Koordination des Verwaltungshandelns: Grundlagen der Koordination, Koordinationsbedarf, Instrumente der Koordination, Anwendungsbeispiele [1 ed.] 9783428442416, 9783428042418

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Koordination des Verwaltungshandelns: Grundlagen der Koordination, Koordinationsbedarf, Instrumente der Koordination, Anwendungsbeispiele [1 ed.]
 9783428442416, 9783428042418

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Schriftenreihe der Hochschule Speyer Band 72

Koordination des Verwaltungshandelns Grundlagen der Koordination • Koordinationsbedarf Instrumente der Koordination • Anwendungsbeispiele

Von

Bernd Rückwardt

Duncker & Humblot · Berlin

BERND RÜCKWARDT

Koordination des Verwaltungshandelns

Schriftenreihe der Hochschule Speyer Band 72

Koordination des Verwaltungshandelns Grundlagen der Koordination • Koordinationsbedarf Instrumente der Koordination • Anwendungsbeispiele

Von

Dr. Bernd Rückwardt

DUNCKER&HUMBLOT/BERLIN

Alle Rechte vorbehalten © 1978 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1978 bei Buchdruckerei A. Sayffaerth - E. L. Krohn, Berlin 61 Prlnted In Germany ISBN 3 428 04241 7

Vorwort Die Umwelt des Menschen wandelt sich immer schneller. Sie wird von Tag zu Tag komplizierter und technisierter. Der Mensch kann der wach­ senden, immer komplexer werdenden Probleme nur noch Herr werden, wenn er im Wege der Arbeitsteilung versucht, die anstehenden Aufga­ ben von Spezialisten lösen zu lassen. Nach dem Parkinsonschen Gesetz potenziert sich mit der Zahl der Spezialisten das Koordinationsproblem. Die zunehmende Kritik an der Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit der öffentlichen Verwaltung läßt die Frage aufkommen, was die Verwal­ tung tut, um mit dem aufgrund der wachsenden Innovationsgeschwin­ digkeit zunehmenden Koordinationsproblem fertig zu werden. Koordination stellt einen mehrdimensionalen Sachverhalt dar, der mit den Grundbegriffen einer einzigen Disziplin nicht vollständig er­ klärt werden kann. Diese Erkenntnis erfordert für die Weiterentwick­ lung koordinationstheoretischer Analysen eine verstärkte interdiszipli­ när orientierteBehandlung der Koordinationsprobleme. Der Verwaltung steht eine große Zahl von Koordinationsinstrumenten zur Verfügung, jedoch muß es fraglich erscheinen, ob diese Instrumente effizient eingesetzt werden können. So sind die spezifischen Einsatzbedin­ gungen und Wirkungsweisen der verschiedenen Koordinationsmechanis­ men größtenteils gar nicht bekannt. Eine Ursache dafür ist in der Tat­ sache zu sehen, daß den Problemen der Ermittlung des Koordinations­ bedarfs in der Regel keine oder zu wenig Beachtung geschenkt wird. Bei gleichförmigen Verwaltungsaufgaben z.B. weiß man, wann man sich mit wem worüber abstimmen muß. Bei der Entwicklung neuer Verhaltens­ normen dagegen weiß man es meistens nicht, obwohl es gerade hier be­ sonders nötig wäre. Die Erkenntnis, daß die geforderte Rationalisierung und Effizienzstei­ gerung der öffentlichen Verwaltung nur gelingen kann, wenn gleichzeitig Mittel und Wege gefunden werden, die Koordination des Verwaltungs­ handelns zu verbessern, veranlaßte Herrn Professor Dr. Peter Eichhorn, beim Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung bei der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer das vorliegende Forschungspro­ jekt durchzuführen. Erst unter seiner Projektleitung und nach zahlrei­ chen Gesprächen mit meinen Kollegen Dipl.-Kfm. und Dipl.-Forstw. Albrecht Graf von Ingelheim, Dipl.-Politologe Dr. Rainer Koch und As­ sessor Ernst Hüper wurde es möglich, das komplexe Thema in der vor-

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Vorwort

liegenden Form zu bearbeiten. Herrn Professor Dr. Peter Eichhorn und den genannten Kollegen gilt mein aufrichtiger Dank für ihr ständiges Bemühen um den Fortgang dieser Arbeit. Der Verfasser ist sich der Tatsache bewußt, daß das Thema nicht erschöpfend behandelt wurde. Dazu bedarf es weiterer Anstrengungen noch zahlreicher Vertreter ver­ schiedener Fachdisziplinen. Doch wird der Hoffnung Ausdruck verliehen, daß die gewonnenen Erkenntnisse dazu beitragen mögen, dem immer größer werdenden Koordinationsproblem in der öffentlichen Verwal­ tung etwas von seinem Ruf der Unlösbarkeit zu nehmen. Bernd Rückwardt

Inhaltsverzeichnis

Erstes Kapitel

Grundlagen der Koordination A. Problemstellung und Koordinationsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11

B. Koordinationsprobleme im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17

1. Koordinationsprobleme in der Betriebswirtschaftslehre . . . . . . . . . .

17

II. Koordinationsprobleme in der Soziologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26

III. Koordinationsprobleme in der Politiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

IV. Koordinationsprobleme in der Volkswirtschaftslehre . . . . . . . . . . . . .

33

V. Koordinationsprobleme in der Verwaltungswissenschaft . . . . . . . . . .

36

C. Arten und Formen der Koordination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

1. Positive versus negative Koordination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

II. Formelle versus informelle Koordination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41

III. Interne versus externe Koordination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43

IV. Vertikale versus horizontale Koordination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

V. Perfekte versus optimale Koordination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47

zweites Kapitel

Bedarf an Koordination

A. Der Einfluß des Kontextes auf die Organisationsstruktur und das Verhalten von Verwaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • .

50

8

Inhaltsverzeichnis

B. Determinanten des Koordinationsbedarfs ............................ 54 I. Der Einfluß der Verwaltungsumwelt ............................ 54 Ii. Der Einfluß der Verwaltungsaufgabe auf den Koordinationsbedarf 57 III. Der Einfluß der Verwaltungsangehörigen auf den Koordinationsbedarf ......................................................... 64 IV. Der Einfluß der Technologie auf den Koordinationsbedarf ........ 66 C. Die Ermittlung des Koordinationsbedarfs ..................... ....... 67

Drittes Kapitel Instrumente der Koordination

A. Anforderungen an Koordinationsinstrumente ........................ 71 B. Institutionelle Koordinationsinstrumente ............................ 74 I. Die Instrumente im Überblick ................................... 74 II. Die Zentralisation als Koordinationsinstrument .................. 75 III. Koordination durch unterschiedliche Formen der Mitwirkung .... 83 C. Analytische Koordinationsinstrumente ............................... 90 1. Die Instrumente im Überblick .................................. 90 II. Die Verfahren der Ideen-, Problem- und Zielfindung ............ 92 III. Verfahren der Problemdarstellung ............................. 95 IV. Verfahren der Verhandlungsführung und -koordinierung ........ 98 V. Verfahren der Informationsgewinnung, -verarbeitung und -auswertung ...................................................... 104 VI. Verfahren der Projektbeurteilung .............................. 107 VII. Lösungsalgorithmen des Operations Research ................... 109 D. Konzeptionelle Koordinationsinstrumente ........................... 116 I. Die Instrumente im Überblick ................................... 116 II. Arbeits- und Projektgruppen ................................... 118 III. Projektmanagement ............................................ 122 IV. Managementkonzeptionen ...................................... 129 V. Haushaltsplanung und Programmbudgetierung .................. 140

Inhaltsverzeichnis

9

Viertes Kapitel

Beispiele für Koordination

A. Koordination bei der Gemeindehaushaitsrechtsreform ............... 154 1. Der Ablauf des Reformwerkes ............ . ..................... 154 II. Koordinationsmängel bei der Gemeindehaushaltsrechtsreform . ... 173 B. Koordination beim Genehmigungsverfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz ................................................... 178 1. Der Ablauf eines Genehmigungsverfahrens ...................... 178 II. Kritische Würdigung und Verbesserungsvorschläge ............... 181

Fünftes Kapitel

Vorschläge zur Verbesserung der Koordination

A. Planung der Koordination ............ . ... . . ........................ 191 B. Kontrolle der Koordination ..... . .................... ............... 195

Literaturverzeichnis

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Erstes Kapitel

Grundlagen der Koordination A. Problemstellung und Koordinationsbegriff

„Die Mängel der deutschen Verwaltung sind vorwiegend Mängel der Koordinierung1 ." Koordinationsprobleme treten immer dann auf, wenn Entscheidungen in Organisationen (z.B. Verwaltungen, Unternehmen, Verbände etc.) in dezentraler Weise erfolgen und die einzelnen Ent­ scheidungsträger interdependent sind2 • Betrachtet man die Entwicklung und den Stand der Organisationstheorie, so läßt sich feststellen, daß Or­ ganisationsprobleme und damit auch Koordinationsprobleme in verschie­ denen Ausprägungen die gesamte Menschheitsgeschichte begleitet ha­ ben. Dabei gilt die Organisation in der Regel als ein Mittel, Handlungs­ orientierungen zu ermöglichen, bestimmte Ordnungen zu schaffen und zu erhalten sowie komplexe Aufgaben arbeitsteilig zu erfüllen3 • Die außerordentlich komplizierte Arbeitsteilung innerhalb und zwischen Or­ ganisationen in modernen Industriegesellschaften zwingt zu ebenso kom­ plizierten Koordinationsverfahren4 • Ein Dilemma liegt darin begründet, daß es einmal keinen einheitlichen Koordinationsbegriff gibt, zum anderen vielfach keine Klarheit über den tatsächlichen Koordinationsbedarf besteht und schließlich die vor­ handenen Koordinationsinstrumente offensichtlich nicht ausreichen, um den Bedarf an Koordination zufriedenstellend zu decken. Die vorliegen­ de Arbeit will hier einen Beitrag zur Klärung dieser Problembereiche leisten. Dabei muß man sich der Tatsache bewußt sein, daß es keine or­ ganisatorischen Patentrezepte gibt. Vielmehr müssen organisatorische Lösungsvorschläge jeweils auf die konkrete Organisation, ja sogar auf den speziellen Bereich oder die spezielle hierarchische Ebene zugeschnit­ ten sein5 • 1 Adolf Hüttl, Bewährte und moderne Führungstechniken der öffentlichen Verwaltung, in: Die öffentliche Verwaltung, 1965, S. 409. 2 Vgl. Werner Kirsch, Die Koordination von Entscheidungen in Organisa­ tionen, in: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, 1971, S. 61. 3 Vgl. Erwin Grochla, Entwicklung und gegenwärtiger Stand der Organisa­ tionstheorie, in: Organisationstheorie, I. Teilband, hrsg. von Erwin Grochla, Stuttgart 1975, S. 3. 4 Vgl. Theodor Eschenburg, Staat und Gesellschaft in Deutschland, 5. Aufl., Stuttgart 1962, S. 766.

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1. Kap.: Grundlagen der Koordination

Schon der Koordinationsbegriff ist so komplexer Natur, daß seine Definition die Beantwortung folgender Fragen beinhalten solltefl : Was soll koordiniert werden? Wo soll koordiniert werden? Wie soll koordiniert werden? Die Problematik wird noch deutlicher, wenn man sich die unterschied­ lichen alternativen Inhalte der möglichen Antworten vor Augen führt. So müßte bei der ersten Frage nach den Gegenständen der Koordina­ tion geklärt werden, ob Wissen und Meinungen, Interessen und Zustän­ digkeiten, Mittel und Kräfte, Tätigkeiten und Maßnahmen, Aufgaben und Ziele oder Entscheidungen und Wirkungen koordiniert werden sol­ len. Je nachdem, wie die Antwort ausfällt, wird man einen unterschied­ lichen Schwierigkeitsgrad der Koordination feststellen können. So wird die Koordination von Meinungen weniger schwerfallen als die von Zu­ ständigkeiten und diese wiederum wird eher zu erreichen sein als die Koordination von Wirkungen als Folgen von Entscheidungen7 oder des Verwaltungshandelns8• ,,Praktisch lassen sich drei Typen von Koordina­ tionsbegriffen unterscheiden, die unterschiedliche Annahmen darüber implizieren, was koordiniert wird9." Ein erster Begriffstyp bezieht sich auf die Fixierung von Entschei­ dungstatbeständen oder auch Aktionsparametern, gleichgültig ob dies im Rahmen eines zentralen oder dezentralen Entscheidungssystems er­ folgt. Dieser Begriffstyp liegt vor allem dann zugrunde, wenn versucht wird, eine Vielzahl von Instrumentalvariablen in ein Entscheidungsmo­ dell einzubeziehen und durch die Lösung des Modells simultan zu opti­ mieren10. Der zweite Begriffstyp knüpft demgegenüber an den Einzelentschei­ dungen selbst an. Dabei ist es gleichgültig, ob diese Einzelentscheidun­ gen mehrere Aktionsparameter umfassen und von einer oder mehreren Personen getroffen werden. ,,Diese Begriffsauffassung bezieht sich vor5 Vgl. Götz Schmidt, Bestimmungsfaktoren organisatorischer Lösungen Zur Differenzierung organisatorischer Aussagen, in: Zeitschrift für Organisa­ tion, 1970, S. 355. 8 Vgl. Harm Prior, Die Interministeriellen Ausschüsse der Bundesministe­ rien, Stuttgart 1968, S. 9. 7 Zum Begriff der Entscheidung vgl. Herbert Hax, Die Koordanition von Entscheidungen - Ein Beitrag zur betriebswirtschaftlichen Organisations­ lehre, Köln, Berlin, Bonn, München 1965, S. 10 und S. 75, vgl. Werner Kirsch, Entscheidungsprozesse, Band I: Verhaltenswissenschaftliche Ansätze der Ent­ scheidungstheorie, Wiesbaden 1970, S. 70 ff. 8 Vgl. Harm Prior, a.a.O., S. 9. 9 Werner Kirsch, Entscheidungsprozesse, Band III: Entscheidungen in Or­ ganisationen, Wiesbaden 1971, S. 75. 10 Vgl. die verschiedenen Ansätze des Operations Research.

A. Problemstellung und Koordinationsbegriff

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nehmlich auf die Abstimmung von Einzelentscheidungen mit bereits ge­ troffenen oder noch zu treffenden Entscheidungen11 . '' Der dritte Begriffstyp schließlich geht von den Entscheidungsträgern selbst aus. Koordinationsprobleme tauchen hier erst dann auf, wenn eine Menge von Einzelentscheidungen auf eine Vielzahl von Entschei­ dungsträgern verteilt wird, zwischen denen Entscheidungsinterdepen­ denzen bestehen. Koordination in diesem Sinne bedeutet ganz allgemein, daß die Entscheidungen interdependenter Entscheidungsträger in wün­ schenswerter Weise aufeinander abgestimmt werden 12 • Diese Aussage beinhaltet neben der empirisch überprüfbaren Tatsachenaussage, daß Entscheidungen aufeinander abgestimmt sind, auch ein Werturteil. Ob die angestrebte oder vorgenommene Abstimmung wünschenswert ist, macht den Bezug auf irgendwelche Werte notwendig und impliziert ein Werturteil. Im betriebswirtschaftlichen Schrifttum über Koordination wird bei der Bewertung der Abstimmung interdependenter Entscheidungen in der Regel von den Organisationszielen ausgegangen. Nach Albert Meier liegt Koordination dann vor, wenn Methoden angewandt werden, um ,,die Durchführung der auf verschiedene Bereiche verteilten Teilauf­ gaben im Hinblick auf das Unternehmungsziel auszurichten" 13 • Ähnlich definiert auch Herbert Rax : ,,Koordination bedeutet in diesem Zusam­ menhang Lenkung der Tätigkeiten auf ein bestimmtes Ziel hin14 ." Die Zielorientierung bei der Definition des Koordinationsbegriffes findet man auch bei Horst Albach, der unter Koordination der Planung Metho­ den versteht, die eingesetzt werden, ,, um 1. knappe gemeinsame Ressour­ cen nach einer einheitlichen Rangordnung auf die Teilbereiche des Pla­ nungsprozesses zu verteilen und/oder 2. die Entscheidungskriterien der Instanzen, denen Teilbereiche des Planungsprozesses übertragen sind, auf das Gesamtziel des Unternehmens auszurichten:' 1 5• Erich Kosiol be­ greift unter Koordination nur den zweiten Aspekt: ,,Die Koordination ist das konstituierende Ordnungsprinzip der Organisation und damit das verbindende Gestaltungsmittel der integrativen Strukturierung von 11 Werner Kirsch, Die Koordination von Entscheidungen in Organisationen, a.a.O., S. 62. Vgl. hierzu auch Herbert Hax, Die Koordination von Entscheidun­ gen, a.a.O., vgl. weiterhin Dietrich Adam, Koordinationsprobleme bei dezen­ tralen Entscheidungen, in : Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 1969, S. 615 ff. 12 Vgl. Werner Kirsch, Entscheidungsprozesse, Band III : Entscheidungen in Organisationen, a.a.O., S. 75. 13 Albert Meier, Koordination in der Leitungsorganisation, in: Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschung, 1961, S. 540. 1 4 Herbert Hax, Die Koordination von Entscheidungen, a.a.O., S. 9. 15 Horst Albach, Die Koordination der Planung in Großunternehmen, in : Rationale Wirtschaftspolitik und Planung in der Wirtschaft von heute, Schrif­ ten des Vereins für Socialpolitik, Neue Folge, Band 45, hrsg. von Erich Schnei­ der, Berlin 1967, S. 341.

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1. Kap. : Grundlagen der Koordination

Unternehmungen. Sie ist in ihren drei Formen der Gleichordnung, Über­ und Unterordnung Ausdruck der technischen Organisationsprinzipien der Zweckmäßigkeit und des Gleichgewichts. Durch sie erfolgt die kon­ sequente Ausrichtung aller strukturierender Maßnahmen auf die Ge­ samtaufgabe als Mittelpunkt, ihre sachgerechte Verteilung auf das ge­ steckte Endziel der Unternehmung 16 . " Einen sehr weiten Koordinations­ begriff verwendet Erich Gutenberg: ,,Dieses Einfügen von Tätigkeiten in eine Ordnung bezeichnet man als Koordinierung 17 . '' Diese Auffassungen erscheinen unzweckmäßig, sobald man die Organi­ sationsziele nicht als gegeben unterstellt, sondern ihrerseits als Ergebnis von Zielentscheidungen betrachtet. Häufig einigen sich die in einer Or­ ganisation beteiligten interdependenten Entscheidungsträger auf Orga­ nisationsziele, um auf diese Weise die interdependenten Entscheidungen zu koordinieren. ,,Die Einigung auf gemeinsame Organisationsziele kann unter Umständen nur ein Mittel unter vielen sein, eine Koordination von Entscheidungen herbeizuführen. Um die Relevanz solcher Aussagen beurteilen zu können, muß man freilich versuchen, den Koordinations­ begriff zunächst unabhängig von irgendwelchen Organisationszielen zu definieren 18 . " Faßt man die Organisation als eine Art von Koalition auf 19 , die durch die Unterschiedlichkeit der Präferenzordnungen der Organisationsteil­ nehmer gekennzeichnet ist, so steht die Organisationstheorie vor einem ähnlichen Problem wie die Wohlfahrtsökonomie. Die Überlegungen der Wohlfahrtsökonomie, über eine Aggregation individueller Wertord­ nungen zu einer Bewertung sozialer Zustände zu gelangen, lassen sich auf die Koordinationsproblematik in Organisationen übertragen. Zahl­ reiche Autoren versuchen einen auf das Erreichen eines Pareto-Opti­ mums abzielenden Koordinationsbegriff zu entwickeln. Sie verwenden den Koordinationsb �griff in der Weise, daß sie eine Menge von Entschei-

16 Erich Kosiol, Organisation der Unternehmung, Wiesbaden 1962, S. 76. 1 7 Erich Gutenberg, Unternehmensführung, Wiesbaden 1962, S. 68. 18 Werner Kirsch, Die Koordination von Entscheidungen in Organisationen, a.a.O., S. 67. 19 Während die Koalition durch Unterschiedlichkeit der Präferenzordnungen gekennzeichnet ist, liegt beim Team eine einheitliche, von allen Beteiligten geteilte oder zumindest akzeptierte Präferenzordnung vor. Stimmen z. B. die Abteilungsziele mit dem Unternehmensziel überein, dann ist das Unterneh­ men ein Team. In einem Team ist nur Koordination im Sinne einer Verteilung gemeinsamer knapper Ressourcen notwendig. Stimmen dagegen die Abtei­ lungsziele mit dem Unternehmensziel nicht überein, dann liegt eine Koalition vor. Maßnahmen der Koordination richten sich in der Koalition darauf, die Teambedingung herzustellen. Vgl. hierzu : Horst Albach, Zur Theorie der Un­ ternehmensorganisation, in : Zeitschrift für handelswissenschaftliche For­ schung, 1959, S. 247 und die dort angegebene Literatur. Weiterhin vgl. Herbert Hax, Die Koordination von Entscheidungen, a.a.0., S. 196 ff., Friedrich Hoff­ mann, Entwicklung der Organisationsforschung, 2. Aufl., Wiesbaden 1976, S. 148 ff. und die dort angegebene umfangreiche Literatur zur Teamtheorie.

A. Problemstellung und Koordinationsbegriff

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dungen verschiedener Entscheidungsträger als koordiniert bezeichnen, wenn diese Entscheidungen zu einem pareto-optimalen Zustand des so­ zialen Systems führen20. Da es aber als zweifelhaft erscheinen muß, ob es in der Realität überhaupt ein Entscheidungssystem gibt, das ein Pa­ reto-Optimum erreicht und somit als koordiniert angesehen werden kann, ist es sinnvoll, nach einem weniger strengen Koordinationsbegriff zu suchen. Stellt man anders als die wohlfahrtsökonomischen Ansätze nicht so sehr das Ergebnis der Abstimmung interdependenter Entscheidungen, �andern die Art und Weise dieser Abstimmung selbst in den Mittel­ punkt der Überlegungen zum Koordinationsbegriff, so kann die Ab­ stimmung einer Menge von Entscheidungsträgern als Koordination be­ wertet werden, auch wenn das Ergebnis dieser Entscheidungen nicht als pareto-optimal angesehen wird. Dahinter steht der Gedanke, daß das Individuum häufiger nach befriedigenden als nach optimalen Lösungen sucht2 1 . Ausgehend davon kommt Charles E. Lindblom zu folgendem Koordinationsbegriff : ,,Eine Menge interdependenter Entscheidungen ist koordiniert, wenn die Entscheidungen in der Weise aufeinander ab­ gestimmt sind, daß für jede einzelne der abgestimmten Entscheidungen die Abstimmung in der Sicht der Werte von mindestens einem der be­ teiligten Entscheidungsträger als besser erachtet wird als keine Ab­ stimmung22." Die von Charles E. Lindblom gewählte Definition schließt sowohl den Fall ein, daß alle Entscheidungsträger gleiche Präferenzordnungen be­ sitzen, als auch jenen wesentlich realistischeren Fall, daß die beteilig­ ten Entscheidungsträger nur zum Teil über gemeinsame Werte verfü­ gen. Allerdings wird es erheblich größere Schwierigkeiten bereiten, Koordination dann zu definieren, wenn man für die .interdependenten Entscheidungsträger nicht gemeinsame Werte unterstellt23 • Die bisherigen Überlegungen bezüglich des Koordinationsbegriffs deu­ ten bereits die Schwierigkeiten an, die sich bei der Lösung von Koordi­ nationsproblemen je nach theoretischem Standort innerhalb der Orga­ nisationsforschung ergeben. Vielfach wird Koordination synonym mit Begriffen wie Synchronisation, Abstimmung, Ein- oder Zuordnung, 20 Vgl. Kenneth J. Arrow, Social Choice and Individual Value, 2. Aufl., New York 1963, S. 23 ff., T. A. Marschak, Economic Theories of Organization, in : J. G. March (Hrsg.), Handbook of Organizations, Chicago 1965, S. 427, Helmut Schneider, Das allgemeine Gleichgewicht in der Marktwirtschaft, Tübingen 1969, S. 79 ff. und die dort angegebene Literatur. 21 Vgl. Werner Kirsch, Die Koordination von Entscheidungen in Organisa­ tionen, a.a.O., S. 69. 22 Charles E. Lindblom, The Intelligence of Democracy, New York - London 1965,

s. 24.

Vgl. Werner Kirsch, Entscheidungsprozesse, Band III : Entscheidungen in Organisationen, a.a.O., S. 79. 23

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1. Kap. : Grundlagen der Koordination

Vereinheitlichung, gegenseitige Berücksichtigung, gemeinsames (kon­ zertiertes) Vorgehen, Gleichschaltung, Angleichung, Annäherung, An­ passung, Integration, Vereinbarung, Kooperation, Zusammenarbeit, Har­ monisierung, Einigung, Zusammenfügung, Erfahrungsaustausch, Ver­ ständigung u. ä. verwendet24 • Auf eine eingehende Abgrenzung der ver­ schiedenen Begriffe voneinander soll hier verzichtet werden. Sie ergibt sich zum Teil aus der Behandlung der Koordinationsprobleme innerhalb der verschiedenen Fachdisziplinen, zum Teil aus der Darstellung der unterschiedlichen Formen und Arten der Koordination. Wichtig für eine möglichst umfassende Beschreibung des Koordina­ tionsproblems ist neben der Frage, was koordiniert werden soll, die Be­ antwortung der Frage, wo koordiniert werden soll, also die Kennzeich­ nung der Koordinationsinstanz. ,,Sie hat das Recht und/oder die Macht, die Entscheidungen interdependenter Entscheidungsträger als ,wün­ schenswert aufeinander abgestimmt' zu bezeichnen oder eine andere Abstimmung zu verlangen25 . " Ferner wird man davon ausgehen können, daß die Koordination von Entscheidungsprozessen in einer Organisation nicht nur bei einer ein­ zelnen Leistungsinstanz und den auf sie einwirkenden Interessenein­ flüssen liegt. Die Koordination wird in der Regel vielmehr auf ver­ schiedene Leitungsebenen verteilt, die nach dem Grad der Entschei­ dungsdezentralisation mit unterschiedlicher Koordinationskompetenz ausgestattet sein können26. In privaten Unternehmen und zunehmend auch in öffentlichen Ver­ waltungen wird in diesem Zusammenhang von verschiedenen Manage­ mentebenen gesprochen, die beispielsweise in Top-, Middle- und Lower­ Management unterteilt werden27 • Gegenstand, Instanz und Ebene der Koordination beeinflussen ihrer­ seits die Beantwortung der dritten Frage, nämlich wie soll koordiniert werden? Hier geht es um eine Darstellung der Mittel oder Instrumente der Koordination. Auf eine Vertiefung dieser Frage soll an dieser Stelle verzichtet werden, da sie den Kernpunkt der folgenden Kapitel dar­ stellt. 24 Vgl. hierzu Rolf Krüger, Die Koordination von gesamtwirtschaftlicher, regionaler und lokaler Planung, Berlin 1969, S. 11 f., weiterhin Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien, Allgemeiner Teil (GGO 1), Stutt­ gart 1974, § 21, § 48, 2, § 70, 1. 2 5 Edmund Heinen, Industriebetriebslehre, Wiesbaden 1972, S. 53. 20 Vgl. ebenda, S. 54. 27 Vgl. Peter Eichhorn und Peter Friedrich, Verwaltungsökonomie 1, Metho­ dologie und Management der öffentlichen Verwaltung, Schriften zur öffent­ lichen Verwaltung und öffentlichen Wirtschaft, hrsg. von Peter Eichhorn und Peter Friedrich, Band 1, Baden-Baden 1976, S. 279 ff.

B. Koordinationsprobleme im Schrifttum

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Aus den bisherigen Ausführungen wird ersichtlich, wie komplex schon eine eindeutige Begriffsbestimmung der Koordination sein kann. Es zeigt sich, daß die häufig gebrauchte Definition, wonach Koordination als zielgerichtete Abstimmung von Teilaufgaben angesehen wird, eine Leerformel bleibt, wenn es nicht gelingt, eine klare Einordnung des Koordinationsbegriffes in den Bereich der Organisation vorzunehmen. Nach der Begriffsbestimmung ergibt sich ein weiteres schwieriges Problem bei dem Versuch der Beseitigung von Koordinationsmängeln. Mängel der Koordinierung sind erst eindeutig zu beschreiben, wenn vorher geklärt worden ist, welcher Koordinationsbedarf besteht bzw. bestanden hat. Erst eine Gegenüberstellung von Koordinationsbedarf und Koordinationsmechanismen bzw. -techniken kann Aufschluß über die aufgetretenen Mängel geben. Die Ermittlung des Koordinationsbe­ darfs hängt in starkem Maße von der zugrundegelegten Organisations­ theorie ab. Es wird in den folgenden Abschnitten zu prüfen sein, welche Beiträge einzelne Fachdisziplinen zu diesem Problembereich liefern. Es wird sich zeigen, daß das Organisationsproblem und damit auch das Koordinationsproblem in Organisationen vielschichtig ist und nur durch einen interdisziplinären Ansatz einer Lösung nähergebracht werden kann. B. Koordinationsprobleme im Schrifttum I. Koordinationsprobleme in der Betriebswirtschaftslehre

Koordinationsprobleme spielen im Rahmen der betriebswirtschaft­ lichen Organisationsforschung seit jeher eine bedeutende Rolle. Für eine Untersuchung ist entscheidend, welche der drei Entwicklungsstufen der betriebswirtschaftlichen Betrachtungsweise des Organisationsproblems herangezogen wird 1 • Die erste Phase ist dadurch gekennzeichnet, daß die Unternehmung als ,organisationsloses' Gebilde angesehen wird. Es wird unterstellt, daß kein Einfluß von der Organisation auf die unternehmerischen Entschei­ dungen ausgeht. Man nimmt vielmehr an, daß Entscheidungen so ausge­ führt werden können, wie sie getroffen werden2 • Als typisches Beispiel 1 Vgl. zu den Entwicklungen der Berücksichtigung des Organisationspro­ blems in der Betriebswirtschaftslehre : Horst Albach, Zur Theorie der Unter­ nehmensorganisation, a.a.O., S. 238 ff., Edmund Heinen, Einführung in die Betriebswirtschaftslehre, Wiesbaden 1968, S. 46 ff., Werner Kirsch und Heri­ bert Meffert, Organisationstheorie und Betriebswirtschaftslehre, Schriften­ reihe der Zeitschrift für Betriebswirtschaft, Band 1, Wiesbaden 1970, S. 21 ff. 2 Vgl. Kenneth E. Boulding, Implications for General Economics of More Realistic Theories of the Firm, in: The American Economic Review, Papers and Proceedings, Vol. 42, 1952, S. 35 ff., Frank H. Knight, Risk, Uncertainty and Profit, 7. Neudruck, New York 1948, S. 106 ff., Hans Guenther Krüsselberg,

2 Speyer 72

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1. Kap. : Grundlagen der Koordination

kann die Produktions- und Kostentheorie angeführt werden, die eine optimale Kombination bzw. Koordination der Produktionsfaktoren Ar­ beit, Betriebsmittel und Werkstoffe anstrebt, wobei unterstellt wird, die Produktionsfaktoren seien inaktiv. In der älteren Literatur sieht man den Faktor Arbeit darüber hinaus als homogen an und meint, der Pro­ duktionsprozeß könne unabhängig von der Organisation einer Lösung zugeführt werden8 • Der Koordinations- bzw. Kombinationsprozeß ba­ siert bei dieser Betrachtungsweise auf einer eindimensionalen Zielfunk­ tion. Die zweite Phase zeichnet sich durch die Berücksichtigung der Organi­ sation als Teil der Unternehmung aus. Man kann diesen Sachverhalt mit der Aussage „die Unternehmung hat eine Organisation" verdeut­ lichen. Dabei sind der funktionale und der institutionale Organisations­ begriff zu unterscheiden4 • Organisation im funktionalen Sinne ist die planmäßige Zusammenfassung von Menschen und Sachen im Hinblick auf ein bestimmtes Ziel5 • Unter dem funktionalen Aspekt kommt der Organisation eine instrumentale Funktion zu. So kann die Organisa­ tion aus sich heraus nicht schöpferisch tätig werden. Die Unterschei­ dung zwischen Planung und Organisation bei Erich Gutenberg ver­ deutlicht diesen Ansatz. ,,Während Planung den Entwurf einer Ord­ nung bedeutet, nach der sich der gesamtbetriebliche Prozeß vollziehen soll, stellt die Organisation den Vollzug, die Realisierung dieser Ord­ nung dar6 . '' Koordination vollzieht sich demnach in einem System ge­ nereller und fallweiser Regelungen, die aus den Anordnungs- und Wei­ sungsrechten der leitenden Personen, des dispositiven Faktors, resul­ tieren7 . Organisationstheorie. Theorie der Unternehmung und Oligopol, Berlin 1965,

s. 11 ff.

3 So basieren z. B. die Produktionsfunktion vom Typ A (Ertragsgesetz) und vom Typ B auf der Prämisse der Homogenität des Faktors Arbeit. Vgl. hierzu Erich Gutenberg, Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, Band 1 : Die Pro­ duktion, 15. Aufl., Berlin, Heidelberg, New York 1969, S. 291 ff. 4 Vgl. Friedrich Hoffmann, Entwicklung der Organisationsforschung, a.a.O., s. 58. 5 Vgl. Herbert Hax, Planung und Organisation als Instrumente der Unter­ nehmensführung, in : Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschung, 1959, s. 610. 8 Erich Gutenberg, Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, Band I : Die Produktion, a.a.O., S. 233, vgl. hierzu Horst Albach, Organisation, betriebliche, in : Handwörterbuch der Sozialwissenschaften, hrsg. von Erwin von Beckerath u. a., Band 8, Stuttgart, Tübingen, Göttingen 1961, S. 1 1 1 . 7 Vgl. zum Problembereich der „fallweisen" und „generellen" Regelungen : Wiegand Siebel, Zur Typologie betrieblicher Entscheidungen, Gutenbergs „ge­ nerelle" und „fallweise Regelungen", in : Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 1967, S. 359 ff., Rolf Prim, Uber die Grenzen methodologischer Auseinander­ setzungen, Gutenbergs „generelle" und „fallweise Regelungen" und Siebels kritische Analyse, in : Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 1968, S. 127 ff., Wolf­ gang Siebert, Zur Typologie betrieblicher Entscheidungen, Gutenbergs „gene-

B. Koordinationsprobleme im Schrifttum

19

Die Tätigkeit des Organisierens läßt sich unter dem Blickwinkel einer entscheidungsorientiertenBetriebswirtschaftslehre mit der Tätigkeit der Entscheidung in Beziehung setzen8 • Dabei umfaßt Entscheidung den psychischen Prozeß der Willensbildung, während als Regelung das schriftlich oder mündlich niedergelegte bzw. mitgeteilte Ergebnis der Entscheidung verstanden wird; Interpretiert man die Tätigkeit des Or­ ganisierens etwas weitergehend als das Treffen von Metaentscheidun­ gen, d. h. als Entscheidung über Entscheidungen, determinieren diese Metaentscheidungsprozesse die Freiheitsgrade der Objektentscheidungs­ prozesse9 . ,,Auf die organisatorischen Tatbestände der Unternehmung bezogen, hat die Metaentscheidung dann die Integration und Differen­ zierung von Aufgaben und Aufgabenträgern sowie deren Realisations­ verknüpfungen zu einer integrativen und differenzierten Struktur zum Gegenstand10. " Der institutionale Organisationsbegriff umfaßt die Gesamtheit allge­ meingültiger gestaltender Regelungen als Ergebnis des Organisierens. In diesem Falle kann Organisation auch mit dem Begriff der Struktur gleichgesetzt werden, wobei unter Struktur die Menge der im Zeitab­ lauf invarianten Beziehungen zwischen bestimmten Größen des Unter­ nehmungssystems verstanden wird11 • Wesentlich hat Kosiol den institutionalen Ansatz beeinflußt. Er defi­ niert Organisation als das „integrative Strukturieren von Ganzheiten" 12 • Dabei stellt Organisation eine bestimmte Verfahrensweise gestaltenden Handelns dar. Diese Strukturtechnik ist an den Grundprinzipien der Zweckmäßigkeit (Unternehmungsaufgabe), der Technizität (mengenmä­ ßige Wirtschaftlichkeit) und der Ökonomität (Rentabilität, Gewinn) auszurichten. ,,Es handelt sich um eine formale Problematik, da die Form der Struktur und nicht der Inhalt des Handelns zum Problem er­ hoben wird13 . " Das Begriffssystem von Erich Kosiol ist auf den mensch­ lichen Handlungsbereich (Humanbereich) begrenzt und umfaßt nicht Mensch-Maschine-Beziehungen14. relle" und „fallweise Regelungen", in : Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 1968,

s. 495 ff.

8 Vgl. Werner Kirsch und Heribert Meffert, Organisationstheorie und Be­ triebswirtschaftslehre, a.a.O., S. 39 ff. 9 Vgl. Friedrich Hoffmann, Entwicklung der Organisationsforschung, a.a.O.,

s. 59.

Ebenda, S. 59. Vgl. Norbert Sysperski, Organisationsspielraum, in : Handwörterbuch der Organisation, hrsg. von Erwin Grochla, Stuttgart 1969, Sp. 1230. 12 Erich Kosiol, Organisation der Unternehmung, a.a.O., S. 21. 1 3 Friedrich Hoffmann, Entwicklung der Organisationsforschung, a.a.O., s. 60. 14 Eine derartige Einengung des Organisationsbegriffs nehmen unter ande­ rem auch vor: Fritz Nordsieck, Rationalisierung der Betriebsorganisation, 10

11

20

1. Kap. : Grundlagen der Koordination

Wissenschaftstheoretisch ist der oben erwähnte Ansatz gemäß der von

William G. Scott 15 entwickelten methodisch-differenzierten Einteilung den klassischen Organisationstheorien zuzuordnen, die aus der mecha­ nisch-physiologischenBetrachtungsweise von Fredericlc Winslow Taylor 16 und dem administrativ en Ansatz von Frederick Winslow Taylor und Henri Fayol 11 aufbauen. Im Rahmen dieses klassischen Ansatzes werden

Organisationsgrundsätze oder -prinzipien aufgestellt und systematisiert, die das organisatorische Gestaltungshandeln leiten sollen. Generell läßt sich folgendes generelles Vorgehen skizzieren: Ausgegangen wird von ei­ ner vom Markt gegebenen Unternehmungsgesamtaufgabe, die man in ei­ nem Analysenprozeß in Teilaufgaben zerlegt. Das eigentliche Organisa­ tionsproblem besteht darin, diese Teilaufgaben zu Aufgabeninhalten für gedachte Aufgabenträger (Personen) in einzelnen Stellen zusammenzu­ fassen. Die Stellen werden zu Abteilungen verbunden, die Abteilungen ihrerseits werden übergeordneten Einheiten zugeordnet. Die organisa­ torischen Maßnahmen sind an der Erfüllung der Unternehmungsgesamt­ aufgabe und an den Kriterien Wirtschaftlichkeit und Rentabilität zu orientieren18•

Aus der Aufgabenanalyse und der anschließenden Aufgabensynthese entstehen Grundsätze für die Aufbauorganisation und schließlich für die Ablauforganisation, die auf eine Strukturierung der in Raum und Zeit fortschreitenden Arbeitsprozesse abzielt. Im Rahmen der Organisationsprinzipien nach Erich Kosiol spielt das Prinzip der Koordination eine gewichtige Rolle im Hinblick auf die obersten Gestaltungsziele. Dabei umfaßt die Koordination die Struktur­ handlungen der Unterordnung (Subordination), Gleichordnung (Aquior­ dination) und Überordnung (Superordination) sowie der Division und In­ tegration, der Zentralisation und der Dezentralisation19 • 2. Aufl. von Grundlagen der Organisationslehre, Stuttgart 1955, S. 23, weiter­ hin Hans Ulrich, Betriebswirtschaftliche Organisation, Bern 1949, S. 99, Hanns Linhardt, Grundlagen der Betriebsorganisation, Essen 1954 und Otto Richard Schnutenhaus, Allgemeine Organisationslehre, Berlin 1951. 15 Vgl. William G. Scott, Organization Theory : An Overview and an Apprai­ sal, in : Journal of the Academy of Management, 1961, S. 7 ff. 16 Vgl. Frederick Winslow Taylor, Die Grundsätze wissenschaftlicher Be­ triebsführung, München - Berlin 1913, S. 2. 1 7 Vgl. Henri Fayol, Allgemeine und industrielle Verwaltung, München, Berlin 1929, weiterhin vgl. James G. March und Herbert A. Simon, Organiza­ tions, 9. Aufl., New York - London - Sydney 1967, S. 12. 18 Vgl. Friedrich Hoffmann, Entwicklung der Organisationsforschung, a.a.O., s. 72. 1 9 Vgl. Erich Kosiol, Organisation der Unternehmung, a.a.O., S. 241, weitere Organisationsgrundsätze vgl. Knut Bleicher, Grundsätze der Organisation, in : Organisation, TFB-Handbuchreihe, Band 1, hrsg. von Erich Schnaufer und Klaus Agthe, Berlin, Baden-Baden 1961, S. 149 - 164, Fritz Nordsieck, Organi­ sationsprinzipien, in : Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, hrsg. von Hans

B. Koordinationsprobleme im Schrifttum

21

Die Kritik an der klassischen Organisationstheorie entzündet sich vor allem an der Tatsache, daß einmal die Umweltverhältnisse als relativ stabil unterstellt werden und folglich die Rückwirkungen, die sich aus den Umweltbeziehungen für die Organisation ergeben, übersehen wer­ den20 . Weiterhin wird kritisiert, daß ein mechanistisch-instrumentales Menschenbild angenommen werde, d. h., daß der Mensch als abstrakter Aufgabenträger betrachtet werde. Auch die Prämisse, daß die Unter­ nehmungsgesamtaufgabe gegeben sei, kann nicht aufrechterhalten wer­ den. Schließlich muß die Voraussetzung kritisiert werden, daß von den Sachmitteln kein Einfluß auf die Organisation ausgehe21 • Die dritte Phase der betriebswirtschaftlichen Betrachtungsweise des Organisationsproblems ist durch die Aussage gekennzeichnet: die Unter­ nehmung ist eine Organisation. Diese weite Begriffsbestimmung umfaßt alle zielgerichteten sozialen Gebilde oder sozio-technischen Systeme und findet sich vor allem in soziologisch orientierten Forschungsrichtungen22 • Die Betriebswirtschaftslehre befaßt sich unter diesem Aspekt mit der Unternehmung, die nur einen spezifischen Organisationstyp unter den möglichen Erscheinungsformen zielgerichteter Sozialsysteme verkörpert. Im Rahmen der von William G. Scott23 gewählten Klassifikation sind die neoklassische und die moderne Organisationsforschung zu unterscheiden. Beide Forschungsrichtungen betrachten die Organisation als soziales Ge­ bilde, wobei der neoklassische Ansatz überwiegend sozialpsychologisch orientiert ist24, während der Ansatz der modernen Organisationstheo­ rien, befruchtet durch die Entscheidungstheorie im Rahmen der System­ theorie, eine Integration der in der klassischen und neoklassischen Orga­ nisationstheorien isoliert behandelten Aspekte der technisch-aufgaben­ bezogenen und menschlich-sozialen Variablen unter ökonomischen Ge­ sichtspunkten versucht25 • Unter diesem Integrationsaspekt fand eine Seischab und Karl Schwantag, and III, 3. Aufl., Stuttgart 1960, Sp. 4253 - 4256, Armin Ruffner, Prinzipien der Organisation, in : Handwörterbuch der Organi­ sation, hrsg. von Erwin Grochla, Stuttgart 1969, Sp. 1330 - 1339. 20 Vgl. Niklas Luhmann, Zweck-Herrschaft-System, Grundbegriffe und Prämissen Max Webers, in: Bürokratische Organisation, hrsg. von Renate Mayntz, Köln, Berlin 1968, S. 38. 21 Vgl. Friedrich Hoffmann, Entwicklung der Organisationsforschung, a.a.O., s. 81 f. 22 Vgl. u. a. Renate Mayntz, Soziologie der Organisation, Reinbek bei Ham­ burg 1963, S. 7. 23 Vgl. William G. Scott, Organization Theory : An Overview and an Apprai­ sal, a.a.O., S. 7 ff. 24 Vgl. hierzu Harold J. Leavitt, Applied Organizational Change in Industry: Structure, Technological and Humanistic Approaches, in: Handbook of Or­ ganizations, hrsg. von James G. March, Chicago 1965, S. 1152 ff., vgl. weiter­ hin Friedrich Hoffmann, Entwicklung der Organisationsforschung, a.a.O., S. 87 - 122 und die dort angegebene umfangreiche Literatur. 25 Vgl. Friedrich Hoffmann, Entwicklung der Organisationsforschung, a.a.O., S. 123.

22

1. Kap. : Grundlagen der Koordination

Neuorientierung der betriebswirtschaftlichen Organisationstheorie in Richtung auf einen entscheidungstheoretischen und einen systemtheore­ tischen Ansatz statt. Der entscheidungstheoretische Ansatz stellt die organisatorischen Ent­ scheidungsprobleme in den Mittelpunkt seines wissenschaftlichen Be­ mühens26 . Innerhalb der Entscheidungstheorie lassen sich zwei Richtun­ gen unterscheiden. Erstens die mathematisch-statistische Entscheidungs­ theorie, die unter gegebenen Bedingungen eine optimale Auswahl unter mehreren Alternativen anstrebt und zweitens die verhaltenswissen­ schaftlich orientierte Richtung, die sich am Entscheidungsprozeß mit den Phasen der Willensbildung und Willensdurchsetzung ausrichtet und sich inzwischen zu einer eigenständigen Verhaltenstheorie entwickelt. Mit Hilfe der mathematisch-statistischen Entscheidungstheorie kön­ nen zahlreiche modellanalytische Ansätze zur Lösung des Verteilungs­ problems27, des Kommunikationsproblems28 , ablauforganisatorischer Problemstellungen29 und des Koordinationsproblems entwickelt werden. 28 Vgl. Edmund Heinen, Betriebswirtschaftslehre heute, Die Bedeutung der Entscheidungstheorie für Forschung und Praxis, Wiesbaden 1966, S. 4. 27 Vgl. hierzu u. a. Friedrich Hoffmann, Entwicklung der Organisationsfor­ schung, a.a.O., S. 125 - 137, Erich Kosiol, Organisation der Unternehmung, a.a.O., S. 72 ff., Horst Albach, Zur Theorie der Unternehmensorganisation, a.a.O., S. 248 ff., Oskar Morgenstern, Prolegomena to a Theory of Organization, Rand-Report RM-734, Santa-Monica, California 1951, S. 30 ff., Maurice Sasieni, Arthur Yaspan und Lawrence Friedman, Methoden und Probleme der Unter­ nehmensforschung, Würzburg, Wien 1965, S. 195 ff., Jürgen Wild, Neuere Organisationsforschung in betriebswirtschaftlicher Sicht, Internationale For­ schungsansätze und -ergebnisse zur formalen Problematik der Aufbauorgani­ sation, Betriebswirtschaftliche Forschungsergebnisse, Band 31, Berlin 1967, S. 20 ff., Eberhard Witte, Ablauforganisation, in : Handwörterbuch der Orga­ nisation, hrsg. von Erwin Grochla, Stuttgart 1969, Sp. 22, West C. Churchman, Russel L. Ackhoff und Leonard E. Arnoff, Operations Research, Eine Einfüh­ rung in die Unternehmensforschung, 5. Aufl., München, Wien 1971, S. 337 ff., Heiner Müller-Merbach, Operations Research - Methoden und Modelle der Optimalplanung, 2. Aufl., München 1971. 28 Vgl. Friedrich Hoffmann, Entwicklung der Organisationsforschung, a.a.O., S. 137 - 156, Horst Albach, Entscheidungsprozeß und Informationsfluß in der Unternehmensorganisations, in : Organisation, TFB-Handbuchreihe, hrsg. von Erich Schnaufer und Klaus Agthe, 1. Band, Berlin und Baden-Baden 1961, S. 356 ff., George B. Dantzig, Lineare Programmierung und Erweiterungen, Berlin, Heidelberg, New York 1966, S. 343 - 360, Adolf Gerhard Coenenberg, Die Kommunikation in der Unternehmung, Wiesbaden 1966, S. 36, Rudolph Renn und Hans Paul Künzi, Einführung in die Unternehmensforschung II, Berlin, Heidelberg, New York 1 968, S. 138 ff., Waldemar Wittmann, Unterneh­ mung und unvollkommene Information, Köln 1959, S. 14 ff., Horst Albach, Die Koordination der Planung im Großunternehmen, a.a.O., S. 332 - 438. Horst Albach hat am Beispiel der Koordination den im wesentlichen auf Thomas A. ]l,Tarschak zurück�ehennden Ansatz der Teamtheorie auf Koalitionen er­ weitert und damit die Konformitätsannahme zwischen den Zielen der Organi­ sationsmitglieder und den Zielen der Unternehmung aufgegeben. 19 Bei diesen Problemstellungen handelt es sich um Fragestellungen, die in der Literatur unter der Bezeichnung Sequenzanalyse und Reihenfolgeplanung behandelt werden. Vgl. zu diesem eigenständigen Teilbereich des Operations

B. Koordinationsprobleme im Schrifttum

23

Im Rahmen der mathematisch-statistischen Entscheidungstheorie be­ zieht sich die Koordination auf den Tatbestand abhängiger (Teil-)Ent­ scheidungen, die multipersonal auf verschiedenen hierarchischen Ebe­ nen mit unterschiedlicher Kompetenz getroffen werden. Die Koordina­ tion umfaßt eine Abstimmung der Entscheidungskriterien der Bereiche der Unternehmung auf das Gesamtziel der Unternehmung und/oder eine Verteilung knapper gemeinsamer Ressourcen nach einer einheitlichen Rangordnung auf die Teilbereiche der Unternehmung30 • In bezug auf die Komponenten der Entscheidung handelt es sich hierbei um die Koordi­ nation über die Zielkomponente und um die Koordination über die Ent­ scheidungsfeldkomponente31 • Im Fall der Koordination über die Ziele können den Entscheidungs­ trägern einmal explizite Verhaltensvorschriften in Form von Informa­ tions- oder Verhaltensregeln vorgegeben werden, was beim Eintritt un­ vorhergesehener Ereignisse nur zu einer mangelhaften Erfüllung der Ziele führen kann. Oder es werden den Entscheidungsträgern Ziele (Budgets) vorgegeben, d. h. die Koordination erfolgt mit Hilfe impli­ zierter Verhaltensnormen32 • Die Koordination über die Entscheidungsfeldkomponente zur Auftei­ lung gemeinsamer knapper Ressourcen auf die einzelnen Teilbereiche der Unternehmung läßt sich über Verrechnungspreise vornehmen33 • Der Grundgedanke einer Koordination selbständiger Teilbereiche einer Un­ ternehmung mit innerbetrieblichem Leistungsaustausch über Lenk- oder Verrechnungspreise geht auf die von Eugen Schmalenbach entwickelte pretiale Betriebsführung zurück34 und wurde von zahlreichen betriebs­ wirtschaftlichen Autoren weiterentwickelt35 • Research u. a. Klaus Hoss, Fertigungsablaufplanung mittels operationsanalyti­ scher Methoden, Würzburg, Wien 1965, Werner Kern, Optimierungsverfahren in der Ablauforganisation, Essen 1967, Heiner Müller-Merbach, Optimale Rei­ henfolgen, Berlin u. a. 1970. 30 Vgl. Horst Albach, Die Koordination der Planung in Großunternehmen, in : Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 1966, S. 791. 31 Vgl. E. Frese, Heuristische Entscheidungsstrategien der Unternehmungs­ führung, in : Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, 1971, S. 284, Wolfram Engels, Betriebswirtschaftliche Bewertungslehre im Licht der Ent­ scheidungstheorie, Köln und Opladen 1962, S. 94. 31 Vgl. Herbert Hax, Die Koordination von Entscheidungen, a.a.O., S. 74. 83 Vgl. Friedrich Hoffmann, Entwicklung der Organisationsforschung, a.a.0., s. 157. H Vgl. Eugen Schmalenbach, Pretiale Wirtschaftslenkung, Band 1 : Die opti­ male Geltungszahl, Bremen - Horn 1947, derselbe, Pretiale Wirtschaftslen­ kung, Band 2 : Pretiale Lenkung des Betriebes, Bremen - Horn 1948. 35 Vgl. George B. Dantzig, Lineare Programmierung und Erweiterungen, a.a.O., S. 144 ff. und 523 ff., Dieter Schneider, Zielvorstellungen und innerbe­ triebliche Lenkungspreise in privaten und öffentlichen Unternehmungen, in : Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, 1966, S. 270 f., T. A. Mar­ schak, Centralization and Decentralization in Economic Organizations, Econo-

24

1. Kap . : Grundlagen der Koordination

Die verhaltenswissenschaftlichen Ansätze streben Aussagen über das reale menschliche Entscheidungsverhalten an, wobei in erster Linie der Entscheidungsprozeß interessiert. Entscheidungen sind Schlußfolgerun­ gen aus faktischen und wertenden Prämissen38 • Untersucht werden das Zustandekommen und die Wirkung der Prämissen oder Einflußfakto­ ren auf die Entscheidung37 • Im Gegensatz zu den entscheidungslogischen Modellen, deren Untersuchungsgegenstand sich auf wohl-strukturierte Problembereiche begrenzt, für die operative, d. h. programmierbare, Entscheidungen gefällt werden können, versuchen die verhaltenswissen­ schaftlichen Modelle eine Behandlung schlecht-strukturierter Problem­ bereiche. Zu diesen nicht-programmierbaren Entscheidungssituationen können einmal Entscheidungen gezählt werden, die Programmentwick­ lungen für die operativen Produktions- und Verteilungsprozesse in Un­ ternehmen betreffen. Man spricht hier von administrativen Entscheidun­ gen. Zum anderen gehören Entscheidungen, die das Zielsystem oder die Unternehmungspolitik konstituieren, in diesen Bereich. Man spricht hier von politischen Entscheidungen38 • Organisation wird von Verhaltenswis­ senschaftlern als ein interagierendes Entscheidungs- und Informa­ tionssystem gesehen, das die gesamte Unternehmung umschließt. Dabei wird das organisatorische oder unternehmerische Handeln auf die indi­ viduellen Handlungen ihrer Teilnehmer zurückgeführt39 • Innerhalb der verschiedenen verhaltenswissenschaftlichen Entschei­ dungsansätze ist ein Ziel der Analyse der Entscheidungsprozesse, Er­ kenntnisse zur aufbau- und ablauforganisatorischen Gestaltung des Ver­ teilungs- und Leitungssystems der Unternehmung zu gewinnen40• Ein

metrica, Band 27, 1959, S. 399 - 430, Herbert Hax. Die Koordination von Ent­ scheidungen, a.a.O., S. 129 ff., Jack Hirshleifer, On the Economics of Transfer Pricing, in : The Journal of Business, Vol. 29, 1956, S. 172 - 184, Horst Albach, Die Koordination der Planung in Großunternehmen, a.a.O., S. 363 ff. 38 Vgl. Herbert A. Simon, Administrative Behavior, A Study of Decision­ Making Processes in Administrative Organization, 2. Aufl., New York, London 1965, S. XII. 37 Vgl. Robert Staerkle, Der Entscheidungsprozeß in der Unternehmensor­ ganisation, in : Die Unternehmung, 1963, S. 14 f. und 18 ff. 38 Vgl. Herbert A. Simon, Perspektiven der Automation für Entscheidungen, Quickborn 1966, S. 74 ff. und S. 112, Robert Newton Anthony, Planning and Control Systems, A Framework of Analysis, Boston 1965, S. 15 ff. 39 Vgl. Friedrich Hoffmann, Entwicklung der Organisationsforschung, a.a.O., S. 170. 40 Vgl. hierzu James G. March und Herbert A. Simon, Organizations, a.a.O., S. 136 ff., Niklas Luhmann, Zweckbegriff und Systemrationalität, Ober die Funktion von Zwecken in sozialen Systemen, Tübingen 1968, S. 125 f., Richard M. Cyert, und James G. March, A Behavioral Theory of the Firm, Englewood Cliffs, N. J. 1963, S. 34 ff., Werner Kirsch, Entscheidungsprozesse, Band I : Ver­ haltenswissenschaftliche Ansätze der Entscheidungstheorie, a.a.O., S. 107 ff., Martin Irle, Macht und Entscheidungen in Organisationen, Studie gegen das Linie-Stab-Prinzip, Frankfurt am Main 1971, S. 155 f., Leon Festinger, A Theory of Cognitive Dissonance, Stanford, California 1957, S. 1 ff., S. 37 ff.

B. Koordinationsprobleme im Schrifttum

25

weiterer Problembereich umfaßt die empirisch-experimentelle Gruppen­ forschung zur Bestimmung effizienter Kommunikationssysteme41 • Schließ­ lich steht auch der integrative Organisationsaspekt der Koordination im Mittelpunkt des Interesses. ,,Das veränderte Bild vom Menschen und der Unternehmung erfordert, unter Berücksichtigung sozialpsychologi­ scher Variablen, neue Koordinationsmechanismen sowie eine Modifizie­ rung und Erweiterung der entscheidungslogisch begründeten Organisa­ tionsformen42 . " Ein Informations- und Entscheidungssystem kann auf unterschiedliche Art und Weise koordiniert werden. Die verschiedenen Formen der Koor­ dination lassen sich durch zwei Gegensatzpaare charakterisieren, die mit­ einander kombinierbar sind : zentrale versus dezentrale Koordination und Koordination durch Planung versus Koordination durch Rückkoppe­ lung. Beide Gegensatzpaare kennzeichnen jeweils Extrempunkte einer Skala von Möglichkeiten. Die Realität ist durch vielfältige Mischformen charakterisiert, die irgendwo auf der Skala zwischen den beiden Extrem­ punkten anzusiedeln sind43 • Auf die Darstellung unterschiedlicher Ko­ ordinationsformen in Abhängigkeit verschiedener Einflußfaktoren wird noch einzugehen sein44 • Eine zweite Richtung innerhalb der modernen Organisationstheorien wird durch den systemtheoretischen Bezug ihrer Organisationsaussagen geprägt. Ein Erkenntnisinteresse der Systemtheorie ist eine spezifische Erforschung eines Wissensgebietes unter Anwendung des systemtheore­ tischen Instrumentariums. Dieses ermöglichte der Betriebswirtschaftsund 187 ff., Hans-Joachim Grabitz, Experimentelle Untersuchungen zur Be­ wertung von Informationen von Entscheidungen, Diss. Mannheim 1969, Eber­ hard Witte, Phasen-Theorem und Organisation komplexer Entscheidungsver­ läufe, in : Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, 1968, S. 625 - 647, Chester 1. Barnard, Organisation und Management, Ausgewählte Aufsätze, Stuttgart 1969, S. 129 ff., Johannes Bidlingmaier, Zielkonflikte und Zielkom­ promisse im unternehmerischen Entscheidungsprozeß, Wiesbaden 1968, S. 156 ff., Friedrich Hoffmann, Entwicklung der Organisationsforschung, a.a.O .. S. 171 - 190, und die dort angegebene Literatur. 41 Vgl. zu diesem Problemkreis A. Bavelas, A Mathematical Model for Group Structures, in : Applied Anthropology, Vol. 7, 1948, S. 16 - 30, derselbe, Com­ munication Patterns in Task-Oriented Groups, in : Group Dynamics, Research and Theory, hrsg. von Dorwin Cartwright und Alwin Zander, Evanston, Ill. 1953, S. 493 - 506. Eine zusammenfassende Darstellung experimenteller Studien unter einem differenzierten Gliederungsschema geben M. Glanzer und R. Gla­ ser, Techniques for the Study of Group Structure and Behavior: II. Empirical Studies of the Effects of Structure in Small Groups, in : Psychological Bulletin, 1961, s. 1 - 27. 42 Friedrich Hoffmann, Entwicklung der Organisationsforschung, a.a.O., s. 171. 4 8 Vgl. Werner Kirsch, Entscheidungsprozesse, Band III : Entscheidungen in Organisationen, a.a.O., S. 80, Friedrich Hoffmann, Entwicklung der Organisa­ tionsforschung, a.a.O., S. 245. 44 Vgl. Abschnitt C dieses Kapitels und das zweite Kapitel dieser Arbeit.

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1. Kap. : Grundlagen der Koordination

lehre im allgemeinen und der betriebswirtschaftlichen Organisations­ lehre im speziellen eine Betrachtung ihres Objektes unter systemtheo­ retischem Aspekt45 •

II. Koordinationsprobleme in der Soziologie Soziologie ist die Wissenschaft vom sozialen Handeln des Menschen, insofern dieses in Gruppen und Institutionen einer bestimmten Gesell­ schaft oder Kultur durch soziale Prozesse geprägt wird 1 • Soziale Pro­ zesse sind ziel- bzw. zweckgerichtete Ketten oder Gefüge von Interak­ tionen. Interaktionen haben die Befriedigung von menschlichen Bedürf­ nissen, Organisationszwecken oder sonstigen, vom Menschen, mensch­ lichen Gruppen und Institutionen oder von der Umgebung gesetzten Aufgaben zum Ziel. Solche Bedürfnisse oder Aufgaben sind eng mit Werten verbunden. Werte sind Sinndeutungen von Objekbm oder Sach­ verhalten als Ziele der Bedürfnisbefriedigung. In dem Bestreben, diese Ziele zu erreichen, gerät das einzelne Individuum in Kontakt mit an­ deren. Je nachdem, wie die Ziele, die die einzelnen Individuen und/oder sozialen Gruppen anstreben, zueinander stehen, kommt es zu verschie­ denen Situationen, Beziehungen und sozialen Prozessen 2. Die Art der Interaktion hängt von der Beziehung der Handelnden un­ tereinander in einer Situation ab. Die Situation wird durch die Bezie­ hung der Ziele zueinander bestimmt. Ausgehend von einer Analyse des Zusammenhangs von Zielen interagierender Personen oder Gruppen las­ sen sich verschiedene soziale Situationen und typische soziale Prozesse unterscheiden3 : Liegen gemeinsame Ziele vor, kommt Kooperation als sozialer Prozeß in Frage. Die soziale Situation, in der sich Kooperation vollzieht, ist die Solidarität. Sie läßt sich dadurch charakterisieren, daß gemeinsame Ziele so angestrebt werden, daß alle beteiligten Personen und/oder Gruppen einander zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse gegenseitig helfen, weil ohne kooperatives Handeln die Erreichung des Zieles nicht oder nicht in dem Ausmaß gewährleistet wäre. Dabei kann es unterschiedliche Typen der Kooperation geben. So ist gemeinsames, unterstützendes oder zu­ sammenhängendes bzw. konvergierendes Handeln zu unterscheiden. 45 Vgl. u. a. Hans Ulrich, Die Unternehmung als produktives soziales System, Bern, Stuttgart 1968, Knut Bleicher (Hrsg.), Organisation als System, Wies­ baden 1972, Erwin Grochla, Unternehmensorganisation, Neue Ansätze und Konzeptionen, Reinbek bei Hamburg 1972. 1 Vgl. Jakobus Wössner, Soziologie, Einführung und Grundlegung, Wien Köln - Graz 1971, S. 27. 2 Vgl. ebenda, S. 204. 3 Vgl. ebenda S. 205. ,

B. Koordinationsprobleme im Schrifttum

27

Die Intensität der Kooperation als sozialer Prozeß für die Erreichung gemeinsamer Ziele hängt vom Grad der Koordination ab, der durch die Teilnehmer erreicht wird. Dieser Grad der Koordination ist von verschiedenen Faktoren abhängig, einschließlich der Kenntnis der Teil­ nehmer, was einer vom anderen zu erwarten hat. Wichtig ist die Art und Weise, in der die Aufgaben innerhalb eines Kooperationsprozesses verteilt sind, denn eine Art der Aufgabenstellung bringt eine strengere Art der Koordination mit sich als eine andere4• Eine weitere Art der Beziehungen der Ziele kann nach soziologischer Auffassung dadurch gekennzeichnet sein, daß ähnliche, aber nicht ver­ einbare oder völlig unvereinbare Ziele vorliegen. Im Gegensatz zur solidarischen Situation, die durch Kooperation gekennzeichnet ist, wer­ den bei nicht vereinbaren Zielen in der Regel inkompatible Situationen vorliegen, die den Prozeß der Opposition hervorrufen. Wettbewerb und Konflikt sind die grundlegenden Prozesse der Opposition5 • Wett­ bewerb ist ein sozialer Prozeß, bei dem zwei oder mehr Personen (Gruppen) direkt gegenseitig sich ausschließende (knappe) Ziele ver­ folgen. Oft wird Wettbewerb durch Kooperation ersetzt oder geht in Kooperation über. Die Form des Übergangs ist die Übereinkunft. In diesem Fall treten Koordinationsprobleme auf. Ist in der Wettbewerbs­ situation Kooperation möglich, so ist der Konflikt dadurch gekenn­ zeichnet, daß das angestrebte Ziel durch ein anderes ersetzt wird und damit die sozialen Beziehungen sich ändern. Die allgemeine Zielbezo­ genheit wird zeitweise abgelöst durch Handlungen der Prozeßteilneh­ mer, die sich direkt gegen andere am sozialen Prozeß Beteiligte rich­ ten. Diese Situation bleibt so lange bestehen, bis einer der Konflikt­ teilnehmer gezwungenermaßen oder freiwillig sein Ziel aufgibt. Sind am Konflikt mehr als zwei Personen oder Gruppen beteiligt, kann es zur Koalitionsbildung kommen, in der wiederum Koordinationspro­ bleme entstehen. Als Wege zur Beendigung von Konflikten bieten sich an: Verhand­ lungen, Schiedsgericht, gegenseitiges Messen der Kräfte, wobei jeweils wiederum Koordinationsprobleme unterschiedlicher Ausprägung auf­ treten. So ist z. B. das Aushandeln eines Kompromisses durchaus als Koordinationsinstrument anzusehen. Häufig ist die Beziehung zwischen den Zielen am sozialen Prozeß beteiligter Personen und/oder Gruppen dadurch gekennzeichnet, daß gemeinsame und nicht vereinbare Ziele vermischt sind. In dieser so­ zialen Situation des Gleichgewichts kommt es zum sozialen Prozeß der 4

Vgl. Jakobus Wössner, Soziologie, Einführung und Grundlegung, a.a.O.,

s. 210. 5

Vgl. ebenda, S. 214.

28

1. Kap. : Grundlagen der Koordination

Anpassung, der sowohl Elemente der Kooperation und der Opposition enthält, wobei das Gleichgewicht durch Toleranz, durch Kompromiß oder durch Aussöhnung oder durch ein Schiedsgericht zustande kommt6 • Bezüglich des Auftretens von Koordinationsproblemen gilt das oben Gesagte. Die beiden folgenden sozialen Prozesse, Integration und Differenzie­ rung, sind dadurch gekennzeichnet, daß in der Ausgangssituation weder eine Gemeinsamkeit noch eine Unvereinbarkeit der Ziele besteht. Viel­ mehr sind die Ziele der Beteiligten noch weitgehend unverbunden. Während durch den Integrationsprozeß eine Einheit von Zielen oder Werten geschaffen wird, die vorher nicht existierte, versuchen die In­ dividuen oder Gruppen mit Hilfe der sozialen differenzierenden Pro­ zesse verschiedene, wenngleich nicht notwendig unvereinbare Ziele zu erreichen7 . Das Streben nach einer größeren Vereinheitlichung der Ziele, das im Rahmen integrativer Prozesse z. B. der Sozialisation zum Ausdruck kommt, kann als Koordinationsproblem interpretiert werden, mit des­ sen Lösung sich die Soziologie beschäftigt. Andererseits indiziert das Streben nach Vergrößerung des Unterschieds in den Zielen, das Ge­ genstand der differenzierenden Prozesse ist, Koordinationsprobleme. So ruft z. B. eine fortschreitende Arbeitsteilung einen erhöhten Koordi­ nationsbedarf hervor, wenn es um die Erreichung übergeordneter Ziele geht. „Beschäftigen sich soziologische Untersuchungen allgemeiner Art mit den Problemen zwischenmenschlicher Beziehungen und speziell mit der Frage, wie es zu einer Ordnnng bzw . relativen Stabilität zwischenmensch­ licher Beziehungen kommen kann, so trifft dies grundsätzlich auch für die Organisationssoziologie zu; das Spezifische der Organisationssoziolo­ gie ist nur, daß diese Frage unter Hinzuziehung bestimmter Merkmale und Zwecke von Organisationen beantwortet bzw. erklärt wird8. " Organisationen, z. B. Verwaltungen, Unternehmen, Verbände, werden von der Soziologie als soziale Gebilde verstanden, die im Vergleich zu Personen, die ein rein zufälliger Kontakt zusammenführt, zu einem relativ stabilen und zugleich zielgerichteten Handlungszusammenhang kommen9 • Ausgehend von ihrer Zielsetzung faßt die Organisation be­ stimmte Tätigkeiten zu festen Rollen zusammen, weist diese Rollen ver6

Vgl. Jakobus Wössner, Soziologie, Einführung und Grundlegung, a.a.O.,

s. 224.

Vgl. ebenda, S. 225 ff. und 235 ff. Rainer Koch, Grundzüge einer soziologischen Betrachtungsweise von Or­ ganisation, in : Briefe der Führungsakademie, hrsg. vom Bundesministerium für das Post- und Fernmeldewesen, Heft 15, 1974, S. 5. 9 Vgl. ebenda S. 17. , 7

8

B. Koordinationsprobleme im Schrifttum

29

schiedenen Mitgliedern zu und sichert sich das rollenkonforme Verhal­ ten der Mitglieder, indem sie dieses Verhalten zur Bedingung der Teil­ nahme bzw. Mitgliedschaft erhebt10 • Aufgrund der unterschiedlichen Art der Zuweisung von Rollen, z. B. durch die Konzentration auf bestimmte Sachgebiete, durch das Setzen von Zwecken für Tätigkeiten und/oder durch die Motivierung zu Bei­ trägen durch Belohnungen, ergeben sich unterschiedliche Koordina­ tionspro bleme1 1 • Um Organisationen als Ganzheiten untersuchen zu können, greifen Soziologen, wie z. B. auch Betriebswirte und Politologen, auf system­ theoretische Überlegungen zurück. Die soziologische Betrachtungsweise geht von der Organisation als „soziales System" aus 12 • ,,Danach handelt es sich bei einer Organisation um ein System sinnhaft aufeinander ver­ weisender Handlungen, das es bei fortwährenden Einflüssen aus der Umwelt relativ stabil zu halten gilt, um so gegenüber der Umwelt zu gewünschten Reaktionen zu kommen 1 3 . " Dieses System als Ganzes setzt sich aus Elementen zusammen, die miteinander in wechselseitiger Be­ ziehung stehen. Dabei ist die Überlegung miteinbezogen, daß die Ver­ änderungen des einen Elements, z. B. die Art der Autoritätsausübung, sich veränderlich auf andere Elemente, z. B. die Motivation, ausübt14 • Neben den Interdependenzproblemen zielt eine zweite Fragestellung auf die Probleme ab, die eine Organisation als System zu bewältigen hat, um in ihrer Umwelt überhaupt überleben bzw. bestehen zu können. Die soziologische Systemtheorie geht davon aus, daß eine Organisation zu diesem Zweck Probleme der Zielerreichung, der Anpassung an Verän­ derungen der Umwelt, der internen Integration und Strukturerhal­ tung zu lösen hat15 • III. Koordinationsprobleme in der Politologie Die Politikwissenschaft will einen Beitrag zur theoretischen und em­ pirischen Analyse komplexer Gesellschaften und ihrer Steuerung er­ bringen. Hinsichtlich der Steuerung komplexer politischer Systeme sind verschiedene Theorien entwickelt worden. Erwähnt seien nur die AnVgl. ebenda, S. 11. Vgl. Rainer Koch, Grundzüge einer soziologischen Betrachtungsweise von Organisationen, a.a.O., S. 11 - 16. 12 Vgl. Wolf-Dieter Narr, Theoriebegriffe und Systemtheorie, Stuttgart 1969, S. 89 ff., vgl.Renate Mayntz, Soziologie der Organisation, a.a.O., S. 40 ff. 13 Rainer Koch, Grundzüge einer soziologischen Betrachtungsweise von Or­ ganisationen, a.a.O., S. 17. 1 4 Vgl. ebenda S. 18. , 15 Vgl. Rainer Koch, Grundzüge einer soziologischen Betrachtungsweise von Organisationen , a.a.O., S. 18. 10

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1. Kap. : Grundlagen der Koordination

sätze im Bereich der Entscheidungs-, Kommunikations- und Machttheo­ rien und der Sozialkybernetik, die im Rahmen dieser Arbeit nicht darge­ stellt werden können1 • Aus dem großen Bereich der Entscheidungstheo­ rien soll lediglich auf die Theorien zur Koordinierung von Entscheidun­ gen im politischen System eingegangen werden. Ausgangspunkt für die Entwicklung von Theorien zur Koordinierung von Entscheidungen ist die Erkenntnis, daß soziale und politische Sy­ steme aus einer Vielzahl konkurrierender individueller oder organisa­ torischer Entscheidungsträger bestehen. Daraus ergibt sich die Notwen­ digkeit, die Vielzahl einzelner Entscheidungen in irgendeiner Weise auf­ einander abzustimmen. Die Theorie innerorganisatorischer Entschei­ dungsbildung, wie sie von der betriebswirtschaftlichen und soziologischen Organisationstheorie entwickelt wurde, muß insoweit durch eine Theorie der Durchsetzung dieser Entscheidungen gegenüber anderen Entschei­ dungsträgern ergänzt werden bzw. von der Systemebene her gesehen, durch eine Theorie der Koordinierung der Entscheidungen. Damit kann aus politikwissenschaftlicher Sicht die starre Trennung von innerorgani­ satorischen Entscheidungen und solchen auf Systemebene nicht mehr durchgehalten werden. Es müssen Einwirkungen auf die Entscheidungen der Organisation von der Systemebene her in wesentlich stärkerem Maße in die Analyse innerorganisatorischer Entscheidungsprozesse einbezogen werden. Als zweite Konsequenz ergibt sich, daß bei den einzelnen Ent­ scheidungsprozessen neben den Aspekten der individuellen Handlungs­ rationalität in weit größerem Ausmaß Kriterien kollektiver Rationalität, d. h. Kriterien der Systemrationalität berücksichtigt werden müssen, da nicht von vornherein angenommen werden kann, daß sich individuelle Rationalität und kollektive Rationalität decken2 • Interessant für den Politologen ist in erster Linie die Analyse von Entscheidungsprozessen auf Systemebene. Grundlegend für die Ana­ lyse ist die Untersuchung von Rob ert A. Dahl und Charles E. Lindblom über die Beziehungen zwischen System und Umwelt3. Im Rahmen ihrer Untersuchung liegt ein Schwerpunkt auf der Analyse verschiedener Entscheidungsregeln, die als soziopolitische Koordinierungsmechanismen aufgefaßt werden. Sie klassifizieren die soziopolitischen Koordinierungs­ mechanismen nach vier Typen4 , indem sie Koordinierung durch den 1 Vgl. hierzu insbesondere Wolf-Dieter Narr und Frieder Naschold, Einfüh­ rung in die moderne politische Theorie, Band II, Frieder Naschold, System­ steuerung, Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 1969 und die dort angegebene um­ fangreiche Literatur. 2 Vgl. Wolf-Dieter Narr und Frieder Naschold, Einführung in die moderne politische Theorie, Band II, Frieder Naschold, Systemsteuerung, a.a.O., S. 62 f. 3 Vgl. Robert A. Dahl und Charles E. Lindblom, Politics, Economics and Welfare, New York 1963. 4 Vgl. ebenda, S. 171 ff.

B. Koordinationsprobleme im Schrifttum

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Markt, durch Wahlen, durch Hierarchie und durch Aushandeln unter­ scheiden. Die Koordinierung der Entscheidungen der verschiedenen Subsysteme wird beim Marktmechanismus über die Kontrolle v on und zugleich durch deren Führungskräfte erreicht. Da aber der Markt häufig restriktiven Voraussetzungen unterliegt, wird der Anwendungsbereich dieses Koor­ dinierungsinstruments als sehr begrenzt angesehen5 • Auf diesen Fragen­ komplex wird an anderer Stelle noch einzugehen sein. Wahlen als Koordinierungsmechanismus ermöglichen eine Koordi­ nierung der Entscheidungen auf Systemebene durch eine direkte Kon­ trolle der Führungskräfte. In der Tatsache, daß bei Wahlen die Mehr­ heit die Entscheidungsrichtung bestimmt, wird die klassische Entschei­ dungsregel dieses Koordinierungsmechanismus gesehen. Allerdings ba­ siert diese Regel auf einer Reihe von Annahmen, die umstritten sind, so daß eine sinkende Bedeutung von Wahlen als Koordinierungsmecha­ nismus festgestellt werden kann6 • Als wichtigste Koordinierungsmechanismen von Einzelentscheidungen von Untereinheiten können heute Hierarchie, d. h. Kontrolle durch Füh­ rungskräfte, und Aushandeln, d. h. Kontrolle unter den Führungskräf­ ten selbst, angesehen werden7 • Auf das aus der Bürokratieforschung bekannte Konzept der Hierar­ chie soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden, da es weiter unten Gegenstand der Erörterung sein wird. Hier soll ein kurzer Überblick über die vor allem von Lindblom entwickelte Theorie der Entscheidung durch Aushandeln gegeben werden. Ausgehend von der Kritik an den Entscheidungstheorien des geschlossenen Modells (normative Theorien, die vom klassischen Modell des homo oeconomicus ausgehen), denen er mangelnde Berücksichtigung der begrenzten Problemlösungskapazitäten des Menschen, zu geringen Grad an Information und fehlende Anpas­ sung an die Kosten der Analyse sowie die keineswegs befriedigende Lösung der Aggregierung individueller wie kollektiver Präferenzen vor­ wirft, entwickelt er seine Problemlösungsstrategie des ,disjointed incre­ mentalism', die ein hohes Maß an Anpassungsfähigkeit an die faktische Problemsituation des Entscheidungsträgers besitzt. Diese Strategie bietet dem Entscheidungsträger eine Reihe heuristischer Entscheidungsregeln, die im Unterschied zu den algorithmischen Regeln zwar nicht zu ein5 Vgl. Wolf-Dieter Narr und Frieder Naschold, Einführung in politische Theorie, Band II, Frieder Naschold, Systemsteuerung, 6 Vgl. ebenda, S. 63 und die dort angegebene Literatur. 7 Vgl. Wolf-Dieter Narr und Frieder Naschold, Einführung in politische Theorie, B and II, Frieder Naschold, Systemsteuerung,

die moderne a.a.O., S. 62. die moderne a.a.O., S. 63.

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1. Kap. : Grundlagen der Koordination

deutigen Lösungen führen, die die Problemkomplexität j edoch immerhin so weit reduzieren, daß ein sinnvolles Handeln möglich wird8. Durch das von Charles E. Lindb lom empfohlene schrittweise (,inkre­ mentale') Vorgehen im Problemlösungsprozeß können relativ leicht nicht nur die Mittel den Zielen, sondern auch die Ziele den Mitteln angepaßt werden. ,Disj ointed' ist die Strategie, weil die Problemlösung des Ge­ samtsystems nicht von einem einzigen Zentrum, sondern von einer Viel­ zahl von Entscheidungsträgern relativ unkoordiniert vorgenommen wird. Es stellt sich die Frage, wie diese unverbundene Vielfalt von Entschei­ dungsträgern koordiniert werden kann. Er konzentriert seine Analyse der Entscheidungsprozesse auf die Un­ tersuchung der beiden gegensätzlichen Typen : Entscheidung durch zen­ trale Koordination oder Entscheidung durch gegenseitige Anpassung der Beteiligten. Dabei steht die zentrale Frage jeder Entscheidung, das Problem der Informations- und Wertaggregierung, im Vordergrund der Betrachtung. Die Behauptungen der Anhänger zentraler Koordination, daß durch einen solchen Entscheidungsprozeß der Informationsgrad um­ fassender sei, die Entscheidung sich an expliziten Kriterien und Richt­ linien orientiere und die einzelnen Entscheidungen in sich und unterein­ ander konsistent seien, widerlegt Charles E. Lindblom mit dem Nachweis, daß auf diese Weise die Probleme der Information und der Wertaggre­ gierung nicht in befriedigendem Maße gelöst werden können9 • Die Stra­ tegie der Anpassung verspricht demgegenüber ein erfolgreicheres Vor­ gehen. Die einzelnen Präferenzen werden in einem sozio-politischen An­ passungsprozeß aufgelöst und nicht statisch summiert. Im gegenseitigen Anpassungsprozeß werden die Beteiligten stärker motiviert, Überein­ stimmung zu erreichen als bei zentralen Koordinationsinstanzen. Der Zwang zu Bündnissen bildet einen starken Antrieb zur Anpassung der eigenen Werte an die der anderen Beteiligten. Koordination wird auch dadurch erleichtert, daß Entscheidungen bei gegenseitiger Anpassung meistens nur versuchsweise sind und relativ leicht geändert werden kön­ nen. Darüber hinaus kann durch Mittel der Kompensation und des Aus­ handelns j ede Entscheidung leicht daraufhin überprüft werden, ob die gegenseitige Anpassung wirklich zu einem Optimum geführt hat, oder ob die erreichte Konstellation durch weitere Anpassungsprozesse ver­ bessert werden kann1 0 . Fraglich ist, inwieweit im Rahmen deskriptiver Entscheidungstheorien ,Lösungen' erarbeitet werden können. Beim bisherigen Stand der For8

Vgl. ebenda, S. 64. Vgl. Charles E. Lindblom, The Intelligence of Democracy, a.a.O., S. 167 ff. und 183 ff. 10 Vgl. Wolf-Dieter Narr und Frieder Naschold, Einführung in die moderne politische Theorie, Band II, Frieder Naschold, Systemsteuerung, a.a.O., S. 66. 9

B. Koordinationsprobleme im Schrifttum

83

schung können offensichtlich keine algorithmischen Entscheidungsregeln gefunden werden, sondern allenfalls mehr oder weniger verbindliche Faustregeln. Unbeantwortet ist die Frage, ob es bei komplizierten Sy­ stem-Umwelt-Annahmen überhaupt sinnvoll ist, Algorithmen anzu­ streben, oder ob man mehr auf eine Herausarbeitung heuristischer Ent­ scheidungsregeln und die genaue Angabe ihrer Anwendungsbereiche ab­ zielen soll. ,,Diese Alternative scheint die erfolgversprechendere Strate­ gie zu sein und setzt sich auch z. B. im Rahmen der Operations Research immer mehr durch1 1 . " IV. Koordinationsprobleme in der Volkswirtschaftslehre

Die Volkswirtschaftslehre befaßt sich mit der Koordination der Ent­ scheidungen von am Wirtschaftsprozeß beteiligten Wirtschaftssubjekten, wozu die privaten Haushalte (Einzelpersonen, Familien und Organisa­ tionen ohne Erwerbscharakter), die Unternehmen, der Staat und das Ausland zählen1 • Je nach der Wirtschaftsordnung, etwa der Marktwirt­ schaft oder Zentralverwaltungswirtschaft, werden für den Aufbau und den Ablauf einer Volkswirtschaft unterschiedliche Regeln und Institu­ tionen herangezogen, die die Funktionsfähigkeit der Wirtschaft, ihre ökonomische Leistungsfähigkeit und eine optimale Lenkung des Wirt­ schaftsprozesses sicherstellen sollen. Im marktwirtschaftlichen Modell sorgt der Markt als Koordinations­ mechanismus für die Abstimmung der Produktionspläne untereinander und mit den Konsumplänen der Haushalte. Die Haushalte leiten ihre Konsumwünsche aus den individuellen Bedürfnissen ab und treten nach Maßgabe ihrer Einkommen als N achfrager auf. Bei gegebenem Konsum­ güterangebot bildet sich ein Marktpreis, der der herrschenden Ange­ bots-N achfragekonstellation entspricht. Die Realität der Marktwirt­ schaft sieht freilich vielfach. anders aus. Umstritten ist inzwischen nicht mehr die Frage, ob der Staat ordnend, fördernd und/oder lenkend in den Wirtschaftsprozeß eingreifen soll. Fraglich ist vielmehr, inwieweit und in welcher Weise die Planung privater Wirtschaftssubjekte durch die Planung staatlicher Institutionen zu ergänzen oder zu ersetzen ist. Es hat sich herausgestellt, daß ausschließlich privatwirtschaftliche Pla­ nungen bei der Erfüllung gesamtwirtschaftlicher Ziele versagen2 •

11 Ebenda, S. 75. 1 Die Unterteilung der Wirtschaftssubjekte folgt der in der volkswirtschaft­ lichen Gesamtrechnung üblichen Einteilung der vier Hauptbereiche. Vgl. hier­ zu : Alfred Stobbe, Volkswirtschaftliches Rechnungswesen, 4. Aufl., Berlin, Heidelberg, New York 1976, S. 81 - 123. 2 Vgl. Helmut Arndt, Die Planung als Problem der Marktwirtschaft, in : Erich Schneider (Hrsg.), Rationale Wirtschaftspolitik und Planung in der Wirt­ schaft heute, Schriften des Vereins für Socialpolitik, Neue Folge, Band 45, Berlin 1967, S. 15. 3 Speyer 72

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1. Kap. : Grundlagen der Koordination

Helmut Arndt stellt fest, daß die Marktwirtschaft nicht die volkswirt­ schaftlich zweckmäßige Grundstruktur produziert. Verkehrs-, Bau­ Raum- und Bildungspolitik können daher nicht allein dem Marktmecha­ nismus überlassen werden. Für das Funktionieren des Marktmechanis­ mus ist Wettbewerb Voraussetzung. Zum Schutze des Leistungswettbe­ werbs hat der Staat eine der Marktwirtschaft adäquate Rechtsordnung zu schaffen, die verhindern soll, daß der Leistungswettbewerb durch Mo­ nopole, betrügerischen Wettbewerb oder Ausbeutungswettbewerb ver­ drängt wird. Doch selbst wenn eine dem Marktmechanismus adäquate Rechtsordnung besteht, können auf einzelnen Märkten Fehlleistungen auftreten, weil die Modellvoraussetzungen für ein reibungsloses Funk­ tionieren des Mechanismus in der Realität nicht notwendig gegeben sind. Auch ein in jeder Hinsicht funktionierender Marktmechanismus kann das Auftreten makroökonomischer Störungen nicht verhindern. Probleme der Geldzirkulation und der Vollbeschäftigung sind nicht ohne weiteres zu lösen. Schließlich sind nicht alle Menschen erwerbsfähig, so daß die Planung eines Systems sozialer Sicherheit notwendig wird3 • Hieraus folgt die Notwendigkeit staatlicher Planung im marktwirt­ schaftlichen System, die im Rahmen der Wirtschaftspolitik von ver­ schiedenen Entscheidungsträgern durchgeführt wird. Als Staat werden hier der Bund, die Länder und Gemeinden sowie weitere selbständige öffentlich-rechtliche Institutionen begriffen, die „ staatliche" Wirtschafts­ politik betreiben. Dabei wird unter Wirtschaftspolitik die „Gesamtheit aller Bestrebungen, Handlungen und Maßnahmen, die darauf abzielen, den Ablauf des Wirtschaftsgeschehens in einem Gebiet oder Bereich zu ordnen, zu beeinflussen oder unmittelbar festzulegen" 4 verstanden. Nach Herbert Giersch muß rationale Wirtschaftspolitik zielbewußt und sach­ gerecht sein, d. h. die Aktivitäten müssen geplant werden5 • Rationale Wirtschaftspolitik erfordert darüber hinaus die Koordination aller Maß­ nahmen eines jeden Akteurs (interne Koordination) wie auch die Ab­ stimmung der Maßnahmen der verschiedenen wirtschaftspolitischen Träger aufeinander (externe Koordination)6 • Das Nebeneinander souve­ räner und teilautonomer Instanzen als Folge des förderativen Staatsauf­ baus der Bundesrepublik Deutschland ermöglicht die Vielzahl von um­ fassenden bzw. partiellen Planungen und begründet die Notwendigkeit zu deren vertikaler bzw. horizontaler Koordination7 • s Vgl. Helmut Arndt, Die Planung als Problem der Marktwirtschaft, a.a.O.,

s. 21.

4 Herbert Giersch, Allgemeine Wirtschaftspolitik. Erster Band : Grundlagen, Wiesbaden 1961, S. 17. 6 Vgl. ebenda, S. 23. 6 Vgl. Rolf Krüger, Die Koordination von gesamtwirtschaftlicher, regionaler und lokaler Planung, a.a.O., S. 9. 7 Vgl. ebenda, S. 11.

B. Koordinationsprobleme im Schrifttum

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Aufgrund der Fülle von bestehenden Interdependenzen zwischen den Entscheidungen der zahlreichen Entscheidungsträger auf den unter­ schiedlichen Ebenen reicht der Markt im Sinne des freien Spiels von Angebot und Nachfrage als alleiniges Koordinationsinstrument nicht mehr aus. Je nach Frage- und Aufgabenstellung läßt sich Wirtschafts­ politik unter verschiedenen Aspekten verstehen, woraus der Einsatz ver­ schiedenartiger spezieller Koordinationsinstrumente resultieren kann. So ist eine Unterscheidung nach Zielen (Ordnungs-, Stabilisierungs-, Wachstums-, Verteilungs- und Wettbewerbspolitik), nach Einsatzberei­ chen (Global- und Strukturpolitik und hier wiederum nach Infrastruk­ tur-, sektoraler Struktur-, regionaler Struktur- und Verteilungspolitik) und nach Instrumenten (Geld-, Finanz- und Haushalts-, Wettbewerbs­ und Einkommenspolitik) möglich. Außer dem Markt als Koordinierungs­ instrument bieten sich z. B. konzertierte Aktionen wie sie in § 3 des Sta­ bilitätsgesetzes vorgesehen sind, spezielle Formen der Kooperation auf der Angebots- und auf der Nachfrageseite wie z. B. Kartelle und Genos­ senschaften, sowie Integration von Volkswirtschaften z. B. innerhalb der Europäischen Gemeinschaft, als zusätzliche Instrumente für eine Abstimmung der Entscheidungen verschiedener autonomer und souve­ räner Träger an8 • Etwas anders gelagert sind die Koordinationsprobleme in Zentral­ verwaltungswirtschaften. Hier werden die Investitionen, die Produktion und großenteils auch der Verbrauch vom Staat bestimmt. Während in der Marktwirtschaft staatlich zentrale Planungen in der Regel nur subsidiär sind, wird in zentralgeleiteten Wirtschaften der Markt nur eingesetzt, wenn und soweit die staatliche Planung versagt. Die zentrale Planungsinstanz in einer Marktwirtschaft beschränkt sich grundsätzlich darauf, die privaten Wirtschaften indikativ zu lenken, z. B. durch Steuern und Subventionen9 • Imperative Planungen werden, abgesehen vom strukturökonomischen Sektor, d. h. der angemessenen Kollektivversor­ gung mit sozialen Gütern, nur in Grenzfällen verwendet. Demgegenüber sind imperative Planungen in einer Zentralverwaltungswirtschaft die Regel1°. Wichtigstes Koordinationsinstrument in den Zentralverwal­ tungswirtschaften sozialistischer Prägung stellen die ein- und fünfjähri­ gen Wirtschaftspläne dar, die alle Staatsorgane betreffen und deren Ein­ haltung von der Regierung in ihrer Koordinierungsfunktion überwacht wird. 8 Bei dieser Darstellung kann es sich nur um eine beispielhafte Aufzählung einzelner Problembereiche handeln. Jede weitergehende Darstellung würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. 9 Vgl. Gerd Kirchhoff, Subventionen als Instrument der Lenkung und Ko­ ordinierung, Berlin 1973. 10 Vgl. Helmut Arndt, Die Planung als Problem der Marktwirtschaft, a.a.O., s. 22.

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1. Kap. : Grundlagen der Koordination

Für unsere vorliegende Arbeit ist die volkswirtschaftliche Koordina­ tion über den Markt oder über eine zentrale Planung insoweit von In­ teresse, als diese Mechanismen für die Koordination des Verwaltungs­ handelns in Betracht kommen. So wird zum Beispiel zu prüfen sein, ob und inwieweit die Einführung einer Art von Wettbewerbsbedingungen in manchen Verwaltungen die interne Koordination oder die Koordina­ tion zwischen ihnen fördert; ferner wird man beispielsweise fragen kön­ nen, ob die beteiligten Verwaltungen sich selbst koordinieren sollen oder von einer dritten Verwaltung als zentraler Stelle zu koordinieren sind usw. V. Koordinationsprobleme in der Verwaltungswissenschaft

Im Schrifttum über Verwaltungen wird mit unterschiedlichen Metho­ den versucht, den Untersuchungsgegenstand „öffentliche Verwaltung" zu analysieren, um wissenschaftliche Erklärungen und wissenschaftliche Prognosen zu finden oder Normen für das Verwaltungshandeln aufzu­ stellen. Die angewandten Methoden werden von den jeweiligen Frage­ stellungen der verschiedenen Disziplinen geprägt. Da man gleichzeitig mehrere Aspekte ansprechen möchte, bedient man sich oft eines Bündels von Methoden, so daß von interdisziplinären Ansätzen die Rede sein kann1 . Standort und Aufgabe der Verwaltungswissenschaft als wissenschaft­ liche Disziplin sind bis heute nicht hinreichend geklärt2 • Folgt man der von Fritz Morstein Marx geprägten Beschreibung des Erkenntnisobjek­ tes der Verwaltungswissenschaft, wonach Gegenstand der Wissenschaft von der Verwaltung das Verwalten ist, welches aber nicht auf die öffent­ liche Verwaltung beschränkt ist, so rechtfertigt sich die Zusammenfas­ sung verschiedener auf das Verwaltungsgeschehen bezogener For­ schungsansätze und -ergebnisse in unterschiedlichen, etablierten Diszipli­ nen zu dem Begriff einer Verwaltungswissenschaft3 • Um zu einer ein­ heitlichen Disziplin zu gelangen, schlägt Klaus König vor, das Verwal1 Vgl. Peter Eichhorn und Peter Friedrich, Verwaltungsökonomie I, Metho­ dologie und Management der öffentlichen Verwaltung, a.a.O., S. 30 ff. 2 Vgl. Niklas Luhmann, Theorie der Verwaltungswissenschaft, Bestands­ aufnahme und Entwurf, Köln und Berlin, 1966, S. 14 - 17 und die dort zitierte Literatur, Klaus, König, Erkenntnisinteressen der Verwaltungswissenschaft, Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Band 46, Berlin 1970, insb. die auf S. 13 ff. und S. 39 ff. angegebene Literatur, sowie die gleichnamige Bespre­ chung der Arbeit Klaus Königs von Georges Langrod, in : Verwaltungsarchiv, 63. Band, 1972, S. 1 - 9, Heinrich Siedentopf, Verwaltungslehre, in: Evangeli­ sches Staatslexikon, hrsg. von Hermann Kunst, Romand Herzog und Wilhelm Schneemelcher, 2. Aufl., Stuttgart 1975, Sp. 2786 - 2796. 3 Vgl. Fritz Morstein Marx, Stand der Verwaltungswissenschaft, in: Verwal­ tung, Eine einführende Darstellung, hrsg. von Fritz Morstein Marx, Berlin 1965, S. 39, Heinrich Siedentopf, Verwaltungslehre, in: Evangelisches Staats­ lexikon, a.a.O., Sp. 2787 f.

B. Koordinationsprobleme im Schrifttum

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tungshandeln und die Motivation der Akteure zu betrachten (Verwal­ tungswissenschaft als Realwissenschaft), die möglichen Entwicklungen des Verwaltungshandelns zu ergründen (Verwaltungswissenschaft als Disziplin des Potentiellen), die wesentlichen Handlungszusammenhänge zu erforschen (Verwaltungswissenschaft als Disziplin des idealen Ver­ waltungshandelns) und die administrativen Aktivitäten zu ermitteln, die bestimmten Wertvorstellungen entsprechen (Verwaltungswissen­ schaft als normative Disziplin)4 • Gelingt es, mit Hilfe dieses Vorgehens zu einer einheitlichen Verwaltungswissenschaft zu gelangen, erübrigt sich der isolierte Ausbau selbständiger verwaltungswissenschaftlicher Einzeldisziplinen5 • Versteht man die Verwaltung als integratives, pluralistisches Gefüge, so liegt es in der Natur der Sache, daß sich die Verwaltungswissenschaft mit anderen Wissenszweigen berührt und überschneidet. Folglich treten im Rahmen der Verwaltungswissenschaft weitgehend die gleichen Koordi­ nationsprobleme auf, wie sie auch von anderen Disziplinen wie der Be­ triebswirtschaftslehre, der Soziologie, insbesondere der Organisationsso­ ziologie, der Politologie und der Volkswirtschaftslehre behandelt werden. Aufgrund der erhöhten Komplexität und zahlreicheren Interdependen­ zen zwischen den Problemen des politisch-administrativen Systems ge­ staltet sich die Lösung der anfallenden Koordinationsprobleme mitunter wesentlich schwieriger als beispielsweise die Koordination in einem Unternehmen der Privatwirtschaft. Entscheidungen im politisch-admi­ nistrativen System treffen in der Regel eine wesentlich größere Anzahl von öffentlichen und privaten Institutionen und/oder Personen im Ver­ gleich zu Maßnahmen, die ein privater Unternehmer durchführt. Folg­ lich sind auch wesentlich mehr Auswirkungen rechtlicher, wirtschaftli­ cher, sozialer und politischer Art aufgrund von Koordinationsentschei­ dungen zu berücksichtigen. Die Verwaltungswissenschaft ist derzeit noch nicht in der Lage, kon­ krete Angaben über die Ziele der öffentlichen Verwaltung zu machen. Zwar findet man im Schrifttum, das sich mit verwaltungsrelevanten Problemen befaßt, viele Überlegungen über Ziele im allgemeinen, doch fehlt eine klare Eingrenzung der administrativen Ziele6 • Solange aber dieser Schritt nicht vollzogen ist, dürften die Probleme der Beurteilung organisatorischer Effizienz der öffentlichen Verwaltung kaum zu lösen 4 Vgl. Klaus König, Erkenntnisinteressen der Verwaltungswissenschaft, a.a.O., insb. S. 63 - 214. 5 Vgl. Peter Eichhorn und Peter Friedrich, Verwaltungsökonomie I, Metho­ dologie und Management der öffentlichen Verwaltung, a.a.O., S. 34. 6 Vgl. hierzu die Abschnitte über die Arten, die Beziehungen und die Bil­ dung administrativer Ziele bei Peter Eichhorn und Peter Friedrich, Verwal­ tungsökonomie I, Methodologie und Management der öffentlichen Verwal­ tung, a.a.O., S. 104 ff., S. 130 ff. und S. 140 ff.

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1. Kap. : Grundlagen der Koordination

sein7. Somit scheint das Eingangszitat, die Mängel der deutschen Verwal­ tung seien überwiegend Mängel der Koordinierung, eine gewisse Be­ rechtigung zu haben, denn wie soll man den Koordinationserfolg messen, wenn nicht an eindeutig definierten Zielen?

C. Arten und Formen der Koordination I. Positive versus negative Koordination Die Verwaltungspraxis ist durch eine extrem differenzierte Entschei­ dungsstruktur gekennzeichnet, in der eine Vielzahl mehr oder weniger selbständiger Entscheidungseinheiten spezialisierte und begrenzte Auf­ gaben mit fragmentierten Handlungskompetenzen und beschränkten Ressourcen unabhängig voneinander verfolgen. Diese Beschreibung trifft sowohl für die vertikale Differenzierung zwischen Bund, Ländern, Regie­ rungspräsidien, Planungsregionen, Kreisen und Gemeinden zu als auch in noch höherem Maße für die horizontale Differenzierung zwischen den Ressorts, Abteilungen, Unterabteilungen und Referaten auf der Ministe­ rialebene, die sich in abgewandelter Form auf j eder der vertikal diffe­ renzierten Ebenen noch einmal wiederholt. Zwar versucht man das Problem der zu starken Differenzierung durch formelle Entscheidungshierarchie in den Griff zu bekommen, jedoch besteht aufgrund der von den Verwaltungen immer vielfältiger und differenzierter werden zu verarbeitenden Problemen, deren Inter­ dependenzbeziehungen darüber hinaus noch zunehmen, die Gefahr, daß es zu einer gefährlichen Inkongruenz zwischen realer Problemstruktur und politischer Entscheidungsstruktur kommt1 • ,,Unter solchen Bedin­ gungen wird das politische System dann dazu tendieren, real verflochtene Problemzusammenhänge als jeweils begrenzte und isolierte Einzelpro­ bleme wahrzunehmen und zu bearbeiten, mit der wahrscheinlichen Folge, daß politische Lösungen eher bei den Symptomen als bei den verzweig­ ten Ursachen eines Problems ansetzen, und daß die ebenfalls weit ver­ zweigten Auswirkungen einer Maßnahme auf andere B ereiche leicht übersehen und in der Praxis vernachlässigt werden2 . " 7 Vgl. Hans-Ulrich Derlien, Theoretische und methodische Probleme der Beurteilung organisatorischer Effizienz der öffentlichen Verwaltung, in : Die Verwaltung, Heft 1, 1974, S. 1 - 22, derselbe, Die Erfolgskontrolle staatlicher Planung, Eine empirische Untersuchung über Organisation, Methode und Po­ litik der Programmevaluation, Schriften zur öffentlichen Verwaltung und öf­ fp,-,füchPn Wirt�rhaft, hrs � . von Peter Eichhorn und Peter Friedrich, Band 17, Baden-Baden 1976, S. 101 ff. 1 Vgl. Fritz W. Scharpf, Probleme der politischen Aufgabenplanung , in : Handbuch der Verwaltung, Heft 2.3, Köln, Berlin, Bonn, München 1974, S. 15. 2 Fritz W. Scharp f, Probleme der politischen Aufgabenplanung, a.a.O., S. 15.

C. Arten und Formen der Koordination

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Als nächstliegenden Ausweg aus den genannten Schwierigkeiten bietet sich eine stärkere Zentralisierung der Entscheidungen an, da hiermit eine Verbindung der Fülle der Kompetenzen mit der Weite des Über­ blicks geschaffen werden könnte. Jedoch ist unter den gegebenen Bedin­ gungen bei einer starken Zentralisierung eher mit einer Verschlechterung als mit einer Verbesserung der Entscheidungsqualität zu rechnen, denn selbst Management-Informationssysteme können nicht in der Lage sein, das differenzierte Hintergrundwissen der spezialisierten Basiseinheiten und die dort anknüpfenden fachlich-politischen Kontakte und Austausch­ beziehungen für die Entscheidungsspitze verfügbar zu machen3 • Hinzu käme eine Abnahme der politischen Reaktionsbereitschaft auf Grund der größeren Distanz zwischen den Betroffenen und den Entscheidungs­ trägern, so daß es fraglich erscheinen muß, ob die Zentralisierungsvor­ teile die genannten Nachteile überkompensieren. Geht man davon aus, daß die Entscheidungsverlagerung zur Zentrale hin keine brauchbare Lösung für das Interdependenzproblem bietet, könnte man von einer gemeinsamen Planung der spezialisierten Unter­ einheiten die Vorteile der umfassenderen Problemsicht ohne die Zen­ tralisierungsnachteile erwarten. Bei einer solchen positiv en Koordina­ tion4 könnten die Informations- und Sensibilitätsverluste der zentralisti­ schen Lösung vermieden werden. Die positive Koordination, die ansatz­ weise in den interministeriellen Projektgruppen realisiert wird, stößt in der Praxis vor allem aus folgenden zwei Gründen auf erhebliche Schwierigkeiten :5 - Die Vermittlung des spezifischen Fachwissens an fachfremde Mit­ gHeder einer Projektgruppe findet ihre Grenzen. Es kann nicht auf­ grund der Vereinigung za:hlreicher Spezialisten mit einer Addition oder gar Multiplikation der separaten Informationsbestände gerech­ net werden. Vielmehr ist die Gefahr des Aneinander-Vorbei-Redens recht groß, so daß eine Wiederherstellung der Arbeitsteilung und neue Koordinationsprobleme die Folge sein können. - Die Arbeitsteilung hat unter anderem die Funktion der Konfliktver­ minderung. Durch die gemeinsame Planung kommt es zwischen den 3 Vgl. Fritz W. Scharpf, Komplexität als Schranke politischer Planung, in: Politische Vierteljahresschrift, Sonderheft 4, 1972, S. 173. 4 Der Begriff der positiven und negativen Koordination wurde erstmals von L. S. Amery geprägt, der unter positiver Koordination die Vereinigung von Zielen, unter negativer Koordination das Ausräumen von Gegensätzen ver­ stand. Vgl. L. S. Amery, Thougths on the Constitution, Oxford Paperbacks 1964, S. 185. Später wurde diese Differenzierung im Sinne von „vorgängiger" t•nd .. nac..hträglicher" Koordination gebraucht. Vgl. Fritz W. Scharpf, Komplexi­ tät als Schranke politischer Planung, a.a.O., S. 173 ff. 5 Vgl. Fritz W. Scharpf, Probleme der politischen Aufgabenplanung, a.a.O., S. 17 f.

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1. Kap.: Grundlagen der Koordination verschiedenen Fachvertretern jedoch zu einer unmittelbaren Kon­ frontation. Sie führt damit zu Konflikten, die vorher gar nicht auf­ traten. Ist z. B. Einstimmigkeit bei der Planung eines Projektes er­ forderlich, besteht die Schwierigkeit der Einigung auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner.

In der Praxis herrscht ein drittes Lösungsmuster für das Interdepen­ denzproblem vor, die negative Koordination6 • Hier bleibt die Entschei­ dungsinitiative und die Planungsverantwortung bei den spezialisierten Untereinheiten, die jedoch ihre Pläne nicht ohne die Mitwirkung an­ derer, sachlich betroffener Untereinheiten in Kraft setzen können. Die negative oder auch nachträgliche Koordination hat gegenüber der posi­ tiven den Vorteil, daß die spezialisierten Einheiten zunächst einmal un­ abhängig für sich planen können und daß zugleich negative Auswirkun­ gen einer spezialisierten Fachplanung auf andere Bereiche durch die an­ schließenden Abstimmungsprozesse aufgedeckt und in der Regel auch ausgeräumt werden können. Der Informationsaufwand hält sich in vertretbaren Grenzen, das Kon­ fliktniveau zwischen den Einheiten wird dadurch herabgesetzt, daß nicht die gemeinsame, sondern nur die nicht-störende Lösung gefunden werden muß. Hieraus resultiert der entscheidende Nachteil der negativen Koordination, denn der Aufgabenbereich und die Kompetenz der jeweils initiierenden Untereinheiten beschränken allzu leicht die Problemper­ spektive und den Handlungsspielraum politischer Planungen. In den nachfolgenden Abstimmungsprozessen wird in aller Regel das Hand­ lungs- und Veränderungsniveau derartiger Initiativen noch weiter ,her­ unterkoordiniert', um auf diese Weise den Einspruch der mitwirkenden Einheiten auszuräumen7 . Theoretische und praktische Lösungen für die aufgezeigten Probleme sind bisher kaum in Sicht. Inwieweit komplexere Planungssysteme ent­ wickelt werden können, die die Nachteile der Zentralisierung, der posi­ tiven Koordination und der negativen Koordination vermeiden, aber dennoch die drei genannten Lösungsmuster in systematischer Weise kombinieren, muß abgewartet werden8• 8 Vgl. Fritz W. Scharpf, Probleme der politischen Aufgabenplanung, a.a.O., S. 18, weiterhin Renate Mayntz und Fritz W. Scharpf, Programmentwicklung in der Ministerialorganisation, Projektbericht erstellt im Auftrag der Projekt­ gruppe für Regierungs- und Verwaltungsreform beim Bundesminister des Innern, Speyer - Konstanz 1972, S. 32 - 37 und S. 126 ff., ferner Fritz W. Scharpf, Politische Durchsetzbarkeit innerer Reformen, Göttingen 1974, S. 45 ff. 7 Vgl. Fritz W. Scharpf, Probleme der politischen Aufgabenplanung, a.a.O., S. 18. 8 Vgl. Fritz W. Scharpf, Probleme der politischen Aufgabenplanung, a.a.O., S. 19.

C. Arten und Formen der Koordination

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II. Formelle versus informelle Koordination Koordination im Sinne von Abstimmung von Entscheidungen kann einmal spontan (ad hoc) ohne feste Regeln, also in einem losen und mehr zufälligen Verfahren erfolgen 1 • In diesem Fall spricht man von informel­ ler Koordination. Formelle Koordination liegt vor, wenn der Prozeß der Abstimmung nach festen Regeln erfolgt. Der wesentliche Unterschied besteht darin, daß es sich bei der formellen Koordination um ein organi­ siertes, strenges, zwingendes Verfahren handelt2 . Ihr sind aus folgenden Gründen größere Erfolgschancen einzuräumen :3 - Die formelle Koordination ist weitgehend unabhängig vom persönlichen Element. - Sie ist geeigneter, eine Vielzahl von Akteuren zu erfassen. - Sie führt bei komplexen Entscheidungen eher zu einer Abstimmung. - Sie erleichtert die Anwendung spezieller Analyse- und Koordinationstechniken. Hans K. Schneider ist der Auffassung, daß nur eine formelle Durch­ führung eine dauerhaft erfolgreiche Koordinierung ermögliche, es sei denn, die Koordinationsaufgabe wäre einmalig und nicht komplexer Na­ tur. Bei einmaligen bzw. wechselnden Koordinationsaufgaben solle zu­ mindest geprüft werden, ob eine formelle Koordinierung zweckmäßiger sei als die informelle4 • Nun weist Rolf Krüger darauf hin, daß die genannten Vorteile nur dann allein für die formelle Koordination zuträfen, wenn ,informell' im Sinne von ,zufällig informell' zu verstehen sei. In dem Augenblick, in dem das gegenseitige Sich-Informieren organisiert werde, ergäben sich die Vorteile auch für die so verstandene informelle Koordination5 • ,, Or­ ganisation des Informationswesens und -austausches führt also die (zu­ fällig) informelle Koordination in die strengere, geregelte Form formel­ ler Koordination über, Organisation konstituiert formelle Koordination. Da bei letzterer der Abstimmungsprozeß immer in irgendeiner Weise

1 Vgl. Hans K. Schneider, Plankoordinierung in der Regionalpolitik, in : Erich Schneider (Hrsg.), Rationale Wirtschaftspolitik und Planung in der Wirt­ schaft heute, Schriften des Vereins für Socialpolitik, Neue Folge, Band 43 , Berlin 1967, S. 259. 2 Vgl. Rolf Krüger, Die Koordination von gesamtwirtschaftlicher, regionaler und lokaler Planung, Berlin 1969 , S. 101. 3 Vgl. Hans K. Schneider, Plankoordinierung in der Regionalpolitik, a.a.0., s. 259 f. 4 Vgl. Hans K. Schneider, Plankoordnierung in der Regionalpolitik, a.a.O., s. 260. 5 Vgl. Rolf Krüger, Die Koordination von gesamtwirtschaftlicher, regionaler und lokaler Planung, a.a.O .. S. 101.

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1. Kap. : Grundlagen der Koordination

institutionalisiert ist, wollen wir für diesen Fall auch von sierter Koordination sprechen•."

institutionali­

Wenngleich die Erfolgsaussichten institutionalisierter Koordination ungleich höher sind als die informeller, sollte die Bedeutung der infor­ mellen Koordination nicht unterschätzt werden. So verläuft die Koope­ ration innerhalb einer Verwaltung oder aber auch zwischen verschiede­ nen Ressorts häufig in Formen, die offiziell nicht vorgesehen sind. Sie können der formalen Organisation mitunter sogar widersprechen oder grob bestimmungswidrig sein. Ihre Resultate sind aber trotzdem als positiver Beitrag zur Zielerreichung anzusehen7 . Im Rahmen der formalen Organisation, die durch klare Abgrenzung der Autoritätsbeziehungen sowie der damit parallel verlaufenden Be­ richts- und Befehlswege gekennzeichnet ist, erscheinen die Individuen als bloße Funktionsträger, während die informale Organisation das Netzwerk sozialer Beziehungen umfaßt, das auf den Gemeinsamkeiten (z. B. gleiche Ausbildung) und persönlichen Sympathien der Mitglieder aufbaut, die durch ihre Herkunft und ihre außerbetrieblichen Rollen begründet sind8 • Niklas Luhmann spricht in diesem Zusammenhang von Cliquen9, die sich als Folge des Abweichens der Individuen von den for­ malen Normen bilden. Wichtige Koordinierungsinstrumente sind in die­ sem Bereich das Telefon, die Kantine, das Vorzimmer des Vorgesetzen oder das Arbeitsessen. Die geknüpften Kontakte ermöglichen auf infor­ meller Grundlage einen frühzeitigen Informationsaustausch und damit die Aufdeckung von vertikalen und horizontalen Koordinationsnotwen­ digkeiten. Doch nicht nur in diesem frühen Stadium des Entschei­ dungsprozesses, sondern auch in späteren Phasen spielt die informelle Koordination besonders im politischen Bereich immer dann eine beson­ dere Rolle, wenn es sich um einmalige Abstimmungsnotwendigkeiten handelt. „ Wie die Erfolgsaussichten institutionalisierter Koordination ungleich größer sind als die informeller, so gilt dies für die durch die Verfassung 8

Ebenda, S. 101. 7 In der Literatur über formale und informale Organisationen werden häu­ fig die Adjektive „formell" und „informell" synonym gebraucht. Zum Pro­ blembereich informaler Organisation, informaler Kommunikation, informel­ ler Gruppen und informeller Koordination vgl. Rolf Ziegler, Organisation, informale, in : Handwörterbuch der Organisation, Erwin Grochla (Hrsg.), Stuttgart 1969, Sp. 1094 - 1 103 und die dort angegebene umfangreiche Litera­ tur, weiterhin vgl. Niklas Luhmann, Funktionen und Folgen formaler Organi­ sation, Berlin 1964, S. 212 ff. und 328 ff., ferner Martin Irle, Macht und Ent­ scheidungen in Organisationen, Studie gegen das Linie-Stab-Prinzip, Frank­ furt am Main 1971. 8 Vgl. Rolf Ziegler, Organisation, informale, a.a.O., Sp. 1095. 9 Vgl. Niklas Luhmann, Funktionen und Folgen formaler Organisation, a.a.O., S. 324 ff.

C. Arten und Formen der Koordination

43

oder nachgeordnete Gesetze vorgesehene oder etablierte Abstimmung im Verhältnis zu lediglich freiwilliger10 . " Nur freiwillige Koordination betont zu wenig die Bedeutung gegenseitiger Abstimmung und ermög­ licht Außenseitertum oder doch fallweises Beiseitestehen dann, wenn der eigene im Alleingang zu erzielende Vorteil höher eingeschätzt wird als der durch koordiniertes Vorgehen erreichbare. Deshalb sollten die Gesetzesnormen Koordination oder wenigstens Rücksichtnahme auf die Politik anderer interdependenter Entscheidungsträger vorsehen. Sinn­ vollerweise wären dann aber auch Aussagen über Art und Umfang der anzustrebenden Koordination und über prozedurale Fragen in die Vor­ schriften mitaufzunehmen11• Bei der formellen Koordination gibt es eine Reihe unterschiedlicher Formen, die sich aufgrund der jeweiligen Intensitätsgrade der Koordi­ nation voneinander abheben. Die strengsten Formen stellen die Instru­ mente der Mitentscheidung dar. Weniger intensiv wird in der Regel die Koordination sein, wenn Instrumente der Mitberatung zur An­ wendung gelangen, während die Instrumente der Mitteilung nur zu einer losen Form der Koordination führen12 • Jß. Interne versus externe Koordination

Interne Koordination betrifft den Bereich innerhalb einer organisa­ torischen Einheit der politischen und administrativen Entscheidungsbil­ dung1 , oder mit anderen Worten ausgedrückt, die innerbetriebliche Zu­ sammenarbeit. Ihre Aufgabe ist die Aufstellung eines ausgewogenen und in sich widerspruchsfreien „Katalogs von Teil-, Zwischen- oder Unter­ zielen und Instrumenten für jeden einzelnen Macht- und Entscheidungs­ träger2 ." Im Kern ist sie eine Integration aller Planungsteile und Teil­ pläne zu einer Gesamtplanung. Das entscheidende Problem besteht dabei in der Abstimmung der einzelnen Fachressorts. Im Gegensatz zur Struk­ tur eines Produktionsunternehmens, in dem die Verzahnung z. B. der Teilbereiche Produktion und Absatz sofort offensichtlich ist und diese Bereiche sich unschwer als integrierte Bestandteile des Systems „Be­ trieb" verstehen lassen, haben die einzelnen Ressorts organisatorischer Einheiten der politischen und administrativen Entscheidungsbildung ein 10 Rolf Krüger, Die Koordination von gesamtwirtschaftlicher, regionaler und lokaler Planung, a.a.O., S. 102. 11 Vgl. ebenda, S. 102. 1 2 Auf die verschiedenen Instrumente der institutionalisierten Koordination wird im dritten Kapitel näher eingegangen. 1 Vgl. Hans K. Schneider, Plankoordinierung in der Regionalpolitik, a.a.O.,

s. 237.

1 Rolf Krüger, Die Koordination von gesamtwirtschaftlicher, regionaler wid lokaler Planung, a.a.O., S. 51.

44

1. Kap. : Grundlagen der Koordination

wesentlich stärkeres Eigenverständnis und entsprechend starke Ressort­ interessen, so daß interne Koordination in diesem Fall im wesentlichen mit dem Problem der „Ressortkoordination" 3 gleichzusetzen ist. Da die Ressorts für verschiedene Sektoren zuständig sind, bedeutet Koordina­ tion hier die intersektorale Abstimmung innerhalb einer Institution, also z. B. innerhalb einer Stadtverwaltung zwischen den einzelnen De­ zernaten (z. B. Baudezernat, Dezernat für Wohnungswesen und öffent­ liche Einrichtungen, Schul- und Kulturdezernat und Finanzdezernat) und innerhalb eines Dezernats zwischen den Ämtern (im Baudezernat z. B. zwischen dem Bauverwaltungsamt, dem Stadtplanungsamt, dem Vermessungs- und Katasteramt usw.). Der Wirkungsbereich einer Entscheidung greift häufig in die Bereiche anderer Entscheidungen über und macht so, sollen z. B. gesamtwirt­ schaftliche Nutzen und Erträge berücksichtigt werden, eine simultane Planung erforderlich. Diese Arten von Beziehungen können als „Nutzen­ interdependenzen " 4 bezeichnet werden. Weitere wechselseitige Abhängig­ keiten ergeben sich aus der Tatsache, daß z. B. für alle Investitionen der öffentlichen Hand Finanzmittel benötigt werden, in der Regel aber weniger Mittel zur Verfügung stehen als zur Durchführung aller vor­ teilhaften Investitionsprogramme erforderlich sind. Dieser mit „Faktor­ interdependenzen"5 bezeichnete Zusammenhang sowie der Tatbestand der Nutzeninterdependenzen erfordern ein koordiniertes Handeln, d. h. eine Abstimmung der notwendigen Entscheidungen in sachlicher, zeit­ licher, räumlicher und finanzieller Hinsicht mit dem Ziel, ein harmo­ nisches Zusammenwirken verschiedener, häufig autonomer Organe zu verwirklichen. Dieser mit externe Koordination bezeichnete Abstim­ mungsprozeß zwischen zwei oder mehreren organisatorischen Einheiten kann danach unterschieden werden, ob sich der Koordinierungsprozeß innerhalb eines Sektors vollzieht oder ob Organisationseinheiten z. B. volkswirtschaftlich verschiedener Sektoren in Beziehung treten. So liegt sektorinterne externe Koordination vor, wenn z. B. die Aufgabe besteht, Verkehrsinfrastrukturpolitik aus einem Guß durch umfassende Koordi­ nation der einzelnen dafür zuständigen Institutionen sowohl innerhalb eines Verkehrsträgers als auch zwischen den verschiedenen Verkehrs­ trägern durchzuführen. Dabei können die entsprechenden Planungs­ träger auf gleicher oder auf verschiedener Stufe stehen. Eine sektorex3 Vgl. Hellmuth St. Seidenfus, Koordinationsprobleme und aktuelle Hemm­ nisse der Regionalpolitik, in : Hans K. Schneider (Hrsg.), Beiträge zur Regio­ nalpolitik, Berlin 1968, S. 134. 4 Vgl. Rüdiger Ventker, Die ökonomischen Grundlagen der Verkehrsnetz­ planung, Verkehrswissenschaftliche Studien aus dem Institut für Verkehrs­ wissenschaft an der Universität Hamburg, hrsg. von Harald Jürgensen und Helmut Diederich, Göttingen 1970, S. 1 1 6. 3 Vgl. ebenda, S. 1 17.

C. Arten und Formen der Koordination

45

terne Abstimmung ist gegeben, wenn Ressortkoordination erforderlich ist. So sind z. B. Planungen von Bundesfernstraßen in Einklang zu brin­ gen mit Planvorstellungen der kommunalen Flurbereinigung, der Was­ ser- und Forstwirtschaft, der Landschaftsschutzverbände etc. Auf Grund der Restriktionen, die aus sektorexternen Bereichen stam­ men, kann es erforderlich werden, das sektorinterne Optimum eines Programms aufzugeben und ein neues Programm zu formulieren. Die sektorinternen Zieleinbußen sind dann mit der Minderung sektorex­ terner negativer Auswirkungen zu vergleichen6 • So ist es z. B. denkbar, daß die Trassenführung einer Bundesfernstraße aus Gründen des Land­ schaftsschutzes weiträumig um ein bestimmtes Gebiet herumgelegt wer­ den muß oder daß landesplan€vische Überlegungen ihren räumlichen Ab­ stand zu neu zu erschließenden Wohngebieten bestimmen. In den Bereich der externen Koordination gehören die zwischenstaat­ liche Koordination und die Koordination zwischen öffentlichen und pri­ vaten Entscheidungsträgern. Verwaltungsräume stellen nicht in sich geschlossene Wirtschaftsräume dar. Diese Feststellung trifft auch für nationale Wirtschaftsräume zu. Volkswirtschaften sind offen, das heißt, „ auch sie können gegeneinander, nebeneinander, durcheinander und miteinander arbeiten, und das auf allen Ebenen7 . " Somit ist der gesamte Komplex der dargestellten Interdependenzen der gleiche bei grenzüber­ windender Koordination. Wie bereits mehrfach festgestellt, ist Koordination notwendig, wenn sich die Handlungen eines Entscheidungsträgers wesentlich auf die Ent­ scheidungen anderer Akteure auswirken und kein quasi-automatisches Koordinationsinstrument wie es etwa der Markt darstellt, zur Verfü­ gung steht. Nun hängt einerseits „ die Produktivität der privaten Investi­ tionen in einem wesentlichen Maße von Art, Umfang und räumlicher Verteilung der Investitionen in die Infrastruktur ab, während anderer­ seits die Produktivität der öffentlichen Investitionen auch von Art, Um­ fang und räumlicher Verteilung der privaten Investitionen mitbestimmt wird8 " , so daß im Hinblick auf eine Steigerung der Gesamtproduktivität der staatlichen und privaten Investitionen eine Abstimmung beider Ebe­ nen erforderlich ist.

8 Vgl. H. Georgi, Cost-benefit-analysis als Lenkungsinstrument öffentlicher Investitionen im Verkehr, Forschungen aus dem I nstitut für Verkehrswissen­ schaft an der Universität Münster, hrsg. von Hellmut St. Seidenfus, Bd. 17, Göttingen 1970, S. 220. 7 Rolf Krüger, Die Koordination von gesamtwirtschaftlicher, regionaler und lokaler Planung, a.a.O., S. 62. 8 Hans K. Schneider, Plankoordinierung in der Regionalpolitik, a.a.O., s. 242.

46

1. Kap. : Grundlagen der Koordination

Dieser Zusammenhang soll nur der Vollständigkeit wegen erwähnt werden. Das zentrale Problem dieser Arbeit liegt bei der Koordinierung der Entscheidungen im politischen und administrativen Bereich. IV. Vertikale versus horizontale Koordination Entscheidungen werden auf zahlreichen Ebenen des staatlichen Auf­ baus getroffen. Generell werden die drei Ebenen Bund, Länder und Gemeinden unterschieden. Diese Untergliederung ist nicht in allen Teilen der Bundesrepublik Deutschland einheitlich. So werden vielfach zwischen den Ebenen Länder und Gemeinden Bezirksregierungen und Kreise als weitere Ebenen tätig. Zwischen im Rang über- und unterge­ ordneten Instanzen ergibt sich die Notwendigkeit der Koordination schon aus der Tatsache, daß Überschneidungen der Pläne vorliegen. Da der Raum eines Landes z. B. alle Regionen umschließt, überdeckt die Infrastrukturpolitik des Landes zwangsläufig alle diesbezüglichen Pläne der regionalen Instanzen ; genauso überdeckt jeder regionale Plan eine Gruppe von lokalen oder kommunalen Planungsgebieten1 . Soll es nicht zu einem unwirtschaftlichen Einsatz öffentlicher Mittel kommen, müssen die Pläne der verschiedenen Instanzen aufeinander abgestimmt werden. Diese Art der Abstimmung kann mit v ertikaler Koordination bezeichnet werden. Vertikale Koordination hat zwischen oberer und mittlerer, zwi­ schen mittlerer und unterer und gegebenenfalls auch zwischen oberer und unterer Ebene zu erfolgen. Fehlende oder mangelhafte Koordination führt in der Regel zu Fehlinvestitionen. Dabei werden die Kapazitäts­ grenzen durch die j eweiligen Engpässe bestimmt. Besteht z. B. für eine durch den Bund geplante Bundesstraße der Engpaß in einer Ortsdurch­ fahrt (Planung durch die Gemeinde), die aufgrund mangelhafter zeitli­ cher Koordination den kapazitätsmäßigen Anforderungen noch nicht genügt, so muß der Ausbau der Bundesstraße bis zur Zeit des entspre­ chenden Ausbaus der Ortsdurchfahrt durch die Gemeinde als temporäre Fehlinvestition gewertet werden. Ebenso wie die Beziehungen zwischen über- und untergeordneten In­ stanzen nach einer Koordinierung der Pläne und der Politik verlangen, ist es mit denen zwischen Entscheidungsträgern gleichen Ranges oder gleicher Stufe, also den verschiedenen Trägern jeweils auf einer Ebene in der Hierarchie des staatlichen Aufbaus. Da diese Träger nebeneinan­ der stehen, ergeben sich horizontale Beziehungen, die der horizontalen Koordination bedürfen2 • 1 Vgl. Rolf Krüger, Die Koordination von gesamtwirtschaftlicher, regionaler und lokaler Planung, a.a.O., S. 58. 2 Vgl. Rolf Krüger, Die Koordination von gesamtwirtschaftlicher, regionaler und lokaler Planung, a.a.O., S. 60.

C. Arten und Formen der Koordination

47

Horizontal koordinieren muß jede Instanz zumindest mit der gleich­ rangigen Nachbarinstanz, sofern Interdependenzen bestehen. Darüber hinaus sollten die lokalen Instanzen nicht nur mit lokalen Instanzen der gleichen Region, sondern auch mit solchen benachbarter Regionen eine Abstimmung der Pläne anstreben. Bei dieser Form der Koordination treten aufgrund des „Pro-domo-Standpunktes" 3 erhebliche Mängel auf. Dieser Standpunkt verleitet in vielen Fällen dazu, eine regionalpolitische Aufgabe nur unter dem Gesichtspunkt des Nutzens für die eigene Ge­ meinde, den eigenen Kreis oder die eigene Stadt durchzuführen. Bei­ spiele für die mangelhafte horizontale Koordination sind recht zahl­ reich. Hier sind vor allem die Großinvestitionen aus Prestigegründen zu nennen, durch die eine optimale Verwendung öffentlicher Mittel ver­ hindert wird. Das Freizeit- und Erholungszentrum der einen Gemeinde im Emissionsbereich des Industriegebietes der Nachbargemeinde ist ein viel zitierter Fall mangelnder horizontaler Koordination. Über die genannten Beziehungen hinaus gibt es eine Reihe von Inter­ dependenzen, die weder horizontal noch vertikal sind. Bei diesen dia­ gonalen Beziehungen handelt es sich um Berührungspunkte von Pla­ nungen und Politik auf verschiedenen Ebenen. So ist z. B. der Plan einer Kommune nicht nur vertikal mit dem Plan der sie umschließenden Re­ gion und horizontal mit den Plänen der angrenzenden Kommunen abzu­ stimmen, sondern bei Vorliegen einer gemeinsamen Grenze auch mit dem Plan der angrenzenden Region zu koordinieren. Diese als diagonale Koordination bezeichnete Abstimmung von Entscheidungen wird nicht immer möglich sein, da sie mitunter auf Kosten der vertikalen Koordina­ tion gehen kann, jedoch sollte auf die Berücksichtigung der diagonalen Interdependenzen nicht verzichtet werden. V. Perfekte versus optimale Koordination

Koordination bedeutet Abstimmung von Entscheidungen. Damit ist implizit eine mehr oder weniger vollständige Übereinstimmung bzw. Angleichung der in der Entscheidungsvorbereitungsphase (Informations­ gewinnungsphase) zu erarbeitenden Zielvorstellungen und Bewer­ tungsmaßstäbe vorauszusetzen. Beide resultieren aus den Wertsystemen (Präferenzfunktionen)1 der beteiligten Entscheidungsträger. Darüber hinaus sind für die Entscheidung Informationen über die Umweltbe­ dingungen erforderlich. Die Aufdeckung gegebener Unterschiede der j eweiligen für den Interdependenzbereich relevanten Teile der Wert3 Vgl. Hellmuth St. Seidenfus, Koordinationsprobleme und aktuelle Hemm­ nisse in der Regionalpolitik, a.a.O., S. 126 ff. 1 Vgl. Hans K. Schneider, Plankoordinierung in der Regionalpolitik, a.a.O., s. 242.

1. Kap. : Grundlagen der Koordination

48

systeme, eine möglichst weitgehende Homogenisierung der Wertvor­ stellungen und damit der Ziele und Bewertungsmaßstäbe sowie die An­ gleichung des Informationsstandes stellen die Grundlage für koordinier­ tes Handeln dar, d. h. gleiches Wissen über die koordinationsrelevanten Vorgänge und deren Auswirkungen. Sind die genannten Anforderungen von vornherein erfüllt, kann nach Hans K. Schneider perfekte Koordination, das bedeutet eine „ vollkommen abgestimmte, auf ein einheitliches Zielsystem hin ausgerichtete Ent­ scheidung"2 ohne besonderes Koordinationshandeln erreicht werden. Ist dagegen eine der genannten Voraussetzungen nicht erfüllt, und das dürfte in der Realität durchweg der Fall sein, sind spezielle Aktivitäten zur Abstimmung der Entscheidungen erforderlich. Kommt es nicht zu einer vollkommenen Abstimmung aller Entscheidungen im Interdepen­ denzbereich auf ein einheitliches Zielsystem hin, liegt nach Schneider nichtperfekte Koordination vor. Die gewählte Differenzierung geht von einer Betrachtung allein der Nutzenseite der Koordinierung aus, d. h. der Bedingungen, unter denen der Erfüllungsgrad der angestrebten Ziele erhöht werden kann3 • ,,Perfektion in der Koordinierung ist nicht gleichbedeutend mit Opti­ malität, weil sie definitionsgemäß ausschließlich auf die Nutzenseite der Koordinierung abstellt und deren Kosten nicht berücksichtigt4 . " Wesentlich sowohl für das Vorgehen als auch für die Erfolgsaussichten ist die Art der bestehenden Interdependenzen. Hans K. Schneider un­ terscheidet zwischen komplementären Beziehungen, bei denen die Ent­ scheidungen eines Akteurs die Zielerfüllungsgrade anderer erhöhen, ohne daß diese ihre Handlungen ändern, und kompetitiven, bei denen unter gleichen Voraussetzungen die Zielerfüllungsgrade der anderen negativ beeinträchtigt werden können. Diese Interdependenzen kön­ nen einseitiger und wechselseitiger Natur sein5 • Die optimale Koordination ist durch das bestmögliche Verhältnis der mit der Koordination verbundenen Nutzen und Kosten charakterisiert. Bei kompetitiven Interdependenzen werden die optimale und die per­ fekte Lösung der Koordinierungsaufgabe dann nicht zusammenfallen, wenn die perfekte Lösung einen Autonomieverzicht von Akteuren der unteren Ebene erfordert, der gesellschafts- und staatspolitisch untrag­ bar erscheint6 • So stellt ein Eingriff in bestehende interorganisatorische Machtverteilungen einen Kostenfaktor dar. Ein umfassender staatlicher 2

3 4 5 6

Ebenda, S. 245. Vgl. Hans K. Schneider, Plankoordinierung in der Regionalpolitik, a.a.O., Ebenda, S. 245. Vgl. ebenda, S. 243. Vgl. ebenda, S. 245.

C. Arten und Formen der Koordination

49

Eingriff in die Bauleitplanung z. B., der den Gemeinden keinen freien Raum für eigene Gestaltungsmöglichkeiten mehr ließe, würde die kom­ munale Selbstverwaltung entscheidend einschränken und damit entspre­ chende Koordinationskosten verursachen. Eine perfekte Koordination ist folglich nur dann anzustreben, wenn diese nicht vom Ziel der optima­ len Koordination wegführt. Mit den Ausführungen des vorangegangenen Kapitels wurden die Voraussetzungen für den weiteren Fortgang der Untersuchung ge­ schaffen. So wurden der Koordinationsbegriff definiert, Lösungsansätze der mit Koordinationsproblemen befaßten Fachdisziplinen aufgezeigt und schließlich die gängigen Arten und Formen der Koordination dar­ gestellt. Dabei zeigte sich die Vielschichtigkeit der Koordinationspro­ blematik, die zu ihrer Lösung strenggenommen einen interdisziplinären Ansatz erfordert. Auf den Erkenntnissen des ersten Kapitels aufbauend werden nach­ stehend die Bestimmungsgrößen des Koordinationsbedarfs untersucht und die zur Verfügung stehenden Instrumente der Koordination da­ hingehend überprüft, ob und inwieweit sie dem feststellbaren Koordi­ nationsbedarf gerecht werden können. In zwei weiteren Kapiteln wer­ den anhand zweier empirischer Beispiele gängige Koordinierungsprak­ tiken untersucht und Möglichkeiten zu ihrer Verbesserung dargestellt.

Zweites Kapitel

Bedarf an Koordination A. Der Einfluß des Kontextes auf die Organisationsstruktur und das Verhalten von Verwaltungen B etrachtet man Organisationen, z. B . Unternehmen, Verwaltungen, Verbände etc., als sozio-technische (Mensch-Maschine) Systeme, so kann man folgende Bedingungen als relevant nennen : Es muß genau bekannt sein, was die Verwaltung tun soll, in welcher Umwelt sie operieren wird, welche Inputs in sie eingehen, welche Opera­ tionen an diesen Inputs vorzunehmen sind und welche Outputs man von ihr erwartet. Auch die Bedingungen - technische, externe, wirtschaft­ liche und soziale -, unter denen sie konstruiert wird, müssen eindeutig festgelegt bzw. beschrieben werden'. Erst wenn die Ziele, die die Verwaltung erfüllen soll, präzisiert und die Bedingungen genannt sind, die aus ihrem Umfeld resultieren, kann es als sinnvoll erscheinen, Fragen des Inputs, der Verarbeitungsmetho­ den und des Outputs zu behandeln. Da Entscheidungen in den seltensten Fällen isoliert individuelle Pro­ blemlösungsprozesse darstellen, die nur einen einzelnen Entscheidungs­ träger betreffen, sondern gewöhnlich durch einzelne Teilaufgaben auf­ einander abgestimmt sind, lassen sich politische, administrative und operative Entscheidungen zum großen Teil als Koordinationsentschei­ dungen begreifen. Ziele und Bedingungen des Einsatzes bestimmter Koordinationsinstrumente sind dementsprechend im organisatorischen Koordinationszusammenhang zu suchen2 • Die Nutzung der Koordina­ tionsinstrumente sollte von dem spezifischen Koordinationsbedarf einer Verwaltung ausgehen und sich an den Möglichkeiten einer Verbesserung konventioneller Koordinationsinstrumente orientieren3 • Diese Möglich1 Vgl. Alphonse Chapanis, On the Allocation of Functions between Men and Machines, in : Occupational Psychology, Band 39, 1965, S. 8. 2 Vgl. Alfred Kieser und Herbert Kubicek, Organisationsstruktur und indi­ viduelles Verhalten als Einflußfaktoren der Gestaltung von Management-In­ formationssystemen, Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 44. Jg., 1974, S. 452. 3 Vgl. Jay R. Galbraith, Achieving Integration Through Information Sy­ stems, in : Academy of Management Proceedings. Ergänzungsband zu Aca­ demy of Management Journal, Vol. 12, 1968, S. 115 ff.

A. Der Einfluß des Kontextes auf die Verwaltungen

51

keiten können als das Koordinationspotential der verschiedenen Instru­ mente bezeichnet werden. Die Gestaltung der Organisationsstruktur hat von der Mehrdimen­ sionalität des Verwaltungssystems auszugehen, das wiederum aus ein­ zelnen Teilen (Subsystemen wie Einzelverwaltungen, Referate und Äm­ ter) besteht, von denen jeder einzelne seine ihm spezifisch zugeordnete Aufgabe in seiner eigenen Umwelt zu erfüllen hat. Die Verwaltung ver­ körpert demnach ein System interdependenter Strukturen, die es zu einer funktionsfähigen integrativen Einheit zu verknüpfen gilt. Die Probleme, die sich aus der Mehrdimensionalität der Beziehungen in und zwischen Einzelverwaltungen und aus der Vielfalt und Kausalität der Einflußfaktoren organisatorischer Gestaltung ergeben, erfordern eine pragmatisch ausgerichtete Abgrenzung und Bildung struktureller Sub­ systeme4. Ohne an dieser Stelle auf die umfangreiche Literatur zur Ableitung von Bestimmungsfaktoren und Dimensionen struktureller Systembil­ dung eingehen zu können5 , soll bei den weiteren Ausführungen der auf rein logischen Überlegungen basierende Ansatz von Harold Leavitt zu­ grundegelegt werden6 • Danach wird eine Klassifikation der Bestim­ mungsfaktoren von Struktur und Verhalten sozio-technischer Systeme entwickelt. Ausgehend von den Elementen eines Verwaltungssystems können als strukturbestimmende Faktoren die Verwaltungsaufgabe, die Sachmittel oder die sie prägende Technologie und die Verwaltungs­ angehörigen angesehen werden. Diese Faktoren befinden sich in einem interdependenten Beziehungszusammenhang und werden durch die Um­ welt in ihrem jeweiligen Einfluß auf die Struktur bestimmt. Ein weite­ rer Faktor, nämlich die Größe der Verwaltung, ist bezüglich seines Ein­ flusses auf Struktur und Verhalten des Systems umstritten. Während die „size theorists" 7 von einem grundlegenden Bestimmungsfaktor spre­ chen, betrachten andere Autoren die Größe als unkritischen, nichtsigni­ fikanten Einflußfaktor8• 4

Vgl. Friedrich Hoffmann, Entwicklung der Organisationsforschung, a.a.O.,

s. 236 ff.

5 Vgl. hierzu die zahlreichen Literaturangaben bei Wolfgang H. Staehle, Organisation und Führung sozio-technischer Systeme, Stuttgart, 1973, S. 63 71, und Friedrich Hoffmann, Entwicklung der Organisationsforschung, a.a.O., s. 208 - 253. u Vgl. Harold J. Leavitt, Management According to Task : Organizational Differentiation, in: management international, Band 2, 1962, S. 20, derselbe, Applied Organisational Change in Industrie : Structural, Technological and Humanistic Approaches, a.a.O., S. 1 144 f., derselbe, Managerial Psychology, 3. Aufl., Chicago, London 1972, S. 259 ff. 7 Vgl. J. Child, R. Mansfleld, Technology, Size and Organization Structure, in: Sociology, Band 6, 1972, S. 370 ; P. M. Blau, A Formal Theory of Differen­ tiation on Organizations, in: American Sociological Review, Band 35, 1970, s. 201 - 218.

,.

52

2. Kap. : Bedarf an Koordination

Unter dem Aspekt der Ermittlung des Koordinationsbedarfs kann davon ausgegangen werden, daß die zunehmende Größe einer Verwal­ tung, meist gemessen an der Zahl der Verwaltungsangehörigen, die strukturelle Differenzierung erhöht. Je größer eine Verwaltung ist, um so mehr spezialisierte Abteilungen und Stellen weist sie auf9 , die - so darf man vermuten - vermehrt der Koordination bedürfen. Die Verwaltungsgröße und die damit verbundene Arbeitsteilung er­ höhen die organisatorische Komplexität, woraus erhebliche Koordina­ tionsprobleme resultieren können. Durch räumliche Dezentralisierung, aufgabenmäßige Dekonzentration und Delegation von Entscheidungen wird versucht, zu einer Reduktion der Komplexität zu gelangen. Der Gefahr, daß „verselbständigte" Entscheidungen untereinander und im Hinblick auf die Ziele der Organisation schlecht koordiniert sind, ver­ sucht man in der Praxis durch die verstärkte Vorgabe von Entschei­ dungsregeln zu begegnen1°. Da die Größe einer Verwaltung nicht nur von der Anzahl der Ver­ waltungsangehörigen, sondern auch von der Umwelt, von der Verwal­ tungsaufgabe und von der Technologie beeinflußt wird, soll sie im wei­ teren Verlauf der Untersuchung nicht als eigenständige Variable an­ gesehen werden. Wir wollen deshalb nur von den vier genannten un­ abhängigen Variablen ausgehen, denen eine primäre Bedeutung zuge­ messen wird. Als abhängige Variable gelten die Struktur und das Ver­ halten der Verwaltung und ihrer Einzelverwaltungen. Der Zusammen­ hang zwischen den genannten Variablen läßt sich im folgenden Schau­ bild darstellen: Wie in der folgenden Abbildung11 durch die Pfeile angedeutet, beste­ hen zwischen den vier unabhängigen Variablen vielfältige Interdepen­ denzen. Da die Beziehungen wechselseitig sind, dürfte es schwierig sein, den Einfluß aller Faktoren auf die Struktur und auf das Verhalten einer Verwaltung simultan zu erfassen. Folglich wird man die Zusammenhän­ ge unter der ceteris paribus Bedingung untersuchen müssen. 8 Vgl. T. Bums, G. M. Stalker, The Management of Innovation, London 1961 ; J. Woodward, Industrial Organization : Theory and Practice, London 1965 ; Wolfgang H. Staehle, Organisation und Führung sozio-technischer Systeme, a.a.O., S. 71. Wolfgang H. Staehle bezieht die Größe von Fall zu Fall als intervenierende Variable in die Analyse mit ein. 9 Vgl. Peter M. Blau, Richard A. Schoenherr, The Structure of Organizations, New York 1971, S. 62 ff., D. S. Pugh, D. J. Hickson, C. R. Hinings und C. Turner, The Context of Organization Structures, in : Administrative Science Quarterly, Band 14, 1969, S. 91 - 114, Alfred Kieser, Einflußgrößen der Unternehmens­ organisation, Stand der empirischen Forschung und Ergebnisse einer eigenen Erhebung. Kölner Habilitationsschrift 1973, S. 123 ff. 10 Vgl. Peter M, Blau, Richard A. Schoenherr, The Structure of Organiza­ tions, a.a.O., S. 128 ff. 11 Vgl. Wolfgang H. Staehle, Organisation und Führung sozio-technischer Systeme, a.a.O., S. 70.

A. Der Einfluß des Kontextes auf die Verwaltungen

53

Bestimmungsfaktoren für die Struktur und Verhalten von Verwaltungen

Verwaltungs- IE------------� Verwaltungs­ umwelt aufgabe

Struktur und Ver­ halten von Verwaltungen

Verwaltungs­ angehörige

Verwaltungs. technologie

Die Gesamtheit der Faktoren, die Struktur und Verhalten von Ver­ . waltungen beeinflussen, kann in Anlehnung an D. S. Pugh u. a. 12 als orga­ nisatorischer Kontext bezeichnet werden. Von diesem Kontext hängt der spezifische Koordinationsbedarf einer Verwaltung ab. Er beeinflußt die Koordinationsanforderungen, indem er zum einen organisatorische Differenzierungen, d. h. die Bildung organisatorischer Teileinheiten (Ab­ teilungen, Stellen) und zum anderen auch die Aufgabeninhalte dieser Teileinheiten definiert. In Abhängigkeit von diesen Koordinationsan­ forderungen werden in einzelnen Verwaltungen verschiedene Koordi­ nationsmechanismen in unterschiedlichem Ausmaß eingesetzt, ,, um eine erfolgreiche Interaktion mit der jeweiligen Kontextsituation sicherzu­ stellen" 13 • Die generellen zusammenhänge zwischen einzelnen Bestimmungsfak­ toren und der Struktur und des Verhaltens von Verwaltungen sollen im folgenden inhaltlich näher erläutert werden. Da die Bestimmungs­ faktoren in verschiedenen Verwaltungen sich ebenso unterscheiden kön­ nen wie sie innerhalb der Verwaltung in den einzelnen Bereichen, ja sogar auf verschiedenen hierarchischen Ebenen voneinander abweichen 12 Vgl. D. S. Pugh, D. J. Hickson, C. R. Hinings und C. Turner, The Context of Organization Structures, a.a.O., S. 91 - 1 14. 13 Alfred Kieser und Herbert Kubicek, Organisationsstruktur und indivi­ duelles Verhalten als Einflußfaktoren der Gestaltung von Management-Infor­ mationssystemen, a.a.O., S. 452.

64

2. Kap. : Bedarf an Koordination

können, müssen entsprechende unterschiedliche Lösungsansätze des Ko­ ordinationsproblems die Folge sein. Struktur und Verhalten der Ver­ waltung sowie der einzelnen Teilverwaltungen kommen durch unter­ schiedliche Konstellationen folgender Variablen zum Ausdruck:14 : - Umfang der Spezialisierung - Formalisierungsgrad der Stellenaufgaben - Hierarchisierungsgrad - Kontrollsystem - Entscheidungsverfahren und -verhalten - Machtverteilung - Koordinationsmechanismen - Führungsstil - Informations- und Kommunikationssystem - Konfliktlösung - Motivation der Organisationsmitglieder - Zufriedenheitsniveau der Organisationsmitglieder - wirtschaftliche und sozial-psychologische Effizienz. Die Aufzählung der Struktur und Verhalten von Verwaltungen be­ einflussenden Variablen ist keinesfalls erschöpfend. Sie deutet aber die Komplexität der organisatorischen Probleme an, da alle Variablen in mehr oder weniger starken interdependenten Beziehungen zueinander stehen. Um den Koordinationsbedarf innerhalb einer Verwaltung zu ermitteln, müßten zur Ableitung kausalanalytischer Wirkungszusam­ menhänge die Interdependenzen zwischen den internen und externen Bestimmungsfaktoren sowie die Abhängigkeit bestimmter Strukturdi­ mensionen von mehreren Kontextvariablen in einem Totalmodell un­ tersucht werden. Beim gegenwärtigen Wissensstand sind jedoch keine eindeutigen Aussagen möglich. Folglich bleibt nur der Weg der Partial­ analyse. Dieser Weg wird hier beschritten, wenn wir uns dem Einfluß einzelner Variabler auf den Koordinationsbedarf widmen. B. Determinanten des Koordinationsbedarfs

I. Der Einfluß der Verwaltungsumwelt

Die Umweltdynamik beeinflußt den Koordinationsbedarf indirekt und direkt. Die indirekte Beeinflussung erfolgt über die Verwaltungsauf­ gabe, über die Verwaltungsangehörigen und über Verwaltungstechno14 Vgl. Wolfgang H. Staehle, Organisation und Führung sozio-technischer Systeme, a.a.O., S. 71, sowie Götz Schmidt, Bestimmungsfaktoren organisato­ rischer Lösungen, Zur Differenzierung organisatorischer Aussagen, a.a.O., s. 356.

B. Determinanten des Koordinationsbedarfs

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logie. Um den direkten Einfluß der Umwelt zu untersuchen, bedarf es einiger Annahmen. So kann man Organisation als die Koordination der zur Durchführung geplanter Transaktionen mit der Umwelt erforder­ lichen arbeitseiligen Aktivitäten individueller Mitarbeiter bezeichnen. Die Organisation als Institution muß dann den Anforderungen der Um­ welt und den Bedürfnissen der Mitarbeiter in gleicher Weise Rechnung tragen. Damit die geplanten Transaktionen mit der Umwelt erfolgreich durchgeführt werden, benötigt jede Verwaltung rechtzeitig möglichst exakte und umfassende Informationen über ihre Umwelt und vor allem über deren Veränderungen. Die Organisation dieser Informationsströme ist von der Beschaffenheit der relevanten Umweltsysteme abhängig. Die Umwelt einer bestimmten Verwaltung läßt sich durch folgende Ge­ gensatzpaare charakterisieren15 : sicher - unsicher gleichartig - ungleichartig Die Sicherheit oder Unsicherheit einer Umwelt läßt sich mit Hilfe folgender Kriterien messen: - Bestimmtheit der Umweltinformationen, - Häufigkeit der Informationsänderung, - Zeitspanne der Rückkoppelungs-Zyklen. ,,Komplexe sozio-technische Systeme haben ihre Umwelt in einzelne, für sie besser überschaubare Subumwelten aufgespalten und entspre­ chende Subsysteme mit der Aufgabe gebildet, einen bestimmten Teil­ aspekt der Umwelt im Hinblick auf die Systemziele zu bewältigen16 . " Die Einrichtung der verschiedenen Ämter innerhalb einer Kommunalver­ waltung oder der unterschiedlichen Abteilungen innerhalb einer Unter­ nehmung können als Beispiele angeführt werden. So ist für die Subum­ welt ,Arbeitsmarkt' das ,Personalamt' bzw. die ,Personalabteilung' als Subsystem des Systems Kommunalverwaltung bzw. Unternehmung zuständig, ohne daß bereits die konkrete Aufgabe bzw. Zielvorgabe de­ finiert ist. Die Subumwelt ,Presse', ,Verbände' etc. erfordert ein zustän­ diges Subsystem ,Presseamt' bzw. ,Public Relations Abteilung'. Werden die einzelnen Subumwelten aufgrund der Anwendung obiger Kriterien in der Mehrzahl als sicher oder unsicher beurteilt, so sprechen Paul R. Lawrence und Jay W. Lorsch von einer für die Verwaltung gleichartigen Umwelt. Sind die Subumwelten unterschiedlich sicher oder unsicher, so sprechen sie von einer ungleichartigen Umwelt. 15 Paul R. Lawrence und Jay W. Lorsch, Organization and Environment, Managing Differentiation and Integration, Homewood, Ill., 1969, S. 29 ff., ferner dieselben, Developing Organizations : Diagnosis and Action, Menlo Park, Cal. etc. 1969, S. 12 und 24 f. 1 6 Wolfgang H. Staehle, Organisation und Führung sozio-technischer Systeme, a.a.O., S. 73.

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2. Kap. : Bedarf an Koordination

Gleichartige Umweltverhältnisse erfordern weitgehend gleichartige Organisationsstrukturen und gleichartige Orientierung der Verwaltungs­ angehörigen. Entsprechend gilt für ungleichartige Umweltverhältnisse, daß sie unterschiedliche Strukturen und Orientierungen erfordern. Um diese Hypothesen zu überprüfen, haben die beiden Autoren folgende abhängige Variable einer Organisation herausgearbeitet 17 : - Ausmaß und Bedeutung formaler Regelungen und formaler Kommu­ nikationsbeziehungen (stark formalisiert - völlig unstrukturiert), - interpersonelle Orientierung der Führungskräfte (aufgabenorien­ tiert - personenorientiert), - Zeitorientierung der Führungskräfte (kurz-, mittel-, langfristig), - Zielorientierung der Führungskräfte (weitgestreut - straff ausgerichtet). Die Ergebnisse einer empirischen Untersuchung zeigten auf, daß Ver­ waltungen, die es mit sehr unsicheren Umwelten zu tun haben, einen äußerst niedrigen Grad an Strukturierung und Formalisierung und stark partizipative Elemente aufweisen. Die Zeitorientierung variierte in nahe­ zu linearer Beziehung zur Sicherheit der Umwelt. So ergab sich die Re­ lation „sehr unsichere Umwelt zu langfristigem Zeithorizont" und um­ gekehrt. Unsichere Umweltbedingungen führen zu einer breiten Streu­ ung möglicher Unterziele, sichere zu klaren Begrenzungen. Bei sehr si­ cherer und bei sehr unsicherer Umwelt zeigten sich die Verwaltungsan­ gehörigen aufgabenorientiert, bei einer mittleren Umweltunsicherheit überwiegend personenorientiert18 • Die Schlußfolgerungen, die für die Ermittlung der Koordinationsbe­ darfs in Abhängigkeit von der Verwaltungsumwelt aus diesen Ergebnis­ sen gezogen werden können, lauten: - Bei sicheren und gleichartigen Umweltbedingungen ist eine starke Formalisierung und nur eine schwache Differenzierung erforderlich. Die Zeitorientierung ist kurz- bis mittelfristig. Die Verteilung von Macht und Autorität dürfte durch eine starke Führungsspitze und eine schwache Basis gekennzeichnet sein. Die Koordination kann durch die Hierarchie in Form von Plänen und Vorschriften erfolgen, der Koordinationsbedarf ist gering. - Bei unsicheren und ungleichartigen Umweltbedingungen wird das System bzw. das Subsystem durch kaum zu formalisierende Aufga­ ben gekennzeichnet sein. Es ist eine starke Differenzierung zu er­ warten. Die Zeitorientierung dürfte langfristig sein, die Verteilung 17 Vgl. Paul R. Lawrence und Jay W. Lorsch, Organization and Environment, Managing Differentiation and Integration, a.a.O., S. 9 ff. 1s Vgl. ebenda, S. 9 f.

B. Determinanten des Koordinationsbedarfs

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von Macht und Autorität sehr gleichmäßig ausfallen. Hierarchien, Pläne und Vorschriften bilden kaum die adäquaten Instrumente, um die Koordinierung durchzuführen. Die hohe Umweltdynamik führt sowohl zu einer Erhöhung der Zahl der spezialisierten Abteilungen und Stellen als auch zu einer Vergrößerung der strukturellen Un­ terschiede zwischen diesen Abteilungen. Beide Tendenzen erhöhen die organisatorische Komplexität und damit auch den Koordinations­ bedarf19. Obwohl es bereits eine Reihe von empirischen Untersuchungen des Beziehungszusammenhanges zwischen Systemumwelt und Struktur und Verhalten des Systems gibt20 , kennzeichnen diese Arbeiten erst den Be­ ginn einer Entwicklung, ,,die einen in kleinen Schritten sich vollziehen­ den Wissensfortschritt markiert, der Hoffnungen auf eine mehrdimen­ sionale, operationale Erfassung der Bestimmungsfaktoren struktureller Lösungen zuläßt " 21 . II. Der Einfluß der Verwaltungsaufgabe auf den Koordinationsbedarf Nach herrschender Auffassung der deutschsprachigen Organisations­ literatur ist die Aufgabe Ausgangspunkt j eglicher organisatorischen Be­ tätigung22 . Bei dem dieser Arbeit zugrundegelegten Ansatz stellt die Aufgabe j edoch nur einen von vier den Koordinationsbedarf beeinflus­ senden Faktoren dar. Nicht berücksichtigt werden soll vorerst die Er­ kenntnis, daß die Organisationsziele und -aufgaben ihrerseits das Er­ gebnis von koordinierten Zielentscheidungen sind23 • Nicht hinreichend geklärt ist in der Literatur der Begriff der Auf­ gabe24. Vielfach wird Aufgabe synonym gebraucht zu Zweck, Ziel, Funk19 Vgl. Alfred Kieser und Herbert Kubicek, Organisationsstruktur und indi­ viduelles Verhalten als Einflußfaktor der Gestaltung von Management-Infor­ mationssystemen, a.a.O., S. 457, Paul R. Lawrence und Jay W. Lorsch, Organ­ ization and Environment, Managing Differentiation and Integration, a.a.O., s. 213 ff. 20 Vgl. Alfred Kieser, Der Einfluß der Umwelt auf die Organisationsstruktur der Unternehmung, in : Zeitschrift für Organisation, 43. Jg. 1974, S. 302 - 314, J. D. Thompson, Organization in Action, New York u. a. 1967, J. Child, The Business Enterprise in Modern Industrial Society, London 1969, F. E. Emery, E. L. Trist, The Causa! Texture of Organizational Environments, in : Systems Thinking, hrsg. von F. E. Emery, Bungay 1969, S. 241 - 257, J. A. Seiler, Systems Analysis in Organizational Behavior, Homewood, Ill. 1967. 21 Friedrich Hoffmann, Entwicklung der Organisationsforschung, a.a.O., s. 284. 22 Vi!l. Erich Kosiol, OrJ?anisation der Unternehmung, a.a.0., S. 41, W. E. Abegglen, Die Organisation der Unternehmensleitung, Zürich 1966, S. 14, Knut Bleicher, Zentralisation und Dezentralisation von Aufgaben in der Organisation der Unternehmungen, Berlin 1966, S. 24. 23 Vgl. Werner Kirsch, Die Koordination von Entscheidungen in Organisa­ tionen, a.a.O., S. 67.

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2. Kap. : Bedarf an Koordination

tion, Anliegen, Bedürfnis, Pflicht, Auftrag und Obliegenheit25 • ,,Bei der Verwendung des Wortes zu fachlicher Aussage ist im soziologischen, po­ litologischen, staatsrechtlichen, verwaltungswissenschaftlichen, finanz­ wissenschaftlichen, betriebswissenschaftlichen und organisationswissen­ schaftlichen Sprachgebrauch mit unterschiedlichen Vorstellungsinhalten zu rechnen26 . " Im folgenden soll unter Aufgabe die Notwendigkeit oder der Auftrag an Personen oder Institutionen verstanden werden, einen als Soll-Zustand definierten Zustand herzustellen, d. h. ergebnisorientiert tätig zu werden. Die Aufgabe entsteht, wenn die Kenntnisse über den Ist-Zustand die Differenz zur Vorstellung über den Soll-Zustand deut­ lich machen und diese Differenz einen bestimmten Schwellenwert über­ schreitet. Der Soll-Zustand eines Systems bzw. einer seiner Variablen läßt sich dann als Ziel begreifen27 • Folgende Begriffselemente dienen zur weiteren Konkretisierung der Aufgabe28 : - Der Arbeitsprozeß, der die Frage nach der Verrichtung (Art der Lei­ stung), der Handlung oder der Aktivität und die Frage nach dem Ob­ jekt, dem Gegenstand oder dem Sachgebiet, an bzw. auf welchem die Verrichtung vollzogen wird, umfaßt; - die Mittel (sachliche Hilfsmittel), die für die Erfüllung der Aufgabe eingesetzt werden sollen; - der Raum (örtliche Bedingungen), der für die Erfüllung der Aufgabe vorgesehen ist; - die Zeit (zeitliche Bedingungen), in der die Erfüllung der Aufgabe vorgesehen ist. Interessant für die zu untersuchende Fragestellung ist in diesem Zu­ sammenhang die Klärung des Begriffs des Aufgabenbereichs. Als Auf­ gabenbereich kann derjenige Teilbereich der Umwelt definiert werden, der mit der Aufgabendurchführung befaßt und dessen Einsatz oder Mit­ wirkung zur Durchführung der Aufgabe erforderlich ist. Er ist nicht an die Grenzen einer Verwaltung gebunden, d. h. er kann eine Verwaltung oder mehrere Verwaltungen ganz oder teilweise umfassen211 • Aufgabe 24 Vgl. Erhard Mäding, Aufgaben der öffentlichen Verwaltung, in : Die Ver­ waltung 1973, S. 257 ff. 25 Vgl. J. Hoffmeister, Wörterbuch der philosophischen Begriffe, 2. Aufl., Hamburg 1955, Knut Bleicher, Zentralisation und Dezentralisation von Auf­ gaben in der Organisation der Unternehmungen, a.a.O., S. 24 f. 26 Erhard Mäding, Aufgaben der öffentlichen Verwaltung, a.a.O., S. 258. 27 Vgl. W. Christen, H. H. Koelle, R. Mackensen, E. Noack unter Mitarbeit von F. Mohrmann, Begriffsdefinitionen der Systemanalyse unter besonderer Berücksichtigung der Zielanalyse, in : analysen und prognosen, 1971, S. 18 f. 28 Vgl. Erich Kosiol, Organisation der Unternehmung, a.a.O., S. 43, Erich Kosiol, Grundlagen und Methoden der Organisationsforschung, Berlin 1959, s. 24. 28 Vgl. W. Christen, H. H. Koelle, R. Mackensen, E. Noack unter Mitarbeit von F. Mohrmann, Begriffsdefinitionen der Systemanalyse unter besonderer Berücksichtigung der Zielanalyse, a.a.O., S. 18.

B. Determinanten des Koordinationsbedarfs

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und Aufgabenbereich müssen klar abgegrenzt sein, um den Koordina­ tionsbedarf exakt ermitteln zu können. Untersucht man die Subsysteme eines sozio-technischen Systems, so stellt man fest, daß innerhalb des Subsystems Aufgaben zu erfüllen sind, die sich in ihrer Gesamtheit von den Aufgaben der übrigen Subsysteme und des Gesamtsystems unterscheiden. Die Art der zu erfüllenden Auf­ gaben hängt wesentlich von den Anforderungen ab, die von außen an die Subsysteme herangetragen werden30 • Um Aussagen über den j eweiligen Koordinationsbedarf ableiten zu können, bedarf es einer eingehenden Klärung von Art und Umfang der zu lösenden Aufgabe. Die von einer Verwaltung als sozio-technischem System zu erfüllenden Aufgaben lassen sich unter folgenden Aspekten betrachten31 : - Determiniertheit - Komplexität - Wiederholungshäufigkeit - Konstanz. Organisatorisch zu regelnde Aufgaben einer Verwaltung oder ihrer Teile können durch unterschiedliche Ausprägungen der aufgeführten Merkmale gekennzeichnet sein. Dabei ist die Determiniertheit die Grundvoraussetzung, die erfüllt sein muß, damit überhaupt von einer Aufgabe gesprochen werden kann. Aufgabe war als die Notwendigkeit oder der Auftrag definiert worden, die Differenz zwischen einem Ist-Zustand und einem Soll-Zustand zu beseitigen. Der Grad der Determiniertheit der Aufgabe hängt von dem Ausmaß ab, in dem der Soll-Zustand und der Ist-Zustand bekannt sind und in dem die zur Aufgabenerfüllung notwendigen Informationen vor­ handen und zuverlässig sind bzw. verfügbar und zuverlässig gemacht werden können. Je weniger Informationen über die Art der zukünftig zu erfüllenden Aufgaben vorliegen, desto weniger können die Aufgaben formuliert werden32 . " Die Hauptschwierigkeit bei der Formulierung der Aufgaben dürfte in der Beschreibung und Festlegung des Soll-Zustandes bzw. des Zieles liegen. Geht man von der inzwischen allgemein akzeptierten These aus, daß die Ziele einer Verwaltung keineswegs gegeben und unveränder­ lich sind, sondern im Rahmen eines Zielentscheidungsprozesses außer30 Vgl. Götz Schmidt, Bestimmungsfaktoren organisatorischer Lösungen, Zur Differenzierung organisatorischer Aussagen, a.a.O., S. 356. 31 Vgl. ebenda, S. 357. 32 Götz Schmidt, Bestimmungsfaktoren organisatorischer Lösungen, Zur Differenzierung organisatorischer Aussagen, a.a.0., S. 358.

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2. Kap. : Bedarf an Koordination

halb und innerhalb der Verwaltung vereinbart und an veränderte Um­ weltbedingungen angepaßt werden33 , so zeigt sich, daß bereits im Rah­ men dieses Prozesses Koordinationsprobleme auftreten können. Die Verwaltung stellt sich in dieser Sicht als eine Koalition der Verwaltungs­ angehörigen dar34 • Die einzelnen Verwaltungsangehörigen verfügen zwar über heterogene und konkurrierende individuelle Werte. Sie einigen sich j edoch im Rahmen eines Aushandlungsprozesses auf gemeinsame Verwaltungsziele35 • Ohne auf den Zielbildungsprozeß näher einzugehen3G , kann doch die Schlußfolgerung aus den oben angestellten Überlegungen gezogen wer­ den, daß zwischen den Zielen in der Verwaltung und den Zielen der Ver­ waltung zahlreiche Interdependenzbeziehungen bestehen. Neben den „internen" Organisationsmitgliedern, d. h. den Verwaltungsangehörigen wie Management und Arbeitnehmer, die j eweils wiederum zu Subkoa­ litionen mit unterschiedlichen Zielvorstellungen zusammengeschlossen sein können, gehören auch die „ externen " Organisationsteilnehmer wie politische Parteien, Verbände, Massenmedien, Bürgerinitiativen, Benut­ zer, Kunden, Lieferanten, Berater, Aktionäre etc. zur Verwaltung. Die Interdependenzbeziehungen bedürfen einer eingehenden Analyse. Erst dann lassen sich Aussagen über den Koordinationsbedarf treffen. Die Entscheidungen eines jeden Entscheidungsträgers innerhalb einer Verwaltung sind nun insofern interdependent, als die Aktionen des einen sich auf die Handlungsbedingungen von anderen, d. h. auf deren Umweltbedingungen auswirken. Dabei ist zwischen komplementären 33 Vgl. Richard M. Cyert und James G. March, A Behavioral Theory of the Firm, a.a.O., S. 27 ff., Werner Kirsch, Entscheidungsprozesse, Band III : Ent­ scheidungen in Organisationen, a.a.O., S. 115. 3 4 Vgl. zur Konzeption der Organisation als Koalition J. D. Thompson, Orga­ nizations in action, a.a.O., M. Haire (Hrsg.), Modern Organization Theory, New York - London 1959 ; W. R. Dill, Business Organizations, in : J. G. March (Hrsg.), Handbook of Organizations, Chicago 1965, S. 1071 ff., R. M. Cyert und J. G. March, A Behavioral Theory of the Firm, a.a.O., S. 27 ff. 35 Vgl. Werner Kirsch, Entscheidungsprozesse, Band III : Entscheidungen in Organisationen, a.a.O., S. 1 15. 38 Vgl. zu Individual- und Organisationszielen Johannes Bidlingmaier, Un­ ternehmerziele und Unternehmerstrategien, Wiesbaden 1964, derselbe, Zur Zielbildung in Unternehmungsorganisation, in : Zeitschrift für Betriebswirt­ schaft 1967, S. 246 ff., derselbe, Unternehmerische Zielkonflikte und Ansätze zu ihrer Lösung, in : Zeitschrift für Betriebswirtschaft 1968, S. 149 ff. ; derselbe, Zielkonflikte und Zielkompromisse im unternehmerischen Entscheidungs­ prozeß, a.a.O., Richard M. Cyert und James G. March, A Behavioral Theory of Organizational Objectives, in : M. Haire (Hrsg.), Modem Organization Theory, New York - London 1959, S. 76 ff., Edmund Heinen, Die Zielfunktion der Unter­ nehmung, in : Helmut Koch (Hrsg.), Zur Theorie der Unternehmung, Fest­ schrift 7.Um 65. Geburtstag von E. Gutenberg, Wiesbaden 1962, S. 11 ff., der­ selbe, Das Zielsystem der Unternehmung, Wiesbaden 1966, Werner Kirsch, Die Unternehmensziele an organisationstheoretischer Sicht, in : Zeitschrift für be­ triebswirtschaftliche Forschung, 1969, S. 665 - 675, James G. March und Herbert A. Simon, Organisations, a.a.O.

B. Determinanten des Koordinationsbedarfs

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und kompetitiven Interdependenzen zu unterscheiden, die jeweils ein­ seitig oder wechselseitig sein können. Erhöht ein Entscheidungsträger durch seine Entscheidung die Zieler­ füllungsgrade eines oder mehrerer anderer Entscheidungsträger, ohne daß diese ihre Handlungen ändern, so liegt eine einseitige komplemen­ täre Interdependenz vor. Sie ist wechselseitig, wenn die Entscheidungen des einen und die Entscheidungen des anderen Entscheidungsträgers diese Wirkung zeitigen. Bei kompetitiven Interdependenzen beeinträch­ tigt ein Akteur durch seine Entscheidung die Zielerfüllungsgrade eines (mehrerer) anderen. Das Vorliegen einer Interdependenz allein genügt noch nicht, um eine Koordinierungsnotwendigkeit zu begründen. Die In­ terdependenz muß vielmehr „wesentlich" sein, denn bei schwachen In­ terdependenzen kann der Nutzen der Koordinierung nur gering sein37 • Der Koordinationsbedarf hängt also von der Zahl, der Art und der Intensität der Interdependenzbeziehungen zwischen den beteiligten Ent­ scheidungsträgern ab. Je größer die Anzahl ist, je höher die Abhängig­ keit, um so schwieriger dürfte bei kompetitiven Interdependenzen die Koordination sein. Bestehen hingegen wenige Interdependenzbeziehun­ gen, die sich darüber hinaus noch ergänzen, dürfte es sich um einen ge­ ringen Koordinationsbedarf handeln. Liegen zahlreiche, durch Interdependenzbeziehungen verbundene Zie­ le vor, wird es sich in der Regel nicht um einfache Aufgaben, sondern um komplexe Aufgaben handeln. Die Komplexität einer Aufgabe kann an der Zahl der zu verknüpfenden Elementaraufgaben gemessen wer­ den38 . Eine komplexe Aufgabe zerfällt in viele Einzelteile. Sie ist jedoch nicht teilbar, d. h. die Einzelteile verbleiben in einem engen Zusammen­ hang, der sich aus der Interdependenz der Ziele ergibt. Komplexe Auf­ gaben führen üblicherweise zu einer sehr hohen Planungsintensität. Sie zeichnen sich durch einen hohen Steuerungs-, Informations- und damit auch Koordinationsbedarf aus. Neben der Determiniertheit und der Komplexität der Organisations­ aufgabe spielt die Wiederholungshäufigkeit einer Aufgabe hinsichtlich der Ermittlung des Koordinationsbedarfs eine wichtige Rolle. Sich häu­ fig wiederholende Aufgaben führen zum Auftreten von Lerneffekten. Die damit verbundene routinemäßige Abwicklung von Tätigkeiten führt zu einer Verringerung des Koordinationsbedarfs. Es kann davon aus­ gegangen werden, daß ceteris paribus repetitive Aufgaben programmier­ bar sind. Vollprogrammierte Aufgaben sind Aufgaben mit 87

Vgl. Hans K. Schneider, Plankoordinierung in der Regionalpolitik, a.a.O.,

s. 243.

38 Vgl. zum Begriff der Elementaraufgabe Erich Kosiol, Organisation der Unternehmung, a.a.O., S. 48.

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2. Kap.: Bedarf an Koordination

- vorgegebenen Zwecken und Zielen39 , - vorgegebenen, aufgabenauslösenden stimuli40, - vorgegebenen Alternativen4 1, soweit mehrere Alternativen überhaupt erforderlich sind, und - vorgegebenen Entscheidungsregeln42, soweit Alternativen program­ miert sind. Dieser Aufgabentyp dürfte gemeint sein, wenn von „standardisierten", ,,mechanisierten", ,,routinisierten", ,,strukturierten", ,,spezialisierten" Aufgaben die Rede ist43 • Liegen programmierte Aufgaben vor, können die einzelnen mit der Aufgabe betrauten Einheiten mit Entscheidungsregeln ausgestattet wer­ den, deren Einhaltung auch die Abstimmung mit anderen Einheiten sicherstellt. Regeln dieser Art sind z. B. in Geschäftsverteilungsplänen, Stellenbeschreibungen und/oder Organisationshandbüchern festgehalten oder gehören zum ,Erfahrungsschatz' einer Organisation. Diese Form der Koordination ist, soweit die Entscheidungsregeln bekannt sind, gut prognostizierbar44 • Häufig wiederkehrende Aufgaben können üblicher­ weise bis ins Detail festgelegt werden. Probleme der Arbeitsteilung und damit der Spezialisierung und der Formalisierung lassen sich relativ leicht lösen, da der zur Aufgabenerfüllung notwendige Informationsaus­ tausch bei dieser Art von Aufgaben weitgehend vorgeschrieben werden kann. Hierarchische ad hoc Entscheidungen sind in der Regel selten zu treffen. Die Entscheidungskompetenz läßt sich in weitem Umfang zen­ tralisieren4 5. 39 Zur Unterscheidung von Zweck und Ziel vgl. H. Bosetzky, Grundzüge einer Soziologie der Industrieverwaltung, Stuttgart 1970, S. 12 ff. 40 „Stimulus" wird hier begriffen als derjenige reale Umweltzustand, der den Tatbestand der Aufgabennorm erfüllt : wenn x, dann . . . Vgl. hierzu James G. March und Herbert A. Simon, Organizations, a.a.O., S. 136 ff., und Niklas Luhmann, Opportunismus und Programmatik in der öffentlichen Ver­ waltung, in : Niklas Luhmann, Politische Planung, Opladen 1972, S. 165 ff. 41 Zum Alternativenproblem im Entscheidungsprozeß des aufgabenlösenden Aufgabenträgers vgl. James G. March und Herbert A. Simon, Organizations, a.a.O., S. 136 ff. 42 Eine Entscheidungsregel im weiteren Sinne gibt an, welche Alternative im Hinblick auf die verfolgten Ziele und Zwecke und der betrachteten Auf­ gaben-Umwelt auszuwählen ist, vgl. dazu: James G. March und Herbert A. Simon, Organizations, a.a.O., S. 136 f., weiterhin Gerard Gäfgen, Theorie der wirtschaftlichen Entscheidung, 2. Aufl., Tübingen 1968, S. 240 ff. 43 Vgl. zum Begriff der programmierten Aufgabe Bernd Becker, Aufgaben­ typ und Organisationsstruktur von Verwaltungsbehörden : Strukturfolgen pro­ grammierter und nicht-programmierter Verwaltungsaufgaben, in : Die Ver­ waltung, 1976, S. 280 f. 44 Vgl. Alfred Kieser und Herbert Kubicek, Organisationsstruktur und indi­ viduelles Verhalten als Einflußfaktoren der Gestaltung von Management-In­ formationssystemen, a.a.O., S. 455. 45 Vgl. Götz Schmidt, Bestimmungsfaktoren organisatorischer Lösungen, Zur Differenzierung organisatorischer Aussagen, a.a.O., S. 357.

B. Determinanten des Koordinationsbedarfs

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Die Frage nach dem Koordinationsbedarf bei einmal oder sehr selten auftretenden Aufgaben läßt sich nicht ohne weiteres beantworten. Die organisatorischen Folgen bei einer derartigen Aufgabe hängen in we­ sentlich stärkerem Maße von den übrigen Einflußfaktoren ab, insbeson­ dere von der Komplexität der Aufgabe. Da z. B. auch Lerneffekte so gut wie nicht auftreten, spricht man bei diesen Aufgaben von nichtprogram­ mierten oder auch von schlecht-strukturierten Aufgaben. Der Koordi­ nationsbedarf ist bei derartigen Aufgaben in der Regel hoch. Aufgaben mit einer bestimmten Wiederholungshäufigkeit können noch hinsichtlich ihrer Konstanz untersucht werden. Treten bestimmte Auf­ gaben immer in der gleichen Form mit den gleichen Anforderungen auf, so ergeben sich andere Konsequenzen für die Struktur und das Verhalten von Organisationen, als wenn zwar gleichbleibende Aufgaben zu erfül­ len sind, die Anforderungen der Aufgabenerfüllung sich aber ständig verändern. Eine geringe Konstanz bzw. eine große Wandelbarkeit einer Aufgabe erfordert eine erhöhte Anpassungsfähigkeit der Verwaltung, die durch eine dezentrale Regelung erreicht werden kann, d. h. der Ko­ ordinationsbedarf nimmt zu4�. Gerade in diesem Punkt zeigt sich die enge Abhängigkeit der Konstanz bzw. Wandelbarkeit der Aufgaben von der Änderungsrate der Umwelt. Es kann unterstellt werden, daß die stei­ gende Veränderungsrate auf technologischem wie auch auf sozialem Ge­ biet in wachsendem Umfang eine größere Anpassungsfähigkeit der Ver­ waltung erfordert. Der Bezug zu strukturellen Anpassungsformen läßt sich über die Aufgaben herstellen. Wandlungen der Umwelt wirken sich unmittelbar oder mittelbar auf die Aufgaben der Verwaltung aus, und hier wiederum in unterschiedlichem Ausmaß in den verschiedenen Berei­ chen bzw. Einzelverwaltungen4 7 • Die bisher angeführten Merkmale machen deutlich, daß von den zu erfüllenden Aufgaben erhebliche Einflüsse auf die zu wählende Struk­ tur und auf das Verhalten der Verwaltung ausgehen. Bevor konkrete organisatorische Entscheidungen gefällt werden, sollten Determiniert­ heit, Komplexität, Wiederholungshäufigkeit und Konstanz der Aufgaben einer gründlichen Analyse unterzogen werden. Da diese Merkmale in verschiedenen Verwaltungen, aber auch innerhalb einer Verwaltung in den verschiedenen Bereichen und auf verschiedenen hierarchischen Ebenen häufig unterschiedlich sind, lassen sich keine allgemeingültigen Aussagen über den Koordinationsbedarf und über den „optimalen" Ein­ satz der Koordinationsinstrumente machen. 46 Vgl. Knut Bleicher, Zur Zentralisation und Dezentralisation von Entschei­ dungsaufgaben der Unternehmung, in : Die Unternehmung, 1969, S. 125. 47 Vgl. Götz Schmidt, Bestimmungsfaktoren organisatorischer Leistungen, Zur Differenzierung organisatorischer Aussagen, a.a.O., S. 358.

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2. Kap. : Bedarf an Koordination

III. Der Einfluß der Verwaltungsangehörigen auf den Koordinationsbedarf

Vom Menschen als Aufgabenträger gehen eigene Einflüsse auf die Verwaltung aus. Der Koordinationsbedarf hängt wesentlich von der Per­ sonalausstattung ab, d. h. von den quantitativen und qualitativen Kapa­ zitäten, die der Verwaltung zur Aufgabenerfüllung zur Verfügung ste­ hen. Die Einflüsse des Menschen auf die Struktur und vor allem auf das Verhalten von Verwaltungen variieren insbesondere hinsichtlich1 - der Leistungsfähigkeit und - der Leistungsbereitschaft. Die Kenntnis der vorhandenen Leistungsfähigkeit, die im Zeitablauf beeinflußbar ist, erlaubt bestimmte Aussagen über den Koordinations­ bedarf. Man wird davon ausgehen können, daß in Organisationsberei­ chen oder hierarchischen Ebenen, in denen tendenziell mehr qualifizierte Aufgabenträger eingesetzt sind, eher starke hierarchische Beziehungen abgebaut, strenge Formalisierungen gelockert, Entscheidungsbefugnisse delegiert, Kommunikationsbeziehungen freigegeben und Kontrollen ver­ mindert werden können2 • Sieht man die vorhandenen Kapazitäten im Zusammenhang mit der Verwaltungsaufgabe, ergeben sich folgende Schlußfolgerungen3 : - Bei Konzentration der Entscheidungsbefugnisse in einer Hand ist die quantitative Kapazität für das Treffen von Entscheidungen stark begrenzt. - Die zu treffenden Entscheidungen sind nach ihrer Art verschieden und setzen unterschiedliche Fähigkeiten bei den Entscheidungsträ­ gern voraus. Beide Schlußfolgerungen gebieten eine Arbeitsteilung, d. h. eine Auf­ teilung der Entscheidungsbefugnisse auf mehrere Personen. Durch Ko­ ordination sind die durch die Arbeitsteilung zunächst zerschnittenen Ver­ bindungen zwischen den Entscheidungsbereichen wiederherzustellen. Bei repetitiven Aufgaben erscheint ein hoher Organisations- und Formali­ sierungsgrad möglich und ökonomisch sinnvoll. Da es sich bei diesen Aufgaben regelmäßig nicht um Problemlösungssituationen handeln dürf­ te, sind die Anforderungen an die Leistungsfähigkeit gering. Die Ent­ scheidungsbedürfnisse tendieren zu einer Zentralisation und führen zu keinem hohen Koordinationsbedarf. Liegen dagegen kreative Aufgaben vor, werden erhöhte Anforderungen an die Leistungsfähigkeit der Or­ ganisationsmitglieder gestellt. Da diesen Aufgaben in der Regel klar ge1 Vgl. Götz Schmidt, Bestimmungsfaktoren organisatorischer Lösungen, Zur Differenzierung organisatorischer Aussagen, a.a.O., S. 358. 2 Vgl. ebenda, S. 358. 3 Vgl. Dietrich Adam, Koordinationsprobleme bei dezentralen Entschei­ dungen, a.a.O., S. 618.

B. Determinanten des Koordinationsbedarfs

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gebene Wiederholungsmerkmale fehlen, sind sie im Grenzfall organi'­ satorisch nur noch als Zuständigkeit (Kompetenz) ohne j egliche nähere Konkretisierung regelbar. Für den Aufgabenträger verbleibt ein ent­ sprechend hoher dispositiver Freiheitsgrad; vieles wird der informalen Organisation überlassen bleiben4 • Eine Zentralisation derartiger Ent­ scheidungen ist kaum denkbar, da es aufgrund theoretischer Überlegun­ gen wie nach praktischer Erfahrung nur in begrenztem Maße möglich erscheint, die Informationsbestände spezialisierter Einheiten auf eine zentrale Planungs- und Entscheidungseinheit zu übertragen. ,,Deshalb muß j ede Zentralisierung mit Informationsverlusten bezahlt werden, die rasch so gravierend werden können, daß der erreichbare Gewinn an Ent­ scheidungsfähigkeit den Verlust an Entscheidungsqualität nicht mehr aufwiegen kann5 . " Auf die Frage, wie die Leistungsfähigkeit der Verwaltungsangehöri­ gen gesteigert und damit unter Umständen der Koordinationsbedarf verringert werden kann, soll im Rahmen dieser Arbeit nicht eingegangen werden, da es sich hier um Probleme der Personalplanung, insbesondere der Mitarbeiterfortbildung handelt. Leichter als die direkte Beeinflussung der Leistungsfähigkeit ist die Steigerung der Leistungsb ereitschaft, die unmittelbar abhängig von ge­ wählten organisatorischen Lösungen ist. Geht man von dem Gedanken aus, daß der Mensch als Aufgabenträger einen eigenen Willen, eigene Ziele hat, die nicht unbedingt mit den Zielen der Verwaltung überein­ stimmen müssen, so kann man unterstellen, daß der Koordinationsbe­ darf innerhalb einer Behörde geringer wird, je mehr es gelingt, die Ziele der Verwaltungsangehörigen mit denen der Verwaltung in Einklang zu bringen. Der Mensch muß somit motiviert werden, die anstehenden Aufgaben mit seinem vorhandenen Leistungspotential zu erfüllen. Da­ bei können Zielgrößen sein „Loyalität", ,,Lernfähigkeit", ,,Fähigkeit zur Selbstkoordination", ,,Kreativität" , ,,Kooperationsfähigkeit", ,, Teamfä­ higkeit", ,,Fähigkeit zur Motivierung anderer" etc.6 • Diese Zielgrößen lassen sich als Ansatzpunkte bei der Änderung oder Entwicklung der Mitarbeiterführung begreifen. In den vergangenen Jahren haben zahl­ reiche Ansätze zur Modernisierung des Führungsstils und zur Konzipie­ rung neuer Führungssysteme geführt, die j eweils einen unterschiedli­ chen Einfluß auf den Koordinationsbedarf haben7 . So fördert z.B. ein autoritärer Führungsstil mit Sicherheit nicht in dem Maße die Leistungs4 Vgl. Knut Bleicher, Führungsstile, Führungsformen und Organisations­ formen, in : Zeitschrift für Organisation, 1969, S. 40. 5 Fritz W. Scharpf, Probleme der politischen Aufgabenplanung, a.a.O., S. 16. 6 Vgl. Helmut Klages und Rolf W. Schmidt, Analyse von Organisations­ änderungen, in : Speyerer Arbeitshefte Nr. 7, Speyer 1976, S. 35. 7 Vgl. Helmut Klages und Rolf W. Schmidt, Analyse von Organisationsände­ rungen, a.a.O., S. 36.

5 Speyer 72

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2. Kap. : Bedarf an Koordination

bereitschaft der Mitarbeiter wie es bei einem demokratischen Führungs­ stil der Fall ist. Im Hinblick auf den Koordinationsbedarf sind zwei ge­ genläufige Tendenzen zu verzeichnen. Während man davon ausgehen kann, daß bei erhöhter Leistungsbereitschaft der Koordinationsbedarf abnimmt, dürfte bei einem demokratischen Führungsstil eine Zunahme des Koordinationsbedarfs zu verzeichnen sein, da Entscheidungen nicht von „oben" getroffen werden, sondern erst gemeinsam erarbeitet und vorbereitet werden müssen. Umgekehrt verringert ein autoritärer Führungsstil den Koordinations­ bedarf, denn Entscheidungen werden j eweils auf der Vorgesetztenebene gefällt, ohne die Mitarbeiter am Entscheidungsprozeß zu beteiligen. Da andererseits der autoritäre Führungsstil die Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter nicht gerade fördert, ergibt sich ein erhöhter Koordinations­ bedarf aus der Tatsache, daß die Ziele der Behörde nicht unbedingt mit denen der Mitarbeiter in Einklang zu bringen sind. Ähnliche Überlegungen können bezüglich des Einflusses der unter­ schiedlichen Managementkonzeptionen auf die Leistungsbereitschaft der Verwaltungsangehörigen und damit auf den Koordinationsbedarf ange­ stellt werden. So entsteht beim bürokratischen Managementsystem ein geringerer Koordinationsbedarf als z. B. beim Management by Objecti­ ves, das auf dem Prinzip der Verantwortungs- und Entscheidungsdele­ gatio:p. basiert. IV. Der Einßuß der Technologie auf den Koordinationsbedarf

Mit zunehmender technischer Integration der Aufgabenerfüllungspro­ zesse vermindert sich der Planungsbedarf für die Aufgabenerfüllung 1 • Es muß also der Einfluß der Sachmittel, das sind in erster Linie die In­ formationstechnologie, die Planungs- und Entscheidungsmethodik und die Produktions-/Arbeitstechnik, auf den Koordinationsbedarf unter­ sucht werden. Entscheidend ist die Frage, ob Sachmittel eingesetzt wer­ den und, wenn j a, in welchem Umfang und mit welcher Leistungsfähig­ keit. Mit erhöhtem Einsatz und steigender Leistungsfähigkeit gehen Ein­ flüsse von Sachmitteln aus, die den Koordinationsbedarf entscheidend be­ stimmen. So hat der Einsatz der elektronischen Datenverarbeitung (EDV) als Sachmittel Konsequenzen auf die Zentralisation oder die Dezentrali­ sation von Entscheidungsbefugnissen2 • Wesentliche Argumente für eine Zentralisation von Entscheidungsaufgaben und damit für eine Reduzie1 Vgl. Alfred Kieser und Herbert Kubicek, Organisationsstruktur und indi­ viduelles Verhalten als Einflußfaktoren der Gestaltung von Management-In­ formationssystemen, a.a.O., S. 548. 2 Vgl. Götz Schmidt, Bestimmungsfaktoren organisatorischer Lösungen, Zur Differenzierung organisatorischer Aussagen, a.a.O., S. 355.

C. Die Ermittlung des Koordinationsbedarfs

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rung des Koordinationsbedarfs ergeben sich aus der Tatsache, daß die technischen Hilfsmittel die Bedingungen zu wesentlichen Teilen auf­ heben, die früher zu einer Dezentralisation zwangen3 : - Alle relevanten Informationen lassen sich mit Hilfe der EDV an je­ der beliebigen Stelle zentralisieren. - Eine zentrale Kontrolle der Durchführung und der Auswirkungen der Entscheidungen ist möglich. - Die Übernahme von Routineaufgaben, insbesondere von Routineent­ scheidungen durch die EDV erhöht die Leistungskapazität der Lei­ tungsstellen. Allerdings läßt sich aus dem Einsatz von EDV auch eine gegenläufige Begründung ableiten: - Durch die Verbesserung der Informationsbedingungen können jetzt auch dezentral Entscheidungen getroffen werden, die früher zentra­ lisiert werden mußten, da nur die Verwaltungsspitze die nötigen umfassenden Informationen besaß. Bei Einsatz der EDV kann j ede dezentrale Stelle unmittelbar mit den relevanten Informationen ver­ sorgt werden. - Die verbesserten Kontrollmöglichkeiten erlauben eine verstärkte Delegation von Entscheidungsbefugnissen. Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß mit dem zunehmenden Einsatz und steigender Leistungsfähigkeit der zur Anwendung gelang­ ten Technologie organisatorische Folgen unausweichlich sind. Tendenziell nehmen die Spezialisierung und die Formalisierung ab, das Kommunika­ tionssystem wird weiter von den Weisungswegen losgelöst und die Hier­ archie wird flacher. Gleichzeitig wachsen aber die Kontrollintensität und die Entscheidungszentralisation. Insgesamt gesehen sinkt also der Koordinationsbedarf bei zunehmender Substitution des Faktors Arbeit durch den Faktor Sachmittel. C. Die Ermittlung des Koordinationsbedarfs

Die Gestaltung der Organisationsstruktur, also der Aufbauorganisa­ tion, und des Verhaltens der Verwaltung, also der Ablauforganisation, hat von der Mehrdimensionalität des Verwaltungssystems auszugehen. Da aber die Interdependenzen zwischen den struktur- und verhaltens3 Vgl. Erwin Grochla, Zur Diskussion über die Zentralisationswirkung auto­ matischer Datenverarbeitungsanlagen, in : Zeitschrift für Organisation, Heft 1/2, 1969, S. 47 - 53, vgl. weiterhin Knut Bleicher, Zur Zentralisation und De­ zentralisation von Entscheidungsaufgaben der Unternehmung, in : Die Unter­ nehmung, Heft 2, 1959, S. 132 - 134.

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2. Kap. : Bedarf an Koordination

bestimmenden Faktoren einerseits und gemeinsamer Einfluß auf den Koordinationsbedarf andererseits noch nicht zufriedenstellend erforscht worden ist, erscheint es zur Zeit noch unmöglich, den Koordinationsbe­ darf ex ante oder auch nur ex post zu ermitteln. Empirische ex post­ Analysen könnten wesentlich dazu beitragen, die Zusammenhänge zu verdeutlichen1 . In der jüngsten Vergangenheit ist eine Ausweitung des Koordinations­ bedarfs zu beobachten, die nach Klaus König auf zwei wesentliche Grün­ de zurückzuführen ist2 : Der erste ist quantitativer Natur. Der Staatsan­ teil an den sozialen Aktivitäten hat sich in unserer Gesellschaft ständig ausgedehnt. Die öffentlichen Aufgaben wurden immer umfangreicher und komplexer, was letztlich eine Zunahme der öffentlichen Verwaltung bewirkte. ,,Fällt aber in einer hochdifferenzierten Gesellschaft immer mehr Verwaltungsarbeit an, dann stellen sich auch immer neue Arbeits­ teilungen ein. Der Koordinationsbedarf wächst3 . '' Hier zeigt sich der un­ mittelbare Zusammenhang zwischen den zu lösenden, entweder zu er­ wartenden oder bestehenden Aufgaben und dem Koordinationsbedarf. Detaillierte Aufgabenanalysen, Aufgabenkritik und Aufgabenplanung wären ein wesentlicher Schritt zur Lösung der wachsenden Koordina­ tionsprobleme4 • 1 Vgl. Michael Wollnik und Herbert Kubicek, Einflußfaktoren der Koordina­ tion in Unternehmungen. Eine Neuformulierung der empirischen Ergebnisse von Pugh et al. und Child, in : Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, 1976, S. 502 ff., Alfred Kieser und Herbert Kubicek, Organisationsstruktur und individuelles Verhalten als Einflußfaktoren der Gestaltung von Management­ Informationssystemen, a.a.O., S. 449 ff., Alfred Kieser, Der Einfluß der Umwelt auf die Organisationsstruktur der Unternehmung, a.a.O., S. 302 ff., Alfred Kieser, Einflußgrößen der Unternehmensorganisation, a.a.O., D. S. Pugh, D. J. Hickson, C. R. Hinings und C. Turner, The Context of Organization Structures, a.a.O., J. Child, R. Mansfield, Technology, Size, and Organization Structure, a.a.O. 2 Vgl. Klaus König, Koordination und Regierungspolitik, in : Deutsches Ver­ waltungsblatt, Heft 7, 1975, S. 226, desgleichen unter dem Titel : Die Rolle zentraler oder ressorteigener Einheiten für die Planung im Bereich der Politik­ entscheidung und Prioritätensetzung, Länderbericht: Bundesrepublik Deutsch­ land, in : Heinrich Siedentopf (Hrsg.), Regierungspolitik und Koordination, Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Band 57, Berlin 1976, S. 229. 3 Klaus König, Koordination und Regierungspolitik, a.a.O., S. 226. 4 Vgl. zum Problem der Aufgabenplanung Dieter Aderhold, Kybernetische Regierungstechnik in der Demokratie, München - Wien 1973, S. 109 ff., Ulrich Becker und Rudolf Dieckmann. Aufgabenkritik - am Beispiel der Freien und Hansestadt Hamburg, in : KGST (Hrsg.), Organisation und Effizienz der öffentlichen Verwaltung II, Köln - Eindhoven 1976, S. 146 - 180, Erhard Mä­ ding, Zwecke und Verfahren der Aufgabenkritik, in : KGST (Hrsg.), Organisa­ tion und Effizienz der öffentlichen Verwaltung II, Köln - Eindhoven 1976, S. 181 - 184, Frido Wagener, Aufgabenplanung in der parlamentarischen De­ mokratie, in : Öffentliche Aufgaben in der parlamentarischen Demokratie, Ein Cappenberger Gespräch, Köln 1975, Reimut Jochimsen, Zum Aufbau und Ausbau eines integrierten Aufgabenplanungssystems und Koordinations­ systems der Bundesregierung, Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, Bonn 1970, S. 949 - 957.

C. Die Ermittlung des Koordinationsbedarfs

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Der zweite Grund für die Zunahme des Koordinationsbedarfs ist in der qualitativen Veränderung der Anforderungen an die öffentliche Ver­ waltung zu sehen. Rationales Staatshandeln ist dadurch charakterisiert, daß das politisch-administrative System durch Programmsteuerungen objektiviert wird5 • Zu diesen Programmen gehören neben den Gesetzen vor allem Pläne, die in Form von Finanzplänen, Raumordnungsplänen, Verkehrsplänen, Bildungsplänen etc. mehr und mehr die Verwaltungen beschäftigen. Im Gegensatz zu früheren Zeiten ist es nicht mehr Auf­ gabe der Verwaltungen, nur noch gesetzliche Anspruchsgrundlagen z.B. für Studienbeihilfen und Altersrenten zu entwerfen, sondern auch Si­ tuationstypiken für die Errichtung von Universitäten und den Bau von Altersheimen zu konzipierenti . ,,Es geht nicht mehr nur um das Wenn­ dann-Schema des Gesetzes - also um konditionale Programmierun­ gen -, sondern auch um das Zweck-Mittel-Schema des Planes - also um finale Programmierungen 7." Die mannigfaltigen Planungen haben als finale Programmierungen im westdeutschen Regierungs- und Verwaltungsbereich den Koordina­ tionsbedarf wesentlich erhöht. Ein entscheidender Mangel ist darin zu sehen, daß die quantitative und qualitative Ausdehnung der Anforderun­ gen insbesondere durch Bundes- und Landesgesetze, Verwaltungsvor­ schriften, Fachliche Weisungen, Behördenprogramme und Investitions­ maßnahmen nicht zu einer entsprechenden Berücksichtigung der orga­ nisatorischen, personellen und finanziellen Auswirkungen geführt ha­ ben. ,,Solche Maßnahmen werden häufig nur zufällig oder erst dann be­ kannt, wenn der fachliche Abstimmungs- und Meinungsbildungsprozeß so weit fortgeschritten ist, daß sie unter den Gesichtspunkten einer wirt­ schaftlichen Erfüllung der Verwaltungsaufgaben und der Auswirkungen auf andere Bereiche im Wege einer Systemanalyse kaum noch beein­ flußt werden können8 . " Um ein weiteres Auseinanderklaffen zwischen zunehmendem Koordinationsbedarf und zur Verfügung stehenden Ko­ ordinationsinstrumenten zu verhindern, ist es dringend erforderlich, die den Koordinationsbedarf bestimmenden Variablen zumindest zu be­ schreiben, wenn eine exakte Ermittlung schon nicht möglich ist. So wird man sich bei unsicheren, ungleichartigen Umweltbedingungen, bei un­ zureichend determinierten, komplexen, einmaligen, wandelbaren Aufga­ ben, bei geringer Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft der Mit­ arbeiter und bei fehlender sachgerechter technologischer Ausstattung aufgrund des sehr hohen Koordinationsbedarfs wesentlich mehr Gedan5 Vgl. Klaus König, Programmsteuerungen in komplexen politischen Systemen, in : Die Verwaltung, 1974, S. 137 ff. 6 Vgl. Klaus König, Koordination und Regierungspolitik, a.a.O., S. 226. 7 Ebenda, S. 226. 8 Ulrich Becker und Rudolf Dieckmann, Aufgabenkritik - am Beispiel der Freien und Hansestadt Hamburg, a.a.0., S. 9.

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2. Kap. : Bedarf an Koordination

ken bezüglich des Einsatzes der vorhandenen Koordinationsinstrumente machen müssen als bei sicheren, gleichartigen Umweltbedingungen, bei eindeutig determinierte, einfachen, sich wiederholenden, konstanten Aufgaben, bei entsprechender Leistungsfähigkeit und -bereitschaft und bei zunehmendem Einsatz und steigender Leistungsfähigkeit der zur Verfügung stehenden Technologie. Zwischen diesen beiden extremen Situationen wird die Fülle der in der Praxis vorkommenden Mischfor­ men liegen, die jeweils einen unterschiedlichen Koordinationsbedarf her­ vorrufen und den Einsatz unterschiedlicher Koordinationsinstrumente erfordern.

Drittes Kapitel

Instrumente der Koordination A. Anforderungen an Koordinationsinstrumente Die öffentliche Verwaltung übt eine Reihe von Funktionen aus, die sich analytisch in folgenden untereinander stark verflochtenen Aufga­ benkomplexen beschreiben lassen1 : - Ordnungsfunktion (Schaffung eines rechtlichen und organisatorischen Rahmens für öffentliches und privates Handeln), - Funktionsfunktion (Steuerung der marktwirtschaftlichen Prozesse), - Leistungsfunktion (Übernahme von Produktionsvorgängen, wo Private nicht oder nicht in als adäquat erachteter Weise tätig werden), - Redistributionsfunktion (Umverteilung von Einkommen und Vermö­ gen), - Entwicklungsfunktion (innovatorische Anstöße in den vorgenannten Funktionen durch die öffentliche Verwaltung). Sämtliche Verwaltungsaktivitäten haben im l)ienste der Effizienz oder Wirtschaftlichkeit zu stehen2 • Die Verwirklichung gesellschaftlicher Zie­ le ist in jedem Fall mit dem Einsatz von Mitteln bzw. gesellschaftlicher Ressourcen verbunden. Unter diesem Aspekt kann die Frage, warum überhaupt koordiniert wird, ganz allgemein damit beantwortet werden, daß Koordination notwendig ist, um das Rationalprinzip zu verwirk­ lichen, mit anderen Worten zu einer Optimierung der für alle denkbaren Bereiche gültigen Zweck-Mittel-Relation zu gelangen. Das Rationalprinzip, häufig fälschlicherweise mit dem Wirtschaftlich­ keitsprinzip bzw. dem ökonomischen Prinzip gleichgesetzt, kann wie folgt formuliert werden: ,,Handle so, daß der Zweck deines Handelns mit dem kleinstmöglichen Mitteleinsatz (,,Minimalprinzip", Anm. d. Verf.), oder daß mit den gegebenen Mitteln die gesetzten Ziele in mög­ lichst vollkommener Weise erreicht werden (,,Maximalprinzip", Anm. d. Verf.) 8 . '' 1 Vgl. Heinrich Reinermann, Wirtschaftlichkeitsanalysen, in : Handbuch der Verwaltung, hrsg. von Ulrich Becker und Werner Thieme, Heft 4.6, Köln, Berlin, Bonn, München 1974, S. 7. 2 Vgl. ebenda, S. 7.

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3. Kap. : Instrumente der Koordination

Geht man einerseits von einer Knappheit der Ressourcen (Mittel), an­ dererseits von unbegrenzten Bedürfnissen (Zielen) aus, zeigt eine Ana­ lyse der vielfältigen Kombinationsmöglichkeiten, daß sowohl zwischen den Mitteln als auch zwischen den Zielen mannigfaltige Interdependen­ zen bestehen. Dieser mit „Faktorinterdependenzen" bzw. ,,Nutzeninter­ dependenzen"4 bezeichnete Zusammenhang erfordert ein koordiniertes Handeln der beteiligten Entscheidungsträger, d. h. die Tatsache, daß so­ wohl innerhalb bestimmter Entscheidungsbereiche als auch gegenüber anderen Entscheidungsbereichen sachliche, räumliche, zeitliche und vor allem finanzielle Interdependenzen bestehen, bedingt ihre simultane Be­ rücksichtigung. Das Rationalprinzip läßt sich unter quantitativen und/oder unter quali­ tativen Aspekten sehen. Dabei führt die quantitative Ausrichtung z. B. durch die Berücksichtigung physikalischer, räumlicher, zeitlicher und/ oder finanzieller Dimensionen zur häufig beschriebenen technisch-öko­ nomischen Rationalität5 , während die Einbeziehung subj ektiver Wert­ vorstellungen einen wesentlichen Bestandteil der sozialen und politi­ schen Rationalität darstellt6 • Die unterschiedlichen Ausrichtungen des Rationalprinzips können als Beurteilungskriterium für das j eweils zur Anwendung gelangende Koordinationsinstrument herangezogen werden. Akzeptiert man als Ziel jeglicher Art von Koordination die Verbesse­ rung der Zweck-Mittel-Relation, liegt das Hauptproblem in der Bewer­ tung der erstrebten Ziele und der eingesetzten Mittel und in der Mes­ sung ihrer Veränderungen. Relativ unproblematisch ist die Messung von Veränderungen, wenn man das Rationalprinzip rein quantitativ inter­ pretiert, wenn man z. B. allein den finanziellen Aspekt berücksichtigt. Man erhält dann die bekannte Definition für Wirtschaftlichkeit. Wirt­ schaftlichkeit ist immer dann gegeben, wenn der Quotient aus Leistung 3 Helmut Koch, Das Wirtschaftlichkeitsprinzip als betriebswirtschaftliche Maxime, in : Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschung, 1951, S. 161. Strenggenommen ist das ökonomische Prinzip ein Unterfall des Rationalprin­ zips. Vgl. so auch Carl Böhret, Entscheidungshilfen für die Regierung, Opladen 1970, S. 26 ff. Die häufig geäußerte Kritik, daß Ziele im gesellschaftlichen Leben nicht vorgegeben seien, sondern in einem Entscheidungsprozeß ent­ wickelt werden müßten, trifft, wenn überhaupt, nur die statische Betrach­ tungsweise. Bei der Verwirklichung der Zweck-Mittel-Relation handelt es sich aber um einen iterativen Prozeß. Die beiden Extremwertformulierungen des Rationalprinzips stecken lediglich den Bereich ab, in dem das Optimum zu suchen ist. Die Erkenntnis, daß Ziele häufig den Mitteln angepaßt werden müssen und umgekehrt, führt zu einer dynamischen Betrachtungsweise, die dann in dieser Form allgemeine Gültigkeit besitzt. 4 Vgl. Rüdiger Ventker, Die ökonomischen Grundlagen der Verkehrsnetz­ planung, a.a.O., S. 116 ff. 5 Vgl. Rudolf Richter, Probleme des Rationalprinzips, in : Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, Bd. 110, 1954, S. 88 ff; 6 Vgl. Carl Böhret, Entscheidungshilfen für die Regierung, a.a.O., S. 26 ff. und S. 41 ff. und die dort angegebene Literatur, Vgl. Aaron Wildavsky, The Political Economy of Efficiency, in : The Public Interest, No. 8, 1967, S. 30 ff.

A. Anforderungen an Koordinationsinstrumente

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und Kosten bzw. aus Ertrag und Aufwand bzw. aus Einnahmen und Ausgaben größer als 1 ist. Unter dem alleinigen Aspekt der Wirtschaft­ lichkeit wäre das Koordinationsinstrument das beste, das als Resultat der Abstimmung der Entscheidungen den höchsten Quotienten erzielt. Das Wirtschaftlichkeitskriterium könnte zur Anwendung gelangen, wenn durch eine verbesserte Koordination kostensparende Verwaltungsmaß­ nahmen angestrebt werden, wobei die Leistung konstant gehalten wer­ den müßte. Bei dem Versuch, das Wirtschaftlichkeitsprinzip auf die zahlreichen Bereiche der öffentlichen Verwaltung auszudehnen, zeigt sich, daß sich das betriebswirtschaftlich ausgerichtete Rationalprinzip als zu eng er­ weist. Da öffentliche Aktivitäten unmittelbar auf gesellschaftliche Zweck­ setzungen gerichtet sind, müssen alle wesentlichen Folgewirkungen von Maßnahmen in die Wirtschaftlichkeitsanalysen in der öffentlichen Ver­ waltung einbezogen werden, unabhängig davon, ob sie innerhalb oder außerhalb nur durch die organisatorische Gliederung gezogener Grenz­ linien fallen7. Folglich sollten zusätzlich die Vorteile (soziale Nutzen) und Belastungen (soziale Kosten) für andere Träger und/oder private Insti­ tutionen und Personen in die (Nutzen-Kosten-)Analyse einbezogen wer­ den8 . Probleme ergeben sich allerdings bei der Messung des Nutzens und bei der Bewertung der sozialen Kosten. Zahlreiche Mißerfolge organisatorischer Maßnahmen in der öffent­ lichen Verwaltung lassen sich auf das Fehlen eines eindeutigen und um­ fassenden Effizienzmaßstabes zurückführen9 • Den Fragen der B ewertung, der Meßbarkeit und der Aussagefähigkeit von Zweck-Mittel-Relationen sollte daher in der Zukunft größte Beachtung geschenkt werden. Etliche Ansätze sind bereits in der j üngsten Vergangenheit entwickelt worden, um die Wirtschaftlichkeit, die Effizienz, die Effektivität, die Kosten-Wirksamkeit, die Input-Output-Relationen und/oder die Ratio­ nalität der öffentlichen Verwaltung zu messen 1 0 • Die entsprechenden Verfahren sollten nach Möglichkeit zur Beurteilung von Koordinations­ instrumenten herangezogen werden. Vgl. Heinrich Reinermann, Wirtachaftlichkeitsanalysen, a.a.O., S. 9. Vgl. Peter Eichhorn, Liquiditätsplanung und Gelddisposition in öffent­ lichen Haushalten, Baden-Baden 1974, S. 12. 9 Vgl. Hans-Ulrich Derlien, Theoretische und methodische Probleme der Be­ urteilung organisatorischer Effizienz der öffentlichen Verwaltung, in : Die Ver­ waltung, Heft 1, 1974, S. 2. 10 Die oben angeführten Begriffe werden häufig synonym gebraucht. Vgl. hierzu Heinrich Reinermann, Wirtschaftlichkeitsanalysen, a.a.O., S. 1 ff. Einen umfassenden überblick über die Probleme der Effizienzmessung bietet Hans-Ulrich Derlien, Die Erfolgskontrolle staatlicher Planung, Schriften zur öffentlichen Verwaltung und öffentlichen Wirtschaft, hrsg. von Peter Eichhorn und Peter Friedrich, Band 17, Baden-Baden 1976. Zum Problem der Kosten­ Nutzen-Analysen vgl. weiterhin Horst Claus Recktenwald (Hrsg.), Nutzen7 8

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3. Kap. : Instrumente der Koordination B. Institutionelle Koordinationsinstrumente I. Die Instrumente Im "Oberblick

Die Managementkonzeption der öffentlichen Verwaltung in der Bun­ desrepublik Deutschland ist durch die Merkmale der Bürokratie ge­ prägt. Die Organisation wird auf der Grundlage formalisierter Verfah­ ren in hierarchischen Strukturen monokratisch und im Prinzip autori­ tär geführt1 • Es kann als bedeutende Leistung der deutschen Verwal­ tung angesehen werden, daß es ihr gelungen ist, die Aufgaben, die ihr durch das Grundgesetz, die Bundes- und Landesgesetze, die Verwal­ tungsvorschriften, fachlichen Weisungen und Behördenprogramme zuge­ wiesen worden sind, zu gliedern, zu ordnen, sie verschiedenen Ressorts und Behörden zuzuweisen, die regelmäßigen Tätigkeiten dauerhaft zu verteilen und die Prinzipien der Behördenhierarchie und des Instanzen­ zuges, also eines festgefügten Systems der Über- und Unterordnung, zur Geltung zu bringen. Auch die Abfassung ausgefeilter Geschätfsver­ teilungspläne zur Vermeidung von Kompetenzkonflikten ist als Spezia­ lität der deutschen Verwaltung anzusehen2 • Jedoch ist diese Art der Arbeitsteilung nur ein Teil der Organisationsaufgabe. ,,Der Hauptzweck der Organisation ist die Koordination der Arbeitsergebnisse3 . " Damit ist die Koordination das allumfassende Prinzip der Organisation. Aufgrund der extrem differenzierten Entscheidungsstruktur im po­ litisch-administrativen System der Bundesrepublik Deutschland ver­ folgen zahlreiche mehr oder weniger selbständige Entscheidungsträger spezialisierte und begrenzte Aufgaben mit fragmentierten Handlungs­ kompetenzen und beschränkten Ressourcen relativ unabhängig vonein­ ander. Um dennoch eine Koordination zwischen den horizontal und ver­ tikal differenzierten Entscheidungsträgern zu sichern, wurden sie in formelle Entscheidungshierarchien eingebunden4 • So gibt es eine Reihe von Koordinationsinstrumenten bzw. koordinierender Einrichtungen, Kosten-Analyse und Programmbudget, Tübingen 1970, derselbe, Die Nutzen­ Kosten-Analyse, Tübingen 1971, Rainer Knigge, Kosten und Nutzen, Heft 29 der Schriftenreihe „Landesentwicklung" des Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf 1971, Peter Eichhorn, Grundsätzliche Bemer­ kungen zur Kosten-Nutzen-Analyse, WIBERA-Wirtschaftsberatung AG, Sonderdruck Nr. 34, Oktober 1972. 1 Vgl. Peter Eichhorn unter Mitarbeit von Bernd Adamaschek und Albrecht von Ingelheim, Management im öffentlichen Dienst, in: Handwörterbuch des öffentlichen Dienstes, Das Personalwesen, hrsg. von Wilhelm Bierfelder, Berlin 1976, Sp. 975 f. 2 Vgl. Adolf Hüttl, Institutionelle Schwächen des deutschen Kabinettsystems, in: Deutsches Verwaltungsblatt, Heft 2, 1967, S. 63. 3 Ebenda, S. 63. ' Vgl. Fritz W. Scharpf, Probleme der politischen Aufgabenplanung, a.a.O., S. 15.

B. Institutionelle Koordinationsinstrumente

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die durch gesetzliche Regelungen geschaffen worden sind. So regelt z. B. Artikel 62 des Grundgesetzes die Zusammensetzzung der Bundesregie­ rung, Artikel 65 erklärt die Verantwortung des Bundeskanzlers und der Bundesminister. Auch die Gesetze zur Haushaltsreform, das Haushalts­ grundsätzegesetz und die Bundeshaushaltsordnung, enthalten zahlreiche Vorschriften zur Koordinierung von Entscheidungen unterschiedlicher Entscheidungsträger in Bund, Ländern und Gemeinden. Vielfach basie­ ren die Koordinationsinstrumente oder koordinierenden Einrichtungen auf Bestimmungen der Geschäftsordnungen, so z. B. die §§ 3 - 12 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesregierung über den Aufbau der Ministerien oder die §§ 70 - 79 der GGO I, die Regelungen über den Geschäftsverkehr der Ministerien enthalten. Nicht selten werden Hilfs­ einrichtungen von der Verwaltung selbst gebildet, die nicht institutiona­ lisiert worden sind, so z. B. die interministeriellen Ausschüsse oder die ,,gemeinsame" Federführung. Es wird die These vertreten, die qualitative und die quantitative Aus­ dehnung der Regierungs- und Verwaltungsaufgaben haben zu einer Ü ber­ beanspruchung der herkömmlichen Koordinationsinstrumente geführt5 • Ehe diese These überprüft werden kann, soll eine Darstellung der Instru­ mente erfolgen. So werden aus dem Bereich der Aufbauorganisation die Zentralisation, die die Leistungssphäre betrifft, und aus dem Bereich der Ablauforganisation die in die Informationssphäre gehörenden unter­ schiedlichen Formen der Mitwirkung an der Lösung komplexer Verwal­ tungsaufgaben beteiligter Verwaltungen beschrieben und im Hinblick auf die Anforderungen an leistungsfähige Koordinationsinstrumente über­ prüft. Strenggenommen müßte in diesem Abschnitt auch der Haushalt als wichtiges institutionelles Koordinationsinstrument aus der Finanzsphäre behandelt werden. Da heute jedoch üblich geworden ist, den Haushalt aus seiner rein fiskalischen Betrachtungsweise herauszulösen und ihn wenigstens ansatzweise zu einem ergebnisorientierten Programmhaus­ halt umzugestalten, soll der Haushalt als Koordinierungsinstrument im Abschnitt „Konzeptionelle Koordinationsinstrumente" behandelt wer­ den.

n. Die Zentralisation als Koordinationsinstrument Im modernen sozialen Massenstaat mit seiner intensiven Verwaltung gibt es kaum noch Behörden, deren oft vielfältige Kompetenzen nicht das Zusammenwirken vieler Amtswalter erfordern. Dieses Zusammen­ wirken muß in irgendeiner Form organisiert werden. Neben den zahl­ reichen Anordnungen für die innere Organisation von Behörden (Aufga­ bengliederungsplan, Verwaltungsgliederungsplan, Geschäftsverteil ungs5 Vgl. Adolf Hüttl, Institutionelle Schwächen des deutschen Kabinettsystems, a.a.O., S. 64.

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3. Kap. : Instrumente der Koordination

plan, Stellenplan, Aktenplan und Verfahrensvorschriften) gibt es eine Fülle von Vorschriften, die die Zusammenhänge der verschiedenen Or­ gane betreffen. Denn durch eine Organisation werden nicht nur Kompe­ tenzen auf die unterschiedlichen Glieder und Organe verteilt, sondern die Organe und Glieder müssen, um die Zwecke der Organisation zu errei­ chen, auch in formelle und materielle Beziehungen zueinander gebracht werden. Diese Bzeiehungen sollen nicht nur eine wechselseitige Ergän­ zung, sondern auch ein möglichst gutes Zusammenwirken der verschiede­ nen Elemente einer Organisation bewirken, mindestens aber ihr Gegen­ einanderwirken verhindern. ,,Deshalb stehen alle Ämter, Organe und Glieder einer Organisation in einer hierarchischen und darüber hinaus in mannigfachen ständigen oder vereinzelten, unmittelbaren oder mittel­ baren Beziehungen zueinander1 . " Di e wichtigste unmittelbare Beziehung zwischen den verschiedenen Organen wird durch die administrative Hierarchie hergestellt, d. h. daß j edes Organ mit Ausnahme des obersten einem oder mehreren an­ deren untergeordnet ist und daß ihm selbst andere Organe untergeordnet sein können. Je nach Grad der Überordnung und/oder Unterordnung unterscheiden sich zentralisierte Organisationen2 • Mit der Frage nach einer Zentralisierung3 oder Dezentralisierung 4 von Aufgaben und/oder Entscheidungsbefugnissen trifft man einen Kern­ punkt j eder organisatorischen Gestaltung. Im Grunde geht es bei dieser Frage um das fundamentale organisatorische Gleichgewichtsproblem von Arbeitsteilung und Koordination, das immer nur durch die gleich1

Hans J. Wolff, Verwaltungsrecht II, 3. Aufl., München 1970, S. 93. Vgl. Hans J. Wolff, Verwaltungsrecht II, a.a.O., S. 93 f. 3 Für den Vorgang der Zusammenfassung einer Anzahl von Aufgaben wer­ den mitunter verschiedene Bezeichnungen verwendet. So findet man häufig neben dem Ausdruck „Zentralisation" den Begriff „Spezialisierung". ,,Spezia­ lisierung bedeutet, daß sich eine Stelle ausschließlich mit der wiederholten Erfüllung ganz bestimmter, relativ kleiner Aufgaben oder Funktionen befaßt." Hans Ulrich, Betriebswirtschaftliche Organisationslehre, Bern 1949, S. 137. Eine anders gelagerte Betrachtungsweise macht sich die KGSt zu eigen. Sie ver­ steht unter Zentralisation von Aufgaben offensichtlich die „Aufgabenbünde­ lung" als organisatorische Methode, ,,die allgemeinen Organisationsgrund­ sätze auf die j e nach Größenklasse verschiedenen institutionellen Organisa­ tionseinheiten, insbesondere der Ämterbildung, anzuwenden". Kommunale Ge­ meinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung (KGStf (Hrsg.), Verwaltungs­ organisation der Gemeinden, Teil I, Aufgabengliederungsplan, 4. Aufl., Köln 1967, S. 29, ebenso dieselbe, Verwaltungsorganisation der Gemeinden, Teil II, Verwaltungsgliederungsplan, 3. Aufl., Köln 1968, S. 49 ff. 4 Neben dem Ausdruck „Dezentralisation" wird die Bezeichnung „Delega­ tion" in der organisationstheoretischen Literatur verwendet. Dabei gibt es drei Ansatzpunkte, die Veranlassung dazu geben, statt von Dezentralisation von einer Delegation von Aufgaben zu sprechen. So kann die Delegation von Aufgaben als rechtliches Prinzip, als Führungsprinzip und/oder als Organi­ sationsprinzip verstanden werden. Vgl. hierzu Knut Bleicher, Zentralisation und Dezentralisation von Aufgaben in der Organisation der Unternehmungen, a.a.O., S. 44 ff. 2

B. Institutionelle Koordinationsinstrumente

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zeitige Anwendung von Zentralisation und Dezentralisation gelöst wer­ den kann5 • Zentralisation und Dezentralisation stellen Prinzipien der Aufgabenverteilung im Rahmen des organisatorischen Aufbaus von Ver­ waltungen und/oder Unternehmungen dar. Dabei ist es das Ziel der Aufgabenverteilung, synthetische Aufgabenkomplexe zu bilden und Auf­ gabenträgern als Stellenaufgaben zu übertragen, um eine koordinierte Aufgabenerfüllung vorzubereiten. Aus den analytischen Teilaufgaben müssen Aufgabenkomplexe durch Kombination gewonnen werden, die dann von den Aufgabenträgern erfüllt werden sollen. Zentralisation und Dezentralisation legen die Richtung der Kombination von Aufgabenelementen zu verteilungsreifen Aufgabenkomplexen fest. Die Bestimmung von Zentralisation und De­ zentralisation wird damit zum Kernproblem synthetischer Aufgabenge­ staltung der Organisation�. Zentralisation und Dezentralisation umfassen stets ein Zentralisa­ tions- und Dezentralisationsobjekt, das angibt, um welche Elemente es sich handelt, die zentral oder dezentral angeordnet werden, und ein Zentralisations- und Dezentralisationsziel, das den Mittelpunkt (das Zentrum) als Orientierungspunkt angibt, um die Bewegung des orga­ nisatorischen Handelns erfassen zu können7 • Ausgehend von diesem Zusammenhang ergeben sich für die Begriffe der Zentralisation und Dezentralisation folgende Definitionsmöglich­ keiten8 : - Kennzeichnung der Zentralisation und Dezentralisation als allge­ meines Problem der Zuordnung und Verteilung von Aufgaben im Sinne von Zentralisations- und Dezentralisationsobjekten mit teils unterschiedlichen Zentralisations- und Dezentralisationszielen in der Organisation. Als Zuordnungs- und Verteilungsziele können ange­ nommen werden: - Gliederungseinheiten (Stellen und Abteilungen), entspricht der Einheitszentralisation und -dezentralisation, - Aufgabenträger (Personen), entspricht der Trägerzentralisation und -dezentralisation, - Sachliche Hilfsmittel, entspricht der Mittelzentralisation und -de­ zentralisation. 5 Vgl. Knut Bleicher, Zentralisation und Dezentralisation von Aufgaben in der Organisation der Unternehmungen, a.a.O., S. 18. 8 Vgl. Erich Kosiol, Organisation der Unternehmung, Wiesbaden 1962, S. 83. 7 Vgl. ebenda, S. 81, vgl. weiterhin Knut Bleicher, Zentralisation und De­ zentralisation von Aufgaben in der Organisation der Unternehmungen, a.a.O., s. 34. 8 Vgl. Knut Bleicher, Zentralisation und Dezentralisation von Aufgaben in der Organisation der Unternehmungen, a.a.O., S. 34 f.

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3. Kap. : Instrumente der Koordination

- Raum (räumliche Bedingungen), entspricht der Raumzentralisa­ tion und -dezentralisation9 , - Zeit (zeitliche Bedingungen), entspricht der Zeitzentralisation und -dezentralisation. - Kennzeichnung der Zentralisation und Dezentralisation als spezielles Problem der Zuordnung und Verteilung von teils unterschiedlichen Aufgaben im Sinne von Zentralisations- und Dezentralisationsobjek­ ten auf die oben angeführten Zentralisations- und Dezentralisations­ ziele. Folgende Aufgaben können als Zuordnungs- und Verteilungs­ objekte angenommen werden: - Verrichtungsaufgaben, entspricht der Verrichtungszentralisation und -dezentralisation, - Objektaufgaben, entspricht der Objektzentralisation und -dezen­ tralisation, - Rangaufgaben, entspricht der Entscheidungs- (Leitungs-) zentrali­ sation und -dezentralisation, - Phasenaufgaben, entspricht der Planungs- und Kontrollzentrali­ sation und -dezentralisation, - Zweckaufgaben, entspricht Verwaltungszentralisation und -de­ zentralisation. Im Rahmen der Untersuchung aufbauorganisatorischer Probleme ha­ ben folgende Fälle eine besondere Bedeutung, die unterschiedliche Zen­ tralisations- und Dezentralisationsziele mit unterschiedlichen Zentrali­ sations- und Dezentralisationsobjekten kombinieren1°: 9 Um Verwechslungen zwischen räumlicher und organisatorischer Zentrali­ sation und Dezentralisation zu vermeiden, schlägt Wilhelm Hasenack vor, für die räumliche Zentralisation und Dezentralisation die Ausdrücke Konzentra­ tion und Dekonzentration zu verwenden. Vgl. Wilhelm Hasenack, Grundsätze zur Gestaltung der Eigenverantwortlichkeit in der Unternehmung, in : Zeit­ schrift für handelswissenschaftliche Forschung 1957, S. 281 ff. Eine andere Be­ trachtungsweise wählt Hans J. Wolff. Ob zentralisierte Organisationen konzen­ triert oder dekonzentriert sind, richtet sich nach der Anzahl entscheidungsbe­ fugter Organe. Konzentration bedeutet dann die Zusammenfassung möglichst vieler Kompetenzen, bei einem Organ, wobei noch vertikale (räumliche) Kon­ zentration und horizontale (sachliche) Konzentration unterschieden werden. Ei­ ne Organisation ist demgegenüber dekonzentriert, wenn und soweit total wei­ sungsabhängige Glieder, Organe bzw. Ämter mit eigener Entscheidungszu­ ständigkeit bestehen. Vgl. Hans J. Wolff, Verwaltungsrecht II, a.a.O., S. 94. Eine wiederum andere Bedeutung kann dem Begriff der Konzentration bei­ gemessen werden, wenn er zur Kennzeichnung von Ballungstendenzen wirt­ schaftlicher Macht über Unternehmenszusammenschlüsse dienen soll. Vgl. Karl Brandt, Konzentration und wirtschaftliche Entwicklung, in : Helmut Arndt (Hrsg.) , Die Konzentration in der Wirtschaft, Berlin 1960, S. 1471 ff. 10 Vgl. Knut Bleicher, Zentralisation und Dezentralisation von Aufgaben in der Organisation der Unternehmungen, a.a.O., S. 35.

B. Institutionelle Koordinationsinstrumente

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- Annahme von Gliederungseinheiten oder Aufgabenträgern als Zen­ tralisations- und Dezentralisationsziel, wobei alle Aufgaben als Zen­ tralisations- und Dezentralisationsobjekte zulässig sind. - Annahme von Gliederungseinheiten oder Aufgabenträgern als Zen­ tralisations- und Dezentralisationsziel, wobei nur Entscheidungs­ (Leitungs-)aufgaben als Zentralisations- und Dezentralisationsobjekt zulässig sind. Die organisatorische Gliederung von Verwaltungen soll eine arbeits­ teilige Erfüllung der Verwaltungsaufgabe möglich machen. Damit bildet die Aufgabenanalyse die Grundlage der Gliederung der Verwaltung. Der Organisationsvorgang, der zu einer organisatorischen Gliederung der Verwaltung führt, fügt die Organisationselemente, die im Rahmen der Organisationsanalyse gewonnen werden, synthetisch zu Komplex­ (Organ-)aufgaben zusammen, die im Hinblick auf ihre Verteilung auf Aufgabenträger gebildet werden. Erich Kosiol spricht hier von Vertei­ lungszusammenhang 11 . Auf diesem Grundsystem, ,, das aufgrund der Aufgabensynthese verteilungsfähige Funktionskomplexe bildet und durch Objektivierung und Institutionalisierung des Aufgabengehaltes Stellen als organisatorische Einheiten schafft" 12 , bauen das Leitungssy­ stem (Instanzenzusammenhang), das sich aus der vertikalen rangmäßigen Trennung von Entscheidungs- und Ausführungsaufgaben ergibt, und der Stabzusammenhang, der aus der horizontalen Ausgliederung von Stabs­ stellen zur Unterstützung der Leitung resultiert, auf. Betrachtet man alle Aufgaben als Zentralisations- und Dezentralisa­ tionsobjekte, so lassen sich folgende Möglichkeiten der Zentralisation und Dezentralisation von Aufgaben unterscheiden13 : - Sachliche Zentralisation und Dezentralisation von Verrichtungs- und Objektaufgaben - Formale Zentralisation und Dezentralisation von Rang-, Phasen- und Zweckaufgaben - Persönliche Zentralisation und Dezentralisation - Mittelzentralisation und -dezentralisation - Raum- und Zeitzentralisation und -dezentralisation. Die v errichtungsorientierte Zentralisation, beispielsweise die Verwirk­ lichung des Werkstattprinzips in Industriebetrieben oder die Schaffung von Abteilungen mit Querschnittsfunktionen, bringt Vorteile hinsichtlich der besseren Nutzung spezieller Kenntnisse mit sich. Gleichzeitig wirkt 11 Vgl. Erich Kosiol, Organisation der Unternehmung, a.a.O., S. 171. 12 Ebenda, S. 172. 18 Vgl. Knut Bleicher, Zentralisation und Dezentralisation von Aufgaben in der Organisation der Unternehmungen, a.a.O., S. 57 ff.

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3. Kap. : Instrumente der Koordination

sich aber die Verlängerung der Transport-, Verkehrs- und Informations­ wege nachteilig aus 14. Die Vorteile der objektorientierten Zentralisation, beispielsweise der Zusammenfassung verschiedener Verrichtungsfolgen nach einzelnen Ar­ beitsobjekten, z. B. die Einrichtung eines Amtes für Wirtschaftsförde­ rung mit den entsprechenden Kompetenzen, liegen ebenfalls in der Nut­ zung spezieller Kenntnisse. Auch ermöglicht sie ein Denken in größeren zusammenhängen. Weiterhin wirkt sich bei der objektorientierten Zen­ tralisation der Prozeß der Gruppenbildung vorteilhaft aus. Da die Ob­ jektzentralisation eine zusammenhängende Folge von Verrichtungen an einem Objekt oder an einer Objektgruppe zusammengefaßt werden, Transport-, Informations- und Dienstwege auf ein Minimum beschränkt 1 5 • Die Frage, ob Rangaufgaben formal zentralisiert oder dezentralisiert werden sollen, bildet das Kernproblem der rangorientierten Aufgaben­ bildung und führt zur Entscheidungszentralisation oder -dezentralisa­ tion. Die Vorteile einer zentralen Zusammenfassung von Entscheidungs­ aufgaben sind in der koordinierenden Ausrichtung des Verwaltungshan­ delns auf die administrative Zielsetzung zu sehen. Es ergeben sich we­ niger Schwierigkeiten im Hinblick auf die Koordination der Teile zu einem einheitlichen Ganzen. Allerdings müssen die Nachteile der Ent­ scheidungszentralisation gesehen werden, die vor allem bei komplexen Aufgaben eintreten können16 : Da es fraglich erscheinen muß, ob die In­ formationsbestände der spezialisierten Einheiten auf einen zentralen Entscheidungsträger übertragen werden können, ist davon auszugehen, daß jede Zentralisierung mit Informationsverlusten bezahlt werden muß. Diese Tatsache kann dazu führen, daß der erreichbare Gewinn an Ent­ scheidungsfähigkeit den gleichzeitig auftretenden Verlust an Entschei­ dungsqualität nicht mehr ausgleichen kann. ,,Zum anderen sind die lo­ kalen und spezialisierten Entscheidungs-Untereinheiten auch Punkte der politischen Kommunikation mit den Betroffenen und der Einflußnahme der Betroffenen auf den Entscheidungsprozeß. Ein höher zentralisiertes politisches System würde also notwendigerweise an Sensibilität für die realen Bedürfnisse und Probleme im ökonomischen und gesellschaftli­ chen Bereich und zugleich auch an politischer Reaktionsbereitschaft ver­ lieren17." Als einer der wichtigsten Vorteile einer Entscheidungsdezentralisation kann die Entlastung der obersten Entscheidungsträger gesehen werden. u Der Gedanke der verrichtungsorientierten Zentralisation spielt beim Matrix-Management eine wesentliche Rolle. 15 Der Gedanke der obj ektorientierten Zentralisation spielt beim Proj ekt­ Management eine wesentliche Rolle. 16 Vgl. Fritz W. Scharpf, Probleme der politischen Aufgabenplanung, a.a.O., S. 16. 17 Ebenda, s. 16.

B. Institutionelle Koordinationsinstrumente

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Darüber hinaus ist ein weiterer Vorteil in der Tatsache zu sehen, daß die Informations- und Befehlswege erheblich verkürzt werden. ,,Mit der Verkürzung der Informations- und Befehlswege rückt die Entschei­ dung sachlich näher an den Entscheidungsinhalt, räumlich näher an den Entscheidungsort und zeitlich näher an den Entscheidungsvorfall 18 . " Al­ lerdings sind bei Entscheidungsdezentralisierung regelmäßig andere koordinierende Maßnahmen zu ergreifen, die zumeist in einer stärkeren Betonung und Verbreitung politisch-administrativer Grundsätze, einer integrierten Planung und Kontrolle zu sehen sind. Die Frage, ob Phasenaufgaben, d. h. Planungs- und Kontrollaufgaben formal in einer Stelle oder Abteilung zusammengefaßt werden sollen oder j eweils auf eine Mehrzahl von Stellen oder Abteilungen zu ver­ teilen sind, bildet das Kernproblem der phasenorientierten Aufgaben­ bildung und führt zur Planungs- und Kontrollzentralisierung bzw. -de­ zentralisierung 19 .Die Zentralisierung der Planung, z. B. die Bildung be­ sonderer Planungsstellen bzw. -abteilungen bringt eine bessere Nutzung von Spezialkenntnissen mit sich. Daneben treten Gesichtspunkte einer verbesserten Koordinierung vielseitiger administrativer Gesichtspunkte, die in der Planungsphase zu berücksichtigen sind und zu einer Zentrali­ sierung von Planungsaufgaben z. B. in einer Stabsabteilung führen. Die Zentralisierung von Kontrollaufgaben wird dann von Nutzen sein, wenn die Informationswege nicht zu lang werden. Unter Zweckaufgaben versteht Knut Bleicher Verwaltungsaufgaben, die durch die Zweckgliederung gewonnen werden20• So können Verwal­ tungsaufgaben, die sich mit j eder Tätigkeit verknüpfen, in Spezialstellen zentralisiert werden. Dadurch wird der primäre Prozeß der Aufgaben­ erfüllung von der Erledigung der betreffenden Verwaltungsaufgaben frei­ gehalten. Die Bildung einer Zentralregistratur und die Einrichtung eines zentralen Schreibbüros können als Beispiele angeführt werden. Generell wird die Zentralisierung von Verwaltungsaufgaben unter Nutzung der Vorteile der Spezialisierung vorzuziehen sein. Jedoch muß ab einer be­ stimmten Größe der zentralisierten Verwaltungseinheit damit gerech­ net werden, daß sich diese Einheit nach eigenen Gesetzmäßigkeiten ver­ größert. Bei der persönlichen Zentralisation und Dezentralisation richtet sich die Aufgabenbildung auf bestimmte Personen aus. Aufgaben werden also nicht nach sachlichen oder formalen Gesichtspunkten verteilt, son­ dern bereits bei der Bildung der Aufgaben „wird das Bild einer bestimm­ ten Person zum dominierenden Faktor der Zentralisation von Teilauf18 Knut Bleicher, Zentralisation und Dezentralisation von Aufgaben in der Organisation der Unternehmungen , a.a.O., S. 184. 1 9 Vgl. ebenda, S. 63. 20 Vgl. ebenda, S. 64.

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gaben21 . " Bezüglich der Koordination mag es durchaus Vorteile haben, personengebundene Aufgaben- und Stellenbildungen vorzunehmen, je­ doch müssen die Gefahren einer derartigen Zentralisation gesehen wer­ den, wenn diese Personen aus der betreffenden Organisation ausscheiden. Es kann dann zu einer Erstarrung der Verwaltungsarbeit kommen, de­ ren Folgen Überschneidungen, Doppelarbeiten, unklare Kompetenzab­ grenzungen, Verwaschung der Instanzengliederung und persönliches Annektieren anderer Arbeitsbereiche, kurz eine Zersetzung der beste­ henden Organisation ohne konstruktive Neugestaltung sind. In der öf­ fentlichen Verwaltung mit ihrer relativ starren Aufgaben- und Verwal­ tungsgliederung dürften sich diese Gefahren jedoch seltener einstellen als in flexiblen Organisationsformen. Die Frage nach einer Mittelzentralisation oder -dezentralisation stellt sich, wenn die Aufgabenbildung sich im Hinblick auf Hilfsmittel voll­ zieht, die für die Durchführung eines Aufgabenkreises bestimmend sind22• So kann es beispielsweise sinnvoll sein, einer kostspieligen EDV­ Anlage bestimmte Arbeiten zuzuweisen, um die Anlage auszulasten. In diesem Fall liegen die wirtschaftlichen Vorteile auf der Hand. Ähn­ lich wie bei der personenorientierten Zentralisation gilt hier der Zwang zur Reorganisation beim Ersatz veralteter Hilfsmittel. Mit zunehmender Mechanisierung und Automatisierung ergibt sich ein wachsender Einfluß der Aufgabenzentralisation vom Mittel her, ,,der die logische Aufgaben­ zentralisation nach sachlichen und formalen Gesichtspunkten im Hin­ blick auf die Eigenheiten des Mittels durchbricht23 . " Aufgrund dieses Sachverhaltes werden neuartige Methoden organisatorischer Zusammen­ arbeit erforderlich, die sich durch eine große Flexibilität auszeichnen müssen24• Vollzieht sich die Aufgabenbildung nach räumlichen Gesichtspunkten, taucht die Frage der Raumzentralisation oder -dezentralisation auf. Vor­ stellbar ist die Zusammenballung der Organisationsstellen auf engem Raum bis hin zu einer weiten räumlichen Streuung25 • Die Entscheidung, ob bestimmte Aufgaben der Verwaltung innerhalb einer geschlossenen Raumeinheit, z. B. innerhalb eines Stockwerkes oder eines Großraum21 Knut Bleicher, Zentralisation und Dezentralisation von Aufgaben in der Organisation der Unternehmungen, a.a.O., S. 65. 22 Vgl. Knut Bleicher, Zentralisation und Dezentralisation von Aufgaben in der Organisation der Unternehmungen, a.a.O., S. 67. 23 Ebenda, S. 68. 24 Vgl. Paul 0. Gaddis, The Proj ect Manager, in : Harvard Business Review, Mai/Juni 1959, S. 89 ff., A. K. Wickesberg und T. C. Cronin, Management by Task Force, in : Harvard Business Review, November/Dezember 1962, S. 111 ff. 25 Mitunter wird Zentralisation nur räumlich definiert. Alle anderen Ver­ dichtungen werden im Rahmen der Konzentration erfaßt. Vgl. Peter Eichhorn und Peter Friedrich, Verwaltungsökonomie I, Methodologie und Management der öffentlichen Verwaltung, a.a.O., S. 279.

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büros, oder auch in getrennten Raumeinheiten, z. B. Verteilung ein­ zelner Abteilungen, Instanzen oder Stäbe auf mehrere Gemeinden, zu­ sammengefaßt werden sollen, ist nur zu treffen, wenn zusätzlich weitere Kriterien herangezogen werden. So wird unter dem Gesichtspunkt bes­ serer Überwachungsmöglichkeiten eine Bildung von Komplexaufgaben innerhalb geschlossener Raumeinheiten sinnvoll sein, oder aber man differenziert den Zentralisierungsgrad danach, welchen Leistungsberei­ chen die Organisationseinheiten angehören26 • So können z. B. die Organi­ sationseinheiten für die Beschaffung zentralisiert, die für die Leistungs­ erstellung und -abgabe dezentralisiert sein. Die Zentralisation und Dezentralisation von Aufgaben kann sich schließlich nach zeitlichen Gesichtspunkten vollziehen. Hier handelt es sich z. B. um das Motiv der Inanspruchnahme einer Stelle durch eine andere Stelle beim Erfüllungsprozeß, die zu einer Zusammenfassung beider Aufgaben in der übergeordneten Abteilungsaufgabe führt. Da aber auch in diesem Fall in der Regel gemeinsame oder ähnliche Ob­ jekte vorliegen, ist das zeitliche Merkmal häufig nur sekundär27 • III. Koordination durch unterschiedliche Formen der Mitwirkung

Oben wurde festgestellt, daß formelle oder institutionalisierte Verfah­ ren der Koordination größere Erfolgsaussichten besitzen als lediglich informelle. Innerhalb der institutionalisierten Koordinationsverfahren gibt es nun wieder verschiedene graduelle Abstufungen in der Intensität der Mitwirkung von mehreren Organisationen oder von Abteilungen innerhalb einer Organisation. Die intensiveren oder strengeren Formen verbürgen wiederum tendenziell größere Erfolgsaussichten als die weni­ ger intensiven oder weniger strengen Formen. Die Formen der formellen Korodination reichen von den sehr stren­ gen Formen, die eine Aufgabe der Autonomie implizieren, z. B. Ver­ schmelzung von Organisationen im Rahmen einer Verwaltungsreform oder oktroyierte Verhaltensnormen, die das Handeln oder Nichthandeln bindend vorschreiben, über mittelstrenge Formen, wie z. B. die Bildung von Koordinierungsgremien und/oder die Abstimmung durch Verhal­ tensnormen, bei denen sich die einzelnen Akteure freiwillig auf be­ stimmte Normen festlegen, bis hin zur losesten Form, der bloßen An­ weisung zur Kommunikation, zur Mitteilung. Die j eweils adäquate Form der Koordination hängt nicht nur von der Art des jeweiligen Koordi28 Vgl. Peter Friedrich, Standorttheorie für öffentliche Verwaltungen, Schriften zur öffentlichen Verwaltung und öffentlichen Wirtschaft, hrsg. von Peter Eichhorn und Peter Friedrich, Band 5, Baden-Baden 1976. 27 Vgl. Knut Bleicher, Zentralisation und Dezentralisation von Aufgaben in der Organisation der Unternehmungen, a.a.O., S. 69 f.

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3. Kap. : Instrumente der Koordination

nierungsproblems, sondern auch von der Grundentscheidung über die interorganisationelle Machtverteilung ab1 • Der wichtigste Strukturunterschied ergibt sich aus der Verschieden­ artigkeit der organschaftlichen Willensbildung. So hängt die zu wählende Form der Koordination davon ab, ob es sich um monistische und mono­ kratische Organe einerseits oder um kollegiale Organe andererseits handelt2 • Bei monistischen Organen werden die Zuständigkeiten nur von einem Organwalter allein wahrgenommen. Da sein Wille der Or­ ganwille ist, ist er automatisch oberste und alleinige Koordinationsin­ stanz. Dem Organwalter beigegebene Amtswalter können dessen Zu­ ständigkeiten nicht wahrnehmen, sondern nur vorbereiten oder durch­ führen. Bei monokratischen Organen3 werden die Zuständigkeiten von einem leitenden Organwalter oder für diesen funktionsteilig von mehreren weisungsabhängigen Organwaltern wahrgenommen. Der Wille des lei­ tenden Organwalters, i. d. R. des Chefs, beherrscht die vielen Willen der einander hierarchisch untergeordneten Organwalter, die ihn nach außen vertreten. Der Chef kann jede Angelegenheit an sich ziehen oder auch wieder abgeben. Er kann allen Amtswaltern des Organs generelle oder spezielle Weisungen erteilen. Tatsächlich und manchmal auch rechtlich ist das Weisungsrecht des Organleiters oft auf die allgemeine Art der Geschäftserledigung eingeschränkt. Er kann weder alles wissen, was untergeordnete Organwalter tun, noch kann er an ihrer Stelle handeln, weil ihm die entsprechenden Kenntnisse fehlen. Auch darf er mitunter gar nicht handeln, weil ein anderer Organwalter für eine bestimmte Aufgabe zuständig ist, z. B. der Kämmerer für die Aufstellung des Haushaltsplanes. Ein monokratisches Organ besteht also nicht wie das monistische aus einem Organwalter und einigen Amtswaltern als Ge­ hilfen, sondern es bildet eine teilweise dem Kollegium nahekommende, funktionsteilig zusammenwirkende Gruppe (Organisation, Team, Stab) von zum Teil selbständigen Organteilen und Ämtern. Die Koordination bei monokratischen Organen wirft somit wesentlich größere Probleme auf als dies bei monistischen Organen der Fall ist. Bei Kollegialorganen werden die Zuständigkeiten von mehreren gleichberechtigten Organwaltern wahrgenommen. Je nach Abstimmungs­ verfahren unterscheidet man dabei4 : 1

Vgl. Hans K. Schneider, Plankoordinierung in der Regionalpolitik, a.a.O.,

s. 260.

2 Zur Abgrenzung der monistischen und monokratischen Organe einerseits und der Kollegialorgane andererseits vgl. Hans J. Wolff, Verwaltungsrecht II, München 1970, S. 68 ff. 3 Die monokratische Behördenverfassung wird auch „präfektural" oder ,,büromäßig" bzw. ,,bürokratisch" genannt. Vgl. Hans J. Wolff, Verwaltungs­ recht II, a.a.O., S. 69.

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- Primatkollegialität, wo ein Stelleninhaber bei Stimmengleichheit den Ausschlag gibt, - Abstimmungskollegialität, bei der Beschlüsse mit einfacher, abso­ luter oder qualifizierter Stimmenmehrheit herbeigeführt werden müssen, - Kassationskollegialität, die die Einstimmigkeit der Beschlüsse erfor­ dert. Die strengsten Formen der Koordinierung sind durch eine weitgehende oder gar völlige Aufgabe der Autonomie einzelner Akteure gekenn­ zeichnet. Es handelt sich bei diesen Formen um die Auferlegung von detailregelnden Verhaltensnormen. Diese nehmen dem gebundenen Ak­ teur j egliche Entscheidungsfreiheit, denn er wird durch Verhaltensbin­ dung entweder zum Nichthandeln gezwungen oder aber zum Vollzugs­ organ eines Entscheidungsträgers der oberen Ebene degradiert5 • Am intensivsten ist die Koordination zwischen verschiedenen Organen (Ministerien, B ehörden, Abteilungen), wenn bestimmte Aktivitäten von mehreren Organen gemeinsam vorgenommen werden müssen. So kann die Beteiligung eines oder mehrerer Organe für die Entschließung oder für die Ausführung bestimmter Maßnahmen rechtlich vorgeschrieben sein. Aufgrund der Komplexität der Verwaltungsaufgabe ist in zahl­ reichen Fällen ein gemeinsames Zusammenwirken erforderlich, so z. B. beim gemeinsamen Erlaß einer Durchführungsverordnung durch meh­ rere Ministerien oder eines Verwaltungsaktes durch mehrere Behörden. Insbesondere beim Verwaltungsverbund oder bei der Mischverwaltung8 und bei den sogenannten Gemeinschaftsaufgaben7 wird man häufig Re­ gelungen über das Zusammenwirken von Behörden vorfinden. Die verschiedenen Formen der Mitwirkung lassen sich intensitäts­ mäßig differenzieren in Instrumente der Mitentscheidung, der Mitbera­ tung und der Mitteilung8. Unterscheidungskriterium ist unter anderem die Bindungswirkung der jeweiligen Beteiligung. Bei den Instrumenten • Vgl. Erich Kosiol, Organisation der Unternehmung, a.a.O., S. 125 f. 5 Vgl. Hans K. Schneider, Plankoordinierung in der Regionalpolitik, a.a.O., s. 262. 6 Hier handelt es sich nach BVfGE 1 1 , 125 um „eine Verwaltungsorganisa­ tion, bei der eine Bundesbehörde einer Landesbehörde übergeordnet ist oder bei der ein Zusammenwirken von Bundes- und Landesbehörden durch Zu­ stimmungserfordernisse erfolgt". 7 Der Begriff der Gemeinschaftsaufgabe ist noch unsicher und wenig ge­ klärt. Man versteht darunter teils solche Aufgaben, die ihrer Art nach nur von mehreren Trägern öffentlicher Verwaltung gemeinsam erfüllt werden können, teils solche, bei deren Erfüllung mehrere Aufgabenträger, gleichviel in welcher Weise, rechtlich zusammenwirken. Vgl. hierzu Hans J. Wolff, Verwaltungs­ recht II, a.a.O., S. 1 1 3 f. 8 Die hier unterschiedenen Formen des Zusammenwirkens von Organen sind der gesetzlichen Terminologie nicht immer eindeutig zu entnehmen. Vgl. Hans J. Wolff, Verwaltungsrecht II, a.a.O., S. 1 14.

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3. Kap. : Instrumente der Koordination

der Mitentscheidung ist in der Regel eine Bindungswirkung gegeben, d. h. ohne die vorgeschriebene Beteiligung erlassene Verwaltungsakte sind mangelhaft, nicht jedoch nichtig, weil die stattgehabte Beteiligung oft ein Internum bleibt, das aus dem Verwaltungsakt selbst nicht zu er­ sehen ist, und weil in dringenden Notfällen die Beteiligung auch erst nachträglich eingeholt werden kann9 • Zu den Instrumenten der Mitentscheidung zählen das Einverständnis die Gegenzeichnung, die Mitzeichnung, das Einvernehmen oder die Zu­ stimmung, die Genehmigung, die Bestätigung und die verbindliche Stel­ lungnahme. Häufig ist ein Organ (Behörde, Amt) verpflichtet, vor Erlaß einer Rechtshandlung das Einverständnis eines anderen Organs herbeizufüh­ ren. Man spricht in diesem Fall von mitentscheidenden Beteiligungs,­ akten10 . So kann z. B. eine Behörde auf die vorangegangene Gegenzeich­ nung durch eine andere Behörde angewiesen sein. Damit liegt die poli­ tische Verantwortung für die zu treffende Maßnahme bei letzterer. In nerhalb einer Behörde ist oft auch die Mitzeichnung mehrerer Amtswal­ ter vorgeschrieben, welche damit hinsichtlich ihres Geschäftsbereichs die Verantwortung für die Rechtmäßigkeit und/oder die Zweckmäßigkeit der Anordnung übernehmen1 1 • Ferner kann das Einvernehmen oder die Zustimmung eines Organs zu Maßnahmen eines anderen gesetzlich vor­ geschrieben sein. Sowohl das Einvernehmen als auch die Zustimmung können in der Regel nicht nachgeholt werden 12 , folglich hat die ent­ sprechende Koordination der beteiligten Behörden bei der Rechtshand­ lung rechtzeitig zu erfolgen. Eine weitere intensive Form des Zusam­ menwirkens von Behörden ist dadurch gegeben, daß ein vom zuständi­ gen Organ formulierter Beschluß der Genehmigung durch ein anderes, z. B. Kommunalaufsichtsorgan, bedarf. Wird nur genehmigt „mit der Maßgabe" bestimmter Änderungen des vorgelegten Entwurfs, beispiels­ weise eines Bebauungsplanes, so kann die Rechtshandlung erst dann endgültig erlassen werden, wenn das zum Erlaß zuständige Organ die Satzung, die Verordnung oder den Verwaltungsakt erneut b eraten und mit den Änderungen beschlossen hat. Bestimmte Rechtshandlungen

9 Vgl. Hans J. Wolff, Verwaltungsrecht II, a.a.O., S. 1 13. Die oben gewählte Differenzierung schlagen auch Peter Eichhorn und Peter Friedrich vor. Vgl. Peter Eichhorn und Peter Friedrich, Verwaltungsökonomie I, Methodologie und Management der öffentlichen Verwaltung, a.a.O., S. 219. 10 Vgl. Hans J. Wolff, Verwaltungsrecht II, a.a.O., S. 1 14. 11 Die Mitzeichnung ist z. B. in § 35 der GGO I geregelt. Danach wirken die Mitzeichnenden am Zustandekommen des Entwurfs mit. Sie sind für den sachlichen Inhalt nur soweit verantwortlich, wie er ihr Arbeitsgebiet berührt. Die Verantwortung des federführenden Referats erstreckt sich auch darauf. daß alle nach §§ 21 und 70 Abs. 2 GGO I zu beteiligenden Stellen beteiligt werden. n Vgl. Hans J. Wolff, Verwaltungsrecht II, a.a.O., S. 115.

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durch ein (Kommunal-)Organ können von der Bestätigung durch ein anderes (Staats-) Organ abhängen, z. B. die Wahl eines Organ- oder Amtswalters. Schließlich kann das federführende Organ13 verpflichtet sein, eine Rechtshandlung vor ihrem Erlaß mit einem anderen Organ zu beraten oder eine formulierte Rechtshandlung vor ihrem Erlaß einem anderen Organ zu dessen Stellungnahme vorzulegen. Es handelt sich hier um begutachtende Beteiligungsakte. Steht dem rechtmäßigen Er­ laß der Rechtshandlung ein ausdrücklicher Widerspruch entgegen, so liegt eine verbindliche Stellungnahme vor. Ist demgegenüber Gelegenheit zur Stellungnahme zu geb·en und eine Verständigung zu erstreben, wobei die Nicht-Befolgung der in Erwä­ gung zu ziehenden gutachtlichen Stellungnahme aber dem rechtmäßigen Erlaß der Rechtsanordnung nicht entgegensteht, handelt es sich um eine unverbindliche Stellungnahme. Sie ist zu den Instrumenten der Mitbe­ ratung zu zählen, bei denen es sich um Beteiligungsformen ohne Bin­ dungswirkung handelt 14 • Weitere Formen der Mitberatung sind „im Benehmen" , ,,nach Anhörung" und „ nach Beratung". Weiterhin kann vorgesehen sein, daß einer Behörde, z. B. Planfeststellungsbehörde, die Stellungnahme einer oder mehrerer Behörden zuzuleiten ist. Auch kann ein Organ lediglich befugt sein, ,, anzuregen" oder „Vorschläge zu ma­ chen". Unverbindliche Stellungnahmen anderer Behörden oder auch Personen oder Verbände werden vielfach auch ohne gesetzliches Ver­ langen und ohne Berücksichtigungspflicht eingeholt15 • Schließlich kann sich die Pflicht des federführenden Organs darauf beschränken, sachlich interessierten, aber sonst am Verfahren nicht be­ teiligten anderen Organen von Vorhaben oder von einer erlassenen Rechtshandlung Mitteilung zu machen bzw. ihnen „Kenntnis zu geben". Bei diesen Koordinationsinstrumenten handelt es sich um informierende Beteiligungsakte. Besondere Ausprägungen der Informationspflicht sind die gesetzlichen Anzeige-, Berichts- und Vorlagepflichten16 • 13 Der Geschäftsverteilungsplan legt normalerweise die „Federführung" fest, d. h. er bestimmt z. B. ein Ministerium als hauptbeteiligtes Ressort. Damit wird es für die Behandlung der eigenen Ressortsinteressen zuständig. Dar­ über hinaus übernimmt es die Verantwortung für die Berücksichtigung von Interessen der Nachbarressorts, und zwar insoweit, als es von sich aus das Vor­ handensein solcher Interessen prüfen und gegebenenfalls das mitinteressierte Ressort rechtzeitig beteiligen muß. In den letzten Jahren wurde in zuneh­ mendem Maße von der „ gemeinsamen" Federführung Gebrauch gemacht. Dies war meist dann der Fall, wenn der Grad der Beteiligung des mitzeichnenden Ministeriums so hoch erschien, daß das sachliche Gewicht des federführenden Ministeriums fast erreicht wurde. Bei der gemeinsamen Federführung handelt es sich j edoch letztlich um ein Spiel um Worte, das nichts anderes als das Ergebnis eines ungelösten Zuständigkeitsstreites dokumentiert. Vgl. Adolf Hüttl, Institutionelle Schwächen des deutschen Kabinettsystems, a.a.O., S. 64. 1 4 Vgl. Hans J. Wolff, Verwaltungsrecht II, a.a.O., S. 1 1 6. 15 Vgl. ebenda, S. 1 17. 16 Vgl. ebenda, S. 103.

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3. Kap. : Instrumente der Koordination

Eine andere Beurteilung der in diesem Abschnitt dargestellten Koor­ dinationsinstrument als nach dem Kriterium der Intensität erscheint zunächst nicht möglich. Die Klassifizierung in strenge, mittelstrenge und lose Formen der Koordination sagt zwar, daß eine Beteiligung in Form der Mitentscheidung, Mitberatung oder Mitteilung stattzufinden hat, doch bleiben diese Anweisungen zur Koordination Leerformeln, die im konkreten Einzelfall auszufüllen sind. Die Ausgestaltung hängt un­ ter anderem von den Interdependenzbeziehungen zwischen den Zielen und den Maßnahmen, mit denen diese Ziele erreicht werden sollen, ab. Erst bei Kenntnis dieser Interdependenz läßt sich die Verwaltungsauf­ gabe konkret beschreiben. Aus den Aufgaben, die bestimmten Stellen zugewiesen werden, leiten sich die Kompetenz bzw. Zuständigkeit des (abstrakten) Stelleninhabers und dessen Verantwortung ab17 • Die Kom­ petenz alslnbegriff zugeteilter Rechte umfaßt - Entscheidungsbefugnisse, '- Anordriungsbefugnisse, - Verpflichtungsbefugnisse, - Verfügungsbefugnisse, - Informationsbefugnisse 18, ferner - das Evokationsrecht, also die Möglichkeit von Vorgesetzten, die Bearbeitung einer Sache an sich zu ziehen, - das Aufsichtsrecht, d. h. die Fach-, Rechts- und Dienstaufsicht, - das Beanstandungsrecht, - das Kassationsrecht, also die Aufhebung von Entscheidungen durch vorgesetzte Stellen, '- das Sanktionsrecht, das Zustimmungsrecht, das Genehmigungsrecht, das Anhörungsrecht und - das Vorschlagsrecht sowie - weitere Koordinierungsrechte (z.B. Amtshilfe)1 9 • Die Verantwortung beinhaltet Pflichten, die der Stelleninhaber zu übernehmen hat. So kommen in Betracht : Weisungs�, Informations-, Mel­ de-, Überwachungs-, Dienst-, Zustimmungs-, Genehmigungs-, Leistungs-, Koordinierungspflicht etc. So gesehen richtet sich die Kompetenzverteilung zunächst nach den Stellenaufgaben. Wie die Stellen zueinander in Beziehung stehen, ist 17 VgL Peter Eichhorn und Peter Friedrich, Verwaltungsökonomie I, Metho­ dologie und Management der öffentlichen Verwaltung, a.a.O., S. 212. 18 Vgl. Hans Ulrich, Kompetenz, in : Handwörterbuch der Organisation, hrsg. von Erwin Grochla, Stuttgart 1969, Sp. 852 - 856. 11 Vgl. Werner Thieme, Verwaltungslehre, 2. Aufl., Köln u. a. 1967, S. 88 - 93.

B. Institutionelle Koordinationsinstrumente

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darüber hinaus abhängig vom Vorhandensein folgender Bestimmungs­ größen20 : -

dem Grad der Zentralisation, der Abteilungs- und Instanzenbildung, der Linien- und Stabsorganisation, der Kollegienbildung, dem Grad der Entscheidungsbeteiligung.

Sind z. B. die Instanzen hierarchisch im Einliniensystem21 verknüpft, wie es in Ministerien in der Regel der Fall ist, erfolgt die gesamte interne Koordination vertikal, d. h. über den Dienstweg. ,,Entwürfe, Berichte, Vorlagen, Meinungsäußerungen u. ä. sind dem nächsten Vorgesetzten zuzuleiten oder vorzutragen, wenn der Weitergebende nicht selbst ent­ scheidet22 . " Liegt ein sogenanntes Mehrliniensystem vor, d. h. ist eine Organisationsstelle einer Mehrzahl von übergeordneten Instanzen un­ terstellt, gilt das Prinzip des direkten Weges, so daß sich der Dienstweg je nach Angelegenheit auffächert. Eine Organisationsstelle wird dann durch mehrere Instanzen intern koordiniert. Solche Instanzen nehmen in der Verwaltungspraxis häufig Querschnittsaufgaben wahr, so etwa der Organisationsreferent, der Haushaltsreferent, der Personalreferent oder der Referent des inneren Dienstes 23 • Schwieriger wird die Frage nach der konkreten Form der Koordina­ tion, wenn komplexere Verwaltungsaufgaben zu bewältigen sind, an deren Lösung unterschiedliche Entscheidungsträger zu beteiligen sind. In diesen Fällen muß geklärt werden, ob z.B. die Genehmigung für einen formulierten Beschluß schriftlich auf dem Dienstweg eingeholt werden kann oder ob nicht vorher eine andere Koordinierungsform ge­ funden werden muß, z. B. die Einschaltung eines Kollegiums etwa in Form einer Arbeitsgruppe, eines Ausschusses, einer Projektgruppe etc. Selbst bei der losesten Form freiwilliger institutionalisierter Koordina­ tion, bei der Vereinbarung zu gegenseitiger Information, hängt der Ko­ ordinationserfolg davon ab, ob die Information rechtzeitig, umfassend, ausführlich, genau, wahrheitsgetreu und allseitig ist. Häufig sind diese Bedingungen nicht erfüllt. So unterbleibt der effiziente Informations20 Vgl. Peter Eichhorn und Peter Friedrich, Verwaltungsökonomie I, Metho­ dologie und Management der öffentlichen Verwaltung, a.a.O., S. 213. 21 Das Einliniensystem geht auf Henri Fayol zurück und besagt, daß jeder Instanz nur eine Instanz vorgesetzt sein soll. Vgl. Henri Fayol, Allgemeine und industrielle Verwaltung, a.a.O., S. 21. 22 § 12, Abs. 2, S. 13 Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien, Allgemeiner Teil (GGO 1). 23 Das Mehrliniensystem geht auf das Funktionsmeistersystem von Frederick Winslow Taylor zurück. Vgl. Frederick Winslow Taylor, Die Grundsätze wis­ senschaftlicher Betriebsführung, München und Berlin 1913, S. 131 ff.

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3. Kap. : Instrumente der Koordination

tausch z. B. aus Absicht, aus Trägheit oder Bequemlichkeit oder aus Un­ kenntnis der Zusammenhänge ganz oder teilweise, dauernd oder zeit­ weilig. Für eine sinnvolle und möglichst ergiebige Ausnutzung des In­ formationsrechts bzw. die Erfüllung der Informationspflicht wird in den seltensten Fällen schriftlicher Informationsaustausch allein genügen, da er u. a. zeitraubend und eventuell nicht umfassend genug ist. Geplante und gut vorbereitete regelmäßige oder ständige Konferenzen sind mit­ unter eher geeignet, eine dauernde und regelmäßige Information zu ge­ währleisten. Es zeigt sich, daß die institutionalisierten Instrumente der Mitwirkung zwar wichtig sind, da sie sicherstellen können, daß koordiniert wird. Sie reichen aber nicht aus, um die Frage zu beantworten, wie koordiniert wird. Hier müssen andere Koordinationsinstrumente als Ergänzung hin­ zugezogen werden. C. Analytische Koordinationsinstrumente I. Die Instrumente im Vberblick

Entscheidungen interdependenter Entscheidungsträger müssen koor­ diniert werden. Entscheidungen fallen in allen Phasen des Entschei­ dungsprozesses an, in der Planungsphase, in der Realisationsphase und in der Kontrollphase. Dabei zeigt sich, daß der Koordinationsbedarf ab­ hängig von der erreichten Stufe des Verwaltungshandelns ist. So wird er in der Planungsphase wesentlich höher sein als in der Realisations­ phase und hier wiederum fällt ein höherer Koordinationsbedarf an als in der Kontrollphase1 • Die analytischen Koordinationsinstrumente lassen sich als Verfahrens­ abschnitte der Ablauforganisation begreifen. Sie beinhalten organisato­ rische, institutionelle, technische und/oder rein logische Regeln. Je nach Strenge ihrer Formulierung kann zwischen qualitativen bzw. verbalen und quantitativen bzw. mathematischen Koordinationsinstrumenten un­ terschieden werden2 • Die qualitativen Methoden lassen sich vorwiegend zur Problemauf­ bereitung einsetzen, wobei es in erster Linie um die Freisetzung von

1 Zu den administrativen Führungsphasen vgl. Peter Eichhorn und Peter Friedrich, Verwaltungsökonomie I, Methodologie und Management der öffent­ lichen Verwaltung, a.a.O., S. 181 ff. 2 Die Ausführungen des Abschnittes C lehnen sich eng an die von Peter Eichhorn und Peter Friedrich entwickelte Systematik an. Zur weiteren Ver­ tiefung vgl. die zu den einzelnen Verfahren dort aufgeführte umfangreiche Literatur, die hier nur auszugsweise wiedergegeben werden kann. Vgl. Peter Eichhorn und Peter Friedrich, Verwaltungsökonomie I, Methodologie und Management der öffentlichen Verwaltung, a.a.O., S. 301 ff.

C. Analytische Koordinationsinstrumente

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Kreativität geht. Ihr Einsatz bietet sich also vor allem in der Planungs­ phase an. Die quantitativen Verfahren sind im Gegensatz zu den qualita­ tiven für den Anwender bindender. Neben der Möglichkeit, in der Phase der Informationsgewinnung, -verarbeitung und -auswertung ein­ gesetzt zu werden, erlauben sie in der Realisationsphase eine laufende Projektbeurteilung und bieten bessere Grundlagen für die Kontroll­ phase. Darüber hinaus stellen sie mitunter eindeutige Lösungsalgorith­ men dar. Für die qualitativen Verfahren bietet sich folgende Systematik an3 : Brainstorming Scenario-Writing Verfahren der Ideen-, Problemund Zielfindung

Delphi-Technik Synektik Semantik Indikatoren-Methode

Quantitative Koordinations­ instrumente

Morphologie-Methode Verfahren der Problem� Relevanzbaum-Methode darstellung Entscheidungsbaum-Methode Flußdiagrammtechnik Verfahren der Verhandlungs­ führung und -koordinierung

Rollenspiele Planspiele Konferenztechniken Konzertierte Aktionen

3 Vgl. Peter Eichhorn und Peter Friedrich, Verwaltungsökonomie I, Metho­ dologie und Management der öffentlichen Verwaltung, a.a.0., S. 300.

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3. Kap . : Instrumente der Koordination Die quantitativen Verfahren können wie folgt gruppiert werden4 : � etriebs- und volkswirtschaftVerfahren der Informationsgewinnung ( l l che Rechenwerke -verarbeitung und _ statistische und ökono-auswertung metrische Verfahren

/ Qualitative Koordinationsinstrumente

Verfahren der Projektbeurteilung


­ entwürfen eingingen, zum anderen mußten aufgrund der immer deut­ licher werdenden Interdependenzen diese auch berücksichtigt werden. So wies z. B. das Statistische Bundesamt darauf hin, daß nach Einfüh­ rung des neuen Gruppierungsplans die Finanzstatistik umgestellt wer­ den müsse. Ein beim Statistischen Bundesamt tagender Ausschuß werde die Arbeitsgruppe von dem entsprechenden Arbeitsergebnis unterrich­ ten und möglichst bald mit der Ausarbeitung von Richtlinien für die Zuordnung beginnen. Oder es wurde der Wunsch von seiten der kommu­ nalen Spitzenverbände (Landesverbände) an die Arbeitsgruppe heran­ getragen, während der Beratungen ein Anhörverfahren zur Klärung von Meinungsverschiedenheiten durchzuführen. Dieses wurde aber ab­ gelehnt mit dem Hinweis, die Beratung sei allein Sache des Unteraus­ schusses „Kommunale Finanzen" oder des Arbeitskreises III der Arbeits­ gemeinschaft der Innenministerien der Bundesländer. Im übrigen wurde befürchtet, daß das Anhörverfahren die weitere Arbeit wesentlich ver­ zögern würde. Vorgeschlagen wurde aber das Erproben (Testen) des Gruppierungsplans anhand einiger praktischer Fälle, da dies der Weiter­ entwicklung förderlich sein könne9 • Das weitere Vorgehen der Arbeitsgruppe „Haushaltsgliederung und -gruppierung" hing in starkem Maße von den Aktivitäten des Finanz­ planungsrates ab. Da nur der Vertreter des Deutschen Städtetages in beiden Gremien arbeitete, wurde er gebeten, die Vorstellungen der Arbeitsgruppe zur Gruppierung des kommunalen Haushalts im Finanz­ planungsrat darzulegen und vorzuschlagen, daß im Schema der Finanz­ planung auch die Überlegungen der Arbeitsgruppe berücksichtigt wer­ den sollten. Die nächste Sitzung der Arbeitsgruppe konnte folglich erst anberaumt werden, nachdem der Finanzplanungsrat sich mit den an ihn herangetragenen Fragen befaßt hatte. Am 19. 6. 1968 fand ein erstes Ge­ spräch zwischen Mitgliedern des entsprechenden Arbeitskreises des Fi­ nanzplanungsrates und Vertretern der Arbeitsgruppe „ Gliederung und Gruppierung der kommunalen Haushalte" (wie jetzt die offizielle Be­ zeichnung war) ,statt. Ein wesentlicher Beratungspunkt war die Frage der Einbeziehung der Kommunen in die mittelfristige Finanzplanung. Inzwischen waren die mit dem kommunalen Haushaltsrecht verbun­ denen Probleme offensichtlich so komplex geworden, daß die Innenmi­ nisterkonferenz am 4. 7. 1968 beschloß, einen Unterausschuß „Fortent­ wicklung des Gemeindehaushaltsrechts" innerhalb des Arbeitskreises III (Kommunale Angelegenheiten) zu gründen, der das gemeindliche Haushaltsrecht mit dem Ziel überprüfen sollte, eine Vergleichbarkeit der 9 Vgl. Protokoll über die 5. Sitzung der Arbeitsgruppe „Haushaltsgliede­ rung und -gruppierung" am 8. und 9. Mai 1968 in Bonn, München, 17. 5. 1968 (unveröffentlicht) , S. 13.

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4. Kap. : Beispiele für Koordination

Finanzplanungen und der öffentlichen Haushaltswirtschaft von Bund, Ländern und Gemeinden herzustellen, und Vorschläge für die hierzu notwendigen gesetzlichen Regelungen erarbeiten sollte 10 • Dieser Unter­ ausschuß konnte seine Beratungen aber erst im Juni 1 969 aufnehmen, da er auf die entsprechenden Ergebnisse des Finanzplanungsrates war­ ten mußte. Außerdem fehlte bis dahin noch der offizielle Auftrag, den der Bundestag bei der 3. Lesung der Gesetzesentwürfe zur Haushaltsreform in einer Entschließung vom 1 1 . 12. 1968 formulierte. In dieser Entschlie­ ßung wurden die Länder aufgefordert, das kommunale Haushaltsrecht dem für den Bund geltenden anzupassen. Das Thema „Einbeziehung der Kommunen in die mittelfristige Fi­ nanzplanung" war das zentrale Problem auf der 6. Sitzung der Arbeits­ gruppe „Gliederung und Gruppierung der kommunalen Haushalte" vom 8. bis 10. 10. 1 968. Da am 15. 10. 1968 eine Sitzung des Arbeitskreises III ,,Kommunale Angelegenheiten" der Arbeitsgemeinschaft der Innenmini­ sterien der Bundesländer stattfinden sollte, mußte das Problem weit­ gehend vorgeklärt werden. An dieser Sitzung nahmen auch Vertreter des Arbeitskreises des Finanzplanungsrates teil. Hier zeigte sich ein wei­ terer schwerer Koordinationsmangel, denn die Mitglieder der Arbeits­ gruppe „Gliederung und Gruppierung der kommunalen Haushalte" wie­ sen darauf hin, ,, das der Entwurf des Haushaltsgrundsätzegesetzes zu­ nächst als reine Bund-Länder-Angelegenheit betrachtet wurde mit der Folge, daß die Innenministerien und die kommunalen Spitzenverbände nicht in die Vorverhandlungen eingeschaltet waren, wenn nunmehr auch die Kommunen in die mittelfristige Finanzplanung eingeschaltet wer­ den sollten" 1 1 • Darüber hinaus wurde die in der Randnummer 30 in der Begründung der Bundestagsdrucksache V/3040 veröffentlichte Behaup­ tung zurückgewiesen, es sei bereits eine Abstimmung des neuen staat­ lichen Gruppierungsschemas mit der Gruppierung der kommunalen Haushalte erfolgt. In dieser Sitzung traten scharfe Gegensätze bezüglich der Übernahme des vom Arbeitsausschuß des Finanzplanungsrates er­ arbeiteten Finanzplanungsschemas durch die Kommunen auf. Da man sich nicht einigen konnte, vereinbarte man ein „Zwischengespräch" auf neutralem Boden, nämlich im Statistischen Bundesamt. An diesem Ge­ spräch am 4. und 5. November 1 968 nahmen jeweils drei Vertreter der Ar­ beitsgruppe „Gliederung und Gruppierung der kommunalen Haushalte" und des Arbeitsausschusses des Finanzplanungsrates unter Hinzuziehung eines Vertreters des Statistischen Bundesamtes teil. In diesen Zwischen10 Vgl. Protokoll über die 1. Sitzung des Unterausschusses „Fortentwicklung des Gemeindehaushaltsrechts" des Arbeitskreises III der Innenministerkon­ ferenz am 19. und 20. 6. 1969 in Münster {unveröffentlicht), S. 1. 11 Protokoll über die 6. Sitzung der Arbeitsgruppe „Gliederung und Grup­ pierung der kommunalen Haushalte" am 8. - 10. 10. 1968 in Augsburg, Mün­ chen, 12. 1 1 . 1968 {unveröffentlicht), S. 2.

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besprechungen wurde weitgehende Einigung erzielt, so daß man auf der 7. Sitzung am 20. und 2 1 . März 1969 den Entwurf eines Gruppie­ rungsplans für die kommunalen Haushalte beschloß. Bezüglich des Glie­ derungsplans konnte j edoch noch kein Entwurf verabschiedet werden. Hier sollte durch weitere Vorarbeiten seitens des Statistischen Bundes­ amtes und durch eine Umfrage bei den Innenministerien und den kom­ munalen Spitzenverbänden geklärt werden, welche Änderungen not­ wendig erschienen und aus welchen Gründen. Die Diskussion über die Einbeziehung der Kommunen in die mittel­ fristige Finanzplanung war nach der Sitzung des Arbeitskreises III ,,Kommunale Angelegenheiten" der Arbeitsgemeinschaft der Innenmi­ nisterien der Bundesländer am 15. 10. 1968 ins Stocken geraten. Der Ar­ beitskreis III vertrat die Auffassung, es bestehe kein Zwang für die Kommunen, sich genau nach dem vom Finanzplanungsrat erarbeiteten Finanzplanungsschema zu richten, weil unterstellt werden könne, daß die Meldungen der Kommunen auf Landesebene zusammengefaßt wür­ den und diese Meldungen sich nach der Einteilung der kommunalen Haus­ halte ausrichten könnten. Da noch nicht festlag, welche Angaben die Meldungen der Kommunen enthalten sollten und da es auf Beschluß des Arbeitsausschusses des Finanzplanungsrates wegen der Einbezie­ hung der Kommunen in die mittelfristige Finanzplanung zu offiziellen Kontakten mit dem Arbeitskreis III „Kommunale Angelegenheiten" der Arbeitsgemeinschaft der Innenministerien der Bundesländer kommen sollte, einigte sich die Arbeitsgruppe im Hinblick auf diese neue Verfah­ renslage darauf, die Arbeiten an einem Finanzplanungsschema für die Kommunen zurückzustellen. Darüber hinaus war man der Meinung, daß die Einbeziehung der Kommunen in die mittelfristige Finanzplanung aufgrund des gültigen Gruppierungsplans sehr große Schwierigkeiten bereiten würde. Folglich solle eine Einbeziehung der Kommunen erst aufgrund des neuen Gruppierungsplanes und eines eventuell geänderten Gliederungsplanes in Erwägung gezogen werden. Als Zeitpunkt des In­ krafttretens des neuen Gruppierungsplanes und eventueller Änderungen zum Gliederungsplan sowie weiterer Neuregelungen auf dem Gebiet des Haushaltswesens wurde der 1 . 1 . 1972 ins Auge gefaßt12 • Aufgrund der B eschlüsse der Innenministerkonferenz vom 4. 7 . 1968 und vom 7 ./8. 5. 1969 sowie des Arbeitskreises III in den Sitzungen vom 23. 4. 1969 und 3./4. 6. 1969 konnte der Unterausschuß „Fortentwicklung des Gemeindehaushaltsrechts" am 19. und 20. 6. 1969 endlich seine Be­ ratungen aufnehmen. Da inzwischen auch der Finanzplanungsrat am 6. März 1 969 ebenso wie die obenerwähnten Gremien eine Empfehlung 12 Vgl. Protokoll über die 7. Sitzung der Arbeitsgruppe „Gliederung und Gruppierung der kommunalen Haushalte" am 20. und 21. März 1969 in Düssel­ dorf, München, 28. 3. 1969 (unveröffentlicht) , S. 10 f.

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4. Kap. : Beispiele für Koordination

hinsichtlich der Einbeziehung der Kommunen in die mittelfristige Fi­ nanzplanung gegeben hatte, war es zunächst das Hauptanliegen dieses Unterausschusses, diesen Fragenkomplex zu erörtern. Der Unterausschuß setzte sich aus je einem Vertreter der Innenmi­ nisterien des Bundes und der Länder, mit Ausnahme Berlins, Hamburgs und Bremens, die ein Gemeindehaushaltsrecht nicht benötigen, einem Vertreter des Bundesfinanzministeriums, einem Vertreter des Statisti­ schen Bundesamtes, je einem Vertreter der kommunalen Spitzenver­ bände und auf Bitten des Bundeswirtschaftsministeriums einem Vertre­ ter dieses Ressorts als Gast zusammen. In den meisten Fällen waren diese Vertreter gleichzeitig Mitglieder der Arbeitsgruppe „Gliederung und Gruppierung der kommunalen Haushalte", so daß die persönliche, sachliche und zeitliche Koordination sichergestellt war. Bis zum Inkraft­ treten der Gemeindehaushaltsrechtsreform am 1. 1. 1 974 tagte dieser Unterausschuß neunundzwanzigmal. Er hatte zusammen mit der Ar­ beitsgruppe „Gliederung und Gruppierung der kommunalen Haushalte" den wesentlichen Anteil am Zustandekommen des neuen Gemeindehaus­ haltsrechts. Bezeichnend für das Verhältnis zwischen den Vertretern der Bundes­ und Länderministerien ist die Erklärung des Vertreters des Bundesfi­ nanzministeriums in der ersten Sitzung des Unterausschusses, daß diese Sitzung noch nicht als eine Kontaktaufnahme mit dem Arbeitskreis des Finanzplanungsrates angesehen werden könne, weil dieser Arbeitskreis in dem Unterausschuß nicht offiziell vertreten sei 13 • Dieser offizielle Auf­ trag wurde später nachgeholt, und da auch der Unterausschuß „Fort­ entwicklung des Gemeindehaushaltsrechts" bereits den offiziellen Auf­ trag erhalten hatte, die anstehenden Probleme gemeinsam mit dem Ar­ beitskreis des Finanzplanungsrates zu erörtern, stand einer engen Zu­ sammenarbeit nichts mehr im Wege. In dieser ersten Sitzung wurde eine kleine gemeinsame Arbeitsgruppe zur Bearbeitung speziellerer Fragen und technischer Einzelprobleme eingesetzt, die sich aus j e drei Vertretern der Länderinnenministerien und der Länderfinanzministerien, einem Vertreter des Bundesfinanzmi­ nisteriums, einem Vertreter der kommunalen Spitzenverbände und einem Vertreter des Statistischen Bundesamtes zusammensetzte. Inter­ essant ist in diesem Zusammenhang, daß in dieser Arbeitsgruppe erst­ malig eine Zusammenarbeit zwischen den für das kommunale Haus­ haltsrecht zuständigen Länderinnenministerien und den Länderfinanz­ ministerien erreicht wurde. Die Frage der gemeindlichen Finanzplanung war zwischen Bund und Ländern nach wie vor kontrovers. Die Länder betonten den Vorrang 13 Vgl. Protokoll der 1. Sitzung des Unterausschusses Fortentwick.lung des „ Gemeindehaushaltsrechts" , a.a.O. , S. 1.

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der kommunalen Bedürfnisse, sicherten aber zu, daß die Statistischen Landesämter die notwendigen Umsetzungen vornehmen würden, damit der Bund die von ihm benöttgten Zahlen bekomme. Der Unterausschuß beschloß, daß die gemeinsame Arbeitsgruppe sich mit der Frage der Um­ setzung befassen werde, wenn das Arbeitsergebnis der Arbeitsgruppe ,, Gliederung und Gruppierung der kommunalen Haushalte" vorliege. Weiterhin solle die Arbeitsgruppe untersuchen, wie sich Finanzplanungs­ schema und Meldungsschema zueinander verhalten. Hierzu solle der Kontakt zur Arbeitsgruppe „Gliederung und Gruppierung der kommu­ nalen Haushalte" aufgenommen werden. Bezüglich der Zeitplanung war man sich in dieser Sitzung einig, daß die angestrebte umfassende Reform erst zum 1. 1. 1973 in Kraft treten könne. Der von der Arbeitsgruppe „Gliederung und Gruppierung der kommunalen Haushalte" vorgesehene Termin, der 1. 1. 1 972, wurde skep­ tisch beurteilt1'. In der zweiten Sitzung teilte der Vorsitzende des Unterausschusses mit, daß er in Ausführung des Beschlusses des Arbeitskreises III in der Sitzung vom 3. 6. 1969 mit dem Vorsitzenden des Arbeitskreises des Finanzplanungsrates Verbindung aufgenommen habe. Es sei j edoch keine Bereitschaft des Bundesfinanzministeriums dafür zu finden, daß der Arbeitskreis III durch Beobachter in dem Arbeitskreis des Finanz­ planungsrates laufend vertreten sei. Das Gegenargument war, es bestehe die Gefahr, der Arbeitskreis werde zu groß, da z. B. auch andere Res­ sorts interessiert seien. Als Kompromiß wurde angeboten, über die kleine gemeinsame Arbeitsgruppe den ständigen Kontakt zwischen den beiden Arbeitskreisen herzustellen. Ein entsprechender Versuch, über den Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen zum Ziel zu ge­ langen, verlief erfolglos. Im Finanzplanungsrat wurde die Auffassung vertreten, weil die Länderinnenminister nach § 5 1 HGrG nicht im Fi­ nanzplanungsrat selbst vertreten seien, sei auch ihre Beteiligung in des­ sen Unterausschüssen nicht möglich15 • Der Unterausschuß vertrat dem­ gegenüber die Ansicht, wenn der Finanzminister durch ein ständiges Mitglied im Unterausschuß „Fortentwicklung des Gemeindehaushalts­ rechts" vertreten sei, müsse dies auch umgekehrt der Fall sein. Man be­ schloß daher, noch einmal den Arbeitskreis III einzuschalten, damit die­ ser einen Vorstoß beim Bundesfinanzminister als Vorsitzendem des Fi­ nanzplanungsrates unternehme. In dieser Sitzung wurde mitgeteilt, daß die Kommunale Gemeinschafts­ stelle für Verwaltungsvereinfachung sich bereit erklärt habe, ihre einu Vgl. Protokoll der 1. Sitzung des Unterausschusses „ Fortentwicklung des Gemeindehaushaltsrechts ", a.a.O., S. 9. 15 Vgl. Protokoll der 2. Sitzung des Unterausschusses „Fortentwicklung des Gemeindehaushaltsrechts" des Arbeitskreises III der Innenministerkonferenz am 29./30. 9. 1969 in Karlsruhe (unveröffentlicht) , S. 2. 11•

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4. Kap. : Beispiele für Koordination

schlägigen Erfahrungen und praktischen Arbeitsergebnisse für die Be­ ratungen des Unterausschusses zur Verfügung zu stellen. Mit der kon­ kreten Weiterarbeit an der neuen Haushaltssystematik und der Festle­ gung eines Termins für das Inkrafttreten der neuen Regelungen wolle man warten, bis die Arbeiten der Arbeitsgruppe „ Gliederung und Grup­ pierung der kommunalen Haushalte" abgeschlossen seien. Auch zur dritten Sitzung am 20./2 1. 1 1. 1969 lagen die Ergebnisse der Arbeitsgruppe „Gliederung und Gruppierung der kommunalen Haus­ halte" noch nicht vor, so daß eine Anfrage des Bundesministers der Fi­ nanzen, ob die Einführung der neuen Haushaltssystematik schon vor dem 1. 1. 1973 möglich sei, nicht beantwortet werden konnte. Da inzwi­ schen die kleine gemeinsame Arbeitsgruppe einmal getagt hatte, stand ihr Bericht auf der Tagesordnung. In diesem Zusammenhang wurde ein Koordinationsproblem gelöst, das durch die Frage nach dem j eweiligen Vorsitzenden dieser Arbeitsgruppe aufgetreten war. Ursprünglich war vereinbart worden, daß abwechselnd einmal der Vertreter des Bundes­ finanzministeriums und einmal ein Mitglied des Unterausschusses den Vorsitz übernehmen solle. Man gelangte zu der Auffassung, daß dieser Modus nicht förderlich sei. Da die Sitzungen in Bonn stattfänden und vom Bundesfinanzministerium vorbereitet würden, wäre es eine Er­ schwernis der Arbeit, wen der Vorsitz zwischen den Teilnehmern wech­ seln würde, ,,zumal dann ja auch die in der Arbeitsgruppe vertretenen Länderfinanzminister und der Vertreter der kommunalen Spitzenver­ bände den zeitweiligen Vorsitz verlangen könnten" 1 6• Man beschloß da­ her, es solle beim alleinigen Vorsitz des Vertreters des Bundesfinanzmi­ nisteriums verbleiben. Um die kommunalen Belange und die Interessen der Länderinnenminister wahren zu können, sollte statt dessen die Ta­ gesordnung jeweils vor ihrer Bekanntgabe mit dem Vorsitzenden des Unterausschusses „Fortentwicklung des Gemeindehaushaltsrechts" ab­ gestimmt werden. Am 1 1 . und 12. Dezember 1 969 fand endlich die lang erwartete Sitzung der Arbeitsgruppe „Gliederung und Gruppierung der kommunalen Haus­ halte" statt. Es wurde mitgeteilt, daß der Entwurf des Gruppierungs­ plans und der Entwurf des finanzstatistischen Programms den kommu­ nalen Spitzenverbänden auf Bundesebene (zur Unterrichtung der kom­ munalen Spitzenverbände in den einzelnen Ländern), den Innenministe­ rien der Länder, den Mitgliedern der Arbeitsgruppe und anderen inter­ essierten Stellen, wie dem Bundesinnenministerium und dem Bundes­ finanzministerium übersandt worden seien. Da bislang nur kleine Ände­ rungsvorschläge eingegangen seien, könne man voraussichtlich den Zeit­ plan einhalten. Weiterhin wurde mitgeteilt , daß die Ergebnisse einer 16 Protokoll über die 3. Sitzung des Unterausschusses „Fortentwicklung des Gemeindehaushaltsrechts" des Arbeitskreises III der Innenministerkonferenz am 20./21. November 1969 in Saarbrücken (unveröffentlicht) , S. 3.

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Untersuchung über die Vereinfachungen bei der Verwendung des ge­ änderten Gruppierungsplanes und der Finanzstatistik im Januar 1970 vorgelegt würden, die Erkenntnisse für die abschließende Bearbeitung des Gruppierungsplans und der Zuordnungsrichtlinien ermöglichten. Mit der Frage des Schemas für die mittelfristige Finanzplanung be­ schäftigte man sich auf dieser Sitzung nicht mehr, weil der Unteraus­ schuß „Fortentwicklung des kommunalen Haushaltsrechts" sich dieses Problems angenommen habe und eine gemischte Kommission eingesetzt habe, die alle mit der mittelfristigen Finanzplanung zusammenhängen­ den Fragen, also auch über das Meldeschema berate. Man sprach die Hoffnung aus, daß der Auftrag der Arbeitsgruppe in einigen Monaten beendet sein könne, so daß der Arbeitskreis III im Herbst 1970 die Aus­ arbeitungen beraten könne. Die neue Haushaltseinteilung könnte dann zu Beginn des Jahres 1971 von den Innenministerien der Länder ver­ öffentlicht werden und für das Rechnungsjahr 1972 erstmals angewandt werden. Allerdings konnte noch nicht endgültig beurteilt werden, ob man mit lediglich einer weiteren Sitzung auskomme. Voraussetzung da­ für wäre, daß einige Fragen im schriftlichen Verfahren geklärt werden könnten. Ob das allerdings möglich sei , könne erst in einigen Wochen beurteilt werden17 • Man vertagte sich anschließend auf unbestimmte Zeit, um die Ausführung der gefaßten Beschlüsse zu ermöglichen. Die nächste Sitzung des Unterausschusses „Fortentwicklung des Ge­ meindehaushaltsrechts" am 1 5./16. 2. 1970 stand im wesentlichen im Zei­ chen von Sachdiskussionen. Allerdings tauchten gegen Ende der Sitzung einige Koordinationsprobleme auf, die sich wiederum aus dem Ressort­ prinzip ergaben. So wurde bei der Erörterung der Allgemeinen Verwal­ tungsvorschriften zur Bundeshaushaltsordnung festgestellt, daß eine dringende Notwendigkeit bestehe, die Innenminister an den Beratungen über die Entwürfe der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zu be� teiligen. In vielen Fällen würden neben Bundesmitteln auch Landes­ mittel zu kommunalen Maßnahmen bewilligt, für die dann die Innen­ minister zuständig seien. Deshalb sei eine Abstimmung dringend not­ wendig. Der Vertreter des Bundesfinanzministeriums erklärte sich bereit, seinem Hause vorzuschlagen, daß je ein Vertreter der kommunalen Spit­ zenverbände und der Innenminister als ständige Teilnehmer zu den Be­ ratungen des aus Vertretern des Bundesfinanzministeriums und der Län­ derfinanzministerien gebildeten Ausschusses (Klementa-Ausschuß) über die Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zur BHO hinzugezogen wer­ den .. Ein weiteres, ähnlich gelagertes Problem beschäftigte den Unter­ ausschuß : Da die Innenminister nicht Mitglieder des Finanzplanungs­ rates und des Konjunkturrates sind, haben sich Schwierigkeiten bei der 17 Vgl. Protokoll über die 8. Sitzung der Arbeitsgruppe „Gliederung und Gruppierung der kommunalen Haushalte" am 11. und 12. Dezember 1969 in Nürnberg, München, 12. 1. 1970 {unveröffentlicht), S. 4 f.

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4. Kap. : Beispiele für Koordination

Unterrichtung der Innenminister über die Beschlüsse dieser Gremien er­ geben. Im Interesse einer schnelleren und umfassenderen Unterrichtung hielt der Ausschuß es für angebracht, wenn die Innenminister vom Fi­ nanzplanungsrat und vom Konjunkturrat unmittelbar über das Ergebnis der Beratungen, insbesondere über die beschlossenen Empfehlungen un­ terrichtet würden. Die Vertreter des Bundesfinanzministeriums und des Bundeswirtschaftsministeriums erklärten sich bereit, diesen Wunsch ihren Häusern vorzutragen18• Auf der 5. Sitzung am 2. und 3. 4. 1970 berichteten die Vertreter der kommunalen Spitzenverbände über die Ergebnisse der von ihnen durch­ geführten Testbefragung zur Erfassung der gemeindlichen Finanzpla­ nungen. Man gelangte zu dem Schluß, daß die Ergebnisse der örtlichen Finanzplanung, wie sie dem Land gemeldet werden, vom Land nicht in ihrem materiellen Gehalt korrigiert werden müßten. Es sollten allen­ falls systematische Korrekturen durch das Statistische Landesamt er­ folgen. Es wurde die Auffassung vertreten, die Testbefragung habe ge­ zeigt, daß die Finanzplanung der Kommunen anlaufen könne. Im übri­ gen waren die Beratungen soweit vorangegangen, daß eine kleine Ar­ beitsgruppe mit der Formulierung eines ersten Entwurfs für das neue Gemeindehaushaltsrecht beauftragt wurde. Diese Formulierungskom­ mission nahm ihre Arbeit kurz darauf auf. Inzwischen war die Zustimmung des Bundesfinanzministers eingegan­ gen, einen Vertreter des Unterausschusses zur nächsten Sitzung des Bund/ Länder-Arbeitsausschusses „Haushaltsrecht und Haushaltssystematik", der die Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zur BHO zu erarbeiten hatte, einzuladen. Auch die Vertreter der kommunalen Spitzenver­ bände sollten gutachtlich gehört werden. Bezüglich der Einbeziehung der Gemeinden in die Finanzplanung kam es in der 6. Sitzung am 4. und 5. 6. 1 970 zwischen Hessen und Bayern einerseits und dem Rest des Ausschusses zu einer Kontroverse, die sich bereits auf der letzten Sit­ zung des Arbeitskreises III der Innenministerkonferenz angedeutet hatte, als die Vertreter dieser beiden Länder dem gemeinsam entwickelten Entwurf nicht zustimmten. Die anderen Mitglieder des Ausschusses ver­ suchten, die beiden Vertreter der genannten Länder umzustimmen, doch sahen sich diese nicht in der Lage, die Erklärung abzugeben, daß ihre Länder sich der von der überwiegenden Mehrheit des Unterausschusses vertretenen Auffassung anschließen würden. Die Angelegenheit sollte daher in der Sitzung des Arbeitskreises III der Innenministerkonferenz am 15. und 16. Juni 1970 mit dem Ziel erörtert werden, eine einheitliche Auffassung der Länder herbeizuführen, da anderenfalls die geplante 18 Vgl. Protokoll der 4. Sitzung des Unterausschusses „Fortentwicklung des Gemeindehaushaltsrechts" am 15. und 16. 2. 1970 in Goslar (unveröffentlicht), S. 13 und 16.

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Einbeziehung der Gemeinden in die Finanzplanung ab 1 970 in Frage ge­ stellt sei19 • In der 7. Sitzung am 15. und 1 6. Oktober 1970 wurde noch einmal der Zeitplan für die Einführung des neuen Haushaltsrechts diskutiert. Es bestand nach wie vor Einigkeit darüber, daß der 1. 1. 1973 als Datum des Inkrafttretens beibehalten werden solle. Allerdings setze das eine intensivere Arbeit des Unterausschusses in mehreren Sitzungen in kür­ zeren Zeitabständen voraus. Demgegenüber wurden auch erste Bedenken geäußert, ob die Länderparlamente in der Lage seien, die Beratungen über das neue Haushaltsrecht der Gemeinden innerhalb eines Jahres abzuschließen. Dennoch einigte sich der Unterausschuß auf die Einfüh­ rung der neuen Haushaltssystematik, die nach Auskunft des Vorsitzen­ den der Arbeitsgruppe „Gliederung und Gruppierung der kommunalen Haushalte" voraussichtlich am 1. Mai 1971 vorliegen werde, und des neuen Haushaltsrechts zu einem einheitlichen Zeitpunkt. Anschließend wurde der 1. Entwurf der Formulierungskommision diskutiert. In der Diskussion wurden vor allem Änderungswünsche des Statistischen Bun­ desamtes und des Deutschen Gemeindetages zur Sprache gebracht. Schließlich wurden die dem Unterausschuß zugeleiteten Unterlagen des Klementa-Ausschusses zum Punkt „Allgemeine Verwaltungsvorschrif­ ten und Allgemeine Bewirtschaftungsgrundsätze zur Bundeshaushalts­ ordnung" zum größten Teil zustimmend zur Kenntnis genommen. Aller­ dings wurde die Auffassung vertreten, daß die Übernahme der Bundes­ richtlinien als Muster für die Länder nicht zu einem Rückschritt in den einzelnen Ländern führen dürfe, da mehrere Länder bereits Richtlinien erlassen hätten, die günstigere Regelungen für die Gemeinden enthiel­ ten. In der nächsten Sitzung des Klementa-Ausschusses sollten diese Be­ denken vorgebracht werden. Das Ergebnis der Beratungen des Klemen­ ta-Ausschusses sollte den Innenministerien möglichst bald zur Kenntnis gegeben werden, damit diese - gegebenenfalls nach Abstimmung im Unterausschuß - hierzu Stellung nehmen könnten. ,,Im Interesse der Sache und im Hinblick auf die gewünschte einheitliche Ausgestaltung auch der Landesrichtlinien sollten die in der Stellungnahme des Unter­ ausschusses zu erwartenden Vorschläge auch vom Bund in seinen Ent­ wurf übernommen werden20 . " Die Vertreter der Innenminister sollten darüber hinaus die Finanzminister der Länder ebenfalls über das Ergeb­ nis der Erörterungen unterrichten und um Unterstützung bitten. 1 9 Vgl. Protokoll der 6. Sitzung des Unterausschusses „Fortentwicklung des Gemeindehaushaltsrechts" am 4. und 5. Juni 1970 in Timmendorfer Strand (unveröffentlicht), S. 9 ff. 20 Protokoll der 7. Sitzung des Unterausschusses „Fortentwicklung des Ge­ meindehaushaltsrechts" am 15. und 16. 10. 1970 in Regensburg (unveröffent­ licht), s. 17 f.

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4. Kap.: Beispiele für Koordination

Auch auf der 8. Sitzung am 16. und 17. November 1970 stand das Pro­ blem des Inkrafttretens des neuen Haushaltsrechts auf der Tagesord­ nung. Aufgrund der mündlichen Stellungnahmen der Ländervertreter kam der Ausschuß zu der Auffassung, daß generell am Termin 1. 1 . 1973 festgehalten werden sollte, bestimmte Gebiete aber erst in einem zweiten Abschnitt eingeführt werden könnten. Der Unterausschuß hielt die For­ derung einer umfassenden Bearbeitung aller Vorschriften des Gemeinde­ haushaltsrechts nur unter gleichzeitigem Verzicht auf den Termin 1. 1. 1 973 für erfüllbar. Da der Bund aber darauf Wert legte, daß auf jeden Fall die Vorschriften über Finanzplanung, Haushaltssystematik und kon­ junkturpolitische Maßnahmen am 1. 1 . 1973 in Kraft treten sollten, wurde die Formulierungskommission beauftragt, bis zum Januar 1971 entsprechende Vorlagen zu entwickeln, soweit dies noch nicht geschehen sei. Es wurde geplant, die erste Stufe der Reform mit dem vorstehend abgegrenzten gesetzlichen Teil und der Neufassung der Gemeindehaus­ haltsverordnung im Unterausschuß bis zum Frühjahr 1971 abschließend zu behandeln. Weitere Gebiete wie die Kassen- und Rechnungsverord­ nung, die Vermögensordnung und die Regelungen über die wirtschaft­ liche Betätigung der Gemeinden sollten abschließend in der zweiten Stufe etwa von Mitte 1971 an im Unterausschuß beraten werden, wobei je nach Fortschritt der Beratungen unter Umständen ein Inkrafttreten zum 1. 1. 1973 noch für möglich gehalten wurde, da die zeitraubende parlamentarische Behandlung dieser Punkte entfallen würde. Das Ge­ biet der wirtschaftlichen Betätigung sollte aber bereits zu einem mög­ lichst frühen Zeitpunkt im Unterausschuß des Arbeitskreises III „Kom­ munale Wirtschaft" vorbereitend erörtert werden, damit dessen Auffas­ sung im Unterausschuß „Fortentwicklung des Gemeindehaushaltsrechts" zur gegebenen Zeit vorliege 21 . Aufgrund von Terminschwierigkeiten war es der Arbeitsgruppe „Glie­ derung und Gruppierung der kommunalen Haushalte" erst am 26. und 27. November 1970 möglich, zu ihrer 9. Sitzung zusammenzutreten. Al­ lerdings wurde diese Sitzung in mehreren Zwischenbesprechungen vor­ bereitet, ein Verfahren, das auch für die letzte Sitzung dieser Arbeits­ gruppe beibehalten werden sollte. Neben weiteren Abschlußarbeiten vor allem am Gliederungsplan wurde über das weitere Vorgehen dieser Ar­ beitsgruppe beraten. Es wurde angeregt, nach der 10. und voraussichtlich letzten Sitzung diese Arbeitsgruppe mindestens einmal jährlich zu­ sammentreten zu lassen, um alle Fragen der kommunalen Haushaltssy­ stematik zu beraten. Sie sollte j eweils ständig Verbindung zum Bun­ desfinanzministerium (Klementa-Ausschuß) halten, damit die gemeinsam u Vgl. Protokoll der 8. Sitzung des Unterausschusses „Fortentwicklung des Gemeindehaushaltsrechts " am 16. und 17. November 1970 in Duisburg (unver­ öffentlicht), S. 1 f.

A. Koordination bei der Gemeindehaushaltsrechtsreform

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interessierenden Fragen möglichst gleichzeitig behandelt und die Ver­ handlungen aufeinander abgestimmt werden könnten22 • Ehe der Unterausschuß „Fortentwicklung des Gemeindehaushalts­ rechts" in seiner 9. Sitzung am 1 5 . und 16. 12. 1970 die Beratungen des Entwurfs der neuen Gemeindehaushaltsverordnung fortsetzte, wurde aufgrund der vom Deutschen Landkreistag vorgebrachten Bedenken nochmals der 1. 1. 1973 als Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Haus­ haltsrechts bestätigt. Inzwischen konnte auch die Frage des Kontaktes zwischen den Länderinnenministerien und dem Arbeitskreis des Finanz­ planungsrates geklärt werden. So wurde vorgesehen, einen ständigen Vertreter des Arbeitskreises III der Innenministerkonferenz zu den Sit­ zungen des Arbeitskreises des Finanzplanungsrates einzuladen23 • Mit Schreiben vom 22. 1 . 1 9 7 1 gibt der Bundesminister für Wirtschaft die Bildung einer Arbeitsgruppe bekannt, die den Auftrag hat, ,, die mit der erforderlichen Entwicklung der öffentlichen Investitionen zusam­ menhängenden Probleme konkret zu behandeln" . Für die am 1 1 . 2. 1 9 7 1 anberaumte erste Sitzung wurde u m die Teilnahme eines Vertreters des für Fragen der kommunalen Aufsicht zuständigen Ausschusses der Innenministerkonferenz an den Sitzungen gebeten. Da wegen der Kürze der Zeit die Entscheidung des Arbeitskreises III in der 10. Sitzung am 26. und 27. 1. 1 9 7 1 nicht mehr eingeholt werden konnte, wurde ein Ver­ treter benannt. Die entsprechende Bestätigung sollte später nachgeholt werden. Eine Beteiligung des Arbeitskreises III am Arbeitskreis des Finanzpla­ nungsrates wurde inzwischen durch die Zusage des Bundesfinanzmini­ sters sichergestellt. Während dieser Vertreter benannt werden konnte, gab es Schwierigkeiten wegen des Vertreters der Arbeitsgruppe des Fi­ nanzplanungsrates an den Sitzungen des Unterausschusses. Von den Län­ derfinanzministern wurde gewünscht, daß einer ihrer Vertreter an den Sitzungen teilnehmen sollte und nicht der bisher teilnehmende Vertreter des Bundesfinanzministeriums. Auf der gleichen Sitzung wurde festge­ stellt, daß der Finan?Jplanungsrat ein neues „ Gemeinsames Schema für die Finanzplanung von Bund, Ländern und Gemeinden" erarbeitet habe, an dessen Zustandekommen die Innenministerien der Länder nicht beteiligt waren. Es wurde im Unterausschuß betont, daß eine Festlegung des In­ halts und der Form der Finanzplanung für den kommunalen Bereich durch dieses Schema ohne nähere Prüfung nicht akzeptiert werden könne 24 •

•• Vgl. Protokoll der 9. Sitzung der Arbeitsgruppe „Gliederung und Grup­ pierung der kommunalen Haushalte" am 26. und 27. November 1970 in Gießen, München, 28. 1. 1971 (unveröffentlicht), S. 2. 23 Vgl. Protokoll der 9. Sitzung des Unterausschusses „Fortentwicklung des Gemeindehaushaltsrechts" am 15. und 16. 12. 1970 in Wiesbaden (unveröffent­ licht), s. 1.

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4. Kap. : Beispiele für Koordination

Die 1 1 . und 12. Sitzung des Unterausschusses „Fortentwicklung des Gemeindehaushaltsrechts" am 2. und 3. bzw. am 29. und 30. März 1971 standen ganz im Zeichen der Beratung des Entwurfs der gesetzlichen Vorschriften des neuen Gemeindehaushaltsrechts. Auf der 13. Sitzung am 18. und 19. 5. 1971 wurden zunächst die Er­ gebnisse der Sitzung des Bund/Länder-Ausschusses „Haushaltsrecht und Haushaltssystematik" beraten und zahlreiche Änderungswünsche vor­ gebracht, ehe die Beratung des Entwurfs der neuen Gemeindehaus­ haltsverordnung fortgesetzt wurde. Darüber hinaus berichteten die je­ weiligen Vertreter über die Beratungen des Finanzplanungsrates und über eine gemeinsame Sitzung des Konjunkturrates und des Finanz­ planungsrates. Zu Beginn der 14. Sitzung am 8. und 9. Juni 1971 wurde ein Antrag der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung beraten, worin die KGSt bittet, an der Arbeit des Unterausschusses be­ teiligt zu werden. Der Unterausschuß, insbesondere die Vertreter der kommunalen Spitzenverbände vertraten die Ansicht, die kommunale Seite sei durch die Spitzenverbände hinreichend repräsentiert und außer­ dem wäre es der Arbeit des Unterausschusses nicht förderlich, wenn der Kreis der Teilnehmer zu groß sei25 , Der Verlauf der weiteren Sitzung stand ebenso wie die 15. und 16. Sitzung am 13. und 14. Juli bzw. am 14. und 15. September 1971 überwiegend im Zeichen der Beratungen des Entwurfs der neuen Gemeindehaushaltsverordnung. Wesentliche Koor­ dinationsprobleme mit anderen Institutionen oder Gremien traten nicht auf. Am 1 8., 19. und 20. Oktober 1971 fand die letzte Sitzung der Arbeits­ gruppe „ Gliederung und Gruppierung der kommunalen Haushalte" statt. Die Entwürfe über die kommunale Haushaltssystematik wurden so weit wie möglich abschließend beraten. Es ergab sich anschließend noch ein kleines Problem, als die Frage auftauchte, wem die Arbeitsergeb­ nisse übergeben werden sollten, dem Unterausschuß „Kommunale Fi­ nanzen" oder dem Unterausschuß „Fortentwicklung des Gemeindehaus­ haltsrechts". Man einigte sich, die erstellten Unterlagen über die neue kommunale Haushaltssystematik dem Unterausschuß „Kommunale Fi­ nanzen" zu übergeben, da er die Arbeitsgruppe eingesetzt habe und folg­ lich Auftraggeber sei. Da die Ergebnisse der Verhandlungen jedoch sach­ lich zum Gemeindehaushaltsrecht gehörten, beschloß man, die Unterla­ gen auch diesem Unterausschuß, und zwar nachrichtlich, zuzuleiten. Die H Vgl. Protokoll der 10. Sitzung des Unterausschusses „Fortentwicklung des Gemeindehaushaltsrechts" am 26. und 27. Januar 1971 in Mannheim (unveröf­ fentlicht), S. 3. H Vgl. Protokoll der 14. Sitzung des Unterausschusses „Fortentwicklung des Gemeindehaushaltsrechts" am 8. und 9. Juni 1971 in Gernsbach (unveröffent­ licht), s. 1.

A. Koordination bei der Gemeindehaushaltsrechtsreform

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Beratungsergebnisse des Unterausschusses „Fortentwicklung des Ge­ meindehaushaltsrechts" und der Arbeitsgruppe sollten aufgrund einer vorbereitenden Zwischenbesprechung nach dem damaligen Stand der Beratungen des Entwurfs der Gemeindehaushaltsverordnung einander angeglichen werden. Eine erste Zwischenbesprechung über die Auswir­ kungen des neuen Haushaltsrechts auf die neue kommunale Haushalts­ systematik hatte bereits am 4. und 5. 10. 1971 stattgefunden. Abschließend wurde von der Arbeitsgruppe die Notwendigkeit der künftigen Koordinierung systematischer und methodischer Fragen der Haushaltssystematik der Gemeinden und Gemeindeverbände erkannt. Es wurde daher beschlossen, den Unterausschuß „Kommunale Finanzen" zu bitten, die künftige Koordinierung, in die auch die Abstimmung mit Bund und Ländern einzubeziehen sei, zu klären und dem Arbeitskreis III einen Vorschlag über die Art und Weise der Koordinierung zu unter­ breiten. Der Unterausschuß „ Kommunale Finanzen" sollte anstelle des Unterausschusses „Fortentwicklung des Gemeindehaushaltsrechts" gebe­ ten werden, weil die künftige Koordinierung über die Neufassung des Gemeindehaushaltsrechts hinausgehe und auch nach Abschluß der Fort­ entwicklung des Gemeindehaushaltsrechts fortgeführt werden müsse. Wegen der immer umfangreicher werdenden Verflechtungen der öf­ fentlichen Haushalte untereinander hielt man eine laufende Abstim­ mung mit dem Bund und den Ländern für unerläßlich28 • Der Abschlußbericht der Arbeitsgruppe „ Gliederung und Gruppie­ rung der kommunalen Haushalte" wurde von ihrem Vorsitzenden eine Woche später auf der 17. Sitzung des Unterausschusses „Fortentwick­ lung des Gemeindehaushaltsrechts" erläutert. In dieser Sitzung wurde auch ein Schreiben der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzen­ verbände vom 20. 10. 1971 erörtert, das sich mit der Verschiebung des Inkrafttretens des neuen Gemeindehaushaltsrechts befaßt. Der Unter­ ausschuß vertrat die Auffassung, daß für eine Abstimung des Termins für das Inkrafttreten des neuen Gemeindehaushaltsrechts keine Möglich­ keit mehr bestehe, nachdem die Innenministerkonferenz sich in ihrer Empfehlung vom 22. 4. 1971 auch mit dieser Frage abschließend befaßt habe. Im übrigen sei es Sache der einzelnen Länder, über den Termin zu entscheiden. Ein Umfrage habe ergeben, daß lediglich in Nordrhein­ Westfalen der Gesetzentwurf im Kabinett verabschiedet und dem Land­ tag zugeleitet worden sei, daß er in Schleswig-Holstein dem Kabinett vorliege. In den Ländern Rheinland-Pfalz, Niedersachsen und Bayern dagegen sei mit einem Inkrafttreten vor dem 1. 1. 1 974 nicht mehr zu rechnen27• H Vgl. Protokoll der 10. Sitzung der Arbeitsgruppe „Gliederung und Grup­ pierung der kommunalen Haushalte" am 18. - 20. Oktober 1971 in Miltenberg (unveröffentlicht), S. 2 und S. 18.

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4. Kap. : Beispiele für Koordination

Der Unterausschuß mußte sich auf seiner 18. Sitzung am 15. und 16. No­ vember 1971 auf Bitten des Vorsitzenden des Unterausschusses „Kommu­ nale Finanzen" mit der vom Bund erarbeiteten Novelle zum Gewerbe­ steuergesetz befassen. Die Anhörung der Länderfinanzminister und der kommunalen Spitzenverbände war zu diesem Zeitpunkt bereits erfolgt. Der Vertreter des Bundesfinanzministeriums teilte mit, daß der Gesetz­ entwurf Anfang Januar 1972 dem Bundeskabinett und Anfang Februar 1972 dem Bundesrat zugeleitet werden solle. Der Unterausschuß be­ dauerte, daß die Innenminister der Länder nicht früher beteiligt worden seien. Der Gesetzesentwurf regele eine für die Gemeinden sehr wich­ tige Materie, für die zudem in den einzelnen Ländern die Innenminister federführend seien. Da man sich nicht in der Lage sah, umfassend Stel­ lung zu nehmen, beantragte man eine Sondersitzung des Unteraus­ schusses „Kommunale Finanzen" 28 • Am 9. und 10. 12. 1971 hatte die 41. Sitzung des Klementa-Ausschusses ( ,,Haushaltsrecht und Haushaltssystematik") stattgefunden, auf der der Musterentwurf für die gesetzlichen Vorschriften des neuen Gemeinde­ haushaltsrechts und der Entwurf der neuen Gemeindehaushaltsverord­ nung zur Diskussion standen. Auf der 19. Sitzung des Unterausschus­ ses „Fortentwicklung des Gemeindehaushaltsrechts" am 20. und 21. 12. 1971 wurden die Änderungs- und Ergänzungsvorschläge im Unteraus­ schuß erörtert. Man betonte das Interesse an einer möglichst schnellen Beendigung der Arbeiten an den Entwürfen der GemHVO. Eine Verzö­ gerung der Arbeiten sollte vermieden werden. Deshalb hielt es der Un­ terausschuß nicht für angebracht, ,,einen gemeinsamen Unterausschuß mit dem Arbeitsausschuß zu bilden, in dem die Änderungs- und Ergän­ zungsvorschläge des Arbeitsausschusses noch einmal erörtert werden sollen29 .'' Der Unterausschuß sah keine Notwendigkeit, den Wünschen des Bundes nachzukommen und eine Änderung des Systems des kom­ munalen Gruppierungsplans vorzunehmen, da die Zielrichtung des kommunalen Gruppierungsplans eine andere sei als die des staatlichen Gruppierungsplans. Der Unterausschuß wurde in dieser Meinung durch die Vertreterin des Statistischen Bundesamtes bestärkt, die noch einmal bestätigte, daß die vorgelegte Fassung des kommunalen Gliederungs­ plans eine Umsetzung aller statistischen Werte in das System des staat­ lichen Gruppierungsplans ermögliche und daß sich für die volkswirt27 Vgl. Protokoll der 17. Sitzung des Unterausschusses „Fortentwicklung des Gemeindehaushaltsrechts" am 25. bis 27. Oktober 1971 in Würzburg (unver­ öffentlicht), S. 2. 28 Vgl. Protokoll der 18. Sitzung des Unterausschusses „Fortentwicklung des Gemeindehaushaltsrechts" am 15. und 16. November 1971 in Fulda (unver­ öffentlicht), S. 1. 2 9 Protokoll der 19. Sitzung des Unterausschusses „Fortentwicklung des Ge­ meindehaushaltsrechts" am 20. und 21. Dezember 1971 in Gelsenkirchen (un­ veröffentlicht), S. 2.

A. Koordination bei der Gemeindehaushaltsrechtsreform

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schaftliche Gesamtrechnung keine Schwierigkeiten ergeben würden. In dieser und der folgenden Sitzung wurde der Musterentwurf der Ge­ meindehaushaltsverordnung weiterberaten. Dabei wurden Anregungen des „Klementa-Ausschusses " berücksichtigt. Eine gewisse Verzögerung trat dadurch ein, daß der Vertreter eines Landes die Sitzungsunterlagen nicht vor der Sitzung erhalten hatte und sich daher nicht in der Lage sah, abschließend Stellung zu nehmen. Die Stellungnahme sollte nach­ geholt werden. Es wurde dann vereinbart, den Entwurf der GemHVO dem Arbeitskreis III zur Beschlußfassung vorzulegen. Dabei wurde in Aussicht genommen, den Beschluß im Umlaufverfahren herbeizufüh­ ren30. In der 2 1 . und 22. Sitzung am 28. und 29. Februar 1972 bzw. am 2 1 . und 2 2 . März 1 972 beriet der Unterausschuß „Fortentwicklung des Ge­ meindehaushaltsrechts" abschließend den Entwurf der Gemeindehaus­ haltsverordnung. Damit war die erste Phase der Gemeindehaushalts­ rechtsreform beendet. Der Unterausschuß wandte sich nunmehr der Re­ form des Kassen- und Rechnungswesens und der Überarbeitung der Prüfungsvorschriften in der Gemeindeordnung zu. Da die Reform der KuRVO in die zweite Stufe der Reform gehört, soll an dieser Stelle die Darstellung des Ablaufs des Reformwerks abgebrochen werden. Die zahlreichen aufgetretenen Kordinierungsprobleme sollen im folgenden Abschnitt einer kurzen kritischen Würdigung unterzogen werden. II. Koordinationsmängel bei der Gemeindehaushaltsrechtsreform

Bei der Reform des Gemeindehaushaltsrechts handelte es sich um ein sehr komplexes Problem, das durch zahlreiche Interdependenzen sach­ licher und institutioneller Art gekennzeichnet war. Im Rahmen dieser Arbeit konnten einige dieser Interdependenzbeziehungen herausge­ arbeitet werden. Zahlreiche Bereiche, so z. B. Probleme der Steuer­ schätzung, des Städtebauförderungsgesetzes, der Sozialleistungen, der Fremdmittel, des Vergabewesens etc. wurden ebenso ausgeklammert wie die vielen Institutionen und sonstigen Gremien, die im Zusammen­ hang mit diesen Fragen tätig geworden sind, so z. B. die Arbeitsgruppe für öffentliche Investitionen, die vom Konj unkturrat eingesetzt wurde, der Verband kommunaler Unternehmungen, der Arbeitsausschuß „Kas­ senreform" der Finanzministerkonferenz etc. Auch die mannigfaltigen Koordinationsprozesse, die innerhalb der einzelnen Institutionen statt­ gefunden haben, konnten nicht erfaßt werden. Doch zeigt schon die grobe Schilderung des Ablaufs des Reformwerkes unter den Aspekten der Gliederung und Gruppierung der Haushalte und der Einbeziehung der 30 Protokoll der 19. Sitzung des Unterausschusses „Fortentwicklung des Gemeindehaushaltsrechts" am 20. und 21. Dezember 1971 in Gelsenkirchen (unveröffentlicht), S. 13 f.

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4. Kap. : Beispiele für Koordination

Kommunen in die Finanzplanung eine Fülle von Koordinationsmän­ geln. Auf die Randprobleme, etwa die Tatsache, daß Sitzungsunterlagen nicht rechtzeitig zugesandt wurden und dadurch der Zeitplan nicht ein­ gehalten werden konnte oder daß nicht alle Seiten, die beteiligt werden wollten, auch beteiligt wurden, soll hier nicht näher eingegangen werden. Wichtig erscheinen zwei Problembereiche, die zu gravierenden Koordi­ nationsmängeln geführt haben, nämlich einmal das Problem der klaren Auftragsbeschreibung und im Zusammenhang damit die Frage der Ko­ ordinationsplanung und zum anderen die Schwierigkeiten der horizon­ talen und diagonalen externen Koordination, d. h. die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Ressorts auf gleicher und unterschiedlicher Ebene. Vergegenwärtigt man sich, daß die Arbeitsgruppe „Gliederung und Gruppierung der kommunalen Haushalte" in fünf Jahren insgesamt 10 Sitzungen abgehalten hat, ehe sie einen Entwurf für einen Gruppie­ rungsplan vorlegen konnte, daß sie in ihrer 4. Sitzung ihren Auftrag­ geber, den Unterausschuß „Kommunale Finanzen" des Arbeitskreises lII der Arbeitsgemeinschaft der Innenministerien der Länder, darum bat, den ihr erteilten Auftrag zu erweitern, indem ihr gestattet werden sollte, auch Fragen der Fortentwicklung des Haushaltsrechts zu behandeln, daß sie ab ihrer 5. Sitzung auch das Problem der Einbeziehung der Kommunen in die mittelfristige Finanzplanung erörtern mußte, so liegt der Schluß nahe, daß zum Zeitpunkt ihrer Einsetzung der Auftrag nicht ausreichend genug definiert worden ist. Zwangsläufig mußte es zu einigen Koordinationsmängeln kommen, die nicht vorhersehbar waren. So konnte die Zusammenarbeit mit den Vertretern des Arbeitskreises des Finanzplanungsrates nicht vorher ge­ plant werden. Ebensowenig ließ sich eine detaillierte Zeitplanung auf­ stellen, da nicht abzusehen war, welche Richtlinien bezüglich der Einbe­ ziehung der mittelfristigen Finanzplanung in die Beratungen zu erwar­ ten waren. So kann man dem Vorwurf, es seien vermeidbare Koordinationsmängel aufgetreten, entgegengehalten, daß nicht alle Interdependenzen erfaßt werden konnten, da die gesamte Entwicklung nicht vorauszusehen war. Darüber hinaus hat zum Zeitpunkt der Einsetzung der Arbeitsgruppe „Gliederung und Gruppierung der kommunalen Haushalte" gar nicht die Absicht bestanden, eine derartig umfassende Reform des Gemeinde­ haushaltsrechts durchzuführen. Erst durch den Zwang zur Koordina­ tion von Wirtschaftspolitik, Finanzpolitik und Kreditpolitik des Bun­ des und der Länder sind auch die für die kommunalen Angelegenheiten zuständigen Innenminister in Zugzwang geraten. Ein umfassender Auf­ trag konnte zu diesem frühen Zeitpunkt auch wegen der nur schritt­ weise erfolgenden Reformen auf Bundes- und Länderebene nicht erteilt

A. Koordination bei der Gemeindehaushaltsrechtsreform

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werden. Aufgrund des Fehlens einer klaren Auftragsbeschreibung konnte eine bessere Koordinationsplanung kaum erfolgen. Man war ge­ zwungen, zu reagieren statt von sich aus zu agieren. Etwas anders sieht die Situation bezüglich des Unterausschusses „Fort­ entwicklung des Gemeindehaushaltsrechts" aus. Der eigentliche Auftrag für eine umfassende Umgestaltung des kommunalen Haushaltsrechts wurde von der Innenministerkonferenz der Bundesländer erst in ihren Sitzungen am 4. 7. 1968 und am 7./8. 8. 1 969 erteilt. Aus diesem Auf­ trag lassen sich die drei wesentlichen Ziele der Reform erkennen. Die umfassendste und materiell schwerwiegendste Forderung stellte die nach einer Einbeziehung der Gemeinden in die Konjunkturpolitik von Bund und Ländern dar. Daneben trat die Aufforderung, eine die Ge­ meinden verpflichtende sowie Bund und Ländern entsprechende Finanz­ planung einzuführen. Schließlich sollte durch eine Anpassung des kom­ munalen Haushaltsrechts an das von Bund und Ländern eine bessere Vergleichbarkeit der öffentlichen Haushalte erreicht werden1 • Vergleicht man allerdings den erteilten Auftrag mit den später von diesem Unterausschuß geleisteten Arbeiten, so stellt man fest, daß die Aktivitäten des Unterausschusses weit über das hinausgingen, was eigentlich von ihm erwartet wurde. Wie die einzelnen materiellen Neue­ rungen zeigen, hat der Unterausschuß die Gelegenheit ergriffen, über den ihm erteilten Auftrag hinaus das gesamte Haushaltsrecht zu moder­ nisieren und überholt erscheinende Vorschriften zu streichen. Daraus läßt sich der Schluß ableiten, daß bei der Auftragseretilung nicht alle Interdependenzen berücksichtigt worden sind, die man hätte erfassen müssen, um eine bessere Koordinationsplanung durchführen zu können. Die Tatsache z. B., daß als Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Re­ gelungen lange Zeit der 1. 1. 1973 anvisiert wurde, ehe man feststellte, daß man auf den 1. 1 . 1974 bzw. in zwei Fällen auf den 1. 1. 975 aus­ weichen mußte, zeigt, daß die Koordination innerhalb der einzelnen Länder offensichtlich nicht zufriedenstellend geklappt hat. So ist die Tat­ sache bemerkenswert, daß erst der Finanzplanungsrat gegründet wer­ den mußte, ehe sich Vertreter der Länderinnenminister und der Länder­ finanzminister in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe zu einer Zusam­ menarbeit zusammenfanden. Die Frage, ob hier nicht eine bessere Ko­ ordination möglich gewesen wäre, erscheint berechtigt. So hätte bei einer entsprechenden Zusammenarbeit auf Länderebene der vom Unteraus­ schuß vorgesehene Zeitpunkt des Inkraftretens unter Umständen ein­ gehalten werden können. Das Beispiel Nordrhein-Westfalens, das be­ reits frühzeitig den Gesetzentwurf dem Landtag zugeleitet hatte, scheint diese Annahme zu bestätigen. 1

Vgl. Stefan Depiereux, Das neue Haushaltsrecht der Gemeinden, a.a.O.,

s. 9.

176

4. Kap. : Beispiele für Koordination

Zusammensetzung und Arbeitsweise des Unterausschusses „Fortent­ wicklung des Gemeindehaushaltsrechts" geben kaum Anlaß zur Kritik. Durch die weitgehende personelle Übereinstimung zwischen Unteraus­ schuß und Arbeitsgruppe „Gliederung und Gruppierung der kommunalen Haushalte" wurde eine kontinuierliche Arbeit am Reformwerk gewähr­ leistet. Auch die Einbeziehung der Vertreter der interessierten Bundes­ ministerien und des Statistischen Bundesamtes erwiesen sich ebenso als sinnvoll wie die Beteiliggung der Vertreter der kommunalen (Bun­ des-)Spitzenverbände. Die einzelnen Mitglieder nahmen in mehr oder weniger starkem Umfang Kontakte mit anderen Institutionen, z. B. der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung, und/ oder mit sachverständigen Personen, z. B. Wissenschaftlern und Prakti­ kern, auf. Darüber hinaus wurden die anstehenden Probleme von eini­ gen Vertretern der Innenministerien in ihren Häusern gewissenhaft aufbereitet, wie entsprechende Stellungnahmen und Ä nderungsanträge nachweisen, d. h. sowohl die interne vertikale als auch die externe hori­ zontale Koordination klappten gut, wenn man von der Zeitplanung absieht. Ausgesprochen problematisch gestaltete sich die Koordination zwi­ schen den Vertretern der Länder und den Gremien, die der Bund ein­ gesetzt hatte. Die ständigen Bemühungen der Länderinnenminister, z. B. an den Beratungen des Finanzplanungsrates, des Konjunkturrates, des Bund-Länder-Ausschusses „Haushaltsrecht und Haushaltssystema­ tik" (Klementa-Ausschuß) oder an der Novellierung des Gewerbesteuer­ gesetzes beteiligt zu werden, machen deutlich, daß von seiten des Bun­ des auf eine verbesserte Koordination offensichtlich wenig Wert gelegt wurde. In dieser mangelnden Bereitschaft zur Zusammenarbeit ist mit Sicherheit ein Grund für den teilweise schleppenden Fortgang der Re­ form zu sehen. Eine frühzeitigere und umfassendere Information der am Reformwerk maßgeblich mitbeteiligten Länderinnenminister durch den Bund, vor allem durch das Bundesfinanzministerium, hätte zahl­ reiche verborgen gebliebene Interdependenzen aufgezeigt und zu einer detaillierteren Auftragsbeschreibung für den Unterausschuß und die Arbeitsgruppe führen können und damit zu einer verbesserten Koordi­ nation. Die Frage, ob die Einsatzmöglichkeiten der zur Verfügung stehenden Koordinationsinstrumente ausgeschöpft wurden, kann nur mit Ein­ schränkung bejaht werden. Zunächst einmal scheidet der Einsatz quan­ titativer Koordinationsinstrumente weitgehend aus. Allenfalls käme die Anwendung der Netzplantechnik bei derartigen Reformmaßnahmen in Betracht. Die Einsatzbedingungen wären zum großen Teil gegeben, jedoch setzt ihre Anwendung einen umfassenden Strukturplan voraus. Bei der Art und Weise, wie die Gemeindehaushaltsrechtsreform durch-

A. Koordination bei der Gemeindehaushaltsrechtsreform

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geführt wurde, hätte die Aufstellung eines derartigen Strukturplans erhebliche Schwierigkeiten mit sich gebracht, wenn sie nicht ganz un­ möglich gewesen wäre. Die Aufstellung eines Strukturplans hätte vor­ ausgesetzt, daß zum Zeitpunkt der Auftragserteilung bereits sämtliche Interdependenzen bekannt gewesen wären. Es muß bezweifelt werden, ob diese Kenntnis sowohl bei der Innenministerkonferenz als auch belm Arbeitskreis III (Kommunale Angelegenheiten) vorhanden war. Es kann hier gefragt werden, ob Mittel und Wege gefunden werden können, den Erkenntnisstand entsprechend zu erhöhen. Hier bieten die qualitativen Koordinationsinstrumente eine Reihe von Ansatzpunkten, so z. B . die Delphi-Technik. Oder eine durch die beteiligten Ministerien entsprechend vorbereitete Konferenz, zu der die in den genannten Aus­ schüssen und Arbeitsgruppen tätigen Vertreter der verschiedenen In­ stitutionen hinzugezogen werden müßten, könnte zu einer besseren Be­ schreibung des Problemfeldes führen. Bedenkt man, daß die Bundesre­ gierung etwa 1 500 Referate und die Landesregierungen etwa 300 um­ fassen, kann man von dem zuständigen Referenten kaum mehr erwarten, daß er weiß, wer von den übrigen Referenten von einer bestimmten Fragestellung betroffen ist2 • Eine systematisch geplante Konferenz, zu der Vertreter aller auch nur partiell betroffenen Institutionen einge­ laden werden, könnte dazu führen, daß Arbeitsgruppen nach sachlichen Gesichtspunkten zusammengestellt und mit konkreten Aufträgen ver­ sehen werden. Dieser Vorschlag mag zunächst utopisch klingen, doch wenn man bedenkt, daß an einer Konferenz vor der Inangriffnahme der Gemeindehaushaltsrechtsreform maximal 80 bis 1 00 Teilnehmer vertreten gewesen wären, die zu Teilbereichen des Reformwerkes hät­ ten Stellung nehmen können, so hätte diese Konferenz frühzeitig die Fülle der Interdependenzen aufzeigen können, die bei dem herkömm­ lichen Verfahren sich erst nach und nach herausgestellt haben. Eine der­ artige Konferenz müßte in der Lage sein, die entsprechenden Arbeits­ gruppen entsprechend der aufgezeigten Sachzusammenhänge einzuset­ zen. Dieser Gedanke setzt allerdings ein Überschreiten der engen Res­ sortgrenzen voraus. Auch müßten Formen gefunden werden, die es er­ möglichen, daß in wesentlich größerem Ausmaß als bisher üblich auch die tatsächlich sachverständigen Mitarbeiter sich zu Wort melden und nicht nur die leider allzu häufig auf Selbstdarstellung bedachten Vor­ gesetzten, die mitunter nicht den nötigen Sachverstand mitbringen. Hier bieten sich Ansatzpunkte für die Entwicklung einer eigenständigen Konferenztheorie.

2 Vgl. Gustav Kuhn, Führungsorganisation und Führungsstil in der öffent­ lichen Verwaltung, in : Der Städtebund 10, hrsg. von Deutscher Städtebund, Düsseldorf. 12 Speyer 72

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4. Kap.: Beispiele für Koordination

B. Koordination beim Genehmigungsverfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz I. Der Ablauf eines Genehmigungsverfahrens Anlaß zur Untersuchung des Genehmigungsverfahrens nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz unter dem speziellen Gesichtspunkt der Koordination war ein praktiziertes Verfahren in der Stadt Speyer, das sich über mehr als zwei Jahre hinzog und an dem zahlreiche Behörden auf den unterschiedlichsten Ebenen mitwirkten. Es kann nicht Aufgabe dieser Arbeit sein, dieses Verfahren in allen Einzelheiten zu durchleuch­ ten, sondern es soll eine Beschränkung auf einige exemplarische Teil­ aspekte des Falles erfolgen, um daraus Anregungen für eine mögliche Rationalisierung des Genehmigungsverfahrens zu entwickeln. Auf die Darstellung von Koordinationsmängeln, die nicht typisch sind und die dem Verfasser aufgrund vertraulicher Informationen in Gesprächen mit Beteiligten oder durch Aktenstudium zur Kenntnis gelangten, wird ebenfalls verzichtet. Eine skizzenhaft·e Darstellung des Ablaufs des Verfahrens soll der Einführung in den Problemkreis dienen: Am 18. 12. 1 972 informierte der Träger des Vorhabens die Genehmi­ gungsbehörde schriftlich über die beabsichtigte Erweiterung ihrer Raf­ finerie und legte die wesentlichen Planungsangaben vor. Danach war eine Erweiterung der Rohölverarbeitungskapazität von 2,8 Millionen Tonnen jährlich auf 7 Millionen Tonnen jährlich beim Bau der ent­ sprechenden Anlagen vorgesehen. Der Antragsteller begehrte die Be­ freiung von der Veröffentlichung nach § 1 7 Gewerbeordnung mit der Begründung, die geplanten Anlagen entsprächen dem neuesten Stand der Technik und stellten somit sicher, daß keine neuen oder größeren Nachteile, Gefahren oder Belästigungen für die Öffentlichkeit entste­ stehen könnten. Diesem Antrag wurde nicht entsprochen, weil erwartet wurde, die durch die Erweiterung der Gesamtanlage hervorgerufenen Emissionen bzw. Immissionen seien größer als die der alten Anlage. Am 18. 1. 1973 wurden die jetzt als „vorläufig" bezeichneten Antrags­ unterlagen an alle verfahrensbeteiligten Behörden, einschließlich des Ministeriums für Landwirtschaft, Weinbau und Umweltschutz, ver­ sandt. Eine erste Behöl'denbesprechung fand am 2 1 . 2. 1973 statt, bei der unter anderem der Antragsteller das Bauvorhaben vorstellte. Eine zweite Behördenbesprechung fand auf Veranlassung des Landesgewer­ beaufsichtsamtes Rheinland-Pfalz, der für das Genehmigungsverfah­ ren zuständigen Zustimmungshehörde, am 12. 3. 1973 beim Landesge­ werbeaufsichtsamt in Mainz statt. In dieser Besprechung kamen das

B. Koordination nach dem Bundes-Immissionsgesetz

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Landesgewerbeaufsichtsamt, die Genehmigungsbehörde, das Staatliche Gewerbeaufsicht.samt Neustadt, der Technische Überwachungsverein Pfalz e. V. Kaiserslautern und der Rheinisch-Westfälische Technische Überwachungsverein Essen übereinstimmend zu dem Ergebnis, daß zur Beurteilung der Umweltbeeinträchtigung ein Immissionsgutachten einer neutralen Stelle eingeholt werden müsse, das über die zu erwartende Immissionsbelastung und die verursachten Geräusche Auskunft geben sollte. Der Auftrag wurde noch vor Eingang des endgültigen Antrages des Trägers des Vorhabens bei der Behördenbesprechung dem Technischen Überwachungsverein Pfalz e. V. mündlich und am 9. 5. 1973 durch die Genehmigungs:behör,de schriftlich erteilt, um zu gewährleisten, daß - speziell durch die zeitaufwendigen Vorbelastungsmessungen - das Antragsverfahren nicht unzumutbar verzögert werde. Das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt Neustadt hielt mit den Gutachtern der eingeschal­ teten Technischen überwachungsvereine ständig Verbindung und war über Art, Umfang und angewandte Methoden bei der Gutachtertätigkeit laufend informiert. Auch haben das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt und die Gutachter des Rheinisch-Westfälischen Technischen Überwa­ chungsvereins Essen den Antragsteller bei der Erarbeitung der Antrags­ unterlagen laufend beraten und informatorisch im Sinne der Verwal­ tungsvorschriften mitgewirkt. Auf diesem Wege wurde sichergestellt, daß - die Antragsunterlagen vollständig wurden, - schon bei der Planung weitestgehend den Anforderungen ordnungsrechtlicher Vorschriften Rechnung getragen wurde, - der Technische Überwachungsverein vollständig mit den offiziell vor­ zulegenden Antragsunterlagen deckungsgleiche Unterlagen zur Be­ urteilung vorliegen hatte. Aus dieser Zusammenarbeit resultierte, daß das Staatliche Gewerbe­ aufsichtsamt als Aufsichtsbehörde und die Stadtverwaltung Speyer als Kreispolizeibehörde und damit als Genehmigungsbehörde schon vor der Ausfertigung des TÜV-Gutachtens laufend über die einzelnen Ergebnisse informiert waren. Ein erster schriftlicher Zwischenbericht wurde vom Technischen Überwachungsverein am 19. 1 1 . 1 973 vorgelegt. Am 6. 1 1 . 1 973 erfolgte die Vorlage des „ endgültigen" Antrages auf Erweiterung der Raffinerie. Je eine Antragsausfertigung wurde ver­ sandt an: - Staatliches Gewerbeaufsichtsamt Neustadt - Staatliches Gesundheitsamt Speyer - Wasserwirtschaftsamt Neustadt 12•

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4. Kap. : Beispiele für Koordination

- Stadtbauamt Speyer - Bezirksregierung Rheinhessen-Pfalz. Nachstehend verfahrensbeteiligte Behörden haben nach Antragsprü­ fung mitgeteilt, daß die Antragsunterlagen zur Beurteilung im gewer­ berechtlichen Verfahren ausreichend und vollständig seien und zum Teil vorläufig Stellung genommen: - am 12. 1 1 . 1973 das Staatliche Gesundheitsamt Speyer - am 15. 1 1 . 1973 die Bezirksregierung Rheinhessen-Pfalz - am 15. 1 1 . 1973 das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt Neustadt - am 23. 1 1 . 1973 das Wasserwirtschaftsamt Neustadt. Am 26. 1 1 . 1 973 erging der Auftrag an die Staatskanzlei auf Veröf­ fentlichung der Bekanntmachung im Sinne des § 1 7 GewO im nächsten Staatsanzeiger. Durch eine telefonische Fehlinformation erfolgte die Veröffentlichung erst in der Ausgabe vom 10. 12. 1 973, so daß die Frist im Sinne des § 17 GewO erst am 1 1 . 12. 1973 in Lauf gesetzt wurde und am 24. 12. 1 973 endete. Von verschiedenen Einwendern wurde ein Form- bzw. ein Verfahrensmangel insoweit geltend gemacht, als wäh­ rend der Offenlegungsfrist am letzten Tag, dem 24. 12. 1973, die B ehörde nicht dienstbereit war und mithin die Antragsunterlagen nicht einge­ sehen werden konnten. Um das Risiko der nachträglichen Feststellung eines Verfahrensfehlers auszuschalten, wurde die Offenlegung vom 12. 2. 1974 bis zum 25. 2. 1 974 wiederholt. Aufgrund erhobener Einwen­ dungen im ersten Offenlegungsverfahren hat die Genehmigungsbe­ hörde am 1 1 . 2. 1974 ein Gutachten über die Belastung der näheren und weiteren Umgebung der Raffinerie durch polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe in Auftrag gegeben, das am 13. 3 und 14. 3. 1 974 bei der Stadtverwaltung vorgelegen hat. Der Erörterungstermin nach § 19 GewO wurde auf den 19. 3. 1974 gelegt. Die ausgiebige Erörterung dauerte zwei Tage. Die Einsprecher haben bis auf eine Ausnahme ihre Einwendungen auch nach gründlicher Erörterung nicht zurückgenommen. Es blieben eine Fülle von Argumen­ ten, Bedenken bzw. Forderungen bestehen. Teilweise wurde den Ein­ wendungen durch die Maßgabe der erteilten Genehmigung entsprochen, teilweise wurden sie aufgrund der Stellungnahmen folgender Fachbe­ hörden zurückgewiesen - Staatliches Gewerbeaufsichtsamt für die Pfalz - Staatliches Gesundheitsamt Speyer - Bezirksregierung Rheinhessen-Pfalz - Luftaufsichtsbehörde - Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz

B. Koordination nach dem Bundes-Immissionsgesetz

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- Stadtverwaltung Speyer als untere Baubehörde - Stadtverwaltung Speyer als untere Wasserbehörde Folgende vorliegende Gutachten führten darüber hinaus zur Zu­ rückweisung der Einwendungen: - über die Emissionen von polycyclischen aromatischen Kohlenwasser­ stoffen - über die Gefährdung von Baudenkmälern und Kunstwerken - über die Luftverunreinigung, Geräusche, Immissionsmessungen von Schwefeldioxyd und Kohlenwasserstoffen und Immissionsprognosen - zur Eigenwasserversorgung. Das nach den Bestimmungen der §§ 16 GewO begonnene Verfahren wurde nach den Vorschriften des am 15. 3. 1 974 in Kraft getretene Bundes-Immissionsschutzgesetz und der auf dieses Gesetz gestützten Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu Ende geführt. Am 1 1 . 9. 1 974 wurde die Genehmigung zur Erweiterung der Raffi­ nerie erteilt. II. Kritische Würdigung und Verbesserungsvorschläge

Das Genehmigungsverfahren für die Errichtung und den Betrieb bestimmter industrieller und gewerblicher Anlagen, die aufgrund ihrer Beschaffenheit oder ihres Betriebes in besonderem Maße zu schädlichen Umwelteinwirkungen führen können, stellt eines der wichtigsten Ge­ staltungsmittel auf dem Gebiet des Immissionsschutzes dar. Dieses Ver­ fahren, das im wesentlichen bereits in den früheren Regelungen der Gewerbeordnung (§§ 16 ff.) enthalten war und sich in der Praxis be­ währt hat, wurde durch das am 1. April 1974 in Kraft getretene Bun­ des-Immissionsschutzgesetz fortentwickelt. Ihm kommt heute, wo die Verbesserung der Umweltverhältnisse zu den vorrangigen Aufgaben der Gesellschaftspolitik gehört, ganz besondere Bedeutung zu. Inwie­ weit es gelingen wird, die Verbesserung und Erhaltung der Umwelt auf Dauer sicherzustellen, hängt weitgehend von der Qualität dieses Ge­ nehmigungsverfahrens ab. Bei der Konzipierung und Durchführung des Genehmigungsver­ fahrens entsteht ein beinahe unlösbares Dilemma: Einerseits muß der gesetzlich verankerte Schutz des Bürgers vor schädlichen Umweltein­ wirkungen, erheblichen Belästigungen, Nachteilen und Gefahren in vol­ lem Umfang gewährleistet sein. Aus diesem Blickwinkel erhebt sich die Forderung nach einem möglichst umfassenden, alle Aspekte berück­ sichtigenden Genehmigungsverfahren. Andererseits hat ein derartig

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4. Kap. : Beispiele für Koordination

weitgehendes Verfahren einen erheblichen Einfluß auf die wirtschaft­ liche Entwicklung. Ein zu lange dauerndes Verfahren steht dem berech­ tigten Interesse der Industrie nach rascher und zügiger Realisierung ihrer Inv·estitionspläne entgegen. Folglich muß ein Verfahren gefunden werden, das zu einem sachgerechten Ausgleich der gerade auf diesem Gebiet allzu häufig polarisierten Interessenlagen führt. Eine weitere, sehr wesentliche Anforderung an dieses Verfahren kommt noch hinzu: Es muß sich um ein Genehmigungsverfahren handeln, das eine unter­ schiedlich praktizierte Durchführung des Verfahrens bei den zuständigen Behörden verhindert, da es sonst zu Wettbewerbsverzerrungen kommen könnte. Es muß sich also um ein sachgerechtes, einheitliches und be­ schleunigtes Genehmigungsv,erfahren handeln. Da ein gutes, umfang­ reiches Verfahren langwierig und teuer ist, sollte eine Verbesserung des Verfahrens angestrebt werden. Ein Weg ist eine Rationalisierung des Genehmigungsverfahrens z.B. durch eine verbesserte Koordination sei­ tens der beteiligten Behörden. Diesen Aspekt sollen die folgenden Aus­ führungen zum Inhalt haben. Nach § 4 Abs. 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BimSchG) be­ dürfen die Errichtung und der Betrieb von Anlagen, die aufgrund ihrer Beschaffenheit oder ihres Betriebes in besonderem Maße geeignet sind, schädliche Umwelteinwirkungen hervorzurufen oder in anderer Weise die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft zu gefährden, erheblich zu benachteiligen oder erheblich zu belästigen, einer Genehmigung. § 2 der Vierten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutz­ gesetzes (Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen - 4. Bim­ SchV) führt die Anlagen auf, für die die Genehmigung im Verfahren nach § 8 bis des Bundes-Immissionsschutz,gesetzes erteilt wird. Bund und Länder erlassen Verwaltungsvorschriften zur Durchführung dieses Gesetzes, die Länder erlassen darüber hinaus Verwaltungsvorschriften zum Genehmigungsverfahren nach demBundes-Immissionsschutzgesetz1 • Diese Verwaltungsvorschriften der Länder regeln den Ablauf des Ge­ nehmigungsverfahrens. Da die Anforderungen des Bundes-Immissions­ schutzgesetzes und der entsprechenden Verwaltungsvorschriften, so ins­ besondere der Ersten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundes­ Immissionsschutzgesetz (Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft - TA Luft -) vom 28. August 1974, gegenüber den Vorschriften der §§ 16 ff. der GewO beträchtlich erhöht worden sind, müssen die von den Ländern erlassenen Verwaltungsvorschriften entsprechend geändert werden. Bezüglich der Bemühungen um eine Rationalisierung des Ge­ nehmigungsverfahrens fällt auf, daß in erster Linie der Zeitaspekt eine 1 Bisher haben lediglich die Länder Bayern, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein Verwaltungsvorschriften zum Genehmigungsverfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz erlassen. Für das Land Rheinland­ Pfalz liegt ein Entwurf einer Verwaltungsvorschrift vor.

B. Koordination nach dem Bundes-Immissionsgesetz

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stärkere Berücksichtigung findet. So sind in den Verwaltungsvorschriften des Landes Nordrhein+Westfalen2 und im Entwurf für die Verwaltungs­ vorschriften des Landes Rheinland-Pfalz3 eindeutige Zeitvorgaben für die am Genehmigungsverfahren beteiligten Behörden enthalten, inner­ halb derer die erforderlichen Amtshandlungen vollzogen sein sollen. Derartige Richtlinien erleichtern zwar der als Koordinierungsinstanz tätigen Genehmigungsbehörde die beschleunigte Abwicklung des Ver­ fahrens, zumal bei Nichteinhaltung der Fristen die Aufsichtsbehörde der beteiligten Stelle eingeschaltet werden kann. Sie sind jedoch nur dann wirksam, wenn gleichzeitig die Koordination zwischen den betei­ ligten Behörden verbessert wird. Eine Verbesserung der Zusammenar­ beit zwischen den beteiligten Behörden scheint angesichts der erheblich gestiegenen Anforderungen geboten, wenn nicht die Gefahr bestehen soll, daß die Genehmigungs·behörde reine „Briefkasten- und Botenfunk­ tionen" wahrnimmt. Diese Gefahr kann vor allem bei technisch umfang­ reichen Anlagen auftreten, wenn die Genehmigungsbehörde weder per­ sonell noch sachlich in der Lage ist, die notwendigen Entscheidungen zu treffen. Es soll im folgenden geprüft werden, welche Möglichkeiten der Verbesserung der Koordination bestehen. Dazu sollen zunächst die wich­ tigsten Schritte des Genehmigungsverfahrens aufgeführt werden. Eine für den gesamten Ablauf des Verfahrens entscheidender Schritt liegt vor dem eigentlichen Genehmigungsverfahren und kann mit „Be­ ratung vor der Antragstellung" bezeichnet werden4 • In dieser Phase werden die Weichen für einen sachgerechten und beschleunigten Ablauf des Verfahrens gestellt, denn hier besteht die Möglichkeit, eine umfas­ sende Koordinationsplanung vorzunehmen. Deshalb sollte dieser Phase eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Generell wird die Initiative zunächst einmal vom potentiellen Antragsteller ausgehen müssen, der die Genehmigungsbehörde, das dürfte in Rheinland-Pfalz in der Regel die Stadtverwaltung bzw. das Landratsamt als Kreispolizei­ behörde sein, oder die Aufsichtsbehörde, das dürfte in der Regel das Staatliche Gewerbeaufsichts