikoagulation.

Therapie Peripartale Antikoagulation: • Spinalanästhesie 12 h nach LMWH-Prophylaxe und 24 h nach LMWH-Therapie • Intravenöse Heparin-Applikation (unfraktioniertes Heparin, UFH) 6 h vor neuroaxialer Blockade beenden (normale aPTT!) • Bei Wehenbeginn LMWH/UFH-Applikation einstellen • 12 h post partum bzw. Entfernung des Periduralkatheters - Fortsetzung einer notwendigen LMWH-Prophylaxe • Nach Spinalanästhesie erfolgt die Fortsetzung der LMWH - Prophylaxe/Therapie 24 h post partum • Antikoagulative Therapie über 3 Monate fortsetzen, danach D-Dimer-Test • Nach Sectio caesarea sollten Risiko-Patienten, ζ. B. Adipositas permagna, die Thromboseprophylaxe zu Hause fortsetzen Therapie der TVT: • UFH bzw. hochdosierte LMWH-Therapie • Fondaparinux-Natrium (Arixtra®), - 5 mg/-7,5 mg/-10 mg s. c./die; Indikation: Falls Anti-Xa-Spiegel nicht erreicht, HIT II • Lungenarterienembolie: Systemische oder direkte Katheter gesteuerte Thrombolyse mittels Urokinase, Streptokinase oder rekombinantem tissue-Plasminogen Aktivator. Hochdosierte intravenöse UFH-Therapie • Ovarialvenenthrombose: Konservative Therapie mit Heparin und Antibiotika Prävention: In der Schwangerschaft sollten Reisen eingeschränkt werden; das Risiko für tiefe Beinvenenthrombosen kann sich, unabhängig von der Schwangerschaft, verdreifachen. Pro zwei Stunden Reisedauer erhöhte sich das VTE-Risiko um 18 Prozent

Thromboembolie, venöse

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im Vergleich zu Nichtreisenden. Absolut gesehen ergab sich in einer retrospektiven Kohortenstudie bei gesunden Flugreisenden ein VTE-Risiko von 1 zu 4600. Hinsichtlich Prävention gibt es die Ansatzpunkte: Hemmung der Thrombozytenaggregation (ASS), Hemmung der Gerinnungskaskade (LMWH, low molecular weight heparin, NMH), Mobilisierung und Kompression. Genetische Beratung bei MTHFR-Polymorphismus (Beispiel): Bei einer heterozygoten Merkmalsträgerin für die Prothrombin Mutation 2021 OG-Α, weiterhin MTHFR-Polymorphismus wird präkonzeptionell eine Folat-, Vitamin B6 und Vitamin B12-Substitution empfohlen. In der Schwangerschaft erfolgt eine Heparin-Prophylaxe (NMH). Für die Prophylaxe werden Anti-Xa-Serumkonzentrationen von 0,2 U/ml empfohlen. Antiphospholipid-Syndrom: ASS + NMH, (IgG) (Kortikoide) Stent-Implantate: ASS + N M H (Clopidrogel) Unfraktioniertes Heparin: • Prophylaxe low dose: 5,000 IU s. c. 2-mal tägl. • Prophylaxe intermediate dose: S. c. 2-mal tägl. (anti-Xa-Spiegel 0.1-0.3 μ/ml) • Therapie: S. c. alle 12 h bis (6 h post injectionem) aPTTim therapeutischen Bereich Low-molecular-weight heparin(LMWH): • Prophylaxe low dose: Enoxaparin 40 mg s. c. Dalteparin 5,000 U s. c. Tinzaparin 4,500 U or 75 U/kg s. c. • Prophylaxe intermediate dose. Enoxaparin 40 mg s. c. Dalteparin 5,000 U s. c. • Treatment dose: Enoxaparin 1 mg/kg 2-mal tägl. oder 1.5 mg/kg 1-mal tägl. Dalteparin 100 U/kg 2-mal tägl. oder 200 U/kg 1-mal tägl. Tinzaparin 175 U/kg s. c. 1-mal tägl.

Geburtshilfliches Managenment Geburtszeitpunkt: Nach erfolgter Therapie Schwangerschaft bis zum Termin möglich.

und

Stabilisierung.

Fortsetzung

der

Entbindungsmodus: Vaginale Geburt nach Thrombolyse möglich. Sectio caesarea nach Thrombolyse und bei pulmonaler Hypertonie. Wochenbett: Höchstes Thromboserisiko! Merke: Entscheidend sind konsequente Thromboembolie-Prophylaxe unter Beachtung silenter Verläufe von tiefen Venenthrombosen mit rezidivierenden Lungenarterienembolien. Unsere konkrete Empfehlung lautet: Mobilisierung der Patientin bei isolierten Thrombosen in Unterschenkel- oder Wadenvenen bei Gehfähigkeit mit gleichzeitiger Kompression und Therapie mit niedermolekularem Heparin. Dagegen werden frische Thrombosen der Oberschenkel- und Beckenvenen über einen Zeitraum von wenigen Tagen mit Bettruhe behandelt.

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Thromboembolie, venöse

Literatur: 1. Chandra D, Parisini E, Mozaffarian D: Travel and Risk for Venous Thromboembolism. Ann Intern Med 2009 Jul 6. (Epub ahead of print). 2. Chunihal SD, Bates SM: Venous thromboembolism in pregnancy: diagnosis, management and prevention. Thromb Haemost 2009; 101: 4 2 8 - 4 3 8 . 3. Dahlbäck Β: Early days of APC resistance and FV Leiden. Hämostaseologie 2008; 28: 103-109. 4. Horlocker TT et al.: Regional anesthesia in the anticoagulated patient: defining the risk (the second ASRA Consensus Conference on Neuroaxial Anesthesia and Anticoagulation). Reg Anesth Rain Med 2003; 28: 172-197. 5. Marik PE, Plante LA: Venous Thromboembolic Disease and Pregnancy. Ν Engl J Med, 2008: 359: 2 0 2 5 - 2 0 3 3 .

Thrombophilie

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Thrombophilie Definition Als Thrombophilie bezeichnet man einen Zustand erhöhter Blutgerinnbarkeit mit dem latenten Risiko für venöse Thromboembolien. Einteilung: 1. genetisch bedingt — Faktor-V-Leiden-Mutation heterozygot (RR 8; 3 , 6 - 8 % ) — Faktor-V-Leiden-Mutation homozygot (RR 50; 0,02-0,1 %) — Prothrombin-Mutation (RR 3; 1 - 4 % ) — Antithrombin-Mangel (RR 4; 0,02-0,4%) — Protein-C-Mangel (RR 4; 0,14-0,5%) — Protein-S-Mangel (RR 8; 1 %) — Faktor-Xll-Mangel — Faktor-Xlll-Mangel — Plasminogen-Mangel — Dysfibrinogenämie — Heparin-Cofaktor-Il-Mangel — Plasminogenaktivator-Mangel — PAI-1-Aktivator — Präkallikrein-Mangel 2. erworben — reversible östrogeninduzierte APC-Resistenz — Thrombose in der Anamnese — Malignóme, Chemotherapie — Entzündungen, akute-Phase-Reaktion — Schwangerschaft (RR 5; 0,05 %) — postpartale Phase (RR 25; 0,25%) — Thrombozytenalteration — Immobilisation, Bewegungsmangel — Nephrotisches Syndrom — Myeloproliferative Erkrankungen — Polycythaemia vera — Trauma, große Operation — Vaskulitis, Thrombophlebitis, Variköse — Antiphospholipid-Antikörper (RR ?; 2 - 9 % ) — Adipositas — Alter — Dehydratisierung, Hyperviskosität des Blutes — Ovulationshemmer, Hormontherapie — Stimulation der Ovarfunktion (Ovulationsinduktion, IVF-Therapie) 3. ungeklärt — APC-Resistenz ohne Faktor-V-Leiden-Mutation — Hyperhomocysteinämie (RR 3; 5 - 1 0 % ) — Erhöhtes Prothrombin — Erhöhter Faktor VIII (RR 6; 11 %) — Erhöhter Faktor IX

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Thrombophilie

— Erhöhter Faktor XI — Erhöhtes Fibrinogen (RR 3) — Hoher TAFI (Thrombin-aktivierbarer-Fibrinolyse-lnhibitor) — Niedriges TFPI (Tissue Factor Pathway Inhibitor) Es müssen aber neben dem relativen Risiko (RR) für eine thromboembolische Komplikation unbedingt die Prävalenzen der jeweiligen Störung in der Bevölkerung beachtet werden (relevante Angaben unter 1.-3. in Klammern). Schwangerschaftsrisiken: 1. Risiko für Thrombose in der Schwangerschaft Thrombophilie

Thromboserisiko in der Schwangerschaft

keine Faktor-V-Leiden-Mutation Prothrombin-Mutation

1:3000 1 :400 1 :200

Protein-C-Mangel AT-Ill-Mangel Typ I AT-Ill-Mangel Typ II

1:113 1:28 1:42

2. Risiko für Präeklampsie Thrombophilie Heterozygote Faktor-V-Leiden-Mutation Homozygote Prothrombin-Mutation Homozygote MTHFR-Mutation (Hyperhomocysteinämie) Protein-C-Mangel Protein-S-Mangel APC-Resistenz

Odds ratio 1,6 2,4 1,7 21,5 12,7 4,6

95 %-Kl 1,2-2,1 1,2-4,7 1,2-2,3 1,1-414,4 4,0-39,7 2,8-7,6

Klinik Symptome und Diagnostik: siehe Kapitel Thromboembolie

Therapie Die Frage, ob eine Schwangere in einer bestimmten thrombophilen Situation eine aktive oder passive Thromboembolieprophylaxe benötigt, wird in der klinischen Praxis sehr oft aufgeworfen. Folgende Aspekte sind ausgesprochen wichtig, um eine exakte Risikoeinschätzung vornehmen zu können und eine adäquate Therapie einzuleiten: • Hatte die Schwangere bereits ein eigenes thromboembolisches Ereignis? • Wenn ja: wann und in welchem Zusammenhang? • Sind die betroffene(n) Vene(n) wieder rekanalisiert?; Veranlassung einer aktuellen Duplexsonografie der Bein-Becken-Venen empfohlen

Thrombophilie

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• Wenn es sich um einen Zustand nach Lungenembolie handelt stellt sich die Frage nach einer aktuellen Echokardiografie. Dabei sollen 2 Fragen beantwortet werden: 1. Besteht bei Z. n. Lungenembolie eine Rechtsherzbelastung? - besonderes Risiko in der Schwangerschaft! 2. unbekanntes Vitium? • Handelt es sich um einen Zustand nach Abort? • Wenn ja: welche Schwangerschaftswoche? • Handelt es sich um einen Zustand nach HELLP-Syndrom/Präeklampsie/Eklampsie (early onset Präeklampsie)? • Sind in der Familie Thrombosen, Lungenembolien oder Apoplex bekannt? • Liegen zusätzlich Risikofaktoren vor (Alter, Rauchen, Adipositas (BMI >30)? • Bei der Interpretation von Laborbefunden ist zu beachten, dass die verminderte APC-Resistenz einen Hinweis für eine Faktor-V-Leiden-Mutation gestattet, diese aber nicht beweist. Faktor VIII, Protein-C und Protein S steigen in der Schwangerschaft an, so dass insbesondere ein Protein-S-Mangel und eine Faktor Vlll-Erhöhung in der Schwangerschaft nicht bewiesen werden können • Bei Z. n. Thrombose ohne entsprechende diesbezügliche Laborbefunde (thrombophile Risikofaktoren) müssen diese aktuell (nach)bestimmt werden Die folgende Risikoeinteilung und daraus abgeleitete Empfehlungen haben sich im klinischen Alltag bewährt. 1. Schwangere mit niedrigem Thromboserisiko • positive Familienanamnese • gesicherter thrombophiler Defekt (außer AT-IIl-Mangel) • keine eigene Thromboseanamnese — konservativ, physikalische Maßnahmen (Kompression), Venengymnastik, ausreichend Flüssigkeitszufuhr — postpartal niedermolekulares Heparin (NMH) in prophylaktischer Dosis (insbesondere bei zusätzlichen Risikofaktoren) über 6 Wochen 2. Schwangere mit mittlerem Thromboserisiko • Z. n. Thromboembolie mit/ohne thrombophiles Risiko • Hereditärer AT-Ill-Mangel ohne Thromboembolie • Z. n. Spontanaborten mit/ohne thrombophiles Risiko • Homozygote Faktor-V-Leiden-Mutation ohne Thromboembolie • Kombinierte thrombophile Risiken ohne eigene Thromboembolie • Z. n. schwerer Präeklampsie/HELLP-Syndrom — Kompressionsstrümpfe Klasse II Anmerkung: • der Zustand nach Thrombose ohne Nachweis eines thrombophilen Risikos wird hinsichtlich der Frage einer NMH-Applikation kontrovers beurteilt. Gerade hier sollten sorgfältig weitere Risikofaktoren beachtet werden. • bei jeder längeren Immobilisation, Operation und auch Flugreisen (v. a. Langstreckenflüge) aktive Thromboseprophylaxe mit NMH; bei Flügen auf dem Hin- und Rückflug 3. Schwangere mit hohem Thromboserisiko • Thromboembolie in der aktuellen Schwangerschaft • Z. n. Thromboembolie und hereditärer AT-Ill-Mangel oder Antiphospholipid-Syndrom (APS)

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Thrombophilie

• • • • •

Homozygote Faktor-V-Leiden-Mutation mit Zustand nach Thromboembolie Zustand nach Thromboembolie mit kombinierten thrombophilen Defekten Künstliche Herzklappen Rezidivthromboembolien Patientinnen mit oraler Dauerantikoagulation sollten mit Feststellung der Schwangerschaft, spätestens aber bis zur 8. SSW auf Heparin umgestellt werden (Risiko der Embryopathie) — NMH während der gesamten Schwangerschaft bis mindestens 6 Wochen post partum in therapeutischer Dosis, die Anti-Faktor-Xa-Aktivität sollte zwischen 0,40 und 0,80 lU/ml liegen — Kontrolle der Anti-Faktor-Xa-Aktivität alle 4 Wochen, ggf. Anpassung der NMH-Dosis — bei APS zusätzlich zum NMH immer Acetylsalizylsäure 100 mg/die (evidence based A1 -Empfehlung) — post partum alternativ Umstellung auf orale Antikoagulation — peripartal ggf. Umstellung auf unfraktioniertes Heparin i. v. (aPTT-kontrolliert) Anmerkungen: • die Bestimmung der Anti-Faktor-Xa-Aktivität muss optimal 4 Stunden nach der Applikation des NMH erfolgen, anderenfalls sind die Werte weniger aussagefähig • der Verzicht auf die Anti-Faktor-Xa-Kontrolle kann dazu führen, dass Schwangere mit einer unzureichenden Heparindosis behandelt werden • die Anwendung von NMH in der Schwangerschaft ist off label, obwohl keine Plazentagängigkeit vorliegt und die bisherigen Erfahrungen NMH als sicher für Mutter und Fet ausweisen Geburtshilfliches Management Die präpartale Betreuung muss interdisziplinär erfolgen. Insbesondere bei Schwangeren mit hohem (mittleren?) Thromboserisiko Entbindung im Perinatalzetrum. Peripartal enge Abstimmung mit dem Hämostaseologen und dem Anästhesisten (Intensivmediziner). Die normale Geburt ist aus Sicht der Minderung des Thrombosrisikos zu bevorzugen. Bei Anwendung von NMH ist zu beachten, dass eine Regionalanästhesie (PDA, SpA) immer erst nach einem vorgeschriebenen Zeitintervall (abhängig von der Heparindosis) vorgenommen werden kann. Es besteht die Möglichkeit, die Patientin peripartal auf unfraktioniertes Heparin umzustellen. Letzteres lässt sich durch Protamin besser antagonisieren. Es muss aber unbedingt beachtet werden, dass bei Anwendung von unfraktioniertem Heparin im therapeutischen Bereich mindestens 3 Heparingaben pro Tag notwendig sind. Besonderes Augenmerk gilt dem Wochenbett (höchstes Thromboserisiko). Die Patientin kann stillen. Merke: Bei Verdacht auf das Vorliegen einer sog. Thrombophilie sind eine gründliche Anamnese, ergänzt durch Laboruntersuchungen in der Schwangerschaft indiziert. Die Frage der Antikoagulation muss in der Regel individuell und interdisziplinär entschieden werden.

Thrombophilie

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Literatur: 1. Bates SM, Greer ΙΑ, Hirsh J, Ginsberg JS: Use of antithrombotic agents during pregnancy: the Seventh ACCP conference on Antithrombotic and Thrombolytic Therapy. Chest 2004 Sep; 126 (3 Suppl): 627S-644S. 2. Greer IA: Venous thromboembolism and anticoagulant therapy in pregnancy. Gend Med 2005; 2 Suppl A: SI 0 - 1 7.

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Thrombotisch-thrombozytopenische Purpura (TTP)

Thrombotisch-thrombozytopenische Purpura (TTP) und hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS) Syn. Morbus Moschcowitz und syn. Morbus Gasser

Definition Die thrombotisch-thrombozytopenische Purpura (TTP) und das hämolytisch-urämische Syndrom (HUS) sind akute, fulminant verlaufende Krankheiten, die durch eine Thrombozytopenie und eine mikroangiopathische hämolytische Anämie gekennzeichnet sind. TTP und HUS führen zu einer nichtimmunologisch bedingten Zerstörung von Thrombozyten. In vielen Organen entwickeln sich Thrombozyten-Fibrin-Thromben, wobei diese Thromben hauptsächlich im arteriokapillären Stromgebiet lokalisiert sind. Daher wird die Krankheit auch als thrombotische Mikroangiopathie bezeichnet. Die TTP ist eine seltene Erkrankung (eine Diagnose auf 25.000-100.000 Schwangerschaften). Die Erkrankung tritt am häufigsten zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr auf, Frauen sind häufiger betroffen. Bei TTP in der Schwangerschaft handelt es sich entweder um eine de novo Manifestation oder um ein Rezidiv bei früherer TTP und Triggereffekt durch die Schwangerschaft. Die maternale Mortalität ist bei der de novo TTP höher, insbesondere in der Kombination mit Präeklampsie. TTP (Serum-Creatinin 3 mg/dl) unterscheiden sich lediglich hinsichtlich der Schwere der Niereninsuffizienz. Diagnose und Behandlung sind bei Erwachsenen identisch. Zu den Ursachen und Begleitumständen für die Entwicklung eines TTP-HUS gehört der angeborene oder erworbene Mangel am Plasmaenzym ADAMTS13 (A disintegri n-l ike and metal lop rotease with thrombospondin type 1 motif 13; Aktivität 50% der Fälle), wobei eine Abgrenzung zur Präeklampsie bzw. zum HELLP-Syndrom in der Akutsituation schwierig ist. Kriterien, welche eher für TTP sprechen (in Abgrenzung zum HELLP-Syndrom): • mikroangiopathische hämolytische Anämie • milde renale Beeinträchtigung

Thrombotisch-thrombozytopenische Purpura (TTP)

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• • • • • •

schwere Thrombozytopenie (10%) Bei Erwachsenen verläuft das TTP-HUS unbehandelt meist tödlich (ischämische Schädigung des Gehirns oder Myokards). Die Behandlung mit Plasmapherese führt bei etwa 8 5 % der Patienten zu einer kompletten Remission. Dadurch werden potentielle Antikörper gegen ADAMTS13 aus dem Plasma entfernt und aktive Protease aus dem Spenderplasma zugeführt. Der Plasmaaustausch mit FFP wird täglich durchgeführt bis keine Anzeichen einer Krankheitsaktivität mehr bestehen. Der Einsatz von Kortikosteroiden, Thrombozytenhemmern (ζ. B. ASS) und Rituximab ist umstritten. Die Gabe von Thrombozytenkonzentrat ist kontraindiziert und kann tödliche Komplikationen nach sich ziehen. Die Mehrheit der Patienten macht nur eine Episode des TTP-HUS durch, Spätrezidive nach Jahren sind jedoch möglich.

Geburtshilfliches Management Therapieansätze bei TTP-HUS um eine Prolongation der Schwangerschaft zu erreichen: • Prednisolon 1 mg/kg KG (auch als Erhaltungstherapie nach Beendigung der Plasmapherese) • Bluttransfusion (Ausgleich der Anämie, Ziel-Hk >30%) • low dose Heparinisierung (Verbesserung der plazentaren Mikrozirkulation) • tägliche Plasmapherese mit FFP (50 ml/kg KG) • fetales Monitoring (Doppler-Sonographie) Falls Antikörper gegen ADAMTS13 bei der Schwangeren bestimmt wurden, können maternale IgG-Antikörper gegen ADAMTS13 auch beim Neugeborenen nachgewiesen werden. Diese können vorübergehend beim Neugeborenen zu einer Abnahme der ADAMTS13-Aktivität führen. Gemäß älterer Literatur muss der Patientin von einer erneuten Schwangerschaft nach therapierter TTP nicht abgeraten werden (Wiederholungsrisiko 18%). Dabei wurde jedoch nicht auf bestimmte Subgruppen (idiopathische TTP mit Antikörpernachweis, familiäre TTP mit Mutation im ADAMTS13-Gen, atypisches HUS) eingegangen, so dass eine generelle Empfehlung schwierig ist. Merke: TTP-HUS sind sehr seltene, jedoch lebensbedrohliche Krankheiten (meist Proteasemangel von ADAMTS13). Durch eine Therapie mit Plasmapherese tritt bei der Mehrzahl der Patientinnen eine komplette Remission ein. Thrombozytenkonzentrate sind kontraindiziert.

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Thrombotisch-thrombozytopenische Purpura (TTP)

Literatur: 1. Certh J, Schleussner E, Kentouche K, Busch M, Seifert M, Wolf C: Pregnancy-associated thrombotic thrombocytopenic purpura. Thromb Haemost 2009; 101: 2 4 8 - 2 5 1 . 2. Martin JN Jr, Bailey AP, Rehberg JF, Owens MT, Keiser SD, May WL: Thrombotic thrombozytopenic purpura in 166 pregnancies: 1955-2006. Am J Obstet Gynecol 2008; 199: 9 8 - 1 0 4 . 3. Stella CL, Dacus J, Guzman E, Dhillon P, Coppage K, How H, Sibai B: The diagnostic dilemma of thrombotic thrombocytopenic purpura/hemolytic uremic syndrome in the obstetric triage and emergency department: lessons from 4 tertiary hospitals. Am J Obstet Gynecol 2009; 200: 381.e1-381.e6.

Thyreoiditis

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Thyreoiditis Definition Schilddrüsenentzündung bedingt durch Schilddrüsenantikörper. Darüber hinaus sind die sog. Post-Partum-Thyreoiditis (PPTD; 5 - 9 % aller Wöchnerinnen), die subakute Thyreoiditis de Quervain (viral bedingt) und selten bakteriell oder radiogen verursachte Threoiditiden bekannt. Schwangerschaftsrisiken: • Maternal: — Autoimmunthyreoiditiden sind in der Regel während der Schwangerschaft supprimiert und exacerbieren im Wochenbett. — Das Wiederholungsrisiko für eine PPTD in einer weiteren Schwangerschaft beträgt ca. 75 % — Ca. 5 % der PPTD persistieren • Fetal: — Anti-TPO-AK und Anti-TRAK (HWZ 6 - 1 2 Wochen) sind plazentagängig und können beim Neugeborenen auch noch p. p. eine Schilddrüsenfunktionsstörung verursachen. Besonderheit: Initial verursacht die Thyreoiditis eine passagere Hyperthyreose, die in eine Hypothyreose mündet. Der vermutete Zusammenhang zwischen PPTD und postpartaler Depression wurde bisher nicht bewiesen. Ko-lnzidenz zu Diabetes mellitus Typ I.

Klinik Symptome: • intial Symptome der Hyperthyreose, später Hypothyreose • unspezifisch, häufig klinisch inapparent, evtl. Müdigkeit, Leistungsabfall, Stimmungsschwankungen Diagnostik: • TSH, fT3, fT4, TPO-AK (ca. 9 0 % der Fälle), TRAK (ca. 1 0 % der Fälle) • Schilddrüsensonografie

Therapie • L-Thyroxin. • In hyperthyreoter Initialphase ggf. ß-Blocker

Geburtshilfliches Management Keine besonderen Empfehlungen für die Entbindung. Bei bekannten Schilddrüsen-Antikörpern Neonatologen informieren.

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Thyreoiditis

M e r k e : D i e B e d e u t u n g einer Thyreoiditis in der S c h w a n g e r s c h a f t liegt in der M ö g lichkeit der E n t w i c k l u n g einer H y p o t h y r e o s e mit Folgen für Mutter u n d K i n d .

Literatur: 1. Management of Thyroid Dysfunction during Pregnancy and Postpartum: An Endocrine Society Clinical Practice Guideline. J Clin Endocrinol Metab 92 (8) (Supplement). S I - 4 7 , 2007.

Toxische epidermale Nekrolyse (TEN)

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Toxische epidermale Nekrolyse (TEN) Definition Die toxische Nekrolyse (TEN) und das Stevens-Johnson-Syndrom (SJS) sind schwere Überempfindlichkeitsreaktionen der Haut. Beide Formen unterscheiden sich klinisch nur durch das Verteilungsmuster: • Läsionen < 1 0 % der Körperoberfläche (KOF): SJS • Läsionen betreffen 1 0 - 3 0 % der KOF: sog. Overlap-Syndrom (SJS/TEN) • Läsionen bei > 3 0 % der KOF: TEN Die Inzidenz für beide Krankheitsbilder liegt bei 1-5:1.000.000. Inzidenz und Schwere der Erkrankungen sind erhöht bei: • Empfängern von Knochenmarktransplantaten • Patienten mit HIV-Infektion • Patienten mit systemischen Lupus erythematodes Folgende Arzneimittel können für bis zu 9 5 % der TEN und für ca. 5 0 % der SJS verantwortlich sein: • Sulfonamide (ζ. B. Cotrimoxazol, Sulfasalazin) • Antiepileptika (ζ. B. Phenytoin, Carbamazepin, Phénobarbital, Valproat) • Antibiotika (ζ. B. Aminopenicilline, Fluorchinolone, Cephalosporine) Außer Arzneimitteln sind Infektionen (überwiegend Mycoplasma pneumoniae), Impfungen oder eine Graft-versus-host-Reaktion ursächlich. Der exakte pathophysiologische Mechanismus ist unbekannt.

Klinik Innerhalb von 1 - 3 Wochen nach Beginn der Therapie mit dem auslösenden Arzneimittel entwickeln sich folgende Symptome: • Prodromi (Unwohlsein, Fieber, Kopfschmerzen, Husten, Konjunktivitis) • anschließend plötzlich kokardenförmige Makulae (Gesicht, Hals, Oberkörper) • weitere große, flache Bullae mit Nekrosen und Abschälung über 1 - 3 Tage (bei TEN Nikolski-Zeichen) • schmerzhafte orale Verkrustungen und Erosionen sowie genitale Beschwerden bei 7 0 % der Patientinnen (z. B. vaginale Synechie oder Stenose; bis zu 2 8 % mit genitalen Langzeitfolgen) • Befall des Bronchialepithels, Glomerulonephritis, Hepatitis Die Diagnose ist meist durch das Erscheinungsbild der Läsionen und die rasche Symptomprogression offensichtlich. Histologisch zeigt die abgeschälte Haut ein nekrotisches Epithel. Differentialdiagnosen: • Frühstadien: Erythema multiforme, Virusexantheme, Arzneimittelexantheme • Spätstadien: paraneoplastischer Pemphigus, Toxic-shock-Syndrom, Pityriasis rubra, thermische Verbrennungen Es besteht ein hohes Risiko für Infektionen, Multiorganversagen und Tod. Bei frühzeitiger Behandlung erreichen die Überlebensraten 9 0 % (Therapie auf Intensivstation oder im Verbrennungszentrum). Alle Arzneimittel sollten sofort abgesetzt werden, wichtig ist die Vermeidung einer Infektion.

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Toxische epidermale Nekrolyse (TEN)

Therapie Folgende Therapieansätze stehen zur Verfügung: • hochdosierte systemische Glukokortikoide (ζ. B. 4-mal 50 mg Methylprednisolon i. v. für 7 - 1 0 Tage) • Cyclophosphamid (300 mg i. v. alle 24 Stunden für 7 Tage; in der Schwangerschaft und Stillperiode kontraindiziert, V. a. Embryotoxizität) • Plasmapherese (Entfernung reaktiver Metabolite) • hochdosiert Immunglobulin i. v. (2,7 g/kg über 3 Tage) Über T E N und SJS in der Schwangerschaft existieren mehrere Kasuistiken. Dabei wird eine mögliche Assoziation zwischen dem Risiko vorzeitiger Wehen und dem Ausmaß der betroffenen K O F vermutet. Geburtshilfliches Management Unter der Geburt sollte die Möglichkeit einer Vaginalstenose berücksichtigt werden. Alternativ zur vaginalen Entbindung mit Episiotomie muss dann bei ausgedehnten Befunden die Sectio erwogen werden. Nach einer T E N bzw. einem SJS in der gleichen Schwangerschaft sind vaginale Synechien und Narben relativ leicht z u lösen, so dass keine zwingende Sectioindikation besteht. Merke: Eine frühzeitige Therapie unter intensivmedizinischen Bedingungen verbessert die Prognose der Erkrankung deutlich. Literatur: 1. Niemeijer IC, van Praag MCC, van Gemünd N: Relevance and consequences of erythema multiforme, Stevens-Johnson syndrome and toxic epidermal necrolysis in gynecology. Arch Gynecol Obstet (Epub ahead 2009 Mar 11).

Toxoplasmose

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Toxoplasmose Definition Die Toxoplasmose ist eine Zoonose und wird durch Toxoplasma gondii hervorgerufen. Epidemiologie: Hauptwirt des Erregers sind Katzen, die im Kot Oozysten ausscheiden. Diese aquiriert der Mensch als Zwischenwirt. Die humorale Immunität verhindert bei erneutem Erregerkontakt die erneute Parasitämie. Die Durchseuchung in der Bevölkerung wird auf etwa 8 0 % geschätzt. Andererseits haben ca. 6 6 - 7 5 % aller Schwangeren im deutschsprachigen Raum keine Antikörper gegen T. gondii. So muss mit 1 konnatalen Infektion auf 1000 Geburten gerechnet werden. 1 von 100 Schwangeren ohne Immunschutz ist von akuter Toxoplasmose betroffen. Die Infektion bzw. Aufnahme der Oozysten erfolgt oral über nicht ausreichend erhitzte Fleisch- oder Wurstwaren, unzureichend gereinigtes Gemüse (Salat), Wasser, Gegenstände und Erdboden, die durch Katzenkot kontaminiert sind. Dabei ist zu beachten, dass kontaminierter Katzenkot erst nach 3 Tagen infektiös ist. Verlauf, Ausmaß und Dauer der Parasitämie beim Menschen sind nicht exakt bekannt. Der Erreger kommt ubiquitär verteilt vor (ZNS, Muskulatur, Plazenta). Der Erreger persistiert bei effizientem Immunsystem lebenslang (latente Infektion). Die Gefahr für den Embryo/Fet besteht in der Möglichkeit des transplazentaren Erregerübertritts bei maternaler Erstinfektion. Schwangerschaftsrisiken: Für die Schwangere bleibt die Toxoplasmoseerstinfektion praktisch folgenlos. Die Folgen der intrauterinen Infektion sind abhängig vom Gestationsalter. Im 1. Trimenon beträgt das fetale Infektionsrisiko 4 - 1 5 % bei insgesamt hoher Abortrate. Demgegenüber wird das fetale Infektionsrisiko im 2. Trimenon mit ca. 3 0 % , im III. Trimenon mit 60(90)% angegeben. 7 0 - 8 5 % der intrauterin infizierten Kinder weisen nach der Geburt bestenfalls subklinische Infektionszeichen auf, 9 0 % der Infizierten sind zunächst klinisch unauffällig. Nur bei 1 - 2 % der infizierten Neugeborenen findet sich die Trias: Hydrocephalus, intrakranielle Verkalkungen, Retinochorioiditis. Es ist zu beachten, dass mit zunehmendem Gestationsalter die Wahrscheinlichkeit einer intrauterinen Infektion zunimmt, umgekehrt aber die klinische Manifestation zurückgeht. Transmissionsrisiko, klinische Symptome, Infektionszeitpunkt Transmission

Klinische Manifestation

1. Trimenon

14%

73%

2. Trimenon

29%

28%

3. Trimenon

59%

11 %

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Toxoplasmose

Klinik Symptome Mutter 1. akute Toxoplasmose: häufig grippe-/mononukleoseähnliche Symptome, Lymphknotenschwellung, Lymphadenitis, Kopfschmerzen, Müdigkeit, Fieber, Angina. Seltener abdominale Beschwerden, Exanthem, reaktive Arthritis, Meningismus, Meningoencephalitis. Hepatitis, Myokarditis, Pneumonie und primäre Chorioretinitis werden gelegentlich beobachtet. 2. Chronische Toxoplasmose: schubweises Fieber, Kopfschmerzen, Psychische Alteration, Chorioretinitis, Iridozyklitis, Organmanifestation in Lymphknoten, Leber, Milz, ZNS. Symptome Neugeborenes/1. Lebensjahr Neugeborenes

Toxoplasmose im 1. Lebensjahr

häufig subklinisch, Dyspnoe, Tachypnoe, Zyanose, Hydrocephalus, Chorioretinitis, intracerebrale Verkalkungen, Hepatosplenomegalie, Ikterus, Thrombozytopenie, floride Meningoencephalitis, Purpura, Lungenbeteiligung, epileptische Anfälle

Liquorveränderungen (34,8%) Chorioretinitis (21,8%) intrakranielle Verkalkungen (11,4%) Hydrocephalus, Mikrocephalus (9,0%) Psychomotorische Retardierung (5,2%) Hepatosplenomegalie (4,2%) Krämpfe (3,8%)

Diagnostik: Aktuell ist keine Screeninguntersuchung auf Toxoplasmose in der Schwangerschaft vorgeschrieben. Als Ausnahme müssen HIV-positive Schwangere beachtet werden. Wegen der Immunsuppression besteht hier die Pflicht, in der Frühschwangerschaft nach Toxoplasmose zu fahnden. Vor Veranlassung einer Laboruntersuchung muss eine gründliche Anamnese und Suche nach Risikofaktoren bezüglich einer Toxoplasmose erfolgen. Klinische Symptome müssen ggf. erfragt werden. Solange kein Verdacht besteht, muss auch keine serologische Untersuchung erfolgen. D. h. wenn bei unauffälliger Klinik und Anamnese kein Antikörper (AK)-Suchtest vorgenommen wird, ergibt sich auch keine haftungsrechtlich relevante Situation. Im Rahmen der allgemeinen Hinweispflicht sollte der Arzt aber auf die Möglichkeit der Untersuchung aufmerksam machen und diese ggf. als Selbstzahlerleistung anbieten. Wenn bei auffälliger Klinik bzw. begründetem Verdacht kein AK-Suchtest erfolgt bzw. notwendige Kontrollen bei positivem, unklarem oder negativem Erstbefund unterbleiben, haftet der Arzt für Folgeschäden. Eine sofortige AK-Bestimmung muss bei jeder grippeähnlichen Symptomatik und/oder Lymphknotenschwellung erfolgen. Grundsätzlich wird eine serologische Untersuchung auf toxoplasmaspezifische Antikörper vorgenommen. Eine Toxoplasma-PCR aus peripherem mütterlichem EDTA-Blut ist nicht sinnvoll. Bei fehlender Immunität sollte alle 8 - 1 2 Wochen eine Kontrolle erfolgen, um eine eventuelle Serokonversion in der Schwangerschaft zu erkennen. Die letzte AK-Kontrolle wird peripartal oder im frühen Wochenbett empfohlen, um eine späte Serokon-

Toxoplasmose

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version, die mit einem höheren fetalen/neonatalen Infektionsrisiko verbunden ist, nicht zu übersehen. Wünschenswert, auch mit Blick auf weitere diagnostische oder therapeutische Entscheidungen, wäre die Kenntnis des Immunstatus in der Frühschwangerschaft, besser noch präkonzeptionell. Der für Toxoplasmose typische Verlauf der mütterlichen Immunantwort mit häufig lange persistierendem IgM führt zum Problem, den exakten Infektionszeitpunkt der Mutter nicht genau benennen zu können. Die sog. Avidität (Maß für die Bindungsstärke des AK zum Antigen) verbessert hier die Interpretation. Eine niedrige Avidität spricht für eine frische Infektion, hingegen weist eine hohe Avidität auf eine ältere hin. Jeder positive IgM-Befund muss zur Bestätigung der Erstdiagnose und aus forensischen Gründen nach 2 - 3 Wochen kontrolliert werden. Strittige oder unklare Befunde sollten einem Referenzlabor vorgestellt werden. Pränataldiagnostik: Bei wahrscheinlicher oder gesicherter mütterlicher Infektion stellt sich die Frage nach einer eventuellen Infektion des Kindes in utero. Neben der Erregeranzahl und der maternalen Immunantwort spielt das Gestationsalter eine wichtige Rolle in dieser Frage. Die Toxoplasmose-PCR aus dem Fruchtwasser erlaubt eine Aussage über einen fetalen Erregerkontakt. Es ist zu beachten, dass der Nachweis einer fetalen Infektion nicht mit einer klinischen Erkrankung gleichgesetzt werden kann. Wenn eine Amniozentese (AC) vorgenommen wird, sind folgende Aspekte zu beachten: • mütterliche Infektion mindestens 4 Wochen alt • keine Kombinationstherapie vor AC (durch die lange Halbwertzeit der in der Kombinationstherapie eingesetzten Medikamente wird die PCR verfälscht) • Gestationsalter mindestens 16 vollendete Schwangerschaftswochen. Sonografische Hinweise für eine fetale Toxoplasmose können sein: Hydrocephalus internus, intracerebrale Verkalkungen, intraokuläre Verkalkungen (selten zu sehen), Fruchtwasservermehrung (unspezifisch).

Therapie Zur Anwendung kommt eine hochdosierte Chemotherapie. In Kombination mit Aufklärung der Schwangeren kann die fetale Infektionsrate von ca. 5 0 % auf 1 0 % reduziert werden. In 1 0 % aller erkannten und behandelten Risikoschwangerschaften kommt es zur fetalen Infektion, weil die Therapie der Mutter zu spät einsetzt bzw. eine inadäquate Dosis gewählt wird. Deshalb soll bei dringendem Verdacht auf frühe (akute) Toxoplasmose!nfektion in den letzten 8 Wochen unverzüglich mit der Therapie begonnen werden, bevor der IgG-Anstieg durch eine 2. AK-Kontrolle bestätigt wird. Anderenfalls geht wertvolle Zeit verloren. Klare Erkenntnisse zur optimalen Dosis und Therapiedauer in der Schwangerschaft existieren nicht, weil entsprechend randomisierte Doppelblindstudien fehlen. Daten zur Therapieeffektivität sind bekannt. Spiramycin reduziert die Rate konnataler Toxoplasmosen um 5 0 - 7 0 % , die Kombination Pyrimethamin und Sulfadiazin um bis zu 90%. Dabei ist zu beachten, dass keine Erregerelimination stattfindet, sondern eine Umwandlung der aggressiven Formen (Tachyzoiten, Trophozoiten) in harmlose Formen (Bradyzoiten, Zystozoiten) und somit die Schwere der Erkrankung abnimmt.

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Toxoplasmose

Medikamentöse Therapie der Toxoplasmose in der Schwangerschaft Zeitpunkt

Medikament

Dosierung

Bis 16. SSW

Spiramycin

3-mal 1 g p. o. (= 9 Mio IE)

Ab 16. SSW

Pynmethamin Sulfadiazin Folinsäure

25 mg p. o. (1. Tag 50 mg) 4-mal 1 g 10-15 mg p. o. über mindestens 4 Wochen

Während der Kombinationstherapie darf keine Folsäure gegeben werden, denn damit würde die antibiotische Wirkung der Kombinationstherapie aufgehoben. Bei positiver Fruchtwasser-PCR (= gesicherte fetale Infektion) wird die alternierende Therapie mit 4 Wochen Kombinationstherapie, anschließend 4 Wochen Spiramycin im Wechsel bis zur Geburt empfohlen. Weitere Therapeutika sind Azithromycin, Clarithromycin, Clindamycin, Atovaquone und Trimetrexat. Dabei soll die Kombination Pyrimethamin/Azithromycin auch auf Toxoplasma-Zysten wirken. Ausreichende Daten für die Anwendung in der Schwangerschaft liegen nicht vor. Zur Therapieüberwachung werden empfohlen: • Drug-Monitoring bei Kombinationstherapie (oberer therapeutischer Bereich oder gering überschrittener therapeutischer Bereich) • Qualifizierte Sonografie-Kontrolle alle 4 Wochen ( D E G U M II/III) Prognose: Ungünstig hinsichtlich einer intrauterinen Infektion und damit verantwortlich für schlechtes fetale outcome sind: (gesicherte) Infektion im λ.12. Trimenon, Therapiebeginn mehr als 8 Wochen nach Infektionszeitpunkt, hoher IgG-Titer, positiver IgA-Befund, niedriger Medikamentenspiegel, pathologischer Sonografiebefund, positive Fruchtwasser-PCR. Abruptio: Die maternale Toxoplasmoseinfektion stellt per se keine primäre Indikation z u m Schwangerschaftsabbruch dar. Bei positiver Fruchtwasser-PCR und sonografischen Auffälligkeiten muss darüber individuell entschieden werden.

Geburtshilfliches Management Diagnostik und Therapieentscheidung bzw. Überwachung müssen im Perinatalzentrum erfolgen. Gegen eine Spontangeburt und Stillen bestehen keine Einwände. Der Neonatologe/Pädiater ist zur Geburt z u informieren, damit eine sorgfältige Überwachung des Neugeborenen möglich ist und insbesondere auch im 1. Lebensjahr fortgeführt wird. Merke: Jeder Schwangeren sollte eine Toxoplasmoseuntersuchung angeboten werden, insbesondere bei klinischen Hinweisen oder möglicher Exposition. D i e Therapie erfolgt als hochdosierte Chemotherapie, wobei z u beachten ist, das außerhalb Deutschlands erhobene Daten zur Therapieeffizienz nur bedingt z u übertragen sind, weil z u m Teil andere Diagnostik- und Therapieregime bestehen.

Toxoplasmose

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Literatur: 1. Groß U: Toxoplasmose in der Schwangerschaft. Dt Ärztebl 2001; 98: A 3 2 9 3 - 3 3 0 0 (Heft 49) 2. Lopes CD, Silva NM, Ferro EA, Sousa RA, Firmino ML, Bernardes ES, Roque-Barreira MC, Pena JD: Azithromycin reduces ocular infection during congenital transmission of toxoplasmosis in the Calomys Callosus model. J Parasitai 2009 Mar 2: 1 (Epub ahead of print). 3. Toxoplasmose. RKI-Ratgeber Infektionskrankheiten - Merkblätter für Ärzte 22. 06.2009 http://www.rki.de/DE/Content/lnfekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_MbLToxoplasmose.html

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Tuberkulose

Tuberkulose Definition Seltene Infektion, die insbesondere aufgrund anhaltender Migration nicht ausgeschlossen ist. Aussagen zur Prävalenz in Deutschland sind nicht möglich. Erreger: Mycobacterium tuberculosis (Typ humanus); Übertragung durch Tröpfcheninfektion. Eine Infektion führt bei 5 - 1 0 % der Infizierten nach Jahren zum Primäraffekt. 5 - 1 0 % der Patienten haben extrapulmonale Manifestationen. Eine tuberkulöse Pneumonitis kann sich auch direkt nach Inhalation von Mycobacterien entwickeln. In der Schwangerschaft kann es zur Exazerbation einer latenten Tuberkulose kommen. Nach Organlokalisation werden unterschieden: • Lungentuberkulose (am häufigsten) • Lymphknotentuberkulose • Urogenitaltuberkulose • Hauttuberkulose • Knochentuberkulose • Meningitis Risikopatientinnen sind: • Migrantinnen aus Endemiegebieten • Alkohol- und Drogensüchtige • Patientinnen mit Diabetes • immunsupprimierte Patientinnen • HIV-Koinfektion • mangelernährte Patientinnen • Berufe mit Kontakt zu Risikopersonen Infektion des Neugeborenen: • Pränatal: Plazentitis, hämatogene Infektion • perinatal: Tuberkulöse Endometritis, Vaginitis und Zervizitis, Fruchtwasseraspiration Schwangerschaftskomplikationen: Bei ausreichender Therapie ist die Prognose für die Mutter gut. Eine gefährliche Komplikation ist die tuberkulöse Perikarditis. In Entwicklungsländern gehört die Tuberkulose zu den hauptsächlichen Ursachen maternaler Todesfälle. Neugeborenes: Die Mortalität der kongenitalen Tuberkulose beträgt 5 0 % .

Klinik Symptome: • Husten (74%) • Gewichtsabnahme (41 %) • Fieberepisoden (30%) und subfebrile Temperaturen • Hämoptysen (19%) • Nachtschweiß • Pleuraerguss Diagnostik: Mendel-Mantoux-Hauttest mit 5 E PPD (purified protein derivative); Ablesung nach 4 8 - 7 2 Stunden; Induration > 5 mm. Ein negativer Test schließt eine Infektion

Tuberkulose

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nicht aus. Bei Verdacht auf pulmonale Infektion Röntgen-Thorax möglich. Die mütterliche Tuberkuloseerkrankung wird, geschätzt, nur in 5 0 % der Fälle diagnostiziert. Mikrobiologie: • Mikroskopische Diagnostik auf säurefeste Stäbchen aus Sputum, Lymphknotenpunktat, Magensaft, Urin • Kulturelle Untersuchung aus Sputum, Bronchialsekret, Pus, Liquor • histologischer Nachweis von Epitheloidzellgranulomen und Riesenzellen • RNA-Polymerase-Ketten-Reaktion (PCR) Differentialdiagnosen: Atypische Pneumonie, Bronchitis. Kasuistik: Tuberkulöse Meningitis mit Symptomen einer Hyperemesis gravidarum. Isolierung von Patientinnen mit offener Tuberkulose; keine Ansteckungsgefahr nach 1-wöchiger Therapie.

Therapie Intensive Behandlungsphase (1) als Dreifach-Kombination und Behandlungsphase (2) als Zweifachkombination. Pyrazinamid, Streptomycin und Ethionamid in der Schwangerschaft nicht anwenden. Geeignet sind: • Isoniazid (INH), Isozid®, Nydrazid®, Dos.: 5-10 mg/kg KG, max. Tagesdosis 400 mg plus Pyridoxin, Dos.: 50 mg/die plus Rifampicin (RMP), Rimactan®, Dos.: 10 mg/kg KG, Therapiedauer 9 Monate • Ethambutol (EMB), Myambutol®, initial additive Therapie über 2 Monate, Dos.: 20-25 mg/kg KG/die, max. Tagesdosis 2,5 g/die Eine Therapie mit Rifampicin führt zur leichten Erhöhung der Fehlbildungsrate. Die INH-Hepatotoxizität muss gegen das Tuberkuloserisiko abgewogen werden. Monatliche bakteriologische Kontrollen dienen zur Absicherung des Therapieerfolgs. Glukokortikoide sind bei Perikarditis constrictiva indiziert. Die Therapie der kongenitalen Tuberkulose erfolgt mit INH, Rifampicin und Pyrazinamid für 1 Jahr. Präventive Chemotherapie: • INH, Dos.: 5 mg/kg KG/die bei frisch Infizierten mit Tuberkulinkonversion.

Geburtshilfliches Management

Entbindungsmodus: Es besteht keine Indikation zum medizinisch indizierten Abort.

Wochenbett: Sekundäre bakterielle Infekionen sind häufiger. Kontrazeptiva in Wechselwirkung mit Rifampicin wirkungslos. Stillen: INH gelangt über die Muttermilch zum Neugeborenen, die mit Pyridoxin substituiert werden müssen. Abstillen nicht notwendig. Merke: Bei Risikopatientinnen gilt es, bei verdächtigen Symptomen auch an eine tuberkulöse Infektion zu denken. Die Therapie in der Schwangerschaft erfolgt mit den Basismedikamenten Isoniazid, Rifampicin und Ethambutol. Die konsequente antituberkulostatische Therapie führt in > 9 7 % zur Ausheilung. Eine unzureichende Behandlung ist mit einer hohen perinatalen Mortalität verbunden.

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Tuberkulose

Literatur: 1. Inge LD, Wilson JW: Update on the treatment of tuberculosis. Am Fam Physician 2008; 78: 457-465. 2. Knight M, Kurinczuk J J, Nelson-Piercy C, Spark P, Brocklehurst P: UKOSS: Tuberculosis in pregnancy in the UK. BJOC 2009; 116: 5 8 4 - 5 8 8 . 3. Schaberg Τ, Forßbohm M, Hauer Β, Kirsten D, Kropp R, Loddenkemper R, Magdorf K, Rieder H, Sagebiel D, Urbanzik R: Richtlinien zur medikamentösen Behandlung der Tuberkulose im Erwachsenen- und Kindesalter. Pneumologie 2001; 55: 4 9 4 - 5 1 1 . 4. Stiefelhagen P: Lungenerkrankungen in der Schwangerschaft. Welche Medikamente sind erlaubt? M M W Fortschr Med 2009 5; 151: 1 8 - 1 9 .

Varikosis

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Varikosis Syn. chronische venöse Insuffizienz Definition Varikosis bezeichnet das Syndrom der chronisch venösen Insuffizienz (CV1). Dabei sind Varizen ein Symptom, aber nicht obligat. Venenleiden ist ein Oberbegriff für Krampfadern, Varizen. Prävalenz: 20-30% der Erstgebärenden, 5 0 % der Mehrgebärenden; 4-fach erhöhtes Risiko bei Frauen >35 Jahre; familiäre Prädisposition. Variköse Venen sind die häufigsten aller peripheren Gefäßstörungen. Charakteristisch sind dilatierte und elongierte Venen mit inkompletten Venenklappen. V. saphena magna ist am häufigsten betroffen. Die Saphena magna ist 7-mal häufiger betroffen als die Saphena parva. Pathologisch-anatomisch werden Stammvarizen, Seitenastvarizen und Besenreiservarizen unterschieden. Die CV1 ist für die Pathogenese der klinischen Symptome und der Folgekrankheiten verantwortlich. Varizen, die bereits prägravide bestehen, werden als präformierte Varizen bezeichnet. Schwangerschaftskomplikationen: Thrombophlebitis, Thrombose, Ulcus cruris, Varicosis vulvae (Cave: Geburtstraumatische Blutungen!), suprapubische Varizen. Beschrieben wurden Spontanrupturen einer uterinen Varikosis im 3. Trimenon mit hämorrhagischem Schock. Klinik Symptome: Schwere und müde Beine, Knöchelödeme, Unruhegefühl in den Beinen, nächtliche Wadenkrämpfe, Krampfadern. Alarmzeichen für Thrombosezeichen beachten: Plötzliche Schmerzen und Schwellungen der Beine, langanhaltender „Muskelkater" der Beine (länger als 2 Tage). Weitere klinische Thrombosezeichen sind: • Livide Verfärbung, fleckige Hautpigmentierung, atrophisch gespannte und glänzende Haut • Venektasien, Ödem • Schmerzen: Leistenbeuge, über Adduktorenkanal, Kniekehle, Wade, Knöchelgegend, Fußsohle • Wadenschmerz bei Plantarflexion-Homans Zeichen, bei Ballotement-Ducing Zeichen • Lowenberg-Test: Schmerzen nach 100 mm Hg-Blutdruckmanschette • Pratt'sche Warnvenen unterhalb des Kniegelenks • schmerzhafte prätibiale Meyersche Druckpunkte • Fußsohlenschmerz: Payr - bei Druck und Plantarflexion; Deneke - spontan Diagnostik: Klinik, Brodie-Trendelenburg'sche Probe, Duplexsongraphie bei Verdacht auf tiefe Venenthrombose. Differentialdiagnosen: Restless Legs. Kasuistik: Varicosis vulvae bei Klippel-Trenaunay-Weber Syndrom.

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Varikosis

Therapie Die wichtigste Behandlung besteht darin, von außen das Bindegewebe durch Kompressionsstrümpfe zu stabilisieren. Niedermolekulares Heparin bei stark ausgeprägter Varikosis und bei Thrombophlebitis superfizialis. Die Kompressionsstrümpfe werden nach Anwendung klassifiziert: • Kompressionsklasse 1: Anwendung beim Stehen, bei schmerzhaften Beinen, zur Vorbeugung von Varizen und Thrombosen • Kompressionsklasse 2: Anwendung bei bereits vorhandenen Krampfadern, nach Venenoperationen • Kompressionsklasse 3 und 4: Sehr straff, Anwendung bei fortgeschrittenem Venenleiden. Neben den Kompressionsstrümfpen ist das Wickeln der Beine von Bedeutung. Kurze und straffe Binden werden, am Fuß beginnend, bis zum Knie mit Hilfe eines „abrollenden Drucks" mehrfach ausgewickelt. Zehengelenke und Fersen immer einbeziehen. Des Weiteren werden Kneippanwendungen in Form von „Wechselduschen" empfohlen. Medikamentöse Therapie zur Linderung von Beschwerden: • Rutoside, Rote Liste: strenge Indikationsstellung (keine ausreichenden Untersuchungen), Rutin-Kapseln, 1 Kps. enth. Rutosid 50 mg, Dos.: 1-mal tgl. 1 Kps. • Diosmin, Tovene® 300 Kapseln, 1 Kps. enth. Diosmin 300 mg, Rote Liste Gr. 4, kontraindiziert im 1. Trimenon, 3-mal 1 tgl. 1 Kps. mit reichlich Flüssigkeit • Troxerutin, Vaso-E-Bion® Kapseln, 1 Kps. enth. Troxerutin 200 mg, a-Tocopherolacetat 400 mg, Dos.: 2-mal tgl. 1 Kps. Chirurgische Therapie, ggf. möglich: • Sklerosierung (Schaumsklerosierung) als Therapie der Wahl bei Varicosis vulvae et perinei • Varizenstripping: Trivex-Verfahren, minimal invasiv sind die Chiva- und Varady-Methode. Prävention: Jede Bewegung ist gut: Walking, Aquajogging, Radfahren, Schwimmen. Laufen und Liegen ist besser als Sitzen und Stehen. Tagsüber Beine in Intervallen hoch lagern. Meiden: Nikotin, Alkohol, heiße Bäder, lange Sonneneinstrahlung, Massagen der Beine. Bürstenmassagen an den Beinen fördern die Entwicklung von „Besenreisern". Thromboseprophylaxe mit niedermolekularem Heparin vor langen Fahrten und Flügen, bei Thrombophlebitis und stark ausgeprägter Varikosis:

• Nadroparin, Fraxiparin® 0,2 ml/0,4 ml, 1 Fertigspritze mit 0,2 ml/0,4 ml enth. Nadroparin-Calcium 1980 I. E., 2850 I. E. • Tinzaparin, innohep® 3.500 Anti-Xa l. E. Inj.-Lsg., Fertigspritze 0,35 ml enth. Tinzaparin-Natrium 3500 I. E. • Certoparin, Monoembolex® N M Fertigspritzen, Fertigspritze 0,3 ml enth. Certoparin-Natrium 3000 I. E. • Enoxiparin, Clexane 40 mg Praxis, Fertigspritze 0,4 ml enth. Enoxiparin-Natrium 4000 I. E. • Dalteparin, Fragmin®/-, 1 ml enth. Dalteparin-Natrium 10.000 I. E., Dos.: 1-mal tgl. morgens 2500 I. E.

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Geburtshilfliches Management Entbindungsmodus: Primäre Sectio caesarea bei extremer Varicosis vulvae. Wochenbett: Erhöhte Thrombosegefahr. Stillen: Keine Einschränkungen. Merke: Varikosis bezeichnet das Syndrom der chronisch venösen Insuffizienz (CV1). Dabei sind Varizen ein Symptom, aber nicht obligat. In der Schwangerschaft sind konservative Maßnahmen indiziert; Kompressionstrümpfe der Klassen 1-4 sind I . W a h l . Niedermolekulares Heparin bei Thrombophlebitis superfizialis. Literatur: 1. Blättler W , Schwarzenbach B, Largiadèr J: Superficial vein thrombophlebitis - serious concern or much ado about little? Vasa 2008 Feb; 37: 31 -38.

2. Lee JT, Kalani M A : Treating superficial venous thrombophlebitis. J Natl Compr Cane Netw 2008; 6: 760-765.

3. www.drbresser.de, aufgerufen am 28.7.2009.

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Varizellen

Varizellen Definition Virusinfektion (Varizella-Zoster-Virus; VZV), die zu schweren Erkrankungen der Schwangeren, des Feten und des Neugeborenen führen kann. Jährlich erkranken in Deutschland 750.000 Personen an Varizellen. 3 - 4 % der Frauen im gebärfähigen Alter verfügen über keine Varizellen-Immunität. Inzidenz der W i n d p o c k e n während der Gravidität: 0 , 7 - 3 / 1 0 0 0 Schwangerschaften. Schwangerschaftskomplikationen: Besonders im 3. Trimenon besteht ein erhöhtes Risiko für eine maternale Varizellenpneumonie mit lebensbedrohlichen Komplikationen. Nikotinabusus und eine Varizellenerkrankung mit mindestens 100 Hauteffloreszenzen sind Prädiktoren für eine ungünstige Prognose. Ein fetales Varizellensyndrom (FVS) kommt bei einer mütterlichen Erkrankung zwischen der 5. und 24. SSW vor: Segmentale Hautläsionen, Mikrozephalie, Hirn- und Rückenmarksatrophie, HornerSyndrom, Mikrophthalmie, Chorioretinitis, Katarakt, hypoplastische Extremitäten. Letalität 2 5 - 3 0 % . Konnatale Varizellen bei mütterlicher Infektion während der letzten drei antepartalen W o c h e n und Erkrankung in den ersten zwei Tagen post partum. Neonatale Varizellen (generalisierte Infektion des Neugeborenen) gehen mit einer Letalität von 2 0 % einher. In diesen Fällen tritt die mütterliche Erkrankung fünf Tage ante bis zwei Tage post partum auf. Der Schutz maternaler Antikörper ist nicht mehr gegeben. Ein Zusammenhang zwischen einer mütterlichen Varizelleninfektion und einem Zoster hinsichtlich angeborener Fehlbildungen besteht nicht.

Klinik Diagnostik: Anamnese (Exposition) und Hauteffloreszenzen sind Leitsymptome. Möglicher Beginn einer Pneumonie drei bis fünf Tage nach Erkrankung: Husten, Tachypnoe, Dyspnoe, Fieber; bakterielle Superinfektionen. Röntgen-Thorax: Peribronchiale miliar-noduläre Infiltrationen in beiden Lungenlappen. Nachweis der intrauterinen fetalen Infektion mittels sensitiver molekularbiologischer Methoden (PCR nach A m n i o oder Cordozentese).

Therapie Antivirale Therapie mit Aciclovir bei > 1 0 0 Hauteffloreszenzen bzw. beginnender und manifester Pneumonie. 1. Varizella-Zoster-Immunglobulin (VZIG) und Aciclovir bei Schwangeren (aus W u t z ier und Sauerbrei 2009): Situation 1: Exposition von Schwangeren ohne Varizellenanamnese/Seronegativität VZIG 1 ml/kg KG i. v. oder bis 96 Stunden nach Exposition 0,5 ml/kg KG i. m. Situation 2: Maternale Varizellenpneumonie/andere disseminierte VZV-lnfektionen Aciclovir i. v. 3-mal 1 0 - 1 5 mg/kg KG/die 10 Tage (max. 2500 mg/die) Situation 3: Schwangere mit Varizellen (Inkubation/Infektion) bis 5 Tage vor Entbindung

Varizellen

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Aciclovir p. o. 5-mal 800 mg/die, Beginn bis 24 Stunden nach (max. 4000 mg) Exanthemausbruch; 7 Tage Aciclovir i.v. 3-mal 1 0 - 1 5 mg/kg KG/die, Beginn bis 24 Stunden nach (max. 2500 mg/die) Exanthemausbruch: 7 Tage 2. Varizella-Zoster-lmmunglobulin (VZIG) und Aciclovir bei Neugeborenen (aus Wutzier und Sauerbrei 2009): Situation 1: Mutter fünf Tage vor bis zwei Tage post partum an Varizellen erkrankt VZIG 1 ml/kg KG i. v. oder sofort post partum oder sofort nach mütterlicher Erkrankung Situation 2: Frühgeborenes mit negativer Varizellenanamnese und Exposition der Mutter; Frühgeborenes