Kostenrechnung in der Türkei: Empirische Untersuchung und theoretische Überlegungen [1 ed.] 9783896448811, 9783896731500

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Kostenrechnung in der Türkei: Empirische Untersuchung und theoretische Überlegungen [1 ed.]
 9783896448811, 9783896731500

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Kostenrechnung in der Türkei

Angewandte

Betriebswirtschaftslehre Herausgegeben von Prof. Dr. Bernd Kaluza Prof. Dr. Erich J. Schwarz

Band 3

Osman Tig

Kostenrechnung in der Türkei Empirische Untersuchung und theoretische Überlegungen

Verlag Wissenschaft & Praxis

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Tig, Osman: Kostenrechnung in der Türkei: empirische Untersuchung und theoretische Überlegungen / Osman Tig. Hrsg.: Bernd Kaluza ; Erich J. Schwarz. Sternenfels : Verl. Wiss, und Praxis, 2002 (Angewandte Betriebswirtschaftslehre ; Bd. 3) Zugl. : Duisburg, Univ., Diss., 2001 ISBN 3-89673-150-5

ISBN 3-89673-150-5 © Verlag Wissenschaft & Praxis Dr. Brauner GmbH 2002 D-75447 Sternenfels, Nußbaumweg 6 Tel. 07045/930093 Fax 07045/930094 Alle Rechte vorbehalten

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Ver­ wertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustim­ mung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfälti­ gungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbei­ tung in elektronischen Systemen. Printed in Germany

Geleitwort

V

Geleitwort

Für Wissenschaft und Praxis ist es von größter Bedeutung, gesichertes Wissen über den Einsatz betriebswirtschaftlicher Instrumente in der unternehmerischen Praxis zu

gewinnen. Dies gilt auch und gerade für ein „betriebswirtschaftliches Entwicklungs­ land" wie die Türkei. Seit mehreren Jahren versucht die Türkei, Anschluß an die EU

und besonders an Deutschland zu gewinnen. So wird beispielsweise das interne und

das externe Rechnungswesen in der Türkei von den amerikanischen und von den deutschen Lehrmeinungen geprägt. Es ist deshalb besonders interessant zu erfah­ ren, welche dieser unterschiedlichen Auffassungen sich in der Praxis der türkischen

Unternehmen durchgesetzt hat.

Vor diesem Hintergrund setzt sich Herr Tig als zentrales Ziel seiner Dissertation, den Stand und die Entwicklung der Kostenrechnung und der Kostenrechnungssysteme in

der Türkei zu ermitteln. Dafür untersucht der Autor zunächst die Grundlagen der

Kostenrechnung und stellt die verschiedenen Entwicklungsformen der Kostenrech­ nungssysteme vor. Der Verfasser gibt zudem einen Gesamtüberblick über das

türkische Schrifttum zur Kostenrechnung und erhebt in einer großzahligen empiri­

schen Untersuchung den aktuellen Stand der Kostenrechnung und der Kostenrech­ nungssysteme in den türkischen Unternehmen. Es zeigt sich, daß hochentwickelte

Kostenrechnungssysteme in den türkischen Unternehmen bislang nur sehr selten eingesetzt werden. Eine besondere Leistung der vorliegenden Arbeit ist es daher,

Handlungsempfehlungen zur Implementierung dieser Systeme in den türkischen Unternehmen zu erarbeiten. Zudem werden Vorschläge für die Entwicklung der kostenrechnerischen Ausbildung in der Türkei unterbreitet. Dabei kommt dem

Verfasser bei der Durchführung und Auswertung zu Gute, daß er in beiden Kultur­ kreisen viele Jahre gelebt hat. Das vorliegende Buch, dem eine an der Gerhard-Mercator-Universität Duisburg, wo

Herr Tig sich große Verdienste erworben hat, vorgelegte Dissertation zugrunde liegt,

richtet sich sowohl an Leser aus der Wissenschaft als auch aus der Praxis. Es bietet diesem Interessentenkreis eine Fülle interessanter Anregungen und bringt viele neue

Erkenntnisse besonders über die Verhältnisse in türkischen Unternehmen.

o.Univ.-Prof. Dr. Bernd Kaluza

Vorwort

VII

Vorwort

Die vorliegende Arbeit wurde im Frühjahr 2001 vom Fachbereich Wirtschafts­

wissenschaft

der

Gerhard-Mercator-Universität

Duisburg

als

Dissertation

angenommen.

Mein besonderer Dank gilt meinem verehrten akademischen Lehrer, Herrn Prof. Dr. Bernd Kaluza, der mir die Möglichkeit geboten hat, diese Arbeit bei ihm zu schreiben. Herr Prof. Dr. Kaluza hat die vorliegende Arbeit in jeder Phase

wissenschaftlich begleitet und durch seine herausragende fachliche Kompetenz wesentlich geprägt. Ohne ihn wäre diese Arbeit nie entstanden. Herrn Prof. Dr.

Michael Wohlgemuth danke ich für die freundliche Übernahme des Korreferats. Mit seinen konstruktiven Empfehlungen hat er mich in den verschiedenen Phasen

meiner Arbeit unterstützt. Ebenso gilt mein Dank Herrn Prof. Dr. Rainer Leisten und Herrn Privatdozent Dr. Jürgen Jerger als Mitglieder der Prüfungskommission. Weiterhin habe ich mich stets über die freundliche Unterstützung der Professoren

und all meiner Kollegen des ganzen Fachbereichs Wirtschaftswissenschaft gefreut.

Recht herzlich danken und besonders hervorheben möchte ich Herrn Dipl.-Kfm. Markus Roos. Er hat in vielen fruchtbaren Diskussionen sehr zum Gelingen der Arbeit beigetragen. Auch bedanken möchte ich mich bei Herrn Dipl.-Kfm. Jens Radde für die kritische Durchsicht der gesamten Arbeit sowie für seine fachlichen

Anregungen. Zu Dank für die Mithilfe bei der Entstehung meiner Arbeit bin ich meinen studentischen Hilfskräften Frau Dipl.-Kff. Iclal Kasim und den Herren Arif

Kaya, Dipl.-Kfm Andreas Baer, Dipl.-Kfm. Rainer Eichelberg, Dipl.-Ök. Michael

Janssen und Dipl.-Kfm. Carsten Bönig verpflichtet. Freundlicher Dank gebührt auch

Herrn Prof. Dr. Andreas Pasckert und Herrn Dr. Thorsten Blecker, die mich in allen Phasen der Arbeit motiviert haben.

Besonderer Dank gebührt meinen Eltern, Leyla und Mehmet Tig, ohne deren große Hilfe diese Dissertation niemals entstanden wäre. Sie haben mich unermüdlich unterstützt, gefördert und motiviert. Ihr Verständnis und ihre Hilfe haben den

erfolgreichen Abschluß von Studium und Promotion erst ermöglicht. Ihnen sei

deshalb diese Arbeit gewidmet.

Inhaltsverzeichnis

JX

Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis......................................................................................... XVI

Tabellenverzeichnis............................................................................................ XVIII

Abkürzungsverzeichnis......................................................................................... XX Abkürzungsverzeichnis zitierter Handwörterbücher und Zeitschriften........... XXII

1 Einleitung................................................................................................................ 1 1.1 Problemstellung................................................................................................. 1

1.2 Gang der Untersuchung..................................................................................... 5

2 Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung................................................10 2.1 Grundzüge der Kostenrechnung...................................................................... 10

2.1.1 Kostenrechnung als Teilgebiet des betrieblichen Rechnungswesens........................................................................ 10 2.1.2 Grundbegriffe der Kostenrechnung........................................................ 13

2.1.2.1 Kostenbegriffe........................................................................... 13 2.1.2.1.1 Wertmäßiger Kostenbegriff....................................... 13

2.1.2.1.2 Pagatorischer Kostenbegriff...................................... 16

2.1.2.1.3 Weitere Kostenbegriffe............................................. 17 2.1.2.2 Begriffsabgrenzungen...............................................................20

2.1.2.2.1 Abgrenzung von Ausgabe und Aufwand...................20

2.1.2.2.2 Abgrenzung von Aufwand und Kosten..................... 21 2.1.3 Funktionen und Zwecke der Kostenrechnung........................................23

2.1.4 Teilbereiche der Kostenrechnung...........................................................27

2.1.4.1 Kostenartenrechnung................................................................27 2.1.4.1.1 Grundsätzliche Bedeutung der Kostenartenrechnung.................................27

2.1.4.1.2 Klassifikationsmöglichkeiten der Kostenartenrechnung.................................28 2.1.4.1.3 Erfassung und Analyse der wichtigsten Kostenarten................................................ 30

2.1.4.2 Kostenstellenrechnung............................................................. 40 2.1.4.2.1 Bedeutung der Kostenstellenrechnung.................... 40

2.1.4.2.2 Einteilungskriterien und Arten von Kostenstellen.............................................43

2L

Inhaltsverzeichnis 2.1.4.2.3 Methoden und Prinzipien der Kostenverteilung........................................46

2.1.4.2.4 Problematik und Verfahren der innerbetrieblichen Leistungsverrechnung.48 2.1.4.2.5 Betriebsabrechnungsbogen als Instrument der Kostenstellenrechnung........................ 52

2.1.4.3 Kostenträgerrechnung.............................................................. 54 2.1.4.3.1 Kostenträgerstückrechnung....................................... 57

2.1.4.3.1.1 Einflußgrößen bei der Wahl des Kalkulationsverfahrens. 57

2.1.4.3.1.2 Darstellung verschiedener Formen der Kalkulationsverfahren.........61 2.1.4.3.2 Kostenträgerzeitrechnung.........................................71 2.2 Grundzüge der Kostenrechnungssysteme.......................................................73 3 Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme........................................ 78

3.1 Ausgewählte Systeme der Vollkostenrechnung...............................................78 3.1.1 Entwicklungsformen der Istkostenrechnung........................................... 78

3.1.1.1 Grundform der Istkostenrechnung.............................................78

3.1.1.2 Weiterentwicklung der Istkostenrechnung................................. 80 3.1.2 Entwicklungsformen der Normalkostenrechnung................................... 83

3.1.2.1 Grundlagen der Normalkostenrechnung................................... 83

3.1.2.2 Starre Normalkostenrechnung...................................................85 3.1.2.3 Flexible Normalkostenrechnung................................................87 3.1.3 Entwicklungsformen der Plankostenrechnung........................................ 88 3.1.3.1 Starre Plankostenrechnung.......................................................91

3.1.3.1.1 Grundlagen der starren Plankostenrechnung..................................91

3.1.3.1.2 Funktionsweise der starren Plankostenrechnung..................................91 3.1.3.1.3 Kritische Beurteilung der starren Plankostenrechnung.................................. 94

3.1.3.2 Flexible Plankostenrechnung auf Vollkostenbasis....................95 3.1.3.2.1 Grundlagen der flexiblen Plankostenrechnung auf Vollkostenbasis.. 95

3.1.3.2.2 Funktionsweise der flexiblen Plankostenrechnung auf Vollkostenbasis.. 96

Inhaltsverzeichnis__________________________________________________________

XI

3.1.3.2.3 Kritische Beurteilung der flexiblen Plankostenrechnung auf Vollkostenbasis.. 98 3.2 Ausgewählte Systeme der Teilkostenrechnung............................................. 100

3.2.1 Direct Costing.......................................................................................100

3.2.1.1 Grundgedanke des Direct Costing.......................................... 100 3.2.1.2 Voraussetzungen und Funktionsweise des Direct Costing........................................................................ 101 3.2.1.3 Kritische Beurteilung des Direct Costing................................. 104

3.2.2 Grenzplankostenrechnung................................................................... 106 3.2.2.1 Grundlagen der Grenzplankostenrechnung............................ 106

3.2.2.2 Funktionsweise der Grenzplankostenrechnung...................... 109 3.2.2.3 Kritische Beurteilung der Grenzplankostenrechnung............ 110 3.2.3 Dynamische Grenzplankostenrechnung............................................... 112 3.2.3.1 Grundlagen der dynamischen Grenzplankostenrechnung.......................................... 112

3.2.3.2 Entscheidungsrelevanz der Grenzkosten................................ 113 3.2.3.3 Kritik an der dynamischen Grenzplankostenrechnung.......... 116

3.2.4 Stufenweise Fixkostendeckungsrechnung........................................... 117

3.2.4.1 Grundlagen der stufenweisen Fixkostendeckungsrechnung....................................... 117 3.2.4.2 Vorgehensweise der stufenweisen Fixkostendeckungsrechnung....................................... 121

3.2.4.3 Kritische Beurteilung der stufenweisen Fixkostendeckungsrechnung 3.3

123

. Prozeßkostenrechnung als neueres Kostenrechnungssystem

125

3.3.1 Grundlagen der Prozeßkostenrechnung

125

3.3.2 Funktionsweise der Prozeßkostenrechnung

128

3.3.3 Kritische Beurteilung der Prozeßkostenrechnung

132

4 Ausgewählte Rahmenbedingungen zur Bestimmung des Einsatzes der Kostenrechnung........................................................................................135 4.1 Organisationsstruktur.....................................................................................135

4.1.1 Begriffliche Grundlagen........................................................................135 4.1.2 Grundlegende aufbauorganisatorische Gestaltungsalternativen...............................................................139 4.1.2.1 Funktionalorganisation............................................................139

4.1.2.2 Divisionalorganisation.............................................................141

XII

Inhaltsverzeichnis

4.1.2.3 Matrix-Organisation.................................................................143 4.1.3 Einordnung des Rechnungswesens in die Unternehmensorganisation......................................................... 146

4.1.4 Besonderheiten der Organisationsstruktur in der Türkei...................... 152 4.2 Unternehmenskultur.......................................................................................160 4.2.1 Wesen und Definitionsansätze.............................................................160 4.2.2 Typologisierungsversuche....................................................................163 4.2.3 Polaritätsprofil privater versus öffentlicher türkischer Unternehmen...............................................................................168

4.2.4 Merkmale und Wirkungen starker Unternehmenskulturen in der Türkei....................................................................................174 4.2.5 Interdependenzen von Unternehmenskultur und Kostenrechnung in türkischen Unternehmen.............................. 176

4.3 Wettbewerbsstrategien...................................................................................178 4.3.1 Grundlagen und Einordnung............................................................... 178 4.3.2 Ansätze von Wettbewerbsstrategien....................................................181 4.3.2.1 Generische Wettbewerbsstrategien nach Porter..................... 181

4.3.2.2 Ausgewählte Hybride Wettbewerbsstrategien.........................188 4.3.2.2.1 Outpacing Strategies nach Gilbert und Strebel..................................................... 188 4.3.2.2.2 Strategie der Dynamischen Produktdifferenzierung nach Kaluza........ 190

4.3.3 Besonderheiten der Wettbewerbsstrategien in der Türkei.................... 193 5 Empirische Untersuchung zum Einsatz der Kostenrechnung und der Kostenrechnungssysteme in türkischen Unternehmen....................... 196

5.1 Zielsetzung der empirischen Untersuchung...................................................196 5.2 Grundlagen der empirischen Untersuchung...................................................198

5.2.1 Planung der empirischen Untersuchung..............................................198 5.2.1.1 Konzeptionelle Vorüberlegungen............................................198

5.2.1.2 Gestaltung der Fragebogenstruktur....................................... 200 5.2.1.3 Festlegung der Plausibilitätsregeln zur Prüfung des Antwortverhaltens........................................................ 203 5.2.2 Durchführung der empirischen Untersuchung..................................... 206 5.2.2.1 Zeitpunkt und Umfang der empirischen Untersuchung.......... 206

5.2.2.2 Repräsentativität der empirischen Untersuchung.................. 207

Inhaltsverzeichnis_________________________________________________________________ XIU

5.2.2.3 Anwendung der Plausibilitätsregeln zur Prüfung des Antwortverhaltens........................................................ 218

5.3 Darstellung der Einzelantworten....................................................................219 5.3.1 Antworten zum Unternehmen...............................................................219

5.3.1.1 Branchenzugehörigkeit............................................................219 5.3.1.2 Unternehmensform..................................................................221 5.3.1.3 Unternehmensgröße...............................................................225 5.3.1.4 Fertigungsverfahren................................................................230 5.3.1.5 Zielsysteme.............................................................................232

5.3.2 Antworten zum Rechnungswesen........................................................237

5.3.2.1 Teilbereiche des Rechnungswesens.......................................237

5.3.2.2 Beurteilung des Einheitskontenrahmens................................ 239 5.3.3 Antworten zum Einsatz der Kostenrechnung und der Kostenrechnungssysteme...........................................................240

5.3.3.1 Antworten zum Verzicht auf die Kostenrechnung................... 241

5.3.3.2 Rahmenbedingungen der Kostenrechnung............................ 244 5.3.3.3 Zwecke der Kostenrechnung...................................................248

5.3.3.4 Stufen der Kostenrechnung.....................................................250

5.3.3.5 Systeme der Kostenrechnung.................................................259 5.3.3.6 Informationsverwendung.........................................................265 5.3.3.7 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse..................... 266

6 Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung......................269 6.1 Typisierung der eingesetzten Kostenrechnung und Kostenrechnungssysteme in türkischen Unternehmen........................... 269 6.1.1 Teilbereiche der Kostenrechnung.........................................................270

6.1.2 Ausgewählte Klassifikationen von Kostenarten....................................272 6.1.3 Beobachtete Einsatzformen der Kalkulation.........................................274 6.1.4 Eingesetzte Kalkulationsverfahren.......................................................277

6.1.5 Typisierung der Ausgestaltungsformen der eingesetzten Kostenrechnung..........................................................................279 6.1.6 Typisierung der eingesetzten Kostenrechnungssysteme.................... 281

6.2 Einflußgrößen auf den Einsatz und die Gestaltung der Kostenrechnung und der Kostenrechnungssysteme in türkischen Unternehmen..........................................................................284

XIV_________________________________________________

.Inhaltsverzeichnis

6.2.1 Einsatz und Gestaltung der Kostenrechnung und der Kostenrechnungssysteme in Abhängigkeit von der Unternehmensgröße....................................................................285 6.2.2 Einsatz und Gestaltung der Kostenrechnung und der Kostenrechnungssysteme in Abhängigkeit von der Branchenzugehörigkeit............................................................... 302

6.2.3 Einsatz und Gestaltung der Kostenrechnung und der Kostenrechnungssysteme in Abhängigkeit von der Unternehmensform......................................................................320

6.2.4 Gestaltung der Kostenrechnung und der Kostenrechnungssysteme in Abhängigkeit von den Zwecken der Kostenrechnung....................................................................346 7 Handlungsempfehlungen zur Implementierung sowie Erweiterung der Kostenrechnung und der Kostenrechnungssysteme in türkischen Unternehmen..................................................................................361

7.1 Allgemeine Einführungs- und Gestaltungsempfehlungen.............................361 7.2 Spezielle Einführungs- und Gestaltungsempfehlungen unter Berücksichtigung entscheidungsrelevanter Einflußgrößen......................368

7.2.1 Handlungsempfehlungen unter Berücksichtigung der Unternehmensgröße................................................................... 368

7.2.1.1 Kleinunternehmen...................................................................369 7.2.1.2 Mittelunternehmen...................................................................376 7.2.1.3 Großunternehmen...................................................................379 7.2.2 Handlungsempfehlungen unter Berücksichtigung der Branche.......... 381

7.2.2.1 Industrieunternehmen.............................................................382 7.2.2.2 Dienstleistungsunternehmen ...................................................385 7.3 Empfehlungen zur Gestaltung der Kostenrechnung unter Berücksichtigung allgemeiner Rahmenbedingungen...............................387

7.3.1 Anforderungen zur Steigerung des kostenrechnerischen Qualifikationsniveaus...................................................................387

7.3.2 Kostenrechnerische Anforderungen im Hinblick auf die Organisationsstruktur...................................................................395 7.3.3 Kostenrechnerische Anforderungen im Hinblick auf die Unternehmenskultur................................................................... 399 7.3.4 Kostenrechnerische Anforderungen im Hinblick auf die Wettbewerbsstrategie................................................................. 401

8 Zusammenfassung und Ausblick.................................................................... 404

Inhaltsverzeichnis_________________________________________________________________ XV

Literaturverzeichnis...............................................................................................409

Anhang A: Fragebogen.........................................................................................455 Anhang B: SPSS - Auswertungssyntax...............................................................465 Anhang C: Einheitskontenrahmen.......................................................................473

XVI

Abbildungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1:

Grundstruktur der Funktionalorganisation

139

Abb. 2:

Grundstruktur der Divisionalorganisation

141

Abb. 3:

Grundstruktur der Matrix-Organisation

144

Abb. 4:

Aufbauorganisation türkischer Kleinunternehmen

153

Abb. 5:

Aufbauorganisation türkischer Mittelunternehmen

154

Abb. 6:

Aufbauorganisation türkischer Großunternehmen

156

Abb. 7:

Aufbauorganisation öffentlicher türkischer Unternehmen

158

Abb. 8:

Der „organisatorische Eisberg“

161

Abb. 9:

Unternehmenskulturtypologie nach Deal/Kennedey

164

Abb. 10:

Unternehmenskulturtypologie nach Bleicher

167

Abb. 11:

Unternehmenskulturelles Polaritätsprofil privater und öffentlicher türkischer Unternehmen

169

Abb. 12:

Wettbewerbsverhalten der etablierten Unternehmen

180

Abb. 13:

Konzept der generischen Wettbewerbsstrategien

182

Abb. 14:

Outpacing Strategies nach Gilbert und Strebel

189

Abb. 15:

Strategie der Dynamischen Produktdifferenzierung nach Kaluza

192

Abb. 16:

Verteilung der Unternehmen nach Branchen

220

Abb. 17:

Verteilung der Unternehmen nach Eigentumsverhältnissen

222

Abb. 18:

Verteilung der Unternehmen nach der Rechtsform

224

Abb. 19:

Verteilung der Unternehmen nach der Anzahl der Beschäftigten

226

Abb. 20:

Verteilung der Unternehmen nach Jahresumsatz

227

Abb. 21: Verteilung der Unternehmen nach der Unternehmensgröße

230

Abb. 22:

Fertigungsverfahren

231

Abb. 23:

Arithmetische Mittelwerte der Formalziele

236

Abb. 24:

Teilbereiche des Rechnungswesens

238

Abb. 25:

Beurteilung des Einheitskontenrahmens

239

Abb. 26:

Einsatz der Kostenrechnung

242

Abb. 27:

Gründe für den Verzicht auf eine Kostenrechnung

243

Abb. 28:

Einsatzzeitraum der Kostenrechnung

245

Abb. 29:

Planungshorizont der Kostenrechnung

246

Abb. 30:

Integration der Kostenrechnung in das Unternehmen

246

Abbildunasverzeichnis

XVII

Abb. 31:

Einsatz von EDV-Systemen

247

Abb. 32:

Zwecke der Kostenrechnung

249

Abb. 33:

Gründe für die Durchführung einer Kostenkontrolle

250

Abb. 34:

Teilbereiche der Kostenrechnung

251

Abb. 35:

Kostenspaltung

252

Abb. 36:

Fixkostenspaltung

254

Abb. 37:

Verrechnung innerbetrieblicher Leistungen

255

Abb. 38:

Kalkulationsmethoden

256

Abb. 39:

Kalkulationsformen

257

Abb. 40:

Periodendauer der kurzfristigen Erfolgsrechnung

258

Abb. 41:

Eingesetzte Vollkostenrechnungssysteme

260

Abb. 42:

Eingesetzte Teilkostenrechnungssysteme

261

Abb. 43:

Gründe für den Verzicht auf eine Teilkostenrechnung

263

Abb. 44:

Kriterium der Preisuntergrenze

264

Abb. 45:

Kostenrechnungsinformationen

265

Abb. 46:

Vorgehensweise zur Analyse der Auswirkungen der Einfluß­ größen auf Einsatz und Gestaltung der Kostenrechnung und der Kostenrechnungssysteme 284

Abb. 47: Eingesetzte Kostenrechnungssysteme bei Kleinunternehmen

292

Abb. 48: Eingesetzte Kostenrechnungssysteme bei Mittelunternehmen

294

Abb. 49: Eingesetzte Kostenrechnungssysteme bei Großunternehmen

296

Abb. 50: Eingesetzte Kostenrechnungssysteme bei Dienstleistungs­ unternehmen 310 Abb. 51:

Eingesetzte Kostenrechnungssysteme bei Industrieunternehmen

311

Abb. 52:

Eingesetzte Kostenrechnungssysteme bei öffentlichen Unternehmen

332

Abb. 53:

Eingesetzte Kostenrechnungssysteme bei Privatunternehmen

334

Abb. 54:

Eingesetzte Kostenrechnungssysteme bei Joint VentureUnternehmen

336

Abb. 55:

Eingesetzte Kostenrechnungssysteme bei Kapitalgesellschaften

339

Abb. 56:

Entwicklungsstufen bei der Einführung und/oder Erweiterung der Kostenrechnung

362

Abb. 57:

Kostenrechnungs-Portfolio

367

Abb. 58:

Anforderungen zur Steigerung des kostenrechnerischen Qualifikationsniveaus

394

XVIII

Tabellenverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Tab. 1:

Repräsentativität nach Beschäftigtengrößenklassen

209

Tab. 2:

Repräsentativität der Untersuchung nach Branchen

213

Tab. 3:

Repräsentativität der Untersuchung nach Industriegruppen

214

Tab. 4:

Anzahl der angeschriebenen und antwortenden Unternehmen nach Regionen

216

Tab. 5:

Einteilung der Unternehmen in Unternehmensgrößenklassen

228

Tab. 6:

Gewichtung der Formalziele der Unternehmen

233

Tab. 7:

Formalzielgewichtungsfaktoren

235

Tab. 8:

Teilbereiche der Kostenrechnung

271

Tab. 9:

Ausgewählte Klassifikationen von Kostenarten

273

Tab. 10:

Beobachtete Einsatzformen der Kalkulation

275

Tab. 11:

Eingesetzte Kalkulationsverfahren

277

Tab. 12:

Typisierung der Ausgestaltungsform der eingesetzten Kostenrechnung

280

Tab. 13:

Eingesetzte Kostenrechnungssysteme

282

Tab. 14:

Verbreitungsgrad der Kostenrechnung nach Unternehmens­ größenklassen

286

Gründe für den Verzicht auf eine Kostenrechnung nach Unternehmensgrößenklassen

287

Typisierung der eingesetzten Kostenrechnung in bezug auf die Unternehmensgröße

290

Gründe für den Verzicht auf eine Teilkostenrechnung unter Berücksichtigung der Unternehmensgröße

293

Tab. 18:

Typisierung der eingesetzten Kostenrechnung in Abhängigkeit von der Unternehmensgröße

298

Tab. 19:

Verbreitungsgrad der Kostenrechnung nach Branchenzugehörigkeit

302

Gründe für den Verzicht einer Kostenrechnung nach Branchenzugehörigkeit

303

Tab. 21:

Kombinationstypen eingesetzter Kostenrechnung in Abhängigkeit von der Branche

307

Tab. 22:

Verzichtsgründe für Teilkostenrechnungssysteme unter Berücksichtigung der Branche

313

Tab. 23:

Typisierung der eingesetzten Kostenrechnungssysteme in bezug auf die Branche

316

Tab. 15: Tab. 16: Tab. 17:

Tab. 20:

Tabellenverzeichnis

XIX

Tab. 24:

Einsatz der Kostenrechnung in Abhängigkeit von den Eigentumsverhältnissen

321

Tab. 25:

Gründe für den Verzicht auf eine Kostenrechnung in Abhängigkeit von den Eigentumsverhältnissen

323

Tab. 26:

Einsatz der Kostenrechnung in Abhängigkeit von der Rechtsform

325

Tab. 27:

Gründe für den Verzicht auf eine Kostenrechnung in Abhängigkeit von der Rechtsform

327

Kombinationstypen eingesetzter Kostenrechnung in Abhängigkeit von den Eigentumsverhältnissen

328

Kombinationstypen eingesetzter Kostenrechnung in Abhängigkeit von der Rechtsform

330

Verzichtsgründe für Teilkostenrechnung unter Berücksichtigung von Eigentumsverhältnissen

333

Verzichtsgründe für Teilkostenrechnungssysteme in Abhängigkeit von der Rechtsform

340

Tab. 32:

Typisierung der eingesetzten Kostenrechnungssysteme in bezug auf die Eigentumsverhältnisse

342

Tab. 33:

Typisierung der eingesetzten Kostenrechnungssysteme in bezug auf die Rechtsform

344

Tab. 34:

Klassifikation von Kostenrechnungszwecken

347

Tab. 35:

Typisierung der eingesetzten Kostenrechnung

348

Tab. 36:

Typisierung der eingesetzten Kostenrechnung in bezug auf die Zwecke

349

Tab. 37:

Eingesetzte Kostenrechnungssysteme unter Berücksichtigung traditioneller Kostenrechnungszwecke

353

Tab. 38:

Eingesetzte Kostenrechnungssysteme unter Berücksichtigung moderner Kostenrechnungszwecke

355

Typisierung der eingesetzten Kostenrechnungssysteme in bezug auf die Zwecke

356

Pflichtsemester-Vorlesungswochenstunden im Bereich des Rechnungswesens an türkischen Hochschulen

388

Tab. 28: Tab. 29: Tab. 30:

Tab. 31:

Tab. 39: Tab. 40:

XX

Abkürzungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis Abb.

Abbildung

ABC

Activity Based Costing

AG

Aktiengesellschaft

AS

Anonim Sirketi [Aktiengesellschaft]

Aufl.

Auflage

BAB

Betriebsabrechnungsbogen

Bd.

Band

bzw.

beziehungsweise

d.h.

das heißt

DM

Deutsche Mark

EDV

Elektronische Datenverarbeitung

TOSYÖV

Türkiye Orta Ölcekli Sirketler Vakfi [Stiftung der türkischen mittelständischen Unternehmen, Selbständigen und Geschäftsführer]

TTK

Türk Ticaret Kanuni [Türkisches Handelsgesetzbuch]

TÜRMOB

Türkiye Serbest Muhasebeci Mali Musavirler ve Yeminli Mali Musavirler Odalari Birligi [Türkischer Dachverband der Bilanzbuchhalter, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer]

TÜSIAD

Türkiye Sanayi Is Adamlari Dernegi [Verband der türkischen Industriellen und Geschäftsleute]

EStG.

Einkommensteuergesetz

et al.

et alii [und andere]

UL

Unternehmensleitung

etc.

et cetera

VUK

GmbH

Gesellschaft mit beschränkter Haftung

Vergi Usui Kanunu [Türkisches Handelsgesetzbuch]

GuV

Gewinn- und Verlustrechnung

HGB

Handelsgesetzbuch

IWF

Internationaler Währungsfond

KG

Kommanditgesellschaft

Imi

leistungsmengeninduziert

Imn

leistungsmengenneutral

Mrd.

Milliarden

OECD

Organization for Economic Cooperation and Development

OHG

Offene Handelsgesellschaft

PKS

Prozeßkostensatz

REFA

Verband für Arbeitsstudien und Betriebsorganisation (REFA) e.V., Darmstadt

RKW

Rationalisierungs-Kuratorium der Deutschen Wirtschaft (RKW) e.V., Eschborn

SPSS

Statistic Program for Sozial Science

TL

Türk Lirasi [Türkische Lira]

Abkürzungsverzeichnis zitierter Handwörterbücher und Zeitschriften

XXI

Abkürzungsverzeichnis zitierter Handwörterbücher und

Zeitschriften A.Ü.I.B.F.D Ankara Üniversitesi Iktisadi Bilimler Fakültesi Dergisi

IIE

Institute of Industrial Engineers Inc.

Ba

Beschaffung aktuell

IMV

Istanbul Mülkiyeliler Vakfi

BB

Betriebs-Berater

io

io Management Zeitschrift

BBK

Buchführung, Bilanz, Kostenrechnung

LÜ.I.F.Y

Istanbul Üniversitesi Isletme Fakültesi Yayinlari

BFuP

Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis

JfB

Journal für Betriebswirtschaft

JoCM

Journal of Cost Management for the Manufacturing Industry

BWM

Betriebswirtschaftsmagazin

cm

Controller magazin

krp

Kostenrechnungspraxis

DB

Der Betrieb

MED

Muhasebe Enstitüsü Dergisi

DBW

Die Betriebswirtschaft

MM

Manager Magazin

DSWR

Datenverarbeitung in Steuer, Wirtschaft und Recht

NACA

National Association of Cost Accountants

DU

Die Unternehmung

NB

Neue Betriebswirtschaft

FB/IE

Fortschrittliche Betriebsführung/ Industrial Engineering

RIW

Recht der Internationalen Wirtschaft

HB

Handelsblatt

U.D.H

HBR

Harvard Business Review

Unsere Duisburger Hochschule Zeitschrift der Duisburger UniversitätsGesellschaft

HdJ

Handbuch des Jahresabschlusses in Einzeldarstellungen

WiSt

Wirtschaftswissenschaftliches Studium

HdWW

Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaft

Hm

HARVARD manager [seit 1993: HARVARD BUSINESS Manager]

HWA

Handwörterbuch der Absatzwirtschaft

HWB

Handwörterbuch der Betriebswirtschaft

HWFü

Handwörterbuch der Führung

HWO

Handwörterbuch der Organisation

HWPers

Handwörterbuch des Personalwesens

HWPIan

Handwörterbuch der Planung

HWProd

Handwörterbuch der Produktionswirtschaft

HWR

Handwörterbuch des Rechnungswesens

HWRev

Handwörterbuch der Revision

WISU

Das Wirtschaftsstudium

WP

Der Wirtschaftsprüfer

Wpg

Die Wirtschaftsprüfung

ZfB

Zeitschrift für Betriebswirtschaft

ZfbF

Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung [bis 1964: ZfhF - Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschung]

ZfgV

Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft

ZfhF

Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschung [seit 1965: ZfbF - Schalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung]

zfo

Zeitschrift Führung + Organisation [bis 1981: Zeitschrift für Organisation]

ZGR

Zeitschrift für Unternehmensund Gesellschaftsrecht

Einleitung

1

1 Einleitung

1.1 Problemstellung In den siebziger Jahren hat sich die türkische Wirtschaft in einer bedrohlichen Krise

befunden, die durch eine stetig ansteigende Arbeitslosigkeit, eine hohe Inflationsrate sowie eine wachsende Auslandsverschuldung und ein gravierendes Handels- und

Zahlungsbilanzdefizit gekennzeichnet war. Diese Gründe haben dazu geführt, daß

die Weltbank, die OECD sowie der IWF einerseits und zum anderen die türkischen Arbeitgeberverbände einen grundlegenden wirtschaftspolitischen Wandel gefordert haben. Der hiermit verbundene außen- und innenpolitische Druck hat schließlich die türkischen Regierungen veranlaßt, seit Beginn der achtziger Jahre einen zunehmend

liberalen Kurs in der Wirtschaftspolitik zu verfolgen.1 Dieser Kurswandel zeigt sich bis in die Gegenwart insbesondere in der Privatisierung staatlicher Unternehmen,

der Abschaffung staatlicher Monopole sowie der Durchführung arbeitsmarkt­ politischer Maßnahmen. Weiterhin hat die zum 1.1.1996 in Kraft getretene Zollunion2 zwischen der Türkei und der Europäischen Union wesentlich zu einer Libera­

lisierung, Intensivierung und Globalisierung des Wirtschaftsgeschehens beigetragen. Es bleibt festzuhalten, daß türkische Unternehmen einer zunehmend dynamischen

und komplexen Umwelt3 gegenüberstehen. Dies hat zu großen Auswirkungen auf die Wettbewerbssituation der einzelnen Unternehmen geführt. So ist einerseits ein

verstärkter Wettbewerb der türkischen Unternehmen untereinander festzustellen,

andererseits hat der Wettbewerb aufgrund des Eintritts ausländischer Unternehmen in den türkischen Markt in den achtziger und neunziger Jahren enorm zugenommen.

Darüber hinaus agieren türkische Unternehmen verstärkt auf den Weltmärkten, wodurch sie auch auf die internationale Konkurrenz treffen.4 Berücksichtigt man

Dieser wirtschaftspolitische Wandel wurde vor allem von dem damaligen türkischen Minister­ präsidenten Turgut Özal initiiert. Vgl. auch Pürsün [Türkei 1997], S.928. Vgl. hierzu Rumpf [Zollunion 1997], S.46ff. Vgl. auch Pürsün [Türkei 1997], S.928.

Vgl. zur grundsätzlichen Problematik der permanenten Umweltveränderungen Kaluza [Produktdifferenzierungsstrategie 1996a], S.193, Aaker [Marke 1998], S.43, und Lester et al. [Manager 1998], S.26. In diesem Zusammenhang sind insbesondere die Textilindustrie und die Nahrungs- und Genußmittelindustrie zu nennen.

2.

Einleitung

zusätzlich die rapide fortschreitende technologische Entwicklung insbesondere im Bereich moderner Fertigungssysteme sowie der Informations- und Kommunikations­

technologie und darüber hinaus den Wandel von Verkäufer- zu Käufermärkten, so

wird deutlich, daß türkische Unternehmen einem zunehmenden Kostendruck ausgesetzt sind. Zur Lösung der aufgeführten Probleme gewinnen die modernen betriebswirtschaft­ lichen Instrumente der Unternehmenssteuerung für türkische Unternehmen stetig an Bedeutung. Im Rahmen dieser Instrumente nimmt die Kostenrechnung eine heraus­

ragende Stellung ein. Hierzu trägt wesentlich die aufgrund ihrer Schwankungsbreite

weitgehend nicht antizipierbare und hohe Inflationsrate in der Türkei bei.5 Es ist deshalb sehr überraschend, daß die Bedeutung der Kostenrechnung im betriebswirtschaftlichen Schrifttum der Türkei bisher nur unzureichend erkannt wird. Dies zeigt sich nicht nur in der geringen Anzahl von Publikationen, die sich mit dieser

Thematik auseinandersetzen, sondern auch dadurch, daß es sich bei dem über­ wiegenden Teil dieser Veröffentlichungen lediglich um Übersetzungen aus dem deutschsprachigen und anglo-amerikanischen Schrifttum handelt. Dieser bloße

Wissenstransfer ist jedoch vor dem Hintergrund ideologischer, politischer, sozio­

ökonomischer sowie kultureller Unterschiede zwischen diesen Ländern nicht unproblematisch. Darüber hinaus resultiert aus dieser Vorgehensweise häufig eine uneinheitliche Verwendung der Fachterminologie. Ferner beurteilen wir die im

Schrifttum durchweg vertretene monistische Sichtweise, die die Dominanz der

Finanzbuchhaltung gegenüber der Kostenrechnung hervorhebt, sehr kritisch. Die Kostenrechnung gehört zu den Teilgebieten der Betriebswirtschaftslehre, bei

denen die Verbindung zwischen der Wissenschaft und der unternehmerischen Praxis sehr eng ist. Dennoch besteht in der traditionellen betriebswirtschaftlichen

Forschung im Hinblick auf die Kostenrechnung ein großes Informationsdefizit. Dies

ist insbesondere darauf zurückzuführen, daß die Anzahl der bislang durchgeführten empirischen Erhebungen im Bereich Kostenrechnung sowohl im deutschsprachigen

Vgl. hierzu llman [Enflasyon Muhasebesi 1989], S.123f., Kurtbay [Enflasyon 1992], S.42, Ongun [Kronoloji 1992], S.281, Türkkan [Sanayilesme 1994], S.49, Oyan et al. [Maliye 1995], S.131, Yüksel [Enflasyon Muhasebesi 1996], S.49, und Tokgöz [Gelisme 1998], S.18.

Einleitung

3

als auch im anglo-amerikanischen Raum gering ist.6 Darüber hinaus konzentrieren

sich die in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführten Studien zum großen Teil auf eine bestimmte Branche oder liefern lediglich einen repräsentativen Querschnitt

von Mittel- bzw. Großunternehmen eines speziellen Wirtschaftszweigs und haben

mithin keinen allgemeingültigen Charakter.7 Ferner ist festzustellen, daß Kleinunter­ nehmen im Rahmen der empirischen Erhebungen kaum beachtet werden. Das türkische betriebswirtschaftliche Schrifttum weist in dieser Hinsicht ein

besonders großes Forschungsdefizit auf. Trotz intensiver Recherchen war es uns nicht möglich, einschlägige Informationen, die sich auf eine fundierte Daten­

grundlage stützen, zu gewinnen. Die Begründung hierfür ist darin zu sehen, daß in der Türkei zu dieser speziellen Problematik bislang keine umfassenden empirischen Untersuchungen durchgeführt wurden.8 Im Rahmen der wenigen vorliegenden

empirischen Erhebungen wurde die Kostenrechnung bislang lediglich als Teilaspekt

innerhalb eines übergeordneten Untersuchungsgegenstandes, etwa des externen Rechnungswesens, aufgegriffen.9 Zudem sind die empirischen Erhebungen durch einen geringen Stichprobenumfang gekennzeichnet, so daß sie nur von geringer

Vgl. hierzu Küpper [Rechnungswesen 1993], S.603. Vgl. ausführlich zu den in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführten Untersuchungen Horväth et al. [Planung 1978], Wurm [Kostenrechnungssysteme 1978], Marner [Rechnungswesen 1980], Frost/Meyer [Kostenrechnungssysteme 1981], IHK [Mittelstand 1981], Küpper [Kosteninformationen 1983], Becker [Kostenrechnung 1984], Wied-Nebbeling [Preisverhalten 1985], Kind [Rechnungswesen 1986], Küpper/Hoffmann [Entwicklungstendenzen 1988], Witt [Controlling 1988], Krauß/Eifert [Kostenrechnung 1990], Weber et al. [Einführung 1990], Küpper et al. [Planungsverfahren 1990], Kosmider [Kostenrechnung 1991], Koeder [Rechnungswesen 1992], Amshoff [Controlling 1993], Spitzer [Rechnungswesen 1993], Weber [Grossunternehmen 1993], Hauer [Entscheidungsrechnung 1994], Schehl [Industrieunternehmen 1994], Schmitt-Eisleben [Internes Rechnungswesen 1994], Funke [Fixkosten 1995], Lange/Schauer [Kostenrechnung 1996], Franz/Kajüter [Kostenmanagement 1997], Währisch [Kostenrechnungspraxis 1998], und Stoi [Prozeßkostenmanagement 1999].

Vgl. hierzu ausführlich Lalik [Türkiyede'ki Muhasebe 1980], S.122, Bilginoglu [Birim Maliyetleme 1982], S.14, Yildirim [Bilgisayarli Muhasebe 1988], S.53, Artan [Endüstri 1991], S.86f., Günes [Fiyatlandirma 1991], S.160, Aksit [Maliyet Muhasebesi 1993], S.35, und Üstün [Maliyet Muhasebesi 1995], S.114. Zu den bisher durchgeführten empirischen Erhebungen vgl. Gecikligün [Muhasebe 1982], S.102ff., sowie Ersoy [Maliyet Arastirmasi 1990], S.181ff. Gecikligün untersucht Kostenrechnung im Hinblick auf ihre Zwecke und die angewandten Kalkulationsverfahren sowie eine mögliche EDV-Unterstützung. Ersoy konzentriert sich im Rahmen seiner Untersuchung auf die ange­ wandten Kalkulationsverfahren und den EDV-Einsatz.

4

Einleitung

wissenschaftlicher Relevanz sind und keine Gestaltungsempfehlungen zulassen.10

Wegen der unzureichenden Forschungsarbeit auf dem Gebiet des internen Rech­ nungswesens in der Türkei ist das betriebswirtschaftliche Schrifttum und die unter­ nehmerische Praxis auf Vermutungen und individuelle Erfahrungen angewiesen. So findet man in einigen Veröffentlichungen die Aussage, daß die Kostenrechnung in

der unternehmerischen Praxis der Türkei kaum eingesetzt wird.11 Aufgrund dieser festgestellten Defizite besteht das zentrale Anliegen unserer Schrift

darin, den Stand der Kostenrechnung und der Kostenrechnungssysteme in türkischen Unternehmen im Rahmen einer Primärerhebung, auf der Basis eines von

uns selbst konzipierten Fragebogens, festzustellen und kritisch zu analysieren. Hierbei besteht ein Hauptziel der empirischen Erhebung darin, zu untersuchen, ob

die türkischen Unternehmen im Hinblick auf die Kostenrechnung den veränderten Umweltbedingungen und den daraus resultierenden höheren Anforderungen ge­

wachsen sind. Dabei interessiert uns auch die Frage, ob und inwieweit die in der Praxis vorzufindenden Formen und Systeme der Kostenrechnung den im betriebs­ wirtschaftlichen Schrifttum gestellten Ansprüchen gerecht werden. Wir wollen mit der Behandlung dieser Fragen einen Betrag zur Erfüllung des Beschreibungsziels

erbringen. Es wird also versucht, möglichst zutreffend den realen Einsatz der Kostenrechnung und der Kostenrechnungssysteme in türkischen Unternehmen wiederzugeben. Eine weitere Hauptaufgabe unserer Arbeit besteht darin, zu untersuchen, von

welchen Kontextfaktoren der Einsatz und die Gestaltung der Kostenrechnung und der Kostenrechnungssysteme in der unternehmerischen Praxis der Türkei beeinflußt werden. Mit der Beantwortung dieser Fragen soll ein Beitrag zum Erklärungsziel

geleistet werden. Im Mittelpunkt dieses Teils der Arbeit stehen theoretische Über­

legungen, d.h. es sind reale Sachverhalte der Kostenrechnung und der Kosten­

Vgl. Gecikligün [Muhasebe 1982], dessen Studie allerdings nur eine Ausgangsstichprobe von 45 Unternehmen und eine tatsächliche Stichprobe von 22 Unternehmen umfaßt. Der Untersuchung von Ersoy [Maliyet Arastirmasi 1990], liegt eine Ausgangsstichprobe von 30 Unternehmen und eine tatsächliche Stichprobe von 14 Unternehmen zugrunde.

Vgl. hierzu ausführlich Tüfekcioglu [Standart Maliyetler 1992], S.57, Aksit [Maliyet Muhasebesi 1993], S.35, Üstün [Maliyet Muhasebesi 1995], S.113f., sowie Yücel [Maliyet Muhasebesi 1998], S.4.

Einleitung

5

rechnungssysteme zu erklären und Ursache-Wirkungszusammenhänge zu thema­

tisieren. Die Berücksichtigung der Einflußfaktoren hat einen erheblichen Einfluß auf die Aus­

sagekraft unserer Handlungsempfehlungen. Gleichzeitig ermöglicht die Isolierung

der wichtigsten Determinanten einen Vergleich mit den in Deutschland durchge­

führten empirischen Erhebungen. Diese Gegenüberstellung verschafft einen Über­

blick über den Entwicklungsstand der Kostenrechnung türkischer Unternehmen. Weiterhin haben wir uns das Ziel gesetzt, die Rahmenbedingungen zur Gestaltung der Kostenrechnung in türkischen Unternehmen zu analysieren und in den

Handlungsempfehlungen entsprechend zu würdigen. Mit diesem dritten Erkenntnis­ ziel unserer Studie soll ein Beitrag zum Gestaltungsziel erbracht werden. Es sollen also konkrete Hinweise zur Gestaltung der Kostenrechnung in türkischen Unter­

nehmen gegeben werden.

1.2 Gang der Untersuchung Im Anschluß an diesen ersten Teil werden im zweiten Teil der Arbeit die theoretischen Grundlagen der Kostenrechnung dargestellt. Wir beschäftigen uns

dabei besonders mit der Einordnung in das betriebliche Rechnungswesen, den grundlegenden Definitionen sowie den Funktionen und Zwecken der Kostenrech­

nung. Darüber hinaus werden die Kostenarten-, Kostenstellen- und Kostenträger­ rechnung als Teilbereiche der Kostenrechnung thematisiert.

Im Anschluß an die theoretischen Grundlagen der Kostenrechnung untersuchen wir im dritten Teil die im betriebswirtschaftlichen Schrifttum diskutierten Kostenrech­ nungssysteme. Dazu nehmen wir zunächst eine Systematisierung der verschie­

denen Kostenrechnungssysteme vor. Inhaltlicher Schwerpunkt unserer Ausführun­ gen ist dabei eine detaillierte und kritische Analyse ausgewählter Systeme der Voll-

und Teilkostenrechnung, wie sie im deutschsprachigen Schrifttum vorzufinden sind. In einem ersten Schritt stellen wir in Kapitel 3.1 die verschiedenen Vollkosten-

rechnungssysteme vor. Dabei stehen die Ist- und die Normal- sowie die Plankosten­ rechnung im Mittelpunkt unserer Betrachtungen. Daran anschließend werden in

Kapitel 3.2 das Direct-Costing, die Grenzplankostenrechnung und die dynamische

&

Einleitung

Grenzplankostenrechnung sowie die stufenweise Fixkostenrechnung als ausge­ wählte Teilkostenrechnungssysteme kritisch betrachtet. Zum Abschluß des dritten

Kapitels widmen wir in Kapitel 3.3 unsere besondere Aufmerksamkeit der Prozeß­ kostenrechnung als neueres Kostenrechnungssystem. Dieses ausgewählte Instru­

ment des Kostenmanagements wird dabei einer kritischen Beurteilung unterzogen. Der vierte Teil der Schrift ist der Untersuchung ausgewählter Rahmenbedingungen

im Hinblick auf den Einsatz und die Gestaltung der Kostenrechnung gewidmet. Als

maßgebliche Rahmenbedingungen der Kostenrechnung sehen wir dabei die Organisationsstruktur, die Unternehmenskultur und die Wettbewerbsstrategie an. Zu

Beginn wird in Kapitel 4.1 die Organisationsstruktur aufgegriffen, wobei wir zunächst auf die begrifflichen Grundlagen der Organisation und die grundlegenden aufbauorganisatorischen Gestaltungsalternativen eingehen und insbesondere deren Vor-

und Nachteile herausarbeiten. Dies stellt die Grundlage für die sich anschließende

Betrachtung der Einordnung des Rechnungswesens in die Aufbauorganisation des Unternehmens dar. Abschließend werden im Abschnitt 4.1.4 die aufbauorga­ nisatorischen Besonderheiten in der unternehmerischen Praxis analysiert. Hierbei

werden die aufbauorganisatorischen charakteristischen Merkmale von türkischen Klein-, Mittel und Großunternehmen des privaten und öffentlichen Sektors einge­

hender untersucht. Gegenstand des Kapitels 4.2 ist die Unternehmenskultur als eine Rahmenbedingung für die Kostenrechnung. Es erweist sich als erforderlich, verschiedene im Schrifttum vorzufindende Definitionsansätze des Terminus Unter­ nehmenskultur vorzustellen und zu systematisieren. Um die Interdependenzen

zwischen Unternehmenskultur und Kostenrechnung herausarbeiten zu können, ist es zunächst erforderlich, die unternehmenskulturellen Besonderheiten von türkischen

privaten und öffentlichen Unternehmen einander gegenüberzustellen und auf die

Stärke der Unternehmenskultur von türkischen Unternehmen einzugehen. Die Wett­ bewerbsstrategien als weitere Rahmenbedingung für den Einsatz der Kosten­ rechnung sind Inhalt des Kapitels 4.3. Unsere Betrachtung wird dabei zum einen auf den Stellenwert der Kostenrechnung innerhalb der verschiedenen Wettbewerbs­

strategien fokussiert. Zum anderen gilt unsere Aufmerksamkeit den in der unter­

nehmerischen Praxis der Türkei verfolgten Wettbewerbsstrategien.

Einleitung

7

Aufbauend auf den theoretischen Grundlagen der Kostenrechnung und Kosten­

rechnungssysteme wollen wir nun deren Praxisrelevanz in türkischen Unternehmen im Rahmen einer empirischen Primäruntersuchung herausarbeiten. Dies ist Gegen­

stand des fünften Teils der Arbeit. Hierzu wird in Kapitel 5.1 zuerst die wissen­

schaftliche Zielsetzung der empirischen Untersuchung vorgestellt. Sie besteht darin, den Entwicklungsstand der eingesetzten Kostenrechnung und Kostenrechnungs­

systeme in der unternehmerischen Praxis der Türkei detailliert zu untersuchen. Aus­

gehend von dieser wissenschaftlichen Zielsetzung legen wir in Kapitel 5.2 die Grund­ lagen der empirischen Untersuchung fest. Insbesondere sind an dieser Stelle Über­

legungen zur Planung der empirischen Untersuchung, zur Gestaltung des Frage­ bogens und zum Ablauf der empirischen Untersuchung anzustellen. Dabei ist das Augenmerk vor allem auf die Repräsentativität der Untersuchung zu richten. Den

Kern des fünften Teils bildet die Darstellung der Einzelantworten (Kapitel 5.3). In

einem ersten Schritt werden wir die befragten Unternehmen hinsichtlich ihrer Unter­ nehmensstruktur untersuchen. In diesem Zusammenhang sind die Branchen­

zugehörigkeit, die Unternehmensform, die Unternehmensgröße, die eingesetzten Fertigungsverfahren und die unternehmerischen Zielsysteme näher zu analysieren.

Weiterhin sind

die Antworten

Rechnungswesens darzustellen.

der befragten

hinsichtlich

des

Es werden zunächst die Teilbereiche

des

Unternehmen

Rechnungswesens eingehend betrachtet. Darüber hinaus sind die Auswirkungen

des in der Türkei gesetzlich vorgeschriebenen Einheitskontenrahmens auf das interne Rechnungswesen zu untersuchen. Den Abschluß von Kapitel 5.3 bildet die Darstellung der Einzelantworten zum Einsatz der Kostenrechnung und Kosten­

rechnungssysteme. Hierbei werden in einem ersten Schritt sowohl die Rahmen­

bedingungen der Kostenrechnung als auch die von den Unternehmen mit der Kostenrechnung verfolgten Zwecke aufgezeigt. Zudem wird untersucht, welche Teil­ bereiche der Kostenrechnung von den Unternehmen eingesetzt werden. Ferner wird

aufgezeigt, welche Kostenrechnungssysteme in der unternehmerischen Praxis

angewendet werden. Dargestellt wird auch, inwieweit die aus der Kostenrechnung

gewonnenen Informationen bei unternehmerischen Entscheidungen berücksichtigt werden. Abschließend fassen wir im Rahmen der Auswertung die wichtigsten aus

der empirischen Untersuchung gewonnenen Einzelergebnisse zusammen.

Einleitung

£L

Basierend auf den vorangegangenen Ausführungen erfolgt im sechsten Teil der

Arbeit - als zentrales Anliegen unserer Schrift - eine Interpretation der Ergebnisse

der empirischen Untersuchung. Dazu wird in einem ersten Schritt in Kapitel 6.1 eine Typisierung der eingesetzten Kostenrechnung und Kostenrechnungssysteme in türkischen Unternehmen durchgeführt. Bei dieser Typenbildung werden verschie­

dene Kriterien zugrunde gelegt, wie die Teilbereiche der Kostenrechnung, die Klassifikationen von Kostenarten, die Einsatzformen der Kalkulation sowie die

verschiedenen Kalkulationsverfahren. Weiterhin nehmen wir eine Typisierung der in türkischen Unternehmen eingesetzten Kostenrechnungssysteme vor. In einem

nächsten Schritt werden die von uns in Kapitel 6.2 herausgearbeiteten zentralen Ein­ flußgrößen auf den Einsatz und die Gestaltung der Kostenrechnung und Kosten­

rechnungssysteme in der unternehmerischen Praxis der Türkei systematisch analysiert. Hierbei erfolgt die Systematisierung anhand folgender Einflußgrößen: • Unternehmensgröße • Branchenzugehörigkeit • Unternehmensform

• Zwecke der Kostenrechnung.

Wir nehmen an, daß zwischen diesen Einflußgrößen und dem Einsatz sowie der

Ausgestaltung der Kostenrechnung und der Kostenrechnungssysteme ein kausaler

Zusammenhang besteht. Es wird deshalb zunächst der Einfluß dieser Kontext­

faktoren auf den Einsatz der Kostenrechnung analysiert. Darauf aufbauend werden wir die zentralen Zusammenhänge zwischen den einzelnen Determinanten heraus­

arbeiten. Dabei werden insbesondere auch die Auswirkungen der einzelnen Einfluß­

größen auf die Ausgestaltung der Kostenrechnung sowie der Kostenrechnungs­ systeme kritisch hinterfragt.

Auf der Basis unserer theoretischen Ausführungen und der im Rahmen unserer empirischen Untersuchung gewonnenen Ergebnisse werden im Teil sieben Hand­

lungsempfehlungen zur Implementierung sowie Erweiterung der Kostenrechnung

und der Kostenrechnungssysteme in der unternehmerischen Praxis der Türkei ent­ wickelt. Zunächst werden wir in Kapitel 7.1 die grundsätzliche Vorgehensweise bei

der Einführung und/oder Erweiterung der Kostenrechnung behandeln. Kapitel 7.2 thematisiert anschließend die entsprechenden Handlungsempfehlungen vor dem

Hintergrund entscheidungsrelevanter Einflußgrößen. Abschließend werden in Kapitel 7.3 Handlungsempfehlungen zur Einführung und/oder Erweiterung der Kosten­

rechnung vor dem Hintergrund der allgemeinen Rahmenbedingungen in der unter­

nehmerischen Praxis der Türkei herausgearbeitet. Den Schlußteil unserer Arbeit bildet der achte Teil, in dem die wesentlichen Ergebnisse zusammengefaßt werden und ein Ausblick auf weiterführende Frage­ stellungen gegeben wird.

Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung

10

2 Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung

2.1 Grundzüge der Kostenrechnung 2.1.1 Kostenrechnung als Teilgebiet des betrieblichen Rechnungswesens

Unter dem Begriff „betriebliches Rechnungswesen” werden üblicherweise sämtliche Verfahren zusammengefaßt, die das betriebliche Geschehen wert- und mengen­

mäßig erfassen und überwachen.12 Das betriebliche Rechnungswesen enthält damit im wesentlichen Kontroll-, Planungs- und Dokumentationsaufgaben.13

Das betriebliche Rechnungswesen ist grundlegend in das externe und das interne

Rechnungswesen zu unterteilen.14 Diese beiden Hauptgebiete unterscheiden sich hinsichtlich

ihres

Informationsgegenstandes und

bezüglich des

Informations­

empfängers.15 Das externe Rechnungswesen beschäftigt sich mit den Vorgängen finanzieller Art, die sich im Austausch zwischen Unternehmen und Umwelt ergeben.

Der Begriff „Umwelt” bezeichnet dabei vor allem die Partner auf den Beschaffungs-,

Vgl. Kilger [Kostenrechnung 1987], S.6, Kemmetmüller/Maurer [Kostenrechnung 1995], S.3, Wöhe [Betriebswirtschaftslehre 1996], S.963, Hoitsch [Erlösrechnung 1997], S.3, Schneider [Rechnungswesen 1997], S.3, Botta [Rechnungswesen 1998], S.29, Busse von Colbe [Rechnungswesen 1998], S.599, Schmidt [Kostenrechnung 1998], S.13, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.23. Vgl. Szyperski/Winand [Planung 1981], Sp.1351f., Weber/Kalaitzis [Aufgaben 1984], S.149, Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.4, Brühl [Kostenrechnung 1996], S.18, Hoitsch [Erlösrechnung 1997], S.24, Reichmann [Controlling 1997], S.119, Zimmermann [Kostenrechnung 1997], S.1, Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.5, Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.25f., und Eisele [Rechnungswesen 1999], S.7.

Im betriebswirtschaftlichen Schrifttum in der Türkei wird diese Einteilung des Rechnungswesens von dem überwiegenden Teil der Autoren vorgenommen. Vgl. hierzu Cömlekci [Muhasebe Denetimi 1978], S.13, özarslan [Teknik 1980], S.7, Bilginoglu [Maliyet Muhasebesi 1981], S.24, Caldag [Muhasebe 1987], S.27, Sevilengül [Genei Muhasebe 1987], S.14, Dardeniz [Maliyet Sistemleri 1988], S.103, Akdogan [Maliyet Muhasebesi 1990], S.3, Bursal/Ercan [Maliyet Muhasebesi 1992], S.19, Koc-Yalkin [Genei Muhasebe 1994], S.4, Büyükmirza [Yönetim Muhasebesi 1995], S.14f., Üstün [Maliyet Muhasebesi 1995], S.2f., und Altug [Maliyet Muhasebesi 1999], S.5. Vgl. Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.4, Kilger [Industriebetriebslehre 1986], S.47, Meyer [Rechnungswesen 1992], S.54, Lücke [Rechnungswesen 1993], Sp.1692, Schildbach/Feldhoff [Adressaten 1993], Sp.30, Wagner [Rechnungswesen 1993], Sp.3664f., Troßmann [Rechnungswesen 1996], S.349, Ebert [Kostenrechnung 1997], S.15, Schneider [Rechnungswesen 1997], S.29, S.83, Kemminer [Erlösmanagement 1999], S.11, und Männel [Integration 1999], S.11.

Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung

11

den Absatz- und den Kapitalmärkten sowie den Staat.16 Das externe Rechnungs­

wesen dient folglich primär der Information Außenstehender.17 Zu den externen Adressaten zählen Anteilseigner, Gläubiger, Kunden, Lieferanten, der Staat,

Gewerkschaften und die interessierte Öffentlichkeit. Es findet seinen jährlichen Ab­ schluß in der Bilanz und in der Gewinn- und Verlustrechnung eines Unternehmens, also im Jahresabschluß.18

Das

interne

Rechnungswesen

hingegen

befaßt sich

mit den wirtschaftlich

bedeutsamen Vorgängen, die innerhalb der Unternehmen ablaufen. Die Haupt­

aufgaben des internen Rechnungswesens bestehen darin, den Verzehr von Pro­ duktionsfaktoren und die dadurch entstehenden Leistungen (Produkte) wert- und

mengenmäßig zu erfassen, die Wirtschaftlichkeit der Leistungserstellung zu über­ wachen und Unterlagen für Unternehmensentscheidungen bereitzustellen.19

Das Hauptgebiet des internen Rechnungswesens ist die Kosten- und Leistungs­

rechnung.

In der Praxis wird nicht immer zwischen externem und internem Rechnungswesen getrennt, sondern das betriebliche Rechnungswesen aus abrechnungstechnischen

und organisatorischen Gründen in die Teilgebiete Finanzbuchhaltung, Kosten­

rechnung und Betriebsstatistik untergliedert.20

Vgl. Börner [Rechnungswesen 1973], S.154, Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.4, Mayer et al. [Kostenrechnung 1997], S.1, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.24. Vgl. Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.4, Gabele/Fischer [Kostenrechnung 1992], S.1, Meyer [Rechnungswesen 1992], S.55, Kellner [Rechnungswesen 1995], S.11, Thommen [Betriebswirtschaftslehre 1996], S.151, Ebert [Kostenrechnung 1997], S.15, und Hoitsch [Erlösrechnung 1997], S.4. Vgl. Mellerowicz [Kostenrechnung I 1974], S.6, Kosiol [Buchhaltung 1977], S.13, Coenenberg/Schönbrodt [Analyse 1981], Sp.472, Kilger [Industriebetriebslehre 1986], S.47, Coenenberg [Unternehmensrechnung 1993], Sp.3684, Schneider [Rechnungswesen 1997], S.29, Pellens [Jahresabschluß 1998], S.367f., und Schmidt [Kostenrechnung 1998], S.13.

Vgl. Dorn [Betriebsbuchhaltung 1974], Sp.557f., Heinen [Kostenrechnung 1975a], S.81, Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.5, Meyer [Rechnungswesen 1992], S.59, Wysocki [Jahresabschluß 1993], Sp.990f., Moews [Kostenrechnung 1996], S.5, Zimmermann [Kostenrechnung 1997], S.3, Männel [Betriebsbuchhaltung 1998], S.83f., und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.24. Vgl. Llletschko [Rechnungswesen 1970], Sp.865, Kilger [Kostenrechnung 1987], S.11, Gabele/Fischer [Kostenrechnung 1992], S.3, Coenenberg [Unternehmensrechnung 1993], Sp.3678, Engelhardt et al. [Grundzüge 1996], S.3, und Braunschweig [Kostenrechnung 1999], S.11f.

12

Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung

Aufgabe der Finanzbuchhaltung ist es, die Geschäftsvorfälle zwischen den Unter­ nehmen und ihrer Umwelt anhand von Belegen zu erfassen.21 Diese Geschäfts­

vorfälle werden im Kontensystem der doppelten Buchführung verbucht, wobei

zwischen Erfolgs- und Bestandskonten unterschieden wird.22 Das Hauptaugenmerk der Finanzbuchhaltung liegt auf der Erstellung des handelsrechtlichen Jahresab­ schlusses, der sich aus der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung

zusammensetzt Bei Kapitalgesellschaften umfaßt der Jahresabschluß zusätzlich

einen Anhang. Die Bilanz ergibt sich aus den Abschlußsalden der Bestandskonten, während die Gewinn- und Verlustrechnung aus den Abschlußsalden der Erfolgs­ konten resultiert. Diese Unterlagen dienen zugleich als Ausgangspunkt für die Ermitt­ lung der Steuerbemessungsgrundlage einer Unternehmung.23

Weitere Aufgaben der Finanzbuchhaltung

sind die Finanzplanung

und

die

Liquiditätskontrolle.24 Die Kostenrechnung erfaßt die Geschäftsvorgänge innerhalb der Unternehmung.

Ihre primäre Aufgabe besteht darin, den bewerteten Verbrauch an Produktions­ faktoren und die mit deren Hilfe vom Betrieb hergestellten und verkauften Produkt­

mengen zu erfassen. Die Kostenrechnung ist originär geteilt in die Kostenarten­ rechnung, die Kostenstellenrechnung und die Kostenträger(stück)rechnung.25

Zum betrieblichen Rechnungswesen wird häufig auch die Betriebsstatistik gezählt,

die sich mit der Auswertung der aus dem Betriebsablauf gewonnenen Zahlen und Daten beschäftigt. Anders als bei der Finanzbuchhaltung und der Kostenrechnung

Vgl. Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.7, Coenenberg [Unternehmensrechnung 1993], Sp.3678, Peemöller [Finanzbuchhaltung 1993], Sp.594, Wöhe [Betriebswirtschaftslehre 1996], S.965, und Pinnekamp [Kostenrechnung 1998], S.4.

22

Vgl. hierzu Dellmann [Finanzbuchhaltung 1981], Sp.509ff., Horvath [Buchhaltung 1981], Sp.328f.,

Kilger [Kostenrechnung 1987], S.13, Haberstock/Breithecker [Buchführungssystem 1992], Sp.294, Peemöller [Finanzbuchhaltung 1993], Sp.599f., Eilenberger [Rechnungswesen 1995], S.32f., Wöhe [Betriebswirtschaftslehre 1996], S.967, und Eisele [Rechnungswesen 1999], S.71. 23

Vgl. Hoffmann [Jahresabschluß 1975, Sp.2025, Baetge/Uhling [Kostenrechnung 1985], S.275,

24

Vgl. Kilger [Kostenrechnung] 1987, S.13, sowie Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.11.

25

Auf die Teilbereiche der Kostenrechnung soll an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden. Eine ausführliche Darstellung erfolgt in Abschnitt 2.1.4.

Kilger [Kostenrechnung 1987], S.13, und Möller [Buchhaltung 1998], S.151.

Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung__________________________ _ _______________ 13

handelt es sich bei der Betriebsstatistik allerdings nicht um ein geschlossenes Abrechnungssystem.26

Insgesamt gesehen sind aus der Kostenrechnung viele unternehmensrelevante Informationen zu gewinnen, da sie nicht nur die gesamten Betriebsvorgänge erfaßt,

sondern auch die bestehenden Interdependenzen untersucht. Bei zweckgerechtem Einsatz bildet sie eine (nahezu) unverzichtbare Basis für alle kurzfristigen unterneh­

merischen Entscheidungen. Die Kostenrechnung ist daher als wesentlicher Bestand­ teil des betrieblichen Rechnungswesens anzusehen. Wir halten es im Rahmen

unserer Arbeit für zweckmäßig, kurz ihre Grundzüge darzustellen. 2.1.2 Grundbegriffe der Kostenrechnung

2.1.2.1 Kostenbegriffe

2.1.2.1.1 Wertmäßiger Kostenbegriff Im betriebwirtschaftlichen Schrifttum liegen sehr unterschiedliche Interpretationen des Kostenbegriffs vor. Hierbei sind der wertmäßige Kostenbegriff und der pagatorische Kostenbegriff als die gängigsten Interpretationen hervorzuheben.27

Kosten sind in zwei Komponenten zu zerlegen, nämlich in eine Wert- und in eine Mengenkomponente.28 Die divergierenden Auslegungen im Schrifttum ergeben sich

vor allem aus der unterschiedlichen Interpretation der Wertkomponente.

Vgl. Kilger [Kostenrechnung 1987], S.18. Vgl. Koch [Kostenrechnung 1966], S.14f., Heinen [Kostenlehre 1983], S.57, Vodrazka [Kosten begriff 1992], S.19, Rehkugler [Kostenkategorien 1993], Sp.2322ff., Hoitsch [Erlösrechnung 1997], S.26, Koch [Kostenbegriff 1998], S.637ff., und Braunschweig [Kostenrechnung 1999], S.22. Auch im betriebswirtschaftlichen Schrifttum der Türkei wird zwischen dem wertmäßigen und dem pagatorischen Kostenbegriff unterschieden, wobei dem pagatorischen Kostenbegriff in der Türkei weitaus größere Bedeutung beigemessen wird als im deutschsprachigen Schrifttum. Vgl. hierzu Güvemli [Mali Tablolar 1979], S.75f., Orhan [Maliyet Analizi 1979], S.69, Ertürk [Maliyet Muhasebesi 1982], S.87, Bilginoglu [Yönetim Muhasebesi 1984], S.7, Altug [llkeler 1985], S.37, Kutlu [Uygulama 1987], S.72, Büyükmirza [Yönetim Muhasebesi 1995], S.40, Özgür [Muhasebe llkeleri 1995], S.126, Balkan [Birim Maliyetleri 1996], S.26, und Erdogan [Maliyet Muhasebesi 1999], S.37. Vgl. Adam [Kostenbewertung 1970], S.18ff., Heinen [Kostenlehre 1983], S.58, Eilenberger [Rechnungswesen 1995], S.221, Ehrmann [Kostenrechnung 1997], S.11, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.39.

Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung

14

Der wertmäßige Kosten begriff, der im Schrifttum zur Kostenrechnung und in der unternehmerischen Praxis vorherrschend ist, geht auf Schmalenbach zurück und

wurde vor allem von Kosiol präzisiert.29 Gemäß der wertmäßigen Kosteninter­ pretation werden Kosten als „leistungsbezogener bewerteter Güterverbrauch”30

definiert. Der wertmäßige Kostenbegriff ist also durch die drei Kriterien Güterverzehr, Leistungsbezogenheit und

Bewertung gekennzeichnet.31

Damit die Mengen­

komponente ermittelt werden kann, sind der Güterverbrauch und die Leistungs­ bezogenheit zu bestimmen.

Ein Güterverzehr liegt immer dann vor, wenn Güter dem Wirkungs- und Verfügungs­

bereich der Wirtschaftseinheit entweder vollständig oder zumindest teilweise entzieht, so daß ihr Wertcharakter für die jeweilige Wirtschaftseinheit verloren geht.32 Der Begriff „Güterverzehr” wird dabei im weitesten Sinne verstanden, d.h., er umfaßt

den Verzehr sowohl Güter materieller als auch immaterieller Art.33 Zu den materiellen Gütern zählt man unter anderem Sachmittel (Gebäude, Anlagen, Maschinen) und

Werkstoffe (Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe), zu den immateriellen werden insbe­

sondere Rechte (Patente) und Dienstleistungen gezählt.34

Vgl. hierzu ausführlich Schmalenbach [Kostenrechnung 1963], S.5f., und Kosiol [Unternehmung 1979], S.21ff. Vgl. aber auch Menrad [Kosten 1970], Sp.875f., Bussmann [Rechnungswesen 1979], S.31, und Seicht [Gestaltungsmöglichkeiten 1982], S.26. Demgegenüber lehnt Weber die Bezeichnung „wertmäßig“ ab, da Kosten durchweg Wertbezug aufweisen. Statt dessen schlägt er den Begriff „aufwandsorientierter Kostenbegriff' vor. Vgl. hierzu ausführlich Weber [Grundbegriffe 1992], S.6.

30 31

32 33

34

Kosiol [Unternehmung 1979], S.29.

Vgl. hierzu Menrad [Kostenbegriff 1965], S.24ff., Mandl [Kostenrechnung 1978], S.19, Kosiol [Unternehmung 1979], S.22, Heinen [Kostenlehre 1983], S.60ff., Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.73f., Gabele/Fischer [Kostenrechnung 1992], S.14f., Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.73, Küpper [Kosten 1998], S.458, Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.17f., und Eisele [Rechnungswesen 1999], S.620. Vgl. Kosiol [Unternehmung 1979], S.23f. Vgl. Kosiol [Kostenbegriff 1958], S.11L, Menrad [Kostenbegriff 1965], S.28f., Heinen/Sievi [Kostentheorie 1979], Sp.973, Fischer [Kostenrechnung 1998], S.12, und Küpper [Kosten 1998], S.458. Vgl. Nowak [Kostenrechnungssysteme 1961], S.16, Mellerowicz [Kosten 1974], S.3, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.9, Ehrmann [Kostenrechnung 1997], S.11, und Fischer [Kostenrechnung 1998], S.12.

Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung

15

Leistung definiert Kosiol als das „bewertete Ergebnis der planmäßigen Arbeits­

tätigkeit einer Unternehmung”35. Die Leistungsbezogenheit schränkt das Kriterium

des Wertverzehrs weiter ein, denn nur derjenige Güterverzehr stellt Kosten dar, der auch leistungsbezogen ist, also durch die Leistungserstellung verursacht wird. In

diesem Zusammenhang spricht man auch von der Leistungsbezogenheit nach dem

Verursachungsprinzip. Kosiol weitet dieses Kriterium aus, indem er auch denjenigen Güterverzehr als Kosten bezeichnet, der auf den Prozeß der Leistungserstellung zwangsläufig einwirkt.36 Diese Definition, nach der z.B. auch die Wagnisse, Steuern

und Versicherungsprämien zu den Kosten zählen, wird als Leistungsbezogenheit nach dem Einwirkungsprinzip bezeichnet. Das dritte Kriterium des Kostenbegriffs ist die Bewertung des leistungsbezogenen

Güterverbrauchs. Als Bewertung wird die Wahl der jeweiligen Art von Preisen

bezeichnet.37 Der in unterschiedlichen Maßgrößen erfaßte leistungsbezogene Güter­

verbrauch wird in Geldeinheiten bewertet, woraus jedoch nicht gefolgert werden

kann, daß der Kostenbegriff zu einer monetären Größe wird. Die Bewertung in Geld

dient vielmehr nur der Homogenisierung des ansonsten in heterogenen Maßgrößen vorliegenden Güterverbrauchs.38 Diese Aufgabe der Kostenbewertung wird auch als

Verrechnungsfunktion bezeichnet. Eine weitere Funktion der Kostenbewertung

besteht darin, jene Wertansätze zu finden, die die knappen Faktoren in die Richtung des höchsten Nutzens lenken.39 In diesem Zusammenhang spricht man auch von der Lenkungsfunktion der Kosten. Die Bewertung des Güterverzehrs soll rationale Entscheidungen

über

die

Verwendung

der

Güter

und

Dienstleistungen

ermöglichen.40

Kosiol [Unternehmung 1979], S.29. Vgl. ausführlich Kosiol [Kostenbegriff 1958], S.12. Vgl. auch Moews [Kosten 1981], Sp.1118. Vgl. hierzu Koch [Kostenbegriff 1958], S.360, Kosiol [Pagatorische Bilanz 1976], S.891, Hoitsch [Erlösrechnung 1997], S.27, Fischer [Kostenrechnung 1998], S.14, Küpper [Kosten 1998], S.459, und Kloock et al. [Kostenrechnung 1999], S.29.

Vgl. Szyperski [Terminologie 1962], S.88. Vgl. Adam [Kostenbewertung 1970], S.25.

Vgl. Heinen [Kostenlehre 1983], S.76.

Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung

Iß.

Kritisch anzumerken ist, daß der wertmäßige Kostenbegriff hinsichtlich seiner Wertkomponente nicht hinreichend bestimmt ist. Die aufgrund der Einengung der

Mengenkomponente gewonnenen spezifischeren Kostenbegriffe sind daher nicht

eindeutig zu definieren. 2.1.2.1.2 Pagatorischer Kostenbegriff

Bei der Diskussion des von Koch entwickelten pagatorischen Kosten beg riffs wird durch die Einführung prämissen- und zweckbedingter Hypothesen versucht, die

Diskrepanz zwischen einem exakt formulierten Kostenbegriff und dem Zweck­

pluralismus der Kostenrechnung zu überwinden.41 Die Befürworter des pagatorischen Kostenbegriffs vertreten die Auffassung, der

Kostenbegriff müsse aus den Geldbewegungen des betriebswirtschaftlichen Kreis­

laufes abgeleitet werden. Als Kosten gelten dabei die mit der Herstellung und dem Absatz einer Erzeugniseinheit verbundenen nicht kompensierten Ausgaben.42 Somit werden alle Ausgaben erfaßt bis auf diejenigen, die zur Tilgung oder Kreditge­

währung geleistet werden, und diejenigen, denen entsprechende Einnahmen aus einer Kreditinanspruchnahme oder durch Rückempfang eines gewährten Kredites

gegenüberstehen. In Analogie zu dem wertmäßigen Kostenbegriff wird auch bei dem pagatorischen Kostenbegriff die Mengenkomponente durch das Kriterium der Leistungsbezogenheit

eingeschränkt. Bei strenger Auslegung des pagatorischen Kostenbegriffes entsteht insofern kein Bewertungsproblem, da man an tatsächliche Ausgaben anknüpft. Die

Wertkomponente ist damit eindeutig definiert. Für bestimmte Rechnungszwecke muß der pagatorische Kostenbegriff jedoch

modifiziert werden, damit er in der Kostenrechnung verwendet werden kann. So versucht Koch, das Problem verschiedenartiger Preise durch Bildung zweck- und

Vgl. hierzu und im folgenden Koch [Kostenbegriff 1958], S.355ff., Fettel [Kostenbegriff 1959], S.567ff., und Kosiol [Pagatorische Bilanz 1976], S.883ff. Vgl. kritisch hierzu Engelmann [Einwände 1958], S.558ff., Held [Pagatorischer Kostenbegriff 1959], S.170ff., Engelmann [Gelddenken 1959], S.166ff., Koch [Pagatorischer Kostenbegriff 1959], S.8ff., Zoll [Kostenbegriff 1960], S.15ff. und S.96ff., sowie Koch [Kostenrechnung 1966], S.48ff. Vgl. Koch [Kostenbegriff 1958], S.361.

Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung

17

prämissenbedingter Hypothesen zu überwinden. Zweckbedingte Hypothesen sollen danach immer dann herangezogen werden, wenn es der Zweck der Kostenrechnung

verlangt. Sie werden z.B. bei Soll-Kosten oder Verrechnungspreisen gebildet.

Prämissenbedingte Hypothesen werden hingegen dann angewendet, wenn die empirischen Bedingungen eines konkreten Falles nicht mit den dem Kostenbegriff

zugrundeliegenden Prämissen übereinstimmen. Ein Beispiel für einen solchen Fall

wäre eine Schenkung an eine Unternehmung.43

Problematisch

ist,

daß der pagatorische Kostenbegriff den

kalkulatorischen

Kostenarten, insbesondere dem Unternehmerlohn und den Eigenkapitalzinsen, keinen Kostencharakter zugesteht, da hierfür kein gezahlter Marktpreis existiert.

Dieses Problem

ist allerdings weitgehend dadurch zu lösen, daß zumindest ein

potentieller Marktpreis besteht, der den Leistungen des Unternehmers zugerechnet werden kann.44 Während beim wertmäßigen Kostenbegriff somit besonders ein Bewertungsproblem besteht, tritt beim pagatorischen Kostenbegriff die Schwierigkeit der Hypothesen­

bildung auf.45

2.1.2.1.3 Weitere Kostenbegriffe Neben dem wertmäßigen und dem pagatorischen Kostenbegriff werden im Schrift­ tum weitere Kostenbegriffe diskutiert. Hierbei nimmt der entscheidungsorientierte Kostenbegriff nach Riebel eine besondere Stellung ein.46 Wie der pagatorische Kostenbegriff basiert auch der entscheidungsorientierte Kostenbegriff auf Zahlungs­

Vgl. Koch [Kostenbegriff 1958], S.369. Vgl. Engelmann [Einwände 1958], S.559. Vgl. hierzu Menrad [Kostenbegriff] 1965], S.146, sowie Fischer [Kostenrechnung 1998], S.16.

Vgl. hierzu ausführlich Riebel [Entscheidungsorientierter Kostenbegriff 1978], S.127ff. Vgl. aber auch Riebel [Unternehmerrechnung 1970], S.372ff., Altenburger [Entscheidungsorientierter Kostenbegriff 1976], S.149ff., Hummel [Entscheidungsorientierter Kostenbegriff 1983], S.1204ff., Weber [Vorschlag 1987], S.255f., Hummel [Kosteninformationen 1992], S.78f., Männel [Kostenwertansätze 1992], S.417, Schneeweiß [Kostenbegriffe 1993], S.1205ff., Hoitsch [Erlösrechnung 1997], S.28, und Fischer [Kostenrechnung 1998], S.17. Hingegen bleiben sowohl der entscheidungsorientierte Kostenbegriff als auch die Kostenbegriffen von Nicklisch, Schmidt und Schneider im betriebswirtschaftlichen Schrifttum der Türkei unberück­ sichtigt.

Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung

18

strömen.47 Riebel lehnt den Ansatz kalkulatorischer Kosten ab, da Kosten grund­ sätzlich spezifisch für ein bestimmtes Objekt sind. So verfälschen nach seiner

Ansicht etwa Opportunitätskosten, die aus nicht wahrgenommenen Handlungsalter­ nativen resultieren, die tatsächlich eintretende Erfolgsänderung einer objektbe­

zogenen Maßnahme. Zudem sind sie im Rahmen der Bewertung objektbezogenen

Einflüssen unterworfen und ergeben sich darüber hinaus nur im Vergleich mit einer für den Adressaten der Kosteninformationen lediglich potentiellen Handlungsalter­ native. Ein weiterer Kostenbegriff stammt von Nicklisch, für den es sich bei Kosten um „Ausgaben für einen Gegenstand, der erworben ist, wird oder werden soll”48 handelt.

Die Kostenrechnung bezeichnet Nicklisch als eine Rechnung, die „ihrem Inhalt nach

Beschaffungskalkulation Bezugsrechnung ist”49. Demgegenüber sieht er die Auf­

wandsrechnung als eine Rechnung an, die in keiner Verbindung zu den Kosten, sondern zu den Kostengegenwerten, die dem Betriebsprozeß zugeführt werden,

steht.50 Da es sich bei Kosten im Sinne von Nicklisch um Ausgaben handelt, liegt eine Zuordnung seiner Betrachtung zum pagatorischen Kostenbegriff nahe. Dies würde ihm jedoch insofern nicht gerecht, als sein Kostenbegriff sich nicht auf den mit

der Leistungserstellung verbundenen Güterverzehr, sondern vielmehr auf den zur Güterbeschaffung notwendigen Güterverzehr bezieht.51 Der

Kostenbegriff

nach

Schmidt

ist

geprägt

von

einer

mengenmäßigen

Betrachtungsweise. Folgt man dieser Sichtweise, so sind alle Güter, Nutzungen und

Dienste, die für die Erzeugung eines Produktes aufgewendet werden müssen, als

Kosten zu bezeichnen.52 Für die Bewertung dieser Kosten sollen aber nicht die Zahlungen entscheidend sein, da Kosten auch dann entstehen können, wenn keine

Im Gegensatz zu dem pagatorischen Kostenbegriff von Koch berücksichtigt Riebel weder irreversibel vordisponierte Ausgaben noch hypothetische Kosten. Vgl. hierzu ausführlich Riebel [Entscheidungsorientierter Kostenbegriff 1978], S.143. Nicklisch [Kosten 1939], Sp. 674.

Nicklisch [Kosten 1939], Sp. 675.

Vgl. Nicklisch [Betriebslehre 1922], S.97. Vgl. Thielmann [Kostenbegriff 1964], S.115. Vgl. hierzu ausführlich Schmidt [Kalkulation 1930], S.22.

Th^reti^hg GrundagfiD-der Kostenrechnung___________________________________ IS

Zahlungen erfolgen.53 Auch kommt es vor, daß die Beträge, die für bestimmte Kostengüter gezahlt wurden, nicht dem tatsächlichen Wertverzehr bzw. den Kosten

entsprechen. Schmidt zählt zu den Grundsätzen der Betriebsgestaltung auch den Grundsatz

der

Betriebserhaltung

und

das

„Gleichauf von

Produktion

und

Konsumtion”54. In diesem Sinne unterbreitet er den Vorschlag, den Kostenwert nicht

aus dem Anschaffungswert der Kostenteile am Anschaffungstag, sondern vielmehr

aus dem Tagesbeschaffungspreis am Umsatztag zu berechnen.55 Aus dieser Sicht stellen die bewerteten Kosten zugleich Aufwand dar.56

Schneider geht bei der Bestimmung des Kostenbegriffs von einem Wertkreislauf in

der Produktionsunternehmung aus. Hierbei unterscheidet er zwischen einem inneren und einem äußeren Bereich des Wertkreislaufs.57 Der innere Bereich umfaßt den

komplementären reinen Realgüterstrom, während sich im äußeren Bereich die „Transaktionen der Unternehmung mit der Umwelt” vollziehen.58 Die Finanzbuch­ haltung erfaßt den Nominalgüterstrom als Aufwand und Ertrag, während die Betriebsbuchhaltung den Realgüterstrom als Kosten und Leistungen erfaßt.

Schneider definiert Kosten als den im Zuge der Durchführung des Produktions­ prozesses in Geld bewerteten Verzehr von Gütern.59 Er sieht also in den Kosten nur den Realgüterverzehr und rechnet die Verzinsung des Eigen- und Fremdkapitals

nicht zu den Kosten, da ein Geldbetrag kein Gut, sondern lediglich eine Anweisung auf Güter darstellt.60 So haben nach Ansicht von Schneider Zinsen in der Kosten­

rechnung lediglich die Eigenart von „Als-ob-Kosten”61.

Vgl. Schmidt [Kalkulation 1930], S.22.

Schmidt [Kalkulation 1930], S.19. Vgl. Schmidt [Kalkulation 1930], S.19.

Vgl. Schmidt [Kalkulation 1930], S.61. Vgl. Menrad [Kostenbegriff 1965], S.113. Vgl. Schneider [Rechnungswesen 1969], S.5 und S.38. Vgl. Schneider [Rechnungswesen 1969], S.5. Vgl. Schneider [Wirtschaftstheorie I 1970], S.34. Schneider [Wirtschaftstheorie 11970], S.34.

20________________________

Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung

2.1.2.2 Begriffsabgrenzungen

2.1.2.2.1 Abgrenzung von Ausgabe und Aufwand Schon die durch die vorangegangenen Ausführungen deutlich gewordene Vielzahl

von Auffassungen und Interpretationen läßt es sachgerecht erscheinen, eine

Abgrenzung der Begriffe „Ausgaben“, „Aufwand“ und „Kosten“ vorzunehmen. Dies soll dazu beitragen, die Eignung der einzelnen Begriffe für unterschiedliche Entschei­ dungsprobleme besser darstellen zu können.

Mit Ausgaben wird üblicherweise im Schrifttum der „Wert aller zugegangenen Güter und Dienstleistungen pro Periode“62 bezeichnet Als Aufwand, der einen Teilbereich

der Ausgaben darstellt,63 versteht man hingegen den während einer Periode

angefallenen bewerteten Verbrauch an Wirtschaftsgütern.64 Zunächst einmal gibt es Ausgaben, die nicht zugleich Aufwand darstellen.65 Derartige Ausgaben liegen

regelmäßig beim Erwerb von Gütern vor, die nicht in der gleichen Periode verbraucht werden. In diesem Fall steht der Verminderung des Geldvermögens eine betrags­ gleiche Erhöhung des Sachvermögens ausgleichend gegenüber, eine Veränderung

des Gesamtvermögens ergibt sich hierdurch nicht.66 Typisches Beispiel hierfür ist der Kauf von Rohstoffen, die erst in einer späteren Periode verbraucht werden.67 Es

gibt aber auch Ausgaben, die zugleich Aufwand darstellen. Bei derartigen Ausgaben vermindern sich sowohl das Geld- als auch das Gesamtvermögen, ohne daß dies durch eine betragsmäßig gleiche Erhöhung des Sachvermögens kompensiert wird.68

Haberstock [Kostenrechnung 11998], S.17.

63

Vgl. Schulz [Ausgaben 1970], Sp.80, Männel [Begriffsreihen 1975], S.217, Lück [Ausgaben 1993], Sp.102f., Moews [Kostenrechnung 1996], S.10, und Brombach/Walter [Kostenrechnung 1998], S.17.

64

Vgl. Kosiol [Aufwand 1974], Sp.310, Menrad [Kosten 1975], Sp.2284, Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.69, Kilger [Kostenrechnung 1987], S.8, Jost [Kostenrechnung 1996], S.22, Freidank [Kostenrechnung 1997], S.13, und Weber [Rechnungswesen 1998], S.320.

65

Vgl. Mellerewicz [Kosten 1973], S.8, Kosiol [Ausgaben 1974], Sp.327, Lück [Ausgaben 1993], Sp.104, Wöhe [Betriebwirtschaftslehre 1996], S.980, und Freidank [Kostenrechnung 1997], S.13.

66

Vgl. Wöhe [Betriebswirtschaftslehre 1996], S.980.

67

Vgl. Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.15, Brombach/Walter [Kostenrechnung 1998], S.17, und Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.19.

68

Vgl. Wöhe [Betriebswirtschaftslehre 1996], S.981, sowie Haberstock [Kostenrechnung 1997], S.19.

Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung

21

Dies tritt regelmäßig dann auf, wenn Rohstoffe in der gleichen Periode gekauft und

verbraucht werden. Schließlich kann noch der Fall auftreten, daß zwar Aufwand,

nicht aber eine Ausgabe vorliegt. Dann nehmen Sach- und Gesamtvermögen ab, während das Geldvermögen unverändert bleibt.69 Als Beispiel hierfür ist die

Abschreibung einer Maschine zu nennen. 2.1.2.2.2 Abgrenzung von Aufwand und Kosten

Der Begriff des Aufwands umfaßt sowohl die betriebsbedingten Aufwendungen als

auch die betriebsfremden Aufwendungen und enthält somit, im Unterschied zum bereits vorab definierten Kostenbegriff, nicht nur den leistungsbezogenen Wert­ verzehr.

Kosten, die zugleich Aufwand darstellen, werden als Grundkosten bezeichnet. Diese bilden den Hauptanteil der Kosten und umfassen die wichtigsten Kostenarten wie z.B. Löhne und Gehälter.70 Es gibt aber auch Kosten, die keinen Aufwand darstellen

(aufwandsverschiedene Kosten).71 Diese sogenannten Zusatzkosten besitzen rein

kalkulatorischen

Charakter

und

werden

in

der

berücksichtigt.72 Bei den aufwandsverschiedenen

Finanzbuchhaltung

nicht

Kosten bzw. Zusatzkosten

unterteilt man weiterhin in wesensverschiedene Kosten (z.B. kalkulatorische Zinsen auf das Eigenkapital) und bewertungsverschiedene Kosten (z.B. kalkulatorische

Wagnisse und kalkulatorische Abschreibungen).73

Vgl. Wöhe [Betriebswirtschaftslehre 1996], S.981, und Weber [Rechnungswesen 1998], S.320.

Vgl. Mellerowicz [Kosten 1973], S.9, Männel [Begriffsreihen 1975], S.217, und Haberstock [Kostenrechnung 11998], S.22. Vgl. Schmalenbach [Kostenrechnung 1963], S.10, Mellerowicz [Kosten 1973], S.9, Franz [Kalkulatorische Kosten 1992], S.423, Weber [Kosten 1993], Sp.1268, Ebert [Kostenrechnung 1997], S.34, und Küpper [Kalkulatorische Kosten 1998], S.441.

Im betriebswirtschaftlichen Schrifttum der Türkei wird nicht zwischen Aufwand und Kosten unterschieden. Aus diesem Grund sind kalkulatorische Kosten, also sowohl Anders- als auch Zusatzkosten, unbekannt.

Vgl. Schmalenbach [Kostenrechnung 1963], S.10, Moews [Kalkulatorische Kosten 1975], Sp.2274, Heinen [Kostenlehre 1983], S.100, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.17, Coenenberg [Kostenrechnung 1995], S.2079, Freidank [Kostenrechnung 1997], S.16, und Hoitsch [Erlösrechnung 1997], S.31.

22.

Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung

Im Rahmen des Vergleichs von Aufwand und Kosten ist es weiterhin erforderlich,

zwischen kostengleichem Aufwand und kostenverschiedenem Aufwand zu unter­

scheiden. Den kostengleichen Aufwand, der in der Praxis in allermeisten Fällen den größten Teil des Aufwands ausmacht,74 bezeichnet man als Zweckaufwand, da es sich dabei um einen Güterverzehr handelt, der dem Betriebszweck, also der

Erstellung von betrieblichen Leistungen, dient.75 Der Zweckaufwand kann daher

unmittelbar aus der Finanzbuchhaltung in die Kostenrechnung übernommen

werden.76 Der kostenverschiedene (neutrale) Aufwand umfaßt den betriebsfremden

Aufwand, den außerordentlichen Aufwand und den periodenfremden Aufwand. Der betriebsfremde Aufwand beinhaltet nur solche Aufwendungen, die nicht durch den Betriebszweck verursacht worden sind und diesem auch nicht mittelbar dienen.77 Hierzu zählen z.B. Aufwendungen für stillgelegte Anlagen, die keine Reserveanlagen

sind, und Aufwendungen für private Grundstücke.78 Der außerordentliche Aufwand hängt demgegenüber zwar mit der Erstellung der betrieblichen Leistungen zusammen, fällt jedoch unterschiedlich hoch und unregelmäßig an.79 Zu den außer­

ordentlichen Aufwendungen zählen z.B. der Verkauf einer Anlage unter Buchwert, außerordentliche Wagnisverluste, Wäh rungs Verluste, Aufwendungen für Preis­

Vgl. Mellerowicz [Kosten 1973], S.10, Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.69, und Hoitsch [Erlösrechnung 1997], S.31. Vgl. Schmalenbach [Kostenrechnung 1963], S.10, Mellerowicz [Kosten 1973], S.10, Egger [Aufwand 1993], Sp.91, Mayer et al. [Kostenrechnung 1997], S.8, Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.39, und Eisele [Rechnungswesen 1999], S.623.

Vgl. Schulz [Aufwand 1970], Sp.76, Mellerowicz [Kosten 1973], S.9, Moews [Kosten 1981], Sp.1122, Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.69, und Brombach/Walter [Kostenrechnung 1998], S.19. Vgl. Heinen [Kosten 1956], S.32, Nowak [Kostenrechnungssysteme 1961], S.19, Mellerowicz [Kosten 1973], S.10, Bratschitsch [Aufwand 1981], Sp.91, Weber [Grundbegriffe 1992], S.7, Bea [Grundbegriffe 1993], Sp.3711, Eckenbach [Kostenrechnung 1995], S.22, Hoitsch [Erlösrechnung 1997], S.32, Mayer et al. [Kostenrechnung 1997], S.8, und Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.20. Vgl. Heinen [Kosten 1956], S.32, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.18, Jost [Kostenrechnung 1996], S.22, Freidank [Kostenrechnung 1997], S.15, und Mayer et al. [Kostenrechnung 1997], S.8. Vgl. Heinen [Kosten 1956], S.32, Mellerowicz [Kosten 1973], S.11, Bratschitsch [Aufwand 1981], Sp.91, Hilke/Rümmele [Neutrale Aufwendungen 1993], Sp.1416, und Hoitsch [Erlösrechnung 1997], S.32.

Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung

strafen,

Ordnungsstrafen,

gebührenpflichtige Verwarnungen,

23

Debitorenverluste

außergewöhnlicher Art und anderes mehr.80

Die Verursachung der periodenfremden Aufwendungen fällt nicht in die betrachtete Abrechnungsperiode. Einen solchen periodenfremden Aufwand stellt etwa eine Steuernachzahlung (z.B. Gewerbesteuernachzahlung) dar.81

Kosten unterscheiden sich vom Aufwand also durch die Art ihrer Bewertung, durch das Gebiet ihrer Anwendung und durch ihren Umfang. 2.1.3 Funktionen und Zwecke der Kostenrechnung

Aufgrund des gestiegenen Informationsbedarfs der Unternehmensleitung kommen der Kostenrechnung eine Vielzahl unterschiedlicher Funktionen zu, die die unternehmerische Entscheidungsfindung unterstützen sollen. Grundsätzlich ist hin­

sichtlich der Funktionen der Kostenrechnung zwischen der Ermittlungsfunktion, der Prognosefunktion, der Vorgabefunktion und der Kontrollfunktion zu unterscheiden.82

Die Ermittlungsfunktion dient der wirklichkeitsgetreuen Abbildung des Betriebs­

geschehens und der Feststellung des Betriebsergebnisses.83 Die Prognosefunktion enthält die Bereitstellung von Informationen über die zu erwartenden kostenmäßigen Auswirkungen unternehmerischer Entscheidungen. Gegenstand der Vorgabefunktion ist die Festlegung von Soll-Kosten und Soll-Leistungen, die als anzustrebende

Vgl. Heinen [Kostenlehre 1983], S.100, Freidank [Kostenrechnung 1997], S.15, und Haberstock [Kostenrechnung 11998], S.21. Vgl. Männel [Begriffsreihen 1975], S.218, Freidank [Kostenrechnung 1997], S.15, Mayer et al. [Kostenrechnung 1997], S.9, Schneider [Rechnungswesen 1997], S.52, Fischer [Kostenrechnung 1998], S.13, Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.20.

Vgl. hierzu Heinen [Kostenrechnung 1975b], Sp.2314, Mandl [Kostenrechnung 1978], S.12, Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.25, Chmielewicz [Kostenrechnung 1990], S.324f., Döring [Kostenrechnung 1993], Sp.2341, Reichmann [Controlling 1997], S.119, und Männel [Betriebsbuchhaltung 1998], S.84. Eine ähnliche Einteilung der Funktionen der Kostenrechnung findet sich auch im betriebswirtschaftlichen Schrifttum der Türkei. Hierbei wird die Ermittlungs­ funktion als wichtigste Funktion angesehen. Vgl. hierzu Uraz [Maliyet Analizleri 1971], S.57f., Turan [Yönetim Muhasebesi 1976], S.23, Bursal/Ercan [Maliyet Muhasebesi 1992], S.14f., Kizil [Muhasebe Sistemi 1993], S.45, und Orten [Muhasebe Uygulamalari 1999], S.61f.

Vgl. Stüben [Kostenrechnungssysteme 1979], S.1141, Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.24, Reichmann [Controlling 1997], S.119, Männel [Betriebsbuchhaltung 1998], S.84, und Pinnekamp [Kostenrechnung 1998], S.6.

24

Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung

Zielgrößen in der Planung und Steuerung des betrieblichen Geschehens ihre

Berücksichtigung finden. Mit Hilfe der Kontrollfunktion soll die Einhaltung dieser Ziel­

größen überprüft und die Ursachen für Abweichungen analysiert werden.84 Häufig findet sich in der Literatur anstelle des Begriffs „Funktionen der Kosten­

rechnung“ auch der Ausdruck .Aufgaben der Kostenrechnung“. Diese Begriffe

werden von uns synonym verwandt, da beide eine Systematisierung der bereitzu­ stellenden Informationen nach Art und Verwendung vornehmen. Geht man der Frage nach, wofür die bereitgestellten Kosteninformationen verwendet werden sollen, so spricht man von den Zwecken bzw. Zielen der Kostenrechnung.85 Die wichtigsten Ziele bzw. Zwecke der Kostenrechnung bestehen in der Ermittlung

des Betriebserfolges, in der Wirtschaftlichkeitskontrolle des Unternehmens, auch Kontrolle der Betriebsgebarung genannt, und in der Bereitstellung von Kosten­ informationen zur Lenkung betrieblicher Prozesse.86

Die

Ermittlung

des

Betriebsergebnisses ermöglicht

durch

eine

periodische

Abrechnung der betrieblichen Leistungen die Überwachung der Entwicklung des Betriebserfolges. Zunächst werden hierzu die bei der Herstellung und Verwertung

der Erzeugnisse innerhalb einer Abrechnungsperiode angefallenen Kosten ermittelt. Die auf diese Weise ermittelten Kosten werden anschließend im Rahmen der Kostenträgerzeitrechnung den betrieblichen Leistungen der jeweiligen Abrechnungs­

Vgl. Stüben [Kostenrechnungssysteme 1979], S.1142, Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.24, Coenenberg [Unternehmensrechnung 1993], Sp.3679, Döring [Kostenrechnung 1993], Sp.2341, Heinen/Dietel [Kostenrechnung 1993], Sp.1236f., Reichmann [Controlling 1997], S.119. Vgl. hierzu Mellerowicz [Kostenrechnung I 1974], S.64f., Seicht [Gestaltungsmöglichkeiten 1982], S.21L, Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.25, Küpper [Kostenrechnung 1992], S.38f., Troßmann [Kostenrechnung 1993], Sp.2386f., Krahnen [Kostenschlüsselung 1994], S.190, Pfaff [Kostenrechnung 1994], S.1068, Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.38.

Vgl. Henzel [Kostenrechnung 1964], S.13ff., Kosiol [Unternehmung 1979], S.68ff., Hoitsch [Erlösrechnung 1997], S.24f., Schneider [Rechnungswesen 1997], S.30f., Seicht [Kostenrechnung 1997], S.20, Braunschweig [Kostenrechnung 1999], S.18, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.37f. Demgegenüber wird in der türkischen Literatur die Ermittlung des Betriebserfolgs als wichtigster Zweck der Kostenrechnung angesehen. Vgl. hierzu ausführlich Bursal/Ercan [Maliyet Muhasebesi 1992], S.17ff. Vgl. auch Kizil [Enflasyon Muhasebesi 1990], S.46, Aksit [Maliyet Muhasebesi 1993], S.17f., Akdogan [Tekdüzen Muhasebe 1994], S.92f.

Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung

25

periode gegenübergestellt.87 Die Differenz zwischen den Umsatzerlösen der Absatz­

leistungen und deren Kosten stellt den Betriebserfolg dar. Das Betriebsergebnis spiegelt den Erfolg aus der betrieblichen Tätigkeit ohne Beeinflussung durch neutrale

und außerordentliche Aufwendungen und Erträge wider. Da die Betriebsergebnis­

rechnung in relativ kurzen Zeitabständen (z.B. monatlich oder vierteljährlich) durch­ geführt werden kann, zeigt sie laufend, wie hoch der Anteil der einzelnen Produkte oder Produktgruppen am Gesamtergebnis ist und ob der Betrieb im ganzen wirt­

schaftlich arbeitet. Die mit Hilfe der Betriebsergebnisrechnung gewonnenen Infor­ mationen können als Grundlage für Entscheidungen zur Verbesserung des betrieb­ lichen Erfolges und somit zur Erfolgslenkung dienen.88

Der Kontrolle der Wirtschaftlichkeit kommt mit zunehmender Größe und Unter­

gliederung der Unternehmungen eine immer größere Bedeutung zu.89 Unter dem

wertmäßigen Begriff der „Wirtschaftlichkeit“ im engeren Sinne versteht man in der Betriebswirtschaftslehre die Relation zwischen Ertrag und Aufwand bzw. Leistung und Kosten.90 Eine systematische Kostenkontrolle tritt aufgrund der zunehmenden

Konkurrenz und der daraus resultierenden geringeren Einflußmöglichkeit auf den Marktpreis immer mehr in den Vordergrund. Ziel der Kostenkontrolle ist die Ermittlung und Beseitigung von Unwirtschaftlichkeiten, die beim Einsatz der

Produktionsfaktoren bzw. innerhalb des Produktionsprozesses auftreten können.91 Die

Wirtschaftlichkeitskontrolle

kann

mit

Hilfe

eines

Zeitvergleichs,

eines

Betriebsvergleichs, oder eines Soll/Ist-Vergleichs erfolgen.92 Sowohl der Zeitver­

gleich, bei dem die Istkosten mehrerer Abrechnungsperioden miteinander verglichen werden, als auch der Betriebsvergleich, bei dem die Istkosten mehrerer Betriebe ein­

ander gegenübergestellt werden, weisen aufgrund fehlender Vergleichsmaßstäbe

Vgl. Klümper [Kostenrechnung 1984], S.36. Vgl. Kosiol [Unternehmung 1979], S.69, Gabele/Fischer [Kostenrechnung 1992], S.4, und Braunschweig [Kostenrechnung 1999], S.17. Vgl. Kosiol [Kostenrechnung 1972], S.65, und Koch [Kostenrechnung 1997], S.4. Vgl. hierzu Ruffner [Wirtschaftlichkeit 1970], Sp.1923f., Bohr [Wirtschaftlichkeit 1993], Sp.2186, und Horväth [Wirtschaftlichkeit 1998], S.753. Vgl. Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.47, und Kloock et al. [Kostenrechnung 1999], S.14f.

Vgl. Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.31, Schirmeister [Betriebsbuchhaltung 1993], Sp.155, Moews [Kostenrechnung 1996], S.7f., und Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.47.

Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung

26.

nur eine geringe Aussagefähigkeit auf.93 Bei dem Soll/Ist-Vergleich, der sich dies­ bezüglich als wesentlich effektiver erweist, werden die in den einzelnen Kosten­ stellen tatsächlich angefallenen Kosten (Istkosten) mit den vorgegebenen Kosten (Sollkosten) verglichen94 und die evtl, auftretenden Abweichungen analysiert.95 Der

Quotient aus Istkosten und Sollkosten stellt in diesem Zusammenhang eine ge­ eignete Maßgröße zur Bestimmung der Wirtschaftlichkeit eines Unternehmens dar.96

Die tatsächlichen Ursachen für die Abweichung zwischen Ist- und Sollgrößen sollen

mit Hilfe der Abweichungsanalyse festgestellt werden.97 Die Bereitstellung relevanter Kosteninformationen ist insbesondere im Rahmen der Produktionsprogrammplanung von großer Bedeutung,

da jedes Produktions­

programm mit unterschiedlichen Kosten verbunden ist. Die mit den unterschiedlichen

Produktionsprogrammen verbundenen Kosten sind mit Hilfe einer Kostenprognose zu bestimmen.98 Durch die Ermittlung der Kosten verschiedener Produktions­

programme läßt sich der jeweilige Erfolg kalkulieren, so daß das erfolgsoptimale Produktionsprogramm bestimmt werden kann.

Stehen für die Herstellung eines Produktes alternative Fertigungsverfahren zur Verfügung, so erleichtern Kosteninformationen ebenfalls die Entscheidungsfindung.

Die Bestimmung des kostengünstigsten Verfahrens wird erreicht, indem die Stück­ kosten für jedes technisch mögliche Fertigungsverfahren ermittelt werden.

Ferner kann die Bereitstellung relevanter Kosteninformationen bei der Entscheidung

über die Selbsterstellung oder den Fremdbezug von Vor- und Zwischenprodukten

Vgl. Moews [Kostenrechung 1996], S.7, und Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.47. Vgl. Ehrmann [Kostenrechnung 1997], S.4. Vgl. Vormbaum/Ornau [Kalkulationsverfahren 1992], S.533. Vgl. Moews [Kostenrechnung 1996], S.8, und Ehrmann [Kostenrechnung 1997], S.4. Vgl. Kosiol [Unternehmung 1979], S.73, Weber [Kostenrechnung 1997], S.54, Wolfstetter [Kostenrechnung 1997], S.94, und Braunschweig [Kostenrechnung 1999], S.17. Vgl. Schwarz [Betriebsbuchhaltung 1981], Sp.128, Klümper [Kostenrechnung 1984], S.38, und Brombach/Walter [Kostenrechnung 1998], S.36.

Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung

2Z

hilfreich sein." Bei solchen sogenannten „make-or-buy“-Entscheidungen wird daher

besonderes Augenmerk auf die Entwicklung der variablen Kosten gelegt Auch im Rahmen der Preiskalkulation sind Kosteninformationen unerläßlich. Sie dienen als wichtige Anhaltspunkte bei der Preisgestaltung der für den Absatz be­

stimmten Produkte. Durch die Ermittlung der Stückkosten läßt sich die Preisunter­ grenze für jedes einzelne Produkt bestimmen und feststellen, ob die je Produktein­ heit angefallenen Kosten vom Marktpreis abgedeckt werden.100

Die Kostenrechnung liefert ferner die Ausgangsbasis für die gern. §§ 253, 255 HGB

und § 6 EStG vorzunehmende Bewertung der im Unternehmen produzierten und auf Lager befindlichen fertigen und unfertigen Erzeugnisse.101 2.1.4 Teilbereiche der Kostenrechnung

2.1.4.1 Kostenartenrechnung

2.1.4.1.1 Grundsätzliche Bedeutung der Kostenartenrechnung Die Kostenartenrechnung gibt Auskunft darüber, welche Kosten in welcher Höhe im Laufe einer Rechnungsperiode angefallen sind.102 Sie steht am Anfang der Kosten­ rechnung und dient als Grundlage für die Kostenstellen- und die Kostenträger­ rechnung, wobei sie auf die Ziele ausgerichtet ist, die mit den beiden letztgenannten Rechnungen erreicht werden sollen. Die Kostenartenrechnung dient damit der

Vgl. Weber [Rechnungswesen 1991], S.11, Schirmeister [Betriebsbuchhaltung 1993], Sp.155, Funke [Vollkostenrechnung 1994], S.326, und Männel [Betriebsbuchhaltung 1998], S.85. Vgl. Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.29, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.37. Vgl. Schwarz [Betriebsbuchhaltung 1981], Sp.128, Piroth [Potentialkosten 1984], S.3, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.5, Gabele/Fischer [Kostenrechnung 1992], S.4, Koch/Zimmermann [Kostenrechnung 1992], Sp.1083, Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.49, und Braunschweig [Kostenrechnung 1999], S.17.

Vgl. Gayer [Vollkostenrechnung 1988], S.183, Niethammer [Systematisierung 1992], S.401, Thommen [Betriebswirtschaftslehre 1996], S.156, Ehrmann [Kostenrechnung 1997], S.8, Freidank [Kostenrechnung 1997], S.94, Pinnekamp [Kostenrechnung 1997], S.47, Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.55, Männel [Betriebsbuchhaltung 1998], S.85, Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.48, und Eisele [Rechnungswesen 1999], S.629.

22.

Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung

Gewinnung von Informationen, die als Basis betrieblicher Dispositionen dienen.103

Man bezeichnet sie auch als Abgrenzungsrechnung, da eine Abgrenzung der Kosten gegenüber den Aufwendungen der Unternehmung vorgenommen wird.104 Der

Kostenartenrechnung liegt eine dreistufige Arbeitsweise zugrunde: Zuerst werden die als Aufwand anfallenden Kosten (Zweckaufwand, Grundkosten) erfaßt. Daran anschließend

erfolgt die Aussonderung

der aufwandsverschiedenen

Kosten

(Zusatzkosten, Anderskosten). Schließlich wird der gesamte kostenfremde Aufwand

(neutraler Aufwand) eliminiert.105 Unabdingbare Voraussetzung für die ordnungsgemäße Erfassung und Kontierung der Kosten ist eine zweckentsprechende Kostenarteneinteilung.106 Diese wird

dadurch erreicht, daß jede Kostenart eine Kostenartenbezeichnung und eine Kosten­ artennummer erhält und ähnliche Kostenarten zu Kostenartengruppen zusammen­

gefaßt werden.107

2.1.4.1.2 Klassifikationsmöglichkeiten der Kostenartenrechnung Es ist üblich, die Gesamtkosten einer Abrechnungsperiode nach verschiedenen

Gesichtspunkten zu gliedern. Die entsprechenden Einteilungskriterien sind allerdings für die Kostenrechnung nicht alle gleich bedeutsam.

Das wesentliche Unterscheidungsmerkmal bei der Kostenarteneinteilung sollte die faktororientierte Unterteilung sein, wenngleich auch andere kostenstellen- oder kostenträgerorientierte Kriterien in Ergänzung dazu durchaus zulässig und sinnvoll

Vgl. Lachnit/Ammann [Kostenrechnung 1993], Sp.1259, Schönfeld/Möller [Kostenrechnung 1995], S.103, Ebert [Kostenrechnung 1997], S.29, und Männel [Betriebsbuchhaltung 1998], S.86. Vgl. Reblin [Kostenrechnung 1993], Sp.467f., Weber [Kosten 1993], Sp. 1265t., Koch [Kostenrechnung 1997], S.21, Brombach/Walter [Kostenrechnung 1998], S.66, und Männel [Betriebsbuchhaltung 1998], S.86.

Vgl. Rasche [Kostenrechnung 1980], S.49, Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.128, Freidank [Kostenrechnung 1997], S.95, und Koch [Kostenrechnung 1997], S.25. Vgl. Schubert [Kostenarten 1981], Sp.999f., Kilger [Kostenrechnung 1987], S.69, Taube [Kostenrechnung 1989], S.40, und Eilenberger [Rechnungswesen 1995], S.256.

Vgl. Gau [Betriebsabrechnung 1970], S.39ff., Endres [Kontenrahmen 1987], S.220f., Kilger [Kostenrechnung 1987], S.69, Bergner [Kostenarten 1975], Sp.2307, Matthes [Kontenrahmen 1993], Sp.1124t., und Männel [Betriebsbuchhaltung 1998], S.86.

Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung

22

erscheinen.108 Da die Produktionsfaktorgruppen in den verschiedenen Branchen von unterschiedlicher Bedeutung sind, läßt sich eine einheitliche, für alle Industrie­

betriebe gleichermaßen zweckmäßige Kostenarteneinteilung nicht finden.109 In Deutschland dient für viele Industrieunternehmen die Klasse 4 des Gemeinschaftskontenrahmens der Industrie (GKR) als Grundlage für die Einteilung der Kosten­

arten.110 Diese kann anhand verschiedener Kriterien erfolgen.111 Nach dem Gliederungskriterium „Art der verbrauchten Produktionsfaktoren“ sind Personal, Betriebsmittel-, Werkstoff- und Dienstleistungskosten sowie Steuern, Ge­

bühren und Beiträge zu unterscheiden. Bei einer Unterteilung nach der „Art der betrieblichen Funktionen“ sind Beschaffungs-, Fertigungs-, Vertriebs- und Verwal­

tungskosten voneinander abzugrenzen. Nimmt man eine Einteilung nach der „Art der

Verrechnung“ vor, ist zwischen Einzel- und Gemeinkosten zu differenzieren. Eine

weitere Unterteilung kann anhand des Merkmals „Verhalten bei Beschäftigungs­

änderungen“ durchgeführt werden. Hierbei werden die fixen und die variablen

Kosten voneinander getrennt. Nach der „Art der Kostenerfassung“ ist zwischen aufwandsgleichen und kalkulatorischen Kosten zu unterscheiden.112 Als weiteres Gliederungskriterium dient die „Herkunft der Kostengüter“. Dieses Einteilungs­

Vgl. Sommer [Kostenarten 1970], Sp.930f., Kosiol [Kostenrechnung 1972], S.112, Kilger [Kostenrechnung 1987], S.70, und Liessmann [Kostenrechnung 1997], S.370. Vgl. hierzu ausführlich Kilger [Kostenrechnung 1987], S.70, Moews [Kostenrechnung 1996], S.56, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.68f. Vgl. Kosiol [Kalkulatorische Buchhaltung 1953], S.200f, Schulze [Kontenrahmen 1970], Sp.844ff., Bergner [Kostenarten 1975], Sp.2308, Angermann [Kontenrahmen 1981], Sp.911, Kilger [Kostenrechnung 1987], S.70, Niethammer [Systematisierung 1992], S.402, und Moews [Kostenrechnung 1996], S.58.

Im folgenden werden die wichtigsten Einteilungskriterien dargestellt. Zu weiteren Einteilungs­ möglichkeiten vgl. Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.56ff. Bis auf das Kriterium „Art der Kostenerfassung“ werden die genannten Einteilungsmerkmale auch im betriebswirtschaftlichen Schrifttum der Türkei diskutiert. Vgl. hierzu Cemalcilar [Genei Muhasebe 1976], S.S.41f., Yazici [Hesaplama Yöntemleri 1977], S.64, Aksan [Maliyet Türleri 1980], S.18, Orhan [Birlesik 1982], S.39, Ercan [Gider Kavramlari 1983], S.10, Akdogan/Aydin [Muhasebe Teorileri 1987], S.421f., Bursal/Ercan [Maliyet Muhasebesi [Maliyet Muhasebesi 1992], S.9, Kücüksavas [Maliyet Sistemleri 1992], S.30, Demir [Maliyet 1993], S.74, und Ostün [Maliyet Muhasebesi 1995], S.29f. Daß das Merkmal „Art der Kostenerfassung“ keine Berücksichtigung findet, ist darauf zurück­ zuführen, daß die Verrechnung kalkulatorischer Kosten in der türkischen Literatur unbekannt sind. Vor dem Hintergrund, daß kalkulatorische Kosten im Schrifttum der Türkei unbekannt sind, findet dieses Einteilungskriterium in der Türkei keine Berücksichtigung.

Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung

30

merkmal ermöglicht eine Unterteilung der Kostenarten in primäre und sekundäre

Kosten. 2.1.4.1.3 Erfassung und Analyse der wichtigsten Kostenarten

Die Personalkosten (auch „Arbeitskosten“) enthalten alle Kosten, die durch die In­ anspruchnahme menschlicher Arbeitsleistungen unmittelbar und mittelbar verursacht

werden.113 Sie umfassen Bruttolöhne, Bruttogehälter, gesetzliche und freiwillige Sozialkosten sowie sonstige Personalnebenkosten. In

diesem Zusammenhang

kann

nach fertigungstechnischen,

verrechnungs­

technischen oder Lohnberechnungsgesichtspunkten unterschieden werden. Bei einer Einteilung unter fertigungstechnischen Aspekten lassen sich Fertigungs- und

Hilfslöhne gegeneinander abgrenzen: Fertigungslöhne werden für die Arbeiten gezahlt, die am Werkstück selbst verrichtet werden, Hilfslöhne dagegen für solche,

die nur indirekt zu einer Veränderung des Produkts führen.114 Aus verrechnungstechnischer Sicht stehen die Einzellöhne den Gemeinkosten­ löhnen gegenüber. Einzellöhne entstehen durch Arbeiten, die der auftragsbezo­

genen Leistungserstellung dienen und deren Kosten sich einem speziellen Auftrag

eindeutig zurechnen lassen. Gemeinkostenlöhne hingegen beziehen sich auf Arbeiten, bei denen eine solche auftragsspezifische Zuordnung nicht eindeutig möglich ist.115

Unter dem Aspekt der Lohnberechnung kann man schließlich eine Einteilung in Zeitlohn und Stücklohn vornehmen. Der Zeitlohn stellt die Vergütung für Arbeit in

einem bestimmten Zeitraum unabhängig von ihrem Ergebnis dar. Der Stücklohn

Vgl. hierzu Mellerowicz [Kosten 1973], S.42, Rasche [Kostenrechnung 1980], S.51, Zimmermann [Kostenrechnung 1993], S.28, Ebert [Kostenrechnung 1997], S.41, Seicht [Kostenrechnung 1997], S.88, und Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.108f. Vgl. Mellerowicz [Kosten 1973], S.45, Heinen/Dietel [Kostenrechnung 1991], S.1209, Schönfeld/Möller [Kostenrechnung 1995], S.113, Ebert [Kostenrechnung 1997], S.41, und Koch [Kostenrechnung 1997], S.45.

Vgl. Mellerowicz [Kosten 1973], S.45, Gaugier [Personalkosten 1981], Sp.1276, und Ebert [Kostenrechnung 1997], S.45.

Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung

(„Akkordlohn“)

ist demgegenüber das

JlL

Entgelt für die tatsächlich erbrachte

(mengenmäßige) Leistung.116 Probleme hinsichtlich der Personalkosten treten bei der Erfassung der Urlaubs-,

Krankheits- und Feiertagslöhne sowie der sozialen Leistungen auf, da diese un­

gleichmäßig über das ganze Jahr anfallen.117 Um aber dennoch eine Aussagefähig­ keit der Kostenrechnung zu erhalten, werden derartige Kosten gleichmäßig auf den

gesamten Abrechnungszeitraum verteilt, unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt sie tatsächlich angefallen sind.118

Materialkosten, die auch Werkstoffkosten oder Stoffkosten genannt werden, sind „die

mit ihren Preisen bewerteten Verbrauchsmengen an Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen“.119 Schwierigkeiten können sich bei den Materialkosten im Hinblick auf die Erfassung

der Verbrauchsmengen und deren Bewertung ergeben. Grundsätzlich gibt es drei Methoden zur Feststellung der Verbrauchsmengen, nämlich die Skontrations-, die

Inventur-

und

die

retrograde

Methode.

Bei

der

Skontrationsmethode

(„Fortschreibungsmethode“) werden die Lagerabgänge durch Materialentnahme­ scheine in der Lagerbuchhaltung erfaßt.120 Die Inventurmethode (auch „Befund-“ oder „Bestandsdifferenzenrechnung “) ermittelt den Verbrauch durch Bestandsver­

gleich, d.h. aus der Summe des Anfangsbestandes und der Zugänge abzüglich des Endbestandes.121 Bei der retrograden Methode („Rückrechnung“) gelangt man zu

Vgl. Kilger [Kostenrechnung 1987], S.99, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.324f., Zimmermann [Kostenrechnung 1993], S.29, Freidank [Kostenrechnung 1997], S.104f., und Koch [Kostenrechnung 1998], S.45.

Vgl. Heinen/Dietel [Kostenrechnung 1991], S.1210, Schönfeld/Möller [Kostenrechnung 1995], S.114, und Seicht [Kostenrechnung 1997], S.88. Vgl. Heinen/Dietel [Kostenrechnung 1991], S.1210, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.327, und Schönfeld/Möller [Kostenrechnung 1995], S.115. Haberstock [Kostenrechnung 11998], S.64.

Vgl. hierzu Dorn [Entwicklung 1961], S.59, Schwarz [Betriebsbuchhaltung 1970], Sp.162, Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.145, Kilger [Kostenrechnung 1987], S.80f., Rehkugler [Kostenkategorien 1993], Sp.2328, Saul [Materialkosten 1993], Sp.1394, Freidank [Kostenrechnung 1997], S.97, und Seicht [Kostenrechnung 1997], S.96. Vgl. hierzu ausführlich Kilger [Kostenrechnung 1987], S.79f., Zimmermann [Kostenrechnung 1993], S.32, Saul [Materialkosten 1993], Sp.1394, und Eisele [Rechnungswesen 1999], S.634.

32.

Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung

den Verbrauchsmengen, indem man - ausgehend von den erstellten Mengen an Halbfertig- und

Fertigerzeugnissen - rückschreitend deren

Materialverbrauch

ableitet.122

Aus Sicht der Kostenrechnung ist die Skontrationsmethode das vorzuziehende Verfahren, da sich mit ihrer Hilfe die Verbrauchsmengen am genauesten bestimmen

lassen.

Auch die Bewertung des Materialverbrauchs kann in verschiedener Weise erfolgen,

je nachdem, ob dafür Einstandspreise, Festpreise, Durchschnittspreise, Wiederbe­ schaffungspreise, Tagespreise oder andere Preise herangezogen werden.123

Unter den Betriebsmittelkosten versteht man im allgemeinen „die unmittelbar durch den Einsatz von Gebäuden, Maschinen, maschinellen Anlagen, Transportmitteln, Einrichtungsgegenständen u.a. verursachten Abschreibungen, Zinsen, Reparaturund Instandhaltungskosten“124.

Dienstleistungskosten („Fremdleistungskosten“) entstehen durch die Inanspruch­

nahme von Dienstleistungen anderer Unternehmen.125 Hierzu zählen beispielsweise Reparaturen, Wartungen, Werbemaßnahmen, Transportleistungen etc. Hinsichtlich

der Ermittlung der Dienstleistungskosten ergeben sich im Regelfall keine Probleme,

da man auf die eingehenden Fremdbelege in Form von Rechnungen zurückgreifen kann.126

Den kalkulatorischen Kosten stehen im Gegensatz zu den Grundkosten in der

Finanzbuchhaltung entweder kein Aufwand (= Zusatzkosten) oder Aufwand in

122

Vgl. ausführlich Kilger [Kostenrechnung 1987], S.80, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.318, Moews [Kostenrechnung 1996], S.88, und Eisele [Rechnungswesen 1999], S.634.

123

Vgl. Vodrazka [Materialkosten 1981], Sp.1173, Saul [Materialkosten 1993], Sp.1396f., Swoboda [Kostenrechnung 1997], S.32, und Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.65.

124

Kilger [Kostenrechnung 1987], S. 110.

125

Vgl. Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.71, und Kloock et al. [Kostenrechnung 1999], S.103.

126

Vgl. Kloock et al. [Kostenrechnung 1999], S.103.

Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung

.33

anderer Höhe (= Anderskosten) gegenüber. Kalkulatorische Kosten werden ver­

rechnet, um den tatsächlichen Werteverzehr an Produktionsfaktoren zu erfassen.127

Die erste Gruppe unter den kalkulatorischen Kosten stellen die kalkulatorischen Abschreibungen dar. Analog zu den bilanziellen Abschreibungen werden hierbei die

Ausgaben bzw. Auszahlungen, die einmalig für die Herstellung oder Anschaffung

eines Anlagegutes anfallen, auf die einzelnen Teilperioden ihrer wirtschaftlichen Nutzungsdauer verteilt.128 Unter den kalkulatorischen Abschreibungen versteht man

mithin das „kostenmäßige Äquivalent für den Werteverzehr langfristig nutzbarer Produktionsfaktoren“129.

Die jeweilige Höhe der Abschreibungen wird durch die Komponenten Abschrei­

bungsursachen, -verfahren und -betrag bestimmt.130 Die Abschreibung eines Betriebsmittels kann aufgrund verschiedener, etwa wirt­

schaftlich bedingter Ursachen erforderlich werden. Dies ist der Fall, wenn die Wert­ minderung etwa durch den technischen Fortschritt oder durch eine Nachfragever­ schiebung herbeigeführt wird.131 Ebenso können verbrauchsbedingte Ursachen vor­

liegen. Hierzu zählt man die Abnutzung durch Gebrauch, Zeitverschleiß und Substanzverringerung.132 Schließlich sind auch zeitlich bedingte Abschreibungs­

ursachen denkbar, wozu der Ablauf eines Miet- oder Pachtvertrages oder der Ablauf von Schutzrechten gezählt werden kann.

Vgl. hierzu ausführlich Rasche [Kostenrechnung 1980], S.57, Franz [Kalkulatorische Kosten 1992], S.423, Küpper [Abschreibungen 1993], Sp.20, Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.77, Küpper [Kalkulatorische Kosten 1998], S.441, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.39.

Vgl. Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.163, Männel [Kalkulatorische Kosten 1997], S.7f., Wohlgemuth [Grundlagen 1998], S.3f., und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.61.

Kilger [Kostenrechnung 1987], S.112. Vgl. hierzu ausführlich Banse [Abschreibung 1970], Sp.30f., Moews [Kalkulatorische Kosten 1975], Sp.2276, Hohenbild [Gestaltung 1978], S.156f., Egner [Abschreibungen 1981], Sp.34f., Franz [Kalkulatorische Kosten 1992] 426f., Zimmermann [Kostenrechnung 1993], S.34, und Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.115. Vgl. hierzu Kilger [Kostenrechnung 1987], S.112f. Vgl. aber auch Küpper [Abschreibungen 1993], Sp.16, Seicht [Kostenrechnung 1997], S.106, und Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.81. Vgl. Franz [Kalkulatorische Kosten 1992], S.425, Küpper [Abscheibungen 1993], Sp.16, und Haberstock [Kostenrechnung 11998], S.81.

Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung

34

Verfahrensmäßig kann man zwischen der leistungsabhängigen Abschreibung, der zeitorientierten Abschreibung und der gespaltenen Abschreibung unterscheiden. Die leistungsabhängige Abschreibung ist das kostenmäßige Äquivalent für den Werte­

verzehr entsprechend der wechselnden Inanspruchnahme der Betriebsmittel. Zur

Ermittlung des Abschreibungsbetrags einer Periode dividiert man zunächst die ursprünglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten durch den Gesamtleistungs­

vorrat und multipliziert anschließend den so ermittelten Abschreibungssatz pro

Leistungseinheit mit der in der jeweiligen Periode erbrachten Leistung.133 Die zeitorientierte Abschreibung kann in linearer, degressiver oder progressiver Form erfolgen. Bei der linearen Abschreibung ist der Abschreibungsbetrag pro Periode im

Verlauf der Nutzungsdauer konstant. Hingegen wird bei der degressiven Methode,

die sich noch in arithmetisch-degressiv und geometrisch-degressiv unterteilen läßt, ein abnehmender Werteverzehr während der Nutzungsdauer unterstellt. Die prog­

ressive Abschreibungsmethode ist dadurch gekennzeichnet, daß die Abschreibungs­

beträge von Periode zu Periode ansteigen, wobei sie entweder arithmetisch oder geometrisch steigende Reihen bilden.134

Bei der gespaltenen Abschreibungsmethode wird versucht, die Abschreibungs­ summe in einen zeitorientierten (fixen) und in einen leistungsabhängigen (variablen)

Block aufzuteilen. In diesem Zusammenhang kann sich die Bestimmung der jeweils geeigneten

Abschreibungsmethode und des damit verbundenen Abschreibungsbetrags pro

Periode als problematisch erweisen. Die leistungsabhängige Abschreibungsmethode

ist nur für den Fall anwendbar, daß der Werteverzehr der Betriebsmittel ausschließ­ lich durch den unmittelbaren Einsatz im Produktionsprozeß herbeigeführt wird. Dies

hätte aber zur Voraussetzung, daß das gesamte Nutzungspotential quantifizierbar wäre und die Leistungsabgabe in jeder Periode bestimmt werden könnte. Da sich

Vgl. Buchner [Abschreibung 1974], Sp.109, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.333, Franz [Kalkulatorische Kosten 1992], S.427, Zimmermann [Kostenrechnung 1993], S.37, und Brombach/Walter [Kostenrechnung 1998], S.96.

134

Vgl. hierzu ausführlich Küpper [Abschreibungen 1993], Sp.23, Moews [Kostenrechnung 1996], S.104, Seicht [Kostenrechnung 1997], S.106, und Eisele [Rechnungswesen 1999], S.317.

Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung

33

dies in aller Regel nicht verwirklichen läßt, ist die leistungsabhängige Abschreibung in der Praxis nur von geringer Bedeutung. Die am häufigsten verwendete Methode ist daher die zeitorientierte Abschreibung. Die lineare Abschreibung besitzt dabei

einen besonderen Stellenwert, da sie rechnerisch einfach ist und dem Egali­ sierungsgedanken Rechnung trägt. Die degressive Methode weist demgegenüber den Vorteil auf, daß während der Nutzungsdauer wegen der in der Regel ansteigenden Reparatur- und Instandhaltungskosten ein relativ gleichmäßiger Ver­

lauf der „Betriebsmittelkosten“ entsteht.135 Die progressive Abschreibungsmethode ist wiederum für die Praxis kaum von Interesse, da der Werteverzehr im allgemeinen keinen progressiven Verlauf aufweist.

Festzuhalten bleibt, daß dasjenige Abschreibungsverfahren als das geeignete Ver­

fahren anzusehen ist, das in der Lage ist, die Abschreibungen gemäß dem tatsäch­ lich verursachten Werteverzehr in möglichst genauerWeise abzubilden.136

Ein wesentlicher Unterschied zwischen der kalkulatorischen Abschreibung und der

bilanziellen Abschreibung besteht darin, daß bei der erstgenannten in der Regel der

Wiederbeschaffungswert eines Betriebsmittels, bei letzterer hingegen die ursprüng­ lichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten137 den Abschreibungsbetrag bildet.138 Die kalkulatorische Abschreibung berücksichtigt damit das Prinzip der substanziellen

Kapitalerhaltung, d.h., daß bei steigenden Beschaffungspreisen die Substanz eines

Unternehmens nicht dadurch gefährdet wird, daß man Abschreibungen auf der Basis von Anschaffungspreisen vornimmt.139

Vgl. ausführlich Haberstock [Kostenrechnung 11998], S.94. Vgl. Zimmermann [Kostenrechnung 1993], S.43, Ballwieser [Abschreibungen 1998], S.9, und Schweitzer/Ziolkowski [Unternehmungsrechnung 1999], S.49. Vgl. hierzu handelsrechtlich § 253 HGB und steuerrechtlich § 7 EStG.

Vgl. hierzu ausführlich Gretz [Ergebnisrechnung 1980], S.20f., Wohlgemuth [Herstellungskosten 1991], S.25f., Franz [Kalkulatorische Kosten 1992], S.426, Loos [Ermittlung 1992], S.528, Jost [Kostenrechnung 1996], S.71, Männel [Rechnungskreise 1997], S.12, Zimmermann [Unternehmenserhaltung 1997], S.25, Ballwieser [Abschreibungen 1998], S.5, Küpper [Kalkulatorische Kosten 1998], S.441, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.61. Vgl. Moews [Kalkulatorische Kosten 1975], Sp.2276, Zimmermann [Kostenrechnung 1993], S.35, und Männel/Distler [Substanzerhaltung 1997], S.43.

Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung

Geht man von dem Zweck der kalkulatorischen Abschreibung aus, der in der periodisch richtigen Erfassung des leistungsbezogenen Verbrauchs der Anlagen

besteht, so darf nicht übersehen werden, daß die Abschreibungsverfahren rein hypothetisch und grob vereinfacht sind, da sie lediglich der Verbrauchstendenz ent­ sprechen. Dieser Umstand ist u.a. auf Schwierigkeiten hinsichtlich der Messung des

Betriebsmittelverbrauchs zurückzuführen.140 Die kalkulatorischen Zinsen, verstanden als das „kostenmäßige Äquivalent für die Kapitalbindung in einer Unternehmung“141, bilden eine weitere wichtige, wenn auch

problematische Form der kalkulatorischen Kosten. Bei ihrer Ermittlung stellt sich

regelmäßig die Frage, auf welche Kapitalbeträge sie verrechnet werden sollen. Des weiteren ist umstritten, ob solche Zinsen überhaupt Kosten darstellen.142 Die Vertreter des pagatorischen Kostenbegriffs lassen für die Kostenrechnung nur solche Kosten zu, die mit Auszahlungen verbunden sind. Konsequenterweise lehnen

sie den Ansatz von kalkulatorischen Zinsen auf das Eigenkapital ab und sehen aus­ schließlich die Fremdkapitalzinsen als Kosten an.143 Demgegenüber definieren die

Vertreter des wertmäßigen Kostenbegriffs die Kosten als einen in Geld bewerteten,

betriebsnotwendigen Güterverzehr.144 Entsprechend bezeichnen sie die Eigen­ kapitalzinsen als Zusatzkosten und begründen dies damit, daß durch die Bindung von Eigenkapital an das eigene Unternehmen eine andere zinsbringende Anlage­ möglichkeit ausgeschlossen wird.145 Auch wenn man sich dieser Auffassung

anschließt, bleibt doch zu berücksichtigen, daß die Eigenkapitalzinsen nicht die

140

141

Vgl. hierzu ausführlich Kosiol [Kostenrechnung 1972], S.109, und Swoboda [Bewertung 1998], S.37. Kilger [Kostenrechnung 1987], S.133.

142

Vgl. Zimmermann [Kostenrechnung 1993], S.50, Brombach/Walter [Kostenrechnung 1998], S.108, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.62.

143

Vgl. hierzu ausführlich Huch [Kostenrechnung 1986], S.62.

144

Vgl. Zimmermann [Kostenrechnung 1993], S.50, Küpper [Kalkulatorische Kosten 1998], S.442, und Schweitzer/Ziolkowski [Unternehmungsrechnung 1999], S.54.

145

Vgl. Huch [Kostenrechnung 1986], S.62f.

Theoretische .Grundlagen der Kostenrechnung

2Z

Ausprägung einer tatsächlichen Auszahlung aufweisen, sondern vielmehr eine Form

des Nutzenentgangs im Sinne von Opportunitätskosten darstellen.146 In jedem Fall ist für die Ermittlung der Zinskosten die Konkretisierung des betriebs­

notwendigen Kapitals erforderlich. Da das betriebsnotwendige Kapital im vorhinein nicht eindeutig bekannt ist, berechnet man zunächst das betriebsnotwendige Ver­ mögen. Letzteres muß nicht zwingend mit den Werten der Aktivseite der Handels­ und Steuerbilanz übereinstimmen, da dort auch solche Vermögensteile aufgeführt werden, die eben nicht betriebsnotwendig sind.147 Für die Bestimmung des betriebs­

notwendigen Anlagevermögens stehen die Methoden der Restwertverzinsung, der Durchschnittswertverzinsung und der Resterlöswertverzinsung zur Verfügung. Bei

der Restwertverzinsung werden die Zinsen aus dem verbleibenden kalkulatorischen Restbuchwert der Anlagen berechnet.148 Das Verfahren der Durchschnittsver­ zinsung sieht eine Verzinsung des während der gesamten Nutzungsdauer durch­

schnittlich gebundenen Kapitals vor.149 Bei der Resterlöswertverzinsung geht man

davon aus, daß in den Anlagen noch jener zu verzinsende Kapitalbetrag gebunden

ist, der bei deren Veräußerung eingenommen werden könnte.150 In der Praxis hat

sich das Verfahren der Durchschnittsverzinsung aufgrund des Egalisierungsge­ dankens durchgesetzt. Bei der Ermittlung des betriebsnotwendigen Umlaufver­

mögens geht man meist vom Jahresdurchschnittswert des Umlaufvermögens aus. Das betriebsnotwendige Vermögen ergibt sich schließlich aus der Summe des

betriebsnotwendigen Anlage- und Umlaufvermögens abzüglich des neutralen Anlage- und Umlaufvermögens (z.B. betriebsfremde Anlagen oder Warenvorräte).

Subtrahiert man von diesem betriebsnotwendigen Vermögen noch das Abzugs­

Vgl. Mellerowicz [Kosten 1973], S.78, Heinen/Dietel [Kostenrechnung 1991], S.1212, Franz [Kalkulatorische Kosten 1992], S.429, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.62. Vgl. Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.95.

Vgl. Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.175, Ehrmann [Kostenrechnung 1997], S.59, Brombach/Walter [Kostenrechnung 1998], S.110, Eisele [Rechnungswesen 1999], S.647, und Schweitzer/Ziolkowski [Unternehmungsrechnung 1999], S.56. Vgl. Kilger [Kostenrechnung 1987], S.136, Ehrmann [Kostenrechnung 1997], S.58, Reiners [Kalkulatorische Zinsen 1997], S.55, Eisel [Rechnungswesen 1999], S.647, und Schweitzer/ Ziolkowski [Unternehmungsrechnung 1999], S.56. Vgl. Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.175, und Brombach/Walter [Kostenrechnung 1998], S.109.

Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung

38

kapital, also etwa Kundenanzahlungen oder unverzinsliche Darlehen, so gelangt

man zum betriebsnotwendigen Kapital.151 Die kalkulatorischen Zinsen erhält man, indem man das betriebsnotwendige Kapital mit einem einheitlichen Zinssatz

multipliziert,152 wobei meistens auf den Zinssatz für langfristige Kredite zurück­

gegriffen wird. Jede unternehmerische Tätigkeit ist aufgrund der Unvollständigkeit und Ungenauig­

keit der Vorstellungen bezüglich der zukünftigen Datenentwicklung mit Ungewiß­

heiten verbunden.153 Diese Ungewißheiten, die man auch als Risiko oder Wagnis bezeichnen kann und die allgemeiner oder spezieller Natur sein können, bergen Gefahren für das unternehmerische Handeln in sich. Das allgemeine Unternehmens­

wagnis umfaßt im wesentlichen schwer oder überhaupt nicht prognostizierbare Risiken, die das Unternehmen als Ganzes betreffen, wie z.B. Inflation, plötzliche Nachfrageverschiebungen, technische Fortschritte etc. Wagnisse dieser Art sind so wenig kalkulierbar, daß sie in der Kostenrechnung nicht berücksichtigt werden, zu­

mal ihnen die Möglichkeit der Gewinnerzielung kompensierend gegenübersteht. Bei den speziellen Einzelwagnissen handelt es sich dagegen um intern bedingte Risiken

in der Unternehmung, die sich auf einzelne Abteilungen, Tätigkeiten oder Produkte beziehen und unmittelbar mit der betrieblichen Leistungserstellung verbunden sind.154 Solche speziellen Einzelwagnisse können durchaus als kalkulatorische

Wagniskosten Eingang in die Kostenrechnung finden. Dabei ist aber zu beachten, ob

die jeweiligen Risiken durch eine besondere Fremdversicherung abgedeckt oder von der Unternehmung selbst getragen werden.155 Sofern die bestehenden Risiken durch

eine Versicherung abgedeckt sind, werden die laufenden Versicherungsprämien als

Vgl. Greifzu [Rechnungswesen 1965], S.331, Gabele/Fischer [Kostenrechnung 1992], S.85f., und Ehrmann [Kostenrechnung 1997], S.57. 152

Vgl. Moews [Kalkulatorische Kosten 1975], Sp.2277, Bussmann [Rechnungswesen 1979], S.71, Männel [Rechnungskreise 1997], S.12, und Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.121.

153

Vgl. Moews [Kalkulatorische Kosten 1975], Sp.2277, Busse von Colbe [Substanzerhaltung 1990], S.306, Franz [Kalkulatorische Kosten 1993], Sp. 1046t., Zimmermann [Kostenrechnung 1993], S.61, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.65.

154 155

Vgl. Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.101.

Vgl. Brombach/Walter [Kostenrechnung 1998], S.111, und Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.102.

Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung

^2

Kosten innerhalb der Grundkostenarten erfaßt.156 In Form von kalkulatorischen Wagniskosten werden dann nur solche Risiken berücksichtigt, die von der Unter­

nehmung selbst getragen werden. Dabei kann es sich um Anlagen-, Bestände-, Mehrkosten-, Gewährleistungs-, Vertriebs- sowie Entwicklungswagnisse handeln.157

Zur Verrechnung der kalkulatorischen Wagniskosten orientiert man sich an Ver­

gangenheitswerten, die in die Zukunft extrapoliert werden.158 Mit Hilfe statistischer Verfahren läßt sich der sog. Wagniskostensatz ermitteln. Dieser ergibt sich als

durchschnittliche Größe aus den in der Vergangenheit tatsächlich eingetretenen Wagnisverlusten und einer geeigneten Bezugsgröße, die in Beziehung zur Höhe der

Wagnisverluste steht.159 Die kalkulatorischen Wagniskosten der laufenden Periode werden dann unter Berücksichtigung des Wagniskostensatzes in der Kostenrech­

nung berechnet. Als kalkulatorischer Unternehmerlohn wird das für die unternehmerische Leistung

und die vom Unternehmer selbst durchgeführten Verwaltungsaufgaben zu berück­

sichtigende rein kalkulatorische Entgelt bezeichnet.160 Ein solcher kalkulatorischer Unternehmerlohn,

der Zusatzkosten

darstellt,

findet sich

ausschließlich

bei

Personengesellschaften. Der Grund hierfür ist darin zu sehen, daß Vorstands­

mitglieder und Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften Gehaltsempfänger sind,

während Gesellschafter von Personengesellschaften für ihre Tätigkeit kein Gehalt beziehen.161 Den Maßstab für die Höhe des kalkulatorischen Unternehmerlohnes

bildet das durchschnittliche Gehalt eines Geschäftsführers einer Kapitalgesellschaft

Vgl. Seicht [Kostenrechnung 1997], S.120, und Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.102.

Vgl. Schönfeld/Möller [Kostenrechnung 1995], S.123, Freidank [Kostenrechnung 1997], S.130, Küpper [Kalkulatorische Kosten 1998], S.442, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.65. Vgl. Zimmermann [Kostenrechnung 1993], S.62, und Braunschweig [Kostenrechnung 1999], S.33. Vgl. Götzinger/Michael [Kostenrechnung 1990], S.108, und Brombach/Walter [Kostenrechnung 1998], S.112. Vgl. hierzu ausführlich Greifzu [Rechnungswesen 1965], S.327, Franz [Kalkulatorische Kosten 1993], Sp.1045, Schönfeld/Möller [Kostenrechnung 1995], S.56, Männel [Rechnenkreise 1997], S.12, Küpper [Kalkulatorische Kosten 1998], S.442, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.66f. Vgl. Hohenbild [Gestaltung 1978], S.158, Schönfeld/Möller [Kostenrechnung 1995], S.115, Moews [Kostenrechnung 1996], S.96, Freidank [Kostenrechnung 1997], S.132, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.67.

40

Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung

unter der Voraussetzung, daß sowohl gleiche Bedingungen hinsichtlich der Aufgabengebiete und Leistungen der zu vergleichenden Personen als auch der

Größe und der Art des Fertigungsprogrammes beider Unternehmen vorliegen.162 2.1.4.2 Kostenstellenrechnung 2.1.4.2.1 Bedeutung der Kostenstellenrechnung

Die Kostenstellenrechnung stellt verfahrenstechnisch betrachtet das Bindeglied zwischen der Kostenartenrechnung und der Kostenträgerrechnung dar.163 Sie gibt

Auskunft darüber, wie sich die einzelnen Kostenarten auf die Teilbereiche eines Unternehmens verteilen,

in denen sie innerhalb einer Abrechnungsperiode

angefallen sind.164 Unter Kostenstellen versteht man „Orte, an denen die zur Leistungserstellung benötigten Güter verbraucht werden“165. Allgemein unterscheidet

man

zwischen

Hauptkostenstellen

(Endkostenstellen)

und

Hilfskostenstellen

(Vorkostenstellen).166 Als Hauptkostenstellen bezeichnet man diejenigen Kosten­ stellen, deren Kosten sich mit Hilfe von Kalkulationssätzen den Kostenträgern un­ mittelbar zurechnen lassen.167 Die Hilfskostenstellen hingegen sind dadurch gekenn­

zeichnet, daß ihre Kosten indirekt durch Umlage auf andere Hilfs- oder Hauptkosten­ stellen verrechnet werden.168

Vgl. Zimmermann [Kostenrechnung 1993], S.63, und Eisele [Rechnungswesen 1999], S.649.

Vgl. hierzu Heinen [Kostenrechnung 1975b], Sp.2318, Brink [Kostenstellen 1993], Sp.2376, Milling [Kostenstellenrechnung 1993], Sp.1249, Jost [Kostenrechnung 1996], S.77, Fiedler [Controlling 1998], S.55, Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.126, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.74. In diesem Zusammenhang ist allerdings darauf hinzuweisen, daß diese Aussage nicht bei allen Kostenrechnungsverfahren zutrifft.

Vgl. Menrad [Vollkostenrechnung 1981], Sp.1741, Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.190, Koch/Zimmermann [Kostenrechnung 1992], Sp.1086, Moews [Kostenrechnung 1996], S.116, und Männel [Betriebsbuchhaltung 1998], S.86. Nowak [Kostenrechnungssysteme 1961], S.32.

Vgl. Meffert [Kostenrechnungssysteme 1978], S.580, Ehrmann [Kostenrechnung 1997], S.80f., Seicht [Kostenrechnung 1997], S.124, Swoboda [Kostenrechnung 1997], S.34, und Männel [Betriebsbuchhaltung 1998], S.87. Vgl. Jost [Kostenrechnung 1996], S.78, Wöhe [Betriebswirtschaftslehre 1996], S.1271, Swoboda [Kostenrechnung 1997], S.34, und Schierenbeck [Betriebswirtschaftslehre 1999], S.640.

Vgl. Sommer [Kostenstellen 1970], Sp.976, Kilger [Kostenrechnung 1987], S.154, Ehrmann [Kostenrechnung 1997], S.81, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.78.

Theoretische Grünhagen der Kostenrechnung

41

Ebenso wie die Kostenartenrechnung verfolgt auch die Kostenstellenrechnung keinen Selbstzweck, sondern dient der Gewinnung von Informationen, die die Basis

für betriebliche Dispositionen darstellen.169 Die Aufgaben der Kostenstellenrechnung bestehen in der Verteilung der Gemeinkosten aus der Kostenartenrechnung auf die

Kostenstellen, der Durchführung der innerbetrieblichen Leistungsverrechnung, der

Kontrolle der Wirtschaftlichkeit und der Vorbereitung der Kalkulation.170 Erst eine Einteilung des Unternehmens in verschiedene Kostenstellen ermöglicht die

Gewinnung derjenigen Informationen, die eine Analyse der Teilprozesse sowie ihrer Bestimmungsfaktoren und deren kostenmäßigen Auswirkungen erlauben.171 Eine

Wirtschaftlichkeitskontrolle, die sich demgegenüber darauf beschränkt, das Unter­ nehmen in seiner Gesamtheit zu betrachten, hat nur geringen Aussagewert und ist

damit für die Unternehmensleitung wenig hilfreich.172

Am Anfang der Kostenstellenrechnung muß unterschieden werden zwischen denjenigen Kostenarten, die den Kostenträgern direkt zugerechnet werden können

(Kostenträgereinzelkosten), und solchen, bei denen dies nicht möglich ist, so daß sie im Rahmen der Kostenstellenrechnung verteilt werden (Kostenträgergemeinkosten).

Handelt es sich bei den Kostenträgergemeinkosten um Kostenarten, die für die

Kostenstelle einzeln erfaßbar sind, so spricht man von Kostenstelleneinzelkosten. Lassen sich die Kostenträgergemeinkosten hingegen nicht pro Kostenstelle

erfassen, so werden sie als Kostenstellengemeinkosten bezeichnet. In einem solchen Fall erfolgt die Verteilung indirekt über sogenannte Schlüsselgrößen.173 Von einer Verteilung primärer Kosten spricht man, wenn die Verrechnung der Kosten­

Vgl. Brink [Kostenstellen 1993], Sp.2378, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.74. Vgl. hierzu Mellerowicz [Kostenrechnung I 1974], S.379f., Männel [Kostenrechnung 1977], S.634f., Schirmeister [Betriebsbuchhaltung 1993], Sp.159, Moews [Kostenrechnung 1996], S.116f., Ehrmann [Kostenrechnung 1997], S.75f., Seicht [Kostenrechnung 1997], S.123, und Scherrer [Betriebsabrechnungsbogen 1998], S.78.

Vgl. ausführlich Dorn [Betriebsbuchhaltung 1974], Sp.563, Brombach/Walter [Kostenrechnung 1998], S.119, und Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.126. Vgl. Meffert [Kostenrechnungssysteme 1978], S.580, Schirmeister [Betriebsbuchhaltung 1993], Sp.159, und Männel [Betriebsbuchhaltung 1998], S.86. Vgl. Zimmermann [Kostenrechnung 1993], S.71, Scherrer [Betriebsabrechnungsbogen 1998], S.79, und Schierenbeck [[Betriebswirtschaftslehre 1999], S.648.

Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung

42.

arten auf die Kostenstellen erfolgt Betrachtet man hingegen den Leistungsaus­ tausch zwischen den Kostenstellen, so verwendet man den Begriff der sekundären Kosten. Diese Kosten lassen sich mit Hilfe entsprechender Schlüsselgrößen, wie z.B. Kalkulationssätzen, auf die Kostenträger verrechnen.174

Bei der Bestimmung der einzelnen Kostenstellen eines Unternehmens müssen verschiedene Grundsätze beachtet werden, damit die Kostenstellenrechnung ihren

Aufgaben gerecht werden kann. Hierzu zählen die Grundsätze der Entsprechung,

der Verantwortlichkeit, der Eindeutigkeit sowie der Wirtschaftlichkeit und Übersicht­

lichkeit.175 Der Grundsatz der Entsprechung besagt, daß in Fällen, in denen es nicht

möglich ist, die Kostenarten verursachungsgemäß auf die Kostenträger zu verteilen,

innerbetriebliche „profit center“, also organisatorische Teilbereiche, gebildet werden

sollen, die die Leistungen untereinander austauschen und deren Leistungen man mit Hilfe sogenannter innerbetrieblicher Lenkungspreise bewertet.176 Der Grundsatz der Verantwortlichkeit fordert die Herstellung einer Identität zwischen Kostenstelle und

Verantwortungsbereich. Nur so kann eine wirksame Wirtschaftlichkeitskontrolle

gewährleistet werden.177 Durch Beachtung des Grundsatzes der Eindeutigkeit soll erreicht werden, daß die Kostenstellen unmißverständlich gegeneinander abge­ grenzt sind, damit eine exakte Zuordnung aller Kosten vorgenommen werden kann. Entsprechend dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Übersichtlichkeit soll ein Unternehmen nur soweit in einzelne Kostenstellen unterteilt werden, daß man den

dadurch entstehenden Aufwand wirtschaftlich vertreten kann und die Übersichtlich­

keit nicht gefährdet wird.178

Vgl. Dorn [Betriebsbuchhaltung 1974], Sp.564, Gabele/Fischer [Kostenrechnung 1992], S.107, und Zimmermann [Kostenrechnung 1993], S.71. Vgl. Biethahn [Kostenstellen 1981], Sp.1093, Milling [Kostenstellenrechnung 1993], Sp.1252, und Jörasz [Kostenrechnung 1996], S.115. Vgl. Biethahn [Kostenstellen 1981], Sp.1093, und Milling [Kostenstellenrechnung 1993], Sp.1252.

Vgl. Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.198, Schönfeld/Möller [Kostenrechnung 1995], S.134, und Jörasz [Kostenrechnung 1996], S.116. Vgl. Dorn [Betriebsbuchhaltung 1974], Sp.563, und Biethahn [Kostenstellen 1981], Sp.1094.

Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung

43

2.1.4.2.2 Einteilungskriterien und Arten von Kostenstellen

Die Gliederung eines Unternehmens kann nach verschiedenen Gesichtspunkten er­ folgen. Für welche Einteilung man sich letztendlich entscheidet, hängt im wesent­ lichen von den jeweils angestrebten Rechnungszielen ab. Die Kostenstellen können

grundsätzlich nach räumlich-geographischen Gesichtspunkten, nach Verantwor­

tungsbereichen, nach verrechnungstechnischen Merkmalen oder nach funktionalen

Kriterien gebildet werden.179 Bei der Abgrenzung von Kostenstellen nach räumlich-geographischen Gesichts­ punkten wird jede Kostenstelle als ein räumlich zusammenhängender und abge­

grenzter Bereich betrachtet. Eine solche Einteilung ist jedoch nur dann sinnvoll, wenn in den jeweiligen Kostenstellen nur eine einzige Tätigkeit ausgeführt wird. Sofern in den räumlich abgegrenzten Betriebsteilen unterschiedliche Tätigkeiten aus­

geführt werden, was den Regelfall darstellt, so erscheint diese Art der Kosten­ stellenbildung wenig sinnvoll, da nicht ersichtlich ist, welche Kosten durch die ein­

zelnen Tätigkeitsbereiche verursacht worden sind.180 Eine zweite Alternative zur Einteilung der Kostenstellen stellt die Bildung der Kosten­

stellen nach Verantwortungsbereichen dar. Bei dieser Gliederungsform werden die Kompetenzen und Verantwortungen der einzelnen Kostenstellenleiter eindeutig

gegeneinander abgegrenzt, so daß die Möglichkeit besteht, jeden Kostenstellenleiter

für den Anfall der Kosten verantwortlich zu machen.181 Eine solche Form der Kosten­ stellenbildung empfiehlt sich insbesondere, wenn man den Kosten- und Wirtschaft­ lichkeitskontrollen einen hohen Stellenwert innerhalb der Kostenstellenrechnung einräumt.

Ferner besteht die Möglichkeit, die Kostenstellen nach verrechnungstechnischen Gesichtspunkten voneinander abzugrenzen. Dabei werden nur jene produktiven

Demgegenüber ist die Einteilung der Kostenstellen nach Verantwortungsbereichen und nach verrechnungstechnischen Merkmalen in der Türkei unbekannt.

Vgl. Dorn [Betriebsbuchhaltung 1974], Sp.563, Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.197, Niethammer [Systematisierung 1992], S.408, und Eisele [Rechnungswesen!999], S.658. Vgl. Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.197, Schönfedl/Möller [Kostenrechnung 1995], S.134, und Scherrer [Betriebsabrechnungsbogen 1998], S.79.

44

Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung

Einheiten zu Kostenstellen zusammengefaßt, die gleiche oder zumindest annähernd

gleiche Kostenstrukturen aufweisen. Dies bedeutet für Unternehmen, die ausschließ­ lich produktive Einheiten mit unterschiedlichen Kostenstrukturen aufweisen, daß jede

produktive Einheit in einer gesonderten Kostenstelle erfaßt werden muß, was in der Konsequenz eine sehr feine Kostenstellenunterteilung erforderlich macht.182 Vor diesem Hintergrund sollte bei der Kostenstellenbildung nach verrechnungs­

technischen Gesichtspunkten stets eine Abwägung zwischen dem Vorteil, der aus der zunehmenden Verfeinerung der Kostenstellenunterteilung resultiert, und dem Nachteil,

der in dem ansteigenden Rechenaufwand besteht, vorgenommen

werden.183 Bei der Kostenstellenbildung nach funktionalen Gesichtspunkten werden gleichartige

Arbeitsgänge zu einer Kostenstelle zusammengefaßt.184 Demzufolge kann man

zwischen Allgemeinen Kostenstellen, Materialstellen, Fertigungsstellen, Verwal­ tungsstellen und Vertriebsstellen differenzieren.185 Die allgemeinen Kostenstellen

umfassen die Kostenstellen, deren Leistungen dem gesamten Unternehmen dienen, wie z.B. die Kraftzentrale, Werksfeuerwehr, Kantine sowie die Wasserversorgung und soziale Dienste.186

Die Materialstellen beinhalten die Kostenstellen, die mit der Beschaffung, Kontrolle,

Lagerung und Ausgabe von Werkstoffen und Materialien befaßt sind.187

Vgl. Kloock et al. [Kostenrechnung 1999], S.111. Vgl. Kloock et al. [Kostenrechnung 1999], S.111. Vgl. Eilenberger [Rechnungswesen 1995], S.262, Schönfeld/Möller [Kostenrechnung 1995], S.134, Scherrer [Betriebsabrechnungsbogen 1998], S.79f., und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.76f. Vgl. Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.196, Gabele/Fischer [Kostenrechnung 1992], S.99f., Brink [Kostenstellen 1993], Sp.2379, Freidank [Kostenrechnung 1997], S.135, und Scherrer [Betriebsabrechnungsbogen 1998], Sp.79f. Vgl. Kosiol [Kostenrechnung 1972], S.120, Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.110, Scherrer [Betriebsabrechnungsbogen 1998], S.79, und Schierenbeck [Betriebswirtschaftslehre 1999], S.641.

Vgl. Mellerowicz [Kostenrechnung I 1974], S.387, Kosiol [Unternehmung 1979], S.127, Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.196, Gabele/Fischer [Kostenrechnung 1992], S.99, Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.77, und Kloock et al. [Kostenrechnung 1999], S.113.

Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung

45

Die Fertigungsstellen umfassen diejenigen Kostenstellen, die mittelbar oder unmittel­

bar an der eigentlichen Leistungserstellung beteiligt sind. Sie lassen sich weiter in Fertigungshaupt- und in Fertigungshilfsstellen unterteilen, wobei in den Fertigungs­

hauptstellen die Arbeitsgänge an den Werkstoffen und Zwischenprodukten voll­

zogen werden, während die Fertigungshilfsstellen hauptsächlich mit der Fertigungs­ planung und -Steuerung, der Herstellung von Maschinen und Werkstücken für den Produktionsprozeß sowie mit der Informationsverarbeitung betraut sind.188

In der Verwaltungsstelle wird der gesamte Verwaltungsbereich des Unternehmens,

wie z.B.

die

Geschäftsleitung

sowie das

Rechnungs-

und

Personalwesen

zusammengefaßt.189

Die Vertriebsstelle umfaßt die Kostenstellen, die mit dem Absatz der Produkte des

Unternehmens beschäftigt sind.190 Bei den allgemeinen Kostenstellen handelt es sich verrechnungstechnisch betrachtet

um Hilfskostenstellen, da ihre Kosten nicht unmittelbar, sondern lediglich mittelbar

mit Hilfe anderer Kostenstellen auf die Kostenträger verrechnet werden. Dabei tritt das Problem auf, daß die einzelnen Abteilungen die innerbetrieblichen Leistungen in

sehr unterschiedlichem Maße in Anspruch nehmen. Aus diesem Grunde ist man bemüht, geeignete Bezugsgrößen (Schlüssel) zu finden, die sicherstellen, daß den

einzelnen Kostenstellen nur die Kosten für diejenigen Leistungen angelastet werden,

die von der Kostenstelle auch tatsächlich in Anspruch genommen wurden. Als typisches Beispiel soll hier die Verteilung der Heizkosten dienen. Die entstandenen

Heizkosten müssen auf die anderen Hilfskostenstellen bzw. auf andere Hauptkosten­

stellen umgewälzt werden. Es kann in diesem Fall davon ausgegangen werden, daß die beanspruchte Heizleistung und die daraus resultierenden Heizkosten in Abhängigkeit von der Raumgröße der jeweiligen Kostenstelle stehen. Somit stellt die

Vgl. Wöhe [Betriebswirtschaftslehre! 996], S.1272, Freidank [Kostenrechnung 1997], S.135, und Eisele [Rechnungswesen 1999], S.659.

Vgl. Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.110, Scherrer [Betriebsabrechnungbogen 1998], S.80, und Schierenbeck [Betriebswirtschaftslehre 1999], S.641. Vgl. Kosiol [Unternehmung 1979], S.127, Freidank [Kostenrechnung 1997], S.135, Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.110, Scherrer [Betriebsabrechnungsbogen 1998], S.80, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.77.

4S.

Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung

Summe der rechnerisch in jeder Kostenstelle verbrauchten Kubikmeter Öl oder Gas

die Bezugsgröße und damit auch den Schlüssel für die Verrechnung der Heizkosten dar.191

2.1.4.2.3 Methoden und Prinzipien der Kostenverteilung Auf der ersten Stufe der Kostenstellenrechnung werden die Kostenarten in Kosten­ trägereinzelkosten und Kostenträgergemeinkosten unterteilt. Die Kostenträger­ einzelkosten lassen sich, wie bereits erwähnt, direkt den Kostenträgern zurechnen,

während die Kostenträgergemeinkosten indirekt über die Kostenstellen auf die Kostenträger verrechnet werden. Die Kostenträgergemeinkosten lassen sich nun

weiter in Kostenstelleneinzelkosten und Kostenstellengemeinkosten unterteilen, wobei die Kostenstelleneinzelkosten unmittelbar auf die Kostenstellen verteilt und die

Kostenstellengemeinkosten mit Hilfe von Bezugsgrößen auf die einzelnen Kosten­ stellen verrechnet werden. Die Weiterwälzung der Kostenarten auf die Kostenstellen

bezeichnet man auch als Verteilung primärer Kosten.192 Nach der Verteilung dieser Kosten auf die Kostenstellen erfolgt die Umlage der­ jenigen Kosten, die durch Inanspruchnahme innerbetrieblicher Leistungen entstan­ den sind.193 Diese innerbetriebliche Leistungsverrechnung kann entweder direkt oder

indirekt mit Hilfe von Bezugsgrößen durchgeführt werden. Im Anschluß daran findet

eine Umlage der Kosten von den Hilfskostenstellen auf die Hauptkostenstellen statt.

Die Kosten, die eine Kostenstelle von einer anderen Kostenstelle erhält, nennt man auch sekundäre Stellenkosten.

Die auf diese Weise ermittelten Kosten der Kostenstellen werden durch die Anwen­ dung entsprechender Schlüsselgrößen auf die Kostenträger verrechnet.

Im Rahmen der Kostenstellenrechnung können bei der Verteilung der Kosten, der

Verrechnung der Kostenträgergemeinkosten, der Kostenstellenumlage sowie der

Vgl. Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.134, und Eisele [Rechnungswesen 1999], S.659. 192

193

Vgl. hierzu Gabele/Fischer [Kostenrechnung 1992], S.104, Zimmermann [Kostenrechnung 1993], S.71, und Ebert [Kostenrechnung 1997], S.71. Vgl. Schönfeld/Möller [Kostenrechnung 1995], S.141, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.79.

Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung

47

Bestimmung von Zuschlagssätzen für Endkostenstellen vielfältige Probleme auf­ treten.194 Um die Genauigkeit der Kostenstellenrechnung zu erhöhen, müssen bei der

Verteilung der Gemeinkosten auf die Kostenstellen geeignete Bezugsgrößen (Kostenschlüssel) gewählt werden. Als Bezugsgrößen kann man sowohl Mengen­

schlüssel als auch Wertschlüssel verwenden.195 Mengenschlüssel kann man weiter in die Untergruppen Zählgrößen, Zeitgrößen, Raumgrößen, Gewichtsgrößen und

technische Maßgrößen unterteilen, während man die Wertschlüssel in Absatz­ größen, Einstandsgrößen, Bestandsgrößen, Kostengrößen und Verrechnungsgrößen

differenzieren kann.196 Es lassen sich nun verschiedene Zurechnungsprinzipien und damit auch verschie­

dene Gemeinkostenverteilungsschlüssel gegeneinander abgrenzen. Man unterschei­ det im wesentlichen zwischen dem Kostenverursachungsprinzip, dem Leistungs­

entsprechungsprinzip und dem Kostentragfähigkeitsprinzip.

Zielsetzung des Kostenverursachungsprinzips ist es, den Leistungseinheiten nur diejenigen Kosten zuzurechnen, die unmittelbar durch eben diese Leistungs­

einheiten hervorgerufen wurden. Das Kostenverursachungsprinzip betrachtet somit lediglich die durch die Leistungseinheit bewirkten Grenzkosten, während die

Fixkosten, die nicht unmittelbar produktionsbedingt sind, unberücksichtigt bleiben.197

Das Leistungsentsprechungsprinzip, das auf Koch zurückgeht, fordert die Bildung von Kostenanteilsziffern, d.h., daß zwischen den Gesamtkosten eines Unterneh­ mens bzw. einer Periode und der Gesamtheit der Leistungseinheiten eine Beziehung

hergestellt werden muß. Auf diese Art werden gleich großen Leistungseinheiten

Vgl. Mellerowicz [Kostenrechnung I 1974], S.398, Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.137, und Schierenbeck [Betriebswirtschaftslehre 1999], S.643.

Vgl. Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.218, Laßmann [Kostenerfassung 1993], Sp.1189, Milling [Kostenstellenrechnung 1993], Sp.1255, Ehrmann [Kostenrechnung 1997], S.88, und Seicht [Kostenrechnung 1997], S.154f. Vgl. Milling [Kostenstellenrechnung 1993], Sp.1255, Freidank [Kostenrechnung 1997], S.136, Ebert [Kostenrechnung 1997], S.72, und Schierenbeck [Betriebswirtschaftslehre 1999], S.644. Vgl. Schweitzer [Prinzipien 1977], S.483f., Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.53f., Franz [Kostenverursachung 1993], Sp.2420f., Zimmermann [Kostenrechnung 1993], S.72, und Hieke [Teilkostenrechnung 1998], S.10.

4^

Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung

gleich große Kostenanteile und größeren Leistungseinheiten dementsprechend

größere Kostenanteile zugeordnet198 Ausgangspunkt dieses Prinzips ist die Annahme, daß sich keine kausale Beziehung zwischen der Entstehung der Gesamt­

kosten einer Periode und der Erstellung der Gesamtleistung dieser Periode herstellen läßt.199 Daraus ergibt sich die Forderung nach einer minimalen Gemein­

kostenstreuung, die man dadurch zu erfüllen versucht, daß man bei der Verteilung der nicht direkt zurechenbaren Kosten jene Schlüsselgrößen zur Hilfe nimmt, bei

denen der Fehler der Gemeinkostenverrechnung am geringsten ist.200 Bei dem Kostentragfähigkeitsprinzip erfolgt die Kostenzurechnung nicht nach Verur­ sachungsgesichtspunkten, sondern richtet sich danach, inwieweit die Leistungs­

einheit in der Lage ist, Kosten zu übernehmen.201 2.1.4.2.4 Problematik und Verfahren der innerbetrieblichen Leistungs­ verrechnung Neben den absatzorientierten Leistungen werden in einem Unternehmen auch

solche Leistungen erstellt, die das Unternehmen selbst wieder verbraucht. Solche Leistungen bezeichnet man als innerbetriebliche Leistungen. Bei diesen inner­

betrieblichen Leistungen kann man zwischen aktivierbaren und nicht aktivierbaren Leistungen unterscheiden. Handelt es sich bei den innerbetrieblichen Leistungen um

aktivierbare Leistungen, d.h. sind sie mehrjährig nutzbar, so treten in der Regel keine

besonderen Probleme auf,202 denn diese Eigenleistungen werden als Kostenträger angesehen, d.h., sie werden wie Absatzleistungen zu Selbstkosten bewertet. Die

dadurch bewirkten Kosten müssen den jeweiligen Vermögenskonten zugerechnet und in späteren Rechnungsperioden als Abschreibungen verrechnet werden.203

Vgl. hierzu ausführlich Koch [Kostenrechnung 1966], S.102.

199

200 201

Vgl. Meffert [Kostenrechnungssysteme 1978], S.578, und Börner [Kostenverteilung 1981], Sp.1112.

Vgl. Meffert [Kostenrechnungssysteme 1978], S.578.

Vgl. Weber [Kosten 1972], S.24f., Schweitzer [Prinzipien 1977], S.485f., Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.58f., und Zimmermann [Kostenrechnung 1993], S.74.

202

Vgl. Bergner [Innerbetriebliche Leistungsverrechnung 1975], Sp.2489, Schierenbeck [Innerbetriebliche Leistungen 1993], Sp.911, und Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.124.

203

Vgl. hierzu Schierenbeck [Innerbetriebliche Leistungen 1993], Sp.911.

Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung

49

Innerbetriebliche Leistungen sind nicht aktivierungsfähig, wenn sie in der gleichen

Rechnungsperiode hergestellt und verbraucht werden. In diesem Fall muß um­ gehend eine Verrechnung zwischen der leistenden und der empfangenden Kosten­

stelle stattfinden.204 Dies ist allerdings mit Problemen verbunden. So können etwa

Veränderungen in der Anzahl der sich beliefernden Kostenstellen vorliegen oder der Leistungsaustausch sehr unregelmäßig erfolgen.205 Für die Verrechnung der innerbetrieblichen Leistungen stehen verschiedene

Verfahren zur Verfügung. Im wesentlichen kann man zwischen dem Kosten­

artenverfahren, dem Kostenstellenumlageverfahren, dem Kostenstellenausgleichs­ verfahren, dem Kostenträgerverfahren sowie dem Gleichungsverfahren unter­

scheiden.206 Bei dem Kostenartenverfahren werden die Kostenstellen, die innerbetriebliche

Leistungen empfangen, nur mit den direkt als Einzelkosten erfaßbaren primären Kosten belastet, während die durch innerbetriebliche Leistungen verursachten

Gemeinkosten durch dieses Verfahren nicht weiter umgelegt werden, sondern zu Lasten der leistenden Kostenstelle gehen.207 Hier handelt es sich um eine Teil­ kostenmethode, da die Gemeinkosten der innerbetrieblichen Leistungen bei der

Umlage unberücksichtigt bleiben.208 Das Kostenartenverfahren führt zu einer Ver­

zerrung der Kostenstruktur, da die Gemeinkosten nicht den leistungsempfangenden Kostenstellen im Sinne des Verursachungsprinzips zugerechnet werden.209 Daher

kann dieses Verfahren nur dann sinnvoll angewendet werden, wenn die inner-

Vgl. Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.141. Vgl. hierzu ausführlich Bergner [Innerbetriebliche Leistungsverrechnung 1975], Sp.2490. Vgl. Kosiol [Verrechnung 1959], S.18ff., Schierenbeck [Leistungsverrechnung 1981], Sp.1150ff., Kilger [Kostenrechnung 1987], S.179ff., Zimmermann/Fries [Rechnungswesen 1995], S.156, Moews [Kostenrechnung 1996], S.146ff., und Wöhe [Betriebswirtschaftslehre 1996], S.1278ff. Vgl. Kosiol [Verrechnung 1959], S.19, Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.236, Wenz [Verrechnung 1992], S.493, Zimmermann/Fries [Rechnungswesen 1995], S.156, und Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.141. Vgl. Börner [Leistungsverrechnung 1970], Sp.1020, Wöhe [Betriebswirtschaftslehre 1996], S.1278, Freidank [Kostenrechnung 1997], S.140, und Seicht [Kostenrechnung 1997], S.149. Vgl. Heinen/Dietel [Kostenrechnung 1991], S.1215, und Moews [Kostenrechnung 1996], S.147.

SQL

Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung

betrieblichen Leistungen lediglich geringen Ausmaßes sind und sofort verbraucht werden. Das Kostenstellenumlageverfahren ist dadurch gekennzeichnet, daß besondere

Hilfskostenstellen für die innerbetrieblichen Leistungen eingerichtet werden, denen

man die gesamten primären Kosten zurechnet. Durch dieses Verfahren werden nicht

nur die Einzelkosten, sondern auch alle Gemeinkosten der innerbetrieblichen Leistungen erfaßt Die Verrechnung erfolgt in der Kostenstellenumlage von den

leistenden Hilfskostenstellen auf die leistungsempfangenden Kostenstellen, wobei man sich in der Regel der Methode der Schlüsselung bedient.210 Problematisch wird die Anwendung des Kostenstellenumlageverfahrens bei Vorliegen gegenseitiger

Leistungsverpflechtungen.211 In diesem Fall kann keine der Kostenstellen mit der

Kostenverteilung beginnen, da sie noch Belastungen von anderen Kostenstellen zu erwarten hat.212 Bei dem Kostenstellenumlageverfahren kann man noch weiter

zwischen dem Anbau- und dem Stufenleiterverfahren unterscheiden.213 Bei dem Anbauverfahren teilt man die Kostenstellen in zwei Blöcke auf. In dem einen Block befinden sich diejenigen Kostenstellen, die nur Leistungen abgeben, und in dem

anderen Block sind die Kostenstellen enthalten, die nur Leistungen empfangen.214 In der Regel umfaßt der erste Block die Allgemeinen Kostenstellen und die Hilfskosten­

stellen, während der zweite Block die Hauptkostenstellen enthält. Die Verrechnung beginnt mit den Kostenstellen des ersten Blocks, wobei nur die primären Kosten

Berücksichtigung finden. Anschließend erfolgt eine Umwälzung der Kostenstellen

des ersten Blocks auf die Kostenstellen des zweiten Blocks.215 Aus der Summe der

Vgl. Lägel [Verfahren 1980], S.171, Schierenbeck [Leistungsverrechnung 1981], Sp. 1151, Moews [Kostenrechnung 1996], S.147, und Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.141. 211

Vgl. Mellerowicz [Kostenrechnung I 1974], S.487, Schierenbeck [Leistungsverrechnung 1981], Sp.1151, und Zimmermann [Kostenrechnung 1993], S.78.

212

Vgl. Lägel [Verfahren 1980], S.171, und Moews [Kostenrechnung 1996], S.114.

213

Vgl. Bergner [Innerbetriebliche Leistungsverrechnung 1975], Sp.2493f., Schierenbeck [Innerbetriebliche Leistungen 1993], Sp.914, Adelberger [Verrechnungspreise 1998], S.731, Haberstock [Kostenrechnung 11998], S.125, und Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.141.

214

Vgl. Schierenbeck [Innerbetriebliche Leistungen 1993], Sp.915, Ehrmann [Kostenrechnung 1997], S.93, und Seicht [Kostenrechnung 1997], S.149.

215

Vgl. Seicht [Kostenrechnung 1997], S.149.

Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung

primären und der empfangenen sekundären Kosten ergeben sich dann für die

Kostenstellen des zweiten Blocks die Stellengesamtkosten.216

Das Stufenleiter-

verfahren, das auch als Treppenverfahren oder step-ladder-system bezeichnet wird,

berücksichtigt im

Gegensatz zu

dem Anbauverfahren zumindest einseitige

Leistungsbeziehungen zwischen den Allgemeinen Kostenstellen und den Hilfs­ kostenstellen.217 Im Rahmen des Treppenverfahrens werden die Kostenstellen in

eine bestimmte Reihenfolge gebracht, d.h., man stellt die Hilfskostenstelle, die die wenigsten Leistungen von anderen Kostenstellen empfängt, an den Anfang.210

Daraufhin werden die primären Kosten dieser Hilfskostenstelle unter Berücksichti­ gung der Leistungsabgabe auf die nachfolgenden Kostenstellen verteilt. Für die

zweite Kostenstelle und die nachfolgenden Kostenstellen ergibt sich der gleiche abrechnungstechnische Ablauf.219 Das Kostenstellenausgleichsverfahren ist dadurch gekennzeichnet, daß es nicht nur die Einzelkosten innerbetrieblicher Leistungen, sondern auch anteilige Gemein­ kosten verrechnet.220 Im Gegensatz zu den bereits erwähnten Verfahren berück­

sichtigt es auch gegenseitige Leistungsverpflechtungen mit der Folge, daß eine sukzessive Kostenumlage nicht mehr durchführbar ist. Die Umlage der Kosten auf

die Kostenstellen muß auf simultanem Wege erfolgen, da die anfallenden gesamten Stellenkosten nicht mehr losgelöst ermittelt werden können.221 Charakteristisch für das Kostenträgerverfahren ist, daß innerbetriebliche Leistungen

ebenso wie die Absatzleistungen kostenrechnerisch als selbständige Kostenträger

Vgl. Seicht [Kostenrechnung 1997], S.149. Vgl. Meffert [Kostenrechnungssysteme 1978], S.581, Huch [Kostenrechnung 1986], S.89, Wenz [Verrechnung 1992], S.497, und Freidank [Kostenrechnung 1997], S.141. Vgl. Weber [Rechnungswesen 1991], S.87, Wenz [Verrechnung 1992], S.497, und Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.131. Vgl. Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.131. Vgl. Börner [Leistungsverrechnung 1970], Sp. 1021, Mellerowicz [Kostenrechnung I 1974], S.490, Meffert [Kostenrechnung 1978], S.581, Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.239, und Seicht [Kostenrechnung 1997], S.150. Vgl. Zimmermann [Kostenrechnung 1993], S.84.

Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung

52.

behandelt werden.222 Das Kostenträgerverfahren wird vor allem dann eingesetzt,

wenn die in einer Abrechnungsperiode hergestellten innerbetrieblichen Leistungen vollständig oder teilweise in einer späteren Periode verbraucht werden,223 wodurch

eine zeitliche Abgrenzung (Aktivierung) notwendig wird. Für die innerbetrieblichen Leistungen werden innerbetriebliche Kostenträger eingerichtet, auf denen man die

Herstellkosten jener Leistungen verrechnet.224 Neben dem Kostenartenverfahren, dem Kostenstellenumlageverfahren, dem Kosten­

ausgleichsverfahren und dem Kostenträgerverfahren gibt es noch das Gleichungs­ verfahren. Dieses Verfahren, das auch als Simultanverfahren oder mathematisches Verfahren bezeichnet wird, ist das genaueste Verteilungsverfahren. Es ermittelt die Verteilungssätze für die innerbetrieblichen Leistungen nicht sukzessiv, sondern

simultan mit Hilfe von linearen Gleichungen.225 Bei diesen Gleichungen stellen die

gegenseitig ausgetauschten Leistungsmengen und deren Preise die bekannten Größen dar, während die Kostensätze der innerbetrieblichen Leistungen als Unbe­ kannte auftreten.226 2.1.4.2.5 Betriebsabrechnungsbogen als Instrument der Kostenstellen­ rechnung Grundsätzlich kann man zwischen zwei Grundformen der Verbuchung in der Kosten­

stellenrechnung unterscheiden, nämlich der kontenmäßigen und der tabellarischen Form.227 Bei der kontenmäßigen Erfassung und Verteilung ist für jede einzelne

Vgl. hierzu ausführlich Mellerowicz [Kostenrechnung I 1974], S.497, Bergner [Innerbetriebliche Leistungsverrechnung 1975], Sp.2494, Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.242, Heinen/ Dietel [Kostenrechnung 1991], S.1218, und Wenz [Verrechnung 1992], S.494. 223 224

225

226

Vgl. Moews [Kostenrechnung 1996], S.155. Vgl. Moews [Kostenrechnung 1996], S.155, und Freidank [Kostenrechnung 1997], S.146. Vgl. Schneider [Rechnungswesen 1969], S.48ff., Wenz [Verrechnung 1992], S.498, Ebert [Kostenrechnung 1997], S.78, Friedank [Kostenrechnung 1997], S.143, und Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.126. Vgl. Waszkowiak [Gleichungsverfahren 1980], S.217, Schierenbeck [Leistungsverrechnung

1981], Sp.1153, Heinen/Dietel [Kostenrechnung [Kostenrechnung 1995], S.156. 227

1991],

S.1218,

und Zimmermann/Fries

Vgl. hierzu Ebert [Kostenrechnung 1997], S.70, Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.115, und Eisele [Rechnungswesen 1999], S.661. Demgegenüber findet in der türkischen Literatur über­ wiegend die kontenmäßige Verbuchung der Kostenstellenrechnung Berücksichtigung. Vgl. hierzu ausführlich Kanat [Defter 1987], S.254f., Akdogan [Maliyet Muhasebesi 1990], S.34, Uragun [Mali Tablolar 1993], S.264L, und Akdogan/Tenker [Tekdüzen 1994], S.169f.

Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung

53

Kostenstelle ein entsprechendes Konto vorgesehen, auf dem man die zugehörigen Kostenarten verbucht. Bei der tabellarischen Erfassung und Verteilung der Kosten wird auf die doppelte Buchung kostenrechnerischer Vorgänge verzichtet.228 Der Kostenstellenbogen bildet das wichtigste Instrument zur Durchführung der

Aufgaben der Kostenstellenrechnung in tabellarischer Form. Ihn bezeichnet man als Betriebsabrechnungsbogen (BAB).229 Der Vorteil des BAB gegenüber der buch­

halterischen Form besteht darin, daß er einfacher zu handhaben ist und eine höhere

Anpassungsfähigkeit an sich wandelnde Betriebsbedürfnisse aufweist.230 Bei dem

BAB handelt es sich also um eine Tabelle, bei der man im Spalteneingang die Haupt- und Hilfskostenstellen und im Zeileneingang die zu verteilenden Primär­

kostenarten abträgt.231 Der BAB enthält soviel Spalten wie es Kostenstellen und soviel Zeilen wie es Primärkostenarten gibt.232 Man kann ihn als ein Instrument der

Kostenarten- bzw. der Kostenstellenrechnung ansehen, da die Kostenarten des Unternehmens von ihm erfaßt und auf die Kostenstellen des Unternehmens verteilt werden.233 Im BAB verrechnet man grundsätzlich nur die Gemeinkosten, da sich die

Einzelkosten direkt den Kostenträgern gemäß dem Verursachungsprinzip zurechnen lassen und somit aus abrechnungstechnischen Gesichtspunkten keiner weiteren Berücksichtigung innerhalb des BABs bedürfen. Die Tatsache, daß gelegentlich

doch Einzelkosten im Betriebsabrechnungsbogen auftreten, ist darauf zurück­ zuführen, daß diese Einzelkosten zur Ermittlung bestimmter Kalkulationssätze als Bezugsgrößen dienen.234

Die Aufgaben des BABs bzw. die Anforderungen an den BAB bestehen in der

Verteilung der primären Gemeinkosten auf die Kostenstellen gemäß dem Verur­

Vgl. Heinen [Kostenrechnung 1975b], Sp.2319, und Ebert [Kostenrechnung 1997], S.70.

Vgl. Kosiol [Kostenrechnung 1972], S.127. Vgl. Nowak [Kostenrechnungssysteme 1961], S.35.

Vgl. Angermann [Kostenstellenverrechnung 1958], S.36. Vgl. Angermann [Kostenstellenverrechnung 1958], S.36.

Vgl. Meffert [Kostenrechnungssysteme 1978], S.581, und Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.137f. Vgl. Haberstock [Kostenrechnung 11998], S.115.

Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung

54

sachungsprinzip, in der Verrechnung der Kosten der Allgemeinen Kostenstellen auf

die nachgelagerten Hilfs- und Hauptkostenstellen, der Verteilung der Kosten der Hilfskostenstellen auf die Hauptkostenstellen, der Ermittlung der Gemeinkosten­ zuschlagssätze als Grundlage für die Kostenträgerrechnung und in der Durchführung

eines Vergleichs der Istkosten mit den vorgegebenen Soll-Kosten zur Ermittlung der Kostenstellenüber- oder -unterdeckung.235 Durch diese Aufgaben wird auch

allgemein das Vorgehen bei einer Kostenstellenrechnung unter Einsatz eines BABs bestimmt.236 2.1.4.3 Kostenträgerrechnung

Die Kostenträgerrechnung stellt aufbauend auf der Kostenarten- und Kostenstellen­

rechnung die letzte Stufe der Kostenrechnung dar.237 Sie geht der Fragestellung nach, wofür die Kosten angefallen sind. Kostenträger sind einzelne Produkte oder

Produktgruppen, „die die von ihnen verursachten Kosten zuzüglich eines Deckungs­ beitrages durch die von ihnen erzielten Erlöse erwirtschaften ('tragen') sollen“.238

Bei der Kostenträgerrechnung unterscheidet man zunächst zwischen zwei Aus­ wertungsformen, nämlich zwischen der Kostenträgerstückrechnung und der Kosten­

trägerzeitrechnung.239 Die Kostenträgerstückrechnung dient zur Ermittlung der­ jenigen Kosten, die bei der Herstellung einer Einheit eines Kostenträgers anfallen.

Mit Hilfe der Kostenträgerzeitrechnung bestimmt man hingegen die gesamten

Kosten einer Rechnungsperiode und ihre Verteilung auf die Kostenträger.240

Vgl. Meffert [Kostenrechnungssysteme 1978], S.581, Schirmeister [Betriebsbuchhaltung 1993], Sp.159, und Zimmermann [Kostenrechnung 1993], S.94. Vgl. hierzu ausführlich Milling [Kostenstellenrechnung 1993], Sp.1253f., Haberstock [Kostenrechnung 11998], S.115, und Schierenbeck [Betriebswirtschaftslehre 1999], S.640f. Vgl. Sommer [Kostenträger 1970], Sp.978, Meffert [Kostenrechnungssysteme 1978], S.581, Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.255, Schönfeld/Möller [Kostenrechnung 1995], S.167, und Schierenbeck [Betriebswirtschaftslehre 1999], S.648.

Busse von Colbe/Pellens [Rechnungswesen 1998], S.458.

Vgl. Mellerowicz [Kostenrechnung II 1980], S.80, Bea [Kostenträgerrechnung 1993], Sp.1274, Eilenberger [Rechnungswesen 1995], S.273, Ebert [Kostenrechnung 1997], S.86, Isermann [Kalkulationsverfahren 1998], S.379, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.91. Vgl. Vormbaum [Kalkulationsformen 1975], Sp.2043, Zahn [Kalkulation 1981], Sp.842, Heinen/Dietel [Kostenrechnung 1991], S.1220, Männel [Betriebsbuchhaltung 1998], S.87, und Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.162.

Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung

£5

Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal ist der Zeitpunkt der Durchführung der Kalkulation. Hier kann zwischen der Vorkalkulation, der Nachkalkulation sowie den

diversen Formen der Zwischenkalkulation differenziert werden.241 Von einer Vor­ kalkulation spricht man, wenn die Kalkulation zeitlich betrachtet vor dem Beginn der Leistungserstellung durchgeführt wird.242 Dabei werden die Kosten mit Normal- oder

Soll-Sätzen, also mit geplanten Größen, im voraus in die Rechnung eingesetzt. Dieses Verfahren dient im wesentlichen der Angebotskalkulation, weshalb bei der

Ermittlung von Preisen einzelner Produkte eine Orientierung an den voraussicht­ lichen Stückkosten erfolgt.243 Zwischenkalkulationen werden zwar nach Beginn, aber

vor Beendigung der Leistungserstellung durchgeführt.244 Die Zwischenkalkulation

wird vornehmlich bei Kostenträgern mit einer langen Produktionsdauer zu Bilanzund Dispositionszwecken angewendet.245 Die Durchführung der Nachkalkulation wird im Anschluß an den Produktionsprozeß einer Leistungseinheit vorgenommen.246 Im

Gegensatz zur Vorkalkulation werden die Kosten bei der Nachkalkulation mit den Ist-

Sätzen bewertet und im nachhinein in die Rechnung eingesetzt.247 Die Nach­

Vgl. hierzu und zum folgenden Bouffier [Preisgestaltung 1970], Sp.761, Schönfeld [Kostenrechnung I 1974], S.104, Zahn [Kalkulation 1981], Sp.844, Männel [Gesamtzusammenhang 1992], S.70, Jokisch [Kalkulation 1993], Sp.1021f., Ehrmann [Kostenrechnung 1997], S.116, Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.146, Braunschweig [Kostenrechnung 1999], S.49, und Eisele [Rechnungswesen 1999], S.700.

Vgl. auch Vormbaum [Kalkulationsarten 1977], S.38f., Zahn [Kalkulation 1981], Sp.844, Zimmermann/Fries [Rechnungswesen 1995], S.167f., Ebert [Kostenrechnung 1997], S.89, Freidank [Kostenrechnung 1997], S.148, und Eisele [Rechnungswesen 1999], S.700. Vgl. Sommer [Kalkulation 1970], Sp.756, Vormbaum [Kalkulationsformen 1975], Sp.2047, Zahn [Kalkulation 1981], Sp.844, Zwehl [Kalkulation 1981], Sp.876, und Moews [Kostenrechnung 1996], S.169. Im betriebswirtschaftlichen Schrifttum der Türkei wird die Vorkalkulation zwar erwähnt, ihre praktische Bedeutung wird jedoch wegen der in der Türkei vorherrschenden hohen Inflationsrate angezweifelt. Vgl. hierzu ausführlich Akdogan [Enflasyon Muhasebesi 1980], S.25, özbasar [Maliyet Analizi 1983], S.50, özdora [Mamul Ayirimi 1987], S.113, Güvemli [Planlama 1990], S.117, Basik [Maliyet Analizi 1994], S.69, und Altug [Maliyet Muhasebesi 1999], S.126. Vgl. Vormbaum [Kalkulationsarten 1977], S.39, Ebert [Kostenrechnung 1997], S.89, und Eisele [Rechnungswesen 1999], S.700.

Vgl. Bouffier [Preisgestaltung 1970], Sp.761, Zahn [Kalkulation 1981], Sp.845, und Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.146. In der türkischen Literatur findet die Zwischenkalkulation kaum Beachtung. Vgl. hierzu Altug [Maliyet Muhasebesi 1999], S.127f.

Vgl. Müller [Kostenrechnung 1955], S.37, Sommer [Kalkulation 1970], Sp.756, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.376, Ebert [Kostenrechnung 1997], S.89, Freidank [Kostenrechnung 1997], S.148, und Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.146. Vgl. Schönfeld [Kostenrechnung I 1974], S.104, Zahn [Kalkulation 1981], Sp.844f., Müller [Rechnungswesen 1983], S.261, Zimmermann/Fries [Rechnungswesen 1995], S.168, Ebert

Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung

56

kalkulation dient in erster Linie als Kontrollrechnung. Mit ihrer Hilfe soll festgestellt werden, ob die Mengen-, Wert- und Zeitansätze der Vorkalkulation eingehalten wurden.248

Im Hinblick auf den Umfang der kalkulierten Kosten kann man ferner zwischen der Vollkostenkalkulation und der Teilkostenkalkulation unterscheiden. Bei der Voll­ kostenkalkulation werden sämtliche Kosten eines Auftrags berücksichtigt.249 Die

Teilkostenkalkulation hingegen rechnet den Kostenträgern nur jene Kosten zu, die für den jeweils verfolgten Rechenzweck als relevant erscheinen.250 Eine wichtige Aufgabe der Kostenträgerrechnung ist es, Informationen für die

Preispolitik, die Programmpolitik und die Beschaffungspolitik sowie die Bestands­ bewertung bereitzustellen.251 Die Verwendbarkeit der Informationen als Grundlage

preispolitischer Entscheidungen ist davon abhängig, welche Bestimmungsgrößen für

die Preisentscheidungen maßgeblich sind.252 Der Kostenträgerrechnung kommt in dieser Hinsicht dann eine besondere Bedeutung zu, wenn sich der Verkaufspreis einer Unternehmung aus den Stückkosten und einem Gewinnzuschlag zusammen-

[Kostenrechnung 1997], S.90, [Rechnungswesen 1999], S.700.

Freidank

[Kostenrechnung

1997],

S.148,

und

Eisele

Vgl. Vormbaum [Kalkulationsarten 1977], S.40, Medicke/Plaut [Abrechnung 1991], S.71, und Seicht [Kostenträger 1993], Sp.2402. Vgl. Vormbaum [Kalkulationsformen 1975], Sp.2048, Stüben [Kostenrechnungssysteme 1979], S.1142, Zahn [Kalkulation 1981], Sp.845, Weber [Kostenrechnung 1991], S.53, Helm [Ergebnisrechnung 1992], S.672, Haberstock [Voll- und Teilkosten 1993], Sp.2117, Moews [Kostenrechnung 1996], S.167, Ehrmann [Kostenrechnung 1997], S.116, und Lachnit [Prozeßorientiert 1999], S.44.

Vgl. Vormbaum [Kalkulationsformen 1975], Sp.2948, Brink [Kostenträger 1981], Sp.1098, Gümbel [Kalkulationsverfahren 1981], Sp.869, Koeder [Teilkostenrechnung 1982], S.125, Weber [Kostenrechnung 1991], S.139, Moews [Kostenrechnung 1996], S.169, Ehrmann [Kostenrechnung 1997], S.116, und Wolfstetter [Verfahren 1998], S.21. Vgl. hierzu Kruschwitz [Kalkulation 1973], S.219, Koch [Erfolgsrechnung 1993], Sp.556, Männel [Nettoergebnisrechnungen 1994], S.274, Männel [Kostenträger 1996], S.240, Seicht [Kostenrechnung 1997], S.157, Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.144, Isermann [Kalkulationsverfahren 1998], S.379, Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.162, und Braunschweig [Kostenrechnung 1999], S.49. Im Schrifttum der Türkei werden die Preispolitik sowie die Bestandsbewertung als wichtigste Aufgaben der Kostenträgerrechnung gesehen. Vgl. ausführlich Akdogan [Maliyet Muhasebesi 1990], S.3f., Bursal/Ercan [Maliyet Muhasebesi 1992], S.14, Uragun [Mali Tablolar 1993], S.22, Canoglu [Maliyet Muhasebesi 1995], S.23, und Sevgener [Yönetim Muhasebesi 1998], S.38. Vgl. Koch/Zimmermann [Kostenrechnung 1992], Sp.1088, Jokisch [Kalkulation 1993], Sp.1022, Eilenberger [Rechnungswesen 1995], S.273, und Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.162.

Theoretische Grundlagen der.Kostenrechnung

31

setzt. Da aber in marktwirtschaftlichen Systemen die Marktpreise in der Regel haupt­ sächlich vom Verhalten der Nachfrager und der Konkurrenten abhängig sind,

müssen zusätzlich noch andere Größen berücksichtigt werden. So kann man bei­

spielsweise die Kosten je Produkteinheit und ihre Aufteilung (z.B. in fixe und variable Kosten, in ausgabenunabhängige und mit Ausgaben verbundene Kosten sowie in

Einzel- und Gemeinkosten) zur Bestimmung von Preisuntergrenzen heranziehen. Darüber hinaus können die Kosten je Produkteinheit bzw. je Kostenträger während

einer Periode als Bestimmungsgröße für die programmpolitischen Entscheidungen einer Unternehmung genutzt werden. Die Kostenträgerrechnung kann weiterhin

beschaffungspolitische Entscheidungen der Unternehmung unterstützen. Dies kann z.B. durch die Bestimmung von Preisobergrenzen geschehen, die der Festlegung

von Einsatzgütern und Beschaffungspreisen sowie der Auswahl von Lieferanten dienlich sind.253 Schließlich liefert die Kostenträgerrechnung Informationen für die Bewertung der Bestände an End- und Zwischenprodukten einer Unternehmung.

2.1.4.3.1 Kostenträgerstückrechnung

Im Rahmen der Kostenträgerstückrechnung, häufig auch synonym Kalkulation ge­ nannt, betrachten wir zunächst die Einflußgrößen, die bei der Wahl des Kalkulations­ verfahrens zu beachten sind. Anschließend sind die verschiedenen Kalkulations­ verfahren darzustellen.

2.1.4.3.1.1 Einflußgrößen bei der Wahl des Kalkulationsverfahrens Die wichtigsten Einflußgrößen bei der Wahl des Kalkulationsverfahrens sind die

Rechnungsziele, das Produktionsprogramm und das Produktionsverfahren.254 Je nach Struktur des eingesetzten Kalkulationsverfahrens lassen sich unterschied­ liche Informationen über die anfallenden Kosten je Kostenträger ermitteln. Für die

Vgl. Kilger [Bestimmung 1982], S.168, Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.320, Koch [Erfolgsrechnung 1993], Sp.556, Brombach/Walter [Kostenrechnung 1998], S.191, Isermann [Kalkulationsverfahren 1998], S.379, und Eisele [Rechnungswesen 1999], S.702.

Vgl. Kilger [Kostenrechnung 1987], S.266f., Koch/Zimmermann [Kostenrechnung 1992], Sp.1089, Ebert [Kostenrechnung 1997], S.90, Freidank [Kostenrechnung 1997], S.148, Seicht [Kostenrechnung 1997], S.159, und Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.188.

5S.

Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung

Auswahl zwischen den Verfahren ist es entscheidend, für welche Problemfelder man die Informationen auswerten möchte. Aus diesem Grund muß sich das Kalkulations­ verfahren nach den von der Unternehmung verfolgten Rechnungszielen richten.

Das

Produktionsprogramm

einer

Unternehmung

beeinflußt

die

Wahl

des

Kalkulationsverfahrens insbesondere durch die Anzahl der Produktarten und den Grad der Verbundenheit zwischen den Produkten.255 Ist das Produktionsprogramm völlig homogen, d.h., ist zwischen den Produkten, die in der Regel in großen Mengen hergestellt werden, eine vollständige Übereinstimmung gegeben, liegt ein Ein­

produktunternehmen vor. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von einer Massenfertigung.256 Bei einem Einproduktunternehmen sind sämtliche in einer Abrechnungsperiode entstehenden Kosten durch eben die eine Erzeugnisart

bedingt.257 Demgegenüber kann bei Mehrproduktunternehmen der Grad der Konformität

zwischen den Produkten sehr unterschiedlich sein, je nachdem, ob eine Sorten­ fertigung, eine Serienfertigung oder Einzelfertigung vorliegt. Dieses Maß der Über­ einstimmung zwischen den Produkten beeinflußt sowohl die Produktionsprozesse

als auch die Einsatzmengen an Betriebsmitteln und Werkstoffen sowie die Arbeits­ leistung. Der höchste Grad der Produktähnlichkeit ist bei Unternehmen mit Sorten­ fertigung gegeben. Die Sortenprodukte unterscheiden sich zwar hinsichtlich ihrer

Dimension und ihrer Qualität,258 sind aber in wesentlichen Eigenschaften gleich, so daß auch hier die Produktion als annähernd homogen betrachtet werden kann. Bei

einer Serienfertigung stellt jede Serie eine Zusammenfassung homogener Produkte

dar. Zwischen den Produkten der verschiedenen Serien besteht aber keine Überein­ stimmung. Das niedrigste Maß an Übereinstimmung weist das Produktionsprogramm im Falle der Einzelfertigung auf, da von jeder Produktart nur ein einzelnes Stück

Vgl. Männel [Kalkulationsverfahren 1986], S.33, Freidank [Kostenrechnung 1997], S.149, und Hieke [Teilkostenrechnung 1998], S.224. 256

Vgl. Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.388, Freidank [Kostenrechnung 1997], S.149, Seicht [Kostenrechnung 1997], S.159, Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.188, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.92.

257

Vgl. Heinen/Dietel [Kostenrechnung 1991], S.1177, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.92.

258

Vgl. hierzu Freidank [Kostenrechnung 1997], S.149, sowie Seicht [Kostenrechnung 1997], S.159.

Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung

^2

hergestellt wird, das quasi ein individuelles Gut darstellt.259 Je höher der Grad an Übereinstimmung zwischen den Produkten ist, desto eher erscheint eine Form der

Divisionsrechnung geeignet. Ist die Übereinstimmung zwischen den Produkten dagegen nur gering, wird man auf eine Form der Zuschlagsrechnung zurück­

greifen.260

Schließlich entscheidet auch das Produktionsverfahren über die Auswahl des

Kalkulationsverfahrens.261 Unter dem Begriff „Produktionsverfahren“ faßt man all diejenigen technischen Prozesse zusammen, die zur Herstellung eines Produkts durch bestimmte Einsatzgüter führen. Prägende Merkmale sind dabei die Kontinuität

des Produktionsablaufs, die Vergenz des Produktionsverfahrens und die Anzahl der Produktionsstufen.262 Hinsichtlich

der

Kontinuität von

Produktionsverfahren

kann

man

zwischen

kontinuierlichen und diskontinuierlichen Produktionsprozessen unterscheiden. Ein

kontinuierliches Produktionsverfahren ist durch einen zeitlich ununterbrochenen Fertigungsfluß gekennzeichnet. Ein derartiger Fertigungsfluß ist allerdings nur so­

lange möglich, wie dieselbe Produktart hergestellt wird. Kontinuierliche Produktions­ verfahren sind daher, wenn überhaupt, nur bei Unternehmungen mit Massenferti­ gung vorzufinden.263 Sind zudem die Produktionsprozesse für die verschiedenen

Güter derselben Produktart gleich, läßt sich eine Kostenverteilung in Form einer

Divisionsrechnung vornehmen, da die Gütereinheiten die einzelnen Produktions­ stellen in gleicher Weise beanspruchen.264

Bei diskontinuierlichen Produktionsverfahren bedingen die technischen Gegeben­

heiten eine Unterbrechung des Produktionsablaufs. Durch solche Unterbrechungen,

Vgl. Freidank [Kostenrechnung 1997], S.150, Seicht [Kostenrechnung 1997], S.160, und Hieke [Teilkostenrechnung 1998], S.224. Vgl. Sommer [Kalkulation 1970], Sp.757, und Ebert [Kostenrechnung 1997], S.91. Vgl. Ebert [Kostenrechnung 1997], S.90, Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.189, und Braunschweig [Kostenrechnung 1999], S.49. Vgl. hierzu ausführlich Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.189. Vgl. Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.191. Vgl. Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.191.

SO.

■Theoretische-Grundlagen der Kostenrechnung

die z.B. durch Umrüstvorgänge hervorgerufen werden können, werden besondere

Kosten verursacht. Die für die einzelnen Produkteinheiten anfallenden Kosten stehen somit in einem Zusammenhang mit den Gütermengen, die ohne Unter­

brechung in einem Los gefertigt werden. Bei diskontinuierlichen Produktionsver­ fahren kann es daher zweckmäßig sein, die Anzahl der pro Erzeugnisart geführten

Kostenträger in Abhängigkeit zu der Anzahl der einzelnen Abschnitte im jeweiligen Herstellungsprozeß zu setzen.265

Die Vergenz des Produktionsverfahrens beeinflußt seine Struktur und die Kombina­

tion der Einsatzstoffe.266 Man kann insofern zwischen Produktionsverfahren mit

divergierendem oder konvergierendem Charakter unterscheiden. Werden aus einem Einsatzstoff mehrere verschiedenartige Produkte hergestellt, handelt es sich um ein

Produktionsverfahren mit divergierendem Charakter.267 Ergeben sich diese ver­ schiedenartigen Produkte zwangsläufig, spricht man von einer Kuppelproduktion.

Werden dagegen zur Erzeugung einer Produktart mehrere artmäßig verschiedene Einsatzstoffe verwendet, handelt es sich um ein konvergierendes Produktionsver­

fahren.260 Bei divergierenden Produktionsverfahren steigt die Anzahl der erstellten

Güter mit zunehmender Absatzreife, bei konvergierenden Produktionsverfahren hin­

gegen verringert sie sich. Hinsichtlich der Anzahl von Produktionsstufen kann man zwischen einstufigen und

mehrstufigen Produktionsverfahren unterscheiden.269 Die Anzahl der Produktions­ stufen wird durch die zur Herstellung eines Gutes erforderlichen Arbeitsver­

richtungen bestimmt.270 Das einstufige Produktionsverfahren ist dadurch gekenn­ zeichnet, daß alle notwendigen Arbeitsverrichtungen an einem einzigen Arbeitsplatz

oder Aggregat durchgeführt werden. Bei mehrstufigen Produktionsverfahren ver­

teilen sie sich demgegenüber sequentiell auf mehrere Arbeitsplätze oder Aggregate.

Vgl. Kosiol [Kostenrechnung 1972], S.184. Vgl. Kosiol [Kostenrechnung 1972], S.183.

Vgl. Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.190. Vgl. Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.190. Vgl. Männel [Kalkulationsverfahren 1986], S.33.

Vgl. Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.190.

Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung___________________________________ si Die Wahl des Kalkulationsverfahren wird durch die Anzahl der Produktionsstufen

insofern beeinflußt, als auf den verschiedenen Produktionsstufen in der Regel nicht dieselben Produktmengen während einer Periode hergestellt werden und die Bean­ spruchung der einzelnen Arbeitsplätze oder Aggregate durch die Kostenträger unter­ schiedlich groß ist.271 Liegen bei homogenen oder annähernd homogenen Produkten

auf den einzelnen Produktionsstufen unterschiedliche Ausbringungsmengen vor, empfiehlt sich daher auch die Anwendung einer mehrstufigen Divisionsrechnung oder einer entsprechenden mehrstufigen Äquivalenzziffernrechnung. Demgegenüber

sind bei der Herstellung von Produkten mit einer geringen Übereinstimmung auf den

Produktionsstufen die Verfahren der einstufigen Divisions- und Äquivalenzziffern­ rechnung sowie der Zuschlagsrechnung als geeignet anzusehen.272

Die Wahl des Kalkulationsverfahrens ist, wie schon im vorangegangenen Abschnitt dargestellt, von den verfolgten Rechnungszielen, vom Produktionsprogramm und

von dem oder den Produktionsverfahren einer Unternehmung abhängig. Das Ziel einer rechnerischen Durchdringung des Prozesses der Leistungserstellung gibt da­ bei einen engen Zusammenhang zwischen der formalen Struktur und dem zugrunde­ liegenden realen Gefüge des Produktionsprozesses vor. Wie oben ausgeführt, kann

diese Verbindung von Fall zu Fall eher durch eine Form der Divisionskalkulation oder eher durch eine Form der Zuschlagkalkulation erreicht werden.

2.1.4.3.1.2 Darstellung verschiedener Formen der Kalkulationsverfahren Kennzeichnendes Merkmal der Divisionskalkulation ist, daß die während einer Periode insgesamt angefallenen Kosten des Betriebs oder betrieblicher Teilbereiche

durch

die Anzahl

der erstellten

oder abgesetzten

Leistungseinheiten

der

Kostenträger dividiert werden.273 Der so erlangte Quotient entspricht den Kosten pro

Vgl. Mellerowicz [Kostenrechnung II 1980], S.92, und Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.191. Vgl. hierzu Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.190. Vgl. Kosiol [Divisionsrechnung 1945], S.7, Dieterle/Abplanalp [Kostenrechnung 1990], S.79, Schönfeld/Möller [Kostenrechnung 1995], S.170, Hoitsch [Erlösrechnung 1997], S.277, Seicht [Kostenrechnung 1997], S.160, Isermann [Kalkulationsverfahren 1998], S.384f., und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.92. Die Divisionskalkulation findet im türkischen Schrifttum große Beachtung. Vgl. hierzu Bursal [Maliyet 1977], S.9f., Uman [Tekdüzen Muhasebe 1980], S.21, Tatar [Üretim 1982], S.94ff., Akdogan [Maliyet Muhasebesi 1990], S.48f., Bursal/Ercan [Maliyet Muhasebesi 1992], S.247f., und Üstün [Maliyet Muhasebesi 1995], S.105.

22.

Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung

Leistungseinheit.274 Grundsätzlich ist die Divisionskalkulation aufgrund ihrer Ein­ fachheit und der daraus resultierenden Zuverlässigkeit der Ergebnisse anderen

Verfahren vorzuziehen.275 Allerdings setzt ihre Anwendung voraus, daß eine weit­ gehende Übereinstimmung zwischen den als Kalkulationsobjekten gegebenen Pro­ dukten herrscht.276

Je nach Anzahl der Produktionsstufen unterscheidet man zwischen ein-, zwei- und mehrstufiger Divisionskalkulation. Bei der einstufigen Divisionskalkulation wird, ohne

zwischen Produktions- und Abrechnungsstufen zu unterscheiden, der gesamte Fertigungsprozeß in einem erfaßt.277 Die einstufige Divisionskalkulation kann immer

dann durchgeführt werden, wenn Produktions- und Absatzmenge einer Abrech­

nungsperiode übereinstimmen und keine Veränderungen des Lagerbestands auf­ treten. Durch diese Bedingungen soll sichergestellt werden, daß sich Herstell- und

Vertriebskosten auf die jeweils gleiche Menge und die Herstellkosten sich zudem nur auf den Output an Fertigprodukten beziehen.278 Die Stückkosten ermittelt man nach

diesem Verfahren, indem man die gesamten in einer Periode angefallenen Kosten (Material-, Fertigungs-, Verwaltungs- und Vertriebskosten) durch die Anzahl der pro­

duzierten Leistungen dividiert. In der Praxis findet sich die einstufige Divisionskalku­ lation eher selten. Als typische Beispiele für die Möglichkeit ihrer Anwendung können aber Elektrizitätswerke, Bergwerke, Sägewerke, Walzwerke sowie Brauereien und

Zementfabriken angeführt werden.279

Vgl. Lehmann [Industriekalkulation 1964], S.284, Kortzfleisch [Divisionskalkulation 1970], Sp.418, Vormbaum [Kalkulationsformen 1975], Sp.2051. 275

Vgl. hierzu ausführlich Kortzfleisch [Divisionskalkulation 1981], Sp.404.

276

Vgl. Mellerowicz [Kostenrechnung II 1980], S.92, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.388f., Jehle

[Divisionskalkulation 1993], Sp.380, Eilenberger [Rechnungswesen 1995], S.277, und Hoitsch [Erlösrechnung 1997], S.277. 277

Vgl. Buckenmaier [Informationsinstrument 1977], S.59f., Kortzfleisch [Divisionskalkulation 1981], Sp.404, Schönfeld/Möller [Kostenrechnung 1995], S.170, Seicht [Kostenrechnung 1997], S.160, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.92.

278

Vgl. Kilger [Kostenrechnung 1987], S.306, Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.268, Vormbaum/Ornau [Kalkulationsverfahren 1992], S.534, und Eisele [Rechnungswesen 1999], S.703.

279

Vgl. Kosiol [Divisionsrechnung 1945], S.9, Kalveram [Kostenrechnung 1973], S.337, Buckenmaier [Informationsinstrument 1977], S.60, Bussmann [Rechnungswesen 1979], S.101, Mellerowicz [Kostenrechnung II 1980], S.92, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.388f., und Ehrmann [Kostenrechnung 1997], S.65.

Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung

£3

Die zweistufige Divisionsrechnung wird eingesetzt, wenn Produktionsmenge und Absatzmenge einer Abrechnungsperiode nicht übereinstimmen,280 wenn es also zu

Bestandsveränderungen innerhalb des Fertigwarenlagers kommt. Da die damit not­ wendige Bestandsbewertung nur zu Herstellkosten erfolgen darf, müssen diese von

den Verwaltungs- und Vertriebskosten getrennt werden.281 Dafür wiederum ist die

vorherige Durchführung einer Kostenstellenrechnung erforderlich.282 Die Selbst­

kosten pro Einheit ergeben sich nach diesem Verfahren aus der Summe der

Herstellkosten pro (erzeugter) Einheit und den Verwaltungs- und Vertriebskosten pro Einheit.283 Die mehrstufige Divisionskalkulation findet für den Fall Anwendung, daß eine

Massenfertigung mit mehreren vertikalen Produktionsstufen vorliegt und Bestands­ veränderungen im Zwischenlagerbereich auftreten.284 Der Einsatz der mehrstufigen Divisionskalkulation setzt voraus, daß strikt nach den einzelnen Fertigungsstufen

differenziert wird, was bedeutet, daß jeweils der Quotient aus den Gesamtkosten jeder einzelnen Produktionsstufe und den in dieser Produktionsstufe be- oder verarbeiteten Mengen gebildet werden muß.285 Die mehrstufige Divisionskalkulation

kann in addierender und durchwälzender Form durchgeführt werden.286 Bei der addierenden Divisionskalkulation werden zunächst die stufenbezogenen Stückkosten ermittelt, indem man jede Produktionsstufe unabhängig von den

Vgl. Kilger [Kostenrechnung 1987], S.307, Vormbaum/Omau [Kalkulationsverfahren 1992], S.535, Hoitsch [Erlösrechnung 1997], S.278, Ehrmann [Kostenrechnung 1997], S.66, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.93. Vgl. Kilger [Kostenrechnung 1987], S.307, Hoitsch [Erlösrechnung 1997], S.278, Haberstock [Kostenrechnung 11998], S.149, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.93.

Vgl. hierzu ausführlich Vormbaum/Omau [Kalkulationsverfahren 1992], S.536. Vgl. Kilger [Kostenrechnung 1987], S.307, Hoitsch [Erlösrechnung 1997], S.278, und Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.149. Vgl. hierzu Bussmann [Rechnungswesen 1979], S.101, Kilger [Kostenrechnung 1987], S.307, Vormbaum/Ornau [Kalkulationsverfahren 1992], S.536, Schönfeld/Möller [Kostenrechnung 1995], S.172, Ebert [Kostenrechnung 1997], S.93. Vgl. Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.270, und Jokisch [Kalkulation 1993], Sp.1024. Vgl. Männel [Divisionskalkulation 1986], S.70, Jehle [Divisionskalkulation 1993], Sp.383, Zimmermann/Fries [Rechnungswesen 1995], S.173, Ebert [Kostenrechnung 1997], S.95, Isermann [Kalkulationsverfahren 1998], S.385, und Braunschweig [Kostenrechnung 1999], S.53.

64

Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung

anderen betrachtet. Die gesamten Stückkosten ergeben sich, indem man die Summe der getrennt ermittelten Kosten pro Mengeneinheit bildet.287 Mit der durch­

wälzenden Divisionskalkulation wird der Versuch unternommen, neben den auf einer

Fertigungsstufe anfallenden Kosten auch die Herstellkosten der Vorstufenprodukte zu erfassen. Dazu werden die entstandenen Kosten jeder einzelnen Produktions­

stufe und zusätzlich die anteiligen Stufenkosten der wieder eingesetzten Zwischen­

produkte auf den einzelnen Produktionsstufen durch die Ausbringungsmenge der jeweiligen Produktionsstufe dividiert.288 Auf diese Weise werden die insgesamt

anfallenden Kosten je Leistungseinheit für jede Produktionsstufe ermittelt. Ein Nachteil dieser Methode ist darin zu sehen, daß Verzögerungen entstehen, weil

die aufeinanderfolgenden Fertigungsstufen und Unternehmensbereiche von der Kalkulation der Vorstufen abhängig sind.289 Die Nachteile des durchwälzenden Kalkulationsverfahrens werden bei Anwendung

der Veredelungskalkulation umgangen. Grundgedanke dieses Verfahrens ist die

Umrechnung der Kosten je Einheit des jeweiligen Zwischenprodukts auf die End­ produkteinheit mit Hilfe von Produktionskoeffizienten. Die Produktionskoeffizienten erhält man, indem man die Einsatzmenge der Vorstufe durch die Erzeugnismenge

der jeweils betrachteten Produktionsstufe dividiert.290 Die Summe der Kosten, die für

die Produktion einer Endprodukteinheit in jeder Produktionsstufe anfällt, ergibt die Selbstkosten pro Einheit des Endprodukts. Die Äquivalenzziffernkalkulation stellt eine Sonderform der Divisionskalkulation

dar.291 Sie kann immer dann angewendet werden, wenn zwischen den produzierten

Vgl. Männel [Divisionskalkulation 1986], S.70, und Seicht [Kostenträger 1993], Sp.2407f. Vgl. Ehrmann [Kostenrechnung 1997], S.66. Vgl. Männel [Divisionskalkulation 1986], S.70, und Ehrmann [Kostenrechnung 1997], S.66. Vgl. dazu Zimmermann [Kostenrechnung 1993], S.106.

Die Äquivalenzziffernkalkulation ist im betriebswirtschaftlichen Schrifttum der Türkei nahezu unbekannt. Im Rahmen der wenigen Veröffentlichungen, die die Äquivalenzziffernkalkulation zum Gegenstand haben, wird diese ebenfalls als Sonderform der Divisionskalkulation angesehen. Vgl. hierzu ausführlich Bursal/Ercan [Maliyet Muhasebesi 1992], S.257, und Altug [Maliyet Muhasebesi 1999], S.94.

Theoretische Grundiggen der Kostenrechnung

£5

Erzeugnissen ein hoher Grad an Übereinstimmung besteht.292 Sie findet sich somit

hauptsächlich bei Unternehmungen mit Sortenfertigung, deren Erzeugnisse aus der gleichen Grundsubstanz bestehen und denselben oder einen annäherungsweise

gleichen Produktionsweg durchlaufen.293 Die Aufgabe der Äquivalenzziffernkalkula­ tion besteht in der Normierung der tatsächlich für die einzelnen Produkte einge­ setzten Leistungseinheiten, damit diese rechnerisch vergleichbar werden.294 Zu Beginn dieses Kalkulationsverfahrens erfolgt die Bestimmung einer Bezugssorte, die mit der Äquivalenzziffer 1,0 versehen wird.295 Daraufhin werden die übrigen Sorten

auf die Bezugssorte umgerechnet. Ziel ist es, die Kostenbelastungsdivergenz zwischen den Erzeugnissen zum Ausdruck zu bringen.296 Um für jede Produktart eine bestimmte Anzahl von Rechnungseinheiten zu erhalten, ist es erforderlich, die

tatsächlich produzierten Mengen je Sorte mit der dazugehörigen Äquivalenzziffer zu multiplizieren. Die Kosten der Einheitssorte erhält man, indem man die Gesamt­

kosten der Einheitssorte durch die Summe der Schlüsselzahlen dividiert.297 Zur Ermittlung der Stückkosten müssen dann lediglich die Kosten der Einheitssorte mit der dieser Sorte zugeordneten Äquivalenzziffer multipliziert werden.298

Ähnlich wie bei der Divisionskalkulation kann auch bei der Äquivalenzziffern­

kalkulation zwischen der einstufigen und der mehrstufigen Kalkulation unterschieden

Vgl. Kortzfleisch [Äquivalenzziffernkalkulation 1970], Sp.42, Mellerowicz [Kostenrechnung II 1980], S.95, Bretzke [Äquivalenzziffernkalkulation 1981], Sp.43, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.394, und Eilenberger [Rechnungswesen 1995], S.279. Vgl. Vormbaum [Kalkulationsformen 1975], Sp.2053, Bretzke [Äquivalenzziffernkalkulation 1981], Sp.43, Plate/Sorg [Äquivalenzziffernkalkulation 1982], S.82, Kilger [Kostenrechnung 1987], S.315, Ebert [Kostenrechnung 1997], S.96, und Isermann [Kalkulationsverfahren 1998], S.386.

Vgl. Müller [Kostenrechnung 1955], S.193, Vormbaum [Kalkulationsformen 1975], Sp.2953, Bussmann [Rechnungswesen 1979], S.102, Bretzke [Äquivalenzziffernkalkulation 1981], Sp.45f., und Plate/Sorg [Äquivalenzziffernkalkulation 1982], S.82. Vgl. Seicht [Kostenträger 1993], Sp.2408, Ehrmann [Kostenrechnung 1997], S.69, Hoitsch [Erlösrechnung 1997], S.279, und Isermann [Kalkulationsverfahren 1998], S.386. Vgl. Männel [Äquivalenzziffernrechnung 1986], S.108, Ebert [Kostenrechnung 1997], S.96, und Hoitsch [Erlösrechnung 1997], S.279.

Vgl. Plate/Sorg [Äquivalenzziffernkalkulation 1982], S.83, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.394, und Isermann [Kalkulationsverfahren 1998], S.386. Vgl. Kortzfleisch [Äquivalenzziffernkalkulation 1970], Sp.44, Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.278, Ebert [Kostenrechnung 1997], S.96, und Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.154.

Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung

werden. Die Durchführung erfolgt bei beiden Formen analog der obigen Beschrei­

bung. Allerdings erreicht man bei der einstufigen Äquivalenzziffernkalkulation die Gleichnamigkeit der Sorten durch Anwendung einer einzigen Äquivalenzziffernreihe,

während mehrstufige Produktionsprozesse und die unterschiedliche Inanspruch­

nahme einzelner Fertigungsstufen das Aufstellen mehrerer Äquivalenzziffernreihen erforderlich machen.299

Die Hauptproblematik der Äquivalenzziffernkalkulation besteht in der Bestimmung

geeigneter Äquivalenzziffern, von deren Güte die Genauigkeit des Kalkualtionsergebnisses abhängt. Allgemein ist festzuhalten, daß die Äquivalenzziffernkalku­

lation selbst bei Vorliegen einfacher und eindeutiger Zusammenhänge nicht das mathematische Genauigkeitsniveau der mit Hilfe der Divisionskalkulation ermittelten

Ergebnisse erreicht.300 Das Verfahren der Zuschlagskalkulation kommt im Regelfall bei Unternehmungen

mit Serien- oder Einzelfertigung zur Anwendung, also bei Vorliegen eines geringen Grades an Übereinstimmung zwischen den Produkten.301 Charakteristisch für die

Zuschlagskalkulation ist die Unterteilung der Gesamtkosten eines Unternehmens in Kostenträgereinzelkosten

und

Kostenträgergemeinkosten.302

Die

Einzelkosten

werden den Kostenträgern unmittelbar zugerechnet, während die Gemeinkosten

Vgl. Bussmann [Rechnungswesen 1979], S.379, Kilger [Kostenrechnung 1987], S.318, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.395, und Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.155f.

Vgl. Kortzfleisch [Äquivalenzziffernkalkulation 1970], S.44, Vormbaum [Kalkulationsformen 1975], Sp.2054, und Standop [Äquivalenzziffernkalkulation 1993], Sp.40. Vgl. hierzu und zum folgenden Heinen [Zuschlagskalkulation 1958], S.1, Nowak [Kostenrechnungssysteme 1961], S.38, Littmann [Zuschlagskalkulation 1962], S.365, Vormbaum [Kalkulationsformen 1975], Sp.2056, Kilger [Kostenrechnung 1987], S.327, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.397f., Gabele/Fischer [Kostenrechnung 1992], S.174f., Jokisch [Kalkulation 1993], Sp1025, Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.157, Braunschweig [Kostenrechnung 1999], S.56, Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.95, und Eisele [Rechnungswesen 1999], S.708. Im betriebswirtschaftlichen Schrifttum der Türkei wird hervorgehoben, daß die Zuschlagskalkulation in der unternehmerischen Praxis der Türkei weit verbreitet ist. Empirisch belegt wird diese Aussage jedoch nicht. Vgl. ausführlich Gürgan [Maliyet Muhasebesi 1979], S.89, Büyükmirza [Evre Maliyeti 1982], S.25, Gök [Maliyet Muhasebesi 1990], S.113, Bursal/Ercan [Maliyet Muhasebesi 1992], S.270, und Hatipoglu [Maliyet Muhasebesi 1994], S.57f. Vgl. Riester [Zuschlagskalkulation 1970], Sp.2012, Kalveram [Kostenrechnung 1973], S.351, Bussmann [Rechnungswesen 1979], S.108, Schmidt/Wenzel [Maschinenstundensatzrechnung 1989], S.147, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.398, Reichmann [Zuschlagskalkulation 1993], Sp.2262, und Isermann [Kalkulationsverfahren 1998], S.379.

Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung

67

mittelbar mit Hilfe von Zuschlagssätzen auf die einzelnen Kostenträger verrechnet werden.303 Die Kostenträgereinzelkosten, die bereits im Rahmen der Kostenarten­ rechnung ermittelt wurden, können direkt in die Kostenträgerrechnung übernommen

werden. Die Höhe der Gemeinkosten einzelner Kostenstellen und deren Zuschlags­

sätze sind hingegen in der zwischengeschalteten Kostenstellenrechnung zu er­ mitteln. Nach der Art und Weise, wie die Gemeinkosten auf die einzelnen Kosten­

träger verrechnet werden, wird zwischen der summarischen Zuschlagskalkulation und der differenzierenden Zuschlagskalkulation sowie der Bezugsgrößenkalkulation

unterschieden. Bei der summarischen Zuschlagskalkulation wird der gesamte Block der Kostenträgergemeinkosten unter Anwendung einer einzigen Bezugsgröße auf

die Kostenträger verrechnet.304 Dabei ist die Wahl der Bezugsgröße von der Art der Unternehmung, ihrem Produktionsprogramm und der Fertigungsstruktur abhängig.305

Diese Form der Zuschlagskalkulation ermöglicht nur eine grobe Kalkulation und kann eigentlich auch nur dann angewendet werden, wenn der Anteil der Kostenträger­

gemeinkosten an den Gesamtkosten einer Unternehmung relativ gering ist.306 Im

Gegensatz zu der summarischen Zuschlagskalkulation setzt die differenzierende Zuschlagskalkulation - oft auch elektive Zuschlagskalkulation genannt - eine Unter­

teilung der Unternehmung in einzelne Kostenstellen voraus,307 wobei für jede Kostenstelle separate Zuschlagsgrundlagen und Zuschlagssätze ermittelt werden

müssen.

Vgl. Riester [Zuschlagskalkulation 1970], Sp.2013, Bussmann [Rechnungswesen 1979], S.109, Kilger [Kostenrechnung 1987], S.327, Gabele/Fischer [Kostenrechnung 1992], S.175, Haberstock [Kostenrechnung 11998], S.157, und Vormbau [Zuschlagskalkulation 1998], S.760. Vgl. Henzel [Zuschlagskalkulation 1963], S.157, Kalveram [Kostenrechnung 1973], S.353, Weber [Kostenstellenbildung 1979], Sp.964, Jörasz/Christmann [Anwendung 1989], S.101, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.398, Reichmann [Zuschlagskalkulation 1993], Sp.2265, Isermann [Kalkulationsverfahren 1998], S.380, und Vormbaum [Zuschlagskalkulation 1998], S.760. Vgl. Kilger [Kalkulationen 1969], S.478, Reichmann [Zuschlagskalkulation 1981], Sp.1858, und Gabele/Fischer [Kostenrechnung 1992], S.177. Vgl. hierzu Reichmann [Zuschlagskalkulation 1981], Sp.1859, und Männel [Zuschlagskalkulation 1986], S. 150. Vgl. Vormbaum [Kalkulationsformen 1975], Sp.2055, Männel [Zuschlagskalkulation 1986], S.151, Kilger [Kostenrechnung 1987], S.328, Reichmann [Zuschlagskalkulation 1993], Sp.2268, und Haberstock [Kostenrechnung 11998], S.159, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.95.

Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung

Sowohl der summarischen als auch der differenzierenden Zuschlagskalkulation kann

entgegengehalten werden, daß nur selten eine proportionale Beziehung zwischen den Kostenträgergemeinkosten und den bei der Zuschlagskalkulation verwendeten Bezugsgrößen besteht Als problematisch erweist sich ferner, daß die für die Lohn­

zuschlagskalkulation als Bezugsgröße verwandten Fertigungslöhne zwar leicht erfaßt werden können, daß es aber infolge der zunehmenden Mechanisierung und

Automatisierung der Produktionsprozesse und der damit einhergehenden Verringe­ rung der Fertigungslöhne an den gesamten Fertigungskosten zu einem Anstieg der

Lohnzuschlagssätze auf über 1000% kommen kann.308 In diesem Zusammenhang ist nicht minder beachtenswert, daß die Lohnzuschlagssätze genau genommen mit

jeder Lohnerhöhung geändert werden müßten.309 Diese Umstände können zu erheb­ lichen Kalkulationsfehlern führen. Dem versucht man mit Hilfe der Anwendung der

Bezugsgrößenkalkulation entgegenzuwirken. Die Bezugsgrößenkalkulation erlaubt

eine differenzierte Verrechnung der Fertigungsgemeinkosten, wobei Zeit- oder Mengengrößen als Zuschlagsbasen für diese Fertigungsgemeinkosten verwendet

werden. Unter einer Kuppelproduktion versteht man einen Fertigungsprozeß, bei dem aufgrund technischer Umstände mehrere verschiedenartige Produkte zugleich

hervorgebracht werden.310 Bei Kuppelprodukten handelt es sich also um Güter unter­ schiedlicher Art, die sich zwangsläufig aus einem gemeinsamen Fertigungsprozeß

ergeben. In diesem Zusammenhang spricht man häufig auch von Spaltprodukten, Zwangsanfallsprodukten, gekoppelten Produkten und primär verbundenen Pro­

dukten.311 Auf die Art, Güte und das Mengenverhältnis der Kuppelprodukte kann in

der Regel nur in geringem Maß Einfluß genommen werden. Eine Steuerung dieser

Vgl. Männel [Zuschlagskalkulation 1986], S.155. Vgl. Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.301.

Vgl. Beste [Kuppelprodukte I960], Sp.3629, Kruschwitz [Kalkulation 1973], S.220, Buckenmaier [Informationsinstrument 1977], S.62, und Vormbaum/Ornau [Kalkulationsverfahren 1992], S.546. Wie die Äquivalenzziffernkalkulation findet auch die Kuppelkalkulation im Schrifttum der Türkei kaum Beachtung. Vgl. hierzu Akdogan [Maliyet Muhasebesi 1990], S.47, und Canoglu [Maliyet Muhasebesi 1995], S.86. Vgl. Wenke [Kuppelprodukte 1961], S.12, Riebel [Kuppelprodukte 1970], Sp.994, Vormbaum [Kalkulationsformen 1975], Sp.2056, Riebel [Kuppelproduktion 1979], Sp.1009, Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.305, und Braunschweig [Kostenrechnung 1999], S.54.

Theoretische Grundlagen .derbsten

£2

Determinanten kann - wenn überhaupt - lediglich über eine Variation der Einsatz­

stoffkombination, über eine Veränderung der Verfahrensbedingungen oder durch

eine Verschiebung der Qualitätsgrenzen erfolgen.312 Nach dem Kriterium der Ein­

flußmöglichkeit auf den Produktionsprozeß kann man zwischen vollkommener und unvollkommener Kuppelproduktion unterscheiden. Bei der vollkommenen Kuppel­

produktion handelt es sich um einen Fertigungsprozeß, bei dem die Produkte technisch bedingt nur in bestimmten, unveränderbaren Mengenverhältnissen an­

fallen, während bei der unvollkommenen Kuppelproduktion durch Veränderung der

Prozeßbedingungen Einfluß auf das Mengenverhältnis der jeweiligen Produkte aus­ geübt werden kann.313

Die Kosten aller Fertigungsprozesse bis zur Trennung der einzelnen Kuppelprodukte ergeben sich für alle Produkte gemeinsam. Sie werden als Verbundkosten oder

echte Gemeinkosten bezeichnet. Die Durchführung einer verursachungsgerechten,

nach den jeweiligen Produkten differenzierenden Kostenträgerrechnung ist bei einer

Kuppelproduktion in der Regel nicht möglich.314 Dennoch sollte nicht auf eine Kalkulation der Kuppelprodukte verzichtet werden, da sie für bestimmte Zwecke, wie z.B. die Bestandsbewertung, dienlich ist.315 Zwar ist die Anwendung des Verur­ sachungsprinzips nicht möglich, doch gibt es Hilfsrechnungen die für diese Zwecke

herangezogen werden können. Solche Hilfsrechnungen sind die Marktpreismethode, die Restwertrechnung und die Kostenverteilungsmethode.316 Die Marktpreismethode, die auch als Äquivalenzziffernverfahren bezeichnet wird, verwendet die Marktpreise der einzelnen Produkte als Grundlage für die Bildung von Äquivalenzziffern und ermittelt unter Anwendung der Äquivalenzziffernrechnung die

Kosten je Einheit. Die Problematik dieses Verfahren besteht darin, daß zwischen den

Vgl. hierzu ausführlich Riebel [Kuppelprodukte 1970], Sp.994. Vgl. hierzu Vormbaum/Omau [Kalkulationsverfahren 1992], S.546. Vgl. Kruschwitz [Kalkulation 1973], S.220, Riebel [Kuppelproduktion 1979], Sp.1017, Gabele/ Fischer [Kostenrechnung 1992], S.186, Vormbaum/Omau [Kalkulationsverfahren 1992], S.546, und Haberstock [Kostenrechnung 11998], S.167. Vgl. Wenke [Kuppelprodukte 1961], S.12. Vgl. Vormbaum [Kalkulationsarten 1977], S.99, Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.307f., und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.101f.

70

Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung

Marktpreisen von Produkten und deren Kosten in der Regel kein funktionaler Zusammenhang besteht. Folglich können die durch diese Methode gelieferten

Ergebnisse lediglich als grobe Schätzwerte angesehen werden.317

Bei der Restwertrechnung wird eines der gemeinsam entstandenen Erzeugnisse als Hauptprodukt und damit als eigentlicher Träger der Gemeinkosten betrachtet.318 Alle

daneben anfallenden Güter werden als Nebenprodukte behandelt. Die durch sie erzielten Erlöse vermindern die dem Hauptprodukt zugerechnete Kostensumme

(Subtraktionsmethode), hingegen wird die Kostensumme durch gegebenenfalls auf­ tretende Unterdeckungen erhöht (Additionsmethode).319 Die Herstellkosten ergeben

sich bei der Restwertrechnung mittels Division der beim Hauptprodukt verbleibenden

Restkosten durch die Ausbringungsmenge. Die Selbstkosten des Hauptprodukts können mittels der Zuschlagskalkulation bestimmt werden, wobei man den Herstell­ kosten des Hauptprodukts noch die anteiligen Verwaltungs- und Vertriebskosten

hinzurechnen muß.

Die Kostenverteilungsmethode wird herangezogen, wenn bei einer Kuppelproduktion nicht eindeutig zwischen Haupt- und Nebenprodukten unterschieden werden kann.

Dieses Verfahren besteht in einer Aufspaltung der Gesamtkosten mit Hilfe einer oder mehrerer Schlüsselgrößen. Als solche fungieren Mengenanteile, Marktpreise oder

physikalische bzw. technische Größen.320 Rechentechnisch betrachtet entspricht die Kostenverteilungsmethode der Methode der Äquivalenzziffernrechnung, wobei die zusammengefaßten Schlüsselgrößen je Produkteinheit als Äquivalenzziffern für die einzelnen Produkte dienen.321

Vgl. Vormbaum [Kalkulationsarten 1977], S.101, und Zahn [Kalkulation 1981], Sp.850.

318

liq

320

321

Vgl. Riebel [Kuppelprodukte 1970], Sp.906, Vormbaum [Kalkulationsformen 1975], Sp.2057, Buckenmaier [Informationsinstrument 1977], S.63, Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.309, und Kilger [Kostenrechnung 1987], S.356. Vgl. Riebel [Kuppelproduktion 1979], Sp.1017, Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.309.

Zahn

[Kalkulation

1981],

Sp.850,

und

Vgl. Riebel [Kuppelproduktion 1955], S.65, Vormbaum [Kalkulationsformen 1975], Sp.2057, und Kilger [Kostenrechnung 1987], S.361.

Vgl. Vormbaum [Kalkulationsarten 1977], S.99, Riebel [Kuppelproduktion 1979], Sp.1018, Kilger [Kostenrechnung 1987], S.361 f., und Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.169.

Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung

ZI

2.1.4.3.2 Kostenträgerzeitrechnung

Im Gegensatz zu der Kostenträgerstückrechnung, bei der die Selbstkosten je Erzeugniseinheit ermittelt werden, stellt die Kostenträgerzeitrechnung eine perioden­

bezogene Erfolgsrechnung dar. Im Rahmen der Kostenträgerzeitrechnung werden

den für die einzelnen Kostenträger kalkulierten Kosten die am Markt erwirtschafteten Erlöse gegenübergestellt.322 Die auf diese Weise ermittelten Kostenträgerergebnisse

dienen u.a. als Grundlage für sortimentspolitische Entscheidungen.323 Die Kosten­

trägerzeitrechnung, die in der Regel monatlich oder vierteljährlich durchgeführt wird,

gewährt damit Einblicke in die Entwicklung der Kosten und des Erfolgs.

Das

Betriebsergebnis einer Abrechnungsperiode

kann entweder nach

dem

Gesamtkosten- oder nach dem Umsatzkostenverfahren ermittelt werden.324 Das Gesamtkostenverfahren findet in der Praxis nur selten Verwendung, da die für

seine Anwendung erforderlichen Voraussetzungen relativ selten erfüllt sind.325 Bei diesem Verfahren werden die nach Kostenarten gegliederten Gesamtkosten dem

Umsatz unter Berücksichtigung der Bestandsveränderungen an Halbfertig- und

Fertigfabrikaten gegenübergestellt. Der kalkulatorische Periodenerfolg läßt sich auf dem Betriebsergebniskonto als Differenz zwischen den gesamten Periodenkosten

und der gesamten Periodenleistung ablesen.326 Die mengenmäßige Perioden­ leistung ergibt sich aus der Summe der abgesetzten Produkte, der aktivierten inner­

betrieblichen Leistungen und der auf Lager produzierten Erzeugnisse. Dabei werden

die abgesetzten Erzeugnisse mit dem Verkaufspreis und die Lagerbestands­

Vgl. Beste [Kurzfristige Erfolgsrechnung 1962], Coenenberg/Eifler [Erlös 1976], Sp.3976, Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.317, Coenenberg [Rechnungswesen 1993], Sp.3689, Männel [Betriebbuchhaltung 1998], S.87, Schönfeld [Erfolgsrechnung 1998], S.226, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.102.

323

Vgl. Dorn [Betriebsbuchhaltung 1974], Sp.565, Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.317, Männel [Betriebsbuchhaltung 1998], S.87, und Eisele [Rechnungswesen 1999], S.720.

324

Demgegenüber ist in der Türkei ausschließlich das Umsatzkostenverfahren zur Ermittlung des Betriebsergebnisses zulässig. Das Gesamtkostenverfahren findet in der Literatur keine Berück­ sichtigung.

325

Vgl. hierzu Wurl [Gestaltungsprobleme 1980], S.612f., Moews [Kostenrechnung 1996], S.136, und Schönfeld [Erfolgsrechnung 1998], S.226.

326

Vgl. Heinen [Kostenrechnung 1975b], Sp.2321, Brauner [Betriebsergebnisrechnung 1991], S.329, Männel [Betriebsergebnisrechnung 1993], S.191, und Moews [Kostenrechnung 1996], S.136.

Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung

12,

Veränderungen mit den Herstellkosten bewertet.327 Wenn in einer Abrechnungs­

periode mehr produziert als verkauft wird, erhöhen sich die Bestände an fertigen und unfertigen Erzeugnissen. Diese Bestandszugänge, die mit den Herstellkosten

bewertet werden, müssen dann zur Erfassung der gesamten Leistungen einer Periode den Umsatzerlösen auf der Habenseite des Betriebsergebniskontos hinzu­ gefügt werden.328 Wenn in einer Periode die Absatzmenge größer als die

Produktionsmenge ist, sinken die Lagerbestände an unfertigen und fertigen Erzeug­

nissen. In diesem Fall müssen die mit den Herstellkosten bewerteten Lager­ bestandsabgänge den gesamten primären Kosten zur Erfassung der gesamten

Kosten einer Periode auf der Sollseite des Betriebsergebniskontos hinzugefügt werden.329 Das Prinzip des Gesamtkostenverfahrens findet sich auch in der

Finanzbuchhaltung wieder. Dort wird das Periodenergebnis gemäß § 275 Absatz 2

HGB ebenfalls durch eine Gegenüberstellung der gesamten nach Arten gegliederten Aufwendungen einerseits und den Umsatzerlösen, den Bestandsveränderungen an fertigen und unfertigen Erzeugnissen sowie den aktivierten Eigenleistungen anderer­

seits ermittelt. Beim Umsatzkostenverfahren werden die gesamten Kosten der abgesetzten

Erzeugnisse den Umsatzerlösen einer Abrechnungsperiode gegenübergestellt.330 Insofern wird also auf eine Erfassung der Bestandsveränderungen an unfertigen und fertigen Erzeugnissen verzichtet. Ein weiterer wesentlicher Unterschied gegenüber

dem Gesamtkostenverfahren ist darin zu sehen, daß bei diesem die Kosten nach

Vgl. Kilger [Kurzfristige Erfolgsrechnung 1962], S.29, Brauner [Betriebergebnisrechnung 1991], S.329, Helm [Ergebnisrechnung 1992], S.671, Männel [Betriebsergebnisrechnung 1993], S.192, Zimmermann/Fries [Kostenrechnung 1995], S.161, und Eisele [Rechnungswesen 1999], S.807.

328

Vgl. Ehrmann [Kostenrechnung 1997], S.130, Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.103, und Kloock et al. [Kostenrechnung 1999], S.172.

329

Vgl. Everling [Kurzfristige Erfolgsrechnung 1965], S.49, Brauner [Betriebsergebnisrechnung 1991], S.329, Eisele [Rechnungswesen 1999], S.807, und Kloock et al. [Kostenrechnung 1999], S.172. Vgl. Dorn [Betriebsbuchhaltung 1974], Sp.564, Huch [Kostenrechnung 1986], S.140, Brauner [Betriebsergebnisrechnung 1991], S.329, Helm [Ergebnisrechnung 1992], S.671, Lanz [Controlling 1992], S.192, Fischer [Umsatzkostenverfahren 1993], Sp.1928, Männel [Betriebsergebnisrechnung 1993], S.191, Ehrmann [Kostenrechnung 1997], S.133, Seicht [Kostenrechnung 1997], S.183, und Kloock et al. [Kostenrechnung 1999], S.174.

Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung

11

Kostenarten geordnet erfaßt werden, während beim Umsatzkostenverfahren sowohl

die Erlöse als auch die Kosten nach Produktarten bzw. -gruppen gegliedert werden. Die Vorteile des Gesamtkostenverfahrens bestehen in der Einfachheit seines rechnerischen Aufbaus sowie in der Tatsache, daß diese Methode ohne größere

Schwierigkeiten in das System der doppelten Buchführung eingebaut werden kann.331

Beim

Umsatzkostenverfahren

hingegen

ist

dies

nur

mit

einigen

Schwierigkeiten zu bewerkstelligen, was als ein grundlegender Nachteil dieses Ver­

fahrens angesehen werden kann. Ein wesentlicher Nachteil des Gesamtkostenver­ fahrens besteht darin, daß zur Ermittlung der Bestandsveränderungen die Vorräte an

Halbfertig- und Fertigprodukten erfaßt werden müssen.332 Dies ist gerade bei Betrieben mit vielen Fertigungsstufen und einem differenzierten Fertigungsprogramm

mit erheblichem Aufwand verbunden.333 Hinzu kommt, daß das Gesamtkosten­ verfahren, bedingt durch die lediglich nach Kostenarten gegliederten Kosten, keine

Informationen für die Kosten- und Erfolgsanalyse der einzelnen Produktarten bzw. gruppen liefert. Hier ist wiederum das Umsatzkostenverfahren mit seiner Gliederung

nach Produktarten bzw. -gruppen dem Gesamtkostenverfahren überlegen.334

2.2 Grundzüge der Kostenrechnungssysteme Unter einem Kostenrechnungssystem versteht man eine Ausgestaltungsform der Kostenrechnung, mit deren Hilfe bestimmte Arten von Kosten unter spezifischen Zielsetzungen bestimmten Bezugsgrößen zugerechnet werden.335

Vgl. Kilger [Erfolgsrechnung 1981], Sp.483, Gabele/Fischer [Kostenrechnung 1992], S.196, Eisele [Rechnungswesen 1999], S.808, und Kloock et al. [Kostenrechnung 1999], S.175. Vgl. Kilger [Kurzfristige Erfolgsrechnung 1962], S.33, Groll [Kurzfristige Erfolgsrechnung 1977], S.15, Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.320, und Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.196. Vgl. ausführlich Kilger [Kurzfristige Erfolgsrechnung 1962], S.33, und Eisele [Rechnungswesen 1999], S.808f.

Vgl. Wurl [Gestaltungsprobleme 1980], S.613, Lücke [Kurzfristige Erfolgsrechnung 1993], Sp.1319f., Männel [Rechnungskreise 1997], S.9, und Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.199. Vgl. hierzu Ebert [Kostenrechnungssysteme 1978], S.1, Kloock [Systeme 1978], S.505, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.65, Hoitsch [Erlösrechnung 1997], S.152, Huch et al. [Controlling 1997], S.7, Hummel [Kostenrechnungssysteme 1998], S.453, und Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.78.

74

Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung

Die Kostenrechnungssysteme lassen sich nach mehreren Merkmalen gliedern, wobei die zeitliche Ausrichtung des Kostenrechnungssystems und der Umfang der Zurechnung der Kosten zu den wesentlichen Unterscheidungsmerkmalen zählen.336

Hinsichtlich der zeitlichen Ausrichtung

kann man zwischen vergangenheits­

bezogenen und zukunftsbezogenen Kostenrechnungssytemen unterscheiden. Das

Kriterium des Umfangs der auf die Kostenträger verrechneten Kosten dient zur

Unterscheidung zwischen Voll- und Teilkostenrechnungssystemen. Charakteristisch für die vergangenheitsbezogenen Kostenrechnungssysteme ist, daß

die auf die Kostenträger verrechneten Kosten den tatsächlich entstandenen Kosten einer oder mehrerer vergangener Abrechnungsperioden entsprechen. Die Mengen­

komponente der zu ermittelnden Kosten wird bei den vergangenheitsbezogenen Kostenrechnungssystemen mit Hilfe des tatsächlichen Mengenverbrauchs an

Produktionsfaktoren der abgelaufenen Abrechnungsperiode bestimmt.337 Man kann

die vergangenheitsbezogenen Kostenrechnungssysteme weiter in Voll- und Teil­ kostenrechnungssysteme unterteilen. Zu den vergangenheitsbezogenen Vollkostenrechnungssystemen zählen die Ist­ kostenrechnung auf Vollkostenbasis und die Normalkostenrechnung auf Vollkosten­

basis. Letztere läßt sich noch einmal in die starre Normalkostenrechnung und in die flexible Normalkostenrechnung unterteilen. Kennzeichnend für die vergangenheits­ bezogenen Vollkostenrechnungssysteme ist, daß sie alle Kosten der abgelaufenen

Abrechnungsperiode auf die in der Periode hergestellten Kostenträger verteilen, unabhängig davon, ob sie einem Erzeugnis unmittelbar zugerechnet werden oder

Vgl. Kunz [Kostenrechnungsverfahren 1977], S.101, Swoboda [Systematik 1981], Sp.1067, Ramsauer [Kostenrechnungssysteme 1982], S.32, Franzen [Entscheidungswirkungen 1984], S.1084, Grünig/Würmli [Kostenrechnung 1991], S.78f., Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.65, Koch/Zimmermann [Kostenrechnung 1992], Sp.1090, Schweitzer [Systematik 1992], S.188ff., Hoitsch [Erlösrechnung 1997], S.170, Zimmermann [Kostenrechnung 1997], S.6, Hieke [Teilkostenrechnung 1998], S.5, und Horväth [Controlling 1998], S.458. Demgegenüber erfolgt im türkischen Schrifttum nahezu ausschließlich eine Einteilung der Kostenrechnungssysteme nach dem Umfang der verrechneten Kosten. Vgl. hierzu ausführlich Bursal/Ercan [Maliyet Muhasebesi 1992], S.321 f., Özgür [Muhasebe llkeleri 1995], S.68f., und Altug [Maliyet Muhasebesi 1999], S.124ff. 337

Vgl. Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.65, und Ebert [Kostenrechnung 1997], S.140.

Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung

25

nur mittelbar mit dem Erzeugnis in Beziehung stehen.338 Dabei kann ein Kosten­ träger ein Produkt, eine Produktgruppe oder einen Auftrag darstellen. Bei der Voll­

kostenrechnung erfolgt die Verrechnung der Kosten in der Regel getrennt nach Kostenträgereinzelkosten, die den Kostenträgern direkt zugerechnet werden können,

und nach Kostenträgergemeinkosten, bei denen dies nur auf indirektem Wege über

Kostenstellen möglich ist.339 Entscheidend ist aber, daß bei der Vollkostenrechnung

die in einer Abrechnungsperiode angefallenen Kosten vollständig auf die herge­ stellten Kostenträger verrechnet werden.

Zu den vergangenheitsbezogenen Teilkostenrechnungssystemen zählen die Ist­ kostenrechnung auf Grenzkostenbasis und die stufenweise Fixkostendeckungs­ rechnung. Diese sind dadurch charakterisiert, daß sie den Kostenträgern nur einen

Teil der Kosten der abgelaufenen Abrechnungsperiode zurechnen.340 In der Regel

werden für diese Zwecke die variablen Kosten als sogenannte Teilkosten heran­

gezogen.

Die zukunftsbezogenen Kostenrechnungssysteme sind im Gegensatz zu den vergangenheitsbezogenen Kostenrechnungssystemen dadurch gekennzeichnet, daß

sie für die Kosten einer betrachteten Abrechnungsperiode im vorhinein Plangrößen festlegen. Diese Plangrößen werden nach Ablauf der Abrechnungsperiode als Beur­ teilungsmaßstab für die tatsächlich entstandenen Kosten (Istkosten) heran­

gezogen.341 Dies setzt allerdings eine Planung des Mengenverbrauchs der einzu­

setzenden Produktionsfaktoren und der Faktorpreise der einzelnen Produktions­ faktoren

voraus.

Häufig

werden

Kostenrechnungssysteme,

die

Plankosten

Vgl. Pfeiffer/Preißler [Kostenrechnungsverfahren 1973], S.319, Heinen [Kostenrechnung 1975a], S.89, Hummel/Männel [Kostenrechnung II 1983], S.19, Menrad [Vollkostenrechnung 1983], S.3, Coenenberg [Unternehmensrechnung 1993], Sp.3690, Guthunz [Informationssysteme 1994], S.176, Hieke [Teilkostenrechnung 1998], S.7, und Hummel [Kostenrechnungssysteme 1998], S.454. Vgl. Schwarz [Kostenträgerrechnung 1973], S.30, Kretschmer [Vollkostenrechnung 1981], S.131, Männel [Kostenrechnungssysteme 1998], S.454, und Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.137. Vgl. Heinen [Kostenrechnung 1975a], S.93, Meffert [Kostenrechnungssysteme 1978], S.586, Hummel/Männel [Kostenrechnung II 1983], S.19, Coenenberg [Unternehmensrechnung 1993], Sp.3690, Heinen/Dietel [Kostenrechnung 1993], Sp.1241, und Hieke [Teilkostenrechnung 1998], S.8.

Vgl. Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.90, und Hummel [Kostenrechnungssysteme 1998], S.454.

Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung

76

verwenden, als Plankostenrechnungen bezeichnet. Man verwendet als Synonyme

aber ebenso die Bezeichnungen Vorgabekostenrechnung, Richtkostenrechnung, Standardkostenrechnung, Prognosekostenrechnung und Budgetkostenrechnung.

Einen Sonderfall der zukunftsbezogenen Kostenrechnungssysteme stellt dabei die Einzelkosten- und Deckungsbeitragsrechnung dar.342

Auch bei den zukunftsbezogenen Kostenrechnungssystemen kann man zwischen Voll- und Teilkostenrechnungssystemen unterscheiden.

Zu den zukunftsbezogenen Vollkostenrechnungssystemen zählt man die starre

Plankostenrechnung auf Vollkostenbasis, die flexible Plankostenrechnung auf Voll­ kostenbasis sowie die Standard- und Prognosekostenrechnung.343 Diese Kosten­

rechnungssysteme sind dadurch gekennzeichnet, daß für die jeweilige Planungs­ periode die gesamten Kosten geplant und in vollem Umfang den Kostenträgern zugerechnet werden.344 Die Kostenplanung bezieht sich auf sämtliche Größen, die

einen Einfluß auf die in der Planungsperiode entstehenden Kosten ausüben. Hierzu zählen beispielsweise die Kapazitätsauslastung, der Beschäftigungsgrad, die Serien­ anzahl und die Seriengröße, die Auftragszusammensetzung, die Faktorpreise sowie

die Produktionsfaktorarten und -mengen.345 Die

zukunftsbezogenen

Teilkostenrechnungssysteme

umfassen

die

produkt­

bezogene Grenzplankostenrechnung, die ergebnisbezogene Betriebsplankosten­ rechnung und die deckungsbeitragsbezogene Einzelkostenrechnung.346 Typisch für

diese Kostenrechnungssysteme ist, daß sie zwar sowohl die variablen Kosten als

Vgl. hierzu Küpper [Entwicklungslinien 1990], S.12, und Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.90. 343

Vgl. Kosiol [Plankostenrechnung 1975], S.22f., Küpper [Entwicklungslinien 1990], S.12, Schweitzer [Systematik 1992], S.185, Kloock [Kostenrechnungssysteme 1993], Sp.2359, und Hieke [Teilkostenrechnung 1998], S.7.

344

Vgl. hierzu Meffert [Kostenrechnungssysteme 1978], S.583, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.93, und Schierenbeck [Betriebswirtschaftslehre 1999], S.629.

345

Vgl. ausführlich Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.93.

346

Vgl. hierzu ausführlich Riebel [Einzelkostenrechnung 1992], S.247ff. Vgl. aber auch Riebel [Deckungsbeitragsrechnung 1974], Sp.435f., sowie Bruch [Kostenrechnungsforschung 1979], S.108ff.

Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung

77

auch die fixen Kosten für die jeweils betrachtete Periode planen, daß sie aber nur die variablen Plankosten den Kostenträgern zurechnen.347

Da ein einzelnes Kostenrechnungssystem die Ziele der Kostenrechnung nicht

erfüllen kann, kommen die beschriebenen Kostenrechnungssysteme in den darge­ stellten idealtypischen Ausprägungen in der unternehmerischen Praxis kaum zur

Anwendung. Statt dessen werden regelmäßig Mischformen aus den verschiedenen Kostenrechnungssystemen eingesetzt.348

Vgl. Haberstock [Kosten 1981], Sp.980, und Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.72.

Vgl. Nowak [Kostenrechnungssysteme 1961], S.47, Küpper [Entwicklungslinien II 1990], S.84, und Horväth [Controlling 1998], S.459.

78

Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme

3 Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme 3.1 Ausgewählte Systeme der Vollkostenrechnung 3.1.1 Entwicklungsformen der Istkosten rech nung

3.1.1.1 Grundform der Istkostenrechnung Die Istkostenrechnung stellt in ihrer ursprünglichen Ausprägung die älteste Form der

Kostenrechnung dar.349 Dieses Kostenrechnungssystem ist dadurch gekenn­ zeichnet, daß es die während einer Abrechnungsperiode effektiv angefallenen

Kosten entsprechend dem Kostenüberwälzungsprinzip350 vollständig auf die Kosten­ träger weiterverrechnet.351 Die Istkosten einer Abrechnungsperiode werden dabei durch Multiplikation der tatsächlich angefallenen Verbrauchsmengen (Istmengen) mit den tatsächlich gezahlten Faktorpreisen (Istpreisen) ermittelt.352 Für den Fall, daß kein eindeutig bestimmbares Mengengerüst vorliegt, gilt es, geeignete Bemessungs­

grundlagen zu finden, die sich als Faktorverbrauchsmengen im weiteren Sinne

Vgl. Kilger [Kurzfristige Erfolgsrechnung 1962], S.75, Barth [Kostenrechnung 1989], S.17, Lorson [Entwicklungsformen 1990], S.21, Zimmermann [Plankostenrechnung 1990], S.42, Dorn [Geschichtliche Entwicklung 1992], S.97ff., Schneider [Entwicklungsschwerpunkte 1992], S.90, und Wöhe [Betriebswirtschaftslehre 1996], S.1323. Im türkischen Schrifttum wird die Istkostenrechnung als bedeutendstes Vollkostenrechnungssystem angesehen. Vgl. hierzu Toköz [Sanayi Muhasebesi 1972], S. 63, Canoglu [Isletme Muhasebesi 1977], S.33, Büyükmirza [Degisken Maliyet 1978], S.33, Üstün/Bozok [Maliyet Muhasebesi I 1984], S.13, Basik [Maliyetlerin Düsürülmesi 1985], S.67, özaslan [Teknik 1985], S.43, Yozgat [Isletme Yöntemi 1986], S.66, Erkural [Muhasebe 1988], S.43, Akdogan [Maliyet Muhasebesi 1990], S.44, Uslu/Sürmeli [Maliyet Muhasebesi 1990], S.22, Cetiner [Maliyet Muhasebesi 1991], S.31, Basik [Kar Planlamasi 1992], S.43, Erdamar [Muhasebe Bilgileri 1992], S.76, Gökcek [Üretim 1996], S.123, Uman [Maliyet Sistemleri 1996], S.23, Dülger [Siparis Maliyetler 1997], S.56, Sevgener [Yönetim Muhasebesi 1998], S.86, und Altug [Maliyet Muhasebesi 1999], S.294. 350

Der Grundsatz der Kostenüberwälzung, der auch als Grundsatz der Kostendurchrechnung oder als Grundsatz der Kostenweiterwälzung bezeichnet wird, kommt im Rahmen der Istkosten­ rechnung mit sämtlichen hiermit verbundenen Vor- und Nachteilen zur Geltung. Vgl. hierzu ausführlich Nowak [Kostenrechnungssysteme 1961], S.51.

351

Vgl. ausführlich Müller [Kostenrechnung 1952], S.537, Giesen et al. [Plankostenrechnung 1976], S.13, Kleineidam/Obenhaus [Kostenrechnung 1976], S.115, Klümper [Kostenrechnung 1984], S.103, Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.112, Heinen/Dietel [Kostenrechnung 1991], S.1206, und Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.66.

352

Vgl. Silber [Grenzplankostenrechnung 1975], S.16, Kilger [Kostenrechnung 1987], S.54, Zimmermann [Kostenrechnung 1993], S.7, Eilenberger [Rechnungswesen 1995], S.253, Hoitsch [Erlösrechnung 1997], S.174, Koch [Kostenrechnung 1997], S.13, Seicht [Kostenrechnung 1997], S.158, und Haberstock [Kostenrechnung 11998], S.173.

Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme

IS

interpretieren lassen. Dies ist z.B. bei Gebühren, Beiträgen und Versicherungs­ prämien der Fall.353 Es ist jedoch festzustellen, daß in der unternehmerischen Praxis eine Istkosten­

rechnung, bei der alle Kostenarten reine Istkosten darstellen, nicht existiert.354 Vielmehr muß berücksichtigt werden, daß es Kostenarten gibt, bei denen die Höhe

der Kosten erst nach dem Jahresabschluß ermitteln werden kann und die aus diesem Grund nur geschätzt werden können. Diese geschätzten Kostenbeiträge, die

von den sich später ergebenden Istkosten abweichen können, stellen keine Istkosten dar, sondern können als Normal- oder Plankosten angesehen werden. Als Beispiel hierfür lassen sich die kalkulatorischen Abschreibungen anführen, die weniger der Definition von Istkosten als vielmehr der Definition von Plankosten entsprechen. Da

eine Messung der Abnutzung in der Regel nicht möglich ist355, und sich folglich auch

keine Istkosten ermitteln lassen356, werden jeder Abschreibung geschätzte bzw. geplante Nutzungsdauern zugrunde gelegt. Aufgrund des Prognosecharakters der

Nutzungsdauer kann also nicht mehr von Istkosten gesprochen werden.357

Entsprechendes gilt auch für die kalkulatorischen Zinsen, die aus Vereinfachungs­ gründen regelmäßig auf der Basis einer als normal angesetzten oder geplanten Höhe des betriebsnotwendigen Kapitals berechnet werden, sowie für kalkulatorische

Wagnisse, Ausschußraten und Kosten für Großreparaturen358, die stets aufgrund

von Erfahrungswerten geschätzt werden. Des weiteren gibt es Kostenarten, die infolge ihres intervallmäßigen Auftretens zu starken Schwankungen der Kosten

führen. Hierzu zählen z.B. Urlaubs-, Krankheits- und Feiertagslöhne. In der unter­ nehmerischen Praxis werden diese Kostenarten zu Beginn der Abrechnungsperiode geschätzt und gleichmäßig auf die einzelnen Monate verteilt. Es bleibt festzuhalten, daß es eine Istkostenrechnung in der reinen Ausprägung nicht geben kann, da

Vgl. Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.15. Vgl. hierzu und im folgenden Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.15f. Vgl. aber auch Braunschweig [Kostenrechnung 1999], S.64.

Vgl. Klümper [Kostenrechnung 1984], S.103, und Ahlert/Franz [Kostenrechnung 1992], S.110.

Vgl. Hoitsch [Erlösrechnung 1997], S.174.

Vgl. Klümper [Kostenrechnung 1984], S.103. Vgl. Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.16.

Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme

ßQ.

bestimmte Kostenarten stets von einem Durchschnitts- oder Plancharakter geprägt

sind.359 Mit der Grundform der Istkostenrechnung soll daher im folgenden eine

Entwicklungsform der Kostenrechnung bezeichnet werden, „bei der normalisierte

und geplante Kostenbeträge ausschließlich zum Zwecke der richtigen Erfassung und Abgrenzung der Kosten verwendet werden“360. Aufgrund ihrer Ausgestaltung als Vergangenheitsrechnung361 vermag die Grundform

der Istkostenrechnung lediglich die Dokumentationsaufgaben der Kostenrechnung in einer zufriedenstellenden Weise zu erfüllen. Im Mittelpunkt der Istkostenrechnung stehen dabei die Nachkalkulation der betrieblichen Erzeugnisse oder durchgeführten

Aufträge, die Bewertung von selbsterstellten Anlagen sowie die Bewertung von Haib­

und Fertigerzeugnissen. 362 Insbesondere die mit der Grundform der Istkostenrechnung verbundenen rechen­

technischen Schwierigkeiten, die daraus resultieren, daß alle Materialverbrauchs­ mengen mit individuellen Istpreisen bewertet werden müssen, führten zu einer

Weiterentwicklung dieses Kostenrechnungssystems.

3.1.1.2 Weiterentwicklung der Istkostenrechnung

Zur Reduzierung des Rechenaufwands wurde im Laufe der Zeit dazu übergegangen,

die Istverbrauchsmengen mit festen Verbrauchspreisen zu bewerten. Diese festen Verrechnungspreise wurden

aus den

Durchschnittswerten

der vergangenen

Rechnungsperioden ermittelt und mindestens für eine Abrechnungsperiode konstant

Vgl. Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.173. 360

Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.16.

361

Vgl. zum Terminus „Vergangenheitsrechnung“ Nowak [Kostenrechnungssysteme 1961], S.51.

Nowak geht davon aus, daß die Istkostenrechnung ihrem Wesen nach eine Vergangen­ heitsrechnung ist. Er weist jedoch auch darauf hin, daß die Zielsetzung der Istkostenrechnung durchaus auch auf die Zukunft ausgerichtet sein kann. Als Beispiel führt er die Bereitstellung von Informationen für künftige Preisangebote an. Vgl. hierzu ausführlich Nowak [Kostenrechnungssysteme 1961], S.53.

362

Vgl. hierzu Götz [Kostenrechnungssysteme 1978], S.1755, Schneider [Vollkostenrechnung 1985], S.2161, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.68, Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.16, und Braunschweig [Kostenrechnung 1999], S.64.

Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme

£1

gehalten.363 Durch die Einführung fester Verrechnungpreise wurde neben der rechentechnischen Vereinfachung der laufenden Materialabrechnung zugleich eine

bessere

Vergleichbarkeit

der

Kosten

unterschiedlicher Abrechnungsperioden

erreicht.364 Mittels Verwendung unveränderter Verrechnungspreise für Roh-, Hilfsund Betriebsstoffe in den einzelnen Abrechnungsperioden konnte sichergestellt werden, daß eventuell auftretende Abweichungen nur aus Änderungen des Mengen­

gerüstes der Kosten resultieren können.365 Auf diese Weise wurde die Grundlage für

eine Kostenkontrolle geschaffen. Mit der Einführung des Scientific Management nach Taylor einerseits sowie den

arbeitswissenschaftlichen

Erkenntnissen

des

Verbandes

für

Arbeitsstudien

(REFA)366 andererseits wurde eine weitere Entwicklungsstufe der Istkostenrechnung erreicht.367 Diese Entwicklung im Bereich der Arbeitswissenschaft und der daraus

resultierende Übergang von der Zeitlohnvergütung zum Akkordlohnsystem führten zu der Einführung von Zeitvorgaben und somit zur Umwandlung des Mengen­

gerüstes von Ist- in Plangrößen.368 Die Entwicklung der „wissenschaftlichen Betriebsführung“ initiierte die Festlegung

von Vorgaben für die Einzelmaterialkosten. Es wurde damit begonnen, die Einzel­ materialkosten vorzukalkulieren, indem man unter Zuhilfenahme technischer Berech­

nungen den geschätzten Verbrauch an Einzelmaterialarten je Kostenträger unter der Voraussetzung einer wirtschaftlichen Materialhandhabung zu ermitteln versuchte.369

Vgl. Klümper [Kostenrechnung 1984], S.119, Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.18, und Ehrmann [Kostenrechnung 1997], S.146. Vgl. Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.18, und Ehrmann [Kostenrechnung 1997], S.146. Vgl. Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.18.

Vgl. hierzu ausführlich REFA [Methodenlehre des Arbeitsstudiums 1978]. Vgl. Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.19. Vgl. hierzu und im folgenden Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.19. Lohnkostenabweichungen, die durch den Ausfall von Maschinen oder infolge von Mängeln der Werkzeuge und/oder Vor­ richtungen auftraten und zu höheren Istlohnkosten führten, wurden dabei gesondert als Zusatz­ löhne vergütet. Vgl. hierzu ausführlich Kilger [Plankostenrechnung 1993], S. 19f. Vgl. Klümper [Kostenrechnung 1984], S.120.

Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme

Weitere Modifizierungen der Istkostenrechnung ergaben sich aufgrund der Bewer­

tung der vorkalkulierten Einzelmaterialmengen mit festen Verrechnungspreisen.370 Die auf diese Weise ermittelten Planmaterialeinzelkosten wurden in einem weiteren

Schritt in die laufende Abrechnung integriert. Gleichzeitig wurden, ähnlich wie bei den Lohneinzelkosten, eventuell auftretende Verbrauchsabweichungen mit Hilfe von markierten Materialbelegen erfaßt. Hierdurch eröffnete sich in Verbindung mit der

Verwendung von Festpreisen die Möglichkeit einer Kontrolle der Materialeinzel­

kosten.371

Aufgrund der kontinuierlichen Entwicklung der Kostenrechnungssysteme ist es

schwer, die Übergänge zwischen den einzelnen Entwicklungsformen exakt zu bestimmen. Die dargestellten Entwicklungsformen der Istkostenrechnung beinhalten bereits eine Vielzahl von Normal- und Planwerten, so daß diese Entwicklungsformen an der Grenze zur Normal- bzw. Plankostenrechnung stehen. Die in der unter­

nehmerischen Praxis angewandte Istkostenrechnung ist daher eher als eine

Kombination aus Ist-, Normal- und Plankosten zu betrachten.372 Ungeachtet der jeweils vorliegenden Entwicklungsform der Istkostenrechnung ist festzustellen, daß dieses Kostenrechnungssystem die Aufgaben der Kostenrech­ nung in einer nur unzureichenden Weise erfüllt.373 Insbesondere die Aufgabe der

Kostenkontrolle kann mit Hilfe der Istkostenrechnung nur unbefriedigend erfüllt werden, da hierzu ein geeigneter Vergleichsmaßstab in Form von Plan-, Soll-, Standard- oder Richtkosten erforderlich ist.374 Auch für die Erfüllung dispositiver

370

Vgl. hierzu und im folgenden Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.20.

371

Vgl. auch Klümper [Kostenrechnung 1984], S.120, und Ehrmann [Kostenrechnung 1997], S.146.

372

Vgl. Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.20 und die dort zitierte Literatur.

373

Vgl. Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.16, Ebert [Kostenrechnung 1997], S.140, und Fischer [Kostenrechnung 1998], S.31.

374

Vgl. hierzu Michel/Torspecken [Kostenrechnung I 1989], S.190, Gabele/Fischer [Kostenrechnung 1992], S.56, Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.17, Zimmermann [Kostenrechnung 1993], S.7, und Kloock et al. [Kostenrechnung 1999], S.177. Zwar besteht im Rahmen der Istkostenrechnung die Möglichkeit zur Durchführung von Zeit- und Betriebsvergleichen, jedoch ist die Aussage­ fähigkeit im Hinblick auf die Kostenwirtschaftlichkeit als sehr gering einzustufen. Vgl. hierzu ausführlich Nowak [Kostenrechnungssysteme 1961], S.61.

Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme________________________________________ 83

Zwecke erweist sich die Istkostenrechnung als nur wenig geeignet375, da sich aus diesem überwiegend vergangenheitsorientierten Kostenrechnungssystem keine

zukunftsgerichteten Kosteninformationen ableiten lassen.376 Für diese Zwecke sind ebenfalls geplante Kosten erforderlich.377

3.1.2 Entwicklungsformen der Normalkostenrechnung 3.1.2.1 Grundlagen der Normalkostenrechnung

Die Einführung fester Verrechnungspreise für innerbetriebliche Leistungen ist darauf

zurückzuführen, daß sich die Istkostenverrechnungssätze für innerbetriebliche Leistungen378, über mehrere Perioden hinweg betrachtet, häufig nur um bestimmte

Durchschnittswerte bewegten.379 Diese Erkenntnis sowie die rechentechnischen Schwierigkeiten, die sich aufgrund der laufenden Nachkalkulationen mit den Ist­ kostensätzen ergaben, führten in der unternehmerischen Praxis dazu, auch für die

Hauptkostenstellen Normalkostensätze zu bilden.380 Als Gründe für eine Normalisie­ rung der Kosten sind neben der Beschleunigung und Vereinfachung der inner-

Vgl. Zimmermann [Plankostenrechnung 1990], S.44, Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.17, und Ehrmann [Kostenrechnung 1997], S.147.

Vgl. Gabele/Fischer [Kostenrechnung 1992], S.56, und Braunschweig [Kostenrechnung 1999], S.64. Vgl. Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.17. Vgl. hierzu und im folgenden Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.22. Vgl. aber auch Michel/Torspecken [Kostenrechnung I 1989], S.191, und Braunschweig [Kostenrechnung 1999], S.64. Vgl. Müller [Kostenrechnung 1952], S.538, Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.113, Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.22, Ebert [Kostenrechnung 1997], S.141, Koch [Kostenrechnung 1997], S.204f., Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.174, und Eisele [Rechnungswesen 1999], S.751.

Im betriebswirtschaftlichen Schrifttum der Türkei findet neben der Istkostenrechnung auch die Normalkostenrechnung große Beachtung. Vgl. hierzu Canoglu [Isletme Muhasebesi 1977], S.121, Ertuna [Maliyet Muhasebesi 1977], S.57, Ercan/Güredin [Maliyet Muhasebesi 1984], S.156, Kocel [Yönetim Kavrami 1985], S.90, Ostün et al. [Maliyet Muhasebesi II 1984], S.34, Kaval [Maliyetleme Yöntemleri 1986], S.75, Akdogan [Maliyet Muhasebesi 1990], S.42, Sevim [Tahmini Maliyet 1990], S.66, Kücüksavas [Maliyet Sistemleri 1992], S.11f., Albayrak [Degisken Maliyetleme 1995], S.48, und Altug [Maliyet Muhasebesi 1999], S.294f. Zudem wird im türkischen Schrifttum die besondere Eignung der Normalkostenrechnung für die unternehmerische Praxis hervorgehoben. Vgl. hierzu Gecikligün [Muhasebe 1982], S.57, Ersoy [Maliyet Arastirmasi 1990], S.38, Akesen [Maliyet Muhasebesi 1991], S.283, Cetiner [Maliyet Hesaplari 1992], S.12, Elmaci [Safha Maliyet 1992], S.65, und Sakrak [Maliyet Yönetimi 1997], S.19. Im Gegensatz dazu wird im deutschen betriebswirtschaftlichen Schrifttum die Praxisrelevanz der Normalkostenrechnung vielfach angezweifelt. Vgl. hierzu ausführlich Liesmann [Kostenrechnung 1997], S.464.

ß4

Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme

betrieblichen Leistungsverrechnung vor allem auch die Verbesserung der Vergleich­ barkeit sekundärer Kostenarten sowie die Möglichkeit einer stellenweisen Kosten­ kontrolle anzuführen.

Die beschriebenen Veränderungen verdeutlichen, daß sich die Normalkosten­ rechnung im wesentlichen auf die Verrechnung der Kostenstellenkosten konzentriert. Als Normalkosten werden dabei die durchschnittlichen oder bereinigten Istkosten

aus mehreren vergangenen Abrechnungsperioden verstanden.381 Konkret ergeben

sich die Normalkosten einer Kostenstelle aus der Multiplikation der Istbeschäftigung dieser Kostenstelle mit dem Normalkostensatz.382 Die Normalkostensätze lassen

sich aus den Mittelwerten der Istkosten und der Beschäftigung vergangener Perioden ermitteln.383 In Hinblick auf die Bildung der Normalkostensätze kann

zwischen zwei Verfahren unterschieden werden.384

Bei dem ersten Verfahren

werden die Normalkostensätze aus dem Quotienten der Istkostensummen ver­

gangener Abrechnungsperioden und der Summe der dazugehörigen Kalkulations­ bezugsgrößen, wie z.B. Fertigungsstunden, gebildet. Veränderungen in der Kosten­ struktur finden dabei keine Berücksichtigung. Die nach diesem Verfahren ermittelten

Normalkosten

werden

im

betriebswirtschaftlichen

Schrifttum

als

„statische

Mittelwerte"385 bezeichnet. Im Gegensatz hierzu werden bei dem zweiten Verfahren

die durchschnittlichen Kosten zusätzlich an erkennbare Veränderungen angepaßt. In diesem Zusammenhang wird daher auch von „aktualisierten Mittelwerten"386

gesprochen.

Vgl. Kilger [Grenzplankostenrechnung 1962], S.67, Mellerowicz [Unternehmenspolitik 1976], S.353, Zimmerman [Plankostenrechnung 1990], S.49, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.70, Gabele/Fischer [Kostenrechnung 1992], S.57, Wöhe [Betriebswirtschaftslehre 1996], S.1324, und Liessmann [Kostenrechnung 1997], S.464. 382

Vgl. Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.23, und Schierenbeck [Betriebswirtschaftslehre 1999], S.629.

383

Vgl. Kilger [Grenzplankostenrechnung 1976], S.10, Ebert [Kostenrechnung 1997], S.141, und

384

Vgl. hierzu und im folgenden Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.24.

385

Vgl. ausführlich zum Begriff der statischen Mittelwerte Müller [Normalkostenrechnung 1949], S.601. Vgl. aber auch Müller [Kostenrechnung 1952], S.537f., und Braunschweig [Kostenrechnung 1999], S.64.

386

Vgl. zum Begriff der aktualisierten Mittelwerte Kilger [Kostenrechnung 1987], S.57.

Seicht [Kostenrechnung 1997], S.159.

Enivyicklungsf^^

15

Die Einführung fester Verrechnungssätze für innerbetriebliche Leistungen führte endgültig zur Durchbrechung des Kostenüberwälzungsprinzips. 387 Gleichzeitig traten in den Kostenstellen Kostenabweichungen auf. Diese Kostenabweichungen, die

auch als Unter- bzw. Überdeckung bezeichnet werden, resultieren aus der Differenz zwischen den Istkosten und den verrechneten Normalkosten.388 Für den Fall, daß

die angefallenen Istkosten größer als die verrechneten Normalkosten sind, liegt eine

Unterdeckung vor. Demgegenüber wird von einer Überdeckung gesprochen, wenn die Istkosten kleiner als die verrechneten Normalkosten sind. Diese Unter- bzw. Überdeckungen werden weder auf andere Kostenstellen noch auf Kostenträger weiterverrechnet, sondern entweder monatlich oder am Ende des Jahres in die

Betriebsergebnisrechnung übernommen. Bei der Normalkostenrechnung kann zwischen den Ausgestaltungsformen der

starren und der flexiblen Normalkostenrechnung differenziert werden.389 Diese sollen im folgenden dargestellt werden.

3.1.2.2 Starre Normalkostenrechnung Von einer starren Normalkostenrechnung wird regelmäßig dann gesprochen, wenn sich die Normalkosten auf ein bestimmtes Leistungsprogramm und eine bestimmte Beschäftigung beziehen. Dieses Kostenrechnungssystem ist dadurch charakterisiert, daß für die Verrechnung der Gemeinkosten einer Kostenstelle auf andere Kosten­ stellen oder Kostenträger Normalgemeinkostensätze ermittelt werden. Dabei wird

angestrebt, die Verrechnungspreise möglichst lange konstant zu halten.390 Die starre Normalkostenrechnung wird daher auch als „eine auf einem bestimmten Leistungs­

stand eingefrorene Ist-Kostenrechnung“391 bezeichnet.

Vgl. Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.23. Vgl. hierzu und im folgenden Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.23. Vgl. auch Kilger [Grenzplankostenrechnung 1976], S.10, Michel/Torspecken [Kostenrechnung II 1986], S.26, Zimmermann [Plankostenrechnung 1990], S.49, und Ehrmann [Kostenrechnung 1997], S.148. Vgl. Götz [Kostenrechnungssysteme 1978], S.1756, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.73, Wöhe [Betriebswirtschaftslehre 1996], S.1324, und Eisele [Rechnungswesen 1999], S.753ff. Vgl. Nowak [Kostenrechnungssysteme 1961], S.69, Zimmermann [Plankostenrechnung 1990], S.51, und Ehrmann [Kostenrechnung 1997], S.148. Rocker [Plankosten 1952], S.134.

Entwicklunosformen der Kostenrechnungssysteme

ßß.

Die Normalkostensätze werden ermittelt, indem aus den Kosten der Kostenstellen

vergangener Perioden Durchschnittswerte gebildet werden, die in bezug auf den

Kostenträger sowohl fixe wie auch variable Kostenbestandteile aufweisen.392 Eine solche Vorgehensweise unterstellt allerdings, daß das Verhältnis von beschäfti­ gungsfixen und beschäftigungsvariablen Kosten der vergangenen Perioden, die zur

Ermittlung der Normalkostensätze verwendet worden sind, auch für die jeweils

betrachtete Abrechnungsperiode gilt.393 In der Regel treten jedoch zwischen den mit Hilfe des Normalgemeinkostensatzes verrechneten Kosten und den entstandenen

Istkosten Differenzen auf, die auf das Betriebsergebniskonto übertragen werden müssen. 394

Die starre Normalkostenrechnung führte zwar zu einer erheblichen Vereinfachung der Kostenstellenrechnung und der Kalkulation. Hierbei wurde allerdings in Kauf genommen, daß mit der Implementierung dieses Kostenrechnungssystems das Kostenüberwälzungsprinzip aufgegeben werden mußte.395

Bei der Frage nach der Verwendbarkeit der starren Normalkostenrechnung für eine kostenstellenweise Kostenkontrolle muß danach unterschieden werden, ob die

Normalkosten auf statischen oder auf aktualisierten Mittelwerten basieren.396

Beziehen sich die Normalkosten auf statische Mittelwerte, so erweist sich die starre Normalkostenrechnung für eine derartige Kostenkontrolle als ungeeignet, da bei den

Istkosten der vergangenen Abrechnungsperioden die Einflüsse von Unwirtschaftlich­ keiten nicht eliminiert werden. Normalkosten auf der Basis aktualisierter Mittelwerte sind zwar für die Durchführung einer Kostenkontrolle besser geeignet, dennoch sind

auch diese nur bedingt anwendbar, da sie ebenfalls nicht unabhängig von den

Istkosten der Vergangenheit ermittelt werden.397 Ferner kann im Rahmen der starren Normalkostenrechnung nicht erkannt werden, inwieweit die auftretenden Über- bzw.

Vgl. Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.73, und Eisele [Rechnungswesen 1999], S.755. 393

Vgl. ausführlich Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.73.

394

Vgl. Ehrmann [Kostenrechnung 1997], S.148, und Eisele [Rechnungswesen 1999], S.753.

395

Vgl. Giesen et al. [Plankostenrechnung 1976], S.16, Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.25.

396

Vgl. hierzu und im folgenden Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.25.

397

Vgl. Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.25.

Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme

87

Unterdeckungen auf Mengenänderungen bzw. Veränderungen der Mengenkombi­ nationen einzelner Kostengüter oder auf Änderungen des Beschäftigungsgrades

zurückzuführen sind.398 3.1.2.3 Flexible Normalkostenrechnung Die flexible Normalkostenrechnung stellt eine Weiterentwicklung der starren

Normalkostenrechnung dar. Das Hauptanliegen der flexiblen Normalkostenrechnung

ist es, eine effizientere Kostenkontrolle zu ermöglichen. Diese Ausprägung der Normalkostenrechnung soll dabei nicht nur möglicherweise auftretende Über- bzw.

Unterdeckungen ermitteln, sondern sie dient dazu zusätzlich eine Aufspaltung der Gesamtabweichungen der Kostenstellen vorzunehmen.399 So soll einerseits der Teil

der Abweichungen, der auf Beschäftigungsschwankungen zurückzuführen ist, und andererseits der Teil der Abweichungen, der auf sonstigen Einflußgrößen beruht,

ermittelt werden.400 Zu Beginn der flexiblen Normalkostenrechnung ist es daher

erforderlich,

eine

Aufspaltung

der

Kosten

in

beschäftigungsfixe

beschäftigungsvariable

Kosten

vorzunehmen.401

beschäftigungsvariablen

Kosten

an

die

Dabei

und

sind

in

die

Beschäftigungsschwankungen

anzupassen.402 Nach der Kostenauflösung in fixe und proportionale Bestandteile erfolgt die Ermittlung des Istkostengemeinsatzes der Kostenstelle für den jeweils

betrachteten Zeitraum.403 Aus der Differenz zwischen den Istgemeinkosten und den

verrechneten

Normalkosten

läßt sich dann eine Über- bzw.

Unterdeckung

Vgl. hierzu ausführlich Nowak [Kostenrechnungssysteme 1961], S.75. Vgl. Pentzek [Kostenrechnungsformen 1979], S.70, Ehrmann [Kostenrechnung 1997], S.150, und Koch [Kostenrechnung 1997], S.207.

Vgl. Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.26, undWöhe [Betriebswirtschaftslehre 1996], S.1325. Vgl. Silber [Grenzplankostenrechnung 1975], S.19, Götz [Kostenrechnungssysteme 1978], S.1756, Bauer et al. [Kostenrechnung 1984], S.172, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.76, und Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.25f.

Vgl. Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.26. Aufgrund der Anpassung an die unterschiedlichen Beschäftigungen wird diese Erscheinungsform der Normalkostenrechnung als „flexible Normal­ kostenrechnung“ bezeichnet. Vgl. hierzu ausführlich Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.76.

Vgl. Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.77, und Ehrmann [Kostenrechnung 1997], S.151.

ßfi.

Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme

feststellen.404 Durch die Berechnung der Beschäftigungsabweichung kann eine Aufspaltung der Gesamtabweichung vorgenommen werden. Dabei ergibt sich die

Beschäftigungsabweichung aus der Differenz zwischen den Normkosten, also der Summe der fixen und variablen Normalgemeinkosten der Kostenstelle in der Abrechnungsperiode, und den verrechneten Normalgemeinkosten.405 Im letzten

Schritt kann die Restabweichung aus der Differenz zwischen der Gesamt­

abweichung und der ermittelten Beschäftigungsabweichung bestimmt werden.

Der wesentliche Vorteil der flexiblen Normalkostenrechnung ist in der zumindest in Ansätzen bestehenden kostenstellenweisen Kostenkontrolle zu sehen.406 Anderer­ seits ist jedoch zu berücksichtigen, daß bei der Ableitung der Normalkosten eine

starke Orientierung an den Istkosten der vergangenen Abrechnungsperioden erfolgt. Unwirtschaftlichkeiten der Vergangenheit sind dabei nicht erkennbar.407 Zudem führte die Aufspaltung der Kosten in beschäftigungsfixe und beschäftigungsvariable

Kosten bei der praktischen Umsetzung zu erheblichen Schwierigkeiten.408 Aus diesem Grunde kommt der flexiblen Normalkostenrechnung im Gegensatz zu der

starren Normalkostenrechnung in der unternehmerischen Praxis nur eine geringe

Bedeutung zu.409 3.1.3 Entwicklungsformen der Plankostenrechnung

Die historische Entwicklung der Plankostenrechnung ist insbesondere damit zu begründen, daß sich die Unternehmen bei der Festlegung der Normalkostensätze

zunehmend von den Istkosten lösten und versuchten, Kostenvorgaben mittels tech-

Vgl. hierzu ausführlich Kilger [Grenzplankostenrechnung 1962], S.67. Vgl. auch Kilger [Kostenrechnung 1987], S.57, und Hoitsch [Erlösrechnung 1997], S.172. Vgl. Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.77. Vgl. Giesen et al. [Plankostenrechnung 1976], S.17, und Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.27. Vgl. Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.27. Vgl. Klümper [Kostenrechnung 1984], S.126. Vgl. Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.26, und Brombach/Walter [Kostenrechnung 1998], S.160.

Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme

£9

nischer Berechnungen, Verbrauchsstudien und/oder Schätzungen zu ermitteln.410 Gleichzeitig erfolgte eine Weiterentwicklung der festen Verrechnungspreise zu

sogenannten Planpreisen. Das Ergebnis dieser Entwicklungen war eine neue

Kostenkategorie, bei der sowohl das Mengen- als auch das Preisgerüst aus geplanten Größen besteht.411 Diese Kosten werden als Plankosten bezeichnet.412 Für eine Kostenrechnung, die mit Plankosten arbeitet, hat sich dementsprechend der

Begriff „Plankostenrechnung“ durchgesetzt. Die Plankostenrechnung wird in die

starre und in die flexible Plankostenrechnung unterteilt. Bei der flexiblen Plankosten­ rechnung kann wiederum zwischen der flexiblen Plankostenrechnung zu Vollkosten,

der flexiblen Plankostenrechnung zu Teilkosten, die auch als Grenzplankosten­ rechnung bezeichnet wird, und der dynamischen Grenzplankostenrechnung unter­ schieden werden. Neben diesen Ausprägungen werden im betriebswirtschaftlichen Schrifttum weitere Sonderformen der Plankostenrechnung genannt. Als ein Beispiel

Vgl. hierzu und im folgenden Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.27. Vgl. aber auch Tüfekcioglu [Muhasebe Problemleri 1969], S.74, Gürgan [Maliyet Muhasebesi 1979], S.45, Kizil [Standart Maliyet 1979], S.43, Backer/Jacobsen [Maliyet Muhasebesi 1983], S.289, Uslu et al. [Maliyet Muhasebesi 1985], S.61, Orhan [Standart Maliyet 1989], S.21, Akdogan [Maliyet Muhasebesi 1990], S.45, Bursal/Ercan [Maliyet Muhasebesi 1992], S.331, Cetiner [Maliyet Hesaplari 1992], S.12, Arkun [Yönetim Muhasebesi 1993], S.186, Aysan [Isletme Kararlari 1994], S.84, Canoglu [Maliyet Muhasebesi 1995], S.86, Hicsasmaz [Yönetim Muhasebesi 1996], S.44, Sevim [Toplam Kalite 1997], S.210, und Altug [Maliyet Muhasebesi 1999], S.295. Vgl. Nowak [Kostenrechnungssysteme 1961], S.81, Mellerowicz [Plankostenrechnung II 1972], S 22, Giesen et al. [Plankostenrechnung 1976], S.17, Haberstock [Kostenrechnung II 1986], S.9, Kilger Plankostenrechnung 1993], S.27, Zimmermann/Fries [Rechnungswesen 1995], S.202, Huch et al. [[Controlling 1997], S.7, und Braunschweig [Kostenrechnung 1999], S.68. Vgl. hierzu auch Akesen [Maliyet Muhasebesi 1992], S.231, und Altug [Maliyet Muhasebesi 1999], S.299. Im betriebswirtschaftlichen Schrifttum werden im Zusammenhang mit dem Terminus „Plankosten“ häufig auch die Begriffe „Sollkosten“, „Standardkosten“ und „Budgetkosten“ verwendet. Diese Begriffe sind jedoch von dem Terminus „Plankosten“, dem eine eher übergeordnete Funktion zugeordnet werden kann, abzugrenzen. So bezeichnen die Sollkosten die sich für die jeweilige Planbeschäftigung ergebenden planmäßigen Kostenvorgaben. Demgegenüber werden als Standardkosten nur die auf die Erzeugniseinheit bezogenen Plankosten bezeichnet. Die Budgetkosten stellen die für einen bestimmten Zeitraum pro Kostenstelle vorgegebenen Kosten dar. Vgl. hierzu ausführlich Petzold [Begriffsbestimmungen 1950], S.396ff., Schmalenbach [Kostenrechnung 1963], S.296, Henzel [Kostenrechnung 1964], S.526, Käfer [Standardkostenrechnung 1964], S.86ff., Swoboda [Kostenrechnung 1981], Sp.1068f., Haberstock [Kostenrechnung II 1986], S.10f., Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.114, Michel/Torspecken [Kostenrechnung II 1986], S.40, Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.28f., Ebert [Kostenrechnung 1997], S.144, und Seicht [Kostenrechnung 1997], S.401.

Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme

SO.

ist an dieser Stelle insbesondere die Betriebsplankostenrechnung nach Laßmann413 anzuführen, die sich allerdings in der Bundesrepublik Deutschland nicht durchsetzen

konnte.

Mit der

Prognosekostenrechnung

und

der Standardkostenrechnung

existieren zwei weitere Erscheinungsformen der Plankostenrechnung, die sich in

deutschen Unternehmen in Anlehnung an die amerikanische Plankostenrechnung weiterentwickelt haben.414 Ihre amerikanischen Vorbilder sind in dem standard cost

accounting und in dem budgetary control zu sehen.415 Wesentliches Unter­ scheidungsmerkmal zwischen der Prognosekostenrechnung und der Standard­

kostenrechnung ist ihr Wirtschaftlichkeitsbegriff.416 Die Prognosekostenrechnung, die von einem wertmäßigen Wirtschaftlichkeitsbegriff ausgeht, dient der Vorhersage der erwarteten Istkosten einer Planperiode 417 Im Gegensatz dazu geht die Standard­ kostenrechnung von einem mengenmäßigen Wirtschaftlichkeitsbegriff aus.418

Vgl. hierzu ausführlich Laßmann [Kostenrechnung 1968], S.11ff. Vgl. aber auch Laßmann [Plankostenrechnung 1980], S.117ff., Laßmann [Betriebsmodelle 1983], S.90ff., Kilger [Grundverfahren 1988], S.84f., Laßmann/Vogt [Erlösrechnung 1989], Sp.1345f., Laßmann [Betriebsplankostenrechnung 1992], S.300ff., Laßmann [Betriebsplanerfolgsrechnung 1998], S.88ff, und Kloock et al. [Kostenrechnung 1999], S.21 Off.

Vgl. hierzu ausführlich Kosiol [Kostenplanung 1954], S.660, und Käfer [Standardkostenrechnung 1963], S.179ff. Vgl. auch Käfer [Standardkostenrechnung 1964]. S.71, Küpper [Differenzierung 1978], S.562, Kloock [Plankostenrechnung 1981], Sp.1290f., Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.109, Troßmann [Plankostenrechnung 1992], S.226, Fischer [Kostenplanung 1993], S.12, Stehle/Sanwald [Kostenrechnung 1993], S.105f., Müller [Grenzplankostenrechnung 1996], S.140, und Haberstock [Plankostenrechnung [1998], S.547. Im Unterschied zu dem betriebswirtschaftlichen Schrifttum in der Bundesrepublik Deutschland findet die Standardkostenrechnung in der Türkei eine wesentlich höhere Beachtung. In vielen Veröffentlichungen werden sogar die Begriffe „Standardkostenrechnung“ und „Plankosten­ rechnung“ als Synonyme verwendet. Vgl. hierzu ausführlich Bursal [Maliyet Muhasebesi 1968], S.379, Koc [Standart Maliyetler 1974], S.21, Büyükmirza [Standart Maliyet 1975], S.5, Üstün [Standart Maliyet 1988], S.68, Büyükmirza [Maliyet Muhasebesi 1991], S.373, Uslu [Maliyet Muhasebesi 1991], S.387, Aksit [Maliyet Muhasebesi 1993], S.25, Cetin [Tahmini Maliyet 1994], S.178, und Menderes [Mali Analiz 1997], S.53. Vgl. Petzold [Begriffsbestimmungen 1950], S.396, Kosiol [Kostenplanung 1954], S.660, Kilger [Plankostenrechnung 1975], Sp.2984, Dopuch et al. [Cost Accounting 1982], S.301, Kilger [Kostenrechnung 1987], S.57, und Kloock [Plankostenrechnung 1993], Sp.1552. Vgl. hierzu auch Bursal/Ercan [Maliyet Muhasebesi 1992], S.331. Vgl. Kosiol [Kostenplanung 1954], S.660, Ebert [Plankostenrechnung 1962], S.11, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.109, und Seicht [Kostenrechnung 1997], S.401. Vgl. Ebert [Plankostenrechnung 1951], S.11, Seicht [Kostenrechnung 1997], S.401, und Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.245.

Vgl. Kosiol [Plankostenrechnung 1975], S.23, Dworak [Standardkostenrechnung 1978], S.58f., Kosiol [Unternehmung 1979], S.249, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.109, Moews [Kosten 1996], S.263, und Seicht [Kostenrechnung 1997], S.401.

Entwicklunasformen der Kostenrechnunassysteme

ÄL

Im folgenden werden die starre Plankostenrechnung sowie die flexible Plankosten­ rechnung zu Vollkosten vorgestellt Die Grenzplankostenrechnung wird zu einem späteren Zeitpunkt im Rahmen der Teilkostenrechnungssysteme näher erläutert.419

3.1.3.1 Starre Plankostenrechnung 3.1.3.1.1 Grundlagen der starren Plankostenrechnung

Bei der starren Plankostenrechnung, die als erstes System der Plankostenrechnung

aus der Normalkostenrechnung hervorging, handelt es sich um ein Kostenrech­

nungssystem, das auf dem Ansatz der Vollkostenrechnung basiert.420 Kenn­ zeichnend für die starre Plankostenrechnung ist, daß sie die Plankosten pro Kostenstelle lediglich für einen bestimmten Beschäftigungsgrad, nämlich den Planbeschäftigungsgrad, ermittelt.421 Das System der starren Plankostenrechnung

bietet somit keine Anpassungsmöglichkeit an alternative, von der Planbeschäftigung abweichende Beschäftigungen.422 3.1.3.1.2 Funktionsweise der starren Plankostenrechnung

Im Rahmen der starren Plankostenrechnung kann hinsichtlich der Kostenplanung zwischen der Planung der Kostenträgereinzelkosten und der Planung der Kosten-

Vgl. hierzu ausführlich Abschnitt 3.2.2. Vgl. Vormbaum/Rautenberg [Kostenrechnung III 1985], S.33, Freidank [Kostenrechnung 1997], S.196, Mayer et al. [Kostenrechnung 1997], S.246, und Seicht [Kostenrechnung 1997], S.414. Im Gegensatz zur Bundesrepublik Deutschland findet die starre Plankostenrechnung im betriebs­ wirtschaftlichen Schrifttum der Türkei wegen ihrer (vermeintlichen) Praxisrelevanz große Beach­ tung. Vgl. hierzu Koc [Standart Maliyetler 1974], S.28, Durik [Maliyet Muhasebesi 1984], S.83, Gündogdu [Maliyet Muhasebesi 1989], S.39, Ipci [Maliyet Yöntemi 1989], S.4, Ersoy [Maliyet Arastirmasi 1990], S.33, Cetin [Tahmini Maliyet 1994], S.179, Büyükmirza [Yönetim Muhasebesi 1995], S.484, und Kaya [Bilgi Sistemi 1997], S.31.

Vgl. Matz [Plankostenrechnung 1954], S.65, Bea [Plankostenrechnung 1972], S.525, Kilger [Grenzplankostenrechnung 1978], S.110, Hummel/Männel [Kostenrechnung II 1983], S.135, Haberstock [Kostenrechnung II 1986], S.18, Heinen/Dietel [Kostenrechnung 1991], S.1231, Schweitzer [Systematik 1992], S.191, Seicht [Kostenrechnung 1997], S.414, Haberstock [Plankostenrechnung 1998], S.549, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.365. Vgl. Schwantag [Plankostenrechnung 1950], S.395, Kilger [Grenzplankostenrechnung 1962], S.68, Kilger [Plankostenrechnung 1970], Sp.1343, Plaut [Plankostenrechnung 1978], S.34, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.93, Zimmermann/Fries [Rechnungswesen 1995], S.203, und Hoitsch [Erlösrechnung 1997], S.176f.

£2

Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme

trägergemeinkosten unterschieden werden.423 Die Planung der Kostenträgereinzel­ kosten vollzieht sich in der Planung der für die jeweils betrachtete Periode erforder­

lichen Produktfaktormengen, die mit Planfaktorpreisen bewertet werden.

Die Planung der Kostenträgergemeinkosten, also jener Kosten, die über die Kosten­ stellen abgerechnet werden, erfolgt in mehreren Schritten. Im ersten Schritt werden

für jede Kostenstelle Bezugsgrößen, wie z.B. Maschinen- oder Fertigungsstunden, festgelegt.424 Darauf aufbauend erfolgt in Abstimmung mit der Gesamtplanung die Festlegung der Planbeschäftigung. Die durchschnittlichen Planbeschäftigungen sind

mit Hilfe geeigneter Planbezugsgrößenmengen zu quantifizieren. Im Anschluß an die Festlegung der Planbeschäftigung werden durch Verbrauchsstudien und technische

Berechnungen die Verbrauchsmengen und -Zeiten ermittelt. Die geplanten Ver­ brauchsmengen und Arbeitszeiten werden im vierten Schritt mit Festpreisen bzw.

Lohnsätzen bewertet. Hieraus resultiert für jede Kostenart einer Kostenstelle der

sogenannte Plankostenbetrag, der der Planbezugsgröße entspricht. Die Summe

aller Plankostenbeträge ergibt die gesamten Plankosten einer Kostenstelle.425 Mittels

Division der gesamten Plankosten durch die Planbezugsgrößen wird im nächsten Schritt der Plankostenverrechnungssatz ermittelt.426 Dieser Plankostenverrechnungs­

satz kommt bei der innerbetrieblichen Leistungsverrechnung auf andere Kosten­ stellen und in der Kostenträgerrechnung zur Anwendung.427 Im letzten Schritt erfolgt

schließlich die Ermittlung der verrechneten Plankosten. Die verrechneten Plan­ kosten, die jeweils die auf die Kostenträger verrechnete Kostensumme darstellen,

Vgl. hierzu und im folgenden Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.93. Vgl. Plaut [Plankostenrechnung 1951], S.532f., Koller [Plankostenrechnung 1973], S.81, Freidank [Plankostenrechnung 1985], S.57, Haberstock [Kostenrechnung II 1986], Plaut [Entwicklung 1987], 359f., Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.93ff., Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.37f., und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.365ff.

Vgl. Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.37. Im betriebswirtschaftlichen Schrifttum werden anstelle der Bezeichnung „Plankostenverrechnungssatz" häufig auch die Begriffe „Plankalkulationssatz“ und „Planverrechnungssatz“ verwendet. Vgl. hierzu Kilger [Mittelbetrieb 1980], S.208, Haberstock [Kostenrechnung II 1986], S.18, Däumler/Grabe [Plankostenrechnung 1995], S.81, und Weber [Kostenrechnung 1995], S.149. Vgl. Haberstock [Kostenrechnung II 1986], S.18, Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.37, und Zimmermann/Fries [Rechnungswesen 1995], S.203. Vgl. Scherrer [Plankostenrechnung 1991], S.95.

Entwickiungsformen der KQStenrechnungssy.ste.me________________________________ 23 ergeben sich dabei durch Multiplikation des Plankostenverrechnungssatzes mit der Istbeschäftigung.428 Nach Abschluß einer Planungsperiode werden die in der jeweiligen Betrachtungs­ periode tatsächlich angefallenen Kosten der Kostenstelle, also die sogenannten

Istkosten, den Plankosten gegenübergestellt.429 Im Zusammenhang mit der sich hier­

bei ergebenden Kostenabweichung ist zu berücksichtigen, daß beispielsweise im Falle einer Kostenunterschreitung keine Einsparung, sondern vielmehr eine Ab­

weichung vorliegt, die vor allem darauf zurückzuführen ist, daß sich die Plankosten auf die Planbezugsgröße und die Istkosten auf die Istbezugsgröße beziehen.430 Aufgrund der fehlenden Auflösung in fixe und proportionale Kostenbestandteile kann jedoch nicht bestimmt werden, welcher Kostenbetrag für die Realisierung der jewei­

ligen Istbeschäftigung gerechtfertigt gewesen wäre. Diese Kostenabweichung stellt eine „echte" Planabweichung dar, da sie die Differenz zwischen den effektiven und den geplanten Kosten ausweist. Dennoch sind die Ursachen dieser Abweichung

nicht feststellbar. Eine weitere Kostenabweichung ergibt sich aus dem Vergleich der Istkosten mit den

verrechneten Plankosten 431 Der wesentliche Vorteil bei der Analyse dieser Kosten­ abweichung ist darin zu sehen, daß hierbei die Möglichkeit des Vergleichs von

Kostenbeträgen auf Basis gleicher Beschäftigung besteht. Aber auch diese Kosten­ abweichung kann nicht in die einerseits aus Beschäftigungsschwankungen und andererseits aus Unwirtschaftlichkeiten resultierenden Abweichungen aufgespalten

werden.

Vgl. Haberstock [Kostenrechnung I11986], S.19, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.366. Vgl. Hummel/Männel [Kostenrechnung II 1983], S.135, und Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.95. Vgl. hierzu und im folgenden Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.38f.

Vgl. hierzu ausführlich Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.35. Vgl. aber auch Kloock/Bommes [Kostenabweichungsanalyse 1982], S.227f., und Eisele [Rechnungswesen 1999], S.760.

94

Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme

3.1.3.1.3 Kritische Beurteilung der starren Plankostenrechnung Der wesentliche Vorteil der starren Plankostenrechnung ist in der verhältnismäßig

einfachen und schnellen Handhabung zu sehen.432 Darüber hinaus wird bei diesem

Kostenrechnungssystem die Kostenrechnung erstmalig in das Planungssystem der

Unternehmung einbezogen.433 Ein wesentlicher Nachteil ergibt sich hingegen daraus, daß eine wirksame Kostenkontrolle im Rahmen der starren Plankosten­ rechnung nicht möglich ist.434 Aufgrund der fehlenden Möglichkeit der Anpassung

der Plankosten an die wechselnde Istbeschäftigung sowie der Proportionalisierung der fixen Kosten kann keine zweckmäßige Kostenkontrolle erfolgen. Gleichzeitig wird

mit der Fixkostenproportionalisierung gegen das Verursachungsprinzip verstoßen.435 Auch für die Erfüllung dispositiver Aufgaben ist die starre Plankostenrechnung nur

eingeschränkt verwendbar. Dies ist darauf zurückzuführen, daß die starre Plan­

kostenrechnung auf Vollkosten basiert, so daß die für Entscheidungsprobleme der

kurzfristigen Planung relevanten Teilkosten nicht bereitgestellt werden können.436

Vgl. Hummel/Männel [Kostenrechnung II 1983], S.136, Vormbaum/Rautenberg [Kostenrechnung III 1985], S.35, Männel [Plankostenrechnung 1995], S.53, Ebert [Kostenrechnung 1997], S.145, Haberstock [Plankostenrechnung 1998], S.549, Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.366, und Eisele [Rechnungswesen 1999], S.761.

Vgl. Kilger [Plankostenrechung 1993], S.39, und Weber [Kostenrechnung 1997], S.158. Vgl. Kilger [Plankostenrechnung 1975], Sp.2984, Plaut [Grenzplankostenrechnung 1980], S.12, Haberstock [Kostenrechnung II 1986], S.21, Heinen/Dietel [Kostenrechnung 1991], S.1232, Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.39, Schmidt [Kostenrechnung 1998], S.176, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.366.

Vgl. Haberstock [Kostenrechnung II 1986], S.21, Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.39, Schmidt [Kostenrechnung 1998], S.176, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.366. Vgl. Vormbaum/Rautenberg [Kostenrechnung III 1985], S.35, Kilger [Kostenrechnung II 1986], S.21, und Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.39.

Eniwicklyngsta

3.1.3.2 Flexible Plankostenrechnung auf Vollkostenbasis

3.1.3.2.1 Grundlagen der flexiblen Plankostenrechnung auf Vollkostenbasis

Die flexible Plankostenrechnung437 auf Vollkostenbasis ging aus der Kritik an der starren Plankostenrechnung hervor.438 Der wesentliche Unterschied zwischen der

starren und der flexiblen Plankostenrechnung besteht darin, daß bei der flexiblen Plankostenrechnung auf Vollkostenbasis im Rahmen der Kostenplanung die Plan­

kosten einer Kostenstelle in fixe und proportionale Bestandteile aufgespalten

werden.439 Charakteristisch für die flexible Plankostenrechnung ist ferner, daß die geplanten fixen Kosten als von der Beschäftigung völlig unabhängig angesehen

werden. Bei den variablen Kosten wird hingegen zumeist eine proportionale

Bei den in der Praxis anzutreffenden Formen der flexiblen Plankostenrechnung handelt es sich zumeist um Kostenrechnungssysteme, die durch eine Anpassung der Plankosten des Plan­ beschäftigungsgrades an den Istbeschäftigungsgrad gekennzeichnet sind. Diese Ausprägung der flexiblen Plankostenrechnung auf Vollkostenbasis wird als „einfache“ - oder „teilflexible“ Plankostenrechnung bezeichnet. Demgegenüber konnte eine „vollflexible“ Plankostenrechnung, die die Veränderungen aller Kostenbestimmungsfaktoren berücksichtigt, bisher technisch nicht umgesetzt werden. Vgl. ausführlich zur vollflexiblen Plankostenrechnung Neumayer [Plankostenrechnung 1951], S.397ff. Vgl. hierzu auch Plaut [Grenz-Plankostenrechnung 1953], S.248f., Neumayer [Teilkostenrechnung 1970], S.938, Kube [Grenzplankostenrechnung 1974], S.42f., sowie Seicht [Kostenrechnung 1997], S.414.

Ebenso wie die starre Plankostenrechnung ist auch die flexible Plankostenrechnung auf Vollkostenbasis Gegenstand vieler Literaturbeiträge im türkischen Schrifttum. Vgl. hierzu Yücesoy [Maliyet Muhasebesi 1965], S.86f., Cömlekci [Maliyet Muhasebesi 1967], S.135, Hicsasmaz [Muhasebe 1971], S.103, Gök [Yönetim Muhasebesi 1981], S.154f., Kaval [Maliyetleme Yöntemleri 1986], S.79f., Üstün [Standart Maliyet 1988], S.74, Bursal/Ercan [Maliyet Muhasebesi 1992], S.332, Hatipoglu [Maliyet Muhasebesi 1994], S.82, Büyükmirza [Yönetim Muhasebesi 1995], S.485f., Gündüz [Maliyet Yöntemi 1996], S.117ff., und Altug [Maliyet Muhasebesi 1999], S.295. Hierbei wird in vielen Veröffentlichungen die Praxisrelevanz der flexiblen Plankostenrechnung auf Vollkostenbasis für Großunternehmen hervorgehoben. An dieser Stelle ist jedoch kritisch anzumerken, daß die Verbreitung in der unternehmerischen Praxis bislang nicht empirisch untersucht wurde. Vgl. hierzu Hummel/Männel [Kostenrechnung II 1983], S.136, Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.44, und Ebert [Kostenrechnung 1997], S.146. Vgl. Kilger [Grenzplankostenrechnung 1978], S.110, Layer [Informationsinstrument 1978], S.152, Plaut [Grenzplankostenrechnung 1980], S.12, Heinen/Dietel [Kostenrechnung 1991], S.1233, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.100, Kind [Plankostenrechnung 1992], S.249, Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.40, Hoitsch [Erlösrechnung 1997], S.177, Seicht [Kostenrechnung 1997], S.414, Haberstock [Plankostenrechnung 1998], S.549, Schmidt [Kostenrechnung 1998], S.175, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.367.

SS.

Entwicklungsfounen-der Kostenrechnungssysteme

Änderung zur Beschäftigung unterstellt.440 Die proportionalen Plankosten werden auf

die erreichte Istbeschäftigung umgerechnet, um auf diese Weise die für eine bestimmte Planbeschäftigung ermittelten Plankosten zum Zwecke der Kontrolle an

die Istbeschäftigung anpassen zu können.441 Die Planwerte der übrigen Kosten­ einflußgrößen werden bei dieser Anpassung konstant gehalten.442 Auf diese Weise

werden den Kostenstellen keine festen Plankostenbeträge zugeordnet, sondern es werden Kostenfunktionen vorgegeben, die darüber Auskunft geben, wie sich die Kosten einer Kostenstelle in Abhängigkeit von der Beschäftigung verhalten sollen. In diesem Zusammenhang wird daher der Begriff der sogenannten „Sollkosten"

verwendet. Diese Sollkosten stellen die Plankosten der jeweiligen Istbeschäftigung

dar.443

3.1.3.2.2 Funktionsweise der flexiblen Plankostenrechnung auf Vollkosten­ basis Die Planung der Kosten erfolgt bei der flexiblen Plankostenrechnung auf Vollkostenbasis analog zu der Vorgehensweise der starren Plankostenrechnung.444

Das Charakteristikum der flexiblen Plankostenrechnung zu Vollkosten besteht in der

Ermittlung der Sollkosten. Diese Sollkosten lassen sich aus den fixen Kosten zuzüglich dem Produkt aus proportionalem Plankostenverrechnungssatz und Ist­ beschäftigung berechnen, wobei sich der proportionale Plankostenverrechnungssatz

aus dem Quotienten von variablen Plankosten und Planbeschäftigung ergibt.445 Mit Hilfe der Sollkosten können dann in einem weiteren Schritt die verschiedenen

Abweichungen ermittelt werden. Ein Teil der Kostenabweichung, der auch als

Vgl. Müller [Grenzplankostenrechnung 1996], S.30, und Kloock et al. [Kostenrechnung 1999], S.177. 441

Vgl. Grafet al. [Plankostenrechnung 1971], S.53, Haberstock [Kostenrechnung II 1986], S.23, und Kilger [Kostenrechnung 1987], S.60.

Vgl. Wöhe [Betriebswirtschaftslehre 1996], S.1326, und Freidank [Kostenrechnung 1997], S.194. Vgl. hierzu Kilger [Kostenrechnung 1976], S.60, Kube [Leistungserfassung 1978], S.76f., Troßmann [Plankostenrechnung 1992], S.228, Männel [Plankostenrechnung 1995], S.54, und Kloock et al. [Kostenrechnung 1999], S.177. 444

445

Vgl. Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.40, Weber [Kostenrechnung 1997], S.160, und Braunschweig [Kostenrechnung 1999], S.69. Vgl. hierzu ausführlich Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.41f.

Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme

97

Beschäftigungsabweichung bezeichnet wird, ergibt sich aus der Differenz zwischen den Sollkosten und den verrechneten Plankosten.446 Als Beschäftigungsabweichung

wird hierbei im allgemeinen jener Teil der auf die Kostenträger verrechneten Planfix­ kosten bezeichnet, der im Rahmen der Verrechnung der Fixkosten mittels Istkosten­

kalkulationssätzen auf Basis der Istbeschäftigung „zuviel“ bzw. „zuwenig“ verrechnet wurde.447 Für den Fall, daß die Istbeschäftigung größer ist als die Planbeschäftigung,

wurde zuviel verrechnet. Ist die Istbeschäftigung hingegen kleiner als die Plan­

beschäftigung, so ist zuwenig verrechnet worden.448 Sofern die Sollkosten von den Istkosten abweichen, liegt in Höhe der Differenz eine

Verbrauchsabweichung vor.449 Eine Verbrauchsabweichung, die auch als Kosten­

stellenabweichung bezeichnet wird,450 stellt eine Mengenabweichung dar. Sie ergibt

sich aus einem Mehr- oder Minderverzehr an Kostengütern gegenüber der

Planung.451 Entsprechend kann sie als Beurteilungsmaßstab für die Wirtschaftlichkeit einer Kostenstelle herangezogen werden.452 Vor diesem Hintergrund besteht beim Auftreten von Unwirtschaftlichkeiten die Möglichkeit, den jeweils verantwortlichen

Kostenstellenleiter zur Verantwortung zu ziehen. Dies gilt allerdings nur mit

Einschränkungen, da Verbrauchsabweichungen häufig auch auf Schwankungen anderer Kostenbestimmungsfaktoren zurückzuführen sind, für die die Kostenstellen-

Vgl. Schrülkamp [Plankostenrechnung 1954], S.623, Kosiol [Kostenabweichungen 1981], Sp.986ff., Hummel/Männel [Kostenrechnung II 1983], S.138, Kunz [Plankostenrechnung 1984], S.65, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.104, Stehle/Sanwald [Kostenrechnung 1993], S.110, Müller [Grenzplankostenrechnung 1996], S.132, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.369. Vgl. Nowak [Kostenrechnungssysteme 1961], S.106, Mellerowicz [Unternehmensführung 1975], S.225, Huch [Plankostenrechnung 1992], S.467, und Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.42.

Vgl. Nowak [Kostenrechnungssysteme 1961], S.106, Kilger [Kostenrechnung 1987], S.60, und Weber [Kostenrechnung 1997], S.161. Vgl. Patterson [Abweichungen 1955], S.359, Koller [Plankostenrechnung 1973], S.63f., Laßmann [Gestaltungsformen 1973], S.15, Müller [Soll-Istkosten 1973], S.64, Kube [Leistungserfassung 1978], S.77, Piroth [Plankostenrechnung 1984], S.77, Haberstock [Kostenrechnung II 1986], S.26, Glaser [Abweichungsanalyse 1987], S.43ff., Weber [Rechnungswesen 1991], S.244, Seicht [Leistungsrechnung 1995], S.454ff., Müller [Grenzplankostenrechnung 1996], S.132, Hoitsch [Erlösrechnung 1997], S.331, Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.288, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.369.

Vgl. Kilger [Plankostenrechnung 1952], S.510, und Kreuzer [Kostenabweichungen 1986], S.200f. Vgl. Auler [Plankostenrechnung 1951], S.413, und Ehrmann [Kostenrechnung 1997], S.211. Vgl. Auler [Plankostenrechnung 1949], S.261, und Kilger [Plankostenrechnung 1975], Sp.2987.

sa.

Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme

leiter nicht verantwortlich gemacht werden können. Mit Hilfe einer weitergehenden

Analyse muß in solchen Fällen geklärt werden, auf welche Ursachen die Ver­

brauchsabweichung tatsächlich zurückzuführen ist.453 3.1.3.2.3 Kritische Beurteilung der flexiblen Plankostenrechnung auf Voll­ kostenbasis

Ein wesentlicher Vorteil der flexiblen Plankostenrechnung zu Vollkosten ist in einer

gesteigerten Aussagefähigkeit der Kostenabweichung im Rahmen der Wirtschaft­ lichkeitskontrolle zu sehen. Auch im Hinblick auf die Erfüllung von Dokumentations­

aufgaben werden Verbesserungen gegenüber der starren Plankostenrechnung deutlich. Dies ist vor allem damit zu begründen, daß die Kalkulationsgenauigkeit

durch Verwendung differenzierter Bezugsgrößen erhöht wird.454 Wesentliche Nachteile der flexiblen Plankostenrechnung zu Vollkosten ergeben sich

demgegenüber im Zusammenhang mit der Proportionalisierung der fixen Kosten. Einerseits wird zwar im Rahmen der Kostenstellenrechnung eine Aufteilung der

Kosten in fixe und variable Kostenbestandteile vorgenommen, andererseits wird aber

in der Kostenträgerrechnung nach wie vor mit verrechneten Plankosten gearbeitet.

Dies stellt einen Verstoß gegen das Verursachungsprinzip dar 455 Insbesondere bei kurzfristigen Verkaufsentscheidungen im Absatzbereich, bei kurzfristigen Ver­ fahrenswahlentscheidungen der Produktionsplanung und beim Aufbau der Erfolgs­

planung kann die Proportionalisierung der Fixkosten zu Fehlentscheidungen

Vgl. Agthe [Abweichungen 1958], S.14ff., Hummel/Männel [Kostenrechnung II 1983], S.138, Freidank [Kostenrechnung 1997], S.201. Bei den hier in Erscheinung tretenden Abweichungen handelt es sich um die sogenannten Spezialabweichungen. Hierzu zählen beispielweise die „Verfahrensabweichung“, die „Ausbeuteabweichung“ und die „Intensitätsabweichung“. Der nach der Abspaltung der Spezialabweichung von der Verbrauchsabweichung verbleibende Teil wird als „echte Verbrauchsabweichung“ oder als „Restabweichung“ bezeichnet. Mit der Isolation dieser Restgröße wird versucht, endgültig Aufschluß über möglicherweise vorliegende Unwirtschaftlichkeiten zu erlangen. Vgl. hierzu ausführlich Kosiol [Kostenabweichungen 1970], Sp.907ff., Nolte [Abweichungen 1973], S.99f., und Haberstock [Kostenrechnung II 1986], S.26. Vgl. Koller [Plankostenrechnung 1961], S.168f., und Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.46. Vgl. Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.48.

Entwicklungsformen der Kostenrechnungssvsteme________________________________________ 99

führen.456 So werden bei der Auswertung der Ergebnisse der kurzfristigen Erfolgs­

rechnung für die Zwecke der Verkaufssteuerung den Erlösen einzelner Produktarten die zugehörigen Selbstkosten gegenübergestellt. Die daraus resultierende Differenz

stellt den zugehörigen Vollkostenerfolg dar. Aufgrund der Proportionalisierung kann

jedoch der zur Entscheidungsfindung wichtige Deckungsbeitrag nicht ermittelt werden.457 Durch die Einbeziehung der Fixkosten können also letzlich keine

relevanten Kosteninformationen zur Lösung von Entscheidungsproblemen geliefert werden.458

Im Hinblick auf die Erfüllung dispositiver Aufgaben bewirkte die Weiterentwicklung der starren Plankostenrechnung hin zu einer flexiblen Plankostenrechnung auf Voll­

kostenbasis somit keine oder nur geringe Fortschritte. Der wesentliche Fortschritt der flexiblen Plankostenrechnung auf Vollkostenbasis

gegenüber der starren Plankostenrechnung ist vielmehr darin zu sehen, daß die gesamte Kostenabweichung durch Aufspaltung in eine Verbrauchsabweichung und in eine Beschäftigungsabweichung deutlicher spezifiziert werden kann.459

Vgl. Wille [Standardkostenrechnung 1963], S.147, Zogg [Vollkostenrechnung 1971], S.7, Kilger [Kostenrechnung 1976], S.63ff., Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.108, und Braunschweig [Kostenrechnung 1999], S.89. Vgl. Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.55f. Weitere Probleme ergeben sich im Zusammen­ hang mit der Eliminierung von Verlustartikeln, der Bestimmung von Preisuntergrenzen, der Wahl zwischen mehreren Fertigungsstellen, der Wahl zwischen Eigenherstellung und dem Fremd­ bezug sowie beim Aufbau der Erfolgsplanung und der Kontrolle des Periodenerfolgs. Vgl. hierzu ausführlich Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.51 ff.

Vgl. Kilger [Kostenrechnung 1987], S.65. Vgl. Nowak [Kostenrechnungssysteme 1961], S.105, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.108, und Freidank [Kostenrechnung 1997], S.200.

Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme

1DQ.

3.2 Ausgewählte Systeme der Teilkostenrechnung 3.2.1 Direct Costing 3.2.1.1 Grundgedanke des Direct Costing Direct Costing460 ist ein Teilkostenrechnungsverfahren US-amerikanischer Herkunft.

Die entsprechende Begriffsprägung geht zurück auf eine Veröffentlichung von Harris

aus dem Jahre 1936 461 Harris462 stellt darin das von ihm entwickelte betriebliche

Rechnungswesen vor. Dabei verwendet er erstmalig die Bezeichnung „direct cost plan“.463 Wesentliches Merkmal des Direct Costing ist die Trennung der Kosten in fixe und

proportionale Kosten. Als entscheidungsrelevante Kosten werden lediglich die proportionalen

Kosten den

Kostenträgern zugerechnet.464 Die fixen

Kosten

Anstelle des Begriffes „Direct Costing“ werden häufig auch die Synonyme „Direktkostenrechnung“, „Grenzkostenrechnung“, „Marginal Costing“ und „Variable Costing" verwendet. Vgl. hierzu Lawrence/Humphreys [Marginal Costing 1947], S.3ff., Heckert/Miner [Distribution Costs 1953], S.31, Blocker/Weltmer [Cost Accounting 1954], S.452, Longman/Schiff [Cost Analysis 1955], S.369, Heine [Direct Costing 1959], S.515, Börner [Direct Costing 1961], S.19, Hahn [Direct Costing 1964], S.222, Rummel [Kostenrechnung 1967], S.17, Holzer [Direct Costing 1970], Sp.412, Knoth [Direct Costing 1974], Sp.1175, Kilger [Grenzplankostenrechnung 1976], S.17, Mellerowicz [Kalkulationsverfahren 1977], S.110, Heller [Kostenrechnung 1979], S.299, Kosiol [Unternehmung 1979], S.177f., Riebel [Teilkostenrechnung 1981], Sp.1549, Hummel/ Männel [Kostenrechnung II 1983], S.39, und Liessmann [Kostenrechnung 1997], S.147. Zum Direct Costing finden sich im Gegensatz zu anderen Teilkostenrechnungssystemen auch im betriebswirtschaftlichen Schrifttum der Türkei zahlreiche Veröffentlichungen. Vgl. stellvertretend Akdogan [Maliyet Muhasebesi 1990], S.43ff. In den meisten Veröffentlichungen wird jedoch nicht der Terminus „Direct Costing“, sondern vielmehr die Bezeichnung „Marginal Costing“ verwendet. Vgl. hierzu ausführlich Koc [Standart Maliyetler 1974], S.61 f., Uragun [Isletme Muhasebesi 1978], S.78, öcal [Maliyet Muhasebesi 1982], S.121, und Kishali [Maliyet Muhasebesi 1999], S.94f.

Vgl. Harris [Earn 1936], S.501 ff., Backer/Jacobsen [Cost Accounting 1964], S.368, Biergans [Direct Costing 1968], S.39, Holzer [Direct Costing 1970], Sp.415, Unterguggenberger [Deckungsbeitragsrechnung 1974], S.83, Horngren [Cost Accounting 1977], S.295, Jacob [Anmerkungen 1978], S.8, Seicht [Entwicklung 1988], S.37, Plaut [Kostenrechnungssystem 1992], S.203f. Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.64, und Bungenstock [Kostenrechnungssysteme 1995], S.257. Harris arbeitete zu der Zeit als Controller bei der Dewey and Almy Chemical Co. in Cambridge (Massachusetts, USA). Unabhängig von HARRIS und fast zeitgleich setzte auch G. C. Harrison in der Spool Cotton Company eine nach dem Grenzkostenprinzip aufgebaute Standardkostenrechnung ein, über die er im Jahre 1937 einen Erfahrungsbericht abgab. Vgl. hierzu Weber [Direct Costing 1960], S.479, Biergans [Direct Costing 1968], S.35, und Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.79.

Vgl. Hahn [Direct Costing 1964], S.222, Holzer [Direct Costing 1970], Sp.413, Mellerowicz [Kalkulationsverfahren 1977], S.87, Matz/Usry [Cost Accounting 1984], S.551, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.121, und Ehrmann [Kostenrechnung 1997], S.234.

Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme_______________________________________ 101

verbleiben hingegen stets auf den Kostenstellen und werden erst am Ende des

Abrechnungszeitraumes „en bloc“ in die Betriebserfolgsrechnung übernommen.465

Dieses Merkmal alleine kann das Direct Costing aber nicht hinreichend kenn­ zeichnen. Aus diesem Grund weist Weber wiederholt und nachdrücklich darauf hin, daß das Direct Costing in gleicher Weise von der als mehrstufige Margenrechnung

konzipierten Gewinn- und Verlustrechnung, die auf diesem Prinzip aufbaut, bestimmt • 466 sei. Als dritten und für ihn wesentlichen Punkt stellt Weber den Zusammenhang

zwischen der Methodik des Direct Costing und dem Prinzip des Monismus467 heraus.468 Nur bei intensiver Verflechtung von Finanzbuchhaltung und betrieblichem

Rechnungswesen sei es möglich, daß „ein ununterbrochener Wertefluß hergestellt

und damit eine wesentliche Voraussetzung zur Entwicklung einer integrierten retro­ graden Ergebnisrechnung erfüllt wird“469. 3.2.1.2 Voraussetzungen und Funktionsweise des Direct Costing

Um das Direct Costing erfolgreich umsetzen zu können, müssen einige Grund­ voraussetzungen erfüllt sein.470 So muß gewährleistet sein, daß die Beschäftigung bzw. die Ausbringungsmenge die einzige relevante Einflußgröße darstellt.

Vgl. Heine [Direct Costing 1959], S.520, Weber [Direct Costing 1960], S.479, Knoth [Direct Costing 1974], Sp.1176, Matz [Deckungsbeitrage 1975], S.148, Maurer [Probleme 1978], S.42, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.121, und Albrecht/Schradin [Steuerung 1992], S.575. Vgl. hierzu ausführlich Weber [Direct Costing 1970], S.5. Unter dem Begriff „Monismus“ soll in diesem Zusammenhang die Integration von Finanz­ buchhaltung und Betriebsrechnung verstanden werden. Vgl. hierzu ausführlich Weber [Vereinigte Staaten 1970], Sp.1767f., Dorn [Kostenrechnung 1981], Sp.633. Dieses Prinzip wird auch im betriebswirtschaftlichen Schrifttum der Türkei kontrovers diskutiert. Vgl. hierzu Kaval [Maliyetleme Yöntemleri 1986], S.12, Peker [Yönetim Muhasebesi 1988], S.10f., Yazici [Muhasebe Tümlemleri 1990], S.15f., und Kücüksavas [Genei Muhasebe 1997], S.3.

Vgl. Weber [Direct Costing 1970], S.5.

Weber [Direct Costing 1970], S.15. Vgl. hierzu ausführlich Riebel [Teilkostenrechnung 1981], Sp.1550, Heinen/Dietel [Kostenrechnung 1991], S.1243f., Riebel [Deckungsbeitragsrechnung 1993], Sp.365, und Braunschweig [Kostenrechnung 1999], S.97.

Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme

102

Eine weitere Forderung besteht darin, daß sich sämtliche Kosten - bezogen auf ihre

Ausbringungsmenge - in ihre fixen und variablen Bestandteile spalten lassen.471 Ferner wird vorausgesetzt, daß die variablen Kosten je Einheit konstant sind und sich den einzelnen Kostenträgern eindeutig zurechnen lassen. Mit dieser Annahme

unterstellt man gleichzeitig einen proportional-linearen Kostenverlauf, denn nur unter

dieser

Bedingung

stimmen

die

variablen

Stückkosten,

die

proportionalen

Stückkosten und die Grenzkosten überein und nur für diesen Fall ist die Zurechenbarkeit der variablen Kosten nach dem Verursachungsprinzip gegeben.472

Hinsichtlich der Erlöse wird angenommen, daß diese ebenfalls konstant sind und den einzelnen Leistungseinheiten eindeutig zurechenbar seien.473 Schließlich wird

noch davon ausgegangen, daß die fixen Kosten konstant sind und sich den einzelnen Perioden eindeutig zuordnen lassen. Als Fortschritt gegenüber der Vollkostenrechnung werden beim Direct Costing die

Kosten in ihre fixen und variablen Kostenbestandteile aufgespalten, um die beiden Kostengattungen getrennt voneinander verrechnen zu können.474 Diese Vorgehens­ weise wird damit begründet, daß zwischen den fixen Kosten und der Produktions­

menge kein direkter Kausalzusammenhang besteht. Dies bedeutet gleichzeitig, daß eine verursachungsgerechte Verteilung der fixen Kosten auf die Kostenträger nicht möglich ist.475 Anstatt die zeitabhängigen Kosten auf die einzelnen Erzeugnisse umzulegen, stellt man sie „en bloc“ den Erlösen gegenüber.476

Vgl. Hahn [Direct Costing 1964], S.222, Mellerowicz [Kostenrechnung II 1980], S.163f., Riebel [Teilkostenrechnung 1981], Sp.1550, Weber [Controlling 1995], S.182, Männel [Kostenrechnung 1996], S.54, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.247. 472

Vgl. Weber [Direct Costing 1960], S.484, Unterguggenberger [Deckungsbeitragsrechnung 1974], S.84, und Riebel [Deckungsbeitragsrechnung 1994], S.362.

473

Mit dieser Prämisse unterstellt man gleichzeitig proportional-lineare Erlösverläufe, d.h., daß die Preise von Veränderungen der Absatzmenge unabhängig sind.

474

Vgl. Heine [Direct Costing 1959], S.516, Biergans [Direct Costing 1968], S.44, und Hummel/ Männel [Kostenrechnung II 1983], S.40.

475

Vgl. Unterguggenberger [Deckungsbeitragsrechnung 1974], S.84.

476

Vgl. Biergans [Direct Costing 1968], S.44, Hummel/Männel [Kostenrechnung II 1983], S.44, Weber [Controlling 1995], S.182, und Eisele [Rechnungswesen 1999], S.734.

Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme

im

Sämtliche fixe Kosten werden direkt von der Kostenstellenrechnung auf ein Fix­

kostensammelkonto und von dort als gesonderter Posten auf das Betriebsergebnis­ konto übernommen.477 Hinsichtlich der Behandlung der variablen Kosten unterscheidet sich das Direct

Costing nicht von den traditionellen Kostenrechnungssystemen.

Da die fixen Kosten den Produkten nicht im herkömmlichen Sinne zugerechnet werden, läßt sich auch kein Nettoerfolg für das einzelne Produkt aus der Differenz

zwischen dem Erlös je Einheit und den vollen Stückkosten ermitteln.478 Ein Nettoerfolg ergibt sich vielmehr nur für die Gesamtheit der in der Periode

produzierten und abgesetzten Erzeugnisse, indem von der Summe der Erlöse die variablen Kosten und der Fixkostenblock subtrahiert werden.479 Dieser Nettoerfolg,

der sich in der Betriebsergebnisrechnung ergibt, kann dem mittels der Vollkosten­ rechnung ermittelten Nettoerfolg entsprechen, muß aber nicht zwingend mit ihm

übereinstimmen.480 Dies ist darauf zurückzuführen, daß Bestandsveränderungen der Halb- und Fertigfabrikate beim Direct Costing keine fixen Kosten enthalten.481

Für das einzelne Erzeugnis kann man beim Direct Costing nur den Bruttoerfolg als Differenz zwischen dem Preis des einzelnen Produktes und seinen variablen Kosten

errechnen.482 Aufgrund der Tatsache, daß der Bruttoerfolg zur Deckung der fixen

Kosten bzw. zur Gewinnerzielung beiträgt, verwendet man auch den Begriff „Deckungsbeitrag“.483 Setzt man diesen Deckungsbeitrag in Beziehung zu den

Vgl. Kilger [Erfolgsanalyse I960], S.310.

Vgl. Biergans [Direct Costing 1968], S.44.

Vgl. Weber [Direct Costing 1960], S.479, Holzer [Direct Costing 1970], Sp.413, Matz [Deckungsbeiträge 1975], S.150, Mellerowicz [Kalkulationsverfahren 1977], S.87, und Wolfstetter [Kostenrechnung 1997], S.136.

Vgl. Heine [Direct Costing 1959], S.516, Hahn [Direct Costing 1964], S.223, und Wolfstetter [Kostenrechnung 1997], S.136. Vgl. Hahn [Direct Costing 1964], S.223, und Matz [Deckungsbeiträge 1975], S.154. Vgl. RKW [Direct Costing 1969], S.59, und Berth [Deckungsbeiträge 1984], S.30. Vgl. Hahn [Direct Costing 1964], S.223, und Holzer [Direct Costing 1970], Sp.413.

104

Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme

Erlösen, erhält man den Deckungsbeitragssatz, der auch als „Bruttoerfolgssatz“ oder

Bruttoerfolgsspanne bezeichnet wird.

Das Direct Costing kann in Form einer Budgetrechnung oder als Plankosten­ rechnung durchgeführt werden.434 Wird das Direct Costing in Form einer Plankosten­ rechnung durchgeführt, so erhält man ein Kostenrechnungssystem, das der von Plaut konzipierten Grenzplankostenrechnung entspricht.485

3.2.1.3 Kritische Beurteilung des Direct Costing Der Begriff „Direct Costing“ wird von einigen Autoren als irreführend bezeichnet, da

er vermuten lasse, daß nur die direkt zurechenbaren Kosten, also die Einzelkosten,

auf die betrieblichen Produkte verrechnet würden.486 Tatsächlich werden aber stets

auch die variablen Gemeinkosten, insgesamt also sämtliche Kosten, die mit der

Beschäftigung des Betriebes variieren, berücksichtigt.487 Unabhängig von der unpräzisen Begriffswahl weist das Direct Costing den großen Vorteil auf, daß Fehler, wie sie sich bei der Vollkostenrechnung aufgrund der

Zurechnung der fixen Kosten auf die Kostenträger ergeben, grundsätzlich nicht auftreten, da es beim Direct Costing keine Zurechnung der fixen Kosten auf die

Kostenträger gibt.488 Da die Kosten in einen fixen und einen variablen Kostenbestandteil gespalten werden, ist das Direct Costing im Gegensatz zu Vollkostenrechnungssystemen geeignet, diejenigen Informationen zu liefern, die es ermöglichen, unternehmerische

Vgl. Hahn [Direct Costing 1964], S.223. Vgl. hierzu ausführlich Hahn [Direct Costing 1964], S.223, und Biergans [Direct Costing 1968], S.41. Vgl. Heine [Direct Costing 1959], S.516, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.121, und Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.71. Vgl. Holzer [Direct Costing 1970], Sp.413, Mellerowicz [Kalkulationsverfahren 1977], S.87, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.121, und Witt [Deckungsbeitragsmanagement 1991], S.46.

Vgl. Mellerowicz [Kalkulationsverfahren 1977], S.115, Witt [Deckungsbeitragsmanagement 1991], S.40, und Braunschweig [Kostenrechnung 1999], S.97.

Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme__________________________________

105

Fehlentscheidungen erheblich zu reduzieren.489 Gleichzeitig weist das Direct Costing Vorteile bei der Erfüllung der Darstellungs- und Dokumentationsfunktion der Kosten­

rechnung auf.490 Dies darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß bei dem Direct Costing häufig

keine sachgerechte Kostenspaltung zugrunde gelegt werden kann, da teilweise auch solche Kosten als variabel behandelt werden, die, zumindest auf einen kürzeren

Zeitraum bezogen, als beschäftigungsunabhängig anzusehen sind.491 Als ein Beispiel können hier die Fertigungszeitlöhne angeführt werden. Diese müssen zwar

als variable Kosten eingestuft, tatsächlich aber zu den Fixkosten gezählt werden, da

die Einstellung von Arbeitskräften in der Regel mit langfristigen vertraglichen Bindungen einhergeht und der vorzeitigen Personalfreisetzung durch die gesetz­ lichen Kündigungsfristen der Weg versperrt ist.492 Es ist ferner zu berücksichtigen,

daß sowohl Probleme bei der Messung der Beschäftigung als auch die Wirkungen anderer, nicht berücksichtigter Kosteneinflußfaktoren die Aufspaltung der Kosten in

fixe und proportionale Kostenbestandteile häufig erheblich erschweren.493 Ein weiterer Kritikpunkt ist darin zu sehen, daß das Direct Costing zur Messung der

Kosteneinflußgröße Beschäftigung lediglich auf die Bezugsgröße Ausbringung abstellt. Weitere als zweckmäßig einzustufende Bezugsgrößen, wie z.B. Rüstzeiten

oder Maschinenstunden, bleiben hingegen unberücksichtigt.

Hinsichtlich der Erfüllung der Planungs- und Vorgabefunktion - und damit inbegriffen

der Kontrollfunktion einer entscheidungsorientierten Kostenrechnung - muß kritisch hervorgehoben werden, daß das System des Direct Costing, wie die alleinige Beschäftigungsorientierung zeigt, im wesentlichen auf die Kostenträgerrechnung

abstellt. Die mangelnde Berücksichtigung anderer Kosteneinflußgrößen läßt das

Vgl. Henzel [Vollkostenrechnung 1967], S.485, Mellerowicz [Kalkulationsverfahren 1977], S.121, Hummel/Männel [Kostenrechnung II 1983] , S.39, Franzen [Teilkosteninformationen 1987], S.149, und Reichmann [Controlling 1997], S.123.

Vgl. Hummel/Männel [Kostenrechnung II 1983], S.39, Reichmann [Controlling 1997], S.123, und Eisele [Rechnungswesen 1999], S.734. Vgl. Reichmann [Controlling 1997], S.123. Vgl. Reichmann [Controlling 1997], S.123. Vgl. Kruse [Direct Costing 1967], S.43, und Müller [Deckungsbeitragsrechnung 1982], S.2477f.

106

Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme

Direct Costing daher für die Erfüllung der Planungsfunktion und damit der Vorgabe-

und Kontrollfunktion als ungeeignet erscheinen. Die Tatsache, daß sich das System des Direct Costing zu sehr an der Beschäf­

tigungsunabhängigkeit der Kosten orientiert und weniger auf deren Zurechenbarkeit abstellt, führt dazu, daß auch im Direct Costing eine Schlüsselung von variablen

Gemeinkosten grundsätzlich nicht vermieden wird. Insgesamt ist jedoch festzustellen, daß erst die getrennte Verrechnung von variablen und fixen Kostenbestandteilen im Direct Costing die Grundlage sachdienlicher Anregungsinformationen für Entscheidungen, wie etwa im Rahmen von „make-orbuy“-Entscheidungen494, liefert. Vor diesem Hintergrund wird das Direct Costing im

Rahmen der Darstellungs- und Dokumentationsaufgabe einer entscheidungsorien­ tierten Kostenrechnung weitaus mehr gerecht als ein auf Vollkosten basierendes Kostenrechnungssystem.495 3.2.2 Grenzplankostenrechnung

3.2.2.1 Grundlagen der Grenzplankostenrechnung

Bereits die ersten Jahre der Nachkriegszeit sind dadurch gekennzeichnet, daß im

betriebswirtschaftlichen Schrifttum und in der unternehmerischen Praxis die Nach­ teile einer auf Vollkosten basierenden Plankostenrechnung immer deutlicher hervor­

treten.496 Kritisiert wurde insbesondere die rechnerische Proportionalisierung der

fixen Kosten. Auf sie werden zahlreiche Fehlentscheidungen beim Aufbau der kurz­

fristigen Planung, insbesondere im Rahmen der Produktions- und Absatzplanung zurückgeführt.497

Vor diesem Hintergrund wurde in den fünfziger Jahren eine Form der flexiblen Plankostenrechnung entwickelt, bei der den betrieblichen Erzeugnissen in den Kalkulationen und in der kurzfristigen Erfolgsrechnung ausschließlich die von ihnen

Vgl. Hahn [Direct Costing 1965], S.11, und Hummel/Männel [Kostenrechnung II 1983], S.42. 495

Vgl. Riebel [Deckungsbeitragsrechnung 1970], Sp.398, und Reichmann [Controlling 1997], S.124.

496

Vgl. Plaut [Entwicklungsformen 1976], S.7. Eine Auseinandersetzung mit dem Vollkostenprinzip aus primär praktischer Sicht liefern Böhm/Wille [Deckungsbeitragsrechnung 1974], S. 19ff.

4Q7

Vgl. Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.73.

Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme____________________________________

107

verursachten proportionalen Selbstkosten zugerechnet werden. Für dieses Kosten­

rechnungssystem hat sich in Deutschland die von Plaut geprägte Bezeichnung „Grenzplankostenrechnung“498 durchgesetzt.499 Plaut, der in

Deutschland

als

Begründer der Grenzplankostenrechnung gilt, hat im Jahre 1950 damit begonnen, erste Entwürfe einer Grenzplankostenrechnung zu entwickeln und in die Praxis um­

zusetzen.500 Die Grenzplankostenrechnung ist ein Kostenrechnungssystem, das auf einer strikten Trennung von fixen und proportionalen Kosten basiert. Wesentliches

Kennzeichen der Grenzplankostenrechnung ist, daß lediglich die proportionalen

Kosten auf die Kostenträger verrechnet werden.501 Primäre Zielsetzung der Weiter­ entwicklung der flexiblen Plankostenrechnung zu der Grenzplankostenrechnung war es, die Unzulänglichkeiten der flexiblen Plankostenrechnung auf Vollkostenbasis bei

der Wahrnehmung dispositiver Managementaufgaben und der Ermittlung der Preis­

untergrenzen sowie bei der Erfolgsanalyse zu eliminieren.502 Die Grundgedanken,

die sich hinter diesem Konzept verbergen, finden ihren Ursprung allerdings in der

An dieser Stelle sei noch angemerkt, daß Plaut in früheren Veröffentlichungen auch den Begriff „Grenzkosten-Planrechnung“ verwendet hat, bevor er sich dann schließlich auf die Bezeichnung „Grenzplankostenrechnung“ festlegte. Vgl. hierzu Plaut [Grenzkosten-Planrechnung 1953], S.402. Vgl. aber auch Zoll [Grenz-Plankostenrechnung 1954], S.401, Kilger [Grenzplankostenrechnung 1978], S.156. Grundsätzlich kann die Bezeichnung „Grenzplan­ kostenrechnung“ nur verwendet werden, wenn für alle Kostenstellen ein linearer Gesamt­ kostenverlauf unterstellt werden kann, denn nur unter dieser Voraussetzung stimmen die Grenz­ kosten mit den variablen Stückkosten überein. Vgl. hierzu ausfühlich Kilger [Erfolgsanalyse 1960], S.309, und Kilger [Deckungsbeitragsrechnung 1989], Sp.599.

Vgl. Plaut [Plankostenrechnung 1952], S.400, Plaut [Grenzplankostenrechnung 1955], S.25, Kilger [Grenzplankostenrechnung 1962], S.69, Kilger [Grenzplankostenrechnung 1983], S.58, Küting/Lorson [Grenzplankostenrechnung 1991], S.1421, Fischer [Kostenmanagement 1993], S.229, Männel [Kostenrechnung 1996], S.47, und Huch et al. [Controlling 1997], S.53.

Im betriebswirtschaftlichen Schrifttum der Türkei werden die Begriffe Grenzplankostenrechnung und Deckungsbeitragsrechnung weitgehend synonym verwendet. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, daß in den meisten Veröffentlichungen zwar die Bedeutung der Grenzplan­ kostenrechnung betont wird, gleichzeitig jedoch auf die mit dem hohen Komplexitätsgrad einhergehenden Schwierigkeiten einer praktischen Umsetzung hingewiesen wird. Vgl. hierzu Koc [Standart Maliyetler 1974], S.141, Bursal [Maliyet Kontrolu 1976], S.7, Ercan [Maliyet Muhasebesi 1977], S.37, Eren [Planlama 1979], S.42, Cakici [Muhasebe Problemleri 1985], S.97, Hartaci [Denetleme 1985], S.76, Akdogan [Maliyet Muhasebesi 1990], S.369, Erdogan [Maliyet Muhasebesi 1991], S.178, Benligiray [Yönetim Muhasebesi 1994], S.82, und Kishali [Maliyet Muhasebesi 1999], S.98.

Vgl. Plaut [Plankostenrechnung 1952], S.400, Plaut [Grenz-Plankostenrechnung 1953], S.347, Plaut [Grenzplankostenrechnung 1958], S.262, Plaut [Unternehmenssteuerung 1961], S.467, und Battenfeld [Kostenmanagement 1997], S.89. Vgl. Kilger [Diskussion 1970], S.1797, und Hantke [Kostenrechnung II 1974], S.107.

Vgl. Kilger [Plankostenrechnung 1975], Sp.2988, und Fischer [Kostenrechnung 1998], S.43.

108

Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme

schon wesentlich älteren Kostenlehre von Schmalenbach503 und in der Blockkosten­

rechnung von Rummel504. Dennoch war es Plaut, der der Grenzplankostenrechnung zum Durchbruch verhalf,505 da weder Schmalenbach noch Rummel in ihren Konzep­ tionen berücksichtigt hatten, daß die der Grenzplankostenrechnung zugrunde­

liegende Kostenverrechnung eine kostenstellenweise Kostenplanung voraussetzt. Besonderen Wert legt Plaut in diesem Zusammenhang darauf, daß für die im Soll­

ist-Vergleich ausgewiesenen Kosten ein Festpreis- und Festlohnsystem etabliert wird. Zu diesem System werden alle Abweichungen von den Soll-Werten nicht im Monat des Entstehens zu Lasten des Ergebnisses ausgebucht, sondern als laufender Korrekturposten zur Bestandsrechnung mitgeführt.506 Hinsichtlich der Gestaltung des Soll-Istkostenvergleichs vertritt Plaut die Meinung, daß der dazu bestimmte Betriebsabrechnungsbogen „so einfach, klar und übersichtlich wie möglich zu gestalten (sei, d. Verf.), so daß ihn auch der letzte Kostenstellenvertreter [...] versteht und mit seinen Zahlen und Unterlagen selbständig umgehen kann“507.

Eben diese Eigenschaft spricht er dem von Michel und Neumayer, als dessen Mit­

arbeiter er tätig war, entwickelten „Plankosten-Stellenabweichungsbogen“ ab. Er

ersetzt ihn durch ein übersichtliches Verrechnungsblatt, auf dem die nach den

verschiedenen Kostenarten getrennten Istkosten, Sollkosten und Kostenstellen­ abweichungen ausgewiesen werden.508 Als essentielle Frage sieht Plaut weiterhin das Problem einer notwendigen und

hinreichenden Tiefe der Differenzierung der Kostenstellen in einem Unternehmen und die Wahl der richtigen Bezugsgrößen an.509 Hinsichtlich des Verfahrens der Kostenplanung plädiert Plaut für eine analytische Kostenplanung, wobei er

Vgl. Schmalenbach [Buchführung 1928], S.9, und Kilger [Kostenlehre 1973], S.538.

504

Vgl. Rummel [Kostenrechnung 1967], S.209ff.

505

Vgl. Kilger [Grenzplankostenrechnung 1978], S.157, und Riebel [Deckungsbeitragsrechnung

506

Vgl. Plaut [Entwicklungsformen 1976], S.7.

507

Plaut [Entwicklungsformen 1976], S.7.

508

Vgl. Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.87.

509

Vgl. Plaut [Entwicklungsformen 1976], S. 11.

1974], Sp.1138.

Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme

109

besonderen Wert auf eine sorgfältige Auflösung der Kosten in fixe und proportionale Bestandteile legt, da sich, wie er feststellt, „der weitaus überwiegende Teil aller

Kostenarten [...] jeweils aus einem fixen und einem proportionalen Bestandteil zusammen(setzt, d. Verf.), die von Stelle zu Stelle und von Kostenart zu Kostenart

unterschiedlich sind.“510 3.2.2.2 Funktionsweise der Grenzplankostenrechnung Die Kostenplanung im Rahmen der Grenzplankostenrechnung stimmt weitgehend

mit der Kostenplanung der flexiblen Plankostenrechnung auf Vollkostenbasis überein.511 Im Gegensatz zu der flexiblen Plankostenrechnung auf Vollkostenbasis, bei der die Trennung in fixe und proportionale Plankosten lediglich zum Zwecke der

Kostenkontrolle erfolgt, wird bei der Grenzplankostenrechnung diese Trennung auch im Rahmen der innerbetrieblichen Leistungsverrechnung, der Kostenträgerstück­

rechnung sowie der kurzfristigen Erfolgsrechnung beibehalten.512 Bei der Bildung der

Plankostenverrechnungssätze werden also lediglich noch die proportionalen Plan­

kosten513 berücksichtigt.514 Die fixen Kosten werden hingegen direkt in das Betriebs­ ergebnis übernommen.515 Daraus, daß bei der Bildung der Plankostenver­ rechnungssätze nur die proportionalen Plankosten verrechnet werden, resultiert

aber, daß die in der Grenzplankostenrechnung verrechneten Plankosten, die in die

Plaut [Entwicklungsformen 1976], S.21.

511

Vgl. Kilger [Kostenrechnung 1987], S.67, Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.59, und Huch et

al. [Controlling 1997], S.54. £40

513

Vgl. Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.114, Fischer [Kostenmanagement 1993], S.229, und Ebert [Kostenrechnung 1997], S.215. Diese proportionalen Selbstkosten werden bei der Grenzplankostenrechnung im Rahmen der kurzfristigen Erfolgsrechnung den Verkaufserlösen gegenübergestellt. Die aus den Erlösen und den proportionalen Selbstkosten resultierende Differenz wird als Deckungsbeitrag bezeichnet. Aus diesem Grund wird auch häufig anstelle der Bezeichnung „Grenzplankostenrechnung" die Bezeichnung „Deckungsbeitragsrechnung “ verwendet. Vgl. hierzu Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.58, und Männel [Kostenrechnung 1996], S.50f.

514

Vgl. Kilger [Kostenrechnung 1987], S.67, Adam [Grenzkostenrechnung 1993], Sp.824, Kilger

515

Vgl. Kilger [Grenzplankostenrechnung 1962], S.69, Dörrie/Kicherer [Deckungsbeitragsrechnung 1973], S.102, Scholl [Plankostenrechnung 1981], S.85, Haberstock [Kostenrechnung II 1986], S.30, Franz [Kostenrechnung 1993], S.267, und Männel [Kostenrechnung 1996], S.48.

[Plankostenrechnung 1993], S.59, und Ebert [Kostenrechnung 1997], S.216.

Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme

110

Kostenträgerstückrechnung eingehen, mit den Sollkosten übereinstimmen.516 Dies hat wiederum zur Konsequenz, daß Beschäftigungsabweichungen im Sinne von

„zuviel“ oder „zuwenig“ auf die Kostenträger verrechneten Plankosten in der

Grenzplankostenrechnung nicht existent sind.517 Die Durchführung des Soll-Ist-Kostenvergleichs erfolgt in der Grenzplankosten­ rechnung

analog zu der flexiblen

Plankostenrechnung

auf Vollkostenbasis.

Allerdings stimmen die im Rahmen der Grenzplankostenrechnung ermittelten Verbrauchsabweichungen nicht mit den im Rahmen der flexiblen Plankosten­

rechnung auf Vollkostenbasis ermittelten Verbrauchsabweichungen überein.518 Ursächlich dafür ist, daß die innerbetrieblichen Leistungen in der flexiblen Plan­

kostenrechnung auf Vollkostenbasis mit Vollkosten bewertet werden, während bei der Grenzplankostenrechnung Grenzkostensätze zugrunde gelegt werden.519

3.2.2.3 Kritische Beurteilung der Grenzplankostenrechnung Ein wesentlicher Vorteil der Grenzplankostenrechnung gegenüber der flexiblen Plankostenrechnung auf Vollkostenbasis liegt in der verbesserten Wahrnehmung

dispositiver Aufgaben.520 Die im Rahmen der Grenzplankostenrechnung ermittelten Kostendaten, wie z.B. die

Plankostenverrechnungssätze und die Deckungsbeiträge, sind für Zwecke der kurz­

fristigen Produktions- und Absatzplanung besser geeignet als die auf einer Voll­ kostenrechnung basierenden Kostendaten. Hinsichtlich der Ermittlung der Preis­ untergrenzen ist beispielsweise die Kenntnis proportionaler Selbstkosten uner­

Vgl. Kilger [Kostenrechnung 1987], S.68, und Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.59.

517

Vgl. Haberstock [Kostenrechnung II 1986], S.31.

518

Vgl. Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.59.

519

Vgl. Peter [Grenzplankostenrechnung 1969], S.1952, Kilger [Grenzplankostenrechnung 1976], S.689f., Männel [Grenzplankostenrechnung 1992], S.339, und Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.61.

520

Vgl. Plaut [Unternehmenssteuerung 1961], S.481, Woitschach [Deckungsbeitragsrechnung 1963], S.1ff., Freidank [Entscheidungsaufgaben 1979], S.252f., Männel [Deckungsbeitragsrechnung 1981], S.593ff., Ulrich [Deckungsbeitragsrechnung 1981], S.197, Hummel/Männel [Kostenrechnung II 1983], S.141, Bungenstock [Kostenrechnungssysteme 1995], S.150, Mussnig [Kostenrechnung 1996], S.40, und Huch et al. [Controlling 1997], S.56.

Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme

läßlich.521

Auch

bei

der

Gewinnplanung

111

und

der

Erfolgsanalyse

ist

die

Grenzplankostenrechnung vorteilhafter, da sie die Interdependenzen zwischen der Beschäftigung, den Kosten und dem Periodenerfolg transparenter macht, als dies in

einem auf dem Vollkostenprinzip beruhenden Kostenrechnungssystem der Fall ist.522 Daraus resultiert eine Verbesserung und Vereinfachung der Planung und der

Analyse des Periodenerfolgs.523 Neben der verbesserten Unterstützung bei der Bestimmung von Preisuntergrenzen

sind weitere Vorteile der Grenzplankostenrechnung in der Eliminierung von Verlust­

artikeln und der Steuerung des Verkaufsprogramms zu erblicken.524 Aber nicht nur

die zu treffenden Verkaufsentscheidungen im Absatzbereich, sondern auch die Verfahrenswahlentscheidungen im Produktionsbereich werden durch die Grenzplan­

kostenrechnung erleichtert, da für letztere auf die von der Grenzplankostenrechnung bereitgestellten Kostensätze der Fertigungsstellen zurückgegriffen werden kann.525 Stellvertretend für eine Vielzahl von Verfahrenswahlentscheidungen, bei der die

Grenzplankostenrechnung Hilfestellung leistet, sollen an dieser Stelle insbesondere

die

Wahl

zwischen

mehreren

Fertigungsstellen

und

die

„make-or-buy“-

Entscheidungen genannt werden.

Bei der Erfüllung von Dokumentationsaufgaben ist die Grenzplankostenrechnung

ähnlich hilfreich wie die flexible Plankostenrechnung auf Vollkostenbasis. Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß die Grenzplankostenrechnung die

Kontroll-, die Dispositions- und die Dokumentationsaufgaben in zufriedenstellender Weise wahrnimmt.

Vgl. Plaut [Grenzplankostenrechnung 1973], S.40. Vgl. Kilger [Kostenrechnung 1987], S.67, und Kilger [Rechnungswesen 1988], S.967. Vgl. Kilger [Rechnungswesen 1988], S.967. Vgl. Männel [Preiskalkulation 1978], S.11, Plaut [Deckungsbeitragsrechnung 1984], S.22, Eggert [Grenzplankostenrechnung 1986], S.221f., Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.62, und Kloock [Grenzkostenrechnung 1998], S.313.

Vgl. Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.62, und Männel [Kostenrechnung 1996], S.47.

Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme

112

3.2.3 Dynamische Grenzplankostenrechnung

3.2.3.1 Grundlagen der dynamischen Grenzplankostenrechnung

Die Frage, ob und inwieweit die durch die herkömmliche Grenzplankostenrechnung

ermittelten Plankostendaten entscheidungsrelevante Kosten für die kurzfristige Planung darstellen, liefert den Anstoß für die Weiterentwicklung der Grenzplan­ kostenrechnung zur dynamischen Grenzplankostenrechnung.526 Nur ein Kosten­ rechnungssystem, das diese Voraussetzung erfüllt, genügt den Ansprüchen, die an

ein entscheidungsorientiertes Kostenrechnungssystem gestellt werden müssen. Kilger untersucht, ob sich die mit Hilfe jahresbezogener Plankalkulationen ermittelten Grenzkosten als entscheidungsrelevante Kosten eignen. Hierzu analysiert er die

Prämissen, auf denen die jahresbezogenen Plankalkulationen der Grenzplankosten­ rechnung beruhen.527 Diese Untersuchung führt zu der Erkenntnis, daß die jahres­ bezogenen Plankalkulationen im wesentlichen auf drei grundlegenden Prämissen aufbauen. Erstens ist festzustellen, daß die geplanten Verbrauchsmengen und

Arbeitszeiten mit geplanten Faktorpreisen bewertet werden, wobei diese Faktor­ preise planmäßig erwartete Jahresdurchschnittswerte darstellen.528 Ferner hat Kilger ermittelt, daß bei der Aufteilung in fixe und proportionale Kosten im Rahmen der

Kostenplanung jeweils ein bestimmter Fristigkeitsgrad529 zugrunde gelegt wird.530 Die

Vgl. hierzu Kilger [Grenzplankostenrechnung 1976], S.18, Scholl [Grenzplankostenrechnung 1980], S.183, Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.109, Bungenstock [Kostenrechnungssysteme 1995], S.178, und Freidank [Kostenrechnung 1997], S.277. Trotz intensiver Literaturrecherche finden sich zur dynamischen Grenzplankostrechnung im türkischen Schrifttum keine Beiträge. Aus diesem Grund haben wir uns für eine ausführliche Darstellung der dynamischen Grenzplankostenrechnung entschieden.

Vgl. Kilger [Grenzplankostenrechnung 1976], S.18, und Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.109.

Vgl. Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.110. Der Fristigkeitsgrad der Kostenplanung kann als Entscheidungsfeld definiert werden, „das den Kostenstellen in bezug auf die Anpassung personeller und sonstiger Potentialfaktoren an Beschäftigungsschwankungen als Soll vorgegeben wird.“ Dabei werden sowohl der Anpassungs­ zeitraum als auch die realisierbaren Anpassungsmaßnahmen durch das Entscheidungsfeld festgelegt. Den fixen oder den proportionalen Kosten ist in Abhängigkeit von der Länge des Anpassungszeitraums ein größerer oder geringerer Teil der Kosten zuzuordnen. Wurde ein langer Zeitraum festgelegt, so liegen geringe fixe Kosten, aber hohe proportionale Kosten vor. Hat man hingegen einen kurzen Anpassungszeitraum festgelegt, so entstehen hohe fixe Kosten, aber geringe proportionale Kosten. Vgl. hierzu ausführlich Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.110.

Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme

113

dritte Prämisse besteht in der Erkenntnis, daß beim Aufbau der jahresbezogenen Plankalkulationen häufig Vorab-Entscheidungen im Rahmen der Produktionsvollzugspianung erforderlich sind. Derartige Entscheidungen fallen aber nur dann an,

wenn die Produktionsvollzugsplanung Alternativen zuläßt.531 Hierzu können bei­

spielsweise die Wahl der Seriengröße oder die Wahl des Fertigungsverfahrens ge­ zählt werden.532 Bei den Vorab-Entscheidungen der Produktionsvollzugsplanung wird in der Praxis überwiegend den jeweils kostengünstigsten Alternativen der Vor­

zug gegeben.533 Erscheint die Durchführung der kostengünstigsten Alternative aller­

dings als nicht sinnvoll, so ist eine der anderen Alternativen des Produktionsvollzugs oder die Kalkulation einer Mischrelation zu wählen.534

3.2.3.2 Entscheidungsrelevanz der Grenzkosten Die von Kilger hinsichtlichlich der Frage, ob sich die im Rahmen jahresbezogener Plankalkulationen ermittelten Grenzkosten für Zwecke der kurzfristigen Produktions-

und Absatzplanung eignen, vorgenommenen Untersuchungen ergaben, daß die auf diesem Wege ermittelten Kostendaten häufig keine entscheidungsrelevanten Kosten darstellen. Es wird ferner deutlich, daß jahresbezogene Kostendaten zur Erlangung

einer höheren Entscheidungsrelevanz an niedrigere Fristigkeitsgrade sowie an geänderte Faktorpreis- und Mengendaten angepaßt werden müssen.

Bei

der

Kostenplanung

muß

den

für kurzfristigere

Entscheidungsprobleme

herangezogenen Kostendaten ein Fristigkeitsgrad zugrunde gelegt werden, der der Fristigkeit der jeweiligen Entscheidung entspricht.535 Um dieser Forderung gerecht zu

Vgl. Kilger [Grenzplankostenrechnung 1976], S.19, Kilger [Grenzplankostenrechnung 1983], S.65, und Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.110.

Vgl. Kilger [Grenzplankostenrechnung 1976], S.19, und Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.606. Vgl. Kilger [Grenzplankostenrechnung 1976], S.19, und Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.110f. Vgl. Kilger [Kostenrechnung 1987], S.298, und Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.607.

Vgl. Kilger [Grenzplankostenrechnung 1976], S.19, und Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.110. Vgl. Kilger [Kostenrechnung 1987], S.297, und Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.112.

114

Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme

werden, schlägt Kilger die Anwendung einer nach mehreren Fristigkeitsgraden differenzierten Kostenplanung536 vor.537 Für jeden einzelnen Fristigkeitsgrad ergeben sich dann eigene Grenzkostensätze.538 Kilger vertritt dabei die Auffassung, daß in der Praxis die Differenzierung in drei

Fristigkeitsgrade ausreichend sei.539 Für die Bewältigung praktischer Probleme erweist es sich als sinnvoll, für den ersten

Fristigkeitsgrad einen Anpassungszeitraum von einem Jahr, für den zweiten Fristig­ keitsgrad einen Anpassungszeitraum von zwei bis drei Monaten und für den dritten

Fristigkeitsgrad einen Anpassungszeitraum von einem Monat zu wählen. Daneben besteht grundsätzlich auch die Möglichkeit, eine andere Einteilung der Anpassungs­ zeiträume zu wählen. Dabei ist allerdings zu beachten, daß mit der Verringerung der

Fristigkeitsgrade der Anteil der proportionalen Kosten abnimmt.540 Daraus kann wiederum gefolgert werden, daß die Höhe der Grenzkostensätze ebenfalls sinkt.541

Die Anzahl möglicher Varianten des Produktionsvollzugs ist in der Praxis aber häufig derart groß, daß mit Hilfe von mathematischen Entscheidungsmodellen simultan

über den optimalen Produktionsvollzug und Materialeinsatz sowie über die optimale Zusammensetzung des Produktions- und Absatzprogramms entschieden werden muß.542 Kilger unterscheidet hier das Verfahren der Alternativkalkulationen und das

Die Forderung einer nach mehreren Fristigkeitsgraden differenzierten Kostenplanung findet ihren Ursprung in der „stufenweisen Grenzkostenrechnung“ von Seicht, die bereits zu Beginn der 60er Jahre entwickelt wurde. Seicht schlägt in diesem Konzept vor, eine Dreiteilung der fixen Kosten in kurz-, mittel- und langfristig abbaubare Kosten vorzunehmen. Vgl. hierzu ausführlich Seicht [Grenzkostenrechnung 1963], S.706. Vgl. aber auch Seicht [Grenzkostenrechnung 1981], S.180, und Seicht [Deckungsbeitragsrechnung 1982], S.62. 537

Vgl. Kilger [Kostenrechnung 1987], S.297, und Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.112.

538

Vgl. Kilger [Kostenrechnung 1987], S.297, und Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.112.

539

Vgl. Kilger [Grenzplankostenrechnung 1976], S.36, und Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.520.

540

Vgl. Kilger [Grenzplankostenrechnung 1976], S.37, und Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.523.

541

Vgl. Kilger [Grenzplankostenrechnung 1976], S.37, und Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.523.

542

Vgl. Kilger [Planungsmodell 1979], S.92.

Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme

115

Verfahren der Zerlegung der Grenzselbstkosten in relevante Kosten ersten und

zweiten Grades.543 Das Verfahren der Alternativkalkulation ist dadurch gekennzeichnet, daß pro

Erzeugniseinheit für jede Variante des Produktionsvollzugs besondere Plan­ kalkulationen erstellt werden. Die auf diese Weise ermittelten alternativen Grenz­

kosten finden dann in den Zielfunktionen der Entscheidungsmodelle ihre Berück­

sichtigung.544 Der wesentliche Nachteil dieses Verfahrens besteht darin, daß die Zahl der Alternativen des Produktionsvollzugs und damit verbunden die Zahl der zu

ermittelnden Plankalkulationen unüberschaubar werden kann.545 Kennzeichen des zweiten Verfahrens ist, daß man neben den Endprodukten auch den möglichen Alternativen der Produktionsvollzugsplanung in der Zielfunktion und den Restriktionen linearer Programme Variablen zuordnet.

Für dieses Verfahren ist es allerdings notwendig, daß eine Zerlegung der Grenz­ selbstkosten in entscheidungsrelevante Kosten ersten und zweiten Grades vorge• . 546 nommen wird.

Unter relevanten Kosten ersten Grades versteht man jene Bestandteile der Grenz­ selbstkosten, „die nicht von den Entscheidungen der Produktionsvollzugsplanung ab­

hängen.1,547 Hingegen sind die relevanten Kosten zweiten Grades jene Bestandteile der Grenzselbstkosten, „die zusätzlich von den Entscheidungen der Produktionsvoll­

zugsplanung abhängen.1,548 Die hierfür erforderlichen Produktions- und Kostendaten werden durch Eliminierung der relevanten Kosten zweiten Grades von den Grenz­

kosten ermittelt.549 Ferner erfordert dieses Verfahren, daß die relevanten Kosten

Vgl. Kilger [Planungsmodell 1979], S.92. Diese Unterscheidung geht ursprünglich auf Jacob zurück, der für diese Verfahren allerdings die Bezeichnungen „Lösungsansatz 1" und „Lösungsansatz 2“ wählte. Vgl. hierzu ausführlich Jacob [Produktionsplanung 1962], S.249.

Vgl. Kilger [Produktionsplanung 1973], S.180, und Kilger [Grenzplankostenrechnung 1976], S.24. Vgl. Kilger [Grenzplankostenrechnung 1976], S.25, und Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.168.

Vgl. Kilger [Planungsmodell 1979], S.92, und Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.108.

Kilger [Grenzplankostenrechnung 1976], S.25. Kilger [Grenzplankostenrechnung 1976], S.25. Vgl. Kilger [Grenzplankostenrechnung 1976], S.25.

Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme

116

zweiten Grades vor Aufstellung des Planungsmodells für jede Variante der Produktionsvollzugsplanung gesondert kalkuliert werden.550

Der Vorteil einer Zerlegung in relevante Kosten ersten und zweiten Grades liegt darin, daß die Zahl der Variablen gegenüber dem Verfahren der Alternativ­

kalkulationen erheblich abnimmt.551 Allerdings ist auch zu berücksichtigen, daß die

Zahl der Restriktionen bei diesem Verfahren stark ansteigt.552

3.2.3.3 Kritik an der dynamischen Grenzplankostenrechnung Kilger verfolgte mit der Weiterentwicklung der Grenzplankostenrechnung zur

dynamischen Grenzplankostenrechnung im wesentlichen das Ziel, durch eine Ver­ feinerung der herkömmlichen Grenzplankostenrechnung die Wahrnehmung kosten­

rechnerischer Aufgaben, insbesondere dispositiver Aufgaben, zu vervollkommnen.

Zwar gelingt dieses Vorhaben auch in weiten Teilen, jedoch erfüllt auch die

dynamische Grenzplankostenrechnung die Anforderungen an ein entscheidungs­ orientiertes Kostenrechnungssystem nicht ohne Einschränkungen.553 Dieser Umstand ist in erster Linie darauf zurückzuführen, daß eine derart differen­

zierte Kostenplanung, wie sie die dynamische Grenzplankostenrechnung erfordert, nur für eine sehr begrenzte Anzahl von unterschiedlichen Fristigkeitsgraden prakti­

kabel durchgeführt werden kann.554 Insbesondere ergeben sich Probleme bei der Zuordnung einzelner Entscheidungsprobleme zu bestimmten Fristigkeitsgraden.555

Vgl. Kilger [Produktionsplanung 1973], S.180, Kilger [Grenzplankostenrechnung 1976], S.26, und Kilger [Planungsmodell 1979], S.92. Vgl. Kilger [Produktionsplanung 1973], S.180, und Kilger [Grenzplankostenrechnung 1976], S.27.

Vgl. Kilger [Produktionsplanung 1973], S.180.

Kilger vertritt hingegen die Meinung, daß dieses Kostenrechnungssystem „den entscheidungs­ theoretischen Anforderungen an eine entscheidungsorientierte Kostenrechnung in nahezu ideal­ typischer Weise“ entspricht. Vgl. hierzu Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.113. Diese Beurteilung steht ferner in einem indirekten Widerspruch zu den vorherigen Beurteilungen Kilgers über die Eignung der Grenzplankostenrechnung hinsichtlich der Erfüllung dispositiver Aufgaben. Denn bereits dort schätzte er die Eignung der herkömmlichen Grenzplankostenrechnung bei der Wahrnehmung dispositiver Aufgabe als „hervorragend“ ein. Vgl. Kilger [Kostenrechnung 1976], S.68. Vgl. Kilger [Grenzplankostenrechnung 1976], S.39, Kilger [Probleme 1980], S.48, und Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.110.

Vgl. Brink [System 1978], S.576.

Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme

117

Somit ist auch dieses Kostenrechnungssystem nicht in der Lage, jedem Entschei­

dungsproblem die jeweils entscheidungsrelevanten Kosten zuzuordnen.

Dennoch

weist

die

dynamische

Grenzplankostenrechnung

gegenüber

der

herkömmlichen Grenzplankostenrechnung einige Vorteile auf. Ein wesentlicher Vor­ teil ist in der verbesserten Erfolgsermittlung und -analyse zu sehen. Weil die der

Erfolgsermittlung zugrunde liegende Plankalkulation an das aktuelle Preis- und Mengengerüst angepaßt werden muß, kommt es zu einer Verringerung der Kosten­ abweichungen und damit einhergehend auch zu einer Verminderung der mit der

Abweichungsrechnung verbundenen Ungenauigkeiten. Auch

die

Erfolgsanalyse

profitiert von der zunehmenden

Genauigkeit der

Erfolgsermittlung. Denn werden die Kostenabweichungen den aktualisierten Plan­

kalkulationen gegenübergestellt, so können aktuelle Einflüsse der Kostenseite auf

die Erfolgsentwicklung deutlicher aufgezeigt werden als dies bei einem Vergleich zwischen Kostenabweichungen und jahresbezogenen Plankalkulationen der Fall ist. Zusammenfassend ist festzuhalten, daß es für eine erfolgreiche Umsetzung der dynamischen Grenzplankostenrechnung, insbesondere im Hinblick auf die nach

unterschiedlichen Fristigkeitsgraden zu differenzierende Kostenplanung, noch der

Lösung vielfältiger theoretischer Probleme bedarf. 3.2.4 Stufenweise Fixkostendeckungsrechnung

3.2.4.1 Grundlagen der stufenweisen Fixkostendeckungsrechnung Die von Agthe und Mellerowicz entwickelte stufenweise Fixkostendeckungs­ rechnung, die auch als mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung bezeichnet wird,556

556

Vgl. hierzu ausführlich Agthe [Stufenweise Fixkostendeckung 1959], S.404ff., sowie Mellerowicz [Kalkulationsverfahren 1977], S.169ff. Vgl. aber auch Heitmann [Deckungsbeitragsrechnung 1980], S.179, Kilger [Plankostenrechnung 1980], S.41, Hummel /Mannel [Kostenrechnung II 1983], S.44, Lorson [Kostenmanagement 1993], S.92ff., Vikas [Kostenmanagement 1993], S.5, Männel [Kostenrechnung 1996], S.55f., Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.434ff., und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.247ff.

118

Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme

stellt eine Weiterführung der einstufigen Deckungsbeitragsrechnung dar.557 Durch

eine differenzierte Betrachtung der fixen Kosten wird versucht, die Aussagefähigkeit des Kostenrechnungssystems insbesondere in bezug auf die Elastizität der Unter­

nehmungen gegenüber Schwankungen am Markt zu erhöhen.558 Ausgangspunkt der Überlegungen von Agthe und Mellerowicz war die Feststellung,

daß die fixen Kosten einen unterschiedlich hohen Grad an Verbundenheit gegenüber den einzelnen Produkten aufweisen.559 Daher schlagen sowohl Agthe als auch

Mellerowicz die Aufstellung einer nach der Erzeugnisnähe klassifizierten Bezugs­ größenhierarchie560 vor,561 wobei die Bezugsobjekte der oberen Ebenen jeweils die

Bezugsobjekte einer darunter liegenden Ebene beinhalten.562 Hinsichtlich der Strukturierung der Bezugsgrößenhierarchie bestehen zwischen

Agthe und Mellerowicz geringfügige Unterschiede. Während die von Agthe

Vgl. Krauss [Teilkostenrechnung 1976], S.33f., Koeder/Schmorleiz [Fixkostendeckungsrechnung 1978], S.254, Mellerowicz [Kostenrechnung II 1980], S.174, Glaser [Deckungsbeitragsrechnung 1995], S.53, Mensch [Fixkostendeckungsrechnung 1996], S.31, Wöhe [Betriebswirtschaftslehre 1996], S.1317, Ehrmann [Kostenrechnung 1997], S.237, Plinke [Kostenrechnung 1997], S.237, und Horvath [Controlling 1998], S.461.

Im Gegensatz zu der einstufigen Deckungsbeitragsrechnung bzw. dem Direct Costing findet die stufenweise Fixkostendeckungsrechnung im türkischen Schrifttum nur geringe Beachtung. Als Begründung hierfür wird in den wenigen Beiträgen, die die stufenweise Fixkostendeckungs ­ rechnung zum Gegenstand haben, deren geringe Praxisrelevanz angeführt. Vgl. hierzu Bursal [Finansal Konular 1976], S.323, Sürmeli [Sistem Yaklasimi 1977], S.119, Elmaci [Safha Maliyet 1992], S.71, Kücüksavas [Genei Muhasebe 1997], S.21f., und Kishali [Maliyet Muhasebesi 1999], S.105. 558

Vgl. Küpper [Teilkostenrechnung 1983], S.72f., und Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.84.

559

Vgl. ausführlich Koeder/Schmorleiz [Fixkostendeckungsrechnung 1978], S.254.

560

Neben der von Agthe/Mellerowicz nach der Erzeugnisnähe klassifizierten Bezugsgrößen­ hierarchie werden in der Literatur noch weitere Modelle diskutiert. Grundsätzlich kann bei diesen Modellen zwischen grob und detailliert untergliederten Hierarchien unterschieden werden. Ein Beispiel für eine detailliert untergliederte Hierarchie ist die Einteilung der Fixkosten in spezielle Fixkosten, die den Erzeugnis- und den Erzeugnisgruppenfixkosten nach Agthe/Mellerowicz gleichzustellen sind, und den allgemeinen Fixkosten, die den Kostenstellen-, Bereichs- und Unternehmensfixkosten entsprechen. Eine detailliert untergliederte Hierarchie könnte z.B. die Fixkosten für einzelne Produktionsprogramme berücksichtigen. Vgl. hierzu Schwarz [Kostenrechnung 1973], S.57.

561

Vgl. Seicht [Grenzkostenrechnung 1963], S.694, Krauss [Teilkostenrechnung 1976], S.34, Koeder/Schmorleiz [Fixkostendeckungsrechnung 1978], S.254, und Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.84.

562

Vgl. Krauss [Teilkostenrechnung 1976], S.34, und Mensch [Fixkostendeckungsrechnung 1996], S.31.

Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme_________________________________

119

konzipierte Bezugsgrößenhierarchie die Erzeugnisfixkosten, die Erzeugnisgruppen­

fixkosten, die Bereichsfixkosten und die Unternehmensfixkosten als einzelne Stufen

umfaßt,563 enthält die von Mellerowicz entwickelte Bezugsgrößenhierarchie die Kostenstellenfixkosten als eine weitere - den Erzeugnisgruppenfixkosten überge­

ordnete - Stufe.564 Diese Unterscheidung ist in erster Linie vor dem Hintergrund zu sehen, daß es in der Praxis häufig nicht möglich ist, den Fixkostenblock in fünf Schichten zu unterteilen

und daß dementsprechend manchmal nur mit zwei, drei oder vier Fixkostenschichten gerechnet wird.565 Die folgenden Erläuterungen beziehen sich aus Gründen der Vollständigkeit auf das

etwas detaillierter untergliederte Modell von Mellerowicz.

Die Erzeugnisfixkosten sind durch die Entwicklung, die Produktion oder den Vertrieb einer bestimmten Erzeugnisart verursacht worden und sind damit einer Erzeugnisart

direkt zurechenbar.566 Diese Kosten lassen sich zwar nicht einer einzelnen Einheit,

wohl aber der während einer Periode produzierten Gesamtstückzahl des jeweiligen Erzeugnisses zurechnen.567 Als Beispiele für Erzeugnisfixkosten können die Patent­

kosten oder die Kosten für Spezialwerkzeuge, die nur bei der Herstellung eines

bestimmten Erzeugnisses verursacht werden, angeführt werden.568 Hingegen können die Erzeugnisgruppenfixkosten, zu denen beispielsweise die

Beratungskosten zählen, nicht mehr einem einzelnen Erzeugnis oder einer

Vgl. hierzu ausführlich Agthe [Stufenweise Fixkostendeckung 1959], S.412. Vgl. ausführlich Mellerowicz [Kalkulationsverfahren 1977], S.171. Vgl. aber auch Hummel/Männel [Kostenrechnung II 1983], S.45, Seicht [Entwicklung 1988], S.47, Männel [Kostenrechnung 1996], S.55, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.250. Vgl. Mellerowicz [Kalkulationsverfahren 1977], S.174. Vgl. Agthe [Stufenweise Fixkostendeckung 1959], S.407, Mellerowicz [Kalkulationsverfahren 1977], S.171, Koeder/Schmorleiz [Fixkostendeckungsrechnung 1978], S.254, Mellerowicz [Kostenrechnung II 1980], S.176, Weber [Rechnungswesen 1991], S.206, Hardt [Kostenmanagement 1998], S.210, und Eisele [Rechnungswesen 1999], S.736.

Vgl. Agthe [Stufenweise Fixkostendeckung 1959], S.407, Mellerowicz [Kalkulationsverfahren 1977], S.171, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.85, und Weber [Rechnungswesen 1991], S.206. Vgl. Mellerowicz [Kalkulationsverfahren 1977], S.171, Hummel/Männel [Kostenrechnung II 1983], S.45, Weber [Rechnungswesen 1991], S.206, und Wolfstetter [Kostenrechnung 1997], S.161.

Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme

12£L

Erzeugnisart zugerechnet werden. Sie müssen auf eine Erzeugnisgruppe verrechnet

werden.569 Bei den Kostenstellenfixkosten handelt es sich um fixe Kosten, die zwar nicht mehr

einer Erzeugnisart oder einer Erzeugnisgruppe, wohl aber einer Kostenstelle zu­ gerechnet werden können.570 Zu den Kostenstellenfixkosten, die unabhängig von

dem Kostenstellenausnutzungsgrad anfallen, gehören z.B. die Meisterlöhne und die Raumkosten.571

Bereichsfixkosten, die z.B. Verwaltungs-, Abteilungs- und Zwischenlagerkosten

umfassen, können zwar nicht den in den Produktionsbereichen oder Werken herge­ stellten Erzeugnissen, wohl aber den dazugehörigen Bereichen oder selbständigen

Werken zugerechnet werden.572 Die Bereichsfixkosten sind mithin einer Gruppe von Kostenstellen zurechenbar.573 Alle übrigen Kosten, die noch nicht verteilt worden sind, werden als Unternehmens­

fixkosten bezeichnet.574 Zu den Unternehmensfixkosten können beispielsweise die Kosten der Unternehmensleitung oder die Kosten für die Betriebsüberwachung gezählt werden.575

Vgl. Agthe [Stufenweise Fixkostendeckung 1959], S.407, Mellerowicz [Kalkulationsverfahren 1977], S.171, Koeder/Schmorleiz [Fixkostendeckungsrechnung 1978], S.254, Mellerowicz [Kostenrechnung II 1980], S.176, Hummel/Männel [Kostenrechnung II 1983], S.45, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.85, und Hardt [Kostenmanagement 1998], S.21 Of. Vgl. Mellerowicz [Kalkulationsverfahren 1977], S.172, Weber [Rechnungswesen 1991], S.206, Mayer et al. [Kostenrechnung 1997], S.216, und Eisele [Rechnungswesen 1999], S.736. Vgl. Mellerowicz [Kalkulationsverfahren 1977], S.172, Mellerowicz [Kostenrechnung II 1980], S.176, Hummel/Männel [Kostenrechnung II 1983], S.45, Hardt [Kostenmanagement 1998], S.211, und Braunschweig [Kostenrechnung 1999], S.99.

Vgl. Mellerowicz [Kalkulationsverfahren 1977], S.172, Michel/Torspecken [Kostenrechnung II 1986], S.156, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.85, Weber [Rechnungswesen 1991], S.206, und Wolfsstetter [Kostenrechnung 1997], S.162. Vgl. hierzu Agthe [Stufenweise Fixkostendeckung 1959], S.407. Vgl. aber auch Mellerowicz [Kostenrechnung II 1980], S.176, und Hummel/Männel [Kostenrechnung II 1983], S.45f.

Vgl. Agthe [Stufenweise Fixkostendeckung 1959], S.407, Mellerowicz [Kalkulationsverfahren 1977], S.172, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.85, Moews [Kostenrechnung 1996], S.208, und Wolfsstetter [Kostenrechnung 1997], S.162. Vgl. Agthe [Stufenweise Fixkostendeckung 1959], S.407, Mellerowicz [Kalkulationsverfahren 1977], S.172, Koeder/Schmorleiz [Fixkostendeckungsrechnung 1978], S.255, Mellerowicz [Kostenrechnung II 1980], S.177, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.250.

Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme

121

Neben der Aufteilung des Fixkostenblocks nach dem Grad der Verbundenheit zu den

einzelnen Produkten schlägt Agthe eine Aufteilung nach dem Kriterium der

Ausgabenwirksamkeit576 vor.577 Diese Unterteilung hat das Ziel, die Zahlungsfähig­ keit der Unternehmung zu sichern.578 Als ausgabenwirksame Fixkosten bezeichnet

man diejenigen fixen Kosten, die kurzfristig zu Geldausgaben führen (z.B. Mieten und Gehälter). Die nicht ausgabenwirksamen Kosten sind dadurch gekennzeichnet,

daß sie Kosten enthalten, die aufschiebbar sind (z.B. Reparaturrückstellungen).579 In

der Regel unterscheidet man zwischen kurzfristig ausgabewirksamen, mittelfristig ausgabewirksamen, langfristig ausgabewirksamen und nicht ausgabewirksamen Fix-

kosten.

3.2.4.2 Vorgehensweise der stufenweisen Fixkostendeckungsrechnung

Im Gegensatz zu der einstufigen Deckungsbeitragsrechnung, bei der zur Ermittlung des Nettoerfolges der gesamte Fixkostenblock von dem Deckungsbeitrag abge­

zogen wird, werden bei der stufenweisen Fixkostendeckungsrechnung die diversen Fixkosten

stufenweise

subtrahiert.581

Als

Ergebnis

erhält

man

mehrere

Deckungsbeiträge, wie z.B. den Deckungsbeitrag, der durch eine Erzeugnisart erwirtschaftet wird.582

Die Möglichkeit einer zweifachen Unterscheidung wirft die Frage auf, welchem Kriterium in einer bestimmten Entscheidungssituation der Vorrang eingeräumt werden muß. In der Literatur herrschen bezüglich dieser Fragestellung sehr unterschiedliche Auffassungen. Während Agthe selbst dem Prinzip der Sicherheit den Vorrang einräumt, verweist Munzel darauf, daß die Beant­ wortung der Frage nach der Vorrangigkeit der Prinzipien von der Liquiditätssituation in der Unternehmung abhängig gemacht werden muß. 577

Vgl. hierzu ausführlich Agthe [Fixkostendeckungsrechnung 1959], S.410. Vgl. aber auch Seicht [Grenzkostenrechnung 1963], S.694L, Peterek [Fixkostendeckungsrechnung 1967], S.48f., Lorson [Kostenmanagement 1993], S.94, Schönfeld/Möller [Kostenrechnung 1995], S.197, Seicht [Kostenrechnung 1997], S.288.

578

Vgl. hierzu Agthe [Fixkostendeckungsrechnung 1959], S.410. Vgl. auch Hummel/Männel

579

Vgl. Koeder/Schmorleiz [Fixkostendeckungsrechnung 1978], S.254.

580

Vgl. Agthe [Stufenweise Fixkostendeckungsrechnung 1959], S.411, Massig [Kostenrechnung 1975], 46f., und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.255.

581

Vgl. Seicht [Grenzkostenrechnung 1963], S.694, Hummel/Männel [Kostenrechnung II 1983], S.46, Hahn [Kostenrechnung 1992], S.159, Weber [Controlling 1995], S.184, Breid [Kostenrechnung 1996], S.55, und Mensch [Fixkostendeckungsrechnung 1996], S.31.

582

Vgl. Fischer [Kostenmanagement 1993], S.232, Männel [Deckungsbeitragsrechnungen 1993], Sp.733f., und Mensch [Fixkostendeckungsrechnung 1996], S.31.

[Kostenrechnung II 1983], S.48, und Hardt [Kostenmanagement 1998], S.215.

Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme

122.

Zur Ermittlung des Nettoergebnisses der Unternehmung werden zunächst die variablen Kosten des Vertriebs und der Fertigung vom Erlös subtrahiert.583 Von dem dann verbleibenden Bruttoergebnis (Deckungsbeitrag der Stufe I) müssen die

Erzeugnisfixkosten abgezogen werden. Nach Abzug der Erzeugnisfixkosten ver­

bleiben Überschüsse (Deckungsbeitrag der Stufe II), die zur Deckung der Erzeugnis­

gruppenfixkosten herangezogen werden.584 Mit den aus den Differenzen ent­ stehenden Deckungsbeiträgen (Deckungsbeitrag der Stufe III) müssen sämtliche

Kostenstellenfixkosten abgegolten werden. Als Ergebnis erhält man die Bereichsdeckungsbeiträge (Deckungsbeitrag der Stufe

IV), die insgesamt sämtliche Bereichsfixkosten decken müssen.

Auf der letzten Stufe der stufenweisen Fixkostendeckungsrechnung wird das Residuum der Deckungsbeiträge um die zuvor nicht zurechenbaren Fixkosten ver­

mindert.585 Das Endergebnis stellt den Reingewinn der Unternehmung dar.586

Neben dem hier beschriebenen Verfahren, das in der Literatur als retrograde Kalkulation bezeichnet wird, gibt es noch die Möglichkeit der Durchführung einer

progressiven Kalkulation. Bei der progressiven Kalkulation handelt es sich um eine Stückkostenrechnung, die

der Ermittlung des Angebotspreises dient.587 Von den Einzelkosten ausgehend werden über mehrere Fixkostenzuschläge, die im Rahmen der Betriebsergebnis­

rechnung der Vorperiode ermittelt wurden, die Vollkosten ermittelt. Durch Hinzu­ rechnen des Gewinnzuschlags ergibt sich in einem weiteren Schritt der Selbst­ kostenpreis.588

Vgl. Seicht [Grenzkostenrechnung 1963], S.694, und Mellerowicz [Kostenrechnung II 1980], S.177. 584

Vgl. Seicht [Grenzkostenrechnung 1963], S.694, und Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.85

585

Vgl. Seicht [Grenzkostenrechnung 1963], S.694, und Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.85.

586

Vgl. Seicht [Grenzkostenrechnung 1963], S.694, Schönfeld/Möller [Kostenrechnung 1995], S.195,

587

Vgl. Hummel/Männel [Kostenrechnung II 1983], S.48, Seicht [Kostenrechnung 1997], S.253, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.253.

588

Vgl. hierzu ausführlich Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.253.

und Moews [Kostenrechnung 1996], S.208.

Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme

423

Die progressive Kalkulation der stufenweisen Fixkostendeckungsrechnung liefert im Vergleich zur einfachen Deckungsbeitragsrechnung exaktere und aussagefähigere Ergebnisse. Dennoch stellt dieses Kalkulationsverfahren einen Rückschritt dar, da

auf die Prinzipien der herkömmlichen Vollkostenrechnung zurückgegriffen wird und entsprechend auch deren Mängel für dieses Kalkulationsverfahren mit übernommen

werden.589 Daher wird bei der stufenweisen Fixkostendeckungsrechnung in der Regel auf die retrograde Kalkulation zurückgegriffen.

3.2.4.3 Kritische Beurteilung der stufenweisen Fixkostendeckungsrechnung Die stufenweise Fixkostendeckungsrechnung stellt einen erheblichen Fortschritt

gegenüber der traditionellen Grenzkostenrechnung dar. Durch die stufenweise Auf­ spaltung des gesamten Fixkostenblocks kann viel deutlicher erkannt werden, ob der je Erzeugnisart, Erzeugnisgruppe, Kostenstelle oder Bereich erzielte Deckungs­

beitrag die Aufrechterhaltung der Betriebsbereitschaft rechtfertigt.590 Die absolute Höhe eines Deckungsbeitrages in einer Abrechnungsperiode gibt somit Aufschluß

darüber, inwieweit sie zur Deckung der allgemeinen Fixkosten und zum Gewinn

beitragen.591 Auf diese Weise ist es möglich, durch Einstellung der Fertigung eines bestimmten Erzeugnisses oder einer Erzeugnisgruppe bzw. durch Einstellung der

Fertigung in einer bestimmten Kostenstelle oder in einem Bereich, zu vermeiden, daß eben diese Kosten erneut anfallen.592 Dies würde auf lange Sicht die Ermittlung der abbaubaren Kapazitäts- und Bereitschaftskosten ermöglichen. Dies wäre als Informationsgrundlage für mittel- bis langfristig ausgerichtete Entscheidungen sehr

hilfreich.593 Ein solches Vorgehen setzt aber eine Aufspaltung in kurz-, mittel- und

langfristig liquidierbare fixe Kosten voraus.594

Vgl. hierzu Seicht [Kostenrechnung 1997], S.253, und Eisele [Rechnungswesen 1999], S.737.

Vgl. Agthe [Fixkostendeckung 1959], S.744, Seicht [Grenzkostenrechnung 1963], S.697, Heinrich [Deckungsbeitragsrechnung 1989], S.14, und Hardt [Kostenmanagement 1998], S.212. Vgl. Männel [Fixkostenbeiträge 1967], S.766, Fischer [Kostenmanagement 1993], S.232, und Eisele [Rechnungswesen 1999], S.738.

Vgl. Agthe [Fixkostendeckung 1959], S.744, Seicht [Grenzkostenrechnung 1963], S.699, und Mensch [Fixkostendeckungsrechnung 1996], S.32. Vgl. Seicht [Grenzkostenrechnung 1963], S.699, Hummel/Männel [Kostenrechnung II 1983], S.47, und Fischer [Kostenmanagement 1993], S.232. Vgl. Seicht [Grenzkostenrechnung 1963], S.699.

124

Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme

Anstatt aber eine

solche

Unterscheidung

vorzunehmen,

differenziert Agthe

zusätzlich zwischen ausgabewirksamen und nicht ausgabewirksamen fixen Kosten.

Dadurch wird die Möglichkeit einer praktischen Umsetzung erheblich einge­ schränkt.595 Aber selbst wenn eine derartige Differenzierung vorliegen würde, so

wäre die Eignung der stufenweisen Fixkostendeckungsrechnung für langfristig ausgerichtete Entscheidungen, wie z.B. für Investitions- oder Desinvestitionsent­

scheidungen, sehr fraglich,596 da dieses Kostenrechnungssystem nur einperiodische, statische Vorteilsvergleiche ermöglicht.597 Ein Kostenrechnungssystem, das hin­

gegen auch als Informationsgrundlage für langfristig ausgerichtete Entscheidungen

dienen soll, müßte vielmehr dynamischer Natur sein und strategische Aspekte, wie z.B. Verbundeffekte, Lebenszyklen, Marktverhältnisse und Erfolgspotentiale, berück­

sichtigen.598

Das wesentliche Problem der stufenweisen Fixkostendeckungsrechnung ist in bezug auf die praktische Umsetzbarkeit in der unklaren und damit unscharfen Trennung

von fixen und variablen Kosten zu sehen.599 In den letzten Jahren sind aufgrund der Kritik an den traditionellen Kostenrech­ nungssystemen verschiedene neue Kostenrechnungssysteme entwickelt worden.

Wir konzentrieren uns in dieser Arbeit auf die Prozeßkostenrechnung.

Die Differenzierung der Fixkosten nach ihrer Ausgabewirksamkeit erscheint nicht sehr sinnvoll, da Rentabilitäts- und Liquiditätsgesichtspunkte miteinander vermischt werden. Die Sicherung der Liquidität ist aber eine Aufgabe, die die Unternehmung als Ganzes betrifft und die nur durch eine darauf abzielende Planung und Kontrolle der Kapitalverwendung sowie der Einnahmen und Ausgaben zu gewährleisten ist. Daher macht es keinen Sinn, die Kostenrechnung durch das Erfordernis eines getrennten Ausweises von Deckungsbeiträgen für ausgabenwirksame und für nicht ausgabenwirksame Kosten zusätzlich zu belasten. Vgl. ausführlich Wille [Fixkostendeckung 1959], S.740. Vgl.aberauch Hummel/Männel [Kostenrechnung I11983], S.48.

Vgl. Briese [Entscheidungsprozeß 1971], S.82f., und Fischer [Kostenmanagement 1993], S.233. Vgl. Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.257.

Vgl. Mussnig [Kostenrechnung 1996], S.45, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.257. Vgl. Maurer [Probleme 1978], S.43f., Isermann [Deckungsbeitragsrechnung 1998], S.176, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.257.

Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme

125

3.3 Prozeßkostenrechnung als neueres Kostenrechnungssystem 3.3.1 Grundlagen der Prozeßkostenrechnung

Mitte der 80er Jahre wurde von den amerikanischen Autoren Miller und Vollmann im Rahmen einer Studie herausgefunden, daß eine steigende Tendenz der Gemein­

kostenanteile in den indirekt produktiven Bereichen zu verzeichnen ist. Weiterhin wurde festgestellt, daß dieser Trend ein zunehmendes Problem bei der verur­

sachungsgerechten Zuordnung der Kosten auf die Kostenträger darstellt.600

Aufgrund dieser besonderen Entwicklungen, die zu einer Veränderung in der Kosten­ struktur führten und heute immer noch führen, sind neue Anforderungen sowohl an die Kostenrechnungssysteme als auch an das Kostenmanagement zu stellen.601

In Deutschland konnte ebenfalls eine vergleichbare Tendenz in der Kostenent­ wicklung festgestellt werden.602 Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich,

daß die ersten Ansätze zur Realisierung eines kontinuierlichen Kostenmanagements in den indirekt produktiven Bereichen aus der Praxis kamen.

Eine von Miller und Vollmann im Jahre 1985 veröffentlichte Studie ließ in der amerikanischen Industrie erkennen, daß die Gemeinkosten bezogen auf die Nettowertschöpfung und Fertigungs­ kosten seit mehr als 100 Jahren stetig angestiegen sind, während zeitgleich die Bestandteile der Einzelkosten überproportional sanken. Vgl. hierzu ausführlich Miller/Vollmann [Factory 1985], S.143. Vgl. aber auch Pfohl/Stölzle [Prozeßkostenrechnung 1991], S.1282, Reckenfelderbäumer [Prozeßkostenrechnung 1994], S.9, Kajüter [Prozeßkostenrechnung 1997], S.217, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.221.

Gründe für diese Kostenentwicklung sind in zunehmendem Maße die Globalisierung der Märkte, die Industrialisierung der asiatischen Schwellenländer, die Verstärkung der modernen Informationstechnologien sowie die Vielzahl von Rationalisierungsmaßnahmen in der Produktion. Vgl. hierzu Hitschler [Budgeting 1990], S.287, Horväth/Renner [Prozeßkostenrechnung 1990], S.100, Olshagen [Prozeßkostenrechnung 1991], S.25, Männel [Unternehmensstrukturen 1992], S.113, Schönfeld/Möller [Kostenrechnung 1995], S.217, Braun [Prozeßkostenrechnung 1996], S.IOff., Ebert [Kostenrechnung 1997], S.159, Koch [Kostenrechnung 1997], S.195, Glaser [Deckungsbeitragsrechnung 1998], S.5, Quervain/Zoller [Prozeßkostenrechnung 1998], S.183, und Salchli/Gehrke [Entscheidungsqualität 1998], S.117.

Vgl. hierzu Mayer [Prozeßkostenrechnung 1990], S.74, Horväth/Mayer [Prozeßkostenrechnung 1995], S.59, Muff [Prozeßkostenrechnung 1995], S.416f., Rau/Schmidt [Prozeßkostenrechnung 1995], S.177, Weber [Prozeßkostenrechnung 1995], S.27, Wallmeier [Prozeßkostenrechnung 1996], S.219, und Remer [Prozesskostenrechnung 1997], S.9.

Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme

126

Bereits Mitte der 70er Jahre hatten die Firmen Siemens und Schlafhorst erkannt,

daß der Gemeinkosten-block von Aktivitäten, Prozessen und Transaktionen beeinflußt wird.603

Auf dieser Grundlage wurden verschiedene Möglichkeiten aufgezeigt, eine prozeßund vollkostenorientierte Kosten- und Leistungsrechnung auf der Basis wieder­ kehrender Handlungen aufzubauen.604 Um eine verursachungsgerechte Verrechnung der anfallenden Gemeinkosten in den

indirekten Bereichen zu erzielen, kam es im US-amerikanischen Raum zur Entwick­

lung des sogenannten ABC-Costing.605 Anschließend an die ersten Veröffentlichungen in den Vereinigten Staaten griffen insbesondere Horvath und Mayer diese Thematik in Deutschland auf.606 Seither hat

die Prozeßkostenrechnung in der wissenschaftlichen Diskussion des

603

Die ersten praktischen Ansätze zur Entwicklung eines Gemeinkostenmanagements wurden von Siemens bereits 1975 und bei Schlafhorst Anfang der 80er Jahre in einem Workshop untersucht. Ziel war es, eine aktivitätsorientierte Kostenrechnung zu konzipieren. Vgl. hierzu ausführlich Siemens AG [Kostenrechnung 1986], Vgl. hierzu auch Picot [Rationalisierung 1979], S.1145ff., Gaitanides [Verwaltungsleistungen 1980], S.680ff., Picot/Rischmüller [Verwaltungskosten 1981], S.331ff., Wäscher [Management 1987], S.297ff., und Ziegler [Kostenrechnung 1992], S.304ff.

604

605

Vgl. hierzu Miller/Vollmann [Factory 1985], S.142ff., Mayer [Prozeßkostenrechnung 1990], S.307, Pfohl/Stölzle [Prozeßkostenrechnung 1991], S.1283, und Kloock [Deckungsbeitragsrechnung 1993], S.56.

Die Abkürzung ABC steht für Activity Based Costing und bedeutet so viel wie aktivitätsorientierte

Kostenrechnung. Vgl. hierzu Cooper [System 1989], S.77ff., Cooper [Aktivity-Based Costing 1990a], S.210ff., Kloock [Prozeßkostenrechnung 1992], S.184, Bromwich [Activity Based Costing 1994], S.168, Ness/Cucuzza [ABC 1995], S.130ff., Graf [Qualitätskostenrechnung 1997], S.81f., Jehle et al. [Gemeinkostenmanagement 1997], S.273ff., Glaser [Deckungsbeitragsrechnung 1998], S.5, Hardt [Kostenmanagement 1998], S.218, Kaplan/Cooper [Cost Effect 1998], S.79ff., und Krumwiede [ABC 1998], S.32ff. 606

Vgl. Horväth/Mayer [Prozeßkostenrechnung 1989], S.214ff.

Demgegenüber findet die Prozeßkostenrechnung im betriebswirtschaftlichen Schrifttum der Türkei erst in jüngster Vergangenheit vereinzelt Beachtung. Die Praxisrelevanz der Prozeß­ kostenrechnung für türkische Unternehmen wird jedoch aufgrund ihres hohen Komplexitätsgrads einheitlich angezweifelt. Vgl. hierzu Banar [Maliyet Muhasebesi 1992], S.186, Ipci [Maliyet Muhasebesi 1994], S.117f., Akinci [Maliyet Muhasebesi 1995], S.68, Cankaya [Tekdüzen Muhasebe 1995], S.124f., Ayanoglu [Maliyet Sistemi 1996], S.75, Gündüz [Maliyet Yöntemi 1996], S.211f., Gürsoy [Yönetim 1997], S.164, Hacirüstemoglu [Maliyet Sistemi 1997], S.34, Kartal [Maliyet Muhasebesi 1997], S.219, Sakrak [Maliyet Yönetimi 1997], S.151, und Sevgener [Yönetim Muhasebesi 1998], S.132f.

Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme

127

deutschsprachigen Raumes eine äußerst differenzierte Beurteilung erfahren.607

Mitverantwortlich für diesen Umstand ist die oft unterschiedliche Darstellung ihrer Konzeption und ihres Rechnungsaufbaus.608

In der Vergangenheit wurde das ABC-Costing häufig mit der im deutschsprachigen Raum entworfenen Prozeßkostenrechnung verglichen. Jedoch sind die Ausprä­

gungen beider Systeme unterschiedlich.609 Einerseits bezieht das ABC-Costing nicht alle Einzelkosten, die in den indirekten Bereichen anfallen, in die Verrechnung mit ein. Andererseits zielt das System

vornehmlich auf die Gemeinkosten (overhead costs) im Fertigungsbereich ab.610 Mithin besteht beim ABC-Costing eine klare Ausrichtung auf eine Kostenstellen­

rechnung in den begleitenden Fertigungsstufen.611 Das Erfordernis, in den begleitenden Fertigungsstufen eine höhere Kostentrans­

parenz zu erhalten und ein Kostenmanagement einzurichten, wurde im deutsch­

sprachigen Raum frühzeitig erkannt und bereits mit dem leistungsfähigen Plan­ kostenrechnungssystem von Plaut und Kilger realisiert.612

Auf der Grundlage des ABC-Costing und der Erfahrungen aus der Praxis wurde ein Kostenrechnungssystem entwickelt, das den spezifischen Anforderungen des

Vgl. Herzog [Entwicklungen 1989], S.325, Franz [Prozeßkostenrechnung 1991], S.536ff., Reichmann/Fröhling [Prozeßkostenrechnung 1993], S.63f., Schildbach [Vollkostenrechnung 1993], S.345, Vikas [Kostenmanagement 1993], S.284f., Altenburger [Prozeßkostenrechnung 1994], S.697ff., und Glaser [Deckungsbeitragsrechnung 1998], S.6. 608

Vgl. ausführlich Friedl [Prozeßkostenrechnung 1994], S.152ff.

609

Vgl. hierzu Cooper [Aktivity-Based Costing 1990b], S.271 ff., Brühl [Prozeßkostenrechnung 1992], S.73, Cooper [Aktivity-Based Costing 1992], S.360ff., Lorson [Prozeßkostenrechnung 1992], S.7f., Horväth/Mayer [Prozeßkostenrechnung 1993], S.15, Reich [Kosteninformation 1995], S.125, Cokins [Aktivity Based Costing 1997], S.38ff., Jehle et al. [Gemeinkostenmanagement 1997], S.276f., Gaiser [Activity Based Costing 1998], S.67, Glaser [Deckungsbeitragsrechnung 1998], S.5f., und Hintze/Michel [Prozeßkostenmanagement 1998], S.317f.

610

Vgl. hierzu ausführlich Cooper [Activity-Based-Costing 1988a], S.41 ff., Cooper [Activity-Based

Cost 1988b], S.45ff., und Geihecker [New Technologies 1996], S.42ff. Vgl. aber auch Scheer et al. [Kostenmanagement 1995], S.90f., und Gaiser [Activity Based Costing 1998], S.70.

611

Vgl. Cooper/Kaplan [Measure Costs 1988], S.96 ff., und Gaiser [Activity Based Costing 1998],

612

Vgl. hierzu ausführlich Horväth/Mayer [Prozeßkostenrechnung 1993], S.15.

S.71.

Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme

128

deutschen innerbetrieblichen Rechnungswesens entsprechen sollte.613 Wesentliche Zielsetzung der Prozeßkostenrechnung ist dabei stets, die Kostentransparenz in den

indirekten Leistungsbereichen des Unternehmens zu erhöhen.614

Im weiteren Verlauf dieses Kapitels wird die Prozeßkostenrechnung in ihrer Funktionsweise vorgestellt sowie deren Einsatzmöglichkeiten aufgezeigt und kritisch hinterfragt.

3.3.2 Funktionsweise der Prozeßkostenrechnung Die Prozeßkostenrechnung basiert auf der Überlegung, daß für die Erstellung eines

Produkts oder für das Angebot einer Dienstleistung innerhalb des Unternehmens eine Vielzahl von Transaktionen erforderlich sind.615 Bei der Prozeßkostenrechnung handelt es sich nicht um ein neu entwickeltes

Kostenrechnungssystem. Vielmehr werden die Kostenarten-, Kostenstellen-616 und

Kostenträgerrechnung als traditionelle Elemente der Kostenrechnung in einer neuartigen Form miteinander verbunden.617

613

Verschiedene Autoren sehen im Begriff „Prozeßkostenrechnung“ nur eine Übersetzung des US-

amerikanischen ABC-Costing. Vgl. hierzu Fröhling [Prozeßkostenrechnung 1989], S.67, Schulte [Produzieren 1989], S.63ff., Faulhaber/Schulten [Gemeinkostenmanagement 1989], S.16, und Schönfeld/Möller [Kostenrechnung 1995], S.217ff. 614

615

Vgl. Horväth/Mayer [Prozeßkostenrechnung 1989], S.216, Me Nair [Accounting 1990], S.21, Männel [Bedeutung 1992], S.291, Cervellini [Gemeinkostenmanagement 1994], S.67, Freidank [Prozeßkostenrechnung 1994], S.234, Friedl [Prozeßkostenrechnung 1994], S.143f., Kaluza [Kostenmanagement 1994], S.397, Burger [Kostenmanagement 1995], S.159, Männel [Aufgabenfelder 1995], S.33, Reich [Kosteninformation 1995], S.125, Seeger [Prozeßkostenrechnung 1996], S.103, Ewert/Wagenhofer [Interne Unternehmensrechnung 1997], S.279f., Welge/Amshoff [Kostenrechnung 1997], S.74, Glaser [Deckungsbeitragsrechnung 1998], S.6, und Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.323f. Vgl. Fröhling/Krause [Management 1990], S.224, Biel [Prozeßkostenrechnung 1991], S.86, und

Rau/Rüd [Prozeßkostenrechnung 1991], S.14. 616

In der Prozeßkostenrechnung wird für die Kostenstellenrechnung häufig auch der Terminus

Kostenprozeßrechnung verwendet. Vgl. hierzu Friedl [Prozeßkostenrechnung 1994], S.146, Graf [Qualitätskostenrechnung 1997], S.105, Glaser [Deckungsbeitragsrechnung 1998], S.37, und Kremin-Buch [Strategisches Kostenmanagement 1998], S.34. 617

Vgl. Mayer [Prozeßkostenrechnung 1990], S.75, Biel [Prozeßkostenrechnung 1991], S.85, Rau/Rüd [Prozeßkostenrechnung 1991], S.13, Betz [Gemeinkostencontrolling 1995], S.135, und Witt [Prozeßgrundrechnung 1995], S.31.

Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme

122

Die im Rahmen der Kostenartenrechnung gewonnenen Daten und Informationen dienen hierbei als Grundlage für die Weiterverrechnung auf die Orte der Kostenent­

stehung. Dabei kommt es zu einer Neuauslegung der ermittelten Kostenarten in den Kostenstellen.618 Demgegenüber erfolgt in der traditionellen Kostenstellenrechnung

eine differenzierte Gliederung619, um einen möglichst hohen Grad an verursachungs­ gerechter Verrechnung der Kosten sicherzustellen.620

Im Rahmen der Prozeßkostenstellenrechnung erfolgt aufgrund des angestrebten

Tätigkeitsbezugs eine aktivitätsorientierte Kostenausrichtung. Dies bedeutet, daß die gesamten Kosten der jeweils betrachteten Kostenstelle, vornehmlich in den indi­ rekten Wertschöpfungsbereichen, auf die dort ablaufenden Tätigkeiten, Handlungen

und Prozesse bezogen werden. Dabei konzentriert man sich auf solche Aktivitäten,

die sowohl operational als auch wiederholt meßbar sind.621 Diese Tätigkeiten umfassen Vorgänge, die mit dem Verzehr der eingesetzten Produktionsfaktoren verbunden sind. Eine Begrenzung auf ausschließlich physische Tätigkeiten erfolgt prinzipiell nicht. Zudem findet durch die Verrechnung kalkula­

torischer Abschreibungen oder kalkulatorischer Zinsen auch eine Berücksichtigung wertbezogener Prozesse statt. Um die anfallenden Kosten in der jeweils betrachteten Kostenstelle den dort

ablaufenden Prozessen zuordnen zu können, bedarf es einer detaillierten Tätigkeits-

Vgl. hierzu Männel [Prozeßkostenrechnung 1993], S.1. Hierbei handelt es sich um eine ausführliche Darstellung aller anfallenden Kostenarten in der jeweils betrachteten Kostenstelle.

Vgl. hierzu nochmals ausführlich Gliederungspunkt 2.1.4.2. Vgl. Striening [Prozeß-Management 1988], S.36, Witt/Witt [Aktivitätscontrolling 1990], S.35f., und Coenenberg/Fischer [Prozeßkostenrechnung 1991], S.25.

130

Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme

analyse.622 Mit Hilfe der Tätigkeitsanalyse sind innerhalb jeder Kostenstelle die Aktivitäten in Teilprozesse zu zerlegen. Diese Teilprozesse spiegeln die Grundlage

der finalen Kostenverursachung wider. Ein Teilprozeß wird als die kleinstmögliche Einheit, für die Kosten und Zeiten erfaßt werden können, verstanden. Entsprechend

erhält nicht jede wiederkehrende Tätigkeit den Status eines Teilprozesses. Existiert

zwischen verschiedenen Transaktionen ein kausaler Zusammenhang, so erfolgt eine

Zusammenfassung dieser Aktivitäten zu einem Teilprozeß. Hauptprozesse dagegen zeichnen sich durch ihren kostenstellenübergreifenden Charakter aus. Sie bestehen entweder aus einem einzigen Teilprozeß, mehreren Teilprozessen derselben Kostenstelle oder mehreren Teilprozessen verschiedener Kostenstellen. Demzufolge bezeichnet man auf Kostenstellenebene die repetitiven Handlungen als Teilprozesse

und die Verdichtung623 verschiedener Teilprozesse, die sowohl in einer Kostenstelle als auch übergreifend anfallen können, als Hauptprozesse.624 In der Prozeßkostenrechnung sind aufgrund des kostenstellenübergreifenden

Charakters zwei wesentliche Prozessarten zu unterscheiden.625 Teilprozesse, deren

Bei den Analysen handelt es sich überwiegend um arbeitswissenschaftliche Studien, die eine zeitliche Messung und eine Quantifizierung der einzelnen ablaufenden Tätigkeiten ermöglichen sollen. Im besonderen sind hier die REFA-Studien und die Master-Clerical-Data-Verfahren zu nennen. Zur weiteren Vertiefung dieses Sachverhalts vgl. Bender [Personalbemessung 1980], S.85ff., Berkau [Prozesskostenmanagement 1995], S.112f., Betz [Gemeinkostencontrolling 1995], S.136, und Glaser [Deckungsbeitragsrechnung 1998], S.7. Vgl. hierzu auch weiterführend Finkheißen et al. [Prozeßanalyse 1996], S.58ff., und Rümmelin et al. [Prozeßkostenmanagement 1998], S.140f. Häufig findet im betriebswirtschaftlichen Schrifttum anstelle der Bezeichnung „Tätigkeitsanalyse“ auch der Begriff „Prozeßanalyse" Anwendung. Vgl. hierzu Fröhling [Kostenmanagement 1994], S.1149, Braun [Prozeßkostenrechnung 1996], S.41, Mussnig [Kostenrechnung 1996], S.262, Ebert [Kostenrechnung 1997], S.160, Guldin/Neugebauer [Prozeßkostenmanagement 1998], S.331, Müller/Benz [Qualitätscontrolling 1998], S.175, Pinnekamp [Kostenrechnung 1998], S.348, und Waibel/Werner [Prozeßoptimierung 1998], S.227. 623

Bei der Konsolidierung der Teilprozesse handelt es sich um eine sachlogische Verknüpfung eines kostenstellenübergreifenden Geschäftsprozesses, der als solcher nicht trennbar ist und nur für die anfallende Analyse und Kontrolle sukzessiv betrachtet wird.

624

Vgl. Männel [Kostenmanagement 1992], S.341, Freidank [Prozeßkostenrechnung 1993], S.390,

Fröhling [Kostenmanagement 1994], S.149, Kaluza [Kostenmanagement 1994], S.397, Schauenberg [Prozeßkostenrechnung 1994], S.221, Kajüter [Prozeßkostenrechnung 1997], S.222, und Hardt [Kostenmanagement 1998], S.229. 625

Vgl. Horväth/Mayer [Prozeßkostenrechnung 1989], S.216, Olshagen [Prozeßkostenrechnung 1991], S.38ff., Scherrer [Kostenkontrolle 1994], S.595, Brühl [Prozeßkostenrechnung 1995], S.75, Reich [Kosteninformation 1995], S.134, Gaiser [Activity Based Costing 1998], S.72, Glaser [Deckungsbeitragsrechnung 1998], S.8, Hardt [Kostenmanagement 1998], S.223, und Mayer [Prozeßkostenrechnung 1998], S.12f.

Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme

131

Umfang sich arbeitsvolumenabhängig zum Leistungsoutput der Kostenstelle verhält,

werden leistungsmengeninduziert (Imi) genannt. Fallen Aktivitäten in einer zu

analysierenden Kostenstelle an, die nicht der Leistung zuzuordnen sind und sich

demnach zum Leistungspotential der Kostenstelle indifferent verhalten, bezeichnet man sie als leistungsmengenneutrale (Imn) Kosten.626 Die Abstufungen und Zu­ sammenfassungen unterschiedlicher Haupt- und Teilprozesse sind als Prozeß­

hierarchie definiert.627 Für die leistungsmengeninduzierten Prozesse sind im Rahmen einer Bezugs­ größenauswahl kostenverursachende Einflußgrößen zu bestimmen.628 Sie sind

Bezugsgrößen zur Quantifizierung des arbeitsvolumenbezogenen Outputs und Aus­

druck der Kostenentstehung. Diese Bezugsgrößen werden sowohl für Teil- als auch für Hauptprozesse gebildet. Auf Kostenstellenebene bezeichnet man sie als Prozeß­ größen629, bei den Hauptprozessen als Cost-Driver (Kosteneinflußgrößen). Die Ermittlung der Prozeßkostensätze setzt vorab die Bestimmung der Planprozeß­

mengen voraus.630 Unter einer Prozeßmenge wird die aus einem Prozeß hervor­ gehende meßbare Leistung verstanden. Die Festlegung der Prozeßmenge konzen­

Die Bezeichnungen leistungsmengenneutral (Imn) und leistungsmengeninduziert (Imi) wurden von Horväth und Mayer geprägt. Vgl. hierzu ausführlich Horväth/Mayer [Prozeßkostenrechnung 1989], S.216.

Typische leistungsmengenneutrale Tätigkeiten sind im besonderen innovativer und dispositiver Natur, wie beispielsweise die Leitung und Steuerung einer Abteilung. Sie stellen die Grundlast der Kostenstelle dar. Es ist im besonderen darauf hinzuweisen, daß die Imi- sowie die ImnKosten nicht mit den Begriffen variable bzw. proportionale und fixe Kosten der Ist-, Normal- oder Plankostenrechnung gleichgesetzt werden dürfen, da die Prozeßkostenrechnung auf die Variation der Kosten durch das Tätigkeitsvolumen und nicht auf die zeitliche Veränderung der Gemeinkosten abzielt. Vgl. hierzu Ahlert/Franz [Kostenrechnung 1992], S.229f., und Müller [Prozeßkostenrechnung 1992], S.54. Die Bestimmung der kostenverursachenden Einflußgrößen in der Prozeßkostenrechnung weist deutliche Parallelen zur Ermittlung der Bezugsgrößen in der Plankostenrechnung auf. So ist es beispielsweise denkbar, daß in einigen Bereichen vergleichbare Bezugsgrößen, wie z.B. „Anzahl Rechnungen“ oder „Anzahl bearbeiteter Kundenaufträge“, zur Anwendung kommen. Vgl. hierzu ausführlich Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.327. Vgl. auch Glaser [Prozeßkostenrechnung 1996], S.28. Im Schrifttum findet sich keine einheitliche Begriffsbestimmung; weitere Synonyme sind Bezugs­ größe und Maßgröße.

Vgl. hierzu Horväth/Mayer [Prozeßkostenrechnung 1989], S.217, Glaser [Prozeßkostenrechnung 1992], S.279f., Müller [Gemeinkosten-Management 1992], S.104, Friedl [Prozeßkostenrechnung 1994], S.149, Bauer [Prozeßkostenrechnung 1996], S.282, Sahl [Prozeßkostenrechnung 1998], S.152, sowie Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.340.

Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme

132.

triert sich auf meßbare Tätigkeitsabfolgen und beschränkt sich somit auf Imi-

Prozesse. Durch Division der Imi-Prozeßkosten durch die Prozeßmengen ergibt sich der Imi-Prozeßkostensatz (PKSlmi).631 Damit der Anspruch einer Vollkostenrechnung

bestehen bleibt, ist es notwendig, daß die Imn-Kosten in dem Prozeßkostensatz berücksichtigt werden. Dies wird erreicht, indem eine sogenannte Umlage der an­

fallenden Imn-Kosten auf die jeweilige Intensität der Teilprozesse vollzogen wird.632 Der jeweilige Prozeßkostensatz setzt sich einerseits aus einem leistungsmengen­

induzierten Bestandteil und andererseits aus einem leistungsmengenneutralen Be­ standteil zusammen. Er dient zur Kostenkontrolle, zur Bildung von Kennzahlen sowie zur verursachungsgerechten Verrechnung der Gemeinkosten innerhalb der Kosten­

trägerstückrechnung. 633 Des weiteren verdeutlicht der Prozeßkostensatz, welche

Gemeinkosten für die einmalige Ausführung des Vorgangs anfallen. Aufgrund dieser Informationen können die Prozeßkosten entsprechend auf die Kostenträger verrechnet werden. 3.3.3 Kritische Beurteilung der Prozeßkostenrechnung

Die veränderten Kostenstrukturen verdeutlichen die Notwendigkeit, ein Kosten­

rechnungssystem zu erarbeiten, das sowohl Einzel- als auch Gemeinkosten in

angemessener Weise berücksichtigt. Die Anwendung der Prozeßkostenrechnung bietet die Möglichkeit, diesem Anspruch gerecht zu werden.

Bei der Konzeption der Prozeßkostenrechnung wurde bewußt eine aktivitätsorien­

tierte Sichtweise gewählt, um Kosteneinflußgrößen in den Gemeinkostenbereichen

Vgl. Holzwarth [Prozeßkostenrechnung 1990], S.369f., Freidank [Prozeßkostenrechnung 1993], S.390, Glaser [Prozeßkostenrechnung 1993], Sp.1646, Betz [Gemeinkostencontrolling 1995], S.136, Hardt [Kostenmanagement 1998], S.226, Pinnekamp [Kostenrechnung 1998], S.351, und Stelling [Prozeßkostenrechnung 1998], S.11.

Hierbei handelt es sich um eine Möglichkeit, die anfallenden Imn-Kosten auf die Teilprozesse zu verrechnen. Die Imn-Kostenbetrachtung in der hier beschriebenen Variante bezieht sich unmittelbar auf die jeweilige Kostenstelle, dadurch entsteht ein höherer inhaltlicher Bezug bei der Verrechnung bzw. Verteilung der Imn-Kosten. Vgl. hierzu ausführlich Coenenberg/Fischer [Prozeßkostenrechnung 1991], S.30, Strecker [Prozeßkostenrechnung 1991], S.42ff., und Ziegler [Kostenrechnung 1992], S.307f. Vgl. hierzu auch kritisch Kloock [Prozeßkostenrechnung 1992], S.237ff. Vgl. Franz [Prozeßkostenrechnung 1990], S.127, und Friedl [Prozeßkostenrechnung 1995], S.112f.

Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme

123

bestimmen zu können.634 Befürworter dieser Verrechnungsart heben vor allem her­

vor, daß durch die tätigkeitsorientierte Systemkonstellation eine strategische Kalkula­ tion erfolgen kann. Im Unterschied zu der traditionellen Teilkostenrechnung, die nur kurzfristige Entscheidungen ermöglicht, werden bei der Prozeßkostenrechnung, die

eine Vollkostenrechnung darstellt, langfristige Fragestellungen in die Kalkulation eingebunden.635 Hier liegt auch der besondere Vorteil der Prozeßkostenrechnung

begründet, da gegenüber der traditionellen Kostenrechnung auf eine globale Zuschlagskalkulation verzichtet wird. Mit Hilfe von Prozeßkostensätzen erfolgt keine

Umlagen der Gemeinkosten auf beispielsweise Maschinen- oder Lohnstunden. Des­

halb findet mit den errechneten Sätzen eine denkbar genaue und verursachungs­ gerechte Zuordnung der Gemeinkosten für die nicht wertschöpfenden Leistungen

auf Kostenträger statt. Die Prozeßkostenrechnung besitzt demgemäß einen höheren

strategischen Charakter als die traditionelle Kostenträgerstückrechnung auf Teil­ kostenbasis.636

Zudem erscheint durch die Ausrichtung auf durchgängige Prozeßstrukturen die Möglichkeit gegeben, sowohl die fixen als auch variablen Gemeinkostenbestandteile

in die Planung, Steuerung und Kontrolle einzubeziehen. Dies bleibt den anderen

Vollkostenrechnungssystemen versagt. Erst durch diese übergreifende Betrachtung ergibt sich die Option eines umfassenden Gemeinkosten-Controllings. Diese Vor­

gehensweise soll Rationalisierungspotentiale aufdecken und ein kontinuierliches Kostenmanagement sicherstellen.637 Zwischen den traditionellen Vollkostenrechnungssystemen und der vorgestellten

Prozeßkostenrechnung bestehen hinsichtlich ihres Rechnungsaufbaus und ihrer

Vgl. Franz [Prozeßkostenrechnung 1992], S.605, Glaser [Prozeßkostenrechnung 1992], S.277, Müller [Grenzplankostenrechnung 1992], S.39, Schnellhaas/Beinhauer [Prozeßkostenrechnung 1992], S.305, Coenenberg/Fischer [Prozeßkostenrechnung 1998], S.568f., Kagermann/Stuckert [Prozeßkostenrechnung 1998], S.505, und Mayer [Prozeßkostenrechnung 1998], S.5.

Vgl. Fröhling/Krause [Prozeßkostenrechnung 1992], S.386, Fröhling [Kostenmanagement 1994], S.149, Glaser [Entscheidungsrelevanz 1995], S.118, Warnick [Prozeßkostenrechnung 1995], S.195, Wäscher [Prozeßkostenrechnung 1995], S.207, Mussnig [Kostenrechnung 1996], S.267, und Schneeweiß/Steinbach [Prozeßkostenrechnung 1996], S.472. Vgl. hierzu ausführlich Braun [Prozeßkostenrechnung 1996], S.87ff. Vgl. auch Stoi/Giehl [Prozeßkostenrechnung 1995], S.146f.

Vgl. Biel [Prozeßkostenrechnung 1991], S.330f., Striening [Gemeinkostenbereich 1991], S.144f., Mussnig [Kostenrechnung 1996], S.267, und Moor/Wintermantel [Prozesse 1998], S.352.

Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme

IM

Grundkonzeption keine nennenswerten Unterschiede. Es handelt sich bei der Prozeßkostenrechnung um ein Kostenrechnungssystem, das sich genauso wie die

klassischen Verfahren einer Kostenarten-, Kostenstellen- sowie einer Kostenträger­ rechnung bedient. Nur die sogenannte Prozeßbezogenheit der Kosten innerhalb der

Kostenstellen führt zu einer Neuausrichtung der Kostenrechnung.638 Um die Planprozeßkosten errechnen zu können, bedarf es einer konkreten

Bestimmung der Prozeßmengen. Es bleibt jedoch ungewiß, wie diese Mengen genau festzulegen sind, da bezüglich ihrer Festlegung nur ungenaue Informationen bestehen. Somit erhärtet sich der Verdacht, daß die Kontrolle auf der Grundlage der geschätzten Prozeßmengen, die einen wesentlichen Einfluß auf die Bestimmung der

Planprozeßkosten besitzen, in Frage gestellt werden kann. Zusätzlich erscheint die

Kostenkontrolle auf der Grundlage einer Abweichungsanalyse wegen der Voll­ kostenbetrachtung zweifelhaft, da auch im System der Prozeßkostenrechnung

infolge der Proportionalisierung der Imn-Kosten das Fixkostenproblem nicht gelöst

wird.639

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, daß das System einen Wegweiser in die richtige Richtung darstellt, um den immer stärker steigenden Anteil der Gemein­ kosten an den Gesamtkosten angemessen berücksichtigen zu können. Die ersten

Ansätze in der unternehmerischen Praxis haben bereits bewiesen, daß durch ein kontinuierliches Prozeßmanagement in den Gemeinkostenbereichen Rationalisie­ rungspotentiale genutzt werden können, um die begleitenden Geschäftsprozesse im

Unternehmen zu optimieren.640

Vgl. hierzu ausführlich Lorson [Prozeßkostenrechnung 1992], S.8f. Vgl. aber auch Boot et al. [Prozeßkostenrechnung 1995], S.231, Rieg [Prozeßkostenrechnung 1995], S.235, Fischer [Prozeßkostenrechnung 1996], S.94f., und Lipke/Rendenbach [Prozeßkostenmanagement 1997], S.85.

Vgl. Friedl [Prozeßkostenrechnung 1993], S.39, und Küting/Lorson [Prozeßkostenrechnung 1995], S.97. Vgl. Cooper [Aktivity-Based Costing 1990c], S.34ff., Ostrenga [Total Cost Management 1990], S.46f., Dutz/Femerling [Prozeßmanagement 1991], S.221ff., Grzegotowski/Warnick [Prozeßkostenrechnung 1991], S.162, Coenenberg/Fischer [[Prozeßkostenrechnung 1995], S.25, Eging [Prozeßkostenrechnung 1995], S.235, Schäffer [Prozeßorientierte Kostenrechnung 1995], S.278f., Straube/Hartmann [Optimierung 1996], S.39, Warnick [Logistikkostenrechnung 1996], S.22ff., Behnke/Niemand [Prozeßkostenmanagement 1998], S.113, Kempf/Kieninger [Kostensenkung 1998], S.286, Leman/Weigand [Strukturentscheidungen 1998], S.256, und Schindler/Schimank [Prozeßkostenrechnung 1998], S.95.

Ausgewähite Rahmenbedincungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung

125

4 Ausgewählte Rahmenbedingungen zur Bestimmung des Einsatzes der Kostenrechnung 4.1 Organisationsstruktur Innerhalb der Rahmenbedingungen zur Gestaltung der Kostenrechnung stellt die

Organisationsstruktur eine zentrale Komponente dar. Im folgenden wollen wir die

begrifflichen Grundlagen herausarbeiten und grundlegende aufbauorganisatorische Gestaltungsalternativen vorstellen. In einem weiteren Schritt ist die Einordnung des

Rechnungswesens in die Unternehmensorganisation zu diskutieren. Abschließend sind die Besonderheiten der Organisationsstruktur von türkischen Unternehmen zu analysieren.

4.1.1 Begriffliche Grundlagen Bei jeder Analyse von organisatorischen Zusammenhängen ist zunächst festzu­ stellen, welche Beobachtungsperspektive der Betrachtung zugrundegelegt wird.641 Dabei sind im wesentlichen zwei grundlegend verschiedene Auffassungen des

Organisationsbegriffs gegeneinander abzugrenzen.

Institutionaler Organisationsbegriff

Beim institutionalen Organisationsbegriff wird der Begriff „Organisation“ als Oberbe­

griff für eine Institution - also zum Beispiel für ein Unternehmen, eine Behörde oder eine Universität - verwendet.642 Auf der Basis dieses Organisationsverständnisses

wird das Unternehmen in seiner Gesamtheit als Organisation angesehen.643 Aus

Vgl. Gaitanides [Prozeßorganisation 1983], S.1, Kubicek/Welter [Organisationsstruktur 1985], S.9ff., Ulrich/Fluri [Management 1992], S.171, Gomez/Zimmermann [Unternehmensorganisation 1993], S.15, Krüger [Unternehmung 1993], S.13, Schulte-Zurhausen [Organisation 1995], S.1, Bühner [Organisationslehre 1996], S.1, und Schreyögg [Organisation 1998], S.4f. Vgl. Grochla [Organisationsstruktur 1975], Sp.2847, Dülfer [Organisationskultur 1988], S.2, Schanz [Organisation 1992], Sp.1460, Kieser/Kubicek [Organisation 1992], S.1, Ulrich/Fluri [Management 1992], S.171, und Laux/Liermann [Organisation 1997], S.1.

Vgl. Schanz [Organisation 1992], Sp.1460, Picot et al. [Organisation 1998], S.28, und Schreyögg [Organisation 1998], S.9.

132.

Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung

dieser Sichtweise wird die Organisation als ein „zielorientiertes soziales Gebilde"644

betrachtet, das Unternehmen respektive der Betrieb ist eine Organisation.645 Instrumentaler Organisationsbegriff

Beim instrumentalen Organisationsbegriff bezieht sich der Begriff „Organisation" aus­ schließlich auf solche Regelungen, die als Mittel zur Zielerreichung von Institutionen

eingesetzt werden.646 Mithin begreift der instrumentale Organisationsbegriff die

Organisation als Summe von formalen Regelungen. Ziel der organisatorischen

Gestaltung ist es, einen Ideal-Mix an Regelungen zu finden, der es der Organisation ermöglichen soll, ihre Funktion als Instrument der Unternehmensführung zu

erfüllen.647 Im Mittelpunkt der Betrachtung stehen hier also Regelungen, die als Mittel zur Erreichung der unternehmerischen Ziele eingesetzt werden und in ihrer

Gesamtheit die Struktur einer Unternehmung determinieren.648 Nach dieser Betrach­ tungsweise hat eine Unternehmen eine Organisation.649 Dabei wird üblicherweise

zwischen Aufbau- und Ablauforganisation differenziert.650 „Die Aufbauorganisation beschreibt die Ausstattung und Verteilung von Potentialen bzw. Beständen an materiellen und immateriellen Gütern innerhalb der Organisation.

Gomez/Zimmermann [Unternehmensorganisation 1993], S.17. 645

646

Vgl. Kieser/Kubicek [Organisation 1992], S.4f., Schanz [Organisation 1992], Sp.1460, Ulrich/Fluri [Management 1992], S.171, Kieser [Organisation 1993], Sp.2989, Schulte-Zerhausen [Organisation 1995], S.1f., und Bühner [Organisationslehre 1996], S.4.

Vgl. Grochla [Gestaltung 1982], S.1,

Kieser/Kubicek [Organisation 1992], S.5, Schanz

[Organisation 1992], Sp.1460, Ulrich/Fluri [Management 1992], S.171, Remer [Organisationstheorien 1993], Sp.3057f., Hill et al. [Organisationslehre 1994], S.17, Bühner [Organisationslehre 1996], S.2f., Laux/Liermann [Organisation 1997], S.1, und Picot et al. [Organisation 1998], S.28. 647

Vgl. hierzu Grochla [Organisationsstruktur [Unternehmensorganisation 1993], S.17.

648

Vgl. Nordsieck [Betriebsorganisation 1955], S.23, Schanz [Organisation 1992], Sp.1460,

1975],

Sp.2848,

und

Gomez/Zimmermann

Ulrich/Fluri [Management 1992], S.171, Welge [Organisationsform 1993], Sp.3019, Bühner [Organisationslehre 1996], S.1, und Picot et al. [Organisation 1998], S.29. 649

Vgl. Hoffmann [Organisationsforschung 1976], S.58, und Schanz [Organisation 1992], Sp.1460.

650

Vgl. auch Witte [Ablauforganisation 1969], Sp.20ff., Lehmann [Aufbauorganisation 1974], Sp.290f., Kosiol [Organisation 1976], S.32f., Ellinger/Haupt [Ablauforganisation 1980], Sp.22, Grochla [Organisationsplanung 1989], Sp.1322, Schanz [Organisation 1992], Sp.1461, Bühner [Organisationslehre 1996], S.11, Frese [Organisation 1998], S.7, und Picot et al. [Organisation 1998], S.29.

Ausgewählte Rahmenbedtncungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung____________ 137

Gegenstände aufbauorganisatorischer Gestaltung sind daher nicht nur Personal-, Sachmittel- oder Datenbestände, sondern auch das Aufgaben- und Kompetenz­

gefüge.“651 Damit ist die Aufbauorganisation als das „statische Gerüst“652 eines Unternehmens zu kennzeichnen, das bestimmt, welche Aufgaben von welchem

Menschen mit welchen Sachmitteln zu erfüllen sind. In diesem Sinne der kosiolschen

Gestaltungslehre653 ergibt sich die Aufbauorganisation eines Unternehmens durch Aufgabenanalyse und Aufgabensynthese.654 Im Rahmen der Analyse der Aufbau­

organisation ist es zweckmäßig, die Gesamtaufgabe anhand der fünf Dimensionen Verrichtung, Objekt, Rang, Phase und Zweckbeziehung in Teilaufgaben zu

zerlegen.655 Diese analytisch gewonnenen Teilaufgaben werden im Prozeß der Aufgabensynthese nach bestimmten leitenden Prinzipien zu organisatorischen Ein­

heiten zusammengefaßt.656

Im Unterschied zur Aufbauorganisation befaßt sich die Ablauforganisation mit Prozeßphänomenen. Durch sie wird die Bestandsdimension der Aufbauorganisation um die dynamische Komponente erweitert.657 „Der Prozeß der Aufgabenerfüllung stellt den Inhalt der Ablauforganisation dar.“658 Die Ablauforganisation ergibt sich nach Kosiol durch Arbeitsanalyse und Arbeitssynthese.659 Die Arbeitsanalyse

verschafft einen Überblick über sämtliche anfallende, auf Stellen und Abteilungen zu

Gaitanides [Ablauforganisation 1992], Sp.1.

Hoffmann [Aufbauorganisation 1992], Sp.208. Vgl. hierzu ausführlich Kosiol [Organisation 1976], S.32f.

Vgl. hierzu grundlegend Kosiol [Organisation 1976], S.32f. Vgl. auch Witte [Ablauforganisation 1969], Sp.21, Kosiol [Ablauforganisation 1980], Sp.2f., und Picot et al. [Organisation 1998], S.165f. Vgl. hierzu ausführlich Kosiol [Organisation 1976], S.192. Vgl. auch Kosiol [Aufbauorganisation 1969], Sp.175, Schweitzer [Ablauforganisation 1974], Sp.1, Grochla [Gestaltung 1982], S.60, und Schreyögg [Organisation 1998], S.114ff. Vgl. Kosiol [Aufbauorganisation 1969], Sp.176, Kramer [Planung 1969], Sp.1319, Bühner [Organisationslehre 1996], S.10f., und Picot et al. [Organisation 1998], S.166.

Vgl. Gaitanides [Ablauforganisation 1992], Sp.1. Wittlage [Unternehmensorganisation 1989], S.198.

Vgl. hierzu Kosiol [Organisation 1976], S.189. Vgl. auch Gaitanides [Ablauforganisation 1993], Sp.197f., und Olfert/Pischulti [Unternehmensführung 1999], S.124f.

138

Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung

verteilende Arbeitsteile.660 Sie wendet dieselben Gliederungskriterien wie die Aufbauorganisation an und setzt - analog der Aufgabenanalyse - bei den Stellen­

aufgaben als Teilaufgaben niedrigster Ordnungsstufe an.661 Aus diesem Grund wird sie auch als verlängerte, erfüllungsbezogene Aufgabenanalyse charakterisiert.662 Aufbauend auf den Ergebnissen der Arbeitsanalyse wird der Arbeitsablauf durch die Zusammenfassung der analytisch gewonnenen elementaren Teilaufgaben im

Rahmen der Arbeitssynthese gestaltet.663 Dabei finden insbesondere personelle, temporale und lokale Gesichtspunkte Berücksichtigung.664

Die Differenzierung in Aufbau- und Ablauforganisation ist lediglich analytischer Natur und dient zur besseren Durchdringung der ganzheitlichen organisatorischen Problemstellung.665 Während sich die Aufbauorganisation primär der Bildung von organisatorischen Potentialen widmet, geht es im Rahmen der Ablauforganisation

vorrangig um den Prozeß der Nutzung dieser Potentiale.666 Aufbau und Ablauf sind

unterschiedliche Betrachtungsweisen des gleichen Gegenstandes und stellen „die bewußt geplante, formale, aus sachrationalen, generellen und dauerhaften Rege­ lungen bestehende Organisationsstruktur der Unternehmung“667 dar.

Den folgenden Ausführungen zur Organisationsstruktur wird der instrumentelle Organisationsbegriff zugrundegelegt, wobei die Betrachtung schwerpunktmäßig auf den aufbauorganisatorischen Aspekt und hier insbesondere auf die Einordnung des

Rechnungswesens und damit speziell auch der Kostenrechnung in die Unterneh­ mensorganisation sowie die Besonderheiten türkischer Unternehmen gerichtet wird.

Vgl. Kosiol [Organisation 1976], S.189, und Gaitanides [Ablauforganisation 1992], Sp.5. 661

Vgl. Kosiol [Organisation 1976], S.189. Vgl. hierzu auch Kosiol [Ablauforganisation 1980], Sp.3,

662

Vgl. Kosiol [Organisation 1976], S.190.

663

Vgl. Kosiol [Organisation 1976], S.190f., und Gaitanides [Ablauforganisation 1992], Sp.6.

und Gaitanides [Ablauforganisation 1992], Sp.5.

664

Vgl. Kosiol [Organisation 1976], S.191.

665

Vgl. Kosiol [Ablauforganisation 1980], Sp.1f., Hoffmann [Aufbauorganisation 1992], Sp.208, Bühner [Organisationslehre 1996], S.11, und Link [Führungssysstem 1996], S.66f.

666

Vgl. Gaitanides [Ablauforganisation 1992], Sp.2.

667

Hoffmann [Aufbauorganisation 1992], Sp.208.

Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung____________ 133

4.1.2 Grundlegende aufbauorganisatorische Gestaltungsalternativen 4.1.2.1 Funktionalorganisation

Die Funktionalorganisation stellt die häufigste und älteste Organisationsform dar.668 In Abbildung 1 ist das Grundmodell der funktionalen Organisation dargestellt.

Unternehmensleitung

Beschaffung

Produktion

Absatz

Forschung & Entwicklung

Verwaltung

Rechnungs­ wesen

Quelle: Bea/Haas [Strategisches Management 1997], S.375 (leicht modifiziert)

Abb. 1: Grundstruktur der Funktionalorganisation

Ausgangspunkt für den organisatorischen Aufbau sind die Kerntätigkeiten, wobei die

Strukturierung gemäß dem Fluß des Realgüterstroms erfolgt.669 Die zweite, der Unternehmensleitung unmittelbar nachgeordnete Hierarchieebene ist nach Funkti­

onen gegliedert, so daß als Ergebnis der funktionalen Gliederung Abteilungen wie beispielsweise Beschaffung, Produktion, Absatz, Forschung & Entwicklung, Ver­

waltung und Rechnungswesen entstehen.670 Da die Grundlage für die Zusammen­ fassung von Funktionen gleichartige Verrichtungen sind, wird dieses Organisations­

modell auch als Verrichtungsorganisation bezeichnet.671

Vgl. Gomez/Zimmermann [Unternehmensorganisation 1993], S.179, Vahs [Organisation 1997], S.124, und Frese [Organisation 1998], S.333. Vgl. hierzu Gomez/Zimmermann [Unternehmensorganisation 1993], S.178f., und Picot et al. [Organisation 1998], S.211.

Vgl. Staehle [Management 1994], S.708, Gaitanides [Führungsorganisation 1995], S.421, Schulte-Zurhausen [Organisation 1995], S.221f., Bühner [Organisationslehre 1996], S.110, und Bea/Haas [Strategisches Management 1997], S.375. Vgl. Lochstampfer [Funktionale Organisation 1980], Sp.756f., Kieser/Kubicek [Organisation 1992], S.88, Bühner [Organisation 1993], S.397, Kieser [Organisationsstruktur 1993], S.60, Krüger [Unternehmung 1993], S.95, Staehle [Management 1994], S.708, Laux/Liermann [Organisation 1997], S.289, und Picot et al. [Organisation 1998], S.211.

140

Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung

Entsprechend dem situativen Ansatz kann eine Bewertung dieses Organisations­

modells nur im Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen situativen Bedin­ gungen erfolgen.672 Die wesentlichen Vorteile einer verrichtungsorientierten Arbeits­

teilung liegen in der Nutzung von Spezialisierungsvorteilen und in der Bildung in sich

homogener Handlungseinheiten mit hoher Kompetenzdichte, die eine effiziente Nut­ zung der Ressourcen ermöglichen.673 Schwachstellen der Funktionalorganisation können im Ressortegoismus und in der mangelnden Koordination zwischen den

einzelnen Bereichen liegen, wobei die Koordinationsprobleme im Regelfall mit wachsender Produktdifferenzierung und zunehmender Unternehmensgröße immer

deutlicher hervortreten.674 Als nachteilig erweist sich ferner die geringe Anpassungs­ fähigkeit an qualitative Marktveränderungen, wobei insbesondere die Innovations­

kraft dieser Organisationsform aufgrund der hohen Standardisierung und Formali­ sierung in Verbindung mit der hohen Spezialisierung der Subsysteme stark einge­ schränkt ist.675 Die eingeschränkten Möglichkeiten der unternehmerischen Personal­

entwicklung sind als weiterer Nachteil der Verrichtungsorganisation anzusehen. Festzuhalten bleibt, daß die Funktionalorganisation vor allem für kleinere und

mittlere Unternehmen mit homogenem Produktionsprogramm bei relativ stabilen Marktbedingungen geeignet ist.676 Allerdings ist auch darauf hinzuweisen, daß die

Verrichtungsorganisation die Grundlage für eine Vielzahl von organisatorischen

Vgl. Bea/Haas [Strategisches Management 1997], S.375. Vgl. Gutenberg [Unternehmensführung 1962], S.120f., Grochla [Organisationsstruktur 1975], Sp.2855, Lochstampfer [Funktionale Organisation 1980], Sp.763, Frese [Unternehmensführung 1986], S.239, Frese [Organisation 1988], S.382ff., Probst [Organisation 1992], S.54, Schertler [Unternehmensorganisation 1993], S.33, Vahs [Organisation 1997], S.126, und Schreyögg [Organisation 1998], S.132. Vgl. hierzu ausführlich Staehle [Management 1994], S.709. Vgl. hierzu auch Welge [Profit-Center 1975], S.37f., Grochla [Gestaltung 1982], S.136f., Braun/Beckert [Funktionalorganisation 1992], Sp.644f., Schulte-Zurhausen [Organisation 1995], S.224ff., Bühner [Organisationslehre 1996], S.113, und Hinterhuber [Unternehmungsführung II 1997], S.129.

Vgl. Krüger [Unternehmung 1993], S.96f., Bea/Haas [Strategisches Management 1997], S.375f., und Schreyögg [Organisation 1998], S.133. Vgl. Lochstampfer [Funktionale Organisation 1980], Sp.763f., Staehle [Funktionen 1992], S.106, Bea/Haas [Strategisches Management 1997], S.376, Picot et al. [Organisation 1998], S.217, und Schreyögg [Organisation 1998], S.133.

Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung

141

Mischformen darstellt, die je nach Branche und Unternehmenszweck unterschiedlich

ausfallen.677

4.1.2.2 Divisionalorganisation Bei der Divisionalorganisation sind die Aufgabenbereiche auf der zweiten, der Unternehmensleitung nachgelagerten Hierarchieebene konsequent nach Geschäfts­

bereichen (Sparten) gegliedert.678 In Abbildung 2 ist das idealtypische Modell der

Divisionalorganisation dargestellt.

Wie aus Abbildung 2 zu entnehmen ist, können die einzelnen Geschäftsbereiche

nach Produkten bzw. nach Produktgruppen (Objektorganisation), nach Regionen (Regionalorganisation) oder nach Kundengruppen (Kundengruppenorganisation) unterteilt werden 679 In den Geschäftsbereichen selbst kommt nach der ideal­

typischen Vorstellung die funktionale Gliederung zur Anwendung.600 Für Koordi­ nationsaufgaben zwischen den verschiedenen Sparten, für spartenübergreifende

Vgl. Gomez/Zimmermann [Unternehmensorganisation 1993], S.180. Vgl. Eisenführ [Divisionale Organisation 1980], Sp.558, Grochla [Gestaltung 1982], S.137, Kieser/ Kubicek [Organistion 1992], S.88, Bühner [Spartenorganisation 1992], Sp.2276, Bea/Haas [Strategisches Management 1997], S.377, Laux/Liermann [Organisation 1997], S.290, und Schreyögg [Organisation 1998], S.135.

Vgl. Hoffmann [Organisationsforschung 1976], S.241, Eisenführ [Divisionale Organisation 1980], Sp.558ff., Grochla [Gestaltung 1982], S.137, Kuhn [Unternehmensführung 1982], S.138f., Ulrich/Fluri [Management 1992], S.179, Gomez/Zimmermann [Unternehmensorganisation 1993], S.183f., Bühner [Organisationslehre 1996], S.124, und Picot et al. [Organisation 1998], S.237f.

Vgl. Gälweiler [Divisionalisierung 1971], S.55, Staehle [Management 1994], S.710, Gaitanides [Führungsorganisation 1995], S.423, und Bühner [Organisationslehre 1996], S.124.

142.

Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung

Aufgaben und zur Ausnutzung von Synergie- und Größenvorteilen werden regel­ mäßig Zentraiabteilungen installiert.681

Für den Fall, daß den Sparten sämtliche Funktionsbereiche übertragen werden, handelt es sich um sogenannte Profit Center, die in ihren Entscheidungen zwar (weitgehende) Autonomie besitzen, die wegen ihrer rechtlichen Abhängigkeit

allerdings „Unternehmen im Unternehmen“682 bleiben.683

Die Vorzüge dieser Organisationsform sind vor allem darin zu sehen, daß eine

größere Flexibilität erreicht wird, die Entscheidungen schneller und marktbezogener

getroffen werden, die Gesamtunternehmensleitung entlastet wird und der unter­

nehmensweite Koordinations- und

Kommunikationsaufwand verringert wird.684

Gegebenenfalls können innerhalb der Geschäftsbereiche auch unterschiedliche

Strukturierungskonzepte zur Anwendung kommen, wodurch eine verbesserte Anpassungsfähigkeit an Marktveränderungen respektive an die Wertketten der

Marktpartner erreicht werden kann.685 Da die Spartenleiter ausschließlich auf ihren jeweiligen Geschäftsbereich konzentriert sind, ist zwischen ihnen keine Abstimmung

erforderlich. Abstimmungsbedarf entsteht erst auf den zwei obersten Hierarchie­ ebenen, wenn es, beispielsweise im Rahmen der internen Budgetierung, gilt, die einzelnen Unternehmensbereiche unter strategischen Aspekten zusammenzuführen

und die Ressourcenverteilung zu regeln.686 Positiv hervorzuheben ist ferner, daß

durch die weitgehende Autonomie der Geschäftsbereiche eine höhere Motivation der

Vgl. Staehle [Management 1994], S.710, Gaitanides [Führungsorganisation 1995], S.423, Schulte-Zurhausen [Organisation 1995], S.230f., Bea/Haas [Strategisches Management 1997], S.377, und Vahs [Organisation 1997], S.133.

Bühner [Organisationslehre 1996], S.124. Vgl. Budde [Profit-Center 1978], S.137, Eisenführ [Divisionale Organisation 1980], Sp.558f., Grochla [Gestaltung 1982], S.137, Frese [Profit-Center 1990], S.139, Frese/Werder [Organisation 1994], S.14f., Gaitanides [Führungsorganisation 1995], S.423, Schulte-Zurhausen [Organisation 1995], S.230, und Schreyögg [Organisation 1998], S.135.

Vgl. Schertler [Unternehmensorganisation 1993], S.35, Staehle [Management 1994], S.711, Schulte-Zurhausen [Organisation 1995], S.233, Bühner [Organisationslehre 1996], S.131, und Vahs [Organisation 1997], S.136.

Vgl. Bea/Haas [Strategisches Management 1997], S.378, und Schreyögg [Organisation 1998], S.147. Vgl. Bühner [Spartenorganisation 1992], Sp.2276.

Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung

14^

Mitarbeiter erreicht wird und gute Personalentwicklungsmöglichkeiten bestehen.687

Probleme können sich bei der Spartenorganisation vor allem dadurch ergeben, daß

die strategischen Entscheidungen der Unternehmensleitung in den einzelnen opera­ tiv orientierten Geschäftsbereichen keine ausreichende Berücksichtigung finden.688 Diese Bruchstelle zwischen Unternehmensführung und Sparten erschwert die Inte­

gration strategischer und operativer Aufgaben erheblich.689 Sparten- und Unter­

nehmensziele können voneinander differieren,690 wobei der „Spartenegoismus“691 zu suboptimalen Ergebnissen für das Unternehmen als Ganzes führen kann.692 Weitere

Nachteile sind darin zu sehen, daß eine größere Anzahl von Führungskräften erfor­

derlich ist, daß Informationen von unternehmensweiter Bedeutung durch einzelne Geschäftsbereiche genutzt bzw. gefiltert werden, und es in den einzelnen Sparten

gegebenenfalls zu Doppelarbeiten kommt.693 Die hier aufgezeigten Vorzüge und Mängel stellen lediglich grundsätzliche Stärken

und Schwächen einer Divisionalorganisation dar. Eine situative Betrachtung des Einzelfalles kann durch diese grundsätzliche Analyse nicht ersetzt werden.

4.1.2.3 Matrix-Organisation Eine Matrix-Organisation ist gegeben, wenn auf der Hierarchieebene unterhalb der Unternehmensleitung „zwei Gliederungsprinzipien gleichzeitig

und weitgehend

gleichgewichtig verfolgt“694 werden. Die Matrix-Organisation ist in ihrem Grundmodell in Abbildung 3 veranschaulicht.

Vgl. Welge [Profit-Center 1975], S.77f., Krüger [Unternehmung 1993], S.102, Laux/Liermann [Organisation 1997], S.293, und Schreyögg [Organisation 1998], S.147. Vgl. Steinmann/Schreyögg [Management 1993], S.392.

Vgl. Bea/Haas [Strategisches Management 1997], S.379. Vgl. Wittlage [Unternehmensorganisation 1989], S.159. Bea/Haas [Strategisches Management 1997], S.379.

Vgl. Bea/Haas [Strategisches Management 1997], S.379. Vgl. Wittlage [Unternehmensorganisation 1989], S.159, Schulte-Zurhausen [Organisation 1995], S.234, und Vahs [Organisation 1997], S.136.

Bea/Haas [Strategisches Management 1997], S.382.

144

Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung

Die Matrix-Organisation kommt durch die Verknüpfung von zwei unterschiedlichen

Zentralisationskriterien auf der gleichen Hierarchieebene zustande.695 Das Prinzip

der Einheit der Auftragserteilung wird aufgegeben zugunsten der „Aufteilung der Leitungsfunktion nach Dimensionen“696. Als Dimensionen oder Zentralisierungs­ kriterien können gewählt werden: Funktionsbereich, Verrichtung, Region, Projekt,

Produktgruppe (Sparte).697 Die Matrix-Organisation ist ganz bewußt auf Kompetenzund

Verantwortlichkeitsüberschneidungen

ausgerichtet,698

mit

dem

Ziel,

Vgl. hierzu Scholz [Matrix-Organisation 1992], Sp.1302, Staehle [Funktionen 1992], S.113, Gomez/Zimmermann [Unternehmensorganisation 1993], S.182, Rühli [Organisationsformen 1993], Sp.3039, Schulte-Zurhausen [Organisation 1995], S.234, und Schreyögg [Organisation 1998], S.183.

696

Ulrich/Fluri [Management 1992], S. 184.

697

Vgl. Grochla [Gestaltung 1982], S.140, Remer [Matrix-Organisation 1983], S.666, Ulrich/Fluri [Management 1992], S.184, Staehle [Führungsorganisation 1995], S.422.

698

[Management

1994],

S.680,

und

Gaitandes

Vgl. hierzu ausführlich Gomez/Zimmermann [Unternehmensorganisation 1993], S.182. Vgl. aber

auch Schulte-Zurhausen [Organisation 1995], S.235, Bühner [Organisationslehre 1996], S.147, und Vahs [Organisation 1997], S.141.

Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung

145

„Abstimmungszwänge (...) zu schaffen, um von verschiedenen Unternehmens­ bereichen gemeinsam genutzte, aber knappe Ressourcen durch gemeinsame Ent­ scheidung aller betroffenen Stellen möglichst effizient zu nutzen.“699

Die idealtypischen Vorteile einer funktionsfähigen Matrix-Organisation sind vor allem

darin zu sehen, daß sachgerechte, kreative und qualitativ hochwertige Team­ entscheidungen gefördert werden.700 Zusätzlich zu der verbesserten Entscheidungs­ qualität ist die Erhöhung der Flexibilität und der Reaktionsfähigkeit sowie die

Förderung der Konsensfindung und die Identifikation mit den verschiedenen Zielen positiv hervorzuheben.701

Idealtypische Nachteile dieser Organisationsform bestehen darin, daß aufwendige

Abgrenzungen der Kompetenzen vorgenommen werden müssen und ein erheblicher Kommunikationsbedarf entsteht.702 Hinzu kommt, daß die einzelnen Entscheidungs­

prozesse kaum nachzuvollziehen sind, die Gefahr zu vieler Kompromisse besteht

und die eindeutig kommerzielle Ergebnisverantwortung der Dimensionsleiter fehlt.703

Der schwerwiegendste Einwand gegen die Matrix-Organisation ist jedoch, daß es in den Unternehmen zu langwierigen Diskussionen und damit verbundenen Ent­

scheidungsverzögerungen sowie lähmenden Machtkämpfen kommen kann.704 Um Konflikte zu vermeiden, ist bei den Mitarbeitern von Unternehmen, die die Matrix­

Gaitandes [Führungsorganisation 1995], S.422. Vgl. Ulrich/Fluri [Management 1992], S.187, Schertler [Unternehmensorganisation 1993], S.43, und Bea/Haas [Strategisches Management 1997], S.384. Vgl. Probst [Organisation 1992], S.60, und Gomez/Zimmermann [Unternehmensorganisation 1993], S.182. Vgl. Ulrich/Fluri [Management 1992], S.187, Probst [Organisation 1992], S.60, Schertler [Unternehmensorganisation 1993], S.44, Schulte-Zurhausen [Organisation 1995], S.237, Vahs [Organisation 1997], S.143, und Schreyögg [Organisation 1998], S.189.

Vgl. Ulrich/Fluri [Management 1992], S.187, Schertler [Unternehmensorganisation 1993], S.44, und Probst [Organisation 1992], S.60. Vgl. Bühner [Matrix-Organisation 1985], S.179, Scholz [Matrix-Organisation 1992], Sp.1307, Gomez/Zimmermann [Unternehmensorganisation 1993], S.183, Staehle [Management 1994], S.680, Gaitandes [Führungsorganisation 1995], S.422, Schulte-Zurhausen [Organisation 1995], S.237, und Schreyögg [Organisation 1998], S.189f.

Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung

146.

Organisation

verwirklicht haben,

häufig

eine

„hohe

Programmierungs-

und

Standardisierungsneigung“705 festzustellen. Mit wachsender Unternehmensgröße nehmen Koordinationsbedarf und Kompetenz­

unklarheiten in der Matrix-Organisation zu.706 In der Praxis ist diese Organisations­ form daher nur in Ausnahmefällen in der idealtypischen Ausprägung anzutreffen,

statt dessen wird hier regelmäßig eine der Dimensionen mit erhöhten Kompetenzen

ausgestattet.707 Als sog. Mikromatrix - d.h. der Beschränkung dieser Organisations­

form auf Teilbereiche des Unternehmens - kommt die Matrix-Organisation vor allem in der Marketing- und Vertriebsorganisation zur Anwendung.708

4.1.3 Einordnung des Rechnungswesens in die Unternehmensorganisation Das Rechnungswesen kann auf unterschiedliche Art und Weise in die Unterneh­

mensorganisation integriert werden. Im folgenden werden die wesentlichen aufbau­

organisatorischen Alternativen für die Einordnung des Rechnungswesens in die

Unternehmensorganisation analysiert. Die grundlegende Zielsetzung jedes organisatorischen Handelns besteht darin,

optimale Bedingungen für die Erfüllung der Aufgaben des zu organisierenden Bereiches zu schaffen und dabei Effektivitäts- und Effizienzkriterien zu berücksich­ tigen.709 Entsprechend diesen Zielsetzungen sind die Strukturen und Abläufe des

Rechnungswesens derart zu gestalten, daß im Sinne der Grenzkosten-/ Grenz­

ertragsintensität ein Informationsoptimum erreicht wird.710 Im Rahmen dieser Gestaltungsaufgabe sind diverse unternehmensinterne und unternehmensexterne

Bea/Haas [Strategisches Management 1997], S.384.

706

Vgl. hierzu ausführlich Remer [Matrix-Organisation 1983], S.668, und Gomez/Zimmermann

707

Vgl. Gomez/Zimmermann [Unternehmensorganisation 1993], S.181.

708

Vgl. Gaitanides [Führungsorganisation 1995], S.423.

[Unternehmensorganisation 1993], S.181.

709

Vgl. Macharzina [Rechnungswesen 1992], Sp.2153.

710

Vgl. Macharzina [Rechnungswesen 1992], Sp.2153.

Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung

147

Rahmenbedingungen zu berücksichtigen.711 Zu den im Schrifttum genannten wichtigsten unternehmensinternen Rahmenbedingungen zählen die Unternehmens­ größe, die Branche, die Eigentumsverhältnisse, das vorhandene Personal, die wahr­

genommene Bedeutung des Rechnungswesens innerhalb des Unternehmens sowie

die eingesetzte Hard- und Software. Die einschlägigen Gesetze und Rechtsver­

ordnungen, die berufsständischen Erlasse und Empfehlungen sowie die allgemein anerkannten Normen stellen die wesentlichen unternehmensexternen Rahmen­

bedingungen dar. Zentralisation und Dezentralisation werden als die grundlegenden Alternativen zur Verteilung der Aufgaben des Rechnungswesens innerhalb des Unternehmens

angesehen.712 Das Kernproblem besteht darin, die Kostenrechnung zentral oder dezentral in der unternehmerischen Aufbauorganisation anzuordnen. Werden die

Aufgaben des Rechnungswesens den einzelnen organisatorischen Gliederungs­ einheiten direkt zugeordnet, so liegt eine Dezentralisation des Rechnungswesens

vor.713 Eine Zentralisation des Rechnungswesens liegt vor, wenn die Aufgaben des Rechnungswesens aus den einzelnen Sachabteilungen ausgegliedert werden und von einer selbständigen organisatorischen Einheit zentral für das gesamte Unter­ nehmen wahrgenommen werden.714 Innerhalb der dezentralen Aufbaustrukturierung des Rechnungswesens können zwei

Varianten der Dezentralisation unterschieden werden. Eine Dezentralisation nach

(Informations-) Bedarfsstellen (Empfängern) liegt dann vor, wenn jede organisa­ torische Einheit die für ihre Entscheidungen notwendigen Informationsbeschaffungs-

Vgl. zum folgenden Zybon [Organisation 1969], S.221 ff. Vgl. hierzu auch Coenenberg [Rechnungswesen 1969], Sp.1422, Macharzina [Rechnungswesen 1992], Sp.2153, Hopfenbeck [Managementlehre 1997], S.489f., und Sigle [Organisation 1998], S.524ff. Vgl. Coenenberg [Rechnungswesen 1969], Sp.1417ff., Bleicher [Rechungswesen Sp.1296, Sigli [Organisation 1994], S.462, und Horväth [Controlling 1998], S.421.

1970],

Coenenberg [Rechnungswesen

1980],

Vgl. Bleicher [Rechnungswesen 1980], Sp.1296, Sp.1998f., und Horväth [Controlling 1998], S.421.

Vgl. Bleicher [Rechnungswesen 1970], Sp.1296, Neuhof [Rechnungswesen 1975], S.725, Coenenberg [Rechnungswesen 1980], Sp.1999, und Horväth [Controlling 1998], S.422.

Ausgewählte Rahmenbedingunoen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung

14£L

und -Verarbeitungsaufgaben selbständig wahrzunehmen hat.715 Sind dagegen die

notwendigen Informationsaufgaben von denjenigen organisatorischen Einheiten durchzuführen, bei denen die für interne und externe Zwecke bedeutsamen Informa­

tionen anfallen, so handelt es sich um eine Dezentralisation nach (Informations-) Entstehungsstellen (Sendern).716 Beide Gestaltungsformen der dezentralen Aufgabenstrukturierung des Rechnungs­

wesens sind mit erheblichen Nachteilen verbunden. Bei einer bedarfsorientierten Dezentralisation besteht unter quantitativen Aspekten die Gefahr der Überbelastung

organisatorischer Einheiten mit Informationssuchprozessen und der ineffizienten Doppelarbeit im Rahmen der Informationsverarbeitung.717 Bei der Beschaffung von

unternehmensexternen Informationen kann es zu erheblichen Schätzungsdiffe­ renzen zwischen den verschiedenen Stellen kommen, was in der Konsequenz zu nicht optimal aufeinander abgestimmten Teilentscheidungen führt.718 Die entschei­

dungsorientierte Dezentralisation eleminiert diese Nachteile zwar in weiten Teilen, sie führt jedoch zu einer erheblichen Komplexitätserhöhung der Kommunikations­ beziehungen und ist zudem mit einer sukzessiven Erhöhung der Störanfälligkeit des gesamten dezentralen Rechnungswesens verbunden.719 Darüber hinaus kann es bei

einer Dezentralisation des Rechnungswesens nach den Stellen der Informationsent­ stehung zu Informationsmanipulationen durch diese organisatorischen Einheiten

kommen, um auf diese Weise für sie negative Informationskonsequenzen - wie etwa verzerrte Planvorgaben - zu vermeiden.720

Wird die (Verrichtungs-) Zentralisation konsequent auf das gesamte Rechnungs­

wesen des Unternehmens angewandt, so führt dies zur Bildung einer eigenen

Vgl. Neuhof [Rechnungswesen 1975], S.724, Coenenberg [Rechnungswesen 1980], Sp.1999, und Macharzina [Rechnungswesen 1992], Sp.2155.

716

Vgl. Neuhof [Rechnungswesen 1975], S.724, Coenenberg [Rechnungswesen 1980], Sp.1999,

717

Vgl. Gäfgen [Entscheicung 1968], S.194f.t und Macharzina [Rechnungswesen 1992], Sp.2155.

718

Vgl. Coenenberg [Rechnungswesen 1980], Sp.1999, und Macharzina [Rechnungswesen 1992],

719

Vgl. Coenenberg [Rechnungswesen 1980], Sp.1999, und Macharzina [Rechnungswesen 1992], Sp.2155.

720

Vgl. hierzu ausführlich Macharzina [Rechnungswesen 1992], Sp.2156.

und Macharzina [Rechnungswesen 1992], Sp.2155.

Sp.2155.

Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung

149

Abteilung „Rechnungswesen“, die sämtliche mit der Informationsgewinnung und

-Verarbeitung zusammenhängenden Teilaufgaben wahrnimmt.721 Die Zentralisation

des Rechnungswesens wird regelmäßig auch mit einer gewissen räumlichen Zentra­ lisation einhergehen,722 auch wenn eine vollständige Zentralisation niemals zu

realisieren ist, weil die Erfassung bestimmter Informationen ausschließlich am Ort der Informationsentstehung möglich ist.723

Die Vorteile eines zentralisierten Rechnungswesens sind in der Spezialisierung, der weitgehenden Standardisierung von Erfassungs- und Verarbeitungsmethoden, der Arbeitsentlastung einzelner Stellen von Informationsaufgaben und, bedingt durch die Schaffung direkter Kommunikationswege zwischen den Sachabteilungen und der zentralen Abteilung Rechnungswesen, in der Vereinfachung der Kommunikations­ beziehungen zu sehen.724 Die externen, gesetzlich festgelegten Zwecke des Rech­ nungswesens sprechen ebenfalls für eine Zentralisierung des Rechnungswesens, da

das Unternehmen in der externen Rechnungslegung nach außen als selbständige

Wirtschaftseinheit in Erscheinung tritt.725 Ein zentralisiertes Rechnungswesen ermög­ licht die einheitliche und interessenneutrale Ermittlung von gesamtunternehmens­

bezogenen Erfolgsgrößen und erweist sich damit auch im Hinblick auf die nach innen gerichteten Zwecke des Rechnungswesens als vorteilhaft.726

Werden die Aufgaben des Rechnungswesens zentral von einer organisatorischen Einheit wahrgenommen, so besteht die Gefahr, daß das Rechnungswesen zu einem starken Machtfaktor innerhalb des betrieblichen Entscheidungssystems wird.727 Im

Unternehmen entsteht hinsichtlich der quantitativen Informationen ein Informations­

monopol, das mit der Gefahr der Informationsfilterung bzw. der unzureichenden

Vgl. Neuhof [Rechnungswesen 1975], S.725., Macharzina [Rechnungswesen 1992], Sp.2156, und Horväth [Controlling 1996], S.419. Vgl. Coenenberg [Rechnungswesen 1980], Sp.1999. Vgl. Macharzina [Rechnungswesen 1992], Sp.2154. Vgl. Coenenberg [Rechnungswesen 1980], Sp.1999, und Macharzina [Rechnungswesen 1992], Sp.2154. Vgl. Coenenberg [Rechnungswesen 1980], Sp.1999f.

Vgl. Coenenberg [Rechnungswesen 1980], Sp.1999f. Vgl. Neuhof [Rechnungswesen 1975], S.725.

15Q.

Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung

Weitergabe entscheidungsrelevanter Informationen verbunden ist.728 Schließlich kann es durch die Länge der Informationsdistanz zwischen den Informations­

entstehungsstellen und dem Rechnungswesen einerseits sowie dem Rechnungs­

wesen und den Informationsbedarfsstellen andererseits zu erheblichen inhaltlichen und zeitlichen Kommunikationsstörungen kommen.729 Im betriebswirtschaftlichen Schrifttum herrscht bei der Frage nach Zentralisation oder Dezentralisation des Rechnungswesens Einigkeit darüber, daß es in der Regel nicht

darum gehen kann, eine der beiden idealtypischen Ausprägungen vollständig zu realisieren.730 Angestrebt werden sollte vielmehr eine unternehmensindividuelle, optimale Kombination von zentraler und dezentraler Aufgabenerfüllung. Dabei

müssen auf der einen Seite die Zielvorstellungen der Unternehmensführung, ins­ besondere die Bedeutung, die dem Rechnungswesen beigemessen wird, und

andererseits die spezifischen, unternehmensindividuellen Rahmenbedingungen wie

Unternehmensgröße und Organisationsstruktur, Berücksichtigung finden.731 Abschließend muß vor dem Hintergrund der vorangegangenen Ausführungen darauf hingewiesen werden, daß die Einordnung des Rechnungswesens - und damit auch

der Kostenrechnung - in die Unternehmensorganisation wesentlich von der ge­

wählten Aufbauorganisation des Unternehmens determiniert wird, wobei in der unter­ nehmerischen Praxis und in der Literatur im Regelfall folgende organisatorischen

Einbindungen des Rechnungswesens in die Unternehmensorganisation vorzufinden sind bzw. vorgeschlagen werden.732 In kleineren Unternehmen mit einer Funktional­ organisation besteht wegen der mangelnden Größenvorteile nur eine eingeschränkte

Dezentralisierungsnotwendigkeit des Rechnungswesens. Regelmäßig ist in diesen

Unternehmen eine geschlossene Integration der Abteilung Rechnungswesen in die

Vgl. Neuhof [Rechnungswesen 1975], S.725f. Vgl. Neuhof [Rechnungswesen 1975], S.725f., und Coenenberg [Rechnungswesen 1980], Sp.2000. Vgl. Macharzina [Rechnungswesen 1992], Sp.2155.

Vgl. Macharzina [Rechnungswesen 1992], Sp.2156. Vgl. zum folgenden Macharzina [Rechnungswesen 1992], Sp.2160ff.

Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung

151

unternehmerische Aufbauorganisation festzustellen. Innerhalb des wenig spezia­ lisierten zentralen Rechnungswesens besteht regelmäßig keine eigenständige

Abteilung Kostenrechnung.733 Demgegenüber ist in größeren Unternehmen mit einer Funktionalorganisation meistens eine Aufgabenteilung zwischen einer Zentral­ abteilung Rechnungswesen und dezentralen Einheiten festzustellen. Während die

Zentralabteilung Rechnungswesen umfassende Aufgaben aus dem Rechnungs­

wesen und dem Controlling für das Gesamtunternehmen wahrnimmt, befassen sich

die dezentralen Einheiten vorwiegend mit kostenrechnerischen Aufgaben in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich.734 Auch bei der Divisionalorganisation ist das Rechnungswesen grundsätzlich als Zentralbereich in die Aufbauorganisation inte­

griert, jedoch aufbauorganisatorisch erweitert um eine dezentrale Controlling-Einheit zu jedem Objektbereich. Bei der Divisionalorganisation ist im Gegensatz zur

Funktionalorganisation regelmäßig eine fachliche und disziplinarische Unterstellung

der dezentralen Rechnungsweseneinheiten unter den Zentralbereich Rechnungs­

wesen vorzufinden. Damit wird das Ziel verfolgt, möglichen manipulativen Eingriffen der Spartenleiter entgegenzuwirken. Bei der Regionalorganisation als möglicher Ausprägung der Divisionalorganisation besteht insbesondere in international stark differenzierten Unternehmen die Notwendigkeit, auch das externe Rechnungswesen

stärker dezentral auszurichten, um auf diese Weise die jeweiligen nationalen Rechnungslegungsvorschriften besser umsetzen zu können. Die Aufgaben der Kostenrechnung sind bei divisional organisierten Unternehmen regelmäßig derart

aufgeteilt, daß der Zentralbereich Rechnungswesen gesamtunternehmensbezogene

Planungs- und Kontrollaufgaben wahrnimmt, während die dezentralen Einheiten divisionsbezogene Aufgaben der Kostenrechnung durchführen.735 Bei der Ein­ ordnung des Rechnungswesens in die Matrix-Organisation muß vor allem das

Problem der fachlichen und diziplinarischen Über-/Unterordnungsverhältnisse der (dezentralen) Rechnungsweseneinheiten gelöst werden. Dabei reichen die Lösungs­

Vgl. Coenenberg [Rechnungswesen 1980], Sp.2002, Bleicher [Rechnungswesen 1981], Sp.1245, Macharzina [Rechnungswesen 1992], Sp.2160f., und Sigle [Organisation 1998], S.525.

Vgl. hierzu Bleicher [Rechnungswesen 1981], Sp.1250, und Sigle [Organisation 1998], S.525f. Vgl. Coenenberg [Rechnungswesen 1980], Sp.2002, Bleicher [Organisation 1991], S.308f., Hahn [Controllingkonzepte 1996], S.793, und Sigle [Organisation 1998], S.526.

Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung

152.

möglichkeiten von der Institutionalisierung dezentraler Controlling-Bereiche im Innenbereich der Matrix bis hin zur Verankerung eines gesonderten Controlling-

Anweisungs- und Berichtssystems außerhalb der Matrix. 4.1.4 Besonderheiten der Organisationsstruktur in der Türkei

Im folgenden sollen die Besonderheiten der Organisationsstruktur von türkischen Unternehmen analysiert werden. Hierbei wird auf die Bedeutung und die Einordnung

des Rechnungswesens in die Aufbauorganisation eingegangen und insbesondere auch die Einordnung der Kostenrechnung in die Organisationsstruktur von türkischen Unternehmen herausgearbeitet. Im türkischen Schrifttum existieren nur wenige Beiträge, die sich mit der Thematik

der Aufbauorganisation befassen.736 Veröffentlichungen, die die Einordnung des Rechnungswesens in die Organisationsstruktur zum Gegenstand haben, konnten wir trotz intensiver Recherchen jedoch nicht finden. Vor diesem Hintergrund haben wir

versucht, die in der unternehmerischen Praxis der Türkei eingesetzten Formen der Aufbauorganisation durch zahlreiche Gespräche mit Praxisvertretern zu analysieren.

Unsere vorrangige Zielsetzung bestand darin, die Einordnung und die Bedeutung des Rechnungswesens in der Unternehmenshierarchie zu ermitteln. Die Ergebnisse dieser Gespräche sind Grundlage der folgenden Ausführungen. Dabei sind wir uns

durchaus der Tatsache bewußt, daß unsere Darstellungen keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit erheben können, sondern lediglich den Versuch einer Systema­

tisierung der in der unternehmerischen Praxis vorzufindenden Organisationsstruk­ turen darstellen. Bei der Analyse der Organisationsstruktur von Privatunternehmen wollen wir die auf­

bauorganisatorischen Merkmale von Klein-, Mittel- und Großunternehmen heraus­ arbeiten.

Vgl. hierzu die Veröffentlichungen von Onal [örgüt Yapisi 1979], S.61f., Sözen [örgütlenme Kurami 1980], S.159ff., Dilber [Yönetsel Davranis 1981], S.72f., Celebioglu [örgütsel Degisim 1982], S.23f„ Tatar [Temel Kurallar 1987], S.25f., Tosun [Isletme Yönetimi 1987], S.47ff„ Eren [Organizasyon 1993], S.110ff., Ülgen [Organizasyon llkeleri 1993], S.43ff., und Hatipoglu [Özel Yönetim 1999], S.51ff.

Ausgewfthlte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung____________

152

Die Aufbauorganisation von Kleinunternehmen ist dadurch gekennzeichnet, daß

diese Unternehmen keine Hierarchie im strukturtechnischen Sinne besitzen.

Abbildung 4 gibt einen Überblick über die Organisationsstruktur von Kleinunterneh­ men in der Türkei.

Unternehmensleitung (Inhaber)

Mitarbeiter 1 |

Mitarbeiter 2 1

Mitarbeiter 3 1

Mitarbeiter 41 Quelle: Verfasser

Abb. 4: Aufbauorganisation türkischer Kleinunternehmen Wie aus Abbildung 4 zu entnehmen ist, werden die Aufgaben der Unternehmens­

leitung in Kleinunternehmen vom Inhaber selbst wahrgenommen. Die Unterneh­ mensleitung erfährt keine Unterstützung durch einen Assistenten in Stabsstellenfuktion. Alle anfallenden Aufgaben werden vom Inhaber je nach Arbeitsanfall auf die einzelnen Mitarbeiter verteilt. Eine Spezialisierung der Mitarbeiter findet nicht statt. Entsprechend dem aufbauorganisatorischen Charakteristikum funktional stark einge­

grenzter Aufgabenfelder müssen alle Mitarbeiter in gewissen Grenzen in der Lage

sein, alle im Unternehmen anfallenden Aufgaben zu übernehmen. Dabei erstreckt sich der Tätigkeitsbereich der Mitarbeiter vorwiegend auf die Bereiche Kunden­ betreuung und Auftragsbearbeitung im weitesten Sinne.

Das Rechnungswesen findet keine Berücksichtigung in der Aufbauorganisation dieser Unternehmen. Die Unternehmensleitung ist einerseits zu sehr in das operative Tagesgeschäft eingebunden, anderseits fehlen ihr auch die betriebswirtschaftlichen

Grundkenntnisse, um die Notwendigkeit einer Kostenrechnung zu erkennen. Die

unternehmerischen Entscheidungen beruhen auf Improvisationen, Schätzungen und

154____________ Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung

insbesondere auf Erfahrungswerten. Mit der Durchführung der Finanzbuchhaltung

wird im Regelfall ein externes Buchhaltungsbüro737 beauftragt. Die Organisationsstruktur von türkischen Mittelunternehmen ist im Vergleich zu der

Aufbauorganisation von Kleinunternehmen wesentlich ausgeprägter. Im Gegensatz zu den Kleinunternehmen weisen die Mittelunternehmen einen hierarchischen Auf­

bau im strukturtechnischen Sinne auf. Wie Abbildung 5 zeigt, besitzen diese Unter­ nehmen im Regelfall vier Hierarchieebenen.

Unternehmensleitung^ Technischer Leiter

Leiter kaufm. Bereich

Stv. Leiter kaufm. Bereich

Leiter Beschaffung

Leiter Produktion

I Mitarbeiter 11 | Mitarbeiter 21 | Mitarbeiter 11 | Mitarbeiter 21 | Mitarbeiter 11 | Mitarbeiter 21

Quelle: Verfasser

Abb. 5: Aufbauorganisation türkischer Mittelunternehmen Die Unternehmensleitung obliegt in den Mittelunternehmen entweder dem Inhaber oder wird durch einen vom Inhaber bestellten Geschäftsführer wahrgenommen.

Idealtypischerweise sind diese Unternehmen auf der zweiten Hierarchieebene in

einen kaufmännischen Bereich und in einen technischen Bereich unterteilt. Beide Bereiche werden von jeweils einem Bereichsleiter verantwortet, wobei dieser direkt an die Unternehmensleitung berichtet.

Im Gegensatz zu der Bundesrepublik Deutschland gibt es in der Türkei eigenständige Unter­ nehmen, die sich darauf spezialisiert haben, die Buchhaltung für andere Unternehmen durchzu­ führen. Diese Unternehmen übernehmen somit Funktionen, die in der Bundesrepublik Deutsch­ land von Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern erfüllt werden.

Ausgewählte Rahmenbedinqunqen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung

155

Dem kaufmännischen Bereichsleiter ist ein entsprechender Stellvertreter auf der

dritten Hierarchieebene unterstellt. Der stellvertretende kaufmännische Bereichsleiter nimmt einen Teil der von dem Bereichleiter delegierten Aufgaben selbst wahr und ordnet die verbleibenden Aufgaben den Mitarbeitern der vierten Hierarchieebene zu.

Besonders hervorzuheben ist, daß auf der vierten Hierarchieebene keine Speziali­ sierung der Mitarbeiter im engeren Sinne stattfindet, sondern grundsätzlich alle Mit­ arbeiter in der Lage sein müssen, sämtliche anfallenden operativen kaufmännischen

Aufgaben zu übernehmen. Die Durchführung der Finanzbuchhaltung und der

Kostenrechnung, sofern diese überhaupt eingesetzt wird, erfolgt in der Regel auf der

dritten hierarchischen Ebene. Der Leiter des technischen Bereichs wird von einem Beschaffungsverantwortlichen

und von einem Produktionsverantwortlichen unterstützt und ist diesen gegenüber weisungsbefugt. Sowohl dem Beschaffungsverantwortlichen als auch dem Pro­

duktionsverantwortlichen sind jeweils mehrere Mitarbeiter nachgeordnet. Im Unter­

schied zum kaufmännischen Bereich werden die technischen Aufgaben auf der untersten Hierarchieebene jedoch nicht völlig flexibel auf die einzelnen Mitarbeiter in diesem Bereich verteilt. Die Aufgabenzuordnung durch den Beschaffungs- bzw.

Produktionsverantwortlichen erfolgt zwar auch relativ flexibel auf die ihm jeweils unterstellten Mitarbeiter, jedoch sind die Aufgaben ausschließlich auf eines der beiden Verantwortungsgebiete Beschaffung oder Produktion beschränkt, wodurch es

letztlich auch auf der vierten Hierarchieebene zu Spezialisierungstendenzen kommt. Im Gegensatz zu Klein- und Mittelunternehmen ist die Organisationsstruktur von

türkischen Großunternehmen durch einen streng hierarchischen Aufbau im struktur-

technischen Sinne und starke Zentralisierungstendenzen gekennzeichnet. Dies verdeutlicht Abbildung 6.

15^

Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung

Abb. 6: Aufbauorganisation türkischer Großunternehmen Wie Abbildung 6 zeigt, wird die Unternehmensleitung in türkischen Großunter­

nehmen idealtypisch durch einen Geschäftsführer oder Vorstand repräsentiert. Der Unternehmensleitung in hierarchischer Reihenfolge unterstellt sind der GeneralManager und der stellvertretende General-Manager. Hierbei handelt es sich um jeweils eigenständige Hierarchieebenen mit klaren Kompetenzabgrenzungen und

einem eindeutigen Über- bzw. Unterordnungsverhältnis. Auf der vierten Hierarchie­ ebene, unterhalb des stellvertretenden General-Manager, kommt die Verrichtungs­

zentralisation in der Aufbauorganisation zum Ausdruck. Aufgrund dieser Gegeben­ heiten bezeichnen wir die Organisationsstruktur von türkischen Großunternehmen im folgenden als pseudo-funktionale Aufbauorganisation. Denn nach der im betriebs­ wirtschaftlichen Schrifttum übereinstimmend vertretenen Auffassung wird von einer funktionalen Aufbauorganisation nur dann gesprochen, wenn die zweite, der Unter­

Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung

15Z

nehmensleitung unmittelbar nachgelagerte Hierarchieebene, nach Funktionen unter­ teilt ist. Die Verrichtungszentralisation wird durch die Bildung der Hauptabteilungen Einkauf, Produktion, Vertrieb, Rechnungswesen/Finanzen und Verwaltung realisiert.

Innerhalb der Hauptabteilung Rechnungswesen/Finanzen werden auf der fünften Hierarchieebene häufig zwei Abteilungen gebildet. Diese werden jeweils durch den

Abteilungsleiter Rechnungswesen bzw. den Abteilungsleiter Finanzen geleitet. Der Abteilungsleiter Rechnungswesen wird durch zwei oder mehrere Gruppenleiter

unterstützt. Die Zuständigkeitsbereiche der einzelnen Gruppenleiter, die auf der sechsten Ebene in der Unternehmenshierarchie angesiedelt sind, umfassen dabei

jeweils die Zuständigkeitsbereiche Finanzbuchhaltung und/oder Kostenrechnung. Damit ist die Kostenrechnung hinsichtlich ihrer hierarchischen Anordnung in der

unternehmerischen Aufbauorganisation eindeutig dem Rechnungswesen unter­

geordnet. Die einzelnen Gruppenleiter wiederum werden durch die ihnen direkt zugeordnete Mitarbeiter der siebten Hierarchieebene unterstützt. Unsere Ausfüh­

rungen verdeutlichen, daß in Großunternehmen keine wesentlichen aufbauorga­ nisatorischen Defizite im strukturtechnischen Sinne vorhanden sind. In einem weiteren Schritt wollen wir nun die Aufbauorganisation von öffentlichen türkischen Unternehmen analysieren. Die Organisationsstruktur öffentlicher Unter­

nehmen ist ebenfalls durch einen sehr strengen hierarchischen und zentralistischen

Aufbau gekennzeichnet. Die generelle Aufbauorganisation der oberen Hierarchie­ ebenen in öffentlichen türkischen Unternehmen veranschaulicht Abbildung 7.

158

Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung

Abb. 7: Aufbauorganisation öffentlicher türkischer Unternehmen

An der Unternehmensspitze der öffentlichen Unternehmen steht der amtierende Ministerpräsident bzw. ein von ihm benannter Minister738. Dementsprechend ist die oberste Position in öffentlichen türkischen Unternehmen als ein politisches Mandat zu kennzeichnen. Die zweite Hierarchieebene bildet der Vorstand. Dieses Gremium

besteht aus drei Mitgliedern und wird vom Ministerrat berufen. Die Position der ersten beiden Vorstandsmitglieder ist wiederum als ein rein politisches Mandat zu

738

Dies ist regelmäßig entweder der Minister für Wirtschaft oder der Minister für Finanzen.

Ausgewählte Rahmenbedin.qüOflenjm. Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung

159

charakterisieren. Der General-Manager ist zwar ebenfalls von politischen Interessen abhängig. Seine Stellung ist jedoch nicht ausschließlich politisch geprägt. Dies ist

damit zu begründen, daß der General-Manager auf der dritten Hierarchieebene

gleichzeitig neben seinem Vorstandsmandat auch die unternehmerischen Interessen

vertreten muß. Auf der vierten Hierarchieebene ist der Stellvertreter des GeneralManagers angesiedelt. Diesem wiederum untersteht auf der fünften Hierarchieebene

der Regierungsbeauftragte des Ministerpräsidenten für Technik und Finanzen. Die Aufbauorganisation von öffentlichen türkischen Unternehmen ist bis zur fünften Hierarchieebene generell durch politische Vorgaben in dieser Form festgelegt. Die

Verrichtungszentralisation bzw. die funktionale Organisation kommt in der sechsten

Hierarchieebene zur Anwendung. Dabei wird in den meisten Fällen zwischen den Bereichen Finanz- und Rechnungswesen, Verwaltung, Beschaffung, Produktion und

Absatz unterschieden. Auch diese Organisationsform bezeichen wir als pseudo­ funktionale Aufbauorganisation. Die nachgelagerten Hierarchieebenen sind jeweils unternehmensindividuell ausgestaltet, wobei diese Hierarchieebenen in der Regel in

ihrer aufbauorganisatorischen Ausgestaltung eine analoge Struktur zu den privaten Großunternehmen aufweisen. Die Aufbauorganisation öffentlicher türkischer Unternehmen ist aus unserer Sicht

durch erhebliche Defizite gekennzeichnet. Die Kontinuität der Unternehmensführung

ist meist nicht gewährleistet; da die obersten Hierarchieebenen politisch geprägt sind, kommt es mit jedem Regierungswechsel praktisch zu einem Austausch der

Unternehmensspitze. Weiterhin geben bei der Auswahl der leitenden Angestellten regelmäßig politische Interessen den Ausschlag. Die fachliche Kompetenz der

Stelleninhaber ist dabei von untergeordneter Bedeutung. Diese Probleme werden

zusätzlich noch dadurch verstärkt, daß es bei einem Regierungswechsel häufig zu

einem Austausch der Mitarbeiter zwischen den verschiedenen Hierarchieebenen

kommt. Entsprechend ihren politischen Abhängigkeiten läßt sich die Unternehmens­ leitung öffentlicher Unternehmen in ihren Entscheidungen von den politischen Vor­ gaben leiten und vernachlässigt dabei ökonomische Zielsetzungen. Dies hat zur

Folge, daß rationale politische Kalküle wesentlich das unternehmerische Handeln öffentlicher türkischer Unternehmen bestimmen.

160

Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung

Unsere Ausführen haben gezeigt, daß hinsichtlich der hierarchischen Einordnung des Rechnungswesens, insbesondere der Kostenrechnung, aufbauorganisatorische Defizite in der unternehmerischen Praxis der Türkei bestehen. Diese Defizite werden vor allem bei Kleinunternehmen deutlich. Bei Mittel- und Großunternehmen ist zwar

häufig eine Aufbauorganisation im strukturtechnischen Sinne vorhanden, jedoch ist

die hierarchische Einordnung der Kostenrechnung als inadäquat zu beurteilen.

4.2 Unternehmenskultur Als eine weitere wesentliche Rahmenbedingung für den Einsatz der Kostenrechnung sehen wir die Unternehmenskultur an. Die große Bedeutung der Unternehmenskultur

wurde in der unternehmerischen Praxis und im betriebswirtschaftlichen Schrifttum

wesentlich später erkannt als die Bedeutung und der Stellenwert anderer Rahmen­

bedingungen der Kostenrechnung. Im folgenden versuchen wir anhand einer Beschreibung der Unternehmenskultur sowie mittels ausgewählter Definitionen und

Typologisierungsversuche eine erste Einordnung vorzunehmen. Darauf aufbauend entwickeln wir ein Polaritätsprofil, in welchem wir die unterschiedlichen Unter­ nehmenskulturen von öffentlichen und privaten türkischen Unternehmen einander

gegenüberstellen. Daran anschließend arbeiten wir die Kennzeichen und Auswir­ kungen der durchgehend starken Unternehmenskulturen in türkischen Unternehmen

heraus. Abschließend betrachten wir die in der unternehmerischen Praxis der Türkei

vorzufindenden Interdependenzen zwischen der Unternehmenskultur und der

Kostenrechnung. 4.2.1 Wesen und Definitionsansätze Zur Kennzeichnung der generellen Bedeutung und des Wesens der Unter­

nehmenskultur ist es zweckmäßig, auf eine Analogie von French und Bell zurückzu­

greifen. Diese Autoren betrachten die formale Organisation als die Spitze eines Eis­ bergs, die nur so lange schwimmt, wie sie von der Organisationskultur als dem

Ausgewählte Rahmenbedingunqen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung____________ 161

unsichtbaren, aber wesentlich größeren Teil des Eisbergs getragen wird.739 Dieser

„organisatorische Eisberg" wird in Abbildung 8 dargestellt

Abb. 8: Der „organisatorische Eisberg“

Zum Phänomen der Unternehmenskultur existieren in der Literatur viele verschie­ dene Definitionen, wobei von den verschiedenen Autoren auch die Begriffe Firmen­

kultur, Unternehmungskultur, Organisationskultur und Corporate Culture häufig ohne

739

Vgl. hierzu ausführlich French/Bell [Organisationsentwicklung 1990], S.31ff. Vgl. auch Ulrich/Fluri [Management 1992], S.206.

Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung

162

nennenswerte

Bedeutungsunterschiede

verwendet

werden.740

Zur

Begriffs­

bestimmung sollen im folgenden einige ausgewählte Definitionen vorgestellt werden: • Ulrich und Fluri betrachten die Unternehmenskultur als „die Gesamtheit der

firmen-typischen

Wertvorstellungen

und

Normen,

Denk-

und

Verhaltens­

gewohnheiten“741.

• Bleicher definiert die Organisationskultur als "das kognitiv entwickelte Wissen und

die Fähigkeiten einer Unternehmung sowie die affektiv geprägten Einstellungen

ihrer Mitarbeiter zur Aufgabe, zum Produkt, zu den Kollegen, zur Führung und zur Unternehmung in ihrer Formung von Perzeptionen (Wahrnehmungen) und

Präferenzen (Vorlieben) gegenüber Ereignissen und Entwicklungen"742. • Scholz kennzeichnet die Organisationskultur als "das implizite Bewußtsein eines Unternehmens"743.

• Steinmann und Schreyögg bezeichnen die Unternehmenskultur als "eigene

unverwechselbare Vorstellungs- und Orientierungsmuster, die das Verhalten der Mitglieder (einer Unternehmung, Anm. des Verfassers) nach innen und außen auf

nachhaltige Weise prägen"744.

Vgl. hierzu Krulis-Randa [Unternehmenskultur 1984], S.360, Bleicher [Kulturen 1986], S.99, Dill [Unternehmenskultur 1986], S.100, Röttinger [Unternehmenskultur 1986], S.54f., Kieser [Organisationskulturen 1988], S.208, Schuh [Organisationskultur 1989], S.72, Seidel [Unternehmenskultur 1989], S.67, Dierkes [Unternehmenskultur 1990], S.14, Krulis-Randa [Unternehmungskultur 1990], S.2ff., Merkens [Organisationsveränderung 1990], S.51, Simon [Unternehmenskultur 1990], S.3, Becker [Unternehmenskultur 1991], S.7f., Gabele [Unternehmenskultur 1993], S.117f., Sourisseaux [Organisationskultur 1994], S.82, Bühner [Personalmanagement 1994], S.282f., Ebers [Organisationskultur 1995], Sp.1665f., Schein [Unternehmenskultur 1995], S.18ff., Heinen/Fank [Unternehmenskultur 1997], S.2f., Kajüter [Unternehmenskultur 1997], S.82f., May [Organisationskultur 1997], S.43f., und Frese [Organisation 1998], S.182f. Die Begriffe „Unternehmenskultur“, „Organisationskultur" und „Firmenkultur“ werden im folgenden synonym verwendet.

741 742

743 744

Ulrich/Fluri [Management 1992], S.38. Bleicher [Unternehmungskultur 1992], Sp.2243. Scholz [Organisationskultur 1988], S.244.

Steinmann/Schreyögg [Management 1993], S.585.

Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung

163

4.2.2 Typologisierungsversuche

Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß jedes Unternehmen eine eigene (mehr oder weniger stark ausgeprägte) Unternehmenskultur besitzt, die nicht allein durch die

bloße Subsumtion unter einen bestimmten Kulturtyp zu verstehen ist. Die Organi­ sationskultur wird vielmehr durch eine Vielzahl unterschiedlicher Determinanten bestimmt.745 Insofern stellt jegliche Typologisierung eine starke Vereinfachung der

Realität dar. Dies erkennen auch Deal und Kennedy an, wenn sie ausführen: "This devision of the world of business into four categories is, of course, simplistic. No company we know today precisely fits into any of these categories. In fact, within any

single real-world company a mix of all four typs will be found."746 Allerdings leisten derartige Typologisierungen von Organisationskulturen einen Beitrag dazu, sich dem

komplexen Phänomen Unternehmenskultur (und insbesondere den verschiedenen Facetten und Zusammenhängen) überhaupt erst nähern zu können.747 Im folgenden wollen wir einige ausgewählte Typologisierungsversuche der Unternehmenskultur

vorstellen.

Typologie nach Deal/Kennedy Einen einfachen Operationalisierungsversuch der Unternehmenskultur stellt das

Modell von Deal und Kennedy dar.748 Nach diesen Autoren wird die Unternehmens­

kultur durch die Parameter Risiko und Feedback bestimmt. Dabei lassen sich, wie in

Abbildung 9 dargestellt, vier Typen von Unternehmenskulturen unterscheiden.

Vgl. Kasper [Organisationskultur 1987], S.86ff., Flöther [Firmenkultur 1991], S.53f., Schneider [Unternehmenspolitik 1991], S.27, Welge/Al-Laham [Planung 1992], S.395, Ulrich [Unternehmenskultur 1993], Sp.4360, Bea/Haas [Strategisches Management 1997], S.473f., Heinen/Fank [Unternehmenskultur 1997], S.26f., und Hinterhuber [Unternehmungsführung II 1997], S.238.

Deal/Kennedy [Corporate Cultures 1987], S.108. Vgl. Schreyögg [Organisationskultur 1992], Sp.1529f., Steinmann/Schreyögg [Management 1993], S.592, und Hopfenbeck [Managementlehre 1997], S.602. Vgl. zum folgenden Deal/Kennedy [Corporate Cultures 1987], S.107ff. Vgl. aber auch Deal [Unternehmenskultur 1984], S.27ff.

164

Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung

Risiko n bei der Entscheidung

hoch

Bet-your-

Tough-Guy-

company-

Macho-

culture

culture

Work-hard/

Process­

niedrig

play-hard-

culture

culture

schnell

langsam

Feedback

Quelle:Deal/Kennedy [Corporate Cultures 1982], S.107

Abb. 9: Unternehmenskulturtypologie nach Deal/Kennedy Die bet-your-company-Kultur ist dadurch gekennzeichnet, daß in Entscheidungs­

situationen hohe Risiken eingegangen werden und der Finanzmittelrückfluß sich erst

nach Monaten oder Jahren einstellt. Voraussetzungen für den Erfolg sind hier Fach­ kompetenz und menschliche Autorität. Eine solche Kultur findet sich in Unternehmen

mit langfristigen Investitionen wie beispielsweise im Flugzeugbau, in der pharmazeu­ tischen und chemischen Industrie. Diese Unternehmenskultur stellt den Nährboden für Innovationsschübe in ganzen Branchen dar. In einer Organisation mit einer tough-guy-macho-Kultur arbeiten meist Individualisten

mit einer intuitiven Routine. Es werden hohe Risiken in Kauf genommen und ein schneller Informationsrückfluß verlangt, der Zeitfaktor beträgt hier Stunden, maximal

Tage. Beispiele für Unternehmen mit einer solchen Unternehmenskultur sind

Devisen- und Finanzmakler, Show- und Unterhaltungsfirmen sowie Werbeagenturen.

Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung

Werden

in

einem

Unternehmen

bei

den

Entscheidungen

geringe

IfiS

Risiken

eingegangen und kommt es zu einem langsamen Informationsrückfluß, so liegt eine process-Kultur vor. Bei diesem Kulturtyp ist das Wertgefüge auf Perfektion ausgerichtet; entscheidend für den Mitarbeiter ist nicht, was er tut, sondern, daß er

sich an die vorgegebenen Standards hält, die Hierarchie konsequent beachtet und den Dienstweg einhält. Beispiele für solche Unternehmenskulturen sind halbstaatlich

und staatlich geführte Unternehmen, aber auch die Rechnungswesenabteilungen

größerer Unternehmen. Die work-hard-play-hard Kultur ist typisch für alle marktorientierten Unternehmen,

zum Beispiel für Computerhersteller, Autofirmen und Fast-food-Ketten. Die Mit­ arbeiter gehen geringe Risiken ein, erhalten aber ein schnelles Feedback über die

von ihnen getroffenen Entscheidungen; Wochen und maximal Monate sind der Zeitfaktor. Teamarbeit und Serviceorientierung stehen bei dieser Unternehmens­

kultur im Vordergrund, deren Erfolg wesentlich auf Beharrlichkeit aufbaut. Typologie nach Ansoff

Ansoff749 geht davon aus, daß in Organisationen bzw. ihren Subsystemen

unterschiedliche strategische

Kulturen entstehen, die durch

unterschiedliche

Attribute gekennzeichnet werden können. Durch die Zuordnung von bestimmten

unternehmerischen Tätigkeiten zu diesen Attributen ergeben sich die folgenden fünf

Kulturtypen:750 (1) Stabile Kulturtypen orientieren sich an der Vergangenheit, gehen keine Risiken

ein, sind introvertiert und streben vor allem nach einer Erhaltung des Status quo.

Derartige Kulturtypen finden sich vorwiegend in den Abteilungen Produktion und

Rechnungswesen.

(2) Reaktive Kulturtypen zeichnen sich durch Introvertiertheit, Gegenwartsorien­ tierung und geringe Risikoneigung aus. Kleinere Abweichungen vom gegen-

Vgl. zum folgenden Ansoff [Management 1991], S.120ff. Vgl. hierzu Matenaar [Organisationskultur 1983], S.73, und Hopfenbeck [Managementlehre 1997], S.602.

166____________ Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung

wärtigen Status werden von diesem Kulturtyp, der in den Bereichen Produktion

und Finanzen anzutreffen ist, akzeptiert. (3) Antizipative Kulturtypen lassen sich dadurch kennzeichnen, daß sie sowohl introvertiert als auch extrovertiert sein können und Risiken ausschließlich bei

bekannten und vertrauten Situationen eingegangen werden. Eine solche Kultur

ist typischerweise in den Bereichen Marketing und Planung zu finden. (4) Explorative Kulturtypen sind extrovertiert. Sie legen ihre eigene Zukunft auch auf

eine unvertraute Zukunft aus. Veränderungsmöglichkeiten werden aktiv gesucht, wobei

ihre

Risikoneigung

dahingehend

tendiert,

Risiko

und

Gewinn

gegeneinander abzuwägen. Explorative Kulturtypen sind vorzufinden in den Bereichen Produkt- und Marktentwicklung sowie in Diversifikationseinheiten.

(5) Kreative Kulturtypen sind eindeutig extrovertiert und bevorzugen das unvertraute Risiko. Sie streben aktiv nach Veränderungen und gehen generell von einer neu­

artigen Zukunft aus. Anzutreffen sind kreative Kulturtypen im Bereich der Forschung und in New Venture Units. Typologie nach Bleicher

Bleicher schlägt eine vierdimensionale Kulturtypologie vor, bei der jede der

Dimensionen • differenzierte Subkultur versus zentralistische Einheitskultur,

• soziale Orientierung versus ökonomische Orientierung, • Marktorientierung versus Technologieorientierung sowie • Innovationsorientierung versus Stabilitätsorientierung

„eine Spannungsreihe möglicher Justierungen der Unternehmenswirklichkeit"751 darstellt.752 Durch die Zusammenfügung der vier Dimensionen erhält man eine

Bleicher [Unternehmungskultur 1992], Sp.2248. 752

Vgl. hierzu Bleicher [Organisationskultur 1986], S.103f., und Bleicher [Unternehmungskultur 1992], Sp.2248f.

Ausgewghlte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung

167

Zustandsbeschreibung der Organisationskultur,753 wobei Bleicher zwischen den in Abbildung 10 dargestellten Unternehmenskulturprofilen unterscheidet.

ältere. zentralistisch geführte Technologieuntemehmung unter starkem Ergebnisdruck

ältere, sozial verpflichtete, zentralistisch geführte Markenartikeluntemehmung

jung, dezentral geführte Technologieuntemehmung mit starker Ergebnisonentierung

jüngere, dezentral geführte Markenartikeluntemehmung mit starker Ergebnisorientierung

Quelle: Bleicher [Unternehmenskultur 1992], Sp. 2249 (leicht modifiziert)

Abb. 10: Unternehmenskulturtypologie nach Bleicher

753

Vgl. Bleicher [Unternehmungskultur 1992], Sp.2248.

Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung

168

4.2.3 Polaritätsprofil privater versus öffentlicher türkischer Unternehmen

Es existiert eine Vielzahl von Symptomen, an denen eine Unternehmenskultur

erkennbar ist Diese sind den Insidern regelmäßig derart vertraut, daß sie häufig

nicht mehr wahrgenommen werden, während sie andererseits Außenstehenden

sofort auffallen.754 Im folgenden wollen wir versuchen, eine Systematik zu entwickeln, um die Unternehmenskultur in der unternehmerischen Praxis der Türkei zu kennzeichnen. Zu dieser Thematik konnten wir trotz intensiver Recherchen keine

Ausführungen im betriebswirtschaftlichen Schrifttum der Türkei finden. Da wir in zahlreichen Gesprächen mit Vertretern aus der unternehmerischen Praxis feststellen konnten, daß in türkischen Privatunternehmen und in öffentlichen Unternehmen eine deutlich differenzierte Unternehmenskultur vorzufinden ist, wollen

wir diese Unterscheidung zur Grundlage unserer folgenden Ausführungen machen. In Abbildung 11 werden in einem Polaritätsprofil die Unternehmenskulturen privater türkischer

Unternehmen

und

öffentlicher

türkischer

Unternehmen

anhand

ausgewählter Kriterien einander gegenübergestellt. Dabei sind wir uns durchaus bewußt, daß in der Praxis Abweichungen auftreten können. Allerdings zeichnen sich

die Unternehmenskulturen innerhalb der Gruppe privater türkischer Unternehmen auf der einen Seite und innerhalb der Gruppe öffentlicher türkischer Unternehmen auf der anderen Seite - zumindest hinsichtlich einzelner Merkmale - durch eine

relativ große Homogenität aus, so daß eine derartige Typologiesierung durchaus ihre

Berechtigung hat.

754

Vgl. Bleicher [Unternehmungskultur 1992], Sp.2245, und Steinmann/Schreyögg [Management 1993], S.587.

Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung

169

Abb. 11: Unternehmenskulturelles Polaritätsprofil privater und öffentlicher türkischer

Unternehmen Aus Abbildung 11 können wir entnehmen, daß sich Privatunternehmen mit einer

deutlich höheren Intensität den Zukunftsproblemen und Visionen widmen als dies in

öffentlichen Unternehmen der Fall ist. Einschränkend müssen wir allerdings hinzufügen, daß auch in der „Händlerkultur" der türkischen Privatunternehmen die visionäre Zukunftsorientierung, absolut betrachtet, nur mittelstark ausgeprägt ist. Die

nur geringe Bedeutung der visionären Zukuftsorientierung in öffentlichen Unter­

nehmen ist vor allem darauf zurückzuführen, daß, wie wir bereits dargestellt haben,

die für die unternehmerischen Visionen zuständige Unternehmensleitung als ein rein

170

Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung

politisches Mandat gekennzeichnet werden muß. Dementsprechend ist sie vor allem

an den aktuellen Entwicklungen, die ihr den politischen Machterhalt ermöglichen, interessiert. In dem sehr pluralistisch geprägten parteipolitischen Umfeld der Türkei

ist für visionäre Betrachtungsweisen kein Raum. Die höhere Bedeutung, die den unternehmerischen Visionen in privaten Unternehmen beigemessen wird, führen wir

darauf zurück, daß Visionen mit zu einer langfristig ausgerichteten Unter­

nehmenspolitik gehören. Bedingt durch den höheren Wettbewerbsdruck kann sich

letztlich kein privatwirtschaftlich geführtes Unternehmen den Ansätzen einer lang­ fristig angelegten Unternehmenspolitik und damit auch den unternehmerischen

Visionen entziehen, auch wenn deren Bedeutung von den meisten Privatunter­

nehmen bisher kaum erkannt worden ist. Weiterhin verdeutlicht Abbildung 11, daß der Traditionalismus in den türkischen

Privatunternehmen besonders hoch ausgeprägt ist, während die Ausprägung dieses Merkmals in den öffentlichen Unternehmen nur als mittelmäßig zu bezeichnen ist.

Den hohen Traditionalismus in türkischen Privatunternehmen führen wir darauf

zurück, daß die meisten dieser Unternehmen in Familienbesitz stehen und

dementsprechend eine stark ausgeprägte konservative Grundhaltung in diesen Unternehmen festzustellen ist. Das einzelne Unternehmen wird gewissermaßen von einer Generation an die nächste Generation übergeben, wobei die jeweilige Folge­

generation sukzessive die unternehmerische Verantwortung übernimmt und dabei

stark von der Vorgängergeneration geprägt wird. Die mittelstarke Ausprägung des Traditionalismus in öffentlichen türkischen Unternehmen führen wir zum einen auf

die allgemein festzustellende konservative gesellschaftliche Grundhaltung in der Türkei zurück. Zum anderen resultiert sie aber auch aus der sich aus den häufigen Regierungs- und Unternehmensleitungswechseln ergebenden normativen Kraft des

Faktischen, die eine gewisse Traditionsbetonung zur Existenzsicherung der Unter­ nehmen mit sich bringt. Ausgehend von der Merkmalsausprägung des Traditionalismus ist der Widerstand

gegen Veränderungen in den Privatunternehmen stärker ausgeprägt als in den

öffentlichen Unternehmen. In öffentlichen Unternehmen sind Widerstände gegen Veränderungen nur schwer durchzusetzen, da eine sehr starke Hierarchiebetonung festzustellen ist und die hierarchieadäquate Verhaltensweise durch ein ent-

Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung

171

sprechendes Kontroll- und Sanktionssystem gefördert wird. Die von der politisch geprägten Unternehmensleitung festgelegten Veränderungen werden in öffentlichen Unternehmen kaum Widerstand erfahren, da die Unternehmensleitung über eine

Vielzahl von Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten verfügt und auch mit den

entsprechenden hierarchischen Machtbasen ausgestattet ist. Die Unternehmens­

leitung in öffentlichen Unternehmen kann sich auf einen ausgeprägten Machtapparat stützen, der Widerstände gegen Veränderungen, die den Interessen der politischen

Unternehmensleitung zuwiderlaufen, bereits im Keim erstickt. Widerstände gegen­

über Veränderungen treten in öffentlichen Unternehmen mithin nur zwischen den verschiedenen politischen Orientierungen in der Unternehmensleitung im Zeitablauf

auf. Aufgrund des starken Traditionalismus in türkischen Privatunternehmen ist hier mit hohen Widerständen gegen Veränderungen des status quo zu rechnen. Zwar sind die Kontroll- und Sanktionsmechanismen in den privaten türkischen Unter­ nehmen nicht so stark ausgeprägt wie in den öffentlichen türkischen Unternehmen,

jedoch wird auch hier, insbesondere in den Großunternehmen, mit nicht unerheb­ lichen Kontroll- und Sanktionsmechanismen gearbeitet, um die Mitarbeiter zielge­

richtet im Sinne der Unternehmensleitung zu führen.

Risiken werden in öffentlichen Unternehmen im Regelfall vermieden, was wir darauf zurückführen, daß sich bei Fehlschlägen umgehend die Frage der unternehme­

rischen und politischen Verantwortung stellt. Würde die politische Führung eines

öffentlichen Unternehmens unverhältnismäßig hohe Risiken eingehen, so stünde sie

umgehend zur Disposition und müßte gegebenenfalls auch wegen der Veruntreuung von Staatsfinanzen mit straftrechtlichen Konsequenzen rechnen. Verstärkt wird die

Abneigung gegen Risiken in öffentlichen türkischen Unternehmen noch dadurch, daß

die Mitarbeiter mit dem politischen Machtwechsel oftmals auch zwischen den Hierarchieebenen wechseln, so daß die jeweilige Opposition stets über den Grad der

Risikoextension Klarheit hat. Anders stellt sich die Situation in den privaten Unter­

nehmen dar. Hier liegt das Risiko allein beim Eigentümer und/oder der Unter­ nehmensleitung, wobei in der unternehmerischen Praxis durchaus häufig, allerdings in begrenztem Umfang, gewisse Risiken eingegangen werden. Risiken werden

insbesondere dann eingegangen, wenn kurzfristig ein hohes Umsatzvolumen

realisiert werden kann.

Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung

172

Dem

Planungsaspekt

wird

in

privaten

und

öffentlichen

Unternehmen

in

unterschiedlichen Ausprägungen Rechnung getragen. Abbildung 11 zeigt, daß der strategischen Planung sowohl in den privaten Unternehmen als auch in den öffent­

lichen Unternehmen eine jeweils untergeordnete Bedeutung gegenüber der opera­ tiven Planung zukommt In den türkischen Privatunternehmen kommt der strate­

gischen Planung allenfalls in den größeren Unternehmen eine marginale Bedeutung

zu, während sich der Großteil dieser Unternehmen eindeutig auf kurzfristige Maßnahmen konzentriert und auf ein kurzfristiges Gewinnstreben ausgerichtet ist Hierdurch können nachweislich bestirrimmte unternehmerische Potentiale ment

langfristig genutzt werden. Dies hängt im wesentlichen damit zusammen, daß in der unternehmerischen Praxis der Türkei langfristige betriebswirtschaftliche Planungs-

und Analyseverfahren völlig unbekannt sind. Die aut den laufenden Leistungs­

erstellungsprozeß ausgerichtete Unternehmensführung betreibt allenfalls eine mittel­ fristig ausgerichtete rudimentäre Finanz- und Investitionspianung, um den betrieb­

lichen Prozeß dei Leistungsersteliung stets aufrech.terhalten zu können. Primäres Ziel der privaten Unternehmen ist es, aus dem Leistungserstellungsprozeß kurzfristig höhere Gewinne als die Konkurrenzunternehmen abzuschöpfen, wooei dies oftmals

durch persönliche Bez»ehungen der Eiqentumer und/oder der Unternehmensleitung zu Lieferanten und Abnenmem erreicht werden soll In öffentlichen Unternehmen

kommt der langfristigen Planung eine größere Bedeutung zu Dies ist im wesent­

lichen auf die politisch vorgegebene lanresplanung zurückzuführen. Hier geht es

primär darum, die langfristigen Zielsetzungen des Unternehmens festzulegen, die dann im Rahmen einer detailerten operativen Planung in die Praxis umgesetzt

werden müssen. Das primäre Ziel der öffentlichen Unternehmen besteht naturgemäß nicht in der Gewinnmaximierung 755 Gewinne müssen von den öffentlichen Unter­

nehmen nicht erzielt werden, weshalb dem Gewinnsfreben und den persönlichen Beziehungen zu den Abnehmern nur eine untergeordnete Bedeutung zukommt. Bei

der Auftragsvergabe müssen öffentliche Unternehmen nach eng definierten Kiitenen

vorgehen, weshalb auch den Beziehungen zu den l ieferanten nur eine marginale Bedeutung zukommt

im Rahmen jr.se'Recnetchen f.abw. wir ksigesteiii. oaß eme Vie.zuh! von öffentlichen tüikischen Unternehmen nicht einmal rmstencecKe-na arbeitet

Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung

Abbildung 11 zeigt weiterhin, daß die Spezialisierung von Mitarbeitern in türkischen

Privatunternehmen mittelstark ausgeprägt ist. Dies ist im wesentlichen darauf zurückzuführen, daß die einzelnen angelernten Mitarbeiter langfristig in der gleichen

Branche und/oder in unterschiedlichen Branchen, aber mit identischen betrieblichen Funktionen, tätig bleiben. Beförderungs- und Entwicklungsmöglichkeiten bestehen in den Klein- und Mittelunternehmen kaum. Da zudem das jeweilige unternehmerische

Leistungsniveau recht hoch ist und es in der Türkei kaum diversifizierte Unter­ nehmen gibt, kommt es zu einer sich gegenseitig verstärkenden Spezialisierung von

Mitarbeitern und unternehmerischem Leistungsspektrum und damit zu einer zuneh­

menden gegenseitigen Abhängigkeit von Mitarbeitern und Unternehmen. Die Spezia­ lisierung der Mitarbeiter in öffentlichen Unternehmen ist noch weiter ausgeprägt, da es sich hier ausschließlich um Großunternehmen handelt, die eine Vielzahl von

spezialisierten Abteilungen aufweisen. Entwicklungsmöglichkeiten sind auch für

fachlich qualifizierte Mitarbeiter kaum vorhanden, da die Besetzung der oberen Hierarchieebenen ausschließlich auf der Basis politischer Erwägungen erfolgt.

Demgemäß besteht in diesen Unternehmen für den einzelnen Mitarbeiter die Notwendigkeit, sich entsprechend den Anforderungen der politisch geprägten Unter­

nehmensführung auf ein eng begrenztes Aufgabengebiet zu spezialisieren. Da die öffentlichen Unternehmen nicht diversifiziert sind und häufig eine Monopolstellung auf dem inländischen Markt innehaben, kommt es auch hier zu einer gegenseitigen Abhängigkeit von Mitarbeitern und Unternehmen. Dabei ist die Abhängigkeit der Mit­

arbeiter von dem jeweiligen öffentlichen Unternehmen aufgrund der Monopolstellung dieser Unternehmen und der gleichzeitig hohen Spezialisierung der Mitarbeiter sehr viel stärker ausgeprägt als in privatwirtschaftlich geführten Unternehmen. Gewisser­

maßen werden in den öffentlichen türkischen Unternehmen, im Gegensatz zu den im betriebswirtschaftlichen Schrifttum bekannten Markteintrittsbarrieren, außergewöhn­

lich hohe Austrittsbarrieren aufgebaut.

Aus dem von uns entwickelten unternehmenskulturellen Polaritätsprofil können wir entnehmen, daß die im Rahmen der Analyse der Unternehmenskultur zugrunde­ gelegten Merkmalsausprägungen bei privaten und öffentlichen Unternehmen von

unterschiedlicher Bedeutung sind. Einzelne Elemente der Unternehmenskultur sind bei den öffentlichen und privaten türkischen Unternehmen jeweils besonders deutlich

174_____________ Ausgewahite Rahmenbeaincungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung

bzw. lediglich rudimentär ausgeprägt. Dies macht es aus unserer Sicht erforderlich,

im folgenden die Stärken einer Untemehmenskultur naher zu analysieren.

4.2.4 Merkmale und Wirkungen starker Unternehmenskulturen in der Türkei Neben der intrakultureilen Homogenität in öffentlichen und privaten Unternehmen weisen türkische Unternehmen durchgehend eine ausgeprägte Untemehmenskultur auf.

Nach Heinen ist eine starke Unternehmenskulhjr, im Gegensatz zu einer schwachen

Unternehmenskultur, durch folgende Merkmale gekennzeichnet:'56 • hoher Verankerungsgrad, d n. die kulturellen Muster sind von eii^m Großteil der Mitarbeiter - im ideaifaP von ailen MHA'Peitem • internalisiert, • SystemKompaiibihtät. d.n. die unlernehmenskuiturellen Werte und Normen stehen

in Übereinstimmung mit den Fuhrungsmelhoaen, Führungsstilen und Organisa­ tionsstrukturen, * hohe Kuhurelie Homogenität, dm. in der Orgciuisatir-n sind keine Subkulturen mit

eigenständigen kulturellen Orientiemngsmustem vorhanden. Die Ursache für die Starke der Organisationskuitur liegt be» den öffentlichen

türkischen Unternehmen vor allem in der ständigen Kontrolle, den erheblichen Sanktionen bei Abweichungen von der Norm sowie der ausgeprägten Hierarchie-

betor.ung. Organisationsmitgliedei. die s.ch nicht kulturkcnform verhalten können

generell nicht in der Bürokratiekultur dieser Unternehmen verbleiben. Audi bei der Händierkuitur privater türkischer Unternehmer* führt ein kuiturwidnges Verhalten zumindest mittelfristig zum Ausschluß aus der Organisation 'wobei die Starke dieser

Untemehmenskultur wesentlich durch die Verbindung von Gründe'- bzw

Eigen-

tümerpersönlichkeit und Tradition, verstanden im Sinne der Ehrfurcht vor dem von der vorherigen Generation übernommenen, detem-iimed wird.

Vg! zum tilgenden Hcmen/Pank [Untemer.mecskulhjr 19971. S Vgl hierzu aber auch Schieyöpc [UnterriehmensHjitur 1933;. S . sowie d'e ocn O'skunerte Lileratu7

Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung

V5

Der wesentliche Vorteil757 einer starken Unternehmenskultur sind darin zu sehen,

daß sie eine „weitreichende Orientierungsleistung“758 erbringt, indem sie die Vielzahl

möglicher Sichtweisen und Interpretationen der Ereignisse und Situationen deutlich verringert. Damit stellt sie eine eindeutige Basis für das tägliche Handeln bereit. Als

vorteilhaft erweist es sich ferner, daß die Unternehmenskultur eine reibungslose

Kommunikation

ermöglicht

und

die

Entscheidungsfindung

und

-Umsetzung

beschleunigt. Das konsistente Präferenzsystem der Organisationsmitglieder führt zu eindeutigen und schnellen Entscheidungen respektive tragfähigen Kompromissen.

Diese lassen sich aufgrund ihrer breiten Akzeptanz schnell und wirkungsvoll inner­ halb der Organisation umsetzen. Schließlich trägt eine starke Unternehmenskultur zur Systemstabilisierung im weitesten Sinne bei, da die internalisierten Orien­

tierungsmuster Sicherheit vermitteln und für die einzelnen Organisationsmitglieder nur eine sehr geringe Neigung besteht, dieses kohärente System zu verlassen.

Diesen Vorteilen stehen aber auch Nachteile gegenüber.759 Die verinnerlichten Wertesysteme und Orientierungsmuster können leicht derart dominierend werden, daß die Organisation zu einem geschlossenen System wird. Dadurch ist die

Organisation nicht mehr in der Lage, auf Kritik und Warnsignale, aber auch auf neue Anforderungen und Chancen, adäquat zu reagieren. Die Handlungsweisen der

Organisation und ihrer Mitglieder sind dadurch bestimmt, daß bereits Anzeichen, die in diese Richtung gehen, ignoriert werden. Neue Orientierungen, durch die sie die

Unternehmenskultur in ihrer Identität bedroht sehen, werden frühzeitig abgeblockt oder überhaupt nicht registriert. Aber selbst für den Fall, daß neuartige Aspekte in

Vgl. zum folgenden Schreyögg [Unternehmenskultur 1988], S.6ff. Vgl. hierzu auch Bleicher [Unternehmungspolitik 1984], S.495f., Heinen/Dill [Unternehmenskultur 1986], S.204, Demuth [Unternehmen 1990], S.27f., Hobbensiefken [Unternehmenskultur 1990], S.28f., Sackmann [Gestaltung 1990], S.171ff., Scholz/Hofbauer [Organisationskultur 1990], S.15, Bromann/Piwinger [Gestaltung 1992], S.78f., Steinmann/Schreyögg [Management 1993], S.597ff., Beyer et al. [Unternehmenskultur 1994], S.27, Bühner [Organisationslehre 1996], S.7f., Hinterhuber [Führungskräfte 1996], S.48, Bea/Haas [Strategisches Management 1997], S.485f., und Franzpötter [Organisationskultur 1997], S.33.

Schreyögg [Unternehmenskultur 1988], S.6. Vgl. hierzu ausführlich Steinmann/Schreyögg [Management 1993], S.599f. Vgl. auch Freimuth [Organisationskultur 1985], S.91f., Schreyögg [Unternehmenskultur 1988], S.10f., Heinen/Dill [Unternehmenskultur 1990], S.22f., Wever [Unternehmenskultur 1990], S.182f., Schreyögg [Organisationskultur 1992], Sp.1532f., Bea/Haas [Strategisches Management 1997], S.486, und Olfert/Pischulti [Unternehmensführung 1999], S.63.

176____________ Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung

den Entscheidungsprozeß Eingang finden, kann die Umsetzung dieser Entschei­

dungen nicht immer realisiert werden, da starke Unternehmenskulturen bei einem grundsätzlichen Wandel - etwa in der Unternehmenspolitik - häufig erhebliche

Implementierungsbarrieren aufbauen. „Neue Strategien und Projekte stoßen auf eine

argumentativ kaum zugängliche Bindung an herkömmliche

Prozeduren

und

Vorstellungen."760 Ursächlich für diese Reaktion ist im wesentlichen, daß die bisher

herrschende Sicherheit, die starken Unternehmenskulturen immanent ist, auf­

gegeben werden soll, was dann entsprechende Angst- und/oder Abwehrreaktionen der Organisationsmitglieder hervorruft.

Festzuhalten bleibt, daß die beschriebenen Nachteile „Starrheit und mangelnde

Anpassungsfähigkeit"761 hervorrufen. Dies führt zu einem Mangel an unternehme­

rischer Flexibilität und kann die Existenz des Unternehmens gefährden, zumal die

Umstellungsfähigkeit vor dem Hintergrund veränderter Unternehmensstrategien zu einem wesentlichen unternehmerischen Erfolgspotential geworden ist.'62

4.2.5 Interdependenzen von Unternehmenskultur und Kostenrechnung in türkischen Unternehmen Zwischen der Unternehmenskultur und dem Stellenwert der Kostenrechnung in

türkischen Unternehmen bestehen vielfältige Interdependenzen. Im folgenden wollen wir die wesentlichen Zusammenhänge herausarbeiten.763 In der Bürokratiekultur öffentlicher türkischer Unternehmen erfolgt die Kosten­

rechnung - sofern überhaupt vorhanden - ausschließlich nach den Vorgaben der politischen Entscheidungsträger. Die Nichteinhaltung der gesetzlichen Vorschriften

ist mit dieser Kultur genauso unvereinbar wie eine Erweiterung der Kostenrechnung

über die politischen Vorgaben hinaus. Ziel der Mitglieder derartiger Organisationen ist es, stets den gegenwärtig aktuellen gesetzlichen bzw. politischen Auftrag zu

Schreyögg [Organisationskultur 1992], Sp.1533. Steinmann/Schreyögg [Management 1993], S.600.

Vgl. Steinmann/Schreyögg [Management 1993], S.600. Die folgenden Ausführungen zu den Interdependenzen von Unternehmenskultur und Kostenrechung in türkischen Unternehmen basieren auf den zahlreichen Gesprächsergebnissen des Verfassers mit Vertretern aus der unternehmerischen Praxis der Türkei.

Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung

177

erfüllen. Den Ergebnissen der Kostenrechnung an sich kommt dabei lediglich eine untergeordnete Bedeutung zu. Mithin wird bei der Bürokratiekultur der Durchfüh­ rungsaspekt deutlich gegenüber dem Ergebnisaspekt der Kostenrechnung betont.

Differenzierter stellt sich die Situation in den privaten türkischen Unternehmen dar, wobei die Händlerkultur derartiger Unternehmen als (organisationsumfassender)

stabiler Kulturtyp im Ansoffschen Sinne zu kennzeichnen ist. Im Schrifttum wird darauf hingewiesen, daß der Führung eine „außergewöhnlich prägende Rolle“764 bei der Entstehung einer Unternehmenskultur zukommt. Der Unternehmensgründer

initiiere gewissermaßen eine Unternehmenskultur, indem er in der Situation des noch nicht Vorhandenseins einer Firmenkultur seine eigenen Visionen, Werte und Normen in das Unternehmen einbringt.765 Eine Fortentwicklung dieser Gründerkultur wie sie im Schrifttum postuliert wird,766 ist aufgrund der Stärke und der Traditions­

betonung dieses stabilen Kulturtyps nahezu ausgeschlossen und allenfalls in Ansätzen möglich. Auf den Aspekt der Kostenrechnung bezogen bedeutet dies, daß

der Stellenwert der Kostenrechnung in privaten türkischen Unternehmen unter der

Leitung bzw. dem Einfluß des kulturprägenden Eigentümers - auch im Zeitablauf kaum Änderungen erfährt. Die Eigentümer bzw. die Unternehmensleitung lassen

sich in nicht wenigen Entscheidungsfällen bevorzugt von ihrem Traditionsbewußtsein und den retardierenden Kräften der Unternehmenskultur leiten.

Zusammenfassend können wir festhalten, daß die in türkischen Unternehmen

vorhandene starke Unternehmenskultur einen determinierenden Einfluß auf den Einsatz von Kostenrechnung ausübt.

Bleicher [Unternehmungskultur 1992], Sp.2244.

Vgl. Wever [Unternehmenskultur 1990], S.67f., Bleicher [Unternehmungskultur 1992], Sp.2244, und Hopfenbeck [Managementlehre 1997], S. 600f. Vgl. hierzu Hopfenbeck [Managementlehre 1997], S.600f.

171

Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung

4.3 Wettbewerbsstrategien Die von einem Unternehmen verfolgte Wettbewerbsstrategie stellt eine wesentliche

Rahmenbedingung der Kostenrechnung dar. Vor diesem Hintergrund ist im folgenden der Begriff und das Wesen der Wettbewerbsstrategie zu untersuchen,

wobei wir insbesondere den Zusammenhang zur Unternehmenspolitik heraus­

arbeiten wollen. Darauf aufbauend werden grundlegende Ansätze von Wettbewerbs­ strategien vorgestellt, die sich im betriebswirtschaftlichen Schrifttum und der unter­ nehmerischen Praxis durchgesetzt haben. Zudem zeigen wir die Konsequenzen für die unternehmerische Kostenrechnung auf, die mit der Strategieauswahl verbunden

sind. Abschließend sollen die Besonderheiten in der Türkei analysiert und einer kritischen Betrachtung unterzogen werden. 4.3.1 Grundlagen und Einordnung Unternehmensstrategie und Unternehmenspolitik stehen in einem engen wechsel­

seitigen Zusammenhang. Das Anliegen der Unternehmensstrategie besteht darin, die von der Unternehmenspolitik festgesetzten Zielsetzungen unter optimaler

Verwendung der bereitstehenden Ressourcen767 zu erreichen.768 Demgemäß kenn­ zeichnet Hinterhuber die Strategie als ein Mittel, um die im Rahmen der Unterneh­ menspolitik festgelegten Ziele zu erreichen.769 „Während die Unternehmenspolitik

den Zweck der Unternehmung sowie die wesentlichen Ziele und Verhaltensgrund­ sätze als Rahmen festhält, ist es Aufgabe der strategischen Planung innerhalb

dieses Rahmens die zukünftige Entwicklung der Unternehmung konkret festzu­ legen.“770 Die Unternehmensführung erfordert sowohl unternehmenspolitisches

768

Wir konzentrieren uns auf die Ansätze des Market-Based-View. Hiervon abzugrenzen sind die ressourcenorientierten Ansätze, die in der Generierung von Ressourcen eine eigenständige Zielgröße sehen. Vgl. hierzu ausführlich Bodenstein/Spiller [Marketing 1988], S.150, Corsten [Wettbewerbsstrategie 1998], S.136ff., und Blecker [Unternehmung 1999], S.191ff. Vgl. hierzu ausführlich Schreyögg [Unternehmensstrategie 1984], S.5, Hinterhuber

[Wettbewerbsstrategie 1990], S.57, Hinterhuber [Unternehmensführung I 1996], S.44. Vgl. auch Al-Ani [Strategieentwicklung 1996], S.13.

769

Vgl. Hinterhuber [Unternehmungsführung I 1996], S.44.

770

Ullrich/Fluri [Management 1988], S.98.

Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung

.179

Handeln als auch eine strategische Ausrichtung771, wobei die Interdependenzen

zwischen diesen beiden Handlungsweisen derart tief sind, „daß keine Strategie ohne Berücksichtigung der unternehmenspolitischen Erfordernisse und keine Unter­

nehmenspolitik ohne Kenntnis des strategischen Instrumentariums denkbar ist.“772 Hinterhuber weist in diesem Zusammenhang ausdrücklich darauf hin, daß die

Verzahnung von Unternehmenspolitik und Strategie allmählich gewachsen ist, sich in Zukunft jedoch noch weiter verstärken wird.773

Innerhalb der Unternehmensstrategien kann mit Corsten und Will zwischen der Gesamtunternehmensstrategie

und

der

Wettbewerbsstrategie

unterschieden

werden.774 Die Gesamtunternehmensstrategie befaßt sich in erster Linie mit der

Bestimmung des unternehmerischen Betätigungsfeldes, d.h. mit de/ Steuerung des Gesamtportfolios775 strategischer Geschäftseinheiten.776 Durch die Unternehmens­

strategie wird festgelegt, in welchen Geschäftsfeldern ein Unternehmen zukünftig tätig ist.777 Demgegenüber „bestimmt die Wettbewerbsstrategie die Art und Weise,

mit der die Unternehmung in einzelnen strategischen Geschäftsfeldern in Wett­ bewerb treten soll. Ziel der Wettbewerbsstrategien ist der Aufbau, strategischer Wettbewerbsvorteile aufgrund eines für den Kunden wichtigen und von diesem auch

tatsächlich wahrgenommenen Leistungsmerkmals, das dauerhaft vor Imitations­ versuchen der Konkurrenz zu verteidigen ist.“778 Strategische Wettbewerbsvorteile

eines Unternehmens gehen auf Strategische Erfolgsfaktoren779 zurück, hierzu zählen

Grundlage des strategischen Handelns sollte natürlich die strategische Planung sein. Vgl. hierzu beispielweise Kaluza/Ostendorf [Szenario-Technik 1995], S.11ff., und zur exemplarischen Anwendung Kaluza/Ostendorf [Entwicklungsperspektiven 1998], S.5ff. 772

Hinterhuber [Unternehmungsführung I 1996], S.98.

773

Vgl. Hinterhuber [Unternehmungsführung I 1996], S.98.

774

Vgl. Corsten/Will [Wettbewerbsstrategien 1992], S.185.

775

Vgl. zu den theoretischen Grundlagen Markowitz [Portfolio 1959], und zu einer Übersicht ver­

776

schiedener Konzepte Al-Laham [Strategieprozesse 1997], S.141. Vgl. Corsten/Will [Wettbewerbsstrategien 1992], S.185.

777

Vgl. Steinmann/Schreyögg [Management 1993], S.151, und Corsten [Wettbewerbsstrategie

778

Corsten/Will [Wettbewerbsstrategien 1992], S.185.

779

Vgl. zur Einteilung der Strategische Erfolgsfaktoren Kaluza [Produktionskonzepte 1995], S.76,

1998], S.8.

und Rösner [Service 1998], S.223.

ISO____________ Ausqewählte Rahmenbedingungen imHinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung

zum Beispiel eine im Vergleich zu den Konkurrenzunternehmen überlegene Kosten­

position auf den relevanten Märkten oder eine hohe Produkt- und Servicequalität780 Durch die Formulierung einer Wettbewerbsstrategie wird das Unternehmen zu seinem Umfeld in Bezug gesetzt.781 Abbildung 12 gibt einen Überblick über die im

Rahmen einer Unternehmensumweltanalyse zu berücksichtigenden Determinanten, wobei das elementare Ziel einer Wettbewerbsstrategie darin besteht, einen „fit“

zwischen den einzelnen SGF der Unternehmung und der Umwelt zu gewährleisten.

Abb. 12: Wettbewerbsverhalten der etablierten Unternehmen Nachfolgend zeigen wir die Grundlagen der Entwicklung der Wettbewerbsstrategien

anhand ausgewählter Ansätze auf, die in der Theorie intensiv diskutiert werden und

Vgl. Bodenstein [Qualitätspolitik 1992], S.4ff., und Porter [Wettbewerbsvorteile 1999], S.38ff. Vgl. Porter [Wettbewerbsstrategie 1999], S.33.

Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung____________ 181

einen hohen Verbreitungsgrad aufweisen.782 Zielsetzung kann es dabei nicht sein,

ein abschließendes Bild aller existierenden Wettbewerbsstrategien zu vermitteln, sondern vielmehr idealtypische Strategien aufzuzeigen, mit deren Hilfe die Relevanz für die Kostenrechnung aufgezeigt werden kann. 4.3.2 Ansätze von Wettbewerbsstrategien

4.3.2.1 Generische Wettbewerbsstrategien nach Porter Das Konzept der generischen Wettbewerbsstrategien hat im betriebswirtschaftlichen Schrifttum eine weite Verbreitung gefunden. Nach Porter „gibt es drei erfolgsver­

sprechende Typen strategischer Ansätze, um andere Unternehmen in einer Branche

zu übertreffen: 1. Umfassende Kostenführerschaft 2. Differenzierung 3. Konzentration auf Schwerpunkte.“783

Der Grundgedanke dieses Strategiekonzepts besteht darin, daß sich zukünftige Erfolgspositionen entweder über die Kostenposition oder über die Erlösposition

realisieren lassen. Ferner differenziert Porter zwischen solchen Unternehmen, die branchenweit tätig sind und denen, die sich auf ein einzelnes Marktsegment

konzentrieren. Ausgehend von diesen Basisannahmen differenziert Porter branchen­ weit zwischen der Strategie der umfassenden Kostenführerschaft und der Differen­ zierungsstrategie, während er im Rahmen der Konzentration auf Schwerpunkte

zwischen den beiden Strategien „cost focus“ und „differentiation focus“ unter­

Vgl. Simon [Wettbewerbsstrategien 1993], Sp.4687ff., Zahn [Produktion 1994], S.252, Fleck [Wettbewerbsstrategie 1995], S.13ff., Klenter [Zeit 1995], S.143, Treacy/Wie rsema [Marktführerschaft 1995], S.33f., Kaluza [Produktdifferenzierungsstrategie 1996a], S.193f„ Will [Wettbewerbsvorteile 1996], S.32ff., Hopfenbeck [Managementlehre 1997], S.448, Kaluza/Kemminer [Supply Management 1997], S.7, Rösner [Service 1998], S.237ff., Porter [Wettbewerbsstrategie 1999], S.21ff., und Porter [Wettbewerbsvorteile 1999], S.37ff. 783

Porter [Wettbewerbsstrategie 1999], S.71. Vgl. hierzu auch Kaluza [Erzeugniswechsel 1989], S.23ff., Klenter [Zeit 1995], S.141ff., Will [Wettbewerbsstrategien 1995], S.1044ff., Kaluza [Produktdifferenzierungsstrategie 1996a], S.194ff., Blecker [Unternehmung 1999], S.159ff., und Porter [Wettbewerbsvorteile 1999], S.37ff.,

Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung

122

scheidet. In Abbildung 13 wird das Konzept der generischen Wettbewerbsstrategien

dargestellt.

Strategischer Vorteil Singularität aus der Sicht des Käufers

Kostenvorsprung

Differenzierung

Umfassende Kostenführerschaft

0) N

Konzentration auf Schwerpunkte I Quelle: Porter [Wettbewerbsstrategie 1999], S.75

Abb. 13: Konzept der generischen Wettbewerbsstrategien

Die Strategie der umfassenden Kostenführerschaft strebt einen Kostenvorsprung innerhalb einer Branche an, wobei das erklärte Ziel darin besteht, der kosten­ günstigste Anbieter dieser Branche zu sein. „Bedeutungsvollster strategischer Erfolgsfaktor dieser Wettbewerbsstrategien sind (...) die Kosten.“784 Im Mittelpunkt

dieser Strategie stehen dementsprechend Kostensenkungen durch die konsequente Anwendung des Erfahrungskurvenkonzepts, Kontrollen von variablen Kosten und

Gemeinkosten, Vermeidung von marginalen Kunden etc.785 „Niedrige Kosten, die in Form von niedrigen Preisen an die Kunden weitergegeben werden, stellen den

wesentlichen Erfolgsfaktor bei Verfolgung der Kostenführerschaftsstrategie dar."786

Klenter [Zeit 1995], S.163.

Vgl. hierzu ausführlich Porter [Wettbewerbsstrategien 1999], S.70f. Vgl. auch Cooper [Spitze 1998], S.5.

Kaluza [Produktdifferenzierungsstrategie 1996b], S.5.

Ausgewählte Rahmenbedingunaen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung____________ 183

Der Kostenrechnung kommt bei Verfolgung der Kostenführerschaftsstrategie eine

elementare, strategieunterstützende Bedeutung zu. Will ein Unternehmen die Kostenführerschaft im Sinne des Porterschen Strategiekonzepts erreichen, so muß

es in der Lage sein, die Durchschnittskosten und die Grenzkosten seiner Produkte

bzw. Dienstleistungen verursachungsgerecht zu bestimmen und jederzeit kritisch zu

hinterfragen. Darüber hinaus macht die Strategie der umfassenden Kostenführer­ schaft auch einen dauerhaft optimierten Leistungserstellungsprozeß bzw. Produk­

tionsablauf erforderlich. Dementsprechend kommt einer detaillierten kostenstellen­ bezogenen Planung und Kontrolle eine herausragende Bedeutung zu.

Bei der Differenzierungsstrategie steht die Erlösposition im Zentrum der Betrachtung.

Die Wettbewerbsvorteile werden bei dieser Strategie über kundenseitig wahrge­

nommene und entlohnte Produkt- oder Dienstleistungsunterschiede, d.h. über einen höheren Zusatznutzen, eine bessere Produkt- bzw. Dienstleistungsqualität, einen besseren Service etc. zu erreichen versucht.787 „Jeder dieser Erfolgsfaktoren besitzt ein spezifisches Potential, welches - einzeln eingesetzt oder kombiniert - dem Unter­ nehmen viele Differenzierungsmöglichkeiten bietet.“788 Das Unternehmen strebt mit

dieser Strategie eine verringerte Preiselastizität der Nachfrage an, mit deren Hilfe ein reaktionsfreier Preisbereich geschaffen werden kann.789 Bei der Differenzierungsstrategie hängt die Bedeutung der Kostenrechnung wesent­

lich von der Art der Erfolgsfaktoren ab, deren Differenzierungspotential zur Abgren­

zung gegenüber den Konkurrenzunternehmen konsequent ausgenutzt werden soll. Stellt man etwa auf qualitative Produkt- oder Dienstleistungsattribute, wie zum Beispiel das Image eines Produktes oder einer Dienstleistung ab, so kommt zwar

den konkurrenzbezogenen Kostenanalysen auf aggregiertem Niveau eine große Be­

deutung zu, die Kosteneffizienz der Leistungserstellung und die detaillierte Kenntnis

der Grenz- und Durchschnittskosten je Produkt bzw. Leistung ist nur von unterge­ ordneter Bedeutung. Anders verhält es sich jedoch beispielsweise dann, wenn die

Differenzierungsstrategie auf dem Differenzierungspotential des Erfolgsfaktors

Vgl. Porter [Wettbewerbsstrategie 1999], S.73f. Kaluza [Produktdifferenzierungsstrategie 1996b], S.5.

Vgl. Corsten/Will [Wettbewerbsstrategien 1992], S.186.

184

Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung

Lieferfähigkeit, etwa in Form einer erhöhten Liefergenauigkeit oder einer Verkürzung

der Lieferfristen aufbaut. In diesem Fall ist es für das Unternehmen unumgänglich, detaillierte Kenntnisse über die Kosten dieser Nebenleistung zu gewinnen. Ent­

sprechend verlagert sich hier der Schwerpunkt der kostenrechnerischen Aufgaben

aus der orginären Leistungserstellung hinaus in die für die Bereitstellung des Zusatz­ nutzens verantwortlichen unternehmerischen Leistungsbereiche, wie zum Beispiel

die Logistik. Die vorangegangenen Ausführungen verdeutlichen nachdrücklich, daß es in der unternehmerischen Praxis stets erforderlich ist, sämtliche Kontextfaktoren zu berück­ sichtigen, um eine zieladäquate Ausgestaltung der Kostenrechnung eines Unterneh­

mens zu gewährleisten und die Kostenrechnung zweckorieniert als Instrument der Unternehmensführung im Rahmen der Strategieunterstützung einsetzen zu können. Die Konzentration auf Schwerpunkte stellt den dritten Strategietyp der generischen

Wettbewerbsstrategien dar. Während sich die Strategie der umfassenden Kosten­ führerschaft und die Differenzierungsstrategie auf eine branchenweite Positionierung beziehen, stellen die verschiedenen Konzentrationsstrategien segmentspezifische

Strategien dar. Die Konzentrationsstrategie bzw. Strategie der Nischenbildung

basiert auf einer konsequenten Konzentration sämtlicher Aktivitäten des Geschäfts­ bereiches auf ein eng begrenztes Wettbewerbsfeld. Entsprechend ist diese generische Wettbewerbsstrategie darauf ausgerichtet, die Bedürfnisse einer spezi­

fischen Abnehmergruppe, eines regionalen Marktes oder einer engen Produktlinie bestmöglich zu erfüllen und so ein Marktsegment optimal auszuschöpfen. Der

Grundgedanke dieses Strategietyps besteht darin, daß ein Nischenanbieter in der Lage ist, eine strategisch eng definierte Aufgabe effektiver und effizienter zu lösen,

als ein branchenweit tätiges Unternehmen. Innerhalb des gewählten Branchen­ systems, der Nische, kann die künftige Erfolgsposition des Unternehmens im Wett­ bewerb wiederum entweder über eine Fokussierung auf die Kostenposition (cost

focus) oder über eine Fokussierung der Erlösposition (differentiation focus) erreicht werden. Entsprechend der gewählten Nischenstrategie muß die Kostenrechnung analog zu

den obigen Ausführungen zur umfassenden Kostenführerschaft und zur Differen­

Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung

185

zierung an den jeweiligen Kontextfaktoren des gewählten Branchensystems ausge­

richtet werden.

Porter weist deutlich darauf hin, daß es sich bei den dargestellten Wettbewerbs­ strategien um alternative Strategien handelt, die sich nicht gleichzeitig verfolgen

lassen.790 Unternehmen, die eine Kombination der beiden grundlegenden Wett­ bewerbsstrategien umfassende Kostenführerschaft und Differenzierung, sei es

branchenweit oder auch nur in einem Marktsegment, verfolgen, geraten „zwischen

die Stühle“ (stuck in the middle) und sind nicht mehr wettbewerbsfähig. „Es (das Unternehmen, Anm. des Verf.) büßt entweder die großen Mengenabnehmer, die

niedrige Preise fordern, ein oder es muß auf einen Teil seiner Gewinne verzichten. Es verliert aber zugleich die besonders profitablen Aufträge an diejenigen Unter­ nehmen, die sich auf noch profitablere Objekte spezialisiert oder die sich insgesamt

differenziert haben. Schließlich leidet das Unternehmen zwischen den Stühlen wahrscheinlich auch an einer verschwommenen Unternehmenskultur und an einem

inkonsistenten Organisations- und Motivationssystem.“791 Auch die Risiken, die mit der Verfolgung der einzelnen generischen Wettbewerbs­

strategien verbunden sind, werden von Porter deutlich benannt.792 Die Strategie der umfassenden Kostenführerschaft birgt die Risiken in sich, daß

technologische

Veränderungen

Investitionen

und

Lernprozesse

entwerten.793

Weitere Risiken der Kostenführerschaft:

Vgl. Porter [Wettbewerbsstrategie 1999], S.78ff. Porter [Wettbewerbsstrategie 1999], S.79. Vgl. hierzu und zum folgenden: Porter [Wettbewerbsstrategien 1999], S.82ff. Vgl. hierzu Corsten/Will [Wettbewerbsstrategien [Marktführerschaft 1995], S.199f.

1994],

S.263,

sowie Treacy/Wiersema

186

Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung

• Die Kostenführerschaft benötigt hohe Absatzmengen für die Realisierung von

Erfahrungskurvenvorsprüngen.794 Diese erfordern eine konstante Nachfrage, welche angesichts der Marktdynamik nur noch selten anzutreffen ist.795 • Um mit der Kostenführerstrategie erfolgreich zu sein, muß ein nennenswerter

Kostenvorteil gegenüber der Konkurrenz realisiert werden. Dies ist in reifen Märkten schwierig.796 • Bei einer starken Kostenorientierung besteht die Gefahr, die Qualität des

Produktes bzw. der Dienstleistung nur unzureichend zu berücksichtigen. Dies gilt

insbesonders wenn der Branchenstandard steigt.797 Bei der Differenzierungsstrategie kann der Kostenunterschied zwischen den Billig­

anbietern und den differenzierenden Unternehmen derart groß werden, daß durch die erforderlichen Preisaufschläge die Markenloyalität nicht mehr gewährleistet

werden kann. Der Kunde verzichtet auf einen Teil der überlegenen Leistungs­ merkmale zugunsten von signifikanten Kosteneinsparungen.798 Weitere der Differen­

zierungsstrategie immanente Risiken bestehen darin, daß der Bedarf der Abnehmer im Hinblick auf die differenzierenden Merkmale sinkt und damit der Besonderheits­

charakter verlorengeht oder Imitationen eine erkennbare Differenzierung vermindern.

Die Konzentrationsstrategie ist ebenfalls risikobehaftet. Konkurrenzunternehmen

können innerhalb des strategischen Zielobjektes Untermärkte finden und sich noch gezielter bzw. noch konzentrierter auf eben diese Untermärkte spezialisieren.

Schließlich ist denkbar, daß sich die Unterschiede zwischen den Zielsegmenten

795

Vgl. Kaluza/Kürble [Erfahrungskurve 1986], S.219ff., und Corsten [Wettbewerbsstrategie 1998], S.49ff. Vgl. Pine [Massenfertigung 1994], S.79ff.

796

Vgl. Wingert [Wettbewerbsvorteile 1997], S.30.

797

Vgl. TreacyA/Viersema [Marktführerschaft 1995], S.33f., Kaluza [Produktdifferenzierungsstrategie 1996a], S.193f., und Kaluza/Kemminer [Supply Management 1997], S.7.

798

Vgl. Kleinaltenkamp [Dynamisierung 1987], S.36f., Corsten/Will [Wettbewerbsstrategien 1994],

S.262, und Kaluza/Kemminer [Supply Management 1997], S.7.

Ausgewählte Rahme.nbedingunqen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung

1^7

verringern oder die Kostendifferenz zu den branchenweit agierenden Unternehmen derart groß wird, daß die Vorteile der Konzentrationsstrategie verlorengehen.799 Das grundlegende Problem aller Porterschen Wettbewerbsstrategien besteht darin, daß es sich um eine statische Betrachtung und Untersuchung des Problemfelds handelt. Die gestiegene Wettbewerbsintensität auf den Märkten wird auch von Porter

erkannt, dennoch ist er der Auffassung, daß seine Alternativhypothese korrekt sei.800 Diese Frage wird jedoch im Schrifttum auch anders bewertet.801 Kaluza führt hierzu

aus: „An dieser statischen Formulierung von Porter, die meines Erachtens bei den

heutigen dynamischen Umweltbedingungen und dem hohen Flexibilitätspotential der modernen Produktionskonzepte nicht mehr aufrecht zu erhalten ist, setzt meine Kritik

an. Die Kontraktion der Marktzyklen bei gleichzeitiger Expansion der Entstehungs­ zyklen führt zu einer immer schnelleren Veralterung der Produkte. Diese zwingt die

Unternehmen zu häufigen Erzeugniswechseln und/oder Anpassungen im Produk­ tionsprogramm, um die sich im Zeitablauf ändernden Kundenwünsche besser

erfüllen zu können. Zur Lösung dieser Probleme ist es zwingend notwendig, daß die

Unternehmen dynamische Strategien verfolgen.“802 Diese Auffassung teilen wir. Im folgenden sind daher modernere Strategiekonzepte zu untersuchen, die der Dyna­

mik der Märkte besser gerecht werden.

Vgl. hierzu ausführlich Wingert [Wettbewerbsvorteile 1997], S.31. Vgl. hierzu Porter [Wettbewerbsstrategie [Wettbewerbsvorteile 1999], S.37ff.

1999],

S.15

und

S.70ff.,

sowie

Porter

Vgl. Kaluza [Erzeugniswechsel 1987], Zäpfel [Produktions-Management 1989], S.91, Corsten/Will [Wettbewerbsstrategien 1994], S.262, Zahn [Produktion 1994], S.252, Fleck [Wettbewerbsstrategie 1995], S.13ff., Klenter [Zeit 1995], S.143, Will [Wettbewerbsvorteile 1996], S.32ff., Hopfenbeck [Managementlehre 1997], S.448, Kaluza/Kemminer [Supply Management 1997], S.7, und Bodenstein/Spiller [Marketing 1998], S.115. Kaluza [Produktdifferenzierungsstrategie 1996b], S.6 und vgl. in diesem Zusammenhang auch die bei Corsten/Will [Wettbewerbsstrategien 1992], S.187ff. dargestellte Unterscheidung und Kritik von Fokussierungs- und Simultanitätshypothese.

Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung

Ißß.

4.3.2.2 Ausgewählte Hybride Wettbewerbsstrategien

4.3.2.2.1 Outpacing Strategies nach Gilbert und Strebel Die von Gilbert und Strebel entwickelten „Outpacing Strategies“ untersuchen das Portersche Konzept der Wettbewerbsstrategien unter Beachtung der Dynamik des Wandels.803 Die „Outpacing Strategies" beschäftigen sich daher mit dem Wechsel

zwischen den Konzepten der Kostenführerschafts- und Differenzierungsstrategie im Zeitablauf. Diese Strategien, die auch als „Überhol- oder Spitzenreiterstrategie"804 bezeichnet werden können, fordern, daß ein Produkt dem Kunden zur Wahrung der Wettbewerbsfähigkeit langfristig einen hohen Nutzen stiften und zugleich zu einem relativ günstigen Preis angeboten werden muß. Damit stehen sie eindeutig im

Gegensatz zu Porters Strategiekonzept, das für viele Branchen die Ausschließ­

lichkeit der Strategiealternativen Kostenführerschaft und Differenzierung postuliert.805

Der Ansatz von Gilbert/Strebel ist als sequentiell hybrider Ansatz zu kennzeichnen. Erst wenn einer der Wettbewerbsparameter günstige Kosten oder Zusatznutzen

realisiert ist, wird damit begonnen, den anderen zu optimieren.806 „Langfristig gesehen sollen hoher Produktnutzen über eine Differenzierungsstrategie

und niedriger Preis mit Hilfe der Strategie Kostenführerschaft keine sich aus­ schließenden Alternativen darstellen.“807 Abbildung 14 zeigt den dazu notwendigen

Wechsel auf.

Vgl. Gilbert/Strebel [Strategies 1987], S.31ff., und Gilbert/Strebel [Competitive Advantage 1991], S.91ff.

Kleinaltenkamp [Dynamisierung 1987], S.32. Vgl. Porter [Wettbewerbsstrategie 1999], S.78ff.

Vgl. Fleck [Wettbewerbsstrategie 1995], S.62ff., Will [Wettbewerbsstrategien 1995], S.1047f., Kaluza [Produktdifferenzierungsstrategie 1996a], S.196L, und Kaluza et al. [Telekommunikationstechnologien 1996], S.10f. Kaluza [Erzeugniswechsel 1987], S.60.

Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung____________ 1^

hoch

niedrig Kosten

Quelle: Gilbert/Strebel [Competitive Advantage 1991], S.91 (leicht modifiziert)

Abb. 14: Outpacing Strategies nach Gilbert und Strebel

Nach einer Phase, die neue Produktstandards schafft, muß eine Prozeßstandar­

disierung erfolgen, die eine kostengünstigere Produktion ermöglicht, damit der Wechsel von der Differenzierung zur Kostenführerschaft realisierbar wird. Es wird damit vermieden, daß höhere Kosten auf Dauer den höheren Nutzen überkompen­ sieren oder, daß Folgeunternehmen bei Einhaltung der geschaffenen Standards zu

günstigeren Preisen anbieten können.

Der Wechsel von der Kostenführerschaft zur Differenzierung vollzieht sich durch eine entsprechende Erneuerung der Produkte, die nach einer Phase der Kostenführer­ schaft erfolgen muß, damit gestiegene Bedürfnisse befriedigt, neue Käuferschichten

erschlossen oder Änderungen der Rahmenbedingungen kompensiert werden

190

Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung

können. Es kann somit neben einer kostengünstigen Produktion auch der Differen­

zierungsvorteil anderer Marktteilnehmer aufgeholt werden.

Diese Strategie bereinigt einen großen Mangel der Porter'schen Wettbewerbs­

strategien. Es wird die Dynamik des Umfelds berücksichtigt. Ob und wie ein Wechsel

der verfolgten Strategie im Zeitverlauf möglich ist, muß jedoch in jedem Fall kontext­ abhängig untersucht werden. Ein Risiko dieses Ansatzes besteht darin, daß die Schwerpunktverlagerung von der Differenzierung hin zur Kostenführerschaft zu

einem Zeitpunkt erfolgt, in dem der erreichte Kundennutzen noch wesentlich steigerungsfähig ist. Hier besteht die Gefahr, keine Vorteilsdimension voll zu rea­

lisieren. Verfolgt das betroffene Unternehmen zuerst die Strategie der Kostenführer­ schaft, besteht zudem die Gefahr des zu frühen Konzentrationswechsels.

Die Anforderungen, die bei Verfolgung der Outpacing-Strategies an die Kosten­ rechnung zu stellen sind, sind wesentlich höher als bei Anwendung der beiden

Porter'schen Strategien. So muß sich die Kostenrechnung bei den OutpacingStrategies dem Strategiewandel anpassen, um im Zeitverlauf unterschiedliche

Aufgabenschwerpunkte erfüllen zu können. Zudem ist eine überaus komplexe

Kostenrechnung erforderlich, sofern sich im Unternehmen mehrere Produkte in

unterschiedlichen Outpacing-Stadien befinden. 4.3.2.2.2 Strategie der Dynamischen Produktdifferenzierung nach Kaluza Simultan hybride Strategien verfolgen beide Nutzendimensionen gleichzeitig, so daß

sie die potentielle Schwäche der generischen Strategien noch besser als die sequentiell hybriden Vorschläge überwinden. Dem Ansatz von Kaluza gebührt besondere Beachtung, da dieser Autor schon in der zweiten Hälfte der 80er Jahre

sein simultan hybrides Konzept vorstellte.808

Kaluza begründet die Notwendigkeit der Produktdifferenzierung mit folgender Kritik

an Porters Konzept: „Bei den Strategien von Porter wird vernachlässigt, daß sich die Bedürfnisse der Kunden über die Zeit hinweg ändern. Je breiter und tiefer jedoch ein Produktionssortiment ist, um so größer ist die Wahrscheinlichkeit, daß die

808

Vgl. zu den weiteren Ausführungen ausführlich Kaluza [Erzeugniswechsel 1987], sowie Kaluza [Erzeugniswechsel 1989].

Ausoewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung____________ 191

Kundenbedürfnisse wechseln. Dabei wird die Änderungsproblematik umso gravie­ render, je individueller die Problemlösungen sind.809

Durch den Aufbau von Flexibilitätspotentialen mit Hilfe neuer Technologien soll

erreicht werden, daß sogenannte „programmierte“ Erzeugniswechsel kostengünstig durchzuführen sind. Sie unterscheiden sich von ungeplanten oder anderen Formen des Erzeugniswechsels durch die Höhe der dadurch entstehenden Kosten.810 Wenn der Erzeugniswechsel als strategische Maxime aufgefaßt wird und zu dessen programmierter Durchführung die notwendigen Wechselpotentiale gezielt aufgebaut

werden, so handelt es sich um die Strategie der „Dynamischen Produktdifferen­

zierung“. Im Zentrum dieser Strategie steht die Fähigkeit zum Wechseln. Das gesamte Potential des Unternehmens ist darauf ausgelegt, die über die Zeit hinweg

wechselnden Bedürfnisse der Kunden optimal befriedigen zu können. Der Unterschied zu der Differenzierungsstrategie von Porter ist die Betrachtung der Zeitkomponente. Die Strategie von Porter kann gegenüber der Dynamischen Produktdifferenzierung als eine statische Differenzierung bezeichnen werden, da sie

darauf ausgerichtet ist, unterschiedliche Kundenbedürfnisse zum gleichen Zeitpunkt zu befriedigen. Die Strategie der „Dynamischen Produktdifferenzierung“ konzentriert

sich hingegen „auf die Durchführung der Erzeugniswechsel und den Aufbau eines optimalen Erzeugniswechselpotentials. Es sind die (...) informations- und kommuni­ kationstechnologischen Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß Erzeugniswechsel

kostengünstig, schnell und qualitätsgerecht durchführbar sind.“811 Das Unternehmen muß folglich versuchen, durch den Aufbau eines optimalen Er­

zeugniswechselpotentials ein hohes akquisitorisches Potential im Sinne Gutenbergs

aufzubauen. Die Folge davon wäre, daß das Unternehmen das Image eines „Change Masters“ erlangt.812

Kaluza [Wettbewerbsstrategien 1990], S.60. Vgl. ausführlich auch Kaluza [Erzeugniswechsel 1989], S.29ff. Vgl. ausführlich Kaluza [Erzeugniswechsel 1989], S. 84-110, insbesondere S.IOOf.

Kaluza [Erzeugniswechsel 1989], S.60. Vgl. Kaluza [Erzeugniswechsel 1989], S.30 und Kaluza [Flexibilität 1995], S.46.

isz

Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung

Den Anforderungen des heutigen Wettbewerbs wird der vorgestellte simultane An­

satz in optimaler Weise gerecht. Dies spiegelt sich auch in der positiven Berücksich­ tigung im Schrifttum wider.813

hoch

Kosten

niedrig

Quelle: Kaluza [Erzeugniswechsel 1989], S.31

Abb. 15: Strategie der Dynamischen Produktdifferenzierung nach Kaluza Abbildung 15 verdeutlicht, daß im Rahmen dieser Strategie „nicht nur eine hohe

Differenzierung, um damit einen hohen Produktnutzen zu erreichen, angestrebt wird,

sondern es wird versucht, auch die Erzeugnisse zu relativ niedrigen Kosten her­ stellen zu können “814. Die Kostensenkungen sind jedoch nicht durch die Erfahrungs­

kurve über die kumulierten Erzeugnismengen zu realisieren, sondern müssen in diesem Fall durch die Erfahrungen im Erzeugniswechsel, also einer Erfahrungs­

Vgl. Klenter [Zeit 1995], S.143ff., Will [Wettbewerbsvorteile 1996], S.46f., Pasckert [Wertschöpfungskreisläufe 1997], S.154, Komorek [Produktentwicklung 1998], S.175f., und Rösner [Service 1998], S.243ff. 814

Kaluza [Wettbewerbsstrategien 1990], S.62.

Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung

193

kurve des „Wechselns"815, realisiert werden. Wegen des Fehlens ausreichend großer

Mengen ist es erforderlich, durch den Einsatz flexibler Mitarbeiter und flexibler Technologien Flexibilitätspotentiale auf- und auszubauen,

die wiederum als

„Instrumentalvariable für die Durchführung der Erzeugniswechsel und für den Aufbau

von Erzeugniswechselpotentialen“816 aufgefaßt werden können. Die Dynamische Produktdifferenzierung stellt höchste Anforderungen an die

Kostenrechnung. So ist für Unternehmen, die diese Strategie umsetzen, eine über­ aus komplexe Ausgestaltung der Kostenrechnung unabdingbar.

Im folgenden sind die dargestellten idealtypischen theoretischen Strategiekonzepte im Hinblick auf die Situation in der Türkei zu untersuchen und einer kritischen

Würdigung zu unterziehen.

4.3.3 Besonderheiten der Wettbewerbsstrategien in der Türkei An

dieser

Stelle

ist

zunächst

darauf

hinzuweisen,

daß

der

Terminus

„Wettbewerbsstrategie“ in der Türkei bisher keinerlei Eingang in das betriebswirt­ schaftliche Schrifttum und die akademische Diskussion gefunden hat. Wettbewerbs­

strategien werden in der unternehmerischen Praxis der Türkei oftmals nur konklu­ dent oder ansatzweise verfolgt, ohne daß sich die Verantwortlichen des Inhalts und

der Bedeutung einer Wettbewerbsstrategie sowie der Abgrenzung zur Unterneh­ mensstrategie und zur Unternehmenspolitik bewußt sind. Das Wettbewerbshandeln der öffentlichen und privaten türkischen Unternehmen ist

weitestgehend

durch

operative,

kurzfristige Anpassungsmaßnahmen

gekenn­

zeichnet. Eine bewußt proaktive Gestaltung der Umweltbeziehungen und damit die

Verfolgung einer eindeutigen Wettbewerbsstrategie findet nicht statt. Von Seiten der Unternehmen beschränkt man sich oftmals darauf, die Vorgehens­ weisen der Konkurrenten unreflektiert zu übernehmen. Ein derart reaktives Handeln

stellt letztlich jegliche Wettbewerbsstrategie in Frage und führt dazu, daß die Unter-

Vgl. Wildemann [Investitionsplanung 1986], S.6ff. Kaluza [Erzeungiswechsel 1989], S.287.

1^4

Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung

nehmen nicht in ^.ar Lage sind, Gefahren abzuwenden und die sich ergebenden Chancen aktiv zu nutzen.

Mit dieser Vorgehensweise werden die türkischen Unternehmen den Anforderungen des Wettbewerbs in keinster Weise gerecht, denn auch in der Türkei ist eine deutlich zunehmende Wettbewerbsintensität festzustellen.

Insbesondere die türkischen

Industrieunternehmen müssen in der Lage sein, auf eine zunehmend komplexere

und dynamischere Umwelt durch eine adäquate Wettbewerbsstrategie reagieren zu können. Die zunehmende Umweltdynamik ist in den türkischen Unternehmen ins­ besondere auf die Aufnahme der Türkei in die Europäische Zollunion und die damit

einhergehende gestiegene Wettbewerbsintensität zurückzuführen. Hinzu kommt,

daß sich, bedingt durch die liberalistische wirtschaftspolitische Orientierung der Türkei seit Beginn der achtziger Jahre, auch der Wettbewerb auf dem türkischen Inlandsmarkt verstärkt hat. Aufgrund der damit verbundenen zunehmenden Privati­

sierung von öffentlichen Unternehmen sehen sich die jeweiligen Unternehmen auch einer größeren Zahl von Konkurrenzunternehmen gegenüber. Vor diesem Hinter­

grund können im zunehmend stärker werdenden Wettbewerb nur solche Unter­

nehmen bestehen, die aktiv eine klar definierte Wettbewerbsstrategie verfolgen und

diese an die jeweiligen Umweltveränderungen entsprechend anpassen. Diejenigen türkischen Unternehmen, die sich ausschließlich auf das reaktive Wettbewerbs­

handeln beschränken, werden spätestens mittelfristig durch den zunehmenden Wettbewerb aus dem Markt gedrängt, da ihre Produkte entweder gegenüber den

Preisen der Konkurrenzunternehmen zu hoch sind oder die Bedürfnisse der

Konsumenten nicht in ausreichendem Umfang berücksichtigen. Das reaktive Wett­ bewerbshandeln von vielen türkischen Unternehmen ist sozusagen durch ein time­ lag gekennzeichnet. Die Unternehmen versuchen gegenwärtig auf eine zeitlich

vorgelagerte Wettbewerbssituation zu reagieren und müssen dadurch zwangsläufig gegenüber solchen Unternehmen, die aktiv und zielgerichtet eine Wettbewerbs­ strategie verfolgen, in eine nachhaltig schlechtere und möglicherweise sogar

existenzbedrohende Situation geraten. Ausschlaggebend für diese Entwicklung ist, daß Informationen, die als Grundlage

einer mittel- bis langfristigen Planung dienen könnten, nicht verfügbar sind, weil elementare Instrumente der Informationserhebung und -Verarbeitung einschließlich

Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung

des

entsprechenden

Hintergrundwissens

nicht vorhanden

sind

195

bzw.

deren

Anwendung als zu kostenintensiv angesehen wird. Beispielhaft sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, daß nahezu kein türkisches Unternehmen

Marktforschung

betreibt

oder

über

ein

computergestütztes

Informations- und Kommunikationssystem verfügt. Weiterhin ist an dieser Stelle kritisch darauf hinzuweisen, daß der Controlling-Aspekt vernachlässigt wird, obwohl durch ein umfassendes Controlling der Unternehmensleitung eine Vielzahl von Infor­

mationen als aussagekräfige Entscheidungsgrundlage zur Verfügung gestellt werden könnten. Insbesondere türkische Klein- und Mittelunternehmen sehen auch die ökonomische Kosten-ZNutzenrelation für derartige betriebswirtschaftliche Instru­

mente als negativ an. Dementsprechend fehlt es in türkischen Unternehmen regel­

mäßig an einer ausreichenden Entscheidungsgrundlage zur Erarbeitung einer zielge­ richteten Wettbewerbsstrategie.

Letztlich besteht die „unternehmenspolitische“ Zielsetzung in vielen türkischen Unter­ nehmen vorwiegend darin, kurzfristige Gewinne abzuschöpfen, auch wenn hierdurch mittel- bis langfristig die Existenz eines Unternehmens gefährdet wird. Festzuhalten bleibt, daß die definitionsgemäße Verfolgung einer Wettbewerbs­

strategie, abgesehen von einigen Ausnahmeunternehmen, in türkischen Unter­ nehmen nicht stattfindet. Die türkischen Unternehmen reagieren vielmehr regel­

mäßig auf die entsprechenden Handlungsweisen der Konkurrenten und entziehen sich damit freiwillig der Möglichkeit, selbst aktiv und gestaltend in den Wettbewerb

eingreifen zu können.

196

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen

5 Empirische Untersuchung zum Einsatz der Kostenrechnung und der Kostenrechnungssysteme in türkischen Unternehmen In dem vorangegangenen Teil haben wir ausgewählte Rahmenbedingungen im Hin­

blick auf die Einführung und Gestaltung der Kostenrechnung und Kostenrechnungs­

systeme in der Türkei theoretisch beschrieben. Es ist nun unsere Aufgabe, mit Hilfe einer empirischen Untersuchung zu ermitteln, ob in der unternehmerischen Praxis

der Türkei Kostenrechnung eingesetzt wird. Bevor wir die theoretischen Grundlagen unserer Studie erläutern, wollen wir zunächst die wissenschaftliche Zielsetzung der

Untersuchung

darlegen.

Im

Rahmen

der

anschließenden

Darstellung

der

Einzelantworten soll der Ist-Zustand und insbesondere die Ausgestaltung der Kostenrechnung sowie der Kostenrechnungssysteme in türkischen Unternehmen

beschrieben werden.

5.1 Zielsetzung der empirischen Untersuchung Obwohl die Kostenrechnung zu den fundamentalen Instrumenten der Unter­ nehmensführung gehört, ohne die ein erfolgsorientiertes und ökonomisches Handeln sowie eine dauerhafte Existenzsicherung der Unternehmung kaum denkbar wäre,

existieren in der traditionellen betriebswirtschaftlichen Forschung erhebliche Informa­

tionsdefizite hinsichtlich der Kostenrechnung und der Kostenrechnungssysteme. Diese Gründe sowie die Tatsache, daß die betriebswirtschaftliche Forschung in der

Türkei zu diesem Problembereich keine relevanten Informationen zur Verfügung stellt, haben in der Gegenwart zu einer engeren Zusammenarbeit von Forschung

und Praxis geführt.817 In zunehmendem Maße wird auch auf Kongressen und in

Workshops018 die Bedeutung der Kostenrechnung als Führungsinstrument der Unter­ nehmensleitung hervorgehoben und die Einführung sowie der Ausbau der Kosten­

rechnung diskutiert. Hierdurch wird die Aktualität dieser Thematik verdeutlicht. Aus

Dem Verfasser gegenüber wurden die Forschungsdefizite des internen Rechnungswesens in zahlreichen Einzelgesprächen mit verschiedenen Vertretern betriebswirtschaftlicher Fakultäten türkischer Universitäten und der unternehmerischen Praxis erläutert. 818

Bei den Kongressen und Workshops handelt es sich um jährlich stattfindende Veranstaltungen des türkischen Dachverbandes der Bilanzbuchhalter, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer (TÜRMOB), die vom Verfasser, der Mitglied dieser Vereinigung ist, besucht worden sind.

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen_________________________________ 197

der aktuellen Problemstellung heraus ist es nach unserer Meinung zwangsläufig

notwendig, eine Primärerhebung durchzuführen, um Informationen zum derzeitigen Stand des Einsatzes der Kostenrechnung und der Kostenrechnungssysteme in der

Türkei zu gewinnen.

Im Rahmen der folgenden empirischen Untersuchung haben wir uns zum Ziel gesetzt, den Entwicklungsstand der bestehenden Kostenrechnung und der Kosten­

rechnungssysteme in türkischen Unternehmen authentisch wiederzugeben und eine fundierte Datenbasis zu schaffen, auf deren Grundlage wir Handlungsempfehlungen zur Einführung, Verbesserung und Weiterentwicklung geben wollen. Dabei liegt es

auch in unserem originären Interesse, die zentralen Gründe für die Nichtexistenz der Kostenrechnung in den einzelnen Unternehmen festzustellen. Des weiteren ist in unserer Analyse der Einsatz von Teilkostenrechnungssystemen

von besonderem Interesse. Diesbezüglich sollen einerseits detaillierte Informationen

hinsichtlich der Verbreitung und Ausgestaltung von Teilkostenrechnungssystemen erhoben und andererseits explizite Gründe für den Verzicht auf eine Teilkosten­

rechnung aus Sicht der Befragten ermittelt werden. Darüber hinaus ist neben der Ermittlung des Verbreitungsgrads der Kostenrechnung die Herausarbeitung unter­ nehmensspezifischer Einflußgrößen auf den Einsatz und die Ausgestaltung der

Kostenrechnung und der Kostenrechnungssysteme in der Türkei für uns ein zentrales Anliegen. Ferner wollen wir den befragten Unternehmen die Möglichkeit geben, die Gegeben­ heiten in ihrem eigenen Unternehmen mit den Ergebnissen dieser Untersuchung zu

vergleichen und hierdurch den Entwicklungsstand ihrer Kostenrechnung und Kosten­ rechnungssysteme zu bestimmen. Die Untersuchungsergebnisse sollen wertvolle

Hinweise zur Verbesserung und Weiterentwicklung der Kostenrechnung und der Kostenrechnungssysteme in den Unternehmen liefern. Damit verbinden wir die

Hoffnung, daß sich die Kostenrechnung zu einem wertvollen, den Planungs-, Steuerungs- und Kontrollaufgaben gerecht werdenden Instrument der Unterneh­

mensführung entwickelt. Dabei soll die Kostenrechnung die Unternehmensleitung

durch die Bereitstellung qualitativer, quantitativer sowie zeitnaher Informationen bei der Wahrnehmung ihrer Führungsaufgaben umfassend unterstützen. Zudem soll mit

unserer Arbeit für diejenigen türkischen Unternehmen, die bislang noch keine

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen

122.

Kostenrechnung eingesetzt haben, ein Anreiz geschaffen werden, einen zukünftigen

Einsatz der Kostenrechnung in ihrem Unternehmen in Erwägung zu ziehen.

5.2 Grundlagen der empirischen Untersuchung In diesem Kapitel wollen wir einige grundlegende Überlegungen zur Planung und Durchführung der vorliegenden empirischen Untersuchung vornehmen. Ausgehend

von den oben erläuterten Untersuchungszielen erfolgt die Planung der wissen­ schaftlichen Erhebung. Dabei stehen gestaltungsorientierte Fragestellungen hinsicht­ lich des Fragebogens im Mittelpunkt. Im Anschluß daran wird der Ablauf der empi­

rischen Untersuchung skizziert, wobei wir das Augenmerk auf die Repräsentativität der Daten richten. 5.2.1 Planung der empirischen Untersuchung

Im Vorfeld der empirischen Untersuchung wollen wir in diesem Zusammenhang einige zentrale Überlegungen zur konzeptionellen Gestaltung des Fragebogens

vornehmen, die eine methodisch und semantisch einwandfreie Erhebung ermög­ lichen sowie die Basis für eine hohe Rücklaufquote bilden sollen. Des weiteren

werden wir Plausibilitätsregeln zur Prüfung des Antwortverhaltens bestimmen, um anschließend deren Wahrheitsgehalt feststellen zu können.

5.2.1.1 Konzeptionelle Vorüberlegungen Damit wir die Frage beantworten können, inwieweit Kostenrechnung und Kosten­

rechnungssysteme in türkischen Unternehmen eingesetzt werden, ist es zweck­

mäßig, eine schriftliche Befragung819 in Form eines standardisierten Fragebogens

Prinzipiell können auch andere Erhebungsmethoden der empirischen Sozialforschung angewendet werden. Hierbei wird zwischen den Methoden der Dokumentenanalyse (Sekundäranalyse), Beobachtung, Laborexperiment, Feldexperiment, Befragung und Fallstudie unterschieden. Vgl. hierzu Scheuch [Sozialforschung 1973], S.66ff., König [Beobachtung 1973], S.38ff., Hinterhuber [Innovationsdynamik 1975], S.5ff., Kubicek [Methodik 1975], S.67L, Büning et al. [Operationale Verfahren 1981], S.67f. u. S.119ff., Böhler [Marktforschung 1992], S.36f., Hill et al. [Organisationslehre 1994], S.49, Bortz/Döring [Forschungsmethoden 1995], S.106ff. u. S.216ff., Baumann [Kausalität 1998], S.138f. Auf die weiteren Erhebungsmethoden der empirischen Sozialforschung soll nicht näher eingegangen werden. Vgl. hierzu ausführlich Braun [Forschungsmethoden 1993], Sp.1224ff., Atteslander [Methoden 1995], S.257ff., Stier [Forschungsmethoden 1996], S.163ff.

Empirische Untersuchuna m türkischen Unternehmen

199

durchzuführen. Nach genauer Prüfung der verschiedenen Erhebungsmethoden erschien uns die schriftliche Befragung als besonders geeignet, da nach unserer Auffassung nur diese Erhebungsmethode eine hinreichende Analyse der komplexen

Thematik gewährleistet. Auf diese Weise wird eine zeitpunktbezogene Zustands­

beschreibung hinsichtlich des Einsatzes der Kostenrechnung und der Kostenrech­ nungssysteme in der Türkei ermöglicht. Darüber hinaus waren auch zeitliche und

räumliche Gründe für die Wahl der schriftlichen Befragung ausschlaggebend.

Bei der Entwicklung des Fragebogens sind wir wie folgt vorgegangen:

• In einem ersten Schritt haben wir im Vorfeld, nach genauer Klärung der Erforder­ nisse einer schriftlichen Befragung und der im betriebswirtschaftlichen Schrifttum verwendeten Termini, einen Fragebogenentwurf erarbeitet. • Daraufhin wurde der Fragebogen einem Pre-Test unterzogen, bei dem ins­

besondere die Verständlichkeit der Formulierung der Fragen und die Bereitschaft

der Unternehmensvertreter, bestimmte Fragen zu beantworten, z.B. hinsichtlich

des Umsatzes des Unternehmens oder der Mitarbeiterzahl, im Mittelpunkt der Betrachtung standen. Hierzu wurde der Fragebogenentwurf an zehn ausgewählte

türkische Unternehmen verschiedener Unternehmensgrößen und Branchen ver­ schickt. Unter den ausgewählten Unternehmen befanden sich zwei Kleinunternehmen, drei Mittelunternehmen und fünf Großunternehmen. Diese Unternehmen

gehören der Chemischen und Metallverarbeitenden Industrie, dem Maschinenund Anlagenbau sowie dem Dienstleistungsbereich an. Des weiteren wollten wir

feststellen, ob bei den türkischen Unternehmen überhaupt ein Interesse für die

Thematik unserer Untersuchung besteht. An der mit 9O%820 überaus hohen Rücklaufquote des Pre-Tests zeigt sich, daß unser Thema für die Unternehmen besonders interessant ist. • Zusätzlich zu den neun Unternehmen beantworteten vier Hochschullehrer von wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten in der Türkei den Fragebogen und

versahen ihn mit entsprechenden Verbesserungsvorschlägen und sonstigen

Von den zehn angeschriebenen Unternehmen sandten zunächst sieben Unternehmen und nach telefonischer Rücksprache weitere zwei Unternehmen den ausgefüllten und mit Verbesserungsvorscniäcen versehenen Fragebogen zurück.

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen

2QQ.

Anmerkungen hinsichtlich der in der Türkei gebräuchlichen Termini821 und weiterer Besonderheiten

bezüglich

Verbesserungsvorschläge

der Ausgestaltung

enthielten

der Kostenrechnung.

beispielsweise

Hinweise

zu

Diese

der

Brancheneinteilung. Dabei haben wir festgestellt, daß die in der Türkei

vorgenommene Brancheneinteilung von der in Deutschland üblichen Einteilung abweicht. Beispielsweise wird die Tourismusbranche in der Türkei nicht dem

Dienstleistungssektor zugeordnet, sondern explizit aufgeführt. Die teilweise sehr realitätsnahen Anregungen trugen dazu bei, die Konzentration auf den Kern der

Untersuchung sicherzustellen. Zudem sorgten die Kommentare und Ergänzungen dafür, daß der Fragebogen verständlicher wurde. Im letzten Schritt wurde

aufbauend auf den aus dem Pre-Test gewonnenen Erkenntnissen und den Anregungen der Hochschullehrer die endgültige Fassung des Fragebogens konzipiert.

5.2.1.2 Gestaltung der Fragebogenstruktur Der Fragebogen822 ist grundsätzlich so strukturiert, daß den befragten Unternehmen

in einem Großteil der Fragen standardisierte Antwortmöglichkeiten vorgegeben werden. Darüber hinaus besteht bei vielen Fragen die Möglichkeit einer Mehrfach­ nennung bzw. der Angabe sonstiger Antworten.

Der Fragebogen unserer Untersuchung823 umfaßt die drei Teilbereiche A, B und C. Der Teil A enthält grundlegende Fragen zur Kennzeichnung des befragten Unter­

nehmens. Es wird eine Zuordnung nach Branchenzugehörigkeit, Rechtsform, Eigen­ tumsverhältnissen, Unternehmensgröße, Fertigungsverfahren und eine Gewichtung

von Formalzielen vorgenommen. Diese Unterteilung soll bei der Auswertung des

Wie bereits erwähnt, ist das betriebswirtschaftliche Schrifttum in der Türkei im Bereich der Kostenrechnung durch eine uneinheitliche Terminologie gekennzeichnet. 822

Vgl. ausführlich zur Gestaltung eines Fragebogens Holm [Frage 1975], S.32ff., Kirchhofer-

Bozenhardt/Kaplitza [Fragebogen 1975], S.92ff., Hafermalz [Befragung 1976], S.120ff., Schäfer/Knoblich [Marktforschung 1978], S.292L, Lehmeier [Marktforschung 1979], S.91f., Büning et al. [Operationale Verfahren 1981], S.98ff., Sauer [Fragebögen 1992], Sp.584ff., Bortz/Döring [Forschungsmethoden 1995], S.234f., Berndt [Marketing I 1996], S.186f., und Stier [Forschungsmethoden 1996], S.183ff. 823

Der Fragebogen ist im Anhang A vollständig abgedruckt.

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen____________________________________ 201

Fragebogens eine Zuordnung zu bestimmten Unternehmensgrößenklassen ermög­

lichen. Bei der Formulierung des Fragebogens stand für uns die Wahrung der

Anonymität der einzelnen Unternehmen im Vordergrund. Dies schien zur Sicher­ stellung einer hohen Rücklaufquote und einer gewissenhaften Beantwortung des

Fragebogens notwendig. In Teil B des Fragebogens untersuchen wir die Ausgestaltung des Rechnungs­

wesens in den befragten Unternehmen. Dabei soll von den Unternehmen zunächst

angegeben werden, welche Teilbereiche das betriebliche Rechnungswesen in der unternehmerischen Praxis umfaßt. Hier wird zwischen dem externen und internen

Rechnungswesen, der Planungsrechnung, Betriebsstatistik, Material-, Lohn- und Gehaltsabrechnung sowie der Anlagenrechnung differenziert.

Ein weiterer Fragenkomplex bezieht sich auf die seit dem 01.01.1994 in der Türkei gesetzlich vorgeschriebene Einheitsbuchführung, die detaillierte Vorschriften hin­

sichtlich der Erstellung und Gliederung der Bilanz sowie der Gewinn- und

Verlustrechnung enthält. Gleichzeitig wird für den Großteil der Unternehmen824 ein Einheitskontenrahmen

vorgeschrieben.

Durch diese gesetzlichen Vorschriften

werden die unternehmerischen Gestaltungsfreiheiten erheblich eingeschränkt. Mit der in diesem Zusammenhang gestellten Frage wollen wir untersuchen, wie die Einführung des Einheitskontenrahmens aus Sicht der Unternehmen bewertet wird.

Die Fragestellung ist vor allem vor dem Hintergrund der kontroversen Diskussionen

zu betrachten, die schon lange vor Inkrafttreten dieses Gesetzes geführt wurden. Insbesondere beabsichtigen wir mittels dieser Frage kritisch zu überprüfen, ob die anfangs geäußerten Befürchtungen325, daß mit der Umsetzung des Einheitskonten­

rahmens ein erheblicher administrativer Aufwand vor allem bei Klein- und Mittelunter­ nehmen verbunden sei. bestätigt werden können.

Den inhaltlichen Schwerpunkt unseres Fragebogens bildet der Teil C. In diesem Teil

des Fragebogens sind die Fragen unmittelbar auf die Kostenrechnung und die

Kostenrechnungssysteme in den einzelnen Unternehmen gerichtet. Dabei wird

Sn4

/Ausgenommen sind lediglich Banken und Versicherungsunternehmen

8*^5

Dem Verfasser gegenüber wurden derartige Befürchtungen in Gesprächen mit verschiedenen Vertretern türkischer Unternehmen und Hochschullehrern mitgeteilt.

202

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen

zwischen Einsatz und Gestaltung der Kostenrechnung und Kostenrechnungs­ systeme unterschieden. Teil C beginnt mit der grundsätzlichen Frage, ob in dem jeweiligen Unternehmen überhaupt eine Kostenrechnung zum Einsatz kommt. Sofern dies nicht der Fall sein sollte, zielt die darauf folgende Frage auf die Gründe für den Verzicht des Einsatzes einer Kostenrechnung ab.

Für die Unternehmen, die eine Kostenrechnung einsetzen, soll im folgenden die

Gestaltung der Kostenrechnung und der Kostenrechnungssysteme dargelegt

werden. Zunächst werden dafür in den nächsten drei Fragen die Rahmen­ bedingungen der Kostenrechnung abgeklärt. Es soll ermittelt werden, inwieweit die Implementierung der Kostenrechnung bereits fortgeschritten ist. Hierfür werden der

Zeitpunkt ihrer Einführung, die Eigenständigkeit, die Unterstützung durch EDVSysteme sowie der zeitliche Planungshorizont der Kostenrechnung hinterfragt. Gegenstand der siebten Frage sind die Zwecke, die die Unternehmen mit dem

Einsatz der Kostenrechnung verfolgen. In Ergänzung zu den Zwecken der Kosten­

rechnung werden die Unternehmen befragt, ob sie eine Kostenkontrolle durchführen.

Auf einen entscheidenden Aspekt der Untersuchung zielt die Fragestellung nach den im Rahmen der Kostenrechnung bearbeiteten Teilbereichen ab. Es ist daher zweckmäßig, detailliertere Fragen zur Kostenartenrechnung, Kostenstellenrechnung

sowie zur Kostenträgerrechnung zu stellen. In bezug auf die Kostenartenrechnung

wird nach der Klassifikation der Kostenarten gefragt. Innerhalb der Kostenstellen­ rechnung ist von besonderem Interesse, ob eine innerbetriebliche Leistungs­ verrechnung durchgeführt wird. Bei der Kostenträgerrechnung wird eine Unterteilung in Kostenträgerstück- und Kostenträgerzeitrechnung vorgenommen. Die im Rahmen

der Kostenträgerstückrechnung gestellten Fragen zielen auf die angewandten

Methoden und Formen der Kalkulation ab. Bei der Kostenträgerzeitrechnung interessiert uns der Zeitraum der Durchführung.

Die Kostenrechnungssysteme bilden neben der Gestaltung der Kostenrechnung den Schwerpunkt der empirischen Erhebung. Die Strukturierung dieser Fragen richtet

sich nach dem Sachumfang der zugerechneten Kosten. Daher werden die Unter­ nehmen nach dem Einsatz von Vollkosten- und/oder Teilkostenrechnungssystemen

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen____________________________________ 203

befragt. Die den Fragen zugeordneten Kostenrechnungssysteme werden hingegen

nach dem Kriterium des zeitlichen Bezugs der Zurechnung differenziert. Die Voll­ kostenrechnungssysteme werden in Ist-, Normal- und Plankostenrechnung unterteilt. Bei den Teilkostenrechnungssystemen wird zwischen der einstufigen und mehr­

stufigen Deckungsbeitragsrechnung sowie der Grenzplankostenrechnung unter­ schieden. Neben den vorgegebenen Teilkostenrechnungssystemen wird den Unter­

nehmen auch die Möglichkeit eingeräumt, weitere Ausprägungen eingesetzter Systeme zu nennen. Für den Fall, daß die Unternehmen keine Teilkostenrechnungssysteme einsetzen,

werden sie nach den Gründen für den Verzicht gefragt. Im Zusammenhang mit den Kostenrechnungssystemen soll auch festgestellt werden, welche Entscheidungs­

kriterien bei der Ermittlung der Preisuntergrenzen zugrunde gelegt werden. Ferner werden die Unternehmen im Hinblick darauf, welche Informationen sie aus der

Kostenrechnung als Entscheidungsgrundlage verwenden, befragt. Abschließend werden die Auskunftgebenden um eine kritische Beurteilung und um

Verbesserungsvorschläge hinsichtlich der Durchführung der Kostenrechnung in türkischen Unternehmen gebeten. Da ein möglichst breites Meinungsspektrum gewünscht ist, erfolgt eine offene Fragestellung.

5.2.1.3 Festlegung der Plausibilitätsregeln zur Prüfung des Antwortverhaltens

Im Hinblick auf die Planung der empirischen Untersuchung halten wir es für sinnvoll, vorab Überlegungen bezüglich der Plausibilität der zu erwartenden Antworten anzu­ stellen. Unser Anliegen ist es, die Aussagekraft der empirischen Ergebnisse auf

diese Weise zu verstärken und/oder unnötige Verzerrungen zu vermeiden. Un­ stimmigkeiten im Antwortverhalten der Unternehmen können sich vor allem daraus

ergeben, daß die türkischen Unternehmen keine oder nur wenig

Erfahrung im

Umgang mit empirischen Untersuchungen auf dem Gebiet des internen Rechnungs­ wesens haben.826 Des weiteren vermuten wir, daß insbesondere bei den Klein- und

826

An dieser Stelle ist noch einmal darauf hinzuweisen, daß es sich bei der von uns durchgeführten empirischen Untersuchung um eine Primärerhebung handelt.

2D4_____________________________________Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen

Mittelunternehmen ein der Komplexität des Fragebogens angemessenes fundiertes Wissen nicht oder nur ansatzweise gegeben ist.

Die hier beschriebenen Annahmen verdeutlichen die Notwendigkeit der Festlegung von Plausibilitätsregeln. Wir gehen zwar davon aus, daß sowohl die Kostenrechnung als auch die Kostenrechnungssysteme nicht in einer theoretisch idealtypischen Weise implementiert und eingesetzt werden, dennoch beschränken wir uns bei der

Festlegung der Plausibilitätsregeln auf eine rein theoretische Argumentationsweise. Die Grundlage für die Formulierung der Plausibilitätsregeln bilden daher die bereits

dargestellten theoretischen Grundlagen der Kostenrechnung. Das Ergebnis der von

uns in diesem Zusammenhang angestellten Überlegungen wird in den folgenden

Plausibilitätsregeln zum Ausdruck gebracht: • Wenn die Unternehmen Kostenrechnung einsetzen, dann ist es notwendig, daß

diese in eigenständiger, integrierter oder in einer sonstigen Form durchgeführt

wird. • Wenn die Unternehmen Kostenrechnung einsetzen, dann muß ihnen auch der Einsatzzeitraum der Kostenrechnung bekannt sein.

• Wenn die Unternehmen eine innerbetriebliche Leistungsverrechnung durchführen, dann müssen sie auch über eine Kostenstellenrechnung verfügen.

• Wenn die Unternehmen mit der Kostenrechnung den Zweck der Preiskalkulation verfolgen, dann muß eine Kostenträgerstückrechnung eingesetzt werden.

• Wenn die Unternehmen mit der Kostenrechnung den Zweck der Bilanzierung verfolgen, dann müssen sie die Kostenarten-, Kostenstellen- und Kostenträger­

stückrechnung einsetzen und gleichzeitig eine Aufteilung in Einzel- und Gemein­ kosten vornehmen.

• Wenn die Unternehmen mit der Kostenrechnung den Zweck der Kostenkontrolle verfolgen, dann müssen sie neben einer Istkostenrechnung zumindest über eine

Normalkostenrechnung verfügen. • Wenn die Unternehmen mit der Kostenrechnung den Zweck der Kostenanalyse verfolgen, dann müssen sie über eine Kostenarten- und Kostenstellenrechnung

verfügen.

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen____________________________________ 205

• Wenn die Unternehmen eine Vorkalkulation zu Vollkosten durchführen, dann

müssen sie zumindest über eine Normalkostenrechnung verfügen. • Wenn die Unternehmen eine Vorkalkulation zu Teilkosten durchführen, dann

müssen sie zumindest über eine Normalkostenrechnung verfügen und gleichzeitig

eine Kostenspaltung in fixe und variable Bestandteile vornehmen. • Wenn die Unternehmen eine Nachkalkulation zu Vollkosten einsetzen, dann

müssen sie zumindest über eine Istkostenrechnung verfügen. • Wenn die Unternehmen eine Nachkalkulation zu Teilkosten einsetzen, dann

müssen sie zumindest über eine Istkostenrechnung verfügen und gleichzeitig eine Kostenspaltung in fixe und variable Bestandteile vornehmen. • Wenn die Unternehmen eine summarische oder differenzierte Zuschlags­

kalkulation verwenden, dann müssen sie über eine Kostenarten-, Kostenstellen-

und eine Kostenträgerstückrechnung verfügen sowie eine Kostenspaltung in

Einzel- und Gemeinkosten vornehmen. • Wenn die Unternehmen eine Kostenträgerzeitrechnung einsetzen, dann müssen

sie gleichzeitig auch Angaben zu der Periodendauer der kurzfristigen Erfolgs­

rechnung machen. • Wenn die Unternehmen eine einstufige Deckungsbeitragsrechnung durchführen,

dann müssen sie auch eine Spaltung der Kosten in fixe und variable Kosten

vornehmen. • Wenn die Unternehmen eine mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung durch­

führen, dann müssen sie sowohl eine Spaltung der Kosten in fixe und variable Bestandteile als auch eine Spaltung der fixen Kosten vornehmen.

Diese Plausibilitätsregeln werden wir im Rahmen der Durchführung der empirischen Untersuchung anwenden.827

827

Vgl. hierzu Kap. 5.2.2.3.

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen

5.2.2 Durchführung der empirischen Untersuchung

Im Rahmen der Schilderung der Durchführung der schriftlichen Befragung gehen wir zunächst auf den Zeitpunkt und den Umfang der empirischen Untersuchung sowie

auf die Anwendung der Plausibilitätsregeln ein. Den Schwerpunkt dieses Abschnitts

bildet die detaillierte Analyse der Repräsentativität der von uns durchgeführten Erhebung.

5.2.2.1 Zeitpunkt und Umfang der empirischen Untersuchung Bevor wir nun im Detail auf den Zeitpunkt und den Umfang der empirischen Untersuchung eingehen, ist zunächst darauf hinzuweisen, daß die endgültige Form

des Fragebogens nahezu vollständig mittels eines unkomplizierten Ankreuzver­ fahrens ausgefüllt werden konnte. Der Standard-Fragebogen war so strukturiert, daß

bestimmte Anforderungen erfüllt werden. Zum einen sollten die wesentlichen

Problembereiche umfassend berücksichtigt werden, und zum anderen sollte die Befragung nicht unangemessen viel Zeit in Anspruch nehmen.828 Für uns war auch

wichtig, daß die Beantwortung der Fragen keine allzu detaillierten Unterlagen erforderte und daß trotzdem alle gewünschten Fragenkomplexe abgedeckt wurden.

Der Fragebogen wurde an 800 ausgewählte Klein-, Mittel und Großunternehmen829

verschickt. Die Firmenanschriften stammten aus den gültigen Firmenlisten der

türkischen Industrie- und Handelskammern von Ankara, Istanbul und Izmir sowie von einzelnen Wirtschaftsverbänden830, dem türkischen Wirtschaftsministerium und der

Der Fragebogen wurde so gestaltet, damit er schnell und mühelos ausgefüllt werden konnte, um die Kosten der Befragten so gering wie möglich zu halten. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, daß die Höhe der Rücklaufquote einer schriftlichen Befragung nach der sozialen Austauschtheorie von der Höhe der Kosten sowie von der Art und dem Umfang der Belohnung abhängt. Vgl. hierzu Unger [Marktforschung 1989], S.82f., Weis/Steinmetz [Marktforschung 1995], S.79f., Berndt [Marketing I 1996], S.179f. Als Belohnung wurde den befragten Unter­ nehmen zugesagt, ihnen bei Bedarf einen Untersuchungsbericht zuzusenden. Die Tatsache, daß viele Unternehmen Interesse an diesem Bericht zeigten, unterstreicht die Relevanz unserer Überlegungen.

Detailliertere Informationen über die Zusammensetzung der befragten und antwortenden Unternehmen werden in Abschnitt 5.2.2.3 dargestellt. Im einzelnen wurden hier die Verbände TÜRMOB (Türkischer Dachverband der Bilanz­ buchhalter, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer), TÜSIAD (Verband der türkischen Industriellen und Geschäftsleute) und TOSYÖV (Stiftung der türkischen mittelständischen Unternehmen, Selbständigen und Geschäftsführer) genannt.

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen

2Q7

türkischen Botschaft in der Bundesrepublik Deutschland. Neben den Anschriften konnten den Adresslisten auch Informationen über die Unternehmensgröße, die

jeweilige Rechtsform und die Branchenzugehörigkeit entnommen werden. Es

wurden sowohl rechtlich selbständige als auch öffentlich-rechtliche Unternehmen mit einer Beschäftigtengrößenklasse von mehr als zehn Mitarbeitern erfaßt.

Die Durchführung der empirischen Erhebung erstreckte sich auf den Zeitraum von März 1995 bis Dezember 1995. Der ausgefüllte Fragebogen konnte von den

türkischen Unternehmen wahlweise per Post oder per FAX zurückgesandt werden, wodurch die Rücksendegeschwindigkeit erhöht wurde. Im Dezember 1995 haben wir

den Rücklauf beendet. Insgesamt wurden 501 Fragebögen den Anforderungen entsprechend per Post oder FAX zurückgesandt. Der Grund für die hohe Beteiligung an der Fragebogenaktion könnte auf das Interesse der befragten Unternehmen an

den Ergebnissen der empirischen Untersuchung zurückgeführt werden.831 Eine

Nachfaßaktion war aufgrund der hohen Rücklaufquote nicht erforderlich. Das auf

diese Weise erlangte Datenmaterial stellt unseres Erachtens eine zufriedenstellende Ausgangsposition für die sich anschließende statistische Auswertung dar. Die erhaltenen Fragebögen wurden durchnumeriert und auf ihre Vollständigkeit überprüft. Nach der Dateneingabe wurden die Fragebögen nach Städten sortiert ab­

geheftet. Die EDV-Auswertung erfolgte am Lehrstuhl für Produktion und Industrie der Gerhard-Mercator-Universität - GH Duisburg. Die 501 Fragebögen wurden computerunterstützt mit Hilfe des Statistik-Software-

Pakets „SPSS“ ausgewertet. Diese Software stellt umfangreiche deskriptive und

induktive statistische Verfahren bereit und ermöglicht somit eine sowohl fundierte als auch einwandfreie Auswertung.

5.2.2.2 Repräsentativität der empirischen Untersuchung

Im Hinblick auf die Beurteilung der Repräsentativität der empirischen Erhebung ist vorab zu berücksichtigen, daß eine Verallgemeinerung der Untersuchungsergeb­

nisse auf alle türkischen Klein-, Mittel- und Großunternehmen grundsätzlich nicht

Detaillierte Aufschlüsselungen bezüglich der Rücklaufquote werden in Abschnitt 5.2.2.4 vorge­ nommen.

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen

208

möglich ist und von uns auch nicht angestrebt wird. Für uneingeschränkt allgemein­ gültige Ergebnisse wäre eine Totalerhebung erforderlich gewesen, die aber aus Gründen der Praktikabilität nicht durchführbar ist, da in der Türkei insgesamt 870.072 Unternehmen existieren.832

Für unsere empirische Untersuchung nehmen wir somit eine Einschränkung der

Grundgesamtheit vor, die sich an dem Kriterium der Beschäftigtenzahl orientiert. Dabei schließen wir Kleinunternehmen mit bis zu 9 Beschäftigten aus der Betrach­

tung aus. Die Nichtberücksichtigung basiert auf der Tatsache, daß diese Kategorie der Kleinunternehmen für unsere Erhebung irrelevant ist. Wir gehen hypothetisch

davon aus, daß dieser Anteil der Kleinunternehmen keine Kostenrechnung einsetzt, weil bei diesen Unternehmen bereits Probleme im Rahmen der Erfüllung gesetzlicher Vorschriften (externes Rechnungswesen) auftreten.833 Des weiteren sind wir der

Ansicht, daß diese Unternehmen weder die benötigten finanziellen Mittel noch aus­ reichende personelle Kapazitäten zur Durchführung einer Kostenrechnung besitzen.

Darüber hinaus enthält die deklarierte Beschäftigtengrößenklasse eine Anzahl von 843.970 Unternehmen. Dies entspricht einem Anteil von 97% an der Grundgesamt­ heit der in der Türkei existierenden Unternehmen.834 Aus methodischen Über­

legungen erscheint es uns nicht sinnvoll, diese Unternehmen mit in die Unter­

suchung einzubeziehen, da zur Erreichung eines wirklichkeitsgetreuen Abbildes der Realität ein überproportional hoher Erhebungsaufwand erforderlich wäre, der mit

keinem zusätzlichen Erkenntnisgewinn einhergehen würde.

Vor diesem Hintergrund bilden wir für unsere Untersuchung eine spezifische Grund­ gesamtheit, in der die erwähnten Unternehmen unberücksichtigt bleiben. Demnach

gehen wir im weiteren Verlauf unserer Arbeit von einer Grundgesamtheit aus, die insgesamt 17.442 türkische Unternehmen umfaßt und in Tabelle 1 aufgeschlüsselt

ist.

Vgl. hierzu Institute of Statistics [Analysis 1994], S.34.

833

Diese Hypothese basiert auf zahlreichen Einzelgesprächen, die der Verfasser mit verschiedenen Vertretern der Praxis und wissenschaftlicher Fakultäten geführt hat.

834

Vgl. dazu Institute of Statistics [Analysis 1994], S.34.

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen

Beschäftigten­ größenklassen

Grund­ gesamtheit in % abs.

202

Ausgangs­ stichprobe in % abs.

tatsächliche Stichprobe in % abs.

10 bis 49

13.332

76,44

386

48,24

216

43,11

50 bis 199

2.899

16,62

231

28,88

130

25,95

200 und mehr

1.211

6,94

183

22,88

155

30,94

Gesamt

17.442

100

800

100

501

100

Tab. 1: Repräsentativität nach Beschäftigtengrößenklassen

Tabelle 1 zeigt die Repräsentativität der Untersuchung nach den verschiedenen Beschäftigtengrößenklassen. Dabei orientiert sich die von uns vorgenommene Abgrenzung der Größenklassen an der Klassifikation der Weltbank.835 Der Schwerpunkt unserer Untersuchung ergibt sich aus der Struktur der Grund­

gesamtheit, welche die potentiell zu untersuchenden Unternehmen darstellt. Die Beschäftigtengrößenklasse (10-49 Arbeitnehmer) bildet mit 76,44% den größten

Anteil an der Grundgesamtheit, gefolgt von der Größenklasse (50-199 Beschäftigten)

mit 16,62% und der Beschäftigtengrößenklasse von mindestens 200 Arbeitnehmern mit einem Anteil von 6,94%.

Die Ausgangsstichprobe orientiert sich an der oben vorgenommenen Größen­

klasseneinteilung, wobei sich das Augenmerk der vorliegenden Untersuchung aus

der Struktur der Grundgesamtheit ergibt. Die Ausgangsstichprobe besteht aus 800 türkischen Unternehmen des Industrie-

und Dienstleistungssektors und umfaßt im einzelnen 386 Kleinunternehmen (48,24%), 231 Mittelunternehmen (28,88%) und 183 Großunternehmen (22,88%).

Ein erster Vergleich der Anteilswerte von Grundgesamtheit und Ausgangsstichprobe zeigt, daß in den einzelnen Größenklassen deutliche Abweichungen existieren.

In unserer Untersuchung werden die Kleinunternehmen unterproportional berück­ sichtigt. Demgegenüber sind die Mittel- und Großunternehmen in der Ausgangs­

Vgl. ausführlich zu der Größenklasseneinteilung die Ausführungen in Abschnitt 4.2.1.

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen

211

Stichprobe überproportional repräsentiert. Es sind verschiedene Gründe für die an­ teilsmäßige Größenklassenabweichung zwischen Grundgesamtheit und Ausgangs­

stichprobe zu nennen. Im Mittelpunkt unserer Erhebung steht die Untersuchung sowohl von Mittel- als auch

von Großunternehmen, da wir von der Annahme ausgehen, daß nicht die Kleinunter­

nehmen, sondern schwerpunktmäßig die Mittel- und Großunternehmen Kostenrech­ nung einsetzen.836 Die vorliegende Grundgesamtheit ist allerdings durch einen signifikant hohen Anteil an Kleinunternehmen mit einer Beschäftigtenzahl von 10-49 Mitarbeiter gekennzeichnet, so daß wir aus methodischen Überlegungen eine

andere Gewichtung der Größenklassen vorgenommen haben. Die von uns vorgenommene Gewichtung erscheint uns im Hinblick auf die Durchfüh­

rung der Befragung zweckmäßig und ist zudem zur Erreichung der Untersuchungs­ ziele zwingend erforderlich. Diese Überlegungen basieren auf der oben getroffenen Annahme. Hierbei gehen wir hypothetisch davon aus, daß der überproportional hohe

Anteil der Kleinunternehmen an der Grundgesamtheit in bezug auf den Einsatz der Kostenrechnung für unsere Untersuchung keine bedeutsamen Erkenntnisse liefert.

Wir gehen davon aus, daß die vorgenommene Gewichtung der Ausgangsstichprobe eine notwendige Voraussetzung dafür ist, hinreichende Informationen über den Einsatz der Kostenrechnung und der Kostenrechnungssysteme in der unternehme­

rischen Praxis in der Türkei zu erhalten. Darüber hinaus stellt die Ausgangsstichprobe eine geeignete Grundlage für ein­ gehende Analysen und darauf aufbauende Handlungsempfehlungen für die unter­ nehmerische Praxis in der Türkei dar. Diese Gewichtung ist des weiteren eine notwendige Bedingung, um unsere Ergeb­

nisse mit den in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführten Untersuchungen

zweckmäßig vergleichen zu können.

83

Wie wir bereits in Kapitel 5.1 beschrieben haben, handelt es sich bei unserer Untersuchung um eine Primärerhebung. Aufgrund fehlender Vergleichsdaten für den Einsatz der Kostenrechnung und der Kostenrechnungssysteme in türkischen Unternehmen haben wir im Hinblick auf diese Annahme auf bereits in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführte Untersuchungen zurückgegriffen.

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen

211

In einem weiteren Schritt untersuchen wir die Zusammensetzung der tatsächlichen

Stichprobe. Tabelle 1 zeigt, daß insgesamt 501 der befragten Unternehmen

beantwortete Fragebögen zurückgeschickt haben. Die tatsächliche Stichprobe setzt sich im einzelnen aus 216 Kleinunternehmen (43,11%), 130 Mittelunternehmen

(25,95%) und 155 Großunternehmen (30,94%) zusammen.

Eine Gegenüberstellung der Anteilswerte der Ausgangsstichprobe mit denen der tatsächlichen Stichprobe verdeutlicht, daß bezüglich der Kleinunternehmen und der

Mittelunternehmen eine ähnliche Struktur wie bei der Ausgangsstichprobe vorliegt. Die Großunternehmen sind allerdings aufgrund der hohen Rücklaufquote in der tatsächlichen Stichprobe überrepräsentiert. Als Grund für diesen überdurchschnittlich

hohen Anteil der Großunternehmen darf einerseits die schnellere Abrufbarkeit der

relevanten Daten und andererseits die generelle Neigung zur Beantwortung von Anfragen angenommen werden. Bezogen auf die 501 zurückgesandten Fragebögen ergibt sich eine allgemeine

Rücklaufquote von 62,63%.837 Es ist zweckmäßig, die Rücklaufquote anhand der einzelnen Beschäftigtengrößenklassen weiter zu differenzieren. Von den 386 befragten Kleinunternehmen beantworteten insgesamt 216 den Fragebogen. Dies

entspricht einer Rücklaufquote von 55,69%. Während wir bei den Mittelunternehmen eine Rücklaufquote von 56,28% feststellen, ist bei den Großunternehmen mit 84,70% eine überdurchschnittlich hohe Rücklaufquote zu verzeichnen, wodurch die getroffene Aussage bestätigt wird. Als ein vorläufiges Zwischenergebnis können wir in bezug auf die Repräsentativität

der Erhebung festhalten, daß die Untersuchungsergebnisse besonders für Mittel­ und Großunternehmen hinreichend repräsentativ sind.

Im Vergleich zu den in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführten empirischen Untersuchungen zeigt sich für unsere Erhebung eine hohe Rücklaufquote. Rücklaufquoten für vergleichbare empirische Erhebungen in der Bundesrepublik Deutschland liegen zwischen 13,2% und 53,3%. Vgl. hierzu Küpper [Rechnungswesen 1993], S.607. Vgl. ausführlich zu den Angaben der Rücklaufquote Becker [Kostenrechnung 1984], S.69, Kind [Rechnungswesen 1986], S.13., Küpper et al. [Planungsverfahren 1990], S.436, und Währisch [Kostenrechnungspraxis 1998], S.12.

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen

2121

Ein weiteres Kriterium zur Beurteilung der Repräsentativität unserer Untersuchung stellt der Anteil der Unternehmen aus verschiedenen Branchen dar. Zum einen

wollen wir hierbei der Frage nachgehen, inwieweit sich die Ausgangsstichprobe auf

die einzelnen Wirtschaftszweige verteilt. Zum anderen wollen wir die tatsächliche Zusammensetzung der Stichprobe bezüglich der einzelnen Branchen analysieren. Wie Tabelle 2 zeigt, bildet das Produzierende Gewerbe mit einem Anteil von 50,86% innerhalb der Grundgesamtheit den Branchenschwerpunkt türkischer Unternehmen.

An zweiter Stelle sind die Unternehmen zu nennen, die dem allgemeinen Dienstleistungsbereich angehören. Diese Dienstleistungsunternehmen sind mit

22,26% in der Grundgesamtheit vertreten und stellen somit einen weiteren Schwer­ punkt dar. Des weiteren folgen die Branchen Tourismus, Verkehr/Nachrichten, Bau­ gewerbe und Energiewirtschaft/Bergbau.

Die Ausgangsstichprobe orientiert sich analog zur Grundgesamtheit schwerpunkt­

mäßig am Produzierenden Gewerbe. Diese Ausrichtung wird dadurch verdeutlicht, daß innerhalb der Ausgangsstichprobe 71,75% der untersuchten türkischen Unter­ nehmen dieser Branche angehören. Diese überproportionale Berücksichtigung des

Produzierenden Gewerbes im Vergleich zur Grundgesamtheit begründen wir damit, daß der größte Anteil der Mittel- und Großunternehmen dieser Branche zuzuordnen

ist.

Darüber hinaus ist in der Ausgangsstichprobe der Bereich der allgemeinen Dienst­ leistungen mit 6,87% vertreten. Weiterhin haben wir aus dem sonstigen Dienst­ leistungssektor die Bereiche Tourismus mit 5,87% und Verkehr/Nachricht mit 3,13%

berücksichtigt. Während diese Bereiche im hohen Maße der Repräsentativität genügen, liegt eine Diskrepanz hinsichtlich des Bereichs der allgemeinen Dienst­ leistungen vor. Im Vergleich mit der Grundgesamtheit haben wir diese Branche in

der Ausgangsstichprobe lediglich unterproportional berücksichtigt.

Diese Ab­

weichung ist darauf zurückzuführen, daß in unserer empirischen Erhebung primär

Industrieunternehmen untersucht werden.838

838

Während die in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführten empirischen Untersuchungen überwiegend den Industriesektor zum Gegenstand haben, findet der Dienstleistungssektor kaum Beachtung. Vgl. hierzu ausführlich Währisch [Kostenrechnungpraxis 1998], S.11f. Demgegen­ über finden in unserer Erhebung beide Branchen Berücksichtigung.

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen_____________________________

213

Die übrigen Branchen weisen demgegenüber eine nahezu identische Struktur zur Grundgesamtheit auf. Lediglich im Bereich Verkehr und Nachricht ist eine geringe

Abweichung festzustellen.

Branchen Produzierendes Gewerbe

Grund­ gesamtheit in % abs. 8.871 50,86

Ausgangs­ stichprobe in % abs. 574 71,75

tatsächliche Stichprobe abs. in % 344 68,67

Dienstleistungen

3.882

22,26

55

6,87

43

8,58

Tourismus

977

5,60

47

5,87

36

7,19

Verkehr und Nachricht

1.153

6,61

25

3,13

13

2,59

Baugewerbe

1.514

8,68

59

7,38

48

9,58

Energiewirtschaft/Bergbau

1.045

5,99

40

5,00

17

3,39

Gesamt

17.442

100

800

100

501

100

Tab. 2: Repräsentativität der Untersuchung nach Branchen Bei einem Vergleich der prozentualen Anteile der Ausgangsstichprobe mit denen der

tatsächlichen Stichprobe zeigen sich nur geringe Abweichungen. Besonderes Ge­ wicht haben in der tatsächlichen Stichprobe die Unternehmen des Produzierenden

Gewerbes mit 68,67%. Die Anteilswerte von den Unternehmen der übrigen Bran­

chen entsprechen in der Tendenz denen der Ausgangsstichprobe. Die durchschnitt­ liche Abweichung der tatsächlichen Stichprobe von der Ausgangsstichprobe beträgt

nur 1,74 Prozentpunkte, welches die hohe Repräsentativität der antwortenden Unter­ nehmen verdeutlicht.

In einem nächsten Schritt wollen wir den Branchenschwerpunkt des Produzierenden Gewerbes bzw. die einzelnen Industriebereiche weiter differenzieren. Die in Tabelle 3 dargestellte Unterteilung dieses Wirtschaftszweiges entspricht der vom Amt für Statistik in der Türkei vorgenommenen Einteilung dieser Branche.839 In

der Grundgesamtheit des Produzierenden Gewerbes sind die verschiedenen

Industriebereiche unterschiedlich stark vertreten. Es ist eine Konzentration hinsicht­ lich der Grundstoffindustrie zu erkennen. Den Schwerpunkt der türkischen Industrie­ unternehmen bilden mit 26,30% die Textil-, Bekleidungs- und Lederindustrie sowie

Vgl. zu der Brancheneinteilung auch Teil A Frage 1 des Fragebogens.

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen

214.

die Nahrungs- und Genußmittelindustrie mit 21,35%. An dritter Stelle steht die Metallverarbeitende Industrie mit 11,92% vor der Chemischen Industrie mit 9,27%. Diese Branchen bilden mit fast 70% der gesamten Wirtschaftsgruppe den Kern unserer Untersuchung.

Die Optikbranche (0,68%) und die sonstigen nicht weiter aufgeschlüsselten

Industriezweige (1,04%)

nehmen

in

der Rangordnung

des

Produzierenden

Gewerbes lediglich eine untergeordnete Stellung ein.

Branchen

Grund­ gesamtheit

Ausgangs­ stichprobe

tatsächliche Stichprobe

abs.

in %

abs.

in %

abs.

in %

Textil-/ Bekleidungs-/ und Lederindustrie

2.333

26,30

86

14,98

49

14,24

Nahrungs- und Genußmittelindustrie

1.894

21,35

67

11,67

52

15,12

Metallverarbeitende Industrie

1.057

11,92

93

16,20

61

17,73

Chemische Industrie

822

9,27

97

16,90

58

16,86

Steine und Erden

686

7.73

27

4,70

19

5,52

Maschinen- und Anlagenbau

527

5,94

60

10,45

26

7,56

Elektrotechnik

406

4,58

39

6,80

23

6,69

Papier- und Druckindustrie

341

3,84

51

8,90

25

7,27

Fahrzeugbau

338

3,80

46

8,01

28

8,14

Möbelindustrie

315

3,55

0

0,00

0

0,00

Optik

60

0,68

8

1,39

3

0,87

sonstige Industrie

92

1,04

0

0,00

0

0,00

Gesamt

8.871

100

574

100

344

100

Tab. 3: Repräsentativität der Untersuchung nach Industriegruppen Bei einem Vergleich der Anteilswerte der Ausgangsstichprobe mit denen der Grund­

gesamtheit zeigen sich deutliche Unterschiede. Die Zahlenwerte der Ausgangsstich­ probe und die der tatsächlichen Stichprobe sind in ihrer Struktur weitestgehend identisch.

In der Ausgangsstichprobe haben wir die Unternehmen der Chemischen Industrie, der Metallverarbeitenden Industrie, der Papier- und Druckindustrie, der Textil-,

Bekleidungs- und Lederindustrie, der Nahrungs- und Genußmittelindustrie sowie des Maschinen- und Anlagenbaus überproportional berücksichtigt. Die Gewichtung der Ausgangsstichprobe ist darauf zurückzuführen, daß diese Industriezweige einen überaus hohen Anteil am Bruttoinlandsprodukt der Türkei haben. Zudem erwarten

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen

215

wir, daß in diesen Unternehmen eine Kostenrechnung eingesetzt wird.840 Im Gegen­ satz dazu sind die Unternehmen aus den Bereichen der Optik sowie der Steine und Erden nur unterproportional in der Ausgangsstichprobe vertreten. Im Vergleich zwischen der Ausgangsstichprobe und der Grundgesamtheit stellen wir Abweichungen hinsichtlich der prozentualen Anteile der verschiedenen Wirtschafts­

zweige fest. Diese Diskrepanzen sind vornehmlich in den überproportional berück­ sichtigten Industriebereichen zu erkennen und finden ihre Begründung in der zweck­ bezogenen Gewichtung der Ausgangsstichprobe.

Zusammenfassend können wir festhalten, daß der Vergleich der tatsächlichen Stich­ probe mit der von uns gewichteten Ausgangsstichprobe eine nahezu identische

Struktur beider Stichproben ergibt. Dieses Ergebnis impliziert zugleich die für unsere Untersuchung notwendige Repräsentativität. Sie bildet zudem eine zwingende Vor­ aussetzung für die später durchzuführenden wissenschaftlichen Analysen. Als weiteren Untersuchungspunkt betrachten wir die regionale Verteilung der

befragten Unternehmen. Hierbei ist es für uns ein zentrales Anliegen, nicht nur eine bestimmte Region der Türkei zu untersuchen, sondern eine landesweite Erhebung

vorzunehmen. Wir haben dabei das gesamte Gebiet der Türkischen Republik berücksichtigt.841

Wie Tabelle 4 zeigt, ist die Türkische Republik in sechs Regionen aufgeteilt.842 Die Regionen Marmara und Mittel-Anatolien bilden die Industrie- und

Handels­

schwerpunkte. In den Regionen Ägäis und Mittelmeer ist der größte Teil der unter­

suchten Unternehmen der Tourismus-Branche zuzuordnen. Demgegenüber haben die Regionen Schwarzes Meer und Ost-Anatolien aus ökonomischer Sichtweise nur

eine geringe Bedeutung.

Vgl. hierzu Institute of Statistics [Analysis 1994], S.42. Vgl. hierzu auch Kapitel 5.1. Diese Einteilung der Türkischen Republik ist gleichzusetzen mit der föderalistischen Unterteilung Deutschlands in einzelne Bundesländer.

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen

216

In der von uns durchgeführten empirischen Untersuchung haben wir alle Regionen

der Türkei berücksichtigt. Wir wollten damit Informationen über mögliche Gründe für

regionale Unterschiede hinsichtlich des Einsatzes der Kostenrechnung erhalten. Somit ergeben sich einerseits Unterschiede beim Einsatz der Kostenrechnung auf­ grund der verschiedenen Branchen Strukturen der jeweiligen Regionen und anderer­

seits hinsichtlich der Unternehmenskulturen. Schwerpunkt unserer Analyse bilden aufgrund ihrer wirtschaftlichen Bedeutung die

Wirtschaftsregionen Marmara und Mittel-Anatolien. Dabei wurden von den insgesamt 800 Fragebögen allein 297 Fragebögen (37,13%) in die Region Marmara und 248 Fragebögen (31%) in die Region Mittel-Anatolien verschickt. Die Region Ost-

Anatolien wurde aufgrund ihrer geringen ökonomischen Bedeutung nur mit 20 ver­ schickten Fragebögen (2,5%) in der empirischen Erhebung unterproportional berück­

sichtigt. Als nächstes Untersuchungsmerkmal betrachten wir nun die Rücklaufquote der sechs Regionen. Die Wirtschafts region Marmara mit den zentralen Standorten Istan­

bul, Kocaeli, Adapazari und Bursa bildet einen Schwerpunkt der Analyse. Von den 297 in die Region Marmara verschickten Fragebögen wurden insgesamt 193

Exemplare zurückgesandt, woraus sich eine Rücklaufquote von 65% ergibt.

Region

Anzahl der versandten Fragebögen

absoluter Rücklauf

Rücklauf­ quote in %

Marmara

297

193

64,98

Mittel-Anatolien

248

166

66,94

Ägäis

132

63

47,73

Schwarzes Meer

66

44

66,67

Mittelmeer

37

21

56,76

Ost-Anatolien

20

14

70,00

Gesamt

800

501

62,63

Tab. 4: Anzahl der angeschriebenen und antwortenden Unternehmen nach Regionen An Unternehmen in der Region Mittel-Anatolien mit dem Industrie- und Handels­

zentrum Ankara wurden 248 Fragebögen versandt. Die Rücklaufquote der Frage­

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen

217

bögen aus dieser Region beträgt 66,9%, d.h. wir erhielten 166 Fragebögen ausge­

füllt zurückgesandt. In der Region Ägäis wurden an 132 Unternehmen Fragebögen verschickt Es

wurden 63 zurückgesandt, so daß sich für die gesamte Region eine Rücklaufquote

von 47,7% ergibt. Den wirtschaftlichen Schwerpunkt dieser Region bildet die Stadt Izmir, die zugleich den Mittelpunkt unserer Befragung in dieser Region darstellt.

Auf die Region Schwarzes Meer mit dem zentralen wirtschaftlichen Standort Trabzon entfielen 66 Fragebögen. Es wurden 44 Exemplare zurückgesandt. Dies entspricht einer Rücklaufquote von 66,7%. Des weiteren wurden 37 Unternehmen in der Region Mittelmeer angeschrieben. Hier

konzentrierten wir unsere Befragung auf die Städte Antalya und Alanya. Aus dieser Region erhielten wir insgesamt 21 beantwortete Fragebögen. Die Rücklaufquote in dieser Region beträgt somit 56,8%.

In die Region Ost-Anatolien mit den Wirtschaftsschwerpunkten Erzurum und Van haben wir 20 Fragebögen versandt. Von den verschickten Fragebögen erreichten

uns 14 beantwortete Exemplare, woraus sich ein prozentualer Rücklauf von 70%

ergibt. Durch die gezielte Determinierung des Verteilungsschlüssels nach Regionen spiegelt

sich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Türkei in unserer Untersuchung wider. Insbesondere die starke Vormachtstellung von Istanbul, Ankara und Izmir gegenüber anderen türkischen Standorten wurde bei der Verteilung der Fragebögen berück­ sichtigt. Von den 800 Fragebögen verteilten wir 489 in diese Regionen, welches

einem Anteil von 61,13% an der Ausgangsstichprobe entspricht. Zusammenfassend können wir im Hinblick auf die Repräsentativität der empirischen

Untersuchung festhalten, daß die Ausgangsstichprobe mit der tatsächlichen Stich­ probe in hohem Maße identisch ist. Ein Vergleich der Grundgesamtheit mit der

Ausgangsstichprobe offenbart allerdings einige Verzerrungen. Die Abweichungen ergeben sich aus der Notwendigkeit, eine eigenständige Gewichtung vornehmen zu

müssen, um für unsere Untersuchungszwecke zu fundierten und wissenschaftlich

wertvollen Aussagen zu gelangen. Somit sind die auftretenden Abweichungen nicht

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen

218.

auf Zufälligkeiten zurückzuführen, sondern das Ergebnis einer auf die ökonomischen Besonderheiten der Türkei abgestimmten Erhebung.

Grundsätzlich sind wir der Meinung, daß die Ergebnisse der durchgeführten Analyse für unsere weiteren Untersuchungen hinreichend repräsentativ sind und eine fundierte Ausgangsbasis für die nachfolgende Analyse der Untersuchungsergeb­ nisse bilden.

5.2.2.3 Anwendung der Plausibilitätsregeln zur Prüfung des Antwortverhaltens

Wie wir bereits bei der Repräsentativität der empirischen Untersuchung festgestellt

haben, sind uns 501 beantwortete Fragebögen zurückgesandt worden. Im Rahmen der Planung der empirischen Untersuchung haben wir allerdings darauf hinge­ wiesen, daß zur Vermeidung von Verzerrungen und zur Gewährleistung der Qualität

unserer Ergebnisse die von uns in Abschnitt 5.2.1.3 aufgestellten Plausibilitätsregeln zu beachten sind. Bei der Überprüfung der Fragebögen anhand der Plausibilitäts­

regeln wurden von uns 140 Fragebögen als nicht plausibel identifiziert. Bei einem

großen Teil dieser Unternehmen konnten vor allem Inkonsistenzen bezüglich der

Zwecke der Kostenrechnung und der Teilbereiche der Kostenrechnung sowie der Kostenspaltung festgestellt werden. Zwar verfolgt ein Teil dieser Unternehmen die Preiskalkulation als Zweck der Kostenrechnung, sie verzichten aber auf den Einsatz

der Kostenträgerstückrechnung. Des weiteren sind Unstimmigkeiten bezüglich der

eingesetzten Kostenrechnungssysteme und der dazu erforderlichen Kostenspaltung aufgetreten. So geben einige Unternehmen an, daß sie eine Deckungsbeitragsrech­

nung einsetzen, gleichzeitig aber auf eine Spaltung der Kosten in fixe und variable Bestandteile verzichten. Dies wird dadurch verdeutlicht, daß ein Teil der Unterneh­

men angibt, eine mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung durchzuführen ohne aber

die hierzu notwendige stufenweise Spaltung des Fixkostenblockes vorzunehmen. Nach Anwendung der Plausibilitätsregeln verbleiben somit 361 Fragebögen,843 die unseren Anforderungen im Hinblick auf die noch vorzunehmende Analyse des empi­

rischen Datenmaterials entsprechen.

843

Dies entspricht einer effektiven Rücklaufquote von 45%.

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen

219

5.3 Darstellung der Einzelantworten Im folgenden wollen wir die befragten Unternehmen hinsichtlich ihrer Unternehmens­ struktur und der Ausgestaltung des Rechnungswesens untersuchen. Dabei gehen

wir insbesondere auf den Einsatz und die Gestaltung der Kostenrechnung und der

Kostenrechnungssysteme in türkischen Unternehmen ein, wobei sowohl die Rahmenbedingungen, Teilbereiche und Zwecke der Kostenrechnung als auch die in den Unternehmen eingesetzten Kostenrechnungssysteme analysiert werden. In

diesem Zusammenhang wollen wir auch einige ausgewählte Aspekte hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführten Untersuchungen im Hinblick auf

die Kostenrechnung und die Kostenrechnungssysteme eingehen. Unsere Ziel­ setzung besteht darin, die Daten aus den verschiedenen empirischen Studien mit

unseren Untersuchungsergebnissen zu vergleichen. Die dabei gewonnenen Erkennt­

nisse sind Grundlage für die anschließend durchzuführenden Untersuchungen sowie für die abschließenden Handlungsempfehlungen zur Einführung bzw. Ausgestaltung

der Kostenrechnung und Kostenrechnungssyteme in türkischen Unternehmen. 5.3.1 Antworten zum Unternehmen

In einem ersten Schritt werden wir die befragten Unternehmen bezüglich der Branchenzugehörigkeit und der Unternehmensform näher charakterisieren. Zudem

berücksichtigen wir die Unternehmensgröße, den Fertigungstyp und das Zielsystem als weitere Differenzierungsmerkmale. Auf diese Weise wollen wir einen Überblick

über die heterogenen Unternehmensstrukturen der antwortenden türkischen Unter­

nehmen geben. 5.3.1.1 Branchenzugehörigkeit Die von uns durchgeführte Befragung richtet sich sowohl an Industrieunternehmen

als auch an Unternehmen aus dem Dienstleistungssektor.844 Abbildung 16 zeigt die

Verteilung der Unternehmen über die verschiedenen Branchen.

An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, daß sich die verschiedenen empirischen Erhebungen des deutschsprachigen Raums im Gegensatz zu der von uns durchgeführten Untersuchung lediglich auf Industrieunternehmen beziehen. Als Beispiele können hier Marner [Rechnungswesen 1980], S.135, Küpper [Kosteninformationen 1983], S.170, Becker [Kostenrechnung 1984], S.59, WiedNebbeling [Preisverhalten 1985], S.8, Kind [Rechnungswesen 1986], S.12, Küpper/Hoffmann

220

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen

Abb. 16: Verteilung der Unternehmen nach Branchen Es zeigt sich, daß die antwortenden Unternehmen sehr unregelmäßig über die ver­

schiedenen Branchen verteilt sind. Der größte Teil der antwortenden Unternehmen ist eindeutig dem industriellen Sektor (81,64%) zuzurechnen. Innerhalb der Unter­

nehmen des industriellen Sektors liegt der Schwerpunkt auf der chemischen (14,18%) und metallverarbeitenden Industrie (14,91%). An zweiter Stelle stehen die Industrieunternehmen, die den Branchen Nahrungs- und Genußmittel (12,71%), der

Textil-, Bekleidungs- und Lederindustrie (11,98%) sowie dem Baugewerbe (11,74%)

zuzuordnen sind. Auffallend ist, daß die Unternehmen in den Bereichen Fahr­ zeugbau (6,85%), Maschinen- und Anlagenbau (6,36%), Papier- und Druckindustrie (6,11%), Steine und Erden (4,65%), Elektrotechnik (5,62%) sowie Energie-

wirtschaft/Bergbau (4,16%) im Verhältnis zu den zuvor genannten Branchen weniger

[Entwicklungstendenzen 1988], S.588, Kosmider [Kostenrechnung 1991], S.22, Hauer [Entscheidungsrechnung 1994], S.22, Schehl [Industrieunternehmen 1994], S.22, Lange/Schauer [Kostenrechnung 1996], S.1, sowie Währisch [Kostenrechnungspraxis 1998], S.63, angeführt werden. Darüber hinaus sind auch diejenigen empirischen Studien zu nennen, die zwar Dienst­ leistungsunternehmen berücksichtigen, sich aber schwerpunktmäßig auf Industrieunternehmen konzentrieren. Vgl. hierzu Horväth et al. [Planung 1978], S.7.

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen

221

stark vertreten sind. Eine deutliche Diskrepanz besteht gegenüber den antwortenden Unternehmen, die der Branche Optik (0,73%) angehören. Diese Unternehmen sind,

bezogen auf die Grundgesamtheit, relativ unbedeutend. Bei den antwortenden Unternehmen, die dem Dienstleistungssektor angehören, werden explizit die Branchen Verkehr/Nachrichten (14,13%), Tourismus845 (39,13%)

und allgemeine Dienstleistungen (46,74%) genannt. Der größte Teil der Unter­

nehmen ist dem Bereich der allgemeinen Dienstleistungen zuzuordnen. Bei diesem Bereich handelt es sich um eine Ansammlung nicht weiter spezifizierter Dienst­

leistungsunternehmen. Zusammenfassend können wir festhalten, daß die Branchen des industriellen

Sektors mit einem prozentualen Anteil von 81,64% häufiger vertreten sind als die Bereiche des Dienstleistungssektors mit 18,36%.

5.3.1.2 Unternehmensform

Nachdem wir uns mit der Verteilung der Unternehmen auf die einzelnen Branchen beschäftigt haben, wollen wir im folgenden das Kriterium der Unternehmensform näher betrachten. Im Hinblick auf die Unternehmensform unterscheiden wir im allge­

meinen zwischen den Eigentumsverhältnissen und der Rechtsform der Unter­ nehmen.846 Zunächst werden die Eigentumsverhältnisse an den Unternehmen betrachtet, wobei

wir zwei Grundformen gegeneinander abgrenzen. In diesem Zusammenhang wird

zwischen den Privatunternehmen und den öffentlichen Unternehmen differenziert.847

Wie bereits in Kap. 5.2.2.4 erwähnt, werden die Branchen Verkehr/Nachrichten und Tourismus nicht den allgemeinen Dienstleistungen zugeordnet, sondern gesondert erfaßt. Diese Einteilung wird von einem überwiegenden Teil der Autoren im betriebswirtschaftlichen Schrifttum in der Türkei vorgenommen. Vgl. hierzu Kiper [Ticaret Sirketleri 1981], S.29, öncel et al. [Vergi Hukuku 1984], S.51f., Canoglu [Vergi Muhasebesi 1985], S.67, Celik/Ipekci [Sirketler Hukuku 1985], S.4, Günege [Financial Accounting 1990], S.7, Altug [Hukuk 1991], S.1, und Ucar/Aydemir [Mali Tablolari 1994], S.16.

Im Gegensatz zu den in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführten empirischen Unter­ suchungen nehmen wir hier bewußt eine Differenzierung bei den Eigentumsverhältnissen in private Unternehmen und öffentliche Unternehmen vor. Die fehlende Unterteilung in deutschen Untersuchungen ist nicht zuletzt auch auf die strukturellen Unterschiede hinsichtlich der Eigen­ tumsverhältnisse an den Unternehmen zurückzuführen. So nimmt im Zuge der Privatisierung die Anzahl der öffentlichen Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland stark ab. Demgegen-

222

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen

In der Türkei existieren außerdem sehr viele Mischformen848 mit überwiegend privater oder mit überwiegend staatlicher Beteiligung.

Abb. 17: Verteilung der Unternehmen nach Eigentumsverhältnissen

Abbildung 17 veranschaulicht, daß der größte Teil der antwortenden Unternehmen Privatunternehmen sind. Von den 501 untersuchten Unternehmen befinden sich 467 Unternehmen (93,2%) in ausschließlich privatem Besitz.849 Die öffentlichen Unter­

nehmen, die privatwirtschaftlichen Unternehmen mit überwiegend staatlicher Beteili­ gung und die privatwirtschaftlichen Unternehmen mit überwiegend privater Betei­

ligung sind in unserer Untersuchung nur unterdurchschnittlich vertreten.850 Der Anteil dieser Unternehmen an der tatsächlichen Stichprobe beträgt lediglich 6,8%.

über sind die öffentlichen Unternehmen in der Türkei trotz der auch dort einsetzenden Privatisie­ rungstendenzen sehr viel stärker vertreten. 848

Diese Mischformen sind in der unternehmerischen Praxis besonders häufig bei industriellen Großunternehmen in der Türkei vorzufinden.

849

Hierzu zählen u.a. auch 35 Joint Venture-Unternehmen, die bereits in Abschnitt 4.3.3 dargestellt worden sind.

850

Im Rahmen unserer empirischen Erhebung wurden 64 Fragebögen an rein staatliche Unter­ nehmen verschickt. Allerdings haben von diesen nur 17 Fragebogen beantwortet. Die geringe Rücklaufquote ist darauf zurückzuführen, daß die öffentlichen Unternehmen Daten über ihre ökonomischen Aktivitäten als streng vertraulich behandeln und daher im allgemeinen nicht zur

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen

221

Bei der Rechtsform der privat geführten Unternehmen unterscheiden wir zwischen

Personen- und Kapitalgesellschaften. Die öffentlichen Unternehmen werden aus­ schließlich als Kapitalgesellschaften geführt. Den Personengesellschaften werden explizit die Einzelunternehmen, die Offene Handelsgesellschaft (OHG)851 und die Kommanditgesellschaft (KG)852 zugeordnet.

Zu den Kapitalgesellschaften zählen die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH)853 und die Aktiengesellschaft (AG)854.

Verfügung stellen. Vor diesem Hintergrund überrascht es, daß 17 staatliche Unternehmen den Fragebogen beantwortet haben. 851

Die Rechtsform der Offenen Handelsgesellschaft (OHG) ist die in der Türkei am häufigsten anzutreffende Gesellschaftsform. Die Unterschiede zwischen der deutschen und der türkischen Offenen Handelsgesellschaft bestehen darin, daß in der Türkei eine juristische Person kein Gesellschafter sein kann. Vgl. Erimez/Güreli [Gelir Vergisi 1973], S.11f., Ansay [Tochtergesellschaft 1987], S.100, Günege [Financial Accounting 1990], S.7, Altug [Hukuk 1991], S.2, Hirsch/Tekinalp [Ausländische Aktiengesetze 1993], S.66, sowie Kishali [Sirketler Muhasebesi 1994], S.4.

852

Die Rechtsform der Kommanditgesellschaft (KG) ist in der Türkei im Gegensatz zu Deutschland nur vereinzelt anzutreffen. Besonderes Merkmal dieser Gesellschaftsform in der Türkei ist es, daß nur natürliche Personen den Status eines Komplementärs einnehmen können. Somit ist die Existenz einer GmbH & Co. KG grundsätzlich ausgeschlossen. Vgl. Celik/Ipekci [Sirketler Hukuku 1985], S.45, Hamzacebi [Yeniden Degerleme 1985], S.37f., Günege [Financial Accounting 1990], S.7, Altug [Hukuk 1991], S.2, und Hirsch/Tekinalp [Ausländische Aktiengesetze 1994], S.69.

853

Bei den Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) besteht der grundlegende Unterschied

zwischen den deutschen und den türkischen Vorschriften darin, daß in der Türkei mindestens zwei Gesellschafter als Gründungsmitglieder für eine GmbH erforderlich sind. Vgl. Özer et al. [Limited Sirketleri 1982], S.31f., Celik/Ipekci [Sirketler Hukuku 1985], S. 46, Ansay [Tochtergesellschaft 1987], S.100, Kremser [Betriebsstätte 1987], S.39, Günege [Financial Accounting 1990], S.7, Altug [Hukuk 1991], S.3, Dogrugöz/Somer [Anonim Sirketler 1992], S.7, Kishali [Sirketler Muhasebesi 1994], S.162, und Kara [Anonim Sirketler 1995], S.3. 854

Zwischen der auf türkischem und deutschem Recht basierenden Form der Aktiengesellschaft sind keine grundlegenden Unterschiede vorhanden.

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen

224

Rechtsform

Abbildung 18: Verteilung der Unternehmen nach der Rechtsform Abbildung 18 veranschaulicht, daß die meisten der antwortenden Unternehmen in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft geführt werden. Bei diesen Gesellschaften dominieren die Aktiengesellschaften mit 304 Unternehmen (60,7%). Die Gesell­

schaften mit beschränkter Haftung nehmen mit 167 Unternehmen (33,3%) den zweiten Rang ein. Die Personengesellschaften spielen demgegenüber mit 28 Unternehmen eine nur

untergeordnete Rolle.855 Von diesen 28 Unternehmen werden 17 als Einzelunter­ nehmen geführt. Dies sind 3,4% aller antwortenden Unternehmen. Dem folgen mit

elf Unternehmen (2,2%) die Offenen Handelsgesellschaften. Weitere Ausprägungen der Personengesellschaften, wie die Kommanditgesellschaft, werden hingegen nicht genannt.

Hier werden Unterschiede zu den in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführten Untersuchungen sichtbar, da die Personengesellschaften in diesen Untersuchungen anteilmäßig wesentlich häufiger vertreten sind. Neuere empirischen Studien belegen jedoch, daß der Anteil der Personengesellschaften abnimmt. Vgl. hierzu Horvath et al. [Planung 1978], S.6, Becker [Kostenrechnung 1984], S. 77, Wied-Nebbeling [Preisverhalten 1985], S.17, Kind [Rechnungswesen 1986], S.25, Kosmider [Controlling 1991], S.33, Schmitt-Eisleben [Internes Rechnungswesen 1994], S.195, und Lange/Schauer [Kostenrechnung 1996], S.5.

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen

225

Bei zwei Unternehmen (0,4%) konnte anhand der Ausführungen im Antwortbogen

nicht festgestellt werden, in welcher Rechtsform sie geführt werden. Wir haben deshalb diese beiden Unternehmen unter dem Bereich „Sonstige“ zusammengefaßt

und ausgewertet. 5.3.1.3 Unternehmensgröße

In einem weiteren Schritt wollen wir auf die Verteilung der antwortenden Unterneh­

men auf die verschiedenen Unternehmensgrößenklassen eingehen. Die Beurteilung

der Unternehmensgröße856 haben wir mit Hilfe der Kriterien Beschäftigtenanzahl und Umsatz vorgenommen.857 Die folgende Abbildung stellt zunächst die Häufigkeitsver­ teilung nach dem Kriterium der Beschäftigtenanzahl dar.

Obwohl sich im betriebswirtschaftlichen Schrifttum eine Vielzahl von Abgrenzungen der Begriffe Unternehmen und Betrieb findet, erscheint es uns im Rahmen dieser Arbeit nicht erforderlich, zwischen den Begriffen Unternehmen und Betrieb zu unterscheiden. Im folgenden verwenden wir diese Begriffe daher synonym. Vgl. zu den Begriffsabgrenzungen im Schrifttum ausführlich Lücke [Unternehmensgröße 1967], S.9ff., Bergmann [Unternehmensgröße 1972], S.15, Busse von Colbe [Unternehmensgröße 1974], Sp.561ff., Jüttner-Kramny [Unternehmensgröße 1975], S.17, Schäfer [Unternehmung 1991], S.80f., Betge [Betriebsgröße 1993], Sp.4272f„ Grochla [Betrieb 1993], Sp.375ff., Macharzina [Unternehmensführung 1993], S.13L, Amann [Unternehmensführung 1995], S.15, Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.1, und Schierenbeck [Betriebswirtschaftslehre 1999], S.24f.

857

Zur Bestimmung der Unternehmensgröße gibt es im betriebswirtschaftlichen Schrifttum vielfältige

Einteilungskriterien. So wird im deutschen Schrifttum zwischen quantitativen, qualitativen und kombinierten Maßgrößen unterschieden. Vgl. hierzu ausführlich Hax [Konzentration 1961], S.62, Peemöller [Unternehmensgröße 1971], S.15ff., Bergmann [Unternehmensgröße 1972], S.15L, Jüttner-Kramny [Unternehmensgröße 1975], S.19, Königs [Unternehmensgrößenverteilung 1989], S.30, Lerchenmüller [Handelsbetriebslehre 1995], S.70f., und Mugler [Klein- und Mittelbetriebe 1995], S.17. Demgegenüber wird zur Bestimmung der Unternehmensgröße im betriebswirtschaftlichen Schrifttum der Türkei primär auf das quantitative Kriterium der Beschäf­ tigtenzahl zurückgegriffen. Vgl. hierzu ausführlich Müftüoglu [Isletmeler 1993], S.80. Aus diesem Grund erscheint es uns im Hinblick auf die Vergleichbarkeit und Meßbarkeit der Ergebnisse unserer empirischen Untersuchung sinnvoll, eine Beschränkung auf die quantitativen Merkmale der Beschäftigtenanzahl und des Umsatzes vorzunehmen.

226

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen

Beschäftigtengrößenklassen

Abb. 19: Verteilung der Unternehmen nach der Anzahl der Beschäftigten

Im Hinblick auf die Verteilung über die Beschäftigtengrößenklassen zeigt sich, daß

die Anzahl der Unternehmen, die unter 50 Arbeitnehmer beschäftigen,858 über­ durchschnittlich vertreten sind. Dieser Größenklasse sind 216 Unternehmen (43,1%)

zuzuordnen. Die übrigen Merkmalsausprägungen der folgenden Klassen fallen deut­ lich geringer aus. Die Beschäftigtengrößenklasse 50-99 Arbeitnehmer umfaßt mit

einem Anteil von 15,2% insgesamt 76 Unternehmen, während der Klasse 100-199 Arbeitnehmer 54 Unternehmen (10,8%) zugeordnet werden. Des weiteren stellen wir

fest, daß nur 7% der antwortenden Unternehmen mehr als 1000 Arbeitnehmer

beschäftigen, wobei der Größenklasse 1000-5000 Arbeitnehmer 29 Unternehmen (5,8%) und der Klasse über 5000 Beschäftigte sechs Unternehmen (1,2%) zuge­

ordnet werden können. Bei einer kritischen Betrachtung sämtlicher Größenklassen

ergibt sich, daß im Rahmen unserer Untersuchung diejenigen Unternehmen mit

einer Anzahl von unter 50 Beschäftigten überrepräsentiert sind.

858

Wie bereits in Kap. 5.2.2.4 erwähnt, werden Unternehmen mit weniger als zehn Beschäftigten nicht berücksichtigt.

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen

Dieses Ergebnis stimmt mit den allgemeinen Erkenntnissen der Größenordnungen türkischer Unternehmen überein.859

Als zweites Kriterium zur Beurteilung der Unternehmensgröße dient im Rahmen unserer empirischen Untersuchung der Jahresumsatz der einzelnen Unternehmen.

Abb. 20: Verteilung der Unternehmen nach Jahresumsatz Bei der Verteilung der antwortenden Unternehmen auf die Jahresumsatzgrößen­ klassen zeigt sich mit einem Anteil von 30,7% eine Dominanz derjenigen Unter­

nehmen, die jährlich mehr als 500 Mrd. Türkische Lira (TL)860 erzielen. Den zweiten Rang nehmen die Unternehmen ein, die der Umsatzgrößenklasse 10 bis 49 Mrd. TL

zuzuordnen sind. Für die Jahresumsatzgrößenklassen zwischen 5 Mrd. TL und 9 Mrd. TL sowie zwischen 50-99 Mrd. TL und 200 bis 499 Mrd. TL stellen wir eine annähernde Gleichverteilung fest. Demgegenüber sind die Klassen 100-149 Mrd. TL

Die Anzahl der türkischen Unternehmen, die der Beschäftigtengrößenklasse 10-49 Arbeitnehmer zuzuordnen sind, entspricht 76,44% der Grundgesamtheit. Vgl. hierzu Kap. 5.2.2.4. Zum Zeitpunkt der empirischen Erhebung entsprach eine Deutsche Mark 32.000 Türkische Lira (TL). Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Inflationsrate in der Türkei im Durchschnitt jährlich 100% beträgt.

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen

228

und 150-199 Mrd. TL bei der Betrachtung aller Unternehmen vergleichsweise unter­ durchschnittlich vertreten.

Wir halten es vor dem Hintergrund einer eindeutigen Zuordnung der Unternehmens­ größe der antwortenden Unternehmen für zweckmäßig, eine Gegenüberstellung der Beschäftigtengrößenklassen und der Jahresumsatzgrößenklassen vorzunehmen.861

Diese Einteilung dient als Basis für die im folgenden Kapitel durchzuführende

Analyse. Die daraus resultierenden Kombinationen werden in Tabelle 5 dargestellt.

Arbeitnehmer

unter 50

50 bis 99

100 bis 199

200 bis 499

500 bis 999

1000 bis 5000

über 5000

Gesamt

Arbeitnehmer Arbeitnehmer Arbeitnehmer Arbeitnehmer Arbeitnehmer Arbeitnehmer Arbeitnehmer

Umsatz

54

unter 5 Mrd. TL

53

5 bis 9 Mrd. TL

54

4

10 bis 49 Mrd. TL

54

12

4

50 bis 99 Mrd. TL

27

19

5

1

52

100 bis 149 Mrd. TL

11

15

3

2

31

150 bis 199 Mrd. TL

11

12

2

200 bis 499 Mrd. TL

6

12

20

16

1

2

1

20

52

48

27

6

154

76

54

71

49

29

6

501

über 500 Mrd. TL

Gesamt

216

1

58

70

25

I____________ I

I____________ I

I____________ I

Kleinunternehmen

Mittelunternehmen

Großunternehmen

57

Tab. 5: Einteilung der Unternehmen in Unternehmensgrößenklassen Aufbauend auf dieser Einteilung wollen wir im folgenden eine Klassifikation in Klein-,

Mittel- und Großunternehmen vornehmen.

Ein Vergleich mit den im deutschsprachigen Raum durchgeführten Erhebungen zeigt, daß hier ebenfalls sehr häufig die Determinanten Beschäftigtenanzahl und Jahresumsatz zugrundegelegt werden. Auf eine Zusammenfassung dieser Kriterien zu Unternehmensgrößenklassen wird jedoch im Gegensatz zu unserer empirischen Untersuchung verzichtet. Dies kann u.a. damit begründet werden, daß sich ein Großteil der von uns angesprochenen empirischen Studien von vornherein nur auf bestimmte Beschäftigtengrößenklassen konzentrieren. So beschränken sich beispielsweise Becker, Kind und Lange/Schauer bei der Einteilung ihrer Größenklassen auf Unternehmen mit 50-999 Beschäftigten. Vgl. hierzu Becker [Kostenrechnung 1984], S.69, Kind [Rechnungswesen 1986], S.24, und Lange/Schauer [Kostenrechnung 1996], S.6.

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen

229

Kleinunternehmen sind nach unserer Klassifizierung dadurch gekennzeichnet, daß

sie weniger als 50 Arbeitnehmer beschäftigen und einen Jahresumsatz von unter 10

Mrd. TL erreichen.862 Zu den mittleren Unternehmen zählen wir diejenigen Unternehmen, bei denen 50199 Arbeitnehmer beschäftigt sind und/oder die einen Umsatz von 10-199 Mrd. TL

realisieren.863 Großunternehmen sind für uns diejenigen Unternehmen, die 200 und/oder mehr

Beschäftigte haben und einen Jahresumsatz von mindestens 200 Mrd. TL erzielen.864 Die folgende Abbildung 21 zeigt die Verteilung der Unternehmen nach der Unter­

nehmensgröße.

Demgegenüber werden in der Türkei von verschiedenen Institutionen andere Einteilungen vorgenommen. So gelten Unternehmen mit bis zu neun Beschäftigten in der amtlichen türkischen Statistik und nach der Klassifikation der Industrie- und Handelskammer als Kleinunternehmen. Dagegen sieht die türkische Nationalbank Unternehmen mit bis zu 50 Beschäftigten als Kleinunternehmen an. Vgl. hierzu Müftüoglu [Isletmeler 1993], S.92.

Wie bei Kleinunternehmen findet sich auch bei Mittelunternehmen keine einheitliche Einteilung. Während nach der amtlichen türkischen Statistik Unternehmen mit einer Beschäftigtenanzahl zwischen 10 und 24 als Mittelunternehmen klassifiziert werden, gelten nach Einteilung der Industrie- und Handelskammer Unternehmen mit 10 - 99 Beschäftigten als Mittelunternehmen. Eine andere Klassifizierung nimmt die Türkische Nationalbank vor, indem sie Betriebe mit 50 - 99 Mitarbeitern als Mittelunternehmen ansieht. Vgl. hierzu Müftüoglu [Isletmeler 1993], S.93. Im Gegensatz dazu bezeichnet die amtliche Statistik Unternehmen mit mehr als 25 Beschäftigten als Großunternehmen. Die Industrie- und Handelskammer sowie die Türkische Nationalbank sprechen bei mehr als 100 Beschäftigten von Großunternehmen. Vgl. hierzu Müftüoglu [Isletmeler 1993], S.93.

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen

230

Abb. 21: Verteilung der Unternehmen nach der Unternehmensgröße Beim Vergleich der einzelnen Unternehmensgrößen stellen wir fest, daß die Groß­

unternehmen überdurchschnittlich stark vertreten sind. Insgesamt können wir 214 Unternehmen als Großunternehmen, 180 als Mittelunternehmen und 107 Unter­

nehmen als Kleinunternehmen klassifizieren.

5.3.1.4 Fertigungsverfahren Für unsere Untersuchung erscheint es zweckmäßig, die verschiedenen im betriebs­

wirtschaftlichen Schrifttum diskutierten Formen von Fertigungsverfahren zu berück­ sichtigen. Die Fertigungsverfahren, die die technische Struktur des Produktions­ prozesses festlegen und in enger Beziehung zu dem Organisationstyp der Fertigung stehen, sind dabei im Zusammenhang mit der Charakterisierung der türkischen

Unternehmen zu sehen.

Die Differenzierung einzelner Fertigungsverfahren orientiert sich an der Menge

gleicher Produktionseinheiten, die im Produktionsprozeß simultan oder unmittelbar

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen

231

nacheinander hergestellt werden.865 Dementsprechend kann zwischen der Einzel-,

der Serien- und der Massenfertigung unterschieden werden. Diese grundlegende Einteilung der Fertigungsverfahren haben wir im Rahmen unserer empirischen Untersuchung um das Verfahren der Dienstleistungsproduktion erweitert. Auf diese Weise wollen wir den neueren Entwicklungen im Bereich der Dienstleistungsunter­

nehmen in der unternehmerischen Praxis der Türkei Rechnung tragen.

Die Fragestellung bietet die Möglichkeit einer Mehrfachnennung, da in der unterneh­ merischen Praxis häufig mehrere Verfahren der Fertigung nebeneinander zum

Einsatz kommen.

Abbildung 22 veranschaulicht, daß die Serien- und die Einzelfertigung die verbreitetsten Fertigungsverfahren sind. Insgesamt setzen 68,4% der antwortenden

Unternehmen die Einzel- und/oder die Serienfertigung als Fertigungstyp ein.

865

Vgl. ausführlich zu den Fertigungsverfahren Kortzfleisch [Produktionsmethoden 1986], S.158ff. und zu der Differenzierung mit Hilfe des Merkmals „Menge gleicher Erzeugniseinheiten“ Hahn [Produktionsverfahren 1975], Sp.3160ff., sowie Grosse-Oetringhaus [Fertigungstypologie 1974], S.150ff.

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen

232

Die Massenfertigung wird nur von 116 der 501 untersuchten Unternehmen (15%)

durchgeführt. Weiterhin sind 128 Unternehmen (16,6%) zu nennen, die Dienst­ leistungen anbieten. Andere Fertigungsverfahren, wie z.B. die Sortenfertigung, die

unter der Kategorie „Sonstige“ angeführt werden konnten, wurden von den ant­ wortenden Unternehmen nicht eingesetzt bzw. genannt.

5.3.1.5 Zielsysteme

Im Rahmen der Analyse des Zielsystems der türkischen Unternehmen untersuchen

wir die wichtigsten Formalziele der unternehmerischen Praxis. Dabei konzentrieren

wir uns in der empirischen Erhebung sowohl auf monetäre Ziele als auch auf

Qualitätsziele.866 Hierzu zählen wir: • Umsatzausweitung • Gewinnstreben • Rentabilitätssteigerung

• Liquiditätssicherung • Wirtschaftlichkeit • Erwerb und Sicherung von Marktanteilen • Unternehmenssicherung

• Unternehmenswachstum • Imagepflege • Erhalt und Steigerung der Produktqualität867 Auf die Frage nach den Unternehmenszielen konnte im Fragebogen eine Gewich­

tung der obigen formalen Ziele durch die antwortenden Unternehmen vorgenommen

866

Obwohl im betriebswirtschaftlichen Schrifttum noch weitere Formalziele, wie z.B. Zeit- und Flexibilitätsziele sowie ökologische und soziale Ziele existieren, haben sich in zahlreichen Gesprächen mit verschiedenen Vertretern türkischer Unternehmen die obigen Formalziele als zentrale Größen herausgestellt.

867

Den Unternehmen wurde die Möglichkeit eingeräumt, darüber hinaus verfolgte Ziele zu benennen und hinsichtlich ihrer Bedeutung zu gewichten.

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen_______________________ _____________225

werden.868 Die Bewertungsskala umfaßt die Dimensionen „völlig unwichtig“, „geringe

Wichtigkeit“, „mittlere Wichtigkeit“, „erhebliche Wichtigkeit“ und „hohe Wichtigkeit“.

Mit dieser Frage wurden die türkischen Unternehmen gebeten, die ihrer Meinung nach zehn wichtigsten Formalziele entsprechend ihrer Bedeutung in eine Rangfolge

zu bringen. In der nachfolgenden Tabelle 6 werden die Häufigkeitsverteilungen der

Formalzielgewichtung der antwortenden Unternehmen dargestellt.

——___

Gewichtung der Ziele

hohe

erhebliche

mittlere

geringe

völlig

Wichtigkeit

Wichtigkeit

Wichtigkeit

Wichtigkeit

unwichtig

Umsatzausweitung

339

146

13

1

2

Formalziele

Gewinnstreben

290

187

18

4

2

Rentabilitätssteigerung

244

189

56

6

6

Liquiditätssicherung

224

196

70

7

4

Wirtschaftlichkeit

240

200

57

2

2

Erwerb und Sicherung von Marktanteilen

310

153

31

2

5

Untemehmenssicherung

309

155

32

4

1

Untemehmenswachstum

274

170

46

7

4

Imagepflege

206

168

59

8

6

Erhalt und Steigerung der Produktqualität

367

123

6

1

4

Tab. 6: Gewichtung der Formalziele der Unternehmen Dem Ziel Umsatzausweitung wird von 339 Unternehmen (67,7%) eine hohe Wichtig­ keit zugeordnet. Weitere 146 Unternehmen (29,1%) geben an, daß dieses Formal­ ziel von erheblicher Wichtigkeit für ihr Unternehmen ist Lediglich zwei der antwor­

tenden Unternehmen (0,4%) stufen die Umsatzausweitung als völlig unwichtig ein. Wie aus Tabelle 6 zu entnehmen ist, wird das Gewinnstreben von 290 Unterneh­

men (57,9%) als ein Ziel von hoher Wichtigkeit eingestuft. 187 der befragten Unternehmen (37,3%) sind der Meinung, daß dem Gewinnstreben eine erhebliche

Bedeutung für ihr Unternehmen beizumessen ist. Analog zur Umsatzausweitung befinden nur zwei Unternehmen (0,4%) das Gewinnstreben als völlig unwichtig.

868

Diesbezüglich wurde auf eine weitergehende Untergliederung der Zielsetzungen, beispielsweise in Haupt- und Nebenziele, verzichtet.

234

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen

Dem Ziel der Rentabilitätssteigerung wird von nahezu 49% der antwortenden Unter­ nehmen eine hohe Wichtigkeit zugeordnet Weitere 189 Unternehmen (37,7%)

geben an, daß diese Zielsetzung für sie von erheblicher Bedeutung ist. Nur sechs Unternehmen (1,2%) halten die Rentabilitätssteigerung für völlig unwichtig.

Die Sicherung der Liquidität wurde von 224 der antwortenden Unternehmen (44,7%) als sehr wichtig angesehen. 196 Unternehmen (39,1%) sind der Meinung, daß der

Liquiditätssicherung eine erhebliche Bedeutung beizumessen ist. Demgegenüber

halten vier Unternehmen (0,8%) diese Zielsetzung für völlig unwichtig. Als weitere bedeutsame Zielsetzung im Hinblick auf unternehmerische Entschei­ dungen betrachten wir die Wirtschaftlichkeit. Diesem Formalziel ordnen 240 Unter­

nehmen (47,9%) eine hohe Wichtigkeit zu. Weitere 200 Unternehmen (39,9%) halten das Erreichen der Wirtschaftlichkeit für erheblich wichtig. Lediglich zwei Unterneh­

men (0,4%) sind der Meinung, daß die Wirtschaftlichkeit ihres Unternehmens als

Zielsetzung für sie völlig unwichtig sei.

Im Zusammenhang mit der Frage nach dem Erwerb bzw. der Sicherung von Markt­ anteilen zeigt sich, daß 310 der antwortenden Unternehmen (61,9%) diesem Formal­ ziel eine hohe Wichtigkeit beimessen. 153 Unternehmen (30,5%) geben an, daß die

Marktanteilssicherung für sie eine erhebliche Bedeutung aufweist. Von den antwor­ tenden Unternehmen stufen fünf Unternehmen (1%) diese Zielsetzung als völlig

unwichtig sei. Wie Tabelle 6 veranschaulicht, wird der Zielsetzung der Unternehmenssicherung von 309 Unternehmen (61,7%) eine hohe Wichtigkeit beigemessen. Weitere 155 Unter­

nehmen (30,9%) ordnen diesem Formalziel eine erhebliche Wichtigkeit zu. Nur ein Unternehmen (0,2%) vertritt die Ansicht, daß die Verfolgung dieser Zielsetzung völlig

unwichtig sei. Dem Ziel Unternehmenswachstum wird von 274 der antwortenden Unternehmen

(54,7%) eine hohe Relevanz zugeordnet. Des weiteren geben 170 Unternehmen (33,9%) an, daß die Verfolgung dieser Zielsetzung für sie eine erhebliche Wichtigkeit

aufweist. Von den antwortenden Unternehmen stufen nur vier Unternehmen (0,8%) das Formalziel des Unternehmenswachstum als völlig unwichtig ein.

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen

235

Zu den weiteren aus unserer Sicht als bedeutsam einzustufenden Elementen des

Zielsystems gehört auch die Imagepflege. Diese nimmt bei 260 Unternehmen (51,9%) einen hohen Stellenwert ein. 168 Unternehmen (33,5%) halten das Formal­

ziel der Imagepflege für erheblich wichtig. Lediglich sechs Unternehmen (1,2%)

stufen diese Zielsetzung als völlig unwichtig ein. Als letztes von uns vorgegebenes Formalziel wurde die Erhalt bzw. die Steigerung

der Produktqualität von 367 der antwortenden Unternehmen (73,3%) als sehr wichtig angesehen. Weitere 123 (24,6%) Unternehmen räumen diesem Formalziel eine erhebliche Bedeutung ein. Als völlig unwichtig wurde diese Zielsetzung von vier Unternehmen (0,8%) eingestuft.

In Abbildung 23 werden die arithmetischen Mittelwerte für die wichtigsten

Formalziele der Unternehmen dargestellt. Der Mittelwertbildung geht eine Formalziel­

gewichtung voraus, wobei den Merkmalen folgende Faktorzuordnung zugrunde liegt:

völlig unwichtig

=

Faktor 1

geringe Wchtigkeit

=

Faktor 2

mittlere Wichtigkeit

=

Faktor 3

erhebliche Wchtigkeit



Faktor 4

hohe Wichtigkeit

=

Faktor 5

Tab.7: Formalzielgewichtungsfaktoren Die Merkmalsausprägungen der einzelnen Formalziele wurden mit den zuge­

wiesenen Faktoren multipliziert und durch die Anzahl der antwortenden Unterneh­ men dividiert. Die so erhaltenen arithmetischen Mittelwerte werden in Abbildung 23

aufgeführt. Die Abbildung zeigt, daß die meisten der antwortenden türkischen Unternehmen die

Ziele „Erhalt und Steigerung der Produktqualität“ und „Umsatzausweitung“ mit den Mittelwerten von 4,681 und 4,648 für die bedeutendsten Formalziele im Rahmen ihrer unternehmerischen Aktivitäten halten. Als nächstes sind die Ziele Erwerb und

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen

Sicherung von Marktanteilen (4,551), Unternehmenssicherung (4,548) und Gewinn­ streben (4,532) zu nennen, die jeweils ähnliche arithmetische Mittelwerte aufweisen.

Abb. 23: Arithmetische Mittelwerte der Formalziele

Weiterhin ist zu erwähnen, daß dem Formalziel Unternehmenswachstum (4,452) im

Vergleich zu den erstgenannten Zielsetzungen nur eine geringe Bedeutung beige­ messen wird. Ferner werden fast gleichrangig die Ziele „Imagepflege“ (4,399), „Wirtschaftlichkeit“ (4,338) und „Rentabilitätssteigerung“ (4,307) genannt.

Die

„Liquiditätssicherung" (4,230) wird von den Unternehmen als unbedeutendstes

Formalziel in der empirischen Untersuchung angesehen.

Zusammenfassend ist festzustellen, daß der Produktqualität eine höhere Bedeutung als den quantitativen Zielsetzungen in der unternehmerischen Praxis beigemessen

wird.

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen

237

Auffällig erscheint uns die geringe Bedeutung der Wirtschaftlichkeit im Hinblick auf die übrigen Formalziele. Dieses ist ein interessanter Aspekt, auf den wir im Rahmen der Kostenrechnungsanalyse im folgenden Abschnitt noch näher eingehen werden. 5.3.2 Antworten zum Rechnungswesen

Nachdem wir uns zunächst mit einigen allgemeinen Merkmalen der von uns unter­ suchten Unternehmen beschäftigt haben, wollen wir im folgenden auf die Antworten

zum Rechnungswesen eingehen. Diese Vorgehensweise ermöglicht es uns,

Erkenntnisse über die Bedeutung der Kostenrechnung im Vergleich zu den anderen Instrumenten des Rechnungswesens zu gewinnen. Gleichzeitig ergeben sich Ansatzpunkte im Hinblick auf die Nutzung einer gemeinsamen Informationsbasis und

die hierzu jeweils erforderlichen Modifikationen.

5.3.2.1 Teilbereiche des Rechnungswesens Ausgangspunkt dieses Teils der Untersuchung bildet die Frage nach den Teil­

bereichen des Rechnungswesens. Dabei unterscheiden wir zunächst zwischen dem externen und dem internen Rechnungswesen. Des weiteren werden im Rahmen

unserer Untersuchung die Planungsrechnung, die Betriebsstatistik, die Material­

rechnung, die Lohn- und Gehaltsabrechnung sowie die Anlagenrechnung als weitere Teilbereiche des Rechnungswesens betrachtet. Die Ergebnisse der Antworten zu den einzelnen Teilbereichen des Rechnungs­ wesens werden in Abbildung 24 dargestellt.

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen

Abb. 24: Teilbereiche des Rechnungswesens Wir stellen fest, daß lediglich bei insgesamt 490 von 501 Unternehmen ein externes Rechnungswesen existiert, obwohl dies gemäß § 66 Abs. 1 TTK (Türkisches

Handelsgesetzbuch) und Art. 172 Abs. 1 Nr. 1-6 VUK (Türkisches Steuerverfahrens­ gesetz) für alle Unternehmen zwingend vorgeschrieben ist.869 Erstaunlich ist somit, daß elf Unternehmen angeben, daß sie kein externes Rechnungswesen einsetzen.

Aufgrund fehlender Erhebungsdaten können wir jedoch keine Gründe für die Nicht­

existenz des externen Rechnungswesens ermitteln.

Im Unterschied zu dem externen Rechnungswesen ist das interne Rechnungswesen lediglich bei 240 Unternehmen als Teilbereich vorhanden. Die Untersuchung zeigt, daß die Lohn- und Gehaltsabrechnung von 175 Unternehmen und die Material­

abrechnung von 139 Unternehmen als Teilbereich des Rechnungswesens unter­

869

Im Hinblick auf das externe Rechnungswesen verfolgen das TTK und das VUK unterschiedliche Zielsetzungen. Das Ziel der TTK besteht gemäß § 66 Abs. 1 TTK in der Feststellung der wirtschaftlichen und finanziellen Lage eines Unternehmens, der Forderungen und Verbindlich­ keiten sowie des Unternehmensergebnisses. Demgegenüber steht nach Art. 172 Abs. 1 VUK die Ermittlung des Vermögens, des Kapitals und des Unternehmensergebnisses zum Zwecke der Besteuerung im Vordergrund.

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen

239

stützend zum externen und internen Rechnungswesen eingesetzt wird. Im Vergleich

dazu nehmen die anderen Teilbereiche (Planungsrechnung, Betriebsstatistik und Anlagenrechnung) bei dieser Betrachtung eine nur untergeordnete Rolle ein.

5.3.2.2 Beurteilung des Einheitskontenrahmens

An dieser Stelle sind die Auswirkungen des seit dem 01.01.1994870 verbindlichen

Einheitskontenrahmens auf den Ablauf und die Gestaltung des internen Rechnungs­ wesens zu untersuchen. Der größte Teil der 501 antwortenden Unternehmen stuft den Einheitskontenrahmen aus Gründen der übersichtlichen Gestaltung und der Ver­ einfachung als vorwiegend nützlich ein. Insgesamt äußern 188 der antwortenden Unternehmen die Meinung, der Einheitskontenrahmen diene der Übersichtlichkeit.

Von 70 Unternehmen wird die Ansicht vertreten, daß der Einheitskontenrahmen eine

Vereinfachung darstellt. Die Verteilung der einzelnen Nennungen zeigt Abbildung 25.

Abb. 25: Beurteilung des Einheitskontenrahmens

870

Dieses Gesetz wurde am 26.12.1992 mit Wirkung zum 01.01.1994 beschlossen. Vgl. hierzu ausfühlich Akdogan/Sevilengül [Muhasebe Sistemi 1995], S.1ff., und Ülker [Rechnungslegung 1997], S.145.

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen

24Q.

Weitere 84 der antwortenden Unternehmen geben an, daß sie den Einheitskonten-

rahmen zwar für nützlich halten, dieser jedoch zu kompliziert aufgebaut sei. Ferner sind hier die Unternehmen zu nennen, die den Einheitskontenrahmen als

hinderlich beurteilen. Als Gründe für die Ablehnung des Einheitskontenrahmens wurden neben der Kompliziertheit und Unübersichtlichkeit dessen Umfang sowie die

fehlende Betriebs- und Praxisnähe genannt. 5.3.3 Antworten zum Einsatz der Kostenrechnung und Kostenrechnungs­ systeme

Im folgenden beschäftigen wir uns mit den empirisch gewonnenen Informationen über den Einsatz der Kostenrechnung und der Kostenrechnungssysteme in

türkischen Unternehmen. Diesen Informationen kommt im Rahmen unserer Arbeit

eine besondere Bedeutung zu. Ausgehend von der Fragestellung nach der Existenz der Kostenrechnung in den antwortenden Unternehmen untersuchen wir darüber

hinaus auch die Gründe für den Verzicht auf eine Kostenrechnung, bevor dann die

Rahmenbedingungen der Kostenrechnung spezifiziert werden. Im Anschluß daran erfolgt eine Analyse der verschiedenen Zwecke und Teilbereiche der Kostenrech­

nung. Den Untersuchungsschwerpunkt dieses Abschnitts bilden die eingesetzten Voll- und Teilkostenrechnungssysteme in der unternehmerischen Praxis. Abschließend unter­ suchen wir die Verwendung der durch die Kostenrechnung bereitgestellten Informa­

tionen. An dieser Stelle ist noch einmal darauf hinzuweisen, daß bei der Darstellung der Antworten zur Kostenrechnung von 361 Unternehmen ausgegangen wird. Hierbei

handelt es sich um die nach Anwendung der Plausibilitätsregeln verbleibenden

Unternehmen.871

871

Vgl. ausführlich zu den Plausibilitätsregeln Abschnitt 5.2.1.3.

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen

241

5.3.3.1 Antworten zum Verzicht auf die Kostenrechnung In einem ersten Schritt ist zunächst zu klären, ob in den befragten Unternehmen

grundsätzlich eine Kostenrechnung eingesetzt wird. Die Beantwortung dieser Frage ist von existenzieller Bedeutung für die weitere Auswertung des Fragebogens, da

sich bei einer Verneinung dieser Frage die Beantwortung der folgenden Fragen zum

größten Teil erübrigt.

Abbildung 26 zeigt, daß mit 28% überraschend wenige der antwortenden Unter­ nehmen eine Kostenrechnung detailliert oder nur ansatzweise durchführen, während

72% der antwortenden Unternehmen zum Zeitpunkt der Befragung auf den Einsatz einer Kostenrechnung verzichten.872

Im Gegensatz zu unseren empirischen Ergebnissen weisen die in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführten Untersuchungen in bezug auf den Einsatz der Kostenrechnung deutliche Differenzen auf. So konnte Becker für den Großraum Stuttgart feststellen, daß 80,2% der von ihm untersuchten Unternehmen eine Kostenrechnung einsetzen. Vgl. hierzu Becker [Kostenrechnung 1984], S.82. In einer von Kind für den Großraum Niedersachsen durchge­ führten Untersuchung kommt die Kostenrechnung sogar bei 90,4% der Unternehmen zum Einsatz. Vgl. hierzu Kind [Rechnungswesen 1986], S.29. Dies gilt ebenfalls für die empirische Erhebung von Hauer, nach der 97% der von ihm in den Regierungsbezirken Mittelfranken, Niederbayern, Oberbayern und Oberpfalz berücksichtigten Unternehmen eine Kostenrechnung einsetzen. Vgl. hierzu Hauer [Entscheidungsrechnung 1994], S.26. Nach einer Untersuchung von Schmitt-Eisleben, die sich auf die westdeutsche Wirtschaft bezieht, setzen sogar 99,06% der Unternehmen eine Kostenrechnung ein. Vgl. hierzu Schmitt-Eisleben [Internes Rechnungswesen 1994], S.37. Weiterhin ist auch die im Großraum Baden-Württemberg durchgeführte empirische Studie von Lange/Schauer zu erwähnen, bei der in 90,8% der Unternehmen eine Kostenrechnung zum Einsatz kommt. Vgl. hierzu Lange/Schauer [Kostenrechnung 1996], S.7. Ähnliche Ergebnisse finden sich auch in früheren Untersuchungen. Vgl. hierzu ausführlich Kamp [Managementlücken 1977], S.59f., Wurm [Kostenrechnungssysteme 1978], S.71, IHK Koblenz [Mittelstand 1981], S.64 u. A.188. Grundsätzlich zeigen diese Ergebnisse, daß die Kostenrechnung in deutschen Unternehmen wesentlich stärker verbreitet ist als in türkischen Unternehmen. Es ist an dieser Stelle aber auch darauf hinzuweisen, daß die hier aufgeführten empirischen Erhebungen sich überwiegend auf Mittelunternehmen beschränken. Dadurch ist ein Vergleich nur in sehr eingeschränktem Maße möglich. Dieser Aspekt soll zu einem späteren Zeitpunkt unserer Arbeit weiter vertieft werden.

242.

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen

In diesem Zusammenhang wollen wir uns mit den Gründen für den Verzicht auf eine Kostenrechnung beschäftigen. Die hieraus ableitbaren Informationen geben ent­

scheidende Hinweise zu den Einstellungen der Unternehmen bezüglich der Kosten­ rechnung und liefern damit wesentliche Erkenntnisse für die später zu erarbeitenden

Handlungsempfehlungen. Die einzelnen Begründungen der Unternehmen für den Verzicht auf eine Kosten­

rechnung werden in Abbildung 27 dargestellt. Bei der Anzahl der Nennungen ist zu berücksichtigen, daß Mehrfachnennungen möglich waren.

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen

243

Abb. 27: Gründe für den Verzicht auf eine Kostenrechnung

Zunächst stellen wir fest, daß mit 166 Nennungen der größte Teil der antwortenden Unternehmen den Verzicht auf die Kostenrechnung mit der ausreichenden Informa­

tionsgrundlage der Finanzbuchhaltung begründet. Dies bestätigt unsere Vermutung,

daß der wesentliche Grund für den Nichteinsatz einer Kostenrechnung in einer Über­ bewertung der von der Finanzbuchhaltung bereitgestellten Daten liegt. Der zweit­

häufigste Grund (129 Nennungen) für die Nichtexistenz der Kostenrechnung ist der Mangel an ausreichend qualifiziertem Personal. Ein weiterer häufig genannter Grund

(100 Nennungen) besteht darin, daß nach Meinung der Unternehmen auch ohne den Einsatz der Kostenrechnung die Überschaubarkeit und Steuerbarkeit gewähr­

leistet werden kann. Ferner begründet ein Teil der Unternehmen (87 Nennungen) den Verzicht auf die Kostenrechnung damit, daß das Kosten-Nutzen-Verhältnis zu

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen

244

gering sei. Nur wenige der antwortenden Unternehmen (21 Nennungen) geben an, daß sie eine Einführung der Kostenrechnung beabsichtigen.873 Zusammenfassend können wir festhalten, daß der größte Teil der antwortenden Unternehmen auf den Einsatz einer Kostenrechnung verzichtet. Die hierfür angege­

benen Gründe sind vielfältig und unterschiedlich stark ausgeprägt. Der Teil der ant­

wortenden Unternehmen, die keine Kostenrechnung einsetzen, verwenden finanzbuchhalterische Informationen zur Steuerung bzw. sind der Überzeugung, daß das

Unternehmen soweit überschaubar ist, daß eine explizite Kostenrechnung als

Steuerungsinstrument der Unternehmensführung nicht notwendig ist. Weiterhin ist

darauf hinzuweisen, daß ein Mangel an qualifiziertem Fachpersonal in der Türkei

besteht. Positiv ist hervorzuheben, daß 21 Unternehmen die Einführung einer Kostenrechnung planen.

5.3.3.2 Rahmenbedingungen der Kostenrechnung Es ist zweckmäßig, auf die Merkmale einzugehen, die im Zusammenhang mit der

konkreten Gestaltung der Kostenrechnung in der unternehmerischen Praxis stehen. Die ermittelten Antworten sollen Informationen über den Einsatzzeitraum der Kosten­

rechnung, den zeitlichen Planungshorizont, die Integration der Kostenrechnung in das Unternehmen sowie über die Unterstützung durch EDV-Systeme bei der Durch­ führung der Kostenrechnung liefern.

Abbildung 28 zeigt, daß 62% der 100 antwortenden Unternehmen seit zehn oder mehr Jahren über eine Kostenrechnung verfügen. Die Häufigkeiten der Nennungen über die anderen Zeitdimensionen sind nahezu gleichverteilt. Nur acht der antwor­

tenden Unternehmen, die eine Kostenrechnung einsetzen, geben an, daß diese bei ihnen erst vor weniger als zwei Jahren eingeführt worden ist.

Insbesondere bei denjenigen Unternehmen, die eine Kostenrechnung seit zehn oder mehr Jahren verwenden, kann davon ausgegangen werden, daß sie Erfahrungen im

Ähnliche Ergebnisse finden sich auch bei den in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführten empirischen Untersuchungen. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, daß der Mangel an qualifiziertem Fachpersonal für die deutschen Unternehmen keinen Grund für den Nichteinsatz einer Kostenrechnung darstellt. Vgl. hierzu ausführlich Becker [Kostenrechnung 1984], S.84, Kind [Rechnungswesen 1986], S.29, und Hauer [Entscheidungsrechnung 1994], S.26.

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen________________________ _ ___________24$

Umgang mit dem Konzept der Kostenrechnung haben und, im Gegensatz zu anderen Unternehmen, über entsprechend qualifiziertes Personal verfügen. Im Gegensatz dazu gehen wir bei denjenigen Unternehmen, die eine Kostenrechnung

erst seit weniger als zwei Jahren einsetzen, davon aus, daß diese Unternehmen aufgrund der Schwierigkeiten in der Implementierungsphase noch nicht über ent­ sprechende Erkenntnisse und Erfahrungen im Umgang mit der Kostenrechnung

verfügen.

Einsatzzeitraum der Kostenrechnung

Abb. 28: Einsatzzeitraum der Kostenrechnung Die Befragung nach dem Planungshorizont ergab, daß der größte Teil (98%) der

antwortenden Unternehmen, die eine Kostenrechnung einsetzen, einen Planungs­ horizont von einem Monat zugrundelegt. Die zeitlichen Rahmenbedingungen für eine effiziente Durchführung der Kostenrechnung sind bei diesen Unternehmen somit

gegeben. Dieser Aspekt gewinnt vor allem aufgrund der in der Türkei vorherr­ schenden hohen Inflationsrate an Bedeutung. Lediglich 2% der Unternehmen führen

ihre Kostenrechnung vierteljährlich durch, wie aus Abbildung 29 ersichtlich wird. In

246

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen

keinem der antwortenden Unternehmen wird ein Planungshorizont von einem halben oder einem ganzen Jahr zugrunde gelegt.

Abb. 29: Planungshorizont der Kostenrechnung Im Hinblick auf die Integration der Kostenrechnung in die Unternehmen stellen wir

fest, daß 72% der Unternehmen, die eine Kostenrechnung einsetzen, diese im Rah­ men des externen Rechnungswesens durchführen.

Abb. 30: Integration der Kostenrechnung in das Unternehmen

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen

247

Weiterhin veranschaulicht Abbildung 30, daß nur 28% der Unternehmen die Kosten­ rechnung in Form einer eigenständigen Betriebsbuchhaltung durchführen. Die Ver­

teilung der Antworten über die beiden Merkmale spiegelt die in der Türkei vor allem im betriebswirtschaftlichen Schrifttum vorherrschende monistische Auffassung874

wider.

Eine weitere Rahmenbedingung, die im Zusammenhang mit der Durchführung der Kostenrechnung steht, ist der Einsatz von EDV-Systemen. Abbildung 31 gibt Aus­

kunft über die Inanspruchnahme von elektronischen Datenverarbeitungssystemen bei der Durchführung der Kostenrechnung.

Nahezu alle antwortenden Unternehmen (95%) führen die Kostenrechnung EDV-

gestützt durch.875 Lediglich 5% der Unternehmen, die eine Kostenrechnung ein­

Vgl. hierzu Hatipoglu/Gürsoy [Yönetim 1979], S.9, Kaval [Maliyetleme Yöntemleri 1986], S.15, Büyükmirza [Yönetim Muhasebesi 1995], S.14, und Kücüksavas [Muhasebe 1997], S.2f.

Dieses Ergebnis verdeutlicht bestehende Diskrepanzen zu den bisher in der Türkei durchge­ führten empirischen Erhebungen. Im Rahmen der Untersuchung von Gecikligün konnte fest­ gestellt werden, daß der Anteil der Unternehmen, die ein EDV-System einsetzen, 18,5% betrug. In einer von Ersoy durchgeführten Erhebung zeigt sich, daß lediglich 30% der Unternehmen EDV-Systeme einsetzen. Die Abweichungen sind unserer Meinung nach vor allem darauf zurück­ zuführen, daß die Unternehmen im Laufe der Zeit die Vorteile des Einsatzes eines EDVSystemes insbesondere im Hinblick auf eine Entlastung bei der Informationsbereitstellung er­ kannt haben. An dieser Stelle ist allerdings auch darauf hinzuweisen, daß diese Untersuchungen im Bereich des externen Rechnungswesen, und hier speziell in bezug auf Kontenrahmen, durch­ geführt worden sind. Vgl. hierzu Gecikligün [Muhasebe 1982], und Ersoy [Maliyet Arastirmasi 1990],

248

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen

setzen, verzichten auf den unterstützenden Einsatz von EDV-Systemen. Somit kann festgestellt werden, daß die überwiegende Mehrheit der antwortenden Unter­

nehmen die mit dem Einsatz von EDV-Systemen verbundenen Vorteile erkannt hat. So sind diese Unternehmen in der Lage, benötigte Informationen ständig zu

aktualisieren und das Personal von Routineaufgaben zu entlasten. Gleichzeitig ermöglichen es der rasante technische Fortschritt im Bereich der Informations- und

Kommunikationstechnologie und die damit verbundenen geringeren Anschaffungs­ kosten nicht nur großen, sondern auch kleinen und mittleren Unternehmen, EDV-

Systeme wirtschaftlich zu nutzen.

Die Frage nach der Verwendung von EDV-Systemen liefert jedoch keine Infor­ mationen darüber, ob dies in Form anspruchsvoller betriebswirtschaftlicher Anwen­

dungsprogramme oder durch Nutzung von Standardsoftware erfolgt.

5.3.3.3 Zwecke der Kostenrechnung

Die Bedeutung der Kostenrechnung im betriebswirtschaftlichen Schrifttum und in der unternehmerischen Praxis wird besonders durch die Einschätzung der von den Unternehmen verfolgten Zwecke ersichtlich. Im Hinblick auf die Frage nach dem

Zweck der Kostenrechnung zeigt sich eine Übereinstimmung in dem hohen Gewicht der Preiskalkulation und der Bestandsbewertung für bilanzielle Zwecke.

Wie Abbildung 32 weiterhin zeigt, wird die Verwendung der Kostenrechnung zur Kostenkontrolle, -analyse und -prognose zwar als bedeutsam angesehen, die einzelnen Kostenrechnungszwecke weisen aber gegenüber der Preiskalkulation und

Bilanzierung eine deutlich geringere Häufigkeit auf. 55 Unternehmen verwenden die

Kostenrechnung u.a. zum Zwecke der Kostenkontrolle, 44 Unternehmen setzen die Kostenrechnung zur Kostenanalyse ein und 42 Unternehmen verfolgen mit dem Einsatz der Kostenrechnung den Zweck der Kostenprognose.

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen

242

Abb. 32: Zwecke der Kostenrechnung Aus den vorangegangenen Ausführungen bleibt festzuhalten, daß im Rahmen der Kostenrechnungszwecke sowohl der Preiskalkulation als auch der Bilanzierung ein

besonders hoher Stellenwert zukommt.876 In bezug auf diese Fragestellung ist zu berücksichtigen, daß Mehrfachnennungen möglich waren. Ergänzend zu den Zwecken der Kostenrechnung wurden die Unternehmen nach den

Gründen gefragt, die ihrer Meinung nach die Durchführung einer Kostenkontrolle rechtfertigen.

Auch in der Bundesrepublik Deutschland wurden im Zusammenhang mit Erhebungen bezüglich der Kostenrechnung Fragen zu den Kostenrechnungszwecken gestellt. Diese Ergebisse sind jedoch aufgrund der unterschiedlich vorgegebenen Antwortmöglichkeiten nur begrenzt vergleich­ bar. Unabhängig von den konkreten Fragestellungen wird aber in nahezu allen Untersuchungen der Preiskalkulation und der Kosten- bzw. Wirtschaftlichkeitskontrolle ein hohes Gewicht beige­ messen. Vgl. Horväth et al. [Planung 1978], S.20, Küpper [Kosteninformationen 1983], S.172, Becker [Kostenrechnung 1984], S.187, Kind [Rechnungswesen 1986], S.58, und Lange/Schauer [Kostenrechnung 1996], S.42. Eine direkte Vergleichbarkeit unserer empirischen Erhebung besteht lediglich mit der Untersuchung von Küpper, der mit der Preiskalkulation, der Kosten­ kontrolle, der Kostenprognose und der Kostenanalyse allerdings nur vier Kostenrechnungs­ zwecke berücksichtigt. Als zentrale Kostenrechnungszwecke werden in dieser Untersuchung die Kostenkontrolle (96,35%) und die Preiskalkulation (90,51%) genannt. Die Kostenprognose ist mit 61,31% und die Kostenanalyse mit 78,83% vertreten.

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen

250

Abb. 33: Gründe für die Durchführung einer Kostenkontrolle Abbildung 33 veranschaulicht, daß die Unternehmen die Kostenkontrolle in erster

Linie zur Ermittlung der Kostenabweichungen und zur Feststellung der Produkt­

erfolge einsetzen. Insgesamt führen 50 Unternehmen eine Kostenkontrolle zur Über­

wachung der Produkterfolge durch, während 48 Unternehmen mit Hilfe der Kosten­ kontrolle die Kostenabweichungen zu ermitteln versuchen. Ein weiterer Grund für die Durchführung einer Kostenkontrolle liegt in der Kontrolle einzelner Geschäfts­ bereiche. Auf diese Begründung stellen 33 Unternehmen ab. Ferner geben 31 Unter­

nehmen an, daß sie die Kostenkontrolle zur Erkennung von Prognosefehlern

einsetzen. Von den 100 antwortenden Unternehmen, die eine Kostenrechnung einsetzen,

verzichten 35 Unternehmen auf die Durchführung einer Kostenkontrolle. 5.3.3.4 Stufen der Kostenrechnung Als Teilbereiche bzw. Stufen der Kostenrechnung werden die Kostenartenrechnung,

die Kostenstellenrechnung und die Kostenträgerrechnung genannt, wobei die

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen___________________________________ 251

Kostenträgerrechnung in die Kostenträgerstückrechnung (Kalkulation) und in die

Kostenträgerzeitrechnung (kurzfristige Erfolgsrechnung) unterteilt wird. Die jeweilige Ausgestaltung dieser Teilbereiche bestimmt die im Unternehmen eingesetzte

Kostenrechnung. In diesem Zusammenhang gilt es, zunächst zu untersuchen, welcher der Teilbereiche in den einzelnen Unternehmen zum Einsatz kommt. Wir

gehen davon aus, daß grundsätzlich sämtliche Unternehmen, die eine Kostenrech­

nung einsetzen, auch über eine wie auch immer gestaltete Kostenartenrechnung als Grundlage für die anderen Teilbereiche verfügen.

Abb. 34: Teilbereiche der Kostenrechnung

Abbildung 34 zeigt, daß nahezu alle antwortenden Unternehmen (97%) sowohl eine

Kostenartenrechnung als auch eine Kostenstellenrechnung einsetzen. Eine Kosten­ trägerstückrechnung kommt ebenfalls bei der überwiegenden Zahl der antwortenden

Unternehmen (96%) zur Anwendung. Hingegen wird die Kostenträgerzeitrechnung

von weitaus weniger Unternehmen (48%) durchgeführt.877 Als Ergebnis dieses Abschnitts bleibt festzuhalten, daß die unternehmerische Praxis die Anforderungen,

In bezug auf den vergleichsweise geringeren Einsatz der Kostenträgerzeitrechnung vermuten wir, daß die kurzfristige Erfolgsrechnung von vielen Unternehmen nicht im internen Rechnungs­ wesen, sondern vielmehr innerhalb des externen Rechnungswesens durchgeführt wird.

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen

252_

die an die Ausgestaltung der Kostenrechnung aus theoretischer Sicht gestellt

werden, erfüllt.878

Ein zentraler Aspekt in Verbindung mit der Kostenartenrechnung besteht in der Frage nach der Kostenspaltung.879 Aus Abbildung 35 geht hervor, daß 85 der antwortenden Unternehmen eine Aufspaltung der Kostenarten in Einzel- und Gemeinkosten vornehmen.

Abb. 35: Kostenspaltung

Zu vergleichbaren Ergebnissen kommen auch aktuelle, im deutschsprachigen Raum durch­ geführte empirische Studien. So wird nach der Untersuchung von Hauer die Kostenarten­ rechnung zu 93,16%, die Kostenstellenrechnung zu 97,37% und die Kostentragerstückrechnung zu 89,47% verwendet. Die Kostenträgerzeitrechnung findet jedoch mit 83,68% deutlich mehr Berücksichtigung als in unserer Untersuchung. Vgl. hierzu Hauer [Entscheidungsrechnung 1994], S.31. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der empirischen Studie von Lange/Schauer. Hier wird die Kostenartenrechnung von 83,2%, die Kostenstellenrechnung von 88,8%, die Kostenträgerstück­ rechnung von 91,9% und die Kostenträgerzeitrechnung von 73,9% der Unternehmen durchge­ führt. Vgl. hierzu Lange/Schauer [Kostenrechnung 1996], S.15ff. 879

Vgl. zu der Problematik der Kostenspaltung ausführlich Abschnitt 2.1.5.1.

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen

252

Eine weitere wichtige Einteilung der Kostenarten besteht in der Auflösung der Kosten in ihre fixen und variablen Bestandteile. Diese Kostenauflösung wird nur von 43 Unternehmen vorgenommen. Wir stellen fest, daß andere Formen der Klassifikation

von Kostenarten, so wie sie im betriebswirtschaftlichen Schrifttum verlangt werden, z.B. die Einteilung nach betrieblichen Funktionen oder nach der Art der verbrauchten

Produktionsfaktoren, in der betrieblichen Praxis offenbar nicht berücksichtigt werden. So wird in der Türkei eine Klassifikation der Kosten nach dem Kriterium der Art der

Kostenerfassung nicht berücksichtigt.880 Dies ist damit zu begründen, daß weder im

betriebswirtschaftlichen Schrifttum noch in der unternehmerischen Praxis eine Unter­ scheidung zwischen Aufwand und Kosten vorgenommen wird. Daraus folgt, daß die Zahlen aus der Finanzbuchhaltung mit denen der Kostenartenrechnung überein­

stimmen. Auch im Hinblick auf die später zu untersuchende Frage nach dem Einsatz der

mehrstufigen Deckungsbeitragsrechnung interessiert uns, inwieweit eine Aufspaltung des Fixkostenblocks von den Unternehmen vorgenommen wird.

Im Gegensatz zur türkischen Literatur wird im betriebswirtschaftlichen Schrifttum des deutsch­ sprachigen Raums nach der Art der Kostenerfassung allgemein zwischen kalkulatorischen und aufwandsgleichen Kosten unterschieden. Auch in der unternehmerischen Praxis in der Bundes­ republik Deutschland konnte durch zahlreiche empirische Studien eine hohe Relevanz der kalkulatorischen Kosten nachgewiesen werden. So berücksichtigen nach einer Untersuchung von Becker 75,1% der Unternehmen kalkulatorische Kosten. Vgl. hierzu ausführlich Becker [Kostenrechung 1984], S.104. Demgegenüber finden die kalkulatorischen Kosten gemäß der Untersuchung von Hauer bei 88,33% der Unternehmen Berücksichtigung. Vgl. hierzu Hauer [Entscheidungsrechnung 1994], S.32. Vgl. ausführlich zu weiteren Ergebnissen bezüglich der Berücksichtigung kalkulatorischer Kosten IHK Koblenz [Mittelstand 1981], S.66, und A.194, Kind [Rechnungswesen 1986], S.42, und Lange/Schauer [Kostenrechnung 1996], S.17. Diese Unterscheidung ist in der Türkei jedoch aus den bereits angesprochenen Gründen nicht relevant.

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen

254

Abb. 36: Fixkostenspaltung

Hierbei können wir feststellen, daß 47% der Unternehmen eine Fixkostenspaltung

vornehmen und somit in der Lage sind, eine mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung einzusetzen.

Wie Abbildung 36 weiterhin zeigt, verzichten hingegen 53% der Unternehmen auf

eine Differenzierung der fixen Kosten.881 Aufbauend auf den Ergebnissen der Kostenartenrechnung soll im folgenden der Einsatz der Kostenstellenrechnung untersucht werden. Im Vordergrund steht dabei

die Durchführung der innerbetrieblichen Leistungsverrechnung.

An dieser Stelle ist zu erwähnen, daß die Angaben bezüglich der Kostenauflösung in fixe und variable Kosten sowie die Angaben hinsichtlich der Aufspaltung des Fixkostenblocks wider­ sprüchlich sind. Einerseits geben 47 Unternehmen an, daß sie eine Fixkostenspaltung durch­ führen, andererseits wird die dazu erforderliche Auflösung in variable und fixe Kosten nur von 43 Unternehmen vorgenommen.

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen

255

Abb. 37: Verrechnung innerbetrieblicher Leistungen Abbildung 37 veranschaulicht, daß der Großteil der Unternehmen (85%) inner­

betriebliche Leistungen verrechnet. Allerdings geben auch 15% der Unternehmen an, daß sie keine innerbetriebliche Leistungsverrechnung durchführen.882

Weiterhin interessieren wir uns im Zusammenhang mit den Teilbereichen der Kostenrechnung insbesondere auch für die Kostenträgerstückrechnung. Im betriebs­ wirtschaftlichen Schrifttum werden für die Durchführung der Kostenträgerstückrech­ nung verschiedene Kalkulationsmethoden883 diskutiert. Im folgenden wird zwischen

der Divisions-, der Äquivalenzziffern- und der Zuschlagskalkulation unterschieden. Bei der Zuschlagskalkulation haben wir darüber hinaus die summarische und die

differenzierende

Zuschlagskalkulation

betrachtet.

Außerdem

konnten

die

Unternehmen auch andere Formen der Kalkulationsverfahren nennen. Vor dem Hintergrund,

daß

aufgrund

unterschiedlicher

Fertigungsverfahren

in

einem

Die Abweichung zwischen den Unternehmen, die eine Kostenstellenrechnung durchführen (97%) und den Unternehmen, die innerbetriebliche Leistungen verrechnen (85%), kann damit begründet werden, daß zum einen nicht nur Industrieunternehmen, sondern auch Dienstleistungsunter­ nehmen Gegenstand unserer Untersuchung sind. Zum anderen besteht nicht bei allen Industrie­ unternehmen die Notwendigkeit der Verrechnung innerbetrieblicher Leistungen.

Das jeweils anzuwendende Kalkulationsverfahren ist abhängig von den im Unternehmen eingesetzten Produktionsverfahren.

25^

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen

Industrieunternehmen gleichzeitig mehrere Kalkulationsmethoden zur Anwendung kommen können, wurde den Unternehmen bei dieser Fragestellung die Möglichkeit

der Mehrfachnennung eingeräumt.

Wie Abbildung 38 zeigt, dominiert im praktischen Einsatz der Kalkulationsmethoden

die traditionelle Divisionskalkulation. Insgesamt wird die Divisionskalkulation von 75 Unternehmen durchgeführt.

Die Äquivalenzziffernkalkulation, die eine Sonderform der Divisionskalkulation dar­ stellt, wird von 13 Unternehmen angewendet.

Die Zuschlagskalkulation wird von insgesamt 22 Unternehmen durchgeführt, wobei 16 Unternehmen eine summarische und sechs Unternehmen eine differenzierende

Zuschlagskalkulation vornehmen. Nur zwei der antwortenden Unternehmen, die über eine Kostenträgerstückrechnung verfügen, haben hinsichtlich der Kalkulationsver­ fahren keine Angaben gemacht.

Zusammenfassend stellen wir fest, daß die Divisionskalkulation das in türkischen

Unternehmen mit Abstand am häufigsten eingesetzte Kalkulationsverfahren darstellt.

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen

257

Eine weitere Gliederungsmöglichkeit der Kalkulation ist mit Hilfe des Merkmals des Kalkulationszeitpunktes möglich. Es ist dabei zwischen der Vorkalkulation, der Zwischenkalkulation und der Nachkalkulation zu unterscheiden. Diese Kalkulations­

formen lassen sich auf der Basis von Voll- oder Teilkosten durchführen. Da es sich

aus theoretischer Sicht empfiehlt, sowohl eine Vorkalkulation als auch eine Nach­ kalkulation in die Kostenrechnung einzubeziehen, bestand auch hier die Möglichkeit

der Mehrfachnennung.

Kalkulationsformen

Abb. 39: Kalkulationsformen Aus Abbildung 39 wird ersichtlich, daß die Mehrzahl der antwortenden Unter­

nehmen eine Nachkalkulation auf Vollkostenbasis durchführt. Insgesamt setzen 71 Unternehmen eine Nachkalkulation zu Vollkosten ein, während nur sechs Unterneh­

men die Nachkalkulation auf der Basis von Teilkosten verwenden. Die Vorkalkulation zu Vollkosten wird von 48 Unternehmen eingesetzt. Hingegen

wird die auf den Teilkosten basierende Vorkalkulation lediglich von drei Unterneh­ men durchgeführt.

258

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen

Die Zwischenkalkulation, die vor allem bei längeren Fertigungszeiten notwendig ist,

wird von neun Unternehmen angewendet. Auffallend ist in diesem Bereich die deutliche Dominanz der Nachkalkulation zu Vollkosten.

Als weitere Teildisziplin der Kostenrechnung ist im folgenden näher auf die Kosten­ trägerzeitrechnung einzugehen. Zu den maßgeblichen Bestimmungsfaktoren für die

Aussagefähigkeit der kurzfristigen Erfolgsrechnung gehören vor allem die zeitlichen Abstände ihrer Durchführung. Über die zeitliche Durchführung der kurzfristigen

Erfolgsrechnung gibt Abbildung 40 näheren Aufschluß.

Als Zeitintervalle wurden monatliche, vierteljährliche, halbjährliche und jährliche

Abstände gewählt. Diese Einteilung ist auch im betriebswirtschaftlichen Schrifttum und in der unternehmerischen Praxis üblich. 55 Unternehmen führen die kurzfristige Erfolgsrechnung in monatlichen Abständen durch. Die Anzahl der Unternehmen, die die kurzfristige Erfolgsrechnung vierteljährlich oder halbjährlich durchführen, ist sehr

gering. Nur bei zwei Unternehmen wird für die kurzfristige Erfolgsrechnung ein Zeit­ abstand von einem Jahr gewählt. Weiterhin geben 33 Unternehmen an, daß sie

keine kurzfristige Erfolgsrechnung durchführen.

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen________________________________

259

5.3.3.5 Systeme der Kostenrechnung Die Kostenrechnungssysteme sind neben der Kostenrechnung ein zentraler

Themenbereich im betriebswirtschaftlichen Schrifttum. Unsere Aufgabe ist es deshalb, zu überprüfen, welche Rechnungssysteme von den türkischen Unter­

nehmen tatsächlich eingesetzt werden. Im Zusammenhang mit dem Einsatz von Kostenrechnungssystemen interessiert uns insbesondere die Frage, ob die Unter­

nehmen neben den Vollkostenrechnungssystemen auch Teilkostenrechnungs­ systeme einsetzen. Wichtig erscheint uns auch, die Gründe für den Verzicht auf den

Einsatz eines Teilkostenrechnungssystems zu ermitteln. Zu berücksichtigen ist hier­ bei jedoch, daß die Bewertung der Antworten dadurch eingeschränkt wird, daß bei einer Vielzahl von Systembezeichnungen, wie Fixkostendeckungsrechnung und

Plankostenrechnung, ein unterschiedliches terminologisches Verständnis vorliegt.884 Diese Problematik wird insbesondere bei den unterschiedlichen Ausprägungen der

Plankostenrechnung deutlich. Sowohl im betriebswirtschaftlichen Schrifttum in der Türkei als auch in der betrieblichen Praxis in türkischen Unternehmen werden

beispielsweise in bezug auf die Plankostenrechnung viele unterschiedliche Termini verwendet.

Im folgenden wollen wir zunächst auf die Systeme der Vollkostenrechnung eingehen. Wie aus Abbildung 41 ersichtlich wird, setzen 99 von 100 Unternehmen, also nahezu alle Unternehmen, die Istkostenrechnung ein.

Daher wurde dieses Problem im Vorfeld der empirischen Erhebung mit namhaften Vertretern wirtschaftswissenschaftlicher Fakultäten wie etwa Prof. Dr. Akdogan, Prof. Dr. Büyükmirza und Prof. Dr. Kaval von der Gazi Universität Ankara sowie Prof. Dr. Bursal und Prof. Dr. Ercan von der Universität Istanbul und Vertretern türkischer Unternehmen diskutiert und bei der Struk­ turierung des Fragebogens berücksichtigt.

260

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen

Bei 13 Unternehmen kommt eine Normalkostenrechnung zur Anwendung. Die starre Normalkostenrechnung wird dabei von zehn Unternehmen eingesetzt. Weiter­ entwickelte Vollkostenrechnungssysteme, wie z.B. die starre und die flexible

Plankostenrechnung auf Vollkostenbasis, sind in den türkischen Unternehmen kaum verbreitet.

In einem weiteren Schritt wollen wir uns mit den Teilkostenrechnungssystemen beschäftigen. Im Vergleich zu den Vollkostenrechnungssystemen werden die Teil­

kostenrechnungssysteme von bedeutend weniger Unternehmen eingesetzt. Aus Abbildung 42 geht hervor, daß von den Verfahren der Teilkostenrechnung die Deckungsbeitragsrechnung mit 13 Nennungen einen relativ hohen Anteil erreicht.

Die einstufige Deckungsbeitragsrechnung wird dabei von zwölf Unternehmen und

die mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung nur von einem Unternehmen eingesetzt.

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen

Wie Abbildung 42 weiterhin zeigt, wird die Grenzplankostenrechnung ebenfalls nur von einem einzigen Unternehmen verwendet. Sonstige Teilkostenrechnungs ­

systeme, die im Rahmen dieser Fragestellung angeführt werden konnten, wurden von den antwortenden Unternehmen nicht genannt. Hervorzuheben ist jedoch, daß 86 Unternehmen auf den Einsatz eines Teilkostenrechnungssystems verzichten.885

Im Vergleich mit den in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführten empirischen Unter­ suchungen sind hier erhebliche Diskrepanzen feststellbar. Diese Unterschiede sind zum einen darauf zurückzuführen, daß im Rahmen der Vollkostenrechnungssysteme die Plankostenrech­ nung wesentlich weiter verbreitet ist Zum anderen finden die Teilkostenrechnungssysteme, und hier vor allem die Grenzplankostenrechnung und die mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung, in der unternehmerischen Praxis der Bundesrepublik Deutschland eine erheblich größere Beachtung. So setzen nach einer Untersuchung von Wurm 66,18% eine Vollkostenrechnung und 16,18% der Unternehmen lediglich eine Teilkostenrechnung ein. Weiterhin verwenden 17,64% der von ihm untersuchten Unternehmen parallel eine Voll- und Teilkostenrechnung. Vgl. hierzu Wurm [Kostenrechnungssysteme 1978], S.70. Nach einer Untersuchung von Marner kommt die Vollkostenrechnung bei 12,5%, die Teilkostenrechnung bei 62,5% und die Kombination von Vollund Teilkostenrechnung bei 25% der Unternehmen zum Einsatz. Vgl. hierzu Marner [Rechnungswesen 1980], S.142. Ein anderes Bild zeigt die Untersuchung von Küpper, nach der 138 von 297 Nennungen (46,46%) auf die Systeme der Vollkostenrechnung, 107 Nennungen (36,03%) auf die Teilkostenrechnungssysteme und 52 Nennungen (17,51%) auf eine

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen

Bezugnehmend auf diese Feststellung sollen daher im folgenden die Gründe für den Verzicht auf den Einsatz dieser Kostenrechnungssysteme analysiert werden. Diese

Verzichtsgründe geben Aufschluß über die Vorbehalte der Unternehmen gegenüber den Teilkostenrechnungssystemen und weisen auf die von den Unternehmen

erwarteten Schwierigkeiten und Probleme bei der Einführung und Durchführung dieser Kostenrechnungssysteme hin. Aus den Verzichtsgründen können daher wichtige

Erkenntnisse

für

Handlungsempfehlungen

abgeleitet

werden.

Wie

Abbildung 43 veranschaulicht, werden Teilkostenrechnungssysteme von türkischen

Unternehmen weder aus betriebswirtschaftlicher noch aus gesetzlicher Sicht als notwendig angesehen.

Kombination von Voll- und Teilkostenrechnungssystem entfallen. Von besonderem Interesse ist dabei auch die Verteilung der Nennungen auf die einzelnen Ausprägungen der Voll- und Teilkostenrechnungssysteme. Hiernach setzen 71 von 135 Unternehmen (52,59%) die Istkostenrechnung, 23 von 135 Unternehmen (17,04%) die Normalkostenrechnung, 34 von 135 Unternehmen (25,19%) die Standardkostenrechnung, 10 von 135 Unternehmen (7,41%) die Prognosekostenrechnung, 13 von 135 Unternehmen (9,63%) das Direct Costing, 54 von 135 (40%) die mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung, 24 von 135 Unternehmen (17,78%) die Grenzplankostenrechnung, 16 von 135 Unternehmen (11,85%) die Fixkostendeckungsrechnung und 52 von 135 Unternehmen (38,52%) eine differenzierte Vollkostenrechnung ein. Vgl. hierzu Küpper [Kostenrechnungsinformationen 1983], S.171. Dieses Ergebnis wird auch durch eine weitere Untersuchung von Küpper/Hoffmann bestätigt, bei der die Vollkostenrechnungssysteme mit 51,69% und die Teilkostenrechnungssysteme mit 48,31% vertreten sind. Dabei entfallen 43,7% auf die Istkostenrechnung, 20,2% auf die starre Plankostenrechnung, 36,6% auf die flexible Plankostenrechnung, 11,5% auf das einstufige Direct Costing, 33,9% auf das mehrstufige Direct Costing, 30,1% auf die Einzelkosten- und Deckungsbeitragsrechnung und 18,6% auf die Grenzplankostenrechnung. Vgl. hierzu ausführlich Küpper/Hoffmann [Entwicklungstendenzen 1988], S.591. Von großem Interesse sind an dieser Stelle auch neuere Untersuchungen auf dem Gebiet der Kostenrechnung. Hier ist vor allem Hauer zu nennen, nach dessen Untersuchung 166 von 311 Nennungen (53,38%) auf die Vollkostenrechnungssysteme, 87 Nennungen auf die Teilkostenrechnungssysteme (27,97%) und 52 Nennungen (16,72%) auf die kombinierte Form von Voll- und Teilkostenrechnung entfallen. Die Prozeßkostenrechnung als neuere Entwicklung in der Kostenrechnung wird nach dieser Untersuchung von 6 Unternehmen (1,93%) verwendet. Vgl. hierzu ausführlich Hauer [Entscheidungsrechnung 1994], S.28. Vgl. ausführlich zu weiteren Ergebnissen empirischer Untersuchungen bezüglich des Einsatzes von Kostenrechnungs­ systemen Marner [Rechnungswesen 1980], S.142, Frost/Meyer [Kostenrechnungssysteme 1981], S.214, Wied-Nebbeling [Preisverhalten 1985], S.198 (Anhang C), Schehl [Industrieunternehmen 1994], S.258, und Schmitt-Eisleben [Internes Rechnungswesen 1994], S.37 ff.

In diesem Zusammenhang ist allerdings auch auf die beschränkte Vergleichbarkeit dieser Ergebnisse untereinander und in bezug auf unsere Untersuchung hinzuweisen. Als ein zentraler Aspekt ist hier die Anwendung unterschiedlicher Systembezeichnungen zu nennen. Weiterhin ist auch zu berücksichtigen, daß sich einige Untersuchungen nur auf ausgewählte Regionen beziehen. Somit liegt eine räumliche Beschränkung der angesprochenen Untersuchungen vor. Schließlich ist auch mit dem Zeitaspekt eine weitere Beschränkung in die Auswertung einzu­ beziehen. So kann im Zeitablauf grundsätzlich eine zunehmende Bedeutung der Teilkosten­ rechnung festgestellt werden.

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen

263

Abb. 43: Gründe für den Verzicht auf eine Teilkostenrechnung Insgesamt halten 55 der antwortenden Unternehmen den Einsatz eines Teilkosten­ rechnungssystems für nicht notwendig. 40 Unternehmen sind der Meinung, daß es

keine gesetzliche Notwendigkeit gibt, Teilkostenrechnungssysteme einzusetzen. Des

weiteren begründen die Unternehmen den Verzicht mit den Schwierigkeiten bei der

praktischen

Umsetzung der Teilkostenrechnungssysteme.

Dabei werden

die

Systeme der Teilkostenrechnung von 17 Unternehmen als zu kompliziert und von vier Unternehmen als zu aufwendig eingestuft. Weitere zwölf Unternehmen geben an, daß ihnen die Verfahren der Teilkostenrechnung unbekannt sind.

Die nur geringe Verbreitung der Teilkostenrechnungssysteme wird ferner dadurch verdeutlicht, daß nur sehr wenige der antwortenden Unternehmen bei der Ermittlung

der Preisuntergrenzen auf Teilkosten zurückgreifen. Wie Abbildung 44 zeigt,

ermitteln lediglich vier Unternehmen ihre Preisuntergrenzen auf der Basis von Teil­ kosten.

264

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen

Demgegenüber stellen 66 Unternehmen bei der Ermittlung der Preisuntergrenzen

auf Vollkosten ab. Diese Zahlenangabe unterstützt ebenfalls die bisher festgestellte Dominanz der Vollkostenrechnung. Des weiteren geben 30 Unternehmen an, daß

sie ihre Preisuntergrenzen kostenunabhängig festlegen. Zusammenfassend stellen wir fest, daß die auf Vollkosten basierenden Kostenrech­ nungssysteme in der unternehmerischen Praxis der Türkei weit verbreitet sind. Dabei

ist allerdings eine deutliche Dominanz der mit erheblichen Nachteilen behafteten Ist­ kostenrechnung festzustellen. Die Plankostenrechnung zu Vollkosten wird hingegen kaum angewendet. Im Vergleich zu den Vollkostenrechnungssystemen stellen wir für

die Teilkostenrechnungssysteme fest, daß diese in den türkischen Unternehmen keine Verbreitung finden. Die am weitesten verbreitete Form der Teilkostenrechnung

stellt dabei die einstufige Deckungsbeitragsrechnung dar. Das modernste Verfahren der Teilkostenrechnung, die Grenzplankostenrechnung, wird trotz seiner Vorteile und seiner Verbreitung im deutschsprachigen Raum in der unternehmerischen Praxis der

Türkei so gut wie nicht eingesetzt. Auch moderne Kostenrechnungssysteme, wie die

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen

2S5

Prozeßkostenrechnung, werden von den von uns untersuchten Unternehmen nicht

angewendet.886 5.3.3.6 Informationsverwendung

Die Informationsfunktion ist eine der wesentlichen Funktionen der Kostenrechnung. Die Bereitstellung der Informationen steht in einer engen Beziehung zu den Aufgaben der Kostenrechnung. Dabei kann zwischen Informationen für Planungs-,

Kontroll- und Dokumentationsaufgaben unterschieden werden. Es wird gefordert, daß sich die Informationsbereitstellung sowohl an dem objektiven als auch an dem subjektiven Informationsbedarf innerhalb der Unternehmen orientiert. Die folgende

Abbildung zeigt, wie die Kosteninformationen für verschiedene Kostenrechnungs­ aufgaben in türkischen Unternehmen verwendet werden. Hierbei ist zu berück­

sichtigen, daß bei dieser Fragestellung die Möglichkeit einer Mehrfachnennung gegeben war, da die Kosteninformationen in vielen Unternehmen für die Erfüllung verschiedener Kostenrechnungsaufgaben gleichzeitig benötigt werden.

Abb. 45: Kostenrechnungsinformationen

Dies ist nicht zuletzt auch darauf zurückzuführen, daß die Prozeßkostenrechnung im betriebs­ wirtschaftlichen Schrifttum der Türkei bisher wenig Beachtung gefunden hat

266

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen

Die von der Kostenrechnung bereitgestellten Informationen setzen 89 von 100 Unter­

nehmen für Preiskalkulationen ein. Des weiteren legen 47 Unternehmen die ihnen

gelieferten Informationen den „make-or-buy“-Entscheidungen zugrunde. Jeweils 44 Unternehmen verwenden die Informationen der Kostenrechnung für die Ermittlung

von kurzfristigen Preisuntergrenzen bzw. für Investitionsentscheidungen. Ferner

geben 38 Unternehmen an, daß sie die Informationen aus der Kostenrechnung zur Optimierung des Produktionsprogramms benötigen. Eine Planung von Produktions­

prozessen mit Hilfe von Informationen aus der Kostenrechnung wird von 16 Unter­

nehmen genannt. Insgesamt verzichten sechs Unternehmen auf die Verwendung von Informationen aus der Kostenrechnung. Abschließend ist festzustellen, daß die Informationen aus der Kostenrechnung vor allem im Rahmen der Preiskalkulation verwendet werden. Dies ist ein Indiz für die

von uns bereits festgestellte hohe Relevanz der Preiskalkulation als Zweck der Kostenrechnung.

5.3.3.7 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse

Im Anschluß an die Darstellung der Einzelantworten sollen nun die wichtigsten Ergebnisse aus diesem Abschnitt der Untersuchung zusammengefaßt werden.

In bezug auf die Branchenzugehörigkeit der untersuchten Unternehmen haben wir

festgestellt, daß der größte Teil der antwortenden Unternehmen dem Industriesektor

zuzuordnen ist. Die Unternehmen des Dienstleistungssektors nehmen hingegen nur eine untergeordnete Rolle ein. Bei den Industrieunternehmen kommt den Unter­ nehmen der metallverarbeitenden und der chemischen Industrie die größte Bedeu­

tung zu. Im Rahmen der Unternehmensform zeigt sich hinsichtlich der Eigentumsverhältnisse

eine deutliche Dominanz der privaten Unternehmen. Öffentliche Unternehmen sowie Mischformen aus staatlicher und privater Beteiligung sind nur unterdurchschnittlich häufig vertreten. Der überwiegende Teil der antwortenden Unternehmen wird dabei in der Rechtsform der Kapitalgesellschaft geführt.

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen

267

Bei der Unternehmensgröße ist im Hinblick auf die Beschäftigtengrößenklassen ein deutliches Übergewicht derjenigen Unternehmen festzustellen, die weniger als 50

Arbeitnehmer beschäftigen. Nach dem Kriterium des Jahresumsatzes sind dem­

gegenüber diejenigen Unternehmen überrepräsentiert, die mehr als 500 Mrd. TL er­

zielen. Unter Berücksichtigung dieser beiden Kriterien haben wir 214 von 501 Unter­ nehmen (42,71%) den Groß-, 180 Unternehmen (35,93%) den Mittel- und 107 Unter­ nehmen (21,36%) den Kleinunternehmen zugeordnet. Bezugnehmend auf die Fragestellungen zum Einsatz der Kostenrechnung konnten wir herausarbeiten, daß von den 361 Unternehmen, die nach Prüfung der Plausi­ bilitätsregeln verblieben sind, 28% eine Kostenrechnung einsetzen. Die Unterneh­ men, die hingegen auf eine Kostenrechnung verzichten, führen als wesentliche Gründe an, daß die aus der Finanzbuchhaltung gewonnenen Informationen als

Grundlage für Unternehmensentscheidungen ausreichen würden und/oder es an qualifiziertem Fachpersonal mangele.

Bei den Rahmenbedingungen der Kostenrechnung zeigte sich, daß der größte Teil der Unternehmen, die über eine Kostenrechnung verfügen, diese seit mehr als zehn

Jahren einsetzen. Zudem wird die Kostenrechnung bei den meisten Unternehmen monatlich durchgeführt. Die Erfassung und Verarbeitung der Daten aus der Kosten­ rechnung erfolgt bei fast allen Unternehmen mit Hilfe von EDV-Systemen. Im

Zusammenhang mit den Rahmenbedingungen der Kostenrechnung ist jedoch kritisch hervorzuheben, daß nahezu drei Viertel der Unternehmen die Kostenrech­ nung als Bestandteil der Finanzbuchhaltung ansehen.

In der unternehmerischen Praxis der Türkei dominieren die Kostenrechnungszwecke

der Preiskalkulation und der Bilanzierung. Dagegen werden die Zwecke der Kosten­ kontrolle, -analyse und -prognose von deutlich weniger Unternehmen verfolgt.

Bei nahezu allen Unternehmen umfaßt die Kostenrechnung die drei Teilbereiche der Kostenarten-, der Kostenstellen- und der Kostenträgerstückrechnung. Die Kosten­

trägerzeitrechnung wird hingegen nur bei knapp der Hälfte dieser Unternehmen

angewendet.

268

Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen

Bezüglich der Kalkulationsmethoden wird hauptsächlich die Divisionskalkulation eingesetzt. Erstaunlich ist die verhältnismäßig geringe Verbreitung der Zuschlags­ kalkulation. Im Hinblick auf die Kalkulationsformen liegt eine Dominanz der Nach­ kalkulation zu Vollkosten vor. Die Vorkalkulation zu Vollkosten wird demgegenüber nur von etwa der Hälfte der Unternehmen durchgeführt. Die auf Teilkosten basie­

renden Kalkulationsformen finden bei den meisten Unternehmen keine Beachtung.

Im Rahmen der Kostenträgerzeitrechnung wird der monatlichen Durchführung der Erfolgsrechnung eine hohe Bedeutung beigemessen. Hinsichtlich des Einsatzes der Kostenrechnungssystemen in der unternehmerischen

Praxis der Türkei konnten wir feststeilen, daß hier die Vollkostenrechnung nach wie

vor eine zentrale Funktion einnimmt. In diesem Zusammenhang ist vor allem auf die

überwältigende Dominanz der Istkostenrechnung hinzuweisen. Weitere auf Voll­ kosten basierende Kostenrechnungssysteme, wie die Normal- oder Plankostenrech­

nung, finden bei den türkischen Unternehmen kaum Beachtung. Dies gilt grundsätz­ lich auch für die Teilkostenrechnungssysteme. Hier sind lediglich die Unternehmen hervorzuheben, die eine einstufige Deckungsbeitragsrechnung einsetzen. Neuere Verfahren der Kostenrechnung, wie die Prozeßkostenrechnung, werden nicht

berücksichtigt.

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

269

6 Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung Nachdem wir im vorangegangenen Teil die Zielsetzung und die Grundlagen sowie

die Einzelantworten unserer empirischen Untersuchung dargestellt haben, wollen wir in einem nächsten Schritt auf die Typisierung eingesetzter Kostenrechnung und

Kostenrechnungssysteme in türkischen Unternehmen eingehen. Aufbauend auf den von uns vorgenommenen Typisierungen sind in einem ersten Schritt die wichtigsten Einflußgrößen auf die Gestaltung der Kostenrechnung und der

Kostenrechnungssysteme zu diskutieren. Dies stellt die zentrale Aufgabe unserer

empirischen Untersuchung dar. Darüber hinaus werden in diesem Zusammenhang

die Interdependenzen zwischen den einzelnen Einflußgrößen auf die Kosten­ rechnung und die Kostenrechnungssysteme in türkischen Unternehmen einer einge­ henden Untersuchung unterzogen.

6.1 Typisierung der eingesetzten Kostenrechnung und der Kosten­ rechnungssysteme in türkischen Unternehmen Gegenstand der folgenden Ausführungen ist die Typisierung der eingesetzten

Kostenrechnung und der Kostenrechnungssysteme in türkischen Unternehmen.

Die Typologie erscheint uns neben der Klassifikation als geeignete wissenschaftliche Methode887, um den Inhalt und Umfang unserer empirischen Untersuchungsergeb­

nisse zu verdichten und somit transparenter zu gestalten. Dabei gehen wir bei der Bildung der verschiedenen Typen von der Reihenfolge einer

aus betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten abnehmenden Relevanz der Kriterien aus.

Unsere Untersuchungen konzentrieren sich auf die Teilbereiche der Kosten­ rechnung, die Klassifikationen von Kostenarten, die beobachteten Einsatzformen der

An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, daß eine eindeutige Abgrenzung zwischen den Termini „Typologie“ und „Klassifikation“ im betriebswirtschaftlichen Schrifttum nicht vorgenommen wird. Von einigen Autoren werden diese Begriffe sogar synonym verwendet Für unsere Untersuchung ist es allerdings nicht erforderlich, auf diese Problematik weiter einzugehen. Vgl. hierzu ausführlich Knoblich [Warentypologie 1969], S.24ff., Große-Oetringhaus [Fertigungstypologie 1974], S.46ff., Kaluza [Entscheidungsprozesse 1979], S.36f., und Wyss [Marktforschung 1991], S.391f.

270

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

Kalkulation, die eingesetzten Kalkulationsverfahren sowie die verwendeten Kosten­

rechnungssysteme. Wichtig erscheint uns hierbei, einige ausgewählte Kombina­ tionen zwischen den einzelnen Typisierungen herauszuarbeiten. 6.1.1 Teilbereiche der Kostenrechnung

Im folgenden wollen wir die Interdependenzen zwischen den einzelnen Teilbereichen der Kostenrechnung herausarbeiten. Diese Aufgabe erscheint uns im Hinblick auf

die Wirksamkeit der Kostenrechnung von besonderer Bedeutung. Eine Kostenrech­ nung kann nur dann als geeignet angesehen werden, wenn sie die Aufgaben der einzelnen Kostenrechnungsstufen optimal erfüllt.

Die

traditionelle

Kostenrechnung

wird

in

die

Teilbereiche

Kostenarten-,

Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung unterteilt.888 Die Kostenartenrechnung bildet die erste Stufe der Kostenrechnung. Sie ist somit die

Ausgangsbasis für die weiteren Teilgebiete der Kostenrechnung. Die Kostenstellen­ rechnung stellt das Bindeglied zwischen der Kostenarten- und der Kostenträger­ rechnung dar. Als letzte Stufe der Kostenrechnung ist die Kostenträgerrechnung zu nennen. Sie umfaßt die Kostenträgerstückrechnung, häufig auch als Kalkulation

bezeichnet, und die Kostenträgerzeitrechnung, auch kurzfristige Erfolgsrechnung genannt.

Unter Berücksichtigung der Teilbereiche der Kostenrechnung wollen wir nun eine Typenbildung vornehmen. Unsere Untersuchungen haben ergeben, daß 49 der

antwortenden Unternehmen sämtliche Teilbereiche der Kostenrechnung einsetzen. Wie Tabelle 8 zeigt, werden diese Unternehmen dem Typ Ai zugeordnet. Aus

theoretischer Sicht entspricht der Typ A-j den idealtypischen Vorstellungen im Hin­

blick auf einen effektiven und effizienten Einsatz der Kostenrechnung.889

Vgl. hierzu ausführlich Abschnitt 2.1.4. Dabei konnten wir feststellen, daß vier von diesen Unternehmen zwar alle Teilbereiche der Kostenrechnung einsetzen, aber auf die Durchführung einer innerbetrieblichen Leistungs­ verrechnung verzichten. Der Verzicht auf die Durchführung einer innerbetrieblichen Leistungs­ verrechnung kann unserer Meinung nach damit begründet werden, daß der Anteil dieser Leistungen am gesamten Güterverzehr so gering ist, daß der durch die Erfassung entstehende Aufwand in keinem ökonomisch sinnvollen Verhältnis zu dem entsprechenden Nutzen steht.

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

271

Typen

Ai

Bi

Ci

Kostenartenrechnung







Kostenstellenrechnung







Kostenträgerstückrechnung





Kostenträgerzeitrechnung



Stufen der Kostenrechnung

Anzahl der Nennungen

49

36

12

Tab. 8: Teilbereiche der Kostenrechnung

Als Typ B! bezeichnen wir all diejenigen Unternehmen, die zwar eine Kostenarten-, eine Kostenstellen- und eine Kostenträgerstückrechnung einsetzen, auf eine Kosten­

trägerzeitrechnung allerdings verzichten. Der Verzicht auf die Durchführung einer Kostenträgerzeitrechnung kann darauf zurückgeführt werden, daß weder im betriebswirtschaftlichen Schrifttum noch in der unternehmerischen Praxis in der

Türkei kalkulatorische Kosten berücksichtigt werden. Es ist deshalb bereits hier

kritisch die Frage zu stellen, ob die Unternehmen, die zuvor angegeben haben, daß sie eine kurzfristige Erfolgsrechnung durchführen, überhaupt über eine Kostenträger­ zeitrechnung im traditionellen Sinne verfügen. Wir vermuten, daß die antwortenden

türkischen Unternehmen unter dem Terminus „kurzfristige Erfolgsrechnung“ die Aktivitäten im Rahmen der Finanzbuchhaltung subsumieren. Dabei ist es vorstellbar,

daß die Unternehmen, um dem Kriterium der „Kurzfristigkeit“ gerecht zu werden,

diese finanzbuchhalterischen Aktivitäten nicht nur jährlich, sondern vierteljährlich oder sogar monatlich durchführen.890

Weiterhin zeigt Tabelle 8, daß zwölf Unternehmen zwar über eine Kostenarten- und Kostenstellenrechnung, nicht aber über eine Kostenträgerrechnung verfügen. Diese Unternehmen wollen wir im folgenden unter dem Typ Ci zusammenfassen. Gründe

890

In Abschnitt 2.1.4.3.2 haben wir bereits darauf verwiesen, daß die Unterscheidung zwischen Gesamt- und Umsatzkostenverfahren im türkischen Schrifttum nicht behandelt wird.

2J2.

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

für den Verzicht auf eine Kostenträgerrechnung sind nur sehr schwer zu finden, da insbesondere der Kalkulation im Rahmen der Kostenrechnung eine zentrale

Funktion zukommt. Die Informationen über einzelne Kostenarten- und/oder Kosten­ stellen haben, isoliert betrachtet, nur einen geringen Aussagewert. Nur wenn die auf

die einzelnen Produkte bezogenen Kosten regelmäßig ermittelt werden, können die Informationen aus den beiden vorgelagerten Stufen der Kostenrechnung sinnvoll

genutzt werden.

Im Rahmen der von uns vorgenommenen Typenbildung konnten insgesamt vier Unternehmen nicht berücksichtigt werden, da diese Unternehmen nur einzelne Elemente der Kostenrechnung einsetzen. Aus theoretischer Sicht erscheint uns aber

weder der isolierte Einsatz dieser Elemente noch die Kombinationen zwischen diesen eingesetzten Stufen der Kostenrechnung als plausibel. Als Beispiel sind hier zwei Unternehmen zu nennen, die lediglich eine Kostenträgerstückrechnung

einsetzen, gleichzeitig aber auf den Einsatz von Kostenarten- und Kostenstellen­ rechnung verzichten.

Zusammenfassend ist festzuhalten, daß bei 85% der antwortenden türkischen Unternehmen die drei Teilbereiche der traditionellen Kostenrechnung, wenn auch

mehr oder weniger stark ausgeprägt, Berücksichtigung finden.

6.1.2 Ausgewählte Klassifikationen von Kostenarten

Die Aussagefähigkeit der Kostenartenrechnung ist vor allem von einer zweck­ mäßigen Einteilung der Kostenarten abhängig. Im Zusammenhang mit der Typisie­ rung ausgewählter Klassifikationen von Kostenarten beschäftigen wir uns insbeson­

dere auch mit der Frage, inwieweit diese Einteilungen den verschiedenen Kosten­

rechnungssystemen gerecht werden.

Im Rahmen unserer Erhebung geben 28 der antwortenden Unternehmen an, daß sie sowohl eine Einteilung der Kosten in Einzel- und Gemeinkosten als auch eine

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

273

Einteilung in fixe und variable Kosten vornehmen.891 Wie Tabelle 9 zeigt, werden diese Unternehmen dem Typ A2 zugeordnet.

Typen Ä2

b2

Einzel- und Gemeinkosten





Fixe und Variable Kosten



Anzahl der Unternehmen

28

c2

Kostenspaltung

• 57

15

Tab. 9: Ausgewählte Klassifikationen von Kostenarten

Aus unserer Sicht erfüllen diese türkischen Unternehmen alle Voraussetzungen für

eine fortschrittliche Kostenrechnung892. So besteht bei diesen Unternehmen die Möglichkeit, nicht nur sämtliche Kalkulationsverfahren einzusetzen, sondern gleich­

zeitig werden hier auch die Rahmenbedingungen für den Einsatz eines Voll-

und/oder Teilkostenrechnungssystems geschaffen. Als Typ B2 bezeichnen wir die Unternehmen, die eine Gliederung der Kostenarten in

Einzel- und Gemeinkosten vornehmen. Diesem Typ sind 57 der antwortenden Unter­

nehmen zuzuordnen.893 Es ist hier kritisch anzumerken, daß es diesen Unternehmen

Von diesen 28 Unternehmen führen 19 Unternehmen zusätzlich eine Spaltung des Fixkosten­ blocks durch. Die anderen neun Unternehmen geben an, daß sie sowohl eine Differenzierung in Einzel- und Gemeinkosten als auch in fixe und variable Kosten vornehmen. Eine Fixkosten­ spaltung wird allerdings nicht durchgeführt. Diese Unternehmen können abgesehen von der mehrstufigen Deckungsbeitragsrechnung alle in der empirischen Erhebung berücksichtigten Kostenrechnungssysteme einsetzen. Die mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung würde zusätz­ lich eine Aufspaltung des Fixkostenblockes voraussetzen.

Die Formulierung „fortschrittliche Kostenrechnung“ ist in bezug auf die in türkischen Unter­ nehmen anzutreffenden Kostenrechnungssysteme zu verstehen. Hierbei gelten insbesondere die verschiedenen Ausprägungen der Plankostenrechnung als fortschrittliche Kostenrechnungs­ systeme. Dabei geben 21 Unternehmen an, daß sie sowohl eine Aufteilung in Einzel- und Gemeinkosten als auch eine Fixkostenspaltung vornehmen, jedoch nicht zwischen fixen und variablen Kosten differenzieren. Wir beurteilen die Klassifikation, so wie sie von den 21 der antwortenden Unter­ nehmen vorgenommen wird, als wenig plausibel, da eine Fixkostenspaltung eine vorherige Ermittlung der fixen Kosten voraussetzt. Gründe für den Verzicht auf eine Trennung zwischen fixen und variablen Kosten bei gleichzeitiger Fixkostenspaltung sind anhand der vorliegenden Antworten nicht zu ermitteln.

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

2Z4

aufgrund der von ihnen vorgenommenen Kostenartenteilung nicht möglich ist, ein Teilkostenrechnungssystem einzusetzen. Tabelle 9 zeigt weiterhin, daß 15 Unternehmen eine Differenzierung der Kosten­

arten in fixe und variable Kosten vornehmen. Diese Unternehmen haben wir zum Typ C2 zusammengefaßt.

Ein Verzicht auf eine derartige Differenzierung ist aus kostenrechnerischer Sicht nur dann vertretbar, wenn der Anteil der Gemeinkosten an dem gesamten Kostenblock relativ gering ist. Zusätzlich müßten die Produkte eine völlig homogene Struktur aufweisen und von der Höhe identische Gemeinkosten verursachen. Wir gehen

jedoch davon aus, daß derart einfache Prozeß- und Produktionsstrukturen in den

untersuchten türkischen Unternehmen nicht gegeben sind.

Wir können an dieser Stelle festhalten, daß nur 28 der antwortenden Unternehmen aufgrund der Aufspaltung in fixe und variable Kosten sowie Einzel- und

Gemeinkosten in der Lage sind, ein fortschrittliches Kostenrechnungssystem, wie z.B. die Grenzplankostenrechnung, einzusetzen.

6.1.3 Beobachtete Einsatzformen der Kalkulation

Bei der Kalkulation ist zunächst nach dem Kalkulationszeitpunkt zwischen der Vor-,

der Zwischen- und der Nachkalkulation zu unterscheiden. Zudem ist mit Hilfe des Merkmals „Umfang der kalkulierten Kosten“ zwischen der Vollkostenkalkulation und

der Teilkostenkalkulation zu trennen.894

894

Hierbei ist zu berücksichtigen, daß die Zwischenkalkulation üblicherweise auf Vollkostenbasis durchgeführt wird.

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

275

Typen

A3

b3









c3

Kalkulationsmethoden

Vorkalkulation zu Vollkosten

und/oder Vorkalkulation zu Teilkosten Zwischenkalkulation zu Vollkosten

Nachkalkulation zu Vollkosten und/oder





Nachkalkulation zu Teil kosten Anzahl der Unternehmen

23

27

50

Tab. 10: Beobachtete Einsatzformen der Kalkulation

Aus der Kombination dieser Merkmale haben wir drei Typen eingesetzter Kalkulationsformen gebildet. Wie Tabelle 10 zeigt, setzen 23 Unternehmen die Vor­

kalkulation zu Voll- und/oder Teilkosten, die Zwischenkalkulation sowie die Nach­

kalkulation zu Voll- und/oder Teilkosten ein. Diese Unternehmen, die dem Typ A3

zugeordnet werden, können die ihnen zur Verfügung stehenden Informationen

zunächst für die Zwecke der Angebotskalkulation und/oder Bewertung von unfertigen und fertigen Erzeugnissen nutzen. Eine zusätzliche Berücksichtigung der vor­ liegenden Teilkosteninformationen bietet diesen Unternehmen die Möglichkeit, die Entwicklung der für sie relevanten Kosten zu überprüfen. Eine Zwischenkalkulation

ist meist nur dann notwendig, wenn eine lange Produktionsdauer, z.B. beim

Anlagenbau, vorausgesetzt werden kann, so daß zwischenzeitliche Gegenüber­ stellungen zu bilanziellen und dispositiven Zwecken erforderlich werden. Das Erfor­

dernis einer Zwischenkalkulation ist in Abhängigkeit von der Branchenzugehörigkeit der antwortenden Unternehmen zu sehen. Als typische Beispiele für Unternehmen,

die üblicherweise eine Zwischenkalkulation durchführen, sind Maschinen- und

276

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

Anlagen-, Schiffs- sowie Flugzeugbauunternehmen zu nennen.895 Die Durchführung

einer Nachkalkulation zu Voll- und/oder Teilkosten bietet den Unternehmen die Mög­ lichkeit, eine Gegenüberstellung von Soll- und Istgrößen und damit eine wirksame

Kostenkontrolle vornehmen zu können.

Weiterhin sind die 27 Unternehmen zu nennen, die eine Vorkalkulation zu Vollkosten und/oder eine Vorkalkulation zu Teilkosten und eine Zwischenkalkulation einsetzen.

Diese Unternehmen werden als Typ B3 bezeichnet. Wir vermuten, daß der Grund für den Verzicht auf die Nachkalkulation darin gesehen werden kann, daß die Unter­

nehmen vor allem eine Vorkalkulation zum Zwecke der Angebotskalkulation durch­

führen, um dem Kunden den voraussichtlichen Preis vor der Auftragserteilung nennen zu können. Die Vorkalkulation zeichnet sich dadurch aus, daß sie zeitlich

gesehen vor dem Prozeß der Leistungserstellung liegt. Zudem ist sie dadurch gekennzeichnet, daß sie die Kosten mit Normal- oder Sollsätzen bewertet und somit

mit geplanten Größen arbeitet. Die Anwendung der Vorkalkulation zu Voll- und/oder Teilkosten in Verbindung mit einer Zwischenkalkulation ist allerdings für Kontroll­

zwecke ungeeignet, da auf die Ermittlung der Istdaten durch die Nachkalkulation und

die sich anschließende Gegenüberstellung von Soll- und Istgrößen verzichtet wird. Des weiteren geben 50 Unternehmen an, daß sie lediglich eine Nachkalkulation zu Voll- und/oder Teilkosten durchführen. Diese Unternehmen werden unter dem Typ

C3 zusammengefaßt. In bezug auf diese Vorgehensweise ist kritisch zu beurteilen, daß nur Istgrößen ermittelt werden können. Aufgrund der Tatsache, daß hierbei

keine Vorkalkulation durchgeführt wurde, kann auch die Einhaltung der Mengen-,

Wert- und Zeitvorgaben nicht überprüft werden. Bei den Unternehmen, die eine Nachkalkulation nur zu Vollkosten durchführen,896 vermuten wir, daß dies zu

An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, daß im Rahmen unserer empirischen Untersuchung Unternehmen aus den Bereichen Schiffs- und Flugzeugbau aufgrund ihrer deutlichen Unter­ repräsentanz nicht berücksichtigt werden konnten. Auch den Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus kommt hierbei nur eine geringe Bedeutung zu. Vgl. hierzu ausführlich Abschnitt 5.3.1.1.

Hierbei handelt es sich um 47 Unternehmen. Lediglich zwei Unternehmen führen eine Nach­ kalkulation sowohl zu Voll- als auch zu Teilkosten durch, ein Unternehmen setzt nur die Nach­ kalkulation zu Teilkosten ein.

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

277

bilanziellen Zwecken geschieht. In diesem Zusammenhang ist insbesondere auf die Bewertung von Halb- und Fertigfabrikaten hinzuweisen. 6.1.4 Eingesetzte Kalkulationsverfahren

Wir haben bereits früher hinsichtlich der traditionellen

Kalkulationsverfahren

zwischen der Divisions-, der Äquivalenz- und der Zuschlagskalkulation unter­ schieden.897 Die Zuschlagskalkulation ist weiterhin in summarische und differenzie­ rende Zuschlagskalkulation zu unterteilen.

Im folgenden soll im Zusammenhang mit der Typisierung eingesetzter Kalkula­ tionsverfahren insbesondere auch auf die Interdependenzen zwischen den verschie­

denen Kalkulationsverfahren eingegangen werden.

Wie aus Tabelle 11 hervorgeht, setzen insgesamt sieben Unternehmen sowohl die Divisionskalkulation oder die Äquivalenzziffernkalkulation als auch die summarische oder die differenzierende Zuschlagskalkulation ein. Diese Unternehmen werden

unter dem Typ Ä4 zusammengefaßt.

_

Typen

A4

b4

C4

Kalkulationsverfahren

Divisionskalkulation und/oder





Äquivalenzziffernkalkulation Summarische Zuschlagskalkulation

und/oder Differenzierende Zuschlagskalkulation





Anzahl der Unternehmen

7

15

76

Tab.11: Eingesetzte Kalkulationsverfahren

897

Vgl. hierzu ausführlich Kap. 5.3.3.4. Die Kuppelkalkulation haben wir hierbei nicht explizit berücksichtigt, da ihr Stellenwert sowohl in dem betriebswirtschaftlichen Schrifttum als auch in der unternehmerischen Praxis der Türkei sehr gering ist.

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

278

Hinsichtlich des kombinierten Einsatzes von Divisions- und Zuschlagskalkulation liegt

die Vermutung nahe, daß das Produktionsverfahren grundsätzlich an der Massen­ fertigung ausgerichtet ist, zudem aber auch Produkte aufgrund ihrer unterschied­ lichen Leistungsstruktur in Form einer Einzel- oder Serienfertigung hergestellt

werden. Während bei der Divisionskalkulation der gesamte Betriebsbereich als

Bezugsobjekt zugrunde gelegt wird, muß bei der Kalkulation der in Einzel- oder Serienfertigung hergestellten Produkte der einzelne Auftrag oder die einzelne Serie berücksichtigt werden. Dies wird durch die Zuschlagskalkulation gewährleistet.

Weiterhin werden dem Typ A4 auch die Unternehmen zugeordnet, die die Äquiva­ lenzziffernkalkulation und die differenzierende Zuschlagskalkulation in kombinierter Form durchführen. Ein Grund für die gemeinsame Anwendung dieser Kalkulations­

verfahren kann darin gesehen werden, daß das Produktionsprogramm zwar einer­

seits durch einen mehrstufigen Produktionsablauf gekennzeichnet ist, daß auf der anderen Seite aber einige Produkte aufgrund der Tatsache, daß sie in ihrer Art von den anderen Produkten stark abweichen, nicht über die Äquivalenzziffernkalkulation

verrechnet werden können. Der weitaus größte Teil der antwortenden Unternehmen setzt nur eines der beschriebenen Kalkulationsverfahren ein. Die Unternehmen, die eine summarische

und/oder eine differenzierende Zuschlagskalkulation einsetzen, werden dabei dem

Typ B4 zugeordnet. Hierzu zählen insgesamt 15 Unternehmen. Die Zuschlagskalku­ lation kommt üblicherweise bei Unternehmen mit Einzel- und/oder Serienfertigung

zur Anwendung. Diese Unternehmen sind also durch einen geringen Grad an Über­

einstimmung zwischen den Produkten gekennzeichnet. An dieser Stelle ist allerdings kritisch anzumerken, daß der größte Teil der türkischen Unternehmen angibt, einerseits eine Einzel- und/oder Serienfertigung durchzuführen,898 andererseits aber

nur wenige Unternehmen die hierzu erforderliche summarische oder differenzierende Zuschlagskalkulation anwenden.

Demgegenüber werden die 76 Unternehmen, die jeweils eine Divisions- und/oder

eine Äquivalenzziffernkalkulation durchführen, als Typ C4 bezeichnet. Für die

898

Vgl. ausführlich zu den empirischen Ergebnissen bezüglich der angewandten Kalkulations­ verfahren Abschnitt 5.3.3.4.

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

279

Produkte, die in Massenfertigung hergestellt werden, empfiehlt sich das Verfahren der Divisionskalkulation, während für die im Rahmen der Sortenfertigung herge­ stellten Produkte die Äquivalenzziffernkalkulation zu empfehlen ist. Darüber hinaus

geben einige Unternehmen an, daß sie sowohl die Divisions- als auch die

Äquivalenzziffernkalkulation einsetzen. Dies kann darauf zurückgeführt werden, daß

das Produktionsprogramm dieser Unternehmen aus heterogenen Produktions­ teilbereichen besteht. Das ist dann der Fall, wenn das Unternehmen sowohl

Produkte in Form einer Massenfertigung als auch Produkte in Form einer Sorten­ fertigung herstellt. Weiterhin ist zu berücksichtigen, daß im Zusammenhang mit dieser Antwort das Problem einer begrifflichen Abgrenzung vorliegen könnte, da im

Schrifttum der Äquivalenzziffernkalkulation auch die Divisionskalkulation im weiteren Sinne zugeordnet wird.

Zusammenfassend können wir festhalten, daß die Divisions- und/oder die Äquiva­ lenzziffernkalkulation, also der Typ C4, in der unternehmerischen Praxis der Türkei am weitesten verbreitet ist. 6.1.5 Typisierung der Ausgestaltungsformen der eingesetzten Kosten­ rechnung

Ausgehend von der im vorangegangenen Kapitel vorgenommenen Typisierung

wollen wir uns in einem weiteren Schritt mit den Ausgestaltungsformen der Kosten­ rechnung beschäftigen. Wir konzentrieren uns hierbei auf die eingesetzten

Kombinationen der Teilgebiete, der ausgewählten Kostenarten, der Kalkulations­

methoden und der Kalkulationsverfahren der Kostenrechnung. Eine Typisierung

erscheint uns vor allem aufgrund der Vielzahl von Merkmalsausprägungen erforderlich. Wir haben uns deshalb auf bestimmte, aus unserer Sichtweise relevante Merkmale beschränkt. An dieser Stelle soll eine kumulierte Typisierung der zuvor

gebildeten Typen aus den vorangegangenen Kapiteln899 erfolgen und für die

abschließende Herausarbeitung der Interdependenzen zugrundegelegt werden. Dabei haben wir eine Informationsverdichtung vorgenommen, welche die Unter­

899

Vgl. hierzu ausführlich Abschnitt 6.1.1 bis 6.1.4.

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

280

suchung im weiteren Verlauf transparenter gestalten soll und auch in den folgenden Untersuchungspunkten Eingang findet Bei der Kostenauflösung haben wir zwischen Einzel- und Gemeinkosten sowie fixen und variablen Kosten unterschieden. Im Rahmen der Teilgebiete der Kosten­

rechnung richtet sich die Zuordnung zu den einzelnen Typen nach dem Umfang der eingesetzten

Teilgebiete.

Hierbei

unterscheiden

wir zwischen

Kostenarten-,

Kostenstellen-, Kostenträgerstück- und Kostenträgerzeitrechnung. Weiterhin wurde in bezug auf die Kalkulationsmethoden einerseits zwischen der Vorkalkulation zu Vollkosten bzw. zu Teilkosten oder Zwischenkalkulation zu Vollkosten und anderer­

seits zwischen der Nachkalkulation zu Vollkosten oder Teilkosten differenziert. Im

Zusammenhang mit den Kalkulationsverfahren wurden von uns die Divisionskalku­ lation und die Äquivalenzziffernkalkulation sowie die summarische und die differen­

zierende Zuschlagskalkulation zu Typisierungsmerkmalen zusammengefaßt. Die einzelnen Typisierungsmerkmale sowie die auf diesen Merkmalen basierenden Typisierungen werden in Tabelle 12 dargestellt.

Tab. 12: Typisierung der Ausgestaltungsform der eingesetzten Kostenrechnung

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

Die von uns vorgenommene Typisierung basiert auf theoretischen Überlegungen. Hierbei wird eine Abstufung von einer idealtypischen Ausgestaltung der Kosten­

rechnung (Typ A) bis hin zu einer Kostenrechnung, die gerade die Mindestanfor­ derungskriterien hinsichtlich einer zweckmäßigen Durchführung der Kostenrechnung

erfüllt (Typ C), vorgenommen. Unsere Zielsetzung besteht darin, Interdependenzen zwischen den ausgewählten Typen aufzuzeigen, um auf diese Weise Rückschlüsse auf die Gestaltung der Kostenrechnung in türkischen Unternehmen ziehen zu können. Diese Typen der eingesetzten Kostenrechnung nehmen eine zentrale

Position bei der weiteren Analyse unserer empirischen Ergebnisse, insbesondere hinsichtlich der verschiedenen Einflußgrößen der Kostenrechnung, ein.

6.1.6 Typisierung der eingesetzten Kostenrechnungssysteme Die folgenden Ausführungen beschäftigen sich mit der Typisierung eingesetzter

Kostenrechnungssysteme und bilden einen zentralen Aspekt im Rahmen unserer empirischen Analyse. In diesem Zusammenhang untersuchen wir insbesondere die

simultane Anwendung unterschiedlicher Kostenrechnungssysteme.

Die Einteilung der Kostenrechnungssysteme erfolgt mittels der beiden Kriterien „Sachumfang der verrechneten Kosten“ und „zeitliche Ausrichtung“. Nach dem

Sachumfang der verrechneten Kosten wird zwischen Voll- und Teilkostenrechnungs­ systemen unterschieden. Mit Hilfe des Gliederungsmerkmals „zeitliche Ausrichtung“ ergibt sich eine Einteilung in Ist-, Normal- und Plankostenrechnung. Für die Unternehmen besteht neben der isolierten Anwendung eines Kostenrech­

nungssystems auch die Möglichkeit, verschiedene Kostenrechnungssysteme gleich­

zeitig einzusetzen. Es ist nun eine Typisierung der in türkischen Unternehmen eingesetzten Kosten­

rechnungssysteme vorzunehmen. Wichtig erscheint uns hierbei, bei der Typisierung auch die Fortschrittlichkeit der Kostenrechnungssysteme zu beachten. Aufbauend auf diesen Merkmalen ergeben sich für uns vier verschiedene Typen eingesetzter

Kostenrechnungssysteme. Diese Typen sind in Tabelle 13 abgebildet.

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

282

Typen

a

b

c

d

S



81

Kostenrechnungssysteme

Istkostenrechnung

und/oder Starre Normalkostenrechnung

und/oder Flexible Normalkostenrechnung

Istkostenrechnung

und Starre Piankostenrechnung und/oder Flexible Plankostenrechnung Istkostenrechnung und Einstufige Deckungsbeitragsrechnung und/oder Mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung Istkostenrechnung und Grenzplankostenrechnung Anzahl der Unternehmen

5



13



1



1

13

5

81

100

Tab. 13: Eingesetzte Kostenrechnungssysteme Wie Tabelle 13 zeigt, setzt ein Unternehmen die Istkostenrechnung in Verbindung

mit der Grenzplankostenrechnung ein. Dieses Unternehmen wird dem Typ a zuge­

ordnet. Es ist als sehr fortschrittlich einzustufen, da die eingesetzte Kombination dieser Kostenrechnungssysteme unserer Meinung nach eine zufriedenstellende

Lösung aller Aufgaben der Kostenrechnung ermöglicht. Die Grenzplankostenrech­ nung wird im türkischen Schrifttum als ein sehr fortschrittliches Kostenrechnungs­

system bezeichnet.900 Dies darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß dieses

Kostenrechnungssystem trotz seiner Vorteile in der unternehmerischen Praxis der Türkei bisher kaum eingesetzt wird. Weiterhin werden die 13 Unternehmen, die die Istkostenrechnung mit der einstufigen und/oder der mehrstufigen Deckungsbeitragsrechnung einsetzen,

als Typ b

bezeichnet. Die Kombination dieser Kostenrechnungssysteme ist im Hinblick auf die Erfolgsanalyse und die Gewinnplanung besonders sinnvoll. Darüber hinaus werden

900

Vgl. hierzu Akdogan [Maliyet Muhasebesi 1990], S.45f., Bursal/Ercan [Maliyet Muhasebesi 1992], S.402, Hatiboglu [Maliyet Muhasebesi 1994], S.176f„ Ipci [Maliyet Muhasebesi 1994], S.371, Kartal [Maliyet Muhasebesi 1997], S.173, und Altug [Maliyet Muhasebesi 1999], S.312.

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

283

auch für alle übrigen unternehmerischen Entscheidungen, insbesondere für die kurzfristigen unternehmerischen Entscheidungen, wichtige Kosteninformationen zur Verfügung gestellt.

Außerdem sind diejenigen Unternehmen zu berücksichtigen, die neben der Istkostenrechnung die starre und/oder die flexible Plankostenrechnung einsetzen. Diese fünf Unternehmen werden dem Typ c zugeordnet. Die Begründung für die

Kombination der Istkostenrechnung mit einem System der Plankostenrechnung kann darin gesehen werden, daß eine reine Istkostenrechnung keine Plangrößen erfaßt

und somit für Planungs- und Kontrollzwecke ungeeignet erscheint. Zwar wird die

Istkostenrechnung im Schrifttum häufig als für die Nachkalkulation geeignet

bezeichnet, in bezug auf die Kontrollzwecke ist allerdings zu bemängeln, daß die alleinige Anwendung der Istkostenrechnung lediglich den Vergleich mit den Istkosten vergangener Perioden ermöglicht. Durch die Kombination der Istkostenrechnung mit einem auf Plangrößen basierenden Kostenrechnungssystem werden für bestimmte

Planungs- und Entscheidungsprobleme relevante Informationen zur Verfügung gestellt. Erst durch den Vergleich der Ist- mit den Sollgrößen wird eine wirkungsvolle Kostenkontrolle ermöglicht.

Der Typ d umfaßt solche Unternehmen, die ausschließlich traditionelle Vollkosten­ rechnungssysteme einsetzen. Hierzu zählen die Unternehmen, die die Istkosten­

rechnung und/oder die starre und/oder flexible Normalkostenrechnung einsetzen. Diesem Typ sind 81 der antwortenden Unternehmen zuzuordnen. Von den 81 Unternehmen setzen 70 Unternehmen nur die Istkostenrechnung ein. Weitere elf

Unternehmen kombinieren die Istkostenrechnung mit der starren und/oder der

flexiblen Normalkostenrechnung. Die kombinierte Anwendung dieser traditionellen Kostenrechnungssysteme führt besonders bei der innerbetrieblichen Leistungs­ verrechnung zu Vereinfachungen, da nun nicht mehr für jede Abrechnungsperiode neue Istkostensätze ermittelt werden müssen. Vielmehr kann bei der innerbetrieb­ lichen Leistungsverrechnung auf die Normalkostensätze zurückgegriffen werden, die

meist für einen längeren Zeitraum konstant bleiben. Für die Kostenkontrolle liefert

die zusätzliche Berücksichtigung von Normalkosten aber keine zusätzlichen Informa­ tionen, da auch die Normalkosten aus Vergangenheitsgrößen resultieren.

254

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

Als Ergebnis dieses Abschnitts bleibt festzuhalten, daß die theoretischen Erkennt­ nisse bezüglich der Vorteilhaftigkeit von Kostenrechnungssystemen in der unterneh­

merischen Praxis der Türkei bisher nur von sehr wenigen Unternehmen berück­

sichtigt werden. Es ist hervorzuheben, daß 70% der antwortenden Unternehmen nach wie vor - nur die Istkosten rech nung in isolierter Form einsetzen und damit auf

die Vorteile fortschrittlicher Kostenrechnungssysteme verzichten.

6.2 Einflußgrößen auf den Einsatz und die Gestaltung der Kosten­ rechnung und der Kostenrechnungssysteme in türkischen Unternehmen Eine zentrale Aufgabe unserer empirischen Untersuchung ist es, die bedeutendsten

Einflußgrößen der Kostenrechnung und der Kostenrechnungssysteme in türkischen Unternehmen herauszuarbeiten und zu systematisieren. Die Erfüllung dieser Ziel­

setzung verlangt eine eingehende Analyse der vorliegenden Rahmenbedingungen,

die über eine reine Deskription empirischer Erscheinungsformen hinausgehen muß. Abbildung 46 soll unsere Vorgehensweise bei den folgenden Ausführungen

verdeutlichen.

Abb. 46: Vorgehensweise zur Analyse der Auswirkungen der Einflußgrößen auf Einsatz und Gestaltung der Kostenrechnung und der Kostenrechnungssysteme

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

285

In diesem Zusammenhang wollen wir untersuchen, inwieweit der Einsatz und die

Gestaltung der Kostenrechnung und der Kostenrechnungssysteme von bestimmten Determinanten abhängig sind.901 Dabei ist darauf hinzuweisen, daß die Unter­

nehmen und damit auch die in diesen Unternehmen eingesetzte Kostenrechnung

durch eine Vielzahl externer und interner Kontextfaktoren beeinflußt werden. Im Rahmen unserer empirischen Untersuchung haben wir mit der Unternehmensgröße,

der Branchenzugehörigkeit, den Unternehmensformen sowie den Zwecken der Kostenrechnung die aus unserer Sicht relevanten Einflußgrößen herausgearbeitet.902 In einem ersten Schritt wollen wir hierzu den Einfluß dieser Determinanten auf den

Einsatz der Kostenrechnung analysieren. Des weiteren wollen wir auf die wesent­ lichen Zusammenhänge zwischen den einzelnen Einflußgrößen und deren Auswir­

kung auf die Ausgestaltung der Kostenrechnung sowie Kostenrechnungssysteme eingehen. Wir gehen dabei von der Annahme aus, daß zwischen den bereits

genannten Einflußgrößen und dem Einsatz sowie der Ausgestaltung der Kosten­

rechnung und der Kostenrechnungssysteme ein kausaler Zusammenhang besteht. Dies soll in einem nächsten Schritt näher untersucht werden. 6.2.1 Einsatz und Gestaltung der Kostenrechnung und Kostenrechnungs­ systeme in Abhängigkeit von der Unternehmensgröße Im folgenden wollen wir einen Überblick über den Einsatz und die Ausgestaltung der

Kostenrechnung und der Kostenrechnungssysteme in Abhängigkeit von der Unter-

Eine differenzierte Betrachtung der Einflußgrößen auf den Einsatz und die Gestaltung der Kostenrechnung und der Kostenrechnungssysteme wurde auch im betriebswirtschaftlichen Schrifttum in der Bundesrepublik Deutschland bisher weitgehend vernachlässigt. Die hierzu vor­ liegenden empirischen Untersuchungen beziehen sich überwiegend auf die Unternehmensgröße und/oder die Branche als die wesentlichen Einflußgrößen. Vgl. hierzu ausführlich Küpper [Kosteninformationen 1983], S.169, Becker [Kostenrechnung 1984], S.64f., Küpper/Hoffmann [Entwicklungstendenzen 1988], S.587, Küpper et al. [Planungsverfahren 1990], S.435, Kosmider [Kostenrechnung 1991], S.22, Lange/Schauer [Kostenrechnung 1996], S.1f, und Währisch [Kostenrechnungspraxis 1998], S.63. An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, daß in verschiedenen empirischen Untersuchungen des deutschsprachigen Raumes weitere Einflußgrößen, wie z.B. die Konzernzugehörigkeit und die Organisationsstruktur, genannt werden. Vgl. hierzu Becker [Kostenrechnung 1984], S.73, und Kind [Rechnungswesen 1986], S.25. Diese Bestimmungsgrößen konnten von uns im Rahmen der Konzeption des Fragebogens aufgrund hierzu in der Türkei bestehender Informationsdefizite nicht berücksichtigt werden. Darüber hinaus bestand bei diesen Fragen die Gefahr negativer Einflüsse auf die Rücklaufquote.

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

2ßß.

nehmensgröße in türkischen Unternehmen geben. Bei der Unternehmensgröße unterscheiden wir zwischen Klein-, Mittel- und Großunternehmen.903

Bevor wir den Einfluß der Unternehmensgröße auf die Gestaltung der Kostenrech­ nung sowie der Kostenrechnungssysteme herausarbeiten, erscheint es zunächst

sinnvoll, den Verbreitungsgrad der Kostenrechnung in den verschiedenen Unterneh­

mensgrößenklassen zu untersuchen. Einsatz der Kostenrechnung

Ja

Nein

z

Kleinunternehm en

2

97

99

Mittelunternehmen

25

113

138

G roßunternehm en

76

48

124

s

103

258

361

Unternehmensgröße

Tab. 14: Verbreitungsgrad der Kostenrechnung nach Unternehmensgrößenklassen Wie Tabelle 14 zeigt, setzen lediglich zwei Kleinunternehmen (2,02%) eine Kosten­

rechnung ein. Bei den Mittelunternehmen verwenden demgegenüber 25 von 138 Unternehmen (18,12%) eine Kostenrechnung.904 Im Unterschied zu den Klein- und

Vgl. ausführlich zu den Einteilungskriterien hinsichtlich der Unternehmensgröße Abschnitt 5.3.1.3.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß der Verbreitungsgrad der Kosten­ rechnung in Mittelunternehmen der Bundesrepublik Deutschland deutlich höher einzustufen ist als bei den betreffenden Mittelunternehmen in der Türkei. Vgl. hierzu ausführlich Becker [Kostenrechnung 1984], S.82, Kind [Rechnungswesen 1986], S.29, Hauer [Entscheidungsrechnung 1994], S.26, Lange/Schauer [Kostenrechnung 1996], S.7. Wir haben jedoch bereits in Abschnitt 5.3.3.1 darauf hingewiesen, daß die Möglichkeit einer direkten Vergleichbarkeit nicht gegeben ist, da bei den im deutschsprachigen Raum durchgeführten empirischen Untersuchungen unterschiedliche Klassifizierungskriterien bei der Einteilung der Unternehmen zugrunde gelegt werden. So werden beispielsweise in einer Untersuchung von Frost/Meyer nur die umsatzgrößten Unternehmen in der BRD berücksichtigt. Vgl. hierzu

Interoretation der Eraebnisse der emDirischen Untersuchuna

287

Mittelunternehmen ist bei den Großunternehmen eine wesentlich höhere Verbreitung der Kostenrechnung feststellbar. So setzen bei den Großunternehmen 76 von 124

Unternehmen (61,29%) eine Kostenrechnung ein. Es wird somit ersichtlich, daß die

Einsatzhäufigkeit einer Kostenrechnung mit der Unternehmensgröße tendenziell zunimmt. An dieser Stelle können wir festhalten, daß die im betriebswirtschaftlichen Schrifttum der Türkei herrschende Meinung,905 daß primär Großunternehmen Kostenrechnung

einsetzen, durch unsere Untersuchungsergebnisse bestätigt wird. Wichtig erscheint

uns auch in diesem Zusammenhang, die Gründe für den Verzicht für die einzelnen Unternehmensgrößenklassen zu analysieren.

Unternehmensgröße

Verzichtsgründe

Kostenrechnung bringt nur einen geringen Nutzen Kostenrechnung ist überflüssig Kein qualifiziertes Personal

Kleinuntemehmen

Mitteluntemehmen

Groß­ unternehmen

29

47

11

23

24

8

49

56

25

Tab. 15: Gründe für den Verzicht auf eine Kostenrechnung nach Unternehmensgrößenklassen

ausführlich Frost/Meyer [Kostenrechnungssysteme 1981]. Des weiteren orientieren sich einige Autoren bei der Einteilung der Unternehmen lediglich an den von ihnen gebildeten Beschäftigten­ größenklassen. Vgl. hierzu Wied-Nebbeling [Preisverhalten 1985], S.14, Kosmider [Controlling 1991], S.91, und Lange/Schauer [Kostenrechnung 1996], S.2. Selbst bei den empirischen Erhebungen, die, wie in unserer Untersuchung, sowohl die Beschäftigtengrößenklassen als auch die Umsatzgrößenklassen zugrunde legen, treten Diskrepanzen bei der Einteilung dieser Klassen auf. Vgl. hierzu Becker [Kostenrechnung 1984], S.69ff., Kind [Rechnungswesen 1986], S.14f., Küpper/Hoffmann [Entwicklungstendenzen 1988], S.588, und Währisch [Kostenrechnungspraxis 1998], S.77. 905

Der herrschenden Meinung im betriebswirtschaftlichen Schrifttum der Türkei schließen sich auch die Vertreter der unternehmerischen Praxis an. Dies wurde dem Verfasser in zahlreichen Einzelgesprächen verdeutlicht.

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

2^8

Die Gründe für den Verzicht auf eine Kostenrechnung sind in Tabelle 15 dargestellt und sollen im folgenden skizziert werden. Dabei fällt auf, daß bei den Klein- und

Mittelunternehmen die mit dem Einsatz der Kostenrechnung verbundenen Kosten

einen möglichen Nutzen überkompensieren. Insbesondere der aus dem Einsatz der Kostenrechnung resultierende Bedarf an qualifiziertem Fachpersonal stellt für die

Klein- und Mittelunternehmen erhebliche zusätzliche Kosten dar. Dies wird vor allem dadurch bedingt, daß ein Großteil der Kleinunternehmen ihre Buchhaltung unternehmensextem durchführen läßt, so daß grundsätzliche Voraussetzungen für eine Integration der Kostenrechnung in das Unternehmen nicht gegeben sind.

Darüber hinaus betrachten die Klein- und Mittelunternehmen die Kostenrechnung für

die von ihnen verfolgten Zwecke als überflüssig. Diese

Unternehmen sehen

vielmehr die von der Finanzbuchhaltung bereitgestellten Informationen als eine ausreichende Entscheidungsgrundlage an. Von besonderem Interesse ist hierbei,

daß nicht nur die Klein- und Mittelunternehmen, sondern ein noch größerer Anteil der Großunternehmen die Auffassung vertritt, daß die Finanzbuchhaltung als Informa­

tionsgrundlage ausreiche. Diesen Unternehmen kann jedoch der Vorwurf einer Überbewertung der finanzbuchhalterischen Daten gemacht werden, da die Gewinn-

und Verlustrechnung aufgrund ihrer retrospektiven Auslegung keine hinreichenden Informationen für unternehmerische Entscheidungen liefert. Hier liegt die Vermutung

nahe, daß sich die Unternehmen mit den von der Finanzbuchhaltung gelieferten Informationen anscheinend zufrieden geben, dabei aber übersehen, daß diese Informationen für eine Vielzahl von zu treffenden Entscheidungen nicht oder nur

begrenzt aussagefähig sind. So liegen die Daten des Jahresabschlusses zumeist erst im folgenden Geschäftsjahr vor, so daß diese keine Grundlage für die Beein­

flussung des Unternehmensgeschehens bilden können. Des weiteren liefern die Daten der Finanzbuchhaltung aufgrund ihrer unzureichenden Aktualität und ihrer Orientierung an steuerlichen Gesichtspunkten keine Informationen darüber, inwie­

weit einzelne Unternehmensbereiche und/oder Produktgruppen zum Gesamterfolg

des Unternehmens beigetragen haben. Trotz dieser Nachteile, die eine alleinige Berücksichtigung der Finanzbuchhaltung mit sich bringt, sehen viele türkische Klein-

und

Mittelunternehmen

die

Finanzbuchhaltung

als

einziges

Instrument

des

Rechnungswesens an. Daher ist es in türkischen Klein- und Mittelunternehmen

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung_______________________________ 289

üblich, die Gewinn- und Verlustrechnung mit der Betriebsergebnisrechnung gleich­ zusetzen. Dies ist in erster Linie darauf zurückzuführen, daß insbesondere die

türkischen Klein- und Mittelunternehmen die Bedeutung der Kostenrechnung als Führungsinstrument der Unternehmung nicht erkennen.

Die Großunternehmen scheinen demgegenüber die mit dem Einsatz der Kosten­ rechnung verbundenen Chancen und Vorteile erkannt zu haben. Jedoch ist auch bei Großunternehmen der häufigste Verzichtsgrund für den Einsatz der Kosten­

rechnung der Mangel an ausreichend qualifiziertem Personal. Dies ist somit kein auf bestimmte Unternehmensgrößenklassen bezogenes Problem, sondern vielmehr ein in der gesamten unternehmerischen Praxis der Türkei festzustellendes Phänomen.

Hier ist ein Nachholbedarf in allen Unternehmensgrößenklassen vorhanden. Insbesondere liegt in diesem Zusammenhang die Vermutung nahe, daß bei der Ausbildung von Studierenden erhebliche Defizite im Bereich der Kostenrechnung

bestehen. Dies wird vor allem dadurch bestärkt, daß eine kaufmännische Ausbildung im Sinne des dualen Ausbildungssystems in der Bundesrepublik Deutschland in der Türkei nicht besteht. Weiterhin werden Schulungen und Weiterbildungsseminare zur

Kostenrechnung von den Verbänden in der Türkei nur in sehr geringem Umfang angeboten. Besonders kritisch ist hervorzuheben, daß es sich bei den meisten

türkischen Lehrbüchern im Bereich der Kostenrechnung um Übersetzungen aus dem anglo-amerikanischen und dem deutschsprachigen Raum handelt. Die nationalen Gegebenheiten der Türkei finden hierbei keine Berücksichtigung.906 Die Kosten­

rechnung stellt zwar auf der einen Seite einen sehr komplexen und auf der anderen

Seite im Hinblick auf die unternehmerische Praxis einen nur schwer realisierbaren Bereich dar.907 Dennoch ist es für alle Unternehmen unabhängig von ihrer Größenklasse erforderlich, das externe Rechnungswesen durch Instrumente des

internen

Rechnungswesens

zu

ergänzen,

um

auf diese

Weise

relevante

Hier ist insbesondere die in der Türkei nach wie vor bestehende hohe Inflationsrate zu nennen. Diese Problematik wurde auch in vielen Gesprächen thematisiert, die im Rahmen unserer empirischen Erhebung mit Vertretern der unternehmerischen Praxis geführt wurden. 907

Diese Meinung wurde von Vertretern namhafter türkischer Unternehmen im Rahmen der vom Verfasser geführten Einzelgespräche mehrfach geäußert.

290

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

Informationen für unternehmerische Planungs- und Kontrollentscheidungen liefern zu

können. Aufbauend auf der von uns bereits vorgenommenen Typisierung soll im folgenden

eine Beurteilung der Ausprägung der Kostenrechnung in den einzelnen Unterneh­ mensgrößenklassen erfolgen.

Kombi nations typ

A

B

C

X

S

2

2

Untemehmensgröße

Kleinunternehmen

Mittelunternehmen

2

1

22

25

Großunternehmen

3

10

9

52

74

E

3

12

10

76

101

Tab. 16: Typisierung der eingesetzten Kostenrechnung in bezug auf die Unternehmensgröße

Tabelle 16 zeigt die Verteilung der Klein-, Mittel- und Großunternehmen auf die

Typen A, B und C sowie die Anzahl der Unternehmen, die keinem dieser Typen

zugeordnet werden können. Bei den Kleinunternehmen können wir feststellen, daß die zwei Unternehmen, die

eine Kostenrechnung einsetzen, die von den verschiedenen Typen vorausgesetzten Kriterien nicht erfüllen. Hinsichtlich der Gestaltung der Kostenrechnung sind bei den

Kleinunternehmen somit erhebliche Defizite festzustellen. Zwar ist in diesem Zusammenhang positiv hervorzuheben, daß diese zwei Unternehmen eine Kosten­

rechnung einsetzen, jedoch ist anzumerken, daß deren Funktionsfähigkeit erheblich eingeschränkt ist. Gleichzeitig stellt sich an dieser Stelle die Frage, wie die Kostenrechnung in den Kleinunternehmen ausgestaltet sein sollte. Hierbei ist vor

allem das Kosten-ZNutzenverhältnis einer Kostenrechnung für ein Kleinunternehmen zu berücksichtigen. Im Hinblick auf den Nutzen einer Kostenrechnung liegt die

Vermutung nahe, daß die von der Kostenrechnung bereitgestellten Informationen für

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

Kleinunternehmen

teilweise

nur von

geringer

291

Bedeutung

sind.

Dies

kann

beispielsweise dadurch verdeutlicht werden, daß die Kleinunternehmen in der Türkei im wesentlichen die Funktion von Zuliefererunternehmen erfüllen, denen die Preise

von den Großunternehmen vorgegeben werden. Die Durchführung einer Kalkulation wird daher von vielen türkischen Kleinunternehmen als nicht erforderlich eingestuft. Wie Tabelle 16 zeigt, erfüllen in der Klasse der Mittelunternehmen nur zwei

Unternehmen die Kriterien des Typs B und lediglich ein Unternehmen die Kriterien

des Typs C. Eine Kostenrechnung, so wie sie vom Typ A beschrieben wird, findet

von den antwortenden Mittelunternehmen keine Berücksichtigung. Demgegenüber können 22 der antwortenden Mittelunternehmen weder dem Typ A noch den Typen B oder C zugeordnet werden.

In der Klasse der Großunternehmen können drei Unternehmen dem Typ A

zugeordnet werden. Diese Unternehmen entsprechen den aus unserer und auch aus

theoretischer Sicht an eine Kostenrechnung zu stellenden Anforderungen in optimaler Weise. Weiterhin setzen zehn Unternehmen eine Kostenrechnung vom Typ B ein. Die Kriterien des Typs C erfüllen insgesamt neun Unternehmen. Im Hinblick auf die eingesetzten Typen der Kostenrechnung in Klein-, Mittel- und

Großunternehmen ist festzuhalten, daß der derzeitige Stand der Kostenrechnung weit von den Anforderungen entfernt ist, die an ein wirksames Instrument zur Fundierung unternehmerischer Entscheidungen gestellt werden.

Nachdem wir Inhalt und Umfang der eingesetzten Kostenrechnung diskutiert haben, wollen wir uns im folgenden mit den in türkischen Unternehmen eingesetzten Kostenrechnungssystemen unter Berücksichtigung der verschiedenen Unterneh­

mensgrößen beschäftigen.

292

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

Abb. 47: Eingesetzte Kostenrechnungssysteme bei Kleinunternehmen Abbildung 47 zeigt die jeweils in den Kleinunternehmen eingesetzten Systeme der

Kostenrechnung. Hierbei ist auffällig, daß die zwei Kleinunternehmen, die eine Kostenrechnung verwenden, mit der Istkostenrechnung und der starren Normal­

kostenrechnung ausschließlich die wenig fortschrittlichen Vollkostenrechnungs­ systeme einsetzen. Weiterentwickelte Formen der Vollkostenrechnung, wie bei­

spielsweise die starre oder die flexible Plankostenrechnung auf Vollkostenbasis, bleiben hingegen ebenso wie die Teilkostenrechnungssysteme vollkommen unbe­

rücksichtigt.908 An dieser Stelle interessiert uns vor allem, ob die Kleinunternehmen den Einsatz eines Teilkostenrechnungssystems grundsätzlich für erforderlich halten.

Insbesondere sind in diesem Zusammenhang die Gründe für den Verzicht der Klein­ unternehmen auf ein Teilkostenrechnungssystem zu hinterfragen.

Vergleicht man unsere Ergebnisse mit den in der Bundesrepublik Deutschland im Hinblick auf Kleinunternehmen durchgeführten Untersuchungen, ergeben sich erhebliche Abweichungen. So zeigt sich in einer empirischen Studie von Wied-Nebbeling, daß von 133 Kleinunternehmen, die eine Kostenrechnung einsetzen, 89 Unternehmen (66,9%) ein Vollkostenrechnungssystem, 58 Unternehmen (43,6%) eine Deckungsbeitragsrechnung, 7 Unternehmen (5,3%) eine Plankosten­ rechnung und 5 Unternehmen (3,8%) eine Grenzplankostenrechnung einsetzen. Vgl. WiedNebbeling [Preisverhalten 1985], S.170. Wir können hier feststellen, daß zwar bei den Klein­ unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland der Gedanke der Vollkostenrechnung dominiert, aber auch die Teilkostenrechnung in Form der Deckungsbeitragsrechnung im Vergleich zu der Türkei überdurchschnittlich häufig vertreten ist.

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

293

Die folgende Tabelle 17 enthält die wesentlichen Gründe für den Verzicht auf ein Teilkostenrechnungssystem unter Berücksichtigung der jeweiligen Unternehmens­ größe.

Untemehmensgröße

Klein­ unternehmen

Mitteluntemehmen

Groß­ unternehmen

nicht notwendig

1

13

43

unbekannt

1

4

7

3

14

Verzichtsgründe

zu kompliziert

4

zu aufwendig keine gesetzliche Notwendigkeit

1

40

Tab. 17: Gründe für den Verzicht auf eine Teilkostenrechnung unter Berücksichtigung der Unternehmensgröße

Wie Tabelle 17 zeigt, gibt ein Kleinunternehmen an, daß es den Einsatz eines Teilkostenrechnungssystem für nicht notwendig erachtet. Für das andere Kleinunter­

nehmen ist die Teilkostenrechnung sogar unbekannt. Grundsätzlich stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob der Einsatz eines Teilkostenrechnungs ­

systems für Kleinunternehmen überhaupt notwendig ist. Dabei sind insbesondere die bereits beschriebenen spezifischen Gegebenheiten in der unternehmerischen Praxis

der Türkei zu berücksichtigen. Hinsichtlich der eingesetzten Kostenrechnungssysteme in Mittelunternehmen ist

ebenfalls eine deutliche Dominanz der Vollkostenrechnungssysteme festzustellen.

294

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

Wie Abbildung 48 zeigt, setzen 24 der antwortenden Mittelunternehmen, die eine Kostenrechnung verwenden, eine Istkostenrechnung ein. Weiterhin ist auch die

starre Normalkostenrechnung in Mittelunternehmen relativ häufig anzutreffen. Lediglich ein Unternehmen setzt mit der einstufigen Deckungsbeitragsrechnung ein

Teilkostenrechnungssystem ein. Der überwiegende Teil der antwortenden Mittel­

unternehmen, die eine Kostenrechnung einsetzen, verzichtet hingegen auf den Einsatz eines Teilkostenrechnungssystems.909 Grundsätzlich ergibt sich für die

In bezug auf die in Mittelunternehmen in der Bundesrepublik Deutschland eingesetzten Kosten­ rechnungssysteme ergibt sich ein anderes Bild. Die empirische Untersuchung von Marner zeigt, daß von 16 Unternehmen zwei Unternehmen (12,5%) nur eine reine Vollkostenrechnung, zehn Unternehmen (62,5%) eine reine Teilkostenrechnung, vier Unternehmen (25%) eine Kostenrech­ nung in Form einer kombinierten Voll- und Teilkostenrechnung, zwei Unternehmen (12,5%) ein einstufiges Direct Costing und neun Unternehmen (56,3%) ein mehrstufiges Direct Costing bzw. eine mehrstufige Fixkostendeckungsrechnung einsetzen. Vgl. hierzu Marner [Rechnungswesen 1980], S.142. Weiterhin ist die empirische Untersuchung von Wied-Nebbeling zu nennen, nach der von 132 Mittelunternehmen 78 Unternehmen (59,1%) über eine Vollkostenrechnung, 77 Unternehmen (58,3%) über eine Deckungsbeitragsrechnung, 14 Unternehmen (10,6%) über eine Plankostenrechnung und 12 Unternehmen (9,1%) über eine Grenzplankostenrechnung verfügen.

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung_______________________________ 295

türkischen Mittelunternehmen ein ähnliches Bild wie bei den Kleinunternehmen. In

diesem Zusammenhang ist jedoch zu berücksichtigen, daß zwar die auf Vollkosten basierenden

Informationen

für die

Funktionsfähigkeit

einer

Kostenrechnung

unbedingt erforderlich sind, aber ihre alleinige Berücksichtigung im Hinblick auf die unternehmerischen Planungs- und Kontrollentscheidungen, die mit wachsender

Untemehmensgröße tendenziell an Bedeutung gewinnen, von uns als nicht ausreichend erachtet werden. Angesichts der Tatsache, daß nahezu 96% der Mittel­

unternehmen kein Teilkostenrechnungssystem einsetzen, ist es an dieser Stelle

zweckmäßig, sich mit den Verzichtsgründen dieser Unternehmen auseinander­ setzen. Wie die oben aufgeführte Tabelle 17 zeigt, geben 13 Mittelunternehmen an,

daß eine Teilkostenrechnung aus ihrer Sicht nicht notwendig sei. Bei vier Unter­ nehmen ist die Teilkostenrechnung unbekannt. Weitere drei Mittelunternehmen stufen die Systeme der Teilkostenrechnung als zu kompliziert ein. Zudem sieht ein

Unternehmen die fehlende gesetzliche Notwendigkeit als wesentlichen Grund für

den Verzicht auf ein Teilkostenrechnungssystem an. Die angeführten Gründe und die Tatsache, daß nur ein Mittelunternehmen ein Teil­

kostenrechnungssystem einsetzt, verdeutlichen, daß die Bedeutung der Teilkosten­ rechnung von den türkischen Mittelunternehmen nicht richtig eingeschätzt wird.

Vgl. hierzu Wied-Nebbeling [Preisverhalten 1985], S.170. Nach einer empirischen Untersuchung von Hauer verwenden 101 von 190 Mittelunternehmen (53,16%) eine Istkostenrechnung, 65 Unternehmen (34,21%) eine Plankostenrechnung zu Vollkosten, 20 Unternehmen (10,53%) eine Grenzplankostenrechnung, 52 Unternehmen (27,37%) eine Grenzplankostenrechnung mit paralleler Vollkostenrechnung, 67 Unternehmen (35,26%) eine Deckungsbeitragsrechnung und 6 Unternehmen (3,16%) eine Prozeßkostenrechnung. Vgl. hierzu Hauer [Entscheidungsrechnung 1994], S.28. Nach einer Untersuchung von Lange/Schauer setzen insgesamt 99 von 161 Unternehmen (61,5%) eine Deckungsbeitragsrechnung ein, davon 41 Unternehmen (41,4%) das Direct Costing und 58 Unternehmen (58,6%) die stufenweise Fixkostendeckungsrechnung. Die Plankostenrechnung verwenden 69 von 161 Unternehmen (42,9%). Dabei wird die starre Plankostenrechnung von 21 Unternehmen (30,4%), die flexible Plankostenrechnung zu Voll­ kosten von 37 Unternehmen (53,6%) und die Grenzplankostenrechnung von 20 Unternehmen (29%) eingesetzt Vgl. hierzu Lange/Schauer [Kostenrechnung 1996], S.37ff.

Die empirischen Ergebnisse der vorgestellten Untersuchungen zeigen, daß auch bei den deutschen Mittelunternehmen die Vollkostenrechnungsverfahren eine zentrale Rolle spielen. Allerdings ist auch hier, im Gegensatz zu den türkischen Mittelunternehmen, eine relativ hohe Verbreitung der Teilkostenrechnungssysteme festzustellen. Darüber hinaus kommt in der unternehmerischen Praxis sogar mit der Prozeßkostenrechnung ein modernes Verfahren der Kostenrechnung zur Anwendung.

296

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

Nachdem wir uns mit den Mittelunternehmen und deren Verzichtsgründen auf den Einsatz eines Teilkostenrechnungssystems beschäftigt haben, wollen wir diese Aspekte nun bezogen auf die türkischen Großunternehmen näher untersuchen.

Abbildung 49 zeigt, daß auch bei den Großunternehmen eine Dominanz der

traditionellen Vollkostenrechnung vorliegt.

Abb. 49: Eingesetzte Kostenrechnungssysteme bei Großunternehmen Der weitaus größte Teil der türkischen Großunternehmen, die eine Kostenrechnung

einsetzen, führt diese in Form einer Istkostenrechnung durch. Des weiteren entfallen auf die starre und die flexible Normalkostenrechnung jeweils zwei Nennungen. Die

starre und die flexible Plankostenrechnung ist mit zwei bzw. drei Unternehmen vertreten. In bezug auf die Plankostenrechnung ist somit festzustellen, daß im

Unterschied zu den Klein- und Mittelunternehmen die verschiedenen Ausprägungen

der Plankostenrechnung bei den Großunternehmen, wenn auch nur in einem

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

297

vergleichsweise geringen Umfang, zur Anwendung kommen.910 Im Vergleich zu den

Klein- und Mittelunternehmen finden die Systeme der Teilkostenrechnung, trotz der

festzustellenden Dominanz der Vollkostenrechnungssysteme, bei den Großunter­ nehmen eine größere Beachtung. Am weitesten verbreitet ist dabei die einstufige

Deckungsbeitragsrechnung, die von insgesamt elf Großunternehmen eingesetzt

wird. Der mehrstufigen Deckungsbeitragsrechnung und der Grenzplankostenrech­ nung kommen hingegen nur geringe Bedeutung zu. Insgesamt verzichten 63 Groß­

unternehmen auf den Einsatz eines Teilkostenrechnungssystems. Erstaunlicher­ weise vertreten 43 Großunternehmen, wie Tabelle 17 zeigt, die Auffassung, daß eine

Teilkostenrechnung nicht notwendig sei. Ein weiteres wichtiges Argument für den Verzicht auf ein Teilkostenrechnungssystem aus Sicht der Großunternehmen ist

ferner in der fehlenden gesetzlichen Notwendigkeit zu sehen. Diese Argumentation

ist aus unserer Sicht nicht nachzuvollziehen, da insbesondere die türkischen Groß­ unternehmen in den letzten Jahren einer zunehmenden Internationalisierung und Globalisierung ausgesetzt sind. Dies führt zu einem verstärkten Wettbewerbsdruck. Für die Großunternehmen wird es somit immer wichtiger, Informationen über die Erfolgsstruktur von Produkten zu erlangen, um programmbezogene Fehlentschei­ dungen vermeiden zu können. Diese Informationen vermag nur eine Teilkostenrech­

nung zu liefern.

Weiterhin zeigt Tabelle 17, daß 14 Großunternehmen die Teilkostenrechnungs ­ systeme für zu kompliziert halten. Bei sieben türkischen Großunternehmen ist die Teilkostenrechnung unbekannt, und bei vier wird sie als zu aufwendig eingestuft. In bezug auf die Komplexität der Teilkostenrechnung ist hinzuzufügen, daß diese

Beurteilung häufig auf fehlende theoretisch fundierte Kenntnisse zurückzuführen ist.

Als wesentliche Ursache hierfür sind die nur in Ansätzen vorhandenen Darstellungen

Eine Gegenüberstellung mit den in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführten empirischen Untersuchungen führt zu stark voneinander abweichenden Ergebnissen. So ist nach der Untersuchung von Wied-Nebbeling die Vollkostenrechnung mit 61,9%, die Deckungsbeitrags­ rechnung mit 76,2%, die Plankostenrechnung mit 33,3% und die Grenzplankostenrechnung mit 9,5% vertreten. Vgl. hierzu Wied-Nebbeling [Preisverhalten 1985], S.170. Eine weitere empirische Untersuchung von Küpper/Hoffmann zeigt, daß 43,7% der Unternehmen eine Ist­ kostenrechnung, 20,2% eine starre Plankostenrechnung, 36,6% eine flexible Plankosten­ rechnung, 18,6% eine Grenzplankostenrechnung und 45,4% eine Form der Deckungsbeitrags­ rechnung einsetzen. Vgl hierzu ausführlich Küpper/Hoffmann [Entwicklungstendenzen 1988], S.590f.

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

298

in dem betriebswirtschaftlichen Schrifttum der Türkei zu nennen. Dieses Defizit wird

auch durch die Unternehmen bestätigt, für die die Teilkostenrechnung unbekannt ist Im folgenden beschäftigen wir uns nun mit den Kombinationstypen eingesetzter

Kostenrechnungssysteme unter Berücksichtigung der Unternehmensgröße. Unser Anliegen ist es hierbei, Interdependenzen zwischen den einzelnen Typen ein­

gesetzter Voll- und/oder Teilkostenrechnungssysteme sowie der jeweiligen Unter­

nehmensgröße aufzuzeigen. Tabelle 18 beschreibt sämtliche Kombinationstypen eingesetzter Kostenrechnungssysteme so wie sie sich aufgrund der von uns bereits

vorgenommenen Typisierung ergeben haben.911

Kombinationstyp

a

b

c

d

e

2

2

24

25

Unternehmensgröße

Kleinunternehmen 1

Mittelunternehmen

Großunternehmen

1

12

5

58

76

E

1

13

5

84

103

Tab. 18: Typisierung der eingesetzten Kostenrechnungssysteme in Abhängigkeit von

der Unternehmensgröße Unabhängig von der Unternehmensgröße stellen wir zunächst fest, daß die meisten Unternehmen ein Kostenrechnungssystem vom Typ d einsetzen. Dieser Kombina­ tionstyp umfaßt die Unternehmen, die entweder nur eine Istkostenrechnung ein­

setzen sowie diejenigen Unternehmen, deren Kostenrechnung auf der kombinierten

Anwendung der Istkostenrechnung und der starren und/oder flexiblen Normalkosten­ rechnung basiert.

911

Vgl. zu der von uns vorgenommenen Typisierung der eingesetzten Kostenrechnungssysteme ausführlich Abschnitt 6.1.6.

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung_______________________________ 299

Unter Berücksichtigung der Untemehmensgröße sind lediglich zwei Kleinunter­ nehmen (100%) zu nennen, die dem Typ d zuzuordnen sind. Diese Form der Kombination von Kostenrechnungssystemen ist aus theoretischer Sicht als wenig zweckmäßig zu beurteilen, da auch die Normalkostenrechnung keine zusätzlichen, über die Informationen der Istkostenrechnung hinausgehenden Daten, beispiels­ weise im Hinblick auf eine effizientere Wirtschaftlichkeitskontrolle, zur Verfügung

stellt. Aus praktischer Sicht stellt sich sogar die Frage, wie sich diese beiden Kosten­ rechnungssysteme überhaupt abgrenzen lassen. So ist zu berücksichtigen, daß eine

reine Form der Istkostenrechnung in der unternehmerischen Praxis nicht existiert. Vielmehr sind auch in der angewandten Istkostenrechnung - mehr oder minder stark

ausgeprägt - geplante oder zumindest normalisierte Größen enthalten.

Diese Ausführungen gelten auch für die 24 Mittelunternehmen (96%) sowie die 58 Großunternehmen (76,32%), die ebenfalls ein Kostenrechnungssystem vom Typ d

verwenden. Insbesondere hinsichtlich der Großunternehmen ist aus unserer Sicht kritisch anzumerken, daß sowohl der alleinige Einsatz der Istkostenrechnung als auch die kombinierte Anwendung von Istkostenrechnung mit einem ähnlich fehler­ behafteten Kostenrechnungssystem wie der Normalkostenrechnung im Regelfall

kein zweckmäßiges Instrument der Unternehmensführung darstellen kann.912

Sinnvoller erscheint uns in diesem Zusammenhang eine Kombination der Ist­

kostenrechnung mit einer auf Vollkosten basierenden Form der Plankostenrechnung (Typ c). Der Kombinationstyp c wird jedoch lediglich von fünf Großunternehmen

(6,58%) eingesetzt, während er bei den Klein- und Mittelunternehmen keine Beachtung findet. Diese fünf Großunternehmen haben immerhin die Möglichkeit,

Planwerte bzw. Sollwerte zu ermitteln und diese den Istwerten gegenüberzustellen und somit eine mehr oder minder wirksame Kostenkontrolle durchzuführen.

Die bisher beschriebenen Kombinationstypen c und d sind dadurch charakterisiert, daß sie lediglich Kombinationen von Vollkostenrechnungssystemen berücksichtigen.

Diese Kombinationstypen unterschieden sich somit grundlegend von den Typen a

912

Eine Generalisierung verbietet sich an dieser Stelle, da eine grundsätzliche Aussage auch von anderen Einflußgrößen, wie beispielsweise den mit der Kostenrechnung verfolgten Zwecken, abhängig ist. Diese Einflußgrößen werden noch in den folgenden Kapiteln ausführlicher diskutiert.

3QQ.

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

und b, die neben dem Einsatz einer Vollkostenrechnung auch die Anwendung einer Teilkostenrechnung einbeziehen. So werden unter dem Typ b die Unternehmen

zusammengefaßt, die eine Kombination der Istkostenrechnung mit der einstufigen oder der mehrstufigen Deckungsbeitragsrechnung verwenden. Bei den Mittelunternehmen ist jedoch nur ein Unternehmen zu nennen, das eine

derartige Kombination verwendet. Im Unterschied zu den Mittelunternehmen findet

bei den Großunternehmen diese

Kombination größere Beachtung. Insgesamt

setzen zwölf Großunternehmen (15,79%) eine Kombination vom Typ b ein. Sowohl für die Großunternehmen als auch für die zuvor genannten Mittelunternehmen ergibt

sich die Möglichkeit, nicht nur auf die zumindest teilweise erforderlichen Vollkosten­ informationen, sondern zusätzlich über aussagefähige Informationen zur Fundierung

unternehmerischer Entscheidungen verfügen zu können. An dieser Stelle sind insbesondere Entscheidungen über Eigen- und Fremdfertigung, Preisuntergrenzen

sowie die Zusammensetzung des Verkaufsprogramms anzuführen. Hervorzuheben ist schließlich noch jenes Großunternehmen, das neben der

Istkostenrechnung die Grenzplankostenrechnung einsetzt und damit aus unserer

Sicht den idealtypischen Vorstellungen entspricht. Es ist aber auch darauf hin­

zuweisen, daß ein Kostenrechnungssystem vom Typ a nur bei diesem Großunter­ nehmen (1,32%) Berücksichtigung findet und somit zumindest für die Großunter­ nehmen erheblicher Handlungsbedarf festgestellt werden kann. Abschließend wollen wir nochmals betonen, daß von unserem Standpunkt aus nur

eine Kombination eines Vollkostenrechnungssystems mit einem Teilkostenrech­ nungssystem sinnvoll erscheint, da ausschließlich auf diese Weise Informationen zur Fundierung dispositiver Entscheidungen bereitgestellt werden können.

Die bisher von uns festgestellten und kommentierten Ergebnisse im Hinblick auf den

Zusammenhang zwischen der Untemehmensgröße und dem Einsatz sowie der

Gestaltung der Kostenrechnung und der Kostenrechnungssysteme sollen im folgenden zusammenfassend gewürdigt werden. Hierbei können wir zunächst eine starke Korrelation zwischen der Unternehmens­

größe und dem Einsatz der Kostenrechnung feststellen. So nimmt mit zunehmender

Untemehmensgröße der Einsatz der Kostenrechnung deutlich zu.

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

301

Im Hinblick auf die Gestaltung der Kostenrechnung wird ersichtlich, daß bei allen drei Unternehmensgrößenklassen Defizite bestehen. Insbesondere die Klein- und Mittel­

unternehmen verfügen nicht über die aus theoretischer Sicht erforderlichen Instru­

mente, Methoden und Verfahren zur Durchführung einer wirksamen Kostenrech­ nung. Aber auch in der Klasse der Großunternehmen sind nur wenige Unternehmen vorhanden, die diesen idealtypischen Vorstellungen entsprechen. An dieser Stelle werden Divergenzen zwischen den theoretischen Konzeptionen und der in der unter­ nehmerischen Praxis der Türkei tatsächlich eingesetzten Kostenrechnung deutlich. Bezüglich der eingesetzten Kostenrechnungssysteme konnte für alle Unternehmens­

größenklassen eine Dominanz der Vollkostenrechnung festgestellt werden. Hier ist

vor allem die Istkostenrechnung zu nennen. Zu unserem Erstaunen finden die ver­

schiedenen Ausprägungen der Plankostenrechnung hingegen nur sehr geringe Beachtung. Insbesondere bei den Klein- und Mittelunternehmen kommen die Teil­

kostenrechnungssysteme kaum zur Anwendung. Selbst bei den Großunternehmen ist der Verbreitungsgrad der Teilkostenrechnungssysteme nur sehr gering. Hierbei ist

die einstufige Deckungsbeitragsrechnung das in der unternehmerischen Praxis am häufigsten eingesetzte Teilkostenrechnungssystem. Als wesentliche Gründe für den Verzicht auf eine Teilkostenrechnung führen die Unternehmen an, daß sie eine Teil­

kostenrechnung für nicht notwendig erachten. Bei den Unternehmen, die grund­ sätzlich auf den Einsatz einer Kostenrechnung verzichten, ist die aus der monistischen Sichtweise hervorgehende Dominanz der Finanzbuchhaltung aus­

schlaggebend. Weiterhin ist der nur geringe Einsatz der Kostenrechnung auf den Mangel an ausreichend qualifiziertem Personal zurückzuführen.

Wir können hier zusammenfassend feststellen, daß mit zunehmender Unterneh­

mensgröße auch die Komplexität der eingesetzten Kostenrechnung steigt. Aus unserer Sicht stellt die Untemehmensgröße daher eine entscheidende Determinante

dar, die nicht nur den Einsatz der Kostenrechnung, sondern vor allem auch die Ausgestaltung der Kostenrechnung und der Kostenrechnungssysteme beeinflußt.

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

302

6.2.2 Einsatz und Gestaltung der Kostenrechnung und Kostenrechnungs­ systeme in Abhängigkeit von der Branchenzugehörigkeit In diesem Abschnitt wollen wir den branchenspezifischen Einfluß auf die Kosten­

rechnung und die Kostenrechnungssysteme türkischer Unternehmen untersuchen. Dabei soll zunächst einen Überblick über den Einsatz der Kostenrechnung in den

einzelnen Wirtschaftszweigen gegeben werden. In diesem Zusammenhang haben

wir die nach der Plausibilitätsanalyse verbliebenen Unternehmen zu den grund­ legenden Wirtschaftsbereichen Industrie und Dienstleistungen zusammengefaßt und

die Antworten auf dieser Ebene verdichtet.

Einsatz der Kostenrechnung

Ja

Nein

E

Industrieunternehmen

97

185

282

Dienstleistungsunternehmen

5

74

79

102

259

361

Branche

E

Tab. 19: Verbreitungsgrad der Kostenrechnung nach Branchenzugehörigkeit

Wie Tabelle 19 zeigt, sind von den insgesamt 361 antwortenden Unternehmen 282 dem industriellen Sektor und 79 dem Dienstleistungssektor zuzuordnen. Auffallend an den dargestellten Ergebnissen ist, daß lediglich fünf (6,33%) Dienstleistungs­

unternehmen eine Kostenrechnung einsetzen. Im Gegensatz dazu verfügen immer­

hin 97 (34,40%) der antwortenden Industrieunternehmen über ein derartiges Informationsinstrument.913 Es wird somit deutlich, daß im Rahmen unserer fort­

Im Vergleich zu den türkischen Industrieunternehmen sind in der unternehmerischen Praxis in Deutschland hinsichtlich des Verbreitungsgrades der Kostenrechnung erhebliche Unterschiede festzustellen. Vgl. hierzu die in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführten empirischen Untersuchungen, wie beispielsweise Marner [Rechnungswesen 1980], S.135, der einen Ver­ breitungsgrad der Kostenrechnung in Industrieunternehmen von 53,33% ermittelte. Demgegen­ über weisen Becker [Kostenrechnung 1984], S.82, einen Verbreitungsgrad der Kostenrechnung von 80,20% und Kind [Rechnungswesen 1986], S.29, eine Einsatzhäufigkeit von 90,40% in deutschen Industrieunternehmen nach. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt Hauer

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

303

schreitenden Analyse für die weitere Informationsgewinnung über den Einsatz der

Kostenrechnung und der Kostenrechnungssysteme der industrielle Sektor im Vorder­ grund steht.

Hier stellt sich jedoch die Frage, warum in der unternehmerischen Praxis der Türkei und insbesondere im Dienstleistungssektor kaum Kostenrechnung eingesetzt wird.

Zur Erläuterung dieser Problematik wollen wir Tabelle 20 näher betrachten.

Branche

Industrieunternehmen

Dienstieistirigsunternehmen

118

49

98

31

61

27

73

28

Verzichtsgriride Finanzbuchhaltirig als Informationsgindage

Kostenrechnung bringt mr geringen Nutzen

Ohne Kostenrechnung üterschaiijarer und

steuerbarer

Kein

qualifiziertes Personal

Tab. 20: Gründe für den Verzicht einer Kostenrechnung nach Branchenzugehörigkeit Tabelle 20 zeigt die zentralen Gründe für den Verzicht auf den Einsatz einer Kostenrechnung als Instrument zur Unternehmensführung. Die Gründe haben wir in Reihenfolge abnehmender Häufigkeiten angeordnet, wobei jedoch die Merkmals­

ausprägungen der Antworten nicht mit der Anzahl der antwortenden Unternehmen identisch sind, da bei der Beantwortung der Frage Mehrfachnennungen möglich waren.

[Entscheidungsrechnung 1994], S.26, der in seiner Untersuchung einen Anteil von 96,98% fest­ stellt. Anhand dieser Ergebnisse können wir einen im Zeitablaufzunehmenden Verbreitungsgrad der Kostenrechnung in den deutschen Industrieunternehmen ermitteln. Vergleicht man diese Ent­ wicklung mit dem Verbreitungsgrad der Kostenrechnung in der industriellen Praxis der Türkei, so können wir festhalten, daß die türkischen Unternehmen hier einen enormen Aufholbedarf aufweisen.

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

3M

Der Hauptgrund für einen Verzicht auf den Einsatz der Kostenrechnung liegt darin,

daß 167 (65,23%) der antwortenden Unternehmen die Finanzbuchhaltung als eine ausreichende Informationsgrundlage ansehen. Dabei vertreten sogar 118 (64,48%)

Industrieunternehmen

diese Ansicht,

während

es

bei

den

Dienstleistungs­

unternehmen 49 (67,12%) sind. In diesem Zusammenhang ist kritisch anzumerken, daß die Instrumente der Finanzbuchhaltung als Informations- und Führungs­

instrument in den meisten Fällen nur beschränkt verwendet werden können. Die hieraus gewonnenen Informationen enthalten oftmals nur globale und vergangen­

heitsbezogene Größen. Folglich ist die Erfolgsermittlung durch den Jahresabschluß

als Ergebnis der Finanzbuchhaltung für dispositive Zwecke ungeeignet. Diese Form

der Informationsgewinnung scheint uns gerade in bezug auf die Industrieunterneh­ men problematisch zu sein, da sie einer zunehmend komplexen und dynamischen

Umwelt gegenüberstehen.914 Diese Entwicklung ist in der unternehmerischen Praxis insbesondere mit der Aufnahme der Türkei in die europäische Zollunion915 sowie der damit verbundenen erhöhten Wettbewerbsintensität zu begründen. Darüber hinaus

hat sich aufgrund der liberalistischen wirtschaftspolitischen Orientierung916 der Türkei

seit den achtziger Jahren auch die Wettbewerbsintensität auf den inländischen Märkten verstärkt. Somit ist u.a. eine zunehmende Privatisierung von öffentlichen Unternehmen zu verzeichnen.917

Diese Tendenz ist im wesentlichen in der Metallverarbeitenden Industrie918 und der

Vgl. hierzu ausführlich Kaluza [Erzeugniswechsel 1987], und Kaluza [Erzeugniswechsel 1989], S.9ff.

Vgl. die Ausführungen in der Problemstellung. Vgl. hierzu ausführlich die Problemstellung. Der Beginn der Privatisierungswelle kann auf das Jahr 1986 datiert werden. Diese Entwicklung findet ihre gesetzliche Verankerung in dem Privatisierungsgesetz, das am 23.11.1994 verab­ schiedet wurde. Diese Entwicklung vollzieht sich insbesondere in der Eisen- und Stahlindustrie. So hatte der Eisen- und Stahlkonzern „Iskendurun Demir ve Celikfabrikasi“ bis zum Jahr 1990 eine Monopol­ stellung in diesem Sektor. Im November 1990 erfolgte dann aus wirtschaftspolitischen Interessen die Privatisierung dieses Unternehmens bei gleichzeitiger Deregulierung des Marktes von Seiten der Regierung, womit die Neugründung zahlreicher weiterer Unternehmen verbunden war.

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

305

Nahrungs- und Genußmittelindustrie919 sowie der Chemischen Industrie920 zu erkennen.

Die Dienstleistungsunternehmen befinden sich in einer ähnlichen Situation wie die Industrieunternehmen. Allerdings ist die allgemeine Betrachtungsweise der Unter­

nehmer im Dienstleistungssektor nachvollziehbar, da der Dienstleistungssektor nicht so ausgeprägt und die Wettbewerbsintensität im Vergleich zum Industriesektor

wesentlich geringer ist.921

Aufgrund der vertretenen Ansichten erklärt sich auch, daß 129 (50,39%) Unter­ nehmen nur einen geringen zusätzlichen Nutzen durch die Einführung der Kosten­

rechnung sehen. Diese Meinung wird von 98 Unternehmen (53,55%) im industriellen

Sektor vertreten, während sich 31 Dienstleistungsunternehmen (42,47%) keinen

Vorteil durch den Einsatz einer Kostenrechnung versprechen. Darüber hinaus begründen insgesamt 88 (34,38%) Unternehmen den Verzicht auf

eine Kostenrechnung damit, daß ihre Unternehmen auch ohne Kostenrechnung überschaubar und steuerbar sind. In diesem Zusammenhang können wir feststellen,

daß insgesamt nur ein kleiner Teil der antwortenden Unternehmen diese Ansicht

vertritt, während ein wesentlich größerer Anteil der Meinung ist, daß die Finanz­

buchhaltung als Informationsgrundlage ausreiche und die Kostenrechnung hier keinen zusätzlichen Nutzen bringe. Die vermeindliche Diskrepanz wollen wir an dieser Stelle nicht näher diskutieren. Sie soll uns an dieser Stelle lediglich einen

zusätzlichen Hinweis darauf geben, daß eine derart geringe Anzahl an türkischen Unternehmen eine Kostenrechnung einsetzt.

Als ein weiteres Beispiel für die allgemeine Deregulierungstendenz ist die Tabak- und Genuß­ mittelindustrie zu nennen. Bis Anfang der achtziger Jahre war Tekel der einzige Zigaretten- und Spirituosenhersteller in der Türkei, welcher sich mittlerweile vielen ausländischen Konkurrenten, wie z.B. Philip Morris San. A.S. gegenübersieht.

In dieser Branche sind vornehmlich Deregulierungen in den Bereichen der Pharmazeutischen Industrie und der Farbenindustrie zu verzeichnen. In der Pharmazeutischen Industrie z.B. hatte der türkische Chemiekonzern Eczacibasi eine Monopolstellung bei der Produktion von pharma­ zeutischen Erzeugnissen, die Anfang der achtziger Jahre seitens der Regierung aufgehoben wurde.

Vgl. zu den verschiedenen Ausprägungen des Dienstleistungssektors ausführlich Abschnitt 5.2.2.2.

306_______________________________ Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

Ein weiterer Grund für den Verzicht auf den Einsatz einer Kostenrechnung besteht in dem Mangel an qualifiziertem Fachpersonal. Diesbezüglich geben 101 (39,45%) Unternehmen an, daß zu wenig qualifiziertes Personal für den Einsatz einer Kosten­

rechnung vorhanden sei und die mit einer Weiterbildung oder Personalbeschaffung

verbundenen Kosten den Nutzen des Einsatzes einer Kostenrechnung über­ kompensierten. In diesem Zusammenhang wollen wir darauf hinweisen, daß den Unternehmern in der Türkei neben den bereits angesprochenen Defiziten in der

Kostenrechnung oftmals auch das betriebswirtschaftliche Grundwissen fehlt.922

Diese Situation wird von uns als sehr bedenklich angesehen, da die Existenz der

türkischen Unternehmen, insbesondere der Industrieunternehmen, im Zuge der fort­ schreitenden Deregulierung und Privatisierung sowie der damit einhergehenden Zunahme des Wettbewerbs nur mittels betriebswirtschaftlicher Grundsätze gesichert

werden kann. Ferner halten 55 der antwortenden Unternehmen eine Kostenrechnung für gänzlich

überflüssig. Diese Ansicht wird vornehmlich von Dienstleistungsunternehmen geäußert. Dabei vertreten 29 Unternehmen diesen Standpunkt, was einem Anteil

von 39,73% entspricht. Die absolute Anzahl der Industrieunternehmen, die diese Meinung teilen, ist mit 26 Nennungen ähnlich hoch wie im Dienstleistungssektor, allerdings entspricht dies nur einem Anteil von 14,20%. Vor diesem Hintergrund wird

es für uns verständlich, daß zur Zeit nur 19 Industrie- und sogar nur zwei Dienst­ leistungsunternehmen die Einführung einer Kostenrechnung in Erwägung ziehen.

In einem weiteren Schritt wollen wir eine Typisierung der eingesetzten Kostenrech­ nung vornehmen. Dabei soll die Typisierung sowohl in Abhängigkeit von der Branche als auch anhand der zugehörigen Wirtschaftszweige erfolgen.

922

Diese Bedenken wurden gegenüber dem Verfasser in zahlreichen Einzelgesprächen mit namhaften Vertretern der unternehmerischen Praxis und verschiedenen Professoren wirtschafts­ wissenschaftlicher Fakultäten türkischer Universitäten geäußert.

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

307

Kombinationstyp

B

C

X

1

1

3

Chemie

4

13

Papier und Druck

1

1

A Wirtschaftszweig

Energiewirtschaft

3

18

Maschinen

1

3

Fahrzeugbau

1

7

Metall

2

2

1

Elektrotechnik

1

Optik

5

2

Textil u. Bekleidung

4

Nahrungs- und Genußmittel

8

5

3

Steine u. Erden

6

Baugewerbe

4

1

Tourismus

Tab. 21: Kombinationstypen eingesetzter Kostenrechnung in Abhängigkeit von der

Branche Die Klassifizierung in Tabelle 21 erfolgt auf der Grundlage der im vorherigen Kapitel

von uns vorgenommenen Typenklassenbildung.923 In diesem Zusammenhang wollen wir festhalten, daß in Tabelle 21 allein die Tourismusbranche aus dem Dienst­ leistungssektor dargestellt ist, da die allgemeinen Dienstleistungsunternehmen keine

Kostenrechnung einsetzen und somit für unsere weitere Analyse unerheblich sind.

Im Gegensatz dazu werden von uns sämtliche industriellen Wirtschaftszweige bei der Typenklassenzuordnung berücksichtigt, weil in den einzelnen

Industrie­

bereichen die Kostenrechnung als zentrales Informationsinstrument verwendet wird.

Folglich liegt das Augenmerk unserer Klassifizierung auf den Industrieunternehmen,

von denen jedoch nur drei Unternehmen dem Typ A zuzuordnen sind. Diese fort­ schrittliche Gestaltung der Kostenrechnung wird von einem Unternehmen aus der Elektrotechnischen

923

Industrie

und

Vgl. hierzu ausführlich Abschnitt 6.1.6.

von

zwei

Unternehmen

aus

der

Metall-

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

verarbeitenden Industrie eingesetzt. Hierbei handelt es sich um Wirtschaftszweige

mit einer hohen nationalen Wettbewerbsintensität. Diesbezüglich liegt die Vermutung nahe, daß sich die Unternehmen mit einer idealtypisch ausgestalteten Kostenrech­ nung als Instrument zur Unternehmensführung einen entscheidenden Wettbewerbs­ vorteil gegenüber der Konkurrenz verschaffen wollen. Eine solche Ausgestaltung der Kostenrechnung ermöglicht es den Unternehmen aus theoretischer Sicht, die Auf­

gaben der Kostenrechnung in idealtypischer Weise zu erfüllen.924 Somit bildet die Kostenrechnung vom Typ A eine solide Grundlage für Verfahrenswahlentschei­ dungen im Fertigungsbereich und/oder Verkaufsentscheidungen im Absatzbereich.

Ferner besteht die Möglichkeit, auf der Grundlage der durch die Kostenrechnung

bereitgestellten Informationen eine Erfolgsplanung sowie eine periodenbezogene Erfolgskontrolle im Rahmen der kurzfristigen Erfolgsrechnung durchzuführen. Neben diesen drei Unternehmen setzen weitere zwölf Unternehmen eine Kosten­

rechnung vom Typ B ein, wobei ein Unternehmen der Tourismusbranche und damit

dem Dienstleistungssektor angehört. Auffallend ist, daß weitere drei Unternehmen

der Metallverarbeitenden Industrie eine Kostenrechnung vom Typ B einsetzen.

Darüber hinaus verfügen drei Unternehmen aus dem Industriezweig Steine und Erden sowie zwei Unternehmen aus der Textil- und Bekleidungsindustrie über eine Kostenrechnung vom Typ B. Analog zu der Metallverarbeitenden Industrie unterliegt auch die Branche Steine und Erden einer hohen nationalen Wettbewerbsintensität.

Im Gegensatz dazu ist die Textil- und Bekleidungsindustrie primär exportorientiert. Für die Unternehmen der Textil- und Bekleidungsindustrie ist eine fortschrittliche Kostenrechnung eine zwingende Voraussetzung, um international konkurrenzfähig

zu bleiben, während es bei den Unternehmen aus dem Bereich Steine und Erden im wesentlichen um die Sicherung ihrer nationalen Wettbewerbsposition geht. Die Verteilung der weiteren Merkmalsausprägungen vom Typ B auf die übrigen Wirtschaftszweige können Tabelle 21 entnommen und sollen an dieser Stelle nicht

weiter vertieft werden. Dem Kostenrechnungstyp C sind zehn weitere Unternehmen zuzuordnen, wobei

diese lediglich dem industriellen Sektor angehören. Wie Tabelle 21 zeigt, setzen von

924

Vgl. zu den Zwecken der Kostenrechnung ausführlich Abschnitt 2.1.3.

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

309

den insgesamt zehn Unternehmen vier Unternehmen der Chemischen Industrie

sowie vier Unternehmen der Nahrungs- und Genußmittelindustrie eine Kosten­

rechnung vom Typ C ein. Insbesondere die Tatsache, daß gerade einmal vier von 17 Unternehmen der Chemischen Industrie ausschließlich über eine Kostenrechnung

vom Typ C verfügen, ist für uns in Anbetracht der zunehmenden Attraktivität der

Türkei für ausländische Unternehmen und der stetig steigenden Anzahl an Joint Ventures überraschend.925 Darüber hinaus erscheint uns das Ergebnis vor dem Hintergrund der international ausgerichteten Geschäftspolitik der türkischen Chemie­

unternehmen umso verwunderlicher und bedarf an dieser Stelle besonderer Erwähnung. Nach unserer Meinung kann die internationale Wettbewerbsfähigkeit der

türkischen Chemieunternehmen allerdings nur dann langfristig gesichert werden,

wenn Informationen über den aktuellen und zukünftigen Erfolg der betrieblichen Leistungserstellung verfügbar sind. Dieses bedingt eine aussagefähigere Kosten­ rechnung als sie derzeit in den türkischen Chemieunternehmen eingesetzt wird.

Insgesamt erfüllen 76 Unternehmen weder die Kriterien der Kostenrechnungstypen A und B noch die Kriterien des Kostenrechnungstyps C und sind daher dem Typ X

zuzuordnen. Diese 76 Unternehmen setzen eine Kostenrechnung ein, die aus theoretischer Sicht mangelhaft ist und keine der Aufgaben der Kostenrechnung auch nur annähernd erfüllt. Somit können wir festhalten, daß nur 97 von 282 Industrie­

unternehmen eine Kostenrechnung einsetzen. Von diesen 97 Unternehmen verfügen lediglich 24 Unternehmen über eine gut ausgestaltete Kostenrechnung und mithin über ein fortschrittliches Informations- und Kontrollinstrument. Dies ist für uns ein Beleg für die mangelnde internationale Konkurrenzfähigkeit türkischer Industrie­

unternehmen und die Folge der überwiegend nationalen Ausrichtung ihrer Unter­ nehmenspolitik. Nachdenklich stimmt uns außerdem die Situation im Dienstleistungssektor, in dem

nur ein einziges von insgesamt 79 antwortenden Unternehmen über eine Kosten­ rechnung verfügt, die mit Abstrichen als fortschrittlich zu bezeichnen ist. Dies kann

Im Zuge der liberalistischen Wirtschaftspolitik der Türkei sowie durch die Aufnahme der Türkei in die europäische Zollunion haben viele internationale und insbesondere deutsche Chemie­ unternehmen Produktionsstätten in der Türkei errichtet. Als Beispiele in diesem Zusammenhang gelten Bayer Türk AS, Hoechst AS, Türk Henkel AS sowie BASF AS.

310_______________________________ Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

u.a. damit begründet werden, daß der Dienstleistungssektor in der Türkei bei weitem

noch nicht so ausgeprägt ist wie in anderen europäischen Ländern und lediglich 23,3% des Bruttoinlandsprodukts beträgt.926 Dementsprechend ist die Wettbewerbs­

intensität sowie der Kostendruck in dieser Branche wesentlich geringer als dies im industriellen Sektor der Fall ist. Als Sonderfall ist in diesem Zusammenhang wiederum die Tourismusbranche zu betrachten. Sie ist die einzige Branche des

Dienstleistungssektors, die über Unternehmen verfügt, welche die Vorteile einer Kostenrechnung erkannt haben. Dieser erhöhte Informationsbedarf im Vergleich zu anderen Dienstleistungsbereichen ist auf die zunehmende Attraktivität der Türkei als

Urlaubsland zurückzuführen. Dadurch bedingt ist es seit Anfang der neunziger Jahre zu einer stetig zunehmenden Anzahl an Neugründungen von Tourismusunter­

nehmen gekommen. In einem weiteren Schritt wollen wir uns der Frage widmen, welche Kosten­ rechnungssysteme im Dienstleistungssektor und im industriellen Sektor eingesetzt werden. Wie wir aus Abbildung 50 entnehmen können, liegt eine Dominanz der

traditionellen Vollkostenrechnungssysteme im Dienstleistungssektor vor.

Abb. 50: Eingesetzte Kostenrechnungssysteme bei Dienstleistungsunternehmen

926

Vgl. hierzu ausführlich Institute of Statistic [Analysis 1994], S.42.

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

Danach führen vier Unternehmen eine Istkostenrechnung durch, während zwei Unternehmen eine starre Normalkostenrechnung und ein Unternehmen eine flexible

Normalkostenrechnung einsetzen. Des weiteren stellen wir zu unserem Erstaunen

fest,

daß

insgesamt fünf Unternehmen

auf ein

Teilkostenrechnungssystem

verzichten. Diese Anzahl von Dienstleistungsunternehmen entspricht gleichzeitig

sämtlichen Unternehmen der Tourismusbranche und folglich des Dienstleistungs­ sektors, die überhaupt eine Kostenrechnung einsetzen.927 Somit haben wir es bei den vorliegenden Kostenrechnungssystemen nicht nur mit einfachen Formen von Kostenrechnungssystemen zu tun, sondern auch mit Kombinationstypen. In diesem

Zusammenhang interessieren uns vor allem die Verzichtsgründe für den Einsatz von Teilkostenrechnungssystemen, die wir jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt eingehend diskutieren wollen.

Weiterhin ist im Rahmen unserer Untersuchung die Ausgestaltung von Kosten­

rechnungssystemen im industriellen Sektor von grundlegendem Interesse.

Abb. 51: Eingesetzte Kostenrechnungssysteme bei Industrieunternehmen

Vgl. zu der Anzahl der Dienstleistungsunternehmen, die eine Kostenrechnung einsetzen, auch Tabelle 19.

312_______________________________ Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

Dabei veranschaulicht Abbildung 51 die Ausgestaltung der eingesetzten Kosten­

rechnungssysteme in türkischen Industrieunternehmen.928 Hieraus ist ersichtlich, daß ähnlich wie im Dienstleistungssektor auch im industriellen Sektor der Türkei vermehrt

die traditionellen Vollkostenrechnungssysteme eingesetzt werden. In diesem Zu­ sammenhang verwenden 95 Industrieunternehmen eine Istkostenrechnung, während acht Unternehmen eine starre Normalkostenrechnung und zwei Unternehmen eine flexible

Normalkostenrechnung

einsetzen.

Zudem

verfügen

zwei

Industrie­

unternehmen über eine starre Plankostenrechnung und drei weitere Unternehmen

führen eine flexible Plankostenrechnung zu Vollkosten durch. Neben den verwen­

deten traditionellen Vollkostenrechnungssystemen setzen insgesamt 14 Industrie­ unternehmen Teilkostenrechnungssysteme ein. Abbildung 51 verdeutlicht, daß die einstufige Deckungsbeitragsrechnung am weitesten verbreitet ist und von insgesamt

zwölf Unternehmen eingesetzt wird, während nur ein Unternehmen eine mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung und ein weiteres Industrieunternehmen eine Grenzplan­

kostenrechnung einsetzen. Aufgrund unserer vorherigen Untersuchungsergebnisse verwundert uns die geringe Anzahl eingesetzter Teilkostenrechnungssysteme nicht, denn sie stellt die logische Konsequenz aus der oben vorgenommenen Typenklassenzuordnung dar. Die

Gründe für den Einsatz einer fortschrittlichen Kostenrechnung als Informations- und

Kontrollinstrument zur Unternehmensführung haben wir oben hinreichend diskutiert; sie sollen deshalb an dieser Stelle nicht noch einmal aufgegriffen werden. Vielmehr interessieren uns in diesem Zusammenhang die Gründe für den Verzicht auf

Im Vergleich zu unseren Untersuchungsergebnissen weisen die in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführten empirischen Untersuchungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnungssysteme in Industrieunternehmen erhebliche Unterschiede auf. So zeigt sich in einer empirischen Studie von Küpper, daß von 137 Industrieunternehmen 71 Unternehmen (52,6%) eine Istkostenrechnung, 23 Unternehmen (17%) eine Normalkostenrechnung, 34 Unternehmen (25%) eine Prognosekostenrechnung, 10 Unternehmen (7%) ein einstufiges Direct Costing, 13 Unternehmen (10%) eine mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung und 54 Unternehmen (40%) eine Grenzplankostenrechnung einsetzen. Vgl. hierzu Küpper [Kosteninformationen 1983], S.171. Nach einer Untersuchung von Schehl kommt bei 30,7% der Unternehmen eine Istkostenrechnung, bei 27,1% eine Normalkostenrechnung, bei 11,5% eine starre Plankostenrechnung, bei 11,5% eine flexible Plankostenrechnung auf Vollkostenbasis, bei 19,2% eine Grenzplankostenrechnung und bei 15,4% eine stufenweise Fixkostendeckungs­ rechnung zum Einsatz. Vgl. hierzu ausführlich Schehl [Industrieunternehmen 1994], S.258. Anhand dieser Ergebnisse können wir feststellen, daß im Gegensatz zu türkischen Industrie­ unternehmen in deutschen Industrieunternehmen neben der traditionellen Vollkostenrechnung auch Teilkostenrechnungssysteme sehr verbreitet sind.

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

313

Teilkostenrechnungssysteme. Dazu wollen wir Tabelle 22 näher betrachten, in der

die Verzichtsgründe für Teilkostenrechnungssysteme in den Branchen Industrie und Dienstleistung dargestellt sind.

Industrie­ unternehmen

Dienstleistungs­ unternehmen

nicht notwendig

56

1

unbekannt

12

zu kompliziert

15

2

zu aufwendig

3

1

keine gesetzliche Notwendigkeit

39

2

Branche Verzichtsgründe

Tab. 22: Verzichtsgründe für Teilkostenrechnungssysteme unter Berücksichtigung der Branche

Diesbezüglich sei erwähnt, daß die befragten Unternehmen mehrere Verzichts­ gründe angeben konnten, so daß die Anzahl der Merkmalsausprägungen in Tabelle 22 nicht mit der Anzahl der Unternehmen übereinstimmt, die zwar eine Kosten­ rechnung einsetzen, aber nicht über eine Teilkostenrechnung verfügen.

Wie Tabelle 22 zeigt, sehen 56 Industrieunternnehmen keine Notwendigkeit darin, eine Teilkostenrechnung durchzuführen. Des weiteren verweisen 39 Unternehmen

aus dem industriellen Sektor darauf, daß eine Teilkostenrechnung gesetzlich nicht vorgeschrieben sei und somit auch der Grund für einen Einsatz fehle. Darüber

hinaus halten 15 Unternehmen eine Kostenrechnung auf Teilkostenbasis für zu kompliziert, während weiteren 12 Unternehmen die Funktionsweise einer Teilkosten­

rechnung unbekannt ist. Ferner vertreten drei Unternehmen die Meinung, daß die Durchführung einer Teilkostenrechnung zu aufwendig sei und in keinem Verhältnis zum Nutzen stehe.

Im Gegensatz zu den Industrieunternehmen werden im Dienstleistungsbereich die wesentlichen Gründe für den Verzicht auf eine Teilkostenrechnung in den fehlenden gesetzlichen Vorschriften sowie in der Komplexität gesehen. Somit stufen die Unter­

nehmen die Implementierung der Teilkostenrechnung als zu kompliziert und zu auf­

314

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

wendig ein, wobei sogar ein Unternehmen die Ansicht vertritt, daß ein Teilkosten­

rechnungssystem nicht notwendig sei.

Unter Berücksichtigung von Tabelle 22 wollen wir an dieser Stelle festhalten, daß die Vorteile, welche die Teilkostenrechnung mit sich bringt, weder im industriellen Sektor noch im Dienstleistungssektor richtig erkannt werden. Dabei stellt sich für uns die Frage, wie türkische Industrieunternehmen sowohl national als auch international wettbewerbsfähig bleiben wollen, wenn sie nicht in der Lage sind, fundiert und

zielorientiert zu

planen

bzw.

in

bestimmten

Situationen

problemorientierte

Entscheidungen zu treffen. Nach unserer Meinung ist ein alleiniger Einsatz von tradi­ tionellen Vollkostenrechnungssystemen, insbesondere der reinen Istkostenrechnung und/oder Normalkostenrechnung, für dispositive Zwecke ungeeignet, da sie keine

entscheidungsrelevanten Informationen für die Unternehmensleitung liefern. Dieses Informationsdefizit erscheint uns vor dem Hintergrund der derzeitigen Wettbewerbs­ situation und der allgemeinen Wirtschaftslage in der Türkei umso problematischer. Die türkischen Industrieunternehmen sehen sich im allgemeinen einer hohen

Wettbewerbsintensität gegenüber, welche durch eine zunehmende Komplexität und

Dynamik der Umwelt noch verstärkt wird. So haben beispielsweise Bedürfnis­

verlagerungen im Rahmen des gesellschaftlichen Wertewandels und die daraus resultierenden Nachfrageverschiebungen bzw. Beschaffungsmarktveränderungen

sowie Produkt- und Verfahrensinnovationen eine unterschiedlich starke Veränderung

der Branchenstruktur zur Folge. Somit bedarf es eines umfangreichen und gut ausgestalteten Führungsinstrumentariums, um frühzeitig mögliche Chancen nutzen und drohende Risiken abwenden zu können. Ferner spielen auch volkswirtschaftliche Aspekte eine bedeutende Rolle. Konjunktur­

zyklen und insbesondere Phasen der wirtschaftlichen Stagnation und Rezession stellen ebenfalls hohe Anforderungen an das Führungsinstrumentarium von Industrieunternehmen. Gerade negative Konjunktureinflüsse, wie sie derzeit in der

Türkei vorherrschen, haben einen verschärften Wettbewerb zur Folge, von dem wiederum vornehmlich Unternehmen des industriellen Sektors betroffen sind. Dabei

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

315

sind beispielsweise neben der Schrumpfung der traditionellen Absatzmärkte gleichzeitig Preissteigerungen auf den Beschaffungsmärkten zu verzeichnen. Auf­

grund der primär nationalen Ausrichtung der Geschäftspolitik türkischer Industrie­

unternehmen und der erhöhten inländischen Wettbewerbsintensität durch auslän­ dische Anbieter besteht für die türkischen Industrieunternehmen nur im Einzelfall die

Möglichkeit, auf ausländische Märkte auszuweichen, d.h. sowohl auf ausländischen Beschaffungsmärkten als auch auf ausländischen Absatzmärkten aktiv zu werden.

Stehen zudem keine entscheidungsrelevanten Informationen, wie z.B. produktbe­

zogene Teilkosten, zur Verfügung, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, daß sich die Unternehmen im Rahmen des aggressiven Preiskampfes aus dem Markt kalkulieren.

Demzufolge ist eine fortschrittliche Kostenrechnung als elementarer Bestandteil des

Führungsinstrumentariums von Industrieunternehmen unabdingbar. Sie muß so aussagekräftig ausgestaltet sein, daß sie zu jeder Zeit entscheidungsrelevante Informationen zur Unterstützung der Unternehmensleitung liefert. Dies kann jedoch nur mit Hilfe einer Teilkostenrechnung erreicht werden.

Ebenso nachdenklich wie die Situation im industriellen Sektor stimmt uns der Istzustand der Kostenrechnung im Dienstleistungsbereich. Die Tatsache, daß kein

einziges Dienstleistungsunternehmen eine Teilkostenrechnung einsetzt, ist aufgrund der geringen nationalen Wettbewerbsintensität und Umweltdynamik nachzuvoll­ ziehen. Allerdings bedarf es auch in diesem Wirtschaftszweig des Einsatzes von Teilkostenrechnungssystemen, um langfristig die unternehmerische Existenz zu sichern und Wettbewerbsvorteile zu erlangen.

Abschließend wollen wir uns mit den Kombinationstypen eingesetzter Kosten­

rechnungssysteme gegliedert nach den einzelnen Wirtschaftszweigen beschäftigen.

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

316

Kombinationstyp

a

b

C

d

Wirtschaftszweig

5

Energiewirtschaft Chemie

3

14

Papier und Druck

1

1

Metall

1

2

2

18

4

Maschinen

Fahrzeugbau

1

7

Elektrotechnik

1

2

1

Optik

Textil u. Bekleidung

1

6

Nahrungs- und Genußmittel

4

8

Steine u. Erden

1

7

Baugewerbe

1

5

5

Tourismus

Tab. 23: Typisierung der eingesetzten Kostenrechnungssysteme in bezug auf die

Branche

Wie Tabelle 23 zeigt, dominieren sowohl im türkischen Industriesektor als auch im türkischen Dienstleistungssektor die auf Vollkostenrechnungssystemen basierenden

Kombinationstypen (Typ c und d). Um uns ein besseres Bild über den derzeitigen Istzustand der Kostenrechnungssysteme in der unternehmerischen Praxis der Türkei

machen zu können, wollen wir zunächst die implementierten Kombinationstypen

angewandter Vollkostenrechnungssysteme näher betrachten. Dabei stellen wir fest, daß der weitaus größte Teil der türkischen Unternehmen eine Kombination aus Istkostenrechnung und/oder starrer oder flexibler Normalkostenrechnung einsetzt (Typ d). Von den 82 Unternehmen, die diesem Kombinationstyp zuzuordnen sind,

gehören 77 Unternehmen dem industriellen Sektor und fünf Unternehmen dem

Dienstleistungssektor an. In diesem Zusammenhang können wir festhalten, daß im industriellen Sektorallein 18 Unternehmen der Metallverarbeitenden Industrie und 14 Unternehmen der Chemischen Industrie eine Kostenrechnung vom Typ d einsetzen.

Dieses Ergebnis geht mit unserer Erkenntnis einher, daß diese Branchen einem hohen Wettbewerbsdruck unterliegen und somit einen höheren Informationsbedarf

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

317

haben als andere Wirtschaftszweige. Allerdings wollen wir an dieser Stelle kritisch

anmerken, daß unserer Meinung nach der Einsatz der Istkostenrechnung bzw. die kombinierte Anwendung von Istkostenrechnung mit einer Ausprägungsform der

Normalkostenrechnung als alleiniges Informationsinstrument nicht ausreicht, um die im Zuge der Existenzsicherung steigenden Informationsbedürfnisse der Unterneh­

men zu decken. Für die Dienstleistungsunternehmen zeichnet sich ein noch deut­ licheres Bild ab. So setzen sämtliche der hier aufgeführten Dienstleistungsunter­ nehmen eine Kostenrechnung vom Typ d ein. Diese Unternehmen sind ausschließ­

lich in der Tourismusbranche tätig. Grundsätzlich können wir davon ausgehen, daß ein auf Istkosten bzw. auf Normalkosten basierendes Kostenrechnungssystem in

diesem Bereich geeignet ist, hinreichende Informationen bereitzustellen. Da aber in

der Tourismusbranche ein wachsender Konkurrenzdruck festzustellen ist, ist es erforderlich, auch in dieser Branche Überlegungen hinsichtlich der zukünftigen

Angemessenheit dieses Kostenrechnungstyps anzustellen. In einem weiteren Schritt wollen wir uns den Unternehmen widmen, die neben der Istkostenrechnung eine Form der Plankostenrechnung auf Vollkostenbasis einsetzen

(Typ c). Diesem Kombinationstyp sind insgesamt fünf Unternehmen zuzuordnen, welche den Branchen Metallverarbeitung, Fahrzeugbau, Elektrotechnik und Optik angehören. An dieser Stelle ist positiv hervorzuheben, daß es diesen Unternehmen

aufgrund der von ihnen eingesetzten Plankostenrechnung möglich ist, einen wirksamen Soll-Ist-Vergleich durchzuführen. Kritisch ist jedoch entgegenzuhalten,

daß insbesondere in diesen Branchen mit einem hohen Anteil fremdgefertigter

Produktteile gearbeitet wird. Um aber die Vorteilhaftigkeit einer Fremdvergabe gegenüber der Möglichkeit einer Eigenfertigung besser einstufen zu können, bedarf es Teilkosteninformationen, die dieser Kombinationstyp jedoch nicht bereitzustellen

vermag. Des weiteren wollen wir die Unternehmen betrachten, die neben den Vollkosten­ rechnungssystemen gleichzeitig auch eine Teilkostenrechnung einsetzen.

Diese Unternehmen, die zum einen dem Kombinationstyp a als auch dem Kombina­

tionstyp b zugeordnet werden, sind als fortschrittlich einzustufen, da es der Einsatz dieser Kombinationstypen ermöglicht, die modernen Aufgaben der Kostenrechnung zu erfüllen. Anhand der Tabelle 23 können wir erkennen, daß 13 Unternehmen eine

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

318

einstufige oder mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung in Verbindung mit der Ist­

kostenrechnung einsetzen, wobei drei Unternehmen der Chemischen Industrie, vier Unternehmen der Nahrungs- und Genußmittelindustrie und zwei Unternehmen der

Metallverarbeitenden Industrie angehören.929 Weiterhin ist ein Unternehmen zu erwähnen, das eine Grenzplankostenrechnung in Kombinaten mit einer Istkostenrechnung durchführt (Typ a). Dieses Unternehmen

gehört der Metallverarbeitenden Industrie an. An dieser Stelle wollen wir darauf hinweisen, daß die für türkische Verhältnisse als fortschrittlich einzustufenden Teil­

kostenrechnungssysteme vornehmlich in der Chemischen Industrie, der Metall­ verarbeitenden Industrie und der Nahrungs- und Genußmittelindustrie eingesetzt

werden. Demgegenüber stellen wir zu unserem Erstaunen fest, daß die Unterneh­

men des Maschinen- und Anlagenbaus, des Fahrzeugbaus und der Elektrotechnik nur über Kombinationen von Vollkostenrechnungssystemen verfügen. Ferner ist

kritisch anzumerken, daß, absolut betrachtet, in den einzelnen Industriezweigen vorwiegend Vollkostenrechnungssysteme zum Einsatz kommen. Darüber hinaus

wird den einzelnen Ausprägungen der Plankostenrechnung bei den Industrieunter­ nehmen zu wenig Bedeutung beigemessen. Des weiteren werden in der Tourismus­ branche, stellvertretend für die Dienstleistungsbranche, ausschließlich Vollkosten­

rechnungssysteme eingesetzt. Abschließend wollen wir im Rahmen der Analyse der Branche als Einflußgröße auf

den Einsatz und die Gestaltung der Kostenrechnung und Kostenrechnungssysteme die bisherigen Untersuchungsergebnisse zusammenfassen. Dabei können wir im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung eine starke

Abhängigkeit von der Branchenzugehörigkeit feststellen. So ist die Einsatzhäufigkeit

Von diesen 13 Unternehmen führt ein Unternehmen aus der Nahrungs- und Genußmittelindustrie eine mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung in Kombination mit einer Istkostenrechnung durch. Dieses Unternehmen ist aus unserer Sicht als sehr fortschrittlich einzustufen, da es mittels der mehrstufigen Deckungsbeitragsrechnung den Informationsgehalt seiner kurzfristigen Erfolgs­ rechnung erhöht. Durch den Einsatz der mehrstufigen Deckungsbeitragsrechnung ist dieses Unternehmen in der Lage, eine verursachungsgemäße Zuordnung von Fixkostenbeträgen bis hin zu den einzelnen Erzeugnisarten vorzunehmen. Demzufolge bietet sich für das Unternehmen die Möglichkeit, durch eine stufenweise Fixkostendeckungsrechnung zu prüfen, bis zu welcher Produktionstiefe bei den betrieblichen Erzeugnissen Restdeckungsbeiträge vorliegen, um auf Basis dieser Informationen Produktionsprogrammentscheidungen zu treffen.

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

319

der Kostenrechnung bei den Industrieunternehmen wesentlich höher als bei den

Dienstleistungsunternehmen. Unabhängig von der Branchenzugehörigkeit bestehen

die wesentlichen Verzichtsgründe für einen Einsatz der Kostenrechnung in der Dominanz der Finanzbuchhaltung und dem Mangel an qualifiziertem Fachpersonal.

Angesichts der Gestaltung der Kostenrechnung können wir in allen Branchen erheb­ liche Defizite erkennen. Hervorzuheben ist, daß nur wenige Industrieunternehmen

die theoretischen Anforderungen an eine idealtypische Kostenrechnung erfüllen. In diesem Zusammenhang wird deutlich, daß die im betriebswirtschaftlichen Schrifttum geforderten Kriterien an eine fortschrittliche Kostenrechnung in der unternehme­ rischen Praxis der Türkei nicht umgesetzt werden.

Bezüglich der eingesetzten Kostenrechnungssysteme ist in den einzelnen Branchen eine Dominanz der Vollkostenrechnungssysteme zu verzeichnen. Dabei steht die

Istkostenrechnung sowohl im Industrie- als auch im Dienstleistungssektor im Vor­

dergrund. Entgegen unserer Erwartung können wir feststellen, daß die Normal­ kostenrechnung in der unternehmerischen Praxis der Türkei auch heute noch mehr Beachtung findet als die Plankostenrechnung. Zudem ist kritisch anzumerken, daß

die einzelnen Ausprägungen der Plankostenrechnung ausschließlich bei Industrie­ unternehmen zum Einsatz kommen.

Im Unterschied zu den Vollkostenrechnungssystemen sind die Teilkostenrechnungs­ systeme in den verschiedenen türkischen Wirtschaftszweigen kaum verbreitet. Von den vorliegenden Teilkostenrechnungssystemen wird die einstufige Deckungs­

beitragsrechnung am häufigsten eingesetzt. Ebenso wie die Plankostenrechnung

wird auch die einstufige Deckungsbeitragsrechnung lediglich in Industrieunter­ nehmen durchgeführt. Demgegenüber werden in der unternehmerischen Praxis der

Türkei über alle Branchen hinweg, und vor allem in den Industriezweigen, die Vorteile der mehrstufigen Deckungsbeitragsrechnung und Grenzplankostenrechnung nicht richtig eingeschätzt, so daß diese beiden fortschrittlichen Kostenrechnungs­

systeme in türkischen Unternehmen praktisch kaum Anwendung finden. Die zentralen Verzichtsgründe für den Einsatz von Teilkostenrechnungssystemen sind einerseits die fehlenden gesetzlichen Vorschriften, andererseits sehen die meisten Unternehmen eine Teilkostenrechnung für die von ihnen zu erfüllenden Aufgaben als

nicht notwendig an.

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

320

Zusammenfassend können wir festhalten, daß durch die Branchenzugehörigkeit der

Unternehmen der Einsatz und die Gestaltung der Kostenrechnung und Kostenrech­

nungssysteme determiniert wird. Unserer Auffassung nach stellt die Branchen­ zugehörigkeit somit eine grundlegende Einflußgröße dar. 6.2.3 Einsatz und Gestaltung der Kostenrechnung und der Kostenrechnungs­ systeme in Abhängigkeit von der Unternehmensform

Wir wollen nun die Auswirkungen der Unternehmensform auf die Kostenrechnung und die Kostenrechnungssysteme untersuchen. Hierbei ist es zweckmäßig, sowohl

die Eigentumsverhältnisse an den Unternehmen als auch die Rechtsform der Unter­ nehmen zu berücksichtigen. Bei den Eigentumsverhältnissen werden öffentliche türkische Unternehmen, rein privatwirtschaftlich geführte türkische Unternehmen und

Joint Ventures unterschieden. Diese werden im Hinblick auf den Einsatz der Kosten­

rechnung und der Kostenrechnungssysteme untersucht. Bei der Rechtsform steht

die Differenzierung zwischen der Personengesellschaft und der Kapitalgesellschaft im Vordergrund unserer Untersuchung.930 In einem ersten Schritt ist der Einfluß der Eigentumsverhältnisse auf den Einsatz der

Kostenrechnung beschriebene

zu

analysieren.

Differenzierung

der

Hierbei

nehmen

Unternehmen

wir

vor.

bewußt

Dadurch

die

bereits

werden

die

strukturellen Besonderheiten hinsichtlich der Eigentumsverhältnisse an türkischen Unternehmen entsprechend gewürdigt.

Insbesondere wird speziell auch die

herausragende Bedeutung von Joint Ventures und öffentlichen Unternehmen in der Türkei beachtet. Damit soll gezeigt werden, daß die Eigentumsverhältnisse eine

bedeutende Einflußgröße für die Kostenrechnung und die Kostenrechnungssysteme darstellen.

Den Zusammenhang zwischen den Eigentumsverhältnissen und dem Einsatz der

Kostenrechnung stellt Tabelle 24 dar.

930

Auf eine weitere Differenzierung, z.B. in verschiedene Formen von Personen- und Kapital­ gesellschaften, wollen wir an dieser Stelle verzichten, da diese aus unserer Sicht für die Analyse des Einflusses der Rechtsform auf den Einsatz und die Gestaltung der Kostenrechnung und der Kostenrechnungssysteme nicht relevant ist. Vgl. ausführlich zu der von uns vorgenommenen Einteilung mit den entsprechenden Häufigkeitsverteilungen Abschnitt 5.3.1.2.

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

321

Einsatz der Kostenrechnung

Ja

Nein

z

Private Unternehmen

78

255

333

Joint Ventures

19

1

20

Öffentliche Unternehmen

6

2

8

s

103

258

361

Eigentumsverhältnisse

Tab. 24: Einsatz der Kostenrechnung in Abhängigkeit von den Eigentums­

verhältnissen Bei den Eigentumsverhältnissen ist festzustellen, daß die meisten antwortenden

türkischen Unternehmen als Privatunternehmen geführt werden. So sind von den

nach den Plausibilitätsregeln931 übrig gebliebenen 361 Unternehmen insgesamt 333

private Unternehmen. Dabei setzen jedoch nur 78 private Unternehmen (23,42%) eine Kostenrechnung ein, während 255 Unternehmen (76,58%) auf ihren Einsatz verzichten. Für die Joint Venture-Unternehmen ergibt sich jedoch ein völlig anderes Bild. Zwar

sind diese Unternehmen anzahlmäßig nicht sehr stark vertreten, allerdings stellen wir hinsichtlich des Einsatzes der Kostenrechnung fest, daß mit 19 von 20 Unternehmen

(95%) fast alle eine Kostenrechnung einsetzen. Lediglich ein Unternehmen (5%)

führt keine Kostenrechnung durch. Bei den Joint Venture-Unternehmen handelt es sich in der überwiegenden Zahl der Fälle auch um private Unternehmen,932 jedoch

nehmen diese Unternehmen im Rahmen unserer empirischen Analyse eine

Vgl. hierzu Abschnitt 5.2.2.3. An dieser Stelle wollen wir aber darauf hinweisen, daß in der unternehmerischen Praxis der Türkei durchaus auch Konstellationen von Joint Venture-Unternehmen existieren, an denen wiederum der Staat beteiligt ist Als Beispiel ist hier die Fluggesellschaft Sun Express zu nennen,

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

322

besondere Stellung ein. Dies ist darauf zurückzuführen, daß an der Gründung und Führung von Joint Venture-Unternehmen in den meisten Fällen mindestens eine multinationale Unternehmung beteiligt ist. Wir haben deshalb vermutet, daß insbesondere die an den Joint Ventures beteiligten westlichen Partnerunternehmen

einen entscheidenden und prägenden Einfluß auf den Einsatz der Kostenrechnung in den Gemeinschaftsunternehmen ausüben.933 Zwar besitzen die türkischen

Partnerunternehmen mit einer gesetzlich vorgeschriebenen Mindestbeteiligung von 51% stets die Stimmenmehrheit am jeweiligen Joint Venture-Unternehmen, sie

verpflichten sich aber häufig vertraglich, für ihr ausländisches Partnerunternehmen erforderliche Informationen, insbesondere auch Kosteninformationen, bereitzu­

stellen.

Bei den öffentlichen Unternehmen stellen wir zunächst fest, daß diese ihrer Anzahl nach in unserer Untersuchung nur sehr gering vertreten sind. Dies ist im

wesentlichen auf den stark eingeschränkten Informationsfluß von Seiten der öffentlichen Unternehmen zurückzuführen. In diesem Zusammenhang ist jedoch zu berücksichtigen, daß es sich bei den öffentlichen Unternehmen zumeist um

Großunternehmen handelt, so daß die getroffenen Aussagen bezüglich des Einsatzes der Kostenrechnung relativiert werden müssen. Dennoch erstaunt es uns, daß von den acht öffentlichen Unternehmen sechs Unternehmen (75%) eine

Kostenrechnung einsetzen. Das ist vor dem Hintergrund zu sehen, daß die

Organisationsstruktur bei den öffentlichen Unternehmen sehr stark politisch geprägt und somit auch politischen Schwankungen ausgesetzt ist.934 So werden die obersten Leitungsebenen ausschließlich von Politikern besetzt, wobei dem türkischen

Ministerpräsidenten die Leitung der öffentlichen Unternehmen obliegt. Mit jedem Regierungswechsel935 ändert sich somit auch die organisatorische Zusammen-

an der zu 51% mit der Türkisch Airlines ein öffentliches türkisches Unternehmen und mit 49% die deutsche Fluggesellschaft Lufthansa beteiligt ist. 933

Diese Vermutung wurde durch Stellungnahmen von leitenden Vertretern einzelner Joint VentureUnternehmen in Gesprächen mit dem Verfasser bestärkt.

934

Vgl. ausführlich zu den organisatorischen Gegebenheiten in den öffentlichen Unternehmen der Türkei Abschnitt 4.3.1.

935

An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, daß sich allein in der Zeit von 1990 bis 1999 zehn Mal ein Wechsel in der türkischen Regierung vollzogen hat.

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

223

Setzung in den öffentlichen Unternehmen, wodurch eine Kontinuität in der Unter­ nehmensführung meist nicht gewährleistet werden kann. Dies könnte einem

optimalen Einsatz der Kostenrechnung aus unserer Sicht entgegenstehen. Als

weitere Gründe können neben organisatorischen Problemen auch Differenzen

gegenüber den privatwirtschaftlich geführten Unternehmen bei den Unternehmens­ zielen selbst sowie bei der Zielverfolgung angenommen werden. So vermuten wir,

daß bei den öffentlichen Unternehmen, im Unterschied zu den privaten Unter­ nehmen, weniger die klassischen betriebswirtschaftlichen Ziele wie Gewinnmaxi­ mierung und/oder Wirtschaftlichkeit als vielmehr politische Interessen im Vorder­

grund stehen. Auch ist davon auszugehen, daß die formulierten Ziele aus politischen Gründen nicht entsprechend konsequent verfolgt werden können.

Trotz der von uns bezüglich der Kostenrechnung beschriebenen Problematik bei öffentlichen Unternehmen verzichten insgesamt nur zwei Unternehmen auf deren Durchführung.

Es ist zweckmäßig, die Gründe für einen Verzicht auf den Einsatz der Kosten­

rechnung zu untersuchen.

Tabelle 25 zeigt die Verzichtsgründe für den Einsatz einer Kostenrechnung in Abhängigkeit von den Eigentumsverhältnissen.

Eigentumsverhältnisse

Private Unternehmen

Joint Ventures

Öffentliche Unternehmen

164

1

2

Verzichtsgründe Finanzbuchhaltung als Informationsgrundlage

Kostenrechnung bringt nur geringen Nutzen Ohne Kostenrechnung überschaubarer und steuerbarer Kein qualifiziertes Personal

88

100

1

128

1

Tab. 25: Gründe für den Verzicht auf eine Kostenrechnung in Abhängigkeit von den Eigentumsverhältnissen

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

324

Ein besonderes Augenmerk wollen wir hier auf die privaten Unternehmen richten.

Auf die Joint Ventures und die öffentlichen Unternehmen soll hingegen nicht näher

eingegangen werden, weil der größte Teil der nach Anwendung der Plausibilitäts­ regeln verbleibenden öffentlichen Unternehmen und Joint Ventures eine Kosten­ rechnung einsetzt. In bezug auf die Verzichtsgründe der Privatunternehmen lassen

sich keine neuen Erkenntnisse ableiten. Grundsätzlich treffen auch hier die bereits für die Einflußgrößen Unternehmensgröße und Branche getroffenen Aussagen zu. Die dominierende Stellung der Finanzbuchhaltung sowie der Mangel an ausreichend

qualifiziertem Fachpersonal stellen auch bei den Eigentumsverhältnissen die

wesentlichen Gründe für den Verzicht auf den Einsatz einer Kostenrechnung dar. An dieser Stelle können wir festhalten, daß der Verbreitungsgrad der Kostenrech­ nung bei den Privatunternehmen im Vergleich zu den Joint Ventures und den öffent­ lichen Unternehmen relativ gering ist.

Zusätzlich

zu

den

Eigentumsverhältnissen

interessieren

wir

uns

bei

der

Unternehmensform auch für die Auswirkungen der Rechtsform der Unternehmen auf den Einsatz der Kostenrechnung. Tabelle 26 zeigt eine deutliche Dominanz der

Kapitalgesellschaften gegenüber den Personengesellschaften. Hier ergeben sich deutliche

Diskrepanzen

gegenüber der Struktur der Grundgesamtheit aller

Unternehmen in der Türkei, da dort die Anzahl der Personengesellschaften eindeutig

überwiegt.936 Wir gehen aber davon aus, daß der Kenntnisstand und die Informationsbereitschaft bei den Kapitalgesellschaften wesentlich höher einzustufen

936

Vgl.

hierzu

ausführlich

Institute

of Statistics

[Analysis

1994],

S.39.

Auch wenn

die

Personengesellschaften in der unternehmerischen Praxis der Türkei im Vergleich zu den Kapitalgesellschaften wesentlich stärker verbreitet sind, so verdeutlicht das vorliegende Zahlenmaterial bezüglich der Anzahl der Personengesellschaften dennoch eine rückläufige Tendenz. Als Gründe hierfür können zum einen das gestiegene Konkursrisiko türkischer Unternehmen sowie die Änderungen der Kreditinstitute in ihrer Haltung gegenüber Kapital­ gesellschaften in bezug auf die Vergabe von Krediten angeführt werden. Aufgrund dieser Entwicklung kann festgestellt werden, daß der Anreiz zur Bildung von Kapitalgesellschaften tendenziell gestiegen ist.

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

325

ist als bei den Personengesellschaften.937 Zudem kann das Übergewicht der Kapitalgesellschaften in unserer empirischen Untersuchung darauf zurückgeführt

werden,

daß wir lediglich

Unternehmen

mit mehr als zehn

Beschäftigten

berücksichtig haben938 und der überwiegende Teil der Unternehmen mit weniger als

zehn Beschäftigten in der Rechtsform der Personengesellschaft geführt wird. Dies kommt jedoch letztlich der Qualität unserer empirischen Analyse entgegen.

Einsatz der Kostenrechnung

Ja

Nein

z

Personengesellschaften

1

25

26

Kapitalgesellschaften

102

232

334

s

103

257

360

Rechtsform

Tab. 26: Einsatz der Kostenrechnung in Abhängigkeit von der Rechtsform So setzt von den 26 Personengesellschaften lediglich ein Unternehmen (3,9%) eine Kostenrechnung ein, während 25 Unternehmen (96,2%) auf die Durchführung einer Kostenrechnung verzichten. Dieses Ergebnis überrascht uns deshalb nicht, da die

Personengesellschaften in der unternehmerischen Praxis der Türkei sehr stark durch

die Eigentümer geprägt sind. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, daß es sich bei diesen Unternehmen zumeist um Familienunternehmen handelt, die von einer Generation auf die nächste übertragen werden. Die Personengesellschaften sind

Die Ursachen hierfür sind weniger auf die Rechtsform als vielmehr auf die Größe des Unternehmens zurückzuführen. So werden gerade große Unternehmen in Form von Kapital­ gesellschaften geführt. Diese Unternehmen verfügen über die entsprechenden finanziellen und auch personellen Möglichkeiten, sich mit der Kostenrechnung auseinanderzusetzen. 938

Vgl. hierzu ausführlich Abschnitt 5.2.2.2.

325.

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

daher meistens durch ein sehr statisches Traditionsdenken gekennzeichnet.939 Das Erfordernis einer Kostenrechnung ergibt sich aber gerade aus der zunehmenden

Dynamik und Komplexität der Unternehmensumwelt. Dies zu erkennen fällt vielen Unternehmen, insbesondere Unternehmen in Form einer Personengesellschaft,

schwer.

Im Vergleich zum Einsatz bei Personengesellschaften hat die Kostenrechnung bei

Kapitalgesellschaften eine wesentlich größere Bedeutung.940 Insgesamt verwenden 102 von 334 Unternehmen (30,5%) eine Kostenrechnung. Dennoch verzichten zu

unserem Erstaunen immerhin 232 Unternehmen (69,5%), die in Form einer Kapital­

gesellschaft geführt werden,

auf den

Einsatz einer Kostenrechnung.

Hier

interessieren uns insbesondere die Verzichtsgründe in Abhängigkeit von der vorlie­

genden Rechtsform des Unternehmens. Tabelle 27 zeigt, daß auch bei den Rechts­ formen, wie bereits bei den Determinanten Untemehmensgröße und Branche, die

wesentlichen Verzichtsgründe in der Dominanz der Finanzbuchhaltung und in dem

Mangel an ausreichend qualifiziertem Fachpersonal zu sehen sind.

Neben der Absicht, das Unternehmen in seiner traditionellen Form fortbestehen zu lassen, ist in der Vermeidung spezieller Vorschriften für die Erstellung des Jahresabschlusses von Kapital­ gesellschaften ein weiterer Grund für das Festhalten an der Rechtsform der Personen­ gesellschaft zu sehen. Insbesondere ist in diesem Zusammenhang davon auszugehen, daß gerade auch diese Unternehmen nicht gewillt sind, eine Kostenrechnung einzusetzen. Bei den in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführten empirischen Untersuchungen zeigt sich ein anderes Bild. Hier können grundsätzlich keine Unterschiede zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften hinsichtlich des Einsatzes einer Kostenrechnung festgestellt werden. So liegt nach einer Untersuchung von Becker der Anteil der Personengesellschaften, die eine Kostenrechnung einsetzen, bei 78,0%. Bei den Kapitalgesellschaften ist der Anteil mit 84,1% nur geringfügig höher. An dieser Stelle ist jedoch darauf hinzuweisen, daß in der empirischen Untersuchung von Becker, wie wir bereits erwähnt haben, lediglich Mittelunternehmen berück­ sichtigt werden. Die Rechtsform scheint somit nach dieser Untersuchung keinen Einfluß auf den Einsatz der Kostenrechnung auszuüben. Vgl. ausführlich Becker [Kostenrechnung 1984], S.158.

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

Rechtsform

327

Personen­ gesellschaften

Kapital­ gesellschaften

18

148

2

86

11

90

10

119

Verzichtsgründe Finanzbuchhaltung als Informationsgrundlage Kostenrechnung bringt nur geringen Nutzen Ohne Kostenrechnung überschaubarer und steuerbarer Kein qualifiziertes Personal

Tab. 27: Gründe für den Verzicht auf eine Kostenrechnung in Abhängigkeit von der

Rechtsform

Dies wird dadurch verdeutlicht, daß

148 Kapitalgesellschaften (63,8%) die

Auffassung vertreten, daß die Finanzbuchhaltung als Informationsgrundlage aus­

reichend sei. Weiterhin geben 119 Kapitalgesellschaften (51,3%) an, daß es ihnen

zur Implementierung einer Kostenrechnung an entsprechend qualifiziertem Personal mangele. Insbesondere die letzte Begründung ist nur wenig überzeugend, da vor allem die Kapitalgesellschaften, die zum größten Teil den Großunternehmen zuzu­

ordnen sind, über entsprechende finanzielle Möglichkeiten verfügen, qualifiziertes Personal auszubilden und/oder weiterzubilden. Zum Argument der Konzentration auf

die Finanzbuchhaltung ist kritisch anzumerken, daß die von der Finanzbuchhaltung bereitgestellten Informationen insbesondere hinsichtlich zu treffender Unterneh­ mensentscheidungen häufig eben nicht als ausreichend angesehen werden können.941 Auch die fehlende Überschaubarkeit und Steuerbarkeit ohne Einsatz einer Kostenrechnung sowie der nur geringe Nutzen der Kostenrechnung werden

von vielen Kapitalgesellschaften als Grund für den Verzicht angegeben.

941

Aus Sicht deutscher Unternehmen, und hier speziell der Kapitalgesellschaften, die in Form von Aktiengesellschaften geführt werden, ist die alleinige Berücksichtigung der Finanzbuchhaltung als Informationsgrundlage für unternehmenspolitische Entscheidungen unvorstellbar.

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

328

In bezug auf die Rechtsform ist somit festzuhalten, daß die Kostenrechnung nur bei Kapitalgesellschaften eine relative Beachtung findet.

In den folgenden Ausführungen wollen wir uns mit der Gestaltung der Kosten­

rechnung in den Unternehmen unter besonderer Berücksichtigung der Eigentums­

verhältnisse beschäftigen. Tabelle 28 zeigt diesen Zusammenhang zwischen den Eigentumsverhältnissen und der Ausgestaltung der Kostenrechnung, der sich in den Kombinationstypen A, B und C widerspiegelt. Unter dem Kombinationstyp X fassen

wir jene Unternehmen zusammen, deren Kostenrechnung nicht den Anforderungen an die zuvor genannten Kombinationstypen entspricht.

Kombinationstyp A

B

C

X

z

Private Unternehmen

1

11

7

58

77

Joint Ventures

1

2

16

19

Öffentliche Unternehmen

1

1

1

2

5

E

3

12

10

76

101

Eigentumsverhältnisse

Tab. 28: Kombinationstypen eingesetzter Kostenrechnung in Abhängigkeit von den

Eigentumsverhältnissen Bei den Privatunternehmen ist festzustellen, daß 58 Unternehmen (75,3%), also der

weitaus größte Teil, eine Kostenrechnung einsetzt, deren Ausgestaltung im Hinblick

auf die Einteilung, Stufen, Methoden und Verfahren der Kostenrechnung so starke

Defizite aufweist, daß sie keinem der von uns festgelegten Kombinationstypen zugeordnet werden kann. Weitere sieben Unternehmen (9,1%) erfüllen nur die aus

unserer Sicht bestehenden Mindestanforderungen. Diese Unternehmen wurden dem Typ C zugeordnet. Die meisten der privaten Unternehmen, die einem der Kombi­

nationstypen zugeordnet werden konnten, setzen eine Kostenrechnung vom Typ B

ein. Auffallend ist, daß nur drei Unternehmen eine Kostenrechnung durchführen, die den theoretischen Anforderungen an dieses Instrument gerecht wird. Hinsichtlich der

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

329

Defizite bei der Ausgestaltung der Kostenrechnung, die insbesondere die Unter­ nehmen aufweisen, die keinem Kombinationstyp zugeordnet werden konnten, vermuten wir, daß die Kostenrechnung nur eine Scheinfunktion erfüllt. Dies ist damit zu begründen, daß eine derartig ausgestaltete Kostenrechnung, die nur aus ein­

zelnen, nicht miteinander verbundenen Kostenrechnungselementen besteht, nicht in

der Lage ist, wesentliche an sie aus theoretischer Sicht gestellte Anforderungen zu erfüllen. Wir nehmen deshalb an, daß diese Unternehmen eine Kostenrechnung lediglich aus Prestigegründen betreiben. Weitere Ursachen vermuten wir auch in der

Beeinflussung der Kostenrechnung durch die Unternehmenskultur. So kann ins­ besondere für die unternehmerische Praxis der Türkei festgestellt werden, daß viele Unternehmen in ihren Handlungsweisen dem Vorbild einiger weniger, zumeist großer

Konkurrenzunternehmen942 folgen. Dies trifft insbesondere auch auf den Einsatz der

Kostenrechnung zu. Für die Joint Ventures zeigt sich zu unserem Erstaunen ein den privaten Unter­ nehmen vergleichbares Bild. So überwiegt auch bei den Joint Ventures der Teil der

Unternehmen, deren Kostenrechnung noch nicht einmal den Mindestanforderungen

des Typs C entsprechen. Dieses trifft auf 16 Unternehmen (84,2%) zu, die dem­

entsprechend dem Typ X zugeordnet werden. Während zwei Unternehmen (10,5%)

eine Kostenrechnung vom Typ C einsetzen, erfüllt lediglich ein Unternehmen (5,3%)

die Anforderungen an eine Kostenrechnung vom Typ A. Zwar konnten wir im Zusammenhang mit dem Einsatz der Kostenrechnung einen positiven Einfluß der an

den Joint Ventures beteiligten ausländischen Unternehmen auf ihre türkischen Partner feststellen, bezüglich der Ausgestaltung der Kostenrechnung kann dies

jedoch nicht bestätigt werden.

Im Hinblick auf die öffentlichen Unternehmen ist es für uns überraschend, daß jeweils ein Unternehmen dem Typ A, B und C zugeordnet werden kann. Demgegen­

Als ein erster Wegbereiter und somit als Vorbild für die anderen Unternehmen ist vor allem der Sümerbank-Konzern zu nennen, der in der unternehmerischen Praxis der Türkei ein hohes Ansehen genießt. Besondere Beachtung gebührt auch der Koc-Holding sowie der SabanciHolding, die Mitte der 80er Jahre damit begonnen haben, eine auf das Unternehmen zugeschnittene Kostenrechnung zu konzipieren. Dieses Konzept wurde von einigen türkischen Unternehmen unreflektiert übernommen, so daß diese Unternehmen zwar einerseits über eine Kostenrechnung verfügen, diese aber andererseits aufgrund ihrer betriebsspezifischen Ausrich­ tung in weiten Teilen nicht den Anforderungen des jeweiligen Unternehmens genügt.

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

330.

über erfüllen nur zwei (40%) der insgesamt fünf öffentlichen Unternehmen, die eine Kostenrechnung einsetzen, nicht die Mindestanforderungen des Typs C.

Bei der Analyse des Einflußfaktors der Eigentumsverhältnisse konnten wir, wie

bereits beschrieben, bezüglich des Einsatzes der Kostenrechung eine starke Korre­ lation feststellen. Hinsichtlich der Ausgestaltung der Kostenrechnung kann diese

Aussage nicht aufrecht erhalten werden. So zeigt sich bei dem größten Teil der Unternehmen, daß die Kostenrechnung - unabhängig von den Eigentumsverhält­

nissen - erhebliche Defizite aufweist. Diese Defizite machen unseres Erachtens

einen effizienten Einsatz der Kostenrechnung unmöglich. Im folgenden wollen wir uns mit der Einflußgröße der Rechtsform und deren

Auswirkung auf die Ausgestaltung der Kostenrechnung auseinandersetzen.

Kombinationstyp

A

B

C

X

s

1

1

Rechtsform

Personengesellschaften Kapitalgesellschaften

3

12

10

75

100

s

3

12

10

76

101

Tab. 29: Kombinationstypen eingesetzter Kostenrechnung in Abhängigkeit von der Rechtsform

Tabelle 29 zeigt, daß bei den Personengesellschaften lediglich ein Unternehmen

eine Kostenrechnung einsetzt, wobei diese Kostenrechnung nicht den Kombinations­ typen A bis C, sondern nur dem Typ X zugeordnet werden kann. Dieses Ergebnis verstärkt unseren Eindruck, daß die Kostenrechnung bei den Personengesell­

schaften nicht nur wenig verbreitet, sondern darüber hinaus in bezug auf die Gestal­

tung der Kostenrechnung auch wenig ausgeprägt ist. Bei den Kapitalgesellschaften setzen zwar wesentlich mehr Unternehmen eine Kostenrechnung ein, aber auch hier entspricht die inhaltliche Ausgestaltung der Kostenrechnung nur in seltenen Fällen den an sie zu stellenden Anforderungen. So

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung_______________________________ 331

wird bei den Kapitalgesellschaften von 75 Unternehmen (75%) eine Kostenrechnung angewendet, die weder dem Kombinationstyp A noch den Typen B oder C zuge­ ordnet werden kann. Im Hinblick auf die Einsatzfähigkeit einer derartigen Kosten­

rechnung bedeutet dies, daß sie nicht in der Lage ist, für das Unternehmen entscheidungsrelevante Informationen bereitzustellen und somit ihre Wirkung als

Instrument der Unternehmensführung verfehlt. Es können jedoch insgesamt 25 Unternehmen (25%) auf die von uns gebildeten Kombinationstypen aufgeteilt

werden, wobei zehn Unternehmen (10%) auf den Typ C, zwölf Unternehmen (12%) auf den Typ B und lediglich drei Unternehmen (3%) auf den Typ A entfallen. Die im

betriebswirtschaftlichen Schrifttum als unverzichtbar dargestellten Methoden und Verfahren der Kostenrechnung werden nur von den drei Unternehmen (3 %)

angewendet, die dem Typ A angehören. Zwar können auch die Unternehmen, die

eine Kostenrechnung vom Typ B oder C aufweisen, einzelne Methoden und Ver­

fahren der Kostenrechnung anwenden, für die Belange einer Kapitalgesellschaft sind diese Ausgestaltungsformen der Kostenrechnung jedoch aus unserer Sicht nicht

ausreichend. Hier bedarf es aus den bereits dargestellten Gründen einer besonders ausgeprägten und umfassenden Form der Kostenrechnung.

In diesem Zusammenhang überrascht uns, daß insbesondere die Kapitalgesell­

schaften, denen eine besondere wirtschaftliche Bedeutung943 für die Türkei zu­ kommt, nicht über eine entsprechend ausgebaute Kostenrechnung verfügen. Die

Notwendigkeit einer einsatz- und funktionsfähigen Kostenrechnung ergibt sich daraus, daß vor allem Kapitalgesellschaften im Gegensatz zu den überwiegend auf

den nationalen Markt ausgerichteten Personengesellschaften gezwungen sind, sich

dem globalen Wettbewerb und damit auch der internationalen Konkurrenz zu stellen. Dazu bedarf es aber entsprechender Kosteninformationen, um sich ein Bild über das

eigene Unternehmen und über die Konkurrenzunternehmen machen zu können. Vor

allem bei den Kapitalgesellschaften kommt somit der Kostenposition im strate­

gischen Wettbewerb eine bedeutende Rolle zu.

Die besondere Stellung der Kapitalgesellschaften ergibt sich aus der Tatsache, daß es sich bei 65,5% der antwortenden Unternehmen, die in Form einer Kapitalgesellschaft geführt werden, um Aktiengesellschaften handelt Insbesondere bei den Aktiengesellschaften kann davon ausge­ gangen werden, daß diese auf den Weltmarkt ausgerichtet sind. Vgl. hierzu auch die Häufigkeits­ verteilung in Abschnitt 5.3.1.2.

232.

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

Nachdem wir uns mit dem Einsatz und der Gestaltung der Kostenrechnung

beschäftigt haben, wollen wir uns nun mit den in Abhängigkeit von der Unterneh­ mensform verwendeten Kostenrechnungssystemen befassen.

Im folgenden

sollen

die Auswirkungen der

Eigentumsverhältnisse

auf die

verwendeten Kostenrechnungssysteme analysiert werden. Dabei wollen wir zuerst auf die öffentlichen Unternehmen und anschließend auf die Privatunternehmen sowie die Joint Ventures eingehen. Abbildung 52 zeigt die von den öffentlichen Unternehmen eingesetzten Kostenrechnungssysteme.

Abb. 52: Eingesetzte Kostenrechnungssysteme bei öffentlichen Unternehmen

Wir können hier erkennen, daß von den sechs öffentlichen Unternehmen, die über eine Kostenrechnung verfügen, insgesamt fünf Unternehmen eine Istkosten­

rechnung einsetzen. Ein Unternehmen verwendet mit der starren Normalkosten­ rechnung ebenfalls ein System der Vollkostenrechnung. Demgegenüber sind die

Teilkostenrechnungssysteme bei den öffentlichen Unternehmen kaum verbreitet. Lediglich ein Unternehmen setzt die einstufige Deckungsbeitragsrechnung ein. Dieses Ergebnis überrascht uns nicht, da die öffentlichen Unternehmen, wie bereits

früher erwähnt wurde, andere Zielsetzungen verfolgen als die privatwirtschaftlich

geführten Unternehmen. So werden Entscheidungen, beispielsweise bei der Wahl zwischen Eigen- oder Fremdfertigung, bei der Zusammensetzung des Verkaufs-

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

333

Programms oder bei der Eliminierung von Verlustartikeln, für die eigentlich Teil­

kosteninformationen erforderlich wären, auf der Basis anderer Entscheidungsgrund­ lagen getroffen, die die Kostenaspekte unter Umständen nicht immer hinreichend berücksichtigen. Hier sind vor allem die politischen Einflüsse auf die öffentlichen Unternehmen hervorzuheben. Diese Aussage wird auch durch die Verzichtsgründe

der öffentlichen Unternehmen auf ein Teilkostenrechnungssystem verdeutlicht.

Tabelle 30 zeigt die Gründe für den Verzicht auf ein Teilkostenrechnungssystem in Abhängigkeit von den Eigentumsverhältnissen.

Eigentumsverhältnisse

Öffentliche Unternehmen

Private Unternehmen

Joint Ventures

4

44

9

9

3 1

Verzichtsgründe

nicht notwendig unbekannt

zu kompliziert

1

15

zu aufwendig

1

3

keine gesetzliche Notwendigkeit

2

35

4

Tab. 30: Verzichtsgründe für Teilkostenrechnung unter Berücksichtigung von

Eigentumsverhältnissen Die Tabelle 30 zeigt, daß die öffentlichen Unternehmen den Einsatz eines Teil­

kostenrechnungssystems im wesentlichen für nicht erforderlich halten. So sind vier Unternehmen der Meinung, daß eine Teilkostenrechnung nicht notwendig sei. Da die

meisten öffentlichen Unternehmen Funktionen im Rahmen der gemeinschaftlichen

Versorgung erfüllen, wird den auf Teilkosten basierenden Informationen eine geringere Bedeutung beigemessen. So werden in vielen öffentlichen Unternehmen die Leistungen teilweise bewußt zu einem nicht kostendeckenden Preis angeboten. Ein weiterer Grund für den Verzicht auf ein Teilkostenrechnungssystem wird in der

fehlenden gesetzlichen Notwendigkeit gesehen. Dieser Grund wird von zwei Unter­

nehmen angegeben. Nur jeweils ein Unternehmen führt die zu hohe Komplexität

334

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

sowie den mit dem Einsatz der Teilkostenrechnung verbundenen Aufwand als Verzichtsgrund an.

Nachdem wir die Anwendung der Kostenrechnungssysteme sowie die Verzichts­ gründe für eine Teilkostenrechnung bei den öffentlichen Unternehmen untersucht

haben, wollen wir uns im folgenden mit den bei den Privatunternehmen eingesetzten Kostenrechnungssystemen

beschäftigen.

Wie

Abbildung

53

veranschaulicht,

dominieren auch bei den privaten Unternehmen die Systeme der Vollkosten­ rechnung.

Abb. 53: Eingesetzte Kostenrechnungssysteme bei Privatunternehmen

Insbesondere die Istkostenrechnung ist mit 75 Unternehmen überproportional häufig vertreten. Auch die Normalkostenrechnung ist bei den Privatunternehmen relativ

stark verbreitet. So setzen insgesamt neun Unternehmen eine starre Normalkosten­ rechnung ein, während zwei Unternehmen eine flexible Normalkostenrechnung verwenden. Zu unserem Erstaunen findet die Plankostenrechnung kaum Beachtung. So wird die flexible Plankostenrechnung von keinem Unternehmen angewendet.

Lediglich zwei Unternehmen setzen die starre Plankostenrechnung ein. Im Gegen­

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

335

satz zu den öffentlichen Unternehmen ist die Teilkostenrechnung bei den privaten

Unternehmen stärker verbreitet Dabei findet die einstufige Deckungsbeitragsrech­

nung, die insgesamt von sechs Unternehmen eingesetzt wird, die größte Beachtung. Zudem setzt ein Unternehmen die mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung ein. Grundsätzlich überrascht es uns aus den bereits angeführten Gründen nicht, daß der Verbreitungsgrad der Teilkostenrechnungssysteme bei den privaten Unternehmen höher ist als bei den öffentlichen Unternehmen. Dennoch ist auch bei den Privat­

unternehmen die Anzahl der Unternehmen, die eine Teilkostenrechnung einsetzen,

aus unserer Sicht keineswegs zufriedenstellend. Dies ist damit zu begründen, daß

sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und Zielsetzungen bei den privaten Unternehmen grundlegend von denen der öffentlichen Unternehmen unterscheiden. So steht bei den privaten Unternehmen nach wie vor das Ziel der Gewinnmaxi­

mierung im Vordergrund. Zur Planung und Kontrolle dieses Ziels bedarf es jedoch in

den meisten Fällen einer Teilkostenrechnung. Somit kommt der Analyse der Ver­ zichtsgründe für den Einsatz einer Teilkostenrechnung eine besondere Bedeutung zu.

Tabelle 30 veranschaulicht die Gründe der Privatunternehmen für den Verzicht auf

eine Teilkostenrechnung. Danach halten 44 der Privatunternehmen eine Teilkosten­ rechnung grundsätzlich für nicht notwendig. Weitere 35 Privatunternehmen sehen den wesentlichen Verzichtsgrund in der fehlenden gesetzlichen Notwendigkeit. Schließlich sind noch jene 15 Unternehmen hervorzuheben, die einen Einsatz der Teilkostenrechnung für zu kompliziert halten.

Zwar existiert keine gesetzliche Notwendigkeit, eine Teilkostenrechnung durchzu­

führen, grundsätzlich ergibt sich an dieser Stelle aber die Frage, ob der Einsatz einer Teilkostenrechnung nicht schon allein unter ökonomischen Gesichtspunkten zu

empfehlen ist. Hierbei sind die grundsätzlich von den öffentlichen Unternehmen ab­ weichenden unternehmensinternen wie auch unternehmensexternen Bestimmungs­

faktoren der privaten Unternehmen zu berücksichtigen. In bezug auf die Unter­ nehmensumwelt ist festzustellen, daß die türkischen Privatunternehmen, wie bereits in den vorherigen Ausführungen verdeutlicht, im Zuge der zunehmenden Internatio­

nalisierung einem wachsenden Wettbewerbsdruck und einer steigenden Umwelt­ dynamik ausgesetzt sind. Um diesen beiden Faktoren standhalten zu können, sind

235.

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

die Unternehmen gezwungen, ihre Produkte und Dienstleistungen so zu kalkulieren, daß sie nicht nur auf dem nationalen, sondern vor allem auch auf den internationalen

Märkten wettbewerbsfähig sind. Zwar kann die Wettbewerbsfähigkeit grundsätzlich auch durch andere strategische Erfolgsfaktoren erlangt und/oder gesichert werden, die Kostenposition erscheint aber aus unserer Sicht in der aktuellen Situation der

unternehmerischen Praxis der Privatunternehmen in der Türkei der einzig erfolgsver­

sprechende Ansatzpunkt. Diesem Ansatz können die Privatunternehmen nur durch den Einsatz eines entsprechenden Instrumentariums, nämlich der Teilkostenrech­

nung, gerecht werden. In einem nächsten Schritt wollen wir auf die Besonderheiten der Joint VentureUnternehmen hinsichtlich des Einsatzes der einzelnen Kostenrechnungssysteme eingehen. Die folgende Abbildung 54 zeigt die von den Joint Venture-Unternehmen

eingesetzten Kostenrechnungssysteme.

Abb. 54: Eingesetzte Kostenrechnungssysteme bei Joint Venture-Unternehmen

Entgegen unseren Erwartungen zeigt sich bei den Joint Venture-Unternehmen kein

von den bisher betrachteten Unternehmen abweichendes Bild. So wird auch bei den Joint Ventures zu einem überwiegenden Teil mit der Istkostenrechnung ein sehr ein­

fach strukturiertes Kostenrechnungssystem eingesetzt. Die Normalkostenrechnung wird lediglich von einem Unternehmen durchgeführt. Positiv hervorzuheben ist, daß

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

337

drei Joint Venture-Unternehmen eine flexible Plankostenrechnung zu Vollkosten

verwenden. Dennoch ist auch bei den Joint Venture-Unternehmen festzustellen, daß insgesamt 13 Unternehmen keine Teilkostenrechnung einsetzen. Besonders auffällig ist hierbei,

daß selbst bei den Joint Venture-Unternehmen die Implementierung einer Teil­ kostenrechnung als nicht notwendig erachtet wird. Wie Tabelle 30 verdeutlicht, verzichten neun Unternehmen auf eine Teilkostenrechnung, weil sie diese für nicht notwendig halten. Zwar kann bezüglich des Einsatzes der Kostenrechnung ein

positiver Einfluß der an den Joint Ventures beteiligten westlichen Partnerunter­

nehmen festgestellt werden, hinsichtlich des Einsatzes eines modernen Kosten­

rechnungssystems in Form einer Teilkostenrechnung vermuten wir jedoch, daß sich hier die teilweise starren Ansichten des türkischen Managements durchgesetzt

haben. Darüber hinaus ist bei den Joint Venture-Unternehmen zu beobachten, daß

die türkischen Partner zum Teil nur die wesentlichen Grundfunktionen der Kosten­

rechnung durchführen. Dies kann damit begründet werden, daß den westlichen Partnerunternehmen das komplette Zahlenmaterial zur Verfügung gestellt wird, so daß diese für die Aufbereitung und Analyse der Daten zuständig sind. Der Hinter­ grund für diese Vorgehensweise ist darin zu sehen, daß in den westlichen Partner­

unternehmen bessere Möglichkeiten zur Durchführung einer weiterentwickelten Kostenrechnung bestehen. Den türkischen Partnerunternehmen, die eine Teilkosten­ rechnung als nicht notwendig einschätzen, ist entgegenzuhalten, daß die Durch­

führung von Betriebsvergleichen zwischen den einzelnen Unternehmen des Joint Ventures bei einem Verzicht auf ein solches Kostenrechnungssystem erheblich

erschwert wird, insbesondere dann, wenn die Partnerunternehmen eine Teilkosten­

rechnung einsetzen. Dies erweist sich insbesondere im Rahmen einer Analyse der Kostenstruktur innerhalb des Joint Ventures, beispielsweise im Hinblick auf die

Bestimmung der Wettbewerbssituation, als problematisch. Die Ausführungen gelten

auch für das Argument der fehlenden gesetzlichen Notwendigkeit, das von vier Unternehmen genannt wird. Hier ist kritisch anzumerken, daß zwar keine gesetz­ liche Verpflichtung zur Durchführung einer Teilkostenrechnung besteht, dieser Um­

stand jedoch kein überzeugendes Argument für den Verzicht auf eine Teilkosten­

rechnung ist. Vielmehr ergibt sich die Notwendigkeit einer Teilkostenrechnung aus unternehmenspolitischen Zielsetzungen. Schließlich sind noch die drei Unternehmen

338

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

zu nennen, die nach eigenen Angaben keine Systeme der Teilkostenrechnung

kennen. In bezug auf die Joint Venture-Unternehmen bleibt festzuhalten, daß durchaus ein

positiver, wenn auch schwacher Einfluß der internationalen Partnerunternehmer auf die Joint Venture-Unternehmen vorhanden ist Dies zeigt sich insbesondere in dem Einsatz der flexiblen Plankostenrechnung zu Voll- und Teilkosten sowie in der

einstufigen Deckungsbeitragsrechnung. Dennoch ist auch bei den Joint VentureUnternehmen zu kritisieren, daß hier eine zu starke Fokussierung auf die Vollkosten­ rechnung und hier speziell auf die Istkostenrechnung erfolgt.

Nachdem wir die Auswirkungen der Eigentumsverhältnisse auf die eingesetzten Kostenrechnungssysteme analysiert haben, wollen wir uns im folgenden mit dem

Einfluß der Rechtsform auf die Kostenrechnungssysteme beschäftigen. Bei den Personengesellschaften konnten wir bereits feststellen, daß nur ein Unter­ nehmen eine Kostenrechnung einsetzt.944 Diese wird in Form einer Istkostenrech­

nung ergänzt um eine starre Normalkostenrechnung durchgeführt. Von eben diesem Unternehmen abgesehen, stimmt die Verteilung bei den Kapital­

gesellschaften mit der Häufigkeitsverteilung aller Unternehmen, die eine Kostenrech­ nung einsetzen, überein. Aufgrund dieser Tatsache ergeben sich auch keine neuen

Erkenntnisse bezüglich der eingesetzten Kostenrechnungssysteme. Aus diesem

Grund wollen wir auch nur kurz auf die wichtigsten Ergebnisse eingehen.

944

Aufgrund der Tatsache, daß hier lediglich ein Unternehmen eine Kostenrechnung einsetzt, wird auf eine Abbildung verzichtet.

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

339

Abb. 55: Eingesetzte Kostenrechnungssysteme bei Kapitalgesellschaften Bei Betrachtung der Kapitalgesellschaften zeigt sich das gleiche Bild, das wir bereits

bei den bisher dargestellten Einflußgrößen festgestellt haben.

Wie Abbildung 55 zeigt, setzen nahezu alle Unternehmen, die in Form einer Kapital­ gesellschaft geführt werden, zumindest als Grundlage die Istkostenrechnung ein.

Somit wird auch hier die starke Verbreitung der Vollkostenrechnung deutlich.

Die Systeme der Teilkostenrechnung finden auch bei den Kapitalgesellschaften kaum Beachtung. Zwar verwenden insgesamt 13 Unternehmen eine Form der Teil­

kostenrechnung. In bezug auf die Bedeutung der Kostenrechnung für Kapital­ gesellschaften, insbesondere hinsichtlich der unternehmerischen Entscheidungen,

ist dieses Ergebnis jedoch nicht zufriedenstellend. Allerdings überrascht uns dieses Resultat nicht, da wir schon im Rahmen der Analyse der Ausgestaltung der Kosten­

rechnung feststellen konnten, daß die Kapitalgesellschaften in dieser Hinsicht erheb­ liche Defizite zeigen. Dies führt dazu, daß die von uns untersuchten Kapitalgesell­

schaften überhaupt nicht in der Lage sind, den Ansprüchen der Teilkostenrechnung

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

340

gerecht zu werden. Insbesondere im Hinblick auf unsere Handlungsempfehlungen erscheint es daher sinnvoll, die Verzichtsgründe für eine Teilkostenrechnung vor allem bei Kapitalgesellschaften zu analysieren.

Tabelle 31 zeigt, welche Gründe für den Verzicht auf eine Teilkostenrechnung von

den Unternehmen verschiedener Rechtsformen genannt wurden.

Personen­ gesellschaften

Rechtsform

Kapital­ gesellschaften

Verzichtsgründe

57

nicht notwendig

1

unbekannt

11

zu kompliziert

17

zu aufwendig

4

keine gesetzliche Notwendigkeit

41

Tab. 31: Verzichtsgründe für Teilkostenrechnungssysteme in Abhängigkeit von der Rechtsform

Unsere bisherigen Ausführungen werden dadurch bestätigt, daß 57 Unternehmen,

die in Form einer Kapitalgesellschaft geführt werden, die Teilkostenrechnung als nicht notwendig erachten. An dieser Stelle sind weiterhin diejenigen 41 Unternehmen zu nennen, die die fehlende gesetzliche Notwendigkeit als Grund für den Verzicht

auf eine Teilkostenrechnung angeben. Insbesondere hinsichtlich des letztgenannten

Verzichtsgrunds ist kritisch anzumerken, daß nicht erst eine gesetzliche Vorschrift Grundlage für unternehmerisches Handeln sein sollte. Zwar wäre es durchaus vor­

stellbar, den Einsatz einer Kostenrechnung gesetzlich vorzuschreiben. Eine mehr oder minder konkrete gesetzliche Vorgabe der Ausgestaltung der Kostenrechnung

sowie deren Realisierung in Form eines konkreten Kostenrechnungssystems würde

jedoch eindeutig in die Sphäre der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit ein­ greifen. Abgesehen davon liegt es nicht im Interesse des Gesetzgebers, den Unter­

nehmen eine Kostenrechnung, geschweige denn ein Kostenrechnungssystem, vor­

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung_______________________________ 341

zuschreiben.945 Vielmehr sollten die Unternehmen, und hier vor allem die Kapital­

gesellschaften, nicht nur auf die gesetzliche Notwendigkeit abstellen, sondern die Vorteilhaftigkeit des Einsatzes einer Teilkostenrechnung und damit eines über die

gesetzlichen Vorschriften hinausgehenden Instruments der Unternehmensführung und -planung berücksichtigen. Auch wenn viele türkische Kapitalgesellschaften die

Bedeutung einer Teilkostenrechnung bisher noch nicht erkannt haben, ist hier aus

unserer Sicht zu berücksichtigen, daß sich die wirtschaftliche Entwicklung der Türkei, im Vergleich zu den westlichen Industrienationen, noch in einem Vorstadium be­ findet. Zwar erfordert die derzeitige Situation nicht unbedingt die Anwendung eines Teilkostenrechnungssystems, längerfristig betrachtet wird der Einsatz einer Teil­

kostenrechnung, vor allem bei Kapitalgesellschaften, aus unserer Sicht jedoch un­ verzichtbar sein.946

Bei der Betrachtung der Personengesellschaften sind keine neuen Erkenntnisse be­

züglich der Verzichtsgründe auf eine Teilkostenrechnung zu gewinnen, da lediglich ein Unternehmen eine Kostenrechung einsetzt und von diesem Unternehmen ange­ geben wird, daß die Teilkostenrechnung unbekannt sei.

In einem weiteren Schritt wollen wir nun auf die Kombinationstypen eingesetzter Kostenrechnungssysteme in Abhängigkeit von den Eigentumsverhältnissen ein­

gehen. Dabei interessieren wir uns für die Unterschiede zwischen den einzelnen

Ausprägungen der Eigentumsverhältnisse an den Unternehmen im Hinblick auf mögliche Kombinationen von Voll- und/oder Teilkostenrechnungssystemen.

In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, daß die Unternehmen bereits Schwierigkeiten bei der Umsetzung gesetzlicher Vorschriften im Hinblick auf die Erstellung des Jahres­ abschlusses haben. So treten insbesondere bei der Anwendung des Einheitskontenrahmens, der seit dem 01.01.1994 für alle Unternehmen in der Türkei gesetzlich vorgeschrieben ist, verstärkt Probleme auf. Diese Probleme sind vor allem darauf zurückzuführen, daß der Einheits­ kontenrahmen nicht die unternehmensspezifischen Besonderheiten berücksichtigt. Es werden weder Differenzierungen zwischen Klein-, Mittel- und Großunternehmen noch zwischen Dienstleistungs- und Industrieunternehmen vorgenommen. Die Tatsache, daß die Unternehmen bereits im Bereich der externen Rechnungslegung Schwierigkeiten haben, verdeutlicht die Problematik, die mit dem Einsatz einer Kostenrechnung und speziell einer Teilkostenrechnung, die auf eine wesentlich betriebsindividuellere Ausgestaltung angewiesen ist, verbunden sein wird. 946

Diese Ausführungen gelten rechtsformunabhängig vor allem für Großunternehmen und verstärkt auch für Industrieunternehmen.

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

342.

Tabelle 32 zeigt, daß Kombinationen bestimmter Vollkostenrechnungssysteme über­

wiegen.

Kombinationstyp

a

b

c

d

z

7

2

66

75

5

3

10

19

5

6

81

100

Eigentumsverhältnisse

Privatunternehmen Joint Ventures

1

1

Öffentliche Unternehmen

z

1

13

5

Tab. 32: Typisierung der eingesetzten Kostenrechnungssysteme in bezug auf die Eigentumsverhältnisse

Auffallend ist hierbei, daß der weitaus größte Teil der Unternehmen, nämlich insge­

samt 86 Unternehmen, ausschließlich Systeme der Vollkostenrechnung unterein­ ander kombinieren. Demgegenüber setzen nur 14 Unternehmen neben der Voll­

kostenrechnung auch eine Form der Teilkostenrechnung ein. Besonders deutlich

wird diese Tendenz bei den türkischen Privatunternehmen. So verwenden 68 von 75 Privatunternehmen (90,67%) eine Kombination aus verschiedenen Vollkosten­

rechnungssystemen. Hierbei sind zunächst die Unternehmen zu nennen, die die Istkostenrechnung mit der starren und/oder der flexiblen Normalkostenrechnung

kombinieren (Typ d). Der Anteil dieser Unternehmen an den Privatunternehmen

beträgt 88%. Weiterhin sind auch die zwei Privatunternehmen (2,67%) zu berück­ sichtigen, die die Istkostenrechnung mit einer Form der Plankostenrechnung zu

Vollkosten kombinieren (Typ c). Der Typ b, also die Kombination von der Istkosten­

rechnung mit der einstufigen und/oder mehrstufigen Deckungsbeitragsrechnung, wird hingegen nur von sieben Unternehmen (9,33%) verwendet. Vor allem vor dem

Hintergrund der Bedeutung der Privatunternehmen für die türkische Wirtschaft kann dieses Ergebnis nicht zufriedenstellen. Zwar konnten wir bereits feststellen, daß die privaten türkischen Unternehmen verstärkt eine Kostenrechnung einsetzen, die

konkrete Ausgestaltung der Kostenrechnung, insbesondere im Hinblick auf die

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung__________________________________ 342

Kombination der Kostenrechnungssysteme, erscheint aus unserer Sicht jedoch wenig sinnvoll. Andere, aus unserer Sicht sinnvoller erscheinende Kombinationen

werden hingegen von den Privatunternehmen kaum gewählt. Hiermit sollen vor allem Kombinationen von Teil- und Vollkostenrechnungssystemen angesprochen werden. Der Grund dafür, daß Privatunternehmen neben den Voll- auch Teilkosten­

rechnungssysteme einzusetzen, ist darin zu sehen, daß die Unternehmen zum einen

durch den Einsatz der Teilkostenrechnung die Möglichkeiten einer Kostenrechnung voll ausschöpfen. Zum anderen können aber auch mit Hilfe der auf Vollkosten

basierenden Kostenrechnungssysteme wichtige Informationen für die externe

Rechnungslegung, insbesondere für die Erstellung des Jahresabschlusses947, gewonnen werden.

Bei der Untersuchung des kombinierten Einsatzes von Voll- und Teilkostenrech­ nungssystemen zeigt sich bei den Joint Ventures ein grundlegend anderes Bild.

Auch wenn bei den Joint Ventures der Anteil derjenigen Unternehmen überwiegt, die

nur Vollkostenrechnungssysteme kombinieren, ist der Anteil der Unternehmen, die eine Vollkostenrechnung und eine Teilkostenrechnung in kombinierter Form durch­

führen, wesentlich höher als bei den türkischen Privatunternehmen. So setzen ins­

gesamt sechs Unternehmen (31,58%) eine Vollkostenrechnung in Verbindung mit einer Teilkostenrechnung ein. Hier kann ein positiver Einfluß der an dem Joint Venture-Unternehmen beteiligten ausländischen Partnerunternehmen unterstellt

werden.

Im Unterschied zu den Privatunternehmen und den Joint Venture-Unternehmen ist bei den öffentlichen Unternehmen ein kombinierter Einsatz von Voll- und Teilkosten­ rechnung aus unserer Sicht nicht erforderlich. So sind die Zielsetzungen der

öffentlichen Unternehmen, wie wir bereits ausführlich dargestellt haben, von denen

der Privatunternehmen und der Joint-Ventures zu unterscheiden. Darüber hinaus ist auch zu berücksichtigen, daß die öffentlichen Unternehmen bestimmter Branchen

keinem Wettbewerb ausgesetzt sind. Dennoch gibt es ein öffentliches Unternehmen,

947

Als Beispiel ist hier vor allem die Bewertung der unfertigen und fertigen Erzeugnisse sowie der selbsterstellten Anlagen zu nennen.

344

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

das dem Typ b zuzuordnen ist, also neben der Istkosten rech nung die einstufige

Deckungsbeitragsrechnung einsetzt. Bei den öffentlichen Unternehmen ist zwar der Einsatz einer Teilkostenrechnung nicht zwingend erforderlich, aus unserer Sicht allerdings durchaus wünschenswert. Dieser Wunsch ist vor allem vor dem Hintergrund der zunehmenden Privatisierung

von öffentlichen Unternehmen in der Türkei und der damit einhergehenden verein­ fachten Möglichkeit der Eingliederung in den Wettbewerb zu sehen.

Die folgenden Ausführungen beschäftigen sich mit den Kombinationstypen einge­ setzter Kostenrechnungssysteme unter Berücksichtigung der Rechtsform des Unter­

nehmens. Tabelle 33 veranschaulicht diesen Zusammenhang.

Kombinationstyp

b

a

c

d

S

1

1

Rechtsform

Personengesellschaften Kapitalgesellschaften

s

1

13

5

83

102

1

13

5

84

103

Tab. 33: Typisierung der eingesetzten Kostenrechungssysteme in bezug auf die Rechtsform

Anhand der vorliegenden Tabelle wird deutlich, daß der überwiegende Teil der als Kapitalgesellschaft geführten Unternehmen eine Kombination von Vollkosten­

rechnungssystemen einsetzt.

Eine besondere

Bedeutung

kommt dabei

der

Kombination von Istkostenrechnung und/oder Normalkostenrechnung (Typ d) zu, die insgesamt von 83 Unternehmen (81,37%) verwendet wird. Weiterhin sind in diesem

Zusammenhang die fünf Unternehmen (4,90%) zu nennen, die die Istkostenrech­ nung mit einer Form der Plankostenrechnung zu Vollkosten kombinieren (Typ c).

Die möglichen Kombinationen eines Systems der Vollkostenrechnung und der Teil­ kostenrechnung sind deutlich seltener vertreten. Besonders hervorzuheben sind

hierbei jene 13 Unternehmen (12,75%), die die Istkostenrechnung zusammen mit

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung_______________________________ 245

der einstufigen und/oder mehrstufigen Deckungsbeitragsrechnung (Typ b) einsetzen. Eine Kombination von Istkostenrechnung und Grenzplankostenrechnung (Typ a)

wird hingegen nur von einem Unternehmen (0,98%) verwendet. Den Personengesellschaften kommt eine nur untergeordnete Bedeutung zu, da hier

lediglich ein Unternehmen zu nennen ist, das eine Kombination vom Typ d einsetzt.

In bezug auf die Rechtsform des Unternehmens können wir somit festhalten, daß nur

die Kapitalgesellschaften Voll- und Teilkostenrechnungssysteme miteinander kombi­ nieren.

Zwischen der Unternehmensform und dem Einsatz sowie der Gestaltung der Kosten­ rechnung und der Kostenrechnungssysteme können wir somit abschließend einen

deutlichen Zusammenhang feststellen. Hierbei muß jedoch zwischen den Eigen­ tumsverhältnissen und der Rechtsform differenziert werden.

So haben wir im Hinblick auf die Eigentumsverhältnisse zunächst einmal gezeigt, daß neben den privaten und den Joint Venture-Unternehmen auch öffentliche Unter­ nehmen eine Kostenrechnung einsetzen. Dennoch sind es die Joint Venture-Unter­

nehmen, bei denen die Kostenrechnung am weitesten verbreitet ist. Bezüglich der Gestaltung der Kostenrechnung wird deutlich, daß unabhängig von den Eigentumsverhältnissen erhebliche Defizite bei allen Unternehmen vorhanden

sind. Dies gilt nicht nur für die privaten türkischen Unternehmen, sondern vor allem

auch für die Joint Venture-Unternehmen. Im Zusammenhang mit den verwendeten Kostenrechnungssystemen konnten wir im

Hinblick auf die verschiedenen Ausprägungen der Eigentumsverhältnisse fest­

stellen, daß die Vollkostenrechnung am häufigsten zum Einsatz kommt. Teilkosten­

rechnungssysteme werden hingegen kaum angewendet. Im Vergleich zu den privaten und den öffentlichen Unternehmen findet die Teilkostenrechnung bei den

Joint Venture-Unternehmen eine stärkere Beachtung.

Bezüglich der Rechtsform der Unternehmen ist hervorzuheben, daß der Kosten­ rechnung bei Kapitalgesellschaften eine wesentlich größere Bedeutung als bei

Personengesellschaften zukommt. Allerdings sind auch bei den Kapitalgesell­

schaften erhebliche Defizite hinsichtlich der Gestaltung der Kostenrechnung und der

346

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

Kostenrechnungssysteme vorhanden. Diese beziehen sich sowohl auf die inhaltliche Ausgestaltung der Kostenrechnung an sich als auch auf den mangelnden Einsatz der Teilkostenrechnungssysteme.

Wir können somit zusammenfassend feststellen, daß die Unternehmensform aus unserer Sicht einen deutlichen Einfluß auf den Einsatz und die Gestaltung der Kostenrechnung und der Kostenrechnungssysteme ausübt. Die Unternehmensform

ist daher neben der Untemehmensgröße und der Branche als weitere Einflußgröße einzustufen. 6.2.4 Gestaltung der Kostenrechnung und der Kostenrechnungssysteme in Abhängigkeit von den Zwecken der Kostenrechnung

In den vorangegangenen Abschnitten haben wir festgestellt, daß die Unternehmens­ größe, die Branchenzugehörigkeit und die Unternehmensform einen direkten Einfluß

auf den Einsatz und die Gestaltung der Kostenrechnung und der Kostenrechnungs­ systeme haben. Es ist nun zu analysieren, inwieweit die von dem Unternehmen verfolgten Zwecke

der Kostenrechnung eine Einflußgröße auf die Gestaltung der Kostenrechnung und

der Kostenrechnungssysteme darstellen. In diesem Zusammenhang sind die Zwecke der Kostenrechnung jedoch nicht als eine Determinante im eigentlichen Sinne zu verstehen. Dies ist insbesondere damit zu begründen, daß die Verfolgung

von Kostenrechnungszwecken an den Einsatz der Kostenrechnung gebunden ist.

Daher muß vorausgesetzt werden, daß eine Kostenrechnung in den jeweiligen Unternehmen vorhanden ist. Somit können die Zwecke der Kostenrechnung keinen

Einfluß auf den Einsatz der Kostenrechnung ausüben. Vielmehr bestimmen sie die Ausgestaltung der Kostenrechnung und den Einsatz von Kostenrechnungssystemen. Zwecke haben pragmatischen Charakter und geben im Hinblick auf die Kostenrech­

nung deren Sinn bzw. deren Aufgabe an. Im Mittelpunkt unserer Analyse steht nun

die Frage, zu welchen Zwecken die Unternehmen eine Kostenrechnung durchführen. Es wird vorausgesetzt, daß es bei der Verfolgung bestimmter Zwecke einer ver­

schiedenartig ausgestalteten Form der Kostenrechnung bedarf, um die benötigten Informationen in qualitativer, quantitativer und zeitlicher Hinsicht zur Verfügung zu stellen. Somit stellt sich für uns die Frage, ob und inwieweit die Ausgestaltung der

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung_____________________________

347

Kostenrechnung und/oder der eingesetzten Kostenrechnungssysteme der jeweiligen

Unternehmen zweckmäßig ist.

Im Rahmen der Weiterentwicklung der Kostenrechnung vom Kalkulationsinstrument zum Informations- und Führungsinstrument der Unternehmensleitung werden auch unterschiedliche Zwecke der Kostenrechnung berücksichtigt. Dies bedeutet, daß die Kostenrechnung neben der Ermittlung von Herstellkosten und/oder Selbstkosten

auch Unwirtschaftlichkeiten aufzeigen sowie die Grundlage für Dispositionen bilden

soll. Aufbauend auf diesen theoretischen Überlegungen haben wir im Rahmen unserer

Untersuchung fünf grundlegende Kostenrechnungszwecke vorgestellt, die nach unserer Ansicht von den türkischen Unternehmen verfolgt werden sollten. Es handelt sich dabei um die Preiskalkulation, die Kostenprognose, die Kostenanalyse, die

Kostenkontrolle und die Wertermittlung für bilanzielle Zwecke.948

In Anbetracht des Bedeutungswandels der Kostenrechnung und der dadurch beding­ ten Weiterentwicklung der Kostenrechnungssysteme ist es unserer Meinung nach

sinnvoll, eine Unterteilung der Kostenrechnungszwecke in traditionelle und moderne Zwecke vorzunehmen. Dabei ordnen wir die Preiskalkulation und die bilanzielle

Wertermittlung den traditionellen Zwecken zu, während wir die Kostenkontrolle, die Kostenanalyse und die Kostenprognose als moderne Kostenrechnungszwecke be­

zeichnen.

Preiskalkulation Bilanzierung

Kostenanalyse Kostenkontrolle

T raditionelle Zwecke

Moderne Zwecke

Kostenprognose Tab. 34: Klassifikation von Kostenrechnungszwecken

948

Vgl. zu den Häufigkeitsverteilungen der einzelnen Kostenrechnungszwecke auch Abschnitt 5.3.3.3.

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

Nachdem wir eine Klassifikation der Kostenrechnungszwecke vorgenommen haben,

wollen wir in einem ersten Schritt untersuchen, ob und inwieweit die einzelnen Aus­

prägungen der Kostenrechnung zur Verfolgung der jeweiligen Zwecke geeignet sind. Hierzu wollen wir zunächst einen Überblick über die Zuordnung derjenigen Unter­

nehmen, die eine Kostenrechnung einsetzen, zu den Typen A, B und C geben.

Darüber hinaus sollen auch jene Unternehmen berücksichtigt werden, die keinem dieser Typen zugeordnet werden können (Typ X). Diese Einteilung basiert auf der

bezüglich

der

Ausgestaltung

der

Kostenrechnung

bereits

vorgenommenen

Typisierung.949 Sie ist für unsere weitere Analyse zwingend erforderlich, da die

meisten Unternehmen mit dem Einsatz der Kostenrechnung gleichzeitig mehrere Zwecke verfolgen. Aufgrund dieser Tatsache kommt es in den nachfolgenden

Tabellen zu Mehrfachnennungen, die zu Verständnisproblemen führen können. Aus dieser Überlegung heraus soll anhand der Tabelle 35 eine klare Zuordnung erfolgen,

um mögliche Mißverständnisse auszuschließen.

Kombinationstyp

A

B

C

X

Anzahl der Unternehmen

3

12

10

76

Tab. 35: Typisierung der eingesetzten Kostenrechnung Wie Tabelle 35 zeigt, ist die in drei Unternehmen eingesetzte Kostenrechnung dem

Kombinationstyp A und die von weiteren zwölf Unternehmen dem Typ B zuzurechnen. Zudem ist die Kostenrechnung von zehn Unternehmen dem Typ C

zuzuordnen. Die Ausgestaltung der Kostenrechnung von insgesamt 76 Unternehmen kann keinem der drei Typen A bis C zugeordnet werden. Diese Fälle haben wir mit

dem Typ X charakterisiert.

949

Vgl. hierzu ausführlich Abschnitt 6.1.5.

Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

349

Unter Berücksichtigung der hieraus gewonnenen Informationen wollen wir im folgen­ den die Zweckmäßigkeit der verschiedenen Kostenrechnungstypen analysieren. In

der Tabelle 36 sind die grundlegenden Zwecke der Kostenrechnung, die in der unter­

nehmerischen Praxis der Türkei verfolgt werden, den von uns herausgearbeiteten Typen gegenübergestellt. Unser Anliegen ist es dabei, auf die Unterschiede

zwischen den verfolgten Zwecken der Kostenrechnung auf der einen Seite und der

Gestaltung der Kostenrechnung auf der anderen Seite einzugehen. Hierbei stellt sich

für uns die Frage, ob und inwieweit die Ausgestaltung der Kostenrechnung in den einzelnen Unternehmen den mit ihrer Durchführung verbundenen Zwecken aus

theoretischer Sicht gerecht wird.

Kombinationstyp

A

B

c

X

Preiskalkulation

3

12

9

67

Bilanzierung

3

8

9

64

Kostenkontrolle

2

6

9

38

6

8

30

3

7

31

Zwecke

Kostenanalyse Kostenprognose

1

Tab. 36: Typisierung der eingesetzten Kostenrechnung in bezug auf die Zwecke Wie Tabelle 36 zeigt, bestehen deutliche Diskrepanzen zwischen der Ausgestaltung der Kostenrechnung in den einzelnen Unternehmen und den mit der Kostenrech­

nung verfolgten Zwecken. Bei der Analyse der traditionellen Zwecke der Kosten­ rechnung zeigt sich, daß alle drei Unternehmen, die dem Typ A angehören, eine Kostenrechnung sowohl zum Zwecke der Preiskalkulation als auch zur Ermittlung

von Werten für die Bilanzierung durchführen. Darüber hinaus setzen zwölf Unter­ nehmen eine Kostenrechnung vom Typ B zur Preiskalkulation und acht Unterneh­

men zu Bilanzierungszwecken ein. Weiterhin verwenden neun der zehn Unterneh­

250__________________________________ Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung

men, die dem Typ C zuzuordnen sind, ihre Kostenrechnung zur Preisbestimmung und als Grundlage für die Bewertung von Beständen.

In bezug auf die traditionellen Zwecke können wir grundsätzlich erkennen, daß der

weitaus größte Teil der Unternehmen die von den verschiedenen Typen geforderten Kriterien nicht erfüllt. Zwar können die Preiskalkulation und/oder die Ermittlung von

Werten für Bilanzierungszwecke auch mit einer Kostenrechnung durchgeführt werden, die gerade eben die Mindestanforderungen erfüllt, dennoch bedarf es

gewisser Voraussetzungen, die bei diesen Unternehmen nicht gegeben sind. So

bedingt beispielsweise die Preiskalkulation zumindest eine Kostenträgerstückrech­

nung. Diese Voraussetzung wird aber bei den Unternehmen, die dem Typ X zuzu­

ordnen sind, nicht erfüllt. Zudem sind auch bei den Unternehmen des Typs C Inkonsistenzen hinsichtlich der Zweckverfolgung zu erkennen. So nehmen diese Unternehmen beispielsweise keine

Kostenauflösung in Einzel- und Gemeinkosten vor, sondern klassifizieren ihre

Kosten lediglich in fixe und variable Bestandteile. Aufgrund dieser Form der Kosten­ auflösung sind die Unternehmen aus unserer Sicht aufgrund der fehlenden Einzel-

und Gemeinkosteninformationen nicht in der Lage, eine Bewertung von Halb- und Fertigerzeugnissen vorzunehmen. Bei den Unternehmen, die dem Typ B zuzuordnen sind, können die angestrebten

Zwecke aufgrund der unzureichenden Ausgestaltung der Kostenrechnung auch nicht

erreicht werden. So führen die Unternehmen vom Typ B beispielsweise keine Nach­ kalkulation durch. Insbesondere für die Bewertung von unfertigen und fertigen

Erzeugnissen ist eine Nachkalkulation aber zwingend erforderlich. Da diese nicht durchgeführt wird, können keine entsprechenden Daten für Bilanzierungszwecke

bereitgestellt werden. Demgegenüber weist der Typ A, der aus unserer Sicht den idealtypischen Vor­ stellungen von der Gestaltung einer Kostenrechnung entspricht, bei der Verfolgung

der traditionellen Zwecke der Kostenrechnung keine Defizite auf. Anhand der Tabelle 36 ist zu erkennen, daß die modernen Kostenrechnungszwecke im Vergleich zu den traditionellen Zwecken der Kostenrechnung von erheblich

weniger Unternehmen verfolgt werden. Wie Tabelle 36 zeigt, führen zwei Unter­

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