Kontinuumsmechanik: Einführung in die materialunabhängigen und materialabhängigen Gleichungen [4. Aufl.] 978-3-662-57503-1;978-3-662-57504-8

Innovative technische Projekte mit komplexen Aufgabenstellungen erfordern oft solide Kenntnisse in der Kontinuumsmechani

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Kontinuumsmechanik: Einführung in die materialunabhängigen und materialabhängigen Gleichungen [4. Aufl.]
 978-3-662-57503-1;978-3-662-57504-8

Table of contents :
Front Matter ....Pages i-xiv
Front Matter ....Pages 1-2
Einführung (Holm Altenbach)....Pages 3-16
Mathematische Grundlagen der Tensoralgebra und Tensoranalysis (Holm Altenbach)....Pages 17-70
Front Matter ....Pages 71-72
Kinematik des Kontinuums (Holm Altenbach)....Pages 73-138
Kinetische Größen und Gleichungen (Holm Altenbach)....Pages 139-168
Bilanzgleichungen (Holm Altenbach)....Pages 169-208
Front Matter ....Pages 209-210
Materialverhalten und Konstitutivgleichungen (Holm Altenbach)....Pages 211-232
Deduktiv abgeleitete Konstitutivgleichungen (Holm Altenbach)....Pages 233-254
Induktiv abgeleitete Konstitutivgleichungen (Holm Altenbach)....Pages 255-286
Methode der rheologischen Modelle (Holm Altenbach)....Pages 287-304
Front Matter ....Pages 305-306
Grundgleichungen der linearen Elastizitätstheorie (Holm Altenbach)....Pages 307-316
Grundgleichungen linearer viskoser Fluide (Holm Altenbach)....Pages 317-324
Back Matter ....Pages 325-345

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Holm Altenbach

Kontinuumsmechanik Einführung in die materialunabhängigen und materialabhängigen Gleichungen 4. Auflage

Kontinuumsmechanik

Holm Altenbach

Kontinuumsmechanik Einführung in die materialunabhängigen und materialabhängigen Gleichungen 4., korrigierte und überarbeitete Auflage

Holm Altenbach Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Deutschland Ursprünglich erschienen im Teubner Verlag, Leipzig, 1994, Altenbach J, Altenbach H, Einführung in die Kontinuumsmechanik

ISBN 978-3-662-57503-1 ISBN 978-3-662-57504-8  (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-662-57504-8 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer Vieweg Ursprünglich erschienen im Teubner Verlag, Leipzig, 1994 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012, 2015, 2018 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichenund Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Springer Vieweg ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer-Verlag GmbH, DE und ist ein Teil von Springer Nature Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany

Vorwort

Innovative Projekte der Technik erfordern vielfach solide Kenntnisse in der Kontinuumsmechanik. Die Ursache hierf¨ur liegt in der Komplexit¨at der Aufgabenstellungen, die oftmals nicht mehr im Rahmen klassischer Konzepte der Technischen Mechanik zu l¨osen sind, da es sich um Mehrfeldprobleme handelt. Darunter versteht man das Einwirken unterschiedlicher Felder (z.B. mechanischer, thermischer, elek¨ trischer, magnetischer und chemischer) auf das Kontinuum. Auch verlangt der Ubergang von geometrisch linearen zu geometrisch nichtlinearen Modellen nach Alternativen zur klassischen Beschreibung der Verzerrungsgr¨oßen. Gleichzeitig m¨ussen die Spannungstensoren f¨ur unterschiedliche Konfigurationen definiert werden. Besondere Aufmerksamkeit ist auf die Modellierung komplexen Materialverhaltens zu richten. Hinzu kommt, dass sich zahlreiche Teilgebiete der Physik mit den Methoden der Kontinuumsmechanik bzw. durch Analogiebetrachtungen sehr gut erschließen lassen. In der Kontinuumsmechanik werden die Grundgleichungen in zwei große Gruppen unterteilt - die materialunabh¨angigen und die materialabh¨angigen Gleichungen. Diese werden nachfolgend diskutiert, wobei das vorliegende Buch in m¨oglichst einfacher Weise in die Grundlagen dieses theoretisch anspruchsvollen Gebietes einf¨uhren will. Der Schwerpunkt liegt bei festen deformierbaren K¨orpern unter thermo-mechanischer Belastung. Die vorgestellten Konzepte lassen sich aber auch auf Fluide ohne Schwierigkeiten u¨ bertragen. Die Einbeziehung anderer Belastungen macht gleichfalls keine prinzpiellen Schwierigkeiten, wobei der Teufel meist im Detail steckt. Das Buch richtet sich haupts¨achlich an Studierende des Maschinenbaus, des Bauingenieurwesens und der Werkstoffwissenschaft, aber auch an die in den Bereichen Konstruktion, Entwicklung und Forschung t¨atigen Ingenieure. Vorausgesetzt werden Kenntnisse der H¨oheren Mathematik, der Physik, der Technischen Mechanik, der Thermodynamik, der Str¨omungslehre und der Werkstoffkunde, wie sie in Ingenieurstudieng¨angen zu Beginn der Ausbildung vermittelt werden. Die Kontinuumsmechanik sollte dann gleich im Anschluss folgen, um zur Anwendung der Bilanzgleichungen und der ph¨anomenologischen Materialmodelle im weiteren Studium anzuregen. Gleichzeitig wird den Studierenden eine ganzheitliche Betrachtung angeboten, die die teilweise nicht mehr u¨ berschaubare Aufsplit-

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Vorwort

terung in viele, scheinbar unabh¨angige technische Teilprobleme und deren L¨osung mit Hilfe spezieller Ans¨atze und Theorien vermeidet. Zur Kontinuumsmechanik gibt es bis heute unterschiedliche Lehrmeinungen, die durch zahlreiche wissenschaftliche Schulen vertreten werden. Mit dem vorliegenden Lehrbuch wird versucht, auch das Lesen von Spezialliteratur zu erleichtern, wobei die axiomatisch orientierten Darstellungen der Grundlagen dominant sind. Zahlreiche Literaturhinweise erleichtern das weiterf¨uhrende und vertiefende Studium, da bei den knapp bemessenen Stundentafeln in der Ausbildung nicht mehr auf jedes Problem im Detail eingegangen werden kann. Im Gegensatz zu fr¨uheren Auflagen hat sich die Anzahl der englischsprachigen Quellen weiter erh¨oht. Die vorliegende Einf¨uhrung in die Kontinuumsmechanik ist insbesondere durch die Lehrb¨ucher/Monographien von A.I. Lurie1 [30; 31], E. Krempl2 [28], P. Haupt3 [23], P.A. Zhilin4 [55; 56] und V.A. Palmov5 [38; 39; 40; 42; 41] gepr¨agt. Die Stoffauswahl und Darstellung sind vorrangig durch die Zielstellung bestimmt, in m¨oglichst kompakter Form in die Grundlagen der Kontinuumsmechanik einzuf¨uhren. Daher wird auch nur das einfachste Koordinatensystem betrachtet. Ausgew¨ahlte durchgerechnete Beispiele illustrieren anschaulich die theoretischen Zusammenh¨ange. Fußnoten betreffen weitgehend historische Bez¨uge6 . Bei der weiterf¨uhrenden Literatur wird auch auf B¨ucher verwiesen, die heute weitgehend nur noch u¨ ber Bibliotheken beschaffbar sind. Man sollte die Klassiker nicht ignorieren, da sie bei der Entwicklung des noch relativ jungen Lehrgebietes in der Mechanik bestimmte Entwicklungsetappen kennzeichnen. Nach einer kurzen Einf¨uhrung in Aufgaben, Betrachtungsweisen und Modelle der Kontinuumsmechanik werden zun¨achst die f¨ur eine Einf¨uhrung notwendigen Grundz¨uge der Tensorrechnung in knapper Form vorangestellt. Dabei werden zwei Darstellungsformen genutzt - die invariante und die indizierte. Die Vor- und Nachteile werden hier nicht genauer diskutiert. Da f¨ur eine invariante Darstellung die Festlegung auf ein Koordinatensystem nicht notwendig ist, kann man zumindest einen Vorteil dieser Darstellung erkennen. Im Sinne einer Einf¨uhrung erfolgt f¨ur die 1 Anatoly Isakovich Lurie (1901-1980), Professor f¨ ur Mechanik am Leningrader Polytechnischen Institut (heute St. Petersburger Staatliche Polytechnische Universit¨at), grundlegende Beitr¨age zur Mechanik und Regelungstechnik 2 Erhard Krempl (1934-2010), Professor am Rensselaer Polytechnic Institute, Troy, NY, Werkstoffmodellierung 3 Peter Haupt (geb. 1938), Professor f¨ ur Technische Mechanik/Kontinuumsmechanik an der Universit¨at Kassel, Beitr¨age zur Materialtheorie 4 Pavel Andreevich Zhilin (1942-2005), Professor f¨ ur Rationale Mechanik an der St. Petersburger Staatlichen Polytechnischen Universit¨at, Beitr¨age zu den Grundlagen und zu verschiedenen Teildisziplinen der Kontinuumsmechanik 5 Vladimir Alexandrovich Palmov (geb. 1934), Professor f¨ ur Mechanik an der St. Petersburger Staatlichen Polytechnischen Universit¨at, Beitr¨age zur nichtlinearen Kontinuumsmechanik, Materialtheorie und Rheologie 6 Bei den historischen Bez¨ ugen wird auf die Angabe der Nationalit¨at bzw. der Staatsangeh¨origkeit der genannten Personen verzichtet, da diese in manchen F¨allen nicht eindeutig bzw. durch bestimmte politische Entscheidungen definiert ist. Bei der Jahresangabe steht jul. f¨ur julianischer Kalender und greg. f¨ur gregorianischer Kalender.

Vorwort

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indizierte Darstellung eine Beschr¨ankung auf kartesische Koordinaten, die durch gerade, zueinander orthogonale Achsen gekennzeichnet sind. Erg¨anzungen und Erweiterungen k¨onnen der Spezialliteratur, z.B. [26; 29; 31], entnommen werden. Die folgenden Kapitel behandeln systematisch die materialunabh¨angigen Aussagen der Kontinuumsmechanik, d.h. die Kinematik, die Kinetik und die Bilanzen. Die Erhaltungss¨atze werden als Sonderf¨alle der Bilanzaussagen formuliert. Es folgen die materialabh¨angigen Aussagen. Ausgehend von den allgemeinen Grunds¨atzen der Materialtheorie werden f¨ur Festk¨orper und Fluide exemplarisch Konstitutivgleichungen auf deduktivem und auf induktivem Wege formuliert sowie die Methode der rheologischen Modellierung erl¨autert. In den abschließenden Kapiteln wird wiederum exemplarisch an den f¨ur technische Anwendungen besonders wichtigen Teilgebieten der Kontinuumsmechanik, der linearen Theorie der Elastizit¨at und der Thermoelastizit¨at sowie der linear-viskosen Fluide gezeigt, wie die materialunabh¨angigen und die materialabh¨angigen Gleichungen zusammengefasst und f¨ur die genannten Gebiete die Anfangs-Randwertprobleme formuliert werden k¨onnen. Alle Aussagen beziehen sich auf die klassische Kontinuumsmechanik thermomechanischer Felder. Andere physikalische Felder, mehrphasige Systeme und verallgemeinerte Kontinuumsmodelle bleiben ausgeschlossen. Entsprechende weiterf¨uhrende Literaturhinweise sind angegeben. Das Buch basiert auf dem Konzept des Lehrbuchs Einf¨uhrung in die Konti” nuumsmechanik“ [5], an dem der Autor mitwirkte. Dieses war der Nachfolger des Lehrbuchs von Becker und B¨urger [8], welches st¨arker auf fluidmechanische Aspekte orientiert war. Auf Grund der zahlreichen positiven Leserbewertungen des Lehrbuchs wurde das Grundkonzept auch in der jetzt vierten Auflage beibehalten. Es wurde mehrfach an deutschen und ausl¨andischen Hochschulen erprobt und entspricht in seinem Umfang einer einsemestrigen Lehrveranstaltung mit vier Wochen¨ stunden Vorlesungen und zwei Wochenstunden Ubungen, wobei diese durchaus im 4. oder 5. Fachsemester des Bachelor- oder Diplomprogramm ligen kann. Da im Zusammenhang mit der Umstellung auf Bachelor- und Masterstudieng¨ange vielfach nur Module mit weniger Stunden angeboten werden k¨onnen, wurde der Stoff so aufbereitet, dass man das Buch auch zum Selbststudium einsetzen kann. Zahlreiche ¨ Korrekturen wurden eingearbeitet bzw. Anderungsvorschl¨ age fanden Ber¨ucksichtigung. Dem Springer-Verlag sei f¨ur die hervorragende Zusammenarbeit gedankt, insbesondere Frau Hestermann-Beyerle (sie startete dieses Projekt noch), Herrn Michael Kottusch und Frau Kollmar-Thoni. Großen Einfluss auf die Gestaltung der vierten Auflage hatten Diskussionen mit meinen Mitarbeitern, insbedondere mit Priv.Doz.Dr.-Ing.habil. Rainer Gl¨uge. Die kritische Durchsicht des Manuskripts, die Unterst¨utzung bei der grafischen Gestaltung sowie die Erstellung von Beispielaufgaben hat stets zu Verbesserungen gef¨uhrt. Hier muss insbesonderen Frau Dr.-Ing. Johanna Eisentr¨ager sowie den Herren Dr.-Ing. Marcus Aßmus, M.Sc. Stefan Bergmann und M.Sc. Joachim Nordmann gedankt werden. Gleichzeitig m¨ochte ich mich bei den zahlreichen Verfassern von Zuschriften, haupts¨achlich bei Herrn Herbert R¨oßel ¨ aus Linz (Osterreich), zum Buch bedanken - zahlreiche Fehler, insbesondere auch Druckfehler, konnten so beseitigt werden. Nicht vergessen m¨ochte ich an dieser

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Vorwort

Stelle meine Frau, die mich (wie schon oft) fachkundig bez¨uglich der Literatur, der Quellen und der biografischen Angaben beriet. Eine abschließende Durchsicht erfolgte durch meine Sekret¨arin, Manuela Schildt. In den letzten Jahren erschienen zahlreiche Lehrb¨ucher und Monografien zur Kontinuumsmechanik. Ohne Anspruch auf Vollst¨andigkeit zu erheben, seien hier einige erw¨ahnt. Unter den deutschsprachigen B¨uchern sind insbesondere die von Betten [12] (mit zahlreichen Beispielen zu Problemen der Plastizit¨atstheorie und Kriechmechanik), Bertram [10] (Materialmodellierung, engl. Ausgabe [11]), Capaldi [13] (biologische Materialien), Giesekus [20] (Rheologie), Greve [21] (klassische Feldtheorie deformierbarer K¨orper), Krawietz [27] (mit dem Schwerpunkten Rheologie und rheologische Modelle), M¨uller [35] (Einbeziehung von nichtthermomechanischen Problemen), Parisch [45] (L¨osung mit Finiten Elemente) und Willner [53] (Anwendungen in der Kontaktmechanik) zu erw¨ahnen. Unter den englischsprachigen Werken seien hier die B¨ucher von Allen [1] (mathematische Modellierung), Bas¸ar & Weichert [6] (Schwerpunkt bei nichtlinearen Effekten bei elastischen Materialien), Bechtel & Lowe [7] (Kontinuummechanik mit Anwendung auf Materialien unter mechanischen, thermo-mechanischen und weiteren Lastf¨allen), Bertram [9] (unter spezieller Beachtung der Besonderheiten der Plastizit¨at), Cowin [14] (anisotrope Materialien), Eremeyev, Lebedev & Altenbach [15] (mikropolare Mechanik), Eugster [18] (geometrische Aspekte, Balkentheorien), Eringen [16; 17] (nichtklassische oder verallgemeinerte Kontinua), Freed [19] (mit dem Schwerpunkt weiche“ Festk¨orper), Gurtin et al. [22] (Mechanik und Thermodyna” mik der Kontinua), Haupt [23] (mit dem Schwerpunkt Materialtheorie), Hern´andez & Fontan [24] (lineare Elastizit¨at, Plastizit¨at, komplexes Materialverhalten), Hutter & J¨ohnk [25] (Kontinuumsmechanik, Dimensionsanalyse, Turbulenz), Madeo [32] (verallgemeinerte Kontinua), M¨uller [36] (Festk¨orper, Fluide, Elektromagnetismus), Nemat-Nasser [37] (Finite Deformationen heterogener inelastischer Materialien), Palmov [38] (rheologische Modelle), Paolucci [44] (Thermoelastische Festk¨orper, Fluide, Viskoelastizit¨at), Reddy [46] (Grundlagen der Kontinuumsmechanik und aktuelle Anwendungen), Romano [47] (Mathematische Hilfsmitttel zur numerischen L¨osung), Rudnicki [48] (Grundlangen der Kontinuummechanik in Hinblick auf nuˇ merische L¨osungsverfahren), Silhav´ y [50] (Rationale Thermodynamik), Skrzypek & Ganczarski [51] (Diskussion anisotroper Materialmodelle), Tanner [52] (Rheologie) und Wu [54] (Plastizit¨at), aufgez¨ahlt. Mit den Tagungsb¨anden bzw. Vorlesungskursen [2; 3; 4; 34] erh¨alt der Leser einen Einblick in aktuelle Forschungsrichtungen. Auch wenn f¨ur viele nicht erschließbar, da in Russisch abgefasst, sollen auch die B¨ucher von Palmov [39; 40; 41; 42; 43] und Zhilin [56] angegeben werden. Diese geh¨oren zu den besten russischsprachigen Lehrb¨uchern auf dem Gebiet der Kontinuumsmechanik bzw. behandeln Teilaspekte dieses Buches. Sie unterscheiden sich deutlich von den anderen sowjetisch-russischen Mechanikschulen (z.B. [49]) in ihrer Darstellungsart. Abschließend sei noch auf ein Buch von Maugin verwiesen [33], welches ausgew¨ahlte Grundbegriffe der Kontinuumsmechanik erkl¨art. Magdeburg, Juli 2018

Holm Altenbach

Literaturverzeichnis

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Literaturverzeichnis 1. Allen MB (2016) Continuum Mechanics: the Birthplace of Mathematical Models. Wiley, Hoboken, New Jersey 2. Altenbach H, Eremeyev VA (eds) (2012) Generalized Continua - From the Theory to EngineeringApplications. No. 541 in CISM Courses and Lectures. Springer, Wien 3. Altenbach H, Forest S, Krivtsov AM (eds) (2011) Generalized Continua as Models for Materials for Materials with Multi-Scale Effects or Under Multi-Field Actions, Advanced Structured Materials, Vol 22. Springer, Heidelberg 4. Altenbach H, Maugin GA, Erofeev V (eds) (2011) Mechanics of Generalized Continua, Advanced Structured Materials, Vol 7. Springer, Heidelberg 5. Altenbach J, Altenbach H (1994) Einf¨uhrung in die Kontinuumsmechanik. Teubner, Stuttgart 6. Bas¸ar Y, Weichert D (2000) Nonlinear Continuum Mechanics of Solids. Springer, Berlin 7. Bechtel S, Lowe R. (2015) Fundamentals of Continuum Mechanics with Applications to Mechanical, Thermomechanical, and Smart Materials. Elsevier, Amsterdam 8. Becker E, B¨urger W (1975) Kontinuumsmechanik. Teubner, Stuttgart 9. Bertram A (2012) Elasticity and Plasticity of Large Deformations. An Introduction, 3rd edn. Springer, Berlin 10. Bertram A, Gl¨uge R (2015) Festk¨orpermechanik, 2. Aufl. Otto-von-Guericke-Universit¨at Magdeburg, Magdeburg 11. Bertram A, Gl¨uge R (2015) Solid Mechanics - Theory, Modeling, and Problems. Springer, Cham 12. Betten J (2001) Kontinuumsmechanik: Elastisches und inelastisches Verhalten isotroper und anisotroper Stoffe, 2. Aufl. Springer, Berlin 13. Capaldi FM (2012) Continuum Mechanics - Constitutive Modeling of Structural and Biological Materials. Cambridge University Press, Cambridge 14. Cowin SC (2013) Continuum Mechanics of Anisotropic Materials. Springer, New York 15. Eremeyev VA, Lebedev LP, Altenbach H (2012) Foundations of Micropolar Mechanics, Springer-Briefs in Applied Sciences and Technologies. Springer, Heidelberg 16. Eringen AC (1999) Microcontinuum Field Theory, Vol I. Foundations and Solids. Springer, New York 17. Eringen AC (1999) Microcontinuum Field Theory, Vol II. Fluent Media. Springer, New York 18. Eugster SR (2015) Geometric Continuum Mechanics and Induced Beam Theories, Lecture Notes in Applied and Computational Mechanics, Vol. 75. Springer, Cham 19. Freed AD (2014) Soft Solids - A Primer to the Theoretical Mechanics of Materials. Birkh¨auser, Z¨urich 20. Giesekus H (1994) Ph¨anomenologische Rheologie: eine Einf¨uhrung. Springer, Berlin 21. Greve R (2003) Kontinuumsmechanik: Ein Grundkurs. Springer, Berlin 22. Gurtin ME, Fried E, Anand L (2013) The Mechanics and Thermodynamics of Continua. Cambridge University Press, Cambridge 23. Haupt P (2002) Continuum Mechanics and Theory of Materials, 2nd edn. Springer, Berlin 24. Hern´andez S, Fontan AN (2018) Linear and Non-Linear Continuum Solid Mechanics. WIT Press, Ashurst Lodge, New Forest, UK 25. Hutter K, J¨ohnk K (2004) Continuum Methods of Physikal Modeling - Continuum Mechanics, Dimensional Analysis, Turbulence. Springer, Berlin 26. Itskov M (2015) Tensoralgebra and Tensor Analysis for Engineers With Applications to Continuum Mechanics, 4th edn. Mathematical Engineering, Springer, Berlin 27. Krawietz A (1986) Materialtheorie. Springer, Berlin 28. Lai WM, Rubin D, Krempl E (2010) Introduction to Continuum Mechanics, 4th edn. Butterworth-Heinemann, Amsterdam 29. Lebedev LP, Cloud MJ, Eremeyev VA (2010) Tensor Analysis with Applications in Mechanics. World Scientific, New Jersey 30. Lurie AI (1990) Nonliner Theory of Elasticity. North-Holland, Amsterdam

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Vorwort

31. Lurie AI (2005) Theory of Elasticity. Foundations of Engineering Mechanics, Springer, Berlin 32. Madeo A (2015) Generalized Continuum Mechanics and Engineering Applications. Elsevier, Kidlington 33. Maugin GA (2017) Non-Classical Continuum Mechanics - A Dictionary, Advanced Structured Materials, Vol 51. Springer, Singapore 34. Maugin GA, Metrikine A (eds) (2010) Mechanics of Generalized Continua - One Hundred Years After the Cosserats, Advances in Mechanics and Mathematics 21. Springer, Berlin 35. M¨uller WH (2011) Streifz¨uge durch die Kontinuumstheorie. Springer, Berlin, Heidelberg 36. M¨uller WH (2014) An Expedition to Continuum Theory, Solid Mechanics and Its Applications, Vol 210. Springer, Dordrecht 37. Nemat-Nasser S (2004) Plasticity - A Treatise on Finite Deformation of Heterogeneous Inelastic Materials. Cambridge University Press, Cambridge 38. Palmov VA (1998) Vibrations of Elasto-plastic Bodies. Foundations of Engineering Mechanics, Springer, Berlin 39. Palmov VA (2008) Elemente der Tensoralgebra und Tensoranalysis (in Russ.). Verlag der Polytechnischen Universit¨at, St. Petersburg 40. Palmov VA (2008) Grundgesetze der Natur (in Russ.). Verlag der Polytechnischen Universit¨at, St. Petersburg 41. Palmov VA (2008) Konstitutivgleichungen thermoelastischer, thermoviskoser und thermoplastischer Materialien (in Russ.). Verlag der Polytechnischen Universit¨at, St. Petersburg 42. Palmov VA (2008) Theorie der Konstitutivgleichungen in der nichtlenearen Thermomechanik deformierbarer K¨orper (in Russ.). Verlag der Polytechnischen Universit¨at, St. Petersburg 43. Palmov VA (2014) Nichtlineare Mechanik der deformierbaren K¨orper (in Russ.). Verlag der Polytechnischen Universit¨at, St. Petersburg 44. Paolucci S (2016) Continuum Mechanics and Thermodynamics of Matter. Cambridge University Press, New York 45. Parisch H (2003) Festk¨orper-Kontinuumsmechanik: Von den Grundgleichungen zur L¨osung mit Finiten Elementen. Teubner, Stuttgart 46. Reddy JN (2017) Principles of Continuum Mechanics: Conservation and Balance Laws with Applications, 2nd ed. Cambridge University Press, New York 47. Romano A (2014) Continuum Mechanics using Mathematica: Fundamentals, Methods, and Applications, 2nd ed. Birkh¨auser, New York 48. Rudnicki JW (2015) Fundamental of Continuum Mechanics. Wiley, Chichester 49. Sedov LI (1972) A Course in Continuum Mechanics, Vol I-IV. Wolters-Noordhoff Publishing, Groningen ˇ 50. Silhav´ y M (1997) The Mechanics and Thermodynamics of Continuous Media. Springer, Heidelberg 51. Skrzypek JJ, Ganczarki AW (eds) (2015) Mechanics of Anisotropic Materials. Engineering Materials, Springer, Heidelberg 52. Tanner RI (1985) Engineering Rheology. Claredon, Oxford 53. Willner K (2003) Kontinuums- und Kontaktmechanik: Synthetische und analytische Darstellung. Springer, Berlin 54. Wu HC (2004) Continuum Mechanics and Plasticity. Chapman & Hall/CRC, Boca Raton 55. Zhilin PA (2001) Vektoren und Tensoren 2. Stufe im dreidimensionalen Raum (in Russ.). Nestor, St. Petersburg 56. Zhilin PA (2012) Rationale Kontinuumsmechanik (in Russ.). Verlag der Polytechnischen Universit¨at, St. Petersburg

Inhaltsverzeichnis

Teil I Grundbegriffe und mathematische Grundlagen 1

Einfuhrung ¨ .................................................... 1.1 Wichtige Entwicklungsetappen der Kontinuumsmechanik . . . . . . . . . 1.2 Aufgaben und Modelle der Kontinuumsmechanik . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Teilgebiete der Kontinuumsmechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4 Grundlegende Begriffe in der Kontinuumsmechanik . . . . . . . . . . . . . 1.4.1 Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.2 Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.3 K¨orper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.4 Masse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.5 Homogenit¨at und Isotropie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.5.1 Homogenit¨at . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.5.2 Isotropie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3 3 7 10 11 12 12 13 13 14 14 15 15

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Mathematische Grundlagen der Tensoralgebra und Tensoranalysis . . 2.1 Koordinatenfreie Notation und Indexschreibweise . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1 Darstellungsformen f¨ur Skalare, Vektoren und Tensoren . . . . 2.1.2 Vektoren und Tensoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2.1 Polare und axiale Vektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2.2 Tensoren zweiter Stufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2.3 Tensoren h¨oherer Stufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Tensoralgebra . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Rechenregeln f¨ur Vektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Rechenregeln f¨ur Dyaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3 Spezielle Tensoren zweiter Stufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.4 Rechenregeln f¨ur spezielle Tensoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.5 Eigenwertproblem f¨ur symmetrische Tensoren . . . . . . . . . . . . 2.2.5.1 Eigenwerte und Eigenvektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.5.2 Hauptachsentransformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17 17 18 22 22 24 24 25 26 30 35 38 39 39 40

xi

xii

Inhaltsverzeichnis

2.2.5.3 Satz von Cayley-Hamilton . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.6 Polare Zerlegung von regul¨aren Tensoren 2. Stufe . . . . . . . . . 2.3 Tensoranalysis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1 Tensorwertige Funktionen einer skalaren Variablen . . . . . . . . 2.3.2 Nabla-Operator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3 Integrals¨atze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Tensorfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.1 Lineare Funktionen tensorieller Argumente . . . . . . . . . . . . . . 2.4.2 Skalarwertige Funktionen tensorieller Argumente . . . . . . . . . 2.4.3 Differentiation von speziellen skalarwertigen Funktionen . . . 2.4.4 Differentiation von tensorwertigen Funktionen . . . . . . . . . . . . 2.4.5 Isotrope Funktionen tensorieller Argumente . . . . . . . . . . . . . . ¨ 2.5 Ubungsbeispiele ........................................... 2.6 L¨osungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42 43 44 44 44 46 48 48 49 50 51 52 53 55 69

Teil II Materialunabh¨angige Gleichungen 3

Kinematik des Kontinuums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 3.1 Materielle K¨orper und ihre Bewegungsm¨oglichkeiten . . . . . . . . . . . . 73 3.2 Lagrange’sche und Euler’sche Betrachtungsweise, Zeitableitungen . 76 3.2.1 Zwei Betrachtungsweisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 3.2.2 Ableitung skalarer, vektorieller und tensorieller Funktionen nach der Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 3.3 Deformationen und Deformationsgradienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 3.4 Geschwindigkeitsfelder, Geschwindigkeitsgradient . . . . . . . . . . . . . . 85 3.5 Verzerrungen und Verzerrungsmaße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 3.6 Deformations-, Rotations- und Verzerrungsgeschwindigkeiten . . . . . 109 3.7 Verschiebungsvektor und Verschiebungsgradient . . . . . . . . . . . . . . . . 115 3.8 Geometrische Linearisierung der kinematischen Gleichungen . . . . . 117 ¨ 3.9 Ubungsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 3.10 L¨osungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137

4

Kinetische Gr¨oßen und Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 4.1 Klassifikation der a¨ ußeren Belastungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 4.1.1 Volumenkraftdichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 4.1.2 Oberfl¨achenkraftdichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 4.2 Cauchy’scher Spannungsvektor und Spannungstensor . . . . . . . . . . . . 143 4.3 Gleichgewichtsbedingungen und Bewegungsgleichungen . . . . . . . . . 148 4.4 Spannungsvektoren und Spannungstensoren nach Piola-Kirchhoff . . 154 ¨ 4.5 Ubungsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 4.6 L¨osungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168

Inhaltsverzeichnis

5

xiii

Bilanzgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 5.1 Allgemeine Formulierung von Bilanzgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . 169 5.1.1 Globale und lokale Gleichungen f¨ur stetige Felder . . . . . . . . . 170 5.1.2 Integration von Volumenintegralen mit zeitabh¨angigen Integrationsbereichen - Transporttheorem . . . . . . . . . . . . . . . . 175 5.1.3 Einfluss von Sprungbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 5.2 Mechanische Bilanzgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 5.2.1 Massenbilanz - Massenerhaltungssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 5.2.2 Impulsbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 5.2.3 Drehimpulsbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 5.2.4 Mechanische Energiebilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 5.3 Thermodynamische Erweiterungen der Bilanzgleichungen . . . . . . . . 196 5.3.1 Vorbemerkungen und Notationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 5.3.2 Bilanz der Energie: 1. Hauptsatz der Thermodynamik . . . . . . 199 5.3.3 Bilanz der Entropie: 2. Hauptsatz der Thermodynamik . . . . . 203 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208

Teil III Materialabh¨angige Gleichungen 6

Materialverhalten und Konstitutivgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 6.1 Grundlegende Begriffe, Modelle und Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 6.2 Einf¨uhrung in die Materialtheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 6.2.1 Grundlegende Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 6.2.2 Objektive Tensoren und objektive Zeitableitungen . . . . . . . . . 220 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232

7

Deduktiv abgeleitete Konstitutivgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 7.1 Allgemeine Konstitutivgleichungen thermomechanischer Materialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 7.2 Beispiele deduktiv abgeleiteter Konstitutivgleichungen . . . . . . . . . . . 236 7.2.1 Thermoelastisches einfaches Material . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 7.2.2 Thermoviskoses Materialverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 7.2.3 Ideales Gas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 7.2.4 Newton’sche Fluide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 7.2.5 Einbeziehung von inneren Variablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 ¨ 7.3 Ubungsbeispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 7.4 L¨osung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254

8

Induktiv abgeleitete Konstitutivgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 8.1 Elastizit¨at . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 8.2 Plastizit¨at . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 8.3 Viskosit¨at . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 8.4 Kriechen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 ¨ 8.5 Ubungsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 8.6 L¨osungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284

xiv

Inhaltsverzeichnis

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 9

Methode der rheologischen Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 9.1 Grundlagen der Modellierung mit rheologischen Modellen . . . . . . . . 287 9.2 Elementare rheologische Grundmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 9.2.1 Hooke’sches (elastisches) Element . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 9.2.2 Newton’sches (viskoses) Element . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 9.2.3 Saint-Venant’sches (plastisches) Element . . . . . . . . . . . . . . . . 291 9.2.4 Kopplung elementarer rheologischer Grundmodelle . . . . . . . 291 9.3 Allgemeine rheologische Grundmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 9.3.1 Elastische Volumen¨anderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 9.3.2 Elastische Gestalt¨anderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 9.3.3 Viskose Gestalt¨anderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 9.3.4 Plastische Gestalt¨anderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 9.3.5 Kopplung allgemeiner rheologischer Grundmodelle . . . . . . . 297 ¨ 9.4 Ubungsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 9.5 L¨osungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304

Teil IV Anfangs-Randwertprobleme der Kontinuumsmechanik 10 Grundgleichungen der linearen Elastizit¨atstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 10.1 Feldgleichungen der Elastizit¨atstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 10.1.1 Darstellung in den Verschiebungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 10.1.2 Darstellung in den Spannungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 10.2 Anfangs- und Randbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 10.3 Lineare Thermoelastizit¨at . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 11 Grundgleichungen linearer viskoser Fluide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 11.1 Grundgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 11.2 L¨osungsm¨oglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 Teil V Anhang A

Elastizit¨ats- und Nachgiebigkeitsmatrizen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 A.1 Elastizit¨atsgesetz in Vektor-Matrix-Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 A.2 Monoklines Materialverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 A.3 Orthotropes Materialverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 A.4 Transversal-isotropes Materialverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 A.5 Kubisches Materialverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 A.6 Isotropes Materialverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336

Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337

Teil I

Grundbegriffe und mathematische Grundlagen

Ein Wissenschaftgebiet bzw. ein Lehrgebiet l¨asst sich nur dann optimal erschließen, wenn man die historischen Zusammenh¨ange bei der Entwicklung des Gebietes ber¨ucksichtigt. Daher sei zu Beginn ein kurzer und sicherlich sehr pers¨onlicher Abriss der Geschichte der Mechanik in Hinblick auf die Kontinuumsmechanik vorangestellt, der jedoch keinen Anspruch auf Vollst¨andigkeit erhebt. Hier und in den nachfolgenden Teilen wurde versucht, zumindest einige biografische Angaben zu Wissenschaftlern zu machen, die wesentlich die Mechanik bzw. die Kontinuumsmechanik gepr¨agt haben. Es wird sich jedoch auf ein Minimum beschr¨ankt, so dass hier weiterf¨uhrende Quellen (Internet und Nachschlagewerke bzw. wissenschaftshistorische Abhandlungen) den Wissensdurst des Lesers stillen m¨ussen. Auf Diskussionen zur Korrektheit bestimmter Bezeichnungen wird hier nicht eingegangen. Hierzu bedarf es eines weiteren Quellenstudiums. In einigen wenigen F¨allen hat der Autor keine Angaben gefunden, so dass es hier weiterer Recherchen bedarf. Die Kontinuumsmechanik sollte axiomatisch aufgebaut werden (6. Hilbertsches7 Problem), was jedoch bis heute nur in Teilen gelungen ist. Ungeachtet dessen, werden nachfolgend zun¨achst einige grundlegende Begriffe eingef¨uhrt, so dass die Grundlagen der Kontinuumsmechanik darauf basierend formuliert werden k¨onnen. Zu diesen Begriffen geh¨oren Raum, Zeit, K¨orper, Masse, Homogenit¨at und Isotropie. In den weiteren Kapiteln werden zus¨atzliche grundlegende Begriffe, Axiome usw. eingef¨uhrt. Diese stehen jedoch im Zusammenhang mit den Inhalten der jeweiligen Kapitel und werden folglich dort eingef¨uhrt. Wichtiges mathematisches Hilfsmittel ist die Tensorrechnung, deren f¨ur dieses Lehrbuch wesentliche mathematische Grundlagen in kompakter Form diskutiert werden. Somit werden nur die Sachverhalte betrachtet, die f¨ur die weiteren Ableitungen notwendig sind. Gleichzeitig wird nur die einfachste Variante des Tensorkalkulus betrachtet, welche auch als direkte oder invariante Darstellung bezeich¨ net wird. Beim Ubergang auf Indizes wird sich auf eine Darstellung f¨ur ein besonders einfaches Koordinatensystem, den geradlinigen orthogonalen Koordinaten, beschr¨ankt. Der Verzicht auf die Darstellung in allgemeinen krummlinigen Koordinaten hat den Vorteil, dass man nur eine Basis einf¨uhren muss. Somit gibt es f¨ur die Vereinfachung ausschließlich didaktische Gr¨unde. Eine ausf¨uhrliche Darstellung der Grundlagen der Tensorrechnung unter Einschluss der Betrachtungen in der ko- und kontravarianten Basis sowie solcher Elemente wie die Christoffel8-, Riemann9 -Christoffel-Symbole oder dem Ricci10 -Tensor ist der Spezialliteratur zu entnehmen. Weiterhin wird nachfolgend meist auf die in der Fachliteratur vielfach u¨ bliche Vektor-Matrix-Schreibweise verzichtet. Sie ist f¨ur numerisch Interessierte notwendig - jedoch f¨ur die Ziele des vorliegenden Lehrbuchs nicht zwingend.

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David Hilbert (1862-1943), Mathematiker, u.a. Invariantentheorie Elwin Bruno Christoffel (1829-1900), Mathematiker, Tensoranalysis 9 Georg Friedrich Bernhard Riemann (1826-1866), Mathematiker, Analysis, Differentialgeometrie, mathematische Physik und analytische Zahlentheorie 10 Gregorio Ricci-Curbastro (1853-1925), Mathematiker, Tensorrechnung 8

Kapitel 1

Einfuhrung ¨

Zusammenfassung Ziel des einf¨uhrenden Kapitels ist die Erl¨auterung der Aufgabenstellung der Kontinuumsmechanik sowie ihrer grundlegenden Annahmen und Modelle. Zur besseren Einordnung bestimmter Fakten werden zun¨achst wichtige historische Entwicklungsetappen der Mechanik allgemein und in Hinblick auf die Kontinuumsmechanik genannt. M¨oglichkeiten und Grenzen einer Kontinuumsmechanik im Kontext ph¨anomenologischer Ans¨atze werden diskutiert und erste Grundbegriffe eingef¨uhrt. Weiterf¨uhrende Literatur zur Geschichte ist mit [3; 4; 5; 6; 7; 8; 9; 12; 13; 17; 14; 16; 15; 18; 21; 22; 23; 24; 25; 26; 27; 28; 29; 30] gegeben.

1.1 Wichtige Entwicklungsetappen der Kontinuumsmechanik Die Mechanik geh¨ort zu den a¨ ltesten Wissenschaftsdisziplinen, ihre Wurzeln reichen bis in die Antike zur¨uck. Gemeinsam mit der Mathematik bildet sie den Anfang des Bem¨uhens der Menschen, die Naturerscheinungen zu erkunden und vorherzusagen. Ihre Wurzeln liegen in der Antike. Bereits Archimedes1 besch¨aftigte sich mit grundlegenden mechanischen Fragestellungen, die Festk¨orper und Fluide betrafen. Daneben stammen fundamentale mathematische Erkenntnisse von ihm, z.B. die Berechnung krummliniger Fl¨achen. Wegen seiner Untersuchungen zur Mechanik wird er heute vielfach als Begr¨under der Mechanik angesehen. Damit ist die Mechanik auch Wiege der klassischen Physik, die zu großen Teilen mit den Methoden der Rationalen Mechanik formuliert oder durch Analogiebetrachtungen erschlossen werden kann. An dieser Stelle muss hervorgehoben werden, dass innerhalb der Archimedes’schen Mechanik bereits Kr¨afte und Momente existierten. Dabei war jedoch das Moment eine Gr¨oße, die sich u¨ ber Kraft und Hebelarm definierte. Gleichzeitig war erkannt worden, dass der Bezugspunkt f¨ur den Hebel von besonderer Bedeutung ist. 1

Archimedes von Syrakus (287-212 v. Chr.), Mathematiker und Mechaniker, u.a. Hebelgesetz und Auftriebsprinzip

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2018 H. Altenbach, Kontinuumsmechanik, https://doi.org/10.1007/978-3-662-57504-8_1

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1 Einf¨uhrung

Leider haben diese Erkenntnisse bis heute auch Fehleinsch¨atzungen zur Folge. Die moderne Mechanik definiert daher als prim¨are Gr¨oßen, Kr¨afte und Momente, wobei letztere auch unabh¨angig von Kr¨aften existieren k¨onnen. Die n¨achste wichtige Entwicklungsetappe der Mechanik ist mit der Renaissance verbunden. Zunehmend gab es praktische Fragestellungen, jedoch erst die sich parallel entwickelnde Mathematik gestattete Theorien zu formulieren und L¨osungen zu erhalten. Zahlreiche Beitr¨age sind aus den Arbeiten da Vincis2 bekannt. Seit da Vinci ist klar, dass die Entwicklung der Mechanik auf das Engste mit Entwicklungen der Mathematik verbunden ist. So fehlte in der Renaissance die Differentialund Integralrechnung, was eine wesentliche Einschr¨ankung f¨ur die Entwicklung der Mechanik war. Gleichzeitig kam jedoch auch die Erkenntnis auf, dass es guter und geeigneter Experimente zur Absicherung bzw. zur Vervollkommnung der Theorien bedarf. In der nach da Vinci folgenden Zeit stand die Himmelsmechanik im Mittelpunkt. Das Studium der Planetenbewegung faszinierte die Wissenschaftler, f¨uhrte aber auch zu einem fundamentalen weltanschaulichen Streit. Bedeutende Beitr¨age zur Himmelsmechanik stammen von Galilei3 , der f¨ur die experimentellen Studien bereits ein Teleskop einsetzte. Interessanterweise besch¨aftigte sich Galilei nicht nur mit himmelsmechanischen Fragestellungen. Er wandte sich auch irdischen Proble¨ men zu und begr¨undete unter anderem erste Uberlegungen zur Festigkeit. Ungeachtet dessen dominierte in dieser Zeit das Modell des nichtdeformierbaren (starren) K¨orpers. F¨ur die Hydrostatik und Hydrodynamik wurden die Grundlagen in den Arbeiten von Torricelli4 und Pascal5 gelegt. Insbesondere im Zusammenhang mit den Arbeiten von Torricelli darf man nicht die Experimente Otto von Guerickes6 vergessen. Letzteres ist aber nicht ausreichend in der Kontinuumsmechanik. Zun¨achst folgte dies aus Beobachtungen zu Fluiden. So wurde von Mariotte7 ein erstes Konstitutivgesetz aufgestellt, welches den Zusammenhang zwischen dem Druck und dem Volumen eines Gases beschreibt. Mit dem Verhalten von festen, deformierbaren K¨orpern besch¨aftigte sich u.a. Hooke8 . Er stellte dabei den proportionalen Verlauf von Kraft und Dehnung auf, wobei er diesen Zusammenhang als Anagramm ceiiinosssttuv formulierte. Der Grund hierf¨ur war urheberrechtlicher Art, da Hooke f¨urchtete, dass 2

Leonardo da Vinci (1452-1519), u.a. Maler, Architekt und Mechaniker, konstruierte u.a. Flugger¨ate und Zahnradgetriebe 3 Galileo Galilei (1564-1641jul. /1642greg. ), Philosoph, Mathematiker, Physiker und Astronom, Entdeckungen auf mehreren Gebieten der Naturwissenschaften, Begr¨under der Festigkeitslehre 4 Evangelista Torricelli (1608-1647), Physiker und Mathematiker, Entwicklung des Quecksilberbarometers 5 Blaise Pascal (1623-1662), Mathematiker, Physiker, Literat und christlicher Philosoph, Pascalsches Dreieck 6 Otto von Guericke (1602-1686), Politiker, Jurist, Physiker und Erfinder, B¨ urgermeister von Magdeburg, Halbkugelversuch 7 Edme Mariotte (um 1620-1684), Physiker, u.a. Kugelstoßpendel, Studien zum Verhalten von Fl¨ussigkeiten und Gasen 8 Robert Hooke (1635-1702jul. /1703greg. ), Universalgelehrter, Elastizit¨ atsgesetz

1.1 Wichtige Entwicklungsetappen der Kontinuumsmechanik

5

seine Erkenntnisse von anderen ohne Verweis publiziert w¨urden. Die Entschl¨usselung f¨uhrte auf die lateinische Aussage ut tensio sic vis (wie die Dehnung, so die Kraft). Mit Newton9 wird im Allgemeinen die klassische Mechanik verbunden. Hauptaufgabe der klassischen Mechanik ist die Untersuchung der Bewegungen starrer K¨orper, die wissenschaftliche Kl¨arung ihrer Ursachen und der damit zusammenh¨angenden Naturgesetze. Die Grundlagen der klassischen Mechanik ver¨offentlichte Newton in seinem Buch Philosophiae Naturalis Principia Mathematica, worin unter anderem die Axiome der Mechanik formuliert sind. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Newton’schen Formulierungen sich auf materielle Punkte bzw. Punkt-K¨orper beziehen. So bleiben von Kr¨aften unabh¨angige Momente unbeachtet. Daneben f¨uhrte Newton auch einen unbarmherzigen urheberrechtlichen Streit mit Leibniz10 u¨ ber die Priorit¨at bez¨uglich der Integralrechnung, den Newton durch befangene Gutachter gewann. Die heute u¨ bliche Schreibweise ist jedoch die von Leibniz. Durch Euler11 gab es wesentliche Impulse zur Mechanik starrer und deformierbarer K¨orper sowie zur Hydromechanik. Dabei beruhten diese auf Anwendung einheitlicher Modelle und Methoden in unterschiedlichen Teilgebieten der Mechanik und zur Formulierung der Grundlagen einer Rationalen Mechanik. Dabei war die Unabh¨angigkeit von Translation und Rotation sowie Kr¨aften und Momenten die Basis und f¨uhrte schließlich zu zwei unabh¨angigen Bewegungsgesetzen [31]. Daneben wirkten die Arbeiten von d’Alembert12 sowie Bernoulli13 in dieser Richtung. Die weitere Entwicklung der Mechanik und insbesondere ihre konsequente mathematische Ausrichtung wurde vor allem durch Lagrange14 beeinflusst, der in seinem grundlegenden Werk M´ecanique analytique“ (1788) den erreichten Erkennt” nisstand der klassischen Mechanik zusammenfasste. Ein erster Abschluss in der Mechanik deformierbarer K¨orper wurde mit den Arbeiten von Cauchy15 erreicht. Cauchy f¨uhrte u.a. die f¨ur die Kontinuumsmechanik fundamentalen Begriffe des Spannungstensors und des Verzerrungstensors ein. In der Zeit nach Lagrange kam es zur Herausbildung neuer, weitgehend eigenst¨andiger Arbeitsrichtungen der Mechanik. Dazu geh¨oren beispielsweise die Analytische Mechanik, die Kontinuumsmechanik, aber auch die Technische Mecha9 Sir Isaac Newton (1642jul. /1643greg. -1726jul. /1727greg. ), Naturforscher, Arbeiten zur klassischen Mechanik und Infinitesimalrechnung 10 Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716), Mathematiker, u.a. Integralrechnung, Entwicklung einer Rechenmaschine 11 Leonhard Euler (1707-1783), Mathematiker, u.a. Arbeiten zur Differential-, Integral- und Variationsrechnung, zu den Bewegungsgleichungen der Mechanik, Hydrodynamik 12 Jean-Baptiste le Rond genannt d’Alembert (1717-1783), Mathematiker und Physiker, einer der Begr¨under der mathematischen Kontinuumsmechanik 13 Jacob I. Bernoulli (1654jul. /1655greg. -1705), Mathematiker, Balkentheorie 14 Joseph-Louis Lagrange (1736-1813), geboren als Giuseppe Lodovico (Luigi) Lagrangia, Mathematiker, vergleichende Zusammenfassung der Erkenntnisse der Mechanik 15 Augustin Louis Cauchy (1789-1857), Mathematiker, elastizit¨ atstheoretische Arbeiten, Spannungstensor

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1 Einf¨uhrung

nik. Ausgangspunkt war dabei die Aufspaltung in eine theoretisch-mathematische und eine durch industrielle bzw. praktische Bed¨urfnisse gepr¨agte Richtung. Dabei hatten die Vertreter der franz¨osischen Schule wie Poisson16 , Navier17 und Cauchy besondere Verdienste. Diese brachten grundlegende mathematische Erkenntnisse in die Mechanik ein. Gleichzeitig waren sie teilweise pr¨agend f¨ur die Etablierung ´ Technischer Hochschulen in Frankreich (Ecole Polytechnique), deren Modell sich nachfolgend in ganz Europa durchsetzte. Zu dieser Gruppe von Wissenschaftlern muss man auch Stokes18 und Piola19 rechnen, da sie wesentliche Impulse f¨ur das Verst¨andnis u¨ ber Festk¨orper und Fluide gaben. Parallel dazu bildeten sich Ingenieurdisziplinen wie Plastizit¨atstheorie und Kriechtheorie heraus. Daneben gab es spezielle strukturmechanische Ans¨atze wie beispielsweise die Plattentheorie nach Kirchhoff20. Erst in der zweiten H¨alfte des 19. Jahrhunderts gab es eine R¨uckbesinnung auf die Arbeiten Eulers in den Publikationen von Kelvin21 , Duhem22 und der Gebr¨uder Cosserat23 . Erstmals wurde ein Kontinuumsmodell beschrieben, welches unabh¨angige Translationen und Rotationen sowie Kraft- und Momentenwirkungen ber¨ucksichtigt und heute vielfach als Cosserat’sches Kontinuumsmodell bezeichnet wird. Aufgrund fehlender Konstitutivgleichungen wurde es jedoch zun¨achst nach seiner Ver¨offentlichung nicht weiter beachtet. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die Kontinuumsmechanik durch die Arbeiten namhafter Mathematiker und Physiker bereits auf einem hohen theoretischen Niveau, die Nutzung ihrer wissenschaftlichen Erkenntnisse f¨ur die sich sehr schnell entwickelnden Anforderungen der Technik aber nicht befriedigend. Dies f¨uhrte zun¨achst im Rahmen der Technischen Mechanik zu einer weiteren Aufsplitterung in ingenieurmechanische“ Arbeitsrichtungen. Festigkeitslehre, Baume” chanik, Str¨omungsmechanik, Elastizit¨atstheorie, Plastizit¨atstheorie usw. erreichten als anwendungsorientierte Teilgebiete ein beachtliches theoretisches Niveau und gleichzeitig große Praxisrelevanz. Als Folge dieser Aufsplitterung gingen jedoch besonders in der Ingenieurausbildung h¨aufig die wesentlichen Zusammenh¨ange der verschiedenen Teilgebiete verloren. Sie entwickelten sich in Lehre und Forschung als scheinbar unabh¨angige Wissenschaftsdisziplinen und f¨uhrten zu einer st¨andigen Vergr¨oßerung des F¨acherspektrums in der akademischen Lehre. Damit wurde der Blick f¨ur die gemeinsamen Grundlagen zunehmend versperrt. 16 Sim´ eon Denis Poisson (1781-1840), Mathematiker und Physiker, Beitr¨age zur Akustik, Elastizit¨atstheorie und W¨arme 17 Claude Louis Marie Henri Navier (1785-1836), Mathematiker und Physiker, Balkentheorie, Elastizit¨atsmodul, Tr¨agheitsmoment 18 George Gabriel Stokes (1819-1903), Mathematiker und Physiker, Hydrodynamik 19 Gabrio Piola (1794-1850), Mathematiker und Physiker, Elastizit¨ atstheorie 20 Gustav Robert Kirchhoff (1824-1887), Physiker, Beitr¨ age zur Mechanik, Elektrizit¨at 21 William Thomson, 1. Baron Kelvin (1824-1907), Physiker, Thermodynamik, Elektrizit¨ atstheorie 22 Pierre Maurice Marie Duhem (1861-1916), Physiker und Wissenschaftstheoretiker, Beitr¨ age zur Hydrodynamik, Elastizit¨atstheorie und Thermodynamik 23 Franc ¸ ois Nicolas Cosserat (1852-1914), Bauingenieur und Mathematiker, Eug`ene Maurice Pierre Cosserat (1866-1931), Mathematiker und Astronom

1.2 Aufgaben und Modelle der Kontinuumsmechanik

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Einen neuen Denkimpuls gab Hilbert mit seinem Hauptvortrag auf dem II. Internationalen Mathematikerkongress in Paris im Jahre 1900, in der er 23 mathematische Probleme formulierte, die nach einer L¨osung verlangten. Das 6. Problem ist dabei von besonderer Bedeutung f¨ur die Kontinuumsmechanik: Wie kann die Physik axiomatisiert werden?24 Die L¨osung ist bis heute nicht gelungen. Auch in der Zeit danach blieben Arbeiten zu u¨ bergreifenden Konzepten zun¨achst in der Minderheit, wobei die Beitr¨age von Hamel25 f¨ur nachfolgende Entwicklungen von besonderer Bedeutung waren. In enger Wechselwirkung mit der Entwicklung der technischen Anforderungen setzte nach dem 2. Weltkrieg eine intensive disziplin¨are Grundlagenforschung auf dem Gebiet der Kontinuumsmechanik ein, die insbesondere durch die Arbeiten von Truesdell26 und Noll27 beeinflusst wurden. Ursache hierf¨ur waren notwendige Erweiterungen der Konstitutivgleichungen f¨ur neuartige Werkstoffe oder extreme Beanspruchungen einschließlich der Erfassung von Sch¨adigungsprozessen, aber auch zahlreiche neue technische Aufgabenstellungen, die als gekoppelte Feldprobleme modelliert und berechnet werden mussten. Durch die Herausbildung nationaler und internationaler Schulen wurde diese Entwicklung wesentlich gef¨ordert, sie h¨alt bis heute an. Die Leistungsentwicklung der Computerhard- und -software und entsprechender numerischer Verfahren erm¨oglicht zunehmend auch die L¨osung sehr komplexer Aufgaben der Kontinuumsmechanik.

1.2 Aufgaben und Modelle der Kontinuumsmechanik Die Kontinuumsmechanik ist eine ph¨anomenologische Feldtheorie. Ausgehend von beobachteten Ph¨anomenen und experimentellen Erfahrungen werden mathematische Modelle f¨ur das mechanische Verhalten der Materie formuliert. Dabei wird vielfach Ph¨anomenologie mit einem makroskopischen Beobachtermaßstab gleichgesetzt. Dies mag traditionell gerechtfertigt sein, da die makroskopische Skale wesentlich f¨ur die Formulierung zahlreicher Grundgleichungen der Kontinuumsmechanik ist. Heute werden die Methoden der Kontinuumsmechanik auch in der mesoskopischen bzw. mikroskopischen Skale eingesetzt und entsprechend modifizierte Kontinuumstheorien entwickelt, wobei die Begriffe mesoskopisch und mikrosko-

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Urspr¨unglich sollte nach Hilbert eine axiomatische Behandlung der Wahrscheinlichkeitstheorie und der Mechanik erfolgen. Ungeachtet der Entwicklungen in den letzten 100 Jahren ist eine allgemeine axiomatische Formulierung der Mechanik nicht in Sicht. 25 Georg Karl Wilhelm Hamel (1877-1954), Mathematiker, axiomatischer Aufbau der klassischen Mechanik 26 Clifford Ambrose Truesdell III (1919-2000), Mathematiker und Wissenschaftshistoriker, Beitr¨age zur Rationalen Mechanik und Thermodynamik 27 Walter Noll (1925-2017), Mathematiker, rationale Materialbeschreibung

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1 Einf¨uhrung

pisch nur intuitiv eingef¨uhrt werden28. W¨ahlt man ein typisches Bauteil des Maschinenbaus als die makroskopische Skale, kann die mesokopische Skala dem Probek¨orper im Versuch und die mikrokopische Skale der Mikrostruktur zugeordnet werden. W¨ahlt man die als makroskopische Skale den Probek¨orper selbst, stellen im Falle eines Probek¨orpers aus einem metallischen Werkstoff mehrere K¨orner die Mesoskale und das Korn selbst die Mikroskale dar. Die Frage der Anwendungsgrenzen kann bis heute nicht eindeutig beantwortet werden. So werden entsprechend angepasste Kontinuumsmodelle auch f¨ur die Beschreibung des Verhaltens von Nanostrukturen eingesetzt. Dabei wird insbesondere die sonst bei massiven K¨orpern vernachl¨assigte Oberfl¨achenenergie in die Analyse einbezogen. In jedem Fall geh¨ort zu den Aufgaben der Kontinuumsmechanik auch die L¨osung von Rand- bzw. Anfangs-Randwertproblemen. Aus den Lehrb¨uchern der Physik ist bekannt, dass alle Materie eine diskrete Struktur hat und das Verhalten der Materie unter a¨ ußeren Einfl¨ussen durch Wechselwirkungen von einzelnen Atomen oder Molek¨ulen beschreibbar ist. Die Analyse einer angewandten Ingenieuraufgabe ist aber in der Regel auf diesem Modellniveau nicht durchf¨uhrbar, da die notwendigen Rechenzeiten alle Grenzen, die o¨ konomisch vertretbar sind, u¨ bersteigen w¨urden. Im Rahmen der Kontinuumsmechanik wird daher das diskrete Materiemodell unter Beachtung des Gr¨oßenmaßstabes in ein hypothetisches ph¨anomenologisches Materiemodell, das Kontinuum, u¨ berf¨uhrt. Der diskrete Aufbau der Materie wird dabei ignoriert, d.h. es erfolgt eine Mittelung (Homogenisierung) der Materieeigenschaften. Eine derartige Mittelung erfolgt im Raum und gegebenenfalls auch in der Zeit. Homogenisierungsmethoden sind Gegenstand spezieller theoretischer Untersuchungen und werden hier nicht weiter diskutiert. Es wird aber vorausgesetzt, dass ein derartiger Prozess m¨oglich ist. Damit wird beispielsweise die Gitterstruktur kristalliner Festk¨orper und die molekulare Struktur von Fl¨ussigkeiten ignoriert und die Realit¨at wird als Kontinuum gen¨ahert. Die wichtigste Modellvorstellung ist somit die Annahme einer stetigen Ausf¨ullung des Raumes mit Materie, d.h. jedes infinitesimale materielle Volumen repr¨asentiert genau ein Materieteilchen. Es ergibt sich damit folgende Definition f¨ur das Kontinuum: Definition 1.1 (Kontinuum). Ein Kontinuum ist eine Punktmenge, die den Raum oder Teile des Raumes zu jedem Zeitpunkt stetig ausf¨ullt. Den Punkten werden bestimmte Materieeigenschaften zugeordnet. Eine solche Definition ist sehr allgemein. Sie bildet die Grundlage der klassischen und der nichtklassischen Theorien der Kontinuumsmechanik. So sind z.B. weder die Dimension des Raumes noch die Zahl der Freiheitsgrade der Materieteilchen festgelegt. Im Rahmen der klassischen Kontinuumsmechanik (z.B. in der Elastizit¨atstheorie bzw. der Festigkeitslehre) w¨ahlt man u¨ blicherweise den aus der An-

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Leider gibt es keine genauen Absch¨atzungen, auf welche L¨angen sich die Begriffe makroskopisch, mesoskopisch und mikroskopisch beziehen. Man kann folglich nur annehmen, dass mindestens eine Gr¨oßenordnung dazwischen liegen sollte.

1.2 Aufgaben und Modelle der Kontinuumsmechanik

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schauung folgenden dreidimensionalen Euklid’schen29 Raum und jeder Raumpunkt hat den Freiheitsgrad 3 (translatorische Bewegungen in Richtung der Achsen eines kartesischen30 Koordinatensystems). Denkbar sind aber beispielsweise genauso zweidimensionale Kontinua als Modelle fl¨achenhafter Tragwerke oder Kontinua, bei denen jeder materielle Punkt neben translatorischen Freiheitsgraden noch unabh¨angige rotatorische besitzt. Vorstellbar ist aber auch ein dreidimensionales Kontinuum, dessen Materieteilchen den Freiheitsgrad 6 je Raumpunkt (3 Translationen und 3 Rotationen) besitzen. Dieses Modell beruht auf Analogien zur Mechanik starrer K¨orper und wird als Cosserat-Kontinuum, aber auch als mikropolares Kontinuum bezeichnet. Der Raumbegriff schließt auch R¨aume der Dimension gr¨oßer 3 ein. Bekanntestes Beispiel ist der vierdimensionale Raum, bei dem neben den u¨ blichen 3 Raumkoordinaten noch die Zeit als Koordinate einbezogen wird. Dieser Raum hat u.a. Bedeutung in der relativistischen Mechanik. Die Annahme, dass f¨ur jeden Zeitpunkt der Euklid’sche Raum stetig mit materiellen Punkten ausgef¨ullt ist, f¨uhrt durch die Abbildung der materiellen Punkte auf Raumpunkte zu Feldproblemen, d.h. die Gr¨oßen der Kontinuumsmechanik sind im Allgemeinen Funktionen des Ortes und der Zeit. F¨ur ihre Berechnung steht somit der bew¨ahrte mathematische Apparat der Analysis bereit. Gleichzeitig ist die Forderung der Stetigkeit der das Kontinuum beschreibenden Funktionen eine gravierende Einschr¨ankung, insbesondere, wenn man die Stetigkeit der die Eigenschaften des Kontinuums beschreibenden Funktionen fordert. F¨ur spezielle Anwendungen (Stoßwellen, faserverst¨arkte Werkstoffe) sind geeignete Modifikationen bekannt. Im allgemeinen Fall sind Zusatz¨uberlegungen z.B. zur Differenzierbarkeit notwendig. Eine alternative M¨oglichkeit ist u.a. in [1] gegeben. F¨ur die Materieeigenschaften der Punkte gibt es weder Einschr¨ankungen bez¨uglich des Aggregatzustandes noch m¨ussen sie tr¨agheitsbehaftet sein. Damit umfasst die Definition gleichermaßen Festk¨orper und Fluide und die Feldformulierungen gelten auch f¨ur thermische, elektromagnetische und andere physikalische Felder bzw. f¨ur die Beschreibung m¨oglicher Wechselwirkungen zwischen diesen unterschiedlichen Feldern. Die ph¨anomenologische Beschreibung negiert dabei nicht v¨ollig die bereits erw¨ahnten diskreten Eigenschaften der Materie. Sie werden u.a. mit Hilfe des Curie-Neumann’schen31,32 Prinzips einbezogen, welches beispielsweise auf die Kristallphysik bezogen wie folgt formuliert werden kann: Satz 1.1 (Curie-Neumann’sches Prinzip). Die Symmetrie der physikalischen Eigenschaften eines Kristalls muss die Symmetrieelemente der Punktgruppe des Kristalls enthalten.

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Euklid von Alexandria (ca. 360- a. 280 v. Chr.), Mathematiker, Beitr¨age zur Arithmetik und Geometrie 30 Ren´ e Descartes (1596-1650), Philosoph, Mathematiker und Naturwissenschaftler, Begr¨under der analytischen Geometrie 31 Pierre Curie (1859-1906), Physiker, Nobelpreistr¨ ager, Kristallographie, Piezoelektrizit¨at, Magnetismus 32 Franz Ernst Neumann (1798-1895), Physiker, einer der Begr¨ under der theoretischen Physik

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1 Einf¨uhrung

Die Frage nach den Anwendungsgrenzen der Kontinuumsmechanik ist wegen der starken Problemabh¨angigkeit nicht eindeutig zu beantworten. Grundlegende Voraussetzung f¨ur den Einsatz von Kontinuumsmodellen ist die M¨oglichkeit einer sinnvollen Mittelung der in der Realit¨at vorhandenen diskreten Eigenschaften. Somit sind u.a. der Gr¨oßenmaßstab, die Gradienten der Feldgr¨oßen und die Prozessgeschwindigkeiten f¨ur die Auswahl und die Aussagequalit¨at eines Kontinuumsmodells von besonderer Bedeutung. Der Einsatz ph¨anomenologischer Modelle zur L¨osung aktueller Aufgaben der Mechanik ist aber bisher keineswegs ausgesch¨opft. Es gibt daher bis heute intensive Forschungsanstrengungen zur Weiterentwicklung der Kontinuumsmechanik. Schwerpunkte dieser Arbeiten sind u.a. • Erfassung starker geometrischer und physikalischer Nichtlinearit¨aten, • Modellierung und Analyse gekoppelter Feldprobleme und • Erweiterung ph¨anomenologischer Modelle durch Ber¨ucksichtigung signifikanter mikrostruktureller Effekte. Auch die korrekte Formulierung und L¨osbarkeit der mathematischen Modelle wird untersucht. F¨ur die Bewertung des Materialverhaltens heterogener Materialien mit ausgepr¨agt lokalen Struktur¨anderungen und Wechselwirkungen ist eine makroskopische Theorie im klassischen Sinn im Allgemeinen nicht ausreichend. Hierf¨ur nutzt man heute Modelle, die das Meso- bzw. Mikroniveau einbeziehen. Dabei werden konsequent die Konzepte der Kontinuumsmechanik auf den feineren Beobachtermaßstab angewendet. Mittlerweile gibt es derartige Erweiterungen auch f¨ur Nanostrukturen. Im Rahmen dieses Lehrbuchs der Kontinuumsmechanik ist eine Beschr¨ankung auf die klassische Kontinuumsmechanik notwendig. Alle Ausf¨uhrungen beziehen sich auf den Euklid’schen Raum und ein materieller Punkt hat den kinematischen Freiheitsgrad 3. M¨ogliche Erweiterungen und Verallgemeinerungen k¨onnen der Spezialliteratur [2; 10; 11; 17; 19; 20] entnommen werden.

1.3 Teilgebiete der Kontinuumsmechanik Die Gleichungen der Kontinuumsmechanik werden im Allgemeinen zun¨achst in zwei Hauptgruppen eingeteilt. Die erste umfasst alle materialunabh¨angigen Aussagen. Sie gelten gleichermaßen f¨ur Festk¨orper, Fl¨ussigkeiten und Gase. Zu dieser ersten Gruppe z¨ahlen u.a. die kinematischen Beziehungen des Kontinuums, Beanspruchungsgr¨oßen sowie die Bilanzgleichungen bzw. deren Sonderfall - die Erhaltungss¨atze. Die Kinematik betrachtet die geometrischen Aspekte der Bewegungen von Kontinua. Sie formuliert Aussagen u¨ ber die lokalen Eigenschaften von Deformationen. Ausgangspunkt sind bestimmte Konfigurationen materieller, stetiger Punktmengen, Verschiebungen, Geschwindigkeiten und Beschleunigungen, Verzerrungen und Verzerrungsgeschwindigkeiten, Verzerrungsmaße sowie Gradienten des Verschiebungs-, des Geschwindigkeits- und des Deformationsfeldes. Die kinema-

1.4 Grundlegende Begriffe in der Kontinuumsmechanik

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¨ tischen Gleichungen beruhen ausschließlich auf geometrischen Uberlegungen. Die Ursachen der Bewegung bleiben unbeachtet. Die Wahl der Konfigurationen bestimmt entscheidend die Form der Gleichungen. In diesem Buch werden alle Aussagen bez¨uglich der Ausgangs- oder Referenzkonfiguration und der aktuellen Konfiguration getroffen. Dabei wird die Ausgangskonfiguration f¨ur einen willk¨urlichen Zeitpunkt t0 gew¨ahlt, wobei aus pragmatischen Gr¨unden meist t0 = 0 gesetzt wird33 . Die aktuelle Konfiguration wird dann stets f¨ur den Zeitpunkt t > t0 betrachtet. Bei den Beanspruchungsgr¨oßen ist der Ausgangspunkt die Klassifikation der a¨ ußeren Beanspruchungen auf einen materiellen K¨orper. Es folgt die Untersuchung des Zusammenhangs zwischen a¨ ußeren und inneren Beanspruchungen. Formuliert werden unterschiedliche Spannungen und Spannungstensoren sowie die statischen Gleichgewichtsgleichungen. Mit Hilfe des d’Alembert’schen Prinzips lassen sich die dynamischen Gleichungen einf¨uhren. Die Bilanzgleichungen sind allgemein geltende Prinzipien bzw. universelle Naturgesetze, die somit f¨ur alle Prozesse g¨ultig sind. Dabei werden die zeitlichen ¨ Anderungen von Bilanzgr¨oßen mit den Ursachen ihrer Ver¨anderung verkn¨upft. Formuliert werden Bilanzgleichungen bzw. deren Sonderfall, die Erhaltungss¨atze, f¨ur die Masse, den Impuls, den Drehimpuls, die Energie und die Entropie. Zum zweiten Komplex geh¨oren alle Aussagen, die das materialabh¨angige Verhalten des Kontinuums, d.h. die individuelle Antwort des Materials auf Beanspruchungen, reflektieren. Es geht dabei um die systematischen Methoden der Formulierung von Gleichungen zur Beschreibung unterschiedlichen Materialverhaltens, wobei induktive und deduktive Konzepte sowie die Methode der rheologischen Modelle behandelt werden. In diesem Zusammenhang werden auch grunds¨atzliche Fragen wie die Unterscheidung von Festk¨orpern und Fluiden diskutiert. Die Verkn¨upfung beider Komplexe f¨uhrt auf die Formulierung von AnfangsRandwertproblemen f¨ur die verschiedenen Aufgabenklassen der Kontinuumsmechanik. Exemplarisch werden bestimmte Aufgabenklassen dargestellt, wobei jede auf bestimmte Teilgebiete der Kontinuumsmechanik f¨uhrt und diese teilweise in der Literatur auch eigenst¨andig abgehandelt werden. Das Lehrbuch der Kontinuumsmechanik folgt der gegebenen Gliederung. Dabei werden alle bereits genannten Gr¨oßen in den entsprechenden Abschnitten definiert. Hier seien aber einige grundlegende Begriffe wie Raum, Zeit, K¨orper, Masse, Homogenit¨at und Isotropie vorangestellt.

1.4 Grundlegende Begriffe in der Kontinuumsmechanik Die nachfolgenden Grundbegriffe (Raum, Zeit, K¨orper, Masse, Homogenit¨at und Isotropie) sind f¨ur das weitere Verst¨andnis von grundlegender Bedeutung, da sie wesentlich f¨ur die Modellbildung sind. 33

Man beachte, dass eine physikalische Gr¨oße wie die Zeit aus Zahlenwert und Einheit besteht. Die Wahl der Einheit spielt jedoch an dieser Stelle keine Rolle.

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1.4.1 Raum In der klassischen Mechanik gilt die Raumdefinition, die auf Newton zur¨uckgeht: • Der Raum ist absolut, unver¨anderlich und unbeeinflusst von den Vorg¨angen, die in ihm ablaufen. • Der Raum ist euklidisch und dreidimensional. Die Dimensionen des Raumes werden durch das gew¨ahlte Koordinatensystem definiert. Der Definition des Bezugspunktes eines Koordinatensystems kommt besondere Bedeutung zu. Die Wahl erfolgt meist aus der Aufgabenstellung heraus. Definition 1.2 (Raum). Im Rahmen der klassischen Kontinuumsmechanik wird als Raum der dreidimensionale Raum E3 der Anschauung definiert. In E3 gilt die Euklid’sche Geometrie. E3 ist unabh¨angig vom jeweils betrachteten mechanischen Vorgang und vom Beobachter. Alle Punkte des Raumes sind gleichberechtigt, es gibt keinen von vornherein ausgezeichneten Punkt oder eine ausgezeichnete Richtung. Mit der Festlegung eines Raumpunktes 0 als Bezugspunkt wird der Raum vermessbar. Man kann jedem Punkt des Raumes ein Zahlentripel als Koordinaten zuordnen. Die Werte des Zahlentripels h¨angen von dem gew¨ahlten Bezugspunkt und dem gew¨ahlten Koordinatensystem ab. ¨ Anmerkung 1.1. Andern sich Bezugspunkt und/oder Koordinatensystem, a¨ ndern sich die Werte des Zahlentripels. Anmerkung 1.2. F¨ur die Raumdimensionen gilt: • keine Raumdimension entspricht einem Punkt, • eine Raumdimension entspricht einer Geraden oder einer Kurve und • zwei Raumdimensionen entsprechen einer Fl¨ache

1.4.2 Zeit Die Zeit ist zur Kennzeichnung von Bewegungsabl¨aufen von besonderer Bedeutung. Definition 1.3 (Zeit). Zur Festlegung der Ausgangslage und der Bewegung ausgew¨ahlter Raumpunkte sind ein r¨aumliches und ein zeitliches Bezugssystem erforderlich. Das zeitliche Bezugssystem kann man durch eine skalare Gr¨oße t, die man die Zeit nennt, definieren. t kann nur monoton zunehmen, d.h. dt  0. Der Nullpunkt kann f¨ur t beliebig gew¨ahlt werden (Indifferenzprinzip). Entsprechend den Prinzipien der Thermodynamik kann die Zeit auch als Zunahme der Entropie betrachtet werden, wobei die Entropie ein Maß f¨ur die Unordnung ist. Diese Interpretation soll aber in diesem Buch nicht weiter verfolgt werden. Anmerkung 1.3. In der klassischen Mechanik wird auch der Begriff der absoluten Zeit verwendet, der jedoch im Zusammenhang mit der Relativit¨atstheorie nicht mehr g¨ultig ist.

1.4 Grundlegende Begriffe in der Kontinuumsmechanik

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1.4.3 K¨orper Dem Begriff K¨orper kommt grundlegende Bedeutung bei der Modellierung zu und soll hier stets mit dem Begriff Materie verbunden sein. Definition 1.4 (K¨orper - 1. Definition). G sei eine kompakte Menge von Raumpunkten, die in E3 eine abgegrenzte, zusammenh¨angende Punktmenge bildet. Ordnet man jedem Raumpunkt P ∈ G Materieeigenschaften zu, wird aus dem Raumpunkt ein materieller Punkt und aus dem Gebiet G ein materielles Gebiet B (meist als K¨orper bezeichnet) als Menge aller materiellen Punkte. B hat zu jedem Zeitpunkt t ein Volumen V(t), welches von der Fl¨ache A[V(t)] umh¨ullt wird. G ist zusammenh¨angend und beschr¨ankt, aber G muss nicht einfach zusammenh¨angend sein. Das so definierte Gebiet kann somit auch Hohlr¨aume haben, die nicht mit Materie gef¨ullt sind. F¨ur den K¨orperbegriff gilt auch folgende Definition: Definition 1.5 (K¨orper - 2. Definition). Ein K¨orper ist ein kontinuierlich mit Materie ausgef¨ulltes Gebiet. Jeder Punkt des K¨orpers ist ein materieller Punkt. Er kann durch eine Marke gekennzeichnet werden. Anmerkung 1.4. Jedem materiellen Punkt kann ein Raumpunkt zugeordnet werden, aber nicht jedem Raumpunkt ein materieller Punkt. Anmerkung 1.5. Ein materieller Punkt kann nicht gleichzeitig an unterschiedlichen Punkten des Raums sein. Anmerkung 1.6. An einem Raumpunkt k¨onnen nicht gleichzeitig verschiedene materielle Punkte sein. Man bezeichnet diese Schlussfolgerungen auch als Kontinuit¨atsaxiom der Kontinuumsmechanik. Die umkehrbar eindeutige Zuordnung materieller Punkte auf Raumpunkte ist eine topologische Abbildung (Hom¨oomorphismus).

1.4.4 Masse Eine besonders wichtige Eigenschaft ist die Masse, die u¨ ber die Dichte als Eigenschaft materieller Punkte definiert ist. Die Tr¨agheit des Kontinuums wird in der Kontinuumsmechanik durch eine skalare Funktion ρ des Ortes P und der Zeit t repr¨asentiert. Diese Funktion wird Dichte (Massendichte) genannt und ist ein Maß f¨ur die Materiedichte ρ = ρ(P, t), d.h. sie stellt eine Relation aus Masse zu Volumen dar. Dabei gilt stets ρ > 0.

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Definition 1.6 (Masse). Betrachtet man ein Kontrollvolumen dV, ist dm die entsprechende Masse. Bei stetig verteilter Masse kann ein Grenz¨ubergang durchgef¨uhrt werden und es gilt dm = ρdV Das Integral u¨ ber das Volumen34 V(t) eines K¨orpers B zur Zeit t heißt dann Gesamtmasse (Masse) des K¨orpers   ρ(P, t)dV ≡ ρ(P, t) dV m(t) = V

V

F¨ur jede Zeit t ist die Masse f¨ur das aktuelle Volumen V(t) eindeutig berechenbar (Identit¨atsprinzip der Masse).

1.4.5 Homogenit¨at und Isotropie F¨ur die L¨osung der Anfangs-Randwertprobleme der ph¨anomenologischen Kontinuumsmechanik ist es von besonderer Bedeutung, ob die Eigenschaften der Materie als orts- und/oder richtungsabh¨angig modelliert werden m¨ussen. Ein Modell realer K¨orper geht davon aus, dass diese eine diskrete Struktur haben und nie homogen oder isotrop sind. Die zuf¨allige Verteilung der Eigenschaften und ihre Mittelung erm¨oglicht jedoch oft eine n¨aherungsweise Analyse kontinuumsmechanischer Aufgaben mit Hilfe homogener und isotroper Modellk¨orper. Ferner sei hervorgehoben, dass im Rahmen der klassischen Kontinuumsmechanik alle Feldgr¨oßen als hinreichend glatt, d.h. als hinreichend oft stetig differenzierbar, vorausgesetzt werden. Diskontinuit¨aten im Raum und/oder in der Zeit, wie sie z.B. bei lokalen Spr¨ungen ausgew¨ahlter Eigenschaften der Materie oder bei Stoßwellen auftreten, bed¨urfen ¨ zus¨atzlicher Uberlegungen.

1.4.5.1 Homogenit¨at Definition 1.7 (Homogenit¨at). Hat der K¨orper ortsunabh¨angige Eigenschaften, d.h. alle materiellen Punkte haben unter gleichen Bedingungen gleiche physikalische Eigenschaften, ist der K¨orper homogen, andernfalls inhomogen. Treten dazu unterschiedliche Phasen auf, spricht man von einem heterogenen K¨orper. Anmerkung 1.7. Grunds¨atzlich sind auf atomarer Ebene die physikalischen Eigenschaften der Materie nicht homogen. Beispielsweise variiert die Massendichte zwischen den Strukturbausteinen. F¨ur die meisten praktischen Probleme k¨onnen die   Nachfolgend wird das Dreifachintegral (. . .)dV verk¨urzt (. . .)dV dargestellt. Gleiches gilt V V  f¨ur das Fl¨achenintegral (. . .)dA verk¨urzt (. . .)dA. 34

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Literaturverzeichnis

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Unterschiede vernachl¨assigt werden. Homogenit¨at bedeutet dann gleichf¨ormige Eigenschaften beispielsweise auf makroskopischen L¨angenskalen.

1.4.5.2 Isotropie Die Richtungsabh¨angigkeit der Eigenschaften kann ein Modell wesentlich komplizierter gestalten. Daher wird oftmals zun¨achst von Richtungsunabh¨angigkeit ausgegangen. Definition 1.8 (Isotropie). Sind die physikalischen Eigenschaften eines K¨orpers richtungsunabh¨angig, ist der K¨orper isotrop, anderenfalls anisotrop. Durch materielle Symmetriebedingungen k¨onnen Sonderf¨alle der Anisotropie unterschieden werden, z.B. das monokline Materialverhalten, das orthotrope Materialverhalten, das transversal-isotrope Materialverhalten, das kubische Materialsverhalten und das isotrope Materialverhalten. Anmerkung 1.8. Grunds¨atzlich sind bei Betrachtung der Mikrostruktur die physikalischen Eigenschaften der Materie lokal richtungsabh¨angig. F¨ur viele praktische ¨ Probleme k¨onnen die Unterschiede jedoch beim Ubergang auf die Makrostruktur bzw. bei einer ph¨anomenologischen Betrachtungsweise herausgemittelt werden.

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Kapitel 2

Mathematische Grundlagen der Tensoralgebra und Tensoranalysis

Zusammenfassung Die in der Kontinuumsmechanik betrachteten Gr¨oßen sind Skalare, Vektoren und Tensoren, oder allgemeiner Tensoren nter Stufe mit n  0. Um die Einarbeitung in die Grundlagen der Kontinuumsmechanik zu erleichtern, werden nachfolgend nur kartesische Tensoren verwendet. Damit entf¨allt u.a. eine Unterscheidung von ko- und kontravarianten Basissystemen und von unteren und oberen Indizes. Gleichzeitig wird der Blick f¨ur das Wesentliche gesch¨arft. Viele Gleichungen lassen sich besonders u¨ bersichtlich in symbolischer Schreibweise formulieren. F¨ur die Durchf¨uhrung von Tensoroperationen ist aber oft eine Darstellung mit Basisvektoren oder eine verk¨urzte Indexschreibweise zweckm¨aßig. Die unterschiedlichen Schreibweisen werden zum besseren Verst¨andnis der Gleichungen h¨aufig parallel verwendet. Abschnitt 2.1 fasst die wichtigsten Bezeichnungen, Definitionen und Rechenregeln zusammen. In den Abschnitten 2.2 und 2.3 folgen die Grundlagen der Tensoralgebra und -analysis. Tensorfunktionen werden in Abschn. 2.4 behandelt. Weiterf¨uhrende Literatur ist u.a. mit [3; 5; 4; 8; 9; 10; 11; 12; 13; 14; 16; 18; 20; 21] gegeben. In Analogie zu diesem Lehrbuch sind in den B¨uchern [3; 4; 9; 10] durchgerechnete Beispiele zu finden.

2.1 Koordinatenfreie Notation und Indexschreibweise Die Tensorrechnung ist heute ein unverzichtbares Hilfsmittel zur Darstellung der theoretischen Grundlagen der Kontinuumsmechanik sowie bei der L¨osung praktischer Aufgaben. Dabei werden zwei Darstellungsweisen verwendet: • die direkte (symbolische, koordinatenfreie) Notation und • die Index- bzw. Komponentennotation Im ersten Fall werden alle relevanten Variablen, die Skalare, Vektoren oder Tensoren darstellen, im dreidimensionalen Raum definiert. Ein Skalar ist dabei unabh¨angig von der Orientierung des Raums, Vektoren stellen gerichtete Linienabschnitte dar, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2018 H. Altenbach, Kontinuumsmechanik, https://doi.org/10.1007/978-3-662-57504-8_2

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2 Mathematische Grundlagen der Tensoralgebra und Tensoranalysis

ein Tensor zweiter Stufe ist eine endliche Summe geordneter Vektorpaare usw. In diesem Sinne lassen sich dann auch Tensoren h¨oherer Stufe einf¨uhren. Die direkte Notation bedarf lediglich der Festlegung eines Bezugspunktes, jedoch keiner a´ priori Einf¨uhrung eines Koordinatensystems. Sie wird daher in zahlreichen Darstellungen der Kontinuumsmechanik, der Elastizit¨atstheorie, der Rheologie usw. bevorzugt, vgl. [2; 7; 14; 15; 19]. Die Indexschreibweise basiert auf der a´ priori Einf¨uhrung eines Koordinatensystems. Sie ist auf den ersten Blick benutzerfreundlicher, jedoch kann man schnell feststellen, dass jeder Wechsel des Koordinatensystems zu einer Neuberechnung der Komponenten bzw. Koordinaten f¨uhrt.

2.1.1 Darstellungsformen fur ¨ Skalare, Vektoren und Tensoren Zur Unterscheidung von Skalaren (Tensoren 0. Stufe), Vektoren (Tensoren 1. Stufe) und Tensoren der Stufe n  2 wird folgende symbolische Schreibweise vereinbart1 • Skalare: a, b, . . ., α, β, . . . , A, B, . . ., d.h. kleine oder große Buchstaben im Normaldruck, ρ,τ τ, . . ., d.h. kleine Buchstaben im Fettdruck, • Vektoren: r ,tt, . . . ,ρ • Tensoren (n  2): A , B , . . . , Π , Ω , (n)G ,(n) F , . . . ,(n) Γ ,(n) Φ , . . ., d.h. große Buchstaben im Fettdruck; der linke obere Index steht f¨ur die Tensorstufe und wird nur f¨ur Tensoren der Stufe n  3 geschrieben. Will man diese Gr¨oßen in Indexschreibweise darstellen, ist zun¨achst in E3 ein kartesisches Koordinatensystem mit den Basiseinheitsvektoren e 1 , e 2 , e 3 einzuf¨uhren. Dabei wird das System der Basisvektoren so gew¨ahlt, dass man ein orthonormiertes System erh¨alt (jeder Basisvektor habe die L¨ange 1, Basisvektoren mit unterschiedlichen Indizes sind orthogonal zueinander). Skalare Gr¨oßen werden in Indexschreibweise genauso wie in symbolischer Notation dargestellt. F¨ur einen Vektor r (Tensor 1. Stufe) folgt beispielsweise 3 

rie i = r1e 1 + r2e 2 + r3e 3 ,

i=1

f¨ur einen Tensor zweiter Stufe A 3 3  

Aije ie j = A11e 1e 1 + A12e 1e 2 + . . . + A33e 3e 3 ,

i=1 j=1

f¨ur einen Tensor dritter Stufe (3)B

1 Leider kann man dies nicht konsequent durchsetzen: so wird der Nullvektor nachfolgend als 0 eingef¨uhrt und f¨ur den Spannungstensor der Technischen Mechanik wird σ verwendet.

2.1 Koordinatenfreie Notation und Indexschreibweise 3  3 3  

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Bijke ie je k

i=1 j=1 k=1

und f¨ur einen Tensor 4. Stufe (4)E 3  3  3 3  

Eijkl eiej ek el

i=1 j=1 k=1 l=1

Es gilt die Einstein’sche2 Summationsvereinbarung • u¨ ber doppelt auftretende Indizes wird von 1 bis 3 summiert3 : a i bi = a 1 b1 + a 2 b2 + a 3 b3 , • ein Index darf in einem Term indizierter Gr¨oßen nur maximal zweimal auftreten, d.h. ai bi cj = a1 b1 cj + a2 b2 cj + a3 b3 cj , j = 1, 2, 3, ai bi ci keine Summationsvereinbarung definiert Zur Vereinfachung indizierter Operationen werden zwei Symbole eingef¨uhrt: das Kronecker4-Symbol und das Levi-Civita5-Symbol.  Kronecker-Symbol: δij = δii = 3

1 0

i = j, i = j,

⎧ ⎨ 1 Levi-Civita-Symbol εijk = −1 (Permutationssymbol) ⎩ 0 εijk εijk = 6

i, j, k = (1, 2, 3); (2, 3, 1); (3, 1, 2), i, j, k = (1, 3, 2); (3, 2, 1); (2, 1, 3), i = j bzw. i = k bzw. j = k,

Zusammenfassend kann man folgende Darstellung kartesischer Tensoren zur Basis ei , i = 1, 2, 3 geben 0. Stufe (Skalar), z.B. a, 2

Albert Einstein (1879-1955), Physiker und Nobelpreistr¨ager, bedeutende Beitr¨age zur Relativit¨atstheorie und zum photoelektrischen Effekt 3 Im verallgemeinerten Sinn ist die Summation bis zur Anzahl der Dimensionen des Raums auszuf¨uhren. 4 Leopold Kronecker (1823-1891), Mathematiker, Beitr¨ age zur Algebra und Zahlentheorie 5 Tullio Levi-Civita (1873-1941), Mathematiker, Beitr¨ age zur Tensoralgebra

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2 Mathematische Grundlagen der Tensoralgebra und Tensoranalysis

1. Stufe (Vektor), z.B. r = rie i , ri , 2. Stufe (Dyade), z.B. G = ab = ai bje ie j = Gije ie j , Gij = ai bj , 3. Stufe (Triade), z.B. (3)B = abc = ai bj cke ie je k = Bijke ie je k , Bijk = ai bj ck , 4. Stufe (Tetrade), z.B. (4)D = abcd = ai bj ck dle ie je ke l = Dijkle ie je ke l , Dijkl = ai bj ck dl usw. Schlussfolgerung 2.1. Ein Tensor nter Stufe mit n  1 hat im dreidimensionalen Raum E3 insgesamt 3n Komponenten. Ein Tensor 0ter Stufe (Skalar) ist unabh¨angig von der Orientierung des Koordinatensystems, d.h. invariant gegen¨uber Drehungen des Koordinatensystems. F¨ur Tensoren gilt bei Drehung eines Koordinatensystems mit den Basisvektoren e i in das Koordinatensystem mit den Basisvektoren e i folgendes Transformationsgesetz f¨ur die Koordinaten (s. Abb. 2.1) ai = Qij aj ,  =Q Q G , Gij ik jl kl ...

ai = Qji aj ,  , Gij = Qki Qlj Gkl

  mit Qij = cos(x i , xj ) und Qji = cos(xi , xj ).

Schlussfolgerung 2.2. F¨ur die 3n Koordinaten eines Tensors nter Stufe mit n  1 folgen bei Drehung des Koordinatensystems 3n lineare Transformationsgleichungen. Tensoren 0. Stufe (Skalare) sind gegen¨uber Koordinatentransformationen invariant. QT = I hat (II ist der Einheitstensor), Mit dem Drehtensor Q , der die Eigenschaft Q ·Q kann man die Transformationsgesetze auch symbolisch wie folgt schreiben a, a  = Q ·a G ·Q QT , G  = Q ·G ...

a , a = Q T ·a G  ·Q Q, G = Q T ·G

x2

x2

Abb. 2.1 Drehung eines kartesischen Koordinatensystems x1 mit den Basisvektoren ei in das Koordinatensystem x1 mit den Basisvektoren ei

x3

x1

e2 e 2

e 1

e3

e1 e3

x1 x3

2.1 Koordinatenfreie Notation und Indexschreibweise

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In den Abschn. 2.2 und 2.3 werden wichtige Rechenregeln beispielhaft f¨ur Tensoren 0. bis 2. Stufe formuliert. Neben der Definition eines kartesischen Tensors 2. Stufe u¨ ber seine Koordinatentransformation kann dieser als linearer Operator einer Vektortransformation definiert werden. Im Falle der Vektoren a und b gilt dann a b = A ·a mit A als der entsprechenden Dyade. F¨ur den Sonderfall eines Tensors 2. Stufe k¨onnen die Koordinaten auch elementar als (3, 3) Matrizen geschrieben werden ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ G11 G12 G13 a 1 b1 a 1 b2 a 1 b3 [Gij ] = [ai bj ] = ⎣ a2 b1 a2 b2 a2 b3 ⎦ = ⎣ G21 G22 G23 ⎦ a 3 b1 a 3 b2 a 3 b3 G31 G32 G33 Die Werte der Koordinaten sind von der Wahl des Koordinatensystems abh¨angig. Es gelten die nachfolgenden Manipulationsregeln f¨ur indizierte Gr¨oßen Substitution: ai = Uij bj ,

bi = Vij cj

Mit bj = Vjk ck folgt ai = Uij Vjk ck = Wik ck mit Wik = Uij Vjk .

Kontraktion (Verj¨ungung): Tij Gleichsetzen von 2 Indizes Tii = T11 + T22 + T33

¨ Faltung (Uberschiebung): einfache Faltung Aij Bkl =⇒ Aij Bjl , doppelte Faltung Aij Bkl =⇒ Aij Bji

Faktorisierung: Tij nj − λni = 0,

ni ≡ δij nj

(Identit¨at),

Tij nj − λδijnj = 0 =⇒ (Tij − λδij)nj = 0

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2 Mathematische Grundlagen der Tensoralgebra und Tensoranalysis

δij -Manipulationen: δij aj = ai , δik δkj = δij ,

δik Tkj = Tij , δik δkj δjl = δil

εijk -Manipulationen: εijk aj ak = 0, Tjk = Tkj : εijk Tjk = 0, εijk Tjk = Tjk − Tkj εijk εimn = δjm δkn − δjn δkm , εijk εijn = 2δkn , εijk εijk = 3! = 6

2.1.2 Vektoren und Tensoren Zur Beschreibung physikalischer Vorg¨ange eignen sich Tensoren in besonderer Weise, da sie neben den Informationen u¨ ber den Zahlenwert und die Einheit auch noch Informationen u¨ ber Orientierungen im Raum enthalten. Nachfolgend werden Tensoren und ihr wichtigster Sonderfall (Vektoren) eingef¨uhrt.

2.1.2.1 Polare und axiale Vektoren In der Mechanik muss bei der Definition von Vektoren darauf geachtet werden, dass es unterschiedliche Vektoren gibt. Die erste Gruppe bilden die polaren Vektoren, f¨ur die die meist verwendete Standarddefinition gilt (s. auch Abb. 2.2). Definition 2.1 (Polarer Vektor). Ein polarer Vektor ist im Euklid’schen Raum als ein gerichtetes gerades Liniensegment, gekennzeichnet durch L¨ange und Richtung, gegeben. a| ≡ a bezeichnet, wobei | . . . | die Norm6 Die L¨ange des Vektors a wird dabei mit |a oder den Betrag des Vektors bezeichnet. Die Norm des Vektors a berechnet sich mit √ a. Folgende Eigenschaften gelten f¨ur Normen: a| = a ·a Hilfe des Skalarproduktes |a a

Abb. 2.2 Grafische Veranschaulichung eines polaren Vektors 6

F¨ur die Norm wird auch || . . . || als Symbol verwendet.

ea

2.1 Koordinatenfreie Notation und Indexschreibweise

• • • •

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a|  0. Sie ist positiv definit, d.h. |a a| = 0 folgt a = 0 F¨ur |a a +b b|  |a a| + |b b|. |a a| = |α||a a|. |αa

a|. Zwei Vektoren sind gleich, wenn Die Richtung ea erh¨alt man wie folgt: ea = a /|a sie in ihrer L¨ange u¨ bereinstimmen und die gleiche Richtung haben. Der Nullvektor 0 hat die L¨ange 0. Polare Vektoren werden u.a. zur Beschreibung von translatorischen Bewegungen, von Kr¨aften usw. verwendet. In der Mechanik treten neben translatorischen auch rotatorische Bewegungen auf, neben Kr¨aften gibt es auch Momente. Man erkennt, dass sich rotatorische Bewegungen und Momente nicht durch polare Vektoren beschreiben lassen, da beispielsweise die Bewegung um eine Achse zu charakterisieren ist. Damit werden Spinorvektoren eingef¨uhrt, d.h. gerichtete kreisf¨ormige Liniensegmente. Derartige Vektoren lassen sich durch axiale Vektoren repr¨asentieren, wobei zur Unterscheidung auch der Doppelpfeil Anwendung findet (s. Abb. 2.3). Definition 2.2 (Axialer Vektor). Ein axialer Vektor7 ist im dreidimensionalen Euklid’schen Raum als gerichtetes geradliniges Liniensegment gegeben, dessen L¨ange der L¨ange des kreisf¨ormigen Liniensegments entspricht und dessen Richtung sich aus der rechte-Hand-Regel ergibt. Aus der letzten Aussage folgt, dass die Orientierung des Referenzsystems von Be¨ deutung ist. Es ist offensichtlich, dass man die Uberlegungen zu polaren und axialen Vektoren auf Tensoren beliebiger Stufe erweitern kann. In der Physik wird die Unterscheidung zwischen polaren und axialen Vektoren u¨ ber die Punktspiegelung definiert. F¨ur polare Vektoren tritt in diesem Fall eine Richtungsumkehr ein, f¨ur Spinorvektoren und folglich axiale Vektoren kommt es zu keiner Richtungsumkehr. Beim Rechnen mit polaren und axialen Vektoren muss man sorgf¨altig sein. W¨ahrend einfache Rechenoperationen wie die Addition und die Subtraktion den Charakter von Vektoren nicht a¨ ndern, gilt dies beispielsweise bei Multiplikationen nicht immer. Dabei d¨urfen im ersten Fall nur polare (axiale) Vektoren zu polaren (axialen) Vektoren addiert (subtrahiert) werden. Man kann jedoch beispielsweise einen axialen mit einem polaren Vektor vektoriell multiplizieren. Das Kreuzprodukt zweier polarer oder zweier axialer Vektoren ist ein axialer Vektor, das Kreuzprodukt eines axialen mit einem polaren Vektor ist ein polarer Vektor. Ein bekanntes Beispiel aus der Starrk¨orperdynamik ist die Berechnung der translatorischen Geschwindigkeit (polarer Vektor) eines Punktes bei einer Bewegung um eine a

Abb. 2.3 Grafische Veranschaulichung eines axialen Vektors 7

Man findet hierf¨ur auch den Begriff Pseudovektor.

ea

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2 Mathematische Grundlagen der Tensoralgebra und Tensoranalysis

Achse aus dem Vektorprodukt der Winkelgeschwindigkeit (axialer Vektor) mit dem Positionsvektor (polarer Vektor).

2.1.2.2 Tensoren zweiter Stufe Die Definition f¨ur Tensoren 2. Stufe wird in der Literatur unterschiedlich gegeben. Hier wird den Ausf¨uhrungen in [16] gefolgt. Gegeben sei ein Vektorraum mit den Vektoren a , b , c usw. Aus diesen Vektoren wird eine Summe aus n formalen Produkten gebildet T = ab +ccd +eef + . . . (2.1) Anmerkung 2.1. Das formale Produkt ab wird als Dyade bezeichnet, wobei auch die Schreibweise a ⊗ b verwendet wird (s.a. Definition 2.8). Anmerkung 2.2. Definition 2.3 (Tensor 2. Stufe). T wird als Tensor 2. Stufe bezeichnet, wenn fol¨ gende Aquivalenzbedingungen erf¨ullt sind • Kommutativgesetz Die formale Summe h¨angt nicht von der Reihenfolge der Summanden ab, d.h. beispielsweise ab ab +ccd = cd +a • Distributivgesetz Das Distributivgesetzes regelt die Umwandlung einer Summe in ein Produkt (Ausklammern oder Herausheben) a +b b)cc = ac +b bc , (a

b +cc) = ab +a ac a (b

Das Aufl¨osen von Klammern durch Anwenden des Distributivgesetzes wird als Ausmultiplizieren bezeichnet. Dabei ist zwischen rechts- und linksdistributiv zu unterscheiden. • Die Multiplikation mit einem Skalar l¨asst sich wie folgt ausdr¨ucken ab ) = (αa a)b b = a (αb b) α(a a ist. Es gilt ab = ba f¨ur den Fall, dass b = λa

2.1.2.3 Tensoren h¨oherer Stufe Basierend auf den bisherigen Ausf¨uhrungen k¨onnen folgende mathematische Objekte eingef¨uhrt werden: • Skalare α werden als Tensoren 0. Stufe bezeichnet.

2.2 Tensoralgebra

• Die Summe der Vektoren a k

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a=



ak

k

ist ein Tensor erster Stufe. • Die Summe der formalen Produkte der Vektoren a kb k (d.h. der Dyaden)  a kb k T= k

ist ein Tensor zweiter Stufe. • Die Summe der formalen Produkte der Vektoren a kb kc k  (3) T= a kb kc k k

ist ein Tensor dritter Stufe, die Summanden selbst werden als Triaden bezeichnet. • Die Summe der formalen Produkte der Vektoren a kb kc kd k  (4) T= a kb kc kd k k

ist ein Tensor vierter Stufe, wobei die Summanden als Tetraden bezeichnet werden. ¨ Diese Definitionen kann man beliebig fortsetzen. In jedem Fall m¨ussen aber Aquivalenzbedingungen wie in Abschn. 2.1.2.2 beschrieben, gelten. Anmerkung 2.3. Im Falle von Tensoren muss zumindest auch zwischen axialen und polaren Tensoren unterschieden werden, bei Tensoren in der Schalentheorie, n ist die Normale die auf Fl¨achen definiert sind, kommt noch die n -Orientierung (n zur Fl¨ache) hinzu. Hier wird darauf nicht speziell eingegangen und auf die Spezialliteratur, z.B. [1], verwiesen.

2.2 Tensoralgebra Nachfolgend werden wichtige Aussagen der Tensoralgebra zusammengefasst. Diese sind zum Verst¨andnis der im Rahmen des Buches benutzten Darstellungen notwendig. Es wird sich auf die Definitionen f¨ur Tensoren 1. und 2. Stufe (Vektoren und Dyaden) beschr¨ankt, um den Umfang nicht zu groß werden zu lassen. Verallgemeinerungen bereiten jedoch keine Schwierigkeiten.

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2 Mathematische Grundlagen der Tensoralgebra und Tensoranalysis

2.2.1 Rechenregeln fur ¨ Vektoren • Addition Definition 2.4 (Addition zweier Vektoren). Zwei Vektoren a und b vom gleichen Typ ergeben den Vektor c b =c a +b In Komponenten lautet dieser Zusammenhang a1e 1 + a2e 2 + a3e 3 + b1e 1 + b2e 2 + b3e 3 = (a1 + b1 )ee1 + (a2 + b2 )ee2 + (a3 + b3 )ee3 = c1e 1 + c2e 2 + c3e 3 , f¨ur Koordinaten gilt ai + bi = ci F¨ur die Addition haben das Kommutativgesetz b = b +a a, a +b das Assoziativgesetz a +b b) +cc = a + (b b +cc) (a sowie die Existenz eines neutralen Elementes a +00 = a G¨ultigkeit. 0 ist der Nullvektor, d.h. ein Vektor mit der L¨ange |00| = 0. • Multiplikation mit einem Skalar Definition 2.5 (Multiplikation eines Vektors mit einem Skalar). F¨ur einen beliebigen Vektor a und einen beliebigen Skalar α f¨uhrt die Multiplikation zu a =b αa Es gilt f¨ur die L¨ange des Vektors b : √ √ √ b = αa a · αa a = α2a ·a a = α|a a| b| = b ·b |b – – – – – –

Mit α > 0 fallen die Richtungen von a und b zusammen, mit α < 0 sind die Richtungen von a und b entgegengesetzt, mit |α| > 1 wird a gestreckt, mit |α| < 1 wird a gestaucht, a und b sind kongruent) und mit |α| = 1 bleibt a in seiner L¨ange erhalten (a mit α = 0 wird aus a der Nullvektor.

F¨ur die Koordinaten gilt αai = bi

2.2 Tensoralgebra

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Folgende Beziehungen sind g¨ultig a +b b) = αa a + αb b, α(a

a = αa a + βa a (α + β)a

• Subtraktion Die Subtraktion zweier Vektoren vom gleichen Typ kann jetzt mit Hilfe der Rechenregeln 1 und 2 definiert werden b = a + αb b =c a −b

mit α = −1

F¨ur die Koordinaten gilt dann ai − bi = ai + (−1)bi = ci • Multiplikation von Vektoren Hierbei sind drei Multiplikationen zu unterscheiden: – Skalarprodukt Definition 2.6 (Skalarprodukt zweier Vektoren). F¨ur das gegebene Paar beliebiger Vektoren a und b ist das Skalarprodukt definiert als b = |a a||b b| cosϕ α = a ·b a| und |b b| sind die Betr¨age der VekAls Ergebnis erh¨alt man einen Skalar α. |a toren a bzw. b , ϕ ist der Winkel zwischen den Vektoren. Letzteren kann man wie folgt berechnen b a ·b ϕ = arccos a||b b| |a a⊥b b), gilt mit ϕ = 90◦ , dass Anmerkung 2.4. Wenn a zu b orthogonal ist (a b = 0 ist. Wenn das Skalarprodukt zweier Vektoren verschwindet, sind die a ·b Vektoren zueinander orthogonal (Orthogonalit¨atsbedingung). F¨ur die Komponenten gilt = + + = + + =

(a1e 1 + a2e 2 + a3e 3 ) · (b1e 1 + b2e 2 + b3e 3 ) a1e 1 · (b1e 1 + b2e 2 + b3e 3 ) a2e 2 · (b1e 1 + b2e 2 + b3e 3 ) a3e 3 · (b1e 1 + b2e 2 + b3e 3 ) a1e 1 · b1e 1 + a1e 1 · b2e 2 + a1e 1 · b3e 3 a2e 2 · b1e 1 + a2e 2 · b2e 2 + a2e 2 · b3e 3 a3e 3 · b1e 1 + a3e 3 · b2e 2 + a3e 3 · b3e 3 aie i · bje j = ai bje i ·eej

Bei Verwendung des Kronecker-Symbols folgt schließlich b = ai bje i ·eej = ai bj δij = ai bi = α a ·b Letzteres ist die Darstellung f¨ur die Koordinaten

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2 Mathematische Grundlagen der Tensoralgebra und Tensoranalysis

α = a 1 b1 + a 2 b2 + a 3 b3 = a i bi Es gelten das Kommutativgesetz b = b ·a a, a ·b das gemischte Assoziativgesetz a) ·b b = r(a a ·b b) = a · (rb b) (ra und das Distributivgesetz b +cc) = a ·b b +a a ·cc, a · (b a +b b) ·cc = a ·cc +b b ·cc (a Anmerkung 2.5. Durch das Skalarprodukt eines Vektors mit einem Tensor wird die Stufe des Tensors um eins reduziert. – Vektorprodukt Definition 2.7 (Vektorprodukt zweier Vektoren). F¨ur das gegebene Paar geordneter, beliebiger Vektoren a und b ist das Vektorprodukt definiert als a||b b| sin ϕeec c = a × b = |a Als Ergebnis erh¨alt man einen Vektor c , der orthogonal zu der durch a und b aufgespannten Ebene ist (Abb. 2.4). ϕ ist der Winkel der k¨urzesten Drehung zwischen den Vektoren von a nach b . a⊥b b), wird |cc | maximal. Anmerkung 2.6. Wenn a zu b orthogonal ist (a a||b b), gilt mit ϕ = 0◦ , dass c = 0 Anmerkung 2.7. Wenn a zu b parallel ist (a ist. Wenn das Vektorprodukt zweier Vektoren verschwindet, sind die Vektoren zueinander parallel (Parallelit¨atsbedingung). F¨ur die Komponenten gilt

c b

ϕ a Abb. 2.4 Grafische Darstellung des Vektorprodukts

c −c

2.2 Tensoralgebra

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= + + = + + =

(a1e 1 + a2e 2 + a3e 3 ) × (b1e 1 + b2e 2 + b3e 3 ) a1e 1 × (b1e 1 + b2e 2 + b3e 3 ) a2e 2 × (b1e 1 + b2e 2 + b3e 3 ) a3e 3 × (b1e 1 + b2e 2 + b3e 3 ) a1e 1 × b1e 1 + a1e 1 × b2e 2 + a1e 1 × b3e 3 a2e 2 × b1e 1 + a2e 2 × b2e 2 + a2e 2 × b3e 3 a3e 3 × b1e 1 + a3e 3 × b2e 2 + a3e 3 × b3e 3 a i e i × bj e j = a i bj e i × e j

Bei Verwendung des Levi-Civita-Symbols folgt schließlich ai bje i × e j = ai bj εijke k = cke k = c Die Darstellung f¨ur die Koordinaten lautet ai bj εijk = ck mit

c1 = a2 b3 − a3b2 , c2 = a3 b1 − a1b3 , c3 = a1 b2 − a2b1

Es gelten die Antikommutativit¨at b × a, a × b = −b und das Distributivgesetz b +cc) = a × b +a a ×c a × (b Anmerkung 2.8. Bei Anwendung des Vektorprodukts mit einem Vektor auf einen Tensor wird die Stufe des Tensors nicht ver¨andert. – Dyadisches (tensorielles) Produkt Definition 2.8 (Dyadisches Produkt zweier Vektoren). F¨ur das gegebene Paar beliebiger Vektoren a und b ist das dyadische Produkt definiert als ab = a ⊗ b = C Das Ergebnis ist eine Dyade. F¨ur die Komponenten gilt aie i ⊗ bje j = Cije ie j =

=

a 1 b1 e 1 ⊗ e 1 + a 1 b2 e 1 ⊗ e 2 + a 1 b3 e 1 ⊗ e 3 +a2 b1e 2 ⊗ e1 + a2 b2e 2 ⊗ e 2 + a2 b3e 2 ⊗ e3 +a3 b1e 3 ⊗ e1 + a3 b2e 3 ⊗ e 2 + a3 b3e 3 ⊗ e3 C11e 1 ⊗ e1 + C12e 1 ⊗ e2 + C13e 1 ⊗ e 3 +C21e 2 ⊗ e1 + C22e 2 ⊗ e2 + C23e 2 ⊗ e 3 +C31e 3 ⊗ e1 + C32e 3 ⊗ e2 + C33e 3 ⊗ e 3

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2 Mathematische Grundlagen der Tensoralgebra und Tensoranalysis

In Koordinaten lautet die Berechnungsvorschrift ai bj = Cij Nachfolgend wird das Symbol ⊗ in der Regel nicht verwendet. Anmerkung 2.9. Bei Anwendung des Tensorprodukts mit einem Vektor auf einen Tensor wird die Stufe des Tensors um eins erh¨oht.

2.2.2 Rechenregeln fur ¨ Dyaden Ein geordnetes Paar zweier Vektoren wird als Dyade bezeichnet. Die Darstellung in Komponenten kann dem Abschn. 2.2.1 (dyadisches Produkt) entnommen werden. Es gelten die nachfolgenden Rechenregeln, wobei sich auf die wichtigsten (im Sinne der Anwendung in diesem Buch) beschr¨ankt wird: • Addition Definition 2.9 (Addition zweier Dyaden). Die Summe zweier Dyaden ist ein Tensor 2. Stufe ab +ccd = ef Dieses Ergebnis l¨asst sich auf Triaden, Tetraden usw. sinngem¨aß u¨ bertragen. Es gelten das Kommutativgesetz ab , ab +ccd = cd +a das Assoziativgesetz ab +ccd ) +eef = ab + (ccd +eef ) (a sowie das Distributivgesetz b +cc) = ab +a ac , a (b

a +b b)cc = ac +b bc (a

• Multiplikation mit einem Skalar Definition 2.10 (Multiplikation einer Dyade mit einem Skalar). F¨ur eine Dyade ab ist die Multiplikation mit einem Skalar α definiert als ab ) = (αa a)b b = a (αb b) α(a Mit α = 0 folgt die Nulldyade ab ) = 0b = a0 = 00 0(a Außerdem gilt ab = αa ab + βa ab (α + β)a

2.2 Tensoralgebra

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• Transponierte eines Tensors Definition 2.11 (Transponierte eines Tensors). F¨ur die Transponierte T T eines Tensors T gilt T = a b ⇒ T T = ba , d.h. mit T = Tije ie j folgt T T = Tije je i = Tjie ie j und somit e i · (TT ·eej ) = ej · (TT T ·eei ) • Symmetrischer und schiefsymmetrischer Tensor Definition 2.12 (Symmetrischer Tensor). Ein Tensor ist symmetrisch, wenn f¨ur ihn T = T T , d.h. Tij = Tji , erf¨ullt ist. Man schreibt dann auch T S . Im Speziellen ist I symmetrisch (II = I T ). Definition 2.13 (Schiefsymmetrischer Tensor). Ein Tensor ist schiefsymmetrisch, wenn f¨ur ihn T = −TT T , d.h. Tij = −Tji , erf¨ullt ist. Man schreibt dann auch T A . Satz 2.1 (Zerlegung eines Tensors in symmetrischen und schiefsymmetrischen Anteil). Jeder Tensor l¨asst sich eineindeutig in einen symmetrischen und einen schiefsymmetrischen Anteil zerlegen 1 1 T = (TT +TT T ) + (TT −TT T ) = T S +TT A 2 2 • Inneres Skalarprodukt Definition 2.14 (Inneres Skalarprodukt zweier Dyaden). F¨ur die beiden Dyaden A = ab und B = cd ist das innere Skalarprodukt definiert als B = ab ·ccd = a αd d = αa ad A ·B mit α = b ·cc. Allgemein gilt A ·B B = B ·A A, d.h. das innere Skalarprodukt ist nicht kommutativ im Gegensatz zum Skalarprodukt zweier Vektoren. Das innere Skalarprodukt wird auch als einfache Faltung bezeichnet. • Doppeltes Skalarprodukt Definition 2.15 (Doppeltes Skalarprodukt zweier Dyaden). F¨ur die Dyaden A = ab und B = cd ist das doppelte Skalarprodukt definiert als B = ab ·· d=α A ·· ··B ··ccd = b ·cca ·d

32

2 Mathematische Grundlagen der Tensoralgebra und Tensoranalysis

Das Ergebnis ist ein Skalar8 . Weiterhin gilt a ⊗ b = b ·A A ·a a A ·· ··a Das doppelte Skalarprodukt wird auch als zweifache Faltung bezeichnet. • Skalarprodukt mit einem Vektor Definition 2.16 (Skalarprodukt einer Dyade mit einem Vektor). F¨ur die Dyade A = ab und den Vektor c ist das linke bzw. rechte Skalarprodukt definiert als A = c ·a a ⊗ b = βb b, a c ·A A ·cc = a ⊗ b ·cc = αa Als Ergebnis erh¨alt man Vektoren. Man kann leicht u¨ berpr¨ufen, dass die folgenden Beziehungen G¨ultigkeit haben A = A ·cc, c ·A

A = A T ·cc c ·A

• Vektorprodukt mit einem Vektor Definition 2.17 (Vektorprodukt einer Dyade mit einem Vektor). F¨ur die Dyade A = ab und den Vektor c ist das linke bzw. rechte Vektorprodukt definiert als c × A = c × a ⊗ b = db , A × c = a ⊗ b × c = af Dabei ist d = c × a und f = b × c . Es gilt c × A = −[A AT × c]T Aus den Rechenregeln f¨ur Vektoren und Dyaden folgen: • Addition und Subtraktion in Komponenten und Koordinaten Hierbei ist zu beachten, dass nur Vektoren bzw. Tensoren des gleichen Typs addiert bzw. subtrahiert werden d¨urfen aie i ± bie i = cie i , Tije ie j ± Sije ie j = Dije ie j ,

ai ± bi = ci , Tij ± Sij = Dij

• Weitere Multiplikationsregeln Neben den Multiplikationsregeln k¨onnen jetzt auch noch Mehrfachprodukte gebildet werden. Dabei ist insbesondere die Reihenfolge, in der die Multiplikation ausgef¨uhrt werden muss, zu beachten.

8

Die hier angef¨uhrte Rechenregel wird teilweise von anderen Autoren wie folgt angegeben B = ab ·· cd = a · cb · d = β, A ·· ··B ··c

was allgemein zu abweichenden Endergebnissen f¨uhrt (s. L¨osung 2.6 im Abschn. 2.6 am Ende dieses Kapitels).

2.2 Tensoralgebra

33

Skalarprodukte a = (aie i ) · (aje j ) = ai aj (eei ·eej ) = ai aj δij = a ·a

3 

a2i ,

i=1

b = (aie i ) · (bje j ) = ai bj (eei ·eej ) = ai bj δij = ai bi , a ·b a ·b b = b ·a a, ei ·eej = δij , ab ) = (cc ·a a)b b = ck ai bje k ·eeie j = ck ai bj δkie j c ·TT = c · (a = (ci ai )bje j = ci Tije j (linkes Skalarprodukt), ab ) ·cc = ai bj cke ie j ·eek = ai bj ck δjke i T ·cc = (a = ai (bj cj )eei = Tij cj ei (rechtes Skalarprodukt), c ·TT = T ·cc, (symmetrischer Tensor), c ·TT = T ·cc, wenn T T = T S = (a ab ) · (ccd ) = ai bj ck dle ie j ·eeke l = ai bj ck dl δjke ie l T ·S = ai (bj cj )dle ie l = Tij Sjle ie l , ab ) = ck dl ai bje ke l ·eeie j = ck dl ai bj δlie ke j S ·TT = (ccd ) · (a = ck (di ai )bje ke j = Ski Tije ke j , S = S ·TT T ·S

Vektorprodukte a × b = (aie i ) × (bje j ) = ai bj (eei × e j ) = ai bj εijke k , b × a, a × b = −b ab ) = (cc × a )b b = ck ai bj (eek × ei )eej = ck ai bj εkile le j c × T = c × (a = ck Tij εkile le j = Alje le j (linkes Vektorprodukt), ab ) × c = a (b b × c ) = ai bj cke i (eej × ek ) = ai bj ck εjkle ie l T × c = (a = Tij ck εjkle ie l = Bile ie l (rechtes Vektorprodukt), c × T = T × c , c × T = −TT × c , ab ) × (ccd ) = ai bj ck dle ie j × eke l = ai bj ck dle i εjkme me l T × S = (a = Tij Skle i εjkme me l = Aimle ie me l , ab ) = ck dl ai bje ke l × e ie j = ck dl ai bje k εlime me j S × T = (ccd ) × (a = Skl Tije k εlime me j = Bkmje ke me j , T × S = S × T , S ×T T × S = −S

34

2 Mathematische Grundlagen der Tensoralgebra und Tensoranalysis

Dyadische Produkte ab = ai bje ie j = Aije ie j mit Aij = ai bj , ba = bj aie je i = aj bie ie j = Ajie ie j , ab = ba , ab ) = ck ai bje ke ie j = ci aj bke ie je k cT = c (a = ci Tjke ie je k = Cijke ie je k ab )cc = ai bj cke ie je k T c = (a = Tij cke ie je k = Dijke ie je k cT = T c ,

(linkes dyadisches Produkt), (rechtes dyadisches Produkt),

ab )(ccd ) = ai bj ck dle ie je ke l = Tij Skle ie je ke l = Eijkle ie je ke l , T S = (a ab ) = ck dl ai bje ke le ie j = Skl Tije ke le ie j = Fijkle ie je ke l , ST = (ccd )(a T S = ST

Doppelprodukte S = ab ·· d = Tij Sji = α Doppeltes Skalarprodukt T ·· ··S ··ccd = b ·cca ·d S = T S ·· S S , T A·· S = T A ·· SA , T S·· SA = 0 ··S ··S ··S ··S ··S T S·· S = ab × ×ccd = b × ca × d = ef = M Doppeltes Vektorprodukt T × ×S S = ab · ×ccd = b ·cca × d = αff T · ×S d = βg g S = ab × ·ccd = b × ca ·d T × ·S

F¨ur Vektoren und Dyaden kann man allgemein folgende Regeln formulieren Vektor · Vektor = Dyade · Dyade = Vektor × Vektor = Dyade × Dyade = Vektor ⊗ Vektor = Dyade ⊗ Dyade = Vektor · Dyade = Dyade ·· Dyade = Vektor × Dyade = Dyade ×× Dyade = Vektor ⊗ Dyade = Dyade ·× Dyade =

Skalar Dyade (Tensor 2. Stufe) Vektor Triade (Tensor 3. Stufe) Dyade Tetrade (Tensor 4. Stufe) Vektor Skalar Dyade Dyade Triade (Tensor 3. Stufe) Vektor

2.2 Tensoralgebra

35

Mit Hilfe des Skalarproduktes kann man f¨ur die Vektor- bzw. Tensorkoordinaten auch schreiben a, Tij = e i ·TT ·eej ai = e i ·a Die Drehung eines Koordinatensystems l¨asst sich mit Hilfe des Drehtensors oder alternativ durch die Drehmatrix darstellen. In diesem Fall ergeben sich die Elemen te der Matrix aus den folgenden Skalarprodukten Qij = e i · e j = cos(x i , xj ). Die lineare Transformation eines Vektors l¨asst sich gleichfalls u¨ ber das Skalarprodukt definieren a = b , d.h. Tij aj = bi bzw. aje i ·TT ·eej = bi T ·a Schreibt man die Gleichung in Matrizenform, erh¨alt man ⎤⎡ ⎤ ⎡ ⎤ ⎡ a1 b1 T11 T12 T13 ⎣ T21 T22 T23 ⎦ ⎣ a2 ⎦ = ⎣ b2 ⎦ T31 T32 T33 a3 b3 Dabei ist steht auf der linken Seite der Gleichung eine quadratische Matrix [Tij ], die mit dem Spaltenvektor [ai ] zu verkn¨upfen ist. Das Ergebnis ist der Spaltenvektor [bj ]. Sp¨ater wird gezeigt, dass in der Kontinuumsmechanik bei Verwendung der Voigt’schen9 Notation auch Spaltenvektoren mit sechs Koordinaten zur Repr¨asentation von Tensoren 2. Stufe und quadratische 6 × 6 Matrizen zur Darstellung von Tensoren 4. Stufe eingesetzt werden. Weitere Details hierzu werden im Abschn. 8.1 und im Anhang A diskutiert.

2.2.3 Spezielle Tensoren zweiter Stufe Nachfolgend werden einige spezielle Tensoren zweiter Stufe bzw. Gr¨oßen, die aus ihnen abgeleitet werden, definiert: • Einheitstensor I Definition 2.18 (Einheitstensor). I = δije ie j = e ie i = e 1e 1 +ee2e 2 +ee3e 3 Zu den Eigenschaften des Einheitstensors geh¨oren a = a ·II = a , I ·a

I ·TT = T ·II = T ,

e i ·II ·eej = δij

sowie I · ·II = e ie i · ·eeje j = δij δij = 3 Mit dem Einheitstensor kann man die Spur eines Tensors berechnen. 9

Woldemar Voigt (1850-1919), Physiker, Kristallphysik, Tensorbegriff, Voigt’sche Notation

36

2 Mathematische Grundlagen der Tensoralgebra und Tensoranalysis

Definition 2.19 (Spur eines Tensors). F¨ur einen Tensor l¨asst sich die Spur folgendermaßen ermitteln10 SpTT ≡ tr T = I ·· T = Tije ie j ·· δkle ke l = Tije ie j ·· ··eeke k = Tij δik δjk = Tkk Es gilt auch

ab ) = a · b SpTT ≡ tr T = Spur(a

Schlussfolgerung 2.3. Die Spur des Einheitstensors ist gleich 3, d.h. SpII = 3 • Vektorinvariante b das Symbol Definition 2.20 (Vektorinvariante). Wird in der Dyaden A = a ⊗b f¨ur das dyadische Produkt durch das Symbol f¨ur das Vektorprodukt ersetzt, erh¨alt man die Vektorinvariante A = ab



A× = a × b

• Determinante Definition 2.21 (Determinante). Sind a , b und c beliebige linear-unabh¨angige Vektoren, folgt die Determinante von T zu detTT = |TT | =

a) · [(TT ·b b) × (TT ·cc)] (TT ·a b × c) a · (b

¨ Bei Ubergang zu einem Koordinatensystem folgt f¨ur die Determinante die Darstellung    T11 T12 T13    detTT =  T21 T22 T23   T31 T32 T33  • Inverse eines Tensors Definition 2.22 (Inverse eines Tensors). Die Inverse eines Tensors T −1 ist wie folgt definiert T ·TT −1 = T −1 ·TT = I Ihre Berechnung erfolgt aus T −1 =

T adj detTT

oder [Tij ]−1 =

(−1)i+j U(Aji ) |Tij |

detTT = |Tij | ist die Determinante von T , U(Aij ) sind die Unterdeterminanten zum Element Tij , T adj ist der adjungierte Tensor zu T . Voraussetzung f¨ur die Berechnung der Inversen ist, dass die Determinante von Null verschieden ist, d.h. der Tensor muss regul¨ar (nicht singul¨ar) sein. 10

Hierbei steht Sp f¨ur Spur und tr f¨ur den analogen englischen Begriff trace.

2.2 Tensoralgebra

37

• Orthogonaler Tensor Definition 2.23 (Orthogonaler Tensor). Falls Q ·Q QT = QT ·Q Q = I, d.h. Q T = Q −1 , ist Q ein orthogonaler Tensor. Der Einheitstensor ist ein orthogonaler Tensor. Es gilt I T = I −1 . Q = 1, spricht Die Determinante von Q kann dabei die Werte ±1 haben. Ist detQ Q = −1 ist Q uneigentman von einem eigentlich orthogonalen Tensor, gilt detQ lich orthogonal. Im ersten Fall wird eine reine Drehung beschrieben, im zweiten eine Drehspiegelung. • Kugeltensor T K und Deviator T D Definition 2.24 (Kugeltensor). Der Kugeltensor11 ist wie folgt definiert 1 1 ··TT )II = Sp (TT )II T K = (II ·· 3 3 Definition 2.25 (Deviator). Der Deviator ist wie folgt definiert T D = T −TT K Satz 2.2 (Zerlegung eines Tensors in Kugeltensor und Deviator). Jeder Tensor l¨asst sich eineindeutig in einen Kugeltensor und einen Deviator zerlegen T = T K +TT D Wendet man auf die letzte Gleichung erneut die Operation Spur an, gilt 1 ··II)(II ·· ··II) +TT D ·· ··II +TT D ·· ··II = (TT ·· ··II T ·· ··II = T K ·· 3 ··II = T ·· ··II +TT D ·· Damit folgt T ·· ··II = T K ·· ··II. Schlussfolgerung 2.4. Der Deviator ist stets spurfrei, d.h. Sp T D = 0 Schlussfolgerung 2.5. Die Spur des Tensors ist gleich der Spur des Kugeltensors, d.h. Sp T = Sp T K

11

Der Begriff Kugeltensor ergibt sich aus der geometrischen Interpretation eines Tensors zweiter Stufe als Fl¨ache im Raum. Der Kugeltensor stellt eine Kugeloberfl¨ache dar. Er wird auch als Axiator bezeichnet.

38

2 Mathematische Grundlagen der Tensoralgebra und Tensoranalysis

2.2.4 Rechenregeln fur ¨ spezielle Tensoren F¨ur sp¨atere Ableitungen werden einige Rechenregeln f¨ur Tensoren 2. Stufe ben¨otigt: • Transponiertes Produkt A ·B B ·C C · . . .)T = . . . ·C CT ·B BT ·A AT , (A BT , B = A T ·· ··B A ·· ··B a = a ·A AT , A ·a a × A T ]T , A × a = −[a A = A ·II = A I ·A Sonderf¨alle: Falls A = A T (Symmetriebedingung), ist B = (A A ·B B)T , A ·B B = (B BT ·A A ·B B)T , A ·B B T ·A A ·A A)T = (A AT )2 A2 )T = (A (A • Inverse eines Skalarproduktes A ·B B ·C C · . . .)−1 = . . . ·C C−1 ·B B−1 ·A A−1 (A A T ·A A)−1 = A −1 · (A AT )−1 , Sonderf¨alle: (A • Determinante eines Skalarproduktes

AT )−1 = (A A−1 )T (A

A ·B B ·C C · . . .) = (detA A)(detB B )(detC C) . . . det (A AT ) = detA A, A −1 ) = (detA A)−1 Sonderf¨alle: det (A det(A • Eigenschaften der Spur Sp A = Sp A T , Sp B = 0,

B = −B BT , ∀B

B = −B BT , A ·B B) = 0, ∀A A = A T und ∀B Sp(A   A ·B B) = Sp A S ·B B , ∀A A und ∀B B = BT, Sp(A A + βB B) = αSp(A A ) + βSp(B B), Sp(αA A ·B B ·C C) = Sp(B B ·C C ·A A) = Sp(C C ·A A ·B B), Sp(A A ·C C) = Sp(A A), C −1 ·A Sp(C A= SpA

3  i=1

wenn λi die Eigenwerte von A sind.

λi ,

2.2 Tensoralgebra

39

2.2.5 Eigenwertproblem fur ¨ symmetrische Tensoren In der klassischen Kontinuumsmechanik gen¨ugt es, das Eigenwertproblem und die entsprechenden Konsequenzen auf symmetrische Tensoren zu reduzieren. F¨ur andere Kontinuumsmodelle, bei denen auch nichtsymmetrische Tensoren auftreten, ist das Eigenwertproblem nicht so einfach zu l¨osen. Entsprechende Diskussionen sind u.a. in [6] gegeben.

2.2.5.1 Eigenwerte und Eigenvektoren Ist a ein beliebiger Vektor und T ein beliebiger symmetrischer Tensor 2. Stufe, ist ein Eigenwertproblem durch die folgende Gleichung definiert a = λa a, T ·a

a = 0

a ist der Eigenvektor (auch Hauptvektor) und λ der Eigenwert (auch Hauptwert) von T . Aus a) = αTT ·a a a) = λ(αa a) T · (αa und α(λa folgt a) = λ(αa a), T · (αa d.h. ein Eigenvektor hat keine definierte L¨ange und die L¨ange kann auch nicht ermittelt werden. Man rechnet daher zweckm¨aßig mit dem Einheitseigenvektor n. Die Gleichung a = λa a oder (TT − λII) ·a a=0 T ·a kann auch als homogenes Gleichungssystem f¨ur a betrachtet werden. F¨ur n folgt n = λn n oder (TT − λII) ·n n =0 T ·n Nichttriviale L¨osungen, d.h. n = 0 , erh¨alt man dann nur, falls die Koeffizientendeterminante des Gleichungssystems Null ist. Im Folgenden sind die wichtigsten Gleichungen zur Berechnung der Eigenwerte und Eigenvektoren zusammengefasst. Eigenwerte und Eigenvektoren des Tensors T n = 0, (TT − λII) ·n

n = 1, n ·n

(Tij − λδij)nj = 0,

Charakteristische Gleichung zur Berechnung von λ det (TT − λII) = 0,

det (Tij − λδij) = 0,

nj nj = 1,

40

2 Mathematische Grundlagen der Tensoralgebra und Tensoranalysis

Gleichungssystem zur Berechnung der Richtungen nj f¨ur ein bekanntes λ (T11 − λ)n1 T21 n1 T31 n1 n21

+ T12 n2 + (T22 − λ)n2 + T32 n2 + n22

Charakteristische Gleichung   det (TT − λII) ≡ Tij − λδij  = 0

=⇒

+ T13 n3 + T23 n3 + (T33 − λ)n3 + n23

= = = =

0, 0, 0, 1

λ3 − I1 (TT )λ2 + I2 (TT )λ − I3 (TT ) = 0

Hauptinvarianten Ii (TT ) von T lineare : I1 (TT ) ≡ Sp T ≡ T ·· ··II ≡ Tii ,

1 1 2 quadratische : I2 (TT ) = I1 (TT ) − I1(TT 2 ) = (Tii Tjj − Tij Tji ), 2 2 1 3 I1 (TT ) + 3I1(TT )I2 (TT ) − I31 (TT ) = det Tij kubische : I3 (TT ) = 3

Hauptwerte (Eigenwerte) und Hauptrichtungen (Eigenrichtungen) λ(α) , α = I, II, III - Hauptwerte, L¨osungen von   det Tij − λδij = 0 (α)

nj

, α = I, II, III - Hauptrichtungen, L¨osungen von

 (α) Tij − λ(α) δij nj = 0,

(α) (α) nj

nj

=1

(keine Summation u¨ ber α)

2.2.5.2 Hauptachsentransformation Ein Tensor zweiter Stufe l¨asst sich eindeutig definieren, wenn die Werte von drei nicht-komplanaren Vektoren, d.h. die Vektoren sind linear-unabh¨angig, bekannt sind T ·eek = t k

=⇒

T = t ke k

2.2 Tensoralgebra

41

Das Skalarprodukt aus Tensor und Vektor hat zur Folge, dass der sich dabei ergebende Vektor eine Drehung und eine Streckung des urspr¨unglichen Vektors darstellt. Entsprechend Abschn. 2.2.5.1 l¨asst sich jedoch zeigen, dass es f¨ur den Tensor 2. Stufe stets solche Vektoren gibt, die ausschließlich durch eine L¨angen¨anderung gekennzeichnet sind m = λm m T ·m Die m sind dann die bereits eingef¨uhrten Eigenvektoren und die λ stellen die entsprechenden Eigenwerte dar. Ist dann weiterhin T symmetrisch, existieren maximal drei zueinander orthogonale Eigenvektoren m(j) = δij m (i) ·m und die Eigenwerte sind reell. Es gilt dann die Darstellung T = λ(1)m (1)m (1) + λ(2)m (2)m (2) + λ(3)m (3)m (3)

(2.2)

Die Gl. (2.2) wird auch als Spektralzerlegung eines symmetrischen Tensors 2. Stufe bezeichnet. F¨ur den Fall, dass unter den Eigenwerten Doppelwerte oder Dreifachwerte gibt, m¨ussen die Eigenvektoren nicht unbedingt orthogonal sein, und es gibt unendlich viele. Gilt beispielsweise λ(1) = λ(2) = λ(3) , ist m (3) eindeutig definierte Eigenrichtung. Es folgt dann   m(3)m (3) T = λ(3)m (3)m (3) + λ(1) I −m Man sieht, dass jeder zu m(3) orthogonale Vektor Eigenvektor f¨ur T ist. λ(1) ist der entsprechende Eigenwert. Im Falle von drei zusammenfallenden Eigenwerten gilt T = λII In diesem Fall lassen sich die Eigenrichtungen nicht weiter konkretisieren. Es lassen sich folgende Aussagen formulieren: Satz 2.3 (reelle Hauptwerte). Ein symmetrischer Tensor hat nur reelle Eigenwerte (Hauptwerte). Satz 2.4 (Hauptachsentransformation). Ein symmetrischer Tensor kann immer auf ein Hauptachsensystem transformiert werden. Satz 2.5 (Diagonalform). Die Matrix eines Tensors hat bez¨uglich der Hauptachsen Diagonalform, die Diagonalelemente sind die Hauptwerte des Tensors. Satz 2.6 (Anzahl der Hauptwerte und Hauptrichtungen). Ein symmetrischer Tensor hat maximal 3 verschiedene Hauptwerte und mindestens 3 orthogonale Hauptrichtungen. Die Hauptrichtungen stehen rechtwinklig aufeinander und sind eindeutig bestimmbar. Sind zwei Hauptwerte gleich, sind alle orthogonalen zu der dem dritten Hauptwert zugeh¨origen Richtung Richtungen auch Hauptrichtungen. Sind alle Hauptwerte gleich, ist jede Richtung Hauptrichtung.

42

2 Mathematische Grundlagen der Tensoralgebra und Tensoranalysis

Abschließend seien nochmals die wichtigsten Formeln zusammengefasst. Hauptachsentransformation (Spektralzerlegung) T = Tije ie j = λIn In I + λIIn IIn II + λIIIn IIIn III n II ,n nIII - Eigenvektoren in Richtung der Hauptachsen n I ,n

Charakteristische Gleichung in den Hauptwerten det(Tij − λδij) = (λI − λ)(λII − λ)(λIII − λ) = 0

Hauptinvarianten in den Hauptwerten I1 (TT ) = λI + λII + λIII , I2 (TT ) = λI λII + λII λIII + λI λIII , I3 (TT ) = λI λII λIII

2.2.5.3 Satz von Cayley-Hamilton Der Satz von Cayley12-Hamilton13 gestattet in besonders einfacher Weise Formeln f¨ur h¨ohere Potenzen von symmetrischen Tensoren 2. Stufe zu ermitteln. Satz 2.7 (Satz von Cayley-Hamilton). Jeder symmetrische Tensor 2. Stufe T gen¨ugt seiner charakteristischen Gleichung T 3 − I1 (TT )TT 2 + I2 (TT )TT − I3 (TT )II = 0 Schlussfolgerung 2.6. Jede Potenz n  3 des Tensors T kann durch seine 0., 1. und 2. Potenz ausgedr¨uckt werden T 3 = I1 (TT )TT 2 − I2 (TT )TT + I3 (TT )II, T 4 = I1 (TT )TT 3 − I2 (TT )TT 2 + I3 (TT )TT = [I21 (TT ) − I2 (TT )]TT 2 + [I3 (TT ) − I1 (TT )I2 (TT )]TT + I1 (TT )I3 (TT )II 12

(2.3) (2.4)

Artur Cayley (1821-1895), Mathematiker, Beitr¨age zur Analysis, Algebra und Geometrie William Rowan Hamilton (1805-1865), Mathematiker und Physiker, Formulierung der Bewegungsgleichungen aus einem Wirkprinzip (Hamilton’sche Mechanik) 13

2.2 Tensoralgebra

43

2.2.6 Polare Zerlegung von regul¨aren Tensoren 2. Stufe Die M¨oglichkeit der polaren Zerlegung von Tensoren 2. Stufe ist f¨ur kinematische Analysen (vgl. Kapitel 3) von fundamentaler Bedeutung. Zun¨achst soll jedoch folgende Definition eingef¨uhrt werden. Definition 2.26 (Positiv definiter symmetrischer Tensor 2. Stufe). Ein symmetrischer Tensor 2. Stufe heißt positiv definit, wenn f¨ur einen beliebigen Vektor a = 0 gilt a > 0, a ·TT ·a T =TT Mit Gl. (2.2) folgt unmittelbar, dass T nur dann positiv definit ist, wenn seine Eigenwerte positiv sind. F¨ur positiv definite Tensoren lassen sich auch gebrochene Potenzen eines Tensors berechnen α α T α = λα (1)m (1)m (1) + λ(2)m (2)m (2) + λ(3)m (3)m (3)

(2.5)

Von besonderer Bedeutung ist dabei α = 1/2, was dem Ziehen der Quadratwurzel aus dem entsprechenden Tensor entspricht. Satz 2.8 (Polare Zerlegung). Jeder Tensor 2. Stufe T , der regul¨ar ist (detTT = 0), kann wie folgt zerlegt werden U = V ·Q Q T = Q ·U Q ist ein orthogonaler Tensor, U und V sind symmetrische positiv definite Tensoren. Der Beweis ist hierf¨ur elementar. Es gilt zun¨achst QT = Q T ·V V T T = U ·Q Weiterhin folgt Q ·Q QT ·V V = V2 T ·TT T = V ·Q

=⇒

V = (TT ·TT T )1/2

QT ·Q Q ·U U = U2 T T ·TT = U ·Q

=⇒

U = (TT T ·TT )1/2

und Die Tensoren T ·TT T und T T ·TT sind symmetrisch und positiv-definit, z.B. gilt a = |a a ·TT |2 , a ·TT ·TT T ·a

a = 0 , ∀a

∀TT : detTT = 0

Folglich sind U und V eindeutig definiert. Der orthogonale Tensor Q kann dann wie folgt berechnet werden U−1 = V −1 ·TT Q = T ·U

44

2 Mathematische Grundlagen der Tensoralgebra und Tensoranalysis

2.3 Tensoranalysis Betrachtet werden tensorwertige Funktionen, die vom Ort und/oder der Zeit abh¨angen. Man spricht dann von Feldgr¨oßen, die bei reiner Ortsabh¨angigkeit ein station¨ares Feld, anderenfalls ein instation¨ares Feld beschreiben. Dabei kann es sich um Tensorfelder beliebiger Stufe handeln. Die Tensoranalysis untersucht die Regeln f¨ur die Differentiation und die Integration von Tensorfeldern. Wie bei der Tensoralgebra werden zur Vereinfachung hier nur Tensorfelder 0. bis 2. Stufe betrachtet. Erg¨anzende Ausf¨uhrungen findet man im Abschn. 2.4.

2.3.1 Tensorwertige Funktionen einer skalaren Variablen F¨ur die Funktion T = T (t) der skalaren Variablen t gilt  d T (t + Δt) −TT (t) dTT (t) = lim , T (t) dt = T (t) Δt→0 dt Δt dt Es gelten die bekannten Differentiations- und Integrationsregeln gew¨ohnlicher Funktionen einer Variablen. Die Stufe des Tensors a¨ ndert sich dabei nicht.

2.3.2 Nabla-Operator Besondere Bedeutung hat das Nablakalk¨ul f¨ur Tensorfelder. Grundlage ist die Definition eines linearen vektoriellen Differentialoperators, des Nabla- oder HamiltonOperators ∇14,15 . Definition 2.27 (Nabla-Operator ∇ ). ∇ = ei

∂(. . .) = (. . .),ie i ∂xi

oder falls zur Kennzeichnung der Variablen erforderlich ∇x = e i

∂(. . .) ∂xi

Die Anwendung von ∇ als Gradient auf ein Tensorfeld nter Stufe ergibt ein Tensorfeld der Stufe n + 1 14 Es gelten vielfach auch folgende Bezeichnungen ∇ (. . .) ≡ grad f¨ ur Gradient, ∇ · (. . .) ≡ div f¨ur Divergenz und ∇ × (. . .) ≡ rot (auch curl) f¨ur die Rotation. Nachfolgend wird die NablaSymbolik bevorzugt, wobei der Nabla-Operator wie ein Vektor behandelt wird. 15 Das Zeichen f¨ ur den Nabla-Operator geht auf Peter Guthrie Tait (1831-1901), Mathematiker, zur¨uck.

2.3 Tensoranalysis

45

∇ ϕ = e i ϕ,i , ∇a = e ia ,i = e i aj,ie j = aj,ie ie j , ∇T = e iT ,i = e i Tjk,ie je k = Tjk,ie ie je k Die Anwendung von ∇ als Divergenz auf ein Tensorfeld nter Stufe ergibt ein Tensorfeld der Stufe n − 1 a,i = e i · aj,ie j = ai,i , a = e i ·a ∇ ·a ∇ ·TT = e i ·TT ,i = e i · Tjk,ie je k = Tik,ie k Die Anwendung von ∇ als Rotation auf ein Tensorfeld nter Stufe ergibt ein Tensorfeld der Stufe n ∇ × a = e i × a,i = e i × aj,ie j = aj,i ijke k , ∇ × T = e i × T ,i = e i × Tjk,ie je k = Tjk,i ijle le k F¨ur die Anwendung von ∇ auf Summen, Differenzen und Produkte von Feldfunktionen gelten die bekannten Regeln der Differentialrechnung. Die wichtigsten Nablaoperationen kann man wie folgt zusammenfassen. Anwendung auf ein Skalarfeld ∇ ϕ = e i ϕ,i

Anwendung auf ein Vektorfeld ∂aj e i ·eej = aj,i δij = ai,i , ∂xi ∂aj a= e i × e j = aj,i εijke k , ∇ ×a ∂xi ∂aj e ie j = aj,ie ie j , ∇a = ∂xi ∂aj ∂ai ∇a )T = e je i = e ie j = ai,je ie j ≡ a∇ (∇ ∂xi ∂xj a= ∇ ·a

Anmerkung 2.10. Die Darstellung a∇ wird in einigen B¨uchern verwendet. Dabei versteht man, dass die Differentiation von vorn wirkt, die zugeh¨orige Basis hinten steht.

46

2 Mathematische Grundlagen der Tensoralgebra und Tensoranalysis

Anwendung auf ein Tensorfeld ∇ ·TT = Tjk,ie i ·eeje k = Tjk,je k , ∇ ×TT = Tjk,ie i × e je k = Tjk,i εijle le k , ∇T = Tjk,ie ie je k

Abschließend seien noch das totale Differential und die Richtungsableitungen f¨ur Skalare und Vektoren eingef¨uhrt. Mit der Definition des Gradienten einer skalaren bzw. Vektorfunktion folgt zun¨achst x·∇ ∇ϕ = ∇ ϕ · dx x, dϕ = dx x, a = dx x·∇ ∇a = (∇ ∇a )T · dx da

dϕ = dxi ϕ,i = ϕ,i dxi , a = a ,i dxi , da daj = aj,i dxi

Der Einheitsvektor l¨asst sich dann u¨ ber die Gleichung drr = er dr definieren, d.h.

drr dr ist der Einheitsvektor in Richtung des Vektors drr. Die Richtungsableitungen in Richtung er kann man dann nach er =

dϕ = ∇ ϕ ·eer , dr

a da ∇a )T ·eer = (∇ dr

berechnen. Außerdem gilt f¨ur die Ableitung in e i -Richtung ϕ,i = ∇ ϕ ·eei ,

∇a )T ·eei a ,i = (∇

2.3.3 Integrals¨atze Integrals¨atze dienen der Umwandlung von Oberfl¨achen- in Volumenintegrale und a,TT stetig differenzierbare Felder und ist n der nach außen geumgekehrt. Sind ϕ,a richtete Normaleneinheitsvektor auf der geschlossenen Oberfl¨ache A(V) des Volumens V, k¨onnen die nachfolgenden Integrals¨atze formuliert werden. Unter dem Begriff der klassischen Integrals¨atze werden der Satz von Gauß16 und Ostrogradski17, 16

Johann Carl Friedrich Gauß (1777-1855), Mathematiker, Astronom, Geod¨at und Physiker, Wahrscheinlichkeitsrechnung, Magnetismus 17 Michael Wassiljewitsch Ostrogradski (1801-1861jul. /1862greg. ), Mathematiker, Mathematische Physik

2.3 Tensoranalysis

47

der Satz von Green18 , der Satz von Stokes19 und einige ihrer Spezialf¨alle zusammengefasst. Sie tragen in der Literatur aber auch andere Bezeichnungen, worauf hier nicht eingegangen werden soll. Gradienten-Theoreme   ∇ ϕ dV = n ϕ dA, ∇a dV =

aj,i dV =

na dA,

∇T dV =

Tjk,i dV =

nT dA,

Divergenz-Theorem  a dV = ∇ ·a

V

 a dA, n ·a

∇ ·TT dV = V

A(V  )

ni ai dA, A(V  )

Tjk,j dV =

A(V )

V

nj Tjk dA A(V )



 aj,i εijk dV =

ni aj εijk dA, A(V  )

V 

n × T dA, A(V )

 ai,i dV =

n ·TT dA,

∇ × T dV =

A(V )

V 

Rotations-Theoreme   ∇ × a dV = n × a dA, V 

ni Tjk dA



A(V  )

V 

ni aj dA, A(V  )

V 

A(V )

V

ni ϕ dA, A(V  )

V 

A(V  )

V 

 ϕ,i dV =

A(V  )

V 

V



Tjk,i εijl dV = V

ni Tjk εijl dA A(V )

Eine Zusammenfassung aller Integraltheoreme einschließlich daraus folgender Spezialf¨alle erh¨alt man in u¨ bersichtlicher Form durch folgende Vereinbarungen. ⎧ ⎨ ∇S , S, ∇ ◦ S = ∇ ·S ⎩ ∇ × S, 18 19

George Green (1793-1841), Mathematiker und Physiker, Potentialtheorie, Elektromagnetismus Sir George Gabriel Stokes (1819-1903), Mathematiker und Physiker, Hydrodynamik

48

2 Mathematische Grundlagen der Tensoralgebra und Tensoranalysis

d.h das Symbol ◦ steht stellvertretend f¨ur eine der angegebenen Operationen und S ist ein Tensorfeld der Stufe n  1. Verallgemeinerter Integralsatz   ∇ ◦ S dV = n ◦ S dA V

A(V )

Anmerkung 2.11. Die Integrals¨atze haben in der Mechanik fundamentale Bedeutung. So lassen sich nicht nur Zusammenh¨ange zwischen Fl¨achen- und Volumenintegralen herstellen, auch die zwischen Kurven- und Fl¨achenintegralen bestehenden Zusammenh¨ange werden u¨ ber Integrals¨atze definiert. Die Entwicklung der Integrals¨atze ist insbesondere mit den Namen von Gauß, Green, Ostrogradski und Stokes verbunden.

2.4 Tensorfunktionen Im Zusammenhang mit der Betrachtung von Konstitutivgleichungen treten Tensorfunktionen auf, deren Behandlung Kenntnisse verlangen, die u¨ ber die u¨ bliche Mathematikausbildung f¨ur Ingenieure hinausgeht. Nachfolgend werden daher ausgew¨ahlte Rechenregeln f¨ur Tensorfunktionen dargestellt. Dabei wird sich auf die einfachsten Probleme wie lineare und isotrope Funktionen tensorieller Argumente, skalarwertige Funktionen und Differentiation skalarwertiger Funktionen beschr¨ankt.

2.4.1 Lineare Funktionen tensorieller Argumente Bei Beschr¨ankung des m¨oglichen Argumentensatzes auf Tensoren der Stufe 1 und 2 sind lineare skalare, vektorielle und tensorielle Funktionen konstruierbar. Beschr¨ankt man sich hierbei auf den homogenen Sonderfall und auf Tensorfunktionen (tensorwertige Funktionen) der maximalen Stufe 2, erh¨alt man ψ= c = P =

b · a, B · a, (3)B · a ,

ψ = B ·· D c = (3)B ·· D P = (4)B ·· D

lineare skalare Funktionen, lineare vektorielle Funktionen, lineare tensorielle Funktionen

(2.6)

Eine quadratische Form f¨ur den Tensor 2. Stufe D kann mit Hilfe der letzten Gleichung (2.6) angegeben werden

2.4 Tensorfunktionen

49

P (D D)] = ψ ψ[P

(4)



D = B ·· ··D

(4)



D ·· D = Bklmn Dnm Dlk B ·· ··D ··D

Da die Reihenfolge der Multiplikation mit den Tensoren D vertauscht werden kann, gilt stets (2.7) Bklmn = Bmnkl , d.h. der Tensor (4)B hat 45 linear unabh¨angige Komponenten. Fasst man weiterhin die letzte Gleichung (2.6) als lineare Abbildung eines Tensors 2. Stufe auf einen Tensor 2. Stufe auf, k¨onnen weitere Symmetriebeziehungen abgeleitet werden. Ist D = D T ), gilt f¨ur die Komponenten des Tensors 4. Stufe der Tensor D symmetrisch (D Pst = Bstmn Dnm ,

Bklmn = Bklnm

(2.8)

P = P T ), gilt f¨ur die Komponenten des Tensors 4. Ist der Tensor P symmetrisch (P Stufe Bstmn = Btsmn (2.9) Pst = Pts = Bstmn Dnm , Die Auswertung der Gln. (2.7) bis (2.9) f¨uhrt auf folgende Aussagen. Schlussfolgerung 2.7. Wird ein Tensor 4. Stufe auf ein Koordinatensystem im dreidimensionalen Raum bezogen, hat er 81 Komponenten. Die Ber¨ucksichtigung der Gln. (2.8) und (2.9) hat eine Reduktion auf maximal 36, die Einbeziehung der Gl. (2.7) auf maximal 21 linear unabh¨angige Koordinaten zur Folge.

2.4.2 Skalarwertige Funktionen tensorieller Argumente Beschr¨ankt man sich auf skalarwertige Funktionen, die von Tensoren 2. Stufe abh¨angen, k¨onnen diese wie folgt dargestellt werden D) = ψ(D11 , D12 , . . . , D33 ) ψ = ψ(D F¨ur die Darstellung der Ableitung kann folgende Definition der Variationsrechnung herangezogen werden. Definition 2.28 (Darstellung der Ableitung). F¨ur eine einmal stetig differenzierbare Funktion f(x) ist die Variation durch die Ableitung darstellbar. Es gilt f(x + δx) − f(x) = f  (x) = f,x δx→0 δx lim

Auf skalarwertige Funktionen tensorieller Argumente erweitert bedeutet das δψ(D11 , D12 , . . . , D33 ) = bzw.

∂ψ δDkl ∂Dkl

(2.10)

50

2 Mathematische Grundlagen der Tensoralgebra und Tensoranalysis

δψ =

∂ψ ∂ψ DT e ie j ·· δDkle le k = δDij = ψ,D D ·· δD ∂Dij ∂Dij

(2.11)

ψ,D D heißt dann Ableitung der skalarwertigen Funktion nach einem Tensor 2. Stufe. Die Ableitung selbst ist ein Tensor 2. Stufe ψ,D D=

∂ψ ∂ψ = e ke l D ∂D ∂Dkl

(2.12)

Unter Beachtung der Gln. (2.11) und (2.12) folgt abschließend DT D) = ψ(D D + δD D) − ψ(D D) = ψ,D δψ(D D ·· δD

(2.13)

2.4.3 Differentiation von speziellen skalarwertigen Funktionen Von besonderer Bedeutung bei der Ableitung materialspezifischer Gleichungen sind Ableitungen von Invarianten sowie skalarwertige Funktionen, die als Argument ein DT aufweisen. Betrachtet werden zun¨achst die Invarianten von Tensorprodukt D ·D Tensoren 2. Stufe. Entsprechend Gl. (2.13) erh¨alt man definitionsgem¨aß D) = I1 (D D + δD D) − I1(D D) = I1 (D D),D DT δI1 (D D ·· δD

(2.14)

Berechnet man die entsprechenden 1. Invarianten, folgt D + δD D) − I1 (D D) = I ·· (D D + δD D) −II ·· D = I ·· δD D = I ·· δD DT I1 (D ··D

(2.15)

Damit erh¨alt man abschließend durch Koeffizientenvergleich in den jeweils letzten Termen der Gln. (2.14) und (2.15) D ),D I1 (D D =I Analog kann man unter Ausnutzung der Rechenregeln zu den Invarianten eines Tensors 2. Stufe (vgl. Abschn. 2.2.2) folgende Ableitungen ausrechnen D2 ),D DT , I1 (D D = 2D

D3 ),D D2 I1 (D D = 3D

T

Damit lassen sich unter Anwendung des Satzes von Cayley-Hamilton (Satz 2.7) auch die Ableitungen der 2. und 3. Invarianten ausrechnen D),D D)II −D DT , I2 (D D = I1 (D

T

2 D),D D)D DT +I2 (D D)II = I3 (D D)(D DT )−1 I3 (D D = D −I1 (D

F¨ur skalarwertige Funktionen der Invarianten gilt weiterhin

2.4 Tensorfunktionen

51





∂ψ ∂ψ ∂ψ + I1 + I2 I ∂I1 ∂I2 ∂I3   ∂ψ 2 T ∂ψ ∂ψ + I1 DT + D − ∂I2 ∂I3 ∂I3

D), I2 (D D ), I3 (D D)],D ψ[I1 (D D =

D ·D DT ) wird folgendermaßen geDie Ableitung der skalarwertigen Funktion ψ(D bildet: In der Definitionsgleichung (2.13) wird zun¨achst D durch D T ersetzt T D = (ψ,D DT δψ = ψ,D DT ·· δD DT ) ·· δD

(2.16)

Aus dem Koeffizientenvergleich der Gln. (2.13) und (2.16) folgt T ψ,D D = (ψ,D DT )

(2.17)

DT = S ist ein symmetrischer Tensor (s. Beispiel 2.1 am Ende Das Produkt D ·D dieses Kapitels). Somit gilt ST = ψ,D D ·D DT )T δψ = ψ,SS ·· δS D·D DT ·· δ(D D · δD DT + δD D ·D DT ) = ψ,D D·D DT ·· (D D·· DT +D DT · ψ,D D ··δD = ψ,D D·D DT ·D D·D DT ·· δD T D + (ψ,D D]·· ·· δD DT = [ψ,D D·D DT ·D D·D DT ) ·D

Unter Beachtung von Gl. (2.17) folgt damit D ψ,D D = 2ψ,D D·D DT ·D

(2.18)

Ersetzt man D jetzt wieder durch D T , folgt mit T (ψ,D D, DT ) = ψ,D

T (ψ,D DT ·D D ) = ψ,D D·D DT

abschließend D · ψ,D ψ,D D = 2D DT ·D D

(2.19)

2.4.4 Differentiation von tensorwertigen Funktionen Betrachtet wird eine tensorwertige Funktion 2. Stufe, die selbst von einem Tensor 2. Stufe abh¨angt, d.h. D) P = P (D Die Ableitung dieser Funktion nach D , d.h. die Ableitung eines Tensors 2. Stufe nach einem Tensor 2. Stufe, l¨asst sich wie folgt berechnen: Ausgangspunkt ist wiederum die Definitionsgleichung (2.13), die in diesem Fall wie folgt zu modifizieren ist

52

2 Mathematische Grundlagen der Tensoralgebra und Tensoranalysis

P = P ,D DT δP D ·· δD

(2.20)

Die tensorwertige Funktion kann als P = Pmne me n dargestellt werden. Die Koordinaten Pmn sind Skalare, die von einem tensoriellen Argument abh¨angen. Nach Abschn. 2.4.3 gilt dann Pmn,D D =

∂Pmn ∂Pmn e ke l = D ∂D ∂Dkl

Gleichung (2.20) geht damit in den Ausdruck P = Pmn,D DT δP De me n ·· δD u¨ ber. Nach Einsetzen der Ableitung und Koeffizientenvergleich mit (2.20) erh¨alt man dann ∂Pmn e m e ne k e l P ,D D= ∂Dkl

2.4.5 Isotrope Funktionen tensorieller Argumente Skalarwertige Funktionen tensorieller Argumente werden als isotrop bezeichnet, wenn Q ·B B ·Q Q T , . . . ,Q Q ·a a,Q Q ·b b , . . . , α, β, . . .) A,B B, . . . ,a a,b b, . . . , α, β, . . .) = ψ(Q Q ·A A ·Q Q T ,Q ψ(A f¨ur alle eigentlich orthogonalen Tensoren Q gilt. Orthogonale Tensoren stellen Spiegelungen und Drehungen dar. Die Spiegelung erfolgt mit Q = −II, die Drehung mit dem beliebigen Winkel ω um eine frei gew¨ahlte Achse e kann wie folgt angegeben werden Q = I cos ω + (1 − cosω)eee +ee × I sin ω (2.21) B, . . . sind Tensoren 2. Stufe, a ,b b, . . . Vektoren und α, β, . . . SkaDie Argumente A ,B lare. F¨ur tensorwertige Argumente h¨oherer Stufe lassen sich analoge Beziehungen angeben. F¨ur tensorwertige Funktionen lassen sich gleichfalls Isotropieaussagen treffen. Bei Beschr¨ankung auf tensorwertige Funktionen 2. Stufe sowie tensorwertige ArA,B B, . . .) isotrop ist, wenn gumente 2. Stufe gilt, dass die Funktion P = F (A A,B B , . . .) ·Q QT = F (Q Q ·A A ·Q QT ,Q Q ·B B ·Q QT , . . .) P = Q ·FF(A erf¨ullt ist, wobei Q den Ausdruck (2.21) annimmt. Im Zusammenhang mit isotropen, tensorwertigen Funktionen gilt auch der folgende Darstellungssatz (Truesdell & Noll [19]):

¨ 2.5 Ubungsbeispiele

53

Satz 2.9 (Darstellungssatz fur ¨ isotrope symmetrische tensorwertige FunktioA) eine polynomiale, isotrope, tensorwertige Funktion, d.h. die nen). Ist P = F (A Komponenten von P sind Polynome des Grades n der Komponenten des symmetrischen Tensors A , gilt offensichtlich A) = φ0I + φ1A + φ2A 2 + . . . + φnA n , P = F (A wobei die Koeffizienten φk skalarwertige Funktionen der Invarianten von A sind A), I2 (A A), I3 (A A )] φk = φk [I1 (A Entsprechend dem Satz von Cayley-Hamilton kann jede nte Potenz eines Tensors (n  3) durch seine 0., 1. und 2. Potenz ausgedr¨uckt werden (Darstellungssatz von Rivlin [17]) A) =ν0I + ν1A + ν2A 2 , P = F (A wobei die Koeffizienten νi lediglich von den Invarianten des Argumententensors abh¨angen A), I2 (A A), I3 (A A)] νi = νi [I1 (A

¨ 2.5 Ubungsbeispiele Aufgabe 2.1 (Symmetrischer Tensor). Man beweise, dass f¨ur einen beliebigen DT ein symmetrischer Tensor ist. Tensor D das Produkt D ·D Aufgabe 2.2 (Levi-Civita-Symbol). Man beweise die G¨ultigkeit der Gleichung εijk aj ak = 0. Aufgabe 2.3 (Langrange-Identit¨at). Man beweise die Lagrange-Identit¨at   a ·cc a ·d d  a × b ) · (cc × d ) =  (a d b ·cc b ·d a × b) ·TT . Aufgabe 2.4 (Multiplikationsregeln). Man berechne den Ausdruck (a Aufgabe 2.5 (Transponierter Tensor). Man zeige, dass T ·vv = v ·TT T gilt. Aufgabe 2.6 (Doppelprodukte). Man berechne f¨ur die Tensoren T = 3ee1e 1 + 2ee2e 2 − 1ee2e 3 + 5ee3e 3 , S = 4ee1e 3 + 6ee2e 2 − 3ee3e 2 + 1ee3e 3 S,TT × ×S S,TT · ×S S,TT × ·S S. die Doppelprodukte T ·· ··S Aufgabe 2.7 (Orthogonalit¨atsbedingung). Man u¨ berpr¨ufe die Orthogonalit¨at der Tensoren T und S T = −1ee1e 1 + 1ee2e 2 + 1ee3e 3 ,

S = 1ee1e 2 − 1ee2e 1 + 1ee3e 3

54

2 Mathematische Grundlagen der Tensoralgebra und Tensoranalysis

Zus¨atzliche gebe man eine Interpretation wie das urspr¨ungliche kartesische Koordinatensystem unter Einwirkung von T und S ver¨andert wird. Aufgabe 2.8 (Zerlegung in Kugeltensor und Deviator). F¨ur den Tensor T = 9ee1e 1 + 4ee1e 2 + 4ee2e 1 + 6ee2e 2 sind Kugeltensor und Deviator zu bestimmen. Man beachte, dass der Tensor im dreidimensionalen Raum definiert ist. Aufgabe 2.9 (Spezielle Tensoren). Man bestimme f¨ur die Tensoren a) T = 3ee1e 1 − 2ee1e 2 − 2ee2e 1 + 4ee2e 2 −ee2e 3 −ee3e 2 + 6ee3e 3 , b) M = e 1e 1 + 2ee1e 2 + 3ee1e 3 + 4ee2e 2 −ee2e 3 +ee3e 1 +ee3e 2 − 2ee3e 3 • den transponierten Tensor, • die Spur, • den Kugeltensor und den Deviator sowie die Spur des Kugeltensors und des Deviators und • den inversen Tensor Aufgabe 2.10 (Eigenwertproblem). Der Tensor F = Fije ie j habe folgende Form F = 3ee1e 1 + 2ee1e 2 + 2ee2e 1 + 3ee2e 2 + 7ee3e 3 Man berechne die Hauptwerte, die Hauptrichtungen und die Hauptinvarianten sowie transformiere F auf die Hauptachsen. Aufgabe 2.11 (Summe der Eigenwerte). Man berechne die Summe der Eigenwerte des Tensors A A = 5ee1e 1 + 1ee1e 3 − 1ee2e 1 + 1ee2e 2 + 5ee3e 1 + 5ee3e 3 Aufgabe 2.12 (Charakteristische Gleichung). Die charakteristische Gleichung f¨ur einen Deviator 1 ··III T D = s = T − T ·· 3 ist ausschließlich durch erste Invarianten darzustellen. Aufgabe 2.13 (Grundversuche der mechanischen Werkstoffprufung). ¨ Die folgenden Grundversuche sind aus der mechanischen Werkstoffpr¨ufung bekannt • • • •

Zugversuch mit σ = σee1e 1 , Druckversuch mit σ = −σee1e 1 , Torsionsversuch mit σ = τ(ee1e 2 +ee2e 1 ) und hydrostatischer Druck σ = −pII.

Dabei seien σ, τ, p > 0. Man bestimme hierf¨ur die Hauptspannungen und die Hauptrichtungen.

2.6 L¨osungen

55

Aufgabe 2.14 (Satz von Cayley-Hamilton). Man berechne T 5 mit Hilfe des Satzes von Cayley-Hamilton aus I ,TT und T 2 . Aufgabe 2.15 (Quadratwurzel aus einem Tensor 2. Stufe). Man ziehe die Quadratwurzel aus dem Tensor F entsprechend Aufgabe 2.10. Aufgabe 2.16 (Polarer Zerlegungssatz). Man zerlege den folgenden Tensor polar T = 9ee1e 1 +ee2e 2 +ee3e 3 Aufgabe 2.17 (Divergenz). Man beweise die Gleichheit a) = α∇ ∇ ·a a +∇ ∇α ·a a ∇ · (αa

2.6 L¨osungen L¨osung zur Aufgabe 2.1. Mit D = ab gilt auch ab)T = ba DT = (a Weiterhin erh¨alt man ba = βa aa DT = ab ·b D ·D mit b β = b ·b Eine Dyade ist symmetrisch, wenn sie mit ihrer transponierten zusammenf¨allt, d.h D DT = D T ·D D ·D aa stets erf¨ullt. Dies ist f¨ur βa L¨osung zur Aufgabe 2.2. Beachtet man, dass f¨ur j = k man εijj = εikk = 0 ist und dass i = j, i = k gelten muss (sonst ist εijk gleichfalls 0), erh¨alt man εijk aj ak = εi1k a1 ak + εi2k a2 ak + εi3k a3 ak = εi12 a1 a2 +εi13 a1 a3 + εi21 a2 a1 +εi23 a2 a3 + εi31 a3 a1 +εi32 a3 a2 = (εi12 + εi21 )a1 a2 + (εi13 + εi31 )a1 a3 + (εi23 + εi32 )a2 a3 Wegen εijk = −εikj erh¨alt man εijk aj ak = 0. Schlussfolgerung 2.8. F¨ur das Vektorprodukt a × b gilt a × b = aie i × bje j = ai bj εijke k = c , d.h. a × a = ai aj εijke k = aj ak εjkie i = ak ai εkije j = 0

56

2 Mathematische Grundlagen der Tensoralgebra und Tensoranalysis

L¨osung zur Aufgabe 2.3. Mit dem Levi-Civita-Symbols erh¨alt man a × b ) · (cc × d ) = ijk ai bj mnk cm dn (a = ijk mnk am bn cm dn = (δmi δnj − δmj δni )ai bj cm dn = ai ci bj dj − aidi bj cj a ·cc)(b b ·d d) − (a a ·d d)(b b ·cc) = (a   a ·cc a ·d d  =  b ·cc b ·d d ¨ L¨osung zur Aufgabe 2.4. Nach Ubergang zur kartesischen Koordinatenbasis erh¨alt man (ai bje i × e j ) · Tmne me n = ai bj Tmn εijke k ·eeme n = ai bj Tmn εijk δkme n = ai bj Tkn εijke n = (ai bj T1n εij1 + ai bj T2n εij2 + aibj T3n εij3 )een = [(a2 b3 − a3b2 )T1n + (a3 b1 − a1 b3 )T2n + (a1 b2 − a2 b1 )T3n ]een = cne n = c , a × b ) ·TT = c . d.h. (a L¨osung zur Aufgabe 2.5. Es gilt T ·vv = Tije ie j · vke k = Tij vke i δjk = Tij vje i = Tki vie k = vi Tkie k = vie i · Tkie ie k = v ·TT T

q.e.d.

L¨osung zur Aufgabe 2.6. Bei Doppelprodukten ist auf die Verkn¨upfungsregel zu achten. Nach der in diesem Buch gegeben Standardregel erh¨alt man f¨ur das Doppelskalarprodukt S = Tije ie j · ·Skle ke l = Tij Skl δjk δil = Tij Sji , T ·· ··S d.h. Tij Sji = 12 + 3 + 5 = 20 Schlussfolgerung 2.9. Die vereinbarte Indexverkn¨upfung f¨ur die doppelt skalare Multiplikation ist genau zu beachten. F¨uhrt man die Faltung nicht f¨ur die inneren und die a¨ ußeren, sondern f¨ur die jeweils ersten und zweiten Indizes durch, d.h. S = Tije ie j · ·Skle ke l = Tij Skl δik δjl = Tij Sij , T ·· ··S ergibt sich statt des Wertes 20 der Wert 17!

2.6 L¨osungen

57

F¨ur das Doppelvektorprodukt folgt S = Tije ie j × ×Skle ke l = Tij Skl εjkm εilne me n T × ×S = 18ee3e3 + 9ee2e3 + 3ee2e 2 − 8ee3e 1 + 2ee1e1 − 4ee2e1 + 30ee1e1 = 32ee1e 1 − 4ee2e 1 + 3ee2e 2 + 9ee2e 3 − 8ee3e 1 + 18ee3e 3 Schlussfolgerung 2.10. Auch diesmal w¨urde eine andere Verkn¨upfungsvorschrift S = Tije ie j × ×Skle ke l = Tij Skle i × eke j × e l = Tij Skl εikm εjlne me n T × ×S zu einem anderen Endergebnis f¨uhren S = 29ee1e 1 + 3ee2e 2 + 9ee2e 3 − 8ee3e 1 + 18ee3e 3 T × ×S Die beiden restlichen Beispiele werden hier nur mit der in diesem Buch vereinbarten Rechenregel gerechnet S = Tije ie j · ×Skle ke l = Tij Skl δjk εilme m = Tij Sjl εilme m , T · ×S = 12ee1 × e3 − 1ee2 × e3 − 15ee3 × e2 = −12ee2 + 14ee1 S = Tije ie j × ·Skle ke l = Tij Skl εjkm δile m = Tij Ski εjkme m T × ·S = −6ee2 × e3 − 6ee3 × e2 + 20ee3 × e1 = 20ee2 Diese Beispiele zeigen, dass bei Doppelprodukten besondere Sorgfalt bez¨uglich der Reihenfolge der Produktbildung aufgebracht werden muss, da Vertauschen der Reihenfolge der Rechenoperationen zu unterschiedlichen Ergebnissen f¨uhren kann. L¨osung zur Aufgabe 2.7. F¨ur orthogonale Tensoren muss gelten T ·TT T = I ,

ST = I S ·S

Mit T T = −1ee1e 1 + 1ee2e 2 + 1ee3e 3 erh¨alt man das Produkt T ·TT T zu T ·TT T = (−1ee1e 1 + 1ee2e 2 + 1ee3e 3 ) · (−1ee1e 1 + 1ee2e 2 + 1ee3e 3 ) = e 1e 1 +ee2e 2 +ee3e 3 = I Mit S T = 1ee 2e 1 − 1ee1e 2 + 1ee3e 3 ST zu erh¨alt man das Produkt S ·S ST = (1ee 1e 2 − 1ee2e 1 + 1ee3e 3 ) · (1ee2e 1 − 1ee1e 2 + 1ee3e 3 ) S ·S = e 1e 1 +ee2e 2 +ee3e 3 = I

58

2 Mathematische Grundlagen der Tensoralgebra und Tensoranalysis

Schlussfolgerung 2.11. T und S sind orthogonale Tensoren. Berechnet man die DeS = +1, folgt, dass nur S ein eigentlich orthogoterminanten zu detTT = −1 und detS naler Tensor ist. Schlussfolgerung 2.12. F¨ur alle orthogonalen Tensoren gilt T ·TT T = I,

det (TT ·TT T ) = detII,

d.h. |TT ||TT T | = |II| = 1,

|TT ||TT T | = |TT |2 = 1,

|TT | = ±1

T bewirkt folgende Transformation der Basisvektoren T ·ee1 = −ee1 ,

T ·ee2 = +ee2 ,

T ·ee3 = +ee3

Dies entspricht einer Spiegelung an der x2 − x3 -Ebene (Abb. 2.5). S entspricht folgender Transformation der Koordinatenbasis S ·ee1 = −ee2 , S ·ee2 = +ee1 , S ·ee3 = +ee3 , d.h. S bewirkt eine Drehung um die x3 -Achse der Basisvektoren im Uhrzeigersinn (Abb. 2.6). Schlussfolgerung 2.13. F¨ur alle orthogonalen Tensoren 2. Stufe gilt  +1 entspricht einer Drehung detTT = ±1, −1 entspricht einer Spiegelung L¨osung zur Aufgabe 2.8. Man erh¨alt f¨ur den Kugeltensor

e3

e3 = S · e3

e2 e2 e1 −e

e1 = S · e2

e1

e2 = S · e 1 −e

Abb. 2.5 Spiegelung der Basiskoordinaten

Abb. 2.6 Drehung der Basiskoordinaten

2.6 L¨osungen

59

1 1 ··TT )II = (9 + 6 + 0)II = 5II T K = (II ·· 3 3 und den Deviator T D = T −TT K = 4ee1e 1 + 4ee1e 2 + 4ee2e 1 + 1ee2e 2 − 5ee3e 3 Schlussfolgerung 2.14. Ungeachtet der Tatsache, dass der Ausgangstensor auf der Hauptdiagonalen (Koordinaten mit gleichen Indizes) ein Nullelement hat, ist der Deviator auf der Hauptdiagonalen vollst¨andig mit von Null verschiedenen Elementen besetzt. L¨osung zur Aufgabe 2.9. Im Fall a) mit T = 3ee1e1 − 2ee1e2 − 2ee2e1 + 4ee2e2 − 1ee2e3 − 1ee3e2 + 6ee3e3 erh¨alt man • der transponierte Tensor T T zu T T = 3ee1e 1 − 2ee1e 2 − 2ee2e 1 + 4ee2e 2 − 1ee2e 3 − 1ee3e 2 + 6ee3e 3 , d.h. T = T T bzw. T ist symmetrisch. • Die Spur ist SpTT = Tii = 13. • Der Kugeltensor ist 1 13 13 13 T K = Tkk δije ie j = δije ie j = e ie i = I 3 3 3 3 F¨ur den Deviator erh¨alt man     1 13 T D = Tij − Tkk δij e ie j = Tij − δij e ie j 3 3 bzw.

    13 13 e 1e 1 − 2(ee1e 2 +ee2e 1 ) + 4 − e 2e 2 3− 3 3   13 e 3e 3 − (ee2e 3 +ee3e 2 ) + 6 − 3

TD =

Die Spur des Kugeltensors SpTT K = 13, die des Deviators muss verschwinden SpTT D = 0. • F¨ur die Berechnung des inversen Tensors muss zun¨achst die Determinante bestimmt werden        3 −2 0     4 −1     + 2  −2 −1  = 69 − 24 = 45 detTij =  −2 4 −1  = 3    0 6 −1 6  0 −1 6  Die Koordinaten des inversen Tensors lauten

60

2 Mathematische Grundlagen der Tensoralgebra und Tensoranalysis

         4 −1    −1  = 23, 45T −1 = −  −2 0  = 12, 45T −1 = +  −2 0  = 2, 45T11 = +  12 13     −1 6 −1 6 4 −1           −2 −1    −1  = 12, 45T −1 = +  3 0  = 18, 45T −1 = −  3 0  = 3, 45T21 = −  22 23     0 6 06 −2 −1         −2 4   3 −2   3 −2  −1 −1 −1   =8    45T31 = +  = 2, 45T32 = −  = 3, 45T33 = +  0 −1  0 −1  −2 4  −1 Dabei ist zu beachten, dass Tij nicht die Inverse von Tij ist. Abschließend erh¨alt man

23 4 2 e 1e 1 + e 1e 2 + e 1e 3 45 15 45 4 2 1 + e 2e 1 + e 2e 2 + e 2e 3 15 5 15 2 1 8 + e 3e 1 + e 3e 2 + e 3e 3 45 15 45

T −1 =

Die Kontrolle T · T −1 = I l¨asst sich besonders einfach in Matrizendarstellung realisieren ⎡ ⎤⎡ ⎤ ⎡ ⎤ 23 12 2 3 −2 0 100 1 ⎣ 12 18 3 ⎦ ⎣ −2 4 −1 ⎦ = ⎣ 0 1 0 ⎦ [Tij ]−1 [Tjk ] = 45 2 38 0 −1 6 001 Schlussfolgerung 2.15. F¨ur einen symmetrischen Tensor gilt T = T T und die Tensoren T K ,TT D und T −1 sind auch symmetrisch. Im Fall b) gilt f¨ur den Tensor M = 1ee1e 1 + 2ee1e 2 + 3ee1e 3 + 4ee2e 2 − 1ee2e 3 + 1ee3e 1 + 1ee3e 2 − 2ee3e 3 • Der transponierte Tensor M T hat folgende Form M = 1ee1e 1 + 2ee2e 1 + 3ee3e 1 + 4ee2e 2 − 1ee3e 2 + 1ee1e 3 + 1ee2e 3 − 2ee3e 3 M = Mii = 3. • F¨ur die Spur erh¨alt man SpM • Kugeltensor, Spur des Kugeltensors, Deviator und Spur des Deviators errechnen sich 1 MK = 3 SpM M K = 3II = I , 3 M D = 2ee1e 2 + 3ee1e 3 + 3ee2e 2 − 1ee2e 3 + 1ee3e 1 + 1ee3e 2 − 3ee3e 3 ,

MD = 0 SpM

• Bei der Berechnung der Inversen ist zun¨achst die Determinante von M zu berechnen      1 2 3    4 −1   2 3    = −7 − 14 = −21,      + detMij =  0 4 −1  =  1 −2   4 −1   1 1 −2 

2.6 L¨osungen

61

         4 −1     = 7, 21M−1 =  0 −1  = 1, 21M−1 = −  0 4  = 4,  21M−1 = − 11 21 31  1 −2   1 −2  1 1       2 3       = −7, 21M−1 = −  1 3  = 5, 21M−1 =  1 2  = −1, 21M−1 = 12 22 32  1 −2   1 −2  1 1       2 3   1 2 −1 −1  1 3  −1     = −4, = 14, 21M23 =  = −1, 21M33 = −  21M13 = −  4 −1  0 −1  0 4 M −1 =

1 1 4 e 1 e 1 + e 2e 1 + e 3 e 1 3 21 21 1 5 1 − e 1 e 2 + e 2e 2 − e 3 e 1 3 21 21 2 1 4 + e 1 e 3 − e 2e 3 − e 3 e 3 3 21 21

Kontrolle:

⎤ ⎡ ⎤⎡ ⎤ ⎡ 100 7 1 4 12 3 1 ⎣ −7 5 −1 ⎦ ⎣ 0 4 −1 ⎦ = ⎣ 0 1 0 ⎦ [Mij ]−1 [Mjk ] = 21 14 −1 −4 001 1 1 −2

L¨osung zur Aufgabe 2.10. Die charakteristische Gleichung erh¨alt man aus   3−λ 2 0    2 3−λ 0  = 0   0 0 7−λ

=⇒ (3 − λ)(3 − λ)(7 − λ) − 4(7 − λ) = (7 − λ) (3 − λ)2 − 4 = 0 =⇒ (7 − λ) = 0,

λ2 − 6λ + 5 = 0

Die Hauptwerte (Eigenwerte) λI , λII , λIII sind λI = 1,

λII = 5,

λIII = 7

Hauptrichtungen (Einheitseigenvektoren) n (α) sind f¨ur jedes α = I, II, III bzw. jeden Hauptwert separat zu bestimmen: • λI = 1 (3 − 1)nI1 + 2nI2 + 0nI3 = 0, 2nI1 + (3 − 1)nI2 + 0nI3 = 0, 0nI1 + 0nI2 + (7 − 1)nI3 = 0, (nI1 )2 + (nI2 )2 + (nI3 )2 = 1 =⇒ nI3 = 0,

nI1 = −nI2 ,

2(nI1 )2 = 1

62

2 Mathematische Grundlagen der Tensoralgebra und Tensoranalysis

1 =⇒ n I = √ (ee1 −ee2 ) 2 • λII = 5 II II (3 − 5)nII 1 + 2n2 + 0n3 = 0, II II 2nII 1 + (3 − 5)n2 + 0n3 = 0, II II 0nII 1 + 0n2 + (7 − 5)n3 = 0, 2 II 2 II 2 (nII 1 ) + (n2 ) + (n3 ) = 1

=⇒ nII 3 = 0,

II nII 1 = n2 ,

2 2(nII 1 ) =1

1 =⇒ n II = √ (ee1 +ee2 ) 2 • λIII = 7 III III (3 − 7)nIII 1 + 2n2 + 0n3 = 0, III III 2nIII 1 + (3 − 7)n2 + 0n3 = 0, III III 0nIII 1 + 0n2 + (7 − 7)n3 = 0, III 2 III 2 III 2 (n1 ) + (n2 ) + (n3 ) = 1

=⇒ nIII 1 = 0,

nIII 2 = 0,

nIII 3 =1

=⇒ n III = e 3 Man kann die Koordinaten der Eigenvektoren in einer Modalmatrix zusammenfassen ⎤ ⎡ 11 0 1 [Qij ] = √ ⎣ −1 1 √0 ⎦ 2 00 2 Die Hauptinvarianten ergeben sich aus I1 (FF ) = SpFF = 3 + 3 + 7 = 13, I1 (FF ) = λI + λII + λIII = 1 + 5 + 7 = 13, 1 2 1 [I1 (FF ) − I1(FF 2 )] = (169 − 75) = 47, 2 2 I2 (FF ) = λI λII + λII λIII + λI λIII = 5 + 7 + 35 = 47, I3 (FF ) = detFF = 3 · 3 · 7 − 2 · 2 · 7 = 35, I3 (FF ) = λI λII λIII = 1 · 5 · 7 = 35

I2 (FF ) =

Die Hauptachsentransformation f¨ur F f¨uhrt auf F = Fije ie j =⇒ F = λIn In I + λIIn IIn II + λIIIn IIIn III

2.6 L¨osungen

63

F hat bezogen auf die Hauptachsen die diagonale Koordinatenmatrix ⎡ ⎤ 100 ⎣0 5 0⎦ 007 Anmerkung 2.12. Die Hauptachsentransformation folgt auch durch TransformatiQ ist ein orthogonaler Tensor, d.h. Q −1 = Q T ) on mit dem Modaltensor Q (Q Q Q T ·FF ·Q Man kann das einfach durch Multiplikation der Koordinatenmatrizen u¨ berpr¨ufen ⎤ ⎡ ⎡ ⎡ ⎤ ⎤ ⎡ ⎤ 11 0 1 −1 0 320 100 1 1 √ ⎣ 1 1 √0 ⎦ · ⎣ 2 3 0 ⎦ · ⎣ −1 1 √0 ⎦ √ = ⎣ 0 5 0 ⎦ , 2 0 0 2 2 007 007 00 2 Man erh¨alt das bereits bekannte Ergebnis. L¨osung zur Aufgabe 2.11. Entsprechend der Eigenschaft einer Spur eines Tensors berechnet man zun¨achst die Spur von A A = 5 + 1 + 5 = 11, SpA woraus die Summe der Eigenwerte mit λi = 11 folgt. L¨osung zur Aufgabe 2.12. Die charakteristische Gleichung f¨ur den Deviator lautet       λ 3 − I 1 T D λ2 + I 2 T D λ − I 3 T D = 0 Beachtet man die Definitionen der 1. Invarianten und die Definitionsgleichung des Deviators, gilt zun¨achst       1 1 I1 T D = I1 T − I1 (TT )II = T − I1 (TT )II ·· ··II 3 3 1 1 ··II = I1 (TT ) − 3 I1 (TT ) = 0 = T ·· ··II − I1 (TT )II ·· 3 3 Damit vereinfacht sich die charakteristische Gleichung zu     λ3 + I 2 T D λ − I 3 T D = 0 Die Definitionsgleichungen f¨ur die zweite und dritte Invariante liefert weiterhin

2    1 2  D 1 2 = − I1 T D , I2 T D = I1 T − I1 T D 2 2  D 1 D3  D   D  3  D  1 D 3  I1 T I3 T = + 3I1 T I2 T − I1 T , = I1 T 3 3

64

2 Mathematische Grundlagen der Tensoralgebra und Tensoranalysis

d.h., f¨ur die charakteristische Gleichung ergibt sich 1 3 1 2 λ3 − I 1 T D λ − I 1 T D = 0 2 3 L¨osung zur Aufgabe 2.13. Die Grundversuche der mechanischen Werkstoffpr¨ufung liefern die nachfolgenden Werte: 1. Die Hauptspannungen folgen beim Zugversuch aus σ − λII) = det(σee1e 1 − λII) = 0 det (σ Mit

  σ−λ 0 0     0 −λ 0  = 0    0 0 −λ 

folgt die charakteristische Gleichung (σ − λ)(−λ)2 = 0 Deren L¨osungen lauten λ1 = σ, λ2,3 = 0 bzw. nach der Gr¨oße sortiert ergeben sich die Hauptspannungen σI = σ, σII = σIII = 0. Die Zugspannung ist folglich gleichzeitig Hauptspannung. Die Hauptrichtungen sind f¨ur jede Hauptspannung zu ermitteln. F¨ur die gr¨oßte Hauptspannung gilt σ − σII ) · (I)n = 0 (σ mit der Nebenbedingung (Orthogonalit¨atsbedingung) (I)

n · (I)n = 1

Zun¨achst ist folgendes Gleichungssystem zu analysieren (σ − σ) (I) n1 + 0 (I) n2 + 0 (I) n3 = 0, 0 (I) n1 + (−σ) (I) n2 + 0 (I) n3 = 0, 0 (I) n1 + 0 (I) n2 + (−σ) (I) n3 = 0 Mit σ = 0 (sonst kein Zug), folgt aus der dritten Gleichung unmittelbar (I) n3 = 0. Damit reduziert sich die zweite Gleichung auf 0 (I) n1 + (−σI ) (I) n2 = 0 und es folgt (I) n2 = 0. Die erste Gleichung f¨uhrt auf keine neue Aussage. Damit ist die Orthogonalit¨atsbedingung bei (I) n2 =(I) n3 = 0 heranzuziehen (I) 2 n1

oder

=1

2.6 L¨osungen

65 (I)

n1 = ±1

Aus der Aufgabenstellung wird man den positiven Wert w¨ahlen (I)

n1 = 1,

so dass die erste Hauptrichtung (I)n = e 1 , d.h. die Zugrichtung ist. Wegen der Doppell¨osung σII = σIII = 0 k¨onnen die beiden anderen Hauptrichtungen nicht n¨aher bestimmt werden. Sie liegen jedoch in der zu e 1 orthogonalen Ebene und sind zueinander orthogonal. 2. F¨ur den Druckversuch σ = −σee1e 1 f¨uhrt eine analoge Rechnung auf σI = σII = 0, σIII = −σ. Als Hauptrichtung der dritten Hauptspannung wird erneut e 1 identifiziert, die Doppell¨osung f¨uhrt zu keinen weiteren Aussagen. 3. Im Falle des Torsionsversuches σ = τ(ee 1e 2 +ee2e 1 ) f¨uhrt folgende Determinante    −λ τ 0     τ −λ 0  = 0    0 0 −λ  auf die charakteristische Gleichung   (−λ) λ2 − τ2 = 0 Deren L¨osungen lauten λ21,2 = τ2 , λ3 = 0. Damit sind die Hauptspannungen σI = τ, σII = 0, σIII = −τ. Die Hauptrichtungen folgen aus den L¨osungen f¨ur die jeweilige Hauptspannung. Mit der ersten Hauptspannung gilt −τ (I) n1 + τ (I) n2 + 0 (I) n3 = 0, τ (I) n1 + (−τ) (I) n2 + 0 (I) n3 = 0, 0 (I) n1 + 0 (I) n2 + (−τ) (I) n3 = 0 Die letzte Gleichung f¨uhrt direkt auf (I) n3 = 0. Die ersten beiden Gleichungen ergeben (I) n1 =(I) n2 , womit die Orthogonalit¨atsbedingung (I) 2 (I) 2 n1 + n2

= 2(I) n21 = 1

liefert. Deren L¨osung ist (I)

n1 = ±

1 √ (I) 2 = n2 2

W¨ahlt man den positiven Wert, ist die erste Hauptrichtung e 1 um 45◦ gegen den Uhrzeigersinn um e 3 gedreht. F¨ur die zweite Hauptspannung σII = 0 ergibt sich

66

2 Mathematische Grundlagen der Tensoralgebra und Tensoranalysis

0 (II) n1 + τ (II) n2 + 0 (II) n3 = 0, τ (II) n1 + 0 (II) n2 + 0 (II) n3 = 0, 0 (II) n1 + 0 (II) n2 + 0 (II) n3 = 0 Aus den ersten beiden Gleichungen folgt (II) n1 =(II) n2 = 0. Die Orthogonalit¨atsbedingung liefert (II) n3 = ±1. Dies bedeutet, dass e 3 Hauptrichtung ist. Die dritte Hauptrichtung ergibt sich aus τ (III) n1 + τ (III) n2 + 0 (III) n3 = 0, τ (III) n1 + τ (III) n2 + 0 (III) n3 = 0, 0 (III) n1 + 0 (III) n2 + τ (III) n3 = 0 (III)

n3 muss wieder gleich 0 sein. Die beiden ersten Gleichungen liefern (III)

n1 = −(III) n2 ,

so dass die Orthogonalit¨atsbedingung (III) 2 (III) 2 n1 + n2

= 2(III) n21 = 1

liefert. Die erste Hauptrichtung ist e 1 um 45◦ mit dem Uhrzeigersinn um e 3 gedreht. 4. Bei hydrostatischem Druck σ = −pII ist zun¨achst folgende Determinante zu l¨osen    −p − λ 0 0    0 −p − λ 0  = 0   0 0 −p − λ  Die charakteristische Gleichung ist (−p − λ)3 = 0 mit der Dreifachl¨osung σI = σII = σIII = −p In diesem Fall kann keine Hauptrichtung bestimmt werden. L¨osung zur Aufgabe 2.14. Der Wert f¨ur T 5 l¨asst sich nach dem Satz von CayleyHamilton wie folgt ausdr¨ucken T 5 = I1 (TT )TT 4 − I2 (TT )TT 3 + I3 (TT )TT 2 Die Werte f¨ur T 4 und T 3 ergeben sich nach (2.3) und (2.4), so dass zun¨achst

T 5 = I1 (TT ) I1 (TT )TT 3 − I2(TT )TT 2 + I3 (TT )TT

− I2 (TT ) I1 (TT )TT 2 − I2(TT )TT + I3 (TT )II + I3 (TT )TT 2 bzw.

2.6 L¨osungen

67



I21 (TT ) − I2 (TT ) T 2 + [I3 (TT ) − I1 (TT )I2 (TT )]TT + I1 (TT )I3 (TT )II

− I2 (TT ) I1 (TT )TT 2 − I2(TT )TT + I3 (TT )II + I3 (TT )TT 2

T 5 = I1 (TT )



Die Zusammenfassung f¨uhrt auf

T 5 = I31 (TT ) − 2I2 (TT )I1 (TT ) + I3 (TT ) T 2



+ I1 (TT )I3 (TT ) − I21(TT )I2 (TT ) + I22 (TT ) T + I21 (TT )I3 (TT ) − I2 (TT )I3 (TT ) I L¨osung zur Aufgabe 2.15. Das Eigenwertproblem f¨ur den Tensor F is mit L¨osung 2.10 gegeben. Mit den Eigenwerten λI = 1, λII = 5, λIII = 7 und den zugeh¨origen Eigenvektoren 1 n I = √ (ee1 −ee2 ), 2

1 n II = √ (ee1 +ee2 ), 2

n III = e 3

folgt zun¨achst nIIn II + 7n nIIIn III F = n In I + 5n Die Wurzel des Tensors ergibt sich damit zu √ II II √ III III n n + 7n n n F 1/2 = n In I + 5n Will man jetzt den Tensor wieder in seiner urspr¨unglichen Basis betrachten, erh¨alt man unter Beachtung von n In I n IIn II n IIIn III

1 (ee1 −ee2 )(ee1 −ee2 ) = 2 1 = (ee1 +ee2 )(ee1 +ee2 ) = 2 = e 3e 3 =

1 (ee1e 1 −ee1e 2 −ee2e 1 +ee2e 2 ), 2 1 (ee1e 1 +ee1e 2 +ee2e 1 +ee2e 2 ), 2

zun¨achst den Ausdruck

  √ 1 √ 1 F 1/2 = (ee1e 1 −ee1e 2 −ee2e 1 +ee2e 2 )+ 5 (ee1e 1 +ee1e 2 +ee2e 1 +ee2e 2 ) + 7ee3e 3 2 2 Hieraus erh¨alt man abschließend √ √ √ 5−1 1+ 5 1/2 (ee1e 1 +ee2e 2 ) + (ee1e 2 +ee2e 1 ) + 7ee 3e 3 F = 2 2 Quadriert man diesen Ausdruck, gilt (FF 1/2 )2 = F 1/2 ·FF1/2 = F Setzt man jetzt den vorletzten Ausdruck ein

68

2 Mathematische Grundlagen der Tensoralgebra und Tensoranalysis



 √ √ √ 5−1 1+ 5 (ee1e 1 +ee2e 2 ) + (ee1e 2 +ee2e 1 ) + 7ee3e 3 2 2   √ √ √ 5−1 1+ 5 (ee1e 1 +ee2e 2 ) + (ee1e 2 +ee2e 1 ) + 7ee3e 3 · 2 2 2 2 √ √ 5+1 5−1 = (ee1e 1 +ee2e 2 ) + (ee1e 1 +ee2e 2 ) 2 2 √  √ 5+1 5−1 (ee1e 2 +ee2e 1 ) + 7ee3e 3 +2 2 2 Nach einigen Rechenschritten vereinfacht sich diese Ausdruck zu 3(ee1e 1 +ee2e 2 ) + 2(ee1e 2 +ee2e 1 ) + 7ee3e 3 Dieser entspricht dem urspr¨unglichen Wert des Tensors F aus Aufgabe 2.10 Schlussfolgerung 2.16. Das Quadrieren von F kann man gleichfalls u¨ ber die Spektraldarstellung realisieren. Mit nIIn II + 7n nIIIn III F = n In I + 5n folgt unmittelbar nIIn II + 49n nIIIn III F 2 = n In I + 25n Schlussfolgerung 2.17. Das Verfahren l¨asst sich auf beliebige Potenzen mit Ausnahme 0 anwenden. L¨osung zur Aufgabe 2.16. Die Determinante ist gleich detTT = 9, d.h. der Tensor T ist regul¨ar. Mit T T = 9ee1e 1 + 1ee2e 2 + 1ee3e 3 erh¨alt man V 2 = T ·TT T = 81ee1e 1 + 1ee2e 2 + 1ee3e 3 und V = (TT ·TT T )1/2 = 9ee1e 1 + 1ee2e 2 + 1ee3e 3 Wegen Q = V −1 ·TT und 1 V −1 = e 1e 1 + 1ee2e 2 + 1ee3e 3 9 folgt der Drehtensor zu Q = V −1 ·TT = e 1e 1 +ee2e 2 +ee3e 3 = I

Literaturverzeichnis

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Außerdem gilt U 2 = T T ·TT = 81ee1e 1 + 1ee2e 2 + 1ee3e 3 und U = (TT T ·TT )1/2 = 9ee1e 1 + 1ee2e 2 + 1ee3e 3 U−1 und Wegen Q = T ·U 1 U −1 = e 1e 1 + 1ee2e 2 + 1ee3e 3 9 folgt der Drehtensor erneut zu Q = V −1 ·TT = e 1e 1 +ee2e 2 +ee3e 3 = I L¨osung zur Aufgabe 2.17. Der Beweis ergibt sich aus folgender Rechnung a) = ∇ · (αa

∂aj ∂(αaj ) ∂α a + α∇ ∇ ·a a e i ·eej = e i ·eej aj + α e i ·eej = ∇ α ·a ∂xi ∂xi ∂xi

Anmerkung 2.13. Die Gleichung gilt sinngem¨aß auch f¨ur Tensoren h¨oherer Stufe.

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70

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Teil II

Materialunabh¨angige Gleichungen

Die materialunabh¨angigen Gleichungen der Kontinuumsmechanik sind universelle Aussagen und nicht auf bestimmte Materialien, Stoffe usw. beschr¨ankt. Sie gelten gleichermaßen f¨ur Festk¨orper und Fluide. Ihre Formulierung beruht einzig auf der Annahme eines Kontinuumsmodells. So ist zumindest zu Beginn festzulegen, welche kinematischen Freiheitsgrade als unabh¨angig anzusehen sind, wie die differentielle Umgebung der materiellen Punkte ausgestaltet wird u.a.m. Damit werden bestimmte Modellklassen f¨ur Kontinua begr¨undet. Zun¨achst wird die Kinematik eines Kontinuums beschrieben. Dies geschieht auf ¨ der Basis von rein geometrischen Uberlegungen sowie unter Einbeziehung der zeit¨ lichen Anderungen. Mit diesem Konzept werden alle Gr¨oßen zur Kennzeichnung ¨ einer Konfiguration und der o¨ rtlichen sowie zeitlichen Anderungen dieser Gr¨oßen eingef¨uhrt. Dabei wird sich im Rahmen dieses Lehrbuchs auf die Betrachtung von zwei Konfigurationen - der Ausgangs- und der aktuellen Konfiguration beschr¨ankt. Der zweite wesentliche Punkt bei der Einf¨uhrung der materialunabh¨angigen Gleichungen betrifft die a¨ ußeren und inneren Beanspruchungen. Auch in diesem Fall wird das einfachste Modell gew¨ahlt. Dies bedeutet, dass ausschließlich Kraftwirkungen betrachtet werden und unabh¨angige Momentenwirkungen unber¨ucksichtigt bleiben. Besondere Aufmerksamkeit wird dabei der Darstellung der Spannungstensoren in den unterschiedlichen Konfigurationen gewidmet, wobei die verschiedenen Gr¨oßen u¨ ber geometrische Abbildungen ausgedr¨uckt werden. Den Abschluss dieses Teiles bilden die Bilanzgleichungen, wobei sich auf mechanische und thermische Felder beschr¨ankt wird. Ausgehend von einer allgemeinen Bilanzgleichung werden spezielle Bilanzen f¨ur die Masse, den Impuls, den Drehimpuls, die Energie und die Entropie formuliert. Dabei wird auch kurz auf den Fall eingegangen, wenn die Felder nicht hinreichend glatt sind. Im Gegensatz zu anderen Standardwerken sind die Erhaltungss¨atze Sonderf¨alle der Bilanzgleichungen. Dieses l¨asst auch neue Interpretationen zu. Weitere Felder (elektrische, magnetische, . . . ) lassen sich in Analogie einbeziehen.

Kapitel 3

Kinematik des Kontinuums

Zusammenfassung Aussagen der Kinematik betreffen die geometrischen Aspekte der Bewegungen materieller K¨orper. In Erweiterung zur Kinematik starrer K¨orper schließen Bewegungen deformierbarer K¨orper neben der Translation und der Rota¨ tion ohne Anderung der gegenseitigen Lage materieller Punkte auch Verformungen des K¨orpers ein, die immer mit relativen Lage¨anderungen der K¨orperpunkte verbunden sind. Somit haben Aussagen u¨ ber die lokalen Deformationen eine besondere Bedeutung. Materielle K¨orper weisen unterschiedliche Bewegungen auf. Es k¨onnen Bewegungen als Ganzes sein, wobei sich Volumen und Gestalt nicht a¨ ndern. Unter Deformationen wird daher hier stets die Gesamtheit der Bewegungsm¨oglichkei¨ ten eines K¨orpers verstanden, d.h. die Uberlagerung von Starrk¨orperbewegungen und Volumen- sowie Gestalt¨anderungen. Sollen nur die Verformungen des K¨orpers betrachtet werden, d.h. von den Gesamtbewegungen der materiellen Punkte des K¨orpers werden alle Anteile der Starrk¨orperbewegungen abgezogen, wird der Begriff Verzerrung verwendet. Die Formulierung der im Abschn. 1.4 genannten kinematischen Gr¨oßen erfolgt sowohl in materiellen (Lagrange’schen) als auch in r¨aumlichen (Euler’schen) Koordinaten. Alle Gleichungen werden zun¨achst f¨ur große Deformationen abgeleitet. Ihre Linearisierung f¨uhrt dann u¨ berschaubar auf vereinfachte lineare Beziehungen, die f¨ur viele Ingenieuranwendungen hinreichend genaue Aussagen liefern.

3.1 Materielle K¨orper und ihre Bewegungsm¨oglichkeiten Ein K¨orper B ist nach Abschn. 1.4 eine zusammenh¨angende, kompakte Menge materieller Punkte, die durch die Menge der materiellen Randpunkte, d.h. der Oberfl¨ache von B, begrenzt wird. Materielle K¨orper werden in der Kontinuumsmechanik im Allgemeinen mit Hilfe des Schnittprinzips eingef¨uhrt. Durch die Vorgabe einer Begrenzung kann aus dem Kontinuum ein K¨orper B herausgeschnitten und somit das Kontinuum in den K¨orper und seine Umgebung zerlegt werden. Die Vorgabe der begrenzenden Oberfl¨ache und damit des K¨orpers ist weitestgehend beliebig und © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2018 H. Altenbach, Kontinuumsmechanik, https://doi.org/10.1007/978-3-662-57504-8_3

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3 Kinematik des Kontinuums

kann der jeweiligen Aufgabenstellung angepasst werden. Das hat besondere Bedeutung f¨ur die im Kapitel 5 formulierten Bilanzgleichungen. Die Bewegungen materieller K¨orper werden beschrieben durch die Bewegungen ihrer materiellen Punkte. Dazu ist es erforderlich, die materiellen Punkte zu identifizieren. Bildet man die materiellen Punkte auf Raumpunkte des Euklid’schen Raums E3 ab und gibt einen raumfesten Bezugspunkt 0 vor, ist die Lage eines ausgew¨ahlten materiellen Punktes durch seinen Positions- oder Ortsvektor x (t) zu jedem Zeitpunkt t bestimmt. Um die einzelnen materiellen Punkte von B zu unterscheiden, muss jeder materielle Punkt eine ihn kennzeichnende Marke erhalten. Dazu wird folgendes vereinbart: F¨ur eine ausgew¨ahlte Zeit t = t0 hat ein materieller Punkt den Positionsvektor x (t0 ) ≡ a . Dieser Positionsvektor a wird dem materiellen Punkt als Marke zugeordnet. t0 kennzeichnet im Allgemeinen den nat¨urlichen Ausgangszustand, dessen Ver¨anderungen berechnet werden sollen und man setzt vielfach t0 = 01 . F¨uhrt man ein kartesisches Koordinatensystem mit dem Ursprung 0 und den Basisvektoren e i ein, erh¨alt man f¨ur die Bewegungsgleichung des materiellen Punktes mit der Marke a die Gln. (3.1) a , t0 ) = x 0 ≡ a , x = xie i , a = aie i , x (a a, t), xi = xi (aj , t) − Bahnkurve von a , (3.1) x = x (a x, t), ai = ai (xj , t) − materieller Punkt a , der zur Zeit t am Ort x ist a = a (x Hier und im Folgenden werden zur Vereinfachung der Schreibweise im Allgemeinen die Funktionsbezeichnungen und die Bezeichnungen der abh¨angigen Gr¨oßen a, t). Auch auf eine explizite Angabe des Parameters t0 gleichgesetzt, z.B. x = x(a a, t; t0 ) der Referenzzeit kann meist verzichtet werden, d.h. f¨ur die Gleichung x = x(a x x a wird vereinfacht = (a , t) geschrieben. Die Abb. 3.1 zeigt die Bahnkurve von a. Die angegebenen Koordinaten xi bzw. a)

P(t)

P(t0 )

x

x3 , a3

b)

P(xi )

P(ai )

x a

a 0

0

x2 , a2

x1 , a1

Abb. 3.1 Bahnkurve eines materiellen Punktes: a) Positionsvektoren, b) kartesische Koordinaten 1

Die Wahl von t0 ist nicht von prinzipieller Bedeutung, da t eine Pseudozeit (und nicht die ¨ mit absolute Zeit) bezeichnet. Damit erfolgt die Wahl von t0 aus pragmatischen Uberlegungen dem Ziel, die L¨osung von Aufgaben m¨oglichst einfach zu gestalten.

3.1 Materielle K¨orper und ihre Bewegungsm¨oglichkeiten

75

ai heißen r¨aumliche oder Ortskoordinaten bzw. materielle oder substantielle Koordinaten. Unter der Voraussetzung, dass die Jacobi2 -Determinante (auch Funktionaldeterminante genannt) von Null verschieden ist      ∂xi  ∂xi  = 0, (3.2) ≡  det ∂aj ∂aj  gibt es einen umkehrbar eindeutigen Zusammenhang zwischen den xi und den ai Koordinaten a, t) ⇐⇒ a (x x, t) bzw. xi (aj , t) ⇐⇒ ai (xj , t) (3.3) x (a F¨ur die weiteren Betrachtungen hat der Begriff einer Konfiguration3 besondere Bedeutung. Definition 3.1 (Konfiguration). Eine stetig differenzierbare und zu jedem Zeitpunkt t umkehrbar eindeutige Zuordnung materieller Punkte a zu Ortsvektoren x definiert eine Konfiguration des K¨orpers. Die dem Zeitpunkt t = t0 zugeordnete Konfiguration heißt Referenz-, Bezugs- oder Ausgangskonfiguration, die des aktuellen Zeitpunkts t Momentan- oder aktuelle Konfiguration. Die Lage eines K¨orpers zu einem Zeitpunkt t wird demnach durch seine Konfiguration bestimmt und man kann die Bewegung eines K¨orpers wie folgt definieren. Definition 3.2 (Bewegung). Die Bewegung (Deformation) eines K¨orpers ist die stea, t), d.h. eine einparatige, zeitliche Aufeinanderfolge von Konfigurationen x = x (a metrige Folge von Konfigurationen mit t als Parameter. F¨ur die materiellen K¨orperpunkte ist a der Scharparameter und t ist der Kurvenparameter f¨ur die Bahnkurven der Bewegung. Die hier gew¨ahlte Markierung eines materiellen Punktes durch seinen Ort x (t0 ) ≡ a ist f¨ur viele F¨alle zweckm¨aßig, stellt aber nur eine M¨oglichkeit einer Markierung dar. Es kann auch sinnvoll sein, f¨ur die Vektoren a und x unterschiedliche Koordinatensysteme mit unterschiedlichen Urspr¨ungen einzuf¨uhren. Im allgemeinsten Fall werden zwei unterschiedliche, krummlinige Koordinatensysteme f¨ur den Ausgangszustand t = t0 und f¨ur den Momentanzustand definiert. Auch die Festlegung einer Referenzkonfiguration ist willk¨urlich und nicht an die Konfiguration zum Zeitpunkt t = t0 gebunden. F¨ur die weiteren Ableitungen wird vereinbart, dass, falls nicht ausdr¨ucklich auf Abweichungen hingewiesen wird, immer a als Marke zur Kennzeichnung materieller Punkte, die Konfiguration t = t0 als Referenzkonfiguration und ein einheitliches raumfestes kartesisches Koordinatensystem f¨ur die Referenzund die Momentankonfiguration gew¨ahlt werden4. 2

Carl Gustav Jakob Jacobi (eigentlich Jacques Simon, 1804-1851), Mathematiker, Mathematische Physik 3 Verschiedentlich wird statt Konfiguration der Begriff Platzierung verwendet. Eine Argumentation hierzu kann man bei Walter Noll [17] finden. 4 Bei der Beschreibung des materialspezifischen Verhaltens werden von zahlreichen Autoren Zwischenkonfigurationen eingef¨uhrt. In diesem Zusammenhang sei auf die Spezialliteratur (z.B. [10; 18]) verwiesen.

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3 Kinematik des Kontinuums

3.2 Lagrange’sche und Euler’sche Betrachtungsweise, Zeitableitungen Im Rahmen der Kontinuumsmechanik werden mindestens zwei Betrachtungsweisen eingef¨uhrt, wobei der Ausgangspunkt der Referenzzustand oder aktuelle Zustand ist. Das hat Auswirkungen u.a. auf die Zeitableitungen.

3.2.1 Zwei Betrachtungsweisen Die den materiellen Punkten zugeordneten Eigenschaften a¨ ndern sich im Allgemeinen mit der Bewegung dieser Punkte, d.h. mit der Zeit. F¨ur die Beschreibung solcher Ver¨anderungen kann die Lagrange’sche oder die Euler’sche Betrachtungsweise bevorzugt werden5. ¨ Definition 3.3 (Lagrange’sche Betrachtungsweise). Die Anderungen der dem materiellen Punkt zugeordneten Eigenschaften werden f¨ur ein ausgew¨ahltes Teilchen mit der Kennzeichnung a verfolgt. Die Eigenschaften sind dann als Funktionen von a und t zu formulieren, z.B. a, t), Dichte ρ = ρ(a1 , a2 , a3 , t) bzw. ρ(a v a v v Geschwindigkeit = (a1 , a2 , a3 , t) bzw. (a , t), a, t) Verzerrungstensor A = A(a1 , a2 , a3 , t) bzw. A(a Ein Beobachter ist mit dem Teilchen verbunden und misst die Ver¨anderungen der jeweiligen Eigenschaften. Diese k¨onnen durch tensorielle Funktionen unterschiedlicher Stufe beschrieben sein. Die Lagrange’sche Betrachtungsweise wird auch als materielle, substantielle oder referenzbezogene Betrachtungsweise bezeichnet. Definition 3.4 (Euler’sche Betrachtungsweise). Hierbei sind die Eigenschaften jetzt als Funktionen des Ortes und der Zeit gegeben, z.B. x , t), Dichte ρ = ρ(x1 , x2 , x3 , t) bzw. ρ(x x, t), Geschwindigkeit v = v (x1 , x2 , x3 , t) bzw. v (x x, t) Verzerrungstensor A = A (x1 , x2 , x3 , t) bzw. A (x Ein Beobachter sitzt am Ort x und kann zum Zeitpunkt t das Passieren eines Teilchens a sehen. Er misst Ver¨anderungen, die sich f¨ur den Ort dadurch ergeben, dass zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedliche materielle Punkte am Ort x sind. Die Euler’sche Betrachtungsweise gibt somit Auskunft u¨ ber die zeitliche Ver¨anderung ¨ einer Feldfunktion in einem fixierten Punkt x , aber nicht u¨ ber die Anderung der Eigenschaften eines bestimmten materiellen Teilchens a mit der Zeit. Die Euler’sche Betrachtungsweise wird auch als r¨aumliche oder lokale Betrachtungsweise bezeichnet. 5

Von Truesdell [16] stammt der Hinweis, dass die Langrange’sche Betrachtungsweise auf Euler (1762) zur¨uckgeht und die Euler’sche Betrachtungsweise von D’Alembert (1752) eingef¨uhrt wurde. Diesen Hinweis kann man beispielsweise auch in [6] finden.

3.2 Lagrange’sche und Euler’sche Betrachtungsweise, Zeitableitungen

77

Ist die Bewegungsgleichung eines materiellen Punktes bzw. eines materiellen K¨orpers bekannt, kann man mit den Gln. (3.3) von der einen auf die andere Betrachtungsweise u¨ bergehen. Beide Betrachtungsweisen haben ihre Berechtigung und werden in der Kontinuumsmechanik angewendet. Bei der Untersuchung von Modellen der Festk¨orpermechanik ist im Allgemeinen die Referenzkonfiguration zum Zeitpunkt t0 bekannt und die Momentankonfiguration soll berechnet werden. Den deformierten Zustand erh¨alt man durch Verfolgung der materiellen Punkte auf ihrer Bahn von der Referenz- in die Momentankonfiguration. Eine Lagrange’sche Betrachtungsweise ist daher f¨ur diese Aufgabenstellung zweckm¨aßig. Anders ist es bei Aufgaben der Fluidmechanik. Hier ist die Feldbetrachtung besser dem Problem angepasst. Es interessiert im Allgemeinen weniger, woher ein bestimmtes Teilchen kommt und wohin es fließt, aber man braucht Informationen z.B. u¨ ber die Geschwindigkeit an einer fixierten Stelle. Es bereitet auch experimentell wenig Schwierigkeiten, Geschwindigkeiten oder Dr¨ucke eines Fluids f¨ur einen fixierten Punkt zu messen, aber die Messung der Geschwindigkeit als Funktion materieller Koordinaten ist mit erheblichem Aufwand verbunden. So u¨ berwiegt in der Fluidmechanik die Euler’sche Betrachtungsweise. Diese kann aber auch bei solchen Aufgaben wie dem station¨aren Fließvorgang viskoplastischer Materialien vorteilhaft sein, die z.B. den Prozess des Fließpressens modellieren, obwohl die Aufgabe formal mehr der Festk¨orpermechanik zugerechnet wird6 . Ferner ist es f¨ur theoretische Ableitungen oft hilfreich, beide Betrachtungsweisen parallel einzusetzen. Bei großen Deformationen kann es, besonders bei der Anwendung numerischer Methoden, sinnvoll sein, als deformierten Zustand eine der Momentankonfiguration inkrementell benachbarte Konfiguration zu definieren. Bei einer Lagrange’schen Betrachtungsweise hat man dann folgende M¨oglichkeiten: • Als Referenzkonfiguration wird die Ausgangslage zur Zeit t = t0 betrachtet (Totale Lagrange’sche Betrachtungsweise). • Als Referenzkonfiguration wird die Momentankonfiguration gew¨ahlt (Updated Lagrange’sche Betrachtungsweise). Beide Betrachtungsweisen sind gleichberechtigt und haben Vor- und Nachteile. Die Wahl h¨angt von der Aufgabenstellung ab.

3.2.2 Ableitung skalarer, vektorieller und tensorieller Funktionen nach der Zeit Die den materiellen Punkten eines K¨orpers zugeschriebenen Eigenschaften k¨onnen in materieller Beschreibung oder in Feldbeschreibung gegeben sein. F¨ur eine skalare Eigenschaftsfunktion ϕ gilt dann unter Beachtung von Gl. (3.3)

6

Dies ist auch in Einklang mit der Rheologie [7; 11], nach der jeder K¨orper stets Fluid- und Festk¨orpereigenschaften besitzt - die Frage der Signifikanz ist von entscheidender Bedeutung.

78

3 Kinematik des Kontinuums

a, t) = ϕ(a1 , a2 , a3 , t) ϕ = ϕ(a materielle Beschreibung, a(x x, t), t] = ϕ(x x , t) = ϕ(x1 , x2 , x3 , t) Feldbeschreibung ϕ = ϕ[a Wie bereits erl¨autert, liefert die materielle Beschreibung den Wert von ϕ zur Zeit t f¨ur den materiellen Punkt a . Die Feldbeschreibung liefert dagegen den Wert von ϕ zur Zeit t f¨ur den Ort x . Analoge Formulierungen gelten ganz allgemein f¨ur Tensorfunktionen beliebiger Stufe. In Abh¨angigkeit von der Art der Beschreibung der Funktion ϕ werden zwei unterschiedliche Zeitableitungen, eine lokale Ableitung und eine materielle Ableitung, ben¨otigt. Die lokale Ableitung  x, t)  x, t) ∂ϕ(x ∂ϕ(x = ∂t ∂t x fest ¨ gibt die zeitliche Anderung der Funktion ϕ f¨ur einen festen Ort x an. Die materielle Ableitung  a, t)  a, t) ∂ϕ(a ∂ϕ(a = ∂t ∂t a fest ¨ bestimmt die zeitliche Anderung von ϕ f¨ur einen bestimmten materiellen Punkt a . Die materielle oder substantielle Ableitung wird meist mit Dϕ Dt

oder mit

˙ ϕ

bezeichnet. Die anschauliche Interpretation ist einfach. Ein Betrachter am festen Ort x misst ¨ f¨ur die Gr¨oße ϕ eine Anderung  x, t)  ∂ϕ(x ∂t x fest ¨ Ein mit dem materiellen Punkt verbundener Beobachter misst die zeitliche Anderung  a, t)  ∂ϕ(a ˙ ϕ= ∂t a fest Vielfach wird die materielle Ableitung auch f¨ur Gr¨oßen ben¨otigt, die als Feldgr¨oßen x, t) erh¨alt man unter Beachtung von x = x(a a, t) und vorliegen. F¨ur eine Funktion ϕ(x  x  ∂x a fest, t) = v (a a, t), = x˙ (a ∂t a fest    x  ∂ϕ  Dϕ ∂ϕ ∂x ∂ϕ  ˙ = ≡ϕ · = + x ∂t a fest ∂t x fest Dt ∂t a fest ∂x   ∂ϕ  ∂ϕ  +v· = x a fest ∂t x fest ∂x

(3.4)

3.2 Lagrange’sche und Euler’sche Betrachtungsweise, Zeitableitungen

79

Mit Hilfe des Nabla-Operators ∇ = ∇x kann die materielle Ableitung der Feldgr¨oße nach der Zeit auch in koordinatenunabh¨angiger Schreibweise angegeben werden  ∂ϕ  Dϕ = +vv · ∇ ϕ|a fest Dt ∂t x fest  ∂ϕ  (3.5) = +vv · grad ϕ|a fest ∂t x fest F¨ur die materielle Geschwindigkeit und die materielle Beschleunigung einer Bewegung gelten folgende Aussagen. Definition 3.5 (Materielle Zeitableitung). Die materielle Ableitung des Positia, t) eines materiellen Punktes a ergibt den Geschwindigkeitsvektor onsvektors x (a a, t), die entsprechende Ableitung von v (a a, t) den Beschleunigungsvektor b (a a, t) v (a dieses Punktes a, t) a, t) = v˙ (a a, t) = x¨ (a b (a

a, t) = x˙ (a a, t), v (a

(3.6)

Die Feldbeschreibungen f¨ur die Geschwindigkeit v und die Beschleunigung b erh¨alt man, wenn a durch x ersetzt wird a(x x, t), t] = v (x x, t), v = v [a

a(x x, t), t] = b (x x, t) b = b [a

(3.7)

Die materielle Ableitung einer Gr¨oße ϕ in Feldbeschreibung (Euler’sche Darstellung) kann in folgender Weise interpretiert werden:  ∂ϕ  x, t), ist die bereits erkl¨arte lokale Ableitung von ϕ(x ∂t x fest ∇x ϕ heißt konvektive Ableitung. v ·∇ x) Schlussfolgerung 3.1. F¨ur zeitunabh¨angige, d.h. station¨are Feldgr¨oßen ϕ = ϕ(x ist die lokale Ableitung Null, die konvektive Ableitung aber verschieden von Null. Ist der Geschwindigkeitsvektor v rechtwinklig zum Gradientenvektor ∇x ϕ, verschwindet auch die konvektive Ableitung und es gilt Dϕ =0 Dt ¨ Die konvektive Ableitung entspricht der zeitlichen Anderung des Funktionswertes, die ein mit dem materiellen Punkt verbundener Beobachter feststellt. Da sich zu unx) terschiedlichen Zeiten der Punkt an unterschiedlichen Orten aufh¨alt, f¨ur die ϕ(x im Allgemeinen auch unterschiedliche Werte hat, misst der Beobachter auch bei ¨ x) f¨ur den mastation¨aren Feldgr¨oßen eine zeitliche Anderung der Eigenschaft ϕ(x teriellen Punkt. Im Sonderfall station¨arer, konstanter Felder entf¨allt aber auch die konvektive Ableitung.

80

3 Kinematik des Kontinuums

Die materiellen Zeitableitungen D(. . .)/Dt f¨ur Feldgr¨oßen sind nachfolgend u¨ ber∇ ≡ ∇x ). Die gesonderte Kennzeichnung x fest“ oder sichtlich zusammengefasst (∇ ” a fest“ wird weggelassen. ” Allgemeine Vorschrift: D(. . .) ∂(. . .) ∇(. . .), = +vv ·∇ Dt ∂t

D(. . .) ∂(. . .) = + vi (. . .),i Dt ∂t

Skalare Feldgr¨oßen x, t) ∂ϕ Dϕ(x ∇ϕ, = +vv ·∇ Dt ∂t

Dϕ ∂ϕ = + vi ϕ,i Dt ∂t

Vektorielle Feldgr¨oßen a(x x, t) a Da ∂a ∇a , = +vv ·∇ Dt ∂t

Dai ∂ai = + vj ai,j Dt ∂t

Dyadische Feldgr¨oßen x, t) ∂TT DTT (x ∇T , = +vv ·∇ Dt ∂t

DTij ∂Tij = + vk Tij,k Dt ∂t

3.3 Deformationen und Deformationsgradienten Nach den in den Abschn. 3.1 und 3.2 eingef¨uhrten Gleichungen und Definitionen k¨onnen f¨ur materielle K¨orper bzw. ihre materiellen Punkte die Bewegungsgleichungen formuliert und die Geschwindigkeiten sowie die Beschleunigungen berechnet werden. Dabei muss stets zwischen einer Langrange’schen oder einer Euler’schen Darstellung der Gleichungen unterschieden werden. Im Folgenden wird zun¨achst genauer untersucht, wie sich die Bewegungen des K¨orpers auf sein lokales Verhalten auswirken. Eine erste Antwort darauf erh¨alt man, wenn man die Transformationen von Linien-, Fl¨achen- und Volumenelementen aus der Referenzkonfiguration in die aktuelle Konfiguration verfolgen kann. Das gelingt durch Einf¨uhrung des Deformationsgradienten F , eines Tensors 2. Stufe. Definition 3.6 (Deformationsgradient). Wird die Deformation eines K¨orpers von der Referenzkonfiguration in die Momentankonfiguration durch die Bewegungsgleichung a, t) x = x (a bzw. xi = xi (aj , t) beschrieben, definiert die Gleichung

3.3 Deformationen und Deformationsgradienten

∇a x (a a, t)]T F = [∇

81

Fije ie j =

bzw.

∂xi e ie j ∂aj

den materiellen Deformationsgradienten F . Anmerkung 3.1. Der Begriff Deformationsgradiententensor, der u¨ berwiegend in der kontinuumsmechanischen Literatur zu finden ist, m¨usste eigentlich korrekterweise Tensor des Bewegungsgradienten bzw. nach Lurie [9] Tensor des Gradienten des Ortes bzw. des Gradienten des Positionsvektors genannt werden, da er diese Gr¨oßen beschreibt. Anmerkung 3.2. Der Deformationsgradiententensor ist ein sogenannter Zweifeldtensor, da er Bezug zu zwei Konfigurationen (aktuelle und Referenzkonfiguration) hat. a der ReferenzF bewirkt eine Transformation eines materiellen Linienelementes da x der Momentankonfiguration, d.h. konfiguration in ein materielles Linienelement dx a = dx x F · da Schlussfolgerung 3.2. Wenn sich zwei Deformationen ausschließlich durch eine Translation unterscheiden, haben sie den gleichen Deformationsgradienten. Die Transformationseigenschaft des Deformationsgradiententensors kann man a, t) folgt leicht zeigen. Aus x = x (a x = dxie i = dx

∂xi ∂xi daje i = e i (eej ·eek )dak ∂aj ∂aj

Man erh¨alt damit dxi = Fij daj

x = F · da a, dx

(3.8)

Mit der Ableitung des aktuellen Positionsvektors nach dem Referenzpositionsvektor ∇a x = e i

∂xj x ∂x = e ie j ∂ai ∂ai

(3.9)

folgt die Gleichung f¨ur den Deformationsgradienten in Lagrange’scher Darstellung (materieller Deformationsgradientent) a, t) = [∇ ∇a x (a a, t)]T F (a

a, t) = [ grad x (a a, t)]T oder auch F (a

x in das Element da a ben¨otigt man F¨ur die R¨ucktransformation des Elementes dx den inversen Deformationsgradienten a = F −1 · dx x, da

dai = F−1 ij dxj

Dabei gilt F −1 =

∂ai ∇x a (x x, t)]T e ie j = [∇ ∂xj

(3.10)

82

3 Kinematik des Kontinuums

Man erkennt, dass F −1 dem Deformationsgradienten in Euler’scher Darstellung (r¨aumlicher Deformationsgradienten) entspricht. Die Abb. 3.2 veranschaulicht die Transformation von Linienelementen aus der Referenzkonfiguration in die Momentankonfiguration. a und x sind die Ortsvektox und da a geben die Lage beren materieller Punkte zur Zeit t0 und t, die Vektoren dx liebiger Punkte in einer differentiellen Umgebung an. In der Zeit t a¨ ndert der K¨orper seine Lage im Raum. Alle materiellen Punkte k¨onnen dabei eine andere Position einnehmen. Die Gesamtbewegung des K¨orpers besteht dann aus den Starrk¨orperbewegungen, der Translation und der Rotation, sowie aus den Verformungen des K¨orpers durch relative Lage¨anderungen seiner K¨orperpunkte, den Verzerrungen. a w¨ahrend der Bewegung der Somit erf¨ahrt auch ein materieller Linienvektor da differentiell benachbarten K¨orperpunkte von der Referenz- in die Momentankonfiguration eine Translation und eine Rotation sowie eine Streckung oder Stauchung. Dieser Zusammenhang wird durch den Deformationsgradienten bestimmt x a = F −1 · dx da

x = F · da a, dx

Der Deformationsgradient ist im Allgemeinen ein unsymmetrischer Tensor. Treten allerdings keine Starrk¨orperbewegungen auf, geht der Deformationsgradient in einen Verzerrungstensor u¨ ber und ist dann symmetrisch. Die Deformation, und somit auch der Deformationsgradient, sind vom betrachteten materiellen Punkt abh¨angig. Nur f¨ur den Sonderfall, dass die Bewegungsgleichung xi (aj , t) in aj linear ist, wird der Deformationsgradient f¨ur alle materiellen Punkte gleich und man spricht von einer homogenen oder affinen Transformation. Der Deformationsgradient liefert auch den Zusammenhang zwischen Fl¨achenbzw. Volumenelementen in der Referenz- und in der Momentankonfiguration. Ein a1 da a2 Fl¨achenelement dA0 in der Referenzkonfiguration habe die Abmessung da (Abb. 3.3). Unter Ber¨ucksichtigung der Orientierung von Fl¨achenelementen kann man dann schreiben a1 × da a2 A0 = da dA a)

b)

P(t0 )

x3 , a3 x dx

x dx

a da

P(ai ) P(t)

P(xi )

a da

x

a 0

0

x2 , a2

x1 , a1

Abb. 3.2 Transformation von Linienelementen aus der Referenzkonfiguration in die Momentankonfiguration

3.3 Deformationen und Deformationsgradienten

83

A0 in Bei der Bewegung in die Momentankonfiguration geht ein Fl¨achenelement dA A u¨ ber ein Element dA A = dx x1 × dx x2 = (FF · da a1 ) × (FF · da a2 ) dA Unter Beachtung von a1 ) × (FF · da a2 ) = (detFF)(FF T )−1 · (da a1 × da a2 ) (FF · da erh¨alt man

A0 A = (detFF)(FF −1 )T · dA dA

(3.11)

a1 , da a2 , da a3 gilt F¨ur ein Volumenelement mit den Abmessungen da a1 × da a2 ) · da a3 | dV0 = |(da In der aktuellen Konfiguration gilt a1 ) × (FF · da a2 )] · (FF · da a3 )| dV = |[(FF · da und unter Beachtung der Definition 2.21 folgt a1 ) × (FF · da a2 )] · (FF · da a3 )| = |detFF||(da a1 × da a2 ) · da a3 |, |[(FF · da d.h. dV = |detFF|dV0

(3.12)

Es folgt immer detFF > 0, falls man Stetigkeit bez¨uglich der Zeit t voraussetzt und beachtet, dass f¨ur t = t0 detFF = 1 ist. F¨ur die Ableitungen wurden die folgenden Identit¨aten genutzt: x3 , a3

n0 a 2 dA da A0 a1 da

x2 dx

n

A dA x1 dx

x2 , a2 x1 , a1 Abb. 3.3 Fl¨achenelement in der Referenzkonfiguration und der Momentankonfiguration

84

3 Kinematik des Kontinuums

• F¨ur beliebige linear-unabh¨angige Vektoren a , b und c gilt 

a) × (FF ·b b)] ·cc (3.13) a × b ) ·cc] = [(FF ·a a)× (FF ·b b)]·(FF ·cc) = F T · [(FF ·a (detFF )[(a Dies ergibt sich unmittelbar aus Definition 2.21. • F¨ur alle Vekoren a und b, die nicht zueinander parallel sind, gilt a × b ) = F T · [(FF ·a a) × (FF ·b b)], (detFF )(a a × b) a) × (FF ·b b) = (detFF )(FF T )−1 (a (FF ·a

(3.14)

Diese Beziehungen lassen sich durch Multiplikation mit c auf die Definition 2.21 zur¨uckf¨uhren. Man erkennt aus den hier angegebenen Transformationsgleichungen f¨ur Linien-, Fl¨achen- und Volumenelemente die fundamentale Bedeutung des Deformationsgradienten f¨ur die Kontinuumsmechanik. Er beschreibt die lokalen kinematischen Eigenschaften infolge der Bewegung von K¨orpern. Eine grundlegende Aufgabe der Kontinuumsmechanik ist die Berechnung der Verzerrungen in materiellen K¨orpern. Diese rufen innere Kr¨afte hervor. Sie bilden folglich die Grundlage f¨ur die Formulierung von Konstitutivgleichungen. Will man die Verzerrungen berechnen, m¨ussen jedoch zun¨achst die Anteile infolge der Starrk¨orperbewegungen aus den Deformationsgr¨oßen abgetrennt werden. Auf diese Weise erh¨alt man u¨ ber den Deformationsgradienten einen Zugang zu den verschiedenen Verzerrungstensoren, die in der Theorie endlicher Verzerrungen verwendet werden. Theoretischer Ausgangspunkt hierf¨ur ist die polare Zerlegung von F in ein Produkt zweier Faktoren, die eine lokale Trennung der Deformation in eine Rotation und eine Streckung (Stauchung) erm¨oglicht. Darauf wird im Abschn. 3.5 n¨aher eingegangen. Zusammenfassend ergeben sich zum Deformationsgradienten folgende Gleichungen. Deformationsgleichungen und Deformationsgradienten x a

a, t), = x (a x, t), = a (x

F

∇a x )T , = (∇

F −1

∇x a )T , = (∇

(FF −1 )T = (FF T )−1

xi = xi (aj , t), ai = ai (xj , t), ∂xi Fij = , ∂aj ∂ai F−1 ij = ∂x , j

3.4 Geschwindigkeitsfelder, Geschwindigkeitsgradient

85

Transformation von Linien-, Fl¨achen- und Volumenelementen x = F · da a, dx A0 , A dA = (detFF)FF −1 · dA dV = (detFF)dV0 , x2 , A = dx x1 × dx dA x2 ) · dx x3 |, x1 × dx dV = |(dx detFF > 0,

x, a = F −1 · dx da −1 A F A, dA 0 = (detF ) F · dA −1 dV0 = (detFF ) dV, A0 = da a1 × da a2 , dA a1 × da a2 ) · da a3 |, dV0 = |(da detFF = 1 f¨ur t = t0

3.4 Geschwindigkeitsfelder, Geschwindigkeitsgradient Neben dem Deformationsgradienten F , der die lokalen Deformationen f¨ur Linien-, Fl¨achen- und Volumenelemente beschreibt, spielt in der Kontinuumsmechanik auch der Geschwindigkeitsgradient L eine besondere Rolle. Im Folgenden wird gezeigt, ¨ dass mit Hilfe von L die Anderungsgeschwindigkeiten materieller Linien-, Fl¨achenund Volumenelemente, d.h. ihre Zeitableitungen berechnet werden. Zun¨achst sollen aber einige Aussagen u¨ ber Geschwindigkeitsfelder zusammena, t) eines materiellen Punktes a ist durch gefasst werden. Die Geschwindigkeit v (a die folgenden Gleichungen definiert a, t) = v (a

∂ D a, t) ≡ x˙ (a a, t) = x (a a, t), x (a Dt ∂t

da a fest ist (Lagrange’sche Betrachtung). Mit Hilfe der umkehrbar eindeutigen Zuordnung Gl. (3.3) a, t) ⇐⇒ a (x x, t) x (a erh¨alt man die r¨aumliche Darstellung f¨ur v , d.h. das Geschwindigkeitsfeld a(x x, t), t] = v (x x, t) v [a x, t) bestimmte Geschwindigkeitsfeld gibt Auskunft dar¨uber, welche Das durch v (x Geschwindigkeit ein beliebiger materieller Punkt hat, wenn er den Ort x passiert. Damit gilt f¨ur die Beschleunigung b = v˙ =

∂2 x(a a, t) = x¨ (a a, t) ∂t2

x, t), dass w¨ahrend der F¨ur die Euler’sche Betrachtung ergibt sich zun¨achst aus a (x x realisiert wird, jeBewegung im inkrementellen Zeitschritt dt die Verschiebung dx a =0 doch die Lagrange’sche Koordinate a konstant bleibt, d.h. da

86

3 Kinematik des Kontinuums

x ∂x dt = 0 ∂t

a = (∇ ∇a x )T · dx x+ da Es folgt zun¨achst a = dx x ·∇ ∇a x + da und somit x=− dx

x ∂x dt = 0 ∂t

x ∂x ∇a x )−1 dt · (∇ ∂t

F¨ur die Geschwindigkeit folgt damit x, t) = v = v (x



T ∂x x x x dx ∂x ∇a x )−1 = − (∇ ∇a x )−1 · = − · (∇ dt ∂t ∂t

Analog gilt x+ ∇a v )T · dx dvv = (∇

∂vv dt = 0 ∂t

bzw.

x dvv dx ∂vv ∂vv ∇a v + ∇a v = ·∇ = +vv ·∇ dt dt ∂t ∂t Insbesondere f¨ur die Kinematik von Fluiden ist oft eine genauere Analyse von Geschwindigkeitsfeldern erforderlich. Dabei werden Bahnlinien, Stromlinien und Streichlinien berechnet. Diese Begriffe werden im Folgenden kurz erl¨autert. x, t) = b = b (x

Definition 3.7 (Bahnlinie). Bahnlinien sind die von materiellen Punkten in der Zeit t durchlaufenen Bahnkurven. x, t) durch die Integration Man erh¨alt sie bei gegebenem Geschwindigkeitsfeld v(x des Differentialgleichungssystems 1. Ordnung x(t) dx x, t), = v (x dt

x (t0 ) = a

zu a, t) x = x (a t ist Kurvenparameter, a Scharparameter der Bahnkurven. t0 ist der f¨ur alle Bahnlinien gew¨ahlte gleiche Anfangsparameter. Die Vektordifferentialgleichung zeigt, dass die Geschwindigkeit der materiellen Punkte u¨ berall tangential zu ihrer Bahn ist. Eine Bahnlinie ist somit der geometrische Ort aller Raumpunkte, die ein materieller Punkt w¨ahrend seiner Bewegung durchl¨auft. Dies entspricht der Lagrange’schen Betrachtungsweise. x, t) jedem RaumDefinition 3.8 (Stromlinie). F¨ur eine feste Zeit t wird durch v (x x, t) zugeordnet, falls nicht v ≡ 0. Die Kurven, deren Tangenpunkt eine Richtung x˙ (x tenrichtungen mit den Richtungen der Geschwindigkeitskurven u¨ bereinstimmen, heißen Stromlinien. Sie sind die Integralkurven des Geschwindigkeitsfeldes zur Zeit t und vermitteln f¨ur jeweils einen festen Zeitpunkt ein anschauliches Bild des Verlaufs einer Str¨omung.

3.4 Geschwindigkeitsfelder, Geschwindigkeitsgradient

87

Stromlinien entsprechen somit einer Feldbeschreibung, d.h. einer Euler’schen Darstellung. Mit der Linienkoordinate s als Kurvenparameter und der Anfangsbedingung x (s = s0 ) = x 0 als Scharparameter erh¨alt man die Parameterdarstellung der x0 ) durch Integration der Vektordifferentialgleichung Stromlinie x = x (s,x x, t) x(s) v (x dx = , ds |vv|

t = const.,

denn es gilt x x dx dx v = = , x| ds |vv| |dx d.h. der Tangenteneinheitsvektor der Stromlinie ist gleich dem aus dem Geschwindigkeitsvektor folgenden Einheitsvektor. F¨ur den Sonderfall x, t) = α(x x, t)˜v (x x) v (x mit dem Skalarfeld α stimmen Bahnkurve und Stromlinie u¨ berein. Auch f¨ur alle stax) fallen beide Kurven zusammen. Stromtion¨aren Geschwindigkeitsfelder v = v (x linie und Bahnlinie ber¨uhren sich im Raumpunkt x (t), an dem sich der materielle Punkt auf seiner Bahn zum festen Zeitpunkt der betrachteten Stromlinie gerade befindet, da der Geschwindigkeitsvektor dort tangential zu seiner Bahn ist. Abbildung 3.4 zeigt anschaulich diesen Sonderfall. Man sieht, dass auf der Bahnkurve immer der gleiche materielle Punkt P1 verfolgt wird, der sich zu unterschiedlichen Zeiten an unterschiedlichen Orten befindet, auf der Stromlinie dagegen zu einer festen Zeit sich an unterschiedlichen Orten unterschiedliche Punkte befinden. Die Bahn-

P2 (tn ) ) , tn v (x P1 (tn+1 ) Stromlinie (t

P0 (tn )

P1 (tn−1 )

= tn = c onst.)

t = e( v r ku hn Ba

.) nst co

P1 (tn )

) n x (t

0 Abb. 3.4 Stromlinie und Bahnkurve

88

3 Kinematik des Kontinuums

kurve ist somit die Verbindungslinie aller Orte, an denen sich ein spezieller materieller Punkt zu unterschiedlichen Zeiten befindet, die Stromlinie dagegen die Verbindungslinie der Orte, an denen sich zur gleichen Zeit unterschiedliche materielle Punkte befinden. Definition 3.9 (Streichlinie). Die Streichlinie verbindet f¨ur eine feste Zeit t alle materiellen Punkte, die zu einer beliebigen Zeit τ einen festen Ort ξ passiert haben oder passieren werden. x, t) gegeben, berechnet man meist die Ist wieder das Geschwindigkeitsfeld v = v (x a, t) und danach a = a (x x, t). Ersetzt man in der letzten Gleichung Bahnkurve x = x (a x durch ξ und t durch τ, erh¨alt man die materiellen Punkte a , die zur Zeit τ am Ort ξ waren. Die Bahnkoordinaten f¨ur diese Punkte erh¨alt man durch Einsetzen der entsprechenden a in die Bahnkurvengleichung a(ξ ξ , τ), t] = x (ξ ξ, τ, t = const.) x = x [a F¨ur feste t ist τ Kurvenparameter einer Raumkurve, die durch den fixierten Punkt ξ geht. Diese Raumkurve ist die Streichlinie, d.h. der geometrische Ort aller materiellen Punkte, die zu einer fixierten Zeit t = const. den Punkt ξ passiert haben (τ < t) oder noch passieren werden (τ > t). F¨ur die weiteren Betrachtungen wird vorausgesetzt, dass das Geschwindigkeitsx, t) bekannt ist. Die materielle Ableitung von v liefert das Beschleunifeld v = v (x x, t) gungsfeld b (x x, t) Dvv(x x, t) x, t) = ≡ v˙ (x b (x Dt mit x, t) ∂vv(x x, t) ·∇ ∇x v (x x, t) +vv(x ∂t x, t) ∂vv(x x, t) · gradvv(x x, t) = +vv(x ∂t

x, t) = v˙ (x

Der konvektive Teil der materiellen Ableitung ist das Skalarprodukt des Geschwindigkeitsvektors mit dem Gradienten des Geschwindigkeitsfeldes. Man definiert nun den Geschwindigkeitsgradienten L . Definition 3.10 (Geschwindigkeitsgradienten). Der r¨aumliche Geschwindigkeitsx, t) ist durch die Gleigradient L eines gegebenen Geschwindigkeitsfeldes v = v (x chung x, t)]T ≡ [ gradvv(x x, t)]T , x, t) = [∇ ∇x v (x L (x Lij = vi,j x, t) beschreibt ein Dyadenfeld. gegeben. L ist ein Tensor 2. Stufe, d.h. L (x Mit Hilfe des Tensors L k¨onnen die Zeitableitungen materieller Linien-, Fl¨achen-, und Volumenelemente in der Momentankonfiguration berechnet werden. Es gelten die folgenden Gleichungen

3.4 Geschwindigkeitsfelder, Geschwindigkeitsgradient

89

x)· = L · dx x, (dx

(3.15)

LT ] · dA A, A)· = [( divvv)II −L (dA

(3.16)

(dV)· = ( divvv)dV

(3.17)

F¨ur den Beweis der Gl. (3.15) geht man von folgenden Beziehungen aus vi (aj , t) = vi [xk (aj , t), t],

ai = ai (xj , t),

∂vi ∂xk ∂vi = = Lik Fkj ∂aj ∂xk ∂aj oder in symbolischer Schreibweise ∇a v )T = (∇ ∇x v )T · (∇ ∇a x )T = L ·FF (∇ Ferner gilt mit

 ∇

 ∂ ∂ ∇(. . .)] , [∇ (. . .) = ∂t ∂t

∇a v)T = (∇ ∇a x˙ )T = [(∇ ∇a x)· ]T = F˙ (∇ und mit Gl. (3.18) auch

(3.18)

(3.19)

a, t) = L (x x, t) ·FF(a a, t) F˙ (a

(3.20)

x, t) = F˙ ·FF−1 L (x

(3.21)

oder

Der Tensor L kann auch in Lagrange’scher Darstellung angegeben werden. Aus den Gln. (3.18) und (3.20) erh¨alt man a, t) = L (x x, t) ·FF(a a, t) = F˙ (a a, t), ∇a v (a und wenn man in Gl. (3.21), wie u¨ blich, F in materiellen Koordinaten ausdr¨uckt a, t) a(x x, t), t] = L (a a, t) = F˙ (a a, t) ·FF−1 (a L [a Damit folgt abschließend x = F · da a, dx

a = F −1 · dx x, da

a = F˙ ·FF−1 · dx x = L · dx x x)· = F˙ · da (dx

q.e.d.

Eine einfache Herleitung f¨ur das Linienelement erh¨alt man auf folgendem Wege a, t), x = x (a a, x = (∇ ∇a x )T · da dx ∇a v )T · da a = L [vv (a a, t)] · da a x)· = (∇ (dx

90

3 Kinematik des Kontinuums

Geht man f¨ur v von der materiellen zur r¨aumlichen Darstellung u¨ ber, gilt analog x)· = v (x x + dx x, t) −vv(x x, t) = (∇ ∇x v )T · dx x = L [vv(x x, t)] · dx x (dx Man erkennt auch hier wieder den Zusammenhang: ∇x v )T ·FF = (∇ ∇a v )T (∇ F¨ur den Nachweis der Gl. (3.17) ben¨otigt man die f¨ur alle invertierbaren Tensoren 2. Stufe geltende Identit¨at  −1 d (detTT ) = (detTT ) T T dTT Damit wird d ·· F˙ dV0 (detFF)·· dFF = (detFF)(FF T )−1 ·· F˙ dV0 = Sp (F˙ ·FF−1 )(detFF)dV0

(dV)· = =

[(detFF)dV0 ]·

=

L)dV Sp (L

=

( divvv)dV,

was zu beweisen war. Aus (dV)· = ( divvv)dV erh¨alt man einen Ausdruck f¨ur die Zeitableitung der Jacobi-Determinante, der zum Nachweis der Gl. (3.16) ben¨otigt wird (dV)· = [(detFF)dV0 ]· = (detFF)· dV0 = (detFF)· (detFF )−1 dV Mit (dV)· = ( divvv)dV folgt dann (detFF)· = (detFF) divvv Ausgangspunkt zum Beweis der Gl. (3.16) ist die Gl. (3.11)  T A = (detFF ) F −1 · dA A0 dA Man erh¨alt unter Nutzung von Gl. (3.22)

 −1 ·  −1 A)· = (detFF)· F T A0 (dA + (detFF ) F T · dA  −1  T −1 T  T −1 A0 = (detFF ) ( divvv) F T − F · F˙ · F · dA Dabei wurde folgende Gleichung benutzt

(3.22)

3.5 Verzerrungen und Verzerrungsmaße

91

·  −1 ·FFT = I , FT

−1  −1 · T ·FFT + F T · F˙ = 0 , FT  −1 ·  −1 T T −1 = − FT · F˙ · F FT A0 durch (detFF )−1FT · dA A, ist Gl. (3.16) bewiesen Ersetzt man noch dA  T 

−1 · ˙ v I A A A = ( divvv)II −L LT · dA F F q.e.d. (dA ) = ( divv )I − ·F · dA a, t) und zum r¨aumlichen GeschwinZum materiellen Deformationsgradienten F (a x, t) kann man folgende zusammenfassende Aussagen treffen: digkeitsgradienten L (x • F wirkt auf die Menge der materiellen Linienelemente in der Referenzkonfiguration und transformiert diese in die Momentankonfiguration. • L wirkt auf die Menge der materiellen Linienelemente in der Momentankonfigu¨ ration und bestimmt ihre Ver¨anderungsrate (Anderungsgeschwindigkeit). F und L liefern somit wesentliche Informationen u¨ ber die lokalen Eigenschaften von Deformationen. Die wichtigsten Gleichungen sind nachfolgend noch einmal zusammengefasst. Geschwindigkeit und Geschwindigkeitsgradienten a, t) = x˙ (a a, t), v (a a(x x), t] = v (x x, t), v [a x, t) = [∇ ∇x v (x x, t)]T , L (x ∇a v )T = F˙ , L ·FF = (∇

= x˙ i (aj , t), vi (aj , t) vi [aj (xk ), t] = vi (xj , t), Lij (xk , t) = vi,j (xk , t), ∂xj ∂vi Lij Fjk = = vi,j = F˙ ik ∂aj ∂ak

Zeitableitungen f¨ur Linien-, Fl¨achen- und Volumenelemente x)· = L x = F˙ · da a,

(dx · dx · A) = ( divvv)II −L LT · dA A, (dA (dV)· = ( divvv)dV,

(dxi )· = Lij dxj = F˙ ij daj , (dAi )· = [vk,k δij − Lji ]dAi , (dV)· = vk,k dV

3.5 Verzerrungen und Verzerrungsmaße Da der in Abschn. 3.3 eingef¨uhrte Deformationsgradienten F sich auf den gesamten Bewegungsvorgang bezieht, d.h. auch lokale Starrk¨orperdeformationen enth¨alt, ist er als Maß f¨ur die Form¨anderungen, d.h. die Verzerrungen eines K¨orpers, ungeeignet. Es ist daher erforderlich, entweder vom Deformationsgradienten die lokalen

92

3 Kinematik des Kontinuums

Starrk¨orperanteile abzuspalten oder ein anderes, geeignetes Maß f¨ur die Verzerrungen zu definieren. Einen Zugang zu den Verzerrungen durch Abspaltung lokaler Starrk¨orperanteile von F gibt die multiplikative Zerlegung des Tensors F mit Hilfe des polaren Zerlegungssatzes f¨ur Tensoren. M>0 Satz 3.1 (Polarer Zerlegungssatz). Jeder regul¨are Tensor 2. Stufe M mit detM kann eindeutig durch eine polare Zerlegung in positiv definite symmetrische Tensoren U oder V und einen eigentlich orthogonalen Tensor R dargestellt werden U = V ·R R M = R ·U U heißt dann rechte und V ·R R linke polare Zerlegung (Dekomposition). R ·U Der Deformationsgradient F ist regul¨ar, denn nach Gl. (3.12) gilt immer detFF = 0. Damit ist f¨ur F eine polare Zerlegung m¨oglich U = V ·R R F = R ·U

(3.23)

Dabei gelten folgende Aussagen RT = R T ·R R = I ; detR R = +1. • R ist ein eigentlich orthogonaler Tensor, d.h. R ·R • U und V sind symmetrische, positiv definite Tensoren, d.h. U = UT ,

V = V T,

U ·a a) ·a a > 0, (U

V ·b b) ·b b>0 (V

b sind beliebige, von 0 verschiedene Vektoren. a ,b V ,R R sind eindeutig aus F bestimmbar. • U ,V • Die Eigenwerte der Tensoren U und V sind identisch. Ist η Eigenvektor von U , η Eigenvektor von V . dann ist R ·η Diese Aussagen sollen zun¨  achstu¨ berpr¨uft werden. F¨ur den Deformationsgradienten gilt (FF · a ) · (FF · a ) = a · F T ·FF · a > 0 f¨ur alle a = 0 , d.h. F T · F ist ein symme 1/2 trischer positiv definiter Tensor. Dann sind die Tensoren U = F T ·FF und U −1 auch symmetrisch und positiv definit. Der Nachweis der Orthogonalit¨at f¨ur R ergibt sich wie folgt

−1  T RT = F ·U U−1 · F ·U U−2 ·FFT = F · U 2 U−1 = F ·U R ·R ·FFT  −1 T  −1 T    −1 T = F · FT ·FF ·FF = F · F−1 · FT ·FF ·FF = F ·FF−1 · FT = I ·II = I R = detFFdetU U−1 > 0. Die OrU−1 > 0 und es folgt detR Mit detFF > 0 ist auch detU RT = (detR RT = I f¨uhrt auf det R ·R R)2 = +1 und damit thogonalit¨atsbedingung R ·R R = +1. Eigentlich orthogonale Tensoren R bewirken stets eine starre hier auf detR R = −1 dagegen eine einfache SpiegeDrehung, uneigentlich orthogonale R mit detR U = R 1 ·U U1 lung [13]. Der Nachweis der Eindeutigkeit ist einfach, denn aus F = R ·U

3.5 Verzerrungen und Verzerrungsmaße

93

R ·U U)T = (R R1 ·U U1 )T und mit folgt (R U = UT,

U 1 = U T1 ,

RT = U 1 ·R RT1 U ·R

Damit wird     R ·U U = U ·R RT · (R R ·U U) U 2 = U · R T ·R  T    T R1 · (R U1 ) = U 1 · R 1 ·R R1 ·U R1 ·U U1 = U 21 = U 1 ·R d.h. U = U 1 . Der Beweis f¨ur die 2. Zerlegung verl¨auft analog. F¨ur F = V · R mit  1/2 folgt V = F ·FFT R ·U U) · (R R ·U U)T = R ·U U2 ·R RT = (R R ·U U) · (R RT ·R R) · (U U ·R RT ) V 2 = F ·FFT = (R       2 U ·R RT · R ·U U ·R RT = R ·U U ·R RT , = R ·U   U ·R RT =⇒ V ·R R = R ·U U · R T ·R R = R ·U U=F V = R ·U η = U · η und Sind ferner η und λ Eigenvektor und Eigenwert von U , dann gilt λη damit auch R ·η η) = (R R ·U U) ·η η = (V V ·R R) ·η η = V · (R R ·η η), λ(R η sind die Eigenvekd.h. U und V haben den gleichen Eigenwert λ, und η bzw. R ·η toren von U bzw. V . ¨ Definition 3.11 (Ahnliche Tensoren). Tensoren 2. Stufe U und V heißen einander a¨ hnlich, wenn sie gleiche Eigenwerte haben. ¨ F¨ur a¨ hnliche Tensoren gilt immer eine Ahnlichkeitstransformation V ·Q Q, U = Q −1 ·V

U ·Q Q−1 , V = Q ·U

wobei Q ein beliebiger, invertierbarer Tensor ist. Im vorliegenden Fall ist R ein orthogonaler Tensor, d.h. es gilt R −1 = R T . Somit ist U ·R RT V = R ·U ¨ ¨ eine Ahnlichkeitstransformation. Es l¨asst sich auch zeigen, dass aus der Ahnlichkeit ¨ zweier Tensoren U und V auch die Ahnlichkeit f¨ur U n und V n folgt. Die polare Zerlegung von F macht anschaulich deutlich, dass lokale Deformationen, d.h. Deformationen des betrachteten materiellen Punktes und seiner infinitesimalen Umgebung, immer als Resultat zweier aufeinanderfolgender Tensoroperationen dargestellt werden k¨onnen. Der Tensor R bewirkt eine starre Drehung. Im Unterschied zum starren K¨orper liefert R aber nicht die globale Drehung des starren K¨orpers, sondern R ist im allgemeinen Fall von Punkt zu Punkt verschieden und gibt somit nur Informationen u¨ ber die starren Drehungen eines materiellen Linienelementes im betrachteten Punkt. U und V bewirken eine reine Dilatation, d.h. eine Dehnung (Streckung oder Stauchung) in Richtung der Hauptachsen von U und V . Man erkennt aus der Beziehung (3.23), dass die Reihenfolge der Operationen

94

3 Kinematik des Kontinuums

auswechselbar ist. Die in allgemeinen Deformationen enthaltenen Starrk¨orpertrans∇a x )T nicht in die Zerlegung lationen gehen aufgrund der Gradientenbildung F = (∇ von F ein. Mit der Anwendung des Zerlegungssatzes auf F gelten f¨ur die Transformation a in das Linienelement dx x folgende Gleichungen des Linienelements da x = F · da a = R · (U U · da a) = V · (R R · da a), dx dxi = Fij daj = Rik Ukj daj = Vik Rkj daj Dies kann anschaulich interpretiert werden (Abb. 3.5). Es gilt: a durch den Tensor U • Streckung oder Stauchung von da a = dξ ξ, U · da

Uij daj = dξi

ξ durch den Tensor R • Starre Drehung von dξ ξ = dx x, R · dξ

Rij dξj = dxi

a durch den Tensor R • Starre Drehung von da a = dη η, R · da

Rij daj = dηi

η durch den Tensor V • Streckung oder Stauchung von dη η = dx x, V · dη

Vij dηj = dxi

Die starren Drehungen im Punkt P0 sind, unabh¨angig von der Reihenfolge der Tensoroperationen, gleich. Die Tensoren U und V bewirken im Allgemeinen eine a. Stimmen aber die Richtungen von da a L¨angen- und eine Richtungs¨anderung von da η mit den Hauptachsenrichtungen von U bzw. V u¨ berein, bewirken diebzw. von dη a

b ξ dξ

A K A A

A  HHA  Y HAr a da

P0

  

η dη

 

  

x  dx r P

6  HH Y Hr a da

P0

    

 

x  dx r P

Abb. 3.5 Transformation von Linienelementen der Referenzkonfiguration mit Hilfe des Deformationsgradienten: a F = R · U, b F = V · R

3.5 Verzerrungen und Verzerrungsmaße

95

se Tensoren nur L¨angen¨anderungen, d.h. f¨ur einen infinitesimalen W¨urfel, dessen Kantenrichtungen den Hauptachsenrichtungen entsprechen, eine reine Dilatation. a von P0 zum Die Transformation des gedrehten und gedehnten Linienelementes da Punkt P erfordert dann nur noch eine Starrk¨orpertranslation, die auf die lokalen WerV und R keinen Einfluss hat. Die folgende Abb. 3.6 te von F und damit auch auf U ,V zeigt noch einmal diese Zusammenh¨ange. Die polare Zerlegung von F f¨uhrt somit auf folgende Deformationstensoren 1/2  U = F T ·FF  1/2 V = F ·FFT

Rechtsstrecktensor, Linksstrecktensor,

2

C = U = FT ·FF Rechts-Cauchy-Green-Tensor,

(3.24)

B = V 2 = F ·FFT Links-Cauchy-Green-Tensor Der Tensor C wird auch als Green’scher Deformationstensor bezeichnet, B tr¨agt auch die Bezeichnung Finger’scher7 Deformationstensor. Die zugeh¨origen Inversen C −1 und B−1 sind der Piola’sche und der Cauchy’sche Deformationstensor. Sie sind wie folgt definiert C −1 = (FF T ·FF)−1 B −1 = (FF ·FFT )−1 Eine besonders anschauliche Darstellung der lokalen Deformationen liefert fol¨ gende Uberlegung. Man betrachtet eine differentielle Umgebung eines Punktes P0 der Referenzkonfiguration in Form einer Kugel mit dem Radius dr. Der Vektor vom a entKugelmittelpunkt zur Kugeloberfl¨ache soll genau dem Linienelementvektor da a ·da a = dr2 , sprechen, die Punkte auf der Kugelfl¨ache gen¨ugen dann der Gleichung da d.h. a22 a23 a21 + + =1 dr2 dr2 dr2 ξ dξ

a da

Abb. 3.6 M¨ogliche Transformationsschritte f¨ur die a in dx x Transformation von da

7

Dr ehu ng R

g un eck r t S U

R Dr ehu ng

η dη

V

g un eck r t S

Josef Finger (1841-1925), Physiker und Mathematiker, Analytische Mechanik

x dx

96

3 Kinematik des Kontinuums

a und dx x Aus der Transformationsbeziehung zwischen da a = F −1 · dx x = (V V ·R R)−1 · dx x = R T ·V V −1 · dx x da folgt a)2 = da a · da a (da V −1 · dx x) · (R RT ·V V −1 · dx x) RT ·V = (R R ·R RT ) ·V V −1 ] · dx x x · [V V −1 · (R = dx x x ·V V −2 · dx = dx Die Gleichung f¨ur die Kugeloberfl¨ache kann somit auch in der Form x ·V V −2 · dx x = dr2 dx dargestellt werden. Transformiert man V auf Hauptachsen und sind λI , λII und λIII die Hauptwerte von V , hat V −2 die gleichen Hauptachsen und die Eigenwerte λ−2 i , i = I, II, III. Bezogen auf das Hauptachsensystem von V wird daher die Kugeloberfl¨ache in der Referenzkonfiguration in die Oberfl¨ache eines Ellipsoides in der Momentankonfiguration deformiert x = dr2 , x ·V V −2 · dx dx ⎧ ⎨ 0, 1 Vij = ⎩ 2, λi

dxi Vij dxj = dr2 ,

i = j

dx22 dx23 dx21 + + =1 =⇒ i=j (λI dr)2 (λII dr)2 (λIII dr)2

F¨ur die Ableitung allgemeiner Theoreme ist die polare Zerlegung von F in die TenV und R ein wichtiger Ausgangspunkt. Die Strecktensoren U und V werden soren U,V aber im Allgemeinen nicht als Form¨anderungsmaße verwendet, da zu ihrer Berechnung Wurzeloperationen, d.h. irrationale mathematische Operationen erforderlich sind. Einfacher ist es, die Tensoren C und B zu verwenden. Dies bedeutet, nicht von einer Transformation der Linienelemente selbst, sondern von ihren Quadraten als Grundlage f¨ur Maßfestlegungen auszugehen   a x · dx x = (FF · da a) · (FF · da a) = da a · F T ·FF · da dx a ·C C · da a, = da      T x · F −1 · dx x = dx x · F −1 ·FF−1 · dx x a · da a = F −1 · dx da x x ·B B−1 · dx = dx

(3.25)

(3.26)

Man erkennt, dass die Tensoren C und B −1 eigene Metriken erzeugen. Alle eingef¨uhrten Deformationstensoren sind regul¨ar, symmetrisch und positiv definit. Es gelten folgende Identit¨aten

3.5 Verzerrungen und Verzerrungsmaße

U ·R RT , V = R ·U

97

C ·R RT B = R ·C

(3.27)

Die Tensoren U und V bzw. C und B sind somit a¨ hnliche Tensoren, d.h. sie haben gleiche Eigenwerte. Die Determinanten der Strecktensoren und damit auch der Cauchy-Green-Tensoren h¨angen wie folgt mit der Jacobi-Determinante zusammen U = detV V = detFF, detU C = detB B = (detFF)2 detC

(3.28)

In der Referenzkonfiguration ist F = I und damit sind auch die eingef¨uhrten Deformationstensoren gleich dem Einheitstensor x =a :

F = U = V = B = C = B −1 = I

(3.29)

Ein Verzerrungsmaß hat die Zielstellung, die Abweichungen der Deformation eines verformbaren K¨orpers von der eines starren K¨orpers zu quantifizieren. Bei der Bewegung eines starren K¨orpers bleiben die relativen L¨angen und Winkel der Linienelemente erhalten. Die Gesamtbewegung ergibt sich aus der Superposition der Translation und der Rotation des K¨orpers. Damit kann die Bewegungsgleichung in folgender Form geschrieben werden a, t) = Q (t) · (a a −a aM ) +cc(t) x (a

(3.30)

a M ist das Massenzentrum des K¨orpers in der Referenzkonfiguration, c (t) die zeitabh¨angige Translation und Q (t) ein allein von der Zeit abh¨angiger, orthogonaler Drehtensor, der die globale Starrk¨orperdrehung beschreibt. Der Deformationsgradient f¨ur die Starrk¨orperbewegung ist damit a, t)]T = Q (t) a, t) = [∇ ∇a x (a F (a

(3.31)

F ist also f¨ur jeden Punkt gleich, d.h. homogen und orthogonal, F = F (t) und F · F T = F T · F = I ,FF T = F −1 . Damit gilt auch f¨ur Starrk¨orperbewegungen wieder U = V = B = C = B −1 = I . Erst wenn eine Deformation von der Starrk¨orperbewegung abweicht, treten lokal unterschiedliche Verformungen auf, die mit Hilfe der eingef¨uhrten Tensoren quantifiziert werden k¨onnen. F¨ur viele Anwendungen, insbesondere f¨ur die Formulierung von Konstitutivgleichungen, ist es g¨unstig, ein Verzerrungsmaß einzuf¨uhren, das f¨ur die Referenzkonfiguration und f¨ur reine Starrk¨orperdeformationen den Wert Null und nicht den Wert Eins annimmt. Im Rahmen der verschiedenen M¨oglichkeiten, Verzerrungstensoren f¨ur große Deformationen zu definieren, die die genannte Eigenschaft aufweisen, hat sich der Green’sche (oder auch Lagrange’sche) Verzerrungstensor besonders bew¨ahrt 1 1 2  1 C (a a, t) −II] = (FF T ·FF −II) = a, t) = [C U −II (3.32) G (a 2 2 2 Daf¨ur sprechen folgende Gr¨unde:

98

3 Kinematik des Kontinuums

• G ist ein symmetrischer Tensor. • G kann auch durch eine polare Zerlegung von F definiert werden und f¨uhrt zu einer einfachen und anschaulichen Deutung der lokalen Verzerrungen von Lix der Momentankonfiguration in Bezug auf die Referenzkonfinienelementen dx guration. Einen direkten Zugang f¨ur ein m¨ogliches Verzerrungsmaß erh¨alt man durch den Vergleich der Metrik des verformten Zustandes mit der Metrik des unverformten Zustandes. Dabei ist es mathematisch einfacher, die Differenz der Quadrate der Linienelemente statt die der Linienelemente unmittelbar als Maß f¨ur die Verzerrungen im lokalen Bereich zu nehmen. x · dx x − da a · da a = dxi dxi − daidai ds2 − ds20 = dx

(3.33)

Anmerkung 3.3. Eine Starrk¨orperbewegung ist hinreichend und notwendig dadurch charakterisiert, dass dieses Maß f¨ur alle Punkte den Wert Null ergibt. Unter Beachtung der Beziehungen ds2 = dxi dxi = Fij Fik daj dak = Cjk daj dak x · dx x = da a · (FFT ·FF) · da a = da a ·C C · da a, = dx

(3.34)

a · da a = da a ·II · da a ds20 = dai dai = δjk daj dak = da

(3.35)

erh¨alt man ds2 − ds20 = (Cjk − δjk )daj dak = 2Gjk daj dak a · (C C −II) · da a = 2da a ·G G · da a = da

(3.36)

Analog folgert man aus ds20 = dai dai = [Fij ]−1 [Fik ]−1 dxj dxk = [Bjk ]−1 dxj dxk a · da a = dx x · [(FF−1 )T ·FF−1 ] · dx x = dx x ·B B−1 · dx x, = da x · dx x = dx x ·II · dx x ds2 = dxi dxi = δjk dxj dxk = dx

(3.37) (3.38)

die folgende Beziehung   ds2 − ds20 = δjk − [Bjk ]−1 dxj dxk = 2Ajk dxj dxk x · (II −B B−1 ) · dx x = 2dx x ·A A · dx x = dx Dabei ist A der Almansi-Euler-Hamel’sche Verzerrungstensor 1 B−1 ) A = (II −B 2

(3.39)

3.5 Verzerrungen und Verzerrungsmaße

99

Mit B = V 2 folgt auch

1 1 V −2 ) = I − (FF ·FFT )−2 A = (II −V 2 2 Auch dieser Tensor ist wie G symmetrisch. Ausgehend von den Metriken in Lagrange’scher (L.D.) und in Euler’scher (E.D.) Darstellung f¨ur die Referenzkonfiguration ds20 = δij dai daj ds20

= [Bij

]−1 dx

i dxj

a ·II · da a = da −1

x ·B B = dx

(L.D.),

x · dx

(E.D.)

(3.40)

und f¨ur die Momentankonfiguration a ·C C · da a ds2 = Cij dai daj = da ds2

x ·II · dx x = δij dxi dxj = dx

(L.D.), (E.D.)

(3.41)

erh¨alt man die Metriktensoren in der Referenzkonfiguration =I

δije ie j −1

[Bij ]

e ie j =

B −1

(L.D.), (E.D.)

(3.42)

und f¨ur die Momentankonfiguration Cije ie j = C

(L.D.),

δije ie j = I

(E.D.)

(3.43)

∇a x )T oder durch Die durch polare Zerlegung des Deformationsgradienten F = (∇ 2 2 direkte Berechnung der Differenz ds − ds0 der Quadrate der Linienelemente der Momentan- und der Referenzkonfiguration abgeleiteten Deformations- bzw. Verzerrungstensoren sind im Folgenden noch einmal zusammengestellt. Strecktensoren • Rechtsstrecktensor  1/2

1/2 ∇a x )T U = F T ·FF = ∇a x · (∇ • Linksstrecktensor 

1/2 1/2 ∇a x )T ·∇ ∇a x V = F ·FFT = (∇

100

3 Kinematik des Kontinuums

Deformationsmaßtensoren (Deformationstensoren) • Rechts-Cauchy-Green-Tensor (Green’scher Deformationstensor) ∇a x T C = U 2 = F T ·FF = ∇a x ·∇ • Piola’scher8 Deformationstensor  −1 ∇x a )T ·∇ ∇x a C −1 = F T ·FF = (∇ • Links-Cauchy-Green-Tensor (Finger’scher Deformationstensor) ∇a x )T ·∇ ∇a x B = V 2 = F ·FFT = (∇ • Cauchy’scher Deformationstensor  −1 ∇x a ) · (∇ ∇x a )T B −1 = F ·FFT = (∇

Verzerrungstensoren • Green-Lagrange’scher Verzerrungstensor 1 C −II) G = (C 2 • Almansi-Euler-Hamel’scher Verzerrungstensor A=

 1 B−1 I −B 2

¨ • Uberf¨ uhrung von A in G und von G in A a · 2G G · da a = dx x · 2A A · dx x ds2 − ds20 = da A ·FF, G = F T ·A

 −1 G ·FF−1 A = FT ·G

Die so definierten Deformationstensoren gehen f¨ur die Referenzkonfiguration bei Starrk¨orperbewegungen in den Einheitstensor I u¨ ber. Die Verzerrungstensoren sind in diesen F¨allen gleich dem Nulltensor 0 . Im Weiteren werden lokale Verzerrungen bei großen Deformationen genauer analysiert. Zielstellung dieser Betrachtungen ist es, f¨ur die Elemente des GreenLagrange’schen Verzerrungstensors G eine physikalische Deutung zu finden. Bea und dx x in der Referenz- und in der aktrachtet werden wieder Linienelemente da x = F · da a. Aus der Festigkeitslehre ist bekannt, dass tuellen Konfiguration mit dx

3.5 Verzerrungen und Verzerrungsmaße

101

sich die Dehnung als Quotient der Differenz aus aktueller und Ausgangsl¨ange, d.h. als relative L¨angen¨anderung darstellen l¨asst. Im Rahmen der Kontinuumsmechanik kann man diesen Ansatz weiterentwickeln. Die relative L¨angen¨anderung (Dehnung) wird durch die Gl. (3.44) definiert ε=

x| x| − |da a| |dx |dx = −1 = κ−1 a| a| |da |da

(3.44)

Definition 3.12 (Nenndehnung). Der Quotient ε aus der Differenz der Betr¨age der x| −|da a| und der Linienelemente in der Momentan- und der Referenzkonfiguration |dx a| heißt lokale Dehnung L¨ange des Linienelementes in der Referenzkonfiguration |da (auch Nenndehnung). Der Quotient κ der Elementl¨angen in der Momentan- und der Referenzkonfiguration heißt lokale Streckung. Damit sind f¨ur die Linienelemente alle bei einer Deformation von der Referenz- in die Momentankonfiguration auftretenden L¨angen¨anderungen messbar. Dabei ist ε im Falle einer Streckung gr¨oßer 0, im Falle einer Stauchung kleiner 0. F¨ur den Fall, dass keine L¨angen¨anderung eintritt, ist ε = 0. Als n¨achstes betrachtet man im Punkt P0 zwei zueinander orthogonale materielle a2 , d.h. in der Referenzkonfiguration gilt da a1 · da a2 = 0. a1 und da Linienelemente da Bei der Deformation in die Momentankonfiguration ver¨andern sich im Allgemeia2 . Sie werden somit a1 und da nen die L¨angen und die Richtungen der Elemente da im Punkt P nicht mehr orthogonal sein. Bezeichnet man die Abweichung von der Orthogonalit¨at mit γ12 entsprechend Abb. 3.7, erh¨alt man folgende Gleichung zur Berechnung von γ12 x1 · dx x2 = |dx x1 ||dx x2 | cos(dx x1 , dx x2 ) dx

π  x1 ||dx x2 | cos = |dx − γ12 2 x1 ||dx x2 | sin γ12 = |dx Damit gilt sin γ12 =

x2 x1 · dx dx x1 ||dx x2 | |dx

(3.45)

Die L¨angen- und Winkel¨anderungen k¨onnen f¨ur jedes materielle Linienelement mit Hilfe des Verzerrungstensors G angegeben werden. Ausgangspunkt ist die Gleichung dx2 da 2

¨ Abb. 3.7 Anderung des Winkels zwischen den Linienelea 2 im Punkt a 1 , da menten da P0 bei einer Deformation

a , t) x (a da 1

P0

γ12 dx 1

P

102

3 Kinematik des Kontinuums

a1 · da

 

1 T 1  a2 = a1 · da a2 , a2 ) − da a1 ·FFT · (FF · da F ·FF −II · da da 2 2

1 x1 · dx G · da a2 = (dx x2 − da a1 · da a2 ) a1 ·G (3.46) da 2 a2 sind beliebige Linienelemente im Punkt P0 der Referenzkonfiguration. a1 und da da Um die einzelnen L¨angen- und Winkel¨anderungen als Koordinaten von G zu idena2 = da a, a1 = da tifizieren, bietet sich folgender Weg an. Man w¨ahlt zun¨achst da a = |da a|ee sowie x 1 = x 2 = x . Aus Gl. (3.46) folgt dann da  

1 |dx x|2 |da a |2 1 a ·G G · da a = a|)2 = a |2 x|)2 − (|da da − |da (|dx a|2 |da a |2 2 2 |da (3.47)

(3.44) 1 a |2 , = (1 + ε)2 − 1 |da 2 F¨ur den Einheitsvektor e in Richtung des Vektors a ergibt Gl. (3.47) G ·ee = e ·G d.h. ε=

 1 2 ε + 2ε , 2

√ G ·ee − 1 1 + 2ee ·G

(3.48)

F¨uhrt man die Annahme kleiner Dehnungen ein, d.h. ε 1, kann ε2 vernachl¨assigt G ·ee. Man beachte, dass die Verschiebungen werden, und es folgt unmittelbar ε = e ·G trotzdem groß bleiben k¨onnen. W¨ahlt man jetzt wieder zwei orthogonale Linienelemente a1 |ee 1 , a1 = |da da erh¨alt man

a2 = |da a2 |ee2 , da

e 1 ·ee2 = 0,

1 1 x1 · dx x1 ||dx a1 ·G G · da a2 = dx x2 = |dx x2 | sin γ12 da 2 2

und mit a1 |(1 + ε1 ), x1 | = |da |dx

x2 | = |da a2 |(1 + ε2) |dx

1 a1 ||da a2 |] sin γ12 , [(1 + ε1)(1 + ε2 )|da 2 1 G ·ee2 = [(1 + ε1)(1 + ε2 )] sin γ12 , e 1 ·G 2

G · da a2 = a1 ·G da

G ·ee2 2ee1 ·G  sin γ12 =  G ·ee1 1 + 2ee2 ·G G ·ee2 1 + 2ee1 ·G

(3.49)

Sind jetzt ε1 , ε2 1, gilt unmittelbar 1 1 1 G ·ee2 = (1 + ε1 + ε2 + ε1 ε2 ) sin γ12 ≈ (1 + ε1 + ε2 ) sin γ12 ≈ sin γ12 e 1 ·G 2 2 2

3.5 Verzerrungen und Verzerrungsmaße

103

Die Gleitungen k¨onnen dabei groß sein. Sind sie selbst klein, gilt n¨aherungsweise sin γ12 ≈ γ12 . Die Gln. (3.48) f¨ur die Dehnung (Normalverzerrung) und (3.49) f¨ur die Gleitung (Schubverzerrung) stellen den Zusammenhang dieser Verzerrungen mit den Koordinaten des Green-Lagrange’schen Verzerrungstensors dar. F¨ur Starrk¨orperbewegungen gilt f¨ur den Deformationsgradienten F T ·FF = I , d.h. F ist ein orthogonaler Tensor und G ≡ 0 . Alle L¨angen und Winkel bleiben unver¨andert. F¨ur viele Aufgaben der Kontinuumsmechanik ist die Volumendehnung eine charakteristische Gr¨oße. Definition 3.13 (Volumendehnung). Der Quotient aus der Differenz der materiellen Volumenelemente dV und dV0 der Momentan- und der Referenzkonfiguration und dem Element dV0 heißt Volumendehnung εV εV =

dV − dV0 dV0

(3.50)

Mit dV = (detFF)dV0 folgt dV − dV0 (detFF − 1)dV0 = = detFF − 1 dV0 dV0 F¨ur εV kann man auch schreiben  √  C − 1 = det (2G G +II) − 1 εV = detFF − 1 = det(FF T ·FF) − 1 = detC

(3.51)

F¨uhrt man f¨ur G eine Hauptachsentransformation durch, d.h. G = λIe Ie I + λIIe IIe II + λIIIe IIIe III , erh¨alt man G) = (1 + 2λI)(1 + 2λII )(1 + 2λIII ) det(II + 2G = 1 + 2(λI + λII + λIII ) + 4(λI λII + λI λIII + λII λIII ) + 8λI λII λIII G ) + 4I2(G G ) + 8I3(G G) = 1 + 2I1(G und damit εV =

 G ) + 4I2(G G ) + 8I3(G G) − 1 1 + 2I1(G

(3.52)

Definition 3.14 (Volumenerhaltend). Eine Bewegung heißt volumenerhaltend oder isochor, falls εV ≡ 0. Mit Gl. (3.51) folgt zun¨achst detFF = 1. F¨ur die Invarianten von G gilt dann die Zwangsbedingung G ) + 2I2(G G ) + 4I3(G G) = 0 (3.53) I1 (G Entsprechend Gl. (3.51) kann εV = 0 auch durch detFF = 1 ausgedr¨uckt werden. Das mit der Gl. (3.44) eingef¨uhrte Dehnungsmaß ε hat einen wesentlichen Nachteil. Die Summe zweier aufeinanderfolgender Dehnungen mit den L¨angen¨anderun-

104

3 Kinematik des Kontinuums

gen l1 und l2 ist nicht gleich der Dehnung, die sich bei einer stetigen Verl¨angerung um (l1 + l2 ) ergibt ε1 + ε2 =

(l1 )l0 + (l2 )l0 + (l1 )2 l1 l2 = , + l0 (l0 + l1 ) l0 (l0 + l1 )

l1 + l2 (l1 )l0 + (l2 )l0 + (l1 )2 + (l1 )(l2 ) , = l0 l0 (l0 + l1 ) ε1 + ε2 = ε1+2 ε1+2 =

Dieser Unterschied ist nur f¨ur finite Deformationen bedeutsam, f¨ur infinitesimale Deformationen gilt l1 + l2 ε1 + ε2 ≈ ε1+2 ≈ l0 Bei finiten Deformationen kann es daher zweckm¨aßig sein, ein anderes Dehnungsmaß einzuf¨uhren, das heute allgemein als Hencky’sches9 oder logarithmisches Dehnungsmaß εH bezeichnet wird dl dε = , l H

l ˜ l dl ε = = ln = ln κ = ln(1 + ε) ˜l l0 H

(3.54)

l0

Man kann leicht pr¨ufen, dass f¨ur εH auch bei finiten Deformationen H H εH 1 + ε2 = ε1+2

ist l0 + l1 l0 + l1 + l2 l0 + l1 + l2 + ln = ln , l0 l0 + l1 l0 l0 + l1 + l2 = ln l0

H εH 1 + ε2 = ln

εH 1+2

Eine tensorielle Verallgemeinerung des Hencky’schen Dehnungsmaßes ist m¨oglich und sinnvoll (s. auch [1; 4; 2; 3]). Das Hencky’sche Dehnungsmaß eignet sich besonders f¨ur die Deformationsanalyse hochkompressibler K¨orper und zur Beschreibung der Deformationen f¨ur plastische und viskose Materialien. Die hier abgeleiteten Tensoren zur Messung lokaler Verzerrungen sind nur eine Auswahl aus den unterschiedlichen M¨oglichkeiten. Von Rivlin10 und Ericksen11 stammt der folgende Satz [12].

9

Heinrich Hencky (1885-1951), Ingenieur, Plastizit¨atstheorie Ronald Samuel Rivlin (1915-2005), Physiker und Mathematiker, Beitr¨age zur Rheologie und zum Gummiverhalten 11 Jerald LaVerne Ericksen (geb. 1924), Mathematiker, Tensoranalysis, Fluidmechanik, Mechanik der Kristalle 10

3.5 Verzerrungen und Verzerrungsmaße

105

Satz 3.2. Jede isotrope Tensorfunktion 2. Stufe des Green’schen Deformationstensors C oder des Cauchy’schen Deformationstensors B −1 , die eindeutig invertierbar ist, kann als Verzerrungsmaß in Lagrange’schen Koordinaten a oder Euler’schen Koordinaten x definiert werden. Dieser Satz bildet die Grundlage f¨ur die Verallgemeinerung des Green’schen bzw. des Almansi’schen Verzerrungstensors. Die bekanntesten Verzerrungstensoren haben die nachfolgende allgemeine Form. Verallgemeinerte Formulierung von Verzerrungstensoren G (n) = A (n) =

1 1 U 2n −II) = Cn −II) (U (C 2n 2n

(L.D.),

1 1 V −2n ) = B−n ) (II −V (II −B 2n 2n

(E.D.)

Diese Verzerrungstensoren wurden u.a. in den Arbeiten von Seth12 [14] und Hill13 [8] diskutiert. Man nennt sie daher auch Seth-Hill-Familie der verallgemeinerten Verzerrungsmaße bzw. Doyle-Ericksen Tensoren [5]. F¨ur n = 1 erh¨alt man den Green-Lagrange’schen Verzerrungstensor G (L.D.) und den Almansi14 -Euler’schen Verzerrungstensor A (E.D.). n = 1/2 f¨uhrt auf den Biot’schen15 Verzerrungstensor √ C −II ≡ U −II (L.D.) bzw. I−

 V −1 B −1 ≡ I −V

(E.D.)

Die Bezeichnungen Cauchy’scher und Swainger’scher Verzerrungstensor werden in diesem Zusammenhang gleichfalls verwendet. F¨ur n = −1 erh¨alt man den Lagrange-Karni-Reiner16-Verzerrungstensor 1  −1 −1 1 B −II) −II = (B B 2 2

(L.D.)

(3.55)

bzw. den Euler-Karni-Reiner-Verzerrungstensor  1 C−1 I −C 2

(E.D.)

(3.56)

Von besonderem Interesse ist noch der Fall n = 0. Der Hencky’sche (logarithmische, nat¨urliche oder wahre) Verzerrungstensor H ergibt sich mit (s. beispielsweise [3]) 12 13 14 15 16

Bhoj Raj Seth (1907-1979), Mathematiker und Mechaniker, Elastizit¨atstheorie Rodney Hill (1921-2011), Mathematiker, Plastizit¨atstheorie Emilio Almansi (1869-1948), Mathematiker, Rationale Mechanik Maurice Anthony Biot (1905-1985), Physiker, Mechanik por¨oser Medien Markus Reiner (1886-1976), Bauingenieur, Rheologie

106

3 Kinematik des Kontinuums

1 U = C ≡H G (0) = lnU 2 Alternativ gilt 1 V= B A(0) = lnV 2 Damit gilt f¨ur die tensorielle Verallgemeinerung der Hencky’schen Dehnung: • Lagrange’sche Darstellung a, t) = lnU U= H (a

1  T  1 1 C = − lnC C−1 ln F ·FF = lnC 2 2 2 1 1 G) = − ln(II + 2G G)−1 = ln(II + 2G 2 2

• Euler’sche Darstellung x, t) = lnV V= H (x

 1 1 1 B = − lnB B −1 ln F ·FFT = lnB 2 2 2 1 1 A) = ln(II − 2A A)−1 = − ln(II − 2A 2 2

Es sei hervorgehoben, dass die so definierten logarithmischen Verzerrungstensoren gegen¨uber den anderen finiten Verzerrungstensoren den Vorteil haben, dass sie wie ein infinitesimaler, linearisierter Verzerrungstensor additiv in einen Volumen¨anderungsanteil (Kugelanteil) und einen Gestalt¨anderungsanteil (Deviatoranteil) aufgespalten werden k¨onnen. Die Verzerrungstensoren folgen auch durch Vorw¨artsrotation von G in die Momentankonfiguration 1 B −II) G ·R RT = (B (3.57) R ·G 2 oder durch R¨uckw¨artsrotation von A in die Referenzkonfiguration A ·R R= R T ·A

 1 C−1 , I −C 2

und es gelten die Zusammenh¨ange    −1  1 1 −1 B −II) · F T C−1 , F · (B = I −C 2 2   1 1 B −II) C−1 ·FFT = (B F· I −C 2 2 Die Operationen

 −1 F −1 · (. . .) · F T ,

F · (. . .) ·FFT

(3.58)

(3.59)

3.5 Verzerrungen und Verzerrungsmaße

107

nennt man nach Marsden17 und Hughes18 pull-back- und push-forward-Operationen. Sie verbinden materielle und r¨aumliche Tensorgr¨oßen. Alle so definierten Verzerrungstensoren sind finite Verzerrungsmaße. Die Vera = dx x zerrungen sind dimensionslos, haben den Wert Null f¨ur alle Punkte mit da (Starrk¨orperbewegungen) und f¨uhren f¨ur infinitesimale Verzerrungen auf gleiche Verzerrungswerte. Interessant ist noch der Vergleich der linearen Dehnungen x| x| − |da a| |dx |dx a) − 1 = − 1 = κ(a a| a| |da |da a| a| − |dx x| |da |da x) − 1 = − 1 = κ−1 (x x| x| |dx |dx x) a) > 1 > κ−1 (x κ(a −1 x) a κ(a ) < 1 < κ (x

(L.D.), (E.D.),

Verl¨angerung, Verk¨urzung,

0 < κ, κ−1 < ∞ Unter Beachtung der Gln. (3.34) und (3.37) folgt a) = κ2 (a

x |2 a ·C C · da a |dx da = , 2 2 a| a| |da |da

x)]2 = [κ−1 (x

x a|2 dx x ·B B−1 · dx |da = 2 2 x| x| |dx |dx

Zum Vergleich der Dehnungswerte wird ein K¨orper nur in einer Richtung i deformiert und die zugeh¨orige Dehnung mit εi bezeichnet. F¨ur unterschiedliche Verzerrungsmaße erh¨alt man unterschiedliche Gleichungen f¨ur εi . Dehnungsmaße 1 2 Green-Lagrange : εG i = (κi − 1), 2 1 2 A Almansi-Euler : εi = [1 − (κ−1 i ) ], 2 Cauchy : εCi = κi − 1, Swainger : εSi = 1 − κ−1 i , H Hencky : εi = ln κi   x| ds |dx = κ= a| ds0 |da

17

Jerrold Eldon Marsden (1942-2010), Mathematiker, Differentialgeometrie, geometrische Mechanik 18 Thomas Joseph Robert Hughes (geb. 1943), Numerische Mechanik

108

3 Kinematik des Kontinuums

Diese unterschiedlichen Dehnungsmaße ergeben f¨ur gleiche physikalische Sachverhalte ganz unterschiedliche ε-Werte. Soll z.B. die L¨ange auf den doppelten Wert gestreckt werden, erh¨alt man folgende ε-Werte εG = 1.5,

εA = 0.375,

εC = 1,

εS = 0.5,

εH = 0, 69

F¨ur eine Stauchung auf den halben Wert der urspr¨unglichen L¨ange wird εG = −0.375,

εA = −1.5,

εC = −0.5,

εS = −1,

εH = −0, 69

Die Dehnungsmaße von Cauchy und Swainger sind lineare Maße, die vor allem in der linearen Elastizit¨atstheorie benutzt werden. Die nichtlinearen Dehnungsmaße von Green und Almansi werden in der finiten Elastizit¨atstheorie eingesetzt und das Dehnungsmaß nach Hencky findet man vorrangig in der Plastizit¨atstheorie. Eine grafische Darstellung ε u¨ ber κ ist auf Abb. 3.8 gegeben. In Abh¨angigkeit von bestimmten Anforderungen aus der Sicht der Formulierung von Konstitutivgleichungen oder spezieller Testbedingungen wurden z.B. von Biot, Mooney19, Oldroyd20, Signorini21 u.a. weitere Verzerrungsmaße vorgeschlagen, auf die hier nicht eingegangen wird. Anmerkung 3.4. Unabh¨angig von der gew¨ahlten Definition eines Verzerrungsmaßes sind Verzerrungstensoren f¨ur klassische Kontinua symmetrisch und von 2. Stufe. Die Diagonalelemente der Matrix der Koordinaten eines Verzerrungstensors re-

2 Green-Lagrange Cauchy Hencky Swainger Almansi-Euler

ε

1

0

−1

−2

Abb. 3.8 Grafische Darstellung ε u¨ ber κ 19

0

0, 5

1

1, 5

2

κ

Melvin Mooney (1893-1968), Physiker, Rheologie James Gardner Oldroyd (1921-1982), Mathematiker, Viskoelastisches Verhalten von nichtNewton’schen Fluiden 21 Antonio Signorini (1888-1963), Mathematiker und Bauingenieur, Finite Elastizit¨ at, Thermoelastizit¨at 20

3.6 Deformations-, Rotations- und Verzerrungsgeschwindigkeiten

109

pr¨asentieren die normalen Verzerrungen, d.h. L¨angen¨anderungen oder Dilatationen, die Nichtdiagonalglieder die Schubverzerrungen, d.h. die Distorsionen. Wie alle symmetrischen Tensoren 2. Stufe k¨onnen Verzerrungstensoren bez¨uglich ihrer Hauptachsen auf diagonale Tensoren transformiert werden, die Diagonalglieder sind dann die Streckungen/Stauchungen in Richtung der Hauptachsen. Auch die additive Zerlegung in einen Kugeltensor und einen Deviator ist immer m¨oglich. Bei finiten Verzerrungen ist allerdings die aus der Theorie infinitesimaler Verzerrungen bekannte Interpretation der Tensorsummanden als Volumendilatation und Volumendistorsion nicht m¨oglich, d.h. die physikalische Interpretation von Kugeltensor und Deviatortensor bleibt offen. Nur f¨ur das Hencky’sche Verzerrungsmaß kann man die physikalische Interpretation aus der Theorie infinitesimaler Verzerrungen auf finite Verzerrungen u¨ bertragen.

3.6 Deformations-, Rotations- und Verzerrungsgeschwindigkeiten Ausgangspunkt f¨ur die Analyse der Verzerrungsgeschwindigkeiten ist der r¨aumliche Geschwindigkeitstensor, f¨ur den unter Beachtung von Gl. (3.21) gilt x, t) = [∇ ∇x v (x x, t)]T = Lije ie j = F˙ ·FF−1 L (x F¨ur L gilt

x =⇒ dvv = L · dx x, x)· = L · dx (dx

dvi = Lij dxj ,

d.h. mit Hilfe von L kann die Relativgeschwindigkeit eines materiellen Punktes Q x gegen¨uber einem materiellen Punkt P an der Stelle x angegeben am Ort x + dx werden. L ist ein Tensor 2. Stufe, der additiv in einen symmetrischen und einen antisymmetrischen Tensor zerlegt werden kann   1 1 LT LT + L +L L −L 2 2

1

1 ∇x v + ∇x v ∇x v )T +∇ ∇x v )T −∇ = (∇ (∇ 2 2 = D + W,

L=

1 1 Lij = Dij + Wij = (vi,j + vj,i ) + (vi,j − vj,i ) 2 2 Definition 3.15 (Streckgeschwindigkeitstensor). Der symmetrische Anteil D=

 1 LT L +L 2

des Geschwindigkeitsgradienten L heißt Streckgeschwindigkeitstensor (auch Defor¨ mationsgeschwindigkeitstensor). Die Koordinaten von D k¨onnen den Anderungs-

110

3 Kinematik des Kontinuums

geschwindigkeiten f¨ur die L¨angen und die Winkel materieller Linienelemente zugeordnet werden. Definition 3.16 (Drehgeschwindigkeitstensor). Der antisymmetrische Anteil W=

 1 LT L −L 2

des Geschwindigkeitsgradienten L heißt Drehgeschwindigkeitstensor oder Spintensor. Die Koordinaten von W k¨onnen den Drehgeschwindigkeiten materieller Linienelemente zugeordnet werden. x = |dx x|ee sei ein Linienelement in der Momentankonfiguration dx x|2 = ds2 = dx x · dx x |dx und wird materiell nach t abgeleitet x||dx x|· = 2|dx

D(ds2 ) x · dx x· + dx x· · dx x = 2dx x · dx x· = dx Dt

Damit erh¨alt man unter Beachtung von   x · (L L · dx x) = L T · dx x · dx x, dx       1 T 1 1 T L · dx x) + L · dx x · (L x = dx x· x = dx x ·D D · dx x, L dx · dx L +L 2 2 2 x · dx x· = dx x ·L L · dx x = dx x ·D D · dx x, x||dx x|· = dx |dx d.h.

und

D(ds2 ) x ·D D · dx x = 2dx Dt

(3.60)

x |· x x |dx dx dx D· D ·ee = ·D = e ·D x| x| x| |dx |dx |dx

(3.61)

Schlussfolgerung 3.3. In der differentiellen Umgebung eines materiellen Punktes P ¨ der aktuellen Konfiguration h¨angt die zeitliche Anderung des Abstandsquadrates x · dx x)· = (dx

D(ds2 ) x ·D D · dx x = 2dx Dt

nur vom Tensor D ab. a2 , die in der a1 und da Betrachtet man jetzt wieder zwei materielle Linienelemente da Referenzkonfiguration einen rechten Winkel einschließen, d.h. a2 = 0 a1 · da da Bei ihrer Transformation in die aktuelle Konfiguration

3.6 Deformations-, Rotations- und Verzerrungsgeschwindigkeiten

x1 = F · da a1 , dx

111

x2 = F · da a2 dx

a¨ nderte sich nach Abb. 3.7 der rechte Winkel um γ12 und es gilt x1 ||dx x2 | sin γ12 = dx x1 · dx x2 |dx Die materielle Ableitung nach der Zeit liefert x1 ||dx x2 | + sin γ12 (|dx x1 ||dx x2 |)· = (dx x1 )· · dx x2 + dx x1 · (dx x2 )· γ˙ 12 cos γ12 |dx L · dx x1 ) · dx x2 + dx x1 · (L L · dx x2 ) = (L T

x1 · (L L +L L) · dx x2 = dx x1 ·D D · dx x2 = 2dx x1 , dx x2 Orthogonalit¨at in der aktuellen Konfiguration Nimmt man f¨ur die Elemente dx x2 = 0 und γ12 = 0, und man erh¨alt x1 · dx an, ist dx x1 ||dx x2 | = 2dx x1 ·D D · dx x2 γ˙ 12 |dx bzw. D ·ee2 γ˙ 12 = 2ee1 ·D

(3.62)

Schlussfolgerung 3.4. Die L¨angen- und Winkel¨anderungsgeschwindigkeiten materieller Linienelemente gegebener Richtungen sind durch den Deformationsgeschwindigkeitstensor D bestimmt x |· |dx D ·ee, = e ·D x| |dx

D ·eej γ˙ ij = 2eei ·D

¨ F¨ur D = 0 gibt es weder Anderungsgeschwindigkeiten f¨ur L¨angen noch f¨ur die Winkel. Die Deformation in der differentiellen Umgebung von P entspricht dann einer Starrk¨orperbewegung. W wird die Starrk¨orperrotation allein durch W bestimmt. Wegen L = F˙ ·FF−1 = D +W Da Translationen durch den Deformationsgradienten F nicht erfasst werden k¨onnen, bestimmt W die Rotationsgeschwindigkeit eines materiellen Elementes. Das l¨asst sich wie folgt zeigen. Die Richtungs¨anderungsgeschwindigkeit eines materiellen x = |dx x|ee erh¨alt man durch die materielle Zeitableitung des EinheitsElementes dx x vektors e in Richtung des materiellen Elementes dx e=

x)· |dx x|· dx x x (dx dx D ·ee)ee =⇒ e˙ = − = L ·ee − (ee ·D 2 x| x| |dx |dx x| |dx

W , folgt Beachtet man L = D +W D ·ee − (ee ·D D ·ee)ee e˙ = W ·ee +D D ·ee − λee = W ·ee +D

(3.63)

112

3 Kinematik des Kontinuums

Nimmt man nun an, e sei ein Eigenvektor von D , gilt D ·ee = λee, d.h. D ·ee − λee = 0 , und man erh¨alt e˙ = W ·ee (3.64) x der MomentankonfiSchlussfolgerung 3.5. F¨ur alle materiellen Linienelemente dx guration, deren Richtung mit der Richtung eines Eigenvektors von D u¨ bereinstimmt, x. gilt e˙ = W ·ee. W bewirkt somit eine Gesamtrotation von dx Es gilt dann entsprechend Abschn. 2.2.3 die folgende allgemeine Aussage: AT , Satz 3.3 (Dualer Vektor). F¨ur einen schiefsymmetrischen Tensor gilt A = −A d.h. Aij = −Aji . Ein solcher Tensor hat Elemente mit dem Wert 0, wenn i = j gilt, die u¨ brigen Elemente sind paarweise antisymmetrisch. Man kann daher einem solchen Tensor mit 1 1 a = − A × = − Aij (eei × e j ) 2 2 einen dualen axialen Vektor a zuordnen. w = −Wij (eei × e j ) und mit F¨ur W folgt dann 2w

1 1 a = (L a= ∇x v ) ·a a L −L LT ) ·a ∇x v )T − (∇ W ·a (∇ 2 2

1 a = ( gradvv)T − ( gradvv) ·a 2 1 1 ∇x × v (x x, t)]T × a = (rotvv) × a = [∇ 2 2 = w × a,

(3.65)

x, t) ist der axiale Vektor zu W . w hat als Wirbelvektor besond.h. w = (1/2)rotvv(x dere Bedeutung f¨ur Fluide. Damit hat man eine anschauliche Deutung f¨ur die Wirkung von W . Beachtet man die Beziehungen x)· = L · dx x = D · dx x +W W · dx x = D · dx x +w w × dx x, (dx erkennt man x = w × dx x, W · dx

(3.66)

d.h. W ist ein Drehgeschwindigkeitstensor. Der W zugeordnete Vektor w der Winkelgeschwindigkeit ist 1 1 w = rotvv = ∇x × v (3.67) 2 2 Felder, f¨ur die u¨ berall W = 0 ist, heißen daher auch drehfrei oder wirbelfrei (irrotational). Schlussfolgerung 3.6. Die additive Dekomposition L = D + W best¨atigt, dass die f¨ur die lokale Deformation eines materiellen Linienelementes geltende Hintereinanderschaltung einer Streckung/Stauchung und einer lokalen Starrk¨orperdrehung

3.6 Deformations-, Rotations- und Verzerrungsgeschwindigkeiten

113

auch f¨ur die Deformationsraten gilt. F¨ur den Sonderfall einer reinen Starrk¨orper˙ (t) ·Q QT (t). F¨ur isochore Deformationen, die durch bewegung ist D = 0 und W = Q verschwindende Volumen¨anderungen definiert sind, ist D= SpD

1 ∇x v ) = Sp (∇ ∇x v ) = ∇x ·vv = divvv = 0 ∇x v )T + Sp (∇ Sp (∇ 2

¨ Der Sonderfall einer reinen Starrk¨orperbewegung wird im Ubungsbeispiel 3.13 nochmals aufgegriffen. a der ReferenzkonfiguraDa f¨ur den Betrag eines materiellen Linienelementes da ¨ tion keine Anderungsrate auftritt, ist D(ds0 ) =0 Dt

bzw.

D(ds0 )2 = 0, Dt

und es gilt die folgende Gleichung D D x ·D D · dx x (ds2 − ds20 ) = (ds)2 = 2dx Dt Dt

(3.68)

Der symmetrische Tensor 2. Stufe D wirkt also in der aktuellen Konfiguration und ¨ repr¨asentiert die Anderungsgeschwindigkeit des Verzerrungsmaßes (ds2 − ds20). Eine Formulierung f¨ur die Referenzkonfiguration erh¨alt man wie folgt  D  2 D 2 x ·D D · dx x, ds = 2dx ds − ds20 = Dt Dt 

 D ·FF · da a, x ·D D · dx x = (FF · da a) ·D D · (FF · da a) = da a · F T ·D dx  

  1 1 ˙ −1  −1 T ˙ T T T T T L D ·FF = F · L +L F ·D F F ·FF + F ·FF ·FF = F · 2 2  T T 1 T ˙  −1  F · F · F ·FF +FFT · F −1 · F˙ ·FF = 2 T  Wegen F −1 ·FF = F T · F −1 = I gilt dann D ·FF = F T ·D und damit

· 1 1 T ˙ ˙ T  1  T · 1  T ˙ C −II)· = G F · F + F ·FF = F ·FF ≡ F ·FF −II = (C 2 2 2 2 D ˙ · da a ·G a (ds2 − ds20 ) = 2da Dt

(3.69)

˙ ist der materielle oder Green-Lagrange’sche Verzerrungsgeschwindigkeitstensor. G F¨ur den Zusammenhang zwischen dem Tensor D und dem Almansi-Euler’schen ˙ kann man folgende Gleichung ableiten Verzerrungsgeschwindigkeitstensor A

114

3 Kinematik des Kontinuums

D D x ·A A · dx x) (ds2 − ds20 ) = 2 (dx Dt Dt ˙ · dx x)· ·A A · dx x + dx x ·A x + dx x ·A A · (dx x)· ] = 2[(dx 

˙ +L A +A A ·L L ] · dx x x· A LT ·A = 2dx T ˙ +L L ·A A +A A ·L L D =A

(3.70)

Der r¨aumliche Streckgeschwindigkeitstensor D und der r¨aumliche Verzerrungsge˙ liefern somit bei finiten Deformationen unterschiedliche schwindigkeitstensor A Werte. Im Rahmen einer linearen Theorie wird ˙ D ≈A Abschließend seien die wichtigsten Ergebnisse des Abschn. 3.6 noch einmal in Formeln zusammengefasst. Geschwindigkeitsgradient x, t) = [∇ ∇x v (x x, t)]T = Lije ie j , L (x 1 1 L +L LT ) + (L L −L LT ) = D +W x, t) = (L W L (x 2 2

Streck- oder Deformationsgeschwindigkeitstensor D=

1 1 ∇x v ) = (vi,j + vj,i )eeie j ∇x v )T + (∇ (∇ 2 2

Drehgeschwindigkeits- oder Spintensor W=

1 1 ∇x v )T − (∇ ∇x v ) = (vi,j − vj,i )eeie j (∇ 2 2

Relative L¨angen- und Winkel¨anderungsgeschwindigkeit x|· |dx D ·ee, = e ·D x| |dx

D ·eej γ˙ ij = 2eei ·D

3.7 Verschiebungsvektor und Verschiebungsgradient

115

x = |dx x|ee Starrk¨orperdrehung des Linienelementes dx 1 ∇x × v ) × e e˙ = W ·ee = w × e = (∇ 2

¨ Anderungsgeschwindigkeiten des Verzerrungsmaßes ds2 − ds20 D x ·D D · dx x (E.D.) (ds2 − ds20 ) = 2dx Dt ˙ · da a ·G a (L.D.) = 2da ˙ A +A A ·L L] · dx x (E.D), x · [A +L LT ·A = 2dx ˙ = F T ·D G D ·FF,

˙ ·FF−1 D = (FF T )−1 · G

3.7 Verschiebungsvektor und Verschiebungsgradient In den vorherigen Abschnitten wurden die kinematischen Großen bez¨uglich der absoluten Position in der aktuellen Konfiguration eingef¨uhrt. Alternativ kann man auch die Verschiebungen bez¨uglich der Referenzkonfiguration verwenden. Nachfolgend wird die Kinematik des deformierbaren K¨orpers mit Hilfe des Verschiebungsvektors und des Verschiebungsgradienten formuliert (s. Abb. 3.9): a, t) = x (a a, t) −a a, ui (aj , t) = xi (aj , t) − ai, • Verschiebungsvektor (L.D.) u (a x, t) = x −a a(x x, t), ui (xj , t) = xi − ai(xj , t), • Verschiebungsvektor (E.D.) u (x

Q a + da a) u (a x dx P u P0

Abb. 3.9 Verschiebung eines materiellen Punktes oder zweier differentiell benachbarter materieller Punkte aus der Referenzkonfiguration in die Momentankonfiguration)

a

0

x

Q0 a da P0

a

0

a) u (a

x

P

116

3 Kinematik des Kontinuums

• Einf¨uhrung des Verschiebungsgradienten a) x) : =⇒ P(x P0 (a a + da a) =⇒ Q(x x + dx x) : Q0 (a

u(a a, t), x = a +u x = a + da a +u u(a a + da a, t) x + dx

(3.71)

Im Ergebnis der Subtraktion der Gln. (3.71) erh¨alt man x = da a +u u(a a + da a, t) −u u(a a, t) dx F¨ur ein beliebiges Vektorfeld b gilt a)]T · da a a + da a) −b b(a a) = db b(a a) = [∇ ∇a b (a b (a Damit wird

a = (II +JJ) · da a x = da a + (∇ ∇a u )T · da dx

(3.72)

Definition 3.17 (Verschiebungsgradient). Der durch ∇a u (a a, t)]T J ≡ [∇ definierte Tensor heißt materieller Verschiebungsgradient (L.D.). Entsprechend gilt f¨ur den r¨aumlichen Verschiebungsgradient (E.D.) x, t)]T ∇x u (x K ≡ [∇ Betrachtet man die Gleichungen a, t) = x (a a, t) −a a =⇒ (∇ ∇a u )T = (∇ ∇a x )T −II, u (a ∇x a )T , x, t) = x −a a(x x, t) =⇒ (∇ ∇x u )T = I − (∇ u (x

J = F −II, K = I −FF−1 ,

k¨onnen alle bisher abgeleiteten kinematischen Tensoren auch mit Hilfe des Verschiebungsvektors u sowie die Verschiebungsgradienten J und K ausgedr¨uckt werden. Die folgende Zusammenstellung zeigt das beispielhaft. Kinematische Tensoren durch J bzw. K ausgedr¨uckt K, F = I +JJ, F −1 = I −K T C = (II +JJ) · (II +JJ) = I +JJ +JJT +JJT ·JJ, −1 K) · (II −K K)T = I −K K −K KT +K K ·K KT , C = (II −K B = (II +JJ) · (II +JJ)T = I +JJ +JJT +JJ ·JJT , K)T · (II −K K) = I −K K −K KT +K KT ·K K, B −1 = (II −K  1 1 C −II) = J +JJT +JJ ·JJT , G = (C 2 2   1 1 B−1 = K +K KT −K KT ·K K A= I −B 2 2

3.8 Geometrische Linearisierung der kinematischen Gleichungen

117

Wie der Deformationsgradient F liefert auch der Verschiebungsgradient J Aussagen zur Transformation von materiellen Linienelementen aus der Referenzkonfiguration in die Momentankonfiguration. Aus a = da a +JJ · da a = da a + (FF −II) · da a = F · da a x = da a + (∇ ∇a u )T · da dx folgt x = F · da a = (II +JJ) · da a, dx ∇a u )T = J = 0 ist, folgt dx x = da a und es gibt nur Starrk¨orperbewegungen. d.h. falls (∇ Verzerrungen werden ausschließlich durch J erfasst. C,C C−1 und die Verzerrungstensoren G ,A A B−1 ,C Die Deformationstensoren B ,B sind in den Koordinaten des Verschiebungsgradienten nichtlinear. F¨ur G und A sind die Gleichungen ausf¨uhrlich angegeben.

G Gij A Aij

1 ∇a u )T + (∇ ∇a u ) + (∇ ∇a u ) · (∇ ∇a u )T = Gije ie j , (∇ 2   1 ∂ui ∂uj ∂uk ∂uk , = + + 2 ∂aj ∂ai ∂ai ∂aj =

1 ∇x u )T + (∇ ∇x u ) − (∇ ∇x u ) · (∇ ∇x u )T = Aije ie j , (∇ 2   1 ∂ui ∂uj ∂uk ∂uk = + − 2 ∂xj ∂xi ∂xi ∂xj =

Man bezeichnet diese Nichtlinearit¨at als geometrisch nichtlineare Formulierung. Sie ist bei finiten Deformationen stets zu beachten. Im Abschn. 3.8 wird erl¨autert, wie die Gleichungen bei infinitesimalen Deformationen linearisiert werden k¨onnen. Die Formulierung der kinematischen Gleichungen der Kontinuumsmechanik auf der Grundlage der Verschiebungsvektoren und -gradienten ist vor allem in der klassischen Elastizit¨atstheorie u¨ blich. Bei großen Deformationen wird vielfach darauf verzichtet.

3.8 Geometrische Linearisierung der kinematischen Gleichungen F¨ur viele Anwendungsbereiche sind die auftretenden Deformationen von vornherein sehr klein oder sie m¨ussen aus Gr¨unden der Sicherheit und der funktionellen Zuverl¨assigkeit beschr¨ankt werden. Man kann f¨ur diese Aufgaben die kinematischen Gleichungen der Kontinuumsmechanik durch eine geometrische Linearisierung“ ” vereinfachen.

118

3 Kinematik des Kontinuums

Die Gr¨oße einer Deformation wird mittels der Norm des Verschiebungsgradienten J gemessen22  δ = ||JJ|| =

Sp (JJ ·JJT )

(3.73)

Eine Deformation wird somit als klein definiert, wenn die Norm von J , ausgedr¨uckt durch eine positive Zahl δ, klein ist. F¨ur kleine δ-Werte sind notwendigerweise auch alle Komponenten von J klein. Kleine δ-Werte schließen somit kleine Verzerrungen und kleine Rotationen ein. Die Verschiebungen selbst k¨onnen bei der so gew¨ahlten Definition der Gr¨oße einer Deformation klein oder groß sein. Eine Funktion von J ist von der Ordnung O(δ) mit O als dem entsprechenden Landau-Symbol23,24 , falls f¨ur jede positive Zahl M und δ → 0 gilt ||O(δ)|| < Mδ

(3.74)

Definition 3.18 (Infinitesimale Deformation). Eine Deformation heißt klein oder infinitesimal, falls δ 1. Anderenfalls spricht man von großen oder finiten Deformationen. Aus Gl. (3.73) folgt J ∼ O(δ) und J T ∼ O(δ) O(δm )O (δn )

F¨ur alle positiven ganzen Zahlen m, n gilt Produkt J ·JJT von h¨oherer Ordnung klein ist   J ·JJT ∼ O δ2

(3.75) =

O (δm+n ),

sodass das (3.76)

Definition 3.19 (Konsistente geometrische Linearisierung). Bei einer konsistenten geometrischen Linearisierung werden alle Terme der Ordnung O(δn ), n  2, gegen¨uber den Termen der Gr¨oßenordnung O(δ) vernachl¨assigt. Mit den hier getroffenen Vereinbarungen erh¨alt man   J +JJT ∼ O(δ) J ∼ O(δ), J T ∼ O(δ),

(3.77)

F¨ur die materiellen finiten Deformations  und Verzerrungstensoren (L.D.) k¨onnen dann mit Hilfe von G ∗ = (1/2) J +JJT folgende Absch¨atzungen gegeben werden.     G∗ + O δ2 , G∗ + O δ2 , U = I +G V = I +G   (3.78) G∗ + O δ2 , G = G ∗ + O δ2 G∗ + O δ2 , B = I + 2G C = I + 2G Ferner gilt F = I +JJ, 22

  F −1 = (II +JJ)−1 = I −JJ + O δ2 ,

(3.79)

Die nachfolgende Norm entspricht der Verallgemeinerung einer euklidischen Norm bzw. L2Norm f¨ur Vektoren im Falle von Tensoren. 23 Edmund Landau (1877-1938), Mathematiker, analytische Zahlentheorie 24 Nach anderen Quellen ist das Symbol mit der Bachmann-Landau Notation verbunden (Paul Gustav Heinrich Bachmann (1837-1920), Mathematiker).

3.8 Geometrische Linearisierung der kinematischen Gleichungen

119

  −1  

U−1 = (II +JJ) · I +G G ∗ + O δ2 G∗ + O δ2 R = F ·U = (II +JJ) · I −G       1 1 = I +JJ − (3.80) J +JJT + O δ2 = I + J −JJT + O δ2 2 2   R ∗ + O δ2 , = I +R   G∗ + O(δ2 ) detFF = 1 + detJJ + O δ2 = 1 + detG

   Aus G ∗ = (1/2) J +JJT und R ∗ = (1/2) J −JJT folgt die Gleichung R∗ , J = G ∗ +R

1

1 ∇a u ) + (∇ ∇a u ) ∇a u )T = ∇a u )T + (∇ ∇a u )T − (∇ (∇ (∇ 2 2

(3.81)

Schlussfolgerung 3.7. Der Verschiebungsgradient J kann bei infinitesimalen Deformationen als Summe des linearisierten Verzerrungstensors G∗ und des linearisierten Drehtensors R ∗ dargestellt werden. Bei kleinen Verzerrungen entspricht somit die additive Aufspaltung des Verschiebungsgradienten in einen symmetrischen Anteil und einen antisymmetrischen Anteil einer Zerlegung der Deformation in Verzerrungen und lokale Starrk¨orperdrehungen. Bei finiten Deformationen ist eine solche additive Zerlegung nicht m¨oglich. An ihre Stelle tritt dann die polare Tensorzerlegung. F¨ur die finiten Deformations- und Verzerrungstensoren (E.D.) gelten analoge linearisierte Gleichungen   K −K KT + O δ2  , C −1 = I −K K −K K T + O δ2 , B −1 = I −K (3.82)  2  1   2 1 −1 T ∗ B K +O δ =A +O δ A = = K +K I −B 2 2 Der Almansi-Euler-Tensor A geht bei der geometrischen Linearisierung in den klassischen linearen Euler’schen Verzerrungstensor A∗ =

 1 K +K KT 2

u¨ ber. Auch hier gilt Ω∗ , = A ∗ +Ω

1

1 ∇x u ) + (∇ ∇x u ) , ∇x u )T = ∇x u )T + (∇ ∇x u )T − (∇ (∇ (∇ 2 2

K

(3.83)

d.h. der r¨aumliche Verschiebungsgradient kann bei einer geometrischen Linearisierung additiv in den Cauchy’schen r¨aumlichen Verzerrungstensor   1 ∂ui ∂uj e ie j + A∗ = 2 ∂xj ∂xi

120

3 Kinematik des Kontinuums

und den r¨aumlichen Drehtensor 1 Ω = 2 ∗



 ∂ui ∂uj − e ie j ∂xj ∂xi

zerlegt werden. Beachtet man noch, dass bei kleinen Verschiebungsgradienten f¨ur die Ableitungen von Tensoren beliebiger Stufe nach den Lagrange’schen Koordinateon ai mit ∂ui ∂xi ∂xi = − δij 1, ≈ δij ∂aj ∂aj ∂aj gilt, folgt

a(x x)] ∂TT [a ∂TT ∂xk ∂TT = ≈ δik , ∂ai ∂xk ∂ai ∂xk

und man erh¨alt

∂TT ∂TT ≈ ∂ai ∂xi

(3.84)

Schlussfolgerung 3.8. Im Rahmen einer geometrisch linearen Theorie braucht nicht zwischen einer Lagrange’schen und einer Euler’schen Darstellung unterschieden werden. Die linearisierten Verzerrungs- und Drehtensoren sowie die Verschiebungsgradienten in (L.D.) und (E.D.) stimmen dann u¨ berein       G ∗ = A ∗ + O δ2 , R ∗ = Ω ∗ + O δ2 , J = K + O δ2 ¨ Ublicherweise werden der lineare Cauchy’schen Verzerrungstensors und der Drehtensor wie folgt eingef¨uhrt ε=

1 ∇x u ) , ∇x u )T + (∇ (∇ 2

ω=

1 ∇x u ) ∇x u )T − (∇ (∇ 2

Die Koordinaten des linearen Cauchy’schen Verzerrungstensors werden in der Elastizit¨atstheorie meist mit εij , die des Drehtensors mit ωij bezeichnet, d.h. f¨ur die Koordinaten gelten die Gleichungen   1 ∂ui ∂uj Dehnungen, εij , i = j + , εij = 2εij = γij , i = j Gleitungen, 2 ∂xj ∂xi   (3.85) 1 ∂ui ∂uj ωij = − 2 ∂xj ∂xi F¨ur die Koordinatenmatrix



Ωij

⎤ 0 ω12 ω13 = [ωij ] = ⎣ −ω12 0 ω23 ⎦ −ω13 −ω23 0 ⎡

ergibt sich dann die folgende Interpretation. Dem schiefsymmetrischen Tensor ωij = −ωji kann wieder ein axialer Vektor ω ax zugeordnet werden

3.8 Geometrische Linearisierung der kinematischen Gleichungen

Ω∗ij ≡ ωij = −εijk ωax k, 1 1 ωax i = − 2 εijk ωjk = 2 εijk uk,j , 1 1 u = ∇ × u, ω ax = rotu 2 2

121

1 ωax 1 = (u3,2 − u2,3 ), 2 1 ωax 2 = (u1,3 − u3,1 ), 2 1 ωax 3 = (u2,1 − u1,2 ) 2

(3.86)

Dies entspricht genau den infinitesimalen Drehungen um die Koordinatenachsen. Betrachtet man als Beispiel die x1 , x2 -Ebene, d.h. die Drehung um die x3 -Achse, erh¨alt man ω3 entsprechend Abb. 3.10. F¨ur infinitesimale Verzerrungen gilt G ≈ G∗ ≈ A ≈ A∗ Der infinitesimale Cauchy’sche Verzerrungstensor A ∗ ist symmetrisch, er kann somit auf Hauptachsen transformiert werden ⎤ ⎡ 0 AI 0 ⎣ 0 AII 0 ⎦ A∗ ]nI ,n [A nII ,n nIII = 0 0 AIII ni , i = I, II, III sind die Einheitsvektoren in Richtung der Hauptachsen, die Hauptdehnungen werden mit Ai , i = I, II, III bezeichnet. Die drei materiellen LinieneleIII mente dsI0 , dsII 0 , ds0 in Richtung der Hauptachsen haben nach der Deformation die I II L¨angen ds , ds , dsIII , d.h. dsi = (1 + Ai )dsi0 ,

i = I, II, III

III F¨ur ein Volumenelement dV0 = dsI0 dsII 0 ds0 ergibt sich dann die Volumendifferenz

dV − dV0 = dV0 (AI + AII + AIII ) + Glieder h¨oherer Ordnung und damit eine relative Volumen¨anderung (Dilatation) dV − dV0 = AI + AII + AIII = εV dV0

(3.87)

x2

1 ω21 2

Abb. 3.10 Lokale Starrk¨orperdrehung eines Elements in der x1 , x2 -Ebene

x3

+

1 ω12 2

=

ω3

x1

122

3 Kinematik des Kontinuums

u folgt auch Mit AI + AII + AIII = A∗ii = ui,i = ∇ ·u u = ∇ ·u u εV = divu

(3.88)

Durch eine additive Aufspaltung des Verzerrungstensors A ∗ in einen Kugeltensor und einen Deviator erh¨alt man   1 1 ∗ ∗ ∗ ∗ A )II + A − (SpA A )II A = (SpA 3 3   1 1 ∗ u)II + A − ( divu u )II (3.89) = ( divu 3 3   1 ∗ 1 ∗ A ·· A ·· ··II)II + A ∗ − (A ··II)II = (A 3 3 bzw. A∗ij =

  1 ∗ 1 Akk δij + A∗ij − A∗kk δij 3 3 (Dilatation) (Distorsion)

Der Kugeltensor repr¨asentiert die gesamte Volumendehnung (Dilatation) des Volumenelementes, die Gestalt¨anderung (Distorsion) wird allein durch den Deviatoranteil bestimmt. Eine derartige additive Aufspaltung des Tensors in einen Dilatationsund einen Distorsionstensor ist auf infinitesimale Verzerrungen beschr¨ankt. Eine Ausnahme bildet das Hencky’sche Dehnungsmaß, f¨ur das auch bei großen Deformationen die additive Aufspaltung in den Kugeltensor und den Deviator die physikalische Bedeutung einer Volumen- und einer Gestalt¨anderung beh¨alt. Die geometrische Linearisierung kann auch auf den Geschwindigkeitsgradienten und die Streck- und Drehgeschwindigkeitstensoren angewendet werden und liefert somit auch f¨ur diese Gr¨oßen asymptotische N¨aherungen  

  L = F˙ ·FF−1 = J˙ · I −JJ + O δ2 = J˙ + O δ2 , (3.90)  2 1 ˙ ˙ T  1 ˙ ˙T F +F = J +J + O δ , (3.91) D= 2 2

    1 ˙ ˙T 1 ˙ ˙T (3.92) F −F = J − J + O δ2 W= 2 2 Im Rahmen der geometrischen Linearisierung ist der r¨aumliche Strecktensor D asymptotisch gleich dem Verzerrungsgeschwindigkeitstensor G˙  

˙ = 1 F˙ T ·FF +FFT · F˙ = 1 J˙ T ·FF +FFT · J˙ , G 2 2   1 ˙ ˙T  J + J + O δ2 , = 2     ˙ ∗ + O δ2 = A ˙ ∗ + O δ2 , =G Unter Beachtung der Beziehungen (3.91) und (3.93) folgt

(3.93)

3.8 Geometrische Linearisierung der kinematischen Gleichungen

123

˙∗ ≈D ≈A ˙∗ G Bei der Entwicklung geometrisch linearer Feldtheorien ist stets darauf zu achten, dass alle Gr¨oßen und Gleichungen konsistent linearisiert werden. Im Teil III wird gezeigt, dass sich geometrische und physikalische Linearisierung nicht bedingen, sondern dass eine geometrische Linearisierung auch f¨ur physikalisch nichtlineare Konstitutivgleichungen sinnvoll sein kann und umgekehrt. Man vermeidet daher m¨oglichst die Anwendung allgemeiner geometrisch und physikalisch nichtlinearer Grundgleichungen der Kontinuumsmechanik. Abschließend seien die wichtigsten Gleichungen noch einmal zusammengefasst. Geometrische Linearisierung kinematischer Gleichungen a ≈ x,

C

∇a u )T ≈ (∇ ∇x u )T =⇒ J ≈ K , ∇a ≈ ∇x =⇒ (∇

K, K, F = I +JJ ≈ I +K F −1 = I −JJ ≈ I −K

T ∇a u ) + (∇ ∇a u ) ≈ B ≈ I + (∇

C −1 ≈ B −1

= I +JJ +JJT = C∗

∇a u )T + (∇ ∇a u ) ≈ I − (∇ = I −JJ −JJT

= B∗,

C∗ )−1 = (B B ∗ )−1 , = (C

1 ∇a u ) ∇a u )T + (∇ (∇ 2  1 = I+ = U∗ = V ∗, J +JJT 2

1 ∇a u ) ∇a u )T + (∇ G ≈A ≈ (∇ 2  1 J +JJT = = G∗ = A∗ 2

1 ∇a u ) ∇a u )T − (∇ R ≈Ω ≈ (∇ 2  1 J −JJT = = R∗ = Ω∗, 2

1 ∇a u ) ∇a u )T + (∇ J ≈K ≈ (∇ 2

1 ∇a u ) R∗ , ∇a u )T − (∇ + = A ∗ + Ω ∗ ≈ G ∗ +R (∇ 2 L ≈ J˙ , 1 ˙ ˙ T  1 ˙ ˙T ˙ ∗, ˙ ≈A ˙ ≈G ˙∗ =A J +J , J −J , W≈ G D≈ 2 2   (. . .)∗ linearisierte Gr¨oße; A ≈ A ∗ → A = A ∗ + O δ2 U ≈ V ≈ I+

124

3 Kinematik des Kontinuums

¨ 3.9 Ubungsbeispiele Aufgabe 3.1 (Bewegungen). Man interpretiere die folgenden Bewegungen a, t) = a + kta2e 1 a) x (a a, t) = a + kta a b) x (a Die Referenzkonfiguration ist der Einheitsw¨urfel, der bei der Bewegung im Koordinatenursprung fixiert ist. Aufgabe 3.2 (Bewegungsgleichung). Man pr¨ufe, ob f¨ur die Bewegungsgleichung a, t) mit x (a   x1 (aj , t) = a1 et + a3 et − 1 ,   x2 (aj , t) = a2 + a3 et − e−t , x3 (aj , t) = a3 die Jacobi-Determinante von Null verschieden ist und formuliere gegebenenfalls die x, t). Gleichung a (x Aufgabe 3.3 (Geschwindigkeits- und Beschleunigungsfeld). Ein starrer K¨orper x) = ω3e3 um die x3 -Achse. rotiere mit einer konstanten Winkelgeschwindigkeit ω(x x, t) bzw. b(x x, t). Man berechne das Geschwindigkeits- und Beschleunigungsfeld v(x Aufgabe 3.4 (Beschleunigungsfeld). Man berechne f¨ur ein gegebenes Geschwinx, t) = x /(1 + t) das zugeh¨orige Beschleunigungsfeld b = b (x x, t) digkeitsfeld v (x a, t) f¨ur einen materiellen Punkt a . und bestimme die Bahnkurve x = x (a Aufgabe 3.5 (Temperaturfeld). Ein materieller Punkt bewege sich auf gegebener Bahn xi = xi (aj , t) :

x1 = a1 + 2a2t,

x2 = a 1 t + a 2 ,

x3 = 3a3 ,

in einem station¨aren Temperaturfeld Θ = Θ(xi ) = 2x1 + 3x2 . Man beschreibe das Temperaturfeld in materiellen Koordinaten und berechne die Geschwindigkeit sowie die Temperatur¨anderung f¨ur einen speziellen materiellen Punkt. Aufgabe 3.6 (Gradient des Ortes). Man zeige, dass die Deformationsgradienten in Lagrange’scher und in Euler’scher Darstellung einander inverse Tensoren sind. Aufgabe 3.7 (Transformation von Volumenelementen). Das infinitesimale Volumenelement in der Referenzkonfiguration dV0 habe die Kantenvektoren a1 = da11e 1 , da a2 = da22e 2 , da a3 = da33e 3 , da das Volumenelement dV in der Momentankonfiguration die Kantenvektoren x2 = dx2je j , dx x3 = dx3ke k . x1 = dx1ie i , dx dx Man u¨ berpr¨ufe die Transformation dV = (detFF)dV0 mit Hilfe der Indexschreibweise.

¨ 3.9 Ubungsbeispiele

125

Aufgabe 3.8 (Materielle Ableitung der Jacobi-Determinante). Man bilde die materielle Ableitung f¨ur die Jacobi-Determinante. Aufgabe 3.9 (Geschwindigkeitsfeld). Man berechne f¨ur eine gegebene Deformatia, t) = (a1 + αta2)ee1 + a2e2 + a3e3 on x(a a) das r¨aumliche und das materielle Geschwindigkeitsfeld b) den r¨aumlichen und den materiellen Geschwindigkeitsgradienten ¨ A )· und (dV)· von dx x, dA A und dV x)· , (dA c) die Anderungsgeschwindigkeiten (dx Aufgabe 3.10 (Deformations- und Verzerrungstensoren). Man formuliere f¨ur folgende Deformationen die Deformations- und Verzerrungstensoren a) Starrk¨orperdeformation b) Reine Verzerrung c) Isochore Deformation d) Homogene Deformationen mit den Sonderf¨allen α) Gleichm¨aßige Dilatation (sph¨arische oder isotrope Deformation) β) Einfache Dehnung γ) Einfacher Schub Aufgabe 3.11 (Verzerrungstensoren). Ein rechteckiger Gummiblock habe die in Abb. 3.11 angegebene Lage a) (Referenzkonfiguration). Nach der Deformation hat a) f¨ur die maer die Lage b) (Momentankonfiguration). Der Positionsvektor x = x (a teriellen Punkte des K¨orpers habe in der Lage b) die Koordinaten (L.D.) x1 = a 1 +

a

k 2 a , h2 2

x2 , a2

x2 = a 2 ,

b

x3 = a 3

x2 , a2

k

l

h

x1 , a1 a1 = x1 −

x3 , a3

k 2 a h2 2

x3 , a3

Abb. 3.11 Gummiblock: a Referenzkonfiguration, b Momentankonfiguration

x1 , a1

126

3 Kinematik des Kontinuums

Man formuliere den verformten Zustand in (E.D.), berechne die Koordinaten des Verschiebungsfeldes in (L.D.) und (E.D.) und der nichtlinearen und der linearen Lagrange’schen und Almansi’schen Verzerrungstensoren. Aufgabe 3.12 (Koeffizientenmatrix). Gegeben ist ein Verschiebungsfeld in r¨aumlichen Koordinaten x) = x21e 1 + x23e 2 + x22e 3 u (x Man berechne ∇x u )T ≡ K zur Basis e i , a) die Koeffizientenmatrix von (∇ T T u, (∇ ∇x u ) × u , (∇ ∇x u )T u , ∇x u ) ·u b) (∇ c) grad u , div u , rot u Aufgabe 3.13 (R¨aumlicher Geschwindigkeitstensor). F¨ur den r¨aumlichen Geschwindigkeitstensor gelte die additive Dekomposition W L = D +W Man zeige, dass f¨ur den Sonderfall einer reinen Starrk¨orperbewegung D = 0 und ˙ (t) ·Q QT (t) gilt. W =Q Aufgabe 3.14 (Polare Zerlegung des Deformationsgradienten). F¨ur den Deformationsgradienten F ist die polare Dekomposition entsprechend einer Idee aus [15] durchzuf¨uhren. F¨ur jeden invertierbaren Tensor 2. Stufe F gilt zun¨achst U = V ·R R F = R ·U mit R =I RT = R T ·R R ·R Folglich ist U 2 = C = F T ·FF,

V 2 = B = F ·FFT

Damit folgt formal U = C 1/2 ,

U−1 , R = F ·U

U ·R RT V = B 1/2 = R ·U

Man bestimme U und U −1 mit Hilfe von C sowie R und V .

3.10 L¨osungen L¨osung zur Aufgabe 3.1. F¨ur den Einheitsw¨urfel 0ABCDEFG gilt t=0

0: A: B: C:

(a1 , a2 , a3 ) = (a1 , a2 , a3 ) = (a1 , a2 , a3 ) = (a1 , a2 , a3 ) =

(0, 0, 0), (0, 1, 0), (0, 1, 1), (0, 0, 1),

D : (a1 , a2 , a3 ) = E : (a1 , a2 , a3 ) = F : (a1 , a2 , a3 ) = G : (a1 , a2 , a3 ) =

(1, 0, 0), (1, 1, 0), (1, 1, 1), (1, 0, 1)

3.10 L¨osungen

127

a) Im Fall der ersten Bewegungsgleichung erh¨alt man t>0

0: A: B: C:

(a1 , a2 , a3 ) = (0, 0, 0), (a1 , a2 , a3 ) = (kt, 1, 0), (a1 , a2 , a3 ) = (kt, 1, 0), (a1 , a2 , a3 ) = (0, 0, 1),

D: E: F: G:

(a1 , a2 , a3 ) = (a1 , a2 , a3 ) = (a1 , a2 , a3 ) = (a1 , a2 , a3 ) =

(1, 0, 0), (1 + kt, 1, 0), (1 + kt, 1, 1), (1, 0, 1)

Damit wird aus dem W¨urfel ein Parallelepiped mit gleicher Kantenl¨ange in Folge einer Schubdeformation. b) Im Fall der zweiten Bewegungsgleichung erh¨alt man t>0

0: A: B: C: D: E: F: G:

(a1 , a2 , a3 ) = (0, 0, 0), (a1 , a2 , a3 ) = (0, 1 + kt, 0), (a1 , a2 , a3 ) = (0, 1 + kt, 1 + kt), (a1 , a2 , a3 ) = (0, 0, 1 + kt), (a1 , a2 , a3 ) = (1 + kt, 0, 0), (a1 , a2 , a3 ) = (1 + kt, 1 + kt, 0), (a1 , a2 , a3 ) = (1 + kt, 1 + kt, 1 + kt), (a1 , a2 , a3 ) = (1 + kt, 0, 1 + kt)

Damit erf¨ahrt der W¨urfel eine Volumendehnung, er bleibt dabei ein W¨urfel. Die L¨osungen sind in Abb. 3.12 dargestellt. a

b

a2

A

E

A B

a2

D

0

F

B

F

E

0

D a1

a1 C a3

G

C a3

G

Abb. 3.12 Grafische Darstellung der L¨osung 3.1: a) Schub, b) Volumendehnung

L¨osung zur Aufgabe 3.2. Die Jacobi-Determinante wird elementar berechnet     t 0  et − 1   ∂xi   e    1 et − e−t  = et = 0  ∂a  =  0 j 0  0 1

128

3 Kinematik des Kontinuums

Damit k¨onnen die Langrange’schen Koordinaten der Bewegung angegeben werden a3 (xj , t) = x3 ,   a2 (xj , t) = x2 − x3 et − e−t ,   a1 (xj , t) = x1 e−t − x3 1 − e−t a, t) und Die Jacobi-Determinante ist von Null verschieden, die Funktionen x (a x, t) sind somit umkehrbar eindeutig zugeordnet. a (x L¨osung zur Aufgabe 3.3. Das Geschwindigkeitsfeld folgt aus v = ω × x = ω3e 3 × xie i = ω3 xie 3 × e i = ω3 xi ε3ike k = −ω3 x2e 1 + ω3 x1e 2 Die Koordinaten sind damit v1 = −x2 ω3 ,

v2 = x1 ω3 ,

v3 = 0

Die Beschleunigung ergibt sich aus Dvv ∂vv ∇v = +vv ·∇ Dt ∂t Mit v = −x2 ω3e 1 + x1 ω3e 2 und

∇v = −ω3e 2e 1 + ω3e 1e 2

folgt die Beschleunigung b=

∂vv ∇v = −x1 ω23e 1 − x2ω23e 2 +vv ·∇ ∂t

Damit ist x), v = −x2 ω3e 1 + x1 ω3e 2 = v (x

x) b = −x1 ω23e 1 − x2ω23e 2 = b (x

L¨osung zur Aufgabe 3.4. Mit der Geschwindigkeit x, t) = v (x

x 1+t

folgt die Beschleunigung x, t) = b (x

x −x x Dvv ∂vv ∇v = = +vv ·∇ + =0 Dt ∂t (1 + t)2 (1 + t)2

Die Bahnkurve ergibt sich aus

3.10 L¨osungen

129

v = x˙ =

x 1+t

¨ Der Ubergang zur Darstellung in Komponenten f¨uhrt auf vi =

xi dxi = dt 1+t

Die Integration lautet dann x i xi0 =ai



und man erh¨alt ln

xi ai

dxi = xi

t t0 =0



 = ln

dt 1+t

1+t 1



bzw. xi = (1 + t)ai a. Das f¨ur xi  ai . Die Zusammenfassung der drei Gleichungen f¨uhrt auf x = (1 +t)a entsprechende Geschwindigkeitsfeld verschwindet und f¨ur das Beschleunigungsfeld x, t) ≡ 0 . Die Gleichung der Bahnkurve ist x (a a, t) = (1 + t)a a. gilt b (x L¨osung zur Aufgabe 3.5. Es gilt Θ(xi ) = Θ[xi (aj , t)], Θ(aj , t) = 2(a1 + 2a2 t) + 3(a1t + a2) = (2 + 3t)a1 + (3 + 4t)a2, vi (aj , t) = x˙ i (aj , t) : v1 = 2a2 , v2 = a1 , v3 = 0, DΘ(aj , t) = 3a1 + 4a2 Dt Schlussfolgerung 3.9. Auch im station¨aren Temperaturfeld a¨ ndert sich die Temperatur eines materiellen Punktes bei seiner Bewegung entlang der Bahnkurve. L¨osung zur Aufgabe 3.6. Man kann direkt ausrechnen ∂xi ∂ak ∂xi ∂ak e ie j · e ke l = δjke ie l ∂aj ∂xl ∂aj ∂xl ∂xi ∂aj ∂x eiel = i eiel = δileiel = I q.e.d. = ∂aj ∂xl ∂xl

∇x a )T = ∇a x )T · (∇ (∇

L¨osung zur Aufgabe 3.7. Es gilt zun¨achst a1 × da a2 ) · da a3 = (da11e 1 × da22e 2 ) · da33e 3 dV0 = (da = (ee1 × e2 ) ·ee3 da11 da22da33 = (ee3 ·ee3 )da11 da22 da33 = da11 da22da33 In der aktuellen Konfiguration erh¨alt man

130

3 Kinematik des Kontinuums

x1 × dx x2 ) · dx x3 = (dx1ie i × dx2je j ) · dx3ke k dV = (dx = (eei × ej ) ·eek dx1idx2j dx3k = εijl (eel ·eek )dx1i dx2j dx3k = εijl δlk dx1i dx2jdx3k = εijk dx1i dx2jdx3k = εijk Fip da1p Fjq da2q Fkr da3r = εijk Fi1 da11 Fj2 da22 Fk3 da33 = εijk Fi1 Fj2 Fk3 da11 da22 da33 Mit εijk Fi1 Fj2 Fk3 = detFF folgt dV = detFF dV0

q.e.d.

L¨osung zur Aufgabe 3.8. Die Jacobi-Determinante ist entsprechend Gl. (3.2) definiert und mit den Gln. (3.8) und (3.9) kann sie wie folgt ausgedr¨uckt werden   ∂xi ∇a x = detFFT = detFF = det∇ det ∂aj Die letzte Identit¨at folgt aus den Rechenregeln der Abschn. 2.2.4. Es gilt dann weiterhin mit der Kettenregel ∂detFF DFFT ∂ (detFF) = ·· ∂t ∂FF Dt Im Abschn. 2.4.3 wurde die Identit¨at ∂detFF = detFF(FF T )−1 ∂FF formuliert. Wegen DFF = L ·FF Dt folgt abschließend D L ·FF)T (detFF) = detFF(FF T )−1 · ·(L Dt LT ) = detFF(FF T )−1 · ·(FFT ·L In Indexschreiweise folgt aus   ∂xi , xi = xi (a1 , a2 , a3 , t), det [Fij ] ≡ det ∂aj

ai = ai (x1 , x2 , x3 , t)

zun¨achst die Ableitung der Jacobi-Determinante in der Form

3.10 L¨osungen

131

 DFlk ∂  det [Fij ] ∂Fkl Dt   ∂2 xl ∂ det [Fij ] = ∂Fkl ∂ak ∂t  ∂vl ∂  = det [Fij ] ∂Fkl ∂ak

(det [Fij ])· =

a, t) zur r¨aumlichen GeGeht man von der materiellen Geschwindigkeit v = v (a x, t) u¨ ber, gilt auch schwindigkeit v = v (x ·  det [Fij ] = Wegen

 ∂vl ∂xm  ∂vl ∂  ∂  = Fkm det [Fij ] det [Fij ] ∂Fkl ∂xm ∂ak ∂Fkl ∂xm  ∂  det [Fij ] Fkm = det [Fij ]δlm ∂Fkl

folgt (det [Fij ])· = det [Fij ]δlm

∂vl = det[Fij ]vm,m ∂xm

L¨osung zur Aufgabe 3.9. Mit den Gr¨oßen a, t) = (a1 + αta2)ee1 + a2e 2 + a3e 3 , x (a x1 = a1 + αta2; x2 = a2 ; x3 = a3 , a1 = x1 − αtx2; a2 = x2 ; a3 = x3 , x, t) = (x1 − αtx2)ee1 + x2e 2 + x3e 3 a (x erh¨alt man a) das r¨aumliche und das materielle Geschwindigkeitsfeld a, t) = x˙ (a a, t) = αa2e 1 , v (a x, t) = −αx2e 1 v (x b) den r¨aumlichen und den materiellen Geschwindigkeitsgradienten ∇a v (a a, t)]T = αee1e 2 , [∇ x, t)]T = −αee1e 2 ∇x v (x [∇ ¨ c) die Anderungsgeschwindigkeiten x)· = L · dx x = −αee1e 2 · dxie i = −αee1 dx2 , (dx · LT · dA A = αee2 dA1 , A = (00 αee2e 1 ) · dA A) = ( divvv)II −L (dA (dV)· = 0

132

3 Kinematik des Kontinuums

L¨osung zur Aufgabe 3.10. Folgende Aussagen k¨onnen getroffen werden a) Notwendiges und hinreichendes Kriterium f¨ur eine Starrk¨orperdeformation ist, dass die L¨angen aller materiellen Linienelemente bei der Deformation konstant bleiben. Damit erh¨alt man F −1 = F T , U = V = I, G = A =0

B = C = B −1 = C −1 = I ,

b) Eine reine Verzerrung ist dadurch charakterisiert, dass sich bei der Deformation die Verzerrungshauptachsen nicht a¨ ndern. Voraussetzung daf¨ur ist, dass der R = I ). Mit Rotationstensor R gleich dem Einheitstensor ist (R R U = V ·R R = R ·C C1/2 = B 1/2 ·R F = R ·U folgt dann F = U = V = C 1/2 = B 1/2 Anmerkung 3.5. Aus der Voraussetzung, dass die Verzerrungshauptachsen nicht rotieren, kann nicht gefolgert werden, dass beliebige materielle Linienelemente auch nicht rotieren. c) Wenn alle Volumenelemente eines K¨orpers konstant bleiben, heißt die Deformation isochor. Die Jacobi-Determinante hat dann den Wert 1 und es gilt detFF = 1,

dV = dV0 = const.,

εV = 0

d) Haben alle K¨orperelemente bei einer Deformation das gleiche Transformationsgesetz x, a, detFF = 1, x = F ·a a = F −1 ·x ist F unabh¨angig von x bzw. a und die Deformation heißt homogen. Sonderf¨alle α) Sind bei einer homogenen Deformation alle Hauptdehnungen gleich, heißt die Deformation isotrop  0 i = j Fij = ; xi = λai , i = 1, 2, 3 λ i=j F¨ur λ > 1 wird ein materielles Linienelement gedehnt, f¨ur λ < 1 gestaucht, und zwar in Richtung ai . Die Hauptdehnungen sind λ − 1, die Hauptachsen haben die Richtung der e i . Aus ⎡ ⎤ λ00 [Fij ] = ⎣ 0 λ 0 ⎦ 00λ folgt f¨ur die Deformationstensoren

3.10 L¨osungen

133

B = C = λ2I ,

B −1 = C −1 = λ−2I

und die Verzerrungstensoren G=

 1 2 λ − 1 I, 2

A=

 1 1 − λ−2 I 2

Diese Tensoren haben folgende Hauptinvarianten C ) = SpC C = 3λ2 , B −1 ) = SpB B−1 = 3λ−2 , I1 (C I1 (B 1 C)2 − SpC C) = C2 = 3λ4 , (SpC I2 (C 2  2 2    1 B−1 − Sp B −1 I2 B −1 = = 3λ−4 , SpB 2

 C ) = detC C = λ6 , B−1 = λ−6 , I3 (C I3 B −1 = detB  3 2 G ) = SpG G= I1 (G λ −1 , 2 1 G)2 − SpG G) = G2 = (SpG I2 (G 2 1 A) = A2 = A)2 − SpA I2 (A (SpA 2 3 1 2 G ) = detG G= I3 (G λ −1 , 8

A) = SpA A= I1 (A 2 3 2 λ −1 , 4 2 3 1 − λ−2 , 4

 3 1 − λ−2 , 2

A ) = detA A= I3 (A

3 1 1 − λ−2 8

β) F habe jetzt die Koeffizientenmatrix ⎡

⎤ λ0 0 [Fij ] = ⎣ 0 cλ 0 ⎦ 0 0 cλ c ist eine positive Konstante. c = 1 f¨uhrt auf den Sonderfall der gleichm¨aßigen Dilatation. c = λ−1 f¨uhrt auf den Sonderfall einer einachsigen Dehnung, d.h. ⎡ ⎤ ⎡ 2 ⎤ λ00 λ 00 [Fij ] = ⎣ 0 1 0 ⎦ =⇒ [Cij ] = [Bij ] = ⎣ 0 1 0 ⎦ 001 0 01 F¨ur c = 1, c = λ−1 , c > 0 erh¨alt man f¨ur die Deformationstensoren C und B −1 ⎡ 2 ⎡ −2 ⎤ ⎤ λ 0 λ 0 0 0 ⎦ , [Bij ]−1 = ⎣ 0 (cλ)−2 0 ⎦ [Cij ] = ⎣ 0 (cλ)2 0 2 −2 0 0 (cλ) 0 0 (cλ) und die Verzerrungstensoren G und A haben die Koeffizientenmatrizen

134

3 Kinematik des Kontinuums

⎡ 1 [Gij ] = ⎣ 2

⎤ λ2 − 1 0 0 ⎦, 0 0 (cλ)2 − 1 2 0 0 (cλ) − 1

⎤ ⎡ 1 − λ−2 0 0 1⎣ ⎦ 0 0 1 − (cλ)−2 [Aij ] = 2 −2 0 0 1 − (cλ) a und F = I + κS S heißt einfacher Schub. γ) Eine homogene Deformation mit x = F ·a κ ist eine Konstante und S hat die Koeffizientenmatrix ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ 010 1κ0 [Sij ] = ⎣ 0 0 0 ⎦ =⇒ [Fij ] = ⎣ 0 1 0 ⎦ 000 001 F¨ur die Deformations- und Verzerrungstensoren gilt dann ⎡ ⎡ ⎤ ⎤ 1 κ 0 1 + κ2 −κ 0 [Cij ] = ⎣ κ 1 + κ2 0 ⎦ , [Bij ]−1 = ⎣ −κ 1 0 ⎦ , 0 0 1 0 0 1 ⎡

⎤ 0 κ/2 0 [Gij ] = ⎣ κ/2 κ2 /2 0 ⎦ , 0 0 0



⎤ 0 κ/2 0 [Aij ] = ⎣ κ/2 κ2 /2 0 ⎦ 0 0 0

Der einfache Schub ist eine isochore Deformation, denn mit C = 1 ⇒ detFF = 1 ⇒ dV = dV0 detC L¨osung zur Aufgabe 3.11. Es gilt x = x(a a) : x) : a = a (x

x1 = a1 + (k/h2 )a22 ,

x2 = a 2 ,

x3 = a 3 ,

a1 = x1 − (k/h2 )x22 ,

a2 = x2 ,

a 3 = x3

a folgt f¨ur die Koordinaten des Verschiebungsfeldes Aus u = x −a a) : u = u (a x) : u = u (x

u1 = (k/h2 )a22 ,

u2 = 0,

u3 = 0,

)x22 ,

u2 = 0,

u3 = 0

u1 = (k/h

2

Nichtlineare Verzerrungstensoren 1 ∇a u )T + (∇ ∇a u ) + (∇ ∇a u ) · (∇ ∇a u )T , (∇ 2 1 ∇x u )T + (∇ ∇x u ) + (∇ ∇x u ) · (∇ ∇x u )T , A= (∇ 2  1 ∂ui ∂uj ∂uk ∂uk Gij = + + 2 ∂aj ∂ai ∂ai ∂aj G=

3.10 L¨osungen

135

G11 = 0,

G12 = (k/h2 )a2 ,

G13 = 0,

G21 = (k/h )a2 , G22 = 0, G23 = 0, G31 = 0, G32 = 0, G33 = 0, 2

A11 = 0,

A12 = (k/h2 )x2 ,

A13 = 0,

A21 = (k/h2 )x2 , A22 = 0, A23 = 0, A31 = 0, A32 = 0, A33 = 0 Lineare Verzerrungstensoren 1 ∇a u )T + (∇ ∇a u ) , (∇ 2   1 ∂ui ∂uj ∗ ≈ Aij = + , 2 ∂xj ∂xi

G∗ ≈ A∗ = G∗ij

A∗11 = 0, A∗12 = (k/h2 )x2 , A∗21 = (k/h2 )x2 , A∗22 = 0, A∗31 = 0,

A∗32 = 0,

A∗33 = 0

A∗13 = 0, A∗23 = 0,

L¨osung zur Aufgabe 3.12. Die Teilaufgaben haben die folgenden L¨osungen: a) Es gilt zun¨achst  ∇x u)T = (∇ Mit folgt

   T ∂ ei · x21e1 + x23e2 + x22e3 = Kijeiej = K ∂xi

∇x u = 2x1e 1e 1 + 2x3e 3e 2 + 2x2e 2e 3 ∇x u )T = 2x1e 1e 1 + 2x3e 2e 3 + 2x2e 3e 2 = K (∇

u erh¨alt man folgende Rechnung ∇x u )T ·u b) F¨ur (∇   ∇x u )T ·u u = K ·u u = (2x1e 1e 1 + 2x3e 2e 3 + 2x2e 3e 2 ) · x21e 1 + x23e 2 + x22e 3 (∇ = 2x1e 1e 1 · x21e 1 + 2x2e 3e 2 · x23e 2 + 2x3e 2e 3 · x22e 3 = 2x31e 1 + 2x22x3e 2 + 2x2 x23e 3 ∇x u )T × u erh¨alt man in Analogie zum vorhergehenden Ergebnis F¨ur (∇

136

3 Kinematik des Kontinuums

∇x u )T × u = (2x1e 1e 1 + 2x3e 2e 3 + 2x2e 3e 2 ) × (x21e 1 + x23e 2 + x22e 3 ) (∇ = 2x1e 1e 1 × (x23e 2 + x22e 3 ) + 2x3e 2e 3 × (x21e 1 + x23e 2 ) +2x2e 3e 2 × (x21e 1 + x22e 3 ) = 2x1e1 (x23e3 − x22e2 ) + 2x3e2 (x21e2 − x23e1 ) +2x2e 3 (−x21e 3 + x22e 1 ) = −2x1x22e 1e 2 + 2x1 x23e 1e 3 − 2x33e 2e 1 +2x3x21e 2e 2 + 2x32e 3e 1 − 2x2x21e 3e 3 c) F¨ur grad u gilt grad u = ∇x u = 2x1e 1e 1 + 2x3e 3e 2 + 2x2e 2e 3 div u erh¨alt man wie folgt u = 2x1 div u = ∇x ·u rot u errechnet sich aus rot u = ∇x × u = 2x1e 1 × e 1 + 2x3e 3 × e2 + 2x2e 2 × e 3 = 2(x2 − x3 )ee1 L¨osung zur Aufgabe 3.13. Ausgangspunkt des Beweises ist zun¨achst die additive Dekomposition 1 1 L +L LT ) + (L L −L LT ) W = (L L = D +W 2 2 sowie L = F˙ ·FF−1 mit x = F · da a dx x = da a und folglich F = I . Mit F˙ = 0 folgen Bei einer Starrk¨orperbewegung ist dx L = 0 und D = 0 . Mit W L = F˙ ·FF−1 = D +W erh¨alt man unter Beachtung von D = 0 weiterhin L = F˙ · F −1 = W . Da bei einer Starrk¨orperdeformation F = Q (t) ist, ergibt sich abschließend ˙ ·Q Q−1 W =Q bzw. wegen Q T = Q −1

˙ ·Q QT W =Q

L¨osung zur Aufgabe 3.14. Mit λi (i = 1, 2, 3) seien die Eigenwerte von U bezeichnet. Damit sind die λ2i die Eigenwerte von C . Entsprechend dem Satz von CayleyHamilton gilt U)U U 2 + I2 (U U )U U − I3 (U U)II = 0 (3.94) U 3 − I1 (U mit den Invarianten

Literaturverzeichnis

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U) = λ1 + λ2 + λ3 , I1 (U U) = λ1 λ2 + λ2 λ3 + λ3 λ1 , I2 (U U) = λ1 λ2 λ3 I3 (U Multipliziert man (3.94) mit U , erh¨alt man U)U U 3 + I2 (U U )U U2 − I3(U U )U U =0 U 4 − I1 (U bzw. U)[I1 (U U )U U2 − I2 (U U)U U + I3 (U U )II] + I2(U U )U U2 − I3(U U )U U =0 U 4 − I1 (U Ersetzt man U 4 = C 2 und U 2 = C , folgt U) − I2 (U U)]C C + [I1 (U U)I2 (U U ) − I3(U U )]U U − I1 (U U)I3 (U U )II = 0 C 2 − [I21 (U und U)I2 (U U ) − I3(U U )]−1 [−C C2 + [I21 (U U) − I2 (U U)]C C + I1(U U )I3 (U U)II] = C 1/2 U = [I1 (U (3.95) Damit wird die Quadratwurzel direkt berechnet. Die Berechnung von U −1 erfolgt analog. Gleichung (3.94) wird mit U −1 multipliziert U )U U + I2(U U )II − I3(U U )U U −1 = 0 U 2 − I1 (U Dann wird wieder U 2 = C gesetzt, U selbst folgt aus Gl. (3.95). Damit erh¨alt man −1 2 2 U−1 = I−1 C + I1 C 2 } 3 (I1 I2 − I3 ) {[I1 I2 − I3 (I1 + I2 )]II − [I3 + I1 (I1 − 2I2 )]C

Aus Platzgr¨unden wurde das Argument U der Invarianten weggelassen. Der Drehtensor R und der Strecktensor V lassen sich durch formales Einsetzen in U−1 , R = F ·U und U ·R RT V = B 1/2 = R ·U bestimmen.

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4.

5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18.

3 Kinematik des Kontinuums Mechanics - Mathematics Meets Mechanics and Engineering, Lecture Notes in Applied Mathematics and Mechanics, vol 1, Springer, Heidelberg, pp 133 – 152 Bruhns OT (2015) The multiplicative decomposition of the deformation gradient in plasticity - origin and limitations. In: Altenbach H, Matsuda T, Okumura D (eds) From Creep Damage Mechanics to Homogenization Methods - A Liber Amicorum to celebrate the birthday of Nobutada Ohno, Advanced Structured Materials, vol 64, Springer, Heidelberg, chap 3, pp 37 – 66 Bruhns OT, Xiao H, Meyers A (2001) Constitutive inequalities for an isotropic elastic strainenergy function based on Hencky’s logarithmic strain tensor. Proc of the Royal Society: Mathematical, Physical and Engineering Sciences 457(2013):2207–2226 Doyle TC, Ericksen JL (1956) Non-linear elasticity. Advances in Applied Mechanics 4:53 – 115 Freed AD (2014) Soft Solids - A primer to the Theoretical Mechanics of Materials. Birkh¨auser, Z¨urich Giesekus H (1994) Ph¨anomenologische Rheologie: eine Einf¨uhrung. Springer, Berlin Hill R (1968) On constitutive inequalities for simple materials - I. Journal of the Mechanics and Physics of Solids 16(4):229 – 242 Lurie AI (2005) Theory of Elasticity. Foundations of Engineering Mechanics, Springer, Berlin Parisch H (2003) Festk¨orper-Kontinuumsmechanik: Von den Grundgleichungen zur L¨osung mit Finiten Elementen. Teubner, Stuttgart Reiner M (1968) Rheologie. Fachbuchverlag, Leipzig Rivlin RS, Ericksen JL (1955) Stress-deformation-relation for isotropic material. Arch Mech Anal 4:323 – 425 Schade H, Neemann K (2009) Tensoranalysis, 3. Aufl. de Gruyter Lehrbuch, Walter de Gruyter, Berlin Seth BR (1961) Generalized strain measure with applications to physical problems. Tech. rep., Madison Mathematics Research Center Ting TCT (1985) Determination of C 1/2 , C−1/2 and more general isotropic tensor functions of C . J Elasticity 15:319 – 323 Truesdell C (1977) A First Course in Rational Continuum Mechanics, Pure and Applied Mathematics, vol 1. Academic Press, New York Truesdell C, Noll W (2004) The Non-linear Field Theories of Mechanics, 3rd edn. Springer, Berlin Wriggers P (2001) Nichtlineare Finite-Element-Methoden. Springer, Berlin

Kapitel 4

Kinetische Gr¨oßen und Gleichungen

Zusammenfassung Die Aussagen der Kinetik der Kontinua sind, wie die der Kinematik, unabh¨angig von den speziellen Materialeigenschaften der betrachteten K¨orper. Sie gelten somit gleichermaßen f¨ur alle Festk¨orper und Fluide. Ausgangspunkt dieses Kapitels ist die Klassifikation der a¨ ußeren Belastungen auf einen materiellen K¨orper und die Analyse von Festk¨orpern oder Fluiden auf die Wirkung dieser Belastungen. Dazu wird der Spannungsbegriff eingef¨uhrt und es werden verschiedene M¨oglichkeiten zur Definition von Spannungsvektoren sowie Spannungstensoren diskutiert. Durch die Beschr¨ankung der Betrachtungen auf klassische Punktkontinua, bei denen Wechselwirkungen zwischen materiellen Punkten ausschließlich durch Zentralkr¨afte erfasst werden, k¨onnen die kinetischen Gr¨oßen und Gleichungen wesentlich vereinfacht werden. Notwendige Verallgemeinerungen z.B. f¨ur polare Kontinua k¨onnen der Spezialliteratur [2; 3; 4; 5; 7; 9; 10; 11] entnommen werden. Die Ableitung der statischen Gleichgewichtsbedingungen und der Bewe¨ gungsgleichungen f¨ur klassische Kontinua bildet den Ubergang zu den Bilanzgleichungen der Kontinuumsmechanik im n¨achsten Kapitel. Die Verbindung der kinetischen Gr¨oßen mit den kinematischen u¨ ber Konstitutivgleichungen f¨uhrt auf materialabh¨angige Aussagen, die erst im Teil III diskutiert werden.

4.1 Klassifikation der a¨ ußeren Belastungen Alle auf einen K¨orper wirkenden Kr¨afte haben den Charakter von K¨orper- oder Volumenkr¨aften und von Oberfl¨achenkr¨aften. Ihre Ursachen k¨onnen rein mechanischer, aber auch thermischer, elektromagnetischer oder anderer Art sein. Hier werden zun¨achst nur mechanische Belastungen betrachtet. Nimmt man an, dass nicht nur Kr¨afte, sondern auch davon unabh¨angige Momente auftreten, kann man f¨ur die a¨ ußeren Belastungen folgende Einteilung vornehmen: • K¨orper- oder Volumenlasten (Kr¨afte und Momente), • Oberfl¨achenlasten (Kr¨afte und Momente)

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2018 H. Altenbach, Kontinuumsmechanik, https://doi.org/10.1007/978-3-662-57504-8_4

139

140

4 Kinetische Gr¨oßen und Gleichungen

Die Belastungen werden im Allgemeinen als stetig verteilte Funktionen im Volumen oder auf der Oberfl¨ache betrachtet. Sie entsprechen unseren Erfahrungen und sind somit Modellabbildungen der physikalischen Realit¨at. Es bereitet aber ¨ keine Schwierigkeiten, von diesen Modellen mit Hilfe mathematischer Uberlegungen Grenzf¨alle in der Form von konzentrierten Lasten einzuf¨uhren. Hierzu geh¨oren Einzelkr¨afte und Linienkr¨afte sowie Einzelmomente und Linienmomente. Dabei wird die Tatsache ausgenutzt, dass die Ordnung der drei Dimensionen im Raum bzw. der zwei Dimensionen auf einer Fl¨ache nicht mehr gleich sind. Linienlasten sind folglich Fl¨achenlasten, bei denen eine Dimension im Vergleich zur zweiten vernachl¨assigbar ist. Entsprechendes gilt f¨ur Punktlasten. Damit sind Linien- und Punktlasten nicht in der Realit¨at anzutreffen, jedoch hilfreich bei der Vereinfachung bestimmter Aufgaben. Es sind aber auch F¨alle bekannt, in denen derartige Vereinfachungen zu zus¨atzlichen Problemen f¨uhren. Es is immer besondere Sorgfalt hinsichtlich der Einheiten geboten, da nur die Einzelkraft in der Einheit N (Newton) angegeben wird. Bei Linien-, Fl¨achen- und Volumenlasten ergeben sich entsprechend N/m, N/m2 und N/m3 (immer bezogen auf die Einheiten im SI-System). x). Die K¨orEin K¨orper habe eine bestimmte stetige Massendichteverteilung ρ(x per- oder Volumenlasten sind stetige Funktionen, die in jedem materiellen Punkt des K¨orpers wirken, sie haben Feldeigenschaften. Gravitations-, Tr¨agheits- und Coriolis1 -Kr¨afte stellen u.a. Volumenkr¨afte dar. Die Quellen solcher Kraftfelder liegen außerhalb des K¨orpers, man spricht von a¨ ußeren Volumenkr¨aften. Analog kann man sich a¨ ußere Quellen f¨ur Volumenmomentenfelder vorstellen.

4.1.1 Volumenkraftdichte Volumenkr¨afte k¨onnen auf die Volumeneinheit oder auf die Masseneinheit bezogen werden. Definition 4.1 (Volumenkraft). Die Volumenkraft ist eine Kraft, die im gesamten Volumen eines K¨orpers an jedem seiner materiellen Punkte angreift. Sind k V die auf die Volumeneinheit und k m ≡ k die auf die Masseneinheit bezogene Kraftdichte (im Folgenden wird stets k f¨ur k m geschrieben), dann gilt x , t)k k(x x, t) = k V ρ(x

(4.1)

mit der skalaren Feldgr¨oße ρ und den vektoriellen Feldgr¨oßen k und k V : x, t) k (x V x, t) k (x x, t) ρ(x 1

Massenkraftdichte, Volumenkraftdichte, Massendichte

Gaspard Gustave de Coriolis (1792-1843), Mathematiker und Physiker, Beitr¨age zur Kinetik und zur Wirtschaftsmathematik

4.1 Klassifikation der a¨ ußeren Belastungen

141

Die Volumenkraftdichten, die mit der Gewichtskraft, der Fliehkraft oder allgemein mit Potentialkr¨aften verbunden sind, lassen sich beispielsweise wie folgt darstellen: • die Gewichtskraft

k = −ρgee3 ρk

g ist die Erdbeschleunigung, e 3 ist der entsprechende Basisvektor, der der Erdbeschleunigung entgegengesetzt gerichtet ist • die Fliehkraft k = −ρω ω × (ω ω × x) ρk ω ist die Winkelbeschleunigung • allgemeine Potentialkraft

k = −ρ∇ ∇x Π ρk

Das entsprechende Kraftpotential Π lautet f¨ur die Beispiele Gewichtskraft und Fliehkraft 1 ω × x |2 xg bzw. Π = − |ω Π = e 3 ·x 2 F¨ur Volumenmomente gilt analog die Gleichung x, t) = ρ(x x , t)ll(x x, t) = l V x , t)llm (x ρ(x

(4.2)

x, t) als Massenmomentdichte und l V (x x, t) als Volumenmomentdichte. mit l m (x

4.1.2 Oberfl¨achenkraftdichte ¨ Außere Oberfl¨achenkr¨afte wirken immer auf eine Fl¨ache. Kontaktkr¨aften geh¨oren als wichtiger Anwendungsfall zu den Oberfl¨achenkr¨aften. Definition 4.2 (Oberfl¨achenkraft). Eine Oberfl¨achenkraft ist eine a¨ ußere Kraft, die nur an der Oberfl¨ache des K¨orpers angreift, auf den sie wirkt. Die Fl¨ache kann entweder die Oberfl¨ache A(V) des Gesamtk¨orpers, aber auch eine gemeinsame Grenzfl¨ache von Teilk¨orpern bzw. zwei verschiedenen K¨orpern sein. In Analogie zu den Oberfl¨achenkr¨aften kann man Oberfl¨achenmomente einf¨uhren. Die Oberfl¨achenkr¨afte und -momente lassen sich dann zu den Oberfl¨achenlasten ¨ zusammenfassen. Außere Oberfl¨achenlasten gibt es auch im Grenzfl¨achenbereich von Festk¨orper und Fluid, z.B. der hydrostatische Druck eines Fluids auf einen im Fluid befindlichen Festk¨orper. Oberfl¨achenkr¨afte pro Fl¨acheneinheit f¨uhren auf Spannungsvektoren t, Oberfl¨achenmomente pro Fl¨acheneinheit auf Momentenspannungsvektoren μ . In Anlehnung an die Definition der mechanischen Spannung in der Technischen Mechanik [1; 6] sind sie durch folgende Grenzwerte definiert ff , A→0 A

t = lim

m m A→0 A

μ = lim

(4.3)

142

4 Kinetische Gr¨oßen und Gleichungen

m sind die auf die Oberfl¨ache A entfallenden resultierenden Kraft- und ff und m Momentenvektoren, wobei zu beachten ist, dass der Ausschnitt der Oberfl¨ache A A = n A. Dabei gibt der der Normaleneinheitsvektor n die Oriorientiert ist: A entierung an. Man erkennt, dass die resultierenden Kraft- und Momentenvektoren nicht nur von ihrer Lage auf der Oberfl¨ache, sondern auch von der Orientierung des Fl¨achenelementes abh¨angen (s. Abb. 4.1) x,n n, t), t = t (x

x,n n , t) μ = μ (x

(4.4)

Die auf den K¨orper wirkende resultierende a¨ ußere Gesamtkraft f R erh¨alt man durch Integration der a¨ ußeren Volumen- und Oberfl¨achenkr¨afte   R k dV + t dA (4.5) f = ρk V

A

Einzelkr¨afte werden entweder gesondert addiert oder die Integrale werden als Stieltjes2 -Integrale betrachtet, die auch Einzelkr¨afte mit umfassen. F¨ur das resultierende Gesamtmoment aller a¨ ußeren Volumen- und Oberfl¨achenkr¨afte in Bezug auf den Koordinatenursprung 0 und den entsprechenden Volumen- und Oberfl¨achenmomente gilt   x × k) dV + (μ μ +x x × t) dA mR0 = ρ(ll m +x V

(4.6)

A

Im Rahmen der klassischen Mechanik werden Momente allgemein als Kr¨aftepaare definiert. F¨ur die klassische Kontinuumsmechanik geht dann f¨ur den materiellen Punkt mit dV → 0 auch der Hebelarm des Kr¨aftepaares gegen Null. Es gibt somit im klassischen Kontinuumsmodell weder Volumenmomentendichten noch Momentenspannungsvektoren. Momentendichtefelder und Momentenspannungen sind erst f¨ur polare Kontinua zu ber¨ucksichtigen. F¨ur die klassische Kontinuumsmechanik, d.h. f¨ur nichtpolare Festk¨orper- oder Fluidmodelle, erh¨alt man die Gl. (4.6) in einer vereinfachten Form ohne Volumen- und Oberfl¨achenmomente   x × k ) dV + (x x × t ) dA (4.7) m R0 = ρ(x V

A

t

n P

Abb. 4.1 Fl¨achenelement mit Spannungsvektor und Normale in einem Punkt 2

Thomas Jean Stieltjes (1856-1894), Mathematiker, Analysis

A

4.2 Cauchy’scher Spannungsvektor und Spannungstensor

143

4.2 Cauchy’scher Spannungsvektor und Spannungstensor Als Folge a¨ ußerer Krafteinwirkungen entsteht im Inneren des K¨orpers ein Beanspruchungszustand. Als Maß f¨ur die Beanspruchung in einem Punkt des K¨orpers gilt die dort herrschende Spannung. Ausgangspunkt f¨ur eine solche Vereinbarung ist das Spannungsprinzip von Euler-Cauchy. Definition 4.3 (Spannungsprinzip von Euler-Cauchy). Als Folge a¨ ußerer Kr¨afte existiert auf jeder Fl¨ache des K¨orpers (Schnittfl¨ache zwischen Teilk¨orpern oder x, t) ein a¨ ußere Begrenzungsfl¨ache A) mit einem Fl¨achennormaleneinheitsvektor n (x x,n n, t). F¨allt die Fl¨ache mit der Oberfl¨ache Vektorfeld von Spannungsvektoren t (x x,n n, t) gleich den aus den des K¨orpers zusammen, sind die Spannungsvektoren t (x Oberfl¨achenkr¨aften folgenden Spannungsvektoren (tractions). Die Vernachl¨assigung der Mikrostruktur eines realen K¨orpers und die Annahme einer stetigen Verteilung seiner Materie hat auch f¨ur die Spannungen als Maß innerer Beanspruchungen die Konsequenz, dass Mittelwerte f¨ur ein materielles Volumenelement berechnet werden. Spannungen innerhalb eines K¨orpers werden mit Hilfe von Schnittbetrachtungen ermittelt. Abbildung 4.2 veranschaulicht zun¨achst das Schnittprinzip. Analysiert man jetzt nach den Regeln der Statik die Wirkungen im Inneren des K¨orpers, erh¨alt man die in Abb. 4.3 dargestellte Situation. Δff ist der resultierende Kraftvektor m der resultierende Momentenvektor auf dem Fl¨achenelement ΔA, n ist der und Δm Normaleneinheitsvektor zum Fl¨achenelement. Entsprechend den Gln. (4.3) erh¨alt man den Spannungs- bzw. den Momentenspannungsvektor

A

V

Abb. 4.2 Beliebiger Schnitt durch einen durch a¨ ußere Beanspruchungen belasteten K¨orper

f Δf m Δm ΔA

m Δm f Δf

Abb. 4.3 Beanspruchungen im Inneren eines K¨orpers (polares Kontinuum)

144

4 Kinetische Gr¨oßen und Gleichungen

x,n n, t) = lim t (x

A→0

Δff , ΔA

x,n n, t) = lim μ (x

A→0

m Δm ΔA

Beachtet man weiterhin die Argumente zur Vernachl¨assigung der inneren Momente, folgt die in Abb. 4.4 dargestellte Situation. Da f¨ur klassische Kontinua auch keine Oberfl¨achenmomente betrachtet werden, gilt μ ≡ 0 , und es bleibt nur der Spannungsvektor t . Schlussfolgerung 4.1. Als Maß f¨ur die innere Kraft im Punkt P eines K¨orpers wird der Spannungsvektor Δff x,n n, t) = lim t (x A→0 ΔA eingef¨uhrt. Im Allgemeinen ist t abh¨angig vom Ort, von der Zeit und von der Orientierung der Schnittfl¨ache. Jedes Schnittfl¨achenelement in einem Punkt P mit der gleichen Tangentialebene hat den gleichen Vektor n und f¨uhrt damit zum gleichen Spannungsvektor t , d.h. unterschiedliche Oberfl¨achenkr¨ummungen im Punkt P haben keinen Einfluss auf t , solange n sich nicht ver¨andert (Cauchy’sches Spannungsn ) = −tt(−n n) (Cauchy’sches Lemma), prinzip). F¨ur jeden Punkt des K¨orpers gilt t (n d.h. u¨ bt der Teilk¨orper A auf den Teilk¨orper B im Punkt P die Spannung t aus, ist die Wirkung von B auf A gleich der Spannung −tt (actio = reactio). Die Spannungsvektoren haben dann den gleichen Betrag, aber entgegengesetzte Richtung. Der Spannungsvektor t ist also nicht nur vom Ortsvektor x und der Zeit t abh¨angig, sondern auch vom Vektor n , der die Orientierung der Schnittfl¨ache im betrachteten Punkt P angibt. Der Vektor t beschreibt somit kein eigentliches Vektorfeld, da er wegen beliebig vieler Schnittfl¨achen in P den Spannungszustand in diesem Punkt nicht eindeutig angibt. Definition 4.4 (Spannungszustand). Die Gesamtheit aller denkbaren Spannungsvektoren f¨ur einen materiellen Punkt P definiert den Spannungszustand in diesem Punkt. In der Werkstoffpr¨ufung unterscheidet man zwei unterschiedliche Spannungsdefinitionen. Definition 4.5 (Nennspannungen). Die aktuelle Kraft wird auf eine Schnittfl¨ache in der Referenzkonfiguration bezogen.

f Δf

ΔA

Abb. 4.4 Beanspruchungen im Inneren eines K¨orpers (klassisches Kontinuum)

f Δf

4.2 Cauchy’scher Spannungsvektor und Spannungstensor

145

Die Nennspannungen werden auch als technische Spannungen bezeichnet. Definition 4.6 (wahre Spannungen). Die aktuelle Kraft wird auf eine Schnittfl¨ache in der aktuellen Konfiguration bezogen. In der Kontinuumsmechanik hat man weitere M¨oglichkeiten f¨ur die Definition von Spannungsvektoren, da sowohl die Kr¨afte als auch die Schnittfl¨achen unabh¨angig voneinander in der Referenz- oder in der Momentankonfiguration betrachtet werden k¨onnen und z.B. unter Beachtung der polaren Zerlegung des Deformationsgradiententensors auch Zwischenkonfigurationen m¨oglich sind. Im Folgenden wird zun¨achst die Cauchy’sche Spannungsdefinition verwendet. Definition 4.7 (Cauchy’scher Spannungsvektor). Der Cauchy’sche Spannungsvektor ist ein wahrer Spannungsvektor. Die aktuelle Kraft wird auf eine aktuelle Schnittfl¨ache bezogen. Die Gesamtheit der Cauchy’schen Spannungsvektoren f¨ur einen Punkt P bestimmt den wahren Spannungszustand f¨ur diesen Punkt. Ein im Punkt P einer Schnittfl¨ache wirkender Spannungsvektor t kann in der durch t und n aufgespannten Ebene zerlegt werden (Abb. 4.5). Dabei ist n ≡ en der Einheitsvektor in Normalenrichtung, et - der Einheitsvektor in Tangentenrichtung  2 = t ·e et tn = t ·een , tt = t2 − tn (4.8) t = tn en + ttet , Der Spannungsvektor hat dann eine normale und eine tangentiale Komponente. Bei Oberfl¨achenspannungen kann es zweckm¨aßiger sein, eine Zerlegung von t in die Koordinatenrichtungen e i des Basissystems vorzunehmen t = t ie i ,

ti = t ·eei = t cos(tt,ee i )

(4.9)

Die Gesamtheit aller Spannungsvektoren in einem Punkt P charakterisiert den von n unabh¨angigen Spannungszustand. Es kann nun gezeigt werden, dass bereits drei Spannungsvektoren bez¨uglich nicht komplanarer Schnittfl¨achen durch P den Spannungszustand in diesem Punkt eindeutig festlegen. Dies f¨uhrt auf den Cauchy’schen Spannungstensor zur Beschreibung des wahren Spannungszustandes in einem K¨orper, d.h. der Spannungszustand wird durch ein Tensorfeld dargestellt.

tt

P ΔA

x1

Abb. 4.5 Zerlegung des Spannungsvektors mit tt = t · et und tn = t · en

x3

e

t

n

t

n

e

t

tn

x2

P

146

4 Kinetische Gr¨oßen und Gleichungen

Betrachtet wird nun ein differentielles Volumenelemenet im Punkt P in der Form eines Tetraeders (Abb. 4.6). Drei zueinander orthogonale Fl¨achen des differentiellen Tetraeders liegen in den Ebenen x1 = 0, x2 = 0 und x3 = 0, die vierte Fl¨ache hat eine beliebige Orientierung n . F¨ur dV → 0 gehen alle Fl¨achen durch den Punkt P. Weiter gelten folgende Vereinbarungen: • t i sind die Spannungsvektoren auf den Schnittfl¨achen xi = const., d.h. mit den Normaleneinheitsvektoren n i ≡ e i , i = 1, 2, 3 t i = Ti1e 1 + Ti2e 2 + Ti3e 3 = Tije j

(4.10)

• Tij sind die Koordinaten des Spannungsvektors ti . Der erste Index (i) kennzeichnet die Schnittfl¨ache mit dem Normaleneinheitsvektor n i . Der zweite Index (j) kennzeichnet die Richtung der Komponenten eines Spannungsvektors t i in Bezug auf die Basiseinheitsvektoren e j , j = 1, 2, 3. F¨ur positive Schnittfl¨achen“ gilt ” n j = e j und die Komponenten Tije j von t i haben die Richtung der positiven Koordinaten. F¨ur negative Schnittfl¨achen“ gilt n j = −eej und die Komponenten ” von t i zeigen in Richtung der negativen Koordinaten. F¨ur das differentielle Volumenelement (Abb. 4.6) k¨onnen nun Gleichgewichtsbedingungen formuliert werden. Beachtet man die Beziehungen dAi = ni dA,

n,eei ), ni = n ·eei = cos(n

i = 1, 2, 3,

(4.11)

erh¨alt man beispielsweise die Gleichgewichtsbedingung f¨ur die x2 -Richtung t2 dA = T22 n2 dA + T32n3 dA + T12n1 dA Analoge Gleichungen gelten f¨ur t1 dA und t3 dA und man erh¨alt allgemein x,n n, t) = n ·TT (x x, t) ti = Tji nj , i = 1, 2, 3 ⇐⇒ t (x

(4.12)

x,n n, t) einer beliebigen Damit sind alle Koordinaten ti = t · e i des Vektors t (x Schnittfl¨ache im Punkt P aus den Koordinaten von drei Spannungsvektoren f¨ur drei zueinander orthogonale Schnittfl¨achen in P berechenbar. x3 t

Abb. 4.6 Differentielles Tetraedervolumenelement dV im Punkt P. Allgemeine A = n dA Schnittfl¨ache dA mit dem Spannungsvektor n), Schnittfl¨ache x2 = 0 t (n mit den Komponenten des e2 ) Spannungsvektors t 2 (−e

n

T21 dA

x2

T22

T23

x1

4.2 Cauchy’scher Spannungsvektor und Spannungstensor

147

Schlussfolgerung 4.2. Der Spannungsvektor tn = t im Punkt x einer gegebenen Schnittfl¨ache mit dem Normalenvektor n ist vollst¨andig durch drei Spannungsvektoren te i ≡ t i bestimmt, die auf den drei Koordinatenfl¨achen wirken, die sich gegenseitig in x durchdringen. Der Spannungsvektor tn ist dann eine lineare Funktion von n . Die Gleichung (vollst¨andige Ableitung beispielsweis in [8]) x,n n, t) = n ·TT (x x, t) t (x

Cauchy’sches Fundamentaltheorem3

(4.13)

beschreibt den Zusammenhang des von n abh¨angigen Spannungsvektors t mit dem von n unabh¨angigen Spannungstensor T . Der Spannungszustand in x ist somit entweder durch drei Spannungsvektoren te i ≡ t i oder durch neun Tensorkomponenten Tije ie j eindeutig bestimmt. Spannungskomponenten rechtwinklig zur Schnittfl¨ache heißen Normalspannungen, Spannungskomponenten in der Schnittfl¨ache heißen Tangential- oder Schubspannungen. F¨ur die Tensorkoordinaten Tij ≡ σij gilt dann • i = j Normalspannungskoordinaten des Tensors, • i=  j Schubspannungskoordinaten des Tensors Die Spannungen heißen positiv, wenn ihre Komponenten f¨ur ein positives Schnittufer in Richtung der positiven Koordinatenachsen und f¨ur ein negatives Schnittufer in Richtung der negativen Koordinatenachsen zeigen. Abbildung 4.7 zeigt dies beispielhaft f¨ur die Fl¨achen x1 = const. und x2 = const. eines infinitesimalen W¨urfels im Punkt P. Zusammenfassend ergeben sich f¨ur den Cauchy’schen Spannungstensor x2

t2

T22 T23

T21

T12

t1 −t

T11

T13 P

T11 T12

Abb. 4.7 Definition positiver Spannungen f¨ur die Schnittfl¨achen x1 = const. und x2 = const. eines infinitesimalen W¨urfels

T21 t2 −t

x3

T13

t1

T23 T22 x1

x ,n n, t) = T (x x, t) · n an. Dabei wird argumentiert, dass Man trifft in der Literatur auch t (x der Ausdruck eine lineare Abbildung zwischen zwei Vektorr¨aumen darstellt. Cauchy selbst erhielt seine Gleichung aus Gleichgewichtsbetrachtungen am differentiellen Tetraederelement, da lineare Abbildungen von Vektorr¨aumen nicht bekannt waren. Beide Aussagen sind gleichwertig, wenn T symmetrisch ist. 3

148

4 Kinetische Gr¨oßen und Gleichungen

folgende Gleichungen: Cauchy’scher Spannungsvektor und -tensor x,n n, t) = lim t (x

x, t) Δff(x , x,n n , t) ΔA(x  2, tt = t ·eet = t2 − tn

A→0

t = tn en + ttet ,

tn = t ·een , t = t ie i ,

ti = t ·eei ,

x,n n, t) = n ·TT (x x, t), t (x

ti = Tji nj ,

en ≡ n ,

Tji ≡ σji ,

Tji = e j ·TT ·eei Vor einer Verallgemeinerung der Spannungsdefinition sollen zun¨achst die Gleichgewichtsbedingungen und die Bewegungsgleichungen mit Hilfe der bisher eingef¨uhrten Gr¨oßen formuliert und der Cauchy’sche Spannungstensor genauer analysiert werden.

4.3 Gleichgewichtsbedingungen und Bewegungsgleichungen kdV an, die Greifen an einem K¨orper Oberfl¨achenkr¨afte t dA und Volumenkr¨afte ρk f¨ur den Gesamtk¨orper im statischen Gleichgewicht sind, gelten nach den Gln. (4.5) und (4.7) folgende Beziehungen   k dV + t dA = 0 , ρk (4.14) 

V

A

 x × ρk k) dV + (x x × t ) dA = 0 (x

V

(4.15)

A

Betrachtet man zun¨achst Gl. (4.14) und beachtet den Zusammenhang zwischen dem Spannungsvektor t und dem Spannungstensor T t = n ·TT

bzw.

ti = Tji nj ,

erh¨alt man durch Anwendung des Divergenztheorems aus Abschn. 2.3.3    t dA = n ·TT dA = ∇x ·TT dV A

Damit folgt mit Gl. (4.14)

A

V

(4.16)

4.3 Gleichgewichtsbedingungen und Bewegungsgleichungen

149

 k +∇ ∇x ·TT ) dV = 0 (ρk

(4.17)

V

Gleichung (4.17) stellt das integrale Gleichgewicht f¨ur ein beliebiges Kontinuum dar. Damit gilt diese Gleichung auch f¨ur jedes beliebig kleine Kontrollvolumen V des K¨orpers. Im Grenzfall V → 0 erh¨alt man dann bei vorausgesetzter Stetigkeit und hinreichender Glattheit des Integranden die differentielle Gleichgewichtsgleichung k =0 ∇x ·TT + ρk

k =0 divTT + ρk

bzw.

(4.18)

oder Tji,j + ρki = 0

(4.19)

Erg¨anzt man die Gl. (4.14) im Sinne von Newton/d’Alembert noch durch Tr¨agheitskr¨afte −¨x dM = −¨x ρdV, gilt    k dV + T dA − x¨ ρ dV = 0 , ρk V

A

V



d.h.

k +∇ ∇x ·TT − ρ¨x ) dV = 0 , (ρk

(4.20)

V

¨ und nach den gleichen Uberlegungen wie beim statischen Gleichgewicht folgt k ρ¨x = ∇x ·TT + ρk ρ¨xi = Tji,j + ρki

bzw.

k, ρ¨x = divTT + ρk

(4.21)

Schlussfolgerung 4.3. F¨ur jeden materiellen Punkt gelten die Gleichgewichtsbedingungen k =0 ∇x ·TT + ρk Bei fehlenden Volumenkr¨aften vereinfacht sich die Gleichgewichtsaussage zu ∇x ·TT = 0 k dV noch Bei Aufgaben der Kinetik m¨ussen zus¨atzlich zu den Volumenkr¨aften ρk Tr¨agheitskr¨afte −¨x ρdV ber¨ucksichtigt werden und man erh¨alt die Bewegungsgleichungen des Kontinuums k ρ¨x = ∇x ·TT + ρk

1. Cauchy-Euler’sches Bewegungsgesetz

(4.22)

Es wird sp¨ater gezeigt (Abschn. 5.2.2), dass die Gl. (4.22) eine lokale Formulierung der Impulsbilanzgleichung ist. Jetzt muss noch die Aussage der Gl. (4.15) f¨ur den Spannungstensor T untersucht werden. Die Gleichung formuliert in Erg¨anzung zum Kr¨aftegleichgewicht das Momentengleichgewicht f¨ur den K¨orper bez¨uglich des Koordinatenursprungs 0. Glei-

150

4 Kinetische Gr¨oßen und Gleichungen

chung (4.15) ergibt f¨ur t = n ·TT   x × ρk k) dV + [x x × (n n ·TT )] dA = 0 (x V

A

Mit dem Divergenz-Theorem (s. Abschn. 2.3.3), welches in der Literatur auch als Satz von Gauß und Ostrogradski bezeichnet wird,    x × (n n ·TT )] dA = − [n n · (TT × x )] dA = − [∇ ∇x · (TT × x )] dV [x A

A

V

und der Identit¨at ∇x ·TT ) × x +TT × ·(∇ ∇x x )T = −x x × (∇ ∇x ·TT ) +TT × ·II ∇x · (TT × x ) = (∇ sowie T × ·II = −II · ×TT nimmt die Momentengleichgewichtsgleichung folgende Form an    x × (∇ ∇x ·TT + ρk k)] +II · ×TT } dV = [x x × (∇ ∇x ·TT + ρk k)] dV + I · ×TT dV = 0 {[x V

V

V

(4.23) Mit Gl. (4.18) verschwindet das erste Integral und mit der vorausgesetzten Stetigkeit f¨ur den Integranden des zweiten Integrals kann wieder ein beliebig kleines Kontrollvolumen betrachtet werden, sodass f¨ur den Grenz¨ubergang dV → 0 auch I · ×TT = 0 folgt. Die Gleichung I · ×TT kann allgemein nur f¨ur symmetrische Tensoren Null sein, d.h. der Cauchy’sche Spannungstensor ist symmetrisch (sp¨ater wird gezeigt, dass dies als Folge des 2. Cauchy-Euler’schen Bewegungsgesetzes aufgefasst werden kann) (4.24) T =TT Anmerkung 4.1. Die Symmetrie des Spannungstensors ist folglich keine a priori Annahme, sondern eine Konsequenz des gew¨ahlten Kontinuumsmodells. L¨asst man Kontinua mit unabh¨angigen Volumenmomenten und Fl¨achenmomenten zu, kann die Symmetrie nicht nachgewiesen werden. In der klassischen Kontinuumsmechanik wird oft die Symmetrie des Cauchy’schen Spannungstensors als Axiom eingef¨uhrt (Boltzmann’sches4 Axiom). Anmerkung 4.2. Das Ergebnis der Herleitung a¨ ndert sich nicht, wenn Tr¨agheitskr¨afte einbezogen werden. Schlussfolgerung 4.4. Der Cauchy’sche Spannungstensor ist f¨ur den Fall, dass keine Momentenspannungen im Kontinuum auftreten, ein symmetrischer Tensor. Mit n und T = T T gilt auch n ·TT = T ·n 4 Ludwig Boltzmann (1844-1906), Physiker und Philosoph, Thermodynamik, Statistische Mechanik

4.3 Gleichgewichtsbedingungen und Bewegungsgleichungen

151

k = ∇x ·TT T + ρk k =0 ∇x ·TT + ρk Damit gelten f¨ur den Cauchy’schen Spannungstensor zusammenfassend folgende Gleichungen k = 0, ∇x ·TT + ρk k = ρ¨x , ∇x ·TT + ρk T = T T,

Tji,j + ρki = 0, Tji,j + ρki = ρ¨xi , Tij = Tji

Statik Kinetik

Vorgegebene Oberfl¨achenkr¨afte t (Kraftrandbedingungen) werden in der Form x ∈ A als Erg¨anzung der Gleichgewichtsbedingungen angegeben. F¨ur die n ·TT = t ,x L¨osung der Bewegungsgleichungen werden noch Anfangsbedingungen ben¨otigt. Mit den Gln. (4.22) und (4.24) wird auch der Zusammenhang zwischen dem Cauchy’schen Spannungszustand in einem beliebigen materiellen Punkt des K¨orpers und dem dazugeh¨origen Verschiebungsfeld angegeben. D2u , Dt2 2 Tji,j + ρki = ρ D u2i , Dt

k=ρ ∇x ·TT + ρk

T =TT, Tij = Tji

Die Aufspaltung von T in einen Kugeltensor und einen Deviator hat besonders f¨ur isotrope Kontinua Bedeutung   1 1 ··II)II + T − (TT ·· ··II)II , T = (TT ·· 3 3   1 1 Tij = Tkk δij + Tij − Tkk δij , 3 3 T =

TK

+

TD

Der Kugeltensor f¨ur einen hydrostatischen Spannungszustand T = −pII mit dem f¨ur jedes Volumenelement gleichen hydrostatischen Druck p hat die Form T K = −pII und f¨ur den Deviator erh¨alt man T D = −pII + pII = 0 n. Ferner folgt aus t = n ·TT auch t = −pn

152

4 Kinetische Gr¨oßen und Gleichungen

Schlussfolgerung 4.5. F¨ur den hydrostatischen Spannungszustand T = −pII hat jeder Spannungsvektor t die Richtung des Normalenvektors n der Schnittfl¨ache, d.h. jeder Normalenvektor ist Eigenvektor zum Eigenwert −p. F¨ur isotrope Kontinua bewirkt der Kugeltensor nur Volumen¨anderungen, der Deviator nur Gestalt¨anderungen. Bei anisotropen Kontinua kann aber ein hydrostatischer Spannungszustand auch Gestalt¨anderungen herbeif¨uhren. Die Symmetrie von T ist Voraussetzung f¨ur die Hauptachsentransformation des Cauchy’schen Spannungstensors. Das Ergebnis einer Hauptachsentransformation n = t und n kollineare Vektoren sind. In den Hauptebenen wirken von T ist, dass T ·n dann nur Normal- und keine Schubspannungen. F¨ur einen hydrostatischen Spannungszustand ist somit jedes Koordinatensystem ein Hauptachsensystem. Die Berechnung der Hauptwerte und Hauptrichtungen f¨ur Cauchy’sche Spannungstensoren erfolgt nach den im Abschn. 2.2 angegebenen Gleichungen. Die wichtigsten Aussagen werden hier noch einmal kurz zusammengefasst: • Formulierung des Eigenwertproblems n = 0, (TT − σII) ·n

(Tij − σδij )nj = 0i

(4.25)

• Bedingungsgleichung f¨ur nichttriviale L¨osungen det (TT − σII) = 0,

det (Tij − σδij ) = 0

(4.26)

• Charakteristische Gleichung σ3 − I1 (TT )σ2 + I2(TT )σ − I3 (TT ) = 0

(4.27)

• Invarianten des Spannungstensors I1 (TT ) = Tii = T ·· ··II, 1 1 I1 (TT 2 ) − I21(TT ) = (Tii Tjj − TijTji ), I2 (TT ) = 2 2 I3 (TT ) = det (Tij ) = detTT

(4.28)

• Hauptrichtungen n (α) zu den Hauptspannungen σ(α) , α = I, II, III (keine Summation u¨ ber α) n(α) = 0 , (TT − σ(α)I ) ·n

(α)

(Tij − σ(α) δij )nj

= 0i

mit der Nebenbedingung n(α) = 1, n (α) ·n

(α) (α)

nk nk

=1

Alle Hauptspannungen sind reell, f¨ur σI = σII = σIII sind die Hauptrichtungen eindeutig bestimmbar und zueinander orthogonal. Ordnet man die Hauptspannungen in der Reihenfolge σI > σII > σIII , ergibt sich f¨ur die maximale Schubspannung der Wert (1/2)(σI − σIII ). Der Spannungstensor T kann auf Hauptachsen transformiert

4.3 Gleichgewichtsbedingungen und Bewegungsgleichungen

153

werden und hat dann Diagonalform mit den Hauptspannungen als Diagonalelemente. Man kann ferner folgende Spannungszust¨ande unterscheiden: • Sind zwei Hauptspannungen Null, liegt einfacher oder einachsiger Zug oder Druck vor. • Ist nur eine Hauptspannung Null, heißt der Spannungszustand eben oder zweiachsig. F¨ur die Hauptspannungen σ(α) des Kugeltensors T K gilt 1 1 ··II = Tkk = −p σI = σII = σIII = T ·· 3 3 Der Tensor hat Diagonalform, jede Richtung ist Hauptrichtung. F¨ur den Spannungsdeviator gelten folgende Aussagen 1 ··II)II T D = T − (TT ·· 3

bzw.

1 D Tij = Tij − Tkk δij 3

(4.29)

F¨ur i = j erh¨alt man, falls alle Normalspannungen gleich sind, 1 1 D = Tii − Tkk δii = Tii − Tii 3 = 0 Tii 3 3

(4.30)

(keine Summation u¨ ber i), d.h. der Kugeltensor (hydrostatischer Spannungszustand) ist ein reiner dreiachsiger Normalspannungszustand, der Deviator ein reiner Schubspannungszustand. Im allgemeinen Fall folgt aus 1 D = Tij − δij Tkk Tij 3 f¨ur den Deviator D Tij = Tij

f¨ur

i = j,

1 D Tij = Tij − Tkk δij 3

f¨ur i = j

(4.31)

Die Hauptspannungen des Deviatortensors werden aus der charakteristischen Gleichung berechnet, d.h. aus    2      D 3 − I1 T D σD + I2 T D σD − I3 T D = 0 σ

(4.32)

mit den Invarianten   D = 0, I1 T D = Tii

  1 D D I2 T D = − Tij Tji , 2

   D I3 T D = det Tij

Die charakteristische Gleichung vereinfacht sich somit zu



  D 3 + I2 T D σD − I3 T D = 0 σ   Schreibt man −I2 T D ausf¨uhrlich

(4.33)

154

4 Kinetische Gr¨oßen und Gleichungen

  1  D 2  D 2  D 2  D 2  D 2  D 2 T11 + T22 + T33 + T12 + T23 + T31 −I2 T D = 2

1 2 2 2 = + T23 + T31 (T11 − T22 )2 + (T22 − T33 )2 + (T33 − T11 )2 + T12 6 3 2 = TOktaeder , (4.34) 2 erkennt man den Zusammenhang mit der sogenannten Oktaederschubspannung TOktaeder , die f¨ur die Beurteilung von Versagenszust¨anden eine besondere Rolle spielt  1 2 + T2 + T2 ) (T11 − T22 )2 + (T22 − T33 )2 + (T33 − T11 )2 + 6(T12 TOktaeder = 23 31 3  1 = (σI − σII )2 + (σII − σIII )2 + (σIII − σI )2 3  1 = 2I21 (TT ) − 6I2(TT ) (4.35) 3

4.4 Spannungsvektoren und Spannungstensoren nach Piola-Kirchhoff Die bisherige Beschreibung des Spannungsvektors und des Spannungstensors erfolgte ausschließlich in Euler’schen Koordinaten. Bei dem nach Cauchy definierten wahren Spannungsvektor und wahren Spannungstensor wird ein aktueller Kraftvektor auf ein aktuelles orientiertes Fl¨achenelement bezogen. Man bleibt somit konsequent in der Momentankonfiguration. Analog zu den Deformations- bzw. Verzerrungstensoren k¨onnen Spannungen aber nicht nur auf die Momentankonfiguration bezogen werden. Es erweist sich f¨ur zahlreiche Anwendungen besonders in der Festk¨orpermechanik als g¨unstiger, die Spannungsgr¨oßen in Lagrange’schen Koordinaten zu formulieren und zumindest die Volumenelemente und die Fl¨achenelemente auf die Referenzgeometrie zu beziehen. Es m¨ussen dann die Transformationsgleichungen (3.11) und (3.12) dV = detFF dV0 ,

T A = detFF F −1 · dA A0 , dA

dAj =

ρ0 (Fij )−1 dA0i ρ

ber¨ucksichtigt werden. Definition 4.8 (1. Piola-Kirchhoff’scher Spannungsvektor). Bezieht man den aktuellen differentiellen Kraftvektor dff auf ein orientiertes differentielles Fl¨acheneleA0 = n 0 dA0 in der Referenzkonfiguration, erh¨alt man einen Nennspannungsment dA vektor Δff I t = lim A0 →0 ΔA0

4.4 Spannungsvektoren und Spannungstensoren nach Piola-Kirchhoff

155

Der zugeh¨orige Tensor IP , der den Spannungszustand in einem materiellen Punkt der Referenzkonfiguration, d.h. in Lagrange’schen Koordinaten, beschreibt, heißt a, t) ist 1. Piola-Kirchhoff’scher oder auch Lagrange’scher Spannungstensor5. IP (a ein Nennspannungstensor. a der ReWie der Deformationsgradiententensor F, der einen Linienelementvektor da x in der aktuellen Konfiguration ferenzkonfiguration mit dem zugeh¨origen Vektor dx verbindet, verkn¨upft der Tensor IP einen aktuellen Kraftvektor dff mit einem oriA0 der Referenzkonfiguration. IP ist somit wie F ein entierten Fl¨achenelement dA Doppelfeldtensor. Aus t dA = dff und t dA0 = dff

I

folgt zun¨achst t dA = It dA0 = dff bzw. t = It

(4.36)

A0 ·n n0 dA0 I dA = t A ·n n dA dA

T A = detFF F −1 · dA A0 erh¨alt man dann Mit dA t = It

dA0 I = t dA

A0 ·n n0 A0 ·n n0 dA dA = It (detFF)−1

T −1 A0 ·FF ·n n dA A0 ·n n detFF F −1 · dA

n = n 0 ergibt sich abschließend Wegen F −1 ·n t = It (detFF)−1

A0 ·n n0 I dA = t (detFF )−1 A0 ·n n0 dA

A0 , folgt entBezieht man den aktuellen Kraftvektor dff auf das Ausgangselement dA sprechend dfi = I Pji dA0 j ,

I

ti = I Pji n0 j ,

dA0 j = dA0 n0 j

(4.37)

Der Tensor IP = I Pije ie j ist, wie noch n¨aher gezeigt wird, im Gegensatz zum Tensor T = Tije ie j im Allgemeinen nicht symmetrisch. Unter Beachtung der Transformationsgleichung f¨ur das Fl¨achenelement dA0j = (detFF)−1 Fij dAi erh¨alt man den Zusammenhang zwischen dem Cauchy’schen und dem 1. PiolaKirchhoff’schen Spannungstensor 5

Die Bezeichnungen der Spannungstensoren nach Piola und Kirchhoff ist historisch nicht unumstritten - ausf¨uhrlich kann man u¨ ber die Terminologie und ihre historische Einordnung in [12] nachlesen.

156

4 Kinetische Gr¨oßen und Gleichungen

t = n ·TT , ti = Tji nj ,

It It

T = (detFF)−1F · IP , Tij = (detFF)−1 Fik I Pkj ,

i

= n 0 ·I P , = I Pji n0 j ,

IP

P

IP

ij

= (detFF)FF −1 ·TT , = (detFF)(Fik )−1 Tkj

(4.38)

(4.39)

Formuliert man jetzt das Kraft- und das Momentengleichgewicht in der Referenzkonfiguration, erh¨alt man analog zu den Gln. (4.14) bis (4.24) die Bewegungsgleichungen in Lagrange’schen Koordinaten    n 0 ·I P dA0 + ρ0k 0 dV0 − x¨ ρ0 dV0 = 0 , (4.40) A0

V0

V0

  I a × ρ0k 0 ) dV0 = 0 , n0 · P ) dA0 + (a a × (n A0

(4.41)

V0

x¨ ρ0 = ∇a · P + ρ0k 0 , I

I

P ·FFT = F ·I P T

(4.42)

Das Momentengleichgewicht liefert die Symmetrie f¨ur IP ·FFT , aber nicht f¨ur IP selbst. Dies kann man auch aus der Symmetrie des Cauchy’schen Spannungstensors unter Beachtung der ersten Gleichung aus (4.39) ableiten. Es gilt T = (detFF )−1IP ·FF T und

T T = (detFF)−1 (IP ·FF T )T

Mit (IP ·FFT )T = (FFT )T · IP T = F · IP T = IP ·FFT ist dann die spezielle Symmetrie bewiesen. Ein unsymmetrischer Nennspannungstensor IP ist f¨ur die Verkn¨upfungen von Spannungs- und Verzerrungstensoren in Konstitutivgleichungen nicht immer g¨unstig. IP wird daher zweckm¨aßig so modifiziert, dass man wieder einen symmetrischen Spannungstensor erh¨alt. Man f¨uhrt dazu einen fiktiven Kraftvektor“ ein ” dff0 = F −1 · dff,

df0i = (Fij )−1 dfj

(4.43)

Man erkennt, dass dieser fiktive Kraftvektor dff0 mit dem Kraftvektor dff der aktuellen Konfiguration durch die gleiche Transformation verbunden ist, wie ein Lia der Referenzkonfiguration mit dem zugeordneten dx x der Momennienelement da −1 x a F · dx ). Mit dem so transformierten Kraftvektor dff wird tankonfiguration (da = mit (4.44) df0i = II Pji dA0j ein Pseudospannungstensor IIP eingef¨uhrt.

4.4 Spannungsvektoren und Spannungstensoren nach Piola-Kirchhoff

157

Definition 4.9 (2. Piola-Kirchhoff’schen Spannungsvektor). Wird der KraftvekA0 der Ausgangskonfiguratitor dff0 = F −1 · dff auf ein orientiertes Fl¨achenelement dA on bezogen, erh¨alt man einen Pseudospannungsvektor IIt mit einem zugeordneten Pseudospannungstensor II

T P = IP · F −1

II

bzw.

I Pji = F−1 ik Pjk

Man bezeichnet die Pseudospannungsgr¨oßen als 2. Piola-Kirchhoff’schen Spannungsvektor bzw. Spannungstensor. Diese Spannungsgr¨oßen haben keine direkte physikalische Interpretation, sie entsprechen aber der in der aktuellen Konfiguration A0 A in eine entsprechende Zuordnung dff0 = IIP ·dA gegebenen Zuordnung dff = T ·dA in der Referenzkonfiguration. IIP

ist im Unterschied zu IP ein symmetrischer Tensor. Mit den Gleichungen IIP II P

ij

T = IP · F −1 ,

IP

= I Pik (Fjk )−1 ,

IP

ij

=

IIP ·F FT ,

=

II P

(4.45)

ik Fjk

erh¨alt man unter Beachtung des Zusammenhanges von T und IP nach Gl. (4.39) auch den Zusammenhang zwischen den Tensoren T und IIP IIP

T

= (detFF)FF −1 ·TT · F −1 ,

II P

T = (detFF)−1F ·II P ·FF , Aus

ij

= (detFF )(Fik )−1 (Fjl )−1 Tkl ,

Tij = (detFF )−1 Fik (Fjl )−1

T

II P

(4.46)

kl

   T T T T F−1 ·TT · F−1 = F−1 ·TT T · F −1 = F−1 ·TT · F −1

folgt II

P = (II P )T

bzw.

II

Pij =II Pji

(4.47)

Beachtet man die Beziehung ρ0 a, t) = detFF(a ρ kann man auch schreiben II

a) = P (a

ρ0 ∇a x )T ·TT (x x) · (∇ ∇a x ), (∇ ρ

x) = T (x

ρ0 −1 F Tkl F−1 jl , ρ ik

Tkl =

bzw. II

Pij =

ρ0 ∇x a )T · IIP (a a) · (∇ ∇x a ) (∇ ρ ρ0 Fki II Pij Flj ρ

Bei bekannten Cauchy’schen Spannungen Tkl (Euler’sche Darstellung der Spannungen) erh¨alt man die 2. Piola-Kirchhoff’schen Spannungen (Lagrange’sche Darstellung der Spannungen) durch eine rein kinematische Transformation. Aus der

158

4 Kinetische Gr¨oßen und Gleichungen

Symmetrie von Tmn folgt die Symmetrie f¨ur II Pij . Die Spannungstensoren T und IIP sind somit symmetrische Tensoren, IP ist ein unsymmetrischer Tensor. Auf die Definition weiterer Tensoren wird verzichtet. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass bei der Verkn¨upfung von Spannungs- und Verzerrungstensoren ihre physikalische Zuordnung durch die sogenannte Elementararbeit dW bzw. die spezifische innere Leistung beachtet werden muss. Man spricht auch von konjugierten (Energie bzw. Leistung) Tensoren. Im Kapitel 5 folgen noch kurze Bemerkungen dazu. Hier sei nur auf folgende, f¨ur die Anwendung bei Festk¨orperproblemen besonders interessante Zuordnungen hingewiesen. Geometrisch lineare Aufgaben werden allgemein mit dem klassischen linearen Euler’schen Verzerrungstensor und dem Cauchy’schen Spannungstensor formuliert. F¨ur große Verschiebungen, aber kleine Verzerrungen werden meist der Green-Lagrange’sche Verzerrungstensor und der 2. Piola-Kirchhoff’sche Spannungstensor eingesetzt. F¨ur den Fall kleiner Verzerrungen kann man bei der f¨ur numerische L¨osungen nichtlinearer Aufgaben oft benutzten updated Lagrange“-Formulierung auch den Almansi-Euler-Verzerrungstensor ” und den Cauchy’schen Spannungstensor wie bei linearen Aufgaben einsetzen. Der Cauchy’sche und der 2. Piola-Kirchhoff’sche Spannungstensor sowie der GreenLagrange’sche und der Almansi-Euler’sche Verzerrungstensor sind auch sogenannte objektive Tensoren. Sie erf¨ullen bei der Formulierung von Konstitutivgleichungen das Prinzip der materiellen Objektivit¨at. Darauf wird bei der Formulierung materialabh¨angiger Gleichungen n¨aher eingegangen (s. Abschn. 6.2.2). Abschließend seien die wichtigsten Ergebnisse und Gleichungen noch einmal tabellarisch zusammengefasst. ¨ Außere Kraftfelder x, t) ≡ k (x x, t), k m (x

a, t) ≡ k 0 (a a, t) km 0 (a

Massenkraftdichte,

x, t), k V (x

a, t) kV 0 (a

Volumenkraftdichte,

x, t), t (x

a, t) t 0 (a

Ober߬achenkraftdichte

Resultierende a¨ ußere Kraft  R x, t) = ρ(x x, t)k k(x x, t) dV f (x 

V R

a, t) = f (a

 x,n n, t) dA, + t (x 

A

a)k k 0 (a a, t) dV0 + ρ0 (a V0

A0

a,n n 0 , t) dA0 t 0 (a

4.4 Spannungsvektoren und Spannungstensoren nach Piola-Kirchhoff

Resultierendes a¨ ußeres Moment bezogen auf den Punkt 0   x x x k x x × t(x x,n n , t)] dA, mR (x , t) = [x × ρ(x , t)k (x , t)] dV + [x 0 V

a, t) mR 0 (a

A 

=

a × ρ0 (a a)k k0 (a a, t)] dV0 + [a V0

a × t0 (a a,n n0 , t)] dA0 [a

A0

Spannungsvektoren x,n n, t) = n (x x, t) ·TT (x x, t) t (x a, t) ·I P (a a, t) = n 0 (a a, t) ·IIP (a a, t) = n 0 (a

It (a a,n n0 , t) IIt (a a,n n0 , t)

Cauchy, Piola-Kirchhoff (1.), Piola-Kirchhoff (2.),

Spannungstensoren a, t) ·I P (a a, t), a, t) = (detFF (a a, t))−1F (a T (a −1 a, t))FF (a a, t) ·TT (a a, t), = (detFF (a a, t) ·II P (a a, t) ·FFT (a a, t), a, t) = (detFF (a a, t))−1F (a T (a −1 IIP (a a, t) = (detFF (a a, t))FF (a a, t) ·TT (a a, t) · [FFT (a a, t)]−1 , IP (a a, t)

IIP (a a, t) IP (a a, t)

a, t) · [FFT (a a, t)]−1 = F −1 (a a, t) ·I P (a a, t), = IP (a II II a, t) · P (a a, t) = P (a a, t) ·FFT (a a, t) = F (a

Gleichgewicht und Bewegungsgleichungen x, t) + ρ(x x, t)k k(x x, t) = 0 , ∇x ·TT (x x, t) + ρ(x x, t)k k(x x, t) = ρ(x x , t)¨x (x x, t) = ρ(x x, t)u¨ (x x, t), ∇x ·TT (x x, t), x, t) = T T (x T (x a, t) + ρ0 (a a)k k0 (a a, t) = 0 , ∇a ·I P (a a, t) + ρ0 (a a)k k0 (a a, t) = ρ0 (a a)¨x (a a, t) = ρ0 (a a)u¨ (a a, t), ∇a ·I P (a a, t) = IP (a a, t) ·FFT , F ·I P T (a a, t) ·FFT + ρ0 (a a)k k0 (a a, t) = 0 , ∇a · IIP (a a, t) ·FFT + ρ0 (a a)k k0 (a a, t) = ρ0 (a a)¨x (a a, t) = ρ0 (a a)u¨ (a a, t), ∇a · IIP (a IIP T (a a, t)

a, t) = IIP (a

159

160

4 Kinetische Gr¨oßen und Gleichungen

¨ 4.5 Ubungsbeispiele Aufgabe 4.1 (Spannungsvektor). In einem Punkt P des Kontinuums ist der Spannungszustand durch folgenden Tensor gegeben T = 7ee1e 1 − 2ee1e 3 + 5ee2e 2 − 2ee3e 1 + 4ee3e 3 Man berechne den Spannungsvektor t f¨ur die durch den Normaleneinheitsvektor 2 1 2 n = e 1 − e2 + e3 3 3 3 bestimmte Schnittebene. Aufgabe 4.2 (Drehung des Spannungstensors). Ein Spannungstensor T = Tije ie j hat im kartesischen Koordinatensystem x die Koordinaten ⎡ ⎤ 2 √ −2 0 0 ⎦ [Tij ] = ⎣ −2 2 √ 0 0 − 2 Man berechne die Koordinaten f¨ur ein gedrehtes Koordinatensystem x  , das durch die Drehmatrix ⎤ ⎡ 1 √0 √0 [Qij ] = ⎣ 0 √2/2 −√ 2/2 ⎦ 0 2/2 2/2 gegeben ist. Aufgabe 4.3 (maximale Schubspannung). Eine Probe wird biaxial belastet, wobei in einer Richtung mit der Zugspannung σ und in der dazu orthogonalen Richtung mit der Druckspannung −σ. Man gebe den Spannungstensor f¨ur ein um die dritte orthogonale Richtung um 45◦ entgegen Uhrzeigersinn gedrehtes Koordinatensystem an. Aufgabe 4.4 (maximale Schubspannung). F¨ur einen Spannungstensor T im Punkt P seien die Hauptspannungen σI , σII , σIII und die dazugeh¨origen Hauptrichtungen n II ,n nIII bekannt. Man berechne die maximale Schubspannung und die zugen I ,n ordnete Richtung. Aufgabe 4.5 (maximale Schubspannung, Drehung der Koordinatenachsen). In einem Punkt P ist der Spannungstensor T durch die folgenden Komponenten gegeben T = Tije ie j = 5ee1e 1 − 6ee2e 2 − 12ee2e 3 − 12ee3e 2 +ee3e 3 a) Welchen Wert hat die maximale Schubspannung im Punkt P? b) Man berechne die Komponenten des Spannungstensors im Punkt P f¨ur ein in die Hauptspannungsebenen gedrehtes Koordinatensystem x  und f¨ur ein in die Hauptschubspannungsebene gedrehtes Koordinatensystem x  .

4.6 L¨osungen

161

Aufgabe 4.6 (Piola-Kirchhoff’sche Spannungstensoren). Der aktuelle Deformationszustand eines K¨orpers ist durch den Positionsvektor   1 1 a), x = x (a x = 4a1 , − a2 , − a3 2 2 x) hat die Koordinaten gekennzeichnet. Der Cauchy’sche Spannungstensor T = T (x ⎡ ⎤ 100 [Tij ] = ⎣ 0 0 0 ⎦ 000 Wie lauten die Koordinaten des zugeordneten 1. und 2. Piola-Kirchhoff’schen Tensors. Aufgabe 4.7 (Cauchy-Euler’schen Bewegungsgleichungen). Man leite die 1. und die 2. Cauchy-Euler’sche Bewegungsgleichung f¨ur den 2. Piola-Kirchhoff’schen Spannungstensor ab. Aufgabe 4.8 (Piola-Kirchhoff’sche Spannungstensor). Ein K¨orper befindet sich in der Momentankonfiguration 1 1 a) = a1e 1 − a3e 2 − 4a2e 3 x = x (a 2 2 im Gleichgewichtszustand. Der Cauchy’sche Spannungstensor hat nur eine von Null verschiedene Spannungskomponente T = 40ee3e 3 Man berechne a) den 1. Piola-Kirchhoff’schen Spannungstensor IP , b) den 2. Piola-Kirchhoff’schen Spannungstensor IIP und c) die Spannungsvektoren It und IIt , die den IP und IIP f¨ur die Schnittebene der Momentankonfiguration mit dem Normaleneinheitsvektor n = e3 zugeordnet sind. d) Man diskutiere die erhaltenen Ergebnisse.

4.6 L¨osungen L¨osung zur Aufgabe 4.1. Ausgangspunkt ist die Beziehung zwischen Spannungsvektor und -tensor x,n n) = n ·TT t (x Man erh¨alt damit den Spannungsvektor

162

4 Kinetische Gr¨oßen und Gleichungen

 t=



2 2 1 e 1 − e 2 + e 3 · (7ee1e 1 − 2ee1e 3 + 5ee2e 2 − 2ee3e 1 + 4ee3e 3 ) 3 3 3

Die Ausmultiplikation f¨uhrt auf t = 4ee1 −

10 e2 3

L¨osung zur Aufgabe 4.2. Die Transformationsgleichung f¨ur den Spannungstensor lautet Tij = Qik Qjl Tkl = Qik Tkl Qlj Danach erh¨alt man ⎡ ⎤⎡ ⎤⎡ ⎤T 1 √0 0 2 √ −2 0 1 √0 0 √ √ 0 ⎦ ⎣ 0 √2/2 −√ 2/2 ⎦ [Tij ] = ⎣ 0 √2/2 −√ 2/2 ⎦ ⎣ −2 2 √ 0 2/2 2/2 0 0 − 2 0 2/2 2/2 Q) = 1, d.h. die Eigenschaft des Drehtensors ist erf¨ullt. Der Tensor beschreibt det (Q eine 45◦ -Drehung um die x-Achse in kartesischen Koordinaten. Die weitere Rechnung ergibt zun¨achst ⎡ ⎤ 2 −2 0 √ [Qik Tkl ] = ⎣ −√2 1 1 ⎦ − 2 0 −1 Abschließend folgt √ √ ⎤ ⎡ √ 2 − 2 −√ 2 √ [Tij ] = [Qik Tkl Qlj ] = ⎣ −√2 √0 2 ⎦ − 2 2 0 Damit sind die Koordinaten des Tensors T  = Tij e i e j bekannt. Die Drehung ist auf Abb. 4.8 visualisiert. σ2 τ23

τ21 σ2  τ12

τ32 σ3

τ31

τ13

τ2  1 

τ2  3  σ1

τ1  2 

2 τ1  3 

45◦ 3

1

Abb. 4.8 Urspr¨unglicher und gedrehter Spannungsw¨urfel

σ1 

4.6 L¨osungen

163

L¨osung zur Aufgabe 4.3. Das Ausgangskoordinatensystem sei durch e i , das gedrehte durch e i gekennzeichnet. Im Ausgangssystem sei e 1 die Zugrichtung, e 2 die Druckrichtung. Damit erh¨alt man folgenden Spannungstensor T = σ(ee 1e 1 −ee2e 2 ) Gedreht wird 45◦ um die Achse e 3 = e 3 entgegen dem Uhrzeigersinn. Der Drehtensor folgt dann aus Q (ϕee 3 ) = (1 − cosϕ)ee3e 3 + cosϕII + sin ϕee3 × I mit ϕ = π/4

1√ 2(ee1e 1 −ee1e 2 +ee2e 2 +ee2e 1 ) +ee3e 3 2 Der transponierte Drehtensor ist damit Q=

QT =

1√ 2(ee1e 1 −ee2e 1 +ee2e 2 +ee1e 2 ) +ee3e 3 2

Der Spannungstensor im gedrehten System folgt aus QT T  = Q ·TT ·Q Die Rechnung f¨uhrt auf

T  = σ(ee 1e 2 +ee2e 1 )

Der urspr¨ungliche Spannungszustand ist einem Schubspannungszustand im gedrehten System a¨ quivalent. L¨osung zur Aufgabe 4.4. Die Hauptrichtungen bilden ein orthonormales Basissystem, wenn man f¨ur n i ≡ e i , i = 1, 2, 3 setzt. Die Vektoren e i sind die Einheitsvektoren eines kartesischen Koordinatensystems. Der Einheitsnormalenvektor n f¨ur eine beliebige Schnittfl¨ache durch P hat dann die allgemeine Form n = n1e 1 + n2e 2 + n3e 3 Den zu T geh¨orende Spannungsvektor t = n1 σIe 1 + n2 σIIe 2 + n3 σIIIe 3 dieser Schnittfl¨ache kann man nach Gl. (4.8) in eine normale und eine tangentiale Komponente zerlegen t = tn en + ttet ,

tn = n ·tt = n2i σi ,

2 tt2 = t 2 − tn

und man erh¨alt tt2 = n2i σ2i − (n2i σi )2

(tt2 = t ·tt),

164

4 Kinetische Gr¨oßen und Gleichungen

F¨ur gegebene σi -Werte ist tt2 eine Funktion der Koordinaten ni des Einheitsnormalenvektors n . Gesucht ist daher zun¨achst das Maximum f¨ur tt2 (ni ) mit der Nebenbedingung ni ni = 1. Die notwendige Bedingung daf¨ur ist dtt2 =

∂tt2 dni = 0 ∂ni

Wegen der Unabh¨angigkeit aller dni gelten dann die Bedingungsgleichungen f¨ur einen Extremwert ∂tt2 = 0 mit der Nebenbedingung ni ni = 1 ∂ni Die Anwendung der Lagrange’schen Multiplikatorenmethode ergibt

∂ 2 tt (ni ) − λ(n2i − 1) = 0, ∂ni

∂tt2 − 2λni = 0, ∂ni

i = 1, 2, 3,

d.h. man erh¨alt vier Gleichungen f¨ur die Berechnung der 4 Unbekannten n1 , n2 , n3 , λ 2n1 [σ2I − 2(σI n21 + σII n22 + σIII n23 )σI ] = n1 λ, 2n2 [σ2II − 2(σI n21 + σII n22 + σIII n23 )σII ] = n2 λ,

2n3 [σ2III − 2(σI n21 + σII n22 + σIII n23 )σIII ] = n3 λ, =1 n21 + n22 + n23

Aus den Gleichungen folgen zwei Gruppen von L¨osungen f¨ur die ni . Die Funktion tt2 = tt2 (n1 , n2 , n3 ) hat f¨ur diese L¨osungen station¨are Werte und die Nebenbedingung wird erf¨ullt a) (n1 , n2 , n3 ) : (±1, 0, √0); (0, ±1, √ 0); (0, 0, ±1), √ √ √ √ b) (n1 , n2 , n3 ) : (±1/ 2, ±1/ 2, 0); (±1/ 2, 0, ±1/ 2); (0, ±1/ 2, ±1/ 2) F¨ur die durch die L¨osung a) bestimmten Schnittebenen ist jeweils tt2 = tt = 0 und tt2 hat f¨ur diese Schnittebenen den minimalen Wert 0. F¨ur die durch die L¨osung b) bestimmten Schnittebenen gilt 1 1 1 1. n = ± √ e 1 ± √ e 2 =⇒ tt2 = (σI − σII )2 , 4 2 2 1 1 1 2. n = ± √ e 1 ± √ e 3 =⇒ tt2 = (σI − σIII )2 , 4 2 2 1 1 1 3. n = ± √ e 2 ± √ e 3 =⇒ tt2 = (σII − σIII )2 4 2 2 Die maximale Schubspannung ist dann   1 1 1 |σI − σII |, |σI − σIII |, |σII − σIII | max(tt ) = max 2 2 2

4.6 L¨osungen

165

oder

1 ttmax = (tnmax − tnmin ) 2 Im Allgemeinen ordnet man die Hauptspannungen in der Reihenfolge σI  σII  σIII

=⇒

1 ttmax ≡ τmax = (σI − σIII ) 2

F¨ur die Schnittfl¨ache mit τ = τmax erh¨alt man die Normalspannung 1 1 tn ≡ (tn max + tnmin ) =⇒ (σI + σIII ) 2 2 Die durch die L¨osung a) bestimmten Schnittebenen sind die Hauptspannungsebenen, die durch die L¨osung b) bestimmten Schnittebenen sind gegen¨uber jeweils zwei Hauptspannungsebenen um 45◦ geneigt. L¨osung zur Aufgabe 4.5. Die Hauptspannungen berechnen sich aus   5−σ 0 0    0 −6 − σ −12  = 0,    0 −12 1 − σ  (5 − σ)[(6 + σ)(1 − σ) + 144] = 0 =⇒ σ1 = 10,

σ2 = 5,

σ3 = −15

Die maximale Schubspannung betr¨agt dann 1 τmax = (σ1 − σ3 ) = 12, 5 2 In Bezug auf das Hauptachsensystem x1 , x2 , x3 mit den Basisvektoren e 1 ,ee 2 ,ee 3 nimmt der Tensor T folgende Form an T  = 10ee1 e 1 + 5ee2 e 2 − 15ee3 e 3 F¨ur das Koordinatensystem xi erh¨alt man mit 1 1 (n1 , n2 , n3 ) = (± √ , 0, ± √ ) 2 2 eine Drehung der x1 - und der x3 -Achse um 45◦ , f¨ur x2 gilt x2 = x2 . Transformiert man den Tensor T  der Hauptspannungen in den Tensor T  , erh¨alt man f¨ur die  Q mit den KoorTensorkoordinaten die Transformationsgleichung Tij = Qik Tkl lj dinatenmatrizen √ ⎤ √ ⎤ ⎡ √ ⎡√ 2 2 2 2 ⎡ ⎤ 10 0 0 ⎢ 2 0 2 ⎥ ⎢ 2 0− 2 ⎥ ⎢ ⎢ ⎥ ⎥  0 1 √0 ⎥ , [Qlj ] = ⎢ √0 1 √0 ⎥ ] = ⎣ 0 5 0 ⎦ , [Qik ] = ⎢ √ [Tkl ⎣ ⎣ ⎦ ⎦ 0 0 −15 2 2 2 2 0 0 − 2 2 2 2

166

4 Kinetische Gr¨oßen und Gleichungen

Damit ist der Spannungstensor im Punkt P bez¨uglich der Koordinaten xi wie folgt definiert T  = −2, 5ee1e 1 − 12, 5ee1e 3 + 5ee2e 2 − 12, 5ee3e 1 − 2, 5ee3e 3 Zur anschaulichen Deutung seien die Koordinatenmatrizen der Tensoren T ,TT  und T  noch einmal nebeneinandergestellt ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ 5 0 0 10 0 0 −2, 5 0 −12, 5   ] = ⎣ 0 5 0 ⎦ , [Tkl ]=⎣ 0 5 0 ⎦ [Tkl ] = ⎣ 0 −6 −12 ⎦ , [Tkl 0 −12 1 0 0 −15 −12, 5 0 −2, 5 L¨osung zur Aufgabe 4.6. Es gelten die Transformationsgleichungen P = (detFF)FF −1 ·TT ,

I

II

P =I P · (FF−1 )T

Damit erh¨alt man 1 1 F = 4ee1e 1 − e 2e 2 − e 3e 3 2 2

Diagonaltensor,

1 F −1 = e 1e 1 − 2ee2e 2 − 2ee3e 3 Diagonaltensor, 4   4 0 0    detFF =  0 − 12 0  = +1, 0 0 −1  2   1 1 I e 1e 1 − 2ee2e 2 − 2ee3e 3 · (1ee1e 1 ) = e 1e 1 , P =1 4 4     1 1 1 II e 1e 1 − 2ee2e 2 − 2ee3e 3 · e 1e 1 = e 1e 1 P= 4 4 16 Die Piola-Kirchhoff’schen Spannungstensoren haben damit die Koordinatenmatrizen ⎤ ⎤ ⎡1 ⎡ 1 4 00 16 0 0 [II Pij ] = ⎣ 0 0 0 ⎦ [I Pij ] = ⎣ 0 0 0 ⎦ , 000 0 00 L¨osung zur Aufgabe 4.7. Ausgangspunkt f¨ur die Ableitung sind die entsprechenden Bewegungsgleichungen f¨ur den 1. Piola-Kirchhoff’schen Spannungstensor und die Transformationsgleichungen zwischen IP und IIP ∇a ·I P + ρ0k0 = ρ0x¨ ,

P = F ·II P ,

I

P ·FFT = F T ·I P ,

I

I T

P =II P T ·FFT

Damit erh¨alt man ∇a ·(FF ·II P )+ρ0k 0 = ρ0x¨ ,

F ·II P ·FF T = F T ·II P ·FF = F ·II P T ·FF T =⇒II P =II P T

4.6 L¨osungen

167

Die 1. Gleichung ist die allgemeine Cauchy’sche Bewegungsgleichung in Langrangeschen Koordinaten und dem Spannungstensor IIP , die 2. Gleichung liefert die Symmetrieaussage f¨ur IIP . L¨osung zur Aufgabe 4.8. Es gilt zun¨achst 1 1 a) = a1e 1 − a3e 2 + 4a2e 3 x (a 2 2



1 x) = 2x1e 1 + x3e 2 − 2x2e 3 , a (x 4

1 1 1 ∇a x )T = e 1e 1 − e 2e 3 + 4ee3e 2 , F −1 = 2ee1e 1 + e 2e 3 − 2ee3e 2 , F = (∇ 2 2 4 detFF = 1 Damit wird a) IP = detFFF −1 ·TT = −1(2ee1e 1 − 14 e 2e 3 − 2ee3e 2 ) · 40ee3e 3 = 10ee2e 3 b) IIP = F −1 ·I P T = (2ee1e 1 + 14 e 2e 3 − 2ee3e 2 ) · 10ee3e 2 = 2.5ee2e 2 A0 = da a1 × da a2 mit da a1 = da1e 1 , da a2 = da2e 2 hat die c) Das Fl¨achenelement dA A0 = dA0n 0 ≡ dA0e 3 . Transformiert man dA A0 Fl¨achennormale n 0 ≡ e 3 , d.h. dA in die Momentankonfiguration, gilt x1 = F · da a1 , dx

x2 = F · da a2 dx

A = (FF · da a1 ) × (FF · da a2 ) = dA0 [(FF · dee1 ) × (FF · dee2 )], dA d.h. A = dAn n = dA0 [(FF · dee1 ) × (FF · dee2 )] dA A der aktuellen KonfiguDer Normaleneinheitsvektor n des Fl¨achenelements dA F e F e ration ist rechtwinklig zu · de 1 und · de 2 und man erh¨alt n = (FF · dee1 ) · dAn n = 0, (FF · dee1 ) · dAn A = dA0 (FF · dee3 ) · [(FF · dee1 ) × (FF · dee2 )] (FF · dee3 ) · dA b und c geltende Beziehung Beachtet man die f¨ur beliebige Vektoren a ,b    a1 a2 a3    b × c ) = b · (cc × a ) = c · (a a × b ) =  b1 b2 b3  a · (b  c1 c2 c3  folgt (FF · e3 ) · (FF · e1 ) × (FF · e2 ) = detFF und damit n = dA0 detFF, (FF · e3 ) · dAn

n= e 3 ·FFT ·n

dA0 detFF dA

n hat somit die Richtung e 3 , d.h. Der Vektor F T ·n n= F T ·n

dA0 detFFe 3 , dA

n = dA0 (detFF )(FF T )−1 ·ee3 dAn

168

4 Kinetische Gr¨oßen und Gleichungen

Das Fl¨achenelement in der Momentankonfiguration hat einen Normalenvektor n mit der Richtung (FF T )−1 ·ee3 und dem Betrag dA = dA0 (detFF)|(FF T )−1 ·ee3 |. A0 nicht eine Normalenrichtung e 3 sondern einen Hat dieses Fl¨achenelement dA beliebigen Richtungsvektor n 0 , gilt analog n = dA0 (detFF )(FF T )−1 ·n n, dAn

n dA0n 0 = dA(detFF )−1F T ·n

Im vorliegenden Fall ist detFF = 1,

n = e3 ,

F T ·ee3 = 4ee2 ,

d.h. dA0n 0 = 4ee2 =⇒ n 0 = e 2 =⇒I t = n 0 ·I P = 10ee3 ,II t = n 0 ·II P = 2, 5ee2 d) Die Vektoren t = n ·TT = 40ee3 und It = 10ee3 haben die gleiche Richtung. Da A, ist der Wert von It viermal A0 viermal so groß ist wie dA das Fl¨achenelement dA II kleiner als der von t . t = 2, 5ee2 hat eine andere Richtung und einen anderen Betrag als t .

Literaturverzeichnis 1. Altenbach H (2018) Holzmann Meyer Schumpich Technische Mechanik Festigkeitslehre, 13. Aufl. Springer, Wiesbaden 2. E, Cosserat F (1909) Th´eorie des corps d´eformables. A. Herman et fils, Paris 3. Eringen AC (1999) Microcontinuum Field Theory, Vol I. Foundations and Solids. Springer, New York 4. Eringen AC (1999) Microcontinuum Field Theory, Vol II. Fluent Media. Springer, New York 5. Green AE, Rivlin RS (1964) Multipolar continuum mechanics. Arch J Rat Mech Anal 17:205 – 217 6. Gross D, Hauger W, Schr¨oder J, Wall WA (2008) Technische Mechanik, Bd. 2: Elastostatik, 9. Aufl. Springer, Berlin 7. Maugin GA, Metrikine A (eds) (2010) Mechanics of Generalized Continua - One Hundred Years After the Cosserats, Advances in Mechanics and Mathematics 21. Springer, Berlin 8. Naumenko K, Altenbach H (2016) Modeling High Temperature Materials Behavior for Structural Analysis, Part I: Continuum Mechanics Foundations and Constitutive Models, Advanced Structured Materials, Vol. 28. Springer Nature 9. Nowacki W (1985) Theory of Asymmetric Elasticity. Pergamon Press, Oxford 10. Rubin MB (2000) Cosserat Theories: Shells, Rods and Points. Kluwer, Dordrecht 11. Schaefer H (1967) Das Cosserat-Kontinuum. ZAMM 77(8):485 – 498 12. Truesdell C, Noll W (2004) The Non-linear Field Theories of Mechanics, 3rd edn. Springer, Berlin

Kapitel 5

Bilanzgleichungen

Zusammenfassung Die Bilanzgleichungen beschreiben allgemeing¨ultige Prinzipien bzw. universelle Naturgesetze unabh¨angig von den speziellen Kontinuumseigenschaften. Sie gelten somit f¨ur alle Materialmodelle der Kontinuumsmechanik. Bilanzgleichungen werden zun¨achst in integraler Form als globale Aussagen f¨ur den Gesamtk¨orper angegeben. F¨ur hinreichend glatte Felder der zu bilanzierenden Gr¨oßen k¨onnen aber auch lokale Formulierungen in der Form von Differentialgleichungen, die sich auf einen beliebig kleinen Teil des K¨orpers beziehen, gew¨ahlt werden. Bleibt bei einem zu bilanzierenden Prozess die Bilanzgr¨oße unver¨andert erhalten, haben Bilanzgleichungen den Charakter von Erhaltungss¨atzen. Die Bilanzgleichungen werden im vorliegenden Kapitel in folgenden Schritten erarbeitet. Zun¨achst werden allgemeine Aussagen und allgemeine Strukturen der Gleichungen diskutiert, die Transporttheoreme behandelt und auf Besonderheiten kontinuierlicher Felder mit Sprungrelationen hingewiesen. Danach werden die mechanischen Bilanzgleichungen bzw. Erhaltungss¨atze f¨ur die Masse, den Impuls, den Drehimpuls und die Energie formuliert. Abschließend erfolgt eine Erweiterung der Bilanzgleichungen auf thermodynamische Probleme. Dazu werden zun¨achst die grundlegenden thermomechanischen Begriffe und Beziehungen definiert. Ausgehend von den Haupts¨atzen der Thermodynamik erfolgt dann die Ableitung der erweiterten Energiebilanzen und der Aussagen zur Entropie. Diese insgesamt f¨unf Bilanzformulierungen bilden die Grundlage der materialunabh¨angigen Beschreibung der Deformationen von Festk¨orpern bzw. Str¨omungen von Fluiden. Alle Erweiterungen auf andere physikalische Felder bleiben unber¨ucksichtigt.

5.1 Allgemeine Formulierung von Bilanzgleichungen F¨ur die Ableitung von Bilanzgleichungen der Kontinuumsmechanik erweist es sich als zweckm¨aßig, einige allgemeine Aussagen voranzustellen. Dazu geh¨oren Begriffsbildungen, Strukturen allgemeiner globaler und lokaler Gleichungen, materielle Zeitableitungen f¨ur durch Integrale definierte Funktionen, aber auch eine kurze © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2018 H. Altenbach, Kontinuumsmechanik, https://doi.org/10.1007/978-3-662-57504-8_5

169

170

5 Bilanzgleichungen

Diskussion u¨ ber die notwendige Erg¨anzung von Bilanzaussagen f¨ur nichtkontinuierliche Felder. Die nachfolgenden Aussagen k¨onnen mit Hilfe der Spezialliteratur (z.B. [5; 7; 9; 11; 13]) vertieft werden. Analoge Aussagen lassen sich auch f¨ur zweiund eindimensionale bzw. verallgemeinerte Kontinua treffen, s. u.a. [1; 3; 10].

5.1.1 Globale und lokale Gleichungen fur ¨ stetige Felder Aufgabe der Kontinuumsmechanik als einer Feldtheorie ist die Bestimmung des a, t), des Vektorfeldes der Bewegung x = x (a a, t) Skalarfeldes der Dichte ρ = ρ(a und, bei einer thermodynamischen Erweiterung, des Skalarfeldes der Temperatur a, t) f¨ur alle materiellen Punkte a als Funktionen der Zeit t. Im Folgenden Θ = Θ(a wird gezeigt, dass alle daf¨ur m¨oglichen materialunabh¨angigen Aussagen auch mit Hilfe von Bilanzgleichungen formuliert werden k¨onnen. Definition 5.1 (Bilanzgleichungen). Bilanzgleichungen sind grundlegende Erfahrungss¨atze der Kontinuumsmechanik, die den Zusammenhang zwischen dem Zustand bestimmter, den materiellen K¨orper (Kontinuum) kennzeichnender Gr¨oßen und den a¨ ußeren Einwirkungen auf diesen K¨orper ausdr¨ucken. Bilanzgleichungen, die die Konstanz (Erhaltung) dieser Gr¨oßen beinhalten, heißen auch Erhaltungss¨atze. Bilanzgleichungen k¨onnen f¨ur K¨orpermodelle unterschiedlicher Dimension und auch f¨ur andere physikalische Felder angegeben werden. Anmerkung 5.1. F¨ur den Fall zwei- bzw. eindimensionaler Kontinua oder anderer physikalischer Felder erh¨oht sich die Anzahl der Bilanzgleichungen im Rahmen der hier getroffenen nicht. Anmerkung 5.2. Betrachtet man Kontinua auf verschiedenen L¨angenskalen k¨onnen auch mehr Bilanzen auftreten (s. beispielsweise [8]). Die Formulierung von Bilanzgleichungen beruht auf der Voraussetzung, dass man einen materiellen K¨orper durch einen Schnitt von seiner Umgebung trennen kann. Ein solcher Schnitt muss nicht real gef¨uhrt werden, und er ist nicht von vornherein eindeutig bestimmt. Die Lage eines gedachten Schnittes“ und damit die Trennung ” eines Gesamtsystems in einen betrachteten K¨orper und seine a¨ ußere Umgebung sind somit willk¨urlich. Die Wirkung der a¨ ußeren Umgebung auf den K¨orper wird durch ¨ physikalischer Gr¨oßen, die den Zustand des materiellen K¨orpers chadie Anderung rakterisieren, ausgedr¨uckt. Solche Zustands¨anderungen k¨onnen bei rein mechanischen Modellen nur durch a¨ ußere Kr¨afte, bei thermodynamischen Modellen auch durch Temperaturwirkungen, verursacht werden. Den momentanen Zustand eines K¨orpers kann man bei dreidimensionalen Modellen mathematisch durch Volumenintegrale u¨ ber die Dichteverteilungen der mechanischen und/oder thermischen Gr¨oßen erfassen. Die Wirkung der a¨ ußeren Umgebung muss dagegen durch Volumen- und Oberfl¨achenintegrale u¨ ber die Volumenund/oder Oberfl¨achendichten von Belastungen“ ausgedr¨uckt werden. Die Volumen” und Oberfl¨achenintegrale k¨onnen sich auf die Referenz- oder die Momentankonfiguration beziehen.

5.1 Allgemeine Formulierung von Bilanzgleichungen

171

Die allgemeine Struktur einer Bilanzgleichung kann man dann wie folgt era, t) seien die Dichteverteilungen einer skalaren mechanix, t) und Ψ0 (a kl¨aren. Ψ(x schen Feldgr¨oße bez¨uglich der Volumenelemente dV und dV0 der Momentan- und der Referenzkonfiguration. Die Integration u¨ ber den K¨orper ergibt dann eine additive (extensive) Gr¨oße Y(t)   x , t) dV = Ψ0 (a a, t) dV0 (5.1) Y(t) = Ψ(x V

V0

a, t) = (detFF)Ψ(x x , t). Die materielle Zeitableitung Mit dV = (detFF )dV0 gilt Ψ0 (a ¨ ¨ der Funktion Y(t) entspricht physikalisch der Anderungsgeschwindigkeit (Andex, t) gekennzeichneten Gesamtzustandes des K¨orpers. Diese rungsrate) des durch Ψ(x ¨ Anderungsgeschwindigkeit muss offensichtlich mit der Wirkung der a¨ ußeren Umgebung auf den K¨orper bilanziert, d.h. im Gleichgewicht, sein. F¨ur die Momentankonfiguration gilt    D D x , t) dV = Φ(x x , t) dA + Ξ(x x , t) dV Y(t) = Ψ(x (5.2) Dt Dt V

A

V

und f¨ur die Referenzkonfiguration    D D a, t) dV0 = Φ0 (a a, t) dA0 + Ξ0 (a a, t) dV0 Y(t) = Ψ0 (a Dt Dt V0

A0

(5.3)

V0

Φ und Φ0 sind skalare Oberfl¨achendichten der a¨ ußeren Einwirkungen auf den K¨orper in der Momentan- und in der Referenzkonfiguration, Ξ und Ξ0 sind die entsprechenden skalaren Volumendichten. Ausgangspunkt f¨ur die Bilanzierung der ¨ Anderungsgeschwindigkeit einer Feldgr¨oße und der Wirkung a¨ ußerer Kr¨afte ist im Allgemeinen die Momentankonfiguration. Durch die Transformation der Oberfl¨achen- und der Volumenintegrale erh¨alt man dann die Bilanzaussagen f¨ur die Referenzkonfiguration. Die Oberfl¨achendichtewirkungen sind verbunden mit Zu- oder Abfl¨ussen der entsprechenden Gr¨oßen durch die Oberfl¨ache des K¨orpers. Die Volumendichten repr¨asentieren eine a¨ ußere Volumendichtezufuhr und die Erzeugung (Quellen) oder den Verlust (Senken) der Bilanzgr¨oße innerhalb eines K¨orpers. Die f¨ur skalare Felder formulierten Bilanzaussagen k¨onnen ohne Schwierigkei¨ ten auf Vektor- oder Tensorfelder erweitert werden. F¨ur die weiteren Uberlegungen m¨ussen folgende Hinweise beachtet werden. Anmerkung 5.3. Die Oberfl¨achendichtefunktionen Φ bezogen auf die Momentankonfiguration sind nicht nur Funktionen des Ortes x und der Zeit t, sondern sie h¨angen auch von der Orientierung des dem Punkt x zugeordneten Oberfl¨acheneleA = n (x x, t)dA, d.h. von deren Normalen n ab. Dieser Hinweis gilt f¨ur Tenmentes dA x,n n, t) beliebiger Stufe n  0. Die Aussage kann gleichsorfelder (n)Φ =(n) Φ (x falls auf die Oberfl¨achendichten in der Referenzkonfiguration u¨ bertragen werden (n)Φ =(n) Φ (a n0 , t), dA A0 = n 0 (a a, t)dA0 . 0 0 a ,n

172

5 Bilanzgleichungen

Anmerkung 5.4. F¨ur die n - bzw. n 0 -Abh¨angigkeit der Oberfl¨achendichtefunktionen Φ bzw. Φ 0 gilt das Cauchy’sche Fundamentaltheorem (4.13) (n)

˜ (x x, t), x,n n, t) = n ·(n+1) Φ Φ (x

(n)

˜ 0 (a a,n n0 , t) = n 0 ·(n+1) Φ a, t), Φ 0 (a

(5.4)

d.h. die Abh¨angigkeit der Oberfl¨achendichtefunktionen von n bzw. von n 0 ist immer linear. Die Beweisf¨uhrung erfolgt wie f¨ur die Oberfl¨achenkr¨afte im Kapitel 4. ˜ (x x, t) ein Tensor nter Stufe, dann ist (n+1)Φ x, t) ein Tensor (n + 1)ter Ist (n)Φ (x Stufe. Anmerkung 5.5. F¨ur Oberfl¨achendichtefunktionen gilt immer das Gegenwirkungsprinzip (actio = reactio). Zwei Oberfl¨achendichten, die auf eine Oberfl¨ache in einem gemeinsamen materiellen Punkt wirken, deren Oberfl¨achenorientierungen aber n bzw. n 0 und durch entgegengesetzt wirkende Normaleneinheitsvektoren n und −n n0 gegeben sind, haben stets den gleichen Betrag, aber ein entgegengesetztes Vor−n zeichen n 0 ) = −Φ Φ0 (−n n0 ) n ) = −Φ Φ(−n n), (5.5) Φ (n Φ 0 (n ¨ Bilanzgleichungen f¨ur die Formulierung des Gleichgewichts zwischen den Ande¨ rungen des Zustands eines K¨orpers und den diese Anderungen verursachenden Fl¨usse von Oberfl¨achenkraftdichten bzw. der Produktion oder dem Verlust innerer Volumendichten haben damit f¨ur die Momentankonfiguration folgende Struktur    D (n) x, t) dV = n (x x, t) ·(n+1) Φ (x x, t) dA + (n)Ξ (x x, t) dV Ψ (x (5.6) Dt V

A

V

Entsprechend gilt f¨ur die Referenzkonfiguration   D (n) ∂ (n) a, t) dV0 ≡ a, t) dV0 Ψ 0 (a Ψ 0 (a Dt ∂t V0

 =

(5.7)

V0

a, t) ·(n+1) Φ 0 (a a, t) dA0 + n 0 (a

A0



(n)

a, t) dV0 Ξ 0 (a

V0

(n)Ψ

und (n)Ψ 0 sowie (n)Ξ und (n)Ξ 0 sind Tensorfelder nter Stufe (n  0), und (n+1)Φ 0 sind dann Tensorfelder der Stufe (n + 1). Die Ableitung der Beziehungen zwischen Oberfl¨achen- und Volumengr¨oßen der aktuellen und der Referenzkonfiguration erfolgt mit Hilfe der bekannten Transformationsgleichungen (s. Abschn. 3.3) (n+1)Φ

dA T dA0  −1 T n0 ⇐⇒ n 0 = (detFF)−1 n, ·n F ·n F dA dA0  T A0 ⇐⇒ dA A0 = (detFF )−1F T · dA A, A = detFF F −1 · dA dA

n = detFF

−1

dV = detFFdV0 ⇐⇒ dV0 = (detFF) Damit erh¨alt man z.B. aus

dV

(5.8)

5.1 Allgemeine Formulierung von Bilanzgleichungen

173

 T A0 = Φ · dA A = Φ · detFF F −1 · dA A0 Φ 0 · dA

(5.9)

die Verkn¨upfung f¨ur Φ 0 und Φ  T Φ · F −1 , Φ 0 = (detFF )Φ

a,n n0 , t), Φ 0 = Φ 0 (a

x,n n, t) Φ = Φ (x

(5.10)

und aus Ξ 0 dV0 = Ξ dV = Ξ (detFF)dV0 die entsprechende Verkn¨upfung von Ξ 0 und Ξ Ξ, Ξ 0 = (detFF)Ξ

a, t), Ξ 0 = Ξ 0 (a

x, t) Ξ = Ξ (x

(5.11)

F¨ur die Aufstellung spezieller Bilanzgleichungen ist es oft g¨unstiger, wie bei den a¨ ußeren Kr¨aften statt mit Volumenkraftdichten mit Massenkraftdichten zu rechnen. Beh¨alt man die bisherige Bezeichnung der Dichtefunktionen Ψ und Ξ bei, versteht jetzt aber darunter Massedichtefunktionen, kann man die globalen mechanischen Bilanzgleichungen f¨ur die Momentankonfiguration stets in folgender Form schreiben     D D x, t) dm ≡ x, t)ρ dV = n ·Φ Φ(x x, t) dA + Ξ (x x, t)ρ dV (5.12) Ψ (x Ψ (x Dt Dt m

V

A

V

x, t) und Ξ (x x, t) Tensorfelder gleicher Stufe n (n  0), Φ (x x, t) In Gl. (5.12) sind Ψ (x x, t) ist die a¨ ußere Normale auf A, m(x x, t), ist ein Tensorfeld der Stufe (n + 1), n (x die Masse ist eine stetige Funktion des Volumens. Die allgemeine Bilanzgleichung (5.12) kann man physikalisch folgendermaßen interpretieren. ¨ x, t) ist Schlussfolgerung 5.1. Die Anderungsgeschwindigkeit einer Bilanzgr¨oße Ψ(x gleich der Summe des Zu- und des Abflusses u¨ ber die Fl¨ache A des K¨orpers und dem Zuwachs oder dem Verlust der Bilanzgr¨oße im K¨orper. Damit erh¨alt man folgende Zuordnungen: x, t) Fluss der Bilanzgr¨oße Ψ (x x, t) durch A in Richtung n , • Φ (x x, t) positiver oder negativer Zuwachs der Bilanzgr¨oße Ψ (x x, t) in V • Ξ (x Es sei besonders hervorgehoben, dass der Zuwachs oder der Verlust Ξ der Bilanzgr¨oße Ψ unterschiedliche physikalische Ursachen haben kann. Ξ kann sowohl eine Produktionsdichte“ durch Quellen und Senken in V oder eine durch Fernwirkung ” hervorgerufene Zufuhrdichte“ sein. F¨ur die Formulierung der allgemeinen Bilanz” gleichung spielt aber die physikalische Ursache von Ξ keine Rolle. Anmerkung 5.6. Die allgemeine Bilanzgleichung wird alternativ auch wie folgt formuliert. Mit der Bilanzgr¨oße G(t), dem Produktionsterm P(t), dem Zuf¨uhrungsterm Z(t) sowie dem Fluss F(t) erh¨alt man [6] D G = P(t) + Z(t) + F(t) Dt Ein Beispiel f¨ur P ist die W¨armeproduktion in Folge radioaktiven Zerfalls, ein ¨ Zuf¨uhrungsterm ist beispielsweise die Anderung des Impulses in Folge Gravita-

174

5 Bilanzgleichungen

tionswirkungen und der Fluss entspricht u.a. dem W¨armetransport durch die Oberfl¨ache. Die Bilanzgleichung (5.12) l¨asst sich dann modifizieren. F¨ur die aktuelle Konfiguration gilt zun¨achst   x, t)ρ dV, Φ(x x, t) dA F(t) = n ·Φ G(t) = Ψ (x V

A

Das letzte Volumenintegral wird in zwei Anteile aufgespalten   x, t)ρ dV, x, t)ρ dV, Z(t) = Ξ 2 (x P(t) = Ξ 1 (x V

V

sodass abschließend die Bilanzgleichung     x, t)ρ dV = n ·Φ Φ(x x, t) dA + Ξ 1 (x x, t)ρ dV + Ξ 2 (x x, t)ρ dV Ψ (x V

A

V

V

folgt. Man erkennt sofort den Zusammenhang mit der Gl. (5.12). Details sowie die Darstellung in der Referenzkonfiguration sind u.a. in [6] gegeben. F¨ur hinreichend glatte Felder kann man unmittelbar die lokale Bilanzgleichung angeben. Sind die Stetigkeitsanforderungen des Divergenz-Theorems (s. Abschn. 2.3.3) durch die Dichtefunktion Ψ erf¨ullt, erh¨alt man durch Anwendung des Theorems auf Gl. (5.12)    D x, t)ρ dV = ∇x ·Φ Φ(x x, t) dV + Ξ (x x, t)ρ dV Ψ (x (5.13) Dt V

V

V

und mit dV → 0 folgt die lokale Formulierung der allgemeinen Bilanzgleichung D Ψ(x x, t)ρ] = ∇x ·Φ Φ(x x, t) +Ξ Ξ(x x, t)ρ [Ψ Dt

(5.14)

Transformiert man die Gleichungen in die Referenzkonfiguration, gilt global    ∂ a, t)ρ0 dV0 = n 0 ·Φ Φ0 (a a, t) dA0 + Ξ 0 (a a, t)ρ0 dV0 Ψ 0 (a ∂t V0

A0



V0

∇a ·Φ Φ0 (a a, t) +Ξ Ξ0 (a a, t)ρ0 ] dV0 [∇

= V0

und lokal

∂ Ψ0 (a a, t)ρ0 ] = ∇a ·Φ Φ0 (a a, t) +Ξ Ξ(a a, t)ρ0 [Ψ (5.15) ∂t Zusammenfassend gelten f¨ur gen¨ugend glatte Felder die folgenden Bilanzgleichungen.

5.1 Allgemeine Formulierung von Bilanzgleichungen

175

Allgemeine Bilanzgleichungen in der aktuellen Konfiguration    D x, t)ρ(x x, t) dV = n (x x, t) ·Φ Φ(x x, t) dA + Ξ (x x, t)ρ(x x, t) dV, Ψ (x Dt V A V    D Ψij...k ρ dV = nl Φlij...k dA + Ξij...k ρ dV, Dt V A V   D x, t)ρ(x x, t) dV = [∇ ∇x ·Φ Φ(x x, t) +Ξ Ξ(x x, t)ρ(x x, t)] dV, Ψ (x Dt V V    D Ψij...k ρ dV = Φlij...k,l dV + Ξij...k ρ dV, Dt V

V

V

D Ψ(x x, t)ρ(x x , t)] = ∇x ·Φ Φ(x x, t) +Ξ Ξ(x x, t)ρ(x x , t), [Ψ Dt D [Ψij...k ρ] = Φlij...k,l + Ξij...k ρ Dt

Mit a, t), x, t) → Ψ 0 (a Ψ (x

x, t) → Φ 0 (a a, t), Φ (x

x, t) → n 0 (a a, t), n (x

x , t) → ρ0 (a a, t), ρ(x

x, t) → Ξ 0 (a a, t), Ξ (x A → A0 ,

V → V0

x → ∂/∂a a erh¨alt man die entsprechenden Gleichungen f¨ur und D/Dt → ∂/∂t, ∂/∂x die Referenzkonfiguration.

5.1.2 Integration von Volumenintegralen mit zeitabh¨angigen Integrationsbereichen - Transporttheorem Ausgangspunkt f¨ur die Ableitung des Transporttheorems ist wieder die Gl. (5.1)   x , t) dV = Ψ0 (a a, t) dV0 , Y(t) = Ψ(x Ψ0 = (detFF)Ψ V

V0

Es werden zun¨achst skalare Felder Ψ bzw. Ψ0 betrachtet. Y(t) kann in zweierlei Hinsicht von t abh¨angen. In der Momentankonfiguration k¨onnen sowohl die Dichtefunktion Ψ, als auch das Volumen V des materiellen K¨orpers Funktionen der Zeit sein. In der Referenzkonfiguration h¨angt nur Ψ0 von t ab, V0 ist eine konstante, zeitunabh¨angige Gr¨oße. Bildet man die materielle Zeitableitung

176

5 Bilanzgleichungen



∂ ˙ ≡ DY(t) = D Ψ(x x, t) dV = Y(t) Dt Dt ∂t V

 a, t) dV0 , Ψ0 (a V0

erh¨alt man f¨ur die Referenzkonfiguration sofort mit V0 = const.   ∂ ∂ x, t) dV0 = x, t) dV0 Ψ0 (x Ψ0 (x ∂t ∂t V0

(5.16)

(5.17)

V0

F¨ur die Momentankonfiguration m¨ussen entweder die Regeln f¨ur materielle Ableitungen von Feldgr¨oßen in Euler’scher Darstellung beachtet werden - Gln. (3.4) bzw. (3.5) - oder man transformiert das Integral vor der Ableitung in die Referenzkonfiguration. Im letzteren Fall erh¨alt man   x a , t)[detFF (a a, t)] dV0 , (5.18) Y(t) = Ψ(x , t) dV = Ψ(a V

 

˙ Y(t) =

V0

 a , t) ∂Ψ(a ∂ a, t) + Ψ(a a, t) detFF(a a, t) dV0 detFF (a ∂t ∂t

(5.19)

V0

∇a ·vv, folgt Beachtet man Gl. (3.22), d.h. (detFF)· = (detFF ) divvv = (detFF )∇    a, t) ∂Ψ(a ˙ a, t)∇ ∇a ·vv [detFF(a a, t)] dV0 + Ψ(a Y(t) = ∂t

(5.20)

V0

und mit

x, t) a , t) DΨ(x ∂Ψ(a = ∂t Dt ergibt sich f¨ur das wieder in die Momentankonfiguration transformierte Integral  

˙ = D Ψ(x ˙ x, t) + Ψ(x x, t) dV = Ψ(x x, t) dV x, t)∇ ∇x ·vv(x Y(t) (5.21) Dt V

V

Beachtet man die materielle Ableitung x, t) ˙ x, t) = ∂Ψ(x x, t) ·∇ ∇x Ψ(x x , t) +vv(x Ψ(x ∂t und die Identit¨at (Produktregel) ∇x ·vv) +vv · (∇ ∇x Ψ), ∇x · (Ψvv ) = Ψ(∇ folgt

   x, t) D ∂Ψ(x ∇x · (Ψvv) dV x , t) dV = +∇ Ψ(x Dt ∂t V

V

(5.22)

5.1 Allgemeine Formulierung von Bilanzgleichungen

177

Die Gl. (5.21) erh¨alt man auch aus    

D · · ˙ ∇x ·vv) dV Ψ dV = (Ψ dV) = Ψ dV + Ψ(dV) = (Ψ˙ + Ψ∇ Dt V

V

V

V

Fasst man die bisherigen Ableitungen zusammen, kann man das Reynolds’sche1 Transporttheorem in folgenden Formen angeben    x, t) DΨ(x D x, t)∇ ∇x ·vv(x x , t) dV = x, t) dV, + Ψ(x Ψ(x (5.23) Dt Dt V

V





V

V

D x , t) dV = Ψ(x Dt



= V

∂ x, t) +∇ ∇x · [Ψ(x x, t)vv(x x, t)] dV Ψ(x ∂t

 ∂ x , t) dV + n · [Ψ(x x, t)vv (x x, t)] dA Ψ(x ∂t

(5.24)

A

In der zweiten Gleichung wurde das Volumenintegral u¨ ber ∇ x · (Ψvv ) mit Hilfe des Divergenz-Theorems (Abschn. 2.3.3) in ein Oberfl¨achenintegral umgewandelt. Schlussfolgerung 5.2. Aus dem Reynolds’schen Transportheorem folgt, dass die ¨ materielle Anderungsgeschwindigkeit des Volumenintegrals u¨ ber eine Bilanzgr¨oße x, t) in zwei Anteile aufgespalten werden kann: Ψ(x • ein Volumenintegral u¨ ber die lokale Ableitung der Bilanzgr¨oße und • ein Oberfl¨achenintegral u¨ ber die Flussgeschwindigkeit der Bilanzgr¨oße Ψ durch die Oberfl¨ache A(V) zu einem gegebenen Zeitpunkt t. Das Volumenintegral erfasst somit die Zeitabh¨angigkeit des Integranden, das Oberfl¨achenintegral die des Integrationsbereichs. Alle abgeleiteten Gleichungen k¨onnen ohne Schwierigkeiten auf Bilanzgr¨oßen erweitert werden, die durch Tensorfelder x, t) beliebiger Stufe definiert sind. Man erh¨alt dann z.B. als Transportgleichung Ψ (x    ∂ D x, t) dV + n · [Ψ x, t) dV = Ψ(x x, t)vv(x x, t)] dA Ψ (x Ψ (x (5.25) Dt ∂t V

V

A

x, t) eine tensorwertige Funktion beliebiger Stufe n  0, die im gesamten Ist Ψ (x Volumen des K¨orpers eindeutig, beschr¨ankt und einmal stetig differenzierbar ist, gilt

1

Osborne Reynolds (1842-1912), Physiker, reibungsbehaftete Str¨omungsvorg¨ange

178

5 Bilanzgleichungen

 D x, t) +Ψ Ψ(x x, t)∇ ∇x ·vv(x x, t) dV Ψ (x Dt V

 ∂ x, t) +∇ ∇x · [Ψ Ψ(x x, t)vv(x x, t)] dV Ψ (x = ∂t V   ∂ x, t) dV + n · [Ψ Ψ(x x, t)vv(x x, t)] dA Ψ (x = ∂t



D x, t) dV = Ψ (x Dt V



V

A

Die Transformation in die Referenzkonfiguration erfolgt wie bei skalaren Feldern. Da die Bilanzgr¨oßen h¨aufig als Massendichten in die Bilanzgleichungen eingex, t) sei hen, sei auf folgende Modifikation des Transporttheorems hingewiesen. Ψ (x jetzt ein Tensordichtefeld pro Masseneinheit. Das Volumenintegral ist dann   x, t) dm = Ψ (x x, t)ρ(x x, t) dV (5.26) Y (t) = Ψ (x m

V

Die Zeitableitung wird nun wie folgt gebildet      D ∂ ∂ Ψ ρ) +∇ ∇x · (vvΨ ρ) dV = Ψ ρ) dV + n · (vvΨ ρ) dA Ψρ) dV = (Ψ (Ψ (Ψ Dt ∂t ∂t V

V

V

A

Wie im Abschn. 5.2.1 gezeigt wird, ist     Ψ ∂ ∂ρ ∂Ψ Ψρ) +∇ ∇x · (vvΨ ρ) dV = Ψ Ψ(∇ ∇x · ρvv) + ρvv ·∇ ∇x Ψ ) dV (Ψ +Ψ +Ψ ρ ∂t ∂t ∂t V V     Ψ ∂ρ ∂Ψ Ψ ∇x ·vvρ) + ρvv ·∇ ∇x Ψ ) dV +Ψ + (∇ ρ = ∂t ∂t    V =0

    Ψ D ∂Ψ ∇x Ψ dV = +vv ·∇ Ψ ρ dV = ρ ∂t Dt V

V

Der Ausdruck in der eckigen Klammer ist Null, da er physikalisch die Massenerhaltung bzw. die Kontinuit¨atsgleichung darstellt. Damit gilt f¨ur tensorielle Massendichtefunktionen Ψ     Ψ Ψ D DΨ DΨ D ρ dV bzw. dm (5.27) Ψ ρ dV = Ψ dm = Dt Dt Dt Dt V

V

m

m

Anmerkung 5.7. Bilanzgleichungen k¨onnen auch f¨ur ein- oder zweidimensionale Kontinua formuliert werden. Es sind dann entsprechende Transportgleichungen f¨ur Linien- und Fl¨achenintegrale anzugeben. Die Ableitung erfolgt in gleicher Weise

5.1 Allgemeine Formulierung von Bilanzgleichungen

179

wie f¨ur Volumenintegrale, allerdings unter Beachtung der Transformationsgleichungen f¨ur Linien- und Fl¨achenelemente. Abschließend seien die wichtigsten Gleichungen zu den materiellen Ableitungen von Volumen-, Oberfl¨achen- und Linienintegralen noch einmal in der Indexschreibweise zusammengefasst. Volumenintegrale tensorieller Feldgr¨oßen  x, t) dV, Yij...k (t) = Ψij...k (x V

  D D ˙ x x, t) dV Ψij...k (x Ψij...k (x , t) dV = Yij...k (t) = Dt Dt V V 

x, t) + Ψij...k (x x, t)vl,l dV = Ψ˙ ij...k (x V







x, t) + vl Ψij...k (x x, t) ,l dV, Ψij...k (x ∂t V    D ∂ x, t) dV = x, t) dV + vl Ψij...k (x x, t)dAl Ψij...k (x Ψij...k (x Dt ∂t =

V

V

A

Fl¨achenintegrale tensorieller Feldgr¨oßen  x, t)dAl , Yij...k (t) = Ψij...k (x D Dt



A, dAl = nl dA = e l · dA

A 



x, t) + Ψij...k (x x, t)vm,m dAl Ψ˙ ij...k (x A x, t)vm,l dAm − Ψij...k (x

x, t)dAl = Ψij...k (x A

Linienintegrale tensorieller Feldgr¨oßen  x, t)dxl , Yij...k (t) = Ψij...k (x  D x, t) dxl = Ψij...k (x Dt C

C 

A

x, dxl = e l · dx

x, t) dxl + vl,m Ψij...k (x x, t)dxm Ψ˙ ij...k (x

180

5 Bilanzgleichungen

5.1.3 Einfluss von Sprungbedingungen Alle bisherigen Ableitungen gingen von der Voraussetzung hinreichend glatter phy¨ sikalischer Felder aus. Unstetigkeiten, wie sie mit pl¨otzlichen Anderungen von Feldgr¨oßen beispielsweise um endliche Werte verbunden sind und somit entlang ausgew¨ahlter Schnitte zu Sprungrelationen f¨uhren k¨onnen, wurden ausgeschlossen. Das hat wichtige Konsequenzen. Die Reynolds’schen Transporttheoreme k¨onnen uneingeschr¨ankt in allen bisher abgeleiteten Formen angewendet werden und f¨ur Oberfl¨achenintegrale der Form  Φ dA n ·Φ A

gilt das Divergenztheorem 

 Φ dA = ∇x ·Φ Φ dV n ·Φ

A

V

F¨ur stetige Felder sind globale und lokale Bilanzformulierungen gleichwertig. Man kann in Abh¨angigkeit der zu l¨osenden Aufgabe und vom L¨osungsweg entscheiden, welche Form der Bilanzgleichungen man w¨ahlt. Die f¨ur stetige Felder angegebenen allgemeinen Strukturgleichungen f¨ur Bilanzen (vgl. Gln. (5.12) bis (5.15)) k¨onnen Sprungrelationen, die zu Unstetigkeitsfl¨achen f¨uhren, nicht erfassen. Sie m¨ussen daher durch Zusatzterme erg¨anzt werden. ¨ Dabei geht man von folgenden Uberlegungen aus. Das Volumen V(t) einer beliex, t) sei durch eine Schnittfl¨ache S(t) in zwei Teilvolumina bigen Bilanzgr¨oße Ψ(x V1 undV2 geteilt. Die Schnittfl¨ache S(t) sei stetig, jedes Element von S habe eine eindeutige Orientierung n S (Abb. 5.1). S(t) bewegt sich mit der Zeit durch V(t), alle Spr¨unge der Bilanzgr¨oße treten an der Schnittfl¨ache S auf. Die Geschwindigkeiten v˜ (˜x , t) f¨ur die lokalen Punkte x˜ auf S unterscheiden sich von den Geschwinx, t) der zugeordneten Punkte x von V. Bei der Ann¨aherung an einen digkeiten v (x Punkt der Oberfl¨ache von S aus dem Teilvolumen 2 oder 1 hat die Bilanzgr¨oße Ψ einen unterschiedlichen Grenzwert Ψ2 oder Ψ1 . Die Differenz dieser Grenzwerte [Ψ] = Ψ2 − Ψ1 ist von Null verschieden und ergibt die Sprungrelationen f¨ur

nS V2 (t)

V1 (t) Abb. 5.1 Sprungrelationen entlang einer Schnitt߬ache

S(t)

5.2 Mechanische Bilanzgleichungen

181

das Feld Ψ entlang S. Im Allgemeinen wird eine Beschr¨anktheit der Sprunggr¨oße und ihre stetige Abh¨angigkeit von x und t vorausgesetzt. Die lokale Formulierung der allgemeinen Bilanzgleichung f¨ur stetige Felder entsprechend Gl. (5.14) ist dann durch eine Sprungbedingung in der Form

Ψ(vv − v˜ ) −Φ Φ] ·n nS (5.28) [Ψ zu erg¨anzen. Einzelheiten hierzu k¨onnen [2; 4; 7; 12] entnommen werden.

5.2 Mechanische Bilanzgleichungen Schließt man zun¨achst thermodynamische Aufgabenstellungen aus, besteht die Aufgabe der Kontinuumsmechanik in der Bestimmung der Felder der Dichte ρ und der Bewegung x f¨ur alle materiellen Punkte eines K¨orpers und damit auch f¨ur den K¨orper selbst. Die Felder sind im Allgemeinen Funktionen der Zeit t. Alle bisher diskutierten materialunabh¨angigen Aussagen der Kinematik und der Kinetik k¨onnen mit der Dichte und der Bewegungen analysiert werden. Man erh¨alt jedoch mit Hilfe der Bilanzgleichungen ein unterbestimmtes System von Gleichungen zur Berechnung des Verschiebungs-, Verzerrungs- und Spannungszustandes eines K¨orpers, das durch materialabh¨angige Gleichungen erg¨anzt werden muss. Darauf wird im Teil III eingegangen. Globale Bilanzgleichungen beziehen sich auf den Gesamtk¨orper, lokale Bilanzgleichungen auf materielle Volumenelemente. Unter den hier geltenden Voraussetzungen stetiger Felder sind globale und lokale Bilanzgleichungen gleichwertig. Es gilt somit uneingeschr¨ankt das Axiom der lokalen Wirkung. Axiom der lokalen Wirkung2 : Der Zustand eines K¨orpers zur Zeit t ist f¨ur jeden seiner materiellen Punkte allein durch den Zustand der Feldgr¨oßen zur Zeit t und in der unmittelbaren Umgebung des jeweiligen materiellen Punktes bestimmt. Alle Bilanzaussagen (aber auch konstitutive Annahmen) gelten f¨ur jeden beliebigen Teil eines K¨orpers.

Im Folgenden werden im Allgemeinen beide Formulierungen angegeben.

5.2.1 Massenbilanz - Massenerhaltungssatz Die Masse ist eine der charakteristischen Eigenschaften eines materiellen K¨orpers. Sie ist die Ursache der Tr¨agheit und der Gravitation. Die Masse eines K¨orpers ist durch das Volumenintegral u¨ ber das Dichtefeld bestimmt   x a) dV0 (5.29) m = ρ(x , t) dV = ρ0 (a V

2

V0

Dieses Axiom wird erneut in der Materialtheorie (Kap. 6) behandelt.

182

5 Bilanzgleichungen

Die Gleichheit der Integrale beinhaltet die Aussage der globalen Massenerhaltung. Definition 5.2 (Massenerhaltung). Bei fehlendem Masseaustausch u¨ ber die Oberfl¨ache und fehlendem Zuwachs oder Verlust von Masse im Inneren bleibt die Gesamtmasse eines K¨orpers f¨ur alle Zeiten konstant. Mit ρdV und ρ0 dV0 sind die Masse eines materiellen Punktes nach und vor einer Deformation definiert. Sind diese gleich, erh¨alt man ρ detFF = ρ0 . Es folgt damit ρ0 = detFF , ρ d.h. man kann die Jacobi-Determinante durch ρ0 /ρ ausdr¨ucken. Der Massenerhaltungssatz gilt auch lokal. x, t)dV eines materiellen Satz 5.1 (Massenerhaltungssatz). Die Masse dm = ρ(x Volumens dV ist zu allen Zeiten konstant a)dV0 = const. x, t)dV = ρ0 (a dm = ρ(x Der Massenerhaltungssatz kennzeichnet die Stetigkeit der Masseverteilung f¨ur ein Kontinuum mit stetiger Anordnung materieller Punkte. Geht man von der allgemeinen Bilanzgleichung (5.12) aus, erh¨alt man mit Ψ → 1 (Skalarfeld), Φ = 0 (kein Masseaustausch u¨ ber die umh¨ullende Oberfl¨ache A) und Ξ → 0 (keine innere Masse¨anderung durch Produktion oder Zufuhr)   D ∂ Dm x , t) dV = a) dV0 = 0 = ρ(x ρ0 (a (5.30) Dt Dt ∂t V

V0

F¨ur die lokale Formulierung folgt dann D ∂ D (dm) = (ρdV) = (ρ0 dV0 ) = 0 Dt Dt ∂t

(5.31)

Schlussfolgerung 5.3. Ein materielles Element mit der Masse dm, dem Volumen dV und der Dichte ρ kann zwar sein Volumen und seine Dichte a¨ ndern, aber nicht seine Masse. Mit den Gln. (5.22) und (5.31) erh¨alt man den globalen Massenerhaltungssatz in Euler’scher Darstellung   D x, t)∇ ∇x ·vv] dV x , t) dV = [ρ(x ˙ x, t) + ρ(x ρ(x Dt V V

 ∂ x ∇ x v [ρ(x ] ρ(x , t) +∇x · = , t)v dV (5.32) ∂t V

Daraus folgt der lokale Massenerhaltungssatz in Euler’scher Darstellung

5.2 Mechanische Bilanzgleichungen

183

D ∂ x , t) + ρ(x x, t)∇ ∇x ·vv(x x , t) +∇ ∇x · [ρ(x x, t) = ρ(x x , t)vv] = 0 ρ(x Dt ∂t

(5.33)

Die Gleichung Dρ ∇x ·vv = 0 bzw. + ρ∇ Dt

Dρ + ρ divvv = 0 bzw. Dt

Dρ + ρvi,i = 0 Dt

(5.34)

heißt Kontinuit¨atsgleichung. Sie kann auch in der Form ∂ρ ∇x · (ρvv) = 0 +∇ ∂t

(5.35)

geschrieben werden. Sie liefert noch einige interessante Aussagen. Aus ρdV = ρ0 dV0 folgt 1 1 1 Dρ0 (ρdV)· = [ρdV ˙ + ρ(dV)· ] = [ρ˙ + ρ div v ] dV = 0 = Dt dV0 dV0 dV0 F¨ur ρ0 = ρ detFF folgt (ρ detFF)· = 0. Mit ρ˙ = 0 erh¨alt man div v = ∇x ·vv = 0. Schlussfolgerung 5.4. Die Massendichte ρ0 der Referenzkonfiguration ist immer zeitunabh¨angig, d.h. ρ˙ 0 = ∂ρ0 /∂t = 0. Die materielle Ableitung der mit ρ multiplizierten Jacobi-Determinante ist stets Null. F¨ur einen inkompressiblen (dichtebest¨andigen) K¨orper gilt mit ρ˙ = 0 auch div v = 0. Das Geschwindigkeitsfeld eines dichtebest¨andigen K¨orpers ist somit quellenfrei. In Gl. (5.33) kann man das Volumenintegral u¨ ber ∇x · (ρvv ) in ein Oberfl¨achenintegral umwandeln. Die globale Massenbilanzgleichung hat dann die Form   ∂ρ dV + n · (ρvv) dA = 0 (5.36) ∂t V

A

Sind V ein raumfestes Kontrollvolumen“, das der K¨orper zur Zeit t ausf¨ullt, und A ” die entsprechende raumfeste Oberfl¨ache, dann liefert Gl. (5.36) folgende Aussage: ¨ Schlussfolgerung 5.5. Die zeitliche Anderung der in einem Kontrollvolumen enthaltenen Masse ist gleich der u¨ ber A pro Zeiteinheit in V einstr¨omenden Masse. Mit n · (ρvv )dA ist die pro Zeiteinheit u¨ ber ein Fl¨achenelement dA in Richtung n n der fließende Masse gegeben. Da n positiv nach außen gerichtet ist, entspricht −n Einstr¨omrichtung. Abschließend seien die wichtigsten Gleichungen zur Massenbilanz noch einmal zusammengefasst, wobei sich auf die Massenerhaltung beschr¨ankt wird.

184

5 Bilanzgleichungen

Massenerhaltung   D Dm ∂ x , t) dV = a) dV0 = 0, = ρ(x ρ0 (a Dt Dt ∂t V

V0

D ∂ D (dm) = (ρ dV) = (ρ0 dV0 ) = 0, Dt Dt ∂t    ∂ρ ∇x ·vv) dV = ∇x · (ρvv ) dV, (ρ˙ + ρ∇ +∇ ∂t V

V

∂ρ Dρ ∇x ·vv = ∇x · (ρvv) = 0, + ρ∇ +∇ Dt ∂t ρ0 = ρ detFF, (ρ detFF )· = 0

5.2.2 Impulsbilanz F¨ur den Impulsvektor p eines K¨orpers gilt folgende Definitionsgleichung   x, t) = v (x x, t) dm = v (x x, t)ρ(x x , t) dV p (x m

(5.37)

V

Der Impulsvektor p verbindet die Geschwindigkeits- und die Masseverteilung eines K¨orpers. Er ist eine globale Gr¨oße zur Beschreibung des kinetischen Zustandes eines K¨orpers. Die globale Impulsbilanz wird auch als 1. Euler-Cauchy’sches Bewegungsgesetz bezeichnet und kann mit dem 2. Newton’schen Grundgesetz und seiner Anwendung auf Kontinuua in Zusammenhang gebracht werden. ¨ Satz 5.2 (Impulsbilanz). Die zeitliche Anderungsgeschwindigkeit des Gesamtimx, t) bei der Deformation eines K¨orpers ist gleich der Summe aller auf den pulses p (x K¨orper von außen wirkenden Oberfl¨achen- und Volumenkr¨afte. Damit hat die r¨aumliche Impulsbilanzgleichung folgendes Aussehen    D x, t)ρ(x x , t) dV = t (x x,n n, t) dA + k (x x, t)ρ(x x, t) dV v (x Dt V

A

(5.38)

V

Die Impulsbilanzgleichung (5.38) folgt aus der allgemeinen Bilanzgleichung (5.12) Φ = T und Ξ = k mit Ψ = v ,Φ    D v ρ dV = n ·TT dA + k ρ dV (5.39) Dt V

A

V

5.2 Mechanische Bilanzgleichungen

185

F¨ur die Referenzkonfiguration gilt dann die materielle Impulsbilanzgleichung    ∂ a, t)ρ0 (a a) dV0 = It (a a,n n0 , t) dA0 + k 0 (a a, t)ρ0 (a a) dV0 v (a (5.40) ∂t V0

A0

V0

und mit I

t = n 0 ·I P

erh¨alt man    ∂ v(a a, t)ρ0 (a a) dV0 = n0 (a a) ·I P (a a, t) dA0 + k0 (a a, t)ρ0 (a a) dV0 (5.41) ∂t V0

A0

V0

Gleichung (5.10) f¨uhrt dann unter Beachtung der Symmetrie des Tensors T auf den bekannten Zusammenhang zwischen dem Cauchy’schen Spannungstensor T und dem 1. Piola-Kirchhoff-Tensor IP P = (detFF)FF −1 ·TT

I

Die Anwendung des Divergenz-Theorems (Abschn. 2.3.3) auf die Gln. (5.39) und (5.41) liefert   D ∇x ·TT (x x, t)ρ(x x , t) dV = [∇ x, t) +k k(x x, t)ρ(x x , t)] dV, v (x (5.42) Dt V V   ∂ ∇a ·I P (a v(a a, t)ρ0 (a a) dV0 = a, t) +k k0 (a a, t)ρ0 (a a) dV0 (5.43) ∂t V0

V0

¨ Vor dem Ubergang zur lokalen Formulierung sei noch Gl. (5.27) betrachtet und es folgt mit   Dvv D ρ dV (5.44) v ρ dV = Dt Dt V

V

die lokale Impulsbilanzgleichung in der Form x, t) Dvv(x , Dt a, t) ∂vv(a a, t) + ρ0 (a a)k k 0 (a a, t) = ρ0 (a a) ∇a ·I P (a ∂t x, t) + ρ(x x, t)k k(x x, t) = ρ(x x , t) ∇x ·TT (x

(5.45) (5.46)

Die lokale Impulsbilanz f¨uhrt somit wieder auf die bekannten Bewegungsgleichungen f¨ur das klassische Kontinuum, die im Kap. 4 abgeleitet wurden. Der Impulserhaltungssatz ist einer der wichtigsten Erhaltungss¨atze der Physik und besagt, dass der Gesamtimpuls in einem abgeschlossenen System konstant ist. Abgeschlossenes System“ bedeutet, dass das System keine Wechselwirkungen mit ” seiner Umgebung hat. Dieser Sonderfall gilt sowohl in der klassischen Mechanik

186

5 Bilanzgleichungen

als auch in der speziellen Relativit¨atstheorie und der Quantenmechanik. Er besagt, ¨ x, t) bei der dass die zeitliche Anderungsgeschwindigkeit des Gesamtimpulses p (x Deformation eines K¨orpers verschwindet. Die Impulserhaltung gilt unabh¨angig von der Erhaltung der Energie und ist etwa bei der Beschreibung von Stoßprozessen von grundlegender Bedeutung. Der Gesamtimpuls aller Stoßpartner vor und nach dem Stoß muss gleich sein. Dabei spielt es keine Rolle, ob die kinetische Energie beim Stoß erhalten bleibt (elastischer Stoß) oder ob dies nicht der Fall ist (inelastischer Stoß). Wie bei der Massenbilanz soll abschließend die Bilanzaussage durch Anwendung des Reynolds’schen Transporttheorems (5.24) umgeformt werden    ∂ D x, t)ρ(x x, t)] dV + [vv(x x, t)ρ(x x , t) dV = x, t)ρ(x x , t)][vv(x x, t) ·n n] dA [vv(x v (x Dt ∂t V

V

A

(5.47)

Diese Gleichung kann wie folgt interpretiert werden. Schlussfolgerung 5.6. Das Integral  D x, t)ρ(x x, t) dV v (x Dt V

entspricht der resultierenden Kraft, die auf die im Kontrollvolumen V zur Zeit t ¨ fixierte Masse wirkt. Diese ist gleich der Summe der zeitlichen Anderung des Impulses im Kontrollvolumen V und der pro Zeiteinheit u¨ ber A ausfließenden Gr¨oße v ρ. Diese Formulierung der Impulsbilanzgleichung wird generell in der Fluidmechanik bevorzugt. Damit stehen f¨ur die Impulsbilanz folgende Gleichungen zur Verf¨ugung. Impuls

 p=

  v dm = v ρ dV = v ρ0 dV0

m

V

V0

Globale Impulsbilanz   p Dp = n ·TT dA + k ρ dV, Dt p ∂p = ∂t



A

V



n 0 · P dA0 + I

A0

k 0 ρ0 dV0 V0

5.2 Mechanische Bilanzgleichungen

187

Lokale Impulsbilanz k=ρ ∇x ·TT + ρk

Dvv , Dt

Tij,i + ρkj = ρ

∂vv , ∂t

 ∂vv ∇a · IIP ·FFT + ρ0k 0 = ρ0 , ∂t ∇a ·I P + ρ0k 0 = ρ0

I

Dvj , Dt

Pij,i + ρ0 k0j = ρ0

II

 Pik Fjk

,i

∂vj , ∂t

+ ρ0 k0j = ρ0

∂vj ∂t

5.2.3 Drehimpulsbilanz Die Gl. (5.48) definiert den globalen Drehimpuls- oder Drallvektor l  x, t) = x × ρ(x x, t)vv(x x, t) dV l O (x

(5.48)

V

Der Drehimpuls ist wie der Impuls eine globale Gr¨oße zur Beschreibung des kinetischen Zustands eines K¨orpers. Die Bilanzaussage f¨uhrt auf die 2. Euler-Cauchy’sche Bewegungsgleichung und kann zun¨achst folgendermaßen formuliert werden. ¨ Satz 5.3 (Drehimpulsbilanz). Die Anderungsgeschwindigkeit des Gesamtdrehimx, t) in Bezug auf einen gew¨ahlten Punkt O ist gleich dem pulses des K¨orpers l O (x Gesamtmoment aller von außen auf den K¨orper wirkenden Oberfl¨achen- und Volumenkr¨afte bez¨uglich des gleichen Punktes O. Die r¨aumliche Drehimpulsbilanzgleichung hat damit folgende Form    D x × ρ(x x, t)vv (x x, t)] dV = [x x × ρ(x x, t)k k(x x, t)] dV + [x x × t (x x,n n, t)] dA [x Dt V V A   x × ρ(x x, t)k k(x x, t)] dV + [x x × n ·TT (x x, t)] dA = [x V

A

(5.49)

Beachtet man die Identit¨at n ·TT × x, x × n ·TT = −n folgt aus Gl. (5.49) unmittelbar    D k dV x × ρvv dV = − n ·TT × x dA + x × ρk Dt V

A

V

(5.50)

188

5 Bilanzgleichungen

Die Gl. (5.50) stimmt mit der allgemeinen Bilanzgleichung (5.12) vollst¨andig u¨ berx × v ),Φ Φ = −(TT × x ) und Ξ = (x x × k) gesetzt wird. Sie kann ein, wenn f¨ur Ψ = (x weiter umgeformt werden. Betrachtet man zun¨achst das Oberfl¨achenintegral, l¨asst sich eine Umformung in ein Volumenintegral nach folgender Rechnung vornehmen     x ∂x − n ·TT × x dA = − ∇x · (TT × x ) dV = − ∇x ·TT × x −eei ·TT × dV ∂xi A V V    x ∂x x × ∇x ·TT +II · ×TT ) dV x × ∇x ·TT +eei ·TT × = dV = (x ∂xi V

V

Die materielle Zeitableitung des Volumenintegrals in Gl. (5.50) ergibt sich aus     D D x × ρvv) dV = x × ρvv dV (x Dt Dt V V    · x × v )(ρdV) + ρvv × v dV + ρx x × v˙ dV = (x V

V

V

Die beiden ersten Volumenintegrale verschwinden aufgrund der vorausgesetzten Massenerhaltung (ρdV)· = 0 und ρvv × v = 0 . Damit gilt abschließend   D x × ρvv) dV = x × ρ˙v dV (x (5.51) Dt V

V

Fasst man die Zwischenrechnungen zusammen, ergibt sich f¨ur die r¨aumliche Drehimpulsbilanzgleichung  x × (ρ˙v −∇ ∇x ·TT − ρk k) +II · ×TT ] dV = 0 [x (5.52) V

Mit der Bewegungsgleichung (5.45) verschwindet der Ausdruck in der runden Klammer. Damit reduziert sich die Drehimpulsbilanzgleichung auf folgende Forderung  (II · ×TT ) dV = 0

(5.53)

V

bzw. als lokale Form I · ×TT = 0

(5.54)

Die Gl. (5.54) ist die bereits bekannte Symmetrieaussage f¨ur den Cauchy’schen Spannungstensor T = T T I · ×TT = e i ·TT × e i = Til εlike k = 0 ⇐⇒ Tij = Tji

5.2 Mechanische Bilanzgleichungen

189

Anmerkung 5.8. Die Symmetrie des Spannungstensor muss nicht postuliert werden. Sie folgt aus der Analyse des Gesamtmodells. Anmerkung 5.9. Die materielle Formulierung der Drehimpulsbilanz f¨uhrt unter Ber¨ucksichtigung der Gln. (4.42) und (4.47) auf die Symmetrieaussagen f¨ur den 1. und den 2. Piola-Kirchhoff’schen Spannungstensor. Man erkennt, dass der 1. PiolaKirchhoff’sche Spannungstensor nur bei Annahme von Inkompressibilit¨at symmetrisch wird. Der Sonderfall, der Drehimpulserhaltungssatz, geh¨ort zu den Erhaltungss¨atzen der Mechanik und besagt, dass der Gesamtdrehimpuls in abgeschlossenen Systemen konstant ist. Dies gilt nur f¨ur abgeschlossene Systeme, die nur ideell, d.h. z.B. reibungsfrei, existieren. Zusammenfassend gelten damit die folgenden Drehimpulsbilanzgleichungen. Drehimpuls

 l O = x × v ρ dV V

Globale Drehimpulsbilanz   DllO k dV = x × n ·TT dA + x × ρk Dt A V   n · (x x × T ) dA + x × ρk k dV = −n A

V



x × ∇x ·TT +II · ×TT +x x × ρk k] dV = [x V

Lokale Drehimpulsbilanz T = T T,

I

T

P ·FFT = F ·I P ,

II

P =II P T

5.2.4 Mechanische Energiebilanz Wirken auf einen K¨orper a¨ ußere Oberfl¨achen- und Volumenkr¨afte, wird am K¨orper Arbeit geleistet, durch die eine Deformation hervorgerufen wird. Als Folge der am

190

5 Bilanzgleichungen

K¨orper geleisteten Arbeit nimmt dieser Energie auf. Ein Teil dieser gesamten mechanischen Energie W wird f¨ur die Deformation als kinetische Energie K, d.h. als Bewegungsenergie, verbraucht. Die Differenz der Gesamtenergie und der kinetischen Energie ist dann die verbleibende innere Energie U, die bei Festk¨orpern der Verzerrungsenergie und bei Fluiden der Energie entspricht, die eine viskose Dissipation w¨ahrend der Str¨omung erm¨oglicht. Es gilt dann folgende Bilanzaussage. ¨ Satz 5.4 (Energiebilanz 1). Die Anderungsgeschwindigkeit der Gesamtenergie eines K¨orpers ist gleich der Leistung aller Oberfl¨achen- und Volumenkr¨afte am K¨orper, die eine Deformation verursachen. Mit den Definitionsgleichungen  1 v ·vvρ dV K= 2 V

kinetische Energie des K¨orpers,

(5.55)

innere Energie des K¨orpers,

(5.56)



U = uρ dV V

(K + U) mechanische Gesamtenergie des K¨orpers und   Leistung der a¨ ußeren Kr¨afte Pa = t ·vv dA + k ·vvρ dV A

(5.57) (5.58)

V

Mit (1/2)vv ·vv und u als entsprechende spezifische Energien oder Energiedichten, erh¨alt man die Bilanzgleichung in der Form   D K + U = Pa , Dt D Dt

 V

   1 v ·vv + u ρ dV = t ·vv dA + k ·vvρ dV 2 A V   = n ·TT ·vv dA + k ·vvρ dV A

V

Gleichung (5.59) folgt aus der allgemeinen Bilanzgleichung (5.12) mit 1 Ψ → v ·vv + u, 2

Φ = T ·vv,

Ξ → k ·vv

Geht man von der lokalen r¨aumlichen Impulsbilanzgleichung (5.45) aus k ρ˙v = ∇x ·TT + ρk und multipliziert diese Gleichung skalar mit v

(5.59)

5.2 Mechanische Bilanzgleichungen

191

k ·vv, ρ˙v ·vv = ∇x ·TT ·vv + ρk erh¨alt man mit der Produktregel ∇x v )T ∇x · (TT ·vv) = ∇x ·TT ·vv +TT · ·(∇

(5.60)

  D 1 v ·vv v˙ ·vv = Dt 2

und

abschließend

  D 1 ∇x v )T + ρk k ·vv ρ v ·vv = ∇x · (TT ·vv) −TT ·· (∇ Dt 2

(5.61)

Unter der Voraussetzung der G¨ultigkeit der lokalen Impulsbilanzgleichung ist Gl. (5.61) eine Identit¨at. F¨ur stetig differenzierbare Felder kann man u¨ ber dV integrieren und erh¨alt    

D 1 ∇x v )T + ρk k ·vv dV v ·vv dV = ∇x · (TT ·vv) −TT ·· (∇ ρ (5.62) Dt 2 V

V

Bei Anwendung des Massenerhaltungssatzes (ρdV)· = 0 und des Divergenztheorems auf das Volumenintegral u¨ ber ∇x · (TT ·vv) ergibt sich      1 D T ∇x v ) dV = n · (TT ·vv) dA + k ·vvρ dV (5.63) v ·vv ρ dV + T ·· (∇ Dt 2 V

V

A

Vergleicht man die Gln. (5.59) und (5.63) erh¨alt man   D ∇x v )T dV = Pi uρ dV = T · ·(∇ Dt V

V

(5.64)

V

¨ Pi ist die Spannungsleistung. Damit ist die Anderungsgeschwindigkeit der inneren Energie U des K¨orpers gleich der Spannungsleistung Pi . Die Bilanzgleichung kann damit wie folgt formuliert werden. ¨ Definition 5.3 (Energiebilanz 2). Die Anderungsrate der kinetischen Energie und die Leistung der inneren Kr¨afte (Spannungen) sind gleich der Leistung aller a¨ ußeren Kr¨afte. Der Ausdruck

1 1 ∇x v )T = T ·· L T ·· (∇ ··L ρ ρ

(5.65)

kennzeichnet die spezifische Spannungsleistung pro Masseeinheit bzw. die Spannungsleistungsdichte. Der Cauchy’sche Spannungstensor T ist symmetrisch, der Geschwindigkeitsgradient L kann additiv in den symmetrischen Streckgeschwindigkeitstensor D und den antisymmetrischen Spintensor W aufgespalten werden.

192

5 Bilanzgleichungen

Damit gilt auch 1 1 1 L = T ·· (D D +W W ) = T ·· D T ·· ··L ··D ρ ρ ρ F¨ur die globale r¨aumliche Bilanzgleichung gilt folglich      D 1 1 D ρ dV v ·vv ρ dV = n · (TT ·vv) dA+ k ·vv − T ·· ··D Dt 2 ρ V

A

(5.66)

(5.67)

V

Diese Gleichung folgt aus Gl. (5.12) mit 1 Ψ → v ·vv; 2

Φ = T ·vv;

1 D Ξ → k ·vv − T ·· ··D ρ

(5.68)

F¨ur die materielle Formulierung der Bilanzgleichungen dr¨uckt man die Spannungs˙ und des leistung mit Hilfe des Green’schen Verzerrungsgeschwindigkeitstensors G 2. Piola-Kirchhoff’schen Spannungstensors aus. Mit   D 1 T ˙ D ·FF G= F ·FF −II = F T ·D Dt 2 und ρ detFF = ρ0 erh¨alt man die spezifische Spannungsleistung in der Referenzkonfiguration   T 1 1 ˙ ·FF−1 D= T · ·D (detFF)TT · · F −1 · G ρ ρ0  T 

1 1 II ˙, = (detFF) F −1 ·TT · F −1 P ·· G ·· G˙ = ρ0 ρ0 d.h.

1 1 x, t) · ·D D(x x, t) = T (x x, t) a) ρ(x ρ0 (a

a, t)·· ·· G˙ (a a, t) P (a

II

(5.69)

Die globale Bilanzgleichung f¨ur die Referenzkonfiguration lautet dann        ∂ 1 1 II ˙ ρ0 dV0 v ·vv ρ0 dV0 = n0 · (IIP ·vv) dA0 + P ·· G k0 ·vv − ∂t 2 ρ0 V0

A0

V0

(5.70) Aus den Gln. (5.67) bzw. (5.70) kann man erkennen, dass das Volumenintegral auf der rechten Gleichungsseite sowohl einen Zufuhr- als auch einen Produktionsterm enth¨alt. Im Unterschied zu den Bilanzgleichungen der Masse, des Impulses und des Drehimpulses ist die mechanische Energie daher im Allgemeinen keine konservative Gr¨oße. Bezeichnet man die Leistung aller von außen wirkenden Kr¨afte mit Pa =

DWa Dt

Wa Arbeit der a¨ ußeren Kr¨afte,

5.2 Mechanische Bilanzgleichungen

193

die Leistung aller inneren Kr¨afte mit Pi =

DWi Dt

Wi Form¨anderungsarbeit

und die kinetische Energie mit K, erh¨alt man Gl. (5.67) in folgender Form     D D Wa = K + Wi Dt Dt

(5.71)

bzw. ˙ + Pi Pa = K

(5.72)

Definition 5.4 (Energie¨anderung). Die Leistung aller a¨ ußeren Kr¨afte ist gleich der ¨ Anderung der mechanischen Energie des K¨orpers. Definition 5.5 (Konservatives mechanisches System). Ein mechanisches System heißt konservativ, wenn sich die Leistung der a¨ ußeren Kr¨afte und die Spannungsleistung als lokale Zeitableitungen skalarwertiger Funktionen ausdr¨ucken lassen. Sind WP (t) die potentielle Energie der a¨ ußeren Kr¨afte und WF die Form¨anderungsoder Verzerrungsenergie der inneren Kr¨afte, muss f¨ur konservative Systeme gelten Pa (t) = −

DWP (t) , Dt

Pi (t) =

DWF (t) Dt

(5.73)

WP wird durch die aktuelle Lage des K¨orpers definiert, WF h¨angt vom aktuellen Verzerrungszustand ab. F¨ur konservative Aufgaben der Kontinuumsmechanik erh¨alt man mit WK (t) ≡ K(t) die Aussage D WK (t) + WP (t) + WF (t) = 0, Dt WK (t) + WP (t) + WF (t) = const.

(5.74)

Satz 5.5 (Energieerhaltungssatz). Die mechanische Gesamtenergie eines K¨orpers bleibt bei seiner Bewegung erhalten. Interessant sind auch noch die folgenden Umformungen der Gl. (5.59)       D 1 D 1 v ·vv + u ρ dV = v ·vv + u ρ dV Dt 2 Dt 2 V V      D D 1 1 (ρ dV) v ·vv + u ρ dV + v ·vv + u = Dt 2 2 Dt V V   ˙ dV, (5.75) = v˙ ·vvρ dV + uρ V

V

194

5 Bilanzgleichungen







∇x v )T dV n · (TT ·vv) dA = ∇x · (TT ·vv) dV = ∇x ·TT ·vv +TT ·· (∇ A

V

(5.76)

V

Einsetzen in Gl. (5.59) liefert  ∇x v )T + (ρ˙v −∇ ∇x ·TT − ρk k) ·vv dV = 0 ˙ −TT · ·(∇ uρ

(5.77)

V

Diese Gleichung gilt f¨ur beliebig kleine Volumina des K¨orpers. Da nach Gl. (5.54) der in runde Klammern gesetzte Ausdruck im Integranden verschwindet, erh¨alt man die lokale Energiebilanzgleichung in r¨aumlicher Darstellung in folgender Form ∇x v )T = T · ·D D ˙ = T · ·(∇ uρ

(5.78)

u entspricht bei rein mechanischen Bilanzgleichungen der inneren Energiedichte, die rechte Seite ist die entsprechende mechanische Leistung (Spannungsleistung), die mit der Deformation eines Festk¨orpers oder Fluids verbunden ist. Bei der Transformation in die Referenzkonfiguration folgt ˙ ρ0 u˙ =II P ·· G

(5.79)

Aus den Gln. (5.78) und (5.79) erh¨alt man 1 D, u˙ = T ·· ··D ρ

u˙ =

1 ρ0

˙ P ·· G

II

(5.80)

Die jeweiligen rechten Seiten der Gln. (5.80) definieren die spezifische innere Leistung (Spannungsleistung in Euler’scher und Lagrange’scher Darstellung. Man be˙ ) als a¨ quivalente konjugierte Verkn¨upfung von SpanD) und (IIP , G zeichnet (TT ,D nungstensoren mit den zeitlichen Ableitungen von Verzerrungstensoren. Solche Verkn¨upfungen haben f¨ur die Materialtheorie eine große Bedeutung. Es ist aus dieser Sicht g¨unstig, solche Konjugationstensorpaare zu w¨ahlen, die nicht nur u¨ ber die spezifische Spannungsleistung, sondern zus¨atzlich auch durch eine einfache Konstitutivgleichung verkn¨upft sind. So wird z.B. sp¨ater gezeigt, dass f¨ur linear elastisches Materialverhalten und finite Deformationen eine Verkn¨upfung zwischen IIP und G auch in folgender Form besteht II

G P =(4) E ·· ··G

(4)E

(5.81)

ist ein vierstufiger Materialtensor. Nat¨urlich kann man auch eine konjugierte kinematische Gr¨oße zum Spannungsa, t) angeben. Ausgangspunkt ist die Gleichung tensor IP (a 1 1 ∇x v )T =⇒ [(detFF)−1F ·I P ]·· ·· (∇ ∇x v )T T ·· (∇ ρ ρ

Beachtet man die Beziehungen

5.2 Mechanische Bilanzgleichungen

195

D x) = (∇ ∇x v )T · dx x, (dx Dt DFF ∇x v )T ·FF, = (∇ Dt erh¨alt man

D a) = (∇ ∇x v )T · (FF · da a), (FF · da Dt DFF −1 ∇x v )T = ·FF , (∇ Dt

    1 1 DFF −1 −1 I T ·· (∇ ∇x v)T = F F F P ·· (detF ) ·F , · ρ ρ Dt

und mit den Identit¨aten A ·B B ·C C ·D D) = Sp (B B ·C C ·D D ·A A) = Sp (C C ·D D ·A A ·B B) Sp (A sowie detFF =

ρ0 ρ

folgt 1 1 I ∇x v )T = T ·· (∇ P ·· F˙ , ρ ρ0 d.h. u˙ =

1 I P ·· F˙ ρ0

(5.82)

(IP , F˙ ) ist auch eine a¨ quivalente konjugierte Verkn¨upfung eines Spannungstensors mit der materiellen Ableitung einer kinematischen Gr¨oße. (IP , F˙ ) bezieht sich auf die Referenzkonfiguration. Die wichtigsten Energiebilanzen sind nachfolgend zusammengefasst. Mechanische Energiebilanzgleichungen       D 1 v ·vv +u ρ dV = t ·vv dA + k ·vvρ dV = n ·TT ·vv dA + k ·vvρ dV, Dt 2 V A V A  V    D 1 1 D dV, v ·vvρ dV = n ·TT ·vv dA + ρ k ·vv − T · ·D Dt 2 ρ V A V    D T ∇x v ) dV = T · ·D D dV, uρ dV = T · ·(∇ Dt V

∂ ∂t

 V0

V

V

   1 1 II v ·vv ρ0 dV0 = n 0 · ( P ·vv) dA0 + k 0 ·vv − 2 ρ0 A0

II

 ˙ P ·· G ρ0 dV0 ,

V0

˙, D, ρ0 u˙ =I P ·· F˙ , ρu˙ = T ·· ··D ρ0 u˙ =II P ·· G D WK (t) + WP (t) + WF (t) = 0 Dt

196

5 Bilanzgleichungen

5.3 Thermodynamische Erweiterungen der Bilanzgleichungen Kontinua unterliegen in zahlreichen Anwendungsf¨allen auch nichtmechanischen Einfl¨ussen. Dazu z¨ahlen insbesondere thermische, elektro-magnetische und chemische Einfl¨usse. Die Beschreibung der Ver¨anderungen im Kontinuum ist dann m¨oglich, wenn entsprechende Feldvariablen definiert sind und gleichzeitig eine Bi” lanzierung“ des Zusammenwirkens der unterschiedlichen Felder m¨oglich ist. Aus der Erfahrung ist bekannt, dass alle Bewegungen von Kontinua von thermischen Erscheinungen begleitet sind. Es treten o¨ rtlich und zeitlich unterschiedliche Temperaturen auf und es fließen W¨armestr¨ome. Bei realen Prozessen bleibt daher die mechanische Energie im Allgemeinen nicht konstant. Fast alle a¨ ußeren Kr¨afte sind wegen des Auftretens von Reibung nicht konservativ und k¨onnen daher nicht aus einem Potential abgeleitet werden. Da vielfach auch innere Reibungsprozesse ablaufen, d.h. Dissipation auftritt, wird die mechanische Leistung der inneren Kr¨afte nicht voll als mechanische Energie gespeichert, es gibt auch andere Energieformen. L¨asst man neben der mechanischen Energie noch thermische Einfl¨usse zu, wird im K¨orper sowohl mechanische als auch thermische Energie gespeichert. Im K¨orper gibt es dann auch W¨armezufuhr und W¨armeverlust, u¨ ber die K¨orperoberfl¨ache fließen W¨armestr¨ome. Es kommt zu einer Kopplung von mechanischen und thermischen Gr¨oßen. Im nachfolgenden Kapitel wird exemplarisch die Erweiterung der Kontinuumsbetrachtungen auf solche gekoppelten mechanischen und thermischen Felder vorgenommen. Dabei werden schwerpunktm¨aßig die Haupts¨atze der Kontinuumsthermodynamik und die sich aus ihnen ergebenden Konsequenzen diskutiert. Es ist von besonderer Bedeutung, dass mechanische Energie vollst¨andig in thermische Energie umgesetzt werden kann, die Umkehrung aber nicht gilt.

5.3.1 Vorbemerkungen und Notationen F¨ur die Abschn. 5.3.2 und 5.3.3 werden einige Grundbegriffe der Thermodynamik ben¨otigt. Hier erfolgt eine Interpretation aus der Sicht der Kontinuumsmechanik. Ausgangspunkt der Betrachtungen ist erneut das Kontinuumsvolumen sowie die im Abschn. 5.1 diskutierten Aussagen zur allgemeinen Bilanzgleichung. Im Sinne der Thermodynamik stellt das Kontinuum, welches das Volumen V einnimmt, ein thermodynamisches System dar, dessen Eigenschaften durch die Angabe eines Satzes makroskopischer Variablen eindeutig und vollst¨andig beschreibbar sind. Beispiele f¨ur derartige makroskopische Variablen sind die Energie, das Volumen, die Teilchenanzahl usw. Die umh¨ullende Fl¨ache A (Oberfl¨ache) stellt eine Abgrenzung des Kontinuums gegen¨uber der Umgebung dar (Systemgrenze), wobei die Oberfl¨ache unterschiedliche Eigenschaften bez¨uglich ihrer Durchl¨assigkeit besitzen kann. Man unterscheidet isolierte (abgeschlossene), geschlossene und offene Systeme. F¨ur isolierte Systeme setzt man voraus, dass es keinerlei Wechselwirkungen mit der Umgebung gibt, d.h. die Oberfl¨ache ist f¨ur jegliche Austauschprozesse undurchl¨assig. Im Kontinuum ablaufende Prozesse werden als adiabat bezeichnet.

5.3 Thermodynamische Erweiterungen der Bilanzgleichungen

197

Es gibt keine W¨arme¨uberg¨ange und keinen W¨armeaustausch mit der Umgebung. Zustands¨anderungen adiabater Systeme sind bei Ausschluss innerer W¨armequellen nur durch mechanische Arbeit m¨oglich. Eine Konsequenz dieser Idealisierung ist, dass die Gesamtenergie im eingeschlossenen Kontinuum konstant ist und folglich der Makrozustand u¨ ber mindestens eine Erhaltungsgr¨oße und einen Erhaltungssatz beschrieben werden kann. F¨ur geschlossene Systeme wird vorausgesetzt, dass ein Energieaustausch stattfinden kann (Temperaturausgleich mit der Umgebung), jedoch ein Materieaustausch nicht m¨oglich ist. Die Energie ist damit keine Erhal¨ tungsgr¨oße, und folglich muss z.B. eine Bilanz f¨ur die Anderung der Gesamtenergie infolge Energieaustausch u¨ ber die Oberfl¨ache formuliert werden. Die Masse eines geschlossenen System ist jedoch konstant. F¨ur offene Systeme wird angenommen, dass Energie- und Materieaustausch m¨oglich sind. Damit sind die Energie und die Teilchenanzahl bzw. die Masse keine Erhaltungsgr¨oßen. Offene Systeme werden in ¨ der Fluidmechanik auch als Kontrollr¨aume bezeichnet. Uber die Verbindung zwischen Energie und Temperatur sowie Teilchenzahl und chemisches Potential l¨asst sich in diesem Fall der Makrozustand kennzeichnen. Offene Systeme werden bei den folgenden Betrachtungen ausgeschlossen. Jedem materiellen Punkt des Volumens wird im Rahmen der thermodynamischen Betrachtungen mindestens eine weitere nichtmechanische Eigenschaft zugeordnet: die absolute Temperatur Θ. Sie ist eine nichtnegative Gr¨oße (Θ  0). Die Temperatur ist vom Standpunkt der Physik eine makroskopische Interpretation der mittleren mikroskopischen Bewegungsenergie, der thermischen Schwingungen“. Die Tem” peratur im Kontinuum kann o¨ rtliche und zeitliche Unterschiede aufweisen. Die klassische Thermodynamik untersucht nur thermische Gleichgewichtszust¨ande. Man spricht daher auch von einer Thermostatik. Durch die Erweiterung auf eine Untersuchung von Nichtgleichgewichtszust¨anden erh¨alt man die Thermodynamik der Prozesse oder auch die irreversible Thermodynamik. Als Grundlage thermodynamischer Untersuchungen gelten der 1. und der 2. Hauptsatz der Thermodynamik. Diese S¨atze enthalten Aussagen zur Energiebilanz bzw. zum Charakter und zur Richtung von Energieaustauschprozessen. Man kann die genannten Haupts¨atze durch zwei weitere Aussagen zum thermodynamischen Gleichgewicht und zum Entropiewert am absoluten Temperaturnullpunkt erg¨anzen. Wegen ihrer Bedeutung werden diese Aussagen dem 1. und 2. Hauptsatz vor- bzw. nachgestellt und als 0. bzw. 3. Hauptsatz bezeichnet. Man hat dann die folgenden 4 Haupts¨atze. Satz 5.6 (0. Hauptsatz der Thermodynamik). Alle Systeme, die mit einem System im thermodynamischen Gleichgewicht stehen, sind auch untereinander im Gleichgewicht. Satz 5.7 (1. Hauptsatz der Thermodynamik). Bei der Energiebilanz eines Systems ergeben die ausgetauschte Arbeit und die W¨arme zusammen die totale Energie¨anderung. Bei allen Energieaustauschprozessen bleibt die Summe der mechanischen und der thermischen Energie konstant. Satz 5.8 (2. Hauptsatz der Thermodynamik). W¨arme kann nie von selbst von einem System niederer Temperatur auf Systeme h¨oherer Temperatur u¨ bergehen. F¨ur

198

5 Bilanzgleichungen

abgeschlossene Systeme nimmt die Entropie bei irreversiblen Prozessen stets zu (dS > 0), f¨ur Gleichgewichtszust¨ande nimmt sie einen Extremwert an (dS = 0). Satz 5.9 (3. Hauptsatz der Thermodynamik). Jedes System besitzt am absoluten Nullpunkt (θ = 0) die Entropie S = 0. Die Haupts¨atze der Thermodynamik sind auch f¨ur die Betrachtung von Kontinua von grundlegender Bedeutung. Mit dem 0. Hauptsatz wird die Tatsache begr¨undet, dass Ausgleichprozesse im Kontinuum (sowie m¨oglicherweise mit seiner Umgebung) stets bis zum Gleichgewichtszustand ablaufen. Der 1. Hauptsatz bilanziert die Energie¨anderung im Kontinuum. Mit Hilfe des 2. Hauptsatzes sind Aussagen zur Prozessrichtung m¨oglich. Dabei sind reversible (vollst¨andig umkehrbare) und irreversible Prozesse zu unterscheiden. Reale Prozessverl¨aufe im Kontinuum sind stets irreversibel. In bestimmten F¨allen kann man jedoch mit guter N¨aherung annehmen, dass die Prozesse reversibel ablaufen. Beispiele sind mit der Festigkeitslehre und der Elastizit¨atstheorie gegeben. Aus dem 3. Hauptsatz folgt, dass die Entropie eine nichtnegative Gr¨oße ist. Die Entropie kann als Maß der mikroskopischen Unordnung im Kontinuum interpretiert werden. Im Rahmen der Kontinuumsthermodynamik sind zun¨achst geeignete Variable zur Beschreibung der makroskopischen Eigenschaften des Kontinuums zu definieren. Man bezeichnet makroskopisch messbare, voneinander unabh¨angige Parameter, die den Zustand eines Systems eindeutig beschreiben, als Zustandsvariablen. Eine ausf¨uhrlichere Diskussion erfolgt dazu im Kapitel 6. Die ph¨anomenologischen Variablen lassen sich in extensive (additive) und intensive Gr¨oßen einteilen. Die additiven Gr¨oßen sind proportional zur Stoffmenge im System, d.h. beispielsweise zur Masse im Kontinuum. Die innere Energie eines Systems ist ein Beispiel f¨ur eine extensive Zustandsgr¨oße. Sie h¨angt nur von kinematischen Variablen und von der Temperatur ab, d.h. U = U(kinematische Variable, θ). Bei Teilung eines homogenen Systems der Gesamtmasse m in n homogene Teilsysteme mit den Massen mi gilt Ui =

m  i

m

U,

i = 1, . . . , n,

n 

Ui = U,

i=1

n 

mi = m

(5.83)

i=1

F¨ur inhomogene Systeme erh¨alt man durch Einf¨uhrung der inneren Massenenergiedichte dU u= dm f¨ur jedes inhomogene Teilsystem     U = u dm = uρ dV (5.84) Ui = u dm = uρi dV, mi

Vi

m

V

Intensive Gr¨oßen sind unabh¨angig von der Stoffmenge. Unterteilt man ein im Gleichgewicht befindliches System in n Teilsysteme, hat eine intensive Zustandsgr¨oße f¨ur jedes Teilsystem den unver¨andert gleichen Wert. Als Beispiele kann man u.a. die Dichte oder die Temperatur anf¨uhren.

5.3 Thermodynamische Erweiterungen der Bilanzgleichungen

199

Zwischen den ph¨anomenologischen Variablen bestehen verschiedene Zusammenh¨ange. Sie sind u¨ ber allgemeine Bilanzen (Haupts¨atze) und spezielle Konstitutivgleichungen verkn¨upft. Innerhalb dieses Kapitels werden nur die Bilanzen behandelt. Die Diskussion der Konstitutivgleichungen erfolgt im Kapitel 6. Diese Vorgehensweise ist dadurch gerechtfertigt, dass die Bilanzen Erfahrungss¨atze sind, die f¨ur alle Kontinua gleichermaßen gelten. Die Konstitutivgleichungen werden vielfach empirisch aufgestellt und haben daher einen eingeschr¨ankten G¨ultigkeitsbereich. Eine Auswertung der Bilanzen f¨ur spezielle Kontinua erm¨oglicht jedoch Aussagen zur thermodynamischen Widerspruchsfreiheit der gew¨ahlten Konstitutivgleichungen. F¨ur den Abschn. 5.3 werden folgende Einschr¨ankungen vorgenommen: • Das im Volumen eingeschlossene Kontinuum sei homogen, d.h. jeder materielle Punkt besitzt die gleichen Eigenschaften. Die Eigenschaften sind ortsunabh¨angig. • Es werden ausschließlich abgeschlossene und geschlossene Systeme betrachtet, d.h. ein Masseaustausch mit der Umgebung wird ausgeschlossen. Es gilt uneingeschr¨ankt der Massenerhaltungssatz. • Bei der Analyse des Kontinuums werden nur mechanische und thermische Felder einbezogen. Die Wirkung anderer physikalischer Felder wird als vernachl¨assigbar gering angesehen.

5.3.2 Bilanz der Energie: 1. Hauptsatz der Thermodynamik Der 1. Hauptsatz der Thermodynamik stellt die energetische Bilanz f¨ur ein beliebiges Volumen eines K¨orpers dar. ¨ Definition 5.6 (Thermomechanische Energiebilanz). Die zeitliche Anderung (materielle Zeitableitung) der Gesamtenergie W innerhalb des betrachteten Volumens ist gleich der Summe aus der Geschwindigkeit der W¨armezufuhr (W¨armezufuhrleis¨ tung) Q sowie der Leistung Pa aller a¨ ußeren Kr¨afte, d.h. die Anderungsgeschwindigkeit der Gesamtenergie W ist gleich der gesamten a¨ ußeren Energiezufuhr Pa +Q D W = Pa + Q Dt

(5.85)

Die Gesamtenergie W setzt sich aus der inneren Energie U und der kinetischen Energie K zusammen W = U+K (5.86) F¨ur die kinetische Energie gilt Gl. (5.55)  1 v ·vvρ dV K= 2 V

200

5 Bilanzgleichungen

Die innere Energie ist eine additive Funktion der Masse und aus den Gln. (5.83) und (5.84) folgt   u dm = ρu dV

U= m

V

mit u als innerer Energiedichte pro Masseeinheit (spezifische innere Energie). Entsprechend des eingef¨uhrten Kontinuummodells und der im Abschn. 4.1 vorgenommenen Klassifikation der a¨ ußeren Kr¨afte sind bei der Berechnung der Leistung Pa die Wirkungen m¨oglicher Volumen- und Fl¨achenkr¨afte zu ber¨ucksichtigen. Damit erh¨alt man   (5.87) Pa = t ·vv dA + k ·vvρ dV A

V

Die Geschwindigkeit der W¨armezufuhr setzt sich aus zwei Teilen zusammen: der unmittelbaren W¨armezufuhr im Volumen infolge skalarer W¨armequellen r sowie der W¨armezufuhr u¨ ber die das Kontinuum umh¨ullende Fl¨ache A   h dA (5.88) Q = ρr dV − n ·h V

A

h ist der W¨armestromvektor pro Einheitsfl¨ache von A. Das Vorzeichen vor dem Fl¨achenintegral wurde so gew¨ahlt, dass ein positiver W¨armestromvektor eine W¨armezufuhr in das Kontinuum u¨ ber die Oberfl¨ache bedeutet. Damit lautet die Gl. (5.85) ˙ +K ˙ = Pa + Q U

(5.89)

und nach Einsetzen der Ausdr¨ucke f¨ur U, K, Pa und Q       D 1 h dA + rρ dV (5.90) u + v ·vv ρ dV = t ·vv dA + k ·vvρ dV − n ·h Dt 2 V

A

V

A

V

Unter Beachtung von t = n · T erh¨alt man den 1. Hauptsatz auch wieder aus der allgemeinen Bilanzgleichung (5.12) mit 1 Ψ → u + v ·vv, 2

h, Φ = T ·vv −h

Ξ → k ·vv + r

Schreibt man die Energiebilanzgleichung f¨ur die Referenzkonfiguration auf, gilt      ∂ 1 I u + v ·vv ρ0 dV0 = t ·vv dA0 + k 0 ·vvρ0 dV0 ∂t 2 V0

A0





V0



h0 dA0 + n 0 ·h A0

rρ0 dV0 V0

(5.91)

5.3 Thermodynamische Erweiterungen der Bilanzgleichungen

201

Entsprechend Gl. (4.36) f¨ur die Beziehungen zwischen t und It erh¨alt man f¨ur den Zusammenhang von h und h 0 h, h 0 = (detFF)FF −1 ·h

h0 h = (detFF)−1F ·h

(5.92)

Beachtet man die folgenden Umformungen   D D (. . .)ρ dV (. . .)ρ dV = Dt Dt V

V



 D 1 1 1 v ·vv = v˙ ·vv + v · v˙ = v˙ ·vv, Dt 2 2 2   h) dA = [∇ ∇x · (TT ·vv) −∇ ∇x ·h h] dV n · (TT ·vv −h A

V

∇x ·TT ) ·vv +TT ·· (∇ ∇x v )T = (∇ ∇x ·TT ) ·vv +TT ·· D ··D ∇x · (TT ·vv) = (∇ folgt aus Gl. (5.90)  V

  Du D −∇ ∇x ·h h + ρr) dV + v˙ ·vv ρ dV = (TT ·· ··D Dt V  ∇x ·TT ) ·vv + ρk k ·vv] dV + [(∇

(5.93)

V

Die unterstrichenen Terme entsprechen der Impulsbilanzgleichung. Damit kann Gl. (5.93) vereinfacht werden. Man erh¨alt dann   Du D −∇ ∇x ·h h + ρr) dV dV = (TT ·· ρ ··D (5.94) Dt V

oder

V

 D +∇ ∇x ·h h − ρr) dV = 0 (ρu˙ −TT ·· ··D

(5.95)

V

F¨ur stetige Felder erh¨alt man damit die lokale Form der Energiebilanz h + ρr D −∇ ∇x ·h ρu˙ = T ·· ··D

(5.96)

Die Gln. (5.95) und (5.96) sind die Erweiterungen der rein mechanischen Energiebilanzgleichungen auf gekoppelte thermomechanische Energiebilanzen. Beim Verschwinden der thermischen Glieder gehen sie wieder in die mechanischen Energiebilanzen u¨ ber. Formuliert man die Bilanzaussagen f¨ur die Referenzkonfiguration, folgt die globale Gleichung

202

5 Bilanzgleichungen

 ρ0



∂u dV0 = ∂t

V0

˙ −∇ ∇a ·h h0 + ρ0 r) dV0 (IIP ·· G

(5.97)

V0

   ∂u II ˙ ∇a ·h h0 − ρ0 r dV0 = 0, − P ·· G +∇ ρ0 ∂t

oder

(5.98)

V0

und die lokale Gleichung hat die Form ρ0 bzw. ρ0

∂u = ∂t

∂u − ∂t

˙ −∇ ∇a ·h h0 + ρ0 r P ·· G

(5.99)

˙ +∇ ∇a ·h h0 − ρ0 r = 0 P ·· G

(5.100)

II

II

˙ ) auch durch (IP , F˙ ) ersetzt werden. In Gl. (5.100) kann das konjugierte Paar (IIP , G Bilanz der Energie ˙ +K ˙ = Pa + Q U Aktuelle Konfiguration       1 D h dA + rρ dV u + v ·vv ρ dV = t ·vv dA + k ·vvρ dV − n ·h Dt 2 V

A

V

A

V

Referenzkonfiguration      ∂ 1 u + v ·vv ρ0 dV0 = It · v dA0 + k 0 ·vvρ0 dV0 ∂t 2 V0

A0

V0



− A0

Lokale Formen

h + ρr, D −∇ ∇x ·h ρu˙ = T ·· ··D ρ0

∂u = ∂t

II



h0 dA0 + n 0 ·h

˙ −∇ ∇a ·h h0 + ρ0 r P ·· G

rρ0 dV0 V0

5.3 Thermodynamische Erweiterungen der Bilanzgleichungen

203

5.3.3 Bilanz der Entropie: 2. Hauptsatz der Thermodynamik ¨ F¨ur die weiteren Uberlegungen ist das Entropiekonzept von grunds¨atzlicher Bedeutung. Der 1. Hauptsatz der Thermodynamik formulierte die Aussage, dass die Gesamtenergie eines materiellen Systems nicht vergr¨oßert oder vermindert werden kann, sondern bei Erhalt der Gesamtenergie nur eine Transformation von einer in eine andere Energieform m¨oglich ist. Der 1. Hauptsatz enth¨alt aber keine genaueren Angaben u¨ ber die Art und die Richtung solcher Energietransformationen. Man erh¨alt auch keine Angaben, ob Energietransformationen reversibel oder irreversibel sind. Diese fehlenden Aussagen liefert der 2. Hauptsatz der Thermodynamik auf der Grundlage des Entropiekonzepts. Die Entropie kann dabei als ein Maß daf¨ur angesehen werden, wieviel Energie irreversibel von einer nutzbaren in nichtnutzbare, d.h nicht mehr in mechanische Arbeit umsetzbare Energie transformiert wird. Ein physikalisches System verliert infolge seiner Erw¨armung, d.h. bei einer Transformation von verf¨ugbarer in nichtverf¨ugbare Energie, irreversibel seinen geordneten Anfangszustand. Die Umwandlung des geordneten Anfangszustandes in einen weniger geordneten Zustand kann somit als ein Entropiezuwachs angesehen werden. Entropieproduktion in physikalischen Systemen entsprechen somit irreversiblen System¨anderungen und umgekehrt. Eine Erhaltung des Entropiewertes entspricht dann reversiblen Zustands¨anderungen. Der 2. Hauptsatz erfasst diese Aussagen in Form einer Bilanzaussage. F¨ur den 2. Hauptsatz der Thermodynamik sind zahlreiche Formulierungen bekannt. F¨ur die nachfolgenden Betrachtungen wird folgende Aussage gew¨ahlt. ¨ Satz 5.10 (Entropiebilanz). Die zeitliche Anderung (materielle Ableitung) der Entropie S innerhalb des betrachteten Volumens ist nicht kleiner als die Geschwindigkeit der a¨ ußeren Entropiezufuhr. Die Entropie ist eine additive Funktion. Damit gilt   S = s dm = ρs dV m

(5.101)

V

mit s als innerer Entropiedichte pro Masseneinheit (spezifische innere Entropie). Der 2. Hauptsatz der Thermodynamik lautet dann in globaler Form    h r n ·h D ρ dV − dA (5.102) ρs dV  Dt θ θ V

V

A

F¨ur alle realen Prozesse gilt in der Gl. (5.102) das Ungleichheitszeichen (>), d.h. reale Prozesse sind stets irreversibel. Das Gleichheitszeichen hat seine Berechtigung nur f¨ur idealisierte Prozesse, d.h. reversible Prozesse sind immer mit einer Idealisierung realer Prozesse verbunden. Gl. (5.102) wird auch als Clausius3 -Duhem3

Rudolf Julius Emanuel Clausius (1822-1888), Physiker, Thermodynamik

204

5 Bilanzgleichungen

Ungleichung bezeichnet. θ ist die absolute (Kelvin4) Temperatur. Sie ist f¨ur reale Kontinua immer gr¨oßer Null. Beachtet man die Umformung       ∇x θ n ·h h h h ·∇ ∇x ·h h dA = ∇x · dV = − dV, (5.103) θ θ θ θ2 A

V

V

folgt zun¨achst die lokale Formulierung der Ungleichung 1 ∇x θ ∇x ·h h + h ·∇ ρθ˙s  ρr −∇ θ

(5.104)

und mit

1 ∇x θ = h ·∇ ∇x ln θ h ·∇ θ abschließend die lokale Ungleichung ∇x ·h h) −h h ·∇ ∇x ln θ  0 ρθ˙s − (ρr −∇

(5.105)

Der in Klammern gesetzte Ausdruck kann mit Hilfe von Gl. (5.96) ersetzt werden D − ρu˙ −h h ·∇ ∇x ln θ  0 ρθ˙s +TT ·· ··D Mit

(5.106)

ρθ˙s = ρ(θs)· − ρsθ˙

folgt auch ρ

D Dθ D −h h ·∇ ∇x ln θ  0 (θs − u) − ρs +TT ·· ··D Dt Dt

(5.107)

Der Ausdruck (u − θs) = f

(5.108)

heißt Helmholtz’sche5 freie Energie. Damit l¨asst sich der 2. Hauptsatz als dissipative Ungleichung schreiben D−ρ T ·· ··D Die Gleichung

Dθ Df h ·∇ ∇x ln θ  0 − ρs −h Dt Dt

˙ =φ0 D − ρ(f˙ + sθ) T ·· ··D

(5.109)

(5.110)

ist die spezifische Dissipationsfunktion, d.h. φ ist positiv definit. Die spezifische dissipative Funktion φ ist ein Maß f¨ur die Energiedissipation im Kontinuum. Ist φ = 0, tritt keine Dissipation auf. Die Entropieungleichung hat dann die vereinfachte 4

William Thomson, 1. Baron Kelvin of Largs (Lord Kelvin) (1824-1907), Physiker, Elektrizit¨atslehre, Thermodynamik 5 Hermann Ludwig Ferdinand von Helmholtz (1821-1894), Physiologe und Physiker, bedeutende Beitr¨age u.a. zur Str¨omungsmechanik

5.3 Thermodynamische Erweiterungen der Bilanzgleichungen

205

Form h ·∇ ∇x ln θ  0

oder

h ∇x θ  0 ·∇ θ

mit

θ>0

(5.111)

Die Ungleichung (5.111) kann wie folgt interpretiert werden. Sie ist offensichtlich stets erf¨ullt, wenn h = 0 (adiabater Prozess) oder ∇x θ = 0 (homogenes Temperaturfeld) gilt. F¨ur alle anderen F¨alle gilt die in Abb. 5.2 dargestellte Situation. Der W¨armestromvektor h und der Temperaturgradientenvektor ∇x θ schließen bei nichtdissipativen Vorg¨angen einen stumpfen Winkel ein. Eine Ausnahme bildet die Orthogonalit¨at zwischen W¨armestromvektor und Temperaturgradient. Schlussfolgerung 5.7. Der W¨armestromvektor ist entgegen der Temperaturzunahme gerichtet, d.h. der W¨armestrom hat immer die Richtung von Punkten h¨oherer zu Punkten niedrigerer Temperatur. Unter Verwendung der dissipativen Funktion φ kann man auch den 1. Hauptsatz ausdr¨ucken   Df Dθ Ds D−ρ ∇x ·h h) = T ·· ··D +s + (ρr −∇ ρθ Dt Dt Dt ∇x ·h h) = φ + (ρr −∇ (5.112) F¨ur dissipationsfreie Kontinua folgt dann mit φ = 0 die W¨armeleitungsgleichung ρθ

Ds ∇x ·h h) = (ρr −∇ Dt

(5.113)

Folgende Sonderf¨alle der Gl. (5.113) haben besondere Bedeutung • Homogenes Temperaturfeld (θ = θ0 = const.): An jeder Stelle des K¨orpers herrscht zu jedem Zeitpunkt die gleiche Temperatur θ0 . Voraussetzung daf¨ur ist eine hohe W¨armeleitf¨ahigkeit, d.h. jede Inhomogenit¨at des Temperaturfeldes wird sofort ausgeglichen. F¨ur isotherme Prozesse θ3 = const. θ2 = const.

∇x θ

θ1 = const. h

Abb. 5.2 Temperaturfeld (Isolinien θ1 < θ2 < θ3 ) und Richtung des Temperaturgradienten sowie des W¨armestromvektors

206

5 Bilanzgleichungen

entf¨allt die W¨armeleitungsgleichung, die Temperatur θ0 geht als konstante Gr¨oße in die Gleichungen ein. Dies f¨uhrt zu einer Entkopplung thermischer und mechanischer Gr¨oßen. h = 0 , r = 0): • Adiabate Prozesse (h Es gibt keinen W¨armeaustausch mit der Umgebung. Voraussetzung daf¨ur ist eine sehr kleine W¨armeleitf¨ahigkeit, die n¨aherungsweise Null gesetzt werden kann. F¨ur dissipationsfreie Kontinua gilt dann φ = 0,

ρθ

Ds =0 Dt

oder

∂s ∇x s = 0 +vv ·∇ ∂t

Man erh¨alt dann eine Konstanz der Entropie entlang der Bahnkurve eines materiellen Punktes. Der Prozess ist reversibel. Die beiden Sonderf¨alle sind Grenzf¨alle realer Prozesse und erm¨oglichen somit eine Absch¨atzung thermomechanischer Aufgaben. Alle angegebenen Gleichungen k¨onnen auch f¨ur die Referenzkonfiguration formuliert werden. Man erh¨alt dann z.B. die globale Entropieungleichung    h0 r n 0 ·h ∂ ρ0 dV0 − dA0 ρ0 s dV0  ∂t θ θ V0

V0

A0

oder die lokale Formulierung ρ0 θ

∂s 1 ∇a ·h h0 ) + h 0 ·∇ ∇a θ  (ρ0 r −∇ ∂t θ

Eliminiert man auch hier den in Klammern stehenden Term mit Hilfe des 1. Hauptsatzes, erh¨alt man ρ0 θ

∂u II ∂s ˙ − 1 h 0 ·∇ ∇a θ  0 − ρ0 + P · ·G ∂t ∂t θ

oder

(5.114)

∂s 1 ∂u I ∇a θ  0 − ρ0 + P · ·F˙ − h 0 ·∇ (5.115) ∂t ∂t θ Auch die Entropiebilanzgleichungen sollen noch einmal zusammengefasst werden. ρ0 θ

Bilanz der Entropie - aktuelle Konfiguration    h r n ·h D ρ dV − dA ρs dV  Dt θ θ V

V

A

5.3 Thermodynamische Erweiterungen der Bilanzgleichungen

207

Lokale Formen ∇x ·h h) −h h ·∇ ∇x ln θ  0, ρθ˙s − (ρr −∇ ρ0 θ bzw.

∂s 1 ∇a ·h h0 ) − h0 ·∇ ∇a θ  0 − (ρ0 r −∇ ∂t θ

∂u II ∂s ˙ − 1 h 0 ·∇ ∇a θ  0, − ρ0 + P · ·G ∂t ∂t θ ∂u I ∂s 1 ∇a θ  0 + P · ·F˙ − h 0 ·∇ ρ0 θ − ρ0 ∂t ∂t θ

ρ0 θ

Spezifische Dissipationsfunktion ˙ =φ0 T ·· D − ρ(f˙ + sθ) ··D

F¨ur thermomechanische Aufgaben der Kontinuumsmechanik stehen somit z.B. die folgenden lokalen Bilanzgleichungen f¨ur die aktuelle Konfiguration im Rahmen der angegebenen Modellgrenzen zur Verf¨ugung. Auf die Angabe der globalen Gleichungen und der Gleichungen f¨ur die Referenzkonfiguration wird verzichtet. Massenerhaltung, Kontinuit¨atsgleichung ∂ρ ∇x · (ρvv ) = 0, +∇ ∂t

∂ρ + (ρvk ),k = 0 ∂t Dm = 0, Dt

x, t)dV, dm = ρ(x D (ρ detFF) = 0, Dt

ρ0 = ρ detFF

Bewegungsgleichungen (Impuls- und Drehimpulsbilanz) ρ

Dvv k, = ∇x ·TT + ρk Dt T = T T,

ρ

Dvj = Tij,i + ρkj Dt

Tij = Tji

208

5 Bilanzgleichungen

Energiebilanz ρ

Du D −∇ ∇x ·h h + ρr, = T ·· ··D Dt

ρ

Du = Tij Dji − hi,i + ρr Dt

Entropieungleichung ρθ

Ds ∇x ·h h +h h ·∇ ∇x ln θ + ρr,  −∇ Dt

ρθ

Ds  −hi,i + hi (ln θ),i + ρr Dt

Literaturverzeichnis 1. Altenbach H, Naumenko K, Zhilin P (2003) A micro-polar theory for binary media with application to phase-transitional flow of fiber suspensions. Continuum Mech Thermodyn 15:539 – 570 2. Altenbach H, Eremeyev VA, Lebedev LP, Rend´on LA (2011) Acceleration waves and ellipticity in thermoelastic micropolar media. ZAMM 80(3):217–227 3. Altenbach H, Maugin GA, Erofeev V (eds) (2011) Mechanics of Generalized Continua, Advanced Structured Materials, vol 7. Springer, Heidelberg 4. Casey J (2011) On the derivation of jump conditions in continuum mechanics. International Journal of Structural Changes in Solids 3(2):61 – 84 5. Haupt P (2002) Continuum Mechanics and Theory of Materials, 2nd edn. Springer, Berlin 6. Hutter K, J¨ohnk K (2004) Continuum Methods of Physikal Modeling - Continuum Mechanics, Dimensional Analysis, Turbulence. Springer, Berlin 7. M¨uller I (1973) Thermodynamik: die Grundlagen der Materialtheorie. Bertelsmann Universit¨atsverlag 8. M¨uller WH, Vilchevskay EN, Weiss W (2017). Micropolar theory with production of rotational inertia: A farewell to material description. Physical Mesomechanics, 20(3):250-262 9. Palmov VA (1998) Vibrations of Elasto-plastic Bodies. Foundations of Engineering Mechanics, Springer, Berlin 10. Rubin MB (2000) Cosserat Theories: Shells, Rods and Points. Kluwer, Dordrecht 11. Salenc¸on J (2001) Handbook of Continuum Mechanics. Berlin, Springer ˇ 12. Silhav´ y M (1997) The Mechanics and Thermodynamics of Continuous Media. Springer, Heidelberg 13. Willner K (2003) Kontinuums- und Kontaktmechanik: Synthetische und analytische Darstellung. Springer, Berlin

Teil III

Materialabh¨angige Gleichungen

Die bisher eingef¨uhrten Grundgleichungen der Kontinuumsmechanik sind weitestgehend unabh¨angig von den spezifischen Eigenschaften der Kontinua. Sie haben in diesem Sinne die Bedeutung von Naturgesetzen“, da sie f¨ur alle Kontinua glei” chermaßen gelten. Andererseits ist aus der t¨aglichen Erfahrung bekannt, dass es deutliche Unterschiede im Verhalten spezieller Kontinua bei gleichen a¨ ußeren Beanspruchungen gibt. Die Besonderheiten des konkreten Kontinuumsverhaltens sind folglich noch zu analysieren. Ferner gibt es ein formales mathematisches Problem. Die Anzahl der das Kontinuum beschreibenden unbekannten Gr¨oßen liegt deutlich u¨ ber der Anzahl der bisher zur Verf¨ugung stehenden Gleichungen. Daher sind noch zus¨atzliche Gleichungen, sogenannte konstitutive Gleichungen, einzuf¨uhren, die diese L¨ucke schließen. Ziel dieses Kapitels ist die Darlegung der Methodik zur Formulierung solcher Gleichungen sowie die beispielhafte Behandlung einiger Grundmodelle des Materialverhaltens. Ausgangspunkt der Formulierung von materialabh¨angigen Grundgleichungen ist das spezifische Antwortverhalten eines Materials auf a¨ ußere Einwirkungen. In diesem Sinne stellen die konstitutiven Gleichungen eine black-box dar, die inge¨ nieurm¨aßig in Ubereinstimmung mit der Mathematik zu konkretisieren ist. Das Wissenschaftsgebiet, welches sich mit dem Ziel der Begr¨undung materialspezifischer Gleichungen herausgebildet hat, ist die Materialtheorie. In ihrer strengsten Form geht sie zun¨achst nur mathematisch-physikalisch vor und begr¨undet die Strukturen der Konstitutivgleichungen. Hierbei spielen grundlegende Prinzipien und die Objektivit¨at bestimmter Gr¨oßen eine besondere Rolle, auf die zu Beginn dieses Teils eingegangen wird. Nachfolgend werden dann drei Konzepte zur Formulierung von Konstitutivgleichungen angeboten: die deduktive und die induktive Vorgehensweise sowie die Methode der rheologischen Modelle. Das erste Verfahren ist top-down strukturiert, d.h. zun¨achst wird der allgemeine Fall mathematisch begr¨undet und auf physikalische Konsistenz u¨ berpr¨uft. Anschließend erfolgt die Diskussion von Sonderf¨allen. Dieses Verfahren ist mit betr¨achtlichem Aufwand verbunden, so dass es f¨ur klassische Ingenieuranwendungen sicher nicht besonders geeignet ist. Der Ingenieur geht bevorzugt induktiv vor, d.h. aus Sonderf¨allen heraus werden Verallgemeinerungen vorgeschlagen. Diese m¨ussen jedoch mathematisch und physikalisch auf jeder Verallgemeinerungsstufe u¨ berpr¨uft werden. Die Methode der rheologischen Modelle verbindet beide Konzepte. Einfache Grundmodelle werden deduktiv begr¨undet und dann mit den bekannten Schaltungsregeln verbunden.

Kapitel 6

Materialverhalten und Konstitutivgleichungen

Zusammenfassung Die Ermittlung der spezifischen, materialabh¨angigen Eigenschaften von Kontinua ist eine experimentelle Aufgabe. Die aus experimentellen Untersuchungen abgeleiteten mathematischen Gleichungen haben aber im Allgemeinen nur eine eingeschr¨ankte G¨ultigkeit. Ein allgemeines theoretisches Konzept zur Begr¨undung einer universellen Konstitutivgleichung existiert nicht. Daher bietet sich folgende Vorgehensweise an: • Formulierung plausibler Annahmen f¨ur Konstitutivgleichungen, ¨ • Uberpr¨ ufen der Widerspruchsfreiheit der Annahmen mit den materialunabh¨angigen Aussagen der Thermodynamik und • Experimentelle Identifikation der konstitutiven Parameter Alle weiteren Ausf¨uhrungen beschr¨anken sich auf die ersten beiden Punkte. Ferner werden auch deduktive Methoden der Formulierung von materialspezifischen Gleichungen im Kapitel 7, induktive Methoden im Kapitel 8 erl¨autert und rheologische Modelle des Konstitutivverhaltens im Kapitel 9 diskutiert.

6.1 Grundlegende Begriffe, Modelle und Methoden Die Gleichungen zur Beschreibung der spezifischen Besonderheiten von Kontinua werden allgemein als Konstitutivgleichungen bezeichnet. Daneben treten auch die Begriffe Materialgleichungen, Stoffgleichungen, physikalische Gleichungen oder Zustandsgleichungen auf. In den nachfolgenden Ausf¨uhrungen wird der Terminus Konstitutivgleichungen bevorzugt. Folgende Definition kann in Anlehnung an [6] gegeben werden. Definition 6.1 (Konstitutivgleichungen). Konstitutivgleichungen verkn¨upfen alle das makroskopische Kontinuumsverhalten beschreibenden ph¨anomenologischen Variablen.

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2018 H. Altenbach, Kontinuumsmechanik, https://doi.org/10.1007/978-3-662-57504-8_6

211

212

6 Materialverhalten und Konstitutivgleichungen

Derartige ph¨anomenologische Variablen, die in Anlehnung an die Physik Konstitutivgr¨oßen genannt werden, wurden in den bisherigen Kapiteln eingef¨uhrt: Spannungen, Verzerrungen, Temperatur, W¨armestromvektor usw. Der Zusammenhang zwischen diesen Gr¨oßen kann unterschiedliche mathematische Struktur haben, z.B. algebraische Beziehungen (Hooke’sches Gesetz), Differentialgleichungen (Newton’sches Fluid), Integralgleichungen (viskoelastische Modelle) u.a.m. Die Anzahl der zu definierenden Konstitutivgleichungen ist abh¨angig vom konkreten Kontinuumsproblem. F¨ur die im Abschn. 5.2 diskutierten rein mechanischen Aufgaben wurden folgende Bilanzgleichungen eingef¨uhrt: die Massenbilanz (1 skalare Gleichung), die Impulsbilanz (1 vektorielle Gleichung, d.h. f¨ur dreidimensionale Feldprobleme 3 skalare Gleichungen), die Drehimpulsbilanz (1 vektorielle Gleichung bzw. 3 skalare Gleichungen) und die Energiebilanz (1 skalare Gleichung). Damit stehen insgesamt 8 skalare Gleichungen zur Verf¨ugung. Folgende 14 Variablen sind zu bestimmen: die Dichte ρ (1 skalare Variable), die Geschwindigkeit v (1 Vektor bzw. dessen 3 Koordinaten), der Spannungstensor T (1 Tensor 2. Stufe bzw. dessen 9 Koordinaten) und die innere Energie u (1 Variable). Um das zur L¨osung notwendige Gleichungssystem bestimmt zu machen, m¨ussen die Bilanzgleichungen durch 6 Konstitutivgleichungen erg¨anzt werden [14 (Variablenanzahl) - 8 (Anzahl der Gleichungen) = 6 (notwendige Anzahl der Konstitutivgleichungen)]. F¨ur den in Abschn. 5.3 diskutierten allgemeineren Fall der Thermomechanik erh¨oht sich die Variablenanzahl. Es treten zu den bereits aufgelisteten Variablen die Entropie s (1 Variable), die Temperatur θ (1 Variable) und der W¨armestromvektor h (1 Vektor bzw. 3 Variablen) hinzu. Damit w¨aren 19 Variablen zu bestimmen. Da weiterhin nur 8 Gleichungen zur Verf¨ugung stehen, sind 11 Konstitutivgleichungen zu definieren. Die Bilanzgleichung f¨ur die Entropie liefert keine weitere Bestimmungsgleichung, sie definiert lediglich die Prozessrichtung. Auch im Kapitel 6 wird nur das klassische Kontinuumsmodell betrachtet und es werden polare Kontinua ausgeschlossen. Die Aufstellung mathematischer Modelle f¨ur Konstitutivgleichungen, d.h. f¨ur das Verhalten materieller K¨orper mit unterschiedlichen stofflichen Eigenschaften unter definierten Belastungen, wird damit einfacher. Alle Modelle beschreiben wieder ausschließlich ph¨anomenologische Materialeigenschaften. Ferner werden nur sogenannte einfache K¨orper 1. Grades [7] betrachtet. Definition 6.2 (Einfachen K¨orper 1. Grades). Bei einfachen K¨orpern 1. Grades verkn¨upfen die konstitutiven Gleichungen nur lokale Gr¨oßen, z.B. den lokalen Verzerrungstensor und den lokalen W¨armeflussvektor mit dem lokalen Spannungstensor und dem lokalen Temperaturgradienten. Alle Aussagen beziehen sich auf den gleichen materiellen Punkt und seine differentielle Umgebung ersten Grades. Die Einschr¨ankung auf einfache K¨orper 1. Grades entspricht den Voraussetzungen einer rein lokalen Theorie, nichtlokale Effekte werden vernachl¨assigt. In den einf¨uhrenden Ingenieurvorlesungen zur Technischen Mechanik und zur Str¨omungslehre werden bereits einfache Konstitutivgleichungen behandelt, die f¨ur viele technische Anwendungen ausreichend genaue Aussagen liefern. Bei Beschr¨ankung auf rein mechanische, lineare Aufgaben ohne Temperatureinfl¨usse erh¨alt man

6.1 Grundlegende Begriffe, Modelle und Methoden

213

einfache funktionelle Beziehungen zwischen kinetischen Gr¨oßen, z.B. dem Spannungstensor T , und kinematischen Gr¨oßen, z.B. dem Tensor G der Verzerrungen oder dem Tensor G˙ der Verzerrungsgeschwindigkeiten. Die angewandte Ingenieurmechanik bezeichnet im Rahmen kleiner Verformungen im Allgemeinen T ≡ σ und G ≡ ε und formuliert f¨ur einen ideal elastischen (Hooke’schen) K¨orper eine Gleichung σ = σ (εε ) und f¨ur ein ideales (Newton’sches) Fluid eine Gleichung σ = σ (˙ε ). Neue Technologien und Werkstoffe, extreme Einsatzbedingungen und komplexe bzw. kombinierte Feldwirkungen verlangen zunehmend nach erweiterten Beschreibungsm¨oglichkeiten des Verhaltens von Kontinua. Es ist dann erforderlich, den zeitlichen Zusammenhang solcher ph¨anomenologischen Gr¨oßen wie Beanspruchung, Verformung, Temperatur, Temperaturgradient, W¨armeaufnahme, W¨armefluss, innere Energie, Entropie usw. genauer zu erfassen. Dabei geht man konzeptionell zunehmend von einer rein empirischen Formulierung zu einer mathematischen Modellierung u¨ ber, wobei stets ingenieurm¨aßige Annahmen getroffen werden m¨ussen, da eine universelle Konstitutivgleichung nicht begr¨undet werden kann [1]. Folglich ist die Diskussion um Konstitutivgleichungen immer mit der Behandlung von Sonderf¨allen verbunden. Die Ableitung von Konstitutivgleichungen f¨ur Materialmodelle kann auf induktivem Wege, gest¨utzt auf Experimente, oder deduktiv, d.h. vorrangig auf theoretischem Wege, erfolgen. Bei der deduktiven Formulierung wird mit den Bilanzgleichungen und weiterer u¨ bergeordneter Prinzipien ein m¨oglicher Rahmen f¨ur die Konstitutivgleichungen vorgegeben. Dieser wird schrittweise mit Hilfe der Axiome der Materialtheorie eingeengt. F¨ur die so erhaltene Gleichungsstruktur, die mathematisch und physikalisch widerspruchsfrei ist, werden dann u¨ ber konstitutive Annahmen die konkreten Gleichungen bestimmt. Die induktive Vorgehensweise, die mit den u¨ blichen Konzepten der Ingenieurarbeit u¨ bereinstimmt, geht von einfachsten konstitutiven Annahmen (meist empirisch f¨ur einachsiges Materialverhalten aufgestellt) aus. Kompliziertere Materialgesetze werden dann durch induktive Schlussweisen gefunden. Ein derartiges Konzept f¨uhrt zu Konstitutivgleichungen, deren physikalische Konsistenz nicht a` priori gesichert ist. Neben diesen beiden Konzepten gibt es noch die Methode der rheologischen Modelle, die Elemente der induktiven und der deduktiven Schlussweisen enth¨alt. Zun¨achst werden einfache, physikalisch konsistente Grundmodelle abgeleitet. Reales Materialverhalten wird dann durch Kombination von Grundmodellen approximiert. Analysiert man den gegenw¨artigen Erkenntnisstand, sind Konstitutivgleichungen f¨ur lineare Modelle der Kontinuumsmechanik bereits weitestgehend bekannt. Es gibt aber noch viele offene Fragen bei der Modellierung von Konstitutivgleichungen f¨ur nichtlineare Aufgaben, aber auch f¨ur neue Werkstoffe. Dies betrifft z.B. den Einsatz von Elastomeren, d.h. Materialien mit sehr großen elastischen Deformationen, die Betrachtung des plastischen Materialverhaltens bei großen Verzerrungen, Materialmodelle f¨ur Hochtemperaturkriechen, Modellierung granularer und/oder heterogener Kontinua und Materialmodelle, die Sch¨adigungsprozesse erfassen k¨onnen. F¨ur die Formulierung von Konstitutivgleichungen ist es als erstes notwendig, die in ihnen auftretenden Variablen zu ordnen. Das Materialverhalten muss f¨ur jeden materiellen Punkt und jeden Zeitpunkt beschrieben werden. G¨unstig ist es, diese

214

6 Materialverhalten und Konstitutivgleichungen

Beschreibung entsprechend den Ausf¨uhrungen des Abschn. 3.2 mit den Koordinaten x oder a und der Zeit t vorzunehmen. Das Materialverhalten kann dann durch funktionale Beziehungen zwischen Konstitutivgr¨oßen und konstitutiven Parametern gekennzeichnet werden. Im Rahmen der Thermomechanik kann u.a. die Temperatur θ als konstitutiver Parameter und der W¨armestromvektor h als Konstitutivgr¨oße auftreten. Die Auswahl der konstitutiven Parameter und der Konstitutivgr¨oßen ist subjektiv. F¨ur den Fall, dass man die im Kontinuum ablaufenden Prozesse in den materi¨ ellen Punkten beschreiben m¨ochte, ist die Anderungsgeschichte der konstitutiven Parameter zu verfolgen. ¨ Definition 6.3 (Prozess). Die zeitliche Anderung der konstitutiven Parameter in den materiellen Punkten wird als Prozess bezeichnet. F¨ur das Beispiel der Temperatur ist damit die folgende Funktion zu ermitteln x(a a, τ), τ], t0 < τ < t θτ = θ[x ¨ Die Anderungsgeschichten aller konstitutiven Parameter definieren die im Kontinuum ablaufenden Prozesse. Abschließend ist hier noch zu kl¨aren, wann die materialabh¨angigen Eigenschaften des Kontinuums vollst¨andig definiert sind. Definition 6.4 (Konstitutivgr¨oße). Das Verhalten des Kontinuums in jedem materiellen Punkt wird durch einen Satz von Konstitutivgr¨oßen beschrieben, die Operatoren (bez¨uglich der Zeit t) der Prozesse in den Punkten sind. Die entsprechenden funktionalen Beziehungen werden als Konstitutivgleichungen bezeichnet. Verschiedene Materialien unterscheiden sich durch unterschiedliche Formen der Funktionale. Die Definition eines konkreten Materials ist folglich gleichbedeutend mit der Angabe der Konstitutivgleichungen. Die angewandte Kontinuumsmechanik unterscheidet in Bezug auf das Materialverhalten zwei Hauptmodellklassen, den Festk¨orper und das Fluid. Dabei geht sie von einfachen Definitionen aus, die eine Hilfe f¨ur die Abgrenzung der beiden Hauptmodelle sind. Definition 6.5 (Festk¨orper). Der K¨orper kann bei definierten Belastungen im Spannungsdeviator von Null verschiedene Komponenten aufbauen, d.h. er setzt einer Gestalt¨anderung Widerstand entgegen. Definition 6.6 (Fluid). Der K¨orper kann bei definierten Belastungen keine Deviatorspannungen aufbauen, d.h. er hat keine Tendenz zur Erhaltung der Gestalt. In Abh¨angigkeit vom Einfluss der Kompressibilit¨at auf das Materialverhalten werden Fluide h¨aufig in die Modellklassen Fl¨ussigkeiten und Gase unterteilt. Eine derartige Modellklassifizierung bezieht sich nat¨urlich immer auf ideale K¨orper“. Da ” nach dem 2. Axiom der Rheologie (s. Kapitel 9 bzw. [2; 8]) alle realen K¨orper sowohl Festk¨orper- als auch Fluideigenschaften aufweisen, die allerdings sehr unterschiedlich ausgepr¨agt sein k¨onnen, und auch Inkompressibilit¨at nur eine Idealisierung des realen Fluidverhaltens ist, bleiben solche Modellklassifizierungen immer

6.1 Grundlegende Begriffe, Modelle und Methoden

215

subjektiv und auch von der Aufgabenstellung abh¨angig. Im Rahmen einer allgemeinen Einf¨uhrung in die Kontinuumsmechanik ist eine Klassifizierung der K¨orper in Festk¨orper und Fluide nicht erforderlich. Die materialunabh¨angigen und die materialabh¨angigen Gleichungen beschreiben eindeutig das Verhalten eines Kontinuums, unabh¨angig davon, ob der Modellk¨orper der Klasse der Festk¨orper oder der Fluide zugeordnet wird. Eine andere M¨oglichkeit der Klassifikation von Materialmodellen ist durch die unterschiedliche Abh¨angigkeit des Verhaltens von der Zeit gegeben. So unterscheidet man u.a. [4] skleronomes (zeitunabh¨angiges) und rheonomes (zeitabh¨angiges) Materialverhalten. Zur ersten Gruppe geh¨ort das elastische und das plastische Materialverhalten, zur zweiten Gruppe wird das viskoelastische und das viskoplastische Materialverhalten zugerechnet. Die Bestimmung des Materialverhaltens kann unterschiedlich erfolgen. Das einfachste Verfahren ist die Realisierung eines Experiments. Dabei wird der Zusammenhang zwischen a¨ ußeren Einflussfaktoren und den Ver¨anderungen des inneren Zustandes des Kontinuums ermittelt, wobei letzteres vielfach nur durch Beobachtung a¨ ußerer Reaktionen erkennbar ist. Das Verfahren wird in Abb. 6.1 veranschaulicht. Aus dem Vergleich von Eingang und Ausgang lassen sich R¨uckschl¨usse auf das Verhalten des Kontinuums ziehen. Analysiert man beispielsweise das Werkstoffverhalten, ist das Schema der Werkstoffversuch, wobei spannungs- und dehnungskontrollierte Versuche unterschieden werden. Die Klassifikation h¨angt von der gew¨ahlten Eingangsgr¨oße ab. Die Modellierung des Materialverhaltens erfolgt dann durch Auswertung des Experiments unter Verwendung mathematisch-physikalisch begr¨undeter Verfahren. Am h¨aufigsten werden statistische Methoden zur Auswertung experimenteller Befunde angewendet. Die derart aufgestellten Konstitutivgleichungen haben nur einen stark eingeschr¨ankten Einsatzbereich. Im Rahmen der Kontinuumsmechanik werden daher die induktive (ingenieurm¨aßige) oder deduktive Methode bevorzugt sowie rheologische Modelle f¨ur die Modellierung eingesetzt. Dabei ist das Materialverhalten zun¨achst eine black-box“, die schrittweise ” solange mit Annahmen gef¨ullt wird, bis die Identifizierung der Parameter in den Gleichungen hinreichend genau gelungen ist. Die somit gefundenen Gleichungen sind an unabh¨angigen Problemen zu testen, d.h. die Versuche zur Identifikation der Parameter d¨urfen nicht erneut herangezogen werden.

EINGANG -

KONTINUUM

Abb. 6.1 Veranschaulichung der Ermittlung des Materialverhaltens

AUSGANG -

216

6 Materialverhalten und Konstitutivgleichungen

6.2 Einfuhrung ¨ in die Materialtheorie Die Entwicklung der Grundlagen der Kontinuumsmechanik hat auch zur Herausbildung einer allgemeinen Materialtheorie gef¨uhrt, die heute oft als eigenst¨andiges Teilgebiet der Kontinuumsmechanik betrachtet wird. Die Zielstellung einer solchen Materialtheorie ist es, auf deduktivem Wege systematische und rationale Methoden der mathematischen Modellierung des Materialverhaltens zu entwickeln sowie die Materialmodellgleichungen mit den Bilanzgleichungen zu verbinden. Die klassischen Materialmodellgleichungen der Kontinuumsmechanik, die lineare Elastizit¨at, die Viskoelastizit¨at und die ideale Plastizit¨at fester K¨orper, elastische und linear viskose Fluide sowie ideale Gase sind aus der Sicht einer allgemeinen Theorie nur erste Approximationen allgemeiner Konstitutivgleichungen. Die Modellierung des Materialverhaltens bei komplexen Beanspruchungen, die z.B. durch die Einwirkung unterschiedlicher physikalischer Felder, aber auch durch das Auftreten unterschiedlicher Phasen des Materialzustandes gekennzeichnet sein k¨onnen, erfordert zunehmend auch im Ingenieurbereich genauere Kenntnisse der Materialtheorie. Die folgenden Darstellungen sollen die Grundlagen daf¨ur verdeutlichen und damit eine Einarbeitung in die Spezialliteratur anregen und erleichtern.

6.2.1 Grundlegende Prinzipien Mit Hilfe der grundlegenden Prinzipien der Materialtheorie lassen sich systematisch mathematisch-physikalisch begr¨undete Konstitutivgleichungen deduktiv entwickeln. Im Ergebnis dieser Ableitungen erh¨alt man Gleichungen, die die spezifischen Besonderheiten konkreter Kontinua beinhalten. Dabei sind zun¨achst drei Fragestellungen zu kl¨aren [4]: • Formulierung der Konstitutivgleichungen, • Einarbeitung von Materialsymmetrien und • Einbeziehung von kinematischen Einschr¨ankungen (Zwangsbedingungen) Dabei sind folgende Regeln zu beachten [5]: • Die Konstitutivgleichungen m¨ussen unabh¨angig vom Beobachter sein. • Die Symmetrieeigenschaften m¨ussen durch die Konstitutivgleichungen abgebildet werden. • Die Konstitutivgleichungen m¨ussen dem 2. Hauptsatz der Thermodynamik gen¨ugen. Die Konstitutivgleichungen stellen die individuelle Antwort des Kontinuums auf eine a¨ ußere Beanspruchung dar (vgl. auch Abb. 6.1). In Abh¨angigkeit vom konkreten Kontinuumsmodell werden die entsprechenden Eingangs- und Ausgangsvariablen definiert. Im einfachsten Fall sind dies die Spannungen und die Deformationen, die zur Beschreibung des mechanischen Verhaltens eines Modellk¨orpers gen¨ugen. Ist eine Erweiterung auf andere, z.B. thermische Effekte notwendig, nehmen die

6.2 Einf¨uhrung in die Materialtheorie

217

Konstitutivgleichungen komplexere Ausdr¨ucke an. Es treten verst¨arkt Kopplungseffekte auf, da die in den Gleichungen auftretenden Kennwerte auch Abh¨angigkeiten von den nichtmechanischen Effekten zeigen. So ist beispielsweise bei der Hinzunahme thermischer Einfl¨usse zu kl¨aren, ob die Temperaturabh¨angigkeit des Elastizit¨atsmoduls f¨ur die Beschreibung des Konstitutivverhaltens signifikant ist und daher in das Modell einbezogen werden muss. Die Einarbeitung von Materialsymmetrien kann zu wesentlichen Vereinfachungen der Konstitutivgleichungen f¨uhren. Grundlage daf¨ur bildet die experimentelle Erfahrung, dass man bei zahlreichen Kontinua eine Richtungsabh¨angigkeit (Anisotropie) des Konstitutivverhaltens feststellen kann. Ursache daf¨ur ist die jeweilige Mikrostruktur des Kontinuums. Das Curie-Neumann’sche Prinzip (Satz 1.1) bildet dann die Grundlage der Analyse von Symmetrien, wobei neben den Kristalle auch andere Werkstoffe bertrachtet werden k¨onnen. Die Anwendung von Aussagen zur Materialsymmetrie f¨uhrt im Allgemeinen zu Vereinfachungen der mathematischen Modellgleichungen. Es k¨onnen dann Invarianzaussagen f¨ur das Materialverhalten formuliert werden, die z.B. f¨ur isotrope, transversal-isotrope, orthotrope oder andere Materialsymmetrien gelten. Ein Beispiel eines isotropen Kontinuums ist ein polykristalliner Werkstoff (statistischer Ausgleich der Orientierungen der Einzelkristalle). Anisotropien treten dagegen bei Einkristallen oder faser- bzw. partikelverst¨arkten Werkstoffen auf. Die Einarbeitung kinematischer Einschr¨ankungen f¨uhrt gleichfalls zu Vereinfachungen der Materialmodellgleichungen. Ein Beispiel aus der Festk¨orpermechanik ist die plastische Inkompressibilit¨at, d.h. die Annahme, dass Volumen¨anderungen rein elastisch sind. Damit werden bestimmte Deformationen f¨ur das Kontinuum ausgeschlossen. Derartige Vereinfachungen der Konstitutivgleichungen verlangen allerdings vielfach eine besondere Sorgfalt bei der Auswahl numerischer L¨osungsverfahren. Die systematische Ableitung von Konstitutivgleichungen erfolgt auf der Basis grundlegender Axiome (konstitutiver Prinzipien), die u.a. die mathematische und physikalische Widerspruchsfreiheit sichern [3]. Zu diesen konstitutiven Axiomen der Materialtheorie geh¨oren: • • • • • • •

Kausalit¨at, Determinismus, ¨ Aquipr¨ asenz, Materielle Objektivit¨at, Lokale Wirkung, Ged¨achtnis und Physikalische Konsistenz

Nachfolgend werden die Axiome der Materialtheorie kurz diskutiert. Kausalit¨atsaxiom: Die Auswahl der abh¨angigen und der unabh¨angigen Variablen wird aus ¨ Uberlegungen zu Ursache und Wirkung (Kausalit¨atsprinzip) bestimmt.

F¨ur thermomechanische Kontinua k¨onnen als unabh¨angige Variable die Bewegung und die Temperatur eingef¨uhrt werden. In Abh¨angigkeit von diesen Variablen

218

6 Materialverhalten und Konstitutivgleichungen

a¨ ndern sich die Spannungen, die W¨armestr¨ome, die freie Energie und die Entropie. ¨ Sie sind das Antwortverhalten des Kontinuums auf Anderungen der unabh¨angigen Variablen im Sinne des in Abb. 6.1 dargestellten Schemas. Determinismusaxiom: Der aktuelle Zustand des Kontinuums wird durch die aktuelle Beanspruchung sowie die gesamte Vorgeschichte bestimmt (Prinzip der Determiniertheit).

Dies schließt ein, dass das Verhalten im betrachteten materiellen Punkt durch das Verhalten aller anderen materiellen Punkte beeinflusst wird. Damit sind die abh¨angigen Variablen Zeitfunktionale der unabh¨angigen Variablen bzw. genauer der Geschichte der unabh¨angigen Variablen. ¨ Aquipr¨ asenzaxiom: Der Satz der unabh¨angigen Variablen, der in eine Konstitutivgleichung eingeht, muss auch in allen u¨ brigen Konstitutivgleichungen f¨ur das gegebene Konti¨ nuumsmodell enthalten sein (Prinzip der Aquipr¨ asenz).

Dies bedeutet, dass s¨amtliche konstitutiven Variablen immer in allen Gleichungen erfasst sein m¨ussen, um m¨ogliche Wechselwirkungen zu erkennen. Dies gilt bis zum Auftreten weiterer einschr¨ankender Annahmen, die sich auf spezielle Konstitutivgleichungen beziehen. Axiom der materiellen Objektivit¨at (Beobachterindifferenz): Die Konstitutivgleichungen d¨urfen nicht von der Wahl des Bezugssystems bzw. von Bewegungen des Beobachtersystems im Raum abh¨angen.

Betrachtet man beispielsweise zwei Bewegungen x und x , die durch eine Starrk¨orperbewegung und eine Zeittransformation miteinander verbunden sind, gilt allgemein x(a a, t) = Q(t)x x(a a, t) +cc(t),

t = t − t0 ,

Q ·Q QT = I,

Q=1 detQ

(6.1)

Dabei ist t0 = const., Q (t) ist ein beliebiger, zeitabh¨angiger eigentlich orthogonaler Tensor, der Starrk¨orperrotationen beschreibt, und c (t) ist ein beliebiger, zeitabh¨angiger Vektor, der eine Translation kennzeichnet. Die beiden Bewegungen, die u¨ ber die Transformationsgleichung (6.1) verbunden sind, werden als objektiv a¨ quivalent bezeichnet. Die Konstitutivgleichungen d¨urfen sich nach dem Objektivit¨atsprinzip bei Transformationen entsprechend den Gln. (6.1) nicht ver¨andern. Die Gln. (6.1) enthalten 3 Sonderf¨alle: a) konstante Zeitverschiebung, b) Starrk¨orpertranslation und c) Starrk¨orperrotation F¨ur die hier analysierten Probleme ist vor allem die Beobachterunabh¨angigkeit bei Starrk¨orperrotationen zu pr¨ufen. Die Translationen sind f¨ur den Fall bedeutsam, dass Referenz- und Momentankonfiguration durch eine Translation miteinander verkn¨upft sind. Zeitverschiebungen werden u.a. bei relativistischen Aufgabenstellungen bedeutsam. Auf weitere Fragen im Zusammenhang mit der materiellen Objektivit¨at wird im Abschn. 6.2.2 eingegangen.

6.2 Einf¨uhrung in die Materialtheorie

219

Axiom der lokalen Wirkung: Der Zustand in den materiellen Punkten wird einzig durch die unmittelbare Umgebung des materiellen Punktes beeinflusst.

¨ Anmerkung 6.1. Die hier angef¨uhrte Formulierung ist in Ubereinstimmung mit Abschn. 5.2. Fernwirkungen werden entsprechend diesem Axiom vernachl¨assigt. F¨ur hinreichend glatte Funktionen kann man dann Taylor1 -Reihenentwicklungen bez¨uglich der Differenz zwischen dem betrachteten materiellen Punkt a und einem benachbarten materiellen Punkt a˜ vornehmen. Beispielsweise gilt dann f¨ur die Temperatur im Punkt a˜ 1 a) ·∇ ∇a ∇a θ(a a, t) + (a˜ −a a, t) · (a˜ −a a) + . . . a, t) + (a˜ −a a) ·∇ ∇a θ(a θ(a˜ , t) = θ(a 2 Damit k¨onnen die Funktionen mit beliebiger Genauigkeit durch Reihenentwicklungen dargestellt werden. Mit entsprechenden Abbruchbedingungen lassen sich die Materialien weiter klassifizieren. Bricht man beispielsweise die Reihenentwicklung nach der 1. Ableitung ab, erh¨alt man sogenannte einfache Materialien. Das entspricht einer Versch¨arfung des Axioms f¨ur den Fall, dass die Umgebung differentiell klein ist. F¨ur diesen Fall gen¨ugt die Kenntnis der Originalgr¨oßen und ihrer ersten Ableitungen nach dem Ort. Dies ist der Gradient und das entsprechende einfache Material kann folglich auch als Material 1. Grades bezeichnet werden. F¨ur die u¨ berwiegende Anzahl der praktisch wichtigen F¨alle gen¨ugt eine solche Approximation. Ged¨achtnisaxiom: Ein Material hat ein Ged¨achtnis“ und reflektiert somit zur¨uckliegende ” Ereignisse unterschiedlich.

Das Ged¨achtnisaxiom erm¨oglicht Vereinfachungen bez¨uglich der zeitlichen Beschreibungen. Dabei sind zwei Modifikationen zu unterscheiden: das glatte Ged¨achtnis und das schwindende Ged¨achtnis (fading memory). Im ersten Fall kann eine Taylor-Reihenentwicklung f¨ur differentiell kleine Zeitintervalle t˜ − t unter der Voraussetzung der hinreichenden Glattheit der Funktionen vorgenommen werden. F¨ur das Beispiel der Temperatur gilt dann beispielsweise ¨ a, t˜) + . . . ˙ a, t) + 1 (t˜ − t)2 θ(a a, t˜) = θ(a a, t) + (t˜ − t)θ(a θ(a 2 Somit kann die Temperatur mit beliebiger Genauigkeit approximiert werden. Im zweiten Fall wird davon ausgegangen, dass im Falle der Ber¨ucksichtigung der Zustandsgeschichte des Kontinuums auf den aktuellen Zustand weiter zur¨uckliegende Ereignisse einen geringeren Einfluss als k¨urzer zur¨uckliegende haben. Damit ist die M¨oglichkeit zur Darstellung der konstitutiven Beziehungen u¨ ber eine Reihe von Ged¨achtnisintegralen und dem Abbruch dieser Reihe im Sinne einer endlichen Approximation gegeben. Dieses Konzept hat große Bedeutung f¨ur die Beschreibung viskoelastischen Materialverhaltens. 1

Brook Taylor (1685-1731), Mathematiker, Reihenentwicklung

220

6 Materialverhalten und Konstitutivgleichungen

Axiom der physikalischen Konsistenz: Konstitutivgleichungen d¨urfen nicht den materialunabh¨angigen Bilanzen widersprechen (Prinzip der physikalischen Vertr¨aglichkeit).

Damit ist stets die Erf¨ullung der im Kapitel 5 abgeleiteten Bilanzen zu pr¨ufen, wobei die Haupts¨atze der Thermodynamik bzw. die dissipative Ungleichung von besonderer Bedeutung sind.

6.2.2 Objektive Tensoren und objektive Zeitableitungen Die Unabh¨angigkeit der Konstitutivgleichungen von der Wahl des Bezugssystems zur Beschreibung der Deformationen eines K¨orpers (Beobachterindifferenz, materielle Objektivit¨at) ist f¨ur die weiteren Aussagen von grunds¨atzlicher Bedeutung. Es sollen daher im Folgenden notwendige Aussagen zur Objektivit¨at mechanischer Gr¨oßen und ihrer Zeitableitungen zusammengefasst werden. F¨ur die Bewegung eines starren K¨orpers gelten folgende Gleichungen: • Translation

a, t) = a +cc(t), x (a

c (t = 0) = 0

a ≡ c (t) ist unabh¨angig von a , d.h. jeder maDer Verschiebungsvektor u = x −a terielle Punkt des starren K¨orpers verschiebt sich in der Zeit t um den gleichen Betrag und in die gleiche Richtung. • Rotation um einen festen Punkt x = d a −d d) a, t) = R (t) · (a x (a R= R ist ein eigentlich orthogonaler Drehtensor mit R(t = 0) = I, R ·R RT = I, detR d a 1, ist ein konstanter Positionsvektor. Der materielle Punkt hat zu jeder Zeit t immer die Position x = d , d.h. die Rotation erfolgt um den festen Punkt x = d . a, d.h. die Rotation erfolgt um den Bezugspunkt 0. F¨ur d = 0 ist x = R (t) ·a • Allgemeine Starrk¨orperbewegung a, t) = R (t) · (a a −d d) +cc(t) x (a mit R(t = 0) = I und c(t = 0) = d . Die Gleichung beschreibt die Translation c (t) eines beliebig gew¨ahlten materiellen Bezugspunktes a = d und eine Rotation R (t) um diesen Punkt. F¨ur die materielle Ableitung gilt dann a −d d) + c˙ x˙ ≡ v = R˙ · (a a −d d) = R T · (x x −cc) folgt und mit (a x −cc) + c˙ RT · (x v = R˙ ·R T Da aufgrund der Orthogonalit¨at R · R T = I gilt, folgt R˙ · R T + R · R˙ = 0 , d.h. RT )T . R˙ ·R RT ist daher ein antisymmetrischer Tensor, dem ein dualer RT = −(R˙ ·R R˙ ·R

6.2 Einf¨uhrung in die Materialtheorie

221

Vektor ω zugeordnet werden kann x −cc) + c˙ v = ω × (x Man betrachtet jetzt zwei gegeneinander bewegte Bezugssysteme x (t) und x (t). Das System x sei raumfest, das System x (t) ein bewegtes System. Ferner gelte t = t, es gibt keine konstante Zeitverschiebung, und beide Systeme fallen zur Referenzzeit t0 = 0 zusammen. Es gilt dann a, t) = Q (t) · (x x −x x0 ) +cc(t) x (a x 0 ist der Positionsvektor des Basispunktes, c (t) die relative Verschiebung des Bezugspunktes und Q ein zeitabh¨angiger orthogonaler Tensor QT = I , Q ·Q

Q T = Q −1 ,

Q = +1), aber auch eine Spiegelung (detQ Q = -1) darstellen der eine Drehung (detQ kann. Man denkt sich nun einen ruhenden Beobachter“ mit dem System x und ” einen bewegten Beobachter“ mit dem System x verbunden. Eine Gr¨oße oder Glei” chung heißt objektiv, d.h. invariant gegen¨uber Starrk¨orpertranslationen und - rotationen, wenn beide Beobachter zu gleichen Aussagen bei ihrer Beobachtung oder Messung kommen. ¨ x2 die Lagevektoren zweier maF¨ur Vektoren gilt folgende Uberlegung. Sind x 1 ,x x2 im bewegten Bezugssystem, unterscheiden sich terieller Punkte im ruhenden, x 1 ,x x2 bzw. x 1 −x x2 , der den zwar die Lagevektoren x i und x i , der Differenzvektor x 1 −x Abstand der beiden materiellen Punkte P1 , P2 angibt, hat f¨ur beide Beobachter den gleichen Wert x1 −x x0 ) +cc(t), x 1 = Q (t) · (x x2 = Q (t) · (x x1 −x x2 ), x 1 −x

x2 −x x0 ) +cc(t), x 2 = Q (t) · (x x2 = y , x2 = y x 1 −x x 1 −x

y der Punkte P1 , P2 im System x bzw. x folgt F¨ur die Verbindungsvektoren y ,y y y = Q (t) ·y Betrachtet wird nun ein Tensor T , der im System x einen beobachterinvarianten Vektor y in einen beobachterinvarianten Vektor z transformiert y z = T ·y F¨ur das System x gilt dann analog y z = T ·y y ist, folgt und da nach Voraussetzung z = Q ·zz, y = Q ·y y = Q ·TT ·Q QT ·y y, z = Q ·zz = Q ·TT ·y

222

6 Materialverhalten und Konstitutivgleichungen

d.h. y = Q ·TT ·Q QT ·y y und T = Q ·TT ·Q QT T ·y y und T = Q ·TT ·Q QT sind so zu interpretieren, dass ein Die Gleichungen y = Q ·y Beobachter im raumfesten und ein Beobachter im bewegten Bezugssystem den gleichen Vektor bzw. den gleichen Tensor 2. Stufe feststellt, die Koordinaten der Vektoren bzw. Tensoren nat¨urlich im jeweiligen System anzugeben sind. Zwischen den 3 Vektor- bzw. den 9 Tensorkoordinaten gelten somit die Beziehungen wie bei einer Drehung des Koordinatensystems. Definition 6.7 (Objektive r¨aumliche Gr¨oßen). Skalare, Vektoren und Tensoren sind objektive r¨aumliche Gr¨oßen, falls f¨ur die Bezugssysteme x und x folgende Aussagen gelten α a A (3)B ...

=α a = Q (t) ·a A ·Q QT (t) = Q (t) ·A QT (t) ·Q QT (t) = Q (t) ·(3) B ·Q

Skalare, Vektoren, Dyaden, Tensoren 3. Stufe, ...

(6.2)

Damit kann die Objektivit¨at kinematischer und kinetischer Grundgr¨oßen u¨ berpr¨uft werden. Die folgenden ausgew¨ahlten Beispiele zeigen, dass das meist einfach m¨oglich ist. x: • Linienelementvektor dx x −x x0 ) +cc(t), x = Q (t) · (x x = Q (t) · (x x + dx x −x x0 ) +cc(t), x + dx x = Q (t) · dx x, dx

(6.3)

x · dx x = ds2 = Q (t) · dx x ·Q Q(t) · dx x dx T x ·Q Q (t) ·Q Q(t) · dx x = dx x · dx x = ds2 , = dx ds2 = ds2

(6.4)

x ist ein objektiver Vektor. Schlussfolgerung 6.1. Der Linienelementvektor dx • Deformationsgradient F : x = F · da a, dx

x = F · da a, dx

Q(t) · dx x = dx x = F · da a,

x = Q (t) · dx x, dx

Q(t) ·FF · da a = F · da a

a = da a ist (gleiches materielles Linienelement zur festen Referenzzeit Da da t0 = 0, Q (t0 = 0) = I ), folgt F = Q ·FF (6.5) ∇ax )T ist kein Schlussfolgerung 6.2. Der Deformationsgradiententensor F = (∇ objektiver Tensor.

6.2 Einf¨uhrung in die Materialtheorie

223

• Geschwindigkeitsvektor v : x −x x0 ) +cc(t), x = Q (t) · (x ˙ (t) · (x x −x x0 ) +Q Q(t) ·vv + c˙ (t) x˙ ≡ v = Q

(6.6)

Schlussfolgerung 6.3. Der Geschwindigkeitsvektor v ist kein objektiver Vektor. ∇x v )T : • Geschwindigkeitsgradient L = (∇ ˙ (t) · (x x, t) = Q x −x x0 ) +Q Q(t) ·vv(x x, t) +cc, v (x ˙ x + dx x, t) = Q (t) · (x x + dx x −x x0 ) +Q Q(t) ·vv(x x + dx x, t) +cc v (x Subtrahiert man die 1. von der 2. Gleichung, folgt ˙ (t) · dx ∇x v )T · dx x = Q (t) · (∇ ∇x v )T · dx x +Q x (∇ x = Q · dx x und mit dx ˙ (t)] · dx ∇x v )T ·Q Q(t) −Q Q(t) · (∇ ∇x v )T − Q x = 0, [(∇ ˙ (t) ·Q ∇x v )T ·Q QT (t) + Q QT (t), ∇x v )T = Q (t) · (∇ (∇ ˙ (t) ·Q L ·Q QT (t) + Q QT (t) L = Q (t) ·L

(6.7)

1 1 L +L LT ) + (L L −L LT ) = D +W W folgt auch Da L = (L 2 2 D ·Q QT (t), D = Q (t) ·D

˙ (t) ·Q W ·Q QT (t) + Q QT (t) W = Q (t) ·W

(6.8)

Schlussfolgerung 6.4. Der Geschwindigkeitsgradient und der Spintensor sind keine objektiven Tensoren, der Deformations- oder Streckgeschwindigkeitstensor D ist objektiv. • Verzerrungstensoren: C = F T ·FF, T

Q(t) ·FF]T · [Q Q(t) ·FF] = [FF T ·Q QT (t) ·Q Q(t) ·FF = F T ·FF, C = F ·FF = [Q C = C, B = F ·FFT ,

(6.9)

T

Q(t) ·FF] · [Q Q(t) ·FF]T = Q (t) ·FF ·FF T ·Q QT (t), B = F ·FF = [Q T B = Q(t) ·B B ·Q Q (t)

(6.10)

Damit gilt auch unter Beachtung, dass der Einheitstensor immer objektiv ist und der inverse Tensor eines objektiven Tensors gleichfalls objektiv wird

224

6 Materialverhalten und Konstitutivgleichungen

1 C −II), (C 2 1 1 C −II), C −II) = (C G = (C 2 2 G = G, G=

(6.11)

 1 B−1 , I −B 2  1 B −1 , A= I −B 2 A=

T

A ·Q Q (t) A = Q (t) ·A

(6.12)

B −1 und A erf¨ullen das KriSchlussfolgerung 6.5. Die Verzerrungstensoren B ,B terium der r¨aumlichen Objektivit¨at, die Tensoren C und G erf¨ullen dieses Kriterium nicht. Als k¨orperbezogene, materielle Verzerrungstensoren werden aber a, t),G G(a a, t) durch Starrk¨orperbewegungen nicht beeinflusst, d.h. es gilt C (a a, t) = C (a a, t), C (a

a, t) = G (a a, t) G (a

Sie sind somit als k¨orperbezogene Verzerrungstensoren objektiv. • Spannungstensoren F¨ur die wahren Spannungen (Cauchy’scher Spannungstensor T ) und die zugeh¨origen Kraftvektoren wird Objektivit¨at vorausgesetzt T = Q(t) ·TT ·Q QT (t) F¨ur die Piola-Kirchhoff-Tensoren erh¨alt man folgende Aussagen unter Beachtung der Beziehungen f¨ur den inversen Deformationsgradienten −1

= Q −1 ·FF−1 = Q T ·FF−1 , ρ0 II P = F −1 ·TT · (FF−1 )T , ρ

−1 T ρ ρ 0 −1 0 II P = F ·TT · F = F −1 ·TT · (FF −1 )T , ρ ρ II a, t) = IIP (a a, t), P (a I II P = P ·FFT , F

P=

I

T

QT P ·FF =I P ·Q

II

(6.13) (6.14)

Schlussfolgerung 6.6. Der 1. Piola-Kirchhoff’sche Tensor IP ist nicht objektiv. Der 2. Piola-Kirchhoff’sche Tensor IIP ist als k¨orperbezogener Tensor objektiv. • Spannungsgeschwindigkeitstensor T˙ : Die materielle Zeitableitung objektiver Tensoren beliebiger Stufe f¨uhrt nicht zwangsl¨aufig auf objektive Tensorraten. Betrachtet man z.B. den objektiven

6.2 Einf¨uhrung in die Materialtheorie

225

Spannungstensor T , erh¨alt man die Transformationsgleichungen f¨ur die Spannungsgeschwindigkeiten T˙ und T˙ aus QT (t) T = Q (t) ·TT ·Q zu DTT ˙ (t) ·TT ·Q ˙ T (t) QT (t) +Q Q(t) · T˙ ·Q QT (t) +Q Q(t) ·TT · Q =Q Dt Schlussfolgerung 6.7. Die materielle Zeitableitung des Cauchy’schen Span nungstensor ist nicht objektiv. Aus der letzten Schlussfolgerung kann man ableiten, dass es notwendig ist, objektive Spannungsgeschwindigkeiten zu formulieren. Dass dies auch m¨oglich ist, zeigen die nachfolgenden Ableitungen. Besondere Bedeutung f¨ur die Anwendung in der Kontinuumsmechanik haben die Jaumann’sche2 und die konvektive Spannungsgeschwindigkeit. Die Jaumann’sche Ableitung wird hier als Beispiel genauer betrachtet. Zun¨achst werden sogenannte relative Tensoren eingef¨uhrt, f¨ur die die aktuelle Konfiguration als Bezugskonfiguration definiert wird. Ist z.B. x der aktuelle Lagevektor zur Zeit t und x˜ der Lagevektor des gleichen materiellen Punktes zur Zeit τ, dann gilt x, τ) x, t) mit x = x˜ t (x x˜ = x˜ t (x x, τ) ist die Bewegungsgleichung des materiellen Punktes mit t als Referenzzeit. x˜ t (x Der untere Index t zeigt an, dass die variable aktuelle Zeit t als Referenzzeit gew¨ahlt x, τ) ist auch eine Funktion von t. Die differentiellen Vektoren dx x wurde, d.h. x˜ t (x und d˜x eines materiellen Elementes zur aktuellen Zeit t und zur Zeit τ sind wie folgt verbunden x + dx x, τ) − x˜ t (x x, τ) = (∇ ∇x x˜ t )T · dx x = F t · dx x d˜x = x˜ t (x

(6.15)

x, τ) heißt relativer Deformationsgradient. Da f¨ur F t (x x τ = t, d˜x = dx x, t) = I . Die polare Zerlegung von F t entspricht der Zerlegung f¨ur F ist, gilt F t (x Ut = V t ·R Rt , F t = R t ·U

Ft = Rt = Ut = V t = I

f¨ur

τ=t

V t sind der relative Rechts- bzw. Linksstrecktensor, R t der relative Drehtensor. U t ,V Bt ,C C−1 B−1 Damit k¨onnen auch die relativen Deformationsmaßtensoren C t ,B t ,B t ana¨ log zum Abschn. 3.5 definiert werden. Bei Anderung des Bezugssystems gelten f¨ur relative kinematische Gr¨oßen folgende Transformationsgesetze x(t) = Q (t) · dx x(t), dx 2

dx˜ (τ) = Q (τ) · d˜x (τ)

(6.16)

Gustav Jaumann (1863-1924), Physiker, Kontinuumsmechanik sowie Vektor- und Tensorrechnung

226

6 Materialverhalten und Konstitutivgleichungen

Mit x, τ) · dx x(t), d˜x (τ) = F t (x

x, τ) · dx x(t) dx˜ (τ) = F t (x

(6.17)

erh¨alt man (es wird nur die Zeitabh¨angigkeit angegeben) x(t) = dx˜ (τ) = Q (τ) · d˜x (τ) = Q (τ) ·FFt (τ) · dx x(t) F t (τ) · dx T Q (t) · dx x(t), = Q (τ) ·FFt (τ) ·Q T Q (t) F t (τ) = Q (τ) ·FFt (τ) ·Q

(6.18)

x, τ) ist Schlussfolgerung 6.8. Auch der relative Deformationsgradiententensor F t (x nicht objektiv. Außerdem sind die Transformationsgesetze f¨ur F und F t unterschiedlich x, t) = Q (t) ·FF(x x, t), x, τ) = Q (τ) ·FFt (x x, τ) ·Q QT (t) F (x F t (x Diese Aussage gilt aber nicht allgemein f¨ur alle im Abschn. 3.5 definierten Deformations- und Verzerrungstensoren. Im Einzelnen lassen sich folgende Gleichungen ableiten Rt ·Q QT (t), R t = Q (τ) ·R Ut ·Q QT (t), U t = Q (t) ·U V t ·Q QT (τ), V t = Q (τ) ·V Ct ·Q QT (t), C t = Q (t) ·C −1 Ct

=

Bt =

(6.19)

C−1 QT (t), Q (t) ·C t ·Q Bt ·Q QT (τ), Q (τ) ·B

−1

B−1 QT (τ) B t = Q (τ) ·B t ·Q x, τ) erh¨alt man folgende AbleiF¨ur den relativen Geschwindigkeitsgradienten L t (x tung x + dx x, τ) − x˜ t (x x, τ) d˜x (τ) = x˜ t (x T ∇x x˜ t ) · dx x, = (∇ x, τ) · dx x, d˜x (τ) = F t (x D˜x (τ) x + dx x, τ) − v˜ t (x x, τ) = v˜ t (x Dτ ∇x v˜ t (x x, τ)]T · dx x, = [∇ DFFt D˜x (τ) x = · dx Dτ Dτ Damit gilt auch

bzw.

x, τ) DFFt (x ∇x v˜ t (x x, τ)]T = L t (x x, τ) = [∇ Dτ  x, τ)  DFFt (x ∇x v˜ t (x x, t)]T = L t (x x, t) = [∇ Dτ τ=t

(6.20)

(6.21)

6.2 Einf¨uhrung in die Materialtheorie

227

Mit der polaren Zerlegung Rt Ut DFF t DR DU Ut +R Rt · = ·U Dτ Dτ Dτ und unter Beachtung, dass U t = R t = I f¨ur τ = t gilt, erh¨alt man   Ut  Rt  DU DR x, t) = [∇ ∇x v (x x, t)]T = + L t (x Dτ τ=t Dτ τ=t Da

   T Ut (τ)  Ut (τ)  DU DU = Dτ τ=t Dτ τ=t    T Rt (τ)  Rt (τ)  DR DR =− Dτ τ=t Dτ τ=t

(6.22)

(Symmetriebedingung), (Antimetriebedingung)

erh¨alt man wegen der Eindeutigkeit der Zerlegung eines Tensors in einen symmetrischen und einen antisymmetrischen Tensor   Ut (τ)  Rt (τ)  DU DR x, t) = D t (x x, t) +W W t (x x, t) = L t (x + , Dτ τ=t Dτ τ=t   Ut (τ)  Rt (τ)  DU DR x, t) = x D t (x , W (x , t) = (6.23) t Dτ τ=t Dτ τ=t Der Spintensor W ist nicht objektiv, denn es gilt Rt ·Q QT (t), R t = Q (τ) ·R Q(τ) Rt Rt DR DQ DR Rt ·Q QT (t), QT (t) +Q Q(τ) · = ·R ·Q Dτ Dτ Dτ  Rt  Q(t) DR DQ QT (t) W ·Q QT (t) + ·Q ≡ W = Q(t) ·W  Dτ  Dt

(6.24)

τ=t

F¨ur den Tensor D ist das Objektivit¨atskriterium erf¨ullt Ut ·Q QT (t), U t = Q (t) ·U Ut Ut DU DU QT (t), = Q (t) · ·Q Dτ Dτ  Ut  DU D ·Q QT (t) ≡ D = Q (t) ·D  Dτ 

(6.25)

τ=t

¨ Ausgangspunkt der Uberlegungen u¨ ber relative Tensoren war die Tatsache, dass die materielle Ableitung des objektiven Spannungstensors T nicht mehr objektiv ist. Betrachtet man dagegen den erweiterten Ausdruck

228

6 Materialverhalten und Konstitutivgleichungen

DTT W −W W · T, +TT ·W Dt ist dieser objektiv, denn es gilt DTT ˙ (t) ·TT ·Q ˙ T (t) W −W W ·TT = Q QT (t) +Q Q(t) · T˙ ·Q QT (t) +Q Q(t) ·TT · Q +TT ·W Dt QT (t) ·W W −W W ·Q Q(t) ·TT ·Q QT (t), + Q (t) ·TT ·Q   DTT DTT W −W W ·TT = Q (t) · W −W W ·TT ·Q QT (t) +TT ·W +TT ·W Dt Dt

(6.26)

A ·Q QT ist die materielle Schlussfolgerung 6.9. F¨ur jeden objektiven Tensor A = Q ·A Ableitung A DA A ·W W −W W ·A A +A A = Dt a ist die materielle Ableitung auch objektiv. F¨ur einen objektiven Vektor a = Q ·a a =

a Da W ·a a −W Dt

objektiv. ¨ Man kann diese Uberlegungen einfach verallgemeinern. Definiert man einen Tensor Rt (τ) J t (τ) = R Tt (τ) ·TT t (τ) ·R mit dem Cauchy’schen Spannungstensor T und dem orthogonalen Drehtensor R, gilt f¨ur τ = t mit R t (t) = R Tt (t) = I J t (t) = T t (t) Es l¨asst sich zeigen, dass die materielle Ableitung  DJJt (τ)  Dτ τ=t eine objektive Spannungsableitung ist. Aus Rt (τ) J t (τ) = R Tt (τ) ·TT t (τ) ·R folgt mit Rt (τ) ·Q QT (τ), R t (τ) = Q (τ) ·R T

Rt (τ) J t (τ) = R t (τ) ·TT (τ) ·R T Rt (τ) ·Q QT (t) Rt (τ) ·TT T (τ) ·R = Q (t) ·R QT (t) = Q (t) ·JJt (τ) ·Q

(6.27)

6.2 Einf¨uhrung in die Materialtheorie

229

Definition 6.8 (Jaumann’sche Ableitung). Die Ableitung   Dj RTt (τ)]  Rt (τ) ·TT (τ) ·R DJJ(τ)  D[R T ≡T

= =  Dτ τ=t Dτ Dτ τ=t heißt Jaumann’sche Ableitung des Spannungstensors T . Mit

Rt ·TT t ·R Rt RTt ] DR RTt D[R DTT t T DR Rt +R RTt +R Rt · Rt ·TT t · = ·TT t ·R ·R , Dτ Dτ Dτ Dτ R t (τ = t) = R Tt (τ = t) = I

und

erh¨alt man

 Rt  DR = W (t), Dτ τ=t

 RTt  DR  Dτ 

W (t) = W T (t) = −W τ=t

 DJJ(τ)  W (t) −W W (t) ·TT (t) ≡ T = T˙ (t) +TT (t) ·W Dτ τ=t

bzw.

(6.28)

= T˙ij + Tik Wkj − Wik Tkj Tij

Schlussfolgerung 6.10. Die Jaumann’sche Spannungsgeschwindigkeit gibt die zeit¨ liche Anderung von T im bewegten Bezugssystem an. Ein Beobachter, der mit dem ¨ T von T fest. F¨ur T = 0 materiellen Element rotiert, stellt die zeitliche Anderung ¨ erh¨alt man aus Gl. (6.28) die Anderung von T infolge einer Starrk¨orperdrehung. Anmerkung 6.2. Die Nten Ableitungen des objektiven symmetrischen Tensors Rt (τ) J t (τ) = R Tt (τ) ·TT t (τ) ·R zum Zeitpunkt τ = t  DN DNJ (τ)  j = T, DτN τ=t DτN

N = 1, 2, . . .

(6.29)

heißen Nte Jaumann’sche Ableitungen des Spannungstensors T und es gilt   DNJ (τ)  DNJ (τ)  Q(t) = Q (t) · ·Q  DτN  DτN τ=t τ=t

Auf die Ableitung weiterer objektiver Spannungsgeschwindigkeiten wird hier verzichtet und auf die Spezialliteratur verwiesen. Besondere Bedeutung haben die sogenannten konvektiven oder Oldroyd’schen Ableitungen. Sie sind in der Klasse aller objektiven Zeitableitungen enthalten, die sich in der Form D +D D ·TT ) T + α(TT ·D

(α beliebig)

(6.30)

230

6 Materialverhalten und Konstitutivgleichungen

darstellen lassen. F¨ur die Oldroyd’sche Ableitung T gilt dann z.B. folgende Definitionsgleichung L +L LT ·TT T = T˙ +TT ·L

D +D D ·TT = T +TT ·D

(6.31) (6.32)

Ausgangspunkt ist auch hier, wie bei der Jaumann’schen Ableitung, die Einf¨uhrung eines objektiven relativen Tensors K t (τ) = F Tt (τ) ·TT t (τ) ·FFt (τ), K t (τ = t) = T (t), Kt (τ)·,Q Q T (τ), K t (τ) = Q (τ) ·K  Kt (τ)  DK = T (t), Dτ  T

τ=t

QT (t) (t) = Q (t) ·TT (t) ·Q

D In die Berechnung der Spannungsleistung f¨ur die aktuelle Konfiguration ρu˙ = T ·· ··D gehen die objektiven Tensoren T und D ein. F¨ur die Referenzkonfiguration gilt entsprechend ρu˙ =II P ·· G˙ . F¨ur IIP als k¨orperbezogener Tensor wurde die Indifferenz gegen¨uber Starrk¨orperbewegung bereits u¨ berpr¨uft. F¨ur den k¨orperbezogenen Verzerrungstensor G gilt die gleiche Aussage. Die materielle Zeitableitung von G ist entsprechend Abschn. 3.6 D ·FF, G˙ = F T ·D ˙ ij = FT Dkl Flj = Fki Flj Dkl . Die Uberlagerung ¨ d.h. G einer Starrk¨orperbewegung ik ergibt T D ·FF G˙ = F ·D Q ·FF)T · (Q Q ·D D ·Q QT ) · (Q Q ·FF) = (Q T T T Q ·Q Q ·D D ·Q Q ·Q Q ·FF = F ·Q

D ·FF = F T ·D ˙ =G Schlussfolgerung 6.11. Der k¨orperbezogene Green-Lagrange’sche Verzerrungsge˙ = ˙ ist invariant gegen¨uber Starrk¨orperbewegungen, d.h. G schwindigkeitstensor G G˙ . Er ist somit objektiv. Pr¨uft man die materielle Ableitung des objektiven Almansi-Euler’schen Verzerrungstensors A auf Objektivit¨at, erh¨alt man ˙ = D −A A ·L L −L LT ·A A, A

T A ·L L −L L ·A A A˙ = D −A

und mit D ·Q QT , D = Q ·D

A ·Q QT , A = Q ·A

˙ ·Q L ·Q QT + Q QT L = Q ·L

6.2 Einf¨uhrung in die Materialtheorie

231

folgt T ˙ ) ·Q ˙ T ·Q ˙ = Q ·A ˙ ·Q Q · (A A ·Q QT · Q QT −Q Q · (Q Q ·A A) ·Q QT Q −Q A

Schlussfolgerung 6.12. Der Almansi-Euler’sche Verzerrungsgeschwindigkeitstensor ist nicht objektiv. Aus Gl. (3.70) kann man aber direkt ablesen, dass die Oldroyd’sche Zeitableitung von A den Streckgeschwindigkeitstensor D ergibt A = D Die wichtigsten Ergebnisse dieses Abschnittes sind in Tabelle 6.1 u¨ bersichtlich zusammengefasst. Tabelle 6.1 Materielle Objektivit¨at kinematischer und kinetischer Tensoren Materielle Objektivit¨at Q ·S S ·Q QT S = S keine S =Q Deformationsgradiententensor F

×

Geschwindigkeitsgradient L

×

Verzerrungstensor B

×

B −1

×

C

×

C −1

×

A

×

G

×

˙ Verzerrungsgeschwindigkeitstensor G ˙ A

×

Streckgeschwindigkeitstensor D

× × ×

Spintensor W Spannungstensor T

× ×

IP

×

IIP

Spannungsgeschwindigkeitstensor T˙

×

T

×

T

×

232

6 Materialverhalten und Konstitutivgleichungen

Literaturverzeichnis 1. Bertram A (1994) What is the general constitutive equation? In: Beitr¨age Festschrift zum 65. Geburtstag von Rudolf Trostel, TU Berlin, Berlin, pp 28 – 37 2. Giesekus H (1994) Ph¨anomenologische Rheologie: eine Einf¨uhrung. Springer, Berlin 3. Haupt P (1996) Konzepte der materialtheorie. Technische Mechanik 16(1):13 – 22 4. Haupt P (2002) Continuum Mechanics and Theory of Materials, 2nd edn. Springer, Berlin 5. Hutter K, J¨ohnk K (2004) Continuum Methods of Physikal Modeling - Continuum Mechanics, Dimensional Analysis, Turbulence. Springer, Berlin 6. Krawietz A (1986) Materialtheorie. Springer, Berlin 7. Noll W (1974) The Foundations of Mechanics and Thermodynamics. Springer, Berlin 8. Reiner M (1968) Rheologie. Fachbuchverlag, Leipzig

Kapitel 7

Deduktiv abgeleitete Konstitutivgleichungen

Zusammenfassung Ausgangspunkt f¨ur die deduktive Ableitung der materialabh¨angigen Gleichungen f¨ur ausgew¨ahlte Festk¨orper- oder Fluidmodelle ist die Formulierung allgemeiner Konstitutivgleichungen. Dabei erfolgt eine Beschr¨ankung auf mechanische und thermische Feldgr¨oßen, um die nachfolgenden Ableitungen der Methoden der Materialtheorie nicht zu erschweren. Aus dem gleichen Grund werden im Rahmen der Beispiele auch nur einfache Materialien 1. Grades betrachtet.

7.1 Allgemeine Konstitutivgleichungen thermomechanischer Materialien a, t) und die TemDer thermodynamische Zustand wird durch die Bewegung x = x (a a, t) der materiellen Punkte a zur Zeit t des Kontinuums bestimmt. peratur θ = θ(a x und θ sind unabh¨angige Variablen. Als abh¨angige Variablen, d.h. konstitutive Gr¨oßen, werden der Spannungstensor, der W¨armestromvektor, die freie Energie und die Entropie postuliert. F¨ur allgemeine Materialmodelle muss angenommen werden, dass der gegenw¨artige Zustand nicht nur von der momentanen Belastung, sondern von der gesamten Belastungsgeschichte t0 < τ  t abh¨angt und dass das Verhalten eines ausgew¨ahlten materiellen Punktes a auch durch das Verhalten aller anderen Punkte a˜ des K¨orpers beeinflusst wird. Setzt man f¨ur die Funktionen x (a˜ , τ) und θ(a˜ , τ) Stetigkeit f¨ur a˜ und τ voraus, ist ihre Darstellung durch Taylorreihen f¨ur die Punkte a nach Potenzen von (a˜ − a ) und f¨ur die Zeit τ nach Potenzen von (τ − t) m¨oglich. Die Anwendung des Axioms der lokalen Wirkung und des Ged¨achtnisaxioms (hier insbesondere des Axioms des schwindenden Ged¨achtnisses oder auch fading memory) berechtigt dazu, die Reihenentwicklungen f¨ur x (a˜ , τ) und θ(a˜ , τ) jeweils nach der ersten Ableitung nach a˜ bzw. τ abzubrechen. Die konstitutiven Gr¨oßen h¨angen dann außer von a und θ auch noch von ∇a x , ∇a θ und θ˙ ab. Dies muss nicht so sein - derzeit werden insbesondere Materialmodelle unter Einbeziehung des zweiten Gradienten (s. z.B. [2; 3; 9]) diskutiert. © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2018 H. Altenbach, Kontinuumsmechanik, https://doi.org/10.1007/978-3-662-57504-8_7

233

234

7 Deduktiv abgeleitete Konstitutivgleichungen

Die explizite Abh¨angigkeit von x bzw. x˙ entf¨allt unter der Voraussetzung der G¨ultigkeit des Prinzips der materiellen Objektivit¨at, da nur die Verzerrungen bzw. die Verzerrungsgeschwindigkeiten und nicht Starrk¨orperbewegungen das Materialverhalten beeinflussen. F¨ur viele reale Materialien muss auch f¨ur die Gradienten ∇a x und ∇a θ die Belastungsgeschichte erfasst werden. Der Abbruch der entsprechenden Reihenentwicklungen nach der ersten Zeitableitung f¨uhrt dann dazu, dass auch ∇a x˙ und ∇a θ˙ als konstitutive Parameter auftreten. Die Konstitutivgleichungen f¨ur ein einfaches thermomechanisches Material haben somit folgende allgemeine Form   ˙ a, t),ΓΓ (a ˙ a, t),∇ a, t),∇ ∇a θ(a a, t) , a, t) = P a , θ(a a, t), θ(a ∇a θ(a P (a   ˙ a, t),ΓΓ (a ˙ a, t),∇ a, t) = h 0 a , θ(a a, t),∇ ∇a θ(a a, t) , a, t), θ(a ∇a θ(a h 0 (a (7.1)   ˙ a, t),ΓΓ (a ˙ a, t),∇ a, t),∇ ∇a θ(a a, t) , a, t) = f a , θ(a a, t), θ(a ∇a θ(a f(a   ˙ a, t),ΓΓ (a ˙ a, t),∇ a, t),∇ ∇a θ(a a, t) a, t) = s a , θ(a a, t), θ(a ∇a θ(a s(a Der Parametersatz Γ umfasst die Deformationen kennzeichnenden mechanischen a, t). Der Spannungstensor P kann der 1. oder der 2. a, t),∇ ∇a x˙ (a Parameter ∇a x (a Piola-Kirchhoff-Tensor sein. Die explizite Abh¨angigkeit der konstitutiven Gleichungen von der materiellen Koordinate a sagt aus, dass jedem Punkt des K¨orpers prinzipiell ein anderes Materialverhalten zugeordnet werden kann. F¨ur homogene K¨orper entf¨allt die explizite Abh¨angigkeit von a. Allgemein k¨onnen Konstitutivgleichungen Funktionale (Operatoren) der Zeit sein. Dies ist durch das Symbol {. . .} gekennzeichnet. Hat die Belastungsgeschichte keinen Einfluss auf das aktuelle Materialverhalten, sind die Konstitutivgleichungen Funktionen der konstitutiven Parameter. Es wird dann das Symbol (. . .) verwendet. Es kann auch gezeigt werden, dass f¨ur einfaches thermomechanisches Material der Parametersatz Γ aus Gl. (7.1) gleichwertig durch die Variablen C , C˙ , ρ−1 , ρ˙ ersetzt werden kann   ˙ ∇a θ,∇ ˙ C, C˙ , ρ−1 , ρ˙ , a, t) = P a , θ, θ,∇ ∇a θ,C P (a   ˙ ∇a θ,∇ ˙ C, C˙ , ρ−1 , ρ˙ , a, t) = h a , θ, θ,∇ ∇a θ,C h 0 (a (7.2)   ˙ ∇a θ,∇ ˙ C, C˙ , ρ−1 , ρ˙ , a, t) = f a , θ, θ,∇ ∇a θ,C f(a   ˙ ∇a θ,∇ ˙ C, C˙ , ρ−1 , ρ˙ a, t) = s a , θ, θ,∇ ∇a θ,C s(a Man erkennt, dass die Konstitutivgleichungen (7.2) sowohl ein elastisches als auch ein viskoses Antwortverhalten des Kontinuums wiedergeben k¨onnen. Die Konstitutivgleichungen f¨ur den einfachen thermoelastischen Festk¨orper oder das einfache thermoviskose Fluid sind somit in den Gln. (7.2) als Spezialf¨alle enthalten. Die Gln. ¨ (7.1) und (7.2) sind so postuliert, dass dem Aquipr¨ asenzaxiom nicht widersprochen wird. Das Prinzip der physikalischen Konsistenz, d.h. Widerspruchsfreiheit der Konstitutivgleichungen zu den allgemeinen Bilanzgleichungen und der Entropieungleichung, f¨uhrt in Abh¨angigkeit von speziellen Materialmodellen zur weiteren Konkretisierung der allgemeinen Konstitutivgleichungen (7.1) bzw. (7.2). F¨ur einfa-

7.1 Allgemeine Konstitutivgleichungen thermomechanischer Materialien

235

ches thermoviskoelastisches Materialverhalten, dessen Zeitabh¨angigkeit nur vom Anfangszustand und nicht von der Vorgeschichte abh¨angt, k¨onnen die elastischen Verzerrungen und die Verzerrungsgeschwindigkeiten durch C und C˙ als Parameter erfasst werden. Ein davon abh¨angiger Zusammenhang von den Parametern ρ, ρ˙ ist nicht gegeben, so dass diese Parameter unterdr¨uckt werden k¨onnen. F¨ur thermoviskoelastische Festk¨orper oder Fluide mit einfachem Materialverhalten ohne Einfluss der Belastungsgeschichte kann somit von folgenden allgemeinen Konstitutivgleichungen ausgegangen werden   ˙ C, C˙ , ˙ ∇a θ,∇ ∇a θ,C a, t) = P a , θ, θ,∇ P (a   ˙ ∇a θ,∇ ˙ C, C˙ , a, t) = h a , θ, θ,∇ ∇a θ,C h 0 (a (7.3)   ˙ C, C˙ , ˙ ∇a θ,∇ ∇a θ,C a, t) = f a , θ, θ,∇ f(a   ˙ ∇a θ,∇ ˙ C, C˙ a, t) = s a , θ, θ,∇ ∇a θ,C s(a Bei Fluiden ohne elastisches Materialverhalten kann noch die Abh¨angigkeit von C unterdr¨uckt werden. Es gibt keine Bezugskonfiguration, zu der Verzerrungen angegeben werden k¨onnen. Ein solches Fluid hat keine Erinnerung“ an vorhergehende ” Konfigurationen, es ist nur durch den Momentanzustand bestimmt. F¨ur nichtelastische Fluide wird daher im Allgemeinen die aktuelle Konfiguration als BezugskonP → T , C˙ → D erh¨alt man figuration gew¨ahlt. Mit a → x ,P   ˙ D, ρ−1 , ˙ ∇x θ,∇ ∇x θ,D x, t) = T x , θ, θ,∇ T (x   ˙ ∇x θ,∇ ˙ D, ρ−1 , x, t) = h x , θ, θ,∇ ∇x θ,D h 0 (x (7.4)   ˙ ∇x θ,∇ ˙ D, ρ−1 , x, t) = f x , θ, θ,∇ ∇x θ,D f(x   ˙ D, ρ−1 ˙ ∇x θ,∇ ∇x θ,D x, t) = s x , θ, θ,∇ s(x F¨ur rein thermoelastische Festk¨orper ohne Viskosit¨at k¨onnen dagegen alle materiellen Zeitableitungen vernachl¨assigt werden C} , a, t) = P {a a, θ,∇ ∇a θ,C P (a a, t) = h {a a, θ,∇ ∇a θ,C C} , h 0 (a C} , a, t) = f {a a, θ,∇ ∇a θ,C f(a

(7.5)

C} a, t) = s {a a, θ,∇ ∇a θ,C s(a Die allgemeinen Konstitutivgleichungen (7.1) bis (7.5) sind Ausgangspunkt f¨ur die deduktive Ableitung spezieller Konstitutivgleichungen f¨ur Festk¨orper und Fluide. Die Gln. (7.1) bis (7.5) erf¨ullen die Axiome der Materialtheorie bis auf die vollst¨andige physikalische Konsistenz. Letzteres muss separat gepr¨uft werden.

236

7 Deduktiv abgeleitete Konstitutivgleichungen

7.2 Beispiele deduktiv abgeleiteter Konstitutivgleichungen Nachfolgend werden ausgew¨ahlte Beispiele deduktiv begr¨undeter Konstitutivgleichungen vorgestellt. Dies betrifft Festk¨orper- und Fluidmodelle. Dabei wird die deduktive Methode konsequent eingesetzt, die M¨oglichkeiten und Grenzen sind erkennbar. Weitere Modelle sind in der Spezialliteratur (z.B. [4; 8]) angegeben.

7.2.1 Thermoelastisches einfaches Material Als erstes Beispiel wird ideal-elastisches Materialverhalten ohne thermische Einfl¨usse betrachtet (rein mechanische Konstitutivgleichung). Die Konstitutivgleichungen sind dann Funktionen und nicht Funktionale. Sie reduzieren sich im rein mechanischen Fall auf eine funktionelle Abh¨angigkeit der Spannungs- und Verzerrungstensoren. Unter Beachtung der materiellen Objektivit¨at muss diese die folgende Form haben a, t) = f (C C ,a a, t) P (a

II

II

bzw.

a, t) = g (G G ,a a, t), P (a

denn es gilt P = f(C C),

II

C = C,

P = f(G G ),

II

bzw.

G = G,

P =II P

II

F¨ur die deduktive Ableitung wird vorausgesetzt, dass entsprechend der Definition eines einfachen Materials der Deformationszustand allein durch den Gradienten von a, t), d.h. den Deformationsgradiententensor F (a a, t) erfasst wird. x (a Ausgangspunkt der deduktiven Ableitung ist die auf die Volumeneinheit der Referenzkonfiguration bezogene Elementararbeit. Die Konstitutivgleichungen (7.5) reduzieren sich unter den getroffenen Annahmen auf I

a, t) = IP (FF ), P (a

und man erh¨alt die Elementararbeit (δ ist das Variationssymbol) δWi =

1 I P ·· δFF ρ0

Die Arbeit h¨angt nur von den Deformationen zur aktuellen Zeit t ab. Die aufgewendete Verformungsarbeit wird vollst¨andig im K¨orper als Verzerrungsenergie gespeichert. Unter Beachtung von Gl. (5.82) gilt dann auch δWi = δu =

1 I P ·· δFF ρ0

mit u = u(FF ) als spezifische Energiedichtefunktion. Die Energiedichtefunktion darf nicht von Starrk¨orperbewegungen abh¨angen. Die Forderung der materiellen Objek-

7.2 Beispiele deduktiv abgeleiteter Konstitutivgleichungen

237

tivit¨at f¨uhrt damit auf u(FF ) = u(FF ). F¨ur alle orthogonalen Transformationen Q gilt somit Q ·FF) u(FF ) = u(Q   T Q ·FF) · (Q Q ·FF) =u (Q   T T Q ·Q Q ·FF F ·Q =u

√  =u F T ·FF U) = u(U 1 C −II) gilt auch u(U U ) = u(C U ) = u(G ˆ C ) bzw. u(U ˇ G). Aus Mit U 2 = C und G = (C 2   ∂u(FF ) ∂u(FF ) T T δu(FF) = ·· δFF = ·· δFF = [u(FF ),FF ]T ·· δFF ∂FF ∂FF folgt zun¨achst

    ˆ C) T ∂u(FF ) T ∂u(C 1 I P= = ρ0 ∂FF ∂FF

(7.6)

Die letzte Ableitung l¨asst sich prinzipiell nach der Kettenregel berechnen   C T ˆ C) ˆ C) ∂u(C ∂C ∂u(C = ·· C ∂FF ∂C ∂FF Einfacher kommt man jedoch auf das gesuchte Ergebnis, wenn man den Zusammenhang zwischen C und F beachtet. Dann gilt nach Abschn. 2.4.3  T   ˆ F T ·FF) ˆ FT ·FF) ˆ C) T ∂u(F ∂u(F ∂u(C F = 2FF · = 2F · C ∂FF ∂(FFT ·FF) ∂C Nach Einsetzen in Gl. (7.6) folgt aufgrund der Symmetriebedingung   ˆ C) ˆ C) T ∂u(C ∂u(C = C C ∂C ∂C der 1. Piola-Kirchhoff’sche Spannungstensor als  P=

I



ˆ C) ∂u(C 2ρ0F · C ∂C

T T = 2ρ0

ˆ C) ˆ C) T ∂u(C ∂u(C ·FF = 2ρ0F · C C ∂C ∂C

Unter Beachtung der Transformationsbeziehungen T = (detFF)−1 IP ·FFT ,

II

P = F−1 ·I P

(7.7)

238

7 Deduktiv abgeleitete Konstitutivgleichungen

kann man die Konstitutivgleichung auch f¨ur den Cauchy’schen Spannungstensor T und den 2. Piola-Kirchhoff-Tensor IIP schreiben T = 2ρFF ·

∂uˆ T ·FF , C ∂C

ˆ C) ˇ G) ∂u(C ∂u(G II C) G) = f (C bzw. = g (G P = 2ρ0 C G ∂C ∂G Damit ist eine allgemeine Konstitutivgleichung der Elastizit¨atstheorie großer Deformationen f¨ur ein spezielles isothermes Materialmodell gefunden. Besonders einfach wird die Konstitutivgleichung mit Hilfe des 2. Piola-Kirchhoff’schen Spannungstensors IIP und des Green-Lagrange’schen Verzerrungstensors G ausgedr¨uckt, f¨ur die auch die Unabh¨angigkeit vom Bezugssystem besonders deutlich wird II

P = 2ρ0

II

G) P = f (G

⇐⇒

G) P = f (G

II

Erh¨alt man II P wie im vorliegenden Fall durch Ableitung der VerzerrungsenergieG ,a a) (auch Spannungspotentialfunktion) nach G , liegt hyperdichtefunktion ρ0 u(G elastisches Materialverhalten vor. Gl. (7.7) gilt f¨ur nichtlinear elastisches, anisotropes und isothermes Material. F¨ur die meisten Anwendungen liegen aber Sonderf¨alle der Anisotropie vor. Im einfachsten Fall ist das Material richtungsunabh¨angig. Die C ) kann dann wesentlich vereinfacht werden. Sie Energiedichtefunktion u = u(C h¨angt im isotropen Fall nur von den Invarianten des Tensors C ab C ), I2 (C C ), I3 (C C )] ˆ C ) = u[I ˆ 1 (C u = u(C Unter Ber¨ucksichtigung der Kettenregeln gilt ˆ C) ∂u(C ∂uˆ ∂I1 ∂uˆ ∂I2 ∂uˆ ∂I3 = + + C C ∂I2 ∂C C ∂I3 ∂C C ∂C ∂I1 ∂C Mit C ) = SpC C, I1 (C 1 2 C) = C) − I1 (C C2 ) , I1 (C I2 (C 2 1 C) = C3 ) + 3I1 (C C)I2 (C C ) − I31(C C) I3 (C I1 (C 3 folgt ∂I1 = I, C ∂C ∂I2 C, = I1I −C C ∂C ∂I3 C) + I1 (C C )[I1 (C C)II −C C] − I21 (C C )C C = C 2 +III2 (C C ∂C

7.2 Beispiele deduktiv abgeleiteter Konstitutivgleichungen

und damit



uˆ ,C C =

239

   ∂uˆ ∂uˆ ∂uˆ 2 ∂uˆ ∂uˆ ∂uˆ + I1 + I2 I− + I1 C+ C ∂I1 ∂I2 ∂I3 ∂I2 ∂I3 ∂I3

= φ0I + φ1C + φ2C 2 ,

φi = φi (I1 , I2 , I3 )

sowie I

P = 2ρ0F · (φ0I + φ1C + φ2C 2 )

A) gilt f¨ur alle orthogonalen Tensoren Q die F¨ur jede isotrope Tensorfunktion f (A Beziehung Q ·A A ·Q QT ) A) ·Q QT = f (Q Q ·ff(A und eine Darstellung A) = φ0I + φ1A + φ2A 2 f (A F¨ur den isotropen, elastischen K¨orper kann die konstitutive Gleichung daher auch in der Form II P = ψ0I + ψ1G + ψ2G 2 geschrieben werden, wobei jetzt die ψi Funktionen der Invarianten von G sind. F¨uhrt man auch noch kinematische Restriktionen ein, ergeben sich weitere Sonderf¨alle der Konstitutivgleichung. Als Beispiel wird die Inkompressibilit¨at betrachtet. Es gibt dann nur isochore Bewegungen, und es gilt die Bedingung  G −II) − 1 = 0, C=1 det(2G detFF = 1 detC oder d.h. die kinematische Zwangsbedingung hat die Form C ) = detC C−1 = 0 λ(C C ) = 1, d.h. statt uˆ = u(I ˆ 1 , I2 , I3 ) erh¨alt man uˆ = u(I ˆ 1 , I2 ) bzw. Damit wird auch I3 (C ∂uˆ =0 ∂I3 Mit Hilfe der Lagrange’schen Multiplikatorenmethode folgt die Konstitutivgleichung zu    ∂uˆ ∂uˆ ∂uˆ I C−1 P = 2ρ0F · + I1 C − pII ·C I− ∂I1 ∂I2 ∂I2    ∂uˆ ∂uˆ ∂uˆ C−1 , I− = 2ρ0F · + I1 C − pC ∂I1 ∂I2 ∂I2 wobei p der hydrostatische Druck ist. F¨ur ihn gibt es keine konstitutive Beziehung, so dass zu seiner Bestimmung die Gleichgewichtsgleichungen herangezogen werden m¨ussen.

240

7 Deduktiv abgeleitete Konstitutivgleichungen

Zusammenfassend gelten f¨ur ideal-elastisches einfaches isothermes Materialverhalten nachfolgende Konstitutivgleichungen. Nichtlinear, elastisch, anisotrop I II

C), P (FF ) = 2ρ0F · uˆ ,C C (C C ) = ρ0 uˇ ,G G ), P (FF ) = 2ρ0 uˆ ,C C (C G (G

C) ·FFT T (FF ) = 2ρFF · uˆ ,C C (C

Nichtlinear, elastisch, isotrop

 I P (FF ) = 2ρ0F · φ0I + φ1C + φ2C 2 ,

 II P (FF ) = 2ρ0 φ0I + φ1C + φ2C 2 = ψ0I + ψ1G + ψ2G 2 ,

 T (FF ) = 2ρFF · φ0I + φ1C + φ2C 2 ·FFT

Nichtlinear, elastisch, isotrop und inkompressibel    ∂uˆ ∂uˆ ∂uˆ I C−1 , P = 2ρ0F · + I1 I− C − pC ∂I1 ∂I2 ∂I2    ∂uˆ ∂uˆ ∂uˆ II C−1 , P = 2ρ0 + I1 C − pFF−1 ·C I− ∂I1 ∂I2 ∂I2    ∂uˆ ∂uˆ ∂uˆ I− + I1 C ·FFT − pII T = 2ρFF · ∂I1 ∂I2 ∂I2

7.2.2 Thermoviskoses Materialverhalten F¨ur ein thermoviskoses Fluid gelten die allgemeinen Konstitutivgleichungen (7.4). Wie f¨ur den thermoelastischen K¨orper muss die dissipative Ungleichung erf¨ullt sein, wobei sie jetzt f¨ur die momentane Konfiguration formuliert wird (Gl. (5.109) ˙ − 1 h ·∇ ∇x θ  0 T ·· D − ρ(f˙ + sθ) ··D θ

(7.8)

7.2 Beispiele deduktiv abgeleiteter Konstitutivgleichungen

241

Entsprechend der konstitutiven Annahmen gilt f¨ur die materielle Zeitableitung unter ˙ ˙ T =D Beachtung von D ∂f ∂f ∂f ˙ ∂f ˙ ∇x θ)· + ·· D + −1 (ρ−1 )· θ+ · (∇ f˙ = ∇x θ D ∂θ ∂∇ ∂D ∂ρ

(7.9)

Gleichung (7.9) kann auch umgeformt werden ∂f ˙ ∂f ∂f ∂f ˙ ∇x θ)· + f˙ = θ+ · (∇ ·· D + −1 ρ−1D ·· ··II ∇x θ D ∂θ ∂∇ ∂D ∂ρ Einsetzen in die Ungleichung (7.8) f¨uhrt auf     ∂f ˙ ∂f ∂f ∂f ˙ ∇x θ)· + T − −1 I ·· D θ−ρ ·· D − · (∇ ··D − ρ s+ D ∇x θ ∂θ ∂D ∂∇ ∂ρ 1 ∇x θ  0 + h ·∇ θ ˙ und (∇ ˙ D ∇x θ)· . Wie im thermoelastischen Fall folgt Die Ungleichung ist linear in θ, s=−

∂f , ∂θ

∂f = 0, D ∂D

  x . d.h. f = f θ, ρ−1 ,x

∂f = 0, ∇x θ ∂∇

Schlussfolgerung 7.1. Die freie Energie f ist unabh¨angig von D und von ∇x θ. Sie ist allein eine Funktion des Ortes x , der Temperatur θ und des spezifischen Volumens ρ−1 = V/m. Die Ungleichung reduziert sich daher auf   1 ∂f ∇x θ  0 D + h ·∇ ··D T − −1 I ·· ∂ρ θ Dabei ist x) = − p = p(θ, ρ−1 ,x

∂f ∂ρ−1

der Druck. Damit kann man die Ungleichung in folgender Form darstellen 1 ·· D + h ·∇ ∇x θ  0 (TT + pII)·· ··D θ bzw.

Der Tensor

1 ∇x θ  0 D + h ·∇ ··D T V ·· θ     ∂f D, ρ−1 ,x x ∇x θ,D T − −1 I = (TT + pII) = T V θ,∇ ∂ρ

(7.10)

242

7 Deduktiv abgeleitete Konstitutivgleichungen

heißt dissipativer Spannungstensor oder Tensor der viskosen Spannungen. F¨ur den Spannungstensor gilt T = −pII +TT V Der Deformationsgeschwindigkeitstensor D (auch Flusstensor) und der Temperaturgradient ∇x θ sind unabh¨angige Prozessgr¨oßen, die absolute Temperatur θ ist immer nichtnegativ. Die Ungleichung (7.10) ergibt daher D  0, ··D T V ··

∇x θ  0 h ·∇

D = Φ(D D) folgt Φ(D D)  0, Φ(00) = 0. Beachtet man T V ·· ··D D) hat f¨ur D = 0 ein Minimum, d.h. Schlussfolgerung 7.2. Die Funktion Φ(D ∂Φ =0 D ∂D f¨ur D = 0 . Aus D = 0 folgt T V = 0 , d.h. T V ist nur von Null verschieden, falls eine Str¨omung des Fluids stattfindet. Zusammenfassend gelten f¨ur ein thermoviskoses, inhomogenes, anisotropes, nichtlineares Fluid folgende allgemeine Konstitutivgleichungen. Thermoviskoses, inhomogenes, anisotropes, nichtlineares Fluid     ∇x θ,D x , D, ρ−1 ,x x , p = p θ, ρ−1 ,x T V = T V θ,∇ T = −pII +TT V ,   ∇x θ,D D, ρ−1 ,x x , h = h θ,∇ s=−

∂f , ∂θ

  x , f = f θ, ρ−1 ,x TV =0

f¨ur

∇x θ  0, h ·∇   ∇x θ,D D, ρ−1 ,x x , s = s θ,∇ D =0

Die durch diese Konstitutivgleichungen gekennzeichneten K¨orper heißen Stokes’sche Fluide. Aus den allgemeinen, nichtlinearen, inhomogenen, anisotropen, thermoviskosen Konstitutivgleichungen ergeben sich in einfacher Weise wichtige Sonderf¨alle f¨ur lineare Stokes’sche und Newton’sche Fluide. • Anisotropes und inhomogenes Fluid (Stokes) Der Deformationsgeschwindigkeitstensor D und der Temperaturgradient ∇x θ gehen nur linear in die Konstitutivgleichungen ein   x , T V =(4) Λ ·· D, T = −pII +TT V , p = p θ, ρ−1 ,x ··D ∇x θ, h = κ ·∇

D ·· (4)Λ ·· D  0,

∇x θ  0, ∇x θ · κ ·∇

7.2 Beispiele deduktiv abgeleiteter Konstitutivgleichungen

s=−

∂f , ∂θ

(4)

243

    x ,κ κ = κ θ, ρ−1 ,x x Λ =(4) Λ θ, ρ−1 ,x

(4)Λ

ist der Viskosit¨atstensor. • Isotropes und inhomogenes Fluid (Stokes) Der Tensor der Viskosit¨atskoeffizienten (4)Λ hat bez¨uglich der Sonderf¨alle der Anisotropie die gleichen Eigenschaften wie der Elastizit¨atstensor (4)E . Im isotropen Fall gilt daher D)II + 2μVD ··D T = −pII + λV (II ·· ∇x θ h = κ ·∇

isotrop bez¨uglich der Spannungen, isotrop bez¨uglich des W¨armestroms

λV , μV sind Viskosit¨atskoeffizienten, κ ist der W¨armeleitf¨ahigkeitskoeffizient. • Isotropes, isothermes, viskoses Fluid (Newton) Alle Temperaturabh¨angigkeiten mit ∇x θ verschwinden. Es verbleibt die Konstitutivgleichung T = −pII + λV (II ·· D)II + 2μVD, ··D

3λV + 2μV  0,

μV  0

F¨ur Inkompressibilit¨at wird T = −p0I + 2μVD ,

2μV  0

p0 ist der hydrostatische Druck, der nicht u¨ ber eine Konstitutivgleichung bestimmt werden kann.

7.2.3 Ideales Gas Ein weiteres einfaches Beispiel f¨ur materialtheoretisch formulierte Konstitutivgleichungen sind die Gleichungen f¨ur ideale Gase. Ausgangspunkt ist in diesem Fall die Zustandsgleichung f¨ur ideale Gase pV = mRi θ Dabei sind p der Druck, θ die Temperatur, V das Volumen, m die Gesamtmasse und Ri die spezifische Gaskonstante. Letztere h¨angt mit der Molmasse μ und der universellen Gaskonstanten R wie folgt zusammen Ri =

R μ

Ber¨ucksichtigt man weiterhin die Bestimmungsgleichung f¨ur die Dichte ρ=

m , V

244

7 Deduktiv abgeleitete Konstitutivgleichungen

erh¨alt man den Druck zu p=

ρRθ μ

(7.11)

Diese Gleichung enth¨alt ausschließlich intensive Gr¨oßen (ρ, p, θ), die extensive Variable V wurde ersetzt. Aus der Zustandsgleichung folgt der Spannungstensor T f¨ur den hydrostatischen Spannungszustand T = −pII = −

ρRθ I μ

Die auf die Momentankonfiguration bezogene dissipative Ungleichung 1 D − ρf˙ − ρsθ˙ − h ·∇ ∇a θ  0 T ·· ··D θ wird zun¨achst umgeformt (der hochgestellte Index S bedeutet symmetrischer Teil des Tensors) 1 D = I ·· (∇ ∇a v )S = ∇a ·vv ∇a v )S =⇒ − T ·· ··D D = (∇ p Damit folgt − bzw. −

1 ρRθ D − ρf˙ − ρsθ˙ − h ·∇ ∇a θ  0 I ·· ··D μ θ

ρRθ 1 ∇a θ  0 ∇a ·vv − ρf˙ − ρsθ˙ − h ·∇ μ θ

Aus der Massenbilanz

∇a ·vv) = 0 ρ˙ + ρ(∇

erh¨alt man ∇a ·vv = −

ρ˙ ρ

Damit nimmt die dissipative Ungleichung folgende Form an ρ˙

1 Rθ ∇a θ  0 − ρf˙ − ρsθ˙ − h ·∇ μ θ

Mit der konstitutiven Annahme ∇a θ) f = f(ρ, θ,∇ ergibt sich ∂f ∂f ∂f ∇a θ)· ρ˙ + θ˙ + · (∇ f˙ = ∇a θ ∂ρ ∂θ ∂∇ und nach Einsetzen in die dissipative Ungleichung

7.2 Beispiele deduktiv abgeleiteter Konstitutivgleichungen







245



∂f Rθ ∂f ∂f 1 ∇a θ)· − h ·∇ ∇a θ  0 −ρ ρ˙ − ρ + s θ˙ − · (∇ ∇a θ μ ∂ρ ∂θ ∂∇ θ

Entsprechend der L¨osungsbedingung f¨ur diese Ungleichung erh¨alt man Rθ ∂f = , ∂ρ μ ∂f s=− , ∂θ ∂f = 0, ∇a θ ∂∇ 1 ∇a θ  0 − h ·∇ θ ρ

(7.12)

Folglich ist die freie Energie ausschließlich eine Funktion der Dichte und der Temperatur f = f(ρ, θ) Die Integration der ersten Gleichung von (7.12) f¨uhrt auf f=

Rθ ln ρ + f1 (θ) μ

F¨ur die Entropie erh¨alt man s=−

R ln ρ − f1 (θ) = s(ρ, θ) m

Als zus¨atzliche Annahme wird die Fourier’sche1 W¨armeleitung f¨ur isotrope Kontinua postuliert ∇a θ h = −κ∇ Abschließend soll noch der 1. Hauptsatz f¨ur ideale Gase analysiert werden. Es gilt D − ρf˙ − ρsθ˙ + ρr −∇ ∇a ·h h ρθ˙s = T ·· ··D Der unterstrichene Term stellt die dissipative Funktion dar. Die Prozesse im Gas werden als dissipationsfrei angenommen, daher ist dieser Term identisch Null. Damit ergibt sich h ∇a ·h ρθ˙s = ρr −∇ und nach Einsetzen der Konstitutivgleichungen f¨ur die Entropie und den W¨armestromvektor erh¨alt man −ρθ

1

∂2 f1 (θ) ˙ Rθρ˙ ∇a · (κ∇ ∇a θ) = ρr +∇ θ− ∂θ2 μ

Jean Baptiste Joseph Fourier (1768-1830), Mathematiker und Physiker, W¨armeausbreitung, Integraltransformationen

246

7 Deduktiv abgeleitete Konstitutivgleichungen

Der unterstrichene Term entspricht der negativen W¨armekapazit¨at −cV bei konstantem Volumen. Folglich gilt Rθρ˙ ∇a · (κ∇ ∇a θ) = ρr +∇ ρcV θ˙ − μ Ist κ=const., vereinfacht sich dieser Ausdruck nochmals Rθρ˙ = ρr + κθ ρcV θ˙ − μ mit dem Laplace2 -Operator  = ∇a · ∇a . Weitere Vereinfachungen sind m¨oglich. F¨ur ρ˙ ≈ 0 folgt ρcV θ˙ = ρr + κθ und f¨ur sehr schnelle adiabate Prozesse Rθρ˙ ρcV θ˙ = m Die Definitionsgleichung f¨ur die W¨armekapazit¨at (experimentell bestimmbar) erm¨oglicht noch die Bestimmung der 1. Ableitung der Funktion f1 . Mit f1 (θ) = − folgt durch Integration −f1 (θ) =



cV θ

cV dθ + C θ

0

Die untere Integrationsgrenze entspricht dabei dem 3. Hauptsatz der Thermodynamik.

7.2.4 Newton’sche Fluide Wegen ihrer besonderen Bedeutung sollen Newton’sche Fluide noch einmal gesondert diskutiert werden, obwohl sie bereits als Sonderfall im Abschn. 7.2.2 enthalten sind. Abweichend von Abschn. 7.2.2 wird hier die Ausgangskonfiguration als Bezugsbasis genommen. Es wird vorausgesetzt, dass • das Fluid kein Ged¨achtnis hat (keine viskoelastische Phase), • die Spannungen Funktionen der Deformationsgeschwindigkeiten sind und • eine Zustandsgleichung existiert, die die Dichte, die Temperatur und den Druck miteinander verbindet. 2

Pierre-Simon Laplace (1749-1827), Mathematiker und Astronom, Wahrscheinlichkeitstheorie und Differentialgleichungen

7.2 Beispiele deduktiv abgeleiteter Konstitutivgleichungen

247

Nach Abschn. 7.2.2 wird eine Konstitutivgleichung daher in folgender Form angesetzt a, t) = −pII +ff(D D, ρ−1 , θ), T (a −1 f(00, ρ , θ) = 0 Der thermodynamische Druck p ist nicht aus dem Deformationszustand bestimmbar. Befindet sich das Fluid im Zustand der Ruhe, gilt T = −p0I mit dem hydrostatischen Druck p0 . Im allgemeinen Fall des str¨omenden Fluids schreibt man wieder entsprechend Abschn. 7.2.2 T = −pII +TT V mit dem Tensor der viskosen Spannungen T V , der f¨ur ideale (reibungsfreie) Fluide und f¨ur Fluide im Zustand der Ruhe oder bei allgemeiner Starrk¨orperbewegung verschwindet. Im Folgenden wird im Sinne einfacher, isothermer K¨orper vorausgesetzt, dass der Tensor der viskosen Spannungen nur vom Deformationsgeschwindigkeitstensor und von a abh¨angt D ,a a) T V = T V (D Bei Homogenit¨at entf¨allt auch noch die explizite Abh¨angigkeit von a . Ist die Abh¨angigkeit von D nichtlinear, liegt ein nicht-Newton’sches oder Stokes’sches Fluid vor. Bei linearer Abh¨angigkeit ist es ein Newton’sches Fluid. Nach Abschn. 7.2.2 erh¨alt man f¨ur anisotrope Fluide die Gleichung D, ··D T V =(4) Λ ·· die im isotropen Fall folgende Form annimmt D)II + 2μVD T V = λV (II ·· ··D

(7.13)

Nach dem Darstellungssatz f¨ur isotrope Funktionen tensorieller Argumente (s. Satz 2.9) gilt T = −pII + α1I + α2D + α3D 2 , mit D)] αi = αi [ρ, θ, Ij (D F¨ur α3 = 0 folgt dann wieder die Konstitutivgleichung (7.13). Wird die 1. Invariante von T D) = −3p + KV(II ·· D) ··D ··D I1 (TT ) = −3p + (3λV + 2μV )(II ·· mit KV als viskoser Kompressionskoeffizient berechnet, erh¨alt man f¨ur inkompressible Newton’sche Fluide

248

7 Deduktiv abgeleitete Konstitutivgleichungen

  1 D)I = −pII + 2μVD D T = −pII + 2μV D − I1 (D 3 Dabei ist D D der Deviator von D . Zusammenfassend kann man feststellen, dass aus dem allgemeinen Fluidmodell f¨ur ein viskoses, kompressibles nichtlineares Fluidverhalten, d.h. der allgemeinen Modellklasse nicht-Newton’scher oder Stokes’scher Fluide viele Sonderf¨alle ableitbar sind. Besondere Bedeutung f¨ur die Anwendung haben die linearen, isotropen thermoviskosen Modelle, die sogenannten linearen Stokes’schen Fluide bzw. die entsprechenden linear-viskosen Newton’schen Fluide. Sind die Modellgleichungen homogen und isotrop und ist der Tensor der viskosen Spannungen T V eine lineare Funktion des Verzerrungsgeschwindigkeitstensors D , spricht man auch von NavierStokes’schen Fluiden. Alle Modellgleichungen k¨onnen f¨ur die Annahme einer n¨aherungsweisen Inkompressibilit¨at erheblich vereinfacht werden. Ideale Fluide sind reibungsfrei.

7.2.5 Einbeziehung von inneren Variablen Dissipative Effekte lassen sich mit unterschiedlichen Konzepten in materialtheoretisch begr¨undete Konstitutivgleichungen einbauen. Eine M¨oglichkeit wurde bereits im Abschn. 7.2.2 behandelt - sie beruhte auf der Einf¨uhrung einer viskosen Spannung, die von den Verzerrungsgeschwindigkeiten abh¨angt. Daneben k¨onnen ¨ solche Effekte in Ubereinstimmung mit dem Prinzip des schwindenden Ged¨achtnisses (fading memory) mit Hilfe von Ged¨achtnisintegralen Eingang finden. In diesem Abschnitt wird ein dritter Weg gew¨ahlt. Dazu wird zun¨achst die Existenz von sogenannten inneren Variablen postuliert, die ihrerseits die freie Energie beeinflussen und selbst durch Evolutionsgleichungen definiert sind. Diese Evolutionsgleichungen (meist gew¨ohnliche Differentialgleichungen) kennzeichnen damit die innere Entwicklung von irreversiblen (dissipativen) Prozessen im Material. Als Beispiele derartiger Entwicklungen im Material kann man Kriechverzerrungen, Plastifizierungen, Sch¨adigungen usw. ansehen. Ausgangspunkt der weiteren Betrachtungen sind wiederum die im Kapitel 5 abgeleiteten Bilanzen sowie die Konstitutivgleichungen f¨ur homogene Materialia, t) (i = 1, . . ., n), den inneren Variablen, en. Letztere sollen zus¨atzlich von Υ i (a abh¨angen. Dabei k¨onnen die inneren Variablen Tensoren unterschiedlicher Stufe sein. Beispiele sind mit der isotropen Sch¨adigung (skalare Gr¨oße), der isotropen Verfestigung (skalare Gr¨oße), der kinematischen Verfestigung (Tensor 2. Stufe), den plastischen Verzerrungen (Tensor 2. Stufe) und dem anisotropen Sch¨adigungstensor (Tensor 4. Stufe) bekannt. F¨ur diese inneren Variablen sind Evolutionsgleichungen zu formulieren. Es ist naheliegend, dass in die Evolutionsgleichungen die konstitutiven Parameter, die inneren Variablen selbst und m¨oglicherweise noch weitere Gr¨oßen eingehen. Damit gilt

7.2 Beispiele deduktiv abgeleiteter Konstitutivgleichungen

Υi DΥ ∇x θ,g g ,Υ Υ1 , . . . ,Υ Υn ) = Y i (θ,∇ Dt

249

(7.14)

Dissipative Materialien werden durch folgenden Satz von Konstitutiv- und Evolutionsgleichungen beschrieben a, t) = IP (θ,∇ ∇x θ,g g,Υ Υ i ), P (a

IP

a, t) = h 0 (θ,∇ ∇x θ,g g,Υ Υ i ), h 0 (a a, t) = f f(a

g,Υ Υ i ), ∇x θ,g (θ,∇

(7.15)

g,Υ Υ i ), a, t) = s (θ,∇ ∇x θ,g s(a a, t) = Y i (θ,∇ ∇x θ,g g,Υ Υ 1 , . . . ,Υ Υn ) Υ˙ i (a Diese sind durch die Anfangswerte zu erg¨anzen a, t0 ) = Υ 0i (a a) Υ i (a

(7.16)

Bei der Formulierung der allgemeinen Annahmen (7.15) ist zu beachten, dass der Deformationszustand durch einen elastischen und einen inelastischen Bestandteil gekennzeichnet ist. Der inelastische Anteil kann unterschiedliche Bestandteile aufweisen: plastische Anteile, Kriechanteile usw. Da diese zu dissipativen Effekten f¨uhren, k¨onnen sie mindestens einer inneren Variablen zugeordnet werden. Damit ist eine Aufspaltung der elastischen und inelastischen Anteile in allen den Verzerrungszustand kennzeichnenden Gr¨oßen notwendig. Im Falle großer Verzerrungen ist dies wie folgt m¨oglich. F¨ur den Variablensatz g in den konstitutiven Gleichungen bietet sich als Variable der Deformationsgradient F an. Nach Lee [6] l¨asst sich dieser multiplikativ aufspalten3 F = F el ·FFinel

(7.17)

Diese Operation kann man anschaulich interpretieren. Der Deformationsgradient F transformiert ein Linienelement der Referenzkonfiguration in ein Linienelement der Momentankonfiguration. Diese direkte Transformation wird mit Hilfe einer ent” spannten“ Zwischenkonfiguration, f¨ur die einzig die bleibenden Verzerrungen kennzeichnend sind, in zwei Abschnitte zerlegt. Zun¨achst transformiert Finel das Linienelement aus der Referenzkonfiguration in die Zwischenkonfiguration. Im zweiten Schritt erfolgt mit Hilfe Fel die Transformation aus der Zwischenkonfiguration in die Momentankonfiguration. Die multiplikative Aufspaltung von F hat sich bei der numerischen Analyse großer plastischer Deformationen bew¨ahrt, obwohl sie physikalisch nicht einsichtig ist, da nach diesem Modell der elastische Verformungsprozess erst nach der plastischen Deformation folgt. Das Aufsplitten hat f¨ur die auf dem Deformationsgradienten beruhenden Gr¨oßen starke Auswirkungen. Berechnet man beispielsweise den Geschwindigkeitsgradienten entsprechend Gleichung 3

F¨ur diese Aufspaltung spricht auch eine Argumentation aus der Theorie der Versetzungen, die in [5] angef¨uhrt wird.

250

7 Deduktiv abgeleitete Konstitutivgleichungen

L = F˙ ·FF−1 , ergibt sich nach Einsetzen der multiplikativen Aufspaltung (7.17) −1 −1 −1 el inel L = F˙ ·FFel +FFel · F˙ ·FFinel ·FFel

Der erste Summand l¨asst sich rein elastischen Deformationen zuordnen, der inelastische Anteil im zweiten Summanden wird allerdings auch durch elastische Anteile beeinflusst. Die formale Aufspaltung in einen elastischen und einen elastisch beeinflussten inelastischen Anteil hat nat¨urlich auch Auswirkungen auf die Energie. Die Probleme der Formulierung allgemeiner Konstitutivgleichungen unter Einbeziehung interner Variablen bei großen Verzerrungen, die durch die notwendige Auswahl einer objektiven Zeitableitung noch erschwert wird, ist Gegenstand breiter wissenschaftlicher Diskussionen. Einen Einblick dazu gibt die erg¨anzende Literatur [1]. Die Darstellung der grundlegenden Methodik bei der Anwendung von inneren Variablen wird hier auf geometrische Linearit¨at beschr¨ankt. Der Verzerrungszustand wird durch den Tensor ε und der Spannungszustand durch den Tensor σ gekennzeichnet. Es verschwindet der Unterschied zwischen den Konfigurationen. Außerdem werden nur solche Materialien betrachtet, f¨ur die in Analogie zu Abschn. 7.2.2 f¨ur den W¨armestromvektor das anisotrope Fourier’sche Gesetz postuliert werden kann. Die u¨ brigen Konstitutivgleichen sollen in vereinfachter Form unabh¨angig vom Temperaturgradienten angenommen werden. Damit gehen die Konstitutiv- und die Evolutionsgleichungen (7.15) u¨ ber in σ = σ (θ,εε,Υ Υ i ), ∇θ, h = −κ ·∇ f

Υi ), = f(θ,εε ,Υ

(7.18)

Υi ), s = s(θ,εε ,Υ ˙ ∇a θ,εε,Υ Υi ) Υ i = Y i (θ,∇ Die weitere Analyse wird in Analogie zum Abschn. 7.2.2 vorgenommen. Ausgangspunkt ist die freie Energie f. Es ist jedoch zu beachten, dass die Verzerrungen aus einem elastischen und einem inelastischen Anteil bestehen. F¨ur kleine Verzerrungen gilt die additive Aufspaltung ε = ε el +εεinel = ε el +εεpl

(7.19)

mit ε el als thermoelastische Verzerrungen, ε inel als inelastische Verzerrungen und ε pl als plastische Verzerrungen. Als inelastische Verzerrungen werden hier nur plastische Verzerrungen zugelassen. Offensichtlich ist die plastische Verzerrung eine innere Variable. Sie stellt jedoch aufgrund der Kopplung mit den messbaren Gesamtverzerrungen u¨ ber (7.19) eine spezielle Form dar und soll daher nicht in die u¨ brige Menge m¨oglicher innerer Variabler, die der Kennzeichnung von Verfestigung, Entfestigung, Sch¨adigung usw. dienen, integriert werden.

7.2 Beispiele deduktiv abgeleiteter Konstitutivgleichungen

251

Anmerkung 7.1. Die Entscheidung, welche Variable eine innere Variable ist, h¨angt stets von subjektiven Faktoren ab. Die Entscheidung u¨ ber die Zuordnung folgt aus den konkreten Messm¨oglichkeiten sowie den Anwendungsbelangen. Eine Diskussion hierzu kann man beispielsweise [7] entnehmen. Die freie Energie kann jetzt entsprechend (7.19) in folgender Form angenommen werden Υi ) (7.20) f = f(θ,εε,εεel ,εεpl ,Υ Da die Gesamtverzerrungen ε , die elastischen Verzerrungen ε el und die plastischen Verzerrungen ε pl miteinander verbunden sind, kann man nach [7] folgende Form der freien Energie bei Beachtung der Dekomposition der Gesamtverzerrungen annehmen Υi ) = (θ,εε el ,Υ Υi ) f = f(θ,εε −εεpl ,Υ Leitet man die freie Energie nach der Zeit ab ∂f ∂f ∂f f˙ = el ·· ε˙ el + θ˙ +  Υ˙ i Υi ∂εε ∂θ ∂Υ und setzt das Ergebnis in die dissipative Ungleichung ein, erh¨alt man     ∂f ˙ ∂f 1 ∂f κ ·∇ ∇θ) ·∇ ∇θ  0 σ ·· ε˙ pl − ρ s +  Υ˙ i + (κ θ−ρ σ − ρ el ·· ε˙ el +σ Υi ∂εε ∂θ ∂Υ θ (7.21) Dabei wurde  als Symbol f¨ur eine (noch) unbestimmte Multiplikationsoperation eingef¨uhrt. Ist die innere Variable ein Skalar, wird das Zeichen  durch die gew¨ohnliche Multiplikation ersetzt. Steht ein Vektor oder ein Tensor als innere Variable, wird  durch das einfache bzw. das doppelte Skalarprodukt ersetzt usw. Die unterstrichenen Terme in der Ungleichung (7.21) sind bereits bei der Diskussion in Abschn. 7.2.2 aufgetreten. F¨ur den Fall, dass die thermoelastischen Verzerrungen als vollst¨andig unabh¨angig angesehen werden k¨onnen, gilt zun¨achst f¨ur die Spannungen ∂f (7.22) σ = ρ el ∂εε Diese Annahme f¨uhrt auf ∂f s=− (7.23) ∂θ Die Gln. (7.22) und (7.23) beschreiben den thermoelastischen Zustand des Materials. Dieser ist dissipationsfrei. Damit folgt aus der dissipativen Ungleichung f¨ur die mit dissipativen Vorg¨angen verbundenen Terme σ ·· ε˙ pl − ρ

∂f 1 κ ·∇ ∇θ) ·∇ ∇θ  0  Υ˙ i + (κ Υi ∂Υ θ

(7.24)

Die beiden ersten Terme entsprechen der mechanischen, der letzte Term der thermischen Dissipation.

252

7 Deduktiv abgeleitete Konstitutivgleichungen

Eine weitere Konkretisierung ist bei Annahme der Existenz eines skalaren Dissipationspotentials m¨oglich. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass thermische und mechanische Dissipation entkoppelt werden k¨onnen. F¨ur das Dissipationspotential muss weiterhin gefordert werden, dass es konvex ist. F¨ur die mechanische Dissipation ergibt sich im hier betrachteten Fall eine Funktion der zeitlichen Ableitungen der plastischen Verzerrungen und der inneren Variablen als mechanisches Dissipationspotential χ = χ(˙ε pl , Υ˙ i ) Unter der Voraussetzung assoziierter Gesetze (Normalenregel) gilt σ=

∂χ ∂˙ε pl

Λi =

∂χ ∂Υ˙ i

und

Dabei stellen die Λ i die zu den inneren Variablen assoziierten Gr¨oßen dar. Das Dissipationspotential ist eine Fl¨ache im Raum der plastischen Verzerrungen und der inneren Variablen. Damit ist dieses Konzept eine Verallgemeinerung der aus der Plastizit¨atstheorie bekannten Fließfl¨achen. Im allgemeinen Fall geht in das Dissipationspotential auch noch der Temperaturgradient ein.

¨ 7.3 Ubungsbeispiel Aufgabe 7.1 (Elastisch-plastisches Material). Man formuliere die konstitutiven Gleichungen f¨ur ein elastisch-plastisches Material mit Verfestigung unter Einbeziehung von inneren Variablen. Das Materialverhalten soll dabei isotrop und geometrisch linear sein.

7.4 L¨osung L¨osung zur Aufgabe 7.1. Ausgangspunkt der Betrachtung sind die bekannten Konstitutivgleichungen f¨ur das thermoelastische isotrope Kontinuum ∂f , ∂εεel ∂f s=− ∂θ

σ=ρ

sowie die dissipative Ungleichung

7.4 L¨osung

253

σ ·· ε˙ pl − ρ

∇θ ·∇ ∇θ ∂f κ∇ 0  Υ˙ i + Υi ∂Υ θ

F¨ur die Verfestigung werden zwei Modelle betrachtet: Eine isotrope Verfestigung, die u¨ ber eine skalare innere Variable, die plastische Vergleichsdehnungsgeschwindigkeit, einbezogen wird  2 pl pl Υ1 = ε˙ V = ε˙ ·· ε˙ 3 Eine kinematische Verfestigung, die u¨ ber eine tensorielle innere Variable, beispielsweise die plastischen Verzerrungen, einbezogen wird Υ 2 = ε pl Das elastische Materialverhalten und die Verfestigungseffekte sollen entkoppelt sein, womit f¨ur die freie Energie f = fel (εε el , θ) + fpl (˙εV ,εε pl , θ) folgt. Die assoziierten, verallgemeinerten, thermodynamischen Kraftgr¨oßen lassen sich dann als partielle Ableitungen des den dissipativen Effekten zugeordneten Anteils der freien Energie darstellen R=ρ

∂f , ∂εV

∂f ∂εε pl R charakterisiert die gleichm¨aßige (isotrope) Erweiterung der Fließfl¨ache, X stellt eine Translation der Fließfl¨ache im Spannungsraum dar. Die Fließfl¨ache selbst ist eine Funktion der Spannungen, der zu den inneren Variablen assoziierten Kraftgr¨oßen und der Temperatur, d.h. X=ρ

σ , R,X X, θ) f = f(σ Diese h¨angt von den gleichen Variablen wie das konjugierte Dissipationspotential ab σ , R,X X, θ) χ∗ = χ∗ (σ ¨ F¨ur die Uberpr¨ ufung der Bedingung f¨ur das Erreichen des plastischen Zustands ist noch die Ableitung der Fließfl¨ache bedeutsam. Diese l¨asst sich formal wie folgt ableiten ∂f ∂f ˙ ∂f ˙ ∂f ˙ f˙ = ·· σ˙ + R+ ·· X + θ σ X ∂σ ∂R ∂X ∂θ

254

7 Deduktiv abgeleitete Konstitutivgleichungen

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Kapitel 8

Induktiv abgeleitete Konstitutivgleichungen

Zusammenfassung Die deduktive Ableitung von Konstitutivgleichungen ist meist sehr aufwendig, da stets die getroffenen konstitutiven Annahmen mit Hilfe der dissipativen Ungleichung auf ihre physikalische Konsistenz u¨ berpr¨uft werden m¨ussen. Daher werden in der Ingenieurpraxis vielfach induktiv formulierte Konstitutivgleichungen eingesetzt. Die Grundidee dieses Konzeptes besteht darin, dass einfachste experimentelle Erfahrungen, die meist in einachsigen Versuchen gewonnen wurden, induktiv verallgemeinert werden. Derartige Modelle werden u.a. f¨ur die Beschreibung elastischen und plastischen Materialverhaltens sowie des Materialkriechens eingesetzt. Dabei sei noch einmal besonders hervorgehoben, dass die aus experimentellen Ergebnissen abgeleiteten Materialmodelle nur Idealisierungen des realen Materialverhaltens sein k¨onnen. Reales Materialverhalten hat stets sowohl elastische als auch inelastische Eigenschaften, die allerdings unterschiedlich ausgepr¨agt sein k¨onnen und daher das Materialverhalten signifikant beeinflussen oder vernachl¨assigt werden. Auch eine Zeit- oder Geschwindigkeitsabh¨angigkeit ist mit der Verbesserung der Messmethoden immer nachzuweisen. Ihr Einfluss auf das Antwortverhalten von Kontinua kann aber bei vielen realen Materialien vernachl¨assigt werden. Die induktive Ableitung von Konstitutivgleichungen f¨ur vereinfachte idealelastische oder elastisch-plastische Materialmodelle und ihre n¨aherungsweise Einordnung in die Modellklassen rheonome oder skleronome Konstitutivgleichungen hat sich daher besonders f¨ur Ingenieuranwendungen bew¨ahrt.

8.1 Elastizit¨at Elastizit¨at geh¨ort zur Klasse der skleronomen (zeitunabh¨angigen) Materialmodelle. Elastisches Materialverhalten ist durch folgende Eigenschaften charakterisiert, die sich experimentell ableiten lassen: • Im einachsigen Spannungszustand erfolgen Be- und Entlastung stets entlang des gleichen Weges.

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2018 H. Altenbach, Kontinuumsmechanik, https://doi.org/10.1007/978-3-662-57504-8_8

255

256

8 Induktiv abgeleitete Konstitutivgleichungen

• Alle in Folge a¨ ußerer Wirkungen entstandenen Verzerrungen verschwinden vollst¨andig bei Wiederherstellung des spannungslosen Ausgangszustandes. • Die aufgewendete Verformungsarbeit wird vollst¨andig als Verzerrungsenergie im K¨orper gespeichert. Die Abeit ist somit reversibel. • Die Verformung ist nur abh¨angig von der Belastungsgr¨oße und nicht von der Belastungsgeschwindigkeit. Es gibt damit eine eindeutige Zuordnung von Spannung und Dehnung, die im nichtlinearen einachsigen Fall bei vorausgesetzter Monotonie durch ˜ ε = F(σ) ⇐⇒ σ = F(ε) gegeben ist (s. Abb. 8.1) Es gelten dabei folgende Zusammenh¨ange f¨ur den Elastizit¨ats- oder Tangentenmodul  ˜  dF(ε)  = E > 0, dε ε=0 σ ˜ f(σ) ⇐⇒ σ = Eεf(ε) E F¨ur sehr kleine Werte von ε und σ gehen die dimensionslosen Funktionen f(σ) und ˜ gegen den Wert 1 und der Zusammenhang von Spannung und Verformung ist f(ε) linear. Ausgangspunkt der dreidimensionalen Beschreibung elastischen Materialverhaltens sei das Hooke’sche Gesetz (auch als Elastizit¨atsgesetz bezeichnet) ε=

σ = Eε

(8.1)

Es postuliert den linearen Zusammenhang zwischen den Nennspannungen σ und den in Richtung der Spannungen auftretenden kleinen Dehnungen ε, wobei der Proportionalit¨atsfaktor E die einzige materialspezifische Kenngr¨oße ist und als Elastizit¨atsmodul (Young’scher1 Modul) bezeichnet wird. Eine induktive Verallgemeiσ F(σ)

˜ F()

Abb. 8.1 Nichtlineare Beziehung von σ und ε im einachsigen Zugversuch 1

E = tan α

Thomas Young (1773-1829), Augenarzt und Physiker, Wellentheorie des Lichtes



8.1 Elastizit¨at

257

nerung ist dann in folgender Weise denkbar. Ersetzt man die Nennspannungen σ durch den Tensor der Nennspannungen σ und die Dehnung ε durch den Tensor der kleinen Verzerrungen ε , dann ist ein linearer Zusammenhang allgemeinster Art zwischen diesen beiden Tensoren 2. Stufe nur u¨ ber einen Tensor 4. Stufe m¨oglich, d.h. aus σ = σ (εε) mit σ (00 ) = 0 folgt ··εε, σ =(4) E ··

σij = Eijkl εkl

(8.2)

Gleichung (8.2) ist das verallgemeinerte Hooke’sche Gesetz f¨ur anisotropes, linearelastisches Materialverhalten. Es setzt geometrische und physikalische Linearit¨at voraus. Damit entfallen die Unterschiede zwischen den einzelnen Konfigurationen. Der Tensor (4)E ist der Hooke’sche Tensor oder Elastizit¨atstensor. Gleichung (8.2) wird auch als Elastizit¨atsgesetz in tensorieller Schreibweise bezeichnet. Er enth¨alt 81 Komponenten, die experimentell zu bestimmen sind. Man kann sehr schnell erkennen, dass es nicht m¨oglich ist, diese Komponenten zu bestimmen, da es nicht gen¨ugend Grundversuche der mechanischen Werkstoffpr¨ufung [5] gibt. Die 81 Komponenten sind nicht alle unabh¨angig voneinander, was zu einer ersten Reduktion des experimentellen Aufwands f¨uhrt. Außerdem werden der Spannungstensor und der Verzerrungstensor als symmetrische Tensoren vorausgesetzt. Entsprechend folgt damit eine Reduktion auf 36 linear-unabh¨angige Koordinaten. Die entsprechende Koordinatenmatrix ist eine (6, 6)-Matrix. Ein derartiges Elastizit¨atsgesetz wird auch als Cauchy’sche Elastizit¨at [4] bezeichnet. Eine weitere Reduktion der Anzahl der Koordinaten erh¨alt man unter der Voraussetzung, dass elastische Form¨anderungen mit der Speicherung von Form¨anderungsenergie verbunden sind. Die spezifische volumenbezogene Form¨anderungsenergie l¨asst sich wie folgt berechnen 1 ··εε, W = σ ·· 2 und es gilt ∂W σ= ∂εε Ersetzt man darin den Spannungstensor entsprechend (8.2), erh¨alt man 1 1 ·· ··εε)·· ··εε = Eijkl εij εkl W = ((4)E ·· 2 2

(8.3)

Die 2. Ableitung nach dem Verzerrungstensor f¨uhrt auf den Elastizit¨atstensor ∂2 W (4) = E, ∂εε∂εε

∂2 W = Eijkl ∂εij ∂εkl

Da die Reihenfolge der Differentiation vertauscht werden kann, reduziert sich die Anzahl der linear-unabh¨angigen Koordinaten auf 21. Das entsprechende Elastizit¨atsgesetz wird auch als Green’sche Elastizit¨at [4] bezeichnet. Eine weitere Reduktion der Koordinaten ist durch die Ber¨ucksichtigung von Materialsymmetrien nach dem Curie-Neumann’schen Prinzip aus der Kristallphysik

258

8 Induktiv abgeleitete Konstitutivgleichungen

(Satz 1.1) m¨oglich. F¨ur Materialien mit kristalliner Struktur k¨onnen beispielsweise die Symmetrien der 32 Kristallklassen Einfluss auf die makroskopischen Anisotropieeigenschaften haben. Zur Darstellung der Symmetrien gibt es umfangreiche Ausf¨uhrungen in Tensor- und Matrizendarstellung u.a. in [10; 11]. Eine Untersuchung der Sonderf¨alle der Anisotropie und ihrer Auswirkungen auf den Elastizit¨atstensor kann man wie folgt vornehmen. Eine Rotation des Koordinatensystems mit einem Winkel ω um eine beliebige Achse, deren Lage durch den Einheitsvektor e gekennzeichnet ist, l¨asst sich durch folgenden orthogonalen Tensor darstellen Q = I cos ω +eee (1 − cosω) −II × e sin ω F¨ur ω = 180◦ erh¨alt man f¨ur

ω = 90◦

Q = 2eee −II, Q = ee −II × e

Eine m¨ogliche Reduktion der Anzahl der unabh¨angigen Koordinaten erh¨alt man ¨ dann durch Uberpr¨ ufung folgender Gleichung

 (4) Q ·Q Q = EijklQ ·eeiQ ·eejQ ·eekQ ·eel E = Q T · Q T ·(4) E ·Q mit

Eijkl =(4) E · · · ·eeie je ke l

Sie stellt den Zusammenhang zwischen den Materialeigenschaften in zwei Koordinatensystemen dar, die sich durch eine Drehung um den Winkel ω um eine beliebige Achse e unterscheiden. Diese Vorgehensweise l¨asst sich am besten an einem Beispiel erl¨autern. Der Elastizit¨atstensor wird f¨ur das Koordinatensystem e 1 ,ee 2 ,ee 3 eingef¨uhrt. Das gedrehte System e 1 ,ee 2 ,ee3 wird durch Drehung um e 3 um 180◦ gebildet. Damit existiert folgender Zusammenhang zwischen den beiden Koordinatensystemen: e 1 = −ee1 ,ee2 = −ee2 ,ee 3 = e 3 . Zwischen den Koordinaten der Elastizit¨atstensoren in den beiden Koordinatensystemen erh¨alt man folgende Zusammenh¨ange: E1111 = E1111 ,

E1122 = E1122 ,

E1133 = E1133 ,

E1123 = −E1123 ,

...

F¨ur den Fall einer vorausgesetzten Symmetrie m¨ussen die Werte der Materialtensoren in den beiden Koordinatensystemen u¨ bereinstimmen. Damit sind folgende Koordinaten identisch Null E1123 = E1131 = E2223 = E2231 = E3323 = E3331 = E2312 = E3112 = 0 Die Anzahl der linear-unabh¨angigen Koordinaten reduziert sich auf 13. Die so beschriebene Drehung ist durch den orthogonalen Tensor Q = 2ee3e 3 −II = e 3e 3 −ee1e 1 −ee2e 2

8.1 Elastizit¨at

259

Q = 1. F¨uhrt man eine orgekennzeichnet. Die entsprechende Determinante ist detQ thogonale Transformation mit Q = −ee1e 1 +ee2e 2 +ee3e 3 durch, ist der Wert der Determinanten gleich -1. Dies entspricht einer Spiegelung bez¨uglich der Ebene e 2e 3 . F¨ur die Spiegelung erh¨alt man folgende Koordinaten zu Null E1131 = E1112 = E2231 = E2212 = E3331 = E3312 = E2331 = E2312 = 0 Auch die Spiegelung f¨uhrt auf eine Koordinatenanzahl von 13. Die Sonderf¨alle der Materialanisotropie lassen sich damit durch Drehungen und Spiegelungen beschreiben: • Material mit einer Ebene der elastischen Symmetrie F¨ur die elastischen Materialeigenschaften existiert im Material eine Symmetrieebene. Die orthogonale Transformation stellt dabei eine Spiegelung an dieser Ebene dar. Die Anzahl der von Null verschiedenen Koordinaten reduziert sich auf 13 (monoklines Materialverhalten). • Material mit zwei oder drei zueinander orthogonalen Ebenen der elastischen Symmetrie F¨ur die elastischen Materialeigenschaften existieren im Material mindestens zwei zueinander orthogonale Symmetrieebenen. Die orthogonalen Transformationen lassen sich dabei durch zwei Spiegelungen darstellen. Die Anzahl der von Null verschiedenen Koordinaten reduziert sich auf 9. Man kann zeigen, dass bei Existenz von zwei zueinander orthogonalen Symmetrieebenen die zu beiden Ebenen orthogonale Ebene gleichfalls Symmetrieebene ist. Eine weitere Reduktion der von Null verschiedenen Koordinaten ergibt sich daraus nicht. Der entsprechende Sonderfall wird als Orthotropie bezeichnet. • Material mit einer Symmetrieachse F¨ur die elastischen Materialeigenschaften existiert im Material eine Symmetrieachse bez¨uglich der alle elastischen Eigenschaften gleichberechtigt sind. Die Anzahl der von Null verschiedenen Koordinaten ist in diesem Fall 5. Der entsprechende Sonnderfall wird als transversale Isotropie bezeichnet. • Material mit zwei oder drei Symmetrieachsen F¨ur die elastischen Materialeigenschaften existieren im Material mindestens zwei Symmetrieachsen bez¨uglich der alle elastischen Eigenschaften gleichberechtigt sind. Die Anzahl der von Null verschiedenen Koordinaten ist in diesem Fall 2. Der entsprechende Sonderfall wird als Isotropie bezeichnet. Weitere Sonderf¨alle sind denkbar. Entsprechende Hinweise k¨onnen der erg¨anzenden Literatur entnommen werden. Die f¨ur die Anwendung besonders wichtigen F¨alle der Materialanisotropie sind noch einmal u¨ bersichtlich zusammengefasst. Isotropie folgt aus dem 3. Sonderfall, wenn z.B. auch noch die x1 -Achse Symmetrieachse ist. Dann gilt noch E2222 = E3333 , E1122 = E1133 , E1313 = E1212 und es bleiben nur

260

8 Induktiv abgeleitete Konstitutivgleichungen

2 unabh¨angige Materialkennwerte. Die Ingenieurkonstanten f¨ur anisotrope, linearelastische K¨orper enth¨alt Anlage A. F¨ur die zusammenfassende Darstellung sind xi und xi die Koordinaten in den gegeneinander gedrehten kartesischen Koordinatensystemen mit den Basiseinheitsvektoren e i und ei und die Qij sind die Koordinaten der (3×3)-Transformationsmatrix Q . Der Hooke’sche Tensor mit den Koordinaten Eijkl wird als (6 × 6)-Matrix geschrieben. Die in diesem Zusammenhang stehende Notation wird vielfach auch als Voigt’sche Notation bezeichnet. Sie beruht auf einer Hauptsymmetrie, die aus der Vertauschbarkeit der 2. Ableitung beruht, und zwei Subsymmetrien (jeweils f¨ur die Spannungen und die Verzerrungen). Der Spannungs- und der Verzerrungstensor kann dann jeweils unter Beachtung der Symmetrie als Spaltenvektor geschrieben werden. Mann erh¨alt zun¨achst durch Anwendung des Schemas 11 → 1, 22 → 2, 33 → 3, 23 → 4, 13 → 5, 12 → 6 auf die vierfache Indizierung ijkl ⎡ ⎤ ⎡ ⎤⎡ ⎤ ε1 E11 E12 E13 E14 E15 E16 σ1 ⎢ ⎥ ⎢ σ2 ⎥ ⎢ E22 E23 E24 E25 E26 ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ε2 ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ σ3 ⎥ ⎢ E33 E34 E35 E36 ⎥ ⎢ ⎥=⎢ ⎥ ⎢ ε3 ⎥ ⇐⇒ σi = Eij εj ⎥ ⎢ σ4 ⎥ ⎢ ⎥ E44 E45 E46 ⎥ ⎢ ⎢ ε4 ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎣ σ5 ⎦ ⎣ SYM. E55 E56 ⎦ ⎣ ε5 ⎦ ε6 σ6 E66 Damit kann man die nachfolgenden Matrizen problemlos zuordnen, auch wenn zun¨achst die Schreibweise mit den 4 Indices beibehalten wird. 1. Monoklines Materialverhalten x2

Spiegelung bez¨uglich der x2 -x3 -Ebene

x1



⎤ −1 0 0 [Qij ] = ⎣ 0 1 0 ⎦ 001

x3 ⎡

E1111 E1122 E1133 ⎢ E2222 E2233 ⎢ ⎢ E3333 [Eijkl ] = ⎢ ⎢ ⎢ ⎣ SYM.

E1123 E2223 E3323 E2323

0 0 0 0 E1313

0 0 0 0



⎥ ⎥ ⎥ ⎥ ⎥ ⎥ E1312 ⎦ E1212

13 Materialkennwerte

8.1 Elastizit¨at

261

Das monokline Materialverhalten ist folglich durch eine Symmetrieebene gekennzeichnet. In unserem Fall geht sie durch die Achsen x2 und x3 . Gleichzeitig ist sie orthogonal zu x1 . Derartige Symmetrien sind stets in d¨unnen Laminatschichten anzutreffen. 2. Orthotropie - Orthogonal-anisotropes Materialverhalten x2

x1

⎡ ⎤ Spiegelung bez¨ug−1 0 0 lich der Ebenen [Qij ] = ⎣ 0 −1 0 ⎦ x2 -x3 und x1 -x3 0 01

x3



E1111 E1122 E1133 0 0 ⎢ E 0 0 E 2222 2233 ⎢ ⎢ E 0 0 3333 [Eijkl ] = ⎢ ⎢ 0 E 2323 ⎢ ⎣ SYM. E1313

0 0 0 0 0

⎤ ⎥ ⎥ ⎥ ⎥ ⎥ ⎥ ⎦

9 Materialkennwerte

E1212

In diesem Fall gibt es mindestens zwei, zueinander orthogonale Symmetrienebenen, die durch die Koordinatenachsen gehen. Dieser Fall ist in gewalzten Blechen anzutreffen. 3. Transversale Isotropie - Materialsymmetrie bez¨uglich der Achse x3 x3

x2

⎡ Symmetrie cos(x1 , x1 ) − sin(x1 , x2 ) bez¨uglich der [Qij ]= ⎣ sin(x2 , x1 ) cos(x2 , x2 ) Achse x3 0 0

⎤ 0 0⎦ 1

x1



0 E1111 E1122 E1133 0 ⎢ E 0 0 E 1111 1133 ⎢ ⎢ 0 0 E 3333 ⎢ ⎢ 0 E 1313 ⎢ ⎢ SYM. E1313 ⎣

0 0 0 0 0 E1111 −E1122 2

⎤ ⎥ ⎥ ⎥ ⎥ ⎥ 5 Materialkennwerte ⎥ ⎥ ⎦

262

8 Induktiv abgeleitete Konstitutivgleichungen

Neben den Symmetrien der Orthotropie kommt eine beliebige Rotation um eine Achse (hier die x2 -Achse) hinzu. Dieser Fall tritt in der Praxis bei unidirektionalen Endlosfasern auf. 4. Kubische Symmetrie Materialsymmetrie bez¨uglich der Rotation mit π/2 um die Kanten, mit π um die Fl¨achendiagonalen sowie mit 2π/3 um die Raumdiagonalen des Einheitsw¨urfels. Die Einheitszelle ist hier ein W¨urfel mit drei rechten Winkeln und drei gleich langen Kanten. ⎤ ⎡ E1111 E1122 E1122 0 0 0 ⎢ E1111 E1122 0 0 0 ⎥ ⎥ ⎢ ⎢ 0 0 0 ⎥ E1111 ⎥ 3 Kennwerte ⎢ ⎢ E2323 0 0 ⎥ ⎥ ⎢ ⎣ E2323 0 ⎦ SYM. E2323

Silizium bzw. Diamant weisen eine derartige Symmetrie auf. 5. Isotropie F¨ur Isotropie, d.h. fehlende Richtungsabh¨angigkeit, vereinfacht sich der Hooke’sche Tensor nochmals, da E1122 = E1133 und 2E1313 = E1111 − E1122 gilt. ⎤ ⎡ E1111 E1122 E1122 0 0 0 ⎥ ⎢ 0 0 0 E1111 E1122 ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ E1111 0 0 0 ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ E1111 −E1122 ⎥2 Kennwerte ⎢ 0 0 ⎥ ⎢ 2 ⎥ ⎢ −E E 1111 1122 ⎥ ⎢ 0 SYM. ⎥ ⎢ 2 ⎣ E1111 −E1122 ⎦ 2

In diesem Fall hat man eine weitere beliebige, zu der ersten Rotation orthogonale Rotation um eine Achse zu ber¨ucksichtigen. Polykristalline Metalle und Legierungen haben derartige Symmetrie. Anmerkung 8.1. Die betrachteten Symmetrief¨alle 3. - 5. beinhalten fast alle technisch relevanten Werkstoffe. Die bisherigen Ausf¨uhrungen zur Elastizit¨at setzen kleine Verformungen und lineares Materialverhalten voraus. Beh¨alt man die Annahme der geometrischen Linearit¨at bei, bereitet die Erweiterung der induktiven Ableitung von Konstitutivglei-

8.1 Elastizit¨at

263

chungen auf nichtlineares, elastisches Materialverhalten keine besonderen Schwierigkeiten. Die f¨ur den einachsigen Fall formulierten Beziehungen zwischen der Spannung σ und der Dehnung ε werden zun¨achst als Tensorgleichungen geschrieben σ), σ = F˜ (εε), ε = F (σ (8.4) σij = F˜ ij (εkl ), εij = Fij (σkl ) An die Tensorfunktionen sind nun bestimmte Anforderungen zu stellen: • Zu jedem Spannungszustand muss sich ein umkehrbarer eindeutiger Verzerrungszustand ergeben. • Die am K¨orper durch die Spannungen geleistete spezifische Verzerrungsarbeit (Verzerrungsenergiedichte) ε W(εε) = σ ·· dεε 0

darf nur vom Anfangs- und Endzustand und nicht vom Deformationsweg abh¨angen. Die mathematische Folgerung aus dieser Anforderung ist, dass gilt σ = F˜ (εε ) =

∂W(εε ) ∂εε

(8.5)

Gleichung (8.5) ist die allgemeinste Form eines nichtlinearen Elastizit¨atsgesetzes f¨ur kleine Verformungen. Die Verzerrungsenergiedichtefunktion W(εε) wird nun um den Anfangszustand ε 0 in eine Taylorreihe entwickelt 1 W = W0 (εε0 ) +εε0 ·· ··εε + ε ·· (4)E ·· ··εε 2!

  1 1 ε ·· (6)E ·· + ··εε ·· ··εε + ε ·· ε ·· (8)E ·· ··εε ·· ··εε + . . . 3! 4!

(8.6)

Der vollst¨andige Reihenansatz f¨ur W l¨asst wie im Abschn. 7.2.1 folgende Interpretation zu. Das Reihenglied W0 kann Null gesetzt werden, da nur das Potential ··εε wird interessiert und der Bezugspunkt willk¨urlich sein kann. Das Reihenglied ε 0 ·· immer Null gesetzt, wenn im spannungslosen Anfangszustand keine Verzerrungen (Eigenverzerrungen) auftreten. Das Reihenglied (1/2)εε ·· (4)E ·· ε entspricht der linearen Theorie. F¨ur eine nichtlineare Elastizit¨atstheorie muss mindestens das 4. Reihenglied ungleich Null sein, d.h. die Materialtensoren (2n)E mit n > 2 bestimmen die Nichtlinearit¨at in der Konstitutivgleichung. Bei Ber¨ucksichtigung von Materialtensoren n > 2 steigt die Anzahl der erforderlichen Materialkennwerte rasch an. F¨ur Sonderf¨alle der Anisotropie ergeben sich wieder Vereinfachungen. Im Ergebnis erh¨alt man die in der Tabelle 8.1 aufgelistete Anzahl der von Null verschiedenen, linear-unabh¨angigen Koordinaten. Statt durch die Gl. (8.5) kann die allgemeine Konstitutivgleichung f¨ur nichtlineares anisotropes Materialverhalten bei kleinen Deformationen auch durch

264

8 Induktiv abgeleitete Konstitutivgleichungen

σ) = ε = F (σ

σ) ∂W ∗ (σ σ ∂σ

(8.7)

angegeben werden. W ∗ ist dann die spezifische konjugierte oder komplement¨are Verzerrungsarbeit (konjugierte Verzerrungsenergiedichtefunktion). Die Reihenentwicklung liefert f¨ur diesen Fall die Gl. (8.8) σ ) = W0 (σ σ0 ) +σ σ0 ·· σ+ ··σ W ∗ (σ

 1 1 (6) σ+ σ ·· σ + . . . (8.8) σ ·· (4)N ·· σ ·· N ·· ··σ ··σ ··σ 2! 3!

f¨ur die eine analoge Interpretation wie zur Reihenentwicklung (8.6) gilt. Das Glied σ 0 ·· σ erfasst jetzt m¨ogliche Anfangsspannungen und kann meist Null gesetzt werden. Die Materialtensoren (2n)N stellen Nachgiebigkeitstensoren dar. Im isotropen Fall h¨angen die Funktionen W bzw. W ∗ nur von den Invarianten des Verzerrungstensors ε bzw. des Spannungstensors σ ab W = W[I1 (εε ), I2 (εε ), I3 (εε )],

σ), I2 (σ σ), I3 (σ σ )] W ∗ = W ∗ [I1 (σ

(8.9)

Zerlegt man den Verzerrungstensor und den Spannungstensor in einen Kugeltensor und einen Deviator 1 ··III , ε = ε D + ε ·· 3 1 ··III , σ = σ D + σ ·· 3

1 εij = εD ij + eδij , 3 1 D σij = σij + sδij , 3

e = εkk , s = σkk

und beachtet, dass f¨ur jeden Tensor 2. Stufe T die Invarianten Ii (TT ), i = 1, 2,3 umkehrbar eindeutig durch die beiden von Null verschiedenen Invarianten I2 T D ,

 ··II ausgedr¨uckt werden k¨onnen, erh¨alt man z.B. f¨ur W ∗ I3 T D und die Spur T ··

  σ ), I2 (σ σ), I3 (σ σ )] ⇐⇒ W ∗ = W ∗ s, I2 T D , I3 T D W ∗ = W ∗ [I1 (σ Damit folgt

Tabelle 8.1 Anzahl der von Null verschiedenen Koordinaten der Materialtensoren

Sonderfall der Anisotropie Allgemeine Anisotropie Orthotropie Transversale Isotropie Isotropie

ε0 6 3 1 1

˜ (4)E (6)E ˜ (8)E 21 9 5 2

56 126 20 42 9 16 3 4

8.1 Elastizit¨at

ε=

265

σ) ∂W ∗ (σ = σ ∂σ



  ˆ ∗ s, I2 T D , I3 T D ∂W

ˆ∗ ˆ ∗ ∂s ∂W ∂W

 + = σ ∂I T D ∂s ∂σ 2

σ) = σ ·· ··II, I1 (σ

σ ∂σ

 ∂I2 T D σ ∂σ

,

 D ˆ ∗ ∂I3 T ∂W

 + σ ∂σ ∂I3 T D

  1 σD , I2 σ D = − σ D ·· ··σ 2

(8.10)

  σD I3 σ D = detσ

Mit   ∂I2 σ D σD , = −σ σ ∂σ

σ) ∂I1 (σ = I, σ ∂σ

  ∂I3 σ D 2   σ D + I2 σ D I = σ D ·σ σ ∂σ 3

erh¨alt man ε=

 ˆ∗ ˆ∗  ˆ∗ ∂W ∂W 2  D ∂W D D D σ I− I + ·σ + σ σ σ I , 2 σD ) σD ) σ) ∂I1 (σ ∂I2 (σ ∂I3 (σ 3

d.h. e = εkk = 3 εD ij = −

(8.11)

ˆ∗ ∂W , σ) ∂I1 (σ

  ˆ∗ ˆ∗ ∂W ∂W 2  D D D D I σ + σ σ + σ δ 2 ij ij ik kj D 3 σ ) σD ) ∂I2 (σ ∂I3 (σ

Die Gln. (8.11) formulieren die allgemeinsten, nichtlinear, elastischen Konstitutivgleichungen bei kleinen Verzerrungen f¨ur den Sonderfall der Isotropie. Die unterstrichenen Terme in den Gln. (8.11) lassen folgende Interpretation zu. Schlussfolgerung 8.1. Infolge der Nichtlinearit¨at k¨onnen auch im isotropen Fall bei reiner Schubbeanspruchung Dehnungen auftreten. Diese Besonderheit heißt Poynting2 -Effekt. ¨ Die experimentelle Uberpr¨ ufung zeigt jedoch, dass der Poynting-Effekt bei kleinen Verzerrungen auch sehr klein ist und im Allgemeinen vernachl¨assigt werden kann. ˆ∗ Streicht man die tensoriell-nichtlinearen Terme in den Gln. (8.11), kann man W weiter vereinfachen

 

 ˇ ∗=W ˆ ∗ I1 (σ ˇ ∗ I1 (σ ˆ ∗=W σ), I2 T D , I3 T D σ ), I2 T D =⇒ W W ˇ ∗ h¨angt nur Die spezifische komplement¨are Verzerrungsenergiedichtefunktion W noch von s und I2 (TT D ) ab. Aus den Gln. (8.11) folgt dann das tensoriell-lineare Materialgesetz f¨ur nichtlineares, isotropes Materialverhalten bei kleinen Verformungen e=3 2

ˇ∗ ˇ∗ ∂W ∂W =3 , σ σ) ∂Spσ ∂I1 (σ

εD = −

John Henry Poynting (1852-1914), Physiker, Elektrodynamik

ˇ∗ D ∂W σ σD ) ∂I2 (σ

(8.12)

266

8 Induktiv abgeleitete Konstitutivgleichungen

Aus den Gln. (8.12) k¨onnen weitere f¨ur die Anwendung wichtige Sonderf¨alle abgeleitet werden. • Das Volumenverhalten ist linear, d.h. proportional zu s σ), e = kI1 (σ

εD = −

ˇ∗  

∂W  GD σ σ D = ϕ I2 σ D σ D , ∂I2 σ

(8.13)

 

 D 

1 ∗ ˇG ˇ ∗ I1 (σ σ ), I2 σ D =⇒ kI1 (σ σ)2 + W I2 σ W 2 ˇ ∗ ist der Gestalts¨anderungsanteil von W ˇ ∗ . Mit k ist ein Proportionalit¨atsfaktor, W G

σD ) σ2V = −3I2 (σ und

K = (3k)−1 ,

sowie f(σV ) =

G = [2ϕ(0)]−1

  1 1 ϕ − σ2V ϕ(0) 3

erh¨alt man das besonders einfache, nichtlinear isotrope Materialgesetz in der Form σ) 1 I1 (σ σD , εD = f(σV )σ e= 3K 2G • Isotropes, lineares Materialverhalten Mit ϕ = ϕ(0) = const. folgt f(σV ) ≡ 1 und man erh¨alt e=

σ) I1 (σ , 3K

εD =

σD 2G

Durch Vergleich mit dem einachsigen, linearen Spannungs-Dehnungsverhalten erh¨alt man noch die Beziehungen K=

E , 3(1 − 2ν)

G=

E , 2(1 + ν)

d.h. K und G sind der Kompressionsmodul und der Schubmodul der klassischen linearen Elastizit¨atstheorie. Anmerkung 8.2. Im isotropen Fall erh¨alt man zwei, voneinander unabh¨angige elastische Kennwerte. In der mathematischen Elastizit¨atstheorie werden die Lam´e’schen Parameter λ=

νE , (1 + ν)(1 − 2ν)

μ=

E ≡G 2(1 + ν)

bevorzugt, E und ν sind die Ingenieurparameter und K und G haben Vorteile bei rheologischen Modellen. In jedem Fall sind aber immer nur zwei unabh¨angig.

8.1 Elastizit¨at

267

Die Beziehungen zwischen den unterschiedlichen Parametern sind u.a. in [2] angegeben. Die induktiv abgeleiteten elastischen Konstitutivgleichungen bei kleinen Verzerrungen lassen sich in der nachfolgenden Form zusammenfassen. Allgemeiner, nichtlinear-elastischer K¨orper σ ), ε = F (σ

σ=

∂W(εε) , ∂εε

σ) ∂W ∗ (σ σ ∂σ σ ) Taylorreihenentwicklungen bis mindestens zum 4. Glied der W(εε), W ∗ (σ Reihe σ = F˜ (εε),

ε=

Linearer Sonderfall σ, ··σ ε =(4) N ··

σ=

∂W(εε) ∂εε

σ) ∂W ∗ (σ σ ∂σ σ ) Taylorreihenentwicklungen bis zum 3. Glied der Reihe W(εε), W ∗ (σ ··εε, σ =(4) E ··

ε=

F¨ur den isotropen Sonderfall erh¨alt man die nachfolgenden Beziehungen. Allgemeiner, nichtlinear-elastischer, isotroper K¨orper  ˆ∗ ˆ∗ ˆ∗  ∂W ∂W ∂W 2 D D D D σ σ I ε= I− I + ·· ··σ + (σ )I , σ σ 2 σ) ∂I1 (σ 3 σD ) σD ) ∂I2 (σ ∂I3 (σ

ˆ ∗ I1 (σ ˆ ∗=W σ ), I2 (σ σD ), I3 (σ σD ) , σ) = σ ·· s = I1 (σ ··II W

Sonderfall: Tensoriell, lineares Gesetz e=3

ˇ∗ ˇ∗ ˇ G∗ ∂W ∂W ∂W =3 , εD = − σD, σ σ) ∂Spσ ∂I1 (σ σD ) ∂I2 (σ ˇ ∗=W ˇ ∗ I1 (σ σ ), I2 (TT D ) W

268

8 Induktiv abgeleitete Konstitutivgleichungen

Sonderfall: Tensoriell, lineares Gesetz und lineares Volumen¨anderungsverhalten ˇ G∗ ∂W σ, Spεε = kSpσ εD = − σD σD ) ∂I2 (σ



ˇ ∗ = 1 kI1 (σ ˇ G∗ I2 (σ ˇ V∗ (I1 (σ ˇ G∗ I2 (σ σ )2 + W σD ) = W σ )) + W σD ) W 2

Linearer Sonderfall e=

σ) I1 (σ , 3K

εD =

σD , 2G

K=

E , 3(1 − 2ν)

G=

E 2(1 + ν)

Anmerkung 8.3. In der Literatur werden bei Diskussionen um elastisches Materialverhalten zwei weitere Begriffe eingef¨uhrt: Hyperelastizit¨at und Hypoelastizit¨at. Als hyperelastisch wird ein Material bezeichnet, f¨ur das eine Deformationsenergie W existiert, deren materielle Zeitableitung gleich der Leistung der Spannungen je Volumeneinheit ist. Die entsprechenden Konstitutivgleichungen m¨ussen folglich der Gl. (5.78) gen¨ugen. Im Abschn. 7.2.1 wurde dieses Materialmodell betrachtet. Zu den hyperelastischen Materialien geh¨oren beispielsweise die gummi¨ahnlichen Werkstoffe. Als hypoelastisches Material wird ein Material bezeichnet, f¨ur das die Spannungsgeschwindigkeiten lineare Funktionen der Deformationsgeschwindigkeiten sind T =(4) E ·· D . Dabei stellt T eine objektive Zeitableitung des Spannungstensors dar. Der Materialtensor (4)E ist in diesem Fall nicht unbedingt eine konstante Gr¨oße. Er kann u.a. von den Spannungen, Verzerrungen usw. abh¨angen. Das entsprechende Konzept entspricht einer inkrementellen Beschreibung des Materialverhaltens. Einzelheiten zu den hypoelastischen Konstitutivgleichungen sowie den objektiven Ableitungen k¨onnen der Spezialliteratur entnommen werden.

8.2 Plastizit¨at Neben der Elastizit¨at gibt es eine zweite Form des skleronomen, d.h. zeit- bzw. geschwindigkeitsunabh¨angigen, Materialverhaltens, die Plastizit¨at. Im Unterschied zur Elastizit¨at stellt man fest • Plastische Beanspruchungsvorg¨ange sind nicht mehr reversibel, es tritt Dissipation auf. • Die plastische Beanspruchung ist keine Zustandsgr¨oße, sondern abh¨angig vom Belastungsweg.

8.2 Plastizit¨at

269

• Die Belastungsgeschichte hat Einfluss auf das Antwortverhalten plastischer Materialien. Bei sehr spr¨oden Werkstoffen k¨onnen keine plastischen Verformungen beobachtet werden oder sie sind vernachl¨assigbar klein. Bei duktilen Werkstoffen treten ¨ plastische Verformungen im Allgemeinen nach Uberschreitung eines bestimmten Spannungsniveaus auf. Im einachsigen Zugversuch ist das die Fließgrenze. Ausgangspunkt der induktiven Ableitung isothermer, konstitutiver Gleichungen sind die experimentell ermittelten Abh¨angigkeiten von Spannungen und Dehnungen bei einachsiger Beanspruchung. Typisch sind die folgenden experimentellen Ergebnisse. • Quasistatische Be- und Entlastung (Abb. 8.2) Folgende Situationen k¨onnen auftreten (σ∗ maximale Spannung am Ende des Belastungszyklus) – σ∗ < σF : σ = σ(ε) ⇐⇒ ε = ε(σ) Die Belastung ist rein-elastisch. – σ∗  σF : dσ > 0 (Belastung) ε = εel falls σ < σF ε = εel + εpl falls σ  σF dσ < 0 (Entlastung) ε = εel + εpl (σ∗ ) Die additive Aufspaltung der Gesamtdehnung in der Form ε = εel + εpl kann man nur unter der Voraussetzung kleiner Verformungen feststellen. Ferner weisen die Experimente aus, dass ein Material im plastischen Zustand meist nahezu inkompressibel ist. • Zyklische Be- und Entlastung (Abb. 8.3) – σ∗i > σF : Die elastische Verformungsgrenze erh¨oht sich, d.h. es kommt durch plastische Verformungen zu einer Materialverfestigung. – elastischer Bereich: ε = ε(σ, σ∗i ), σ < σFi = σ∗i σ σ∗

σF

Abb. 8.2 Einachsiger Zugversuch

pl (σ∗ )

el



270

8 Induktiv abgeleitete Konstitutivgleichungen

– plastischer Bereich: ε = ε(σ), σ > σFi • Belastungsumkehr (Abb. 8.4) Die Gesetze des elastischen Bereiches h¨angen jetzt vom gesamten Prozessverlauf ab. Es u¨ berlagern sich Verfestigung und Bauschinger3-Effekt. Letzterer ist ¨ die Anderung der Elastizit¨atsgrenze eines (polykristallinen) Metalls oder Legierung nach einer prim¨aren plastischen Verformung in Abh¨angigkeit von Zugoder Druckbeanspruchung. Verformt man ein Metall unter Zugbeanspruchung, so dass es sich plastisch verformt, und verformt es anschließend durch Druckbeanspruchung, ist die Elastizit¨atsgrenze in die entgegengesetzte Richtung niedriger. Grund daf¨ur sind Summation und gegenseitige Blockierungen von Versetzungen. Im Sinne der rheologischen Modelle 9 entspricht der Bauschinger-Effekt einem elastisch-plastischen Modell eines parallelgeschaltetem Elements aus Feσ

σ∗2 σ∗1

σF

Abb. 8.3 Be- und Entlastung bei plastischem Verhalten

 σ

Zug

2σF0

σF0 = σF

 σDruck F

Abb. 8.4 Belastungsumkehr

3

Johann Bauschinger (1834-1893), Mathematiker und Bautechniker, Werkstoffpr¨ufung

8.2 Plastizit¨at

271

der und Reibungselement sowie einer weiteren Feder, die dazu in Reihe geschaltet ist. Die dargestellten experimentellen Ergebnisse sind Grundlage f¨ur die Aufstellung von Materialmodellen. Dabei wird zun¨achst nur homogenes und isotropes Werkstoffverhalten einbezogen. Die Experimente sowie Anwendungsaspekte lassen unterschiedliche Approximationen sinnvoll erscheinen. Das einfachste Modell der Plastizit¨at ist das ideal-plastische (auch perfekt-plastische) Material. Dieses ist wie folgt beschreibbar ε = 0, σ < σF : σ = σF : ε→∞ Bis zum Erreichen eines Grenzwertes der Spannungen treten keine Dehnungen auf, wird dieser Grenzwert erreicht, nehmen die Dehnungen uneingeschr¨ankt zu. Der Grenzwert der Spannungen wird in der kontinuumsmechanisch orientierten Literatur als Fließspannung bezeichnet. Seine experimentelle Identifikation ist allerdings mit Schwierigkeiten verbunden. Das ideal-plastische Modell vernachl¨assigt jegliche elastische Dehnungen (die bei jedem Material auftreten) und ber¨ucksichtigt nicht die Tatsache, dass Verfestigung, Entfestigung sowie Bruch bei realen Materialien auftreten. Das Spannungs-Dehnungsverhalten f¨ur das ideal-plastische Materialverhalten ist in Abb. 8.5 a) dargestellt. Erweiterungen des einfachsten plastischen Modells sind prinzipiell in zwei Richtungen m¨oglich: Ber¨ucksichtigung der Verfestigung, der Entfestigung sowie des Bruchs und Einbeziehung des elastischen Anfangsstadiums. Letzteres ist besonders einfach als linear-elastisches-ideal-plastisches Modell m¨oglich σ < σF : σ = σF :

ε = σ/E ε→∞

Damit l¨asst sich das reale Spannungs-Dehnungsdiagramm durch zwei lineare Abschnitte approximieren. Das Spannungs-Dehnungsverhalten f¨ur das linear-elastischplastische Materialverhalten ist in Abb. 8.5 b) dargestellt. F¨ur die Verfestigung ist

Abb. 8.5 Verschiedene Idealisierungen plastischen Materialverhaltens: a) (starr) ideal-plastisches Materialverhalten, b) linear-elastisch-idealplastisches Materialverhalten, c) plastisches Materialverhalten mit Verfestigung (linear, nichtlinear), d) linear-elastisch-plastisches Materialverhalten mit Verfestigung (linear, nichtlinear)

a) σ

b) σ

σF

σF

ε

ε

c) σ

d) σ

σF

σF

ε

ε

272

8 Induktiv abgeleitete Konstitutivgleichungen

zu beachten, dass zwei unterschiedliche Formen m¨oglich sind: die isotrope und die kinematische Verfestigung. Die isotrope Verfestigung ist dadurch gekennzeichnet, dass ein plastisch beanspruchtes Material nach einer Zwischenentlastung den plastischen Bereich bei einer h¨oherer Fließgrenze erreicht. Dies bedeutet, dass die Fließgrenze eine Funktion des plastischen Beanspruchungszustandes ist, d.h. σF = σF (εpl )  σF0 = const. σF0 ist die urspr¨ungliche Fließgrenze bei Erstbelastung. Die kinematische Verfestigung (Bauschinger-Effekt) entspricht der experimentellen Tatsache, dass nach Plastifizierung im Zugbereich, vollst¨andiger Entlastung und anschließender Druckbelastung unterschiedliche Fließgrenzen bei Zug und Druck auftreten. Diese Aussage wird durch das Experiment best¨atigt und f¨uhrt zun¨achst zu Zug

σF

= |σDruck | F

bzw.

Zug

σF − |σDruck | = 2σF0 = const. F

Die Verfestigungsmodelle selbst k¨onnen noch linear bzw. nichtlinear sein. Außerdem kann jedes plastische Modell mit Verfestigung mit den elastischen Anfangsdehnungen in Verbindung gebracht werden. Beispiele f¨ur das SpannungsDehnungsverhalten bei unterschiedlichen Verfestigungsmodellen sind in Abb. 8.5 c) und d) dargestellt. Neben diesen Modellen, die sich durch abschnittsweise lineare (nichtlineare) Formulierungen mit singul¨aren Punkten auszeichnen, sind auch stetige nichtlineare Funktionen ohne singul¨are Punkte zur Beschreibung eines elastischplastischen Materialverhaltens u¨ blich. Die bekannteste Formulierung stammt von Ramberg4 und Osgood

σ m σ ε = +k E E Sie enth¨alt drei materialspezifische Kennwerte E, k, m. Eine mehrachsige Verallgemeinerung einfacher Konstitutivgleichungen unter Einschluss der Plastizit¨at ist mit zwei Problemen verbunden: es m¨ussen SpannungsVerzerrungsbeziehungen f¨ur alle Koordinaten der entsprechenden Tensoren sowie eine Fließfunktion eingef¨uhrt werden. Ob ein Material sich im plastischen Zustand befindet, ist vom Erreichen der Fließgrenze abh¨angig. Bei einachsigen Beanspruchungen kann eine einfache Zuordnung des einzigen Spannungswertes zu einer Fließgrenze aus einem Experiment vorgenommen werden. Im Falle eines mehr¨ achsigen Spannungszustandes ist der Ubergang zum Spannungstensor zwingend. Dadurch wird die Festlegung geeigneter Fließgrenzen erschwert. Eine Zuordnung von unterschiedlichen Fließgrenzen zu den verschiedenen Tensorkomponenten ist keine geeignete L¨osung, da dann unendlich viele Versuche f¨ur alle denkbaren Beanspruchungszust¨ande notwendig w¨aren. Ein Ausweg stellt das ingenieurm¨aßige ¨ Konzept u¨ ber die Aquivalenz von einachsigen und mehrachsigen Zust¨anden dar. ¨ F¨ur eine solche Aquivalenz gibt es keine allgemeing¨ultigen Aussagen, jedoch kann ¨ man f¨ur bestimmte Materialien und Beanspruchungszust¨ande verschiedene Aquiva¨ lenzhypothesen aufstellen. Die Aquivalenzaussagen k¨onnen dabei f¨ur Spannungen, 4

Walter Gustave Charles Ramberg (1904-1985), Physiker, Werkstoffpr¨ufung

8.2 Plastizit¨at

273

Verzerrungen und f¨ur energetische Aussagen getroffen werden. Bei den nachfolgenden Ausf¨uhrungen erfolgt eine Beschr¨ankung auf Spannungen und auf energetische Aussagen. Somit wird beispielsweise einer Fließgrenze (skalarwertig) eine skalarwertige Funktion des Spannungszustandes zugeordnet. Beschr¨ankt man sich zun¨achst auf isotrope Materialien, ist diese Funktion des Spannungszustandes eine Funktion der Invarianten des Spannungstensors. Meist sind weitere Vereinfachungen m¨oglich. Beispielsweise basiert die Hypothese von Huber5-von Mises6 -Hencky auf der ausschließlichen Einbeziehung der 2. Invarianten des Spannungsdeviators. Es gilt  3 D D 1 σ  σF mit σ D = σ − σ ·· σ ·· ··II I (8.14) ··σ σVergleich = 2 3 ¨ σVergleich ist die Vergleichsspannung7. Entsprechend diesem Modell wird der Ubergang des Materials in den plastischen Zustand als Erreichen einer Grenzfl¨ache im Spannungsraum definiert, wobei im Falle des speziellen Kriteriums die Fl¨ache durch die 2. Invariante des Spannungsdeviators und einen Materialkennwert (Fließgrenze aus dem Zugversuch) bestimmt wird. Setzt man jetzt ideal-plastisches Materialverhalten voraus, sind Spannungszust¨ande, die zu Punkten innerhalb der Grenzfl¨ache f¨uhren, mit verzerrungsfreien Zust¨anden gekoppelt. Wird in einem Punkt die Grenzfl¨ache erreicht, erh¨alt man uneingeschr¨anktes Fließen, welches mit einer uneingeschr¨ankten Zunahme der Verzerrungen verbunden ist. Wird weiterhin die Fließgrenze als konstant gegen¨uber dem Beanspruchungszustand angesehen, tritt keine Verfestigung ein. Eine Erweiterung auf linear-elastisches-ideal-plastisches Materialverhalten hat lediglich die Konsequenz, dass Spannungszust¨ande innerhalb der Fließfl¨ache linear-elastische Verzerrungen zugeordnet werden. Weitere Hypothesen zur ¨ Aquivalenz sind denkbar und k¨onnen der erg¨anzenden Literatur entnommen werden. Die Spannungs-Verzerrungsbeziehungen f¨ur plastisches Materialverhalten k¨onnen mit Hilfe der Deformationstheorie8 nach Hencky-Ilyushin9 oder nach der Fließtheorie in den Varianten von von Mises-L´evy10 bzw. Prandtl11 -Reuss12 abgeleitet werden. Die Deformationstheorie verkn¨upft die Spannungen und die Verzerrungen 5

Tytus Maksymilian Huber (1872-1950), Maschinenbauer, Fließfunktion Richard Edler von Mises (1883-1953), Mathematiker, Hydrodynamik, Plastizit¨atstheorie, Gr¨under der Zeitschrift f¨ur Angewandte Mathematik und Mechanik 7 Es gibt zahlreiche Vergleichsspannungshypothesen, die alle auf Hypothesen zu den Belastungszust¨anden, dem Werkstoffverhalten u.a.m. beruhen. N¨aheres kann man u.a. in [1; 2; 3] nachlesen. 8 Die Theorie geht auf Hencky zur¨ uck. Dieser kam in den 30er Jahren bei seinem Sowjetunionaufenthalt mit Ilyushin zusammen, der sp¨ater angab, dass er durch Hencky beeinflusst wurde. Bez¨uglich der Deformationsthorie und dem Beitrag von Hencky kann man u.a. in [6; 7; 8]. 9 Alexey Antonovich Ilyushin (1911-1998), Festk¨ orpermechanik, Plastizit¨atstheorie 10 Maurice L´ evy (1838-1910), Mathematiker, Physiker und Ingenieur, Mathematische Elastizit¨atstheorie 11 Ludwig Prandtl (1875-1953), Physiker, Str¨ omungslehre, Plastizit¨atstheorie 12 Endre Reuss (1900-1968), Maschinenbauingenieur, Plastizit¨ atstheorie 6

274

8 Induktiv abgeleitete Konstitutivgleichungen

direkt, nach der Fließtheorie werden die Inkremente der Verzerrungen einbezogen. ¨ F¨ur bestimmte Situationen l¨asst sich eine Ubereinstimmung der Fließtheorie und der Deformationstheorie zeigen. Aufgrund der gr¨oßeren Anwendungsbreite wird hier nachfolgend nur auf die Fließtheorie eingangen. Die Grundannahmen der Fließtheorie beruhen auf der Aussage zur Verkn¨upfung der Spannungen mit den Geschwindigkeiten der Verzerrungen und dem 1. Axiom der Rheologie (Volumenverzerrungen sind rein elastisch). Damit erh¨alt man pl

σD ε˙ D = λσ

1 ··II I mit ε D = ε − ε ·· 3

(8.15)

Die Gl. (8.15) gilt ausschließlich f¨ur kleine Verzerrungen und el

pl

ε D = εD + εD el

Dabei ist der Sonderfall εD = 0 eingeschlossen. Dieser beschreibt den aktiven Prozess (Belastung) und folgt aus dem Drucker’schen13 Stabilit¨atspostulat Drucker’sches Stabilit¨atspostulat: Von allen plastischen Spannungszust¨anden, f¨ur die die Fließbedingung erf¨ullt ist, u¨ berf¨uhrt nur der wirkliche Spannungszustand die plastische Arbeit in einen Extremwert.

Daraus folgt das assoziierte Fließgesetz pl

ε˙ D = λ

∂Ω σ ∂σ

(8.16)

σ , σF ) ist die Fließfl¨ache. Ω = Ω(σ Mit der Fließbedingung (8.14) folgt dann (8.15). Multipliziert man Gl. (8.15) mit sich selbst und beachtet die Fließbedingung (8.14) und einen analogen Ausdruck f¨ur die Geschwindigkeit der Vergleichsdehnung  2 Dpl Dpl pl ε˙ ·· ε˙ , ε˙ Vergleich = ε˙ = 3 ergibt sich f¨ur den unbekannten Faktor λ der folgende Term λ=

3 ε˙ pl 2 σF

Um weitere F¨alle des plastischen Verhaltens zu behandeln, wird die Fließtheorie nachfolgend modifiziert. In Analogie zum einachsigen Experiment geht man davon aus, dass bei Erreichen der Fließfl¨ache Ω eine Plastifizierung m¨oglich ist. Setzt man weiter voraus, dass das Material ideal-plastisch ist, wird ein weiterer Zuwachs ausgeschlossen. W¨ahrend der plastischen Verzerrungen gilt Ω = 0. Eine Situation, die mit dΩ < 0 verbunden ist, entspricht dann einer Entlastung. Damit kann man folgende Zusammenfassung geben: 13

Daniel Charles Drucker (1918-2001), Angewandte Mechanik, Plastizit¨atstheorie

8.2 Plastizit¨at

Ω σF : ε˙ D = N(σ

σD ) − σF ]σ σD σ˙ D [N(σ + D 2G σ ) 2ηN(σ

L¨osung zur Aufgabe 9.2. Modell a): Dieses Modell besteht aus einer Reihenschaltung eines elastischen Elements mit einer Parallelschaltung, die ihrerseits aus einem elastischen und einem viskosen Element besteht. Damit gilt: D D εD εD εD εD = εD 1 +ε 2 = ε 1 +ε 3, 2/3 = ε 1 +ε D D σD σ D = σD 1 = σ 2/3 = σ 2 +σ 3

In diese Gleichungen sind die in Abb. 9.7 a) dargestellten Konstitutivgleichungen einzuarbeiten. Dabei erh¨alt man zun¨achst a D a D σD = σ D 2/3 = 2G2 ε 2/3 + 2η ε˙ 2/3 ,

und es folgt D D εD εD 1 =ε − 2/3 = ε −ε

σD σD 1 D a =ε − 2G1 2Ga 1

Fasst man die Teilergebnisse zusammen und formt die Endgleichung so um, dass bei σ D der Faktor 1 steht, erh¨alt man σD +

ηa σ˙ D a G1 + Ga 2

=

a 2Ga 2ηa Ga 2 G1 1 D ε˙ D a aε + a G1 + G2 G1 + Ga 2

Modell b): Dieses Modell besteht aus einer Reihenschaltung eines elastischen Elements und eines viskosen Elements, die parallel zu einem weiteren elastischen Element liegt. Damit gilt: D D εD εD = εD 1 = ε 2/3 = ε 2 +ε 3, D D σD σD σD σD = σD 1 +σ 2 = σ 1 +σ 3 2/3 = σ 1 +σ

In diese Gleichungen sind die in Abb. 9.7 b) dargestellten Konstitutivgleichungen einzuarbeiten. Es gilt D D ε˙ D 2/3 = ε˙ 2 + ε˙ 3 =

σ˙ D σD σ˙ D σD 2/3 2/3 2 3 D + = + = ε˙ D 1 = ε˙ b b b 2G2 2η 2G2 2ηb

Andererseits gilt D σD σD 1 2/3 = σ −σ

Fasst man wiederum die Teilergebnisse zusammen und formt die Endgleichung so um, dass bei σ D der Faktor 1 steht, erh¨alt man

302

9 Methode der rheologischen Modelle



ηb Gb 1 D b σ + b σ˙ D = 2Gb ε + 2η 1 + 1 G2 Gb 2



D

ε˙ D

Beide Modelle lassen sich durch Konstitutivgleichungen beschreiben. Durch einfachen Koeffizientenvergleich erh¨alt man die Bedingungen f¨ur die vollst¨andige me¨ chanische Aquivalenz beider Modelle. Allgemein lautet damit die Gleichung f¨ur den viskoelastischen Standardk¨orper σ D + nσ˙ D = HεεD + E˙ε D mit H als Langzeitschubmodul, E als momentanen Schubmodul und n als Relaxationszeit. F¨ur die einzelnen Modelle lassen sich diese Gr¨oßen wie in Tabelle 9.1 angeben. Die Koeffizienten der Konstitutivgleichung lassen sich einfach interpretieren: Bei sehr langsamen Prozessen sind die Zeitableitungen vernachl¨assigbar und man erh¨alt das Hooke’sche Gesetz f¨ur die Deviatoren mit dem Langzeitmodul. Bei schnellen Prozessen sind die Zeitableitungen dominant und das elastische Verhalten ist durch seinen Momentanzustand gekennzeichnet. Die Relaxationszeit ist ein Maß f¨ur die Erholung des Materials. H

E

n

Modell a)

a 2Ga 2 G1 a G1 + Ga 2

2ηa Ga 1 a Ga 1 + G2

a Ga 1 + G2

Modell b)

2Gb 1

Kenngr¨oße Tabelle 9.1 Beziehung zwischen den Kenngr¨oßen f¨ur zwei rheologische Schaltungen

 2η

b

Gb 1 + 1b G2

ηa



ηb Gb 2

L¨osung zur Aufgabe 9.3. F¨ur das Kelvin-Voigt-Modell sind die beobachtbaren Verzerrungen die Komponenten des Tensors der Gesamtverzerrungen ε . Spaltet man σ in einen elastischen Anteil σ el und einen inelastischen Anteil σ inel auf, folgt σinel σ = σ el +σ Multipliziert man diese Gleichung mit ε˙ , erh¨alt man die Spannungsleistung   σinel ·· ε˙ P = σ ·· ε˙ = σ el +σ mit einem reversiblen und einem dissipativen Anteil. F¨uhrt man die Verzerrungsenergie eines anisotropen linear-elastischen Materials in der Form 1 ··εε ρf = ε ·· (4)E ·· 2 ein, folgt die elastische Spannung zu

9.5 L¨osungen

303

σ el =(4) E ·· ··εε Die inelastischen Spannungen k¨onnen aus einem Dissipationspotential berechnet werden ∂χ σ inel = ∂˙ε Postuliert man dieses als positiv definite quadratische Form 1 χ = χ(˙ε ) = ε˙ ·· (4)H ·· ε˙ , 2 erh¨alt man

σ inel =(4) H ·· ε˙

Addiert man beide Spannungsanteile, folgen die allgemeinen Spannungs-Verzerrungsbeziehungen σinel =(4) E ·· ··εε +(4) H ·· ε˙ σ = σ el +σ Im Falle isotropen Materialverhaltens vereinfacht sich diese Gleichung σ = λ(II ·· ··εε)II + 2μεε + λv (II ·· ε˙ )II + 2μvε˙ Nach dem 1. Axiom der Rheologie sind die Volumen¨anderungen rein elastisch, d.h. λv = 0. Damit gilt abschließend σ = λ(II ·· ··εε)II + 2(μεε + μvε˙ ) L¨osung zur Aufgabe 9.4. Das entsprechende Modell (auch als verallgemeinertes Kelvin-Voigt-Modell bezeichnet) wird durch folgende Gleichungen beschrieben: • Konstitutivgleichungen der kten Parallelschaltung D D σD k = 2Gkε k + 2ηkε˙ k ,

k = 1, . . ., n

• Reihenschaltung der n Parallelschaltungen D D σD = σD 1 = · · · = σk = · · · = σn,

εD εD εD = εD n 1 + . . . +ε k + . . . +ε Eine Analyse dieser Gleichungen ist bei Anfangsbedingungen gleich Null besonders einfach. Dazu werden alle Gleichungen mit Hilfe der Laplace-Transformation umgeformt. Beispielsweise gilt dann ∞ 

σ = D

e−ptσ D (t)dt

0

Damit kann man die Konstitutivgleichung f¨ur die kte Parallelschaltung nach dem transformierten Verzerrungsdeviator aufl¨osen

304

9 Methode der rheologischen Modelle

εD k =

1 σD 2Gk (1 + Tk p)

Dabei ist Tk = ηk /Gk die Relaxationszeit des kten Elements. Das Aufsummieren der Verzerrungsdeviatoren f¨uhrt damit auf εD =

n  k=1

σD 2Gk (1 + Tk p)

F¨ur praktische Anwendungen ist diese Gleichung vom Raum der Laplace-Variablen p in den Originalraum r¨uckzutransformieren. Dies soll jedoch nicht Gegenstand der Diskussionen in diesem Buch sein.

Literaturverzeichnis 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.

Chen WF, Han DJ (1988) Plasticity for Structural Engineers. Springer, Berlin Giesekus H (1994) Ph¨anomenologische Rheologie: eine Einf¨uhrung. Springer, Berlin Kaliszky S (1984) Plastizit¨atslehre. VDI-Verlag, D¨usseldorf Krawietz A (1986) Materialtheorie. Springer, Berlin Palmov VA (1998) Vibrations of Elasto-plastic Bodies. Foundations of Engineering Mechanics, Springer, Berlin Reiner M (1968) Rheologie. Fachbuchverlag, Leipzig Tanner RI (1985) Engineering Rheology. Claredon, Oxford Yu MH, Ma GW, Qiang HF, Zhang YQ (2006) Generalized Plasticity. Springer, Berlin Zyczkowski M (1981) Combined Loadings in the Theory of Plasticity. PWN, Warszawa

Teil IV

Anfangs-Randwertprobleme der Kontinuumsmechanik

Mit den Bilanzgleichungen und den Konstitutivgleichungen k¨onnen die allgemeinen Feldgleichungen abgeleitet und Anfangs-Randwertaufgaben formuliert werden. Dies erfolgt zweckm¨aßig im Rahmen der durch die Konstitutivgleichungen gegebenen Modellklassen. Nachfolgend wird die Vorgehensweise beispielhaft f¨ur linear elastische Festk¨orper und linear viskose Fluide erl¨autert. Die mit den Namen Navier-Cauchy, Beltrami, Duhamel und Navier-Stokes verbundenen Grundgleichungen der linearen Elastizit¨atstheorie, der linearen Thermoelastizit¨atstheorie und der linearen Theorie Newton’scher Fluide haben f¨ur technische Anwendungen besondere Bedeutung. Im Kap. 10 werden zun¨achst die allgemeinen Grundgleichungen nochmals zusammengestellt. Es gibt dann in der Elastizit¨atstheorie zwei M¨oglichkeiten die Grundgleichungen zusammenzufassen: • in den Verschiebungen und • in den Spannungen Im Anschluss daran werden die Randbedingungen aus mathematischer Sicht diskutiert. Den Abschluss bilden die Gleichungen der linearen Thermoelastizit¨at. Kapitel 11 stellt gleichfalls zun¨achst die Grundgleichungen zusammen. Im Gegensatz zur Elastizit¨at treten jetzt an Stelle der Verschiebungen die Geschwindigkeiten auf. Außerdem steht die Kontinuit¨atsgleichung im Fokus. Den Abschluss des Kapitels bilden ausgew¨ahlte L¨osungsm¨oglichkeiten.

Kapitel 10

Grundgleichungen der linearen Elastizit¨atstheorie

Zusammenfassung In der linearen Elastizit¨atstheorie gibt es keine Unterscheidung von Lagrange’scher und Euler’scher Darstellung. Die Grundgleichungen werden als Feldgleichungen in Abh¨angigkeit vom r¨aumlichen Positionsvektor x formuliert. Es gelten generell die linearisierten kinematischen Gleichungen, und es wird hier isotropes Materialverhalten vorausgesetzt. In Anlehnung an die in der IngenieurA∗ ≡ ε werden der Spannungs- und der literatur u¨ blichen Bezeichnungen T ≡ σ ,A Verzerrungstensor mit σ und ε bezeichnet. Es gilt weiterhin ∇x = ∇a ≡ ∇ . Ausgangspunkt f¨ur die allgemeinen Gleichungen der Thermoelastizit¨at sind die im Abschn. 10.3 formulierten thermoelastischen Konstitutivgleichungen. Die Thermoelastizit¨at betrachtet die innere Energie eines K¨orpers als Funktion der Deformation und der Temperatur. Deformationen und Temperatur¨anderungen sind stets miteinander verbunden. Folglich verallgemeinert die Thermoelastizit¨at damit die klassische Theorie der W¨armespannungen, die die Temperaturverteilung in einem K¨orper mit Hilfe der ungekoppelten Fourier’schen W¨armeleitungsgleichungen ermittelt und dann die W¨armespannungen f¨ur ein bekanntes Temperaturfeld angibt, aber auch die klassische Elastodynamik, die Bewegungen stets als adiabat voraussetzt, d.h. W¨arme¨anderungen laufen so langsam ab, dass sie keine Tr¨agheitskr¨afte wecken.

10.1 Feldgleichungen der Elastizit¨atstheorie Die Ableitung der Feldgleichungen der Elastizit¨atstheorie erfolgt zun¨achst f¨ur die rein mechanischen Gleichungen, die Grundgleichungen der Thermoelastizit¨at werden im Abschn. 10.3 erg¨anzend behandelt. Bei Beschr¨ankung auf linear-elastisches isotropes Materialverhalten und kleine Verzerrungen sowie kleine Verformungen basieren die weiteren Ableitungen auf den folgenden Gleichungen • Cauchy-Euler’sche Bewegungsgleichungen σ + ρk k = ρu¨ , ∇ ·σ

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2018 H. Altenbach, Kontinuumsmechanik, https://doi.org/10.1007/978-3-662-57504-8_10

σ = σT

307

308

10 Grundgleichungen der linearen Elastizit¨atstheorie

• Linearisierte Verzerrungs-Verschiebungsgleichungen ε=

1 ∇u )T ∇u + (∇ 2

• Linearisierte Konstitutivgleichungen (Hooke’sches Gesetz)   ν (εε ·· ··II)II +εε σ = λ(εε ·· ··II)II + 2μεε = 2G 1 − 2ν oder nach ε aufgel¨ost     λ 1 ν 1 σ ·· σ ·· σ− (σ ··II)II = σ− (σ ··II)II ε= 2μ 3λ + 2μ 2G 1+ν Ber¨ucksichtigt man die Symmetrie des Spannungstensors σ verbleiben als Unbekannte 6 Spannungs-, 6 Verzerrungs- und 3 Verschiebungskoordinatenfunktionen. F¨ur die 15 Unbekannten stehen genau 15 Gleichungen zur Verf¨ugung, d.h. das System ist bestimmt. Die weiteren Ausf¨uhrungen beruhen haupts¨achlich auf [1; 2; 3; 4; 6; 7; 8; 9].

10.1.1 Darstellung in den Verschiebungen Man kann die 15 Gleichungen entweder nach den Verschiebungen oder nach den Spannungen aufl¨osen. Im ersten Fall setzt man das Hooke’sche Gesetz in die erste Bewegungsgleichung ein und erh¨alt k ρu¨ = ∇ · [λ(εε ·· ··II)II + 2μεε] + ρk ∇ ·u u)II +εε] + ρk k = ∇ · [λ(∇    ν ∇ ·u u)II + 2μεε + ρk k (∇ = ∇ · 2G 1 − 2ν u ber¨ucksichtigt. Da ferner f¨ur jeden Dabei wurde die Beziehung ε ·· ··II = Spεε = ∇ ·u x) ist eine beliebige, differenzierbare, skalare Tensor 2. Stufe der Form T = ΦII (Φ(x Feldfunktion), gilt ∇ ·TT = ∇ · (ΦII) = ∇ Φ, ∇ ·u u) auch folgt mit Φ ≡ (λ∇ ∇ ·u u)II] = ∇ (λ∇ ∇ ·u u) ∇ · [(λ∇ und man erh¨alt x )u¨ (x x, t) = ∇ [λ(x x)∇ ∇ ·u u(x x, t)] ρ(x

x) ∇u (x x, t) + (∇ ∇u (x x)k k (x x, t) (10.1) x, t))T + ρ(x + ∇ · μ(x

10.1 Feldgleichungen der Elastizit¨atstheorie

309

F¨ur homogene, linear elastische K¨orper vereinfacht sich die partielle Differentialgleichung f¨ur den Verschiebungsvektor wegen der Konstanz von ρ, λ und μ. Mit ∇ ·εε = ∇ ·



1 1 ∇(∇ ∇ ·u u) ∇u )T = ∇ 2u +∇ ∇u + (∇ 2 2

gilt dann x, t) = (λ + μ)∇ ∇[∇ ∇ ·u u(x x, t)] + μ∇ ∇2u (x x, t) + ρk k(x x, t) ρu¨ (x

(10.2)

oder x, t) = (λ + 2μ)∇ ∇[∇ ∇ ·u u(x x, t)] − μ∇ ∇ × ∇ × u(x x, t) + ρk k(x x, t) ρu¨ (x

(10.3)

Dabei wurden die Identit¨aten ∇ ·u u) −∇ ∇ × ∇ × u, ∇ 2u = ∇ (∇ ∇u )T = ∇ (∇ ∇ ·u u), ∇ · (∇ ∇u u = Δu u ∇ ·∇ = ∇ 2 ·u ber¨ucksichtigt. Zusammenfassend werden die Navier-Cauchy’schen Gleichungen der linearen Elastizit¨atstheorie sowohl mit den Lam´e’schen Konstanten λ und μ und unter Beachtung der Gleichungen ν=

λ , 2(λ + μ)

E=

μ(3λ + 2μ) , λ+μ

G=μ

mit den elastischen Moduli E, G und der Querkontraktionszahl ν formuliert. Elastodynamik ∇(∇ ∇ ·u u) + μ∇ ∇2u + ρk k = ρu¨ , (λ + μ)∇   1 ∇ ·u u) +∇ ∇2u + ρk k = ρu¨ ∇ (∇ G 1 − 2ν

Elastostatik

k = 0, ∇(∇ ∇ ·u u) + μ∇ ∇2u + ρk (λ + μ)∇   1 ∇ ·u u) +∇ ∇2u + ρk k =0 G ∇ (∇ 1 − 2ν

310

10 Grundgleichungen der linearen Elastizit¨atstheorie

In Indexschreibweise lauten die Navier-Cauchy’schen Gleichungen Elastodynamik (λ + μ)uj,ij + μui,jj + ρki = ρu¨ i ,   1 uj,ij + ui,jj + ρki = ρu¨ i G 1 − 2ν

Elastostatik (λ + μ)uj,ij + μui,jj + ρki = 0,   1 uj,ij + ui,jj + ρki = 0 G 1 − 2ν F¨ur fehlende Volumenkr¨afte wird die elastostatische Aufgabe homogen und man erh¨alt ∇ 2u +

λ+μ ∇ ·u u) = 0 , ∇ (∇ μ

∇ 2u +

1 ∇ ·u u) = 0 ∇ (∇ 1 − 2ν

(10.4)

Durch Divergenzbildung folgt dann mit ∇2 = ∇ 2∇ ·u u, ∇ ·∇

∇(∇ ∇ ·u u) = ∇ 2∇ ·u u ∇ ·∇

u = Spεε = I1 (εε ) (Volumendehnung) und ∇ ·u u = 0 oder ∇ 2 I1 (εε ) = 0 ∇ 2∇ ·u

(10.5)

Statt in der symbolischen oder der indizierten Schreibweise werden die Elastizit¨atsgleichungen h¨aufig auch in speziellen Koordinaten angegeben. So erh¨alt man als Beispiel mit ∂2 Δ≡ ∂xi ∂xi eine sehr kompakte Darstellung der elastostatischen Gleichungen in kartesischen Koordinaten   ∂2 1 − 2ν (1 − 2ν)δijΔ + ρki = 0 uj + (10.6) ∂xi ∂xj G

10.1.2 Darstellung in den Spannungen F¨ur die Aufl¨osung der Gleichungen nach den Spannungen bietet sich folgender Weg an. Ausgangspunkt sind die Kompatibilit¨atsbedingungen f¨ur den linearen Verzer-

10.1 Feldgleichungen der Elastizit¨atstheorie

311

rungstensor, die bereits von Saint-Venant (1864) aufgestellt wurden, und die die Vertr¨aglichkeit zwischen den Koordinaten des Verschiebungsvektors und des Verzerrungstensors, d.h. die Integrabilit¨at der Verzerrungs-Verschiebungsgradientengleichung, und damit ein eindeutiges stetiges Verschiebungsfeld gew¨ahrleisten ∇ × ε )T = 0 , ∇ × (∇

(10.7)

d.h. εijk εlmn εjm,kn = 0 bzw. εjm,kn + εkn,jm − εkm,jn − εjn,km = 0 Das Einsetzen des Hooke’schen Gesetzes f¨ur ε ergibt T   1 ν σ ·· (σ ··II)II ∇× ∇× =0 σ− 2G 1+ν

(10.8)

Betrachtet man im Folgenden nur den homogenen, isotropen elastostatischen Fall, σ ·· σ ) und ∇ ·σ σ + ρk k =0 ··II = I1 (σ erh¨alt man mit ∇ × ∇ × σ = ∇ 2σ ,σ ∇ 2σ +

1 νρ kI = 0 σ ) + ρ∇ ∇k + ρ(∇ ∇k )T + ∇∇ I1 (σ ∇ ·k 1+ν 1−ν

bzw. σij,kk +

1 νρ σkk,ij + ρ(ki,j + kj,i ) + kk,k δij = 0 1+ν 1−ν

F¨ur verschwindende Volumenkr¨afte vereinfachen sich diese Gleichungen zu ∇ 2σ +

1 σ) = 0 ∇∇ I1 (σ 1+ν

bzw. σij,kk +

1 σkk,ij = 0 1+ν

Die homogenen Gleichungen wurden 1892 von Beltrami1 , die inhomogenen Gleichungen 1900 von Michell2 angegeben. Die Erweiterung der Beltrami-MichellGleichungen auf die Elastodynamik bereitet keine Schwierigkeiten. Schreibt man die homogenen Gleichungen in kartesischen Koordinaten, erh¨alt man σ) 1 ∂2 I1 (σ Δσij + =0 (10.9) 1 + ν ∂xi ∂xj 1

Eugenio Beltrami (1835-1900), Mathematiker, Thermodynamik, Elastizit¨atstheorie, Potentialtheorie 2 John Henry Michell (1863-1940), Mathematiker, Elastizit¨ atstheorie

312

10 Grundgleichungen der linearen Elastizit¨atstheorie

σ ) = (3λ + 2μ)I1 (εε ) folgt auch ∇ 2 I1 (σ σ ) = 0 und damit Aus ∇ 2 I1 (εε ) = 0 und I1 (σ 4 4 σ = 0 , ∇ ε ≡ ΔΔεε = 0 . auch ∇ σ ≡ ΔΔσ Schlussfolgerung 10.1. F¨ur fehlende oder konstante Massenkr¨afte k erf¨ullen die σ ) und I1 (εε ) die Potentialgleichung (Laplace-Gleichung) Invarianten I1 (σ ∇ 2 I1 ≡ ΔI1 = 0 und der Spannungstensor sowie der Verzerrungstensor die Bipotentialgleichung (biharmonische Gleichung) σ = 0, ∇ 4σ ≡ ΔΔσ 4 ∇ ε ≡ ΔΔεε = 0

10.2 Anfangs- und Randbedingungen Die allgemeinen Feldgleichungen m¨ussen noch durch Anfangs- und Randbedingungen erg¨anzt werden: • Anfangswertaufgabe - die Anfangsbedingungen werden im Allgemeinen in den Verschiebungen und den Geschwindigkeiten formuliert x), x, t0 ) = u 0 (x u (x x, t0 ) ≡ v (x x, t0 ) = v 0 (x x) u˙ (x f¨ur alle x ∈ K. Bei den Randbedingungen sind folgende F¨alle aus der Sicht der Mathematik zu unterscheiden • erste Randwertaufgabe - nur Oberfl¨achenverschiebungen sind vorgegeben x, t) = u 0 (x x, t) u (x f¨ur alle x ∈ A. Diese Randbedingung wird auch als Dirichlet’sche3 Randbedingung bezeichnet. • zweite Randwertaufgabe - nur Oberfl¨achenkr¨afte sind vorgegeben x, t) x, t) ≡ n (x x, t) ·σ σ(x x, t) = t 0 (x t (x f¨ur alle x ∈ A. Diese Randbedingung wird auch als Neumann’sche4 Randbedingung bezeichnet, da die Spannungen eine Funktion der Verzerrungen sind und letztere mit den ersten Ableitungen der Verschiebungen zusammenh¨angen. 3 4

Johann Peter Gustav Lejeune Dirichlet (1805-1859), Mathematiker, Analysis und Zahlentheorie Carl Gottfried Neumann (1832-1925), Mathematiker, Mathematische Physik

10.3 Lineare Thermoelastizit¨at

313

• gemischte Randwertaufgabe - eine Summe aus Oberfl¨achenverschiebungen und Oberfl¨achenkr¨aften ist vorgegeben u(x x, t) + btt(x x, t) = g 0 (x x, t) au bei vorgegebenen a, b und g 0 . Diese Randbedingung ist eine Linearkombination aus Dirichlet’scher und Neumann’scher Randbedingung und wird auch als Robin’sche5 Randbedingung bezeichnet. • Randwertaufgabe (gemischte Randwertaufgabe) x, t) = u 0 (x x, t), u (x

x ∈ A1 ,

x, t), x, t) = t 0 (x t (x

x ∈ A2

und mit A1 ∪ A2 = A oder A1 ∩ A2 = 0 Obwohl die Navier-Cauchy- und die Beltrami-Michell-Gleichungen eine recht u¨ bersichtliche Struktur haben, gibt es keine allgemeine L¨osung. Durch Einf¨uhrung geeignet gew¨ahlter Verschiebungs- oder Spannungsfunktionen gelingt es, f¨ur ausgew¨ahlte Probleme L¨osungen zu konstruieren. Klassische L¨osungen stammen von Galerkin6, Papkovich7 und Neuber8 . Wesentliche Vereinfachungen ergeben sich f¨ur rotationssymmetrische oder ebene Aufgaben. Hier¨uber existiert eine umfangreiche Spezialliteratur. Mit Hilfe leistungsf¨ahiger numerischer Verfahren, z.B. der FiniteElemente-Methode, sind bei korrekter Aufgabenstellung die Gleichungen der linearen Elastizit¨atstheorie mit vertretbarem Aufwand l¨osbar.

10.3 Lineare Thermoelastizit¨at Einfaches thermoelastisches Material ist nach Abschn. 7.2.1 nicht dissipativ. Aus Gl. (5.110) ˙ =0 φ = σ ·· ε˙ − ρ(f˙ + sθ) und dem 1. Hauptsatz der Thermodynamik in der Form ∇ ·h h + ρr ρu˙ = σ ·· ε˙ −∇ folgt

5

∇ ·h h + ρr θρ˙s = −∇

(10.10)

Victor Gustave Robin (1855-1897), Mathematiker, Mathematische Physik, Thermodynamik Boris Grigorjewitsch Galjorkin/Galerkin (1871-1945), Mathematiker, Numerische L¨osungsverfahren 7 Petr F. Papkovich (1887-1946), Mathematiker, Elastizit¨ atstheorie 8 Heinz Neuber (1906-1989), Mechaniker, Kerbspannungslehre 6

314

10 Grundgleichungen der linearen Elastizit¨atstheorie

∇θ und die KonstitutivEinsetzen in die lineare W¨armeleitungsgleichung h = −κ∇ gleichung f¨ur die Entropie ρs = αεε ·· ··II + c(θ − θ0 ) liefert ∇2 (θ − θ0 ) + ρr θ[α˙ε ·· ··II + c(θ − θ0)· ] = κ∇

(10.11)

Diese Gleichung ist nichtlinear. Setzt man kleine Temperatur¨anderungen voraus, kann man die Gleichung mit    θ − θ0     θ0  1 linearisieren. Es gilt dann θ ≈ θ0 und mit θ − θ0 = θ˜ folgt ∇ 2 θ˜ − bzw.

ρr cθ0 ˙˜ αθ0 ε˙ ·· ··II = − θ− κ κ κ

ρr ··II = − ∇ 2 θ˜ − aθ˙˜ − b˙ε ·· κ

mit

αθ0 cθ0 , b= , κ κ Diese Gleichung kann man wie folgt schreiben   ∂ ˜ ρr 2 x, t) − bI1 (˙ε ) = − ∇ −a θ(x ∂t κ a=

(10.12)

Damit ist die erweiterte lineare W¨armeleitungsgleichung gefunden. Sie enth¨alt den Kopplungsterm bI1 (˙ε ), der die Temperatur¨anderungen mit der Geschwindigkeit der Dilatation des K¨orpers verbindet. W¨ahrend die zweite Bewegungsgleichung, die eine Symmetrieaussage f¨ur die Spannungen vornimmt, unver¨andert bleibt, erh¨alt man die erste Bewegungsgleichung im Falle der Thermoelastizit¨at durch Verkn¨upfung der Gleichungen σ + ρk k = ρu¨ ∇ ·σ und ε=

1 ∇u )T ∇u + (∇ 2

mit der Duhamel9 -Neumann’schen Konstitutivgleichung ˜ I + 2μεε σ = [λ(εε ·· ··II) − αθ]I

(10.13)

Die Bewegungsgleichung hat dann auch ein Temperaturglied ˜ x, t) = (λ + μ)∇ x, t) + α∇ ∇θ(x ∇[∇ ∇ ·u u(x x, t)] + μ∇ ∇2u (x x, t) + ρk k(x x, t) ρu¨ (x

9

Jean-Marie Constant Duhamel (1797-1872), franz¨osischer Mathematiker und Physiker

(10.14)

10.3 Lineare Thermoelastizit¨at

315

Die beiden gekoppelten partiellen Differentialgleichungen (10.12) und (10.14) beschreiben das gekoppelte Deformations- und Temperaturfeld infolge a¨ ußerer Oberfl¨achenkr¨afte und W¨armeaustausch des K¨orpers mit seiner Umgebung sowie infolge von Volumenkr¨aften und W¨armequellen. Die Anfangs- und Randbedingungen der isothermen Gleichung der linearen Elastizit¨atstheorie sind durch Temperaturanfangs- und Temperaturrandbedingungen zu erg¨anzen: • Thermische Anfangsbedingungen ˜ x, t0 ) = θ˜ 0 (x x) x ∈ K θ(x • Thermische Randbedingungen – Temperaturwerte sind f¨ur die Oberfl¨ache gegeben (Dirichlet’sche Randbedingungen ) ˜ x, t) = θ˜ 0 (x x, t) x ∈ K θ(x – Temperaturgradienten in Richtung zur Normalen f¨ur die Oberfl¨ache sind gegeben (Neumann’sche Randbedingungen ) ˜ x, t) ∂θ˜ 0 (x x, t) ∂θ(x = n n ∂n ∂n

x ∈ K¨orper

– Gemischte Randbedingung (Robin’sche Randbedingungen )   ∂ ˜ x, t) = f(x x, t) + β θ(x α n ∂n F¨ur α = 1 stellt die gemischte Randbedingung einen freien W¨armeaustausch u¨ ber die Oberfl¨ache mit der Umgebung dar, f¨ur α = 1 und β = 0 auf O1 sowie f¨ur α = 0 und β = 1 auf O2 (O1 ∪ O2 = O) stellt die Randbedingung eine analoge Form der 3. Randbedingung f¨ur die mechanischen Gr¨oßen dar. F¨ur interessierte Leser, die weitere Randwertprobleme kennenlernen wollen, sei auf [5] verwiesen. Abschließend sind die wichtigsten Gleichungen noch einmal zusammengestellt. Instation¨are Gleichungen der Thermoelastizit¨at ˜ x, t), x, t) + ρk k(x x, t) = ρu¨ (x x, t) + α∇ ∇θ(x ∇[∇ ∇ ·u u(x x, t)] + μ∇ ∇2u (x (λ + μ)∇ ρr ∇ 2 θ˜ − aθ˙˜ − bI1(˙ε ) = − κ mit a=

cθ0 , κ

b=

αθ0 , κ

316

10 Grundgleichungen der linearen Elastizit¨atstheorie

(λ + μ)uj,ji + μui,jj + ρki = ρu¨ i + αθ˜ ,i , ρr θ˜ ,ii − aθ˙˜ − b˙εkk = − κ Station¨are Gleichungen der Thermoelastizit¨at ˜ x, t), x, t) + ρk k(x x, t) = α∇ ∇θ(x ∇[∇ ∇ ·u u(x x, t)] + μ∇ ∇2u (x (λ + μ)∇ ∇ 2 θ˜ = −

ρr , κ

(λ + μ)uj,ji + μui,jj + ρki = αθ˜ ,i , ρr θ˜ ,ii = − κ

Literaturverzeichnis 1. Becker W, Gross D (2013) Mechanik elastischer K¨orper und Strukturen. Springer, Berlin 2. Eschenauer H, Schnell W (1993) Elastizit¨atstheorie. BI-Wiss.-Verl., Mannheim 3. G¨oldner H (Hrsg) (1991) Lehrbuch h¨ohere Festigkeitslehre, Bd 1 - Grundlagen der Elastizit¨atstheorie, 3. Aufl. Fachbuchverl, Leipzig 4. Hahn HG (1985) Elastizit¨atstheorie, Leitf¨aden der angewandten Mathematik und Mechanik, Bd 62. B.G. Teubner, Stuttgart 5. Iesan D (2004) Thermoelastic Models of Continua, Solid Mechanics and Its Applications, Vol 118. Springer, Dordrecht 6. Kienzler R, Schr¨oder R (2009) Einf¨uhrung in die H¨ohere Festigkeitslehre. Springer, Berlin 7. Lai WM, Rubin D, Krempl E (2010) Introduction to Continuum Mechanics, 4th edn. Butterworth-Heinemann, Amsterdam 8. Lurie AI (2005) Theory of Elasticity. Foundations of Engineering Mechanics, Springer, Berlin 9. M¨uller WH (2011) Streifz¨uge durch die Kontinuumstheorie. Springer, Berlin, Heidelberg

Kapitel 11

Grundgleichungen linearer viskoser Fluide

Zusammenfassung Die f¨ur technische Anwendungen wichtigsten Fluidmodelle sind die Newton’schen Fluide und die reibungsfreien Fluide. Zu den Newton’schen ¨ und Gase. Die Viskosit¨at wird dabei Fluiden geh¨oren Wasser, Luft, viele Ole als unabh¨angig von der Fließgeschwindigkeit vorausgesetzt. Ausgangspunkt f¨ur die Ableitung der Navier-Stokes-Gleichung f¨ur linear-viskose isotrope Fluide und der Euler’schen Gleichungen f¨ur reibungsfreie Fluide sind die Konstitutivgleichungen nach Abschn. 7.2.2, die Cauchy-Euler’schen Bewegungsgleichungen oder die Impulsbilanzgleichung sowie die kinematischen Beziehungen zwischen dem Deformationsgeschwindigkeits- und dem Geschwindigkeitsgradienten. Die Ableitungen erfolgen hier f¨ur den isothermen Fall. Weiterf¨uhrende Diskussionen sind u.a. in [1; 2; 3; 4; 5] gegeben.

11.1 Grundgleichungen Betrachtet wird zun¨achst das thermoviskose Fluid (lineares Stoke’sches Fluid ), welches dadurch gekennzeichnet ist, dass die Deformationsgeschwindigkeit D linear eingeht. Setzt man weiter voraus, dass das Fluid bez¨uglich der Spannungen isotrop ist, gelten die Gleichungen f¨ur das isotrope inhomogene Stokes’sche Fluid in folgender Form     D I + 2μVD = −p + λV∇ ·vv I + 2μVD , (11.1) T = −p + λV SpD Dvv k, = ∇ ·TT + ρk (11.2) ρ Dt

1 ∇v )T D= (11.3) ∇v + (∇ 2 Nach Einsetzen der Konstitutivgleichung in die Bewegungsgleichung und unter Beachtung von

1 ∇(∇ ∇ ·vv) D = ∇ 2v +∇ ∇ ·D 2 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2018 H. Altenbach, Kontinuumsmechanik, https://doi.org/10.1007/978-3-662-57504-8_11

317

318

11 Grundgleichungen linearer viskoser Fluide

erh¨alt man

    Dvv ∇p +∇ ∇ λV∇ ·vv +∇ ∇ · 2μVD + ρk k = −∇ (11.4) Dt Dies ist die Navier-Stokes-Gleichung mit den inhomogenen Viskosit¨atskoeffizienten λV und μV . Diese werden auch als Lam´e’sche Viskosit¨atskoeffizienten in Analogie zu den Lam´e’schen Koeffizienten in der Elastizit¨atstheorie bezeichnet. Sie h¨angen im allgemeinen Fall von der Dichte ρ und der Temperatur θ ab. Aus der allgemeinen Gleichung (11.4) folgen zwei Sonderf¨alle der NavierStokes-Gleichung: ρ

• λV und μV sind konstant ρ

  Dvv ∇p + λV + μV ∇ (∇ k ∇ ·vv) + μV∇ 2v + ρk = −∇ Dt   V ∇ ·vv) + μV Δvv + ρk ∇p + λ + μV ∇ (∇ k = −∇

(11.5)

• Es gilt die Stokes’sche Bedingung f¨ur die konstanten Viskosit¨atskoeffizienten λV und μV : 2 λV = − μV 3λV + 2μV = 0, 3   Dvv 1 ∇p + μV ∇ 2v + ∇ (∇ ∇ ·vv) + ρk k = −∇ (11.6) ρ Dt 3 Die Kontinuit¨atsgleichung ∂ρ ∇ · (ρvv) = −∇ ∂t liefert f¨ur inkompressible Kontinua die Gleichung ∇ · v = 0. Die Navier-StokesGleichung (11.4) vereinfacht sich damit f¨ur Inkompressibilit¨at und inhomogene Viskosit¨atskoeffizienten ρ

  Dvv ∇p +∇ ∇ · 2μVD + ρk k = −∇ Dt



∇p +∇ ∇ · μV ∇v + (∇ ∇v)T = −∇



k + ρk

(11.7)

und f¨ur den 1. und 2. Sonderfall auf ρ

Dvv ∇p + μV∇ 2v + ρk k = −∇ Dt ∇p + μV Δvv + ρk k = −∇

(11.8)

Die Navier-Stokes-Gleichung l¨asst eine anschauliche physikalische Interpretation zu. Sie bilanziert f¨ur ein Fluidpartikel die Tr¨agheitskr¨afte mit den Druckgradientenkr¨aften, den viskosen (dissipativen) Kr¨aften und den Volumenkr¨aften. Die bisher angef¨uhrten Gleichungen gelten bei variabler Dichte. Alternative Darstellungen sind f¨ur den Fall konstanter Dichte bekannt, sollen jedoch hier nicht diskutiert werden.

11.1 Grundgleichungen

319

F¨ur reibungsfreie Fluide verschwindet noch der Term μV∇ 2v und die NavierStokes-Gleichung geht in die Euler’sche Gleichung u¨ ber ρ

Dvv ∇p + ρk k = −∇ Dt

(11.9)

Alternativ wird in der Literatur auch 1 ∂vv ∇v + ∇ p = 0 +vv ·∇ ∂t ρ

(11.10)

k ignoriert wird. angegeben, wobei die Volumenkraft ρk F¨ur nichtisotherme Str¨omungen wird noch die Energiebilanzgleichung dem Materialmodell Newton’sches Fluid angepasst. Mit der linearen Gleichung   T V = λV∇ ·vv I + 2μVD f¨ur den Reibspannungstensor und der linearen W¨armeleitungsgleichung ∇θ h = −κ∇ erh¨alt man f¨ur die Energiebilanz ρ

Du D −∇ ∇ ·h h + ρr = T · ·D Dt 

D + κ∇ ∇2 θ + ρr = −pII +TT V ····D

(11.11)

D + λV (SpD D)2 + 2μV SpD D2 + κ∇ ∇2 θ + ρr = −pSpD Mit der Dissipationsfunktion D)2 + 2μV SpD D2 = T V ····D D φ = λV (SpD folgt die Energiebilanzgleichung in der Form ρ

Du D + φ + κ∇ ∇2 θ + ρr = −pSpD Dt

Beachtet man die Kontinuit¨atsgleichung Dρ ∇ ·vv = −ρSpD D = −ρ∇ Dt gilt auch D=− SpD und die Energiegleichung lautet

1 Dρ ρ Dt

(11.12)

320

11 Grundgleichungen linearer viskoser Fluide

ρ

Du p Dρ ∇2 θ + ρr = + φ + κ∇ Dt ρ Dt

(11.13)

F¨uhrt man weiterhin die freie Energie f = u − θs ein, kann man die Energiegleichung f¨ur Newton’sche Fluide auch in eine Entropiebilanz umformen. Aus   f = f ρ−1 , θ ,

· ∂f ∂f  ˙ f˙ = −1 ρ−1 + θ, ∂θ ∂ρ

u˙ = f˙ + sθ˙ + s˙ θ

folgt dann mit  −1 · D, ρ = ρ−1 SpD

∂f = −p, ∂ρ−1

∂f = −s ∂θ

∇2 θ + ρr ρθ˙s = φ + κ∇

(11.14)

Mit den Gln. (11.11) bis (11.14) sind unterschiedliche Formulierungen f¨ur die allgemeine W¨armeleitungsgleichung f¨ur Newton’sche Fluide gegeben. Liegt f¨ur ein Fluid eine spezielle Zustandsgleichung p = p(ρ−1 , θ) vor, kann ∂f/∂ρ−1 explizit berechnet werden und s erh¨alt man durch Integration von ∂f/∂θ f¨ur ρ−1 = const. Dies wurde z.B. f¨ur den Sonderfall des idealen Gases im Abschn. 7.2.3 erl¨autert. Fordert man die G¨ultigkeit der Stokes’schen Bedingung λV = −(2/3)μV , d.h. setzt man voraus, dass der hydrostatische Druck −p0 = (1/3)σkk und der thermodynamische Druck p(ρ−1 , θ) n¨aherungsweise gleich sind, kann man die Gleichungen f¨ur u˙ bzw. s˙ weiter vereinfachen. Es gilt dann     2 2 V 2 V V 2 ∇ ·vv)II + 2D D , D) D − (SpD φ = μ 2SpD T = μ − (∇ (11.15) 3 3 F¨ur inkompressible Newton’sche Fluide gilt immer T V = 2μVD ,

D2 φ = 2μV SpD

(11.16)

Unter Beachtung der jeweils g¨ultigen Definition f¨ur die Dissipationsfunktion φ haben die Energiebilanzgleichung und Entropiebilanzgleichung formal das gleiche Aussehen wie im allgemeinen Fall. F¨ur inkompressible Fluide kann die allgemeine W¨armeleitungsgleichung umge˙ so formt werden. Es gilt dann auch u˙ = θ˙s (Gibbs’sche1 Gleichung) und u˙ = cθ, dass man die folgende Gleichung erh¨alt ∇2 θ + ρr ρcθ˙ = φ + κ∇

(11.17)

Die genauere Ableitung und Begr¨undung kann der erg¨anzenden Literatur entnommen werden. F¨ur reibungsfreie Fluide folgt aus der Vernachl¨assigung der Reibung auch die Vernachl¨assigung der W¨armeleitung. Die Konstitutivgleichung f¨ur den W¨arme1

Josiah Willard Gibbs (1839-1903), Physiker, Tensorrechnung, Thermodynamik

11.2 L¨osungsm¨oglichkeiten

321

stromvektor h lautet dann h = 0 und da auch φ = 0 gilt, vereinfachen sich die Gln. (11.12) und (11.14) zu D; ρu˙ = −pSpD

ρθ˙s = 0

(11.18)

D=0 F¨ur reibungsfreie, inkompressible Fluide wird mit SpD ρu˙ = 0

(11.19)

11.2 L¨osungsm¨oglichkeiten Die L¨osung des Systems partieller Differentialgleichungen f¨ur Newton’sche Fluide bereitet erhebliche Schwierigkeiten. Das hat folgende Ursachen: • Die konvektiven Terme v · ∇v und v · ∇ u, v · ∇ s oder v · ∇ θ der materiellen D machen ˙ s˙ oder θ˙ und die thermoviskose Dissipation T V ····D Ableitungen v˙ und u, die Systemgleichungen nichtlinear. • Die Systemgleichungen haben eine ausgepr¨agte Kopplung. • Die Systemgleichungen enthalten infolge der Reibungsterme h¨ohere Ableitungen. Die Aufstellung vereinfachter spezieller Modellgleichungen spielt daher bei der Anwendung linearer Fluidmodelle zur L¨osung technischer Aufgaben eine wesentlich gr¨oßere Rolle als bei der Anwendung linearer Festk¨orpermodelle. Das wird bei der Durchsicht der Literatur zur Angewandten Str¨omungsmechanik und zur Angewandten Elastizit¨atstheorie deutlich sichtbar. Analytische L¨osungen f¨ur die NavierStokes-Gleichung existieren nur f¨ur Sonderf¨alle und auch die numerische L¨osung komplexer Aufgabenstellungen der linearen Fluidmodelle ist keine Standardaufgabe, sondern erfordert zum Teil umfangreiche Forschungsarbeit. F¨ur die L¨osung der Systemgleichungen m¨ussen noch die Rand- und Anfangsbedingungen formuliert werden. Man unterscheidet folgende Randbedingungen: • Festk¨orper-Fluid-Kontakt Viskose Fluide haften an Festk¨orperfl¨achen. Die Relativgeschwindigkeit ist somit in jedem Kontaktpunkt Null v F −vvS = 0 (vvF - Fluidgeschwindigkeit, v S - Festk¨orpergeschwindigkeit) F¨ur reibungsfreie Fluide gilt die Aussage nur f¨ur die Normalkomponenten n =0 (vvF −vvS ) ·n Hierbei ist n die a¨ ußere Fl¨achennormale. • Fluid-Fluid-Interface F¨ur die Grenzfl¨ache Fluid 1 - Fluid 2 m¨ussen in jedem Interfacepunkt die Ge-

322

11 Grundgleichungen linearer viskoser Fluide

schwindigkeiten und Oberfl¨achenkr¨afte u¨ bereinstimmen v 1 −vv2 = 0 , • Freie Oberfl¨ache

n = 0, (TT 1 −TT 2 ) ·n

n2 = n n 1 = −n

n ·TT = 0

Da die freie Oberfl¨ache im Allgemeinen nicht von vornherein gegeben ist, erfor¨ dert die L¨osung f¨ur Aufgaben mit freien Oberfl¨achen zus¨atzliche Uberlegungen. Anfangsbedingungen legen die Geschwindigkeit v und die Dichte ρ f¨ur jeden Punkt des Fluids f¨ur eine Bezugszeit t0 fest x, t0 ) = v 0 (x x), v (x

x , t0 ) = ρ(x x) ρ(x

Die abgeleiteten Gleichungen werden abschließend noch einmal zusammengefasst. Isotropes lineares Stokes’sches Fluid     ∇ · 2μV∇ ·vv + ρk k ∇p +∇ ∇ λV∇ ·vv +∇ ρ˙v = −∇

Konstante Viskosit¨atskoeffizienten   ∇p + λV + μV ∇(∇ k ∇ ·vv) + μV∇2v + ρk ρ˙v = −∇

Kontinuit¨atsgleichung

∇ ·vv ρ˙ = −ρ∇ f(p, ρ) = 0

G¨ultigkeit der Stokes’schen Bedingung λV = −(2/3)μV   1 ∇ ·vv) + ρk k ∇p + μV ∇ 2v + ∇ (∇ ρ˙v = −∇ 3

11.2 L¨osungsm¨oglichkeiten

323

Inkompressibles Fluid a) Allgemeiner Fall

∇p +∇ ∇ μV ∇v + (∇ ∇v )T + ρk k ρ˙v = −∇ b) Konstante λV , μV -Werte und λV = −(2/3)μV ∇p + μV∇∇v + ρk k ρ˙v = −∇ ∇ ·vv = 0 (oder ρ = const.) ∇p + ρk k Sonderfall - Reibungsfreies Fluid ρ˙v = −∇ Inkompressibilit¨at: ρ = const.

Das allgemeine System der vier partiellen Differentialgleichungen wird durch eine Zustandsgleichung erg¨anzt. Es sind dann 5 Gleichungen zur Ermittlung der 5 unbekannten Gr¨oßen (vv, ρ, p) gegeben. Die Systemgleichungen f¨ur isotherme Fluide werden f¨ur die Modellierung thermovisko-linearer Fluide um eine Energiebilanzgleichung oder eine Entropiebilanzgleichung sowie gegebenenfalls durch weitere Zustandsgleichungen erg¨anzt. Thermovisko-lineare Str¨omungen • Allgemeiner Fall und konstante Viskosit¨atskoeffizienten ∇ ·vv)2 + 2μV SpD D2 ∇ ·vv + φ + κ∇ ∇2 θ + ρr, Φ = λV (∇ ρu˙ = −p∇ oder

∇2 θ + ρr ρθ˙s = φ + κ∇

• G¨ultigkeit der Stokes’schen Bedingung   2 2 V 2 ∇ ·vv) D − (∇ Φ = μ 2SpD 3 • Inkompressibilit¨at ∇2 θ + ρr, Φ = 2μV SpD D2 ρu˙ = φ + κ∇ oder

∇2 θ + ρr ρθ˙s = φ + κ∇

D Sonderfall - Reibungsfreies Fluid: ρu˙ = −pSpD Inkompressibilit¨at: ρu˙ = 0

oder ρθ˙s = 0

324

11 Grundgleichungen linearer viskoser Fluide

Im allgemeinen Fall m¨ussen sieben unbekannte Gr¨oßen (z.B. v , ρ, p, u, θ) aus einem gekoppelten System von f¨unf partiellen Differentialgleichungen und zwei Zustandsgleichungen berechnet werden.

Literaturverzeichnis 1. Betten J (2001) Kontinuumsmechanik: Elastisches und inelastisches Verhalten isotroper und anisotroper Stoffe, 2. Aufl. Springer, Berlin 2. Capaldi FM (2012) Continuum Mechanics - Constitutive Modeling of Structural and Biological Materials. Cambridge University Press, Cambridge 3. Freed AD (2014) Soft Solids - A primer to the Theoretical Mechanics of Materials. Birkh¨auser, Z¨urich 4. Hutter K, J¨ohnk K (2004) Continuum Methods of Physikal Modeling - Continuum Mechanics, Dimensional Analysis, Turbulence. Springer, Berlin 5. Narasimhan MNL (1993) Principles of Continuum Mechanics. Wiley, New York

Teil V

Anhang

Im Anhang werden exemplarisch f¨ur linear-elastisches Materialverhalten die Elastizit¨ats- und Nachgiebigkeitsmatrizen diskutiert, wobei f¨unf Sonderf¨alle der Anisotropie betrachtet werden: • • • • •

monoklines Materialverhalten, orthotropes Materialverhalten, transversal-isotropes Materialverhalten, kubisches Materialverhalten und isotropes Materialverhalten

¨ Der Ubergang von den bisherigen tensoriellen Beziehungen erfolgt durch Anwendung der Voigt’schen Notation. Die allgemeinen Elastizit¨ats- und Nachgiebigkeitsmatrizen werden konkretisiert ¨ durch den Ubergang zu den sogenannten Ingenieurkonstanten. Einschr¨ankende Bedingungen aus der Forderung nach der positiven Definitheit der Verzerrungsenergie bzw. der komplement¨aren Gr¨oße f¨ur die Spannungen werden behandelt.

Anhang A

Elastizit¨ats- und Nachgiebigkeitsmatrizen

Zusammenfassung Im Abschn. 8.1 wurden auf induktivem Wege Sonderf¨alle der Anisotropie bez¨uglich ihrer Auswirkungen auf die Anzahl der linear-unabh¨angigen Koordinaten des Elastizit¨atstensors (4)E diskutiert. Die dabei gew¨ahlten Darstellungen sind jedoch f¨ur die Ingenieurpraxis insbesondere beim L¨osen von Aufgaben mit numerischen Verfahren nicht immer geeignet. Nachfolgend werden daher die entsprechenden Matrizenbeziehungen f¨ur das anisotrope, linear-elastische Matrialverhalten einschließlich entsprechender Sonderf¨alle zusammengestellt, wobei in den F¨allen, wo es sinnvoll erscheint, zu Darstellungen in den Ingenieurkonstanten u¨ bergegangen wird. Gleichzeitig wird eine m¨ogliche Verbindung zu den Ursachen der Sonderf¨alle der Anisotropie aufgezeigt. Weitere Details k¨onnen [4] entnommen werden.

A.1 Elastizit¨atsgesetz in Vektor-Matrix-Darstellung Unter der Voraussetzung kleiner Verzerrungen kann man das Hooke’sche Gesetz in folgender Form schreiben σ =(4) E · ·εε In Indexschreibweise folgt daraus σij = Eijkl εkl

(A.1)

εij = Nijkl σkl

(A.2)

bzw. Dabei sind Eijkl und Nijkl die Komponenten des Elastizit¨ats- bzw. des Nachgiebigkeitstensors mit den Symmetrien Eijkl = Ejikl = Eijlk = Eklij ,

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2018 H. Altenbach, Kontinuumsmechanik, https://doi.org/10.1007/978-3-662-57504-8

Nijkl = Njikl = Nijlk = Nklij ,

327

328

A Elastizit¨ats- und Nachgiebigkeitsmatrizen

d.h. diese Tensoren haben im Falle anisotropen, linear-elastischen Materialverhaltens jeweils 21 linear-unabh¨angige Koordinaten (Green’sche Elastizit¨at). F¨ur den Fall des Elastizit¨atstensors Eijkl folgt die sogenannte linke Subsymmetrie Eijkl = Ejikl aus der Symmetrie des Spannungstensors σij , die rechte Subsymmetrie Eijkl = Eijlk ergibt sich aus der Symmetrie des Verzerrungstensors εkl und die Hauptsymmetrie Eijkl = Eklij erh¨alt man aus der Vertauschbarkeit der zweiten Ableitung der Verzerrungsener¨ gie. Fehlt die Hauptsymmetrie, hat man die Cauchy’sche Elastizit¨at. Ahnliche Ausf¨uhrungen lassen sich auch f¨ur die Nachgiebigkeitsmatrix machen. Außerdem gilt zwischen den Tensoren die Beziehung (4)

E =(4) N −1 ,

was formal auch bei Vorhandensein der beiden Subsymmetrien und der Hauptsymmetrie auf (4) E · ·(4)N −1 =(4) I =(4) N · ·(4)E −1 f¨uhrt. (4) I ist hierbei der Einheitstensor vierter Stufe. Weitere Deteils hierzu k¨onnen beispielsweise [3] entnommen werden. ¨ Der Ubergang zur Vektor-Matrix-Darstellung des elastischen Gesetzes, die auf Voigt zur¨uckgeht, wird auch als Voigt’sche Notation bezeichnet [2; 5; 6]. Sie ist eine abk¨urzende Schreibweise f¨ur symmetrische Tensoren, die in folgender Form realisiert werden kann. Ersetzt man die Indizes in der tensoriellen Darstellung nach dem Schema 11 → 1, 22 → 2, 33 → 3, 23 → 4, 13 → 5, 12 → 6, nehmen die Gleichungen (A.1) und (A.2) den Ausdruck σi = Eij εj , an. Dabei gilt ⎡

⎤ ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ ε11 ε11 ε1 ⎢ ε2 ⎥ ⎢ ε22 ⎥ ⎢ ε22 ⎥ ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎢ ε3 ⎥ ⎢ ε33 ⎥ ⎢ ε33 ⎥ ⎥=⎢ ⎥=⎢ ⎥ [εi ] = ⎢ ⎢ ε4 ⎥ ⎢ 2ε23 ⎥ ⎢ γ23 ⎥ , ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎣ ε5 ⎦ ⎣ 2ε13 ⎦ ⎣ γ13 ⎦ ε6 2ε12 γ12

εi = Nij σj

(A.3)

⎤ ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ σ11 σ11 σ1 ⎢ σ2 ⎥ ⎢ σ22 ⎥ ⎢ σ22 ⎥ ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎢ σ3 ⎥ ⎢ σ33 ⎥ ⎢ σ33 ⎥ ⎥=⎢ ⎥=⎢ ⎥ [σi ] = ⎢ ⎢ σ4 ⎥ ⎢ σ23 ⎥ ⎢ τ23 ⎥ ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎣ σ5 ⎦ ⎣ σ13 ⎦ ⎣ τ13 ⎦ σ6 σ12 τ12 ⎡

Anmerkung A.1. Die Anordnung der einzelnen Elemente in den Spaltenvektoren ist willk¨urlich. Die hier gew¨ahlte Anordnung entspricht den Lehrb¨uchern zur Kompositmechanik [1].

A.1 Elastizit¨atsgesetz in Vektor-Matrix-Darstellung

329

Mit dem Einf¨uhren der Zahl 2 in einigen Termen wird sichergestellt, dass σa εa = σij εij = 2f mit f als freier Energie ist σij εij = σ11 ε11 + σ22 ε22 + σ33 ε33 + 2σ23 ε23 + 2σ13 ε13 + 2σ12 ε12 , σa εa = σ1 ε1 + σ2 ε2 + σ3 ε3 + σ4 ε4 + σ5 ε5 + σ6 ε6 Außerdem gelten f¨ur die Elastizit¨ats- bzw. Nachgiebigkeitsmatrix die Symmetriebedingungen Nij = Nji Eij = Eji , sowie der Zusammenhang Nij =

(−1)i+j |U(Eij )| , |Eij |

Eij =

(−1)i+j |U(Nij )| , |Nij |

wobei mit U(. . .) bzw. | . . . | die entsprechenden Untermatrizen bzw. Determinanten bezeichnet sind. Die Untermatrizen ergeben sich aus dem Streichen der iten Zeile und jten Spalte. Aus dem Vergleich der Gl. (A.2) mit der zweiten Gl. (A.3) folgen die allgemeinen Regeln f¨ur die Umrechnung der Komponenten des Nachgiebigkeitstensors in Koeffizienten der Nachgiebigkeitsmatrix Nijkl ⇐⇒ Nmn mit [1] ij : 11, 22, 33 ↔ m : 23, 31, 12 ↔ kl : 11, 22, 33 ↔ n : 23, 31, 12 ↔

1, 2, 3, 4, 5, 6, 1, 2, 3, 4, 5, 6,

Bei allgemeiner Anisotropie (diese wird in der Kristallphysik auch als triklines Kristallsystem bezeichnet) kann das Hooke’sche Gesetz damit in Vektor-MatrixSchreibweise wie folgt geschrieben werden ⎤⎡ ⎤ ⎡ ⎤ ⎡ ε1 E11 E12 E13 E14 E15 E16 σ1 ⎥ ⎢ ε2 ⎥ ⎢ σ2 ⎥ ⎢ E E E E E 22 23 24 25 26 ⎥⎢ ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎢ ⎥ ⎢ σ3 ⎥ ⎢ E33 E34 E35 E36 ⎥ ⎥ ⎢ ε3 ⎥ ⎢ ⎥=⎢ (A.4) ⎥ ⎥ ⎢ σ4 ⎥ ⎢ E44 E45 E46 ⎥ ⎢ ⎢ ε4 ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎣ σ5 ⎦ ⎣ SYM. E55 E56 ⎦ ⎣ ε5 ⎦ E66 ε6 σ6 bzw.

⎤ ⎡ N11 N12 N13 ε1 ⎢ ε2 ⎥ ⎢ N22 N23 ⎢ ⎥ ⎢ ⎢ ε3 ⎥ ⎢ N33 ⎢ ⎥=⎢ ⎢ ε4 ⎥ ⎢ ⎢ ⎥ ⎢ ⎣ ε5 ⎦ ⎣ SYM. ε6 ⎡

N14 N24 N34 N44

N15 N25 N35 N45 N55

⎤⎡ ⎤ σ1 N16 ⎢ ⎥ N26 ⎥ ⎥ ⎢ σ2 ⎥ ⎢ ⎥ N36 ⎥ ⎥ ⎢ σ3 ⎥ ⎥ ⎥ N46 ⎥ ⎢ ⎢ σ4 ⎥ ⎣ ⎦ N56 σ5 ⎦ N66 σ6

(A.5)

330

A Elastizit¨ats- und Nachgiebigkeitsmatrizen

Die Verzerrungsenergie W l¨asst sich im allgemeinen Fall linear-elastischen Materialverhaltens wie folgt angeben ⎡ ⎤⎡ ⎤ ε1 E11 E12 E13 E14 E15 E16 ⎢ ⎥ ⎢ ε2 ⎥ E E E E E 22 23 24 25 26 ⎢ ⎥⎢ ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ 1 E33 E34 E35 E36 ⎥ ⎥ ⎢ ε3 ⎥ (A.6) W = [ε1 ε2 ε3 ε4 ε5 ε6 ] ⎢ ⎢ ⎥ ⎥ E44 E45 E46 ⎥ ⎢ 2 ⎢ ε4 ⎥ ⎢ ⎣ SYM. E55 E56 ⎦ ⎣ ε5 ⎦ E66 ε6 Die Verzerrungsenergie sollte positiv definit bez¨uglich der Verzerrungen sein. Den Wert Null kann sie nur annehmen, wenn alle Verzerrungen Null sind. In allen u¨ brigen F¨allen ist sie positiv unter der Bedingung, dass die Elastizit¨atsmatrix positiv definit ist. Letzteres f¨uhrt auf folgende Bedingungen: • Alle Unterdeterminaten der Form |E11 |,

   E11 E12     SYM E22  ,

   E11 E12 E13     E22 E23  , . . .   SYM E33 

m¨ussen positiv sein. • Alle Diagonalelemente Eii m¨ussen positiv-definit sein (nicht u¨ ber i summieren, i = 1, . . . , 6). • Die Determinante det [Eij ] muss positiv sein. • Die Inverse [Nij ] = [Eij ]−1 existiert und ist gleichfalls symmetrisch und positiv definit. Die Matrix [Nij ] ist die Nachgiebigkeitsmatrix. Die Voigt’sche Notation ist kompakter als die Tensornotation in indizierter Schreibweise. Steifigkeits- bzw. Nachgiebigkeitsmatrix lassen sich leicht invertieren. Man sieht auch, dass ein lineares Materialgesetz mit den Haupt- und Subsymmetrien im Allgemeinen 21 unabh¨angige Werte (Materialparameter) enth¨alt.Weitere Bedingungen (Spiegelung, Drehung) bzw. Symmetrien reduzieren die Anzahl teilweise erheblich. Voigt selbst untersuchte insgesamt 32 Klassen [6]. Nachfolgend werden f¨unf F¨alle analysiert.

A.2 Monoklines Materialverhalten F¨ur den Fall, dass die x2 -x3 -Ebene eine Symmetrieebene des elastischen Materialverhaltens ist, folgt f¨ur das Hooke’sche Gesetz

A.3 Orthotropes Materialverhalten





331



N11 N12 N13 ε1 ⎢ ε2 ⎥ ⎢ N22 N23 ⎢ ⎥ ⎢ ⎢ ε3 ⎥ ⎢ N33 ⎢ ⎥=⎢ ⎢ ε4 ⎥ ⎢ ⎢ ⎥ ⎢ ⎣ ε5 ⎦ ⎣ SYM. ε6

N14 N24 N34 N44

0 0 0 0 N55

⎤⎡



σ1 0 ⎢ σ2 ⎥ 0 ⎥ ⎥⎢ ⎥ ⎢ ⎥ 0 ⎥ ⎥ ⎢ σ3 ⎥ ⎥ ⎥ 0 ⎥⎢ ⎢ σ4 ⎥ ⎣ ⎦ N56 σ5 ⎦ N66 σ6

(A.7)

In den Ingenieurkonstanten erh¨alt man die Nachgiebigkeitsmatrix wie folgt ⎡

ν21 ν31 1 − − ⎢ E1 E2 E3 ⎢ ν 1 ν32 ⎢ 12 − ⎢− ⎢ E1 E2 E3 ⎢ ν ν23 1 ⎢ 13 − ⎢− ⎢ E1 E2 E3 [Nij ] = ⎢ ⎢ η14 η24 η34 ⎢ ⎢ E1 E2 E3 ⎢ ⎢ 0 0 ⎢ 0 ⎢ ⎣ 0 0 0

η41 G23 η42 G23 η43 G23 1 G23 0 0

⎤ 0

0

0

0

0

0

0

0

1 μ65 G31 G12 μ56 1 G31 G12

⎥ ⎥ ⎥ ⎥ ⎥ ⎥ ⎥ ⎥ ⎥ ⎥ ⎥ ⎥ ⎥ ⎥ ⎥ ⎥ ⎥ ⎦

(A.8)

Aufgrund der Symmetrie der Nachgiebigkeitsmatrix gilt E1 ν21 = E2 ν12 ,

E2 ν32 = E3 ν23 ,

E3 ν13 = E1 ν31

sowie E1 η41 = G23 η14 ,

E2 η42 = G23 η24 ,

E3 η43 = G23 η34 ,

μ56 G12 = μ65 G31

Anmerkung A.2. Die Indizierung f¨ur die νij und νij kann auch formal eingef¨uhrt werden: erster Index - Zeile, zweiter Index - Spalte. Hier wurden die Indizes entsprechend [1] eingef¨uhrt.

A.3 Orthotropes Materialverhalten F¨ur den Fall, dass drei zueinander orthogonale Symmetrieebenen im Material existieren, reduziert sich Gl. (A.5) wie folgt ⎤⎡ ⎤ ⎡ ⎤ ⎡ N11 N12 N13 0 0 0 σ1 ε1 ⎢ ⎥ ⎥ ⎢ ε2 ⎥ ⎢ N N 0 0 0 σ 22 23 ⎥⎢ 2 ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎢ ⎥ ⎥ ⎢ ε3 ⎥ ⎢ 0 0 0 σ N 33 ⎥⎢ 3 ⎥ ⎢ ⎥=⎢ (A.9) ⎢ ⎥ ⎥ ⎢ ε4 ⎥ ⎢ 0 0 σ N 44 ⎥⎢ 4 ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎣ ε5 ⎦ ⎣ SYM. N55 0 ⎦ ⎣ σ5 ⎦ ε6 σ6 N66

332

A Elastizit¨ats- und Nachgiebigkeitsmatrizen

In den Ingenieurkonstanten erh¨alt man die folgende Form der Nachgiebigkeitsmatrix ⎡ ⎤ 1 ν21 ν31 − − 0 0 0 ⎢ E1 ⎥ E2 E3 ⎢ ν ⎥ 1 ν32 ⎢ ⎥ 12 − 0 0 0 ⎥ ⎢− ⎢ E1 E2 ⎥ E3 ⎢ ν13 ν23 1 ⎥ ⎢− 0 0 0 ⎥ ⎢ E −E ⎥ E3 ⎥ 1 2 (A.10) [Nij ] = ⎢ ⎢ ⎥ 1 ⎢ 0 ⎥ 0 0 0 0 ⎢ ⎥ G23 ⎢ ⎥ 1 ⎢ ⎥ 0 ⎥ 0 0 0 ⎢ 0 ⎢ ⎥ G31 ⎣ 1 ⎦ 0 0 0 0 0 G12 Dabei sind Ei die Elastizit¨atsmoduln in Richtung der Achsen xi , νij die Querkontraktionszahlen zur Kennzeichnung der Querkontraktionswirkungen zwischen den Richtungen i (Beanspruchungsrichtung) und j (Querdehnungsrichtung) sowie Gij die Gleitmoduln zur Beschreibung der Gleitungen in der xi -xj -Ebene. Aufgrund der Symmetrie Nij = Nji gilt weiterhin E1 ν21 = E2 ν12 ,

E2 ν32 = E3 ν23 ,

E3 ν13 = E1 ν31 ,

woraus ν21 ν13 ν32 = ν12 ν23 ν31 folgt. Invertiert man die Nachgiebigkeitsmatrix, erh¨alt man die Elastizit¨atsmatrix ⎡ ⎤ 1 − ν23ν32 ν21 + ν31 ν23 ν31 + ν21 ν32 0 0 0 ⎢ E2 E3  ⎥ E2 E3  E2 E3  ⎢ ⎥ 1 − ν13ν31 ν32 + ν12 ν31 ⎢ ⎥ 0 0 0 ⎥ ⎢ ⎢ ⎥ E1 E3  E1 E3  ⎢ ⎥ 1 − ν12ν21 [Eij ] = ⎢ (A.11) 0 0 0 ⎥ ⎢ ⎥ E1 E2  ⎢ ⎥ ⎢ G23 0 0 ⎥ ⎢ ⎥ ⎣ SYM. G31 0 ⎦ G12 mit =

1 − ν12ν21 − ν23 ν32 − ν13 ν31 − 2ν21 ν32 ν13 E1 E2 E3

Ausf¨uhrliche Untersuchungen zu den Eigenschaften der Elastizit¨ats- bzw. Nach¨ giebigkeitsmatrix sowie Uberlegungen zur Verzerrungsenergie f¨uhren zu folgenden Einschr¨ankungen f¨ur den Wertebereich der Werkstoffkennwerte E1 > 0, ν221
0, ν212
0, ν232
0, ν223
0, ν213
0, ν231
0

A.4 Transversal-isotropes Materialverhalten F¨ur den Fall, dass zus¨atzlich die zu x3 orthogonale Ebene Isotropieebene ist, reduziert sich Gl. (A.9) weiter ⎤⎡ ⎤ ⎡ ⎤ ⎡ σ1 N11 N12 N13 0 0 ε1 0 ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ε2 ⎥ ⎢ N 0 0 0 σ N 11 13 ⎥⎢ 2 ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎢ ⎥ ⎢ ε3 ⎥ ⎢ ⎥ N 0 0 0 σ 33 ⎥⎢ 3 ⎥ ⎢ ⎥=⎢ (A.12) ⎢ ⎥ ⎢ ε4 ⎥ ⎢ ⎥ 0 0 σ N 44 ⎥⎢ 4 ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎦ ⎣ σ5 ⎦ ⎣ ε5 ⎦ ⎣ 0 SYM. N44 ε6 2(N11 − N12) σ6 Ausgehend von den Ingenieurkonstanten des orthotropen Materialverhaltens ergeben sich folgende Identit¨aten E1 = E2 ,

G23 = G31 ,

ν12 ν21 = , E1 E2

ν13 ν23 = , E1 E2

G12 =

E1 2(1 + ν21)

In den Ingenieurkonstanten erh¨alt man die Nachgiebigkeitsmatrix als ⎡ ⎤ 1 ν12 ν31 − − 0 0 0 ⎢ E1 ⎥ E1 E3 ⎢ ν ⎥ ν31 1 12 ⎢ ⎥ − 0 0 0 ⎢− ⎥ E3 ⎢ E1 E1 ⎥ ⎢ ν13 ν13 1 ⎥ ⎢− ⎥ 0 0 0 ⎢ E −E ⎥ E 1 1 3 ⎢ ⎥ [Nij ] = ⎢ ⎥ 1 ⎢ 0 ⎥ 0 0 0 0 ⎥ ⎢ G 31 ⎥ ⎢ 1 ⎥ ⎢ 0 0 0 0 ⎥ ⎢ 0 ⎥ ⎢ G31 ⎣ 2(1 + ν12) ⎦ 0 0 0 0 0 E1

(A.13)

Die invertierte Nachgiebigkeitsmatrix f¨uhrt dann wieder auf die Elastizit¨atsmatrix ⎤ ⎡ C1 −E1 ν31 C−1 0 0 0 C2 3 ⎢ C1 C2 −E1 ν31 C−1 0 0 0 ⎥ ⎢ 3 ⎥ ⎢−E ν C−1 −E ν C−1 −E (ν − 1)C−1 0 0 0 ⎥ 3 13 3 3 13 3 3 12 ⎥ (A.14) 3 [Eij ] = ⎢ ⎢ 0 0 0 G31 0 0 ⎥ ⎢ ⎥ ⎣ 0 0 0 0 G31 0 ⎦ 0 0 0 0 0 G12 mit

334

A Elastizit¨ats- und Nachgiebigkeitsmatrizen



1 1  +  2C3 2 ν12 + 1   E1 ν13 ν31 − 1  C2 =  ν12 + 1 C3



C1 = −E1

C3 = ν12 + 2ν13ν31 − 1 F¨ur die Werkstoffkennwerte sind folgende Bedingungen einzuhalten: E1 > 0,

E3 > 0,

−1 < ν21 < 1,

ν231
0, E3 , E1

G31 > 0,

1 − 2ν231

E1 > ν21 E3

Die letzten beiden Relationen lassen sich unter Beachtung der Symmetrie der Nachgiebigkeitsmatrix, aus der u.a. −

ν31 ν13 =− E3 E1

folgt, auch in der nachfolgenden Form angeben ν13 ν31 < 1,

1 − 2ν31ν13 > ν21

A.5 Kubisches Materialverhalten In diesem Fall gibt es lediglich drei Eintr¨age in der Nachgiebigkeitsmatrix. Damit gilt ⎤⎡ ⎤ ⎡ ⎤ ⎡ N11 N12 N12 0 0 0 σ1 ε1 ⎢ ε2 ⎥ ⎢ N12 N11 N12 0 0 0 ⎥ ⎢ σ2 ⎥ ⎥⎢ ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎢ ε3 ⎥ ⎢ N12 N12 N11 0 0 0 ⎥ ⎢ σ3 ⎥ ⎥⎢ ⎥ ⎢ ⎥=⎢ (A.15) ⎢ ε4 ⎥ ⎢ 0 0 0 N44 0 0 ⎥ ⎢ σ4 ⎥ ⎥⎢ ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎣ ε5 ⎦ ⎣ 0 0 0 0 N44 0 ⎦ ⎣ σ5 ⎦ ε6 σ6 0 0 0 0 0 N44 Damit erh¨alt man f¨ur die Nachgiebigkeitsmatrix ⎤ ⎡ 1/E −ν/E −ν/E 0 0 0 ⎢ −ν/E 1/E −ν/E 0 0 0 ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ −ν/E −ν/E 1/E 0 0 0 ⎥ ⎥ [Nij ] = ⎢ ⎢ 0 0 0 1/G 0 0 ⎥ ⎢ ⎥ ⎣ 0 0 0 0 1/G 0 ⎦ 0 0 0 0 0 1/G

(A.16)

Durch Invertieren der Nachgiebigkeitsmatrix erh¨alt man die Elastizit¨atsmatrix

A.6 Isotropes Materialverhalten

335





E(1 − ν) Eν Eν ⎢ (1 − 2ν)(1 + ν) (1 − 2ν)(1 + ν) (1 − 2ν)(1 + ν) ⎢ E(1 − ν) Eν ⎢ ⎢ ⎢ (1 − 2ν)(1 + ν) (1 − 2ν)(1 + ν) ⎢ E(1 − ν) [Eij ] = ⎢ ⎢ ⎢ (1 − 2ν)(1 + ν) ⎢ ⎢ ⎣ SYM.

0 0 0

⎥ ⎥ ⎥ 0 0 0⎥ ⎥ ⎥ ⎥ 0 0 0⎥ ⎥ G 0 0⎥ ⎥ G 0⎦ G

(A.17)

Die Werkstoffkennwerte E, G, ν liegen aus theoretischer Sicht in folgenden Wertebereichen 1 E > 0, G > 0, −1 < ν < 2

A.6 Isotropes Materialverhalten In diesem Fall sind alle Richtungen im Material bez¨uglich der elastischen Eigenschaften gleichberechtigt. Damit gilt ⎤⎡ ⎤ ⎡ ⎤ ⎡ N11 N12 N12 0 0 0 σ1 ε1 ⎢ ε2 ⎥ ⎢ N12 N11 N12 0 0 0 ⎥ ⎢ σ2 ⎥ ⎥⎢ ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎢ ε3 ⎥ ⎢ N12 N12 N11 0 0 0 ⎥ ⎢ σ3 ⎥ ⎥⎢ ⎥ ⎢ ⎥=⎢ (A.18) ⎢ ε4 ⎥ ⎢ 0 0 0 N44 0 0 ⎥ ⎢ σ4 ⎥ ⎥⎢ ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎣ ε5 ⎦ ⎣ 0 0 0 0 N44 0 ⎦ ⎣ σ5 ⎦ ε6 σ6 0 0 0 0 0 N44 mit N44 = 2(N11 − N12). Damit erh¨alt man f¨ur die Nachgiebigkeitsmatrix ⎡

1 ⎢ E ⎢ ν ⎢− ⎢ E ⎢ ν ⎢ ⎢− E [Nij ] = ⎢ ⎢ ⎢ 0 ⎢ ⎢ ⎢ 0 ⎢ ⎣ 0

ν − E 1 E ν − E 0 0 0

ν E ν − E 1 E 0 −

⎤ 0 0 0 0 0 0

0 0 0 1 0 0 G 1 0 0 0 G 1 0 0 0 G

⎥ ⎥ ⎥ ⎥ ⎥ ⎥ ⎥ ⎥, ⎥ ⎥ ⎥ ⎥ ⎥ ⎥ ⎦

(A.19)

wobei zus¨atzlich die Bedingung E = 2(1 + ν)G gilt. Durch Invertieren der Nachgiebigkeitsmatrix erh¨alt man die Elastizit¨atsmatrix

336

A Elastizit¨ats- und Nachgiebigkeitsmatrizen





E(1 − ν) Eν Eν ⎢ (1 − 2ν)(1 + ν) (1 − 2ν)(1 + ν) (1 − 2ν)(1 + ν) ⎢ E(1 − ν) Eν ⎢ ⎢ ⎢ (1 − 2ν)(1 + ν) (1 − 2ν)(1 + ν) ⎢ E(1 − ν) [Eij ] = ⎢ ⎢ ⎢ (1 − 2ν)(1 + ν) ⎢ ⎢ ⎣ SYM.

0 0 0

⎥ ⎥ ⎥ 0 0 0⎥ ⎥ ⎥ ⎥ 0 0 0⎥ ⎥ G 0 0⎥ ⎥ G 0⎦ G

(A.20)

Die Werkstoffkennwerte E, G, ν liegen aus theoretischer Sicht in folgenden Wertebereichen 1 E > 0, G > 0, −1 < ν < 2 und es gilt K = E/[3(1 − 2ν)]. Der Wert ν = −1 w¨urde f¨ur den Schubmodul G den Wert ∞ liefern, bei ν = 1/2 erh¨alt man f¨ur den Kompressionsmodul K den Wert ∞. F¨ur typische Konstruktionswerkstoffe ist ν  0. Im Bauingenieurwesen wird auch 0 zugelassen, da Beton eine recht kleine Querkontraktionszahl aufweist. Kunststoffe liegen bei ν ≈ 0, 4, bei gummi¨ahnliche Materialien geht ν gegen 0,5. Negative Querkontraktionszahlen werden in letzter Zeit im Zusammenhang mit auxektischen Materialien intensiv diskutiert. Diese haben eine ausgepr¨agte Mikrostruktur und die negativen Werte erh¨alt man bei der Homogenisierung der Mikrostruktur.

Literaturverzeichnis 1. Altenbach H, Altenbach J, Kissing W (2018) Mechanics of Composite Structural Elements, 2nd edn., Springer Nature, Singapore 2. Brannon R (2018) Rotation, Reflection and Frame Changes: Orthogonal Tensors in Computational Engineering Mechanics, Institute of Physics Publishing, Bristol 3. Itskov M (2015) Tensoralgebra and Tensor Analysis for Engineers With Applications to Continuum Mechanics, 4th edn., Mathematical Engineering, Springer, Berlin 4. Lai WM, Rubin D, Krempl E (2010) Introduction to Continuum Mechanics, 4th edn. Butterworth-Heinemann, Amsterdam 5. Nye JF (2012) Physical Properties of Crystals. Oxford University Press, Oxford 6. Voigt W (2007) Die fundamentalen physikalischen Eigenschaften der Kristalle in elementarer Darstellung. VDM Verlag Dr. M¨uller, Saarbr¨ucken

Sachverzeichnis

Ableitung Jaumann’sche, 231 konvektive, 79, 231 lokale, 78 materielle, 78, 230 nach Invarianten, 50 Nte Jaumann’sche, 231 objektive, 252 Oldroyd’sche, 231, 233 skalarwertige Funktion nach Tensor 2. Stufe, 50 substantielle, 78 Tensors 2. Stufe nach Tensor 2. Stufe, 51 additive Gr¨oße, 171 ¨ Aquivalenzhypothese, 274 Almansi, 105 Anfangs-Randwertaufgabe, 308 Anfangsbedingungen, 151, 305, 314, 324 thermische, 317 Randbedingungen, 323 thermische, 317 Anisotropie, 15, 219, 331 Sonderf¨alle, 240 Antwortfunktion, 291 Antwortverhalten elastisches, 236 viskoses, 236 Archimedes, 3 Assoziativgesetz, 26 assoziierte Plastizit¨atstheorie, 277 assoziiertes Gesetz, 254 Aufspaltung additive, 252 multiplikative, 251 Axiator, 37 Axiome der Materialtheorie, 215, 219

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2018 H. Altenbach, Kontinuumsmechanik, https://doi.org/10.1007/978-3-662-57504-8

¨ Aquipr¨ asenz, 219, 220, 236 Beobachterindifferenz, 220, 222 Determinismus, 219, 220 fading memory, 221, 235, 250 Ged¨achtnis, 219, 221, 235 Kausalit¨at, 219 lokale Wirkung, 181, 219, 221, 235 materielle Objektivit¨at, 219, 222, 236 physikalische Konsistenz, 219, 222, 236 Axiome der Rheologie, 289, 294 Bachmann, 118 Bahnlinie, 86 Bauschinger, 272 Bauschinger-Effekt, 272, 274 Beanspruchungsgr¨oßen, 11 Beltrami, 313 Beltrami-Michell-Gleichungen, 313 Bernoulli, 5 Beschleunigung Feldbeschreibung, 79 materielle, 79 Betrachtungsweise Euler’sche, 76 Lagrange’sche, 76 lokale, 76 materielle, 76 r¨aumliche, 76 referenzbezogene, 76 substantielle, 76 totale Lagrange’sche, 77 updated Lagrange’sche, 77 Bewegung, 75 isochor, 103, 241 volumenerhaltend, 103 Bewegungsgesetz 1. Cauchy-Euler’sches, 149

337

338 2. Cauchy-Euler’sches, 150 Bezugspunkt, 12 biharmonische Gleichung, 314 Bilanzgleichungen, 11, 169, 170 Drehimpulsbilanz, 187–189 Energiebilanz, 199, 201, 202 Entropiebilanz, 203 globale, 181 Impulsbilanz, 184–186 lokale, 181 Massenbilanz, 181, 183 mechanische, 169, 181 Bingham, 294 Bingham-K¨orper, 294, 300 Biot, 105 Bipotentialgleichung, 314 Boltzmann, 150 Boltzmann’sches Axiom, 150 Burgers, 294 Burgers-K¨orper, 294 Cauchy, 5 Cauchy’sche Spannungsdefinition, 145 Cauchy’sches Fundamentaltheorem, 147, 172 Cauchy’sches Lemma, 144 Cauchy’sches Spannungsprinzip, 144 Cauchy-Euler’sche Bewegungsgleichungen, 310 Cauchy-Poisson-Gesetz, 280 Cayley, 42 charakteristische Gleichung, 39, 40, 42 Christoffel, 2 Clausius, 204 Clausius-Duhem-Ungleichung, 204 Coriolis, 140 Cosserat, 6 Curie, 9 Curie-Neumann’sches Prinzip, 9, 219, 259 d’Alembert, 5 da Vinci, 4 Darstellungssatz f¨ur isotrope tensorwertige Funktionen, 52 Deformation, 73, 75 Deformationsgeschwindigkeitstensor, 109, 114, 244 Deformationsgradient, 80, 224 materieller, 81 r¨aumlicher, 82 relativer, 227 Deformationsmaßtensor, 100 Finger’scher, 100 Green’scher, 100 Deformationstensor, 95, 100

Sachverzeichnis Cauchy’scher, 95 Finger’scher, 95 Green’scher, 95 Links-Cauchy-Green-Tensor, 95 Linksstrecktensor, 95 Piola’scher, 95 Rechts-Cauchy-Green-Tensor, 95 Rechtsstrecktensor, 95 relativer, 228 Deformationstheorie, 275 Dehnung, 103 lokale, 101 Dehnungsmaß, 103 Almansi’sches, 108 Cauchy’sches, 108 Green’sches, 108 Hencky’sches, 104, 108 lineares, 108 logarithmisches, 104 nichtlineares, 108 Swainger’sches, 108 Dehnungsverfestigungstheorie, 283 Descartes, 9 Deviator, 37, 54 Dichte, 13 Dilatation, 93, 95, 121, 125, 316 viskose, 280 Dirichlet, 314 Dissipation mechanische, 253 thermische, 253 Dissipationsfunktion, 205, 321 Dissipationspotential, 254 dissipative Effekte, 250 Distorsion, 122 Distributivgesetz, 24 Divergenz, 44 Divergenz-Theorem, 47 Drallvektor, 187 Drehgeschwindigkeitstensor, 110, 114 Drehimpulsvektor, 187 Drehtensor, 20 Druck hydrostatischer, 249, 279 thermodynamischer, 249 Drucker, 276 Drucker’sches Stabilit¨atspostulat, 276 Druckz¨ahigkeit, 280 Duhamel, 316 Duhem, 6 Dyade, 20, 24, 25, 29, 30 Addition, 30 doppeltes Skalarprodukt, 31 inneres Skalarprodukt, 31

Sachverzeichnis Multiplikation mit einem Skalar, 30 Skalarprodukt mit einem Vektor, 32 Vektorprodukt mit einem Vektor, 32 Dyadisches Produkt, 34 Eigenrichtungen, 40 Eigenvektor, 41 Eigenvektoren, 39 Eigenverzerrungen, 265 Eigenwert, 41 Eigenwerte, 39, 40 einfache K¨orper 1. Grades, 214 einfaches Material, 221 Einheitstensor, 20 Einstein, 19 Einstein’sche Summationsvereinbarung, 19 Elastizit¨at, 257 Cauchy’sche, 259, 330 Green’sche, 259, 330 Elastizit¨atsgesetz, 258 tensorielle Schreibweise, 259 Vektor-Matrix-Darstellung, 329 Elastizit¨atsmatrix, 331, 334–337 Elastizit¨atstensor, 259 Elastizit¨atstheorie großer Deformationen, 240 lineare, 309 Elastodynamik, 311 Elastostatik, 311 Elementararbeit, 158, 238 Energie freie, 204, 331 innere, 190 kinetische, 190 mechanische, 190 potentielle, 193 spezifische innere, 200 Energiebilanz, 190, 191, 195, 321 Energiedichte, 190 innere, 194, 200 spezifische, 238 Energiedissipation, 205 Entropie, 12 Entropiebilanz, 322 Entropiekonzept, 203 Erhaltungss¨atze, 170 Energieerhaltung, 193 Massenerhaltung, 178, 182 global, 182 lokal, 182 mechanische, 169 Ericksen, 104 Erregungsfunktion, 291

339 Erzeugung, 171 Euklid, 9 Euler, 5 Euler’sche Gleichung, 321 Euler’sche Gleichungen, 319 Evolutionsgesetz, 284 Evolutionsgleichung, 250 extensive Gr¨oße, 171 Faktorisierung, 21 Faltung, 21 Feldprobleme, 9 Festk¨orper, 216 einfacher thermoelastischer, 236 thermoelastischer, 237 thermoviskoelastischer, 237 Finger, 95 Fl¨ussigkeit, 216 Fließtheorie, 275, 277, 283 Fluid, 216 anisotropes inhomogenes, 244 einfaches thermoviskoses, 236 ideales, 249 inkompressibles, 280 isotropes inhomogenes, 245 isotropes isothermes viskoses, 245 kompressibles, 280 linear-viskoelastisches, 281 Newton’sches, 248, 249, 319, 321 inkompressibles, 249 lineares, 244 nicht-Newton’sches, 249 nichtelastisches, 237 nichtlinear-viskoelastisches, 281 reibungsfreies, 249 reibungsfres, 319 Stokes’sches, 244 isotropes inhomogenes, 319 lineares, 244, 319 thermovisko-lineares, 325 thermoviskoelastisches, 237 thermoviskoses, 242 inhomogenes anisotropes nichtlineares, 244 viskoses, 279 Form¨anderungsenergie, 259 Fourier, 247 Funktion isotrop, 52 skalarwertig, 49 tensorwertig, 48 Funktionaldeterminante, 75 Galilei, 4

340 Gas, 216 ideales, 245 Gauß, 46, 150 Ged¨achtnistheorie, 283 Gegenwirkungsprinzip, 172 Geschwindigkeit Feldbeschreibung, 79 materielle, 79 Geschwindigkeitsgradient, 85, 88, 114, 191, 225, 251 relativer, 228 Geschwindigkeitsvektor, 225 Gestalt¨anderung, 296 Gibbs, 322 Gibbs’sche Gleichung, 322 Gleitung, 103 Gradient, 44 Gradienten-Theorem, 47 Green, 47 Hamel, 7 Hamilton, 42 Hamilton-Operator, 44 Haupt, vi Hauptachsentransformation, 40 Hauptinvariante, 40, 42 kubische, 40 lineare, 40 quadratische, 40 Hauptrichtungen, 40 Haupts¨atze der Thermodynamik, 197 0. Hauptsatz, 197 1. Hauptsatz, 197, 199 2. Hauptsatz, 198, 203 3. Hauptsatz, 198 Hauptwert, 42 Hauptwerte, 39, 40 Helmholtz, 204 Hencky, 104 Hilbert, 2 Hill, 105 Hom¨oomorphismus, 13 Homogenit¨at, 14 Hooke, 4 Hooke’scher Tensor, 259 Hooke’sches Gesetz, 258, 310, 329 Huber, 275 Hughes, 107 Hyperelastizit¨at, 270 Hypoelastizit¨at, 270 Hypothese von Huber-von Mises-Hencky, 275 Identit¨atsprinzip der Masse, 14 Ilyushin, 275

Sachverzeichnis Impulsvektor, 184 Indexnotation, 17 Indifferenzprinzip, 12 Ingenieurkonstante, 333–335 Inkompressibilit¨at, 241 innere Variable, 253 Integralsatz, 46 verallgemeinerter, 48 Isotropie, 14, 261 Jacobi, 75 Jacobi-Determinante, 75, 90, 97 Jaumann, 227 K¨orper, 13, 73 anisotrop, 15 heterogen, 14 homogen, 14 inhomogen, 14 isotrop, 15 isotroper elastischer, 241 K¨orperlast, 139 Kachanov, 283 Kausalit¨atsprinzip, 219 Kelvin, 6, 204 Kelvin-Voigt-K¨orper, 294 Kinematik, 10 kinematische Einschr¨ankung, 218 Kirchhoff, 6 Kommutativgesetz, 24, 26 Kompatibilit¨atsbedingungen, 312 Kompressionsviskosit¨atskoeffizient, 280 Konfiguration, 75 aktuelle, 75 Ausgangskonfiguration, 75 Bezugskonfiguration, 75 Momentankonfiguration, 75 Referenzkonfiguration, 75 konjugierter Tensor Energie, 158 Leistung, 158 konstitutive Gr¨oße, 235 konstitutive Parameter, 216, 236 konstitutive Prinzipien, 219 Konstitutivgleichung, 213, 216, 218, 236, 242 linearisierte, 310 Konstitutivgr¨oße, 214, 216 Kontaktkr¨aften, 141 Kontinuit¨atsaxiom, 13 Kontinuit¨atsgleichung, 178, 183, 321 Kontinuum, 8 Kontinuumsmechanik klassische, 8 nichtklassische, 8

Sachverzeichnis Kontinuumsmodell, 10 Kontraktion, 21 Kontrollvolumen, 183 Koordinaten materielle, 75 r¨aumliche, 75 substantielle, 75 Krempl, vi Kriechdehngeschwindigkeit, 284 Kriechen, 281 Kriechgesetz, 283 Kriechtheorie, 283 Kristallsystem triklines, 331 Kronecker, 19 Kronecker-Symbol, 19 Kugeltensor, 54 L¨angen¨anderungsgeschwindigkeit relative, 114 L´evy, 275 Lagrange, 5 Lam´e, 297 Landau, 118 Laplace, 248 Laplace-Gleichung, 314 Leibniz, 5 Leistung spezifische, 158 Levi-Civita, 19 Levi-Civita-Symbol, 19, 53 linearisierte VerzerrungsVerschiebungsgleichungen, 310 Linearisierung geometrische, 117 Linienelementvektor, 224 lokale Theorie, 214 Ludwik, 283 Lurie, vi Mariotte, 4 Marsden, 107 Masse, 13, 14, 181 Massendichte, 140 Massenkraftdichte, 140 Massenmomentdichte, 141 Material auxektisch, 338 einfaches thermomechanisches, 236 heterogenes, 10 ideal-plastisches, 273 linear-elastisches-ideal-plastisches, 273 perfekt-plastisches, 273 starr-ideal-plastisches, 293

341 Materialgleichungen, 213 Materialsymmetrie, 218 Materialtheorie, 218 Prinzipien, 218 Materialverhalten anisotropes linear-elastisches, 259 einfaches thermoviskoelastisches, 237 elastisch-plastisches, 300 elastisches, 257 elastoviskoplastisches, 300 ideal-elastisches, 238 ideal-elastisches einfaches isothermes, 242 isotropes, 15, 219, 337 kubisches, 336 kubsches, 15 monoklines, 15, 261, 332 nichtlinear elastisch anisotropes, 242 elastisch isotrop inkompressibles, 242 elastisch isotropes, 242 elastisches, 265 orthotropes, 15, 219, 333 rheonomes, 217, 279, 281 skleronomes, 217, 257, 270 transversal-isotropes, 15, 219, 335 viskoelastisches, 300 viskoplastisches, 300 Maxwell, 281 Maxwell-K¨orper, 294 mechanisches System konservatives, 193 Metrik, 99 Metriktensor, 99 Michell, 313 Modalmatrix, 62 Momentenspannungsvektor, 141 Mooney, 108 Nabla-Operator, 44 Nablakalk¨ul, 44 Nablaoperation, 45 Nachgiebigkeitsmatrix, 331, 333–337 Nadai, 283 Navier, 6 Navier-Cauchy’sche Gleichungen, 311 Navier-Stokes-Gleichung, 319, 320 Nenndehnung, 101 Nennspannung, 144, 258 Nennspannungsvektor, 154 Neuber, 315 Neumann Carl Gottfried, 314 Franz Ernst, 9 Newton, 5

342 Noll, 7 Normalverzerrung, 103 Norton-Bailey-Gesetz, 284 Notation koordinatenfreie, 17 Voigt’sche, 35, 262, 330 Nulldyade, 30 Nullvektor, 26 Oberfl¨achenkraft, 139, 141 Oberfl¨achenlast, 139 Oberfl¨achenmomente, 141 Objektivit¨at kinematischer Gr¨oßen, 224 kinetischer Gr¨oßen, 224 objektive r¨aumliche Gr¨oßen, 224 Oktaederschubspannung, 154 Oldroyd, 108 Orthogonalit¨atsbedingung, 27 Orthotropie, 261 Ostrogradski, 46, 150 Palmov, vi Papkovich, 315 Parallelit¨atsbedingung, 28 Pascal, 4 Permutationssymbol, 19 ph¨anomenologische Variable, 214 physikalische Gleichungen, 213 Piola, 6 Plastizit¨at, 270 Poisson, 6 Polare Zerlegung, 43 polarer Zerlegungssatz, 92 Potentialgleichung, 314 Poynting, 267 Poynting-Effekt, 267 Prandtl, 275 Prandtl-K¨orper, 294 Prim¨arkriechen, 282 Prozess, 216 adiabater, 206, 248 Pseudovektor, 23 pull-back-Operationen, 107 push-forward-Operationen, 107 Quellen, 171 Rabotnov, 283 Ramberg, 274 Ramberg-Osgood-Gesetz, 274 Randbedingungen, 314 Randwertaufgabe Dirichlet’sche Randbedingung, 314, 317

Sachverzeichnis erste, 314 gemischte, 315 Neumann’sche Randbedingung, 314, 317 Robin’sche Randbedingung, 315, 317 zweite, 314 Raum, 12 Raumdefinition, 12 Newton’sche, 12 Raumdimension, 12 Reibspannungstensor, 321 Reiner, 105 Reuss, 275 Reynolds, 177 rheologische Grundgesetze, 290 rheologische Modelle, 289, 294 D¨ampfungselement, 292 elastische deviarorische Verzerrungen, 294 elastische Volumenverzerrungen, 294 elastisches, 291 elementare Grundmodelle, 291 Federelement, 291 komplexe Schaltungen, 294 Kopplung, 293, 299 Parallelschaltung, 294, 299 plastische deviarorische Verzerrungen, 294 plastisches, 293 Reibklotzelement, 293 Reihenschaltung, 293, 299 viskose deviarorische Verzerrungen, 294 viskoses, 292 Ricci-Curbastro, 2 Richtungsableitung, 46 Riemann, 2 Rivlin, 104 Robin, 315 Rotation, 44 Rotations-Theorem, 47 Saint-Venant, 293 Satz Cayley-Hamilton’scher, 42, 50, 53 Gauß-Ostrgradski’scher, 46 Gauß-Ostrogradski’scher, 150 Green’scher, 47 Stokes’scher, 47 Sch¨adigungsparameter, 284 Schnittprinzip, 73, 143 Schubverzerrung, 103 Sekund¨arkriechen, 282, 284 Senken, 171 Seth, 105 Signorini, 108 Skalar, 19, 24 Skalarprodukt, 33

Sachverzeichnis doppeltes, 34 Spannung, 143 Cauchy’sche, 157 technische, 145 wahre, 145 Spannungsgeschwindigkeit Jaumann’sche, 231 Spannungsgeschwindigkeitstensor, 226 Spannungsleistung, 194 Spannungspotentialfunktion, 240 Spannungsprinzip von Euler-Cauchy, 143 Spannungstensor, 226 1. Piola-Kirchhoff’scher, 155, 161, 166, 185, 226, 239 2. Piola-Kirchhoff’scher, 157, 161 Cauchy’scher, 145 dissipativer, 244 Lagrange’scher, 155 Pseudospannungstensor, 156 Spannungsvektor, 141, 144 1. Piola-Kirchhoff’scher, 154 2. Piola-Kirchhoff’scher, 157 Cauchy’scher, 145 Spannungszustand, 144 Spektralzerlegung, 41 spezifische Spannungsleistung, 191 Spinorvektor, 23 Spintensor, 110, 114 Starrk¨orperdrehung des Linienelementes, 115 Stieltjes, 142 Stoffgleichungen, 213 Stokes, 6, 47 Stokes’sche Bedingung, 320 Stokes’sche Hypothese, 280 Streckgeschwindigkeitstensor, 109, 114 Strecktensor, 99 Streckung lokal, 101 Streichlinie, 88 Stromlinie, 86 Substitution, 21 Symmetriebeziehung, 49 Tait, 44 Tangentenmodul, 279 Taylor, 221 Temperatur absolute, 204 Temperaturfeld homogenes, 205, 206 Tensor nter Stufe, 24 a¨ hnlicher, 93 2. Stufe, 24

343 der viskosen Spannungen, 244, 249, 279 Determinante, 36 eigentlich orthogonaler, 37, 52 Einheitstensor, 35 inverser, 36 kartesischer, 19 Kugeltensor, 37 objektiver, 230 orthogonaler, 37 relativer, 227 schiefsymmetrischer, 31 spezieller, 35 Spur, 36 symmetrischer, 31 transponiert, 31, 53 Tensorfunktionen, 48 Terti¨arkriechen, 282, 284 Tetrade, 20, 25 Thermoelastizit¨at, 309 instation¨are Gleichungen, 317 station¨are Gleichungen, 317 Torricelli, 4 totales Differential, 46 Tr¨agheit, 13 Transformation affine, 82 Fl¨achenelement, 85 homogene, 82 Linienelement, 85 Volumenelement, 85 Transformationsgesetz bei Drehung des Koordinatensystems, 20 Transporttheorem, 175 Reynolds’sches, 177 transversale Isotropie, 261 Triade, 20, 25 Truesdell, 7 ¨ Uberschiebung, 21 ¨ Ubertragungsfunktion, 291 Vektor, 20, 25, 26 Addition, 26 axialer, 23 dualer, 112 dyadisches Produkt, 29 Multiplikation, 27 Multiplikation mit einem Skalar, 26 objektiver, 230 polarer, 22 Skalarprodukt, 27 Subtraktion, 27 Tensorprodukt, 29 Vektorprodukt, 28

344 Vektorinvariante, 36 Vektorprodukt, 33 doppeltes, 34 Verfestigung isotrope, 274 kinematische, 274 Vergleichsdehnung, 276 Vergleichsspannung, 275 Verj¨ungung, 21 Verlust, 171 Verschiebungsgradient, 115 materieller, 116 r¨aumlicher, 116 Verschiebungsvektor, 115 Verzerrung, 73 Verzerrungsarbeit, 266 Verzerrungsenergie, 190, 238 Verzerrungsenergiedichtefunktion, 240, 265 konjugierte, 266 Verzerrungsgeschwindigkeit, 109 Verzerrungsgeschwindigkeitstensor Almansi-Euler’scher, 113, 232 Green’scher, 192 Green-Lagrange’scher, 113, 232 Verzerrungsmaß, 107 ¨ Anderungsgeschwindigkeitkeiten des, 115 finites, 107 Verzerrungstensor, 82, 100, 105, 225 Lagrange-Karni-Reiner’scher, 105 Almansi-Euler’scher, 105 Almansi-Euler-Hamel’scher, 100 Cauchy’scher, 105, 119 Euler’scher, 119 Euler-Karni-Reiner’scher, 105 Green’scher, 97 Green-Lagrange’scher, 100, 105 Lagrange’scher, 97 relativer, 228

Sachverzeichnis Swainger’scher, 105 Viskosit¨at, 279 Viskosit¨atskoeffizienten, 320 Voigt, 35 Volumen¨anderung, 296 Volumendehnung, 103 Volumendichtezufuhr, 171 Volumenkraft, 139, 140 Volumenkraftdichte, 140 Volumenlast, 139 Volumenmoment, 141 Volumenmomentdichte, 141 von Guericke, 4 von Mises, 275 W¨armeleitungsgleichung, 322 Fourier’sche, 309 W¨armequelle, 200 W¨armespannungen, 309 W¨armestromvektor, 200 Winkel¨anderungsgeschwindigkeit relative, 114 Young, 258 Zeit, 12 Zeitableitung materielle Volumenelement, 88 materielles Fl¨achenelemente, 88 materielles Linienelement, 88 Zhilin, vi Zustand thermodynamischer, 235 Zustandsgleichung, 213, 248, 280 ideales Gas, 245 Zwangsbedingung, 218 kinematisch, 241

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