Kommunalrecht – leicht gemacht: Das Recht der Städte, Gemeinden und Landkreise [3 ed.] 9783874407359, 9783874403351

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Kommunalrecht – leicht gemacht: Das Recht der Städte, Gemeinden und Landkreise [3 ed.]
 9783874407359, 9783874403351

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Hans-Dieter Schwind Peter-Helge Hauptmann Josef H. Mayer

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Das Recht der Städte, Gemeinden und Landkreise

leicht gemacht ® Die prägnanten, verständlichen Überblicke zu ¼ Recht und Steuer mit Beispielen, Fällen, Übersichten und Leitsätzen. Die leicht gemacht ®-SERIEN haben Generationen von Studierenden erfolgreich in die verschiedenen Themenbereiche eingeführt. Sie richten besonderes Augenmerk auf didaktische Erfordernisse und sind auf die Bedürfnisse des Anfängers zugeschnitten. Die Bände sind so angelegt, dass Vorkenntnisse nicht erforderlich und nach dem Durcharbeiten des Textes die wichtigen Grundlagen vermittelt sind. Sie eignen sich als Einstieg, aber auch zur Wiederholung vor der Abschlussprüfung. Die Bände wenden sich nicht nur an diejenigen, für die die jeweiligen Themen in Recht und Steuer ein Hauptfach darstellen, sondern auch an jene, die Fachkenntnisse im Nebenfach erwerben müssen. Interessierte Leser sind Studierende an Universitäten, Hochschulen und Berufsakademien, aber auch die Teilnehmer vieler weiterer berufsbezogener Ausbildungen. Schließlich vermitteln die Bände auch jedem Interessierten auf verständliche und kurzweilige Weise die Grundlagen unseres Rechts- und Steuersystems.

Die leicht gemacht ®-SERIEN erscheinen im

Ewald v. Kleist Verlag, Berlin



Reihe Herausgeber: Professor Dr. Hans-Dieter Schwind Richter am AG Dr. Peter-Helge Hauptmann

Kommunalrecht leicht gemacht Das Recht der Städte, Gemeinden und Landkreise 3., erweiterte Auflage

von

Josef H. Mayer Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht Bürgermeister a. D.

Ewald v. Kleist Verlag, Berlin

Besuchen Sie uns im Internet: www . leicht-gemacht . de

Autoren und Verlag freuen sich über Anregungen

Umwelthinweis: Dieses Buch wurde auf chlorfrei gebleichtem Papier gedruckt Gestaltung: M. Haas, www.haas-satz.berlin; J. Ramminger, Berlin Druck & Verarbeitung: Druck und Service GmbH, Neubrandenburg leicht gemacht ® ist ein eingetragenes Warenzeichen © 2015 Ewald v. Kleist Verlag, Berlin ISBN 978-3-87440-335-1

Inhalt

I.

Die Rechte und Pflichten der Gemeinde

Lektion Lektion Lektion Lektion

1: Überblick und Grundbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2: Selbstverwaltung mit Verfassungsgarantie . . . . . . . . . . 3: Kommunale Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4: Die Satzung – Rechtsetzung der Gemeinde . . . . . . . . . . .

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II. Die Organisation der Gemeinde – Kommunalverfassung Lektion 5: Die verschiedenen Organisationstypen . . . . . . . . . . . . . . Lektion 6: Wahlrecht und Bürgerbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lektion 7: Gemeinderat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lektion 8: Bürgermeister und Beigeordnete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lektion 9: Landkreise und Gemeindeverbände . . . . . . . . . . . . . . . . . Lektion 10: Kommunalaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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III. Das Betätigungsfeld der Gemeinden Lektion 11: Öffentliche Einrichtungen und Organisationsformen . . . . 99 Lektion 12: Privatisierte Betriebe, Wirtschaftstätigkeit . . . . . . . . . . . 105 Anhang: Bezeichnungen in den Bundesländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .122

Leitsätze * Übersichten * Prüfschemata Leitsatz 1 Geltungsbereich des Kommunalrechtes . . . . . . . . . . Leitsatz 2 Kommunen und Gebietskörperschaften . . . . . . . . . . Übersicht 1 Die Verwaltungspyramide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leitsatz 3 Rechtsgarantien für die Kommunen . . . . . . . . . . . . . Leitsatz 4 Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie . . . . . . . Leitsatz 5 Die Einnahmequellen der Gemeinde . . . . . . . . . . . Leitsatz 6 Die Beschäftigten der Gemeinde . . . . . . . . . . . . . . . Prüfschema 1 Verwaltungsgerichtliche Klage . . . . . . . . . . . . . . . . Leitsatz 7 Rechtsschutz der Kommunen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prüfschema 2 Kommunalverfassungsbeschwerde . . . . . . . . . . . . . Übersicht 2 Aufgabenerfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übersicht 3 Kommunale Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leitsatz 8 Satzungen unter Gesetzesvorbehalt . . . . . . . . . . . . . Leitsatz 9 Gebühren und Beiträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leitsatz 10 Rechtsmittel gegen Abgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leitsatz 11 Baurechtliche Satzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leitsatz 12 Pflichtsatzungen der Kommunen . . . . . . . . . . . . . . . Prüfschema 3 Rechtmäßigkeit von Satzungen . . . . . . . . . . . . . . . Übersicht 4 Geschichte der kommunalen Selbstverwaltung . . . Leitsatz 13 Kommunalverfassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leitsatz 14 Kommunales Wahlrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übersicht 5 Bürgerbegehren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leitsatz 15 Bürgerbeteiligungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leitsatz 16 Aufgaben des Gemeinderates . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leitsatz 17 Rechte der Ratsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leitsatz 18 Fraktionen und Ausschüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übersicht 6 Gemeinderat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leitsatz 19 Rechtsstellung des Gemeinderates . . . . . . . . . . . . . . Leitsatz 20 Kommunale Beamte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leitsatz 21 Beigeordnete bzw. Dezernenten . . . . . . . . . . . . . . . . Übersicht 7 Kompetenzen des Bürgermeisters . . . . . . . . . . . . . Leitsatz 22 Aufgaben des Landkreises und des Landrates . . . . . Leitsatz 23 Gemeindeverbände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übersicht 8 Kommunalaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leitsatz 24 Die öffentliche Einrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übersicht 9 Grenzen kommunaler Wirtschaftstätigkeit . . . . . . Übersicht 10 Formen der Privatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leitsatz 25 PPP bzw. ÖPP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übersicht 11 Kommunale Anbieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I.

Die Rechte und Pflichten der Gemeinde

Lektion 1: Überblick und Grundbegriffe Das Kommunalrecht, das Recht der Verwaltung der Städte, Gemeinden und Landkreise, betrifft uns alle, die wir dort wohnen. Die auf der kommunalen Ebene getroffenen Entscheidungen, sei es zur Bebauung, sei es zur Versorgung mit Gas, Wasser etc., sei es zum öffentlichen Nahverkehr, beeinflussen unser Leben tagtäglich. Dieses Buch richtet sich an alljene, die hierzu ein verständliches Lehrbuch in den Händen halten möchten. Verwaltungsfachangestellten wird das Grundlagenwissen vermittelt. Studierenden stellt es zugleich eine Einleitung und eine prüfungsrelevante Zusammenfassung da. Kommunalpolitiker erhalten nützliche Hinweise und Ratschläge für die Gestaltungsmöglichkeiten ihres Mandates. Gibt es überhaupt ein Kommunalrecht? Beim Kommunalrecht geht es doch um Rechte, Organisation und Aufgaben von Gemeinden aus 16 verschiedenen Bundesländern. Aber so kompliziert ist es nicht. Zwar zeigen die Bundesländer im kommunalrechtlichen Vergleich, vor allem in ihren Kommunalverfassungen, organisatorische Unterschiede. Diese fußen jedoch auf gemeinsamen Strukturen. Diese Strukturen und – wo wesentlich – auch die Unterschiede werden im folgenden dargestellt. Das Kommunalrecht umfasst  die Rechte  die Organisation und  die Aufgaben der Gemeinden. Kurz zur Einordnung: Das Kommunalrecht ist Bestandteil des Besonderen Verwaltungsrechtes. Es fußt also zusammen mit den vielen weiteren Rechtsgebieten des Besonderen Verwaltungsrechts (z.B. Baurecht, Polizei- und Ordnungsrecht, Gewerberecht) auf dem Allgemeinen Verwaltungsrecht. Dort sind die gemeinsamen Grundlagen festgeschrieben. Diese Buch stellt diese Grundlagen – wo notwendig – direkt da. Weiteres zum Thema finden Sie im Buch „Verwaltungsrecht – leicht gemacht®“ aus der gleichen GELBEN SERIE.

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Die Rechte und Pflichten der Gemeinde Das gesamte Verwaltungsrecht gehört zum Öffentlichen Recht, es ist also grundsätzlich jener Teil der Rechtsordnung, der das Verhältnis von Staat zu Privat regelt. Zur Erinnerung: Im Gegensatz dazu betrifft das Privatrecht ja das Verhältnis Privat zu Privat. Auch das Europarecht beeinflusst über den Bund und die Länder das deutsche Kommunalrecht, und zwar sowohl das primäre EU-Recht (die EG-Verträge), als auch das sekundäre EU-Recht mit seinen Verordnungen (haben Gesetzesrang!), Richtlinien, Entscheidungen, Empfehlungen und Stellungnahmen.

Gesetzesmaterialien Was brauchen Sie an Gesetzesmaterialien zum Kommunalrecht? Eigentlich gar nicht viel. Das Grundgesetz sollte in jedem deutschen Bücherschrank bereits vorhanden sein. Unbedingt müssen Sie sich die Gemeindeordnung und die Landesverfassung Ihres Bundeslandes besorgen. Die Gemeindeordnung bzw. Landkreisordnung heißt in Brandenburg, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern „Kommunalverfassung“, im Saarland „Kommunalselbstverwaltungsgesetz“ und in Thüringen „Kommunalordnung“. In Lektion 4 „Satzungen“ werden wir auch noch mit dem Kommunalabgabengesetz (KAG), einem Landesgesetz, und dem Baugesetzbuch (BauGB), einem Bundesgesetz, zu tun haben. Für die Lektion 6 „Wahlrecht und Bürgerbeteiligung“ benötigen Sie das Kommunalwahlgesetz Ihres Bundeslandes. Häufig finden Sie die vorgenannten Landesgesetze in einer Sammlung des Landesrechts. Diese sind für viele Bundesländer in preisgünstigen Bänden erschienen. Alle genannten Gesetze dürften aber auch über das Internet herunterzuladen und auszudrucken sein.

Lektion 1: Überblick und Grundbegriffe

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Leitsatz 1 Geltungsbereich des Kommunalrechtes Das Kommunalrecht befasst sich mit dem (öffentlichen) Recht der Gemeinden und der Gemeindeverbände als Gebietskörperschaften. Im Kommunalrecht geht es um die Verfassung und Organisation der Gemeinden und Gemeindeverbände sowie um die kommunalen Aufgaben und Kompetenzen. Das Kommunalrecht ist Teil des Besonderen Verwaltungsrechtes. Es unterliegt auch dem Europarecht.

Grundbegriffe Der Begriff der „Kommune“ kommt aus dem Lateinischen. Das Wort lässt sich mit: Gemeingut, Gemeinwesen oder Staat übersetzen. Bei uns ist die Kommune der Oberbegriff für die Gemeinden und die Gemeindeverbände. Gemeinden sind nach ihrer rechtlichen Konstruktion Körperschaften des öffentlichen Rechts, also juristische Personen, die sich durch ihre Mitglieder definieren. Bei den Gemeinden sind die Einwohner die Mitglieder der kommunalen Körperschaft. Die Gemeinde ist zugleich eine Gebietskörperschaft. Sie besitzt Gebietshoheit im Gemeindegebiet. Gemeinden können Städte aber auch Dörfer sein, auf die Größe kommt es nicht an. Das Gemeindegebiet ist in Bezirke bzw. Ortschaften mit jeweiligen Stadtteilvertretungen eingeteilt (auch Bezirksvertretung oder Ortsbeiräte genannt). Die (Land-)Kreise sind die wichtigsten Gemeindeverbände. Sie sind wie die Gemeinden Gebietskörperschaften und unterliegen ebenfalls dem Kommunalrecht. Mehr dazu in Lektion 9. In vielen Bundesländern gibt es die sog. Gesamtgemeinde (oder „Amt“, „Samtgemeinde“, „Verwaltungsgemeinschaft“, Verwaltungsverband“). Gesamtgemeinden sind aus dem Zusammenschluss mehrerer kleiner

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Die Rechte und Pflichten der Gemeinde Gemeinden meistens im ländlichen Raum entstanden. Sie sind Gemeindeverbände, aber keine Gebietskörperschaften. Mehr dazu ebenfalls in Lektion 9.

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Leitsatz 2 Kommunen und Gebietskörperschaften Kommune ist der Oberbegriff für Gemeinden und Gemeindeverbände. Eine Gemeinde kann eine Großstadt oder ein Dorf sein, denn auf die Einwohnerzahl kommt es nicht an. Die wichtigsten Gemeindeverbände sind die Landkreise. Zu den Gemeindeverbänden zählen auch die Gesamtgemeinden. Gebietskörperschaften sind alle Körperschaften des öffentlichen Rechts, die auf einem bestimmten Flächengebiet (Territorium) die Gebietshoheit besitzen. Dies sind in erster Linie Gemeinden und Landkreise. Mitglieder der Gebietskörperschaft sind im rechtlichen Sinne die jeweiligen Einwohner.

Flächenländer und Stadtstaaten Das Kommunalrecht ist überwiegend im Recht der Bundesländer verankert. Wichtige Rechtsgrundlagen sind die Landesverfassungen, die Gemeinde- und Landkreisordnungen, Kommunalwahlgesetze und Fachgesetze wie die Kommunalabgabengesetze. Die Formulierungen in den kommunalen Landesgesetzen sind zum Teil unterschiedlich. Deshalb sollten Sie hier mit den Gesetzestexten Ihres Bundeslandes arbeiten. Von den 16 deutschen Bundesländern sind drei Stadtstaaten und dreizehn Flächenländer. Wie die Bezeichnungen es schon ausdrücken, ist bei den Stadtstaaten das Stadtgebiet mit dem des Bundeslandes identisch, während bei den Flächenländern das Landesgebiet sich aus der Summe der dem Bundesland zugehörigen Gemeindegebiete ergibt. Flächenländer sind (in alphabetischer Reihenfolge): Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, SachsenAnhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen.

Lektion 1: Überblick und Grundbegriffe Stadtstaaten im Gegensatz dazu sind Berlin, Bremen und Hamburg. Die Stadtstaaten sind besonders aufgebaut. Der Stadtstaat Berlin ist Kommune und Bundesland in einem, Hamburg ist nach seiner Verfassung ausschließlich Bundesland und im Lande Bremen, zu dem auch die Stadt Bremerhaven gehört, ist die kommunale Ebene mit der des Bundeslandes sehr eng verwoben. Durch diese Verwebungen sind die weiteren Ausführungen nur eingeschränkt auf die Stadtstaaten anzuwenden. Die Bundesrepublik Deutschland besteht aus 16 Bundesländern. Davon sind 13 Flächenländer und drei Stadtstaaten mit besonderem Kommunalrecht.

Die Bezeichnung der kommunalen Institutionen und einiger Gesetze ist in manchen Bundesländern unterschiedlich. Eine Gegenüberstellung der verschiedenen Begriffe für XXGemeinderat XXGesamtgemeinde XXGemeindeordnung XXGemeinden mit Sonderstatus XXLandesverfassungsgerichte finden Sie im Anhang. Dort finden Sie auch die Besonderheiten in Bayern. Warum schlagen Sie nicht kurz für Ihr Bundesland nach? Liebe Leserin, wenn in den weiteren Texten dieses Buches von dem Bürgermeister und dem Dezernenten, dem Beigeordneten oder dem Landrat die Rede ist, dann soll mit der Wahl dieser männlichen Substantive keineswegs eine unterschwellige Diskriminierung der hervorragenden Frauen als Mandatsträgerinnen oder Verwaltungsfachkräfte verbunden sein. Dies geschieht einzig und allein zur Vereinfachung und besseren Lesbarkeit.

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Die Rechte und Pflichten der Gemeinde Und nun eine Übersicht über die Struktur der Verwaltung. Der Bund thront über den 16 Ländern. Diese wiederum sind unterschiedlich organisiert. Während die Stadtstaaten sozusagen sich selber bis zur untersten Ebenen verwalten, sind die Flächenstaaten differenziert geordnet. Hier existieren je nach Größe, historischer Entwicklung oder anderer Entscheidungen Regierungsbezirke, Landkreise, kreisfrei Städte, Gemeinverbände und Gemeinden, welche – wie bekannt – auch häufig unterschiedlich heißen. Wie ist Ihr Wohnort organisiert und wie werden die Ebenen ggf. benannt?

Übersicht 1: Die Verwaltungspyramide Die Struktur der Verwaltung (Bund, Länder, Kommunen) mit ihren verschiedenen Alternativen

Bund

13 Flächenländer

ate

a tst

tad

3S

ggf.  Regierungsbezirke

Gemeindeverbände Gemeinden

Gemeinden

n

Landkreise kreisfreie Städte

Lektion 2: Selbstverwaltung mit Verfassungsgarantie

Lektion 2: Selbstverwaltung mit Verfassungsgarantie Fall 1 Die Bürger von Forsthausen sind mit der überregionalen Stromversorgung unzufrieden. Zum einen halten sie die Strompreise für zu teuer, zum anderen möchten sie ausschließlich umweltfreundlich produzierte Elektroenergie der Region beziehen. Die Gemeindevertretung beschließt deshalb, eine eigene kommunale Stromversorgung aufzubauen und den Einwohnern preiswerten Strom anzubieten, der mittels Wasserkraft in Forsthausen selbst erzeugt wird. Darf sie das? Artikel 28 II des Grundgesetzes (GG) garantiert das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden.

Existenzgarantie („Rechtssubjektsgarantie“) Art.28 GG trägt die Überschrift „Verfassung der Länder“. Damit werden die Bundesländer verpflichtet, die Existenz und Autonomie ihrer Gemeinden zu gewährleisten Die Rechtswissenschaft nennt das „Institutionelle Rechtssubjektsgarantie“. Damit ist eine Art Bestandsschutz gemeint. Allerdings ist das Existenzrecht einzelner Kommunen nur mit Einschränkungen garantiert. Dazu mehr unter dem Stichwort „Eingemeindungen“. Ausnahmsweise wollen wir hier einmal den ersten Satz von Art. 28 II GG zitieren: „Den Gemeinden muss das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln“.

Umfang („Objektive Rechtsinstitutionsgarantie“) In Art. 28 II wird – wie bereits gesagt – die Selbstverwaltung der Gemeinden garantiert. Das nennt man in der Rechtswissenschaft die „Objektive Rechtsinstitutionsgarantie“.

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Die Rechte und Pflichten der Gemeinde Was „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“ sind, hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) definiert. Danach sind dies Angelegenheiten, die das Zusammenleben und -wohnen der Menschen in der (politischen) Gemeinde betreffen. Es geht also um Aufgaben, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder einen spezifischen Bezug auf sie haben, so das BVerfG. Damit wird den Kommunen ein breites Feld eröffnet, auf dem sie tätig sein können, eine Art Allzuständigkeit. Allzuständigkeit bedeutet, dass die Gemeinde in ihrem örtlichen Bereich alle ihr zweckmäßig erscheinenden öffentlichen Aufgaben in Angriff nehmen kann, die geeignet sind, das allgemeine Wohl ihrer Einwohner zu fördern. Da es keinen fest umrissenen Aufgabenkatalog für die Gemeinden gibt, besitzen sie die Befugnis überall für ihre Bewohner regelnd tätig zu werden, es sei denn, Bundes- oder Landesgesetze schränken diese Kompetenz ein. Freilich gibt es viele einschränkende Gesetze, die die Aufgabenzuständigkeit nicht den Kommunen, sondern Landes- oder Bundesbehörden zuweisen. Mit der Allzuständigkeit der Gemeinde ist das Ermessen gemeint, ihre eigenen Aufgaben selbst zu bestimmen.

Die Gemeinden sollen nach dem Wortlaut des Art. 28 II 1 GG ihre Angelegenheiten in Eigenverantwortlichkeit regeln. Das heißt, ob und wie sie ihre Aufgaben erledigen, steht ihnen frei – soweit auch hier nicht wieder einschlägige Bundes- oder Landesgesetze, neuerdings auch das Europarecht, etwas anderes bestimmen. Insbesondere muss die Aufgabenerledigung der Gemeinden sich nicht an Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit messen lassen. Aus der Eigenverantwortlichkeit resultieren u.a.: XXdie Gebietshoheit (Hoheitsgewalt im Gemeindegebiet) XXdie Personalhoheit (Dienstherreneigenschaft für Beamte, Angestellte und Arbeiter) XXdie Organisationshoheit (z.B. Struktur der Gemeindeverwaltung)

Lektion 2: Selbstverwaltung mit Verfassungsgarantie XXdie Finanzhoheit (z.B. Haushaltsplanung) XXdie Planungshoheit (z.B. Stadtentwicklung)

Gesetzesvorbehalt In Art. 28 II 1 GG heißt es ausdrücklich: die Selbstverwaltung der Gemeinden erfolgt „im Rahmen der Gesetze“, wird also von diesen eingeschränkt. Das nennt man begrifflich den Gesetzesvorbehalt. Wie sich das kommunale Recht der Selbstverwaltung bemerkbar macht, lässt sich am Beispiel der Wasser- und Energieversorgung zeigen: Auch wenn wegen der zunehmenden internationalen und nationalen Vernetzung der Versorgungssysteme mit Wasser, Gas und Elektrizität der Aufbau einer eigenen kommunalen Versorgungsstruktur nicht unbedingt zweckmäßig sein mag, steht es doch den Kommunen wegen ihrer Planungshoheit frei, eigene Wasser-, Gas- oder Elektrizitätswerke zu betreiben. Zwar gibt es etwa ein Wasserhaushaltsgesetz und Landeswassergesetze, die den Umgang mit Wasser regeln, aber grundsätzlich die Wassernutzung zu kommunalen Zwecken nicht verbieten. Auf unseren Fall 1 angewandt sprechen keine übergeordneten Gesetze auf Bundes- oder Landesebene dagegen, dass die Gemeinde Forsthausen in eigener Regie, also eigenverantwortlich, eine Stromversorgung aufbaut. Bei der kommunalen Stromversorgung handelt es sich zweifelsohne um eine Angelegenheit, die das Zusammenleben und -wohnen der Bürger in der örtlichen Gemeinschaft wesentlich tangiert. Solche Angelegenheiten zu regeln fällt in die Allzuständigkeit der Gemeinde, die über einen derartig großen Ermessenspielraum verfügt, dass selbst Zweifel an der Zweckmäßigkeit einer kommunalen Maßnahme unbeachtlich sind. Forsthausen darf deshalb eine eigene Stromversorgung aufbauen. Die sog. Allzuständigkeit der Gemeinde bedeutet nach Entscheidungen des BVerwG jedoch nicht, dass sie auch über ein allgemeinpolitisches Mandat verfügt. Deshalb ist z.B. die Erklärung des Gemeindegebiets zu einer atomwaffen- oder gentechnikfreien Zone (falls kein direkter

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Die Rechte und Pflichten der Gemeinde Gemeindebezug wie etwa Stationierung einer Raketeneinheit hergestellt werden kann) grundsätzlich nicht statthaft.

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Leitsatz 3 Rechtsgarantien für die Kommunen Art. 28 II 1 GG garantiert den Kommunen einen generellen Bestandsschutz (Institutionelle Rechtssubjektsgarantie). Zugleich wird den Kommunen die Selbstverwaltung garantiert (Objektive Rechtsinstitutionsgarantie). Die Selbstverwaltung bezieht sich auf alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft (Allzuständigkeit), soweit Gesetze diese Selbstverwaltungskompetenz nicht einschränken (Gesetzesvorbehalt). Die Selbstverwaltung erfolgt in Eigenverantwortlichkeit, d.h. die Kommunen verfügen über eine Organisations-, Planungs- und Finanzhoheit.

Fall 2 Durch Rechtsverordnung will das Bundesland die Gemeinde Forsthausen in die größere Nachbarstadt Waldberg eingemeinden. Was ist zu beachten? Wie wir oben gelernt haben, findet die Garantie der gemeindlichen Selbstverwaltung ihre Grenzen im Gesetzesvorbehalt, d.h. Gesetze und Rechtsverordnungen können das Recht der Selbstverwaltung einschränken. Diese Einschränkungen sind aber nicht grenzenlos möglich. Nehmen Sie bitte einmal das Grundgesetz zur Hand und lesen Sie Art. 19 II. Danach darf ein Grundrecht in keinem Fall in seinem „Wesensgehalt“ angetastet werden.

Geschützter Kernbereich Zwar ist die kommunale Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 II 1 GG kein Grundrecht oder grundrechtsgleich, aber auch sein Wesensgehalt, der sog. Kernbereich darf nach Entscheidungen des BVerfG und BVerwG selbst durch Gesetze bzw. Verordnungen nicht angetastet werden.

Lektion 2: Selbstverwaltung mit Verfassungsgarantie Was gehört zum „Kernbereich“ des Art. 28 II 1 GG? Die Rechtsprechung äußert sich nicht wirklich präzise dazu. Das BVerfG sagt, zum Kernbereich gehören „die identitätsbestimmenden Merkmale gemeindlicher Selbstverwaltung“, die weder faktisch noch rechtlich beseitigt werden dürfen. Zum Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 II 1 GG gehört sicherlich auch der Bestandsschutz der Gemeinden. Jedoch bezieht sich dieser nur auf die Institution der Gemeinde, d.h. Bundesländer dürfen die Gemeinden nicht generell abschaffen. Auflösungen einzelner Gemeinden, individuelle Gemeindezusammenschlüsse und Eingemeindungen müssen nicht zwangsläufig den Kernbereich des Art. 28 II 1 antasten. Zu den Eingemeindungen hat das BVerfG ausgeführt: „Es gehört zum verfassungsrechtlich gewährten Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung, dass Bestands- und Gebietsänderungen von Gemeinden nur aus Gründen des öffentlichen Wohls und nach Anhörung der betroffenen Gebietskörperschaften zulässig sind“ (BVerfGE 86, 90). Auf unseren Fall 2 bezogen kann das Bundesland deshalb eine Eingemeindung nur dann durchsetzen, wenn es nach Anhörung sowohl der Gemeinde Forsthausen als auch der Stadt Waldberg nachweisen kann, dass das objektive Gemeinwohl für die Eingemeindung bei der Abwägung mit den Eigeninteressen der beiden Kommunen deutlich überwiegt.

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Leitsatz 4 Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie Grundrechte dürfen in ihrem Wesensgehalt nicht, auch nicht durch Gesetze, eingeschränkt werden. Das nennt man im Verfassungsrecht den geschützten Kernbereich. Zwar ist die Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinden nach Art. 28 II GG kein Grundrecht, aber auch für die kommunale Selbstverwaltung hat das Bundesverfassungsgericht einen Schutz ihres Kernbereiches zugesichert. Was alles zu diesem Kernbereich gehört, ist allerdings interpretationsbedürftig.

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Die Rechte und Pflichten der Gemeinde

Finanzausstattung Die kommunale Selbstverwaltung kostet Geld. Deshalb ist in Art. 28 II 3 GG neben der Finanzhoheit ausdrücklich auch „eine den Gemeinden mit Heberecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle“ garantiert worden. Damit wird die Erhebung von Gewerbesteuer ermöglicht, die nach einem komplizierten Punktesystem von den ortsansässigen Unternehmen u.a. nach deren Gewerbeertrag erhoben wird. Das Recht, Gewerbesteuer zu erheben, ist übrigens ein großer Anreiz für die Kommunen, eine attraktive Wirtschaftsförderung zu betreiben, denn je mehr Firmen sich im Gemeindegebiet ansiedeln, desto größere Einnahmen aus der Gewerbesteuer sind zu erwarten. Die Gewerbesteuer ist eine sogenannte Realsteuer (oder Sachsteuer). Von der Zahlung der Gewerbesteuer ausgenommen sind die freien Berufe wie Rechtsanwälte und Ärzte. Weit weniger Einnahmen resultieren aus der Grundsteuer, den die Grundstückseigentümer zu zahlen haben. Sie ist in „A“ (Land- und Forstwirtschaftsbetriebe) sowie „B“ (alle sonstigen Immobilien) unterteilt. Wie die Gewerbesteuer ist auch die Grundsteuer eine Realsteuer. Das Finanzamt setzt auf Grund von Einheitswerten des Grundstücks den Steuermessbetrag fest. Die Gemeinde bestimmt den Hebesatz und erlässt den Grundsteuerbescheid. Zu den erwähnenswerten Gemeindesteuern gehören auch die Hundesteuer und die Zweitwohnungssteuer. Die wichtigste Einnahmequelle der Gemeinden resultiert aber aus Landeszuweisungen, die Kommunaler Finanzausgleich genannt wird. Danach sind die Kommunen mit einem festen Prozentsatz an den Steuereinnahmen des Landes, z.B. an der KFZ-Steuer beteiligt. Der Gemeindeanteil an der Einkommenssteuer und die sogenannten Schlüsselzuweisungen sind im Rahmen des kommunalen Finanzausgleiches von der Summe her die größten Positionen. Die Höhe der Schlüsselzuweisungen wird aufgrund eines fiktiven Ausgabebedarfs anhand der Einwohnerzahl und einiger Zuschläge (für überdurchschnittliche Sozialhilfebelastung, Strukturschwäche, Kreisfreiheit) fiktiv ermittelt und der ebenfalls fiktiv ermittelten Steuerkraft der Gemeinde gegenübergestellt. Weitere Einnahmen resultieren aus Beiträgen und Gebühren (dazu gehören auch die Knöllchen im Straßenverkehr!) sowie aus Erlösen kom-

Lektion 2: Selbstverwaltung mit Verfassungsgarantie munalen Eigentums. Außerdem haben die Wirtschaftsunternehmen, die der Kommune gehören oder an denen sie beteiligt ist, ihre Überschüsse abzuliefern. Über die Gebührenerhebung erfahren Sie in der Lektion 4 (Die Satzung – Rechtsetzung der Gemeinde) noch viel mehr.

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Leitsatz 5 Die Einnahmequellen der Gemeinde In Art.28 II 3 GG wird die angemessene Finanzierung der Gemeinden durch Steuereinnahmen garantiert. Die wichtigste Gemeindesteuer ist die Gewerbesteuer. Daneben finanziert sich die Gemeinde vornehmlich durch den Gemeindeanteil an der Einkommensteuer und die sog. Schlüsselzuweisungen des Landes. Das nennt man kommunalen Finanzausgleich. Weitere Einnahmequellen sind z.B. die Gebühren, Mieten und Pachten sowie die Erlöse von wirtschaftlichen Unternehmen.

Personalausstattung In den Kommunen müssen die Verwaltungen und öffentlichen Einrichtungen mit entsprechendem Personal ausgestattet werden. Dies können von ihrem Status Beamte, Angestellte oder Arbeiter sein. Die Leitungspositionen der Gemeindeverwaltungen werden traditionell mit Beamten besetzt, die Sachbearbeiter sind zumeist Angestellte im öffentlichen Dienst, die Mitarbeiter, die manuelle Tätigkeiten verrichten, z.B. bei der Müllabfuhr oder im Friedhofsamt, sind in der Regel Arbeiter. Dienstvorgesetzter des gesamten Gemeindepersonals ist der Bürgermeister. An ihn sind deshalb auch Dienstaufsichtsbeschwerden zu richten, die keiner festgelegten Form oder Frist bedürfen. Für die Beamten gilt das jeweilige Landesbeamtenrecht, für die Angestellten und Arbeiter das Tarifrecht des öffentlichen Dienstes, das zwischen den Gewerkschaften und der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeber ausgehandelt wurde. Die jeweilige Bezahlung richtet sich nach der Eingruppierung, bei den Kommunalbeamten nach dem Landesbesoldungs-

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Die Rechte und Pflichten der Gemeinde gesetz, bei den nichtbeamteten Beschäftigten der Kommunen nach dem TVöD (Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes, früher: BAT). Die Bediensteten der öffentlichen Verwaltungen können in persönlichen, sozialen und innerdienstlichen Angelegenheiten über die Personalvertretung auf die Entscheidungen ihrer Dienststellen Einfluss nehmen. Dienststellen sind nach der Definition in den Personalvertretungsgesetzen alle größeren Verwaltungseinheiten, bei denen ein Personalrat zu bilden ist. Die Personalräte berichten über ihre Tätigkeit den Personalversammlungen, der Zusammenkunft aller in einer Dienststelle Beschäftigen. Die Personalräte haben verschiedene Beteiligungsrechte: das Recht auf Mitbestimmung, das Recht auf Mitwirkung sowie das Recht auf Anhörung und Beratung. Die Personalratsmitglieder werden im Allgemeinen für vier Jahre gewählt. Sie sind bei der Ausübung ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit nicht an Weisungen gebunden; sie dürfen wegen ihrer Tätigkeit nicht benachteiligt oder bevorzugt werden. Personalratsmitglieder genießen einen besonderen Arbeitsplatzschutz und sind gegenüber Außenstehenden zur Verschwiegenheit verpflichtet.

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Leitsatz 6 Die Beschäftigten der Gemeinde Die Beschäftigten der Kommunen können nach ihrem Status Beamte, Angestellte oder Arbeiter sein. Die Rechte und Pflichten der Kommunalbeamten richten sich nach dem Landesbeamtengesetz, die der Arbeiter und Angestellten nach dem Tarifrecht des öffentlichen Dienstes. In den Gemeindeverwaltungen müssen ab einer in den Personalvertretungsgesetzen bestimmten Größe Personalvertretungen gewählt werden. Der Personalrat besitzt Mitbestimmungs-, Mitwirkungs- sowie Anhörungs- und Beratungsrechte.

Eigener Rechtsschutz der Kommunen Bei Eingriffen in ihre Selbstverwaltungsautonomie haben Kommunen einige Male vor Verfassungs- oder Verwaltungsgerichten versucht, sich

Lektion 2: Selbstverwaltung mit Verfassungsgarantie auf die Verletzung ihrer Grundrechte zu berufen. In Art. 19 III GG steht nämlich, dass die Grundrechte auch für juristische Personen gelten, „soweit sie in ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind“. Das BVerfG hat jedoch die kommunale Grundrechtsfähigkeit abgelehnt. Das höchste deutsche Gericht argumentiert dabei, dass die Kommunen in Ausübung ihrer Hoheitsgewalt selbst an die Grundrechte gebunden seien und deshalb nicht gleichzeitig durch diese geschützt werden könnten. Die Kommunen können sich nicht auf die Grundrechte nach Art. 19 III des Grundgesetzes berufen.

XXAußenrechtsverhältnis Als Körperschaften des öffentlichen Rechts können die Kommunen, wie jede juristische Person oder wie betroffene Bürger, den Verwaltungsrechtsweg beschreiten und sich gegen Verwaltungsakte (VA) oder einfaches („schlicht“) hoheitliches Handeln anderer Hoheitsträger zur Wehr setzen. Dafür kommt z.B. eine Anfechtungsklage gemäß § 42 VwGO in Betracht. Voraussetzung ist allerdings, dass durch das Handeln anderer Hoheitsträger das Selbstverwaltungsrecht der Kommune im eigenen Wirkungskreis (siehe Lektion 3) verletzt wurde. Beispiel: Das Land erteilt einer Fischzuchtfirma die Betriebserlaubnis in einem See, der zum Gemeindegebiet gehört. XXInnenrechtsverhältnis Aber auch innerhalb der Gemeindeorganisation, etwa bei Streit über das Verfahren und die Zuständigkeit des Rates, der von Fraktionen oder einzelnen Ratsmitgliedern angestrengt wird, ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Eine verwaltungsgerichtliche Klage im Innenrechtsverhältnis hat immer dann Erfolg, wenn sie sowohl zulässig als auch begründet ist. Die Klage ist begründet, wenn die mit dem Rechtsmittel angegriffene Regelung ohne zutreffende Rechtsgrundlage ergangen ist, also gegen ein Gesetz, eine Verordnung oder Satzung verstößt. Zunächst aber wird das angerufene Verwaltungsgericht immer prüfen, ob die Klage überhaupt zulässig ist. Dazu finden Sie im Folgenden als Grundlage ein Prüfschema.

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Die Rechte und Pflichten der Gemeinde

Prüfschema 1: Verwaltungsgerichtliche Klage Zulässigkeit 1. Verwaltungsrechtsweg eröffnet, § 40 VwGO (da keine Beteiligung von Verfassungsorganen = nicht verfassungsrechtlicher Streit) 2. Beteiligtenfähigkeit ––der Gemeinde, § 61 Nr.1 VwGO ––Beteiligte innerhalb der Gemeinde. § 61 Nr. 2 VwGO analog 3. Klageart ––Anfechtungs-/Verpflichtungsklage, § 42 VwGO (–) (da kein VA wg. fehlender Außenwirkung. Ausnahme: Selbstverwaltungsangelegenheit) ––Leistungsklage (+) auf Tun, Unterlassen, Duldung gerichtet ––allgem. Feststellungsklage, § 43 VwGO(+) auf Klärung Rechtsverhältnis 4. Klagebefugnis, § 42 II VwGO analog ––bei Selbstverwaltungsangelegenheiten (+) ––bei staatlichen Auftragsangelegenheiten (–) (Ausnahmen, z.B. bei „wehrfähigen Organrechten“– Schutznorm­ theorie –) ––bei Pflichtaufgaben nach Weisung im monistischen System (+)

Kommunalverfassungsbeschwerde Wenn Kommunen nicht durch Verwaltungsakte oder schlicht hoheitliches Handeln, sondern durch Gesetze in ihren Selbstverwaltungsrechten verletzt werden, haben sie das Recht der Kommunalverfassungsbeschwerde. Der Rechtsweg zum zuständigen Gericht für die Kommunalverfassungsbeschwerde hängt von folgendem ab: Bei der Verletzung durch Bundesgesetze ist für solche Kommunalverfassungsbeschwerden das Bundesverfassungsgericht zuständig, siehe § 91 BVerfGG. Wird die Kommune hingegen durch ein Landesgesetz in ihrem

Lektion 2: Selbstverwaltung mit Verfassungsgarantie Selbstverwaltungsrecht beeinträchtigt, kommt es darauf an, ob nach Landesrecht eine Kommunalverfassungsbeschwerde vor dem jeweiligen Landesverfassungsgericht vorgesehen ist. Der Rechtsweg der Kommunen ist also bei Verletzungen des Selbstverwaltungsrechtes durch Landesgesetze je nach Bundesland verschieden. Alle neuen Bundesländer haben in ihren Verfassungen ein eigenes Rechtsschutzverfahren vor dem jeweiligen Landesverfassungsgericht (auch „Verfassungsgerichtshof“ oder „Staatsgerichtshof“ genannt, siehe Anhang) ermöglicht. Nur in den Ländern, in denen ein solcher Weg der Kommunen zum Landesverfassungsgericht nicht oder nur eingeschränkt eröffnet ist (z.B. Baden-Württemberg), kann gem. Art. 93 I Nr. 4b GG das Bundesverfassungsgericht angerufen werden. Soweit zum Rechtsweg. Voraussetzungen für die Beschwerdeerhebung sind im Einzelnen in § 90 ff. BVerfGG geregelt. Danach sind nur die Gemeinden oder Gemeindeverbände, nicht aber einzelne Organe von ihnen (z.B. nicht: der Bürgermeister, der Gemeinderat) berechtigt, die Beschwerde einzulegen. Dies aber auch nur, wenn sie selbst, aktuell und unmittelbar in ihrem Recht auf Selbstverwaltung nach Art. 28 II GG verletzt wurden. Beschwerdegegenstand dürfen nur Gesetze und Rechtsverordnungen, aber keine Verwaltungsakte sein.

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Leitsatz 7 Rechtsschutz der Kommunen 1. Die Kommunen können sich in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art an die Verwaltungsgerichte wenden. Voraussetzung ist eine Verletzung des Selbstverwaltungsrechtes durch eine andere staatliche Institution und zwar durch Verwaltungsakt oder durch einfaches hoheitliches Handeln 2. Werden die Kommunen durch ein Bundesgesetz in ihren Selbstverwaltungsrechten verletzt, ist eine Kommunalverfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht möglich. Bei Verletzung durch Landesgesetze ist zunächst zu prüfen, ob Landesrecht den Rechtsweg zum Landesverfassungsgericht ermöglicht. Nur wenn das nicht der Fall ist, kann die Kommunalverfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt werden

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Die Rechte und Pflichten der Gemeinde Im Unterschied zur verwaltungsgerichtlichen Klage stellt die Kommunalverfassungsbeschwerde kein alltägliches Rechtsmittel dar. Man muss deshalb besonders sorgsam prüfen, ob sämtliche Voraussetzungen für einen Erfolg dieses Rechtsmittels vorliegen. Das folgende Prüfschema soll dabei helfen.

Prüfschema 2: Kommunalverfassungsbeschwerde 1. Zuständiges Gericht ––Landesverfassungsgericht? ––Bundesverfassungsgericht (Art. 93 I Nr. 4b GG)? 2. Zulässigkeit ––Antragsberechtigung: Gemeinde/Gemeindeverband ––Antragsgegenstand: Gesetz im materiellen Sinne (d.h. auch Verordnungen und Satzungen) ––Antragsbefugnis: bei Verletzung Art. 28 II GG ––Antragsfrist: siehe § 93 III BVerfGG 3. Begründetheit Angegriffenes Gesetz nicht vereinbar mit Art. 28 II GG Gegebenenfalls Verletzung prüfen: ––Verstoß gegen Demokratieprinzip (Art. 20 I GG)? ––Verstoß gegen Gesetzgebungskompetenz (Art. 70 ff. GG)?

Lektion 3: Kommunale Aufgaben

Lektion 3: Kommunale Aufgaben Obwohl die kommunalen Aufgaben sich für Bürger und Verwaltung ja sehr konkret darstellen, müssen wir in dieser Lektion auch ein wenig juristische Theorie vermitteln. Der streckenweise trockene Stoff ist aber prüfungsrelevant, so dass wir nicht auf ihn verzichten dürfen. Später wird es dann aber wieder praxisnah. In der Lektion 2 war von der Allzuständigkeit der Kommunen die Rede, von der Befugnis, in ihrem ureigenen Wirkungskreis Aufgaben zu erfüllen. Die kommunalen Aufgaben sind jedoch nicht alle auf die Selbstverwaltungskompetenz der Gemeinden zurückzuführen, sondern sind teilweise auch staatliche Pflichtaufgaben, die den Kommunen per Gesetz zugewiesen wurden.

Eigener Wirkungskreis „Eigener Wirkungskreis“ nennt man den kommunalen Tätigkeitsbereich, wenn es um die ureigenen Aufgaben der Selbstverwaltung geht. Die Pflichtaufgaben der Gemeinden im Bereich der Selbstverwaltung ergeben sich aus Gesetzen, insbesondere aus der Landesverfassung, der Gemeindeordnung, aber auch aus Fachgesetzen (z.B. Baugesetzbuch). Darin werden die Gemeinden in ihrem eigenen Wirkungskreis beispielsweise zur Eigenverwaltung mit Personal und einem Haushalt verpflichtet und im Rahmen der sogenannten Daseinsvorsorge zur Schaffung von grundlegender Infrastruktur wie die Bereitstellung der Trinkwasserversorgung. Des Weiteren gehören beispielsweise zu den Pflichtaufgaben die Übernahme der Schulträgerschaft im Gemeindegebiet nach dem Schulgesetz, die Bereitstellung von Kindergartenplätzen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB VIII), die Straßeninstandhaltung nach Landesstraßengesetz und die Aufstellung von Bauleitplänen nach dem Baugesetzbuch. Diese Pflichtaufgaben sind ohne Weisung, d.h. die Gemeinden verfügen über ein freies Ermessen, wie sie diese Aufgaben erledigen, also in welchem Umfang und mit wieviel Personal etc.

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Die Rechte und Pflichten der Gemeinde Ob darüber hinaus freiwillige Aufgaben von der Gemeinde erfüllt werden, liegt in ihrem eigenen Ermessen. In der Praxis ist die Anzahl der freiwillig von einer Gemeinde erfüllten Aufgaben, etwa im Bereich der Förderung sozialer, kultureller oder sportlicher Maßnahmen eher klein, weil sie durch begrenzte Haushaltsmittel finanziert werden muss. Mit dem eigenen Wirkungskreis wird der Aufgabenbereich der kommunalen Selbstverwaltung beschrieben.

Übertragener Wirkungskreis („verlängerter Arm“) „Übertragener Wirkungskreis“ nennt man den kommunalen Tätigkeitsbereich, in welchem die Gemeinde oder der Landkreis neben den ureigenen Aufgaben für das Land oder den Bund Verwaltungstätigkeiten erfüllen muss. Diese Aufgaben werden durch die Länder übertragen. Neben der Aufgabenerfüllung im eigenen Wirkungskreis haben die Kommunen auch Aufgaben in einem von Gesetzen übertragenen staatlichen Wirkungskreis wahrzunehmen. Hierbei geht es nicht mehr nur um Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, sondern um solche, die eigentlich der Bund oder das Land selbst erledigen müssten. Die Kommunen werden vom Bund bzw. dem Land beauftragt, sozusagen als „verlängerter Arm“ von ihnen bestimmte Pflichtaufgaben nach Weisung zu erfüllen. Dies geschieht immer dann, wenn die Gemeinde als untere Verwaltungsbehörde der Landesregierung bestimmt wurde, z.B. bei der Bauaufsicht nach der Bauordnung sowie dem Denkmalschutzgesetz, aber auch bei der Registrierung nach dem Melderecht oder bei der Ausführung des Gaststättengesetzes. Bei diesen sog. Fremdverwaltungsangelegenheiten besitzen die Kommunen kein freies Ermessen mehr, wie sie diese Aufgaben erledigen. Die Kommunen unterstehen also den zuständigen (Landes-)Behörden und sind – im Unterschied zu den Pflichtaufgaben im eigenen Wirkungskreis – auch in Bezug auf die Durchführung dieser Aufgaben weisungsgebunden. Auch für den Bund müssen die Gemeinden einige staatliche Pflichtaufgaben nach Weisung übernehmen, etwa die Vorbereitung der

Lektion 3: Kommunale Aufgaben Bundestagswahl, die Auszahlung von Unterhaltsvorschuss und Vorkehrungen nach dem Katastrophenschutzgesetz. Mit dem übertragenen Wirkungskreis werden die vom Land der Gemeinde zugewiesenen staatlichen Aufgaben umschrieben.



Fall 3

Der Bürgermeister von Forsthausen erhält aus dem Innenministerium des Landes einen Anruf. Forsthausen sei bisher bei der Verteilung und Unterbringung von Asylbewerbern verschont geblieben. Da alle räumlichen Kapazitäten in anderen Gemeinden des Landkreises ausgeschöpft seien, müsse das Ministerium darauf bestehen, dass nun auch in Forsthausen Unterbringungsmöglichkeiten für Asylbewerber geschaffen würden, und zwar innerhalb von sechs Wochen. Der Bürgermeister weist dieses Ansinnen zurück. Es gehöre nicht zu den kommunalen Aufgaben, Asylbewerber unterzubringen. Die Unterbringung fände auch keine Mehrheit im Gemeinderat. Außerdem seien keine geeigneten Räumlichkeiten vorhanden. Kann der Bürgermeister sich gegen die Zuweisung der Asylbewerber an seine Gemeinde erfolgreich zur Wehr setzen? In der Tat gehört es nicht zu den kommunalen Aufgaben der Selbstverwaltung, also zu den Aufgaben im eigenen Wirkungskreis, Asylbewerber unterzubringen. Im Rahmen der Daseinsvorsorge haben sich die Gemeinden nur um die Bedürfnisse ihrer eigenen Einwohner zu kümmern. Zum Beispiel müssen sie etwa durch Zwangsräumung obdachlos gewordenen Einwohnern ein Dach über dem Kopf besorgen. Die Unterbringung von Asylbewerbern ist zunächst eine Bundesangelegenheit. Der Bund hat jedoch über das Ausländergesetz bzw. das Asylverfahrensgesetz seine Zuständigkeit für die Verteilung und Unterbringung der Asylbewerber an die Bundesländer weitergeleitet. Diese wiederum nehmen durch entsprechende Landesverordnungen über die Zuständigkeit nach dem Ausländergesetz und Asylverfahrensgesetz ihre kreisfreien Städte, Landkreise und Gemeinden in die Pflicht.

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Die Rechte und Pflichten der Gemeinde Nach einem in der Verordnung bestimmten Zahlenschlüssel müssen die Kommunen für die Verteilung und Unterbringung der Asylbewerber sorgen. Eine derartige Abwälzung eigener staatlicher Aufgaben an die Gemeinden stellt eine klassische kommunale Aufgabe im übertragenen Wirkungskreis dar. Eine Gemeinde muss solche per Gesetz oder Verordnung zugewiesenen Aufgaben erfüllen, ob sie nun will oder nicht. Bei der Erfüllung einer Aufgabe im übertragenen Wirkungskreis besitzen die Kommunen noch nicht einmal einen Ermessenspielraum über die Art und Weise ihrer Aufgabenerfüllung. Für die Lösung von Fall 3 bedeutet dies, dass sich der Bürgermeister von Forsthausen der Zuweisung der Asylbewerber nicht widersetzen kann.

Übersicht 2: Aufgabenerfüllung XXEigener

Wirkungskreis Im eigenen Wirkungskreis, also im Rahmen ihrer Selbstverwaltung haben die Kommunen ––freiwillige Aufgaben und ––Pflichtaufgaben, allerdings ohne Weisung, zu erledigen. Beispielsweise die Eigenverwaltung, die Schaffung von Infrastruktur wie Trinkwasserversorgung und übertragenen Aufgaben wie die Bereitstellung von Kindergartenplätzen. Diese Pflichtaufgaben erfolgen ohne Weisung seitens des Gesetzgebers. Wie sie umgesetzt werden, liegt also im Ermessen der Gemeinde.

XXÜbertragener

Wirkungskreis Im übertragenen Wirkungskreis, als „verlängerter Arm“ von Land und Bund, haben die Gemeinden nach entsprechenden Gesetzen ––staatliche Pflichtaufgaben nach Weisung zu erfüllen. Die Gemeinde handelt hier oftmals als untere Verwaltungsbehörde der Landesregierung. Hier hat die Gemeinde kein Ermessen.

Lektion 3: Kommunale Aufgaben

Aufgabensysteme Einige Bundesländern behandeln sämtliche kommunalen Aufgaben, ob im eigenen oder übertragenen Wirkungskreis rechtlich einheitlich. Dies nennt man das „monistische System“. Die meisten Bundesländer befolgen aber das sogenannte „dualistische System“. Hier wird zwischen freiwilligen Aufgaben, Pflichtaufgaben ohne Weisung einerseits und Pflichtaufgaben nach Weisung andererseits unterschieden. In der Praxis ist dieser Unterschied kaum jemals relevant. Sie sollten ihn aber kennen, denn hin und wieder wird in Prüfungen danach gefragt.

Monistisches System Länder mit monistischem System sind Baden-Württemberg, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Schleswig-Holstein In diesem System sind grundsätzlich auch alle den Gemeinden vom Landesgesetzgeber zugewiesenen Aufgaben wie Selbstverwaltungsangelegenheiten zu behandeln. Es wird also nicht zwischen staatlichen und eigenen kommunalen Aufgaben unterschieden, denn man geht in diesen Bundesländern von einem einheitlichen Begriff der öffentlichen Aufgaben aus. Auswirkungen hat dies auf die sogenannten „Pflichtaufgaben nach Weisung“, die den Kommunen vom Landesgesetzgeber übertragen wurden. Weisungen seitens des Landes sind danach nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich, weil ja alle Aufgaben, ob eigene oder vom Land zugewiesene, wie Selbstverwaltungsaufgaben gehandhabt werden, für die allein die Kommune zuständig ist.

Dualistisches System In Bayern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt und Thüringen folgt man dem dualistischen System. Hier werden die öffentlichen Aufgaben in Selbstverwaltungsaufgaben und sogenannte Staatsaufgaben unterteilt. Auf der kommunalen Ebene wird unterschieden zwischen dem eigenen Wirkungskreis mit freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben und Pflichtaufgaben ohne Weisung einerseits und den staatlichen Pflichtaufgaben nach Weisung andererseits. Im Unterschied zum „monistischen Modell“ kommt es hier also auf die Weisungsbefugnis des Landesgesetzgebers an. – In den Beispielen und Fällen dieses Buches wird vom dualistischen Modell ausgegangen.

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Die Rechte und Pflichten der Gemeinde

Nach dem Monistischen System gibt es nur kommunale Aufgaben im eigenen Wirkungskreis. Das Dualistische System differenziert zwischen Aufgaben im eigenen und übertragenen Wirkungskreis.

Organleihe Nicht immer muss die gesamte Gemeinde oder der gesamte Landkreis von der Landesbehörde zur Erledigung staatlicher Aufgaben verpflichtet werden. Im Wege der sogenannten Organleihe wird nicht die Kommune als solche, sondern nur eines ihrer „Organe“, meist der Landrat, aber auch der Bürgermeister mit der Wahrnehmung einer durch Gesetz oder Rechtsverordnung zugewiesenen Aufgabe „beliehen“, also betraut. Auch dieses Organ ist der „verlängerte Arm“ der jeweiligen Landesbehörde. Beispiele: der Landrat als „Untere Bauaufsichtsbehörde“, der Bürgermeister als „Ortspolizeibehörde“. Übrigens, diese übertragene Funktion des Landrates oder des Bürgermeisters erkennt man bereits auf den jeweiligen Briefbögen. Weil der Landrat oder Bürgermeister im Wege der Organleihe für Landesbehörden tätig werden, steht auf den Briefköpfen nicht nur: „Landkreis ABC“ oder Gemeinde XYZ“, sondern darüber oder darunter: „Der Landrat“ bzw. „Der Bürgermeister“. Organleihe bedeutet die Übertragung einer Landes- oder Bundesaufgabe auf ein bestimmtes kommunales Organ, z.B. den Bürgermeister.

Konnexität – Finanzierung übertragener Aufgaben Die Konnexität bedeutet im Kommunalrecht, dass die Übertragung von Aufgaben des Landes oder Bundes auf die Gemeinden nur bei mitgegebener Finanzierung statthaft ist. Salopp gesagt bedeutet dieses Prinzip, dass die Musik von dem zu bezahlen ist, der sie bestellt. Das Konnexitätsprinzip ist für das Verhältnis des Bundes und der Länder in Art. 104 a II GG geregelt. Dort heißt es, dass der Bund die Ausga-

Lektion 3: Kommunale Aufgaben ben trägt, wenn die Länder im Auftrage des Bundes handeln. Für das Verhältnis zwischen Bund und Ländern einerseits und den Kommunen andererseits findet sich aber keine Regelung im Grundgesetz. Stattdessen ist die Finanzierung von Aufgaben im übertragenen Wirkungskreis überwiegend in den Landesverfassungen geregelt. Hier muss noch differenziert werden, ob die Gemeinden im jeweiligen Bundesland nach dem monistischen oder dualistischen Aufgabensystem (siehe oben) strukturiert sind. Bei Gemeinden in Bundesländern mit dualistischem Aufgabensystem sieht die Finanzierung übertragener Aufgaben dann so aus: Werden Gemeinden durch das Land zur Erfüllung von Aufgaben verpflichtet oder werden ihnen durch das Land Aufgaben  übertragen, so ist dabei gleichzeitig über die Deckung der Kosten zu entscheiden. Führt die Erfüllung dieser Aufgaben zu einer Mehrbelastung der Gemeinden, so ist dafür ein entsprechender finanzieller Ausgleich zu schaffen. Kostenfolgeabschätzungen sind unter Beteiligung der kommunalen Verbände vorzunehmen. Der finanzielle Ausgleich ist zeitgleich mit der Aufgabenübertragung zu gewähren. Dieser ist in der Rechtsvorschrift, die die Aufgabenübertragung anordnet, oder zeitnah im Finanzausgleichsgesetz zu regeln. In den Gemeinden in Bundesländern mit monistischem Aufgabensystem wird rechtlich ja nicht zwischen den Aufgaben im eigenen und übertragenen Wirkungskreis unterschieden. Deshalb findet hier die Finanzierung übertragener Aufgaben nur über den Finanzausgleich statt. Dazu ist bereits in der Lektion 2 unter dem Stichwort Finanzausstattung einiges ausgeführt worden. Die Übertragung von Aufgaben auf die Kommunen darf nur bei mitgegebener Finanzierung geschehen. Das nennt man das ­Konnexitätsprinzip.



Fall 4

Das Landesparlament beschließt durch Gesetz schulpflichtigen Kindern bis zum Alter von acht Jahren einen Anspruch auf einen Platz im Kinder­

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Die Rechte und Pflichten der Gemeinde hort zu gewähren. Die Gemeinden werden verpflichtet, entsprechende Hortplätze vorzuhalten. Der Bürgermeister von Forsthausen rechnet aus, dass diese Maßnahme seiner Gemeinde 100.000 € kosten würde. Er fragt, ob er das verhindern kann. Wird eine Gemeinde durch Gesetz zur Wahrnehmung neuer Aufgaben verpflichtet, könnte dies ihr Recht auf Selbstverwaltung gemäß Art.  28  II  1  GG verletzen. Kommunale Angebote, die die Bereiche Soziales, Familie und Gesundheit betreffen, stellen zwar Aufgaben im eigenen Wirkungskreis der Gemeinde dar. Durch entsprechend regelnde Bundes- oder Landesgesetze kann die Gemeinde aber nicht mehr frei entscheiden, ob sie die Aufgabe überhaupt erfüllen soll oder nicht. Bisher freiwillige Angebote der Gemeinde werden durch übergeordnete Gesetze dann zu Pflichtaufgaben. Dies stellt eine Einschränkung des kommunalen Ermessens dar, denn die Gemeinde kann zwar noch über das „Wie“ der Aufgabenwahrnehmung entscheiden, nicht aber über das „Ob“. Wie wir bereits in Lektion 2 gelernt haben, stellt Art. 28 II 1 GG die kommunale Selbstverwaltungsgarantie unter Gesetzesvorbehalt („im Rahmen der Gesetze“). Gesetzlich verordnete Pflichtaufgaben sind also gerechtfertigt, wenn ein Bundes- oder Landesgesetz dazu ermächtigt und dieses Gesetz nicht den Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung antastet. Die Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 II 1 GG wäre sinnlos, wenn den Gemeinden keine ausreichenden Finanzmittel zur Verfügung stünden, ihre eigenen Angelegenheiten tatsächlich auch wahrzunehmen. Das BVerfG hat den Gemeinden deshalb eine „angemessene“ Finanzausstattung zuerkannt. Eine Finanzausstattung ist danach angemessen, wenn der Gemeinde nach der Erfüllung der Pflichtaufgaben genug finanzieller Spielraum verbleibt, selbst gewählte Aufgaben zu erfüllen. Bei der Zuweisung von gesetzlichen Pflichtaufgaben ist der geschützte Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung also erst dann verletzt, wenn der Gemeinde wegen der Wahrnehmung neuer Pflichtaufgaben finanziell kein hinreichender Raum für ihre freiwilligen Aufgaben mehr verbleibt. Insofern wird das Konnexitätsprinzip relativiert. Zur Erfüllung ihrer Aufgaben ist den Kommunen verfassungsrechtlich eine angemessene Finanzausstattung garantiert.

Lektion 3: Kommunale Aufgaben Auf unseren Fall 4 angewandt, berührt die neue gesetzliche Verpflichtung, für jedes schulpflichtige Kind bis zum Alter von acht Jahren einen Hortplatz vorzuhalten, zwar das Prinzip der gemeindlichen Selbstverwaltung, ist als Pflichtaufgabe jedoch nicht so einschneidend, dass die Gemeinde Forsthausen daneben keine anderen freiwilligen Aufgaben mehr wahrnehmen könnte. Die Gemeinde dürfte für die Benutzung des Hortes ja auch kostendeckende Gebühren erheben, so dass die Finanzausstattung der Gemeinde nicht wesentlich eingeschränkt wäre. Das entsprechende Bundesgesetz greift deshalb auch nicht in den Kernbereich des Art. 28 II GG ein. Der Bürgermeister der Gemeinde Forsthausen kann sich der neuen Pflichtaufgabe nicht entziehen.

Übersicht 3: Kommunale Aufgaben Eigener Wirkungskreis (Ermessen) XXfreiwillige

Aufgaben; z.B. Kultur- und Sportförderung

XX(gesetzl.)

Pflichtaufgaben ohne Weisung; z.B. Eigenverwaltung, Daseinsvorsorge, Schulträgerschaft, Bauleitplanung

Übertragener Wirkungskreis (kein Ermessen) (gesetzl.) Pflichtaufgaben nach Weisung z.B. als untere Verwaltungsbehörde: Bauaufsicht, Denkmalschutz

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Die Rechte und Pflichten der Gemeinde

Lektion 4: Die Satzung – Rechtsetzung der Gemeinde

Fall 5

Der Bürgermeister von Forsthausen will auf dem Campingplatz der Gemeinde das Abstellen von Wohnwagen verbieten. Die Gemeindevertretung beschließt daraufhin eine Änderung der Benutzungsordnung. Ein Tourist mit Wohnwagen hält das für rechtswidrig. Schließlich seien Wohnwagen im öffentlichen Straßenverkehr zugelassen. Zu Recht? Zur Erinnerung an Lektion 2: Nach Art.28 II 1 GG wird den Gemeinden das Recht gewährleistet, „alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln.“ Deshalb kann die Gemeindevertretung in ihrem Gemeindegebiet Vorschriften erlassen, soweit diese nicht im Widerspruch zu Landes- und Bundesgesetzen stehen. Diese kommunalen Regelungen nennt man als Oberbegriff: Satzungen. Die Ermächtigungsgrundlage für den Erlass von Satzungen ist in der Gemeindeordnung zu finden. Satzungen sind „Gesetze im materiellen Sinn“ („materiell“ = inhaltlich). Sie müssen von der Gemeindevertretung beschlossen und amtlich bekannt gemacht werden. Das Verfahren zum Erlass einer Satzung ähnelt insofern dem Gesetzgebungsverfahren der Parlamente. Mit Satzungen werden die rechtsverbindlichen, gesetzesähnlichen Vorschriften bezeichnet, die die Kommunen erlassen.

Benutzungsordnung In den Gemeindeordnungen der Länder ist allgemein festgelegt, dass die Gemeinden durch Satzung die Benutzung ihres Eigentums und ihrer öffentlichen Einrichtungen regeln können. Dies ist die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage der Gemeinden zum Erlass von Satzungen. Suchen Sie bitte die entsprechende Vorschrift in der Gemeindeordnung Ihres Bundeslandes! Für alle öffentlichen Einrichtungen, die im Eigentum der Gemeinde stehen, kann die Gemeinde demnach durch Satzung eine Benutzungsord-

Lektion 4: Die Satzung – Rechtsetzung der Gemeinde nung erlassen, soweit der Inhalt der Satzung nicht gegen höherrangiges Recht des Bundes oder Landes verstößt. Zurück zu unserem Fall 5! Der Campingplatz in Forsthausen ist eine öffentliche Einrichtung im kommunalen Eigentum. Die Gemeinde kann deshalb durch Satzung für den Campingplatz eine Benutzungsordnung erlassen. Der Inhalt dieser Benutzungsordnung darf aber nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen. Höherrangiges Recht könnten im vorliegenden Fall das Straßenverkehrsgesetz und die Straßenverkehrsordnung des Bundes sein, die Wohnwagen für den öffentlichen Straßenverkehr zulassen. Auf dem Campingplatz der Gemeinde haben aber Straßenverkehrsgesetz und Straßenverkehrsordnung wie auf allen Privatgrundstücken keine Geltung, denn auf solchen Grundstücken findet kein öffentlicher Straßenverkehr statt. Die Benutzungsordnung verstößt also nicht gegen höherrangiges Recht. Die Satzungsänderung der Gemeinde Forsthausen war rechtmäßig. Fazit: Wenn eine Gemeinde auf ihrem Campingplatz keine Wohnwagen haben will, kann sie solche einfach verbieten.

Anschluss- und Benutzungszwang

Fall 6

Alle mit einem Wohngebäude bebauten Grundstücke müssen sich an die Trinkwasserleitung des Wasserwerkes der Gemeinde Forsthausen anschließen lassen. So heißt es sinngemäß in einer Satzung der Gemeinde. Herr Lehmann will sein Grundstück nicht anschließen lassen, weil er das Trinkwasser dem eigenen Brunnen entnimmt. Kann er sich dem Wasseranschluss erfolgreich widersetzen? Satzungen mit sog. Anschluss- und/oder Benutzungszwang an eine kommunale Einrichtung finden sich bei der Wasser- und Abwasserversorgung, der Abfallbeseitigung, der Straßenreinigung, bei Schlachthöfen und bei Bestattungseinrichtungen. Der Anschluss- und Benutzungszwang begründet für die Kommunen eine Art Monopol für besonders heikle oder wichtige Versorgungseinrichtungen.

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Die Rechte und Pflichten der Gemeinde Die Gemeinden müssen ihre Einrichtungen nicht in eigener Regie (oder als „Eigenbetrieb“) führen, sondern können dazu mit anderen Kommunen, z.B. in einem eigenständigem Zweckverband kooperieren (z.B. „Abwasserzweckverband Waldgebirge“), siehe Lektion 9 und 11. Der Anschluss- und Benutzungszwang ist in Satzungen zu finden, die besonders wichtige kommunale Versorgungseinrichtungen regeln.

Vorbehalt des Gesetzes Wie die inhaltlichen Regelungen aller Satzungen stellt auch der Anschluss- und Benutzungszwang einen Eingriff in die grundrechtlich geschützten Eigentums- und Freiheitsrechte der Betroffenen dar. Er ist deshalb nur gerechtfertigt, wenn Gründe des öffentlichen Wohls überwiegen. Da Einschränkungen von Grundrechten prinzipiell unter dem „Vorbehalt des Gesetzes“ stehen (und deshalb nur aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden können), finden sich solche Ermächtigungsgrundlagen zum Erlass von Satzungen im Kommunalen Abgabengesetz (KAG), in Fachgesetzen, wie z.B. im Baugesetzbuch (BauGB) und in allen Gemeindeordnungen der Länder. In den Gemeindeordnungen sind speziell die Vorschriften zum Anschluss- und Benutzungszwang aufgeführt.

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Leitsatz 8 Satzungen unter Gesetzesvorbehalt Alle Satzungen schränken die Freiheitsrechte der betroffenen Bürger ein. Weil die Einschränkung von Grundrechte aber unter dem „Vorbehalts des Gesetzes“ stehen, brauchen Satzungen eine Gesetzesgrundlage. Neben der allgemeinen Ermächtigungsgrundlage zum Erlass von Satzungen in den Gemeindeordnungen gibt es in einigen speziellen Gesetzen besondere Ermächtigungsgrundlagen, z.B. im Kommunalen Abgabengesetz (KAG).

Suchen Sie bitte die Vorschrift in der Gemeindeordnung Ihres Bundeslandes, die den Anschluss- und Benutzungszwang regelt!

Lektion 4: Die Satzung – Rechtsetzung der Gemeinde Eine für die Gesundheit der Bevölkerung einwandfreie Wasserversorgung rechtfertigt den Zwang, bebaubare Grundstücke an eine Trinkwasserleitung anschließen zu lassen. Die Versorgung der Bürger mit gesundheitlich unbedenklichem Trinkwasser entspricht nämlich dem übergeordneten öffentlichen Wohl. Die Rechtsprechung hat sogar anerkannt, dass im Interesse einer flächendeckenden wirtschaftlichen Wasserversorgung der Zwangsanschluss von Einzelgrundstücken selbst dann gefordert werden kann, wenn dies aus Hygienegründen nicht unbedingt erforderlich ist. Auf unseren Fall 6 bezogen, kann Herr Lehmann gegen den Anschlussund Benutzungszwang nicht einwenden, er verfüge ja über eigenes gutes Brunnenwasser. Bei der Abwägung der Interessen von Herrn Lehmann und denen der Allgemeinheit überwiegen die das öffentliche Wohl bestimmenden Gründe einer wirtschaftlichen Versorgung der Bevölkerung mit hygienisch einwandfreiem Trinkwasser. Herr Lehmann muss sein Grundstück also an die Trinkwasserleitung anschließen lassen und die Kosten für den Anschluss und die Wasserlieferung übernehmen. Nach den Beitrags- und Gebührensatzungen der meisten Stadtwerke oder Wasserverbände entsteht ein einmaliger Anschlussbeitrag für die erstmalige Herstellung und den Anschluss an die öffentliche Wasserversorgungsanlage, der sich nach der Grundstücksfläche bemisst. Im Beitrag ist die Verlegung der Wasserleitung bis zur Grundstücksgrenze enthalten. Für die Inanspruchnahme der öffentlichen Wasserversorgungsanlage sowie für die Bereithaltung des Wassers und dessen Verbrauch entstehen Kosten, die sich in der Regel aus einer Grundgebühr und einer mengenabhängigen Verbrauchsgebühr zusammensetzen.

Beiträge und Gebühren

Fall 7

Herr Lehmann hat auch noch einen Bescheid der Gemeinde erhalten, wonach ihm anteilig 5.000 € für die Fahrbahnerneuerung der Ortsstraße an seinem Grundstück in Rechnung gestellt werden. Er findet, die Straßenerneuerung wäre gar nicht nötig gewesen, das Ausbessern von ein paar Schlaglöchern hätte genügt. Deshalb will er nicht bezahlen. Zu Recht? Die Verfassungsgarantie der Selbstverwaltung umfasst nach Art. 28 II 3 GG auch die finanzielle Eigenverantwortung der Gemeinden. Sie sol-

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Die Rechte und Pflichten der Gemeinde len eine eigenständige Einnahmen- und Ausgabenwirtschaft im Rahmen ihrer Haushaltsplanung betreiben. Ziel muss es sein, für eine angemessene Finanzausstattung zur Lösung der kommunalen Aufgaben zu sorgen.

Kommunales Abgabengesetz Nach dem Kommunalen Abgabengesetz (KAG) der Länder sollen die Gemeindenaufgaben durch Abgaben, wie Steuern, Gebühren und Beiträge finanziert werden: XXSteuern können die Gemeinden in Form von sogenannten örtlichen Verbrauchs- oder Aufwandsteuern (z.B. Zweitwohnungssteuer, Hundesteuer) oder Realsteuern (Grund- und Gewerbesteuer) erheben. XXBeiträge sind Geldbeträge, die den (Investitions-)Aufwand ersetzen sollen, der bei der Gemeinde für die Herstellung öffentlicher Einrichtungen entstanden ist (z.B. der Erschließungsbeitrag). XXGebühren sind die Geldbeträge, die durch die Benutzung der von der Kommune errichteten und betriebenen Einrichtungen entstanden sind, (z.B. für die Teilnahme an Volkshochschulkursen) oder für eine spezielle Verwaltungstätigkeit (z.B. Erteilung einer Baugenehmigung). Zur kommunalen Aufgabe gehört auch der Ausbau von Ortsstraßen im Gemeindegebiet. Die Baukosten werden durch Beiträge der Anlieger (mit)finanziert. Rechtsgrundlage für den Beitragsbescheid ist die Straßenbaubeitragssatzung der Gemeinde, die sich auf eine Vorschrift im Kommunalen Abgabengesetzes (KAG) bezieht. Diese ermächtigt zum Satzungserlass. Entsprechend der Satzung wird nach einem bestimmten Verteilungsschlüssel der finanzielle Aufwand der Straßenbaumaßnahme auf die Anlieger umgelegt. Kosten für eine Straßenerneuerung werden nach KAG selbst dann umgelegt, wenn sie den Anliegern nur fiktive (theoretische) Vorteile bieten. Im KAG der meisten Bundesländer wird allerdings zwischen der beitragsfreien laufenden Straßenunterhaltung und der beitragspflichtigen einmaligen Straßenerneuerung unterschieden.

Lektion 4: Die Satzung – Rechtsetzung der Gemeinde

Eine Beitragspflicht für Straßenbaumaßnahmen und Erschließungsanlagen entsteht bereits mit einem auch nur fiktiven Vorteil für den Anlieger. Auf unseren Fall 7 angewandt stellt die Erneuerung der Ortsstraße eine einmalige Investition dar, deren Kosten die Gemeinde Forsthausen gemäß KAG über ihre Straßenbaubeitragssatzung auf die Anlieger nach einem bestimmten Verteilungsschlüssel umlegen kann. Dabei kommt es nicht darauf an, ob aus der Sicht jeden Anliegers die Baumaßnahme erforderlich war und ob jeder Anlieger davon profitiert. Objektiv gesehen bietet eine erneuerte Ortsstraße Herrn Lehmann nämlich auch Vorteile, denn sein Grundstück ist nun verkehrlich besser erreichbar. Herr Lehmann muss also den von ihm geforderten Kostenbeitrag von 5.000 € zahlen. Während für den Straßenausbau Beiträge erhoben werden, können von den Gemeinden für die sogenannte Sondernutzung öffentlicher Straßen Gebühren verlangt werden. Auch dafür wird dann eine Satzung erlassen. Unter Sondernutzung versteht der Jurist „jede über den Gemeingebrauch hinausgehende Benutzung öffentlicher Straßen“. Der Gemeingebrauch wird seinerseits durch die dem Widmungszweck entsprechende Nutzung definiert. Das ist bei einer öffentlichen Straße die Nutzung als Fußgänger oder Verkehrsteilnehmer. Will also ein Cafébetreiber etwa vor seinem Café Tische und Stühle auf dem Bürgersteig aufstellen, stellt dies eine erlaubnis- und gebührenpflichtige Sondernutzung dar. Ähnlich verhält es sich sogar mit Werbetafeln, die in den „Luftraum“ über dem Bürgersteig ragen.

Verwaltungsgebühren Für Amtshandlungen und sonstige Verwaltungstätigkeiten, die von Bürgern beispielsweise durch eine Antragstellung veranlasst wurden, können die Gemeinden Verwaltungsgebühren erheben. Gesetzliche Grundlage ist in Selbstverwaltungsangelegenheiten, also im eigenen Wirkungskreis der Gemeinde, das Kommunalabgabengesetz (KAG). Die Höhe der jeweiligen Gebühren richtet sich nach entsprechenden Gebührensatzungen der Gemeinden. In staatlichen Auftragsangelegenheiten, also im übertragenen Wirkungskreis der Gemeinde, ist Rechtsgrundlage das jeweilige Landesgebührengesetz (LGebG).

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Die Rechte und Pflichten der Gemeinde Mit den Gebühren soll der Verwaltungsaufwand für die Vornahme von Amtshandlungen und sonstigen Verwaltungstätigkeiten finanziert werden. Amtshandlungen sind nach der juristischen Definition alle öffentlich-rechtlichen Leistungen einer Kommune mit Außenwirkung. Sie können Verwaltungsakte, Realakte (tatsächliches Handeln, z.B. Beseitigung von Sondermüll) oder öffentlich-rechtliche Verträge sein. Gebührenpflichtiges Verwaltungshandeln ist auch die Ablehnung eines Antrags und die Zurückweisung eines Widerspruchs durch den Erlass eines Widerspruchsbescheides. Sonstige Verwaltungstätigkeiten können zum Beispiel in einer Beratungstätigkeit der Gemeinde bestehen. Die Höhe der Gebühren richtet sich nach zwei Grundsätzen: dem Kostendeckungsprinzip und dem Äquivalenzprinzip. Mit dem Kostendeckungsprinzip soll der Ersatz des tatsächlich entstandenen Aufwands der Gemeinde gewährleistet werden. Das Äquivalenzprinzip bedeutet, dass zwischen Gebühr und Wert der Amtshandlung kein grobes Missverhältnis bestehen darf. Insofern gewährleistet das Äquivalenzprinzip eine Gebührenobergrenze.

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Leitsatz 9 Gebühren und Beiträge Gebühren sind Geldleistungen für besondere Verwaltungstätigkeiten (Verwaltungsgebühren) oder für die Inanspruchnahme öffentlicher Einrichtungen (Benutzungsgebühren). Beiträge sind Geldleistungen, die dem Ersatz des Aufwandes für die Herstellung und Erweiterung öffentlicher Einrichtungen dienen (z.B. Straßenbaubeiträge), also für Investitionen. Gesetzesgrundlage für die Erhebung von Gebühren und Beiträgen ist das Kommunalabgabengesetz.

Rechtsmittel gegen Beitrags- und Gebührenbescheide Die Festsetzung eines Beitragsbescheides hat die Rechtsform eines Verwaltungsaktes, der eine Rechtsbehelfsbelehrung enthalten muss. Danach kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des Bescheides Widerspruch gegen die Festsetzung eingelegt werden. Die Einlegung des

Lektion 4: Die Satzung – Rechtsetzung der Gemeinde Widerspruches erzeugt jedoch hinsichtlich des Zahlungsanspruches der Gemeinde, wie übrigens bei allen Abgaben nach dem Kommunalabgabengesetz (KAG), keine aufschiebende Wirkung. Im Klartext bedeutet dies, dass der Beitrag zunächst gezahlt werden muss. Wenn sich später nach Abschluss eines Verwaltungsstreitverfahrens aber herausstellen sollte, dass der Gebührenbescheid rechtwidrig gewesen war, wird der im voraus gezahlte Betrag von der Behörde natürlich wieder erstattet. Gegen die unmittelbare Zahlungsverpflichtung kann das Verwaltungsgericht der Hauptsache noch vor Erhebung der Anfechtungsklage auf Antrag die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gemäß § 80 V VwGO anordnen. Das wird das Gericht aber nur dann tun, wenn die Rechtswidrigkeit des Beitragsbescheides ihm sozusagen „ins Gesicht springt“. Auch bei den Kommunen oder Verbänden, die den Bescheid erlassen haben, kann gemäß § 80 IV VwGO eine Aussetzung der Vollziehung beantragt werden. Die Aussetzung soll, so der Wortlaut des Paragraphen, bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Schließlich besteht für den Beitragspflichtigen auch noch die Möglichkeit, Stundung oder Ratenzahlung zu beantragen. So steht es jedenfalls in fast allen Beitragssatzungen. Die Verwaltungsgebühren werden ebenfalls durch einen Verwaltungsakt, den Gebührenbescheid, festgesetzt. Auch gegen den Gebührenbescheid kann Widerspruch eingelegt werden. Wird der Widerspruch zurückgewiesen ist ebenfalls in Monatsfrist eine Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht möglich. Setzt die Widerspruchsbehörde eine Gebühr für die Bearbeitung eines Widerspruchs fest, kann gegen die Widerspruchsgebühr ohne Vorverfahren unmittelbar Anfechtungsklage erhoben werden. Zu den Rechtsmitteln gegen Beitrags- und Gebührenbescheide nun ein Leitsatz:

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Die Rechte und Pflichten der Gemeinde

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Leitsatz 10 Rechtsmittel gegen Abgaben Beitrags- und Gebührenbescheide sind Verwaltungsakte, gegen die in Monatsfrist Widerspruch eingelegt werden kann. Wird der Widerspruch zurückgewiesen, ist – ebenfalls in Monatsfrist nach Zustellung – die Erhebung einer Anfechtungsklage möglich. Der eingelegte Widerspruch erzeugt wie bei  allen Abgaben nach dem KAG keine aufschiebende Wirkung, sodass zunächst gezahlt werden muss. Es besteht jedoch die Möglichkeit, dass das Verwaltungsgericht nach § 80 V VwGO auf Antrag die aufschiebende Wirkung wieder anordnet. Bei der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, kann nach § 80 IV VwGO die Aussetzung der Vollziehung oder entsprechend der Satzung Stundung bzw. Ratenzahlung beantragt werden.

Baugesetzbuch Im Baugesetzbuch (BauGB) wird bundeseinheitlich das Bauplanungsrecht geregelt. Die meisten rechtlichen Probleme der städtebaulichen Planung und baulichen Weiterentwicklung sowie der Bodennutzung werden im BauGB behandelt. Alles Bereiche, die jede Kommune interessieren muss. Im Unterschied zum bundeseinheitlich geregelten Bauplanungsrecht werden in den Ländern durch die jeweilige Bauordnung (BauO) die konkreten bauaufsichtlichen Anforderungen an ein bestimmtes Bauprojekt geregelt. Das Baugesetzbuch eröffnet als Fachgesetz den Gemeinden vielfältige Möglichkeiten der städtebaulichen Gestaltung und Entwicklung durch den Erlass spezieller Satzungen. Die wichtigste ist der Bebauungsplan, der aus dem Flächennutzungsplan entwickelt wird. Beiträge für die Erschließung von Grundstücken, etwa durch die erstmalige Herstellung einer Straße, werden nicht nach KAG, sondern entsprechend dem Baugesetzbuch (§§ 132 ff. BauGB) aufgrund spezieller Erschließungsbeitragssatzungen erhoben.

Lektion 4: Die Satzung – Rechtsetzung der Gemeinde

Bebauungsplan

Fall 8

Der Bürgermeister von Forsthausen hört im Bauausschuss von seinem Bauamtsleiter, dass für Grundstücke am Rande eines Wohngebietes mit überwiegend einstöckigen Einfamilienhäusern Baugenehmigungen für mehrere zweistöckige Doppelhaushälften beantragt wurden. Diese will er zusammen mit der Mehrheit der Gemeindevertretung verhindern. Was ist zu tun? Wie wir in Leitsatz 8 bereits gelernt haben, schränken alle Satzungen die Grundrechte der betroffenen Bürger ein. Wegen des „Vorbehalts des Gesetzes“ brauchen Satzungen deshalb eine Gesetzesgrundlage. Neben der allgemeinen Ermächtigungsgrundlage zum Erlass von Satzungen in den Gemeindeordnungen gibt es in einigen speziellen Fachgesetzen besondere Ermächtigungsgrundlagen, z.B. im Kommunalen Abgabengesetz (KAG), in Straßengesetzen (Reinigungs- und Streupflichtsatzung), Wassergesetzen (Abwassersatzung) und vor allem im Baugesetzbuch (BauGB). Im Baugesetzbuch (BauGB) werden die Gemeinden ermächtigt, durch Bauleitpläne in Form von Satzungen die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde zu regeln. Als Instrument dazu dient insbesondere der Erlass eines Bebauungsplanes. Mit dem Bebauungsplan können beispielsweise Art und Maß der baulichen Nutzung von Baugrundstücken festgelegt werden, § 9 BauGB. Die Gemeinde kann deshalb durch einen Bebauungsplan bestimmen, dass in einem Wohngebiet nur die Errichtung von Häusern einer bestimmten Höhe möglich ist. Der Bebauungsplan ist von der Gemeindevertretung als Satzung zu beschließen, § 10 I BauGB. Zurück zum Fall 8. Wenn der Bürgermeister von Forsthausen sicherstellen möchte, dass für das Erscheinungsbild des Wohngebietes einstöckige Einfamilienhäuser prägend bleiben sollen, dann müsste er der Gemeindevertretung einen entsprechenden Bebauungsplan zur Beschlussfassung vorlegen. Mit diesem Bebauungsplan, der auch das zukünftige Wohngebiet umfasst, könnte etwa durch die Festlegung einer maximalen Bauhöhe eine zweistöckige Bauweise unmöglich gemacht werden.

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Die Rechte und Pflichten der Gemeinde

Erschließungsbeitragssatzungen Das Erschließungsbeitragsrecht besitzt Ähnlichkeiten mit dem Straßenbaubeitragsrecht. Beide Rechtsgebiete unterscheiden sich inhaltlich aber dadurch, dass es bei der Erschließung um die erstmalige Herstellung einer Erschließungsanlage (in der Regel einer Straße) geht, beim Straßenbaubeitragsrecht hingegen um die Verbesserung und Erneuerung bereits bestehender öffentlicher Straßen, Wege und Plätze. Die zentrale Rechtsfrage ist im Erschließungsbeitragsrecht, das im Baugesetzbuch – und nicht im KAG – gesetzlich verankert ist, welche Grundstücke im Einzelfall als erschlossen gelten und welche nicht, denn nur erschlossene, also zugängliche Grundstücke dürfen auch bebaut werden. Kriterium für die Beitragspflicht ist auch hier der fiktive Vorteil, der dem Anlieger durch den Bau der Erschließungsanlage entsteht. Dazu gibt es eine reichhaltige Rechtsprechung.

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Leitsatz 11 Baurechtliche Satzungen Für die kommunalen Satzungen spielt das Baurecht eine große Rolle. Nach dem Baugesetzbuch des Bundes (BauGB) sollen die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde vorbereitet und geleitet werden. Das nennt man Bauleitplanung. Die wichtigsten Pläne sind die Bebauungspläne, die als Gemeindesatzung ergehen. Ebenfalls von Bedeutung sind die Erschließungsbeitragssatzungen der Gemeinden, die auch ihre Rechtsgrundlage im BauGB finden.

Hauptsatzung Während die Gemeindeordnungen es in das Ermessen der Gemeinden stellen, eine kommunale Angelegenheit durch Satzung zu regeln („KannVorschrift“), verpflichten sie überwiegend die Gemeinden, eine sog. Hauptsatzung zu erlassen. Die Hauptsatzung ist eine Art Verfassungsstatut der Gemeinde. Sie enthält organisatorische Vorschriften, die nicht schon in der Gemeindeordnung selbst enthalten sind und die die speziellen örtlichen Bedürfnisse

Lektion 4: Die Satzung – Rechtsetzung der Gemeinde berücksichtigen können. Der Hauptsatzung kommt vorwiegend eine binnenrechtliche Funktion zu, weil sie die Rechtsverhältnisse innerhalb der Gemeinde regelt. Die verschiedenen Gemeindeordnungen der Bundesländer bestimmen im Einzelnen, was in der Hauptsatzung mindestens zu regeln ist. Zum Beispiel: XXZahl der Beigeordneten, Mitglieder der Ortsbeiräte, Mitglieder der Ausschüsse XXEinladungsfristen XXÖffentlichkeit von Sitzungen XXEinwohnerfragestunden, Rederecht der Bürger in Ausschüssen XXArt und Umfang der Entschädigung der Gemeindevertreter Häufig wird in der Hauptsatzung aber auch der offizielle Name der Gemeinde, ihr Wappen, ihre Farben und ihre Flagge beschrieben und die Bezeichnungen und Titel von Bürgermeister, Beigeordneten und Gemeinderat festgelegt. Zum Beispiel werden laut Hauptsatzung in der Hansestadt Rostock der Gemeinderat traditionell „Bürgerschaft“, die Beigeordneten „Senatoren“ genannt. In der Hauptsatzung wird auch die Rechtsstellung von Beauftragten, z.B. der Gleichstellungsbeauftragten und des/der Migrantenbeauftragten bestimmt, sowie die der Beiräte (z.B. Seniorenbeirat). Aus der Hauptsatzung wird in den Gemeinden dann sinnvollerweise eine Geschäftsordnung für den Gemeinderat entwickelt. Da die Hauptsatzung allein Art und Weise der Selbstverwaltung regelt und insofern nur nach innen wirkt, stellt sie lediglich eine Satzung im „formellen“ Sinne dar (sog. „Innensatzung“). Sie kann allerdings nur mit der Mehrheit der gesetzlichen Zahl der Mitglieder des Gemeinderates, also der sog. „qualifizierten Mehrheit“ erlassen und geändert werden.

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Die Rechte und Pflichten der Gemeinde Schauen Sie doch bitte einmal in der Gemeindeordnung Ihres Bundeslandes nach Regelungen, die der Hauptsatzung vorbehalten sind und anschließend in die Hauptsatzung Ihrer Gemeinde! Die Hauptsatzung einer Gemeinde ist für sie eine Art Verfassung. Sie ist eine Pflichtsatzung. In ihr wird die interne Gemeindeorganisation geregelt.

Haushaltssatzung Ebenfalls eine Pflichtsatzung ist die Haushaltssatzung, mit der der jährliche Haushaltplan festgestellt wird. Nach dem bisherigen System der Kameralistik, einer Art einfacher Buchführung, sind im Haushaltsplan alle voraussichtlichen Einnahmen und Ausgaben sowie Kassenkredite aufgeführt und gegenübergestellt. Er ist unterteilt nach Verwaltungsund Vermögenshaushalt und ist in Einzelpläne (Teilpläne), Gruppen, Abschnitte und Unterabschnitte gegliedert. Im Verwaltungshaushalt sind die sogenannten „konsumtiven“ Ausgaben (Verbrauchsausgaben) aufgelistet, insbesondere die Ausgaben für das Gemeindepersonal. Im Vermögenshaushalt sind die „investiven“ Ausgaben aufgeführt, etwa für die Baumaßnahmen der Gemeinde. Zum Haushaltsplan gehören üblicherweise Anlagen, wie der auf mehrere Jahre angelegte Finanzplan und ein Investitionsprogramm, die Wirtschaftspläne der Eigenbetriebe und der Stellenplan. Gibt es gravierende Ausgabenüberschreitungen innerhalb eines Haushaltsjahres ist ein Nachtragshaushalt erforderlich. Auch dieser Nachtragshaushalt wird als Satzung beschlossen. Weiteres zum Haushalt und wie er zustande kommt, erfahren Sie in Lektion 7. Die Haushaltssatzung ist eine Pflichtsatzung. Mit ihr wird der jährliche Haushalts- und Finanzplan festgestellt.

Lektion 4: Die Satzung – Rechtsetzung der Gemeinde

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Leitsatz 12 Pflichtsatzungen der Kommunen Der Erlass von Hauptsatzung und Haushaltssatzung ist für die Gemeinden verpflichtend. Beide Satzungen sind sogenannte Innensatzungen, weil sie nicht die Rechtsverhältnisse gegenüber Bürgern und Institutionen regeln, sondern nach innen wirken. Während die Hauptsatzung eine Art Verfassungsstatut der einzelnen Gemeinden darstellt, wird in der Haushaltssatzung die konkrete Finanzplanung festgelegt, also die Einnahmen und Ausgaben.

Exkurs: Gemeindehaushaltsrecht Das kommunale Rechnungswesen wird in den Gemeinden nach und nach vom System der Kameralistik auf das neue System der Doppik umgestellt. Deren Grundzüge sollten Sie wissen, ohne die Einzelheiten kennen zu müssen, mit denen sich vor allem die Kämmerei Ihrer Gemeinde zu beschäftigen hat. Das neue kommunale Rechnungswesen lehnt sich sehr stark an die kaufmännische doppelte Buchführung (Doppik) an. Während das traditionelle kommunale Rechnungswesen auf eine einfache Buchführungsmethode – die Kameralistik – zurück greift und lediglich die Einnahmen und Ausgaben erfasst, erfolgt in der doppelten Buchführung  – der Doppik – die Erfassung des „Nettoressourcenverbrauchs“ durch Verbuchung sämtlicher Kosten und Erlöse. Bestandteile des doppischen Haushaltsplanes sind der Finanz- und Ergebnisplan. Der Finanzplan enthält, ähnlich wie in der Kameralistik, alle geplanten Ein- und Ausgaben, also die kassenwirksamen Vorgänge. Im Ergebnisplan werden zusätzlich alle Aufwendungen und Erträge, ob sie nun kassenwirksam sind oder nicht, veranschlagt. Die Doppik ist ein doppeltes Buchführungssystem, das das bisherige System der Kameralistik in der Haushaltsführung ablöst.

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Die Rechte und Pflichten der Gemeinde

Überprüfung von Satzungen

Fall 9

Herr Lehmann hält die Erschließungsbeitragssatzung der Gemeinde Forsthausen für nichtig, weil sie nicht im amtlichen Teil der Gemeindezeitung „Forstbote“ abgedruckt wurde. Welche Rechtsmittel der Überprüfung besitzt Herr Lehmann?

Normenkontrolle Die sogenannte Normenkontrolle vor dem Oberverwaltungsgericht der jeweiligen Bundesländer (in einigen Ländern auch „Verwaltungsgerichtshof“ genannt) ist in § 47 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) geregelt. Danach können in allen Bundesländern vor dem Oberverwaltungsgericht Satzungen unmittelbar auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft werden, wenn sie nach den Vorschriften des Baugesetzbuches erlassen wurden, insbesondere also Bebauungspläne. Alle anderen Satzungen können dort auf ihre Gültigkeit nur überprüft werden, sofern das Landesrecht dies bestimmt. In den Ländern, mit Ausnahme von Nordrhein-Westfalen, ist diese unmittelbare Überprüfung – zumindest für bestimmte Satzungsgruppen – geregelt und zwar in Verwaltungsgerichtsgesetzen (VwGG) bzw. in Ausführungsgesetzen zur VwGO (AGVwGO). Im Normenkontrollverfahren wird geprüft, ob alle formellen Anforderungen an das rechtmäßigen Zustandekommen der Satzung wie z.B. Zuständigkeit (des Gemeinderates) und öffentliche Bekanntmachung erfüllt wurden. Achtung: die formelle Rechtswidrigkeit führt nicht automatisch zu einer Nichtigkeit der Satzung, denn es gibt in den Gemeindeordnungen und im BauGB Unbeachtlichkeits- bzw. Heilungsvorschriften! Inhaltlich (d.h. „materiell“) werden die Satzungen vom Oberverwaltungsgericht danach überprüft, ob es eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für die Satzung gibt (Vorbehalt des Gesetzes, siehe Leitsatz 8), ob Verfassungsmaßstäbe wie z.B. der Gleichheitsgrundsatz beachtet und ob fachgesetzliche Vorgaben eingehalten wurden (Vorrang des Gesetzes).

Lektion 4: Die Satzung – Rechtsetzung der Gemeinde Im Fall 9 rügt Herr Lehmann, dass wegen der unterbliebenen öffentlichen Bekanntmachung die Erschließungsbeitragssatzung formell nichtig sei. Er will die Rechtmäßigkeit der Satzung durch ein Gericht überprüfen lassen. Vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) können in einem Normenkontrollverfahren grundsätzlich nur dann Satzungen unmittelbar auf ihre Rechtsmäßigkeit überprüft werden, wenn sie nach den Vorschriften des Baugesetzbuches erlassen wurden. Da die Erschließungsbeitragssatzung der Gemeinde nach den Vorschriften des Baugesetzbuches (§§ 123 ff. BauGB) erlassen wurde, kann Herr Lehmann aus Fall 9 sie dem Oberverwaltungsgericht zur Überprüfung vorlegen. Die unterbliebene öffentliche Bekanntmachung einer Satzung ist ein gravierender formeller Fehler, der regelmäßig zur Rechtswidrigkeit der Satzung führt. Ob die Feststellung der formellen Rechtswidrigkeit jedoch zur Nichtigkeit, also zur Außerkraftsetzung der Satzung führt, bleibt aber fraglich, weil eine Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften nach § 214 und § 215 BauGB unbeachtlich sein oder aber nachträglich geheilt werden kann.

„Inzidente“ Normenkontrolle Ob eine Satzung rechtswidrig ist, kann auch im Rahmen einer Anfechtungsklage vom Verwaltungsgericht geklärt werden. Dazu ist allerdings ein Vorverfahren erforderlich: Gegen den Bescheid („Verwaltungsakt“), der sich auf eine bestimmte Satzung bezieht, kann vom Betroffenen innerhalb einer Monatsfrist Widerspruch bei der Gemeinde oder Körperschaft (z.B. Zweckverband) eingelegt werden, die den Bescheid erlassen hat. Falls der Widerspruch mit einem sog. Widerspruchsbescheid zurückgewiesen wird, kann vom Betroffenen wiederum in einer Monatsfrist Klage gegen die Gemeinde bzw. Körperschaft eingereicht werden. Das Verwaltungsgericht kontrolliert dann innerhalb („inzident“) des Klageverfahrens, ob die dem Bescheid zugrunde gelegte Satzung oder einzelne Satzungsvorschriften formell und materiell rechtmäßig sind.

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Die Rechte und Pflichten der Gemeinde In dem Buch dieser Reihe: „Verwaltungsrecht – leicht gemacht®“ können Sie dazu noch mehr erfahren! Mit der Normenkontrolle wird gerichtlich die formelle und inhaltliche Rechtmäßigkeit von Satzungen überprüft. Oft müssen Bescheide, mit denen z.B. Bürger zur Zahlung von Beiträgen herangezogen wurden, schon deshalb aufgehoben werden, weil die zugrunde gelegten Satzungen rechtswidrig oder gar nichtig sind. Deshalb hier ein Prüfschema:

Prüfschema 3: Rechtmäßigkeit von Satzungen Formelle (Verfahrens-)Voraussetzungen XXZuständigkeit

des Gemeinderates beachtet?

XXAngabe

der Ermächtigungsgrundlage (Gemeindeordnung, Fachgesetze)?

XXAusfertigung

(Unterschrift Bürgermeister) und Bekanntmachung?

XXVorlage

bei Kommunalaufsicht?

XXInkrafttreten?

Materielle (inhaltliche) Voraussetzungen XXGesetzliche

Rechtsgrundlage vorhanden, z.B. Gemeindeordnung, (Vorbehalt des Gesetzes)?

XXFachgesetzliche

Vorgaben, z.B. BauGB, beachtet (Vorrang des Gesetzes)?

XXVerfassungsmaßstäbe

(z.B. Gleichheitsgrundsatz) eingehalten?

Lektion 5: Die verschiedenen Organisationstypen

II.

Die Organisation der Gemeinde – Kommunalverfassung

Lektion 5: Die verschiedenen Organisationstypen Historische Entwicklung Selbstverwaltete Gemeinden gab es in Deutschland bereits zur Römerzeit. Im Mittelalter entstanden dann um die Burgen herum (daher der Begriff des „Bürgers“) Ansiedlungen, die sich mehr oder minder selbst verwaltet haben. Der Grad der Selbstverwaltung hing immer von den Freiheiten ab, die die jeweiligen Burgherren oder Landesfürsten ihren Bürgern gewährten. Am meisten ausgeprägt war jedoch das kommunale Selbstverständnis in den freien Hansestädten. Anfang des 19. Jahrhunderts entstand in Preußen durch die Reformen des Freiherrn vom Stein eine für damalige Verhältnisse sehr moderne Städteordnung. Die Städte erhielten das Recht, ihre Angelegenheiten in eigenem Namen und in eigener Verantwortung zu regeln. Schon damals gab es eine gewählte Stadtverordnetenversammlung und ein oberstes Kollegialorgan, den Magistrat. In den Gemeinden auf dem Land hatten die Gutsbesitzer weiterhin das Sagen, obwohl im Jahre 1850 in Preußen auch eine Gemeindeordnung erlassen wurde. Die Idee der kommunalen Selbstverwaltung verbreitete sich aber in ganz Deutschland. In der Weimarer Reichsverfassung (1919) wurde das Recht der kommunalen Selbstverwaltung endgültig etabliert. In der Zeit des Nationalsozialismus wurden die Bürgermeister von Gauleitern kontrolliert und insofern die Freiheiten der Selbstverwaltung wieder ausgehebelt. Nach Kriegsende haben die alliierten Siegermächte in ihren Zonen zunächst mit unbelasteten Persönlichkeiten versucht, das System der kommunalen Selbstverwaltung aus der Weimarer Republik aufrecht zu erhalten. Nach der deutschen Teilung wurde in der DDR die Selbstständigkeit der Kommunen jedoch weitestgehend durch eine zentralistische Weisungsgebundenheit eingeschränkt.

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Die Organisation der Gemeinde – Kommunalverfassung

Übersicht 4: Geschichte der kommunalen Selbstverwaltung Die kommunale Selbstverwaltung lässt sich in Deutschland bis in die Römerzeit zurückverfolgen. ––Im Mittelalter entstanden Ansiedlungen um die Burgen herum. Daher der Begriff des Bürgers. Diese Siedlungen hatten nur Freiheiten, soweit sie die jeweiligen Herrscher zuließen. ––Die erste Städteordnung mit der Garantie einer gewissen Selbstverwaltung gab es zu Anfang des 19. Jahrhunderts in Preußen. ––In der Weimarer Reichsverfassung wurde dann die kommunale Selbstverwaltung aufgenommen. ––In der Zeit des Nationalsozialismus und in der DDR wurde die Selbstverwaltung politisch jedoch wieder stark eingeschränkt.

Typen der Kommunalverfassung Historisch haben sich in den alten Ländern der Bundesrepublik verschiedene Organisationsformen der Gemeinden herausgebildet. Die Unterschiede lagen im wesentlichen im Verhältnis von Gemeinderat und Bürgermeister, insbesondere in der Frage, welches der beiden Leitungsorgane vom Gemeindevolk direkt gewählt wurde. Die Kommunalverfassungen der alten Bundesländer ließen sich in vier verschiedene Typen unterscheiden: XXdie Magistratsverfassung (Hessen, Schleswig-Holstein); vom direkt gewählten Gemeinderat wurde als Leitungsorgan der Magistrat mit dem (Ober-)Bürgermeister als Vorsitzenden sowie hauptamtlichen und ehrenamtlichen Beigeordneten gewählt. XXdie Bürgermeisterverfassung (Rheinland-Pfalz, Saarland); von der direkt gewählten Gemeindevertretung wurde der (Ober-)Bürgermeister als Leitungsorgan bestimmt.

Lektion 5: Die verschiedenen Organisationstypen XXdie norddeutsche Ratsverfassung (Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen); neben dem Gemeinderat mit dem von ihm als Vorsitzenden gewählten (Ober-)Bürgermeister wurde ein Gemeindedirektor (Ober-/Stadtdirektor) als Verwaltungsleiter installiert, der als zweites Leitungsorgan fungierte. Diese Doppelspitze wurde 1994 abgeschafft. XXdie süddeutsche Ratsverfassung (Baden-Württemberg, Bayern); Gemeinderat und der (Ober-)Bürgermeister als dessen Vorsitzender werden jeweils direkt vom Gemeindevolk gewählt. Nach der Wiedervereinigung hat sich das Prinzip des süddeutschen Modells, das sich durch die Direktwahl des (Ober-)Bürgermeisters auszeichnet, auch in den anderen Kommunalverfassungstypen und in den neuen Bundesländern durchgesetzt, so dass die klassische Unterscheidung der vier Typen der Organisationsformen heute kaum mehr eine Rolle spielt. Theoretisch sind die Unterschiede in den Kommunalverfassungen der einzelnen Bundesländer auch heute jeweils noch durch das monistische bzw. dualistische Modell geprägt. Zur Erinnerung: In Lektion 3 hatten wir die kommunalen Aufgaben differenziert nach solchen im „eigenen Wirkungskreis“ (Selbstverwaltungsaufgaben und Pflichtaufgaben ohne Weisung) und solchen im „übertragenen Wirkungskreis“ (Pflichtaufgaben nach Weisung). Diese Unterscheidung macht sich bemerkbar bei Bundesländern, die ein sogenanntes „dualistisches System“ haben und Ländern, die das „monistische System“ befolgen. Letztere unterscheiden nicht zwischen Selbstverwaltungsaufgaben und übertragenen staatlichen Aufgaben. In der Praxis viel wichtiger sind jedoch folgende Unterschiede in den Gemeindeordnungen der verschiedenen Bundesländer: XXgleichzeitige oder getrennte Wahltermine von Bürgermeister und Gemeinderat XXDauer der Wahlperioden XXGemeindevorstand bestehend aus dem Bürgermeister in Person oder als Kollegialorgan

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Die Organisation der Gemeinde – Kommunalverfassung XXAufgabenverteilung zwischen Bürgermeister und Gemeinderat XXVorsitz des Bürgermeisters im Gemeinderat XXAbwahlmöglichkeit des Bürgermeisters durch den Gemeinderat Zum besseren Verständnis der folgenden Lektionen schauen Sie bitte doch einmal in der Gemeindeordnung Ihres Bundeslandes nach, wie dort die Rechtsstellung von Bürgermeister und Gemeinderat im Einzelnen organisiert ist.

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Leitsatz 13 Kommunalverfassungen Von den historisch unterschiedlichen Kommunalverfassungen der einzelnen Länder hat sich nach der Wiedervereinigung die sogenannte süddeutsche Ratsverfassung durchgesetzt. In diesem Modell werden der Gemeinderat und der Bürgermeister als dessen Vorsitzender jeweils direkt von den Einwohnern gewählt. Die anderen Kommunalverfassungen unterscheiden sich insbesondere durch das Wahlverfahren und die Kompetenzen des Bürgermeisters.

Lektion 6: Wahlrecht und Bürgerbeteiligung

Lektion 6: Wahlrecht und Bürgerbeteiligung Auf Gemeindeebene werden der Gemeinderat (auch Rat, Stadtrat, Gemeindevertretung, Stadtvertretung oder Stadtverordnetenversammlung genannt) und der (Ober-)Bürgermeister gewählt. Grundlage für diese Wahl ist Art. 28 I 2 GG. Danach muss in den Kreisen und Gemeinden „das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist“. Die Einzelheiten werden in den Gemeindeordnungen und in den speziellen Kommunalwahlgesetzen geregelt.

Wahlrecht

Fall 10

Bei der Kommunalwahl der Gemeinde Forsthausen befindet sich auf der Liste der freien Wähler der Kandidat Horst Kunze. Der Wahlleiter hält dessen Kandidatur für unzulässig, weil Kunze nur mit einer Nebenwohnung in Forsthausen gemeldet ist. Kann Kunze gewählt werden? Hat Kunze wenigstens ein eigenes Wahlrecht, kann er seine Stimmen den übrigen Kandidaten der freien Wähler geben? Aktives Wahlrecht: Zur Stimmabgabe berechtigt sind alle Einwohner der Gemeinde mit einem Mindestalter (16 bzw. 18 Jahre), sofern sie die deutsche Staatsangehörigkeit oder die eines EU-Landes besitzen und seit einer bestimmten Zeit (in der Regel drei Monate) im Gemeindegebiet wohnen. Passives Wahlrecht: Für die Wählbarkeit wird nach den Kommunalwahlgesetzen oft ein höheres Mindestalter und eine längere Wohndauer in der Gemeinde gefordert. Beamte und Angestellte der Kommunen können wegen möglicher Interessenkollision nicht für den Gemeinderat kandidieren. Entnehmen Sie bitte dem Kommunalwahlgesetz Ihres Bundeslandes, welches Mindestalter und welche Wohndauer für das aktive bzw. passive Wahlrecht gefordert werden.

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Die Organisation der Gemeinde – Kommunalverfassung Der Unterschied zwischen den Begriffen „Einwohner“ und „Bürger“ wird übrigens durch das Wahlrecht definiert. „Einwohner“ sind die Menschen, die im Gemeindegebiet wohnen, also auch Kinder und Ausländer. Als „Bürger“ werden aber nur die Einwohner bezeichnet, die über ein Wahlrecht verfügen. Das aktive und passive Wahlrecht der EU-Bürger ist in Art. 28 I 3 GG verbrieft. Zum Fall 10: Wählen und gewählt werden können nach den Kommunalwahlgesetzen aller Bundesländer nur Bürger der Gemeinden, die dort seit einer bestimmten Zeit wohnen. Damit soll gewährleistet werden, dass nur solche Bürger wählen dürfen oder selbst Mitglied der Gemeindevertretung werden können, die eine gewisse Verbundenheit zu ihrer Gemeinde besitzen und auch die örtlichen Gegebenheiten kennen. Mit dem Begriff des Wohnens ist immer der „ständige Wohnsitz“ gemeint. Der „ständige Wohnsitz“ im Sinne des Melderechts bedeutet, sofern ein Nebenwohnsitz vorhanden ist, der Ort des Hauptwohnsitzes. Da der Kandidat Kunze in Forsthausen nur mit einem Nebenwohnsitz gemeldet ist, kann er weder gewählt werden, noch kann er selber die Gemeindevertretung in Forsthausen wählen. Der Wahlleiter hat also das Recht, ihn von der Wahlliste zu streichen. Das Wahlrecht steht ab einem bestimmten Alter allen deutschen Einwohnern einer Kommune zu, die seit einer bestimmten Zeit dort wohnen. Auch EU-Bürger besitzen das kommunale Wahlrecht.

Wahlverfahren Die Systeme bei der Wahl der Gemeindevertretungen sind in den verschiedenen Bundesländern unterschiedlich ausgeprägt. Sie beruhen zwar alle auf dem System der Verhältniswahl (Gegensatz = Mehrheitswahl), sind aber überwiegend durch Möglichkeiten des sog. Kumulierens und/ oder Panaschierens modifiziert. Unter „Kumulieren“ (von lat. cumulus, der Haufen) versteht man die Möglichkeit, mehrere Stimmen auf einen Kandidaten abgeben zu können,

Lektion 6: Wahlrecht und Bürgerbeteiligung um dessen Rangfolge innerhalb einer Liste zu verbessern. Beispiel: In einigen Ländern hat der Wähler bei der Kommunalwahl drei Stimmen, die er auch vollständig nur einem bestimmten Kandidaten vergeben kann. So kann ein Kandidat, der von seiner Partei oder Wählergruppe auf einen aussichtslosen hinteren Listenplatz gesetzt wurde, vom Wähler auf der Liste nach oben auf einen aussichtsreichen Platz „geschaufelt“ werden. Mit dem Kumulieren kann man mehrere Stimmen für einen Kandidaten abgeben. Unter „Panaschieren“ (von frz. panacher, mischen) versteht man die Möglichkeit, seine Stimmen auf Kandidaten verschiedener Listen zu verteilen. Beispiel: Der Wähler vergibt zwei Stimmen auf den Spitzenkandidaten der X-Partei und eine Stimme auf einen von ihm geschätzten Kandidaten der Y-Partei. Fazit: Die Wähler müssen sich bei der Stimmabgabe nicht mehr ausschließlich zwischen Parteien oder Wählergruppen entscheiden, sondern zwischen Kandidaten, egal welcher Liste diese angehören. Mit dem Panaschieren kann man seine Stimmen auf verschiedene Wahllisten verteilen. Kumulieren und Panaschieren sind in den Wahlsystemen oft miteinander kombiniert, z.B. in den fünf neuen Ländern, in Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Niedersachsen. Dies hat zwar den Vorteil, dass der Wähler gezielt Kandidaten seines Vertrauens – ohne Rücksicht auf dessen Listenrang – seine Stimmen geben kann. Nachteilig ist aber das für viele Wähler komplizierte Ausfüllen sowie das Auszählen der Stimmzettel. Die Wahlperiode beträgt in den Flächenstaaten mit Ausnahme Bayerns (sechs Jahre) fünf Jahre, Sperrklauseln (z.B. die 5-Prozent-Hürde) wurden in den Ländern nach Entscheidungen von Verfassungsgerichten abgeschafft. Welche Besonderheiten des Wahlsystems herrschen in Ihrem Bundesland? Bei allen kommunalen Wahlsystemen muss das Prinzip des Grundgesetzes, nämlich das der allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahl (Art. 28 I 2 GG) beachtet werden. Bei Verstößen gegen

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Die Organisation der Gemeinde – Kommunalverfassung dieses Prinzip eröffnen die jeweiligen Kommunalwahlgesetze verwaltungsinterne Kontrollverfahren, aber auch Wahlprüfungsverfahren, die vor den Verwaltungsgerichten verhandelt werden. Die Hürde für ein Annullieren der Wahl ist allerdings hoch, denn der Wahlfehler muss nachweislich zu einer fehlerhaften Sitzverteilung geführt haben.

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Leitsatz 14 Kommunales Wahlrecht Das Wahlrecht zur Gemeindevertretung beruht auf dem System der Verhältniswahl. In einigen Bundesländern gibt es die Besonderheiten von Kumulieren („Häufeln“) und Panaschieren („Mischen“). Aktives Wahlrecht besitzen alle Bürger der Gemeinde, auch die EU-Ausländer. Das aktive und das passive Wahlrecht ist von einem im Kommunalwahlgesetz bestimmten Mindestalter und der Wohndauer in der Gemeinde abhängig. Angestellte und Beamte der Gemeinde können nicht kandidieren.

Bürgerbegehren und Bürgerentscheid Bürgerbegehren bzw. Bürgerentscheid sind sog. plebiszitäre, also basisdemokratische Elemente, die nur auf länder- bzw. kommunaler Ebene vorgesehen sind. Nach einigen Gemeindeordnungen können die Bürger einer Gemeinde mit dem Bürgerbegehren direkt in den Entscheidungsprozess der Gemeinde eingreifen, wenn sie den Eindruck erhalten, der Gemeinderat kümmere sich nicht oder nicht angemessen um eine bestimmte kommunale Angelegenheit. Auf Grundlage des Bürgerbegehrens, also auf Initiative von Bürgern selbst oder aber durch einen Beschluss des Gemeinderates, kann ein Bürgerentscheid herbeigeführt werden. Voraussetzung des Bürgerentscheids ist nach fast allen Gemeindeordnungen, dass es sich um wichtige Gemeindeangelegenheiten handeln muss, wie z.B. Gebietsänderungen, Privatisierung kommunaler Einrichtungen, Bildung von Zweckverbänden, Übernahme neuer kommunaler Aufgaben.

Lektion 6: Wahlrecht und Bürgerbeteiligung

Negativkatalog Allerdings sind in einem Negativkatalog der jeweiligen Gemeindeordnungen diejenigen Angelegenheiten aufgeführt, über die kein Bürgerentscheid durchgeführt werden darf. In allen Ländern sind Angelegenheiten ausgeschlossen, die in die Haushaltssatzung der Gemeinde eingreifen, also den Haushaltsplan unmittelbar verändern. Auch Bürgerentscheide über kommunale Abgaben (Gebühren und Beiträge) sind oftmals unzulässig. Vorbehaltsaufgaben des Gemeinderates oder des Bürgermeisters, die interne Organisation der Gemeinde und bauplanungsrechtliche Entscheidungen sind in der Regel ebenfalls einem Bürgerentscheid nicht zugänglich.

Quorum Das Bürgerbegehren, das zum Bürgerentscheid führen soll, muss von einer bestimmten Mindestzahl von Bürgern der Gemeinde getragen werden. Diese Anzahl nennt man Quorum. Die Höhe der Quoren ist in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich (3 – 15 %) und hängt teilweise von der Gemeindegröße ab. Welches Quorum für ein Bürgerbegehren einer Gemeinde von 3.000 Einwohnern ist nach der Gemeindeordnung bzw. nach dem Kommunalwahlgesetz Ihres Bundeslandes erforderlich? Das Bürgerbegehren muss schriftlich eingereicht und begründet werden. Der darauf fußende Bürgerentscheid muss mit der Frage Ja oder Nein zu beantworten sein. Die meisten Gemeindeordnungen fordern außerdem einen Vorschlag, wie die durch die verlangte Maßnahme entstehenden Kosten gedeckt werden. Der Bürgerentscheid hat nur dann Erfolg, wenn ein erneutes Quorum erfüllt ist. Im Klartext bedeutet dies, dass die Mehrheit der abgegebenen Stimmen für ein bestimmtes Bürgerbegehren nur dann zum Tragen kommt, wenn sie einer bestimmte Anzahl von Gemeindebürgern, also der Wahlberechtigten, entspricht. Nach den Gemeindeordnungen müssen in der Regel 20 bzw. 25 Prozent der Wahlberechtigten im Bürgerentscheid dem Bürgerbegehren zugestimmt haben, damit es als angenommen gilt.

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Die Organisation der Gemeinde – Kommunalverfassung

Unter Quorum versteht man eine festgelegte Mindestanzahl von Teilnehmern einer Abstimmung oder eine Mindestanzahl abgegebener Stimmen.

Sperrfrist Das Bürgerbegehren darf nur Angelegenheiten zum Gegenstand haben, über die innerhalb eines bestimmten Zeitraumes, in der Regel innerhalb der letzten zwei bzw. drei Jahre, nicht bereits ein Bürgerentscheid aufgrund eines Bürgerbegehrens durchgeführt worden ist. Eine erneutes Bürgerbegehren innerhalb der Sperrfrist ist nur zulässig, wenn es eine Maßnahme zum Inhalt hat, die mit dem Gegenstand des früheren Bürgerbegehrens nicht identisch ist.

Wie läuft ein Bürgerbegehren in der Praxis ab? Wenn das schriftliche Bürgerbegehren mit Begründung, Fragestellung und Finanzierungsvorschlag sowie der Liste mit der notwendigen Mindestzahl der Unterschriften beim Gemeinderat eingereicht worden ist, prüft dieser die Zulässigkeit, also ob alle o.g. Voraussetzungen erfüllt sind. Hält der Gemeinderat das Bürgerbegehren für unzulässig, dann können die Träger des Bürgerbegehrens gegen den Beschluss des Gemeinderates Verpflichtungsklage beim Verwaltungsgericht einlegen. Hält der Gemeinderat das Bürgerbegehren formell für zulässig, muss er darüber entscheiden, ob er auch inhaltlich dem Begehren entspricht. Votiert der Gemeinderat in einer Abstimmung auf die im Bürgerbegehren formulierte Frage mehrheitlich mit Ja, so ist dem Bürgerbegehren entsprochen. Zum Bürgerentscheid kommt es dann nicht mehr. Lehnt der Gemeinderat in seiner Sitzung das Bürgerbegehren per Beschluss inhaltlich jedoch ab, ist innerhalb einer bestimmten Frist ein Bürgerentscheid durchzuführen, d.h. die Frage des Bürgerbegehrens wird den Bürgern der Gemeinde direkt zur Abstimmung vorgelegt. Der Bürgerentscheid ist jedoch nur dann erfolgreich, wenn die Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen einem bestimmten Anteil der Bürgerschaft entspricht. Dieses erneute Quorum erfordert z.B. im Land Brandenburg

Lektion 6: Wahlrecht und Bürgerbeteiligung die Zustimmung von 25 Prozent der Stimmberechtigten. Ist das Quorum erreicht, gilt der Bürgerentscheid als sei er ein Gemeinderatsbeschluss.



Fall 11

Die Bürgerinitiative „Stoppt den Ausverkauf“ wendet sich gegen die Privatisierung des kommunalen Krankenhauses, die der Gemeinderat Ende März beschlossen hat. Schon Anfang April hat sie die notwendigen Unterschriften für ein Bürgerbegehren gegen die Privatisierung gesammelt und beim Gemeinderat eingereicht. Da die Bürgerinitiative befürchtet, dass der Gemeinderates noch vor dem Bürgerentscheid vollendete Tatsachen schaffen wird, beantragt sie beim Verwaltungsgericht im Wege einer Einstweiligen Anordnung gegen den Gemeinderat, den Beschluss vor Abschluss des Bürgerentscheides nicht zu vollziehen. Hat die Bürgerinitiative Aussicht auf Erfolg?

Sperrwirkung des Bürgerbegehrens In dem Zeitraum zwischen der Einreichung eines Bürgerbegehrens und dem Bürgerentscheid gegen einen Ratsbeschluss könnte der Gemeinderat versucht sein, diesen Beschluss unwiderruflich umzusetzen („zu vollziehen“) und damit das Bürgerbegehren ins Leere laufen zu lassen. Deshalb stellt sich die Frage, ob die Einreichung des Bürgerbegehrens nicht eine sog. Sperrwirkung erzeugt. Nur in Bayern besitzt das Bürgerbegehren nach der Gemeindeordnung eine aufschiebende Wirkung. In einigen anderen Gemeindeordnungen (z.B. NRW) wird eine Sperrwirkung jedenfalls dann anerkannt, wenn die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens vom Gemeinderat festgestellt wurde. In den Bundesländern, in denen dazu nichts Ausdrückliches in den Gemeindeordnungen festgelegt ist, ist von Bürgerinitiativen versucht worden, dem Gemeinderat im Wege einer Einstweiligen Anordnung (§ 123 VwGO) durch das Verwaltungsgericht zu untersagen, vor Ablauf des Bürgerentscheides vollendete Tatsachen zu schaffen. Auf unseren Fall 11 bezogen, ist der Rechtsschutz über den Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Anordnung jedenfalls in den Bundesländern möglich, in denen die Gemeindeordnungen zur Sperrwirkung des

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Die Organisation der Gemeinde – Kommunalverfassung Bürgerbegehrens nichts Ausdrückliches regeln. Die auf solche Anträge ergangene Rechtsprechung durch die Oberverwaltungsgerichte bzw. Verwaltungsgerichtshöfe war bisher jedoch höchst unterschiedlich. Mal wurde die Sperrwirkung des Bürgerbegehrens bejaht, mal wurde sie abgelehnt. Ob in unserem Fall die Bürgerinitiative mit ihrem Antrag Recht bekommt, hängt also von der Spruchpraxis des im Bundesland obersten Verwaltungsgerichtes ab.

Übersicht 5: Bürgerbegehren Voraussetzungen von Bürgerbegehren XXwichtige XXbetrifft

Gemeindeangelegenheit

nicht „Negativkatalog“ (z.B. Haushaltssatzung)

XXQuorum

Unterschriftenliste erfüllt

XXschriftlich XXSperrfrist

eingereicht und begründet

(erneute Vorlage) eingehalten

XXZulässigkeitsprüfung

durch Gemeinderat erfolgt

Im weiteren Schritt erfolgt der Bürgerentscheid, für den jedoch ein neues Quorum erforderlich ist.

Weitere Bürgerbeteiligungen Die Bürgerschaft der Gemeinde hat nach den Gemeindeordnungen einiger Bundesländer weitere basisdemokratische Einfluss- und Mitwirkungsmöglichkeiten.

Lektion 6: Wahlrecht und Bürgerbeteiligung Eine Einwohnerversammlung ist einzuberufen, wenn ein bestimmter Anteil der Bürgerschaft oder der Gemeinderat selbst eine solche Veranstaltung für wichtig hält. Die Einwohnerversammlung (auch „Bürgerversammlung“ genannt) dient zur Unterrichtung und Diskussion wichtiger Gemeindeangelegenheiten. Eine Entscheidung wird dabei jedoch nicht getroffen. Allerdings können Forderungen und Anregungen formuliert werden. Mit einem Einwohnerantrag können Bürger verlangen, dass der Gemeinderat eine bestimmte Angelegenheit auf seine Tagesordnung setzt und sich inhaltlich damit befasst. Auch hierbei sind bestimmte Zulässigkeitsvoraussetzungen einzuhalten und auch hierbei bleibt der Gemeinderat in seiner abschließenden Entscheidung frei. In einer Einwohnerfragestunde bzw. mit der „Unterrichtung der Einwohner“ (auch „Bürgerbefragung“ genannt) sollen diejenigen Bürger einer Gemeinde angehört werden, die von einer bestimmten Entscheidung des Gemeinderates betroffen sein könnten, z.B. Straßenerneuerung, Schulschließung etc.

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Leitsatz 15 Bürgerbeteiligungen Zu dem repräsentativen Prinzip der Vertretung der Bürger einer Gemeinde durch den Gemeinderat sehen die Gemeindeordnungen auch basisdemokratische Elemente vor, nämlich direkte Bürgerbeteiligungen bei Entscheidungen. Die wichtigste ist das Bürgerbegehren mit dem anschließenden Bürgerentscheid. Aber auch durch Bürgerversammlungen und Fragestunden können sich die Einwohner einer Gemeinde in den Entscheidungsprozess einschalten.

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Die Organisation der Gemeinde – Kommunalverfassung

Lektion 7: Gemeinderat Der Gemeinderat (auch Rat oder Gemeindevertretung, in den Städten auch Stadtrat, Stadtvertretung oder Stadtverordnetenversammlung genannt) ist neben dem Bürgermeister ein Repräsentativorgan der Gemeinde. Es wird von den wahlberechtigten Bürgern der Gemeinde unmittelbar gewählt. Wenngleich der Gemeinderat in der Presse oft als „Kommunalparlament“ bezeichnet wird, ist er rechtlich gesehen aber kein Parlament (Legislative), sondern ein Verwaltungsorgan und damit Teil der Exekutive.

Zuständigkeit Die Zuständigkeiten des Gemeinderates ergeben sich im Einzelnen aus den jeweiligen Gemeindeordnungen der Bundesländer. Grundsätzlich gilt die Allzuständigkeit des Gemeinderates für alle Angelegenheiten der Gemeinde, soweit diese nicht an den Bürgermeister delegiert sind. Im Einzelnen lassen sich die Zuständigkeiten des Gemeinderates in zwei Kategorien unterteilen: XXAusschließliche Kompetenzen („Vorbehaltsaufgaben“) und XXKontrollkompetenzen gegenüber Bürgermeister und Gemeindeverwaltung.

Aufgaben Nach der Gemeindeordnung bzw. Hauptsatzung gehört zunächst die Festlegung der eigenen Struktur und Organisation, wie z.B. die Festlegung der Ausschüsse und die Geschäftsordnung zu den Aufgaben des Gemeinderates. In der Geschäftsordnung wird der Geschäftsgang, z.B. das Verfahren bei der Antragsberatung und das Abstimmungsverfahren geregelt. Das „vornehmste Recht“ des Gemeinderates ist jedoch wie in den Parlamenten das Haushaltsrecht, denn die Planung und Beschlussfassung des Gemeindehaushaltes entscheidet darüber, ob und welche Aufgaben im

Lektion 7: Gemeinderat Haushaltsjahr von der Gemeinde wahrgenommen werden. Eine kommunalpolitische Gestaltung ist nämlich ohne Finanzmittel kaum möglich.

Exkurs: Haushaltsberatung Für die Praxis von Kommunalpolitikern ist es sehr wichtig, dass sie die Strukturen des Haushaltsplanes verstehen. Das in Städten meist sehr dicke Buch ist Grundlage der Haushaltsberatungen in den Ausschüssen, in denen es konkret um die Verteilung der Haushaltsmittel für einzelne Projekte geht. Die Fraktionen stellen in der Regel schriftliche Anträge, bestimmte Haushaltpositionen des Haushaltsplanentwurfes zu streichen oder um Summen aufzustocken, je nachdem, ob sie die Mittelverwendung ablehnen oder ob sie die Finanzierung eines neuen Projektes fordern. Nach den Haushaltsberatungen der Einzelpläne in den Fachausschüssen werden die dort gefassten Beschlüsse im Haupt- und Finanzausschuss noch einmal strukturiert. Dann geht es in die abschließende Haushaltssitzung des Gemeinderates. Dort kommt es vor der Verabschiedung des neuen Haushaltsplanes in der Regel zum verbalen Schlagabtausch zwischen den Mehrheits- und den Oppositionsfraktionen. Hier können die Vertreter der Opposition in öffentlicher Sitzung darstellen, was sie besser machen würden, hätten sie die Mehrheit im Gemeinderat. Wenn Sie sich besonders für Haushaltsfragen interessieren, sollten Sie noch einmal die Ausführungen zur Haushaltssatzung und den Exkurs zum Gemeindehaushaltsrecht in Lektion 4 nachlesen.

Weitere Aufgaben Wie wir in Lektion 4 gelernt haben, erfolgt auch die eigene Rechtsetzung der Gemeinde, der Erlass von Satzungen, durch Beschlussfassung des Gemeinderates.

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Die Organisation der Gemeinde – Kommunalverfassung In allen Fragen, bei denen es um Gebietsänderungen (Änderung der Gemeindegrenzen) geht, muss der Gemeinderat eingeschaltet werden. Die grundsätzlichen Entscheidungen über die sog. Aufgaben der Daseinsvorsorge wie Straßenbau, Wasser- und Energieversorgung, aber auch bezüglich öffentlicher Einrichtungen (z.B. Bau und Unterhaltung von Schulen; Eigenbetriebe, Anstalten) und über die Wirtschaftstätigkeit der Gemeinde (z.B. privatisierte Betriebe) unterliegen ebenfalls allein dem Gemeinderat. Ein sehr wichtiges Recht des Gemeinderates ist auch die Wahl der Beigeordneten, die sog. „Kreationsbefugnis“ (siehe Lektion 8).

Geltungsdauer von Beschlüssen Für die Beschlüsse des Gemeinderates gilt das sogenannte Diskontinuitätsprinzip. Wie in den Parlamenten gelten die einfachen Beschlüsse des Gemeinderates nur für die Dauer der Wahlperiode. Nach Ablauf der Wahlperiode müssen deshalb die einmal gefasste Beschlüsse, die aufrecht erhalten werden sollen, vom neuen Gemeinderat bestätigt werden. Das Diskontinuitätsprinzip gilt natürlich nicht für die Satzungsbeschlüsse des Gemeinderates, denn die Satzungen gelten wie die Gesetze auch nach Beendigung der Wahlperiode weiter.

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Leitsatz 16 Aufgaben des Gemeinderates Der Gemeinderat hat alle für die Gemeindeentwicklung wichtigen Beschlüsse zu treffen. Neben der Festsetzung der eigenen Struktur und Organisation obliegt ihm die Haushalts- und Finanzplanung. Der Gemeinderat beschließt die Satzungen, die Gesetzen im materiellen (inhaltlichen) Sinn gleichgestellt sind. Alle grundsätzlichen Entscheidungen, wie z.B. Änderungen des Gemeindegebiets und in Bezug auf Schaffung und Veräußerung von kommunalen Einrichtungen bedürfen seiner Zustimmung. Außerdem wählt der Gemeinderat die Beigeordneten (Dezernenten). Das nennt man „Kreationsbefugnis“.

Lektion 7: Gemeinderat

Ratsmitglieder Der Gemeinderat ist ein Kollegialorgan, d.h. er besteht aus mehreren Mitgliedern, die keinen Weisungen unterlegen sind, also über ein „freies Mandat“ verfügen. Die Rechtsstellung der einzelnen Ratsmitglieder lässt sich wie folgt zusammenfassen:

Rechte: XXAnspruch auf Freistellung von der Arbeit XXAnspruch auf Aufwandsentschädigung und Sitzungsgelder XXRecht auf Einladung zu Ratssitzungen XXRede- und Antragsrecht XXRecht zur Bildung von Fraktionen XXAkteneinsichtsrecht

Pflichten: XXVerschwiegenheitspflicht (z.B. nach nichtöffentlichen Sitzungen)



Fall 12

In der Sitzung der Gemeindevertretung Forsthausen soll ein Bebauungsplan verabschiedet werden. In die Debatte schaltet sich auch Schmidt, im Hauptberuf Rechtsanwalt, ein. Auf seinen Antrag wird die im Bebauungsplan vorgesehene maximale Dachgeschosshöhe geändert. Schmidt nimmt aber an der Abstimmung nicht teil. Später stellt sich heraus, dass Schmidt als Rechtsanwalt einen Bauherrn im Plangebiet vertritt, der von der geänderten Dachgeschosshöhe profitiert. Ist der Beschluss über den Bebauungsplan rechtmäßig zustande gekommen?

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Die Organisation der Gemeinde – Kommunalverfassung Die Rechte der Ratsmitglieder sind nicht grenzenlos. Sie werden eingeschränkt durch

Mitwirkungsverbot wegen Befangenheit: Ratsmitglieder dürfen an Entscheidungen nicht mitwirken, wenn diese dem Ratsmitglied oder nahe stehenden Dritten (Angehörigen, Mandanten von Rechtsanwälten, Steuerberatern und Sachverständigen, mit dem Ratsmitglied verbundenen Unternehmen) einen unmittelbaren Vorteil bringen könnte, z.B. bei Grundstücksgeschäften, Bebauungsplänen oder der Vergabe öffentlicher Aufträge. Diese Interessenkollision muss noch vor der Entscheidung offen gelegt werden. Wenn ein Ratsmitglied trotz Befangenheit und des daraus resultierenden Mitwirkungsverbotes dennoch an Entscheidungen teilnimmt, droht die Unwirksamkeit des Beschlusses.

Vertretungsverbot: Ratsmitglieder dürfen nicht Ansprüche anderer gegen die Gemeinde geltend machen (gilt insbesondere für Rechtsanwälte). Die Rechte der Ratsmitglieder werden bei Interessenkollisionen eingeschränkt. Bei Befangenheit dürfen Ratsmitglieder an Entscheidungen nicht mitwirken. Auf unseren Fall 12 bezogen stellt sich die Frage, ob Schmidt an der Entscheidung über den Bebauungsplan „mitgewirkt“ hat, weil er zwar einen Antrag gestellt, an der Abstimmung darüber aber gar nicht teilgenommen hat. Als Ratsmitglied durfte Schmidt an der Entscheidung der Gemeindevertretung nicht mitwirken, weil er wegen seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt befangen war. Er hat nämlich einem Dritten, seinem Mandanten, durch den – später so beschlossenen – Änderungsantrag einen direkten Vorteil verschafft. In allen Gemeindeordnungen wird bestimmt, dass Gemeinderatsmitglieder „weder beratend noch entscheidend“ bei Angelegenheiten mitwirken dürfen, die Ihnen oder Dritten einen unmittelbaren Vorteil verschaffen. Durch seinen Debattenbeitrag und seinen Antrag hat Schmidt zumindest

Lektion 7: Gemeinderat beratend an der Beschlussfassung über den Bebauungsplan mitgewirkt. Er hätte aber als Befangener bei diesem Tagesordnungspunk die Sitzung verlassen müssen oder an ihr nur als Zuhörer im Publikum dabei sein dürfen. Ein Verstoß gegen das Mitwirkungsverbot führt zwar automatisch zur formellen Rechtswidrigkeit des Gemeinderatsbeschlusses. Dies bedeutet jedoch noch nicht, dass der Bebauungsplan als solcher unrechtmäßig (nichtig) ist, denn wie bei der Lösung von Fall 9 gibt es auch in den Gemeindeordnungen Unbeachtlichkeits- bzw. Heilungsvorschriften. Bei formeller fehlerhaft zustande gekommener Satzung muss die Fehlerhaftigkeit innerhalb eines bestimmten Zeitraumes ausdrücklich gerügt werden (außer in Bayern). Nach Ablauf der Frist gilt die formelle Rechtswidrigkeit als geheilt. Wird gerügt, müsste die Abstimmung allerdings ohne Teilnahme des Ratsmitgliedes Schmidt wiederholt werden.

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Leitsatz 17 Rechte der Ratsmitglieder Die Mitglieder der Gemeindevertretung haben durch ihre Wahl ein freies Mandat erhalten, d.h. sie müssen keine Weisungen, auch nicht von ihrer Partei, befolgen. Im Gemeinderat besitzen sie verschiedene Rechte, die ihnen die uneingeschränkte Mitwirkung bei der Beschlussfassung garantieren, z.B.: das Rede- und Antragsrecht. Ratsmitglieder können zur Verschwiegenheit verpflichtet werden. Für ihre ehrenamtliche Tätigkeit erhalten sie Aufwandsentschädigungen.

Fraktionen Obwohl Gemeinderäte verfassungsrechtlich keine Parlamente darstellen, ist auch dort die Bildung von politischen Fraktionen wie im Bundes- oder Landtag die Regel. In den Gemeindeordnungen befinden sich teilweise detaillierte Vorschriften über die Bildung, die Rechte und die finanzielle Ausstattung der Fraktionen. Dazu gehört auch die Mindestgröße einer Fraktion. In einigen Ländern wird die Festsetzung jedoch der Geschäftsordnung des

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Die Organisation der Gemeinde – Kommunalverfassung Gemeinderates überlassen. Bitte lesen Sie das in der Gemeindeordnung Ihres Bundeslandes nach. Rechtlich gesehen handelt es sich bei der Fraktionsbildung nicht um einen privaten Zusammenschluss von Ratsmitgliedern, sondern um eine öffentlich-rechtliche Organisationseinheit. Deshalb sind die Fraktionen in mancherlei Hinsicht privilegiert, z.B. was die Antragstellung und Redezeit anbetrifft. Andererseits ist beim beabsichtigten Ausschluss eines Ratsmitgliedes aus einer Fraktion insbesondere der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. Für die kommunalpolitische Arbeit der Mandatsträger spielen die Fraktionen eine sehr wichtige Rolle, denn faktisch ist eine Fraktion der verlängerte Arm der jeweiligen Partei, über deren Liste die Gemeinderatsmitglieder gewählt wurden. Deshalb werden die Spitzenkandidaten des Wahlkampfes in der Regel auch zu Fraktionsvorsitzenden gewählt. Die einzelnen Fraktionsmitglieder können sich durch die Arbeit in ihren Fachgebieten gegenüber der eigenen Partei und der Öffentlichkeit als „Sprecher“ profilieren, denn sie werden in die Fachausschüsse des Gemeinderates entsandt. In einer Presseverlautbarung einer Fraktionen könnte es dann zum Beispiel heißen: „Die sozialpolitische Sprecherin der XY-Fraktion im Gemeinderat Forsthausen, Elisabeth M., hat sich im Sozialausschuss der Gemeinde kritisch über die Ausstattung des städtischen Altenpflegeheimes geäußert …“ Größere Fraktionen leisten sich oft einen Geschäftsführer, der sich neben den reinen Büroabläufen auch um die Sitzungsvorbereitung, um neue politische Initiativen etc. zu kümmern hat.

Sitzungen des Gemeinderates Der Gemeinderat trifft die Entscheidungen in der Regel auf seinen Sitzungen. Nur Angelegenheiten wirklich einfacher Art (wenn z.B. die bereits getroffene Entscheidung noch von der Einholung einer Auskunft abhängig ist) können im schriftlichen Umlaufverfahren beschlossen werden. Die Sitzungen des Gemeinderates:

Lektion 7: Gemeinderat XXsind grundsätzlich öffentlich XXsind unter Einhaltung der in der Geschäftsordnung oder Hauptsatzung genannten Fristen zusammen mit einer Tagesordnung einzuberufen Auf den Sitzungen selbst ist folgendes zu beachten: XXVor Abstimmungen ist die Beschlussfähigkeit zu überprüfen XXVom Ergebnis der Sitzung ist eine Niederschrift (Protokoll) zu fertigen XXBei Personalwahlen (z.B. Wahl der Beigeordneten) sind die dafür erlassenen besonderen Wahlvorschriften zu beachten XXBeim Erlass von Satzungen sind die formellen Verfahrensvoraussetzungen (z.B. öffentliche Bekanntmachung) einzuhalten (siehe Prüfschema 3)

Ausschüsse Vielen Gemeindeordnungen zufolge muss der Gemeinderat einige Pflichtausschüsse bilden, z.B. Haupt- (und Finanz)ausschuss und ab einer bestimmten Gemeindegröße auch einen Rechnungsprüfungsausschuss. Über die Haushaltssatzung, den Haushaltsplan und die Haushaltsberatungen, die zentral im Haupt- (und Finanz)ausschuss stattfinden, haben wir bereits in Lektion 4 einiges erfahren können. Nach § 71 SGB VIII ist in allen deutschen Gemeinden, die Träger der Jugendhilfe sind, ein Jugendhilfeausschuss zu bilden. Ansonsten ist der Gemeinderat frei, nach Sachgebieten orientiert Fachausschüsse (z.B. Bauausschuss, Kulturausschuss etc.) einzurichten. Die wesentlichen Beschlüsse der Fachausschüsse müssen später in der Sitzung des Gemeinderates bestätigt werden. Insofern dienen die Ausschüsse zur Vorbereitung der Gemeinderatssitzungen. Hier ein Blick in die kommunalpolitische Praxis: Effektiver als in den Gemeinderatssitzungen selbst können die Mandatsträger in den Fach­

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Die Organisation der Gemeinde – Kommunalverfassung ausschüssen ihre Vorschläge und ihre Kritik anbringen. Die Fachausschüsse stehen zum einen weniger im öffentlichen Blickpunkt der Medien, so dass die Ausschussmitglieder meistens auf publikumsträchtige Reden und Erklärungen verzichten und entspannter miteinander debattieren können. Zum anderen sind die Ausschussmitglieder überwiegend in ihren Fachgebieten versiert und können sich in der Diskussion deshalb auf die konkreten Sachthemen konzentrieren. Parteipolitischer Streit kommt in den Fachausschüssen nur selten vor. Es ist ja auch klar: Bei der Entscheidung im Ausschuss für Straßen und Verkehr, welche Straßenbreite einer Ausbauplanung zugrunde zu legen ist, kommt es allein auf Sachkenntnisse und nicht auf Parteipolitik an.

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Leitsatz 18 Fraktionen und Ausschüsse Die praktische Arbeit des Gemeinderates wird durch die Bildung von Fraktionen und Ausschüssen strukturiert und erleichtert. Die Fraktionen sind freiwillige Zusammenschlüsse von Gemeinderatsmitgliedern meist einer Partei oder Wählervereinigung. Nach der Geschäftsordnung des Gemeinderates verfügen sie über besondere Rechte, etwa in Hinblick auf das Rede- und Antragsrecht. Die zur Entscheidung anstehenden Sachthemen des Gemeinderates werden in dazu gebildeten Fachausschüssen vorberaten. Der wichtigste Ausschuss ist der Haupt- und Finanzausschuss, weil dort u.a. Empfehlungen zur Realisierung einzelner Projekte getroffen werden.

Fall 13 Im Ausschuss für Soziales und Familie der Gemeindevertretung Forsthausen ist auch ein Mitglied des Behindertenbeirates als sog. „sachkundiger Bürger“ vertreten. Die Vorsitzende des Behindertenbeirates bittet den Bürgermeister in einem Schreiben, dafür zu sorgen, dass bei Themen, die im Ausschuss für Soziales und Familie Behinderte betreffen, der vom Behindertenbeirat entsandte sachkundige Bürger ein Antragsund Stimmrecht erhält. Schließlich wisse dieses Mitglied des Behindertenbeirates in solchen Sachthemen besser Bescheid als manch anderes Ausschussmitglied.

Lektion 7: Gemeinderat Könnte die Gemeindevertretung dem Behindertenbeirat konsequenterweise ein – nur auf den Ausschuss bezogenes – Stimmrecht gewähren? Da die Ausschüsse Teilorgane des Gemeinderates sind, müssen sie in ihrer Zusammensetzung das Prinzip der demokratischen Repräsentation beachten, d.h. sie müssen das politische Meinungs- und Kräftespektrum des gesamten Gemeinderates widerspiegeln. In der Praxis bedeutet dies, dass die Ratsmitglieder nach dem Proporz der Fraktionen in die Ausschüsse entsandt werden. Der Gemeinderat wählt die Ausschussmitglieder entweder einstimmig bei einem einheitlich erarbeiteten Wahlvorschlag oder nach den Grundsätzen der Verhältniswahl, d.h. die Fraktionen wählen entsprechend ihrer Stärke die jeweiligen Ausschussmitglieder. Aus dem Prinzip der demokratischen Repräsentation verbietet sich, dass sachkundige Einwohner oder Sachverständige, die in die Ausschüsse entsandt werden, dort über ein Stimmrecht verfügen. Dieses ist in den meisten Gemeindeordnungen auch ausdrücklich ausgeschlossen. In unserem Fall 13 kommt demnach ein Stimmrecht des Vertreters des Behindertenbeirates im Ausschuss nicht in Betracht, denn „sachkundige Bürger“ sind nicht durch die Wahl zur Gemeindevertretung demokratisch legitimiert. Allerdings könnte die Gemeindevertretung dem Vertreter des Behindertenbeirates ein Antragsrecht zugestehen, sofern die Hauptsatzung oder die Geschäftsordnung für die Gemeindevertretung dies erlaubt.

Stadtteilvertretungen Das nach den Gemeindeordnungen in Bezirke bzw. Ortschaften eingeteilte Gemeindegebiet verfügt jeweils über Stadtteilvertretungen (auch Bezirksbeirat, Ortschaftsrat, Bezirksausschuss, Stadtbezirksrat, Bezirksvertretung oder Ortsbeirat genannt). Diese Vertretungen haben zwar eingeschränkte Entscheidungs- bzw. Anhörungsrechte, müssen sich aber an den allgemeinen Vorgaben des Gemeinderates orientieren.

Beauftragte und Beiräte Ein(e) Gleichstellungsbeauftragte(r) – früher Frauenbeauftragte genannt – „muss“ nach den Gemeindeordnungen der meisten ­Bundesländer

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Die Organisation der Gemeinde – Kommunalverfassung in die Gemeindeverwaltung größerer Kommunen berufen werden. In Städten ab einer bestimmten Einwohnerzahl füllt sie eine hauptamtliche Funktion aus und ist bei Personalfragen zu beteiligen. Migrantenbeauftragte „können“ nach den Gemeindeordnungen eingesetzt werden. Ihre Berufung liegt also im Unterschied zur Gleichstellungsbeauftragten im freien Ermessen der Gemeinde. Ebenso verhält es sich mit den Migranrenbeiräten (Integrationsräte), die von den in der Gemeinde lebenden Ausländern gewählt werden. Weitere (ehrenamtliche) Beauftragte oder Beiräte mit lediglich beratender Funktion werden in größeren Kommunen oft freiwillig installiert, zum Beispiel für Kinder- und Jugendliche, Behinderte oder Senioren. Das Nähere regelt jeweils die Hauptsatzung der Gemeinde. Größere Kommunen müssen eine Gleichstellungsbeauftragte ernennen. Sie können auch einen Migrationsbeauftragten bestellen oder einen Ausländerbeirat („Intergrationsrat“) wählen lassen. Beiräte haben nur beratende Funktion, z.B. der Seniorenbeirat, der Behindertenbeirat.

Übersicht 6: Gemeinderat Verpflichtende Aufgaben des Gemeinderates: XXdie

eigene Organisation (z.B. Geschäftsordnung, Ausschussbildung)

XXVerabschiedung XXBeschluss

von Satzungen

XXMitwirkung XXWahl

des Haushaltes

bei Gebietsänderungen

der Beigeordneten

Die Rechte der Gemeinderatsmitglieder sind im Einzelnen: XXAnspruch

auf Freistellung von der Arbeit

Lektion 7: Gemeinderat

XXAnspruch

auf Aufwandsentschädigung und Sitzungsgelder

XXRecht

auf Einladung zu Ratssitzungen

XXRede-

und Antragsrecht

XXRecht

zur Bildung von Fraktionen

XXAkteneinsichtsrecht

Zu den persönlichen Pflichten der Mitglieder des Gemeinderates gehört die Verschwiegenheitspflicht, z.B. nach nichtöffentlichen Sitzungen. Bei Befangenheit herrscht ein Mitwirkungsverbot.

Exkurs: Wie Anträge in den Gemeinderat gelangen Wie die konkrete Arbeit eines Gemeinderatsmitgliedes bzw. einer Fraktion aussieht und wie der Gemeinderat funktioniert, lässt sich sehr gut anhand der Einbringung und Beschlussfassung eines Antrages in den Gemeinderat verfolgen. In der Praxis sieht das etwa so aus: Die sozialpolitische Sprecherin der XY-Fraktion im Gemeinderat Forsthausen, Elisabeth M. hat eine Idee. Sie möchte, dass die Gemeinde Forsthausen zur Einschulung der Kinder bedürftiger Familien einen Zuschuss zu den Kosten von Schulranzen, Federmappen und anderen Schulmaterialien gewährt und erhofft sich von dieser Initiative eine positive Resonanz in der Bürgerschaft. Deshalb trägt sie ihre Idee in der nächsten internen Sitzung der XY-Fraktion vor Die meisten Mitglieder ihrer Fraktion finden eine solche Initiative unterstützenswert. Zwar äußert der Fraktionsvorsitzende, zugleich haushaltspolitischer Sprecher, noch einige Bedenken bezüglich der Finanzierbarkeit, als er aber über den Vorschlag von Elisabeth M abstimmen lässt, erhält dieser die Mehrheit. Die Idee der sozialpolitischen Sprecherin Elisabeth M. wird zu Papier gebracht und als Antrag der XY-Fraktion an den Gemeinderat formuliert. Der Antrag lautet ungefähr so:

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Die Organisation der Gemeinde – Kommunalverfassung „Antrag zur Sicherstellung einer angemessenen Ausrüstung der Erstklässler mit Schulmaterialien. – Der Gemeinderat möge beschließen: Zur Einschulung im September soll den Kindern bedürftiger Eltern oder Alleinerziehender für die Anschaffung der notwendigen Schulmaterialien ein Zuschuss in Höhe von 50 € gewährt werden. Die Bedürftigkeit ist gegenüber dem Jugendamt, das auch die Auszahlung übernimmt, durch Vorlage entsprechender Unterlagen nachzuweisen. Die dafür erforderlichen Finanzmittel sind im Nachtragshaushalt zur Verfügung zu stellen.“ Der schriftliche Antrag der XY-Fraktion wird im Büro des Vorsitzenden des Gemeinderates abgegeben. In der fristgerechten Einladung zur kommenden Sitzung des Gemeinderates steht der Antrag dann schon auf der Tagesordnung. In der Sitzung schlägt dessen Vorsitzender (der in einigen Bundesländern auch der Bürgermeister sein kann, siehe Lektion 5) vor, den Antrag zur weiteren Beratung in die dafür in Betracht kommenden Fachausschüsse, nämlich den Schul-, Sozial- und Hauptausschuss zu überweisen. Da entsprechend der Geschäftsordnung zu Beginn der Sitzung die Beschlussfähigkeit des Gemeinderates festgestellt worden war, kann darüber eine ordnungsgemäße Abstimmung erfolgen. Die Überweisung wird ohne weitere Aussprache wie vorgeschlagen von der Mehrheit der anwesenden Gemeinderatsmitglieder beschlossen. Der Protokollant notiert diesen Beschluss. Im Schul- und Sozialausschuss wird der Antrag der XY-Fraktion von den jeweiligen Sprechern der verschiedenen im Gemeinderat vertretenen Fraktionen zum Teil kontrovers diskutiert. Bei der Abstimmung erhält er jedoch jeweils die Mehrheit der Ausschussmitglieder. Der so beschlossene Antrag wird danach dem Hauptausschuss, der für den Haushalt und die Finanzen zuständig ist, zur abschließenden Beratung und Beschlussfassung vorgelegt. Auch dort wird der Antrag zwar mehrheitlich angenommen, im Beschlusstext wird der vorgeschlagene Betrag von 50 € aber auf 40 € reduziert. In der folgenden Gemeinderatssitzung, im sogenannten Plenum, steht der Antrag der XY dann wieder auf der Tagesordnung. Als der Tagesordnungspunkt aufgerufen wird, berichtet der Vorsitzende des Hauptausschusses vom Beratungsverlauf in den Fachausschüssen und vom Beschluss des Hauptausschusses. Danach erhalten die einzelnen Vertreter der Fraktionen, entweder die sozialpolitischen Sprecher oder die Fraktionsvorsitzenden Gelegenheit, vor den Zuhörern und der anwesenden

Lektion 7: Gemeinderat Presse noch einmal darzustellen, warum sie für oder gegen den Antrag der XY-Fraktion sind. Zunächst spricht Elisabeth M. für die antragstellende Fraktion. Der Tagesordnungspunkt wird schließlich mit der Abstimmung über den Antrag der XY-Fraktion in der Form des Änderungsantrages des Hauptausschusses (40 statt 50 €) im Plenum des Gemeinderates abgeschlossen. Der Beschluss wird dann an die Gemeindeverwaltung bzw. die Dezernenten zwecks Umsetzung weiter gegeben. Die Kämmerei wird nach Rücksprache mit dem Jugendamt den zu erwartenden Gesamtbetrag in den Nachtragshaushalt einstellen, das Jugendamt kann bereits organisatorische Vorbereitung zur Umsetzung des Beschlusses treffen.

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Leitsatz 19 Rechtsstellung des Gemeinderates Der direkt gewählte Gemeinderat repräsentiert die Bürger der Gemeinde. Rechtlich gesehen ist er aber kein Kommunalparlament, sondern ein Verwaltungsorgan. Seine Aufgaben sind im Einzelnen in den Gemeindeordnungen der Länder aufgeführt, u.a. das Haushaltsrecht und das Recht, Satzungen zu erlassen. Die Ratsmitglieder verfügen über ein freies Mandat, das jedoch bei Befangenheit eingeschränkt ist. Den Ratsmitgliedern können sich in Fraktionen zusammenschließen. Die Arbeit des Gemeinderates wird in Fachausschüssen organisiert, bei deren Besetzung sich das politische Kräfteverhältnis widerspiegeln muss. Sachkundige Bürger verfügen dort über kein Stimmrecht.

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Die Organisation der Gemeinde – Kommunalverfassung

Lektion 8: Bürgermeister und Beigeordnete Der (Ober-)Bürgermeister ist neben dem Gemeinderat das zentrale Repräsentativorgan der Gemeinde. Wie der Gemeinderat wird er von den wahlberechtigten Bürgern der Gemeinde entsprechend den jeweiligen Gemeindeordnungen und Kommunalwahlgesetzen aller Bundesländer (mit Ausnahme der Stadtstaaten) unmittelbar für eine bestimmte Dauer gewählt. Er vertritt nicht nur die Gemeinde nach außen, ihm obliegt auch die Leitung der Gemeindeverwaltung. Seiner Rechtsstellung nach ist der Bürgermeister ein kommunaler Wahlbeamter auf Zeit. Für ihn gelten die Beamtengesetze des Landes und das neue Beamtenstatusgesetz. Grundsätzlich hat der Bürgermeister sich an dieselben Regeln zu halten, wie Lebenszeitbeamte. Er unterliegt auch dem Disziplinarrecht. Seine Amtszeit variiert je nach Bundesland zwischen fünf und acht Jahren. Die Höhe seiner Besoldung richtet sich nach der Größe der Gemeinde. Nach seinem Ausscheiden aus dem Amt erhält er eine Beamtenversorgung, deren Höhe sich nach den sog. ruhegehaltsfähigen Dienstzeiten, also der Dauer der Zugehörigkeit zum öffentlichen Dienst bemisst. In sehr kleinen Gemeinden fungieren auch ehrenamtlich tätige Bürgermeister. Sie sind sog. „Ehrenbeamte“, deren Rechtsstellung ebenfalls in den Beamtengesetzen der Länder geregelt ist. Ehrenbeamte nehmen ihr Amt auf Zeit nebenberuflich und grundsätzlich ohne Anspruch auf Besoldung und Beamtenversorgung wahr. Sie erhalten allerdings eine Aufwandsentschädigung.

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Leitsatz 20 Kommunale Beamte Das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit ist nach dem hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums die Regel. Kommunale Wahlbeamte, wie der Bürgermeister und die Beigeordneten (Dezernenten) befinden sich aber in einem Beamtenverhältnis „auf Zeit“. Sie erhalten eine Besoldung und Versorgung ähnlich wie Lebenszeitbeamte. – In kleineren Gemeinden sind Bürgermeister sogenannte „Ehrenbeamte“. Sie erhalten keine Besoldung und Versorgung, sondern nur eine Aufwandsentschädigung.

Lektion 8: Bürgermeister und Beigeordnete

Kommunalpolitische Praxis Die kommunalpolitische Praxis zeigt, dass die Wahl eines Bürgermeisters ohne die Rückendeckung einer Partei oder freien Wählergemeinschaft zumeist nicht denkbar ist. Kandidaten, die von einer Partei vorgeschlagen werden, müssen nicht mühsam Unterstützungsunterschriften sammeln, wie es die Kommunalwahlgesetze vorsehen. Vor allem aber wird ein Parteienbewerber im Wahlkampf finanziell von seiner politischen Organisation unterstützt. Wenn auch wegen der Direktwahl viele Kandidaten ihre Persönlichkeit und Unabhängigkeit herausstellen möchten und deshalb aus taktischen Gründen die Nennung ihrer Partei auf Plakaten und Handzetteln vermeiden, kosten doch die Werbemaßnahmen eine Menge Geld, das vor allem in Städten von einer Einzelperson kaum oder gar nicht geschultert werden kann.

Beigeordnete Zur Unterstützung des (Ober-)Bürgermeisters in den größeren Gemeinden bzw. Städten werden nach den meisten Gemeindeordnungen vom Gemeinderat hauptamtliche Beigeordnete gewählt, auch Dezernenten genannt (siehe Anhang), die für verschiedene vom Gemeinderat bzw. Bürgermeister festgelegte Aufgabengebiete zuständig sind. Auch die Beigeordneten sind kommunale Wahlbeamte auf Zeit. Ihre Auswahl erfolgt jedoch nicht ausschließlich nach dem beamtenrechtlichen Prinzip der Bestenauslese, also nach rein fachlicher Qualifikation, sondern auch unter politischen Gesichtspunkten. Vom Kommunalrecht auch hier noch ein Exkurs in die Kommunalpolitik: In der kommunalpolitischen Praxis sind für die Wahl der Beigeordneten die Parteien bzw. Fraktionen im Gemeinderat ausschlaggebend. Die gebotene öffentliche Ausschreibung einer Beigeordnetenstelle ist häufig nur eine formelle, denn im Gemeinderat erfolgen oft bereits im Vorfeld des Auswahlverfahrens Absprachen zwischen den Fraktionen. Danach wird, zumal wenn es im Gemeinderat eine Art Koalition gibt, einer bestimmten Fraktion intern das Vorschlagsrecht eingeräumt, d.h. sie kann bestimmen, mit welcher Person die Stelle zu besetzen ist. Für Interessenten, die die Stellenanzeige einer vakanten Beigeordnetenposition gelesen haben, empfiehlt es sich deshalb vor einer Bewerbung

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Die Organisation der Gemeinde – Kommunalverfassung Erkundigungen einzuziehen, ob es sich um eine „echte“ Ausschreibung handelt und welche Parteipräferenzen zu berücksichtigen sind. Die Gemeindevertretung kann entsprechend den Voraussetzungen der Gemeindeordnung Beigeordnete vorzeitig abberufen. Die Vertretung des Bürgermeisters erfolgt in der Regel durch einen bestimmten Beigeordneten oder – sofern vorgesehen – durch ehrenamtliche Stellvertreter. Sofern der Bürgermeister kein Volljurist ist, also nicht über die Befähigung zum höheren Verwaltungsdienst oder zum Richteramt verfügt, soll einer der Beigeordneten diese Voraussetzung erfüllen. Von dieser Sollregelung kann nur in ganz wenigen Ausnahmefällen abgewichen werden. Der wohl wichtigste Dezernent ist der Stadtkämmerer, denn ihm obliegen die Haushaltsplanung und die Haushaltskontrolle. Alle wesentlichen Entscheidungen über Einnahmen und Ausgaben werden ihm vorgelegt. Sobald ein Beschluss des Gemeinderates oder des Bürgermeisters finanzielle Auswirkungen hat – und das ist sehr häufig der Fall – muss der Stadtkämmerer gegenzeichnen. Die Dezernate, also die Aufgabenbereiche, werden in der Regel der Gemeindeordnung entsprechend vom Bürgermeister zugeschnitten. Von den Dezernenten werden je nach Aufgabenbereich bestimmte Fachkenntnisse oder Erfahrungen erwartet. So sollte beispielsweise der zukünftige Baudezernent bei seiner Bewerbung ein Studium der Stadtplanung oder Architektur vorweisen können und/oder über profunde Kenntnisse im Bauordnungs- und Bauplanungsrecht verfügen.

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Leitsatz 21 Beigeordnete bzw. Dezernenten Wie Bürgermeister und Landrat sind auch die Beigeordneten, die auch Dezernenten genannt werden, Wahlbeamte auf Zeit. Sie werden jedoch nicht direkt von den Bürgern, sondern vom Gemeinderat gewählt. Der Gemeinderat verfügt diesbezüglich über eine sogenannte „Kreationsbefugnis“. Die Beigeordneten unterstützen den Bürgermeister bei dessen Arbeit. Ihre Aufgabenbereiche sind nach Fachgebieten in Dezernate aufgeteilt.

Lektion 8: Bürgermeister und Beigeordnete

Gemeindevorstand Als Leitungsorgan der Gemeinde tritt neben den Gemeinderat der Gemeindevorstand, weshalb man diese Organisationsstruktur der Kommunalverfassung „dualistisch“ nennt. In den meisten Bundesländern (insbesondere mit der sog. Bürgermeisterverfassung, siehe Lektion 5) stellt der Bürgermeister als Einzelperson den Gemeindevorstand dar, der mit der Unterstützung der Beigeordneten die Verwaltungsgeschäfte leitet und die Verantwortung trägt. Wenn der Bürgermeister allein als Person Gemeindevorstand ist, nennt man seine Funktion „monokratisches Organ“.

Kollegialorgan In einigen Bundesländern gibt es neben dem Gemeinderat ein Kollegialorgan als Gemeindevorstand („Verwaltungs- bzw. Hauptausschuss“, Verwaltungs- bzw. Stadtvorstand oder „Magistrat“), das aus dem Bürgermeister, den Beigeordneten und hinzugezogenen (Rats-)Mitgliedern besteht. Besonders ausgeprägt ist dies in Hessen mit seiner Magistratsverfassung (siehe Lektion 5). Das Kollegialorgan unter Leitung des Bürgermeisters besitzt eine Art Kabinettsfunktion, d.h. hier werden Vorlagen zur Abstimmung durch den Gemeinderat erarbeitet und Gemeinderatsbeschlüsse umgesetzt. Für bestimmte Entscheidungen muss der Bürgermeister hier die Zustimmung einholen. In anderen Bundesländern, z.B. in Bayern und Sachsen ist der Bürgermeister nicht nur Mitglied, sondern zugleich Vorsitzender des Gemeinderates.

Höchstalter, Abwahl und „Rücktritt“ Bei Erreichen einer in den Gemeindeordnungen festgelegten Höchstaltersgrenze dürfen Bürgermeister bzw. Beigeordnete nicht mehr erneut kandidieren bzw. werden aus ihren Ämtern in den Ruhestand versetzt. Abgesehen von der Altersgrenze ist in vielen Bundesländern unter bestimmten Voraussetzungen eine vorzeitige Abwahl des Bürgermeisters und der Beigeordneten möglich, etwa wenn ihnen eine unzureichende Amtsführung oder politische Diskrepanzen mit der Mehrheit des Gemeinderates vorgeworfen wird. Da der Bürgermeister im Unterschied zu

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Die Organisation der Gemeinde – Kommunalverfassung den Beigeordneten direkt gewählt wurde, ist zur Wirksamkeit der Abwahl des Bürgermeisters wie bei einem Bürgerentscheid (siehe Lektion 6) das Erreichen eines bestimmten Quorums erforderlich. Da im Beamtenrecht ein Rücktritt nicht vorgesehen ist, müssten Bürgermeister im Unterschied etwa zu Ministern eine „Entlassung aus eigenem Verlangen“ beantragen. Wegen der erheblichen versorgungsrechtlichen Nachteile eines solchen Schritts sind die Regelungen zur Abwahl eines Bürgermeisters, etwa in NRW, erleichtert worden. Infolge dieser Regelungen können amtsmüde Bürgermeister ihrer Abwahl zustimmen und sich dadurch eine angemessene Versorgung sichern. Dazu der folgende

Fall 14 Bürgermeister Schneider kandidiert nach Ablauf seiner ersten 8-jährigen Wahlperiode im Alter von nunmehr 62 Jahren erneut als Bürgermeister und wird von den Bürgern in der Direktwahl auch in seinem Amt bestätigt. Kurz vor Vollendung seines 68. Lebensjahres schreibt der Stadtrat die Stelle des Bürgermeisters öffentlich aus und trifft Vorbereitungen zur Neuwahl. Er begründet dieses Vorgehen mit der Altersgrenze für kommunale Wahlbeamte, die bei 68 Jahren liegt. Bürgermeister Schneider wendet sich beim Verwaltungsgericht gegen die öffentliche Ausschreibung und begründet dies damit, dass er von den Bürgern schließlich für die gesamte 8-jährige Wahlperiode in sein Amt wiedergewählt worden sei. Er sei noch fit und aus dem Amt ausscheiden werde er deshalb erst mit 70 Jahren. Wie wird das Gericht entscheiden? Die in der Gemeindeordnung festgesetzte Altersgrenze für kommunale Wahlbeamte auf das vollendete 68. Lebensjahr könnte gegen die Grundsätze der Allgemeinheit und Gleichheit der Urwahl von Bürgermeistern und Landräten in der Landesverfassung verstoßen, weil die Altersgrenze von einem bloß zahlenmäßig bestimmten Lebensalter ausgeht und die individuelle Leistungsfähigkeit des Gewählten dabei völlig außer acht bleibt. Bei einem solchen Verfassungsverstoß wäre das in der Gemeindeordnung festgesetzte Höchstalter für Bürgermeister und Landräte nichtig. Im vorliegenden Fall könnte Bürgermeister Schneider dann tatsächlich

Lektion 8: Bürgermeister und Beigeordnete die volle Wahlperiode im Amt bleiben, obwohl er beim Ausscheiden schon 70 Jahre alt ist. In einem ähnlichen Fall hat der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz jedoch entschieden, dass das Interesse der Allgemeinheit an einer effektiven Amtsführung es dem Gesetzgeber erlaubt, generalisierend Personen von der Ausübung ihres Wahlamtes auszuschließen, die möglicherweise nicht bis zum Ende der Amtszeit in der Lage sind, den hohen persönlichen Einsatz zu erbringen, den das Wahlamt erfordert. Insofern komme dem Gesetzgeber das Vorrecht zu, nach seiner Einschätzung die Altersgrenze auf das vollendete 68. Lebensjahr festzusetzen. Allerdings, so der Verfassungsgerichtshof, könne sich der Landtag als Gesetzgeber ja durchaus einmal Gedanken darüber machen, ob neue Erkenntnisse der Medizin und Altersforschung nicht eine Erhöhung der Altersgrenze rechtfertigen. Diese Rechtsauffassung wird inzwischen auch vom BVerfG geteilt. Auf die Frage in unserem Fall 14, ob Bürgermeister Schneider dem Stadtrat die Ausschreibung der von ihm noch besetzten Stelle verbieten kann, muss man im Ergebnis sagen dass das Verwaltungsgericht einen entsprechenden Antrag des Bürgermeisters ablehnen wird. Zur Begründung wird das Gericht anführen, dass die Regelung über das Höchstalter in der Gemeindeordnung verfassungsgemäß ist.

Aufgaben und Kompetenzen des Bürgermeisters Bevor der Gemeinderat, mit seinen Beschlüssen sozusagen die Richtlinien vorgibt, muss der Bürgermeister die Gemeinderatsbeschlüsse durch Verwaltungsvorlagen vorbereiten und nach Beschlussfassung dann in die Praxis umsetzen. Gegenüber dem Gemeinderat besitzt der Bürgermeister: XXeine Auskunftspflicht XXeine Unterrichtungspflicht über wichtige Gemeindeangelegen­ heiten XXeine Beanstandungspflicht, wenn der Gemeinderat rechtswidrige Beschlüsse treffen will (dazu mehr unter Fall 15)

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Die Organisation der Gemeinde – Kommunalverfassung Wenn der Gemeinderat nicht rechtzeitig entscheiden kann, eine solche Entscheidung aber unaufschiebbar ist, besitzt der Bürgermeister ein Eilentscheidungsrecht.

Fall 15 In der Sitzung des Gemeinderates rügt der Bürgermeister aufs Schärfste das unentschuldigte Fernbleiben des Fraktionsvorsitzenden Müller, der laut Zeitungsbericht zur selben Zeit am Treffen einer Bürgerinitiative teilnimmt. Die Rüge wird in das Sitzungsprotokoll genommen. Hiergegen wendet sich der Betroffene, der schließlich das Verwaltungsgericht anruft, um die Rüge aus dem Protokoll entfernen zu lassen. Mit Erfolg? Rechtswidrige Beschlüsse des Gemeinderates hat der Bürgermeister nach den Gemeindeordnungen zu beanstanden bzw. er muss ihnen widersprechen. Damit soll die Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns der Gemeinde gesichert werden. Die Ausübung dieses Beanstandungsrechtes liegt bis zum Abschluss der Prüfung, ob ein Gemeinderatsbeschluss rechtwidrig ist, zunächst im Ermessen des Bürgermeisters. Sieht er jedoch nach Prüfung seinen Eindruck bestätigt, dass der Beschluss gegen Bundes- oder Landesrecht verstößt, ist er verpflichtet, diesen offiziell zu beanstanden. Die Beanstandung ist ein Verwaltungsakt, der aufschiebende Wirkung entfaltet, d.h. nach Widerspruch bzw. Beanstandung seitens des Bürgermeisters ist der Beschluss des Gemeinderates zunächst unwirksam. Bleibt der Gemeinderat aber bei seinem Beschluss, kann er sich zur abschließenden Entscheidung an die der Kommunalaufsicht (Lektion 10) wenden. Erst danach ist eine Klage vor dem Verwaltungsgericht möglich. Einige Gemeindeordnungen räumen dem Bürgermeister auch ein Beanstandungsrecht schon dann zu, wenn „das Wohl der Gemeinde“ durch Beschlüsse des Gemeinderates beeinträchtigt wird. Im Fall 15 hat der Bürgermeister keinen Beschluss des Gemeinderates beanstandet, sondern das Fernbleiben des Fraktionsvorsitzenden Müller von der Gemeinderatssitzung offiziell gerügt. Für ein Rügerecht des Bürgermeisters besteht jedoch keine Rechtsgrundlage in der Gemeindeordnung. Pflichtverletzungen von Gemeinderatsmitgliedern zu ahnden ist allein Sache des Gemeinderates selbst. Herr Müller besitzt deshalb ein Rechtsschutzbedürfnis, die rechtsgrundlose Rüge aus dem Protokoll des

Lektion 8: Bürgermeister und Beigeordnete Gemeinderates entfernen zu lassen. Seine (Feststellungs-)Klage vor dem Verwaltungsgericht würde demnach zum Erfolg führen.

Zuständigkeiten des Bürgermeisters Allein zuständig ist der Bürgermeister in Angelegenheiten, die ihm außerhalb der Gemeindeordnung – etwa im Rahmen der Organleihe – durch Gesetz übertragen wurden, z.B. als Ortspolizeibehörde (siehe Lektion 3). Darüber hinaus ist er allein zuständig für die Erledigung von Aufgaben, die ihm der Gemeinderat übertragen hat sowie für die Geschäfte der laufenden Verwaltung. Damit sind Vorgänge gemeint, über die häufig oder regelmäßig zu entscheiden ist, die sozusagen routinemäßig erledigt werden und deren finanzielle Auswirkungen für den Gemeindehaushalt nicht gravierend sind. Beispiel: Beschaffung von Bürobedarf, Erteilung von Sondernutzungsgenehmigungen, Ausstellung von Personalausweisen. Als Leiter der Gemeindeverwaltung ist der Bürgermeister Dienstvorgesetzter aller Beamten, Angestellten und Arbeiter, die bei der Gemeinde beschäftigt sind. Er trägt auch die Verantwortung für das Funktionieren der Gemeindeverwaltung und kann deshalb auch Organisationsentscheidungen wie die Gliederung der Verwaltung in Dezernate, Ämter, Abteilungen und Referate treffen. In größeren Kommunen hat sich als Organisationseinheit das sogenannte Bürgerbüro bewährt. Es ist die zentrale Anlaufstelle der Gemeindeverwaltung für die meisten Anliegen der Bürger. Konkret: Der Bürger braucht seinen neuen Pass nicht mehr bei der Meldestelle zu beantragen, sondern geht stattdessen ins Bürgerbüro. Der Antrag auf Sondernutzung des Gehwegs wird nicht bei der Bauverwaltung, sondern im Bürgerbüro gestellt. Dort sind auch alle Formulare und Amtlichen Bekanntmachungen erhältlich. In den größeren Gemeinden, in denen es Beigeordnete gibt, sind diese in der Praxis auch Leiter ihrer Dezernate und Vorgesetzte der darunter gegliederten Referate etc. Nach außen handeln die einzelnen Dezernate, Ämter, Abteilungen und Referate aber im Auftrag des Bürgermeisters. Deshalb ergehen ihre Schreiben und Bescheide (Verwaltungsakte) in der Regel auch auf Briefbögen mit der Bezeichnung „(Ober-)Bürgermeister“. Der Bürgermeister ist insofern eine Behörde im funktionalen Sinne.

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Die Organisation der Gemeinde – Kommunalverfassung

Der Bürgermeister ist für die Organisation der Gemeindeverwaltung verantwortlich. In vielen Gemeinden hat sich das Bürgerbüro als zentrale Anlaufstelle bewährt. Dem Bürgermeister obliegt außerdem die Außenvertretung der Gemeinde. Damit ist nicht nur eine repräsentative Funktion bei Veranstaltungen, Empfängen etc. gemeint, sondern auch die Vertretung der Gemeinde in Prozessen, den Abschluss von Verträgen, die Ausfertigung und Bekanntmachung von Satzungen, die Abgabe von Verpflichtungserklärungen etc. Als Folge seiner Außenvertretungskompetenz ist der Bürgermeister allein befugt, für seine Gemeinde öffentliche Erklärungen gegenüber den Medien abzugeben. Alle Pressemitteilungen sind von ihm zu autorisieren. In größeren Städten wird er in der Verwaltung eine Pressestelle einrichten und einem Pressesprecher intern eine generelle Genehmigung und den Auftrag zum Erteilen von Auskünften erteilen. Auf der anderen Seite ist es den Mitarbeitern der Gemeindeverwaltung untersagt, ohne ausdrückliche Zustimmung des Bürgermeisters oder Pressesprechers öffentliche Erklärungen gegenüber den Medien abzugeben. Ein Verstoß gegen diese Regelung kann zu dienstrechtlichen Konsequenzen führen. Zur Außenvertretung der Gemeinde durch den Bürgermeister gehören auch die öffentlichen Erklärungen gegenüber den Medien. Mitarbeiter der Gemeindeverwaltung sind grundsätzlich nicht befugt, Presseauskünfte zu erteilen. Als Dienstvorgesetzter des Bürgermeisters ist in den Gemeindeordnungen bzw. Kommunalverfassungen von Brandenburg, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt ausdrücklich der Gemeinderat genannt. In den Ländern, in denen Bürgermeister keine Dienstvorgesetzten haben, unterliegen sie in erster Linie der politischen Verantwortung. In den Bundesländern, in denen der Gemeinderat Dienstvorgesetzter des Bürgermeisters ist, kann gegen den Bürgermeister wegen persönlichen Fehlverhaltens Dienstaufsichtsbeschwerde eingelegt werden, die in der Praxis jedoch häufig folgenlos bleibt.

Lektion 8: Bürgermeister und Beigeordnete Gegen den Bürgermeister kann aber eine Beschwerde, die als Dienstaufsichtsbeschwerde nicht zulässig wäre, als Fachaufsichtsbeschwerde eingelegt werden, sofern die Beschwerde sich nicht auf persönliches Fehlverhalten bezieht, sondern gegen Fehlentscheidungen in der Sache richtet. Die Fachaufsichtsbeschwerde muss an die jeweilig zuständige Aufsichtsbehörde gerichtet werden (siehe Lektion 10).

Übersicht 7: Kompetenzen des Bürgermeisters Der Bürgermeister ist ein zentrales Repräsentativorgan der Gemeinde. XXDer

Bürgermeister vertritt die Gemeinde nach außen.

Bürgermeister ist zugleich nach innen Leiter der Gemeindeverwaltung.

XXDer

nach Gemeindeordnung vertritt der Bürgermeister den Gemeindevorstand als Einzelperson oder als dessen Vorsitzender. In einigen Bundesländern ist er zugleich auch Vorsitzender des Gemeinderates.

XXJe

dem Gemeinderat hat der Bürgermeister eine Auskunftspflicht, eine Unterrichtungspflicht und eine Beanstandungspflicht.

XXGegenüber

Bürgermeister ist allein zuständig für Angelegenheiten: ––die ihm im Rahmen der Organleihe vom Land übertragen wurden ––für die Angelegenheiten der laufenden Verwaltung ––für solche, die ihm vom Gemeinderat übertragen wurden

XXDer

Verwaltungsmodernisierung Nicht zuletzt mit dem Einzug der elektronischen Datenverarbeitung in die Kommunalverwaltung, mit der informellen Vernetzung der Behörden und der Verbreitung des Internetzugangs bei den Bürgern haben die Gemeinden begonnen, unter dem Aspekt der Nutzung neuer Technologien ihre Verwaltungen zu modernisieren. Ein wichtiges Stichwort dazu ist das sogenannte

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Die Organisation der Gemeinde – Kommunalverfassung

e-Government Der Begriff ist eine Abkürzung für den englischsprachigen Begriff des „Electronic Government“ (deutsch: elektronische Verwaltung, Regierung). Unter Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien findet e-Government in vielen Bereichen der öffentlichen Willensbildung, der Entscheidungsfindung und Leistungserstellung in Politik, Staat und (Kommunal-)Verwaltung statt. Mit vernetzten Computern und entsprechenden Programmen wird die interne Verwaltungssteuerung vor allem im kommunalen Haushaltsund Rechnungswesen deutlich erleichtert. Beispielsweise kann durch eine elektronische Vorgangsbearbeitung die Erledigung von Verwaltungsaufgaben spürbar beschleunigt werden. Auch der Informationsaustausch zwischen den Ämtern und Behörden ist viel schneller geworden, zumal wenn Dokumente nicht mehr wie früher nur als Papierseiten in Aktenordnern, sondern in elektronischen Dateien abgelegt sind. Natürlich muss dabei der Datenschutz ein wichtiges Thema sein. Die wichtigste Errungenschaft von e-Government ist aber die direkte Zugriffsmöglichkeit der Bürger auf Informationen über die Internet-Portale ihrer Kommunen. Erklärtes Ziel von e-Government ist es, den Bürgerinnen und Bürgern in Form eines virtuellen Behördengangs sämtliche Dienstleistungen der Verwaltung elektronisch zugänglich zu machen. Konkret gesagt, soll der Bürger über das Internet in Erfahrung bringen können, wer in der Gemeindeverwaltung für die Bearbeitung seines Bauantrages zuständig ist. Er soll sich das Formular für die Anmeldung in der Gemeinde schon über den heimischen PC oder von ihm ausgesuchte Amtsblätter mit den darin enthaltenen Satzungen ausdrucken können. So sollen sich die Bürger die tatsächlichen Behördengänge ersparen. Mit einer Ergänzung des Verwaltungsverfahrensgesetzes wurde die Voraussetzungen des elektronischen Rechtsverkehrs auf Basis der Freiwilligkeit ermöglicht.

Lektion 8: Bürgermeister und Beigeordnete

Mit e-Government ist die elektronische Verwaltung gemeint. Sie soll der verwaltungsinternen Steuerung dienen, aber insbesondere den Zugriff der Bürger auf Informationen und Dienstleistungen per Internet erleichtern.

Bürgerservicenummer 115 Durch ein neues bundesweites Projekt soll den Bürgern der Zugang zu den richtigen Ansprechpartnern in Behörden und (Kommunal-)Verwaltungen erleichtert werden. Telefonisch soll man über die einheitliche Servicenummer 115 wie über das Bürgerbüro oder ein Internetportal  u.a. auch mit der zuständigen Gemeindeverwaltung in Kontakt treten können.

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Die Organisation der Gemeinde – Kommunalverfassung

Lektion 9: Landkreise und Gemeindeverbände Die kommunalen Gebietskörperschaften bestehen aus den Gemeinden und den Landkreisen. Daneben existieren z.T. noch kreisfreie Städte, darüber z.T. noch Regierungsbezirke. Einen Überblick hierzu, die Verwaltungspyramide, findet sich in der Übersicht 1. Wer eine grafische Darstellung wünscht, sollte jetzt nochmals vorblättern. Kurz zu den Bezirken. In verschiedenen größeren Ländern bestehen als weitere Ebene über dem Gemeindebereich die (Regierungs-)Bezirke als übergeordnete Mittel­behörden. Hier werden die Aufgaben aus verschiedenen Ressorts gebündelt. Sie werden von einem Regierungspräsidenten geleitet. Solche Regierungsbezirke, also eine Extraebene, finden sich in folgenden Ländern: XXBayern XXBaden-Württemberg XXHessen XXNordrhein-Westfalen (mit der Besonderheit der Landschaftsverbände Rheinland und Westfalen-Lippe als Zusammenschluss der Gebietskörperschaften) Und nun zu eigentlichen Inhalt dieser Lektion, den Landkreisen, den parallel dazu bestehenden kreisfreien Städten und den weiteren Gemeindeverbänden.

Landkreise Als wichtigster „Gemeindeverband“ steht den Landkreisen verfassungsrechtlich die gleiche Rechtssubjektsgarantie (siehe Lektion 2) zu, wie den Gemeinden (Art. 28 II, 2 GG). Die Landkreise sind wie die Gemeinden Gebietskörperschaften, die hier aber für die überörtlichen Angelegenheiten innerhalb des Kreisgebietes zuständig sind. Sie sind in ihrer Binnenorganisation den Gemeinden weitestgehend nachgebildet, so dass viele

Lektion 9: Landkreise und Gemeindeverbände Ausführungen über die Gemeinden in diesem Buch entsprechend auch für die Landkreise gelten. Rechtsgrundlage für die Landkreise ist statt der Gemeindeordnung die jeweilige Landkreisordnung für der Bundesländer. In Kommunalverfassungen sind beide zusammengefasst. Die Organe eines Landkreises sind der Kreistag, der dem Gemeinderat entspricht, der Kreisausschuss (zentraler Ausschuss des Kreistages) sowie der Landrat. In ihrer Organisations- und Rechtsstruktur sind die Landkreise weitestgehend den Gemeinden nachgebildet. Die jeweiligen Landkreisordnungen entsprechen den Gemeindeordnungen.

Im Verhältnis zwischen Landkreis und Gemeinden muss darauf geachtet werden, dass es nicht zu einer Aufgabenkollision kommt. Die Landkreise dürfen mit Ausnahme ihrer Funktion als Kommunalaufsicht nicht in die Selbstverwaltungsangelegenheiten der Gemeinden „hineinregieren“. Die Aufgaben des Kreises sind deshalb in erster Linie übergemeindlich. Zu ihnen gehören also Angelegenheiten, die mehrere Gemeinden gleichzeitig betreffen, z.B. Schaffung einer Verkehrsinfrastruktur durch Bau von Kreisstraßen und Organisation des Öffentlichen Personennahverkehrs. Hinzu kommen Aufgaben, die die Gemeinden unterstützen, z.B. Planung- und Beratung von Gemeindeprojekten. Wie die Gemeinden können auch die Landkreise für ihre öffentlichen Einrichtungen Satzungen (siehe Lektion 4) erlassen. Finanziert werden die Kreise u.a. durch die Kreisumlage, die von den kreisangehörigen Gemeinden erhoben wird. Die Festsetzung der Höhe der Kreisumlage führt oft zu Streit.

Landrat Der Landrat ist in seiner Funktion ein Organ mit Doppelcharakter:

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Die Organisation der Gemeinde – Kommunalverfassung Im eigenen Wirkungskreis des Landkreises ist er als Behördenleiter des Landratsamtes für den Verwaltungsvollzug von Selbstverwaltungsangelegenheiten des Kreises verantwortlich und für die Pflichtaufgaben ohne Weisung zuständig. Insofern fungiert das Landratsamt als eine Art kommunales „Rathaus des Landkreises“. Die Aufgabenerfüllung in diesen Bereichen wird vom Kreistag und Kreisausschuss überwacht. Während der Kreistag dem Gemeinderat nachgebildet ist, stellt der kleinere Kreisausschuss einen repräsentativen Ausschnitt des Kreistages dar, der häufiger tagend eine effektive und zeitnahe Entscheidungsfindung garantieren soll. Im übertragenen Wirkungskreis ist der Landrat im mehrstufigen Verwaltungsaufbau des Landes als untere staatliche Verwaltungsbehörde für den Vollzug von landesgesetzlich zugewiesenen Staatsaufgaben (z.B. Kommunalaufsicht, Gewerbeaufsicht, Polizeibehörde, Untere Bauaufsicht) zuständig. Er bildet sozusagen die Schnittstelle zwischen staatlicher und kommunaler Verwaltung. Entsprechend dem „dualistischen System“ (siehe Lektion 3) ist er hier als „verlängerter Arm“ des Landes den Weisungen der entsprechenden Landesbehörden unterworfen und verfügt über kein Ermessen. In allen Bundesländern (mit Ausnahme von Baden-Württemberg und Schleswig–Holstein) werden die Landräte wie die Bürgermeister von den wahlberechtigten Kreiseinwohnern direkt gewählt. In Brandenburg ist für die Direktwahl ein Quorum von 15 Prozent aller Wahlberechtigten zu erreichen. Auch die Landräte sind Wahlbeamte auf Zeit.

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Leitsatz 22 Aufgaben des Landkreises und des Landrates Die Aufgaben des Landkreises und seine Organisation sind weitestgehend denen der Gemeinden nachgebildet. Der Landrat ist ein Organ mit Doppelcharakter. Im eigenen Wirkungskreis des Landkreises, wenn es also um die Selbstverwaltungsangelegenheiten geht, ist der Landrat wie ein Bürgermeister für die Umsetzung der ureigenen Verwaltungsaufgaben des Landkreises verantwortlich. Hier wird er nur vom Kreistag und Kreisausschuss kontrolliert. Im übertragenen Wirkungskreis ist er in seiner Funktion als Chef der unteren Verwaltungsbehörde des Landes für die Umsetzung der staatlichen Pflichtaufgaben zuständig und insofern an die Weisungen der Landesministerien und Oberbehörden gebunden.

Lektion 9: Landkreise und Gemeindeverbände

Kreisfreie Städte Größere Städte sind ab einer bestimmten Einwohnerzahl in der Regel „kreisfrei“, d.h. sie unterliegen nicht der Landkreisordnung. Solche kreisfreien Städte nennt man auch „Stadtkreise“. Die Aufgaben des Landkreises werden von ihnen selbst erledigt. Organisatorisch sind sie oft in Stadtbezirke (bzw. Stadt- oder Ortsteile) mit eigenen Bezirksausschüssen (bzw. Bezirksvertretungen) gegliedert. Den Verwaltungsstellen in den Bezirken stehen je nach Gemeindeordnung unterschiedlich, Ortsvorsteher oder Bezirksbürgermeister vor.

Städte mit Sonderstatus In einigen Bundesländern gibt es Städte, die zwar kreisangehörig sind, aber mit einem Sonderstatus versehen sind und deshalb über zusätzliche Zuständigkeiten und Rechte verfügen. In Hessen tragen die sieben kreisangehörigen Städte mit Sonderstatus keine besondere Bezeichnung, in Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen werden sie „Große Kreisstädte“ genannt. Städte mit einem Sonderstatus sind zwar kreisangehörig, wegen ihrer besonderen Zuständigkeiten und Rechte aber teilweise mit kreisfreien Städten zu vergleichen.

Weitere Gemeindeverbände Gesamtgemeinde Um die Funktionsfähigkeit kleinerer Gemeinden, vor allem im ländlichen Raum zu erhalten, wurde das Konzept der Gesamtgemeinde entwickelt. Die Gesamtgemeinde wird in den verschiedenen Bundesländern auch Amt, Gemeindeverwaltungsverband, Samtgemeinde oder Verwaltungsgemeinschaft (siehe Anhang) genannt. Sie hat die kommunale Zusammenarbeit von Nachbargemeinden zum Ziel und ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, ohne jedoch Gebietskörperschaft zu sein.

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Die Organisation der Gemeinde – Kommunalverfassung Die Gesamtgemeinde übernimmt im eigenen Wirkungskreis der Mitgliedsgemeinden eine zentrale Verwaltungsfunktion für ihre Mitglieder, überlässt ihnen jedoch die Bestimmung ihrer Aufgaben im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung sowie die Verwaltungskontrolle. Im übertragenen Wirkungskreis ihrer Mitgliedsgemeinden erledigt die Gesamtgemeinde deren Pflichtaufgaben. Die Binnenstruktur der Gesamtgemeinden ist je nach Bundesland unterschiedlich. Für die kommunale Zusammenarbeit von Nachbargemeinden werden als Körperschaften des öffentlichen Rechts sog. Gesamtgemeinden gebildet. Sie gelten als Gemeindeverbände.

Zweckverbände Um bestimmte Aufgaben im Zusammenwirken mit anderen Kommunen zu erfüllen können sich Gemeinden und Landkreise zu Zweckverbänden zusammenschließen. Zweckverbände sind Körperschaften des öffentlichen Rechts, werden also von ihren Mitgliedern bestimmt. Wenn der Zusammenschluss freiwillig geschieht, etwa zum Zwecke der Abwasserentsorgung (z.B. „Abwasserzweckverband unteres Forsttal“) spricht man auch von einem Freiverband. Der Zusammenschluss erfolgt aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Vertrages.In manchen Ballungsräumen haben sich Regionalverbände gebildet. Die Mitgliedsgemeinden möchten durch Bündelung ihrer Aufgaben die regionalen Interessen besser zur Geltung bringen, z.B. „Regionalverband Ruhr“. Pflichtverbände werden zur Durchführung von Auftragsangelegenheiten des Landes oder Bundes aufgrund eines Gesetzes oder einer Verordnung gebildet, z.B. ein Planungsverband für eine bestimmte Landesregion. Die Organe des Zweckverbandes sind der Verbandsvorstand und Verbandsversammlung, die aus den Delegierten der Mitgliedergemeinden besteht. Die Delegierten sind in ihrem Stimmverhalten gegenüber den entsendenden Gemeinden weisungsgebunden.

Lektion 9: Landkreise und Gemeindeverbände Die Zweckverbände stehen unter Staatsaufsicht, d.h. sie müssen genehmigt werden. Eine Verbandssatzung regelt die Rechtsverhältnisse des Zweckverbands. Die Finanzierung des Zweckverbandes erfolgt durch Mitgliederumlagen, staatlichen Zuweisungen und vor allem durch die Gebühren der Benutzer der Einrichtungen des Zweckverbandes. Zweckverbände werden oft von den Kommunen gegründet, um bestimmte Aufgaben im gemeinsamen Interesse effektiver zu erfüllen. Zu den verschiedenen Gemeindeverbänden nun ein Leitsatz.

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Leitsatz 23 Gemeindeverbände Gemeindeverbände sind Zusammenschlüsse von kommunalen öffentlich-rechtlichen Körperschaften zur Erfüllung bestimmter Aufgaben. Der wichtigste Gemeindeverband ist der Landkreis, dessen Mitglieder aus den kreisangehörigen Gemeinden bestehen. In einigen Bundesländern wurden die Gesamtgemeinden als Kommunalverbände im ländlichen Raum etabliert. Die Zweckverbände verfolgen eine bestimmte gemeinsame Aufgabe. Sie werden in Freiverbände und Pflichtverbände unterteilt, je nachdem, ob ihr Zusammenschluss aufgrund eines Gesetzes oder einer freiwilligen Vereinbarung beruht.

Kommunale Spitzenverbände Reine Interessenvertretungen sind die drei Kommunalen Spitzenverbände, zu denen sich Gemeinden, Städte bzw. Landkreise zusammengeschlossen haben: XXDer Deutsche Städtetag mit Sitz in Köln und Berlin vertritt 107 kreisfreie, aber auch ca. 3.300 kreisangehörige Städte

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Die Organisation der Gemeinde – Kommunalverfassung XXder Deutsche Städte-und Gemeindebund mit Sitz in Berlin vertritt die Interessen von ca. 11.000 kreisangehörigen Gemeinden, aber auch Städten XXder Deutsche Landkreistag mit Sitz ebenfalls in Berlin vertritt auf Bundesebene die Interessen aller 295 deutschen Landkreise Neben der Vertretung der kommunalen Interessen insbesondere gegenüber dem Bund und den Ländern bieten die Spitzenverbände auch Dienstleistungen für ihre Mitglieder an, von der Beratung bis zur Rechtsvertretung. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund hilft kleineren Gemeinden ohne eigenes Rechtsreferat beispielsweise in Satzungsangelegenheiten.

Lektion 10: Kommunalaufsicht

Lektion 10: Kommunalaufsicht Die formelle und inhaltliche Einhaltung der kommunalen Rechtsvorschriften (Gesetze und Verordnungen) bei der Erledigung öffentlicher Aufgaben wird durch die sogenannte Kommunalaufsicht als Kontrollinstanz gewährleistet. Die Aufsichtsbehörde ist bei den kreisangehörigen Gemeinden in der Regel beim Landrat angesiedelt, für die kreisfreien Städte sind die jeweiligen Innenministerien bzw. die Bezirksregierungen (Regierungspräsidien) zuständig.

Eigener Wirkungskreis Bei den Aufgaben der Selbstverwaltung, also im eigenen Wirkungskreis der Gemeinden, beschränkt sich die Kommunalaufsicht auf eine reine Rechtmäßigkeitskontrolle, also auf die Übereinstimmung gefasster Beschlüsse mit Recht und Gesetz.

Übertragener Wirkungskreis Bei den kommunalen Pflichtaufgaben im übertragenen Wirkungskreis, also bei solchen, in denen die Gemeinde als verlängerter Arm für das Land oder den Bund nach Weisung tätig wird (siehe Lektion 3), kommt zu der Rechtsaufsicht auch noch die Fachaufsicht. Die Fachaufsicht übt eine Zweckmäßigkeitskontrolle aus. Die Aufsichtsbehörde kann im übertragenen Wirkungskreis der Gemeinden also auch das „Wie“ der Aufgabenerledigung überprüfen und bei Beanstandung der Ermessensausübung durch die Gemeinde oder beim Unterlassen von gesetzlich übertragenen Aufgaben entsprechende Weisungen erlassen (Weisungsbefugnis). Die zuständigen Behörden für Fachaufsicht und Rechtsaufsicht sind nicht immer identisch. In den Gesetzen, die Aufgaben an die Gemeinden übertragen, ist geregelt, wer die jeweilige Fachaufsicht auszuüben hat.

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Die Organisation der Gemeinde – Kommunalverfassung Fall 16 Ein großes ansässiges Unternehmen hat als freiwillige Zahlung der Gemeinde Forsthausen mehrere 1.000 € für „infrastrukturelle Leistungen“ überwiesen. Der Gemeinderat beschließt daraufhin, bei den Anwohnern der gerade erneuerten Siedlungsstraße auf die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen zu verzichten. Der Landrat als Kommunalaufsichtsbehörde beanstandet diesen Gemeinderatsbeschluss und ordnet unter Bezug auf das Kommunalabgabengesetz die Erhebung der Straßenausbaubeiträgen an. Muss sich die Gemeinde Forsthausen der Anordnung fügen? Die Aufsichtsbehörden können rechtswidrige Beschlüsse der Gemeindegremien beanstanden (Beanstandungsbefugnis) und sie anweisen, diese aufzuheben oder zu ändern. Bei Untätigkeit von Gemeinderat oder Bürgermeister kann die Kommunalaufsicht die Durchführung gesetzlich vorgeschriebener Maßnahmen fordern (Anordnungsbefugnis) und im Verweigerungsfall diese Maßnahmen selbst durchführen (Ersatzvornahme). Die Kommunalaufsicht hat das Recht, die Einrichtungen der Gemeinde zu besichtigen, Vorgänge zu überprüfen und bestimmte Berichte und Akten anzufordern (Informationsrecht). Zu unserem Fall 16: Die Kommunalaufsicht muss auf die Einhaltung der einschlägigen Gesetze und Verordnungen durch die Gemeinde achten. Im Kommunalabgabengesetz des Landes ist die Vorschrift enthalten, dass für die Erneuerung und den Ausbau dem öffentlichen Verkehr gewidmeter Straße, Wegen und Plätzen Beiträge erhoben werden „sollen“. Der Begriff „sollen“ schränkt im Gegensatz zum Begriff „können“ das Ermessen der Behörden stark ein. Nur in ganz besonderen Ausnahmefällen darf von den gesetzlich vorgesehenen Rechtsfolgen abgewichen werden. Da Straßenbaubeiträge zur gesetzlich vorgeschriebenen Einnahmebeschaffung nach der Gemeindeordnung gehören und die Erneuerung der Siedlungsstraße den Anwohnern auch einen wirtschaftlichen Vorteil erbracht hat, besteht für die Gemeinde eine generelle Pflicht zur Erhebung von Straßenbaubeiträgen. Außerdem ist die freiwillige Zuwendung des Unternehmens nicht zweckgebunden für die Erneuerung der Siedlungsstraße gezahlt worden.

Lektion 10: Kommunalaufsicht Der Landrat aus Fall 16 durfte also den Verzicht auf die Straßenausbaubeiträge beanstanden und deren Erhebung durch die Gemeinde Forsthausen anordnen, weil der entsprechende Beschluss des Gemeinderates gegen das Kommunalabgabengesetz verstoßen hat und insofern rechtswidrig gewesen ist. Die Kommunalaufsicht in Selbstverwaltungsangelegenheiten einer Gemeinde, also im sogenannten „eigenen Wirkungskreis“, beschränkt sich aber nicht nur auf die repressive Aufsicht, also auf Beanstandung, Anordnung und Ersatzvornahme, sondern fungiert auch als präventive Aufsicht. Darunter fällt nicht nur die Anzeige- und Vorlagepflicht bestimmter Maßnahmen, sondern auch der Genehmigungsvorbehalt seitens der Aufsichtsbehörde. Die Kommunalaufsicht ist nämlich auch Genehmigungsbehörde für kommunale Maßnahmen und Beschlüsse, falls dies gesetzlich so vorgeschrieben ist, z.B. besteht die Pflicht zur Genehmigung von Bebauungsplänen durch die „höhere Verwaltungsbehörde“ gemäß § 10 II BauGB.

Disziplinierungsmaßnahmen Falls die Beanstandungs- und Anordnungsbefugnis der Aufsichtsbehörde bei den Aufgaben des eigenen Wirkungskreises oder die Weisungsbefugnis im übertragenen Wirkungskreis nicht funktioniert und die Gemeinde den Auflagen nicht Folge leistet, sehen die Gemeindeordnungen für solch gravierende Fälle scharfe Disziplinierungsmaßnahmen vor. Die Disziplinierungsmaßnahmen: XXEinsetzung eines sogenannten „Staatskommissars“ XXAuflösung des Gemeinderates XXzur vorzeitigen Beendigung der Amtszeit des Bürgermeisters Hier nun eine Übersicht über die Kommunalaufsicht.

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Die Organisation der Gemeinde – Kommunalverfassung

Übersicht 8: Kommunalaufsicht Aufsichtsinstrumente der Kommunalaufsicht XXEigener

Wirkungskreis Die Kommunalaufsicht ist in Selbstverwaltungsangelegenheiten der Gemeinde eine reine Rechtsaufsicht. Sie hat folgende Befugnisse: ––Beanstandung ––Anordnung ––Ersatzvornahme

XXÜbertragener

Wirkungskreis Im übertragenen Wirkungskreis der Gemeinde kommt zur Rechtsaufsicht noch die Fachaufsicht hinzu. Die Fachaufsicht nimmt auch eine Zweckmäßigkeitskontrolle vor. Sie besitzt eine Weisungsbefugnis.

XXDisziplinierungsmaßnahmen

In ganz gravierenden Fällen der Verweigerung kann die Kommunalaufsicht einen sog. „Staatskommissar“ einsetzen oder sogar den Gemeinderat auflösen und die Amtszeit des Bürgermeisters beenden.

Lektion 11: Öffentliche Einrichtungen und Organisationsformen

III.

Das Betätigungsfeld der Gemeinden

Lektion 11: Öffentliche Einrichtungen und Organisationsformen Im Rahmen der Daseinsvorsorge erbringen die Kommunen für ihre Bürger Leistungen, die für diese entweder existenznotwendig sind (z.B. Wasserversorgung) oder der Entfaltung der Persönlichkeit bzw. dem sozialen, sportlichen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft dienen (z.B. Stadthalle, Musikschule, Freibad). Diese Leistungen der Daseinsvorsorge werden in öffentlichen Einrichtungen erbracht. Eine öffentliche Einrichtung ist nach ihrer rechtlichen Definition eine Einrichtung, die XXvon der Gemeinde mit Personal und Sachmitteln direkt oder mittelbar betrieben wird und XXim öffentlichen Interesse zu Zwecken der Daseinsvorsorge XXdurch einen gemeindlichen Widmungsakt XXzur bestimmungsgemäßen Benutzung aller Gemeindeangehörigen und ortsansässigen Vereine und Gemeinschaften bereit gestellt und unterhalten wird. In Abgrenzung zu den privat geführten Objekten der Gemeinde (z.B. verpachtete Gaststätte, vermietete Wohnungen) kommt es auf den Betrieb durch die Gemeinde an. Bei einer öffentlich-rechtlichen Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses ist im Zweifel von einer öffentlich-rechtlichen Einrichtung auszugehen. Anders als im Straßenverkehrsrecht sind an den Widmungsakt keine hohen Anforderungen zu stellen. Die formelle Widmung kann auch durch die faktische Betriebsaufnahme der Einrichtung erfolgen.

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Das Betätigungsfeld der Gemeinden Die Bereitstellung für Gemeindeangehörige und ortsansässige Vereinigungen unterscheidet öffentliche Einrichtungen von Einrichtungen im Gemeingebrauch, wie z.B. Straßen und Einrichtungen im Verwaltungsgebrauch, wie z.B. das Rathausgebäude. Die direkt aus der Gemeindeordnung grundsätzlich abzuleitende Nutzungsberechtigung für die Einwohner, Vereine und Gemeinschaften der Gemeinde führt aber nicht zu einem uneingeschränkten Nutzungsrecht der öffentlichen Einrichtung. Das Nutzungsrecht kann durch bestimmte ordnungsrechtliche Kriterien wie begrenzte Kapazität, Öffnungszeiten etc. eingeschränkt werden. Dazu dient in der Regel eine von der Gemeinde (als Satzung) erlassene Benutzungsordnung.

Öffentlich-rechtliche Organisationsformen Die Gemeinde kann ihre öffentlichen Einrichtungen direkt durch die Gemeindeverwaltung betreiben, z.B. die Parkpflege durch das Gartenamt. Diese direkte Betriebsführung nennt man Regiebetrieb. Ebenfalls rechtlich unselbständig, aber organisatorisch und haushaltsmäßig aus der Gemeindeverwaltung ausgegliedert ist der Eigenbetrieb. Ein Krankenhaus kann ebenso als Eigenbetrieb geführt werden wie die Straßenreinigung. Die Leitung des Eigenbetriebes wird durch den Bürgermeister oder dessen Vertreter und durch einen Werks- bzw. Betriebsausschuss kontrolliert, der sich aus Vertretern des Gemeinderates und ggf. Beschäftigtenvertreter zusammensetzt. Trotz der finanzwirtschaftlichen Selbstverwaltung des Eigenbetriebes haftet die Gemeinde für dessen Verbindlichkeiten in vollem Umfange. Der Eigenbetrieb ist nur rechtlich unselbständig. Er wird durch einen Werks- oder Betriebsausschuss von der Gemeinde kontrolliert. Die Gemeinde haftet für ihre Eigenbetriebe. Im Unterschied zum unselbständigen Regie- und Eigenbetrieb kann die Anstalt des öffentlichen Rechtes (AöR) eine eigenstän­dige juristische Person sein. Sie wird durch staatlichen Hoheits­akt, also durch ein Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes errichtet. Bei den Gemeinden geschieht dies durch eine Gründungssat­zung, die Bezug auf die entsprechende Ge-

Lektion 11: Öffentliche Einrichtungen und Organisationsformen meindeordnung als Landesgesetz nimmt. Innerhalb der Anstalt werden die Rechts­verhältnisse ebenfalls durch Satzung geregelt. Von der Körperschaft des öffentlichen Rechts unterscheiden sich Anstalten dadurch, dass sie keine Mitglieder, sondern nur Benutzer haben. Das Verhältnis zum Benutzer der Anstalt wird durch die Benutzungsordnung geregelt und kann sowohl privatrechtlich als auch öffentlich-rechtlich ausgestaltet sein. Die Anstalt des öffentlichen Rechts haftet mit ihrem Eigenkapital. Die Kommune als Gewährsträgerin besitzt damit nur noch eine mittelbare Haftung. Der Vorstand der Anstalt unterliegt der vollen Risikoverantwortung für den Betrieb. Frühe Beispiele für eigenständige Anstalten des öffentlichen Rechts waren die Sparkassen, für die mittlerweile jedoch eigene Regeln nach dem Sparkassengesetz gelten.  Die Anstalt des öffentlichen Rechts ist in der Regel eine rechtsfähige und damit eigenständige juristische Person. Die Rechts- und Benutzungsverhältnisse werden durch Satzungen geregelt. Eine im Kommunalbereich heute eher untergeordnete Rolle spielt die nicht rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts. Sie ist organisatorisch unselbständig und stellt eine Art ausgegliedertes Sondervermögen der Gemeinde dar, z.B. die Badeanstalt oder Stadtbibliothek. Eher selten ist im Bereich der Gemeinden auch die rechtsfähige Stiftung des öffentlichen Rechts. Sie muss über ein Vermögen verfügen, dessen Gewinn ausschließlich dem durch die Stiftungsordnung festgestellten gemeinnützigen Zwecken gewidmet ist. Für sie gelten vor allem die Stiftungsgesetze der Bundesländer.

Privatrechtliche Organisationsformen Führt eine Gemeinde eine öffentliche Einrichtung in der Rechtsform einer juristischen Person des Privatrechts, so darf sie sich ihren öffentlichrechtlichen Pflichten nicht entziehen. Ein ausreichender Einfluss der Gemeinde auf den Betrieb der öffentlichen Einrichtung muss deshalb gewährleistet bleiben. Wichtige juristische Personen des Privatrechtes sind insbesondere die (gemeinnützige) GmbH und die AG. Auch Verschachtelungen ­verschiedener

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Das Betätigungsfeld der Gemeinden juristischer Personen des Privatrechtes unter dem Dach einer Holdingfirma sind möglich.

Voraussetzungen Im Einzelnen darf die Gemeinde eine öffentliche Einrichtung in einer privaten Rechtsform nur dann betreiben, übernehmen oder sich daran beteiligen, wenn: XXim Gesellschaftsvertrag die Erfüllung der ursprünglich kommunalen Aufgabe sichergestellt ist. XXdie Gemeinde einen angemessenen Einfluss, insbesondere durch Mitbestimmungsrechte in den Leitungs- oder Überwachungsgremien des Unternehmens erhält. XXdie finanzielle Beteiligung und Haftung der Gemeinde auf eine Höhe begrenzt werden, die die Leistungsfähigkeit der Gemeinde nicht überschreitet. Von der bloßen Führung einer öffentlichen Einrichtung in einer privat­ rechtlichen Organisationsform ist jedoch die Privatisierung zu unterscheiden, siehe Lektion 12. Der Betrieb von Einrichtungen in privatrechtlicher Organisationsform ist für die Gemeinden an Voraussetzungen gekoppelt, die im Gesellschaftsvertrag festgelegt werden. Danach müssen die Aufgabenerfüllung sowie der Einfluss der Gemeinde sicher gestellt und die Haftung der Gemeinde begrenzt sein.



Fall 17

Die Gemeinde Forsthausen ist Eigentümerin einer Stadthalle, die durch einen privaten Pächter betrieben wird. In der Stadthalle finden nicht nur kulturelle Veranstaltungen, Ausstellungen und Seminare für die Einwohner statt, vor vier Jahren fand in der Stadthalle auch die Wahlkampfveranstaltung einer überregionalen Partei statt. In diesem Jahr will die als rechtsextrem geltende Y-Partei in der Stadthalle eine Wahlkampfveran-

Lektion 11: Öffentliche Einrichtungen und Organisationsformen staltung organisieren. Der Kreisverband Forsthausen der Y-Partei stellt einen Antrag auf Überlassung der Stadthalle für diese Veranstaltung. Der Pächter lehnt es unter Hinweis auf entsprechende Auflagen seitens der Gemeinde ab, mit der Y-Partei einen Nutzungsvertrag zu schließen. In einem Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht beantragt die Y-Partei die Überlassung von Räumen der Stadthalle. Wie wird das Gericht entscheiden? Öffentliche Einrichtungen sind auch diejenigen Säle und Räume, die die Gemeinde in Erfüllung einer in ihren Wirkungskreis fallenden Aufgabe eingerichtet hat und demgemäß den Einwohnern und Personenvereinigungen zur Verfügung stellt. Ob und in welchem Umfang dies der Fall ist, ergibt sich aus der Widmung, die förmlich, aber auch konkludent (schlüssig) erfolgen kann. Der Anspruch auf Zugang bzw. Zulassung zur öffentlichen Einrichtung hängt also immer vom Umfang der Widmung ab. An der Berechtigung der Zulassungsansprüche ändert sich nichts dadurch, dass die Räume einer öffentlichen Einrichtung durch privatrechtliche Mietverträge mit einem privaten Betreiber vergeben werden. Das BVerwG hat wiederholt entschieden, dass Streitigkeiten über den Zugang zu einer öffentlichen Einrichtung auch dann dem öffentlichen Recht zuzuordnen sind, wenn das Benutzungsverhältnis privatrechtlich ausgestaltet ist. Auf den vorliegenden Fall 17 bezogen, handelt es sich bei der Stadthalle der Gemeinde Forsthausen um eine Einrichtung, die bereits in der Vergangenheit an überörtliche Parteigliederungen anderer Parteien für Wahlkampfveranstaltungen vergeben worden ist. Diese zumindest konkludente Widmung auch für Parteiveranstaltungen ist bislang nicht aufgehoben worden. Die Y-Partei, die zwar rechtsextrem aber nicht verboten ist, besitzt deshalb unter Gesichtspunkten der Gleichbehandlung einen Zulassungsanspruch nach § 5 I PartG und Art. 3 I GG. Vor dem Verwaltungsgericht kann die Y-Partei ihren Anspruch zusätzlich auf die Gemeindeordnung stützen, denn beim Antragsteller handelt es sich um den im Gemeindegebiet Forsthausen ansässigen Kreisverband der YPartei. Das Gericht wird dem Antrag der Y-Partei stattgeben.

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Das Betätigungsfeld der Gemeinden

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Leitsatz 24 Die öffentliche Einrichtung Die öffentliche Einrichtung muss der Daseinsvorsorge dienen. Sie wird von der Gemeinde (zumindest mittelbar) selbst betrieben. Durch einen Widmungsakt wird sie für alle Einwohner und ortsansässigen Gemeinschaften bereitgestellt. Die wichtigsten öffentlich-rechtlichen Organisationsformen sind der Regiebetrieb, der Eigenbetrieb und die Anstalt öffentlichen Rechts. Will die Gemeinde eine öffentliche Einrichtung in einer privaten Rechtsform (z.B. als GmbH) betreiben, muss ihr Einfluss auf die wesentlichen Entscheidungen sichergestellt bleiben.

Lektion 12: Privatisierte Betriebe, Wirtschaftstätigkeit

Lektion 12: Privatisierte Betriebe, Wirtschaftstätigkeit Die Palette kommunaler Dienstleistungen ist in der Regel groß und erstreckt sich im Rahmen der allgemeinen Daseinsvorsorge von der Müllabfuhr über die Stadtwerke der Energie- und Wasserversorgung bis hin zu Altenpflege- und Krankenhausbetrieben. Das Recht kommunaler Wirtschaftsbetätigung leitet sich direkt aus dem Prinzip der Eigenverantwortlichkeit der Gemeinden gemäß Art. 28 II GG ab.

Einschränkungen In den Gemeindeordnungen der Länder wird Art und Umfang der wirtschaftlichen Betätigung begrenzt. Die kommunale Wirtschaftstätigkeit: XXmuss durch einen öffentlichen Zweck gerechtfertigt sein. XXdarf nicht ebenso gut und wirtschaftlich durch privatwirtschaftliche Unternehmen erfüllt werden („Subsidiaritätsklausel“). XXmuss nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Gemeinde und zum voraussichtlichen Bedarf stehen. Durch diese Einschränkungen soll eine Überforderung der Gemeinde und ein ungleicher Wettbewerb mit Privatbetrieben vermieden werden. Die Erforderlichkeit des öffentlichen Zwecks der Wirtschaftstätigkeit reicht von der Versorgungssicherheit über soziale Beweggründe bis hin zu ökologischen Gesichtspunkten. Die reine Gewinnerzielungsabsicht rechtfertigt aber nicht eine kommunale Wirtschaftstätigkeit.

Organisationsformen Die kommunale Wirtschaftstätigkeit der Gemeinden kann in der öffentlich-rechtlichen oder privaten Rechtsform erfolgen. Betätigt sich die

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Das Betätigungsfeld der Gemeinden ­ emeinde selbst wirtschaftlich, etwa durch eine Stelle der GemeindeverG waltung, dann tut sie dies in einem Regiebetrieb. Beispiel: das Friedhofsamt der Gemeinde bestellt bei einer Baumschule Pflanzen. Oft sind Gemeindebetriebe organisatorisch aus der Gemeindeverwaltung ausgegliedert ohne jedoch rechtlich selbständig zu sein, z.B. die Müllabfuhr oder ein städtisches Altersheim. Solche Organisationsformen sind die Eigenbetriebe. Will die Gemeinde sich auch organisatorisch den marktwirtschaftlichen Spielregeln unterwerfen, steht ihr die breite Palette privater Rechtsformen, wie z.B. die (gemeinnützige) GmbH, die AG, der Verein oder die Stiftung zur Verfügung. Näheres zu diesen und weiteren Organisationsformen steht in Lektion 11.

Überörtliche Wirtschaftsbetätigung Der Sinn und Zweck der kommunalen Selbstverwaltung (Art 28 II GG) besteht darin, dass sich die Gemeinde ausschließlich um ihre eigenen Angelegenheiten, also die Angelegenheiten der Einwohner im Gemeindegebiet kümmert. Das muss grundsätzlich auch für die wirtschaftliche Betätigung gelten. Wegen der gemeindeübergreifenden Vernetzungen vieler Betriebsformen, insbesondere bei Versorgungsunternehmen (Energie, Wasser, Abwasser, aber auch Öffentlicher Personennahverkehr) haben mehrere Gemeindeordnungen nun aber unter bestimmten Voraussetzungen auch die Erweiterung wirtschaftlicher Betätigung über das eigene Gemeindegebiet hinaus zugelassen: Es müssen gesetzliche Voraussetzungen vorliegen und die berechtigten Interessen der jeweils anderen Kommune gewahrt bleiben. Suchen Sie bitte einmal in der Gemeindeordnung Ihres Bundeslandes die einschlägigen Vorschriften über Ausmaß und Grenzen der wirtschaftlichen Betätigung! Falls Sie dort nichts finden, könnte auch in der Landesverfassung oder in Spezialgesetzen dazu etwas stehen. Wenn in Ihrem Bundesland aber gar keine diesbezüglichen Regelungen vorhanden sind, ist die überörtliche Wirtschaftsbetätigung untersagt.

Lektion 12: Privatisierte Betriebe, Wirtschaftstätigkeit

Übersicht 9: Grenzen kommunaler Wirtschaftstätigkeit Die kommunale Wirtschaftstätigkeit unterliegt vier Einschränkungen: 1. Öffentlicher Zweck (ein öffentlicher Zweck muss die Wirtschaftstätigkeit rechtfertigen) 2. Subsidiarität (der verfolgte öffentliche Zweck darf nicht ebenso gut und wirtschaftlich durch ein Privatunternehmen erfüllt werden) 3. Leistungsfähigkeit und Bedarf (sie darf die Leistungsfähigkeit der Gemeinde nicht gefährden und muss sich am voraussichtlichen Bedarf orientieren) 4. Überörtlichkeit (eine überörtliche Wirtschaftstätigkeit einer Gemeinde ist nur unter sehr engen Voraussetzungen nach Maßgabe der jeweiligen Gemeindeordnung statthaft)

Privatisierung Die Privatisierung kommunaler Einrichtungen ist im letzten Jahrzehnt stark fortgeschritten. Der Anlass dazu war die angespannte Situation der kommunalen Haushalte und die Erwartung, dass privatisierte Einrichtungen effizienter und ökonomischer zu führen seien als in der Regie der öffentlichen Verwaltung. Das Stichwort „Privatisierung“ bedeutet nicht immer zwangsläufig die (teilweise) Veräußerung kommunaler Einrichtung an private Dritte. Oftmals wird auch die bloße Rechtsformumwandlung, z.B. vom Eigenbetrieb in eine private GmbH mit der ihr eigenen zivilrechtlichen Organisationsstruktur als Privatisierung verstanden, obwohl sich an der Eigentümerschaft und dem Einfluss der Kommune nichts ändert. Dies nennt man formelle Privatisierung; derartige Organisationsformen werden als Eigengesellschaft bezeichnet. Lesen Sie dazu noch einmal die Ausführungen in Lektion 11.

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Das Betätigungsfeld der Gemeinden Eine „echte“ Privatisierung, die sog. Aufgabenprivatisierung findet allerdings nur dann statt, wenn sich auch die Eigentumsverhältnisse am kommunalen Dienstleistungsbetrieb oder der Einrichtung überwiegend ändern, wenn sich die Kommune also von einer bisherigen Aufgabenerledigung zurückzieht und ihren Dienstleistungsbetrieb oder ihre Einrichtung an ein Privatunternehmen veräußert. Die Änderung der Eigentumsverhältnisse hat zwangsläufig den Wegfall oder doch die Reduzierung der Einflussnahme durch die kommunalen Gremien zur Folge. Von einer öffentlichen Einrichtung kann dann nicht mehr die Rede sein. In der Praxis haben sich zum Beispiel einige größere Kommunen, die über einen größeren Wohnungsbestand verfügten, durch radikale Veräußerung an private Wohnungsbauunternehmen von dieser kommunalen Aufgabe getrennt. Begründung: Das Vorhalten von Wohnungen gehört nicht zur kommunalen Daseinsvorsorge. Die Aufgabenprivatisierung ist im Unterschied zur bloß formellen Privatisierung eine „echte“, weil die bisherige öffentliche Einrichtung an einen privaten Unternehmer veräußert wird. In diesem Fall zieht sich die Kommune von der Aufgabenerfüllung zurück. Eine weitere Verlagerung öffentlicher Aufgaben, nämlich die funktionale Privatisierung, betrifft die Beauftragung sog. Verwaltungshelfer, die in bestimmten Teilbereichen für die Kommune tätig werden, z.B. Abschleppunternehmen, die auf Anordnung von Gemeindepolitessen Autos entfernen und ihre Kosten im Rahmen einer kommunalen Dienstleistungskonzession vom Verkehrssünder direkt kassieren oder aber auch das Erstellen von Bauplanungsunterlagen durch Architekturbüros. Zu erwähnen sind hier auch noch die sogenannten Beliehenen. Das sind Privatpersonen, die dazu „bestellt“ wurden, früher einmal öffentlichrechtliche Funktionen zu übernehmen. Ein gutes Beispiel sind die öffentlich bestellten Vermessungsingenieure, deren Arbeit sich nach dem Vermessungs- und Liegenschaftsgesetz richtet. Die Vermessungsgebühren ergehen nach einer Gebührenordnung als Bescheid und können durch die Gemeinden vollstreckt werden.

Lektion 12: Privatisierte Betriebe, Wirtschaftstätigkeit

Verwaltungshelfer und Beliehene sind Private, die öffentliche Funktionen wahrnehmen. Deren eigentlich öffentliche Aufgaben wurden (nur) funktionell privatisiert.

Fall 18 Das Klinikum der Stadt F. ist als Eigenbetrieb organisiert. Sein Haushalt ist fast ebenso groß wie der städtische Haushalt. In den vergangenen Geschäftsjahren war es dem Klinikum immer gelungen, schwarze Zahlen zu schreiben. Durch weitere Reformen im Gesundheitswesen besteht jedoch die konkrete Gefahr der Verschuldung in Millionenhöhe. Außerdem sind dringend Investitionen in ein Bettenhaus nötig, die vom Land nicht erstattet werden. Was ist der Stadt F. als Trägerin des Klinikums zu raten? Privatisierte kommunale Einrichtungen besitzen in der Praxis den erheblichen Vorteil, dass negative Bilanzen nicht automatisch auf den kommunalen Haushalt durchschlagen und dass es möglich ist, auf dem privaten Kapitalmarkt Kredite zu beschaffen. Legt man den vorliegenden Fall 18 zugrunde, müssten sämtliche Schulden bzw. Verbindlichkeiten des als (unselbständiger) Eigenbetrieb organisierten Klinikums direkt aus dem städtischen Haushalt ausgeglichen werden. Dies stellt wegen der erheblichen Dimension ein kaum zu vertretenes Haushaltsrisiko dar. Der Stadt F. ist deshalb zu raten, den Eigenbetrieb Klinikum etwa in die Rechtsform der GmbH oder einer gemeinnützigen AG umzuwandeln. An den Eigentumsverhältnissen braucht sich nichts zu ändern. Als zivilrechtlich organisierte Einrichtung wäre das Klinikum dann auch in der Lage, für die Erneuerung des Bettenhauses Investi­ tionskredite zu beschaffen und die Maßnahmen vorzufinanzieren. Eine weitere Alternative wäre die (teilweise) Veräußerung des Klinikums an einen privaten Investor. Der Nachteil kommunaler Einrichtungen, bei denen eine Rechtsformumwandlung stattgefunden hat, besteht darin, dass zumindest im herkömmlichen Buchungssystem der „Kameralistik“ oftmals gegen den Grundsatz der Haushaltswahrheit und -klarheit verstoßen werden kann. Derartig ausgegliederte privatisierte Einrichtungen führen ein finanzielles

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Das Betätigungsfeld der Gemeinden Eigenleben und sind insofern der unmittelbaren Haushaltskontrolle des Gemeinderates entzogen, obwohl sie nach wie vor der Gemeinde gehören. Manche Großstädte haben deshalb fast all ihre öffentlichen Einrichtungen, vornehmlich die defizitären, ausgegliedert und in private Rechtsformen umgewandelt. Beim neuen kommunalen Buchungssystem der „Doppik“ müssen allerdings auch die finanziellen Beteiligungen der Gemeinde im Haushaltsplan aufgeführt werden. – Bei einer „echten“ Privatisierung, also bei der vollständigen oder teilweisen Veräußerung kommunaler Einrichtungen reduziert sich auch die Einflussnahme des Gemeinderates auf die Betriebsführung erheblich.

Übersicht 10: Formen der Privatisierung Bei der Privatisierung unterscheiden wir drei Formen: XXFormelle

Privatisierung Dabei handelt es sich um eine reine Umwandlung öffentlicher Rechtsformen in private Rechtsformen. An den Eigentumsverhältnissen der Gemeinde ändert sich nichts.

XXAufgabenprivatisierung

Hierbei handelt es sich um eine echte Privatisierung, denn die Gemeinde zieht sich von Dienstleistungsaufgaben zurück indem sie diese an Privatunternehmen veräußert. XXfunktionelle

Privatisierung Davon ist die Rede, wenn Teilaufgaben auf sogenannte Verwaltungshelfer ausgelagert und von diesen erfüllt werden.

Public Private Partnership (PPP) Lange Zeit galt die öffentlich-private Partnerschaft (englisch schlagwortartig mit PPP abgekürzt, deutsch auch als ÖPP bekannt) als eine Art Zauberformel moderner kommunaler Wirtschaftstätigkeit. PPP kann definiert werden als langfristige, vertraglich geregelte Zusammenarbeit

Lektion 12: Privatisierte Betriebe, Wirtschaftstätigkeit zwischen öffentlicher Hand und Privatwirtschaft zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben. Die erforderlichen Potentiale (z.B. Betriebsmittel, Kapital, Personal, Know-how) werden dabei zusammengeführt. Mit solchen gemischtwirtschaftlichen Projekten werden z.B. im Bausektor konkrete Neubau- oder Sanierungsmaßnahmen in unterschiedlichen Bereichen staatlicher Daseinsvorsorge realisiert (z.B. Schulen, Krankenhäuser, Justizvollzugs­ anstalten). Der private Partner übernimmt in solchen Modellen die komplette Herstellung einer Immobilie sowie die Unterhaltung und den Betrieb. Hierfür erhält er von der Kommune ein Entgelt (Pacht oder Miete), mit dem der Private die von ihm erbrachten Investitionen sowie seine kalkulatorischen Kosten refinanziert. Wichtig bei solchen Verträgen ist aus kommunaler Sicht die uneingeschränkte Gewährleistung einer unabhängigen Nutzung des zur Verfügung gestellten Objektes ohne Einflussnahme der Privaten auf die Inhalte z.B. des Schulbetriebs. Dem Bundesgesetzgeber war und ist die Öffentlichprivate Partnerschaft (ÖPP) wegen der damit verbundenen Rückführung des Staates auf seine Kernaufgaben rechtspolitisch so wichtig, dass er sogar ein „Gesetz zur Beschleunigung der Umsetzung von Öffentlich Privaten Partnerschaften und zur Verbesserung gesetzlicher Rahmenbedingungen für Öffentlich Private Partnerschaften“ erlassen hat.

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Leitsatz 25 PPP bzw. ÖPP Mit Öffentlich-Privater Partnerschaft, englisch: Public Private Partnership (abgekürzt: engl. PPP, dt. ÖPP) wird eine vertraglich vereinbarte Zusammenarbeit zwischen den Kommunen und der Privatwirtschaft umschrieben. In der Praxis werden nach diesem Modell vielfach Leasing- oder Mietverträge über Immobilien geschlossen, wobei der private Vertragspartner den Bau der später öffentlich genutzten Immobilie finanziert und dafür im Gegenzug von der Kommune ein Nutzungsentgelt erhält.

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Das Betätigungsfeld der Gemeinden

Wirtschaftsförderung Zur kommunalen Wirtschaftstätigkeit könnte man im weitesten Sinne auch die Wirtschaftsförderung rechnen. Ihr Ziel ist in erster Linie die Gewerbeansiedlung, aber auch die Bindung am Ort bereits vorhandener Betriebe und Unternehmen. Diese sind für die Kommunen zum einen wegen der Gewerbesteuereinnahmen und zum anderen aus beschäftigungspolitischen Gründen wichtig. Was die Gewerbeansiedlung anbetrifft, so stehen die meisten Gemeinden zueinander im Wettbewerb. Deshalb kann sich die kommunale Wirtschaftsförderung nicht mit dem Angebot preiswerter Gewerbegrundstücke begnügen, sondern muss sich insbesondere um eine optimale Verkehrsanbindung kümmern und weitere Standortvorteile herausarbeiten. Dazu gehört nicht zuletzt die zügige Bearbeitung von Anträgen und Betriebsgenehmigungen durch die Gemeindeverwaltung. Größere Gemeinden gründen oftmals eine aus der Verwaltung ausgegliederte professionell arbeitende Wirtschaftsförderungsgesellschaft.

Vergaberecht Die Gemeinden selbst oder ihre Einrichtungen betätigen sich seit jeher wirtschaftlich durch öffentliche Aufträge, sei es zur Beschaffung von Büroeinrichtungen oder zur Beauftragung von Straßenbaufirmen. Dabei unterliegen sie den komplizierten Regeln des Vergaberechtes, die hier im Einzelnen nicht dargestellt werden können. Das Vergaberecht umfasst alle Regeln und Vorschriften, die das Verfahren für die öffentlich-rechtlichen Behörden und Institutionen beim Einkauf von Gütern und Dienstleistungen vorschreiben. Grundlagen sind einerseits das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), die Vergabeverordnung (VgV) sowie die Verdingungsordnungen VOL/A, VOB/A und VOF für Liefer-, Dienstleistungs- und Bauaufträge und andererseits die EU-Vergaberichtlinie, das sogenannte EU-Legislativpaket. Die Anwendung dieser Vergabevorschriften setzt aber erst bei bestimmten Auftragssummen als Schwellenwerte ein. Die Schwellenwerte bilden die Grenzen, ab denen Aufträge öffentlich ausgeschrieben werden müssen. Unterhalb der Schwellenwerte ist nach einer Grundsatzentscheidung des BVerwG der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten für unberücksich-

Lektion 12: Privatisierte Betriebe, Wirtschaftstätigkeit tigte Anbieter nicht eröffnet. Rechtsschutz muss dann bei den Zivilgerichten eingeholt werden. Das Vergaberecht regelt die Erteilung öffentlicher Aufträge an private Firmen. Ab gesetzlich geregelten Schwellenwerten müssen solche Aufträge öffentlich ausgeschrieben werden.



Fall 19

Im Rathaus Forsthausen fehlen zuverlässige Putzkräfte. Der Vertrag mit einer kleinen privaten Reinigungsfirma war ausgelaufen. Der Bürgermeister erinnert sich daran, dass die Stadtreinigung, die zwar jetzt als GmbH organisiert ist, aber noch immer zu 100 Prozent der Gemeinde gehört, auch über eine erfahrene Putzkolonne verfügt. Schnell wird er sich mit dem von ihm eingesetzten Geschäftsführer der Stadtreinigung GmbH einig. Ab sofort sollen die Räume des Rathauses zu im Reinigungsgewerbe durchschnittlichen Kosten von dem privatisierten Gemeindebetrieb geputzt werden. Ein Reinigungsunternehmen aus der Nachbargemeinde beanstandet diese Auftragsvergabe. Nach seiner Auffassung hätte der relativ umfangreiche Auftrag öffentlich ausgeschrieben werden müssen, denn die Gemeinde Forsthausen habe die Rathausreinigung schließlich an eine Firma vergeben, die wie sie selbst auch in einer privaten Rechtsform geführt werde. Auf die Eigentumsverhältnisse komme es nicht an. Wenn es sich bei den Vertragspartnern, wie hier, um verschiedene juristische Personen handele, würden nun einmal die strengen Vergaberichtlinien gelten. Hat das Reinigungsunternehmen aus dem Nachbarort Recht? Hätte öffentlich ausgeschrieben werden müssen? Wenn öffentliche Auftraggeber die von Ihnen benötigten Dienstleistungen nicht auf dem freien gewerblichen Markt bestellen, sondern vom eigenen Personal aus ihren öffentlichen Einrichtungen erledigen lassen, wird die Dienstleistung sozusagen „im Haus“ (englisch: „in-house“) erbracht. Solche „In-House-Geschäfte“ unterliegen grundsätzlich nicht den Regeln des Vergaberechts. Anders kann es natürlich aussehen, wenn sich eine vormals öffentliche Einrichtung juristisch und organisatorisch auf das Gebiet des Privatrechts

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Das Betätigungsfeld der Gemeinden begeben hat und weiterhin von der öffentlichen Körperschaft Aufträge erhält. Muss sie sich dann nicht den Spielregeln des Vergaberechts unterwerfen? Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat dazu in einer Grundsatzentscheidung (namens Teckal) festgestellt, dass das Vergaberecht bei Dienstleistungsaufträgen grundsätzlich dann anzuwenden ist, wenn der Vertrag zwischen einer Gebietskörperschaft und einer von dieser rechtlich verschiedenen Person geschlossen wird. Allerdings liegt immer dann ein „In-House-Geschäft“ vor, das vergabefrei ist, wenn folgende Kriterien kumulativ, also zusammen, gegeben sind: XXDer öffentliche Auftraggeber ist am Auftragnehmer nicht nur anteilmäßig beteiligt, sondern übt eine umfassende Kontrolle über den Auftragnehmer wie über seine eigenen Dienststellen aus. XXDer Auftragnehmer ist im Wesentlichen für den öffentlichen Auftraggeber tätig. In unserem Fall 19 wäre nach dieser Entscheidung des EuGH grundsätzlich das Vergaberecht anzuwenden, und der Auftrag öffentlich auszuschreiben gewesen, weil der Vertrag über die Reinigung des Rathauses Forsthausen zwischen der Gemeinde als Gebietskörperschaft und einer von dieser juristisch unterschiedlichen Person, nämlich der Stadtreinigung GmbH geschlossen wurde. Da aber die Stadtreinigung GmbH zu 100 Prozent der Gemeinde Forsthausen gehört und diese auch personell Einfluss nimmt sowie Kontrolle auf die GmbH ausübt, liegt ein „In-House-Geschäft“ vor, zumal die Stadtreinigung GmbH fast ausschließlich für die Gemeinde tätig ist. Deshalb müssen im vorliegenden Fall 19 ausnahmsweise die Vergaberichtlinien keine Anwendung finden. Das konkurrierende Reinigungsunternehmen kann deshalb eine öffentliche Ausschreibung der Rathausreinigung nicht verlangen.

Lektion 12: Privatisierte Betriebe, Wirtschaftstätigkeit

Konkurrentenrechtsschutz Die Erwerbsinteressen privater Unternehmer können immer dann mit den Interessen der Kommunen kollidieren, wenn beide als Dienstleister im selben Marktsegment wirtschaftlich tätig sind. Die Privatunternehmer haben einen Anspruch auf Einhaltung der o.g. Selbstbeschränkungen kommunaler Wirtschaftstätigkeit, nämlich die Rechtfertigung der Wirtschaftstätigkeit durch einen öffentlichen Zweck sowie die Berücksichtigung der Subsidiaritätsklausel. Außerdem sind die ebenfalls in dieser Lektion genannten Schranken für eine überörtliche Wirtschaftstätigkeit einzuhalten. Es ist mittlerweile nicht mehr umstritten, dass für solche Konkurrentenstreitverfahren der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet ist. Klageart ist die allgemeine Leistungsklage. Die Klagebefugnis ergibt sich aus dem drittschützenden Charakter der Subsidiaritätsklausel bzw. dem Erfordernis des öffentlichen Zwecks der kommunalen Wirtschaftstätigkeit. Mit anderen Worten: Sofern ein im selben Dienstleistungsbereich tätiger Privatunternehmer glaubhaft machen kann, dass die Kommune mit ihrer Wirtschaftstätigkeit gegen die Subsidiaritätsklausel oder das Erfordernis des öffentlichen Zwecks verstoßen hat, ist eine Verletzung seiner Rechte möglich. Seine Klagebefugnis ist demnach gegeben. Wenn die Kommunen marktwirtschaftlich tätig werden, dürfen sie mit privaten Unternehmen nur unter Einhaltung bestimmter Schranken in Konkurrenz treten. Insbesondere darf der öffentliche Zweck der kommunalen Wirtschaftstätigkeit nicht genau so gut vom Privatunternehmen angeboten werden (Subsidiaritätsgebot).

Hier nun eine Übersicht über die verschiedenartigen kommunalen Anbieter.

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Das Betätigungsfeld der Gemeinden

Übersicht 11: Kommunale Anbieter Öffentliche Einrichtungen (Daseinsvorsorge) Rechtsform öffentlich

privat

XXRegiebetrieb

XXGmbH

XXEigenbetrieb

XXAG

XXAnstalt

XXVerein

Private Einrichtungen (Daseinsvorsorge) privates Mehrheitseigentum, private Rechtsform XXvöllig

privatisierte öffentliche Aufgabe

XXteilweise XXPrivate

funktional privatisierte öffentliche Aufgabe

Public Partnership (PPP)

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Bezeichnungen in den Bundesländern

Anhang: Bezeichnungen in den Bundesländern a) Gemeinderat Baden-Württemberg

Gemeinderat

Bayern

Gemeinderat, Stadtrat, ­Marktgemeinderat

Brandenburg

Gemeindevertretung, ­Stadtverordnetenversammlung

Bremen

Stadtbürgerschaft (Bremen), Stadtverordnetenversammlung, (Bremerhaven)

Hamburg

Bürgerschaft

Hessen

Gemeindevertretung, ­Stadtverordnetenversammlung

Mecklenburg-Vorpommern

Gemeindevertretung, Stadtvertretung (Hansestädte: Bürgerschaft)

Niedersachsen

Rat der Gemeinde, Rat der Stadt

Nordrhein-Westfalen

Rat der Gemeinde, Rat der Stadt

Rheinland-Pfalz

Gemeinderat, Stadtrat

Saarland

Gemeinderat, Stadtrat

Sachsen

Gemeinderat, Stadtrat

Sachsen-Anhalt

Gemeinderat, Stadtrat

Schleswig-Holstein

Gemeindevertretung, Stadtvertretung (Hansestädte: Bürgerschaft)

Thüringen

Gemeinderat, Stadtrat

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Anhang:

b) Gesamtgemeinde Baden-Württemberg

Gemeindeverwaltungsverband

Bayern

Verwaltungsgemeinschaft

Brandenburg

Amt

Hessen

Gemeindeverwaltungsverband

Mecklenburg-Vorpommern

Amt

Niedersachsen

Samtgemeinde

Rheinland-Pfalz

Verbandsgemeinde

Sachsen

Verwaltungsverband, Verwaltungsgemeinschaft

Sachsen-Anhalt

Verwaltungsgemeinschaft

Schleswig-Holstein

Amt

Thüringen

Verwaltungsgemeinschaft

c) Gemeindeordnung Bremen, Bremerhaven

Verfassung für die Stadt

Brandenburg

Kommunalverfassung

Mecklenburg-Vorpommern

Kommunalverfassung

Niedersachsen

Kommunalverfassungsgesetz

Saarland

Kommunalselbstverwaltungsgesetz

Thüringen

Kommunalordnung

Bezeichnungen in den Bundesländern

d) Gemeinden mit Sonderstatus Große Kreisstädte in Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen Große selbständige Stadt bzw. Selbständige Gemeinde in Niedersachsen Große kreisangehörige Stadt in Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Thüringen Mittlere kreisangehörige Stadt in Nordrhein-Westfalen Mittelstadt im Saarland In Hessen besitzen sieben Städte ohne besondere Bezeichnung einen Sonderstatus

e) Besonderheiten in Bayern „Märkte“ sind nach der bayerischen Gemeindeordnung große Gemeinden, die diese Bezeichnung entweder historisch tragen oder neu verliehen bekommen. „Erster Bürgermeister“ wird der Bürgermeister in kreisangehörigen Gemeinden genannt. Der Gemeinderat wählt aus seiner Mitte einen oder zwei weitere (ehrenamtliche) Bürgermeister, den „zweiten“ bzw. „dritten Bürgermeister“. In Gemeinden mit mehr als 10.000 Einwohnern werden „berufsmäßige Gemeinde-/Stadträte“ als Beamte auf Zeit gewählt. Sie erfüllen die Funktion von Beigeordneten.

f) Landesverfassungsgerichte Staatsgerichtshof für das Land Baden-Württemberg Bayerischer Verfassungsgerichtshof

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Anhang:

Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin Verfassungsgericht des Landes Brandenburg Staatsgerichtshof der Freien Hansestadt Bremen Hamburgisches Verfassungsgericht Staatsgerichtshof des Landes Hessen Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Niedersächsischer Staatsgerichtshof Verfassungsgerichtshof Nordrhein-Westfalen Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz Verfassungsgerichtshof Saarland Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt Landesverfassungsgericht Schleswig-Holstein Thüringer Verfassungsgerichtshof

Abkürzungen AG Aktiengesellschaft

GO Gemeindeordnung

AGVwGO Ausführungsgesetz zur VwGO

GWB

Art. Artikel

KAG Kommunalabgabengesetz

AöR

Anstalt des öffent­ lichen Rechts

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkung

KO Kommunalordnung

BauGB Baugesetzbuch

KWahlG Kommunalwahlgesetz

BauO Bauordnung

lat. lateinisch

BVerfG Bundesverfassungsgericht

LGebG Landesgebührengesetz

BVerfGG Bundesverfassungsgerichtsgesetz

PartG Parteiengesetz

BVerwG Bundesverwaltungsgericht

SGB Sozialgesetzbuch TVödD

Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes

BVerwGE Entscheidungen des BVerwG, amtliche Sammlung

OVG Oberverwaltungs­ gericht

d.h.

das heißt

u.a.

unter anderem

EU

Europäische Union

usw.

und so weiter

EuGH Europäischer ­Gerichtshof

VGH Verwaltungs­ gerichtshof

etc.

vgl. vergleiche

et cetera

f. folgende ff. fortfolgende frz. französisch GG Grundgesetz ggf. gegebenenfalls GmbH

Gesellschaft mit beschränkter Haftung

VwGO Verwaltungs­ gerichtsordnung z.B.

zum Beispiel

z.T.

zum Teil

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Sachregister

A

Abgaben, kommunale 36 Äquivalenzprinzip 38 Allzuständigkeit 12 Anordnungsbefugnis 96 Anschluss -und Benutzungszwang 33 f. Anstalt 101 f. Asylbewerber 25 Aufgaben, kommunale 23 ff. Aufsichtsbehörde 96 ff. Auskunftspflicht 81 Ausschüsse 69 f.

B

Baugesetzbuch 40 Beanstandungsrecht 81, 97 Beauftragte 71 Bebauungsplan 40 Befangenheit 66 Beigeordnete 77 f. Beiräte 71 Beiträge 35 f. Beliehener 108 Benutzungsordnung 32 f. Bezirke 71 Bürgerbegehren, Bürgerentscheid 57 ff. Bürgerbeteiligung 61 f. Bürgerbüro 83 Bürgermeister 76 ff.

D

Daseinsvorsorge 23, 100 Dezernent 77 f. Dienstaufsichtsbeschwerde 17, 84 Diskontinuitätsprinzip 64 Doppik 45 Dualistisches System 27

E

e-Government 86 Eigener Wirkungskreis 23, 95 Eigenverantwortung 12 Einwohner 53 f. Eingemeindung 15 Einrichtung, öffentlich-rechtliche 99 ff. Ersatzvornahme 96 EU-Bürger 54 EuGH 114 Europarecht 6

F

Fachaufsicht 98 Finanzhoheit 16 Finanzausgleich, kommunaler 16 Fraktionen 67 f. Freiwillige Aufgaben 24

G

Gebietskörperschaft 8 Gebühren 35 ff. Gemeinde 7, 49 f. Gemeindeordnung 6 Gemeindegebiet 7 Gemeinderat 56, 62 ff. Gemeindeverbände 88 ff. Gemeindeverwaltung 17, 83 Gemeindevorstand 79 Gesamtgemeinde 9, 91 Geschäftsordnung 62 Gesetzesvorbehalt 13, 34 Gewerbesteuer 16 f. Gleichstellungsbeauftragte 71 Grundrechtsfähigkeit 19 Grundsteuer 16

Sachregister

H

N

Hauptsatzung 42 f. Negativkatalog 57 Haushaltsplan 44, 63 Normenkontrolle 46 ff. Haushaltssatzung 44 O Höchstalter 79  Öffentliche Einrichtung 99 ff. I Öffentlich private Partnerschaft In-House-Geschäft 114 (ÖPP) 111 f. Organleihe 28 f. K Organisationsformen, Kameralistik 44 öffentlich-rechtliche 100 f. Kernbereich 14 f. Organisationsformen, Kollegialorgan 79 privatrechtliche 101 Kommunalabgabengesetz 36 f. Organisationshoheit 12 Kommunalaufsicht 95 ff. P Kommunalparlament 62 Panaschieren 55 Kommunalverfassung 50 ff. Pflichtaufgaben 23 f. Kommune 7 Planungshoheit 13 Konnexitätsprinzip 28 f. Public Private Partnership Konkurrentenrechtsschutz 115 (PPP) 111 f. Kostendeckungsprinzip 38 Pressestelle 84 Kreationsbefugnis 64 Privatisierung 107 ff. Kreisausschuss 90 Kreisfreie Städte 91 Q Kreistag 90 Quorum 57 f., 80 Kreisordnung 89 Kumulieren 54 f.

R

L

Landkreise 7, 89 ff. Landrat 89 ff. Landschaftsverbände 88

M

Migrantenbeauftragter Mitwirkungsverbot Monistisches System

43, 72 66 f. 27 f.

Ratsmitglieder 65 ff. Rechtsaufsicht 95 Rechtsinstitutionsgarantie, objektive 11 f. Rechtsschutz 18 ff. Rechtssubjektsgarantie, institutionelle 11 Regionalverband 92 Repräsentativorgan 62, 76

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Sachregister

S

Satzungen 32 ff. Schlüsselzuweisungen 16 Selbstverwaltungsgarantie 11 ff. Selbstverwaltung, kommunale 49 ff. Sitzungen 68 Sondernutzung 37 Sonderstatus 91 Sparkassen 101 Sperrwirkung 58 Spitzenverbände, kommunale 94 Staatsaufgaben 90 Stadtteilvertretungen 71

U

Übertragener Wirkungskreis 24, 95 Unterrichtungspflicht 81

V

Vergaberecht 114 f. Verhältniswahl 54 Vertretungsverbot 66 Verwaltungshelfer 108 Verwaltungsleitung 83

W

Wahlen 53 ff. Wahlbeamte 76 Weisungsbefugnis 95 Wirkungskreis, eigener 23, 95 Wirkungskreis, übertragener 24, 95 Wirtschaftsbetätigung, überörtliche 106

Z

Zuständigkeit Zweckverband

83 f. 93 f.

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