Konrad von Würzburg: Ein Handbuch [includes a print version and an ebook ed.] 9783110373561, 9783110204988

Konrad von Würzburg was the most significant and versatile German author of the thirteenth century, possibly even the Mi

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Konrad von Würzburg: Ein Handbuch [includes a print version and an ebook ed.]
 9783110373561, 9783110204988

Table of contents :
Vorwort
Inhalt
I Allgemeines
Konrad von Würzburg: Leben – Kontakte – Werk
Konrads Ästhetik
Konrad-Rezeption und -Gedenken in Mittelalter und Früher Neuzeit
II Konrads Werke
Lyrik
Die Klage der Kunst
Die Goldene Schmiede
Legenden (Silvester, Alexius, Pantaleon)
Der Welt Lohn
Das Herzmaere
Die halbe Birne
Heinrich von Kempten
Das Turnier von Nantheiz
Der Schwanritter
Engelhard
Partonopier und Meliur
Trojanerkrieg
III Überlieferung
Zur Überlieferung der Werke Konrads
Anhang
Handschriftenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Personen- und Werkregister

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Konrad von Würzburg

Konrad von Würzburg Ein Handbuch Herausgegeben von Markus Stock

ISBN 978-3-11-020498-8 e-ISBN (PDF) 978-3-11-037356-1 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-038620-2   Library of Congress Control Number: 2023934434 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2023 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Einbandabbildung: Universitätsbibliothek Heidelberg/Cod. Pal. germ. 848 (Codex Manesse) – Zürich, ca. 1300 bis ca. 1340/fol. 383r Satz: Dörlemann Satz, Lemförde Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com

Markus Stock

Vorwort

Konrad von Würzburg, geboren in der ersten Hälfte des 13.  Jahrhunderts wohl in Würzburg und gestorben 1287 wohl in Basel, ist der versatilste deutsche Autor seines Jahrhunderts und vielleicht des ganzen Mittelalters. Er war aufgrund der thematischen und generischen Breite sowie der anzunehmenden zeitlichen Spanne seines Schaffens und seiner Nachwirkung einer der bedeutendsten Autoren der gesamten mittelhochdeutschen Literatur. In den letzten zwei Jahrzehnten hat er sich in der germanistischen Wahrnehmung als führender Autor der zweiten Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts etabliert. Seine Bedeutung ist seit der Mitte der 1980er-Jahre mehr und mehr in den Blick der germanistischen Forschung und Lehre gerückt (zusammenfassend Brandt 2009a, 15–78, und Brandt 2009b). Das vorliegende Handbuch ist als Sammelwerk einer Gruppe von Autorinnen und Autoren das erste seiner Art und richtet sich an das germanistische Fachpublikum ebenso wie an Studierende der Germanistik und benachbarter mediävistischer Felder. Es versammelt Beiträge von Fachleuten der deutschen sowie nordamerikanischen Germanistik und dokumentiert die reiche Konrad-Forschung. Beiträge zu einzelnen Werken oder Werkgruppen treten hier neben eine Einführung zum Autor und seinem Werk sowie übergreifende Artikel zu Konrads Ästhetik und seiner Rezeption. Abgeschlossen wird das Handbuch mit einer Aufstellung und Einordnung der beeindruckenden Gesamtüberlieferung von Konrads Werken. Die Beiträge zu den einzelnen Werken machen seinen Hauptteil aus. Das Handbuch hat nicht zum Ziel, eine Aufsatzsammlung zu den Werken Konrads zu bieten, vielmehr ist es ein bündelndes Kompendium zum aktuellen Forschungsstand, das im Bewusstsein der langen und produktiven fachlichen Auseinandersetzung mit dem Autor besonders auch die Forschung und die forschungsgeschichtliche Entwicklung zu den Einzeltexten berücksichtigt. Während die allgemeineren Artikel ein offenes Format haben, sind die einzelwerkbezogenen Artikel strenger gegliedert. Sie besprechen die Überlieferung und Überlieferungsgeschichte sowie Textausgaben, geben eine knappe Inhalts- oder Textgruppen-Charakterisierung, diskutieren Quellen und Gattungs-Zusammenhang, die Forschungsgeschichte, Interpretationsansätze sowie neue methodische Zugänge und enthalten Gedanken über offene Forschungsfragen, verpasste Chancen und Desiderata. Je nach Überlieferungs-, Editions-, und Forschungslage fällt das Verhältnis der einzelnen Abschnitte innerhalb der Beiträge unterschiedlich aus. Die Reihenfolge der Artikel soll dabei keine Werkchronologie suggerieren, die ohnehin nur vage und lückenhaft zu erschließen wäre. Vielmehr folgt das Handbuch einer sehr losen Ordnung, die von kleineren zu größeren Formen, von Sangbarem zu längeren Narrativen reicht. Nicht ganz einfach war die Entscheidung, welche der Texte aufgenommen werden, für die Konrads Autorschaft als nicht gesichert gilt oder für die Konrad als Autor gar nicht bezeugt ist. → Die Halbe Birne bleibt aufgrund ihres derbhttps://doi.org/10.1515/9783110373561-201

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 Markus Stock

obszönen Charakters (aber vielleicht wirklich nur deswegen) weiterhin ein Sonderfall unter den Werken Konrads, kann aber aufgrund dieses Charakters nicht einfach als ‚pseudo-konradisch‘ ausgeschlossen werden und hat daher ein eigenes Kapitel erhalten. Auch → Das Turnier von Nantheiz hat im Handbuch ein eigenes Kapitel, obwohl es bekanntlich keine Autornennung aufweist und vor allem aufgrund des Stils, der Thematik, des Überlieferungskontexts und vielleicht auch aufgrund langwährender Forschungstraditionen als Konrads Werk gilt. Andere Texte, die Konrad mit größerer Wahrscheinlichkeit erst nachträglich zugeschrieben wurden, sind dagegen lediglich im Kapitel zur → Konrad-Rezeption gewürdigt. Mit diesen Problemen mag zwar nahezu jede autorbezogene Darstellung vormoderner Literatur konfrontiert sein, aber aufgrund der großen Beliebtheit von Konrads Werken, der zeitlich langen und an Zeugnissen reichen Überlieferung sowie der ausgedehnten Rezeption und Nachahmung erweisen sie sich für Konrad von Würzburg als besonders virulent. Die Einleitung zu diesem Handbuch (→ Konrad von Würzburg: Leben  – Kontakte  – Werk) vertieft die Diskussion dieser methodischen Problematik bei der Bestimmung des Autors oder der Autor-Chiffre ‚Konrad von Würzburg‘ und seines ‚Œuvres‘. Als Herausgeber dieses Handbuchs hege ich die Hoffnung, dass es von Studierenden, Lehrenden und Forschenden als nützlich und interessant wahrgenommen wird. Die eine oder der andere mag es sogar von vorne bis hinten durchlesen. Allerdings gehe ich von einer vorwiegend kapitelbezogenen Lektüre aus, weshalb jedes Kapitel seine eigene Bibliographie bietet und auf eine Gesamtbibliographie verzichtet wird. Eine solche liegt mit der Neuauflage der online frei verfügbaren Konrad von Würzburg Bibliography vor (Horsfall und Stock 2023). Mein Dank gilt zu allererst den Autorinnen und Autoren für ihre Beiträge zu diesem Handbuch und auch für die großzügige Geduld, die sie aufgebracht haben, als das Handbuch wegen meiner administrativen Belastungen an meiner Institution während der Corona-Pandemie ins Stocken geriet. Danken möchte ich auch meinen ehemaligen und gegenwärtigen Doktorierenden und Hilfskräften an der University of Toronto, besonders Luise Hellwig, Walker Horsfall, Florian Müller und Nathalie Röthlisberger, für ihre wertvolle Arbeit bei der Einrichtung dieses Handbuchs. Sabrina Keim bin ich neben ihrer Abfassung des Kapitels zur → Goldenen Schmiede auch für Lektorierung und Coaching in der Endphase dieses Projekts dankbar. Robert Forke, Dominika Herbst und Susanne Rade vom De Gruyter Verlag danke ich für die geduldige Ermutigung, Lektorierung und umsichtige Betreuung. Zwei für dieses Handbuch wichtige Menschen konnten sein Erscheinen nicht mehr erleben: Als Lektor war Jacob Klingner eng an der ursprünglichen Entwicklung des Plans zu diesem Handbuch beteiligt. Seraina Plotke konnte noch kurz vor ihrem Tod das Kapitel zu → Partonopier und Meliur einreichen. Es weicht in der Struktur leicht von den anderen auf Einzelwerke bezogenen Kapitel ab, da die Autorin die Überarbeitungsphase nicht mehr erlebt hat. Die wissenschaftliche Kreativität und kollegiale Offenheit dieser Beiden haben Wichtiges zu diesem Handbuch beigetragen. Ich gedenke ihrer in Dankbarkeit. University College, University of Toronto, im Februar 2023

Vorwort 

Brandt, Rüdiger, Konrad von Würzburg: Kleinere epische Werke. Berlin: Erich Schmidt, 2000. 2., neu bearbeitete und erweiterte Auf. Berlin: Erich Schmidt, 2009. (2009a) Brandt, Rüdiger, „Literatur zu Konrad von Würzburg 1997–2008“. Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen 246 (2009): 300–330. (2009b) Horsfall, Walker, und Markus Stock, Konrad von Würzburg: A Bibliography. 2. Aufl. Toronto: University of Toronto Libraries, 2023. https://hdl.handle.net/1807/127259

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Inhalt Markus Stock Vorwort   V

I Allgemeines Markus Stock Konrad von Würzburg: Leben – Kontakte – Werk  Jan-Dirk Müller Konrads Ästhetik 

 3

 18

Michael Baldzuhn Konrad-Rezeption und -Gedenken in Mittelalter und Früher Neuzeit 

II Konrads Werke Manuel Braun Lyrik   87 Walker Horsfall und Markus Stock Die Klage der Kunst   108 Sabrina Keim Die Goldene Schmiede 

 118

Sabine Griese Legenden (Silvester, Alexius, Pantaleon) 

 137

Christina Lechtermann Der Welt Lohn   164 Claire Taylor Jones Das Herzmaere   188 Ann Marie Rasmussen und Olga V. Trokhimenko Die halbe Birne   208

 46

X 

 Inhalt

Christopher Liebtag Miller Heinrich von Kempten   216 Rüdiger Brandt Das Turnier von Nantheiz 

 235

Meihui Yu und Beate Kellner Der Schwanritter   246 Ute von Bloh Engelhard   263 Seraina Plotke Partonopier und Meliur  Bent Gebert Trojanerkrieg 

 283

 306

III Überlieferung André Schnyder Zur Überlieferung der Werke Konrads 

Anhang Handschriftenverzeichnis   387 Abkürzungsverzeichnis   392 Personen- und Werkregister   393

 335

I Allgemeines



Konrad von Würzburg: Leben – Kontakte – Werk 

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Markus Stock

1 Konrad von Würzburg: Leben – Kontakte – Werk 1 Konrads literaturgeschichtliche Stellung Konrad von Würzburg ist, gemessen an der Vielfalt und am Umfang der Überlieferung seiner Werke, der bedeutendste deutschsprachige Dichter des 13. Jahrhunderts. In der Vielseitigkeit der Texte über literarische Gattungen hinweg ist ihm in Deutschland im ganzen Mittelalter kein anderer Autor gleichgestellt. Seine → Lyrik (Lieder, Sangsprüche und zwei Leiche) weist auffällige formkünstlerische Besonderheiten auf, die auch von Zeitgenossen und Nachfolgern geschätzt wurden, wie wir aus expliziten Aussagen in anderen literarischen Texten und aus historischen Quellen wissen (→ Konrad-Rezeption und -Gedenken). Seine narrativen Texte sind zum Teil stilistisch und sprachlich außergewöhnlich und meisterhaft gestaltet. Besonders gilt dies für seine beiden langen Versromane, → Partonopier und Meliur und → Trojanerkrieg. Daneben besteht sein narratives Werk aus einem weiteren, kürzeren Roman (→ Engelhard), mehreren kürzeren Verserzählungen und → Legenden, zwei allegorischen Dichtungen, einer Marienlobdichtung und einer Wappen- und Turnierdichtung (diese, das → Turnier von Nantheiz, wurde ihm von der Forschung zugeschrieben). Eine Datierung der Werke konnte, wenn überhaupt, nur sehr ungefähr dort vorgenommen werden, wo die in den Texten genannten Gönner und Förderer sowie deren erwähnte Ämter und Titel zeitlich eingrenzbar sind (s.  u. Konrads Kontakte). Es ist jedoch nicht möglich, anhand der erhaltenen Belege eine Entstehungsreihenfolge oder Chronologie für Konrads Werke zu erstellen.

2 Konrads biographische Verortung Geboren wurde Konrad wohl in Würzburg, was das Toponym von Würzburg nahelegt, das sich in Selbstnennungen des Autors in seinen Werken sowie in den Erwähnungen anderer Autoren findet. Das Geburtsjahr ist nicht bekannt. Neben dem ohnehin starken Argument, dass das Toponym den Herkunftsort bezeichnet, stützt ein zusätzlicher mittelalterlicher Beleg, der ca.  60–70  Jahre nach Konrads Tod aufgezeichnet wurde, die Annahme, dass Konrad dort geboren wurde. Das Hausbuch des Michael de Leone (München, UB, 2° Cod. ms. 731) verzeichnet ihn am Ende der in der Handschrift enthaltenen → Goldenen Schmiede als meister Cuonrad geborn von wirzeburg (fol. 58v). Gestorben ist Konrad in Basel im Jahr 1287, wie es das Anniversarbuch des Basler Domstifts belegt (Bloesch 1975, 364). Außerliterarische Informationen und die Nennung von Gönnern, Mitarbeitern und Förderern in Konrads eigenen Werken machen es möglich, Konrads Literaturprodukhttps://doi.org/10.1515/9783110373561-001

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tion überwiegend mit der Stadt Basel in Verbindung zu bringen, die im 13. Jahrhundert eine wohlhabende und an Literatur interessierte Oberschicht hatte. Für andere Lebensstationen und Wirkungsstätten, einschließlich einer angeblichen Schaffensphase am Niederrhein (de Boor 1967; Brunner 1987; Brunner 2008, 175–178; s.  u. → Das Turnier von Nantheiz, 238–239, mit weiterer Forschungsdiskussion), gibt es keine wirklichen Anhaltspunkte. Dagegen ist Konrad für Basel vergleichsweise gut belegt. Aus dem Anniversarbuch des Basler Domstifts erfährt man, dass er eine Frau, Berchta, und mindestens zwei Töchter, Gerina und Agnes, hatte; alle vier seien zusammen in einer Maria-MagdalenenKapelle begraben, womit wohl eine Seitenkapelle des Basler Münsters gemeint war, wenn man den Zusatz in latere so lesen kann (Bloesch 1975, 364; Brandt 1987, 64). Die Dokumentation eines Gerichtsstreits über ein Nachbarhaus in einer Basler Urkunde (Wackernagel und Thommen 1896, 124) aus dem Jahr 1295 belegt, dass ein Konrad von Würzburg ein Haus in der Spiegelgasse (heute Augustinergasse) zur Rheinseite hin besaß. Das Haus eines verstorbenen magistri Cuonradi de Wirzeburg (Wackernagel und Thommen 1896, 124 Z. 24–25) wird in dieser Urkunde als Nachbarhaus des Streitobjekts genannt, und nur wenn man annimmt, dass es zur selben Zeit in Basel zwei Menschen mit dem Namen Konrad von Würzburg gab, wird man bezweifeln, dass es sich dabei um den Autor handelt. Dies war eine erstklassige Wohnlage. Neben Konrad wohnte ein Arzt namens Dietrich und in der Nachbarschaft lagen Häuser von Amtsträgern des Basler Domstifts (Peters 1983, 117). Für sein Todesjahr, 1287, preisen ihn die Colmarer Annalen als „Verfasser vieler guter Dichtungen in deutscher Sprache“ (Cuonradus de Wirciburch in Theothonico multorum bonorum dictaminum compilator; Jaffé 1861, 214 Zeile 43–44). Die Annalen sind zwar nur in einer handschriftlichen Kopie des 16. Jahrhunderts vollständig greifbar, diese geht aber auf (verlorene) Basler und Colmarer Dominikanerquellen des späten 13. Jahrhunderts zurück, die auch in weiterer Hinsicht als historische Quelle zu Konrads Leben wichtig sind (s.  u.). Der nur als Colmarer Dominikanerchronist bekannte Urheber begann ihre Abfassung (oder Mit-Abfassung) im Basler Dominikanerkloster und führte sie ab 1278 im neugegründeten Colmarer Dominikanerkloster fort (Zapf 2012, 287–288; Thali 2020, 30–31). Konrad scheint es also zumindest in einer Lebensphase, die wohl auch von großer literarischer Produktivität geprägt war, in Basel wirtschaftlich gut ergangen zu sein. Die Bezeichnung Magister oder auch meister, die ihn in außerliterarischen Quellen und in einigen Beischriften zu seinen eigenen Werken begleitet (wie etwa im Codex Manesse oder in einigen seiner Erzähltexte, etwa in der → Halben Birne, V. 513) diente wohl der lobenden Zuordnung Konrads zu einer bestimmten Bildungsform und Könnerschaft. Auf seine Bildung kann man lediglich aus seinen Werken schließen. Konrad muss irgendeine Form von Schulbildung erhalten haben, was unter anderem durch die brillante Beherrschung rhetorischer Muster sowie die Benutzung lateinischer Prätexte nahegelegt wird. So konnte er sicher gut Latein lesen, während er nach Aussage aus dem → Partonopier und Meliur zum Verständnis französischer Texte Hilfe benötigte (s.  u. zu Konrads Kontakten). Die → Klage der Kunst und der → Schwanritter lassen wohl auf Grundkenntnisse zum Ablauf juristischer Verfahren schließen. Ob Konrad sich diese im



Konrad von Würzburg: Leben – Kontakte – Werk 

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Rahmen eines Amtes oder vielleicht nur durch Beobachtung und Kommunikation im Kontext der ihn umgebenden städtischen Elite angeeignet hat, ist unklar. Gleichermaßen ungeklärt ist, ob das Dichten wirklich seine Haupttätigkeit war. In der Forschung wird er oft als ‚Berufsdichter‘ bezeichnet, doch der Besitz des Hauses in bester Nachbarschaft und die Begräbnisstätte im Münster werfen zumindest die Frage auf, ob das Dichten tatsächlich seine Haupteinnahmequelle war (Hübner 2019, 393). Er ist für keine weitere Tätigkeit oder kein anderes Amt in Basel nachgewiesen; ob seine Frau Berchta aus wohlhabenden Verhältnissen stammte, ist nicht bekannt. Konrad hatte auch Kontakte nach Straßburg. → Heinrich von Kempten wurde für einen Straßburger Auftraggeber, Berthold von Tiersberg, gedichtet, und in einer Spruchstrophe Konrads wird von Strazeburc eyn Lechtenberger gelobt (LDM J KonrW 2), was sich wohl entweder auf den Straßburger Bischof Konrad  III. von Lichtenberg oder dessen Bruder, den Straßburger Stadtvogt Ludwig von Lichtenberg, bezieht (Brandt 1987, 71). In Straßburg hat vielleicht auch zusätzliches Interesse an Konrad bestanden. Die Einschätzung hängt auch davon ab, wie man die von Ludwig Schneegans berichtete, heute nicht mehr verifizierbare Nennung des Todes eines Magister Cunradus Herbipoli in einem Anniversarbuch des Straßburger Stifts Jung-St.-Peter beurteilt, welche Sebastian Mieg handschriftlich kopiert habe (Schneegans 1856; zur Straßburger Kaufmannsfamilie Mieg s. Fuchs 1994). Diese Belege müssen jedenfalls nicht auf einen längeren Aufenthalt Konrads in Straßburg hindeuten, für den es sonst keine Hinweise gibt. Konrad wird in den Handschriften und Urkunden als magister oder meister, nie aber als her bezeichnet (Braun 2019). Er war also ziemlich sicher kein Adliger. Es existiert nur eine (unklare) historische Andeutung, dass Konrad vielleicht als fahrender Sänger tätig war. In jener Handschrift, welche die Colmarer Annalen überliefert, gibt es einen wahrscheinlich von demselben dominikanischen Chronisten verfassten Zusatz über regionalgeschichtliche, kulturelle und kirchliche Belange des Elsass im 13. Jahrhundert (in Jaffés Edition [1861] mit De rebus Alsaticis ineuntis saeculi XIII überschrieben). Dieser Zusatz weist Conradus de Wirciburg als einen vagus aus, der für seine „kostbaren deutschen Verse über die Jungfrau Maria“ gelobt wird (rhitmos Theutonicos de beata Virgine preciosos; Jaffé 1861, 233 Zeile 38–39), was sicherlich auf Konrads → Goldene Schmiede hinweisen soll. Das lateinische Wort vagus bezeichnet einen fahrenden, um Lohn von Ort zu Ort reisenden Sänger oder Dichter (Dobozy 2005, 18). Ob und in welchem Maße Konrad in diesem Sinne aktiv war, ist ungewiss. Festzuhalten bleibt, dass dieses Wort, vagus, der einzige Beleg ist, der wirklich dafür in Anschlag gebracht werden kann, dass Konrad als fahrender Dichter unterwegs gewesen sei. Es ist allerdings sehr zweifelhaft, ob von diesem Wort auf eine ganze Lebensphase geschlossen werden kann, in der Konrad als Fahrender tätig war, bevor er sich in Basel niederließ. Die große Anzahl überlieferter Lieder und Sprüche legt sicherlich nahe, dass Konrad auch als Vortragender gewirkt hat, und es ist vorstellbar, aber nicht belegbar, dass er nicht nur in Basel, sondern auch außerhalb dieser Stadt als solcher in Erscheinung trat, in diesem Sinne also als Künstler reiste – wenngleich vielleicht nicht im Sinne eines fahrenden Unterhaltungskünstlers. Nicht auszuschließen ist zudem, dass vagus hier lediglich eine Art

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behelfsmäßige lateinische Bezeichnung für einen Laiendichter ist, der sich nicht des gelehrten Lateins bediente. Allerdings lässt sich die Verwendung des Wortes vagus in dieser übergreifenden Bedeutung in den mittelalterlichen Quellen nicht nachweisen (Peters 1983, 116; zur lateinischen Terminologie für fahrende Künstler Dobozy 2005, 17–19 und 148–159). Mittelalterliche Quellen bringen Konrad auch mit dem ungefähr auf halbem Weg zwischen Basel und Straßburg gelegenen Freiburg im Breisgau in Verbindung. Diese Verbindungen sind allerdings sehr undeutlich und beruhen vielleicht auf Verwechslungen oder Missverständnissen. Sie ergeben sich aus Hinweisen, die in einem Fall zwei Generationen, im anderen Fall zwei Jahrhunderte nach Konrads vermuteter Lebenszeit niedergeschrieben wurden. Zum ersten verzeichnet der oben genannte Schlussspruch zur → Goldenen Schmiede im Würzburger Hausbuch des Michael de Leone Konrad als zuo friburg im prisgeue begraben (fol. 58v), was im Widerspruch zur oben angeführten Aussage im Basler Anniversarbuch steht, wonach Konrad und seine Familie in Basel beigesetzt wurden. Eine weitere Quelle verortet einen Konrad von Würzburg ebenfalls in Freiburg. Ein ungefähr zwischen 1482 und 1509 (Hagenmaier 1988, 5) kopiertes Anniversarbuch des Freiburger Dominikanerklosters verzeichnet einen Bruoder Cuonrad von wúrczburg, dessen die Gemeinschaft gedenken solle (Freiburg, UB, Hs. 10, fol. 8v). Das Anniversarbuch enthält die Namen verstorbener Konventsmitglieder und mit dem Kloster verbundener Menschen. Wann dieser Konrad dem Kloster angehörte und ob es sich dabei um den Autor handelt, ist ganz unklar, aber die Liste der hier erwähnten Klostermitglieder geht, soweit man Personen identifizieren kann, bis ins 13. Jahrhundert zurück. Es wäre also nicht auszuschließen, dass es sich hier um den Autor handelt, auch wenn dies viele Fragen nach den vielleicht späteren (?) Lebensstationen Konrads aufwirft. Ist er womöglich gegen Ende seines Lebens in dieses Kloster in Freiburg eingetreten? Oder handelt es sich einfach um einen anderen Menschen, der ebenfalls den sehr verbreiteten Namen Konrad trug und aus Würzburg stammte, genau wie ein Priester burckhart von wúrzburg, der einige Blätter später in das Freiburger Anniversarbuch eingetragen wurde (fol. 12v)? Basel ist jedenfalls der am deutlichsten profilierte und fast ausschließlich belegte Wohn- und Wirkungsort Konrads. Diese im 13. Jahrhundert wirtschaftlich und kulturell bedeutende Bischofsstadt ist durch die Hinweise in Konrads eigenen Werken auch als sein hauptsächlicher „Schreibort“ (Virchow 2013) belegt.

3 Konrads Kontakte Basel ist in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts eine wohlhabende Stadt von etwa 7000 bis 8000 Einwohnern (Meyer 1987, 24), ein blühendes Handels- und Handwerkszentrum mit einem Bischofssitz und einer wohlhabenden Oberschicht, bestehend aus Adligen, politisch einflussreichen Bürger-Familien und hochrangigen Geistlichen, die



Konrad von Würzburg: Leben – Kontakte – Werk 

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dem Domkapitel angehörten. „Bis gegen Ende des 13. Jahrhunderts liegt die politische Macht in Basel zur Hauptsache beim bischöflichen Stadtherrn und dessen Gefolgsleuten sowie bei Rittern und Burgern“ (Meyer 1987, 25). Letztgenannte stellten auch den Bürgermeister, die Schultheißen sowie die Mitglieder des Rates und der Stadtverwaltung. In dieser Zeit erlebt Basel einen wahrhaften Bau-Boom, der das Aussehen der Stadt stark umgestaltet und so das urbane Selbstverständnis auch durch das Stadtbild ausgedrückt haben wird. Neben neuen Sakralbauten – Kirchen, Klöstern und Kapellen – entstehen viele Profanbauten. Das Stadtbild Basels wurde wahrscheinlich von hohen Wohntürmen dominiert, von denen es mindestens zwei Dutzend gab (Meyer 1987, 23–24), wie man es heute vor allem noch von manchen mittelalterlich geprägten italienischen Städten wie etwa San Gimignano kennt. Doch im Verlauf des 13. Jahrhunderts traten in Basel neue Profanbauten hinzu: etwa das ungefähr in der Mitte des 13. Jahrhunderts fertig gestellte erste Rathaus, aber auch die repräsentativen Hofbauten der Basler Oberschicht, die besonders auf dem Münsterhügel erbaut wurden (Meyer 1987, 24), in dessen direkter Nachbarschaft sich auch Konrads Haus befand. Das kulturelle Leben Basels dieser Zeit ist nur „in Umrissen sichtbar“ (Thali 2020, 16), aber deutlich ist, dass Konrad in Basel von einer Gruppe einflussreicher und wohlhabender Förderer umgeben war, die seine Kunst schätzte. Die meisten fördernden Personen und Auftraggeber, die in Konrads Werken erwähnt werden, entstammen der Führungsschicht Basels. Peter Schaler, der mehrmals Bürgermeister und Schultheiß der Stadt war (Bärmann 1995, 148–149), sowie der Ratsherr Heinrich Merschant und der Stadtbürger Arnolt Fuchs werden von Konrad als Unterstützer des Romans → Partono­ pier und Meliur genannt. Dietrich an dem Orte, der Gönner des → Trojanerkriegs, hatte als Domkantor eines der höchsten Ämter am Basler Bischofshof inne. Auch für seine → Legenden nennt Konrad Mäzene aus der Oberschicht: den Domherrn Liutold von Röteln (Silvester), den Stadtbürger und späteren Ratsherrn Johannes von Arguel (Panta­ leon) sowie den Ratsherrn Heinrich Isenlin und den Stadtbürger Johannes von Bermeswil (Alexius). Es ist für die Gönner keine Differenzierung der literarischen Interessen nach Zugehörigkeit zur religiösen oder weltlichen Elite sichtbar: So förderte der Domkantor Dietrich an dem Orte mit dem → Trojanerkrieg weltliche Literatur, während die Ratsherren und Stadtbürger auch Legenden in Auftrag gaben (Bumke 1979, 289). Eben weil diese Menschen zur Führungsschicht von Basel (und in den zwei oben genannten Fällen zu der von Straßburg) gehörten, sind sie in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts in historischen Quellen zum Teil exzellent dokumentiert (Brunner 1985, 273–278; Bärmann 1995, 126–151; Miedema 2015; Plotke 2017; Thali 2020, 29–35). Das ergibt für Konrads Texte mit Gönnernennungen ungefähre Entstehungszeiträume zwischen 1258 und 1287, da in diesem Zeitraum die genannten Förderer belegt sind (Brandt 1987, 70–80; Brandt 2009, 24). Während sich Konrads eigene gesellschaftliche Stellung nur sehr schemenhaft fassen lässt, ergibt sich für seine Basler Förderer also ein sehr viel konkreteres historisches Bild. Seine Kunst wird von einflussreichen Gönnern geschätzt und gefördert, die gesellschaftlich eine vergleichsweise homogene und ortsbezogen stabile Gruppe

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 Markus Stock

bilden (Bumke 1979, 289; Plotke 2017). Als Angehörige der relativ schmalen Elite Basels kennen sich Konrads Förderer gegenseitig sehr gut. In einer Urkunde vom 10. März 1277 etwa sind fünf der acht genannten Gönner zusammen als Zeugen benannt: Liutold von Röteln, Dietrich an dem Orte, Peter Schaler, Heinrich Merschant und Heinrich Isenlin (Bärmann 1995, 145). In wechselnden Konstellationen arbeiteten Konrads Förderer auch im Rat der Stadt sowie in städtischen und bischöflichen Verwaltungsangelegenheiten zusammen. Dies ist der Kontext, in dem die Vielfalt und Menge von Konrads Werken entstehen konnte. Die Stabilität seiner Basler Literaturproduktion und die Kontinuität seines Erfolgs scheint eng mit der lokalen Stabilität dieser städtischen Elite zusammenzuhängen. Konrads Meisterschaft und diese elitäre Literaturförderung und -rezeption bedingen sich wohl gegenseitig: Die Wertschätzung seiner Kunst führt zu seiner Förderung durch Einzelpersonen, die miteinander eng bekannt gewesen sein müssen. Gleichzeitig stabilisiert diese kollektive Förderung durch die Stadtelite in einer Art schwacher Institutionalisierung ästhetische, generische und thematische Erwartungen des Publikums sowie ‚Erwartungserwartungen‘, die Konrad und seine Dichtungen leiteten oder beeinflussten. Ob man im Rahmen dieser schwachen Institutionalisierung im Falle Konrads und aufgrund von Indizien zur literarischen Produktion anderer Autoren in Basel in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts von einem ‚städtischen Literaturbetrieb‘ ausgehen kann (dazu zusammenfassend Bärmann 1995), erscheint zweifelhaft. Unzweifelhaft ist allerdings, dass die Basler Führungsschicht Literatur im Allgemeinen und Konrads Werke im Besonderen schätzte und dass Konrad die gegenseitige Wertschätzung von Autor und literaturtragender Elite in seinen Werken selbst – besonders in den Prologen – verewigt hat. In einem Fall, dem Prolog von → Partonopier und Meliur, geht dieser Ausdruck kollektiver Literaturverantwortung über ein Gönner-Meister-Verhältnis hinaus und wird ansatzweise zu einem Modell kollektiver Textverantwortung (Coxon 2001, 112–116). Nach Plotke wird hier die Spezifik der Basler Literatursituation modellhaft deutlich: „Die Unterstützung des Dichters erfolgt nicht durch den einen – fürstlichen – Mäzen, sondern wird getragen von einer Gruppe aus der Oberschicht, die gemeinsam das dichterische Programm des Verfassers bestimmt und ermöglicht“ (Plotke 2017, 143). Mit Peter Schaler, Heinrich Merschant und Arnolt Fuchs als „Stiftergruppe“ (Monecke 1968, 27) wird in einer langen Widmungspassage (V. 158–223) eine „Trias der Geburtshelfer“ (Rikl 1996, 219) des Werks in Szene gesetzt. Peter Schaler wird als der Gönner präsentiert, der gute Kunst noch zu schätzen wisse, dessen Ohr Konrads Kunst zugeneigt sei (V.  166) und dessen gebende Hand Konrad unterstütze, wie zweimal betont wird (V. 188; 201). Peter Schaler wird als jemand gezeigt, der die Bedingungen für die Übertragung des Werks aus dem Französischen und seine Einrichtung in deutsche Reime schafft (V. 174–178). Erwähnt wird aber auch die praktischere Hilfe des zweisprachigen Heinrich Merschant, dessen Beiname sowohl auf das kaufmännische Bürgertum als auch auf eine wohl ältere Verbindung der Familie zum romanischen Raum deutet: Er habe die französische Quelle für Konrad ins Deutsche übersetzt, denn dieser selbst sei des Französischen nicht mächtig (V. 202–214). Eher vage bleibt die abschließend von



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Konrad erwähnte Hilfe von Arnolt Fuchs, der dem Schaffensprozess oft beigewohnt habe und offensichtlich positiven Einfluss auf die Arbeit am Werk nahm (V. 214–223), welche Konrad als beschwerlich kennzeichnet (V. 190–191). Es ist eine solche kollektive Textverantwortung, in deren Rahmen Konrad sich selbst als Verfasser ermächtigt: die Funktion und Position des Dichters von wirczburg ich konradt (V. 192), so legt der Prolog nahe, sind sowohl durch das Patronat Peter Schalers als auch durch die Hilfe der beiden anderen Basler Stadtbürger bedingt (Rikl 1996, 219–225). Trotz dieser ungewöhnlichen Dichte historischer Belege zu Konrads Förderern und der Erwähnung von spezifischen personalen Verhältnissen bei der Werkgenese im Prolog von → Partonopier und Meliur bleibt es unmöglich, wirklich Substantielles über die Schaffensbedingungen Konrads oder die Basler Literatursituation in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts zu sagen. Überhaupt ist bei der Vorstellung eines ‚Literaturbetriebs‘ Vorsicht angebracht, obwohl sich dieser suggestive Begriff als roter Faden durch die Forschung des letzten halben Jahrhunderts zieht, soweit sie sich mit der historischen Verortung Konrads beschäftigt. Die schwache Institutionalisierung, die sich im Netz der Basler Gönner zu erkennen gibt, erscheint weder ausreichend, Konrads ‚literarisches Leben‘ in Basel zu rekonstruieren, noch überhaupt so etwas wie einen ‚Literaturbetrieb‘ anzusetzen, was immer damit genau gemeint sein mag. In jedem Fall aber ist eine weitere Rekonstruktion des kulturellen Lebens und der Mediengeschichte Basels zur Zeit Konrads auch nach den Vorstößen von Peters (1983), Bärmann (1995), Virchow (2012) und Thali (2020) noch ein Desiderat. Dies betrifft auch Konrads Kontakte, wobei hier sicherlich eher mit Wahrscheinlichkeiten als mit historischen Belegen zu rechnen und arbeiten wäre. So kann man begründet vermuten, dass Konrad von Würzburg Albertus Magnus begegnet ist, als dieser 1269 Basel besuchte, um die erweiterte und gotisch umgestaltete Predigerkirche des Dominikanerklosters einzuweihen (Schmidt 1919, 162). Es ist sehr wahrscheinlich, dass Konrad den bereits erwähnten Colmarer Dominikanerchronisten kannte, der nach eigener, in den Colmarer Annalen festgehaltener Aussage seit etwa 1260 in Basel lebte, bevor er 1278 in das neu gegründete Kloster nach Colmar umzog. Dort schrieb dieser dann den oben angesprochenen Todeseintrag zu Konrad und verfasste wahrscheinlich auch den in derselben Handschrift überlieferten Dichterkatalog, in dem Konrad von Würzburg als Verfasser der → Goldenen Schmiede genannt wird. Das bemerkenswerte Faktum, dass ein lateinisch schreibender Klosterchronist einen volkssprachlichen Autor lobend erwähnt, wird so zumindest um die Facette ergänzt, dass sich beide Autoren mit hoher Wahrscheinlichkeit kannten. All diese biographisch-historischen Fakten und begründeten Vermutungen, so reich sie im Vergleich zu fast allen anderen in deutscher Sprache dichtenden Autoren des Mittelalters sein mögen, bieten also allenfalls einen vagen Umriss zur historischen Person des Autors Konrad von Würzburg und ihren Lebenskontexten. Es bleibt vor allem festzuhalten, dass das urbane Milieu Basels und die materielle Sicherheit, die von einer ganzen Reihe von Gönnern mit vielfältigen Auftragsinteressen ausging, die Vielfalt und Menge von Konrads Werken gefördert haben wird. Auch mag die literaturaffine (oder

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auch nur Konrad-affine?) Elite Basels gewisse ästhetische, generische und thematische Erwartungen und Tendenzen (auf Seiten der Rezipierenden wie des Autors) stabilisiert haben, die sich auch in den Dichtungen Konrads niedergeschlagen haben können, ohne dass man aber solche Erwartungen und Tendenzen im Einzelnen literatursoziologisch anbinden oder in den Werken nachverfolgen könnte.

4 Konrad als Autor Die fassbaren historischen Daten erzeugen einen gewissen biographisch-lebensweltlichen Suggestionssog zur Person Konrads von Würzburg. Doch zu allen Zeiten, besonders aber vielleicht unter den medialen Bedingungen der Manuskriptkultur des Mittelalters und dessen Miteinander von mündlichen und schriftlichen Darbietungs- und Überlieferungsformen, ist die Frage nach dem Autor komplexer als die Frage danach, was man über den historisch dichtenden Menschen und seine Kontakte und Lebenssituation weiß oder vermuten kann. Das Verhältnis der außerliterarisch bezeugten Person zu den in mittelalterlichen Texten belegten Aneignungs- oder Zuschreibungsverhältnissen, die in Prologen und an anderen Stellen Konrad von Würzburg diskursiv als Verfasser ins Spiel bringen (Coxon 2001, 95–142), ist nicht einfach zu bestimmen. Diese Unsicherheiten haben direkte Auswirkungen auf dieses Handbuch, dessen kohärenzstiftender (oder vermeintlich kohärenzstiftender) Gegenstand ein mittelalterlicher Autor namens Konrad von Würzburg ist. Denn die über 200 Jahre währende Geschichte der Konrad-Forschung hat ein Bild dieses Autors und seines Œuvres verfestigt, das durch den genaueren Blick auf die Überlieferung sowie die mittelalterlichen und neuzeitlichen Zuschreibungen zugleich undeutlicher und differenzierter wird. Die diskursiven Aneignungs- und Zuschreibungsverhältnisse zwischen Konrad von Würzburg und seinen Werken können dabei in den Kontext der neuen medialen Bedingungen des 12. und 13. Jahrhunderts gestellt werden. Denn ein solcher identifizierender Autorname ist für die volkssprachliche Literatur des Mittelalters keine Selbstverständlichkeit; vielmehr ist er zu jener Zeit ein literaturgeschichtlich eher junges Phänomen. In diesem Sinne liegt die langanhaltende Diskussion um das Verschwinden des Autors in der Moderne (Barthes 2000; Foucault 2000) quer zu den hochmittelalterlichen Bedingungen. Wenn Michel Foucault an zentraler Stelle seines Aufsatzes „Was ist ein Autor“ von einer „Gleichgültigkeit“ gegenüber der Person des Autors als „eines der ethischen Grundprinzipien heutigen Schreibens“ handelt (Foucault 2000, 202; mit „heutig“ meint er 1969), dann versucht er, ein an seine Zeit gebundenes Phänomen zu benennen. Foucault geht es mit der von Samuel Beckett entliehenen Frage „Wen kümmert’s, wer spricht?“ (Foucault 2000, 198) um den freigewordenen Raum, den der Autor in der Moderne hinterlassen habe. „Das Verschwinden des Autors, das seit Mallarmé anhält“ (Foucault 2000, 207), wird so als dezidiert modernes Phänomen modelliert.



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Wie immer man zu dieser These in Bezug auf die Literatur des 20. Jahrhunderts stehen mag, man könnte für die mittelhochdeutsche Literatur des 12. und 13.  Jahrhunderts geradezu vom Gegenteil ausgehen und von einem Auftauchen des Autors sprechen  – zumindest für bestimmte Gattungen. Im Rahmen der medialen und diskursiven Bedingungen der hochmittelalterlichen deutschen Literatur ist die Angabe des Namens und Herkunftsorts, die den Autor relativ genau identifiziert, nämlich der „zentrale Bezugspunkt einer neuen Inszenierung der Autorrolle“ (Bumke 1997, 104). Diese neue Inszenierung ist zu der Zeit, in der Konrad von Würzburg wahrscheinlich dichtete, für manche Textsorten (höfischer Roman, Minnesang, Sangspruch) relativ gut etabliert – wenn auch noch nicht viel älter als 80 bis 100 Jahre. Während im 12. Jahrhundert manche längeren epischen Formen zunächst von Namen begleitet werden, „die weniger der Identifizierung des individuellen Autors als seiner Zuordnung zu bestimmten Bildungs- und Lebensformen dienen (‚Der Pfaffe Lamprecht‘, ‚Der Pfaffe Konrad‘)“ (Bumke 1997, 103–104), etabliert sich noch im selben Jahrhundert für den höfischen Roman mit Eilhart von Oberge, Heinrich von Veldeke und anderen „der neue Typ des Autornamens, der für die ganze höfische Epik richtungweisend blieb“ (Bumke 1997, 104). Die Autor­iden­ti­fi­zierung ist für die deutsche Literatur also ein historisch sich entwickelndes Phänomen. Texte, die Konrad von Würzburg als Autor nennen, partizipieren an diesem Diskursphänomen, welches es überhaupt erst ermöglicht, von einem Œuvre Konrads zu sprechen und es wie hier zum Gegenstand eines Handbuchs zu machen. Während für die Mehrzahl der Werke Konrads Autorrolle relativ stabil bezeugt ist und die genannten Gönner den historischen Kontext sichern, ist dies für andere Texte nicht in gleichem Maße der Fall. Für einige Beispiele heftet sich der Autorname nicht so fest an den Text, dass er nicht wieder verschwinden könnte. Im Fall von Konrads → Herzmaere etwa, dessen Textbestand in der Überlieferung ohnehin stark variiert, ist nur in drei der zwölf Überlieferungszeugen Konrad als Autor genannt (s.  u. → Das Herz­ maere). In mehreren Handschriften wird das → Herzmaere sogar durch ein absichtliches oder unabsichtliches Missverstehen einem anderen einflussreichen Autor, Gottfried von Straßburg, zugeordnet, den der Text als Stil- und Wertevorbild gleich am Anfang lobend erwähnt. Überlieferungsgeschichtlich sind hier also nicht nur der Text, sondern auch die Autorzuschreibung unfest. Je nachdem, wie man die Überlieferungsgeschichte einbezieht, muss man daher die Rede von ‚dem‘ → Herzmaere Konrads von Würzburg relativieren, da es zwar → Herzmaere-Fassungen gibt, die sich Konrad zuschreiben, aber eine Mehrzahl dies nicht tut. Ganz Ähnliches lässt sich für Konrads → Der Welt Lohn beobachten. Dieser Text wurde zwar nicht ausschließlich, aber doch weitgehend als eine Erzählung überliefert und gelesen, an die sich kein Autorname anheftete (s.  u. → Der Welt Lohn). Solche problematisierenden Diskussionen ließen sich auch für andere Texte Konrads führen. → Die Halbe Birne ist deutlich besser als → Das Herzmaere als ein Text Konrads von Würzburg bezeugt, doch hat ihre obszöne Motivik dazu geführt, dass sie lange als kein ‚echtes‘ Werk Konrads von Würzburg galt. → Das Turnier von Nant­ heiz dagegen weist gar keine Autornennung auf, gilt aber aufgrund des Stils und der

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Thematik (mit schwächeren Argumenten auch aufgrund des Überlieferungskontexts) als Konrads Werk – vielleicht auch aufgrund zu selten hinterfragter germanistischer Zuordnungsgewohnheiten. Die bis in die Neuzeit reichende Überlieferung der Werke Konrads (→ Zur Überlieferung der Werke Konrads) eröffnete späteren literaturinteressierten Leser- und Hörer*innen die Möglichkeit, sich unterschiedliche Bilder von Konrads diversem Œuvre zu machen. Solche Autor- oder Œuvre-Konkretisationen sind nur teilweise und schemenhaft anhand von Autorkommentaren sowie von Sammelhandschriften rekonstruierbar und weisen damit ein weiteres Mal auf die Spezifik mittelalterlicher Autorschaft und Textualität hin. Spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Interpretationsgemeinschaften und Publika haben Autorprofile und Korpora ‚Konrads‘ ausgebildet, die gelegentlich in der Überlieferung sowie in → Konrad-Rezeption und -Gedenken greifbar werden. Der Name Konrad von Würzburg diente auf diese Weise als eine Kohärenzchiffre und wohl auch als eine Qualitätsmarkierung für eine Reihe von mit ihm verbundenen Texten. So weisen auch manche späteren Texte, die höchstwahrscheinlich nicht auf Konrad selbst zurückgehen, diesen als Autor aus. Bei aller Fluidität der mittelalterlichen Aneignungs- und Zuschreibungsprozesse kristallisierten sich also historische Autorbilder und Korpora heraus, die Publika und Autoren als Konrads Werke vor Augen stehen konnten. Besonders die lobenden Erwähnungen seiner Kunst durch Zeitgenossen und nachkommende Autoren belegen, dass der Name mit Qualität verbunden wurde (→ Konrad-Rezeption und -Gedenken). Es ist allerdings keine Handschrift bekannt, die eine Werksammlung Konrads vorgenommen hätte, auch wenn es Handschriften gibt, die bestimmte Texte Konrads besonders berücksichtigen. Diese Handschriften stehen unter dem Vorzeichen bestimmter Sammlungsinteressen: Die Große Heidelberger Liederhandschrift etwa bietet, ihren Sammlungsprinzipien gemäß, ein mit dem Namen Meister Chnrat von Wrzburg überschriebenes Autorbild (fol. 383r; siehe die Umschlagabbildung dieses Handbuchs), das ein vergleichsweise großes Korpus lyrischer Texte einleitet. Ein solches Autorprinzip von Sammlungen ist für die mittelalterliche Literatur im Allgemeinen und für Konrad von Würzburg im Besonderen auf die Lyrik begrenzt. Für Konrads Sangspruchdichtung kommt es zu Retextualisierungsvorgängen und Zuschreibungen (Miedema 2016; Hübner 2019; → Konrad-Rezeption und -Gedenken; → Lyrik). So ist in der Colmarer Liederhandschrift (entstanden um 1460) und in der von Hans Sachs zusammengestellten Meisterliederhandschrift q (entstanden 1517) „ein durch Verfasser- und Tonnamen konstituiertes Korpus“ (Hübner 2019, 398) belegbar. Hier also wird ungefähr 200 Jahre nach Konrad ein neues lyrisches Autorkorpus gebildet, dessen Formung von meistersingerlichem Interesse und damit verbundener spezifischer Praxis und Autorkonkretisation geleitet war. Es finden sich auch Sammlungen kürzerer narrativer Texte, die mehr als nur eine Erzählung Konrads überliefern, was vielleicht auf ein Interesse an Werken des Autors hindeuten könnte. Dazu gehören etwa die Wiener und Innsbrucker Märenhandschriften (aus den Jahren 1393 und 1456), die neben dem → Herzmaere (hier allerdings ohne die Identifizierung von Konrads Autorschaft) auch → Heinrich von Kempten sowie



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die → Halbe Birne – und die Wiener Handschrift zusätzlich → Die Goldene Schmiede – überliefern. Auch das Hausbuch des Michael de Leone ist hier zu nennen, das Konrads → Goldene Schmiede, → Die Klage der Kunst und → Das Turnier von Nantheiz enthält – wobei letzteres nicht dezidiert Konrad zugeschrieben wird. Die Handschrift wurde Mitte des 14. Jahrhunderts für Michael de Leone (gestorben 1355) erstellt, der als Protonotar und damit als ranghoher Amtsträger in der bischöflichen Verwaltung Würzburgs tätig war. Es mag am Würzburger Sammlungskontext liegen, dass das Hausbuch nicht nur ein besonderes Interesse an Konrad und seinem Verbleib dokumentiert (s.  o.), sondern im Fall der → Klage der Kunst eingreift, wo Konrad nicht eindeutig als Autor identifizierbar wäre. Im Text selbst wird das Sprecher-Ich lediglich Kuonze genannt (eine im Mittelalter sehr übliche Kurzform von Konrad), was nicht zwingend auf Konrad von Würzburg hinweisen würde. Doch wird die Identifizierung in der Überschrift zur → Klage der Kunst deutlich gemacht: diz ist meister Conrades von wirtzburg getichte […] (fol. 253v). Es gibt hingegen kaum Hinweise, dass mittelalterliche Publika Zugang zu Informationen haben konnten, die ihnen ein umfassendes Werkprofil geboten hätten. Einigermaßen vollständig überblickten vielleicht nur die literaturtragenden Mitglieder der Basler Elite Konrads Werk. Es ist unwahrscheinlich, dass mittelalterliche und frühneuzeitliche Publika nach dem 13. Jahrhundert einen so umfänglichen Eindruck von Konrads Werk hatten, wie ihn dieses Handbuch dokumentiert. Tatsächlich mag die Sicherung und Abgrenzung eines Konrad-Œuvres für die Forschung und Lehre heute eine größere Rolle spielen, als sie es jemals im Mittelalter spielte oder spielen konnte. Die in der Breite und zeitlichen Erstreckung beeindruckende Gesamtüberlieferung der Werke Konrads (→ Zur Überlieferung der Werke Konrads) und deren kreative Aufnahme und Weiterverarbeitung zeigen jedenfalls die (spät-)mittelalterliche Wertschätzung und Wirkung von Konrads Schaffen. Konrad bleibt als der meister bekannt, als der er sich vor allem in den Prologen zu → Partonopier und Meliur und dem → Trojanerkrieg und in seiner Sangspruchdichtung stilisierte (Peters 1983, 119; Philipowski 2017, 396–398; → Konrad-Rezeption und -Gedenken) und als der er in seinen Texten geführt und von anderen in literarischen und außerliterarischen Quellen bezeichnet wurde. Die Meisterschaft seines Schaffens selbst wurde in der Fachdiskussion erst in den letzten drei Jahrzehnten wirklich gewürdigt, was die einzelnen Kapitel dieses Handbuchs dokumentieren. Konrad ist als Autor nicht zuletzt durch seine vielfältige Poetik und Ästhetik definiert. Diese wird in ihrer generischen Vielfalt wie werkübergreifenden Prägnanz im folgenden Kapitel zu → Konrads Ästhetik behandelt. Konrad hat die deutsche Literatur aber auch verändert zurückgelassen, weil er außerhalb oder am Rande etablierter Formtypen experimentiert hat. Dies gilt für die mit Formen spielende → Lyrik, für die Allegorien in der → Klage der Kunst und → Der Welt Lohn, für die metaphorische sowie formale Entgrenzung des Marienlobs in der → Goldenen Schmiede und sogar, wenn man es ihm denn zusprechen möchte, für → Das Turnier von Nantheiz als wohl frühester deutschsprachiger Wappendichtung. Sowohl in → Partonopier und Meliur als auch im → Engelhard – also den beiden Romanen, die

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nicht antike Stoffe bearbeiten – kommen hybride und transgenerische Tendenzen zum Tragen (zu → Partonopier und Meliur s. Schulz 2000; zum → Engelhard s. Kraß 2021). Auch wenn, wie gesagt, die Verbindung zwischen der Situation in Basel und Konrads Werken weder literatursoziologisch noch interpretativ einholbar ist, kann man doch festhalten, dass diese Vielfalt der Texttypen und die Experimentierfreude, die sie verrät, vielleicht auch damit zusammenhängt, dass Konrad jedenfalls in den belegbaren Strecken seines Lebens für ein urbanes und in einem urbanen Milieu schrieb. In Basel und Straßburg gab es auf kleinem Raum eine signifikante Gruppe von Menschen mit literarischen Wünschen und Interessen, und unter ihnen auch Helfer, Gönner und Auftraggeber. Auch wenn Versuche einer biographischen und lebensweltlichen Verortung wohl nicht viel an der Lektüre der Texte selbst ändern, lässt sich trotzdem ein Zusammenhang zwischen der urbanen Situation und der Vielfalt von Konrads Gesamtwerk sehen. Zu versuchen, die Komplexität des mittelalterlichen Autorbegriffs innerhalb unfester Retextualisierungsprozesse zu erfassen, bedeutet also nicht, den Autor in der Überlieferungsgeschichte zerfließen zu sehen. In synchroner Hinsicht lässt sich für Konrads Lebenszeit und die Entstehungszeit seiner Werke im 13.  Jahrhundert eine Kohärenz für eine Gruppe von Texten fassen, die mit dem Namen des Autors zusammenhängt und durch historische Daten zu seinen Gönnern unterstützt wird. Anders gesagt, die Autorchiffre von wirczburg ich konradt und andere Varianten solcher Selbstzuschreibung bilden nicht erst nachträglich, sondern sicherlich auch bereits im Entstehungszeitraum der Texte eine Œuvrekohärenz. Diese hat es Konrads Zeitgenossen ebenso wie uns ermöglicht, eine Reihe von Texten, die wahrscheinlich über einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten entstanden sind, in all ihrer Vielfalt als zusammengehörig zu betrachten, ihre werkübergreifenden Signaturen zu erkennen oder wiederzuerkennen und sie wertzuschätzen (→ Konrads Ästhetik). Es ist besagte Kohärenz, die ein Handbuch, das um Konrad als Autor zentriert ist, trotz aller textuellen Fluiditäten und Zuschreibungsunsicherheiten lohnend macht. Auch in diachroner Hinsicht bleibt der Fokus auf einen Autor Konrad trotz der weitreichenden Retextualisierungsvorgänge sinnvoll und ertragreich, da der Moment der Autorschaft sich von diesen Vorgängen abhebt. Für den Fall Konrads ist in diesem Zusammenhang die Meisterschaft der intertextuellen Geste im Kontext der diese historisch ermöglichenden urbanen Situation entscheidend. Methodisch ist dabei hilfreich, den Autor für die mittelhochdeutsche Literatur als einen Umschlagpunkt in der Überlieferung anzusehen, an dem die eine Form der Intertextualität (die vorgängige, traditionsbezogene oder traditionsgebundene, aufgreifende, übersetzende, wider-, weiter- und umschreibende) in eine andere Form der Intertextualität umschlägt, eine Intertextualität der überlieferungsgeschichtlichen Varianten und Versionen, der Retextualisierungen und der kreativen Aneignungen. Dieser Umschlagpunkt muss kein Zeitpunkt und auch kein fixierter Text sein (es gibt im Mittelalter keine gesetzlich geschützten Fassungen, kein Herausgabedatum und kein Titelblatt mit Verlagsort und Jahreszahl). Konrad ist als Autor ein solcher aus den Retextualisierungsvorgängen herausgeho-



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bener Umschlagpunkt, an dem vorgängige Intertextualität umschlägt in die Varianz der Retextualisierung eines selbst in Varianten wiedererkennbaren Textes. Dies ist eine Relation in der Zeit: Es gibt eine Welt ohne das → Herzmaere, aber mit Geschichten, Stiltendenzen, Motiven und Anliegen, die es vorbereiten, und es gibt eine Welt mit dem → Herzmaere. Dazwischen gibt es die Tätigkeit des Autors, der im Fall des → Herzmaere von manchen Handschriften, aber vor allem durch Wahrscheinlichkeitserwägungen der germanistischen Forschung mit Konrad identifiziert wird. Gleichermaßen gibt es eine Welt, die einen französischen Partonopeus-Roman aufweist, und später eine, in der es einen deutschsprachigen → Partonopier und Meliur-Roman gibt. Dazwischen liegt Konrad als Autor und seine produktionsunterstützende Basler Kooperation, in der Heinrich Merschant beim Übersetzen hilft und ein anderer Bürger, Arnolt Fuchs, in nicht ganz klarer Weise zur Seite steht. Der Umschlagpunkt lässt sich also historisch, ästhetisch und literatursoziologisch bestimmen: nicht besonders präzise, aber doch konturierter als es die Vorstellung von fluiden mittelalterlichen Retextualisierungsvorgängen vermag.

5 Bibliographie Handschriften Berlin, SB, mgq 414 (Meisterliederhandschrift q) Freiburg, UB, Hs, 10 (Anniversarbuch des Freiburger Dominikanerklosters) Heidelberg, UB, cpg 848 (Große Heidelberger Liederhandschrift) Innsbruck, Landesmuseum Ferdinandeum, Cod. FB 32001 (Innsbrucker Märenhandschrift) München, SB, cgm 4997 (Colmarer Liederhandschrift) München, UB, 2° Cod. ms. 731 (Cim. 4) (Hausbuch des Michael de Leone) Wien, ÖNB, Cod. 2885 (Wiener Märenhandschrift)

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Jan-Dirk Müller

2 Konrads Ästhetik 1 Der Berufsdichter – ein Epigone? Der älteren Forschung galt Konrad als ‚Epigone‘, der die Positionen der sog. ‚höfischen Klassik‘ aufnahm und fortführte. Für alle wesentlichen „Kunstanschauungen in der mittelalterlichen Dichtung“ lassen sich in seinen Werken Belege finden (so noch Boesch 1936, 27–112), auch wo er über sie hinauszugehen scheint, bleibe er von ihnen abhängig (151–157), entwickle sie aber nie selbständig weiter. Die Traditionen der ‚Klassiker‘ setze er handwerklich gekonnt, aber ohne Originalität und Schöpferkraft fort. Formale Virtuosität solle Leere von tieferem Gehalt aufwiegen. Erst seit einigen Jahrzehnten hat man, gefördert besonders durch die Studie von Monecke zum Prinzip der „wildekeit“ in Konrads Dichtung (1968), seiner eigenständigen Poetik und Ästhetik die angemessene Aufmerksamkeit gewidmet, und dies gerade angesichts von „Konventionalität, Unpersönlichkeit, Formalismus, Traditionalismus, Diskursmischung, symbolische[r] Überkodierung“ (Stridde 2013, 208), die Konrad durchweg weiterhin bescheinigt werden. Die Dichtungen Konrads von Würzburg zeichnen sich in der Tat durch eine Virtuosität aus, die alle übrigen höfischen Dichter in den Schatten stellt, auch Gottfried von Straßburg, auf dessen Vorbild Konrad sich vor allem beruft. Er bedient die unterschiedlichsten epischen Gattungen ebenso wie den Minnesang und die Sangspruchdichtung (→ Lyrik). In seiner Lieddichtung experimentiert er mit Klangspielen, hinter denen der Sinn manchmal nahezu unkenntlich wird, und die Deskriptionen in seinen epischen Werken, vor allem in seinem unvollendeten → Trojanerkrieg, überbieten an Glanz, rhetorischem Ornatus und Bildhaftigkeit alles in deutscher Sprache bisher Dagewesene. Die Vielfalt der Stoffe, Gattungen und Themen hängt gewiss auch mit dem unsicheren Status eines „Berufsautors“ zusammen, der unterschiedlichste Aufträge annehmen muss (Brandt 2000, 15–32). Doch hat Konrad bei aller Flexibilität der Schreibweisen gegenüber seinen verschiedenen Aufgaben und Gönnern erstaunlich konsequent seine Position als Dichter vertreten. Man hat ihm deshalb einen Zwischenstatus zwischen mittelalterlicher Gebundenheit und – von Werk zu Werk zunehmend – moderner Freiheit des Autors zugesprochen (Kokott 1988/1989, 71–72, 77; 1989, bes. 287–293). Streicht man den latenten Teleologieverdacht, den solche Urteile implizieren, dann lässt sich festhalten, dass Konrad die einem mittelalterlichen, von der Gunst von Gönnern abhängigen Autor verfügbaren Spielräume maximal genutzt hat, und zwar nicht nur als Erfüller von Aufträgen, sondern als selbständiger Gestalter. Das Spektrum seiner stilistischen Register ist ungewöhnlich groß, zwischen dem unmarkierten Stil des → Heinrich von Kempten, in dem Konrad sich auf die neutrale Position des Erzählers zurückzieht, über den Legendenton im Alexius, Silvester oder Panta­ leon (→ Legenden) bis zum rhetorischen Prunk der Beschreibung höfischer Schönheit im → Trojanerkrieg, von den Paradoxien religiöser Lobrede in der → Goldenen Schmiede https://doi.org/10.1515/9783110373561-002



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bis zur Vielfalt an Formen in der → Lyrik. Aussagen über Konrads Poetik und Ästhetik betreffen daher immer nur Teile seines Werks. Mireille Schnyder hat dafür plädiert, zwischen den ‚weltlichen‘ und den ‚geistlichen‘ Dichtungen, und bei diesen noch einmal zwischen Marienlob und Darstellung gewöhnlicher Legendenheiliger wie Alexius zu unterscheiden (1996, 42, 45). Diese Unterscheidung müsste man auf Konrads Gesamtwerk ausdehnen. Es scheint ihm nicht nur für jede Gattung, sondern auch für die in diese eingelassenen Redeformen ein eigener ‚Ton‘ zur Verfügung zu stehen. Konrads Wandlungsfähigkeit dürfte mit der rhetorischen Lehre vom decorum und aptum in Verbindung zu bringen sein, die für jeden Gegenstand eine angemessene Behandlung fordert, für die Legende eine andere als für das Marienlob, für den höfischen Roman eine andere als für eine genealogische Erzählung. Der volkssprachige Parallelbegriff zu aptum/decorum ist fuoge; fuoge ist ein Zentralbegriff höfischer Idealität, aber fuoge dient Konrad auch zur Charakterisierung seiner kunst, die sich damit als höfische definiert. Für alle fuoge ist edel sang getiuret und geheret (LDM CKonrW 114); kunst und fuoge sind so eng verwandt, dass sie sich in ein Hendiadyoin zwingen lassen: Niemand kann den Dichter sîne fuoge und sîne kunst lehren (Trojanerkrieg, V. 74). Konrads Ästhetik ist eine höfische Ästhetik.

2 Lieder und Sangspruchdichtung Konrads → Lyrik erfreut sich unter seinen spätmittelalterlichen Berufskollegen höchsten Ansehens (Essen 1938, 5). Im Urteil der neueren Forschung wurden ihr dagegen lange Zeit Formalismus und leere Künstelei vorgeworfen. Die immer wieder betonte konventionelle Thematik von Konrads Liedern (Essen 1938, 7–19), die zitathaft „jeweils die gleichen, dazu vollkommen konventionellen Elemente“ (Stridde 2013, 212) des älteren Minnesangs abruft und immer wieder neu kombiniert, verschiebt die Aufmerksamkeit vom Inhalt auf die Form (Braun 2013). Konrad experimentiert mit Strophenformen und Reimen (Rettelbach 1988/1989, 134–135). Durch „Brechung von Sinn und Enttäuschung von Sinnerwartungen“ spielt er die poetischen Möglichkeiten der tradierten Literatursprache aus (Stridde 2013, 218). Stereotype Bauelemente, etwa der dreistrophige Aufbau vieler Lieder (Brauneck 1965, 6), werden in der Makrostruktur abgewandelt und mikrostrukturell in sich vielfach variiert (Hübner 1994, 66–70). ‚Schematismus‘ ist Voraussetzung der Wahrnehmung von Minimaldifferenzen. Konrad erreicht ihn durch Reduktion älterer Formtypen, etwa Gottfrieds von Neifen (Hübner 1994, 70–72). Die stereotype Anlage der Lieder kann auch als bewusstes Bemühen um ein „Markenzeichen“ (Hübner 1994, 73) seiner Kunst verstanden werden. Dabei ist scheinbare Mimikry an die Tradition mit einer neuen Ästhetik verbunden. Der Minnesang wird entfiktionalisiert und lehrhaft (Huber 2005, 92–97). Die Rolle des von der Minne betroffenen Ich tritt zugunsten allgemeiner Aussagen über die Minne zurück (Worstbrock 1996/2004, 134). Hübner spricht von einem „verallgemeinerten“ oder

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„generalisierten“ Minnelied (2008, 134, 136–137). Der Sprecher gibt sich als „distanzierter Beobachter“ (Brandt 2000, 18). Stehen hinter dieser neuen Ästhetik sozialgeschichtliche Prozesse, die Einbettung des Minnesangs in die Stadt (Cramer 1977, 93, 95)? Dokumentiert Konrad damit, dass er als Dichter höfischer Liebeslyrik ‚nicht dazu gehört‘ (Brandt 2000, 59)? Beides ist bezweifelt worden, einmal wegen der sozialen Unterbestimmtheit des Begriffs ‚stadtbürgerlich‘ (Peters 1983), dann weil bei den städtischen Oberschichten, aus denen Konrads Gönner kommen, nicht Abgrenzung, sondern möglichst vollständige Assimilation an den höfischen Adel und seine Kunst zu beobachten ist (Hübner 2008, 133). Immerhin könnte der neue Liedtypus mit der Tendenz zur Verschriftlichung der Lyrik für einen diffusen Adressatenkreis zusammenhängen (Cramer 1977, 107). Ähnlich wie beim Minnesang ist der Umgang mit der Konvention in der Sangspruchdichtung (Essen 1938, 19–30). Vom Sprachduktus her, der auf Verallgemeinerung zielt, und selbst in einigen Formulierungen lässt sie sich manchmal kaum von den Minneliedern abgrenzen. Es gibt Übergangs- und Mischformen (Haustein 2015, 254–255). LDM CKonrW 12–14 beginnt als Minnelied, allegorisiert aber die vrouwe, verwandelt sie in die ‚Frau Welt‘ und nähert das Lied dadurch dem Sangspruch an (Cramer 1977, 100; Huber 2005, 101). Konrad kombiniert Elemente von Minneliedern und Sangspruch und setzt die Kombinationen als Überraschungsmoment ein (Brandt 2000, 59–60). Er löst Gattungsgrenzen auf und erprobt die Kombinatorik unterschiedlicher Sprachregister. Gemeinsamer Nenner des Umgangs mit der Tradition und des Spiels mit ihren Elementen ist Artifizialität. Sie bewährt sich ebenso in der lyrischen Großform des Leichs wie in den scheinbar schematisch gebauten dreistrophigen Liedern wie in den – Sinnkohärenzen verwischenden – Klangexperimenten anderer Lieder. Während Konrads Erzählungen die Grenzen der Reimpaare in einem gleichmäßig fortschreitenden Erzählfluss überspielen, kennzeichnet einen Teil seiner → Lyrik eher der weitgehende Verzicht auf Enjambement, die strenge Gliederung durch die metrische und strophische Form, deren Übereinstimmung mit der Abfolge der Themen und der syntaktischen Struktur (Essen 1938, 44). Konrad verfügt über einen reichhaltigen Vorrat an Reimklängen. Er variiert alle gängigen Reimarten und beutet sie souverän aus. Durch Reimhäufung und Variation von Reimtypen, durch komplizierte Reimspiele droht gelegentlich die Aussage hinter dem Klang zu verschwinden. Doch sind die Klangexperimente keineswegs typisch für das lyrische Œuvre insgesamt. Sie implizieren auch nicht A-semantizität (Köbele 2013, 319), denn zumal die Sangspruchdichtung, aber nicht nur sie, erhebt ja auch Anspruch auf Vermittlung von wîsheit (Haustein 2015, 250). ‚Meisterschaft‘ soll sich auf allen Ebenen zeigen (Hübner 1994, 92), in einem die Grenze der Stereotypie berührenden Schematismus wie in der virtuosen scheinbaren Sprengung von Formmustern.



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3 Der Erzähler Konrad, poetische Programmatik, die Poetik des bilde und die Transformation von Exemplarik Konrads Erzählungen sind auf den ersten Blick viel einfacher; sie sind in den üblichen Reimpaaren der höfischen Erzählliteratur geschrieben. Sie stehen eher in der Tradition Gottfrieds von Straßburg als der Wolframs von Eschenbach: klarer regelmäßiger Versbau, reine Reime, perspicuitas der Rede statt verrätseltem Sinn. Der Reimgebrauch ist, wenn auch auf andere Weise, ebenso durchdacht wie der der Lyrik. Typisch ist Reimbrechung, d.  h. der Reim steht meist nicht am Ende eines Kolons, sondern der syntaktische Zusammenhang geht über ihn hinweg (Grimm 1852; Butzmann 1930, 23–39). Dadurch wird der das Reimpaar überschreitende Zusammenhang der Erzählung betont. Über Reimwörter schließen sich Themenfelder zusammen und werden Sinnund Vorstellungseinheiten hergestellt. Reime dienen der Abschnittsgliederung, indem die paarweise Verkettung von Versen durch einen dritten Vers abgeschlossen wird, der den offenen Reimklang erfüllt und das Ende der Sinneinheit markiert. Grammatisch zusammengehörige Satzteile können die Versgrenze überspielen: daz ist der/Schaler, mîn her Peter (Partonopier und Meliur, V. 182–183). Gelegentlich wird sogar die Worteinheit durch Reim zerschnitten: der schûm dar abe/flôz. ouch wolte sich der knabe (V. 379–380) oder – noch deutlicher – […] der waren kiusche gürtel./du bist ein reine türtel/tûbe sunder gallen (Goldene Schmiede, V.  569–571). Das löst die Verserzählung in ein prosaartiges „Parlando“ auf (Rölleke 1968, S. 148–149). Kunst zeigt sich in scheinbarer Absichtslosigkeit, ein Charakteristikum einer höfischen Ästhetik. Die Ausgestaltung der Erzählungen variiert erheblich zwischen den Legenden und dem lakonischen → Heinrich von Kempten auf der einen Seite und den exuberanten Schilderungen höfischer Pracht in → Partonopier und Meliur und im → Trojanerkrieg auf der anderen. Am deutlichsten erfüllt Konrad vielleicht in der Wappendichtung → Turnier von Nantes die Aufgabe des höfischen Dichters, die höfische Welt, repräsentiert durch namentlich genannte Fürsten, farbenprächtig zu malen und zu deuten. Es lassen sich zwar durchgängige Darstellungstendenzen ausmachen, aber in unterschiedlicher Dichte und Intensität. So haben Legenden ihre eigene Poetik. Einerseits verlangt ihr Gegenstand eine angemessene künstlerische Behandlung, andererseits darf sich die Artistik nicht auf Kosten des Gegenstandes in den Vordergrund spielen, sondern hat ihn in seiner schlichten Wahrheit zu präsentieren (Köbele 2012a, 368–369, 373–374). Legendarisches Erzählen hat sein Modell im sermo humilis der Evangelien. Es ist deshalb immer eine Gratwanderung zwischen sprachlich-stilistischer Ausfeilung und dem demütigen Zurücktreten hinter den Gegenstand. Daher überrascht nicht, dass Poetik und Ästhetik von Konrads Legenden deutlich von Poetik und Ästhetik seiner übrigen Werke abstechen. In den Legenden verzichtet Konrad auf die Ausstellung stilistischer Virtuosität. Trotzdem zeigt der genaue Vergleich mit den lateinischen Versionen desselben Legendenstoffes

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eine entschiedene rhetorische Durchformung des legendarischen Materials. Timothy Jackson spricht von einem „lightly decorated style“ (1983, 244). Konrad verwendet die vielfältigen Formen rhetorischer amplificatio, die rhetorischen Figuren, die Bildlichkeit, die epitheta ornantia, die ihm auch sonst zu Gebote stehen, doch sparsamer als in anderen Dichtungen. Die → Legende soll sich nicht durch die „rhetorische Geschmücktheit der Sprache“ auszeichnen, sondern durch die ‚Süße‘ ihres Klangs (Schneider 2012, 203), wobei ‚Süße‘ sowohl den Gegenstand wie die Rede von ihm auszeichnet. Im Vergleich zur → Lyrik gibt es keine komplizierten Reimspiele; es herrscht sogar eine „Armut der Reime“ (Brauneck 1965, 41). Gattungsabhängig steht neben einer Ästhetik der ‚Fülle‘ (Lienert 2001, 126) bei Konrad eine Ästhetik der Verknappung, der Ökonomie (Brauneck 1965, 5). Die → Legenden wegen ihrer relativen Anspruchslosigkeit einer früheren Schaffensperiode zuzuweisen, ist deshalb eine anfechtbare Spekulation. Die übrigen Verserzählungen sind narrativ unterschiedlich elaboriert, von der lakonischen Erzählweise des → Heinrich von Kempten, in dem der Erzähler die Geschehnisse einfach aneinanderreiht (nu … nu … nu) über den → Schwanritter, der in aufwändigen Beschreibungen von Kleidern und Waffen, in blutigen Kämpfen und dem Ausmalen des Wunderbaren, der âventiure wilde (Schwanritter, V. 1636), deutlicher Konrads Darstellungskunst herausforderte, bis zum rhetorischen Prunk der beiden höfischen Romane → Partonopier und Meliur und → Trojanerkrieg. Schlüsselwörter wie wilde, fremde, wunder(bar), zouber usw. finden sich über Konrads gesamtes erzählerisches Werk verbreitet. Die Variationsbreite der Darstellungsmittel spiegelt sich auch in der Behandlung der Prologe. Die kleineren Verserzählungen setzen – manchmal nach wenigen einleitenden Versen – ohne weitere Vorrede ein. So führt der Vers Ein keiser Otte was genant (Heinrich von Kempten, V. 1) kontextlos in → Heinrich von Kempten ein. Auch → Herz­ maere und → Der Welt Lohn begnügen sich mit knappen Ankündigungen des Themas. Im → Schwanritter fehlt das erste Blatt, sodass grundsätzlichere Überlegungen, sollte ein Prolog sie enthalten haben, fehlen. Die meisten Prologe sind formal nicht ausgezeichnet. Nur dem → Engelhard geht wie Gottfrieds Tristan ein doppelter Prolog voraus, mit einem strophischen und einem stichischen Teil. Der strophische Prolog  – mit einem kunstvolleren Reimschema als bei Gottfried – sucht ebenso wie der stichische (aus 128 Reimpaarversen) durch rhetorische Figuren, vor allem auch das variierende Umkreisen einiger Kernbegriffe wie triuwe, staete, wert/wirde, güete/guot, blüete/blüemen, Gottfried zu überbieten. Die Virtuosität der Lied- und Spruchdichtung erreicht dieser Prolog allerdings nicht. Umfangreiche, doch nicht formal ausgezeichnete Prologe, in denen Konrad über die Bedingungen seiner Dichtkunst reflektiert, gehen → Partonopier und Meliur und → Trojanerkrieg voraus. Prologe sind der Ort, an dem die lehrhafte Absicht von Dichtung formuliert werden kann, denn auch Konrad will in seinen Dichtungen ein bilde geben (Monecke 1968, 45–46, 101–107; W. Freytag 1988/1989, 378). Seine Poetik des bilde sticht von der üblichen Exemplarität des Erzählens in der Volkssprache ab. Schon Thomasins Wälscher Gast hatte die höfische Epik als Lehrmaterial für die Jugend begriffen. Konrad spricht zwar noch



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die Sprache einer solchen didaktischen Instrumentalisierung von Dichtung, versteht aber unter bilde etwas anderes. Er präsentiert gerade nicht allgemein übertragbare, sondern außerordentliche Geschichten, die, analog den Legenden von Heiligen, das Gewöhnliche überschreiten. Er achtet in den Stoffen, die er auswählt, nicht auf didaktische Einprägsamkeit, sondern auf überraschende Kombinatorik von Erzählmotiven, auf problematische Sujetfügung, auf riskante Lösungen bis hin zu hybrider Gattungsmischung. Dabei dekonstruiert er exemplarisches Erzählen. Im → Heinrich von Kempten kombiniert die Handlung eine unvorhersehbare Folge von unterschiedlichen Konflikten. Sie wird ohne Ablenkung durch rhetorischen ornatus erzählt, sodass die überraschenden Wendungen und die widersprüchlichen Bewertungen der Akteure (der „üble“ Kaiser, der „edle“ und „wünnesame“ junge Mann) desto schärfer hervortreten. Die Erzählung scheint auf aporetische Situationen hinauszulaufen, die nur mit Anstrengung durch eine unerwartete Wendung bewältigt werden. Sie schießt weit über die schlichte Schlussmoral, eine Mahnung an den Hörer, mutig zu sein und sînes lîbes kraft zu üben (Heinrich von Kempten, V. 744–747), hinaus auf den einmaligen Fall. Auch im → Schwanritter scheint es die Rätselhaftigkeit und Unvorhersehbarkeit der Handlung gewesen zu sein, die den Erzähler faszinierte. Die Erzählung beginnt als klar definierter Rechtskasus, der scheinbar exemplarisch gelöst wird. Dann aber mündet sie in die Geschichte einer rätselhaften Prüfung, deren Bedingungen einfach gesetzt, nicht begründet werden. Die Prüfung wird nicht bestanden, aber zu lernen ist daraus nichts, und trotz allen Gegenvorstellungen der Akteure ist kein anderer Ausgang möglich als die Aufhebung der zuvor gefundenen Lösung. Der Kasus verwandelt sich in eine mythische Ursprungserzählung. Der → Engelhard wird als Exemplum von triuwe angekündigt. Doch welche Exemplarität kann die Geschichte einer auf unwahrscheinlichen Voraussetzungen beruhenden außerordentlichen Freundestreue beanspruchen? Und doch soll sie bilde (Engelhard, V. 112, 157, 206) und bîschaft (V. 202) rechter triuwe sein. Damit ist nicht Lehrhaftigkeit im Sinne von nachahmenswerten Handlungen gemeint (wie sollte dies bei Engelhards Blutopfer möglich sein?), sondern die Strahlkraft des Ausnahmefalls, der den Rezipienten in seiner eigenen Haltung bestärken soll. Rechtfertigt die triuwe zum Freund einen Betrug, der die Bestrafung des Freundes verhindert und diesen zum König macht? Rechtfertigt sie das blutige Opfer der eigenen Kinder und die Täuschung der Gattin? Kann die Weltabsage, in die der eine Protagonist Dietrich nach seiner Erkrankung am Aussatz verfällt (V. 5390–5416), bloße Durchgangsstation zu einem profanen happy end sein? Exemplarisch ist der Fall für die fraglose Geltung eines Prinzips höfischer Ethik, der triuwe, gerade, weil er nicht nachgeahmt werden kann und soll. Das → Herzmaere will bilde einer vollkommenen Liebe sein (Herzmaere, V. 4, 26), die zeigt, welchen Preis wahrhaft Liebende zu zahlen bereit sind (Müller 2015a). Der unerfüllte amour courtois eines vorbildlichen Ritters und einer höfischen Dame kann als traurige Geschichte einer irdischen Liebe gelesen werden, aber auch als deren Verklärung durch die Größe des Opfers. Die Positionen der Akteure sind kontrafaktisch besetzt: Ausgerechnet der eifersüchtige Ehemann führt mit seiner Rache die Vereini-

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gung der Liebenden herbei, indem er die Dame unwissentlich das Herz des Geliebten verzehren lässt. Das ist schrecklich und süß zugleich. Der Tod ist für beide Liebenden bitter, nicht Vollendung; er verhindert, dass sie je zusammenkommen, er ist aber andererseits mit religiösen Mustern überschrieben durch Anspielungen auf die Eucharistie, das christliche Liebesmahl. Das außerordentliche bilde dient trotz seines schlimmen Ausgangs der Erbauung und Ermutigung der edelen herzen: daz er da bî gelerne/die minne lûterlîchen tragen (V. 586–587). Selbst → Der Welt Lohn erzählt nur scheinbar ein schlichtes Exempel. Was geradezu bilderbuchmäßig als Weltabsage inszeniert ist, wird durch die narrative Verknüpfung problematisch. Das Weltleben, von dem sich der Protagonist abwenden soll, ist nicht als Leben eines Sünders, sondern als vorbildliche Existenz eines idealen höfischen Ritters gefasst. Das Verhältnis der beiden Lebensformen wird damit asymmetrisch. Wenn die Erzählung schließlich in die conversio einlenkt, müssen die Bedingungen geändert werden. Der vorbildliche höfische Ritter hat plötzlich Weib und Kind, und Weltflucht heißt, den gewöhnlichen Alltag zu verlassen. Die Umkehr ist so abrupt, dass man sich gefragt hat, ob sie nicht ironisiert sei (Kern 2009, 44–45). Das höchst voraussetzungs- und windungsreiche Handlungsarrangement stellt jedenfalls die Triftigkeit des Exempels in Frage (Müller 2018b und 2020). Woran und wie man guot bilde nehmen sol/an ir getihte schoene (Partonopier und Meliur, V. 40–41), hat vor allem der Prolog von → Partonopier und Meliur ausgeführt (Kellner 2009, 146–147). Er nennt sogar dreifachen nutz, den rede und sanc bringen (V.  6–9): daz eine ist, daz süezer klanc/daz ôre fröuwet mit genuht;/daz ander ist, daz hovezuht/ir lêre deme herzen birt/daz dritte ist, daz diu zunge wirt / gespræche sêre von in zwein. (V. 10–15). Das zielt in dreifacher Hinsicht – das liebliche Tönen, die Eleganz des Auftretens und Gebarens und die Formung schöner Rede – auf die Herstellung von vollendeter hövescheit: Sie gilt als Voraussetzung ethischer Formung. Indem sanc unde rede den Menschen fröude und êre bringen (V. 17–18), lehren sie sie hovelîche site / und alle tugentlîche tât (V. 22–23). Diese würden übersehen, würden sanc und rede sie nicht ze liehte bringen (V. 34, 37). „Das Ästhetische und das Ethische treten also einerseits auseinander, anderseits werden sie neu miteinander verknüpft“ (Haug 1991, 357). Dichtung hat Vor-bild-liches ze liehte zu bringen. Konrad hat das in die Metapher von Blüte und Frucht gefasst (V. 49–68); die Blüte ist das Vergnügen an der kunst (kurzewîle, V. 53), diu sich alsam des meien bluot  / in daz gemüete ströuwet  / und im sîn ougen fröuwet (V. 54–56), Frucht ist der nütze wîse rât, die bîschaft, die lêre, die eine bezzerunge beim Rezipienten bewirken (V. 62–65). Es gibt also grundsätzlich keine Emanzipation der Dichtung von didaktischen Zwecken (Butzmann 1930, 17–18), wohl aber die Zurückweisung platter Didaxe – die etwa die Geschichte Trojas als „Lied von der Welt Lohn“ lesen würde (Monecke 1968, 73). An erster Stelle steht auch hier die Sorge um den Glanz der Kunst. Doch schon der Prolog soll eben auch nütze und frum sein, daz er den liuten künne geben / ein bilde ûf tugent­ rîches leben / und ûf bescheidenlîche tât (Partonopier und Meliur, V. 262–265). Nur ist die Rangfolge von didaktischem Zweck und schöner Gestalt umgekehrt. Ein bilde schafft



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die Kunst durch die schöne Gestalt. Das Schöne kann nicht getrennt vom Guten gedacht werden, aber das Gute bleibt auf das Schöne angewiesen, um ‚ans Licht zu kommen‘. Insofern ist der Begriff bilde vom gewöhnlichen mhd. Sprachgebrauch unterschieden. Er meint weder exemplarische Abbildung noch zur Nachahmung einladendes und nachahmenswertes Vorbild. Im bilde sind die Phänomene über sich selbst hinaus gesteigert; sie ‚leuchten‘. Die Sujets von → Partonopier und Meliur und → Trojanerkrieg kompilieren heterogene Versatzstücke der epischen Tradition und folgen einer „Poetik des Hybriden“ (Schulz 2000, zu → Partonopier und Meliur 82–121). So beginnt → Partonopier und Meliur als Geschichte einer Mahrtenehe, überführt diese in einen Minneroman und endet mit dem Chanson de geste-Stoff des Heidenkampfes. Das Geschehen entzieht sich einem übergreifenden Strukturmuster nach Art des Artusromans im Gefolge Chrétiens von Troyes (Haug 1991, 350). Erst recht gilt das für den → Trojanerkrieg. Es gibt zwar durchweg eine Spannung zu den Sinnentwürfen des höfischen Romans (Cormeau 1979, 318), aber sie schafft keine tragfähige Sinnstruktur. Der weit verzweigte Troja-Stoff ist eine immense Herausforderung. Der Dichter muss im Ungestaltigen, dem endelôsen pflûme (Trojanerkrieg, V. 222), in dem ein Berg versinken würde, boden (V. 220), grunt (V. 226) finden. In das mære gehen so viele Geschichten aller Art ein wie Flüsse in daz wilde tobende mer (V. 236). So wird „die frühere Überlieferung im Meer des eigenen Textes zum Verschwinden gebracht“ (Kellner 2006, 250), aber das bedeutet auch, dass dieser Text selbst die immanenten Spannungen und Widersprüche der Tradition auszuhalten hat. Man hat gezeigt, dass Konrad sich bemüht, die vielen selbständigen Handlungsfäden zu verknüpfen (Monecke 1968, 34–53, 71–83) und paradigmatische Beziehungen zwischen ihnen zu stiften (Worstbrock 2009, 158, 163). Aber allein schon die „narrativ nicht mehr zu bewältigende Mächtigkeit dieses Ereigniskomplexes“ lässt Sinn kollabieren (Bleumer 2010b, 110). Gewiss steht von vorneherein fest, dass Troja untergehen muss, und gewiss sind Trojas Untergang und die Flucht des Aeneas Voraussetzungen der Gründung des römischen Reichs und insofern Bestandteile von Gottes Heilsplan. Aber „das gibt für die Binnenmotivation keine genügende Sinnperspektive“ (Cormeau 1979, 309). Und selbst wenn man den weltgeschichtlichen Zusammenhang als „auf dem Basler Münsterberg zweifellos und andernorts sehr wahrscheinlich“ bekannt voraussetzen will, lässt sich daraus kaum die Sinnhaftigkeit des Textes ableiten und Konrads Darstellung „als Exemplifikation des Zusammenspiels zwischen den unbeabsichtigten Folgen menschlichen Handelns und der göttlichen Vorhersehung“ deuten (anders Hübner 2014, 431), denn Konrad erzählt nicht nur nicht den providentiellen Zusammenhang, sondern er verweigert auch jede sinnhafte Verknüpfung der Geschehnisse im Einzelnen. Wo Sinnmuster wie bei Jasons Abenteuerfahrt um das Goldene Vlies angespielt werden, werden sie destruiert (Müller 2018a). An die Stelle von sinngenerierendem Erzählen tritt schiere Ostension, Präsentifikation des eigentlich Unvereinbaren (Gebert 2013b). So findet sich auch im → Trojanerkrieg das durchgängige Prinzip des Konradschen Erzählens: die Überantwortung an die Tradition bei gleichzeitigem Aufbrechen der dort scheinbar festgefügten Sinnentwürfe.

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4 Poetologische Reflexion Wie kein zweiter mittelhochdeutscher Dichter hat Konrad über die Eigengesetzlichkeit seiner Kunst nachgedacht. Eher indirekte Zeugnisse dafür sind die → Goldene Schmiede und der → Engelhard, in geringerem Maße auch die Legenden oder die übrigen Mären. In der → Klage der Kunst geht es um das gesellschaftliche Ansehen der Kunst, das Konrad bedroht sieht und das das allegorische Gerichtsverfahren einklagt. Doch dieses konventionelle Thema steht am Rande. Explizite ästhetische Reflexion findet sich dagegen im Spruch LDM CKonrW 114 und in den beiden großen Romanen → Partonopier und Meliur sowie → Trojanerkrieg. Diese Reflexionen sind gelegentlich als Vorschein moderner Vorstellungen von der Autonomie der Dichtkunst und des Dichters genommen worden (Burdach 1880, 30–31; Viëtor 1922, 115). Dagegen gab es früh Gegenstimmen (Brinkmann 1928, 25; Boesch 1936/1976, 151–157; vgl. Brandt 2009, 53–63). Doch unbestreitbar überschreiten Konrads Überlegungen das in der höfischen Dichtung Übliche. Edel sanc zeichnet sich, dem Spruch zufolge, gegenüber allen anderen Künsten dadurch aus, dass er nicht lernbar ist und sich von nihte breitet unde mêret (LDM CKonrW 114), d.  h. keiner äußeren Bedingungen, Anstöße und Hilfsmittel bedarf: red und gedoene singen / diu beide müezen von in selben wahsen unde entspringen: / zu dem herzen clingen / muoz ir begin von gotes gunst (LDM CKonrW 114). Diesen Gedanken hat Konrad im → Trojanerkrieg aufgenommen. Die Kunst hat ihren Ursprung im Dichter; man kann sie nicht gelernen (Trojanerkrieg, V. 80, 84). Anders als die Adepten anderer ‚Künste‘ braucht der Dichter weder rât noch helfe, Gerät und Zurüstung, zur Ausübung seiner Kunst (V. 96–97), nichts weiter als der zungen und der brüste, den sin und die Sprachfähigkeit (munt), die ihm Gott verleiht (V. 98–99). Was Konrad an anderen Künsten aufzählt, belegt freilich, dass er im Horizont des weiten mittelalterlichen Begriffs der ars argumentiert, die den Handwerker wie den Musiker, selbst den um minne turnierenden Ritter einschließt. Deshalb kann er auch sein Werk weiterhin in Analogie zu handwerklichen Künsten beschreiben (Kellner 2009, 140–141). Die → Goldene Schmiede z.  B. soll ein goldenes Wortgeschmeide für die heilige Jungfrau sein; der zungen hamer (Goldene Schmiede, V. 13) soll den Kopfschmuck smiden (V. 9); mit roeselehten sprüchen und violinen worten will Konrad das schäpelin, einen Kranz aus Wortblumen, für Maria flechten (V. 62–67). Das ist gängige Metaphorik rhetorischer elocutio. Diese Vorstellung konkurriert aber mit der eines quasi organischen Entstehens (wahsen und entspringen) von Kunst (LDM CKonrW 114). Konrad greift auf die seit der Antike geläufige Vorstellung zurück, dass der Dichter sein Amt nur dank besonderer (göttlicher) Inspiration erfüllen kann und wahre Dichtung aus dem Herz des Dichters kommt (Trojanerkrieg, V.  72). „Das Dichtungsverständnis changiert so zwischen der abstrakten Idee (göttlich) inspirierter Rede und dem Konzept artistisch-raffinierter Könnerschaft“ (M. Schnyder 2014, 168). Die beiden Vorstellungen stehen nebeneinander. Die ‚Begabung‘ durch Gott ist Kehrseite und Rechtfertigung der „Übersteigerung der Autorrolle“ und der „Reflexionen über die Autonomie dichterischer Produktion“



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(Kellner 2006, 258). Die „Verschränkung von Bescheidenheit und Ermächtigung“ ist nicht „Autonomie im neuzeitlichen Sinne“ (Kellner 2009, 143). „Je offener die Metaphorik der Goldschmiedekunst die exklusive Materialität und artifizielle Gemachtheit des Textes ausstellt, umso demütiger beschwört Konrad die Abhängigkeit von Gnadeninspiration“, hat Köbele über die → Goldene Schmiede bemerkt (2012b, 314). Repräsentantin einer Kunst, die man nicht lernen kann, ist die Nachtigall, die singt, weil sie singen muss. Als Bild für den Dichter dementiert ihr Gesang einen Schreibprozess, der in ausschmückender elocutio sein Ziel findet. Der Vergleich geht auf Gottfrieds von Straßburg Tristan (V. 4751–4756) zurück. Im Minnesang findet sich aber auch sonst der Gedanke einer naturhaften Anlage zum Singen, die dem Dichter keine Wahl lässt, so etwa bei Heinrich von Morungen. Dagegen umschreibt Gottfried die Arbeit des Epikers in Analogie zu handwerklichen Tätigkeiten wie Färben, Wirken, Sticken, am genauesten bei Bligger von Steinach (Tristan, V. 4691–4722). Gottfrieds Vergleich der Minnesänger mit der Nachtigall überträgt Konrad vom Lieddichter auf den wahren Dichter überhaupt, den edeliu kunst und edeler sin (Partonopier und Meliur, V. 102) kennzeichnen, der edeliu doene und edeliu wort dichtet (V. 111) und dessen Kunst allein für edeliu herzen bestimmt ist (vgl. V. 226). Obwohl Autor eines riesigen Schriftwerks (Kellner 2006, 257), nennt Konrad Dichtung lebendige rede, akustisch rezipierte Sprache, sprechen unde singen (Trojanerkrieg, V. 132; vgl. V. 177), guotiu rede und edel sanc (V. 145), edele sprüche (V. 151, V. 169), rede und stimme (V. 191). Nicht nur Lyrik, Dichtung überhaupt ist auch am Klang zu messen. Das Lied der Nachtigall ist nicht Produkt von handwerklicher Arbeit, sondern verdankt sich ihrem von Gott verliehenen ambet (Trojanerkrieg, V. 181), und sei es, daz si ze tôde singet sich (Partonopier und Meliur, V. 134). Wenn Kunstfertigkeiten wie die Bliggers kulturell vermittelt sind – so wie dies Konrad von den übrigen Künsten sagt –, ist im Bild der Nachtigall der nicht-kulturelle Ursprung wahren Gesangs gefasst. Auch der Dichter muss seiner Berufung folgen: doch mac ich mîner zungen / ir ambet niht verbieten, / ich wil und muoz mich nieten / getihtes al die wîle ich lebe (Trojanerkrieg, V. 180–183). Auch er muss sein Leben lang sagen und singen (V. 189). Konrad spricht allerdings nicht von der ‚Natur‘ der Nachtigall, sondern von ihrem ambet. Ambet ist offensichtlich keine konkret soziale Kategorie, sondern eine schöpfungstheologische. Sein ambet löst den Dichter zwar aus den sozialen Abhängigkeiten der übrigen Künste wie auch aus der Bindung an die Hofgesellschaft, aber keineswegs aus der Verantwortlichkeit gegenüber Gott, dem er es verdankt. Ambet heißt, dass der Dichter eine Aufgabe zu erfüllen hat, so wie die Nachtigall die ihre. Das ist weit entfernt von der Vorstellung einer Autonomie von Dichtung. Die Nachtigall singt auch in der Einsamkeit: ir sanc vil oft erklinget, / dâ niemen hoeret iren klanc; / si lât dar umbe niht ir sanc / daz man in dâ sô lützel gert: / si hât in selber also wert […] (Partonopier und Meliur, V. 124–128). Das sei bild unde bîschaft (V. 136) wahrer Kunst, die, ungeachtet, wie angesehen sie ist, ausgeübt wird. So singe auch der Dichter notfalls nur für sich selbst und zu seiner eigenen Freude, dur daz mir selben clünge / mîn rede und mîner stimme schal (Trojanerkrieg, V. 190–191), damit er

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sich mit worten süeze / den hübeschen trûren stoere (Partonopier und Meliur, V. 156–157). „Nicht ‚Singen, auch wenn niemand zuhört‘, sondern Singen, als ob niemand zuhörte, lautet genau genommen die Kurzformel von Konrads Erzählmodell. […] Noch die exklusivste Einsamkeit braucht also Zuhörer“ (Gebert 2013b, 42). Vorbild ist die Nachtigall auch, weil ihr Gesang selten und deshalb kostbar ist, im Vergleich zu dem der Lerchen, die man überall hören kann, weil es so viele Lerchen gibt (Partonopier und Meliur, V. 78–80). Das entspricht dem hohen Selbstwertgefühl des Dichters gegenüber den dichterischen Bemühungen der vielen. Er schafft etwas, das durch sîne tiuren fremdekeit (V. 30–45) begehrt sein sollte, während tatsächlich die, die wol gebluomter rede pflegent, / diu schoene ist und waehe (V. 12–13), wenig angesehen sind. Auch wo Nachtigall wie Dichter auf eine Resonanz ihres Gesangs zu verzichten scheinen, steht die Notwendigkeit solcher Resonanz nie in Frage, und deshalb folgt der Zurückweisung der Banausen unmittelbar das Lob des einen verständigen Gönners, der wahre Kunst zu schätzen weiß. Weiterhin gilt: „Dichtung hat ihren Anlaß und ihr Ziel also außerhalb ihrer selbst und auch außerhalb des Autors“ (Ehlert 1988/1989, 93), aber es ist die Kennerschaft eines kleinen Publikums der Verständigen, die das Können der Dichter stimuliert. Kunst ist wie schon bei Gottfried die Sache einer Elite, die Produzenten und Rezipienten übergreift. Und noch in einer weiteren Hinsicht bleibt Konrad an die Bedingungen literarischer Produktion im Mittelalter gebunden. Er fasst seine Kunst als Werk der Erneuerung eines Vorgefundenen auf, nicht „freier Erfindung“ (Kellner 2006, 260–261). Erneuerung ist kunstvolleres, den früheren Erzähler überbietendes ‚Wiedererzählen‘ eines schon einmal gestalteten Stoffes (Worstbrock 1999/2004, 188–190, 192–195). Doch fasst Konrad Erneuerung nicht nur als rhetorische Neubearbeitung, sondern als neu ‚Wachsen-lassen‘, wieder zum Blühen und Grünen bringen (Kellner 2006, 251): Daz alte buoch von Troie, / schôn als ein frische gloye / sol ez hie wider blüejen (Trojanerkrieg, V. 269–271). Eine kulturelle Praxis wird als ein organischer Vorgang gefasst. Diese Überblendung der Erneuerungsmetaphorik wird in Konrads poetologischen Reflexionen nicht weiter entfaltet. Sie verweist aber auf ein theoretisch nicht bewältigtes Spannungsverhältnis in Konrads Ästhetik, denn im Spannungsfeld zwischen diesen beiden Polen des erniuwen bewegt sich Konrads kunst.

5 Poetische Praxis: Blümen, Glänzen, Erneuern Mit der Aufwertung der volkssprachigen Dichtung setzt sich im Spätmittelalter der ‚geblümte Stil‘ durch (Brinkmann 1928/1979). Sein Kunstanspruch ist in der klassischantiken und der mittelalterlichen Rhetorik, in der Lehre vom ornatus, begründet. Die Rede soll mit flores geziert sein. Der geblümte Stil ist eine neue Stufe wechselseitiger Durchdringung von chevalerie und clergie in der höfischen Kultur des hohen Mittelalters (Hübner 2011, 233). Blüemen ist zugleich Metapher des poetischen Verfahrens und



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sein Ergebnis. Die Redeblumen putzen den Gegenstand heraus, verleihen ihm Glanz und Wirkung. Die Textur der höfischen Welt spiegelt sich in der Textur der Rede. Der Dichter webt, schmiedet und schneidert gewissermaßen die Kleider und den Schmuck, in die er seine Figuren kleidet. Es besteht ein Zusammenhang zwischen „Kleidermetaphorik und Poetik“ (Hasebrink 2002, 217). Mit blüemen werden sehr vielfältige rhetorische Verfahren beschrieben. Der Terminus wird durchweg nicht terminologisch gebraucht, sondern tritt meist in einem uneigentlich-untechnischen Sinn auf (Stackmann 1975; vgl. Hübners wortgeschichtliche Untersuchungen 2000, 33–86 und die begriffsgeschichtliche Zusammenfassung 87). Auch Konrad will seine Meisterschaft im gesuchten ornatus poetischer Rede beweisen (Hübner 2000, 7–32). Seine blümenden Verfahren reichen von der zurückhaltend-anspruchslosen Ausgestaltung der Legenden (Jackson 1983, 253–257) bis zum überbordenden ornatus der → Goldenen Schmiede und des → Trojanerkriegs. Dort wurde der edelsteinbesetzte künstliche Baum, auf dem künstliche Vögel singen und in dem beim Wiederaufbau Trojas die unvergleichliche Schönheit der Stadt kulminiert (V. 17562–17605), von Hübner als Konzentrat des in der lateinischen Rhetorik wurzelnden poetologischen Konzepts des Blümens gesehen (2014, 421–423; 435–465). Wenn das so ist, dann überschreitet Konrad im weiteren Verlauf jedoch diese auf rhetorischer Topik basierende Poetik des Ornamentierens, wie sie der Wunderbaum entwirft, in Richtung auf eine Ästhetik der Überwältigung der Sinne durch eine Präsenz, die „die Sprache verschlägt“ (Lechtermann 2005, 122). Weniger der Gegenstand selbst, die flores, die Edelsteine, das gebildehafte Artefakt interessiert ihn als der Glanz, den sie verbreiten (Brinkmann 1928/1979, 138). Blümen lässt sich nicht „auf das ‚Ornamentale‘ einschränken“ (Kellner 2009, 161). Es ist nie als ein bloß elokutionelles Phänomen zu erfassen. Konrad hat wie kein zweiter mittelhochdeutscher Erzähler seine Virtuosität in immer neuen Klangspielen und immer exquisiteren Metaphern demonstriert. Aber diese Virtuosität ist nicht ‚Einkleidung‘ des Gegenstandes mit flores rhetorici, um ihn besser herauszustreichen, sondern sie soll eine Bewegung auslösen; sie zielt auf Überbietung (Monecke 1968, 178). In seiner Übersicht über die Künste im Prolog des → Troja­ nerkriegs wählt Konrad für seine eigene Kunst nicht die Metaphorik des Auszierens. Die findet sich eher auf der Gegenseite, z.  B. beim Ritter: den müezen schône zieren / ros unde wâpenkleider (Trojanerkrieg, V. 122–123). Was dagegen den edel sanc (V. 145), was edele sprüche (V. 151) auszeichnet, ist Glanz, Strahlen, Licht. Auf der Gegenseite der Stümper dagegen ist naht, fûle[r] spân[], vinster, tunkel, trüebe[z] herz[e] (V. 154–169). Inbegriff von Konrads Kunst ist schîn. Man stößt immer wieder auf das Wortfeld des ‚Scheinens‘, ‚Glänzens‘, ‚Strahlens‘. Paris’ Schönheit und höfische Eleganz überwältigt alle; er überstrahlt (schein) das Strahlen, den wunneclîche[n] schîn, der Gefährten (Trojanerkrieg, V. 19596, 19598) wie eine Perle die Kieselsteine; sîn klârheit (Leuchten) diu dranc unde brach / in manic herze tougen (V. 19618–19619); er wird spiegel, geliutert und gereinet, durliuhtic als ein engel genannt (V. 19621, 19624, 19657). Ähnlich Helena: Sie kann alle anderen Frauen mit ir clârheite blenden (V. 19713), bringt die varwe der anderen zum Erlöschen (V. 19717–19718). Um die wechselseitige Faszination von Paris

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und Helena zu beschreiben, häuft Konrad Vokabeln des Leuchtens wie brinnen, liuhten, regenboge, geverwet von der minne, glanz[e] und die dazugehörigen Vorgänge des Sehens (V. 19782–19797). Unter dem Aspekt des Scheinens sind die Gegensätze von Schönheit und Grauen, von höfischer Harmonie und Untergang der höfischen Welt nivelliert. Auch Töten und Sterben erscheinen als prunkvoll inszeniertes Schauspiel. Die Kämpfe um Troja hat Konrad als Farbenrausch gemalt, nicht anders als die Schönheit der höfischen Körper (Lienert 2001, 133–134), den Aufzug der Kämpfer oder der Fahnen: gel unde weitîn / rôt, grüene, wîz, brûn unde blâ (V. 31630–31631; ähnlich 36874–36875). Die Materialität der Gegenstände löst sich auf. Die Bewegung der Lanzen scheint wie ein Wald, den der Wind bewegt (V. 34046–34049), das Gewimmel der Schlacht ist ein erlesenes Farbenspiel. Aus der Nähe betrachtet aber sieht man schreckliche Szenen der Gewalt, der Verstümmelung, des Sterbens, gespaltene Schädel, abgetrennte Gliedmaßen, Hackfleisch, detailliert geschilderte Wunden (dur sîner brüste warzen, V. 32312). Das ästhetisierte Grauen mag manchmal komisch wirken (A.  Schnyder 1988/1989, 277), ob der Ritter Heinrich von Kempten den Kopf des armen Truchsess spaltet oder die griechisch-trojanischen Pferde zu Sülze verarbeitet werden, aber auf diesen Effekt ist es nicht angelegt. Das Grausige, auch Groteske ist die andere Seite der schönen Oberfläche. Die Wahrnehmung des Rezipienten soll durch das in der Erzählwelt Wahrnehmbare überwältigt werden. Konrad gibt „Folgen visueller Facetten von Farben und Glanz, Formen und Materialien, […] die selbst ein wenig bewegtes Tableau in eine dynamische Folge auflösen“ (Cormeau 1988/1989, 95). Der Erzähler „appelliert an das Imaginationsvermögen des Rezipienten“ (97). In schîn fallen objektsprachliche und metasprachliche Aspekte zusammen: schîn ist das, was den Gegenstand der Erzählung auszeichnet, und schîn ist das, was der Erzähler seiner Erzählung verleiht. Konrads Ästhetik ist eine Ästhetik der glänzenden Oberfläche (Stock 2015, 147–155). ‚Oberfläche‘ meint nicht ‚nur Oberfläche‘, im Gegensatz zu etwas ‚Eigentlichem‘, das sich darunter verbirgt. Das Leuchten der Oberfläche ist Ziel der kunst, nicht ihre Entlarvung als ‚bloßer Schein‘. Konrad zielt nicht auf eine „Poetologie der Tiefe“ (Stock 2015, 154). ‚Oberfläche‘ ist nichts bloß Äußeres. Konrads Poetik ist keine Poetik des desengaño, der Aufdeckung des falschen Scheins, wie sie die Literatur des 17. Jahrhunderts kennt. Anders als dort gewinnt für den Betrachter der Schein niemals totale Verführungsgewalt und muss deshalb auch nicht total destruiert werden. Und anders als dort ist der Glanz nicht bloßes Blendwerk, sondern wird trotz seiner Zweideutigkeit gefeiert. Konrad treibt die vollendete Schönheit in ein Maximum, um am Untergang des Vollendeten die Defizite der Vollendung zu zeigen. Die daraus resultierende Ambiguität unterminiert die Geltung der höfisch-ritterlichen Ästhetik, doch verwirft sie sie nicht. Die schöne Oberfläche hat als ästhetische Faszination ihr eigenes Recht, wenn sie auch andere Maßstäbe nicht aufhebt:



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Es versteht sich von selbst, dass etwa der Trojanerkrieg, aber auch anderes von Konrad, nicht im schönen Schein aufgeht und es unproduktiv wäre, die Sinneffekte, also Moral und Geschichte, durch Präsenzeffekte des Scheins überblenden zu wollen. […] Aber könnte es nicht auch Sinn machen, die schiere Gegenständlichkeit der Sprache […] als Effekt ihrer stilistischen Möglichkeiten zu zeigen, von ihrem Klang und Schall und damit ihrer äußeren Schönheit, die gelegentlich nur reine Gegenwart sein will. (Haustein 2011, 56–57)

Hier kommt der erwähnte Doppelaspekt von erniuwen ins Spiel, der Konrads Ästhetik über rhetorische Poetik hinaushebt: Die glänzende Oberfläche ist nicht allein Sache kunstvoller Rhetorik, die das ‚Kleid‘ der Dinge webt. Erniuwen ist mehr ist als bloße ‚Einkleidung‘; sie will das Abgelebte und unansehnlich Gewordene – wie es von der Geschichte Trojas heißt – wieder zum blüejen bringen (Trojanerkrieg, V. 271). Diese Überblendung zweier Aspekte von erniuwen prägt sich in einem eigentümlichen Phänomen in Konrads Erzählwelt aus: Oberflächen – das Kleid, das Gemachte, und die Haut, das Gewachsene – sind austauschbar. Konrad lässt die Grenze zwischen vel, hût, gewant, kleit verschwinden (Müller 2018a). Medea verliebt sich in Jasons lîp unde wât (V. 7614), seine Erscheinung, in der körperliche Gestalt und höfische Gewänder untrennbar miteinander verklammert sind. Die Verjüngung von Jasons Vater Eson wird als Kleiderwechsel erzählt: Eson ‚schlüpft‘ aus dem Alter, indem seine alte Haut durch eine straffe jugendliche ersetzt wird. Die „Verwischung der Grenze zwischen Körper und Kleidung“ (Hasebrink 2002, 220) geht so weit, dass beim Goldenen Vlies zweifelhaft ist, ob die wolle […] gewahsen waere / an sîner hiute lieht gefar / oder si mit listen kaeme dar (V. 10064– 10066). Erniuwen als Programm von kunst gerät auf diese Weise in die Nähe von Magie. Damit nähert sich Konrad Positionen einer modernen Ästhetik. „Kunst und Magie bilden […] eine Isotopie des Erneuerns“ (Hasebrink 2002, 223). „Meister Konrad und Medea, die Meisterin, operieren auf unterschiedlichen narratologischen Ebenen, doch offensichtlich arbeiten sie mit verwandten methodischen Standards“ (227). Allerdings impliziert dies eben auch eine „Ambivalenz im Programm des Erneuerns“ (Hasebrink 2009, 213). Medeas Künste sind faszinierend, aber reichen auch in die Sphäre des Dämonischen. Mit ihrem Zaubergebräu in Berührung gekommen, legen ihre Drachen und eine Schlange ir altez fel ab (V. 10616; 10686); ihnen wächst eine neue hût (V. 10618). Der Ort, an dem Medea das Gebräu abstellt, ‚schlüpft‘ in frischiu kleider (V. 10723) und bringt Kräuter und Blumen hervor. Allerdings hat die Kraft des erniuwen Grenzen. Medea kann zwar Eson verjüngen, als ein gras, / daz den winter dürre was / und ze sumer an sich leit / ein gelpfez und ein grüenez kleit (V. 10483–10486), aber sie kann ihm nicht sein Leben zurückgeben; das könnte nur Gott. Medeas Kunst grenzt daher gerade nicht an „Allmacht“ (anders Lienert 1996, 69), auch wenn sie „Herrin über Alter und Jugend“ sein mag. Und ähnlich begrenzt ist die Magie der Dichtung. Sie wirkt „im Sinne einer umfassenden leibgebundenen Sinnlichkeit“. Der „ästhetische Schein“, seine „blühende Farbe und Lebendigkeit“ hat eine „magische Potenz“ (Hasebrink 2009, 215–216), aber er bleibt schîn.

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Nachbarschaft und Verschmelzung von Kunst und Magie sind erst Positionen frühneuzeitlicher Ästhetik (Müller 2015b). Die scheinbare Analogie bei Konrad kann den Blick für die Differenz schärfen. In der Gestalt der Medea hat er von den Grenzen des erniuwen erzählt und seine fragwürdigen Konsequenzen revoziert. Erst recht sind die Künste des Dichters Gabe Gottes und müssen hinter der Kunst des einzigen creator, der aus dem Nichts schaffen kann, zurückbleiben (Cramer 1986, 261; Schneider 2017, 87–88, 94). Sie stammen zwar von nihte (LDM CKonrW 114, V. 2), d.  h. sie bedürfen keines Anstoßes von außen, aber sie sind von Gottes Hilfe abhängig, bedürfen gotes gunst (LDM CKonrW 114, V. 6). Weil diese Grenze nie in Frage gestellt wird, kann Konrad beides: der heiligen Jungfrau ein goldenes Geschmeide schmieden und selbstbewusst den Glanz der höfischen Welt feiern. Konrad spricht mit dem Spiel um Haut, Fell und Kleid und mit der Allusion auf Magie einen zentralen Aspekt der höfischen Kultur an: ihre Faszination durch die strahlende Oberfläche, aber auch deren Ambivalenz. Wo „Gleichklang“ (Schulz 2008, 464) höfische Harmonie anzeigen sollte, ist, zumal im → Trojanerkrieg, dieser Gleichklang gefährdet. Die Oberfläche kann blenden, aber auch verblenden. Die Künste Medeas bestehen in der Manipulation der Oberflächen, mal zum Guten, mal zum Schlimmen; das eine Mal tötet sie, das andere Mal verjüngt und verschönt sie. Das Strahlen, gelegentlich als brennen gefasst, kann auch zum Verbrennen werden. Feuer/Brennen ist die Steigerung von Schein und zugleich sein tödlicher Widerpart, in dem alles untergeht (Bleumer 2010b, 127, 139). Der Zauber der Oberfläche übergreift Tod und Leben, denn die Oberfläche kann todbringend sein wie das Hemd des Nessus, in dem Hercules verbrutzelt, oder das prächtige Gewand, in dem Greusa verbrennt.

6 Die Ästhetik des Komparativs zwischen ­apophantischer Rede und Ambivalenz Konrads Dichtung gehorcht einer Ästhetik des Komparativs. Die Ästhetik des Komparativs übergreift religiöse und profane Gegenstände. Bei Helena und vergleichbaren Gestalten wie Medea ist das, was Konrad schildert, immer mehr: größer, schöner, vollkommener als alles, was man sonst schildern könnte. Das Präfix über- drückt die auf Überbietung gerichtete Bewegung aus. Von Helena sagt Konrad: ir schœnheit überwildet / und überwundert allen schîn, / der von klârheite mac gesîn / an wîben unde an frouwen (Trojanerkrieg, V.  19826–19829). Ganz ähnlich heißt es im Marienlob der → Goldenen Schmiede von der Inkarnation als „Wunder aller wunder“ (Ganz 1979, 32): diz wunder überwilden / muoz elliu wilde wunder (Goldene Schmiede, V. 322–323). Das verbindende Schlüsselwort dieser Ästhetik ist wilde. Moneckes Zusammenstellung der Bedeutungen von wilde/wildekeit (1968, 6–11) zeigt, dass damit sowohl objektsprachlich bestimmte Gegenstände und Sachverhalte wie metasprachlich ihre Darstellung bezeichnet werden können. Wildekeit bezeichnet



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einerseits die Eigenschaft von Phänomenen, die Bewunderung, Neugier, aber auch Befremden und Schrecken auslösen, und entspricht andererseits dem rhetorischen Begriff der obscuritas und deckt damit alle Facetten des gesuchten, schwierigen, erlesenen Stils ab; mit wilde charakterisiert Konrad auch seine eigene kunst. In der → Klage der Kunst ist es deshalb die Allegorie der Frau Wildekeit, die den Dichter vor das Tribunal führt, vor dem über die rechte Kunst verhandelt wird. Frau Wildekeit ist weit mehr als ein „flüchtiges Literaturgespenst“ (Monecke 1968, 29), nämlich Personifikation der Poetik von Konrads Dichtung. Die Bedeutung von wilde/wildekeit ist ambivalent. Wilde bezeichnet das, was aus gewohnten Ordnungen herausfällt, und übergreift dabei die positiven und die negativen Aspekte des Ästhetischen, das Erstaunen ebenso wie das Furcht Erregende. Die Eigenschaft wird sehr Verschiedenem, ja Gegensätzlichem zugeschrieben (Müller 2018a); wilde kann in alle Richtungen abweichen, kann ganz neutral das meinen, was einen nicht mehr berührt oder sich der Wahrnehmung entzieht. Meist aber meint es in bonam wie in malam partem das, was jedes Maß sprengt, Faszination auslöst oder Schrecken verbreitet. Wilde kann die außerordentliche Schönheit und Kostbarkeit der höfischen Welt sein, aber auch die Gefahren bezeichnen, die in dieser Welt drohen. An den Extrempunkten ist wilde zum einen das Numinose, das religiöse Mysterium, zum anderen das Monströse und Teuflisch-Dämonische. Deshalb kann das Wunder der Inkarnation mit demselben Ausdruck belegt werden wie Helenas faszinierende wie Verderben bringende Schönheit oder Medeas Zauberkünste (Monecke 1968, bes. 9–10). Die → Goldene Schmiede nimmt insofern keine Sonderstellung in Konrads Ästhetik ein, sondern steigert nur deren Prinzipien aufs Äußerste. Konrad bietet dort das ganze Repertoire ‚geblümter‘ Rede auf. Das viel bewunderte Feuerwerk des Marienlobs, das goldene Geschmeide, bietet eine Summe mariologischer Topoi (Grenzmann 1978, 117–148; Hübner 2000, 182–186), eine Kette von Metaphern, die einander ablösen und überbieten (Kellner 2009, 144), eine Folge von Vorstellungen, die ineinander übergehen, einander überlagern, einander ins Wort fallen (Prica 2012, 17–23). Die Reihung ausgesuchter Marienprädikate soll einen semantischen Überschuss erzeugen, der in der Überbietung gewöhnlicher Rede auf die Überbietung der Überbietung (Köbele 2012b, 320) zielt. Dabei geht es nicht um Klarheit, denn „trotz ihres Bilderreichtums ist Konrads Sprache nicht eigentlich anschaulich“, manchmal sogar „widersprüchlich“ (Ganz 1979, 31). Auch ist kein übergreifendes Ordnungsmuster zu erkennen. „Die Bilderreihe […] stellt sich als ein unregelmäßig durchmustertes Gewebe dar“ (29). Dessen Elemente sind – und hier stößt man wieder auf einen Grundzug von Konrads Ästhetik – keineswegs durchweg ‚neu‘. Konrad „erfindet seine Bilder nicht, sondern er entwickelt und verwickelt das Vorhandene“ (33) und kombiniert es auf unerwartete Weise. „Die Goldene Schmiede ist eben keine ‚bloße Kunstfigur‘, und das, was wir zunächst als Künstlichkeit empfinden, resultiert in Wirklichkeit nicht etwa aus einer Verselbständigung des Ästhetischen, sondern ist Mittel zum adäquaten Lob“ (41).

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Konrad erzeugt mit dem ornatus seines Marienlobs einen rhetorischen Effekt, der die Leistungsmöglichkeiten schmückender Rhetorik zugleich ausstellt und in Frage stellt und eben dadurch seinem Gegenstand angemessen ist. Die gehäuften Prädikate erfassen nicht ihren Gegenstand, weder jedes für sich noch alle miteinander, sondern sie suchen sich in ebenso unermüdlichen wie vergeblichen Anläufen ihm zu nähern. Sie sind metaphorische Verweise auf etwas, das auch die gesuchteste Metapher nicht erreicht (Grenzmann 1978, 111–112). Das ist ein Modus apophantischer Rede. Konrad wählt die Hyperbolik des Blümens, um sie via negationis hyperbolisch zu überschreiten. Die Häufung der Negationen im Lobpreis Marias (Dahnke-Holtmann 1988/1989) hat also einen theologischen Hintergrund. Es ist die Sprache der „negativen Theologie“, die Konrad seinem Vorhaben dienstbar macht, um zu sagen, was er sagen will, aber nicht sagen kann (M. Schnyder 1996, 48). Konrad entfaltet eine „Dialektik von rhetorischer Virtuosität und Unverfügbarkeit des Inkarnationswunders, von Klangkunst und Metaphernkunst“ (Huber 2015, 198; vgl. Köbele 2012b). Seine hyperbolische Rede ist gewissermaßen ‚nach oben offen‘. Kein Aufschwung der rede alsam ein adelar kann Marias lob […] mit sprüchen überhoehen (Goldene Schmiede, V. 17–19) – so sweimet ez dem himel obe (V. 26) – und ebenso ist keine messbare Tiefe tief genug, um ihr Lob zu ergründen. Die Rede macht nicht an einem Maximum Halt, sondern löst einen Prozess unendlicher Steigerung aus. Sie geht deshalb, anders als Hartmut Freytag (1987) glaubt, niemals in den Übersetzungen ihrer allegorischen Bildlichkeit auf. Das meint die Rede vom wunder wilde, das meinen die immer neuen Kombination von wunder, wilde, überwundern und überwilden (V. 322–323, 333, 1128, 1150–1151, 1157, 1266, 1704, 1716–1717, 1898). Bertau hat beobachtet, wie stark in der → Goldenen Schmiede das Ich des Sprechers hervortritt und hat darin ein Zeichen für die Selbstermächtigung des Dichters gesehen, der seine „auserwählte Schöpferpotenz“ betont, und er hat gemeint, dass sich hier „ein Autonomiebewußtsein […] zu artikulieren beginnt“ (Bertau 1987, 191–192). Dem ist entgegenzuhalten, dass das Ich sich und seine Kunst nur in den Vordergrund spielt, um beider Versagen gegenüber diesem Gegenstand zu artikulieren. Dabei ist seine Rede mehr als unablässige Wiederholung des Unsagbarkeitstopos, der Inszenierung als küns­ teloser man (Goldene Schmiede, V. 137), dessen guten Willen Maria für die Tat nehmen müsse, denn Konrad gibt ja trotz seiner Einsicht in die Unmöglichkeit, das Wunder in Worten zu fassen, nicht auf, sondern setzt immer wieder neu an, um sich ihm zu nähern und den Anspruch seines Gegenstandes in der Vergeblichkeit höchster, doch immer wieder zu erneuernder Anstrengung zu spiegeln (Prica 2012, 23–24). Umso überraschender ist: Einen ähnlichen Aufwand betreibt Konrad bei der Schilderung höfischer Idealität. Die Formel überwundert und überwildet gebraucht Konrad auch für Helena, den Inbegriff höfischer Schönheit. Wie niemand vor und nach ihm hat Konrad den Glanz der höfischen Welt gefeiert, an Helena, Paris, Medea, Hercules, Deianira, Achill und den übrigen Protagonisten, doch ist dieser Glanz dem Untergang geweiht. Wie in einem Brennspiegel versammelt schon die Geschichte Medeas das Grundmuster aller Abläufe: das Umschlagen von Glanz in Katastrophe und die Unsicherheit aller Maßstäbe. Konrads Ästhetik der Steigerung ist ambivalent. Die sich selbst



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überbietende Rede, die auf der einen Seite das religiöse Mysterium dem rhetorischen Zugriff entrückt, steigert auf der anderen Seite den Glanz einer Welt, die auf die Dauer nicht halten kann, was sie verspricht. Wenn Helena ein wildez wunder genannt wird (Trojanerkrieg, V.  19824), dann ist das zweideutig. Sie ist einerseits wunderbar, glänzender als alles Glänzen, andererseits wilder als alle wildekeit. Das wunder, das in der → Goldenen Schmiede Bedingung von Heil ist, ist bei Helena verknüpft mit Heillosigkeit. In der Häufung immer neuer, immer wunderbarerer sinnlicher Reize geht sinnliche Wahrnehmung unter (Müller 2006, 303). Es gibt eine „Überpointierung der Sichtbarkeit“ (Bleumer 2010a, 212; 2010b, 134), die die Sichtbarkeit ruiniert. Konrad lässt die Konturen im flirrenden, ebenso faszinierenden und fürchterlichen Glanz seiner Welt verschwimmen. Sein Dichten ist daher gerade nicht „ergründendes Reden“ (W. Freytag 1988/1989, 393). „Helenas durchbrechender Körper […] lässt alle materielle Prachtentfaltung erblinden, tötet im wahrsten Sinne des Wortes die Wahrnehmung durch Übersteuerung“ (Gebert 2013a, 487). Der Störung der Wahrnehmung entspricht die Ambivalenz des Wahrgenommenen. Konrad hat sie im → Trojanerkrieg im Apfel Discordia verdichtet, um den die drei Göttinnen erbittert streiten und der der Auslöser der Katastrophe des Trojanischen Kriegs sein wird (Müller 2006, 300–301). Der Apfel ist von unbeschreiblicher Schönheit, schöner als alle Äpfel sonst (Trojanerkrieg, V. 1393), doch stiftet er eben auch unausdenkbares Verderben. Diese Zweideutigkeit spiegelt sich in dem, was über seine Erscheinung gesagt wird. Er ist zur Hälfte aus Gold, zur Hälfte aus Silber, doch je nach Betrachterperspektive löst sich diese Sicherheit der Unterscheidung auf. Aus der Ferne sieht man zwar nichts wan silbers unde goldes (V. 1433). Doch wenn man ihn nâhe zuo den ougen hält (V. 1427), sieht man ein oszillierendes Farbspiel, das sich keiner Ordnung zu fügen scheint und in dem alle Farben – wîz, brûn, rôt, gel, grüen und blâ (V. 1410) – wetteifern und keine sich durchsetzt. Der Apfel verbindet auf widersprüchliche Weise Stabilität und Verflüssigung: Das Schriftband, das zwischen den beiden Hälften läuft, ist mit Edelsteinen auf smaragdenem Grund geschrieben und bestimmt den Apfel für die schönste Frau auf dem Fest; es weist dem Apfel also eine feste Bedeutung zu. Doch erweist sich das differentielle und Differenzen festlegende Medium der Schrift ausgerechnet in seiner materiellen Basis, in den mit Edelsteinen auf Smaragden geschriebenen Buchstaben, als unfest, denn deren Gestalt und Anordnung passt sich dem Sprachverständnis eines jeden, der die Schrift liest, an (V. 1478–1481). Die Schrift variiert wie die Farben, in denen das kostbare Artefakt strahlt. Man kann die Zweideutigkeit der Gestalt des Apfels nicht von seiner verhängnisvollen Verwendung abtrennen und ihn das eine Mal nur als schönes Kunstprodukt, das andere Mal als Mittel der Discordia, Streit zu stiften, betrachten (wie Hübner 2014, 459), denn das Aussehen zeigt seine Ambivalenz an. Ebenso verwirrend und zweideutig ist auch die Erscheinung Helenas. Ihre Schönheit beraubt Männer und Frauen ihrer Sinne (V.  23060–23061). Ihre nur scheinbar regelgerechte Beschreibung nach dem rhetorischen Muster a capite ad calcem (Pastré 1988/1989) löst Helenas Gestalt in Lichtreize ungewisser Wahrnehmung auf. Das rhetorische Muster ist noch im Hintergrund erkennbar, aber die Konturen werden durch

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immer neues Strahlen überblendet (Monecke 1968, 178). Die Farben ihrer Haare oder ihre Haut sind opalisierende Lichtvaleurs: Überwiegt in Helenas glanz[er] varwe (V. 19944) die Farbe Weiß, oder ist es die Farbe Rot – beide Zeichen vollendeter höfischer Schönheit? Helenas Gewand aus golddurchwirktem Seidenstoff hat die Eigenart, sieben Mal am Tag die Farbe zu wechseln, sodass er alle denkbaren Farbwirkungen kumuliert (V. 20072–20083). Der Mantel ist aus Fell und Haut eines Tieres namens Dindialus (V. 20144) und changiert in allen Farben (V. 20186–20189). Auch die Gegensätze anderer Empfindungen sind aufgehoben: Man empfindet in Helenas Gewand weder Frost noch Hitze (V. 20118–20125) – so wie auch ihr Antlitz im heißesten Sommer wie kühler Schnee, im kältesten Winter wie frische Rosen scheint (V. 20018–20023). Auf der Gegenseite des Krieges ist die Wahrnehmung ebenso zweideutig: einerseits schönes Spiel sämtlicher Farben (V. 31630–31631; 36874–36875), andererseits grausiges Detail. Dem Verlust an Wahrnehmungsvermögen entspricht das Verschwimmen der Maßstäbe. Dieselbe Helena, deren Schönheit alles überstrahlt, wird von Anfang an als Verderben bringend eingeführt (V.  314–340). Gerade deshalb muss der Erzähler ihr Lob auf die Spitze treiben – daz tuot mir nôt (V. 20283) – wegen des unabsehbaren Elends, das das wunder Helena (V. 20291) über die Welt bringt. Sie selbst klagt sich dafür an (V. 33959–33994). Wildes Kämpfen und leidenschaftliche Liebe sind verbunden durch denselben Irrsinn: tobeheit (V. 16456). In einer Szene hat Konrad beide Motivkomplexe enggeführt, indem Helena auf den Mauern Trojas erscheint, ihr sonnengleicher Glanz die Griechen zu immer heftigeren stichen und slegen anspornt (V.  34004–34033), ihr Glanz den Glanz und die Farbenpracht der Waffen überstrahlt (V. 34046–34084) und die Männer von ihrer Schönheit so geblendet werden, dass sie wild im Kampf lostoben.

7 Ästhetisierung ohne Autonomisierung Der Prunk der sich selbst überbietenden Rede entrückt auf der einen Seite das religiöse Mysterium dem rhetorischen Zugriff und steigert auf der anderen den Glanz der höfischen Welt. Ästhetisierung übergreift offenbar religiöse und profane Sphäre. In LDM CKonrW 12–14 hat Konrad sogar die Übergänglichkeit zwischen beiden inszeniert, indem ein Minnelied durch geistliche Allegorese überschrieben wird (Cramer 1977, 100; Huber 2005, 101). Doch bedeutet Ästhetisierung hier wie dort jeweils Unterschiedliches und hat unterschiedliche Resultate. Die Forschung hat im → Trojanerkrieg moralische Urteile über das krude Geschehen – den Liebesverrat, den Ehebruch, den Mord – vermisst. Man hat beobachtet, dass Konrad den ästhetischen und den moralischen Diskurs ein Stück weit entkoppelt (Pfennig 1995, 114). Allerdings geschieht das nur ein Stück weit. Zwar gibt es relativ wenige explizite Schuldzuweisungen; das Bild der Figuren bleibt positiv (Lienert 1988/1989, 413–414; 2001, 136), und über weite Strecken werden moralische Urteile ausgeblendet oder suspendiert. Vergleichgültigt werden sie deshalb nicht (Worstbrock 1997/2004,



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251–252). Die „zentralen Modelle verantworteten Handelns“, die Integration von minne und Ritterschaft sind zerfallen (257), jedoch wird der Zerfall notiert. Liebesverrat bleibt Liebesverrat und wird geahndet (Jason, Paris, Hercules), Verrat wird bestraft (Peleus). Allerdings geschieht das nur zu geringem Teil diskursiv. Oft ist es erst die Narration, der Fortgang der Handlung, der den moralischen Kommentar zu den auf diskursiver Ebene positivierten oder neutral behandelten Fehlhandlungen abgibt. Worstbrock hat darauf hingewiesen, dass man wegen des Fragmentcharakters des → Trojanerkriegs die meisten Geschichten nicht vom Ende her lesen kann, um ihrem Ausgang eine eindeutige Bewertung zu entnehmen (256). Allerdings liegt die Ambivalenz der höfischen Welt tiefer. Eindeutigkeit ist nicht einmal dort gegeben, wo explizit oder durch den Verlauf ein moralisches Urteil gesprochen wird. Der Tod des Hercules wird zwar als Strafe für den Liebesverrat erzählt, doch geschieht das im Kontext einer erinnernden Rühmung des großen Helden: daz er den starken Herculem / nicht ungeprîset lieze sîn (Trojanerkrieg, V. 37954–37955). Wenn man von seinem schrecklichen Tod hört, tut das seinem Lob keinen Abbruch: In Hercules erschien aller êren überkraft / und daz er sîne ritterschaft / mit ellentrîcher staete / sô wol geblüemet haete (V. 38736–38740). Ähnlich zwiespältig Helena: Sie bringt Verderben, gewiss, doch die Erinnerung an sie hat noch heute die Wirkung, dass sie sorg und leit zerstoeret / […] swâ man ze liehte zücket / ir namen und die saelikeit, / der wunder was an ir geleit (V. 20048; 20052–20054). Solche Erinnerung verdankt sich nicht der „kunstvolle[n] literarische[n] Darstellung“ Konrads, wie Lienert (2001, 136) meint; denn diese ist nicht Ursprung, sondern Konsequenz des wunders Helena, das in seinem Übermaß die Kunst herausfordert: Daz sich mîn zunge pînet / sêr ûf ir lop, daz tuot mir nôt (V. 20282–20283), auch wenn ihre Verderben bringende Rolle unbestreitbar ist. Die Schönheit des Erinnerten wird von seinen grässlichen Folgen nicht berührt. Ästhetisierung schafft einen neuen Maßstab. Radikaler als die höfischen Dichter des frühen 13. Jahrhunderts nimmt Konrad einen Grundwiderspruch einer christlichen und zugleich höfischen Kultur auf: Der höfische Lebensentwurf verspricht innerweltliches Heil, das ein radikal christlicher Lebensentwurf verwerfen müsste. In der Lyrik ist dieser Widerspruch zuerst aufgebrochen, bei Heinrich von Morungen und Walther von der Vogelweide (Müller 1995, 2008; 2010). Konrad steigert das Spannungsverhältnis aufs äußerste. Er überbietet die Idealisierung der Schönheit und verschärft die Drastik des Schreckens. Er verleiht dem, was untergehen muss „Fortdauer in der Kunst“ (Huber 2005, 102). Doch hebt er die grundsätzliche Ambivalenz nicht auf und ordnet seine höfische Idealwelt in letzter Instanz anderen Normen und Maßstäben unter. Indem Schönheit und Grauen zwei Seiten derselben Medaille sind (Lienert 1996, 284; 2001, 209), kann aber, wenn von der einen Seite die Rede ist, die andere für eine Zeit ausgeblendet werden. Hasebrink hat gefragt, ob vielleicht „Ästhetisierung nicht als Sinnstiftung, sondern als entscheidendes Moment der Überdeckung von Sinndefiziten“ (2002, 210) fungiert. Ästhetisierung sucht eine unhintergehbare Spannung aufzufangen.

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Diese Spannung spiegelt sich auch in den riskanten Fügungen der höfischen Erzählungen. Im Exempel → Der Welt Lohn folgen zwei Drittel der Erzählung der Faszination dessen, was verabschiedet werden muss: der Beschreibung höfischer Vollkommenheit, die der Held, wenn er der Rückseite der Welt ansichtig wird, zuletzt, zur vesperzît, aufgeben wird (Müller 2018b und 2020). Im → Herzmaere ist das bilde einer vollkommenen Liebe zugleich die traurige Geschichte ihres Scheiterns (Müller 2015a). Diese unauflösbare Paradoxie ist ästhetisch riskant erzählt. Das Herz, das die Liebenden tauschen, ist Symbol der Liebe, aber es ist zugleich körperliches Organ, das man aus dem Leichnam des Geliebten herausschneiden, als Speise zubereiten und essen kann. Stridde (2013, 224) hat dieses unkommentierte Nebeneinander von Symbol und Materialität Konrad als künstlerisches Misslingen angelastet, aber könnte es nicht gerade auf eine ästhetische Aporie antworten, indem es die unauflösbare Dissonanz spiegelt, die zwischen dem schönen bilde perfekter höfischer Minne und ihrer grausigen Kehrseite besteht? Im krassen Nebeneinander der Deutungsperspektiven würde das → Herzmaere ein ähnliches Problem bearbeiten wie der Schönheits- und Schreckensrausch des → Troja­ nerkriegs, und die Anspielung auf die Eucharistie bei der Einverleibung des Herzens (Müller 2015a, 414–417) würde wie das überwundern und überwilden der verhängnisvollen Schönheit Helenas Analogie und Differenz von heillosem Minneheil und religiösem Heil anzeigen. In beiden Fällen wird die Geschichte an religiöse Muster herangeschrieben. Konrad verleiht der überwältigenden Schönheit Helenas mariologische Attribute, die Entsprechungen in der → Goldenen Schmiede haben (Hasebrink 2002, 224–225). Die religiöse Allusion hebt Helenas Schönheit über Menschenmaß hinaus, doch ist ihre Wirkung statt Erlösung schreckliches Unheil, und sie macht das → Herzmaere zum bilde ebenso vollkommener wie verhängnisvoller Minne. Das Herz ist nicht Brot des Lebens, sondern des Todes. Beide Male ist der höchste Wert an die „Korruptibilität der Körperwelt“ gebunden (Müller 2015a, 417), Heil mit Heillosigkeit verknüpft. Die beiden Bilder Helenas wie die beiden Erscheinungsformen von herze werden einfach nebeneinandergestellt: unübertreffliche Schönheit und unausdenkbares Verderben bzw. Symbol unsterblicher Liebe und ein krudes Stück Fleisch. Gebert hat für Konrads Ästhetik im → Trojanerkrieg den Begriff ‚Ostension‘ geprägt, die den Roman in seiner zweiten Hälfte präge. Die Ästhetik der ‚Ostension‘ erlaubt, Gegensätzliches einfach nebeneinander zu präsentieren. Er spricht von einem „Narrationstyp des Vorzeigens“, das Sinnansprüche unterläuft (Gebert 2013b, 29). „Ostensionen [sind] weniger sinnfunktional als vielmehr präsentifizierend“; sie bringen Paradoxien zum Verschwinden (38–39). Wie Ästhetisierung zielt Ostension darauf, Oppositionen in der Schwebe zu lassen. Diese sind durchaus noch erkennbar, aber sie haben in dem, was erzählt wird, keine ordnende Kraft mehr (Worstbrock 1997/2004; Bleumer 2010b, 110–111). Gebert (2013a) hat dieses für Konrad grundlegende Verfahren an der Darstellung der heidnischen Götterwelt im → Trojanerkrieg präzisiert (vgl. auch Seus 2011, 135–155). Einerseits werde, wie im Mittelalter zumeist, der Göttermythos auf seine angeblich ‚eigentliche‘ Bedeutung als allegorische Verschlüsselung philosophischer, naturkundlicher, historischer usw. Wissensbestände zurückgeführt; dann ist er mit offiziell geltenden



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Wissensgehalten des christlichen Glaubens problemlos kompatibel. Andererseits werde er aber auch „selbstreferentiell“ eingesetzt, d.  h. er erhalte eine allegorisch nicht auflösbare poetische Eigenbedeutung im Rahmen der fiktionalen Konstruktion. Die hier einschlägigen Passagen seien nicht etwa zu vernachlässigende „Schwundstufen“ und „Restbestände des imaginativen Eigenpotentials antiker Mythen“ (Gebert 2013a, 108), sondern entfalteten eine „Redepraxis“, die „alteritäre Zeichensysteme, Praktiken und Wissensformen nicht restlos in christliche Währung ummünzt, sondern sich mit der Andersheit des Anderen fortwährend reizt – in Semantiken des Irrtums, des Uneigentlichen, des Fiktiven“ (115). Der Mythos gewinnt Geltung, obwohl ihm Geltung bestritten wird. Diese Beobachtung betrifft keineswegs nur den Mythos, sondern Konrads fiktionales Erzählen insgesamt. „Zugespitzt formuliert: Mythosdiskurs und fiktionaler Roman bearbeiten invers zueinander vergleichbare Spannungen von Selbstreferenz und Fremdreferenz. […] Fiktionalität wäre unter diesen Diskursbedingungen inverse Mythologie“ (Gebert 2013a, 119). Konrads Ästhetik basiert nicht auf Autonomisierung des Schönen und einer Pluralisierung der Lebensordnungen mit je eigenen Normen und Funktionsprimat, denn was da nebeneinander gezeigt wird, hat nicht den gleichen Grad der Verbindlichkeit. Doch erspielt sich Konrads Kunst einen Raum, in dem für die (relative) Geltung höfischer Idealität Platz ist. Ästhetisierung heißt Aufsprengen binärer Oppositionen, ohne deren unterschiedliche Werthaftigkeit in Frage zu stellen. Was in diskursiver Rede von nachrangiger Geltung ist (wie die antike Mythologie in Bezug auf christliche Glaubenslehre), behauptet sich im Sonderraum des Ästhetischen. Dieser Sonderraum hat einen abgeleiteten und insofern vorläufigen Status, und deshalb ist Konrad eben kein früher Vertreter moderner Ästhetik. Die Vorläufigkeit verbindet auf komplementäre Weise die Ästhetisierung im höfischen Roman mit der Ästhetisierung in einer religiösen Dichtung wie der → Goldenen Schmiede. Auch dort hat die aufs Höchste gesteigerte Kunst etwas Vorläufiges, indem sie die Inkommensurabilität des Transzendenten in immer neuen Anläufen anzielt. Die wilde Form der Darstellung ist dem wilden Gegenstand angemessen, weil wilde in diesem Fall bedeutet, dass dieser sich jeder poetischen Gestaltung und jedem Sinnverstehen entzieht. Dadurch gewinnt das Ästhetische kein Eigengewicht. Prica hat zu Bedenken gegeben, ob nicht „die Systemstelle, die bei Thomas der Glaube einnimmt, bei Konrad durch die Ästhetik ersetzt ist.“ Der Impuls, den in Thomas’ von Aquin Theologie die Unüberschreitbarkeit der Grenzen menschlicher Erkenntnis auslöst und der den Christen in den Glauben verweist, stoße in der → Goldenen Schmiede eine Bewegung sich überbietender Reden über Maria an, die das Defizit der Erkenntnis kompensiere: „Anders als beim Aquinaten scheinen die Möglichkeiten der Erkenntnis an der Grenze zum Glauben nicht ausgeschöpft oder durch diesen stillgestellt“ (beide Zitate Prica 2012, 24); vielmehr stehe hinter der unablässigen Bewegung einander überbietender Prädikationen die „Behauptung“,

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im Sagen erkennen und das Erkannte aussagen bzw. transformierend formen zu können. Anders als beim Aquinaten, der das Erkennen im Glauben zur Ruhe kommen lässt, bricht sich bei Konrad das erkennende Streben, versteht man dieses als unausgesetzten Formungsprozess, im Ästhetischen weiter Bahn. (25)

Diese These liefe darauf hinaus, dass Konrads Ästhetik das leistet, was nach Thomas dem menschlichen Erkenntnisvermögen verschlossen und allein dem Glauben vorbehalten ist. Schon Bertau hatte „keine strikte Opposition zwischen ‚Erkennen‘ und ‚poetisch Darstellen‘“ gesehen (1987, 190). Aber wird das Konrads Ästhetik gerecht? Prica muss selbst „Grenzen dieser ‚Erkenntniszuversicht‘ aufgrund ästhetischer Möglichkeiten“ zugestehen (Prica 2012, 25). In der Tat scheint im Sprechen der → Goldenen Schmiede eher die Unabschließbarkeit und Unerreichbarkeit des Göttlichen einbekannt zu werden. Dem entspricht, dass es deshalb in der Überlieferung des Textes dem Sprecher schwer fällt, ein Ende zu finden, es nicht nur einen Schluss gibt und der Text – auf verschiedene Weise – irgendwann endet (Köbele 2012b, 322). Die Bewegung des Textes bringt „den Prozess des Erkennens“ gerade nicht „vorwärts“, sondern macht nur anschaubar, „was ihn limitiert“ (Prica 2012, 25). Auf andere Weise doppeldeutig ist die Ästhetisierung der profanen Welt. Sie ist ambivalent und blockiert in ihrer höchsten Steigerung die Wahrnehmung. In letzter Instanz ist sie anderen Normen und Maßstäben untergeordnet. Doch öffnet sich damit ein Raum, in dem ‚Schönheit‘ das entscheidende Kriterium ist und in dem die Vorgaben dessen, was gewöhnlich gilt, für eine Zeit suspendiert werden können. Im Raum des Ästhetischen kann bewahrt werden, was überwunden werden muss. Das Ästhetische bleibt bei Konrad insofern in doppelter Hinsicht defizient. Gleichzeitig aber ist es auf doppelte Weise ausgezeichnet: Die pausenlos sich selbst überbietende und immer wieder als unzulänglich scheiternde Kunst erweist sich in der → Goldenen Schmiede als eine Möglichkeit, sich dem Göttlichen demütig wenigstens zu nähern. Im anderen Fall kann das unablässige Bemühen um die schöne Form – zumal im → Trojanerkrieg, aber auch im → Herzmaere und anderen Erzählungen – das bilde einer höfischen Idealwelt entwerfen, die sich trotz all ihrer Vorläufigkeit und Ambivalenz in ihrer Schönheit behauptet. Die höchste Steigerung seiner Kunst strebt Konrad paradoxerweise in einer ‚heteronomen‘ Gattung an, die Kunst zum Instrument des Lobs des Göttlichen bestimmt, und paradoxerweise ist ihm gerade diese Kunst, die sich gegenüber aller Tradition verselbständigt und alle poetischen Mittel der souveränen Verfügungsgewalt des Dichters überantwortet, der sie aufeinander türmt, kühn kombiniert und wechselseitig überblendet, als bloße ‚Künstelei‘ ausgelegt worden, als leer laufender Formalismus und eine Art l’art pour l’art ante datum. Das zeigt, dass die Radikalisierung der Kunstfertigkeit im Dienste eines religiösen Zwecks an eine Grenze gekommen ist, an der sie sich von diesem Zweck zu emanzipieren scheint. Im anderen Fall erweist sich die Autonomie der hingebungsvoll gefeierten höfischen Welt als Täuschung, denn sie steht unter dem Vorbehalt ihres Untergangs. Die kleine Erzählung von → Der Welt Lohn bringt das auf den



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Punkt: Diese Welt muss zuletzt aufgegeben werden, zunächst aber war ihre Schönheit gefeiert worden. In beiderlei Hinsichten ist Konrad noch kein vorzeitiger Vertreter einer modernen Ästhetik, lässt aber schon Bruchlinien erkennen, an denen entlang sich ein eigener Raum des Ästhetischen ausdifferenzieren wird. Das Ästhetische setzt sich bei Konrad nicht an die Spitze der Wertordnung, aber es erhält einen eigenen Raum der Entfaltung.

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3 Konrad-Rezeption und -Gedenken in Mittelalter und Früher Neuzeit 1 Vorbemerkung Auf den ersten Blick erscheint Konrads Rezeption beeindruckend. Die Meistersinger kennen seinen Namen noch im 18. Jahrhundert. Sein → Engelhard geht im 16. Jahrhundert in den Druck. Die Anzahl der Handschriften der → Goldenen Schmiede ist beträchtlich. Der → Trojanerkrieg wird auf unterschiedlichste Art weiter verarbeitet. So breit und vielfältig das Œuvre Konrads, so breit und vielfältig seine Rezeption: Das wird in der Forschung immer wieder betont. Topisch ist indes auch die Klage über ihre unzureichende Erforschung (Brunner 1985, 301; Brandt 1987, 207; Brandt 2009, 69; Schnyder 2013). Das liegt nicht am mangelnden Überblick über das Material oder seiner mangelnden Zugänglichkeit, sondern an Erwartungen des Fachs an den Aufschlusswert solcher Erschließung und ihre zureichende theoretische Modellierung. Immerhin ist in den letzten Jahrzehnten die Bereitschaft der Germanistik zur Reflexion des Voraussetzungsreichtums ihrer eigenen Wahrnehmung von Literatur im Kontrast mit vormoderner Rezeption erheblich gestiegen. Historisch extrem unwahrscheinlich – um ein einziges Beispiel zu geben – ist bereits die rezente Möglichkeit der Überschau über Konrads Gesamtwerk. Die Handschriften präsentieren Konrad – wie viele andere mittelalterliche Autoren auch – nur in Ausschnitten, versammeln nirgends sein gesamtes Œuvre. Selbst in Sammlungen, die mehrere Stücke Konrads bieten, stehen diese meist gesperrt, werden nicht derart präsentiert, dass man ein gezielt auf Konrad gerichtetes Sammelinteresse erkennte. Das liegt nicht speziell an Konrad: Der Typus der auf die Gesamtproduktion eines einzelnen volkssprachigen Autors ausgerichteten Handschrift hat seine eigene Geschichte. Die Möglichkeit überdies, dass der Autor in einer von ihm selbst angelegten Sammlung den Wortlaut seiner Produkte weiterreichend kontrolliert, ohne dass sich Rezeptionsinteressen unmittelbar in ihren Text einschrieben, eröffnet erst der Buchdruck. Damit steht die Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit und den besonderen Erscheinungsformen der Rezeption von Werken und Autoren im Raum, die in der semioralen Mischkultur des Mittelalters – in der Texte zunächst mündlich und handschriftlich kursieren und später auch druckschriftlich – entstehen und wirken. Entsprechenden Untersuchungen bietet sich Konrads Œuvre wegen seiner literarhistorisch frühen Auffächerung auf verschiedene Gattungen paradigmatisch an. Andererseits verfügt die Altgermanistik so wenig wie andere Mittelalterphilologien über eine ausgearbeitete Theorie mittelalterlicher Rezeption. Eine solche kann es indes ohne Rücksicht auf die Produktionsseite nicht geben. Dies hält eine These Kuhns bewusst, wonach es für die volkssprachige Literatur noch des ausgehenden Mittelalters https://doi.org/10.1515/9783110373561-003



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keine Literaturtheorie und -soziologie des Autors und seiner Leser geben [kann] – sondern nur eine des „Machens“ und des Lesens und Hörens von Literatur. Dies nicht etwa, weil noch jetzt […] das historische Material für beide, Autoren und Leser, dürftig fließt oder überhaupt fehlt. Sondern „Autor“ und „Rezipient“ übertragen anachronistisch Begriffe von und Reaktionen auf Literatur, die grundsätzlich erst seit dem 18. Jahrhundert gelten. (Kuhn 1980, 81)

So allgemein diese grundsätzlichen Bedenken anmuten und so wenig sie leichterhand in Forschungsfragen umzusetzen sind, so hoch die Ansprüche an eine zureichende Konzeptualisierung von ‚Rezeption‘ auch sein mögen: übergehen kann man die Bedenken nicht. Zu breiterer Reflexion des Konzepts ‚Rezeption‘ fordert ja die Konrad-Forschung selbst auf. So schließt eine Studie zur Verbreitung der → Goldenen Schmiede: Wird von Rezeption gesprochen, dann klingt das leicht so, als ob etwas in ein passives Gefäß hineingefüllt werden sollte. Angemessener wäre es vielleicht, die überkommenen Texte als Zeugen vielgestaltiger und immer legitimer Aneignungsprozesse zu sehen. […] Daraus wären dann freilich verschiedene Konsequenzen zu ziehen, über die nicht unbedingt vorgreifend zu reden ist. (Bertau 1999, 129–130)

Und Brandt moniert gar generell ältere Verfahrensweisen, Rezeptions- und Wirkungsdaten für einzelne Werke Konrads anzusetzen (1987, 208: „[…] abzusehen […], daß manche Behauptungen über direkte Einflüsse sich nicht mehr ohne weiteres halten lassen werden“). Daher sind seine zwei einführenden Überblicke zur Sache (Brandt 2009, 67–72, v.  a. aber Brandt 1987, 188–220) immer wieder von methodischen Überlegungen durchsetzt. In eine wiederkehrende Problemlage, die bereits den Ansatz von Rezeptionsbelegen tangiert, führt dabei die Frage nach den Traditionen, in denen Konrads Werke stehen. Ohne deren Kenntnis ist Ansatz späteren Bezugs unmöglich, da letzterer sich auch gemeinsamem Traditionshintergrund verdanken kann. Diesen Einwand können prinzipiell alle Gestaltungsebenen eines Werks auf sich ziehen, von einzelnen Stoffen und Motiven über inhaltliche Positionen (‚Kunstauffassung‘ Konrads) bis zu stilistischen Charakteristika (Konrads ‚geblümter Stil‘). So unabdingbar wie für den Ansatz eines Bezugs, so unabdingbar ist die Rücksicht auf literarische Tradition für die Einschätzung dann der Bezugnahmen. Wurden eher abseitige Trends von Konrad früh erkannt und mit einigem Risiko und durchaus prekären Erfolgsaussichten mehr oder minder erfolgreich aufgegriffen, oder schließt er an Etabliertes an, das sein Produkt risikolos mitträgt, oder hat er gar Traditionen neu gestiftet, als deren Begründer er später vielleicht sogar wahrgenommen wurde? Den Mut zur methodisch naheliegenden, radikalen Umkehrung der Perspektive hat die Forschung bisher nicht aufgebracht: Rezeptionsbelege nicht aufgrund verschiedenster einzelner Indizien als solche anzusetzen und auszuwerten, sondern erst dann, wenn dezidiert das Gegenteil – sprich: ‚Bezüge sind nur scheinbare, weil sie sich vor übergreifendem Hintergrund ergeben‘ – ausgeschlossen werden kann. Das aber ist Voraussetzung, um auch die verschiedenen Autorbilder, die man sich im Mittelalter je gattungsgebunden von Konrad machen konnte, nachzeichnen zu können.

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Als besonders anspruchsvoll stellt sich bei dieser Problemlage insonderheit die Abhebung der Rezeption von regional-zeitgebundenen Sprech- und Stilraditionen dar, an die bereits Konrad anschließt und die er prolongiert, etwa als ‚Blümer‘, und die Nachverfolgung hochkomplexer Gestaltungsaspekte wie etwa Konrads kunst-‚Theorie‘, die in den Kern seiner Poetik führt und überhaupt nur interpretativ als Ausgangspunkt zu gewinnen ist (vgl. zu beidem Müller 2005). Jacob Grimms frühes Diktum, Konrad sei „vielleicht unsrer Sprache am meisten Meister gewesen“ (Brunner 2009, 636), ist im Blick auf das mittelalterliche Konrad-Bild nicht einfach einzuholen: Es besagt zunächst mehr über neuzeitliche als über historische Wahrnehmung. Gerade darin hält es jedoch auch das Potential von Rezeptionsgeschichte bewusst, moderne Werturteile historisierender Diskussion aufzuschließen. Das sollte dann auch dazu führen, literarhistorische Leistungen Konrads eben dezidiert gerade von moderner Warte aus zu begründen. So ambitioniert etwa Konrad sein Troja-Projekt angegangen sein mag, wurde es dennoch im Spätmittelalter nicht selbstverständlich als individuell-ästhetische Leistung wahrgenommen. Das freilich mindert aus moderner Perspektive, die übergreifende literarund kulturhistorische Vorgänge mitbedenkt, das Verdienst Konrads keineswegs, den spätmittelalterlichen Fundus zur Weiterverarbeitung des Trojastoffs durch seine Nachfolger erheblich erweitert zu haben. Unter solcherart prekären Voraussetzungen sind Rezeptionszeugnisse systematisch und auf fragloser Grundlage zunächst nur auf zweierlei Weg zu ermitteln: erstens anhand der Überlieferung der einzelnen Werke Konrads, die auf Geografie, Chronologie, Stratifikatorik und Darbietung – besonders im Hinblick auf Verfassernennungen – und Geschichte der Texte (und für Sangbares: der Melodien) zu befragen ist. Unechtes ist dabei immer einzubeziehen und auf Zuschreibungsanlass und -motiv hin zu befragen. Darüber hinaus sind es zweitens insonderheit Nennungen seines Namens, die als verlässliche Rezeptionsgegebenheit zu beachten sind. Alles weitere von Relevanz kann demgegenüber von Fall zu Fall – und streng genommen erst nach der oben formulierten Gegenprobe – angesetzt werden. Mehr als eine erste Übersicht über das Material kann nachstehend im begrenzten Rahmen nicht gegeben werden. Sie orientiert sich an den verschiedenen von Konrad aufgegriffenen Gattungen. Denn entlang der spezifischen Poetik literarischer Reihen geraten prägende Traditionslinien noch am ehesten überschaubar in den Blick. In Hinsicht auf mediale Voraussetzungen von Rezeption führen sie zudem tendenziell – wobei von präzisen Grenzlinien nicht auszugehen ist – in je verschiedene Konstellationen von Mündlichkeit und Schriftlichkeit, Latein und Volkssprache, in literatere oder weniger literate Rezipientenkreise. Diesen Gruppen kann eher an geistlichen oder weltlichen Themen, überhaupt an spezifischen Stoffen und Themenfeldern und Faszinationsbereichen je besonders gelegen sein. Mit den Gattungen verbinden sich zudem tendenziell je verschiedene Möglichkeiten der Distribution der Werke Konrads, verschiedene Handlungsspielräume des Wiedergebrauchs, sprich: Spielräume der Darbietung und Aufbereitung der Texte auf verschiedenen Anspruchsniveaus und in verschiedenen Gebrauchswert-Horizonten.



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Die folgende Übersicht zu von der Forschung bisher beigebrachten Rezeptionsbelegen geht dementsprechend vor. Sie beginnt mit den kürzeren geistlichen Verserzählungen, den drei → Legenden (Alexius, Pantaleon, Silvester). Es folgen die längeren weltlichen Erzählungen, der → Engelhard und → Partonopier und Meliur, dann die kürzeren weltlichen Verserzählungen. An die strophische Dichtung – die → Klage der Kunst, die Leichs, Minnelieder und die Sangspruchdichtung (→ Lyrik) – schließen → Goldene Schmiede und → Trojanerkrieg an. Ein gesonderter letzter Abschnitt wendet sich den zahlreichen Nennungen Konrads bei anderen Autoren zu.

2 → Legenden: Alexius, Pantaleon, Silvester Die Legenden haben nur wenige Spuren hinterlassen. Pantaleon und Silvester sind nur in je einer einzigen Handschrift erhalten. Deren Text gilt als jeweils recht gut: Der des Silvester mag „vielleicht auf das Original“ zurückgehen (Brandt 1987, 124); der des Pan­ taleon gilt als „sehr zuverlässig“ (Brandt 1987, 133 – es fehlt zwar der Schluss, vielleicht mit Selbstnennung Konrads, doch dies wegen mechanischer Fragmentierung). Viele verlorene Zwischenstufen der Überlieferung muss man weder hier noch dort annehmen. Es hat sie vielleicht gar nicht gegeben. Die Überlieferung des Silvester, einem in Basel ohnedies besonders verehrten Heiligen geltend und mit einem Kanoniker am Basler Domkapitel, Liutold von Röteln, als treibender Kraft im Hintergrund entstanden, verbleibt in einem dem Entstehungs- und Auftragskontext verwandten Milieu. Für die Trierer Handschrift bereits des letzten Viertels des 13. Jahrhunderts kommt als Herstellungsort nur ein Kloster oder ein Stift in Frage (Embach 2007, 590). Von sehr kleinem Format und nur den Silvester und zwei Mariengebete enthaltend war sie vielleicht einmal persönliches Erbauungs- und Andachtsbüchlein. Schon Grimm dachte an einen „geistlichen“ als Schreiber „in Trier selbst“ (Grimm 1841, III). Die Stadt war eines der Hauptzentren der Silvester-Verehrung im deutschen Sprachraum (Brandt 1987, 21); zudem mögen, ganz wie beim nach dem Fundort seines Textzeugen benannten Trierer Silvester, spezielle lokale „Interessen an Kaiser Constantin und seiner Mutter Helena“ im Hintergrund gestanden haben (Nellmann 1995, 1956). Interesse speziell an Legenden erweist eine Federprobe „nicht viel jünger als der Codex selbst“ mit den Anfangsversen des Gregorius Hartmanns von Aue (Gärtner 2003, 109–111), der wie Konrads Alexius auch (s.  u.) später noch einmal in Prosa umgearbeitet wurde (Mertens 1979). Und man hatte später am Ort noch eine zweite Handschrift des Silvester mit schlechterem Text zur Hand, den man für die Ergänzung des beim Binden zerstörten Textanfangs benutzte (vgl. Grimm 1841, III; Bushey 1996, 252–253). Erster nachweislicher Besitzer des Manuskripts ist kaum zufällig eine geistliche Einrichtung, das 1560 gegründete Trierer Jesuitenkolleg. Der Pantaleon – einem in Basel eingeführten Heiligen geltend, aber mit dem Ratsherrn Johannes von Arguel nun mit einem weltlichen Förderer im Hintergrund – ist im

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Wiener Codex (um 1375/90, niederalem.) zwar erst ein Jahrhundert später als der Sil­ vester zu fassen, dafür aber in größerer Nähe zum Entstehungsort (Roland und PirkerAurenhammer 2000, 8), und ein gutes weiteres Jahrhundert später wiederum nicht weit entfernt nun in weltlichem Besitz: in der von Wilhelm Wernher (1485‒1575) angelegten Bibliothek der Grafen von Zimmern, deren weiteres Schicksal die Handschrift dann teilt (vgl. Modern 1899, besonders 157 zu Nr. 47). Ein in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts angelegtes Exzerpt aus der Handschrift im Karlsruher Cod. St. Georgen 86 ist an Konrads Text so wenig wie am den Pantaleon begleitenden Barlaam und Josaphat Rudolfs von Ems, vielmehr v.  a. am Stricker-Korpus des Vindobonensis interessiert. In einem späteren Bücherverzeichnis nimmt der den Gesamtband rubrizierende Blick auf den Textbestand nur viele hero[es] (Modern 1899, 157) wahr, nicht speziell Konrad oder den Pantaleon. Der Alexius, gefördert durch die Basler Johannes Bermeswil, der Kontakte zu den örtlichen Dominikanern pflegte, und Heinrich Isenlin, der u.  a. in der örtlichen Krankenund Armenfürsorge aktiv war, gilt einem gerade in Basel, freilich vielleicht noch nicht offiziell, verehrten Heiligen. Er zeigt mit drei Zeugen etwas weitere Verbreitung. Zudem wirkte er früh auf weitere Werke ein. Indes überlagert das Interesse am Stoff weithin das an seiner Gestaltung. Allein der räumlich und zeitlich am nächsten stehende Straßburger Zeuge (Cod. A 100) hat den Epilog mit Konrads Selbstnennung (wohl 14. Jahrhundert, westalem.). Er befand sich im 18. Jahrhundert in der Bibliothek der Straßburger Johanniter, könnte aber für sie auch in der Freiburger oder Schlettstadter Niederlassung angelegt worden sein (Müller 2013, 99 Anm. 179), vielleicht für die Tischlesung (Müller 2013, 100). Mitüberliefert sind u.  a. Hartmanns von Aue Gregorius und Predigten, teils die Meister Eckharts, ein Martyrologium und die alemannische Vitaspatrum. Speziell der Alexius hatte das Potential, aktuelle Tendenzen der Verweltlichung zu kommentieren und einen mahnenden Gegenentwurf dazu zu bieten. Alexius, ein Mitglied der aristokratischen Gesellschaft mit den damit verbundenen dynastischen Verpflichtungen, bietet dabei als Figur hohes Identifikationspotential für Mitglieder des Johanniterordens, die sich zu großen Teilen aus dem Adel rekrutieren. (Müller 2013, 113)

Als Schutzpatron der Bettler und Pilger war der aristokratische Askese-Heilige aber auch den Bettelorden vertraut. In ihren Händen begegnet der Alexius in der Innsbrucker Handschrift, die vom Franziskaner Johann Ritter in Schaffhausen oder Winterthur 1425 angefertigt wurde und neben dem Alexius nur noch die 24 Alten Ottos von Passau bietet. Wenige Jahrzehnte später, 1478, legte sich, unweit entfernt, der Züricher Schulmeister Heinrich Kramer eine Abschrift des Alexius an, den er freilich, wie zahlreiche weitere Texte seiner Legendensammlung, redaktionell bearbeitete (Williams-Krapp 1985a)  – ob für sich oder für einen (weiblichen? s.  u.) Auftraggeber, darüber könnte vielleicht genauere Analyse seiner Arbeitsweise einmal Aufschluss geben. Pfeiffer hat die – heute Engelberger – Handschrift 1867 im Frauenkloster der Benediktinerinnen St. Andreas in Sarnen entdeckt.



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Ebenfalls in ein Frauenkloster führt die anonyme Umsetzung des Alexius in Prosa im Berliner mgq 188 (Palmer 1979), die – unter Ausblendung von Konrads Namen ebenso wie der Erzählerinstanz im Text – für die Straßburger Dominikanerinnen in den 30er Jahren des 15. Jahrhunderts angelegt wurde und vielleicht im Zuge der Reformierung ihrer Niederlassung 1431 entstanden ist. In diesen Kreisen hatte man den Alexius schon bedeutend früher zur Kenntnis genommen. So hat er bereits um 1300 auf den bairischösterreichischen (Jefferis 1988/1989 unter Verweis auf die Überlieferungsgeografie und gegen Eis‘ und Rosenfelds „Sudentenland“) Alexius A „zweifellos“ eingewirkt (Rosenfeld 1978a, 227), der „vermutlich von einer Frau gedichtet“ wurde (Rosenfeld 1978a, 227). Dessen bereits zu Beginn des 14. Jahrhunderts einsetzende, insbesondere südostdeutsche Überlieferung führt jedenfalls mehrfach in solche Kontexte (vgl. Sigle P und G). Spuren des Alexius Konrads finden sich ferner in den Legendenfassungen des Alexius K (zwei Handschriften) und – über eine verlorene Versbearbeitung B vermittelt – des Alexius F (drei Handschriften) (vgl. Jefferis 1988/1989; Rosenfeld 1978a, 229–230, 231–232; Klein 2013). Diesem sehr frühen Einfluss von Konrads Alexius ist schließlich noch sein Einwirken auf vier Handschriften (Sigle K, Q, S und Fragment 1, vgl. Klein 2014, 120–121) des im letzten Drittel des 13. Jahrhunderts vermutlich im Deutschordensland entstandenen, in 30 Handschriften und „signifikant[]“ häufig im Westmitteldeutschen (Klein 2014, 120) bezeugten Väterbuchs an die Seite zu stellen (vgl. Jefferis 1988/1989; Borchardt und Kunze 1999, 164–165). Gegen Bartschs Zuschreibung einer Nikolaus-Verslegende an Konrad (1871, XII–XIV) sind von Steinmeyer 1876 (232–236) Einwände erhoben worden, der auch Texteingriffe des Herausgebers Bartsch auflistet, die bereits auf seiner Annahme gründen. Wieweit der Rest noch den Konrad-Bezug rechtfertigt und ob nur der „Legenden-Konrad“ oder mehr von ihm im Hintergrund steht, ist seither nicht untersucht (vgl. Brandt 1987, 219). De Boor und Janota sprechen noch in der letzten Auflage ihrer Literaturgeschichte von einem „Schüler“ (1997, 459), der dann spätestens zu Anfang des 14. Jahrhunderts in dem an das Mitteldeutsche angrenzenden Gebiet zu verorten wäre (vgl. Williams-Krapp 1987, 1038). Einen vergleichbaren Anschluss, freilich dezidiert an den „späten“ Konrad, nimmt de Boor für eine nur fragmentarisch erhaltene Dorotheen-Verslegende an (de Boor und Janota 1997, 459; vgl. Williams-Krapp 1980, 213: „scheint stilistisch unter dem Einfluss des späten Konrad von Würzburg zu stehen“), die im bairischen Sprachraum sehr wahrscheinlich in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts entstanden ist (vgl. Williams-Krapp 1980, 213). Weitere Legendendichtung, für die mehr oder minder Anschluss an Konrad angenommen wurde, stellt Brandt (1987, 212) zusammen: Hugo von Langenstein: Martina (Steer 1983); Walther von Rheinau: Marienleben (Gärtner 1999); Der Sälden Hort (Ochsenbein 1992 im Verfasserlexikon: keine Erwähnung mehr); Passional (Richert 1989: nur einem allgemein oberdeutschen Stil der Zeit verpflichtet, den auch Konrad vertritt); Väterbuch (Borchardt und Kunze 1999; s.  o.); Das Leben der heiligen Elisabeth (Wolff 1985: keine Erwähnung mehr); Magdalenen-Legende (Williams-Krapp 1985b: keine Erwäh-

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nung mehr). Brandt gibt einschränkend zu bedenken, dass einerseits Konrad einen eigenen Stil am wenigsten in den Legenden ausgebildet habe, andererseits ein ausgeprägter Formel- und Stilfundus gattungsspezifisch sei. Ein zeitlich und räumlich in Nähe zu Konrad, wenig nach 1298 und wohl in Basel tätiger, lateinkundig-gelehrter Autor wie Walther von Rheinau, der in der Volkssprache dichtet und höfische Literatur explizit anführt (Wigalois, Tristan), hat aber Konrads Werk sehr wahrscheinlich auch über die ihm sicher bekannte → Goldene Schmiede hinaus (vgl. Gärtner 1999, 659) gekannt. Für Hugo von Langenstein, dessen Martina sich nachweislich zumindest an die → Goldene Schmiede anlehnt, wird gar persönliche Bekanntschaft zu Konrad vermutet (Steer 1983).

3 → Engelhard und → Partonopier und Meliur Der → Engelhard ist unikal bezeugt in einem 1573 bei Kilian Han in Frankfurt am Main aufgelegten Druck. Benutzt wurde für ihn indes eine „gute, lückenlose Handschrift wohl noch des 13. oder 14. Jahrhunderts“ (Reiffenstein 1982, VI), deren Text man jedoch verständnislos mechanisch, teils „bis zur völligen Sinnlosigkeit“ (Reiffenstein 1982, VI) adaptierte. Dazu passt das Schweigen des Titelblatts zum Verfasser, der sich im → Engel­ hard ja durchaus nennt – sicher aus Desinteresse (anders Brandt 2009, 69): Ein schne Historia von Engelhart auß Burgunt, Hertzog Dietherichen von Brabant, seinem Gesellen, vnnd Engeldrut, deß Knigs Tochter auß Dennmarck, wie es ihnen ergangen, vnd was jammers vndt not sie erlitten, Gantz lustig vnd kurtzweilig zu lsen.

Ein Schwerpunkt des Verlagsprogramms lag auf sogenannten Volksbüchern. Ihnen erscheint hier der → Engelhard angegliedert – auch in der Ausstattung mit Überschriften (Reiffenstein 1982, XII A. 18) und Holzschnitten, die man anderen einschlägigen Ausgaben (Melusine, Fortunatus) entnahm (Reiffenstein 1982, VI). Von der Überlieferung her stellt sich die Rezeption des → Partonopier und Meliur ähnlich dar. Dies zum einen, weil ihn im Berliner mgf 1064, angelegt 1471 vom bacca­ laureus artium H. Wincklär in Hall am Inn im Auftrag des Christian Ruether, eben die Melusine als einziges Werk begleitet: Das weist auf jenes allgemeine Interesse an besonderen Liebesgeschichten adeliger Herrschaften voraus, das der → Engelhard-Druck Hans bedient. Dies zum weiteren, weil 1471 Konrads Leistung als Autor erneut hinter den Stoff zurücktritt, denn der → Partonopier und Meliur wird von Wincklär erneut ohne Nennung Konrads angekündigt: Hie hebt sich an ain hubsche Abentewr von dem Edelen Graffen vnd Ritter vnd Jungeling Graffen Partonopier vnd hat sich ergangen Als man zalt nach christi vnsers lieben herren gepurde Tausent zwaij hundert vnd darnach Jn dem Sibenvndsibentzig Jaren etc. (Bl. 54vb). Ähnlich entdecken später die Dominikanerinnen von Mariathal bei Völdepp in Tirol, denen Ruether sein Manuskript noch im 15. Jahrhundert schenkte, übrigens nichts anderes als schon der Baccalar: Das pch hat Kristoff Ruether geben in vnser frawen tall zu Voldepp vnd man vindet darinn geschriben



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von ainer merfrawen genant Melusina vnd darnach von ainem Grafen genant Partono­ pier (Bl. 5v). Von dort ist die Handschrift zu ungeklärtem Zeitpunkt – Mariathal wurde 1782 aufgelöst – in den Besitz einer der in der Frühen Neuzeit bedeutendsten Adelsbibliotheken Oberösterreichs, der Fürstlich Starhembergischen Bibliothek zu Riedegg, gelangt, von wo sie dann nach Berlin kam. Eine dritte Ähnlichkeit zur Rezeption des → Engelhard besteht darin, dass man für die Vorlage erneut weit zurückgriff. Denn diese sei, so Bartsch, eine „treffliche“, vielleicht gar ein Autograph Konrads gewesen (Bartsch und Gruenter 1970, VIII). Im Anschluss an Pfeiffer vermutet er – „mit Recht“, wie Gruenter noch einmal betont (Bartsch und Gruenter 1970, 352) –, dass die zur Datierung, damit zur „Ver-Geschichtlichung“ des Romanstoffs im Incipit herangezogene Zahl 1277 der Vorlage entstamme (Bartsch und Gruenter 1970, VI) – ohne dass der Auftragsschreiber jedoch um der Bewahrung von Konrads Wortlaut willen sich besondere Mühe gab, denn er arbeitete mit „Nachlässigkeit“ und „Unverstand“ und „corrumpiert“ den Text „an zahllosen Stellen“ (Bartsch und Gruenter 1970, VIII). Zwar haben wir wie beim → Engelhard auch diese Vorlage nicht, im Unterschied zum → Engelhard aber Züricher Bruchstücke (Zentralbibliothek, Ms. C 184) einer zweispaltigen, im Alemannischen um 1300 angelegten Pergamenthandschrift, die erweisen, dass eine bedeutend autornähere Überlieferung als die Berliner mehr als einmal existiert haben muss. Mit diesen Vorgaben der Überlieferung sind einige Beziehungen zu korrelieren, die zwischen → Engelhard bzw. → Partonopier und Meliur und südwestdeutschen Autoren des späteren 13. und frühen 14. Jahrhunderts bestehen: 1. Im um 1300 (nach 1291) von einem Schweizer aus der Bodenseegegend verfassten Reinfried von Braunschweig ist der erste Teil „mit den Zentralmotiven Brautgewinnung, Verleumdung und Gottesgericht […] Eigenschöpfung des Dichters […] nach Vorbild“ des → Engelhard gestaltet (Ebenbauer 1989, 1173). Auch stilistisch „folgt der Autor mit seinen glatten vierhebigen Reimpaarversen, seiner zierlichen Eloquenz, den variierenden Wortwiederholungen und der geblümten Rede“ (Ebenbauer 1989, 1174) neben Gottfried von Straßburg und Rudolf von Ems Konrad, so dass der Dichter „zu einer alem. Gruppe von Autoren gerechnet werden [kann], die im Anschluß an Konrad von Würzburg eine Art Schule bildeten“ (Ebenbauer 1989, 1174; vgl. auch Reiffenstein 1982, XXIII und Bartsch 1871, 812). Zu beachten ist zudem der Bezug des Reinfried ebenso zu → Partonopier und Meliur bereits qua Gattung „Minne-âventiure-Roman“ (Brandt 1987, 211). 2. Der elsässische Verfasser der um 1310 entstandenen Versnovelle Peter von Stau­ fenberg (der vor 1324 verstorbene Egenolf von Staufenberg? Schirmer 1980, 366), die in den Stoffkreis der gestörten Martenehe führt, war von → Partonopier und Meliur „nachhaltig beeinflusst“ und „lehnt sich auch sprachlich-stilistisch an Konrad von Würzburg an“ (Schirmer 1980, 368), von dem der Verfasser, folgt man Jäckel 1898, auch andere Werke kannte. 3. Die anonyme Verserzählung des Magelonentypus vom Bussard (Der Busant), entstanden „im Elsaß zu Anfang des 14. Jh.s unter dem Einfluß“ Konrads (Rosenfeld 1978b, 1146), zeigt sich – so jedenfalls das Verfasserlexikon – stilistisch einschlägig geprägt und übernahm zudem einzelne Motive aus → Partonopier und Meliur.

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4. Wenige Jahrzehnte später indes erscheinen die Bezüge zu → Engelhard und/oder → Partonopier und Meliur schon weniger eindeutig. Der Verfasser der Legende von den Jakobsbrüdern, die wie der → Engelhard auf dem Amicus-Amelius-Stoff aufruht, Kunz Kistener, war wohl Straßburger: Nichts spricht dagegen, ihn „mit dem urk. 1355 und 1372 unter den Meistern und Geschworenen der Straßburger winrffere und winmesser“ zu identifizieren (Reiffenstein 1983, 1157). „Den ‚Engelhard‘ wird er gekannt“ (Reiffenstein 1982, XXIV), „entscheidende Anregungen […] von dem ganz andersartigen Werk aber kaum empfangen haben“ (Reiffenstein 1983, 1159). Mag auch „außer Frage“ stehen, dass Kistener „in einer Tradition steht, die dem Vorbild Konrads verpflichtet ist“: Er hat sich von ihm, vielleicht „teils aus Mangel an Begabung, teils mit Intention“, aber wohl auch aufgrund zunehmender zeitlicher Distanz, bereits „deutlich entfernt“ (Reiffenstein 1983, 1159). Denn stilistisch stehen die Jakobsbrüder „der knappen Erzählweise der spätmittelalterlichen Kleinepik […] viel näher als dem breiten, artifiziellen Variationsstil Konrads“ (Reiffenstein 1982, XXIV). Noch weniger für die Verarbeitung des → Engelhard zu belasten ist, wegen der zunehmenden zeitlichen Distanz, dann eine – wenn nicht später entstandene, so doch später bezeugte – Prosafassung der Jakobslegende aus einer Straßburger Handschrift des 15. Jahrhunderts. Ohnedies steht die Motivparallele zwischen ihr und dem → Engelhard (Äpfel als Verlässlichkeitsprobe) vor einem insgesamt breiteren Legendenhintergrund, aus dem bereits Konrad geschöpft haben kann (vgl. Reiffenstein 1982, XXIV A. 57). 5. Als weiterer Rezeptionsbeleg ist Der Gürtel (Der Borte) Dietrichs von der Glesse, zu datieren etwa 1270–1290, eingebracht worden. Der Dichter war „nach Ausweis seiner (Reim-)Sprache kaum ein gebürtiger Schlesier“ (Rosenfeld 1980, 139). Dorthin führt aber sein Name („Der Dichter nennt sich wohl nach der Clesse bzw. dem Clessengrund am Südostabhang des Glatzer Schneeberges. Er war wohl am ehesten ein Dienstmann der Karpensteiner Herrschaft“, Rosenfeld 1980, 138). Dorthin führt zudem die Entstehung laut Epilog auf Veranlassung eines Wilhelm, der Sohn eines Vogtes von Weidenau in Schlesien war (Rosenfeld 1980, 138). Auf jeden Fall beträchtlich vom Alemannischen entfernt entstehen die drei ältesten Überlieferungszeugen (ein vierter Zeuge, der Cpg 4, datiert erst ins 15. Jahrhundert): der Heidelberger Cpg 341 und seine Abschrift, der Cod. Bodm. 72, sowie das Klagenfurter Fragment vom Ende des 14. Jahrhunderts aus dem ostmitteldeutsch/oberdeutschen Grenzraum. Der Verweis auf lediglich ein einziges aus → Partonopier und Meliur (V. 6892–6895) übernommenes Motiv (Der Gürtel, V. 48–50) ist nicht sonderlich schlagend, zumal nicht bei dieser räumlichen Distanz und wenn überdies „der Wortlaut weitgehend frei gestaltet“ ist (Rosenfeld 1980, 139). 6. Skepsis ist ebenfalls angebracht im Blick auf die um 1400 von Nikolaus Vintler veranlasste Ausstattung des Sommerhauses von Burg Runkelstein bei Bozen in Südtirol mit einem Garel-Zyklus und einem Fries von als Halbfigur dargestellten dreizehn plus zwei oder drei weiteren Paaren, von denen eines die Beischrift Partenopyr bzw. Melivr trägt (Huschenbett 1982, 102 A. 10). Brandt verweist in diesem Kontext auf die allgemein zunehmende Beliebtheit des Feenstoffes (1987, 210 A. 10). Vor dem Hintergrund der begrenzten Reichweite von → Engelhard und → Partonopier und Meliur kommt der



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Bindung des Paares an ein Werk des oberrheinischen Verfassers in den Augen eines Sommerhaus-Besuchers im 15. Jahrhundert zunächst wenig Plausibilität zu. 7. Einen weiteren außerliterarischen Beleg liefert vielleicht die 1299 urkundlich nachweisbare Benennung eines Bruderpaars als Engelhard und Dietrich (Schröder 1894, IXL A. 1). Sie liegt bezeichnenderweise wiederum zeitlich wie räumlich (Elsass) dem → Engelhard noch relativ nahe.

4 Kürzere weltliche Verserzählungen: → Heinrich von Kempten, → Der Welt Lohn, → Herzmaere – Zugeschriebenes (→ Die halbe Birne A, Mönch als Liebesbote A, Frau Metze) – → Turnier von Nantheiz, → Schwanritter Die Textzeugen des bereits im 14. Jahrhundert in fünf Handschriften und auch räumlich breit belegten → Heinrich von Kempten, wobei zu den insgesamt sieben noch mindestens drei über die Textkritik erschließbare kommen, bewahren alle Konrads Selbstnennung in V. 766 (Brandt 2009, 96 irrt). Handschrift W nennt ihn zudem in Überschrift und altem Inhaltsverzeichnis (Bl. 31r). Dem Typ nach dominieren Sammelhandschriften überwiegend kürzerer weltlicher Verstexte (Märenhandschriften) – das gilt ebenso für → Der Welt Lohn und → Herzmaere. Nirgends in ihnen bilden sich Textgruppen, die ein besonderes Interesse an Konrad erkennen ließen. Gelegentlich ist zwar Weiteres in Versen von Konrad mitüberliefert (neben anderen Mären, teils auch Konrad zugeschriebenen, auch die → Goldene Schmiede), dies oft aber unter Abstand, so dass sich nirgends erkennbare Konrad-Textgruppen bilden. Wieweit in einzelnen Fällen die Nachbarschaft zu von Konrad deutlicher angeregten Werken die Zusammenstellungen beeinflusst hat – im Fragment L des → Heinrich von Kempten etwa folgt unmittelbar auf diesen der Peter von Staufenberg (s.  o. Abschnitt 3) und ist (aber in welchem ursprünglichen Abstand?) mitüberliefert noch der Bussard (s.  o. Abschnitt 3) –, das ist nicht untersucht. Was speziell den → Heinrich von Kempten anbelangt, scheint er weithin ohne Wirkung geblieben zu sein. Indes ist noch nicht geprüft, ob die weiteren Belege für den von Konrad verwendeten Stoff auf die gleichen Quellen zurückgehen oder von Konrad beeinflusst sind (Brandt 2009, 96; vgl. zur Figur Heinrichs Brunner und Herweg 2007). → Der Welt Lohn ruht auf einem breiten Strom mittelalterlicher Contemptus mundiLiteratur auf (vgl. Kiening und Eichberger 1994). Auch das Motiv der Frau Welt ist über Konrad hinaus verbreitet (vgl. Thiel 1956; Stammler 1959) und bereits seit Walther von der Vogelweide in der Volkssprache bekannt. Das sind mitzudenkende Rahmenbedingungen für die Verbreitung von Konrads Text. Er ist mit neun Handschriften gut bezeugt (in K und P gemeinsam mit dem → Heinrich von Kempten), von denen zwei noch im 13.

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und fünf noch im 14. Jahrhundert entstehen. Räumlich ist eine frühe Ausstrahlung aus dem Südwesten nach Osten ins Bairisch-Österreichische ersichtlich. Die Selbstnennung Konrads (V. 271) bewahren nur zwei Zeugen (D, M). „WL ist also weitgehend als eine anonyme Erzählung überliefert und gelesen worden; sie konnte in dieser Fassung nicht mehr das Bild des Dichters Konrad von Würzburg beim Publikum mit formen.“ (Gerhardt 1972, 382). Weder in der späteren Überlieferung v.  a. „in Sammelhandschriften, im 14. und 15. Jahrhundert im Verband sogenannter Märenhandschriften“ (Palmer und Schiewer 2003, 185) ist ein auf Konrad gerichtetes Sonderinteresse zu erkennen noch in den frühen Zeugen. Letztere stellen aber → Der Welt Lohn deutlicher in geistliche Lektürekontexte und zeigen darin „ein abweichendes Profil“ (Palmer und Schiewer 2003, 185): Contemptus mundi-Aspekt und ein dezidiertes Lektüreinteresse an einem conversio-Exempel treten stärker hervor. Punktuell geschieht das auch in der Textgeschichte, die weithin zwar im Rahmen üblicher Varianz bleibt (vgl. Gerhardt 1972, 389–394), in D aber Konrad „in der Rolle des Predigers“ erscheinen lässt (Gerhardt 1972, 394–395). Eine entsprechende Affinität des Stoffes belegen mehrere lateinische und deutsche Exempel (vgl. Bleck 1991, 143–149), die an den Predigtgebrauch heran und bis in dominikanische Lektürezusammenhänge hineinführen (die dann wiederum eine Nähe Konrads zum Predigerorden, für die sich auch sonst Belege finden, insinuieren: Palmer und Schiewer 2003, 182–183). Die Beurteilung der Abhängigkeit der Exempel von Konrad aber schwankt: Bleck zufolge ruht alles auf Konrad auf – sogar bis zur um 1300 zu datierenden Frau Welt-Skulptur am Wormser Dom, die die literarische Vorlage in ein anderes Medium überführe. Auch Palmer und Schiewer zufolge sind die Exempel „wohl zumeist abhängig von Konrads Erzählung entstanden“ (2003, 185). Kritischer erörtert das Material Eichenberger (2015, 125–128): Elemente von Konrads Text gingen in die Stofftradition ein, deren Aufnahme aber nicht immer auf Konrad direkt zurückgehen müsse. Das sei nur dort eindeutig der Fall, wo Wirnt von Grafenberg als Figur erscheine. Das ist aber nur einmal, in einer spätestens 1393 verfassten geistlichen Prosabetrachtung eines entsprechenden Exempels, so – und ohne dass Konrads Name genannt wird (Eichenberger 2015, 127–128; vgl. auch Stöllinger-Löser 1999). In den lateinischen Texten dagegen wird Wirnt nicht, Konrad schon gar nicht genannt (Palmer und Schiewer 2003, 187), und auch nicht in den übrigen deutschen (Elsässische Predigten: vgl. Palmer und Schiewer 2003, 188 A. 30 und Eichenberger 2015, 127; Meisterlied Michel Beheims: vgl. Eichenberger 2015, 128). Gleichwohl nimmt die Forschung auch ohne Nennung Wirnts für die apokalyptische Mahnrede Weltlohn, anonym in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts entstanden (bei Eichenberger 2015, 128: Vom Sünder und der verlorenen Frau) übereinstimmend an, dass → Der Welt Lohn direkte Vorlage war, die den Dichter auch sprachlich und stilistisch beeinflusste (Geiss 1999, 839 im Anschluss an Closs 1934, 50–61), wobei „eindeutiger Einfluss des Konradschen Textes“ (Eichenberger 2015, 128) und „gute Kenntnis der Werke Konrads seitens des Anonymus“ (Otto 2005, 84) angesetzt wird. Konrads → Herzmaere, in einer „umfangreichen und lang anhaltenden europäischen Tradition“ zu verorten (Dahm-Kruse 2018, 84; vgl. Grubmüller 1996, 1124‒1126), ist mit zehn Handschriften und zwei Fragmenten sein „erfolgreichstes“, am weitesten



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verbreitetes Märe. Zudem sind aus der Filiation „nicht wenige[]“ weitere zu erschließen (Schröder und Wolff 1970, XVII) und bieten zwei Zeugen noch Inhaltsverzeichnisse (Cologny-Genf, Cod. Bodm. 72, Wien Cod. 10100a), die das → Herzmaere als einst vorhanden ausweisen. Vier bzw. fünf Zeugen datieren bereits vor der Mitte des 14. Jahrhunderts, einer von ihnen vielleicht noch ins 13. (Schloss Schönsteiner Fragment); an der frühen Verbreitung ist der elsässische, alemannische, oberfränkisch-nordwestböhmische und mittelheinisch-ripuarische Raum beteiligt. Im Epilog des → Herzmaere nennt sich Konrad selbst (V. 581). Seine Gottfried-Referenz im Prolog (V. 9) hat freilich, wenngleich einmal durch eine Konrad-Nennung ersetzt (Hs. P), in der Überlieferung „größeres Gewicht für die Beglaubigung des Textes“ als seine Selbstnennung, die nur drei Zeugen aufweisen (Dahm 2018, 86–87). Vereinzelt geht dann sogar der ganze Text an Gottfried von Straßburg, so in der Überschrift der Straßburger Handschrift (A 94) und in einem der zwei Inhaltsverzeichnisse. Die meisten Incipits und Excipits aber verschweigen jeden Verfasser des Textes. Die Entfaltung eines recht breiten Potentials zur Sinnbildung in der handschriftlichen Rezeption, das die verschiedenen Kontextualisierungen des → Herzmaere durch die Mitüberlieferung und die verschiedenen Veränderungen des Textes – sein Umfang schwankt zwischen 484 und 602 Versen (Grubmüller 1996, 1123) – durch die Schreiber eröffnen, zeigt detailliert Dahm-Kruse 2018 auf. Die dort nachgewiesene Anwendungsbreite ist jedoch lediglich ein besonders prägnantes Beispiel für gattungstypische Potentiale (Dahm-Kruse 2018, 318), kein Sonderfall, der speziell Konrad-Rezeption kennzeichnete. An speziellen Vorstellungen des Spätmittelalters von Konrad als Märenautor wird das → Herzmaere kaum übermäßig mitgewirkt haben. Allenfalls zu einem frühen Zeitpunkt ist mit einer genaueren Kenntnisnahme zu rechnen: einmal im Märe von Hero und Leander eines lateinkundigen alemannischen Verfassers des beginnenden 14. Jahrhunderts (Brunner 1985, 293; Fechter 1981), dann im Schüler zu Paris C aus der Feder eines Autors des ausgehenden 13., beginnenden 14. Jahrhunderts aus dem westlichen Thüringen (Brunner 1985, 293; Kully 1992, 869). In der Überlieferung werden Konrad gelegentlich weitere Verserzählungen zugeschrieben: → Die halbe Birne A, der Mönch als Liebesbote A und Frau Metze. Für das schwankhafte Märe → Die halbe Birne A wurde Konrads Verfasserschaft abgelehnt (Wolf 1981), doch mehren sich zweifelnde Stimmen (Brandt 1987, 218; Grubmüller 1996, 1085: Konrad „bleibt als Verfasser […] möglich“; Feistner 2000). Sofern es nicht von Konrad ist, hat man zumindest mit einem „souverän[en]“ „Nachahmer“ (Wolff 1893, LV) zu rechnen, der „aufs engste mit der Sprechweise Konrads vertraut“ (Grubmüller 1996, 1084) war und kaum in größerer räumlicher und zeitlicher Distanz zu seinem Vorbild gedichtet hat. Wolf setzt das Werk um 1300 an und ins alemannisch-mitteldeutsche Grenzgebiet (1981, 404). Überlieferungstypologisch betrachtet ist → Die halbe Birne A nicht von den drei echten Mären zu unterscheiden. Vier der sieben Handschriften datieren bereits ins 14. Jahrhundert, die älteste von ihnen, das niederalemannische Nürnberger Fragment der Hs.  42531 aus dem zweiten Jahrhundertviertel, könnte in Straßburg entstanden sein (Bleck 1987, 285). Da vier der fünf vollständigen Zeugen (Fischer 1983, 164) in V. 512 die Verfassernennung von Wirzeburc ich Kuonrât bewahren, hat der Text sicher einen

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Beitrag zu den Vorstellungen geleistet, die man sich im Spätmittelalter von Konrad als Märenautor gemacht hat. Dass der Nürnberger Hans Folz († 1513), Verfasser der Halben Birne B, die ältere Fassung nicht gekannt haben sollte, ist schwer vorstellbar. Auch im schwankhaften Märe vom Mönch als Liebesboten A, vielleicht um 1400 entstanden, unikal in der umfangreichen Nürnberger Sammelhandschrift des Cgm 714 aus dem dritten Viertel des 15. Jahrhunderts überliefert, inszeniert sich der Verfasser als Konrad: Der vns das getichtt hat, / Den wil ich euch allen thun bekannt: / Cunrat von wirczpurk ist er genant. Ziegeler schlägt vor, diese Zuweisung nicht einfach wörtlich zu nehmen. Sie könne als kalkulierter Bestandteil eines Spiels gelesen werden, das der Verfasser ähnlich wie die kompetenten Akteure seines Textes, „für die die Kenntnis der zeichenhaften Vermittlung höfischer Liebe vorausgesetzt wird“, auch an anderer Stelle spiele, wenn er sich etwa als über die Liebeshändel gerade vom betrogenen Ehemann der Frau Informierter geriere oder behaupte, sein Reimwerk in nur vier Tagen erstellt zu haben (Ziegeler 1987). Konrads Name würde dann – dem wäre weiter nachzugehen – zu Beginn des 15. Jahrhunderts unter Verständigen gewissermaßen als Chiffre für „komplexe Kommunikation“ in minne-Dingen fungiert haben können. In der Donaueschinger Liedersaal-Handschrift nennt sich der Verfasser des vielleicht in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts entstandenen schwankhaften Märe Frau Metze als der arme Kuonrat (vgl. Williams-Krapp 1978). Allein dies in Kombination dann mit dem Handlungsort Würzburg dürften die folgende jüngere Überlieferung, die vier weitere Handschriften des 15. und 16. Jahrhunderts umfasst, veranlasst haben, den Text Konrad zuzuschreiben (so auch Fischer 1983, 164 Anm. 98). Trotz sehr äußerlichen Anlasses erschien jedenfalls die Verbindung einer unterhaltsamen Märenerzählung mit dem Namen Konrads nicht abwegig. Im Unterschied zu den Mären haben die weiteren kürzeren weltlichen Verserzählungen  – das → Turnier von Nantheiz und der → Schwanritter  – kaum Verbreitung gefunden. Das → Turnier von Nantheiz ist, wie die → Klage der Kunst (s.  u. Abschnitt 5), nur im Hausbuch des Würzburger Protonotars Michael de Leone (E) überliefert. Der Schreiber hat eine vermutlich autornahe Vorlage benutzen können, denn der Text scheint nur „durch eine oder zwei zwischenhandschriften hindurchgegangen“, und man benutzte „saubere und lückenlose vorlagen“ (Schröder 1974, V bzw. X). Das könnte für eine besondere Suche nach Werken Konrads im Hintergrund von E sprechen (vgl. unten Abschnitt 5 zur → Klage der Kunst), doch bietet E den Text im Unterschied zur → Klage der Kunst und zur unmittelbar vorangehenden → Goldenen Schmiede, die das Excipit Hie get vz die gldin smitte. Die meister Cnrad geborn von wirzeburg tichte. vnd ist. z friburg im prisge begraben beschließt, keine Verfasserzuweisung. Ein späterer lateinsprachiger Benutzer hat einige ihm wohl schwer verständliche Worte glossiert (Schröder 1974, X). Weitere Rezeptionsbelege sind nicht anzuführen; die Übernahme einiger Verse aus dem → Turnier von Nantheiz in den vor dem Ende des 13. Jahrhunderts in Tirol entstandenen Laurin ist fraglich (Brandt 1987, 211; Heinzle 1985 nennt nichts). Auch der → Schwanritter zählt zu den unikal bezeugten Werken. Ihn bewahrt allein ein Frankfurter Fragment (mgq 2) einer um 1370/80 angelegten rheinfränkischen Hand-



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schrift, die sich einst in der Bibliothek des Büchersammlers, Kanzlers der Universität Heidelberg und späteren Bischofs von Worms, Johann von Dalberg (1455–1503), befunden hat. Um die Textqualität bzw. Qualität der Vorlagen ist es wie beim → Turnier von Nantheiz bestellt (Schröder 1974, V bzw. X). Eine vorangehend bedeutend breitere Streuung des Werks ist daher nicht anzunehmen. Eine Autorzuweisung mag sich zu Beginn des dort nunmehr unvollständigen Textes befunden haben, denn in V. 1638 nennt sich Konrad ja im Werk selbst. Selbst der Rest noch der den → Schwanritter im Fragment begleitenden Texte erscheint so bunt, dass ein besonderes Interesse an Konrad auszuschließen ist. Die Oberrheinische Chronik aber, die bis 1337 verfasst sowie bis 1349 ergänzt wurde und auch lokales Traditionsgut aus dem elsässischen und Schweizer Raum einarbeitet, nimmt einiges aus dem → Schwanritter auf (Brandt 1987, 211; vgl. jedoch Kleinschmidt 1987). Zudem ist der → Schwanritter 1270–1300 für die nicht-trojanischen Handlungsteile im nordschweizerischen Göttweiger Trojanerkrieg benutzt worden (Alfen et al. 1990, 28). Mit den Berührungen, die überdies zum Peter von Staufen­ berg (Brandt 1987, 211 unter Verweis u.  a. auf Jaeckel 1898; vgl. auch oben Abschnitt 3) bestehen, zusammen betrachtet, könnte damit, folgt man Brandt, eine zeitlich begrenzte lokale Nachwirkung des → Schwanritter zu fassen sein.

5 Sangbares außerhalb des Sangspruchs: → Klage der Kunst, Leichs, Minnesang In der nur im Würzburger Hausbuch (E) Michaels de Leone 1345/54 überlieferten → Klage der Kunst nennt sich 31,7 ein Cuonze[], der als beim Urteil anwesend gedacht ist und gemeinhin mit Konrad identifiziert wird. Der Schreiber nahm den Text erst unter die Nachträge auf, als das → Turnier von Nantheiz und die → Goldene Schmiede bereits – weit vorher an anderer Stelle – vorhanden waren, verweist nicht zurück, wusste aber mehr über den Verfasser, denn seine Überschrift kündigt an Diz ist meister Conrades von Wirtzeburg getichte von vnmiltickeit gein kunstrichen leuten. Die → Klage der Kunst hat „markanteste[] nachahmung[]“ (Schröder in Schröder und Wolff 1970 [1959]; vgl. Wolff in Schröder und Wolff 1970 [1959], 73: „unmittelbare Nachwirkung“ sowie Brandt 1987, 92) in Heinzelins von Konstanz 1320/40 entstandenem Streitgedicht Von den zwei Johansen gefunden (Glier 1981, 937–938: „In Stil und metrischer Form orientiert er sich offenbar enger an Konrad von Würzburg“), das neben E auch die Manuale-Sammlung Michaels bewahrt. Heinzelins Dienstherr war wahrscheinlich Graf Albrecht V. von Hohenberg (um 1293‒1359), mit dem Michael in direktem Kontakt stand, so dass Schröder annimmt, er habe Heinzelins Werk gemeinsam mit der → Klage der Kunst aus den Händen des Dienstherrn Heinzelins empfangen (Schröder 1912; vgl. zuletzt – Michael sei „nicht durch Zufall auf die Texte Heinzelins gestoßen“  – Eichenberger 2015, 419 Anm. 45). Die Beeinflussung eines fragmentarischen mittellateinischen Streitgedichts durch die → Klage der Kunst (Werner 1889; Seemüller 1890; Brandt 1987, 92) ist von der

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Datierung der lateinischen Handschrift her ausgeschlossen (Mohlberg 1951, 31‒33 zu Zürich Ms. C 58: 12. Jahrhundert), verweist aber auf einen breiten gemeinsamen literarischen Hintergrund. Konrads zwei Leichs und sein Minnesang  – zudem seine Sangsprüche: s.  u. Abschnitt 6 – geraten, wegen der räumlichen und zeitlichen Nähe zur Großen Heidel­ berger Liederhandschrift (C) kaum überraschend, in den Fokus der ausgreifenden Bemühungen dieser Autorenkorpora bildenden Sammlung. Konrad ist dort bereits im Grundstock berücksichtigt, und man hatte eine Vorlage von „Vortrefflichkeit“ zur Hand, „eine art ‚ausgabe letzter hand‘“ (Schröder in Schröder und Wolff 1970 [1959]), XI). C bewahrt fast alles als echt Geltende; nur mit J kommen noch zwei Sprüche hinzu (s.  u. Abschnitt 6). Andererseits führt C nichts unter Konrads Namen, was ihm abzusprechen wäre. Die das Korpus eröffnende Autorminiatur ist meister Chuonrat von Wúrzburg überschrieben und zeigt ihn, wie sonst nur wenige andere, als einem Schreiber diktierende Figur. Umstritten ist, ob damit Konrad nur speziell entweder als Epiker oder als Lyriker wahrgenommen wurde. Ein jüngerer Deutungsvorschlag bezieht das Bild auf den Umfang des Versammelten: Es könne der Gedanke zugrunde liegen, das so breite Œuvre sei der Kodifizierung wert (Miedema 2002, I, 68–74). So oder so erscheint Konrad nicht in höfischer Umgebung, nicht als geistlicher Akteur, auch nicht unter Beiziehung von Handwerker-Bildlichkeit als meister der Sprach- oder Dicht-kunst, sondern wird in einer Welt institutionalisierter Schriftlichkeit und damit magistraler Gelehrsamkeit platziert. Konrads zwei Leichs kennt überhaupt nur C. Weder der konventionellere religiöse Leich noch der in der Antikisierung, der Nennung des eigenen Namens, im Auftritt der Sprecherrolle für die wîp originellere weltliche Minneleich haben deutliche Nachwirkung gehabt. Die Anlehnung des Wilden Alexander an Konrads weltlichen Leich ist unsicher (Brandt 1987, 90). Konrads Minnesang kennen außer C nur noch, am Rhein entlang, die Niederrhei­ nische Liederhandschrift n (Mitte 14. Jahrhundert, Köln?) und das Berner MinnesangFlorileg p (um 1350, Straßburg?), indes jeweils nur in geringstem Umfang und namenlos: Als Minnesänger ist Konrad dort nicht identifizierbar. Wenn er es den Schreibern je war, war es ihnen nicht mitteilenswert. Nur im Kanzler hat er deutlichste Nachfolge gefunden, der im letzten Drittel des 13. Jahrhunderts im oberdeutschen Raum wirkte (Kornrumpf 1983) und in elf Liedern (Nr. V–XV) Konrads „3str. Haupttyp auf[greift], der mit einem ausgedehnten Natureingang den Aufruf zur fröide und den Preis der wîbe verbindet“ (Kornrumpf 1983, 987); auch haben zwei seiner „Sommerlieder […] nach Konrads Vorbild Refrain“ (Kornrumpf 1983, 988; zu den Sangsprüchen des Kanzlers s.  u. Abschnitt 6).



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6 Sangspruch: Rezeption noch im Umfeld der höfischen Sangspruchdichtung sowie in meisterlicher Lieddichtung noch vor dem institutionalisierten Meistergesang Auch in den Sangspruchstrophen des Kanzlers treten dort, wo sie intertextuelle Bezüge zu anderen Dichtern ausbilden, Konrads Lieder und Sprüche als am relativ häufigsten referenzierte hervor (vgl. Knapp 2021) – dies bezeichnenderweise wieder relativ raum- und zeitnah. Nur wenig später gerät Konrads, wie das schon an der Zahl von sieben Spruchtönen abzulesen ist, nicht unambitioniert betriebene, aber grundsätzlich im Rahmen der Gattungserwartungen verbleibende Spruchdichtung den Redaktoren der Handschrift C gemeinsam mit seinem Minnesang fast vollständig in den Blick. Die Jenaer Liederhandschrift J kennt dann um 1330 im mitteldeutsch-niederdeutschen Raum lediglich zwei weitere Sprüche (1KonrW/6/24–25). Wie in C wird auch dort ein KonradKorpus gebildet, überschrieben Meyster Conrat von Wertzeburc, das indes nur dem Spruchmeister gilt. Es ist mechanisch fragmentiert und umfasst heute nurmehr Ton 32, den Hofton. Es war aber sicher umfangreicher, denn es ist „schwer vorstellbar, daß J ausschließlich Ton 32 kannte“ (Miedema 2002, I, 94) – zumal Konrads Position in J einen Ansatz zur Kanonbildung [vermuten lässt], nach der Konrad von Würzburg und der Meißner für die zweite Jahrhunderthälfte jene repräsentative Stellung erhielten, die für die frühere Zeit Reinmar und Walther, für die spätere Frauenlob und Regenbogen hatten. (Wachinger 1981, 302)

Fremdtonverwendung der Spruchtöne dokumentiert keines der zwei Korpora. C belegt sie aber an anderer Stelle für den Hofton, bezeichnenderweise immer im Zusammenhang mit Mariendichtung. Ein lediglich marginal und mit ad hoc gebildetem Namen als Alter Meißner benannter Autor der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts (Objartel 1978), der auch Reinmars von Zweter Frau-Ehren-Ton verwendete, verfasste ein „eigenartiges Marienlob“ (Objartel 1978, 269) in einer Tonvariante (1AltMei/2/1). In einer weiteren, nur noch in den Anfangsversen vorliegenden geistlichen Spruchstrophe (1EberhS/1/1) könnte um 1300 Hofton-Benutzung durch den Züricher Dominikaner Eberhard von Sax vorliegen, der vielleicht selbst an der Entstehung von C beteiligt war. Von ihm kennt man sonst nur noch einen zwanzigstrophigen Marienpreis (1ZZEberhS/2/1), der sich „unübersehbar“ an die → Goldene Schmiede Konrads anlehnt und den allein C hat, wo er dem fraglichen Spruch voran geht (Hahn 1980). Fremdtonverwendung von Ton 31, der Morgenweise, belegt weiter nördlich ein 40strophiges Ave Maria, aufgezeichnet im zweiten Viertel des 14. Jahrhunderts vielleicht in Mainz (Cpg 350), entstanden wohl in den ersten Jahrzehnten des Jahrhunderts (Hansen 2021, 222 Anm. 25). Es wird zwar anonym dargeboten, das textinterne Ich ruft aber in der zweiten Strophe Maria in der Rolle eines Cnrad[] an, dem sie später als uon wirtzebrg Cnrad antwortet (1KonrW/6/100; Sig 1903; vgl. Wachinger 1976, 192, 194).

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Sofern man die ostalemannische Pergamentrolle (Basel N I 6/50) vom Ende des 13. Jahrhunderts wegen ihres Formats mit Vorträgen durch einen fahrenden Sänger in Verbindung bringen darf, der dann fremdes Gut vorgetragen hätte, würde der Spruchdichter Konrad hier erneut mit eingeschränktem Tonrepertoire und in dezidiert geistlicher Ausrichtung wahrgenommen. Der Rotulus überliefert, in Umgebung von Sprüchen, die dem Kanzler, Marner und Gottfried von Neifen zugewiesen werden, jeweils unter Nennung Konrads drei seiner geistlichen Sprüche im Hofton, von denen einer der Gottesmutter gilt. Dazu passt, so zufällig das Bild des Erhaltenen sein mag, die weitere frühe Streuüberlieferung aus einer Baseler Handschrift um 1300 (dort im fraglichen Teil vielleicht auch geschrieben; vgl. Bertelsmeier-Kierst 2000, 92 Anm. 16 zu Basel B XI 8) und aus einer Münchner Handschrift des ausgehenden 13., beginnenden 14. Jahrhunderts (Clm 27329), die zwei übereinstimmende geistliche Sprüche Konrads im Hofton bieten (1KonrW/7/1de, 4de), von denen einer erneut der Gottesmutter gilt. Basel nennt auch, in lateinischer Form gar, Konrad als Verfasser. Nur anonym, wie schon das an anderer Stelle von ihr bewahrte Minnelied, und wiederum nur im Hofton-Ausschnitt, nun freilich mit anderem inhaltlichem Akzent, kennt entlang des Rheins dann noch Handschrift n um die Mitte des 14. Jahrhunderts zwei Memento mori-Sprüche Konrads (1KonrW/7/18–19c). Handschrift n bewahrt aber auch ein Minnespruch-Paar im Hofton, ebenfalls ohne Konrad-Nennung, das die Forschung Konrad abspricht (1KonrW/7/26). Das bestätigt die generelle Hofton-Präferenz der frühen Rezeption, der Konrad selbst durch die vorzugsweise Verwendung dieses Tons entgegengearbeitet hat. Es relativiert der unbekannte Fremdtonverwender in seiner Themenwahl aber auch die Wahrnehmung Konrads lediglich als Verfasser vorwiegend geistlicher oder gar mariologischer Sprüche. Diese andere Wahrnehmung Konrads ist ansonsten sehr viel schwerer zu greifen. So lässt sich zur nurmehr mittelbar über einen Eintrag in der Zimmerischen Chronik im 16. Jahrhundert bezeugten Liederhandschrift X (um 1340?, Konstanz?), die Lieddichtung von ihm in der Umgebung von Strophischem Wolframs, Frauenlobs, Klingsors, des Marner, Süßkinds von Trimberg bot, nicht viel Sicheres sagen (Schanze 1988). Und nurmehr in Spuren zu greifen ist jene Rezeption Konrads, die in ein lateinisch-gelehrtes Umfeld führt. Die Sterzinger Miszellaneenhandschrift (um 1400/1410, Südtirol) belegt die Verwendung seines Hoftons durch einen Anonymus mit drei lateinischen Strophen (1KonrW/7/100). In dieses Umfeld, in das auch andere Sangspruchdichter geraten (vgl. Kornrumpf 1978), führen zuvor bereits die Anfang des 15. Jahrhunderts angelegte, süddeutsche Augsbur­ ger Cantiones-Sammlung und der Clm 11007 aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, die beide einen Planctus […] de statu mundi eines Estas bieten (1ZYEstas/4), der auch Töne des Marner, Rumelants von Sachsen und Frauenlobs benutzte: Die Form dieser Klage steht jenem für eine neunstrophige Mariendichtung benutzten Reihen-Ton auffällig nahe, den um 1460 dann die Kolmarer Liederhandschrift (k) Konrad zuschreibt (1KonrW/11/1; vgl. 1KonrW/11/2 den Hinweis auf eine weitere formverwandte Cantio). Ein nachgerade entgegengesetztes Problem wirft die Reichhaltigkeit des Materials der seit dem zweiten Viertel des 15.  Jahrhunderts entstehenden Meisterliederhand-



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schriften auf. Hier führt sehr viel auf eine ‚produktive Rezeption‘ Konrads noch im Jahrhundert zuvor zurück, doch sind die Grenzen zur jüngeren Konrad-Rezeption nicht klar zu ziehen (vgl. grundsätzlich Wachinger 1968; Mayer 1974). Die Veränderungen, denen Konrads echte Töne unterworfen werden – hier unterliegt Konrad allgemeinen Tendenzen – sind inzwischen recht gut erforscht, ebenso ihr – überschaubares – formales Weiterwirken (vgl. Brunner 1975, Register; Rettelbach 1993, Register). Für die Texte in den Meisterliederhandschriften gilt das Gegenteil. Fest steht aber, dass vieles des Spätüberlieferten, auch wenn dies nicht immer von alter Parallelüberlieferung gesichert wird, noch (mindestens) ins 14.  Jahrhundert gehört. Ferner zeigt der Bestand der Kolmarer Liederhandschrift, immerhin eine der umfangreichsten Sammlungen, dass Konrads Strophen sowohl nahezu unverändert vorliegen können wie teilweise, und dann mehr oder minder, bearbeitet – wobei indes „sich tiefgreifende Umarbeitungen […] hier nicht finden“ (Hansen 2021, 241). An erster Stelle verdient zukünftig weitere Analyse jenes gute Dutzend mehrstrophiger Meisterlieder, die noch altes Gut Konrads enthalten, es im Rahmen des neuen Meisterliedes/Bars aber um zusätzliche, durchweg anonyme Strophen erweitert bieten – eine Anpassung alter Sprüche, der auch andere Sangspruchdichter unterzogen wurden (vgl. Schanze 1983/1984, I, 76–68; Baldzuhn 2002, 34–68). Der Bestand umfasst achtzehn Strophen, ohne Dubletten vierzehn, und führt im Aspiston (Ton 25) in Lied 1 KonrW/5/503a, in der Morgenweise in die Lieder 1KonrW/6/503a und 515a, im Hofton in die Lieder 1KonrW/7/500ac, 502a, 503a, 504af und 510ab (vgl. Baldzuhn 2021). Die Spätüberlieferung Konrads außerhalb solcher Konglomerat-Lieder ist im 15. Jahrhundert überschaubar: 1KonrW/7/12b (mit Autor-/Tonnennung) und 18–19d (ohne Autor-/ Tonnennung), ferner ein Lied ganz aus Konrad-Sprüchen in 1KonrW/5/504a. Von den über zwanzig Zusatzstrophen lassen sich viele als selbstständige Einzelsprüche verstehen, was alte Entstehung nahelegt und damit auf jeden Fall zumindest Fremdtonverwendung und eine gewisse Prominenz Konrads unter den frühen nachsengern des 14. Jahrhunderts. Manche sind gezielt an Konrads Texte herangedichtet, die so für neue Strophenreihen umfunktionalisiert wurden: Das könnte teils noch in Konrads unmittelbarer Umgebung geschehen sein. Viele weitere Lieder sind indes nur entstanden aus bereits ältere tongleiche Strophen zusammenstellenden Reihen, die man nachträglich in Gruppen, ‚Lieder‘ eben, unterteilte. Sie sind also Folge einer Sammelpraxis in der Überlieferungslücke der Gattung zwischen der Mitte des 14. und dem zweiten Viertel des 15. Jahrhunderts, die für die Weitergabe der Spruchdichtung ins 15. Jahrhundert zwar bedeutsam war, in ihrem Aussehen aber nurmehr grob rekonstruiert werden kann. Doch auch in diesen rein schriftlich gebildeten Gruppen sind Konrads Sprüche selten sinnlos eingebunden. Ihre Genese bleibt noch genauer zu untersuchen; ihre Textgeschichten sind bisher sowenig geschrieben wie die separaten Textgeschichten allein des echten Spruchguts noch aus der Feder Konrads. Weiterhin bieten die Meisterliederhandschriften viele anonyme Lieder – ‚Lieder‘ nun im engeren Sinn – in alten Konrad-Tönen, deren zeitliche Schichtung ebenso aussteht. Sie sind sicher nicht alle im unmittelbaren Umfeld ihrer Niederschrift im 15. Jahr-

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hundert entstanden, aber bisher kaum differenzierter zu verorten, da sie fast immer stabilen Strophenbestand aufweisen und zumindest von daher jedenfalls nicht mehr in das zeitliche Umfeld des sich im 14. Jahrhundert erst noch durchsetzenden Meisterlieds gesetzt werden können. Im Aspiston gehören die zehn Lieder 1KonrW/5/500 (teilweise auch im KonglomeratLied 5/503 verarbeitet), 501, 502 und 505–511 hierher. Das Themenspektrum ist unspezifisch breit und reicht von Geistlichem, Mariendichtung, Paränese, Katechese bis zu Fabeln und Poetologischem. Das meiste wurde sicher bereits als Lied konzipiert, doch zeichnen sich gelegentlich (1KonrW/5/500, 508) auch Brüche ab. Beteiligt an der Überlieferung sind die frühen Meisterliederhandschriften b und m jeweils um 1430, die etwas spätere y sowie der Cgm 1020, dann v.  a. die ausgreifende Sammlung k um 1460 und die späten Meisterliedersammlungen w (mit Fehlzuschreibung an Frauenlob) und q. Den Tonnamen kennt schon b. Da er aus Konrads Spruch 25,1 Aspis ein wurm geheizen ist abgeleitet ist, kann er aber deutlich früher gebildet worden sein: frühestens wohl im Umfeld expandierender Fremdtonverwendung im 14. Jahrhundert. Die Textdichter dieser anonymen Lieder werden in den Handschriften nirgends genannt. Konrad ist k als meinster Cunrad[] als Verfasser des Tons bekannt, aber kaum als Verfasser aller Texte gemeint; den Autornamen haben ferner noch der Cgm 1020 und q, die Sammlung des jungen Hans Sachs. Für Konrads Morgenweise zeigen die spätüberlieferten Lieder, die hierher gehören, zunächst, dass aus den 40 Strophen des Ave Maria (s.  o.) wohl schon im Jahrhundert zuvor weitere Strophengruppen gebildet wurden. Das Ave Maria hat am älteren KonradBild wohl beträchtlich mitgewirkt (alle 40 Strophen in k in 1KonrW/6/100b, Ausschnitte in k in 1KonrW/6/100c, prominent den Ton eröffnend, Ausschnitte mit Zusatzstrophen in k in 1KonrW/6/100de). Die neunzehn weiteren Lieder 1KonrW/6/504–512, 514, 516–525 gelten wie im Aspiston unterschiedlichsten Themen, auffallend oft – was zeittypisch sein kann und mit dem Verfasser der → Goldenen Schmiede nichts zu tun haben muss – auch Maria (1KonrW/6/504, 509–512, 514, 518). Alles scheint auf mehrstrophige und feste Liedverbünde hin komponiert (Strophenvarianz zwischen 1KonrW/6/508a und b beruht auf Bearbeitung bereits eines Liedes im engeren Sinne und hat mit Konrad-Rezeption im 14. Jahrhundert nichts mehr zu tun). Beteiligt sind die Meisterliederhandschriften b, k, y des 15. und w, h (mit, dann korrigierter, Fehlzuschreibung zu 1KonrW/6/517 in des mülich hofton), t, p und q des frühen 16. Jahrhunderts sowie Nürnberg Solg. Ms. 56.1/2°. Fast alle Zeugen kennen den Tonautor wie den Tonnamen (k, h [nach Korrektur], p, q, t, w und Nürnberg), b und y hingegen nur den Tonnamen. Innerhalb von Liedern erscheint der Name Konrads in 1KonrW/6/521 „etwas unvermittelt [in] eine[r] Art Autorfiktion“ – so das RSM zu 1KonrW/6/521 – und in 1KonrW/6/523 (in meister Cünracz weise), der Tonname in 1KonrW/6/517. Auch im Hofton machen die elf einschlägigen Lieder (1KonrW/7/501, 505–515 sowie als Sonderfall 1KonrW/7/502c: zwar unfeste Altstrophen, aber nicht von Konrad) einen weithin einheitlichen Eindruck. Die Themen sind bunt. An der Überlieferung sind h (einmal mit Fehlzuschreibung als Wolframs von Eschenbach Goldener Ton), k, w und



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q beteiligt, die alle Konrads Namen und den Tonnamen kennen, sowie ohne Namensnennungen ein Straßburger Zeuge. Neben den inhomogenen und homogenen Liedern in alten Tönen sind weitere Töne Konrads zu beachten, dies jeweils inklusive Liedbestand, die ihm im 15. Jahrhundert einerseits verloren gehen, sprich: anderen zugeschrieben werden, andererseits ihm untergeschoben werden. Verloren geht ihm sein Ton 18, der im 15.  Jahrhundert durchweg als Frauenlobs Spiegelweise läuft. Die Tonnamengebung erfolgte freilich in Anlehnung an Konrads Spruch 18,1 und/oder 18,31, die beide nur C kennt, so dass Neuzuschreibung und Tonbenennung wohl schon im 14. Jahrhundert stattfanden. Von den elf vorreformatorischen Liedern in der Spiegelweise weist aber keines eindeutig dorthin zurück, so dass nirgends Abfassung in Rücksicht auf Konrad anzunehmen ist. Andererseits erweitern Zuschreibungen Konrads Tonrepertoire beträchtlich, so dass er im 15. Jahrhundert als Tonmeister bedeutsamer erscheint als er war: An ihn geht ein Blauer Ton (1KonrW/8/1–19) mit neunzehn Liedern, wobei die Handschriften, sofern sie sich nicht ausschweigen, den Ton anders als k auch Regenbogen (h, p) oder Frauenlob (q, Cgm 5919) zuweisen. An ihn geht ein Kurzer Ton (1KonrW/9/1–4) mit vier Liedern in k und h, mit insgesamt sehr schmaler vorreformatorischer Bezeugung also, die zudem in Autorzuweisung (h spricht von des Ehrenboten Freiem Ton) wie Tonbenennung (k spricht auch vom werden don Konrads) schwankt. Das weist auf dünnste Traditionslinien, vor deren Hintergrund desto gewichtiger ein gleich dreizehnstrophiges Streitgespräch zwischen Christus und Maria um die Seele des Sünders erscheint (1KonrW/9/1–4), das mit der Zuschreibung an Konrad in Verbindung stehen könnte. An ihn geht eine Nachtweise (1KonrW/10/1–4) mit vier Liedern allein in k und h, wobei h den Tonautor nicht benennt und k zwar Konrad wie den Tonnamen nennt, aber vor dem ersten Lied, einem dreistrophigen Mariengruß, alternativ Alij dicunt esse jn frider von suneburg sußem ton bemerkt. Da Friedrichs von Sonnenburg Text- und Tonüberlieferung nicht über die Mitte des 14. Jahrhunderts hinaus reicht und im 15. und 16. niemand Töne Friedrichs kannte oder ihm zuschrieb, dürfte die Information von k aus bedeutend älterer Quelle stammen, die Zuschreibung an Konrad, vielleicht von dem Mariengruß angestoßen, bereits einer Erweiterung seines Repertoires im 14. Jahrhundert sich verdanken. An ihn geht der oben bereits angesprochene Reihen (1KonrW/11/1) vielleicht schon des 14. Jahrhunderts, den allein k kennt und in dem ein neunstrophiges Marienlob verfasst ist. Eben dies könnte die Zuschreibung an den Verfasser der → Goldenen Schmiede angeregt haben. Schließlich weist ihm k einen Goldenen Reihen mit einem Weihnachtslied zu (1KonrW/12/1). Der Ton geht andernorts an den Münchner Albrecht Lesch († 1393/94: Wunderle 2010), kursiert oft aber auch ohne jeden Namen eines Tonerfinders. Ein schlagender Übertragungsanlass speziell an Konrad ist nicht ersichtlich. Zu einem sehr spät zugeschriebenen Langen Ton s.  u. Abschnitt 10.

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7 Sangspruch: Rezeption im Umfeld der Meistersinger-Gesellschaften Die vielfältige Verschränkung älterer Konrad-Rezeption in der frühen meisterlichen Liedkunst mit der des 15. Jahrhunderts erlaubt kein zuverlässiges, hinreichend differenziertes Gesamtbild zu zeichnen. Die Verhältnisse werden erst im Zuge der Institutionalisierung der Gattung in den Meistersinger-Gesellschaften eindeutiger. Konrad rückt auf in die Riege der besonders verehrten zwölf alten Meister, alte Texte werden von ihm jedoch nicht mehr tradiert, nur die alten Töne und die untergeschobenen, die gelegentlich benutzt werden. Es ist zu unterscheiden nach: – Aufzeichnungen, die lediglich an Bewahrung der Formschemata und Melodien interessiert sind, in sieben Handschriften überwiegend Nürnberger Provenienz und bis ins beginnende 18. Jahrhundert. Erfasst werden Aspiston, Morgenweise, Hofton und der zugeschriebene Goldene Reihen (Übersicht bei Miedema 2002, I, 119). – Meisterliedern in Tönen Konrads a) im Aspiston (bis ins 17.  Jahrhundert)  – Nürnberg: Hans Sachs, Benedict von Watt, Georg Hager, Hans Deisinger, Philipp Hager; Augsburg: Clemens Jäger, Johann Spreng, Daniel Holtzmann, Daniel Steichelein; weiterhin Straßburg, Breslau und o. O. (Nachweis und erste Auswertung bei Miedema 2002, I, 120– 121; dort im Editionsteil auch Textabdrucke). b) in der Morgenweise (bis ins 17. Jahrhundert) – Nürnberg: Hans Sachs, Hans Winter; Augsburg: anonym (Nachweise und erste Auswertung bei Miedema 2002, I, 121–122; dort im Editionsteil auch Textabdrucke). c) im Hofton (bis ins 17. Jahrhundert) – Nürnberg: Hans Sachs; Georg Hager, Benedict von Watt, Hans Deisinger, Ambrosius Metzger; Augsburg: Johann Spreng; weiterhin Breslau und o. O. (Nachweise und erste Auswertung bei Miedema 2002, I, 122–124; dort im Editionsteil auch Textabdrucke). d) im Blauen Ton (bis ins 17. Jahrhundert) – Nürnberg: Ambrosius Metzger, Hans Winter (Nachweise bei Miedema 2002, I, 124). e) im Goldenen Reihen (bis ins 17. Jahrhundert) – Nürnberg: Ambrosius Metzger, Hans Winter (Nachweise bei Miedema 2002, I, 124). – Liedvorträgen in Konrad-Tönen. Sie sind heute nurmehr über Singschulprotokolle zu ermitteln. Mit einiger Regelmäßigkeit erfolgten sie nur in Nürnberg, dort in allen drei echten Tönen. Andernorts sind Vorträge nirgends nachweisbar. Eine systematische Auswertung der Protokolle steht freilich aus (vgl. Miedema 2002, I, 124–125 mit ersten Nachweisen). Nur zwei jüngere Meisterlieder in der Morgenweise bzw. im Hofton gehen, einmal in Augsburg, einmal in Nürnberg, im 16. Jahrhundert auch, unter Nennung jeweils von Tonnamen und Tonautor Konrad, in den Druck (2A/455a, 2S/192c). Grundsätzlich bleibt das Wissen um Konrad als Spruchdichter in der Frühen Neuzeit jedoch auf die Meis-



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tersinger-Gesellschaften beschränkt, denen es  – die umfangreiche Kolmarer Lieder­ handschrift etwa ist nachweislich in den Gesellschaften herumgereicht worden – überwiegend wohl erst die schriftliche Überlieferung des 15. Jahrhunderts vermittelt hat.

8 → Goldene Schmiede Die → Goldene Schmiede ist mit über zwanzig vollständigen und fast zwanzig fragmentarischen Textzeugen, die nahezu dem gesamten deutschen Sprachraum entstammen, Konrads am breitesten rezipiertes Werk (Bertau 1983; Knecht 1984; Brunner 1985, 284– 285). Hinzu kommt eine in zwei brabantisch-limburgischen Handschriften der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts erhaltene Teilprosabearbeitung (Moschall 1983). Mehrere Papierhandschriften enthalten bereits um 1300 entstandene Fortsetzungsverse (Büttner 1982; Brunner 1985, 285). Der Text ist überhaupt „allenthalben von ungleichem Umfang“, woran auch „planvolle Kürzungen“ (Bertau 1999, 113) Anteil haben. Die Textgeschichte ist jedoch noch nicht detailliert untersucht (Ansätze bei Bertau 1999). Tradiert und dann wohl auch rezipiert wurde die → Goldene Schmiede in der Regel im Verbund mit weiteren einschlägigen Werken, kaum je isoliert (Bertau 1999, 114 Anm. 2: „wahrscheinlich nur eine einzige Einzelüberlieferung“; s.  a. 117 Anm. 7 zu einiger Mitüberlieferung). Wichtige Rezipientengruppen scheinen Frauen insbesondere aus geistlichen Gemeinschaften wie etwa Magdalenerinnen/Reuerinnen gewesen zu sein (Bertau 1999, 123–128) sowie der Deutsche Orden („Dieses Marienlob war für einen Orden der Marienritter wichtig.“ Bertau 1999, 116; vgl. auch 117–123). Wer nach Konrad ambitionierter die Gottesmutter zu preisen sich vornahm, kam an der → Goldenen Schmiede, dem „Hauptwerk des geblümten Stils“ (Brunner 1985, 285), kaum vorbei. Wenn Heinrich von Mügeln, Peter Suchenwirt und Hermann von Sachsenheim innerhalb ihrer eigenen Mariendichtungen Konrad explizit nennen (s.  u. Abschnitt 10), ist das ein sicheres Indiz zumindest für Kenntnisnahme, die Verarbeitung als solche damit indes noch nicht beschrieben. Das gilt ebenso für die Mariendichtung Frauenlobs (Marienleich), der Konrad an anderer Stelle einen Nachruf widmet (s.  u. Abschnitt  10) wie für die Mariendichtung Eberhards von Sax, der daneben einen Spruchton Konrads benutzt, den Hofton (s.  o. Abschnitt 6), und für das anonyme Ave Maria, das nicht nur Konrads Spruchton benutzt, sondern selbst in der Konrad-Rolle gesprochen erscheint (s.  o. Abschnitt 6). Fehlen solche Indizien, erschweren verbreitete Motivik von Marienpanegyrik und der von ihr geforderte anspruchsvollere Stil den verlässlichen Nachweis eines Bezugs. Die Reihe von der Forschung eingebrachter Werke ist dennoch lang und umfasst: – Walthers von Rheinau alemannisches Marienleben des ausgehenden 13.  Jahrhunderts, das in Sprache und Stil „besonders von Dichtern [geprägt ist], die auch längere geistliche Werke schufen, wie von Rudolf von Ems und dem ihm zeitlich und örtlich nahestehenden Konrad von Würzburg“ (Gärtner 1999, 659; vgl. auch oben Abschnitt 2).

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– die Martina des süddeutschen Deutschordensdichters Hugo von Langenstein von 1293, deren „dichterisches Vorbild“ die → Goldene Schmiede sei (Steer 1983, mit Zitat 235; Brunner 1985, 285). Stützend treten vielleicht biographische Verbindungen hinzu: vgl. oben Abschnitt 2. – Ps.-Gottfrieds von Straßburg Lobgesang auf Maria, das Werk eines anonymen Verfassers des späten 13. Jahrhunderts, das sowohl zur Martina (s.  o.) wie zur → Golde­ nen Schmiede in Beziehung steht (Brandt 1987, 210 und Kesting 1985b). – das Jüngere (ostmitteldeutsche) Marienlob, dessen „Entstehungszeit […] aus der Bekanntschaft des Dichters mit der ‚Goldenen Schmiede‘ […] und vor allem mit Sprüchen Frauenlobs zu ermitteln [ist]. Das Werk kann so kaum vor Anfang des 14. Jh.s entstanden sein“ (Eggers 1983, 928; Brunner 1985, 285). – die Siben ingesigel des Deutschordensdichters Tilo von Kulm von 1331 (Brandt 1987, 210); nach den vorsichtigen Formulierungen bei Masser (1995, 934) sei indes Zurückhaltung am Platz, „was die Nennung konkreter Werke und Autoren angeht. Doch ist andererseits T.s unbestreitbare Sprachbeherrschung […] sowie sein bewußt auf ästhetische Effekte abzielender Stilwillen nicht ohne Schulung an lit. Vorbildern denkbar.“ – der Frauenkranz des in den 70er Jahren des 14.  Jahrhunderts nachzuweisenden Münchner Bürgers (Bäckers?) Konrad Harder (Brunner 1985, 285 und Schanze 1981); Händl (2009, 6) formuliert vorsichtiger und sieht diesen Text „in der Tradition“ von Frauenlobs Marienleich und der → Goldenen Schmiede. – die nach 1391 bis um 1400 in 615 Strophen entstandenen Marienlieder des Bruder Hans, nyderlender aus dem Raum Köln/Kleve (Brunner 1985, 285). Dreessen (1981, 438) spricht vorsichtig davon, dass die → Goldene Schmiede „[m]öglicherweise“ ebenfalls die Marienlieder des Bruders Hans, und zwar „namentlich den Schlußgesang“ beeinflusst habe. – das Lob der Jungfrau Maria (Unser Frauen Lob) aus der in den 1420er/30er Jahren fertiggestellten Donaueschinger Liedersaal-Handschrift, dessen Verfasser die → Goldene Schmiede nach Ausweis mehrerer Verse „wahrscheinlich“ (Kesting 1985a, 871–872) kannte. – die Marienlieder des Berufssängers und meisterlichen Lieddichters Muskatblut aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts (Brandt 1987, 210). Der Überblick von KiepeWillms hingegen setzt 1987 nirgends Bezüge zu Konrad an. – die Mariendichtungen des 1460 verstorbenen Straßburgers Heinrich Laufenberg (Brandt 1987, 210). Wachingers Überblick über Laufenbergs Œuvre setzt indes 1985 nirgends Bezüge zu Konrad an. Im Unterschied zur älteren hält die jüngere Forschung auch Francos von Meschede um 1330 entstandene lateinische Mariendichtung Aurea fabrica nicht mehr für einen Versuch der Überbietung der → Goldenen Schmiede (Gärtner 1980, 833; Brunner 1985, 285; Brandt 1987, 210).



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9 → Trojanerkrieg Der fragmentarisch gebliebene → Trojanerkrieg ist nach der → Goldenen Schmiede Konrads am weitesten verbreitetes Werk: sechs Vollhandschriften, zehn Fragmente, zwei Auszüge als Minnereden, zahlreiche Auszüge in der Weltchronik-Überlieferung (Übersicht zur Überlieferung und geografische, chronologische, soziologische Auswertung bei Lienert 1990a; aktualisiertes Verzeichnis: Thoelen und Häberlein 2015, XII–XVIII). Räumlich wird das gesamte Hochdeutsche abgedeckt, wobei jedoch nur die Weltchronik-Exzerpte das Bairische abdecken, umgekehrt nur die anderen Zeugen das Westoberdeutsche und Mitteldeutsche (Lienert 1990a, 378). Zeitlich „bleibt die Beliebtheit von Konrads Text ungebrochen, solange die mittelalterliche Troja-Tradition überhaupt weitergeführt wird“ (Lienert 1990a, 375). Wichtigstes Rezeptionszeugnis ist eine Fortsetzung (Lienert 1995). Alle Vollhandschriften bewahren sie, die ohne eigenen Autoranspruch anonym vorliegt, keinen Autorwechsel markiert, nicht mit konzeptioneller Überlegung zum eigenen Status und zum Verhältnis zu Konrad hervortritt, die „schlicht und selbstverständlich die Handlung zu Ende führt“ (Lienert 1996, 333). Der im Alemannischen zu verortende Autor war im beginnenden 14. Jahrhundert („etwas später[]“ als „um 1300“: Lienert 1996, 333) tätig und dichtete im Bewusstsein einer „Einheit“, für die „nur Stoffliches eine Rolle spielt“ (Lienert 1996, 339). Konrad als Autor tritt ebenso in jenen drei Vollhandschriften in den Hintergrund, die der Werkstatt Diebold Laubers entstammen (b, c, d) und den Text bei „gewisse[r] Kürzungstendenz“ (Lienert 1990a, 390) und systematisch illustriert (dazu im Überblick Stamm-Saurma 1987, zur Werkstatt Saurma-Jeltsch 2001) für ein kaufkräftiges oberdeutsches Publikum des 15. Jahrhunderts anbieten, indes anonym und gezielt ohne den programmatischen Prolog mit der Namensnennung Konrads. Eines der Fragmente schon des 14. Jahrhunderts verzichtete ebenfalls auf den Prolog (D): Entfaltung der kunst-Konzeption, Selbstnennung, Nennung des Förderers, all das scheint höchstens in Konrads nächster Umgebung eine gewisse Zeit interessiert zu haben. Das gilt ähnlich für die zwei Minnereden-Auszüge des 15.  Jahrhunderts, die nur knapp 200 bzw. 400 leicht überarbeitete Verse umfassen. Sie sind in einem Zeugen Ein hbsch lob von einer frawen überschrieben und erstrecken sich jeweils auf die gleiche Partie mit dem Auftritt Helenas: Es interessierte die „ausgefeilte Beschreibung einer schönen Frau“ (Lienert 1990a, 394); Konrad, dessen Name nicht fällt, interessierte nicht (vgl. Klingner und Lieb 2013, I, 4–6, Nr. B2: Lob der Geliebten). Und das gilt bereits für die zuvor einsetzende Weltchronik-Überlieferung, die den Prolog Konrads unberücksichtigt lässt und auch sonst seinen Namen nicht nennt (Lienert 1990a, 390). Der → Trojanerkrieg wird exzerpiert (1.) gemeinsam mit Exzerpten aus Rudolfs von Ems Weltchronik in einer bairisch-österreichischen Handschrift der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts (Wien, ÖNB, Cod. 2690: Alfen et al. 1990, 20; Lienert 1990a, 361–362), (2.) in drei Zeugen der Erweiterten Christherre-Chronik, entstanden um 1300 im Bairischen (Ott 1978; Alfen et al. 1990, 36–38; Lienert 1990a, 354–355, 363–364,

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367–368; Lienert 1990b; Thoelen und Häberlein 2016, XVI) und (3.) in dreizehn Zeugen der Weltchronik Heinrichs von München, entstanden in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts wohl im Bairischen (Ott 1981; Alfen et al. 1990, 38–43; Lienert 1990a, 349–372; Lienert 1990b; Thoelen und Häberlein 2016, XVII–XVIII). Damit erreicht Konrads Text „eher adelige, ja hochadelige Rezipientenkreise“ (Lienert 1990a, 387), denn „Weltchroniken waren dazu prädestiniert, Repräsentationsstücke mal. Hausbibliotheken zu sein“ (Ott 1978, 1216), indes um den Preis der „Reduktion auf das Faktische“ (Lienert 1990a, 394): u.  a. wird „die Kunstdimension […] ebenso reduziert wie das Thema Minne“ (Lienert 1990a, 394). Es ist bezeichnend, dass Leonhard Schilling, Konventuale im Kloster Mondsee (Profess 1512), der sich im Vindobonensis 4099 lateinische Auszüge aus dem → Trojanerkrieg anlegte, nurmehr in der Form ex historia vulgari troyanorum (Menhardt 1960–1961, II, 982) auf seine Vorlage verweist. Und die Angabe Bellum Tro­ janum Germ: Ryth: Conrad von Würzburg auf Papierschildern in der Vollhandschrift a entstammt bezeichnenderweise erst einem Zeitpunkt nach der Auffindung und Überführung der Handschrift nach St. Gallen im 18. Jahrhundert (vgl. Lienert 1990a, 332). Mehrfach diente der → Trojanerkrieg als Quelle weiterer Versdichtungen zum Gegenstand: (1.) im Göttweiger Trojanerkrieg, einem Versroman der westlichen oder mittleren Nordschweiz von 1270–1300 (Steinhoff 1981; Alfen et al. 1990, 26–29; Lienert 1996, 350–375); (2.) im Basler Trojanerkrieg, einem Bruchstück eines gereimten Trojanerkriegs, wohl Ende des 13. Jahrhunderts im alemannischen Raum entstanden (Alfen et al. 1990, 29–31; Lienert 1996, 375–382); (3.) im Troja-Abschnitt von Jans Enikels Weltchro­ nik aus Wien, entstanden in den 1270/80er Jahren (Geith 1980; Alfen et al. 1990, 31–35; Lienert 1996, 382–392); (4.) schließlich im Trojanerkrieg-Abschnitt in Ulrich Fuetrers Buch der Abenteuer, entstanden 1473–1478 (1487?) für den Münchner Hof (Nyholm 1980; Alfen et al. 1990, 44–46; Kesting 1990, 470: „wichtigste Vorlage […] zweifellos“). Umfang und Art der Verwertung sind jeweils kaum erforscht. Im ersten Zugriff informieren hier die entsprechenden Artikel in Alfen et al. 1990. Zweimal wurde der → Trojanerkrieg, aber jeweils nicht als einzige Quelle und auch in je sehr unterschiedlichem Umfang, für Prosadarstellungen des Kriegs um Troja herangezogen: (1.) vor 1386 im südwestdeutschen Buch von Troja I (Alfen et al., 47–56); (2.) in der Mitte des 15.  Jahrhunderts im Buch von Troja  II (Alfen et al.  1990, 57–69). Zu Umfang und Art der Verwertung siehe wiederum Alfen et al.  1990. Diese Prosen, erhalten in dreizehn bzw. sechs vollständigen Zeugen, wirken ihrerseits vielfach in die volkssprachige Chronistik des ausgehenden Mittelalters, aber auch noch in Fuetrers Buch der Abenteuer hinein (Konrad Bollstatter: Kornrumpf 1990, 462; Jakob Twinger von Königshofen: Kornrumpf 1990 passim; Ulrich Fuetrer: Alfen et al. 1990, 45).



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10 Namensnennungen und Gedenken innerhalb und außerhalb der Sangspruchtradition Wenige Dichter werden so häufig von Spruchdichtern und meisterlichen Lieddichtern mit Namen genannt wie Konrad. Noch zu seinen Lebzeiten zeigt sich eine besondere Nähe zum Meißner sowie seine Wahrnehmung im Zusammenhang mit Buchwissen/ Gelehrsamkeit. So bemüht im Kontext von Spruchdichterpolemik zwischen Rumelant von Sachsen und Singuf ersterer als vierten Beistand neben dem Meißner, dem Höllefeuer und dem Unverzagten Von wertzebuorch meister conrat.  / Der besten synger eyner. / Der scrift in buochen kvnde hat. / Da von ist syn getichte vil die reyner (1Rum/8/3; Miedema 2002, I, 130–133). Ebenfalls im Kontext von Polemik steht ein Seitenhieb des von Konrad selbst bereits verspotteten Meißner auf einen Cuonrat, der buoch unrat (der von Büchern nichts verstanden hätte?): Der Vers aus 1Mei/13/3 ist zwar nicht letztlich sicher auf Konrad zu beziehen, aber immerhin doch am ehesten auf ihn (vgl. Wachinger 1973, 160–163 und zuletzt Miedema 2002, I, 133–134). Und ebenfalls noch zu Lebzeiten Konrads preist ihn Herman Damen gemeinsam mit zehn weiteren Lyrikern: der Mîsner und meister Conrât, / die tzwêne sint nû die besten (1Damen/2/4; Miedema 2002, I, 134–140). Die späteren Belege nehmen Konrad durchweg rühmend wahr: einmal speziell den Mariendichter (Mügeln), meistens aber allgemeiner den meister einer kunst, den besonders wîsheit (Ps.-Regenbogen) auszeichnen kann. Im blümenden Redegestus des eigenen preisenden Sprechens bei Frauenlob und Mügeln kann man eine spezielle Stilreminiszenz an Konrad sehen. Ein besonderer Bezug zum Œuvre des Spruchdichters ist stets durch die Benutzung von Sangspruchtönen gegeben – zumal dann, wenn Konrad in einer Reihe entsprechender Kollegen steht. Zweimal könnte im Vokabular (bei Frauenlob: helt, bei Hornburg: swert) auf Streitsituationen zwischen Spruchdichtern angespielt sein. Boppe bittet in einer Totenklage Maria für Konrads Heil (1Bop/1/21; Miedema 2002, I, 143–145): sô wîs gebeten / um den erwelten meister wert […] von Wirzeburc Kuonrâden. Frauenlob beklagt mit Konrads Tod gar den Tod der kunst als solcher und bittet Maria um Gnade für Kuonrât / den helt von Wirzeburc (¹Frau/5/2; Miedema 2002, I, 146–147). Im Rahmen erneut einer Reihe zu rühmender Meister gedenkt seiner Lupold von Hornburg um 1350 (1Hornb/1–3; Miedema 2002, I, 157–165): Von wirzeburg Conrad, din swert / der kunste nieman hert bzw. vf kunst der aller beste was von wirzeburg meister Cunrad. Heinrich von Mügeln sieht in Konrad etwas später in Str. 9 seines Tum das ihm selbst unerreichbare Vorbild für Marienpreisdichtung, wobei freilich spätere Überlieferung den Namen Johanns von Neumarkt einsetzt (k) oder wie weitere auch diese Strophe nicht hat (w) (1HeiMü/110–181; vgl. Miedema 2002, I, 165–168): Von Wirzburg Konrat baß  / polieret hett dins [sc. Marias, M.  B.] lobes glas, der aller blünder sprüche was  / ein former und ein houbetsmit. Ein Anonymus preist in einer spätüberlieferten Strophe in Regenbogens Langem Ton nach Frauenlob, Klingsor, Wolfram von Eschenbach, dem

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Ehrenboten, Marner und Boppe zuletzt Kuonrât von Wirzeburc den wîsen (1Regb/4/510; Miedema 2002, I, 171–173). Im 15. Jahrhundert gerät Konrads Name in den Kontext der Auseinandersetzungen um die Frage, ob man nur in Tönen alter Meister singen solle. Der seit 1459 Nürnberger Bürger Hans Folz († 1513) argumentiert gegen Restriktionen mit der Vielzahl der Meister, unter denen er Konrad ohne weitere Kennzeichnung an zweiundvierzigster Stelle nennt (1Folz/81). Eine ähnliche Liste, in der die Vielzahl eher für die Ansehnlichkeit des Meistergesangs steht, bietet der Nürnberger Konrad Nachtigall († 1484/85), der ihn ebenfalls ohne weitere Qualifizierung und sehr weit hinten nennt (1NachtK/5/2 ed. Brunner 1989, 15–20 – s. dort auch zur Benutzung der Liste Nachtigalls durch den Magdeburger Meistersinger Valentin Voigt 1558). In einem weiteren Lied sind Folz Regenbogen, Konrad, [d]em man doch hort vil hoes preises gebenn (1Folz/43), und Frauenlob der Maßstab von Liedkunst. In den fester werdenden Katalogen, die eine Zwölfzahl von alten Meistern nennen und im Meistergesang seit dem ausgehenden 15., beginnenden 16.  Jahrhundert sich zunächst in den sogenannten Rosengartenliedern etablieren (ältestes Beispiel: 1 Liebe/1/7; vgl. Brunner und Rettelbach 1985, 231), erhält Konrad dann einen festen Platz, wobei ihm der Beruf des Geigers angedichtet wird (vgl. Miedema 2002, I, 194–201 sowie die Textabdrucke II, 236–241). Eine weitere Traditionslinie bildet die in vielen Liedern ebenfalls seit dem beginnenden 16. Jahrhundert versifizierte, teils aber auch in Reimpaartexten belegte Ursprungssage vom Meistergesang, die Konrad verschiedentlich erneut den Beruf des Geigers andichtet und/oder ihn in den Dienst des Herzogs von Württemberg stellt. Diese Meister-Kataloge strahlen dann innerhalb des Meistergesangs weiter aus, etwa auf die gedruckte Tabulatur der Memminger Gesellschaft, auf Dichterund Töneverzeichnisse, die Liedersammlungen vorangestellt sind, in Prosatraktate zur Geschichte des Meistergesangs (Adam Puschman), in Schulkunst-Lieder, die den Aufruf der alten Tradition mit Regeln des Singens verbinden oder ähnlich verfahrende Lieder über die Artes (Überblick bei Miedema 2002, I, 201–225; Abdrucke zahlreicher Texte II, 241–270). Dabei kann dann die Geiger-Profession auch zum Hecker verballhornt werden (Holzhacker, Weinbauer) oder zum Familiennamen Geiger oder, wiederum verballhornt, zum Jäger mutieren. Als weiterer Familienname kommt im 16. Jahrhundert, aus dem Tonnamen des Aspis abgeleitet, Axspitz vor (vgl. Wachinger 1978). Vielfach auf diesem Material ruhen dann wiederum auch die frühneuzeitlichen „Literaturgeschichten“ des Meistergesangs auf, die Konrad nennen und aus der Feder von Autoren stammen (Cyriacus Spangenberg 1598, Wolfhart Spangenberg 1613 und 1614/21, Johann Christoph Wagenseil 1697), die dem Meistergesang nahestehen, ohne ihn selbst zu praktizieren (Brunner 1975, 32–55; Überblick: Miedema 2002, I, 225–230). Symptomatisch für das späte Fortleben Konrads, weil einerseits fern jedes zuverlässigeren Wissens um den historischen Dichter, andererseits dennoch unter vielfältigem Einfluss älteren, über viele Vermittlungsstationen gebrochenen Wissens stehend, liest sich die in einem anonymen Meisterlied des 16./17. Jahrhunderts (2A/455) in einem nur hier belegten Langen Ton Konrads erzählte Begebenheit eines Erzähler-Ichs, das einst



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als Geiger dem Herzog in Würzburg aufspielen wollte, der aber nur an einem singenden Konkurrenten Gefallen fand (den Vorrang des Gesangs vor der Instrumentalkunst spinnen schon die anonymen Zudichtungen zu Konrads Spruch 32,301 in 1KonrW/7/510 aus Konrads Lob sprachgebundener Künste weiter; zum historischen Konrad in der Spruchdichterpolemik wie zu späteren Allusionen auf einen solchen Streit in Nachrufen auf Konrad s.  o.). Daraufhin habe es seine Geige zerschlagen und sich in die Lehre des konkurrierenden Gesangskünstlers Regenbogen, von Mainz ein schmid, begeben. Im letzten Abgesang identifiziert sich das Ich als Cunrat Axspitz (vgl. Wachinger 1978 und Miedema 2002, I, 230–233, II, 271–272 [Textabdruck]). Signifikant überschaubarer sind Erwähnungen Konrads außerhalb der Sangspruchtradition. In den Kolmarer Annalen registriert ein gelehrter Geistlicher, ein anonymer Dominikaner, der sich in Basel wie Kolmar bewegte, in lateinischer Sprache den Tod Konrads 1287 (MGH SS, XVII, 214 Zeile 43–44), den er freilich nur als volkssprachigen Autor kennzeichnet, als in Theutonico multorum bonorum dictaminum compilator. Ebenfalls in gelehrt-lateinisches Umfeld führt ein Anhang zu den Annales colmarienses maiores (De rebus alsaticis ineuntis saeculi XIII: MGH SS, XVII, 232–237, hier 233 Zeile 38–39), der in einem Rückblick auf das 13. Jahrhundert compilatores operum („Zusammensteller von Sammelwerken“?) verzeichnet, darunter Conradus de Wirciburc vagus, der rhitmos Theutonicos de beata Virgine preciosos [fecit], womit sicher die → Goldene Schmiede gemeint ist. Im zweisprachigen Umfeld, vielleicht speziell unter Dominikanern, war Konrad eine gewisse Zeit bekannt und geschätzt. Zu diesem Befund stehen in unklarem Bezug von der Forschung diskutierte biographische Belege, die einen „Konrad aus Würzburg“ als lateinischen magister führen oder als „Bruder“ im monastischen Kontext: das 1295 erwähnte Haus quondam magistri Cnradi de Wirzeburg in der Spiegelgasse (Urkundenbuch der Stadt Basel, Nr. 238); das Jahrzeitbuch der Freiburger Dominikaner, das im ausgehenden 15. Jahrhundert einen Bruoder Cuonrat von würczburg verzeichnet (Freiburg, UB, Hs. 10, Bl. 8v); der Liber vitae des Straßburger Kollegiatstifts Jung St. Peter, der einen Magister Cunradus de Herbi­ poli kennt (vgl. Schneegans 1856 und Brandt 2009, 58 Anm.  24). Zu beachten ist entsprechend auch die Schlussschrift zur → Goldenen Schmiede im Hausbuch Michaels de Leone: Hie get vz die gldin smitte. Die meister Cnrad geborn von wirzeburg tichte. vnd ist. z friburg im prisge begraben (vgl. für den ganzen Zusammenhang etwa Bertau 1999, 129 Anm. 37). Der Verfasser lateinischer wie deutscher Werke und Bamberger Schulmeister Hugo von Trimberg nennt in seinem 1300 fertig gestellten Renner V.  1187–1216 (Schweikle 1983; Miedema 2002, I, 148–155) verschiedene Autoren rîch sinniges muotes, darunter den zweisprachig dichtenden Marner und auch Konrad, der allerdings seine worte[] schoene von zu weit hergeholt (gar verre hât gewehselt) und sie zu sehr „aus dem Lateinischen“ gedrechselt habe (von latîn alsô gedrehselt: aus dem Lateinischen übersetzt? oder nur in Anlehnung an das Lateinische – dieses dann immerhin beherrschend – zu sehr verzierend ausgearbeitet?), so dass die Laien ihn kaum verstünden und mancher Tor ihn kritisiere – nicht jedoch die gelehrt-geistliche Welt: Des hoere ich manigen tôren

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vernihten / Meister Cuonrâdes meisterlîchez tihten, / Ich hoere aber sîn getihte selten / Wol gelêrte pfaffen schelten. Dazu passt präzise, dass auch der Österreichische Bibelüber­ setzer in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts in einem lateinischen Verteidigungsschreiben seiner Übersetzungsarbeit neben Wolfram von Eschenbach und Frauenlob Konrad als Vermittler geistlichen Wissens in die Volkssprache anführt (vgl. Miedema 2002, I, 155–157 nach Hinweis von Gisela Kornrumpf, die eine Edition vorbereitet). In größerer zeitlicher Distanz bereits beziehen sich dann noch zweimal volkssprachige Autoren auf Konrad, hier aber schon speziell nurmehr auf die weithin bekannte → Goldene Schmiede. Der zunächst Fahrende, später im Umkreis des Wiener Hofes sesshafte Redendichter Peter Suchenwirt († vor 1407: Brinker-von der Heyde 1995) nennt und rühmt im Prolog seines Marienlobs Die siben frewd Marie (vgl. V.  8–23) Konrad, der im vorliegenden Kontext sicher als der Verfasser der → Goldenen Schmiede gemeint ist, von dem Suchenwirt aber vielleicht auch Leichdichtung und die → Klage der Kunst kannte (Achnitz 2002), als ihm unerreichbaren Maßstab (vgl. Miedema 2002, I, 169– 170). Und der Edelfreie und württembergische Rat Hermann von Sachsenheim († 1458: Huschenbett 1981) hat 1455 ein allegorisches Lob der Muttergottes, den Goldenen Tempel, verfasst, in dem er sich V. 554–557 auf Konrad bezieht, der ihm, wie Suchenwirt und innerhalb der Sangspruchtradition Mügeln (s.  o.), absoluter Maßstab ist: Von Würtzburg meister Conraut / Kund es [sc. das Lob Marias, M. B.] florieren bas: / Er was ein volles faß / Gedichtes von natur.

11 Zusammenfassung, Ausblick So ausladend, wie die Rezeption Konrads auf den ersten Blick erscheint, war sie nicht. Fester und prominent war mit seinem Namen insbesondere ein Text verbunden: die → Goldene Schmiede. In größerer zeitlicher und räumlicher Distanz und dann über eine geraume Zeit hinweg laufen dann im Meistergesang noch einige Spruchtöne unter seinem Namen. Doch schlagen in der Rezeption Konrads in der überschaubaren Rezipientengruppe der Meistersinger gattungsbedingte Besonderheiten durch. In der Überlieferung der Sangspruchtradition verbinden sich Töne nahezu immer mit einem Autornamen: Die Form, in der sich die Rezeption Konrads vollzieht, liefert seinen Namen immer schon mit. Bis weit in die Frühe Neuzeit zwar den Meistersingern namentlich bekannt, ist ihnen Konrad aber weithin kaum mehr als dies: ein Name. Das zeigt sich dort, wo der Name von der Tonüberlieferung abgelöst erscheint. Wo er frei kursiert, erfindet man dem Autor ein Leben, in dem im Übrigen andere Werke als Meisterlieder nicht vorkommen, recht willkürlich hinzu. Wie rasch andererseits ein spezifisches Wissen um den historischen Sangspruchdichter Konrad der Vereinfachung unterlag, bleibt an seiner Spätüberlieferung im 15.  Jahrhunderts noch zu untersuchen, deren Lieder, wenn einmal weitergehend zeitlich differenziert, vielleicht auch einmal auf frühere Spuren von speziellem ‚Konrad-Wissen‘ führen mögen, sei dieses nun historisch



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zutreffend oder nicht: etwa unter Aspekten von Dichterpolemik und Gelehrsamkeit – verwiesen sei dazu auch noch einmal auf entsprechende Einfärbungen von Namensnennungen Konrads bei anderen Dichtern – oder, das deuten einige späte Lieder an, von Sünder- und Künstlerexistenz. Der → Engelhard, → Partonopier und Meliur und der → Trojanerkrieg Konrads kursieren zwar noch in deutlichen räumlichen und zeitlichen Distanzen zum historischen Autor. Da anders als bei den Spruchtönen die ‚Konrad-Wissen‘ mittragende Form fehlt und allein der Werktext das Medium der Rezeption darstellt, wird die Bindung an den Autor jedoch generell prekär. Übergreifend wird ein die Rezeption dominierendes Interesse am besonderen Inhalt, etwa an den Liebeshändeln der ‚gehobenen Schichten‘, am Stoff deutlich, am Was der Erzählung, so dass das Wie des Erzählens in den Hintergrund tritt. Regelmäßige Folge ist die Reduktion auf die faktische Handlung. Prologe und Epiloge, die klassischen Orte für programmatische Erläuterungen zur Konzeption eines Werks, für die Selbstnennung des Verfassers, für Ausführungen zu besonderen Entstehungsbedingungen wie zu Anregern, Förderern, Mäzenen: alles dies interessiert im noch verfassernäheren Rezipientenkreis, der in der Regel indes, wenn überhaupt, nurmehr in feinsten Spuren zu greifen ist, wird aber in größerer Distanz aus dem Text getilgt, weil nicht mehr von Interesse und/oder unverständlich geworden. Auch für die Bewahrung individueller sprachlicher Finessen Konrads verfügte mittelalterliche Rezeption à la longue durée – nur bei kürzeren Abständen von Konrad sah das wohl anders aus  – weithin nicht über genügend Ressourcen. (Angesichts der → Goldenen Schmiede möchte man daher gar annehmen, dass, wenn Konrads ‚geblümter Stil‘ weitergereicht wird, dieser nicht als Autorspezifikum bewahrt wurde, sondern weil die Aufgabe des Marienpreises die bewahrende Form lieferte.) Solche Befunde kann man vermutlich über Konrad hinaus generalisieren. Jedoch liegen keine in systematischer Breite über mehrere Autoren und Œuvres angelegten Untersuchungen zur Form von Rezeption als solcher im Spätmittelalter vor, die direkte Vergleiche mit Konrad erlaubten. Mittelalterliche Rezeptionsprozesse müssen nicht nur hier noch entschiedener in ihrem historisch-pragmatischen Rahmen betrachtet, im Kontext ihrer je besonderen sozialen, kommunikativen, medialen Infrastrukturen beleuchtet werden. Vor diesem Hintergrund gewinnen künftig jene dünnen Rinnsale vielleicht genauere Kontur, in denen ein Wissen von Konrad und seinen Texten in einzelnen Fällen weitergegeben worden zu sein scheint, etwa in den Umkreis des Leone-Hausbuchs hinein (→ Klage der Kunst, → Turnier von Nantheiz). Ähnlich schmal wirken nach die Legenden Konrads, die vielleicht über engere geistliche Kreise und ihre spezifische Infrastruktur, in denen der Verfasser selbst bereits sich bewegte, distribuiert wurden. Mehrfach führen Texte Konrads zudem in das Umfeld des Deutschen Ordens und in dominikanische Kreise hinein: Das alles bleibt einerseits noch genauer zu untersuchen, andererseits in den weiteren Rahmen einer kommunikativ-medialen Pragmatik von Rezeptionsvorgängen zu stellen. Für die Mären dürfte, wüsste man zukünftig einmal genauer um größere oder geringere Plausibilität mehr oder minder zuhandenen ‚Konrad-Wissens‘ unter je spezifischen chronologischen, geografischen und stratifikatorischen Bedingun-

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gen, dieses Wissen neue Aspekte in Echtheitsdiskussionen einbringen (→ Die halbe Birne A). Vielleicht lassen sich von hierher auch stützen die einstweilen für die Verfasser von Mären nur vermutete Kenntnis Konrads als eines Autors, der „komplex“ über minneDinge zu sprechen verstand (Mönch als Liebesbote A). Abschließend sei insbesondere im Hinblick auf die ‚frühe‘ Konrad-Rezeption noch einmal betont: Die Forschung verfügt über kein ausgebautes Instrumentarium, das es erlaubte, vom Hintergrund eines regional begrenzten Zeitstils, den Konrad sicher nicht allein etabliert, aber wesentlich mitgeprägt hat, dezidierte Konrad-Bezüge abzusetzen. Ohne eine entsprechend differenzierte Erfassung des weiteren Konrad-Umfeldes wird sich indes etwa über die von der Forschung eingebrachten Einflüsse Konrads auf die Heldenepik kaum sicher befinden lassen  – soweit sich für diese einschlägige Textschichten überhaupt in zeitliche und räumliche Nähe zu Konrad setzen lassen (Virginal: Brandt 1987, 211, 216 sowie Brandt 2009, 71; Wolfdietrich: Brandt 1987, 216 sowie Dinkelacker 1999, 1311). Bereits vorgängig, nicht erst im Nachgang, bleibt aber grundsätzlich zu reflektieren, wie weit der Versuch einer Abhebung des Autors und seiner Werke von seiner Umgebung überhaupt sinnvoll ist und wie weit Konzepten wie ‚Wirkung‘ und ‚Rezeption‘ überhaupt historisch angemessene Vorstellungen von individuellauktorialer Autorschaft und von individueller Rückbezugnahme zugrunde liegen. Wie weit demgegenüber auch andere Vorstellungen, wie sie etwa Begriffen wie ‚Schule‘ oder ‚Werkstatt‘ eingelassen sind, tragen, bleibt nicht nur für die Rezeption Konrads von der Forschung noch auszuloten.

12 Bibliographie Handschriften Augsburg, UB, Cod. II.1.2° 10 (‚Augsburger Cantiones-Sammlung‘) Basel, UB, Cod. B XI 8 Basel, UB, Cod. N I 6, 50 (‚Basler Rolle‘) Basel, UB, Cod. O IV 28 (Meisterliederhandschrift b) Berlin, SB, mgq 188 Berlin, SB, mgq 414 (Meisterliederhandschrift q) Bern, Burgerbibl., Cod. 260 Cologny-Genf, Bibl. Bodmeriana, Cod. Bodm. 72 Engelberg, Stiftsbibl., Cod. 240 Frankfurt, UB, mgq 2 Freiburg, UB, Hs. 10 (Anniversarbuch des Freiburger Dominikanerklosters) Heidelberg, UB, cpg 4 Heidelberg, UB, cpg 341 Heidelberg, UB, cpg 350 Heidelberg, UB, cpg 392 (Meisterliederhandschrift h) Heidelberg, UB, cpg 680 (Meisterliederhandschrift p)



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Heidelberg, UB, cpg 848 (‚Große Heidelberger Liederhandschrift‘) Innsbruck, Landesmuseum Ferdinandeum, Cod. FB 32034 Jena, ULB, Ms. El. f. 101 (‚Jenaer Liederhandschrift‘) Karlsruhe, LB, Cod. St. Georgen 86 Karlsruhe, LB, Cod. Donaueschingen 104 (‚Liedersaal-Handschrift‘) Klagenfurt, UB, Perg.-Hs. 54 Leipzig, UB, Rep. II 70a (‚Niederrheinische Liederhandschrift‘) München, SB, cgm 351 (Meisterliederhandschrift m) München, SB, cgm 714 München, SB, cgm 1019 (Meisterliederhandschrift y) München, SB, cgm 1020 München, SB, cgm 4997 (‚Kolmarer Liederhandschrift‘) München, SB, cgm 5198 (Meisterliederhandschrift w) München, SB, cgm 5919 München, SB, clm 11007 München, SB, clm 27329 München, UB, 2° Cod. ms. 731 (Cim. 4) (‚Hausbuch des Michael de Leone‘) Nürnberg, GNM, Hs. 42531 Nürnberg, StB, Solg. Ms. 56/1.2° Schloss Schönstein, Fürstl. Hatzfeldt-Wildenburgisches Archiv, Nr. 7693.8866 Sterzing, Stadtarchiv, o. S. (‚Sterzinger Miszellaneenhandschrift‘) Straßburg, BNU, ms. 1995 Straßburg, StB, Cod. A 94 Straßburg, StB, Cod. A 100 Trier, StB, Hs. 1032/1943 (Meisterliederhandschrift t) Trier, StB, Hs. 1990/17 8° Wien, ÖNB, Cod. 2884 Wien, ÖNB, Cod. 2690 Wien, ÖNB, Cod. 4099 Zürich, ZB, Ms. C 58 Zürich, ZB, Ms. C 184, Nr. XXVI Zürich, ZB, Ms. C 184, Nr. XXVII

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 Michael Baldzuhn

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 Michael Baldzuhn

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II Konrads Werke

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Manuel Braun

4 Lyrik

Konrad von Würzburg zählt zu der Handvoll von Sängern, die in allen drei Gattungen der mittelhochdeutschen Lyrik – Leich, Minnesang und Sangspruch – hervorgetreten sind. Seit Walther von der Vogelweide ist Konrad der erste Sänger gewesen, in dessen Œuvre Minnesang und Sangspruch gleich gewichtig vertreten sind (Hübner 1994, 64). Sein Werk ist für die Geschichte der deutschen Lyrik in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts – für eine genauere Datierung der lyrischen Texte gibt es keine Anhaltspunkte, für gewöhnlich ordnet man sie Konrads Basler Zeit zu (kritisch hierzu Kokott 1989, 179, 188, 198, 205, 219) – aber nicht nur wegen dieser Vielseitigkeit wichtig, sondern auch deshalb, weil es mit dem ‚allgemeinen Minnelied‘ einen neuen Liedtypus aufweist und weil es eine sehr eigenwillige stilistische Signatur besitzt. So hat es große Wirkung auf andere deutsche Sänger ausgeübt, die von den Minnesängern und Sangspruchdichtern des 13. bis hin zu den Meistersängern des 16. Jahrhunderts reicht.

1 Überlieferung Von der Überlieferung der Konradschen Lyrik lassen sich zwei höchst unterschiedliche Bilder zeichnen: ein erstes, das auf Konrads Autorschaft abhebt, und ein zweites, das die produktive Konrad-Rezeption miteinschließt. Ein autororientiertes Bild dürfte nur diejenigen Handschriften berücksichtigen, deren Texte mit einiger Wahrscheinlichkeit auf Konrad selbst zurückgehen. Ein rezeptionsorientiertes Bild müsste hingegen auch alle jene Zeugen einbeziehen, die Material enthalten, für das diese entweder selbst Konrad als Verfasser nennen oder das in Tönen abgefasst ist, die diesem andernorts zugeschrieben werden (hierzu und zum Folgenden Mayer 1974; RSM Bd. 4, 183–228; Miedema 2002; → Konrad-Rezeption und -Gedenken in Mittelalter und Früher Neuzeit). Denn Konrads von Würzburg Beliebtheit und Bekanntheit im Spätmittelalter haben dazu geführt, dass seine Strophen vom 14. bis ins 16. Jahrhundert umgeformt und um weitere Strophen ergänzt, ja dass sogar neue Texte in Tönen Konrads gedichtet und diesem weitere Töne untergeschoben worden sind. So sind immer neue Konrad-Bilder entstanden, die freilich mehr über deren Urheber aussagen als über Konrad selbst. Da es hier um Konrad und sein Werk geht, setzt der folgende Überblick über die Überlieferung beim Autor an und berücksichtigt folglich nur Handschriften mit dessen Texten. Die Annahme, dass nicht-autographe, nachträglich entstandene Handschriften Autortexte bewahren, beruht zum einen auf deren Zuschreibung an Konrad, zum anderen auf der Vermutung von deren Echtheit, für die wiederum die Autornähe der Handschrift das entscheidende Kriterium darstellt. Jüngere Handschriften und/oder anonyme Korpora (zu diesen → Konrad-Rezeption und -Gedenken in Mittelalter und https://doi.org/10.1515/9783110373561-004

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 Manuel Braun

Früher Neuzeit) werden also nur dann berücksichtigt, wenn ihr Bestand zumindest in Teilen bereits in der vor 1350 entstandenen, Konrad zugeschriebenen Altüberlieferung auftaucht. Dieses Vorgehen bietet keine Sicherheit dafür, dass so alle lyrischen Texte Konrads und somit auch alle relevanten Zeugen erfasst werden; es ist aber das einzig praktikable, da es keine Möglichkeit gibt, Konrads Autorschaft den Texten selbst abzulesen. Auf diese Weise kommt man auf elf zu berücksichtigende Handschriften, von denen sieben Konrad als Autor nennen, während vier anonyme Korpora enthalten. Bei den Angaben zu deren Strophenbestand sind im Falle der Meisterliederhandschriften jene Strophen mitgezählt, die altüberlieferte zu Baren ergänzen, nicht aber diejenigen, die zu Texten gehören, die hier erstmals auftauchen. Demnach schreibt die Große Heidelberger Liederhandschrift (um 1300) Konrad zwei Leiche, 23 Minnelieder mit insgesamt 64 Strophen sowie acht Sangspruchtöne mit insgesamt 50 Strophen zu. Die Kolmarer Liederhandschrift (um 1460) tradiert drei Töne mit 38 Sangspruchstrophen. Die übrigen Konrad-Korpora enthalten nur Sangspruchstrophen im Hofton: die Jenaer Liederhandschrift (um 1330) zehn – das ursprünglich größere Korpus ist hier durch späteren Blattverlust reduziert worden –, die Wiltener Meisterliederhandschrift (um 1500) neun, die nur fragmentarisch erhaltene Basler Rolle (Ende 13. Jahrhundert) drei, die Basler Liederhandschrift (Anfang 14. Jahrhundert) zwei und die Weimarer Liederhandschrift (drittes Viertel des 15. Jahrhunderts) eine. Weitere vier Handschriften überliefern lyrische Texte Konrads, ohne ihn als Autor zu nennen: das Berner Hausbuch (Mitte 14. Jahrhundert) drei Minnesangstrophen, die Niederrheinische Liederhandschrift (Mitte 14. Jahrhundert) eine Minnesang- und zwei Sangspruchstrophen, die Glossenhandschrift Clm 27329 (Anfang 14. Jahrhundert) und die Handschrift der Berliner Staatsbibliothek, mgf 20 (Mitte 15. Jahrhundert) je zwei Sangspruchstrophen. Die Überlieferung der Konradschen Lyrik setzt also bald nach dem Tod des Autors ein und erstreckt sich dann über zwei Jahrhunderte und den gesamten deutschen Sprachraum. Die Korpora der elf Handschriften unterscheiden sich allerdings sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht erheblich. Eine Sonderstellung kommt der Sammlung in der Großen Heidelberger Liederhandschrift zu, ist sie doch nicht nur die umfangreichste, sondern auch die einzige, die Texte aller Gattungen sowie sämtliche Konrad-Töne versammelt. Außerdem findet sich ein Gutteil der lyrischen Texte Konrads nur hier: Die beiden Leiche, 21 Minnelieder und 15 Sangspruchstrophen sind hier unikal überliefert. Schließlich dürfte die Große Heidelberger Liederhandschrift zusammen mit der Basler Rolle und der Basler Liederhandschrift auch der autornächste Zeuge sein, weshalb die lyrischen Texte, die sie bringt, sämtlich für echt gehalten werden. Die einzige Ausnahme stellt die Gebetsstrophe LDM C KonrW 93 dar, die einen Ton Friedrichs von Sonnenburg verwendet und wohl auch diesem zugehört. Sieht man von den anonymen Korpora des Berner Hausbuchs und der Niederrheinischen Liederhandschrift einmal ab, die jeweils eines der Minnelieder kennen und damit für eine Überlieferungstradition des Konradschen Minnesangs jenseits der Großen Heidelberger Liederhandschrift eintreten können, erscheint Konrad von Würzburg in allen übrigen Handschriften nur als Sangspruchdichter. Während die Leiche überhaupt

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keine Parallelüberlieferung kennen und die Minnelieder nur in zwei Ausnahmen, ist ein Gutteil der Sangsprüche im Hofton mehrfach überliefert, und zwar bis zu sieben Mal. Dahinter steht zum einen die Bevorzugung religiöser Sangsprüche durch die Überlieferung (Miedema 2015, 147–150), zum anderen die Kanonisierung Konrads als Sangspruchdichter, die darin gipfelt, dass der Meistergesang Konrad von Würzburg unter die zwölf alten Meister zählt, und die eben auch dazu geführt hat, dass Konrad-Texte produktiv geblieben sind. So ergänzen die Kolmarer Liederhandschrift und die Wiltener Meisterliederhandschrift einzelne altüberlieferte Sangspruchstrophen Konrads um neue Strophen zu drei- bis siebenstrophigen Baren (zur Barbildung in der Konrad-Überlieferung genauer Baldzuhn 2000, 269–271, und 2002, 233–246). Diese Zusatzstrophen gelten als unecht; anders ist das bei dem Sondergut der Jenaer Liederhandschrift, bei dem es sich freilich nur um zwei Sangspruchstrophen handelt. Wichtig ist die Jenaer Liederhandschrift aber vor allem deshalb, weil sie als einziger der älteren Zeugen eine Melodie überliefert, nämlich die zum Hofton.

2 Ausgaben Die erste Edition der Konradschen Lyrik mit wissenschaftlichem Anspruch ist 1838 in Friedrich Heinrich von der Hagens Minnesingern erschienen; sie bietet einen Textabdruck der Großen Heidelberger Liederhandschrift. Ersetzt worden ist sie durch die Ausgabe Edward Schröders in den Kleineren Dichtungen, wo die Lyrik mit der → Klage der Kunst den dritten Band einnimmt. Erstmals 1926 gedruckt, wird sie heute meist in der 1959 von Ludwig Wolff betreuten, um Druckfehler bereinigten zweiten Auflage benutzt, die bis 1970 nachgedruckt worden ist. Ihrer Entstehungszeit gemäß ist Schröders Edition der Rekonstruktionsphilologie verpflichtet. Bei den unikal in der Großen Heidelberger Liederhandschrift überlieferten Texten beschränken sich die Auswirkungen dieses Ansatzes darauf, dass die Form hergestellt – in Hinblick auf die Leiche und die vielen Minnelieder mit Binnenreimen ist das ein wesentlicher Schritt –, dass der Text gemäß den Richtlinien des Normalmittelhochdeutschen vereinheitlicht und dass aus sprachlichen und metrischen Gründen konjiziert wird. Die Eingriffe in den handschriftlichen Text erscheinen, akzeptiert man das hinter ihnen stehende einigermaßen rigide Regelsystem, meist als gut begründet. Bei den mehrfach überlieferten Sangsprüchen erweist sich die textkritische Methode als problematischer, weil die Große Heidelberger Liederhandschrift für die Textherstellung maßgeblich bleibt, was die übrigen Handschriften in den teilweise arg unübersichtlichen Apparat abdrängt. Allein die Varianten vermitteln aber keinen Eindruck von der Gestalt, die die Texte in zeitlich und räumlich entfernten Handschriften haben, und auch die neuen Kotexte, in welche die altüberlieferten Strophen im Zuge der Barbildung gestellt worden sind, bleiben unberücksichtigt. Auf solche Kritikpunkte reagiert die von Manuel Braun und Stephanie Seidl erarbeitete digitale Neuedition, die 2019 im Rahmen der Lyrik des deutschen Mittelalters

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erschienen ist. Sie ediert sämtliche lyrische Texte, die Konrad von den Handschriften zugeschrieben werden, samt der anonymen Parallelüberlieferung, und zwar jeweils in der Gestalt, die sie in den Manuskripten haben. Außerdem bietet sie dem Benutzer die Möglichkeit, die Texte nicht nur in einer normalisierten Gestalt zu lesen, sondern auch in einer handschriftennahen normierten oder gar in einer Transkription, die mit dem Digitalisat abgeglichen werden kann. Für Eingriffe in den überlieferten Wortlaut gelten strengere Regeln als in der konjekturalkritischen Tradition; diese erfolgen nur noch dort, wo der handschriftliche Text agrammatisch ist, während Besserungen aus metrischen Gründen unterbleiben. Schließlich bietet die Ausgabe von Braun und Seidl einen Kommentar, der basale Informationen zur Überlieferung, zur Form und zum Inhalt sowie einen Zugang zur Forschung bereitstellt. Kommentiert ist auch die Auswahl der Konrad-Lyrik durch Burghart Wachinger (2006, 258–283, 762–775), und außerdem bietet sie als einzige Edition eine Übersetzung ins Neuhochdeutsche. Der mittelhochdeutsche Text folgt der Großen Heidelberger Liederhandschrift, wird aber normalisiert. Anders als Schröder verzichtet Wachinger aber auf Eingriffe metri causa. Wachingers Anthologie enthält den Minneleich, vier Minnelieder – ein allgemeines, ein allegorisches und ein didaktisches sowie ein Tagelied – und elf Strophen aus dem Hofton, die einen Überblick über die Themen des Konradschen Sangspruchs – Theologie, Moraldidaxe, Minne, Politik, Kunst – bieten und auch dessen produktive Rezeption durch die Meistersänger abbilden, indem ein Dreierbar zum Lob des Gesanges aus der Kolmarer Liederhandschrift wiedergegeben wird, das eine altüberlieferte Strophe um zwei zusätzliche Strophen ergänzt.

3 Charakteristik der Texte Das lyrische Werk Konrads lässt sich basal in die Gattungen Leich, Minnesang und Sangspruch einteilen. Die Semantik des ersten Leichs ist religiös, die des zweiten weltlich. Der religiöse Leich Got gewaltic, was du schickest (LDM C KonrW 1) behandelt zentrale Dogmen der christlichen Religion: die Allmacht Gottes, die Dreifaltigkeit, die Inkarnation, die Jungfrauengeburt sowie die Erlösung von der (Erb-)Sünde durch den Opfertod Christi (genauer zu den Themen und ihrer Anordnung Bertau 1957, 137–141). Diese werden nicht einfach nacheinander abgehandelt, sondern sie erscheinen vielfach ineinander verschlungen und miteinander verknüpft; Mittel der Verknüpfung sind wiederholt vorkommende Begriffe und Bilder (dazu auch Kokott 1989, 168–169). Auch wenn Gott Vater und der Heilige Geist durchaus vorkommen, so stehen doch Maria und Jesus im Fokus (Kokott 1989, 167), wobei manche Aussagen zu deren Verhältnis – etwa die, dass Jesus nach Marias Ebenbild geschaffen sei – theologisch durchaus heikel sind (Miedema 2015, 160). Ausgedrückt werden die Glaubensgeheimnisse vor allem durch Bilder, die mehrheitlich aus der theologischen bzw. naturallegorischen Tradition stammen und dort, wo es um die Sünde geht, auch aus dem Mythos (zur Bildlichkeit des geistlichen Leichs vgl.

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Kern 1971, 53–55; Nowak 1975, 230–232). Manche der Bilder sind aber auch eigenständige, ja riskante Prägungen Konrads. Eine erstaunliche semantische Reibung erzeugt es etwa, wenn die heidnischen wassernixen (LDM C KonrW 1, V. 127), die für die Versuchung zur Sünde stehen, ausgerechnet auf crucifixen (V. 125) reimen (de Boor 1962, 29). Die Sprechhaltung wechselt zwischen dem Preis, der Anrufung und der Verkündigung. Konrads religiöser Leich besteht aus 232 Versen. Einem bekannten Bauschema lässt er sich nicht zuordnen, und „eine übergreifende Großstruktur ergibt sich […] nicht“ (Brunner 1985, 279). Die Basis des Baus bilden 15 zwei-, drei- oder vierversige Versikel – Versikel sind die ungleich gebauten, mehrfach vorkommenden metrisch-musikalischen Einheiten, aus denen sich Leiche zusammensetzen –, von denen der B-Versikel auch variiert verwendet wird; diese Versikel treten zu Gruppen zusammen, die sequenzartig aneinandergereiht sind (Kuhn 1967, 136, 140; Kokott 1989, 167; Seidl 2019a). Konrads weltlicher Leich Venus d feine, d ist entslafen (LDM C KonrW 2), der sogenannte Venusleich, behandelt das Thema Minne nicht mehr als etwas, das ein SprecherIch persönlich betrifft, sondern in Gestalt einer Zeitklage, die auf Defizite der Gesellschaft reagiert (hierzu und zum Folgenden Glier 1969, 169–172; Kern 1998, 466–477 und Meyer 2021). Die Minne liege nämlich danieder, so die kritische Diagnose des ersten Teils des Textes, die in die Allegorie der schlafenden Venus gekleidet ist, weil sich die Adeligen ausschließlich dem Rauben und Brennen – für sie stehen wiederum der Gott Mars und die Göttin Discordia, die die Menschen zum Krieg und zum Streit aufreizen – widmen würden. Der Minneleich rekurriert also auf lateinisches Schulwissen – genauer gesagt: auf den antiken Mythos (Rupp 2009, 43–45) –, und er formuliert seine Anklage des Adels mit einer Direktheit, die an den Sangspruch erinnert. Hierzu setzt er die Semantik des Krieges auf beiden Ebenen ein, der wörtlichen und der übertragenen (Kokott 1989, 175– 176). Die derzeitige schlechte Situation der höfischen Minnekultur – so die argumentative Grobstruktur des Leichs – steht einem vergangenen Besseren gegenüber (laus temporis acti), was die Minneklage auf eine allgemeine Ebene hebt, ja den Niedergang der Minne gar Symptomwert für den Verfall der höfischen Kultur überhaupt gewinnen lässt (Brandt 1987, 89). Es ist also nicht mehr die Minne, die das Leid verursacht, sondern es sind ihre Abwesenheit bzw. die Gewalt der Adeligen; und die Abwesenheit der Minne meint selbstverständlich auch die des Minnesangs. Diese Grundgedanken werden nicht in einer einzigen stringenten Bewegung entfaltet (und auch nicht in eine Erzählung gebracht), sondern immer wieder aufs Neue umkreist bzw. in Bilder umgesetzt. Die Hoffnung, an die vergangene Hochzeit der Minne anzuknüpfen, vermitteln im zweiten Teil des Textes die Apostrophen an Amor, Venus, die Hofgesellschaft und die Frauen, die alle darauf abzielen, die Minne und ihre Ausdrucksformen wie die Freude und den Tanz wiederzubeleben bzw. wiederaufzunehmen. Wenn Amor und Venus Mars verjagen und die Krieger überwinden, tun sie auf der Bildebene allerdings das, was der Text zuvor für die Realität beklagt hat: Sie üben Gewalt aus. Als Tanz- übernimmt der Venusleich schließlich – dritter Teil – selbst die Funktion, der höfischen Gesellschaft die Minnefreude wiederzugeben. Damit ist der Text nicht nur selbstbezüglich, sondern er setzt seine Botschaft auch performativ um. Dazu passt es, dass sich der Verfasser am

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Ende selbst nennt. Konrads Minneleich umfasst 124 Verse und verwendet fünf ein- bzw. zweiversige Versikel, wobei er den A- und den B-Versikel abwandelt. Die Kombination der Versikel, die zu Zweier- und Vierergruppen zusammentreten, ergibt eine klare dreiteilige Struktur auch auf der Formebene, bei der Anfangs- und Schlussteil einen deutlich unterscheidbaren Mittelteil rahmen, der wiederum in sich zweigeteilt ist (Seidl 2019b; Meyer 2021, 12). Damit steht der Venusleich in der Formtradition der Estampie (Kuhn 1967, 123–124, 130–131). Der Minnesang Konrads (zu diesem vgl. auch den Handbuchartikel von Bauer 2021) erhält seine Signatur durch einen Liedtypus: das ‚allgemeine Minnelied‘ (der Begriff nach Hübner 1994, 65, zur Beschreibung und Zuordnung Hübner 1994, 66–68, und Hübner 2008, 134–139). Dieses begreift die Minne nicht mehr aus dem Verhältnis des liebenden und singenden Ichs zu der einen Dame heraus, sondern feiert die Liebe und die Frauen schlechthin. Entsprechend wird das Ich weitgehend von der Textoberfläche getilgt, und die sentenzhafte, an das Publikum gerichtete Rede ersetzt eine, die sich aus persönlicher Betroffenheit speist. Diese muss freilich nicht als didaktisch aufgefasst werden, denn ein Wert, den sie vertreten würde, lässt sich im Grunde nicht ausmachen (Kokott 1989, 194–195). Mit der Veränderung der Redesituation geht eine der Gefühlswerte einher. An die Stelle des Leids, das daraus resultiert, dass die Frau das Begehren des Mannes frustriert, tritt die Freude, die aus der sicheren Erwartung erwächst, dass die Liebe erfüllt wird (Kokott 1989, 181–183; Meyer 1998, 186, 189). Entsprechend erscheint die Liebessemantik entparadoxiert (Huber 2005, 93). Allgemeine Minnelieder sind in der Regel dreistrophig, und sie weisen einen schematischen Aufbau auf: Die erste Strophe bringt einen Natureingang, der den Wechsel der Jahreszeit hervorhebt (zu dessen Motivbestand Essen 1938, 17–19; zu seinem Verhältnis zur Liebesthematik Kokott 1989, 185; Huber 2005, 93–94; und Eder 2016, 230–235; zu seiner sinnlichen Komponente Lauer 2013, 69–73; und zum Wechsel der Jahreszeiten Philipowski 2011, 110–111), die zweite feiert die (sinnliche) Liebe, wobei sie eine „Generalisierung von Liebesempfindungen auf eher trivialem Niveau“ (Stridde 2013, 211) vornimmt, und die dritte preist die Frauen. Der inhaltliche Schematismus des allgemeinen Minnelieds reicht bis auf die Ebene der Textoberfläche hinab, wo einzelne Wörter oder Wendungen regelmäßig wiederkehren (Stridde 2013, 211–212). Auch auf Seiten der metrisch-musikalischen Form tendiert das allgemeine Minnelied insofern zur Standardisierung, als es durchgängig Kanzonenstrophen mit Steg und drittem Stollen verwendet. Die Strophen weisen also eine vierteilige metrisch-musikalische Struktur auf: AABA. Auf die beiden gleich gebauten Stollen, die zusammen den Aufgesang bilden, folgt der anders gebaute Abgesang, der hier aus dem Verbindungsglied des Stegs sowie einem weiteren Stollen besteht. Letzterer kann Reime aus den ersten beiden Stollen oder aus dem Steg aufnehmen – dann ist er ‚angereimt‘ –, er muss es aber nicht. Fünf der allgemeinen Minnelieder enthalten zudem einen Refrain. Der inhaltliche und der formale Schematismus der allgemeinen Minnelieder finden dort zusammen, wo sich Syntax und Semantik und mit ihnen der Argumentationsaufbau genau ins Gerüst der Stollenstrophe einfügen (vgl. die Beispielanalyse von Lied LDM C KonrW 27–29 bei Hübner 1994, 67–68).

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Dem eben beschriebenen Normaltyp des allgemeinen Minnelieds entsprechen die Lieder LDM C KonrW 3–5, 18–20, 24–26, 27–29, 30–32 und 52–54. Selbstredend lässt das Schema aber auch Spielraum für Variationen – das ist der Gattung ‚Minnesang‘ gleichsam inhärent –, und zwar sowohl für solche, die ganz innerhalb der genannten Regeln verbleiben wie die Entscheidung für einen sommerlichen oder einen winterlichen Natureingang – beide finden fast gleich häufig Verwendung – oder für eine Strophe mit oder ohne Refrain, als auch für solche, die diese übertreten und so vom (Ideal-)Typus abweichen (Kokott 1989, 185; Hübner 1994, 66, 68–69). So erweitern etwa die Lieder LDM C KonrW 6–8 und 15–17 nicht nur den Natureingang (Hoffmann 1989, 189) – die Strophen- stellt mithin keine strikte Themengrenze dar –, sondern sie beschränken auch die Minnesemantik darauf, das (sinnliche) Liebesglück des Mannes zu feiern. Das Lied LDM C KonrW 9–11 wiederum schließt an die Winter- und Minneklage einen Appell an die Frauen an, Treue und Ausdauer der Männer mit Liebesfreude zu belohnen. Das Lied LDM C KonrW 21–23 fällt nicht nur semantisch – auch hier fehlt der Frauenpreis –, sondern auch formal aus dem Schema heraus, indem es eine einfache Kanzonenstrophe ohne Steg und dritten Stollen verwendet; auf der Seite der Semantik verbindet es den sommerlichen Natureingang mit einem Aufruf zum Tanz und zur Liebesfreude. Das Lied LDM KonrW C 61–62 wiederum ist, zumindest in seiner überlieferten Gestalt, als einziges der allgemeinen Minnelieder zweistrophig. Obgleich es sich bei der Mehrheit der Konrad-Lieder um allgemeine Minnelieder handelt, enthält das Konrad-Korpus der Großen Heidelberger Liederhandschrift doch auch Lieder, die anderen Genres des Minnesangs zugehören. So vertritt das Lied LDM C KonrW 12–14 noch den traditionellen Typus der Minneklage, in der sich ein männliches Ich über die Abweisung durch die Dame beschwert. Allerdings tut es das auf eine Weise, die Anlass zu einer Diskussion darüber gegeben hat, ob es nicht allegorisch zu lesen sei (Essen 1938, 15; Cramer 1977, 100–101; Hoffmann 1989, 192–194; Wachinger 1989, 109–110; Hübner 1994, 74–77; Huber 2005, 101). Ihm tritt das Lied LDM C KonrW 33–35 an die Seite, das zunächst eine Klage über den Winter und die Dame formuliert, die freilich stellenweise von Äußerungen der Hoffnung durchbrochen wird. Die Liebeskonzeption ist auch hier nicht mehr einfach die der hohen Minne, sondern sie geht von deren Entparadoxierung im allgemeinen Minnelied aus und besetzt auf dieser Grundlage die traditionellen Motive um (Huber 2005, 96–97). Die dritte und letzte Strophe bedeutet demgegenüber insofern einen Neueinsatz, als sie (eine positiv besetzte) Frau Welt anspricht und diese auffordert, ihre Kinder und besonders die Frauen mit Eigenschaften wie můt unde zuht (V. 8) auszustatten (Hübner 1994, 77, 80–81). Auch bei LDM C KonrW 75–76, 77–79 und 80–81 handelt es sich um Lieder der hohen Minne (so Hübner 1994, 81–82, gegen Cramer 1977, 101, der LDM C KonrW 75–76 und 77–79 als Mariengebete auffasst; dass die Lieder dennoch mariologische Topoi enthalten können, konzediert Stridde 2013, 217); entsprechend ist für sie die Dreistrophigkeit auch nicht obligatorisch. Auch diese Lieder enthalten Aussagen, die sich nicht bruchlos in die Tradition der hohen Minne einfügen (Huber 2005, 101–102). Die Lieder LDM C KonrW 36–38 und 39–41 schließlich sind typische Tagelieder, die das Motiv- bzw. Meta-

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phernrepertoire des Genres mit großer Vollständigkeit anführen und damit intensiv an einer Sprache der Gefühle arbeiten (Hübner 1994, 83–92; Mertens-Fleury 2018, 193–195). Dagegen greift die Liedstrophe LDM C KonrW 85 die Tageliedsemantik nur auf, um sie in eine Minnereflexion zu überführen (weitere mögliche Genrezuordnungen – Wächterstrophe oder Sangspruch mit Tageliedthematik – bei Hübner 1994, 65). Dass die Lieder LDM C KonrW 52–54 und 63–65 als Minnelieder beginnen, dann aber in Sangsprüche umschlagen, die den Adeligen ihren Geiz vorhalten (Jackson 1988, 110), verweist auf Konrads Tendenz, die Gattungen ‚Minnesang‘ und ‚Sangspruch‘ formal und inhaltlich zu überblenden (Essen 1938, 15–16; Cramer 1977, 97–99; Kokott 1989, 189–192, 198–203; Hübner 1994, 64–65; Huber 2005, 93). Genreübergreifend zeichnet sich Konrads Lyrik durch ihre formale Virtuosität aus. Deren Basis bildet die absolute Sicherheit beim Bau der Verse (Regulierung des Auftakts, Verwendung von durchgehend zweisilbigen Takten oder gemischt-daktylischen Versen), die es auch möglich macht, dass „Abweichungen wie einsilbiger Auftakt, Kadenz, einsilbiger Innentakt“ bewusst gesetzt werden und dann eine „tektonisch gliedernde oder hervorhebende Funktion“ übernehmen können (Vogt 2001, 635). Zur Formkunst gesteigert findet sich dieses handwerkliche Können vor allem in einigen jener Minnelieder, bei denen es sich um eher traditionelle Minneklagen handelt und die als wahre Reim- und Klangkunstwerke anzusprechen sind. Wenn man vom Vortrag als primärer Rezeptionssituation ausgeht, wird ihre Wirkung deshalb stark vom Moment der Euphonie geprägt gewesen sein (Meyer 1998, 189–190). Als Reimkunststück ist das Lied Jarlanc vrijet sich d grne linde (LDM C KonrW 33–35) unerreicht (Hoffmann 1989, 189; Hübner 1994, 77–81; Hübner 2008, 139–142; Braun 2013, 224–226; Lauer 2013, 70–73). Das Gerüst einer elfzeiligen Kanzonenstrophe mit Steg und drittem Stollen wird derart mit Binnenreimen angereichert, dass die Forschung das Lied als den durch seine „phonologische Überstrukturierung […] brillanteste[n] Text des deutschen Minnesangs“ (Hübner 1994, 78) bezeichnet hat. Homonyme Endreime – etwa reimt das Substantiv linde (C KonrW 33, V. 1: ‚die Linde‘) auf das Adjektiv linde (V. 4: ‚sanft‘)  – verbinden die jeweils ersten und letzten Verse der Stollen des Aufgesangs. Dasselbe Reimprinzip verwendet der Abgesang, wenn er die beiden letzten Verse des dritten Stollens an den letzten Vers des Stegs anreimt. Die Mitten- bzw. die Mittelreime, die die beiden Schlussverse der Stollen des Aufgesangs binden, sind wiederum als Schüttelreime konstruiert: blte gůt und gte blůt (V. 2 und 3). Weitere Schüttelreime finden sich im Steg und im dritten Stollen, wo sie freilich versteckter sind, weil sie das Versende übergreifen und damit auf vier Verse verteilt sind: winde / swint und swinde / wint (V. 7–10). Die im Versinneren stehenden Teile des Schüttelreims – swint und wint (V. 8 und 10) – bilden einen Pausenreim und verstärken so die Verbindung von Steg und Stollen. Damit ist Konrad der erste Autor in der Geschichte der deutschen Lyrik, bei dem sich Schüttelreime nachweisen lassen (Braun 1963). Dem Lied Gar bar lit wit walt (LDM C KonrW 75–76) wiederum hat die Forschung den Titel Schlagreimlied gegeben und damit seine formale Signatur auf den Begriff gebracht; der zweistrophige Text besteht nämlich nur aus Reimwörtern (Braun 2013,

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228–229; Stridde 2013, 210). In der Regel reimt ein Wort auf das nächste  – das meint der Begriff ‚Schlagreim‘ –, und dieses Prinzip läuft auch über die Versgrenzen hinweg: Gar bar lit wit walt; / kalt sne we tůt: glůt si bi mir! [Völlig entblößt erstreckt sich der große Wald; kalter Schnee schmerzt: Hitze stehe mir bei!, V. 1–2]. Lediglich die Schlüsse der Stollen und des Abgesangs sind von ihm ausgenommen – hier stehen Endreime –, wodurch der stollige Bau der Strophe ansatzweise sichtbar wird. Er ist freilich wenig deutlich, da die übrigen Versgrenzen überspielt und eben nicht wie in endgereimten Liedern betont werden. Immerhin bestehen die Schlagreime im Aufgesang aus einsilbigen Wörtern und am Beginn des Abgesangs aus zweisilbigen, während die beiden durch einen Paarreim verbundenen Schlussverse ein- und zweisilbige Reimwörter mischen. Auch auf dieser Ebene wird die Strophe also als Kanzonenstrophe erkennbar, wenn auch erst auf den zweiten Blick. Zunächst liegt die Wahrnehmung ganz auf dem Reimprinzip selbst, das hier gewissermaßen zu sich selbst kommt, und die Massierung der Reime wiederum führt zu einer wahren Klangexplosion. Rhythmisieren lässt sich der Text allerdings kaum mehr. Hinter die Reim- und Klangeffekte tritt die Semantik zurück; öfter wirkt sie zum Stereotyp erstarrt, fallweise streift sie die Grenze zum Unsinn, ohne sie freilich je zu überqueren (Stridde 2012, 284–286; Braun 2013, 226, 228; anders Hübner 1994, 92). Die Sangsprüche schließlich lassen sich nach ihrem Inhalt und nach ihrer Form einteilen. Um mit der Form zu beginnen: Von Konrad stammen sieben Töne, die sämtlich dem Formtypus ‚Kanzonenstrophe mit Steg und drittem Stollen‘ zuzuordnen sind, wobei der Steg nicht wiederholt wird (Brunner 2002, 97) und der dritte Stollen „auch musikalisch verwirklicht ist“ (Rettelbach 1993, 278). Die Strophen umfassen zwischen zehn und 20 Verse bzw. zwischen 46 und 78 Takte (Brunner 2002, 100–101). Drei Töne Konrads haben von den Meistersängern Namen erhalten und sind von ihnen weiterverwendet worden: der Hofton, der Aspiston und die Morgenweise. Von ihnen ist der Hofton der mit Abstand am weitesten verbreitete, und zwar sowohl der Zahl der überlieferten Strophen als auch der der ihn bewahrenden Handschriften nach. Er ist – notiert man für jeden Vers den Auftakt, die Zahl der Hebungen, die Kadenz sowie den Reim – folgendermaßen aufgebaut: .7-a .7-a (.)3-a+.4b / .7-c .7-c (.)3-c+.4b // (.)8(7)d (.)4d+.3-e / .7-e .7-e (.)3-e+.4b. Der dritte Stollen greift also sowohl Reime des Aufgesangs als auch des Stegs auf. Das wiedergegebene Strophenschema folgt Brunner (2013, 74–75) darin, dass es aus Gründen der Symmetrie an den Schlüssen der Stollen wie des Stegs binnengereimte Langverse ansetzt. Gestützt wird diese Auffassung von der Melodie, welche die Jenaer Liederhandschrift überliefert (Pickerodt-Uthleb 1975, 497), sowie von den nachträglich gesetzten bzw. fehlenden Reimpunkten in der Großen Heidelberger Liederhandschrift, die darauf hindeuten, dass auch deren Schreiber von Langversen ausgegangen ist (Seidl 2019c). Das Schema des Aspistons, dessen Name von der Schlangenart aspis abgeleitet ist, die gleich im ersten Vers der Strophe LDM C KonrW 70 genannt wird, sieht so aus: (.)4a (.)3-b (.)4-b (.)3c (.)4c (.)4d  / (.)4a (.)3-b (.)4-b (.)3c (.)4c (.)4d  // (.)3-e 1-e+3  f  / (.)4  f (.)3-g (.)4-g (.)3  f (.)4  f (.)4  f. Der dritte Stollen reimt hier also lediglich an den Steg an, nicht an

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den Aufgesang (Brunner 2002, 99, und 2013, 75–76). Eine Besonderheit für Sangsprüche ist der Schlagreim, der die Verse 13 und 14 übergreift (Rettelbach 1988/1989, 135; und 1993, 229). Die Kolmarer Liederhandschrift überliefert folgende, wohl bereits relativ stark vereinfachte Melodie (nach Brunner 1975, 282–283, und 2013, 80): αα1.βγ.αβ1δ. / αα1. βγ.αβ1δ. // ε γ. / αα1.βγ.αβ1δ. Die Strophe der Morgenweise weist die folgende metrische Struktur auf: (.)5-a+(.)3-a (.)3b (.)3-c+(.)3-c (.)5-d / (.) 5-e+(.)3-e (.)3b (.)3-f+(.)3-f (.)5-d // .8(7) g / (.)5-h+(.)3-h (.)3g (.)3-i+(.)3-i (.)5-d. Hier greift der dritte Stollen lediglich den g-Reim des Stegs auf. Aus strophensymmetrischen und rhythmischen Gründen setzt Brunner (2013, 75) die Verse 1 und 3 der Stollen als binnengereimte Acht- bzw. Sechsheber an – eine Entscheidung, welche die nur vereinzelt und nachträglich gesetzten Reimpunkte in der Großen Heidelberger Liederhandschrift bestätigen. Dieser Auffassung widerspricht jedoch die Melodie (zu dieser Arlt 1987, 76–77, 79), die allerdings erst in der Kolmarer Liederhandschrift zu finden ist und deren Schema nach Brunner (2013, 79–80) so aussieht: αβα.β1γ.αβ2.  / αβα.β1γ.αβ2 .// δ  / αβα.β1γ.αβ2. Die Melodie ist demnach dreiteilig, während der metrische Bau der Strophe vier Segmente aufweist. Entsprechend nimmt Brunner an, daß die Abweichung zwischen der Tonstruktur des Textes und der Melodie in den Stollen auf nachträglicher Umorganisation und Vereinfachung beruht. Das reizvolle Nebeneinander von langen Zeilen und Kurzzeilen wurde dabei zugunsten von langen Zeilen aufgegeben. (Brunner 2013, 80)

Während der Hofton, der Aspiston und die Morgenweise bis ins 16. Jahrhundert produktiv bleiben, finden sich die übrigen vier Sangspruchtöne Konrads nur in der Großen Heidelberger Liederhandschrift. Das metrische Schema von Ton 18 lässt sich so darstellen: (.)4a (.)4a (.)5-b / 4c 4c 5-b // .7-d / 4e 4e 5-d. Der dritte Stollen wiederholt hier den Reim des Stegs. Für Frauenlobs tongleiche Spiegelweise notiert die Kolmarer Liederhandschrift eine Melodie, die nach Brunner (2013, 80–81) diese Bauform aufweist: αβγ / αβγ // δ / αβγ. Die Form des Tons 19 ist die folgende: (.)3-a+3b 3-c 3-c+3d / 3-a+3b (.)3-e 3-e+3d // 7-f 4-f+2g / 3-f+3-f 3g. Auch hier reimt der dritte Stollen an den Steg an. Das Schema setzt in den Stollen und im Steg sechshebige binnengereimte Verse an (so auch Schröder 1967), wohingegen Brunner lauter Kurzverse annimmt (Brunner 2002, 96, 100; Brunner 2013, 73, 76). Für die Langverse sprechen aber sowohl das Verhältnis des Satzbaus zum Strophenbau als auch die Markierungen in der Großen Heidelberger Liederhandschrift: In C KonrW 52–54 finden sich in den ersten Versen der Stollen Reimpunkte nach sechs, aber nicht nach drei Hebungen (in C KonrW 54 auch im dritten Vers des zweiten Stollens). Der Schreiber scheint somit von zusammenhängenden Sechshebern ausgegangen zu sein; an ihm orientiert sich das oben vorgeschlagene Verständnis von Ton 19 (Seidl 2019d). Ton 23 ist so gebaut: 2a 2a 4a 3a 3a 5b / 2a 2a 4a 3a 3a 5b // 2-c+2-c 1-c+3a / 2a 2a 4a 3a 3a 5b. Der dritte Stollen entspricht hier exakt den ersten beiden. Auffallend sind die Kürze der Verse, die Auftaktlosigkeit sowie die Homogenität des Reimklangs – 16 der 20 Verse verwenden den a-Reim –, die den Ton zum „Reimkunststück“ (Brunner 2002, 99) machen. Diese Charakteristika und seine Dreistrophigkeit rücken Ton 23 formal in die

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Nähe der Konradschen Minnelyrik, mit der er sich auch semantisch berührt (Rettelbach 1988/1989, 134; Rettelbach 1993, 229; Hübner 1994, 64–65; Rettelbach 2007, 162–163; Hau­ stein 2015, 254–255). In Ton 24 schließlich reimt der dritte Stollen sowohl an den Schluss der Aufgesangsstollen als auch an den zweiversigen Steg an: (.)3-a 4b .4b .2c .4d / 3-a 4b 4b .2c (.)4d // (.)4e (.)3-f / 3-f 4e 4g .2g .4d. Sucht man Konrads Sangsprüche nach ihren Inhalten zu sortieren (zu diesen vgl. Essen 1938, 20–32), stößt man auf eine massive Unwucht. Denn die erdrückende Mehrheit der Texte ordnet sich dem Thema ‚Moraldidaxe‘ zu. Dazu kommt eine gute Handvoll Strophen mit theologisch-dogmatischen Inhalten, außerdem finden sich einige wenige Sprüche, die sich mit Minne, Politik oder Kunst beschäftigen. Um das Konradsche Sangspruchœuvre inhaltlich näher zu erschließen, wird man also zunächst einmal die moraldidaktisch ausgerichteten Texte weiter unterteilen müssen. Die am häufigsten eingeforderte Tugend ist die der Freigebigkeit, ein Drittel der Sangspruchstrophen widmet sich ihr (Jackson 1988, 110, 116; Kokott 1989, 203–208). Die milte ist die Tugend des adeligen Herrn, und sie ist – das wird freilich nur selten offen ausgesprochen – die Existenzgrundlage des Sangspruchdichters. In immer neuen Wendungen handeln zahlreiche Sprüche Konrads von ihr: Sie preisen die Großzügigkeit (LDM C KonrW 48; C KonrW 116) und geißeln den Geiz (LDM C KonrW 50; C KonrW 71; C KonrW 88–89; C KonrW 110); sie beklagen die Abwesenheit der Freigebigkeit in der Gegenwart (LDM C KonrW 64); oder sie stellen die positiven Folgen ihrer Ausübung genauso heraus (LDM C KonrW 92) wie die negativen ihrer Unterlassung (LDM C KonrW 53; C KonrW 65; C KonrW 90). Dabei vermeidet es Konrad – anders als etwa Walther von der Vogelweide –, einzelne Adelige namentlich anzuklagen; sein Tadel bleibt so allgemein wie seine Bitte. Ebenfalls an den adeligen Herrn adressiert sind die Erinnerung daran, dass der Geburts- durch den Tugendadel zu unterlegen sei (LDM C KonrW 49; vgl. Jackson 1988, 111–112), die Warnung vor verschlagenen Höflingen (LDM C KonrW 108) und schlechten Ratgebern (LDM C KonrW 51; C KonrW 70) sowie der Hinweis darauf, dass sich Ansehen nicht mit prachtvollen Kleidern erkaufen lasse (LDM C KonrW 72). Neben die Sangsprüche, die eine spezifische Herrenlehre formulieren, treten jene, deren Moral allgemeine Gültigkeit beanspruchen kann. Sie streichen etwa den Wert der Gastfreundschaft (LDM C KonrW 68), den von Furcht und Scham (LDM C KonrW 69) sowie den der Freundschaft (LDM C KonrW 103) heraus. Und sie weisen darauf hin, dass der Anspruch auf gesellschaftliche Anerkennung auch gedeckt sein müsse (LDM C KonrW 67), dass die Menschen verschieden seien und deshalb niemand den Beifall aller erringen werde (LDM C KonrW 73) und dass die Ehre genauso flüchtig sei (LDM C KonrW 98) wie das Glück hochmütiger und böswilliger Menschen (LDM C KonrW 104). Des Weiteren warnen sie vor dauerhaftem Ehrverlust (LDM C KonrW 86), vor einem tugendlosen Leben (LDM C KonrW 87), der zersetzenden Wirkung des Neids (LDM C KonrW 99) und der Vergänglichkeit (LDM C KonrW 111–112; LDM J KonrW 9). Oder sie fordern dazu auf, nach Tugenden zu streben (LDM C KonrW 74) oder – spezifischer – nach Treue und Tapferkeit (LDM C KonrW 107). In doppelter Weise eingeschränkt ist demgegenüber die Geschlech-

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termoral: Sie gilt nur für die Frauen, und sie besteht nur aus dem Ideal der Keuschheit (LDM C KonrW 100). Die Ethik, die Konrads Sangsprüche vertreten, beruht auf allgemein-moralischen, auf ständisch-sozialen und auf christlich-religiösen Werten; sehr oft erscheinen diese aber auch untrennbar ineinander verschränkt. Es gibt aber auch einige wenige Texte, die sich ganz auf das Gebiet der Religion begeben (LDM C KonrW 94–97) und die zentralen Dogmen des Christentums wie das der Trinität, der Inkarnation, der Jungfräulichkeit Marias, der Erlösung durch Jesu Kreuzestod, des Jüngsten Gerichts oder der Eucharistie verkünden (Miedema 2015, 150–154). Neben der Verkündigung finden sich in diesen religiösen Strophen auch gebetshafte Passagen, die Gott in seiner Allmacht preisen oder Maria um Fürsprache bitten. Neben der Gottes- kommt auch die Geschlechterliebe im Sangspruch vor, allerdings nur in der Strophe LDM C KonrW 101. Auch auf das Feld der Politik begibt sich Konrad in zweien seiner Sangsprüche. Die Strophe LDM C KonrW 102 erteilt den Rat, ein Adelsgeschlecht solle gegen einen Herrn zusammenstehen, der es unterdrücken wolle; ob sie auf eine bestimmte Familie bzw. Situation bezogen ist, muss offenbleiben. Und die Strophe LDM C KonrW 115 feiert den Sieg Rudolfs von Habsburg über Ottokar von Böhmen 1276, wobei sie ihre Aussage in eine Tierallegorese kleidet (Kleinschmidt 1974, 142–143; Müller 1974, 146); sie ist die einzige, die sich nachweislich auf ein konkretes historisches Ereignis bezieht. Auf der Grenze von Panegyrik und Kunst steht die Strophe LDM J KonrW 2, die Konrad III. von Lichtenberg, den Bischof von Straßburg, preist und dabei das Lob des Gelobten in eines des Lobs und also seiner selbst verwandelt (Hübner 2015, 78). Den Rang beider bringt der Text durch seine überaus kunstvolle rhetorische Gestaltung zur Anschauung. Ganz der Kunstthematik verschreiben sich einige weitere Strophen. Zu sich selbst kommt die Kunst besonders im Gesangeslob der Strophe LDM C KonrW 114, welche die Überlegenheit des Sangspruchs über alle anderen artes damit begründet, dass nur dieser sich der göttlichen Inspiration verdanke und sich der göttlichen Schöpfung vergleiche, dementsprechend nicht gelernt und ohne weitere Werkzeuge ausgeübt werden könne (Kokott 1989, 211–212; Obermaier 1995, 219–222; Hübner 2015, 74–75; Schneider 2017, 94–96; zum theologischen Hintergrund Scherbaum 2002 und Schneider 2012, 204–208). Der Verzicht auf ein Sprecher-Ich lässt diese Aussagen als objektive Wahrheit erscheinen. Der Auseinandersetzung mit einem Konkurrenten entwachsen ist offenbar die Strophe LDM C KonrW 113, die eine Polemik gegen den Meißner formuliert (genauer Burkard 2012, 133–144; Wachinger 1973, 162–163). Die Konkurrenz unter Sängern steht auch hinter der Klage darüber, dass die Herren zu Unrecht Plagiatoren belohnen würden (LDM C KonrW 106; vgl. hierzu Obermaier 1995, 226–227). Kritisch beleuchtet auch der Sangspruch LDM C KonrW 109 das Verhalten der Gönner, indem er konstatiert, dass jener Sang verloren sei, der schlechte Adelige adressiere. Wichtig ist auch, dass die Gönner über hinreichend Unterscheidungsvermögen verfügten, um gute von schlechter Kunst zu trennen, wie LDM C KonrW 106 im Rekurs auf die äsopische Fabel von Hund und Esel postuliert (Kokott 1989, 209–210; Obermaier 1995, 225–226; Hübner 2015, 80).

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Da Konrad höhergestellte Unterstützer adressiert und sie tadelt und bittet, sucht er die Geltung seiner Texte dadurch abzusichern, dass er sich auf (pseudo-)gelehrtes bzw. gottgegebenes Wissen bezieht (Hübner 2015, 76–77). Dazu zählt etwa die Naturallegorese, die er der Physiologus-Tradition entnimmt (LDM C KonrW 70 und 116) und die er freilich eigenständig weiterentwickelt (Brandt 2007, 40–44). Vergleiche mit Tieren und deren Verhalten stellen auch Sangsprüche wie LDM C KonrW 51 und 70 her, die auf das Bîspel rekurrieren (Kokott 1989, 212–213). Des Weiteren sind hier die Fabel- und die Märchentradition zu nennen, die es erlauben, das Gesagte durch den Rekurs auf allgemein verfügbare, narrativ vermittelte Einsichten abzusichern; auf Erstere beziehen sich drei Sangsprüche (LDM C KonrW 50, 51, 105), auf Letztere einer (LDM C KonrW 102; vgl. Yao 2006, 86–89). Diejenigen Sangsprüche, die ins Theologische und damit auf ein Gebiet ausgreifen, auf dem einem Laien die Kompetenz stets bestritten werden kann, zeichnen sich dadurch aus, dass sich ihr Sprecher bewusst zurücknimmt, indem er keine Geltungsansprüche stellt, Unsagbarkeitstopoi verwendet oder sich ins GemeindeWir einfügt (Miedema 2015, 161–164). Legt man abschließend Form und Inhalt übereinander, zeigt sich, dass Konrad nur im Hofton andere als moraldidaktische Themen verhandelt. Eröffnet wird das Tonkorpus der Großen Heidelberger Liederhandschrift durch ein Cluster von vier theologischen Sangsprüchen; es folgt eine deutlich längere Reihe von Strophen moraldidaktischen Inhalts, unter die – in steigender Frequenz – solche zur Minne, zur Politik und zur Kunst eingeschoben sind. Über den Grund dafür, dass Konrad das Themenspektrum ausschließlich im Hofton erweitert hat, lässt sich nur spekulieren. Fakt ist aber, dass die entsprechenden Strophen, vor allem die theologisch ausgerichteten, zu den bestüberlieferten gehören. Innerhalb der Töne finden sich Strophen, die sich inhaltlich berühren und die auch in der Überlieferung (mehrmals) aufeinanderfolgen. Ob sie deshalb als Verbünde aufzufassen sind, ist für die frühe Konrad-Überlieferung schwer zu sagen, da klare Belege für ihre Zusammengehörigkeit wie Anaphern oder Responsionen fehlen, mit deren Hilfe sich die Interpretationen absichern ließen, die alleine auf der semantischen Ebene argumentieren (Miedema 2000).

4 Gattungskontext Der Bezug der Konradschen Lyrik auf die Gattungskontexte ist unterschiedlich eng. Nur lose ist er beim Leich, was daran liegt, dass dieser dazu tendiert, ein Prunk- und Einzelstück zu sein; entsprechend schwer ist es, hier überhaupt Gattungstraditionen auszumachen. Im Kontext der deutschen Leichdichtung nimmt sich besonders Konrads Venusleich, der das Minnethema als Zeitklage gestaltet, wie ein Solitär aus. An andere Minneleiche, die von der Vorstellung der hohen Minne ausgehen und die die Liebe also als subjektives Erleben darstellen, erinnert am ehesten noch der Schluss mit dem Tanzaufruf, der sich etwa auch bei Ulrich von Winterstetten oder beim Tannhäuser findet.

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Konrads religiöser Leich verweist, wenn man in der Gattung Leich bleibt, eher nach vorne, hin zu Frauenlob. Der Text selbst bezieht sich auf Bildtraditionen, die anderen Gattungen der religiösen Literatur, auch der lateinischen, entstammen, und berührt sich so mit Konrads → Goldener Schmiede. Im Minnesang ist die Systemreferenz hingegen sehr ausgeprägt. Für diejenigen Lieder Konrads, die der hohen Minne verhaftet bleiben, ist das genauso offensichtlich wie für seine Tagelieder. Komplexer ist die gattungsgeschichtliche Einbettung der allgemeinen Minnelieder. Denn einerseits sind sie Konrads Innovation und stellen somit seinen zentralen Beitrag zur Geschichte des Minnesangs dar. Andererseits schließen sie durchaus an ältere Tendenzen an, die sich besonders deutlich bei Gottfried von Neifen ausprägen: den verpflichtenden Natureingang, den Schematismus der Aussagen, den Abbau der Ich-Rolle, den Preis der Frauen überhaupt sowie die Betonung von Rhetorik, Form und Klang (Hübner 1994, 69–72; Worstbrock 1996, 197–202; Huber 2005, 92–93). Offenbleiben muss, ob die Nähe Konrads zu Neifen sich einem direkten Einfluss verdankt oder ob es sich bloß um eine typologische Ähnlichkeit handelt, zumal sich Vorformen des allgemeinen Minnelieds auch bei anderen Sängern der Zeit finden (Hübner 1994, 72). Ein weiterer Bezugspunkt könnte die unpersönliche Sprechhaltung des Sangspruchs sein, den Konrad ja auch gepflegt hat (Hübner 1994, 73). Unmittelbar zum Vorbild geworden ist das allgemeine Minnelied Konrads wiederum vor allem für den Kanzler; seine Fernwirkung reicht aber bis Heinrich von Mügeln (Huber 2005, 94–96). Beim Sangspruch zeigt sich bei Konrad, wenn man ihn an Walther von der Vogelweide misst, eine Abkoppelung von konkreten Ereignissen und Personen. Konrad propagiert eher die milte als Herrentugend schlechthin als sie einem bestimmten Adeligen anzusinnen – ein Zug, den er allerdings mit vielen Kollegen seiner Zeit teilt. Eine (bei Frauenlob folgenreiche) Ausnahme stellt der Lichtenberger-Spruch dar, der mit seiner Fülle von Vergleichen ein Paradebeispiel für den ‚geblümten Stil‘ darstellt, der gleichermaßen über das Lob wie über den Gelobten spricht und der so Fremd- in Selbstreferenz überführt (Hübner 2000, 1–4). Formgeschichtlich stellen sich Konrads Sangsprüche insofern zu denen anderer Sänger des 13. Jahrhunderts wie Hermann Damen oder Rumelant von Sachsen, als sie auf einen Steg einen dritten Stollen folgen lassen (hierzu und zum Folgenden vgl. Brunner 2002, 105–106). Bei einigen von diesen mag sich die Präferenz für den dritten Stollen unmittelbar dem Einfluss Konrads verdanken (Brunner 2003, 508). Frauenlob ist Konrad hierin hingegen nicht gefolgt, sondern hat den Ab- wieder vom Aufgesang abgelöst. Konrads Tönen war ein langes, bis ins 16. Jahrhundert reichendes Nachleben beschieden, wobei sie freilich immer wieder variiert wurden (Rettelbach 1988/1989).

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5 Forschungsgeschichte Vergleichsweise wenig Interesse haben Konrads Leiche gefunden  – ein Schicksal, das sie mit der Gattung insgesamt teilen. Es gibt erst einen eigenen Beitrag zum Minneleich (Meyer 2021); die ältere Forschung hat diesen lediglich im Rahmen übergreifender Darstellungen zum Autor und zur Gattung analysiert und interpretiert. Grundlegend ist die Studie von Ingeborg Glier (1969), die Konrads Minneleich im Kontext zeitgleicher Vertreter der Gattung – der Minneleiche von Johannes Hadlaub, Dem von Glier, dem Wilden Alexander und Frauenlob – betrachtet und dabei den Schwerpunkt auf die Semantik legt. Im Vergleich kann sie das Profil des Konradschen Minneleichs umreißen, der sich auf Wissen aus der lateinischen Kultur stützt, dieses in eine durchgängige Allegorie überführt und so die persönliche Minne- in eine allgemeine Zeitklage umformt. Auch der streng gliedernde Aufbau der Argumentation tritt in dieser Perspektive hervor, während der Minneleich sonst eher zum Kleinteiligen, Sprunghaften neigt. Den Ansatzpunkt des gehaltvollen Kapitels in Manfred Kerns Dissertation (1998, 465–478) bildet der Rekurs des Textes auf den antiken Mythos, doch bleibt das Kapitel nicht dabei stehen, diesen Rekurs zu rekonstruieren, sondern gelangt zu einer Gesamtsicht, die ebenfalls die Besonderheit des Venusleichs im Kontext der Gattung herausarbeitet. Die Textbeschreibung durch Christina Kreibich (2000, 177–183) zeichnet sich hingegen durch ihre kategoriale Unsicherheit aus. Falsch ist die Beschreibung des Minneleichs als erzählend bzw. episch (dazu genauer Meyer 2021); schon die verwendeten Tempora – Präsens und Perfekt – zeigen das auf den ersten Blick. Genauso wenig zielführend erscheint die Diskussion der Gattungszuordnung, die auf den Minnekasus oder die Ars armandi rekurriert. Neuere kontextorientierte Studien zu Konrads religiösem Leich fehlen, sodass dessen Semantik schlechter erschlossen ist als die des Minneleichs. Auch zu diesem gibt es bislang keine Einzelstudie. Das vielleicht größte Desiderat ist aber eines der Leichforschung insgesamt: Es fehlt an Einsichten in den Formbau von Konrads Leichen, aber auch den der Gattung im Ganzen. Der entscheidende Durchbruch bei der Erforschung der Konradschen Minnelyrik war es, das allgemeine Minnelied als eigenständiges Genre zu begreifen und zu beschreiben. Er befreit Konrad vom Verdacht der Epigonalität (kritisch diskutiert wird dieses Etikett erstmals bei Rupp 1965, 13–17), legt den Grund für eine treffende Einteilung der Minnelieder nach Genres, die ältere Vorschläge wie „Sommerlieder, Winterlieder, Tagelieder“ (Brunner 2003, 507) ablöst, und er liefert einen entscheidenden Hinweis darauf, wo und wie Konrad in die Reihe der Minnesänger einzuordnen ist. Den Begriff ‚allgemeines Minnelied‘ geprägt hat Gert Hübner, und sein Aufsatz von 1994 arbeitet ihn auch detailliert an den Texten aus. Dabei stützt er sich freilich auf ältere Arbeiten, die viele Merkmale des allgemeinen Minnelieds schon benannt haben (Essen 1938, 7–14; Cramer 1977, 93–95; Hoffmann 1989, 189). Auch diejenigen Minnelieder, die sich nicht als allgemeine auffassen lassen, sind inzwischen in ihren jeweiligen Eigenheiten detailliert erfasst, am wenigsten vielleicht noch die Tagelieder. Was die Inhalte von Konrads Minnesang angeht, hat der Natureingang in der jüngeren Forschung die größte Aufmerksamkeit gefunden, allerdings im Rahmen ganz unter-

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schiedlicher übergreifender Ansätze (Huber 2005, 93–94; Philipowski 2011, 110–111; Lauer 2013, 69–73; Eder 2016, 230–235). Insofern wäre es wünschenswert, dass das heterogene Wissen über den Natureingang bei Konrad in einer eigenen Studie gebündelt würde. Gewachsen ist auch das Verständnis von Konrad als Formkünstler – Urteile wie „manieriert“, „Selbstzweck“, „Reimkunst (oder -künstelei“)“ (Hoffmann 1989, 188–189) wurden abgelöst durch differenziertere Beschreibungen, die das neue Verhältnis von Form und Inhalt etwa als „Aufmerksamkeitsverschiebung“ (Braun 2013) konzeptualisieren oder die Montage als Kunstprinzip ernstnehmen und die Faktur der Lieder mit ihrem ganz eigenen Verhältnis von Form und Inhalt zu fassen suchen (Stridde 2013, 218–221). Das letzte Wort zu solch schwierigen Fragen dürfte damit freilich noch nicht gesprochen sein. Die Forschung zu Konrads Sangsprüchen hat so etwas wie Vollständigkeit bislang nur auf dem Felde der Formanalyse erreicht, das Horst Brunner (2002; 2013) und Johannes Rettelbach (1988/1989; 1993) intensiv und kompetent bestellt haben, sodass Konrads Töne und deren Nachleben bei den Meistersängern genau beschrieben sind. Ansonsten ist sie bei einzelnen Texten bzw. einzelnen Fragen stehengeblieben. Von den Texten wurden vor allem die mit Kunstthematik interpretiert, also das Gesangeslob, die Meißner-Polemik und die Lichtenberger-Strophe. Von den Themen wiederum sind Konrads Umgang mit gelehrtem Wissen (Hübner 2015) bzw. der Naturallegorese (Brandt 2007) zum Gegenstand geworden sowie seine Behandlung religiöser Vorstellungen (Miedema 2015). Was hingegen fehlt, ist eine umfassendere Bestimmung des Profils Konrads als Sangspruchdichter. Der Wechsel literaturtheoretischer Paradigmen hat die Erforschung der Konradschen Lyrik eher am Rande erfasst. Zu nennen ist hier vor allem der Versuch Thomas Cramers (1977; pointiert für ein breiteres Publikum 1987) einer sozialgeschichtlichen Interpretation, wonach die Veränderungen, die der Minnesang bei Konrad erfährt, mit dessen städtischem (statt höfischem) Umfeld erklärt werden könnten. Dieses sei sozial heterogen gewesen, und es habe ihm an jenem gemeinsamen Vorverständnis gefehlt, das den Spielcharakter des Minnesangs erst ermöglicht habe, weshalb Konrad diesen ins Didaktische gewendet habe. Diese Erklärung der Eigenheiten der Konradschen Minnelieder mit dem sozialgeschichtlichen Kontext ihres Verfassers hat die Forschung einhellig abgelehnt (Hoffmann 1989, 191; Kokott 1989, 193–196; Hübner 1994, 69, 73–82, 93). Dabei hat sie vor allem auf ältere, ähnlich gestaltete Lieder verwiesen, deren Autoren (Ulrich von Liechtenstein, Walther von der Vogelweide) höfischen Kontexten zugeordnet werden müssen. Außerdem vertrete Konrad in seinen Liedern im Grunde keine anderen Werte als die höfischen, ja er führe Genres wie das Tagelied fort, die diese besonders unmittelbar ausdrücken würden. Schließlich sei auch mit innerliterarischer Variation zu rechnen. Plausibler scheint die Überlegung, die Konradschen Minnelieder seien angesichts ihrer Faktur für ein Kennerpublikum verfertigt (Hübner 1994, 92–93). Was dessen soziale Zusammensetzung angeht, hat Gert Hübner (2015, 77–78) Bischofshöfe wie den Straßburger als Umfeld für diejenigen Sangsprüche ausgemacht, die adelige und gelehrte Positionen zusammenbrächten, während Hartmut Kokott (1989, 218) eher kleinere Adelige als Rezipienten vieler Konradscher Sangsprüche sieht.

Lyrik 

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Neben dem sozial- ist vor allem das mediengeschichtliche Paradigma für die Erforschung der Konrad-Lyrik wichtig geworden. Was das Verhältnis von Mündlichkeit und Schriftlichkeit angeht, hat sich Gert Hübner sowohl die Produktion als auch die Rezeption der Konradschen Lieder nur unter Einbeziehung der Schrift vorstellen mögen (2008, 144). Die formale Komplexität mancher Lieder liefert den Anlass für eine solche Hypothese, ohne dass sich diese aber auf das lyrische Schaffen Konrads insgesamt ausweiten ließe. Außerdem spielen gerade die Reimkunststücke die Klanglichkeit in den Vordergrund, deren Resonanzraum aber der mündliche Vortrag ist (Meyer 1998). Im Blick auf die Sangsprüche ist danach gefragt worden, welche Kommunikationssituation diese entwerfen und wie sie die Sänger- und die Publikumsrollen gestalten (Miedema 2003). Die schriftliche Überlieferung der Sangsprüche hat Nine Miedema (2000) auf mögliche Strophenverbünde hin untersucht. Umfassend ist die Spätüberlieferung der KonradLyrik 1974 durch Günter Mayer und 2002 durch Nine Miedema bearbeitet worden.

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 Manuel Braun

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Lyrik 

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Lyrik 

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 Walker Horsfall und Markus Stock

Walker Horsfall und Markus Stock

5 Die Klage der Kunst 1 Überlieferung

Die Klage der Kunst ist nur in einer Handschrift, dem Hausbuch des Michael de Leone, überliefert (München, UB, 2° Cod. ms. 731, fol. 253v–255v). Die Leone-Handschrift, die wohl zwischen 1345 und 1354 zusammengestellt wurde (Kornrumpf und Völker 1968, 66), enthält eine Vielzahl deutscher und lateinischer Texte, deren Themenspektrum von allegorischen und religiösen Dichtungen, theologischen und naturphilosophischen Abhandlungen, dietetischem Schrifttum bis zu Minneliedern von Walther von der Vogelweide und Reinmar reicht. Die Handschrift enthält neben der → Klage der Kunst mit der → Goldenen Schmiede einen weiteren Text des Dichters und mit dem → Turnier von Nantheiz ein Konrad von der Forschung zugeschriebenes Werk.

2 Ausgaben Die Ausgabe Schröders gilt als maßgeblich, ist allerdings so stark von den Eingriffen des Herausgebers in die Textgestalt geprägt, dass eine Neuausgabe wünschenswert wäre. Die Textherstellung für eine Neuausgabe ist aber keine leichte Aufgabe, denn der überlieferte Text ist an manchen Stellen schwer zu verstehen und die Strophenanordnung folgt gelegentlich sehr vagen Kohärenzen. Während die älteren Ausgaben von Docen (1809) und Hagen (1838) das Gedicht in der Strophenreihenfolge der Handschrift boten, ist die Strophenreihung seit der Ausgabe von Joseph (1885) gegenüber der Handschrift leicht verändert (so auch in der Ausgabe von Schröder 1926). Eine Überprüfung der Argumente für diese Änderung ist überfällig (s.  u., Abschnitt 7).

3 Autorschaftsfragen; Inhalt Als Autor wird Konrad von Würzburg in der Klage der Kunst selbst nicht ausdrücklich identifiziert; der Text nennt lediglich einen Cuonzen als (intradiegetischen) Autor (31, 7; Zählung der Strophen hier und im Weiteren nach Schröder; zur problematischen Umordnung der Strophen bei Joseph und Schröder s.  u., Abschnitt 7). Die Handschrift aber identifizert diesen Cuonze eindeutig: diz ist meister Conrades von wirtzburg getichte von unmiltickeit gein knstrchen leuten (253v). Forschungsgeschichtlich war es Josephs Dissertation von 1885, die aufgrund deutlicher Ähnlichkeiten des Inhalts, der Form, des Stils und der literarischen Ausdrucksmittel mit Konrads anderen Werken die Annahme seiner Autorschaft soweit verfestigte, dass sie seitdem als gesichert gilt. https://doi.org/10.1515/9783110373561-005



Die Klage der Kunst 

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Kuonze dâ von Würzeburc findet sich zudem als Autorname auch in Konrads Minneleich (LdM C KonrW 2, V. 122; → Lyrik). Die Datierung der Klage der Kunst ist unsicher. Die Vermutung einer Entstehungszeit „um 1270“ (Linden 2019, 272; s.  a. Dobozy 1995, 39) beruht ausschließlich auf einer hypothetischen stilistischen Einordnung des Werks im Kontext anderer Dichtungen des Autors und ist daher mit großer Vorsicht zu behandeln (vgl. etwa Brunner 2008, 176, der eine chronologische Einordnung als nicht möglich erachtet und allenfalls eine frühere Datierung erwägt). Keinesfalls kann man sie in der ohnehin unsicheren Chronologie der Werke Konrads (→ Konrad von Würzburg: Leben – Kontakte – Werk) schlüssig erweisen. Die Klage der Kunst ist eine allegorische Vision, in welcher ein Dichter namens Kuonze, der auf Konrad selbst hin „durchsichtig“ ist (Linden 2019, 286), Augenzeuge einer Gerichtsverhandlung wird. Die rätselhafte Dame Wildekeit führt ihn zu einem locus amoenus im Wald, wo er einer Schöffengerichtsverhandlung beiwohnt, in der zwölf personifizierte Tugenden (mit der Gerechtigkeit als Richterin) eine von der personifizierten Kunst (nhd. „Kunst; Können“) vorgetragene Klage gegen die Milte (nhd. „Freigebigkeit“) verhandeln. Die Milte steht als Personifikation der Großzügigkeit auch für die Kunstförderung durch Gönner. Die Verhandlung ist also allegorisch: Die verarmte Kunst führt Klage gegen die Milte, deren Gefolgsleute falsche Kunst fördern. Die Tugend-Personifikationen stehen dem Sachverhalt explizit oder andeutungsweise parteilich gegenüber: Bescheidenheit, Scham, und Ere ergreifen das Wort für die Kunst, während die anderen – Warheit, Erbarmeherzekeit, Triuwe, Stæte, Guote, Maze, Zuht und Minne – nicht als Einzelne sprechen, aber als Gruppe bekräftigen, dass Milte eine Bestrafung verdient (27, 5–8). Nachdem die Kunst die Milte beschuldigt, ihre Gefolgsleute dazu verleitet zu haben, falsche Kunst zu fördern, ruft die Gerechtigkeit die Milte dazu auf, sich zu rechtfertigen. Die Milte behauptet nüchtern, dass sie niemals der Kunst Güter vorenthalten würde: mîn hant diu nimt ir guoten war, / sie gît ir unde lîhet (20, 7–8). Die Kunst antwortet, dass dies früher zugetroffen habe, heute aber nicht mehr. Sie bittet um Gerechtigkeit, was alle Tugenden unterstützen. Nach der Strophenordnung der Handschrift spricht die Bescheidenheit dann ein Urteil, das alle anderen Tugenden auffordert, lautstark das schändliche Verhalten der Milte zu kritisieren und den Gefolgsleuten der Milte Leid zuzufügen. Scham und Ere versprechen, die Gefolgsleute der Milte zu ignorieren, damit sie ihren Lastern zum Opfer fallen und ihren Ruf verlieren. Die Gerechtigkeit fordert am Ende die Bescheidenheit auf, eine nach ihrer Meinung angemessene Bestrafung zu nennen, und diese schlägt vor, dass jeder, der für falsche Kunst wirbt, die smæhe drô der Minne (26, 5) erhalten soll, damit er nie wieder Erfolg in der Liebe hat. Am Ende wird die Milte getadelt und verwarnt, und die Gerechtigkeit droht den sich falsch verhaltenden Gefolgsleuten der Milte als Strafe Glücksentzug an (swer rehte kunst niht triute, / minne und aller fröuden frî; / im fremden hie die liute; 31, 4–6). Sie fordert den Beobachter auf, der nun mit dem Namen Kuonze auch als Konrad identifiziert wird, das Urteil in die Welt zurückzutragen. Wird so auch eine Rahmenschließung angedeutet, so ist sie aber nicht im Text selbst ausgeführt. Das Gedicht endet damit, dass Kuonze/Konrad erklärt, dass er sich zu diesem Zeitpunkt wieder auf den Weg durch

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den Wald gemacht hat und beauftragt wurde, dieses Urteil den rîchen herren (32, 5) zu übermitteln und der Welt zu verkünden daz im diu sælde sprichet mat / swem kunst ist wandelbære (32, 7–8).

4 Quellen und Gattungszusammenhang Direkte Quellen der Klage der Kunst sind nicht bekannt. Auch wenn es im 13. Jahrhundert die Verbindung von Allegorie und Prozesshandlung als literarisches Ausdrucksmittel bereits gab (Glier 1971; Brandt 1988/1989), liegt die Besonderheit der Klage der Kunst darin, dass sie einer der frühesten Belege einer für sich selbst stehenden Personifikationsallegorie in der deutschsprachigen Literatur ist (Blank 1970; Brandt 1988/1989). Nicht zuletzt aufgrund dieser fehlenden generischen Tradition in der Volkssprache, auf die sich die Klage der Kunst beziehen könnte, ist ihre Charakterisierung als „experimentelle Form, die nur locker an bestehende Traditionen anknüpft“ (Linden 2019, 298) und letztlich „außerhalb etablierter Formtypen“ (Brunner 2008, 183) bleibt, gerechtfertigt. Über die Allegorie mit Spaziergangseinleitung kann eine Verbindung zum Genre der Minnereden hergestellt werden, die allerdings erst nach Konrad breiter belegt sind. Ähnlichkeiten zu Konrads Klage der Kunst treten besonders in Minnegerichtsdichtungen auf (Glier 1971, 199–201), die aber erst im 14. Jahrhundert überliefert sind (Klingner und Lieb 2013, B 452–453, B 455–456, B 458–466). Die Minne vor Gericht (Klingner und Lieb 2013, B 453, Bd. 1, S. 798–800) von Peter Suchenwirt (gest. 1395) etwa hat ebenfalls eine Spazier­ gangs­einleitung und eine Gerichtsverhandlung an amönem Ort. Hier tritt Frau Minne vor einem Gericht auf. Zum Personal gehören ebenfalls die Gerechtigkeit als Richterin und andere auch bei Konrad auftauchende Tugenden als Zeuginnen. Frau Minne beklagt hier die Treulosigkeit der Menschen. Eine weitere Parallele ist der Handlungsort, ein auf einem Anger aufgestelltes Gerichtszelt. Auch in anderen Minnegerichtstexten (siehe die o.  g. Texte bei Klingner und Lieb 2013) nehmen Tugenden Schöffinnen- oder Zeuginnenrollen ein.

5 Forschungsgeschichte Bis zu den Vorstößen von Philipowski (2017 und 2021) und Linden (2019) hat die Klage der Kunst im Vergleich zu anderen Werken Konrads wenig literaturwissenschaftliche Aufmerksamkeit auf sich gezogen (ältere Forschung diskutiert bei Brandt 1987, 92–97; s.  a. Brandt 1999 und 2009). Die Forschungsbeiträge konzentrierten sich auf Gattungsfragen, den innovativen Charakter der Personifikationsallegorie und die literaturgeschichtlich „vorwärts weisende Bedeutung“ (Wolff 1959, 73) des Textes, auf das in der Klage der Kunst zentrale Thema der gesellschaftlichen Stellung von ‚guter‘ Kunst und ihrer Abhängigkeit vom richtigen Kunsturteil der Mäzene sowie insgesamt auf die dargestellte allegorische



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Gerichtsverhandlung und ihr Verhältnis zu historischen Rechtspraktiken. Mit ihren achtzeiligen kreuzgereimten Strophen steht die Klage der Kunst formal Konrads Lyrik näher als seinen epischen Werken. Auch über die Hauptthemen milte und Kunstförderung besteht eine Verbindung zu Konrads Lyrik (besonders LdM C KonrW 105 und 106) und zur Sangspruchdichtung allgemein (Brandt 1988/1989, 153; zu Konrads Strophen s. den Kommentar von Seidl [2019] zu diesen Strophen; dort weitere Literatur). Vergleichende Einordnungen in lateinische und romanische Traditionen (Seemüller 1890; Glier 1971, 66 und 201; Brandt 1988/1989; Dobozy 1995) zeigen, dass Konrads Text bei allen innovativen Merkmalen gleichzeitig auf gewisse Konventionen in europäischen Literaturen, besonders auf das verbreitete Handlungsschema der Gerichtsallegorie zurückgreifen konnte. Die Klage der Kunst verbindet das in der Spruchdichtung übliche Thema der Klage über mangelnde Freigebigkeit gegenüber Künstlern mit einem qualitativen Argument: Die Personifikation der Kunst ist nicht deswegen so heruntergekommen und verarmt, weil die Kunst insgesamt nicht gefördert wird, sondern weil potentielle Gönner nicht die wahre, sondern die falsche fördern: „Das Resümee der Klage ist eine Aufforderung an die hohen Herren zur rechten Wertung echter Kunst. Andernfalls treffe sie der Fluch der Frau Saelde“ (Blank 1970, 69). Demensprechend herrscht über die hauptsächliche Zielrichtung des Gedichts der Konsens, „dass es nicht um mangelnde, sondern um falsche milte geht“ (Brandt 1988/1989, 153). Eine Nachwirkung der Klage der Kunst wurde für Suchenwirts Minnerede Die Minne vor Gericht (Glier 1971, 201) und für Der Minne Schlaf (Achnitz 2002) erwogen; ob dies allerdings mehr als generische Anklänge sind, bedürfte wegen der weiten Verbreitung von Gerichts- und verwandten Allegorien im 14. Jahrhundert auf der Grundlage des bei Klingner und Lieb dokumentierten Materials (s.  o., Abschnitt 4) einer erneuten Überprüfung. Inhaltlich wurden das Verhältnis zwischen der nur angedeuteten Rahmenwelt und dem allegorischen Anderraum (Dobozy 1995) sowie die Rolle der schemenhaft bleibenden Frouwe Wildekeit als Vermittlerin zwischen diesen Räumen (Brandt 1987, 95–96) diskutiert, ohne dass aber Einigkeit über diese diffuse und einzigartige Personifikation erreicht worden wäre: Ist sie lediglich eine Spielart der Frouwe Aventiure, wie sie auch bei Wolfram von Eschenbach als allegorische Figur vorkommt? Oder ist sie darüber hinaus Personifikation eines „Erzählprinzips“ (Monecke 1968), „Verkörperung der dichterischen Imagination“ (Linden 2019, 277) oder sogar Personifikation des Außergewöhnlichen von Konrads Dichtung selbst (→ Konrads Ästhetik, S. 33) Doch nicht nur die Personifikationen der Wildekeit und der Kunst sowie die Diskussion von Mäzenatentum unterstreichen den Status des allegorischen Gedichts als Kunstreflexion, sondern auch die Beobachterrolle des Ich-Erzählers, der sich am Ende als Kuonze und damit als Dichter selbst identifiziert und als vermittelnder Bote zurückkehren soll: So führt die Klage der Kunst Kunstfertigkeit, Kunstreflexion und Reflexion auf Kunstvermittlung vor. Neben alledem wurde auch immer das selbstreflexive Potenzial einschließlich der Möglichkeit diskutiert, die Klage der Kunst als Eigenwerbung für den Dichter und die Dichtkunst zu lesen. Dobozy (1995) stellt heraus, dass die Klage der Kunst auf verschiedene Weise dazu beiträgt, Konrads Ruf zu verbessern, was in einer Welt des scharfen

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Wettbewerbs um Mäzenatentum nötig war, um sich von anderen Dichtern zu unterscheiden. Zum einen adelt die Klage der Kunst Konrad selbst, indem seine Persona zum Gerichtsboten der Tugenden ernannt wird, was impliziert, dass ihm diese Position für seine Kunstfertigkeit verliehen wurde. Darüber hinaus ist die Klage der Kunst selbst ein Muster ästhetischer Exzellenz, das dem Publikum ebenjene gute Kunst vorführt, die und deren Schöpfer es schätzen und belohnen soll. Die den Text abschließende Identifizierung von Konrad als Zeugen, Boten und Verfasser des Textes verstärkt die soziale Rolle des Dichters als Lehrer. Konrad stuft sich damit selbst als einen wesentlichen Bestandteil des moralischen und kulturellen Lebens ein, der ausreichender finanzieller Unterstützung würdig ist.

6 Interpretationsansätze und neue methodische Zugänge Nachdem die Forschung zur Klage der Kunst lange Zeit „erstaunlich überschaubar“ (Linden 2019, 271 Anm. 1) geblieben ist, hat das Interesse seit 2017 zugenommen. Offen bleibt weiter die Interpretation der polyvalenten und faszinierenden Personifikation der Wildekeit (Stock 2018, 347–349; Linden 2019, 275–277; Philipowski 2021, 67–71), die für den Erzählanfang und -anlass wichtig ist, im Verlauf der Handlung aber verschwindet. Stock stellt die unübliche Personifikation der Frouwe Wildekeit in den Kontext der transformativen Bedeutungsnuancen, die wilde und verwandte Wörter in der Literatur des 13. Jahrhunderts erhalten. In ihrer alleinigen Funktion, das Ich zur Sondererkenntnis in einen allegorischen Anderraum zu führen, könnte die Wildekeit geradezu Personifikation eines allegorischen Verfahrens selbst und der mit ihr einhergehenden Erkenntnisleistung, vielleicht sogar „die Personifikation der Personifikation“ (Stock 2018, 348) sein. Das Verhältnis von Allegorie, Autorschaft und Kunstreflexion steht in den wichtigen Beiträgen von Philipowski (2017 und 2021) und Linden (2019) im Zentrum. Diese sind hauptsächlich der Klage der Kunst gewidmet. Philipowski stellt dabei methodologische Überlegungen zur Sinnkonstitution und Poetologie der Klage der Kunst an, die ihre „Bedeutung maßgeblich in der Verknüpfung zwischen erlebendem Ich, Allegorizität und Autorschaft entwickelt“ (2017, 384; ähnlich 2021). Philipowski (2017) konzentriert sich vor allem auf den narratologischen Aspekt des Gedichts und beobachtet die Überschneidung von Wissen, Erfahrung und Erzählung, wobei der Ich-Erzähler seine allegorische ‚Erfahrung‘ mitteilt. Diese ist jedoch „nicht individuell oder subjektiv, sondern abstrakt und exemplarisch, überzeitlich gültig und wahr“ (395). In der Klage der Kunst greifen die Zeitebenen des Erzählens ineinander: Das Erlebte wird im Präteritum erzählt, ist gegenwärtig im Vorgang des Erzählens und zukünftig im Auftrag der Richterin an Dichter, ihren Richtspruch den rîchen herren (32, 5) der Welt mitzuteilen (Philipowski 2017, 395). Die für Konrad nicht ungewöhnliche



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Selbstnennung des Autors im Gedicht sowie die Einfügung des Autors in die Erzählung tragen dazu bei, den Anspruch auf Geltung und Autorität durch die Kombination von erklärter Erfahrung und nachgewiesener poetischer Meisterschaft zu steigern. Das erzählende Ich erfüllt so eine universalisierende Funktion und leitet davon seine Autorität ab. Das hier inszenierte „Stellvertretertum ist meisterhaft, so dass es verdient, mit dem Namen des Autors und dem Schmuck der Allegorizität ausgezeichnet zu werden“ (400). In einem weiteren Aufsatz (2021) stellt Philipowski erneut die Besonderheit des Textes als frühes Beispiel in der höfischen Literatur heraus, in dem Erzählen in der ersten Person und Allegorizität verbunden werden und stellt die Klage der Kunst in den breiteren Kontext von mittelalterlichen allegorischen Erzähltexten in der ersten Person. Auch Linden (2019) fragt nach dem Verhältnis von Personifikation und Kunstreflexion, das sie in einem close reading untersucht. Linden stellt fest, dass im Gegensatz zu der Auffassung von Kunst als etwas, das frei von äußeren Bedingungen sein sollte (wie Konrad im Prolog von → Partonopier und Meliur erklärt), die Klage der Kunst die pragmatischen und wirtschaftlichen Aspekte der Kunstproduktion hervorhebt. Die Forderung nach einer angemessenen Vergütung für rehte Kunst geht einher mit der Behauptung, dass rehte Kunst im höfischen Leben in Fragen der Liebe und des Ansehens zum Erfolg führen kann: „Kunst wird damit dezidiert nicht als autonome und bezugsfreie Größe in einem eigenen Existenzbereich betrachtet, sondern in ihrem sozialen Kontext gezeigt“ (Linden 2019, 296). In diesem Sinne fördert die Personifikation die Diskussion um die Bedingungen und Bedeutung von sachgemäßem Gönnertum. Die Relevanz für die Rezipientenwelt wird offenbar, wenn Cuonze, „der auf den Autor Konrad von Würzburg durchsichtig wird“ (286), beauftragt wird, diese Evaluation weiter zu verbreiten. Linden liest die Klage der Kunst so als einen „Entwurf einer gegenseitigen Abhängigkeit“ (286) im Text, wobei die Tugenden sowohl das menschliche Leben leiten als auch vom menschlichen Verhalten beeinflusst werden: Cuonzes Verbreitung des Urteils führt nicht nur sein Publikum und seine Gönner zu ethisch veredeltem Denken und Handeln, sondern stärkt gleichzeitig die Kunst und die sie unterstützenden Tugenden. So kann Konrads Text, wie man im Anschluss an Linden sagen könnte, die Kunst gleichsam re-idealisieren.

7 Offene Forschungsfragen und Desiderata Wie oben erwähnt, wäre eine neue Edition der Klage der Kunst wünschenswert, in der die Probleme im Zusammenhang mit der Strophenordnung neu bewertet und editorisch gelöst werden sollten. Die Ausgaben von Joseph und Schröder setzen die Strophen 26–28 im Hausbuch des Michael de Leone vor die Strophen 23–25. Zudem nehmen Joseph und mit ihm Schröder eine Fehlstrophe (‚23‘) an. Zu prüfen wäre, ob die Klage der Kunst in der Strophenordnung der einzigen Handschrift nicht doch ausreichende Kohärenz aufweist und Neuanordnungen sowie die Annahme eines Strophenausfalls überflüssig

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sind. Der editorische Eingriff in die Strophenfolge aufgrund von (neuzeitlichen?) narrativen Kohärenzkriterien unterschätzt vielleicht auch die generische Nähe des Textes zur Sangspruchdichtung, der die Klage der Kunst formal (als strophisches Kunstwerk) und inhaltlich verwandt ist. Die Strophenform und der mit ihr vielleicht verbundene Gesangsvortrag (Arlt 1987, 76) öffnen den Interpretationsraum hin zur gesungenen Lyrik. Auch die gelegentlich unklaren Sprecherzuweisungen und der andeutende, sich Erläuterungen oft sparende Stil der Klage der Kunst könnten mit der elliptischen Qualität der Sangspruchstilistik in Verbindung gebracht werden. Insgesamt wäre es wohl gewinnbringend, die sprachliche Sinnstiftung in der Klage der Kunst mit Sinnstiftungsverfahren in der Sangspruchdichtung (dazu Philipowski 2021, 59–62) sowie mit der dichten Lyrizität der → Goldenen Schmiede zu vergleichen. So wäre also aufgrund des innovativen literarischen Charakters der Klage der Kunst weiterhin zu klären, ob der Text einen alternativen Kohärenztypus aufweist, der nicht oder nicht nur mit den Kohärenzkriterien von Konrads erzählenden Texten, sondern mit denen seiner Lyrik in Verbindung stehen könnte. Eine solche Untersuchung wurde noch nicht durchgeführt, könnte sich aber als fruchtbar erweisen. Die ebenso innovative wie bemerkenswerte Integration von Rechtsdiskursen und die Darstellung von Rechtspraktiken erfordern ebenfalls eine eingehendere Überprüfung. Dabei geht es nicht nur darum, die Breite und Spezifität von Konrads Rechtskenntnissen nochmals zu klären, sondern auch um die Bedeutung der rechtlichen Dimension für Kernaussagen des Textes, besonders um das Verhältnis von Kunst/Kunstfertigkeit, Gerechtigkeit und der Interdependenz von Kunstschaffenden und Publikum. So könnte, auf Linden (2019) aufbauend, die Klage der Kunst noch energischer als Beitrag über die Ethik der Kunstproduktion und -rezeption gelesen werden, letztlich als Beitrag zur Ethik der Kunst selbst. Diese beiden wichtigen Themen  – die Integration von Rechtsdiskursen und die Frage nach der Textkohärenz in der überlieferten Fassung – ließen sich wahrscheinlich auch in engem Zusammenhang neu beleuchten: als eine Frage der imaginierten Prozessordnung in der Klage gegen die Milte. Denn der von Joseph so edierte und von Schröder akzeptierte umgeordnete Text modelliert eine bestimmte (durchaus mögliche) Prozessordnung, während der überlieferte Text eine andere mögliche Prozessordnung imaginiert, die allerdings für sich beanspruchen kann, in wie auch immer freier künstlerischer Bearbeitung durch Konrad historisch belegt zu sein. Eine Rückkehr zur Handschrift scheint also nicht nur aus philologischen Erwägungen, sondern auch in Rücksicht auf eine erneute Lektüre der in der Klage der Kunst modellierten kulturellen und juristischen Praktiken geboten. Ein weiteres signifikantes Desiderat ist die erweiterte komparative Kontextualisierung der Klage der Kunst im Zusammenhang der europäischen (besonders der lateinischen) Personifikationsallegorien (Philipowski 2017 und 2021, 62–67). Zentrale Tropen  – wie etwa die Beobachter- und Zeugenrolle des intradiegetischen Dichters oder die Verwendung von Personifikationen als Hauptfiguren  – könnten auf einen wesentlicheren Einfluss der lateinischen allegorischen Tradition hindeuten. Zum Bei-



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spiel weist die philosophische Schöpfungsallegorie der Cosmographia von Bernardus Silvestris (12. Jahrhundert) metatextuelle Strukturparallelen zur Klage der Kunst auf: Das im Text von Physis für die Erschaffung der Menschheit verwendete „Buch der Erinnerung“ entspricht der Cosmographia selbst, da beide Bücher die Grundlagen des Universums aufdecken, einschließlich der Ordnung der Elemente, der Flora, der Fauna usw. (vgl. Finckh 1999, 152). Auf unterschiedliche Weise, aber mit ähnlichem Grundgestus repräsentieren die Klage der Kunst und die Cosmographia also das, was sie beschreiben (ob rehte Kunst oder auferlegte Ordnung). Konrad selbst verbindet Kunst und Genese in einer anderen Spruchstrophe, wenn er behauptet, edel sanc […] sich von nihte breitet unde mêret (LdM C KonrW 114, V. 1–2; vgl. Kiening 2015, 27; Schnyder 2014, 166–167). Ist es möglich, die Klage der Kunst nicht nur als ihre eigene Entstehungsgeschichte, sondern als ihren eigenen Schöpfungsmythos oder sogar als eine narrative Allegorie für den Ursprung der Kunst selbst zu verstehen, die sich wie die Cosmographia von chaotischer wildekeit zu geordneter fabrica bewegt? Eine solche Möglichkeit würde wichtige Fragen zur Gattungsbestimmung des Textes aufwerfen, deren Beantwortung aber einen vollständigeren Vergleich mit der breiteren hochmittelalterlichen allegorischen Tradition erforderte.

8 Bibliographie Textausgaben „Konrads von Würzburg Klage der Kunst“. Hg. Bernhard Joseph Docen. Museum für altdeutsche Literatur und Kunst I (1809): 62–72. von der Hagen, Friedrich Heinrich (Hg.), Minnesinger. Deutsche Liederdichter des zwölften, dreizehnten und vierzehnten Jahrhunderts aus allen bekannten Handschriften und früheren Drucken gesammelt und berichtigt; mit der Lesart derselben, Geschichte des Lebens der Dichter und ihrer Werke, Sangweisen der Lieder, Reimverzeichnis der Anfänge, und Abbildungen sämmtlicher Handschriften. Bd. 3.1. Leipzig: Barth, 1838. Nachdruck Aalen: Otto Zeller Verlagsbuchhandlung, 1963, 334–337. Joseph, Eugen, Konrads von Würzburg Klage der Kunst. Straßburg: K. J. Trübner, 1885, 76–83. Konrad von Würzburg, „,Der Welt Lohn‘ und ‚Klage der Kunst‘“. The German Classics. From the Fourth to the Nineteenth Century. Hg. F. Max Müller. Bd. 1. Oxford: Clarendon Press, 1886, 259–273 (Klage der Kunst 269–273 nach der Ausgabe von Joseph). Konrad von Würzburg, Kleinere Dichtungen III. Die Klage der Kunst. Leiche, Lieder, Sprüche. Hg. Edward Schröder. Berlin: Weidmann, 1926. 2. Aufl. Berlin: Weidmann, 1959. 3. Aufl. Dublin und Zürich: Weidmann, 1967. 4. Aufl. Dublin und Zürich: Weidmann, 1970. (ab der 2. Aufl. mit einem Nachw. von Ludwig Wolff). de Boor, Helmut (Hg.), Die deutsche Literatur. Texte und Zeugnisse, Bd. I: Mittelalter. München: C.H. Beck, 1965, Teilbd. 1, 663–666 (nach der Ausgabe von Schröder). Konrad von Würzburg, Der Schwanritter. Deutsche Verserzählungen des 13. und 14. Jahrhunderts. Hg. Hans Joachim Gernentz. Berlin: Rütten & Loening, 1979 (Klage der Kunst 31–47 nach der Ausgabe von Schröder mit neuhochdeutscher Übersetzung).

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 Walker Horsfall und Markus Stock

Forschungsliteratur Achnitz, Wolfgang, „Die schlafende Minne. Die Rezeption der Kunstauffassung Konrads von Würzburg bei Peter Suchenwirt“. Euphorion 96 (2002): 349–368. Arlt, Wulf, „Konrad von Würzburg und die Musik“. Das ritterliche Basel: Zum 700. Todestag Konrads von Würzburg. Hg. Christian Schmid-Cadalbert. Basel: Öffentliche Basler Denkmalpflege, 1987, 73–82. Brandt, Rüdiger, Konrad von Würzburg. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1987. Brandt, Rüdiger, „Ein Kunstplädoyer als ‚Botenbericht‘. Allegorie, Kunst und ‚milte‘-Thematik in Konrads von Würzburg ‚Die Klage der Kunst‘“. Jahrbuch der Oswald von Wolkenstein-Gesellschaft 5 (1988/1989): 147–156.  Brandt, Rüdiger, „Literatur zu Konrad von Würzburg 1987–1996“. Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen 236 (1999): 344–369. Brandt, Rüdiger, „Literatur zu Konrad von Würzburg 1996–2008“. Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen. 246 (2009): 300–330. Brunner, Horst, „Konrad von Würzburg – Versuch eines Porträts“. Annäherungen. Studien zur deutschen Literatur des Mittelalters und der Frühen Neuzeit. Von Horst Brunner. Berlin: Erich Schmidt, 2008, 173–184. Dobozy, Maria, „Poetry and Penury in Konrad von Würzburg and Guiraut Riquier“. Romance Languages Annual 7 (1995): 39–43. Finckh, Ruth, Minor Mundus Homo. Studien zur Mikrokosmos-Idee in der mittelalterlichen Literatur. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1999. Glier, Ingeborg, Artes Amandi. Untersuchung zu Geschichte, Überlieferung und Typologie der deutschen Minnereden. München: C.H. Beck, 1971. Joseph, Eugen, Konrads von Würzburg Klage der Kunst. Straßburg: K. J. Trübner, 1885. Kiening, Christian, Literarische Schöpfung im Mittelalter. Göttingen: Wallstein, 2015. Klingner, Jacob, und Ludger Lieb, Handbuch Minnereden. 2 Bde. Berlin und Boston: De Gruyter, 2013. Kokott, Hartmut, Konrad von Würzburg. Ein Autor zwischen Auftrag und Astronomie. Konturen eines neuen Konrad von Würzburg-Bildes. Stuttgart: S. Hirzel, 1989. Kornrumpf, Gisela, und Paul-Gerhard Völker, Die deutschen mittelalterlichen Handschriften der Universitätsbibliothek München. Wiesbaden: Harrassowitz, 1968. Linden, Sandra, „Frau Kunst vor Gericht. Die Personifikation als Mittel ästhetischer Reflexion in Konrads von Würzburg ‚Klage der Kunst‘“. Ästhetische Reflexionsfiguren in der Vormoderne. Hg. Annette Gerok-Reiter, Anja Wolkenhauer, Jörg Robert und Stefanie Gropper. Heidelberg: Winter, 2019, 271–301. Monecke, Wolfgang, Studien zur epischen Technik Konrads von Würzburg. Das Erzählprinzip der wildekeit. Stuttgart: Metzler, 1968. Philipowski, Katharina, „Exemplarik und Erfahrung in allegorischen Ich-Erzählungen (am Beispiel von Konrads von Würzburg ‚Klage der Kunst‘)“. Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 139.3 (2017): 377–410. Philipowski, Katharina, „Konrads ‚Klage der Kunst‘ im Kontext von Sangspruchdichtung und allegorischem Ich-Erzählen“. Konrad von Würzburg als Erzähler. BmE-Themenheft 10. Hg. Norbert Kössinger und Astrid Lembke. München und Oldenburg: BIS-Verlag, 2021, 57–79. Schnyder, Mireille, „Heidnisches Können in christlicher Kunst“. Literarische Säkularisierung im Mittelalter. Hg. Susanne Köbele und Bruno Quast. Berlin und Boston: De Gruyter, 2014, 159–174. Seemüller, Josef, „Zu Konrads Klage der Kunst“. Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 34 (1890): 223–228. Seidl, Stefanie: „Kommentar“. Konrad von Würzburg. Hg. Manuel Braun und Stefanie Seidl. Veröffentlicht seit 1.1.2019. Lyrik des deutschen Mittelalters, online. Hg. Manuel Braun, Sonja Glauch und Florian Kragl. http://www.ldm-digital.de/autoren.php?au=KonrW.



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Stock, Markus, „wilde, wilder muot, wildekeit. Bildgebende Verfahren und wilde-Metaphorik im Minnesang“. Wolfram-Studien XXV. wildekeit. Spielräume literarischer obscuritas im Mittelalter. Zürcher Kolloquium 2016. Hg. Susanne Köbele und Julia Frick, in Verbindung mit Ricarda Bauschke-Hartung und Franz-Josef Holznagel. Berlin: Erich Schmidt, 2018, 343–373. Wolff, Ludwig, „Nachwort“. Konrad von Würzburg, Kleinere Dichtungen III. Die Klage der Kunst. Leiche, Lieder, Sprüche. Hg. Edward Schröder. 2. Aufl. Berlin: Weidmann, 1959, 72–74.

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Sabrina Keim

6 Die Goldene Schmiede 1 Überlieferung/Überlieferungsgeschichte Die Überlieferung der Goldenen Schmiede Konrads von Würzburg ist ebenso reich wie komplex. Eine erste Zusammenstellung der Handschriften findet sich bei Karl Bertau (1983; 1999, 131) und Peter Knecht (1984, 4–25) sowie darauf aufbauend und diese zugleich ergänzend im Eintrag zur Goldenen Schmiede im Handschriftencensus (Informationen zu den einzelnen unten diskutierten Handschriften sind dort verlinkt). Bekannt sind derzeit 37 erhaltene und auffindbare Textzeugen (nicht erhalten oder verschollen und daher nicht eingerechnet sind hier N, U, V sowie die sogenannte Neidensteiner Handschrift; möglicherweise hat V sogar nie existiert). Dabei zeigen erst jüngst entdeckte Fragmente – das im Dezember 2015 von Daniel Könitz identifizierte Koblenzer Fragment (Koblenz, Landeshauptarchiv. Best. 49 A Nr. 7196, Einband; Handschriftencensus) und das im Juli 2019 ebenfalls von ihm identifizierte Kopenhagener Fragment (Königl. Bibl., Fragm. 3226–3229, Handschriftencensus), dass weitere Neufunde noch immer möglich sind. Vollständig – obgleich mit variierendem Versbestand – tradiert ist Konrads Marienlob in sieben Pergamenthandschriften aus dem 14. Jahrhundert sowie 13 Papierhandschriften (vorwiegend) aus dem 15. Jahrhundert (nicht eingerechnet ist hier h sowie eine Abschrift Docens von insgesamt 900 Versen aus n, welche aus dem 19. Jahrhundert stammt; Bertau 1983, 124, Knecht 1984, 20). Hinzu treten darüber hinaus zahlreiche Fragmente. Eine Besonderheit der Überlieferung stellt eine in den Handschriften X und p (Den Haag/’s-Gravenhage, Königl. Bibl., Cod. 71 H 64; Brüssel, Königl. Bibl., ms. 21953) tradierte mittelniederländische Teilbearbeitung der Goldenen Schmiede in Prosa dar (Moschall 1983, 74–80). Außerdem finden sich in einer Reihe von Papierhandschriften des späten 14. sowie 15. Jahrhunderts (a und o, c, d, e, m und s, n, u) ‚Fortsetzungen‘ oder ‚Erweiterungen‘ (Bertau 1999, 118–119; Knecht 1984, 218–227) des Konradschen Marienlobes, deren Umfang zwischen etwa 129 und 157 Versen variiert (kürzere Fassungen in a und o, c, d, e; längere Fassungen in m und s, n, u), wobei lediglich Teile der jeweiligen Erweiterungsstufen miteinander übereinstimmen (Knecht 1984, 218–219). Evident wird hier vor allem die Variabilität des überlieferten Textes – insbesondere im Hinblick auf seine Schlusspassage. Im Gesamten lässt sich festhalten, dass der „Text allenthalben von ungleichem Umfang, mit Zusätzen, Fortsetzungen, Auslassungen, aber auch planvollen Kürzungen“ (Bertau 1999, 113) tradiert ist. Was die räumliche Verbreitung der Handschriften anbelangt, so bietet erneut Bertau eine hilfreiche Zusammenschau sowie entsprechendes Kartenmaterial (1999, 132–140). Er resümiert diesbezüglich:

https://doi.org/10.1515/9783110373561-006

Die Goldene Schmiede 

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Auf der Karte zeichnen sich wohl die großen Verkehrsstraßen ab, die Rhein-Achse vom Bodensee bis in die Niederlande: D-G-a-L-c-P-O-Q-T-pX; der Weg über Augsburg zum Brenner: L-B-g-o-J-d-e; die Straße von Trier nach Prag: P-L-H-S-snu-AC-w und weiter nach Schlesien: U-Z-f, mit Abzweigen nach Deutsch-Ordens-Preußen: N, nach Südböhmen-Niederösterreich-Wien: F-K-b. (Bertau 1999, 114)

Einen Schwerpunkt der Überlieferung wird man sicherlich im oberdeutschen bzw. insbesondere im bairisch-österreichischen (weniger jedoch im alemannischen) sowie im mitteldeutschen Sprachgebiet festlegen können. Eine davon abweichende Besonderheit stellt neben der mittelniederländischen Teilbearbeitung (in p und X) z.  B. die 1342 in Rostock fertiggestellte Handschrift R (Bremen, SUB, msa 0030–02) in mittelniederdeutscher bzw. nordniedersächsischer Sprache dar (Schmidt-Wiegand 1991, 30–31; Bertau 1983, 120; Knecht 1984, 13), die neben Konrads Marienlob unter anderem den Sachsen­ spiegel des Eike von Repgow enthält; auch das Münsterer Fragment M weist „Kennzeichen des westlichen Mittelniederdeutschen“ (Seelbach 1995, 309) auf. Obgleich es Einzelüberlieferungen der Goldenen Schmiede wie z.  B. die Gothaer Pergamenthandschrift B (Gotha, FB, Cod. Memb. II 38) gibt, ist sie zumeist in Sammelhandschriften und „in der Regel als Zutat“ (Bertau 1999, 114) tradiert. Im Folgenden soll diesbezüglich zumindest ein erster (wenngleich freilich unvollständiger) Eindruck vermittelt werden. So enthalten etwa die frühen miteinander verwandten Pergamenthandschriften, d.  h. der Kalocsaer Kodex A (heute: Cologny-Genf, Bibl. Bodmeriana, Cod. Bodm. 72) und der Heidelberger Kodex C (Heidelberg, UB, Cpg 341), neben umfangreichen Mären-Korpora auch mehrere dezidiert geistliche Texte wie z.  B. den Leich Walthers von der Vogelweide, jenen Reinmars von Zweter, Mariengrüße, eine Marienklage, Auszüge aus dem Passional, die moraldidaktische Reimpaardichtung Der Seele Kranz oder die eschatologische Reimpaardichtung Vom Jüngsten Tage (Bertau 1999, 114–115). Im Hinblick auf den Wiener Kodex F (Wien, ÖNB, Cod. 2677), der möglicherweise aus A abgeschrieben ist, überlegt Bertau, ob damit eventuell eine für die Frauen-Didaxe vorgesehene Handschrift vorliegt (1999, 114–115). Hierin sind nur wenige Mären überliefert, dafür jedoch alle genannten geistlichen Dichtungen aus A und C sowie unter anderem auch eine Predigt Bertolds von Regensburg (Bertau 1999, 114). Neben verschiedenen geistlichen Dichtungen, Mären oder weiteren kleinepischen Texten, die uns teilweise auch in H bzw. im zweiten Band des Hausbuchs des Michael de Leone (München, UB, 2° Cod. ms. 731) vorliegen, finden sich in der Mitüberlieferung der Goldenen Schmiede zudem mehrere Texte aus dem Umfeld des Deutschen Ordens (Bertau 1999, 117 Anm. 7): So ist in K (Alba Julia/Karlsburg, Bibl. Bátthyáneum, Cod. R II 104) z.  B. auch das Mari­ enleben Bruder Philipps, des Kartäusers, enthalten. Bereits verwiesen wurde darüber hinaus auf das Passional, wobei A, C und F dessen Marienlegenden beinhalten, die späteren Papierhandschriften a (Heidelberg, UB, Cpg 356) und o (Heidelberg, UB, Cpg 378) hingegen dessen Marienlob (der verschollene Textzeuge N tradierte wohl beides). Eine Besonderheit von a und o liegt jeweils darin, dass hier ausschließlich Marienpreisdichtungen enthalten sind: in a z.  B. von Konrad Harder, dem Mönch von Salzburg

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und Heinrich von Mügeln. Die auf 1450 zu datierende Handschrift u (München, SB, Cgm 9489), die wie s (Karlsruhe, LB, Cod. Donaueschingen 112) und n den Nürnberger Dominikanerinnenhandschriften zugerechnet und auch als Gulden puchlein bezeichnet wird (Knecht 1984, 21–24; Bertau 1983, 124–125), tradiert neben den Meditationes vitae Christi des Ps.-Bonaventura ebenfalls vorwiegend marianische Texte, die sie außerdem umfangreich bebildert: insbesondere das Marienleben des Heinrich von St. Gallen (Hilg 1981, 35–40). Die Textzeugen der Goldenen Schmiede sind insgesamt vielfältig; so wird man mit Bertau davon ausgehen können, dass es sich dabei um „Zeugen vielgestaltiger und immer legitimer Aneignungsprozesse“ (Bertau 1999, 129–130) handelt, die auch Perspektiven auf mögliche Verwendungskontexte zu eröffnen vermögen.

2 Ausgaben Die beiden frühesten Ausgaben der Goldenen Schmiede von Wilhelm Grimm sind noch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden (Grimm 1816; 1840). Die frühere Ausgabe bietet einen Abdruck der Gothaer Pergamenthandschrift B, welche ausschließlich Konrads Marienlob überliefert, „mit Einmischungen von b“ (Grimm 1840, VII); bereits Grimm selbst erklärte, diese sei durch seine spätere Ausgabe abgelöst und überholt (1840, VII). In der besagten späteren Edition macht er eine Aufstellung von insgesamt 16 Handschriften und Fragmenten, die ihm bei der Herstellung des Textes zur Verfügung gestanden hätten (1840, III–V); Kenntnis habe er von vier weiteren gehabt, die ihm allerdings nicht zugänglich oder tauglich gewesen seien (1840, V–VI). Eine Leithandschrift nennt Grimm nicht; insbesondere der Versbestand seines Textes, der genau 1000 Reimpaare bzw. 2000 Verse umfasst, ist ein mit keiner der vollständigen Handschriften übereinstimmendes Konstrukt des Editors (Brunner 1985, 285). Immerhin bietet Grimm sowohl einen Apparat mit Lesarten als auch Anmerkungen zum Text. Edward Schröder verzichtet in seiner 1926 erschienenen Edition (1926; zweite Aufl. 1969) der Goldenen Schmiede, die in Anlehnung an Grimm ebenfalls genau 2000 Verse festschreibt, indessen vollständig auf einen textkritischen Apparat. Ein Vorteil seiner Ausgabe mag sicherlich darin liegen, dass ihm im Gegensatz zu Grimm nicht 16, sondern 24 Handschriften zur Verfügung standen (1969, 86–87); an vollständigen Kodizes hinzu treten bei ihm K, R, s und n. Doch macht Schröder das Zustandekommen seines Textes ansonsten kaum transparent. Er gibt an, er habe auf den „umfangreichen Ballast der Lesarten“ (1969, 88) verzichten und Konrads Werk „in gereinigter Gestalt, frei von allem gelehrten Beiwerk und typographisch möglichst der ursprünglichen Erscheinung der Originalausgabe entsprechend“ (1969, 88) wiedergeben wollen. Dass eine auf einem solchen Ansinnen gründende Edition den Ansprüchen moderner Editionsphilologie kaum gerecht zu werden vermag, muss nicht eigens erwähnt werden; nichtsdestoweniger beruhen auch aktuelle Forschungsbeiträge – zwar in der Regel wider besseren Wissens, jedoch aus Mangel an Alternativen – zumeist auf dem von Schröder hergestell-

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ten kritischen Text. Dabei gestand dieser bereits selbst ein, seine ursprünglichen Pläne zu einer großen Neuausgabe, die auch einen „umfangreichen und stilgeschichtlich lehrreichen Apparat“ sowie eine „kritische[] Darstellung der Überlieferung“ (Schröder 1939, 163) hätte bieten sollen, nicht mehr verwirklicht zu haben. Ähnliches muss wohl auch für Bertau gelten, der über mehrere Jahrzehnte – seit den 80er Jahren – an einer Neuausgabe der Goldenen Schmiede gearbeitet hat, diese aber nie fertigstellte. Bertaus Edition hätte, wie den Ankündigungen und den editionsphilologischen Vorarbeiten von unschätzbarem Wert (z.  B. den Handschriftenverzeichnissen 1981 und 1999) zu entnehmen ist, zunächst der Fülle und Variabilität der Überlieferung, die nach aktuellem Kenntnisstand 37 erhaltene und auffindbare Textzeugen umfasst, gerecht werden und zudem einen umfangreichen Kommentar sowie eine experimentelle Übersetzung beinhalten sollen (Köbele 2012, 307 und Anm. 19). Nur am Rande sei hier auch auf das Desiderat einer adäquaten Übersetzung ins Neuhochdeutsche hingewiesen (die etwas altertümlich gereimte Übertragung von Bernard Arens [1904] entfernt sich mitunter sehr weit vom mittelhochdeutschen Text und kann insofern kaum Abhilfe schaffen). Allen drei Erfordernissen, d.  h. einer geeigneten Textedition, welche die Vielgestaltigkeit und Beweglichkeit der Überlieferung sichtbar macht, einer adäquaten Übersetzung und einem Kommentar, muss die mediävistische Forschung zukünftig noch Rechnung tragen; nachzudenken wäre hier auch über Möglichkeiten, welche eine digitale Edition bereitzustellen vermag – insbesondere im Hinblick auf die Variabilität der Überlieferung.

3 Autorschafts-, Inhalts- und Gliederungsfragen, potenzielle Auftraggeber und Gebrauchskontexte Zwar kann die Autorschaft Konrads von Würzburg in Bezug auf die Goldene Schmiede bzw. einen Kernbestand von Versen, den eine Neuedition allerdings erst einmal genau zu bestimmen hätte (die rund 2000 Verse dürften, wie gesagt, ein Konstrukt Grimms sowie Schröders sein), als gesichert gelten, doch sollte an dieser Stelle auch darauf hingewiesen werden, dass die bereits erwähnten ‚Erweiterungen‘ oder ‚Fortsetzungen‘ des Konradschen Marienlobes, die in einer ganzen Reihe von späten Papierhandschriften mit variierendem Versbestand überliefert sind (z.  B. in u mit 157 Versen; zur ‚Fortsetzung‘ in u vgl. Keim 2019, 190–197), sicherlich nicht von Konrad selbst stammen; mit Knecht kann hier sogar von mehreren Verfassern ausgegangen werden (Knecht 1984, 218), bei denen es sich z.  B. um Schreiber oder Redaktoren gehandelt haben mag. Mittels einer erneuten Namensnennung (in u 212r: Vnd dein erwelte gnáde / Dye helff åuch mir Conrade) erzeugen diese anonym gebliebenen ‚Fortsetzer‘ gleichwohl die Suggestion einer Autorschaft Konrads oder die Suggestion von Authentizität. Die verschiedenen Erweiterungen des Marienlobes zeugen ebenso wie die mittelniederländische Teilbearbeitung in Prosa (Moschall 1983), deren Verfasser ebenfalls unbekannt geblieben ist, von

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der Beweglichkeit des überlieferten Textes, wobei dieser offenbar zum Fortschreiben und Modifizieren für den jeweils eigenen Gebrauchskontext ermuntert hat. Zu vielfältigen Spekulationen veranlasst hat die Forschung zur Goldenen Schmiede im Grunde nicht die Frage nach der Autorschaft, sondern vielmehr die Frage nach potenziellen Auftraggebern und damit nach potenziellen Adressatinnen und Adressaten sowie möglichen Gebrauchskontexten. So geht beispielsweise Schröder davon aus, dass das Marienlob von dem Straßburger Bischof Konrad III. von Lichtenberg (1273–1299) in Auftrag gegeben worden sei, um Spenden für den Bau des Straßburger Münsters einzuwerben (Schröder 1969, 83–84). Zu dieser Annahme hat ihn nicht zuletzt Konrads von mariologisch anmutenden Metaphern durchsetzter Lobspruch auf besagten Straßburger Bischof bewogen (V. 361–375 bei Schröder 1959, 68), doch ist seine These ansonsten kaum belegbar. Als mögliche Auftraggeber erwägt indessen Ganz unter anderem die städtischen Eliten Basels – insbesondere Peter Schaler, den Konrad als Auftraggeber von → Partono­ pier und Meliur (V. 183) nennt, und die aus einer Marienbruderschaft hervorgegangene Basler Adelsgesellschaft der Psitticher; auf letztere könne etwa die eher seltene Titulatur vom wilde[n] siticus (V. 1850) hindeuten (Ganz 1979, 39–40). Einen Entstehungskontext im Basler Kulturraum zieht auch Johanna Thali in Betracht, wobei sie sogleich einräumt, dass auch ihre Überlegungen spekulativ seien. Während Schröder einen Bezug des Marienlobes zum Straßburger Münster hergestellt hatte, erwägt Thali eine medienübergreifende Verbindung zum Basler Münster. So bestünden auffällige „Parallelen zwischen dem in Stein gemeißelten Lob der Kirchenpatronin am Baseler Münsterportal und Konrads wortreichem Marienpreis“ (Thali 2020, 34). Parallelen sieht Thali im üppigen floralen Bildprogramm; insbesondere die Pfingstrose, die sich als Marienattribut bei Konrad (V. 422) ebenso wie in den Archivolten des Hauptportals fände, sei zu dieser Zeit sowohl in der bildenden Kunst als auch im Marienlob ungewöhnlich (2020, 35). Dass diese „Parallelen zwischen Text und Bildwerk“ (2020, 35) tatsächlich noch keinen „Basler Auftrag“ (2020, 32) belegen, ist Thali dabei völlig klar. Ihr gehe es zum einen darum, die Plausibilität eines solchen Bezuges aufzuzeigen, zum anderen gelte es, „das Zusammenspiel unterschiedlicher Medien innerhalb einer Kulturlandschaft zu verdeutlichen“ (2020, 35). Wieder andere Überlegungen finden sich bei Bertau, der – auch unter Berücksichtigung der Überlieferungszusammenhänge – bedenkt, ob die Marienpreisdichtung für den Deutschen Orden bestimmt gewesen sein könnte: „nicht nur für seine Frauen […], sondern auch für männliche Familiaren und Förderer, ja für die Ritterbrüder selber, die im allgemeinen kein Latein konnten“ (Bertau 1999, 116). Neben dem Deutschen Orden erwägt er außerdem die im 13.  Jahrhundert (auch in Straßburg und Basel) neu entstandenen Konvente der Reuerinnen bzw. Magdalenerinnen als mögliche Zielgruppe (Bertau 1999, 124). So anfechtbar oder bedenkenswert die aufgeführten Theorien im Einzelnen auch sein mögen, so ist ihnen doch allen gemeinsam, dass sie – implizit oder explizit  – von einer religiösen Funktionalität und Pragmatik der Goldenen Schmiede ausgehen.

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Allerdings sind insbesondere die religiösen Inhalte des Marienlobs in der Forschung häufig vernachlässigt worden. Dies überrascht insofern, als sich Konrad gerade nicht einzig auf Panegyrik oder höchst artifizielle Lobpreisungen Mariens beschränkt; vielmehr verhandelt er ein ganzes Spektrum an poetologischen, aber besonders auch theologisch-mariologischen Themen und Inhalten, welche zudem miteinander in Beziehung treten (vgl. Ganz 1979, 30–31; Huber 2015, 202; Keim 2019, 2020). Im Vordergrund steht das Lob der Gottesmutter, wobei höchste Artifizialität ebenso wie „enzyklopädische[] Vollständigkeit“ (Bertau 1987, 179) bezüglich der verwendeten Bildlichkeit angestrebt sind. Dies sollte allerdings nicht den Blick für das reflexive und spekulative Potenzial des Textes verstellen, das sich insbesondere in seiner Metaphorik entfaltet. Dazu seien an dieser Stelle einige Stichworte benannt. Im Hinblick auf die Poetologie werden etwa Dichterrollen (Konrad als poeta artifex [V. 1–15] oder demütiger Laudator [z.  B. V. 130–137]) verhandelt, Produktions- und Rezeptionsvorgänge (z.  B. die dichterische inventio in V. 91), eine Dichotomie von Materialität und Form (V. 884–893), von Technizität (Konrad oder Gottfried von Straßburg als poeta artifex; V. 98) und Inspiration (z.  B. die Taumetaphorik in V.  95), Fragen des Stils oder der elocutio (blüemen [V. 60–73] als „Funktionalstil des Lobs“; Hübner 2000a, 180), das Verhältnis des Laudators zu seinem inkommensurablen Redegegenstand, d.  h. zu Maria und dem Inkarnationsgeschehen (z.  B. V. 876–879 oder V. 890–895), ebenso wie jenes zur Tradition (z.  B. zum vermeintlich unerreichbaren Vorbild Gottfried von Straßburg oder weiteren nicht näher spezifizierten ‚Riesen der Künste‘; V. 94–115), weiterhin Verfügbarkeit und Unverfügbarkeit von Dichtung (V. 78–81) und vieles mehr. Was das poetologische Potenzial der Gol­ denen Schmiede anbelangt, so lag das Augenmerk der Forschung bislang meist auf dem evident werdenden Spannungsverhältnis zwischen der demütigen Haltung Konrads, die dem uneinholbaren Gegenstand ebenso wie der literarischen Tradition gilt, und seinem artistischen Selbstbewusstsein oder sogar einer impliziten Selbsterhöhung (hierzu mit je unterschiedlicher Gewichtung z.  B.: Ganz 1979, 32; Kokott 1989, 164; Bertau 1987, 186 und 188; Schnyder 1996, 42; Kellner 2009, 143). Die ostentative Artifizialität des Textes stünde der kontinuierlichen Unfähigkeitsbeteuerung diametral entgegen; so handele es sich hier zweifellos um eine der „kunstvollsten Kunstlosigkeitsbeteuerungen der mittelalterlichen Literatur“ (Köbele 2012, 314). Im Kontext der vorliegenden Zusammenschau erwies es sich letzten Endes vor allem als geboten, über dieses vielfach diskutierte Spannungsverhältnis hinaus auf die große implikative Fülle der poetologischen Metaphorik und die Vielfalt der in ihr präsenten Themen und Fragestellungen hinzuweisen. Im Hinblick auf die religiösen Inhalte müssen sicherlich zunächst die verschiedenen Marienrollen, -bilder und -dogmen genannt werden. So wird Maria vielfach als ewig jungfräuliche Gottesmutter präsentiert (z.  B. in V. 1146–1163), wobei auch die keusche Ehe mit Josef angesprochen ist (V. 1202–1217), weiterhin als Mutter, Braut und Tochter der Trinität, wobei sich genealogische Verhältnisse auf paradoxe Weise verkehren (V.  282–291), oder etwa als regina coeli (V.  222–233) und mater misericordiae (z.  B. V. 534–543). Verhandelt werden dabei auch diffizile mariologische Konzepte wie z.  B. die Vorstellung von der Präexistenz Mariens (V. 704–729) oder die Eva-Maria-Typo-

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logie (V. 400–421). Bereits bei Konrad ist zudem eine latente Konkurrenz zwischen Maria und Christus spürbar – eine Tendenz, welche sich in Frauenlobs Marienleich sicherlich weiter radikalisiert. Neben mariologischen Inhalten behandelt Konrad zudem theologische, christologische oder soteriologische Themen wie z.  B. die Trinität und das Inkarnationsgeschehen (z.  B. in V.  228–341), die Eucharistie und Transsubstantiation (V.  1467–1527) oder die Passion; er reflektiert beispielsweise über die zwei Naturen Jesu Christi und den Opfertod am Kreuz, bei dem dessen Gottnatur (Gottvater und der Hl. Geist) entgegen der menschlichen Natur (dem Sohn) völlig schadlos geblieben sei (V. 1629–1703); weiterhin stellt er Überlegungen zum Verhältnis von altem und neuem Bund sowie zum Verhältnis von Juden- und Christentum an (V. 1394–1461; trotz einer kaum zu leugnenden antisemitischen Tendenz scheint Brunners Charakterisierung als ‚Judenpolemik‘ [1985, 285] hier doch etwas zu kurz zu greifen). Das inhaltliche Potenzial der Goldenen Schmiede in Bezug auf religiöse ebenso wie ästhetische Fragestellungen kann nur dann angemessen gewürdigt werden, wenn man das epistemische Potenzial von Metaphern und ihnen verwandten Sinnbildern anerkennt und ernst nimmt. Diese erweisen sich in Konrads Mariendichtung als „Figurationen von Reflexion“ (zum Begriff vgl. Gerok-Reiter und Robert 2019, 22), die poetologische ebenso wie theologisch-mariologische Themen zu verhandeln sowie zudem ineinander zu spiegeln und auf diese Weise wechselseitig je neu zu perspektivieren vermögen (vgl. Huber 2014, 202; dazu ausführlich auch Keim 2020). Große Schwierigkeiten bereitet nach wie vor insbesondere die Gesamtstruktur der Goldenen Schmiede und damit verbunden die Frage nach einem möglichen Gliederungsentwurf. So urteilte bereits Grimm, es handele sich hier um „lobpreisungen und bilder, die sich in zufälliger oder willkürlicher ordnung aneinander drüngen“ (Grimm 1840, XIII). Diese frühe Einschätzung kann heute sicherlich keine Gültigkeit mehr beanspruchen; vielmehr ist von unterschiedlichen sowie zuweilen auch miteinander in Konkurrenz tretenden strukturstiftenden oder kompositorischen Prinzipien auszugehen. Als ‚Grundgerüst‘ kann zunächst einmal eine grobe Gliederung des Textes, die sich ähnlich bereits bei Ganz findet (1979, 29–30), herangezogen werden: Im Rückgriff auf Christa Schulze unterteilt er den Text in einen Prolog (V. 1–138), einen ersten Lobpreis Mariens/Hauptteil, einen „Mittelprolog“ (V.  858–944; nach Schulze 1978, 114), einen zweiten Lobpreis Mariens/Hauptteil sowie ein abschließendes Gnadengebet (etwa bei den Versen 1990–2000 anzusetzen), welches eventuell in einen größeren „epilogartigen Teil[]“ (Schulze 1978, 118) eingebunden ist. Als Hilfestellung ist diese grobe Struktur nach wie vor sinnvoll, doch treten bereits hier erste Schwierigkeiten auf. So suggerieren die subsumierenden Benennungen als ‚Marienpreis‘ für die beiden ‚Hauptteile‘ eine Homogenität, die sie keineswegs aufweisen (siehe oben die Überlegungen zur thematischen Vielfalt). Weitere Schwierigkeiten betreffen den sogenannten ‚Mittelprolog‘, besonders dessen Lokalisierung ebenso wie die etwas unglückliche Benennung. So wird man in Anlehnung an Ganz davon ausgehen können, dass die Bestimmung Schulzes den Umfang der Passage (im Grunde in beide Richtungen) in den Marienpreis ausdehnt (1979, 29). Von den vorangegangenen sowie nachfolgenden Versen unterschieden ist die

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Passage im Kern (V. 866–893) vor allem durch ihre poetologischen Reflexionen, die insbesondere an die Demutsrhetorik des Prologes anschließen und zudem eine erneute Namensnennung des Autors enthalten (im Prolog V. 120  f.; im ‚Mittelprolog‘ V. 890). Hinsichtlich der Bezeichnung ‚Mittelprolog‘ wäre zu überlegen, ob man sie entweder als Forschungskonvention bestehen lässt oder alternativ von einer ‚poetologischen Parenthese‘ im Mittelteil der Goldenen Schmiede spricht. Zwar gibt es auch Gliederungsversuche, die über vergleichbare Skizzierungen einer sehr groben Struktur hinausgehen (z.  B. Nyholm 1971, 46–53; Schulze 1978, 261–262; teilweise auch Hübner 2000b, 181–186), doch laufen diese stets Gefahr, Strukturen eher zu applizieren denn zu eruieren. So kommt auch Hübner zu folgendem Schluss: Zwar sei der Text „nicht ungegliedert“, doch habe er „keine Makrostruktur, die eine lineare – deskriptiv-expositorische, argumentative oder narrative – Themenentfaltung ins Werk setzten würde“ (Hübner 2000b, 184). Bedenken muss man in diesem Zusammenhang auch, dass sämtliche weiteren Gliederungsentwürfe in jedem Fall der Grundlage einer adäquaten Neuedition bedürften. Vielleicht – so ließe sich mit Ganz und Brandt überlegen  – wäre einem ohnehin das „Wesentliche und eigentlich Neue an der Goldenen Schmiede entglitten“ (Ganz 1979, 30; zustimmend auch Brandt 1987, 150), wagte man sich tatsächlich an einen solchen Versuch. Möglicherweise ist es sogar eher berechtigt, wenn ihre Textur in der Forschung im Rückgriff auf Konrad vielfach metaphorisch umschrieben worden ist (dazu Marshall 2017, 359–360): etwa als „Kranz“ (Köbele 2012, 307; Hübner 2000b, 186), „Kette“ (z.  B. Schröder 1969, 85), „Flechtwerk“ (Nyholm 1971, 53), als „ein unregelmäßig durchmustertes Gewebe“ (Ganz 1979, 28) oder durch „Golddraht“ verbundene „Bildergemmen“ (Ganz 1979, 36) sowie jüngst auch als „Paradiesgarten[]“ (Keim 2020, 192). An dieser Stelle soll also kein weiterführender Gliederungsentwurf präsentiert werden. Um den Zugang zum Konradschen Marienpreis dennoch zu erleichtern, gilt es stattdessen, wie zuvor bereits angesprochen, jene konkurrierenden strukturstiftenden oder kompositorischen Prinzipien, die eben nicht mit ‚Willkür‘ oder ‚Zufälligkeit‘ gleichzusetzen sind, andeutungs- und versuchsweise darzulegen. Zunächst finden sich dezidiert thematisch gegliederte Abschnitte, die mittels eines größeren Bildkomplexes oder mehrerer semantisch äquivalenter Metaphern und Prädikate zusammengeschlossen sind (Hübner 2000b, 186). Hinzu treten punktuell narrative Strukturen oder epische Miniaturen (Köbele 2012, 316–317); das heilsgeschichtliche Narrativ wird dabei zuweilen auch in der Bildverknüpfung sichtbar (Marschall 2017, 369). Mitunter lässt sich Konrad über viele Verse hinweg von einem bestimmten bildspendenden Bereich oder einer Metapher (z.  B. der Lichtmetapher in V. 672–687) leiten, die dann verschiedene semantische Implikationen und Sinnbezüge zu eröffnen vermag. Weiterhin besteht die Möglichkeit, dass bestimmte Bildtypen – etwa alttestamentliche Präfigurationen oder Tier-Allegorien – zusammengestellt und auf diese Weise einander zugeordnet sind (z.  B. der ‚elfenbeinerne Thron Salomons‘, die ‚verschlossene Pforte Ezechiels‘ und das ‚Vlies Gideons‘ in V. 1729–1793 oder ‚Leopard‘ und ‚Salamander‘ in V. 744–773). Im Gesamten lässt sich für das Marienlob Konrads schließlich, wie mit Köbele zu konstatieren ist, eine

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fortwährende „Konkurrenz von Sinn und Klang“ (2012, 311) feststellen; häufig generieren exzentrische Reime bildliche oder thematische Umschläge (Köbele 2012, 313–314), wobei kontinuierliche Reimbrechungen diese Wechsel klanglich überspielen. Konrad folgt einer „Poetik der Form- und Gestaltveränderung“ (Prica 2012, 7), die letztlich mit den großen heilsgeschichtlichen Transformationsprozessen – insbesondere dem Inkarnationsgeschehen – zusammenstimmen soll.

4 Quellen und Gattungskontext Zuzurechnen ist die Goldene Schmiede zunächst dem größeren Kontext der Mariendichtung sowie dann insbesondere dem „mit metaphorischen Ausdrucksformen amplifizierte[n]“ (Hübner 2000a, 179) bzw. „geblümten“ Marienlob (Hübner 2000b, 189) und somit umso mehr einer Gattung, deren wesentliches Charakteristikum in der „Verbindung von Literatur und religiöser Lebenspraxis“ (Stackmann 2002, 12) liegt. Artifizieller Anspruch und künstlerisches Selbstbewusstsein werden in Konrads Marienlob unmittelbar evident, doch zugleich bleibt es Bestandteil einer Frömmigkeitspraxis, die auf die Gottesmutter gerichtet ist (vgl. Ganz 1979, 41). Der religiöse bedingt hier also gewissermaßen den ästhetischen Anspruch (Ganz 1979, 41; Brandt 1987, 149; auch Hübner 2000a, 182). Der volkssprachige Lobpreis der Gottesmutter, dem die lateinischen Traditionen von Hymnus, Sequenz und Antiphon vorausgehen, bietet im Gesamten eine große Formenfülle: etwa das strophisch gegliederte Lied (z.  B. das Melker Marienlied und Meister Sigehers Marienlied), den Leich (z.  B. die religiösen Leichs Walthers von der Vogelweide und Reinmars von Zweter sowie auch Konrads eigenen religiösen Leich) oder verschiedene Spruchtöne. Die von Konrad gewählte Form des höfischen Reimpaarverses mag im Bezugsrahmen eines nicht vorwiegend narrativen Textes zunächst eher ungewöhnlich scheinen, zu einem Unikat macht besagte Form allein die Goldene Schmiede indessen keineswegs; ein früheres Beispiel hierfür wäre etwa das ebenfalls in überwiegend viertaktigen Reimpaaren abgefasste Rheinische Marienlob, wobei hier auch ein Marienleben enthalten ist (Honemann 1992, 33–37). Außerdem integrieren narrative Reimpaardichtungen zuweilen nahezu eigenständige Marienlobdichtungen – hierfür gibt es spätere Beispiele wie etwa das heilsgeschichtliche Epos Die Erlösung oder das Passional. Vergleichbare narrative Tendenzen hin zum Marienleben oder -mirakel lassen sich für Konrads Goldene Schmiede wiederum kaum ausmachen; ebenso wenig kann sie jedoch als strikt lyrisch oder strophisch-sangbar gelten (Köbele 2012, 308). Mit Köbele ist hier wohl am ehesten von einer „lyrisch-epischen Zwischensituation“ (2012, 327) auszugehen, in welcher sich die nahezu unerschöpfliche Bilderfülle, die sich fortwährend steigernden, responsartig wiederholenden Lobpreisungen und die klanglichen Qualitäten als ebenso konstitutiv erweisen wie angedeutete epische Miniaturen (z.  B. zu ‚Judith und Holofernes‘ in V. 1584–1595 oder ‚Theophilus‘ in V. 612–617) oder das punktuell immer wieder aufscheinende große Narrativ der christlichen Heilsgeschichte. Florian Kragl,

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der in einem jüngst erschienenen Beitrag nach der narratologischen Dimension der Goldenen Schmiede fragt, beschreibt die Kommunikationssituation des Marienlobs probeweise als „Erzählen in der zweiten Person“ (Kragl 2021, 99). Gemeint ist eine Situation, in der ein Ich als Erzähler in Erscheinung tritt, während zugleich ein Du (Maria) „Adressatin des Erzählens“ und „Protagonist des Erzählten“ (2021, 99) ist. Im Grunde, so Kragl, verberge sich hinter dieser Form des ‚Erzählens in der zweiten Person‘ jedoch das „auktoriale[] Erzählen eines nicht näher spezifizierten Erzählers zu einem nicht näher spezifizierten Publikum“ (2021, 101); geschuldet sei diese paradoxe Situation dem „Kontext laudativer Rede“ (2021, 101), der auch in narrativen Passagen stets präsent und wirksam bleibe. Zu den tendenziell lyrischen, laudativen und narrativen Passagen der Goldenen Schmiede, die auch ineinander übergehen oder als Mischform erscheinen können, treten außerdem exegetische, erörternde und reflektierende, z.  B. theologische Betrachtungen zum Leiden Jesu Christi am Kreuz oder Erwägungen zu dichtungsbezogenen Fragestellungen – Letztere etwa im Prolog und ‚Mittelprolog‘. Vor allem diese beiden poetologischen Passagen können sicherlich als Besonderheit der Goldenen Schmiede gelten; damit schreibt sich Konrad auch in eine Tradition der Reflexion über Dichtung ein, wobei der Dichtungsexkurs in Gottfrieds von Straßburg Tristan als zentraler Referenztext gelten kann (hierzu Schnyder 1996, 53; Huber 2015, 198). Im Hinblick auf weitere Quellentexte ist eine genaue Bestimmung im Einzelnen nur schwer möglich; als Gewährsmann nennt Konrad selbst namentlich nur Gottfried, der jedoch eher für die Stilistik und Dichtungsreflexion als für die Gattung des Marienlobes die Funktion eines Vorbildes eingenommen haben dürfte. Für die unzähligen Sinnbilder der Goldenen Schmiede kann zunächst gelten, dass sie „hauptsächlich […] übernommen“ (Brunner 1985, 286) sind; dies räumt Konrad in seinem Prolog wohlgemerkt auch selbst ein (V. 108–115). Sie entstammen „der Tradition typologischer und allegorischer DingDeutung und Schriftexegese, wie sie sich in Enzyklopädien des Mittelalters, in deutschen und lateinischen Predigten sowie in den Bibelkommentaren der Kirchenväter finden“ (Grenzmann 1978, 117). Evident wird dabei ein Anspruch auf nahezu enzyklopädische Vollständigkeit, was etwa Bertau dazu veranlasst hat, Konrads Marienlob als „Summa der Marienmetaphorik“ (Bertau 1987, 179) zu bezeichnen. Auch Ganz verweist in diesem Zusammenhang auf die Tradition mariologischer Summen; z.  B. auf Richards von St. Laurent De Laudibus Beatae Mariae Virginis, das Mariale super ‚Missus est‘ des Ps. Albertus Magnus oder Conrads von Sachsen Speculum Beatae Mariae Virginis, wobei die Summe Richards von St. Laurent der Goldenen Schmiede wohl am nächsten stünde (Ganz 1979, 28). Keinen Anhaltspunkt würden entsprechende Kompilationen allerdings hinsichtlich der ebenso komplexen wie einzigartigen Struktur von Konrads Marienlob bieten, die deutlich von diesen mariologischen Summen abweiche (Ganz 1979, 28). Ob sie Konrad dennoch als Nachschlagewerk oder Quelle gedient haben könnten, muss letztlich ebenfalls offenbleiben. Im Wesentlichen lassen sich neben einer Fülle von Metaphern zwei aufgenommene Bildtypen und -traditionen unterscheiden: einerseits alttestamentliche Präfigurationen

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oder Sinnbilder, welche auf weitere biblische Referenzstellen zurückgehen, anderseits Tier- und Naturallegorien, die auf den Physiologus bzw. lateinische und volkssprachige Übertragungen desselben oder eventuell auch Bestiarien rekurrieren (Schäfer 1971, 76–77; Grenzmann 1978; Brandt 1987, 147). So finden sich z.  B. folgende alttestamentliche Marienpräfigurationen: die ‚Rute Arons‘ (Num 17,23), der ‚Stab Moses‘ (Ex 17,5–6), der ‚brennende Dornbusch‘ (Ex 3,2–3), die ‚verschlossene Pforte Ezechiels‘ (Ez 44,1–2), das ‚Vlies Gideons‘ (Ri 6,37), die ‚Wurzel Jesse‘ (Jes 11,1), der ‚Thron Salomons‘ (1 Kön 10,18–20) oder etwas ungewöhnlicher das ‚Körbchen/Kästchen des kleinen Moses‘ (Ex 2, 3–6) (Kesting 1965, 10–15; Salzer 1893). Weiterhin zu nennen sind Sinnbilder und Metaphern aus dem Hohelied Salomons, dem Selbstlob der Weisheit in Jesus Sirach 24, dem Brautpsalm 45 oder der Johannes-Offenbarung (Offb 12,1). Im Rahmen der Tierallegorese, welche auf die eher christologische Physiologus-Tradition zurückgreift, wird Maria bei Konrad unter anderem zum ‚Nest des Pelikans‘, zur ‚Mutter des Löwen‘, des ‚Adlers‘ und des ‚Leoparden‘, zum ‚Feuer‘, in welchem sich der ‚Phönix‘ selbst erneuert und verjüngt, zur ‚Fängerin des Einhornes‘ sowie andeutungsweise auch selbst zum ‚Panther‘ (Salzer 1893, 43–66). Dabei greift Konrad zwar auf Bekanntes zurück, erneuert seine Allegorese jedoch durchaus eigenständig und mitunter sogar eigenwillig; als Besonderheiten erweisen sich insbesondere die christologischen Deutungen von ‚Krebs‘ (Lauchert 1889, 181–182) und ‚Schwan‘ (Köbele 2012, 317), die sich in der Tradition der Tierallegorese so nicht finden. Ähnliches kann auch für die mariologische Deutung des ‚Berylls‘ gelten, die allenfalls noch formal an traditionelle Edelstein-Allegoresen anschließt, jedoch mit der Fokussierung auf den optischen Effekt der Vergrößerung dezidiert neue Akzente setzt (Bein 1994). Vergleichend kann außerdem festgehalten werden, dass das frühe volkssprachige Marienlob – etwa das Melker Marienlied oder das Vorauer Marienlob – zwar die typologischen Bilder aufführt, jedoch nicht die aus der Physiologus-Tradition bekannten Bilder. Hier scheint Konrad also durchaus eine Vorreiterrolle eingenommen zu haben. Wesentlich einfacher als eine zweifelsfreie Eruierung von unmittelbaren Quellen der Goldenen Schmiede gestaltet sich die Identifizierung von Texten des ausgehenden 13. bis 15. Jahrhunderts, auf die Konrads ‚geblümtes‘ Marienlob nachweislich gewirkt hat (Brunner 1985, 285). Hierzu zählen etwa Frauenlobs Marienleich, der Ps. Gottfriedsche Lobgesang auf Maria, Eberhards von Sax Marienlied, der Tûm Heinrichs von Mügeln, die Martina Hugos von Langenstein, Konrad Harders Frauenkranz oder Hermanns von Sachsenheim Goldener Tempel; zu nennen sind hier weiterhin die Marienpreisdichtungen Peter Suchenwirts, Bruder Hansens oder Muskatbluts. Als Vorbild explizit genannt wird Konrad z.  B. bei Frauenlob (in Spruch VIII, 26, V. 21 als helt von Wirzeburc), bei Mügeln (in Spruch 118, V. 11–12 als hochgeerte[r] getichtes rise[]) und schließlich auch bei Suchenwirt, der dessen unerreichbare maisterscheffte (V. 8) lobt. Neben der breiten handschriftlichen Überlieferung zeugt auch diese Fülle an impliziten und expliziten Verweisen von der großen Wirkmacht ebenso wie der Beliebtheit der Goldenen Schmiede im späten Mittelalter.

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5 Forschungsgeschichte Die Forschungsgeschichte zu Konrads Marienlob lässt sich insbesondere anhand von drei Diskussionssträngen skizzieren, die man unter folgenden Begriffspaaren subsumieren kann: (i.) ‚wahre Kunst‘ oder Künstlichkeit, (ii.) Artifizialität und Selbstreflexivität, (iii.) Pragmatik und Ästhetik. Vor allem ist es sicherlich der überbordenden Opulenz der Goldenen Schmiede geschuldet, wenn die frühe Forschung mitunter zu offen oder latent abwertenden Urteilen sowie Vorwürfen des Manierismus und der Epigonalität neigte. So resümierte etwa Grimm, Konrad habe freilich „keine tiefe wol aber lebhaftigkeit des geistes und eine große fülle der rede“ besessen (1840, XIII). Jacob Baechtold charakterisierte dessen „Gleichnisse“ sogar als „geschmacklos“ und „in willkürlicher Folge zusammengereiht“ (Baechtold 1892, 129). Schröder verstand das Marienlob des Dichters dann – etwas vorsichtiger  – nicht eigentlich als ein „Kunstwerk in unserem Sinne“; vielmehr sei hier von einem „stilistische[n] Bravourstück“ (Schröder ²1969, 83; vgl. Schäfer 1971, 72–73) auszugehen. Dass Konrad mit seiner Goldenen Schmiede durchaus keine „bloße Kunstfigur“ geschaffen hat, dass ihre Ästhetik vielmehr – jenseits neuzeitlicher Genie- und Autonomie-Paradigmen – „Mittel zum adäquaten Lob“ (Ganz 1979, 41) ist, vermochte als erster Peter Ganz zu zeigen. Die Debatte um eine vermeintlich ‚wahre Kunst‘ und bloße ‚Künstlichkeit‘ hat sich seit den 80er Jahren gewissermaßen zu einer Debatte um ‚Artifizialität‘ (und ‚Interartifizialität‘), um ‚Autor-‘ und ‚Meisterschaft‘ sowie ‚Selbstreflexivität‘ als deren wichtigster Bedingung gewandelt. Mit Blick auf diese Verschiebung formuliert Köblele ebenso prägnant wie provokant: Kaum war Konrad vom Ruch des bloß Epigonalen befreit, fand er sich auf der anderen Seite ingeniöser, selbstreferentieller Komplexität wieder. Ästhetisch vorgreifliche Abwertung hier, theoretisch nachträgliche Aufwertung dort. (Köbele 2012, 307)

Insbesondere der von poetologischer Metaphorik durchdrungene Prolog, die von seinem Sprecher-Ich ostentativ zur Schau gestellte Demut bzw. die von ihrer Kunstfertigkeit kontinuierlich unterminierte Unfähigkeitsbeteuerung haben in diesem Bezugsrahmen zu Kontroversen geführt. Dagmar Dahnke-Holtmann sprach hier von einer „ironischen Bescheidenheitsgebärde“ (Dahnke-Holtmann 1988/1989, 164), Hartmut Kokott von „augenzwinkende[r]“ Koketterie (Kokott 1989, 164–165) und Ganz von „künstlerischer Anmaßung“ (Ganz 1979, 32). Sogar das „Bewusstsein eines eigenen, gottähnlichen Schöpfertums“ (Bertau 1987, 186) meinte Bertau im Prolog der Goldenen Schmiede zu erkennen. Die Frage nach dem Selbstverständnis des Dichters im Spanungsfeld von religiöser Demut und künstlerischer Selbstermächtigung hängt eng mit der Frage nach dem Verhältnis von Pragmatik und Ästhetik zusammen, das in der Forschung immer wieder diskutiert wurde. So hat Schnyder beispielsweise dafür plädiert, die demütige Haltung des

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Dichters – insbesondere dort, wo er sie im Angesicht Mariens äußert – ernst zu nehmen (Schnyder 1996, 42, 59); dabei gelte es auch zu berücksichtigen, dass Konrad weniger das eigene artifizielle Vermögen, sondern vielmehr die Eignung der ‚Kunst‘ an sich, die an der Unsagbarkeit Mariens zwangsläufig scheitern müsse, infrage stelle. Beate Kellner räumte demgegenüber auch ein, dass das Konzept der ‚Meisterschaft‘ in der Goldenen Schmiede bzw. die „Signatur“ des Prologes von einem letztlich nicht aufzulösenden Spannungsverhältnis zwischen „Bescheidenheit und Ermächtigung“ getragen werde, das jedoch keinesfalls mit „Autonomie im neuzeitlichen Sinne“ (Kellner 2009, 143) zu verrechnen sei. Inwiefern besagte Spannung auch mit dem matthäischen Diktum von den Letzten, welche künftig Erste sein werden (Mt 19,30), zusammenzudenken ist, erörtert indessen Keim (2020, 180). Im Grunde formulierte bereits Ganz, dass das Marienlob Konrads „vor allen Dingen praktischer und öffentlicher Ausdruck der Marienfrömmigkeit“ (Ganz 1979, 41) sei, wobei die Pragmatik hier das Ästhetische bedinge. Ähnlich argumentierte später auch Hübner, der diese Kausalität bereits im Bild von den „Lobblumen“ (Hübner 2000b) präsent hält; im Hinblick auf die Gattung des Lobes ebenso wie den ‚geblümten Stil‘ sei von der „optimalen Umsetzung der pragmatischen Textfunktionen in artistische Ausdrucksformen“ (Hübner 2000a, 182) auszugehen. An die Überlegungen von Ganz und Hübner anschließend und diese zugleich weiterdenkend sucht Keim darüber hinaus zu zeigen, dass sich die Funktionalität des Marienlobes nicht im Streben nach dem adäquaten Lob der Gottesmutter im Sinne des rhetorischen aptum-Postulats erschöpft; vielmehr sei das artifizielle Marienlob seinerseits integraler Bestandteil der Heilsvorsorge von Dichter und Rezipienten (Keim 2019; Keim 2020, 201 u.  ö.). Ein wenig anders nuanciert, aber doch ähnlich wie die skizzierten Ansätze hat auch Jan-Dirk Müller konstatiert, das Ästhetische bleibe bei Konrad „eingebettet in eine letztlich religiös fundierte Wertehierarchie“, erhalte dabei allerdings „einen eigenen Raum der Entfaltung“ (Müller 2018, 189–190).

6 Interpretationsansätze und neue methodische Zugänge Der primäre methodische sowie interpretatorische Zugang zur Goldenen Schmiede ist in der Regel stets ein Zugang über ihre Bildlichkeit (bereits bei Grenzmann 1978). Dabei können zunächst einzelne Metaphern und metaphorische Felder wie z.  B. der poeta artifex (zum Handwerksdichter vgl. Obermaier 1995; Kellner 2009; Schnyder 2014) oder spezifische Bilder wie der ‚Beryll‘, in dessen Allegorese sich Reflexe alltäglichen Wissens niederschlagen (Bein 1994), untersucht werden (zu Reflexen botanischen Wissens auch Suter 1987). Weiterhin gibt es Studien, welche die besondere Bildpraxis Konrads in den Blick nehmen: entweder in Abgrenzung zu anderen Dichtern wie beispielsweise Frauenlob  – so etwa Hartmut Freytag, der Konrad hier im Gegensatz zu Frauenlob noch

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dem Stilideal der perspicuitas verpflichtet sieht (Freytag 1988/1989, 192–193) – oder in Bezug auf bestimmte Problemstellungen (zu bildfeldtheoretischen Problemen vgl. Peil 1988/1989). Eine wesentliche Schwierigkeit besteht vor allem auch in der Frage der Bildverknüpfung, die eng mit der bereits zuvor thematisierten Strukturproblematik zusammenhängt (s.  o., 124–125). Aleksandra Prica betont diesbezüglich eine fortwährende Transformation, die sich auf die großen Heilsgeheimnisse der Verwandlung, d.  h. die Trinität, Inkarnation sowie Transsubstantiation, richte und deren Erkenntnis ermöglichen solle (Prica 2012, 23–24). Mit der Problematik der Bildverknüpfung auf der syntagmatischen Ebene sowie damit verbunden der Struktur des Textes befasst sich auch Sophie Marshall; sie geht in Anlehnung an Roman Jakobson von einer Spiegelung des Paradigmas bzw. der Selektionsachse auf das Syntagma bzw. die Kombinationsachse aus (Marshall 2018, 350), wobei sie die Struktur des Textes punktuell ebenfalls als „Nachvollzug“ der von ihm thematisierten Heilsereignisse betrachtet (Marshall 2018, 369). Eine Technik der Bildverknüpfung, die sich nicht nur von der Semantik, sondern auch von Klängen leiten lässt und dabei auch „klanginduzierte allegorische Asymmetrien“ (Köbele 2012, 313) bzw. eine Dynamik der „wechselnden Priorität von Sinn und Klang“ (310) forciert, verzeichnet indessen Köbele. Hierzu stimmt der Ansatz Almut Schneiders, nach dem Konrads Sprachästhetik mit mittelalterlichen Konzepten der ars cantandi und der musica zusammenzudenken ist. So versuche Konrad das sine fine des himmlischen Engelsgesanges mit poetischen Mitteln abzubilden – etwa mit einer Bildsprache, deren kontinuierliche Dynamik niemals zum Stillstand komme (Schneider 2014, 261). Einen etwas anderen Zugang zur Goldenen Schmiede und ihrer Bildlichkeit wählen etwa Ganz (1979), Huber (2014) und Keim (2020): Sie fokussieren insbesondere eine Interferenz von theologischer, mariologischer und poetologischer Metaphorik. So stellt bereits Ganz fest, dass Konrad die „rhetorischen Bilder“ des Prologes „dann später auch auf Maria selbst bezieht“ (Ganz 1979, 30); dies führt er insbesondere auf das Prinzip der „Adäquatheit“ von Gegenstand und Verfahren zurück (Ganz 1979, 31), worin er eine Identität von „[t]heologische[r] und ästhetische[r] Wahrheit“ (Ganz 1979, 38) verwirklicht sieht. Christoph Huber geht indessen zunächst von den ‚Kristallwörtchen‘ in Gottfrieds von Straßburg ‚Literaturexkurs‘, auf den Konrad in seinem Prolog vielfach rekurriert, aus. Dabei betont Huber, diese kristallinen wortelin seien nicht voreilig mit dem Stilideal der perspicuitas zu verrechnen. In der Poetologie beider Dichter deuteten sie eher auf eine angestrebte Transparenz und Durchlässigkeit der Bildlichkeit im Hinblick auf unterschiedliche Sinnbezüge hin. Für Konrad bedeute dies eine „ständige Versetzung der Metaphorik zwischen Objektbezug und Reflexivität“; dabei seien „mariologisches Thema und Kunstreflexion in Relation“ (beide Zitate Huber 2014, 202) zueinander gebracht. Ein kognitives Verständnis der Metapher legt schließlich Keim ihren Überlegungen zugrunde (z.  B. Lakoff und Johnson 1980): Konrads Goldene Schmiede weise wie auch andere ‚geblümte‘ Marienlobdichtungen (z.  B. Mügelns Tum; vgl. hierzu Stolz 1996) interferierende Konzeptmetaphern auf; darin zusammengeführt seien die Bereiche der Poetologie (z.  B. der Produktion, Tradition und Rezeption) mit jenen der Theo-

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logie und Mariologie (z.  B. mit Schöpfung, Inkarnation und religiöser Erfahrung), wobei sie ineinander gespiegelt und so je neu perspektiviert würden (Keim 2020).

7 Offene Forschungsfragen, verpasste Chancen, Desiderata Das grundlegendste Desiderat der Forschung zur Goldenen Schmiede besteht sicherlich in einer geeigneten Edition – möglicherweise auch einer digitalen Edition, welche die Vielfalt und Varianz der Überlieferung in ausreichender Weise sichtbar und nachvollziehbar macht (siehe hierzu oben, Abschnitte 1 und 2). Hilfreich wären hier auch – um den Text sowie die Gattung des Marienlobes einer breiteren Leserschaft zugänglich zu machen bzw. darüber hinaus für die universitäre Lehre – eine Gesamtübersetzung ins Neuhochdeutsche sowie vor allem ein Stellenkommentar, der literatur- und kulturgeschichtliche Kontexte bereitstellt. Solches hat Burghart Wachinger etwa für den Mari­ enleich Frauenlobs geleistet (Wachinger 2010, 818–897). Eine vergleichende Betrachtung der geistlichen Sangsprüche Konrads (Miedema 2015) sowie insbesondere seines religiösen Leichs sollte hier ebenfalls Eingang finden (oder auch im Rahmen von Einzeluntersuchungen erfolgen); dasselbe gilt für kulturtopographische und medienübergreifende Überlegungen, wie sie etwa Johanna Thali angestellt hat – etwa zur „Präsenz der gleichen Themen in Texten und Bildwerken“ (Thali 2020, 35) bzw. Text-Bild-Relationen (Thali 2020, 33–35, s.  o., 122) Auf der Basis einer solchen Neuedition könnten dann alte sowie offene Forschungsfragen – etwa zur Gattung (vgl. zu ‚Erzählen‘ und ‚Rede‘ jüngst Kragl 2021; s.  o., 127), zur Struktur des Textes (s.  o., 124–125), zur Bildverknüpfung (s.  o., 125–126) oder zum Verhältnis von Ästhetik und Pragmatik (s.  o., 129–130) – noch einmal neu gestellt und beantwortet werden, wobei eine Chance bestünde, zu veränderten Ergebnissen jenseits zirkulärer Debatten zu gelangen. Im Gesamten wäre es wünschenswert  – auch jenseits einer möglichen Neuausgabe  –, dass zukünftige Forschungsarbeiten die Überlieferungs- und Textgeschichte stärker berücksichtigen und die Goldene Schmiede im Zusammenhang ihrer Überlieferungs- und Bearbeitungsstufen beobachten und interpretieren würden. Besondere Aufmerksamkeit müssten in diesem Rahmen beispielsweise die Erweiterungen oder ‚Fortsetzungen‘ (s.  o., 118) sowie außerdem die mittelniederländische Prosabearbeitung (vgl. Moschall 1983) erhalten, die als Teil eines Traditions- und Rezeptionszusammenhanges unschätzbares Wissen über das spätmittelalterliche Verständnis dieses Textes zu vermitteln vermögen.

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8 Bibliographie Handschriften Zu den Handschriften siehe Handschriftencensus. Eine Bestandsaufnahme der handschriftlichen Überlieferung der deutschen Texte des Mittelalters. Einträge zu „Konrad von Würzburg: ‚Die Goldene Schmiede‘“, http://www.handschriftencensus.de/werke/207.

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Sabine Griese

7 Legenden (Silvester, Alexius, Pantaleon) Konrad von Würzburg hat als Laie (Brandt 2009, 159) und Autor vorwiegend weltlicher Texte auch drei „‚ungeblümte‘, wenn auch nebenbei ‚schön‘ gedichtete“ (Köbele 2012, 382) Legenden in der Volkssprache verfasst, und zwar Silvester, Alexius und Pantaleon. Eine nur fragmentarisch überlieferte, versifizierte Nikolauslegende (vgl. den Eintrag zu dieser Legende im Handschriftencensus) konnte ihm nicht letztgültig zugeordnet werden. Bartsch sah darin ein Jugendwerk Konrads (Bartsch 1871, XII–XIII: „Die Bruchstücke dieser namenlos überlieferten, aber sicherlich von keinem andern als Konrad verfassten Legende“ sind ein „Jugendwerk“), Steinmeyer wies eine Autorschaft Konrads zurück (1876, 232: Konrad hat „den SNicolaus n i c h t gedichtet“, er belegte dies am Reim- und Wortgebrauch; Rosenfeld 1972, 54 und Williams-Krapp 1987, 1038 folgten ihm darin). De Boor und Janota (1997, 459) schrieben den Nikolaus-Text „einem mitteldeutschen Konrad-‚Schüler‘“ zu, „der die knappe Legende stilistisch zu einem Werk von schätzungsweise 4500 Versen aufzuschwellen verstand“. Eine ebenfalls nur fragmentarisch erhaltene (1116 Verse) Dorotheenlegende (vgl. Handschriftencensus zu diesem Text) „scheint stilistisch unter dem Einfluß“ Konrads zu stehen (Williams-Krapp 1979, 213), sie „liebt […] den wortreichen, leicht geblümten Stil des späten Konrad von Würzburg“ (de Boor und Janota 1997, 459). Die drei Legenden werden hier gemeinsam verhandelt, Einzelinformationen zu Überlieferung etc. erfolgen gemäß der vermuteten Reihenfolge der Entstehung – Silves­ ter, Alexius, Pantaleon –, die in Abhängigkeit von den in den Texten genannten Gönnern bestimmt wurde (Brandt 1987, 67).

1 Überlieferung und Überlieferungsgeschichte Konrads Legenden sind – wie alle seine Texte, bis auf den → Engelhard, der in einem Druck von 1573 erhalten ist – im 15. Jahrhundert nicht in den Druck gegangen, sie liegen lediglich in handschriftlicher Überlieferung des 13. bis 15. Jahrhunderts vor. Silvester und Pantaleon sind jeweils nur in einem einzigen Codex erhalten, während die AlexiusÜberlieferung etwas mehr Breite und Variabilität zeigt: Drei Handschriften tradieren den Verstext, eine weitere bietet eine Prosafassung, die als „regelrechte Bearbeitung mit bedeutenden Kürzungen und Zusätzen“ keine „strikte Prosaauflösung“ darstellt. Palmer spricht anlässlich der Überlieferungszahlen des Alexius von einem „ungewöhnlich starke[n] Interesse“ an „diesem für den Kult nicht sonderlich wichtigen Heiligen“ (alle Zitate Palmer 1979, 159). Ein Eintrag in einer handschriftlichen Werbeanzeige des 15.  Jahrhunderts (London, British Library, Ms. Add. 28752, fol. 2) weist unter den bei diebolt louber schriber In der burge zue Hagenow erhältlichen Büchern eines von dem https://doi.org/10.1515/9783110373561-007

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Ritter sant allexius aus (Haupt 1843, 192, Nr. 28; Saurma-Jeltsch 2001, Bd. 1, 241–242, hier 242), bei dem es sich um eine der erhaltenen Alexius-Handschriften, evtl. aber auch um einen bislang nicht erfassten Überlieferungsträger des 15. Jahrhunderts handeln könnte. Lauber bzw. die Vorgängerwerkstatt hatte in den 1440er Jahren Konrads → Trojanerkrieg mehrfach im Angebot (drei Handschriften aus diesem Produktionszusammenhang sind erhalten), weswegen vermutet wurde, dass die in der Anzeige genannte Alexius-Version ebenfalls diejenige Konrads von Würzburg sei (Saurma-Jeltsch 2001, 242 Anm. 80); da der Zusatz gemolt fehlt, der andere Texte explizit als Bilderhandschriften bewirbt, ist eine unillustrierte Fassung zu vermuten (s.  u.; zu den Lauber-Werbeanzeigen s. Diebold Lauber – digital).

Silvester (5222 Verse) Inc. Ez bringet zweiger hande fruht / daz man die wârheit mit genuht; Expl. der sunder ende und âne zil / rîhsen unde leben wil. Trier, StB, Hs. 1990/17 8°, fol. 1r–146r (Pergament, 4. Viertel 13. Jahrhundert, moselfränkisch, vgl. Handschriftencensus zu dieser Handschrift). Auf fol. 151v ist als Federprobe der Anfangsvers von Hartmanns von Aue Gregorius notiert (Gärtner 2003, 110). Der Codex ist wahrscheinlich in Trier entstanden und scheint „trotz erkennbarer Schreibereigenheiten viel von Konrads Gestaltung bewahrt zu haben“ (Brandt 1987, 124). Ähnlich bewertet Kliege-Biller: „Die Abschrift dürfte direkt vom Original genommen worden sein und könnte für Peter von Aspelt, 1296–1307 Bischof in Basel und selbst dem Trierer Domkollegium entstammend, durch den ihm nahestehenden Lütold von Röteln initiiert worden sein“ (2002, 48 Anm. 14). Die Trierer Handschrift liefert den originalen Wortlaut an Stellen, an denen bislang alle Editoren eingegriffen haben (Kliege-Biller 2002, 50). Teilweise sind moselfränkische Wortformen eingeflossen, der Kopist arbeitet sorgfältig (Kliege-Biller 2000, 367).

Alexius (1412 Verse bzw. 381 Zeilen Prosafassung [Palmer 1979, 161–171]) Inc. Got schepfer über alliu dinc, / sît daz der wîsheit ursprinc; Expl. bî sîner zeswen sîten / ân ende zallen zîten. [A] Straßburg, StB, Cod. A 100, fol. 113–123 (Pergament, 14. Jahrhundert, seit 1819 nicht mehr auffindbar [Palmer 1979, 174], „wohl 1870 verbrannt“ [Klein 2013, 261]; Brunner 1985, 287, nennt zum einen eine Abschrift des 18. Jahrhunderts in Straßburg, StB, Cod. 314, fol. 29r–53v [dazu Palmer 1979, 174], zum anderen im 18. Jahrhundert gedruckte Auszüge, welche über die verschollene Handschrift informieren; zu den Auszügen



Legenden (Silvester, Alexius, Pantaleon) 

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[Oberlin 1782] Palmer 1979, 174). Zur Handschrift vgl. Handschriftencensus. Die Handschrift A ist als die zuverlässigste anzusehen, ihre Lesarten sind „metrisch und sprachlich einwandfrei“ (Palmer 1979, 179). [I] Innsbruck, Landesmuseum Ferdinandeum, Cod. FB 32034, fol. 228ra–238ra (Papier, 1425 geschrieben von Johann Ritter OFM [Palmer 1979, 175]; vgl. Handschriftencensus zu dieser Handschrift). [S = Sarnen] Engelberg, Stiftsbibliothek, cod. 240, fol. 58r–63v (früher Benediktinerinnenstift St. Andreas in Sarnen, cod. 2; Papier, 1478, geschrieben von Heinrich Kramer, Lehrmeister in Zürich [Palmer 1979, 175], vgl. Handschriftencensus zu dieser Handschrift). Hier fehlen der Prolog des Textes (V. 1–56) sowie die Autornennung in V. 1406– 1407 (Ausgabe Gereke 1926, 3 und 63 [Apparat]). [B] Der Codex Berlin, SB, mgq 188, ein „Legendar aus dem Dominikanerinnenkloster St. Nikolaus in undis zu Straßburg“ (Palmer 1979, 158) überliefert auf fol. 3r–11v eine Prosabearbeitung des Konrad-Textes, der Palmer die Sigle B gibt (Papier, 15. Jahrhundert; Palmer bemerkt, dass die Handschrift acht verschiedene Schreiberinnen aufweisen könnte, „davon drei am ‚Alexius‘ beteiligt“ [Palmer 1979, 160]). Das Register (die tofel dis büches, fol. 1v) der Handschrift nennt auf fol. 1v–2r 35 Legenden-Texte in der chronologischen Reihenfolge des Kirchenjahres (Palmer 1979, 159); der Alexius eröffnet den Sommerteil (17. Juli). Register und Schreibsprache (unterelsässisch) sind mögliche Indizien dafür, dass dies die bei Lauber beworbene Fassung (s.  o.) sein könnte (kein Hinweis darauf bei Palmer). Die Fassung überliefert die Legende ohne Prolog und Epilog, ebenfalls entfallen Erzählerbemerkungen im Text (Palmer 1979, 172). Der erste Teil des Textes (bis zur Abreise nach Edessa) ist „eine sehr freie Nacherzählung der Vorlage“ und weicht teilweise stark von Konrads Version ab, aber an manchen Stellen meint Palmer den Wortlaut Konrads erkennen zu können, die Bearbeitung habe hier sogar „textkritischen Wert“ (Z. 83–94, 134–220, 243–265, 304–313, 338–341; Palmer 1979, 172). Palmer (1979, 172–173) sieht für einige Motive eine Verwandtschaft zu Alexius F (vgl. Handschriftencensus zu dieser Handschrift.) Insgesamt steht die Prosabearbeitung B der Handschrift S (Engelberg) am nächsten (Palmer 1979, 177).

Pantaleon (2158 Verse) Inc. Ez ist ein nütze dinc vernomen / und mac ze sælden wol gevromen; Expl. ze herzen tragent wider in: / er stœret leides ungewin. Wien, ÖNB, Cod. 2884, fol. 148ra–162vb (Papier, um 1375/90, niederalemannisch; vgl. Handschriftencensus zu dieser Handschrift).

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2 Ausgaben Zu den Ausgaben (Literaturverzeichnis) und der Editionslage zu den einzelnen Legenden s.  u. Abschnitt 5 (Forschungsbericht) sowie Abschnitt 7 (Desiderata).

3 Autorschaftsfragen und Werkgruppen-Charakterisierung Der Name Konrads von Würzburg ist in den Silvester- und den Alexius-Text eingeflochten, so dass an diesen Selbstnennungen und Ich-Aussagen die Autorschaft ablesbar ist. Der Auftraggeber der Silvester-Legende hat Konrad offenbar freundlich und intensiv um die Bearbeitung gebeten, so ist im Prolog zu lesen (mich tumben Cuonrâden / von Wirzeburc dar ûf gewent, V. 82–83), so dass er dies nicht ablehnen konnte. Die beiden Basler Bürger, die eine Übertragung der Alexius-Version verfolgten und diese Bitte an Konrad herantrugen, waren offenbar ähnlich hartnäckig und werden im Epilog der Legende bedacht, seinen eigenen Namen nennt der Autor hier ebenfalls (und daz ich armer Kuonrât / von Wirzeburc gelebe alsô, V. 1406–1407). Eine Namensnennung Konrads fehlt dagegen im Pantaleon, eventuell aufgrund des Blattverlustes in der einzigen erhaltenen Handschrift (Ausgabe Woesler 1974, 73, Apparat; Brunner 1985, 288; Brandt 2009, 156). Hoffmann von Fallersleben hat 1841 deswegen den im Text genannten Auftraggeber (von Arguel Johannes / der Winharten tohter kint, V. 2140–2141) für den Verfasser gehalten, was schon Moriz Haupt 1848 zurückwies und Konrad von Würzburg als „den dichter“ (Haupt 1848, 193) ansetzte; dies gilt seitdem (Neukirchen 2008, 85). Es sind stilistische Ähnlichkeiten in Auftakt, Reim und Sprachgebrauch zu anderen Texten Konrads von Würzburg als Argumente herangezogen worden, die seine Autorschaft nahelegen (Ausgabe Woesler 1974, XI; Neukirchen 2008, 85). Neukirchen verweist hierfür auf die Arbeiten von Laudan (1906), Deter (1922), Ulrich (1924) und Butzmann (1930). In neuerer Zeit ist die Autorschaft Konrads für den Pantaleon nicht mehr hinterfragt worden. Die Datierung der Legenden Konrads erfolgt aufgrund der in den Texten genannten Auftraggeber, zu denen eine gute Quellenlage existiert (Brandt 1987, 67; Bumke 1979, 288–290; Peters 1983, 119; Ausgabe Woesler 1974, IX–X). Brandt verweist hierfür auf die Arbeiten Edward Schröders (vor allem Schröder 1917) und Inge Leipolds (1976) und nennt aufgrund der urkundlichen Bezeugungen folgende Daten: Für den Silvester sind die Auftraggeber ab 1260 nachweisbar, für den Alexius ab 1265 und für den Pantaleon ab 1277 (Brandt 1987, 67). Die Entstehung der drei Legenden wird also nach den Frühwerken Konrads angesetzt (Brandt 1987, 68); zudem sieht es so aus, als wenn Konrad sich in den 1270er Jahren in Basel intensiver und am Stück mit Legendenstoffen und -texten beschäftigt hätte. De Boor erkennt kein großes Interesse Konrads an den Legenden, sie waren dem Dichter „wohl kein inneres Anliegen“, er habe „drei Heilige ganz verschiedener Art zu verherrlichen gehabt“ und allen „die gleiche Kunst angedeihen“



Legenden (Silvester, Alexius, Pantaleon) 

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lassen (de Boor und Janota 1997, 43), aber die Texte zeigen, „wie Legendendichtung im Stil Konrads aussieht“ (de Boor und Janota 1997, 459). Das Besondere ist, dass Konrad sehr früh drei Geschichten von drei verschiedenen Heiligen in der Volkssprache schafft, und zwar zeitlich unmittelbar benachbart zur Legenda aurea des Dominikaners Jacobus de Voragine (Griese 2013, 58–59), der sein einflussreiches Legendar „wohl vor 1267“ (Kunze 1983, 453) in Genua verfasst hat. Für das lateinunkundige Publikum entstanden bald danach mehrere volkssprachige Versionen dieses Legendars (Williams-Krapp 2009, 253) – und die drei Verstexte Konrads, die als Einzellegenden angelegt sind. Sie stehen nicht im Kontext eines Legendars und eines Legendenzyklus, sondern sind als abgeschlossene Einheiten konzipiert. „Wir lesen die Konrad-Legenden demnach nicht umgeben von anderen Heiligen des Kirchenjahres, sondern als isolierte Geschichten von vorbildlichen Heroen“ (Griese 2013, 60). Hierzu gehören auch deren Paratexte: Alle drei Legenden sind von Prologen eingeleitet, die ein Programm formulieren, Auskunft über die Vorlagen geben und die Intention des Erzählens andeuten; die Heiligen werden als Vorbilder für den Leser gepriesen (Griese 2013, 60–64). Der Silvester und dann die „Folgeaufträge“ für den Alexius und den Pantaleon „zeugen von der Akzeptanz der Dichtungsart Konrads von Würzburg in der Basler Oberschicht“ (Kliege-Biller 2000, 366). Die Auftraggeber für die drei Legenden stammen aus der „ganz dünnen adligen Oberschicht“ Basels (Bumke 1979, 288), sie sind wohlhabend, zum Teil reich und – so formuliert Bumke – es handelt sich um „eine Gesellschaft Gleichgestellter, für die Konrad von Würzburg gearbeitet hat“ (Bumke 1979, 289). Auftraggeber für den Silvester ist der Dompropst Liutold von Röteln, der Beziehungen zu den Basler Zünften hatte (Brunner 1985, 287), die mit verschiedenen Aufgaben in der Stadt betrauten Bürger (cives) Johannes von Bermeswil und Heinrich Isenlin für den Alexius sowie Johannes von Arguel für den Pantaleon (Brandt 1987, 72–76; Peters 1983, 122–123). Ursula Peters bemerkte, dass die „Basler Literaturgesellschaft nicht unabhängig vom Bischofshof und den geistlichen Institutionen der Stadt, vor allem dem Predigerkloster, zu sehen ist“ (1983, 126). Aspekte der Konzeptualisierung des Mäzenatentums (Dichter-Gönner-Relation, Dreiecksbeziehung von Dichter, Auftraggeber und Adressaten) sind formuliert bei Plotke (2017). Konkretere Abfassungszeiten für die einzelnen Texte wurden verschiedentlich vorgeschlagen (einige sind genannt bei Griese 2013, 60 Anm. 22). So wird der Silvester um „das Jahr 1273“ (Kliege-Biller 2002, 45) oder vor Herbst 1274 (Ausgabe Woesler 1974, XI) datiert, es wird „als spätester termin der herbst 1274“ genannt (Ausgabe Gereke 1926, XIII), oder das Jahr 1277 vielleicht als terminus ante quem angenommen (Brandt 1987, 72). Einen früheren Termin nennt Woesler: Der Silvester sei „zwischen 1258/60 und 1274, möglicherweise zwischen 1270 und Ende 1272“ entstanden (1997, 50; er beruft sich dabei auf Kokott 1989, 129). Der Alexius „muß […] vor juni 1275 gedichtet sein“ (Ausgabe Gereke 1926, XIII), die Abfassung vor den Sommer 1275 fallen (Ausgabe Woesler 1974, XI), den Pantaleon „hat der junge Johannes von Arguel wahrscheinlich schon zu einem Zeitpunkt in Auftrag gegeben, der noch vor der ersten uns heute bekannten urkundlichen Erwähnung liegt“ (Ausgabe Woesler 1974, X), „wohl um 1277“ (Brinker 1968, 169).

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Konrad bietet mit seinen Legenden drei unterschiedliche Heiligen-Typen: den „confessor (Bekennerheiliger ohne Martyrium) Silvester“, den Asketen Alexius und den Märtyrerheiligen Pantaleon (Brandt 2009, 157), der ein Arztheiliger ist (Brandt 2009, 158). Generell entsprechen diese drei Texte „völlig dem literaturwissenschaftlichen Legendenbegriff im engeren Sinn“, „sie sind Darstellungen des Lebens bzw. ausgewählter Lebensabschnitte von Heiligen“ (Brandt 1987, 122). Brandt weist darauf hin, dass Silvester einen „ausgesprochen dominierend-aktiven Heiligentyp“ verkörpere (Brandt 1987, 73). Alle drei Legenden verorten ihre Geschichte ze Rôme (nach Rom), und führen Vorbildfiguren vor Augen, „die auf ein gutes Leben hin erzählen, die dem Rezipienten durch die Lektüre […] die Sünde entfremden sollen“ (Griese 2013, 63). Der Silvester ist mit seinen 5222 Versen die umfangreichste der drei Konradschen Legenden. Thema ist „der Triumph des Christentums über Heidentum und Judentum durch Papst Silvester I. (314–335)“ (Brunner 1985, 287). Brandt erkennt vier relativ abgeschlossene Teile des Textes: Jugend und Papsttum; Drachenbannung; Erkrankung, Heilung und Taufe Konstantins; Intervention Helenas zugunsten der Juden und Disputation (Brandt 1987, 126; ebenso Wyss 1973, 246–247). Theologischer Inhalt (Jungfrauengeburt, Trinität, Menschwerdung, Messianität, Judenthematik) wird im Disputationsteil verhandelt (Brandt 1987, 127); dies kann man wie Brandt als konventionell und erwartbar beurteilen, doch zu bedenken ist, dass Konrad damit Themen der theologischen Lehre auf eingängige und verständliche Art in das volkssprachige Erzählen im 13. Jahrhundert einbringt und dadurch einen Bildungs-Transfer schafft, indem er Gesprächsgegenstände der Latinität in die Literatur einflicht. Konrad dichtet mit dem Silvester ein götlichez maere (V. 11) von zweierlei Nutzen: es biete Wahrheit und Freude, sei nützlich und freudebringend (V. 12); die Marter und Tugendhaftigkeit des Protagonisten bessern den Rezipienten, der als edel herze apostrophiert wird (V. 24). Das Erzählen von einem Heiligen wird im Prolog (V. 1–100) angekündigt, welcher herausragende Wunder wirke, er sei Polarstern (leitesterne, V. 42) und Licht für die Christenheit (V. 43). Silvester ist aber auch „eine zentrale Gestalt der Geschichte des Christentums, weil er den ersten entscheidenden Sieg über das Heidentum erfochten hat“ (Brandt 1987, 126, Hervorhebung im Original). Der heilige Silvester ist der Patron der Maurer und Steinmetzen (Brandt 1987, 128), seit dem Spätmittelalter wegen des Stierwunders in der Zambriepisode der Legende auch der „Patron der Haustiere, um deren Schutz man bat“ (Kliege-Biller 2000, 152); früh sei für ihn in Basel eine besondere Verehrung feststellbar (Brandt 1987, 72; Kliege-Biller 2000, 140–160), sein Festtag ist der 31. Dezember. Der Alexius (1412 Verse) erzählt von einem keuschen jungen Mann, der der Welt (seiner Braut, Familie und Reichtum) entsagt und auf Gott konzentriert (sîn herze sam ein heizer kol / in der gotes minne bran, V. 150–151), sündenfrei im Gebet lebt, erst in der Fremde, dann als armer bilgerîn (V. 586, 600) geduldet und geschmäht im Haus seiner Eltern, wo er unerkannt stirbt. Wyss sieht nur ein einziges Thema, „die Askese, die des Alexius Heiligkeit begründet“ (1973, 221); er gliedert den Text in zehn Abschnitte (221– 222). Alexius wird in der Geschichte zum Heiligen, der als reiner gotes kneht (V. 417, 500)



Legenden (Silvester, Alexius, Pantaleon) 

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von Gott erkannt wird, aber nicht von seinen Lieben. Erst ein Brief, den der Papst aus der Hand des Toten löst (V. 1009) und verlesen lässt, klärt nach seinem Tod die Identität auf. Auch der Alexius wird durch einen Prolog eingeleitet (V.  1–56), der ein wunder ankündigt (V. 54); der Text nennt dies später ein wunder wilde (V. 732). Der Text will ebenfalls eine Vorbildfigur bieten, „die Tugend des Heiligen halte einen jeden zur Besserung an (V. 30–31), das Leben des sældenrîchen mache die Menschen sældenhaft (V. 36–37)“ (Griese 2013, 63). In der Version Konrads lebt Alexius in einem winkel des Elternhauses (V. 626, 646), in einer Ecke, einem abgelegenen Ort, als gotes ritter (V. 714); Bildzeugnisse stellen dagegen wiederholt eine Treppe dar, unter der Alexius im Elternhaus lebte (Grabner 2016). Für Basel ist ein Alexiuskult belegbar (Brandt 1987, 129; Leipold 1976, 67–68), Festtag des Heiligen ist der 17. Juli. Ulrich Wyss beschreibt den Pantaleon (2158 Verse) als „Märtyrervita gewöhnlichen Zuschnitts“, der als Konrads „reifste, ästhetisch beste Legendendichtung“ gelte (Wyss 1973, 233), als die „sprachlich durchgeformteste der drei Legenden“ (Brandt 2009, 160). Sie ist die einzig bekannte selbständige mittelhochdeutsche Legende des Heiligen (Brandt 2009, 156). Der Pantaleon thematisiert die Zeit der Christenverfolgungen im Römischen Reich und – wie der Silvester – die Auseinandersetzung um die wahre Religion (im Text: Christentum versus Heidentum). Kaiser Maximian (dies ist Galerius Valerius Maximianus, „der 305 mit Constantius zum Augustus erhoben wurde“ [Ausgabe Woesler 1974, XII]) gehört dem heidnischen Glauben an, Pantaleon, der Sohn eines römischen Senators wird zum Arzt ausgebildet und lässt sich durch ein Wunder (durch ein Gebet zu Christus wird ein Junge von einer ihn würgenden Schlange befreit) vom Christentum überzeugen und taufen. Pantaleon heilt einen Blinden, erregt den Neid der praktizierenden Ärzte, die ihn beim Kaiser anschwärzen, er wird der Zauberei bezichtigt (V. 968, 1133) und mehrfach gefoltert; fünf Versuche, ihn zu töten scheitern, da Christus ihm stets hilft: der gotes kempfe reine / die marter lîden wolte / durch daz er tragen solte / der sigenüfte palmen (V. 944–947). Der Kaiser reagiert wiederholt zornig alse ein tobic hunt (V. 1493). Zuletzt wird Pantaleon, der reine marterære (V. 1322), enthauptet und auch hier ereignet sich ein Wunder (es fließt statt Blut weiße Milch, nach heileclîcher art, und der Baum, unter dem die Enthauptung stattfindet, bringt neue Früchte, V. 2098–2105). Eine ausführliche Darlegung des Inhalts findet sich bei Brandt (2009, 145–155); Gliederung des Textes bei Woesler (Ausgabe 1974, XVI). Der Prolog (V. 1–66) des Pantaleon wiederholt Gedanken und Formulierungen der anderen beiden Konrad-Legenden, betont jedoch deutlicher die Vorbildfunktion des Märtyrers: Nützlich sei es, von Märtyrern zu hören, deren Angst und Not entzünde das eigene Herz, eine gute Tat zu tun, die Sünde werde einem dadurch fremd (sünde wilde, V. 23; Griese 2013, 63). Die Verehrung des heiligen Pantaleon in Basel ist intensiv, vermischt mit dem Kult eines anderen Heiligen, mit dem (Kölner Stadt-)Heiligen Pantalus, des ersten, historisch jedoch kaum nachweisbaren Bischofs der Stadt Basel (Brandt 1987, 74; Ausgabe Woesler

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1974, XII–XV, der einige Belege für die Verehrung des heiligen Pantaleon in Basel und der Schweiz zusammenträgt). Eine Verwechslung der Heiligen in der Beauftragung der Legende (Pantalus statt Pantaleon) auf Seiten Konrads ist nach Woesler kaum glaubhaft; wenn jedoch vom Auftraggeber Johannes von Arguel eigentlich der erste Bischof der Stadt Pantalus mit einer Legende hätte geehrt werden sollen (diese Vermutung auch bei Palmer 1977, 544), müsste man einen politischen Impetus erwägen, vergleichbar der Servatiuslegende, die Heinrich von Veldeke zum Lob Maastrichts verfasst hat (Ausgabe Woesler 1974, XIV–XV). Festtag des Heiligen, der als Hauptpatron der Ärzte und seit dem 15. Jahrhundert auch als einer der vierzehn Nothelfer gilt, ist der 27. Juli (Ausgabe Woesler 1974, XII), in Basel wohl der 28. Juli (Ausgabe Woesler 1974, XIII).

4 Quellen und Gattungskontext In allen drei Legenden Konrads ist eine lateinische Quelle als Vorlage eigens genannt. Im Silvester lautet die entsprechende Passage im Prolog: daz ich diz buoch verrihte / und ez in tiusch getihte / bringe von latîne (V. 85–87). Im Alexius wird sowohl im Prolog als auch im Epilog eine lateinische Vorlage erwähnt, zum einen heißt es hier: sô daz sîn leben ûz genomen / daz in latîne stât geschriben, / werde in tiusch von mir getriben (V. 18–20), zum anderen: von Basel zwêne bürger hânt / sô rehte liebe mir getân / daz ich von latîne hân / diz mære in tiusch gerihtet (V. 1388–1391). Im Pantaleon ist der Hinweis im Epilog keine Ich-, sondern eine Er-Aussage, bezogen auf den Auftraggeber: von Arguel Johannes / … / geschuof daz sîniu wunder sint / alsus getihtet schône. / mit sîner miete lône / brâht er si von latîne / ze tiuscher worte schîne (V. 2140–2146). Auftrag und Bezahlung werden als Ursache für die Übertragung in die deutsche Sprache genannt, „Johannes erhält hier beinahe autorhafte Züge, was die Förderung des Legendentextes angeht“ (Plotke 2017, 138). Geleitet von diesen Textinformationen suchte man in der Forschung konkrete Vorlagen für die Legenden zu bestimmen und konstatierte, dass Konrads Texte sich verhältnismäßig eng an existierende lateinische Fassungen anschlössen (Brunner 1985, 286; ein erster Überblick bei Griese 2013, 59 Anm. 17). Allerdings läßt er [Konrad, SG] den Erzähler mehr hervortreten, der Sprachstil ist etwas reicher – die verwendeten rhetorischen Mittel […] sind indes ziemlich einfach –, der Darstellung von Raum, Zeit, Handlungen und Personen wird mehr Aufmerksamkeit zuteil. (Brunner 1985, 286–287)

Als lateinische Vorlage für den Silvester wird seit der Dissertation von Georg Prochnow (1901) die Fassung B2 der in mehr als 350 Handschriften überlieferten Actus Silvestri genannt (Brunner 1985, 287); als Kriterium gelten vor allem zwei inhaltliche Aspekte: in dieser Fassung ist „die Drachenepisode vor die Episode, die den Aussatz des Kaisers betrifft, gezogen“ und der Kaiser übernimmt in dem Religionsdisput die Schiedsrichter-



Legenden (Silvester, Alexius, Pantaleon) 

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rolle (Woesler 1997, 51). Dieser Befund ist durch die Untersuchungen von Kliege-Biller (2000 und 2002) auf eine gültige philologische Grundlage gestellt, denn sie hat die Textfassung Konrads an der lateinischen Überlieferung der Actus Silvestri und unter Einbeziehung der Ergebnisse von Levison (1924) neu geprüft: „Die Grundfassung Konrads von Würzburg ist durch die spezifische Abfolge der Erzählung eindeutig als B2 zu identifizieren.“ (Kliege-Biller 2002, 48). Sie kann dieses Ergebnis konkretisieren: Zu diesem Mischfassungstyp B2 gehören 52 Handschriften vom 8. bis 17. Jahrhundert, von denen zehn sich als besonders relevant für Konrads Fassung herauskristallisieren; im Zentrum steht der Codex Sangallensis 569 (Sankt Gallen, Stiftsbibliothek) aus dem 9. Jahrhundert. „Trotz großer inhaltlicher Übereinstimmungen und geographischer Nähe zu Basel kann er allerdings nicht die direkte Vorlage, die im folgenden die Sigle K* trägt, gewesen sein.“ (Kliege-Biller 2002, 48). Die Vorlage K* bestimmt sie als „vergleichsweise reinen B2-Text“ einer Untergruppe G1 (Kliege-Biller 2002, 48), für die sie sechs Handschriften nennen kann (Kliege-Biller 2000, 66–67). „Daneben scheint Konrad keine weiteren Quellen herangezogen zu haben“ (Kliege-Biller 2002, 48). Kliege-Biller legt auf der Grundlage des Codex Sang. 569 eine Edition der Mischfassung B2 der Actus Silvestri vor (2000, 70–138) und rekonstruiert im Vergleich mit Konrads Silvester-Text die nicht erhaltene Vorlage K*, indem sie dabei drei Kriterien berücksichtigt: eine mögliche Beeinflussung der Konradschen Übertragung durch „externe Kriterien wie Kultfragen, Auftragssituation oder Publikumserwartung“, die von Konrad angewandte „Übersetzungsstrategie“ und „mögliche Eingriffe in den Silves­ ter zwischen der Originalbearbeitung um 1273 und der heute erhaltenen Abschrift aus der Zeit um 1300“ (Kliege-Biller 2002, 48–49). Sie formuliert folgende Beobachtungen: Konrads Bearbeitung bleibt hinsichtlich einer Entscheidung entweder für Papst- oder für Kaisertum neutral, die Actus Silvestri entziehen sich dem üblichen Legendenschema, dem sich Konrad anpassen musste, „Konrads Lateinkenntnisse ließen ihn an einigen Stellen im Stich“, der Silvester entstand in politisch unruhigen Zeiten (Auseinandersetzungen mit Rudolf von Habsburg), „was einige Nachlässigkeiten seiner Dichtung erklären könnte“ (Kliege-Biller 2002, 48–49). Sie nennt zur Übersetzungsstrategie sechs Ergebnisse: Konrad arbeite von Episode zu Episode, innerhalb der Episoden gehe er satzweise vor; er füge inhaltlich nichts hinzu, „versucht aber, den Text mit minimalen Mitteln interessanter, faßbarer oder bunter zu gestalten“; inhaltliche Schwierigkeiten (z.  B. im Religionsgespräch) versuche er zu glätten; er variiere monotone Abläufe der lateinischen Vorlage (wie Silvester ait oder Judaeus dixit), indem er den Sprecherwechsel im Laufe der Erzählung auf bis zu drei Verse ausweite; er mildere unvermittelte Übergänge; an einigen Stellen blitze „der Sprachkünstler Konrad von Würzburg hervor“, bisweilen sei er jedoch auch der „tumbe Übersetzer“ (Kliege-Biller 2002, 49–50). Mit dieser Untersuchung können die von Gereke behaupteten Aussagen  – „sklavische abhängigkeit von der quelle“ und eine sich „nicht über die quelle erhebende schwäche der komposition“ (Ausgabe Gereke 1925, VII–VIII) – korrigiert werden. KliegeBiller fasst zusammen:

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Keineswegs sklavisch, wie oft behauptet, ist Konrad seiner Vorlage verhaftet. Knapp 28 % des Textes, und das sind 1406 von 5222 Versen, gehen n i c h t in direkter Übersetzungstätigkeit auf K* zurück, sondern zeigen eine eigenständige Ausarbeitung. Dabei handelt es sich nicht um inhaltliche Zusätze, sondern um Ausmalungen, die den Text trotz des geringen Gestaltungsspielraumes modellieren, interessanter und ansprechender machen sollen. Entfernt man diese Ausmalungen, die sich klar von der direkten Übersetzung trennen lassen, aus dem Silvester, erhält man eine inhaltlich vollständige und lesbare deutsche Übertragung von K*. Konrads Vorlage wird somit trotz der vielschichtigen Textstrukturen der Actus Silvestri bis auf einige wenige Zweifelsfälle sicher rekonstruierbar. (Kliege-Biller 2002, 50)

Eine vergleichbare Grundlagenarbeit fehlt für den Alexius und den Pantaleon, die Vorlagenfrage ist für diese beiden Texte bis heute nicht geklärt (Kliege-Biller 2000, 364 Anm. 1). Hier sind wir auf die vorläufigen Ergebnisse älterer Studien angewiesen. Der Alexius basiert auf einer lateinischen Vorlage, „die zur ‚päpstlichen‘ Version (B) gehört“ (Brunner 1985, 288). Man unterscheidet gemäß dem Schlussmotiv (der Brief des Alexius wird entweder der Braut oder dem Papst ausgehändigt) eine bräutliche von einer päpstlichen Version (Brandt 1987, 128–129; Ausgabe Gereke 1926, VI). Kliege-Biller (2000, 364) vermutet für den Alexius ein ähnlich vorlagengebundenes Arbeiten und Übersetzen Konrads wie beim Silvester. Palmer weist darauf hin, dass die lateinischen Texte der Alexiuslegende handschriftlich weit verbreitet waren und dass die lateinischen und deutschen Texte in Einzelheiten stark voneinander abweichen (Palmer 1979, 172). Er konstatiert, dass die späten Alexiustexte und sekundären Überlieferungen, die Janson (1902) heranziehen konnte, sich nicht für einen Vergleich mit Konrads Fassung eigneten, da Konrad „eine sehr zuverlässige Hs. der zweitältesten lateinischen Alexiusvita BHL 286 vor sich gehabt zu haben scheint“ (Palmer 1979, 176). Der lateinische Prosatext BHL 286 (Bibliotheca hagiographica latina) liegt in einer – wenn auch durch „Sorglosigkeit […] beeinträchtigt[en]“ (Palmer 1979, 176) – Ausgabe nach zwölf Handschriften des 11. Jahrhunderts vor bei Sprissler (1966, 106–153). Ein Vergleich der Textstellen bei Janson und Sprissler zeigt, dass „Konrads Übersetzung in fast allen Fällen mit den älteren Hss. gegen die bei Janson herangezogene Überlieferung übereinstimmt“ (Palmer 1979, 176). Hier müsste ein neuer Text- und Fassungsvergleich ansetzen. Bereits Henczynski hat 1898 angenommen, dass die drei erhaltenen Alexius-Handschriften auf eine gemeinsame Vorlage zurückgingen (Henczynski 1898, 19). Palmer plädiert für einen Hyparchetyp *JS (1979, 177). Für die Prosafassung des Alexius konstatiert Palmer, dass diese der Handschrift S (Engelberg) am nächsten stünde, ob „der Bearbeiter neben Konrads ‚Alexius‘ eine zweite Vorlage benutzt hat, ist schwer zu bestimmen“ (Palmer 1979, 172). Für den Pantaleon vermutet Kliege-Biller, dass Konrad nach einer Mischfassung der Vita Pantaleonis gearbeitet habe und ebenso wie in den anderen Legenden keine weiteren Quellen ergänzend hinzugezogen hat. Auch für diesen Text ist daher eine Sichtung der Gesamtüberlieferung lateinischer Pantaleonsviten unumgänglich. (Kliege-Biller 2000, 364 Anm. 1)



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Der bisherige Forschungsstand behauptet (seit Janson 1902) zwei lateinische Handschriften des 11. bzw. 12. Jahrhunderts als Basis für Konrads Pantaleon-Text: München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 18546 (Tegernsee, 11. Jahrhundert) und Clm 9516 (Oberaltaich, 12. Jahrhundert – vgl. Neukirchen 2008, 85). Sie stehen (so Palmer 1977, 544– 545) Konrads Vorlage näher als der bei dem Mailänder Drucker Boninus Mombritius gedruckte Text der Vitae sanctorum (nicht nach 14.IX.1478, vgl. GW M25213: die Vita des Pantaleon auf fol. 192r–195r unter der Überschrift Passio beatissimi Pantaleonis marty­ ris). Palmer (1977, 545) listet einige wichtige Handschriften des 9. bis 12. Jahrhunderts auf, die zu prüfen wären. Nach dem Blick auf die möglichen und tatsächlichen Quellen der Legenden Konrads erfolgt nun der Blick auf den Gattungskontext und die Frage der Form. Mit der Aussage „Die Legende ist der Inbegriff von Sinnansprüchen an die Welt“ eröffnete Susanne Köbele ihre Überlegungen zur Form der Legende (2012, 365), um dies mit dem Pantaleon Konrads von Würzburg zu erweisen und als Hauptfunktion der Legende „die narrative Stabilisierung von Heilsgewissheit“ zu behaupten, die die Texte ebenso „demütig[]“ wie „kunstlos[]“ formulierten; die Legende „liebt einfache Taten, verständliche Helden“ und baut „auf die reine Herzens-Einfalt derer, die sie exemplarisch aufnehmen sollen“ (366). Außerhalb gattungshybrider Grenzfälle verstehe sich der „idealtypische Legendenerzähler […] unmissverständlich als demütig-schlichter Chronist der Wahrheit“ (367), der einen Heiligen und eine Reihe von Wundern benötige, „jemanden, der davon erzählt, und jemanden, der das Erzählte glaubt“, Rhetorik brauche eine Legende nicht (Köbele 2012, 370). Köbele zeigte dann im Folgenden in der Auseinandersetzung mit Jolles und Blumenberg, dass diese Schlichtheit eine Illusion ist, mit der Legendenerzählen agiere. Die Legende des Mittelalters ist eine Gattung, die das Erzählen von Heiligen zum einen auf breiter Basis und beinahe seriell präsentiert; zu denken ist an die reich überlieferten lateinisch- oder volkssprachigen Legendare (Legenda aurea, Elsässische Legenda aurea, Der Heiligen Leben, Passional etc.), auch an manche Einzellegenden (vgl. Williams-Krapp 1986; Neukirchen 2008, 86–87 weist auf andere spätmittelalterliche Pantaleon-Legenden in den bekannten Legendensammlungen, auch in mittelniederländischen oder englischen Handschriften hin), zu denken ist aber auch an die vielen Bildzeugnisse (Altäre, Glas- und Wandmalerei, Holzschnitte u.  a.) der sakralen Kunst, die Heilige mit ihren Attributen und oftmals in der Abfolge mehrere Lebensstationen darstellen. Zum anderen sind auch die Musik und der gesamte liturgische Rahmen des Kirchenjahres zu erwähnen, die den einzelnen Heiligen einen festen Platz zuordnen. Die Legende ist damit eine Gattung, die in bestimmten Kontexten des geistlichen Lebens fest verankert ist, die vor allem auf die Liturgie und die Klosterkultur verweist sowie auf die Tischlesung in einem Konvent. In diesen Lesungen hält man die Heiligen präsent (Kunze 2000; Griese 2014, 346–352). Palmer weist auf die Betonung der collatio und der lectio ad mensam bei den Klosterreformen hin, die es notwendig mache, „über deutsche Fassungen aller wichtigen Heiligenlegenden zu verfügen“ (1979, 158). Da Prosa um 1400 als geeignetes Medium für derartige Erbauungsliteratur galt, sieht er in der

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Prosabearbeitung des Alexius (158–159) ein ungewöhnlich starkes Interesse präsentiert, „das diesem für den Kult nicht sonderlich wichtigen Heiligen in volkssprachlichen Bearbeitungen zukam“. Dieser Kontext ist zu berücksichtigen, wenn man die drei Legenden Konrads interpretieren und einordnen möchte, die zum ersten Mal für Basel von Silvester, von Alexius und von Pantaleon in der Volkssprache erzählen, die – dies aufgrund der Sprache und ihrer paratextuellen Rahmung zu vermuten  – außerhalb des liturgischen und klösterlichen Rahmens stehen. Sie bieten einzelne und in sich abgeschlossene Fassungen, die nicht eingebunden in eine Legendensammlung überliefert sind. Wenn in Basel ein bekannter Autor weltlicher Dichtung wie Konrad von Würzburg mit der Übertragung dreier Legenden in die Volkssprache beauftragt wird, könnte dies auch bedeuten, dass man dem Erzählen von Artus oder Dietrich (paradigmatisch genannt für die weltliche Literatur des 12. und 13. Jahrhunderts) ein für das Stadtpublikum attraktives Erzählen von heiligen Helden, die ebenfalls Vorbildcharakter haben, entgegenstellen möchte (Griese 2013). Vielleicht ist diese Intention annäherungsweise zu vergleichen mit Otfrid von Weißenburg, der mit seinem Evangelienbuch, zu dem er von Mitbrüdern und von einer Frau namens Judith gebeten wurde, bereits im 9.  Jahrhundert einen Versuch unternahm, den weltlichen Liedern in der Volkssprache eine Dichtung über das Leben Jesu in der Volkssprache entgegenzustellen (Widmungsbrief an Liutbert von Mainz). Dazu kommt der Gedanke der Heilsstiftung, den Plotke erwähnt, indem sie auf Liutold von Röteln weist und bemerkt: „Liutold hat für die Herstellung der Heiligenlegende gesorgt, die nicht nur ihm und dem Dichter, sondern auch dem Publikum zum Heil zu gereichen vermag“ (Plotke 2017, 135). Legendenerzählen stiftet mehrfachen Nutzen. Brandt (1987, 123) formuliert einen wichtigen Aspekt, der Legendentexte möglicherweise von anderer Literatur unterscheidet: Was die Überlieferung angeht, ist die Handschriftenlage bei Legenden grundsätzlich anders zu beurteilen als bei weltlichen Texten. Spärliche Überlieferung ganz bestimmter Legendenfassungen kann kein Anhalt für ein Scheitern des Autors sein, da das Interesse an einem Heiligen nicht auf einen speziellen Text angewiesen ist. Kirchlicherseits stehen Sammlungen bereit, und es kursieren auch für die meisten Heiligen eine Reihe von Einzellegenden. Beides ist überall greifbar, dichterische Neufassungen dienen meist einer Aktualisierung der Form, seltener des Inhalts – der innerhalb eines bestimmten Rahmens ja festliegt.

Brandt plädiert deswegen dafür, Konrads Legenden nicht „einfach nur legendenartigen Dichtungen“ wie dem Gregorius oder dem Armen Heinrich gegenüberzustellen, sondern auch das kulturelle Umfeld „angesichts des neuen Stellenwertes der Legenden nach der 1. Hälfte des 13.  Jh. stärker“ zu berücksichtigen (Brandt 1987, 123). Die Legenden Konrads sollten im Verhältnis zu anderen Legenden und Legendarfassungen sowie im Kontext des gesamten Frömmigkeitslebens des 13. Jahrhunderts interpretiert werden; den Kontext deutet Kunze (1986/1987, 54) an. Anne Winston-Allen (2023) diskutiert den Zusammenhang zwischen Text- und Bildfassungen der verschiedenen Alexius-Versionen und verweist auf verschiedene Bildzeugnisse zu dem Heiligen. Die frühere Forschung



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hat die drei Legenden Konrads im Vergleich mit Gottfried oder Hartmann interpretiert und stereotyp abgewertet: „Das Hintergründige höfischer Hochkunst geht verloren, aber es bleibt der klangliche Reiz“ und „[d]ie glatte Form ermöglicht eine Breitenwirkung bei dem bürgerlichen Publikum“ (Rosenfeld 1972, 56). Konrads Legenden seien „flache Kompilationen“, fasst Köbele die Kritik der älteren Forschung zusammen (Köbele 2012, 380).

5 Forschungsgeschichte Im Anfang stand der Text – die Forschungsgeschichte für Konrads Legenden beginnt mit dem Alexius, von dem einzelne Passagen der Handschrift A bereits im 18. Jahrhundert abgedruckt werden konnten, noch bevor sie verbrannte (Scherz 1781, 1784; Oberlin 1782), gefolgt von einem Teilabdruck des Silvester (Graff 1827) und der Silvester-Ausgabe von Wilhelm Grimm (1841). Moriz Haupt legte 1843 eine Edition des Alexius und 1848 dann die erste Edition des Pantaleon vor. Mit seinem Alexius reagierte er auf die Untersuchung von Hans Ferdinand Massmann, Sanct Alexius Leben in acht gereimten mittelhochdeutschen Abhandlungen (1843), der unter der Sigle D die Konrad-Legende zum ersten Mal nach den Handschriften abdruckte (86–104), jedoch „verwahrlost“ und in der Grammatik fehlerhaft (Haupt 1843, 534), worauf bereits Henczynski hinwies (1898, 7) und eine neue Ausgabe vorlegte. Doch der Wert von Massmanns Arbeit liegt meiner Ansicht nach darin, dass er in seinem Anhang verschiedensprachige AlexiusTexte (lateinisch, griechisch, deutsch) abdruckte (1843, 157–208) und dadurch auf eine gewisse Breite der Kenntnis über diesen Heiligen hinwies und komparatistisch ausgerichteten Forschungen das Material bot. Korrekturen an den bisherigen Ausgaben sowie Angaben zur Textkritik folgten (z.  B. Schönbach 1875; Pfeiffer 1867b; Schröder 1907; Gereke 1912), bevor dann Gereke im Jahresrhythmus die drei Ausgaben in der Altdeutschen Textbibliothek herausbrachte: 1925 den Silvester, 1926 den Alexius und 1927 den Pantaleon. Diese Ausgaben waren lange Zeit gültig, obwohl Leitzmann (1938) Fehler nachwies und beispielsweise die Silvester-Ausgabe als „keine durchweg befriedigende oder gar vollkommene leistung“ bezeichnete (Leitzmann 1938, 361); zuverlässiger als der Silvester sei der Text des Alexius (Leitzmann 1938, 365), jedoch auch nicht ohne Fehler, der Pantaleon genüge „in der sauberkeit der textbehandlung den notwendigen ansprüchen leider gleichfalls nicht […]. Die zahl der schlimmeren druckfehler ist ziemlich groß“ (Leitzmann 1938, 367). Auch Schröder hatte bereits 1925 an der Silvester-Ausgabe Kritik geübt und eine Liste von Berichtigungen und Besserungen vorgelegt. Erste textvergleichende Beobachtungen stellte Heinrich Schneegans 1888 im Rückgriff auf Gaston Paris (1872) und Massmann (1843) an, indem er die Alexiusgeschichte in altfranzösischen und mittelhochdeutschen Fassungen betrachtete und inhaltliche Unterschiede (auch im Blick auf lateinische Versionen) notierte, so beispielsweise zur sogenannten päpstlichen und bräutlichen Version:

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Aus der ursprünglichen schlichten Legende suchte man im Laufe der Zeit durch die Hervorhebung der Rolle einer Frau und durch die Hineinflechtung erotischer Momente in den legendarischen Stoff einen packenden Roman zu machen. (Schneegans 1888, 325)

Um 1900 stand die Frage nach den Quellen der Legenden im Vordergrund. Die Untersuchungen von Georg Prochnow zu den Silvesterlegenden (1901) und Gustav Janson (1902) zu allen drei Legenden ergaben, dass Konrad sich streng an seine lateinischen Vorlagen halte, nur beim Pantaleon greife er ein, um der Handlung eine größere Straffheit zu verleihen (Janson 1902, 57; angeführt bei Ulrich 1924, 1). In den 1920er Jahren wurden drei Dissertationen (Jena, Greifswald, Göttingen) zum Stil Konrads vorgelegt: von Otto Deter (1922), der sich auch zur Chronologie der Werke Konrads äußerte, von Friedrich Ulrich (1924) und von Hans Butzmann (1930). Ulrich verglich beispielsweise den Alexius passagenweise mit dem lateinischen Text, um Änderungen (Kürzungen, Erweiterungen) Konrads zu konstatieren; ausführlich ging er auf den Inhalt der drei Legenden ein, um dann den Stil des Inhalts und der Sprache darzulegen. Der Stil der Gattung Legende zeichne sich durch „ruhige, schlichte, vielfach etwas trockene Sachlichkeit aus. Kühl und massvoll treten uns die Berichte entgegen“ (Ulrich 1924, 79). In einem Anhang (94–205) belegt er eindrücklich das Wortmaterial (attributiver Gebrauch, Beiwörter, Relativsatz, Synonymik, Verbgebrauch, Fremdwörter, Phraseologisches, Syntaktik u.  a.), um dann zusammenzufassen: Frei von jedem Schwulst, fliesst seine Rede glatt und mit einfachem, aber synonymenreichem Wortschatz dahin. Stets versteht es der Dichter, den passenden deutschen Ausdruck zu finden, so dass er nur wenig Fremdwörter anzuwenden braucht. (Ulrich 1924, 206)

Nach einer gewissen Pause setzte mit den Arbeiten von Brinker (1968), Wyss (1973) und Jackson (1972) eine neue Phase der Legendenforschung ein. Brinker untersuchte in seiner Bonner Dissertation „Formen der Heiligkeit“, wobei neben den Texten von Heinrich von Veldeke, Hartmann von Aue und Reinbot von Durne auch die Legenden Konrads von Würzburg Gegenstand waren. Er gliederte deren Analyse nach den unterschiedlichen Heiligentypen in Papsttum, Asketentum und Märtyrertum und legte erste textnahe Interpretationen vor. Konrad gehe es fast ausschließlich um den Heiligen als das Vorbild im religiös-ethischen Sinne. Der Akzent liegt deshalb auch mehr auf der Lebensbeschreibung der Heiligen […] als auf der Darstellung der kultischen Elemente der Heiligkeit. (Brinker 1968, 223)

Jackson (1972) betonte erstmals den historischen Kontext der Texte in Basel und wertete für seine Beobachtungen Wackernagels Geschichte der Stadt Basel aus. Ulrich Wyss legte dann 1973 mit seiner Dissertation eine „Theorie der mittelhochdeutschen Legendenepik“ vor. Sein Textcorpus umfasste Ebernands von Erfurt Kaiser und Kaiserin, Reinbots Georgslegende, Rudolfs von Ems Barlaam und Josaphat, Bruder Hermanns Jolande, Hugos von Langenstein Martina und die Legenden Konrads von Würzburg (Wyss 1973,



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216–256). Wyss analysierte die drei Legenden im Vergleich mit den anderen Texten und betonte ihre „Kürze und Schmucklosigkeit“ (216) sowie den Verzicht auf die „geläufigen Requisiten höfischer Erzählkunst“ (216). Insgesamt dominieren in seiner Deutung negative Wertungen, und zwar bei allen drei Legendentexten. Ich deute dies nur an: Die Anlage des Alexius sei „statisch, ohne Entwicklung von Konflikten“, als einziges Thema gelte die Askese (Wyss 1973, 221), eine „epische Substantialität“ habe dieser Text nicht (225), Konrad habe hier „ein Andachtsbild ausgepinselt“ (241). Im Pantaleon, den Wyss zwar als die reifste Legendendichtung Konrads ansah (233), ziele Konrad auf „die Genesis eines Heilswirkens“ (241). Im Silvester fehle theologisches Formelgut (liturgische Formelemente, lateinische Einsprengsel) im Prolog (246), doch immerhin zwang er Konrad „zu erzählerischen Experimenten“ (254), weil er „nicht in einer einzigen Formidee zu konzipieren war“ (254). Wyss konstatierte: „Das gattungsgeschichtliche Interesse aller drei Legenden scheint mir darin zu liegen, dass sie sich der ästhetisierenden Tendenz der Wolfram-Rudolf-Tradition entgegenstemmen“ (255). Konrad mache seine Legenden „als episches genre unmöglich“ (256). Joachim Bumkes Mäzene im Mittelalter (1979) öffneten den Blick auf das Themenfeld ‚Literatur und Auftragsdichtung‘, das Ursula Peters in ihrer Habilitationsschrift veranlasste, die städtische Literatur im 13. und 14.  Jahrhundert zu untersuchen und dabei auch Konrad von Würzburg in Straßburg und Basel einzubeziehen (Peters 1983, 114–137). Die Münchener Dissertation von Inge Leipold (1976) zu den Auftraggebern und Gönnern Konrads von Würzburg unterstrich diesen Ansatz ebenfalls, indem sie nach den „Interdependenzen zwischen den soziokulturellen Gegebenheiten und der Literatur einer bestimmten Epoche“ fragte (Leipold 1976, 2). Leipold wollte den „Erwartungshorizont“ für Autor, Publikum und Texte auf der Basis des Faktenmaterials (Urkunden, Chroniken und andere geschichtliche Quellen) rekonstruieren und stellte damit eine Auseinandersetzung mit der Rezeptionstheorie von Hans Robert Jauß dar. Ihre Arbeit legte alle Daten und Fakten zu Konrad von Würzburg und seinen Gönnern vor; die drei Legenden sind ebenfalls Gegenstand der Untersuchung. Sie deutete die Motivationen der Auftraggeber und wies darauf hin, „daß es in Basel eine Art von literarischem Zirkel gegeben haben muß“, die Auftraggeber der Dichtungen waren miteinander bekannt, „vielleicht sogar befreundet“, Literatur in der Stadt Basel nahm einen festen Platz ein und ist integrierter Bestandteil des sozialen Handelns, so ihr Ergebnis (Leipold 1976, 135–136). Im Jahre 1972 nahm Winfried Woesler Stellung zu den vorliegenden Editionen des Pantaleon von Haupt und Gereke, die die Handschrift in Wien nicht eingesehen, sondern sich auf Abschriften bzw. die vorliegende Edition verlassen hatten; Woesler bot Lesarten der Handschrift, besprach einige Textstellen (Woesler 1972) und legte dann 1974 eine Neuausgabe des Pantaleon vor, die „voll berechtigt“ war (Palmer 1977, 544). Für diese neue Edition verglich Woesler den Text der Handschrift mit Originalurkunden aus Basel, da er von der Überlegung ausging

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daß sich das von einem Basler Schreiber für einen Basler Auftraggeber angefertigte Originalmanuskript, das eine gewisse Autorisation durch den Dichter in Anspruch nehmen kann, in der Regel nicht wesentlich von den heute noch erhaltenen Originalurkunden unterschieden haben dürfte. (Ausgabe Woesler 1974, VII)

Mit den überlieferungsgestützten Arbeiten der Würzburger Forschergruppe für deutsche Prosa des Mittelalters und dem damit zusammenhängenden Sonderforschungsbereich 226 Wissensorganisierende und wissensvermittelnde Literatur des Mittelalters in Würzburg und Eichstätt erhielt auch die Legendenforschung neue Anregungen. Es wurden Grundlagen geschaffen mit den überlieferungsgeschichtlichen Textausgaben zu Der Heiligen Leben (Freienhagen-Baumgardt et al. 1996 sowie Brand et al. 2004) und der Elsässischen Legenda aurea (Williams und Williams-Krapp 1980; Kunze 1983; und Williams 1990). Geistliche Literatur und auch die Legende standen neu im Fokus der Forschung; deutschsprachige Legenden aus dem klösterlichen Literaturbereich waren nun editorisch erschlossen und boten einen neuen Kontext für die Bewertung von Konrads Legendentexten. Werner Williams-Krapp (1986) legte Studien zur Überlieferungs-, Text- und Wirkungsgeschichte der deutschen und niederländischen Legendare vor. Edith Feistner (1995) breitete eine historische Typologie der deutschen Heiligenlegende des Mittelalters von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis zur Reformation aus, die die „Gattungsgeschichte der Legende als Gebrauchsgeschichte von Typus und Variation“ rekonstruierte (Köbele 2012, 377 Anm.  35) und auch die Legenden Konrads von Würzburg einbezog. Sibylle Jefferis (1988/1989), blickte auf die verschiedenen Alexius-Versionen des Mittelalters und versuchte den Einfluss der Konrad-Fassung auf andere Texte nachzuzeichnen (Jefferis 1988/1989, 199, 211), indem sie verwandte Motive verglich. Hartmut Kokott verortete Konrad von Würzburg als „Autor zwischen Auftrag und Autonomie“, indem er die drei Legenden in den „Rahmen seines Gesamtwerkes einzuordnen“ versuchte (1989, 108), und sich dabei mit den Arbeiten von Brinker (1968), Wyss (1973) und Jackson (1983) auseinandersetzte. Auch in den Legenden Konrads sollen die „Konturen einer dichterischen Persönlichkeit“ aufscheinen (Kokott 1989, 108). Kokott interpretierte die Änderungen, die Konrad gegenüber seinen lateinischen Vorlagen vornahm. Timothy Jackson (1983) machte die drei Legenden Konrads zum Gegenstand seiner Dissertation, indem er deren Form, Inhalt und Funktion analysierte, besonderes Gewicht wurde auf den Darstellungsstil des Erzählers und die Emotionalisierung der Sprache gelegt: „Emotional intensification is also a quality which sets his work off from the more restrained approach of the courtly writers“ (Jackson 1983, 400). Emotionalisierung verfolgte Jackson in einem kurzen Exkurs auch in der Plastik des 13. und 14. Jahrhunderts und stellte Analogien zu Konrads Erzählstil her.



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6 Neue methodische Ansätze Rüdiger Brandt musste im Jahr 2000 noch formulieren, dass zu den drei Legenden Konrads „fast keine Einzeluntersuchungen“ vorlägen, eine Bemerkung, die in der zweiten Auflage seiner Einführung wiederholt ist (Brandt 2009, 158). Er skizzierte deswegen „drei Zugangswege“ der Interpretation und hat gerade den Pantaleon im Blick: Man könne die Legende als einzelnen Text untersuchen, man könne prüfen, inwieweit Einzellegenden im Rahmen einer literaturgeschichtlichen Reihe bestimmte Standards der Literatur erfüllen oder nicht und man könne Legenden als Vertreter der Gattung untersuchen und prüfen, „inwieweit sie deren Merkmale erfüllen, konterkarieren, relativieren“ (Brandt 2009, 158–159). Man könne auch, wie Jackson 1972 und 1983, „Vergleiche innerhalb des Autor-Legendenkorpus“ anstellen (Brandt 2009, 159). Brandt (2009, 161–163) formulierte darüber hinaus fünf „Beobachtungen und Thesen“, die man für eine Interpretation des Textes berücksichtigen könnte. Er sah beispielsweise in der Schlangenszene des Pantaleon und den dort formulierten Gebeten „Ähnlichkeiten mit Zaubersprüchen“ (161), Pantaleon wolle Gottes Macht erst erproben (versuochen V. 299), die „größere oder geringere ‚Angepasstheit‘ an den Heiligentypus des Märtyrers“ solle hinterfragt und geprüft werden, und zwar unter Einbeziehung der Überlegung, die für den Alexius unter dem Stichwort des „Papierheiligen“ getroffen wurde (Kunze 1986/1987), der Prolog des Pantaleon lasse ein „enges und vor allem doppelseitiges Beziehungsgeflecht zwischen Rezeption und religiöser Einstellung“ vermuten (Brandt 2009, 163), schließlich sah er eine „verdunkelte Reminiszenz an die Laren oder Penaten der römischen Religion“ (in den Götterstatuen des Vaters, 163). Die Forschung ging jedoch andere Wege und griff nicht den Pantaleon, sondern wiederholt den Alexius und auch den Silvester für ihre Interpretationen auf. Wolfgang Beutin hatte 1986 die mittelalterliche Alexiuslegende in einer psychoanalytischen Lesart als einen „Familienroman der Erniedrigung“ analysiert. Er zog dafür die Fassung Konrads und diejenige der Verslegende A heran und ging von Beobachtungen Sigmund Freuds in seinem Aufsatz „Der Familienroman der Neurotiker“ sowie von Sándor Ferenczs „Soziale Gesichtspunkte der Psychoanalyse“ (von 1922) aus, um in der Legende eine grundgelegte Sexualthematik um das Schlüsselwort ‚erkennen‘ zu konstatieren. Beutin analysierte den Text mit den Augen des Zeitgenossen des 20. Jahrhunderts und sah im Alexius einen „Lebensweg ausphantasiert, der dem Bemühen gewidmet ist, dem Erkanntwerden auszuweichen, der Entwurf einer Heiligenvita, bei dessen Betrachtung sich Entsprechungen zum Bild der Zwangsneurose geradezu aufdrängen“ (Beutin 1986, 98), die Phantasie, „‚sozial höher stehende‘ Verwandte loszuwerden“ (101). Beutin sah beispielsweise in Alexius eine unbewusste „Phantasie vom Inzest mit der Mutter in Edessa“, Hinweise auf „väterliche Samenflüssigkeit“ in den „ekelhafte[n] Flüssigkeiten“ des Spülwassers, das auf den im Haus Geduldeten gegossen wird (107); die „Strafe für die Erfüllung der verbotenen Wünsche ist der Tod“ (108). Beutin deutete seine Beobachtungen als „Belege für den schlecht verarbeiteten Kernkomplex in der Individualität des Dichters“ Konrad von Würzburg (113).

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In den letzten zwei Jahrzehnten wurde der Alexius des Konrad von Würzburg mehrfach Gegenstand von Einzeldeutungen. Am Anfang standen erneut Ideen und theoretische Vorgaben eines Sonderforschungsbereichs (SFB 537 Institutionalität und Geschichtlichkeit), die Peter Strohschneider (2002) für seine Überlegungen zur „Textheiligkeit“ am Beispiel von Konrads Alexiuslegende nutzte. Er fragte nach der „Möglichkeit einer (strukturellen) ‚Heiligung‘ der (narrativen) Repräsentation von (transzendenzreligiöser) Heiligkeit“, nach der „Geltungsgeschichte einer Heiligenerzählung“ (110), nach der Präsenz von Heiligkeit in der Immanenz, wofür die Legende als wichtige Form angesehen wurde: „Die Heiligenerzählung i s t nicht der Heilige und das Heil, sondern sie repräsentiert es ‚bloß‘ im Modus der symbolischen Verweisung“ (113); die Legende wird damit als Zeichen interpretiert, „ein in der Immanenz anwesender Text“, der auf den Heiligen hindeute (113), die Legende lässt sich – so Strohschneider – damit in Opposition zur Reliquie bringen (113). Doch der Text ist nachgeordnet, wenn „der Text erzählt, hat der Heilige seine immanente Existenz immer schon beendet“, die Erzählung „repräsentiert abwesende Transzendenz“ (114). Strohschneider sprach deswegen von einer „Prekarität der Legende“ (118), von einem „Geltungsproblem legendarischen Erzählens“ (116), das an Konrads Alexius, der „weniger eine Kult-Figur als eine Pergament- (und später Papier-)Figur“ wäre (128; Bezug auf Kunze 1986/1987), aufgezeigt wurde. Alexius kam als „Gnadengeschenk Gottes“ in die Welt (Strohschneider 2002, 130), liefere seine Lebensbeschreibung in der Legende selbst, Strohschneider nannte dies „Auto(hagio) graphie“ (140), die Legende konstruiere eine „mythopoetische Erzählung“ (142). „Das legendarische Erzählen beansprucht Geltung, insofern es erzählt, was der Heilige selbst erzählt hat“ (142), das Erzählte habe „quasi-sakrale Geltung“, denn die Mythopoetik des Legendarischen unterläuft sozusagen die chronologische, systematische und axiologische Sekundarität jeder Heiligenerzählung gegenüber ihrem Erzählgegenstand, indem sie das Erzählen als eine Dimension der Hinterlassenschaft, der Reliquie des Heiligen selbst konstruiert, sozusagen als Text-Reliquie. (Strohschneider 2002, 146)

Petra Paschinger (2004) interpretierte die Liminalität der Askese in der Alexiuslegende Konrads von Würzburg, indem sie das Asketentum und die Transformation des Asketen genauer bestimmte als „Wechselspiel zwischen Offenem und Verborgenem, zwischen Öffentlichkeit und Nicht-Öffentlichkeit“ (71). Die „Asketenbiographie“, so Paschinger, wäre analog zu einem Sozialen Drama aufgebaut. Sie griff dabei auf Victor Turner zurück (Vom Ritual zum Theater, 1995), der dies in drei Phasen unterteilte: „die Jugendgeschichte als Klimax, die mit dem Bruch der Gesellschaft endet, die Schwellenphase, die aus Phasen der Krise und Bewährung besteht, und die Phase der Reintegration in die Gesellschaft“ (Paschinger 2004, 73). Der Asket wurde als ‚Schwellenwesen‘ im Sinne Turners interpretiert, ohne Status, Eigentum, Insignien, ohne Rang oder Position im Verwandtschaftssystem (74), dessen liminale Identität durch die Namenlosigkeit des Bettlers gekennzeichnet wäre. Paschinger zeigte die Phasen des Turnerschen Modells an der Alexiuslegende auf (Klimax und Bruch, Liminalität der Askese, Offenbarung des



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Verborgenen). Sie führte aus, dass die Legende „ein Wechselspiel zwischen offener und persönlicher Identität des Asketen“ inszenierte (82). Margreth Egidi (2009) interpretierte das legendarische Erzählen in den Alexiuslegenden als „Verborgene Heiligkeit“; sie griff dabei auf die verschiedenen Fassungen der Legende zu, wie sie beispielsweise auch in den Legendaren überliefert sind. Heiligmäßige Selbstverleugnung sah sie im Zentrum der Vita des heiligen Alexius (607). Diese Selbstverleugnung als Form der Heiligkeit wollte Egidi mit dem Begriff der Gabe interpretieren, das absolute Anderssein des Heiligen im Ausdruck der Gabe der Selbstverneinung deuten (608). Egidi erläuterte eine Gabenlogik (Tausch und Gabe), das Prinzip von Leistung und Lohn, sah die Heiligkeit als radikales Anderssein des Heiligen, fragte nach dem Sterben als Gabe. Als festes Programm von Leistungen würden die asketischen Übungen ausführlich von Konrad von Würzburg beschrieben (630). Sie thematisierte weiterhin das Stichwort Selbstverleugnung (zweifache Abgrenzung von totaler Isolation und öffentlichem Bekenntnis) sowie Rückkehrlosigkeit und Rückkehr (dem Leben im ellende schließe sich eine Rückkehr an) und blickte dann auf das Motiv der Braut in den verschiedenen Alexius-Fassungen. Sie konstatierte „eine doppelte Bezogenheit oder ‚Mehrgleisigkeit‘ des Erzählens als Merkmal der Literarizität“ und formulierte: „Mit dem Auserzählen von Alternativen gerät legendarisches Erzählen in die Austauschprozesse literarischer Kommunikation“ (655). Ruth von Bernuth (2011) interpretierte die Alexiuslegenden im Kontext von Schamlosigkeit und Christusnarrheit im Mittelalter. Sie problematisierte den Typus des Christusnarren, der in Russland bis heute verehrt werde (von Bernuth 2011, 310). Den heiligen Alexius zog sie deswegen heran, weil er „in der Ostkirche als Christusnarr verehrt“ werde (316). Sie konzentrierte sich also auf die Passage der Verspottung des Alexius im Elternhaus (Spülwasser, Verspottung durch Kinder). Alexius verberge seine Heiligkeit, er täusche vor, ein armer Pilger zu sein (320). Die Verspottungen von Alexius in seinem Elternhaus können als schamenthobenes närrisches Verhalten verstanden werden, die in der Abfolge der Erzählung erst nach dem Tod für den Zuschauer – Eltern, Braut und Hofgesinde – sich als eine Form der religiösen Kommunikation erweisen. (von Bernuth 2011, 321)

Katja Laschs Alexius-Interpretation machte die Gottesfreundschaft zum Thema, und zwar als „reziproke Beziehung zwischen Alexius und Gott“ (Lasch 2015, 306), gestützt auf die Gabentheorie von Marcel Mauss. Die „asketische Hingabe des Alexius zu Gott“ wurde als „Gabe an die Transzendenz“ verstanden (311). Als Gegengabe Gottes sah sie das Gewähren der göttlichen Gnade und die Zeichen und Wunder, „durch die Alexius als Auserwählter Gottes hervorgehoben“ wurde (312). Auf der Textebene sei dies durch das Wort minne hervorgehoben, Alexius werde auch als gotes trût, als Gottesfreund bezeichnet (313). Das asketische Leben des Alexius und den Bruch mit seiner sozialen Herkunft deutete sie als „Selbst-Gabe im Mauss’schen Sinne“ (314). Alexius sei den Eltern von Gott gegeben, in der irdischen Welt von Gott getrennt und kehre dann auf seinem

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Weg zu Gott als Heiliger zurück, die Vollendung der Askese liege im Tod des Alexius (320); Lasch operierte hier mit dem Schema von ‚exile and return‘, auf das bereits Egidi (2009, 639) und Strohschneider (2002, 129) hingewiesen hatten. Auch der Silvester des Konrad von Würzburg wurde in den letzten Jahren Gegenstand von Einzeldeutungen. Hartmut Bleumer erkannte in diesem Text ein metalegendarisches Erzählen (2010), hinterfragte eine historische Narratologie und bezeichnete „jede historische Erzähltheorie, […] die an die Stelle des binären Denkens in Zeichenrelationen mit dynamischen Symbolbeziehungen operiert, als ‚historische Narrativistik‘“ (Bleumer 2010, 236). Er übertrug den Symbolbegriff Ernst Cassirers auf die Struktur der Geschichte; Geschichte sollte als eine „Symbolstruktur“ aufgefasst werden (237). Die Silvesterlegende Konrads erwies sich für ihn als „Metalegende“, denn sie diskursiviere „ihr eigenes Erzählverfahren auf unterschiedlichen Ebenen, ohne deshalb fiktional zu sein“ (259), Konrad liefere mit seiner „Erzählung die Legende zur Legende“ (260). Bleumer zog vergleichend die Fassung A (diejenige der Kaiserchronik) und die komplexere Fassung B (diejenige Konrads) der Silvesterlegende heran. Die Kaiserchronik zeige den paradigmatischen Bekennertypus, Konrad bezog sich auf den Märtyrertypus (243). Die Silvesterlegende beginnt mit einer Märtyrergeschichte, nämlich derjenigen von Timotheus, diese werde der Bekennerlegende Silvesters „ganz konkret eingeschrieben“ (245): „Das Martyrium führt zum Bekenntnis, das Bekenntnis führt zum Wunder, das Wunder führt zur Umkehr der anderen“ (245). Silvester sieht die Geschichte des Timotheus, die Heiden sehen Silvesters Bekenntnis und das Wunder und sie unterwerfen sich (245). Die Geschichte setze die Ausführungen des Erzählers aus dem Prolog fort und deute ein Rezeptions- und Wirkungsverhältnis an (245). Bleumer konstatierte, dass die syntagmatische und paradigmatische Relation in eine Wechselbeziehung geraten: „Im Rahmen einer kausal-motivierten Geschichte erzeugt das eine mythisch anmutende Kreisfigur: Die Geschichte wird auf ein Ende hin erzählt, das im Anfang schon vorausgesetzt wird“ (245). Die Silvesterlegende demonstriere und erörtere die Heilswirkung des Glaubens (254), Bleumer interpretierte dafür die Drachenepisode und die Disputation. Auf seine Deutung replizierte Susanne Köbele mit einigen kritischen Anmerkungen (Köbele 2012, 380–391) und einer Neulektüre des Silvester mit konzentriertem Blick auf den mittelhochdeutschen Text. Das „implizite Risiko der Legende“, „zugleich ihre religiöse Dringlichkeit“ bestünde in der Illusion der ‚einfachen Form‘ (Köbele 2012, 395). Susanne Baumgartner legte 2014 einen Aufsatz vor, der die Heiligkeit und Aura in Konrads Silvestertext in Auseinandersetzung mit Walter Benjamins Aura-Konzept (Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit, 1939) erörterte. Baumgartner zeigte an der Silvesterlegende, dass „die Konkurrenz und Rivalität zwischen Christen und Nicht-Christen wesentlich in der Beschreibung und Wertung ähnlicher Ostentationsformen, aber unterschiedlicher Referenzpunkte zum Ausdruck“ komme (2014, 119). Die verbalen und symbolischen Kämpfe des Christen Silvester gegen Heiden und Juden umspielten „in verschiedenen narrativen Gestaltungsformen die Differenzierung von wahrer Evidenz des Heiligen und inszenierter Herstellung von Aura“ (119).



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Medialität erwies sich dabei als „wesentliche Kategorie zur Hierarchisierung und Distinktion zwischen Heiligkeit und Aura“ (119). Der Silvestertext sei „Ostentation des Heils“ (119), der „Status von Silvester als wahrem Heiligen wird durch eine klare Repräsentationskette betont: Silvester referiert auf und repräsentiert den christlichen Gott“ (120). Das Auratische an der Figur, das im Text ausgedrückt würde (121), stimme mit seiner „Auserwähltheit“ und seinem „institutionalisierten Rang als Oberhaupt der Christenheit auf Erden überein“ (121). Baumgartner interpretierte ebenfalls die Disputation und das finale Zambri-Wunder, ein „Werkbeweis“ werde in den Wortwechsel eingeflochten, der Disput „mit einer ‚live-performance‘ angereichert und durch die Verschränkung von Wort-, Werk- und Wunderkonkurrenz […] zu einem Höhepunkt gebracht“ (124). Die Wundertat (Stiertötung und Stiererweckung) wird als „direkte Offenbarung inszeniert“ (125). Als zentral für den Text wurde ein Muster der Konkurrenz angesehen (Christentum – Nicht-Christentum): „In allen Konkurrenzhandlungen wird dabei das bloß Auratische, das nur Effekt ist und keinen ontologischen Bezug hat, dem Zeichenhaften, das sich als Manifestation des Göttlichen und somit als Heiliges erweist, gegenübergestellt“ (130). Amelie Bendheim widmete sich 2021 der Silvesterlegende Konrads vor dem Hintergrund der Kreuzzugsthematik, in enger Nachbarschaft zum Rolandslied des Pfaffen Konrad. Sie zeigt, wie das finale Stierwunder der Legende „zur ‚populistischen Waffe‘ einer exklusiven Glaubenspolemik, zur Demonstration von Überlegenheit des christlichen Glaubens funktionalisiert und instrumentalisiert werden kann“ (84). Sarina Tschachtli untersucht die Lichtmetaphorik in Konrads Legenden und zeigt auf, wie der Autor „sein Erzählen als durchlässig ausstellt“ (2021, 113); Durchlässigkeit wird als „hermeneutische Metapher“ (114) gedeutet, die Erzählung mache „den Blick auf das Göttliche frei“ (114). Zugleich geht es um „die ästhetische Leistung […] der legendarischen Erzählung“ (115).

7 Offene Forschungsfragen, verpasste Chancen, Desiderata Obwohl seit 2008 eine Neuausgabe des Pantaleon mit Übersetzung des Textes vorliegt, die sich als „gleichberechtigte Ergänzung“ (Neukirchen 2008, 88) zur bisherigen Ausgabe von Woesler (1974) versteht, und die den Text nach der einzigen Handschrift weitgehend diplomatisch edierte sowie erstmals ins Neuhochdeutsche übertrug, und obwohl Brandt mehrere Anregungen und Hypothesen skizziert hatte (2009, 161–163) und der Pantaleon doch als „reifste, ästhetisch beste Legendendichtung“ Konrads galt (Wyss 1973, 233), fehlt bis heute eine eingehende Deutung des Textes. Der Silvester- und der Alexius-Text Konrads wurden mehrfach und unter verschiedenen methodischen Gesichtspunkten herangezogen und interpretiert, für den Pantaleon sind jedoch noch immer viele Fragen offen, auch wenn Susanne Köbele (2012) in ihrem Grundlagen-Aufsatz zum Legendenerzählen ihre Überlegungen mit dem Pantaleon eröffnete und belegte.

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Wiederholt ist auf den Befund aufmerksam gemacht worden, dass Konrads Pan­ taleon- Legende die einzige selbständig überlieferte mittelhochdeutsche Fassung der Passio dieses Heiligen sei (Brunner 1985, 288; Neukirchen 2008, 86; Brandt 2009, 156), dies wurde aber nicht für eine Interpretation oder einen Vergleich mit den Fassungen der mittelalterlichen Legendare genutzt. Weiterhin ist die Quellenfrage für diesen Text nicht gelöst, eine kritische Sichtung des Handschriftenbestandes der lateinischen Fassungen ist ein Desiderat (Neukirchen 2008, 86). Ähnliche Grundlagenarbeit für das Verhältnis zur Vorlage wie Kliege-Biller dies für den Silvester und die Actus Silvestri geleistet hat (2000), müssten für den Pantaleon, aber auch für den Alexius unternommen werden. Aus diesen Vergleichen ergäbe sich ein Bild des Legenden-Übersetzers Konrad, der mit einer lateinischen Vorgabe arbeitet (Köbele 2012, 393, forderte dies für den Silvester im Rahmen einer eigenen Untersuchung). Die Ergebnisse wären dann mit dem Autorbild Konrads zu vergleichen, das sich in der Arbeit an seinen anderen Werken ergeben hat. Eine Neuedition des Silvester-Textes ist von Winfried Woesler angekündigt worden (1997, 50). Er notierte einige Flüchtigkeiten und falsche metrische Überlegungen in der Ausgabe von Gereke aus dem Jahre 1925. Ob er die Neuausgabe in der nächsten Zeit herausbringen würde, konnte Winfried Woesler leider nicht zusichern (E-Mail vom 31. August 2018). Nigel Palmer regte schon 1979 eine Neuedition des Alexius an (175), deren Text an den erhaltenen Handschriften geprüft werden und die „viele kleinere metrische Emendationen beseitigen […] und die Unsicherheit des rekonstruierten Wortlauts an einigen Stellen […] deutlicher kenntlich“ machen müsste (175). Palmer konstatierte: „Eine handschriftennähere Ausgabe des ‚Alexius‘ müßte trotz der berechtigten Kritik an Henczynski die Hs. A als Grundlage benutzen“ (177). Offen ist auch noch die Frage, welche Alexius-Fassung in der Werkstatt von Diebold Lauber angeboten wurde (s.  o.). Die Vermutung, dass es sich um die Konradsche Legende handeln könnte, müsste noch einmal aufgegriffen und an den erhaltenen Handschriften im Vergleich mit den Lauber-Eigenheiten abgeklärt werden. Ein Schreibervergleich der Prosafassung in Berlin mgq 188 mit den Lauber-Schreibern wäre ein erster Schritt (Diebold Lauber – digital, Schreiber).



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8 Der Welt Lohn 1 Überlieferung Insgesamt neun Handschriften und Fragmente des 13. bis 15.  Jahrhunderts überliefern die Erzählung vom Lohn der Frau Welt mit einem Versbestand, der zwischen 250 Versen und 296 Versen variiert. Der Blick auf die Überlieferungsgeschichte macht die geographische Breite und zeitliche Erstreckung der Überlieferung sowie Spezifika der Handschriftenkontexte und gegebenenfalls die mit ihnen verbundenen generischen Perspektiven deutlich. Er zeigt auch, dass die Erzählung „weitgehend als eine anonyme Erzählung überliefert und gelesen worden“ ist (Gerhardt 1972a, 382). Die älteste Pergament-Handschrift, die den Text überliefert, der cgm 16 der Bayerischen Staatsbibliothek München, datiert auf 1284 und ist vermutlich in der Steiermark, womöglich in Gröbmingen (Schneider 1987, 215–218) entstanden. Meistenteils ist sie von einer Hand geschrieben – von einem Schreiber Chvnrat, der auf fol. 87v in einem Schreibervers seinen Namen und das Jahr einträgt. Der Text (fol. 85va–87ra = M) steht in einer Reihe von Strickerbîspeln, die auch mit dem entsprechenden Verfassernamen überschriebenen sind (vgl. fol. 81va). Wie andere Abschnitte auch ist er mit einer blau-roten neunzeiligen Initiale eingeleitet und zweispaltig angelegt. Zusätzlich und anders als in den kurzen Stricker-Texten der Umgebung ist dem ersten Vers eine kleine blaue Überschrift beigestellt: Der w[er]lde lon. Lediglich durch eine dreizeilige Lombarde von ihm abgetrennt ist der letzte Text der Strickerreihe, Drei Gott verhasste Dinge, auf den der Schreibervers folgt. Damit überliefert ausgerechnet einer der nur drei Textzeugen (vgl. unten Fragment B und Hs. D), die überhaupt diejenigen Verse bieten, die auf Konrad von Würzburg als Verfasser des endehaften maeres hinweisen, den Text eingereiht in eine dem Stricker zugewiesene Textgruppe. Vor dieser ist Rudolfs von Ems Barlaam und Josaphat eingetragen. Konrads Text stellt sich somit in eine Reihe von bîspeln, die die didaktischen Exempel des Barlaam, der die ersten 81 Blätter der Handschrift füllt, fortzusetzen scheinen. Der gut bekannte Name des Strickers könnte dabei hier vielleicht im Sinne einer zusätzlichen Gattungsbezeichnung eingetragen sein, der sich auch Konrads Text subsumiert (vgl. Besamusca et al. 2016, bes. Abschnitt 3). Von anderen, späteren Händen nachgetragen ist eine Thomaslegende, sowie der Wurmsegen, die Anfangsverse des Barlaam und der Vermerk vor den eingeklebten Ablass-Gebeten auf den beiden Spiegeln des Einbands (Bleck 1991, 2; Plate 2005, 133–141). Die heute verlorenen ersten 19 Lagen der Handschrift dürften „nach dem Zeugnis einer fragmentarisch erhaltenen eng verwandten Schwesterhandschrift“, nämlich dem Berliner Discissus (Plate 2005, 133; s.  u. B), die Christherre-Chronik enthalten haben. Das Fragment mgf 737 der Staatsbibliothek zu Berlin stammt aus einem dreispaltig geschriebenen Pergamentcodex, der wie M ursprünglich Folioformat erreicht haben wird. Er dürfte ebenfalls noch im 13. Jahrhundert auf alemannischem Sprachgebiet enthttps://doi.org/10.1515/9783110373561-008



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standen sein. Auf Blatt 19ra–19va sind die Verse 71–96, 133–158, 191–216, 253–274 (= B) unseres Textes erhalten. Weitere Fragmente des heute zerschnittenen Codex überliefern Verse aus der Christherre-Chronik, denjenigen Stricker-Text, der sich auch in M an Der Welt Lohn anschließt, Verse des Barlaam sowie zwei deutsche Bußpsalmen (Bleck 1991, 3; Plate 2005, 228–234). Nigel F. Palmer und Hans-Jochen Schiewer beschreiben MB als inhaltlich und textgeschichtlich verschwisterte Handschriften, die „die schnelle Wanderung von Der Welt Lohn aus der südwestdeutschen Schreiblandschaft in den bairischösterreichischen Raum“ dokumentierten (Palmer und Schiewer 2003, 186; vgl. Eichenberger 2015, 204). Zudem verweisen sie auf den „homogene[n] geistliche[n] Kontext“, der diese beiden ältesten Handschriften von der späteren Überlieferung des Textes unterscheidet und so besser als jene mit der Rezeption des Textes in der deutschen und lateinischen Exempeldichtung zu verbinden ist (Palmer und Schiewer 2003, 186). Eine direkte Abhängigkeit der beiden Handschriften voneinander erscheint, vor allem was Der Welt Lohn betrifft, nicht zwingend (Bleck 1991, 68, synoptischer Abdruck 53–54), vermutet wird jedoch eine gemeinsame Vorstufe, wahrscheinlich sogar eine gemeinsame Vorlage für beide Handschriften (Plate 2005, 138–139). Eine nicht nur inhaltlich miteinander verbundene Gruppe entsteht im 14. Jahrhundert mit dem cpg 341 der Heidelberger Universitätsbibliothek (Der Welt Lohn: fol. 239va– 241ra = P), dem Codex 72 der Bibliotheca Bodmeriana in Cologny-Genf (Der Welt Lohn: fol. 240va–242ra = K), der nach seinem früheren Aufbewahrungsort auch ‚Kalocsaer‘ Handschrift genannt wird, sowie dem Codex 2677 der Österreichischen Nationalbibliothek Wien (Der Welt Lohn: fol. 69rb–70vb = W). Von den drei Pergamentkodizes lassen sich die foliogroßen, repräsentativen Schwesterhandschriften PK noch ins erste Viertel des 14. Jahrhunderts datieren und sind vermutlich in der gleichen Werkstatt im Raum Böhmen, Oberfranken, südliches Vogtland entstanden (Miller und Zimmermann 2007, 129–165; Schneider 1994, 81–129; Eichenberger 2015, 196–199; Dahm-Kruse 2018, 170–178, 187–201). Entsprechend ähnlich sind die Merkmale ihrer mise-en-page: mit ausgestellten Anfangsbuchstaben der zweispaltig geschriebenen Verspaare, roten und blauen Initialen und Lombarden und zweispaltigen roten Überschriften. Während P jedoch von sechs Händen geschrieben ist und seine endgültige Gestalt wohl erst nach und nach, unter anderem durch Zubindung gewinnt (Mihm 1967, 49), wirkt K wie eine ‚Reinschrift‘ aus einem Guss und ist komplett von einer Hand geschrieben (Bleck 1991, 72). Diese war auch an der Entstehung von P beteiligt, was ebenfalls auf ein gemeinsames Entstehungsumfeld verweist. Teilweise wird P von K kopiert und dabei punktuell auch geglättet, teilweise folgen PK gemeinsamen Vorlagen (Mihm 1967, 51–61; Schneider 1994, 129). Für Der Welt Lohn ist eine direkte Abhängigkeit Ks von P vermutet worden (Bleck 1991, 70–72). Beide Handschriften eröffnen ihre Sammlung mit einer Gruppe von Mariendichtungen, die sowohl lyrische als auch verspaarige Texte umfasst. Die ersten vier Texte dieser Gruppe (darunter Konrads → Goldene Schmiede) dürften in P nachträglich vorgebunden worden sein (Ziegeler 1996, 59). 27 Marienmirakel schließen diesen inhaltlichen Schwerpunkt ab. Ihnen folgt eine umfangreiche Sammlung kleinepischer Texte, deren Bestand in PK meistenteil übereinstimmend, deren Reihung jedoch z.  T. abweichend ist.

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In diesen ist „so gut wie alles an Typen vertreten, was das Genus kleinere Reimpaardichtung Anfang des 14. Jahrhunderts zu bieten hat“ (Ziegeler 1996, 56). Eichenberger spricht in diesem Zusammenhang von einer „Art Kleinepik-Summe“ (2015, 199). Mären, Ermahnungen, Erläuterungen, Fabeln und Schwänke mit z.  T. derb-erotischem Inhalt sind nebeneinandergestellt. Die nähere textuelle Umgebung, in die Der Welt Lohn in beiden Handschriften eingelassen ist, gestaltet sich entsprechend diesem Profil: Auf den Borte Dietrichs von der Glesse folgen hier das Lehrgedicht Die maze und Der Welt Lohn, Konrads → Heinrich von Kempten schließt sich an, darauf folgt ein allegorisches Gedicht, das unter dem Titel Streit der vier Töchter Gottes ebenso bekannt ist wie unter Von Gottes Barmherzekeit. Dass dieser relativ breite thematische Spielraum der Sammlung nicht zugleich völlige Lizenz zu freier Kombinatorik impliziert, bezeugen in P Rasuren und Überschreibungen (bereits Mihm 1967, 49–50; Zwieržina 1928, 216). Marieneingang und Kleinepik-Sammlung sind dabei keineswegs als zwei völlig unverbundene Teile zu denken, vielmehr schließen die Erzählungen des zweiten Sammlungsschwerpunkts, wie etwa Der Welt Lohn, thematisch immer wieder auch an den ersten an und wenden sich damit „an ein laikales Publikum, das das Interpretationsmodell vom Widerspruch von Welt-Leben und Seelenheil in Tendenzen zur Weltverachtung forciert oder mit Harmonisierungsversuchen in Tugendkatalogen zu überbrücken sucht“ (Ziegeler 1996, 71). W greift auf PK zurück, setzt jedoch einen eigenen thematischen Akzent. Die Handschrift, die wohl ebenfalls noch in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts in Niederösterreich entstanden ist, ähnelt den beiden Schwestern hinsichtlich Gestaltung und Größe. Besonders mit K scheint sie eng verbunden (vgl. Eichenberger 2015, 200 und Anm. 14). Allerdings überliefert sie nur solche Texte, die dezidiert religiöse Inhalte verhandeln. Der Welt Lohn schließt hier direkt an den – anders als in PK gereihten – Eingangsteil mit marianischem Schwerpunkt an und eröffnet einen Abschnitt mit insgesamt sieben kürzeren Reimpaardichtungen von unterschiedlicher Thematik. Der Sünden Wider­ streit und  – als einziger Prosatext der Handschrift  – Bertholds von Regensburg Von den Zeichen der Messe, die direkt auf unseren Text folgen, sind ebenso wie die sechs Legenden aus dem Buch der Märtyrer, die den Codex beschließen, nicht aus PK übernommen worden. Alle drei Handschriften überliefern eine kürzere Variante von Der Welt Lohn, bei der der Hinweis auf den Verfasser fehlt. Konrad Zwieržina (1928) und Edward Schröder (1965, XV) gehen wie Reinhard Bleck davon aus, dass K eine Abschrift von P sei und stimmen mit ihm auch darin überein, dass W wiederum K zur Vorlage hatte (Bleck 1991, 73–74, vgl. den synoptischen Abdruck ebd., 50–53). In der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts dürfte, folgt man der frühen Datierung von Falk Eisermann (2005 und 2010; gegen Schröder 1965), derjenige Faszikel des Cod. Chart. A 216 der Forschungsbibliothek Gotha entstanden sein, der die Würzburger Klein­ epik­samm­lung enthält (fol. 75ra–111vb). In dieser ist auch Der Welt Lohn überliefert (fol. 98rb–99vb = G). Die foliogroße, zweispaltig geschriebene Papierhandschrift besteht aus sechs Faszikeln, die meistenteils im 14. Jahrhundert entstanden sind. Sie verbinden den Schwabenspiegel sowie Urkunden und Kanzleischriften mit einer Kleinepiksammlung. Diese ist – wie der Codex insgesamt – wohl in Würzburg entstanden und scheint



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zusammen mit anderen Faszikeln eng verknüpfbar mit dem Würzburger Literaturbetrieb, namentlich mit Michael de Leone (Eisermann 2005, 193–194). Möglicherweise, so Eisermann, könnte hier eine „Materialsammlung“ überliefert sein, „die als Vorlage einer Kompilation kleiner Reimpaardichtungen dienen sollte, wie sie ähnlich in der Kollektion ‚Die Welt‘ vorliegt, die im ‚Hausbuch‘ als Kap. XIX enthalten ist“ (Eisermann 2005, 202–203; vgl. Achnitz und Holznagel 2004). Gekennzeichnet ist die Sammlung von insgesamt 18 kurzen Reimpaargedichten durch ein besonderes Interesse an didaktischen Themen. Auch die Würzburger Kleinepiksammlung überliefert den Text mit nur 250 Versen und ohne Hinweis auf Konrad als Verfasser. Ins 14. Jahrhundert ist weiterhin das Fragment Hs. 42531 des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg datiert worden (= S). Das Pergamentdoppelblatt überliefert die ersten 224 Verse von Der Welt Lohn sowie Stücke aus → Die halbe Birne, aus Das Kreuz, aus einem Märe, das den Stoff des Rädleins auf eigene Art erzählt, und aus dem allegorischen Streitgedicht Der Herbst und der Mai. S dürfte, wenngleich ebenfalls zweispaltig beschrieben, ausgesprochen kleinformatig gewesen sein und verweist damit auf eine „hand­ liche[] Ausgabe privateren Charakters“ (Bleck 1987b, 284; Bleck 1991, 4). Bleck (1987b, 290) diskutiert zwar eine Verwandtschaft mit der Liedersaalhandschrift Lassbergs oder dem Karlsruher Codex 408 (s.  u.), verwirft diese Möglichkeit jedoch. Die für ihn tatsächlich denkbare Verwandtschaft mit dem Straßburger Codex A 94 lässt sich, da dieser verbrannt ist, kaum verifizieren. Für S betont er einen durch → Die Halbe Birne geprägten ‚parodistischen‘ Akzent der Sammlung, von dem auch unser Text betroffen sein soll: Alle Erzählungen haben rein weltlichen Charakter (Die religiösen und politischen Aspekte von Der Welt Lohn waren hier wohl nicht mehr von Interesse). Erotik spielt in allen mehr oder weniger eine Rolle, […]. Das parodistische Element ist sehr stark ausgeprägt. (Bleck 1987b, 294)

Der Codex Donaueschingen 104 der Landesbibliothek Karlsruhe, auch als Lassbergs Liedersaalhandschrift bekannt, überliefert den mit 296 Versen längsten Text von Der Welt Lohn (fol. 44rb–46ra = D). Nur hier sowie in B und in M sind diejenigen Verse überliefert, die auf Konrad als Verfasser hinweisen. Die foliogroße, ebenfalls zweispaltige Papierhandschrift ist, den Wasserzeichen nach, auf die Zeit um 1425 datierbar. Die einzige Hand weist in den südalemannischen Raum – vielleicht nach Konstanz (Eichenberger und Mackert 2014). Die Handschrift, deren Redaktor auf verschiedene Vorlagen zurückgegriffen haben dürfte, überliefert 261 kürzere Texte. Sie könnten bereits in einer der Vorlagen nach Anfangsbuchstaben zu Gruppen sortiert gewesen sein; was der Redaktor von D allerdings nicht systematisch übernimmt (Niewöhner 1942, 153–156; Mihm 1967, 78–85; Grubmüller 1985; Dahm-Kruse 2018, 248–257, 263–271). In D ist der Schluss unseres Textes gegenüber den anderen Handschriften deutlich ausgebaut (vgl. die Synopse bei Bleck 1991, 48–49, 77–81). Der vermutlich jüngste der neun Überlieferungszeugen ist der Codex K 408 der Landesbibliothek Karlsruhe (vgl. Eichenberger 2015, 414–415; Bleck 1991, 4, 76–77; Mihm 1967, 71–78). Die zweispaltige, foliogroße Papierhandschrift überliefert einen 274

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Verse langen Text ohne den Hinweis auf den Verfasser (fol. 138vb–140vb = C). Durch die Bestimmung der Wasserzeichen ließ sich der Codex, der laut Ursula Schmid auf der Grenze zwischen schwäbischem, bairischem und ostfränkischem Sprachgebiet nach einer alemannisch-schwäbischen Vorlage entstanden sein könnte, auf 1430–1450 datieren (Schmid 1974, 12–13, 14–21). Der Welt Lohn findet sich hier in einer Sammlung von insgesamt 112 zumeist kürzeren Reimpaartexten (und zwei Prosatexten), für die Ursula Schmid von einer „verwirrenden Fülle“ (1974, 22) von Inhalten und Formen spricht, die allerdings oft mit belehrenden Versen gerahmt und/oder durch zahlreiche wiederholte Schreiberzusätze am Ende der jeweiligen Texte in ein vereinheitlichendes Raster gefügt werden (1974, 22–34). Der Codex, in dem, so Schmid, die weltlichen Themen überwiegen, zeigt darüber hinaus nur vage Tendenzen im Aufbau: so erscheinen „geistliche[] Dichtungen […] mit einer Ausnahme erst in der zweiten Hälfte der Handschrift“ (1974, 34), dort wo auch unser Text eingeordnet ist (vgl. zu den Ordnungsprinzipien weiterhin Mihm 1967, 80–81). Die Überlieferungsgeschichte von Der Welt Lohn dokumentiert nicht nur ein frühes und besonders im 14. Jahrhundert anhaltendes, überregionales Interesse an der Erzählung, sondern sie zeigt auch durch ihre relative Breite und spezifische Struktur, inwiefern vormoderne Kurztexte in unterschiedliche Sammlungen eintreten und in ihrer Wahrnehmung je anders perspektiviert werden und ggf. sogar spezifische Veränderungen in der Textgestalt erfahren können (vgl. Eichenberger 2015, 198 sowie mit Fokus auf → Das Herzmaere Dahm-Kruse 2018). Bestimmte Akzente solcher Perspektivierung, wie sie etwa durch den thematisch ziemlich homogenen Überlieferungszusammenhang von MB gesetzt werden, können dann auch in den späteren Retextualisierungsprozessen der so inszenierten Stoffe zu Buche schlagen (vgl. Palmer und Schiewer 2003, 187–191). Präsentiert sich der Text in der Frühphase seiner Überlieferung zunächst als „Bekehrungsliteratur“, so tritt er bald danach mit den sogenannten Märenhandschriften und dort meistenteils ohne Verweis auf den Verfasser in einen Kontext ein, dessen „thematische Ausrichtung so polyvalent ist, dass der größte gemeinsame Nenner darin liegt, Welt in ihrer Ordnung und Unordnung abzubilden“ (Palmer und Schiewer 2003, 191; vgl. Gerhardt 1972a; Coxon 2000, 128–129). Ob diese Rekontextualisierungsprozesse so prägend auf den Text einwirken konnten, dass, wie Bleck für S vermutete (s.  o.), punktuell auch eine Akzentuierung parodistischer Elemente als Option einer historischen Wahrnehmung des Textes zu veranschlagen wäre, soll hier nicht diskutiert werden, denn es lässt sich – etwa im Anschluss an Gerhardt (1972a, 388; vgl. auch Schnyder 1987, 49) – lediglich spekulieren, inwiefern Der Welt Lohn in einer textuellen Umgebung, wie sie etwa die Handschriften CD (und S) bieten, die den Text in Nachbarschaft zu schwankhaften oder parodistischen Texten stellen, anders wahrgenommen worden sein dürfte als in einer Reihe mit den Barlaam-Parabolae und den Exempeln und Fabeln des Strickers.



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2 Ausgaben Die früheste Ausgabe des Textes besorgte Bernhard Joseph Docen nach der Handschrift M (1806; vgl. ders. 1809). Georg Friedrich Benecke, der eine Ausgabe von Der Welt Lohn in seine Wigalois-Edition (1819, LV-LXIV) integriert und versucht, von dort aus in seinem ‚Vorbericht‘ einen konkreten Bezug zur Vita Wirnts von Grafenberg herzustellen (1819, IX), greift auf P zurück. Nur wenig später erfolgt die erste Ausgabe von D im Rahmen der Liedersaal-Edition von Joseph von Lassberg (1846, Bd. I, 321–331). Franz Roth unternimmt in seiner Ausgabe von 1834 eine Textherstellung auf der Basis von MDPKW. Seinen Text verwendet Victor Junk, der Der Welt Lohn in seine Sammlung Die Epigonen des höfischen Epos (1906, 71–79) aufnimmt. Friedrich Heinrich von der Hagen folgt in seiner Anthologie Altdeutscher Erzählungen von 1850, die er mit Gesammtaben­ teuer betitelt und damit eine Formulierung verwendet, die v.  a. auf die Überschrift des Registers von K Daz buche heiſet geſampthabentew[er] (fol. IIr) verweist, weitgehend der Handschrift M. 1879 bietet Karl Pannier eine Übersetzung der Kleinen Dichtungen Konrads an. Die erstmalige Herstellung eines kritischen Textes auf der Basis fast aller bis heute bekannten Handschriften besorgt 1924 Edward Schröder; für die zweite Auflage 1930 kann er auch die in der Erstausgabe noch fehlende Handschrift B heranziehen (vgl. Leitzmann 1938, 370–371). Ab der dritten Auflage begleitet die Edition ein Nachwort von Ludwig Wolff. 1965 verwendet Helmut de Boor Schröders Text für Die deutsche Literatur: Texte und Zeugnisse (1229–1236). Die kommentierte Studienausgabe, die Heinz Rölleke 1968 erstellt, folgt ebenfalls Schröders Ausgabe. 1972 druckt Hans Joachim Gernentz diesen Editionstext in einer Sammlung deutscher Verserzählungen des 13. und 14. Jahrhunderts erneut ab und legt ihn seiner Übersetzung zu Grunde. Schröder folgt auch noch die 2016 von Lydia Miklautsch besorgte Studienausgabe. Auf einen der zahlreichen unveränderten Nachdrucke der zweiten Ausgabe Schröders reagiert 1972 ein kurzer Beitrag von Christoph Gerhardt (1972b), der einige Korrekturen und Ergänzungen zum Lesartenapparat vorlegt. Auch Reinhard Bleck setzt sich 1991 kritisch mit Schröders Edition auseinander. Seine umfassende Studie legt dazu, neben einem Überblick über die gesamte Überlieferung (mit Abbildungen), eine synoptische Edition aller Handschriftentexte vor (1991, 42–54), mit der Entscheidungen bei der Herstellung seines kritischen Textes (1991, 58–60) begründet werden sollen, der einer „Urfassung […] noch näher kommen“ will als die Ausgaben von Roth und Schröder (Bleck 1991, 55). Damit einher gehen stemmatologische Überlegungen, die, aus der Perspektive der material philology betrachtet, jedoch vor allem die Schwierigkeiten derartiger Rekonstruktionsversuche dokumentieren (Bleck 1991, 61–90). Heute lassen sich auf unterschiedliche Weise die einzelnen Handschriftentexte selbst in den Blick nehmen: Bereits Ursula Schmid bietet im Rahmen ihrer Arbeit zum Codex Karlsruhe 408, die auch einen Abdruck der gesamten Handschrift enthält, den C-Text (1974, 554–562). Außer für B (Stand Januar 2022) sind darüber hinaus Digitalisate mit dem jeweils entsprechenden Eintrag im Handschriftencensus verknüpft. Dort findet

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sich auch der Hinweis auf eine geplante Neuedition der Mären Konrads (neben Der Welt Lohn auch → Heinrich von Kempten und → Das Herzmaere) mit digitaler synoptischer Edition aller Textzeugen, die von Gustavo Riva vorbereitet wird und die „eine synoptische Ausgabe aller Textzeugnisse als EDV-Text und eine Untersuchung ihrer Überlieferung“ bieten soll (ebd.).

3 Inhalt Der in den verschiedenen Handschriften zwischen 250 und 296 Verse lange Text, der sich selbst als endehafte[s] maere (V. 261, zitiert nach Miklautsch 2016) bezeichnet, lässt sich der contemptus mundi- und memento mori-Literatur zuordnen (z.  B. Palmer und Schiewer 2003, 184; Brandt 1987, 111–112; Kottmann 2000, 363–367). Er erzählt die Begegnung des Ritters Wirnt von Gravenberc mit der personifizierten Frau Welt, in deren Zentrum ein ausführliches Gespräch über den Dienst des Ritters gegenüber der Dame steht. Das Thema der doppelgesichtigen ‚Frau Welt‘, die gleichermaßen durch große Schönheit wie durch Tod, Verfall und Verwesung geprägt erscheint, ist inszeniert als Erzählung einer plötzlichen Wendung der Personifikationsfigur, der eine zweite, die conversio des Protagonisten, folgt. Das Epimythion ruft zur Erkenntnis des jammervollen Lohns der Welt auf. Drei Überlieferungszeugen (M, B und D) hängen zusammen mit der Nennung des Dichters auch den Rat an den Rezipienten zur eigenen Weltabkehr an. Dementsprechend wurde der „moralisch-exemplarische“ Charakter des Textes betont (Schirmer 1969, 51), doch wird er gelegentlich auch als „Versnovelle“ bezeichnet (Smail 2001, 637–638). Der Welt Lohn ist in formaler Hinsicht der religiösen oder geistlichen Verserzählung zugeordnet worden (ausführlich Eichenberger 2015, 71–73). Doch ist auch auf Besonderheiten des Textes wie die Dominanz eines deskriptiven und dramatischen Modus oder die Gleichzeitigkeit von allegorischen und historisierenden Elementen hingewiesen worden, die einer völlig eindeutigen Zuordnung entgegenstünden (Brandt 1987, 112–113). Fischer hat vorgeschlagen, solche und vergleichbare Formen „frommer Welterzählungen“ (Fischer 1983 [1968], 52–53) als eigene Gattung zu etablieren. Diese Zuordnungsschwierigkeiten dürften sich jedoch nicht allein dem je einzelnen Text und seinen Ambiguitäten verdanken, sondern vor allem einer inzwischen problematisierten Konzeptualisierung solcher und analoger Begriffspaare im Sinne einer binären Opposition (vgl. dagegen etwa Müller 2015). Je nachdem, wie der Text in der jeweiligen Lektüre durch die Forschung perspektiviert wurde, sind die allegorischen, die moralisch-exemplarischen oder artistischen Aspekte des Erzählens in den Vordergrund gerückt worden (s.  u.).



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4 Quellen Als wichtige volkssprachliche Quellen für das in Der Welt Lohn zentrale Motiv ist von der Forschung auf die Lieder Walthers von der Vogelweide verwiesen worden (vgl. etwa Wackernagel 1848; Sachse 1857, 15–16; Hoffmann 1976; Kokott 1989, 80–83; Bleck 1991, 103–108). Dies gilt in erster Linie für das Lied Frô Welt, ir sult dem wirte sagen (L 100,24), das als Gesprächssituation angelegt ist und ebenso wie Konrads Text mit dem Gegensatz von schöner Vorder- und schändlicher Rückseite argumentiert. Hier allerdings kommt mit dem wirte neben der Frau Welt noch eine zweite Personifikation der Welt, ein mundus, als Adressat der Absage ins Spiel (vgl. Cormeau et. al. 2013, 387; Kartschoke 2001, 155–160). Die sog. ‚Elegie‘ Walthers Owê, war sint verswunden alliu mîniu jâr (L 124,1) beklagt in der dritten Strophe die Welt in vergleichbarer Weise, ohne sie explizit auf eine Personifikationsfigur festzulegen. Die Ambivalenz der Figur ist hier als Gegensatz von Außen und Innen angelegt (dazu z.  B. Jackson 1994, 229–230): diu welt ist ûzen schoene, wîz, grüen und rôt, / und innan swarzer varwe, vinster sam der tôt (L 124,37–38). Auch das Lied Ir reiniu wîp, ir werden man (L 66,2) thematisiert die Abkehr von der Welt im Kontext eines sog. ‚Altersliedes‘. Die dritte Strophe adressiert die personifizierte Welt und thematisiert das Verhältnis von Ich und Welt als Dienst-Lohn-Verhältnis (L 67,8). Wenngleich unser Text demgegenüber deutlich eigene Akzente setzt, so gilt der Rückgriff auf diese Realisationen des Motivs doch als communis opinio. Ungeklärt ist dagegen, ob die Gedichte Walthers und womöglich auch Der Welt Lohn darüber hinaus auf eine konkrete lateinische Quelle zurückzuführen sind. Einen Vorschlag in diese Richtung machte Priebsch (1918, 467–471; Stammler 1959, 46 und Anm. 141, vgl. zu weiteren lateinischen Parallelen Stammler 1959, 16–23, 36–37), der zugleich auf zahlreiche andere Verwendungen des Frô Welt-Motivs (u.  a. bei Frauenlob, dem Guotaere und Michel Beheim) hinwies und als mögliche Quelle der Waltherlieder zwei Versionen eines lateinischen Exempels diskutierte. Die eine (A) hat ihren ältesten Beleg in einer Handschrift des British Museum (MS. Arundel 406, fol. 25r), die um 1273 vermutlich in Mainz geschrieben worden ist. Die andere (B) ist Teil einer der Gesta Romanorum-Fassungen des 14. Jahrhunderts (Oesterley 1963 [1872], 614 [Nr. 202]). Priebsch vermutet hier auch eine Quelle für Frauenlob, den Guotaere und ebenso für Konrad. Für eine Adaptation Konrads sei von einer Mischfassung *AB als Vorlage auszugehen (vgl. auch Closs 1934, 13–21, und 1986, 79). Nicht nur für Walther wird dieser Vorschlag zurückgewiesen (etwa Hoffmann 1976), sondern auch im Blick auf Konrad wird er kontrovers diskutiert. Bein etwa betont, dass Der Welt Lohn gegenüber den überlieferten lateinischen Texten „ganz eigene Wege geht“ (2001, 111) und sieht daher keine Abhängigkeit. Bleck will eine entsprechende Verbindung nicht ausschließen, hält jedoch eher ein umgekehrtes Verhältnis für denkbar, nach dem die lateinischen Texte Nacherzählungen von Konrads Adaptation des Motivs sein könnten (Bleck 1991, 93–95; 1987b, 16). Palmer und Schiewer resümieren dagegen: „Ob Konrad sich durch lateinische Exempla zu seiner Geschichte anregen ließ oder nicht, ist nach wie vor umstritten, wenn auch wahrscheinlich“ (Palmer und Schiewer 2003, 186). Als Argument gegen eine

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lateinische Vorlage ist dabei immer wieder auf den Genusunterschied zwischen dem mundus und der Welt verwiesen (vgl. Brandt 2009, 105). Manfred Kern (2009, 56–62) versucht, die Frage nach einer möglichen Vorlage durch eine „poetologisch orientierte Lektüre“ zugunsten einer Priorisierung Konrads zu entscheiden, und vermutet ebenfalls, dass  – vergleichbar mit der Rezeption des Armen Heinrich durch das Exempel vom geheilten Aussätzigen  – die lateinischen Exempel auf der Grundlage des mittelhochdeutschen Textes entstanden seien. Zum einen deute die Gestalt des Ritters auf ein höfisches Sujet, weiterhin bewege sich „Konrad […] auf einem intertextuellen Terrain, das ihm die vorgängige poetische Tradition“, nämlich die Walther-Lieder einerseits und die vanitas-Thematik des Armen Heinrich andererseits zur Verfügung stellten (Kern 2009, 57 und Anm. 37). Gewichtigstes Argument ist für Kern jedoch die Personifikationsallegorie der Welt sowie die ‚Homogenität‘, mit der sie „in das narrative Ensemble und seine intertextuelle Referenz“ eingebunden sei, die Exempel wirkten dagegen „ad hoc und nicht eben glücklich kreiert[]“ (Kern 2009, 57). Neben diesem auf die Kohärenz und Stimmigkeit der literarischen Fügung abzielenden Argument verweist Kern auch auf die Bezeichnung der Welt in den lateinischen Texten, die – einmal als gloria mundi (A), einmal als seculum (B) – wie ‚Hilfsübersetzungen‘ an denjenigen Stellen wirke, wo in einer originär lateinischen Erzähltradition eigentlich luxuria zu erwarten gewesen wäre (Kern 2009, 57). Als zentrale Quelle wird darüber hinaus der Wigalois Wirnts von Grafenberg veranschlagt, der nicht nur den Namen des Protagonisten bot, sondern in einigen Äußerungen des Erzähler-Ichs (etwa V.  11676–11682; 7663–7672; 133–144, Stellenangaben nach Seelbach 2005) auch ein Welt-Verhältnis artikuliert, das Parallelen zu unserem Text aufweist (vgl. Blamires 1965, 34–35; Hinner 1985, 109–111; Brandt 2009b, 105). Eine Reihe möglicher weiterer Quellen stellt Bleck (1991, 95–118) zusammen. Er verweist im Anschluss an Hans Butzmann (1930, 41–53) auf den Armen Heinrich Hartmanns von Aue, für den außer einer thematischen Nähe auch Parallelstellen, vor allem im Bereich der Reimfügung, angegeben werden. Besonders deutlich lassen sich inhaltliche Parallelen für die Beschreibung der beiden Protagonisten beobachten (Blamires 1965, 35–35; Brandt 1987, 114). Hinsichtlich der Beschreibung der Ritterschaft Wirnts und der Schönheit der Dame wird von Bleck in einem sehr grundsätzlichen Sinne zudem auf die Vorbildfunktion verwiesen, die Konrad immer wieder Gottfried von Straßburg zuspricht, zu dem sich jedoch kaum wörtliche Parallelen ausmachen lassen (Bleck 1991, 112–117).

5 Forschungsgeschichte In der engeren Forschungsgeschichte zu Der Welt Lohn (für den größeren Forschungszusammenhang und die ältere Forschung vgl. Brandt 1987, 3–59; Brandt 1999; Brandt 2009a, 73–78; Brandt 2009b) lassen sich bis in die 90er Jahre des letzten Jahrhunderts hinein einige besonders intensiv diskutierte Probleme beschreiben: Sie betreffen die



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Datierung des Textes und seine Situierung in einer Werkchronologie Konrads; damit verbunden die Frage nach der historischen Funktion des Textes, seiner möglichen Adressierung oder Zueignung; die Einordnung des Erzählstoffes in eine umfassende Motiv-Geschichte der ‚Frau Welt‘; und damit eng verbunden die bereits behandelte Frage (s.  o.) nach einer möglichen Quelle. Hinzu treten gelegentliche Versuche, eine zahlenkompositorische Struktur, wie sie für das → Herzmaere diskutiert wurde, auch für unseren Text aufzuzeigen (Rölleke 1969; Gouws 1981; dagegen Bleck 1991, 122–123). Die sozialgeschichtlich orientierten Arbeiten, die in den 70er und 80er Jahren bemüht sind, die Werke Konrads bestimmten Mäzenen und gesellschaftlichen Kreisen zuzuordnen, haben unseren Text nicht oder nur am Rande beachtet (Leipold 1976, 133–134; Bumke 1979; Peters 1983, 114–137). Dies verdankt sich vor allem der Tatsache, dass Der Welt Lohn keine explizite Zueignung aufweist und sich zunächst auch hinsichtlich seiner Entstehungszeit nur über stilistische Erwägungen einordnen ließ. Zumeist wurde der Text dem ‚Frühwerk‘ Konrads zugeschlagen oder in seine vagus-Zeit und dann nach Straßburg verwiesen (Blamires 1965, 29; Kokott 1988/1989, 73; Kokott 1989, 78–79). Demgegenüber bemüht Bleck sich in den späten 80er und frühen 90er Jahren um eine sehr konkrete Klärung der ersten beiden Fragen. In einer Monographie, die der möglichen Entstehungssituation derjenigen Werke Konrads gilt, die nicht explizit auf einen Auftraggeber verweisen (Bleck 1987b, bes. 42–45, vgl. auch Brunner 2001), greift Bleck einen flüchtigen ‚Verdachtsmoment‘ Gerhardts (1972a, 381 Anm. 5) auf und baut ihn zu der These aus, dass es sich bei Der Welt Lohn um einen Kreuzzugsaufruf handeln könnte. Er verortet die Entstehung des Textes zeitlich und räumlich ins Umfeld eines oberrheinischen Palästina-Kreuzzugs von 1267, für den ab 1266 in Basel geworben wird und an dem sich zahlreiche Basler Familien beteiligen. Bleck legt einen ausgesprochen konkreten Vorschlag für ein Aufführungsdatum vor: Die mächtigen Basler Ministerialenfamilien Schaler und Mönch, Anführer der Adelspartei der Psitticher, hielten 1266 in Basel eine Festversammlung mit Turnier ab, vermutlich am 8. September (Geburtstag Mariä) auf dem Münsterplatz. Bei dieser Gelegenheit kann Konrad sein Kreuzzugswerbegedicht vorgetragen und Widmungsexemplare – nach meiner Rekonstruktion Hefte aus sechs Doppelblättern im Kleinstformat – verteilt haben. (Bleck 1987b, 44; vgl. Bleck 1987a).

Diese These sieht er auch in der Überlieferungsgeschichte des Textes gestützt (1991, 91–92, vgl. 135–142). Wenngleich dieser Vorschlag auch Widerspruch provozierte (vgl. etwa Kokott 1989, 81–84; Kern 2009, 53), so wird er bis heute zumindest als Möglichkeit in einigen der gängigen Handbucheinträgen mitgeführt (etwa Brunner 1989, 344; Brunner 2001, 420; vgl. dagegen de Boor 1997 [1962], 39). Eine solche Rekonstruktion wäre zweifellos aufschlussreich und könnte anschließen an eine neuperspektivierte, transdisziplinäre Mäzenatenforschung und damit an die sich erneuernde Debatte um eine „Rückkehr der ‚Gesellschaft‘ in die Kulturwissenschaft“ (Peters 2018, bes. 50–51). Sie würde sich langfristig aber nur durch weitere Indizien stützen lassen, die abseits der konkreten historischen Situation auch den Bereich der Erstüberlieferung von Kurztexten betreffen würden. Ein starkes (nicht nur) textimmanentes Argument gegen diese Lesart bieten allerdings die Beobachtungen von Müller (2020, 196–197).

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Recht umfangreich ist die Zahl älterer Monographien, die sich mit dem Motiv der ‚Frau Welt‘ und seiner Geschichte aus literatur- wie aus kunstwissenschaftlicher Perspektive auseinandersetzen: So etwa die Dissertation von Giesela Thiel (1957) oder die Monographie von Wolfgang Stammler (1959), die einzelne Elemente der mittelalterlichen Personifikationsallegorie bis zu ihren antiken und biblischen Ursprüngen zurückverfolgt und auch die mittelalterlichen Bildprogramme des mundus, der voluptas und luxuria sowie der Frau Welt mit einbezieht (vgl. zu letzteren auch Finke 1901; Obrist 1987, 50–51). Auch die Untersuchung von Marianne Skowronek (1964), die ihren Schwerpunkt auf diejenigen Attribute legt, die sich in den Fortuna- und Frau Welt-Allegorien überschneiden, bietet einen Überblick und verweist wie Stammler (1959) dabei auch auf die Ikonographie bestimmter Höllenstrafen (v.  a. der luxuria) und auf Darstellungen der terra (Skowronek 1964, 77–80). Mit diesen Motivgeschichten verbunden wurden immer wieder auch Hinweise auf den Bereich der bildenden Kunst und damit die Frage möglicher Abhängigkeiten der entsprechenden Skulpturen in Straßburg, Basel, Freiburg, Nürnberg, Bamberg und Worms von Konrads Text oder von den lateinischen Exempeln (vgl. etwa Finke 1901; Closs 1934, 18‒21, und 1986, 80–81; Thiel 1956, 148–156; Stammler 1959, 23–27 und 53–68; Obrist 1987, 50; Bleck 1991, 149). André Schnyder (1987, 48–49) verwies zudem auf eine moderne Adaptation, nämlich die Frau in Zimmer 237 in Stanley Kubricks The Shining, und auch Kern verfolgt das Motiv der Verschränkung von Vanitas und Luxuria bis in die Ikonographie des 20. Jahrhunderts (2009, 135–150; vgl. zum Programm des Straßburger Münsters Schnyder 2013, 281–285). Die Gruppe der Aufsätze, die Der Welt Lohn als Interpretationsgegenstand zentral setzen, ist gegenüber den sozial-, kultur- und motivgeschichtlichen Untersuchungen relativ überschaubar, zeigt dabei jedoch deutlich die Ambiguitäten auf, die den Text und die Debatte um ihn bestimmen: David M. Blamires etwa (1965, 37) sieht den Text charakterisiert durch den geschickten Gebrauch von „antithesis and suspense“. Nicht nur werde der Name Wirnts, analog zu dem der Frau Welt, die zunächst mit Venus und Pallas assoziiert werde, erst am Ende seiner Einführung preisgegeben (V. 47), sondern der Schönheitsbeschreibung folge nachgerade ein „masterpiece of calculated horror“ (Blamires 1965, 36). Das Interesse an der Geschichte selbst dominiere in diesem Erzählen. Dementsprechend hebt er die artistische Dimension des Textes, den er als Gegenstück zum → Herzmaere betrachtet, hervor und sieht die religiöse Funktion demgegenüber untergeordnet: „[…] it is plain from Konrad’s attitude to his art that he considered stylistic excellence superior to profundity of theme“ (Blamires 1965, 34–35). Der Welt Lohn sei eher als „artistic exercise“ denn als „unambiguous statement of a moral or religious position“ aufzufassen (Blamires 1965, 34). Rüdiger Brandt betrachtet die stilistischen Elemente des Textes demgegenüber als „ganz im Dienst der Aussage“ stehend und als funktional im Blick auf die mögliche Wirkung (Brandt 1987, 113). Angesichts des angedrohten Lebensendes und betont durch das am Schluss folgende Epimythion dienten dabei die höfischen Werte als „Gegenpol“, und der Text stelle „insofern […] eine Art von ‚Anti-Herzmaere‘“ dar, der darüber hinaus „auch eine Diskreditierung sämtlicher weltlich-höfischen Lebensinhalte“ enthalte, was – in Anbetracht der spezifischen Lektüre



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des Protagonisten – auch die höfische Literatur umfasse (Brandt 1987, 115). Vor diesem Hintergrund sei auch das Kreuzzugsthema als eine mögliche Verwirklichung religiösen Lebens für Laien zu lesen (Brandt 1987, 116). Die religiösen Werke Konrads, so hebt Brandt an anderer Stelle hervor, seien wie auch bei anderen Dichtern mit diesem Schaffensspektrum, mit seinen weltlichen nicht in Einklang zu bringen und → Herzmaere und Der Welt Lohn seien einander „fast schon diametral entgegengesetzt“ (Brandt 2009b [2000], 106). Michael B. Hinner liest in seiner Monographie zu den Mären Konrads den Text vor allem im Hinblick auf seine moralisch-didaktischen Aspekte und in engem Bezug zum Wigalois-Prolog und zu Wirnt von Grafenberg. Er setzt den Gestus des Erzählers dort mit der Geschichte des Protagonisten parallel: Während der Wirnt des Wigalois „a very religious man“ sei, würde Konrads Wirnt am Ende des Textes ein ebensolcher werden: „The tale probably recounts allegorically the development of the poet Wirnt von Grafenberg from a person concerned with worldly pleasures to a poet who attempts to convey a Truth to his audience“ (Hinner 1985, 110–111). Dabei sei – wie für die meisten Allegorien – die Lehre, die der Text an der Figur Wirnts exemplarisch entfalte, ins Allgemeine übertragbar. Wolfgang Beutin akzentuiert die „Zweidimensionalität des künstlerischen Gebildes“ und erprobt angesichts dieser Hypothese „eine Interpretation des Textganzen unter dem Doppelaspekt von ‚offenbarem Inhalt‘ und Affektorganisation“ (1988/1989, 216, und 1994). Zwar sei das Ziel der lehrhaften Dichtung einerseits, die „Notwendigkeit zur Weltabkehr“ exemplarisch vorzuführen und eine entsprechende Conversio dem Rezipienten als Identifikationsmöglichkeit anzubieten (Beutin 1988/1989, 215–216, 220), doch eröffne der Text darüber hinaus einen „Einblick in mythische Relationen“, die Beutin mit Freud als „künstlerische Universalien“ und „endopsychische[] Mythen“ bestimmt. Wie in zahlreichen, auch späteren Dichtungen, die diese thematisierten, biete sich in der Figur der Frau Welt das Imago einer anziehend-gefährlichen, inzestuös begehrten Mutter, von deren Bindung der Protagonist sich – hier durch die Kreuznahme – lösen müsse (Beutin 1988/1989, 218– 219). Der Identitätswechsel des Protagonisten liege damit ebenfalls auf doppelter Ebene (Beutin 1988/1989, 222–225). In einem weiteren Beitrag verfolgt Beutin das Motiv der Frau Welt bis in die literaturgeschichtliche Moderne (Beutin 1999). Auch dabei hält er an einer tiefenpsychologischen Lesart der unterschiedlichen Realisationen fest. Christine Weder analysiert die Erzählung Konrads vor dem Hintergrund der kulturgeschichtlichen und kulturphilosophischen Frage nach der Denkfigur einer „Begrenztheit des Lebens als Vergänglichkeit einerseits und Nichtigkeit andererseits“ (1999, 28) und arbeitet dabei besonders das hierarchisierte Verhältnis der beiden Seiten der Welt heraus. Schöne ‚Fassade‘ und grässliche Rückseite seien gerade nicht gleichgewichtig, sondern letztere bilde als eigentliche Wahrheit, Wesen und Lohn der Welt die Dominante (Weder 1999, 35–36). Mit Bleck (1991, 128–130) liest sie den Rücken mit seinen animalischen Bewohnern dabei nicht nur auf Tod und Vergänglichkeit hin, sondern versteht ihn zugleich als allegorischen Verweis auf „den Bereich von ewigem Tod, Hölle, Teufel und Sünde“, der Lohn der Welt erweise sich so als Strafe, als Tod im doppelten, immanenten wie transzendenten Sinne (Weder 1999, 42–43, 49–50).

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6 Neue methodische Ansätze Bruno Quast (2005) stellt seine Analyse von Der Welt Lohn in einen größeren Kontext von ‚Lektüre und Konversion‘, wie er vor allem die Bekehrungsschilderungen des Augustinus und seine mittelalterlichen lateinischen Adaptationen prägt. Konrads Text, so die These, partizipiere zwar am Geltungsanspruch dieses Schemas, problematisiere das Modell jedoch in doppelter Hinsicht: Einerseits seien hier anstelle geistlicher Erzählungen ausgerechnet weltliche Minneaventiuren gesetzt, andererseits sei der ‚fictionale‘ Status dieser Geschichten betont: Konrad bleibe damit „dem geistlichen con­ versio-Schema zwar verhaftet, aber mit der entscheidenden Pointe, daß die Welt über den Weg weltlicher Lektüre überwunden werden kann.“ (Quast 2005, 130). Nicht nur sei es die Lektüre, die die Epiphanie der Dame hervorbringe (Quast 2005, 132; Brandt 2009b, 108), sondern in der ‚Als-Ob-Realität‘ der Figur sei zudem „das Scheinhafte der Welt und das Scheinhafte des Fiktionalen“ zusammengeführt und zugleich mit einem „unverbrüchlichen Wahrheitsanspruch“, der sich selbst zu erkennen gebe, verbunden (Quast 2005, 134). Eine besondere Rolle kommt dabei der doppelten Umkehrbewegung zu, in der mit der Konversion zugleich eine ‚Transgression‘ der Grenze zwischen „zwei gegensätzlich semantisierten Teilräumen der erzählten Welt“, nämlich dem „Lektüreraum der Weltminne und dem Heiligen Land der Gottesminne“ zusammenfalle (Quast 2005, 133). Ein jüngerer Beitrag von Dina Salama (2014, bes. 103–111) zeigt, inwiefern die Erscheinung der Frau Welt dem Protagonisten wie ein Spiegel die eigenen Taten vor Augen stellt und fragt nach den narrativen Mitteln, diese Figur dem Rezipienten in einer nachgerade szenischen Imagination vorzustellen, um diese dann in der Demaskierung zerbrechen zu lassen. Ein möglicher Anschluss an die Überlegungen von Quast, der ja für die augustinische Konversionserzählung ebenfalls auf das Moment der Selbstreflexion verweist (s.  o.), ebenso wie die Auseinandersetzung mit älteren Überlegungen zu den Präsentationsstrategien und Imaginationskonzepten des Textes (z.  B. Lechtermann 2005, 73–77), zur imaginativen Theatralität des Erzählten (Kern 2013) oder zum Verhältnis von Schein und Wahrheit als zeit-räumlich prozessierter Ambivalenz (etwa Weder 1999, 31–34) wurden dabei nicht gesucht, wären aber denkbar. Manfred Kern fragt in seiner 2009 erschienenen Habilitationsschrift unter dem Stichwort Weltflucht nach einer „Poesie und Poetik der Vergänglichkeit in der weltlichen Dichtung des 12. bis 15. Jahrhunderts“. Dabei geht es ihm um solche literarische „Strategien der Bemächtigung von Welt, der Konstruktionen von Immanenz, die die weltliche Literatur in Relation zu den geistlich-theologischen Konzepten der Negativität des Zeitlichen leistet“ (Kern 2009, 8). In Auseinandersetzung mit diesen Konzepten, so will Kern zeigen, erarbeiten sich die volkssprachlichen literarischen Texte eine eigene ‚Definitionsmacht‘ (8) in ihren Entwürfen von Welt und Weltlichkeit. Weltflucht meint daher hier nicht einsinnig Abkehr von der Welt, sondern impliziert, insofern Dichtung ‚Weltwerk‘ (3–4) ist, zugleich auch die Gegenbewegung  – sie ist formuliert in einer „glückliche Paradoxie“, die „auf eine Pluralität des Denkens und der ästhetischen Imagination verweist“ (4). Kern stellt sein Kapitel über Konrads Text relativ weit an den



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Anfang seiner Untersuchung (43–67), die ausgewählte Lieder Walthers von der Vogelweide ebenso umfasst wie die Lyrik des 15. Jahrhunderts oder die mittelhochdeutsche Epik und sowohl die mittelalterliche Ikonographie als auch Beispiele aus dem Bereich der Romania und der lateinischen Literatur einbezieht. Er versteht Der Welt Lohn als Moment einer ‚kanonischen Sujetfügung‘, die gekennzeichnet sei durch „die Konfiguration allegorischer Handlung und Bedeutung in Relation zu den Modellen des Weltbezugs und der weltlichen Erotik, die die höfische Literatur im Programm der Hohen Minne ausgestaltet hat“, womit ein ebenso komplexer wie „uneindeutiger Entwurf“ am literaturgeschichtlichen Anfang dieser Reihe stehe (9). Kern betont, wie zuvor Blamires (s.  o.) die „ästhetisierende[], hochliterarische[] Gestaltung“, die den im Prolog und Epilog deutlich angeschriebenen Sinn ins Ambivalente kippen lasse (Kern 2009, 44). In Dienst des ‚Kunstcharakters‘ sieht er Namensgebung und Beschreibung des Protagonisten sowie die Lesesituation, die den Übergang zur Personifikationsallegorie ermöglicht (44–49). „Allzu plakativ“ und „verräterisch“ seien die höfische Weltgebundenheit und ebenso Auftritt und Wendung der Frau Welt inszeniert, sodass sich das didaktische Anliegen der Erzählung „in seiner narrativen Verhandlung deutlich konterkariert“ zeige (50). Als wesentliches narratives Verfahren affirmiere diese „pathetische Ironie“ subtextuell die höfisch-weltliche Kulturalität, die sie „phänotextuell destruier[e]“, sodass der Text nicht auf einen stabilen Sinn festzulegen sei, sondern dieser – wie auch die Überlieferung zeige – ortsabhängig entworfen werde (53–54). Die Sujetfügung, die Konrad damit stifte, zeige ihr Potential z.  T. auch in den deutschen und lateinischen Dichtungen, die auf Der Welt Lohn zurückgriffen und die poetische Dimension des Prätextes auf je eigene Weise realisierten und ebenso in einer komplexen polysemen Allegorie, die sehr verschiedene Aspekte von Welt, Sündhaftigkeit, Erotik, Vergänglichkeit und Tod bündle (58–65). Ein späterer Aufsatz Kerns, der an das entsprechende Kapitel der Habilitationsschrift anschließt, arbeitet zudem den „eminent theatralen Gestus“ heraus, der den Text präge und der der Narration einen „bühnenhaften, ja bühnenbildlichen Charakter“ verleihe (Kern 2013, 374), wobei die Leseszene zugleich als „‚mise en abîme‘ des Rezeptionsaktes im Text“ aufzufassen sei (376). Auch hier versteht Kern das beschriebene textuelle Verfahren als doppelbödige Strategie, die durch „plastische Posen“ der Figuren und „deklamatorische Züge“ ihrer Reden zugleich ihre Artifizialität ausstelle, sodass das Exemplum drohe „zum intertextuell selbstläufigen, heiteren Kammerspiel zu geraten“ und die „ironische Tendenz“ der Darstellung die moralisch-didaktische Sinnsetzung des Textes irritiere (376). Auf den sehr besonderen „ontologischen Status“, der die Figur der Frau Welt kennzeichne, hat Julia Rüthemann hingewiesen. Ihr Körper sei weder im vollen Umfang sterblich und vergänglich, noch sei er vollständig überzeitlich, abstrakt und immateriell, vielmehr nehme er wie derjenige anderer Personifikationen einen Mittlerstatus zwischen beiden Polen ein und ihm eigne eine „Negativität, […] die sich aus der Unverformbarkeit ihrer Körper ableiten“ lasse und dabei „ihre eigene Deformation und Auflösung“ integriere (2014, 133–134). Die Wahrnehmung des derart deformierten Körpers durch den Protagonisten sei zunächst geprägt durch Leer- und Fehlstellen und kon-

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trastiere dementsprechend den vom Erzähler zuvor entworfenen Schönheitspreis wie auch seine mangelnde Erinnerung der Rede der Dame: „Der Text wirft so die Frage auf, ob Wirnts Wahrnehmung vielleicht gar ausschließlich sprachlich geprägt ist, ob er die ‚Welt‘ zunächst also vielmehr nur liest oder hört, denn visuell wahrnimmt“ (136). In vergleichbarer Weise sei auch der im Herzen des Protagonisten situierte Erkenntnismoment zunächst sprachlich und durch die Lektüre geprägt und von ihm her die visuelle Imagination der Rückseite der Welt erst induziert, was wiederum zu einer ‚Verformung‘ des Herzens führe und dazu, dass Wirnt sich selbst als ‚deformiert‘, weil als Sünder erkenne (138). Dass Wirnt daraufhin gerade aus einer durch die Lektüre weltlicher Dichtung selbst induzierten Vision erwache und diese damit aufgebe, reflektiere dabei zugleich auf einer Metaebene die Frage nach dem Geltungspotential weltlicher Dichtung und führe so mit der „täuschenden Eigenschaft der Welt“ zugleich die „trügerische Kraft der Worte“, auch der vorliegenden Erzählung vor (143). Von den Differenzen und Übereinstimmungen zwischen dem, was gesagt, und dem, was gezeigt wird, geht auch die Habilitationsschrift von Katharina Mertens Fleury (2014) aus, die unter den Stichworten ‚Zeigen und Bezeichnen‘ mit einem komparatistischen Ansatz allegorisches Erzählen in mittelalterlichen Texten untersucht. Sie stellt Der Welt Lohn in ihr einleitendes Kapitel und entwickelt an diesem Text ihr Untersuchungsinstrumentarium. Anhand der Figur, die sich selbst als ‚Welt‘ bezeichne, werde die Differenz zwischen Zeigen und Bezeichnen besonders deutlich, denn diese verkörpere die ‚Welt‘ nur sehr ausschnitthaft – eben in der Signatur der höfischen Minnedame. Dies konfligiere zudem mit der ebenfalls allegorisch konzipierten Situation ihres Auftretens, nämlich die an den Kreuzestod Christi erinnernde Vesperzeit (Mertens Fleury 2014, 9–10). Expliziert und realisiert wird dieser Bezug an der Figur der Frau Welt erst durch das Zeigen der Rückseite und die Kreuznahme des Protagonisten, in deren Zusammenhang das Fehlende auch explizit benannt werde. So sei der Text lesbar „als eine Gegenüberstellung zweier Paradigmen, jenes des erlösenden Todes Christi (der sich hier nicht wie Frau Welt aufdrängt) und jenes der irdischen, endlichen und verfallenen Schönheit der Welt“ (11, vgl. auch 73–76). Die Lektüre von Konrads Text zeigt so Dimensionen der mittelalterlichen Allegorie, die über die Vorgaben der historischen allegorischen Exegese nicht einholbar sind – Komplexität, Offenheit in Richtung verschiedener Referenzen und eine textuelle Dynamik, die Sinnangebote latent hält und Zuweisungen aufschiebt (11–15, vgl. auch 39–40, 44–45). Mertens Fleury schließt dabei an einen Aufsatz von Christian Kiening an, der die Personifikation als „im gleichen Maße“ durch Sprache wie durch Imagination bestimmt auffasst (Kiening 1994, 354) und die so ermöglichten Spannungsmomente u.  a. an Der Welt Lohn exemplifiziert. Dort gestalte sich die Begegnung mit der Frau Welt als dem scheinbar Vertrautesten um und werde „zur Begegnung mit dem Fremden, das sich dann erst, in der Erkenntnis, als das wirklich und viel zu sehr Eigene“ zeige; die Personifikationsfigur sei damit sowohl für den Protagonisten wie für die Rezipienten zugleich eine „Erkenntnisfigur prozessualer Art par excellence“ (Kiening 1994, 376–377). Die jüngste Auseinandersetzung mit der allegorischen Dimension des Textes stammt, soweit ich sehe, von Katharina Philipowski.



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Sie gilt der Ich-Perspektive des Erzählens allegorischer Begegnungen (v.  a. in Konrads → Klage der Kunst) und stellt dieser den heterodiegetischen Erzähler in Der Welt Lohn gegenüber, dem allein es möglich sei, die Geschichte über den Tod des Protagonisten hinaus zu erzählen und sein erlangtes Seelenheil zu thematisieren. Dennoch betont sie  – mit Kern (2013)  – die theatralen und immersiven Momente der Darstellung, in denen der Erzähler dazu tendiere „regelrecht in die Diegese hineinzukippen“ (Philipowski 2017, 403–404). Nicole Eichenberger behandelt die Erzählung vom Lohn der Welt in ihrer Dissertation zur deutschsprachigen religiösen Kleinepik (Eichenberger 2015, bes. 71–73, 125–128, 190–192). Sie hebt dabei vor allem das Moment der unerwarteten Umkehr der Figur hervor, die den Protagonisten, wie den Rezipienten zwinge „den Anfang der Geschichte vom Ende her neu zu verstehen“ und zu erkennen, dass der Lohn für das höfische Leben der Tod ist (48). In der Form einer „typisch geistlichen Verserzählung“ mit wenigen diskursiven Partien und einem abgeschlossenen narrativen Hauptteil, sei das Erzählen v.  a. auf Identifikation und emotionalen Nachvollzug angelegt (71, 72–73). Dennoch fänden sich „Hinweise darauf, dass die Botschaft nicht so schematisch gemeint ist und nachvollzogen werden soll, wie es im Epilog nahegelegt wird“ und dass nicht das höfische Leben an sich, sondern seine Absolutsetzung kritisiert wird (191). Der Spannung, die zwischen der Idealisierung und Ästhetisierung des Höfischen und seiner Durchstreichung im Gestus der Wende und Umkehr entsteht, geht auch ein jüngerer Beitrag von Jan-Dirk Müller nach und verweist dabei auf eine auffällige Asymmetrie in der Darstellung: Nahezu vier Fünftel sind der Schönheit dessen gewidmet, was verabschiedet werden soll, […] der Kreuzzug, aber der ist blass. Aus diesem Grund ist es wenig wahrscheinlich, dass die Erzählung der Kreuzzugpropaganda diente. Abgebracht werden muss der Ritter von seiner höfischen Faszination.“ (Müller 2020, 197)

Gezielt sei damit auf die Lektüre und Versenkung in eine imaginäre Idealwelt und damit um den „Spielraum der höfischen Literatur“ (197). Dieser gelte letztlich auch die Abkehr. Müller hebt in seiner Lektüre dabei zugleich den spezifischen Zeitindex der Erzählung hervor, der das Ende des Tages wie des Lebens akzentuiert und der einhergeht mit einem Verfall von schîn und varwe (201–202, 204). So sei der Text denjenigen von Konrads Erzählungen zuzuordnen, die das höfische Ideal problematisieren und dem religiösen Diskurs unterordnen – hier indem „der höfischen Welt eine vorläufige Rolle“ zugewiesen werde, „einerseits eine ästhetische, andererseits eine zeitlich limitierte“ (209). Matthias Meyer reflektiert im Zusammenhang mit anderen Entwürfen der „Eremitage bei Konrad von Würzburg“ die Einsamkeit der Lektüresituation, in der sich das Erscheinen von Frau Welt als Personifikation des höfischen Systems und die „Erkenntnis […], die zum Verlassen des Systems führt“ allererst vollziehen kann (Meyer 2020, 66).

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7 Mögliche weitere Forschungsfragen Der Text ist von der Forschung intensiv und aus sehr verschiedenen Perspektiven besprochen worden. Dennoch sind einige mögliche weiterführende Fragestellungen bislang nur in Ansätzen verfolgt worden. So ist eine von Brandt (2009b, 111) vorgeschlagene kommunikationstheoretische Analyse des Textes bisher kaum umgesetzt worden. Ein gendertheoretischer Zugang zu unserem Text, der ebenfalls bereits von Brandt (2009b, 110) angeregt worden war, wurde, abgesehen von einigen verstreuten Bemerkungen bei Barbara Becker-Cantarino (1983, 62–63), kursorisch auch in einem Beitrag von Tatjana Meisler, Stina Marie Metter und Ina Spetzke behandelt, der sich u.  a. „dem Geschlechterverhältnis und dem male gaze“ widmet (2021, 191). Jüngst erschienen ist die Dissertation von Julia Rüthemann (2022, 295–307, 443–444), die in ihre Studie zu den Topoi der Einwohnung und Geburt im Herzen im Blick auf die weiblichen Personifikationen auch Aspekte einer Gender-Poetik integriert. Fokussiert v.  a. auf den Parzival und den Roman de Silence, zieht die Arbeit im Rahmen einer umfassenden Rekonstruktion der Geschichte solcher Topoi Beispiele aus der mittelhochdeutschen Lyrik und Kurzerzählung hinzu. Frau Welt liest sie als Reflexions-Figur des Begehrens und zugleich als Manifestation einer „sprachlichen Erkenntnis“ (2022, 229) im Herzen, und begreift sie als „Chiffre weltlicher Literatur bzw. […] für eine Weltlichkeit des Wortes, das sich anstelle des göttlichen Logos in der Personifikation vermittelt“. Frau Welt gewinnt dabei Rede- und Handlungsmacht gegenüber einem nur passiv reagierenden Protagonisten, während jenem gleichwohl das Moment der Produktivität zugeschrieben wird (337–338). Durch die Kontextualisierung von Der Welt Lohn im religiösen Erzählen, die Palmer und Schiewers Untersuchung sowie Eichenbergers Arbeit angeregt haben, wird nicht nur die Quellenfrage erneut und erneut in ihrer Unentscheidbarkeit virulent, sondern auch das Verhältnis von Der Welt Lohn zu den ihm nachfolgenden Texten, die seit den frühen Arbeiten von Closs (1934, 13–18) über diejenigen von Thiel (1956, 112–148), Bleck (1991, 143–156, hier unter Einbezug des Peter von Staufenberg), Rölleke (1968, 105–111) und bis hin zur Studie von Kern (2009, 58–62) in Abhängigkeit zu Konrads Erzählung gedacht werden: d.  h. die lateinischen Exempla, die auch als Vorlage diskutiert worden sind (s.  o.), sowie die Exempla zweier Breslauer Handschriften (vgl. Bleck 1991, 145–146); das deutsche Predigtexempel einer gegen 1362 entstandenen elsässischen LegendaAurea-Handschrift (München, SB, cgm 6, Nr. LXVI); die Prosaerzählung Von der welt valscheit, die sowohl in einer auf 1393 datierten Kompilation geistlicher Texte (Zürich, ZB, A 131, fol. 89r–90r) als auch in einer vermutlich für das Dominikanerinnenkloster St. Katharinental nahe Schaffhausen und um 1420 zusammengestellten Sammlung von Predigten, Kurztraktaten und Exzerpten (München, SB, cgm 531, fol. 127ra–va) überliefert ist (vgl. Palmer und Schiewer 2003); die von Closs (1934) als ‚Weltlohn‘ herausgegebene Erzählung Vom Sünder und der verlornen Frau, die ins Oberrheinische Erbau­ ungsbuch (vgl. Otto 2005) eingegangen ist; die ‚Frau Welt‘-Strophen des Guotaere (vgl. Bein 2001); Frauenlobs Strophen zu ‚Minne und Welt‘ (vgl. zu weiteren Adaptationen des Welt-Motivs bei Frauenlob Bartel 2014); die Meisterlieder Michel Beheims und Jörg



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Schillers (dazu Kern 2005, 19–42) sowie das Meisterlied Wie der meister der Welt urloup gît der Kolmarer Liederhandschrift (München, SB, cgm 4997, Nr. CXVIII). Eichenberger (2015) betont gegenüber solchen Rezeptionsgeschichten, wie sie zuvor bereits an anderer Stelle und im Blick auf die Erzählung Vom Sünder und der verlore­ nen Frau (Weltlohn) ausführlich dargelegt hat (2010, bes. 362–365), dass der literarische (und außerliterarische) Referenzrahmen dieses Erzählstoffes „nicht als Stammbaum voneinander abhängiger Texte zu verstehen“ sei, in den sich die verschiedenen Realisationen einordnen ließen, sondern „vielmehr als ein kulturell verankertes Wissenskontinuum, in dem Versionen und Kombinationen von Erzählstoffen und Motiven in unterschiedlichen Formen (Gedächtnis, mündliche Erzählung, schriftlicher Text, Bild) verfügbar“ gewesen seien (Eichenberger 2015, 128). Die wörtlichen Übernahmen, die sich nachweisen ließen und die jeweils zur Annahme der Abhängigkeitsverhältnisse geführt hatten, wertet sie als zu unspezifisch und dementsprechend nicht belastbar. Eichenberger ist sicherlich zuzustimmen, wenn sie betont, dass sich die genauen Verhältnisse angesichts des großen historischen Abstands nicht rekonstruieren lassen dürften (128), doch erscheint mir auch der sehr allgemeine Verweis auf ein kulturelles Gedächtnis nicht wirklich befriedigend. Es wäre daher vielleicht anzuregen, die Frage nach Wörtlichkeit und Äquivalenz, nach Adaptation und Retextualisierung, an Der Welt Lohn und den Texten, die meistenteils katalogartig (wie oben) mit Konrads Erzählung in Verbindung gebracht worden sind, exemplarisch erneut zu diskutieren. Die Texte, die sich um das hier behandelte Motiv gruppieren, wären darüber hinaus im Hinblick auf die Behandlung bestimmter, gemeinsamer Aspekte zu befragen – etwa hinsichtlich der im Blick auf Der Welt Lohn wiederholt thematisieren Temporalität der Erzählung (etwa Kern 2009, 56; Salama 2014; Mertens Fleury 2014, 10–12; Eichenberger 2015, 191; und v.  a. Müller 2020, 202–204). Der Beitrag von Quast fragt zudem nach der Ereignishaftigkeit des Geschehens (2005, 133). Es könnte sich lohnen, beide Aspekte vor dem Hintergrund der aktuellen Forschung zur Heterogenität vormoderner Zeitkonzepte (etwa Czock und Rathmann-Lutz 2016) und im Hinblick auf vormodere Inszenierungen und Konzeptualisierungen des Ereignisses (etwa Quast 2006; Prica 2010, bes. 40–41; Weitbrecht et al. 2016; von Müller 2017, bes. 72–75) einmal gemeinsam und systematisch für die verschiedenen Realisationen des Erzählmotivs zu verfolgen. Auch unser Verständnis für die Personifikationsallegorie würde, so meine ich, davon profitieren, das Motiv in andere Zusammenhänge hinein zu verfolgen. Die Deutungsgeschichte von Der Welt Lohn erstreckt sich, wie hier sichtbar werden sollte, von ironisch-humoristischen oder gar parodistischen Lektürevorschlägen, über die Relationierung und/oder Hierarchisierung von höfischem und religiösem Diskurs, bis hin zur Kreuzzugswerbung und hebt dabei erzählerische Artistik ebenso wie moralisch-didaktische Funktion, ein Hervortreten der Sprache ebenso wie imaginative Theatralität hervor. Diese Diversitäten in der wissenschaftlichen Rezeption lassen sich relativ problemlos als Effekte bestimmter methodischer Perspektivierungen beschreiben. Über historische Perspektivierungen wissen wir indes noch zu wenig: die Forschung zu den Prinzipien und Kontingenzen von Textsammlungen und Textvergemeinschaftungen

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muss, so meine ich, weiter vorangetrieben werden. Dabei wäre gerade im Hinblick auf Texte wie Der Welt Lohn noch genauer zu reflektieren, welche Ähnlichkeitsmomente aus Mitüberlieferung semantisch belastbare Koüberlieferung machen, und ob es überhaupt Ähnlichkeits- und nicht vielleicht Kontrastverhältnisse sind, die die jeweiligen Textsammlungen inszenieren  – auf unser Beispiel bezogen: ob eine ‚parodistische‘ Umgebung wirklich auch die Perspektivierung eines Textes valide bestimmen kann, oder ob sie nicht vielleicht gerade das Agon einer sich allmählich verdüsternden Moraldidaxe fordert.

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9 Das Herzmaere 1 Überlieferung Das Herzmaere ist in zehn Handschriften und zwei Fragmenten aus dem 14. bis 16. Jahrhundert mit zum Teil großer Textvarianz vor allem am Schluss überliefert. Von den Handschriften mit vollständigem Text sind nur die verschollene Straßburger Handschrift A und die Innsbrucker Handschrift I noch nicht (vollständig) digitalisiert. Wegen der Textvarianz kann kein lückenloses Stemma erstellt werden, die Handschriften lassen sich jedoch in einige Familien gruppieren. I zeichnet sich als einzige Handschrift durch Federzeichnungen (d.  h. als das einzige bebilderte Textzeugnis) aus. Ihr Text ist dem aus der Wiener Handschrift V verwandt, und die beiden zudem mit der Abschrift der Augsburger Berufsschreiberin Clara Hätzlerin, deren Handschrift h heute in Prag aufbewahrt wird. In der Berliner und der Leipziger Handschrift (B und L) gehört das Herzmaere zu einer Textgruppe, die en bloc mit einer Textreihe in h übereinstimmt (Knor 2008, 153). Die gesamte Handschriftenfamilie bezeugt einen Herzmaere-Text, der für korrupt gehalten wird (Jobst 1998, 25). A und die Heidelberger Handschrift P stellen wahrscheinlich die frühesten Zeugnisse dar, können aber kodikologisch nicht verglichen werden, da A 1870 verbrannte und der Text nur noch als Abschrift im Nachlass des Altphilologen F. Roth erhalten ist. Nach Jobst sind diese Zeugnisse mit der Karlsruher und der Münchener Handschrift (D und N) verwandt. An das Ende des Herzmaere schließen aber die beiden letzteren eine lange laudatio temporis acti an, die als Verweis auf die „Minnebußpredigt“ des Tristan (V. 12187–12361) aufgefasst wird. Schröder hielt diesen Schluss für authentisch, obwohl er nur in diesen beiden Handschriften aus dem 15. Jahrhundert erscheint. Dieser Epilog nennt Konrad als Verfasser. Außer diesen zwei Handschriften enthält nur P eine Namensnennung Konrads, allerdings dort im Prolog, wo ansonsten der Name Gottfrieds von Straßburg aufgeführt wird (Kragl 2016; Besamusca et al. 2016). Nach der Nennung Konrads weicht der Schluss in N von dem in D durch eine achtzeilige Reimspielerei auf -at (von ‚Cunrat‘) ab. D gilt darum als bestes Zeugnis, obwohl „es auch vom Herzmaere keine Handschrift gibt, die man als gut bezeichnen und der Ausgabe zu grunde legen könnte“ (Schröder repr. 1998, XXI), weswegen Schröders Standardausgabe „ein künstliches Gebilde“ (Blamires 1988, 251) darstellt.

2 Ausgaben Das Herzmaere ist ab dem 18. Jahrhundert mehrmals ediert worden, in den meisten Fällen als mehr oder weniger getreue Abschrift aus einzelnen Handschriften. Zu den diplomatischen Editionen kommt auch eine Faksimile-Ausgabe der Innsbrucker Handhttps://doi.org/10.1515/9783110373561-009

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schrift hinzu. Die „kritische“ Edition von Edward Schröder ist immer wieder nachgedruckt und herausgegeben worden. Deswegen gilt dessen Textgebilde als Standard, obwohl es, wie schon erwähnt, „künstlich“ (Blamires 1988, 251) ist und in dieser Form in keiner der Handschriften vorliegt. Wegen der großen Textvarianz würde eine neue synoptische Ausgabe (ob digital, wie das nicht mehr verfügbare Projekt Rivas, oder gedruckt) wissenschaftlichen Erfordernissen am ehesten entsprechen.

3 Autorschaftsfragen und Inhalt Konrads Autorschaft gilt als gesichert, obwohl sein Name nur in drei von den zwölf Handschriften erscheint (im Prolog der frühen Handschrift P sowie im Epilog von D und N). Die Nennung Konrads in P wird in allen anderen erhaltenen Herzmaere-Prologen durch den Namen Gottfrieds von Straßburg ersetzt. Wegen dieser Berufung auf den Meister der verbotenen Minne schreibt die Rubrik in A das Herzmaere fälschlicherweise Gottfried zu. Das Herzmaere erzählt von einem Minnedreieck in reinster Form. Eine Dame und ein Ritter lieben sich, dieser fährt ins Heilige Land, um den Verdacht des Ehemanns abzuschwächen. Dort stirbt er an Liebesschmerz und schickt sein gebrochenes Herz in einem verzierten Kästchen zurück an die Dame. Der Ehemann fängt das Herz aber ab, lässt es zubereiten und legt es der Dame als Speise vor. Als diese erfährt, was sie gerade gegessen hat, stirbt auch sie.

4 Quellen und Gattungskontext Die Geschichte vom gegessenen Herzen ist ein Wandermotiv, dessen Varianten nicht nur im mittelalterlichen Europa, sondern auch in vielen internationalen Folklore-Traditionen bezeugt sind. Eine im 19. Jahrhundert in Indien verfasste Version ließ frühere Forscher vermuten, dass der Erzählstoff im Osten entstanden und nach Europa gewandert ist (Paris 1879; Patzig 1891). Diese Idee entstammt allerdings rassistischen Vorstellungen über die Primitivität östlicher Kulturen, und die neuere Forschung hat festgestellt, dass das Motiv sehr wohl auch von Westen nach Osten hätte gewandert sein können (Knapp 1979, 200), aber am allerwahrscheinlichsten an mehreren Orten selbständig entstanden ist, da es auch nordamerikanische bzw. pazifische Versionen gibt, die Vermutungen über Überlieferungswege nur schwerlich zulassen (Blamires 1988, 252–253; Brandt 1987, 106). Das Motiv des gegessenen Herzens reiht Thompson in seinem Motif-index of Folkliterature (1955–1958) als Strafe für Ehebruch ein (Q478.1); bei Aarne und Thompson (The Types of the Folktale) zählt es als Nr. 992 zu den „sonstigen romantischen Erzählungen“. Nach der Unterteilung Patzigs (Patzig 1891, 6–8; siehe auch Matzke 1911 und Blamires 1988) werden die europäischen Versionen meistens nach der Todesart von Ritter und

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Dame unterschieden. Sowohl die anderen Varianten aus dem germanischen Sprachraum (z.  B. ein niederländisches und ein schwedisches Volkslied, sowie das „Lied vom Bremberger“) als auch die meisten Zeugnisse aus dem romanischen Raum (das provenzalische Lied von Guilhem de Cabestanh, Filostratos Erzählung in Il Decamerone IV.9, der altfranzösische Lai d’Ignaure) erzählen vom Tod des Ritters durch die Hand des Ehemanns und dem Selbstmord der Frau, die sich auf je andere Weise das Leben nimmt. Der altfranzösische Roman Le Châtelain de Coucy und Konrads Kurzerzählung zeichnen sich dadurch aus, dass der Ritter nicht vom Ehemann getötet wird und die Dame nicht durch Gewalt, sondern vor Gram stirbt. Ein Kreuzzugsmotiv verbindet ebenfalls die zwei Erzählungen, denn der Kastellan von Coucy fährt auch ins Heilige Land, obwohl er dort im Streit gegen die Heiden erschlagen wird, statt selber vor Gram über die Trennung zu sterben. Einen solchen Tod findet aber bei Hartmann von Aue der Vater von Gregorius. Allerdings ist die religiöse Motivation der Buße für die inzestuöse Beziehung sehr wichtig für Hartmann. Dagegen scheint die einzige Motivation für die Kreuzzugsfahrt bei Konrad die Trennung der Geliebten zu sein, und der religiöse Charakter des Reiseziels bleibt völlig nebensächlich, zumindest aus intradiegetischer Sicht. Die Nähe der Minnethematik zum Tristan-Stoff und der namentliche Verweis auf Gottfried lassen auch eine Verbindung zum nicht erhaltenen, aber im Tristan erwähnten Lai de Guirun vermuten. Neben dem Herzmaere ist die einzige europäische Version des Motivs, in der die Figuren anonym bleiben, ein Exemplum aus den Sermones parati de tempore et de sanctis. Obwohl der früheste Überlieferungsträger erst aus dem 15. Jahrhundert entstammt, kann man trotzdem vermuten, dass dieses oder ein ähnliches Exemplum Konrad als Quelle diente. Da das Herzmaere für ein Frühwerk gehalten wird, lässt sich eine lateinische Quelle leichter als eine französische vorstellen, denn Konrad berichtet in → Partonopier und Meliur, dass er Hilfe beim Übersetzen benötigt habe. Wenn er eine französische Quelle für das Herzmaere gehabt hätte, kann der Text höchst unwahrscheinlich vor → Partonopier und Meliur entstanden sein (so Bleck 1987, der allerdings trotzdem von einer französischen Vorlage für das Herzmaere ausgeht). Außerdem lässt es sich viel einfacher erklären, warum mittelalterliche Dichter diesen Stoff an verschiedene historische Persönlichkeiten binden wollten, als warum Konrad vorgefundene historische Informationen völlig unterdrücken würde. Konrads Herzmaere hat keine Nacherzählungen inspiriert. Die Verbindung der Geschichte mit historischen Personen hat anscheinend die dichterische Phantasie stärker gereizt. Auch wenn das Herzmaere bis ins 16. Jahrhundert hinein handschriftlich überliefert und weitertradiert wurde, greifen selbst die späteren deutschen Fassungen eher auf die Erzählung Boccaccios (Die Tragedi deß fürsten Concreti des Hans Sachs), auf das Lied vom Bremberger (Grimms Deutsche Sagen, Nr. 505–506) oder auf den Roman vom Châtelain de Coucy (Uhlands Gedicht „Der Kastellan von Coucy“) zurück.

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5 Forschungsgeschichte Zeitgleich mit den folkloristisch-philologischen Ansätzen hat sich eine Tradition der Forschung entwickelt, die sich mit Stil und ästhetischen Fragen auseinandersetzt. Wie bei der Folklore-Forschung genügten diesen Forschern klassifizierende Beobachtungen bezüglich des Reimschemas, des Versmaßes, des Wortschatzes und des sogenannten rîmebrechens. Ich kann die numerologischen Analysen der Zeilen und die Gliederung der Erzählung nach genau kalkulierten Zeilenzahlen (Gernentz 1961; Rölleke 1969; Wagner 2009) nur als Zeitverschwendung einschätzen, denn sie beziehen sich ausnahmslos auf die Ausgabe Schröders, obwohl keine der Handschriften deren 588 Zeilen enthält. Die meisten Studien zur handschriftlichen Überlieferung des Herzmaere behandeln den Text nur am Rand, als Teil völlig anderer Forschungsinteressen. Mihm (1967) erwähnt elf von den zwölf erhaltenen Handschriften und behandelt P, V, D und I ausführlicher. Er bietet jedoch keine Deutung der einzelnen Mären, sondern interessiert sich für die Ordnungs- und Auswahlprinzipien der Codices als Sammlungen. Jobst (1998) und Kragl (2016) vergleichen die verschiedenen Textzeugnisse des Herzmaere, wobei Kragls Interesse einer (sehr gelungenen) Kritik des Genetteschen Paratext-Begriffes gilt. Knor (2008) interessiert sich für eine kleinere Handschriftengruppe, nämlich das Liederbuch der Clara Hätzlerin und verwandte Handschriften (h, L, und B). Das Herzmaere erscheint in einem Textblock von Minnereden, die in der gleichen Reihenfolge in allen drei Handschriften überliefert sind (153). Auch Sprague (2007) untersucht die Ordnungsprinzipien und Textgeschichte einer einzelnen Handschrift, nämlich A (siehe unten). Dieses Erkenntnisinteresse verfolgt auch Westphal-Wihl (1993), die ferner auch auf die bedeutungsstiftende Funktion der Reihenfolge verschiedener Texte eingeht. Ihre Beobachtungen erweisen sich auch als nützlich für die Deutung der Textvarianz am Schluss und im Prolog. So funktioniere nach Westphal-Wihl der lange Schluss in N als gattungsmäßiger Übergang von einem Block von Erzähltexten zu einer Gruppe diskursiver Erbauungstexte (166), und die ungewöhnliche achtfache Reim-Endung auf -rat in N entspreche einem offensichtlichen Interesse dieses Schreibers für Autornamen (174–175). Auch Dahm-Kruse (2018) geht einer solchen Forschungsfrage nach, indem sie alle erhaltenen Handschriften des Herzmaere in den Blick nimmt, um die Textvarianz der verschiedenen Fassungen in den Kontext der jeweiligen Sammlung zu stellen. Nach ihr lassen sich sowohl die divergenten Pro- und Epiloge als auch interne Kürzungen bzw. Erweiterungen als gezielte Eingriffe der Schreiber auffassen, die das Ziel haben, einzelne Texte einer weiterreichenden Thematik anzupassen. Die Übertreibung der Reim-Endung auf -rat in N gelte nicht dem Autornamen, sondern einem auch in den umgebenden Texten hervorgehobenen Schwerpunkt auf guten Rat (126–137); die Handschrift P handle durchgängig vom guten Verhalten gegenüber Frauen; der hier aufgeführte kurze Herzmaere-Schluss mit der Tadelung des Ehemanns passe hervorragend in die Gesamtkonzeption und leite sinnvoll zum Anschlusstext ‚Belehrung eines jungen Mannes‘ über (282–283). Nowakowski (2021) bietet eine dritte Deutung des langen Schlusses in N, indem sie die Erwähnung von der trewen wat mit der in dieser Hand-

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schrift dem Herzmaere vorangehenden Erzählung Frauentreue in Verbindung bringt. Dort legt die Dame ihre Kleidung als Entgelt für den Minnetod ab; im Herzmaere-Epilog hingegen soll ein guter Freund das Kleid der Treue anlegen, „wobei triuwe als universeller Wert entworfen wird, der auch jenseits der Sphäre passionierter Liebe Geltung besitzt“ (239). Laut Nowakowski spiele die triuwe-Thematik auch in P eine herausgehobene Rolle, allerdings als soziales Prinzip einer verbindlichen Wechselseitigkeit oder Reziprozität. Diese „Vergeltungslogiken“ treten durch die handschriftliche Nähe zum Sperber hervor (227–228). Die Forschung beschäftigte sich auch mit Gattungsfragen. Fischer (1968/1983) formulierte eine Definition der Gattung Märe, mit der sich alle späteren Arbeiten auseinandersetzen müssen. Ein Märe sei eine in paarweise gereimten Viertaktern versifizierte, selbständige und eigenzweckliche Erzählung mittleren (d.  h. durch die Verszahlen 150 und 2000 ungefähr umgrenzten) Umfangs, deren Gegenstand fiktive, diesseitig-profane und unter weltlichem Aspekt betrachtete, mit ausschließlich (oder vorwiegend) menschlichem Personal vorgestellte Vorgänge“. (Fischer 1983, 62–63)

In Bezug auf das Herzmaere ist diese Gattungsbestimmung vor allem darin problematisch, dass sie religiöse Themen ausschließt. Trotzdem klassifiziert Fischer das Herz­ maere in seinem Verzeichnis als 73b und teilt es den „höfisch-galanten“ Mären zu. Ziegeler (1985) hebt hingegen den didaktischen Charakter der Erzählung hervor, indem er das Herzmaere bei den bispeln als Typ 2a einreiht, d.  h. bei Kurzerzählungen, in denen sich eine These über die Treue als wahr erweist (233). Spätere Forscher bleiben trotz gewisser Schwächen bei der Kategorisierung Fischers. Zum Beispiel nehmen sich Ortmann und Ragotzky (1988) vor, die Begriffsbestimmung von Fischers „höfisch-galantem“ Märentyp zu präzisieren, indem sie sich mit der Rolle der triuwe als gesellschaftliche Norm befassen. Nach ihnen sei diese Kategorie des Märe eine Erbauungsform, die dem Publikum gesellschaftliche Werte vorführe (89–90). Dieser höfischen Erbauung dienen bei Konrad die Verdrängung des Rache-Motivs, die Anonymisierung der Figuren und das auf Gottfried bezogene religiöse Motiv der eucharistischen Vereinigung im Liebestod. Die Metapher der Waage am Ende des Herzmaere betont die gleichmäßige Gegenseitigkeit der staete und triuwe (Ortmann und Ragotzky 1988, 94–96; siehe aber Nowakowski 2021, die die Treue der Dame nicht als Exemplum, sondern als Extremfall auffasst). Brandt (1987) sieht Konrad als Bahnbrecher der Kurzerzählung (107), und Grubmüller (2006) fasst das Herzmaere als literaturhistorische Innovation auf, da Konrad sehr früh, wenn nicht als erster, die Topoi der höfischen Minne in die Form der Kurzerzählung gebracht habe (154). Somit stehe das Herzmaere exemplarisch für „Minnemären“, die Grubmüller als „höfisch stilisierte Kurzerzählungen über Bedingungen und Erscheinungsformen unbedingter Liebe“ (156) definiert. Grubmüller fügt hinzu, dass Mären die Affekte und Emotionen ihrer Handlungsfiguren auf den Körper projizieren. Dieser Vorgang lässt sich im Herzmaere sehr gut am zerschnittenen Herzen des Ritters

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sehen (261). Eming (2021) sieht die Kombination der höfischen Motive mit der „narrative logic“ des Schwankmäres als Mischform, in der die zur Gattung des Schwanks gehörende Gewalt die Minnethematik verdrängt (214). Diese die Gattung bestimmende Minnethematik wirft einen weiteren wichtigen Gesichtspunkt der Forschung auf, nämlich den Vergleich mit Gottfrieds Tristan, der durch drei Aspekte der Erzählung gerechtfertigt wird: Ähnlichkeit in Thema und Figurenkonstellation (Liebesdreieck, Verdacht des Ehemanns, eucharistische Vereinigung im Tod, Gott als den Liebenden wohlgesonnen); wörtliche Zitate oder Anspielungen (liebe/leit, edele herzen); und die direkte, namentliche Erwähnung Gottfrieds im Prolog. Leider hat diese Assoziation sehr oft zu einer unfairen Abwertung von Konrads ästhetischer Leistung geführt, denn dem Herzmaere fehle die psychologische Tiefe des Tristan (Schulze 1971, 470; Wachinger 1975, 76). Stutz (1950/1991) stellt fest, dass Konrad sich bewusst auf Gottfrieds Tristan bezogen und eine vereinfachte Form der Liebesbeziehung dargestellt habe. Sie listet Phrasen auf, die an den Tristan erinnern und behauptet fernerhin, dass der Anschluss an den Tristan-Stoff „selbstverständlich Konrads Werk“ sei (71). Auch Blamires (1965) meint, Konrad „unquestioningly accepts Gottfried’s ideas and techniques without modification“ (30). Obwohl Schulze (1971) den Liebestod nicht mit Tristan, sondern mit dem Gregorius Hartmanns von Aue verbindet, führt sie dennoch sehr viele Anspielungen auf Gottfrieds Tristan auf. Der namenlose Ehemann erinnere an Marke und werde vom Erzähler auch nie als lächerliche Figur dargestellt, wie dies bei einer Schwankerzählung zu erwarten sei (464–465); außer in der Trennungsszene, wo von Minnedienst die Rede ist, seien die Dame und der Ritter gleichgestellt (466); die laudatio temporis acti am Schluss sei eine Anspielung auf die sogenannte Minnebußpredigt (470); die eucharistische Vereinigung beim Verzehr des Herzens beziehe sich auf den Tristan-Prolog (481). Nichtsdestoweniger stellt Schulze fest, dass die Anspielung auf Gottfried in der Schlusszeile nur so stark artikuliert ist, weil Schröder seine Ausgabe willkürlich mit dem Verweis auf edele herzen abgeschlossen hat. Keine der erhaltenen Handschriften schließt mit dieser Zeile, im Gegensatz schließt D, die Schulze bevorzugt, mit einem Fluch auf falsche hertzen, den Schröder gestrichen hat (476). Immerhin sei das Herzmaere ein Tristan en miniature, auch wenn Konrads formale Innovation ihn von der Abwertung des Epigonentums befreie (484). Wachinger (1975) hat diese positive Einschätzung nicht geteilt und wiederholt, dass Konrads Version der Minnebeziehung eine entschärfte Darstellung des Tristan-Stoffs liefere. Verbale Anspielungen schließen lûterlîchiu minne und edele herzen sowie den arcwân und zwîvel des Ehemanns ein, die an Marke erinnern. Wachinger identifiziert den gezielten kathartischen Effekt der Liebesgeschichte auch als Anleihe aus Gottfried (72). Buschinger (1980) meint, dass Konrad Gottfrieds schönen Stil als Leitbild genommen habe, seinem künstlerischen Können aber nicht nahekommen konnte (270). Auch sie vergleicht den Ehemann des Herzmaere mit Marke und behauptet zudem, dass er „die Gesellschaft“ vertrete, aus der die Liebenden ausgeschlossen seien (268). Erst Kokott (1989) stellt Konrads Abhängigkeit von Gottfried ernsthaft in Frage und erreicht damit eine Rekuperation des Herzmaere. Nach ihm seien die Verweise auf Gott-

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fried in Wortwahl und Thematik viel zu weit verbreitet, um eine direkte Ableitung festlegen zu können. Die Anspielungen verdanke Konrad vielmehr dem Zeitgeist (74). Trotzdem glaubt auch er, dass die namentliche Erwähnung Gottfrieds im Prolog Konrads Werk sei. Er sieht aber darin den Hochmut eines jungen Künstlers, der Aufmerksamkeit auf sich zieht, indem er sich auf einen Meister beruft (76). Wagner (2009) deutet die Tristan-Anspielungen auf ähnliche Weise. Man dürfe wohl erwarten, dass das Publikum auch die unklaren Verweise auf Gottfried erkenne. Diese Anspielungen, wie die direkte Nennung, legitimieren das Herzmaere durch Angehörigkeit zu einem anerkannten Kunstsystem (295–296, siehe auch Jobst 1998 und 1999 für Konrads Anschließung an den Diskurs der ars amandi). Konrads dichterisches Selbstverständnis ist das Hauptinteresse der Studie von Coxon (2000), der Kokotts These der bewussten Selbstbehauptung zustimmt. Coxon versteht den Prolog und Epilog als einen Gottfriedschen Rahmen für Konrads Leistung, mit dem Konrad seine Erzählung absichtlich in eine höfische Tradition einreihe. Seinen eigenen Namen neben dem Minnebußpredigt-Material im Epilog zu platzieren, stärke die Assoziation mit Gottfried (131). Coxon gibt zu, dass seine Deutung von der Schröderschen Ausgabe und somit von den Handschriften des 15. Jahrhunderts abhängt, aber statt die Überlieferungslage als ein Problem für seine Deutung der auktorialen Intention wahrzunehmen, verwirft er den Text der früheren Handschriften als unauthentisch (135). Die Studie Spragues (2007) leidet unter dem genau entgegengesetzten Problem bezüglich seiner Verfahrensweise mit der handschriftlichen Überlieferung. Spragues Objekt ist die verschollene Handschrift A, die in einer Rubrik Gottfried als Verfasser des Herzmaere angibt. Sprague liefert eine ausführliche Liste von Gemeinsamkeiten zwischen dem Herzmaere und dem Tristan-Stoff (78–88), verbindet den Liebestod mit dem Gregorius (88–89), sieht aber keine religiöse Dimension im Herzmaere (89–90). Die größte Leistung seiner Arbeit ist der Vergleich des Herzmaere mit den anderen in der gleichen Handschrift überlieferten Erzählungen (255–263) und die Tabellen der Mitüberlieferung (347, 354–357). Das Kurioseste an seiner Studie ist die Vermutung, Konrad könnte persönlich zu der Herstellung von A beigetragen haben. Diese Idee leitet er nicht nur von der geographischen Nähe Straßburgs zu Basel und der zeitlichen Nähe der Herstellung zu Konrads Tod ab (316–317), sondern auch paradoxerweise gerade von der Erwähnung Gottfrieds, „for if Konrad was known as the author of the text during his lifetime, why would anyone but him attribute it to Gottfried in the text itself?“ (78 Anm. 152). Ein wichtiges Thema der neueren Forschung ist die Frage von Internalität und Externalität. Brall-Tuchel (2009) sieht das Mahl der Dame als eine Inversion der Minnegrotte, wo die Liebenden sich gegenseitig von ihren Blicken ernähren. Bei Gottfried sei die Liebe eine positive, ernährende Kraft, bei Konrad verzehre die Liebe ihre Diener (81–82). Dieser Kontrast hebe eine begriffliche Struktur des maere hervor, nämlich dass Konrad sich für die konzeptuelle Beziehung zwischen Innen und Außen interessiere. „Der Konflikt zwischen Liebe und Ordnung löst sich im Herzmäre in dem Maße auf, in dem das Innere der Liebenden nach außen drängt“ (85). Umgekehrt sei der Verzehr des

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Herzens eine zerstörerische Tat, durch die die Dame den Ritter „gemeinsam mit sich selbst aus der Welt schafft“ (85) und das Narrativ endgültig auflöse. Der auf Innen und Außen fokussierte Ansatz geht eigentlich auf eine Deutung der Blicke und der Sichtbarkeit im Herzmaere zurück. Feix (2002) deutet Sehen und Sehenwollen als die Triebkräfte aller drei Hauptpersonen. Der Ritter und die Dame leiden darunter, dass sie sich nicht sehen können, und der Ritter stirbt sogar daran (92). Auf der anderen Seite sei die huote des Ehemanns darauf gezielt, die „innere[n] Gefühlsvorgänge“ der Dame zu beobachten, denn ihre Gefühle lassen sich in äußeren Gesten ablesen (87). Altpeter-Jones (2007) nimmt eine nebensächliche Bemerkung von Feix auf und macht sie zum Zentrum eines ähnlichen Arguments auf einer Meta-Ebene. Feix hat kurz darauf hingewiesen, dass der Prolog behaupte, die Exemplarität des maere bestehe darin, dass es ein bild bereitstelle, woran die Leser bzw. Hörer ein Exempel schouwen können (Feix 2002, 88). Altpeter-Jones stimmt zu, dass es im Herzmaere um die Beziehung zwischen Innen und Außen gehe, jedoch thematisiere Konrad diese Doppelbewegung nicht nur intradiegetisch mit dem Ausdruck der Liebe in Sprache, Gestus und somatisiertem Leid. Die Erzählung sprenge vielmehr auch ihren eigenen Rahmen, indem das Konzept Liebe nach außen auf den Leser strahlt. Für Konrad gehe es vielmehr um die Bewegung „vom Konzept oder dem Gefühl ‚Liebe‘ zu einem bilde der Liebe im Text; und von diesem bilde der Liebe zur Liebe, wie sie sich im Rezipienten der erzählten Geschichte als reale Kraft manifestiert“ (Altpeter-Jones 2007, 58). Altpeter-Jones zieht die Arbeit von Mary Carruthers heran, um zu begründen, dass im Mittelalter die Lernfähigkeit dem Gedächtnis zugeschrieben wurde. Das Auswendiglernen stütze sich auf affektbeladene mentale Bilder, die nicht nur die Erinnerung fördern, sondern auch einen moral-didaktischen Effekt ausüben sollten. Der didaktische Zweck des Herzmaere vollziehe sich, indem der Leser das verinnerliche, was die Erzählung ausgedrückt habe. Sowohl Schulz (2008) als auch Scheuer (2014) heben das Kästchen hervor, in dem das Herz eingeschlossen und transportiert wird, um die Erzähllogik der Internalität und Externalität im maere zu beleuchten. Scheuer interessiert sich vor allem für das Predigtexempel, aber seine kurze Analyse des Herzmaere ähnelt dem Argument von AltpeterJones in der Ausrichtung, wenn auch nicht im Detail. Die Handlung des maere laufe durch Episoden des Verbergens und Entdeckens ab, die endlich in die „Logik der Vergeltung“ münden (Scheuer 2014, 165). Er hebt den religiösen Bezug des Kästchens hervor, indem er seine Ähnlichkeit mit der Form des Reliquiars betont. Die Erzählung selbst sei einem Reliquiar ähnlich, indem sie die Liebe zugleich enthalte und enthülle (169–170). DahmKruse (2020) argumentiert in gleichem Sinne, aber sieht die Zubereitung des Herzens „als Metapher der literarischen Verfeinerung“ (29), indem sie die verzierte Ornamentik des Kästchens und die gastronomische Qualität der Speise hervorhebt. Schulz bezieht sich auf Das wilde Denken des Claude Lévi-Strauss, um die angeblich eucharistische Logik des Herzmaere mit dem „magischen Denken“ zu vergleichen. Konrad errichte einen Zwiespalt zwischen Innen und Außen, um diese Dichotomie aufzuheben. Innere Vorgänge drücken sich nicht nur in körperlichen Gesten, sondern

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endlich auch im Körper aus, als das herausgeschnittene Herz riuwevar erscheint (Schulz 2008, 380). Das Kästchen, in dem das Herz eingeschlossen wird, grenze den privaten, inneren Raum der Liebesbeziehung ab. Zugleich stelle es jedoch die Beziehung zur Schau, indem seine Ornamentik Aufmerksamkeit auf sich lenke und das geschützte Objekt als wertvoll darstelle (381). Eine Doppellogik kennzeichne auch den Tod der Dame. Auf der Ebene der Erzählung („kausallogisch“) übe die Dame ihre dürftige Handlungsfähigkeit aus, indem sie sich bereitwillig dem Tod hingebe, um das Opfer ihres Liebhabers zu erwidern. Auf der Ebene der Handlung („finallogisch“) sei ihr Tod aber durch einen „kontaktmagischen Wirkmechanismus“ verursacht, der wegen gerade dieser Abgleichung eher dem magischen Denken à la Lévi-Strauss als der vereinigenden Logik der Eucharistie gleiche (384). Auch Jones (2017) fasst das Kästchen als Schlüssel zur Erzählung auf, bringt aber die Deutung des Kästchens als Reliquiar in Verbindung mit den historischen Ereignissen und kulturellen Veränderungen des 13. Jahrhunderts. Nach der Eroberung Konstantinopels 1203/1204 und der Plünderung der byzantinischen Kirchenschätze mussten sich westeuropäische Heiligenverehrer mit der offenen Form des byzantinischen Reliquiars auseinandersetzen. Zu Lebzeiten Konrads haben sich auch die Verehrung und das Fest des Fronleichnams entwickelt und verbreitet, zuerst entlang des Rheins und anfangs in starker Anlehnung an Formen der Reliquienverehrung. Der zweideutige Status des Herzens als Reliquie und Eucharistie und die Thematisierung von Außen und Innen seien eine narrative Auseinandersetzung mit zeitgenössischen Strömungen der Frömmigkeit. In einem verwandten Forschungsstrang stand und steht die Konkretisierung der Herzensmetaphorik im Fokus. Als erste hat Schulze (1971) darauf hingewiesen, dass das Herz zunächst eine Metapher ist und im Zug der Erzählung konkretisiert wird. Sie bringt das Motiv in Verbindung mit dem lyrischen Topos des Herzenstausches, der auch in Kreuzzugslyrik erscheint. Nach Schulze sei die Konkretisierung des Herzens Folge der Übertragung des Motivs von der Gattung Lyrik in die des Epos. Die statische Metapher des bei der Dame zurückgelassenen Herzens verwandele sich in konkreten Horror, sobald sie narrativ herausgearbeitet wird. Wailes (1974) griff diese Idee in seiner Argumentation auf, dass Konrad im Herz­ maere eigentlich einen eleganten Sinn für Humor zeige. Wailes hebt hervor, dass gewisse Schlüsselwörter aus dem ersten Teil des maere später mit konkreter Bedeutung wiederholt werden. So bezeichnen etwa herzenôt und snîden sowohl des Ritters Gefühle für die Dame am Anfang als auch die physische Gewalt, der das Herz unterzogen wird (100– 101). Ebenso verwende Konrad süeze für die Dame, für Christus, für den Geschmack des Herzens und sogar für die Worte des Ehemanns (102). Allerdings finde man hier nicht den Humor der → Halben Birne, sondern einen verfeinerten Sinn für „intellectual play“ (103), der sich in der metaphorischen und konkreten Doppelbedeutung der Schlüsselwörter ausdrücke. Eine ausführliche Analyse verschiedener Metapherntheorien liefert Kragl (2008). Er legt drei Modi der Metaphernpraxis und -deutung, nämlich die Substitutionstheorie, Bildtheorie und Interaktionstheorie, dar. Da sein Erkenntnisinteresse gerade auf die

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Funktionsweise der Metaphern zielt, erklärt er ausführlich die Konkretisierung des Herzenstauschmotivs. Er verbindet die „hohe Minne“ des Herzmaere allerdings nicht mit der lyrischen Tradition, sondern mit Gottfrieds Tristan-Stoff. Er stellt fest, dass am Anfang des Märe das Herz nur als herkömmliche, fast klischeeartige Metapher funktioniere, indem es für Liebe, Sinn und Gemüt stehe. Nach der Trennungsszene „kommt [es] zu einem schleichenden Übergang vom bloß psychischen zum physischen Leid des ritters“ (312). Der Übergang setze sich jedoch nie vollständig durch, sondern schwanke stets, und darüber hinaus verwandle er rückwirkend die Bedeutung der Metaphern im ersten Teil, die sich jetzt als Vorahnungen herausstellen (313). Die Konkretisierung der Herzmetapher im toten Herz und die anschließende intra- wie extradiegetische Resymbolisierung des Objekts durch die Taten des Ehemanns und den Tod der Dame ergeben eine uninterpretierbare, weil sehr fluide Metaphernpraxis, die die Rahmen aller drei Metapherntheorien sprenge (329). Selmayr (2018) schließlich findet im Herzmaere „eine ganz besondere Form des Begehrens“ (124), das sich narrativ umsetze, indem abstrakte Ziele verdinglicht und dadurch in handgreifliche, erreichbare Objekte verwandelt werden. Im Herzmaere könne der abstrakte Wunsch nach Nähe des Liebespartners nur dadurch erfüllt werden, dass das Herz, das metaphorisch „emotionale Nähe evoziert“ (139), konkretisiert wird. Das abstrakte Ziel wird damit zum greifbaren Objekt, und die Begierde nach Nähe geht durch die Verspeisung des Herzens in Erfüllung. Ganz abgesehen von möglichen Anspielungen auf den Tristan ruft diese Konkretisierung des Herzens (d.  h. seine Doppelbestimmung als Speise und Symbol zugleich) auch Assoziationen mit der eucharistischen Theologie hervor, insbesondere mit der Hostie als zu essendes Objekt und Vertretung des Erlösers (Wenzel 1995, 179; De Boor 1997, 38). Nach Quast (2000) handle das Herzmaere von der Beziehung des Materiellen zur symbolischen Ordnung und weise sehr viele religiöse Anspielungen auf (314). Dass der Ritter seinen Gram in seinem Herzen vermauert, erinnere an Inklusentum; dass die Frau verspricht, nie wieder etwas zu sich zu nehmen, erinnere an die asketischen Hostienesser; und unbestreitbar erinnere das Herz an die Hostie (315). Nichtsdestoweniger könne das Herz die Funktion der Eucharistie nicht erfüllen. Der Ehemann muss der Dame erklären, was sie gegessen hat, was bedeute, dass das Herz keine Hostie sei. Dass das Herz keine unmittelbare Wirkung auf die Dame hat, negiere die Möglichkeit einer Kopräsenz. Konrad betone hingegen die Macht des von der Wirksamkeit der Deutung abhängigen Symbols über die materielle Gegenwart (318–319; siehe aber Schulz 2008, der für eine doppelte Kausalität argumentiert). Kiening (2007) geht auch von der Konkretisierung des metaphorischen Herzens aus, um die „Zeichenprozesse“ des Herzmaere zu untersuchen. Zu den religiösen Allusionen zählt er die Andacht der Liebenden, die Reise ins Heilige Land, das Märtyrertum des leidenden Ritters, die Einmauerung des Leids im Herzen und das reliquiarartige Kästchen (186). Ihm ist dabei weniger wichtig, ob diese religiösen Anspielungen auf orthodoxe Weise funktionieren, als wie sie die Zeichenfunktion der narrativen Ereignisse und Objekte bestimmen. Durch die Herstellung und Übertragung des Kästchens werden

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Präsenz und Repräsentation zu einem „Kippphänomen“ (188), das sich durch Verschiebung endlich aufhebe, als das zerschnittene Herz des Ritters und das gebrochene Herz der Dame im selben Leib zugrunde gehen (190). Der Liebestod leiht sich gewisse Züge von der christlichen eucharistischen Vereinigung: Diese Erlösung vollziehe sich auch im Tode und versuche gleichwohl, das Transzendente im Immanenten darzustellen. Trotzdem stehe dieser Weg nur Wenigen offen und werde als sinnlich aufgefasst (191; siehe auch Dahm-Kruse 2020). Wagner (2009) konzentriert sich nicht auf Zeichen oder Metaphern, sondern auf Narrativität. Er stimmt der Auffassung zu, dass der didaktische Charakter nicht als direkt vorbildhaft, sondern als kathartisch zu verstehen sei (294). Obwohl die religiösen Motive unterdrückt oder marginalisiert seien (z.  B. dass der Heidenkampf keine Priorität im Heiligen Land sei), sei die Religion selbst nicht marginalisiert, sondern nur umgedeutet, denn es seien die Leser bzw. Hörer, die erlöst werden sollen, und nicht die Handlungspersonen. Dass der Ehemann der Dame ihre Speise erklären muss, entspreche der Funktion des Erzählakts in dieser Minne-Religion: „die Minnereliquie [bedarf] der Erzählung vom Minnetod des treuen Ritters, um wunderwirksam werden zu können“ (310). Die religiöse Karriere des Ritters als Märtyrer, Kreuzritter und Heiliger (Wagner 2011, 312) gipfele im eucharistischen letzten Mahl der Dame, indem er zu einer ChristusFigur werde (313). In einer Umkehrung der christlichen Eucharistie, die den ewigen Tod aufgehoben habe, verursache diese Hostie den Tod und vollbringe auf diese Weise die Vereinigung (Wagner 2009, 309). Diese Sakralisierung des Liebestods vollbringe sich aber nicht von selbst, sondern hänge von dem Erzählakt ab, der „einen heilsnotwendigen Charakter“ erlange (316). Müller (2015) befasst sich auch mit den religiösen Themen im Herzmaere, insbesondere insofern sie in einer unruhigen Spannung zu den höfischen Werten der Erzählung stehen. Auch er betont, dass die Konkretisierung der Herzensmetaphorik eine wichtige Rolle in dieser Dynamik spiele, denn „im Essen des Herzens wird körperlich umgesetzt, was zuvor von der minne metaphorisch galt“ (411). Durch dieses Mahl werden die Liebenden zwar körperlich vereint, aber es gebe keine Aufhebung, keine Verwandlung, keine Transsubstantiation. Müller kommt zu dem Schluss, dass die in Konflikt stehenden Wertesysteme der höfischen Liebe und der christlichen Theologie nebeneinander herlaufen, ohne sich gegenseitig zu unterminieren oder aufzuheben. Wenn sie in Kontakt geraten, vermitteln sie vielmehr „etwas von der eigenen Dignität“ (419). In Erwiderung darauf warnt Jones (2017) davor, ‚höfische Kultur‘ oder sogar ‚Christentum im 13. Jahrhundert‘ als einheitliche und statische Systeme zu behandeln. Neben Jones bemerkt auch Bonnemann (2008), dass es keine expliziten Bezüge innerhalb des Textes geben müsse, um die Erzählung in seinem historischen Kontext zu verorten. Ihm geht es aber hauptsächlich darum, Wolfgang Isers Theorie des impliziten Lesers auszuwerten. Im Anschluss an Gumbrecht kommt er zum Schluss, dass Iser ein elitäres, auf der Grundlage des neuzeitlichen europäischen Kanons gebildetes Lesepublikum verallgemeinere. Der Leseakt an sich sei historisch bestimmt und wirkungsästhetische Ansätze müssen sich mit dieser Tatsache befassen (95–97).

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6 Interpretationsansätze und neue methodische Zugänge Es fällt auf, dass ausführliche Deutungen der gender-bedingten Machtverhältnisse in der Forschung bislang ausblieben; diese wären aber meines Erachtens angebracht. Brandt (2009) liefert eine feministische Lektüre, die sich mit der Handlungsfähigkeit der Frau auseinandersetzt. Konrads misogyne Auffassung verrate sich dadurch, dass er die Konfliktverhinderung der Frau durch angedeutete Eigensüchtigkeit abwerte. Genau betrachtet handle sie nie von selbst, sondern immer als Reaktion auf die Entscheidungen ihres Mannes bzw. ihres Liebhabers. Selbst ihr spontaner Tod könne als eine Instanz gezwungener weiblicher Machtlosigkeit aufgefasst werden, denn in der narrativen Logik müsse sie die Liebe des Ritters erwidern (90). In diesem Sinne argumentiert auch Trînca (2014) in einem Ansatz aus der historischen Emotionsforschung: Zorn treibe Figuren zu handeln, Trauer dagegen in die Passivität. Da der grimm der Dame sowohl an ihrer Trauer als auch ihrem gender-bedingten Handlungsspielraum scheitere, werde sie machtlos bzw. ohnmächtig und sterbe (148–149). Nicht die Machtlosigkeit der Frau, sondern die grausamen Handlungen der männlichen Figuren hebt Eming (2021) hervor. Der Ritter verübe einen ersten Gewaltakt, indem er sein Herz an die Dame schickt, um ihr absichtlich Leid zuzufügen; der Ehemann steigere nur die Gewalt des Ritters, denn das Herzmaere biete „a patriarchal ranking of the sexes that makes it possible for one man to hijack the violent actions of another and expand on them“ (215). Damit wären feministische Interpretationsansätze allerdings längst nicht erschöpft. So hat darüber hinaus das Herzmaere bisher keine Analysen der Gender-Rollen, z.  B. der performativen Maskulinität, inspiriert. In den letzten Jahrzehnten haben Historiker und Literaturhistoriker mehrfach darauf hingewiesen, dass idealisierte männliche Verhaltensmuster sowohl geschichtlich als auch gesellschaftlich bedingt sind. Im Kontext des Herzmaere wäre noch zu untersuchen, wie und inwiefern solche genderspezifischen Verhaltensnormen auch gattungsbedingt sind. Eine solche Untersuchung könnte vielleicht aufklären, warum die positive Schilderung des Ehemanns die Lektüre irritiert, was damit zusammenhängen könnte, dass der Text Erwartungen nicht erfüllt, die schematisch mit Charakteristika oder Handlungen eines betrogenen Ehemanns verbunden werden. Eine Untersuchung der männlichen Figuren im Kontext dargestellter Gendernormen könnte auch erzählte Gender-Formationen innerhalb der verschiedenen Sammlungen herausarbeiten und differenzieren. So stellt Dahm-Kruse (2018) fest, dass die Texte in Hs. h eine überwiegend positive Auffassung von Minne darstellen und die respektvolle Behandlung der Frauen stärker betonen. Man könnte Dahm-Kruses Beobachtung zum Herzmaere in dieser Sammlung ertragreich an Masculinity Studies anschließen, denn „das männliche Fehlverhalten der Frau gegenüber, das im kurzen Schluss getadelt und ins Zentrum der Rezeption gestellt wird, fügt sich auch gut an den Anschlusstext ‚Belehrung eines jungen Mannes‘ an“ (282–283), in dem es explizit um die Performanz tugendhafter Männlichkeit geht. Solche Ansätze müssten auch die männ-

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lichen Nebenfiguren, d.  h. den Knecht und den Koch, in Betracht ziehen, da sie zu einer anderen sozialen Schicht gehören als die beiden Ritter und dementsprechend anderen Verhaltensnormen und gattungsbedingten Erwartungen unterliegen. Die Psychoanalyse bietet Methoden zur Erläuterung erzählender oder symbolisierender Sinnstiftung und ist insofern für die Literaturwissenschaft ertragreich, indem sie Symbolmuster und Erzählstrategien bloßlegen kann (siehe Eming 2021, 207 Anm. 17), wobei bei der Verwendung psychoanalytischer Deutungsansätze stets im Blick behalten werden muss, dass man weder den geistigen Zustand der intradiegetischen Figuren noch den des Dichters analysieren kann. Eming zieht (sehr kurz gefasst) die Theorien Freuds zu Humor und Sexualbegehren heran (200, 212). Angebracht wäre meines Erachtens ein Ansatz mit Bezug auf die Objektbeziehungstheorie, wobei das Herz des Ritters als Teilobjekt oder Partialobjekt im Sinne von Melanie Klein oder Jacques Lacan gedeutet werden könnte. Nach Melanie Klein (1935) werden wichtige Bezugspersonen im geistigen Leben des Kindes durch „innere Objekte“ vertreten, die als „gut“ oder „böse“ wahrgenommen werden, je nachdem ob die Beziehung Befriedigung oder Mangel erbringt. Wenn das Kind die Fähigkeit entwickelt, die Identität des „guten“ und „bösen“ Objektes zu erkennen, entsteht die Angst, das Objekt könnte durch Vernichtung entzogen werden, etwa durch Verzehr. Wo bei Klein die Brust der Mutter als Ur-Objekt hervortritt, indem die Mutter das Kind stillt oder aber die Nahrung verweigert, würde das Herz an diese Stelle treten, in dem die Liebe dargeboten oder vorenthalten wird und die Angst vor Zerstörung durch Einverleibung erfüllt wird. Basierend auf Kleins Erörterung der Objektbeziehung entwickelte Lacan das Objekt (klein) a, das er als das movens des Begehrens an sich beschreibt, einen fundamentalen Mangel im Kern des Subjekts, der nie aufgehoben werden kann. Seine Objekttheorie würde noch besser als die Kleinsche auf das Herzmaere zutreffen, worin sogar die Einverleibung des begehrten Objekts den Mangel nicht aufhebt. Allerdings muss man sich bei der Analyse höfischer Texte auf der Grundlage von Lacanschen Ansätzen vor einem Zirkelschluss hüten, da Lacan sich explizit mit l’amour courtois befasste, vor allem in den Seminaren VII, XX und XXI (Ragland 1995). Obwohl Brandt Vorbehalte gegenüber freudianischen Deutungsmodellen äußert, schlägt er vor, dass die ‚analytische Psychologie‘ Carl Jungs wegen des langanhaltenden Interesses für folkloristische Ansätze produktiv wäre, wenn man die relevanten ‚Archetypen‘ identifizierte oder das Märe als Ganzheitsmoment einer kulturellen bzw. gesellschaftlichen Spannung sähe (Brandt 2009, 90). Eine auf kulturelle Spannungen ausgerichtete Deutung leistet Müller (2015), allerdings ohne sich auf Jung berufen zu müssen. Auch eine erneute Analyse der literarischen Form könnte neue Ergebnisse bringen, wenn sie sich etwa an die historische Schule vom New Formalism anlehnt (siehe Levinson 2007). Dieser Ansatz stellt die formalen Züge eines literarischen Werkes nicht (nur) ins Zentrum, weil das Kontemplieren von meisterhafter Poesie ästhetisches Vergnügen bietet, sondern weil literarische Formen aus ihrem historischen, sozialen und kulturellen Kontext heraus Bedeutung schaffen. In diesem Sinne müsste die Frage nach der

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ästhetischen Wirkung z.  B. des rîmebrechens am Ende des 13. Jahrhunderts eine andere sein als die Frage nach der Versform eines Märe in einem Liederbuch im ausgehenden 15. Jahrhundert. Wenn die literarische Form einer früheren Epoche angehört, wirkt sie deswegen altmodisch oder altertümlich? Und inwiefern signalisiert ein Rückgriff auf alte Formen oder alte Literatur einen (hohen) gesellschaftlichen Status? Die neuere Forschung hat zu Recht das ältere Interesse an literarischer Form als Merkmal literarischer „Qualität“ verworfen, aber die deskriptive Arbeit einer formalistischen Analyse könnte weitere Erkenntnisinteressen der Forschung befruchten. Sie könnte Einsichten z.  B. in die Rezeptionskontexte der verschiedenen Handschriften geben. Überlieferungsgeschichtlich bieten sich noch weitere Forschungsmöglichkeiten: Gerade die textuelle Instabilität des Herzmaere eröffnet immer noch nicht ausreichend wahrgenommene Untersuchungsmöglichkeiten. Dass literaturwissenschaftliche Ansätze immer noch überwiegend von der Schröderschen Ausgabe ausgehen, überrascht umso mehr, als die sogenannte New Philology mit ihren Forderungen, die Variabilität mittelalterlicher Texte ernst zu nehmen, immer klarer einen MainstreamStatus einnimmt. Sowohl die breiten Divergenzen am Schluss als auch die internen Abweichungen und Einfügungen erfordern eine vergleichende Analyse des jeweiligen Textes, die nicht auf einen Konrads Intention möglichst nahen ‚Urtext‘ abzielt, sondern die unterschiedlichen poetischen Strategien und Effekte beachtet. Erste Ansätze bieten Kragl (2016), der sowohl den stark variablen Epilog als auch den Prolog als ‚Paratexte‘ auffasst, um ihrer literarischen Funktion höhere Priorität als der Frage nach der ‚Authentizität‘ einzuräumen, und Dahm-Kruse (2018), die die literarische Tätigkeit des Schreibers bzw. Redaktors ins Zentrum rückt.

7 Offene Forschungsfragen, verpasste Chancen, Desiderata Eine Untersuchung der Beziehungen zu anderen Autoren und Werken könnte noch weitere Einsichten in das Herzmaere bieten, aber die interessantesten Routen lägen abseits von Gottfrieds Tristan und dem Folklore-Stoff. Der handschriftliche Kontext des Herzmaere ist von Westphal-Wihl und Knor nur ansatzweise ausgelegt worden, und auch dann nicht mit Fokus auf das Herzmaere, sondern auf Textblöcke und Herstellungsplan der jeweiligen Sammelhandschrift als Werk an sich. Dahm-Kruse (2018) bietet eine ausführlichere Analyse des Herzmaere in seiner Beziehung zu den anderen Kurztexten, mit und neben denen es in den Sammelhandschriften überliefert wird. Obwohl Dahm-Kruse den spezifischen Nürnberger Kontext der Handschrift N behandelt, bedürfte der bürgerliche Kontext der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Rezeption des Herzmaere noch einer eingehenderen Analyse. Brandt (2009, 90–91) verwirft diskursanalytische Ansätze bezüglich des Herzmaere, da der Text ungenügende Daten für solche Vorgänge biete; die Konfluenz der einbezogenen Diskurse sei nicht ein-

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zigartig genug, um selbständige Schlüsse zu ziehen. Dagegen ist einzuwenden, dass der Überlieferungskontext jeweils unterschiedliche Diskurse hervorhebt bzw. in den Hintergrund treten lässt (so Dahm-Kruse 2018 und Nowakowski 2021). Die Mitüberlieferung in Betracht zu ziehen, würde den zu untersuchenden Gegenstand genug erweitern, um diskursanalytischen Ansätzen den Weg zu öffnen. Der doppelte Ansatz durch historische Verortung auf der einen Seite und strukturelle Paradoxie auf der anderen wurde von Jones (2017) angerissen, ist aber bei weitem noch nicht erschöpft. Eine weitere Kontextualisierung der Kreuzzugskultur am Ende des 13. Jahrhunderts könnte sich als bedeutungsvoll erweisen. Es könnte sich lohnen, z.  B. die historischen Bräuche bei einem Tod während eines Kreuzzugs ins Auge zu ziehen. Friedrich  I.  Barbarossa (1190) und der französische König Ludwig  IX. (1270) wurden bestattet, indem ihre Herzen an anderen Orten als ihre Gebeine beigesetzt wurden. Deutungen der zentralen Episode müssten im Blick halten, dass die Trennung des Herzens vom Leib des Ritters zu der Zeit vielleicht gar nicht so schockierend wirkte (Schulze 1971, 458 Anm. 198; Bleck 1987, 47). Diesbezüglich bemerkt Wagner, dass die Herzen der verstorbenen Fürstbischöfe von Würzburg einbalsamiert und aufgehoben wurden und immer noch als Reliquien in der Abteikirche Ebrach verehrt werden (Wagner 2009, 304 Anm. 564). Sogar kleinere Details ließen sich ergiebig aufschließen. Zum Beispiel hat die Einbalsamierung des Herzens viele Forscher gestört (z.  B. Stutz 1950/1991, 72; Knapp 1979, 206); das Detail mindere den Realismus des maere, denn es gebe keine kulinarische Zubereitung, die ein einbalsamiertes Herz frisch und gut schmecken ließe. Balsam war jedoch ein lockerer Begriff und könnte sowohl für das Mittel zur Bewahrung eines Leichnams als auch für ein Speisegewürz und sogar für Lampenöl verwendet werden. Die bezeichneten Substanzen waren zwar jeweils anders, aber die begriffliche Flexibilität, die zu einer Paradoxie oder einem Widerspruch hinführt, stünde durchaus mit Konrads poetischem Verfahren – und seinem Sinn für Humor – in Übereinstimmung.

8 Bibliographie Vollständige Handschriften B: Berlin, SB, mgf 488, fol. 97r–106v P: Heidelberg, UB, cpg 341, fol. 346ra–349rb I: Innsbruck, Landesmuseum Ferdinandeum, Cod. FB 32001 (Cod. 16.0.9), fol. 8rb–10vb D: Karlsruhe, LB, Cod. Donaueschingen 104, fol. 129va–132vb (Die „Liedersaal“-Handschrift) L: Leipzig, UB, Ms. Apel 8 (Ms. 1709), fol. 226v–236r (Die „Bechstein“-Handschrift) N: München, SB, cgm 714, fol. 147r–161r h: Prag, Nationalmuseum, Cod. X A 12, fol. 82r–89r (Das Liederbuch der Clara Hätzlerin) A: Straßburg, StB, Cod. A 94, fol. 4va–8vb V: Wien, ÖNB, Cod. 2885, fol. 10v–14r w: Wien, ÖNB, Cod. ser. nova 2593, fol. 1r–8v

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Fragmente n: Nürnberg, GNM, Hs. 42575 Ko: Schloss Schönstein (bei Wissen/Sieg), Fürstliches Hatzfeldt-Wildenburgsches Archiv, Nr. 7693.8866

Textausgaben Sammlung deutscher Gedichte aus dem XII., XIII. und XIV. Jahrhundert. Hg. Christoph Heinrich Myller (Müller), Bd. I. o. O. (Berlin): Spener, 1784, 208–212. Liederbuch der Clara Hätzlerin. Hg. Karl Ferdinand Haltaus. Quedlinburg, Leipzig: Basse, 1840. Nachdruck mit einem Nachwort von Hanns Fischer. Berlin: De Gruyter, 1966. Lieder Saal, das ist: Sammelung altteutscher Gedichte, aus ungedrukten Quellen. Hg. Joseph von Lassberg. 3 Bde. Privatdruck o. O. (Konstanz): Bannhard, 1820–1825. Buchhandelsausgabe St. Gallen und Konstanz: Scheitlin, 1846, Bd. II, Nr. 133. Konrad von Würzburg, Die Mähre von der Minne oder die Herzmähre. Hg. Franz Roth. Frankfurt am Main: Naumann, 1846. Gesammtabenteuer: Hundert Altdeutsche Erzählungen. Hg. Friedrich Heinrich von der Hagen. 3 Bde. Stuttgart und Tübingen: J. G. Cotta, 1850. Nachdruck Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1961, Bd. 1, Nr. 7. Altdeutsche Sprachproben. Hg. Karl Müllenhoff. Berlin: Weidmannsche Buchhandlung, 1864. 2. Aufl., 1871, 89–96. Erzählungen und Schwänke. Hg. Hans Lambel. Leipzig: Brockhaus, 1872. 2. Aufl. 1883, Nr. 7, 282–305. Konrad von Würzburg, Kleinere Dichtungen I: Der Welt Lohn. Herzmaere. Heinrich von Kempten. Hg. Edward Schröder. Berlin: Weidmannsche Buchhandlung, 1924. 2. Aufl. 1930. 3. Aufl. 1959. 4. Aufl. 1962. 5. Aufl. 1963. 6. Aufl. 1964. 7. Aufl. 1965. 8. Aufl. 1967. 9. Aufl. Dublin und Zürich, 1968. 10. Aufl. 1970 (ab der 3. Aufl. mit einem Nachwort von Ludwig Wolff). Sammlung kleinerer deutscher Gedichte: Vollständige Faksimile-Ausgabe des Codex FB 32001 des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum. Hg. Norbert Richard Wolf. Graz: Akademische Druck- und Verlagsanstalt, 1972, Bl. 8r–10v. (Faksimile). Codex Vindobonensis 2885. Hg. Ursula Schmid. Bern und München: Francke, 1985, 65–76. (Abdruck). Die deutsche Literatur. Texte und Zeugnisse. Bd. I, 2: Mittelalter. Hg. Helmut de Boor. München: C.H. Beck, 1965, 1229–1236 (nach Edward Schröder). Konrad von Würzburg, Heinrich von Kempten, Der Welt Lohn, Das Herzmaere: Mittelhochdeutscher Text nach der Ausgabe von Edward Schröder. Hg. Heinz Rölleke. Stuttgart: Reclam, 1968. Konrad von Würzburg, „Herzmaere“. Der Schwanritter: Deutsche Verserzählungen des 13. und 14. Jahrhunderts. Hg. Hans Joachim Gernentz. 2. Aufl. Berlin: Rütten und Loening, 1979, 49–87. Konrad von Würzburg, „Herzmäre“. Novellistik des Mittelalters. Märendichtung. Hg. Klaus Grubmüller. Frankfurt am Main: Deutscher Klassiker Verlag, 1996, 262–295. Konrad von Würzburg, Das Herzmære und andere Verserzählungen, nach den Textausgaben von Edward Schröder. Hg. Lydia Miklautsch. Stuttgart: Reclam, 2016. Konrad von Würzburg, „Herzmäre“. Short Stories. Hg. Gustavo Fernández Riva. http:// kvwdigital.000webhostapp.com/edition.php?source=herz. Digitale synoptische Ausgabe (30. Juni 2019; derzeit nicht verfügbar).

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Das Herzmaere 

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 Ann Marie Rasmussen und Olga V. Trokhimenko

Ann Marie Rasmussen und Olga V. Trokhimenko

10 Die halbe Birne

1 Autorschaft und Überlieferung Ob diese derbe Kurzerzählung, die das im mittelalterlichen Europa weit verbreitete Motiv vom verstellten Narren (auch als Narrenbeischlaf bezeichnet) variiert, wirklich zu den von Konrad von Würzburg verfassten Texten gezählt werden darf, wird wohl nie mit letzter Sicherheit zu entscheiden sein. Vier der fünf Handschriften mit einem vollständigen Text, der eine durchschnittliche Länge von ca. 515 gereimten Zeilen hat, überliefern einen Schluss, der Konrad als Autor nennt (von Wirzburc maister Kuonrat / kan iu anders niht verjehen, V. 513–514); doch sprach ihm die Wissenschaft des 19. und frühen 20. Jahrhunderts den Text mit Argumenten ab, die größten Teils darauf hinausliefen, dass ein höfischer und frommer Schriftsteller wie Konrad nie eine solch zotige und unanständige Erzählung verfasst hätte. Dabei wurde nicht nur die Autornennung in den Handschriften ignoriert, sondern auch die Tatsache, dass mittelalterliche Dichter oft über ein Repertoire mit allerlei Textsorten verfügten — religiösen, weltlichen, frommen, deftigen, ernsthaften und frivolen — und dass der Autor der Halben Birne mit Konrad von Würzburg „charakteristische Vokabeln, Formulierungen, Reimbindungen [und] stilistische Eigenheiten“ teilt (Grubmüller 1996, 1084). Wie Grubmüller feststellt: „Von jemandem, der mit seinem Werk aufs engste vertraut war, stammt [Die halbe Birne] allemal“ (Grubmüller 1996, 1085). Eine stilometrische Untersuchung von Dimpel et al. (2019) unterstreicht die Plausibilität der Autorenattribution in den Handschriften. So ist die Vorstellung, dass solch unterschiedliche Texte wie Die halbe Birne und → Die Goldene Schmiede von Konrad verfasst wurden, nicht von der Hand zu weisen. Der Text ist siebenmal überliefert. Der älteste Textzeuge, Strassburg Cod. A 94, ist nur in einer Kopie aus dem Jahre 1847 vorhanden. In dem wahrscheinlich zweitältesten Textzeugen ist Die halbe Birne nur als Fragment überliefert (Nürnberg), und die große, aber unvollständige Mischhandschrift aus Pommersfelden bricht kurz vor dem Schluss einer wahrscheinlich gerafften Version der Halben Birne ab. Vier spätmittelalterliche Mischhandschriften aus Papier überliefern Die halbe Birne in thematischen Zusammenhängen von unterhaltsamen Reimpaardichtungen (siehe Westphal-Wihl 1993). Als mittelalterliches Rezeptionszeugnis kann eine Bearbeitung aus dem Jahre 1488 des Nürnberger Autors Hans Folz (1433/1440–1513) gelten; in der Forschung wird diese Version als Die halbe Birne B bezeichnet (Fischer 1968, 336; Kühnelt 2013), während der hier diskutierte Überlieferungsstrang vor allem in der älteren Forschung Die halbe Birne A genannt wird.

https://doi.org/10.1515/9783110373561-010



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2 Ausgaben Es existieren zwei leicht zugängliche und wissenschaftlich zuverlässige, moderne Ausgaben der Halben Birne A, beide mit Übersetzungen ins Neuhochdeutsche: eine ReclamAusgabe von Max Kully und Heinz Rupp aus dem Jahre 1972 und die wissenschaftlich hochwertige Ausgabe von Klaus Grubmüller aus dem Jahre 1996. Die 2020 erschienene hochwertige wissenschaftliche Ausgabe von Klaus Ridder und Hans-Joachim Ziegeler, die nach dem Leithandschriftenprinzip verfährt, zeichnet alle Textvarianten auf und stellt einen ausführlichen Kommentar und eine Übersetzung ins Englische zur Verfügung. Die zwischen 1972 und 2000 erschienenen wissenschaftlichen Artikel folgen weitgehend (wenn manchmal auch stillschweigend) der Kully-Rupp-Ausgabe, welche die Hs. Karlsruhe 408 als Leithandschrift nimmt. Dagegen basiert Grubmüllers Ausgabe auf Straßburg A 94 als Leithandschrift, die sich von K408 besonders in der Zeichnung der wichtigen Kemenatenszene und auch in anderen Teilen des Texts unterscheidet (Kühnelt 2013). So sind Ergebnisse der Forschung vor 2001 nur mit Vorsicht und nach gründlicher Überprüfung der Textversionen in neuere interpretative Ansätze zu übertragen.

3 Inhalt Ein Ritter namens Arnolt, der im Turnier um die Hand einer Prinzessin den vorläufigen Sieg gewonnen hat, benimmt sich beim Festmahl tölpelhaft. Statt die auf dem Fest servierte Delikatesse (eine Birne) zu schälen, sie in Stücke zu schneiden und dann seiner Tischdame (der Prinzessin selbst) anzubieten, wirft er sich kurzerhand eine halbe, ungeschälte Birne in den Mund. Brüskiert entlarvt die Prinzessin am nächsten Tag öffentlich Arnolts Mangel an höfischem Anstand, indem sie ihn am Turnierfeld lauthals verspottet. Arnolt räumt wortlos das Feld und kehrt wütend nach Hause zurück, wo er in seiner Hilflosigkeit seinen Knecht Heinrich darum bittet, einen Racheplan zu schmieden. Der Knecht rät, dass Arnolt sich als Narr verkleide und so an den Hof zurückkehre. Infolgedessen wird der angebliche Narr, Arnolt, der im Text konsequent mit mehreren mittelhochdeutschen Synonymen für „Tor“ bezeichnet wird, unerkannt in die Kemenate der Prinzessin gebracht. Der halbnackte, hosen- und wäschelose, angeblich taubstumme Narr erwärmt seine gesamte Vorderseite am Feuer (zu sehen auch im Februarbild in der berühmten bebilderten Handschrift der Très Riches Heures du Duc de Berry, 1412–1416). Die Prinzessin erblickt sein erigiertes Glied und entbrennt auf der Stelle vor Begierde. Doch da auch sie Rat braucht, um ihre Impulse in die Tat umzusetzen, bittet sie ihre Hofdame Irmengart um Hilfe. Irmengart legt den Narren auf die Prinzessin, doch verhält sich der Narr unerwartet passiv. Auf Befehl der verzweifelten Prinzessin, den Narren in Gang zu bringen, piekst, sticht, schubst und schaukelt (je nach Handschrift) Irmengart den Narren, damit er die Prinzessin befriedigt. Anschließend wird er kurzerhand aus

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der Kammer geworfen. Nachdem er sich zu Hause durch ein Bad und neue Kleider wieder in sich selbst verwandelt, kehrt Arnolt erneut zum Turnierfeld am Hofe zurück. Jetzt kann er die Prinzessin überlisten. Ihr erneutes öffentliches Mokieren kontert er, indem er, ebenfalls lauthals und öffentlich, ihre an Irmengart gerichteten Rufe in der Liebesnacht zitiert. Um eine drohende öffentliche Schmach zu vermeiden, rät Irmengart der Prinzessin, Arnolt zu heiraten, und auf diese Weise werden ihm tatsächlich, so der Text, „Land und Leute untertan“ (V. 479–480). Am Schluss macht aber der Erzähler deutlich, dass dieser Ausgang sowohl für die Prinzessin als auch für Arnolt wirklich kein glückliches Ende darstellt. Arnolt hasst seine Ehefrau für immer, weil er durch seine Erlebnisse in der Kemenate dauerhaft erschüttert und traumatisiert worden ist. Der Text schließt mit zwei Epimythien; eines wendet sich an ein weibliches, eines an ein männliches Publikum.

4 Quellen und Gattungskontext Ein Liebhaber, der sich als Narr verkleidet, ist in der mittelalterlichen Dichtung keine Seltenheit. Sowohl die französischen als auch die deutschen Tristan-Traditionen enthalten Episoden, in denen Tristan sich als Narr verstellt, um unerkannt in die Nähe seiner Geliebten, Isolde, zu gelangen. Etwas anders gestaltet sich das Motiv des entstellten Narren in der Schwankdichtung. Hier gibt der Liebhaber vor, taubstumm und einfältig zu sein, was im Mittelalter als die mit natürlicher Narrheit verbundenen Eigenschaften angesehen wurde (siehe Bernuth 2009), um den Geschlechtsverkehr mit einer sonst unnahbaren Frau herbeizuführen. Meistens ermöglicht sein Schwindel der Frau, ihren wegen ihrer gesellschaftlichen Stellung nicht ausgelebten sexuellen Wünschen zu frönen, am deutlichsten, wenn die Frauen Nonnen sind, wie in Giovanni Boccaccios Decamerone 3.1 (Tag 3, Geschichte 1). Als deutsche Variante weist Feistner auf das Märe Der arme Bäcker hin (2000, 294). Zeitlich und kulturell weiter von der Halben Birne A entfernt und möglicherweise aus diesem Grund von der deutschen Forschung kaum beachtet ist das obszöne okzitanische Lied Farai un vers, pos me sohelh (Ich schreibe ein Lied, dann lege ich mich hin) von Wilhelm von Aquitanien (Lebensdaten 1071–1127), mit inhaltlichen Anklängen an Die halbe Birne A. Rankes (1976) ausführliche Zusammenstellung von verwandten Motivvarianten in der europäischen Dichtung ist noch immer nicht von der Forschung verwertet worden.

5 Forschungsgeschichte Mit Ausnahme von einigen philologischen Arbeiten blieb Die halbe Birne A in der früheren germanistischen Forschung fast unbeachtet. Exemplarisch für den wissenschaftlichen Konsens der Zeit ist die Behandlung des Werkes in der zweiten Auflage des



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Verfasserlexikons: die Erzählung wird nicht im Artikel über Konrad von Würzburg diskutiert, sondern bekommt, gemäß den Richtlinien für Mären und andere hauptsächlich anonyme Texte, ihren eigenen Eintrag unter dem Titel Halbe Birne A (Krohn 1991; Wolf 1981).

6 Interpretationsansätze und neue methodische Zugänge Eine spärliche wissenschaftliche Rezeption beginnt in den 1970er Jahren mit einer Edition (1972) und einem Aufsatz zu Konradschen Erzählungen von Stephen Wailes (1974), der Die halbe Birne A in diesem Kontext diskutiert und auch auf den Symbolwert („expressive value“) des Essens allgemein in der mittelhochdeutschen Dichtung hinweist. Wailes initiiert — wenn auch eher beiläufig — die bis heute debattierte Frage der intendierten Einstellung der Halben Birne A zu einer Grundthematik der deutschen Literatur des Mittelalters, nämlich der höfischen Kultur (hövescheit). 1984 rückt JanDirk Müller in einem einflussreichen Aufsatz die Problematik der höfischen Kultur und Literatur in den Vordergrund, indem er auf die Resonanz der Halben Birne A mit der sogenannten Doppelwegstruktur hinweist, einer literarischen Grundstruktur, die als typisch für die höfische Literatur gilt. Ähnlich argumentiert auch Schiendorfer (1999), der die Erzählung als Beispiel einer degradierten Doppelwegstruktur behandelt. Müller weist kategorisch Wailes’ Verständnis der Halben Birne A als einen Text, der sich über die hövescheit mokiert, zurück: Wailes schreibt vom „acid humor“ des Texts. Statt wie Wailes Die halbe Birne A als parodistisch und ironisch zu verstehen, behandelt er sie als einen ernsthaften, didaktischen Text: Er bietet also eine Interpretation, die die lehrhaften, moralisierenden Epimythien für bare Münze nimmt. Obwohl Matejovski schon 1996 die Dissoziation des höfischen Wertesystems in der Halben Birne A betonte, ist die Forschung Müller bis jetzt weitgehend gefolgt (Krohn 1991). Mit Hilfe von Nobert Elias’ berühmter Zivilisationstheorie interpretiert Feistner (2000) Die halbe Birne A vom Standpunkt der Tischzucht und des mittelalterlichen Regelsystems aus. Eine ähnliche Perspektive wird von Bleumer (2014) vertreten: Die Birnenepisode wird als Überschreitung des höfischen Rituals angesehen. Kiening untermauert diese Lesart mit einer ausführlichen Analyse der Erzählstruktur (2019). Ansätze der Gender Studies, die allerdings ebenfalls den Text weitgehend als moralisierende Didaxe über die hövescheit verstehen, beginnen 2000 mit dem Aufsatz von Schnyder, die Die halbe Birne A als einen misogynen Text interpretiert, der die Prinzessin mundtot macht. Volfing (2010) und Heiland (2015) schlagen ähnliche Interpretationen vor. Coxon (2008) weist auf das destruktive Potential des weiblichen Lachens hin. Trotz ihrer Übereinstimmung mit der dominierenden Interpretation der Halben Birne A als traditioneller Lehre über die hövescheit fügt Bernuth (2009) der allgemeinen Diskussion einen neuen Schwerpunkt hinzu, nämlich den Fokus auf die Figur des Toren und das

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übergreifende Konzept von Torheit im Mittelalter. Einen interessanten psychoanalytischen Leseversuch bietet Gephart (2006). Dieser Aufsatz fokussiert Irmengarts Motivation, ein Ansatz, der in einer späteren Publikation von der gleichen Wissenschaftlerin ausführlicher behandelt wird (Rüsenberg 2016). Eine überzeugende Kritik an den enggefassten didaktischen Deutungen der Halben Birne A findet sich bei Young (2006), der sich kritisch mit den Epimythien auseinandersetzt (siehe auch Matejovski 1996). Er betont den humorvollen Charakter der Erzählung und zeigt, wie der Text die frauenfeindliche Klerikerkritik in Frage stellt.

7 Offene Forschungsfragen, verpasste Chancen, Desiderata In den Handschriften ist Die halbe Birne A mit interessanten Lesarten und abweichenden Varianten überliefert (Kühnelt 2013), deren Folgen für die Textinterpretation noch nicht ausgelotet sind. Eine Untersuchung der Überlieferungszusammenhänge der Halben Birne A im Sinne von Westphal-Wihl (1993) steht noch aus. Die Forschung hat ihr Interesse bis jetzt hauptsächlich auf das Auslöseereignis, d.  h. Arnolts Fressen der ungeschälten Birne, und den Bruch der höfischen Verhaltensnormen gerichtet. Die pikante Schlafzimmerepisode wird erst ab 2000 mehr diskutiert, allerdings wurde in der Forschung wiederholt davon ausgegangen, dass Arnolt absichtlich beim Geschlechtsverkehr passiv bleibt (Grubmüller 1993; Schnyder 2000; Bernuth 2009; Volfing 2010), eine Lesart, die in den handschriftlichen Varianten widerlegt wird. In Wien, Österr. Nationalbibl., Cod 2885, zum Beispiel, fehlen die drastischen Teile der Kemenatenszene. Stattdessen wird kurz und klar gesagt, dass der Geschlechtsverkehr vollzogen wurde: Diu dirne do gewerte / Ir frae, das si gerte. / Sie mante und stupfte / Sie stach und schupfte, / Piz er sie ze weib gewan. / Do wart der toerisch man / Gezogen fur den palast (V. 383–387). Ähnlich verfährt die Fassung in Karlsruhe, Landesbibl., Cod. K 408, die von der Befriedigung der Prinzessin spricht: Die nacht lack die vil gut / Ir waz gar wol zu mut (V. 359–360; s. Kühnelt 2013, 45). Musiol (2017), Barton (2018) und Tschachtli (2018) richten ihr Augenmerk gerade auf die Schlafzimmerepisode, so wie sie in der Handschrift Straßburg, Universitätsbibliothek, Cod. A 94 und in Grubmüllers Edition erzählt wird, und bieten Neudeutungen von Macht- und Lustkonstellationen der Geschlechter beim Verkehr (Musiol vertieft die Rolle des Rachebegehrens; Bartons Argument bezieht sich u.  a. auf die handschriftlichen Varianten) und von der Verschränkung von höfischer und sexueller Ethik (Tschachtli 2018). Die Frage der Geschlechterpolitik in der Halben Birne A bleibt weiter offen. Es fehlt eine gründliche Analyse der Gender-Beziehungen, die sich mit Männlichkeit beschäftigt. Hier könnte Youngs (2006) Argument weiterhelfen, dass der Erzähler in der Halben Birne A keine vertrauenswürdige Figur sei. Es ist ja keine Seltenheit in der mittelhochdeutschen Dichtung, dass die Rolle des Erzählers darin liegt, das Publikum zu täuschen,



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abzulenken oder mit Moralismus das Unerhörte oder Frevelhafte in seiner Geschichte zu maskieren (Volfing 2010). Unter diesen Gesichtspunkten würde sich ein Wiederaufgreifen des Themas der Torheit in der Halben Birne A sicherlich auch lohnen.

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 Christopher Liebtag Miller

Christopher Liebtag Miller

11 Heinrich von Kempten 1 Überlieferung Heinrich von Kempten ist in sechs vollständigen Handschriften und einem Fragment überliefert. Die älteste Handschrift (P) stammt aus dem Ende des 13. Jahrhunderts oder dem Anfang des 14. Jahrhunderts, die jüngste aus dem 17. Jahrhundert (es handelt sich dabei allerdings um die Abschrift einer Handschriftensammlung von 1402). Abbildungen aller vollständigen Handschriften wurden von Schnyder (1989) veröffentlicht, wobei die Qualität der Abbildungen streckenweise minderwertig ist. Alle vollständigen Handschriften außer der Innsbrucker (I) sind digitalisiert. Nur das Londoner (früher Bristoler) Fragment (L) ist weder digitalisiert noch veröffentlicht. Schröder (1959) teilt die Handschriften in zwei Gruppen ein: Die erste Gruppe (PHW) unterscheidet sich von der zweiten (V) durch das Fehlen der Verse 65–66 und 601–602. K und I sind jeweils Abschriften von P und V. Die neun in L enthaltenen Verse reichen leider nicht aus, um das Londoner Fragment sicher einordnen zu können. Insgesamt ist die Überlieferungsgeschichte des Heinrich von Kempten seit Schröder bedauerlicherweise größtenteils unerforscht geblieben. Die Überlieferungskontexte der Handschriften weisen deutliche Unterschiede auf. K, P und V sind zusammen mit Mären überliefert. In W enthält der altdeutsche Teil neben Heinrich von Kempten auch Gedichte von Peter Suchenwirt und die Königin von Frankreich von Schondoch. In H steht Heinrich von Kempten am Ende einer Reihe von Mären und direkt vor zwei Großepen (dem Gauriel von Muntabel Konrads von Stoffeln und dem Willehalm von Orlens Rudolfs von Ems). I präsentiert Heinrich von Kempten zwischen zwei Großepen, namentlich Strickers Karl dem Großen und Ulrichs von dem Türlin Arabel. Als Grund dafür schlägt Schnyder einen inhaltlichen Zusammenhang zwischen den Texten vor (Erzählungen von vorbildlichem ritterlichem Verhalten oder vielleicht die chronikalischen Züge der Texte), welcher nach Riva (2018) auch für W geltend gemacht werden könnte.

2 Ausgaben Heute gilt die ursprünglich aus dem Jahr 1924 stammende Edition Schröders als die standardmäßige und zugänglichste Ausgabe, nicht zuletzt dank der Reclam-Veröffentlichungen von 1968 und 2016. Obwohl der Text im Vergleich zu anderen Ausgaben Konrads weniger Texteingriffe durch Schröder erlitten hat und die Überlieferung selbst weniger Probleme bietet als z.  B. das → Herzmaere, wäre eine Neuausgabe wünschenswert. Die digitale synoptische Ausgabe Rivas schuf zum ersten Mal seit Schröder einen ganz https://doi.org/10.1515/9783110373561-011



Heinrich von Kempten 

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neuen und vielversprechenden Zugang zu Heinrich von Kempten, aber sie ist derzeit leider nicht mehr zugänglich. Unter welchem Titel der Text geführt werden sollte, wurde überraschenderweise nie endgültig geklärt. Obwohl P, K, H, V und I alle Überschriften tragen, die den Text nach Kaiser Otto benennen, und H einen alternativen Titel in der Schlussschrift (hie endet sich der bart) liefert, zögert die neuzeitliche Forschung seit langem, sich diesen historischen Namensgebungen anzuschließen. Die erhebliche Verwirrung und nachhaltige Diskussion über den Titel des Werkes ergibt sich wahrscheinlich aus den Diskrepanzen zwischen den bekannten lateinischen Versionen und der von Konrad. In der möglichen Quelle Konrads, dem Pantheon Gottfrieds (s.  u.), steht der Kaiser im Zentrum, was in der Gattung des Speculum Principum erwartbar ist. Der Ritter bleibt ohne Namen und gewinnt über seine Konfrontation mit dem Kaiser hinaus keine charakterliche Kontur. Konrads Erzählung dagegen verschiebt den Fokus auf den Ritter. Im moralisierenden Schlusswort wird Heinrich bei Konrad sogar explizit als exemplarische Figur gefeiert, doch die mittelalterlichen Handschriften folgen der Tradition, den Text nach der ersten namentlich erwähnten Figur zu benennen, nämlich Otto. Die erste Edition von Hahn (1838) folgt Hs. H (Heidelberg, UB, Cpg 395), welche die Überschrift Keiser Otto mit dē barte trägt; sie wurde unter dem Titel Otte mit dem Bart veröffentlicht. Spätere Ausgaben von Piper (1854) und Lambel (1872) folgten diesem Beispiel, während Goedeke (1854) den Titel zu Kaiser Otte kürzte. Dagegen entschied sich von der Hagen schon 1850 für Heinrich von Kempten und des Kaisers Bart. Schröder (1924) war der Meinung, dass die Erzählung nach ihrer Hauptfigur benannt werden sollte. Seine erste Ausgabe trug den Titel Heinrich von Kempten. Obwohl dieser Titel weitgehend adoptiert wurde, ließ sich kein allgemeiner Konsens herstellen. Schneider (1943) bevorzugte Kaiser Otto auf Grund seiner Überzeugung, dass der Kaiser auch bei Konrad im Mittelpunkt der Handlung stehe und Ehrismann (1935) wählte einen Mittelweg, indem er sich für Otte mit dem Bart (Heinrich von Kempten) entschied. Röhrich (1950) schlug ebenfalls Kaiser Otto und Heinrich von Kempten als Kompromiss vor, doch diese Empfehlung wurde bis zur Neuveröffentlichung der kürzlich von Lydia Miklautsch kommentierten und neu übersetzten Ausgabe Schröders (2016) kaum angenommen.

3 Inhalt, Autor- und Gönnerschaft Die Geschichte von Heinrich von Kempten handelt davon, wie der titelgebende Ritter bei einem kaiserlichen Fest zu Ostern in einen Streit mit dem Truchsess gerät, dessen Ausgang für diesen tödlich ist. Der Huld des Kaisers entzogen und des Verrats angeklagt, gelingt es Heinrich, sich durch einen Angriff auf jenen selbst zu retten. Unter der Bedingung, dem Kaiser nie wieder unter die Augen zu treten, wird die Verurteilung des Ritters aufgehoben. Jahre danach nimmt Heinrich – von seinem Lehnsherrn gezwungen, doch höchst widerwillig – an einem Feldzug des Kaisers teil. Dort avanciert er zum Retter des

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Kaisers, was ihn bei Hof rehabilitiert: Aufgrund seiner Tapferkeit und Treue gewinnt Heinrich die kaiserliche Gunst wieder. Die Autorschaft Konrads ist nie in Frage gestellt worden. Alle erhaltenen Handschriften, einschließlich des Fragments, nennen Konrad als Autor. Noch beachtenswerter ist die Tatsache, dass alle vollständigen Handschriften auch den Gönner des Werkes erwähnen – nach Fischer (1968) gilt Heinrich von Kempten neben dem Borte Dietrichs von der Glesse als eines von nur zwei Mären mit Nennung eines Mäzens. Brandt (1987) vermutet, dass Konrads Status als relativ früher Märenautor eine Erklärung für diese im Gattungskontext außergewöhnliche Erwähnung bietet. Dem Text zufolge wurde Heinrich von Kempten für einen Domprobst zu Straßburg, welcher ‚der von Tiersberc‘ genannt wird, aus dem Lateinischen ins Deutsche übersetzt. Ein Berthold von Tiersberg ist zwischen 1261 und 1272 als Domprobst zu Straßburg nachweisbar. Allerdings ist nicht sicher, wie lange er dieses Amt ausübte. Leipold (1976) behauptet, dass Berthold der ungenannte Domprobst einer Urkunde vom 13. Februar 1277 sein müsse. Dagegen argumentiert Neudeck (2002) auf Grund einer Urkunde anlässlich des Klostereintritts von Bertholds Tochter, in welcher Berthold als quondam prepositus erwähnt wird, dass Berthold zu dieser Zeit das Amt des Domprobstes nicht mehr bekleidete.

4 Quellen, Titel und Gattungskontext Am Ende des Textes wird erwähnt, dass Konrad von seinem Gönner den Auftrag erhalten habe, eine lateinische Quelle ins Deutsche zu übersetzen. Allerdings ist nicht mit Sicherheit festzustellen, welcher Text genau als Vorbild für Konrads Erzählung diente. Der wahrscheinlichste Kandidat ist eine Episode aus dem Pantheon Gottfrieds von Viterbo (MGH SS Bd. 22, 235–236), die während der Herrschaft Kaiser Ottos I. geschehen sein soll. Gottfrieds Text stellt die einzige erhaltene Version dieser Geschichte vor Hein­ rich von Kempten dar, die beide Angriffe auf den Kaiser sowie die Rettung des Kaisers durch seinen früheren Gegner enthält. Zwar existiert eine andere Version innerhalb der zeitgenössischen Legenda aurea des Jacobus de Voragine, doch erzählt diese nur die erste Hälfte. Andere Hinweise auf lateinische Quellen des Heinrich von Kempten sind nicht erhalten, auch wenn nach Konrad eine große Vielfalt an anderen lateinischen und deutschen Variationen der Erzählung überliefert ist, von denen manche jedoch substantiell von Konrads Text abweichen. Die kompletteste Liste verwandter Erzählungen findet sich bei Kempf (1922). Ob Gottfrieds von Viterbo Pantheon tatsächlich als Konrads Quelle diente, bleibt umstritten: Schon Hahn (1838) hat an dieser These Zweifel geäußert. In den letzten Jahrzehnten ist die vorsichtige Zurückhaltung Brandts (1987) in der Pantheon-Frage repräsentativ für das Gros der Forschung. Turner-Wallbank (1988) bildet hier eine Ausnahme, wenn sie behauptet, dass Heinrich von Kempten eine bewusste und reflektierte Umarbeitung der Pantheon-Episode sei. Die zwei Erzählungen unterschieden sich primär



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durch ihre Fokussierung. Von Wallbank ausgehend ließe sich sagen, dass im Pantheon Kaiser Otto definitiv im Mittelpunkt steht: Dem Ritter wird weder ein Name noch eine Herkunft gegeben. Bei Gottfried ist der Kaiser ausdrücklich Otto I., während der Kaiser bei Konrad Eigenschaften aufweist, die häufig in Zusammenhang mit Otto II. gesehen wurden, vor allem sein roter Bart und sein Jähzorn. Dem Ritter in Gottfrieds Erzählung fehlt das Kalkül Heinrichs: Der erstere greift den Kaiser mit klarer Tötungsabsicht an, weil er ein ungerechtes Urteil befürchtet. In seinem Anschlag sieht der Kaiser die Hand Gottes walten, woraufhin er wegen des Ostertages Gnade gewährt. Im zweiten Teil fehlen gegenüber Konrads Erzählung das Zwiegespräch mit dem Abt von Kempten sowie die Beschreibung der Notlage des Kaisers in Italien. Des Weiteren fehlen die trügerischen Bürger, die den Kaiser während der Friedensverhandlungen angreifen, und der vorgetäuschte Zorn des Kaisers während des zweiten Urteils über Heinrich. Stattdessen finden wir bei Gottfried nur eine kurze Episode: Während der Belagerung einer Stadt wird der schlafende Kaiser in seinem Feldlager von seinen Feinden überrascht. Nur der namenlose Ritter bemerkt die Ankunft der Feinde; sofort springt er nackt aus dem Bad und jagt die gegnerischen Truppen weg. Am nächsten Tag ruft Otto den Ritter herbei und fragt ihn, ob er tatsächlich derselbe Mann sei, der ihn früher vieler seiner Haare beraubt hatte. Trotz seiner Furcht antwortet der Ritter ehrlich und wird infolgedessen vom Kaiser umarmt. Zum Schluss verspricht Otto dem Ritter ewige Freundschaft. Ob die Korrelationen zwischen Heinrich von Kempten und dem Pantheon eine direkte Abhängigkeit belegen oder ob die zwei Texte in einem anderen Zusammenhang stehen, wird wohl nicht definitiv festzustellen sein; doch, wie Stock (2021) nahelegt, bedeutet diese Ungewissheit besonders angesichts der weiten Verbreitung des Pan­ theon-Textes im 13.  Jahrhundert keinesfalls, dass der Vergleich der zwei Fassungen dieser Geschichte nicht erhellend und aufschlussreich sein kann. Fischer und Völker (1975) deuten auf eine andere mögliche Quelle für den Namen Heinrich und den Synkretismus aus Otto I. und Otto II. in Konrads Text hin. Das Chroni­ con Thietmars von Merseberg erzählt von einem slawischen Ritter namens Zolunta, der auch den deutschen Namen Heinrich trägt. Dieser Ritter soll an der Rettung des Kaisers Otto II. nach der Schlacht bei Cotrone im Jahr 982 beteiligt gewesen sein. Die Anwesenheit einiger Vertreter des Klosters zu Kempten im Gefolge Ottos II. in Apulien während des folgenden Jahres ist von Ritscher (1992) bemerkt worden, der infolgedessen vorschlägt, dass sich in Kempten eine Erzählung über dieses Ereignis schon im 10. Jahrhundert etabliert haben könnte. Solche Vermutungen müssen allerdings rein spekulativ bleiben, weil keine eigenständige Version dieser Geschichte vor der Klosterchronik des Johannes Birk aus dem 15.  Jahrhundert nachweisbar ist. Außerdem deuten die Charakterisierungen eines Kaisers namens Otto in anderen deutschsprachigen Erzählungen des 13. Jahrhunderts (z.  B. Herzog Ernst D sowie dem Guoten Gerhard Rudolfs von Ems) darauf hin, dass die Darstellung des Kaisers in Heinrich von Kempten keineswegs von Thietmars Chronicon inspiriert gewesen sein muss. Neben Verbindungen zwischen dem Guoten Gerhard und Heinrich von Kempten, die primär in der Charakterisierung Ottos zu finden sind, bieten die verschiedenen Ver-

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sionen des Herzog Ernst weitere mögliche Quellen für Heinrich von Kempten. Neben dem jähzornigen Otto enthalten sowohl Heinrich von Kempten als auch Herzog Ernst einen Anschlag auf den Kaiser durch den Protagonisten, der ungerecht verurteilt wird, sowie ein daraus folgendes jahrelanges Exil des Ritters, eine ritualisierte Versöhnung zwischen Kaiser und Held am Ende des Textes und schließlich die Erwähnung des sogenannten Waisen, eines merkwürdigen Edelsteins, der sich im 13. Jahrhundert vorgeblich in der Reichskrone befand. Hier muss erwähnt werden, dass die Frage, ob Heinrich von Kempten V. 316 (‚den weisen‘) tatsächlich auf diesen Edelstein verweist, etwas umstritten bleibt. Das Problem liegt in der Tatsache, dass im Heinrich von Kempten schon in V. 276 berichtet wird, dass die Krone auf den Boden fällt. Hertzberg (1879) argumentiert, dass ‚den weisen‘ überhaupt nichts mit den Reichsinsignien zu tun habe, sondern, teilweise aufgrund altenglischer Kognaten, als ‚Kehle‘ zu verstehen sei. Diese Interpretation übernimmt Miklautsch (2016), doch angesichts der Abwesenheit ähnlicher Formen im Werk Konrads von Würzburg und wohl in der gesamten erhaltenen mittelhochdeutschen Literatur sowie von Konrads eigener Verwendung desselben Worts unter klarer Bezugnahme auf die Reichskrone im → Trojanerkrieg (‚den weisen‘, V. 20) ist es wahrscheinlicher, dass die Verwendung in Heinrich von Kempten einfach wie Ottos Bart als pars pro toto für die Reichsgewalt und metaphorisch für das kaiserliche Leben zu verstehen ist. Die Gattung des Heinrich von Kempten lässt sich nicht leicht bestimmen. Fischer (1968) kategorisiert die Erzählung als ein Märe, bleibt jedoch eine genauere Klassifizierung schuldig. Trotz einiger komischer und burlesker Elemente (etwa die absurd-grausige Beschreibung des geborstenen und sich auf dem Boden drehenden Schädels des Truchsessen oder die Rettung des Kaisers durch einen nackten Ritter) gilt die Geschichte als zu ernsthaft, um ein Schwank zu sein – wobei die Meinungen hierüber weit auseinander gehen. Wailes (1974) argumentiert demgegenüber, dass der Humor im Text eine zentrale Position einnimmt. Gleichwohl stellt Heinrich von Kempten kein typisches höfisches Märe dar, denn es geht weder um höfische Prachtentfaltung noch um Minne – weibliche Figuren spielen überhaupt keine Rolle. Im Hinblick auf den vermeintlichen Realismus sowie die scheinbare Unmöglichkeit, den Text nach traditionellen, von der modernen Forschung für das Hochmittelalter angesetzten Gattungskriterien einzuordnen, meint Beutin (1975), dass Heinrich von Kempten der „modernen historischen Novelle“ nahekomme. Eming (2019) schlägt vor, dass die Erzählung eine beabsichtigte Gattungsmischung aufweise, wodurch der schwankhafte zweite Teil des Textes einen Ausweg aus dem unlösbaren Konflikt des ernsthaften ersten Teils biete. In struktureller Hinsicht wurde Heinrich von Kempten unterschiedlich ausgelegt. Schirmer (1969) behauptet, der Text weise eine dreiteilige Struktur auf, die typisch für die Gattung des Märe sei, wohingegen Schnyder (1988/1989) den Text in zwei Hauptepisoden einteilt, die durch ein Mittelstück verbunden seien. Die meisten anderen Interpretationen strukturieren den Text jedoch als zwei grob symmetrische Teile, die voneinander abhängig sind. Oettli (1988/1989) behauptet, der Text weise wie auch → Engelhard und → Partonopier und Meliur eine „Artusstruktur“ auf, was auch von Schnyder (1988/1989) vermerkt wird. Allerdings gibt Oettli zu, dass der Schluss dem Helden, anders als im



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Artusroman, „keine neue Einsicht“ bringe, sondern „die Ausgangslage, die bereits am Anfang vorgezeichnet war, durch eine soziale Besserstellung“ rechtfertige. Der Versuch Rölls (1983), ein numerisches Erzählprinzip auf Grund der Zeilenanzahl nachzuweisen, hat wenig für sich.

5 Forschungsgeschichte In der Forschungsgeschichte des Heinrich von Kempten sind im Laufe der Zeit einige deutliche Tendenzen erkennbar geworden. Für die ältere Forschung sind Bemühungen um eine präzisere Datierung und um die Bestimmung des Verhältnisses des Textes zu den politischen Ereignissen seiner Zeit sowie das Interesse an seinem angeblichen Realismus und seinen vermeintlichen bürgerlichen Tendenzen weitgehend typisch, wobei manche dieser Ansätze bis heute fortgeführt werden. In den letzten Jahrzehnten wurde die ältere Fokussierung auf Affektbeherrschung als zentrales Thema durch die Erörterung erzählerischer Ambiguität und der Kodierungen von Gewalt im Text abgelöst. Angesichts der relativ eingeschränkten möglichen Entstehungszeit des Textes ist es wenig überraschend, dass Versuche, über die Amtszeit Bertholds von Tiersberg hinaus zu einer präziseren Datierung für die Komposition des Heinrich von Kempten zu gelangen, die Forschung (besonders in den siebziger und achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts) lange beschäftigten. Die meisten dieser Versuche sind stark abhängig von den jeweiligen Interpretationen des Inhalts der Erzählung und besonders seines Zusammenhangs zum sogenannten Bellum Waltherianum, einem Konflikt zwischen den Straßburger Bürgern und ihrem Bischof, dem 1260 gewählten Walter von Geroldseck. Fischer und Völker (1975), die Konrads Text als Schlachtruf an die Straßburger Ministerialen verstehen, sich ihres Standes bewusst zu werden und ihren Bischof angesichts der Feindseligkeit der Bürger zu unterstützen, behaupten, dass die Erzählung ihren Ursprung während der ersten Jahre von Bertholds Amtszeit habe, d.  h. zwischen 1261 und vor dem Sieg der Bürger über die bischöflichen Truppen in der Schlacht von Hausbergen am 8. März 1262. Andererseits behauptet Leipold (1976), der Text könne erst nach dem Ende der Kriegshandlungen entstanden sein  – höchstwahrscheinlich nach 1266. Sie merkt an, dass Berthold während des Bellum Waltherianum nicht urkundlich verbürgt ist: Fast alle Straßburger Kleriker mussten die Stadt wegen der Feindseligkeit der Bürger verlassen und Berthold durfte nicht vor 1263 in die Stadt zurückreisen. Infolgedessen hält Leipold für unwahrscheinlich, dass Heinrich von Kempten in diesem Zeitraum in Auftrag gegeben worden sein könnte. In den Jahren nach 1266 dagegen hatte Berthold einen sicheren Stand als hochrangiger Kleriker innerhalb der Stadt. In diesem Kontext wäre Heinrich von Kempten weniger als eine Mustererzählung ritterlichen Benehmens zu lesen als vielmehr als spielerische Selbststilisierung, wie sie für ein Mitglied einer ritterlichen Familie nicht untypisch wäre.

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Dagegen argumentieren sowohl Peters (1983) als auch Kokott (1989), die dem Konflikt wesentlich weniger Bedeutung beimessen. Beide sind der Auffassung, dass die antibürgerlichen Tendenzen im Heinrich von Kempten nicht im Vordergrund stehen. Der These eines Weckrufs für die Straßburger Ministerialen lässt sich entgegenhalten, dass sich eine derartige Adressierung im Text de facto nicht findet. Weiterhin erhebt Peters Widerspruch gegen die Behauptung, dass Konrads Darstellung der triuwelôsen burgaere in Verbindung mit dem Konflikt zwischen Bischof und Stadt stehe. Vielmehr rufe Heinrich von Kempten seinem Publikum die im 13. Jahrhundert noch nicht lange zurückliegenden diversen kaiserlichen Feldzüge gegen die norditalienischen Städte in Erinnerung. Ritscher (1992) geht noch weiter und bringt den Auftrag des Texts mit den Plänen für den Romzug Kaiser Rudolfs in Verbindung, welche jedoch erst im Sommer 1275 konkretisiert wurden. Nach Ritscher waren diese Pläne wahrscheinlich ein wichtiges Gesprächsthema beim Augsburger Hoftag im Mai desselben Jahres, in dem Rudolf dem Gubernator des Klosters Kempten und seinem Nachfolger die freie Verfügungsgewalt über die Kemptener Vogtei bestätigte. Infolgedessen argumentiert Ritscher, dass Bertholds Auftrag an Konrad in die letzten Jahre seines Amts als Domprobst (d.  h. gegen 1275) zu datieren sei. Neudeck (2003) bezweifelt das und weist wie Peters (1983) darauf hin, dass die Inspiration für den Italienfeldzug in Heinrich von Kempten leicht aus anderen Ereignissen gewonnen werden konnte, etwa aus der detaillierten Dokumentation zum Feldzug Ottos I. in Apulien in Gottfrieds Pantheon oder aus den ebenfalls nicht lange zurückliegenden Feldzügen Friedrichs II. Auch früh entstanden ist in der Heinrich von Kempten-Forschung die Tendenz, den Text als von sogenannten realistischen oder sogar bürgerlichen Merkmalen geprägt zu sehen. Blamires (1965) zufolge zeichne sich Heinrich von Kempten durchgehend durch realistische Feinheiten aus, die auch für Grunwald (1970) ein wesentliches Element des Textes bilden. Grunwald sieht diesen ‚Realismus‘ als Kontrapunkt zu dem für die höfische Literatur typischen idealisierten Verhältnis von Herrschern und Vasallen und vermutet eine Beeinflussung Konrads durch die englische Literatur, besonders durch die Werke Geoffreys von Monmouth, Waces und Layamons. Seiner Meinung nach bietet Heinrich von Kempten eine neuartige, von bürgerlichen Werten geprägte Darstellung der Adelsgesellschaft. Fischer und Völker (1975) sowie Schnyder (1988/1989) argumentieren nachdrücklich in die entgegengesetzte Richtung: Schnyder etwa weist darauf hin, dass der nackt gegen die italienischen Bürger kämpfende Heinrich wohl schwerlich als realistischer als die Drachenkämpfe der Artusepen gewertet werden kann. Auch Fischer und Völker (1975) verneinen die Realismus-These und die Vorstellung von ‚bürgerlichen‘ Merkmalen des Heinrich von Kempten. Ihnen zufolge liegt der wesentliche Kern der Erzählung in der Beziehung zwischen den einzelnen Menschen untereinander sowie im Verhältnis der Figuren zur Gesellschaft, nicht aber in einem Ausdruck bürgerlicher Individualität. Fischer und Völker weisen darauf hin, dass diejenigen Elemente des Textes, die als ‚bürgerlich‘ interpretiert worden sind, allesamt schon im Pantheon Gottfrieds zu finden seien.



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Dussère (1983) argumentiert in ähnlicher Weise und explizit gegen Gernentz (1961). Er zieht den früheren Herzog Ernst zum Vergleich heran und macht deutlich, dass auch dieser aufgrund der Parallelen als ‚bürgerlich‘ zu gelten hätte, wenn Heinrich von Kempten es denn wäre. Dabei folgt Dussère teilweise Wallbank (1973), die hervorhebt, dass die Forschung nur aufgrund dessen, was wir über den Autor zu wissen glauben, überhaupt auf die Idee verfallen konnte, in seinem Text nach ‚bürgerlichen‘ Wertvorstellungen zu suchen. Mittlerweile kann jedoch das Urteil Peters (1983), dass der städtische Hintergrund der Auftraggeberschaft nicht als entscheidend für die literarische Ausgestaltung der Erzählung angesehen werden kann, als Konsens gelten. Die Interpretation des Texts als eine Art zivilisierende Parabel mit einem Fokus auf die ordnungsgemäße Beherrschung der Emotionen hat sich nicht nur als beliebt, sondern auch als nachhaltig erwiesen. Diese Lesart nimmt ihren Ausgang bei Röhrich (1950), der die (mangelnde) Affektbeherrschung als Hauptthema des Heinrich von Kempten identifiziert. Nach Röhrich verhalte sich Heinrich am Anfang der Erzählung in seinem Zorn insofern unhöfisch, als er seine gute Erziehung vergisst, wohingegen er im zweiten Teil lerne, seine impulsiven Triebe in die richtigen Bahnen zu lenken. Ähnlich ist die Lesart von Röll (1983), der unter Hinweis auf die zeitgenössischen Predigten Bertholds von Regensburg das Thema Zorn als Kern der Erzählung betrachtet. Obwohl Heinrich seine manheit durchgehend zur Schau stelle, bringe ihn im ersten Teil der Erzählung seine Unfähigkeit, den eigenen Zorn zu kontrollieren, vom rechten Weg ab. Erst im zweiten Teil, nachdem er erlernt habe, seine ritterschaft ohne Zorn auszuüben, beweise Heinrich seine wahre Tugend. Affektbeherrschung und zuht sind ebenfalls zentrale Bestandteile der Interpretation von Wailes (1974). Wailes versteht den Text primär als eine Farce, die dadurch Komik erzeuge, dass Figuren, die nach außen höfisch auftreten, durch ihre emotionalen Ausbrüche ‚enttarnt‘ werden und dadurch das höfische Milieu an sich konterkarieren. Die Idee eines Konfliktes zwischen den Regeln der höfischen Gesellschaft und den von Affekten getriebenen Handlungen ihrer Mitglieder bildet auch die Grundlage der Interpretation Dobozys (1988). Dobozy sieht in der regelgebundenen Gesellschaft des ersten Teils eine Spiegelung des Alten Testaments mit seinem Prinzip der buchstäblichen Auslegung der Gesetze, welche im zweiten Teil der von Gnade und Vergebung beherrschten Welt des Neuen Testaments Platz machen müsse. Dobozy erweitert diese Gedanken durch einen den Ritual Studies geschuldeten Fokus auf Liminalität und besonders auf die liminale „Zwischenstufe“ nach der Messe und vor dem Festmahl, d.  h. auf den Übergang von einer Stufe des Rituals zur nächsten, in den ersten Episoden des Textes. Unter diesem Gesichtspunkt scheitere das Osterfest deswegen, weil die Gesellschaft des kaiserlichen Hofes noch nicht das dem Neuen Gesetz zugrundeliegende Prinzip der Barmherzigkeit in ihren Wertehorizont integriert habe. Der Schlüssel zur Wiederherstellung der gesellschaftlichen Ordnung sei in derselben unüberlegten Handlungsweise zu finden, die zu der ursprünglichen Verletzung der Ordnung geführt habe. Murdoch (1996) stellt Heinrich von Kempten und seine Hauptfigur neben Beowulf und Herzog Ernst in eine Tradition „germanischer“ Heldendichtungen, in der ein wilder

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Held seine angeborenen gewaltsamen Tendenzen in die richtige Richtung zu lenken lernen müsse, um die gesellschaftliche Ordnung zu schützen. Die Tatsache, dass der Herrscher und sein Hof einen derartigen wilden Krieger brauchen, obwohl die Gewaltausbrüche die Ordnung potenziell bedrohen, zeige den Zusammenhang zwischen dem Text Konrads und den älteren heroischen Erzählungen sowie die den Texten gemeinsame Verbindung von Ruhm und Besitzerwerb. Eine ähnliche Deutung liegt bis heute vielen Lesarten der Erzählung zu Grunde, welche auf die Kodierung der Gewalt in Konrads Erzählung fokussieren. Seit Fischer und Völker (1975) ist die Spannung zwischen dem gesellschaftlich konstituierenden und dem zerstörerischen Potenzial der Gewalt ein Hauptthema der Heinrich von KemptenForschung, die inzwischen davon abgerückt ist, Affektbeherrschung als wesentlich für die Botschaft der Erzählung zu sehen. Heitzmann (2002) etwa sieht die manheit und ritterschaft Heinrichs nicht als Gegenpole: Seiner Meinung nach rufe Heinrich von Kempten nicht zur Selbstbeherrschung auf, sondern preise im Gegenteil spontane, gewalttätige Handlungen, sofern sie zum richtigen Zeitpunkt erfolgen. Aggressives, mannhaftes Verhalten, das gegen die Regeln und Normen der höfischen Gesellschaft verstößt, müsse hart bestraft werden, doch sei es zu rühmen, wenn dasselbe Verhalten die etablierte Ordnung unterstütze. Eine zwiespältige Wertung der Gewalt ist auch zentral für die Lektüren von Kellner (2002 und 2004), die betont, dass mittelalterliche Texte nicht bloß unmittelbare Darstellungen der Realität liefern. Vielmehr stellen ihre Deutungsschemata, Gattungskonventionen und Strukturmuster Mittel dar, um gesellschaftliche Probleme zu verhandeln. In diesem Sinne sei Heinrich von Kempten ein Versuch, in einer Gesellschaft, in der Status in hohem Maße auf der Konkurrenz zwischen den Mitgliedern des Adels beruht, Gewalt als gleichermaßen gefährlich wie konstitutiv für das Modell des Rittertums zu verstehen. Im ersten Teil werde die gesellschaftliche Harmonie in der Darstellung des Osterfestes und den damit einhergehenden kirchlichen und höfischen Zeremonien zur Schau gestellt, wodurch die Stabilität des Reiches inszeniert werde. Es herrschen die Regeln des Hofes, d.  h. die handelnden Figuren sind in ein System der Regulierung von Agonalität eingebunden. Sobald diese Regeln jedoch missachtet werden, diene der Gewaltausbruch nicht dazu, die Ordnung zu restaurieren, sondern führe im Gegenteil zu Chaos und Eskalation. Dieser Eskalation könne nur die kaiserliche Gnade ein Ende setzen, doch Otto fordere selbst eine Fortsetzung der Gewalt, indem er Rache verlangt. In der Ausübung seiner Autorität handele Otto willkürlich, was durch den Eid auf seinen Bart verkörpert und dadurch sichtbar gemacht werde. Dementsprechend markiere der Moment, in dem dieser Bart, der pars pro toto für die kaiserliche Körperlichkeit und als Symbol seiner Autorität zu verstehen sei, von Heinrich zerstört wird, einen Wendepunkt. In der zweiten Hälfte des Textes werden Willkür und Zorn durch Ehre und Treue ersetzt. Heinrichs Handlung ändere sich nicht in ihrem Wesen, dafür jedoch ihre Motivation. Ritterliche zuht und maze werden zivilisierende Prozesse für die Gewaltregulation im Sinn von Norbert Elias, und die Ehre bilde den Schlüssel zur Gnade. Nach Kellner gibt es im Text keinen Antagonismus zwischen höfischer Ordnung



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und unhöfischer Gewalt; vielmehr stehen die beiden in einem unauflöslichen Zusammenhang. Die Gewalt als anthropologisches Phänomen und konstitutives Element der Adelsgesellschaft werde im Text ästhetisiert und problematisiert, jedoch ohne irgendeinen Versuch der Problemlösung. Wenzel (2003) versteht den Text ähnlich als Darstellung einer Gesellschaft, die ihren kämpferischen Adel einer externen Autorität zu unterwerfen versucht. Wer sich innerhalb dieser Gesellschaft nicht beherrschen kann, werde aus ihr ausgeschlossen. Jedoch zeige der zweite Teil der Geschichte die positive Seite der Gewalt auf, wenn Heinrich den Kaiser rettet. Der Kaiser selbst scheine sich nicht daran zu stören, als er erfährt, dass sein Erlöser auch sein früherer Gegner war. Die Erzählung stelle die beständige Wichtigkeit der alten kriegerischen Werte dar: Sie seien für die Sicherheit des Hofes unerlässlich und der Versuch, die Gewalt durch höfische Regeln und Rituale zu unterdrücken, gefährde letztlich genau diese Sicherheit. Wie Fischer und Völker (1975) und Kellner (2002/2004) argumentiert Wenzel dafür, die Erzählung als einen „offenen Text“ zu verstehen, der sein Publikum zur Reflexion herausfordere. Zacke (2007) identifiziert die zentrale Handlung des Textes als einen einzelnen lehnsrechtlichen Konflikt, den Otto durch sein falsches Verständnis von Herrschaftsausübung verursache. Am Ende der Erzählung werde der Konflikt schließlich dadurch gelöst, dass der Kaiser durch die Gründung eines persönlichen Bundes seine indirekte Verfügungsgewalt in direkte Verfügungsgewalt umwandele – Otto ändere seine Beziehung zu Heinrich von einer, in der er der höchste, aber indirekte Lehnsherr des Ritters sei (als Folge von Heinrichs Stand als Dienstmann des Abts von Kempten), zu einer, in der der Ritter an ihn persönlich gebunden sei. Gleichermaßen entwickele sich die Handlung der Geschichte aus einem Rechtsbruch, der im ersten Teil des Textes innerhalb der höfischen Gesellschaft und im zweiten Teil extern verhandelt werden müsse. Der Konflikt habe seine Wurzeln nicht bloß in den Aktionen der Figuren, sondern im gesellschaftlichen System. Dass das System fehlerhaft sei, sei in der Beschreibung Ottos als übel man angelegt. Nach Zacke liege dieser Beschreibung das Fehlen der essentiellen herrscherlichen Qualitäten von milte und stete zu Grunde. Das Versagen des Kaisers, sich gerecht zu verhalten, habe eine kaskadierende Wirkung, die sich in das System ausbreite, dessen nominales Haupt er sei: So weise etwa der Truchsess als kaiserlicher Stellvertreter dieselben Eigenschaften wie Otto auf. Des Truchsessen Pflicht, die Ordnung des Hofes zu verwalten, gerate in Konflikt mit Heinrichs Pflicht, den Herzogssohn auszubilden und zu schützen. Heinrichs Versuch, die Situation zu lösen, scheitere angesichts der weiteren Beschimpfungen vonseiten des Truchsessen. Da die beiden Figuren einander die Ehre absprechen, werde die gesellschaftliche Ordnung destabilisiert und schließlich zerrissen. Der übermäßige Zorn des Truchsessen und die spätere Weigerung des Kaisers, die Rechtfertigung des Ritters anzuhören, signalisieren Heinrich, dass die höfischen Regeln nicht mehr gelten. Sein Angriff auf den Kaiser sei deswegen notwendig und berechtigt. Zacke zufolge sei Gewalt „die angemessene Reaktion auf die Unangemessenheit des Kaisers“ und somit in diesem Fall erforderlich, um die gesellschaftliche Ordnung wiederherzustellen und den Kaiser selbst zu ‚korrigieren‘. Wie Kellner sieht Zacke den kaiserlichen Bart gleichermaßen als

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Symbol seiner Autorität wie auch der bindenden Natur seines Eides. In dem Moment, in dem Heinrich ihn abschneidet, annulliere er somit Eid und Autorität zugleich. Infolgedessen sei Otto gezwungen, nicht auf seinen Bart, sondern auf die kaiserliche Ehre zu schwören. Dadurch werde der Kaiser wieder an die richtige Ausübung seines Amtes erinnert und verpflichtet, das Reich zu schützen. Die darauf folgende Episode mit dem Abt entwickele dieses Thema weiter, weil das Gespräch zwischen Heinrich und seinem Herrn sich nicht primär um ein feudales Abhängigkeitsverhältnis, sondern um die rechtliche Verpflichtung des Einzelnen gegenüber den anderen Mitgliedern seiner Gruppe drehe: Die Ehre des Verbunds von Adeligen sei von der Ehre der einzelnen Mitglieder abhängig. So gesehen, gelte die Rettung des Kaisers als Rettung der gesamten gesellschaftlichen Gruppe und ihrer gemeinsamen Ehre. Auch für Zacke zeichnet die Erzählung ein ambiges Bild von Gewalt in ihrem positiven wie in ihrem negativen Potenzial. Nur derjenige, der die gesellschaftliche Ordnung von innen heraus wiederherstellen könne, könne auch diese Ordnung vor äußeren Bedrohungen schützen. Die Grundlage der Ordnung sei die grundsätzliche Ausgewogenheit zwischen manheit und ritterschaft. Für Heinrich gebe es keine moralische Bildung oder Entwicklung vom ersten zum zweiten Teil des Texts. Er sei vom Anfang bis zum Ende eine exemplarische Figur. Riva (2018) stimmt in vielen Einheiten zu, doch letztlich versteht er den Text nicht als eine Verhandlung von Affektbeherrschung im Rahmen höfischer Normen, sondern als eine Kritik am Konzept der Höfischkeit selbst. Riva sieht Heinrich als eine Verkörperung der alten heroischen Werte, welche der Schlechtigkeit und Treulosigkeit des Hofes gegenübergestellt werden. Heinrich, der im ersten Teil keinen Platz am kaiserlichen Hof habe, werde am Ende gerade deswegen als dessen Erlöser enthüllt, weil sein kriegerisches Verhalten nicht durch höfische Regeln kontrolliert werden könne. Die wesentliche Ambiguität des Textes sei nicht in seiner Einstellung zur Gewalt zu suchen, sondern in seiner Beurteilung von Höfischkeit. Nach Riva sei diese kritische Haltung gegenüber dem Hof schon im Pantheon Gottfrieds zu finden. Gottfried, ebenso wie der Gönner von Heinrich von Kempten, war ein hochrangiger Kleriker in einem höfischen Milieu. Seine ähnliche Haltung stelle demnach keine Überraschung dar. Der durchaus positiv bewertete Begriff ritterlicher zuht sei nach Riva nicht als Synonym für höfisches Benehmen zu verstehen, sondern als Lob kriegerischen Verhaltens. Durch eine Recherche der (allerdings nicht umfassenden) Mittelhochdeutschen Begriffsdatenbank (http://www.mhdbdb.sbg.ac.at/) argumentiert Riva, dass von insgesamt sieben Belegen dieses unüblichen Wortpaars in der mittelhochdeutschen Literatur nur zwei auf höfisches Benehmen verweisen, wohingegen die anderen Fälle (darunter Konrads → Trojanerkrieg, V. 35584) bloße Kampffähigkeiten beschreiben. Riva räumt ein, dass der zweite Teil der Erzählung eine etwas positivere Bewertung des Hofes aufweist, doch letztlich sei Heinrich von Kempten in einem generellen Trend der deutschen Literatur des späten 13. Jahrhunderts zu verorten, in dem die größtenteils positiven, aber selten eindeutigen Bewertungen des Hofes, welche typisch für die klassische Literatur gegen 1200 seien, kritischeren Darstellungen (wie denen der Dietrichepen) und/oder ironischen (wie denen der Schwänke) weichen.



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Beutin (1975) wendet einen psychoanalytischen Ansatz an. Seiner freien Interpretation zufolge sei Heinrich von Kempten trotz der totalen Abwesenheit weiblicher Figuren eine Dichtung, in der „sexuelle Rivalität den Kern des Konflikts bildet“. Er sieht in der Handlung eine Kette von Vater-Sohn-Beziehungen (Truchsess/Herzogssohn, Truchsess/ Heinrich, Kaiser/Truchsess, Kaiser/Heinrich), in der die Figuren mehrmals verdoppelt und ersetzt werden. Dadurch werde die ödipale Rivalität schließlich durch die Rettung des Kaisers aufgelöst, d.  h. durch die Erfüllung einer Fantasie, in der das Kind den Vater aus einer lebensbedrohlichen Gefahr rettet. Diese einzigartige Auslegung des Textes hat in den letzten Jahrzehnten nur wenig Anerkennung und noch weniger Zustimmung bekommen. Heitzmann (2002) unterscheidet sich in ihrem Ansatz deutlich von der Mehrheit der Heinrich von Kempten-Forschung, indem sie nach einem dem Text zugrundeliegenden Erzähl- und Handlungsmuster sucht. Sie argumentiert für eine sich wiederholende Kette aus Blick – Affekt (in allen Fällen Zorn) – Handeln, wobei der „männliche Blick“ im Text als Anstoß für eine gesellschaftlich konditionierte Reaktion in Form von Zorn und Gewalt angesichts von Verletzungen der gesellschaftlichen Regeln funktioniert. Das darauffolgende Handeln der Figuren gilt ihr fast ausnahmslos als „Affektdelikt“ und damit auch als Verstoß gegen die höfische Ordnung. Infolgedessen sei der Blick von zentraler Bedeutung in der Erzählung und in der darin dargestellten Gesellschaft. Am Ende könne der Konflikt nur durch einen ‚Augenkuss‘ zwischen Kaiser und Ritter unter den Augen der versammelten Mitglieder des kaiserlichen Heeres beendet werden. Eming (2019) versteht für den Heinrich von Kempten Zorn als eine verkörperte Emotion, die mit destruktiv oder konstruktiv sich auswirkendem Gewalthandeln verknüpft ist und durch die Konflikte gegliedert und Ansprüche sowie Stellungen legitimiert werden. Sie verbindet Zorn mit dem Konzept der „monologischen Männlichkeit“, um den zentralen Konflikt des Textes und die letztliche Lösung des Konflikts zu erklären. Nach Eming wird dadurch klar, dass die Handlung von Heinrich von Kempten wenig mit der Regelung unbeherrschter Emotionen zu tun habe. Vielmehr behandelt der Text einen Konflikt, in der jede Figur sich nach dem Diktat ihres jeweiligen sozialen Standes mehr oder weniger legitim verhält, damit aber die Autorität sowie die Integrität des Standes der anderen verletzt. Dadurch werde das Vergehen nach kulturellen Normen zu transgressivem Verhalten. Unter den Bedingungen monologischer Männlichkeit, nach denen die Männlichkeit der Figuren nur im Vergleich mit der Männlichkeit anderer umgrenzt und verstanden werden darf, gebe es fast keine Möglichkeit für eine De-Eskalation der Auseinandersetzung. In Anbetracht dessen sieht Eming die schwankhafte Wende des Erzählens in der zweiten Hälfte des Textes sowie den Spaß Ottos, Heinrich einem gespielten Prozess auszusetzen, als neuartige Mittel, um aus dem Konflikt auszusteigen, ohne die Autorität des Kaisers zu schwächen oder den Konflikt wieder ausbrechen zu lassen. Ein ähnlicher Ausgangspunkt ist bei Schausten (2021) zu finden, von dem aus sie die Argumentation allerdings in eine andere Richtung führt. Schausten sieht im Motiv der Rache das herrschende Strukturprinzip des Textes, das in beiden Teilen der Erzählung

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die essentielle Erzählordnung bildet. Dies weist letztlich nicht auf eine Problematisierung der Gewalt oder die „Modellierung von Affekten“ hin, sondern auf eine kritische und problematisierende Darstellung einer „autoritär-uniformen Herrschaftspraxis“ und die Möglichkeiten sowie die Gefahren ihrer Veränderung. Zuletzt erfasst Stock (2021) den Text als ein aufschlussreiches Beispiel der Erzählkunst Konrads, dessen Klarheit in deutlichem Gegensatz zu dem berühmten „blümenden“ Stil seiner anderen Werke steht. Nach Stock biete Heinrich von Kempten eine komplizierte, kunstvoll symmetrische Reihe von Parallelen und Responsionen, die, im Vergleich mit dem Pantheon in solcher Weise mit Einzelheiten ergänzt werden, dass die klare Lehre Gottfrieds verkompliziert und eine eindeutige Wertung ganz vermieden werden kann. So gesehen erzeuge der Text eine Problematisierung der Machtverhältnisse, die keine Vorbilder guten kaiserlichen oder ritterlichen Benehmens liefere, sondern das vorrangige Ziel habe, Fragen nach ethisch richtigem Verhalten aufzuwerfen, ohne irgendwelche klare Antworten zu geben.

6 Interpretationsansätze und neue methodische Zugänge Für innovative Forschung bieten inzwischen die Gender Studies vielleicht die aussichtsreichsten Ansätze zum Heinrich von Kempten. Die ungewöhnliche Tatsache, dass überhaupt keine weiblichen Figuren in Heinrich von Kempten erscheinen, öffnet das Feld für einen gendertheoretischen Ansatz. Außerdem sei erneut darauf hingewiesen, dass die Schlussmoral explizit auf manheit und ritterschaft als Schlüssel zum Ehrerwerb verweist. Was ritterschaft bei Konrad bedeutet, diskutiert Oettli (1988/1989) mittels eines Vergleichs zwischen Heinrich von Kempten und dem Iwein Hartmanns von Aue und anderen Werken Konrads (→ Engelhard, → Partonopier und Meliur), doch manheit bleibt in seinem Aufsatz weitgehend ausgeklammert. Die Konstruktion und Repräsentation der Männlichkeit, ihr Verhältnis zur Gewalt und dem Konkurrenzprinzip sowie das Fehlen bzw. die narrative Ausgrenzung der Frauen sind Aspekte, die einer eingehenderen Untersuchung wert wären (s.  a. Eming 2019). Von besonderem Interesse ist die Abwesenheit weiblicher Zuschauer, die in anderen Texten des Hochmittelalters in einem höfischen Milieu männlicher Interaktion eine motivierende, wertende Rolle spielen. Das ist umso auffallender angesichts der Stilisierung Heinrichs zum vorbildlichen Mann und Ritter. Dahinter liegt implizit die Andeutung, dass ein Ausschluss der Frauen für eine solche exemplarische Darstellung von manheit gewissermaßen erforderlich sei. Hier ist das generelle Fehlen der Konkurrenz innerhalb des Hofes Ottos ebenso bemerkenswert. Obwohl die höfische Gesellschaft in Heinrich von Kempten als genauso oder fast genauso gewalttätig wie die in Herzog Ernst, Iwein oder dem Nibelungenlied dargestellt wird, ist das Fehlen der Konkurrenz als Anregung der Gewalt fast einzigartig. Gewalt zeigt sich in Heinrich von Kempten als auf subjektiv empfundene Beschädigung oder Verletzung rea-



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gierend und zielt auf Bestrafung ab. Diese Tatsache, im Zusammenspiel mit dem Untersuchungsergebnis Rivas bezüglich der antihöfischen Tendenzen des Textes, weist auf eine literarische Darstellung einer idealisierten, leicht auf Missachtung reagierenden, aber weder von Neid noch sexueller Begierde geprägten Maskulinität hin. Dass der Herzogssohn, dessen Misshandlung Heinrich entrüstet, eine traditionelle weibliche Rolle spielt (vgl. Cunnewâre im Parzival Wolframs von Eschenbach) zeigt vielleicht auf, dass die Grenzen dieser Maskulinität nicht immer dem Körpergeschlecht der Figuren entsprechen. Die Diskussion der „männlichen Blicke“ bei Heitzmann (2002) sowie die 2016 verfasste Magisterarbeit von Ghaffarian sind in dieser Hinsicht bemerkenswert, doch ist das Potenzial des gendertheoretischen Ansatzes damit noch längst nicht ausgeschöpft. Obwohl der sogenannte „Emotional Turn“ in der Mediävistik anscheinend schon seinen Höhepunkt erreicht hat, bringt auch die Untersuchung der Geschichte und der Codierung von Emotionen noch Neues zutage – eine Tatsache, die besonders für Hein­ rich von Kempten gilt. Die Anzahl der sich auf Affektbeherrschung konzentrierenden Beiträge zeigt, dass die Bedeutung von Emotionen für den Text schon längst erkannt worden ist. Doch in der Verschiebung des Fokus auf die Codierung von Gewalt ist die ebenso bedeutsame Codierung von Emotionen zum Teil auf der Strecke geblieben. Themen wie die Signifikanz des Ausdrucks von Emotionen als narrativer Wegweiser, ihr performativer und ritueller Inhalt oder ihre Beziehung zu Autorität und Stand sowie Macht und/oder Machtlosigkeit sind bisher nicht ausreichend ausgereizt worden und bieten vielversprechende Ansatzpunkte für weitere Forschung. Einen natürlichen Ausgangspunkt in dieser Hinsicht bietet die Darstellung von Zorn, der eine so bedeutsame Rolle in den Interaktionen der Figuren spielt und der sowohl Otte und den Truchsess als auch Heinrich selbst prägt. Die von Heitzmann (2002) bemerkte Reaktionskette Blick – Affekt – Handlung könnte in allen Fällen durch die spezifischere Kette Verletzung – Zorn – Bestrafung ersetzt werden. Hier könnte bemerkt werden, dass Zorn in Heinrich von Kempten sich immer als Reaktion auf empfundene psychische oder körperliche Beschädigung entweder der eigenen Person oder der Gesellschaft manifestiert und dass ihm immer Gewalt folgt. Zorn ist der Affekt des Richters und sein Ausdruck stellt eine hierarchische Beziehung zwischen dem Richter und dem Beurteilten sowie ein Recht auf Beurteilung her: Der Ritter darf seinen Zorn und damit seine Beurteilung des Kaisers nur nach seiner ungerechten Verurteilung und aufgrund der willkürlichen Herrschaftsausübung des Kaisers zeigen. In diesem Sinn kann man den vorgetäuschten Zornausdruck Ottes beim zweiten Prozess Heinrichs nicht bloß als Ausprägung seiner vorigen Willkür und Schadenfreude betrachten, sondern als den Machtanspruch, der seiner Gnade Bedeutung gibt. Vieles wurde schon über die Darstellung vom Verhältnis zwischen Vasall und Lehnsherr geschrieben. Das gilt ebenso für die Debatte um die kaiserliche Autorität, woraus jedoch nicht folgt, dass ein mentalitätsgeschichtlicher Ansatz nichts mehr zu bieten hätte. Unter anderen Themen bleibt die Rolle des Herzogssohns im ersten Teil des Heinrich von Kempten wenig erforscht. Gray (1974) erwähnt die ungerechte Behandlung desselben, ohne die Situation weiter zu analysieren und Classen (2005) dient die Episode

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für sein Argument, dass schon im zweiten Teil des 13. Jahrhunderts ein „beträchtlicher Emotionalisierungsschub“ in Bezug auf Kinder und die Kindheit erwiesen werden könne. Dagegen notiert Brandt (2009) zurecht, dass die Empörung, die die Züchtigung des Herzogssohn erweckt, weniger mit dem Alter als mit dem hohen adeligen Stand des Kindes zu tun hat. Trotzdem bieten das Verhalten des Herzogssohns beim Fest, sein Verhältnis zu Heinrich und Heinrichs Handlung gegenüber seinen eigenen Kindern genug Material, um eine intensivere Untersuchung der Kindheitsdarstellung, der Rolle des Kinds beim Hof sowie der Untersuchung der Vormundschaft und der ritterlichen Familie zu rechtfertigen. Das Benehmen Heinrichs und des Truchsess dem Herzogssohn gegenüber wäre auch auf interessante Weise mit einem gendertheoretischen Ansatz in Verbindung zu bringen, um die Weitergabe und Reproduktion männlichen Verhaltens sowie männlicher Werthaltungen dieser allerdings literarischen Gesellschaft zu untersuchen.

7 Desiderata Seit der groben Skizze eines Stemmas in der Ausgabe von Schröder (1964) bleibt die Überlieferung des Heinrich von Kempten wenig erforscht. Vieles in den Studien zur Überlieferungsgeschichte ist in der Zwischenzeit revidiert worden, und schon 1989 bemerkt Schnyder, der eine Tabelle der generellen Merkmale der jeweiligen Handschriften liefert, dass, obwohl „eine neue Kollationierung … nicht unbedingt Schröders grundsätzliches Urteil widerlegen“ würde, sie sicher dazu beitragen würde, einige Probleme zu lösen, darunter die Frage, ob die sechs vollständigen Handschriften tatsächlich als individuelle Fassungen gelten dürfen. Weiterhin beschreibt Schnyder Schröders Verständnis der Beziehung von P und K, sowie I und V als „revisionsbedürftig“. Mit der Ausnahme einer kritischen Online-Edition von P herausgegeben von Gustavo Riva (leider zur Zeit nicht mehr zugänglich), bleibt Schröder der letzte Herausgeber des Textes. Die textuelle Varianz zwischen den sechs Handschriften und die Änderungen in der Editionspraxis der letzten Jahrhunderthälfte legen auch hier eine Nachprüfung und Wiederaufnahme des Editionsprozesses nahe. Außerdem haben die Erzählungen, die mit dem Stoff des Heinrich von Kempten verbunden sind, besonders die aus der Kemptener Gegend, seit ihrer Sichtung durch Kempf (1922) in seiner heute schwer zugänglichen Dissertation nur wenig Interesse erregt. Transkriptionen mancher dieser Texte sind zusammen mit den Abbildungen der sieben Heinrich von Kempten-Handschriften in Schnyder (1989) enthalten, doch außer einigen knappen Erwähnungen (etwa Brunner und Herweg 2007) wurden ihr Zusammenhang mit Heinrich von Kempten und ihre Bedeutung für die breitere Rezeption des Stoffes bis in die Neuzeit kaum diskutiert oder untersucht.



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8 Bibliographie Handschriften Vollständige Handschriften K: Cologny-Genf, Bibl. Bodmeriana, Cod. Bodm. 72, 242r–247r. Ende 13. oder 1. Drittel 14. Jh. (Schnyder), mitteldeutsch/böhmisch. P: Heidelberg, UB, Cpg 341, 241r–246r. Ende 13. Jh. oder 1. Drittel 14. Jh. (Schnyder), mitteldeutsch/böhmisch (Schnyder) / südl. Mitteldt. mit zahlreichen bair. Formen (Zimmermann). H: Heidelberg, UB, Cpg 395, 92v–98r. 14. Jh. (Schnyder), alemannisch (Schnyder). I: Innsbruck, Landesmuseum Ferdinandeum, Cod. FB 32001, 84v–88v. Nach 1456 (Schnyder), sbair.-österr. (Schnyder). V: Wien, ÖNB, Cod. 2885, 205v–213v. 24.4.–4.7.1393 (Schnyder), bairisch/tirolisch. W: Wien, ÖNB, Cod. 10100a, 17v–23v. Um 1645 (Schnyder), österreichisch (Schnyder).

Fragment L: London, Senate House Library, Closs/Priebsch Family Papers, Closs Box 67/ii. Um 1380, oberrheinisch.

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12 Das Turnier von Nantheiz 1 Überlieferung Das Turnier von Nantheiz – so in der Hs. – oder übers. Nantes (i.F.: Turnier) ist nur in einer Hs. überliefert, dem sog. Hausbuch des Michael de Leone (Würzburger Liederhs. E), die von Konrads Texten auch → Die Klage der Kunst (ebenfalls als Unikat) und → Die Goldene Schmiede enthält. In dieser Hs. umfasst der Text 1156 Verse, auf die noch 10 Schreiberverse und ein Explicit (Hie get vz der turney von Nantheiz) folgen. Die Handschrift wird datiert auf die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts.

2 Ausgaben Ediert wurde der Text dreimal: 1828 (Hs.-Abdruck), 1871 und 1924; die letzte Ausgabe (Edward Schröder) hat mehrere Auflagen erlebt, z.  T. mit kleineren Ergänzungen und Kommentarzusätzen der Betreuer. Sie gilt mangels Alternativen als die ‚maßgebliche‘, ist aber durch erhebliche Texteingriffe gekennzeichnet, so dass, wie bei den meisten anderen Texten Konrads, eine Neuausgabe wünschenswert wäre. Kritik an Schröders Verfahren übte schon 1938 Leitzmann.

3 Autorschaftsfragen; Inhaltliches Das Turnier gehört zu den Werken Konrads, in denen kein Auftraggeber- oder Verfassername überliefert ist. Die Zuschreibung an Konrad wurde selten bestritten und erfolgte aus sprachlichen und stilistischen Gründen in Verbindung mit der Tatsache, dass der Text in der Leone-Hs. (s.  o.) überliefert ist, deren Autor man bezüglich Konrad ein besonderes Interesse sowie eine gewisse Kennerschaft unterstellte; letztere ist allerdings wegen der zeitlichen Distanz zwischen Urtext und Handschrift nicht überzubewerten. Da es im Turnier um reale Fürstengeschlechter geht und ein König Richart von Engellant genannt wird, hat es mehrere (kontroverse) Versuche gegeben, den Text literatursoziologisch und geschichtlich zu verorten und von da aus Bezüge zur Biographie Konrads herzustellen. Diese Versuche wurden veranlasst durch die zahlreichen Wappenschilderungen, die anlässlich der Darstellung eines Turniers erfolgen; die Turnierdarstellung nimmt den Hauptteil des Textes ein und dominiert ihn damit; nur eine ‚Eingangsanekdote‘ bewegt sich außerhalb dieses Szenarios: Richarts milte wird dadurch herausgestellt, dass er es gegen den Widerstand des eigenen ‚knauserigen‘ Hofes und im trickreichen Zusammenwirken mit ellende[r] und arme[r] ritterschaft fertigbringt, dieser Geschenke https://doi.org/10.1515/9783110373561-012

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zukommen zu lassen. In den Schreiberversen, also sozusagen im ersten erhaltenen (und bis heute einzigen direkten) Rezeptionszeugnis, wird aus der speziellen Tugend die tugent allgemein, für die milte also exemplarisch steht und die für einen Adligen unverzichtbar sei; das passt durchaus zu den Versen 67  ff., wobei dort jedoch eine Gefahr für die Tugend der milte nicht in eigener Defizienz gesehen wird, sondern in Versuchen anderer, jemanden dieser Tugend zu entfremden – was dann wiederum die Konstellation der Eingangsgeschichte spiegelt. In den letzten Versen wird das Thema milte noch einmal aufgegriffen, das dadurch also als Rahmen dient: Richart beschenkt nach Ende des Turniers Ritter und Spielleute, ohne dass diesmal von Inhibitionen des Hofes die Rede wäre. Während de Boor (41973) unter Berufung auf den Turnierort Nantheiz (in der mittelalterlichen Literatur wird Nantes als eine der Artusresidenzen erwähnt) dem Turnier einen eher utopischen Charakter zuweist, betont Brunner (1981) im Kontext der historischen Anbindbarkeit des Textes und einer zeitgenössischen Funktion ein eher faktuales Element. Auch dieses wird allerdings relativiert: Namentlich genannt wird neben Richart nur ein Ritter Gotfrit von Gâne.

4 Quellen und Gattungskontext Direkte Quellen des Turniers sind nicht bekannt. In der deutschen Literatur galt es wegen seiner zahlreichen Wappenbeschreibungen zeitweise als der früheste Vertreter der Wappendichtung, ohne jedoch diesem Genre im engeren Sinn anzugehören (Brandt 1987, 97–98; Brandt 2009, 19), weil der Text trotz der Bedeutung, die die Wappenschilderungen haben, einen Überschuss über diese bietet. Sie besitzen bei Konrad auch eine andere Funktion als in Wappenreden, die Wappen beschreiben, allegorisch ausdeuten sowie mit den Familien ihrer Träger historisch und panegyrisch verbinden. Das chronologische Verhältnis zum auf 1264 datierten mittellateinischen Clipearius Teutonicorum Konrads von Mure ist ungeklärt; davon hinge ab, ob Konrad mit dem Turnier überhaupt in Deutschland am Beginn der Wappendichtung steht – in der Großepik sind Wappenbeschreibungen ohnehin schon gängig (Eneit, Parzival, Erec). Prinzipiell ausgeschlossen sind Vorbilder in der mittellateinischen Literatur nicht, da Konrad in anderen Fällen Kenntnis dieser Literatur zeigt und aus dieser wohl auch einiges übernimmt, was im deutschsprachigen Bereich neu ist. In Konrads Gesamtwerk gehört das Turnier rein formal gesehen zu den kleinepischen Texten, wobei ein narrativer Charakter uneingeschränkt nur in der Eingangsepisode auszumachen ist. Im Hauptteil dagegen dominieren Schilderungen. Die erzählten Handlungszüge sind recht schematisch, wobei der Ausgang (Sieg der Vertreter von Richarts Turnierpartei) jedes Mal feststeht; am Anfang der Kampfdarstellungen stehen die erwähnten Schilderungen der Wappen, die von den Kämpfern geführt werden. Was in → Trojanerkrieg und → Partonopier also (wenn auch oft umfangreiches) Beiwerk ist, Turnier- und Wappenschilderungen, wird hier zum Schwerpunkt des Textes. Über die grobe Charakterisierung als ‚Kleinepik‘ hinaus kann



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man unter funktionalem und – konkrete Bezüge sowie Auftraggeberkontexte vorausgesetzt – auch unter literatursoziologischem Aspekt das Turnier als „Fürstenpreis“ (de Boor 41973, 44) rubrizieren und seinen Gattungskontext damit in panegyrischen Formen wie Ehrenreden oder Lobgedichten suchen; zu Konrads Zeit ist eine entsprechende Gattung in der Kleinepik noch nicht sehr ausgeprägt. Brunner (2008) nennt das Turnier neben der → Goldenen Schmiede und der → Klage als Beispiel für Texte Konrads, in denen er sich „außerhalb etablierter Formtypen“ bewege (was sicher auch für → Herz­ maere, → Heinrich von Kempten und → Der Welt Lohn gilt). Mit Ulrich von Liechtenstein und Heinrich von Freiberg gehört Konrad mit dem Turnier zu den frühesten deutschen Autoren, welche die in der Großepik bekannten Turnierschilderungen „stärker auf die Realität hin aus[richten], indem sie sie mit zeitgenössischen Figuren besetzten“ (Glier 1987, 72). Panegyrik mit rudimentären Wappendarstellungen ist auch in der Gattung des Sangspruchs anzutreffen; aber diese Texte sind kürzer und formal anders gestaltet. Das Turnier lässt sich also insgesamt tatsächlich nur sehr begrenzt aus Traditionen ableiten, ist aber möglicherweise beteiligt an der Einführung neuer Gattungen, für die es insbesondere am Niederrhein schon Ansätze gab, wie die dort ab dem 14. Jahrhundert verbreitete Wappendichtung zeigt. Ähnliches ist – im Bereich ‚ehrenredenartiger‘ Texte – aber auch in oberrheinischen Gebieten feststellbar; auch dort könnte also das Turnier durch seinen innovativen Charakter das Entstehen entsprechender Traditionen befördert haben.

5 Forschungsgeschichte Das Turnier ist derjenige Text Konrads, der am wenigsten vom Aufschwung der Konrad-Forschung profitiert hat. Es lässt sich beobachten, dass die Forschung zum Turnier anfänglich nur tröpfelt, später fast versiegt bzw. sich auf ganz wenige Aspekte beschränkt. Hatte Konrads Dichtung insgesamt lange unter den Folgen ästhetischer Kanonisierungen zu leiden, so leidet das Turnier unter einer Kanonisierung anderer Art: Einige Texte dominieren die Konrad-Forschung so stark, dass für andere, anscheinend ‚ausgereizte‘ kein Platz bzw. besser: kein Interesse mehr blieb. Indikator dafür ist z.  B. die mangelnde Resonanz in Sammel- oder Tagungsbänden zu Konrad. Die Ausnahme ist eine Analyse von Bozkaya, die Aspekte des Erzählverfahrens im Turnier behandelt (2021; s. dazu den Unterabschnitt 7). Andererseits findet man in manchen Literaturgeschichten kurze Darstellungen, die wichtig sind oder zumindest noch heuristischen Wert besitzen und daher eine eigene Auswertung verdienten. Die Forschung zum Turnier entspricht in ihren Anfängen zunächst dem gängigen Trend: von der Textedition über Textphilologisches zu Formalem, Stilistischem und Sprachlichem. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es eine Konrad-Forschung, wie verstreut auch immer, bereits seit dem frühen 17.  Jahrhundert gibt, fällt jedoch auf, dass die Forschung zum Turnier vergleichsweise spät einsetzt: mit dem Textab-

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druck Docens von 1828. Es gibt auch wenige Beiträge, die sich speziell mit dem Turnier auseinandersetzen; das meiste ist eingebettet in Abhandlungen, deren Hauptthemen andere Texte sind. So findet sich Textkritisches in Haupts Anmerkungen zu seiner → Engelhard-Edition (1844) oder etwa in Josephs Edition der → Klage der Kunst (1885); und selbst Sarans Verdikt gegen Docens Zuschreibung an Konrad ist by-product eines Aufsatzes über Hartmann von Aue (1889). Inhaltlich blieben für den Text sowohl die allgemein zunehmende Popularität seines Autors ab ca. 1850 folgenlos als auch die Ausdifferenzierung der Forschung seit Ende des Zweiten Weltkrieges und der allgemeine Paradigmenwandel ab den 1980er Jahren. Dabei wird sicher eine Rolle gespielt haben, dass er bis auf die Eingangsgeschichte inhaltlich und erzählerisch wenig bietet – ganz im Gegensatz zu Konrads anderen kleinepischen Werken einschließlich der Legenden (letztere allerdings zeitweise auch eher stiefmütterlich behandelt). Bezeichnenderweise haben auch die beiden auf Docen folgenden Editionen der Forschung keine Impulse gegeben; selbst als ‚Steinbruch‘ (wie andere Texte Konrads) im Rahmen von Vergleichen wurde das Turnier kaum genutzt. Bedeutung erlangte es erst im Rahmen von Chronologiefragen, zunächst sub specie einer ‚dichterischen Entwicklung‘ seines Autors. Auch diese Bedeutung war anfangs marginal, da der Text angesichts seines ihm meist abgesprochenen literarischen Wertes chronologisch nur ‚irgendwie‘ in Konrads Gesamtœuvre eingebaut werden sollte. Stilistische Untersuchungen entlang normativer poetologischer Leitlinien wirkten mit an der Diskreditierung des Textes; so lieferte Butzmann 1930 zwar eine sehr genaue strukturelle und syntaktische Beschreibung, fühlte sich aber bemüßigt, den Befund als ‚Altersstil‘ zu deklarieren, um ihn mit der damals gängigen Spätdatierung in Übereinklang bringen zu können. Die Diskussion darüber, ob das Turnier ein Früh- oder ein Spätwerk sei, blieb beliebig und folgenlos, solange sie sich nicht mit literatursoziologischen und biographischen Fragestellungen verband; und das war erst spät der Fall. Pfeiffer und Bartsch (1871 in der → Partonopier-Edition) hatten in der Forschung eine Frühdatierung etabliert. Laudan (1906) gelangte auf Grundlage stilistischer, formaler und sprachlicher Argumente zu einer Spätdatierung; seine Untersuchung, unterstützt von seinem Lehrer Edward Schröder, wurde sozusagen kanonisch, bis de Boor (1967) wieder zur Frühdatierung zurückkehrte, und zwar aufgrund inhaltlicher Befunde und unter Widerlegung formaler Interpretationen Laudans. Wichtig war vor allem der Einbau des Turniers in eine Gruppe von Werken – bestehend noch aus → Engelhard und → Schwanritter –, deren Handlungsraum und/oder Personal an den Niederrhein verweisen. De Boor (1967, einen Ansatz von Kochendörffer 1884 aufgreifend) lokalisiert das Turnier zeitgeschichtlich in den Auseinandersetzungen um die deutsche Königswahl, bezieht den Richart im Text auf Richard von Cornwall und sieht im Teilnehmerkreis des Turniers eine Spiegelung der politischen Divergenzen zwischen England und Frankreich. Den nächsten forschungsgeschichtlich wichtigen Schritt vollzog Brunner (1981), indem er aus den politischen Konstellationen der Thronstreitigkeiten Rückschlüsse auf Auftraggeber am Niederrhein zu gewinnen versuchte, was wiederum vermittels der Frühdatierung biographisch den Schluss auf eine Frühphase in Konrads literarischer Tätigkeit nahelegen könnte. Die Rezeption der Ergebnisse



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und Thesen Brunners verlief unterschiedlich: Es gab viel Zustimmung, aber auch Kritik. Diese Kritik richtete sich gegen den gesamten Ansatz oder gegen die Datierung einzelner Werke aus der o.a. Dreiergruppe (z.  B. Bleck 1987; Ritscher 1992; Thomas 1986); sprachgeschichtliche Einwände (Beckers 1993) wurden dagegen zum Teil widerlegt (Rohr 2000) bzw. unter Hinweis auf Sprachwandel im Verlauf von Rezeptionswanderungen auch grundsätzlich relativiert (Brandt 2012). Als Fazit kann derzeit gelten, dass mangels ‚harter‘ Fakten weder die Niederrhein- noch die Oberrheinthese, weder die Früh- noch die Spätdatierung bewiesen werden kann; der Text bietet nämlich Anhaltspunkte für Funktionalisierungen durch niederrheinische und oberrheinische Auftraggeber, beide im Kontext einer Gleichsetzung Richarts mit Richard von Cornwall; Edward Schröders Bezug auf Rudolf von Habsburg galt für beide Forschungspositionen als überholt, bis Thomas 1986 durch eine Deutung des Turniers als „Lehrgedicht“ für Rudolfs Sohn Hartmann die These wieder ins Spiel brachte; Rudolf gilt auch Konrads Sangspruch 32,316. Als Auftraggeber kommen damit in Betracht niederrheinische oder oberrheinische Kreise mit politischen Verbindungen zum jeweiligen Königshof. Da prinzipiell die kontroversen Forschungsmeinungen heuristischen Wert besitzen, wurde untersucht, ob Turnier, → Schwanritter und → Engelhard sich überhaupt in die niederrheinische Literaturlandschaft einfügen lassen, ohne als Fremdkörper zu wirken (Brandt 2012). Dies ist, wenn auch von verschiedenen Kriterien her, durchaus der Fall. Speziell für das Turnier trifft das allerdings am wenigsten zu: Es lassen sich, anders als im Fall von → Engelhard und → Schwanritter, keine Gattungstraditionen ausmachen, sehr wohl aber Traditionen in Bezug auf die Funktionalität eines solchen Textes.

6 Interpretationsansätze; neue methodische Ansätze und Perspektiven Interpretationsansätze über die bereits erwähnten hinaus gibt es nicht, insbesondere fehlen neue methodische Ansätze zum und neue Perspektiven auf das Turnier. Dafür sind wohl hauptsächlich zwei Gründe verantwortlich: Es schien erstens nie ein ‚spannender‘ oder ästhetisch ‚anregender‘ Text zu sein; er gehörte vielmehr zu den Konradiana, die besonders unter den jahrzehntelangen Verdikten über den Autor zu leiden hatten – obwohl er sich mit diesem Text angesichts seiner innovativen Tendenzen z.  B. gerade nicht als ‚Epigone‘ zeigt. Zweitens hat die von Kochendörffer und vor allem de Boor angestoßene, von Brunner intensivierte und ausdifferenzierte Forschung zur Niederrheinthese den größten Teil der neueren Forschungsbemühungen auf sich gezogen. Welches Potenzial für weiterführende Untersuchungen das Turnier enthält, erschließt sich allenfalls aus marginalen, vorzugsweise motivlich orientierten Analysen, die jedoch durchweg nur im Rahmen übergreifender, also nicht speziell auf diesen Text bezogener Untersuchungen aufzufinden sind (zu Farbkompositionen s. etwa Galle 1911/1912 und Monecke 1963/1968; akzessorischer Einbezug in kulturwissenschaftlich affizierte Unter-

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suchungen zur Engel-Darstellung Köbele 2007). Insbesondere hat die Forschung zum Turnier fast sämtliche neuen literaturwissenschaftlichen und linguistischen Paradigmata verpasst, obwohl der Text natürlich – wie alle Texte – solchen Paradigmata schon prinzipiell offensteht. Wie ergiebig Versuche sein können, zeigt Coxons Miteinbezug des Turniers in seine Analyse der Darstellung von authorship in Konrads Werken (2000). Andererseits birgt ein zu eklektizistischer Gebrauch die Gefahr, Unvergleichbares zu vergleichen und damit interpretatorische Leitlinien zu verlieren (vgl. den Versuch von Classen 1992, das Phänomen des spätmittelalterlichen Detailrealismus durch einen Vergleich von Turnier und Strickers Daniel zu klären). Fokussiert man dagegen genauer abgrenzbare einzelne Aspekte, ist diese Gefahr weniger gegeben; so bezieht die erwähnte Arbeit von Köbele (2007, s.  o.) Vergleichsmaterial für ihren Hauptgegenstand, die Engel-Darstellung in der → Goldenen Schmiede, aus → Trojanerkrieg, Turnier und → Engelhard, womit das Trennende (Gattung, Funktion, Kontexte) zu einer interpretatorischen Facettierung des untersuchten Motivs, zu Kontextualisierungen und zu einer genaueren Perspektivierung führt. Da es also im Wesentlichen kaum neuere Ansätze und Perspektiven gibt, sollen solche prospektiv als im Folgenden darzustellende Desiderata entwickelt werden, wobei jedes einzelne Desideratum implizit auf eine offene Forschungsfrage verweist.

7 Offene Forschungsfragen Zu unterscheiden ist zwischen Desiderata, die sich auf Grundlage von zum Turnier schon vorhandenen Fragestellungen ergeben, und solchen, die sich auf bisher noch nicht gestellte Fragen beziehen. Wichtigstes ‚Über‘-Desiderat ist jedoch sicher eine neue Ausgabe des Textes (vorzugsweise diplomatisch, aber mit reichhaltigen Kommentaren in den Apparaten). Auf dieser Grundlage – und nur auf dieser Grundlage – wäre als nächstes eine möglichst viele Aspekte umfassende, wo immer möglich methodensynthetische Gesamtdarstellung zu verfassen, und dies nicht nur, um das Potenzial des Textes auszuheben, sondern auch, um ihn für die Forschung präsenter zu machen. Dann fällt es nämlich erfahrungsgemäß leichter, ihn mit der Forschung zu anderen Texten zu vernetzen. Zu überprüfen wäre z.  B., ob ein überlieferungsnäherer Text Einfluss auf die Niederrhein-Kontroverse nimmt oder ob die Wappenbeschreibungen davon betroffen sind. Hinsichtlich der Wappen wäre auch zu verweisen auf die Untersuchungen von Stuckmann 2001 zum → Trojanerkrieg, die für Vergleiche heranzuziehen wären. Denn Konrad gibt ja auch sonst Wappen- und Turnierdarstellungen Raum, und für das Turnier hat dies zu der These geführt, man könne es nach Basel als Entstehungsort verlegen, weil sich Parallelen in Bezug auf Turnierbräuche der Psitticher ergäben (Cramer 1977). Sind dies Perspektiven, die zwar wichtig, aber doch eher im traditionellen philologischen Spektrum verankert sind, so werden sich weiterführende Fragen erst entwickeln,



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wenn man sich auf neue Methoden und Perspektiven bezieht (nicht jede Perspektive ist ja an ein bestimmtes methodisches Instrumentarium gebunden). Von Methoden und Perspektiven auszugehen, mag manchmal etwas Schematisches haben; aber es gibt wohl kein besseres Mittel, um einen Text in wissenschaftlichen Kontexten zu platzieren. Die folgenden Beispiele sind natürlich weder komplett noch hierarchisch nach Wichtigkeit zu ordnen: Die m.W. aktuellste Publikation zum Turnier ist ein Aufsatz zum Erzählverfahren (Bozkaya 2021). Die Spezifika von Konrads Erzählerrolle sind schon immer betont worden; insofern fügt sich dieser Aufsatz in bewährte Tendenzen der Konrad-Forschung ein. In ihrer erzähltechnischen Analyse gibt die Autorin dem Text einen Teil seiner Literarizität zurück. Als Erzählverfahren werden „Akkumulierung und Überbietung“ genannt. Paradoxerweise wird kein Konnex zur Erzähltheorie gesucht; ansonsten ergibt sich eine Reihe von Bezügen zu weiteren Methoden und Perspektiven, u.  a. Cultural Studies, Strukturalismus (Dichotomien Natur/Kultur, Zerstörung/Produktion), Selbstreflexivität von Literatur und rhetorische Analyse. In Bezug auf Gender-Aspekte zeigt das Turnier im Vergleich mit anderen Texten seines Autors deutlich die Fungibilität entsprechender Motive. In Konrads Werk nimmt es eine Mittelstellung ein zwischen dem → Heinrich von Kempten, in dem Frauen nicht einmal erwähnt werden, und Texten, in denen Frauen zentrale und aktive Rollen spielen (→ Trojanerkrieg, → Partonopier). Im Turnier werden Frauen genannt, aber nur akzessorisch und festgelegt auf traditionelle Rollen und Funktionen: Um schöner Damen willen wird das Turnier abgehalten (V. 98); der König von Dänemark wird als frouwenritter bezeichnet (V. 332), der sich deswegen, also um Damen zu beeindrucken, prächtig ausstaffiert; in einem kurzen Erzählerkommentar (V. 1130  ff.) werden Richarts Turniererfolge, seine êre, tugent, jugent und frîheit als Anlass für die wîp deklariert, ihn für zucker zu niezen. Das sind zwar nicht Fragmente einer Sprache der Liebe im Sinne von Barthes (1977/1988/2015); aber es handelt sich sicher um ein fragmentarisches Anzitieren von ausgewählten Schnittstellen zwischen Repräsentation, Ästhetik, Erotik, Körperlichkeit – bekannt und gängig zwar, aber doch eben in Bezug auf diesen Text nicht uninteressant: Die panegyrische und insofern politische Ausrichtung des Turniers verträgt solche Synkretismen offenbar nicht nur, sondern der Autor geht davon aus, dass er sie zugunsten seiner übergeordneten Absichten funktionalisieren kann. Bedeutung würde eine solche Untersuchung (wie anderes, was hier stichwortartig angerissen wird) natürlich besonders dann gewinnen, wenn sie Eingang fände in eine Synopse Konradscher Spezifika, die bis jetzt nur an den eh und je in der Forschung dominierenden Texten erarbeitet worden sind. Eine strukturalistische Analyse des → Partonopier findet sich bei Simon (1990) – die Anwendung der Methode auf Konrad wäre also nicht ganz neu. Der Strukturalismus beschäftigt sich zu einem ganz wesentlichen Teil mit der Opposition sprachlicher Zeichen; diese sind in ihrer Bedeutung bestimmt durch ihre Beziehung zu anderen solcher Zeichen. Die Relevanz dieses Theorems hat sich von der Linguistik auf die Literaturwissenschaft ausgeweitet. Man kann z.  B. mit den bekannten Operationen

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Transformation, Permutation, Opposition formal die Bedeutung sprachlicher Zeichen genauer fassen, als eine historisch fundierte Semantik dies zu leisten imstande wäre – der Nutzen wird allerdings kontrovers diskutiert. Da alle Zweikämpfe im Turnier per se einen agonalen Charakter enthalten, könnte man eine systematische Auswertung aller Gegensätze vornehmen, deren Ergebnis dann mit denen zu anderen ähnlichen Texten verglichen werden und geradezu ein neues ‚Sub-Paradigma‘ installieren könnte. Wichtiger vielleicht noch: Eine strukturalistische Analyse könnte zumindest insofern zu einer Probe für die Stimmigkeit bisheriger historischer Interpretationen werden, als man erführe, ob das Ergebnis einer Oppositionenanalyse sich mit der übergeordneten Parteienbildung überhaupt verträgt. Eine dekonstruktivistische Analyse des Turniers ergibt sich, sozusagen den wissenschaftshistorischen Verlauf nachbildend, aus strukturalistischen Befunden. Auch ohne solche bleibt auf jeden Fall der Verzicht auf eine streng parteiliche Darstellung auffällig, der eine strikte Funktionszuweisung des Turniers im Sinn politischer Propaganda konterkariert. Unter Aspekten der moderneren Semiotik ist das Turnier ebenfalls noch nicht untersucht worden. Seine Zeichenvielfalt könnte analysiert werden nach den Kategorien von Charles Morris und Georg Klaus inkl. der Rezeption und Ergänzungen (syntaktischer, semantischer, pragmatischer, sigmatischer, apobetischer Zeichenaspekt). Eine solche Analyse könnte sich auf die Besetzung einzelner Kategorien im Text richten, aber auch auf die Vernetzung der Kategorien bei ausgewählten Zeichen. Da man über Konrad biographisch vergleichsweise gut unterrichtet ist, könnte der pragmatische Aspekt (Relation zwischen Zeichen und Zeichenbenutzer) von besonderem Interesse sein. Vergleichbar in dieser Hinsicht wäre in Karl Bühlers Organon-Modell (Funktionen von Sprache) die Ausdrucksfunktion: Indem sprachliche Zeichen als ‚Symptom‘ die ‚Innerlichkeit des Senders‘ ausdrückt, käme auch hier der Autor ins Spiel – wobei kritische Distanz insofern angebracht ist, als die Autoren ja Rollen annehmen können, die mit dem biographischen Ich wenig zu tun haben. Fragestellungen der Literatursoziologie sind mit der Auftraggeberforschung nicht erschöpft. So wirft der Text etwa Schlaglichter auf Kontroversen zwischen Hof und Herrscher in der Eingangsanekdote – was gleichzeitig Anhaltspunkte für eine diskurs­ analytische Perspektive liefern könnte. Das ist vielleicht wichtig, weil ähnliche Themen von Konrad auch im → Partonopier thematisiert werden (soziale Probleme des niederen Rittertums; anfängliche Vorbehalte des byzantinischen Hofs gegenüber Partonopier). Der Passus im Turnier korreliert auch mit Konrads Sprüchen 251, 2541, 3139, 3176 sowie mit anderen Texten, die zwar Teile des milte- und êre-Diskurses sind, aber auch das Problem der sozialen und moralischen Heterogenität an Adelshöfen thematisieren; damit werden Tugenden nicht nur auf abstrakter Ebene diskutiert, sondern auch anhand verschiedener konkreter Probleme sozial kontextualisiert. Nähert man sich dem Text solcherart diskursanalytisch, wird man bei der Eingangsgeschichte auch auf die Divergenz zwischen adligem status consumption ethos (s. Elias 1983, 103, 110, 112 s.  v. ‚Statusverbrauch‘) und anderen Sichtweisen aufmerksam, die zwar in Bezug auf Konrad sicher



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noch nicht als ‚bürgerlich‘ gekennzeichnet werden können, aber vielleicht Ansätze der neuen territorialadligen Fiskalpolitik spiegeln. Konrad wird ein besonderes Interesse an Darstellungen psychischer Befindlichkeiten und Ausdrucksweisen zugeschrieben; zu solchen psychologischen Aspekten gibt es eine Reihe von Untersuchungen, die allerdings selten strikt literaturpsychologisch ausgerichtet sind. Wenn man sich vor einem Abgleiten in Methodenpurismus und -fetischismus hütet, ist eine methodische Rahmung als Mittel der Selbstkontrolle aber sinnvoll, weil sie ein freischwebendes Psychologisieren beim Umgang mit dem Text verhindert. Sinnvoll in dieser Hinsicht wären etwa vergleichende psychologische Analysen nach Freud, Jung, Lacan, wobei Lacan eine Verbindung zum Poststrukturalismus bietet, wie überhaupt – s.  o. – ein intensivierender Ausbau der Forschungen zum Turnier von Anfang an auf Vernetzung angelegt sein sollte, um erneutes Zerfasern ebenso zu verhindern wie monadische Ansätze. Idealerweise wären alle Ansätze also möglichst von Anfang an einzubauen in das ‚Überparadigma‘ der Cultural Studies. Das ist aber keineswegs ein Plädoyer für einen kompletten Verzicht auf klassische philologische Perspektiven und Themen; dass man keinen Grund hat, die Hoffnung auf neue Erkenntnisse in eher traditionellen Arbeitsbereichen aufzugeben, ist nicht zuletzt eine Konsequenz der Tatsache, dass das Turnier in der bisherigen Forschung eher randständig behandelt wurde.

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 Rüdiger Brandt

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Das Turnier von Nantheiz 

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 Meihui Yu und Beate Kellner

Meihui Yu und Beate Kellner

13 Der Schwanritter 1 Überlieferung Konrads von Würzburg Schwanritter ist unikal in der Papierhandschrift Frankfurt a. M., UB, Ms. germ. qu. 2, Bl. 1ra–10va überliefert. Die Handschrift entstand um 1370/80 am Mittelrhein (Weimann 1980, 10). Die Mundart des Schreibers ist Rheinfränkisch (Schröder 1959, VII). Der Autor nennt sich im Epilog von Wirzeburc ich Cuonrât (V. 1638). Nach dem Eintrag des Vorbesitzers Georg Kloß gehörte die Handschrift zur Bibliothek des Wormser Bischofs Johann von Dahlberg (1482–1503; vgl. Weimann 1980, 11). Das ursprünglich erste Blatt der Handschrift mit dem Anfang des Schwanritter fehlt. Der Inhalt dieser Textpassage ist nicht mehr zu erschließen, gleichwohl wird der Umfang des Werkanfangs an einer anderen Stelle ersichtlich: Auf Bl. 4ra wurde nämlich zunächst der Anfang von Ulrichs von Etzenbach Wilhelm von Wenden eingetragen und dann durchgestrichen (Weimann 1980, 11). Hier nimmt der Titel zwei Zeilen und die große Initiale vier Halbzeilen ein. Unter Berücksichtigung der Gestaltung der vorhandenen Blätter – 36 abgesetzte Verszeilen pro Spalte – sowie des Raums für den Titel und die Initiale am Werkanfang liegt die Vermutung Roths (1861, 41) und Schröders (31959, VI) nahe, dass das verlorene erste Blatt ursprünglich 140 Verse umfasst hat (vgl. auch zuletzt Spicker 1998, 61). Dies wird zudem durch die Zählung eines Lesers des 15. Jahrhunderts, dem aller Wahrscheinlichkeit nach noch der vollständige Text vorlag, bestätigt (Schröder 1959, VI–VII; Krüger 1936, 121–122). Der vollständige Versbestand des gesamten Textes würde demnach 1642 Verse betragen. Das lange Zeit als verschollen geltende ursprünglich zehnte Blatt wurde 1929 durch die Stadtbibliothek Frankfurt erworben und mit der Foliierung 8a wieder in die Handschrift integriert (Kirchner 1930). Infolge der starken Beschädigung dieses Blattes weist die Handschrift in ihrem jetzigen Versbestand folgende Lücken auf: 1278–1298: 5 Verse verderbt, 16 Verse fehlen 1317–1334: 18 Verse fehlen 1353–1370: 1 Vers verderbt, 17 Verse fehlen 1385–1406: 7 Verse verderbt, 15 Verse fehlen Die Handschrift enthält ferner die Texte Disticha Catonis Deutsch, Laurin, Der Schüler zu Paris A, Die zwei Maler sowie Rosengarten zu Worms.

https://doi.org/10.1515/9783110373561-013



Der Schwanritter 

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2 Ausgaben Von forschungsgeschichtlichem Interesse sind die älteren Ausgaben der Brüder Grimm (1816), Franz Roths (1861), Karl Müllenhoffs (1864) und Eugen Josephs (1901), die heute in der Regel nicht mehr benutzt werden. Edward Schröder bietet die erste kritische Edition (1925), die fünfmal neu aufgelegt wurde. Die Textgestalt dieser Edition liegt auch den Ausgaben von Gernentz (1972) und Miklautsch (2016) zugrunde. Bis heute gilt die Edition Schröders als maßgeblich, allerdings werden Texteingriffe zuweilen nach Gutdünken vorgenommen und sind teilweise nicht gekennzeichnet. Daher wäre eine neue Ausgabe wünschenswert. Einen ersten Versuch stellt die nur online verfügbare handschriftennahe Edition von Habermehl (2015) dar.

3 Inhalt Konrads Erzählung weist folgende Funktionselemente der Schwanritter-Sage auf: Ankunft des Schwanritters; Gerichtskampf; Verbot, nach der Herkunft des Schwanritters zu fragen; Heirat; Geburt der Kinder; Tabubruch und Abschied. Anders als in der französischen Tradition ist der Bezug zum Kreuzzug in den Taten des verstorbenen Schwiegervaters des Schwanritters, Herzog Gottfrieds, präsent. Mit Herzog Gottfried und Karl dem Großen werden zwar zwei historische Figuren in der Erzählung namentlich genannt, doch passen sie zeitlich nicht zueinander. Insofern ist schwer zu entscheiden, in welcher Zeit Konrad seine Erzählung situiert. Dass Karl der Große nach dem Tod Herzog Gottfrieds herrscht, ist zwar nicht real vorstellbar, jedoch auf symbolischer Ebene nachvollziehbar, denn der eine gilt als vorbildlicher König und Richter, der andere als der erste christliche Herrscher im Heiligen Land (s.  u. zur Frage, welcher Gottfried gemeint ist). In der Verlagerung des Schauplatzes nach Brabant stimmt Konrad mit Wolfram überein, während die französische chanson de geste die Herzogin von Bouillon und deren Tochter als Protagonistinnen erwähnt. Der Schauplatz von Konrads Geschichte, die Königspfalz Niumâgen (V. 196), entspricht wiederum der französischen Tradition. Dass Nimwegen nach der Erzählung Konrads entgegen der realen Geographie direkt am Meer liegt, ist wohl als eine „Idealität der Konfiguration“ (Weidenkopf 1979, 316) aufzufassen. Indem der deutsche Autor mit dem Sachsenherzog einen auswärtigen Fürsten als Eindringling benennt, zeigt sich die Nähe zur Redaktion AD des Chevalier au Cygne (s.  u. Abschnitt 4). Anders als in dieser ist Konrads Sachsenherzog jedoch ein Bruder Gottfrieds und auf diese Weise mit dem Haus Brabant verwandt. Es ist Karl, der die göttliche Herkunft des Schwanritters zuerst erkennt (V. 318–319) und dessen höhere Legitimation akzeptiert (V.  404–406). Im Vergleich zur Loherangrîn-Episode in Wolframs Parzival und dem bairischen Epos Lohengrin bietet Konrad eine Version, in der das Frageverbot ein factum brutum darstellt, denn der Schwanritter bleibt anonym und

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die Handlung wird nicht geschichtlich konkretisiert (Strohschneider 1997, 131). Der Text weist zudem keinerlei Anklang an den Gralskomplex auf, obgleich dieser sonst in der deutschen Schwanritter-Tradition omnipräsent ist. Den Mittelpunkt der Erzählung bildet ein detailliert geschildertes Gerichtsverfahren, das von König Karl geleitet wird (V. 407–972). Die Konfliktparteien sind die Herzogin und ihre Tochter auf der einen Seite, der Sachsenherzog auf der anderen. Beide Seiten erheben Anspruch auf Brabant. Das Testament des verstorbenen Herzogs setzt die beiden Frauen als seine Erben ein, was im Widerspruch zum lokalen Gewohnheitsrecht steht, das ausschließlich männliche Nachfahren als Erben der Herrschaft privilegiert. Als die Herzogin durch die Fehde und die Ansprüche des Sachsenherzogs in Bedrängnis gerät, rekapituliert sie vor Gericht die Wirksamkeitsbedingungen eines gültigen Testaments: das Vorhandensein von Zeugen, die schriftliche Abfassung des Testaments (V. 458–475, V.  591–597) sowie der freie Wille des Verfassers (V.  598–601, V.  606–613). Karls Urteil beschränkt sich zunächst lediglich darauf, dass der Sachsenherzog die Fehde gegen die Herzogin beenden soll (V. 632–637). Nachdem das von Karl vorgeschlagene Urteil der fürstlichen Schöffen (V. 646–649) vom Sachsenherzog zurückgewiesen wird, akzeptieren der König und die beiden Herzoginnen den von diesem geforderten Zweikampf. Der Streit wird dann ausschließlich im Zweikampf durch physische Gewalt und Gottes Hilfe entschieden, und das Urteil mit der Enthauptung des Sachsenherzogs vollstreckt. Anders als sein französisches Pendant lehnt Konrads Schwanritter das Angebot der Herzogin, sie oder ihre Tochter zu heiraten, zunächst ab, da seine Hilfeleistung eine unentgeltliche sein soll. Erst unter der Bedingung, dass seine Anonymität auch in der Ehe gewahrt wird, willigt er in die Heirat ein. Dass der Schwanritter die Tochter zur Gemahlin nimmt, wird aufgrund der Lücken im überlieferten Text nicht eindeutig erzählt. Jedoch lässt sich dies aus der unmittelbar auf die Lücke folgenden Stelle (V. 1299–1316) erschließen, denn der Schwanritter redet mit der Mutter des Mädchens über die Bedingungen der Heirat und nennt die Person, die das Frageverbot einzuhalten hat, mit dem Pronomen der dritten Person si [sie] (V.  1299), weshalb die Tochter als Gattin gemeint sein muss. Der Aussage des Schwanritters vor dem Gericht, daz er dô wolte ir kemphe sîn [dass er ihr Kämpfer sein wollte] (V. 883), kann man ebenfalls entnehmen, dass er der Tochter zugedacht ist, denn das ir bezieht sich hier auf diu blunde [die Blonde] (V. 876; die Handschrift liest die blůwende [die Blühende], vgl. Habermehl 2015, 6r). Die Mutter stimmt der Heirat der Tochter unter den genannten Konditionen zu, während unklar bleibt, ob die Braut als die eigentlich Betroffene auch selbst gelobt, das Verbot einzuhalten und nicht nach der Herkunft des Schwanritters zu fragen (Textlücke V. 1317–1334). Nachdem das Paar Kinder bekommen hat, bricht die Gattin des Schwanritters das Tabu. Sie stellt jedoch nicht die verbotene Frage, sondern formuliert diese als ein Problem um, das darin besteht, dass die Kinder in ihrem späteren Leben keine Auskunft geben können, wenn sie nach ihrer Abstammung väterlicherseits gefragt werden (V. 1430–1440). Dennoch gilt das Tabu als gebrochen, folgt man der Formulierung des Schwanritters vor der Hochzeit (V.  1299–1313, insbesondere V.  1304–1307), und der Schwanritter zieht davon.



Der Schwanritter 

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Im Gegensatz zum französischen Chevalier au Cygne, wo der Protagonist beim Abschied ein Horn für seine Tochter hinterlässt, oder zu den sonstigen Bearbeitungen des Stoffes in der deutschen Literatur (s.  u. Abschnitt  4), wo er seinen Kindern und seiner Frau ein Schwert, ein Horn und einen Ring zum Abschied übergibt, ist bei Konrad nicht von einer derartigen Gabe die Rede. Der Schwanritter verschwindet also ganz aus der Geschichte, ohne ein Andenken an seine Person zurückzulassen. Auch die Tatsache, dass seine Identität bis zum Ende des Textes nicht erklärt wird, stellt eine Differenz zu den französischen Texten und den anderen deutschen Texten dar. Dies liegt nicht an der Überlieferungssituation, denn alle Textlücken in der Handschrift befinden sich vor der Stelle des Tabubruchs. Zudem besteht entgegen der französischen Tradition keine Blutsverwandtschaft zwischen dem Schwanritter und Herzog Gottfried. Letzterer ist bei Konrad Schwiegervater statt Enkel des Schwanritters (siehe Abschnitt 4). Da der verstorbene Herzog bei Konrad nur als herzogen Gotfride (V. 459) erwähnt und seine Witwe herzogîn von Brâbant (V. 224 und V. 413) genannt wird, ist er nicht unmittelbar mit Gottfried von Bouillon zu identifizieren (anders Brunner 1981, 280). Dennoch handelt es sich um den Kreuzfahrer und König von Jerusalem: daz er Jerusalêm ervaht / und er dâ wart gecrœnet [dass er Jerusalem im Kampf gewann und dort gekrönt wurde] (V. 838–839; vgl. Krüger 1936, 134, der vermutet, Konrad habe die Aussage der Herzogin über ihren Vater, Gottfried den Bärtigen im Chevalier au Cygne – vgl. Nelson 1985, V. 239: Godefrois a le barbe, li viels dus de Bullon [Gottfried der Bärtige, der alte Herzog von Bouillon] – fälschlicherweise auf Gottfried von Bouillon bezogen). Die vom Schwanritter ausgehende genealogische Linie wird in Konrads Text auf die nordwesteuropäischen Herrscherhäuser derer von Geldern, Kleve und Rieneck bezogen. Den Rieneckern werden sechs Verse gewidmet (V. 1606–1611), während die Grafen von Geldern und Kleve zusammen nur in zwei Versen Erwähnung finden (V. 1604–1605). Zum Schluss vergleicht der Erzähler die unerwartete Hilfeleistung des Schwanritters für die Herzoginnen in Brabant mit Gottes Hilfe für Gottfried in Jerusalem und nennt beide Ereignisse ein wunder (V. 1620).

4 Quellen, Stoff- und Gattungsgeschichte In Europa begegnet die Dichtung um den Schwanritter erstmals im späten 12. Jahrhundert, im Kreuzzugszyklus der altfranzösischen chanson de geste (zur Stoffgeschichte vgl. Cramer 1971, 46–68; zur Zyklusbildung vgl. Mickel und Nelson 1977, viii– xxii). Dieser Zyklus enthält je nach Redaktion verschiedene Branchen zur Eroberung Jerusalems durch Gottfried von Bouillon, den ersten christlichen Herrscher im Heiligen Land, und dessen Brüder Eustache und Balduin sowie die Vorgeschichte dieser Kreuzzugshelden. Der vollständige Bestand der Branchen sieht nach der Chronologie der erzählten Ereignisse wie folgt aus: (1) La Naissance du Chevalier au Cygne, (2) Le Chevalier au Cygne, (3) La Fin d’Elias, (4) Les Enfances Godefroi, (5) Retour de Cor­

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numarant, (6) La Chanson d’Antioche, (7) Les Chétifs, (8) La Chanson de Jérusalem, (9) die Jérusalem-Fortsetzungen. Zuerst entstanden sind die Branchen (6), (7) und (8), die von der Belagerung und Eroberung des Heiligen Landes erzählen. Kurze Zeit darauf wurden (2) und (4) gedichtet, in denen der Schwanritter als Gottfrieds Großvater mütterlicherseits angesippt wird. Die Kindheitsgeschichte des Schwanritters (1) entstand wohl Anfang des 13. Jahrhunderts; (3), (5) und (9) wurden ebenfalls später hinzugedichtet. (1), (2) und (3) bilden gemeinsam die vollständige Lebensgeschichte des Schwanritters, in diesem Zyklus Elias oder Helias genannt. Von (1) existieren – nach dem Namen der Mutter des künftigen Schwanritters benannt – drei Versionen: Elioxe, Beatrix und die Mischversion Elioxe-Beatrix. Allen drei Versionen gemeinsam sind die Geburt der sieben Kinder durch die Mutter des Schwanritters, die Aussetzung der Kinder und die Verleumdung der Mutter durch die Großmutter, die Verwandlung der Kinder in Schwäne aufgrund der abgestreiften Halsketten, sowie die Wiedergutmachung und die gescheiterte Rückverwandlung eines der Jungen in Menschengestalt aufgrund der beschädigten oder geschmolzenen Kette. Dieser muss in der Gestalt des Schwans verbleiben und begleitet in Tiergestalt künftig einen seiner Brüder auf zahlreichen Abenteuern. Eine Geschichte mit ähnlichen Schlüsselelementen und leicht abweichenden Einzelheiten wird auch in der siebten Binnenerzählung der mittellateinischen Sammlung Dolopathos sive De rege et septem sapientibus (entstanden um 1190) überliefert. Dass die Schwanritter-Tradition bereits vorgängig ist, zeigt der Verweis darauf am Ende der Binnenerzählung: Hic reformari nequaquam potuit, sed cignus permanens uni suorum adhesit fratrum. Hic est cignus de quo fama in eternum perseuerat quod cathena aurea militem in nauicula traxit armatum [Dieser konnte auf keine Weise verwandelt werden, sondern blieb ein Schwan und folgte einem seiner Brüder. Dieser ist der Schwan, von dem sich für alle Zeit die Sage hält, dass er einen bewaffneten Ritter an einer goldenen Kette im Nachen zog] (Dolopathos, 86). Von Dolopathos gibt es eine Übertragung ins Französische durch Herbert de Paris, die um 1210 vorgenommen wurde. (2) erzählt die Taten des Schwanritters von der Ankunft in Nimwegen bis zur Übertretung des Verbots und dem daraus resultierenden Abschied. Darin hat der Schwanritter nach dem siegreichen Zweikampf noch weitere Schlachten zu bestehen. In (3) wird der Schwanritter mit Frau und Tochter wiedervereint. Wolframs von Eschenbach Parzival, entstanden um 1210, ist das älteste überlieferte Zeugnis des Stoffes in deutscher Sprache. Bei ihm begegnen zum ersten Mal die Anbindung der Schwanritter-Geschichte an den Gralskomplex und der Name Loherangrîn, beides wird von den späteren deutschen Schwanritter-Bearbeitungen mit Ausnahme von Konrad übernommen. Folgt man der frühen Datierung von Konrads Schwanrit­ ter, ist dieser chronologisch der zweite deutsche Text. Der Jüngere Titurel des Albrecht deutet das Schicksal Lohrangrins nach Wolfram an, erzählt jedoch nur dessen Sendung nach Liasperie aus, die sich an seinen Abschied von Brabant anschließt. Das bairische Epos Lohengrin entfaltet die Schwanritter-Geschichte unter Benutzung von chronikalischen Vorlagen zu einem 767 Strophen umfassenden Werk in „Clingsors schwarzem



Der Schwanritter 

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Ton“ (Bezeichnung nach dem Wartburgkrieg aus der Kolmarer Liederhandschrift, Bl. 680r). Die Erzählung von Lohengrin wird hier als Teil des Sängerwettstreits auf der Wartburg inszeniert und Wolfram von Eschenbach in den Mund gelegt. Von Lohengrin abhängig – oder aus einer gemeinsamen Quelle schöpfend – ist die in gleicher Strophenform verfasste Erzählung Lorengel, die die Ankunft des Schwanritters in einem städtischen Milieu ansiedelt. Im Rekurs auf Parzival, Jüngeren Titurel und Lohengrin erzählt Ulrich Füetrers Buch der Abenteuer die vollständigste Geschichte des Schwanritters in der deutschen Literatur. Die deutsche Schwanritter-Tradition übernimmt nur die Funktionselemente der Branche Chevalier au Cygne. Die Schwanenkinder-Geschichte bleibt hier „merkwürdig folgenlos“ (Strohschneider 1997, 131). Daher ist der deutsche Schwanritter stets – wie wörtlich bei Konrad zu lesen – der ritter mit dem swanen (V. 1207). Der Schwan tritt als Begleiter des Ritters auf; jegliche Ambiguität oder Verwandlungsmöglichkeit, die der Formulierung chevalier au cygne innewohnt, wird hier ausgeblendet. Auch von einem friedlichen Ende wie in Fin d’Elias ist in den deutschen Texten nichts zu finden. Allerdings erzählen der Jüngere Titurel und das Buch der Abenteuer von einer zweiten Sendung des Schwanritters, die mit seinem Tod und dem Tod seiner zweiten Gattin endet. Diese Bearbeitungstendenz zeigt, dass man sich um einen anderen Schluss bemüht hat. Das Motiv des Frageverbots wird in der zweiten Ehe entweder funktionslos oder ganz aufgehoben. Die Schwanenkinder-Geschichte, die in der deutschen Lohengrin-Tradition nicht vorkommt, findet sich allerdings als eigenständige Erzählung in deutscher Prosaübersetzung seit dem 14. Jahrhundert wieder (Cramer 1971, 50; Lecouteux 1978, 21–22; Reinhardt 2012, 86). Als Konrads Vorlage wurden in der älteren Forschung französische Quellen (Lampp 1914, 5) einerseits und eine lateinische Übersetzung der chanson de geste (Junk 1922, 63; Baechtold 1892, 119) andererseits vermutet. Ersteres gilt in der neueren Forschung als wahrscheinlicher (Bleck 1987, 17, 50). Eine unmittelbare Vorlage hat man bis heute nicht ausmachen können (Cramer 1971, 124; Kokott 1989, 17). Ferner bleibt unklar, ob Konrad ein schriftlicher Text vorgelegen hat oder ob ihm nur der Stoff bekannt war. Auf Letzteres könnte die Tatsache deuten, dass die Figuren in seiner Version entweder keine Namen oder aber einen anderen Namen tragen als in der französischen Tradition (der König heißt Karl statt Otto) und dass die genealogische Verbindung zwischen Herzog Gottfried und dem Schwanritter eine andere ist als in allen potentiellen Vorlagen. Eine schriftliche Quelle lässt allerdings die Aussage in V.  1616 vermuten, falls diese Stelle nicht rein topisch zu verstehen ist. Auffällig ist, dass Konrads Version dem französischen Chevalier au Cygne wesentlich näher steht als die übrigen deutschen Bearbeitungen des Stoffes, und zwar in den folgenden Punkten: Es werden zwei Frauen bedrängt, der Schwanritter heiratet die Tochter und wird genealogisch nicht an die Gralssippe angebunden. Die silberne Halskette des Schwans, mit dem dieser den Nachen über das Wasser zieht, lässt vermuten, dass Konrad auf eine französische Redaktion zurückgreift, die neben der SchwanritterGeschichte auch die Beatrix-Version der Schwanenkinder-Geschichte überliefert. Im

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 Meihui Yu und Beate Kellner

Dolopathos und in der Elioxe-Version der Naissance ist die Kette nämlich aus Gold. Im Blick auf juristische Aspekte und in der ganzen Beschreibung der Gerichtsszene weist Konrad einen hohen Grad an Selbständigkeit auf (Ritscher 1988/1989, 242–243). Gattungstypologisch erfährt der aus der französischen und lateinischen Tradition übernommene Stoff voneinander abweichende Bearbeitungen in der deutschen Literatur. So verbindet sich der Stoff erstens mit dem Artus- und Gralsroman (Wolfram von Eschenbach), zweitens wird er als höfische Erzählung gefasst (Konrad von Würzburg), drittens werden höfischer Roman, Sangspruchdichtung und Historiographie verbunden (Lohengrin) und viertens geht der Stoff in die Summen des höfischen Romans mit enzyklopädischem Anspruch ein (Albrecht, Ulrich Füetrer). Konrads Schwanritter ist formal gesehen eine Erzählung in Reimpaarversen. Brunner (1985, 290) und Brandt (2009, 19, mit Vorbehalt) ordnen das Werk in die Märendichtung ein (höfisches Märe), ebenso zuletzt Westphal-Wihl (2008, 165). Allerdings äußert Brandt schon früh (1987, 101–102) Bedenken gegenüber einer Klassifizierung des Textes nach den von Fischer (1968/1983) beschriebenen Kriterien und schlägt vor, bei dem schlichten Begriff „Erzählung“ zu bleiben. In der neueren Forschung wird der Text dementsprechend oft ohne klare Gattungsbezeichnung „Erzählung“ genannt (Strohschneider 1997, 132; Spicker 1998, 57).

5 Forschungsgeschichte Ein wichtiges Thema der Forschung zum Schwanritter stellt die Datierung des Werks dar. Zusammen mit dem → Turnier von Nantes und dem → Engelhard gehört der Schwan­ ritter bis heute zu den hinsichtlich der Datierung umstrittensten Werken Konrads. Weder die Gründe für eine Frühdatierung der Erzählung in die zweite Hälfte der 1250er Jahre (Blöte 1898, 47; de Boor 1967, 267; Brunner 1981, 281, 284–285, 298–299; Ruf 1984, 185, 188; Brandt 1987, 78–79; Brandt 2009, 27–30) noch die Argumente für eine Spätdatierung in die 1270er oder 1280er Jahre (Gereke 1913, 517; Krüger 1936, 126; Weidenkopf 1979, 329–337; Bleck 1987, 51–53; Ritscher 1988/1989, 248–249) ließen sich erhärten. Eine umfassende Darstellung und Diskussion der früheren Forschung zur Datierung bietet Brandt (2009, 27–30 sowie 36–44). Deutlich ist die inhaltliche Zusammengehörigkeit von Konrads Texten → Turnier von Nantes, Schwanritter und → Engelhard als Werkgruppe, die insgesamt mit großer Wahrscheinlichkeit als sein Frühwerk angesehen werden darf. Im Sinne einer relativen Chronologie hat bereits die ältere Forschung vermutet, dass die Schwanritter-Erzählung kurz vor dem → Turnier von Nantes geschrieben wurde, da sich eine Wappenbeschreibung, die im Schwanritter fehlerhaft ist, im → Turnier in korrekter Form findet (siehe Schwanritter V. 1052–1055 vs. Turnier V. 404–407, Beschreibung des Wappens des Sachsenherzogs; vgl. Blöte 1898, 46–47; Krüger 1936, 127; Schnütgen 1990, 16; Einwand dagegen bei Bleck 1987, 47).



Der Schwanritter 

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In der Forschung herrscht Konsens darüber, dass der Schwanritter ein Auftragswerk darstellt. Eine Auftraggeberschaft durch die im Text genannten Geschlechter derer von Geldern, Kleve und Rienecker, insbesondere durch die hervorgehobenen Rienecker liegt nahe, lässt sich jedoch nicht beweisen (Brunner 1981, 284–285; Ruf 1984, 185–188; Brandt 1987, 78–79; Kokott 1989, 29; Schnütgen 1990, 16–20; Beckers 1993, 427–430). Ahistorisch mutet die Hypothese van D’Eldens an, die vorgeschlagen hat, nach einer Frau als Auftraggeberin zu suchen, weil die Geschichte in ihren Augen „zweifelsohne einen profeministischen Standpunkt“ widerspiegle (1988/1989, 237–238 Anm. 28). Eine weitere Fragestellung, die das Fach seit seiner Gründung beschäftigt hat, liegt in den Quellen und der Entwicklung des Schwanritter-Stoffes. Die Versuche der quellenund sagengeschichtlich orientierten älteren Forschung, konkrete historische Ereignisse oder eine historische Figur als Vorbild für den Schwanritter auszumachen und dessen Beziehung zu Gottfried von Bouillon zu erschließen (Blöte 1897, 1901; vgl. dazu Weidenkopf 1979, 299, 303–304; Ritscher 1988/1989, 249; vgl. noch Salvini-Plawen 1990; kritisch Strohschneider 1997, 128 Anm.  4) sowie die ursprünglichen Züge der Sage und ihre weitere Genese zu rekonstruieren (von der Hagen 1846; Müller 1856; Blöte 1900; Sprenger 1876; Gereke 1913, 510–519), sind aus heutiger Sicht als spekulativ zurückzuweisen. Auch die Vorstöße, eine unmittelbare Vorlage für Konrads Erzählung festzulegen (Krüger 1936, 121–145), müssen als gescheitert betrachtet werden (Kokott 1989, 17). Möglicherweise lag den deutschen Lohengrin-Versionen eine nicht überlieferte „Verschmelzung einer Branche der Lothringer-Geste mit dem Schwanritterstoff“ zugrunde (Cramer 1971, 128). Cramer (1971, 46–123) bietet einen Überblick über die literarischen Bearbeitungen des Schwanritter- und Schwanenkinder-Stoffes sowie über die chronikalischen Zeugnisse der Adelshäuser, die sich genealogisch auf den Schwanritter bezogen. Erweitert wird diese Untersuchung zur Entstehung und Entwicklung der Sage durch Lecouteux (1978), der auf die ältesten überlieferten Zeugen des Sagenkomplexes eingeht, diese mit der germanischen Sceaf-Sage in Verbindung bringt und die Gestalt des Schwanritters auf einen Gott der Fruchtbarkeit, des Reichtums und des Friedens zurückführt. Kolb vermutet das Grundschema der Schwanritter-Sage in einem „Erlösungsmythos“ (1985, 26). Brandt (1987, 103) macht auf den legendarischen Charakter der Erzählung Konrads aufmerksam. Kokott hebt hervor, dass Konrad die Geschichte „offen“ lässt, statt Gottfried von Bouillon in die Deszendenz des Schwanritters einzureihen. Dadurch entstehe „keine Versicherung künftigen Glücks, schon gar keine Prophezeiung“ (1989, 31). Zuletzt hat es Spicker (1998) unternommen, Konrads Schwanritter unter anderem unter dem Aspekt der Genese des Stoffes darzustellen. Der Überblick zeigt, dass die Geschichte vom Schwanritter in der Forschung wechselweise als Mythos, Sage und Legende aufgefasst worden ist. Möglicherweise liegt ein Mythos von der Verbindung eines irdischen und eines überirdischen Wesens zugrunde (siehe dazu unter Abschnitt 6), der in seinen verschiedenen Ausfaltungen mit Elementen der Sage und der Legende angereichert worden ist. Der Legende sind die christlichen Züge zuzuordnen, insbesondere das Eingreifen und Wunderwirken Gottes. Zur Sage um die Herrschaft in Brabant gehören die genealogischen und juristischen Aspekte.

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Besondere Aufmerksamkeit wurde von der Forschung dem Motiv des Frageverbots geschenkt, dessen Entstehung und Funktion unterschiedlich gedeutet worden sind. Das Motiv ist im Schwanritter-Stoff spätestens seit dem französischen Chevalier au Cygne präsent. Nach Lecouteux (1978, 30–33) dient die Einführung des Frageverbots in die Sagenhandlung dazu, den plötzlichen Abschied des Helden zu motivieren. Wyss (1979) schlägt eine strukturale Mythenanalyse nach Lévi-Strauss vor, die alle vorhandenen Fassungen des Schwanritter-Mythos berücksichtigt. Kolb (1985, 26) deutet das Tabu als eine Verhüllung der „außerirdischen Wesenheit“. Weidenkopf formuliert im Blick auf Konrads Erzählung, „daß der Schwanritter zugleich sich verfügbar macht (indem er die Ehe eingeht) und sich dennoch jenseits der Verfügbarkeit hält (indem er keine Verbindung seiner Person mit menschlichen Verhältnissen zuläßt, die nach den Formen des gesellschaftlichen Seins sein Herkommen umfassen würde)“. (Weidenkopf 1979, 308)

Im Unterschied zu anderen deutschen Schwanritter-Versionen geht Konrads Text ausführlich auf das Gerichtsverfahren ein. Während in der Lohengrin-Tradition ein offensichtliches Unrecht durch den Gottgesandten beseitigt wird, betont Konrad die Konkurrenz zweier Rechtspositionen mit jeweils divergierenden Ansprüchen und Begründungen. Weidenkopf (1979, 319 mit Anm. 69) sieht im Erbanspruch der Witwe Gottfrieds von Brabant eine „Ausnahme“ gegen die „allgemeinen Rechtsquellen“. Van D’Elden (1990, 554) deutet den Sieg der Herzogin als eine Zäsur im Rechtsdenken, ein „new law-making“. Strohschneider betrachtet den Konflikt zwischen dem Sachsenherzog und der Herzogin von Brabant als einen „rechtstypologische[n]“ (1997, 141) und macht deutlich, dass es im Gerichtsteil des Textes um die Konkurrenz verschiedener Rechtsformen geht (144). Im Blick auf den Zweikampf werden in der Forschung drei Aspekte unterschieden: Erstens stellt dieser keine Form der Beweisfindung dar, sondern bedeutet Entscheidung und Vollstreckung zugleich, indem „der Anspruch einer der beiden streitenden Parteien zugleich mit ihrem Dasein verschwinden muß“ (Weidenkopf 1979, 320). Zweitens fällt auf, dass dem Sachsenherzog die Möglichkeit eingeräumt wird, die vom König, der für die beiden Frauen Partei ergreift (V. 744–745), vorgeschlagene Konfliktlösung (V.  764–767; von Westphal-Wihl 2008, 172, als „Genugtuung“/„Unterwerfung“ interpretiert) zurückzuweisen. Demgegenüber akzeptieren der König und die Herzogin die vom Sachsenherzog genannte Entscheidungsform ohne Einwand, obwohl diese für die schwachen Frauen unvorteilhaft erscheint. Weidenkopf (1979, 320 Anm. 71) sieht darin die „den Sachsen eingeräumten Sonderrechte“ (ähnlich Schröder 1867, 148). Drittens wird der Zweikampf von keiner der beiden Parteien explizit als Gottesurteil aufgefasst. Damit wäre der Sieg in diesem Zweikampf ausschließlich von der physischen Stärke der jeweiligen Kontrahenten abhängig. Gott greift nur aufgrund der Teilnahme des Schwanritters am Kampf ein (Brandt 1987, 104; anders Schröder 1867, 148; van D’Elden 1990, 552 und Westphal-Wihl 2008, 172).



Der Schwanritter 

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Die ältere Forschung verglich das Gerichtsverfahren in Konrads Erzählung mit mittelalterlichen Rechtstexten und betonte den Quellenwert der Dichtung für die Rechtsgeschichte (Schröder 1867, 150; Klibansky 1925, 56, letzterer mit Blick auf das bayerische Recht; vgl. Weidenkopf 1979, 318 Anm.  66, zur Frage, warum die beiden Frauen vor Gericht keinen Vormund bekommen). Auf die Abweichungen der rechtlichen Verfahrensweisen der Protagonisten in der literarischen Erzählung vom Sachsenspiegel macht Kokott (1989, 20) aufmerksam und leitet daraus eine „bewußte Fiktionalität“ des Autorwillens ab. Van D’Elden stellt fest, dass „Konrad weniger an der Schwanritterlegende als solcher interessiert war als an den juristischen Implikationen seiner Geschichte“ (1988/1989, 227–228, 236–237; sowie 1990, 550). Ihrer Ansicht nach soll die Erzählung veranschaulichen, wie geschriebenes Recht mündliche Tradition verdrängt und „sogar reine Macht und Gewaltausübung ersetzt“ (1988/1989, 235, 237–238; anders Strohschneider 1997, 151). Schnell untersucht die literarische Darstellung von Gottesurteilen im Mittelalter und weist auf die „latent stets vorhandenen Zweifel“ (1983, 55) am gottesgerichtlichen Zweikampf hin. In Konrads Dichtung sieht er eine ganz von Gott her veranlasste Entscheidung, denn der Ausgang des gerichtlichen Zweikampfes werde „eindeutig als Gottesurteil gesehen“ (60). Konrads Darstellung mache Gottes Wunderwirken in der Geschichte als etwas Ungewöhnliches und Einmaliges deutlich (60). Zuletzt hat Westphal-Wihl (2008) die Bandbreite der Formen von Konfliktlösung am mittelalterlichen Königshof auch mit Blick auf Konrads Schwanritter aufgefächert. Dabei berücksichtigt sie den „Kontrast zwischen physischer Gewalt und sprachlicher Kommunikation als Mittel der Konfliktlösung“ (164) einerseits und das „subtile […] Beziehungssystem von Sprache und Gewalt“ (165) andererseits. Sie arbeitet heraus, dass der Darstellung mittelalterlicher literarischer Texte nach performative Gesten und symbolische Ressourcen oft mehr als Beweisstücke die Parteinahme in Gerichtsverfahren beeinflussen (186). Neben den Rechtsfragen spielt die Problematik von Ursprung und Genealogie seit der älteren Forschung eine zentrale Rolle in Schwanritter-Lektüren. Bereits Krüger (1934, 80–82) beschrieb die verwandtschaftlichen Beziehungen und die Heraldik der am Ende von Konrads Erzählung erwähnten Fürstenhäuser. Eine detaillierte Darstellung der Verknüpfung verschiedener Adelshäuser mit der Schwanritter-Tradition bietet Cramer (1971; Brabant: 74–98, Kleve: 98–122, Rieneck: 123). Weidenkopf versteht die Hinweise auf die Deszendenz im Schwanritter als Konsequenz aus der Tatsache, dass der einzigartige Nachkomme – Gottfried von Bouillon – bei Konrad im Unterschied zur französischen Tradition „vorgeschaltet“ (1979, 328) ist. Brunner (1981, 280) identifiziert Herzog Gottfried mit Gottfried von Bouillon (anders Cramer 1971, 124) und unterstreicht, dass die auf dem Haus Brabant ruhende göttliche Gnade durch die Taten des Schwanritters im Text eine Bestätigung erfährt. Graf (1988/1989, 290) betrachtet das Eingreifen des Schwanritters als „ein wahres Exempel für ein außergewöhnliches Wunder an einer Familie“, das „komplementäre Textfunktionen“ mit dem genealogischen Herkommen aufweise. Entgegen einer solchen positiven Deutung des Geschehens hebt Kokott (1989, 23, 27, 31) die potentielle neue Gefährdung der Herrschaft in Brabant nach dem Scheiden des Schwanritters hervor (ähnlich Weidenkopf 1979, 327).

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Strohschneider zeigt, wie Konrad im Schwanritter an der Konfiguration des Ursprungs einer Genealogie arbeitet (1997, 131–153) und wie diese Problematik mit medien- und rechtsgeschichtlichen Aspekten verknüpft wird (ausführlicher dazu unter Abschnitt  6). Kellner erläutert, dass das beunruhigende Moment am Ursprung des Ursprungs, das in der Schwanenkinder-Geschichte narrativ entfaltet wird, in den deutschen Schwanritter-Traditionen entschärft wird (2004a, 136–154). In den Erzählungen von den Schwanenkindern und dem Schwanritter finden sich Strategien, „die Aporien des Ursprungs narrativ zu bewältigen“ (136) und „genealogische Ordnungen herzuleiten“ (139). Schulz (2008, 45) thematisiert die durch „Auratisierung adeliger Körper“ erzeugten „Präsenz-Effekte“ in Konrads Werken, die die Kontingenz beim visuellen Erkennen im sozialen Feld vermeiden.

6 Interpretationsansätze und neue methodische Zugänge Die methodischen Paradigmen der rezenten und künftigen literaturwissenschaftlichen Forschung zum Schwanritter sind nicht mehr als Quellenheuristik und Quellengenese sowie Einflussforschung zu fassen, sondern stellen vielmehr Medien- und Diskursgeschichte unter Einschluss der Fragen nach den im Text entwickelten genealogischen Denkformen dar. Mittelalterlichem Verständnis nach sind genealogische Herleitungen für die Legitimierung von Adelsgeschlechtern zentral. Der Rang von Dynastien bestimmt sich ganz maßgeblich aus ihrem hohen Alter und der möglichst lückenlosen Kontinuität ihrer Generationenabfolge. Gegenläufig zur Logik der Sukzession in Genealogien, die es erlaubt, in der Geschichte immer wieder um eine Generation zurückzugehen, wird mit dem Ahnherrn oder der Ahnfrau eines Geschlechts eine unhintergehbare Zäsur am Ursprung einer Genealogie gesetzt (Kellner 2004b). Im Rahmen der mittelalterlichen Lohengrin- und Schwanritter-Versionen stellt Konrads Text das zentrale Problem des Ursprungs einer Genealogie in prägnanter Klarheit und Kürze dar. Das Rätsel um die Herkunft des Schwanritters sowie das Frageverbot für seine Ehefrau sind als literarische Chiffrierungen der Aporie des Ursprungs zu verstehen. Konrad radikalisiert diese der Lohengrin-Sage inhärente Konstellation durch die Anonymität und Geschichtslosigkeit des Schwanritters sowie die Tatsache, dass die Herkunft der Figur auch nach dem Tabubruch weder für die Herzogin und ihre Kinder noch für die Leser enthüllt wird, was in anderen Versionen der Sage erfolgt. Der Ursprung wird auf diese Weise als ein Geheimnis dargestellt, von dem zwar erzählt wird, das aber nicht erklärt werden kann (Blumenberg 1990, 143 mit Blick auf den Ursprung: „dann eben wird nicht erklärt und nicht nach Erklärung verlangt. Es wird eben nur erzählt“). Neben dem Ursprung sind auch Generationenübergänge mit den entsprechenden Erbgängen und Erbschwierigkeiten in Genealogien prekär. Auch darauf geht Konrads



Der Schwanritter 

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Text ein, denn die Herzogin, die das Wunder der Ankunft des Schwanritters und seine physische Kraft im Zweikampf bestaunen konnte, sorgt sich in erster Linie für ihre Kinder (V. 1413–1440), weil sie in späterer Zeit ohne Wissen um ihre genealogische Herkunft und ohne die Evidenz der Herausgehobenheit ihres Vaters in Scham zurückbleiben müssten (Strohschneider 1997, 134–135). Damit wird in Konrads Text deutlich, dass Genealogien im mittelalterlichen Denken als Ordnungen des Blutes und des Wissens verstanden wurden. Es reicht nicht aus, dass adlige Kinder im biologischen Sinne Nachkommen ihrer Eltern sind, sie müssen auch das Wissen um ihre Abstammung haben, um ihre Ansprüche auf Rang und Herrschaft sichern zu können und ihren Platz in der Gesellschaft zu behaupten. Strohschneider zeigt, wie die skizzierten genealogischen Konstellationen in Konrads Text mit rechts- und mediengeschichtlichen Aspekten verknüpft sind (1997, 131–153). In den Erbansprüchen des Sachsenherzogs einerseits sowie jenen der Witwe des verstorbenen Herzogs Gottfried und ihrer gemeinsamen Tochter andererseits stehen sich überpersonales, althergebrachtes, mündliches Gewohnheitsrecht und neues, für den Einzelfall individuell geregeltes, schriftlich durch Urkunden (brieve, V.  472) fixiertes Recht gegenüber (Strohschneider 1997, prägnant 147–148). Mit der älteren Rechtsform wird die vom Sachsenherzog propagierte agnatische Erbfolge über den Bruder des Herzogs begründet, mit der neueren die kognatische Erbfolge über die Tochter Gottfrieds. Der Sachsenherzog misstraut dem geschriebenen und gesetzten Recht, er hält es für unzuverlässig und beliebig und sagt: an brieve lieze ich unde züge | vil harte ungerne mîniu reht : | man schrîbet an ein permint sleht | swes man geruochet unde gert, | mit dem sô wære ich ungewert | des guotes und der gülte mîn [Urkunden und Zeugen würde ich keineswegs meine Rechte überlassen. Man schreibt leicht auf ein Pergamentblatt, was man wünscht und begehrt; würde man danach verfahren, so hätte ich keinen Anteil an meinem Besitz und Einkommen] (V. 710–715). An solchen Stellen zeigt sich, wie der Text den Rechtsfall in Kategorien der Medialität reflektiert. Literatur erweist sich hier als Medium der kulturellen Selbstbeobachtung. Insgesamt ergibt sich in Konrads Text eine ganz andere Problemlage als in anderen Schwanritter-Bearbeitungen, denn seine Erzählung geht nicht in einem Täter-Opfer-Verhältnis auf, sondern präsentiert Konkurrenten. Die Konfrontation der Parteien bezieht sich im Blick auf dynastische Legitimation auf einen Sachkonflikt, bezogen auf Rechtstypologie stellt sie einen Normenkonflikt dar. Es ist eine besondere Pointe von Konrads Text, dass der Partei der Herzogin und ihrer Tochter im Zweikampf von Schwanritter und Sachsenherzog durch die Überlegenheit des ersteren und mit Gottes Hilfe Recht verschafft wird. Damit wird „erzählt, wie sich das neue Recht und das neue Rechtsparadigma mit den Mitteln des alten – und mit Hilfe göttlichen Beistands – durchsetzen“ (Strohschneider 1997, 148). In der Ehe der Herzogin mit dem Schwanritter verbindet sich eine menschliche Fürstin mit einem transzendenten Wesen. Der Schwanritter kommt aus einer anderen Welt, seine Ankunft in Brabant ist dementsprechend nur über die Kategorie des Wunders zu fassen (V. 1614; V. 1620). Obgleich unklar bleibt, woher er kommt und wohin er am Ende der Erzählung entschwindet, ist evident, dass er der Sphäre der Transzendenz

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zugeordnet ist (zur Perspektivierung des Erzählten durch einen immanenten Ort vgl. Yu 2021). Ebendiese Bindung des Ahnherrn an den Raum des Überirdischen und Übermenschlichen bringt vom Ursprung her ein besonderes Legitimationspotential für die künftige Schwanrittergenealogie mit sich (zum Geheimnis um den Schwanritter sowie zu Spannung und Paradoxon in dieser Figur als Potential für eine Neubegründung vgl. Wagner 2021). Durch ihre vermeintliche Ansippung an diese sagenhafte, mythische Figur versuchten auch historische Geschlechter im Spätmittelalter davon zu profitieren (vgl. die Überlegungen zu Konfigurationen des Ursprungs bei Kellner 2004b und zur Überschreitung der Grenze zwischen Tier und Mensch bei Kellner 2004a).

7 Impulse für weitere Forschung Ausgehend von den bestehenden Forschungsarbeiten und Interpretationsansätzen wären weiterführende Studien wünschenswert, welche die lateinischen, französischen, deutschen, spanischen und englischen Versionen des Schwanritter- respektive Lohengrin-Stoffes komparatistisch und intertextuell untersuchen. Gezeigt werden sollte dabei, welche verschiedenen Ausprägungen und Perspektivierungen das Verbot-Motiv erfährt, dem eine zentrale Rolle in den Schwanritter-Erzählungen zukommt. Auch die Divergenz der verschiedenen Gattungsmuster, denen die jeweiligen Versionen zuzurechnen sind, wäre stärker als bisher herauszuarbeiten. Darüber hinaus würde sich ein Vergleich mit weiteren Erzählungen, die nach dem Muster der gestörten Mahrtenehe gestaltet sind, anbieten, wie etwa mit den Erzählungen Amor und Psyche, Friedrich von Schwaben, → Partonopier und Meliur oder den Versionen der Melusinen-Sage (zur Einbettung der Schwanritter-Geschichte in das Erzählschema der gestörten Mahrtenehe vgl. Schulz 2008, 385–388; zu → Partonopier und Meliur vgl. Schulz 2000, 82–120, insb. 88–90 und 2008, 409–455; zum genealogischen Erzählen im Minneroman vgl. Schulz 2000, 76–81; zur Verschränkung der finalen mit der kausal-psychologischen Motivierung im Schwan­ ritter vgl. Yu 2021, 169–178; mit einem Vergleich der Realisierung des Mahrtenehe-Schemas jeweils im Schwanritter und in → Partonopier und Meliur, 180–182). Für Analysen, die literarische Texte und Rechtstexte auch hinsichtlich ihrer mediengeschichtlich relevanten Aussagen vergleichend behandeln, wären die Versionen der Schwanritter- bzw. Lohengrin-Geschichte ebenfalls einschlägig und in anderer Weise zu berücksichtigen als in der älteren genetisch angelegten Forschung. Ein weiteres Forschungsfeld stellt die Rezeptionsgeschichte dar. Hier könnte man sowohl die Rezeption des Stoffes in der romantischen Literatur und insbesondere dem Märchen umfassender ausarbeiten (vgl. Brüder Grimm, KHM 49, Die sechs Schwäne; dazu Reinhardt 2012, 495; Brüder Grimm, Deutsche Sagen, Nr.  545, Gerard Svan), als auch weiter auf die musikalische Rezeption in der Romantik mit dem Schwerpunkt auf Richard Wagners Oper Lohengrin eingehen. Der Stoff erfährt bei Wagner eine grundlegende Transformation, denn die mittelalterlichen genealogischen Aspekte spielen



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keine Rolle mehr, stattdessen steht die Frage des Vertrauens und der bedingungslosen Liebe im Zentrum der Oper. Auffällig ist, dass Konrads Text die Inspiration für eine der schönsten Arien der deutschen Romantik liefert, denn es lassen sich beinahe wörtliche Entsprechungen zum Schwanritter in der Arie Lohengrins und im Chor bei Wagner ausmachen (Ukena-Best 2014, 26–27): Vgl. „Nun sei bedankt, mein lieber Schwan!“ (Wagner V. 196–201) mit Schwanritter, V. 380–385; sowie die Chorpartien Lohengrin, V. 193–195 mit Schwanritter, V. 241–244, V. 318–319; und Lohengrin, V. 202–205 mit Schwanritter, V. 287–291, V. 396–399. Was die Rezeption in der bildenden Kunst betrifft, bieten sich Studien zu den Herrscherbildern König Ludwigs II. an, der sich im Wintergarten der Residenz in München als Schwanritter darstellen ließ. Auch auf den Wand- und Dachgemälden und unter den Kunstobjekten in den Schlössern Hohenschwangau, Neuschwanstein und Herrenchiemsee finden sich zahlreiche Darstellungen des Schwan-Motivs.

8 Bibliographie Handschrift Frankfurt a. M., UB, Ms. germ. qu. 2. http://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/msma/urn/ urn:nbn:de:hebis:30:2-14235 (25. September 2021)

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 Meihui Yu und Beate Kellner

Weitere Textausgaben Grimm, Jacob, und Wilhelm Grimm, Kinder- und Haus-Märchen. Berlin: Realschulbuchh., 1812–1815 [KHM]. Grimm, Jacob, und Wilhelm Grimm, Deutsche Sagen. Berlin: Nicolai, 1865, 1866. Johannes de Alta Silva, Dolopathos sive De rege et septem sapientibus. Nach den festländischen Handschriften kritisch hg. Alfons Hilka. Heidelberg: Winter, 1913. The Old French Crusade Cycle. Vol. I: La Naissance du Chevalier au Cygne, Elioxe & Beatrix. Hg. Emanuel J. Mickel und Jan A. Nelson. Tuscaloosa: The University of Alabama Press, 1977. The Old French Crusade Cycle. Vol. II: Le Chevalier au Cygne and La Fin d’Elias. Hg. Jan A. Nelson. Tuscaloosa: The University of Alabama Press, 1985.

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Der Schwanritter 

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Ute von Bloh

14 Engelhard 1 Überlieferung Die schne Historia von Engelhart ist einzig in einem Druck aus dem Jahr 1573 in frühneuhochdeutscher Sprache überliefert. Die handschriftliche Vorlage des wohl um die Mitte des 13.  Jahrhunderts entstandenen Versromans von Konrad von Würzburg ist nicht bekannt, auch ist kein Manuskript aus dem Mittelalter erhalten. Den im Frankfurter Verlagshaus Kilian Han erschienenen Druck hat Gotthold Ephraim Lessing in der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel wiederentdeckt. Im Jahr 1776 wurde er von seinem Freund Johann Joachim Eschenburg erstmals in Teilen veröffentlicht (Leitzmann 1939, 407–408). Sieben Exemplare des Drucks sind erhalten geblieben (Steinhoff 1987, 2–3). Da auch andere Drucke nicht bekannt sind, ist der Engelhard, wie auf dem Titelblatt festgehalten, tatsächlich wohl vormals nie im Druck außgangen [ist zuvor nicht als Druck verlegt worden]. Herausgebracht wurde der Druck in kleinem Octavformat, ausgestattet mit 57 Holzschnitten, von denen 14 mehrfach eingesetzt sind. Sämtliche der insgesamt 43 Holzstöcke haben sekundäre Verwendung gefunden. Um die Kosten für das Buch zu senken, wurden sie allesamt aus älteren Drucken der Offizin übernommen: aus Jörg Wickrams Ritter Galmy, daneben aus der Melusine, dem Fortunatus, dem Octavianus und den Sammlungen Schimpf und Ernst sowie aus Von den sieben weisen Meistern (Steinhoff 1987, 5–7).

2 Ausgaben Der Bearbeiter des Drucks hat die im Mittelalter bevorzugte Versform zwar beibehalten, doch ist ungewiss, wie viele „Überlieferungsstationen“ (Steinhoff 1987, 4) zwischen Konrads Fassung und dem Frankfurter Druck anzusetzen sind und inwieweit der Bearbeiter in die handschriftliche Vorlage eingegriffen hat. Manches war ihm im 16. Jahrhundert wohl nicht mehr verständlich, so dass es zu Irrtümern bei der Übertragung gekommen ist, welche die Vorlage mitunter bis zur Unkenntlichkeit entstellt haben. Möglich ist aber auch, dass die Vorlage ohne großen Sachverstand recht schematisch umgesetzt wurde (Haupt 1978; Reiffenstein 1982). Hinzu kommen spätere, nicht zuletzt auch interpretierende Eingriffe in die rekonstruierte mittelhochdeutsche Textausgabe, denn die frühneuhochdeutsche Druckfassung wurde – zuerst im 19. Jahrhundert (Haupt 1844/1978) und orientiert an der Sprache Konrads von Würzburg  – ins Mittelhochdeutsche zurückübersetzt und in der Folge immer wieder ‚verbessert‘ (Reiffenstein 1982, VI–XII). So konnte der Engelhard auch im akademischen Unterricht Verwendung finden, doch greifen neuere Untersuchungen https://doi.org/10.1515/9783110373561-014

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(von Bloh 1998, 2005, 2011; Oetjens 2016) unterdessen wegen der späten Überlieferung auf den von Steinhoff 1987 herausgegebenen Nachdruck der Frankfurter Ausgabe als Basis für die Analysen zurück. Im vorliegenden Artikel wird ebenfalls nach dem Druck, unter Hinzufügung der Versangaben in der nach wie vor maßgeblichen Ausgabe von Reiffenstein (1982), zitiert. Rezipiert wurde der Engelhard im 16. Jahrhundert vor dem Hintergrund eines neuen Interesses an Freundschaftsgeschichten (von Bloh 1998).

3 Autorschaft und Inhalt Als Verfasser des Engelhard ist zweifellos Konrad von Würzburg anzusehen, denn er nennt sich nicht nur in der Vorrede (Druck A8v / V. 208: Von Wirtzburg ich Cunrat, und R4r / V. 6492), sondern auch im Epilog als verantwortlich für die Erzählung, die er von Latine / Zu Reimen also gerichtet [aus dem Lateinischen in Reime gebracht] (Druck A8v / V. 212–213 und R4r / V. 6493) habe. Schwierigkeiten bereitet in diesem Fall die entstehungsgeschichtliche Einordnung des Engelhard, nicht zuletzt deswegen, weil – anders als in einer ganzen Reihe seiner Dichtungen – kein Auftraggeber genannt ist. Auch Anhaltspunkte für eine räumliche Situierung fehlen, so dass alle bisherigen Versuche (Brunner 1981; Flood 1988/1989; Schmitz 1988/1989) folgenlos geblieben sind. Konrad schreibt die exklusive Minnegeschichte im Tristanroman Gottfrieds von Straßburg um in eine außerordentliche Freundschaftsgeschichte unter Männern. Bezugnahmen auf den Tristanroman (Engeltrud wird H8v / V. 2991 mit Isolde verglichen) und Anklänge an einzelne Schlüsselszenen (z.  B. Baumgartenszene, das keusche Beilager, Gottesurteil) ordnen sich dem zu (Behr 1988/1989; Jackson 1993). Und ebenso wie im Tristanroman ist auch der erste Teil des Prologs im Engelhard strophisch, der zweite Teil stichisch, wobei Konrad nun nicht das guot, sondern die treuwe in all ihren Facetten verhandelt, dies aber in Form einer Zeitklage, in der – anders als bei Gottfried – von nur begrenzten „Wirkungsmöglichkeiten der Kunst“ ausgegangen wird (Haug 1985, 353; ähnlich Virchow 2007, 291). Zu den Besonderheiten der Freundschaftsgeschichte von Konrad gehört, dass die beiden Männer äußerlich wie auch in ihrem Habitus ununterscheidbar sind, auch, dass sich ihre Freundschaft durch wechselseitige Treuebeweise konstituiert. Entsprechend überstrahlt nicht der Konnex von Liebe und Leid wie in den Tristanromanen das Erzählen und das Erzählte, sondern an diese Stelle rückt im Engelhard die treuwe, die zumindest im Prolog als Garant eines vorbildlichen Lebens entworfen ist und sogar Leid und Sorgen zum Verschwinden bringen kann (Druck A5v–6r / V. 52–56). Konfrontiert ist die in treuwe verbundene Männerfreundschaft einer höfischen Minneerzählung, die allerdings quantitativ wie auch qualitativ hinter der homosozialen Bindung zurückbleibt. Im Engelhard geht es nicht wie im Tristanroman um eine gesellschaftlich unmögliche und zugleich vollkommene Liebe zwischen Mann und Frau, sondern hier rückt eine – allerdings ähnlich ambivalente, weil zugleich gesellschaftsfeindliche und vorbildliche – Freundschaft unter Männern in den Fokus: Gegenseitige



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Treueproben erweisen sich z.  T. zwar als gottgefällig, laufen aber zugleich den ethischen Prinzipien und genealogischen Interessen des mittelalterlichen Feudalverbandes in hohem Maße zuwider. Zu den textmodellierenden Treueproben gehören die Abtretung der Frau an den Freund und das keusche Beilager, außerdem der bedingungslose Einsatz für den Freund im Kampf sowie die Heilung des todkranken Freundes durch das Blut unschuldiger Kinder, hier der Kinder Engelhards. Dabei ist die Bewährung als Freund – der Liebesbeziehung im Tristanroman ebenfalls nicht unähnlich – nur mithilfe von Täuschung, Lüge und Betrug möglich. Um einen „gedankliche[n] Gegenentwurf“ (Behr 1988/1989, 325) zum Tristanroman handelt es sich gleichwohl nicht, denn was vorliegt, ist eher die Verwandlung in eine neue Geschichte. Nach Brandt (2009) bestätigt sich, was sich für Konrads Dichtungen insgesamt konstatieren lässt: „Traditionsgebundenheit, ein Bemühen um das Übertrumpfen von Vorbildern und dezidierte Eigenständigkeit im Fortführen des Überlieferten“ (133).

4 Quellen und Gattungskontext Der Engelhard steht in der Tradition eines in Legende und Roman im gesamten europäischen Raum weit verbreiteten Treueexempels (Oettli 1976; Winst 2009; Theßeling und Standke 2014; Oetjens 2016), das von einem Paar von Freunden erzählt, für die Gleichartigkeit konstitutiv ist. Basis bildet die Geschichte von Amicus und Amelius, in der ein Freund ein bedenkliches Verhältnis mit einer Frau eingeht. Um diesen Freund vor der Niederlage in einem Gottesurteil zu retten, vertritt ihn der andere Freund unerkannt im Kampf. Der wird dann im weiteren Verlauf vom Aussatz befallen, kann aber mit dem Blut der Kinder seines Freundes wieder geheilt werden. Diese Erzählelemente sind im Engelhard in einen höfischen Kontext eingebettet, wobei die Nähe zur Legendentradition noch zu erkennen ist. Dazu gehört etwa das Eingreifen Gottes durch die Engelsbotschaft, die Dietrich über die Möglichkeit seiner Aussatzheilung informiert, vor allem aber gehören dazu all die wunder, die Gott wirkt (auch die im Druck B6v / V. 490–491 als wunder bezeichnete, gottgegebene Gleichartigkeit der Freunde; Dietrich wird vom Aussatz geheilt; die Kinder werden wieder zum Leben erweckt; Glocken läuten selbsttätig). Dietrichs Aussatz wird zudem mit dem Leiden Hiobs verglichen (Druck Q4r / V. 6087), und christlichen Märtyrern nicht unähnlich, garantiert der Opfertod den Kindern einen Platz im Himmel: Mit jrem Blute sie genehrn  / Sich selber vor der Helle [sie erretten sich selbst mit ihrem Blut vor der Hölle] (Druck Q5v  / V.  6152–6153). Dass Konrad die Geschichte von Jehan et Blonde des Philippes de Beaumanoir als „Baustein“ für den Engelhard genutzt haben könnte (Feistner 1988/1989, 336), um eine Geschichte über die treuwe zu erzählen, ist demgegenüber in der Forschung in den Hintergrund gerückt. Doch ist das Interesse an Fragen der Intertextualität ungebrochen. Ihr spürt Kraß in einer neueren Arbeit nach (2021), wenn er nicht nur ein weiteres Mal auf die bekannten

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Motive aus dem Tristanroman Gottfrieds hinweist, sondern darüber hinaus Referenzen auf den Minnesang und die Sangspruchdichtung wahrscheinlich macht. Der zweigeteilte Prolog bedient sich demnach in formaler (Kanzonenform des Minnesang; Langzeilen der Sangspruchdichtung) wie auch in inhaltlicher Hinsicht (Frau Treue als Minnedame, moralische Schönheits- und Kleidermetaphorik; sangspruchtypische Heischegeste). Geprägt ist der Prolog insofern von einer „transgenerischen Intertextualität“, einem interpretierenden Erzählen, das „den höfischen Kanon ebenso souverän wie produktiv weiterdenkt und weiterschreibt“ (Kraß 2021, 273).

5 Forschungsgeschichte Am Anfang der Forschungsgeschichte zum Engelhard standen quellengeschichtliche Fragen mit Blick auf die Amicus und Amelius-Überlieferung (u.  a. Leach 1937; Oettli 1976), daneben Auseinandersetzungen mit der Sprache (etwa Gereke 1911 und 1912; Kleinbruckner 1915; Leitzmann 1939) sowie der Chronologie der Werke Konrads (de Boor 1967; Brunner 1981). Als wirkungsmächtig hat sich die Einteilung der Amicus und Amelius-Tradition durch Leach (1937) in einen romanhaften und einen hagiographischen Überlieferungszweig erwiesen, wobei für den Engelhard – ausgehend von den anglonormannischen Fassungen – eine Nähe zur Handschrift in Lille, BMun, Ms 130, konstatiert wurde (Oettli 1976). Anders als noch bei Leach (1937) wird diese Handschrift heute allerdings nicht mehr der hagiographischen, sondern der romanhaften Gruppe zugerechnet (Oettli 1976; Winst 2009). Ob für den Engelhard der in manchen Dichtungen Konrads beobachtete hochrhetorische geblümte Stil und/oder ob die Präsenzeffekte des schönen Scheins (Monecke 1968; Müller 2006; Haustein 2011) geltend gemacht werden können, lässt sich wegen der einzig erhaltenen Übertragung ins Frühneuhochdeutsche allenfalls erahnen. Zusätzlich waren die Rückübersetzungen etwa Haupts (1890/1978) oder Gerekes (1912) bestrebt, eine Angleichung an die stilistischen Vorlieben Konrads vorzunehmen, was Aussagen zur Sprache Konrads nahezu unmöglich macht. Überlegungen zur Gattung und Struktur des Engelhard nahmen ebenfalls breiten Raum ein (Könneker 1968; Monecke 1968; Göttert 1971; Oettli 1986b), u.  a. konzentriert auf die Suche nach einer angemessenen Gattungsbezeichnung, wobei insbesondere die Integration der Minnegeschichte als problematisch erachtet wurde (Könneker 1968). Die Bezeichnung als ‚Roman‘ oder ‚Verserzählung‘ schien wegen der „unorganischen Handlungsverknüpfung“ (Könneker 1968, 247) und der „planlosen Figurenkonstellation“ (u.  a. Könneker 1968, 251) nicht passend, aber auch Hybridbildungen wie ‚Legendenroman‘ wollten nicht überzeugen (Sengle 1950). Die Entscheidung der Forschung ist inzwischen zugunsten des Romanbegriffs ausgegangen, der ja traditionell Überschneidungen mit Legenden und anderen Gattungen zulässt (von einem ‚kleinen legendenhaften Roman‘ spricht etwa Virchow 2007). Schon bald aber wurde in der Folge – nun weniger



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wertend – auch nach den Gliederungsverhältnissen mit Blick auf die Freundschaftsproben (Oettli 1986b) oder nach der Funktion der Minnegeschichte für das Erzählte gefragt (Göttert 1971; Kesting 1970). Von Anfang an hat dabei auch der Entwurf von treuwe im Roman Beachtung gefunden (Haupt-Kopp 1973; Göttert 1971; Herzmann 1980; Oettli 1986a und 1986b u.  a.), was zum einen damit zusammenhängt, dass die im Prolog in all ihren Spielarten hoch geschätzte treuwe das Handlungsgeschehen tatsächlich nur ansatzweise, und zwar zuallererst im Sinne der Freundestreue, daneben als treuwe der geliebten Frau gegenüber bestimmt. Das hat dem Protagonisten Engelhard den Vorwurf eingebracht, er sei allein auf sein „privates Wohl“ (Herzmann 1980, 397; ähnlich Seitz 1982, 152) bedacht, weswegen der Entwurf von treuwe im Engelhard „als Ausdruck eines neuen, bürgerlichen Individualismus und Pragmatismus“ (Herzmann 1980, 400; ähnlich Seitz 1982, 147–148) oder auch als „Anti-‚Tristan‘ bürgerlicher Machart in höfischem Gewand“ (Herzmann 1980, 402) interpretiert wurde. Zum anderen hat gestört, dass die treuwe-Verpflichtung gegenüber dem Dienstherrn Fruote durch den vorehelichen Beischlaf mit der Königstochter Engeltrud ebenso preisgegeben wird wie die gegenüber Gott, wenn Dietrich – aufgrund seiner Ähnlichkeit mit Engelhard – unerkannt im Gerichtskampf für den Freund antritt, damit die Wahrheit des vorehelichen Beischlafs nicht ans Licht kommt. Aus diesem Grund hat man für den Engelhard recht bald zwei unterschiedliche ‚Wahrheiten‘ (Kesting 1970) oder auch treuwe-Vorstellungen postuliert (Kokott 1989; zuletzt noch Koch 1999), die anfangs als Ausdruck eines neuen ‚bürgerlich-individualistischen‘ Bewusstseins interpretiert wurden (Herzmann 1980, 400). Dem wollte allerdings mit Recht schon Behr (1988/1989), u.  a. wegen der unübersehbar adlig-höfischen Überformung der Legendentradition, nicht mehr folgen. Und auch die These von einer individuell-privaten treuweBeziehung im Engelhard (Herzmann 1980, 406) lässt sich vor dem Hintergrund der zwar auf persönlichen (aber keineswegs privaten) Bindungen beruhenden, zudem reziprok gedachten Feudalordnung nicht aufrechterhalten  – auch wenn sich konkurrierende Verpflichtungen aus den ‚Leitsemantiken‘ von treuwe und ere zu ergeben scheinen (Theßeling und Standke 2014). Dem überwiegenden Teil der frühen Forschungsbeiträge gelten zumal die gegenseitigen Prüfungen auf die treuwe hin als kompositorische Klammer des Romans. Es ist die treuwe, die „über den valsch (Ritschiers) triumphieren kann“ (Göttert 1971, 161) und „über jede Schuld erhaben ist“ (162). In diesem Zusammenhang wurde vor allem das – wohl ebenfalls an Gottfrieds Tristanroman angelehnte – manipulierte Gottesurteil kontrovers diskutiert, nicht zuletzt auch deswegen, weil sich der Erzähler weitgehend einer Wertung des Geschehens enthält. Auch das trifft sich mit dem Gottesurteil im Tristanroman, doch bietet der Erzähler dort im Anschluss an Isoldes Eisenprobe einen – wenn auch nicht leicht einzuschätzenden – Kommentar an. Wie schon Brandt (2009, 136) festgehalten hat, lösen sich die interpretatorischen Schwierigkeiten mit dem Betrug im Gottesgericht weder dadurch, dass der Quelle die „moralische Anfechtbarkeit“ angelastet wird, noch dadurch, dass unterstellt wird, Konrad selbst habe kein Problem damit gesehen. Die Betrugshandlung wurde zwar aus der Legendentradition übernommen,

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verstößt aber hier wie dort gegen gesellschaftliche und rechtlich-religiöse Wertmaßstäbe. Gott hat dabei in einem solchen Gerichtskampf stets die rechte[] Warheit (Druck L5r / V. 4042) zu offenbaren, weswegen Kesting von zwei Wahrheitsbegriffen ausgeht, einer faktischen, formaljuristischen Wahrheit, die der grundlos missgünstige Höfling Ritschier vertrete, und einer ‚höheren‘, moralisch wertvolleren Wahrheit, die der gottgefällige Engelhard für sich in Anspruch nehmen dürfe (Kesting 1970, 251), weil „eine höfische êre“ (254) im Engelhard nicht mehr existiere. Auch Schnell (1984, 29) unterscheidet zwischen „moralische[r] Verderbtheit“ und „moralische[r] Vorbildlichkeit“, die hier ausgehandelt werden, wobei er die von Ritschier geforderte rechte[] Warheit (Druck L5r / V. 4042) nun als Rechtsbegriff im Sinne „einer vollen Offenbarung des rechtlichen Tatbestandes“ (Schnell 1984, 34) interpretiert. Er argumentiert aus rechtshistorischer Perspektive, innerhalb derer plausibel gemacht werden kann, dass Engelhard den Begriff der Wahrheit in der Gegenrede vor seinem Dienstherrn Fruote vermeidet und lediglich alle Anklagepunkte leugnet, was wiederum im mittelalterlichen Prozessrecht vorgegeben ist. Einer ‚höheren Wahrheit‘ bedarf Engelhard demnach nicht. Doch wird der Engelhard zu sehr mit der Rechtswirklichkeit verrechnet, wenn der Vereidigung, die in den Amicus und Amelius-Fassungen dem Gerichtskampf überwiegend vorangeht und die im Engelhard übergangen wird, eine derart große Bedeutung beigemessen wird. Schließlich handelt es sich hier um Literatur, die zwar die historische Wirklichkeit kommentiert, sie aber doch im erzählerischen Interesse auch gegen die herrschenden Konventionen verhandeln kann. Die Entscheidung, auf den Eid zu verzichten, sei nach Schnell zudem „auf halbem Wege stehengeblieben“ (1984, 55), denn den Schwur hole Ritschier während des Gerichtskampfes nach. Doch ist es eher fraglich, ob es sich tatsächlich um einen – zudem ja nur halbherzigen – Eid handelt, wenn Ritschier seine rechte Hand mit dem Schwert zum Schlag erhebt. Ritschier sagt zwar, dass diese Hand beweisen werde, dass Engeldrut euwer Weib (N5r / V. 4914) ist, aber derartige Reizreden gehören zu jedem Kampf und abgeschlagen wird ihm dann nicht die rechte „Schwurhand“ (Schnell 1984, 56), sondern seine Linke, woraufhin der Kampf sogleich abgebrochen wird: Erzählstrategisch kann es schließlich keinen toten Verlierer geben, denn Ritschier ist dem Gesetz nach im Recht. Zuzustimmen ist Schnell aber dahingehend, dass sich der Akzent – wenn auch nicht unbedingt vom Eid „als Maßstab für die Wahrheitsfindung“ (Schnell 1984, 52), sondern möglicherweise in Reaktion auf das Gottesurteil Isoldes – auf den Kampf selbst verlagert, wobei die Entscheidung „auf der Ebene der ethischen Werte“ fällt (53). Damit wird zugleich das „Befremden darüber, daß Gott sich durch einen manipulierten Eid ausspielen läßt“ (53), zurückgedrängt. Dieser Interpretation folgt dann später noch Karner (2010), die sich mit der „poetischen Unterlaufung von Gottesurteilen“ (so der Titel der Arbeit), u.  a. im Engelhard, befasst. Im Zusammenhang mit der Täuschung im Gottesgerichtskampf wird auch die Aussatzerkrankung Dietrichs diskutiert. Einen Motivvergleich hat hier Kaiser (1964) vorgelegt, der das Aussatzthema in verschiedenen Dichtungen (Armer Heinrich, Tristrant, Parzival, Daniel von dem blühenden Tal, Frauendienst, Silvester) analysiert, um die



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„Eigenart der Dichter zu erkennen“ (Kaiser 1964, II). Dabei wertet er den „formalistisch objektivierte[n]“ (119) treuwe-Entwurf Konrads gegenüber dem inhaltlich verwandten Armen Heinrich von Hartmann von Aue zwar als „künstlerisch unterlegen“ (119) ab, würdigt Konrads ‚realistische Darstellung‘ und insbesondere seine „realistische[] Sprache“ (120) aber – wie andere vor ihm auch (etwa Gräff 1946; de Boor 1967) – durchaus positiv.

6 Interpretationsansätze und neue methodische Zugänge Neuere Forschungen knüpfen an manche dieser Vorarbeiten an, allerdings vielfach unter anderen Fragen. So hat sich Oswald ebenfalls mit dem Thema des Aussatzes im Engelhard befasst, nun aber, um den Exklusionsmechanismen durch ansteckende Krankheiten Stigmatisierter in einer Gesellschaft nachzugehen, die im Fall des Aussatzes keine Möglichkeit einer Integration kennt. Dabei erzählt der Engelhard nicht (eindeutig) vom Aussatz als Strafe für sündhaftes Verhalten, sondern die Aufmerksamkeit richte sich in diesem Fall auf den Körper Dietrichs. Mit Blick auf die Räume, die genutzt werden, „um Ordnungen und Bewegungen gesunder und kranker Körper zu beschreiben“ (Oswald 2008, 29), diskutiert Oswald „den Zusammenhang von Gewalt und Heil, von Dietrichs Heilungs- und Engelhards Heilsbedürfnis.“ (43). Dass Engelhard „sich nicht anstecken [kann], weil Dietrich dessen Sünde trägt“ (43), ist allerdings wohl eher dem Interesse an einer Harmonisierung der Ambivalenzen des Romans zuzurechnen. Das, was in der historischen Wirklichkeit praktisch ausgeschlossen ist, muss schließlich nicht zwingend auch die literarischen Entwürfe anleiten. Unter wieder anderen Prämissen hat sich Ullrich (2015) mit den Anspielungen auf Hiob befasst, in dessen Nachfolge Dietrich sich versteht (Druck Q4r / V. 6087), wenn er nach der Aussatzerkrankung von seinen Verwandten und Verbündeten verlassen wird (Druck O3v–O4r / V. 5194–5283). Dass es nicht Abraham ist, der mit Engelhards Entschluss der Kindstötung in Verbindung gebracht wird, begründet Ullrich mit der „Popularität von Hiobs Verhaltensmuster sowie [der] überwiegend negative[n] Bewertung Abrahams“ (Ullrich 2015, 166) in der mittelalterlichen Literatur, doch handelt Engelhard zuallererst in treuwe dem Freund, nicht Gott gegenüber. Koch (1999) hat sich noch einmal mit dem Thema der treuwe befasst, wobei er nun eine vertikale und eine horizontale treuwe unterscheidet, um auf ein „rechtlich-verpflichtendes (vertikales) und [ein] innerlich-motiviertes (horizontales) Verhalten“ (Koch 1999, 201) aufmerksam zu machen. Damit einher geht die These, dass die horizontale treuwe eher aufgewertet werde, die vertikale demgegenüber abgewertet (Koch 1999, 202), so, wenn Engelhard alle Anschuldigungen Ritschiers vor dem König leugnet und damit seine vertikale treuwe bricht, die Ritschier auf seiner Seite hat. Das trifft sich mit den älteren Überlegungen zu den zwei Wahrheiten (Kesting 1970) oder den beiden

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unterschiedlichen moralischen Qualifikationen (Schnell 1984), doch schlägt Koch ergänzend vor, die Handlung eher noch von der rechten intentio (Koch 1999, 211), der rechten „inneren Motivation“ (214) her zu beurteilen, die Engelhard und Dietrich vor dem grundlos missgünstigen Ritschier auszeichnet. Vor dem Hintergrund der ethischen Werte siege dann im gerichtlichen Zweikampf entsprechend die ‚horizontale‘ treuwe Dietrichs über die Falschheit Ritschiers (212–213). Zu fragen bleibt auch hier, ob die Schwarz-Weiß-Zeichnung der Treueverhältnisse und der Moral die unübersehbaren Widersprüche des Romans wirklich aufzulösen vermag. Im literarischen Raum können Freundschaft und Liebe auch auf ihre Möglichkeiten und ihre Belastbarkeit hin ausgelotet werden, ohne dafür eine eindeutige Antwort bereitzuhalten. Die Interpretation, dass eine „explizite Lobpreisung der horizontalen triuwe“ deswegen ausbleibe, „da seinen [i.  e. Konrads] Mäzenen, nämlich den Grafen von Kleve, als eher konservativen Kräften an der Aufrechterhaltung der Ständeschranken und Feudalbeziehungen gelegen haben wird“ (217–218), greift auf jeden Fall zu kurz. Der Vertrauensbildung, u.  a. im Zusammenhang mit der heimlichen Stellvertretung, geht Witthöft (2005) nach. Ein Test der Vertrauenswürdigkeit mithilfe eines Apfels steht am Anfang der vertrauensbildenden Maßnahmen unter den beiden Freunden. Für die Inszenierung der „Bereitschaft zum Opfer und zur Selbstaufgabe“ (397) könnte nach Witthöft als Vorlage insbesondere Lukians ‚Hohelied der Freundschaft‘ […] gedient haben, denn dort liest man, daß die beste Art von Freundschaft nur unter denjenigen zu finden sei, ‚die für ihre Freunde Mordtaten verübten, Kriege geführt und sogar ihr Leben hingegeben haben‘. Die größten Freundschaften sind die, die auf Selbstaufgabe hinauslaufen, die nicht nur etwas für den Freund tun, sondern auch an seiner statt. (Witthöft 2005, 397–398)

Lukian wird zum Gewährsmann für den Freundschaftsentwurf, in dem die Substitution im Kampf als Vertrauensbeweis fungiert, legitimiert durch die „absolute[] Selbstaufgabe“ (Witthöft 2005, 398) des Freundes, denn – hier Koch folgend – die Intention sei gut (Witthöft 2005, 399). Eine weitere Probe bildet der Beischlaf mit dem Schwert, dem „im nachhinein vertrauenschaffende[n] Symbol“ (402). Letztlich analysiert Witthöft die in der Forschung hinlänglich traktierte Handlung, in der sich die treuwe bewährt. Die ‚Vertrauensproben‘ im Engelhard, „in denen die Gesellschaft als eine Misstrauensgesellschaft gezeigt wird“ (408), könnten mithin mühelos durch ‚Treueproben‘ ersetzt werden, auch wenn es sich um zwei unterschiedliche Ebenen handelt: So transportiert die treuwe aufgrund der gegenseitigen Eide quasi einen Rechtsanspruch, während das Vertrauen nur missbraucht, nicht aber gebrochen werden kann wie die Treue (dazu 391 Anm. 17); und erzählt wird das Vertrauensverhältnis unter Freunden als ein unverbrüchliches treuwe-Verhältnis, das zudem frei von jedem Misstrauen ist. Interesse findet nach wie vor auch das Erzählen im Engelhard, ebenso die Frage der Gattungszugehörigkeit. So widmet sich Laufer dem erniuwen „als poetologische Programmvokabel mittelalterlicher Retextualisierungspraxis“ (Laufer 2015, 157), macht es sich Konrad doch zur Aufgabe, den im Prolog verhandelten Zustand der treuwe durch



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sein Erzählen zu restaurieren. Insbesondere das Wiedererzählen, das erneuwen eines ware[n] mære (Druck A7v / V. 154) über eine vorbildliche Treue soll der „Gesellschaft als Vorbild dienen“ (Laufer 2015, 165). Dabei sprechen „Vokabeln wie blüemen, schîn und glast […] sowohl den ethischen Wert der triuwe als auch den ästhetischen Anspruch des literarischen Erneuerungsvorgangs an[]“ (167). Das im Prolog als schäbig beschriebene Kleid der treuwe soll auch poetisch wieder zum Glänzen gebracht werden. Wegen des programmatischen Prologs hatte Könneker (1968) den Engelhard schon früh in die Nähe der „Exempel- und Bispelliteratur“ (255) gerückt, was Speckenbach (2005) – ohne Bezugnahme auf Könneker – noch einmal aufgegriffen hat. Die Gattungsmischung im Engelhard führe, ähnlich wie in Der guote Gêrhart des Rudolf von Ems, zum „Novum des ‚Exempelromans‘“ (Speckenbach 2005, 309). Einen vergleichenden Blick auf den Guoten Gêrhart von Rudolf von Ems hatte schon Herzmann geworfen, handelt es sich doch ebenfalls um einen späthöfischen Text, in dem ein Held „aus niedrigen Verhältnissen kommend dank gewisser Eigenschaften […] zu höchstem Ansehen aufsteigt“ (Herzmann 1980, 398). Speckenbach rückt demgegenüber die Belehrung ins Zentrum des Vergleichs, die dem höfischen Publikum erteilt werden soll. Konrad erzähle ein Exempel von der treuwe, beide Dichtungen haben die Minnethematik ausführlich entfaltet, beide „beschreiben die Gewalt der beginnenden Liebe vor allem in Anlehnung an Gottfried“ (Speckenbach 2005, 327) und beide würden „auf diese Weise die Großform des Exempelromans“ (325) schaffen. Dass sich dabei das Strukturmuster des Doppelweges zu erkennen gäbe, wie Rohr es 1999 im Engelhard ausmachte, hält er zu Recht für zweifelhaft. Den beiden Handlungssequenzen Engelhards, die von der Zeit in Dänemark und Brabant erzählen, unterbrochen durch die von Ritschier ausgelöste Krise, folgt schließlich noch eine dritte Sequenz, die Engelhard in die Normandie führt. Und in eine weitere ‚Krise‘ gerät Dietrich durch die Aussatzerkrankung, nicht also Engelhard. Seit den 1990er Jahren hat der Engelhard das Interesse der Forschung vermehrt unter einer kulturgeschichtlichen Perspektive gefunden. Das Freundschaftsbündnis zwischen Engelhard und Dietrich ist zwar auch in der älteren Forschung immer wieder einmal in den Blick geraten, doch setzt sich neuerdings eine beträchtliche Anzahl an Forschungsbeiträgen mit der exzeptionellen Freundschaft explizit auseinander. Winst hat in diesem Zusammenhang noch einmal die Amicus und Amelius-Überlieferung untersucht, die den Freundschaftsentwurf mit dem Engelhard verbindet. Auf eine kritische Überprüfung der älteren Forschungsbeiträge zur Überlieferung des Stoffes wird in der Arbeit allerdings ausdrücklich verzichtet, weswegen an die üblichen Kategorisierungen eines romanhaften und eines hagiographischen Traditionsstranges angeknüpft wird, innerhalb derer Winst – wie auch schon Oettli – allerdings Grenzfälle ausmacht (Oettli 1976, 23–25). Was hier ins Zentrum gerückt wird, sind  – in diskursanalytischer und genderspezifischer Perspektive – Liebe und Gewalt, die sich in einer identitätsstiftenden ‚Kriegerfreundschaft‘ miteinander verbinden (Winst 2009, 4), verstanden als „spezifisches Muster zur Konstitution mittelalterlicher Männlichkeit“ (4). Als Basis für die Klassifikation der analysierten volkssprachlichen Texte dienen Kategorien, die – unter Ausblendung des monastischen Kontextes – überwiegend dem theologischen Traktat

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De spirituali amicitia des Aelred von Rievaulx entlehnt sind (die – außer im Engelhard – zumeist fehlende erste Phase der electio ersetzt Winst dabei durch die admissio). In Absetzung von der ‚Kriegerfreundschaft‘ behandelt Winst außerdem Beziehungstypen wie Verwandtschaft und Gefolgschaft, um in einem weiteren Schritt, „[m]ännliche Gewaltausübung und die Bedrohung idealer Homosozialität […] an Geschlechterdifferenz“ (Winst 2009, 44) und Konzepte von Gewalt und Gleichheit zurückzubinden. Der Engelhard ist dabei insofern als „Sonderfall“ (266) behandelt, als sich etwa im Unterschied zur Chanson de geste Ami et Amile „neben körperlich codiertem Begehren Reflexionen der Protagonisten über ihren Bund“ (266) finden. Aber hier wie auch anderswo erweise sich die „identitätsstiftende Macht, die im Amicus-Amelius-Universum dem entworfenen Modell von Gleichheit zugeschrieben wird“ (439). Männlichkeit sei dabei stets „an kontinuierliche Gewaltausübung geknüpft“ (450), eine Erzählstrategie, die im Engelhard allerdings wohl eher nur schwach ausgeprägt ist, wenn lediglich ein Turnier und ein Gerichtskampf in das Handlungsgeschehen integriert sind. Auch Oetjens (2016) hat die Auseinandersetzung mit der stark variierenden Amicus und Amelius-Überlieferung noch einmal aufgenommen, doch liegt der Fokus nun auf der lateinischen Tradition, die sich mit der volkssprachlichen verschränkt. Dabei macht Oetjens eine Beobachtung, die bisher noch nirgendwo vermerkt worden ist: Die drei von ihr analysierten Haupttexte (Rodulfus Tortarius, Epistula ad Bernardum; Vita Sanc­ torum Amici et Amelii; Carmen amicitie) „rekurrieren [inhaltlich und überlieferungsgeschichtlich] auf die Materia des ‚Rolandslieds‘“ (Oetjens 2016, 11). Der Engelhard nun teilt aber weder die typologischen Muster noch den Roland-Bezug mit der lateinischen Tradition. Im höfisch überformten Engelhard wird demgegenüber die treuwe-Handlung ausgebaut und dabei wird „Freundschaft als hohe triuwe mit Minne vereinbart“ (337). Oetjens geht mithin davon aus, dass „bei vollkommenen, höfischen Figuren diese beiden Beziehungen amalgamiert werden können“ (347), während für Winst der „Ursprung der Gefährdung homosozialer Gesellschaftlichkeit […] in einer zwischengeschlechtlichen Beziehung“ liegt, „die Homosozialität negiert“ (Winst 2009, 404). Kraß vertritt einen wieder anderen Standpunkt, wenn seinem Verständnis nach die „Konfrontation von Homo- und Heterosozialität“ gerade nicht bedeutet, dass die homosoziale Beziehung zugunsten der heterosozialen Beziehungen entwertet würde, sondern dass sie im Gegenteil durch die Reibung mit den heterosozialen Beziehungen profiliert wird. Es geht den Geschichten von Amicus und Amelius ja um nichts weniger als den mittelalterlichen Paradigmenwechsel von der (homosozialen) Freundschaft zur (heterosozialen) Liebe als vorherrschendem Code der Intimität  – um das Problem mit Niklas Luhmann auf den Punkt zu bringen. Gerade darin liegt ihre literatur- und kulturgeschichtliche Relevanz begründet. (Kraß 2011, 146)

Die Arbeiten von Kraß gehören zu den grundlegenden Forschungen im Bereich der Freundschaftsentwürfe mittelalterlicher Dichtungen. Inwieweit die Freundschaft als „Code der Intimität fungiert, der zwischenmenschliche Nahbeziehungen reguliert“ (Kraß 2006a, 97), hat Kraß mit Niklas Luhmann nachgezeichnet. Wie anderswo auch,



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so konkurriert im Engelhard die (homosoziale) Freundschaft ebenfalls mit der (heterosozialen) Liebe. Die Anfänge der Freundes- und Liebeshandlung werden zwar analogisiert, auch wird die Liebeshandlung im weiteren Verlauf der Freundschaftshandlung angeglichen (Auswahlverfahren; Terminologie; Proben), letztlich aber wird die Freundschaft vor der Liebe privilegiert, wenn „die Frauen nur mehr als Statistinnen figurieren, als Accessoires der Männer“ (114). Dabei wirkt sich die „Liebe destruktiv auf die Freundschaft aus, doch umgekehrt auch die Freundschaft auf die Liebe und ihre gesellschaftlichen Funktionen“ (114). Dem „Spiel mit der personalen Identität“ ist Kraß (2006b) anhand der Kleider und des Kleidertauschs (Gottesgericht) nachgegangen. Unterschiede bei der Einkleidung deuten im Engelhard darauf hin, dass zwischen sozialer und personaler Identität unterschieden wird, denn die „Kleidung [ist, anders als im Tristanroman,] zu keinem Zeitpunkt an der Signifikation personaler Identität beteiligt“ (Kraß 2006b, 326). Wohl müssen die beiden Männer wegen der großen Ähnlichkeit am Hof des Königs verschiedene Gewänder tragen, um sie unterscheiden zu können, aber „Engeltrut findet in ihrem Partner kein ästhetisches Pendant“ (326). Die Einheit der Freunde ist demgegenüber auf die körperliche Ähnlichkeit (und den Habitus) verlagert, was die Voraussetzung bildet für das Betrugsmanöver im Gottesgerichtskampf. Entsprechend äußern sich die Rangunterschiede zwischen Engelhard und Dietrich nicht – wie in anderen Dichtungen – in körperlicher Ungleichheit, sondern sie sind durch die innere und äußerliche Ununterscheidbarkeit der Freunde unkenntlich gemacht (323). Das trifft sich mit der Beobachtung von Müller, der zufolge die gleichsam angeborenen „vollkommenen höfischen Umgangsformen“ (2007, 63) der beiden Freunde eine vollkommen gleiche Gestalt ausprägen. „Bei Engelhards Aufstieg auf den Königsthron bestimmt nicht mehr die art das Ethos, sondern das Ethos bestimmt die art“ (65). In einem jüngeren Beitrag greift Kraß (2015) das Thema der seelischen und/oder körperlichen Einheit im Freundschaftsdiskurs noch einmal auf, um anhand der Vorbilder (Amicus und Amelius-Überlieferung, Tristanromane) das Motiv der Ebenbildlichkeit und die im Engelhard inszenierte Konfrontation von Liebe und Freundschaft zu diskutieren. Die Einheit zweier Männer wie in den Amicus und Amelius-Geschichten ist dabei als „Modell homosozialer Ebenbildlichkeit“ gefasst, die Einheit eines Mannes und einer Frau wie in den Tristanromanen als „Modell heterosozialer Ebenbildlichkeit“ (Kraß 2015, 256). Kraß arbeitet heraus, dass die Entwürfe von Ebenbildlichkeit im Engel­ hard nicht nur an die Beschreibungen der Körper und Kleider in Gottfrieds Tristan­ roman anknüpfen, sondern auch über die Namen, die ähnlich wie im Tristanroman einen ‚Gleichklang‘ herstellen. Auf der symbolischen Ebene deute auch der Apfel bei der Prüfung geeigneter Freunde auf die „personale Union der Freunde“ (Kraß 2015, 266): „Der in zwei Hälften geteilte Apfel verweist auf die Einheit der Freunde, die nur gemeinsam ein Ganzes bilden“ (266). Im Fall von Engeltrud und Engelhard ist es demgegenüber ein Ei, das die Vorstellung von Einssein symbolisiere. Unter anderem unter der Perspektive einer Personenverdoppelung hat sich von Bloh (2005) mit dem Freundschaftsthema im Engelhard befasst. Gefragt wird nach den

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Voraussetzungen, unter denen die Verdoppelung durch Ähnlichkeit zustande kommt, und analysiert wird das Verunsicherungspotential, das immer schon und heute noch mit dem Verdoppelungsmotiv einher geht. Verhandelt ist im Engelhard eine Konstellation, die im Hochmittelalter bevorzugt im Diskurs der Liebe ausphantasiert wird: die Verabsolutierung einer persönlichen Verbundenheit, die bewirkt, dass gesellschaftliche Pflichten – wie im Tristanroman – preisgegeben werden. Im Engelhard, so das Fazit, wird mit einer solchen Bindungsmacht experimentiert, nun aber am Beispiel zweier Freunde, deren Verbundenheit in vollkommener Wechselseitigkeit sich mit den gesellschaftlichen Erwartungen im Mittelalter allerdings nur schwer vereinbaren lässt. Der Frage danach, wie diese staunenswerte, beunruhigende und sogar verdächtige Gleichheit anhand von Zwillingen, Stellvertretern und ununterscheidbaren Freunden in verschiedenen Dichtungen vergegenwärtigt wird, geht von Bloh (2011) im Blick auf die habitus corporis nach. In die Überlegungen einbezogen ist auch der Engelhard, außerdem werden auch die die Texte begleitenden Bilder daraufhin befragt, wie sie diese als irritierend wahrgenommene Gleichheit umsetzen. Die den Frankfurter Druck begleitenden bildlichen Darstellungen folgen zwar eigenen Gesetzmäßigkeiten, aber auch hier gilt, dass das Identifizieren zugleich Klassifizieren bedeutet, insbesondere in sozialer Hinsicht. Mit den ihnen eigenen Mitteln entfalten die Holzschnitte zugleich aber eine andere Art von Eindrücklichkeit, und das betrifft nicht nur die Perspektive auf das Erzählte, sondern etwa auch die Gespräche, die in den Bildern durch appellative Gesten und Gebärden beredter noch in Handlung überführt werden als im Text. In einem früheren Aufsatz von 1998 hat von Bloh das Liebesverhältnis zwischen Engelhard und Engeltrud als Kontrastfolie zur höherwertigen Freundschaft verstanden. Wohl ist Männerfreundschaft in der Sprache der Minne beschrieben, so wie umgekehrt die Liebe zur Frau im Fall Engelhards als Freundschaft verstanden ist. Doch erweist sich letztlich die Freundschaft als höherstehend, wobei die Preisgabe kollektiver Verpflichtungen in den Sonderraum der Heimlichkeit verlegt ist: „Wenn die Antriebe ehrenwert sind, setzen sich Liebe und Freundtschafft eben ‚verborgenlich‘ ins Recht“ (von Bloh 1998, 333; Druck M6r / V. 4524). Und so werden „Schönheit, Reichtum und das dynastische Organisationsprinzip, einschließlich seiner Regeln, […] zugunsten eines höherstehenden Wertes [i.  e. treuwe] zur Disposition gestellt“ (von Bloh 1998, 333). In diese Richtung argumentiert auch Braun, der den Konnex von Freundschaft und Verwandtschaft untersucht hat und festhält, dass „Liebe wie Freundschaft gegen Verwandtschaft ausgespielt wird“ (2006, 80). Gleichheit kennzeichne ansonsten in der Literatur vor allem Brüder, weswegen Engelhard seinem Freund Brderliche treuwe schwört (Druck B8r  / V.  541) und König Fruote die beiden ununterscheidbaren Freunde bei der Ankunft fragt: sint ir Brder beydesant (Druck C2v / V. 680). Als „Grundproblem vormoderner Freundschaftskonzepte“ sei anzusehen, dass, wenn „Freundschaft auf Gleichheit angelegt ist“, sie „in einer Adelsgesellschaft automatisch in Konflikt mit Familie und Herkommen geraten [muss], die ja gerade die Funktion haben, soziale Unterschiede zu erzeugen“ (Braun 2006, 79). Und so inszeniere der Text geradezu einen „Wettbewerb beider Vergesellschaftungskonzepte“ (80), den Engelhard letztlich gegen seine Kinder und für Dietrich ent-



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scheide. Wenn die Freundschaft sich demnach auf Kosten der Verwandtschaft profiliert, so „fällt [sie] doch immer wieder auf sie zurück“ (81): Gott erweckt die Kinder schließlich zum Leben, so dass die genealogische Linie letztlich doch fortgeführt wird. Unter einer dezidiert gendertheoretischen Perspektive gehen Klinger und Winst (2003) der „Ausdifferenzierung von Männlichkeit“ (so im Titel) nach. Nun avanciert das „Paradigma der Gleichheit“, das „alle Differenzierungen, auch die des Geschlechts, als nachgeordnete Konstruktionen“ (289) ausweist, zum „Fundament adlig-männlicher Identität“ (289). Dabei komme den Statusunterschieden (Dietrich und Engelhard, Engelhard und Engeltrud) für die Differenzierungsprozesse zentrale Bedeutung zu, allerdings nur insofern, als die eingeführten Differenzen wieder ausgeglichen werden (Gestaltentausch, Turnierhandlung, Heilung des Freundes durch das Blut der Kinder von Engelhard usw.). Unter Ausblendung der Unterschiede zwischen dem Turnier, in dem der frauwen Ritter (Druck G8r / V. 2579) Engelhard für seine Minnedame kämpft, um zum Ritter geschlagen zu werden, und dem Gerichtskampf, in dem Dietrich betrügerisch in der Rolle Engelhards für den Freund das Leben aufs Spiel setzt, gehen die Verfasserinnen einer ‚Verähnlichungsstrategie‘ anhand der Vergleiche der Kämpfer mit Löwen und Engeln nach, ebenso anhand ihrer analogen vorbildlichen Kampfeskraft. Demgegenüber wurde von Kraß und anderen (von Bloh 1998, 325) festgehalten, dass im Fall der Freunde Differenzen markiert bleiben, wenn Engelhard „auf der Ebene des physischen Codes symbolisch als Minnedame ausgewiesen und somit die Geschlechterdifferenz von Mann und Frau in den homosozialen Freundschaftsbund eingetragen werde“ (Kraß 2006b, 329–330). Mehrfach wird Engelhard im Unterschied zu Dietrich „mit weiblichen Zügen ausgestattet, zweimal durch den direkten Vergleich mit einer scheuen Jungfrau (V. 3678)“ (330). Die herausgearbeitete „vorbildliche männliche Identität“ (Klinger und Winst 2003, 269), die sich vor allem unter Missachtung rechtlicher Normen und verwandtschaftlicher Bindungen konstituiert, wird dann wie schon bei Kesting (1970), Cieslik (1998) oder Koch (1999) mit „unterschiedliche[n] Handlungslogiken bzw. ‚Normensysteme[n]‘“ erklärt, „die jeweils verschiedenen Bereichen zugeordnet sind und dort Gültigkeit beanspruchen“ (Klinger und Winst 2003, 274). Andere Arbeiten betrachten in jüngerer Zeit das Thema der Adoleszenz im Engel­ hard, bevorzugt unter einer mehr psychoanalytischen Perspektive. So hat Peschel die „pubertären Verstrickungen“ (2002, 16) der beiden Freunde untersucht und postuliert: Der vermeintlich sadistische, ebenso wankelmütige wie unerbittliche Wundergott hat sich aus einem Über-Ich mit der tödlichen Double-blind-Forderung ‚werde erwachsen!‘ in eine neue lebendige Identität des jungen Erwachsenen verwandelt. (Peschel 2002, 27)

Das trifft sich ansatzweise mit den Überlegungen von Schmid (2001, 2004), die ebenfalls der Adoleszenz der beiden Freunde, nun unter einer „ethnopsychoanalytische[n]“ (Schmid 2001, 30) Frage nachgeht, um auf der Basis der Freudschen Sexualtheorie herauszufinden, wie sich „die Freundschaft als Lebensmodell zu den Normen der Gesellschaft verhält“ (30). Engelhard lernt demnach, „seinen Wünschen und Träumen

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‚die Normen der Realität aufzudrängen‘“, während Dietrich „am adoleszenten Modell der Freundschaft festhält“ (38). Das führt Schmid zu dem „zwiespältigen (und fragwürdigen) Schluß“ (39), die adoleszente Freundesliebe sei letztlich bedroht von der Liebe zu einer Frau, d.  h. „durch die sexuelle Reifung der Knaben“ (40), wobei „eventuell dieser opferwütige Freundschaftsmythos mit der Verdammung und Verfolgung der männlichen Homosexualität im Mittelalter“ (40) in Verbindung stehen könnte. Durch die Beschränkung auf die Adoleszenz der beiden Freunde, kommt insbesondere die Arbeit von Peschel zu einer allzu vereinfachenden Deutung des Engelhard, die sich zudem von einem neuzeitlich konstituierten Personenverständnis ableitet. Ein weiterer Komplex der Forschungsarbeiten zum Engelhard rückt die Frage des Erkennens in den Blick. Unter einer wahrnehmungstheoretischen Perspektive geht dem Schulz (2002) nach, wenn er die Inszenierung sinnlicher Wahrnehmungsvorgänge untersucht, die ein Erkennen anhand visuell wahrnehmbarer Merkmale (Zeichen, Gesten, Bewegungen) absichern. Er kann zudem zeigen, dass sich die Protagonisten im Engel­ hard nicht nur auf Auge und Ohr (Sprache), „sondern vor allem auf ihren Geschmacksund Tastsinn verlassen [i.  e. das ‚Schmecken‘ des Namens Engelhards und das ‚Spüren‘ des Namens]“ (Schulz 2002, 131, 137). Diskussionsbedürftig ist zwar, ob die Täuschung des Augenscheins im Gottesurteil auf die Aufwertung des Hörens gegenüber dem Sehen bei Bernhard von Clairvaux und Albertus Magnus anspielt, denen zufolge die Gotteserkenntnis „allein durch die Verkündigung des göttlichen Wortes vorbereitet“ (141) wird; aber sicher ist, dass sich eine ‚Sondermoral‘ für Liebe und Freundschaft geltend macht: „Die Wahrheit des Faktischen wird hinwegeskamotiert, sofern es den Protagonisten nur nützt“ (141). In seiner Habilitationsschrift knüpft Schulz an seine wahrnehmungstheoretische Analyse an, wenn er erneut die Bedeutung der Synästhesie im Engelhard diskutiert, was mit einer „Verwirrung des Gesichtssinns“ (2008, 389) einhergehe, denn die „Geltung der kulturell privilegierten Distanzsinne Sehen und Hören wird unterminiert“ (391). Insbesondere die Synästhesie im Sinne einer „sensorischen Unmittelbarkeit“ (391) vermag sichere Erkenntnis zu verbürgen, und das zeichnet Schulz noch einmal anhand des Entstehens von Liebe und Freundschaft nach, um das Hauptaugenmerk darauf zu richten, „wie abstrakte Erkenntnisvorgänge ganz körperbezogen zu sinnlichen Wahrnehmungen figuriert werden“ (392). Was im Engelhard dabei außerdem in den Vordergrund rückt, ist in der Perspektive des Untersuchungsansatzes „die Diskrepanz zwischen Wahrnehmbarem und tatsächlichem Sein“ (391), denn das, was man sehen (Merkmalsgleichheit) und hören (Lügen) kann, führt fortwährend in die Irre. In Unkenntnis der Arbeit zur „Ästhetisierung sinnlicher Wahrnehmungsvorgänge“ von Schulz (2002, 129) diskutiert auch Virchow die Frage des Erkennens „des oder der Geliebten“ (2007, 285) im Engelhard. Eng verknüpft mit den narratologischen und wahrnehmungstheoretischen Überlegungen beim Entstehen von Freundschaft und Liebe ist demnach insbesondere die Inszenierung der treuwe, die hier nun ein „privilegierte[s]“ (285) Identifizieren fördert. Sei es die ‚aristotelische Konzeption‘, die nach Klinger und Winst (2003, 260 Anm. 3) darauf hindeute, dass der Vergleich mit dem siegelgeprägten Wachs die ‚substantielle Identität‘ der Freunde belege, sei es die vermeintliche Nähe



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zum Traktat des Aelred von Rievaulx, auf den nach Winst (2009) das Konzept der ‚spirituellen Sinne‘ nach Origines auf Engeltruds Erkenntnisprozess nach Schulz (2002, 138) bezogen werden könnte, oder sei es Lukian (wie bei Witthöft 2005) oder Ciceros Laelius, an dem der Freundschaftsentwurf im Engelhard geschult sei (so bei Virchow 2007 oder auch bei Classen 2006) – werden einzelne Strukturelemente größerer, zumeist theologisch-philosophischer Abhandlungen mit dem Freundschaftsentwurf verglichen, dann besteht immer die Gefahr einer gewissen Verzerrung, wenn dabei der jeweilige Kontext oder auch die Gebundenheit des Engelhard an die Legendentradition – und dies dazu in Auseinandersetzung mit dem Tristanroman Gottfrieds – vernachlässigt wird. In wieder anderer Weise befasst sich Salama (2014) in einer neueren Arbeit mit Fragen der Wahrnehmung. Anhand einer ‚szenografischen‘ Analyse wird herausgearbeitet, wie die „Wahrnehmung des Rezipienten […] durch die Beschreibung des Erzählers und durch dessen Randbemerkungen“ (112) sowie durch die Gedankenrede die Traum-EngelErscheinung gesteuert wird. Auch das Unbehagen in Hinsicht auf die „ethische[n] Aporien“ im Engelhard (Müller 2007, 315) bestimmt nach wie vor die Diskussionen. So geht etwa Cieslik der Frage nach, wie sich „die vermittelten literarischen Normen und die real gültigen Normen zueinander“ (1998, 121) verhalten, da „bislang kein Interpretationsansatz entwickelt werden konnte, der eine schlüssige Sicht auf den gesamten Text erlauben würde“ (122). Ergebnis der Auseinandersetzung ist, dass „es in dem Text offenbar eben keine generelle Entscheidung darüber gibt, welches Normensystem das verbindliche ist“ (128), das gesellschaftlich sanktionierte oder „ein anderes, offenbar auf einen ausgewählten Kreis (Engelhard, Engeltrud, Dietrich) zugeschnittenes Normensystem“ (129), und begründet wird dies mit der nicht weiter plausibilisierten „Veränderlichkeit einstmals feststehender Werte“ (132). Dieses Ergebnis verbindet sich wiederum mit der von Kesting (1970) u.  a. konstatierten doppelbödigen Wahrheit, welche „die Perspektiven der Liebenden und der Gesellschaft kollidieren läßt“ (Kraß 2006b, 323). Den ethisch-moralischen Widersprüchen, die sich mit Blick auf das treuwe-Ideal und die höfischen Werte im Engelhard auftun, geht Lieberich (2016) unter einer narratologischen und emotionsgeschichtlichen Perspektive nach, wenn sie den Neidvorwurf als Mittel der Sinngebung und Rezeptionslenkung analysiert. Die Rolle des Neiders ist in diesem Roman Ritschier zugeschrieben, wobei der Neid nicht nur als ein die Handlungen lenkendes ‚Differenzkriterium‘ fungiert, sondern er setzt Ritschier auch herab, zumal die neidische Beziehung zu Engelhard als grundlos ausgewiesen ist: Derselbe enwßte rechte was / Sein Hertz an dem getreuwen Racht [dieser wusste selbst nicht so recht, wofür sich sein Wesen an dem treuen Mann rächte] (Druck E6v / V. 1672–1673). Fraglich ist allerdings, ob sich der Entwurf im Engelhard tatsächlich der theologischen Diskussion der Sprachsünde verdankt, die im 13. Jahrhundert „von der Intention des Sprechers her“ (Lieberich 2016, 8) interpretiert wird. Die Lügen vor dem Dienstherrn und der Hofgesellschaft und den Betrug im Gottesgericht verwandelt der Erzähler demnach in einen unmaßgeblichen ‚moralischen Fehler‘ des gegenüber Ritschier ethisch überlegenen Engelhard. Tatsächlich aber schwankt der Roman, was die Sanktion für den Betrug im Gottesgericht anbelangt:

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Seinen Aussatz interpretiert Dietrich als Gottes Rach (Druck O7r / V. 5375) und zugleich hält der Erzähler fest, Dietrich sei on alle […] Schuld (Druck O8r / V. 5433). Für den Tristanroman wie auch für den Engelhard gilt, dass die Manipulationen der Öffentlichkeit mitsamt den heimlichen ordnungswidrigen Handlungen bei gleichzeitigem „Festhalten an einer spezifisch höfischen Lebensordnung“ in „epische Aporien“ führen (Müller 2007, 315): Die höfischen Idealgestalten sind vielleicht nicht im Recht, aber es gelingt ihnen, vor der Welt recht zu behalten, weil sie geschickter mit den Regeln der Öffentlichkeit umgehen und durch ihr Ethos nachträglich ihre geschickten Manipulationen rechtfertigen. (Müller 2007, 315)

Im Engelhard gibt es kein „konsistentes Beurteilungsraster“, so Müller (315).

7 Offene Forschungsfragen und Desiderata Das Interesse am Engelhard ist ungebrochen. Nicht zuletzt sind es die „epischen Aporien“ (Müller 2007, 315), die nach wie vor Fragen aufgeben werden. Damit deutlicher noch als bisher zu erkennen ist, inwieweit etwa „Konrads blüemen, sein[] geblümte[r] Stil […], der zum Bedeutungsaufbau des ‚Engelhard‘“ (Schulz 2002, 142) gehört, nicht nur auf die Bemühungen um eine adäquate Rückübersetzung zurückzuführen ist, sollte dem einzigen Überlieferungsträger im Druck mehr Beachtung geschenkt werden. Auch die Frage danach, in welchem Umfang die Verantwortlichen für die Rückübersetzungen interpretierend in den Druck eingegriffen haben, ließe sich dann besser überdenken. Dass der überwiegende Teil der Forschungsbeiträge den Engelhard umstandslos im 13.  Jahrhundert ansiedelt, würde dann ebenfalls an Selbstverständlichkeit verlieren. Wünschenswert ist entsprechend eine Textausgabe, die auch den Druck dokumentiert, möglichst in synoptischer Gegenüberstellung. Eine solche Ausgabe sollte den Engelhard zugleich in einer benutzerfreundlichen Gestalt zugänglich machen, indem Lese- und Verständnishilfen in einem Apparat zur Verfügung gestellt werden. Bei dieser Gelegenheit könnte dann auch der unterdessen nicht mehr zeitgemäße Kommentar von 1982 in der Textausgabe von Reiffenstein aktualisiert werden.



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8 Bibliographie Ausgaben Engelhard, eine Erzählung von Konrad von Würzburg. Mit Anmerkungen hrsg. von Moriz Haupt, Leipzig 1844; 2. Aufl. besorgt von Eugen Joseph, Leipzig 1890. Nachdruck Hildesheim und New York: Olms 1978. Engelhard von Konrad von Würzburg. Hg. Paul Gereke. Halle 1912; 2., neubearbeitete Aufl. von Ingo Reiffenstein. Tübingen: Niemeyer 1963; 3., neubearbeitete Aufl. von Ingo Reiffenstein. Tübingen: Niemeyer, 1982. Ein schöne Historia von Engelhart auss Burgunt: Der ‚Engelhard‘ Konrads von Würzburg in Abbildung des Frankfurter Drucks von 1573, mit einer bibliographischen Notiz zu Kilian Han. Hg. Hans-Hugo Steinhoff. Göppingen: Kümmerle, 1987. Breckling, Jutta, ‚Engelhard‘ by Konrad von Würzburg: A Translation and Evaluation. [With the German text]. Diss. University of New York at Stony Brook. Ann Arbor: U.M.I., 1988.

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15 Partonopier und Meliur Bei Konrads von Würzburg über zwanzigtausend Verse umfassendem Roman Partono­ pier und Meliur, der als Fragment abbricht, handelt es sich in mehrfacher Hinsicht um eine Art Hybrid. So geht es in diesem Minne- und Abenteuerroman, dies eine der behelfsmäßigen Kategorisierungen der Forschung, vom Grundgerüst her um eine gestörte Mahrtenehe – allerdings untypischerweise mit Happy End –, also um die Beziehung der feenähnlichen Meliur zum Jüngling Partonopier, doch spielen Motive der gefährlichen Brautwerbung oder des komplexen Konflikts von Orient und Okzident genauso eine Rolle wie Elemente der Chanson de geste-Tradition sowie der Artusepik. Auffällig ist das große Spektrum an Erzählmodellen, die in Konrads Text verarbeitet sind und die Elemente unterschiedlicher Gattungsstränge zusammenbringen. So bewegen sich die Hauptfiguren der Geschichte einerseits im kulturellen Dreieck von abendländischer Christenheit, byzantinischer Orthodoxie und muslimischer Gegnerschaft im Nahen Osten. Andererseits spielen aber auch in Frankreich religiöse Kämpfe eine signifikante Rolle, wo sich das Herrschaftsgebiet der Grafen von Blois gegen islamische Kontrahenten erwehren muss, wie sie auf der Basis der Chansons de geste zum Tragen kommen. So sind in Konrads Partonopier und Meliur augenscheinlich verschiedene Konflikte verarbeitet, wie sie im ausgehenden 13. Jahrhundert bereits seit mehreren Dezennien virulent sind. Insofern ist der Minneroman, „der als literarisches Modell der Ars amandi verpflichtet ist“ (Huschenbett 1988/1989, 341), wesentlich dadurch geprägt, dass diverse Handlungskonfigurationen aufgerufen und thematisch in den Blick genommen werden. Neben den religiösen Machtkämpfen, die in dieser Epoche nicht nur ideologische, sondern vor allem auch herrschaftsgebietliche Ausformungen zeitigten, kommen insbesondere Fragen unterschiedlicher Geschlechterkonzeptionen zum Tragen, die sich in je eigenen Gemengelagen ausprägen und wesentlich durch die Feengestalt Meliurs Einfluss erhalten. Durch ihre übernatürlichen Kräfte vermag die weibliche Hauptfigur überkommene Strukturen aufzubrechen, was zu neuen Hegemonien führt, die als solche auf die Probe gestellt werden. Von daher werden in Partonopier und Meliur verschiedene unalltägliche Herrschaftsformen durchgespielt, die im Verlauf der Geschichte aber mehr und mehr aufgelöst werden. Alles, was an neuartigen Folgen ideologischer Konstellationen ausprobiert wird, versucht sich zu bewähren, wird aber in die patriarchalen Strukturen zurückgebunden und findet dort seine Ordnung. Insofern sind weite Teile des Romans dadurch geprägt, dass ungewohnte Konfigurationen spielerisch taxiert werden, wobei sich zuletzt männlich besetzte Herrschaftsentwürfe durchsetzen. Spezifisch weibliche Modelle werden dabei nicht übergangen, sondern können sich zwischenzeitlich entfalten. Der gesamte Roman Konrads zeichnet sich dadurch aus, dass die etablierte höfische Literatur, wie sie sich gerade auch im deutschen Sprachraum seit mehreren Jahrzehnten hat bewähren können, gleichsam vorausgesetzt ist, so dass sich https://doi.org/10.1515/9783110373561-015

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den kundigen Rezipientinnen und Rezipienten zahlreiche Bezüge erschließen, die den Text in einem Feld literarischer Belegstellen verorten.

1 Überlieferung Was die handschriftliche Tradierung von Konrads Roman anbelangt, ist der Text lediglich in einem einzigen spätmittelalterlichen Manuskript auf uns gekommen; zudem gibt es ein älteres, kurzes Fragment. Letzteres ist um 1300 entstanden und in alemannischer Prägung gehalten (Zürich, Zentralbibliothek, Cod. C 184, Nr. XXVI + XXVII), es bietet nur wenige Verse. Bei der Handschrift, die Konrads Dichtung von daher zu größten Teilen unikal überliefert, handelt es sich um einen Kodex mit bairischer Schreibsprache (Berlin, Staatsbibliothek, mgf 1064), der auf das Jahr 1471 datiert ist und zudem die Melusine Thürings von Ringoltingen präsentiert. Ganz zum Schluss des Manuskripts nennt sich der Schreiber namentlich als „H. Wincklär“ (185r) und hält fest, dass er seine Abschrift in Hall im Tiroler Inntal fertiggestellt habe, und zwar für das Frauenkloster Mariathal bei Voldöpp im Brandenberger Tal. Beim Auftraggeber handelt es sich um „Kristoff Ruether“, wie ebenfalls vermerkt ist. Augenfällig ist zudem der Hinweis zum Auftakt von Partonopier und Meliur (54v), der festhält, die betreffende Geschichte des Grafen habe sich im Jahr 1277 zugetragen. Bereits Karl Bartsch weist in der Einleitung zu seiner Edition aus dem Jahr 1871 unter Nennung der Vorarbeiten Franz Pfeiffers darauf hin, dass es sich bei der Grundlage dieser Notiz wahrscheinlich um einen Schreibervermerk der Quellenhandschrift gehandelt haben muss, der das Datum der Niederschrift des Texts festgehalten habe (Bartsch 1871 [1970/2011], VI). Wenn dem so ist, dann handelt es sich bei der Vorlage um ein Manuskript aus dem direkten Umfeld Konrads; in diesem Fall könnte das genannte Jahr sogar als plausibel für den Abschluss der Dichtung gelten. Die Frage stellt sich denn auch, in welchem Verhältnis Wincklers Abschrift zu dieser rund zweihundert Jahre älteren Handschrift stand. Tatsächlich weist der Tiroler Text frühneuhochdeutschen Sprachstand mit bairischer Prägung auf, wobei immer wieder einzelne Verse fehlen, was aufgrund des fehlenden Reims an sich gut sichtbar ist. Entweder Winckler selbst oder einer seiner Vorgänger muss den Text also relativ unkonzentriert abgeschrieben haben, da derartige Lücken schnell auffallen. Signifikant ist auch der Umstand, dass die Verse häufiger keinen regelmäßigen Rhythmus aufweisen. Da es von Konrad Texte gibt, die deutlich besser überliefert sind und damit seine eigentliche Dichtersprache eingängiger abbilden, kann man davon ausgehen, dass es sich auch bei diesen Spezifika des Handschriftentexts um eine Folge der Veränderung in eine divergente Sprechweise handelt.



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2 Ausgabe Bis heute liegt Konrads Partonopier und Meliur lediglich in der Edition von Karl Bartsch vor, der diese auf der Basis von Franz Pfeiffers Bearbeitungen der Handschrift angefertigt und 1871 publiziert hat. Wie Bartsch im Vorwort konstatiert, hatte Pfeiffer das Manuskript nicht abgeschrieben, „sondern die Sprache sogleich in die mittelhochdeutschen Formen des 13. Jahrhunderts umgeschrieben“ und dabei auch bereits „mannichfache Verbesserungen sofort in den Text aufgenommen“ (Bartsch 1871 [1970/2011], III). Bartsch selbst hat für die Herstellung des Drucks nicht nur den Sprachduktus weiter korrigiert und einen durchgehend mustergültigen Rhythmus konzipiert, sondern vor allem auch sämtliche fehlenden Verse durch Konjekturen ergänzt, indem er entweder eine zusätzliche Zeile einfügte oder den bestehenden Vers so aufbrach, dass er das Ende vom ersten und den Anfang des zweiten selbständig dazugedichtet hat. Immerhin sind diese vollkommen freien Ergänzungen fast durchweg im Apparat als solche ausgewiesen, wenn auch nicht derart deutlich, wie sich das ein heutiges Publikum wünschen würde. Insofern stellt der von Bartsch edierte Text einen ins normalisierte Mittelhochdeutsch transferierten Versroman dar, für den es in dieser Form keinen Handschriftenzeugen gibt. Trotzdem liefert die Ausgabe von Konrads Werk, wie man auf Basis der zahlreichen weiteren überlieferten Dichtungen des Autors annehmen kann, eine vergleichsweise gute Edition des Liebes- und Abenteuerromans. Was Bartschs Publikation allerdings fehlt, ist die deutliche Markierung der Eingriffe, die von wissenschaftlicher Seite in den Text vorgenommen worden sind. Ein noch größeres Manko stellt bei Partonopier und Meliur der Umstand dar, dass bis heute keine Übersetzung des Texts in eine zeitgenössische Sprache vorliegt. Gerade diese Tatsache bringt es mit sich, dass der Versroman nach wie vor ausschließlich einem hochspezialisierten Rezipientenkreis bekannt ist, der es – in aller Regel im akademischen Kontext – auf sich genommen hat, die doch vergleichsweise umfangreiche Dichtung in mittelhochdeutscher Sprache zu lesen. Gerade bei dem vielfältigen Potenzial, das Konrads Text für diverse kulturwissenschaftliche Fragestellungen zu bieten hat, ist dieses Faktum durchaus bedauerlich. Um diese verschiedenen Problemstellungen zu beheben, sind gegenwärtig zwei Editionsvorhaben damit befasst, Bartschs Ausgabe zu aktualisieren und mit einer neuhochdeutschen Übersetzung zu versehen. Geboten werden soll zum einen eine OnlineEdition, die synoptischen Zugang auf die Handschrift und deren Transkription, die für sämtliche wissenschaftlichen Zusammenhänge bis dato unabdingbare Ausgabe von Karl Bartsch sowie eine moderne Übersetzung der Dichtung bereitstellt. Mittelfristig wäre hier eine Kommentierung der Ausgabe geplant, die, wie auch die Übersetzung, unter Umständen gemeinsam mit Studierenden und über eine Wiki-Funktion für weitere Ergänzungen hergestellt werden könnte. Die digitale Zugangsweise eröffnet sowohl im produktiven wie im rezeptiven Bereich Möglichkeiten, die eine herkömmliche Druckausgabe nur über aufwändige Zusatzfunktionen zur Verfügung zu stellen in der Lage ist. Gerade im Bereich der Kommentierung ließen sich über ein mehrstimmi-

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ges Crowdsourcing-Verfahren vielseitige Aspekte der Problematik bearbeiten, die über herkömmliche Methoden nicht unbedingt in den Blick geraten. Trotz der digitalen Edition, die bestimmte Mechanismen des Zugangs zum Text auf neue Weise erschließt, sollte eine herkömmliche zweisprachige Ausgabe nicht fehlen, die ihrerseits spezifische Dienste für ein breiteres Publikum liefert. Ziel ist, auf der Basis der online erarbeiteten Übersetzung eine für den weiteren Gebrauch nutzbare gedruckte Version herzustellen, die einerseits den mittelalterlichen Text an moderne Lesegewohnheiten anpasst und die Veränderungen gegenüber dem handschriftlichen Wortlaut besser sichtbar macht, die andererseits aber auch über einen neuhochdeutschen Fließtext den Zugang zu Konrads Werk erleichtert. Die beiden ursprünglich je eigenen Editionsvorhaben von Seraina Plotke und Holger Runow sind in der Zwischenzeit zu einem Projekt zusammengefasst worden.

3 Inhalt An Konrads Partonopier und Meliur sticht bereits der ausführliche Prolog heraus, in dem der Dichter im Rahmen von 232 Versen sowohl die Themenstellung als auch den mäzenatischen Hintergrund der eigenen Basler Literatursituation skizziert. Markant ist die Art und Weise, wie Konrad Stoff, Publikum und sich selbst aufeinander bezieht, wobei den städtischen Geldgebern und Unterstützern seines verspoetischen Unternehmens breit Rechnung getragen wird. Einen besonderen Stellenwert erhält Peter Schaler, der aus einer der wichtigsten Basler Familien der Zeit stammt und der nachweislich zentrale politische Ämter innehatte  – er war bereits 1269 das erste Mal Bürgermeister und bekleidete das Amt noch diverse weitere Male, ab 1271 fungierte er zudem als Schultheiß (Schröder 1917, 108). Er wird zum Hauptauftraggeber des Texts stilisiert und charakterlich mit dem Titelhelden der Geschichte verbunden. Neben Schaler fallen jedoch noch zwei weitere Namen der Basler Elite der Zeit, nämlich Heinrich Marschant und Arnold Fuchs. Dabei sticht ins Auge, dass der Epiker Ersteren deswegen ins Feld führt, weil dieser ihm geholfen habe, die französische Vorlage zu verstehen. Wie Konrad verdeutlicht, ist er selbst zu diesem Zeitpunkt der Sprache der Quelle nicht mächtig genug, um den Auftrag allein auszuführen. Die Frage stellt sich von daher, wie wörtlich der Verweis auf die fremde Übersetzertätigkeit zu nehmen ist: Angesichts der Tatsache, dass alle überprüfbaren Informationen in Konrads Pro- und Epilogen der Wahrheit entsprechen, spricht wenig dagegen, auch diesen Hinweis für bare Münze zu nehmen. Nach dem Ende des Prologs setzt Konrad direkt mit der Grundkonstellation der Geschichte ein, indem er Partonopier, den Grafen von Anjou und Blois, als Neffen des französischen Königs Clogiers vorstellt und von einer gemeinsamen Jagd berichtet, bei der sich der dreizehnjährige Jüngling nach einem ersten erfolgreichen Fang auf der Spur eines weiteren wilden Tiers verirrt und nicht wieder aufgefunden wird. Als



Partonopier und Meliur 

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Partonopier, voller Furcht, schließlich an den Strand des Meers gelangt, steht dort ein verlassenes Boot, auf das er sich zurückzieht und vor Müdigkeit einnickt. Nach einem längeren Schlaf wacht der Jüngling wieder auf, befindet sich mitten auf dem Meer, gelangt dann jedoch an den Strand einer prächtigen Stadt, die menschenleer ist. Der Held sieht zwar niemanden, lässt sich aber aufgrund seines Hungers von unsichtbaren Händen verköstigen. Als der Protagonist in der Nacht im Bett liegt, stößt er unerwartet auf eine junge Frau, die er aber ebenfalls nicht sehen kann. Auch wenn sie ihm ihren Namen nicht nennt, gibt ihm die Dame doch zu erkennen, dass es sich bei ihr um die Königin des Landes handelt. Jugendliche Angst, gepaart mit körperlicher Vorfreude, lässt Partonopier das nächtliche Minnespiel ausprobieren. Die Dame ihrerseits ergibt sich seiner Liebe, gibt ihm aber zu verstehen, dass sie selbst seine gesamte Irrfahrt von Frankreich her geplant und ihn zu sich geholt habe. Sobald er erwachsen sei, wolle sie ihn als Ehemann an ihrem Hof vorstellen, bis dahin mögen sie beide aber noch für mehr als zwei Jahre unsichtbar bleiben. Partonopier lässt sich zunächst auf dieses Spiel ein, hat dann aber doch Heimweh nach Frankreich, weshalb – die nach wie vor nicht namentlich genannte – Meliur einwilligt, dass er zu seiner Mutter fahren darf. Seine Heimat befindet sich im Krieg gegen die Sarazenen, und da sein Vater und der Onkel gestorben sind, begibt sich Partonopier in den Kampf gegen König Sornagiur, der unter anderem die Herrscher von Dänemark, Norwegen und Grönland in seinem Gefolge führt. Eine wichtige Rolle spielt in diesem Kontext Mareis, der sich aus falschem Ehrgeiz gegen die Franzosen richtet und gegen den sich der Jüngling von Blois wendet. In der Zwischenzeit hat die Mutter des Helden von dessen Liebe zu Meliur erfahren, was sie zum Anlass nimmt, einen Minnetrank herzustellen, der ihn an eine andere Frau binden soll, was allerdings misslingt. Nach einer Heimkehr zu Meliur darf Partonopier noch einmal nach Frankreich reisen, wo ihn seine Mutter in ihre Befürchtungen einweiht, Meliur könnte vom Teufel abstammen. Als er wieder bei seiner Liebsten ist, wirft er deshalb nachts einen Lampenschein auf sie, bekommt dabei aber ihre wunderbare Gestalt und ihr schönes Wesen zu Gesicht. Indem er ihr Tabu gebrochen hat, gibt sie sich als Königstochter von Konstantinopel zu erkennen, die in sämtlichen Wissenschaften unterrichtet worden sei, um das Land zu führen. Da er sich nicht an die Abmachung gehalten hat, verbannt ihn Meliur vom Hofe. Für Partonopier hat dies die Konsequenz, dass er nach Blois zurückkehrt, wo er sich zurückzieht, um später gemeinsam mit seinem Freund Anshelm in die Wildnis zu fliehen. Dort findet ihn Irekel, die Schwester Meliurs, und pflegt ihn gesund. Für Meliur wird in der Zwischenzeit ein Hochzeitsturnier ausgerichtet, bei dem sie einen Gatten für sich finden soll. Partonopier macht sich auf den Weg dahin, muss sich allerdings erst aus den Fängen Hermans von Thenadon befreien, zudem freundet er sich mit Gaudin an, einem spanischen Grafen. Zum vorehelichen Wettkampf sind nicht nur alle bedeutenden europäischen Adligen angereist, sondern es sind auch die relevanten Könige des Orients anwesend. Der französische Held kann seine Gegner in den Wettkämpfen besiegen, so dass ihm Meliur verzeiht und ihn zum Manne nimmt.

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Geraume Zeit später trifft Partonopier seinen Freund Anshelm, der ihm die Geschichte der eigenen Kompromittierung erzählt, als er Opfer einer Intrige eines schmachvollen Ratgebers wurde. In diesem Moment nähert sich jedoch der Sultan, der der Meinung ist, er habe sich mit dem Turnier Rechte an Meliur erworben und sich deshalb gegen sie aufstellt. Partonopier erhält damit wiederum die Chance, gegen die Heiden in den Kampf zu ziehen, wobei der Roman während der breiten Beschreibung von Schlachten abbricht.

4 Quellen Was die Vorlage von Konrads Partonopier und Meliur angeht, handelt es sich um die altfranzösische und anonym tradierte Versdichtung Partonopeus de Blois. Auf uns gekommen ist der Text in sieben Überlieferungszeugen, von denen der älteste (A: Paris, Bibliothèque de l’Arsenal 2986) noch ins 12.  Jahrhundert datiert wird; diese Fassung bricht jedoch im Rahmen der Vorbereitungen zum Hochzeitsmahl von Partonopeu und Melior ab. Alle weiteren Handschriften enden an je verschiedenen Stellen, bis zum Schluss berichtet nur das Manuskript T (Tours, Bibliothèque municipale 939, 14. Jahrhundert). Charakteristisch für die Tradenten ist zudem eine größere Spannweite an Variantenbildung. Was einschlägige Editionen angeht, liegt eine zweisprachige Ausgabe von Olivier Collet und Pierre-Marie Joris aus dem Jahr 2005 vor, die diverse Handschriften – nämlich A, T und zudem auch B (Bern, Burgerbibliothek 113) – berücksichtigt. Im Partonopeus de Blois kommen verschiedene Textwelten zusammen, die sich schon von den Namensgebungen her erschließen: Der Hauptdarsteller trägt einen Eigennamen, „der aus dem thebanischen Sagenkreis ins merowingische Franken und die bretonische Märchenwelt transplantiert wurde“ (Faems und Wyss 2010, 371). Seine Partnerin heißt Melior und verweist damit ebenfalls auf die lateinische Welt, in welcher sie sich bewegt: Sie ist, zumindest für ein klerikal gebildetes Publikum, gleichsam als die ‚Bessere‘ zu verstehen. Nicht nur über ihre Fähigkeiten zu zaubern, sondern auch aufgrund des Umstands, dass der Sultan über ein enormes Heer verfügt, wird der Rezipientenkreis in eine Welt unterschiedlicher Gattungstraditionen verschlagen, die auf besondere Weise zusammenkommen. Dazu kommt, dass sich die Geschichte sowohl von ihren westlichen Chanson de geste-Geschehnissen her als auch mit Blick auf die orientalische Logik ergänzt, wobei sie differente Erzähltraditionen aufgreift und vermischt. Was die Bearbeitung der Thematiken anbelangt, so nimmt Partonopeus de Blois einerseits Aspekte einer trobadoresken Sprechhaltung ein, die sich auf chevalerie konzentriert, andererseits schlägt aber auch clergie zu Buche und nimmt auf spezifisches Wissen insbesondere in den zahlreichen Dialogen zwischen den Figuren Bezug. Hervorzuheben ist darüber hinaus ein spezieller Umgang mit dem Metrum, das sich themengebunden anpasst, indem „vom paarweise gereimten Achtsilblervers zu zwölfsilbigen assonierenden Laissen“ (Faems und Wyss 2011, 373) gewechselt wird, und zwar in dem

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Bereich, in welchem der Sultan den französischen Jüngling mit Krieg überzieht. Ebenfalls Zeichen einer systematischen Behandlung des Versmaßes ist die Art, wie der Sultan französische Formeln höfischer Zivilisation zusammenbringt, als er Melior in einem Brief seine eigenen Gefühle ausbreitet und dafür unterschiedliche Rhythmen verwendet. Was die Gesamtschau angeht, besticht Partonopeus de Blois durch ereignisreiche Details: So lässt sich der Roman verstehen als eine Summe höfischer Erzählkunst, die sich zentrale Themenstellungen der Zeit erarbeitet, wobei der Konflikt von Orient und Okzident, und zwar in einer mehrgliedrigen Wuchtung, zum Tragen kommt. Was Konrads Umgang mit seiner französischen Vorlage angeht, haben insbesondere die Studien von Wolfgang Obst verdeutlicht, dass sich der deutschsprachige Autor recht genau an seiner Quelle orientiert hat und „bis auf kleine strukturelle Modifikationen und übersetzungsbedingte Detailkürzungen [eine] ziemlich getreue Paraphrase“ liefert (Obst 1976, IX): Zu den Abänderungen gehören erstens das Weglassen der breiten Genealogie, die das Haus der Franzosen an das antike Troja anbindet, zweitens die Verschonung von Mareis, dem Emporkömmling, der nicht zum Tode verurteilt wird, und drittens die Umgruppierung der Streitparteien, als es im Rahmen der Heiratspläne von Meliur um ein Dreitagesturnier geht. Es macht „hier den Anschein, als eliminiere Konrad solche Aspekte seiner Vorlage, die er (historisch) für überholt hielt, soweit sie ehemals aktuelle, gleichsam tages-politische Probleme für ein französisches Publikum vom Ende des 12. Jahrhunderts waren“ (Kokott 1989, 224). Eine markante Veränderung betrifft jedoch die Funktion der Erzählstimme: Die souverän sich selbst inszenierende Erzählinstanz der französischen Fassungen wird radikal coupiert zugunsten einer Aufwertung der Figuren, indem sich der point of view vom allwissenden Erzähler partiell weitgehend in die Wahrnehmung des Protagonisten zurückzieht. (Schulz 2000, 83)

In dieser Hinsicht erhält Konrads Text also ein deutlich anderes Gepräge als seine Vorlage, was den Roman für vielseitige Fragestellungen öffnet. Unspezifisch in seiner Charakteristik bleibt hingegen der Einfluss von Apuleius’ Amor und Psyche, wobei der „hervorstechenste Unterschied zwischen dem Werk der Antike und der PartonopierDichtung des Mittelalters […] der Rollentausch der Geschlechter“ darstellt (Werner 1977, 58). Eine weitere Form der Antikerezeption ergibt sich zudem durch die Arten, wie in Konrads Text Affekte ausgelebt werden, sowie durch den Umgang mit Gefühlen. So lässt sich das „aus einer recht geringen Zahl elementarer Affekte zusammensetzende Affektspektrum […] wesentlich von den beiden polaren Affekten fröude und trûren“ (Kühne 2004, 239) bestimmen, die bei den meisten Figuren öfters auftreten.

5 Strömungen der Forschung Was den Roman Partonopier und Meliur angeht, haben sich in der Forschung eine Reihe unterschiedlicher Paradigmata festgesetzt, die sich um je diskrete Dichotomien des

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Texts drehen. Zu ihnen gehören der Jüngling im Übergang zum Erwachsenwerden, die Problematik zwischen Einzelwesen und Paarbeziehung, das Verhältnis der Religionen untereinander sowie die Relationen zwischen den Geschlechtern. Als Erzählbasis gilt „ein Synkretismus […] des antiken Liebesromans, der Mahrtenehe und des Aventiureromans“ (Friedrich 2009, 375), der die unterschiedlichen Problemlagen des Texts konturiert und die Komplexität der Themen auffächert. Charakteristisch ist für Konrads Erzählversion, dass er „wie die französische Vorlage ein[en] spezifisch[en] aristokratische[n] Roman [präsentiert], der Minne- und Ritterthematik mit Fürstenlehre und exklusivem Standesethos verbindet“ (Peters 1982, 25). Markant sind also von hier aus betrachtet die vielfältigen Fragerichtungen, die sich in der Analyse ergeben. Besonders auffällig rekurrieren die einzelnen Themenstellungen auf differente Parameter, die sich nicht grundsätzlich in je konkrete Fragestellungen auffächern lassen, wobei umgekehrt auch gilt, dass diverse Aspekte eng miteinander verwoben sind. Die Verhältnisse von Geschlecht und Religion, aber auch von Subjekt und Paarbeziehung stehen in zweischneidigen Konstellationen, die von den Verschiedenheiten der handelnden Personen geprägt sind. Augenfällig bleibt jedoch, dass „die Figur Partonopiers Ausgangspunkt für ein adäquates Verständnis des Konradschen Romans“ darstellt, ja der Autor bereits im Prolog „den Helden als besonders und absolut vorbildlich“ (Kokott 1989, 224) markiert. Einen zentralen Untersuchungsaspekt des Romans stellen Fragen der Fokalisierung und das Verhältnis von Erzählperspektive und dargestelltem Gegenstand dar. Damit hängt zusammen, dass die Wende des Protagonisten vom noch nicht heiratsfähigen Jüngling zum vorzeigbaren Erwachsenen eine wesentliche Relation in der Entwicklung des Romans ausmacht. Auch wenn Partonopier von Anfang an im Text als gutaussehend und als wohlgebaut beschrieben ist, darf die Art seiner Präsentation nicht darüber hinwegtäuschen, dass Partonopier und Meliur im Grunde genommen eine Entwicklungsgeschichte darstellt. So ist der männliche Held mehrfach zwischen seinen Rollen hin- und hergerissen, stellt er einerseits den adolescens dar, der sich von der auserwählten Frau die entscheidenden Stufen seines Wegs vorgeben lässt, sich dann aber insbesondere gegen Schluss ganz auf sich konzentriert und von dieser Position aus die zentralen Schritte selbst bestimmt. Bereits zu Beginn der Geschichte wird eine doppelte Fokalisierung deutlich. So ist zunächst die gesamte Szenerie aus der Warte Partonopiers formuliert; es ist signifikant, dass die Ereignisse in der fremden Stadt ganz aus der Perspektive des männlichen Helden berichtet werden. Immer wieder ist die Rede davon, was die Hauptfigur wahrnimmt, und nicht zufällig ist er sah eine häufig wiederkehrende Formulierung – mit der Folge, dass die ganze Stadt für die Rezipienten genauso mysteriös bleibt wie für den angsterfüllten Jüngling. Erzählt wird zudem mit regelmäßigen Introspektionen: Was Partonopier denkt und fühlt, wird dem Publikum genau geschildert, was im Umkehrschluss aber auch dazu führt, dass die Rezipienten zunächst nicht mehr wissen als der männliche Protagonist. Besonders markant gestaltet sich dies bei der Einführung Meliurs, bei der – sozusagen aus der Sicht Partonopiers – immer wieder auf den Teufel



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verwiesen wird. Allerdings wird in diesem Zusammenhang ebenfalls klar, dass es sich bei dieser Einschätzung um die Perspektive der männlichen Figur handelt. So wird just hier eine zweite Informationsebene eingezogen, indem sich gezielt die auktoriale Erzählstimme einschaltet, die Hinweise darauf gibt, dass der Teufel nicht gefürchtet zu werden braucht: Die Rezipienten erfahren – gleichsam hinter dem Rücken des Hauptakteurs –, dass sich ein Mensch anschleicht, und nicht der Leibhaftige, wie der angsterfüllte Jüngling glaubt. Mehr und mehr finden sich zudem auktoriale Umschreibungen für Meliur, die ihren kaiserlichen Hintergrund erkennen lassen: So spricht die Erzählinstanz etwa von der Protagonistin als des landes küniginne (V. 1528) oder bezeichnet sie als die keiserliche maget (V. 1534). Allerdings bleibt das Publikum insofern sehr lange auf dem Wissensstand Partonopiers, als es den Namen der weiblichen Hauptfigur ebenfalls erst mehrere tausend Verse später erfährt. So wissen die Adressaten zwar jeweils mehr als Partonopier, aber eben auch längst nicht alles. Was es mit dieser menschenleeren Stadt auf sich hat, ja um was für ein Land es sich handelt, dessen Königin offensichtlich die unsichtbare weibliche Hauptfigur ist, dies erfahren auch die Rezipienten erst viel später. Immerhin klärt Meliur Partonopier bald in direkter Rede über die tatsächliche Geschichte seiner Reise auf, indem sie verdeutlicht, dass sie es war, die ihn unmerklich so auf seinem Weg gelenkt hat, dass er zu ihr fand. Auffällig ist in diesem Zusammenhang, dass sie immer wieder als diu schoene bezeichnet wird, womit es sich ebenfalls um auktoriale Hinweise handelt, da Partonopier Meliur zu diesem Zeitpunkt gar nicht visuell wahrzunehmen in der Lage ist. Insbesondere finden sich auktoriale Beschreibungen, die ihr edles Wesen gerade hinsichtlich des Gesichtsinns verdeutlichen, wie beispielsweise: mit süezem munde rôsen rôt / sprach diu wunniclîche zim (V. 2840–2841). Mitunter scheint der Erzähler geradezu vergessen zu haben, dass sich das Paar nicht sehen kann, wenn er etwa formuliert: Partonopier antwürte bôt / der rede ûz süezem munde rôt / gezogenlichen unde sprach (V. 2931–33). Hier wird gleichsam suggeriert, er habe sie während ihrer ausführlichen Rede angesehen und ihren süßen roten Mund betrachtet, während sie sprach. Das Erzählprinzip, das die Entfaltung der im Roman imaginierten Welten kennzeichnet, ist also dadurch geprägt, dass die Rezipienten jeweils einen kleinen Wissensvorsprung zum Protagonisten haben, aber im Wesentlichen gemeinsam mit diesem die Verstrickungen der dargestellten Welt nach und nach kennenlernen. Der auktoriale Erzähler hat dabei insofern die Fäden in der Hand, als er immer nur so viele Informationen preisgibt wie nötig, um die weibliche Hauptfigur sympathielenkend im richtigen Licht erscheinen zu lassen. Insofern bleibt immer klar: Meliur gehört zu den ‚Guten‘, sie ist keine Gefahr für den Jüngling, wie ihn sein Umfeld im Handlungsverlauf glauben machen will und was schließlich zum Tabubruch führt, der die Trennung der beiden Liebenden zur Folge hat, bis es zum Schluss dank weiblicher Helferfiguren, ähnlich wie in Hartmanns von Aue Iwein, doch zum Happy End kommt. Das ‚Wie‘ und das ‚Was‘ des Erzählens gehen in Konrads ‚Minne- und Aventiureroman‘ also durchgehend Hand in Hand, und zwar nicht zuletzt dadurch, dass der Ver-

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fasser „die Handlungen der beiden Protagonisten psychologisch motivieren und plausibel machen“ sowie „da um Verständnis werben“ möchte, „wo es sich offensichtlich um schuldhaftes Verhalten handelt“ (Rohr 1999, 160). Im Zentrum steht eine in mehrfacher Hinsicht rätselhafte Welt, die sich nach und nach aufklärt und zum Schluss ihre abgründige Potenz verliert. Aus der Retrospektive bekommen die mysteriösen Konstellationen einen Sinn, alles zuvor Invertierte wird zu Gunsten einer verstehbaren und durchsichtigen Welt aufgelöst. Insofern gehört dazu auch der Umstand, dass der junge Franzose gegen Ende der Geschichte stärker Herr über das eigene Walten wird. Er ist derjenige, der seinen Plan bestimmt und den Gang der Dinge vorgibt, wobei insbesondere die letzten viertausend Verse des Romans durch eine veränderte narrative Haltung geprägt sind. War Partonopier bis dahin dadurch gekennzeichnet, dass er auch Schwäche zeigte und eine kindliche Unentschlossenheit an den Tag legte, so präsentiert er sich zuletzt als derjenige, der die Fäden für das Geschehen in der Hand hält. Die beschriebenen Charakteristika haben auch ihre Auswirkungen auf die Art der Beziehung, die die beiden Hauptpersonen miteinander eingehen. Insgesamt betrachtet folgt die Perspektive des Erzählens zwar über weite Strecken dem männlichen Protagonisten. Hier gilt: „Partonopiers Ängstlichkeit und Passivität, die einen wesentlichen Zug seines Charakters bilden, widersprechen seiner Rolle als ritterlicher Held“ (Cieslik 1992, 217). Dies spiegelt sich darin, dass wiederholt nur berichtet wird, was Partonopier in den konkreten Situationen erlebt. Tatsächlich könnte man durchaus davon sprechen, dass Konrads Roman lediglich einen Hauptakteur hat, nämlich den jugendlichen Franzosen. Allerdings differiert die Art der Schilderung, wie die Relation des Protagonisten zur weiblichen Hauptfigur narrativiert ist, passagenweise deutlich. Wann immer vor dem Tabubruch über die Beziehung der beiden gesprochen wird, ist diese hierarchisch geprägt. Meliur hat dabei jeweils das Szepter in der Hand: Sie ist diejenige, die die sich formierenden Geschehnisse vorgibt. Die gesamte ‚Entführung‘ des männlichen Helden in die Heimatstadt Meliurs geht, wie die Rezipienten allerdings erst nach und nach erfahren, auf die Machenschaften ihres Hofs zurück, an deren Spitze sie steht. So ist bereits die erste Überfahrt über das Meer Richtung Schiefdeire dadurch geprägt, dass „kein Steuermann […] das Schiff [lenkt], es folgt einem unsichtbaren Kurs“ (Wawer 2000, 66). Bedeutend für die sich konstituierenden Erzählsituationen ist der Umstand, dass das Publikum alle diese Erkenntnisse im Wesentlichen nur dank der Figurenreden der Protagonisten wahrnimmt, wobei die geheimnisvoll wirkende weibliche Akteurin einen zentralen Stellenwert einnimmt. So ist es sie selbst mit ihren Redebeiträgen, die die entsprechenden Hintergründe Partonopier kundtut, ja alles, was ihre Welt betrifft, erfahren die Rezipienten hauptsächlich durch ihre Schilderungen und Analysen. Was die Fokalisierung angeht, hat Konrad eine Romanwelt konstruiert, die spezifischen Modalitäten gehorcht und aus Konstantinopel eine Art Scheinwelt macht, die sich aus den Darlegungen der Figurenbeiträge konstituiert:



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Damit ist zugleich die Problematik des Ortes markiert: Schiefdeire ist eine Kunstwelt, bestehend aus höfischer Architektur, höfischem Glanz, zivilisierter Natur und magisch beherrschter Wildnis. Insofern bricht schließlich die Natur fast notwendig durch die Folie höfischer Inszenierung wieder durch. (Friedrich 2009, 378)

In welchem Verhältnis Meliur ihre Beziehung zu Partonopier sieht, wird zunächst in rund zweihundert Versen berichtet, in denen sich die junge Frau, die sich ihrem zukünftigen Gemahl als ein küneginne / des rîches hie ze lande (V. 1772–1773) vorstellt, verdeutlicht, wie sie ihn gemeinsam mit ihrem Hofstaat ausgesucht und auch die verborgene Schifffahrt in sein Land organisiert hat, um ihn zu sich zu holen: So „muss Partonopier seine Alltagswelt in radikaler Weise hinter sich lassen, um in die ‚neue‘ Welt zu gelangen“ (Gerok-Reiter 2013, 306). Vergleichbare Konstellationen dokumentieren sich in späteren Handlungen des Helden, wo er sich ebenfalls in hierarchischen Strukturen vorfindet. Diese sind über weite Strecken dadurch geprägt, dass sich der Protagonist als passive Figur zeigt. So ist Partonopier vor dem Tabubruch wesentlich durch die Einwirkungen unterschiedlicher Figuren geprägt – nicht nur Meliurs, sondern insbesondere auch in seiner Heimat –, und was er tut, wird von diesen Personen bestimmt: Sowohl die Liebe zur byzantinischen Königin als auch der Verdacht gegen sie gehen auf deren Handeln zurück. Als er das erste Mal nach Kärlingen zurückfährt, dankt Partonopier der unsichtbaren Schönheit für ihre Ratschläge und willigt ein, ihre Regeln zu befolgen und ihr treu zu bleiben. Umgekehrt hört er aber auch in Frankreich auf die – aus deren Sicht ebenfalls gut gemeinten – Hinweise seiner Mutter im Hinblick auf die unbekannte Frau. Angestachelt durch ihre eigenen Verwandten lässt er sich dazu hinreißen, Meliur mit der Lampe zu beleuchten und sie damit nicht nur von sich wegzuschicken, sondern ebenfalls deren eigene privilegierte Stellung zu untergraben. Im Anschluss an diese Szene ist der Protagonist wiederum hilflos auf sich allein gestellt, bis ihn Irekel, die Schwester seiner Auserwählten, zu sich nimmt und ihm rettenden Beistand leistet. Erst nach und nach findet er in dieser Situation seinen eigenen Weg, der ihn um seine zukünftige Frau kämpfen lässt. Eine wesentliche Dimension erhält das Handlungsschema nach dem Tabubruch denn auch durch Elemente, wie sie bereits im antiken Liebes- und Reiseroman anzutreffen sind, der sich „über den Dreischritt von Begegnung, Trennung und Wiederbegegnung der Partner, also über ein Handlungsmuster, das sich exponiert über die Abfolge von Nähe und Distanz im diachronen Erzählverlauf“ (Gerok-Reiter 2013, 302) manifestiert. So findet Irekel Partonopier im Wald, wo dieser sich das Leben nehmen will, was dann aber nicht gelingt, da die wilden Tiere ihn gar nicht angreifen, auch wenn er selbst sich ganz der Pein hingibt und sinniert: geschehen ist mir nie sô wê, / mîn lîp hab ez ver­ dienet wol. / kein fröude mîn gemüete sol / besitzen ûf der erden (V. 10816–10819). Tatsächlich hat der männliche Held damit die eigentliche Talsohle erreicht  – um mit Klaus Ridder zu argumentieren: „Der Tiefpunkt seiner persönlichen und gesellschaftlichen Existenz ist mit dieser letzten Steigerung erreicht, so daß die zu seiner Rettung führende

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Handlungsbewegung einsetzen kann“ (Ridder 1999, 321). Doch lassen sich an diesem Punkt mit Walter Haug auch Anknüpfungspunkte an den arthurischen Doppelweg erkennen, der über „die Flucht in die Wildnis“ (Haug 1992, 347) eine Art Nullpunkt vor der zweiten Entwicklungslinie darstellt. Relevant für den weiteren Gang der Geschehnisse ist, dass „sich der ganze Schauplatz des Romans endgültig in die Welt des Mittelmeers verwandelt zu haben“ (Eming 1994, 52) scheint: So kommt es mehrfach zu Herausforderungen für den männlichen Helden, die sich am Meer befinden oder gar Inseln ins Narrativ mit einbeziehen. Insbesondere verbirgt Irekel den Jüngling zunächst auf ihrem Eiland; zudem wird er von dort wiederum auf andere Inseln verschlagen, die weitere Herausforderungen für ihn bereithalten, so etwa nach Thenadon oder auch an den Ort, wo er gegen einen ungestümen Bären kämpfen soll. Für sämtliche dieser Passagen gilt, dass Konrad Sequenzen einfügt, „die zur Darstellung der Gefühle der Protagonisten dienen“, wobei er eine „Form des inneren Monologs [benutzt], die zusätzlich zu den langen Beschreibungen Möglichkeiten zu einer differenzierten Figurengestaltung eröffnen“ (Meyer 1994, 115). Insgesamt verändert sich Partonopier erst zum Schluss der Erzählung zu einem eigenständigen Wesen, das die selbst gewollten Entscheidungen auf der Basis eigenen Abwägens fällt. Insofern verschiebt sich die Beziehung zwischen den beiden Protagonisten in der Summe zwischen zwei differenten Eckwerten. Während die Hierarchie von Beginn an so definiert ist, dass der weibliche Teil die maßgeblichen Kräfteverhältnisse vorgibt, verändert sie sich mit den Unternehmungen im Laufe der Geschichte ins genaue Gegenteil. In der letzten Partie des Romans ist der männliche Held zum zentralen Hauptakteur geworden, indem er selbst vorgibt, was er tut und inwiefern dies nötig ist. Von daher kann man Konrads Erzählung als die Geschichte einer Entwicklung lesen, bei der aus einem adoleszenten Jüngling ein erwachsener Mann wird, der für die eigenen Handlungen die Verantwortung übernimmt. So gesehen zeigt sich der Roman gerade nicht als eine Erzählung über die wechselseitigen Relationen eines Brautpaars, sondern fokussiert vielmehr auf die Zeitspanne der Entwicklung vom Jüngling zum erwachsenen Mann und die damit verbundenen charakterlichen Wandlungsprozesse. Ein weiteres wichtiges Thema von Konrads Roman sind Formen religiöser Pointierung. Hand in Hand mit der Darstellung des jugendlichen Helden vollzieht der Roman diese Pointierung in der Präsentation interreligiöser Auseinandersetzungen, wie sie in diversen anderen epischen Gattungen der Zeit bereits etabliert waren. Genau genommen dreht sich der Text um drei verschiedene Glaubenskonstellationen, die je unterschiedlich konturiert sind. So gibt es zum einen den innerchristlichen Disput, der sich in der Beziehung von Partonopier und Meliur und – damit verbunden – in der Art ihrer Minnepartnerschaft abbildet. Zum anderen zeigt die Erzählung zwei verschiedene Problemzonen, in welchen (west)europäische Christen auf Muslime treffen, die in differenten Gattungstraditionen Niederschlag gefunden haben: einerseits der Konflikt im Westen Europas, der sich in der epischen Textsorte der Chanson de geste widerspiegelt, andererseits die im Rahmen der Kreuzzüge zunehmend problematischer werdende Auseinandersetzung mit den sich im Osten Europas befindenden Muslimen.



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Tatsächlich birgt bereits die im Zentrum der Geschehnisse stehende Liebesbeziehung in Konrads Partonopier und Meliur ein religiöses Konfliktpotenzial. So gestaltete sich das Verhältnis von abendländischen Christen und christlich-orthodoxen Glaubensangehörigen im 13. Jahrhundert durchaus ambivalent. Auf der einen Seite – und vor allem angesichts der übermächtigen muslimischen Gegner – kooperierten die beiden christlichen Gruppierungen miteinander und betrachteten sich als derselben Religion angehörig, auf der anderen Seite führten die je unterschiedlichen Auslegungen spezifischer Glaubenssätze zu Spannungen. Vor dem Hintergrund dieser Konstellation ist augenfällig, dass die konfessionelle Differenz zwischen den beiden Liebespartnern in Konrads Roman kaum ausführlich thematisiert wird. So werden gerade zum Auftakt des Kennenlernens der beiden immer wieder die Gemeinsamkeiten des Glaubens thematisiert. Als es für Partonopier beim ersten Zusammentreffen darum geht, die Herkunft der unsichtbaren Dame einzugrenzen, ist Meliur diejenige, die auf christliche Glaubenssätze rekurriert: So ruft sie ei frouwe sante Marje (V. 1321), und zwar genau in dem Moment, als sie ihn, ohne ihn zu sehen, das erste Mal im gemeinsamen Bett spürt. Insofern wird sie zunächst unmittelbar als Christin wahrnehmbar, und zwar sowohl intradiegetisch für den männlichen Jüngling als auch extradiegetisch für die Rezipienten des Romans. Auf der Oberfläche der Erzählung werden die religiösen Spezifika der je eigenen konfessionellen Anbindung der beiden Protagonisten also gerade nicht sichtbar. Schaut man allerdings genauer in den Text, werden Rekurrenzen auf Muster religiöser Prägung signifikant. Eine wesentliche Rolle spielt in diesem Zusammenhang die Wichtigkeit der Schönheit des männlichen Helden. Wie Monika Schulz herausgearbeitet hat, kommt der „Statusverkehrung“ (Schulz 2005, 64) von Mann und Frau eine besondere Rolle zu: Meliur hatte im Rahmen ihrer Ausbildung die besten meister (V. 8080) genossen, sie zählt damit dank ihrer Erziehung als gelehrte Dame; aufgrund der Inversion der Anforderungen an den zu werbenden Bräutigam ist es deshalb Partonopiers Aufgabe, über auserlesene Schönheit zu verfügen. Insofern es sich bei Meliur um eine Tochter des Herrschergeschlechts handelt, der das Erbe zufallen wird – „es existieren keine erbfähigen Brüder, die die Herrschaft übernehmen könnten“ (Schulz 2005, 66) –, ist damit der Status ihrer Qualifikation besonders virulent. Mit Meliur geht es also um die Erbtochter des byzantinischen Imperiums, auf der der gesamte Reichtum des Landes ruht. Insofern handelt es sich bei der feenhaft bereits vor der eigentlichen Ehe vollzogenen Verbindung von Partonopier und Meliur genau genommen um eine Art heimliche Hochzeit, die sich als tougenlichez dinc (V. 8187) präsentiert und gerade deswegen vom Pariser Erzbischof verunglimpfend mit dem tiufel in der helle (V. 7656) verbunden wird. Unter der Prämisse des konstantinischen Blickwinkels steht der Ehe im Weg, dass der Bräutigam noch nicht den Status eines Erwachsenen aufweist. Entsprechend werden die typischen Charakteristika, die für das Konzept einer Mahrtenehe gelten, zwar übernommen, aber für die hier in Szene gesetzte Konstellation modifiziert: Das Sichttabu wird der Situation insofern angepasst, als Partonopier für das Eheverhältnis noch

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zu jung ist, was beim Bruch des Tabus dann auch geltend gemacht wird. Dort wird dieser Defekt des Jünglings mit Bezeichnungen wie garzûn (V. 8440) oder kneht (V. 8461) angezeigt, da der Knabe noch nicht im heiratsfähigen Alter steht. Dieses Manko wird allerdings bis zu einem gewissen Grad aufgehoben, indem gleich auf die Schönheit des Jünglings verwiesen wird. Ebenfalls ist klar, dass sich Meliur retrospektiv als ein Wesen zeigt, das im Grunde genommen gar nie eine Fee war; sie war eine junge Frau, die über spezifische, durchaus zauberkundige Kräfte gebieten konnte, jetzt ist sie „eine junge Adlige mit eingeschränktem Verfügungsrecht“ (Eming 1994, 49). Von daher sticht die divergierende christliche Glaubenszugehörigkeit der beiden Protagonisten nur auf der Ebene präziser Analyse ins Auge, wobei der differente Eherechtsdiskurs erst in kleineren Details sichtbar wird. So unterscheidet sich etwa die Vorstellung, ab wann eine Ehe vollzogen ist, in der westlichen und in der östlichen Systematik: Während nach byzantinischer Auffassung die Hochzeit erst dann rechtsgültig ist, wenn sie durch einen Priester vermittelt wird, spielen Aspekte des privaten Verständnisses in den westlichen Diskursen eine stärkere Rolle. Diese Differenz spiegelt sich etwa in der Einschätzung der Beziehung von Partonopier und Meliur: Während gemäß „Beilager und Eheformel eine sakramentale und damit unauflösliche Verbindung“ (Schulz 2005, 97) nach westlichen Bestimmungen begründet wird, taxiert wiederum Irekel dieses selbige Minneverhältnis als verborgenliche trûtschaft (V. 9067), setzt damit östliche Gültigkeiten an. Je nachdem, welches Eherecht also unterstellt wird, unterscheiden sich die präsentierten Handlungsketten. Allerdings ist in diesem Zusammenhang auch festzuhalten, dass das gemeinsame Beilager zwischen Partonopier und Meliur bereits von Anfang an als tougen (bzw. über das Adverb tougenlîch oder mit Hilfe des Substantivs tougenheit) beschrieben wird, was dem Gepräge eine geheimnisvolle Note gibt, da derartige Einhegungen der Beziehung zwischen den Minnenden eine besondere Ausrichtung verleihen und insgesamt ein breites Spektrum vom Positiven zum Negativen hin umfassen. […] Charakteristisch für [Konrads] Umgang mit solchen Motivvorgaben ist […] das Durchspielen sämtlicher Bedeutungsnuancen und als Folge hiervon die Verquickung von Akzentsetzungen, die sich ursprünglich gegenseitig ausschließen. (Salvan-Renucci 1996, 159)

So ist das Spiel mit der Differenz von offenliche und tougen eine typische Eigenschaft von Konrads Text, der die betreffende Doppelheit immer wieder zum Tragen kommen lässt, wobei sie in den späteren Erzählsequenzen ebenfalls virulent sind, gerade in der Passage, in der Meliur und Irekel miteinander zu tun haben, wobei „[d]ie minne und der kumber Meliûrs […] die Themen aller noch folgenden Gespräche der Schwestern“ sind (Rikl 1996, 132). Doch zurück zur Beziehung, wie sie sich zwischen den beiden Liebenden vollzieht: Mit dem von Partonopier vollzogenen Tabubruch wird Meliur ins Recht gesetzt, die bereits eingegangene Partnerschaft wieder rückgängig zu machen. Bemerkenswert ist dabei, dass die Partnerin in diesem Akt ihrerseits ihre privilegierte Stellung aufgeben



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und in den Kreis der eigenen Verwandtschaft zurückkehren muss. Aus westlicher Sicht ist die Beziehung von Partonopier und Meliur dadurch gekennzeichnet, dass „der Appell zu triuwe und staete leitthematisch propagandistisch den Text“ durchzieht (Schulz 2005, 108), während aus östlicher Perspektive die byzantinische Königin diejenige ist, die die eigentliche Rechtsnorm innehat. Insofern laviert die Minneverbindung in diesem Roman je nach religiöser Sichtweise, wobei Meliurs Vormachtstellung in beiden Fällen mit dem Tabubruch eingeschränkt wird. Ihre Position erfährt eine Zurückstufung in ein patrilinear geprägtes Weltbild, bei dem die männlichen Zeitgenossen die wesentlichen Machtaufgaben ausfüllen und auch dafür zuständig sind, wer sich wann mit wem verheiratet. Dass dabei nach wie vor auch weibliche Helferfiguren zum Zuge kommen, verdeutlicht die Stellung Irekels in der Figurenkonstellation. Neben dieser Gegenüberstellung von römisch-christlicher und christlich-orthodoxer Ausrichtung spielen in Konrads Partonopier und Meliur die Darstellungen heidnischer Konfigurationen eine charakteristische Rolle, und zwar gerade mit Blick auf den Machtkampf christlicher Herrschaftslinien. So gibt es mehrere Ereignisse, die hier relevant werden, zum einen den Streit gegen die von Frankreich aus in nordwestlicher Richtung angesiedelten Muslime, die im ersten Teil der Geschichte virulent sind, zum anderen die agonalen Gegebenheiten gegen den Sultan sowie die sich in seinem Machtgefälle befindlichen Kämpfer. Der erste Komplex dreht sich um den heidnischen König Sornagiur und die mit ihm verbundene Klientel. Es handelt sich dabei um die erste große, durchaus heterogene Kampfgruppe, gegen die Partonopier zu Felde zieht. Partonopiers Gegner werden zunächst vorgestellt, indem die strategischen Debatten im Kreis von Sornagiurs Runde präsentiert werden. Dabei ist charakteristisch, dass die einzelnen Kämpfer nacheinander ihren Standpunkt darlegen, und zwar in der Art, dass „die Beratung […] nicht zum Konsens, sondern zu einem Sornagiurs Ehre bedrohenden Ergebnis“ führt (Hübner 2011, 224), was dadurch umso besser funktioniert, dass sich die je einzelnen Problemkomplexe im Beratungsrahmen gegenseitig ad absurdum führen. Konrad stellt die Argumentationslinien zudem so dar, dass Graf Mareis als Letzter seine Stellungnahme abgibt, mit der er keinerlei Punkte gewinnt. Hier wird klar, dass die Ansichten, die bestimmten Muslimen im Text unterstellt werden, augenscheinlich ins Abseits führen, ja sie sich gleichsam selbst denunzieren. Die Position, die Mareis vertritt, ist gemäß Konrads Einschätzung offensichtlich nicht haltbar: So macht er „die Gier [stark], mit der Mareis nach der Macht greift, und stellt sein Avancement als Usurpation hin. Weil Mareis von nihte zu Besitz gelangt ist, vermag er keinem so zu raten, daß es zu dessen Ruhm und hohem Ansehen gerät“ (Ehlert 1980, 41). Auffällig wird in diesem Kontext die fehlende Abstammung von Mareis gerade herausgestrichen, indem den rîchen und den werden (V. 4687) eben gerade nicht von jemandem, der von niedriger Geburt stammt, Weisung gegeben werden kann. Um einen Höhepunkt in der Darstellung dieses Konflikts handelt es sich beim Zweikampf zwischen Partonopier und Sornagiur, wobei die Gegenüberstellung dadurch gekennzeichnet ist, dass die kriegerischen Machenschaften in minutiösen Detailstudien

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eingeholt werden. Charakteristisch für Konrads Bearbeitung ist die Art und Weise, wie sich der Bauernsohn Mareis ins Kampfgeschehen einmischt und dadurch der Handlung ein eigenes Gepräge verleiht. Er, der als gesellschaftliche Aufsteigerfigur in seiner Jugend keine angemessene Ausbildung genossen hatte, zieht die Kampfhandlungen dadurch gleichsam ins Abseits. Zum Schluss der Auseinandersetzungen kommt es deshalb auch nicht zu einer akzeptablen Lösung, wie die Konfliktsituation hätte aufgelöst werden können. Der Streit zwischen den Katholiken und den Heiden steht hier im Zeichen des interreligiösen Austauschs, wie er in der Tradition der Chansons de geste bis zur zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts bereits unterschiedliche Ausformungen erlebt hat. Weitere Charakteristika einer Darstellung christlich-muslimischen Kontakts spiegeln sich in den komplexen Gegebenheiten nach dem Tabubruch. Dort gibt es verschiedene Handlungskonfigurationen, die insbesondere durch Akteure geprägt sind, die sich vom Heidentum zum Christentum haben bekehren lassen. Einer der Handlungsträger ist Anshelm, mit dem sich der männliche Held in der Zeit tiefer Dunkelheit anfreundet, nachdem er das von Meliur verhängte Sichttabu nicht eingehalten und sich danach in die Einsamkeit zurückgezogen hat. Die Beziehung zwischen den beiden Männern ist in dieser Krisensituation dadurch gekennzeichnet, dass sie Raum gibt, spezifische Eigenheiten des gemeinsamen Miteinanders sichtbar werden zu lassen. Insofern hat Partonopier Gelegenheit, mit Anshelm Aspekte der eigenen Gelehrsamkeit an den Tag zu legen. Gesprächsweise kommt die Bildung der Protagonisten zum Zug, wobei auch die Art des jeweiligen Argumentierens Kontur gewinnt: Indem die beiden Helden in ihren Unterhaltungen Modelle von These und Gegenthese argumentativ durchspielen, geben sie einem klerikal gefärbten Bildungshintergrund Ausdruck, der vom gelehrten Publikum der Zeit auch als solcher wahrgenommen werden konnte. Anshelm ist also eine typische Mittlerinstanz, die zwischen den politischen und religiösen Angelegenheiten seiner Zeit changiert und gerade durch das eigene Wechseln der Modalitäten die Relevanz der Frage aufzeigt. Durch ihre wichtige Position im Rahmen des Gesamtgefüges des Texts verweist die Figur auf zentrale Charakteristiken der Zugehörigkeit des Gläubigen. Der Umstand, dass Anshelm als „Grenzgänger zwischen heidnischer und christlicher Kultur“ (Huber 2002, 298) auftritt, spiegelt sich in der Tatsache, dass seine Parallelgeschichte, die er im Moment der größten Krise Partonopiers erzählt, die beiden Protagonisten in ein direktes Verhältnis setzt. So ist es kein Zufall, dass Anshelm über den Wechsel vom Heiden- zum Christentum die Signifikanz der abendländischen Religion zum Ausdruck bringt. Er ist in gewisser Hinsicht ein Alter Ego von Partonopier, das durchaus auch die Virulenz gelehrter Disputation in der konfliktreichen Konstellation sichtbar macht. Neben Anshelm gibt es in Konrads Erzählung weitere Figuren, die sich in die interreligiösen Handlungskonfigurationen einordnen lassen. So sind etwa einerseits Herman von Thenadon oder andererseits auch der spanische Graf Gaudin Akteure, die auf je eigene Weise agieren und sich gegenüber Partonopier negativ oder positiv in Szene setzen. Dabei spielen die spezifischen Figurenkonstruktionen eine tragende Rolle für ihre Deutung. Auf Thenadon fällt ins Gewicht, dass der Protagonist gefangen genommen



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wird und auf diese Weise nicht mehr allein für die eigene Restitution kämpfen kann. Er ist den Verhältnissen so ausgesetzt, dass er die Hilfestellung der Ehefrau Hermans annimmt, die ihrerseits durch seine Schönheit beeinflusst ist, wobei die Passage „ganz nach dem arthurischen âventiure-Muster gestaltet [ist], insofern der Held genau jene Tugend unter Beweis stellen muss, an deren Ausübung er es zuvor fehlen ließ“ (Wawer 2000, 113–114). Bei Gaudin wiederum kommt zum Tragen, dass dieser als „Repräsentant ritterlicher Vorbildlichkeit“ (Huber 2002, 298) die soziale Rückführung Partonopiers in dessen gesellschaftlichen Verpflichtungsrahmen steuert und seine Reintegration am Hof Meliurs wesentlich unterstützt. Eine besondere Auseinandersetzung Partonopiers mit den Heiden stellt dessen Kampfaufnahme mit dem Sultan von Persien dar. Die Grundkonstellation besteht hier darin, dass der orientalische Regent durch seine Teilnahme am Turnier, dessen Ausgang über den zukünftigen Ehemann Meliurs entscheiden soll, Ansprüche auf sie erhebt. Seiner Meinung nach hat er Ambitionen auf die byzantinische Herrscherin, die er daraufhin im kriegerischen Gefecht einfordert. Der Machtaustausch entzündet sich am Vasallen Graf Arnold, der dem heidnischen Feind als Zielpunkt der Agression dient. Die Kämpfe zwischen den diversen Parteien zeigen sich durchaus vielschichtig und komplex, wobei eine Reihe unterschiedlicher Figuren, Christen wie Heiden, eine Rolle spielt. Zu nennen ist zum einen der die Seiten wechselnde sarazenische Knappe Alîs, der Partonopiers Aufgaben im Kampf anerkennt, aber zugleich über das eigene Ziel hinausschießt. Sein Jubel ist in diesem Moment nicht angemessen, da nach wie vor Tote auf beiden Seiten verzeichnet werden. Ähnlich verhält es sich mit dem muslimischen Fürsten Appatris, der in den Gefechten Wunden davonträgt. Doch auch auf christlicher Seite finden sich vielfältige Hinweise auf durchaus ambige Kampfsituationen. Partonopier trifft in einem Wald auf eine Gruppe von Leuten, die sich über die schlechten Kampfbedingungen beschweren will. Sichtbar wird in diesem Zusammenhang, dass der Vasall Graf Arnold seinerseits ebenfalls gegen die Heiden kämpft und dabei die ärmere Bevölkerung zu unterstützen weiß. Partonopier selbst ist von diesem Sachverhalt derart eingenommen, dass er sich zurückzieht, um zu weinen, zugleich aber auch versucht, für die christliche Bevölkerung Hilfeleistungen zu erwirken. Partonopier stürzt sich daraufhin in das Gefecht, in das helfende Truppen mit eingreifen, die Gaudin bringt. Es kommt zu einer nicht mehr in den einzelnen Aspekten entwirrbaren Kampfhandlung, die sich von daher einer genaueren Analyse verschließt. In Bezug auf die männlichen Figuren der Handlung spielen eine Reihe von Akteuren eine Rolle für die Geschlechterkonfigurationen, wobei insbesondere die muslimischen Herrscher ein besonderes Gewicht in der Charakterisierung erhalten. Was den Heidenkönig Sornagiur angeht, so sticht dessen distinguierte Darstellung sofort ins Auge. Bei seiner ersten Ankündigung wird er von der Erzählinstanz gelobt als vil schoene und ellenthaft. / er hete manheit unde kraft / an herzen unde an lîbe. / von ungetouftem wîbe / kam nie frecher jungelinc (V. 3333–3337). Mit dieser auffälligen Beschreibung wird der politische Gegner Partonopiers besonders herausgehoben, ja eigentlich den Christen-

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fürsten gleichgestellt. So folgen weitere Charakteristika, die die edle Präsenz des Heiden auszeichnen, der sich, abgesehen vom Glauben, in keiner Weise von christlichen Würdenträgern unterscheidet. Insgesamt sind auserwählte heidnische Kämpfer von ihrem Tun und ihren Sitten her ähnlich stark aufgestellt wie Partonopier und seine Leute. Gerade die Gottheiten, die von den Heiden angepriesen werden, erhalten eine angemessene Darstellung. Diese zeigt sich etwa darin, dass die oberste Heiligkeit als ach got, vil werder Mahmet (V.  3754) angesprochen wird, womit die innige Beständigkeit zu dieser Instanz ausgedrückt ist. Allein aufgrund der genannten Charakteristika wird deutlich, dass die Muslime in Konrads Roman keinen Sonderstatus einnehmen, sondern in die Dichotomien und Machtstrategien von Männern und Frauen eingebunden sind. Dies verdeutlicht insbesondere auch das Gefecht zum Schluss des Widerstreits von Partonopier und Sornagiur, in welchem beide religiösen Parteien geradezu auf Augenhöhe gegeneinander kämpfen. Alles in allem treffen die komplexen Angelegenheiten der religiösen Zugehörigkeit in Partonopier und Meliur einen zentralen Nerv der Erzählung. Unter den diversen muslimischen Gegnern scheiden sich die Herangehensweisen, und während Sornagiur den westlichen Höhepunkt der jeweiligen Auseinandersetzung darstellt, kommt mit dem Sultan der östliche zustande. Mit Sornagiur als Gegner sind Christen und Muslime in der Lage, den Religionskonflikt so darzustellen, dass mutige Vertragspartner sichtbar werden, wo zuletzt der Streit ohne offenen Kampf beigelegt wird. Im Gefecht gegen den Sultan, das mitten in der Handlung abbricht, sind die diversen Mitstreiter unterschiedlich aufgestellt und übernehmen differente Rollen. In dieser letzteren Aufgabe finden sich sowohl sinnvolle als auch weniger adäquate Handlungen für das gemeinsame Miteinander, wobei die Grundtendenz darin besteht, dass die Diskrepanz zwischen Christen und Heiden aufrecht erhalten bleibt. Einen weiteren großen Problemkomplex des Romans stellen geschlechtergeschichtliche Fragestellungen und Formen literaler agency dar, wie sie sich in der Beziehung von Partonopier und Meliur zeigen, aber auch darüber hinaus. Bereits die beiden Hauptfiguren stecken ein breites Feld ab, das in der Hinzunahme weiterer Akteure noch dichtere Schattierungen erhält. So gewinnt neben Meliur die Fokussierung der Mutter von Partonopier, aber insbesondere auch ihre Schwester Irekel Kontur. Bei den Männern sind es vor allem die diversen Formen von Männlichkeit, die hier zu Buche schlagen, wobei auch in diesem Punkt religionsgeschichtliche Aspekte eine Rolle spielen. Grundsätzlich ist festzuhalten, dass keine der Figuren des Romans eine markante Form von agency im handlungsträchtigen Sinn aufweist. In Konrads Partonopier und Meliur bewegt sich das Personeninventar insofern gleichsam umstandslos, als sein Agieren kaum durch die Erzählinstanz kommentiert, ja im Grunde genommen noch nicht einmal eingeführt wird. Die handelnden Figuren sind schlicht ‚da‘, sie werden nur auf knappste Weise argumentativ in die Geschehnisse integriert, indem keinerlei Informationen, die den Rezipienten Hinweise zu ihrer Einordnung liefern würden, zur Hand gegeben sind. Jede Figur handelt quasi aus sich selbst heraus: Alle wichtigen



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Angaben erhält das Publikum aus der direkten Rede, die alles in allem einen enorm hohen Stellenwert einnimmt. Konzentriert man sich auf Meliur, fällt eine markante Abnahme von Selbständigkeit im Lauf der Erzählung auf. Während die junge Frau im ersten Teil die Fäden der Macht in der Hand hat, verliert sie diese Stellung nach dem Tabubruch. Die Degradierung der faktischen Handlungssubstanz ist dermaßen frappant, dass diese Veränderung der weiblichen Hauptfigur auch als Wandel „von der Fee zur Hausfrau“ (Schöning 1991, 205) verstanden worden ist. Zu Beginn der Geschichte steht es vollends in ihrer eigenen Befugnis, welchen Mann sie für sich selbst aussucht. Sie verfügt, auch wenn dies lediglich durch ihre eigene Mitteilung verkündet wird, über die Macht, den sich noch im Status des Jünglings befindlichen Partonopier zu sich kommen zu lassen. Sie kann den Plan ungehindert umsetzen, mit dem fremden Jungen eine Art Spielanordnung eines Liebeslebens bis zu dessen angemessenem Alter durchzuführen. Insofern passt ins Bild, dass Meliur ihm „ihre sexuelle Verfügbarkeit und eine friedliche, materiell abgesicherte Lebensweise an[bietet]“ (Eming 1994, 44–45). Auch was die mehrfache Rückreise in sein Heimatland angeht, ist Meliur diejenige, die selbst noch die finanziellen Angelegenheiten regelt und dafür sorgt, dass er über genügend Ressourcen verfügt. Sie hat sein Walten zunächst vollständig in ihrer Hand, etwa indem sie den Jüngling wiederum schlafend über das Meer nach Hause fahren lässt, und zwar mit listen ûf geleit / von sîner frouwen künste wart (V. 3006–3007). Was den Sichtkontakt angeht, darf Partonopier seine Braut deswegen nicht sehen, „weil er selber noch nicht ansehnlich genug ist“ (Wyss 1988/1989, 365). Die gesamte Szenerie besitzt von daher eine innere Kohärenz, in der sich Meliur in ihrer Position als Fee zeigt. Was die Szene des Umschlags angeht, zeigt sich ein anderes Bild. Sobald Partonopier die Lampe auf sie gerichtet und damit auch ihre Schönheit erblickt hat, ergeben sich neben den monologischen Passagen Meliurs Gesprächssequenzen mit ihrer Bevölkerung, insbesondere mit der weiblichen Hofgesellschaft. In diesem Moment verteilt sich die Zuständigkeit für die Königin auf weitere Personengruppen, rückt sie vom Subjekt zum Objekt, dem Vorwürfe gemacht werden. Ins Auge sticht, dass „von der anfänglichen, auffallend eigenständigen Gattenwahl und dem mit ihr verbundenen intimen Raum […] nichts mehr vorhanden“ zu sein scheint (Gerok-Reiter 2013, 316). Insbesondere werden ihre übernatürlichen Fähigkeiten nach und nach erklärt, indem sie als nützliche Vorbereitungshilfen für ein Leben als Staatsfrau erläutert werden, Letzteres allerdings unter der Prämisse, dass sie als Ehefrau eines Herrschers fungiert: „Die Geliebte ist keine Fee, sondern die Tochter des byzantinischen Kaisers; ihre Magie ist erlernbar und ihr Reich ein wichtiges Handelszentrum“ (Lienert 1987, 60). So wirkt Meliur nicht mehr als ein Zauberwesen, sondern erlebt die zusätzlichen Machtinstrumente als Ausdruck ihres Status, der ihre Führungsposition begründet. Ihre Stellung ist gleichsam von Anfang an dadurch geprägt, dass sie als Königin eines mächtigen Volkes regiert. Was ihre magischen Fertigkeiten angeht, ist eine Veränderung übernatürlichen Wirkens hin zu einem Verhalten in den üblichen Bahnen einer Herrscherin prägnant. Meliur vermag ihre Welt vor allem auch nicht mehr selbst zu beeinflussen:

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So werden es mehr und mehr männliche Figuren des Romans, welche die wesentlichen Entscheidungen treffen hinsichtlich der weiteren Entwicklungen der Königin. Ebenfalls eine wichtige Position für das Handlungsgeschehen übernimmt die Mutter von Partonopier. Sie ist die höchste Amtsinhaberin in dessen Heimatland, nachdem sein Vater und sein Onkel gestorben sind. Als Partonopier das erste Mal nach Frankreich zurückkehrt, klagt sie ihrem Sohn gegenüber ihre Pein, wie sehr sie unter den Nachbarn leide und von diesen belagert werde. Als er ihr finanzielle Mittel anbietet, nimmt sie das Geld snellicliche in ir gewalt (V. 3217) und verwendet es zur Anheuerung der besten Ritter. Nach dem weiteren militärischen Treiben gegen die muslimischen Gegner pocht Partonopiers Mutter auf eine intensive Auseinandersetzung mit dem Problem, das sie im teuflischen Wesen von dessen Braut erkennt: So sei Meliur tatsächlich eine Gestalt des Teufels, die als Fee Hof halte, aber in Wirklichkeit den Untergang des Abendlandes vorantreibe, und entsprechend wird sie von der französischen Herrscherin bekämpft. Eine wesentliche Rolle kommt in dieser Konstellation dem Umstand zu, dass Lucrete, wie die Mutter Partonopiers genannt wird, durchaus Züge an den Tag legt, die inzestuösen Charakter haben. Sie ist es, die den Jüngling an sich bindet und ihm ein Domizil anbietet. Sie ist es auch, welche eine Braut aus der eigenen Familie vorschlägt, der sich Partonopier zuwenden soll, ganz im Sinne der endogamen Heiratspolitik, die Partner in den persönlichen Reihen für die Herrscherkaste auftreibt. An einer Stelle geht die Mutter soweit, gegenüber Meliur ihre schlechte Gesinnung auf eine Weise auszuleben, dass sie ihr âne schulde nît (V. 7466) zuspricht. Dieser Kampf schließt denn auch ein, dass Partonopier gegen Meliur aufgehetzt wird, indem er sich ganz der französischen Braut verschreiben und von der Frau aus Konstantinopel ablassen soll. Eine besondere Wendung erhält der Mutter-Sohn-Konflikt in diesem Sinne allerdings dadurch, dass zwischen Meliur und ihrem Vater ebenfalls Aspekte in Richtung Inzest zum Tragen kommen. So hat der Vater, wie angesichts des Tabubruchs reflektiert wird, Meliur in die Zauberkünste einweisen lassen, eine Fähigkeit, der sie sich auch gleich bediente, als sie Partonopier zu Beginn der Geschichte zu sich bringen ließ. Auch war der Vater lange in der Lage, die junge Tochter zu sich zu nehmen, damit sie ihm bei Langeweile etwas vorzauberte, wobei sie „vor dem Auge ihres Vaters ganze Welten erstehen“ (Eming 1999, 67) ließ. Es ist letztendlich die Beziehung von der Tochter zum Vater, die auch diejenige zwischen den jungen Partnern bestimmt, indirekt aber wiederum das Verhältnis von Mutter und Sohn wesentlich mit gestaltet. In seinem weiteren Hin und Her rückt der junge Mann noch deutlicher auf die Seite der Franzosen, wo sich auch der Bischof auf die Seite der Mutter schlägt und Partonopier rät, sich gegen den mit Meliur abgemachten Plan zu richten und die Gestalt der byzantinischen Königin zu entdecken: Er soll also die Absicht, die rechtmäßige Ehefrau noch nicht zu betrachten, aufgeben zu Gunsten einer Herangehensweise, die die wahren Verhältnisse zu klären hilft – so lautet zumindest der Ratschlag der abendländischen Herrscherlinien. Details zur Umsetzung dieses Vorgehens rät der Bischof dem Jüngling denn auch in genauen Zügen, so dass der nächtlichen Überprüfung nichts mehr im Wege steht.



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Neben der Mutter Partonopiers gewinnt mit Blick auf das Geschlechterverhältnis auch Irekel, die Schwester Meliurs, Kontur. Sie stellt in der Phase des größten Verdrusses, nachdem der Plan, die (vermeintliche) Mahrtenehe intakt zu halten, gescheitert war, eine wesentliche Gestalt dar, die zwischen den Positionen zu verhandeln weiß. Irekel ist diejenige, die sich dem auserwählten Gemahl ihrer Schwester so an die Hand gibt, dass dieser sich nach und nach in die für ihn vorgesehene Rolle finden kann. Sie hilft Partonopier aus seinem Tiefpunkt heraus, an welchem er sich selbst das Leben nehmen will. Sie ist diejenige, die ihn unterstützt, als er keine Hoffnung mehr sieht, etwa als sie in ihrer Rede „den Blick auf Partonopiers Zwischenstellung zwischen dem leicht verführbaren Kinde und dem für seine Taten voll verantwortlichen Manne“ charakterisiert (Wawer 2000, 97). In diesem Sinne wird Irekel zur zentralen Helferfigur des Plots, indem sie den weiteren Handlungsgang überhaupt erst so beeinflusst, dass sich Partonopier erneut in das Bezugsfeld von Meliur begibt. Erst dort übernimmt er im Lauf der Zeit – und tatsächlich alles in allem sehr langsam – diejenige Position, die ihn die Oberhand über die Ereignisse gewinnen lässt.

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16 Trojanerkrieg Konrads zwischen 1281 und 1287 in Basel entstandener Trojaroman bietet nach dem Liet von Troye Herborts von Fritzlar (nach 1195/um 1210) die zweite mittelhochdeutsche Großerzählung von den Kämpfen um Troja. Der durch den Tod des Autors unvollendet gebliebene Romantorso von 40424 Versen ist das Ergebnis monumentaler Kompilation: Auf Grundlage des altfranzösischen Roman de Troie Benoîts de Sainte-Maure, den Konrad sowohl deskriptiv ausweitet als auch erzählstrukturell ergänzt, führt der Trojanerkrieg pseudo-historiographische Kriegsberichte der angeblichen Augenzeugen Dares Phrygius (De excidio Troiae historia) und Dictys Cretensis (Ephemeris belli Troiani), Episodenmaterial der lateinischen Mythographie sowie Motive, Erzählverfahren und Semantiken volkssprachlicher höfischer Romane mit maximalem Vollständigkeitsanspruch zusammen, der vorbildlos im Mittelalter ist (Lienert 1996, 2004). Die Heterogenität des Erzählmaterials und seiner Gattungskontexte wird dabei keineswegs übergangen, sondern zum poetologischen Programm. Konrad erhebt den Anspruch, nicht nur divergentes Erzählmaterial über Troja umfassend zu versammeln, sondern zugleich zu transformieren. Formuliert bereits der Prolog die Absicht, daz alte buoch von Troie (V. 269) sowohl zu restaurieren als auch in frischem Glanz zu erneuern (erniu­ wen, V. 274; dazu u.  a. Pfennnig 1995; Kellner 2006; Hasebrink 2009; Laufer 2015), so lenkt Konrad auch im Erzählfortgang von Heldengeschichten, Konfliktgenese und Schlachtbeschreibungen immer wieder den Blick auf die Kohärenz seiner Bearbeitung – zwar nicht durch explizite Quellenkritik, wohl aber durch sprachliche Akzente eines ästhetischen Verfremdungsstils (Monecke 1968; Müller 2006, 2018; Friedrich 2018) wie durch verschiedene Verfahren der Wissensorganisation (Gebert 2013a). Nicht zuletzt aufgrund seines Umfangs stellt Konrads Erzählprojekt die mediävistische Forschung bis heute vor erhebliche Schwierigkeiten, den Roman über punktuelle Zugriffe hinaus  – wie etwa Kunstreflexionen (z.  B. Prolog und Götterexkurs, Apfel der Discordia: Huber 2016; Laufer 2016) oder mythologische Binnenepisoden (Parisurteil, Jason/Medea, Achill, Hercules, Helena) – auf umfassendere Bearbeitungstendenzen hin zu untersuchen. Zielt Konrad auf Kohärenzbildung durch kontrastive Komposition, thematische Zentrierung (Liebe und Krieg) und Leitsemantiken der Fatalität (Cormeau 1979; Lienert 1988/1989, 1993, 1996, 2004; Haferland 2015; Managò 2021)? Oder demonstriert der Trojanerkrieg umgekehrt den Zerfall jenes Erzähldispositivs von Themen, Zeichenordnung und Ethos, das der höfische Roman etabliert hatte (Haug 1992; Worstbrock 1996; Müller 2006)? Wie lässt sich die Episodenverknüpfung des Trojanerkriegs kontextualisieren, wenn man über die Troja-Geschichtsschreibung (Lienert 1990a, 1996) hinaus den verschiedenen Diskursbezügen nachgeht, die insbesondere die mythographischen Episoden um Paris und Helena, Achill oder Hercules als ‚Binnenromane‘ über Erziehungsnormen (Friedrich 2007), Geschlechtsidentität (Sieber 2002, 2003, 2008; Schneider 2016) oder Nahbeziehungen (Kraß 1999, 2006) lesbar machen? Noch grundsätzlicher stellt Konrads Trojanerkrieg https://doi.org/10.1515/9783110373561-016

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das Verhältnis von Sinnvermittlung und Ästhetik zur Debatte: Bis zu welchem Grad können hermeneutische Deutungsperspektiven einen Kriegsroman überhaupt erschließen, der sich in besonderer Weise durch seine diskursive Oberflächengestaltung, seine rhetorischen Ausweitungen und stilistischen Signaturen auszeichnet? Wenn sich die Forschung von Quellen- und Kompositionsfragen in jüngerer Zeit verstärkt den Grenzen und Aporien narrativer Sinnbildung zuwendet, kommen Spannungen zum Vorschein, die indes schon die historische Rezeption prägen.

1 Überlieferung Dass Konrads Trojanerkrieg für verschiedene Gattungs- und Verwendungskontexte anschließbar war, spiegeln die insgesamt 34 bekannten Vollhandschriften, Fragmente und Textauszüge (Lienert 1990b, ergänzend Beckers 1995; Thoelen und Häberlein 2015, XI–XXI; aktualisierte Übersicht bietet ferner der Eintrag des Handschriftencensus). Die früh einsetzende Überlieferung, die bereits mit drei Fragmenten vom Ende des 13. Jahrhunderts beginnt und bis zur zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts den gesamten hochdeutschen Sprachraum erfasst, lässt drei charakteristische Profile erkennen. (1.) Sechs Vollhandschriften, von denen nach Brandverlust der ältesten Vollhandschrift (A) der Straßburger Johanniter-Bibliothek aus dem 14. Jahrhundert noch fünf erhalten sind, bieten Konrads kompletten Romantorso mit relativ konstantem Versbestand, stets ergänzt um den anonymen Fortsetzungsteil. Sie bezeugen damit ein frühes Interesse an einer möglichst vollständigen Trojaerzählung, wenngleich in fast allen Fällen (mit einziger Ausnahme von Hs. A) die kunsttheoretisch so oft herangezogenen Prologverse fehlen. Hinzu kommen zehn Fragmente, deren Textbestände weitgehend der ersten Erzählhälfte entstammen. (2.) Besonders ab der Wende zum 15.  Jahrhundert findet der Trojanerkrieg Eingang in die volkssprachliche Chronistik: Nicht als eigenständiger Text, sondern in Form von Exzerpten werden ausgewählte Partien wie die Kriegsvorgeschichte in 18 Handschriften der erweiterten Christherre-Chronik sowie der Weltchronik Heinrichs von München eingebunden. (3.) Klammern weltgeschichtliche Darstellungen dabei Kunstreflexionen ebenso wie eine Vertiefung der Minnethematik aus, so werden gerade sie von zwei Auszügen herausgegriffen, die Konrads Schönheitsbeschreibung der Helena aus dem Handlungskontext isolieren und gleichsam als „rhetorisch[e] Kabinettstückchen“ (Lienert 1990b, 393; 2001, 121) von Minnereden überliefern. Vollhandschriften, Exzerpte und Auszüge geben damit das breite Spektrum von Überlieferungs- und Kontextualisierungsmöglichkeiten, Verwendungsweisen und Textzuschnitten zu erkennen, die den Erfolg von Konrads Trojanerkrieg begründen: nicht nur als umfänglicher Trojaroman, sondern auch als episodisches Geschichtswissen und rhetorisches Muster.

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2 Ausgaben Die zwei bislang verfügbaren Editionen machen diese Transformationsgeschichte in unterschiedlichem Maße zugänglich. Lange Zeit war der Trojanerkrieg mitsamt seiner anonymen Fortsetzung nur in der Ausgabe Adelbert von Kellers (1858) greifbar, die den Text der Straßburger Vollhandschrift (A) wiedergibt, ohne zunächst Überlieferungsvarianten auszuweisen (nachgetragen von Karl Bartsch 1877). Nahezu die gesamte bisherige Forschung stützte sich somit auf einen handschriftennahen Abdruck, der zwar das umfangreiche Textpotenzial in größter Vollständigkeit bietet, aber seit der Zerstörung der Handschrift 1870 präzise unüberprüfbar ist; auch die gattungsüberschreitende Rezeptionsgeschichte, die Konrads Text zum wirkungsmächtigsten volkssprachlichen Trojatext des Spätmittelalters machte, blieb damit weitgehend verschlossen. Auf dieses Desiderat reagiert die kritische Neuedition von Heinz Thoelen und Bianca Häberlein (2015), die sämtliche Vollhandschriften, Fragmente, Exzerpte und Minnereden-Auszüge einbezieht. Sie folgt indes keinem historischen Textzeugen als Leithandschrift, sondern stellt einen konstruierten Text zur Verfügung, der als autornaher Archetyp postuliert wird, aber in seiner editorischen Herstellung im Detail erklärungsbedürftig ist (Lienert 2016). Derzeit ist der Trojanerkrieg damit entweder im älteren Abdruck einer verlorenen Handschrift lesbar, welche die Überlieferungsvarianz ausblendet, oder aber in einem überlieferungskritisch hergestellten Wortlaut, der keiner historischen Handschrift exakt entspricht. Obwohl Bedeutung und Einfluss von Konrads Roman außer Frage stehen, liegt bislang keine vollständige neuhochdeutsche Übersetzung des Troja­ nerkriegs im Druck vor.

3 Inhalt Elisabeth Lienert hat den Aufbau des Trojanerkriegs in mehreren Publikationen detailliert analysiert (quellenkritisch bes. 1996, 2001, 2004; knappe Gesamtübersicht bei Gebert 2013a, 549–552). Daher sei der Inhalt des Romans nur knapp nach seinen wichtigsten Abschnitten gegliedert zusammengefasst. Im Prolog (V.  1–324) benennt Konrad sich als Autor (V.  266), seinen Auftraggeber, den Basler Domcantor Dietrich an dem Orte (V. 246–247), und seine Leitquelle, die allerdings namentlich nur auf den Traditionsbegründer Dares zurückgeführt wird (V.  296), während die unmittelbare Textvorlage von Welsche (V. 305), Benoîts Roman de Troie, lediglich verhüllt genannt wird (s.  u. Quellen). Zentrale Leitthemen des Romans – Kampf (von strîte, V. 292) und Begehren, die sich in Helena vereinen (von ir minne, V. 321) – werden als unüberbietbare Stofffülle angekündigt: Konrads Wiedererzählung vom Trojanischen Krieg und seiner Vorgeschichte(n) solle alle Geschichten übertreffen (V. 234–235). Die Spannungen eines solch umfassenden Versuchs von Kompilation, Übersetzung und Erweiterung (daz ich ez welle breiten, V. 303 [dass ich es ausweiten will]) der Dares-Benoît-Tradition spiegeln vor

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allem drei poetologische Leitmetaphern. Während Konrad den allgemeinen Geltungsverlust höfischer Erzählkunst beklagt, streicht er die relative Autarkie literarischer Dicht- und Vortragskunst heraus, die im Unterschied zu jeglichen anderen Künsten und Handwerken nichts wan zungen unde sinnes [außer Zunge und Verstand] voraussetzten (V. 135). Rückbindung an göttliche Begabung (V. 82–91) dient weniger dazu, an religiöse Inspirationstopik anzuschließen, als vielmehr profangeschichtliches Erzählen als Elitendichtung emphatisch aufzuwerten. Auch Konrads Vergleich des Erzählers mit einer einsam für sich singenden Nachtigall (V.  192–205) bekräftigt den Exklusivitätsanspruch einer Dichtung, der in paradoxer Konsequenz jegliche Publikumsorientierung für irrelevant erklärt. Wenn das Ergebnis seiner Kompilation als bodenloses Meer zu betrachten sei, in dem ein Berg versinken könne (V. 222–223, 234–243), so naturalisiert Konrads Metaphernwahl nicht nur ihre heterogenen Quellen zu bloßen Zuflüssen, die im Trojanerkrieg ihrem finalen Sammelbecken zustreben; das Bild vom unergründlichen, wilden Meer sucht hermeneutischer Deutungsarbeit schon im Prolog den Boden zu entziehen. Die Vorgeschichte des großen Kriegs vor Troja, die Konrad gegenüber Benoît noch um die Jugendgeschichte des Paris verlängert (V.  325–5763), verstärkt hingegen den Eindruck einer deutbaren, dicht gefügten Motivationskette. Aufgrund unheilvoller Vorzeichen – der Untergang Trojas kündigt sich der schwangeren Königin Hecuba im Traum von einer brennenden Fackel an (V. 350–434) – beauftragt König Priamus, den Knaben zu töten, der jedoch durch menschliches Erbarmen und göttliche Fügung überlebt (V. 435–541). Von einem Hirten erzogen, lässt Paris schon als junger Mann außergewöhnliche Gerechtigkeit als Kampfrichter walten (V. 612–650). Daher zieht ihn auch Jupiter zum Hochzeitsfest der Thetis herbei, um den Wettstreit der Göttinnen Juno, Pallas und Venus um den Apfel der Discordia zu entscheiden (V.  804–2881). Konrad weitet die Hochzeitsepisode aus, um Ursachen zu exponieren, figurative und ästhetische Bedingungen des Erzählens zu reflektieren und Deutungsangebote aufzufächern, die den scheinbar schicksalhaft vorherbestimmten Krieg als Verkettungsergebnis von Täuschungen und Begehren lesbar machen. Ambivalent beschreibt Konrad die Figuren der Götter, die einerseits in euhemeristischer Tradition als Naturkundige, Zauberer und Erfinder entlarvt werden (V.  860–885), andererseits aber als mächtige Akteure oder allegorische Prinzipien die Handlung lenken. Irritierend schillert die kostbare Materialität des Zankapfels, der nicht nur eine wunderlich mixtûre [faszinierende Mischung] (V. 1402) des Farbspiels hervorruft, sondern seine wandelbare Perleninschrift auf die Sprache seines jeweiligen Betrachters ausrichtet. Ambivalent werden die rhetorisch ausgearbeiteten Argumentationen der Göttinnen zugunsten von Weisheit, Besitz und Liebe, wenn Paris allein durch die Macht der Liebe und aufgrund seiner Jugend von natûre [durch die Natur] (V. 2719) zur Entscheidung für Venus gezwungen wird, die ihm Helena in Aussicht stellt. Nur kurz nachdem Paris der Nymphe Oenone unverbrüchliche Treue geschworen hat (V. 698–803), lenkt unkontrollierbares Begehren in andere Richtung. Zum Objekt des Begehrens avanciert auch Paris selbst, um den Hector und Peleus in einem Stellvertreterkampf für Priamus bzw. Jupiter rivalisie-

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ren (V. 2892–4495). Triumphal, doch unter latenten Vorahnungen wird der ausgestoßene Königssohn in Troja aufgenommen (V. 4670–5763) – eine katastrophale Rückkehr, wie Konrad mit Proteusʼ Prophezeiung vom Untergang Trojas unterstreicht (V. 4496–4669). Kündigt die Vorausdeutung in erster Linie den Tod Achills an, so fügt Konrad die anschließende Jugendgeschichte des griechischen Heros unter Rückgriff auf Statius als eine weitere Ausweichbewegung hinzu, die nur umso gezielter in den Untergang führt (V. 5764–6497). Um ihren Sohn vor dem prophezeiten Kriegstod zu schützen, übergibt ihn seine Mutter Thetis an den Kentauren Schyron, der Achill nicht nur in höfischen Künsten unterrichtet, sondern einem körperlichen und emotionalen Abhärtungstraining unterwirft. Wildheit und Kampflust aber werden gerade dadurch zu Kennzeichen des Heros, an denen ihn die griechische Gesandschaft um Ulixes später enttarnen wird (V. 26936–28613). Mit dem Mythenkomplex der Argonautenfahrt – nun auf den Spuren der Hauptvorlage Benoîts und ergänzt durch Ovids Metamorphosen – tritt ein dritter Ursachenstrang der Kriegsentstehung hinzu (V. 6498–11377). Auf Ebene der Figuren schließt dies nahtlos an die Leitthemen von Rivalität und Untreue an: Da Achills Vater Peleus – von Konrad mit dem Initiator der Argonautenfahrt (Pelias) identifiziert  – die Konkurrenz seines Neffen Jason fürchtet, verleitet er diesen zur gefährlichen Reise nach dem Goldenen Vlies, das Jason dank zauberkundiger Unterstützung durch die Königstochter Medea erringt. Konrad inszeniert die Begegnung von Jason und Medea zunächst als höfische Liebesanbahnung und gefährliche Brautwerbung, in der zwar nicht der Brautvater Oêtas, wohl aber die Gefahren des Vlies-Abenteuers zu überwinden sind. Nach gemeinsamer Rückkehr des Paares nach Griechenland bricht – als Leitthema fast aller Binnenepisoden – Untreue sich Bahn: Während Medea an Peleus tödliche Rache für Jason übt, wendet sich dieser während ihrer langen Abwesenheit einer neuen Frau zu. Auch an ihr rächt sich Medea, indem sie die Nebenbuhlerin zusammen mit dem wankelmütigen Gatten mittels eines brennenden Zauberkleides tötet. Das Leitmotiv der Rache weitet sich schließlich von persönlicher Rivalität zu politisch-genealogischen Dimensionen: War Jason und seinem Gefolge während der Reise nach Kolchis ein Zwischenhalt vor Troja verweigert worden, so rächt Hercules die Argonauten nach dem Tod Jasons, indem er Troja zerstören und die Königstochter Hesione rauben lässt (V. 11378–13397). Damit ist ein weiteres Glied zur Verkettung von Rachehandlungen hinzugefügt, auf die nach dem Wiederaufbau Trojas die nächste Generation mit dem Raub der Helena antwortet (V.  17330–19389). Politische Beratungsepisoden und ignorierte Warnprophezeiungen durch Helenus (V.  18986–19090), Panthus (V.  19226–19357) und Cassandra (V.  19358– 19388; wieder aufgegriffen in V.  23230–23393) demonstrieren, wie Konfliktketten von Konkurrenz und Rache schrittweise auch von den Figuren als Fatalität gedeutet werden. Zuvor jedoch führt Konrad die Jugenderzählung von Achill fort (V.  13398–17329), denn schon die erste Zerstörung Trojas weckt in Thetis die Furcht vor Vergeltung. Sie bringt daher ihren Sohn aus der Obhut Schyrons auf die Insel Scyros, wo Achill, getarnt als dessen Schwester Jocundille, unter den Töchtern des Lycomedes untertaucht. Konrad inszeniert dieses Cross-Dressing als Episode ambivalenter Geschlechtsidentität: Zeigt der

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ungestüme Held anfangs Mühe, sich weiblichem Habitus anzubequemen, so zeichnet sich Jocundille bald vor allen Mädchen aus. Zugleich nutzt Achill sein weibliches Inkognito, um eine heimliche Liebesbeziehung mit der Königstochter Deidamia aufzubauen. Als Zielpunkt des Ursachengefüges verleiht Konrad dem Raub der Helena (V. 19390– 23393) besonderes Gewicht, indem er die politische Motivation durch eine Liebesanbahnung nach Ovids Heroides ergänzt. Während eines längeren Aufenthalts in Sparta wirbt Paris in der Abwesenheit des Menelaus um die Königin, die trotz aller Widerstände (Helena hält Paris die Untreue Jasons an Medea vor) seinen Avancen nicht abgeneigt ist. Einerseits inszeniert Paris daher eine Entführung gegen ihren Willen, andererseits fügt sich Helena in Troja rasch der neuen Heirat. Insgesamt wiederholt die Episode somit nicht nur den leitthematischen Umschlag von Treue in Untreue, sondern führt verschiedene Deutungsperspektiven zusammen, die den Krieg auf Vorbestimmung (Helena verweist auf den Fackeltraum vom Untergang Trojas), politische Konflikte (Rache-Kalküle) und minne (Paris) zurückführen. Eine Zwischenreflexion des Erzählers markiert, dass nun vielfältige Vorzeichen erfüllt sind (V. 23640–23752) und das kleinteiligere Gefüge von Einzelepisoden im Vorfeld in einen globalen Handlungshorizont des Krieges einmündet. Wie das Hörensagen (liumet) die Nachricht von der griechischen Mobilmachung (V. 23394–24759) fliegend um die Welt trägt, so kommen Heere aus Europa, Asien und Afrika vor Troja zusammen – sämtliche Erdteile, höfische Ritter wie monstra (V.  25000–25009), erfasst der Sog des weltgeschichtlichen Krieges. Nur drei der von Benoît vorgegebenen 23 Schlachten werden vollständig auserzählt, unterbrochen von zwei mehrmonatigen Kampfpausen, während der die Herbeiholung Achills sowie der Tod des Hercules nachgetragen werden; mit Beginn der vierten Schlacht (V. 40392–40424) bricht Konrads Fragment ab. Nach Landung vor Troja gelingt es den Griechen in wenigen Vorstößen, das trojanische Heer bis an den Rand der Niederlage zu treiben, die jedoch das Eingreifen Hectors abwendet (V. 25110–26210). Durch strategisch geschickte Vermittlung des Ulixes sowie das Entgegenkommen Hectors einigt man sich zwar nicht auf die Herausgabe Helenas, vereinbart aber eine halbjährige Waffenruhe, während der Achill zum griechischen Heer stößt (V.  26211–29649). Hatte ihn Konrad entgegen der Quellenvorgabe Benoîts aus der Landungsschlacht ferngehalten, so dient die Zwischenepisode dazu, Achills unbezähmbare Heldennatur herauszustreichen. Der Anblick von Rüstung und Waffen, die Ulixes und die griechische Delegation neben Schmuckstücken vor den Mädchen von Scyros ausbreiten, sowie ein Hornsignal reizen Achills heroischen Zorn (V.  28395, 28401), der daraufhin die wîbes zuht [weiblichen Habitus] (V.  28485) seiner Tarnung durchbricht. Damit ist nicht nur die ambivalente Geschlechtsidentität von Achills Cross-Dressing als bloße Maskerade entlarvt, sondern auch der gleichrangige Gegner für den rasenden Hector gefunden, auf den die Kriegsdarstellung seit Homers Ilias zugeschnitten ist. Achill jedoch lässt zusammen mit den Frauenkleidern auch seine Liebesbeziehung zu Deidamia hinter sich zurück. Entsprechend wird die ausgedehnte zweite Schlacht (V. 29650–37584) nach Kampfvorbereitungen beider Heere (V. 29650–30824) vom Antagonismus zwischen Achill und

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Hector gerahmt. Schon beim Aufritt der ersten trojanischen bzw. griechischen Heeresgruppen, die Konrad in seriellem Erzählstil in die Schlachtbeschreibung einführt (insges. V.  30825–33837), wird Achills Freund Patroclus von Hector getötet (V.  30825– 31035), dem sich Achill mehrfach entgegenwirft (V. 31036–31350; 36396–36429). Kollektive Massenschlachtbeschreibungen durchsetzt Konrad mit individuellen Einzelportraits wie Helenas erster Mauerschau (V. 33838–34309) und prominenten Zweikämpfen wie jenem zwischen Menelaus und Paris (V. 34310–34605) oder der Freundschaftsbegegnung zwischen Paris und dem Griechen Panfilôt (V.  35056–35475). Der Übermacht Hectors stellt sich schließlich nur noch Aiax entgegen, Sohn der geraubten Trojanerin Hesione, dessen latente Blutsverwandtschaft den Griechen einen erneuten Waffenstillstand verschafft. Kontrastiv zur ersten Kriegspause sind die folgenden drei Monate jedoch von Konflikten geprägt (V.  37585–39133). Nach Bergung der Kriegstoten suchen die Griechen Ablenkung in Heldengeschichten der Vergangenheit. Doch Philoctets Bericht vom Tod des Hercules konfrontiert nur umso tiefer mit Verrat und Vernichtung: mit Untreue, die Hercules an seiner Gattin Deianira begeht; mit unkontrollierbarer Zerstörungskraft, die von Hercules’ giftgetränkten Pfeilen über ein vom Blut des Kentauren Nessus getränktes Hemd auch Hercules selbst erfasst; mit erniedrigender körperlicher Qual, als Hercules vom Gift bis auf die Knochen zerfressen wird (V. 37866–38744). Exzessiv klagt Achill um den gefallenen Freund Patroclus (V. 38745–38967). Führungsstreitigkeiten greifen um sich, die in der Absetzung Agamemnons gipfeln (V. 39026–39133). Die dritte Schlacht bringt, trotz erneutem Übergewicht Hectors, keine Entscheidung, da die einbrechende Nacht die totale Niederlage der Griechen verhindert (V.  39134– 40216). Die Zweikämpfe Achills und Hectors, Paris’ und Menelaus’ umgibt Konrad wiederum mit synästhetischen Beschreibungen der Massenschlacht, die der Erzähler ausdrücklich als Ergebnis von Helenas fataler Schönheit ausweist (V. 39242–39287). Während der nächtlichen Kampfpause erringt Agamemnon die Befehlsgewalt zurück (V. 40217–40397). Er hetzt Achill gegen Hector und alle Griechen in die vierte Schlacht, deren Auftakt nach wenigen Versen abbricht. Der anonyme Fortsetzungsteil (ab V. 40425), den alle vollständigen Handschriften nahtlos anfügen, führt in wesentlich knapperem, rhetorisch schmucklosem Erzählstil die Handlung zur Eroberung Trojas fort. Die Handlung springt dazu ins letzte Kriegsjahr vor, um vom Untergang zentraler trojanischer Helden, aber auch vom Schicksal der Griechen zu erzählen (dazu eingehender Lienert 2001, 136–140; Managò 2021, 185–206).

4 Quellen und Gattungskontext Die Forschung hat detailliert die Quellen aufgewiesen, die in das Erzählmeer des Tro­ janerkriegs einfließen (umfassend dargestellt bei Lienert 1996, zur älteren Forschung zusammenfassend 4–5). Konrads Kompilationsarbeit betrifft demnach drei Dimensio-

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nen des Textes. (1.) In der Kernhandlung folgt Konrad von der Argonautenfahrt bis zum Beginn der vierten Schlacht weitgehend dem Roman de Troie Benoîts de Sainte-Maure, erwähnt jedoch nicht den Verfasser seiner Leitvorlage, sondern beruft sich stattdessen auf den vermeintlichen Kriegsteilnehmer Dares. Explizit stellt sich Konrad damit in eine historiographische Tradition, die für das Mittelalter nicht durch den nachgeborenen Lügenerzähler Homer, sondern den (Pseudo-)Augenzeugen sowie die Überlieferungskontinuität aus dem Griechischen in Latein und Volkssprache beglaubigt wird (vgl. V. 296–305). In seinem Stoffkern versteht sich der Trojanerkrieg somit als Übersetzung des antiken Kriegsberichts, die das alte buoch von Troie (V. 269) nicht nur auszudehnen (breiten, V. 303) sucht, sondern ihm zugleich eine neue sprachliche Form verleiht: ze tiutscher worte schîne / wirt ez von mir verwandelt [es wird von mir in deutsche Sprachgestalt verwandelt] (V. 306–307). (2.) Konrad verlängert zudem die Vorgeschichten der Konfliktentstehung und seiner Zentralfiguren noch über die Episoden hinaus, die unmittelbar mit der zweimaligen Zerstörung Trojas verbunden sind. Für die Jugendgeschichte des Paris zieht Konrad dazu klassische Troja-Berichte heran, allen voran das Excidium Troiae sowie die Ilias des Simon Aurea Capra, ergänzt um Anleihen bei Ovids Metamorphosen und Heroides, die auch in spätere Episoden innerhalb der Handlungsvorgaben Benoîts zusätzlich einfließen (u.  a. für Jason und Medea). Die Jugendgeschichte Achills im Vorfeld sowie dessen Herbeiholung nach Beginn des Krieges stützen sich dagegen vorrangig auf die Achilleis des Statius. (3.) Über das gesamte Romanfragment verteilen sich Binnenerzählungen, die im Rückgriff auf Schulautoren eigenständige mythographische Episoden ausbilden, allerdings nur in lockerem Zusammenhang zum Kriegsgeschehen stehen. Mythographisch sind diese Episoden aus Sicht mittelalterlicher Mythenrezeption, da sie ausdrücklich zu übertragender Deutung prekärer Darstellungen auffordern (vgl. Gebert 2014; Chance 1994/2000): extradiegetisch z.  B. durch Kommentare der Erzählinstanz (zum Status von Götterfiguren, Thethis-Hochzeit und Parisurteil), intradiegetisch z.  B. durch Selbstdeutungen der Figuren (Paris/Helena) oder durch Fremdbericht (z.  B. Philoctets über den Tod des Hercules). Jenseits der Stoffebene treten zahlreiche intertextuelle Bezüge hinzu, die Konrads Trojanerkrieg mit paradigmatischen höfischen Romanen verbinden: von Stil- und Motivzitaten aus Gottfrieds Tristan (wie etwa dem polychromen Apfel der Discordia, der Liebessemantik des Parisurteils oder Jason und Medea; weiterführend Green 1949 und Monecke 1968, 176–177) bis zu textübergreifenden Leitsemantiken (zu Liebe und Verrat vgl. Sieber 2008), Erzählschemata oder Diskursen (Müller 2006; Friedrich 2007). Auch wenn solche Bezüge nicht zu den Quellen des Trojanerkriegs im engeren Sinne zu rechnen sind, unterstreichen sie Konrads intendierten Anspielungshorizont höfischer Erzählkunst jenseits der Trojaliteratur. Aus quellengeschichtlicher Sicht stößt damit der moderne Gattungsbegriff des ‚Antikenromans‘ an Grenzen, der zwar die antiken Stoffgrundlagen, nicht aber die diskursgeschichtliche Heterogenität von Konrads Kompilation erfasst (Kellner 2018). Festzuhalten ist einerseits, dass der Trojanerkrieg eine historiographische Tradition fortschreibt, die grundsätzlich auf geglaubter Faktizität der Ereignisse vor Troja aufbaut;

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Rückprojektionen von höfischen Verhaltensnormen und Intimitätsdiskursen in die vorchristliche Antike stellen diese historische Verbindlichkeit keineswegs infrage, sondern setzen sie vielmehr als Träger voraus (Lienert 2019, 118). Andererseits erweitert Konrad die Dares-Benoît-Tradition mit mythographischem Episoden- und Diskursmaterial, dessen Verbindlichkeit für Figuren und Erzählinstanz gleichermaßen zur Diskussion steht. Keineswegs erschöpft sich Konrads Trojanerkrieg somit darin, einen profangeschichtlichen Weltkrieg volkssprachlich auszuerzählen oder in einem synästhetischen Erfahrungsraum literarisch präsent zu machen. Bringen Konrads deskriptive Rhetorik (im Kriegsteil) und punktuelle Reflexionssymbole (wie etwa der Apfel der Discordia) die Modi der Darstellung in den Vordergrund, so reichert Konrads Geschichtsroman vielmehr eine historiographische Stofftradition mit mythographischem und romanschematischem Episodenmaterial an, das Fragen nach der Bedeutung bzw. Deutbarkeit (bîschaft, V. 285) des Geschehens provoziert.

5 Forschungsgeschichte Die Frühgeschichte der Erforschung des Trojanerkriegs ist bis Ende des 19. Jahrhunderts von Grundlagenarbeiten der Edition und Textkritik bestimmt (systematisch dargestellt bei Brandt 1987, 3–59; ergänzend bes. zur jüngeren Forschung Lienert 1996, 3–10). Sie nimmt ihren Ausgang 1739 von der Wiederentdeckung der St. Galler Handschrift (Stiftsbibliothek, Cod. 617), weitere Auszüge und Fragmente veröffentlichen Jeremias Jakob Oberlin (1782), Christoph Heinrich Myller (1787), Friedrich David Gräter (1813), Eberhard Gottlieb Graff (1826), Georg Karl Frommann (1837, 1853), Friedrich Anton Reuss und Karl Bartsch (1875, 1882). Schon zu dieser Zeit provoziert der Trojanerkrieg kontroverse literarästhetische Werturteile, dem etwa Georg Gottfried Gervinus zugleich „Plattheit“ und „hochpoetischen Schwulst“ ankreidet (zit. n. Brandt 1987, 13). Erst die Edition der Straßburger Handschrift, die Adelbert von Keller 1858 auf Grundlage weitreichender Vorarbeiten durch Georg Karl Frommann und Franz Roth, allerdings ohne kritischen Apparat herausgibt (nachgeliefert von Bartsch 1877), bereitet den Boden für eingehendere Stiluntersuchungen (Klitscher 1891) und Quellenfragen, insbesondere zum Verhältnis gegenüber Benoît und Dares (Fischer 1883). Zunehmende stilgeschichtliche Einzelstudien ziehen ab der Jahrhundertwende neben dem Roman de Troie (aufschlussreich, aber tendenziös verglichen von Basler 1910) auch Romane der mittelhochdeutschen ‚Klassiker‘ heran, allen voran Gottfrieds Tristan (Deter 1922; Halbach 1930). Gegen das allgemein gängige Verdikt der Epigonalität, das indes noch lange fortgeschrieben wird, richten sich Arbeiten, die Konrads spezifischen ästhetischen Gestaltungswillen entdecken – etwa in den zahlreichen Rüstungs- und Wappenbeschreibungen, die sich von realhistorischer Heraldik als eigenständige Mittel imaginativer Anregung abheben (Galle 1911/1912; in jüngerer Zeit ausführlich Stuckmann 2003). Über philologische und literaturgeschichtliche Einordnungen führen erstmals werkübergreifende Themenstu-

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dien hinaus, die sich der Semantik der êre (Riechert 1952), Konrads Haltung zur Antike (Schnell 1953; Schade 1955) oder seinem ‚Menschenbild‘ (Morgenstern 1962) zuwenden. Auch die stilgeschichtliche Forschung greift in ihren Vergleichsbezügen weiter aus, nicht nur zur höfischen Epik um 1200, sondern ebenso zur Architektur der Gotik und Lichtmetaphorik der Mystik (Green 1949). Die bis heute für die Trojanerkrieg-Forschung einflussreichste stilgeschichtliche Untersuchung liefert die postum veröffentlichte Habilitationsschrift Wolfgang Moneckes (1968), weil sie das Etikett des epigonalen Stils durch ein positives Beschreibungsparadigma ersetzt. Stofffülle und episodische Ausweitung, dichte Verflechtung von Handlungssträngen und Beschreibungsvorlieben für (sinnlich) Irritierendes charakterisiert Monecke als Züge eines Faszinationsstils, der im antiken Konzept des ‚stilus alienus‘ sein Vorbild hat. Wegbereitendes Verdienst der Arbeit Moneckes ist damit, die letztendlich verengenden Vergleichsbezüge auf kanonische Epik um 1200 zu öffnen und so das ästhetische Profil des Trojanerkriegs in seiner Eigenständigkeit zu würdigen – auch wenn dafür im Gegenzug übergreifende Sinnbezüge vernachlässigt werden. Dieses Verhältnis von Ästhetik und Sinnvermittlung stellen nachfolgende Arbeiten explizit zur Debatte, die alte Fragen der Quellenkritik und der Kunstkonzeption interpretativ neu wenden. Ausgehend vom Vollständigkeitsanspruch des Prologs betrachtet Christoph Cormeau die Quellenkompilation des Trojanerkriegs nicht von bloßer stofflicher Aufschwellung, sondern von einer übergreifenden Sinnperspektive bestimmt: Kriegsteil wie Minneerzählungen der Vorgeschichte verbinde eine „Perspektive der tragischen Unausweichlichkeit“ (Cormeau 1979, 309–310). Für Walter Haug hingegen ist der Gewinn an ästhetischer Selbstbezüglichkeit, den Konrads Nachtigallengleichnis reflektiert und die Kriegsdarstellungen ausführen, durch Verlust von sinnkonstituierenden Erzählmustern erkauft: Gegenüber dem höfischen Roman inszeniere das unabwendbare Geschehen letztlich „Sinnlosigkeit“ (Haug 1992, 351). Bringt Haug diesen Verbindlichkeitsverlust mit dem Adressatenwechsel von höfischen Eliten zu städtischen Kreisen in Verbindung (362–363), so fußt dies auf sozialgeschichtlichen Dokumentationen zu Konrads Auftraggebern und intendierten Rezipienten, die der Prolog ebenfalls aufruft (Leipold 1976, 120–127; Bumke 1979, 259–264 u.  284–290; Peters 1983, 122–123 u. 126; Kokott 1989, 183–286). Auch Konrads Autonomiepostulat der Dichtung, auf den ersten Blick von traditioneller Inspirationstopik getragen, aber auf den zweiten Blick durchaus spannungsvoll begründet, wird zwischen kunsttheoretischen und historischliteratursoziologischen Perspektiven neu verhandelt (Kokott 1989; Ehlert 1988/1989; Schröder 1990; Lienert 1993). Nicht nur der Prolog, sondern auch einzelne Episoden und Figuren erlangen neue Aufmerksamkeit, von denen ausgehend sich Grundzüge der Komposition (Pastré 1988/1989 und Lienert 1988/1989 zu Helena) und verbindende Sinnperspektiven des Trojanerkriegs erhellen lassen (Schröder 1992 zu Jason und Medea), aber auch umgekehrt die Kohärenzprobleme und Auflösungstendenzen höfischen Erzählens offengelegt werden (Worstbrock 1996). Hatten sich philologische Studien seit dem 19. Jahrhundert vornehmlich auf Quellen-, Stil- und Textkritik konzentriert, so erweitert sich

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die Forschungsgrundlage zum Trojanerkrieg entscheidend mit dem vollständigen Überlieferungsprofil (Lienert 1990b), das nicht zuletzt die Bedeutung des Trojanerkriegs als Quelle des Geschichtswissens volkssprachlicher Chronistik unterstreicht (Lienert 1990a). Neben unschätzbarem Informationswert – auch für die künftige Forschung – macht dies den Weg frei, um Konrads ästhetisierende Kriegsdarstellung nicht nur im kunsttheoretischen Rückblick zum höfischen Roman zu diskutieren, sondern auch als historiographisches Repräsentationsverfahren des Antikenromans ernst zu nehmen sowie den Werkstatus des Trojanerkriegs zu problematisieren. Unter methodischen Gesichtspunkten zeigt sich die Forschung – die Evidenzbasis und Reichweite der Thesenbildung betreffend – bis weit in die neunziger Jahre polarisiert: Generalisierte Aussagen wurden entweder mit nur stichprobenartigen Belegen untermauert oder aber exemplarische Episoden- oder Figurenanalysen zu allgemeinen Postulaten für den gesamten Trojanerkrieg überhöht. Aus diesem Dilemma führen zwei in dichter Abfolge veröffentlichte Studien heraus, die mit unterschiedlicher Methodik allgemeine Gesichtspunkte der erzählerischen Gestaltung durch umfassende Textanalysen überprüfen. Die Dissertation Martin Pfennigs (1995) setzt dazu bei systematischen Aspekten des Erzählprogramms der Erneuerung an (Erzählebenen und Redegestaltung, Kohärenzbildung und Motivation; Beschreibungsverfahren). Zu den Verdiensten der Textanalysen gehört, unterschiedliche Erzählpartien des gesamten Volltextes einzubeziehen und so zu aufschlussreichen Einzelbeobachtungen über Konrads Quellenintegration zu gelangen, die keineswegs bruch- oder spannungslos gelingt. Erschwert wird die Anschließbarkeit ihrer Kategorien indes dadurch, dass diese zwar mit großer Nähe zu Problemen der Konrad-Forschung gewählt sind, aber weniger narratologisch geklärt werden. Elisabeth Lienerts Habilitationsschrift (1996) hingegen geht den Sinndimensionen des Trojanerkriegs ausgehend von minutiösen Vergleichen seiner Quellenverarbeitung nach. Mit ihrem doppelzügigen Aufbau der Untersuchung, die aus lückenloser Analyse der Vorlagenbearbeitung intendierte ästhetische und hermeneutische Potenziale erschließt, stellt Lienert die Trojanerkrieg-Forschung auf eine neue Basis. Sie wird für alle nachfolgenden Arbeiten zur Grundlage, indem sie differenzierte Beobachtungen zu Konrads Erzähltechnik dokumentiert (Zentralfiguren und neue Figurenpaarungen, Erzählstrukturen der Durchkreuzung und Verhinderung, paradigmatische Episodenverknüpfung u.  a.  m.), vor dem Hintergrund der gesamten Forschungstradition sondiert sowie thematische Kontraste zusammenführt, ohne den Trojanerkrieg auf eine singuläre These – sei es allzu einsinniger Deutung oder der Sinnzerstörung – zu reduzieren. Konrad erzählt vom historischen Faktum des Trojanischen Kriegs als grauenvollem Untergang, der durch schöne Erscheinungen wie durch erzählerische Unausweichlichkeit beglaubigt wird. Liebe und Krieg verbindet nicht nur auf thematischer Ebene ein gemeinsamer Zerstörungskreislauf, sondern auch eine ästhetische Isotopie, die von einem gemeinsamen Bildvorrat hervorgebracht wird. Auf quellenkritischer Basis verschärfen sich für die kulturwissenschaftliche Mediävistik umgekehrt aber auch die Spannungen der Prologpoetik des erniuwens, die seit

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jeher das Interesse erregte. Wenn erklärte Bearbeitungsziele und poetologische Metaphern den Roman zugleich als Endpunkt wie als Neuanfang der Trojatradition beschreiben (Kellner 2006, 2018), suchen sie damit weniger die Nähe zu historiographischen Kontinuitätsmodellen als vielmehr zu religiösen Paradoxien der Nach- oder Wiederschöpfung (Hasebrink 2009; Bauschke 2013)? Kulturwissenschaftlich werden neue Kontextualisierungen erprobt, die über Quellenvergleiche, sozialgeschichtliche Verortung und Überlieferungsgeschichte hinausgehen. Dies regt eine Reihe von Figurenstudien an, vor allem zu Paris und Helena, Achill und Patroclus oder Jason und Medea, die Regeln von Rechts- und Erziehungsdiskursen (Friedrich 2007), von Geschlechterdiskurs (Sieber 2002, 2003, 2008; Miklautsch 2002; Kraß 1999) und Minnediskurs (Haferland 2015; Toepfer 2017 u. 2013, 400–438) reflektieren. Effekte der Ästhetisierung, die Kriegsdarstellung mit Einzelepisoden der Vorgeschichte verbinden, werden als signifikante Ambivalenzen von Motivationsdefiziten des Erzählens (Hasebrink 2002) und sozialer Ordnungskonflikte höfischer Kultur gelesen (Schulz 2010; Müller 2018). Signale solcher Ambivalenz kommen etwa in Kleider- und Dingbeschreibungen zum Ausdruck, die wie der Apfel der Discordia als Reflexionsobjekte der gesamten Textpoetik und ihres Widerstreits von ästhetischen und semantischen Bezügen gelten können (Huber 2016). Wenn Erzählstruktur und Objekte der erzählten Welt, Beschreibungsverfahren und Objekte der Beschreibung somit in der jüngeren Forschung enggeführt werden, geht es um mehr als das Verhältnis von exemplarischen Zugriffen und genereller Textgestaltung. Problematisiert werden Diskrepanzen von ästhetischen Wirkungskalkülen und narrativer Sinnbildung, die das literarhistorische Konzept des ‚geblümten Stils‘ eher verdeckt hatte. Sie brechen mit der blendenden Schönheit Helenas oder der wandelbaren Schrift des Zankapfels der Discordia an konzentrierten Stellen des Textes hervor (Müller 2006) oder werden wie Medeas Liebeswerbung und Zaubertaten zu ambivalenten Binnenepisoden mit erheblichem Störungspotential entfaltet (Müller 2018a). Die jüngere Forschung ist nicht zuletzt deshalb vom Trojanerkrieg fasziniert, weil Grundbegriffe der Beschreibung und Interpretation an ihre Grenzen stoßen, sobald sie die Wahrnehmungsirritationen und Deutungsangebote der Kriegserzählung einzufangen suchen (Müller 2018b). Eine Möglichkeit, auf diese Krise zu reagieren, besteht darin, genauer jene Lücken der Theoriebildung einzukreisen, die zwischen Wahrnehmungskonzepten und erzähltheoretischen Begriffen klaffen (Bleumer 2010; Müller 2021). Ein anderer Weg geht dahin, neue Konzepte für Konrads ästhetisierendes Erzählen zu erproben. In diese Richtung zielt u.  a. der Vorschlag, die oft beschworenen, paradoxen Umschlagsphänomene von Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit (Müller 2008) als Effekte einer narrativen Wissensorganisation zu begreifen, welche die Polyvalenzen und Kontingenzen der Quellenkompilation nicht nur zu erkennen gibt (Kellner 2018), sondern die diskursiven Verflechtungen und Aspekte der literarischen Kommunikationsbeziehung immer wieder dem Zugriff entzieht (Gebert 2013a).

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6 Interpretationsansätze und neue methodische Zugänge Die Forschungsgeschichte (s.  o.) spiegelt eine lange, methodisch wechselvolle Erforschung insbesondere der Quellen, ihrer erzählerischen und thematischen Integration, des Sprachstils und seiner ästhetisierenden Effekte, der Kunstkonzeption und Gattungspoetik, der literarhistorischen Stellung und Bewertung des Trojanerkriegs. Ungeachtet dieser langen Tradition prägt ein kleinerer Kreis oft zitierter, paradigmatischer Studien den Blick. Der folgende Abschnitt stellt daher ausführlicher solche Ansätze nicht in ihrer chronologischen Folge, sondern im Kontext der systematischen Fragestellungen vor, die sich in ihnen bündeln, und verweist kurz auf Fortführungen der Debatten in neueren Beiträgen. Schon früh lenkten die poetologischen Reflexionen des Prologs die Aufmerksamkeit der Forschung auf Konrads Kunstkonzeption. Sie wird von einer Gegenwartsklage über den Wertverlust literarischer Kunst eröffnet. Selten wie der Phönix (V. 32–45), doch allgemein gering geschätzt seien jene meister (V. 6), die sich auf den anspruchsvollen Stil wol gebluomter rede [vollendet gestalteter Rede] verstünden (V. 12). Dem hält Konrad sein Konzept literarischer Meisterschaft entgegen, die sich direkt von gotes gunst ableite (V. 77): wort unde wîse tihten (V. 81) verdanke sich in erster Linie göttlicher Begabung und Inspiration, nicht erlernbarer Technik und Materialvoraussetzungen, wie sie für alle Handwerke und mechanischen Künste gelten. Diese Unabhängigkeitsbegründung führt Konrad mit dem (ebenfalls im Prolog von → Partonopier und Meliur, V. 122–134 variierten) Bild der einsam singenden Nachtigall fort, die, noch unter einem Blättersturz gefangen, einzig für sich selbst singe (V. 192–205): ir dôn ir wol gefellet, / durch daz er trûren stoeret [ihr Lied erfreut sie, weil es Kummer vertreibt] (V. 200–201). Das implizite Erzählmodell wird somit weniger als Modell literarischer Kommunikation zwischen Autor und Publikum entworfen, sondern vielmehr als Selbstkommunikation. Dem didaktischen Anspruch bedeutungsorientierter Vermittlung (V. 282–285: sô wirt ein wunder hie ver­ nomen  / von âventiuren wilde,  / dâ bî man saelic bilde  / und edel bîschaft nemen sol) stellt Konrad ebenso deutlich das Wirkungsziel der Selbstaffektation voran. Einerseits bot dieser durchgehende Selbstbezug für die ältere Forschung Anlass, Konrads Autorschaftskonzept als Vorboten inspirierter Genieästhetik zu beschreiben (Burdach 1928, 30–31). Andererseits hält Konrad an Argumenten klassischer Exordialtopik fest – bis hin zum doppelten Wirkungsziel von Lehre und Unterhaltung (Ehlert 1988/1989). Bringt das Nachtigallengleichnis eine „verschärfte Kluft zwischen Dichter und Publikum“ zum Ausdruck (Bertau 1987, 360; ausführlich Haug 1992), so erklärt Konrad die Autarkie des Dichtens trotz und gerade angesichts des gerühmten Auftraggebers Dietrich an dem Orte (V. 245–253; dazu Kokott 1989). In einem wegweisenden Aufsatz zur Erneuerungspoetik mittelhochdeutscher Trojaromane hat Beate Kellner daraus den Schluss gezogen, beide gegenläufige Tendenzen gleichermaßen ernst zu nehmen (Kellner 2006). Wenn Konrad ankündigt, die literarische Trojatradition erniuwen (V. 274) zu wollen, postu-

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liert er Unabhängigkeit nur für den Bearbeitungsprozess und die Rezeptionsseite des Dichtens. Was sein Verhältnis gegenüber vorgängigen Stofftraditionen betrifft, schreibt Konrad hingegen die „heteronomen Bindungen“ traditionellen Wiedererzählens fort (Kellner 2006, 260). Auch der Trojanerkrieg verbirgt keineswegs seine Abhängigkeit von überlieferten Stoffvorgaben, sondern betont ganz im Gegenteil, nicht nur dem DaresBericht zu folgen, sondern einer Vielzahl fremder Quellen: als in daz wilde tobende mer  / vil manic wazzer diuzet,  / sus rinnet unde fliuzet  / vil maere in diz getihte grôz [so wie in die wilden Meereswogen große Wassermassen hineinrauschen, so fließen viele Erzählungen in diese große Dichtung ein] (V. 236–239). Insgesamt bilden Konrads heterogene Metaphern (der Dichter gleicht dem Phönix, der Erzähler der Nachtigall; die Trojaerzählung solle wie eine Schwertlilie neu erblühen, Konrads Text sämtliche Quellen wie ein Meer aufnehmen) somit ein „komplexes Geflecht von Bescheidenheit und Ermächtigung, von Verfügbarkeit und Unverfügbarkeit“ (Kellner 2006, 260). Sie verweisen auf ein ambivalentes Dichtungskonzept, das sich über maximale Stoffzuflüsse (Worstbrock 2009) und absolut von Gott her als Heterologie begründet (Hasebrink 2009), während es zugleich in performativ-ästhetischer Hinsicht radikale Selbstbezüglichkeit behauptet. Dies ist weder zwingend als Innovationsschritt noch als Krisensymptom klassischer Kommunikationsmodelle höfischer Literatur zu verstehen. Verfolgt man das kognitive Strukturierungspotenzial von Konrads Vergleichen und Metaphern, so dienen die eklatanten Bildwechsel ebenso dazu, die zuvor betonten Ambivalenzen schrittweise wieder zu verhüllen. Selbst- und Fremdbezüge, wie sie die Arbeit am Text (vgl. V. 276–279), externe Entstehungsbedingungen und Quellenkompilation aufwerfen, werden mit Metaphern des Blühens, des Echos und des Meeres naturalisiert und somit der Diskussion tendenziell entzogen (Gebert 2013a, 134–155). Auch über den Prolog hinaus wurden eingehend die stilistischen Verfahren und ihre ästhetischen Effekte untersucht, die Konrads Kompilationsarbeit kennzeichnen (vgl. hierzu auch das übergreifende Kap. von Jan-Dirk Müller in diesem Band). Nicht nur exklusive Objekte wie der Apfel der Discordia, zentrale Figuren wie Helena und ihre Gewänder oder Rüstungen und Schilde der Kämpfenden vor Troja werden ausführlich in ihren materiellen bzw. visuellen Reizen beschrieben. Auch die umfangreichen Schlachtbeschreibungen vergegenwärtigen das Kriegsgeschehen als synästhetischen Wahrnehmungsraum von Farben und Formen, Waffenklang und Totenklagen, Leichengeruch und Kampfhitze. Bewegungen erscheinen energetisch überzeichnet – ob in Einzel- oder Gruppenkonstellationen, stets kommen Konrads Krieger geschozzen (V. 32873), herbei gesnurret (V. 32643) oder geflogen (V. 30960–30961); Kämpfer steigen und fallen mit ihren Pferden und Rüstungen, Blutströme schießen die Berge hinauf (V. 34306–34307), um später wieder herabzuregnen (V. 36614–36615). Auch die Erzählinstanz dynamisiert im unablässigen Wechsel von Detailschilderungen und panoramatischen Übersichten die Wahrnehmungsaktivität des Rezipienten (Lienert 2000; Gebert 2013b). Wenn Hässlichkeit und Grauen der Vernichtung solcherart ästhetisiert werden, hat dies nicht nur thematische Implikationen (Lienert 1996, 101), sondern bringt die sprachlichen Mittel und Verfahren selbst in den Vordergrund, welche die Wahrnehmung

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irritieren. Diesem „Formen- und Farbenspiel“ (Monecke 1968, 169) und seinen Irritationswirkungen widmet sich Wolfgang Moneckes Skizze des „wilden Erzählstils“, die das „Verhältnis Konrads zur Sprache“ (19) als übergreifenden Autorstil beleuchtet, neben den anderen Erzähltexten aber besonders den Trojanerkrieg heranzieht. Als Erzählung von âventiuren wilde (V. 283) angekündigt, verfahre Konrads Darstellung gezielt „ungebändigt“ (6), „rasch umherschweifend“ (7) zwischen kontrastreichen Sinneseindrücken; viele Episoden exponieren „ein faszinierendes, die Aufmerksamkeit, die Neugier erregendes Element“ (8), descriptiones etwas „Unfaßliches“ (9), das auf „das Erlesene, Rare, Kostbare“ (10) zielt und „im Wettstreit oder Kontrast seine Wirkungen sucht“ (11). Diese allgemeine Charakteristik des Faszinationsstils der wildekeit (1–33) führt Monecke in changierender Argumentation an einzelne Textpartien heran. Einerseits führt dies zu negativen Befunden einer Kontrastästhetik: Weder fügten sich die Prologreflexionen des Trojanerkriegs zu einem stimmigen Konzept, das dieser Gestaltung Rechnung tragen könnte (26), noch böten zeitgenössische Schulpoetiken bzw. Rhetoriken dafür einen Terminus (31). Positiv verweist Monecke stattdessen auf Stilreflexionen der Antike, die im ‚stilus alienus‘ ein Vorbild für Konrads Sprachkunst besitzen. Damit ist mehr als nur ein elokutionelles Stilphänomen der sprachlichen Oberfläche bezeichnet. Wie die Studie schon im Untertitel ankündigt, versteht Monecke wildekeit vielmehr als ein umfassendes Erzählprinzip. Erstens betreffe es ebenso die Disposition des Erzählmaterials und werde in Kompositionsproblemen widersprüchlicher Quellenverarbeitung greifbar (34–83). So würden etwa die Vorgeschichten um Paris, die Argonauten oder Achill durch befremdliche Motivationszüge in einen „Zusammenhang“ gebracht, der sich indes im Detail „vage und keineswegs sinnträchtig“ (75) erweise. Konrad bevorzuge einerseits Binnenerzählungen von hoher Selbständigkeit, selbst um den Preis gelegentlicher Unstimmigkeiten und Verkettungsbrüche (50–51, 82–83), strebe andererseits aber eine Totalität der Stoffsammlung an, die wiederum nicht gewährleistet werde (79). Widersprüchlich falle zweitens auch der Verbindlichkeitsanspruch aus (84–121): Verspricht Konrad mit dem Trojanerkrieg bilde und bîschaft (V. 284–285) zu geben, so würde moralische Orientierung auf Grundlage historisch bezeugter Quellenwahrheit (Dares) kaum eingelöst, wenn Episoden von Untreue und Zerstörung mit sprachästhetischer Virtuosität verklärt würden. Weder durch konsistente Zeichenkritik noch durch ästhetische Kontraste werde „Vorbildlichkeit“ klar markiert – das „Widerstreitende und Inkommensurable“ gehöre vielmehr zu den „eigentümliche[n] Qualitäten epischer Wahrheit“ (116). Drittens charakterisiere wildekeit auch Konrads ausweitende Erfindungskraft, die Vollständigkeit anstrebe, aber dabei „sinnlose Dimensionen“ (161) wie etwa der Schlachtschilderungen annehme oder seltsame Mischungen wie im Falle der Götterkritik und Bedeutungsverluste riskiere (122–181). Moneckes Studien haben eminente Bedeutung für die Forschung gewonnen, weil sie Konrads ästhetisierenden Beschreibungsstil aus dem (verengten) Kreis intertextueller Bezüge – insbesondere mit Blick auf Gottfried (Green 1949) – herausheben und auf ihre Verbindung zu Grundaspekten erzählerischer Ordnung hin transparent machen (anschließend und weiterführend Friedrich 2018; Müller 2018a und 2018b). Sie regis-

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trieren zudem überaus sensibel Unstimmigkeiten der erzählerischen Verknüpfung, der Figurenzeichnung oder Deutungsangebote, wobei Monecke schwankt, diese Diskrepanzen als Probleme oder aber als Irritationspotentiale intendierter Abweichung zu verbuchen. Gerade diese Ambiguitäten befördern Diskussionen der nachfolgenden Forschung, die nach Gesichtspunkten der narrativen Integration (Cormeau 1979; Lienert 1996; Gebert 2013a) oder aber ihrer gezielten Auflösung fragt (Worstbrock 1996; Müller 2006); Konrads ‚wilde âventiure‘ provoziert beide Perspektiven, indem sie eigenständige Binnenepisoden mit finalitätsorientierten Handlungsbögen überwölbt, topische Motivnetze mit kühnen Metaphern durchsetzt (Friedrich 2018, 292). Angesichts des anhaltenden Einflusses ist forschungskritisch anzumerken, dass Moneckes Studien häufig nur selektiv, nämlich vorrangig in stilistischer Hinsicht herangezogen werden, ohne deren weitergehende Erklärungsansprüche hinsichtlich Komposition, Wahrheitsanspruch und Darstellungsverfahren des Erzählens aufzugreifen, die hingegen Udo Friedrich unterstreicht (2018). Folgt man diesem weitergehenden Anspruch, erweist sich die gemischte Methodik von Moneckes Studien jedoch als problematisch. Sie geht aus von Beobachtungen zur Semantik der wildekeit und poetologischen Reflexionen in Konrads Gesamtwerk, ohne die Einheit des Œuvres und damit die genaue Beschreibungsreichweite zu problematisieren. Während einzelne Episoden und Figuren des Trojanerkriegs einem close reading unterzogen werden, mangeln vielen allgemeinen Postulaten detaillierte Nachweise und einlässlichere Stellendiskussionen. Selbst der zentrale Leitbegriff der wildekeit, der Zugang zu einer historischen Rhetorik des Disparaten verspricht, wird eingängig und seinerseits metaphorisch suggestiv, aber terminologisch wenig präzise gefasst. So lassen sich Moneckes Studien zwar weiterhin als pointierte Stichwortgeber zitieren, bieten jedoch wenig begründende Tragkraft. Wenn die sprachliche Faktur nach wie vor als Generalzugang zur Metapoetik des Tro­ janerkriegs gilt, so gehen jüngere Forschungsbeiträge anhand klarer abgesteckter Episoden den sprachlichen Elementen, Funktionen und Bezügen nach, die etwa Konrads Metaphernpraxis mit verschiedenen semantischen Kontexten und Erzählebenen verbinden (Laufer 2016; Müller 2018a; Herz 2020). Ebenfalls bei Konrads ästhetisierenden Beschreibungen und Problemen des ‚geblümten Stils‘ setzen Studien an, die den Trojanerkrieg weniger im Gattungskontext der Troja-Historiographie verorten als seine ethischen und ästhetischen Positionen am Traditionshintergrund des höfischen Romans messen. Schon Monecke wertete die ausufernde Kontrastästhetik von „Prunk und Scheußlichkeit des Kriegs“ (1968, 161) als Verfall des epischen Stilideals maßvoller Organisation. Sprachliche Virtuosität „ohne jede Beziehung zum Inhalt“ (Green 1949, 14) verlasse jedoch ebenso den Boden rhetorischer Normen wie der höfischen Epik, die mittels wohlgeordneter Geschehensdarstellung Lehren vermittele. Diesen Eindruck hat Franz Josef Worstbrock als ‚Poetik des Zerfalls‘ zusammengefasst (Worstbrock 1996). Sie wird paradigmatisch in Philoctets Binnenerzählung vom Tod des Hercules während der zweiten Schlachtpause (V. 37866– 38744) greifbar, die vereitelte Listen, Qualen und Demütigungen aneinanderreiht. Hercules’ finale Selbstanklage (V. 38470–38486) besiegelt eine Karriere, in der die Einheit

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von Handlungsmacht und Erkenntnis kläglich zerbricht und die vom Helden nichts als ein bisschen pulver (V.  38708) zurücklässt. Worstbrock liest die Herculesepisode als Symptom einer „tiefer gründenden Dissoziation […] von Handeln und moralischer Erkenntnis“, die den Trojanerkrieg von der „Tradition des höfischen Romans“ (1996, 278) trenne: „Gemessen an der integrierten Einheit des Ritters im höfischen Roman liest man an Konrads Hercules eine zerbrochene Einheit ab; die Figur zerfällt in ihre Komponenten“ (278), und diese Auflösung sei repräsentativ für Konrads Romantorso insgesamt (284). Damit geht Worstbrock über Ansätze hinaus, die lediglich Gewichtsverlagerungen von ethischer Lehre zugunsten poetischer Autonomie konstatierten (Haug 1992). Wie weit erstreckt sich diese Krise? Auch für Jan-Dirk Müller sind Strategien der ‚Ästhetisierung‘ „nicht abtrennbar von [Konrads] ethischem Engagement“ (2006, 303). Helena und die Massenschlacht vor Troja steigerten „die vollendete Schönheit in ein Maximum, um am Untergang des Vollendeten die Defizite der Vollendung zu zeigen“ (2006, 302). Gleiches gilt für die Binnenerzählung von Jason und Medea, die „Grundlagen der höfischen Welt […] verherrlicht“ und zugleich „deren Ambivalenzen“ beschwört (Müller 2018, 303). In Frage stehe damit nicht nur die Ordnung des Erzählens, sondern zugleich der höfischen Kultur: Indem der Trojanerkrieg Aporien zwischen deren Perfektionsanspruch und religiöser Vergänglichkeitsdrohung zuspitze, treibe er das „Ende der höfischen Epik“ hervor (Müller 2006, 303; ebenso nachdrücklich Müller 2008 und 2018a). Vom Untergang erzähle Konrad mit höfischem Glanz (Lienert 2019, 139). Zu fragen bleibt freilich, ob Passagen wie die Mauerschauen Helenas oder die Engführung von ästhetischer Pracht und Vernichtung in der Kriegsbeschreibung repräsentativ für den Gesamttext einstehen können, der in seinen verschiedenen Partien unterschiedliche Erzählprofile aufweist und selbst inmitten der Zerstörung noch Szenen vorbildlicher triuwe hochhält, wie sie die Nutzenfreundschaft zwischen Paris und dem Griechen Panfilôt darstellt. Auch ein Destruktionsexempel wie der Tod des Hercules erweist sich beim Blick auf seine erzählerische Rahmung weniger als Auflösung und Aporie, sondern vielmehr als Handlungsansporn für die intradiegetischen Zuhörer sowie als Erneuerungsimpuls für die Kriegserzählung (Gebert 2013a, 440–465). Gegen die These der ‚Auflösung‘ des Erzählens richtet sich traditionell die Suche nach Leitthemen, die das disparate Quellenmaterial strukturell organisieren oder durch wiederkehrende Sujets verbinden. Mit minne (V. 321) und strît (vgl. V. 292) gibt Konrad im Prolog dazu nur sehr allgemeine Stichworte, und nur ansatzweise folgen die auf einzelne Zentralfiguren konzentrierten Episoden der Vorgeschichte der romanüblichen „Struktur von Kampf und Bewährung“ (Brandt 1987, 178). Wie Christoph Cormeau in einem wegweisenden Aufsatz zu Konrads Stoffregie unterstrichen hat, münden nämlich alle Vor- und Aufstiegsgeschichten der Kriegshelden im Untergang, der von verschiedenen Richtungen als unausweichlich motiviert wird: durch den Fackeltraum der Hecuba, die Prophezeiungen des Proteus oder Cassandras, die Rachsucht Discordias u.  a.  m. (Cormeau 1979, 310). Romanhaft gestaltete „Minnenovelle[n]“ wie die heimliche Liebe von Achill und Deidamia seien dadurch von Erzählbeginn an auf „eine übermächtige Realität“ verwiesen, „der das Einzelschicksal unterliegt“ (318): „Mit keiner anderen

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Deutung konnte der Stoff in seinem ganzen Umfang durchgestaltet werden als mit der Perspektive der tragischen Unausweichlichkeit, eines historischen Fatums, das die vielen einzelnen Figuren herausfordert und über sie hinweggeht“ (309–310). In dieser Perspektive integriert der Trojanerkrieg seine Episoden und Teilstränge im Gesamtkonzept einer „Geschichtstragödie“ (310). Im Anschluss an Cormeau hat die Forschung eingehender beleuchtet, dass Konrad diese ‚Tragödie‘ innerhalb ihrer Einzelepisoden nicht als objektives Scheitern, sondern als subjektbezogene Beziehungsbrüche anbahnt: Die Vorgeschichten von Paris und Oenone, Jason und Medea oder Achill und Deidamia wie auch die später nachgetragene Herculesgeschichte verketten sich zu einer Serie der „bestraften Minneverfehlung“, wie Hartmut Kokott bilanziert (1989, 278–280; zuvor bereits Stackmann 1966). Der Trojaner­ krieg reiht so betrachtet Episoden von Untreue und Untergang aneinander, die Liebe und Krieg als Varianten „des unendlichen Immergleichen“ auserzählen (Herz 2020). Ob sich damit allerdings moralische Entscheidungsspielräume eröffnen, wie sie das Mittelalter mit der moralischen Warnung vor der Schönheit Helenas als Kriegsanlass verband (auch Konrad lässt seine Helena dies aussprechen: V. 39242–39287), ist im Überblick auf den Gesamttext indes fraglich: Letztlich ist es Zwang von nâture (V. 2719), der eine ausführliche Wahlsituation wie das Parisurteil bestimmt; Achills eruptive Hinwendung zum Krieg verdankt sich weder autonomer Entscheidung oder finaler Motivation noch rationaler Überlistung, sondern der Entfesselung wilder Natürlichkeit (Friedrich 2007, 110–120; Gebert 2013a, 504–517). Auch die Minnekrise zwischen Jason und Medea entsteht aus einem Ursachengeflecht, das schwer auf individuelles Schuldverhalten einer Einzelfigur zuzurechnen ist. Keine der Liebesgeschichten mündet in eine „Moralisierung des Problems“, wie Harald Haferland festhält, „[s]ondern Minne entfaltet sich nach einer Art Naturgesetz“ (2015, 58; dazu bereits Monecke 1968, 73). Thematische Interpretationen des Trojanerkriegs stehen damit vor der Spannung, dass Konrad einerseits Individualgeschichten von Treueschwüren und Verrat, von Entscheidung und Optionen (Managò 2021, 78–135) oder Erziehung und Kultur ausbreitet, aber andererseits mit Zeichen fataler Vorherbestimmtheit und Semantiken von Naturzwang und Bestimmung umgibt. Die Konradforschung hat dieses Spannungsverhältnis besonders eingehend an Figuren(konstellationen) aufgearbeitet, deren sexuelle bzw. soziale Geschlechtsidentität als ambivalent ausgestellt wird. Die grundsätzlich spannungsvolle Arbeit an heterogenen Figurenvorgaben verdichtet sich im Trojanerkrieg besonders in Genderaspekten (Kellner 2020). Dies gilt zum einen für Medea: Zwar reduziert und entdämonisiert Konrad einerseits die weibliche Gewalt der Kindsmörderin, verleiht der Figur jedoch andererseits das Doppelprofil einer höfischen Prinzessin und machtvollen Zauberin (Hasebrink 2006), die das asymmetrische Handlungsschema höfischer Liebesanbahnung zu Jason zugleich passiv bedient und aktiv steuert. Wie Andrea Sieber nachzeichnet, setzt die Liebesepisode daraus eine „Energie“ (Sieber 2008, 147) frei, die vom heterosexuellen Geschlechterdiskurs und den höfischen Erzählschemata der Liebe kaum gebändigt werde. Unter ähnlichen Gesichtspunkten hat Achills Cross-Dressing

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auf Scyros das besondere Interesse der Forschung auf sich gezogen (Miklautsch 2002; Sieber 2002, 2003; Schneider 2016; Managò 2021, 101–108). Ambivalent erscheint Achills Inkognito als Jocundille weniger deshalb, weil die Jugendgeschichte des Helden durch eine liminale Phase mehrschichtiger Geschlechtsidentität geführt wird, sondern weil Konrad beide Seiten erzählerisch ausbeutet: Achills Kleidungswechsel ist zum einen Auftakt einer Habitualisierung zum Mädchen, sein antrainiertes weibliches Verhalten wird zur perfekten zweiten Natur; zum anderen inszeniert Konrad das Musterbild als Maskerade, in deren Schutz Achill eine heimliche Liebesbeziehung zu Deidamia anknüpft, aus der ihn aber schließlich die griechische Delegation enttarnt. Natürliche Disposition und kulturelle Prägung gehen in der Jugendgeschichte Achills ineinander über und werden gleichzeitig durch Erzählschemata von Intrige und List gegeneinander ausgespielt. Dass Achills Geschlechtsidentität besonders komplex entfaltet wird, verdankt sich nicht zuletzt auch seiner intimen Freundesliebe zu Patroclus, die Konrad als Konkurrenzmodell zur Frauenliebe aufbaut. Schon im Roman de Troie (V. 13178–13188) hatte Hector seinen Gegner mit dem Vorwurf der Sodomie zu reizen versucht; er verkehre homosexuell mit seinem Freund. Während Herbort von Fritzlar diesen blasphemischen Vorwurf zurückgenommen hatte, verstärkt ihn Konrad durch den zusätzlichen Hinweis auf Achills Mädchenzeit (V. 31106–31109), die für den männlichen Heros kaum weniger schmählich ist. Strukturell hervorgehoben wird Achills Beziehung zu Patroclus ferner durch Verdopplung der vorgegebenen Szenenfolge von Totenklage um den gefallenen Patroclus, Reizrede und Zweikampf zwischen Achill und Hector. Insbesondere in Achills passionierter Totenklage überlagern sich unterschiedliche Diskurse über gleichgeschlechtliche Intimität, die Andreas Kraß rekonstruiert hat (Kraß 1999, 2006): Zärtliche Anreden an den trûtgesellen [lieben Partner] (V. 38792) zitieren höfisches Liebesvokabular, Vergeltungsphantasien und Angleichungswünsche an den Jugendfreund lassen Kategorien antiker und mittelalterlicher Freundschaftslehren anklingen, aber auch Suggestionen des Sodomiediskurses, der homosexuelle Männerliebe als Verweiblichung diffamiert, an die Achills vielfache Ohnmachten, maßlose Tränenflüsse und Haareraufen denken lassen. Die ausgedehnte, wiederholte und intensivierte Klage über den Verlust steigert somit nicht nur die Freundesliebe, sondern bringt eine „prekäre Nähe von Freundschaft und Homosexualität“ zur Sprache, die im Gattungsfeld des Antikenromans zuvor allenfalls der Eneasroman gestreift hatte (Kraß 1999, 96). Sie fächert heterosexuelle, homosexuelle und homosoziale Formen von Nahbeziehungen auf, die in der Achillfigur zusammenlaufen. Wenn sich diese Intimitätsformen neben andere Konstellationen der vriuntschaft reihen (Gebert 2013a, 390–410), so steht zu fragen, wie weit diese gendergeschichtlichen Lektüreansätze – über ihr fokussiertes Interesse an Einzelfiguren hinaus – auch für eine Gesamtinterpretation des Trojanerkriegs und seiner erzählerischen Organisation tragen (Schneider 2016). Weniger narratologische Analysen im strengen Sinne prägen die bisherige Interpretation des Trojanerkriegs als vielmehr Brückenschläge zwischen erzählerischen Aspekten und Sprachkunst (Monecke 1968; Laufer 2016; Friedrich 2018), amplifizierender Quellenverarbeitung und Ästhetik (Lienert 1996) oder den oft beschworenen Effek-

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ten visueller Evidenz und Vergegenwärtigung des Kriegsgeschehens (Bleumer 2010; Gebert 2013b). Die jüngere erzähltheoretische Diskussion beschäftigt in erster Linie die Frage nach den Integrationsmitteln von Konrads wilden âventiuren, die Cormeau in den Mittelpunkt gerückt hatte: Lässt sich angesichts der zahlreichen finalen und kausalen Motivationszüge, Episodenreihen und korrespondierenden Motive von einer durchkomponierten Gesamtanlage und konsequent strukturierten Erzählerkonzeption ausgehen (Lienert 1996, 223–271)? Wie tief gehen umgekehrt die Brüche und Gefährdungen erzählerischer Kohärenz, die der Trojanerkrieg mit seinen „vielfältige[n] Kausalitäten“ ausstellt (Friedrich 2018, 292; Kellner 2018)? Wie inkongruent und ‚dissonant‘ sind schon einzelne Episoden perspektiviert (Müller 2021)? Methodisch stützt sich die Forschung dafür seit langem auf Figuren und Einzelszenen, die als repräsentativ für Probleme und Prinzipien von Konrads Erzählprojekt insgesamt gelten. Die Aufmerksamkeit richtet sich zum einen auf Randfiguren, die Aspekte der erzählerischen Erneuerung (zu Medea in dieser Perspektive u.  a. Hasebrink 2006; Müller 2018a und 2021) oder deren Scheitern (zu Hercules z.  B. Worstbrock 1996; Managò 2021, 108–112) thematisieren. Sie richtet sich zum anderen auf Zentralfiguren wie Paris, der in die klassisch vorgegebene HectorAchill-Polarität einrückt, allen voran aber auf Helena, auf die der Kriegsroman kompositorisch, thematisch und ästhetisch zugeschnitten ist (Lienert 1988/1989). Als Inbegriff der schönen, verführerischen Frau gilt Helena in der mittelalterlichen Antikenrezeption als Urbild der Katastrophe. Doch nicht auf direktem Weg führt weibliche Schönheit in die Zerstörung, sondern über zahlreiche Etappen von Vorgeschichten, die ein komplexes Ursachen- und Wirkungsgefüge aufbieten (vgl. Friedrich 2018, 293). Helenas Erwähnungen und Auftritte  – vom Parisurteil über die Rauberzählung bis zu ihren Mauerschauen auf den Krieg – transformieren und reduzieren diese Motivationen erst schrittweise zu einem Strang, der auf fatale Frauenschönheit zuläuft. Ergebnis ist eine quellengeschichtlich erwartbare, aber im Erzählzusammenhang des Trojanerkriegs überraschende „Invisibilisierung von Optionalität“ (Gebert 2013a, 520): Begehren und Untreue erscheinen als bloßes Verhängnis, das individueller Steuerung und Entscheidung entzogen ist, die Spuren von Begründungs- und Schulddiskursen durch eine Figur gelöscht, die alle Krieger vor Troja anzieht und in tödlicher Betrachtung bannt. Nicht nur ästhetisch wird Konrads Helena somit zur Attraktionsfigur schlechthin, sondern ebenso für die Integration des Erzählens: Nicht objektiv gegebene Fatalität (Cormeau 1979), sondern die erzählerische Herstellung von Fatalität lässt sich an der Helena des Trojanerkriegs studieren (Gebert 2013a).

7 Offene Forschungsfragen Welche Fragen ergeben sich aus dem Längsschnitt der Forschungsgeschichte zum Tro­ janerkrieg, welche Desiderate zeigen sich quer zu den exemplarisch hervorgehobenen Interpretationsansätzen?

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Bewundert wie gefürchtet ist die Erzählfülle von Konrads monumentalem Romanfragment (Lienert 2019, 135–138). Seit der Kellerschen Edition der Straßburger Vollhandschrift stellt der Textumfang eine zentrale Herausforderung für Rezeption und Erforschung des Trojanerkriegs dar. Diese im Grunde banale Tatsache hat weitreichende methodische Implikationen. Bis auf wenige Ausnahmen bevorzugt die Forschung exemplarische Textausschnitte – Prologe und Exkurse, die in sich abgeschlossenen ‚Minnenovellen‘ (Cormeau) oder Zentralszenen einzelner Figuren –, um daraus generalisierende Aussagen über den gesamten Trojanerkrieg oder darüber hinaus sogar zu Konrads Autorstil insgesamt und seiner Stellung zur höfischen Erzähltradition abzuleiten. Poetologisch einschlägige Semantiken (des Erneuerns, der Wildheit oder des Glänzens), Dinge und Figuren, die als ‚mise en abyme‘ auf die Diskursebene des Erzählens rückbeziehbar sind (Apfel der Discordia, Medea und Helena u.  a.  m.), genießen nicht zuletzt deshalb ein so großes Gewicht in der Konradforschung, weil bis heute zwischen hermeneutischen close readings und Gesamtauswertungen methodische Lücken klaffen, die durch Postulate schwer überbrückbar scheinen. Forschungsgeschichte wie Einzelstudien zeigen dagegen in der Zusammenschau, dass weder Einzelepisoden noch isolierte Zitate der Schlachtschilderungen hinreichend sind, um ein Erzählmeer zu durchmessen, das sich entlang seiner verschiedenen Quellzuflüsse unterschiedlich darbietet. Methodenkritisch wäre daher einerseits die Beschreibungsreichweite einzelner Episoden, Dinge und Figuren zu überprüfen, die bislang als Schlüssel zur gesamten Romanpoetik galten. Jüngere Probestudien zeigen dagegen, wie wenig sich anhand isolierter Lektürestellen etwa die kompilatorischen Erzählverfahren des Gesamttextes erfassen lassen (Gebert 2021). Statt punktueller Zugriffe wären daher umfassendere Untersuchungen zu begrüßen, die philologische und hermeneutische Lektüren mit künftig weiterzuentwickelnden Instrumenten der digitalen Literaturwissenschaft – insbesondere zur Stilistik und narratologischen Analyse – auf breitere Basis stellen könnten. Diese Basis erweist sich in der Überlieferungs- und Textgeschichte des Trojanerkriegs jedoch keineswegs einheitlich. Stützte sich die Forschung traditionell auf die Straßburger Vollhandschrift, so hat erst die Sichtung der gesamten Überlieferung den Blick geschärft für divergente Textzuschnitte, die vom Werkprofil des Trojanerkriegs bis zu flottierenden Einzelepisoden und rhetorischen Musterelementen reichen. Volltext- und Exzerptüberlieferung, Poetiken extremer dilatatio und abbreviatio stehen sich gegenüber. Welche historischen Verwendungsweisen und Konstitutionsformen daraus zu erschließen sind, hat Elisabeth Lienert in grundlegenden Sichtungen und Vorstudien umrissen (1990b, 1996). Dieser gattungsübersteigenden mouvance wäre in Einzelstudien auf Grundlage der gesichteten Überlieferung weiter nachzugehen, an der sich die Durchlässigkeit und Übergängigkeit zwischen Romanliteratur, Rhetorik und Geschichtsschreibung im Spätmittelalter abzeichnet. Nahezu die gesamte Forschungsgeschichte zur Ästhetik des Trojanerkriegs ist nicht bloß vom Bemühen um textnahe Beschreibung, sondern von Wertungen durchzogen, die seinen ‚geblümten Stil‘ als ‚Problem‘ unsicherer Bezeichnung, seine Figurenentwürfe als Poetik des ‚Zerfalls‘ oder seine erzählerische Organisation gar als Auflösung

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höfischer Kultur beklagen  – oder umgekehrt zu ebenso vehementen Aufwertungen reizen. Öfter jedoch werden die Maßstäbe solcher Wertung stillschweigend vorausgesetzt als offengelegt und begründet. Doch woher stammen diese Wertrahmen, welche Axiologie(n) liefert die Erzählung, welche verdanken sich hingegen als Urteile literarhistorischer Wertung den (impliziten) Normen der Beobachterperspektive? Auf den ersten Blick scheint Konrad selbst solche Wertungsrahmen anzusteuern, wenn etwa der Prolog vom Anerkennungsverlust wol gebluomter rede (V. 12) an den Höfen spricht; die „Axiologie von Werten“ steht damit von Anfang an zur Diskussion (Friedrich 2018, 287). Bei näherem Blick auf ihren Kontext erweist sich jedoch selbst Konrads Krisendiagnose als topisches Argument, das umgekehrt der Selbstaufwertung und Exklusivierung des Erzählens dient. Dass Dinge wie der schillernde Apfel und Figuren wie die sprichwörtlich schöne Helena innerhalb der erzählten Welt in den Untergang führen, ist unbestritten. Aber lässt sich daraus bereits ein wertbesetztes Scheitern von spezifischen Zeichen-, Figuren- oder Erzählmodellen ableiten? Moralische Deutungsangebote, die der Trojanerkrieg durchaus formuliert – ‚aus kleiner Ursache entstehen große Folgen‘  –, tragen weder dem komplexen Gefüge von Binnen- und Rahmenerzählung Rechnung (vgl. Monecke 1968, 73; Friedrich 2018, 292), noch durchziehen sie den Gesamttext konsequent (Müller 2018b). Umgekehrt ist daher zu fragen: Wie stark zehrt diese Wertungsgeschichte des Trojanerkriegs weiterhin von klassizistischer Stilterminologie, den literatur-, gattungs- und kulturgeschichtlichen Koordinatensystemen, welche die Altgermanistik der ‚höfischen Klassik‘ um 1200 abgelesen hatte (dazu kritisch etwa Müller 2006 und Lienert 2019)? Dabei ginge es um mehr als Begriffsreflexion und Methodenkritik einflussreicher Forschungsbeiträge. Es geht um die offene Frage, wie sich der Trojanerkrieg jenseits von Blütezeiten, Krisenmodellen und Erwartungen des Scheiterns neu positionieren lässt. Trotz zahlreicher Untersuchungen zur Ästhetik des Romans ist nicht zuletzt auch in narratologischer Hinsicht klärungsbedürftig, wie Konrad die Wahrnehmung erzählerisch aktiviert und lenkt. Seit frühesten stilgeschichtlichen Untersuchungen gilt als Hauptzug von Konrads Kriegsbeschreibungen, visuelle Erscheinungsreize von Formen, Farben und Materialitäten zu vermitteln. Ästhetische Effekte des Glänzens und Schillerns werden jedoch meist mehr beschworen als analytisch rekonstruiert. Die Konradforschung ist nur allzu bereit, die Sprache des Trojanerkriegs in ihre Beschreibungssprache zu übernehmen. Dies zieht gelegentlich Ebenensprünge, zumindest aber argumentative Verkürzungen nach sich: Von Konrad erzählte bzw. besprochene Phänomene des Glänzens innerhalb der erzählten Welt führen dem Rezipienten nicht zwangsläufig Glanz vor Augen, sondern aktivieren semantische Konzepte, die mittelbar Imaginationsaktivitäten anstoßen – aber auch ganz anders geartete kognitive Reaktionen auslösen können, die etwa bei rekurrenten Metaphern und formelhaften Wendungen weitaus stärker die Zeichenebene in den Vordergrund rücken als ihre Wahrnehmungskorrelate. Trotz der beträchtlichen Anzahl stilorientierter Untersuchungen liegt eine Aufgabe nach wie vor darin, das Verhältnis von Erzähl- und Beschreibungsmitteln, intendierter Rezeption und Wahrnehmungslenkung analytisch genauer zu erhellen.

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Offen ist dabei, welche Begriffsinstrumente geeignet sind, um die intuitiv eingängigen, aber terminologisch vagen Formeln zu ersetzen, mit denen man Konrads Techniken nachvollzogen hat, den Krieg ‚vor Augen‘ bzw. ‚vor die Sinne‘ zu führen, zwischen ‚Panoramen‘ und ‚zoomartigen‘ Details zu wechseln etc. (Lienert 2000; Gebert 2013b). Selbst klassische Kategorien der Narratologie wie das Konzept der Fokalisierung greifen nur unscharf die dissonante Perspektivengestaltung des Trojanerkriegs, die Müller (2021) an der Episode um Jason und Medea aufgewiesen hat. Damit liefert der Trojanerkrieg einen Paradefall, um Berührpunkte, aber auch offenen Übersetzungsbedarf zwischen historischer Narratologie und rhetorischen Sprachpraktiken weiter auszuloten (Hübner 2010; Bleumer 2015; Friedrich 2018) und somit die Erzählforschung zur Vormoderne voranzutreiben.

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III Überlieferung



Zur Überlieferung der Werke Konrads 

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André Schnyder

17 Zur Überlieferung der Werke Konrads 1 Vorüberlegungen: Begriffliches, Materialbasis, Vorarbeiten Ziel des folgenden Beitrags ist es, aufbauend auf den Rohdaten der handschriftlichen Überlieferung insgesamt und den aktuell vorliegenden Forschungsarbeiten, einer bisher ungeschriebenen Textgeschichte der Werke Konrads vorzuarbeiten. Die Verwendung der Ausdrücke „Textgeschichte“ oder „Überlieferungsgeschichte“ (vgl. Steer 1985; Ruh 1985; Williams-Krapp 2000; Klein 2016) betont ein spezifisches Frageinteresse bei der Beschäftigung mit der jeweiligen Werküberlieferung. Dieses erschöpft sich demnach nicht in der Ermittlung stemmatischer Zusammenhänge zwischen den einzelnen Überlieferungsträgern, die in eine Textkonstitution mündet; vielmehr interessieren die einzelnen Textzeugen – im Falle Konrads sind dies praktisch immer Handschriften (Ausnahme: der → Engelhard-Roman) – als Zeugnisse für die Rezeption der darin enthaltenen Werke. Mit dieser Ausrichtung beim Betrachten der handschriftlichen Tradierung kommen alle an der Weitergabe beteiligten personalen Instanzen im Literaturbetrieb in den Blick: Auftraggeber, Schreiber, zeitgenössische und posthume Leser; diese wiederum sind durch überindividuelle Faktoren verbunden (bzw. getrennt): über andere literarische Werke, ob von Konrad oder nicht, durch literarische Epochen, Literaturräume (vgl. zum letzten Aspekt den theoretischen Entwurf von Palmer und Schiewer 2002). Aus dieser Perspektive können sich die para- und intertextuellen, textsoziologischen, textgeographischen und textchronologischen Dimensionen des Konradschen Werkes in der Erst- und der posthumen Rezeption abzeichnen. Bearbeiten lassen sich solche Fragestellungen  – wenn überhaupt  – vorab durch textexterne Faktoren der Werktradierung, also durch Daten, die mit dem jeweiligen Überlieferungsträger verbunden sind: Wann und wo ist eine Handschrift entstanden? Für wen und für welche Zwecke wurde sie erstellt? Wie tradiert sie das jeweilige Werk – vollständig, unvollständig, bearbeitend oder ‚originalgetreu‘? Welche Paratexte begleiten es? In welchen Tradierungs-Symbiosen wird das Konradwerk aufgeschrieben? Damit zeichnet sich eine Grenze gegenüber der Beschäftigung mit werkinternen Daten (d.  h. direkte Aussagen in Pro- und Epilogen sowie Exkursen oder Ergebnisse aus Interpretationen von Werkinhalten [hierzu etwa: Miedema 2015]), sowie mit überlieferungsexternen Zeugnissen (etwa Äußerungen von Lesern zu einem Werk außerhalb der materialen Werktradierung) ab; diese alle können freilich unter Umständen ebenfalls Antworten auf solche Fragen liefern  – eine Abgrenzung also, die zur methodischen Orientierung jedenfalls nützlich, keinesfalls aber als absolute Größe zu handhaben ist. Durch den Einbezug der Daten aus der Textkritik, also die Prüfung der Textvarianten im Hinblick auf eine stemmatische Einordnung der jeweiligen Handschrift, und durch https://doi.org/10.1515/9783110373561-017

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die Verknüpfung der so gewonnenen Erkenntnisse mit jenen aus der kodikologischen Erfassung des Überlieferungsträgers ergibt sich ein Gesamtbild, das die überlieferungsgeschichtliche Methode anstrebt. Neu sind textgeschichtliche Fragestellungen in der mehr als zwei Jahrhunderte umspannenden Konrad-Philologie nicht (Brandt 1987, 3–13). Sie haben jedoch in den letzten zwei, drei Jahrzehnten für die Forschung an Bedeutung gewonnen. Dabei sind gewisse Faktoren von außerhalb mindestens mitbestimmend, so die autor-, ja fachübergreifend geführte Diskussion um die sog. New Philology, ferner die Digitalisierung – letztere ein Phänomen der technischen Kultur, das durch erweiterte Möglichkeiten der Textedition wie auch durch Erleichterung des Zugangs zu Handschriften einen starken direkten Einfluss auf die philologische Arbeit erlangt hat. In der Forschung des 19. und weit bis ins 20. Jahrhundert finden sich Beiträge zur Textgeschichte der Konradschen Werke meist in der Einleitung zu Ausgaben; dort jedoch erscheinen sie in Übereinstimmung zum methodologischen Stand dieser Arbeiten als weitgehend unsystematische, aperçuhafte Bemerkungen. Beispielhaft dafür können Passagen in den Einleitungen zu den drei Heften mit der → Lyrik und der Kurzepik stehen, die Edward Schröder nach langen Vorbereitungen 1924–1926 herausgebracht hat (besonders prägnant seine Auslassungen 1924, XXV). Gerade bei ihm wird in einem Kontext, der durch einen heute forciert anmutenden Rechtfertigungsgestus geprägt ist, deutlich, wie sehr überlieferungsgeschichtliche Gegebenheiten ausschließlich in ihrer Nützlichkeit bei der Wiederherstellung des durch Zeit und Schreiberwillkür verunklärten reinen Dichterwortes gesehen werden – ein Vorgang übrigens, bei dem der moderne Philologe seine durch protestantisches Arbeitsethos ermöglichte, rühmliche (wenngleich durch fortlaufende Bescheidenheitstopik zurückgedrängte) Rolle spielen darf. Zweifellos ließe sich bei umfassender Auswertung solcher Zeugnisse der KonradPhilologie die Bedeutung unterschiedlich ausgeprägter früher Konzeptionen von Überlieferungsgeschichte darstellen. Dies indessen sprengte den hier gesetzten Rahmen quantitativ und ginge über die Zielsetzung eines Handbuchs, bestehende Forschung referierend zu erfassen, hinaus. Dementsprechend sollen hier zwei bescheidenere Ziele anvisiert werden. Zum einen soll in Tabellenform die gesamte Werküberlieferung Konrads mindestens auf einer Ebene elementarer Befunde sichtbar und überschaubar gemacht werden. Eine Tiefenperspektive wird sich bei Bedarf durch Einbezug des Handschriftencensus erreichen lassen  – eine Materialfülle, deren Erfassung freilich durch die Flüchtigkeit der Bildschirmdarstellung beeinträchtigt wird (wenn man nicht den umständlichen Weg über den Ausdruck begeht). Zum andern soll über ausgewählte überlieferungsgeschichtliche Beiträge der neueren Forschung berichtet werden. Eine überlieferungsgeschichtliche Gesamtdarstellung des Konradschen Œuvres ist damit nicht erreicht, denn es zwingt der beschränkte Raum ebenso wie die Darstellung zur Reduktion der Daten, mithin zum Vergröbern und Ausblenden; zudem ist das KonradWerk auf der Ebene des Einzelwortlautes ja erst bruchstückweise im oben skizzierten Sinn überlieferungsgeschichtlich bearbeitet.



Zur Überlieferung der Werke Konrads 

 337

2 Die wichtigsten Überlieferungsdaten in tabellarischer Darstellung Hinweise zur Gestaltung der Tabellen Die Tabellen sollen werkbezogen in überschaubarer Form die wichtigsten Überlieferungsdaten präsentieren. Diesem einfach anmutenden Ziel stellen sich bei seiner Umsetzung eine Reihe von Problemen und Dilemmata in den Weg; nachfolgend seien die wichtigsten Aspekte der jeweils pragmatisch getroffenen Lösungen angeführt. Die Tabellenform erlaubt zwar Übersichtlichkeit, erzwingt jedoch Kürze, die sehr oft den wünschbaren Nuancierungen zuwiderläuft und eine Eindeutigkeit der präsentierten Daten vortäuscht, die wegen der Vielzahl der verwendeten Quellen mit unterschiedlichen Standards nicht gegeben ist. Durch Einschaltung zusätzlicher Zeilen in den Tabellen wurde Raum für gezielte Ergänzungen geschaffen: etwa bei der Auflistung von Mitüberlieferungen, die sich nicht durch knappe Gattungs- oder Œuvre-Begrifflichkeiten anzeigen ließen, beim Verweis auch auf divergierende Auffassungen in der verwendeten Forschungsliteratur oder zur Herkunftsangabe einer Information, wenn diese nicht einer opinio communis entspricht. Bei gewissen, nicht aus allen Quellen verfügbaren Daten (etwa die Verzeichnung von Vor- und Nachsatzblättern) wurde dagegen grundsätzlich von einer Berücksichtigung abgesehen, weil andernfalls der Eindruck einer nicht zu gewährleistenden Genauigkeit übers Ganze hin entstanden wäre. – Immer verknüpft ein + (bei Bedarf repetiert) die Stelle in der Tabelle mit dem Zusatz. Für jedes Werk (bzw. für jede Werkgruppe) wird eine separate Tabelle geführt, was kleine Anpassungen dieser Grundstruktur an den jeweils konkreten Fall erlaubt. Die Ansetzung von Werkgruppen und Werken folgt dem Artikel des Verfasserlexikons (Brunner 1985). Zur Füllung der verschiedenen Rubriken gelten einige allgemeine Regeln: Die Spalte ganz links zählt die Anzahl der Zeugen; nicht mitgezählt, obwohl aufgeführt, werden nur die seltenen Fälle von phantomatischen oder schon sehr früh verschollenen Zeugen (über die dann oft keine substantiellen Informationen verfügbar sind). – Der Asterisk * in der Spalte zum heutigen Bibliotheksstandort (jeweils am Ende des Eintrags; die ganz raren Fälle von Asterisken in Handschriftensignaturen dürften durch ihre Position leicht davon zu unterscheiden sein) verweist auf Handschriften, die vollständig im Internet betrachtet werden können (am raschesten über den Handschriftencensus). – Provenienzangaben werden nur erfasst, wenn sie in die Entstehungszeit der Handschrift zurückführen (ursprüngliche Besitzer, Auftraggeber, Kompilator, Schreiber). – Das Rubrum „Besonderes“ nimmt Spezifika auf, die für den vorliegenden Kontext einer Überlieferungsgeschichte Konrads von Belang scheinen (etwa Illustrationen).  – Von/ bis-Angaben zeigen die Position des jeweiligen Konradschen Werkes (oder Werkausschnitts) innerhalb des Codex, dabei wird auf Spaltenangaben verzichtet, es steht einzig die Seiten- bzw. Blattangabe, diese ergänzt durch r/v. – Die Angaben zum Gesamtumfang

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 André Schnyder

einer Handschrift beruhen auf den (etwa bei Verzeichnung von modernen Vorsatz-/ Nachsatzblättern) nicht immer einheitlich verfahrenden Quellen. – Die Verzeichnung von Mitüberlieferungen – ein überlieferungsgeschichtlich oft sehr bedeutsamer Datensatz  – stößt in der Tabellenform auf besonders enge Grenzen; diese können durch ergänzende Anmerkungen nur teilweise erweitert werden; etwa im Falle der Lyrik sind auch diesem Verfahren Schranken gesetzt. Hier muss man bei Bedarf auf die zugrunde liegenden Repertorien zurückgreifen. Gleiches gilt für die bei den meisten hier behandelten Handschriften vorliegende, oft sehr breite Forschungsliteratur: auf sie kann nur ausnahmsweise verwiesen werden. Ein überlieferungsgeschichtlich wichtiger Befund wird in den Tabellen nicht erfasst, nämlich die Zuordnung eines Werkes an Konrad; zu unterscheiden sind dabei Namennennungen in Pro- und Epilog von der werkexternen Zuschreibung in Inhaltsverzeichnissen, Überschriften usw. Die damit verbundene ‚Echtheitsfrage‘ fällt namentlich bei → Lyrik in Betracht; hier hat das RSM eine überlieferungsbezogene Unterscheidung der Daten erstellt. Einen weiteren einschlägigen Fall stellt die Zuschreibung (oder Aberkennung) der → Halben Birne A dar; hier ist in der Diskussion abgesehen von Stiluntersuchungen gewiss auch das Überlieferungszeugnis zur Autorschaft zu berücksichtigen. Einen ähnlichen Kasus aus dem Bereich der Mären hat Florian Kragl (2016, 425–426) aus den Kellergewölben der schlecht überschaubaren Einleitungen Schröders (1924, XVII und XIX) wieder ans Licht gezogen: das → Herzmaere als Dichtung Gottfrieds von Straßburg. Wer  – dies eine weitere Konstellation  – sich mit dem → Trojanerkrieg befasst, sollte angesichts moderner Lesegewohnheiten nicht übersehen, dass keine der noch vorhandenen Vollhandschriften des Werks den Prolog mit der Selbstnennung Konrads enthält; im Fall der Fragmente ist dieser wichtige Befund nicht einmal mehr erkennbar. Inwieweit konnten die mittelalterlichen Leser der handschriftlichen Tradierung das Werk, das sie lasen, mit einem Autornamen verbinden? Die Beantwortung dieser Frage erfordert sowohl eine genaue Einsicht in den Wortlaut der Werküberlieferung im engen Sinn wie auch Kenntnis von handschriftlichen Paratexten. Da die einschlägige Literatur solche Informationen außer im Fall der Lyrik nicht systematisch bereitstellt, musste auf deren Erfassung in den Tabellen verzichtet werden. Als Quelle für die Überlieferungsdaten dienten neben den Werkausgaben auch Repertorien (RSM) und Lexika (Verfasserlexikon), sowie der einzig elektronisch zugängliche Handschriftencensus; alle diese Informationen wurden kritisch miteinander verglichen; bei Differenzen wurde versucht, das Richtige zu ermitteln (etwa durch Autopsie anhand von Handschriftenabbildungen); veraltete Informationen (Siglen, Standorte, Bestandsangaben) waren auf den aktuellen Stand zu bringen.



Zur Überlieferung der Werke Konrads 

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Sangbare Dichtungen Hier werden die Einzeltexte nach der Nummerierung (ggf. ergänzt durch Verszählung) in der Ausgabe von Schröder bezeichnet. Dieser reiht strikte nach der Abfolge in Hs. C, wodurch sich eine Mischung von Minneliedern und Spruchstrophen ergibt. Leichs (ein religiöser Leich / ein Minneleich) Zeit / Beschreibstoff / von/bis Gesamtumfang / Mit­ Provenienz, Sprache / überlieferung Besonderes   Heidelberg / UB / cpg um 1300 (Grundstock) / 383v–384v+ 426 Bl. / Sangvers- und 848 / C* Pg. / Zürich, alem. / Spruchlyrik des 12. und 137 ganzseitige Minia13. Jh.s turen / Manessische Liederhandschrift, Große Heidelberger Liederhandschrift + Gesamtes Konrad-Corpus (Minnesang und Spruchdichtung) in Hs. C: 384v–391r (113 Strophen, Schröder 1926, VII); vorangestellt (383v–384v) die zwei Leichs.

Nr. Ort / Bibliothek / Signatur / Sigel

Nr. Ort / Bibliothek / Signatur / Sigel 1.

Bern / Burgerbibliothek / Hs. 260 / P*

Minnelieder (23 Lieder) Zeit / Beschreibstoff / von/bis / Lieder/ Provenienz, Sprache / Strophen Besonderes Mitte 14. Jh. / Pg. / 234r: Liedstrophen Straßburg (?) / Berner 21,1.12.23+ Hausbuch

Gesamtumfang / Mit­ überlieferung

286 Bl. / v.  a. lat. Mischhs. (mit deutschen Einzeltexten): Chronik des Matthias von Neuenburg, 36 Minnestrophen versch. Herkunft + Vollständige Incipit-Liste der Strophen bei Hagen 1875, 294–295; von Schröder (1926, VIII) für seine Ausgabe erfasst. Bei den Autorhinweisen (Marner, Neidhart) im Handschriftencensus fehlen die Konrad-Texte. 2. Heidelberg / UB / cpg um 1300 (Grundstock) / 384v–386v: Lieder 426 Bl. / Sangvers- und 848 / C* Pg. / Zürich, alem. / Nr. 3–17; 386v–387v: Spruchlyrik des 12. und 137 ganzseitige Minia- Nr. 20–22; 388r–388v: 13. Jh.s turen / Manessische Nr. 26–30 Liederhandschrift, Große Heidelberger Liederhandschrift 3. Leipzig / UB / Rep. II 14. Jh. / Pg. / kölnisch / 91v: Lied Nr. 3,21–30 102 Bl. / dt. Chronik, 70a / N Niederrheinische Spruch- und LiedstroLiederhandschrift phen, Auszug Virginal

Bei den Sangsprüchen zeigt sich die Überlieferung insofern komplex, als zwischen Text und Ton zu unterscheiden ist und die Urheberschaft zwischen diesen beiden Elementen

340 

 André Schnyder

divergieren kann (Übernahme fremder Töne für jüngere Texte im frühen und vollentwickelten Meistersang). Das schlägt sich darin nieder, dass im Handschriftencensus der Verweis auf eine Autorschaft Konrads manchmal nur unter der Rubrik „Aufbewahrungsorte“, nicht aber im Autorverzeichnis erscheint. So liefert bei den Sangsprüchen RSM, wo diese Sachlage auf Grund der damaligen Forschungslage (1988) dargestellt wird, die Information für die Tabelle. Nachfolgend wird in tabellarischer Form jene Überlieferung dargestellt, die nach diesem Wissensstand als im doppelten Sinn (Text und Ton) konradisch gelten kann. Bei der Urheberschaft ergeben sich in der späteren Überlieferung auch Sonderfälle: Konrad-Text im Verbund mit Fremdstrophen in einem Konrad-Ton (RSM, Bd. 4 S. 210). Es scheint, dass die Text-Überlieferung im 15. Jahrhundert weitgehend abbricht. – Von den sieben echten Konrad-Tönen tragen nur gerade drei einen Namen; die übrigen vier firmieren unter Nummern, die sich aus der Bezifferung in der Ausgabe Schröders ergeben; eine andere (kompliziertere) Bezeichnungsform führt RSM ein (Bd. 4 S. 183 mit Konkordanz zu Schröder). – Eine Untersuchung des Konrad-Bildes auf Grund der echten und der nur zugeschriebenen Sangsprüche liegt in der ungedruckten Habilitationsschrift von Miedema 2002 vor. Sangsprüche (51 Strophen in 7 Tönen) – Textzeugen 14. Jh. Nr. Ort / Bibliothek / Zeit / Beschreibstoff / von/bis / Töne/Strophen Gesamtumfang / Mit­ Signatur / Sigel Provenienz, Sprache / überlieferung Besonderes 1. Basel / UB / Cod. N I Ende 13. Jh. / Pg. / 1v: 32,16.46 (Hofton, Fragmente einer Rolle 6, 50* ostalem. / Basler Rolle 2 Str.) (4 Längsstreifen) / Marner, Kanzler 2. Basel / UB / Cod. B XI Anfang 14. Jh.+ / Pg. / 161v–162r: Hofton, 163 Bl. / lat.-dt. Misch8 / K* alem. (?) / Basler unvollständig handschrift (Lyrik, Liederhandschrift (Nr. 32,1.46) Aszetik, Medizin) + Aus chronologischen Gründen kann die Handschrift kaum in der Basler Kartause (Besitzeintrag) entstanden sein. 3. Heidelberg / UB / cpg um 1300 (Grundstock) / 387r–388r: Spruchtöne 426 Bl. / Sangvers- und 848 / C* Pg. / Zürich, alem. / Nr. 18, 19, 23, 24, 25 Spruchlyrik des 12. und 137 ganzseitige Minia- (Aspis, Form 1); 388v– 13. Jh.s turen / Manessische 391r: Spruchtöne Nr. 31 Liederhandschrift, (Morgenweise, Form 1), Große Heidelberger 32 (Hofton+) Liederhandschrift + Ohne: Schröder 32,346 und 361 (= 1KonrW/24a und 25). 4. Jena / UB / Ms. El. um 1330 / Pg. / md.-nd. / 101r–102v: Hofton, 9 133 Bl. (Restbestand) / f. 101+ / J* 2 Leich- und 89 Strovollst. u. 1 unvollst. Str. Spruchdichtung mit phenmelodien (Nr. 32,76.361.61.1.46.16. Melodien 256.271.346.196)++ + Eine Signatur wurde erst 1980 vergeben. ++ Anschließend wohl Verluste durch Ausfall von Seiten (Schröder 1926, VIII). Dazu in der Studienbibliothek Dillingen 1 Fragment (Signatur: XV Fragm. 19*). 5. Leipzig / UB / Rep. II 14. Jh. / Pg. / kölnisch / 96r: Hofton, 2 Strophen 102 Bl. / dt. Chronik, 70a / N Niederrheinische (Nr. 32,256.271)+ Spruch- und LiedstroLiederhandschrift phen, Auszug Virginal



Zur Überlieferung der Werke Konrads 

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Sangsprüche (51 Strophen in 7 Tönen) – Textzeugen 14. Jh. Nr. Ort / Bibliothek / Zeit / Beschreibstoff / von/bis / Töne/Strophen Gesamtumfang / Mit­ Signatur / Sigel Provenienz, Sprache / überlieferung Besonderes + Zuschreibung an KvW nach Schröder und RSM; im Handschriftencensus als Marnerstrophen. 6. München / SB / clm Anfang 14. Jh. / Pg. / 75r: Hofton, Anfangs- 128 Bl. / Nachtrag in 27329 md.-nd. / vers (Nr. 32,1) einer lat. Sammelhs. Sangsprüche (51 Strophen in 7 Tönen) – Textzeugen 15. Jh. Nr. Ort / Bibliothek / Zeit / Beschreibstoff / von/bis / Töne/Strophen Gesamtumfang / Mit­ Signatur / Sigel Provenienz, Sprache / überlieferung Besonderes 1. Berlin / SB / mgf 20 / w Mitte 15. Jh. / Pp. / 99v: Hofton, 1 Str. 128 Bl. / geistliche elsässisch (Nr. 32,256) Reimpaardichtung (Rudolf von Ems Barlaam und Josaphat, Konrad von Heimesfurt Unser vrouwen hinvart, Freidank u.  a.) 2. München / SB / cgm 3. V. 15. Jh. / Pp. / wmd. / insgesamt 18 Strophen: 856 Bl. / größte 4997 / t (k)* Kolmarer Liederhand­ 508v–509v: Aspis, 6 Str. spätmal. Sammlung schrift (Nr. 25,81.101.1.21.41.61); meisterlicher Lied514r, 525r: Morgenkunst, ca. 935 Bare in weise, 3 Str. 108 Tönen, 5 Leiche (Nr. 31,96.77.115); 531r– 535r, 538v: Hofton, 9 Str. (Nr. 32,91.46.271.346.256. 1.16.31. 301) 3. München / SB / cgm um 1500 / Pp. / verm. 105v, 108r, 109r: 177 Bl. / Meistersang 5198 / u (w)* Tirol / Wiltener Lieder­ Hofton, 4 Strophen+ (166 Lieder)++ handschrift (Nr. 32,301.91.1.16) + Diese 4 Einzelstrophen je mit Strophen Dritter zu Meisterliedern verbunden. ++ Ausführliches Verzeichnis: Schanze 1984, Bd. 2 S. 122–133. 4. Weimar / HAB / Q 3. V. 15. Jh. / Pp. / wohl 119v: Hofton, 1 Str. 142 Bl. / Sangsprüche 564 / f* Nürnberg, ofr. / Weima­ (Nr. 32,166) und Minnelyrik, Leichs rer Liederhandschrift+ (v.  a. von Frauenlob), Reimpaardichtung (Fastnachtsspiele, geistl. Erzählungen) + Ausführlich beschrieben bei Stackmann / Bertau 1981, Bd. 1, S. 37–48. Klage der Kunst Zeit / Beschreibstoff / von/bis / vollständig/ Provenienz, Sprache / fragmentarisch Besonderes München / UB / 2° Cod. 1345–1354 / Pg. / Würz- 253v–255v / Verlust von ms. 731 (Cim 4) / –* burg, ofr. / Hausbuch Str. 23 (Schröder) des Michael de Leone

Nr. Ort / Bibliothek / Signatur / Sigel

Gesamtumfang / Mit­ überlieferung



285 Bl. / dt.-lat. Sammelhs.

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 André Schnyder

Goldene Schmiede Die nachfolgende Übersicht beruht auf Bertau 1983 und 1999 (ergänzend Knecht 1984); die auf nicht recht einsichtigen Grundsätzen basierende Abfolge wurde aber zu Gunsten einer Aufreihung in der alphabetischen Abfolge der heutigen Handschriftenstandorte geändert. Beigefügt wurden die Siglen Wilhelm Grimms (in Klammern). Bertau gibt bei jedem Zeugen (auch bei Fragmenten) genaue Zahlen zum Versbestand. Goldene Schmiede – Pergamenthandschriften Zeit / Beschreibstoff / von/bis / gesamter Vers­ Provenienz, Sprache / bestand Besonderes Alba Julia (Karlsburg) / 1. H. 14. Jh. / Pg. / wohl 114r–128r / 2001 V. Bátthyáneum / Cod. R II Allentsteig (NOe), bair.104 / K* österr. Bremen / SUB / msa 17.8.1342 / Pg. / Rostock, S. 173–204 / 1868 V. 0030–02 / R Hinricus Bese (Schreiber), nordniedersächsisch Breslau / Stadtarchiv / 14. Jh. / Pg. / md. – ohne Sign. (verschollen) / U Cologny / Bodmeriana / 1. V. 14. Jh. / Pg. / md. 2r–14r / 1950 V. Cod. 72 / (A) A* mit. bair. Färbung / Kalocsaer Handschrift Darmstadt / ULB / nach 1350 / Pg. / mittel- Ir–IIv / 158 V. Hs. 1869 / Q fränkisch

Nr. Ort / Bibliothek / Signatur / Sigel

Gesamtumfang / Mit­ überlieferung

1.

129 Bl. / dt. geistl. Dichtung, lat. ThomasLegende 102 Bl. / Sachsenspiegel, nd. Physiognomik

2.



3.

4.

5.

Umfang unbekannt / Jüngeres Marienlob 333 Bl. / Reimpaardichtung Reste von 2 Blättern (Vor- und Nachsatzblatt der Hs.) 216 Bl. / 33 marianische Texte, mehrheitlich Gebete++)

Den Haag / Koningum 1500 / Pg. / limbur- 56r–77v / Prosa der klijke Bibliotheek / Cod. gisch / ProsabearbeiV. 1–1151+ 71 H 64 / X* tung Maria voerspan of sapeel + Edition mit nhd. Übersetzung bei Moschall 1983, 8–69. ++ Dazu passt die mit 10,6 × 7,2 mm geringe Größe der Blätter. 6. Düsseldorf / ULB / Ms. Mitte 14. Jh. / Pg. / 1r / 72 V. 1 Blatt (nur recto fragm. K 20:Z 15/6 / T* westmd. beschrieben) 7. Frankfurt/M. / UB / Ms. um 1300 / Pg. / niedera- 1r–10v+ / 240 V. 2 Bl. germ. oct. 7 / (G) G1* lem. / gehört zu G2 + Diese Folienzahlen sind (mindestens auf der Farbabbildung des Originals im Netz) nicht zu sehen; es handelt sich um rekonstruierte Daten, ausgehend von der Beobachtung, dass die zwei Blätter ursprünglich zusammenhingen und die Außenlage eines Quinternio bildeten; vgl. Knecht 1984, 7–8 (mit weiteren Erwägungen zum Umfang des verloren Gegangenen). 8. Gotha / Forschungs2. H. 14. Jh. / Pg. / ober- 1r–46v / 1992 V. 46 Bl. / – bibliothek / Cod. Memb. rhein.-rheinfränk. II 38 / (B) B* 9. Göttingen / NsSUB / 4° 2. H. 14. Jh. / Pg. / nd. 1r–1v / 43 V. 1 Blatt Cod. Ms. Philol. 183x:2 / O



Zur Überlieferung der Werke Konrads 

Goldene Schmiede – Pergamenthandschriften Zeit / Beschreibstoff / von/bis / gesamter Vers­ Provenienz, Sprache / bestand Besonderes 10. Göttingen / NsSUB / 4° um 1300 / Pg. / ostalem. 11v–12v / 153 V. Cod. Ms. philol. 184:VI / (schwäbisch) (D) D

Nr. Ort / Bibliothek / Signatur / Sigel

 343

Gesamtumfang / Mit­ überlieferung

6 Doppelblätter / Rudolf von Ems Willehalm von Orlens (Fragment 36) 11. Heidelberg / UB / cpg 1. V. 14. Jh. / Pg. / südl. 1v–6v, 9r–15v+ / 1950 V. 374 Bl. / Reimpaardich341 / (C) C* Md. mit bair. Färbung tung (Mären) + Dazwischengestellt: der Leich Walthers und jener Reinmars von Zweter. 12. Innsbruck / ULB / um 1300 / Pg. / sbair. 2r–2v / 131 V. 3 Querstreifen es. Frgm. B 2 / J (Tirol) Doppelblatts / Mariengrüße 13. Karlsruhe / LB / Codex 1. H 14. Jh. / Pg. obd.278 V. 3 Doppelbl. (Reste) und Donaueschingen A III md. (wohl ofr.) 2 Einzelbl. 12 / S* 14. Kassel / UB LMB / 2° Ms. um 1300 / Pg. / md. 1r–2v / 222 V. Doppelblatt poet. et roman. 38+ / (Hessen) (E) E* + Die bei Bertau 1983 und 1999 vermerkte Signatur (Ms. Anhang 19 dt. Frgm. 4) ist überholt. 15. Koblenz / Hauptlandes- 14. Jh. / Pg. / westmd. / ?  Rest eines Doppelarchiv / Best. 49 A Einband eines Zinsblattes 7196+ registers von 1511 + Erst 2015 identifiziert, nicht bei Bertau 1983; vgl. Handschriftencensus; die angekündigte Publikation von Daniel Könitz weiterhin ausstehend (Auskunft September 2021); vgl. Nr. 17. 16. Königsberg / SUB 2914 2. H. 14. Jh. / Pg. / omd. 42r–44v / 992 V. 82 Bl. / geistliche Vers(heute verschollen) / N dichtung 17. Kopenhagen / König14. Jh. / Pg.   2 Streifen eines Blattes, liche Bibliothek+ / 2 Stücke des nachFragment 3226–3229* folgenden + Neufund Juli 2019 (Daniel Könitz); Publikation (zusammen mit Nr. 15) geplant. 18. München / SB / cgm um 1300 / Pg. / niedera- 1r–1v / 60 V. beschädigtes Blatt 5249/39 / G2 (früher: M) lem. / gehört zu G1 19. München / UB / 2° Cod. 1345–1354 / Pg. / Würz- 43r–58v / 2004 V. 285 Bl. / dt.-lat. Samms. 731 (Cim 4) / (H) H* burg, ofr. / Hausbuch melhs. des Michael de Leone   München / UB / ohne wohl phantomatisch+ – –  Sign. (angeblich verbrannt) / V + Vgl. den Hinweis im Handschriftencensus (mit Begründung für dieses Verdikt). 20. Münster / Staatsarchiv / 3. V. 14. Jh. / Pg. / west- 328 V. 1 Doppelblatt Msc. VII 2d 29 / (M)+ liches Mnd. + Erst 1995 bekannt gemacht, Sigel vorgeschlagen von Seelbach 1995, 304, bei Bertau 1999, 131 übernommen. 21. Prag / Karls-Univ.+ / o. 1320–1340 / Pg. / mittel- 1r–1v / 44 V. 1 Blatt (beschädigt) Sign. (3) / P fränkisch + Bibliothek des Seminars f. Hist. Hilfswissenschaften.

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 André Schnyder

Goldene Schmiede – Pergamenthandschriften Zeit / Beschreibstoff / von/bis / gesamter Vers­ Provenienz, Sprache / bestand Besonderes 22. Regensburg / Bischöfli- um 1400 / Pg. / omd 1r–1v / 163 V. che Zentralbibliothek / (Schlesien) Fragm. I.5.7 / Z 23. Salzburg / St. Peter / 1. H. 14. Jh. / Pg. / md. rd. 170 V. Cod. a XII 25 Frgm. 29 / L 24. Wien / ÖNB / Cod. 2677 / um 1320–1330 / Pg. / 42v–54r / 1921 V. (F) F* bair.-österr. / Abschrift von A

Nr. Ort / Bibliothek / Signatur / Sigel

Goldene Schmiede – Papierhandschriften Zeit / Beschreibstoff / von/bis / gesamter Vers­ Provenienz, Sprache / bestand Besonderes Breslau Wrocław / UB / um 1400 / Pp. / omd. 215r–250v / 2015 V. Cod. R 482+ / (f) f* (Schlesien)

Nr. Ort / Bibliothek / Signatur / Sigel 1.

Gesamtumfang / Mit­ überlieferung Doppelblatt / auf Bl. 2 Bruchstück eines Marienlebens in Prosa 5 Querstreifen es. Doppelblattes und 4 Längsstreifen 119 Bl. / geistl. Reimpaardichtung, 2 Leichs (Walther, Reinmar), dt. Predigt Bertholds von Regensburg

Gesamtumfang / Mit­ überlieferung

250 Bl. / Brun von Schönebeck Hohes Lied, Reinmar von Zweter + So der Handschriftencensus; gemäß Bertau 1983, 123 wäre diese alte Signatur nunmehr ersetzt durch S IV 4a 23. Suche über den Online-Handschriftenkatalog Manuscriptorium verläuft erfolglos (10.5.17). 2. Bruxelles / Bibl. royale / 2. H. 15. Jh. / Pp. u. 294r–307v+++ / Prosa 439 Bl. / 88 Gebete Ms. 21953 / p+ Pg.++ / limburgisch / der V. 1–1151 Prosabearbeitung Maria voerspan of sapeel + Schwesterhandschrift ist X (Den Haag); die Brüsseler Handschrift im elektronischen Katalog offenbar nicht erfasst; Moschall bietet aus Autopsie eine summarische Beschreibung (1983, 74–77); ausführlich der Katalog von Meertens 1934, Bd. 6 S. 129–143 oder der Handschriftenkatalog von van den Gheyn 1901, Bd. 1 Nr. 845 (S. 546–548). Zu dessen Angaben bestehen bei Moschall kleine Unterschiede (Laufnummer des Marien voerspan-Stücks (wohl richtig: 33 und nicht 53 wie bei Moschall 1983, 76!), Stellenangabe von Marien voerspan bei van den Gheyn: 288r–301v. ++ 393 aus Papier, 46 aus Pergament (13,5x10 mm). +++ So Moschall 1983, 75. 3. Gotha / Forschungsum 1400+ / Pp. / bair.- 137r–177v (in Teil 2) / 200 Bl. / Teichner, bibliothek / Cod. Chart. österr. / 1497 aus 3 1968 V. Suchenwirt; Tabelle B 271 / (b) b* Teilen zusammenüber Gold- und Silbergebunden münzen + Dies die Datierung von Teil 2 (mit dem Konrad-Text); Teil 1: 1497, Teil 3: 1443. 4. Hamburg / SUB / Cod. nach 1375 / Pp. / nd. 1r–50v / 2126 V. 56 Bl. / Mönch von 193 in scrinio / (c) c* Salzburg (Guldein ABC) 5. Heidelberg / UB / cpg um 1460 / Pp. / niede- 1r–54v / 2133 V. 135 Bl. / Passional. 356 / (a) a* ralem. Mönch von Salzburg; Heinrich von Mügeln (Sangsprüche)



Zur Überlieferung der Werke Konrads 

Goldene Schmiede – Papierhandschriften Zeit / Beschreibstoff / von/bis / gesamter Vers­ Provenienz, Sprache / bestand Besonderes Heidelberg / UB / cpg um 1460 / Pp. / schwä- 1r–49r / 2153 V. 378 / o* bisch (wohl Augsburg) Karlsruhe / LB / Codex um 1450 / Pp. / ofr. 105v–150v / 2168 V. Donaueschingen 112 / s* München / SB / cgm nach 1368 / Pp. / ost1r–14v / 1962 V. 574 / (g) g schwäb. (Augsburg)

 345

Nr. Ort / Bibliothek / Signatur / Sigel

Gesamtumfang / Mit­ überlieferung

6.

62 Bl. / Passional (Auszug) 175 Bl. / geistliche und religionspolitische Texte 96 Bl. / Teichner Gedichte (E), Augsburger Rechtstexte und Urkunden, Friedrich von Saarburg Vom Antichrist 227 Bl. / Marienleben, Mariengrüße, Medi­ tationes vitae Christi, Ablassbrief von 1405 12 Bl.

7.

8.

9.

München / SB / cgm 9489 / u*

10. München / SB / Anc. 4 Doceniana c) Nr. 50 / (h) h 11. München / UB / 2° Cod. ms. 672 / m

1450 / Pp. / ofr. (Nürn- 168r–213r / 2164 V. berg) / 75 Illustrationen

19. Jh. / Pp. / Abschrift Docens von n

900 V.

um 1430+ / Pp. / nord- 223r–263v / 2158 V. bair. / 10 ungleichartige Teile

356 Bl. / theol. lat. Sammelbd., Goldene Schmiede als einziger dt. Text + Teil IV bereits 2. V. 14. Jh.; obige Datierung betrifft auch Teil VI mit dem Konrad-Text. 12. Nürnberg / StB / Cent. um 1450 / Pp. / Kathari- 229r–280v / 2163 V. 283 Bl. / dt. mystische VI 85 / n nenkloster, ofr. Texte (Seuse, Humbertus Romanus dt.) 13. Wien / ÖNB / Cod. 1400 / Pp. / bair.-österr. 163r–177r / 1954 V. 208 Bl. / dt. geistl. Texte 2875 / w (wohl Prag) (meist Prosa) 14. Wien / ÖNB / Cod. 2885 / 1393 / Pp. / Innsbruck, 84v–103r / 2121 V. 215 Bl. / Reimpaardich(d) d* Johannes Götschl tung (Mären), Spiegel (Schreiber), sbair. der Tugend, Heinrich von Freiberg (Kreuzlegende) 15. Wien / ÖNB / Cod. 2. Hälfte 15. Jh. / Pp. / 49r–67v / 1793 V. 83 Bl. / Wolfdietrich B, 2947 / (e) e sbair. (Tirol) Lob der Frauen   ?  1402 / Pp. ? / Vor  Reimpaardichtung besitzer: Wolfgang (u.  a. von Suchenwirt, Christoph Freiherr von Schondoch (Königin Velderndorf zum Neivon Frankreich), denstein (Neutenstein, Harder), ferner: Gem. Böheimkirchen, Heinrich von Kempten, NOe)+ Herzmaere + Verschollen; erschließbar durch das in Hs. Wien, ÖNB Cod. 10100a Bl. 31r enthaltene Inhaltsverzeichnis; Hs. 10100a bietet teilweise eine Abschrift des verschollenen Codex.

346 

 André Schnyder

Legenden Silvester Zeit / Beschreibstoff / von/bis / vollständig/ Provenienz, Sprache / fragmentarisch Besonderes Trier / StB / Ms. 1990/17 4. V. 13. Jh. / Pg. / 1r–146r / vollständig 8° moselfrk.

Nr. Ort / Bibliothek / Signatur / Sigel

Gesamtumfang / Mit­ überlieferung



150 Bl. / 2 gereimte Mariengebete

Alexius Zeit / Beschreibstoff / von/bis / vollständig/ Provenienz, Sprache / fragmentarisch Besonderes Engelberg / Stiftsbibl. / 1478 / Pp. / Heinrich 58r–63v / vollständig Cod. 240 / S Kramer (Schreiber), niederalem. Innsbruck / Landesmu- 1425 / Pp. / Schaffhau- 228r–238r / vollständig seum Ferdinandeum / sen und Winterthur, Cod. FB 32034 / I Johann Ritter OFM (Schreiber), alem. (?) Straßburg / StB 14. Jh. (?) / Pg. / west113–123 / vollständig (Johanniterbibl.) / Cod. alem. mit md. EinA 100 / A schlag / seit 1819 verschollen Berlin / SB / mgq 188 / 15. Jh. / Pp. / elsässisch / 3r–11v B* Prosafassung

Nr. Ort / Bibliothek / Signatur / Sigel

Gesamtumfang / Mit­ überlieferung

1.

276 Bl. / dt. Legendentexte (Prosa und Vers)

2.

3.

4.

Pantaleon Zeit / Beschreibstoff / von/bis / vollständig/ Provenienz, Sprache / fragmentarisch Besonderes Wien / ÖNB / Cod. 2884* 1375–1390 / Pp. / nieder­ 148r–162v / vollständig alem.

238 Bl. / Die 24 Alten

303 Bl. / v.  a. geistliche dt. Prosatexte (Predigten, Vitaspatrum), Gregorius 287 Bl. / Prosalegenden (v.  a. Auswahl aus der ELA)

Nr. Ort / Bibliothek / Signatur

Gesamtumfang / Mit­ überlieferung



162 Bl. / Rudolf von Ems, Barlaam und Josaphat, Strickertexte

Turnier von Nantheiz Zeit / Beschreibstoff / von/bis / vollständig/ Provenienz, Sprache / fragmentarisch Besonderes München / UB / 2° Cod. 1345–1354 / Pg. / Würz- 59r–68r ms. 731 (Cim 4)* burg, ofrk. / Hausbuch des Michael de Leone

Nr. Ort / Bibliothek / Signatur

Gesamtumfang / Mit­ überlieferung



285 Bl. / dt.-lat. Sammelhs.



Zur Überlieferung der Werke Konrads 

 347

Erzählungen Nr. Ort / Bibliothek / Signatur  

Frankfurt a. M. / UB / Ms. germ. qu. 2*

Schwanritter Zeit / Beschreibstoff / von/bis / vollständig/ Provenienz, Sprache / fragmentarisch Besonderes 1370–1380 / Pp. / 1r–10v / Anfang fehlt rheinfrk.

Gesamtumfang / Mit­ überlieferung 60 Bl. / 2 Mären, Laurin, Rosengarten zu Worms, dt. Cato

Der Welt Lohn Zeit / Beschreibstoff / von/bis / vollständig/ Gesamtumfang / Mit­ Provenienz, Sprache / fragmentarisch überlieferung Besonderes 1. Berlin / SB / mgf 737 / B um 1284 / Pg. / östl. 16r–19v / fragmenta1 ganzes und 2 Hochalem. (Vorarlrisch (insgesamt 100 V.) fragmentarische Bl. / berg?) / Fragmente Stricker, Drei Gott derselben Hs.+ in verhasste Dinge, BußGöttweig (vermutlich), psalmen Herzogenburg, Wien + Die gesamte Handschrift enthielt noch: Rudolf von Ems Barlaam und Josaphat, Christherre-Chronik; Schwesterhandschrift ist München, SB, cgm 16. 2. Cologny / Bodmeriana / 1. V. 14. Jh. / Pg. / md. 240v–242r / vollständig 333 Bl. / ReimpaardichCod. 72 / K* mit. bair. Färbung / (250 V.) tung Kalocsaer Hs. 3. Göttweig / Stiftsbiblio- um 1284 / Pg. / östl. fragmentarisch 2 Bl. thek / ohne Signatur Hochalem. (Vorarl(verschollen) berg?) / Fragmente derselben Hs. in Berlin, Herzogenburg, Wien 4. Gotha / Forschungs2. H. 14. Jh., Nachträge 98r–99v / vollständig 161 Bl. / Schwabenspie­ bibliothek / Cod. Chart 15. Jh. / Pp. / ofrk. (250 V.) gel, Reimpaardichtung A 216 / G* (Mären) 5. Heidelberg / UB / cpg 1. V. 14. Jh. / Pg. / südl. 239v–241r / vollständig 374 Bl. / Reimpaardich341 / P* Md. mit bair. Färbung (250 V.) tung (Mären) 6. Herzogenburg / Stifts- um 1284 / Pg. / östl. fragmentarisch 2 Bl. (heute vorderer bibliothek / Cod. 92 Hochalem. (Vorarlund hinterer Spiegel berg?) / Fragmente der Hs.) derselben Hs. in Berlin, Göttweig, Wien 7. Karlsruhe / LB / Codex um 1433 / Pp. / alem. / 44r–46r+ / vollständig 258 Bl. + Reste von 2 Donaueschingen 104 / Liedersaal-Handschrift (296 V.) Bl. / Reimpaardichtung D* (Mären, Minnereden), Freidank, Stricker, Teichner + Die Handschrift hat zwei verschiedene Blattzählungen; hier die aktuelle; eine Gegenüberstellung bietet der Handschriftencensus.

Nr. Ort / Bibliothek / Signatur / Sigel

348 

 André Schnyder

Der Welt Lohn Zeit / Beschreibstoff / von/bis / vollständig/ Provenienz, Sprache / fragmentarisch Besonderes Karlsruhe / LB / Cod. K ca. 1430 / Pp. / schwäb.- 138v–140v / vollständig 408 / C* bair.-ofrk. (274 V.)

Nr. Ort / Bibliothek / Signatur / Sigel 8.

Gesamtumfang / Mit­ überlieferung

191 Bl. / Reimpaardichtung (Mären), Pfaffe Amis 9. München / SB / cgm 1284 / Pg. / Gröbming 85v–87r / vollständig 89 Bl.+ / Rudolf von 16 / M* (Stmk.), Konrad (266 V.) Ems, Barlaam und (Schreiber), bair.-österr. Josaphat, Strickertexte, Thomaslegende + Gemäß Lagenzählung: vorne Verlust von 19 Lagen (vermutlich mit der Christherre-Chronik). 10. Nürnberg / GNM / 2. V. 14. Jh. / Pg. / niede- 1r–2v / fragmentarisch 2 Doppelbl. / Halbe 42531 / S* ralem. (Straßburg) (224 V.) Birne, Das Kreuz, Herbst und Mai 11. Wien / ÖNB / Cod. 2677 / um 1320–1330 / Pg. / 69r–70v / vollständig 119 Bl. / geistl. (ReimW* bair.-österr. (250 V.) paar)dichtung, Leichs (Walther, Reinmar), dt. Predigt Bertholds von Regensburg 12. Wien / ÖNB / Cod. 15336 um 1284 / Pg. / östl. fragmentarisch Reste von 5 Bl. Hochalem. (Vorarlberg?) / Fragmente derselben Hs. in Berlin, Göttweig, Herzogenburg

Nr. Ort / Bibliothek / Signatur / Sigel (in Klammern abweichende Siglen bei Grubmüller 1996). 1. Berlin / SB / mgf 488 / –*

Herzmaere Zeit / Beschreibstoff / von/bis / vollständig/ Provenienz, Sprache / fragmentarisch Besonderes

Gesamtumfang / Mit­ überlieferung

1530 / Pp. / Würzburg, 97r–106v / vollständig+ 395 Bl. / Sammelhs. Martin Ebenreuter (Lyrik und Reim(Schreiber), ofr. / Eben­ paardichtung meist reutersche Handschrift, erotischen Inhalts)++ auch: Naglersche Hs. + Zu dieser Handschrift, die Schröder für seine Edition nicht kollationierte, da seinerzeit verschollen, ist keine Angabe des Versbestandes verfügbar. ++ In einem Teil Übereinstimmung mit Hätzlerschem Liederbuch und Bechsteinscher Handschrift. 2. Cologny / Bodmeriana / 1. V. 14. Jh. / Pg. / md. [346r–349r]+ 333 Bl. / ReimpaardichCod. 72 / – (H)* mit. bair. Färbung / tung (Mären) Kalocsaer Hs. + Die einschlägige Lage in der Handschrift verloren, deren Inhalt aber durch das Inhaltsverzeichnis der Handschrift bekannt. 3. Heidelberg / UB / cpg 1. V. 14. Jh. / Pg. / südl. 346r–349r / vollständig 374 Bl. / Reimpaardich341 / P* Md. mit bair. Färbung (518 V.) tung (Mären)



Nr. Ort / Bibliothek / Signatur / Sigel (in Klammern abweichende Siglen bei Grubmüller 1996). 4. Innsbruck / Landesmuseum Ferdinandeum / Cod. FB 32001 / I (i)* 5. Karlsruhe / LB / Codex Donaueschingen 104 / D*

Zur Überlieferung der Werke Konrads 

Herzmaere Zeit / Beschreibstoff / von/bis / vollständig/ Provenienz, Sprache / fragmentarisch Besonderes

1456 / Pp. / bair.-österr.

8r–10v / vollständig (484 V.)

um 1433 / Pp. / alem. / 129v–132v+ / vollstänLiedersaal-Handschrift dig (602 V.)

 349

Gesamtumfang / Mit­ überlieferung

114 Bl. / Reimpaardichtung (Mären)

258 Bl. + Reste von 2 Bl. / weltliche Reimpaardichtung (Mären, Minnereden), Freidank, Stricker, Teichner + Die Handschrift hat zwei verschiedene Blattzählungen; hier die aktuelle; eine Gegenüberstellung bietet der Handschriftencensus. 6. Leipzig / UB / Ms. Apel um 1512 / Pp. / ofrk. / 226v–236r / voll390 Bl. / Sammelhs., 8 / –* Bechsteinsche Lieder­ ständig++ (Lyrik und Reimhandschrift, von 1885 paardichtung meist bis 2004 verschollen+ erotischen Inhalts) + Deshalb in Schröders Edition nicht ausgewertet (1924, XVIII); die obigen Blattzahlen nach aktuellem Befund (nicht nach Haltaus 1840). ++ Zu dieser Handschrift, die Schröder für seine Edition nicht kollationierte, da seinerzeit verschollen, ist keine Angabe des Versbestandes verfügbar. 7. München / SB / cgm ca. 1455–1458+ / Pp. / 147r–161r / vollständig 489 Bl. / Minnereden, 714 / N (m)* Nürnberg, ofr. / vor (566 V.) Mären und Fastnacht1499 im Besitz von spiele Rosenplüts Michel Geyswurgel + Datierung nach Lienert 1990, 348. 8. Nürnberg / GNM / Anf. 14. Jh. / Pg. / alem. unvollständig (V. 351– 4 Querstreifen eines 42575 / n* 390) Blattes 9. Prag / Knihovna 1471 / Pp. / Augsburg, 82r–89r / vollständig 360 Bl. / Sammelhs. Národního musea / X Clara Hätzlerin (Schrei- (486 V.) (Lyrik und ReimA 12 / h* berin), bair.-schwäb. / paardichtung meist Liederbuch der Klara erotischen Inhalts) Hätzlerin 10. Schönstein b. Wissen um 1300 / Pg. / mittel- auf 6 der insgesamt 6 Doppelbl. + 2 Quera.d. Sieg / Fürstlich rheinisch 14 Bl. (im Anschluss streifen von 2 Bl. / Hatzfeldt-Wildenburan den Willehalm)++/ Willehalm (Fragment gisches Archiv, Nr. 7963 unvollständig (480 V., 35) und 8866 / Ko+ ohne Prolog) + Das Fragment war Edward Schröder noch unbekannt; Sigel im Handschriftencensus. ++ W. Schröder 1978, XXXVIII (Fragment 35). 11. Straßburg / StB (Johan- Mitte 14. Jh. / Pg. / 4v–8v / vollständig 80 Bl. / Reimpaardichniterbibl.) / Cod. A 94 / niederalem. / 1870 ver- (544 V.) tung (Mären, MinnereA (S) brannt den), Rudolf von Ems, Barlaam und Josaphat (Auszug)

350 

 André Schnyder

Nr. Ort / Bibliothek / Signatur / Sigel (in Klammern abweichende Siglen bei Grubmüller 1996). 12. Wien / ÖNB / Cod. 2885 / V (w)*

Herzmaere Zeit / Beschreibstoff / von/bis / vollständig/ Provenienz, Sprache / fragmentarisch Besonderes

1393 / Pp. / Innsbruck, Johannes Götschl (Schreiber), sbair.

13.

Gesamtumfang / Mit­ überlieferung

10v–14r / vollständig (484 V.)

215 Bl. / Reimpaardichtung (Mären), Spiegel der Tugend, Heinrich von Freiberg (Kreuzlegende) 1r–8v / unvollständig+ 12 Bl. / – (440 V.)

Wien / ÖNB / Cod. s.  n. 1. H. 16. Jh. / Pp. / nie2593 / w* derschwäb. + Durch Lagenverlust, vgl. Schröder 1924, XVIII.   ?  1402 / Pp. ? / Vor  Reimpaardichtung besitzer: Wolfgang (u.  a. von Suchenwirt, Christoph Freiherr Schondoch (Königin von Velderndorf zum von Frankreich), Neidenstein (heute Harder), ferner: Schloss Neutenstein, Heinrich von Kempten, Gem. Böheimkirchen, Goldene Schmiede NOe)+ + Verschollen; erschließbar durch das in Hs. Wien, OeNB Cod. 10100a Bl. 31r enthaltene Inhaltsverzeichnis; Hs. 10100a bietet teilweise eine Abschrift des verschollenen Codex. Heinrich von Kempten und Kaiser Otto Zeit / Beschreibstoff / von/bis / vollständig/ Provenienz, Sprache / fragmentarisch Besonderes Cologny / Bodmeriana / 1. V. 14. Jh. / Pg. / md. 242r–247v / vollständig Cod. 72 / K* mit. bair. Färbung / (764 V.) Kalocsaer Hs. Heidelberg / UB / cpg 1. V. 14. Jh. / Pg. / südl. 241r–246r / vollständig 341 / P* Md. mit bair. Färbung (764 V.) Heidelberg / UB / cpg 1. V. 14. Jh. / Pg. / mfrk. 92v–98r / vollständig 395 / H* mit rheinfrk. Formen (722 V.)

Nr. Ort / Bibliothek / Signatur / Sigel

Gesamtumfang / Mit­ überlieferung

1.

333 Bl. / Reimpaardichtung (Mären)

2. 3.

4.

5.

6.

Innsbruck / Landesmuseum Ferdinandeum / Cod. FB 32001 / I* London / Senate House Library / Closs/Priebsch Family Papers, Closs Box 67/ii / L* Wien / ÖNB / Cod. 2885 / V*

374 Bl. / Reimpaardichtung (Mären) 182 Bl. / Stricker, Karl der Große, Ulrich von dem Türlin, Arabel 114 Bl. / Reimpaardichtung (Mären)

1456 / Pp. / bair.-österr.

84v–88v / vollständig (780 V.)

4. V. 14. Jh. / Pp. / elsässisch

56r / 7 Schlussverse u. 2 10 Bl. (quer entzweiSchreiberverse geschnitten) / Peter von Staufenberg, Der züchte lere, Der Bussard 205v–213v / vollständig 215 Bl. / Reimpaardich(780 V.) tung (Mären), Spiegel der Tugend, Heinrich von Freiberg (Kreuzlegende)

1393 / Pp. / Innsbruck, Johannes Götschl (Schreiber), sbair.



Zur Überlieferung der Werke Konrads 

 351

Heinrich von Kempten und Kaiser Otto Zeit / Beschreibstoff / von/bis / vollständig/ Gesamtumfang / Mit­ Provenienz, Sprache / fragmentarisch überlieferung Besonderes 7. Wien / ÖNB / Cod. um 1645 / Pp. / angelegt 17v–23v / vollständig 31 Bl. (von insgesamt 10100a / W* vom Ritter Christoph (732 V.) 242 Bl.) mit mal. ReimAdam Fernberger paardichtung (v.  a. von Egenberg (OOe) / Suchenwirt) österreichisch   ?  1402 / Pp. ? / Vor  Reimpaardichtung besitzer: Wolfgang (u.  a. von Suchenwirt, Christoph Freiherr von Schondoch (Königin Velderndorf zum Neivon Frankreich), denstein (Neutenstein, Harder), ferner: Gem. Böheimkirchen, Goldene Schmiede, NOe)+ Herzmaere + Verschollen; erschließbar durch das in Hs. Wien, OeNB Cod. 10100a Bl. 31r enthaltene Inhaltsverzeichnis; Hs. 10100a bietet teilweise eine Abschrift des verschollenen Codex.

Nr. Ort / Bibliothek / Signatur / Sigel

In der Forschungsliteratur laufen mehrere Sigel-Systeme zur Erzählung Die halbe Birne nebeneinander; vgl. einerseits die Zusammenstellung bei Fischer 1968, 336 (hier nachfolgend in Klammern), anderseits bei Grubmüller 1996, 1083 und 1349–1353. Das schon bei Fischer als verschollen geführte Fragment S1 (St1) wird hier nicht mehr berücksichtigt. Die halbe Birne Zeit / Beschreibstoff / von/bis / vollständig/ Provenienz, Sprache / fragmentarisch Besonderes Innsbruck / Landesmu- 1456 / Pp. / bair.-österr. 18r–20v / vollständig seum Ferdinandeum / Cod. FB 32001 / (i) i* Karlsruhe / LB / Cod. K ca. 1430 / Pp. / schwäb.- 19v–22v / vollständig 408 / (k) k* bair.-ofrk.

Nr. Ort / Bibliothek / Signatur / Sigel

Gesamtumfang / Mit­ überlieferung

1.

114 Bl. / Reimpaardichtung (Mären)

2.

191 Bl. / Reimpaardichtung (Mären), Pfaffe Amis 3. Karlsruhe / LB / Codex um 1433 / Pp. / alem. / 198r–200v+ / voll258 Bl. + Reste von 2 Donaueschingen 104 / Liedersaal-Handschrift ständig Bl. / Reimpaardichtung (l) l* (Mären, Minnereden), Freidank, Stricker, Teichner + Die Handschrift hat zwei verschiedene Blattzählungen; hier die aktuelle; eine Gegenüberstellung bietet der Handschriftencensus. 4. Nürnberg / GNM / 2. V. 14. Jh. / Pg / niede- 1r / unvollständig 2 Doppelbl. / Der Welt 42531 / (–) s1* ralem. (Straßburg) Lohn, Das Kreuz, Herbst und Mai

352 

 André Schnyder

Die halbe Birne Zeit / Beschreibstoff / von/bis / vollständig/ Provenienz, Sprache / fragmentarisch Besonderes Pommersfelden / Gräf- 2. H. 14. Jh. / Pp. / thür. 129r–133v / unvolllich Schönbornsche ständig Schlossbibliothek / Codex 54 / (p) p Straßburg / StB (Johan- Mitte 14. Jh. / Pg. / 49r–53r / vollständig niterbibl.) / Cod. A 94 / niederalem. / 1870 ver(S) S brannt

Nr. Ort / Bibliothek / Signatur / Sigel

Gesamtumfang / Mit­ überlieferung

5.

133 Bl. / Märendichtung, Mariendichtung, Laurin, Rosengarten zu Worms 80 Bl. / Reimpaardichtung (Mären, Minnereden), Rudolf von Ems, Barlaam und Josaphat (Auszug) 215 Bl. / Reimpaardichtung (Mären), Spiegel der Tugend, Heinrich von Freiberg (Kreuzlegende)

6.

7.

Wien / ÖNB / Cod. 2885 / 1393 / Pp. / Innsbruck, (w) w* Johannes Götschl (Schreiber), sbair.

26r–30v / vollständig (780 V.)

Romane Engelhard Nur in der Bearbeitung eines Drucks aus dem 16. Jahrhundert überliefert (Frankfurt, Kilian Han 1573) VD16 C 4915; 4 Exemplare nachgewiesen. – Zum Drucker Han vgl. Reske 2007, 236–237. Partonopier und Meliur Zeit / Beschreibstoff / von/bis / vollständig/ Provenienz, Sprache / fragmentarisch Besonderes Berlin / SB / mgf 1064 / 1471 / Pp. / Hall im 55r–185r / ohne Schluss B* Inntal, Heinrich. abbrechend (21784 V.) Wincklär (Schreiber) / bair. / Riedegger Hand­ schrift Zürich / ZB / Ms. C 184 Ende 13. Jh. / Pg. / alem. fragmentarisch Nr. XXVI und XXVII / A (V. 13343–13413 und 14027–14096)

Nr. Ort / Bibliothek / Signatur / Sigel

Gesamtumfang / Mit­ überlieferung

1.

197 Bl. / Thüring von Ringoltingen Melusine

2.

2 Doppelbl. (Reste, nicht aufeinanderfolgend)



Zur Überlieferung der Werke Konrads 

 353

Trojanerkrieg Neueste Auflistung der Überlieferung: Thoelen und Häberlein 2015, XI–XVIII (verschiedentlich mit kleinen Korrekturen zu Lienert 1990), dazu die ausführlichen Beschreibungen von Lienert 1990, 325–406 (mit systematischer Neuzuteilung von Siglen; diese nachfolgend neben den alten von Bartsch). – Zu unterscheiden sind: Vollhandschriften (6) mit schwankenden Versbeständen (genaue Angaben bei Lienert), Fragmente (10), Auszüge in der Erweiterten Christherre-Chronik (3) und in der Weltchronik Heinrichs von München (13), Auszüge als Minnereden (2); die folgende Tabelle übernimmt diese Ordnung. Zudem wird bei den Hinweisen auf die Provenienz mit Lienert (388–389) unterschieden zwischen: Schreibern, Auftraggebern, mittelalterlichen Besitz- und Herkunftsvermerken (sofern für den Konrad-Text zu sichern; vgl. die Hinweise Lienerts bei den Handschriften wG, N1); in den Tabellen nicht registriert werden dagegen die bei Lienert angegebenen neueren bzw. zeitlich nicht gesicherten Provenienzen. Der Umfang des Konradschen Werks beträgt nach Thoelen und Häberlein 2015 (574): 40425 V., daran schließt eine anonyme Fortsetzung (V. 40425–49861). Nr. Ort / Bibliothek / Signatur / Sigel

Trojanerkrieg – Vollhandschriften Zeit / Beschreibstoff / von/bis Provenienz, Sprache / Besonderes Mitte 15. Jh. / Pp. / 2r–374r (ohne Prolog) elsässisch / 97 kol. Federzeichnungen (D. Lauber) Mitte 15. Jh. / Pp. / 2r–294r (ohne Prolog); elsässisch / 74 kol. erhebliche Lücken Federzeichnungen wegen Blattverlusten (D. Lauber); starke Blattverluste

1.

Berlin / SB / mgf 1 / c (B1)*

2.

Leutkirch (Lk Ravensburg) Schloss Zeil / Fürstl. Waldburg zu Zeil und Trauchburgisches Gesamtarchiv / ZMs 37 / b (Z) Nürnberg / GNM / 998 / 1441 / Pp. / md. / illuse (N1)* triert; starke Blattverluste

3.

2r–151r (ohne Prolog); erhebliche Lücken wegen Blattverlusten

Gesamtumfang / Mit­ überlieferung 453 Bl. / Trojanerkrieg (inkl. Fortsetzung)

362 Bl. / Trojanerkrieg (inkl. Fortsetzung)

313 Bl. / Trojanerkrieg (inkl. Fortsetzung), RvE, Whm. v. Orlens, Hzg. Ernst B 4. St. Gallen / Stiftsbiblio- 1471 / Pp. / ostalem. 1–736 (ohne Prolog+) 892 S. / Trojanerkrieg thek / 617 / a (Sg.)* (inkl. Fortsetzung), unikale TrojanerkriegProsa (Bruchstück) + Voran 5 moderne Blätter mit einer Abschrift des Prologs vom Anfang des 19. Jh.s (Thoelen und Häberlein 2015, XII). 5. Straßburg / StB (Johan- 14. Jh. / Pg. / alem. V. 1–48472 (mit Prolog) 313 Bl. / Trojanerkrieg niterbibl.) / Cod. A 90 / 1870 verbrannt+ (inkl. Fortsetzung) A (S) + Eine brauchbare Beschreibung der verbrannten Hs. fehlt; erhalten eine Abschrift des 19. Jh.s (Frommann); diese heute in Straßburg, BNU (Thoelen und Häberlein 2015, XII und Anm. 23).

354 

 André Schnyder

Trojanerkrieg – Vollhandschriften Zeit / Beschreibstoff / von/bis Provenienz, Sprache / Besonderes Würzburg / UB / M. ch. Mitte 15. Jh. / Pp. / 1r–357v (ohne Prolog); f. 24 / d (Wü)* elsässisch / 127 kol. geringfügige Lücke Federzeichnungen wegen Blattverlust (D. Lauber)

Nr. Ort / Bibliothek / Signatur / Sigel

Gesamtumfang / Mit­ überlieferung

6.

433 Bl. / Trojanerkrieg (inkl. Fortsetzung)

Trojanerkrieg – Fragmente Zeit / Beschreibstoff / von/bis Gesamtumfang / Mit­ Provenienz, Sprache / überlieferung Besonderes 1. Berlin / SB / mgf 923,14 / 14. Jh. / Pg. / alem. Lienert 1990, 341 2 Bruchstücke es. B2 Thoelen 2015, XV Doppelbl. / 2. Berlin / SB / mgq 668 / um 1300 / Pg. / md. Lienert 1990, 341 1 Blatt E (B3) Thoelen 2015, XV 3. Brüssel / Königl. Biblio- um 1300 / Pg. / ofr. Thoelen, XV+ 2 Bl. thek / ms. IV 950,11 / Y (Br) + Fehlt bei Lienert 1990, 341. Beschreibung: Beckers 1995. 4. Halle / ULB / Misc. 126 14. Jh. / Pg. / alem. Lienert 1990, 343 1 Doppelblatt Q / B (H) Thoelen 2015, XVI 5. Laufenburg / Museum 3. Drittel 13. Jh. / Pg. / Lienert 1990, 343–344 4 Streifen von 4 Bl. Schiff / ohne Signatur / wohl Basel, alem. mit Thoelen 2015, XVI Lau* md. Einschlag 6. ehem. Liegnitz / Kir14. Jh. / Pg. / alem. Lienert 1990, 344 1 Blatt chenbibliothek Peter u. Thoelen 2015, XVI Paul (heute verschollen)++ / Ek. 4 / Lie ++ Der von Lienert 1990, 344 gegebene Hinweis auf eine Miszelle in den schwer zugänglichen Schlesischen Monatsheften (3 1926 335–338) ist überholt; die dieser zugrundeliegende ausführliche Beschreibung (samt Abschrift der überlieferten Verse) von Hans Zuchold (1914) für DTM ist heute auf der Seite der BBAW online verfügbar. 7. München / SB / cgm Ende 13. Jh. / Pg. / alem. Lienert 1990, 345 2 Bl. und Reste von 2 5153c / C (M1) Thoelen 2015, XVI (Doppel)bl. 8. Nürnberg / GNM / Ende 13. Jh. / Pg. / alem. Lienert 1990, 345–346 2 Bl. 42576 / (N2)* Thoelen 2015, XVI 9. Paris / BnF / ms. allem. 15. Jh. / Pp. / alem. Lienert 1990, 346 2 Bl. 118i / – (P)* Thoelen 2015, XVI 10. Wolfenbüttel / HAB / 14. Jh. / Pg. / md. Lienert 1990, 342–343++ 7 Bl., 1 Streifen / Wart­ Cod. 326 Novissimi 8* / (Hessen) / sog. Schön­ Thoelen 2015, XV burgkrieg (BruchstüD (Bü+)* rainer Hs. cke), Reinmar v. Zweter (3 Str.), Litschauer (2 Str.) + Ehemals: Büdingen / Fürstlich Ysenburg- und Büdingensches Archiv / Nr. 56 (so noch bei Lienert 1990, 342; entsprechend die Sigle). ++ Nach Lienert enthielt die Handschrift wohl nur einen Auszug aus dem Trojanerkrieg, denn bei Hochrechung der Anzahl der überlieferten Verse bei der gegebenen Seiteneinrichtung ergäbe sich ein Umfang von mehr als 1000 Blatt. Nr. Ort / Bibliothek / Signatur / Sigel



Zur Überlieferung der Werke Konrads 

Trojanerkrieg – Auszüge als Minnereden Zeit / Beschreibstoff / von/bis Provenienz, Sprache / Besonderes Köln / Hist. Arch. / Best. 1410–1420 / Pp. / ripua- 166r–168v (V. 19661– 7020 Cod. W*3 / k (K)* risch 20054)

 355

Nr. Ort/ Bibliothek, Signatur/ Sigel

Gesamtumfang / Mit­ überlieferung

1.

376 Bl. / noch 7 weitere Texte chronikalischheilsgeschichtlicher Art 489 Bl. / Minnereden, Mären und Fastnachtspiele Rosenplüts

2.

München / SB / cgm 714 ca. 1455–1458 / Pp. / Nürnberg, um 1500 (M2)* Besitz von Michel Geyswurgel, ofr.

182v–186v (V. 19893– 20054)

Die Auflistung bei Thoelen und Häberlein (2015, XVI) sortiert die Linzer und zwei Wiener Handschriften (s.  n. 2642 und Cod. 3060) als Zeugen der Erweiterten Christherre-Chronik separat; die nachstehende Tabelle hingegen folgt der Materialanordnung Lienerts. Trojanerkrieg – Exzerpte in WChr-Handschriften Zeit / Beschreibstoff / von/bis Provenienz, Sprache / Besonderes Berlin / SB / mgf 1107 / 1387 / Pp. / bair. 198r (wB4)

Nr. Ort / Bibliothek / Signatur/ Sigel 1.

Gesamtumfang / Mit­ überlieferung

529 Bl. / Heinrich v. München, Weltchronik (mit versch. Inserten, darunter Trojaner­ krieg), sieben dt. geistliche Gedichte 2. Berlin / SB / mgf 1416 / 1400–1410 / Pg. / bair.- 104r 328 Bl. / Heinrich v. (wB5)* österr. München, Weltchronik (mit versch. Inserten, darunter Trojaner­ krieg) 3. Gotha / Forschungs1398 / Pp. / Wien, 89r 352 Bl. / Heinrich v. bibliothek / Cod. Chart. Johann Albrant de München, Weltchronik A 3 / (wG)* Sontra (Schreiber), (mit versch. Inserten, bair.-österr. darunter Trojaner­ krieg) 4. Klagenfurt / Kärntner 1. H. 15. Jh. / Pg. / Bl. δ und ε 12 Bl. (in 15 BruchstüLandesarchiv / Cod. südbair. cken)+ / Heinrich v. 5/23–1 / (wKl)* München, Weltchronik, Bruder Philipp, Mari­ enleben + Komplizierter Befund: Weitere dieser Blattfragmente in St. Paul, Stiftsbibliothek und New Haven, Yale University, vgl. Lienert 1990, 353–354. 5. Linz / OöLB / Cod. 472 / 14. Jh. / Pg. / bair.-österr. 182r–245v 331 Bl. / Erweiterte h (wL)* Christherre-Chronik mit Troja-Kompilation A

356 

 André Schnyder

Trojanerkrieg – Exzerpte in WChr-Handschriften Zeit / Beschreibstoff / von/bis Provenienz, Sprache / Besonderes 1394 / Pg. / für Niklas 89v–91r München / SB / cgm 7330 (cim 314) / (wM3)* Vintler, Runkelstein, Heinz Sentlinger (Schreiber), bair.-österr. München / SB / cgm 1449 / Pp. / für Jörg 201v–202r 7364 / (wM4)* Kramer, Rottenmann (Stmk.), Hainrich Freytag (Schreiber), bair.-österr. / 240 kol. Federzeichnungen

Nr. Ort / Bibliothek / Signatur/ Sigel

Gesamtumfang / Mit­ überlieferung

6.

306 Bl. / Heinrich v. München, Weltchronik mit Troja-Kompilation C 554 Bl. / Heinrich v. München, Weltchronik mit Troja-Kompilation C; div. geistliche Gedichte; Konrad Steckel, Reise nach China des Oderico da Pordenone dt. 267 Bl. / Heinrich v. München, Weltchronik mit Troja-Kompilation A 145 Bl. / Rudolf von Ems, Weltchronik, Konrad von Würzburg, Trojanerkrieg (Auszüge) 400 Bl. / Heinrich v. München, Weltchronik mit Troja-Kompilation C1 309 Bl. / Erweiterte Christherre-Chronik mit Troja-Kompilation A 378 Bl. / Heinrich v. München Weltchronik mit Troja-Kompilation C2 263 Bl. / Heinrich v. München Weltchronik mit Troja-Kompilation B2 318 Bl. / Erweiterte Christherre-Chronik mit Troja-Kompilation A 431 Bl. / Heinrich v. München Weltchronik mit Troja-Kompilation B2

7.

8.

München / BSB / cgm 7377 / h (wM5)*

9.

Wien / ÖNB / Cod. 2690 / (wW1)

11.

Wien / ÖNB / Cod. 3060 / g (wW3)*

1426 / Pp. / für Ritter Hans von Hofkirchen, bair-österr.

288r, 299r–307r

12.

Wien / ÖNB / Cod. 12470 / (wW4)

1462 / Pp. / für Anton von Annenberg, bair.österr.

168r, 170r–171r

13.

Wien / ÖNB / Cod. 13704 / (wW5)

2. H. 15. Jh. / Pp. / bair.österr.

164v, 177r–239v

14.

Wien / ÖNB / Cod. s.  n. 2642 / f (wW6)

15.

Wien / ÖNB / Cod. s.  n. 9470 / (wW7)

um 1500 / Pg. / Elisa171v, 178v–217r beth von Volkensdorf, OOe (Besitzvermerk), schwäb.-bair. 1370–1390 / Pp. / Jakobs- 162r, 169r–229r kloster, Wien (Besitzvermerk), österr.

Ende 14. Jh. / Pg. / bair.- 72r, 75v–107v österr.

1. H. 14. Jh. / Pg. / 104r–145v Stephan Lysst (Wiener Bürger; Familiennachrichten 1468, 1471), bair.-österr. 10. Wien / ÖNB / Cod. 2768 / Ende 14. Jh. / Pg. / evtl. 165r (wW2) in München geschrieben, bair.



Zur Überlieferung der Werke Konrads 

Trojanerkrieg – Exzerpte in WChr-Handschriften Zeit / Beschreibstoff / von/bis Provenienz, Sprache / Besonderes Wolfenbüttel / HAB / 2. H. 14. Jh. / Pg. / bair. 57r, 61v–69v Cod. Guelf. 1.5.2. Aug. fol. / i (wWo)

 357

Nr. Ort / Bibliothek / Signatur/ Sigel

Gesamtumfang / Mit­ überlieferung

16.

274 Bl. / Heinrich v. München Weltchronik mit Troja-Kompilation B1

Handschriften mit der Überlieferung mehrerer Werke Konrads Nr. Bezeichnung der Handschrift / Entstehungszeit 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.

Cologny / Bodmeriana / Cod. 72 / Kalocsaer Handschrift/ 1. V. 14. Jh. Heidelberg / UB / cpg 341 / 1. V. 14. Jh. Heidelberg / UB / cpg 848 / um 1300 Innsbruck / Landesmuseum Ferdinandeum / Cod. FB 32001 Karlsruhe / LB / Codex Donaueschingen 104 / um 1433 Karlsruhe / LB / Cod. K 408 / ca. 1430 Nürnberg / GNM / 42531 / 2. V. 14. Jh. München / SB / cgm 714 München / UB / 2° Cod. ms. 731 (Cim 4)

10. [Neutenstein] ehemals Bibliothek Wolfgang Christoph Freiherr von Velderndorf zum Neidenstein (verschollen, aber in ÖNB cod 10100a dokumentiert) 1402 11. Straßburg / StB (Johanniterbibl.) / Cod. A 94 / Mitte 14. Jh. 12. Wien / ÖNB / Cod. 2677 / um 1320–30 13. Wien / ÖNB / Cod. 2885 / 1393

darin enthaltene Werke (in Abfolge der Handschrift) Goldene Schmiede, Der Welt Lohn, Heinrich von Kempten und Kaiser Otto, [Herzmaere] Goldene Schmiede, Der Welt Lohn, Heinrich von Kempten und Kaiser Otto, Herzmaere Leichs, Minnelyrik, Spruchdichtung Herzmaere, Die halbe Birne, Heinrich von Kempten und Kaiser Otto Der Welt Lohn, Herzmaere, Die halbe Birne Die halbe Birne, Der Welt Lohn Der Welt Lohn, Die halbe Birne Herzmaere, Trojanerkrieg Goldene Schmiede, Turnier von Nantheiz, Klage der Kunst Heinrich von Kempten und Kaiser Otto, Goldene Schmiede, Herzmaere

Herzmaere, Die halbe Birne Goldene Schmiede, Der Welt Lohn Herzmaere, Die halbe Birne, Goldene Schmiede, Heinrich von Kempten und Kaiser Otto

Zur Diachronie der Überlieferung Die Chronologie bildet das einzige Kriterium für die Einordnung der Handschriften in die folgende Tabelle. Die oft vorliegenden alphanumerischen Umschreibungen bei den Altersangaben der Handschriften mussten mit den numerischen nach arithmetischer Logik kombiniert werden. Man beachte also, dass etwa das 14. Jahrhundert mit dem Jahr 1301 (nicht: 1300) beginnt; entsprechend wird somit ein Eintrag „1300“ vor jenem „14. Jh.“ stehen. Zudem gelten folgende Regeln: Die weitere Zeitspanne steht vor der

358 

 André Schnyder

kürzeren (also: „14. Jh.“ vor: „14. Jh. – 1. Hälfte“, diese vor: 14. Jh. – 1. Viertel). Genau datierte Einträge stehen vor den jeweils nächst entsprechenden Grobdatierungen (also „1426“ vor Eintrag „2. V. 15. Jh.“; aber „1284“ nach „4. V. 13. Jh.“). Ein „um“-Eintrag wird wie ein genau datierter gehandhabt („um 1300“ = „1300“). Bei einer Spanne mit zwei genauen Jahresangaben („1345–1354“) wird nach dem tieferen Wert geordnet. Bei Konflikten zwischen diesen Regeln wird pragmatisch entschieden.   1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

Zeit 13. Jh. – 3. Drittel 13. Jh. – 4. Viertel 13. Jh. – 4. Viertel um 1284 um 1284 um 1300 um 1300

8. 9. 10. 11. 12. 13.

um 1300 um 1300 um 1300 um 1300 um 1300 um 1300

14. 15. 16. 17.

13. Jh. – Ende 13. Jh. – Ende 13. Jh. – Ende 13. Jh. – Ende

18. 19. 20. 21.

14. Jh. – Anfang 14. Jh. – Anfang 14. Jh. – Anfang 14. Jh.

22.

14. Jh.

23.

14. Jh.

24. 14. Jh. 25. 14. Jh. 26. 14. Jh. 27. 14. Jh. 28. 14. Jh. 29. 14. Jh. 30. 14. Jh. – 1. Hälfte

Zur Diachronie der Überlieferung Handschrift (Standort, Signatur) Laufenburg / Museum Schiff / ohne Signatur / F Trier / StB / Ms. 1990/17 Berlin / SB / mgf 668 Berlin / SB / mgf 737 München / SB / cgm 16 Brüssel / Königl. Bibliothek / ms IV 950,11 Heidelberg / UB / cpg 848 Göttingen / NsSUB / 4° Cod. Ms. philol. 184:VI Innsbruck / ULB / Frgm. B 2 Kassel / UB LMB / 2° Ms. poet. et roman. 38 / E* Frankfurt/M. / UB / Ms. germ. oct. 7 / G1* München / SB / cgm 5249/39 / G2 (früher: M) Schönstein b. Wissen a.d. Sieg / Fürstlich Hatzfeld-Wildenburgisches Archiv, Nr. 7963 und 8866 Zürich / ZB / Ms. C 184 Nr. XXVI und XXVII München / SB / cgm 5153c Nürnberg / GNM / 42576 Basel / UB / Cod. N I 6, 50

Werke Konrads Trojanerkrieg Silvester Trojanerkrieg Der Welt Lohn Der Welt Lohn Trojanerkrieg Sangvers- und Spruchlyrik, Leichs Goldene Schmiede Goldene Schmiede Goldene Schmiede Goldene Schmiede Goldene Schmiede Herzmaere

Partonopier und Meliur Trojanerkrieg Trojanerkrieg Spruchdichtung (32,1 Hofton) Nürnberg / GNM / 42575 / n Herzmaere Basel / UB / Cod. B XI 8 Hofton (Teile) München / SB / clm 27329 Hofton (Teile) Breslau / Stadtarchiv / ohne Sign. (verschollen) / Goldene Schmiede U Wolfenbüttel / HAB / Cod. 326 Novissimi 8* / D Trojanerkrieg (Bü) Straßburg / StB (Johanniterbibl.) / Cod. A 90 / Trojanerkrieg A (S) Straßburg / StB (Johanniterbibl.) / Cod. A 100 / A Alexius Leipzig / UB / Rep. II 70a / N Spruch- und Liedstrophen Berlin / SB / mgf 923,14 / B2 Trojanerkrieg Halle / ULB / Smlg. Ponickau Misc. 126 Q / B (H) Trojanerkrieg ehem. Liegnitz / Kirchenbibliothek Peter u. Trojanerkrieg Paul / Ek. 4 Linz / OöLB / Cod. 472 / h (wL) Trojanerkrieg Salzburg / St. Peter / Cod. a XII 25 Frgm. 29 / L Goldene Schmiede



Zur Überlieferung der Werke Konrads 

34. 14. Jh. – 1. Viertel

Zur Diachronie der Überlieferung Handschrift (Standort, Signatur) Alba Julia (Karlsburg) / Bátthyáneum / Cod. R II 104 / K* Wien / ÖNB / Cod. 2690 / (wW1) Karlsruhe / LB / Codex Donaueschingen A III 12 / S* Cologny / Bodmeriana / Cod. 72

35.

14. Jh. – 1. Viertel

Heidelberg / UB / cpg 341

36. 14. Jh. – 1. Viertel

Heidelberg / UB / cpg 395

37. 38. 39. 40. 41.

Wien / ÖNB / Cod. 2677 Prag / Karls-Univ. / o. Sign. Jena / UB / Ms. El. f. 101 Bremen / SUB / msa 0030–02 München / UB / 2° Cod. ms. 731 (Cim 4) / H

  31.

Zeit 14. Jh. – 1. Hälfte

32. 33.

14. Jh. – 1. Hälfte 14. Jh. – 1. Hälfte

1320–1330 1320–1340 um 1330 17.8.1342 1345–1354

42. 14. Jh. – 2. Viertel

Nürnberg / GNM / 42531

43. 44. 45. 46.

Wien / ÖNB / Cod. 2677 Nürnberg / GNM / 42575 Bern / Burgerbibliothek / Hs. 260 / P Straßburg / StB (Johanniterbibl.) / Cod. A 94

14. Jh. – 2. Viertel 14. Jh. – 2. Viertel 14. Jh. – Mitte 14. Jh. – Mitte

47. 14. Jh. – Mitte 48. nach 1350 49. 14. Jh. – 2. Hälfte 50. 14. Jh. – 2. Hälfte 51. 52. 53.

14. Jh. – 2. Hälfte 14. Jh. – 2. Hälfte 14. Jh. – 2. Hälfte

54. 14. Jh. – 2. Hälfte 55. 56. 57. 58. 59. 60.

14. Jh. – 3. Viertel nach 1368 1370–1380 1375–1390 nach 1375 14. Jh. – 4. Viertel

Düsseldorf / ULB / Ms. fragm. K 20:Z 15/6 / T* Darmstadt / ULB / Hs. 1869 / Q Pommersfelden / Gräflich Schönbornsche Schlossbibliothek / Codex 54 / (p) p Gotha / Forschungsbibliothek / Cod. Memb. II 38 / B Königsberg / SUB 2914 (heute verschollen) / N Göttingen / NsSUB / 4° Cod. Ms. Philol. 183x:2 / O Gotha / Forschungsbibliothek / Cod. Chart A 216 / G Wolfenbüttel / HAB / Cod. Guelf. 1.5.2. Aug. fol. / i (wWo) Münster / Staatsarchiv / Msc. VII 2d 29 München / SB / cgm 574 / g Frankfurt a. M. / UB / Ms. germ. qu. 2* Wien / ÖNB / Cod. 2884 Breslau Wrocław / UB / Cod. R 482 Hamburg / SUB / Cod. 193 in scrinio

 359

Werke Konrads Goldene Schmiede Trojanerkrieg Goldene Schmiede Goldene Schmiede, Der Welt Lohn [Herzmaere], Heinrich von Kempten und Kaiser Otto Goldene Schmiede, Der Welt Lohn, Herzmaere, Heinrich von Kempten und Kaiser Otto Heinrich von Kempten und Kaiser Otto Goldene Schmiede Goldene Schmiede Spruchstrophen Goldene Schmiede Klage der Kunst, Goldene Schmiede, Turnier von Nantheiz Der Welt Lohn, Die halbe Birne Der Welt Lohn Herzmaere Minnestrophen Herzmaere, Die halbe Birne Goldene Schmiede Goldene Schmiede Die halbe Birne Goldene Schmiede Goldene Schmiede Goldene Schmiede Der Welt Lohn Trojanerkrieg Goldene Schmiede Goldene Schmiede Schwanritter Pantaleon Goldene Schmiede Goldene Schmiede

360 

  61.

 André Schnyder

Zeit 14. Jh. – 4. Viertel

62. 1377–1390 63. 1387 64. 1393

65. 1394 66. 1398 67. 1400 68. um 1400 69. 70. 71. 72.

um 1400 14. Jh. (Ende) 14. Jh. (Ende) 1402

73. 74. 75. 76.

1400–1410 15. Jh. 15. Jh. 15. Jh. – 1. Hälfte

77. 1410–1420 78. 1425 79. 1426 80. um 1430 81. um 1430 82. um 1433 83. 84. 85. 86. 87. 88. 89. 90. 91.

1441 1449 um 1450 um 1450 1450 15. Jh. – Mitte 15. Jh. – Mitte 15. Jh. – Mitte 15. Jh. – Mitte

92. um 1455–1458

Zur Diachronie der Überlieferung Handschrift (Standort, Signatur) London / Institute of Germanic Studies / MS Germ. 5 Wien / ÖNB / Cod. s.  n. 9470 / (wW7) Berlin / SB / mgf 1107 / (wB4) Wien / ÖNB / Cod. 2885

Werke Konrads Heinrich von Kempten und Kaiser Otto Trojanerkrieg Trojanerkrieg Goldene Schmiede, Herzmaere, Heinrich von Kempten und Kaiser Otto, Die halbe Birne München / SB / cgm 7330 (cim 314) / (wM3) Trojanerkrieg Gotha / Forschungsbibliothek / Cod. Chart. A 3 / Trojanerkrieg (wG) Wien / ÖNB / Cod. 2875 / w Goldene Schmiede Regensburg / Bischöfliche Zentralbibliothek / Goldene Schmiede Fragm. I.5.7 Gotha / Forschungsbibliothek / Cod. Chart. B 271 Goldene Schmiede München / BSB / cgm 7377 / h (wM5)* Trojanerkrieg Wien / ÖNB / Cod. 2768 / (wW2) Trojanerkrieg Neutenstein, Gem. Böheimkirchen, NOe (verHeinrich von Kempten schollene Hs. aus Adelsbesitz) und Kaiser Otto, Goldene Schmiede, Herzmaere Berlin / SB / mgf 1416 / (wB5) Trojanerkrieg Berlin / SB / mgq 188 / B* Alexius Paris / BnF / ms. allem. 118i / (P) Trojanerkrieg Klagenfurt / Kärntner Landesarchiv / Cod. Trojanerkrieg 5/23–1 / (wKl) Köln / Hist. Arch. / Cod. W*3 / k (K) Trojanerkrieg Innsbruck / Landesmuseum Ferdinandeum / Alexius Cod. FB 32034 / J Wien / ÖNB / Cod. 3060 / g (wW3) Trojanerkrieg Karlsruhe / LB / Cod. K 408 / C* Der Welt Lohn, Die halbe Birne München / UB / 2° Cod. ms. 672 / m Goldene Schmiede Karlsruhe / LB / Codex Donaueschingen 104 / D* Der Welt Lohn, Herz­ maere, Die halbe Birne Nürnberg / GNM / 998 / e (N1) Trojanerkrieg München / SB / cgm 7364 / (wM4) Trojanerkrieg Nürnberg / StB / Cent. VI 85 / n Goldene Schmiede Karlsruhe / LB / Codex Donaueschingen 112 / s* Goldene Schmiede München / SB / cgm 9489 / u* Goldene Schmiede Berlin / SB / mgf 1 / c (B1) Trojanerkrieg Berlin / SB / mgf 20 / w Spruchstrophen Würzburg / UB / M. ch. f. 24 / d (Wü) Trojanerkrieg Zeil / Fürstl. Waldburg Zeilsches Gesamtarchiv / Trojanerkrieg ZMs 37 / b (Z) München / SB / cgm 714 / N* und M2* Herzmaere, Trojaner­ krieg



Zur Überlieferung der Werke Konrads 

  Zeit 93. 1456

Zur Diachronie der Überlieferung Handschrift (Standort, Signatur) Innsbruck / Landesmuseum Ferdinandeum / Cod. FB 32001 / I

94. 95. 96. 97. 98. 99. 100. 101. 102.

um 1460 um 1460 1462 1471 1471 1471 15. Jh. – 2. Hälfte 15. Jh. – 2. Hälfte 15. Jh. – 2. Hälfte

Heidelberg / UB / cpg 356 / a* Heidelberg / UB / cpg 378 / o* Wien / ÖNB / Cod. 12470 / g (wW4) Prag / Knihovna Národního musea / X A 12 / h* Berlin / SB / mgf 1064 / B St. Gallen / Stiftsbibliothek / 617 / a (Sg.) Wien / ÖNB / Cod. 2947 / e Wien / ÖNB / Cod. 13704 / (wW5) Bruxelles / Bibl. royale / Ms. 21953 / p

103. 104. 105. 106. 107.

15. Jh. – 3. Viertel 15. Jh. – 3. Viertel 1478 um 1500 um 1500

108. 109. 110. 111. 112.

um 1500 um 1512 1530 16. Jh. – 1. H. um 1645

München / SB / cgm 4997 / t (k)* Weimar / HAB / Q 564 / f Engelberg / Stiftsbibl. / Cod. 240 / S Wien / ÖNB / Cod. s.  n. 2642 / f (wW6) Den Haag / Koningklijke Bibliotheek / Cod. 71 H 64 / X München / SB / cgm 5198 / u (w)* Leipzig / UB / Ms. Apel 8 / – Berlin / SB / mgf 488 / – Wien / ÖNB / Cod. s.  n. 2593 / w Wien / ÖNB / Cod. 10100a / W

113. 19. Jh.

München / SB / Anc. 4 Doceniana c) Nr. 50 / h

 361

Werke Konrads Herzmaere, Heinrich von Kempten und Kaiser Otto, Die halbe Birne Goldene Schmiede Goldene Schmiede Trojanerkrieg Herzmaere Partonopier und Meliur Trojanerkrieg Goldene Schmiede Trojanerkrieg Goldene Schmiede (Prosabearbeitung) Spruchstrophen Spruchstrophen Alexius Trojanerkrieg Goldene Schmiede (mnl. Prosafassung) Spruchstrophe Herzmaere Herzmaere Herzmaere Heinrich von Kempten und Kaiser Otto Goldene Schmiede (moderne Abschrift von n)

Zur Diatopik der Überlieferung Angewendet wird eine Grobgliederung nach Niederdeutsch  – Mitteldeutsch  – Oberdeutsch. Die beigezogenen Handschriftenbeschreibungen warten meist mit noch zusätzlich verfeinerten Angaben zur räumlichen Herkunft auf. Diese untergeordneten regionalsprachlichen Kategorien (wmd., omd., kölnisch, bair-österr. etc.) werden jedoch, da oft zu unsicher in der Ermittlung und zu schwankend in der Terminologie, hier nicht zur weiteren Einordnung verwendet. Innerhalb der drei genannten Hauptrubriken stehen die Einträge vielmehr werkweise geordnet, was eine raumbezogene Übersicht über die Tradierung der Werke gestattet. Codices, die mehrere Werke Konrads überliefern, erscheinen so mehrfach, werden jedoch nur einmal gezählt (ein + in der Spalte der Werke verweist dann auf weitere Nennungen). Die Einträge werden auf Basisinformationen (vgl. Kopfzeilen) reduziert; weitergehende Angaben sind der Hauptliste zu

362 

 André Schnyder

entnehmen. Nicht immer wird im zugrunde liegenden Material zwischen räumlicher Einordnung auf Grund alter Provenienz und auf Grund sprachlicher Merkmale unterschieden; dementsprechend kann die Tabelle diese Differenz auch nicht darstellen.   1.

2.

  1.

2. 3. 4.



Zur Diatopik – Mittelniederländische Überlieferung Raum / Zeit Handschrift (Standort, Signatur) / Sigel (inner­ enthaltene Werke Mittelniederländisch halb der Konrad-Überlieferung) Konrads limburgisch / 2. Bruxelles / Bibl. royale / Ms. 21953 / p Goldene Schmiede H. 15. Jh. / Prosabearbeitung Maria voer­ span of sapeel limburgisch / um 1500 / Den Haag / Koningklijke Bibliotheek / Cod. 71 Goldene Schmiede Prosabearbeitung H 64 / X Maria voerspan of sapeel Zur Diatopik – Niederdeutsche Überlieferung Raum / Zeit Handschrift (Standort, Signatur) / Sigel (inner­ Niederdeutsch halb der Konrad-Überlieferung) Rostock, Hinricus Bese Bremen / SUB / msa 0030–02 / R* (Schreiber), nordniedersächsisch / 17.8.1342 mnd. / 2. H. 14. Jh. Göttingen / NsSUB / 4° Cod. Ms. Philol. 183x:2/ O westliches Mnd. / 3. Münster / Staatsarchiv / Msc. VII 2d 29 / (M) V. 14. Jh. nd. / nach 1375 Hamburg / SUB / Cod. 193 in scrinio / (c) c

Raum / Zeit Mitteldeutsch kölnisch / 14. Jh.

Zur Diatopik – Mitteldeutsche Überlieferung Handschrift (Standort, Signatur) / Sigel (inner­ halb der Konrad-Überlieferung) Leipzig / UB / Rep. II 70a / N

enthaltene Werke Konrads Goldene Schmiede

Goldene Schmiede Goldene Schmiede Goldene Schmiede

enthaltene Werke Konrads 1. Lied- und Spruchstrophen 2. md.-nd. / Anfang 14. Jh. München / SB / clm 27329 Spruchdichtung 3. md.-nd. / um 1330 Jena / UB / Ms. El. f. 101 / J Spruchdichtung 4. wmd. / 3. V. 15. Jh. München / SB / cgm 4997 / t (k) Spruchdichtung 5. md. (Hessen) / um 1300 Kassel / UB LMB / 2° Ms. poet. et roman. 38 / E Goldene Schmiede 6. md. /14. Jh. Breslau / Stadtarchiv / ohne Sign. (verschollen) / Goldene Schmiede U 7. wmd. / 14. Jh. Koblenz / Hauptlandesarchiv / Best. 49 A 7196 Goldene Schmiede 8. wmd. / 1. H. 14. Jh. Düsseldorf / ULB / Ms. fragm. K 20:Z 15/6 / T Goldene Schmiede 9. mittelfrk. / 1320–1340 Prag / Karls-Univ. / ohne Sign. / P Goldene Schmiede 10. md. mit. bair. Färbung / Cologny / Bodmeriana / Cod. 72 / (A) A Goldene Schmiede + 1. V. 14. Jh. 11. md. / 1. H. 14. Jh. Salzburg / St. Peter / Cod. a XII 25 Frgm. 29 / L Goldene Schmiede 12. südl. Md. mit bair. Heidelberg / UB / cpg 341 / C Goldene Schmiede Färbung / 1. V. 14. Jh. 13. mittelfrk. / nach 1350 Darmstadt / ULB / Hs. 1869 / Q Goldene Schmiede 14. omd. / 2. H. 14. Jh. Königsberg / SUB 2914 (heute verschollen) / N Goldene Schmiede



Zur Überlieferung der Werke Konrads 

Zur Diatopik – Mitteldeutsche Überlieferung Raum / Zeit Handschrift (Standort, Signatur) / Sigel (inner­ Mitteldeutsch halb der Konrad-Überlieferung) 15. omd (Schlesien) / um Regensburg / Bischöfliche Zentralbibliothek / 1400 Fragm. I.5.7 / Z 16. omd. (Schlesien) / um Breslau Wrocław / UB / Cod. R 482 / (f) f 1400 17. moselfrk. / 4. V. 13. Jh. Trier / StB / Ms. 1990/17 18. rheinfrk. / 1370–80 Frankfurt/M. / UB / Ms. germ. qu. 2   md. mit. bair. Färbung / Cologny / Bodmeriana / Cod. 72 / K 1. V. 14. Jh.   südl. Md. mit bair. Heidelberg / UB / cpg 341 / P Färbung / 1. V. 14. Jh. 19. mittelrheinisch / um Schönstein b. Wissen a.d. Sieg / Fürstlich Hatz1300 feld-Wildenburgisches Archiv, Nr. 7963 und 8866 / Ko   md. mit. bair. Cologny / Bodmeriana / Cod. 72 / – Färbung /1. V. 14. Jh.   südl. Md. mit bair. Heidelberg / UB / cpg 341 / P Färbung / 1. V. 14. Jh.   md. mit. bair. Färbung / Cologny / Bodmeriana / Cod. 72 / K 1. V. 14. Jh.   südl. Md. mit bair. Heidelberg / UB / cpg 341 / P Färbung / 1. V. 14. Jh. 20. mfrk. mit rheinfrk. Heidelberg / UB / cpg 395 / H Formen / 1. V. 14. Jh. 21. thür. / 2. Hälfte 14. Jh. Pommersfelden / Gräflich Schönbornsche Schlossbibliothek / Codex 54 / (p) p 22. md. / um 1300 Berlin / SB / mgf 668 / E (B3) 23. md. (hess.) / 14. Jh. Wolfenbüttel / HAB / Cod. 326 Novissimi 8* / D (Bü) 24. ripuarisch / 1410–20 Köln / Hist. Arch. / Best. 7020 Cod. W*3 / k (K) 25. md. / 1441 Nürnberg / GNM / 998 / e (N1)  

  1. 2.   3.   4.

Zur Diatopik – Oberdeutsche Überlieferung Raum / Zeit Handschrift (Standort, Signatur) / Sigel (inner­ Oberdeutsch halb der Konrad-Überlieferung) Zürich, alem. / um 1300 Heidelberg / UB / cpg 848 / C (Grundstock) Straßburg (?) / Mitte Bern / Burgerbibliothek / Hs. 260 / P 14. Jh. Zürich, alem. / um 1300 Heidelberg / UB / cpg 848 / C (Grundstock) ostalem. / Ende 13. Jh. Basel / UB / Cod. N I 6, 50 Zürich, alem. / um 1300 Heidelberg / UB / cpg 848 / C (Grundstock) Basel, alem. / Anfang Basel / UB / Cod. B XI 8 / K 14. Jh.

 363

enthaltene Werke Konrads Goldene Schmiede Goldene Schmiede Silvester Schwanritter Der Welt Lohn + Der Welt Lohn + Herzmaere

Herzmaere + Herzmaere + Heinrich von Kempten und Kaiser Otto + Heinrich von Kempten und Kaiser Otto + Heinrich von Kempten und Kaiser Otto Die halbe Birne Trojanerkrieg Trojanerkrieg Trojanerkrieg Trojanerkrieg

enthaltene Werke Konrads religiöser Leich, Minneleich + Minnestrophen Minnelieder + Spruchstrophen Spruchstrophen + Spruchstrophen

364 

  5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15.   16. 17. 18.

19. 20. 21.

22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29.

 André Schnyder

Zur Diatopik – Oberdeutsche Überlieferung Raum / Zeit Handschrift (Standort, Signatur) / Sigel (inner­ Oberdeutsch halb der Konrad-Überlieferung) elsässisch / Mitte 15. Jh. Berlin / SB / mgf 20 / w Nürnberg, ofr. / 3. Weimar / HAB / Q 564 / f V. 15. Jh. bair.-österr. (verm. München / SB / cgm 5198 / u (w) Tirol) / um 1500 Würzburg, ofr. / München / UB / 2° Cod. ms. 731 (Cim 4) / – 1345–1354 niederalem. / gehört zu München / SB / cgm 5249/39 / G2 (früher: M) G1 / um 1300 niederalem. / gehört zu Frankfurt/M. / UB / Ms. germ. oct. 7 / (G) G1 G2 / um 1300 / ostalem. (schwäbisch) / Göttingen / NsSUB / 4° Cod. Ms. philol. 184:VI / um 1300 (D) D Tirol, sbair. / um 1300 Innsbruck / ULB / Frgm. B 2 / J Allentsteig, bair.Alba Julia (Karlsburg) / Bátthyáneum / Cod. R österr. / 1. H. 14. Jh. II 104 / K wohl ofr. / 1. H 14. Jh. Karlsruhe / LB / Codex Donaueschingen A III 12 / S bair.-österr. / um Wien / ÖNB / Cod. 2677 / (F) F 1320–1330 Würzburg, ofr. / München / UB / 2° Cod. ms. 731 (Cim 4) / (H) H 1345–1354 Augsburg, ostschwäb. / München / SB / cgm 574 / (g) g nach 1368 oberrhein.-rheinfrk. / 2. Gotha / Forschungsbibliothek / Cod. Memb. II H. 14. Jh. 38 / (B) B Innsbruck, Johannes Wien / ÖNB / Cod. 2885 / (d) d Götschl (Schreiber), sbair. / 1393 wohl Prag, bair.-österr. / Wien / ÖNB / Cod. 2875 / w 1400 bair.-österr. / um 1400 Gotha / Forschungsbibliothek / Cod. Chart. B 271 / (b) b bair.-österr. / 1402 verschollene Hs. des Wolfgang Christoph Freiherr von Velderndorf zum Neidenstein (Neutenstein, Gem. Böheimkirchen, NOe) nordbair. / um 1430 München / UB / 2° Cod. ms. 672 / m Katharinenkloster, ofr. / Nürnberg / StB / Cent. VI 85 / n um 1450 ofr. / um 1450 Karlsruhe / LB / Codex Donaueschingen 112 / s Nürnberg, ofr. / 1450 München / SB / cgm 9489 / u niederalem. / um 1460 Heidelberg / UB / cpg 356 / (a) a wohl Augsburg, schwä- Heidelberg / UB / cpg 378 / o bisch / um 1460 Tirol, sbair. / 1461–1477 Wien / ÖNB / Cod. 2947 / (e) e Abschrift Docens von München / SB / Anc. 4 Doceniana c) Nr. 50 / (h) h n / 19. Jh.

enthaltene Werke Konrads Spruchstrophen Spruchstrophen Spruchstrophen Klage der Kunst + Goldene Schmiede Goldene Schmiede Goldene Schmiede Goldene Schmiede Goldene Schmiede Goldene Schmiede Goldene Schmiede Goldene Schmiede + Goldene Schmiede Goldene Schmiede Goldene Schmiede +

Goldene Schmiede Goldene Schmiede Goldene Schmiede +

Goldene Schmiede Goldene Schmiede Goldene Schmiede Goldene Schmiede Goldene Schmiede Goldene Schmiede Goldene Schmiede Goldene Schmiede



  30. 31.

32.

33. 34.   35. 36.

37. 38. 39. 40. 41. 42. 43.  –

 –

  44. 45. 46.

47.

Zur Überlieferung der Werke Konrads 

Zur Diatopik – Oberdeutsche Überlieferung Raum / Zeit Handschrift (Standort, Signatur) / Sigel (inner­ Oberdeutsch halb der Konrad-Überlieferung) westalem. mit md. Ein- Straßburg / StB (Johanniterbibl.) / Cod. A 100 / A schlag / 14. Jh. (?) Schaffhausen od. Win- Innsbruck / Landesmuseum Ferdinandeum / terthur, Johann Ritter Cod. FB 32034 / J OFM (Schreiber), alem. (?) / 1425 Heinrich Kramer Engelberg / Stiftsbibl. / Cod. 240 / S (Schreiber), alem. / 1478 elsässisch (ProsafasBerlin / SB / mgq 188 / B sung) / 15. Jh. niederalem. / 1375–1390 Wien / ÖNB / Cod. 2884 Würzburg, ofrk. / München / UB / 2° Cod. ms. 731 (Cim 4) 1345–1354 östl. Hochalem. (Vorarl- Berlin / SB / mgf 737 / B berg?) / um 1284 Gröbming (Stmk.), München / SB / cgm 16 / M Konrad (Schreiber), bair.-österr. / 1284 bair.-österr. / um Wien / ÖNB / Cod. 2677 / W 1320–1330 niederalem. (StraßNürnberg / GNM / 42531 / S burg) / 2. V. 14. Jh. ofrk. / 2. H. 14. Jh. Gotha / Forschungsbibliothek / Cod. Chart A 216 / G schwäb.-bair.-ofrk. / Karlsruhe / LB / Cod. K 408 / C ca. 1430 alem. / um 1433 Karlsruhe / LB / Codex Donaueschingen 104 / D alem. / Anf. 14. Jh. Nürnberg / GNM / 42575 / n niederalem. / Mitte Straßburg / StB (Johanniterbibl.) / Cod. A 94 / A 14. Jh. Innsbruck, Johannes Wien / ÖNB / Cod. 2885 / V Götschl (Schreiber), sbair. / 1393 bair.-österr. / 1402 verschollene Hs. des Wolfgang Christoph Freiherr von Velderndorf zum Neidenstein (Neutenstein, Gem. Böheimkirchen, NOe) alem. / um 1433 Karlsruhe / LB / Codex Donaueschingen 104 / D Nürnberg, ofr. / München / SB / cgm 714 / N ca. 1455/58 bair.-österr. / 1456 Innsbruck / Landesmuseum Ferdinandeum / Cod. FB 32001 / I Augsburg, Clara Hätz- Prag / Knihovna Národního musea / X A 12 / h lerin (Schreiberin), bair.-schwäb. / 1471 ofr. / um 1512 Leipzig / UB / Ms. Apel 8 / –

 365

enthaltene Werke Konrads Alexius Alexius

Alexius

Alexius Pantaleon Turnier von Nantheiz + Der Welt Lohn Der Welt Lohn

Der Welt Lohn Der Welt Lohn + Der Welt Lohn Der Welt Lohn Der Welt Lohn + Herzmaere Herzmaere + Herzmaere +

Herzmaere +

Herzmaere + Herzmaere + Herzmaere + Herzmaere

Herzmaere

366 

 André Schnyder



Raum / Zeit Oberdeutsch 48. Würzburg, ofr. / 1530 49. niederschwäb. / 1. H. 16. Jh.   Innsbruck, Johannes Götschl (Schreiber), sbair. / 1393 50. elsässisch / 4. V. 14. Jh. – 

bair.-österr. / 1402

– 

bair.-österr. / 1456

51.

österr. / um 1645

– 

– 

niederalem. / 2. V. 14. Jh. niederalem. / Mitte 14. Jh. Innsbruck, Johannes Götschl (Schreiber), sbair. / 1393 schwäb.-bair.-ofrk. / um 1430 alem. / um 1433

– 

bair.-österr. / 1456

52. 53.

alem. / Ende 13. Jh. Hall im Inntal, H. Wincklär (Schreiber) / bair. / 1471 Basel, alem. (mit md. Einschlag) / 3. Drittel 13. Jh. ofr. / um 1300 alem. / Ende 13. Jh. alem. / Ende 13. Jh. alem. / 14. Jh. alem. / 14. Jh.

–  – 

– 

54.

55. 56. 57. 58. 59. 60. 61. 62. 63. 64.

Zur Diatopik – Oberdeutsche Überlieferung Handschrift (Standort, Signatur) / Sigel (inner­ halb der Konrad-Überlieferung) Berlin / SB / mgf 488 / – Wien / ÖNB / Cod. s.  n. 2593 / w

enthaltene Werke Konrads Herzmaere Herzmaere

Wien / ÖNB / Cod. 2885 / V

Heinrich von Kempten und Kaiser Otto +

London / Institute of Germanic Studies / MS Germ. 5 / L verschollene Hs. des Wolfgang Christoph Freiherr von Velderndorf zum Neidenstein (Neutenstein, Gem. Böheimkirchen, NOe) Innsbruck / Landesmuseum Ferdinandeum / Cod. FB 32001 / I Wien / ÖNB / Cod. 10100a / W

Heinrich von Kempten und Kaiser Otto Heinrich von Kempten und Kaiser Otto +

Nürnberg / GNM / 42531 / – (s1)

Heinrich von Kempten und Kaiser Otto + Heinrich von Kempten und Kaiser Otto Die halbe Birne +

Straßburg / StB (Johanniterbibl.) / Cod. A 94 / (S) S Wien / ÖNB / Cod. 2885 / (w) w

Die halbe Birne +

Karlsruhe / LB / Cod. K 408 / (k) k

Die halbe Birne +

Karlsruhe / LB / Codex Donaueschingen 104 / (l) l Innsbruck / Landesmuseum Ferdinandeum / Cod. FB 32001 / i (i) Zürich / ZB / Ms. C 184 Nr. XXVI und XXVII / A Berlin / SB / mgf 1064 / B

Die halbe Birne+

Laufenburg / Museum Schiff / ohne Signatur / Lau

Trojanerkrieg

Brüssel / Königl. Bibliothek / ms IV 950,11 / Y (Br) München / SB / cgm 5153c / C (M1) Nürnberg / GNM / 42576 / (N2) Berlin / SB / mgf 923,14 / B2 ehem. Liegnitz / Kirchenbibliothek Peter u. Paul / Ek. 4 alem. / 14. Jh. Straßburg / StB (Johanniterbibl.) / A 90 / A (S) alem. / 14. Jh. Halle / ULB / Smlg. Ponickau Misc. 126Q / B (H) bair.-österr. / 14. Jh. Linz / OöLB / Cod. 472 / h (wL) bair.-österr. / 1. H. 14. Jh. Wien / ÖNB / Cod. 2690 / (wW1) österr. / 1370–1390 Wien / ÖNB / Cod. s.  n. 9470 / (wW7)

Die halbe Birne +

Die halbe Birne + Partonopier und Meliur Partonopier und Meliur

Trojanerkrieg Trojanerkrieg Trojanerkrieg Trojanerkrieg Trojanerkrieg Trojanerkrieg Trojanerkrieg Trojanerkrieg Trojanerkrieg Trojanerkrieg



  65. 66.

67. 68. 69. 70. 71. 72. 73. 74.

75. 76. 77. 78.

  79. 80. 81. 82.

Zur Überlieferung der Werke Konrads 

Raum / Zeit Oberdeutsch bair. / 1387 Heinz Sentlinger (Schreiber), bair.österr. / 1394 Wien, bair.-österr. / 1398 bair. / 2. H. 14. Jh.

Zur Diatopik – Oberdeutsche Überlieferung Handschrift (Standort, Signatur) / Sigel (inner­ halb der Konrad-Überlieferung) Berlin / SB / mgf 1107 / (wB4) München / SB / cgm 7330 (cim 314) / (wM3)

Gotha / Forschungsbibliothek / Cod. Chart. A 3 / (wG) Wolfenbüttel / HAB / Cod. Guelf. 1.5.2. Aug. fol. / i (wWo) bair.-österr. / 1400–1410 Berlin / SB / mgf 1416 / (wB5) bair. / Ende 14. Jh. Wien / ÖNB / Cod. 2768 / (wW2) bair.-österr. / Ende München / BSB / cgm 7377 / h (wM5) 14. Jh. alem. / 15. Jh. Paris / BnF / ms. allem. 118i / (P) bair-österr. / 1426 Wien / ÖNB / Cod. 3060 / g (wW3) Hainrich Freytag München / SB / cgm 7364 / (wM4) (Schreiber), bair.österr. / 1449 südbair. / 1. H. 15. Jh. Klagenfurt / Kärntner Landesarchiv / Cod. 5/23–1/ (wKl) elsässisch / Mitte 15. Jh. Berlin / SB / mgf 1 / c (B1) elsässisch / Mitte 15. Jh. Würzburg / UB / M. ch. f. 24 / d (Wü) elsässisch / Mitte 15. Jh. Leutkirch (Lk Ravensburg) Schloss Zeil / Fürstl. Waldburg zu Zeil und Trauchburgisches Gesamtarchiv / ZMs 37 / b (Z) Nürnberg, nordbair. / München / SB / cgm 714 (M2*) ca. 1455–58 / bair.-österr. / 1462 Wien / ÖNB / Cod. 12470 / g (wW4) ostalem. / 1471 St. Gallen / Stiftsbibliothek / 617 / a (Sg.) bair.-österr. / 2. H. 15. Jh. Wien / ÖNB / Cod. 13704 / (wW5) schwäb.-bair. / um 1500 Wien / ÖNB / Cod. s.  n. 2642 / f (wW6)

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enthaltene Werke Konrads Trojanerkrieg Trojanerkrieg

Trojanerkrieg Trojanerkrieg Trojanerkrieg Trojanerkrieg Trojanerkrieg Trojanerkrieg Trojanerkrieg Trojanerkrieg

Trojanerkrieg Trojanerkrieg Trojanerkrieg Trojanerkrieg

Trojanerkrieg+ Trojanerkrieg Trojanerkrieg Trojanerkrieg Trojanerkrieg

3 Erste Beobachtungen am überlieferungsgeschichtlichen Rohmaterial Bestsellerlisten für Texte aus dem Manuskriptzeitalter haben ihre methodischen Bedenklichkeiten – vor allem wenn es um Vergleiche eines Autors mit einem andern, einer Gattung mit einer andern geht  – immerhin erlauben Zahlen eine erste Orientierung und können zu einer kontextualisierenden Verknüpfung mit anderen Daten weiterführen; in diesem Sinne werden somit nachfolgend einige Zahlen genannt. Vorab eine Gesamtzahl: die diachrone Tabelle, die jeden Überlieferungsträger einmal aufführt, enthalte er nun ein oder mehrere Werke Konrads, handle es sich um ein Fragment

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oder einen vollständigen Textträger, zeigt 113 Einträge für das Mittelalter und die frühe Neuzeit. Mustert man die Tradierung der einzelnen Werke Konrads differenzierter, dann ergeben sich nach Häufigkeit – unter bzw. über 6 Textzeugen pro Werk – zwei große Gruppen. Elf der insgesamt 17 Werke bzw. Werkgruppen – Leichs, Sangverslyrik, Spruchdichtung je separat gezählt und deren Streuüberlieferung nicht mitgerechnet – liegen in weniger als sieben Handschriften vor; über dieser Grenze liegen: → Halbe Birne A mit 7 Zeugen, → Heinrich von Kempten und Kaiser Otto mit 8, → Der Welt Lohn mit 9 und das → Herzmaere mit 14; weit oben aus schwingen der → Trojanerkrieg (34 Zeugen) und die → Goldene Schmiede (40 Zeugen) – man beachte hierbei, dass der Neitensteiner Kodex für → Goldene Schmiede, → Herzmaere, → Heinrich von Kempten hier je mitgezählt wird, die 4 verstreuten Fragmente der gleichen Handschrift nur mit 1 zu Buche schlagen. Die arithmetisch zuspitzbare und damit simplifizierende Frage nach Streuung und Häufung von Handschriften im Ablauf der Zeit führt zu diesen Befunden: 17 Zeugen fürs 13. Jahrhundert, deren 55 für das 14., 37 aus dem 15. und 4 für die Frühe Neuzeit (16./17. Jahrhundert). Dass das weiter zurückliegende 14. Jahrhundert besser vertreten scheint, könnte durch einen Aspekt der Materialität mitverursacht sein: Die damals noch dominierende Pergamentüberlieferung hatte – wiewohl reduziert auf einzelne Blätter oder Streifen in Einbänden  – bessere Chancen uns zu erreichen als das im 15. Jahrhundert überhand nehmende Papier, das materiell nicht mehr verwertbar war, wenn sein Inhalt für Spätere Interesse und Reiz verloren hatte. Der Blick weg von den baren Zahlen auf Inhaltliches zeigt zum einen die Sonderstellung des → Engelhard-Romans: Dieser erreicht uns einzig als Flaschenpost in Form eines Drucks aus der Mitte des 16. Jahrhunderts. Paradox: Das auf Masse ausgerichtete typographische Medium ‚rettet‘ einen Text, der im Manuskriptzeitalter offenbar nicht genügend abschreibende Leser gewinnen konnte, um dem Untergang in Manuskriptform zu entgehen. Ein weiterer Blick zeigt, wofür unsere statistischen Exerzitien anhand einer Vorselektion gemäß dem Kriterium ‚echter‘ Autorschaft blind sein müssen: das Weiterleben des Autors Konrad in der sehr besonderen Gestalt als Tönemeister und – allerdings nicht prominentestes – Mitglied der ‚Zwölf alten Meister‘ im Kreis der weiterhin eine Manuskriptkultur pflegenden Meistersinger (vgl. Miedema 2002). – Hierher gehört auch eine Frage, die das vorliegende Material nicht beantworten kann: Inwieweit enthalten denn die gelisteten 113 Zeugen den Verweis auf den Autor Konrad? Forschungen über das Autorbild Konrads bei seinen mittelalterlichen Leser müssen da tiefer schürfen, auf die Ebene von Varianten-Apparaten im Bereich von Pro- und Epilogen, wo Autorselbstnennungen zu erscheinen pflegen (vgl. etwa den Fall von → Der Welt Lohn bei V. 271–274 bei Schröder 1924, 11, weiter den der → Halben Birne in Handschrift k, wo gegen die übrigen vier Zeugen eine Autornennung fehlt – zur Genugtuung einer viktorianisch-prüden Philologie – oder den des unikal tradierten namenlosen → Turnier von Nantheiz). Noch aufwendiger gestaltet sich eine solche Recherche im Fall der → Goldenen Schmiede, wo Konrads Name im Werkinnern (V. 120–121 und 890) steht. – Nicht übersehen werden darf schließlich der aus der Perspektive des neuzeitlichen Literaturbetriebs vielleicht bemerkenswerteste Befund, den Tabelle S. 357 zeigt: Kein mittelalterlicher Leser besaß eine ‚Gesamtausgabe‘



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der Werke Konrads, denn einen solchen Überlieferungstypus gab es nicht. Damit dürfte etwa das Wissen um Qualitäten des Autors, die heute rühmend oft besonders hervorgehoben werden, die quantitative Fülle und die gattungsmäßige Breite seiner Arbeiten, gefehlt haben. Vorbehalten bleibt allerdings der hier nicht weiter klärbare Sachverhalt, ob ein Leser möglicherweise über mehrere Handschriften mit Konrad-Werken verfügte. Ein umfassendes (aber noch keineswegs lückenloses) Bild des Autors entsteht erst mit Oberlins Diatribe von 1782 (vgl. zur Frage auch: Brandt 2009b, 67–72). Eine Sammlung des „ganzen Konrad“ zu besitzen erfordert übrigens auch heute erheblichen Aufwand und antiquarisches Glück – paradoxes Resultat von mehr als 200 Jahren Konrad-Philologie. Mehrfachüberlieferung von Werken innerhalb einer Handschrift liegt bei der → Lyrik und der Kurzepik vor. Wieweit namentlich bei letzterem Fall äußere Gründe vorliegen – drei Romane lassen sich in einer Handschrift eher mit Mühe unterbringen – oder wieweit hier so etwas wie ein mittelalterliches Gattungsbewusstsein zugrunde liegt, lässt sich nur schwer entscheiden. Von modernen Gattungsvorstellungen her jedenfalls fremdartig mutet die Verbindung des religiösen Marienlobs der → Goldenen Schmiede mit dem → Herzmaere oder gar der → Halben Birne an. Verbindet sich hier Interesse am Autor mit jenem an kurzen Reimpaartexten? Die Frage lässt sich kaum ohne genaue Analyse der Programmatik – wenn eine solche erkennbar ist! – der einzelnen Handschriften beantworten. Ein weiteres sehr allgemeines Raster gibt die Verteilung der Überlieferung in den sprachlich-kulturellen Teilräumen der Germania ab. – Die größte Reichweite ist für die → Goldene Schmiede zu belegen; diese wird zum einen unter Übersetzung ins Mittelniederländische zugleich formal und inhaltlich tiefgreifend überarbeitet (Moschall 1983). In ‚Originalform‘ wird das Werk anderseits auch im niederdeutschen Raum rezipiert; davon zeugen 4 Handschriften, zwei davon fragmentarisch, zwei vollständig. Zu verknüpfen wären diese Befunde nun mit sicheren oder vermutbaren Daten aus Konrads Vita: Gibt es erkennbare Zusammenhänge zwischen dem Abfassungsort eines Werkes (vorbaslerische Periode) und seiner handschriftlichen Verbreitung? Bei den → Legenden ließe sich im Hinblick auf den Kult von Silvester, Alexius, und Pantaleon die Tradierung beurteilen. Bei dem für Basel (Peter Schaler) geschriebenen → Partonopier und Meliur repräsentieren die zwei erhaltenen Textzeugen extreme Überlieferungsbefunde in mehrfacher Hinsicht: ein frühes, geringfügiges Fragment des späten 13.  Jahrhunderts aus dem alemannischen Raum gegen eine wohl vollständige Fassung des fragmentarischen Werks, mit 1471 nahe der zeitlichen Überlieferungsgrenze stehend, da tirolisch, geographisch weit entfernt, zudem durch die Verbindung mit der Melusine in einem klar programmatischen Zusammenhang stehend. Im Übrigen zeigt sich hier, wie ein Paratext, die Schreibernotiz am Werkbeginn mit Erwähnung von 1277 (auch sie in den Tabellen notgedrungen fehlend), die hermeneutische Kraft (Phantasie?) der Forschung in Bewegung setzen kann (Brandt 1987, 152; Dietl 2002). Im Fall des → Trojanerkriegs konnte Elisabeth Lienert zeigen, wie sich bei aller vorsichtigen Reserve gegenüber oft prämissenreichen sprachgeographischen Zuordnungen

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einer Handschrift – dem unvermeidbaren Ausgangspunkt einer „Literaturtopographie“ (Palmer und Schiewer 2003) – gewisse Muster abzeichnen (Lienert 1990, 376–379): etwa die lange ‚Vorlaufzeit‘ bis zur Werkrezeption im entfernten bairischen Raum oder das Fehlen von Gesamthandschriften ebendort gegenüber dem Fehlen von Werkauszügen in Weltchronik-Kompilationen am Alemannischen. – Dies festzustellen ist eines, diesen Befund plausibel zu erklären allerdings etwas anderes.

4 Blick auf Forschungsarbeiten zur Überlieferungsgeschichte Die spätestens seit 1987 doch üppig gewordene Sekundärliteratur zu Konrad zeigt wenig systematisch angelegte überlieferungsgeschichtliche Forschungen (vgl. Brandt 1999, 344–345, und 2009a, 300–302); dass dieser eingangs beschriebene Ansatz recht neu ist (der Sammelband Ruh 1985 liegt gerade zwei Jahre vor dem Konrad-Jubiläum), zudem vorab auf Prosawerke der Gebrauchsliteratur zielte, kann dieses Manko teilweise erklären. Freilich ist diese Fragestellung in wesentlichem Maße auch auf ein Materialcorpus von einer gewissen Mächtigkeit angewiesen. Und diese Vorbedingung ist bei mehr als der Hälfte der Werke nicht erfüllt. Im Fall des → Partonopier und Meliur wird die überlieferungsgeschichtliche „Mangelsituation“ durch ein knappes Fragment und durch die auf eine sehr pointierte Textselektion hinweisende Mittradierung in der Berliner Handschrift etwas gemildert. Doch beim → Engelhard, dem → Schwanritter, dem → Turnier und den → Legenden Silvester und Pantaleon verfügen wir sogar nur über unikale Überlieferung (das Lyrikcorpus einmal beiseite gelassen). Gattungsbedingt bieten deutschsprachige Legenden vielfach die Chance, in gewissem Sinne Überlieferungsgeschichte durch die Untersuchung der vorangehenden und begleitenden lateinischen Tradierung einzubringen. Im Fall des Silvester hat Herma Kliege-Biller (2000 und 2002) dies unternommen, während für den Pantaleon und den Alexius Vergleichbares noch fehlt (zur nachkonradschen deutschen Überlieferung des Alexius vgl. Palmer 1978 und Jefferis 1988/1989). Nicht übersehen darf man dabei freilich  – soll der methodische Wein nicht beliebig verwässert werden  –, dass zwar Konrads Silvester durch Einbezug der lateinischen Tradition im weiteren Sinn überlieferungsgeschichtlich verortet wird, dass damit jedoch der Erkenntnisfortschritt zur Überlieferungsgeschichte der Konrad-Legende selber gering bleibt. In der Arbeit Ute von Blohs wird die überlieferungsgeschichtliche Sonderstellung des → Engelhard – unikale Tradierung bei gleichzeitigem Medienwandel – einleitend energisch und mit Kritik an der Forschung in Erinnerung gerufen (1998, 317–318). In der Folge gelingt es allerdings kaum, die als Prämisse geltend gemachte Distanz zwischen dem originalen Konradschen Freundschaftsroman und seiner Bearbeitung im literarischen und sozialgeschichtlichen Horizont des 16. Jahrhunderts herauszuarbeiten. Man wird das der Autorin kaum zum Vorwurf machen, insofern ihr kulturanthropologischer



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Ansatz auf ein Phänomen der longue durée zielt, bei dem zwischen adligen Freundschaftskonzepten des 13. und solchen des 16.  Jahrhunderts für uns markante Unterschiede schwierig auszumachen wären – gäbe es denn überhaupt auch nur Textvarianz, an der solches festzumachen wäre! Denkbar wäre im Fall des → Engelhard wohl einzig noch eine Betrachtung der Holzschnitte im Horizont zeitgenössischer Buchillustration – eine eher spröde Aufgabe für die Kunsthistorie. Günstigste Voraussetzungen für überlieferungsgeschichtliche Fragestellungen bieten dagegen die → Goldene Schmiede und der → Trojanerkrieg; gewisse Möglichkeiten versprechen in zweiter Linie die Überlieferungscorpora der drei Verserzählungen (vgl. die Beobachtungen von Palmer und Schiewer 2003 zur dominikanischen Rezeption von → Der Welt Lohn); zu schärfen wäre hierzu wohl der Begriff der „Sammelhandschrift“ (Wolf 2016). Gleiches gilt für die im RSM-Band 4 (1994) aufgearbeitete Überlieferung der Sangsprüche sowie der echten und der im Rahmen einer eigenwilligen literarischen Ahnenverehrung nur zugeschriebenen Töne Konrads (Miedema 2009). Kurz vor und dann nach der Jahrhundertwende sind zur Überlieferungsgeschichte der → Goldenen Schmiede, des → Trojanerkriegs und des → Herzmaere einschlägige Arbeiten – von freilich verschiedenem Zuschnitt und Anspruch – erschienen; darüber ist abschließend knapp zu referieren.

Goldene Schmiede (Schröder, Bertau) Eine frühe Ausnahme von der oben erwähnten forschungsgeschichtlichen Regularität bildet der kleine Beitrag des greisen Edward Schröder, der 1939 nach jahrzehntelanger Beschäftigung mit Konradschen Werken bei Ungunst äußerer Umstände statt einer Neuausgabe der → Goldenen Schmiede aus seinem Material eine knappe „Buchgeschichte“ des Marienpreises konstruiert. Er kennt gegenüber den 19 Handschriften bei Wilhelm Grimm nunmehr deren 28, über die er durch Reprographien oder mindestens Kollation – wohl meist auf Grund von Autopsie – textkritisch verfügen kann. Dieses Material breitet der Aufsatz aber weder in Form eines Stemmas noch einer Lesartensammlung aus, wie es dem damals vorherrschenden methodischen Paradigma entsprochen hätte; vielmehr präsentiert Schröder es nach ‚überlieferungsgeschichtlichen‘ – ohne dass dieser Begriff fiele, Leitwort seines methodischen Programms in nuce ist vielmehr „Buchgeschichte“ – Gesichtspunkten: sicher datierte und bloß ungefähr datierbare Handschriften, älteste und jüngste Zeugen, Abschriften auf Pergament und solche auf Papier, geographische, institutionelle und soziale Herkunft. Beachtet und mindestens anhand ausgewählter Beispiele illustriert wird auch die Frage der Überlieferungssymbiosen. Manches an Schröders Ausführungen wirkt anekdotisch, ja disparat. Das ist zum Teil durch den begrenzten Raum der Darstellung, zum Teil durch die eingestandenermaßen mangelhafte Qualität der Faktenerhebung (1939, 170–171) bedingt. Die geringsten Erkenntnisse fallen hinsichtlich der inneren Gestalt der Überlieferungsvarianten bei

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den Vollhandschriften ab – gibt es Fassungen, Redaktionen, die sich mit weiteren Überlieferungsdaten verbinden lassen? Die Auflistung von Gesamtverszahlen besagt da noch wenig  – ein Problem, das auch übrigens die zwei kurzen Arbeiten von Bertau nicht angehen werden, während die umfangreiche Untersuchung von Knecht 1984 ganz im stemmatischen Denken und dem entsprechenden Jargon befangen bleibt. Dennoch verdient Schröders Arbeit als früher Beleg überlieferungsgeschichtlicher Betrachtung eines Handschriftencorpus jenseits der bloss stemmatischen ‚Ausschlachtung‘ von Varianten Beachtung; er formuliert den Wert seiner Betrachtungsweise einleitend so (1939, 164, vgl. auch 172): […] hab ich […] betont, daß die „Buchgeschichte“ der Goldenen Schmiede lehrreich sei, während man auf einen „Stammbaum“ der Handschriften verzichten möge und verzichten könne: in Anbetracht des uns aus mehr als 80000 Versen des Dichters vertrauten Stils und seiner bis zur Erstarrung geführten metrischen Grundsätze, welche über die Wahl der richtigen Lesart nur selten einen Zweifel aufkommen lassen. Die „Buchgeschichte“ beleuchtet vor allem den Literaturkreis und den Leserkreis, in den das Werk eingetreten ist und in dessen Wandlungen es sich weiterhin einfügt während der reichlich zwei Jahrhunderte, welche seine Überlieferung umspannt.

Bertaus Artikel (1999) setzt mit der Einsicht Schröders ein, ein Stemma sei wegen vieler Kreuzungen nicht herzustellen. Ins Positive gewendet kann dies die Frage nach den Gründen für solche aufwendigen Kreuzungsvorgänge provozieren – es mussten ja in den Skriptorien Vergleichshandschriften gefunden, beschafft und ausgewertet werden – Prozeduren, die zudem schon an sich für die auch sonst an der Überlieferungshäufigkeit ablesbare Beliebtheit des Werks sprechen. Ersichtlich weist die → Goldene Schmiede einen unfesten Text auf, ob sich dies nun im Verlauf einer Tradierung durch Rezipientengruppen mit unterschiedlichen Interessen oder allenfalls bereits durch divergierende Autorfassungen ergeben hat. Bertau widerspricht Schröders Annahme, das Werk sei als ursprünglich selbständiges Büchlein in Umlauf gesetzt worden – eine Gegenthese, die freilich mangels Präzisierung abstrakt bleibt. Mit der Vorstellung einer Tradierung in Sammlungskontexten trägt er mindestens dem uns noch vorliegenden Befund Rechnung und erhält zugleich einen Ansatzpunkt für sein weiteres Fragen: Für wen werden welche ‚Zutaten‘ mit der → Goldenen Schmiede beim Abschreiben verbunden? Eine erste Rezipientengruppe findet Bertau im Deutschen Orden, und zwar sowohl bei den Schwestern, also den weiblichen Angehörigen der Ordensritter, den Ehefrauen, Schwestern, Töchter, für die sich der Orden anstelle der abwesenden männlichen Familienvorstände zu kümmern hatte, wie auch bei den Laienbrüdern, die ja des Lateinischen meist nicht mächtig waren: beide Gruppen bedurften vulgärsprachlicher Erbauungsliteratur. In der Folge versucht Bertau die geographische Verbreitung von Handschriften der → Goldenen Schmiede mit Deutschordens-Niederlassungen zu vergleichen; ergänzend wird berücksichtigt, inwiefern einschlägige Handschriften noch weitere für den Deutschen Orden typische Texte enthalten. Freilich werden die in einer Karte veranschaulichten Ergebnisse auch gleich wieder relativiert: „Man […] wird sich überhaupt nicht allzusehr und allzu ausschließlich auf den Deutschen



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Orden selbst versteifen müssen. Es geht eher um laterale Deutschordens-Literatur“ (Bertau 1999, 118). Mit Überlegungen zu den in unterschiedlicher Anzahl und Ausformung vorliegenden Plusversen über Theophilus (nach V. 610) und zum Judenhütlein (nach V. 1418) setzt Bertau nach der Prüfung von Textgemeinschaften einen zweiten Hebel überlieferungsgeschichtlichen Fragens an. Befriedigung vermögen ihm freilich nach eigenem Bekunden die Resultate des Studiums solcher Sonderlesarten regionaler Handschriftengruppen kaum zu vermitteln (Bertau 1999, 122–123). Schröder vermutete unter Berufung auf eine Lobstrophe, der Straßburger Bischof Konrad von Lichtenberg, Förderer des Münsterbaus, sei auch Auftraggeber der → Gol­ denen Schmiede gewesen; ein explizites Zeugnis dafür ist freilich nicht beizubringen. Doch Bertau stößt bei seinen Überlegungen darauf, dass im Werk „von den nachbiblischen heiligen Frauen allein die Liebessünderinnen Magdalena und Afra eine herausragende Rolle spielen“. Und diese Beobachtung verknüpft er mit Feststellungen über die Verbreitung ihres Kultes in Basel und Umgebung (Thann, Freiburg im Breisgau). Das mag man durch den Einbezug von Fakten über den Reuerinnen-Konvent in Basel und anderswo zur Hypothese verdichten, Konrad habe „sein Gedicht den Reuerinnen … überlassen“ (Bertau 1999, 129). Die Tatsache, dass der Dichter seine Grablege in der Magdalenen-Kapelle des Münsters hatte, kann dies stützen. Hilfreich wäre diese Annahme Bertau zufolge auch zur Deutung weiterer Ordensbezüge in der Überlieferung – Franziskanerinnen und Dominikanerinnen – und ergänzend könnte bedacht werden, dass diese Konvente (wie bei den Deutschordenshäusern) ein Verteilnetz zur Weitergabe des Werks bildeten. Bertaus Aufsatz, der durch Fähigkeit zur Kombination unterschiedlicher, mit Vorliebe auch gerade außerliterarischer Fakten, durch gründliche Kenntnis der Materie und selbstkritische, skeptische Nachdenklichkeit eines erfahrenen Wissenschaftlers beim gleichzeitigen Fehlen klappernder Methodendiskurse bestechen kann, schließt mit einem Ignoramus: „Die Überlieferung der Goldenen Schmiede bleibt nach wie vor undurchsichtig und ein richtiger Stammbaum ist nicht herzustellen“ (Bertau 1999, 130).

Trojanerkrieg (Lienert) Bekanntlich hat Konrads umfangreichstes und am breitesten rezipiertes Werk, der → Tro­ janerkrieg, keinen sehr glücklichen Eingang in die moderne Editionsgeschichte gehabt. Seit 1858 lag von Kellers Ausgabe vor – ‚nackt‘: 596 Seiten Textabdruck, ohne die mindeste editorische Zutat, erst gut zwei Jahrzehnte später ergänzt durch die „Anmerkungen“ des fleißigen Karl Bartsch, der im Vorwort die Hoffnung ausdrückte, „nicht blos eine anhäufung von lesarten geliefert, sondern an zahlreichen stellen den text der ausgabe wirklich gebessert zu haben“. Der Werkumfang und die überlieferungsgegebene große Menge von Zeugen lähmten – zweifellos neben der Ungunst durch die äußeren Umstände eines schrecklichen 20. Jahrhunderts – den Willen, hier Abhilfe zu schaffen.

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1990 erscheint dann der umfangreiche Aufsatz von Elisabeth Lienert, der allerdings bereits durch seinen Kontext – einen Sammelband über die Trojaliteratur – deutlich machte, dass Überlieferungsgeschichte hier nicht eine Edition beabsichtigte. Lienert arbeitet akribisch die seit von Keller und Bartsch stark gewachsenen Kenntnisse über die handschriftliche Tradierung mit dem Ziel auf, „die Frage der Vermittlung des Wissens um Troja“ zu erforschen. – Das folgende Referat kann die reichen Ergebnisse dieser Arbeit nur in gröbsten Linien nachzeichnen (berücksichtigt ist dabei nur Lienert 1990a, nicht auch der am gleichen Ort gedruckte Aufsatz 1990b zu benachbarten Fragestellungen). Lienerts Corpus von 33 Zeugen – ein weiteres Fragment, jenes aus Brüssel, wurde erst 1995 (Beckers) bekannt gemacht  – lässt sich unschwer in die überlieferungsgeschichtlich relevanten Serien von Vollhandschriften (6) die mechanisch entstandenen Fragmente (10) und in zwei Gruppen inhaltlich konstituierter Teil-‚Ausgaben‘, die Auszüge in zwei verschiedenen Weltchroniken (3 und 13), und schließlich in den zweimal überlieferten Minnerede-Extrakt (V. 19661/19883 bis 20054) gliedern. Mit den zwei Typen von Auszügen sind bereits zentrale Interessebildungen der mittelalterlichen Leser fassbar: Konrads „Roman“ als möglicher Teil einer Weltgeschichte nach mittelalterlichem Verständnis einerseits und die Schilderung Helenas als Teil des Minnediskurses, wie er u.  a. in den Minnereden seinen Niederschlag gefunden hat, anderseits. Der Zahl von Zeugen entspricht die Weite der geographischen Verbreitung des Werks; dieses erreichte den gesamten hochdeutschen Raum, ein Zeuge gehört außerdem ins Niederrheinisch-Ripuarische (k/K). Gliedert man in die bekannten regionalen Areale des Oberdeutschen und des Mitteldeutschen, dann zeigt sich einmal eine charakteristische Verbindung zwischen bairisch geprägter Textüberlieferung des → Troja­ nerkriegs und seinem stückweisen Einbau in die Chronikwerke der Christherre-Chronik und der Weltchronik Heinrichs von München. Die sechs (im Fall von A/S nur mittelbar) noch erhaltenen Vollhandschriften gehören hingegen mehrheitlich ins Alemannische, einmal ist das Mitteldeutsche vertreten (e/N1). Insgesamt – bei Einbezug aller Überlieferungszustände und aller Bearbeitungsformen – konstatiert man mit 13 alemannischen und 16 bairischen Zeugen einen oberdeutschen Schwerpunkt (Lienert 1990, 377, 379); mitteldeutsch sind 3 (bzw. 4) Zeugen. Zeitlich reicht die Überlieferung des Gesamtwerks mit fünf Fragmenten noch ins 13. Jahrhundert zurück, also nahe an die Werkentstehung heran. Dabei dürfte Lau, aus einem Basler Einband des 16. Jahrhunderts abgelöst, dem Autor auch räumlich nahe stehen (wenngleich die md. Einschläge etwas irritieren). Ins 14. Jahrhundert gehören dann weitere vier fragmentarische Zeugen, einzig jener aus Paris (P) entstammt dem 15. Jahrhundert. Insgesamt lässt sich mit Lienert festhalten: „[es] bleibt die Beliebtheit von Konrads Text ungebrochen, solange die mittelalterliche Troja-Tradition überhaupt weitergeführt wird“ (1990a, 375). Den Medienumbruch freilich hat Konrads Werk nicht überlebt  – gewandelte Vorstellungen von Historizität und andere Gestaltungen des Stoffes dürften hier gewirkt haben.



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Mit Ausnahme der 1870 verbrannten, nur noch als moderne Abschrift vorhandenen Straßburger Handschrift (A/S) des 14. Jahrhunderts gehören die übrigen – es sind deren vier – Vollhandschriften ins 15. Jahrhundert; drei davon sind in der Werkstatt Diebold Laubers, eine vierte von unbekannter Hand illustriert – eine Qualität, die nicht immer zum Vorteil ausschlug, denn in e/N1 und b/Z sind starke Blattverluste wohl wegen der Entfernung von Bildseiten zu beklagen. Bezüglich der schwankenden Textbestände – Lienerts Aufsatz registriert die Minusverse – ist namentlich auf das Fehlen des Prologs in allen noch vorhandenen Zeugen hinzuweisen; unsere Kenntnis für diese zentrale Partie beruht mithin einzig auf der frühen Abschrift von A/S. Deutbar ist dieser Befund als Indiz für ein Interesse am Faktischen bei gleichzeitigem Desinteresse an Konrads kunsttheoretischen Erwägungen. Damit einher geht die Anonymisierung des Werks; der Autor nennt sich im Prolog (V. 266). Eine Autornennung außerhalb dieser Stelle (etwa in einer Überschrift) scheint es nicht gegeben zu haben; Konrads Werk ist somit für die mittelalterlichen Leser anonymisiert – eine ebenso triviale wie weitreichende Feststellung, die bei Lienert quasi nebenbei fällt (1990a, 402). Lienerts Ausführungen zur Textsoziologie anhand der Nennung von Schreibern, Auftraggebern und sonstigen Rezipienten füllen fast zehn Seiten (1990a, 379–389); sie sind hier nicht im Einzelnen zu referieren; resümierend kann man festhalten: Charakteristisch für die weltchronistischen Textzeugen ist – ablesbar an Ausstattung und Aufwand (Format) – ein „eher adeliger, ja hochadeliger Rezipientenkreis“; doch dürfte dies stärker durch den Kontext, die Weltchroniken, als durch die Konrad-Exzerpte bedingt sein. Für die Vollhandschriften des Gesamtwerks lässt sich kein so eindeutiger Befund formulieren: die einschlägigen Handschriften sind bescheidener angelegt, explizite Zeugnisse für ihre Besitzer oder Auftraggeber im Mittelalter sind nicht beizubringen; extrapolierende Rückschlüsse bei den Diebold-Lauber-Exemplaren bleiben denkbar (werden aber von Lienert nicht angestellt). Die Vollhandschriften enthalten alle die abrundende anonyme Fortsetzung zum fragmentarischen Konrad-Werk; man konstatiert somit das Interesse an der Summe. Der schiere Werkumfang dürfte die Möglichkeit von Mitüberlieferung bei diesem Typus an sich begrenzt haben; im Ausnahmefall von e/N1 findet man mit dem Herzog Ernst B und dem Rudolfschen Willehalm von Orlens dem → Trojanerkrieg erwartbarerweise ins Welthistorische und in die Ferne ausgreifende Texte beigesellt. Zu diesem Wunsch nach Vollständigkeit passt, dass Lücken durch Textstreichungen sich bei den drei Handschriften A/S, e/N1, a/Sg im knappen Rahmen der versehentlichen Weglassung einzelner Verse halten, breite Striche im Sinne einer Kürzung sind nicht festzustellen (abgesehen von der bereits erwähnten Tilgung des Prologs). Die drei Lauber-Handschriften zeigen hingegen eine gewisse Kürzungstendenz; die Auslassungen stimmen vielfach überein, sind also wohl durch die Verwandtschaft der drei Handschriften bedingt (vgl. die Zusammenstellung: Lienert 1990, 390–392). Bei den andern Überlieferungstypen (Weltchronistik, Minne-Rede-Typus) ist das Auswahl- (mithin: Weglassungs- und Kürzungs-)verhalten gegenüber dem Konradschen Original prinzipiell schon gegeben. Dabei zeigen die zahlreichen Weltchronik-Hand-

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schriften durchaus verschiedene Selektionsverfahren. Vergröbernd kann formuliert werden: „Rezipiert wird im einen Fall der ‚historiographische‘ Konrad, im andern der Meister der Rhetorik“ (Zusammenstellung 395–396). Abschließend sei festgehalten: die Überlieferung von Konrads umfangreichstem und ambitioniertestem Werk erlaubt durch ihre Fülle und Vielgestaltigkeit reiche Einblicke in die Überlieferungsgeschichte. Elisabeth Lienerts Arbeit hat durch stupenden Fleiß bei der Bewältigung dieses Stoffes und durch eine scharfsinnig ausgearbeitete Methodik diese Möglichkeiten genutzt.

Herzmaere (Dahm-Kruse, Kragl) Margit Dahm-Kruse legt 2017 zwei textgeschichtlich ausgerichtete Arbeiten zum → Herz­ maere vor (die eine davon in Zusammenarbeit mit Timo Reuvekamp-Felber); sie sind hier in Vorgehen und Ergebnissen kritisch zu referieren. Die von Dahm-Kruse allein verfasste Arbeit setzt bei zwei der insgesamt 14 Überlieferungszeugen des → Herzmaere an: bei der Wiener Handschrift 2885 (V bzw. w) und bei der sog. Liedersaalhandschrift (D bzw. w) – zwei Sammelhandschriften mit vielen erzählenden oder diskursiven kurzen Reimpaartexten; die Autorin nimmt sich die Betrachtung der beiden Handschriften getrennt vor, denn außer gewissen Überschneidungen in den Textbeständen verbindet diese Gemeinsames weder der räumlichen noch zeitlichen Herkunft. Beiden Untersuchungsgängen liegt folgende Prämisse der Autorin zu Grunde: Die Sammlungsumgebung hat zweifellos maßgeblichen Einfluss auf die Rezeption des Einzeltextes, gleichzeitig ist zu überlegen, ob sie auch schon seine Ausformung prägt, ob die individuellen Fassungen des Herzmaere nicht nur Bestandteil, sondern auch Ergebnis ihrer jeweiligen Textumgebung sind (Dahm-Kruse 2017, 195).

Nun ist die Version V des → Herzmaere mit 484 Versen die kürzeste unter den erhaltenen; diese Knappheit ergibt sich aus dem Ersatz des ausführlichen epilogischen Erzählerkommentars (Schröder 1924, V. 534–588) durch eine bloß 10 Verse umfassende Variante (Schröder 1924, Apparat zu V. 532). Auch im Binnenteil fehlen Stücke, so V. 200 bis 207, 248–258, 277–280, 502–509, 516–519, 528–529, 534–536; sie betreffen alle Aussagen über den außergewöhnlichen Charakter dieser Liebe. Eigene Wege geht sodann die Version V, wenn sie die Zurichtung des Herzens als Speise beschreibt; hier fällt namentlich auf, dass der Koch auf Befehl des Ehemannes das Gericht versalzen muss. Dass die Frau in der Folge dennoch bemerkt, etwas Süßeres habe sie nie gekostet, setzt eine Pointe, die der letzte Herausgeber, Edward Schröder, als „groteske geschmacklosigkeiten“ bezeichnete (1924, XX). Insgesamt nimmt die Version V also die Hochstilisierung der Liebe zurück; dazu passe  – so die Autorin  – auch die Akzentuierung der Rachemotivik im geänderten Schluss. In einem zweiten Schritt charakterisiert sie nun die durch Texte – Mären und



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Minnereden – geprägte Sammlung des Wiener Kodex. Dieser präsentiere das Thema Liebe als Gegenstand geselliger Unterhaltung, mehrfach dominiere ein ironischer und parodistischer Blick. Das habe nun auch Folgen für die Rezeption des → Herzmaere: Die wechselseitige Durchdringung von weltlichen und geistlichen Semantiken, die dem Herzmaere eigen ist, wird hier weniger akzentuiert ausgespielt, indem die Analogisierung von weltlicher Liebeshandlung und Passionsgeschehen nicht so stark in den Fokus tritt. Der Text integriert sich [ ... ] durch die narrative Komponente als Geschichte über verhinderte Liebe bzw. vereitelte Liebesvereinigung in den Kontext der Sammlung. (Dahm-Kruse 2017, 201)

Bei der zweiten Sammelhandschrift, dem Liedersaal-Kodex, setzt die Autorin, nachdem sie die Sammlungsinhalte (oder mindestens Teilbereiche davon) charakterisiert hat, beim lehrhaften Schluss der Erzählung an (V. 530–588). Schröder sah einzig in D den „echten alten schluss“ bewahrt (1924, XX) – die Autorin hält das „allein schon wegen der Singularität“ dieses Schlusses für eine fragwürdige Auffassung. Vielmehr passe die Lehrhaftigkeit dieses Epilogs gut zur „offensichtlichen Präferenz für redeartige und belehrende Texte“ der Liedersaalhandschrift – und zwar so gut, dass es „nicht abwegig [sei] den ausführlichen Epilog als eine gezielte Bearbeitung des prominenten Textes in Betracht zu ziehen“. Wie eingreifend diese Bearbeitung ausgefallen sein könnte, wird nicht erörtert. Freilich ist über eine solche Mutmaßung nicht hinauszukommen und diese fällt – um das Ergebnis kritisch zu beurteilen – umso leichter, als die Autorin zu übersehen scheint, dass bereits der Prolog, der Konrad nicht streitig gemacht wird, es auf lehrhafte Exemplarität des Erzählten anlegt – übrigens bei gleichzeitiger Betonung einer Froschperspektive im Werkschluss: Das Erzähler-Ich fühlt sich erklärtermaßen den Anforderungen solcher minne nicht gewachsen (V. 530–533). Generell vermittelt die Arbeit den Eindruck einer Diskrepanz zwischen dem Aufwand an Worten und an hermeneutischem Scharfsinn und den damit erzielten, quellenmäßig abgesicherten Resultaten. – Aufs Ganze gesehen wird kaum ein Weg an der umfassenden Aufarbeitung der Textvarianten des → Herzmaere vorbeiführen, wenn man jenseits eher punktueller und impressionistischer Deutungen zu einer fundierten überlieferungsgeschichtlichen Kenntnis dieses Werks (und der andern) gelangen will – soweit es das Material überhaupt zulässt. Ausgangspunkt der zweiten, gemeinsam mit Timo Reuvekamp-Felber erarbeiteten Untersuchung bildet zum einen die Beobachtung, dass in Mären vielfach eine Diskrepanz oder eine Spannung zwischen einer nuancenreichen Erzählung und dem moralisierenden Fazit eines monoperspektivischen diskursiven Epilogs besteht. Dazu kommt die Feststellung, dass sich in Sammlungen – seien es nun von einem Autor gesamthaft konzipierte Zyklen, wie sie etwa das Decamerone in der Romania repräsentiert, seien es die Kollektionen meist anonymer Sammelhandschriften, mit denen es die germanistische Forschung zu tun hat – ähnliche hermeneutische Bezüge zwischen einem Einzelnen und einem Gesamten ergeben können. Unterstellt wird in einem methodischen

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Zusatzschritt die Möglichkeit, dass solche Bezüge nicht erst Leseweisen beeinflussen, sondern auch die redaktionelle Zurichtung von Texten durch einen Schreiber veranlassen können. Angewendet werden solche Prämissen auf zwei Sammlungen mit Konrad-Texten, die Handschrift cgm 714 (N / m) und den cpg 341 (P / H); insofern die Arbeit im Heidelberger Kodex nicht das (dort auch überlieferte) → Herzmaere, sondern andere Mären beobachtet, ist hier einzig über die Untersuchung anhand des cgm 714 zu berichten (und auch nur insoweit, als die Konradsche Erzählung im Zentrum steht). Nach der Textkonstitution Edward Schröders bietet der cgm 714 (sein N) neben D als einziger der Textzeugen den „echten alten schluss“, allerdings nur „arg verstümmelt“ (1924, XX). Sein Apparat lässt mit der Verzeichnung von Minus-Versen bei N ungefähr nachvollziehen, was der meist ebenso lakonisch wie entschieden urteilende Schröder mit dem zitierten Verdikt meinte. Zudem hat N für die V.  582–588 nicht eine Lücke, sondern eine Alternativversion gegenüber D, die Schröder als „reimerei“ in seinen Apparat verbannt. Sie entsprechen im Wortlaut weitgehend den Schlussversen des Willehalm von Orlens (der freilich nicht im cgm 714 tradiert ist). Im Kontext des → Herzmaere wirken die Verse wenig kohärent. Das  – so die Autoren – ändere sich freilich beim Blick auf die nähere Umgebung: Die Passage stellt eine Analogie zu den ersten beiden Texten der Gruppe [gemeint: Der Schüler von Paris C und Der Minne Kraft] her, denn hier ändern die Figuren auf Grund der Ratschläge anderer ihr Leben. Und die Fassung C des Schüler von Paris formuliert […] im Prolog den Rat, sich vor zu großer Liebe in acht zu nehmen. Die in der Einzellektüre unmotiviert wirkende Rede vom guten Rat erscheint in diesen Rückbezügen in einem ganz anderen Kontext – sie verklammert nicht nur die einzelnen Texte miteinander, sondern eröffnet auch eine spezifische Rezeption des Herzmaere und der Frauentreue. (Dahm-Kruse und Reuvekamp-Felber 2017, 29–30)

Diese „spezifische Rezeption“ läuft darauf hinaus – um es mit eigenen Worten kurz zu sagen –, dass die in unmittelbarer Nähe zum → Herzmaere überlieferten Texte (außer den bereits genannten, handelt es sich noch um: Der Württemberger und Der Ritter in der Kapelle), vor allzu großer weltlicher Liebe warnen und auf die Möglichkeit der Sündenvergebung und auf die Sicherheit des ewigen Lebens hinweisen. Dies problematisiert die nicht zuletzt mit christlicher Symbolik bewerkstelligte Hochstilisierung erotischer Liebe im → Herzmaere. Und dies stellt im Übrigen auch ein passendes Rezeptionsmuster der folgenden unikal im Cgm 714 überlieferten Minnereden dar. Anders als der erstreferierte Beitrag setzt diese Arbeit für das → Herzmaere kaum beim Bestand und Wortlaut einzelner Verse an, sondern fasst die Erzählung als blockhaftes Ganzes, dessen aufs Rudimentärste reduzierter Sinn sich ohne große hermeneutische Mühen mit einer ebenso pauschal erfassten Deutung mitüberlieferter Dritttexte verbinden lässt. Der Ertrag fällt somit eher auf Seiten der Analyse des cgm 714 als beim → Herzmaere an. Dessen Schlussverse – denen in der Argumentation des Beitrags ein nicht unerhebliches Gewicht zukommt – bieten in diesem spezifischen Wortlaut übrigens ein bereits auf grammatischer Ebene einsetzendes Verständnisproblem. Bedauer-



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lich (dies nebenbei), dass der Beitrag, obwohl keineswegs um Kürze ringend, es versäumt, in redlicher Textanalyse den Sinn (oder Unsinn) dieser „elenden reimerei“ zu ergründen. Ob Schröder doch Recht hatte? Kragls Aufsatz (2016) setzt sich zum Ziel, das Paratext-Konzept von Gérard Genette für die mittelalterliche Schrift-Überlieferung nutzbar zu machen. Dazu werden zunächst die Grundlinien Genettes dargestellt und kritisch kommentiert (Kragl 2016, 390–397); ein Referat über die Rezeption des Theoriekonzepts in der Germanistik läuft mit, selektiv für die neuere Literatur, mit Vollständigkeitsanspruch für die Überlieferung der Manuskriptzeit. Unvermeidlich zeichnet sich rasch ab, dass Genettes Ansatz an der Buchkultur des 19. und 20. Jahrhunderts gewonnen und für Bücher dieser Zeit geeignet ist, dass ferner seit dem 16. Jahrhundert sich beobachten lässt, wie die Möglichkeiten der technischen Innovation beim Büchermachen auch zur Bildung einer reichen Skala von Paratexten führen. Bei der Betrachtung vortypographischer Bücher springt deren starke Andersartigkeit unmittelbar in die Augen. Grundlegende Studien darüber vermisst der Autor, höchstens einige Arbeiten mit punktuellen Bezügen auf Genette ließen sich finden (Kragl 2016, Anm. 25 – die Liste ließe sich freilich durchaus verlängern). Damit ist die Richtung des Weiteren gefunden: „die Suche nach Paratexten in mittelalterlichen […] Handschriften […] Genettes Konzept dient mir dabei als Kontrastfolie, um diese Form gleichsam alteritärer Paratexte in ihrer prägnanten Andersheit greifbar zu machen“ (Kragl 2016, 397). Gleich im Anschluss daran erfolgt eine Weichenstellung, die den Aufsatz strukturieren wird: die Distinktion zwischen ‚sichtbaren‘ Paratexten (d.  h. jenen, von denen Genette handelt) und den ‚unsichtbaren‘ – so wenigstens will der Autor sie nennen. Gemeint sind „[die] Funktionen, die Paratexte in modernen Büchern erfüllen: [die] diversen Verlockungen und Verführungen, denen sich ein Leser bei der Lektüre eines ganz bestimmten Buches ausgesetzt sieht.“ Als Corpus dienen die zehn vollständigen Überlieferungsträger des → Herzmaere (die zwei Fragmente ebenso wie die Hs. H entfallen plausiblerweise); eine Begründung für die Wahl gerade dieses Werks erfolgt nicht. – Am Ende der Lektüre wird man möglicherweise den Grund darin vermuten, dass die Überlieferungssituation im Zusammenspiel mit der editorischen Lage bei dieser Erzählung – weiterhin ist die einer ungeeigneten Editionsdoktrin verpflichtete, mittlerweile fast hundertjährige Edition von Schröder nicht zureichend ersetzt – erst Kragls Exerzitium ermöglicht. Beim Durchgang durch die Handschriften liegt dann das Augenmerk auf Verfahren zur Rahmung, während andere Paratexte (Paginierung, Kustoden, Schrift, Buchschmuck, Besitzer- und Lesereinträge) unberücksichtigt bleiben (Kragl 2016, 399). Die meisten Beobachtungen sind wenig spektakulär; als „ungleich aufsehenerregender“ wertet der Autor dann freilich die Befunde beim Hätzlerschen Liederbuch (Kragl 2016, 406–412). Es sind namentlich die – der Forschung schon bis anhin nicht unbekannten – vielfach das Geschlechterverhältnis betreffenden Kürzesttexte (oder eben, wenn man will, Paratexte) am Beginn der Handschrift. So steht denn am Ende des Abschnitts II als Ergebnis im Großen und Ganzen fest, dass „die Ausbeute an ‚sichtbaren‘ Paratexten […] recht gering bleibt“ (Kragl 2016, 416).

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Auftakt zu Abschnitt III über die „unsichtbaren Paratexte der → Herzmaere-Überlieferung“ bildet die Frage „Weshalb wird ein Text wie das → Herzmaere, das die Handschriften entweder anonym oder, seltener als Text Gottfrieds von Straßburg verbuchen, in der Literaturgeschichte Konrad von Würzburg zugeschlagen?“ (Kragl 2016, 418). Freilich fällt die mit einer anscheinend so grundstürzenden Frage aufgebaute Spannung schon auf der nächsten Seite und macht der Bemerkung Raum, dass die bereits bei einer ersten Lektüre offensichtliche überlieferungsgeschichtliche Wirrnis in der Epilog-Überlieferung hinsichtlich Versbestand, Textsinn und Autornennung „nicht in der nötigen Deutlichkeit wahrgenommen“ werde (Kragl 2016, 419). Damit ist der Tenor der folgenden gut neun Seiten gesetzt. Es wird die bislang mit Methoden der klassischen Textkritik traktierte Problematik einer stark divergierenden Epilog-Überlieferung beim → Herzmaere unter der Rubrik „unsichtbarer Paratext“ ausgiebig erörtert. Da „Paratext“ offenbar nicht eindeutig definiert ist, erscheint es denn möglich, einen Epilog über einige seiner Funktionen (Autorsignatur, Markierung des Werkendes, „hermeneutische Vorreiterrolle“ vgl. Kragl 2016, 424) als ‚unsichtbaren‘ Paratext einzuordnen. Der Titel von Abschnitt IV „Was also ist ein mittelalterlicher Paratext“ scheint nach den Wirrnissen dieses hinsichtlich der „unsichtbaren Paratexte“ in der Märenüberlieferung „durch und durch singulär[en Falls]“ (Kragl 2016, 428) Klärung zu bringen. Tatsächlich: Die mittelalterliche Manuskriptüberlieferung kennt Paratexte, wie Genette sie versteht, höchstens in Ansätzen. „Sowohl die Informationsdichte als auch die funktionale Bandbreite des mittelalterlichen Paratexts fällt dann gegenüber dem modernen deutlich ab“ (Kragl 2016, 429–430). Man mag dann doch nochmals die Idee eines „unsichtbaren“ Paratextes ins Spiel bringen, wie der Autor es an dieser Stelle tut. Ob damit dem Bedürfnis nach einer klaren Terminologie, die es erst erlauben würde, die mittelalterlichen Verhältnisse in größerem Maßstab, als Kragl das hier kann, zu klären, gedient ist? Genette bezog sich mit seinem Ansatz auf sichtbare Phänomene im sichtbaren Buch; und sie üben gewiss abstrakt-unsichtbare Funktionen aus. Daneben weisen Texte in modernen Büchern nichtparatextuelle Teile, Elemente, auf, die dem hier von Kragl untersuchten Epilog ganz vergleichbare Funktionen zeigen. Damit fällt auch das hier eingeforderte Merkmal der mittelalterlichen Alterität dahin. Kragl verfolgt anscheinend das Ziel, ein Schaustück methodischer Argutia zu liefern. Nötig wäre freilich im Anschluss an die nicht fernliegende Einsicht, dass in vortypographischen Büchern Paratexte in andersartiger Weise bereits existieren, eher eine breit angelegte, Knochenarbeit nicht scheuende Auslegeordnung solcher Phänomene in Erscheinungsweise und Funktionen. Bei Konrads → Trojanerkrieg böte sich durch die breite, vielgestaltige Überlieferung ebenso wie angesichts der Überlegung, dass solche Großepik ja eigentlich paratextueller Handreichungen für den Leser dringend bedarf, wohl ein guter Ansatzpunkt für die Wiederholung von Kragls Ausgangsfrage.



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Steer, Georg, „Gebrauchsfunktionale Text- und Überlieferungsanalyse“. Überlieferungsgeschichtliche Prosaforschung. Beiträge der Würzburger Forschergruppe zur Methode und Auswertung. Hg. Kurt Ruh. Tübingen: Niemeyer, 1985, 5–36. VD 16] Verzeichnis der im deutschen Sprachbereich erschienenen Drucke des 16. Jahrhunderts. https:// opacplus.bibbvb.de/TouchPoint_touchpoint/start.do?SearchProfile=Altbestand&SearchType=2 Williams-Krapp, Werner, „Die überlieferungsgeschichtliche Methode. Rückblick und Ausblick“. Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur 25 (2000): 1–21. Wolf, Jürgen, „Sammelhandschrift – mehr als die Summe der Einzelteile“. Überlieferungsgeschichte transdisziplinär. Neue Perspektiven auf ein germanistisches Forschungsparadigma. Hg. Dorothea Klein. Wiesbaden: Reichert, 2016, 69–81.

Anhang

Handschriftenverzeichnis A Alba Julia/Karlsburg, Bibl. Bátthyáneum, Cod. R II 104 (Kat.-Nr. 263) 119, 120, 342, 359, 364 Augsburg, UB, Cod. II.1.2° 10 (Augsburger Cantiones-Sammlung) 62 B Basel, UB, Cod. B XI 8 (Basler Liederhandschrift) 62, 88, 340, 358, 363 Basel, UB, Cod. N I 6, 50 (Basler Rolle) 62, 88, 340, 358, 363 Basel, UB, Cod. O IV 28 (Meisterliederhandschrift b) 64 Berlin, SB, mgf 1 69, 353, 360, 367 Berlin, SB, mgf 20 88, 341, 360, 364 Berlin, SB, mgf 488 188, 191, 348, 361, 366 Berlin, SB, mgf 668 358, 363 Berlin, SB, mgf 737 164–165, 169, 347, 358, 365 Berlin, SB, mgf 923,14 354, 358, 366 Berlin, SB, mgf 1064 52, 284, 352, 361, 366 Berlin, SB, mgf 1107 355, 360, 367 Berlin, SB, mgf 1416 355, 360, 367 Berlin, SB, mgq 188 51, 139, 158, 346, 360, 365 Berlin, SB, mgq 414 (Meisterliederhandschrift q) 12, 64, 65 Berlin, SB, mgq 668 354 Bern, Burgerbibliothek, Cod. 113 60, 288 Bern, Burgerbibliothek, Cod. 260 (Berner Hausbuch) 88, 339, 359, 363 Bremen, SUB, msa 0030-02 119, 120, 342, 359, 362 Breslau/Wrocław, Stadtarchiv, o. Sign. (verschollen) 118, 342, 358, 362 Breslau/Wrocław, UB, Cod. R 482 344, 359, 363 Brüssel, Königl. Bibl., ms. IV 950,11 354, 358, 366, 374 Brüssel, Königl. Bibl., ms. 21953 118, 119, 344, 361, 362 D Darmstadt, ULB, Hs. 1869 342, 359, 362 Den Haag, Königl. Bibl., Cod. 71 H 64 118, 119, 342, 344, 361, 362 Düsseldorf, ULB, Ms. Fragm. K 20:Z 15/6 342, 359, 362 E Engelberg, Stiftsbibl., Cod. 240 (Früher: Benediktinerinnenstift St. Andreas in Sarnen, Cod. 2) 50, 139, 146, 346, 361, 365 F Frankfurt a. M., UB, Ms. germ. oct. 7 342, 358, 364 Frankfurt a. M., UB, Ms. germ. qu. 2 58, 246, 347, 359, 363 Freiburg, UB, Hs. 10 (Anniversarbuch des Freiburger Dominikanerklosters) 6, 73 G Genf, Bibl. Bodmeriana, Cod. Bodm. 72 (Kalocsaer Handschrift) 55, 57, 119, 165, 166, 169, 216, 217, 230, 342, 347, 348, 350, 357, 359, 362, 363 Gotha, FB, Cod. Chart. A 3 355, 360, 367 Gotha, FB, Cod. Chart A 216 166, 347, 359, 365 https://doi.org/10.1515/9783110373561-018

388 

 Anhang

Gotha, FB, Cod. Chart. B 271 120, 344, 360, 364 Gotha, FB, Cod. Memb. II 38 119, 120, 342, 359, 364 Göttingen, NsSUB, 4° Cod. Ms. philol. 183x:2 342, 359, 362 Göttingen, NsSUB, 4° Cod. Ms. philol. 184:VI 343, 358, 364 Göttweig, Stiftsbibliothek, o. Sign. (verschollen) 347 H Halle (Saale), ULB, Misc. 4o 126 354, 358, 366 Hamburg, SUB, Cod. 193 in scrinio 118, 344, 359, 362 Heidelberg, UB, cpg 4 54 Heidelberg, UB, cpg 341 (Heidelberger Kodex C) 54, 55, 57, 119, 165, 166, 188, 189, 191, 192, 216, 217, 230, 343, 347, 348, 350, 357, 359, 362, 363, 378 Heidelberg, UB, cpg 350 61 Heidelberg, UB, cpg 356 118, 119, 344, 361, 364 Heidelberg, UB, cpg 378 118, 119, 345, 361, 364 Heidelberg, UB, cpg 392 (Meisterliederhandschrift h) 64, 65 Heidelberg, UB, cpg 395 216, 217, 350, 359, 363 Heidelberg, UB, cpg 680 (Meisterliederhandschrift p) 64, 65 Heidelberg, UB, cpg 848 (Große Heidelberger Liederhandschrift) 4, 12, 60, 88, 89, 90, 93, 95, 96, 99, 339, 340, 357, 358, 363 Herzogenburg, Stiftsbibl., Cod. 92 347 I Innsbruck, Landesmuseum Ferdinandeum, Cod. FB 32001 (früher Cod. 16.0.9) 12, 188, 189, 191, 216, 217, 230, 349, 350, 351, 357, 361, 365, 366 Innsbruck, Landesmuseum Ferdinandeum, Cod. FB 32034 50, 139, 346, 360, 365 Innsbruck, ULB, Frgm. B 2 343, 358, 364 J Jena, ULB, Ms. El. f. 101 (Jenaer Liederhandschrift) 61, 88, 89, 95, 340, 359, 362 K Karlsruhe, LB, Codex Donaueschingen 104 (Liedersaalhandschrift) 58, 68, 167, 168, 169, 188, 189, 191, 193, 347, 349, 351, 357, 360, 365, 366, 376, 377 Karlsruhe, LB, Codex Donaueschingen 112 118, 120, 345, 360, 364 Karlsruhe, LB, Codex Donaueschingen A III 12 120, 343, 359, 364 Karlsruhe, LB, Cod. K 408 (Karlsruher Kodex) 167–168, 169, 209, 212, 348, 351, 357, 360, 365, 366 Karlsruhe, LB, Cod. St. Georgen 86 50 Kassel, UB LMB, 2° Ms. poet. et roman. 38 343, 358, 362 Klagenfurt, Landesarchiv, Cod. GV 5/23-1 355, 360, 367 Klagenfurt, UB, Perg.-Hs. 54 54 Koblenz, Landeshauptarchiv, Best. 49 A 7196 118, 343, 362 Köln, Hist. Archiv der Stadt, Best. 7020 (W*) 3 355, 360, 363 Königsberg, SUB, Hs. 2914 (verschollen) 118, 343, 359, 362 Kopenhagen, Königl. Bibl., Fragm. 3226–3229 118, 343 L Laufenburg (Schweiz), Museum Schiff, ohne Sign. 354, 358, 366 Leipzig, UB, Ms. Apel 8 (Bechsteinsche Liederhandschrift) 188, 191, 348, 349, 361, 365

Handschriftenverzeichnis 

 389

Leipzig, UB, Rep. II 70a (Niederrheinische Liederhandschrift) 60, 88, 339, 340, 358, 362 Leutkirch, Fürstl. Waldburg zu Zeil und Trauchburgisches Gesamtarchiv (auf Schloss Zeil), ZAMs 37 69, 353, 367 Liegnitz/Legnica, Kirchenbibl. St. Peter und Paul, Ek. 4 (verschollen) 354, 358, 366 Lille, BMun, Ms. 130 266 Linz, OöLB, Cod. 472 355, 358, 366 London, British Library, Ms. Add. 28752 137 London, British Museum, Ms. Arundel 406 171 London, Senate House Library, Closs/Priebsch Family Papers, Closs Box 67/ii (früher: London, Institute of Germanic Studies, MS Germ. 5) 55, 216, 350, 360, 366 M München, SB, Anc. 4 Doceniana c) Nr. 50 118, 120, 345, 361, 364 München, SB, cgm 6 180 München, SB, cgm 16 164, 169, 347, 348, 358, 365 München, SB, cgm 351 (Meisterliederhandschrift m) 64 München, SB, cgm 531 180 München, SB, cgm 574 345, 359, 364 München, SB, cgm 714 58, 188, 189, 191, 201, 349, 355, 357, 360, 365, 367, 378 München, SB, cgm 1019 (Meisterliederhandschrift y) 64 München, SB, cgm 1020 64 München, SB, cgm 4997 (Colmarer Liederhandschrift) 12, 62, 63, 67, 88, 89, 90, 96, 181, 251, 341, 361, 362 München, SB, cgm 5153c 354, 358, 366 München, SB, cgm 5198 (Meisterliederhandschrift w/Wiltener Meisterliederhandschrift) 64, 71, 88, 89, 341, 361, 364 München, SB, cgm 5249/39 343, 358, 364 München, SB, cgm 5919 65 München, SB, cgm 7330 (cim 314) 356, 360, 367 München, SB, cgm 7364 356, 360, 367 München, SB, cgm 7377 356, 360, 367 München, SB, cgm 9489 118, 120, 121, 345, 360, 364 München, SB, clm 9516 147 München, SB, clm 11007 62 München, SB, clm 18546 147 München, SB, clm 27329 62, 88, 341, 358, 362 München, UB, o. Sign. (angeblich verbrannt) 118, 343 München, UB, 2° Cod. ms. 672 118, 345, 360, 364 München, UB, 2° Cod. ms. 731 (Cim. 4) (Hausbuch des Michael de Leone) 3, 6, 13, 58, 59, 73, 75, 108, 113, 119, 167, 235, 341, 343, 346, 357, 359, 364, 365 Münster, Staatsarchiv, Msc. VII 2d Nr. 29 119, 343, 359, 362 N Neidenstein, Privatbesitz, Wolfgang Christoph Freiherr von Velderndorf zum Neidenstein (verschollen) 118, 345, 350, 351, 357, 364, 365, 366 Nürnberg, GNM, Bibliothek, Hs. 998 353, 360, 363 Nürnberg, GNM, Bibliothek, Hs. 42531 57, 167, 168, 208, 348, 351, 357, 359, 365, 366 Nürnberg, GMN, Bibliothek, Hs. 42575 201, 349, 358, 359, 365 Nürnberg, GNM, Bibliothek, Hs. 42576 354, 358, 366 Nürnberg, StB, Cod. Cent. VI 85 118, 120, 345, 360, 364 Nürnberg, StB, Solg. Ms. 56.1/2° 64

390 

 Anhang

P Paris, BnF, Dep. Bibl. de l’Arsenal Ms. 2986 288 Paris, BnF, Ms. allem. 118i 354, 360, 367, 374 Pommersfelden, Gräfl. Schönbornsche Schlossbibl., Cod. 54 (2798) 208, 352, 359, 363 Prag, Karls-Univ., o. Sign. 119, 343, 359, 362 Prag, Nationalmuseum, Cod. X A 12 (Liederbuch der Clara Hätzlerin) 188, 191, 199, 348, 349, 361, 365, 379 R Regensburg, Bischöfl. Zentralbibl., Fragm. I.5.7 344, 360, 363 S Salzburg, Stiftsbibl. St. Peter, Cod. a XII 25, Fragm. 29 344, 358, 362 Schloss Schönstein (bei Wissen/Sieg), Fürstl. Hatzfeldt-Wildenburgisches Archiv, Nr. 7693.8866 57, 349, 358, 363 Sterzing, Stadtarchiv, o. Sign. (Sterzinger Miszellaneenhandschrift) 62 St. Gallen, Stiftsbibl., Cod. 617 353, 361, 367 Straßburg, StB, Cod. A 90 (verbrannt) 307, 308, 314, 326, 353, 358, 366, 375 Straßburg, StB, Cod. A 94 (verbrannt) 57, 167, 188, 189, 191, 194, 209, 212, 349, 352, 357, 359, 365, 366 Straßburg, StB, Cod. A 100 (verbrannt) 50, 138, 346, 358, 365 Straßburg, StB, Cod. 314 138 T Tours, BMun, Ms. 939 288 Trier, StB, Hs. 1032/1943 8o (Meisterliederhandschrift t) 64 Trier, StB, Ms. 1990/17 8o 49, 138, 346, 358, 363 W Weimar, HAB, Cod. Quart 564 (Weimarer Liederhandschrift) 88, 341, 361, 364 Wien, ÖNB, Cod. 2677 119, 165, 166, 344, 348, 357, 359, 364, 365 Wien, ÖNB, Cod. 2690 69, 365, 359, 366 Wien, ÖNB, Cod. 2768 356, 360, 367 Wien, ÖNB, Cod. 2875 345, 360, 364 Wien, ÖNB, Cod. 2884 139, 346, 359, 365 Wien, ÖNB, Cod. 2885 (Wiener Maerenhandschrift) 12, 118, 188, 191, 212, 216, 217, 230, 345, 350, 352, 357, 360, 364, 365, 366, 376 Wien, ÖNB, Cod. 2947 118, 345, 361, 364 Wien, ÖNB, Cod. 3060 355, 356, 360, 367 Wien, ÖNB, Cod. 4099 70 Wien, ÖNB Cod. 10100a 55, 57, 216, 345, 350, 351, 357, 361, 366 Wien, ÖNB, Cod. 12470 356, 361, 367 Wien, ÖNB, Cod. 13704 356, 361, 367 Wien, ÖNB, Cod. 15336 348 Wien, ÖNB, Cod. Ser. nova 2593 350, 361, 366 Wien, ÖNB, Cod. Ser. nova 2642 355, 356, 361, 367 Wien, ÖNB, Cod. Ser. nova 9470 356, 360, 366 Wolfenbüttel, HAB, Cod. Guelf. 1.5.2. Aug. fol. 357, 359, 367 Wolfenbüttel, HAB, Cod. 326 Novissimi 8 354, 358, 363 Würzburg, UB, M. ch. f. 24 69, 354, 360, 367

Handschriftenverzeichnis 

Z Zürich, ZB, A 131 180 Zürich, ZB, Ms. C 58 60 Zürich, ZB, Ms. C 184, Nr. XXVI 53, 284, 352, 358, 366 Zürich, ZB, Ms. C 184, Nr. XXVII 53, 284, 352, 358, 366

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Abkürzungsverzeichnis BMun Bibliothèque municipale BNF Bibliothèque nationale de France BNU Bibliothèque nationale et universitaire FB Forschungsbibliothek GNM Germanisches Nationalmuseum HAB Herzog August Bibliothek LB Landesbibliothek LDM Lyrik des deutschen Mittelalters. Hg. Manuel Braun, Sonja Glauch und Florian Kragl. http://www. ldm-digital.de NsSUB Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek ÖLB Österreichische Landesbibliothek OöLB Oberösterreichische Landesbibliothek ÖNB Österreichische Nationalbibliothek RSM Brunner, Horst, und Burghart Wachinger (Hg.), Repertorium der Sangsprüche und Meisterlieder des 12. bis 18. Jahrhunderts. Tübingen: Niemeyer, 1994–2009 SB Staatsbibliothek StB Stadtbibliothek SUB Staats- und Universitätsbibliothek UB Universitätsbibliothek ULB Universitäts- und Landesbibliothek VD16 Verzeichnis der im deutschen Sprachbereich erschienenen Drucke des 16. Jahrhunderts. https:// opacplus.bib-bvb.de/TouchPoint_touchpoint/start.do?SearchProfile=Altbestand&SearchType=2 ZB Zentralbibliothek

https://doi.org/10.1515/9783110373561-019

Personen- und Werkregister Im Personen- und Werkindex werden reale Personen und Werke der Antike, des Mittelalters und der Frühen Neuzeit aufgeführt. Actus Silvestri 144–146, 158 Aelred von Rievaulx – De spirituali amicitia 272, 277 Agnes, Tochter Konrads von Würzburg 4 Albertus Magnus 9, 127, 276 – Mariale super ‚Missus est‘ 127 Albrant de Sontra, Johann 355 Albrecht – Jüngerer Titurel 250, 251, 252 Albrecht, Graf von Hohenberg 59 Alexander, Der wilde 60, 101 Alexiuslegende 7, 18, 19, 49–51, 137–163, 346, 358, 360, 361, 365, 369, 370 Ami et Amile 272 Amicus und Amelius 54, 265, 266, 268, 271, 272, 273 Annales Colmarienses → Colmarer Dominikanerchronist Apuleius – Amor und Psyche 258, 289 Äsop – Vom Esel und dem Hündlein 98 Ave Maria 61, 64, 67

Buch von Troja II 70 Burkhart von Würzburg, Priester 6 Bussard, Der 53, 55, 350

Basler Trojanerkrieg → Trojanerkrieg, Basler Beheim, Michel 56, 171, 180 – Meisterlieder 56, 180 Benedict von Watt 66 Benoît de Sainte-Maure – Roman de Troie 306, 308, 309, 310, 311, 313, 314, 324 Beowulf 223 Berchta, Ehefrau Konrads von Würzburg 4, 5 Berry, Duc de – Très Riches Heures 209 Bernardus Silvestris – Cosmographia 115 Bernhard von Clairvaux 276 Berthold von Regensburg 166, 223 344, 348 – Predigten 223, 344, 348 – Von den Zeichen der Messe 166 Berthold von Tiersberg, Straßburger Dompropst  5, 218, 221, 222 Birk, Johannes – Kemptener Klosterchronik 219 Bligger von Steinach 27 Bremberger, Das Lied vom 190 Brun von Schönebeck – Hohes Lied 344 Boccaccio, Giovanni – Il Decamerone 190, 210, 377 Boppe 71, 72 Buch von Troja I 70

Damen, Hermann 71, 100 Dares Phrygius – De excidio Troiae historia 306, 308, 313, 314, 319, 320 De rebus Alsaticis ineuntis saeculi XIII → Colmarer Dominikanerchronist Deisinger, Hans 66 Dictys Cretensis – Ephemeris belli Troiani 306 Dietrich an dem Orte, Basler Domkantor 7, 8, 308, 318 Dietrich von der Glesse – Der Borte (Der Gürtel) 54, 166, 218 Dorotheenlegende 51, 137

https://doi.org/10.1515/9783110373561-020

Carmen amicitie 272 Cato – Disticha Catonis 246, 347 Châtelain de Coucy et de la dame de Fayel, Le roman du 190 Chevalier au Cygne, Le 247, 249, 251, 254 Chrétien de Troyes 25 Christherre-Chronik 69, 164, 165, 307, 347, 348, 353, 355, 356, 374 Chronik, Oberrheinische 59 Cicero – Laelius 277 Colmarer Annalen → Colmarer Dominikanerchronist Colmarer Dominikanerchronist 4, 5, 9, 73 Conrad von Sachsen – Speculum beatae Mariae Virginis 127

Eberhard von Sax 61, 67, 128 Ebernand von Erfurt – Heinrich und Kunigunde 150 Eckhart, Meister 50 Egenolf von Staufenberg 53 – Peter von Staufenberg 53, 55, 59, 180, 350 Ehrenbote →Reinmar von Zweter Eike von Repgow – Sachsenspiegel 119, 255, 342 Eilhart von Oberge 11 – Tristrant 268 Elsässische Predigten 56 Enikel, Jans – Weltchronik 70

394 

 Anhang

Folz, Hans 58, 72, 208 – Der arme Bäcker 210 – Die halbe Birne B 58, 208 Fortunatus 52, 263 Franco von Meschede – De aurea Fabrica 68 Frauenlob (Heinrich von Meißen) 61, 62, 64, 65, 67, 68, 71, 72, 74, 96, 100, 101, 124, 128, 130, 132, 171, 180, 341 – Der Marienleich 67, 68, 124, 128, 132 Frauentreue 192, 378 Freidank 341, 347, 349, 351 Friedrich I., Kaiser 202 Friedrich II., Kaiser 222 Friedrich von Saarburg – Vom Antichrist 345 Friedrich von Schwaben 258 Friedrich von Sonnenburg 65, 88 Fuchs, Arnold 7, 8, 9, 15, 286 Füetrer, Ulrich – Buch der Abenteuer 70, 251, 252 Galerius Valerius Maximianus, Römischer Kaiser 143 Geoffrey von Monmouth 222 Gerard Svan 258 Gerina, Tochter Konrads von Würzburg 4 Gesta Romanorum 171 Glier, Der von 101 Götschl, Johannes 345, 350, 352, 364, 365, 366 Gottfried von Bouillon 249, 253, 255 Gottfried von Neifen 19, 62, 100 Gottfried von Straßburg 11, 18, 21, 22, 27, 28, 53, 57, 68, 123, 127, 128, 131, 149, 172, 188, 189, 190, 192, 193, 194, 197, 201, 264, 266, 267, 271, 273, 277, 313, 314, 320, 338, 380 – Lobgesang auf Maria 68, 128 – Tristan 22, 27, 52, 127, 188, 190, 193, 194, 197, 201, 210, 264, 265, 266, 267, 273, 274, 277, 278, 313, 314 Gottfried von Viterbo – Pantheon 217, 218, 219, 222, 226, 228 Göttweiger Trojanerkrieg → Trojanerkrieg, Göttweiger Guilhem de Cabestanh (Guillem de Cabestany)  190 Guirun, Lai de 190 Gulden puchlein 120 Guotaere, Der 171, 180 Hadlaub, Johannes 101 Hager, Georg 66 Hager, Philipp 66

Han, Kilian 52, 263, 352 Hans, Bruder 68, 128 Harder, Konrad 68, 119, 128, 345, 350, 351 – Frauenkranz 128 Hartmann von Aue 49, 50, 138, 149, 150, 172, 190, 193, 228, 238, 269, 291 – Erec 236 – Gregorius 49, 50, 138, 148, 190, 193, 194, 346 – Der arme Heinrich 148, 172, 268, 269 – Iwein 228, 291 Hartmann von Habsburg, Sohn Rudolfs des I., Römisch-deutscher König 239 Hätzlerin, Clara, Liederbuch der 188, 191, 199, 348, 349, 365, 379 Hedris de Cornuälle – Le Roman de Silence 180 Heiligen Leben, Der 147, 152 Heinrich von Freiberg 237, 345, 350, 352 – Die Legende vom heiligen Kreuz 345, 350, 352 Heinrich von Meißen → Frauenlob Heinrich von Morungen 27, 37 Heinrich von Mügeln 67, 71, 100, 120, 128, 344 – Tum 71, 128 Heinrich von München – Weltchronik 70, 307, 353, 355, 356, 357, 374 Heinrich von St. Gallen – Marienleben 120 Heinrich der Teichner 344, 345, 347, 349, 351 Heinrich von Veldeke 11, 144, 150 – Eneasroman (Eneit) 236, 324 – Servatiuslegende 144 Heinzelin von Konstanz – Von den zwein Sanct Johansen 59 Helena, Flavia Iulia, Mutter Konstantins des I., Römischer Kaiser 49, 142 Herbort von Fritzlar – Liet von Troye 306, 324 Herbst und der Mai, Der 167, 348, 351 Hermann, Bruder – Jolande 150 Hermann von Sachsenheim 67, 74, 128 – Der goldene Tempel 74, 128 Hero und Leander 57 Herzog Ernst 219, 220, 223, 228, 353, 375 Höllefeuer 71 Holtzmann, Daniel 66 Homer – Ilias 311, 313 Hornburg, Lupold 71 Hugo von Langenstein – Martina 51, 52, 68, 128, 150 Hugo von Trimberg 73 Humbertus Romanus (Humbertus de Romanis)  345



Isenlin, Heinrich 7, 8, 50, 141 Jacobus de Voragine – Legenda aurea 141, 147, 180, 218 Jäger, Clemens 66 Jakob Twinger von Königshofen →Twinger von Königshofen, Jakob Johann von Dahlberg, Wormser Bischof, Kanzler der Universität Heidelberg 59, 246 Johann von Neumarkt 71 Johannes de Alta Silva – Dolopathos sive de rege et septem sapientibus 250, 252 Johannes von Arguel 7, 49, 140, 141, 144 Johannes von Bermeswil 7, 50, 141 Johannes von Freiberg – Das Rädlein 167 Jüngsten Tage, Vom 119 Kaiserchronik 156 Kanzler, Der 60, 61, 62, 100, 340 Kolmarer Annalen → Colmarer Dominikanerchronist Konrad, Der arme – Frau Metze 57, 58 Konrad, Pfaffe 11, 157 – Rolandslied 157, 272 Konrad von Heimesfurt – Unser vrouwen hinvart  341 Konrad III. von Lichtenberg, Straßburger Bischof [dazu auch: Lichtenberger–Spruch] 5, 98, 100, 102, 122, 373 Konrad von Mure – Clipearius Teutonicorum 236 Konrad von Stoffeln – Gauriel von Muntabel 216 Konrad von Würzburg – Alexius 7, 18, 19, 49–51, 137–163, 346, 358, 360, 361, 365, 369, 370 – Engelhard 3, 13, 14, 22, 23, 26, 46, 49, 52–55, 75, 137, 220, 228, 238, 239, 240, 252, 263–282, 335, 352, 368, 370, 371 – Die Goldene Schmiede 3, 5, 6, 9, 13, 18, 21, 26, 27, 29, 32, 33, 34, 35, 38, 39, 40, 46, 47, 49, 52, 55, 58, 59, 61, 64, 65, 67–68, 69, 73, 74, 75, 100, 108, 114, 118–136, 165, 208, 235, 237, 240, 342–345, 350, 351, 357, 358, 359, 360, 361, 362, 363, 364, 368, 369, 371–373 – Got gewaltic, was du schickest (LDM C KonrW 1: Religiöser Leich) 60, 90, 91, 99, 100, 101, 126, 339, 363 – Die Halbe Birne 4, 11, 13, 57, 58, 76, 167, 196, 208–215, 338, 348, 351–352, 357, 359, 360, 361, 363, 366, 368, 369

Personen- und Werkregister 

 395

– Heinrich von Kempten 5, 12, 18, 21, 22, 23, 30, 55, 166, 170, 216–234, 237, 241, 345, 350–351, 357, 359, 360, 361, 363, 366, 368 – Das Herzmaere 11, 12, 15, 22, 23, 38, 40, 55–57, 168, 170, 173, 174, 175, 188–207, 216, 237, 338, 345, 348–350, 351, 357, 358, 359, 360, 361, 363, 365, 366, 368, 369, 371, 376–380 – Die Klage der Kunst 4, 13, 26, 33, 49, 58, 59, 74, 75, 89, 108–117, 179, 235, 237, 238, 341, 357, 359, 364 – Minnesang, Sangsprüche – LDM C KonrW 3–5 93 – LDM C KonrW 6–8 93 – LDM C KonrW 9–11 93 – LDM C KonrW 12–14 93 – LDM C KonrW 15–17 93 – LDM C KonrW 18–20 93 – LDM C KonrW 21–23 93 – LDM C KonrW 24–26 93 – LDM C KonrW 27–29 92, 93 – LDM C KonrW 30–32 93 – LDM C KonrW 33–35 93, 94 – LDM C KonrW 36–38 93 – LDM C KonrW 39–41 93 – LDM C KonrW 48 97 – LDM C KonrW 49 97 – LDM C KonrW 50 97, 99 – LDM C KonrW 51 97, 99 – LDM C KonrW 52 54 93, 94, 96 – LDM C KonrW 53 97 – LDM C KonrW 61–62 – LDM C KonrW 63–65 94, 97 – LDM C KonrW 67 97 – LDM C KonrW 68 97 – LDM C KonrW 69 97 – LDM C KonrW 70 95, 97, 99 – LDM C KonrW 71 97 – LDM C KonrW 72 97 – LDM C KonrW 73 97 – LDM C KonrW 74 97 – LDM C KonrW 75–76 93, 94 – LDM C KonrW 77–79 93 – LDM C KonrW 80–81 93 – LDM C KonrW 85 94 – LDM C KonrW 86 97 – LDM C KonrW 87 97 – LDM C KonrW 88–89 97 – LDM C KonrW 90 97 – LDM C KonrW 92 97

396 

 Anhang

– LDM C KonrW 93 88 – LDM C KonrW 94–97 98 – LDM C KonrW 98 97 – LDM C KonrW 99 97 – LDM C KonrW 100 98 – LDM C KonrW 101 98 – LDM C KonrW 102 98, 99 – LDM C KonrW 103 97 – LDM C KonrW 104 97 – LDM C KonrW 105 99, 111 – LDM C KonrW 106 98, 111 – LDM C KonrW 107 97 – LDM C KonrW 108 97 – LDM C KonrW 109 98 – LDM C KonrW 110 97 – LDM C KonrW 111–112 97 – LDM C KonrW 113 98 – LDM C KonrW 114 19, 26, 32, 98, 115 – LDM C KonrW 115 98 – LDM C KonrW 116 97 – LDM J KonrW 2 5, 98 – LDM J KonrW 9 97 – Pantaleon 7, 18, 49–50, 137–163, 346, 359, 365, 369, 370 – Partonopier und Meliur 3, 4, 7, 8, 9, 13, 14, 15, 21, 22, 24, 25, 26, 27, 28, 49, 52–54, 75, 113, 122, 190, 220, 228, 236, 238, 241, 242, 258, 283–305, 318, 352, 358, 361, 366, 369, 370 – Sant Nicolaus 51, 137 – Der Schwanritter 4, 22, 23, 58–59, 238, 239, 246–262, 347, 359, 363, 370 – Silvester 7, 18, 49–50, 137–163, 268, 346, 358, 363, 369, 370 – Trojanerkrieg 3, 7, 13, 18, 19, 21, 22, 25, 26, 27, 28, 29, 31, 32, 35, 36, 37, 38, 40, 46, 49, 69–70, 75, 138, 220, 226, 236, 240, 241, 306–332, 338, 353–357, 358, 359, 360, 361, 363, 366, 367, 368, 369, 371, 373–376, 380 – Das Turnier von Nantheiz 3, 4, 11, 13, 21, 58–59, 75, 108, 235–245, 252, 346, 357, 359, 365, 368, 370 – Venus diu feine, diu ist entslafen (LDM C KonrW 2: Venusleich/Minneleich) 60, 90, 91–92, 99, 101, 109, 339, 363 – Der Welt Lohn 11, 13, 22, 24, 38, 40, 55–56, 164–187, 237, 347–348, 351, 357, 358, 359, 360, 363, 365, 368, 371 Konstantin I., Römischer Kaiser 142 Kramer, Heinrich 50, 139, 346, 365

Kreuz, Das (Der listige Pfaffe) 167, 348, 351 Kistener, Kunz – Die Jakobsbrüder 54 Lamprecht, Pfaffe 11 Lauber, Diebold 69, 138, 139, 158, 353, 354, 375 Laufenberg, Heinrich 68 Laurin (König Laurins Rosengarten) 58, 246, 347, 352 Layamon 222 Leben der heiligen Elisabeth, Das 51 Legenda aurea → Jacobus de Voragine Legenda aurea, Elsässische 147, 152, 180, 346 Lesch, Albrecht 65 Lichtenberger-Spruch (Lichtenberger-Strophe) → Konrad III. von Lichtenberg Litschauer, Der 354 Liutbert, Mainzer Erzbischof 148 Liutold (Lütold) II. von Röteln, Basler Dompropst 7, 8, 49, 138, 141, 148 Lob der Frauen 345 Lob der Jungfrau Maria 68 Lohengrin 247, 250, 251, 252, 253, 254, 256, 258, 259 Lorengel 251 Ludwig IX. (Saint-Louis), König von Frankreich 202 Ludwig von Lichtenberg, Vogt von Straßburg 5 Lukian 270, 277 Magdalenen-Legende, Die 51 Magezoge, Der – Spiegel der Tugend 345, 350, 352 Marien voerspan of sapeel 342, 344, 362 Marienlied, Melker 126, 128 Marienlob, Jüngeres 68, 342 Marienlob, Rheinisches 126 Marienlob, Vorauer 128 Marner, Der 62, 72, 73, 339, 340, 341 Marschant, Heinrich 7, 8, 15, 286 Märtyrer, Das Buch der 166 Matthias von Neuenburg, Chronik des 339 Meditationes vitae Christi 120, 345 Meißner, Der [dazu auch Meißner-Polemik] 61, 71, 98, 102 Merschant, Heinrich → Marschant, Heinrich Metzger, Ambrosius 66 Michael de Leone, Hausbuch des 3, 6, 13, 58, 59, 73, 75, 108, 113, 119, 167, 235, 341, 343, 346, 359, 364, 365 Minne Kraft, Der 378 Mombritius, Boninus 147 Mönch als Liebesbote A, Der 57, 58, 76



Mönch von Salzburg 119, 344 – Das guldein ABC 344 Muskatblut 68, 128 Nachtigall, Konrad 72 Nibelungenlied, Das 228 Nikolauslegende 51, 137 Otfrid von Weißenburg – Evangelienbuch 148 Otto I., Kaiser 218, 219, 222 Otto II., Kaiser 219 Ottokar II., König von Böhmen 98 Otto von Passau – Die 24 Alten 50 Ovid 310, 311, 313 – Ars amandi 194, 283 – Heroides 311, 313 – Metamorphosen 310, 313 Pantalus, Basler Bischof 143, 144 Paratus – Sermones parati de tempore et de sanctis 190 Partonopeus de Blois, Le roman de 15, 288, 289 Passional, Das 51, 119, 126, 147, 344, 345 Pauli, Johannes – Schimpf und Ernst 263 Peter von Aspelt, Basler Bischof 138 Philippe de Beaumanoir – Jehan et Blonde 265 Philipp der Kartäuser, Bruder – Marienleben 119, 355 Regenbogen 61, 65, 71, 72, 73 Reinbot von Durne – Der heilige Georg 150 Reinfried von Braunschweig 53 Reinmar der Alte 61, 108 Reinmar von Zweter 61, 65, 72, 119, 126, 343, 344, 348, 354 – Leich 119, 126, 343, 344, 348, 354 Renaud de Beaujeu (Renaut de Baugé, Jean Renard) – Le Lai d’Ignauré 190 Richard von Cornwall, Römisch-deutscher König 238, 239 Richard von Saint-Laurent – De laudibus beatae Mariae Virginis 127 Ritter, Johann 50, 139, 346, 365 Ritter in der Kapelle, Der 378 Rodulfus Tortarius – Epistula ad Bernardum  272 Rosengarten zu Worms 246, 347, 352 Rosenplüt, Hans 349, 355 Ruether, Kristoff 52, 284

Personen- und Werkregister 

 397

Rudolf I., Graf von Habsburg, Römisch-deutscher König 98, 145, 222, 239 Rudolf von Ems 50, 53, 67, 69, 150, 151, 164, 216, 219, 271, 341, 343, 346, 347, 348, 349, 352, 356, 375 – Barlaam und Josaphat 50, 150, 164, 165, 168, 341, 346, 347, 348, 349, 352 – Der gute Gerhard (Der guote Gêrhart) 219, 271 – Weltchronik 69, 356 – Willehalm von Orlens 216, 343, 353, 375, 378 Rumelant von Sachsen 62, 71, 100 Sachs, Hans 12, 64, 66, 190 – Die Tragedi deß fürsten Concreti 190 Sälden Hort, Der 51 Sceaf 253 Schaler, Peter 7, 8, 9, 21, 122, 286, 369 Schilling, Leonhard, Konventuale des Klosters Mondsee 70 Schondoch – Die Königin von Frankreich 216, 345, 350, 351 Schüler zu Paris, Der 57, 246 Schwabenspiegel 166, 347 Sechs Schwäne, Die 258 Seele Kranz, Der 119 Seuse, Heinrich 345 Sperber, Der 192 Sieben weisen Meister, Die 263 Sigeher, Meister – Marienlied 126 Silvester I., Papst 142 Simon Aurea Capra – Ilias 313 Spangenberg, Cyriacus 72 Spangenberg, Wolfhart 72 Spreng, Johann 66 Statius, Publius Papinius – Achilleis 310, 313 Steckel, Konrad – Übersetzung des ChinaReiseberichts des Oderico de Pordenone 356 Steichelein, Daniel 66 Streit der vier Töchter Gottes (Von gotes barmherzigkeit) 166 Stricker, Der 50, 164, 165, 168, 216, 240, 346, 347, 348, 349, 350, 351 – Daniel von dem blühenden Tal 240, 268 – Die drei Gott verhassten Dinge (Die drei Wünsche) 164, 347 – Karl der Große 216, 350 – Pfaffe Amis 348, 351 Suchenwirt, Peter 67, 74, 110, 111, 128, 216, 344, 345, 350, 351 – Der Minne Schlaf 111

398 

 Anhang

– Die Minne vor Gericht 110, 111 – Die siben frewd Marie 74 Sünden Widerstreit, Der 166 Süßkind von Trimberg 62 Tannhäuser, Der 99 Theophilus 126, 373 Thietmar von Merseburg – Chronicon 219 Thomas von Aquin 39, 40 Thomasin von Zerklære – Der Welsche Gast 22 Thomaslegende 164, 342, 348 Thüring von Ringoltingen – Melusine 52, 263, 284, 352, 369 Tilo von Kulm – Von siben ingesigeln 68 Trojanerkrieg, Basler 70 Trojanerkrieg, Göttweiger 59, 70 Ulrich von Etzenbach – Wilhelm von Wenden 246 Ulrich von Liechtenstein 102, 237 – Frauendienst 268 Ulrich von dem Türlin – Arabel 216, 350 Ulrich von Winterstetten 99 Unverzagte, Der 71 Väterbuch 51 Vintler, Nikolaus 54, 356 Virginal 76, 339, 340 Vita Sanctorum Amici et Amelii 272 Vitaspatrum 50, 346 Voigt, Valentin 72 Wace (Guace, Gaice) 222 Wagenseil, Johann Christoph 72

Walter von Geroldseck, Straßburger Bischof 221 Walther von Rheinau – Marienleben 51, 52, 67 Walther von der Vogelweide 37, 55, 61, 87, 97, 100, 102, 108, 119, 126, 171, 172, 177, 343, 344, 348 – Frô welt, ir sult dem wirte sagen 171 – Ir reiniu wîp, ir werden man 171 – Der Leich 126, 343, 344, 348 – Owê, war sint verswunden alliu mîniu jâr 171 Wartburgkrieg (Sängerkrieg auf der Wartburg) 251, 354 Weltlohn (Vom Sünder und der verlorenen Frau) 56, 180, 181 Welt valscheit, Von der 180 Wickram, Jörg – Ritter Galmy 263 Wilhelm von Aquitanien – Farai un vers, pos me sohelh 210 Wilhelm von Weidenau, Vogt 54 Wincklär, Heinrich 52, 284, 352, 366 Winter, Hans 66 Wirnt von Grafenberg 56, 169, 170, 172, 175 – Wigalois 52, 169, 172, 175 Wolfdietrich 76, 345 Wolfram von Eschenbach 21, 62, 64, 71, 74, 111, 151, 229, 247, 250, 251, 252 – Parzival 180, 229, 236, 247, 250, 251, 268 Wurmsegen, Der 164 Württemberger, Der 378 Zimmern, Froben Christoph von – Zimmerische Chronik 62 Zimmern, Wilhelm Werner von 50 Züchte lere, Der 350 Zwei Maler, Die 246